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ENZYKLOPÄDIE
DES
EISENBAHNWESENS
HERAUSGEGEBEN VON
Dr. FREIHERR VON ROLL
EHEM. SEKTIONSCHEF IM ÖSTERREICHISCHEN EISENBAHNMINISTERIUM.
IN VERBINDUNG MIT ZAHLREICHEN EISENBAHNFACHMÄNNERN.
Redaktionsausschuß :
Staatsbahndirektor Hofrat Blaschek, Villach; Ministerialdirektor Breusing, Berlin; Ge-
heimer Baurat Professor Cauer, Berlin; Geheimer Regierungsrat Professor Dr.-Ing.
Dolezalek, Berlin; Verbandsdirektor Professor Dr.-Ing. Giese, Berlin; Wirklicher Geheimer
Oberregierungsrat a. D. Herrmann, Berlin; Wirklicher Geheimer Rat, Staatsminister a. D.
Hoff, Berlin; Geheimer Oberbaurat Hoogen, Berlin; Wirklicher Geheimer Rat Professor
D r. V. der Leyen, Berlin; Hofrat Professor Dr.-Ing. Melan, Prag.
An den Redaktionsarbeiten beteiligt:
Baurat Obermayer; Staatsbahnrat Pollak;
Bahnoberkommissär Dr. GrUnthal.
ZWEITE, VOLLSTÄNDIG NEUBEARBEITETE AUFLAGE.
NEUNTER BAND.
Seehafentarife — Übergangsbogen.
Mit 492 Textabbildungen, 9 Tafeln und 2 Eisenbahnkarten.
URBAN & SCHWARZENBERG
BERLIN WIEN
N., FRIEDRICHSTRASSE 105b. I., M A X I M I L I A N ST R A SS E 4.
1921.
Alle Reclite, gleichfalls das Recht der Übersetzung in die russische Sprache, vorbehalten.
Copyright 1Q20 by Urban & Schwarzenberg, Berlin.
\^^^ REMOTE STORAGE
Vv3
i'
Mitarbeiter.
Es sind nur jene Fachmänner genannt, die für den vorliegenden Band Beiträge geliefert haben.
Ein vollständiges Mitarbeiterverzeichnis folgt im nächsten Bande.
Baltzer, Geh. Oberbaurat, ordentlicher Honorar-Professor an der Technischen Hochschule Berlin
Beyerle, Finanzrat bei der Generaldirektion der wiirttembergischen Staatseisenbahnen Stuttgart
Birk, Hofrat, Professor an der Deutschen Technischen Hochschule Prag
Breidsprecher, Geh. Baurat, Professor Wiesbader»
Breusing, Ministerialdirektor Berlin
Cauer, Geh. Baurat, Professor an der Technischen Hochschule Berlin
Cimonettt, Ministerialrat im Staatsamt für Verkehrswesen Wien
Dietler, Dr.-Ing., Direktionspräsident der Gotthardbahn a. D Luzern
Dolezal, Hofrat, Professor an der Technischen Hochschule Wien
Dolezalek, Dr.-Ing., Geh. Regierungsrat, Professor an der Technischen Hochschule . . Berlin
Enderes, Sektionschef im Staatsamt für Verkehrswesen Wien
Feil, Dr.-Ing., Baurat im Staatsamt für Verkehrswesen Wien
Fink, Geh. Baurat a. D Hannover
t Firnhaber, Dr., Oberregierungsrat a. D Marburg
Giese, Dr.-Ing., Professor, Verkehrsdirektor des Verbandes Qroß-Berlin Berlin
t Gölsdorf, Dr.-Ing., Sektionschef im Eisenbahnministerium Wien
Grunow, Geh. Oberregierungsrat Berlin
Grunow, Oberregierungsrat Bremen
Guillery, Baurat München
Hausmann, Geh. Regierungsrat im Reichswirtschaftsamt Berlin
Haußmann, Geh. Regierungsrat, Professor an der Technischen Hochschule Berlin '
Hoogen, Geh. Oberbaurat, Vortragender Rat im Ministerium der öffentlichen Arbeiten Beriin
. Hoyer, Baurat, Professor an der Technischen Hochschule Hannover
.» T" Igel, Professor an der Technischen Hochschule Berlin
■Ic Jahn, Professor an der Technischen Hochschule Danzig
J, Januschka, Senatspräsident beim Verwaltungsgerichtshof a. D Wien
^ Kemmann, Dr.-Ing., Geheimer Baurat Berlin
Q- Kleinwächter, Professor, Generaldirektor der Aussig-Teplitzer Eisenbahn Teplitz
t Launhardt, Dr.-Ing., Geh. Regierungsrat, Professor an der Technischen Hochschule Hannover
V. der Leyen, Dr., Wirkl. Geh. Rat, ordentlicher Honorar-Professor an der Universität Berlin
Littrow, Hofrat im Eisenbahnministerium a. D Wien
£ Lucas, Geh. Hofrat, Professor an der Technischen Hochschule Dresden
1^^ Melan, Dr.-Ing., Hofrat, Professor an der Deutschen Technischen Hochschule .... Prag
_) Mertens, Dr., Geh. Regierungsrat Beriin
</' Metzeltin, Regierungsbaumeister Hannover
"^ Micke, Dr., Regierungsrat, Direktor der Großen Berliner Straßenbahn Berlin
' . Obermayer, Baurat im Staatsamt für Verkehrswesen Wien
U- Pernt, Dr.-Ing., Oberbaurat im Elektrisierungsamt Wien
■ Pichler, Sektionschef im Staatsamt für Verkehrswesen . . . .• Wien
~ Pollak, Staatsbahnrat im Elektrisierungsamt Wien
Rihosek, Ministerialrat im Staatsamt für Verkehrswesen Wien
Sanzin, Dr.-Ing., Professor, Oberbaurat im Staatsamt für Verkehrswesen Wien
■ Scheibner, Oberbaurat a. D Beriin
- Seefehlner, Direktor der Union-Elektrizitätsgesellschaft Wien
i_ Seidel, Regierungsrat Beriia
*^ Spitzner, ehem. Sektionschef im Eisenbahnministerium Wien
^tCOo-''^- -^
Seehafentarife (sea porf rates; tarifs spe-
ciaiix d'exportation et d'importation par mer;
tariffc speciale d'csportazione e d'importazione
per marc) sind differentiell gebildete Tarife,
die den Zweck verfolgen, den Güterverkehr
über bestimmte Seehäfen zu fördern. Sie sind
ein sehr geeignetes Mittel zur Erzielung
wirtschaftspolitischer Wirkungen und bilden
daher einen wichtigen Faktor der protektioni-
stischen Eisenbahntarifpolitik. Die wirtschaft-
lichen Ziele sind im wesentlichen zweifacher
Art. Vor allem soll durch diese Tarife die
Ausfuhr inländischer Güter und die Einfuhr
namentlich von Rohstoffen erleichtert werden,
deren die inländische Wirtschaft bedarf. Durch
eine entsprechende Herabminderung der Bahn-
frachten im Verkehr zwischen den Seehäfen und
den im Binnenland gelegenen Erzeugungs- und
Verbrauchsorten sollen dem in Betracht kommen-
den Güterversand und Güterbezug dieser Orte
die Vorteile des billigen Seewegs möglichst unge-
schmälert zugänglich gemacht werden. Da durch
die S. die im Binnenland gelegenen Erzeu-
gungs- und Verbrauchsorte den Seehäfen
gleichsam örtlich nähergerückt werden sollen,
werden bei der differentiellen Bildung dieser
Tarife insbesondere die Transporte auf große
Entfernungen eine vorzugsweise Behandlung
zu erfahren haben. Außer der Unterstützung
der heimischen Aus- und Einfuhr verfolgen
die S. auch das weitere Ziel, den Güter-
umschlag und den Handel in den eigenen
Häfen im Interesse der Hebung des Volkswohl-
standes zu fördern. Von diesem Gesichtspunkt
ausgehend wird bei der Erstellung von S. auf
die Heranziehung von Verkehren zwischen aus-
ländischen Wirtschaftsgebieten über die eigenen
Seehäfen und auf die Bekämpfung des Wett-
bewerbs der über fremde Seehäfen führenden
Verkehrswege Bedacht zu nehmen sein. Der-
artige Wettbewerbsbestrebungen können dazu
führen, daß bezüglich des Verkehrs mit den
eigenen Seehäfen die Frachtsätze für größere
Entfernungen sogar absolut niedriger gehalten
■werden als jene für geringere Entfernungen.
Die Hebung des Verkehrs der eigenen Seehäfen
kommt mittelbar auch wieder der eigenen
Aus- und Einfuhr zu gute, da sich dieser in-
folge der Belebung der Seeschiffahrt im eige-
nen Hafen vermehrte Verschiffungsgelegen-
heiten bieten. Wenn es auch klar ist, daß die
Aufnahme des Wettbewerbs zwischen den See-
häfen verschiedener Staaten zu großen finan-
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
ziehen Einbußen der beteiligten Eisenbahnen
führen muß, so stellen sich doch den Bestre-
bungen, einen solchen Wettbewerb durch strikte
Vereinbarungen auszuschließen, bei der Wichtig-
keit und Mannigfaltigkeit der in Frage kom-
menden Interessen große Schwierigkeiten ent-
gegen. Ein Versuch in dieser Richtung wurde im
Jahre 1874 unternommen; durch die Schaffung
einer als „Seehafenvereinigung" bezeichneten
Organisation und durch die Festsetzung eines
bestimmten Spannungsverhältnisses zwischen
den Frachtsätzen für die einzelnen deutschen,
belgischen und niederländischen Häfen sollte
damals der durch das Nebeneinanderbestehen
von Staatsbahnen und großen Privatbahnen
geförderteschrankenloseWettbewerb der Bahnen
bezüglich des Verkehrs der Nord- und Ostsee-
häfen mit Österreich-Ungarn geregelt werden.
Nach verschiedenen Wandlungen kam es schließ-
lich zu der „Konvention betreffend die Regelung
der Verkehrsbeziehungen zwischen den Nord-
und Ostseehäfen einerseits, Wien, Prag und
Budapest anderseits", die mit I.August 1882
in Kraft trat. Bereits im Jahre 1884 wurden
abermalige Verhandlungen zwecks Abänderung
dieser Konvention eingeleitet, diejedoch ergebnis-
los verliefen, worauf die Seehafenvereinigung
ohne ausdrückliche Kündigung und ohne förm-
liche Auflösung im allseitigen stillschweigenden
Einverständnis ihre Tätigkeit einstellte. Die
vereinbarten Tarifbildungsgrundsätze wurden
jedoch in den einzelnen SpezialVerbänden, so u.a.
im deutsch-österreichisch-ungarischen Seehafen-
verband, im niederländisch-österreichisch-unga-
rischen sowie im belgisch-österreichisch-un-
garischen Eisenbahn verband als „usuelle Tarif-
bildung" mit gewissen, im Jahre 1011 beschlosse-
nen Änderungen im wesentlichen bis heute
beibehalten. Neben den erörterten beiden
Hauptzielen kann mit den S. auch noch das
weitere Ziel der Förderung der heimischen
Seeschiffahrt verfolgt werden. Für diesen Fall
werden die S. an die Bedingung geknüpft,
daß die an den Bahntransport nach oder von
den heimischen Seehäfen anschließende Be-
förderung der Güter zur See mit Schiffen be-
stimmter heimischer Seeschiffahrtsunterneh-
mungen zu erfolgen habe. S. finden sich in den
Tarifen der Eisenbahnen aller am Weltverkehr
beteiligten Länder. Ihr Aufbau ist im Hinblick
auf die Vielfältigkeit der zu berücksichtigenden
Verhältnisse ein ganz verschiedener und meist
sehr umständlicher.
1
Sehvermögen. - Seilbahnen.
Sehvermögen s. Hör- und Sehvermögen.
Seilbahnen (ropeways; cheniins de fer funi-
culaires; ferrovic fnnicularc), Bahnen, bei denen
die bewegenden Kräfte durch Seile auf die Fahr-
zeuge übertragen werden. Seile sind ein vorzüg-
liches Kraftübertragungsmittel, da jede Anspan-
nung unmittelbar Zugkräfte ergibt, ihr Gewicht
verhältnismäßig gering ist und die große Bieg-
samkeit die Anpassung der Kraftleitung an alle
Verhältnisse ermöglicht. Nach der Lage der
Fahrzeuge zur Bahn unterscheidet man:
1. Seilstandbahnen. Der Schwerpunkt der
Fahrzeuge liegt oberhalb der Bahn, die in der
Regel zweischienig, auf festem Erd- oder
Brückenunterbau angeordnet ist.
2. Seilhängebahnen. Der Schwerpunkt der
Fahrzeuge liegt unterhalb der Bahn, die meist
einschienig, aber auch zwei- und mehrschienig
ist und seltener durch eine auf festem Gerüst
gelagerte Schiene, zumeist durch Seile (Tragseile
oder Laufseile) gebildet ist.
Bei den Seilstandbahnen sind daher nur
Zugseile, bei den Seilhängebahnen in der
Regel Zug- und Tragseile vorhanden, wenn
nicht Zug- und Tragseile vereinigt sind. In
einigen Fällen finden noch Gewichts- und
Gegenseile, auch Brems- und Sicherheits-
seile sowie Führungsseile Verwendung.
Die sog. Elektrohängebahnen werden, da der
Antrieb nicht durch Vermittlung eines Seiles
erfolgt, nicht zu den Seilhängebahnen gezählt.
Der Antrieb der Zugseile bei Seilstandbahnen
und Seilhängebahnen erfolgt durch:
\. Schwerkraft,
2. Kraftmaschinen.
Im zweiten Fall wird bei geneigten Bahnen
auch die Schwerkraft ausgenutzt.
Als Seile werden Drahtseile verschiedener
Bauart gebraucht.
Drahtseile.
1. Litzenseile,
2. Spiralseile und Spirallitzenseile,
3. verschlossene Seile.
1. Litzenseile.
Diese bestehen aus mehreren, 5-9 dünnen
Seilen (Litzen), die durch schraubenförmige Win-
dungen um eine Seele (zumeist geteerter Hanf) ver-
Abb. 1.
Abb. 2.
einigt werden. Die Litzen bestehen aus mehreren,
zumeist 5-25 Gußstahldrähten von etwa 1 bis
Beanspruchung schraubenförmig gewunden
werden. Die Windungen der Litzen im Seil
sind entweder entgegengesetzt zu denen der
Drähte in der Litze Kreuzschlagseile (Abb. 1)
- oder gleichgerichtet - Langschlag- oder
Albertschlagseile (Abb. 2).
Letztere haben den Vorteil einer größeren
langgestreckten Arbeitsfläche, daher langsamerer
äußerer Abnutzung sowie größerer Biegsam-
keit; dagegen wird bei den Kreuzschlagseilen
eine gleichmäßigere Beanspruchung aller Drähte
sicherer erreicht.
Zur Vergrößerung der Arbeitsfläche und
Verteilung der Abnutzung auf möglichst viele
xS§fc
.\bb. 3.
Abb. 4.
Drähte \s-erden auch flachlitzige Seile nach
Langschlag (Abb. 3) und 3kantlitzige Seile
(Abb. 4) hergestellt.
2. Spiral- und Spirallitzenseile.
Der Abnutzung wird durch Drähte mit
größerem Durchmesser entgegengewirkt, daher
werden Spiralseile (Abb. 5) und Spiral-
litzenseile (Abb. 6) mit starken Drähten
(3-7 mm), letz-
tere in Kreuz-
und Langschlag
und ohne Hanf-
seele herge-j,
stellt, wodurch
sie auch bei glei-
chem Durch-
messer größere
Tragfähigkeit
erhalten.
Diese Seile
finden zumeist
als Tragseile bei Seilhängebahnen Verwendung.
3. Verschlossene Seile.
Die Seile erhalten glatte Oberflächen, er-
geben daher geringste Abnutzung; sie werden
Abb. 5.
Abb. 6.
Abb. 10.
hauptsächlich aus schraubenförmig gewundenen
Formdrähten hergestellt (Abb. 7- 10).
Wenn die Seile nicht gestaucht werden, be-
3 mm Stärke, die zur Erreichung gleichmäßiger ] steht keine Gefahr des Heraustretens gerissener
Seilbahnen.
Drähte, die namentlich bei den nach dem
Kreuzschlag ausgeführten Litzenseilen groß ist.
Infolge des dichten Schkisses wird auch das
Eindringen von Feuchtigkeit in das Innere ver-
hindert. Die Seile sind aber weniger biegsam,
die Formdrähte haben geringere Festigkeit wie
I^unddrähte und die Stoffausnutzung ist wegen
ungleicher Drahtstärken und -formen un-
günstiger wie bei den Seilen mit gleichstarken
Runddrähten. Die „verschlossenen Seile" finden
meist als Tragseile bei Seilhängebahnen Ver-
wendung. In letzter Zeit traten an ihre Stelle
mehrfach die starkdrähtigen Spirallitzenseile,
die die Vorteile größerer Drahtfestigkeit und
wegen gleicher Drahtquerschnitte günstigere
Stoffausnutzung ergeben, dagegen etwas größere
Biegungsbeanspruchungen erleiden wie die ver-
schlossenen Seile. Dem Obelstand des Heraus-
tretens gerissener Oberflächendrähte bei den
Litzen- und Spiralseilen kann der Vorteil des
leichteren Erkennens der Drahtbrüche gegen-
übergestellt werden.
Ausreichende Erfahrungen hierüber, welcher
der beiden Seilarten für Tragseile der Vorzug
zu geben ist, liegen noch nicht vor.
Beanspruchung der Drahtseile.
Eine zutreffende rechnerische Ermittlung der Be-
anspruchung der Drahtseile ist infolge der ver-
wickelten Vorgänge bei ihrer Herstellung und Be-
nutzung und der noch fehlenden eingehenderen Ver-
suche nicht durchführbar. Man muß daher in erster
Linie die vorliegenden Erfahrungen und die von den
Seilfabrikanten durchgeführten Einzelbruchversuche
heranziehen oder sich mit .\nnäherungsrechnungen
und Formeln begnügen, wobei zu unterscheiden ist
zwischen „Zugseilen", die die Zugkräfte übertragen
und um Seilscheiben geschlungen werden, und
„Tragseilen", die in der Regel an einem Ende fest-
gehalten, am andern mit einem Spanngewicht ver-
sehen sind und durch die Raddrücke der Fahrzeuge
belastet werden.
Zugseile.
Die Beanspruchung o der runddrähtigen Litzen-
seile, die in der Regel als Zugseile gebraucht werden,
setzt sich hauptsächlich aus Zugbeanspruchung 0,
und Biegungsbeanspruchung Oo zusammen; sieht
man von den nicht zu vermeidenden dynamischen
Beanspruchungen ab, so ist
= a, +0;
ft ■ -7-
^ ^ D
•1)
Es bezeichnen: S die Seilzugkraft; ft den Durch-
messer der gleichstarken Runddrähte; n die Anzahl
der Runddrähte; E den Elastizitätswert, der mit
1800—2000 tjcm- durchschnittlich angenommen wird;
C einen Abminderungswert; D den Seilscheiben-
durchmesser.
Der verschieden angenommene Abminderungs-
wert schwankt von
C = 0-375 bis C= 1,
abgesehen von noch größerer Abminderung, die
Hrabäk (s. Literatur) für 3mal geflochtene Rund-
seüe annahm. Da außer den durch die Verseilunu
bedingten Vorspannungen noch zusätzliche, durch
Reibungskräfte, Pressen der Drähte gegeneinander,
gegen die Rollen und Scheiben entstehende Span-
nungen sowie auch Verdrehungsspannungen auf-
treten, so empfiehlt es sich in allen Fällen, C= L
außerdem noch einen dem Zweck des Seiles ent-
sprechend hohen Sicherheitsgrad anzunehmen (s. hier-
über Literatur: Benoit, Woernle).
F jr runddrähtige Litzenseile ist der
wirksame Querschnitt F = n ■ —r-,
der Seildurchmesser d""» = L5 8'"'" ]'/i
das Seilgewicht q''S''" = 00076 n Ö^.
Die Biegungsbeanspruchung a, wird umso kleiner,
je größer der Seilscheibendurchmesser D und je
kleiner die Drahtstärke 8 ist.
Tragseile.
Für Seilhängebahnen werden zumeist „ver-
schlossene" Seile (Abb. 7 — 10) oder runddrähtige
„Spiralseile" und Spirallitzenseile (Abb. 5 u. 6) als
Tragseile gebraucht.
Die Beanspruchung a setzt sich zusammen aus
der Zugspannung a, , die meist die durch ein
Spanngewicht bewirkte Seilspannung erzeugt, und
aus der Biegungsspannung Oj, hervorgerufen durch
die Raddrücke der rollenden Last, die außerdem
noch Scherspannungen ergeben.
Sieht man von letzteren sowie von dynamischen
Beanspruchungen ab, die im vorliegenden Fall nur
einen geringen Beitrag zu den Oesamtspannungen
liefern, so ist annähernd
, H , Ge.j E' „^
ö = ö, +03= ^+-2- y^^ 2)
Es bezeichnen:
H die Seilspannung; ihre Größe ergibt sich aus
dem Spanngewicht und wird zweckmäßig größer
gewählt, als dem Kleinstwert der Beanspruchung
entspricht; häufig geschieht dies auch zur Ein-
schränkung des Seildurchhanges;
F den wirksamen Seilquerschnitt, der für ver-
schlossene Seile mit dem Durchmesser d etwa
:n82
/^=0'9 -,— gesetzt werden kann;
4
Q das Gewicht des Fahrzeugs, daher der Rad
druck G
^ bis -7- als Einzellast zu setzen ist, je
2 4
nachdem 2 oder 4 Laufräder vorhanden sind (bei
Anordnung von 4 Laufrädern werden also die
Biegungsbeanspruchungen etwas vermindert);
/ die Summe der Trägheitsmomente (Querschnitts-
Nullinie) der Querschnitte der einzelnen Drähte;
e der vorkommende Größtabstand der äußersten
Faser von der Nullinie des Drahtes;
E der Elastizitätswert, der mit 18.000 bis
20.000 kgimm' angenommen werden kann.
Die Biegungsbeanspruchung ct, nimmt ab mit
zunehmendem / und zunehmender Seilspannung M.
Die Gleichung 2 ergibt sich aus den Ableitungen
von Winkler (bei Vernachlässigung des Eigen-
gewichts) (s. Literatur Isaachsen u. Woernle).
Für Seile (Spiral- und Spirallitzenseile) mit n
gleichstarken Runddrähten von 8 Durchmesser wird
der wirksame Querschnitt F= n ■ -j-' das Trägheits-
moment
/ = n~ = /=■ (-rj , emax = -y ' daher
o = ö, -|- ö.
H
F
a
U
F
•3)
Die Beanspruchung ist also unabhängig von der
Drahtstärke. Da der Unterschied in der Stärke der
1'
Seilbahnen.
einzelnen Formdrähte „verschlossener Seile" meist
nicht beträchtlich ist, so gibt die bequemere Formel 3
auch für diese Fälle annähernd brauchbare Werte.
Für die Drahtseile der S. wird im allgemeinen
Gußstahldraht von 90-250 *?-/mm- Bruchfestigkeit
verwendet: meist geht man über lüO kg mm- nicht
hinaus. Unter sonst gleichen Verhältnissen hat der
dünne Runddraht größere Festigkeit wie der Form-
draht.
Für Seile von Güterbahnen mit kurzer Benutzungs-
dauer, wie namentlich für Bauzwecke, begnügt man
sich mit 3 -äfacher Sicherheit; für Personenbahnen
mit dauernder Benutzung wird 8-lOfache Sicher-
heit, oft auch noch mehr gegen die Bruchgrenze
verlangt.
Seilbrüche auf den S. gehören zu den Selten-
heiten, da sie meist richtig überwacht große Sicher-
heit verlangt, Zeichen der Schwächen des Seiles
meist äußerlich sichtbar und häufige Erneuenmg
gefordert werden. Auf der Dolder S. bei Zürich trat
am 7. Juli 1909 ein Seilbruch ein. Die Unter-
suchung ergab, daß trotz des äußerlich gün-
stigen Aussehens des Seiles im Innern starke
Verrostungen stattfanden, so daß der Querschnitt
der einzelnen Drähte kaum mehr '3 des ursprüng-
lichen betrug. Das Seil hat etwa lOJahre m Betrieb
gestanden und sollte demnächst ausgewechselt werden.
Die Seillängen sind hauptsächlich durch die
Transport- und Montierungsverhältnisse beschränkt
und werden daher meist nicht über 1000 m geliefert;
Abb. 11. Bleichertsche Seilkupplung.
Seilstandbahnen.
Seilbetrieb auf Steilbahnen, Berg-
bahnen.
A. Schwerkraftantrieb.
1. Bremsberge. Bremsberge nennt man in
der Regel S. in stärkerer Neigung, wobei der
abwärts gehende beladene Wagen den unten
geleerten Wagen wieder aufwärts zieht. Beide
Wagen hängen an einem Zugseil, das am
oberen Ende der Bahn um eine Seilscheibe
geschlungen oder mit ihr befestigt ist.
Der mit der Bahnneigung wechselnde Kraft-
überschuß des abwärts gehenden Wagens wird
zur Regelung eines gleichmäßigen Ganges der
Fahrzeuge mit begrenzter Geschwindigkeit durch
die an der Seilscheibe angeordnete Band- oder
Backenbremse nach Erfordernis abgebremst.
Die Bremsberge finden zumeist im Bergbau,
in Steinbrüchen, "zur Holz-, Baustoff- und Erd-
förderung Verwendung (s. Bremsberge,
Bd. III, S. 8).
2. Bahnen mit Übergewichtsbetrieb.
Die Förderung einer Nutzlast nur nach auf-
wärts oder sowohl auf- wie abwärts macht die
Verwendungeines
Gewichtswagens
oder die Anord-
nung einer Über-
lastung des jeweils
abwärts gehenden
die erforderlichen größeren Längen werden besser
durch Seilkupplungen verschiedener Art erreicht, die
so angeordnet sind, daß sie ohne Gefahr von den
Wagen befahren werden; sie haben sich auch aus-
reichend bewährt. Abb. 11 zeigt eine von Bleichert,
Leipzig-Gohlis, eingeführte Seilkupplung.
Die mit ringförmigen Eisenkeilen enx eiterten Seil-
enden werden in Stahlmuffen H eingeführt, die durch
ein Schraubenschloß M verbunden werden.
Die Drahtseilfabriken geben Tabellen heraus,
aus denen für die verschiedenen Seilarten Abmes-
sungen, Gewichte und Bruchfestigkeiten zu entnehmen
sind^ wovon bei Entwürfen für S. zweckmäßig
Gebrauch gemacht werden kann.
Literatur: Benoit u. Woernle, Die Drahtseil-
frage. Karlsruhe 1915. - Rudeloff, Erfahrungen
über das Unbrauchbarwerden der Drahtseile. Mitt.
d. kgl. Material - Prüfungsamtes Beriin 1915. -
Heilandt, Vergleich der Seilsicherheiten. München
1915. - Wahrenberger, Beanspruchung und
Lebensdauer von Drahtseilen für .Aufzüge. Ztschr.
dt. Ing. 1915. - Woernle, Zur Beurteilung der
Draht'seilschwebebahnen. Karlsruhe 1913. - Bach,
Maschinenelemente 1913. - Bonte, Versuche über
den Wirkungsgrad von Seilen. Ztschr. dt. Ing. 1913.
- Bock, Die Bruchgefahr der Drahtseile. Hannover
1909. - Isaachsen, Die Beanspruchung von Draht-
seilen. Ztschr. dt. Ing. 1907. -.Hirschland, Die
Formänderung von Drahtseilen. Hannover 1906. -
Benndorf, Beiträge zur Theorie der Drahtseile.
Ztschr. d. Ost. Ing.-V. 1905. - Hrabäk, Die Draht-
seile. 1902. - Divis, Über Seildraht und Draht-
seile. Ost. Zt. f. Berg- u. Hüttenwesen. 1900.
Wagens erforderlich. Als Belastung ist in den
meisten Fällen Wasser zweckmäßig, da es viel-
fach am oberen Bahnende billig zu gewinnen,
am unteren leicht abzulassen ist; daher wird Was-
sergewicht anderen Belastungsarten vorgezogen.
a) Gewichtswagenbetrieb. Zur Förde-
rung von Rohgütern oder Baustoffen von unten
nach oben wird ein abwärts gehender Gewichts-
wagen (Wasserkasten oder Faß) ohne Nutzlast
benutzt, der mit dem aufwärts gehenden be-
ladenen Förderwagen durch ein Seil verbunden
ist, das am oberen Bahnende um eine Seil-
scheibe gewunden oder mit ihr befestigt wird.
Die Regelung der Fahrgeschwindigkeit und
das Anhalten der Fahrzeuge erfolgt wie bei
den Bremsbergen durch eine an der Seilscheibe
angeordnete Backen- oder Bandbremse. Weitere
Siäerheitsvorkehrungen sind in der Regel
nicht vorhanden. Um billige Anlagen zu er-
möglichen, wird die Bahn dem Gelände tun-
lichst angeschmiegt; sie weist daher meist
verschiedene Neigungsverhältnisse auf.
Kürzere Bahnen sind meist zweigleisig, größere
eingleisig mit Ausweiche in der Mitte, die
auch so angeordnet sein kann, daß an der
Begegnungsstelle der Gewichtswagen unter
dem "pörderwagen durchgeleitet wird.
Seilbahnen.
Im Bergbau und beim Bau von Gebirgs-
bahnen findet diese Seilbahnart mehrfach Ver-
wendung.
b) Wasserübergewichtsbetrieb. Die
Förderung auf stark geneigter zweischieniger
Bahn mit wechselnder Nutzlast nach ab- und auf-
wärts erfolgt so, daß der abwärts gehende
Wagen nach Maßgabe der Belastungen der
beidenWagen mit einem entsprechenden Wasser-
gewicht versehen wird.
Beide Wagen, deren Fahrtrichtung wechselt,
erhalten daher Wasserkästen, die oben nach
Erfordernis gefüllt und unten wieder entleert
werden; sie hängen an einem, ausnahmsweise
auch an 2 Seilen, die in den Gleisen zur Ver-
meidung größerer Widerstände und Abnutzung
auf Rollen laufen und am oberen Bahnende
über eine Seilscheibe geführt sind (Abb. 12).
Bedingungsgleichung für den Betrieb:
(e, + P) sin a= Qi sin ß + (v, ^ Q. + P) w ± qh + R . . . 1)
daher die erforderliche Wassermenge P für den ab-
wärts gehenden Wagen :
<2, sin ß- Q2 sin a-\-(Q\ + Qz) w ^ qk -{- R
P = -
■ 2)
sin a~w
Es bezeichnen: Q, die größte aufwärts, Q^ die
kleinste abwärts gehende Wagenlast. Der ungünstigste
Fall tritt ein für den voll belasteten Wagen aufwärts
und den leeren abwärts; a und ß die Neigungs-
winkel der Bahn an den jeweiligen Stellungen von
Q2 und Q, ; w den Laufwiderstand der Wagen, der
wegen geringer Fahrgeschwindigkeit mit 3 — 5 kgt
angenommen wird und der sich in Bögen, die meist
200-1000/« Halbmesser haben, um 1-3 kglt er-
höht, daher auch im teilweise gekrümmten Gleis der
Laufwiderstand der beiden Wagen verschieden groß
sein kann; q das Seilgewicht für 1 m Länge; li den
Höhenunterschied in der jeweiligen Stellung der
beidenWagen; qh die abwärts wirkende Seitenkraft
des Seilgewichts ; sie ändert sich während der Fahrt
und wird positiv. Null und negativ; R den Wider-
stand der Seilbewegung auf den Laufrollen im Gleis
und auf der Seilscheibe; seine Größe wächst mit
der Seillänge und im Bogen. Bei 10 teilweise in
Bogen liegenden Bahnen von 100- 1700 m Länge
haben die Versuche die Widerstände auf Laufrollen
und Seilscheibe mit 0'1-VQ kglm, also im Durch-
schnitt mit 0'6 kglni ergeben.
Für eine Bahn mit wechselnden Neigungs-
verhältnissen wird wegen der Winkeländerungen
der Wasserbedarf im allgemeinen verschieden
und für die ungünstigsten Stellungen der
Wagen aus Gleichung 2 zu ermitteln sein, in-
dem für a und ß die entsprechenden Winkel-
werte zu setzen und die richtigen Vorzeichen
für qh zu berücksichtigen sind.
Für die Bahn mit gleicher durchgehender
Neigung auf volle Länge wird a = ß.
Die abwärts gerichteten Seitenkräfte der
Wagengewichte, daher auch die erforderlichen
Wassergewichte ändern sich in diesem Fall
nicht. Für ein gewichtloses Seil würde daher
die die Endpunkte M und N (Abb. 12) ver-
bindende Gerade die richtige Form des Längen-
schnitts der Bahn ergeben.
Durch die mit der Wagenstellung sich
ändernde Seilbelastung tritt aber eine Änderung
in den beiderseitigen Wagenbelastungen ein,
was Geschwindigkeitsänderungen zur Folge hat.
Auch die Laufwiderstände der beiden Wagen
können verschieden sein, wenn ein Wagen in
der Geraden, der andere dagegen im Bogen
sich bewegt.
Den Änderungen des Seilgewichts kann durch
entsprechendes strecken weises Ablassen des
Wassers aus dem abwärts gehenden Wagen
oder durch Anordnung eines gleich schweren
Gegenseils, das am unteren Bahnende um
eine Seilscheibe geführt wird, Rechnung ge-
tragen werden. Das Gesamtgewicht der Anlage
wird durch das Gegenseil ungünstig erhöht.
Am zweckmäßigsten ist es daher, das Bahn-
neigungsverhältnis in dem Maß zu mindern,
wie die Wagenbelastungen durch die wech-
selnden Seillängen geändert werden. Das führt
zur Anordnung des sog. theoretischen
Längenschnitts, der von der die Endpunkte
verbindenden Geraden MN umsomehr ab-
weicht, je größer das Seilgewicht ist.
Der theoretische Längenschnitt ergibt sich
als eine gemeine Zykloide, an deren Stelle
namentlich bei kleinen Anlagen mit geringem
Seilgewicht die quadratische Parabel ge-
setzt wird.
Die für die etwas umständliche rechnerische Er-
mittlung des zykloidischen Längenschnitts erforder-
lichen Gleichungen und Werte hat v. Reckenschuß
(s. Literatur) gegeben. Die quadratische Parabel hat
Vautier (s. Literatur) als theoretischen Längenschnitt
vorgeschlagen.
Für die Ermittlung der parabolischen Bahn
gibt v. Reckenschuß die Gleichungen:
y==^^x^ + ^(l-BL)x 3)
Es bezeichnen nach Abb. 12 L die Länge der
Bahn, x und/ die Koordinaten, Z., die wagrechte Pro-
jektion der Länge, H die Höhe der Bahn.
„ H-wL ,.
^ = '^-2Q,-/y-f/?TT 4)
DieBezeichnungen^, iv, /?und Qi wie in Gleichung 1.
Seilbahnen.
Als erster Näherungswert ist anzunehmen:
^ = ^' + ^
.5)
als zweiter Näherungswert dann:
8 D^-^^'
3 G^
G
.ba)
wenn G = '^L,''-\-fi- die Verbindungsgerade der bei-
den Bahnendpunkte M und A' und D= -= y^ den
lotrechten Parabelpfeil bezeichnet für_y, bei x^ =^-
Die zweite Näherung für L ist ausreichend genau.
Die quadratische Parabel weicht von der
Zykloide ab und liegt etwas höher als diese.
Die Abweichungen von dem theoretischen
Längenschnitt (Zykloide) bedingen größere
Wasserbelastungen, daher größere Wagen-
gewichte und stärkere Seile und infolge un-
gleichförmiger Bewegung häufigere Geschwin-
digkeitsregelung durch die Bremsen, die aller-
dings auch bei dem theoretischen Längen-
schnitt infolge der doch wechselnden Wider-
standswerte u' und R zumal bei den teilweise
in Bögen liegenden Bahnen und sonstigen
Unregelmäßigkeiten nicht zu vermeiden sind.
Da die Abminderung der Baukosten die tun-
lichste Anschmiegung der Bahn an das Ge-
lände bedingt, so wird in der Regel der theo-
retische Längenschnitt, dem man sich anzu-
nähern sucht, nicht eingehalten.
In diesen Fällen ist aber darauf zu achten,
daß die Kettenlinie (Parabel) des freihängenden
Seiles bei größter Seilspannung noch unterhalb
des Längenschnitts verläuft, damit ein Abheben
des Seiles von den in den Gleisen angeordneten
Laufrollen, das bei Anordnung des theoreti-
schen Längenschnitts nicht vorkommt, sicher
vermieden wird. Gefällsbrüche sind daher auch
mit großen Krümmungshalbmessern auszu-
runden. Der für das Anfahren erforderliche
Mehraufwand an Kraft ist durch Vergrößerung
des Wasserübergewichts, was aber wegen Er-
höhung des Gesamtgewichts nicht günstig ist,
daher besser durch Vergrößerung des Gefälles
am oberen und Verminderung am unteren
Ende zu erreichen.
Wenn das Seilabheben von den Laufrollen
durch eine entsprechende einheitliche Längen-
schnittsform, wie namentlich beim Übergang
aus einem starken in ein schwaches Gefälle
nicht verhindert wird, kann man in anderer
Weise für das Aufliegen des Seiles auf den
Laufrollen sorgen, wie durch Teilen der
Bahn in 2 voneinander unabhängige Seil-
strecken mit entsprechenden Längenschnitten
oder, wie z. B. auf der S. von Charlanne nach
Bourboule (s. Literatur), wo ein besonderer
kleiner Seilwagen mit 2 Seilscheiben, der durch
Untergreifen der Schienenköpfe vom Abheben
gesichert wird, dem Personenwagen auf dem
starken Gefälle abwärts bis an den Gefällsbruch
unmittelbar folgt, dort aber durch die zu
beiden Seiten des Gleises angeordneten Böcke
Oben
x
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Abb- 13.
Abb. 14.
Abb. 15.
festgehalten wird, so daß der Personenwagen
im schwachen Gefälle allein weitergeht und
das Seil durch die Seilscheiben in der er-
forderlichen Lage auf den Laufrollen fest-
gehalten wird.
Die Bahnen für Wasserübergewichtsbetrieb
weisen Größtneigungen bis b2Q% auf.
Abb. 16.
Die Gleise erhalten Spurweiten von 075 bis
1-2 m, zumeist 1 m. Sie werden tunlichst ge-
rade geführt, doch sind Bögen nicht nur in
den Ausweichen, sondern auch in den übrigen
Strecken nicht zu vermeiden. In der Regel
I
Seilbahnen.
liegen in den Gleisachsen Zahnstangen (Leiter-
oder Stufenstangen), in die Zahnräder der
Wagen zur Regelung der Fahrgeschwindig-
keit und Bremsen eingreifen, denn an der Seil-
scheiüe sind Bremsen nicht vorhanden. Nur
ausnahmsweise, wie z. B. an der S. Regoledo
am Comersee, ist im Gleis keine Zahnstange.
Die Geschwindigkeitsregelung geschieht hier
durch eine Stations-
bremse.
Für kurze S. sind
zweigleisige (Abb. 13),
für größere Längen
dreischienige Anlagen
mit Ausweiche an
der Kreuzungsstelle
der Wagen (Abb. 14)
oder eingleisige An-
lagen mit selbsttätiger
Ausweiche (Abb. 15)
zweckmäßig. Die Aus-
weichen haben meist
50- 120 «Länge. Die
selbsttätige Ausweiche
bedingt die aus Abb. 1 6
ersichtliche Räderbau-
art; hiernach erhalten
die Außenräder 2 Spurkränze, dagegen die
Innenräder, die die Schienenunterbrechungen
übersetzen, große Breiten, aber keine Spur-
kränze. Ausnahmsweise wurden die Ausweichen
auch so angeordnet, daß ein Fahrzeug 2 innere
und das andere 2 äußere Spurkränze erhielt. In
besonderen Fällen, die namentlich
durch die Form des Längenschnitts
gegeben sind, werden die Gleise ohne
Ausweiche angeordnet; die beiden
Wagen gehen nur bis zur Gleismitte,
wo ein Umsteigen der Reisenden
stattfindet. Die Wasserfüllung der ab-
wärts gehenden Wagen erfolgt dann
nicht nur in der oberen, sondern auch
in der iMittelstation.
Die zur Verhütung des Schleifens
des Seiles in Abständen von 10— 15/k
dem Seildurchhang entsprechend in
den Krümmungen etwas enger ange-
ordneten Laufrollen sind zumeist aus
Gußeisen mit 240 - 300 mm Durch-
messer und zur Verminderung der
Seilabnutzung häufig mit Holz- oder
Weichmetallfütterung der Rillen aus-
geführt. In den Gleisbogen werden die
entsprechend geformten Rollen geneigt gestellt.
Die Zugseile werden auf der oberen Bahnstation
über Seilscheiben (Umleitungsrollen) aus Guß-
eisen oder Gußstahl geführt (s. Abb. 17 u. 18)
mit Durchmessern von 3 - 4 /«, deren Rillen
zur Erhöhung der Seilreibung mit Holz, aus-
nahmsweise auch mit Leder gefüttert sind. Die
Seilreibung wird noch erhöht durch Ablenk-
rollen von 1 — 3 w Durchmesser wegen größerer
Umspannung der Seilscheibe; sie sind auch zur
Abb. IS. UmleitungsroUen.
ZusammenführungderSeileimGleiserforderlich.
Vor der Seilscheibelst in der Regel der Wasser-
Abb. 19.
behälter angeordnet, von dem die Zuleitung nach
dem Gleis führt, in dem der Wagen steht.
DieWagenfürden Personen verkehr haben
ungefähr die aus Abb. 19 ersichtliche Form
mit stufenförmig angeordneten, etwa 25 - 50
8
Seilbahnen.
Sitz- und Stehplätzen und einem unter dem
Fußboden liegenden Wasserkasten (bis etwa
7000 /Fassungsraum). Auf einer oder auf beiden
Laufachsen befinden sich Zahnräder (Abb. 16),
die in die Zahnstangen des Oberbaues ein-
greifen. Die Bremsen wirken auf die Zahnräder;
sie haben nicht nur die Regelung und Begren-
zung der Fahrgeschwindigkeit, sondern auch
das Feststellen der Fahrzeuge an jeder Stelle des
Gleises, namentlich im Fall eines Seilrisses zu
bewirken. Die Seilscheibe erhält keine Bremsen.
Meist sind 4 Arten von Bremsen vorhanden,
u.zw. eine Handbremse zur Regelung der Fahr-
geschwindigkeit, eine selbsttätig wirkende Bremse
beim Seilbruch, eine Fliehkraftbremse, die bei
Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit
wirkt, und eine Rücklaufbremse, eine selbsttätig
sich schließende Spindelbremse, die zunächst
ein Fortlaufen der Wagen auf der Station
verhindert; der Führer des Wagens, der die
Bremskurbel dauernd hält, kann den Wagen
rasch bremsen. Die Fahrgeschwindigkeit beträgt
meist nicht mehr wie 1 - 2 m Sek.
Die Hauptverhältnisse von 10 Schweizer S. mit
Wasserübergewichtsbetrieb sind folgende:
Betriebslängen 106- 1700 m;
Höhenunterschied der Endstationen 30 - 440 m ;
Größtneigungen 1 30 - 570 °m ;
Krümmungshalbniesser 120- 320 ot;
Spurweite 075— 12/«;
Zahnstangen Riggenbach und Abt;
Seile: Litzenseile nach Langschlag;
Seilgewichte 2 — 3ükg!m;
Seildurchmesser 25-33w/«;
Größte normale Seilbelastung Lö- 7'2/;
Wagengewichte 4-10/;
Wagenplätze 20-50;
Erforderliche Wassermenge für eine Leerfahrt
0-7-4-7/;
Anlagekosten für 1 km Bahn 297.000 -1,1 16.000 Fr.
Der Betrieb mit Wasserübergewicht erscheint,
wenn Wasser billig zur Verfügung steht, für
kurze, steile Bahnen mit geringerem Verkehr
zweckmäßig, denn Maschinenanlagen und deren
Bedienung fallen fort. Für größere Anlagen
treten aber die Nachteile dieser Betriebsweise
in den Vordergrund, wie das Wassergewicht,
das größere Belastungen, daher größeres Seil-
gewicht sowie größere lebendige Kräfte (größere
Gefahr im Fall eines Seilbruches) bedingt, die
durch Bremsarbeit einzuschränken sind. Auch
die hierbei notwendige Einschaltung der Zahn-
stange in das Gleis erfordert Mehrkosten.
B. Maschinenantrieb.
Von beiden am Seil hängenden Wagen geht
der eine abwärts, der andere aufwärts; was
hierbei von der Schwerkraft nicht geleistet wird,
übernimmt die Kraftmaschine, die somit an die
Stelle der Wasserbelastung tritt. Zumeist sind
elektrische, auch Verbrennungsmaschinen, aus-
nahmsweise Dampfmaschinen und Wasserkraft-
maschinen in Verwendung.
Der elektrische Antrieb wird in der Regel
vorgezogen, namentlich wenn Wasserkräfte zur
Verfügung stehen, so daß den zumeist an der
oberen, seltener an der unteren Station oder
in der Bahnmitte angeordneten Maschinen der
im Tal erzeugte Strom billig zugeführt werden
kann. Nur in wenigen Fällen erfolgt der Antrieb
der Elektromotoren durch Gas-, Benzin- oder
Dampfmaschinen.
Die für den Maschinenantrieb erforderliche
Kraft ist nach Abb. 12
P= Qi sin fi-Q,sm a ^ {Q, + Q.) w ±qh + R .. 6)
Die Bezeichnungen und die Werte für Lauf-
und Seilwiderstände sind die gleichen wie für
die S. mit Wassergewichtsbetrieb (Gleichung 1).
Die erforderliche Maschinenkraft ist daher:
' ~ 11-75 ^ 11-270 '
wobei V die Geschwindigkeit, 1 — 4 m Sek.,
1] den Wirkungsgrad der Maschine bezeichnen.
Für einen mehrfach gebrochenen Längen-
schnitt ist P für die ungünstigsten Wagen-
stellungen zu ermitteln.
Wegen der Veränderlichkeit des Wertes q h
des Seilgewichts ist wie bei den Bahnen mit
Wassergewichtsbetrieb tunlichste Anpassung der
Bahn an den theoretischen Längenschnitt, der
ebenfalls die Form der gemeinen Zykloide
(Fortfall des Wassergewichts) (s. Literatur
v. Reckenschuß) erhält, zu empfehlen.
An Stelle der Zykloide kann namentlich für
kleinere Anlagen die quadratische Parabel treten,
die etwas höher liegt wie die Zykloide.
Für die Gleichungen der Parabel gilt Glei-
chung 3, nur ist für den Maschinenantrieb statt
Gleichung 4: B ■-
zu setzen.
<3, + <3j
Zur Ermittlung von L dienen wieder Glei-
chungen 5 und 5fl.
Aus baulichen Gründen wird der theoretische
Längenschnitt zumeist nicht eingehalten, es ist
dann darauf zu achten, daß die Seillinie bei
größter Seilspannung so tief liegt wie die Linie
des Längenschnitts, damit ein Abheben des
Seiles von den Rollen vermieden wird, aber
nicht zu tief, damit die Rollen nicht zu stark
belastet werden und der Bewegungswiderstand
wie die Seilabnutzung nicht zu groß ausfallen.
Gefällsbrüche sind daher entsprechend auszu-
runden. Die Größtneigungen der Bergbahnen
mit Maschinenantrieb gehen bis l^^^o (Virgl-
bahn, Tirol). Vorkommende Krümmungen haben
Halbmesser von 120- 600 /n. Die Spurweiten
der Gleise betragen 0'75 — V2m, zumeist 1 m.
Die Gleisanordnung ist die gleiche wie für die
Bahnen mit Wasserübergewichtsbetrieb nach
Seilbahnen.
Abb. 13—15, nur fehlt die Zahnstange mit
wenigen Ausnahmen (z. B. Bürgenstockbahn,
Monte Sa! vatore-Bahn, Schweiz). Eingleisige An-
lagen mit der Antriehsstelle in der Bahnmitte
können nach Abb. 20 (Salvatorebahn) angeordnet
werden. Lange Bahnen werden zweiteilig (Niesen-
bahn, 3524 m lang), auch dreiteilig (Stanzerhorn-
bahn, 3915 /«lang) ausgeführt, bedingen also
Der Onerbau der in der Regel eingleisigen
Anlagen mit Ausweichen in der Mitte hat zu-
meist die Form Abb. 25. Schienen mit Keilkopf-
form (durch die Zangenbremsen bedingt), auf
meisteisernen Schwellen; die beiden Seilrollen in
der .Mitte; für die Ausweichen und in sonstigen
Krümmungen sind die Rollen schräg gestellt
(Abb. 26); Rollenabstand je nach Seilspannung
^
wntM^&tatio'n.
^Goo^tV
Abb. 20. Anordnung der Salvatorebahn.
ein- und zweimaliges Umsteigen; für jeden
Abschnitt sind besondere Maschinenanlagen
vorhanden, die voneinander unabhängig sind.
Die Umsteigstation der zweiteiligen Niesen-
bahn zeigen Abb. 21-23, die Endstation Abb. 24
(Schwz. Bauztg.).
Zumeist sind Litzenseile nach Langschlag
von 2-5 kglm Gewicht und 25 - 40 mm
Durchmesser verwendet.
Abb. 23. Umsteigstation der Niesenbahn.
und Seilgewicht 5—10/«. Der Oberbau wird
zumeist auf gemauerten Unterbau verlegt, mitdem
er zeitweise verankert und gegen Verschiebungen
gesichert wird (Abb. 27, .Anordnung Niesen-
bahn, für 4 Schnitte). Auch die Bahngräben
werden, wenn nicht im Felsboden liegend,
gemauert; neben der Bahn ist bei stärkerer
Bahnneigung eine Treppe für die Begehung
durch die Aufsichtsbeamten vorhanden.
Seilbahnen.
Abb. 24. Endstation der Niesenbahn.
Antrieb sina nauptsächüch Dreiphasenwechsel-
strom-, dann auch Hauptschlußgjeichstrom-,
Nebenschlußgleichstrom- und Verbundgleich-
strommotoren mit 30- 150 PS. Leistung, aus-
nahmsweise weniger in Verwendung. Der An-
triebsmotor wird durch den Schwerkraftantrieb
des abwärts gehenden Wagens unterstützt. Die
Regelung der Fahrgeschwindigkeit und das
Anhalten des Zuges erfolgt durch die Bremsen
von der Maschinenstation aus. Ein hiervon
unabhängiges Feststellen des Wagens, das
namentlich im Fall eines Seilbruches erforderlich
ist, erfolgt selbsttätig durch die an den Wagen
angebrachten Zangenbremsen (Abb. 29), die die
Köpfe der keilförmig geformten Bahnschienen
umfassen und sichere Bremswirkungermöglichen.
Diese Bremse kann auch vom Führer bedient wer-
den und ist nur eine Notbremse, dient also nicht
zur Regelung der Fahrgeschwindigkeit. Weiteres
hierüber s. Art. Elektrische Bahnen, Bd. IV,
S. 282.
Auf 28 einteiligen Seilbahnen der Schweiz
betragen die Längen 290- 2200 in, die Höhen-
unterschiede der Endstationen 72 — 685 /n, die
Größtneigungen 180-680%». Die Anlagen
sind eingleisig mit mittlerer Ausweiche und 120
bis 735 w Krümmungshalbmesser, die Spurweite
ist durchwegs 1 m. Die verwendeten Litzenseile
Abb. 25.
Der Antrieb erfolgt durch Vermittlung von
2, auch 3 Scheiben mit einfacher oder mehrfacher
Umschlingung des Seiles, um die erforderliche
Reibung zu sichern. Die Anordnung einer
Abb. 27. Unterbau der Niesenbahn.
Maschinenstation mit elektrischem Antrieb zeigen
Abb. 28, auch Abb. 21 - 23. Für den elektrischen
Abb. 26.
nach dem Langschlag haben
2-0-40/«OT Stärke und 1-8 bis
48 kgjm Gewicht. Als Antriebs-
maschinen sind Dreiphasen-
wechselstrom- sowie Haupt-
und Nebenschluß-Gleichstrom-
motoren in Verwendung. Brem-
sen sind auf der Antriebsstation,
die von Hand und selbttätig
wirken, sodann Zangenbremsen
am Wagen. Die Wagen haben
4'5 — 7'8 / Eigengewicht und
32-70 Plätze. Die kilometri-
schen Kosten werden mit 1 47.000
bis 1,320.000 Fr. angegeben.
Unter den Schweizers. finden
sich auch drei zweiteilige und
eine dreiteilige mit Gesamt-
längen von 1600, 3500, 4235 m
und 391 0/K mit Höhenunterschieden von 623,
1642, 931 und 1400 m.
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§ v
•V-' 1 '■' ^
1 —
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-
ii
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\
Seilbahnen.
Bauweise Agudio.
Wie schemati-
sche Darstellung
Abb. 30 zeigt, wird
ein Seil ohne Ende,
also ein geschlos-
senes Triebseil von
einer feststehenden
Maschine, durch
dieses Seil dann
ein besonderer
Triebwagen (Lo- r -
komotor) bewegt, mit dem die
erforderlichen bergwärts ge-
stellten Förderwagen für die
Nutzlast verbunden werden.
Durch die Übersetzungen im
Triebwagen wird die Seil-
geschwindigkeit von etwa
12 ffz/Sek. auf ungefähr
3 m 'Sek. herabgesetzt, so daß
eine etwa vierfache Über-
setzung ins Langsame statt-
findet und das Triebseil nur
etwa Y4 der Stärke erhält, die es
als unmittelbar wirkendes Zug-
seil erhalten müßte. Auch istdie
Einrichtung so getroffen, daß
der Wagenzug unabhängig
von der Antriebsmaschine vom
Triebwagen aus bewegt und
angehalten werden kann. Die
Zugkraftübertragung erfolgt
durch Vermittlung eines
Schleppseils oder einer Zahn-
stange mit wagrechten Zähnen,
die in der Gleismitte (Abb. 3 1 )
angeordnet ist und in
die die Zähne der
wagrechten Räder des
Triebwagens eingrei-
fen. Bei der Talfahrt
bleibt das Triebseil in
Ruhe; es wickelt sich
an den Seilscheiben
des Triebrades ab. Die Abb. 30. Bauweise Agudio,
Geschwindigkeit wird durch Bremsen geregelt.
Eine Bahn dieser Bauart führt von Turin auf die Superga (Oruft-
kirche Viktor Amadeus 11., des ersten Königs von Sardinien, und Aus-
sichtspunkt); eine Versuchsstrecke wurde bei Dusino ausgeführt. Die
Hoffnung Agudios aber, diese Seilbahnbauweise für die Überscliienung
der Alpen verwenden zu können, hat sich aus begreiflichen Gründen
nicht erfüllt.
Literatur: Fliegner, Bergbahnsysteme vom Standpunkte der theo-
retischen Maschinenlehre. Zürich 1877. - Abt, Seilbahn am Gießbach.
Zürich 1880. - Qrueber, Die Agudio-Drahtseilbahn auf die Superga
bei Turin. Wschr. d. Österr. Ing.-V. 1885. - Leu, Drahtseilbahn Bürgen-
stock. Seh WZ. Bauztg. 1888. - Strub, Drahtseilbahn Territet-Montreux-
Glion. Aarau 1888. - Vautier, Etüde des chemins de fer funiculaires.
Paris 1892. - Strub, Drahtseilbahn auf den Monte Salvatore. Schwz.
Bauztg. 1892. - Sm allen bürg, Bergbahn Lauterbrunnen - Murren.
11
Abb. 29. Zangenbremsen.
Maficttlnenhaus
btwtgljch
Untere Station
Abb. 31.
12
Seilbahnen.
Schwz. Bauztg. 1892. - Walloth, Die Drahtseil-
bahnen der Schweiz. Wiesbaden 1893. - Reich-
hardt, Die Stanserhornbahn. Ztschr. dt. Ing. 1896.
- W'etzel, Davoä Platz -Schatzalp- Bahn. Schwz.
Bauztg. 1901. - Schleich, Drahtseilbahn des Rigi-
viertels in Zürich. Schwz. Bauztg. 1901. - Strub,
Die Mendelbahn. Schwz. Bauztg. 1903. - N., Funi-
culaire de Charlanne ä la Bourboule. Gen. civ. 1904.
- Abt, Seilbahnen. Hb. d. Ing. \V. 1906. ~ Schmidt,
Bergbahn Heidelberg. Ztschr. dt. Ing. 190S. -
Schwarz, Virglbahn bei Bozen. Organ 1908. —
E. Seefehlner, Beitrag zur Theorie und Praxis
der Seilbahnen. Elektrotechnik und Maschinenbau.
Wien 1909. - Müller, Wirtschaftlichkeit der Schwei-
zer Bergbahnen. Elektr. Kraftbetr. u. B. 1909. —
Lambert, Chemins de fer funiculaires. Paris 1911.
- Strub, Die Drahtseilbahnen der Schweiz. Wies-
baden. — Zehnder-Spörrv, Die Niesenbahn.
Schwz. Bauztg. 1911. - v. Reckenschuß, Der
theoretische Längenschnitt von Drahtseilbahnen mit
Doppelbetrieb. Organ 1913. — Armbruster, Die
Tiroler Bergbahnen. Wien 1913. — Hunziker,
Drahtseilbahn Engelberg-Qerschnialp. Ztschr. dt. Ing.
1913. — Schweizer. Eisenbahndepartement,
Hauptverhältnisse der Schweizer Drahtseilbahnen.
Ende 1913; üingenprofile der Schweizer Drahtseil-
bahnen. 1914.
Seilbetrieb auf Straßenbahnen.
Straßenseilbahnen, auch Kabel- oder Tau-
bahnen.
Bahnen, meist auf städtischen Straßen, bei
denen die Fortbewegung der Fahrzeuge
durch ein Seil ohne Ende K, (Abb. 32) erfolgt,
Motor bewegt wird; die Fahrzeuge erhalten
besondere Klemmvorrichtungen, Greifer G, die
Abb. 33.
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Abb. 32. Straßenseilbahn.
das unter der Bahn in einem besonderen,
oben mit einem Schlitz versehenen Rohr oder
Kanal auf Rollen R von 025- 0-45 /n Durch-
messer gelagert ist und von einem feststehenden
1^
Abb. 37.
in den stellenweise mit Einsteigschächten verse-
henen Schlitzkanal (Abb. 33) reichen und die
Verbindung mit dem in steter
Bewegung befindlichen Seil be-
werkstelligen. Auf städtischen
Straßen ist ein besonderer Schutz
des Seiles erforderlich, damit
Hinderungen des Straßenverkehrs
und Seilbeschädigungen ver-
mieden werden. Die Bahnen
wurden meist zweigleisig her-
gestellt. Mit den Bogenhalbmessern ist man bis
auf 10'5 m herabgegangen; in den Bögen sind
nach Abb. 34 außer den senkrechten Rollen
R noch wagrechte Rollen P vorhanden. Die
Qrößtsteigungen gehen bis IQOföo- Die Spur-
weiten betragen l'O— L5 m, ausnahmsweise
0-5 in und 1-S m.
Die Maschinenanlage befindet sich je nach
den örtlichen Verhältnissen und Seillängen an
einem der beiden Enden oder in der .Mitte
der Bahn. .Abb. 35 - 37, worin D die .Waschi-
nenanlage, 7 die Seilscheiben, U^ die Seilspann-
vorrichtungen, A und a die Ablenkrollen und
K das Seil bezeichnen. Die Umkehrung der
Wagen findet durch Schleifen oder Weichen
statt. Man kann annehmen, daß die Bewegung
des Seiles 40 — bQ%, die der unbelasteten
Wagen 30 - 40 fi der motorischen Kraft bean-
spruchen. Die Fahrgeschwindigkeit bewegt
sich von 10-25 Aw'Std. Die Baukosten
waren im allgemeinen sehr hohe, sie betrugen
Seilbahnen.
13
€twa 200.000-900.000 h\km. Straßenseil-
bahnen bestanden und bestehen namentlich in
nordamerikanischen Städten, auch in Frank-
reich, England, Portugal, in Australien und
Neuseeland; sie werden durch die meist zweck-
mäßigeren und billigeren elektrischen Straßen-
bahnen verdrängt. Ein besonderer Seilbetrieb
ist für die Straßenbahn Palermo-Montreale
eingerichtet (s. Elektrische Bahnen, Bd. IV,
S. 281).
Seilbetrieb auf Lokomotivbahnen.
Auf stärker geneigten Strecken von Loko-
motivbahnen hat man in den Reibungsbetrieb
Seilbetrieb eingeschaltet, um größere Längen-
entwicklung der Bahn zu vermeiden und ausrei-
chende Sicherheit bei Berg- und Talfahrt zu
erzielen. So hatte man früher z. B. auf der zwei-
gleisigen Bahn Düsseldorf-Elberfeld auf einer
2-5 km langen, mit 33% geneigten Strecke
zwischen Erkrath und Hochdahl die Züge
mittels eines am oberen Ende der Strecke über
die dort angeordnete Umkehrrolle geführten
Drahtseils, das mit einer auf dem zweiten
Gleis nach abwärts gehenden Lokomotive
verbunden war, aufwärts gezogen. Auch auf
anderen Bahnen hatte man ähnliche, zurzeit
meist wieder verlassene Anordnungen getroffen,
auch solche, wobei am oberen Ende der Steil-
strecke eine feststehende Maschine die Bewe-
gung des mit dem Drahtseil verbundenen
Zuges nach auf- oder abwärts bewerkstelligte.
Von solchen noch in Betrieb befindlichen
Anlagen sind besonders bemerkenswert die
Seilbahnstrecken, die in die mit \-b m Spur-
weite ausgeführte Reibungsbahn vom Hafen
Santos nach der Stadt Sao Paulo in Brasi-
lien, die Serrabahn genannt, die einen ganz
bedeutenden Güterverkehr hat, eingeschaltet
wurden. Mit 5 hintereinander liegenden Seil-
strecken von je 154-164 m Höhenunterschied,
1-9 -2-0 km Länge und rd. BQ% Neigung,
zwischen die 130— 154 /n lange, wagrechte
Strecken eingeschaltet sind, wird ein Höhen-
unterschied von 800 m auf einer etwa 1 0 km
langen Strecke überwunden. Am Ende jeder
Seilstrecke befindet sich in einem Schacht
unter dem Gleis eine Fördermaschine, die ein
zwischen den Schienen liegendes Seil ohne
Ende bewegt, mit dem die Lokomotive des
etwa 150 t schweren Zuges durch Vermittlung
einer Seilzange verbunden wird. Die Lokomo-
tive hat den Zug in den wagrechten Zwischen-
stücken zu fördern und auch bei Berg- und
Talfahrt im Fall eines Seilrisses zu bremsen. Die
Strecken sind dreischienig, an den Ausweiche-
stellen der berg- und talwärts gehenden Züge
jedoch vierschienig und im erforderlichen
Gleisabstand auseinandergezogen. Auf der Bahn
verkehren täglich etwa 40 Güterzüge zu 1 50 /
und 30 Personenzüge.
Auf der Centralbahn von New Jersey
sind bei Ashley auf einer 20 km langen
Strecke 3 Seilstrecken von 1524, 914 und
1128 m, also zusammen 3'6 km Länge mit
Neigungen von 57, 147 und 93%^ eingeschaltet,
durch die eine Höhe von rd. 310 m über-
wunden wird. Die Bahn ist zweigleisig; die
3 Antriebsmaschinen stehen an den oberen
Enden der 3 Seilstrecken. Die Seilenden sind
mit besonderen Schiebekarren von etwa 6'5 t
Gewicht verbunden, durch deren Vermittlung
der Zug mit etwa 6 Wagen hochgezogen wird.
Die Schiebekarren befinden sich an den unteren
Enden der Strecken in besonderen Gruben
unter den beiden Gleisen; die hinteren Enden
der beiden Karren sind durch ein Gegenseil
verbunden. Die Fördenmgsgeschwindigkeit
beträgt 20 — 45 kmjSiA. In der Stunde können
auf den 3 Seilebenen etwa 60 Wagen befördert
werden.
Auf der Ugandabahn (Afrika) hatte man
zur Vermeidung eines Durchstichs den be-
deutenden Kikuyu-Höhenzug mit 4 Seilbahn-
strecken mit Steigungen von 90, 140, 420
und 480%(, übersetzt. Für die beiden ersten
Strecken wurde Schwerkraftbetrieb, für die
Abb. 3S. Plattformwagen der Ugandabahn.
beiden letzteren außerdem noch Maschinen-
antrieb (Lokomobilen 30 PS.) eingerichtet. Die
etwa 1 5 t schweren Güterwagen werden wegen
starker Bahnneigung mit Hilfe besonderer,
etwa 7 t schwerer Plattformwagen gefördert
(s. Abb. 38). Die Fördergeschwindigkeit beträgt
etwa 1'5 mßtk.
Auf Güter-, Kohlen-, Fabriksbahnhöfen
erscheint der Seilbetrieb für die Verschiebung
einzelner Wagen und Wagengruppen in vielen
Fällen zweckmäßig.
Neben den Gleisen laufen endlose Zugseile
auf Rollen (Abb. 39), an die die Wagen
mittels eines Kuppelseils und besonderer
Kupplungen oder Greifer (Bleichert, Hasen-
clever, Heckel) angeschlossen werden. Das Seil
14
Seilbahnen.
kann an mehreren Stellen gleichzeitig benutzt
werden. Eine Unterführung des Seiles von
einer auf die andere Qleisseite oder an das
nächste Gleis ist, wie die Abbildung zeigt, leicht
zu bewerkstelligen. Auch die Bewegung der
Drehscheiben, Schiebebühnen und
Spills kann mittels des Seiles er-
folgen. Der Antrieb geschieht ent-
weder durch eine besondere Ma-
schine oder durch eine bestehende,
auch sonst anderen Zwecken die-
nende Anlage. Die Anordnung
eines Schwungrades in Verbindung mit einer
Reibungskupplung ist zweckmäßig, weil zum
A. Seilhängebahnen für den Güter-
verkehr.
1. Bahnen mit beweglichem Tragseil
ohne Zugseil. Wie Abb. 40 zeigt, wird nach
Abb. 40. Seilhängebahn Bauweise Hodgson.
Abb. 39. Scilverschubanlage.
Anfahren eine größere Kraft nötig ist wie für
die Förderung des bereits in Bewegung be-
findlichen Wagens. Die Maschinenanlage kann
in diesem Fall sehr klein gehalten werden.
Seilbetrieb auf Grubenbahnen s. Art.
Grubenbahnen, Bd. V, S. 395.
Literatur: Leißner, Amerikanische Bahnen mit
Seilbetrieb. Ztsclir. f. Bw. 1886. - Riedler u.
Reichel, Seilstraßenbahnen in Amerika. Ztscln-.
dt. Ing. 1893. — Müller, Grundzüge des Klein-
bahnwesens. Berlin 1895. — Ugandabahn. Eng. 1901,
Ztschr. dt. Ing. 1901 ; Seilebenen bei Ashley, Penn-
sylvanien. Engg. News 1909; Organ 1909. -Jan ecke,
Serrabahn in Brasilien. Zentraibl. d. Bauverw. 1910.
- Dolezalek, Kabelbahnen (Straßenseilbahnen).
Luegers Lex. d. ges. Technik, 1. Aufl.
Seilhängebahnen.
Der Schwerpunkt der Fahrzeuge liegt unter-
halb der Bahn, die aus einem oder mehreren
Tragseilen besteht; ihre Bewegung wird ent-
weder durch das Tragseil selbst oder durch
ein oder mehrere besondere Zugseile bewerk-
stelligt. Man unterscheidet Seilhängebahnen, die
nur dem Güterverkehr dienen, und solche,
die auch für den Personenverkehr einge-
richtet sind.
Bauweise Hodgson das Tragseil K als Seil
ohne Ende über die Seilscheiben R, S und
/"geschlungen. Die Scheibe /"wird vom Motor
bei D angetrieben; die Scheiben S sind mit
der Spannvorrichtung O versehen. Das Seil K
wird in Abständen von 50- 150/« von Stützen
(Holz, Eisen) getragen (s. Abb. 41) (Bleichert).
Diese Stützen erhalten nach Abb. 42 Rollen,
auf denen das Seil K läuft; das Seil erfährt hier-
bei stärkere Biegungen, namentlich bei großen
Belastungen und großer Stützenentfernung
wegen des stärkeren Durchhangs. Man hat
daher statt einer auch 2 oder 4 nebeneinander
liegende Rollen mit gegenseitig beweglicher
Lage zur gleichmäßigen Lastverteilung an-
geordnet (Bauart Roe). Die Förderwagen W
erhalten ein Gehänge g mit einem Schlitten S,
der mit Holz oder Kautschuk gefüttert ist,
damit die Reibung zum Mitnehmen der Wagen
durch das bewegte Tragseil ausreicht. Die
Abb. 41. Seilstütze aus Holz.
Seilbahnen.
15
Rollen n dienen zur
Führung der Wagen
nach Verlassen des
Seiles auf den meist
festen Hängebahnen
der Endstationen.
Bei größeren Nei-
gungen ist das Mit-
nehmen der Wagen
hierdurch nicht ge-
sichert. Deshalb ver-
wenden Bleichert und
Pohlig (Abb. 43) als
Mitnehmer Klemmen,
die sich fest an das
Seil anschlielkn, in
starken Steigungen ent-
#1
^a
nu
Abb. 42. Mitnehmer.
der Tragrollen gegenüber. Pohlig hat diese
Bauart mit sicheren Mitnehmern, besonders
auch für militärische Zwecke eingerichtet,
die im Kriege vielfach verwendet wurde.
Abb. 43. Mitnehmer nach Bleichert und Pohlig.
Abb. 44. Anordnung \^^\-\ Trag- und Zugseil.
sprechen und sich
auch verschiedenen
Seilstärken (verdickte
Spleißstellen, abge-
nutzte Seile) anpassen.
Die Fördergeschwin-
digkeit bewegt sich von
1-5 -3-0 m/Sek., die
Einzellast meist von
100-300 kg, aus-
nahmsweise auch mehr.
Den Vorteilen dieser
Bauweise, wobei nur
ein Seil erforderlich
ist, weshalb die Anlage-
kosten gering werden,
stehen die Nachteile
größerer Betriebs-
kosten infolge Antriebs
des schweren Tragseils
sowie des größeren
Seilverschleißes und
bei Verwendung der
Schlitten alsMitnehmer
auch der geringen
Sicherheit wegen Rut-
schens der Schlitten
auf dem Seil und der
größeren Gefahr des
Herabfallens der Wa-
gen beim Übergang
\m
Abb. 45. Auflagerung der Tragseile.
Abb. 46. Drehbares Tragsetlauflager nach Pohlig.
16
Seilbahnen.
2. Bahnen mit Trag- und Zugseil
(deutsche Bauart). Nach Abb. 44 sind die Trag-
seile T bei A befestigt, bei B mit einem ent-
sprechend großen Spanngewicht G, um Zug-
spannungen von Längen- und Belastungsände-
rungen unabhängig zu machen, versehen. Das
endlose Zugseil Z geht um die Scheibe S,, die
vom Motor // (Dampf, Elektrizität, Wasserkraft)
angetrieben wird, und an der zweiten Endstation
über die Scheibe Sj, die mit einem Spannge-
wicht g verbunden ist. Das
eine Tragseil ist für die hin-
werden können. Die sicherste Führung zeigt
Abb. 51, wobei das Zugseil durch 2 Fangarme
in einen Schlitz geleitet wird, der in der Ebene
der Seilrollen liegt. An den beiden Endstationen
A und B wird die Verbindung der Wagen
mit dem Zugseil meist selbsttätig gelöst; die
Wagen werden dann auf besonderen Zubringer-
bahnen H (steife Hängebahnen) (Abb. 44) den
Be- und Entladestellen zugeführt.
Die Stützen der Bahn sind aus Holz (Abb. 47),
Eisen (Abb. 48), Eisen-
blech (Abb. 49), Beton,
Betoneisen (Abb. 50 u. 51)
und haben verschiedene
Formen und Höhen. Die
Höhen der Stützen be-
Abb. 4S.
S^ilbahnstützen aus Holz, Eisen, Beton.
Abb. 49.
gehenden, das [andere für iie zurückgehenden
Wagen bestimmt.
Die Tiagseile T (Abb. 45) liegen auf den
Auflagern a der Stützen, die fest oder besser
in der Seilrichtung drehbar (nach Abb. 46, An-
ordnung Pohlig) sein können, damit der Auf-
fahrstoß gemildert wird.
Ungünstige Druckbelastungen des über der
Stütze festliegenden Seiles durch die Räder wird
durch erhöhte Ränder der Rille der Auflager
vermieden.
Das Zugseil Z läuft, soweit es nicht von den
Wagen getragen wird, auf Rollen /-. Starkes
Schwanken der Zugseile wird durch Fangarme
verhindert, die nicht nur nach außen, sondern
iiuch nach innen gegen den Pfeiler angeordnet
tragen 5 - 1 5 m und gehen ausnahmsweise bis
etwa 50 in, liir Abstand beträgt in der Regel
50-100 ,'/;; in Ausnahmefällen, bei Über-
setzungen von Flüssen, Schluchten, tief einge-
schnittenen Tälern, sind Stützweiten bis etwa
1200 m zur Ausführung gekommen, wobei
natürlich der Seildurchhang sehr groß wird.
Der Seildurchhang ergibt sich nach Abb. 52
unter der Annahme einer parabolischen Stützlinie
für das Eigengewicht 9 und hierdurch hervorgerufenen
wagrechten Seitenkraft der Seilspannung //, bei
geringen Längenunterschieden von a und A B unge-
fähr, aber genau genug
q ■ c-d
bei D-/,
2//,
q ä'
in der MiUe f\' ^äJT ■
Seilbahnen.
17
Kommt noch eine Last P hinzu, so iwird der Durch-
hang bei einer gesamten wagrechten Seitenkraft der
Seilspannung //j an der Belastungsstelle
a-q-c-d-\-2 Pc-d
f.'
für die Mitte /j' =
2 a //j
qa''Ar2Pa
8 //j
bei geringem Höhenunterschied der beiden Stützen
5/i = 5ß=5;; setzt man S = /i2, so wird
.„_,ga^--t-2P-a
J2. . g _5
Abb. 50. Scilbahnstütze aus Eisenbeton.
Für mehrere Einzellasten werden die Senkungen,
die für einen Punkt rechnerisch ermittelt werden, zu
den durch das Eigengewicht erzeugten Senkungen
hinzugerechnet.
Der Seildurchhang muß auch ergeben, daß bei
Übersetzung einer Geländesenkung das Tragseil
sicher auf den dazwischen liegenden Stützen lagert.
Die Wagen haben verschiedene, der Art der
Förderlast angepaßte Formen (Abb. 53 - 57).
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
Das Laufwerk hat 2 oder 4, ausnahmsweise
S Rollen. Anordnungen mit^4 Rollen, wie sie
von Bleichert und Pohlig (Abb. 55 u. 56)
\\
Abb. 51.
Seilbahnstütze aus Eisenbeton mit gesicherter Zugseilführung.
ausgeführt werden, sind wegen Verminderung
der Biegungsbeanspruchung des Tragseils und
besserer Führung der Wagen vorteilhaft; da-
gegen wird das Wagengewicht etwas vergrößert.
Die Mitnehmer, Klemm- oder Kupp-
lungsvorrichtungen, durch die die Wagen
mit dem Zugseil verbunden werden, sollen rasche,
in starken Neigungen und auch bei Unter-
schieden in den Seilstärken sichere Verbindung
mit tunlichster Seilschonung sowie leichte und
selbsttätige Lösung vom Seil beim Übergang
der Wagen auf die festen Hängebahnen der
Endstationen ermöglichen.
Sie sind entweder unterhalb (Unterseilbetrieb)
oder oberhalb (Oberseilbetrieb) des Laufwerks
angeordnet. Im ersten Fall sind sie mit dem
Wagengehänge (Abb. 54) oder mit dem Lauf-
18
Seilbahnen.
werk (Abb. 53) selbst fest verbunden; im zwei-
ten Fall sind sie oben am Laufwerk angebracht
(Abb. 57). Die anfänglich durchwegs gebrauchte
in der Tragseilrichtung. Da hierbei das Zug-
seil wegen des Durchhangs nicht über das
Tragseil gelegt werden kann, daher seitwärts
Abb. 53. Seilbahnwagen. Mitnehmer
mit Laufwerk fest verbunden.
Abb. 54. Mitnehmer mit dem Wagengehänge fest
verbunden.
Abb.[55. Laufwerk mit 4 Rollen nach
Bleichert und Pohlig.
ältere Anordnung am Wagengehänge (Abb. 54)
ist weniger günstig, weil in geneigten Strecken
infolge der Zugseilwirkung der Wagen sich
angreift, so besteht Entgleisungsgefahr. Am
meisten sind daher Anordnungen Abb. 53
u. 56 in Verwendung, wobei die Kupplung^
mit dem Laufwerk und knapp unter
diesem verbunden ist. Es sind
verschiedene Kupplungsvorrichtungen
von den Seilbahnfabrikanten ausge-
führt und vorgeschlagen worden, wor-
über näheres der Literatur zu ent-
.•\bb. 56. .Mitnehmer mit dem 4 Rollen-Laufwerk fest verbunden
nicht lotrecht einstellt. Bei der Anordnung
eines Oberseils (Abb. 57) ist dieser Übelstand
vermieden, auch wirken die Zugkräfte ungefähr
Abb. 57. Anordnung des Zugseils ober
dem Tragseil.
nehmen ist. Als Tragseile werden meist Spiral-
seile oder geschlossene Seile, als Zugseile in
der Regel Litzenseile verwendet. Tragseile über
Seilbahnen.
19
400 m Länge werden zweckmäßig gekuppelt.
Die Trag-, auch Zugseile werden geschmiert,
wozu für längere Strecken besondere Schmier-
wagen dienen. Die Linienführung erfolgt tun-
lichst in gerader Richtung. Bei Längen von
mehr als 10 km werden in der Regel Zwischen-
stationen ausgeführt, in denen
der Zugseilbetrieb unterbrochen
wird. Im schwierigen Gelände
jedoch werden Zwischenstatio-
nen auch in geringeren Abstän-
den angeordnet. Da Abweichun-
gen von der geraden Richtung
wegen Qeländeschwierigkeiten
nicht immer zu vermeiden sind,
so werden an den Knickstellen
mit beliebigen Winkeigrößen
sog. WinkeJstationen einge-
schaltet. Für kurze Strecken
von 3-5 km Länge sind Kur-
venstationen zweckmäßig,
die bei Anwendung einer ent-
sprechenden Kupplung ohne
Unterbrechung des Zugseilan-
triebs von den Wagen selbsttätig
durchfahren werden können.
Bei der Führung durch Tunnel hat man an
Stelle des Tragseils ein festes Gestänge im
Gewölbe aufgehängt. An den beiden Eingängen
findet daher der Übergang vom Tragseil auf
das Gestänge statt. Bei Übersetzung von Ver-
kehrswegen (Straßen, Eisenbahnen, Kanälen)
werden in der Regel Schutznetze oder
Schutzbrücken (Abb
Schädigungen durch
herabfallende Teile der
Förderlast oder der
Wagen selbst vermie-
den werden. Tragseile
über 2000 m Länge er-
halten mittlere Spann-
vorrichtungen und Ver-
ankerungen.
Die Neigungsver-
hältnisse sind nicht be-
schränkt. Ausgeführt
sind Neigungen bis
etwa \(iQ"/o. Als Bei-
spiel sind in Abb. 59
Lageplan und Längs-
schnitt der etwa 9 km
Die für den Betrieb der Seilhängebahnen erfor-
derlichen Zugkräfte betragen
Pl'S= ^ W±n-Qsma
in der Steigung und im Gefälle.
Die Summe der Widerstände ist genau genug:
$ ir*g = « (Q -1- 2 <3, -f 2 qe) > cos a • wkg t
daher die erforderliche Maschinenieistimg
Abb. 53, Schutzbrücke bei Straßenübersetzung,
pkg . i7/n/Sek,
58) verlangt, damit
A'PS.
75
No i's.
Hierin bezeichnen :
$ W die Qesamtwiderstände der Fahrzeuge und
des Zugseils;
n die halbe Anzahl der Wagen, vorausgesetzt, daß
ebensoviele beladene Wagen in einer Richtung fah-
ren, wie leere in der andern;
Q die Nutzlast eines Wagens;
iV,i:/<e.^'a''C" I
Abb. 59.
langen, von Bleichert ausgeführten Usambara-
bahn (Afrika) gegeben, auf der ungeteilte
schwere Baumstämme mit etwa 1000 kg Ein-
zellasten zu fördern sind. Der größte Stützen-
abstand beträgt 900 m, die größte Höhe des
Tragseils über Bodenfläche 130 wz, die Größt-
steigung 86 % .
Lageplan und Längsschnitt der Usambarabahn.
Q^ das Eigengewicht eines Wagens;
q das Einheitsgewicht des Zu,gseils in kglm;
l Abstand der Wagen, auf denen das Zugseil
lastet ;
a Neigungswinkel der Bahn zwischen den beiden
Endpunkten einer Strecke;
h _ Höhenunterschied
'^ L~ Seilbahnlänge '
20
Seilbahnen,
w der Laufwiderstand der Wagen (Rollreibung,
Zapfenreibung, Seilwiderstand). Meist wird w mit
001 -0-02 oder \0-20kglt anzunehmen sein;
P die erforderliclie Zugkraft;
V die Geschwindigkeit, r = 1 - 4 m/Sek. ;
A^PS. die erforderliclie Maschinenleistung;
A'oPS. Zusatzleistung für Widerstände in den End-
stationen, No = 1 - 5 PS. ;
Für $ V/= n ■ Q ■ sin a oder
{Q-^2 Q, -\-2ge) w cos a= Q sin a,
daher
(Q + 2Q,+2qe)w
Q
tga =
Weichenanlagen, der zum Betrieb erforderliche Motor
sowie die Kosten für die Einrichtung der Bahnlinie,
die von den lokalen Verhältnissen abhängen und bei
ebener Bodenoberfläche unter Ausschluß größerer
Schutzbauten mit etwa 4 M. für einen laufenden m
Bahn angenommen werden können.
Die Seilhängebahnen finden vorteilhafte Ver-
wendung für die Förderung leicht teilbare:
Massengüter, so daß eine Ladung das Gewicht
von 300-1000 kg nicht wesentlich über-
schreitet; die Überwindung ungünstiger Boden-
verhältnisse sowie der Grunderwerb sind mit
verhältnismäßig geringen Kosten zu ermög-
ergibt die Neigungsgrenze, bis zu der
noch Maschinenkraft erforderlich ist;
darüber hinaus ist Bremskraft nötig;
solche Anlagen nennt man Brems-
hängeseilbahnen.
Die Zahl der zu fördernden Wagen
ist:
QkglSld. Lm
G Gesamtfördermenge in A^/Std.;
Q Nutzlast eines Wagens in kg;
L Streckenlänge in m.
Man kann annehmen, daß bei
gerader Strecke, auf ebenem Boden
und bei gleicher Höhenlage der beiden
Endstationen die erforderliche Be-
triebskraft etwa O'l PS. f. d. km Bahn-
länge und für 1 t stündliche Leistung
beträgt. Es ist tunlich, in jeder Mi-
nute etwa 3 Wagen zu fördern, die einander in
Zwischenräumen von 20 Sekunden folgen. Die
Belastung der einzelnen Wagen beträgt 150- 1000 kg
und nur ausnahmsweise mehr. Bei Fördeningen
von mehr als 800 Häglich (10 Arbeitsstunden) emp-
fiehlt es sich, eine Doppelseilbahn auszuführen.
Über die Anlagekosten von Luftseilbahnen lassen
sich allgemein zutreffende Angaben nicht machen,
da die Verhältnisse, unter denen sie erbaut werden
müssen, zu verschieden sind.
Länge der Bahn-
linie in m
Tägliche Fördermenge in t
100
300
500
1000
2000
5000
1500
16-50
18-00
20-50
12-50
14-25
16-25
18-00
11-25
13-50
15-50
17-00
10-75
13-00
14-75
16-50
Förderkosten in Mark für je 10 /:
500
1000
2000
5000
0-92
0-62
0-53
0-48
1-20
0-82
0-65
0-60
1-70
1-12
0-90
0-78
2-95
200
1-55
1-35
22-00
19-25
18-75
18-25
0-47
0-54
0-75
1-20
Bleichert & Co. geben für ebene Bodenoberfläche
bei ungefähr gleicher Höhenlage der beiden End-
stationen die in obenstehender Tabelle verzeich-
neten Preise für Luftseilbahnen und deren Förder-
kosten an.
Die Preise sind für einen laufenden m Bahn in
Mark angegeben ; darin sind nicht enthalten längere
Abb. 60. Meerseilbahn in Neu-Kaledonien.
liehen; meist ist der Ankauf der Grundflächen,
über die die Bahn geführt wird, nicht
erforderlich, es genügt die Zahlung von Ent-
schädigungen an die Grundbesitzer, da der
unter der entsprechend hoch geführten Seil-
hängebahn liegende Boden seiner früheren
Verwendung nicht entzogen wird. Für die
Be- und Entladung von Schiffen, wie z.- B.
(Abb. 60) die von Bleichert erbaute Meer-
seilbahn in Neu-Kaledonien, auch für die
Rettung Schiffbrüchiger, wie die von Bleichert
am Hoek van Holland ausgeführte Meerseil-
bahn, werden Seilhängebahnen mit Vorteil
verwendet. Der Betrieb ist unter allen Witterungs-
verhältnissen möglich, eine Beeinträchtigung
durch Schnee oder Hochflut findet nicht statt,
er erfordert geringe Bedienung, wozu auch
ungeschulte Arbeitskräfte genügen. Infolge An-
ordnung eines Zugseils ohne Ende wird die
Schwerkraft der abwärts gehenden Wagen zur
Hebung der aufwärts gehenden ausgenutzt, daher
an motorischer Kraft gespart. Sowohl der Bau
wie der Betrieb ist ein billiger.
Zur Schüttung von Halden oder Dämmen
werden zur Beseitigung des Abraums und
sonstiger Abfälle der Bergwerke und Hütten-
anlagen auch ausnahmsweise im Erdbau die
sog. Haldenseilbahnen verwendet. Hierbei
Seilbahnen.
21
können die Wagen an jeder beliebigen Stelle der S. mit
Hilfe eines an der betreffenden Steile des Tragseils be-
festigten und beliebig verschiebbaren Rahmens oder An-
schlags (Abb. 61) selbsttätig gekippt und entleert werden.
Die Tragseile können für die Hin- und Rückfahrt, also für
beJadene und leere Wagen, verschiedene Stärken erhalten.
3. Seilbahnkrane. Seilhängebahnen mit einem oder
2 Tragseilen, auf denen die Aufzugvorrichtung, die Lauf-
katze, sich bewegt.
Die Tragseile liegen auf 2 Endpfeiiern oder Türmen,
die feststehend oder beweglich sein können.
Die Laufkatze wird entweder (Abb. 62, Anordnung
Bleichert) durch ein endloses Zugseil bewegt, wobei das
Heben und Senken der Last an jeder beliebigen Stelle
der Bahn durch ein Hubseil erfolgt, das vom Führerstand
am Turm mittels einer Winde bedient wird; oder (Abb. 63)
der Führerstand befindet sich nicht am Turm, sondern
auf der Laufkatze selbst, wobei das Fahr- und Windwerk
sowie auch die Antriebsmaschine auf der Laufkatze sich
befinden und vom mitfahrenden Führer bedient werden.
Die zweite Anordnung ist die teuerere wegen nennens-
werter Vermehrung der Belastung der Laufkatze, wodurch
stärkere Seile und Türme bedingt werden, ist aber die
#)- '-^
Abb. 61. Haldenseilbahn.
sicherere und leistungsfähigere. Bei neueren Anlagen hat
man die Vorzüge der beiden Bauarten zu vereinigen
versucht in der Weise, daß man die Antriebsmaschine mit
der Bremse in einem der beiden Türme, die Fahr- und
Hubeinrichtungen auf der Laufkatze unterbringt, wodurch
ihre Belastung erheblich vermindert wird.
Der auf der Laufkatze tätige Führer kann mittels elek-
trischer Fernsteuerung die Bewegungen der Antriebs-
maschine im Turm veranlassen.
Die Seilspannweiten gehen bis etwa 500 m, die Größt-
belastungen durch die Laufkatze bis 5 t, ausnahmsweise
bis 10/; die Fahrgeschwindigkeit der Laufkatze bewegt
sich von 1 — 5 m/Sek. und die des Hubseils meist von
075 — 1-5 /«/Sek. Die Seilbahnkrane finden vielseitige Ver-
wendung für Eisenbahn-, Brücken- und Kanalbauten, für
Steinbruch- und Hafenbetrieb, für Bekohlung von Schiffen
und Lokomotiven.
Literatur: Dolezalek, Luftseilbahnen. Luegers Lex d. ges.
Technik, 1. Aufl., 1S9S. - Kotzschmar, Moderne Drahtseil-
Abb. 63. LaufkatzenanorJnung nach Bleichert.
22
Seilbahnen.
balineii und Verladevorrichtungen. Verh. d. V. z.
Beförd. d. Gewerbefleißes. 1903. - Dieterich,
Erschließung der nordargentinischen Kordilleren
mittels Bleichertscher Drahtseilbahnen. Ztschr. dt.
Ing. 1906; Aufschließung der Nickelerzlagerstätten
in Neukaledonien. Ztschr. dt. Ing. 1907. - Stephan,
Luftseilbahnen. Berlin 1907. — Goetzke, Theorie
und Berechnung der Drahtseilluftbahnen. Verh. d.
V. z. Beförd. d'. Gewerbefleißes. 1908. - Buhle,
Seilbahnen. Luegers Lex. d. ges. Technik. 2. Aufl.,
1910; Kabelhochbahnkrane. Ztschr. dt. Ing. 1910.
— Feldhaus, Zur Geschichte der Drahtseilschwebe-
bahnen. Berlin 1911. - Wettich, Die Ent-
wicklung Usambaras. Verh. d. V. z. Beförd. d.
Gewerbefleißes 1911. - v. Hanffstengel, Unge-
wöhnliche Drahtseilbahnen. Ztschr. dt. Ing. 1912;
Die Förderung von Massengütern. Bd. II, Berlin
1915. — Buhle, Kabelkrane und Luftseilbahnen.
Glasers Ann. 1915. — Stephan, Beitrag zur Berech-
nung der Seilbahnen. Fördertechnik 1915. - Wille,
Seilbahnen zum Anschütten von Halden. Förder-
technik 1916. - Heinold, Seilbahnkrane neuerer
Bauart. Ztschr. dt. Ing. 1916. - A. Bleichert,
Schriften über Seilhängebahnen. Fabrik Leipzig-
Gohlis. — Pohlig, Schriften über Seilhängebahnen.
Fabrik Köln-Zollstock.
B. Seilhängebahnen für den Personen-
verkehr.
Ausnahmsweise dienen die geschilderten
Qüter-Seilhängebahnen auch dem Personenver-
kehr. In der Regel aber werden namentlich
für Bahnen, die überwiegend für den Personen-
verkehr bestimmt sind, größere Sicherheitsmaß-
nahmen getroffen. Zunächst wird die Anzahl
der Seile vermehrt, so daß bei Bahnen mit
Trag- und Zugseilen mindestens 3 Seile,
bei Bahnen, bei denen die Tragseile
gleichzeitig als Zugseile wirken, mindestens
2 Seile vorhanden sind. Vielfach werden
4 und 5, ausnahmsweise noch mehr Seile
angeordnet. Für die Seile wird größere i^
Bruchsicherheit gefordert. Die Wagen
erhalten, sofern sie auf den Tragseilen
laufen, mindestens 4 Laufräder; stellen-
weise sind Einrichtungen gegen das Ab-
heben der Räder von den Tragseilen
getroffen. Die Laufwerke erhalten Brems-
oder Fangvorrichtungen, um die Wagen
an den Tragseilen oder an einem be- , f
sonderen Bremsseil an jeder Stelle der
Bahn festhalten zu können. Für stärker
geneigte Bahnen, also für Bergbahnen,
ist ein endloses Zugseil nicht erforderlich;
wohl findet man auch ein endloses Zugseil oder
ein Gewichts- oder Gegenseil, um die veränder-
lichen Gewichte des Zugseils auszugleichen.
Selbst die Anwendung eines Führungsseils, das
stärkere Seitenschwingungen der Wagen ver-
hindern soll, hat man im einzelnen Fall für
nötig erachtet. Die Tragseile sind in der Regel
Spiral- oder verschlossene Seile, die Zugseile
Litzenseile. Die Unterstützung der Tragseile
erfolgt entweder nur an beiden Enden oder auch
durch Zwischenstützen, in der Regel durch
Eisenpfeiler in verschiedenen Abständen; freie
Weiten bis 800 m kommen vor, wo tiefe
Schluchten oder Täler zu übersetzen sind. Die
Fahrgeschwindigkeiten bewegen sich meist
zwischen L5 und 4'0 m/Sek., ausnahmsweise
etwas weniger oder mehr. Bei Bergbahnen stehen
die in der Regel elektrisch betriebenen An-
triebsmaschinen auf der oberen, auch wohl
auf der unteren Station.
1. Bauweisen mit einem Trag-, einem
Zug- und einem Bremsseil.
Wie Abb. 64 zeigt, hat das Laufwerk 4 Räder
mit Doppelspurkränzen, die auf dem Tragseil t
laufen. Die Bewegung der Wagen erfolgt
durch das Zugseil z, das auf geneigter Bahn
ein Gegenseil g erhält. Das von der Anfang- bis
zur Endstation durchgehende, in Ruhelage sich
befindliche Bremsseil b geht durch den mittleren
Teil des Laufwerks, in dem sich die Brems-
klemmen befinden. Im Fall eines Zugseilbruches
wird der Wagen selbsttätig an das Bremsseil
gekuppelt. Zum Anpressen der Bremsbacken
an das Seil wird das Eigengewicht der Wagen
und der Zug des Gegenseils benutzt. Die Bremse
kann auch vom Wagenführer betätigt werden.
Das sonst festliegende Bremsseil tritt im Fall
des Zugseilbruches an dessen Stelle; die Wagen
werden dann durch das von einer Winde be-
wegte Bremsseil an die Endstation gezogen.
Abb. 64. Bauweise mit Trag-, Zug- und Bremsseil.
Darin liegt der Hauptvorteil des Bremsseils. Nach
dieser Bauweise sind die Seilhängebahnen auf
die Aiguille du Midi im Montblancgebiet (s.
Art. Montblancbahnen, Bd. VII, S. 300) und
von Lana auf das Vigiljoch in Tirol (s. Art.
Lana-Vigiljochbahn, Bd. VTI, S. 6Q) aus-
geführt; nur hat man bei letztgenannter Anlage
zur Venninderung von Seitenschwankungen
an der Seite der Fahrzeuge noch ein Führungs-
seil anzuordnen für nötig erachtet. Die Seile
Seilbahnen.
23
der Lana-Vigiljochhahn werden von Eisenstützen
mit dem Größtabstand von 260 m (s. Abb. 65)
getragen, deren größte Höhe 31 in beträgt.
Abb. 65. Laiia-Viäiljuchbahii.
2. Bauweisen mit 2 Trag- und 2 Zug-
seilen.
Zwei Tragseile liegen in einer Ebene entweder
über- oder nebeneinander; dazwischen die
beiden Zugseile.
Die erste Anordnung mit übereinander lie-
genden Seilen behufs Vermeidung von Wagen-
schwankungen (Abb. 66) findet sich auf der
Abb. 66. Bauweise mit 2 übereinandeiiiegenden Tragseilen.
Wetterhornseilbahn (Schweiz) (Bauart Feld-
mann) (s. Art. Bergbahnen, Bd. II, S. 222).
Zwei Rollen laufen auf den oberen, 2 auf den
unteren Tragseilen t Die beiden Zugseile Z
fassen das Laufwerk, an welchem der Wagen
hängt.
Die Tragseile t werden zur Vermeidung von
Entgleisungen vom Laufwerk umfaßt, was nicht
ganz einwandfrei ist, und sind
am oberen Ende befestigt, unten
dagegen aus den bei den Seil-
hängebahnen für Güterverkehr
mitgeteilten Gründen mit einem
Spanngewicht O versehen, das
aber im vorliegenden Fall an
einem WinkeJhebel hängt (s.
Abb. 67).
Der Wert des Winkelhebels,
das länger gewordene Seil zu
entlasten und das kürzere ent- Abb. 67.
sprechend stärker zu belasten, erscheint zweifel-
Abb. 68. Kohlererbergbahn.
haft, daher die voneinander unabhängige Be-
lastung beider Tragseile, wie bei anderen S.,
einfacher und besser erscheint.
24
3| Seilbahnen.
Diese Bauweise ist für Bahnen mit Zwischen-
stützen nicht geeignet, daher große Spannweite
und starker Seildurchhang erforderlich werden;
sie könnte deshalb nur für ähnliche Verhältnisse,
wie an der Wetterhornbahn, in Frage kommen.
1^.
Abb. M. Seilführung m den Stützen der Kohlererbergb.ilin.
nebeneinander liegenden Tragseilen sind die
beiden Zugseile angeordnet. Die Tragseile liegen
auf den Zwischenstützen auf Schuhen TT, die so-
wohl in der Richtung der Tragseile wie senkrecht
dazu drehbar gelagert sind, damit ein stoßfreies
Überfahren über die Schuhe und eine
gleichmäßige Verteilung der Belastung auf
beide Tragseile erreicht wird, was aber
nicht in dem gewünschten Maß eintreten
wird. Sie sind oben verankert und an der
unteren Station mit Spanngewichten ver-
sehen. Die Zugseile laufen auf den Rollen
ZZ (Abb. 69), also nahezu auf der Höhe
der Tragseile, was günstig ist. Das Lauf-
werk, an dem der Wagen hängt, hat
8 Räder (s. Abb. 70), die die Wagenbelastung
gleichmäßig auf die beiden Tragseile über-
tragen sollen, was nur teilweise zutreffen
wird. In dem Laufwerk sind die Brems-
vorrichtungen eingebaut, die auf die beiden
Tragseile wirken. Hierdurch kann auch die
Fahrgeschwindigkeit geregelt werden.
Eine Bahn mit 2 Tragseilen und 2
endlosen Zugseilen, die von Pohlig am
Zuckerhut bei Rio de Janeiro erbaut
wurde, unterscheidet sich von den vorher
besprochenen vornehmlich dadurch, daß
in der Regel von den beiden Zugseilen nur
das eine die Zugkraft überträgt, während
das andere durch den Wagen mitgezogen
wird, also leer mitläuft und zur Kraftüber-
tragung erst dann herangezogen wird, wenn
das erste Seil die doppelte Beanspruchung
gegenüber der regelrechten erfährt.
Eine Schonung des zweiten, also in der
Regel leer mitlaufenden Seiles wird aber
durch diese Anordnung kaum erzielt, da es
ungefähr gleichen Biegungs- und Zug-
spannungen ausgesetzt ist wie das erste
Seil. Es erscheint also richtiger, beide Zug-
seile gemeinsam und gleichmäßig ziehen
Abb. 70. Laufwerk der Kohlererbergbahn.
«r^ftf
• ••
^
Abb. 71. Uliabergbahn.
Nach der zweiten Anordnung ist die
Kohlererbergbahn (Tirol) (Abb. 68; s. Art.
Bd. VI, S. 385) von Bleicher! ausgeführt. Zwi-
schen den beiden im Abstand von 400 mm
zu lassen, wie das bei den vorher besprochenen
Anordnungen der Fall ist.
Über die Einzelheiten dieser Bahn s. Art-
Zuckerhutseilbahn.
Seilbahnen. - Selbstentladewagen.
25
Abb. 72.
3. Bauweisen mit mehr als 2Tragseilen.
Es sind Bahnen mit 4 und 6 Tragseilen zur
Ausführung gekommen.
Mit 6 Tragseilen und einem Zugseil ist die
Uliabergbahn in Spanien nach Patent Torres
ausgeführt. Wie Abb. 71 zeigt, sind je 3 neben-
einander liegende Tragseile t zu beiden Seiten
des Fahrzeugs W angeordnet, am unteren Ende
befestigt, am oberen mit Spanngewichten ver-
sehen. Das endlose Zugseil Z wird in der
unteren Station M durch einen Elektromotor
angetrieben, in der
oberen durch ein
Gewicht G ge-
spannt.
Der Wagen hat
12 Räder, die die
Belastung auf die
Seile übertragen
sollen. Eine gleich-
mäßige Lastver-
teilung auf die 6
Tragseile ist aber
nicht zu erwarten.
Es ist eine selbst-
tätige und eine
Handbremse vor-
handen. Im Fall
eines Zugseilbru-
ches kann der Wa-
gen mittels eines
Notseils zur End-
station gezogen
werden. Da die
Bahn eingleisig ist,
so findet nur Pen-
delverkehr statt.
Über Einzelhei-
ten s. Art. Ulia-
bergbahn.
Über den Nia-
garafluß (V. St.
A.) ist eine ähn-
liche Anlage mit
6 Tragseilen und einem Wagen mit 12 Lauf-
rädern nach Patent Torres mit einer Spann-
weite von 547 m ausgeführt.
4. Bahnen mit vereinigtem Trag- und
Zugseil.
Nach der von Petersen vorgeschlagenen
Bauweise (Abb. 72 - 74) sollen 2 parallel lau-
fende endlose Seile als Trag- und Zugseile wir-
ken. Der Wagen wird gelenkig in die beiden Seile
eingehängt, so daß er sich der Kraftrichtung
entsprechend einstellen kann, wodurch Biegungs-
spannungen im Seil an den Aufhängestellen
des Wagens fast vermieden werden. Der Wagen
Ste^''ohmefi
öet^/Bfc/ier Ssilsponnun^
bei Vorgiiung eines Seiles
Abb. 74. Bauweise Petersen.
ist daher mit den Seilen dauernd fest verbunden.
Die beiden Seile sollen an der oberen oder
unteren Station getrennt angetrieben und ge-
bremst werden. Zum Ausgleich verschiedener
Bewegungsgeschwindigkeiten der Seile ist in
deren oberer Hälfte ein Steifrahmen einge-
schaltet. Die Anlage ist für Pendelverkehr ge-
dacht und nur ohne Zwischenstützen und für
größere Höhen ausführbar.
Literatur: Mehrtens, Erfindung und Entwicklung
der Seilschwebebahn. Eisenbau 1915. — Wettich,
Kritik über Konstruktion und Verhalten von Personen-
Seilschwebebahnen. Fördertechnik 1914. — S proecke,
Personen-Luftseilbahnen. Schweiz. Elektrotechn.
Ztschr. 1914. — Woernle, Beurteilung der Drahtseil-
schwebebahn für Personenförderung. Fördertechnik
1913.— Wintermeyer, Seilschwebebahnen für Per-
sonenverkehr. Elektr. Kraftbetr. u. B. 1913. - Dantin,
Personen-Schwebebahnen. Gen. civ. 1913. — Buhle,
Seilschwebebahnen für Fernverkehr von Personen
und Gütern. Ztschr. dt. Ing. 1913; Organ 1913; Dt.
Bauztg. 1910. — Wettich, Personenschwebebalinen
auf den Kohlererberg. Dt. Bauztg. 1913. — Fühl es,
Schwebebahn Lana-Vigiljoch. Ztschr. dt. Ing. 1913.
— Petersen, Seilhängebahn mit beweglichem Trag-
seil. Patentschrift 242.693,.. 1912. - Frank, Seil-
hängebahnen. Ztschr. d. Österr. Ing.-V. 1912. -
Espitallier, Seilschwebebahn für Personenverkehr
auf den Mont Ulia. Gen. civ. 1909. — Armbruster,
Bergbahnen Tirols. 1913. — R., Die Wetterhornbahn.
Schwz. Bauztg. 1908. — Niagara-Seilschwebebahn.
Eng. 1916 u. Ztschr. dt. Ing. 1916. Dokzalek.
Sekundärbahnen, insbesondere in Öster-
reich vor gesetzlicher Festlegung des Begriffs der
Lokalbahnen angewendete Bezeichnung für
Bahnen untergeordneter Bedeutung, die derzeit
nach ihrer Bauanlage und ihren Betriebsein-
richtungen nicht als Lokalbahnen, sondern als
Kleinbahnen zu bezeichnen wären (z. B. Fahr-
geschwindigkeit 12— 15 Ä/?z). Die Bezeichnung
S. (ferrovie secondarie) findet sich auch in
Italien und Spanien.
Selbstentladewagen (seif discharging
wagons; wagons ä dechargcmcnt automatiqiies;
vagoni a scarico automatico), Selbstentlader,
Güterwagen, die derart eingerichtet sind, daß
die Entladung durch die Schwerkraft der aus
Massengut (Schüttgut) bestehenden Ladung be-
wirkt wird. Die hierfür zuweilen vorkommende
Bezeichnung „Schnellentlader" ist nicht sach-
gemäß, weil die „Schnellentladung" des Massen-
guts nicht immer gleichzeitig »Selbstentladung"
sein muß, d. h. der Schnellentlader ist nicht
immer Selbstentlader. Aber auch die Bezeichnung
S. ist insofern nicht ganz zutreffend, als die Ent-
ladung nicht durch den Wagen selbst, sondern
durch die Schwerkraft der Ladung erst nach
Einstellung, d. i. Lösung des Verschlusses
der Entladevorrichtung erfolgt. Die Einstellung
wird entweder durch Arbeiter von Hand oder
zuweilen unter Benutzung von Preßluft be-
werkstelligt.
26
Selbstentladewagen.
Abb. 75.
Abb. 76.
Die Massengüter, mit Ausschluß von Getreide, gebranntem
Kalk und einigen Düngemitteln, werden bekanntlich in offenen
Güterwagen verfrachtet; auf diesen Umstand ist es zurück-
zuführen, daß bisher die Selbstentlader auf offene Güterwagen
beschränkt sind, obgleich gewisse Selbstentladevorrichtungen
für gedeckte Güterwagen wohl verwendbar wären.
Als Massengut für die bisher gebräuchlichen S. kommt
insbesondere in Betracht: Steinkohle und Braunkohle (aus-
schließlich Salon-, Braunkohle, Briketts), Koks (in begrenz-
tem Umfang), Erze, Kalk, Steine (ausschließlich bearbeitete
Steine und Ziegelsteine), Schotter, Kies, Sand, Erde, Schlacken,
Rüben und Fabrikkartoffeln. Aber auch Getreide, Düngemittel
und gebrannter Kalk würden als Massengut für die Selbst-
entladung in gedeckten S. in Frage kommen. Das verschieden
große spezifische Gewicht der Massengüter, ihr Verhalten
gegenüber den Witterungseinflüssen, ihre Porosität, Korn-
oder Stückgröße u. s. w. stellen naturgemäß hohe Anfor-
derungen an die bauliche Ausgestaltung der Selbstentlade-
vorrichtung. Hieraus sowie aus den verschiedenartigen, auch
mit Bezug auf den Betrieb und Verkehr gestellten Forde-
rungen der Eisenbahnverwaltungen und der Industrie haben
sich im wesentlichen die in Gebrauch befindlichen, nicht
unerheblich voneinander abweichenden Bauarten der S.
ergeben. Im allgemeinen lassen sich die gebräuchlichen S.
in 2 Gruppen einreihen:
a) Selbstentlader, die vor Beladen mit Massengut be-
sonders hergerichtet werden müssen, um eine Seibstentladung
zu ermöglichen (Seitenentladung, Bodenentladung, Seiten-
und Bodenentladung);
b) trichterförmige Selbstentlader, bei denen die Selbstent-
ladung durch Öffnen von Bodenklappen und zuweilen auch
von Seitenwänden oder Seitenklappen erfolgt (Boden- oder
Seitenentladung, zuweilen auch Boden- und Seitenentladung).
Bei den trichterförmigen S. ist ein besonderes Herrichten
für die Selbstentladung nicht erforderlich.
Eine andere Einteilung ist:
1. Seitenentlader, bei dem die Selbstentladung durch
Öffnen von beweglichen Boden- oder Seitenklappen erfolgt,
wobei das Massengut seitlich des Gleises, u. zw. nach beiden
Seiten oder nur nach einer Seite des Gleises abgleitet. Der
Seitenentlader kann ein Flachboden- (Abb. 75) oder Trichter-
wagen (Abb. 76 u. 77) sein.
2. Bodenentlader, bei dem die Selbstentladung durch
Öffnen von beweglichen Bodenklappen erfolgt, wobei das Massen-
gut innerhalb des Gleises abstürzt. Auch der Bodenentlader
kann ein Flachboden- oder Trichterwagen sein (Abb. 78 ).
Sei bstentladewagen.
27
3. Boden- und Seitenentlader, bei dem
die SeibstentiadunCT durch gleichzeitiges Öffnen
Abb. 79.
von beweglichen Boden- und Seitenklappen
erfolgt, wobei das Massengut seitlich und
innerhalb des Gleises entladen wird. Der
Wagenkasten hat meist einen flachen Boden
mit schräggestellten Längswänden (Abb. 79).
(Wegen der Seitenkipper, die im allgemeinen
zu den Schnellentladern gehören, vgl.
Bd. VII, S. 49 ff.).
Die Abb. 75-79 veranschaulichen Bauarten
von S. in grundsätzlicher Anordnung. Die Ent-
ladung des Massenguts aus dem Selbstentlader
erfolgt meist von Pfeilergleisen aus, die aus
Mauerwerk, Holz, Eisen oder Eisenbeton her-
gestellt werden. Seitenentlader können aber auch
von wenig auf Schüttung erhöhten Gleisen be-
nutzt werden, während für Bodenentlader ein
Pfeilergleis unerläßlich ist. Trotzdem werden
\'on den amerikanischen und englischen Bahnen
meist Bodenentlader verwendet, während in
Deutschland meist Seitenentlader gebräuchlich
sind. Die Verschiedenheiten sind im wesent-
lichen durch die Bauarten der Selbstentlader
begründet. Die Bauarten zeigen nämlich hin-
sichtlich der Schwerpunktlage des Wagenkastens,
der Lage der Langträger unter dem Kasten-
boden, des Ladegewichts, der Achsenzahl, der
Höhe der Kastenwände und deren Neigung, der
Entladeklappen und deren Verschlüsse sowie
Zubehörteile der Seiten- oder Bodenentlade-
einrichtung u. s. w. erhebliche Verschieden-
heiten, je nachdem sie für bestimmte Massen-
güter bzw. gewisse Verhältnisse eines indu-
striellen Werkes oder einer Eisenbahnverwaltung
hergerichtet sind. Hieraus ergeben sich mancher-
lei Vorteile für die Industrie und Eisenbahn-
verwaltungen, aber auch viele Nachteile für
die letzteren.
Die Vorteile bei Verwendung der bisherigen
S. bestehen im wesentlichen für die Industrie in
der Ersparnis an Entladekosten und Arbeitern,
für die Eisenbahnverwaltungen hingegen in der
Erhöhung der Nutzleistung der Wagen infolge
Einschränkung der Entladezeit sowie in der
Ersparnis an Entladekosten, während die Nach-
teile insbesondere durch die Vermehrung der
Leerläufe und Verschlechterung des Verhältnisses
des Ladegewichts zum Eigengewicht des Wagens
sich stark bemerkbar machen, so daß in
betrieblicher Beziehung die Nachteile für die
Eisenbahnverwaltungen die Vorteile überwiegen.
Die Eisenbahnverwaltungen sind daher in
richtiger Erkenntnis der großen wirtschaft-
lichen Bedeutung, die der Erzielung eines allen
Anforderungen und auch denen des gewöhn-
lichen Dienstes entsprechenden Selbstentladers
zukommt, seit Jahren bemüht, einen im Eisen-
bahnbetrieb unbeschränkt für Massengüter und
gewöhnliche Güter verwendbaren S. zu erhalten.
Die Forderungen, die an einen derartigen
Güterwagen, z. B. für das Verkehrsgebiet des
Abb. SOb.
VDEV. zu stellen sein möchten, ergeben sich
im wesentlichen aus dem Preisausschreiben, das
der preußische Minister der öffentlichen Arbeiten
zwischen den deutschen Eisenbahnwagenbau-
anstalten auf den 1. September 1907 zur
Gewinnung eines S. ausgesetzt hat. »Hiernach
müßte der Wagen ein zweiachsiger offener
Güterwagen sein, der, als Kohlenwagen mit
flachem Boden, auch für gewöhnliche Güter
und als Stirnkipper benutzbar, bei einem Lade-
raum von etwa 32-5 m^ 1 5 t Koks oder 20 /
28
Selbstentladewagen.
Abb, Sl.
Kohlen fassen sollte, bei voller Belastung unter
S t Raddruck auf die Schienen ergeben darf
und bei dem ein möglichst großer Teil des
Massenguts nach jeder Seite des Wagens
ohne Nachhilfe durch die Schwerkraft
der Ladung entleert werden kann. Außer-
dem sollten die Beschaffungs- und
Unterhaltungskosten des S. die der
bisherigen offenen Güterwagen von
gleichem Ladegewicht nicht wesentlich
überschreiten."
Die Forderungen ergeben, daß der
„Zukunftswagen" ein für beiderseitige
Selbstseitenentleerung eingerichteter
Flachboden wagen sein müßte, wo-
durch die Hauptziele der Eisenbahn-
verwaltungen, u. zw.
a) Verbilligung der Beförderungs-
kosten durch Erhöhung der Nutzleistung
der Wagen infolge Einschränkung der
Entladefristen;
b) Verringerung der Betriebsleistungen
im Zugdienst durch Herabminderung der
Leerläufe und
c) Verringerung der laufenden Be-
triebsausgaben durch Minderbedarf an
Wagen, obgleich jeder Wagen teurer wird,
erreicht würden. Außerdem würden so-
wohl für die Eisenbahnverwaltungen
als Verfrachter als auch für die Verkehr-
treibenden erhebliche Ersparnisse an
Entladekosten gegenüber der bisherigen
Handentladung erzielt, und, was in volks-
wirtschaftlicher Beziehung besonders in
die Wagschale fällt, es würden recht viel
Arbeiter erspart. Die Beschränkung in der Ver-
wendung der bisherigen S. würde entfallen, da
ein derartiger S. im allgemeinen Verkehr mit
.\bb, 5:
Selbstentladewagen. - Semmeringbahn."
29
offenen Güterwagen, mithin auch für Stückgüter
und auf längere Strecken verwendbar sein würde.
Auch würden die bis zu 50 *^ betragenden Leer-
läufe der bisherigen S. vermieden werden
können.
Ein solcher neuzeitlicher S. ist in den
Abb. 80-82 dargestellt. Abb. 80 au. b zeigen
Querschnitt und Stirnansicht des Flachboden-
wagens, Abb. 81 die Draufsicht des zur Auf-
nahme von Massengut hergerichteten Selbstent-
laders und Abb. 82 zeigt die Ansicht des Selbst-
entladers mit geöffneter Selbstentladevorrichtung.
Die Abbildungen und die bisherigen Probe-
entladungen ergeben, daß die an den Zu-
kunftswagen zu stellenden, voraufgeführten
Forderungen durch den Flachbodenwagen mit
Selbstentladevorrichtung für Seitenentleerung
erfüllt werden dürften. Über die Bewährung
des Wagens liegen zurzeit größere Betriebs-
erfahrungen noch nicht vor; umfangreiche
Erprobungen sind aber dem Vernehmen nach
bereits eingeleitet. Über die wirtschaftliche
Bedeutung eines geeigneten S. für die Eisen-
bahnverwaltungen und Industrie sowie über
die Verwendung von S. erforderlichen Ein-
richtungen auf den Bahnhöfen und indu-
striellen Werken vgl. die Aufsätze des Ver-
fassers in Glasers Ann. 1915, Ztg. d. VDEV.
1915, Deutsche Bahnmeister -Zeitung 1915,
Verkehrstechn. W. 1916 und Zeitung des Ver-
eins der Ingenieure der österr. Staatsbahnen
1916. Vgl. Lade- und Entladevorrichtungen;
Die Gießerei 1918; Fortschritte der Technik,
H. 3; Über die Verwendung von Selbstentladern
im öffentlichen Verkehr der Eisenbahnen, von
F. Dütting, Berlin 1919. Scheibner.
Selbstkosten der Beförderung von Personen
und Gütern, die Summe der Ausgaben, die
der Bahnverwaltung aus der Durchführung des
Beförderungsgeschäftes selbst erwachsen. Die
Erfassung dieser S. ist äußerst schwierig und
kann mit voller Sicherheit nie gelingen.
Vgl. die ausführlichere Behandlung dieses
Gegenstandes in den Art. Betriebsergebnisse,
Bd. II, S. 299 ff. und Gütertarife, Bd. V,
S. 456.
Selbsttätige Bremsen s. Bergbahnen,
Bremsen und Elektrische Eisenbahnen.
Selbsttätige Kuppelungen der Eisen-
bahnfahrzeuge sind nur in vereinzelten Fällen
zur Ausführung gelangt. Alle bisher versuchten
Formen der S. verdanken ihre Entstehung dem
Bestreben, das immer mit Gefahr verbundene
Handverkuppeln der Fahrzeuge entbehrlich zu
machen.
Die bisher versuchten Bauarten der S. sind im
Art. Kuppelungen, Bd. VII, S. 34 ff. beschrieben.
Selbsttätige Signale (automatic Signals;
Signals automatiqiieux; segnall automatici),
Signale, bei denen die sichtbaren oder hörbaren
Signalzeichen durch unmittelbare Einwirkung
der Züge oder einzelner Betriebsmittel hervor-
gerufen werden. Im weiteren Sinn gehören dazu
die selbsttätigen Läutewerke, die durch den Zug
ausgelöst werden (s. Überwegsignale), die
Führerstandsignale (s. d.), die auf die Annähe-
rung an ein feststehendes Signal aufmerksam
machen oder die Stellung eines solchen Signals
anzeigen, die Signale, die anzeigen, ob ein
Gleis oder ein Gleisabschnitt besetzt oder frei
ist u. a.
Im engeren Sinn versteht man unter S.
die Blocksignale, bei denen der fahrende
Zug das in der Grundstellung „Fahrt frei«
zeigende Signal hinter sich auf „Halt" bringt
und das Signalzeichen »Fahrt frei" in be-
schränktem oder vollem Umfang erst wieder
herstellt, nachdem er eine bestimmte Stelle der
Strecke erreicht hat (s. Blockeinrichtungen,
Bd. II, S. 407). Hoogen.
Semaphor (scmaphor signal; semaphorc;
semaforo), Zeichentelegraph; im Eisenbahn-
signalwesen wird damit das Arm- oder Flügel-
signal bezeichnet, das aus einem Mast mit
einem oder mehreren Armen oder Flügeln
besteht. Durch verschiedene Stellung der Arme
oder Flüge! werden die Begriffe „Halt", „Lang-
sam fahren" und „Fahrt frei" ausgedrückt (s.
Signalwesen). Hoogen.
Semmeringbahn, Teilstrecke der Linie
Wien-Triest der österreichischen Südbahn-
gesellschaft, beginnt in der Station Gloggnitz in ■
Niederösterreich mit der Seehöhe von 438-861 m,
überschreitet die Ausläufer der Norischen Alpen
in der Nähe des Semmeringpasses (898-056 ni
ü. M.) und endet in Steiermark in der Station
Mürzzuschlag (680-945 m ü. M.). Die S., bekannt
wegen der landschaftlich prächtigen Ausblicke,
besitzt als erste Gebirgsbahn Europas hervor-
ragende geschichtliche Bedeutung. Bau und
Betrieb wurden für die Entwicklung des Eisen-
bahnwesens, besonders aber für jene des
Lokomotivbaues, von bahnbrechender Be-
deutung. Erbaut wurde die S. von Karl Ritter
von Ghega (s. d.). Ghega wurde im Jahre
1841 zur Leitung des Baues der staat-
lichen Linie Wien-Triest berufen, von der
damals die Teilstrecke Wien-Gloggnitz im
Betrieb stand. Die Bahn von Neustadt aus
über Ödenburg (Ungarn) zu führen, war
aus politischen Gründen nicht zulässig; es
mußten also die Ausläufer der Norischen
Alpen überschritten werden, was nur mit
Anwendung großer Neigungen und scharfer
30
Semmeringbahn.
Krümmungen mö<;Iich war; diese Umstände
erregten wegen der Wahl einer riciitigen Be-
triebsweise so große Bedenken, daß man die Ent-
scheidung hierüber vorläufig in Schwebe ließ
und zunächst die Bahn von Mürzzuschlag aus
weiterbaute. Auf Grund eingehender Studien,
die Ghega in Amerika gemacht hatte, wo
schon einige Gebirgsbahnen im Betrieb standen,
empfahl er die Überschienung des Semmerings
mittels einer gewöhnlichen Lokomotiv-Reibungs-
bahn. Daneben wurde aber auch die Anlage
einer atmosphärischen Eisenbahn näher studiert.
Die Frage der Überschienung des Semmerings
erregte im In- und Ausland lebhaftes Interesse,
das in verschiedenen Vorschlägen ihren Aus-
druck fand. So schlug der damalige Ober-
ingenieur Karl Keißler vor, die Bahn von Qlogg-
Siationfientle.Ttin^en ',
Meeresapieöel
Orsr.-li !«.,■-■
Kilometer
^•ei4..4iasj — s2Ct — [Aoe7-|— ^190— ^.5aft-^'°^.t9642 8<'4~^'*^~^
H-' I uo I Z5.0 I 1^ I i^ I ly? Iit.'a' i^e^I^
MalssUb für Qie Längen ; 1^70 000
- . . , Höhen : 1-30.0^0
Abb. 83.
Längenschnitt der Semmeringbatin nacti dem Ausführungsplan.
nitz Über Payerbach durch die Prein zu führen
und die Kammalpe mittels eines 6 km langen
Tunnels unter dem Semmeringkogel in der
Richtung gegen Spital zu durchbrechen. Von
Seite des Österreichischen Ingenieurvereins
wurde unter ausführlicher Begründung die Ver-
bindung der Bahnhöfe Gloggnitz und Mürz-
zuschlag durch Seilbahnen empfohlen. Die
Regierung entschied sich jedoch für eine Loko-
motivbahn, deren Bau im Jahre 1848 begann.
Im Jahre 1850 wurde von der Regierung über
Vorschlag Ghegas ein Preis für die zum Betrieb
der S. geeigneteste Lokomotive ausgeschrieben.
Über die Ergebnisse dieses Wettbewerbs s. Art.
Lokomotive (Bd. VII, S.165). Am 24. September
1853 fand eine Probefahrt von Mürzzuschlag
bis zum Viadukt über die „kalte Rinne" statt
und am 23. Oktober desselben Jahres konnte,
nach Vollendung des einen Gleises, die ganze
S. das erste Mal, u. zw. mit der Lokomotive
,;Lavant" der südlichen Staatsbahn befahren
werden. Anfangs Dezember 1853 wurde der
Güterverkehr eröffnet, am 17. Mai 1854 fuhr
Kaiser Franz Joseph I. über die S. und am
17. Juli 1854, nachdem auch das zweite Gleis
fertig war, wurde die Bahn dem allgemeinen
Betrieb übergeben.
Die S. (Abb. 83) läuft von Gloggnitz aus
an der südlichen Bergwand des Schwarzatais
bis Payerbach, übersetzt mit einem Viadukt
das Tal und zieht an der gegenüberliegenden
Bergwand, von der Richtung Gloggnitz-Payer-
bach wenig abweichend, bis zur Station Eich-
berg, die 17L118/ß über Gloggnitz angelegt
ist. Hier biegt sich die Linie nach rechts und
läuft an der südöstlichen Berglehne in be-
deutender Höhe über der Sohle des Schott-
wienertals bis in die Nähe der Ruine Klamm,
von wo aus sie stetig steigend längs des
Adlitzgrabens in vielfachen Krümmungen bis
zur Polleroswand zieht, die „kalte Rinne"
mit einem Viadukt von 184 m Länge und
46 rn Höhe im Bogen von 190 in Halbmesser
überschreitet und sich dann an der Nordseite
des Gebirges zur Einsattlung des Semmerings
emporwindet. Sie unterfährt diese mit einem
Tunnel von 1430 m Länge in gerader Richtung
und senkt sich sodann, an der rechten Seite
des Fröschnitztals hinziehend, nach Mürzzu-
schlag hinab. Während des Betriebs wurde die
Haltestelle Küb zwischen Payerbach und Eich-
berg eröffnet.
Die Länge der Bahn von der Stationsmitte
in Gloggnitz bis zu jener in Mürzzuschlag
beträgt 4LS13 km; hiervon liegen 50 "» in
der Geraden; der kleinste Krümmungshalb-
messer beträgt 190 m; die mit ihm ausgeführten
Bögen haben eine Gesamtlänge von 6'6S& km.
Die stärkste Neigung beträgt 25^,öo; sie hat
zwischen Eichberg und Klamm auf eine un-
unterbrochene Länge von 3'57 km und im
ganzen auf 22'911 km Anwendung gefunden;
wagrecht liegen außer den Stationen nur 5
kleinere Strecken von zusammen 0'416 km
Länge. Die Zahl der Tunnel beläuft sich auf
15; der kürzeste ist 14/;?, der längste 1430/;?
lang; ihre Gesamtlänge beträgt 4'533 km. Im
Zug der Bahn kommen 118 gewölbte Brücken
von 2-15/;/ Spannweite, 1 1 eiserne Brücken
und 16 Viadukte vor, von denen mehrere
mit 2 Bogenstellungen übereinander ausgeführt
sind. Diese Viadukte liegen zumeist in sehr
scharfen Bögen und starken Neigungen und
sind zusammen rd. 1500 m lang; sie besitzen
Spannweiten bis zu 20 ///; der längste Viadukt
ist jener über die Schwarza bei Payerbach
(228 m). Einschnitte sind möglichst vermieden;
von Erddämmen, Steinpflasterungen u. s. w.
Semmeringbahn. - Serbische Eisenbahnen.
31
wurde wenig Gebrauch gemacht, die Bahn
vielmehr fortwährend unter ausgedehnter An-
wendung von Stütz- und Wandmauern mit
2-15/« Höhe, deren Gesamtlänge ungefähr
13 km beträgt, an die Berglehnen angeschmiegt.
Der Oberbau wurde beim Bau sehr sorg-
fältig hergestellt. Die aus Schlägelschotter ge-
bildete Einbettung erhielt Grundbau und Stein-
banketts, die Schienen (42-52 kglin) lagen auf
einem aus Lang- und Querschwellen gebildeten
Rost, wobei auf jeder Schwelle Unterlagsplatten
in Anwendung kamen. In dem Maß, als die
Schwellen unbrauchbar wurden, beseitigte man
diese Bauweise vollständig und ging zu der
auf den übrigen Strecken der Linie Wien-
Triest gebräuchlichen Bauart mit einfachen höl-
zernen Querschwellen über. Gegenwärtig besteht
der Oberbau aus 1 2-5 und 1 5 ni langen Schienen
von 44 kg'ni auf Holzschwellen von 72 — 74 an
Entfernung mittels Spannplatten, die in Bögen
ab 300 m Halbmesser auf allen Schwellen, in
allen übrigen schwächeren Bögen und in der
Geraden auf jeder zweiten oder dritten Mittel-
schwelle und auf den Stoßschwellen liegen.
Die Hochbauten sind teils aus Bruchsteinen,
teils aus Ziegeln und Fachwerk.
Die Kosten der Herstellung und Betriebs-
einrichtungen der S. stellten sich auf rd. 50 Mill.
Kronen.
Der Haupttunnel erfuhr nach Ablauf des
ersten Betriebsjahres eine größere Ausbesserung,
indem man einen Teil der Ziegelmauerung
durch Quadern ersetzte. An den Enden wurden
Tore angebracht, die im Winter nur für den i
Verkehr der Züge geöffnet wurden; dennoch
mußte bei starker Kälte der Tunnel geheizt
werden, zu welchem Zweck im Jahre 1857 in der
Station Semmering eine Gasanstalt errichtet
wurde und 4 Ofen im Tunnel zur Aufstellung
gelangten. Die stetig anwachsende Dichte des
Zugverkehrs zwang zur Beseitigung der Tunnel-
tore. Im Jahre 1916 gelangte ein elektrisch be-
triebener Ventilator von 100 PS. zur Aufstellung,
der durch Lufteinpressung wirkt. Die im Lauf der
Zeit infolge Abwitterung schadhaft gewordenen
Ziegelwölbungen der Kunstbauten wurden auf
30 — 60 cm Tiefe durch Stampfbeton und Beton-
formsteine ausgebessert; bei dem Haupttunnel
und einigen kleineren Tunneln erneuerte man
die Kappe des Gewölbes mit Klinkerziegeln,
um eine größere Widerstandsfähigkeit gegen
die Einwirkung der Rauchgase zu erzielen; abge-
wittertes Quadermauerwerk wurde durch Stampf-
beton mit Eiseneinlage ersetzt.
Für die Beförderung der Schnell- und Per-
sonenzüge dienen zweizylindrige Verbundloko-
motiven mit 4 gekuppelten Achsen und einer
radial einstellbaren Laufachse, 56'6 t Reibungs-
gewicht, 67'8 t Dienstgewicht und mit dreiachsi-
gem Schlepptender; diese Lokomotiven befördern
in der Strecke Payerbach-Semmering 230 / mit
Ab km Geschwindigkeit; ferner stehen zweizylin-
drige Heißdampflokomotiven mit 5 gekuppelten
Achsen und radial einstellbarer Laufachse von
69 t Reibungsgewicht, BIT ^ Dienstgewicht, mit
Schlepptender in Verwendung; sie befördern in
obgenannter Strecke 300 t; auch vierzylindrige
Verbundlokomotiven ähnlicher Bauart sind im
Betrieb. Für die Güterzüge werden vorwiegend
zweizylindrige Verbundlokomotiven mit 5 gekup-
pelten Achsen, verschiebbarer Vorder-, Mittel-
und Endachse, 66'5 t Gewicht, Schlepptender
und mit einer Leistung von 280 t in den stark
geneigten Strecken verwendet; Geschwindigkeit
1 8 — 35 kmjStd. Überschreitet die Belastung die
für eine Lokomotive aufgestellte Grenze, so
werden die Züge mit Vorspann befördert; von
einer bestimmten Höchstbelastung an werden
die Züge nachgeschoben, z. B. Personenzüge
von 320 bzw. 350 ( an; Güterzüge können bei
Nachschiebedienst 650 ( schwer sein.
Literatur: Schmid, Bericht über den gegenwär-
tigen Stand der Anwendung der Eigenschaften der
atmosphärischen Luft zur Fortschaffung von Eisen-
bahnzügen. Wien 1849. — Programm zu dem Kon-
kurs über die geeignetste Semmeringlokomotive. Wien
1850. — Schmid, Mitteilungen über die Vorberei-
tungen der materiellen Mittel zum Betrieb der Eisen-
bahn über den Semmering. Wien 1852. - Qhega,
Übersicht der Hauptfortschritte des Eisenbahnwesens
von 1840-1850. Wien 1852. - Enger th, Die Lo-
komotive der Staatseisenbahn über den Semmering.
Wien 1854. — Aichinger u. Birk, Beschreibung
der Anlage und des Betriebs der Semmering-Eisen-
bahn. Wien 1861. - Qottschalk, Bericht über den
Zugförderungs- und Werkstättendienst der österrei-
chischen Südbahn während der Jahre 1868-1877.'
Wiesbaden 1878. — Kramer, Maschinendienst auf
der Brennerbahn. Wien 1878. - Birk, Die Sem-
meringbahn, Denkschrift zu dem 25iährigen Jubiläum
ihrer Betriebseröffnung. Wien 1879. — Lihotzky,
Das 25iährige Jubiläum der S. Wien 1879. - Ge-
schichte der Eisenbahnen der österreichisch-
ungarischen Monarchie (1898 u. 1908). Abhandlungen
finden sich auch in der „Eisenbahnzeitung 1848- 1850
und in der Ztschr. d. Österr. Ing.-V. (1848 ff.).
Birk.
Senegal s. Französisch-Westafrika.
Sequestration, Zwangsverwaltung im Fall
der Verhängung des Konkurses über das Ver-
mögen einer Eisenbahn oder aus anderen
Gründen (zur Erzwingung der dem Unter-
nehmer obliegenden konzessionsmäßigen oder
sonstigen öffentlich rechtlichen Verpflichtungen,
ferner im Zusammenhang mit der Inanspruch-
nahme einer staatlichen Zinsengarantie u. s. w.),
s. Zwangsverwaltung.
Serbische Eisenbahnen. Für Teilstrecken
der S. besaß ein belgisch-französisches Kon-
sortium schon 1867 die Konzession. Auch die
österreichisch-ungarische Staatseisenbahngesell-
32
Serbische Eisenbahnen.
Schaft beschäftigte sich zu jener Zeit mit serbi-
schen Bahnpiänen, ohne daß es indessen damals
zu ihrer Ausführung gekommen wäre. Erst
durch den Berliner Vertrag vom Jahre 1878
wurden diese Pläne der Verwirklichung näher
gerückt (vgl. Orientalische Eisenbahnen und
Orientbahnen).
Auf Grund des Berliner Vertrags zwischen
der österreichisch-ungarischen Monarchie, der
Türkei, Serbien und Bulgarien verpflichtete
sich die serbische Regierung, folgende Linien
zu bauen und bis 15. Oktober 1886 dem
Betrieb zu übergeben:
1. Eine Eisenbahnlinie von Belgrad nach
Nisch zum Anschluß an die ungarischen Bahnen;
2. eine Verbindungslinie von Nisch bis zur
serbisch-bulgarischen Grenze über Pirot gegen
Bellova in der Richtung gegen Konstanti-
nopel;
3. eine Verbindungslinie von Nisch über
Vranja nach einem im gemeinsamen Einver-
ständnis zu bestimmenden Punkt der serbisch-
ottomanischen Grenze zum Anschluß an die
ottomanische Eisenbahnlinie Saloniki-Mitro-
vitza.
Zur Ausführung der serbischen Strecken
Belgrad-Nisch-Vranja-Ristovac (damalige tür-
kische Grenze) wurde laut Beschluß der
serbischen Skupschtina im Jahre 1881 ein Vertrag
mit der Union generale wegen Gründung einer
Aktiengesellschaft, Compagnie deConstruction et
Exploitation des Chemins de fer de l'Etat Serbe,
mit einem Nominalkapital von 100 Mill. Fr. ge-
schlossen. Die serbische Regierung übernahm
die Verpflichtung, diese Summe im Laufe von
50 Jahren (von 1881 angefangen) zu tilgen.
Im Januar 1882 geriet die Gesellschaft, nach-
dem sie den Bau begonnen hatte, in Konkurs.
Es gründeten hierauf die österreichische
Länderbank und das Comptoir d'Escompte in
Paris eine neue Bau- und Betriebsgesellschaft
(Compagnie de Construction et de l'Exploita-
tion des Chemins de fer de l'Etat Serbe), die
an Stelle der Union generale trat.
Die neue Gesellschaft übernahm die Ver-
pflichtungen der Union generale und später
auch den Bau der Linie Nisch-Pirot.
Die Linie Belgrad-Nisch (244 km) wurde
im Jahre 1884 in Betrieb gesetzt, ihre Fort-
setzung Nisch-Leskovac-Vranja-Ristovac (da-
malige türkische Grenze, 122 km) im Jahre
1886. Die Linie Nisch -Bela Palanka-Pirot-
Zaribrod (97-6 km) blieb infolge des serbisch-
bulgarischen Krieges im Rückstand und er-
folgte ihre Eröffnung erst 1887.
1886 wurden die Zweigbahnen Velika-PIana-
Semendria (Smederovo) und Lapovo-Kragu-
jevac eröffnet.
Die Zweigbahn nach Semendria wurde ur-
sprünglich als Materialbahn für die Hauptlinie
hergestellt, über Beschluß der Skupschtina
jedoch für den öffentlichen Verkehr umge-
baut. Die normalspurige Abzweigung von
Lapovo nach Kragujevac (2Q-2 km), dem Ar-
senal von Serbien, wurde ursprünglich, und
bis zur Übernahme des Betriebs durch den
Staat, als Militärbahn betrieben.
1890 erfolgte die gesetzliche Sicherstellung
des Baues einer 20 - 25 km langen Bahn von
Cuprija nach den Kohlenwerken von Senje.
Diese Bahn wurde 1892 mit einer Spur von
75 cm dem Verkehr übergeben.
Am 2. Juni 1889 hat die Regierung den
der Gesellschaft für den Bau und Betrieb der
serbischen Staatsbahnen vertragsmäßig oblie-
genden Betrieb der S. selbst übernommen, und
wurde für die Betriebführung eine General-
direktion der serbischen Staatsbahnen errichtet.
So wurde im Jahre 1890 der serbische
Staat Besitzer eines 540 km langen Eisenbahn-
netzes, das erst im Jahre 1909 um 14-6 km
(die Strecke Stalac-Krusevac) verlängert wurde,
also im ganzen etwa 555 km, welche Länge
unverändert bis zum Jahre 1912, vor dem
Balkankrieg, blieb. 1912 wurde noch die
Strecke Prahovo (a. d. Donau)-Zajecar-Knja-
zevac {W^ km) eröffnet. Im Jahre 1913, nach
dem Balkankrieg, besetzte, wie bekannt, Ser-
bien die Eisenbahnen in Mazedonien : Üsküb-
Mitrovitza (119-5 Aot), Üsküb-Gewgheli (bis
zur neuen Grenze mit Griechenland, 1 507 km)
und von Üsküb-Ristovac-Sibevca (die frühere
Grenze zwischen Griechenland und der Türkei,
Qb-Akm), Bitolia-Kinali (18äot, bis zur neuen
serbischen Grenze), im ganzen 372'9 km maze-
donische Eisenbahnlinien.
Außer diesen normalspurigen Eisenbahnen
besaß Serbien an schmalspurigen staatlichen
Bahnen (0-76 /ra-Spur), die Strecken: Mlade-
novac (an der Eisenbahnlinie Belgrad-Velika
Plana nach Nisch) -Arangjelovac-Lazarevac-
Laikovac (nach Valjevo, 74-2 km), eröffnet
1904 und 1910; Sabrej (a. d. Save)-Obrenovac-
Laikovac -Valjevo (67-5 km, eröffnet 1906);
Cuprija (an der Eisenbahnlinie Belgrad-Nisch,
südöstlich von Kragujevac)-Senski Rudnik Ravna
Reka (westlich von Zajecar, 3 1 -2 km, zum Trans-
port der Steinkohlen, die von 75 auf 76 cm
umgebaut wurde; ferner (unter Einlegung einer
dritten Schiene auf der Strecke Stalac-Kru-
sevac) Stalac (an der Bahnlinie Belgrad-Nisch,
südlich von Cuprija)-Krusevac-Kraljevo-Cacak-
Po2ega-Uzice (167-1 km); gleichzeitig wurde
ein nicht dem öffentlichen Verkehr dienender
Flügel nach der Pulverfabrik Obilicevo eröffnet.
Die Linien Paradin -Izvor-Krivivir- Zajecar-
Serbische Eisenbahnen.
33
Vrazogrnce (1 05- 1 /fw) folgten am I.Januar 1911,
ausgenommen die Bergstrecke izvor-Krivivir, die
erst Januar 1912 eröffnet wurde; 1912 besaß
Serbien im ganzen 422 km. Außerdem war eine
Verbindung von Cacak nach Lazarevac geplant,
die sich dort an die Linie nach Zabre2 an-
schließen sollte.
Zur Erbauung der normalspurigen Bahnen
hat der serbische Staat bis zum Jahre 1912
115,850.166 Dinar (Fr.) ausgegeben, für In-
ventar und bewegliches Material 29,783.733 Fr.
Außer den staatlichen Schmalspurbahnen be-
stehen noch die Privatschmalspurbahnen Sabac
a. d. Save-Lesnica-Loznica nächst der Drina in
der Macvaebene, Spur 76 an, Dubravica a. d.
Donau-Pozarevac der Pozarevacer Kreisbahn,
Spur 76 cm, die Kohlenbahn Radujevac a. d.
Donau-Vrazogrnce-Vrska Caka am Timok der
belgischen Societe Industrielle Serbe, Spur 76 r/«.
Im Bau standen bei Kriegsbeginn noch die
Staatslinien Arangelovac und Kragujevac nach
Terstenik, die Linie Knjazevac-Nisch sowie die
Fortsetzung der Pozarevacer Kreisbahn gegen
Zagubica. Durch Gesetz vom 6./ 18. Dezember
1898, betreffend den Bau und Betrieb neuer
Eisenbahnen (abgeändert durch Gesetze vom
5./17. Oktober 1899, 2./15. April 1902, 12./25.
März 1909 und zuletzt in umfassender Weise
durch Gesetz vom 30. Mai/ 12. Juni 1913) wurde
die Durchführung des aufgestellten Eisenbahn-
bauprogramms, das sich nach dem Gesetz
vom Jahre 1913 auf 24 Linien erstreckte und
teils im Wege de^ Staatsbaues, teils in jenem
der Konzessionierung genehmigte. Die Durch-
führung scheiterte an finanziellen Schwierigkeiten
und infolge der Kriegsereignisse. Die öster-
reichisch-ungarische Verwaltung nahm nach
der Besetzung Serbiens den Eisenbahnbau, der
Cacak mit der Grenzstation Zabrei verbinden
sollte, in Angriff. Die Arbeiten wurden derart
gefördert, daß die Strecke Caöak-Gornji Mila-
novac dem Verkehr übergeben werden konnte,
während von der Zabre^er Seite aus die Arbeiten
bis zur Station Banjani fertiggestellt sind. Es
verbleibt also noch die kurze Strecke Gornji
Milanovac-Banjani. Nach Vollendung dieses
Baues wird dem Verkehr ein Gebiet erschlossen
werden, das zu den landwirtschaftlich frucht-
barsten, in bergbaulicher Hinsicht aber infolge
des Erzreichtums des Rudniker Gebirges, das
die neue Bahn durchschneidet, zu den wich-
tigsten Gebieten Serbiens gezählt werden kann.
Technisches. Die Linie Belgrad-Nisch be-
ginnt im Kopfbahnhof Belgrad, in den auch die
ungarischen Staatsbahnen einfahren. Es folgt b'/oo
Steigung, dann ab Kijevo 12^io Steigung zum
Ripanjtunnel, 1613 /h lang, dann Gefälle mit 12«;;»,
mit 2 kleineren Tunneln und einer Brücke bis
Mladenovac. Ab Mladenovac enthält die ganze Haupt-
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
linie Mindesthalbmesser von 500 m und sehr selten
300/« Halbmesser und Höchstneigungen von 5fm.
Es folgt Selo Planina, bereits im Moravatal und
Velika Plana, Ende des für 145 / Achsdruck ver-
stärkten Oberbaues, ab hier nach Süden beträgt der
Aclisdruck nur 13 t. Die Bahn steigt im Moravatal
nach Lapovo und überschreitet hinter Jagodina
mit eisernen Brücken die Lutomira und Morava,
fällt nach Cuprija, steigt nach Paracin bis Stalac.
Es folgen in /tm 181 der Stalactminel, 223 in lang,
in km 190, bei Zerovo, die zweite Moravabrücke, so-
dann die größere Station Aleksinac, die dritte
Moravabrücke und sodann Nisch. Es folgt weiters
Leskovac, Vranja und Ristovac (alt Zibeftehe), hmSbb
ab Belgrad, km 238 ab Saloniki. Die Wasserscheide
zwischen Morava und Vardar wird erreicht in Pre-
sevo, Von Kumanovo folgt Gefälle von 13—15 foo bis
Aleksandrovo (vorm. Adjarlar) und Skoplje (vorm.
Üskiib), dann zwischen Zelenika und Veles (vorm.
Köprülü), die 23 km lange Vardarenge mit 2 Vardar-
brücken und einem 300 m langen Tunnel. Zwischen
Demirkapija und Strumica tritt die Bahn in die zweite
Vardarenge mit einer großen Vardarbrücke und
einem Tunnel. Die letzte serbische Station ist
Gewgheli, es folgt die dritte Enge Cingane Derbent
und die Betriebswechselstation Ooumendje, ab
Saloniki der ottomanischen Bahnen in griechi-
schem Betrieb.
Die regelspurigen Abzweigungen sind: Velika Plana-
Selo Plana, Lapovo-Kragujevac, Stalac-Obilicevo. -
Nisch-Zaribrod. Diese Strecke enthält 6 kürzere
Tunnel und überquert 4nial den Nisavafluß, sie steigt
von [-"irot bis zur Grenze mit 7 -8^» und enthält auch
einige Bogen unter 500 /« bis 300 m Halbmesser
herab. - Skoplje-Mitrovitza, Bogen bis 300 m herab,
Neigungen bis zur Wasserscheide in Feri sovic,
578 m ü. M. bis 25 fno, 6 Tunnels in der Steilstrecke.
Ganz getrennt vom übrigen Netz ist der Regel-
spurabschnitt Bitolia (Monastir)-Monastir-Kinali. An
Schmalspurlinien bestehen, sämtlich mit der Spur-
weite 76 cm, die Privatbahn Sabac a. d. Donau
(Dam pfsch i ffstation)-Lesnica-Loznica, ganz abgetren nt
vom übrigen Netz in der Ebene verlaufend. - Die Ab-
zweigung Mladenovac - Arangjelovac- Laikovac-Ab-
zweigung. - Zabrezje a. d. Donau -Obrenovac
a. d. Donau (Dampfschiffstation) -Laikovac-Valjevo
(Kreisstadt), weiters Dubravica a.d. Donau-Pozarevac,
ohne Zusammenhang mit dem übrigen Netz. —
Die Kohlen und Industriebahn Cuprija-Sv Petar-
Senje Ravna Reka, eröffnet 1908 mit 75 cm Spur-
weite, umgebaut auf 76 cm. Die Bahn steigt anfangs
mit 17 und 32 9», in der Endstrecke mit Alfoo und
enthält außer mehreren kleinen Brücken einen grollen
Sturzviadukt für Kohlenumladung zur Hauptbahn. -
Die bedeutendste Seitenlinie beginnt in Paracin und
steigt von Donja Mutnica an zur Siljakwasserscheide
28 ji» mit Tunnel, um sofort wieder mit gleicher
Neigung nach Krivivir zu fallen, der Rest der Linie
bis Zajecar geht durch Hügelland. In Zajecar schließt
die Schleppbahn zum Kupferwerk Boran, das 60.000 f
Erz jährlich erzeugt. Ebendaselbst mündet die7/i7«
lange Schmalspurverbindung mit Regelspurunterbau
nach Vrazogrnce, die einen Teil der zukünftigen
Donau-Adria-Bahn bilden soll und jetzt dje Zufuhr
von Kohle aus dem Bergwerk Vrska Caka am
Timok ermöglicht. Von Vrazogrnce nach Süden
am westlichen Timokufer besteht bereits seit Jahren
eine Privatkohlenbahn von 60 km Länge nach
dem (minderwertigen) Donauhafen Radujevac. Da-
neben, bzw. unter teilweiser Benutzung derselben
bis Romanovo Most, ist die Normalspur (FJonau-
Adria-Bahn) nach Negotin (64 km ab Zajecar) und
34
Serbische Eisenbahnen. - Severntunnel.
der guten Donaulände zwischen Prahovo und Kusjak
erbaut und feldmäßig in Betrieb gesetzt worden.
Ebenso feldmäßig ist die Fortsetzung dieser Bahn
nach Süden gegen Knjazevac, ungefähr 40 km, fertig-
gestellt worden, während der Paßübergang (Gramad-
jasattel) nach Nisch (117 km ab Zajecar) noch mit
20 kleineren Tunnels im Bau steht. — In Cicevac
zweigt von der Hauptlinie die Holzschleppbahn
nach Sveti Petar und Bela Reka ohne Personen-
verkehr ab. In Stalac mündet mit der Schleppbahn
zur Pulverfabrik Obilicevo die 164T km lange Linie
nach L'zice im Tal der westlichen Morava. Die Strecke
berührt sodann Trstenik, V'rnjacka Banja, Kraljevo,
(iacak und Uzice, von wo ein stark benutzter Saum-
weg über Mokragora nach Visegrad in Bosnien führt.
Die Längen der Bahnen in Serbien betrugen
Ende 1912:
Regelspur: Staatsbahnen (574 Tarif*/«) 555-4 km
Schmalspur: Staatsbahnen (nicht in-
begriffen die damals noch im Bau
gestandene Linie Prahovo-Zajecar-
Knjazevac-Nisch) 476-Q „
Ottomanische Regelspurbahnen in
serbischem Betrieb 387'6 „
Privatschmaispurbahnen (Mlava b.
Pozarevac Kreisbahn, Tiniok Koh-
lenbahn, Bor Kupferbergbahn) . ISO'O ,,
Zusammen . . 15999Ä/«
An Fahrbetriebsmitteln waren Ende 1912
vorhanden auf den Staatsbahnen 44 Loko-
motiven für Schnell-, Personen- und ge-
mischte Züge (nachgeschafft im Jahre 1913
18 Stück), 43 Güterzuglokomotiven (nachge-
schafft 1913 5 Stück) und 14 Tenderloko-
motiven, außerdem 33 Schmalspurlokomotiven
(nachgeschafft 1913 5 Stück), 271 regel-
spurige, 98 schmalspurige Personen-, Post-
und Gepäckwagen sowie 3517 regelspurige
und 787 schmalspurige Güterwagen. Über
den Fahrpark der ottomanischen Bahnen in
serbischem Betrieb sind noch keine Verein-
barungen getroffen.
Die Anlagekosten des staatlichen Regelspur-
netzes, inbegriffen den Fahrpark, betrugen
Ende 1912 149-6 Mill. Dinar, der staatlichen
Schmalspurlinien 38'4 Mill. Dinar, d. s.
262.000 Dinar f. d. /t/?z Regelspur und 81.000
Dinar f. d. km Schmalspur.
Befördert wurden auf der staatlichen Regel-
spur im Jahre 1912 Reisende I. bis 111. Kl.
und Militär mit 5-98 Mill. Dinar Einnahmen,
1 103 Mill. t Gepäck und Güter (132 Mill tkm)
mit 9'28 Mill. Dinar Einnahmen.
Seawall
Literatur: Offizieller Statisticki Pregled. — Auf-
sätze von Meinhard in Sofia in verschiedenen
Zeitschriften.
Serientarife s. Gütertarife.
Severntunnel. Der zweigleisige, von der
Qreat Western-Eisenbahn in den Jahren 1874 bis
1886 erbaute Tunnel, der den Bristolkanal in
der Nähe der Severnfiußeinmündung unterfährt
und Bristol mit den Eisenbahnen in Südwales
verbindet, ist 7262 m lang, wovon 3701 m
unter dem Wasser liegen. Den Längenschnitt
der unter Wasser liegenden Tunnelstrecke mit
den Neigungsverhältnissen und dem 29 m
tiefen Schacht auf der Bristolseite und den
beiden 62 m tiefen, im Abstand von 15 m zu-
einander liegenden Schächten auf der Süd-
brookseite zeigt Abb. 84.
Die beiderseitigen Zufahrtstrecken zu dem
Unterwassertunnel sind ebenfalls mit Hilfe von
Schächten ausgeführt worden.
Der Lichtquerschnitt des Tunnels hat 7-9 m
größte Breite und 6-1 m größte Höhe über
Schienenoberkante.
Die Ausmauerung erfolgte mit Ziegeln ira
Zementmörtel (2 Z. 1 S.); im Firstgewölbe mit
0-68- 0-92 OT, im Sohlgewölbe mit 0-48 bis
0-55 m Stärke. Die Längen der Zonen betrugen
3-7-7'3/n. Das durchfahrene Gebirge bestand
der Hauptsache nach aus klüftigem Kohlensand-
stein, Kohlenschiefer, Konglomeraten und Mergel.
Vorerst teufte man einen Schacht auf der
Südbrookseite ab, von dessen Sohle ein etwa
4-5 m'^ großer Entwässerungsstollen vorge-
trieben, und im Tunnel als Sohlstollen fort-
gesetzt wurde; ist größtenteils mit Stoßbohr-
maschinen von Mac Kean, hauptsächlich aber von
Geach aufgefahren worden. Als Sprengmittel
wurden Tonit und Sprenggelatine verwendet.
Der zwischen den Uferschächten 3701 m lange
Sohlstollen wurde Ende September 1881 durch-
geschlagen.
Der Ausbruch des Tunnels erfolgte nach
englischer und streckenweise nach belgischer
Bauweise, die Auszimmerung mit Längsträgern.
Die Bauarbeiten wurden ganz besonders
erschwert durch einen Wassereinbruch an der
Grenze des Kohlenkalks auf der Südbrook-
seite mit etwa 450 /'Sek., der mit den vor-
handenen Mitteln nicht bewältigt werden konnte.
Da auch der Wasserzudrang des von der Bristol-
seite im Gefälle vorgetriebenen Stollens sehr
Sudbroak
'asserstoUea
p-jweit*jr WasseistoUen-
Abb. 84. Severntunnel.
Severntunnel.
Siam.
35
groß wurde, mußten auch hier die Arbeiten
eingestellt werden. Man vertiefte die Tunnel-
sohle und trieb von dem zweiten Schacht auf
der Südbroockseite einen zweiten, tiefer gelege-
nen Entwässerungsstollen und dann den Sohl-
stollen vor, so daß der frühere Stollen Mittel-
stollen wurde und entwässert werden konnte.
Durch Schließung eines eingebauten Damm-
tores, durch Taucher und bedeutende Ver-
stärkung der Pumpenanlagen gelang es, das
Wasser zu halten.
Außerdem traten noch mehrere Unfälle, wie
namentlich ein Tagbruch auf der Bristoler
Landseite ein, so daß die besonderen Schwierig-
keiten, besonders aber die unzulänglichen
Vorkehrungen für Wasserhaltung und die wenig
sorgsame und zweckmäßige Baudurchführung
die bedeutende Bauzeit von über 12 Jahren
und einen Kostenaufwand bedingte, der mit
über 20 MilL M. angegeben wird.
Literatur: Severn Tunnel. Eng. 1S76. — Severn
Tunnel. Engg. 18S0. — Severn Tunnel. Ann. d. ponts
1882. — Severn Tunnel. Ann. d. trav. publ. d. ßelg.
1886. - Forchheimer, Englische Tunnelbauten.
Aachen 1884. Dolezalek.
Short haut Clause s. unter Long and
short haut Clause.
Shapingmaschine s. Hobelmaschinen.
Siam, Königreich in Hinterindien, an Fran-
zösisch-IndochinaundBritisch-Ostindien(Birma)
und südlich an die Halbinsel Malakka grenzend,
634.000 km-, 6,320.000 Einwohner. ^Der Bau
von Eisenbahnen geht zurück bis zum Jahre
18Q3, in welchem Jahre die Regierung eng-
lischen Unternehmern die Herstellung einer
Eisenbahn zunächst von der Hauptstadt Bang-
kok nach Khorat konzessionierte. Mit diesen
Unternehmern wurden aber so schlechte Er-
fahrungen gemacht, daß die Regierung im
Jahre 1897 beschloß, die Anlage und den
Betrieb der Eisenbahnen selbst in die Hand zu
nehmen, und den weiteren Bau einem deutschen
Ingenieur, dem preußischen Baurat Bethge,
übertrug. Von der Bahn Bangkok-Khorat wurde
die erste Strecke Bangkok-Geng Koi (125 kni)
am 1. November 1897 dem Betrieb übergeben.
Diese Bahn und ihre weiteren Fortsetzungen und
Zweigbahnen haben die Vollspur. Außerdem
wurde eine schmalspurige Bahn (1 /«-Spur) von
Bangkok nach Petschaburi (151 kni) in Angriff
genommen, die zunächst die reichen Holz- und
Reisgebiete von Ratburi und Petschaburi dem
Verkehr erschließen sollte. Sie ist am 31. März
1903 dem Betrieb übergeben worden. Seit dem
Jahre 1897 werden regelmäßig Berichte über
den Bau und Betrieb der siamesischen Bahnen
in englischer Sprache veröffentlicht (Admini-
stration reports on the traffic of the Royal
State Railways of Siam). Aus diesen Berichten,
die für die Hauptbahnen seit 1902, für die
Schmalspurbahn seit 1903 vollständige Zahlen
enthalten, sind die nachstehenden Tabellen über
die langsame, aber stetige Entwicklung der
siamesischen Staatsbahnen zusammengestellt.
1. Vollspurige Hauptbahnen'
Jahr
Länge
km
Anlagekapital
Ver-
zinsung
Einnahmen
Ausgaben
Überschuß
Beförderte
Personen
Anzahl
Beförderte
Güter?
Anzahl
1902
1905
1910
1911
1912
1913
306
424
744
781
797
804
19,400.000
27,055.387
48,877.770
50,761.822
53,334.123
54,013.090
3-6
5-10
3-86
3-78
3-92
3-34
1,450.783
2,031.665
3,544.769
3,697.992
3,777.377
3,509,328
669.512
749.123
1,416.832
1,505.162
1,404.417
1,333.105
781.271
1,282.522
2,127.937
2,192.830
2,370.960
2,176.228
1,073.290
1,324.562
2,142.682
2,240.623
2,199.682
2,111.099
91.154
118.395
222.1 43
274.544
250.293
241.031
2. Schmalspurbahn Bangkok-Petschaburi.
Die Länge (151-4/««) ist unverändert geblieben, das Anlagekapital hat sich nur unerheblich von 7-880 auf
8-241 Mill. Tikal vermehrt.
Jahr
Verzin-
sung des
Anlage-
kapitals
Einnahmen
Ausgaben
Oberschuß
Beförderte Personen
Anzahl
Beförderte Qüteri'
Anzahl
1903
1905
1910
1911
1912
1913
3-21
5-23
5-19
6-11
6-46
6-24
486.559
749.071
758.923
828.773
846.306
859.108
214.064
277.747
289.370
283.324
270.362
291.509
272.495
471.330
469.553
545.439
575.944
567.599
fehlen
892.676
812.715
914.537
933.221
1,003.501
fehlen
31.450
35.047
48.645
56.869
59.229
V. der Leyen.
' Die Geldbeträge sind in Tikal angegeben, deren Wert zwischen M. MO und 1-50 geschwankt hat.
36
Sibirische Eisenbahn.
Sibirische Eisenbahn (s. Karte Abb. 85).
Inhaltsübersicht: I. Geschichte. — II. Bau und
Ausrüstung. — III. Finanzierung. - IV. Verkehr.
I. Geschichte.
Schon in den Fünfzigerjahren wurde im fernen
Osten die erste Anregung zum Bau von Eisen-
bahnen in Sibirien gegeben. Damals (1857)
erteilte der Generalgouverneur von Ostsibirien
den Auftrag, eine Kunststraße zu erbauen, die
den Ort Ssophiisk (am Amur) mit dem Hafen
Alexandrowsk (an der Tatarenstraße) verbinden
und so hergestellt werden sollte, daß sie jeder-
zeit als Damm für eine Eisenbahn gebraucht
werden könne. Die Straße ist im Laufe der
Jahre erbaut worden, mit der Eisenbahn
dauerte es länger. Immerhin gab dieser Auf-
trag die erste Anregung für die Erbauung
von Eisenbahnen in Sibirien, namentlich aber
zum Bau der ersten dortigen Eisenbahn — der
Ussuribahn — von Wladiwostok-Chabarowsk
(1893- 1897). Seit jener Anregung ist die Er-
örterung und Förderung der Frage, Sibirien in
seiner ganzen Ausdehnung vom Ural bis zum
Stillen Ozean durch eine Eisenbahn zu erschlie-
ßen, nicht von der Tagesordnung abgesetzt
worden. Eine tatkräftige Förderung ließen jedoch
die Zeitverhältnisse nicht zu. Der Orientkrieg
hatte die Erkenntnis von der Nobcs-endigkeit des
Baues von Eisenbahnen mit zwingender Gewalt
aufgedrängt. Kaiser Alexander II. (1855- 1881)
richtete indes sein Augenmerk auf das europäi-
sche Rußland. Jahrelang wurde darüber gestritten,
ob die Verbindung einer S. mit dem europäischen
Eisenbahnnetz in nördlicher Linienführung,
d. h. St. Petersburg-Rybinsk-Wjätka-Perm, oder
in südlicher Richtung, d. h. Moskau-Nishni-
Nowgorod-Kasan-Jekaterinburg erfolgen solle.
1875 trat zum ersten A\al das Ministerium
der Verkehrsanstalten mit einem Entwurf her-
vor. Darnach sollte die S. zunächst nur
bis Irkutsk, u. zw. «auf dem mathematisch
kürzesten \X'eg" geführt werden. Es blieben hier-
bei sämtliche Städte bis zu 105 Werst (111 km)
seitlich liegen. Dieser Entwurf schlug vor,
die Bahn im Anschluß an Ssamara über Ufa-
Slatoust-Tscheljäbinsk bis Irkutsk (3043Werst^
3247 km) weiter zu bauen. Die V'erhandlungen
zogen sich jahrelang hin. Inzwischen war
der Zar Alexander HI (1881 bis 1894) zur
Regierung gekommen, dessen Interesse sich ganz
besonders den asiatischen Besitzungen zuwandte.
Das änderte die Stellungnahme der Regierung.
Es wurde von Ssamara aus zunächst weiter ge-
baut, so daß die Teilstrecken bis Ufa (453 Werst
= 483 *ot) 1888, bis Slatoust (299 Werst =
319 Am) 1890 und bis Tscheljäbinsk (148 Werst
= 158 km) 1892 für den Verkehr eröffnet
werden konnten. Damit war der Ausgangspunkt
der S. erreicht, wenngleich der Punkt Tschel-
jäbinsk immer noch etwa 200 Werst von der
geographischen Grenze Sibiriens entfernt liegt.
Inzwischen wurden die Vorarbeiten ge-
fördert. Namentlich wurden geologische Unter-
suchungen gemacht, um die Fundstätten von
Gold, Kupfer, Eisen, Steinkohle abzugrenzen,
auch die für Besiedlungszwecke geeigneten, in
großem Umfang vorhandenen Ländergebiete
festzustellen und so die Punkte zu finden, die
bei der Linienführung der Bahn berücksichtigt
werden mußten, abgesehen von den spärlich
gesäten, wenigen größeren Städten, an die,
entgegen den früheren Absichten, die Bahn
möglichst herangeführt \xerden sollte. Unter
dem Druck des Zaren entschloß sich dann
das Ministerkomitee, zu bestimmen, daß der
Bau mit der Ussuribahn begonnen werden
solle. Am 17. März 1891 erließ der Zar ein
Handschreiben an den Thronfolger, durch
das dieser beauftragt wurde, bei seiner Rück-
kehr von der Weltreise in Wladiwostok den
ersten Spatenstich zu tun und zu verkünden,
daß es des Zaren Wille sei, daß eine un-
unterbrochene Eisenbahn vom Stillen
Ozean zum Ural geführt werde, um hier .An-
schluß an das europäische Eisenbahnnetz zu
finden. Gleichzeitig bestimmte der Zar, daß
die Bahn für Rechnung und unter Leitung
der Regierung erbaut werden soll. Der Thron-
folger erfüllte den Befehl am 19. Mai 1891.
Gleich darauf wurde der Bau der Ussuribahn
in Angriff genommen. Ebenso wurde mit den
Vorarbeiten für die Strecke Tscheljäbinsk-
Tomsk begonnen. Nach Rückkehr des Thron-
folgers wurde das Komitee für den Bau der
S. eingesetzt. Zum Vorsitzenden wurde der
Thronfolger ernannt und das Komitee mit
ganz besonderen Vollmachten ausgestattet.
Nicht nur die bauliche Durchführung des
ganzen Unternehmens ruhte in erster Linie
in der Hand des Komitees, sondern namentlich
auch die sämtlichen zahlreichen Hilfsunter-
nehmungen, die für die gedeihliche Er^twicklung
der Bahn und des Landes sehr wichtig waren.
Die Linienführung verursachte zunächst in
dem wenig erforschten, wenig bekannten Lande
außerordentliche Schwierigkeiten. Allerdings
waren bei der Ussuribahn in dieser Beziehung
wenig Bedenken; denn sie war durch den
Flußlauf auf der einen und den Ozean auf
der andern Seite von selbst gegeben. Anders
lagen die V^erhältnisse auf dem westlichen
Teil des großen Schienenwegs. Hier wuchsen
die Schwierigkeiten beim Vorschreiten nach
Osten ständig und machten zunächst eine
Unterbrechung des Bahnbaues mit Erreichung
des Baikalsees not^s-endig, weil die Baikal-
Sibirische Eisenbahn.
37
Umgehungsbahn sehr große und schwierige
Vorarbeiten forderte. Das gewählte Aushilfs-
mittel, die Einstellung großer Prähme, die
den Verkehr über den großen See vermitteln
sollten, entsprachen nicht den Anforderungen
des Verkehrs, was auch besonders hervortrat,
als der Boxeraufstand in China die schnelle
BeförderungvonTruppen notwendig machtet
1899 wurde der Bau der Baikal-Umgehungs-
bahn (244 Werst == 260 km) genehmigt. Am
1. Juni 1904 war er so weit fertiggestellt, daß
ein Verkehr aufgenommen werden konnte. Es
war dadurch derAnschluß an die Transbaikal-
bahn 1031 Werst (= WQQ km) erreicht und
ein durchgehender Verkehr mit letzterer er-
möglicht. Hiermit war der Bau in der Richtung
nach Chabarowsk zunächst zu einem gewissen
Abschluß gekommen, denn die erstmaligen
(1894 '95), ganz allgemein gehaltenen Unter-
suchungen der ursprünglich geplanten Linien-
führung der Reststrecke Ssrjetensk-Chaba-
rowsk rd. 1900 Werst (= 2027 ä/«) hatten
ein wenig günstiges Ergebnis gehabt. Die voll-
ständige Menschenleere, die außerordentlich
niedrige Temperatur im Winter, sehr starke
Niederschläge im Sommer, Krankheiten, die
die .Arbeiter der Forschungsexpedition er-
griffen (Skorbut u. s.w.), dazu das Fehlen jeg-
licher Verkehrswege mit einziger Ausnahme
des Amur gaben Anlaß, den Plan, auf dem
direkten Wege weiter fortzuschreiten, noch-
mals nachzuprüfen. Dazu kamen politische
Erwägungen, die es Rußland wünschenswert
erscheinen ließen, Wladiwostok auf dem Weg
durch die nördliche Mandschurei möglichst
schnell zu erreichen. Verhandlungen mit der
chinesischen Regierung führten (1896) zu
einer Verständigung dahin, daß mit Hilfe der
russisch-chinesischen Bank von dem Grenz-
punkt Mandschurija— Station der chinesischen
Ostbahn - eine Bahn in der Richtung nach
Wladiwostok zum Punkt Pogranitschnaja —
Endstation der chinesischen Ostbalm — 1 388
Werst (= 1481 km) zunächst erbaut werden
solle und daß Rußland dann zu den beiden
genannten Punkten Anschlußlinien erbauen
werde, sowohl von der Transbaikalbahn 353
Werst (= 377 km), als auch von der Ussuri-
bahn 115 Werst (= 123 km). Auch kam in
Betracht, daß der Weg durch die Mandschurei
kürzer, und keine erheblichen Bauschwierig-
keiten bot, daher auch billiger war und daß
vor allem in kürzerer Zeit die Verbindung
mit Wladiwostok herzustellen sein würde.
Die Chinesische-Ostbahn-Gesellschaft begann
die Bauarbeiten im August 1897 zunächst auf
der Strecke Mandschurija-Charbin-Pogranitsch-
' Es handelte sich in der Zeit vom 28. August
bis 28. September 1900 nur um 40.052 Mann,
10.125 Pferde und 1976 Fuhrwerke nebst Zubehör.
38
Sibirische Eisenbahn.
naja! I3«ö ^Ä' erst (= 1481 km). Der Bau
wurde außerordentlich beschleunigt, namentlich
als die Unruhen (1900) drohten und damit
die Notwendigkeit eintrat, größere Truppen-
körper aus Rußland in die Mandschurei zu
bringen. Es gelang schon am 21. Oktober 1901
den Verkehr auf der Bahn zu eröffnen.
Um diese große Verbindungsbahn dem
durchgehenden Verkehr dienstbar zu machen,
mußten, wie oben ausgeführt, 2 Anschlußlinien
erbaut werden.
Zum Anschluß an die Transbaikalbahn
mußten bei der Station Karymskaja bis Mand-
schurija 353 Werst (377 km) und anderseits
zum Anschluß an die Ussuribahn bei der Station
Nikolsk von der Endstation der chinesischen
Ostbahn Pogranitschnaja 115 Werst (\23 km)
erbaut werden. Die Bauzeit war bis 1902 vor-
gesehen, doch mußte auch hier mit Rücksicht
auf die politischen Ereignisse in der Mandschurei
an der schnelleren Fertigstellung mit allem Nach-
druck gearbeitet werden. Es gelang, die An-
schlußstrecken bis zum Februar 1901 in der
Hauptsache fertigzustellen, am 12. Oktober 1901
waren sie für den Verkehr frei.
Während der Bau der großen Bahn so den
Ussurifluß erreicht hatte, war von Wladi-
wostok aus an der Fertigstellung der östlichsten
Teilstrecke bis Chabarowsk gearbeitet. Es
konnte schon am 30. November 1894 der
Verkehr eröffnet werden.
Damit war das ursprünglich gesteckte Ziel,
ganz Sibirien mit einer Eisenbahn zu durch-
queren, nur zum Teil und nur unvollkommen
erreicht. Einmal war der Baikalsee ein Hinder-
nis geworden, das den ununterbrochenen
Schienenweg störte, und sodann fehlten die
letzten rd. 2000 Werst (2134 Am) (die Amur-
bahn). Beide Fehlstücke sind ja wohl durch
Hilfsunternehmungen, soweit die Zeitverhältnisse
das möglich machten, ergänzt worden, es waren
aber offenbar Notbehelfe. Dazu erwies sich vor
allem der Ersatz der fehlenden Baikal-Um-
gehungsbahn sehr bald als wenig leistungs-
fähig, obgleich alle Vorkehrungen getroffen
und keine Mittel gespart worden waren, um
diesen Verkehr möglichst sicherzustellen. Es
mußte vor allem das fehlende Stück - die Baikal-
Umgehungsbahn — hergestellt werden. Am
23. Juni 1899 wurde der Bau genehmigt. Zu
Anfang 1902 waren die Pläne für die vielen
' Für das hier behandelte Thema kommt nur diese
Strecke in Betracht, \xeil sie die Verbindimg mit
Wladiwostok herstellt. Das Unternehmen der chine-
sischen Ostbahn umfaßt jedoch auch die Strecke
Charbin-Mukden-Port-Artliur und Kuantsciienzsy-
Dalni, rd. 1050 Werst (= W'lOkm). Die Vereinbarung
über den Bau dieser Strecke wurde am 21. März 1898
geschlossen
und schwierigen Kunstbauten hergestellt. 3 Jahre
sollte mindestens der Bau in Anspruch nehmen.
Da brach im Februar 1904 der Krieg mit Jajwn
aus. Es mußte die Fertigstellung beschleunigt
werden. Am 12./25. September 1904, gegen
2 Jahre früher, als es in Friedenszeiten gelungen
wäre, wurde der durchgehende Verkehr ermög-
licht und Rußland in die Lage gebracht, Truppen
beschleunigt dem Kriegsschauplatz zuzuführen.
Die Erfahrungen, die Rußland mit der
Leistungsfähigkeit der S. gemacht hatte, traten
zum Teil in dem unglücklichen Ausgang des
Krieges, zum Teil in den durchgreifenden
Änderungen und Ergänzungen, die sehr bald
nach Beendigung des Krieges vorgenommen
werden mußten, deutlich zu tage. Der Frieden
mit Japan wurde in Portsmoutli im September
1 904 geschlossen und obgleich Rußland erschöpft
durch die schweren Opfer des Krieges war, so
wurde doch alsbald an die Ergänzung der
Leistungsfähigkeit der ganzen S. geschritten
(s. Bau und Ausrüstung).
Aber noch eine zweite schwerwiegende
Folge hatte der Krieg mit Japan. Kaiser
Nikolai IL, der nur widerwillig die Richtlinien
verlassen, die sein Vater für die Durchführung
des großen, russischen, ununterbrochenen
Schienenwegs vorgezeichnet, und dem Bau
der chinesischen Ostbahn zugestimmt hatte,
griff jetzt von neuem den Gedanken auf und
bestimmte, daß nunmehr, u. zw. mit Be-
schleunigung, der Bau der Amurbahn durch-
geführt werde (s. Bd. I, S. 147 ff.).
Seit dem Oktober 1913 sind für den Ver-
kehr bis zum Januar 1915 bereits 1646 Werst
(1756 km) eröffnet worden. Die Reststrecke
von 452 Werst (482 km) mit der großen
Brücke über den Amur bei Chabarowsk be-
findet sich seit der zweiten Hälfte 1912 im
Bau. Ist auch diese Teilstrecke vollendet, so
wäre die S., wie ursprünglich beabsichtigt,
als „rein russisches" Unternehmen durchge-
führt worden. Mag auch der leitende Gedanke
Alexander III. die wirtschaftliche Erschließung
und Hebung des großen asiatischen Besitzes
gewesen sein, die Durchführung ist bestinuut
und zweifellos von politischen Erwägungen ge-
tragen worden. Die militärische Sicherung
der entfernten Grenzen des Reiches mag zunächst
vorgeschwebt haben, aber schon die Führung
der Bahn durch die Mandschurei zeigt deutlich
das Streben nach Machterweiterung. Die Gründe
für die Wahl der Linienführung der S. durch
die Mandschurei — große, technische Schwierig-
keiten beim Bau der Amurbahn, kürzerer Weg
— galten nur so lange, bis das vorgesteckte
Ziel erreicht war, dann wurde das alte Pro-
gramm wieder aufgenommen und schnell durch-
Sibirische Eisenbahn.
39
geführt. Dieses Mal unter der ausdrücklichen
Begründung, Rußland müsse, sicher vor feind-
lichen Kanonen Wladiwostok, den Stillen Ozean
erreichen können. Das Ziel wird aller Wahr-
scheinlichkeit nach bald erreicht sein, wenn-
gleich an der allerempfindlichsten Stelle, beim
Überschreiten des Amurstroms auf einer großen
Brücke bei Chabarowsk die Bahn ganz nahe an
die Grenze herantritt.
Gleichzeitig mit dem Bau der S. förderte
die Staatsregierung eine große Zahl von
w Hilfsunternehmungen", die dazu bestimmt
waren, die wirtschaftliche Entwicklung zu be-
leben, zum Teil diese erst zu ermöglichen.
Hierher gehört in erster Reihe die Besiedelung
des Landes mit Bauern aus dem europäischen
Rußland. Soweit es sich bisher übersehen läßt,
ist das Werk tatsächlich in seinen Haupt-
punkten geglückt. Der Ansiedlerstrom bewegte
sich regelmäßig und mächtig dorthin. Aller-
dings hat die Staatsregierung durch Wege-
bauten, landwirtschaftliche Schulen, Niederlagen
landwirtschaftlicher Maschinen und sonstiger
Bedarfsgegenstände, geologische Untersuchun-
gen, Schiffbarmachung von Flußläufen, Hilfs-
leistung durch Geldunterstützungen und Dar-
lehen bei Errichtung der Ansiedelungen viel
getan, um das Einleben der Siedler und deren
wirtschaftliches Gedeihen zu fördern. Neben
dieser wichtigen Vorbedingung für die Hebung
von Ackerbau, Viehzucht und Gewerbe ging
die Erziehung in Schule und Kirche gleich-
mäßig einher.
Alle diese Aufgaben zu lösen, war um so
schwieriger, als der weitaus größte Teil des
Landes, der erschlossen werden sollte, eine
völlig menschenleere Einöde war. Daß es
trotzdem gelungen ist, die Produktivität des
Landes in so kurzer Zeit so gewaltig zu heben,
ist zweifellos ein glänzendes Zeugnis für die
Fähigkeit des russischen Volkes auf kolonisatori-
schem Gebiet.
Die Rückwirkung dieser Unternehmungen
kommt in dem wachsenden Verkehr deutlich
zum Ausdruck. So groß und schnell ist der
Verkehr auf der Bahn gewachsen, daß diese
den Anforderungen bald nicht mehr zu ge-
nügen vermochte und den Ausbau eines
zweiten Gleises bis Karymskaja, Anschluß-
station für die chinesische Ostbahn, und den
Umbau der Gebirgsstrecke notwendig machte.
Dieser sehr schnell wachsenden Verkehrs-
zunahme und den damit gleichermaßen
wachsenden Verwaltungsgeschäften ist es wohl
auch zuzuschreiben, daß die bisher unter dem
Namen S. zusammengefaßte Teilstrecke Tsche-
Ijäbinsk-Innokentjewskaja in 2 Verwaltungs-
bezirke zerlegt worden ist. Es sind nunmehr
an Stelle der „Sibirischen Eisenbahnverwaltung"
eine in Omsk und eine in Tomsk getreten.
Zum Bezirk Omsk gehören die Strecken:
Tscheljäbinsk-Nowonikolajewsk (frühere S.),
ferner Jekaterinburg-Tjumen, Bogdanowitsch-
Ssinarskaja, Jekaterinburg-Tscheljäbinsk, zu-
sammen 2549 Werst {2720 km). Zum Bezirk
Tomsk gehören die Strecken : Nowonikolajewsk-
Innokentjewskaja, Taiga-Tomsk, zusammen 1 82 1
Werst (1943 Ä/K).
IL Bau und Ausrüstung.
A. Bau.
Allgemeines zum Bau.
Die S. hat russische Normalspur 0714 Faden
(= 1-523 /n). Auf der Strecke Tscheljäbinsk-Ssrjetensk
sind Schienen von 18 Pfund auf den laufenden Fuß
verlegt worden. Die Schienen erwiesen sich sehr bald
als viel zu leicht. Schienenbrüche häuften sich, die auch
durch Erhöhung der Zahl der Schwellen nicht ver-
hindert werden konnten, so daß schon 1899 mit dem
Ersatz dieser leichten Schienen durch solche von 24
und 24 '/3 Pfund auf den laufenden Fuß vorgegangen
werden mußte. Es waren aber nicht nur die zu
schwachen Schienen der Entwicklung des Betriebs
hinderlich, sondern ebenso bildeten die hölzernen
Brücken, die viel zu kleinen Stationsanlagen, die über-
mäßig großen Abstände der Stationen voneinander,
die ungenügenden Vorkehrungen für die Wasserver-
sorgung die wichtigsten Hindernisse. Kurz bereits in
den Jahren 1898/99 wurden alle diese Mängel festge-
stellt und gleichzeitig beschlossen, Abhilfe zu schaffen.
57 Zwischenstationen wurden erbaut. Ferner nuißten
die Schwellen größere Abmessungen erhalten und die
Kiesbettung bis auf 022 Faden (0-469 m) verstärkt
werden. Die Arbeiten sollten in 5 — 8 Jahren voll-
endet sein. Während sie in vollem Gang begriffen
waren und der Betrieb allmählich günstig beeinflußt
wurde, stellte es sich heraus, daß mit Rücksicht auf
das Profil der Bergstrecken die Zugbelastung eine
so ungleichmäßige war, daß auch hierdurch eine nicht
unerhebliche Behinderung dem Betrieb ei-wuchs. Es
handelte sich um die Strecken Atschinsk-Nishneudinsk
699 Werst (= 746 km) und Sima-Polowina 138 Werst
(= 147 km), auf denen Steigungen bis 0-0174 und
kleinste Krümmungshalbmesser von 120 Faden (256 m)
zugelassen waren. 1903 wurde eine Besserung dieser
Verhältnisse beschlossen. Bald darauf brach der Krieg
gegen Japan aus und die Arbeiten wurden zunächst
verschoben. Aber im Krieg stellte sich die geringe
Leistungsfähigkeit mit ihren bedenklichen Folgen für
die Kriegführung heraus und nun wurde außer dem
Umbau der Oebirgsstrecken auch ein 2gleisiger Aus-
bau der gesamten Bahn von Omsk bis Tanchoi auf
die Tagesordnung gesetzt. Bereits 1906 wurde die
Durchführung dieser großen, umfangreichen und mehr
als 200 Mill. Rubel in Anspruch nehmenden Arbeiten
beschlossen und gleich im nächsten Jahre wurde mit
dem Bau begonnen. So weit bekannt, ist der zwei-
gleisige Ausbau bis Karymskaja (Abzweigestation zur
chinesischen Grenze) durchgeführt, so daii von der Sta-
tion Karymskaja, woselbst die Amur- und die chi-
nesische Ostbahn zusammentreffen, bis Omsk, woselbst
eine Teilung des sibirischen Verkehrs über Tjumen
und Tscheljäbinsk stattfindet, bereits gegenwärtig ein
zweigleisiger Betrieb durchgeführt wird.
Neben diesen gewaltigen Lhnbauten sind an der
Ussuribahn, die zurzeit sich im Betrieb der chine-
sischen Ostbahn befindet, umfangreiche Bauten, um
40
Sibirische Eisenbahn.
deren Leistungsfähigkeit zu erhöhen, seit 1913 in
Durchführung begriffen. Der Kostenanschlag beträgt
40 Mili. Rubel.
Im Besonderen.
a) Die westsibirische Teilstrecke 1328 Werst
(=1417 km) beginnt bei der Station Tscheljäbinsk, f ü hrt
über Kurgan (Werst 241), Petropawlowsk (Werst 490),
Omsk „(Werst 745), Kainsk (Werst 1049) und endet
nach Überschreitung des Ob bei Werst 1328. Für
den Bau der Bahn sind 15.362 Delijätinen (16.789 Aa)
Land in .Anspruch genommen, von denen 2577 Deß-
jätinen (2816 Ao) käuflich erworben werden mußten.
Die Bauarbeiten wurden 1892 begonnen, der Verkehr
bis Omsk konnte schon am 30. August 1894, für die
Reststrecke am 19. August 1895 eröffnet werden. Nur
die Brücke über den Ob wurde erst am 31. März 1897
fertig. Diese Brücke hat eine Länge von 380 Faden
(81 1 m). Die höchste Steigung beträgt 0 0074, wo-
bei von der Gesamtlänge der Bahn 56'5"(, in einer
Steigung, 92-5 "« in der Geraden und nur der kleine
Rest von 7-5"» in Krümmungen liegen. Der kleinste
Krümmungshalbmesser beträgt 120 Faden (256 m).
Eine Werstbahnlänge (1067 ot) erforderte nur 1223 Ku-
bikfaden (11.876/«^) Bodenbewegung. Trotz dieser
günstigen Verhältnisse hatte die Bauleitung doch mit
erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen, denn einmal
war die kurze Bauperiode (120 Tage) namentlich bei
den Kunstbauten störend und sodann mußten Holz,
Zement, Ziegelsteine u. s. w. auf sehr große Ent-
fernungen herangeschafft werden. Z. B. Steine zum
Bau der Brücke über den Irtysch und der Station
Omsk 740 Werst (=789 ^/;;). Ganz besondere Schwierig-
keiten verursachte die Wasserversorgung. Das Wasser
der vielen Seen konnte zur Speisung der Lokomo-
tiven und als Gebrauchswasser für die Menschen
nicht ohne weiters wegen des starken Salz- und
Eisengehalts Verwendung finden. Es mußte auf che-
mischem Weg gebrauchsfähig gemacht werden.
b) Die mittelsibirische Strecke, 1715 Werst
(1830 Aw). Dazu kommen die Anschlußbahnen zur
Stadt Tomsk 82 Werst (= 87 km) und von Irkutsk zum
Baikalsee 64 Werst (= 68 km), dieser zweite Teil der
S. umfaßt also 1861 Werst (1986 /tw). Die Bahn be-
ginnt am rechten Ufer des Ob und führt dann weiter
über Mariinsk (Werst 353), Atschinsk (Werst 542),
Krasnojarsk (Werst 708), überschreitet den Jenissei,
erreicht Kansk (Werst 933), Nishneudinsk (Werst 1236)
und endet am linken Ufer der Angara bei Irkutsk
(Werst 1715). Für den Bau sind in Anspruch genommen
24.718 Deßjätinen (25.911 Aa)oder für eine Werstbahn-
länge 13'8 Deßjätinen (15-1 ha). Die ganze Baulänge
ist in 2 Teile zerlegt: I. bis Krasnojarsk und IL von
hier bis Irkutsk. Bald nach Beginn des Baues der
ersten Teilstrecke im Frühjahr 1893 ergab sich das Be-
dürfnis, die ganze mittelsibirische Strecke früher, als
ursprünglich in Aussicht genommen, fertigzustellen.
Es wurde daher die zweite Teilstrecke bereits 1894 in
Angriff genommen und damit erreicht, daß die Strecke
zu I am 15. Februar 1897, zu II am 16. August 1898
für den Betrieb eröffnet werden konnte.
Dieser zweite Teil der großen Bahn hat einen
gebirgigen Charakter und erforderte erheblich viel
giößere Erdarbeiten (2060 Kubikfaden = 20.005 m^
Bodenbewegung auf ! Werst). Es liegen zu I nur 25 ^ö,
zu II 33',',/ in der Wagrechten. Die größte Steigung
beträgt 0-0174. In der Geraden liegen zu 170"«, zu
II 68 "o. Der kleinste Krümmungshalbmesser beträgt
200 Faden (427 ot). Die Arbeiten mußten, um die
Fertigstellung zu beschleunigen, in Angriff genommen
werden, bevor die Baupläne im einzelnen vollkommen
hergestellt waren, selbst die Linienführung war nur
ganz allgemein festgelegt. Dazu kam, daß sich ver-
hältnismäßig nur wenig Unternehmer fanden. Auf
den westsibirischen Strecken konnten 77 % der Arbeiten
im Ausgebotverfahren vergeben werden, an der mittel-
sibirischen Strecke nur 56"„. Auch die Anmietung
von Arbeitern in dem dünnbevölkerten Land war
schwierig; die Mehrzahl mußte aus dem europäischen
Rußland herangebracht werden. 23.000 Arbeiter
wurden zeitweise beschäftigt, darunter 1472 Arre-
stanten. Namentlich zu den Kunstbauten, darunter
8 größeren Brücken, den Stationsgebäuden u. s. w.
konnten nur europäische Arbeiter Verwendung finden.
Unter den Brücken ist namentlich die über den Jenissei
408 Faden (8703 m) lang und überspannt den Strom
auf 6 Bogen von je 68 Faden (145 m)-
Besondere Erschwernisse für den Bau boten auch
die klimatischen Verhältnisse (bis 40" unter Null)
und die Bodenbeschaffenheit (nicht selten bis Anfang
[uli noch gefroren). Dazu trat die Taiga (der Urwald)
mit ihrem undurchdringlichen Waldbestand und
dem metertiefen, sumpfigen Boden, die auf sehr
weiten Strecken durchschnitten werden mußte. Auch
wurden infolge des gebirgigen Charakters der Bahn
viele Kunstbauten notwendig. Im Zusammenhang
mit dem Bau der mittelsibirischen Bahn steht der
Bau zweier Anschlußbahnen, u.zw.:
1. Zweigbahn nach Tomsk, ausgehend von der
Station Taiga, 82 Werst (87 km) lang, nebst deren
Fortsetzung bis zum Hafenplatz Tscheremoschnika
am Tom, 7 Werst (1 km). Auch diese Bahn führt durch
gebirgiges Taigagelände.
2. Zweigbahn Irkutsk — Station der Hauptbahn —
zum Baikalsee. Sie führt durch gebirgiges Gelände
auf dem linken Ufer der Angara, das von tiefen Ein-
schnitten durchbrochen ist und auf weite Strecken
hin steil ins Tal abfällt. Am Endpunkt ist am L'ier
des Sees eine Anlagestelle für die großen Eisbrecher-
Prähme hergestellt worden. Auch der Bau der Hafen-
anlagen auf beiden Seiten des Sees verursachte große,
bauliche Schwierigkeiten, die durch den Charakter
des riesigen Gebirgssees begründet sind. Außerdem
mußten die Prähme, die in England erbaut waren,
in auseinandergenommenem Zustand bis an den See
geschafft, hier zusammengesetzt werden, wozu wieder-
um ein ganzer Bestand an geschulten Arbeitern aus
Europa herangeführt werden mußte. Im April 1900
konnte der Verkehr eröffnet werden.
c) Die Baikal-Umgehungsbahn. Die Wahl
der Linienführung war schwer zu entscheiden. Für
den ersten Teil der 244 Werst (260 km) langen Strecke
standen mehrere Möglichkeiten offen, unter denen
einem Bau am Ufer des Baikalsees, dem über das
Syrkusunskgebirge oder durch das Tal des Irkut, der
Vorzug gegeben wurde, namentlich auch weil dadurch
der Bau eines 35 Werst langen Tunnels vermieden
werden konnte. Die Linienführung bewegte sich hier-
nach von der Station Baikal-Osero über Kultuk-
Murino bisMyssowaja. Namentlich auf dem ersten Teil
der Umgehungsbahn wurde der Bau durch die vielen
Krümmungen, die Vorsprünge und die tief und
scharf einschneidenden Buchten des felsigen Ufers
außerordentlich erschwert, so daß, um große Stütz-
mauern zu vermeiden, die wegen des hohen L'fers
und des tiefen Sees schwer zu erbauen waren, 31 Tunnel
durchgeschlagen, sowie Brücken über tief einge-
schnittene Täler und Buchten errichtet werden mußten.
Auf der Strecke K'ultuk bis Murino ist das Gelände
auch noch felsig, die Felsen steil abfallend und mit
Wald bestanden. Nach N'erlassen der Station .Murino
treten die Felsen vom See mehr zurück, so daß die
Bahn bis zur Endstation Myssowaja in gewöhnlichem
Gelände geführt werden konnte. Dazu trat das rauhe
Klima und der fast stets unruhige, ein Erreichen der
Sibirische Eisenbahn.
41
Baustellen behindernde See. Der Bahnkörper sollte
nach dem Bauplan 2'60 Faden (5'55/n) breit sein,
der Krümmungshalbmesser in der Regel 300 (640)
und in Ausnahmefällen nicht weniger als 150 Faden
(320 m), die Steigungen nicht mehr als 0008 betragen.
Die durchschnittliche Bodenbewegung auf eine Werst-
bahnlänge hat 4734 Kubikf'aden (10.098 to^), darunter
1893 Kubikfaden (4038 m') Felsen betragen. Auch
ist für die Umgehungsbahn ein Schienengewicht von
24 Pfund (1// = 0-4095 /to") auf den laufenden Fuß
(0'3047 m) zugelassen worden.
Begonnen wurde der Bau 1899; im Herbst 1904
war er vollendet.
d) Die Transbaikalbahn. Die gewählte Linien-
führung geht von Myssowaja aus und zieht sich dann
durch das Tal der Sselenga hin, erreicht bei Werst 155
Werchneudinsk, überschreitet den Höhenzug von
Zagan-Daban, folgt darauf dem Lauf der Flüsse
Chilka und Baljaga, um bei Werst 328 die steilen
Ufer der Chilka und darauf das Jablonoigebirge
bei Werst 590 in einer Höhe von etwa 1000 m zu
überschreiten. Endlich wird Tschita bei Werst 675,
Nertschinsk bei Werst 952 und darauf die Endstation
Ssrjetensk bei Werst 1031 erreicht. Die größte Steigung
beträgt 0174, der kleinste Krümmungshalbmesser
150 Faden (320 /«)• Der Bau wurde 1895 begonnen
und sollte 1898 beendet sein. Allein ein Hochwasser
im Jahre 1897, das das Niveau der Flüsse bis "im
über den bis dahin beobachteten höchsten Hoch-
wasserstand hob, zerstörte auf einer Strecke von
357 Werst mehr oder minder die Bauten. Sie mußten
z. T. erneuert, z. T. mußte die Linienführung geändert
werden, wodurch ein Schaden von 12'5 Mill. Rubel
und eine Verzögerung in der Fertigstellung der Bahn
hervorgerufen wurde. Der Betrieb konnte erst 1. Januar
1900 eröffnet werden. Die Schwierigkeiten nahmen
mit jedem Kilometer weiter nach Osten zu, je mehr die
Entfernung von der Basis — dem europäischen Ruß-
land - wuchs. Große Mengen der Baumaterialien, wie
Zement, Eisenteile, zu den Kunstbauten, namentlich
aber auch die vielen geschulten Arbeitskräfte mußten
über Wladiwostok herangeschafft werden. Auf diesem
Bauabschnitt wurden bereits viele Chinesen neben
den Verbannten und Sträflingen, aus den russischen
Gefängnissen, verwendet. Diese Verhältnisse brachten
es auch mit sich, daß sich Unternehmer nur schwer
fanden. 72",, aller Arbeiten mußte die Bauverwaltung
selbst ausführen. Zu allen diesen Erschwernissen
kamen auch hier noch die klimatischen Verhältnisse
hinzu, die Kälte, der gefrorene Boden, die kurze Arbeits-
zeit im Winter, im Sommer die hohe Temperatur
und in ihrem Gefolge Mücken u. s. w., Plagen, die
die Arbeit außerordentlich erschwerten und vielfach
zu einer Qual machten. Auch dieser Teil der Bahn
mußte größtenteils durch felsiges Gelände geführt
werden. Der gefrorene Boden stellte auch ganz be-
sonders schwierige Aufgaben an die Sicherstellung
der Wasserversorgung. Kurz, an die Tatkraft und
die Opferwilligkeit des ganzen Personals, vom obersten
Leiter bis zum letzten Arbeiter, waren fast über-
menschliche Anforderungen gestellt.
e) Die Amurbahn ist bereits in Bd. I, S. 147 ff.
behandelt worden. In der Zwischenzeit ist der Bau
so weit fortgeschritten, daß die ganze westliche Hälfte
der Bahn Kucnga-Alexjejewsk 1207 Werst (=1288 km)
am 15. Oktober 1913, die Endstrecke Alexjejewsk-
Botschkarewo 50 Werst (= i'i km) im Dezember 1913
für den Betrieb eröffnet werden konnten. Desgleichen
sind die Zweigbahnen Boljschoi Newer-Reinowo
64 Werst (= 68 km), Taptugar>'-Tschassowenskaja
26 Werst (= 28 /tm) im Oktober 1913, Alexjejewsk-
Blagowjeschtschensk 103 Werst (= 110 km) im
Dezember 1913, endlich Uschtmiun-Tschernjäjewo
37 Werst (=39 Am) für den Betrieb eröffnet worden;
für die letztere ist allerdings der Zeitpunkt nicht genau
festzustellen. Damit ist die westliche Hälfte der Amur-
bahn seit Ende 1913 dem Verkehr dienstbar. Während
der Bauausführung dieser Strecke sind 5 Arbeits-
bahnen von zusammen 170 Werst (181 km) zum
Amurstrom hergestellt worden. Diese Hilfsgleise
sind dann in der Folgezeit als wertvolle Verbindungs-
glieder zwischen der Hauptbahn und dem Strom
regelrecht ausgebaut worden, um ständig dem Ver-
kehr zu dienen. Von größeren Bauwerken können
hervorgehoben werden: die Brücken über den Seja-
fluß bei Alexjejewsk, 382 Faden (815 m) lang mit
8 Bogen und bei Bjelogorja, 570 Faden (1216 //f) lang
mit 1 1 Bogen. Nähere Mitteilungen über den Bau
der Amurbahn fehlen, weil der Krieg die Verbin-
dungen unterbrochen hat. Das Gewicht der verlegten
Schienen beträgt hier 24-13 Pfund (1 U = 04095 Ä^)
auf den laufenden Fuß (03047 m).
Der Bau der östlichen Teilstrecke vom Fluß Bu-
reja-Chabarowsk 611 Werst (= 652 /tm) ist im Herbst
1912 begonnen worden. Er sollte Anfang 1916 voll-
endet sein. Allein der Krieg ist hier störend da-
zwischen getreten. Aus Anordnungen der Regierung,
die eine Umleitung der Transporte von Wladiwostok
auf dem Wasserweg (Amur) bis Blagowjeschtschensk
bezwecken, ergibt sich, daß der direkte Weg über
Chabarowsk und die Amurbahn zurzeit (Oktober 1916)
noch nicht für den Verkehr eröffnet worden ist. Aus
erreichbaren Quellen ist zu erkennen, daß die Strecke
Botschkarewo-Bureja 159 Werst (=\lQkm) im Mai
1914 eröffnet worden ist. Die Fertigstellung der Rest-
strecke von 452 Werst (= 482 km) wurde durch den
Ausbruch des Krieges verzögert. An großen Kunst-
bauten auf diesem Teil der Amurbahn sind vor-
handen 8 Tunnel mit einer Gesamtlänge von 2373
Faden (4962 m), darunter der längste von 746 Faden
(1591 m) und die Brücke über den Amurstrom bei
Chabarowsk. Mit 18 Öffnungen zu je 58 Faden (124 m)
überspannt die Brücke mit 1044 Faden (2227 m) den
Amur. Rd. 1,100.000 Pud (18.018 /) Eisen und rd.
6000 Kubikfaden (58.266 m') Mauerwerk sind zu ihrer
Herstellung erforderlich gewesen. Hier sind Chinesen
in großer Zahl herangezogen worden.
f) Ussuribahn. Auch die Ussuribahn ist in2Bau-
abschnitte, den südlichen, Wladiwostok-Murawjew-
Amurski, 378 Werst (403 km), und den nördlichen,
von hier bis Chabarowsk, 344 Werst (3()7 km), geteilt
worden. Der Bau des südlichen Teiles wurde im Mai
1891 begonnen und dem Betrieb im November 1894
übergeben; auf dem nördlichen Teil begann der Bau
1894 und der Betrieb 15. Oktober 1897. Für die Aus-
führung ist eine leichtere Bauart gewählt. Auf dem
südlichen Teil sind zugelassen: Steigungen von 0-015
und kleinste Krümmungshalbmesser von 120 Faden
(260 /«)r auf cieni nördlichen Teil Steigungen von 0010
und kleinste Krümmungshalbmesser von 200 Faden
(427 m). Vor Erreichung der Endstation überschreitet
die Bahn den Ussurifluß auf einer festen Brücke. Das
fast vollständige Fehlen von Wegen erschwerte das
Fortschreiten des Baues. Viele Wege mußten neu ge-
schaffen werden. Dazu kam, daß reichlicher Regen
den Bau aufhielt. Der Arbeitermangel war auch hier
sehr groß und konnte nur durch Einstellung von Sträf-
lingen bis zu 2000 Mann und von Chinesen bis zu
15.000 Mann behoben werden.
Zur Ussuribahn gehört noch die Verbindungsbahn
zwischen dieser und der chinesischen Ostbahn. Sie
zweigt bei der Station Nikolsk ab und erreicht nach
110 Werst {\\1 km) die Grenzstation Pogranitschnaja,
wo sie Anschluß an die chinesische Ostbahn findet.
42
Sibirische Eisenbahn.
B.A
iisrüstung.
1
Die erste' Ausrüstung der S. mit Betriehsmitteln
am 1. Mai 1903 und der Bestand Ende 1910 ergeben
sich aus der folgenden Tabelle:
Bahn
Jahr
Loko-
motiven
s
w
S
Güterwagen
c
1
1
5
c
s
o
C
o
Sibirische |
1903
52
683
939
310
9.735
3542
1910
222
1052
2617
117
16.388 5244
Transbaikal l
1903
1910
-
58
196
512
273
351
73
105
2.224
10.168
1312
3394
Ussuri l
1903
_
118
73
47
1.572
674
1910
-
182
130
27
1.443
1071
III. Finanzierung.
Bald nachdem die Absichten der Staats-
r
egierung, tat
kräfti
g a
n de
n B
lU
der g
"oßen
1
S. heranzutreten, bekannt wurden, gingen ihr
Pläne und Angebote zur Durchführung des
riesigen Unternehmens in großer Zahl, auch
aus England und Frankreich zu. Es fanden
sich darunter Angebote, die die Durchführung
des Baues und des Betriebs ohne jede staatliche
Beihilfe zu übernehmen bereit waren. Alle diese
Angebote scheiterten an dem festen Willen
Alexanders III., der bestimmt hatte, daß die S.
als ein rein russisches Unternehmen aus
staatlichen Mitteln und unter staatlicher Leitung
durchgeführt vcerden solle. Darnach war es Auf-
gabe des Finanzministers, Quellen zu erschließen,
aus denen die großen Summen beschafft werden
konnten.
Die Baukosten der einzelnen Teilstrecken der
S., wie sie 1Q03 durch das Komitee für die
S. festgestellt worden sind, wobei der Kosten-
voranschlag der Baikal-Umgehungsbahn mit in
den Kostenanschlag eingesetzt ist, ergeben für:
Länge
in Werst
(= 1067 m)
Voranschlag
für 1903
Gesamt-
kosten
Kosten
für
1 Werst
Ende 1911 betragen
die Baukosten
überhaupt
für
I Werst
i n 1000 Rubel
1. Westsibirische Bahn
2. Mittelsibirische Bahn
3. Zweigbahn nach Tonisk
4. Zweigbahn zum Baikalsee
5. Baikal-Umgehungsbahn
6. Transbaikalbahn
7. Zweigbahn bei Kan,-mskaia . . . 1 zur chinesischen (
8. Zweigbahn bei Nikblsk / Ostbahn |
9. Ussuribahn
10. Amurbahn
11. Für Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Bahn . . .
1328
1715
89
64
244
1036
324
110
717
1976
51.110
38
101.481
59
2.5/3
29
3.172
50
53.626
220
79.943
77
31.564
97
8.114
74
46.267
65
337.400
(letzter
94.321
22
279.089
230.507
94-2
135-4
70.489
Kostenanschlag
200.000
i'annähernd)
76-9
1915)
Soweit handelt es sich hier ausschließlich
um die bauliche Herstellung der S. Nun kom-
men aber noch, wenn man sich ein Bild von
den Gesamtkosten des Unternehmens machen
will, die Kosten der Hilfsunternehmungen in
Betracht, u. zw.:
1. Dampffähre auf dem Baikalsee 6,744.340 Rubel
2. Chinesische Ostbahn 253,4Q6.850 „
3. „ „ Schutz der Bahn 46,293.386 „
4. „ „ Verluste durch Zerstörung bei den Unruhen 1900 70,000.000 „
Ferner rechnet das Komitee für die S. hier- Folge des großen Unternehmens darstellen,
her auch noch Ausgaben, die sich als eine so:
Bau von Stadt und Hafen Dalni 18,850.000 Rubel
Unterstützung oder Begründung von Dampferlinien auf dem Stillen Ozean 11,427.000 «
Verbesserung der Wasserwege in Sibirien 10,321.000 „
Wenn auch zugegeben werden mag, daß die
vorstehenden Ausgaben eine Folge sind, min-
' Staatssekretär Kulomsin: Die S. in Vergangenheit
und Gegenwart. Festschrift zur Feier des lOjährigen
Bestehens des Komitees der 8.(1893-1903). Peters-
burg 1903.
destens im Zusammenhang mit dem Bau der
Bahn stehen, so würde es anderseits doch sehr
das Bild über die Kosten der Bahn verschieben,
wenn solche Kebenunternehmungen gleichfalls
dem Konto des Bahnbaues zur Last gebracht
würden. Es ist deswegen in der vorstehenden Zu-
Sibirische Eisenbahn. - Sicherheitsstreifen.
43
sammenstellung eine Trennung streng durch-
geführt worden.
Aus allem ergibt sich, daß es sich zurzeit
noch nicht übersehen läßt, was das sibirische
Unternehmen schließlich kosten wird.
Die Form der Aufbringung der großen Geld-
mittel läßt sich auch nicht klar erkennen. Dem
äußeren Anschein nach sind die notwendigen
Beträge von der Reichsduma für jedes Bau-
jahr besonders aus den verfügbaren Mitteln
bewilligt; ob es der Finanzverwaltung geglückt
ist, diese großen Aufwendungen wirklich, wie
es gedacht war, aus etwaigen Einnahmeüber-
schüssen zu decken oder ob ausländische An-
leihen helfen mußten. In seiner Wirkung ist es
aus dem Grund bedeutungslos, woher das Geld
stammt, weil das russische Reichsbudget sehr
häufig, um nicht zu sagen in der Regel, Zu-
gänge aus „finanziellen Operationen" notwendig
macht, um Einnahme und Ausgabe ins Gleich-
gewicht zu bringen.
IV. Verkehr.
Der Verkehr auf den Bahnen Sibiriens hat
sich schnell entwickelt, wie das der 16jährige
Beobachtungsabschnitt deutlich zeigt. Im be-
sonderen haben die Jahre 1904 und 1Q05 Auf-
Tiahme'gefunden, um zu zeigen, was diese Bahnen,
die ihre Erbauung nicht zuletzt politisch-mili-
tärischen'Erwägungen verdanken, während des
Krieges mit Japan zu leisten vermochten, ob-
gleich sie bautechnisch nur in der Hauptsache
fertiggestellt waren.
Im Personenverkehr (einschließlich Militär)
gelangten zur Beförderung auf der Bahn:
Jahr
Sibirische Transbaikal
Ussuri
in Tausenden
18Q9
1904
1905
1910
1911 '
1020
1755
1845
3466
3750
1500
1870
1869
2200
398
613
961
1320
1373
' Für spätere Jahre liegen keine endgültigen An-
3;aben vor.
Im Güterverkehr wurden bewegt auf der
Bahn:
J.Ihr
Sibirische Transbaikal
Ussuri
in 1000 Pud (1 Pud = 16-38 kg)
1899
1904
1905
1910
191
1
89.399
202.408
249.035
316.139
395.647
80.825
157.295
112.648
173.101
69.961
47.C06
69.072
122.825
142.231
Mertens.
Sicherheitsstreifen, Schutzstreifen
(safcty belt, protection strip; bände de siirete ;
zona di preservazione), sind allgemeine Begriffe
für alle in der Umgebung des Bahnkörpers
vorzusehenden Schutzflächen, teils zur Sicherung
für die Bahnen gegen Gefahren, die ihr von an-
grenzenden Grundstücken oder unterirdischen
Anlagen drohen können, teils zum Schutze der
Nachbargrundstücke gegen die Gefahren, die
der Bahnbetrieb im Gefolge hat. Da die Ge-
fahren aus dem Bahnbetrieb im allgemeinen
größer sind, so haben die letzteren mehr Be-
deutung. Im einzelnen unterscheidet man Grenz-
schutzstreifen, Torfschutzstreifen, S. im Bergbau-
gebiet, Windbruchstreifen, Brand- oder Feuer-,
Forst- oder Waldschutzreifen.
A. Grenzschutzstreifen. Die zur Vermar-
kung der Bahngrenze dienenden Grenzsteine
werden nicht unmittelbar an den Fuß der
Bahnböschung oder an die Kante der Einschnitte
gestellt, sondern mit Rücksicht auf die Gefahr
des Abrutschens der Böschung vorwiegend
zum Schutze des Nachbargeländes 0-50 - 1 -50 m
(meist O'öO - O'SO ra) von den Damm- und
Einschnittsböschungen entfernt errichtet. Die
Breite des Streifens ist in der Regel veränderlich,
weil gern ein möglichst gleichmäßig verlaufender
Grenzzug gewählt wird, der sich nicht dem
meist unregelmäßigen Verlauf des Damnifußes
oder des Böschungsrandes anpaßt.
B. Torfschutzstreifen werden dort neben
der Bahn angelegt, wo in Torfmooren eine
Gefahr für den Fuß des Bahndammes durch
das Torfstechen eintreten kann. Ihre Breite
wird von der Kante der Bahnkrone an gerechnet
bei l''/2fächer Bahnböschung zu (r5 /y^- 2) m
gewählt, wenn H die Höhe der Bahnkrone
über dem festen Untergrund ist.
C. Sicherheitsstreifen im Bergbauge-
biet. Führt eine Bahn durch die Grubenfelder
des Bergbaubetriebs, so können sich Bahn
und Bergbau gegenseitig gefährden. In solchem
Fall sind daher für den Bahnbetrieb und für
den Bergbaubetrieb besondere Sicherungen zu
treffen. Sie bestehen hauptsächlich in dem
Stehenlassen von Sicherungspfeilern seitens
des Bergbauunternehmens (vgl. Bergbaube-
schränkungen).
D. Windbruchstreifen. Holzbestände, die
einen das Bahngleis gefährdenden Umbruch
befürchten lassen, sind nach § 27^ der TV.
zu beseitigen. Ist daher der von der Bahn
durchschnittene Baumbestand hoch und sturm-
gefährdet, so wird dort mit Rücksicht auf die
Sicherheit des Bahn- und Telegraphenbetriebs
der Bestand so weit abgetrieben, als es erforder-
lich ist. Die abgetriebene Fläche wird alsdann
44
Sicherheitsstreifen.
aber bis an den Wundstreifen (vgl. unter E)
längs der Bahnböschung sofort wieder auf-
geforstet.
E. Brand- oder Feuerschutzstreifen,
auch Forst- oder Waldschutzstreifen (fire-
protection belt or strip ; bände protectrice contre
le feu; striscia di terreno quäle protezione
contro l'incendio) genannt, werden in den
Waldungen, Heiden und trockenen Mooren
zu beiden Seiten der Bahn angelegt, um diese
Kulturarten vor der ihnen durch Auswurf
glühender Kohlenteilchen aus den Lokomotiven
drohenden Feuersgefahr zu schützen, die leicht
zur Vernichtung von ganzen Waldbeständen
führen kann.
Um den Lokomotivführern anzuzeigen, wo
Feuersgefahr besonders zu befürchten und
daher das Feuer der Lokomotive vorsichtig zu
behandeln ist, wird zuweilen auf solchen Strecken
längs der Bahnlinie ein Merkmal in Form
eines weißen Streifens an den Telegraphen-
stangen angebracht.
Haben alle diese Maßnahmen auch eine
gewisse Verringerung des Funkenfluges herbei-
geführt, so läßt es sich doch nicht vermeiden,
daß besonders beim Beschicken der Feuerung
Glutteilchen aus der Feuerung mitgerissen
werden, die - zumal bei der lebhaften Luft-
bewegung, die hinter dem schnellfahrenden Zug
erzeugt wird - die Fiammenbildung herbei-
führen. Da nicht nur das Bahnnetz, sondern
mehr noch die Zahl der gefahrenen Zugkm
von Jahr zu Jahr wächst, so haben die
Eisenbahnverwaltungen der Verhütung der
durch Lokomotivflugfeuer verursachten Wald-
brände in den letzten Jahren mehr und mehr
ihre Aufmerksamkeit zugewendet. Die TV. ent-
halten im § 27, Absatz 1 und 2 zur Ver-
meidung solcher Brände folgende Bestimmung:
In Waldungen, Heiden und trockenen Mooren ist
längs der mit Dampfkraft betriebenen Bahnen zur
Sicherung gegen Brände ein Streifen wund zu halten
oder nur so zu benutzen, daß die Ausbreitung des
Feuers behindert wird. Die Breite des Streifens ist
nach der Örtlichkeit zu bestimmen. Derselbe Z\5-eck
kann auch durch Anlage von Schutzgräben erreicht
werden, die in angemessenem .Abstand vom Bahngleis
anzulegen und von brennbaren Gegenständen freizu-
halten sind.
Die Erfahrungen haben gelehrt, daß jeder
Waldbrand mit der Entzündung des Boden-
überzugs entsteht. Die zündenden Auswürfe
verursachen hier zunächst ein leicht zu löschen-
des Lauffeuer. Aus diesem entsteht ein Wipfel-
feuer erst dann, wenn die Flammen brennbare
Stoffe zwischen Bodenüberzug und Wipfel
erreichen. Das Lauffeuer erlischt am Anfang
von selbst an jedem kleinen Hindernis, das
durch einen nicht brennbaren Gegenstand
geboten wird (Pflugfurche, Fußsteig). Das
Wipfelfeuer erlischt, sobald das Bodenfeuer
gelöscht ist.
Als beste Schutzanlagen gegen die von den
Eisenbahnen drohende Feuersgefahr ergeben
sich daher auf Grund der bei den preußischen
Staatsbahnen gemachten Erfahrungen nach
nebenstehender Abb. 86 mit Holz bestandene,
12-15/« breite Streifen, durch die die
glühenden, aus den Lokomotivschornsteinen
herausgeschleuderten Kohlenstückchen nicht hin-
durch und über die sie nicht hinwegfliegen
können. Der Boden dieser Streifen ist, damit
das Flugfeuer nicht durch den Bodenüberzug
auf die Bäume überspringen kann, freizuhalten
von brennbaren Stoffen (Heide, hohes trockenes
Gras, Wacholder, trockene Zweige, trockenes
Gestrüpp, Rohhumusmassen u. s. w.); außerdem
sind die Bäume bis zu einer Höhe von 1-5 m
von allen trockenen Ästen und, soweit grüne
Äste auf den Boden herunterhängen, auch
von diesen zu befreien. Kur die grünen .4ste
der am bahnseitigen Rande der Schutzstreifen
stehenden Stämme sind niemals zu beseitigen.
Um nun das Überlaufen der häufigen
Böschungsfeuer in den Bestand des Schutz-
streifens zu verhindern, ist zwischen diesem
und der Böschung ein 1 m breiter Wund-
streifen dauernd frei von allen brennbaren
Stoffen zu halten. Der bestandene Streifen
ist von dem hinter ihm liegenden Forste
durch einen von brennbaren Stoffen dauernd
und vollständig freizuhaltenden, 1,5 ot breiten
Wundstreifen zu trennen. Die beiden Wund-
streifen - längs der Bahnböschung und längs
des sie schützenden Waldes - sind je nach der
Größe der Gefahr in Abständen von 20 - 40 m
durch 1 m breite Querwundstreifen miteinander
zu verbinden. Das so entstehende Netz \x)n
Wundstreifen (vgl. die schraffierten Streifen
der Abb. 86) beschränkt die im Bodenüberzug
entstehenden Lauffeuer auf einen abgegrenzten
kleinen Fleck.
Die Wundstreifen sind dauernd rein und wund
zu halten. Sie müssen jährlich mindestens einmal
im Frühling sofort nach Schneeabgang von Nadeln,
Laub u. s. w. gereinigt werden. Dasselbe gilt von
den jung angepflanzten Sciiutzstreifen. Als Längs-
wundstreifen können befahrene Wege (s. den Lage-
plan der Abb. S6 rechts), vorhandene Wassergraben
u. s. w. mitbenutzt werden. Moorige und torfige
Flächen sind innerhalb der Wundstreifen 30 an hoch
zu besanden.
Beim Neubau von Bahnen ist der Bestand
längs des Bahnkörpers nur so weit abzutreiben,
wie dies für die Übersichtlichkeit der Strecke
für Lokomotivführer und Bahnwärter, ins-
besondere an Wegübergängen (vgl. die in der
Abb. 86 eingetragene Sehlinie), sowie für die
Sicherheit des Bahn- und Telegraphenbetriebs
Sicherheitsstreifen.
45
vor überfallendem Holz (vgl. unter D) er-
forderlich ist. Je breiter die Bahngasse durch
den Wald gelegt wird, desto leichter und
-«■eiter werden durch den Luftzug die glühenden
Kohlen seitwärts in den Bestand getrieben.
Beiderseits der Bahn wird der vorhandene
Bestand in der vorstehend angegebenen Weise
durch Anbringung von Wundstreifen u. s. w.
zu einem bestandenen Schutzstreifen umge-
wandelt. Ist der Bestand noch nicht hoch
genug, um die Funken aufzufangen, oder ist
das Gelände dem Winde besonders ausgesetzt,
so ist die Anlage eines zweiten oder dritten
Parallelschutzstreifens hinter dem ersten nötig.
Ebenso können Bestände, die an der Außen-
seite einer Kurve oder gegenüber von Blößen
und neben hohen Bahndämmen liegen, die
Anlage eines zweiten Parallelschutzstreifens
an der gefährdeten Bahnseite erforderlich
machen. Liegen vor einem gefährdeten Bestände
Höhe muß der hinter dem altbestandenen Scliutz-
streifen angelegte junge Bestand erreicht haben, ehe
der Schutzstreifen selbst abgetrieben werden darf. Bis
der auf dem Schutzstreifen angelegte junge Bestand
eine Höhe von etwa 3 m erreicht hat, ist hinter ihm
ein bestandener Schutzstreifen von etwa \2-\b ni
Höhe zu unterhalten.
Das vorstehend beschriebene Verfahren zur
Herstellung von Wundstreifen wird nach dem Er-
finder auch das Kien itzsc he Verfahren benannt.
Es hat den Vorteil, daß es die forstliche Be-
wirtschaftung bis dicht an den Bahnkörper
heran nicht behindert.
Die Kosten der Wundhaltung der Schutzstreifen
sind dauernd gestiegen. Während sie längs der
vollspurigen Staats- und Privateisenbahnen Deutsch-
lands im Jahre 18Q0 nur rd. 197.000 M. ausmachten,
betrugen sie im Jahre 1909 über 560.000 M. Immerhin
sind diese Kosten noch geringer als die Entschädi-
gungen für Schadenfeuer, die durch Funkenfhig
entstehen; diese haben allein bei den preußischen
Staatseisenbahnen im Jahresdurchschnitt der letzten
20 Jahre etwa 1 Mill. M. betragen.
nur kahle Streifen, so ist der Waldrand in
der angegebenen Weise zu einem Schutzstreifen
herzurichten, der kahle Schutzstreifen jedoch
möglichst aufzuforsten.
In trockenen Gegenden, wo die Gefahr des Loko-
motivflugfeuers besonders groß ist, werden Schutz-
streifen am besten mit 3 jährigen Kiefern (in einem
Verband 1,5:0,5m) aufgeforstet, weil die früh sich
entwickelnde Borke die Kiefer besonders gegen Lauf-
feuer widerstandsfähig macht und die Kiefer als
immergrüner Baum die Funken zu jeder Jahreszeit
mit gleicher Sicherheit auffängt und zurückhält. Laub-
hölzer entwickeln sich dagegen auf trockenem Boden
nur kümmerlich und unterdrücken hier den gefähr-
lichen Gras- und Heidewuchs weniger gut als die
Kiefer. Für die besseren Standorte kommen dagegen
zum Aufforsten die Fichte und Laubhölzer in Betracht.
Der Bestand auf dem Schutzstreifen ist in einem
60 -80jährigen Umtrieb zu bewirtschaften. Muß er
verjüngt werden, so darf dies niemals gleichzeitig
auf beiden Seiten, sondern nur einseitig der Bahn
geschehen. Der Bestand auf der zweiten Seite der
Bahn darf erst verjüngt werden, wenn die Anpflanzung
auf der ersten verjüngten Seite genügend Höhe (die
des Lokomotivschornsteins) erreicht hat. Die gleiche
Zur Anlage der S. sind bedeutende Flächen
erforderlich, die, wenn sie erworben werden
müßten, die Baukosten der Bahn nicht un-
erheblich erhöhen. Um dies zu verhindern,
wird von dem Erwerbe des Geländes im all-
gemeinen abgesehen, wenn sich der Eigen-
tümer durch grundbuchliche Belastung ver-
pflichtet, eine mit der Verwendung des
Geländes als Schutzstreifen unvereinbare Be-
wirtschaftung des Geländes zu vermeiden.
Bei den preußischen Staatsbahnen ist die
Anlage solcher Schutzstreifen infolge der vielen
Staatsforste sehr erleichtert.
Neben der Anlage von Wundstreifen werden
noch folgende Anlagen und Verfahren zur
Verhütung der Waldbrände verwendet An
den Grenzen der Waldungen werden zuweilen
besonders breite und vertiefte Streifen (Feuer-
oder Schutzgräben) angelegt und unterhalten,
in die Äste nicht hineinreichen dürfen. Ferner
werden sog. Laubholzschutzmäntel ver-
46
Sicherheitsstreifen. — Sicherheitsventile.
wendet, über die aber genügende Erfahrungen
noch nicht vorliegen. Zuweilen nimmt man bei
windstillem Wetter und bei genügender Auf-
sicht und Abgrenzung ein Abbrennen des
dürren Grases vor und endlich stellt man
wohl auch an besonders gefährdeten Punkten
zu Zeiten größerer Dürre Wächter auf, denen
es obliegt, entstandene Brände im Keime zu
ersticken.
Über die Abwendungen von Feuersgefahr
bei Errichtung von Gebäuden und Lagerung
von Stoffen in der Nähe der Eisenbahn
s. Feuerpolizei und Anliegerbauten; vgl. ferner
die Art. Bahnunterhaltung, Anlieger u. Bann-
legung, dann Bergbaubeschränkungen.
Literatur: Dr. M. Kienitz, Maßregeln zur Ver-
hütung von Waldbränden. Berlin 1Q04. - Ztg. d.
VDEV. 1903, S. 12S0; 1904, S. 1566 u. 1906, S. 99.
- Erlaß des preußischen Ministers der öffentlichen
Arbeiten vom 13. Febr. 1905, Eisenbahn-Nachrichten-
blatt, S. 63 u. Erlaß vom 3. Okt. 1905. - Winkler,
Funkenflugschaden der Dampflokomotiven. Glasers
Ann. 1912, S. 101. - F. Seydel, Das Gesetz über
Enteignung von Grundeigentum. Berlin 1903, S. 166
u. 167. Giese.
Sicherheitsventile (safety valves; soupapes
de sürete; valvole di sicurezza), Vorrichtimgen
an innerem Flüssigkeitsdruck ausgesetzten Ge-
fäßen (Kessel, Dampfzylinder, Reservoire, Rohr-
leitungen) zur selbsttätigen Herstellung eines
teilweisen Ausströmens der gespannten Flüssig-
keit bei Erreichung eines Druckes von be-
stimmter Größe, um dadurch den Eintritt dieses
Spannungszustands in sichtbarer und hörbarer
Weise anzuzeigen und eine Überschreitung des
höchsten erlaubten Druckes entweder ganz aus-
zuschließen oder mindestens die Druckzunahme
möglichst zu verzögern.
Die an Dampfkesseln angebrachten einfachen
S. entsprechen (wenige schwerfällige und um-
ständliche Bauarten ausgenommen) nur der
Bedingung, die Überschreitung des höchsten
erlaubten Druckes anzuzeigen, hindern aber nicht,
daß trotz des Entströmens von Dampf der Druck
immer mehr zunimmt. Sie sind daher nicht
eigentliche Sicherheits-, sondern nur Warnungs-
vorrichtungen. Da es noch kein in bezug auf
bauliche Durchführung und stets sichere Wirk-
samkeit vollständig einwandfreies S. gibt, das
eine Druckerhöhung verhindert, da ferner das
zu diesem Zweck notwendige rasche Freimachen
großer Ausströmquerschnitte ein so starkes
Mitreißen von Kesselwasser bewirken würde,
daß anderweitige, ernste Übelstände eintreten
könnten, wird in den neueren Gesetzen die
Größe (Durchmesser) der S. im Verhältnis zur
Größe (Heizfläche) des Kessels nicht vorge-
schrieben, sondern dem Erbauer des Kessels voll-
ständig überlassen; die heute zu Recht beste-
henden Vorschriften beziehen sich daher nur
mehr auf Anzahl und Belastungsart der S.
Nicht gesetzlich vorgeschrieben ist die Anbringung
von S. an Gefäßen, die mit Druck-wasser gefüllt sind,
da das Bersten derartiger Gefäße nicht unbedingt
mit Lebensgefahr für die in der Nähe beschäftigten
Personen verbunden ist.
Bauart der S. In der einfachsten Form
besteht das S. aus einer Platte (Ventil oder
Ventiikegel), die derart belastet ist, daß sie von
einer Öffnung im Kessel (Ventilsitz) durch den
Flüssigkeitsdruck erst dann abgehoben wird,
wenn dieser Druck eine bestimmte Größe er-
reicht hat. Gegen Herabfallen und vollständiges
Wegschleudern des Ventils sind entsprechende
Führungen und Hubbegrenzungen angebracht
Die Belastung des Ventils erfolgt durch Gewichte
oder durch Federn. Wegen der Größe des notwen-
digen Gewichts (bei kleinen Ventilen schon einige
hundert Kilogramm) wird das Ventil in der Regel
nicht unmittelbar beschwert, sondern vermittels eines
Hebels, an dessen äußerstem Ende ein Gewicht ange-
bracht ist. Die Größe dieses Gewichts ist abhängig von
der Wahl des Hebelverhältnisses (s.Taf. I, Abb. 1 u. 2).
Bei Lokomotiven und in gesetzlich be-
schränktem Maß auch bei Lokomobilen wird
die Belastung der Ventile nicht durch Gewichte,
sondern durch Spiralfedern bewirkt.
Zweck dieser Anordnung ist die Vermin-
derung des Gesamtgewichts der Anlage und
Schonung der Ventilsitze, da die beim Lauf der
Lokomotive eintretenden Erschütterungen bei
Anwendung von Gewichtsbelastung ein vom
Dampfdruck unabhängiges Öffnen und darauf
folgendes stoßartiges Schließen der Ventile zur
Folge haben.
Die inTaf. I, Abb. 3 u. 4 gezeichnete Belastungs-
vorrichtung heißt Federwage oder Spring-
balance; sie besteht aus einer Spiralfeder, die
in den übereinander verschiebbaren Messing-
hülsen befestigt ist, aus einer Schraubenspindel
und einem Griffrad.
In manchen Fällen (s. Bauart Ramsbottom,
Tai I, Abb. 5, Wilson, Abb. 6, und Adams, Abb. 7)
erfolgt die Belastung des S. unmittelbar durch
eine starke Spiralfeder, eine Ausführung, die
in Deutschland, England, Italien, Frankreich
und in der Schweiz große Verbreitung ge-
funden hat.
Als ein theoretischer, in der Praxis jedoch
nicht fühlbarer Nachteil der unmittelbaren
Federbelastung und der Belastung durch Feder-
wagen ist anzuführen, daß der Druck, den die
Feder und die Federwage auf das Ventil aus-
üben, nicht unveränderlich ist (wie dies bei dem
Druck eines Gewichts der Fall ist), sondern in
dem Maß zunimmt, als das Ventil gehoben wird.
um diesen allerdings unbedeutenden Übel-
stand zu beheben, wurden verschiedene Anord-
nungen ersonnen, von denen die Ausführungen
Sicherheitsventile.
47
Meggenhofen (Taf. I, Abb. 4) und Kitson (Taf. I,
Abb. S u. 8a) weitere Verbreitung gefunden haben.
Das Bestreben, das S. niciit allein als War-
nungs-, sondern auch als wirkliche Sicherheits-
vorrichtung auszubilden, führte sowohl zum
Bau von ganz geschlossenen Ventilen, bei denen
der ausströmende Dampf keine Rückwirkung
auf das einmal gehobene Ventil ausübt, als
auch zur Herstellung von Ventilen, bei denen
der ausströmende Dampf von dem Dampf ge-
trennt ist, durch den das Ventil gehoben wird.
Als Beispiel der ersten Ausführungsarten
möge das S. der Coale Muffler and Safety Valve
Co. (Taf. I, Abb. 9 u. 9 a) dienen und als Beispiel
der zweiten Art die früher in Österreich sehr
verbreiteten S. nach Bauart Klotz (Taf. I, Abb. 1 0).
Beschreibung einzelner Bauarten.
In Taf. I, Abb. 1 ist ein einfaches S. mit Gewichtsbe-
lastung dargestellt, wie solche als „Marktware" von
Arniauirfabrikanten ausgeführt werden. G ist ein Ge-
häuse aus Gußeisen, aufgeschraubt auf dem Dampf-
dom (s. Dampfkessel).
G, ist der aus Metall (Bronze) angefertigte Ventil-
sitz, der in das Gehäuse G eingepreßt ist, V das
Ventil, A Fixpunkt des Hebels H, B Druckstift,
/^Führung für den Hebel und C das Belastungsgewicht.
Um die Reibung, die in den Bolzengelenken A
und B eintritt, möglichst zu verringern, werden an
Stelle von Bolzen oft gehärtete Schneiden angewendet ;
s. Taf, I, Abb. 2 (die Buchstaben haben dieselbe
BedeiUung wie in Abb. 1).
Bei Lokomotiven werden die S. mit Feder-
wagenbelastung im allgemeinen nach der in Taf. I,
Abb. 3 gezeichneten Form ausgeführt. Die Ventil-
sitze bestehen entweder mit dem flachen Unter-
satz aus einem Stück (Taf. I, Abb. 3) oder sie haben
keinen besonderen Untersatz und sind unmittel-
bar in den Domdeckel eingepreßt.
Damit die gehärtete Spitze des Druckstifts B
nicht eine Vertiefung im Ventil V bilde, ist
ein Stahlkörper U im Ventil eingelegt.
Die in Taf. I, Abb. 3 gezeichnete Federwage
oder Springbalance ist mit einer Spiralfeder
5 versehen.
Oft werden deren 2 (eine stärkere äußere
und eine schwächere innere), in manchen Fällen
(Bauart Teudloff) auch 6 Stück gleich starke
Spiralfedern angewendet.
M und Af , sind die Metallhülsen, von denen die
untere mit dem Kessel durch das Zwischenstück Z
und Bolzen, die obere durch eine mit Schrauben-
gewinde versehene Spindel vermittels des Griffrads
(eigentlich eine Mutter) und UnterlagsplaUe p mit
dem Ventilhebel verbunden ist.
Die innere Metallhülse Af , trägt meist eine Teilung
(ganze und halbe Atmosphären). Die Feder oder das
Federsystem soll derart bemessen sein, daß die einer
Atmosphäre Dampfdruck entsprechende Verlängerung
der Feder mindestens 15-20/«/« beträgt, damit beim
Abblasen der Druck auf das Ventil möglichst un-
verändert bleibe.
Um eine willkürliche Mehrbelastung des Ventils
durch stärkeres Anziehen der Springbalance un-
möglich zu machen, ist zwischen Ventilhebel und
äußerer Messinghülse ein Kupferrohr oder Messing-
rohr/z auf die Schraubenspindel aufgesteckt; diese
Hülse trägt, um eine Verkürzung durch Abfeilen
leicht bemerkbar zu machen, auf der oberen und
unteren Fläche irgend einen Stempel, oder auf der
Außenseite eingeschlagen die Länge der Hülse in mm.
Bei den Springbalancen von Meggenhofen
(Taf. I, Abb. 4) ist die Schraubenspindel nicht un-
mittelbar mit der äußeren Metallhülse bzw. Feder
verbunden; es ist ein Hebelwerk eingeschaltet,
durch das die beim Abblasen eintretende Mehr-
spannung der Feder an einem kürzeren Hebelarm
auf den Ventilhebel wirkt, wodurch für alle Stel-
lungen des Ventilhebels gleiche Druckmomente
in bezug auf das Ventil erreicht werden.
In der schematisch gezeichneten Nebenfigur be-
deutet a die bei Öffnen des Ventils eintretende Ver-
kürzung des Ventilhebels. In ähnlicher Weise wird
bei der Ausführung Kitson (Taf. I, Abb. 8 u. 8a) eine
Druckerhöhung durch die Belastungsfeder auf das
Ventil vermieden. Der Ventilhebel ist kurz, liegt mit
Schneiden auf und ist derart in seinen Längen und
in der gegenseitigen Lage der Drehpunkte ausge-
mittelt, daß ein „Heben" des Ventils ein Verkürzen
des Armes, an dem die starke Spiralfeder angreift,
zur Folge hat.
Ein Ventil BauartRamsbottom mit unmittel-
barer Federbelastung ist in Taf. I, Abb. 5
gezeichnet.
Eine starke Spiralfeder wirkt auf den Hebel fi,
der auf das vordere Ventil vermittels Druckstifts,
auf das rückwärtige Ventil vermittels einer ange-
schweißten Nase drückt; der Ventilhebel // ist "in
das Führerhaus hinein verlängert, damit der Führer
durch Heben oder Drücken am Hebel irgend eines
der Ventile lüften kann. Eine Mehrbelastung des
Ventils durch Heben oder Drücken am Hebel ist
durch die Bauart des S. ausgeschlossen.
Um die durch das längere Hebelende auf das
rückwärtige Ventil ausgeübte geringfügige Mehr-
belastung auszugleichen, trägt der Hebel H in man-
chen Ausführungen „vorne" ein kleines Gegengewicht.'
In ähnlicher Weise sind S. ausgeführt, die
auf Dampfleitungsrohren, z. B. Receivern von
Verbundlokomotiven angebracht sind (Taf. I,
Abb. II). Die Feder, die das Ventil unmittel-
bar belastet, ist in einem Gehäuse eingeschlossen
und kann nach Abschrauben der Kappe /Cmit
dem Sechskant m nach Bedarf angezogen oder
nachgelassen werden. Um ein unbefugtes Ver-
ändern des Druckes unmöglich zu machen,
ist die Ventilspindel mit der Kappe K durch
eine Plombe verbunden.
An den Dampfzylindern von Lokomotiven
werden auch S. angebracht, insbesondere dann,
wenn die Lokomotiven mit Gegendampfbremse
(Le Chatelier) versehen sind. Diese Ventile (Taf. I,
Abb. 12, einfache Tellerventile durch 2 Blatt-
federn belastet) sind auch geeignet, ein Brechen
der Zylinderdeckel und Zylinder infolge von
mitgerissenem Wasser wirksam zu verhindern.
Alle bisher beschriebenen S. zeigen eine
Drucküberschreitung an, hindern aber nicht
eine Zunahme des Druckes.
48
Sicherheitsventile.
Nach angestellten Versuchen heben sich
selbst die größten Ventile nur um etwa I bis
P ., /«/rt. Die freie Ausströmöffnung beträgt
daher weit weniger als der Ventilquerschnitt.
Die Hubhöhe müßte, um dem Ventilquerschnitt
gleich zu sein, 1/4 des Ventildurchmessers
betragen (bei einem Ventil von 1 00 /w/« Durch-
messer, wie es bei Lokomotiven meist an-
gewendet wird, 25 mm). Wenn auch nach den
praktischen Versuchen und theoretischen Unter-
suchungen diese große Hubhöhe für die nach
den üblichen Abmessungen ausgeführten Ven-
tile nicht notwendig ist, um den überschüssigen
Dampf vollständig abzuführen, müßten doch,
um diesen Zweck zu erreichen, bei gewöhn-
lichen einfachen Ventilen die Durchmesser
etwa 3 — 4 mal größer sein.
Diese Erscheinung kann ihre Erklärung in
dem Umstand finden, daß der ins Freie ent-
weichende Dampf seine Spannung nicht plötz-
lich verliert; die Druckverminderung dürfte
sich bei geöffnetem Ventil bis in dieses hinein
erstrecken, und außerdem dürfte der aus-
strömende Dampf eine Rückwirkung (Druck)
auf die Ventiloberseite ausüben. Tatsächlich
geben die S., deren obere Fläche vom Sitz
der Ausströmöffnung weit entfernt ist, eine
größere Hubhöhe.
Fast vollständig sind die Einflüsse des aus-
strömenden Dampfes auf das Ventil bei der
Konstruktion der Coale Muffler and Sa-
fety Val ve Co. vermieden (Taf. 1, Abb. 9 u. 9a).
Das Ventil K greift mit einem hohen Ring-
ansatz in einen Cylinder hinein, in dem sich
die Druck-feder befindet; der ausströmende
Dampf kann daher keinen oder doch nur
einen unbedeutenden Druck auf die Ventil-
oberseite ausüben. Der ausströmende Dampf
geht nicht sofort ins Freie; er durchströmt
erst die Hohlräume G und E und gelangt
dann durch die kleinen Öffnungen O in die
Atmosphäre, wodurch das Geräusch des aus-
strömenden Dampfes wesentlich vermindert wird.
Unmittelbar beim Ventilsitz hat der Dampf
noch beinahe Kesselspannung, infolgedessen
findet keine Druckverminderung unter dem
Ventil statt.
Sorgsamste Instandhaltung vorausgesetzt,
schließt das Ventil erst dann, wenn der Druck
im Kessel eine bestimmte Verminderung er-
fahren hat; der Druckunterschied zwischen |
„Öffnen" und „Schließen« kann durch Heben
oder Senken eines eingeschraubten zweiten
Ventilsitzes C innerhalb bestimmter Grenzen
geregelt werden.
Bezeichnet D,- den inneren Ventildurchmesser,
Da den äußeren wirksamen Durchmesser, p den
Dampfdruck, unter dem das Ventil sich heben
soll, p^ = p-a den Dampfdruck, unter dem
das Ventil schließen soll, a den Unterschied
zwischen Öffnungs- und Schließungsdruck, so
bestehen folgende Gleichungen:
D,-2 . .-t
Druck auf das Ventil im Augenblick des Öffnens
4 P = P^ 2)
Druck auf das geöffnete Ventil.
Infolge des größeren Drucks P^ auf das
geöffnete Ventil bleibt es länger offenals
ein Ventil mit nur einem Sitz; es kann
sämtlicher überschüssiger Dampf entweichen.
Das Ventil schließt sich, wenn der Druck
auf die Feder wieder P geworden ist; dann ist
P=~^{p-a)
Aus Gleichung 1 und 3 folgt
4 •P= — 4 — (p-a),
mithin
Dr-
.3)
a = p\ 1
D„
Der eingeschraubte Ventilsitz C, der nach
Entfernung der Schraube B mit Hilfe eines
Dornes nach Imks oder rechts gedreht, mithin
um ein geringes Maß gesenkt oder gehoben
werden kann, wird gewöhnlich derart einge-
stellt, daß das Ventil auf dem inneren Sitz
noch nicht aufliegt, wenn auf dem äußeren Sitz
dampfdichter Schluß stattfindet.
Infolge der absichtlich herbeigeführten Un-
dichtheit am inneren Ventilsitz kommt für das
Öffnen und den Schluß des Ventils nicht der
Durchmesser Dj in seiner wirklichen Größe in
Betracht, sondern ein der Undichtheit entspre-
chend höherer Wert. Durch Heben und Senken
des zweiten Ventilsitzes läßt sich der Druck-
unterschied a (verkehrt proportional dem Grad
der Undichtheit) auf ein beliebiges Maß ver-
ringern. Bei amerikanischen Lokomotiven be-
trägt z.B. bei einem Kesseldruck von ISO Pfund
f. d. Quadratzoll der Druck beim Schließen
des Ventils 177 Pfund, mithin a = 3 Pfund.
Diese Ventile werden oft paarweise ange-
wendet, derart, daß bei einem Ventil jede un-
befugte Mehrbelastung der Feder vollkommen
ausgeschlossen ist (Taf. I, Abb. 9), während das
zweite X'entil (Taf. 1, Abb. 9a) derart eingerichtet
ist, daß der Ventiikegel durch einen Hebel und
Zug vom Führer aus gehoben werden kann.
Nach demselben Grundsatz, nur in Einzel-
teilen verschieden, sind die S. System Ashton
Crossby, Star u. s. w. ausgeführt.
Enzyklopädie des EisenbahiiTesens, 2. Aufl. I.N
1:15.
Abb. 1. S. mit Oewichtsbelastiing.
Tafel I.
an
1:15.
Abb. 2 S mit Oewichtsbelastuiig,
Enzyklopädie des Eisenbahn vesens. 2.K3M>ii
1:15.
Abb. 5. Bauart Ranisboftom.
1;8.
Abb. 9 u. 9a. Banart Coale Mtiffler and SafHy Valve Co.
tinzyklopädie des Eiseiiliahnwesens. 2. Aufl. IX.
Sicherheitsventile.
Tafel I.
Abb. I. S. mit Qewichtsbelastung.
pF
CBi^^
,■,1.
Abb. 2 S mit Gewiclitsbelashing.
Abb. 6, Bauart Wilson.
1:10.
Abb. 7. Bauart Adams.
ü 1 1 ile!^^//L ^
Abb. 10. Bauart Klnlz.
Verlay von Urban & Schwarztiiberg in Berlin u. Wien.
Abb. 3. 5. mit Federbelastiing.
Abb. 4. Bauart Meggeiihofen.
1
eC-- Krafthebel äer Feder bei
geschlossenem Vsiiül
Jt. Rraftheljel der Feder bei
oifenem Ventil.
1:15.
-Ventil geschlossan.
. Ventil offen.
Abb. 8 u. 8 a. Bauart Kitson.
Abb. 12. S. für Dampfzylinder von Lokomoliven.
"- , I Receiver ,.-'
Abb. 11. S. für Dampfleitnngsrohre.
1:15.
Abb. 5. Bauart Ranisbottom.
1:8
^^
Abb. 9 u. 9.1. Banart Cnale Muffler and Safety Valve Co.
Abb. 13. Bauart Pop-Coale.
Sicherheitsventile.
49
Bei den österreichischen Staatsbahnen sind
die auf den gleichen Grundsätzen ent-
worfenen Bauart Pop-Coale in Verwendung
(Taf. I, Abb. 13).
Wirkungsweise. Erreicht die Dampfspannung
das zu gestattende Höchstmaß, so wird das Ventil
D vom Sitz / des Untersatzes A abgehoben, der
ausströmende Dampf in der Spalte zwischen dem
Ventil D und dem Zahnring B gedrosselt und
hierbei durch nunmehr vergrößerte wirksame Ventil-
fläche ein weiteres Abheben herbeigeführt. Der
Schluß des Ventils kann erst dann eintreten, wenn
die Dampfspannung so weit gesunken ist, daß der
Dampfdruck auf die vergrößerte Ventilfläche von
der Feder überwunden wird.
Einstellen. Das Einstellen geschieht, solange
hierfür keine eigene Vorrichtung vorhanden, am
montierten Ventil unter Dampfdruck. Das voll-
ständig zusammengestellte Ventil wird bei ab-
genommener Kappe K und gelüfteter Gegenmutter
H durch Niederdrehen der Federspannschraube G
so belastet, daß es voraussichtlich unter der Wirkung
der zulässigen Höchstdampfspannung nicht abbläst.
Der Zahnring B wird unter Benutzung eines spitzigen
Werkzeugs (Reißnadel) so lange nach abwärts ge-
schraubt, bis man fühlt, daß er an dem Ventil-
untersatz A anliegt. Nun wird die Dampfspannung
im Kessel unter Anwendung eines verläßlichen
Druckmessers bis zur höchsten erhöht. Mit Hilfe
eines langgestielten Schlüssels wird sodann die
Federspannschraube G erfaßt und so lange vorsichtig
gelüftet, bis das Abblasen bei der Höchstdampf-
spannung erfolgt. Der Zahnring B wird während
des Abblasens "mittels eines langgestielten Werk-
zeugs durch sehr geringe Drehung von 1 : 1 Zahn
eingestellt, bis das Ventil kräftig bläst und nach
Druckabnahme von 0-2-0-3 Atm. unter der Höchst-
spannung plötzlich schließt. Ist die genaue Arbeits-
-weise durch mehrmaliges Steigen des Dampfdrucks
bis zum Abblasen festgestellt, so wird die Gegen-
mutter H gut angezogen, um das Aufdrehen der
Federspannschraube G und eine dadurch vielleicht
eintretende Betriebsstörung zu verhüten, die Kappe
K aufgestellt, wie auch der Zahnring B durch die
Arretierungsschraube C gesichert und die Plombe
bei P angebracht. Ventile ohne Plombe dürfen nicht
in Beü-ieb genommen werden.
Größere Hubhöhe als die gewöhnlichen Plat-
ten- oder Tellerventile geben die früher in Öster-
reich vielfach angewendeten S. Bauart „Klotz"
(Taf. I, Abb. 10). Das eigentliche Ventil F ist topf-
artig gestaltet und wird durch Dampf gehoben,
der durch ein Rohr R an einer Stelle im Kessel
-entnommen wird, die von der Ausströmöffnung
weit entfernt ist. Der bei 5 ausströmende Dampf
hat keine Hebearbeit zu leisten; die Ausström-
öffnung liegt so weit von der Ventiloberfläche
■.entfernt, daß eine Rückwirkung nicht in dem
Maß eintreten kann wie bei gewöhnlichen
Ventilen.
Ähnlich ausgeführt ist das S. Bauart „Wilson"
(Taf. I, Abb. 6). Es ist im Wesen eine Verbindung der
Bauart Klotz und Ramsbottom.
Das ganze Ventil ist in einem Blechgehäuse ein-
geschlossen und dadurch gegen unbefugtes Nach-
'-spannen gesichert.
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
Ein sehr einfaches, große Hubhöhe gebendes
S. ist das S. von Adams (Taf. I, Abb. 7).
Das Ventil legt sich mit 2 Schneiden gegen
den Ventilsitz; für das „Heben" ist der innere Durch-
messer maßgebend. Einmal gehoben, drückt der
Dampf — ähnlich den Ventilen der Coale Muffler
and Safety valve Co. — auf eine größere Fläche,
läßt daher das Ventil länger offen unter gleichzei-
tiger Vergrößerung der Hubhöhe. Die Belastung
erfolgt unmittelbar durch eine starke Spiralfeder, die
durch ein Querstück und 2 seitliche Schrauben
niedergehalten wird. Zwischen Querstück und An-
sätzen an den Schrauben sind Stellringe eingelegt
zur Regelung der Federspannung. Anwendung findet
dieses S. bei vielen französischen Bahnen (Est, Nord,
Midi) und in neuerer Zeit auch in England.
S. dieser und ähnlicher Bauart sind, wenn
nicht besondere Vorkehrungen zur Schalldämp-
fung getroffen werden, äußerst lästig für die
Bahnhöfe, da sie sich mit schußartiger Deto-
nation heben und den Dampf (infolge der großen
Hubhöhe) mit starkem, scharfem Geräusch ent-
weichen lassen.
Abgesehen von der Bauart Kitson, bei der der
Ventilhebel eine gebrochene Linie darstellen muß,
sollen die Stützpunkte A und B und der Angriffs-
punkt des Gewichts oder der Federwage in einer
geraden Linie liegen. Um ein Ecken und Festklemmen
des Ventils selbst zu verhindern, soll es sicher geführt
sein (Führung durch Rippen, Taf. I, Abb. 5 u. 12, oder
Führung durch einen Mittelzapfen, Abb. 3 u. Q),
außerdem aber soll die Spitze des Druckstifts B
womöglich in der Ebene oder unter der Ebene des
Ventilsitzes auf das Ventil drücken. In der Hebel-
führung soll so viel Seitenspiel sein, daß ein seit-
liches Festklemmen nicht eintreten kann; nach oben-
hin soll die Führung ein Heben des Ventils um 3 mm
gestatten.
Berechnung des Ventil-Belastungsge-
wichts (Taf. I, Abb. 1, 2, 3). Bezeichnet d den
mittleren Ventildurchmesser in cm, gleich dem
inneren Durchmesser /),• vermehrt um die Sitz-
breite, p den Dampfdruck in kgjcm'^, G das
Eigengewicht des Ventils in kg, g das Gewicht
des Druckstifts in kg, h das nach statischen
Gesetzen auf den Aufhängepunkt C überrechnete
Gewicht des Ventilhebels, a den Abstand des
Gelenks B vom Drehungspunkt A, b die ganze
Hebellänge, so ergibt sich die Größe des Auf-
hängegewichts C in kg aus der Gleichung:
\-^ P-G-Ä a = b(C-
-h)
mit
K
4
G^g
)
h.
Bei Anwendung einer Federwage ist die
Stärke der Feder oder des Federsystems derart
zu wählen, daß sie einem um mindestens 3 Atm.
höheren Druck widerstehen kann als dem nor-
malen Kesseldruck.
Die auf der inneren Hülse aufzutragende
Teilung ist empirisch auszumitteln durch An-
hängung von den einzelnen Dampfspannungen
4
50
Sicherheitsventile. -ISiebenbürger Eisenbahn.
entsprechenden Gewichten, vermindert um das
halbe Gewicht der Federwage.
Dem Ventilhebel sollen solche Abmessungen
gegeben werden, daß selbst die bei der Wasser-
druckprobe angehängten Belastungsgewichte
keine größeren Beanspruchungen als etwa
3-4 kg\mm ^ hervorrufen.
Gesetzliche und andere Vorschriften.
Schlechte Bauart, mangelhafte Ausführung und sorg-
lose Behandlung von Kesseln bergen derartige Ge-
fahren für Leben und Gut in sich, daß. in vielen
Industriestaaten - Deutschland (Preußen), Österreich,
Frankreich - bald nachdem die Anwendung der
Dampfkraft eine größere Verbreitung gefunden hatte,
Vorschriften über Größe, Anzahl und bauliche Durch-
führung der S. erlassen wurden, da nach dem da-
maligen Stand der Wissenschaft die S. als wirkliche
Sicherheitsvorrichtungen angesehen wurden.
Nach der in Preußen bis zum Jahre 1861 be-
standenen Verordnung mußte die Ventilöffnung
mindestens '/aooo der Heizfläche des Kessels be-
tragen.
Eine in Österreich bis zum Jahre 1871 bestandene
Verordnung bestimmte, daß jeder Kessel mit 2
S. versehen werden müsse, deren lichter Durchmesser rf
in Zollen, abhängig von der Heizfläche F in Wiener
Quadratfuß und" dem effektiven Dampfdruck n in
Atmosphären, mindestens gleich sein soll:
d = 0-3\2
V-r
- 0-588
Eine im Jahre 1843 in Frankreich erlassene Ver-
ordnung, aufgehoben mit 1. Mai 1880, bestimmte den
Durchmesser der S. nach der Formel:
rf = 2-6
Vm-O-
412
worin d Durchmesser des Ventils in cm, F Heiz-
fläche inm-, m die absolute Dampfspannung bedeutet.
Aus früher angegebenen Gründen ist in den
neueren Gesetzen die Größe der Ventile nicht mehr
an bestimrnte Formeln gebunden.
Die in Österreich heute bezüglich der S. gelten-
den Gesetze sind :
1. Verordnung des Handelsministeriums im Ein-
verständnis mit dem Ministerium des Innern vom
1. Oktober 1875, RGB. Nr. 130, betreffend die Sicher-
heitsvorkehrungen gegen Dampfkesselexplosionen.
Der auf S. sich beziehende Teil des § 3 lautet:
An jedem Dampfkessel müssen folgende Armatur-
stücke vorhanden sein, für deren guten Zustand der
Kesselbesitzer verantwortlich ist:
a) Wenigstens ein S., und wenn der Dampf-
kessel mehr als 2'5 m^ Heizfläche hat, mindestens
2 S.
Ihre Belastung muß der Dampfspannung, für die
der Kessel erprobt wurde, entsprechen und sie dürfen
bei stationären Kesseln nur mit Gewichten in der Art
belastet werden, daß bei mittelbarer Belastung das
Gewicht am äußersten Angriffspunkt des Hebels wirkt.
Bei anderen Dampfkesseln, die mit Federwagen ver-
sehen sind, muß die Maximalspannung der Feder
der Maximalspannung des Dampfes entsprechend be-
grenzt und bei Lokomobilen wenigstens ein Ventil
mit einem Gewicht belastet sein.
2. Erlaß des k. k. Handelsministeriums vom
1. Oktober 1875, Z. 25.021, enthaltend die Voll-
zugsvorschrift zu dem Gesetz vom 7. Juli 1871,
betreffend die Erprobung und periodische Lrnter-
suchung der Dampfkessel, und zu der Verordnung
vom 1. Oktober 1875, betreffend die Sicherheits-
vorkehrungen gegen Dampfkesselexplosionen.
In diesem Erlaß ist der unter „Berechnung des
Ventilbelastungsgewichts" allgemein dargestellte Vor-
gang ausführlich erörtert und durch Zahlenbeispiele
belegt. Der Erlaß enthält weiters eine Anleitung,
wie das auf das Hebelende C reduzierte Gewicht h
des Ventilhebels H empirisch ermittelt wird.
Weitere Vorschriften über Anbringung von S.
an Dampfpflugmaschinen, Straßenlokomotiven, Loko-
mobilen, Dampfkochapparaten u. s. w. s.: Thaa, Das
Dampfkesselwesen in Österreich. Sammlung der auf
diesen Gegenstand bezüglichen Gesetze, Verord-
nungen und Normalerlässe.
Nach der in Frankreich bestehenden Ver-
ordnung vom 1. Mai 1880 ist die französische Re-
gierung von der Bestimmung der Größe des Durch-
messers der S. abgegangen, indem sie statt jeder
solchen Bestimmung im Art. VI. der betreffenden
Verordnung an die Kesselkonstrukteure die Anforde-
rung stellt, die Gesamtöffnung der beiden auf jedem
Dampfkessel anzubringenden S., die auch auf mehrere
Kessel verteilt werden dürfen, so groß zu machen,,
daß, wenn die Ventile nach Bedarf entlastet werden
oder ihre Hubhöhe vergi'ößert wird, selbst bei fort-
gesetzter Feuerung die voraus bestimmte größte
Spannung im Kessel nicht überschritten werde.
Die technischen Vereinbarungen über den Bau
und die Betriebseinrichtungen der Haupt- und Neben-
eisenbahnen des VDEV. bestimmen im § 91 :
„Jede Lokomotive muß mit wenigstens 2 S. ver-
sehen sein, von welchen mindestens das eine so
eingerichtet ist, daß seine Belastung nicht über das-
bestimmte Maß gesteigert werden kann.
Die S. sind so einzurichten, daß sie vom ge-
spannten Dampf nicht weggeschleudert werden,
können, wenn eine unbeabsichtigte Entlastung eintritt.
Die Sicherheitsventile müssen mindestens 3 mm
Hubhöhe haben."
Literatur: Burg, Über die Wirksamkeit der
Sicherheitsventile bei Dampfkesseln. Sitzungsbe-
richte der kais. Akademie der Wissenschaften,.
Bd. LXXX, II. Abt., Novemberheft, Jg. 1879; Über
die Wirksamkeit der Sicherheitsventile bei Dampf-
kesseln (Vortrag), Wien 1880. - Heusinger, Hb. f.
spez. E-T., Bd. III, Leipzig 1882, woselbst auch ein
Verzeichnis über ältere Literatur. -Reiche, Anlage
und Betrieb der Dampfkessel, Bd. II, Leipzig 1886 bis
1888. - American Railway Mester Mechanic's As-
sociation. Lokomotive Dictionary, New York 1909.
- Maurice Domoulin, Tratte Pratique de la
Machine Locomotive, Tome IV, Paris 1898. - Das.
Eisenbahnmaschinenwesen der Gegenwart, 2. Aufl.,.
Wiesbaden 1903. Gölsdorf f.
Siebenbürger Eisenbahn, teils in Ungarn
(101 -835 äto), teils in Siebenbürgen ( 1 88-244 km)
gelegene Eisenbahn, ehemals Privatbahn mit
dem Sitz der Gesellschaft in Budapest, seit
1884 verstaatlicht. Sie umfaßte zur Zeit der
Verstaatlichung die Hauptstrecke Arad-Karlsburg
(eröffnet 1868) und die Zweigbahn Piski-
Petrozseny (eröffnet 1870). Das Anlagekapital
war auf 70 Mill. K festgesetzt.
Der Vertrag über die Einlösung der S.
durch den Staat (gegen Übernahme der
gesellschaftlichen Anleihe und Einlösung der
Aktien mittels Verlosung in 66 Jahren zum,
vollen Nennwert) wurde am 10. Januar 1884
Siebenbürger Eisenbahn. - Signallaternen.
51
abgeschlossen und mit Qesetzartikel XXIX vom
Jahre 1884 genehmigt.
Auf Grund dieses Vertrags wurde am
15. Februar 1884 die Übernahme der Bahn
durch den Staat vollzogen.
Die Linien der S. unterstehen gegenwärtig
der Betriebsleitung Arad der ungarischen
Staatsbahnen.
Siechrowsky, Heinrich Ritter von, General-
sekretär der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn, geb.
zu Wien 1794, gest. 1866 in Baden bei Wien,
trat nach Beendigung der kommerziellen Studien
in ein Bankhaus ein. In Begleitung seines
Chefs unternahm er 1825 bis 1832 Reisen
nach Frankreich, England, Italien, Spanien und
Rußland, und mag in ihm wohl vor allem die
Reise nach England zuerst die Idee, Eisen-
bahnen in Österreich zu errichten, wachgerufen
haben. Als S. von seinen Reisen nach Wien
zurückkehrte, lernte er Baron Rothschild
kennen. Dieser fand die Anschauungen S.
bezüglich der Notwendigkeit von Eisen-
bahnen durch Professor Riepl vollinhaltlich
bestätigt und entsendete nunmehr beide zum
Studium der Eisenbahnen nochmals nach Eng-
land; sie wendeten ihre Aufmerksamkeit be-
sonders der Liverpool-Manchester-Eisenbahn zu
und arbeiteten nach deren Vorbild ein Or-
ganisationsstatut für den technischen und
kommerziellen Dienst der Nordbahn aus.
S. wurde zum Generalsekretär der Nordbahn
ernannt. Das von ihm in Gemeinschaft mit Riepl
vorgeschlagene Organisationsstatut bewährte
sich in der Praxis so vorzüglich, daß die Nord-
bahn bald zu den bestverwalteten und renta-
belsten Eisenbahnen zählte.
Signalantrieb (signal-operating mecha-
nism; commande des signaux; commando del
segnale) ist die meist am Signalmast angebrachte
Vorrichtung, die beim Umlegen und Zurück-
stellen des Signalhebels am Signalflügel oder
der Signalscheibe das der Hebelstellung ent-
sprechende Signalzeichen hervorbringt. Die
Einwirkung vom Signalhebel auf den S. erfolgt
bei mechanischen Stellwerken durch einen
Doppeldrahtzug, bei Kraftstellwerken durch
elektrische Steuerung eines elektrischen, Druck-
luft- oder Preßgasantriebs (Näheres s. Kraftstell-
werke u. Stellwerke). Hoogen.
Signalausleger ist ein Ständer mit einem
ausgekragten Träger, der zur Anbringung eines
Haupt- oder Vorsignals dient.
Signalbrücken (signal bridgcs; passerelles
ä signaux; passerclle dci segnali) dienen zur
Anbringung von Haupt- und Vorsignalen über
den Gleisen, wo die Aufstellung von Masten
zwischen oder neben den Gleisen wegen Platz-
mangel oder ungenügender Sichtbarkeit der
Flügel oder Scheiben nicht angängig ist ^vgl.
Signalwesen). Hoogen.
Signalbude (signal box, signal cabin; ca-
bine de signalciir; eabina del segnalatore), der
Raum, von dem aus Signale gestellt werden
{Signalstellwerk) oder die Aufträge zum Ziehen
der Signale erteilt werden (Befehlstelle); s. Stell-
werkshaus.
Auch die Glockenhäuschen der elektrischen
Streckenläutewerke werden wohl als S. bezeichnet.
Hoogen.
Signalfahnen s. Signalwesen.
Signalfestlegefeld, ein Blockfeld, das einen
Signalhebel im abhängigen Stellwerk unter Ver-
schluß des Fahrdienstleiters hält.
Signalflügelkontakt(Flügelstromschließer)
ist ein Stromschließer, der mit dem oberen
Flügel der Einfahr- und Blocksignale in Ver-
bindung steht und bei Haltstellung dieses
Flügels die Streckenblockleitung schließt, sie
aber öffnet, sobald der Flügel um mehr als
10° aus der Haltstellung gebracht ist. Er soll
verhüten, daß die Blockung des Endfeldes und
damit die Freigabe der rückliegenden Strecke
stattfindet, wenn der Signalhebel zurückgelegt,
aber der Signalflügel der Hebelbewegung nicht
vollständig gefolgt ist.
Auch bei Zählweckeranlagen, Vorsignalen
mit Kraftantrieb u. s. w. finden S. Anwendung.
In besonderen Fällen wird außer dem ersten
Flügel auch der zweite Flügel eines Haupt-
signals mit einem Flügelkontakt ausgerüstet.
Hoogen.
Signalflügelsperre ist eine elektrische
Sperre, die verhüten soll, daß ein Signalflügel
ohne Umlegen des Signalhebels durch einen
unerlaubten Eingriff aus der Haltlage bewegt
wird.
Signalfreigabefeld, ein Blockfeld, mit dem
ein im abhängigen Stellwerk unter Blockver-
schluß liegender Signalhebel vom Fahrdienst-
leiter freigegeben wird.
Signallaternen (signal lamps; lantcrnes de
Signal; lanterne da segnale), die zur Her-
vorbringung der Lichtsignale (s. Signalwesen)
dienenden Beleuchtungsvorrichtungen. Am
meisten werden dabei Petroleumlampen ver-
wendet. Aber auch elektrisches Licht, Azetylen-
licht und gewöhnliche Gasbeleuchtung ist dafür
in Gebrauch.
Petroleumlampen der Haupt- und Vor-
signale erhalten nach vorn oder nach vorn und
rückwärts parabolische Blender (Reflektoren).
Bei den preußischen Staatsbahnen sollen diese
Blender aus weißem Neusilber hergestellt
werden. Für die Haupt- und Vorsignale werden
dort 10'"- und für die Wärtersignale 8"'-Brenner
verwendet. Es wird eine Brenndauer von 18
4*
52 Signallaternen.
Stunden verlangt. Bei den gebräuchlichen Pe-
troleumarten sollen die Laternen folgende
Lichtstärken ergeben:
c) Laternen für Haupt- und Vorsignale.
Brenner mit Zylinder . . 12 Hefnerkerzen
Vorderblender mit weißer
Glasscheibe 250 „
Rückblender mit weißer Glas-
scheibe 110 „
b) W'ärtersignallaternen.
Brenner mit Zylinder . . 8'5 „
Blender mit weißer Glas-
scheibe 110
Bei guter Wartung sind die Signallichter
solcher Laternen sehr weit zu sehen.
Besonderer Wert ist auf die Sturmsicherheit
der Laternen zu legen. Diese wird nach den
preußischen Vorschriften bei einem bestimmten
Teil der zur Abnahme bereitgestellten Lampen
durch Versuche in einer Qebläsevorrichtung
festgestellt.
Die farbigen Signallichter werden dadurch
hen-orgerufen, daß die Laternen farbige Schei-
ben erhalten oder daß farbige, in Rahmen ge-
faßte Gläser (Blenden) vor die weiße Scheibe
der Laternen geschoben werden (s. Blenden
der S.).
Um die S. bei den Mastsignalen an ihre
richtige Stelle zu bringen, sind die Mäste mit
einem Laternenaufzug (s. d.) ausgerüstet.
Die elektrische Beleuchtung der S. ist
bei elekirisch betriebenen Bahnen allgemein
üblich; sie wird neuerdings aber auch bei
anderen Bahnen, insbesondere für die Weichen-
laternen vielfach verwendet.
Bei den Haupt- und Vorsignalen hat man
entweder die bei Petroleumbeleuchtung übliche
Anordnung, daß zur Hervorbringung der far-
bigen Signallichter sich farbige Blenden vor
eine weißleuchtende Laterne legen, beibehalten
und nur die Petroleumlampe durch eine elek-
trische Glühlampe ersetzt oder man hat mehrere
Lampen mit verschiedenfarbigen Gläsern oder
Linsen nebeneinander angebracht, von denen
durch Schaltung jedesmal die aufleuchtet, die
der Signalstellung entspricht.
Bei den Weichenlaternen wird indem Weichen-
signalkasten statt der Petroleumlampe eine auf-
rechtstehende elektrische Glühlampe angebracht.
Die Anordnung wird dabei meist so getroffen,
daß die Glühlampe feststeht und beim Umstellen
der Weiche nur der Signalkasten sich dreht.
Die elektrische Beleuchtung ermöglicht da-
durch, daß im Stellwerksraum angebrachte Kon-
trollampen in den Stromkreis der Signallampen
eingeschaltet werden, eine einfache Überwachung
der Signallichter. Es ist das besonders für
- Signalmast.
Haupt- und Vorsignale, die vom Stellwerk aus
nicht gut übersehen werden können, von Wert.
Die Gefahr, daß die Beleuchtung versagt, kann
leicht dadurch auf ein sehr geringes Maß herabge-
setzt werden, daß in jeder Laterne 2 Glühlampen
angebracht werden, die in getrennten Strom-
kreisen liegen. Bei denWeichenlaternen beruhtein
besonderer Vorteil der elektrischen Beleuchtung
darin, daß sämtliche Weichen oder einzelne in
einem besonderen Stromkreis liegende Gruppen
von Weichen leicht ein- und ausgeschaltet werden
können, so daß die Beleuchtung der Weichen
auf die Zeit beschränkt werden kann, in der
der Betrieb sie erfordert.
Bei Azetylenbeleuchtung wird das Gas
den mit Schnittbrennern ausgerüsteten S. aus
einer unten am Mast angebrachten Flasche durch
ein dünnes Rohr zugeführt, in das ein Druck-
regler und ein Absperrhahn eingebaut ist. Das
Anzünden der Laternen erfolgt nach Öffnung
des Absperrhahns durch eine dauernd brennende
Zündflamme. Neuerdings wird zu dieser Be-
leuchtung gelöstes Azetylen (Azeton) verwendet,
das als vollständig ungefährlich gilt. Auf den
schwedischen Bahnen und versuchsweise bei
einzelnen Strecken der österreichischen Staats-
bahnen ist die Azetylenbeleuchtung seit einiger
Zeit benutzt, um ein Blinklicht zu erzeugen und
hierdurch einzelne Hauptsignale vor anderen
besonders her\orzuheben.
Gewöhnliches Leuchtgas wird in der
auch für sonstige Beleuchtungszwecke üblichen
Weise bei Weichenlaternen und anderen Kasten-
signalen verwendet. Hoogen.
Signalmast (signal post; poteau oder mät
de semaphore; asta semaforica) dient bei den
Flügel- und Scheibensignalen zum Anbringen
der Flügel, Scheiben und Signallaternen und
ihrer Antriebsvorrichtungen.
Ursprünglich wurden die S. aus Holz her-
gestellt, jetzt werden meistens eiserne Mäste
aus Rohren (Rohrmaste), aus Formeisen oder
aus Stabwerk (Gittermaste) verwendet. Die Höhe
der S. soll so bemessen werden, daß das Signal
für den Lokomotivführer gut sichtbar ist. Bei
ein- und zweiflügeligen Einfahrsignalen ist die
gebräuchlichste Masthöhe etwa 8 m, bei mehr-
flügeligen 1 0 m. Ausfahrsignale können niedriger
sein.
Zur Erreichung guter Sichtbarkeit werden
vielfach auch höhere Mäste — bis zu lA'Q m
und ausnahmsweise auch darüber hinaus —
verwendet. Die Mäste der Scheibensignale sind
im allgemeinen nicht höher als 3'5 — 5 /ra.
Die Standsicherheit der S. wird durch schmiede-
eiserne oder gußeiserne Erdfüße erreicht Bei
sehr hohen Masten muß die Standfestigkeit bei
Winddruck besonders ermittelt werden.
Signalmast - Signalwesen.
53
An einem S. können mehrere Flügel für
eine Fahrrichtung angebracht werden (2flügelige,
Sfiügelige Signale); es werden aber auch die
Flügel für verschiedene Fahrrichtungen an
einem S. angeordnet (Doppelsignale). Es war
das früher bei Blocksignalen vielfach üblich,
jetzt werden mitunter noch die Flügel für
Ausfahr- und Wegesignale an einem Mast an-
gebracht.
Zur Ausrüstung der S. gehören die Signalflügel,
die Signallaternen und Signalblenden mit den Auf-
zugvorrichtungen und die Signalantriebe (s. Stellwerke).
Die Signalflügel haben im allgemeinen eine lang-
gestreckte rechteckige Form. Das äußere Ende wird
häufigkreisförmigoderpfeilförmig ausgebildet (s. auch
Formsignale). Die Länge der Flügel beträgt, von der
Mitte des Mastes an gerechnet, 1-5 -l'S m, ihre Breite
020 — 0'25 m. Sie werden aus Randeisen mit senk-
rechten Stegen oder aus vollem Eisenblech hergestellt.
Am Maß ist eine Lagerplatte befestigt, auf deren
Achse der Flügel sich dreht. Der Hub wird durch
Anschläge begrenzt. Bei den mit eleWrischer Flügel-
kupplung (s. d.) versehenen Signalen werden die
Stöße beim Fallen der Flügel auf Halt durch eine
Flügelbremse (s. d.) gemildert. Sonst werden die
Flügel zu diesem Zweck mit Gegengewichten versehen.
Die Signalflügel werden meistens rot und weiß
gestrichen, wobei die Verteilung der roten und
weißen Flächen sehr verschieden ist. Neuerdings wird
statt des Anstrichs mit Ölfarbe oder besonderer
Signalfarbe vielfach mit sehr gutem Erfolg ein
Schmelzüberzug venx-endet. Dazu eignen sich be-
sonders die Flügel aus vollem Blech.
Die Signallaternen sind mit einer sog. Tasche
versehen, mit der sie auf den Latemenschlitten ge-
steckt werden. Mit diesem werden sie durch den
Laternenaufzug (s. d.) hochgezogen und herabge-
lassen. Die farbigen Lichter werden durch gefärbte
Glasscheiben — Blenden — hervorgebracht, die sich
vor die weiß leuchtenden Laternen legen (s. Blenden
der Signallaternen).
Die Signalantriebe (s. Stellwerke) übertragen die
Bewegung des Signaldrahtzugs auf die Signalflügel.
Sie sind End an triebe, wenn der Signaldrahtzug am
S. endet, oder Zwischen an triebe, wenn der Signal-
drahtzug zu einem andern Hauptsignal oder zu
einem Vorsignal weiter führt.
Der Endantrieb besteht in einer Kurvenscheibe,
die oben oder unten am Mast befestigt ist. Ist er
oben angebracht, so geht der Drahtzug über eine
Ablenkrolle am unteren Teil des Mastes. Der Zwischen-
antrieb sitzt unten am Mast; die zugehörige Kur\'en-
scheibe ist mit ihm vereinigt oder oben am Mast
angebracht.
Bei Kraftstellwerken wird der Antrieb fast aus-
schließlich unten am Mast befestigt; nur bei ameri-
kanischen Anlagen findet man ihn auch oben am
Mast, unmittelbar am Flügel.
Die S. erhalten einen Anstrich, der sie leicht
erkennbar machen soll. Meistens werden sie
in einzelnen Absätzen von etwa \ —2 m Höhe
abwechselnd schwarz und weiß oder rot und
weiß gestrichen. Zuweilen wird diese Art des
Anstrichs auf die der Fahrtrichtung zugekehrte
Seite des Mastes beschränkt und die andere
Seite in einer unauffälligen Farbe — grau —
gestrichen. Hoogen.
Signalordnung (signal code; code des si-
gnaiix; regolamento dei segnali) ist die in fast
allen Ländern bestehende gesetzliche Festlegung
der für den Betrieb der Eisenbahnen maßge-
benden Signalbegriffe und der dafür zu ver-
wendenden Signalzeichen (s. Signalwesen).
Signalverschlußfeld, ein Blockfeld, das
beim Blocken des Endfeldes die Einfahrsignal-
hebel so lange gesperrt hält, bis sie durch das
Signalfestlegefeld wieder verschlossen sind.
Signalwesen (signalling; signalisation;
i segnali).
Inhalt: I. Signalbegriffe. — II. Signalzeichen und
Signalmittel. - III. Signalordnungen. — IV. Neuere
Bestrebungen auf dem Gebiete des S.
Befehle und Meldungen, die im Eisenbahn-
betrieb zwischen den beteiligten Bediensteten
ausgetauscht werden müssen, können in vielen
Fällen nicht mündlich oder schriftlich über-
mittelt werden. Sie werden durch hörbare
oder sichtbare Signalzeichen ersetzt, denen
durch besondere Signalordnungen be-
stimmte, fest umschriebene Signalbegriffe
untergelegt sind. Ein wagrechter Flügel an
einem Mast, ein rotes Licht, ein Knall sind
Signalzeichen, die den Signalbegriff „Halt"
ausdrücken. Der Signalmast mit dem Flügel,
die rot geblendete Laterne, die an der Schiene
befestigte Knallkapsel sind die Signal-
mittel.
L Signalbegriffe.
Als Signalbegriffe kommen hauptsäch-
lich in Betracht die Befehle „Halt", „Fahrt
frei" und „Langsam fahren", ferner Mittei-
lungen über den Lauf der Züge und Hin-
weise auf den Zustand der Bahn. Mitteilungen
über den Lauf der Züge enthalten z. B. die
Signalbegriffe: „Ein Zug fährt in der Rich-
tung von A nach B", „Zugverkehr ruht", „Ein
Sonderzug folgt nach". Den Zustand der
Bahn betreffen die Signalbegriffe: „Die Weiche
steht auf dem krummen Strang", „Die Tele-
graphen- und Fernsprechleitung ist zu unter-
suchen".
Die Signalbegriffe, die den Zustand der
Bahn anzeigen, decken und vermischen sich
zuweilen mit denen, die „Halt" und „Lang-
sam fahren" ausdrücken.
Die erste Signalvorschrift in Deutschland
— die von der Versammlung Deutscher Eisen-
bahntechniker zu Berlin im Februar 1850 auf-
gestellten Grundzüge für die Gestaltung der
Eisenbahnen Deutschlands — hatte sich in
der Zahl der Signalbegriffe eine weise Be-
schränkung auferlegt. Sie stellte ihrer 10 auf.
Bei der weiteren Entwicklung des Eisenbahn-
signalwesens nahm die Zahl der Signalbegriffe,
die man durch besondere Signalzeichen aus-
54
Signalwesen.
zudrücken suchte, immer mehr zu. Die Ein-
führung einheithcher Signalordnungen für
größere Gebiete — z. B. für Deutschland und
Österreich — wirkte dem Übermaß entgegen.
Die deutsche Signalordnung weist gegenwärtig
34, die österreichische 45 verschiedene Signal-
begriffe auf.
II. Signalzeichen und Signalmittel.
Die Signalzeichen sind sichtbar oder
hörbar; zuweilen werden auch sichtbare
hörbare Zeichen vereinigt verwendet.
und
r:
|S.S._
Jü»,
Abb. 87. Haltscheibe.
Abb, SS. Langsamfahrscheibe.
Die sichtbaren Zeichen sind für Tag und
Nacht meistens verschieden. Als Tagessignale
sind im allgemeinen Formsignal e, als
Nachtsignale Lichtsignale in Gebrauch.
Es werden aber auch dieselben Signalzeichen
als Tages- und Nachtsignale verwendet. So
sind z. B. die Weichensignale vielfach aus
Milchglasscheiben gebildet, die bei Dunkelheit
durch Beleuchtung erkennbar gemacht werden
und dann dasselbe Signalbild zeigen wie bei
Tag. Bei der Elberfelder Schwebebahn werden
die farbigen Lichter der Nachtsignale auch bei
Tag benutzt. Anderseits wird hier und da wieder
versucht, die Tagessignale auch bei Dunkelheit
brauchbar zu machen, indem man sie künstlich
beleuchtet.
Als Formsignale kommen Flaggen-,
Scheiben-, Flügel- und Kastensignale vor.
Bei den Flaggensignalen bedeutet die
im Kreis geschwungene Flagge überall „Halt".
Ruhiges Halten der Flagge wagrecht oder
schräg wird bei manchen Bahnen als Zeichen
für „Langsam fahren" benutzt. Sonst findet
sich die Flagge meistens als Signalzeichen am
Zug. Nach der deutschen Signalordnung z. B.
dient eine grüne Flagge zur Kennzeichnung
der mit Personen besetzten
Bahnpost-, Speise- oder Schlaf-
wagen während eines Still-
lagers. Bei den holländischen
Bahnen zeigt eine blaue Flagge
am vordersten oder einem der
letzten Wagen an, daß der
Telegraph gestört ist. Auf der
französischen Ostbahn dient
eine rote Flagge an der Lo-
komotive zur Kennzeichnung
der Fahrt auf falschem Gleis.
Scheibensignale haben
meistens viereckige oder runde
Form; es kommt aber auch
die Dreiecksform mit der
Spitze nach oben oder nach
unten vor. Die Signalscheibe
ist entweder fest oder in ihrer
Lage zu dem Schaft oder dem
Mast, der sie trägt, beweg-
lich. Feste Scheiben sind
z.B. die Haltscheibe (Abb. 87)
und die Langsamfahrscheibe
(Abb. 88) der deutschen Signal-
ordnung, bewegliche Scheiben
das deutsche Vorsignal (s. d.)
und das französische Halt-
signal.
Die beweglichen Scheiben
werden um eine senkrechte
oder eine wagrechte Achse
gedreht. Sie zeigen dem Zug entgegen in der
einen Stellung die volle Fläche, in der andern nur
die schmale Kante der Scheibe. Ein bestimmtes
Signalzeichen ist daher nur dann vorhanden,
wenn die volle Fläche dem Zug zugekehrt
ist. Dieser Mangel ist bei dem bayerischen
Vorsignal durch die Vereinigung eines Scheiben-
und Flügelsignals vermieden.
Feste Scheiben werden meistens als Wärter-
signale an Stellen verwendet, wo nur vor-
übergehend Signale zu geben sind. Beweg-
liche Scheiben kommen selbständig oder in
Verbindung mit Flügelsignalen als Vorsignale
\'or.
Signalwesen.
55
Bei Flu gel Signalen wird das Signal-
zeichen durch die Stellung eines oder meh-
rerer beweglicher Flügel zu einem festen Mast
gebildet. Als Signalzeichen für die verschie-
denen Signalbegriffe dient die wagrechte Lage
des Flügels, seine Stellung unter 45" nach
oben oder nach unten und die senkrechte
Lage des Flügels nach oben oder nach unten.
Die Form der Flügel ist im allgemeinen ein
längliches Rechteck, dessen dem Mast ab-
gekehrtes Ende winkelrecht abgeschnitten, pfeil-
förmig oder schwalbenschwanzförmig ausge-
bildet oder auch kreisförmig gestaltet ist.
Diese Ausbildung des Fiügelendes dient dazu,
neben dem durch die Flügelstellung ausge-
drückten Signalbegriff noch besondere An-
gaben über den Fahrweg oder die zulässige
Fahrgeschwindigkeit zu machen (bei den bel-
gischen und englischen Bahnen), oder noch
besonders hervorzuheben, für welche Fahr-
richtung der Flügel gilt (bei den deutschen
Bahnen). Auf den deutschen und österreichischen
Bahnen weist der Flügel in der Fahrrichtung
gesehen nach rechts, auf den französischen,
englischen und manchen anderen Bahnen nach
links.
Die wagrechte Lage des Flügels gilt überall
als Haltzeichen, mit der Maßgabe jedoch,
daß dort, wo Flügelsignale als Vorsignale
verwendet werden, die wagrechte Stellung
rieht ein unbedingtes Fahrverbot darstellt. Die
übrigen Flügelstellungen werden in verschie-
dener Weise zur Kennzeichnung der Signal-
begriffe „Fahrt frei" und „Langsam fahren"
benutzt.
Kastensignale sind fest oder beweg-
lich. Sie zeigen für Tag und Nacht dasselbe
Signalbild.
Lichtsignale werden aus weißen und
farbigen Lichtern gebildet. Rotes Signallicht
ist in allen Signalordnungen das Zeichen für
«Halt". Ein unbedingtes Fahrverbot ist es
nicht dort, wo es, wie bei den englischen
Bahnen, am Vorsignal verwendet wird.
Grünes Licht bedeutet „Fahrt frei",
„Langsam fahren", „Vorsicht".
Weißes Licht zeigt, wo es als Signal-
zeichen verwendet wird, „Fahrt frei" an.
Die meisten Signalordnungen waren ur-
sprünglich auf der Verwendung von weißem,
grünem und rotem Licht aufgebaut. Rot be-
deutete „Halt", Grün „Vorsicht", „Langsam
fahren" und Weiß „Fahrt frei".
Das weiße Licht ist als Signallicht aber
immer mehr abgekommen, weil es unter Um-
ständen aus den zur Beleuchtung dienenden
Lichtern nicht klar genug sich heraushebt und
dort, wo es neben farbigen Signallichtern auf-
tritt, diese leicht überstrahlt und undeutlich
macht. Beim Bruch der roten oder grünen
Blende eines Signallichts kann ein gefährliches
Signalbild entstehen, wenn weißes Licht als
Signalzeichen für „Fahrt frei" gilt. Wo das
weiße Licht beseitigt wurde, trat an seine
Stelle das grüne Licht mit der Bedeutung
„Fahrt frei". Für den Begriff „Vorsicht", „Lang-
sam fahren" wurde vielfach eine neue Signal-
farbe eingeführt. Meistens wird hierfür jetzt
„Gelb" verwendet, wie z. B. bei den neuen
Vorsignalen der deutschen Signalordnung.
Blaues Licht kommt in der Bedeutung
„Ruhe" (auf den bayerischen Bahnen) und
als „Verbot der Verschiebung" (auf den öster-
reichischen Bahnen) vor. Für weite Entfer-
nungen ist es nicht geeignet.
Violettes Licht findet sich an den
Wegesignalen der französischen Eisenbahnen
bei Fahrverbot.
Auch aus Gruppen von Lichtern
werden Signalzeichen gebildet. Solche Signal-
zeichen sind z. B. die untereinander ange-
brachten grünen Lichter an den mehrflügligen
Hauptsignalen der deutschen Bahnen sowie
die in schräger Linie zum Mast stehenden
Doppellichter an dem neuen deutschen Vor-
signal.
Bei solchen Signalbildern aus Lichtergruppen
müssen die einzelnen Lichter so weit ausein-
ander stehen, daß sie auf die Entfernung, in
der sie erkannt werden müssen, nicht inein-
ander übergehen. Das Erlöschen eines Lichtes
einer Lichtergruppe sollte kein gefährliches
Signalbild hervorrufen, eine Forderung, die
indes nicht überall erfüllt ist.
Die farbigen Signallichter werden nicht von
allen Personen in gleicher Weise wahrge-
nommen. Es gibt „Farbenuntüchtige", die
einzelne Farben, besonders die für das Signal-
wesen wichtigsten Farben rot und grün ver-
wechseln (s. Farbenblindheit).
Hörbare Signale sind Knall-, Glocken-,
Pfeifen- und Hornsignale.
Knallsignale bedeuten immer „Halt".
Man hat auch vereinigte Knall- und Licht-
signale verwendet, bei denen die zur Erzeu-
gung des Knalls dienende Entladung eines
Sprengstoffs unter Entwicklung eines roten
Lichtes vor sich geht.
Die Glockensignale bestehen entweder
aus einer bestimmten Anzahl von einzelnen
Glockenschlägen oder Gruppen von Glocken-
schlägen oder aus dem eine gewisse Zeit un-
unterbrochen fortdauernden Anschlagen der
Glocke (Klingel- und Rasselwerke). Durch
mehr oder weniger häufige Wiederholung einer
bestimmten Anzahl einzelner Glockenschläge
56
Signalwesen.
und durch verschiedenartige Gruppen von
Glockenschlägen läßt sich eine große Anzahl
von Signalbegriffen ausdrücken. Die öster-
reichische Signalordnung z. B. bildet auf diese
Weise für die den Lauf der Züge betreffenden
Mitteilungen 14 Signalbegriffe (s. Durchlaufende
Liniensignale).
Pfeifen- und Hornsignale bestehen
aus einer bestimmten Folge von langen und
kurzen Tönen. Ein mäßiger langer Ton ( — )
mit der Dampfpfeife z. B. heißt „Achtung",
3 kurze Töne ('^ W ^c^) mit der Dampf-
pfeife bedeutet „Bremsen stark anziehen".
Signalzeichen, die aus Tönen verschiedener
Höhe zusammengesetzt sind, kommen wohl
nur noch vereinzelt vor.
III. Signalordnungen.
fl^DieSignalordnungfürdie Eisen-
bahnen Deutschlands. Die erste einheit-
liche Signalordnung für die Eisenbahnen
Deutschlands, die auf Grund der Art. 42
und 43 der Verfassung des Deutschen Reiches
vom Bundesrat beschlossen wurde, ist unter
V.
VI.
VII.
Vlll.
Abb S9. Halt.
dem 4. Januar 1875 veröffentlicht und mit
dem 1. April 1875 in Kraft getreten. Sie ist
seitdem mehrfach geändert und ergänzt wor-
den. Gegenwärtig gilt die unter dem 24. Juni
1907 veröffentlichte, am 1. August 1907 in
Kraft getretene Eisenbahnsignalordnung (SO.).
Sie gilt für Haupt- und Nebenbahnen.
Für den Dienstgebrauch ist auf den meisten
deutschen Bahnen das Signalbuch (SB.) ein-
geführt. Es enthält außer den Vorschriften
der Signalordnung noch Ausführungsbestim-
mungen und meistens einen Anhang über
besondere in der Signalordnung nicht vor-
gesehene Signale.
Die deutsche Signalordnung unterscheidet:
1. Läutesignale.
11. Wärtersignale.
III. Hauptsignale.
IV. Vorsignale.
Signal am Wasserkran.
Weichen- und Gleissperrsignale.
Signale am Zuge.
Signale an einzelnen Fahrzeugen.
IX. Signale des Zugpersonals.
X. Rangiersignale.
Durch die Läutesi-
gnale — Signal 1 bis 4 —
werden Mitteilungen über
den Lauf der Züge an
das Stations-, Bahnbe-
wachungs- und Bahn-
unterhaltungspersonal ge-
macht (s. Durchlaufende
Liniensignale).
Die Wärtersignale
— Signale 5 und 6 —
werden benutzt, um den
Auftrag zum Langsam-
fahren und Halten der
Züge zu erteilen. Sie
werden auch Rangierab-
teilungen und einzelnen
Fahrzeugen gegenüber
angewendet (s. Wärtersi-
gnale).
Ein Hauptsignal
zeigt an, ob der dahinter-
liegende Gleisabschnitt
von einem Zug befahren
werden darf oder nicht.
Es besteht aus einem Mast,
woran als Tagsignal 1 - 3
Flügel und für die Nacht
ebensoviele Laternen an-
gebracht sind. Die Ab-
lenkung vom durchgehen-
den Hauptgleis wird durch
zweiflüslise, in beson-
Abb. 90. Fahrt frei für das durchgellende Gleis.
Signalwesen.
57
deren Fällen auch durch dreiflüglige Signale
gekennzeichnet.
Die Hauptsignale werden verwendet als Ein-
fahrsignale (s. d.), Ausfahrsignale (s. d.), Wege-
signale (s. d.), Blocksignale (s. d.) und sonstige
Deckungssignale vor Gefahrpunkten, wie Bahn-
kreuzungen in Schienenhöhe, beweglichen
Brücken, Gleisabzweigungen. Im Signalbuch
sind sie als Signale 7 und 8 wie folgt be-
schrieben:
Signal 7. „Halt" (Abb. 89).
Bei Tag:
Vom Zug aus gesehen steht der Signalflügel
-- bei mehrflügligen Signalen der oberste Flügel -
wagrecht nach rechts.
Bei Dunkelheit:
Dem Zug entgegen rotes Licht der Signal-
laterne — bei mehrflügligen Signalen der obersten
Laterne — .
Signais. „Fahrt frei" (Abb. 90).
a) Für das durchgehende Gleis.
Bei Tag:
Vom Zug aus gesehen steht der Flügel des ein-
flügligen Signals oder der oberste Flügel der mehr-
flügligen Signale schräg aufwärts nach rechts (unter
einem Winkel von etwa 45").
Bei Dunkelheit:
Dem Zug entgegen
grünes Licht der Laterne
des einflügligen Signals oder
der obersten Laterne der
mehrflügligen Signale.
b) Für ein abzweigen-
des Gleis (Abb. 91).
Bei Tag:
Vom Zug aus gesehen
stehen beide Flügel des zwei-
flügligen oder die beiden
oberen Flügel des dreiflügli-
gen Signals schräg aufwärts
nach rechts (unter einem
Winkel von etwa 45°).
Bei Dunkelheit:
Dem Zug entgegen
grünes Licht beider La-
ternen des zweiflügligen
oder der beiden oberen La-
ternen des dreiflügligen Si-
gnals.
c) Für ein anderes
abzweigendes Gleis
(Abb. 92).
Bei Tag:
Vom Zug aus gesehen
stehen die Flügel des drei-
flügligen Signals schräg auf-
wärts nach rechts (unter
einem Winkel von etwa 45°).
Bei Dunkelheit:
Dem Zug entgegen grü-
nes Licht der Laternen des
dreiflügligen Signals.
Die Hauptsignale gelten nur für Züge, nicht
aber für Verschubbewegungen. In der Grund-
stellung zeigen sie, von wenigen Ausnahmen
abgesehen, „Halt". Die Hauptsignale stehen
in der Regel rechts neben oder in der ]V\itte
über dem Gleis, zu dem sie gehören. Abb. 93
zeigt die Anordnung über den Gleisen auf
einer Signalbrücke. Auf den bayerischen Staats-
bahnen bestehen bezüglich der Hauptsignale
zum Teil abweichende Vorschriften.
Durch ein Vorsignal — 9 und 10 des Signal-
buches — wird in einer gewissen Entfernung vor
einem Hauptsignal angezeigt, welche Stellung
am Hauptsignal zu erwarten ist (s. Vorsignale).
Das Signal am Wasserkran — Signal 1 1
des Signalbuches - zeigt die Querstellung der
drehbaren Ausleger der Wasserkrane an. Es
besteht aus einer über dem Ausguß sitzenden
Laterne, die bei Dunkelheit zum Zeichen, daß
die Durchfahrt gesperrt ist, rotes Licht zeigt.
Die Weichensignale — Signal 12 und 13 des
Signalbuches — zeigen die Stellung der Weichen,
dieQleissperrsignale(Abb. Q4U.95) -Signal
14 u. 14a — die Sperrung eines Gleises oder die
Aufhebung dieser Sperrung an. Das Signalbild ist
Abb. 91. Fahrt frei für ein abzweigendes Oleis. Abb. 92. Fahrt frei für ein abzweigendes Gleis.
58
Signalwesen.
bei Tag und hei Dunkelheit dasselbe (s. auch
Weichensignale).
Die SignaleamZug — Signale 1 5 bis 20 —
dienen teils dazu, die Züge, einzeln fahrende
Triebwagen und Lokomotiven als geschlossene
Züge zu kennzeichnen, teils dazu, dem Strecken-
und Stationspersonal gewisse Mitteilungen zu
machen (s. Zugsignale).
Die Signale an einzelnen Fahr-
zeugen — Signal 21 bis 24 - kennzeichnen:
Lokomotiven bei Verschubbewegungen (bei
stark)" und ..Bremsen lösen" sowie die Si-
gnale des Zugführers— 28 bis 30 —
mit der Bedeutung „das Zugpersonal soll
seine Plätze einnehmen", „Abfahren" und
„Halt".
Die Rangiersignale — 31 bis 34 - mit
den Begriffen „Vorziehen", „Zurückdrücken",
„Abstoßen" und „Halt" werden vom Rangier-
leiter mit der Mundpfeife oder dem Hörn
und mit dem Arm gegeben.
Bei den preußisch-hessischen Staatseisen-
Abb 93. Signalbrückc.
Dunkelheit vorn und hinten eine weiß leuch-
tende Laterne), mit Personen besetzte Bahn-
post-, Speise- und Schlafwagen während
eines Stillagers (bei Tag an jeder Langseite
eine grüne Flagge), mit explosiven Gegen-
ständen beladene Wagen (viereckige schwarze
Flaggen mit einem weißen P) und endlich
Kleinwagen (bei Dunkelheit rotes Licht).
Die Signale des Zugpersonals wer-
den vom Lokomotivführer mit der Dampf-
pfeife, vom Zugführer mit dem Hörn oder
der Mundpfeife gegeben. Es sind die Signale
- 25 bis 27 - des Lokomotivführers
»Achtung", „Bremsen anziehen (mäßig und
bahnen sind im Anhang zum Signalbuch u. a.
noch vorgesehen die Rangierhaltetafel,
über die hinaus das Rangieren auf dem Ein-
fahrgleis der Regel nach verboten ist, Halte-
tafeln fürSchiebelokomotiven, durch
die die Stellen angezeigt werden, bis zu der
die Schiebelokomotive einen Zug schieben
soll und wo sie bei der Rückkehr vor Ein-
fahrt in den Bahnhof weitere Befehle ab-
warten muß. Ferner ist für das Verschieben
von Ablaufbergen ein Ablaufsignal ein-
geführt, das anzeigt, ob das Abdrücken ver-
boten ist oder ob es langsam oder mäßig
schnell erfolgen soll.
Signalwesen.
59
Der "bayerischen Signalordnung
eigentümlich ist das Ruhesignal. Es wird
bei Tag dadurch dargestellt, daß der Signal-
Abb. 94. Qleissperrsignal.
Das Gleis ist gesperrt.
Abb. 95. Gleissperrsignal.
Die Sperrung des Gleises
ist aufgehoben.
flügel senkrecht abwärts hängt (Abb. 96); bei
Dunkelheit zeigt die Laterne blaues Licht.
Durch dieses Signal wird angedeutet, daß auf
dem Gleis ein Zug weder ein-, aus- oder
durchfährt, noch zur Abfahrt bereitsteht, das
Gleis daher von Rangierabteilungen befahren
werden darf.
Ähnlichen Zwecken dient die im Anhang
des Signalbuches für die sächsischen
Staatseisenbahnen vorgesehene Räu-
mungsscheibe (Abb. 97 u. 98), durch die die
Räumung und Freihaltung bestimmter Gleis-
strecken in Bahnhöfen angeordnet wird, wenn
fahrplanmäßige Zugfahrten im Bereich dieser
Gleise zu erwarten sind. Das Signal besteht
aus einer oder mehreren runden, weiß und
rot gestrichenen Scheiben an einem Mast;
bei Dunkelheit erscheint statt der vollen weiß
und rot gestrichenen Scheibe eine Laterne mit
rechteckiger mattweißer Scheibe.
b) Die Signalordnung für die Eisen-
bahnen Österreich-Ungarns.
Die ersten gesetzlichen Bestimmungen über
das Signalwesen sind in der Eisenbahnbetriebs-
ordnung vom 16. November 1851 enthalten.
Sie beschränken sich auf die Festsetzung der
wichtigsten Signalbegriffe und die Bezeich-
nung der Fälle, in denen Signale dafür an-
zuwenden waren. JVlit dem 1. Juli 1877 trat
eine einheitliche „Signalordnung für die Eisen-
bahnen Österreich-Ungarns" in Kraft, die für
Österreich durch Verordnung vom 20. April
1904 mit Wirkung vom 1. April 1906 durch
eine neue „Signalordnung für die
Haupt- und Lokalbahnen" ersetzt
wurde. Damit verlor auch die Signalordnung
ihre Gültigkeit, die in den „Grundzügen der
Vorschriften für den Betrieb auf Lokalbahnen"
enthalten war.
Abb. 96. Ruhe.
Signal 7a des bayerischen Signalbuches.
Auf Grund der Signalordnung fu: die
Haupt- und Lokalbahnen sind für allt oster-
reichischen Bahnen die zum Dienstgebrauch
60
Signalwesen.
bestimmten „Signal Vorschriften" heraus-
gegeben.
Die österreichischen Signalvorschriften unter-
scheiden:
1. Durchlaufende hörbare Liniensignale.
II. Signale der Strecken bediensteten.
III. Feststehende Signale.
IV. Signale an Fahrzeugen.
V. Signale der Zugmannschaft.
VI. Signale für den Verschubdienst.
Die durchlaufenden hörbaren Li-
niensignale werden auf den österreichi-
schen Bahnen nicht nur, wie in Deutschland,
von den Stationsbeamten, sondern auch von
den Streckenbediensteten und der Zugmann-
schaft gegeben. Ihre Zahl beträgt 14 (s. Durch-
laufende Liniensignale).
Die Signale der Streckenbedien-
steten - Signal 15 bis 18 - dienen dazu,
einem Zug den Befehl „Halt" und „Lang-
sam" und als Signal „Frei" die Aufhebung
eines Halt- oder Langsamsignals zu über-
Das Signal
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Abb. 97. Räumungbbcheibc der sächsi-
schen Staatseisenbahnen.
Die Fahrstraße (des Zuges) ist frei-
zuhalten.
Abb. 98. Räumungsscheibe der sächsi-
schen Staatseisenbahnen.
Die Fahrstraße (des Zuges) ist frei-
zuhalten.
mittein. Es sind Scheiben-, Flaggen-, Licht-
und Knallsignale (s. Wärtersignale).
Unter den feststehenden Signalen
— 19 bis 27 — sind verzeichnet die Vor-
signale, die Raumabschluß-, Einfahr-, Wege-
und Ausfahrsignale, die ständigen Langsam-
fahrsignale auf der Strecke, die Verschub-
signale und die Weichensignale.
Die Vorsignale dienen dazu, dem Zug
anzuzeigen, ob das zugehörige Hauptsignal auf
„Frei" oder auf „Halt" gestellt ist (s. Vorsignale).
Die Raumabschlußsignale sind be-
stimmt, dem Zug anzuzeigen, ob in den
vorgelegenen Streckenabschnitt eingefahren
werden darf oder nicht. Sie werden am An-
fang der Streckenabschnitte aufgestellt und
zeigen in der Grundstellung „Halt", sofern
sie nicht wegen zeitweise unbesetzter Block-
oder Zugmeldeposten in der Freistellung zu
belassen sind.
„Halt" wird dargestellt bei
nach rechts in der Richtung
der Fahrt wagrecht gestellten
Arm des Signalmastes, bei
Dunkelheit durch ein rotes
Licht dem Zug entgegen.
Als „Frei" oder „Frei
in gerader Richtung"
gilt bei Tag ein nach rechts
in der Richtung der Fahrt
schräg aufwärts gerichteter
Arm des Signalmastes, bei
Dunkelheit ein weißes Licht
dem Zug entgegen. Bei Tag
2 Arme des Signalmastes nach
rechts in der Richtung der
Fahrt schräg aufwärts ge-
richtet, und bei Dunkelheit
2 weiße Lichter dem Zug
entgegen bedeutet „Frei in
die Ablenkung".
Die ständigen Lang-
samfahrsignale (s.d.) —
Signal 24 - dienen dazu,
Bahnstrecken zu bezeichnen,
die dauernd langsam zu be-
fahren sind.
Die Verschubsignale
- 25 und 26 - bezeichnen
den Punkt, über den hinaus
Verschiebungen nicht statt-
finden dürfen, wenn dieses
Signal auf „Verbot der Ver-
schiebung" (26) gestellt ist.
Die Weichen Signale
zeigen dieStellungderWeichen
an (s. Weichensignale).
Signalwesen.
61
Der Standort des Wasserkrans wird
bei Dunkelheit durch mattweißes Licht ge-
kennzeichnet.
Die Signale an Fahrzeugen (s. Zug-
signale), die Signale der Zugmannschaft und
die Signale für den Verschubdienst ent-
sprechen im wesentlichen denen der deutschen
Signalordnung.
Während einer vom Eisenbahnministerium
festgesetzten Übergangszeit sind an Stelle
von mit Vorsignalen verbundenen Einfahr-
signalen noch Distanzsignale (s. d.) und
Richtungssignale zulässig.
c) Die französischen Signalvor-
schriften.
In Frankreich sind durch einen Ministerial-
erlaß vom 15. November 1885 unter der
Bezeichnung code des signaux allgemeine Vor-
schriften über das Signalwesen der Eisen-
bahnen erlassen worden. Es sind darin folgende
Signalgruppen vorgesehen:
I. Streckensignale (signaux de la voie):
a) bewegliche (signaux mobiles),
b) feste (signaux fixes).
\\. Zugsignale (signaux de trains):
a) Signale am Zug (signaux ordinaires
portes par les trains),
b) Signale des Lokomotivführers (signaux
du mecanicien),
c) Signale des Zugführers (signaux des
conducteurs des trains).
Die Streckensignale werden benutzt,
um „Fahrt frei" anzuzeigen, den Auftrag
„Halt" und „Langsam fahren" zu erteilen
oder einen Fahrweg zu bezeichnen.
Das Fehlen eines Signals zeigt an, daß die
Bahn frei ist.
Die beweglichen Signale entsprechen
den deutschen Wärtersignalen (s. d.) und den
österreichischen Signalen der Streckenbedien-
steten.
Die festen Signale sind:
Les disques ou signaux ronds, rote runde
Scheiben mit 2 Stellungen, senkrecht oder
parallel zur Bahn. Die Stellung senkrecht
^ur Bahn - nachts durch rotes Licht ge-
kennzeichnet - bedeutet ein bedingtes „Halt",
die Stellung parallel zur Bahn - nachts durch
weißes Licht gekennzeichnet - zeigt „Fahrt
frei" an. An der „HaU" zeigenden Scheibe
darf der Lokomotivführer vorbeifahren, er hat
aber bei Wahrnehmung der geschlossenen
Scheibe die Fahrgeschwindigkeit seines Zuges
so zu ermäßigen, daß er beim Erscheinen
eines Hindernisses oder eines weiteren Halt-
signals sofort halten kann. Jeder solchen
Scheibe folgt im allgemeinen ein Pfahl (poteau
de protection), der die Stelle bezeichnet, von
der an die geschlossene Scheibe Deckung ge-
währt.
Les signaux d'arret absolu, viereckige,
schachbrettartig rot und weiß gestrichene
Scheiben mit2Stellungen, senkrecht und parallel
zur Bahn. Die Stellung senkrecht zur Bahn
— nachts durch 2 rote Lichter gekenn-
zeichnet — bedeutet „unbedingtes Halt", die
Stellung parallel zur Bahn - nachts durch ein
weißes Licht gekennzeichnet — zeigt „Fahrt
frei" an. Diese Scheiben dienen als Bahnhof-
abschlußsignale.
Les semaphores, Signale mit einem oder
mehreren Flügeln, die in der Fahrrichtung
nach links zeigen. Ein wagrechter Flügel
bedeutet „Halt", ein schräg nach unten zei-
gender Flügel „Langsam fahren", ein senk-
recht herabhängender Flügel „Fahrt frei".
Bei Dunkelheit wird dargestellt „Halt" durch
ein grünes und ein rotes Licht, „Langsam
fahren" durch ein grünes Licht, „Fahrt frei"
durch ein weißes Licht. Sie werden als Block-
signale verwendet.
Les signaux de ralentissement, runde grüne
Scheiben mit 2 Stellungen, senkrecht und
parallel zur Bahn. Die Stellung senkrecht
zur Bahn - nachts durch ein grünes Licht
gekennzeichnet, bedeutet „Langsam fahren",
die Stellung parallel zur Bahn - nachts durch
ein weißes Licht gekennzeichnet — zeigt „Fahrt
frei" an. Diese Signale finden vor spitz be-
fahrenen Weichen, Abzweigungsweichen u. dgi.
Anwendung.
Les indicateurs de bifurcation, viereckige
schachbrettartig grün und weiß gemusterte
Scheiben, gestrichen oder aus Glasscheiben
zusammengesetzt. Sie werden — vielfach gleich-
zeitig mit der runden roten Scheibe - vor
einem signal d'arret absolu vor Abzweigungen
auf freier Strecke aufgestellt. Statt dieses Si-
gnals ist dort auch eine weiße Scheibe mit
der Aufschrift BIFUR zulässig. Bei Dunkelheit
werden dieselben Signalbilder durch Außen-
beleuchtung oder Laternen hinter den durch-
scheinenden Glasscheiben verwendet.
JVleistens aber wird dieses Schachbrettsignal
als Signal d'avertissement - Vorsignal - be-
nutzt, um ein unbedingtes Haltsignal - signal
d'arret absolu - anzukündigen.
Beim Antreffen eines der Schachbrett-
signale muß der Lokomotivführer die Ge-
schwindigkeit so regeln, daß er den Zug an der
Abzweigung oder am nachfolgenden Haltsignal
erforderlichenfalls zum Halten bringen kann.
Les signaux indicateurs de direction des
aiguilles, Weichensignale.
62
Signalwesen.
Die Zugsignale (s.d.) unterscheiden
sich nicht wesentlich von den auf den deut-
schen und österreichischen Bahnen üblichen.
Im Jahre 1910 wurde die Kommission des
technischen Betriebsausschusses (Commission
du Comite de l'Exploitation technique) vom
Minister der öffentlichen Arbeiten mit der
Aufgabe betraut, die Vorschriften über das
Signalwesen zu prüfen und sie, soweit er-
forderiich, zu vervollständigen und mit den
gegenwärtigen Betriebserfordernissen in Ein-
klang zu bringen. Der Ausschuß hat im Jahre
1911 seine Arbeiten beendigt. Er hat davon
abgesehen, eine vollständig einheitliche Signal-
ordnung für alle Bahnen vorzuschlagen. Die
wesentlichste Neuerung, die er in Anregung
gebracht hat, ist die Verwendung eines dreh-
baren Vorsignals.
rfj Signal vorschriftenderenglischen
Bahnen.
Für die englischen Bahnen sind allgemeine
Vorschriften über das Signalwesen vom Han-
delsamt (Board of Trade) erlassen. Zum
Dienstgebrauch haben die dem Abrechnungs-
amt (Clearing House) angeschlossenen Eisen-
bahngesellschaften Regelbücher (Rules and
Regulations) für den äußeren Betriebsdienst
vereinbart, die auch die Signalvorschriften
enthalten. Jede Gesellschaft pflegt jedoch den
allgemeinen Vorschriften Zusätze für ihren
Bereich zuzufügen; in manchen Fällen werden
auch abweichende Bestimmungen aufgenommen
oder einzelne Abschnitte der allgemeinen
Vorschriften für bestimmte Strecken als nicht
gültig erklärt.
Allgemein bedeutet Rot „Gefahr" (Dan-
ger), Grün „Fahrt frei" (All right).
Die Signalvorschriften unterscheiden:
Feststehende Signale (Fi.xed Signals);
Handsignale (Hand Signals);
Knallsignale (Detonating Signals);
Zugsignale (Train Signals).
Zu den feststehenden Signalen ge-
hören Vorsignale (Distant Signals), Einfahr-
signale (Home Signals), Ausfahrsignale (Star-
ting Signals) und vorgeschobene Ausfahrsi-
gnale (Advanced Starting Signals), Nebengleis-
signale (Siding Signals), Vorziehsignale (Cal-
ing-on Signals) und Rangiersignale (Shunting
Signals).
Als feststehende Signale sind meistens
Flügelsignale in Gebrauch. Die Grundstellungder
feststehenden Signale ist „Gefahr" (Halt) (Dan-
ger). Sie wird bei Tag durch die wagrechte Stel-
lung des Flügels, bei Nacht durch ein rotes
Licht gekennzeichnet. Das Signal „Fahrt frei"
(All right) wird bei Tag durch den schräg
abwärts gerichteten Flügel, bei Nacht durch
grünes Licht gegeben.
Bei der in England bisher nur bei Stadt-
bahnen angewendeten selbsttätigen Signalstel-
lung ist die Grundstellung der Signale „Fahrt
frei".
Distant Signals (Vorsignale) sind dadurch
gekennzeichnet, daß ihr Flügel am freien Ende
einen dreieckigen Ausschnitt hat. Sie werden
in einer Entfernung von 250 m und mehr —
bei der North Western-Bahn z. B. 725 bis
900 m - vor dem Einfahrsignal aufgestellt.
Ein Vorsignal darf nur auf „Fahrt frei" ge-
stellt werden, wenn das zugehörige Haupt-
signal auf „Fahrt frei" steht. Findet der
Lokomotivführer ein Vorsignal in der Gefahr-
stellung, so hat er den Dampf abzusperren
und vorsichtig bis zum Einfahrsignal vor-
zurücken.
Home Signals (Einfahrsignale) unterscheiden
sich von den Vorsignalen nur dadurch, daß
ihr Flügel am freien Ende rechteckig abge-
schnitten ist. Die Nachtsignale stimmen beim
Vorsignal und Einfahrsignal vollständig über-
ein. Rotes Licht und wagrecht stehender Flügel
bedeuten in England am Einfahrsignal „Halt",
am Vorsignal verbieten sie die Vorbeifahrt
am Signal nicht. In dieser ungenügenden
Unterscheidung von Einfahr- und Vorsignal
liegt ein schwerer iWangel der englischen
Signalordnung.
Einfahrsignale werden vor oder auf Sta-
tionen, vor Abzweigungen auf freier Strecke,
vor Ausweichgleisen und an Signalbuden so
aufgestellt, daß ihre Stellung der Lage der
Bahngleise entspricht, zu denen sie gehören.
Die Signale an Abzweigungen sollen an ge-
trennten Pfosten sitzen, die jedoch auf einem
gemeinsamen Querträger stehen dürfen. Auf
Bahnhöfen ist die Anbringung mehrerer Signal-
flügel an einem Mast gestattet, wenn das
wichtigste Gleis links von dem Signal liegt.
Es gelten dann die Flügel, von oben nach
unten gerechnet, für die Gleise in der Reihen-
folge von links nach rechts.
Calling-on Signals (Vorziehsignale) sind
kurze Flügel unter dem Hauptflügel von Ein-
fahrsignalen. Wenn nicht ausdrücklich etwas
anderes bestimmt ist, darf der Flügel eines
Vorziehsignals erst gezogen werden, wenn der
Zug vor dem Einfahrsignal zum Halten ge-
kommen ist. Bei gezogenem Vorziehsignal muß
der Lokomotivführer über den Einfahrsignal-
mast vorrücken, soweit die Strecke frei ist,
jedoch in keinem Fall über ein auf „Gefahr«
(Halt) stehendes Ausfahrsignal hinaus.
Starting Signals und Advanced Starting
Signals (kurz auch Starters und advanced
n
Signalwesen.
63
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t4
Signalwesen.
Starters genannt) (Ausfahrsignale und vorge-
schobene Ausfahrsignale) dienen zur Regelung
der Einfahrt der Züge in den an einen Bahn-
hof anschließenden Streckenabschnitt. Die
vorgeschobenen Ausfahrsignale stehen in der
Fahrrichtung um eine Zuglänge hinter den
Ausfahrsignalen. Es darf an beiden nicht
vorbeigefahren werden, wenn sie „Gefahr"
(Halt) zeigen. Ist der Streckenabschnitt zwi-
schen dem Ausfahrsigna] und dem vorge-
schobenen Ausfahrsignal frei, so kann der
Wärter durch Ziehen des Ausfahrsignals er-
lauben, bis zu dem „Gefahr" (Halt) zeigenden
vorgeschobenen Ausfahrsignal vorzurücken.
Shunting Signals (Rangiersignale) bestehen
aus kurzen Flügeln mit dem Buchstaben S
Abb. 100. .Belgisches.' Kandelabersignal.
oder anderen Zeichen, die an den Masten der
Hauptsignale befestigt sind, oder aus Flügeln
und Scheiben an besonderen, etwa 3'5 m hohen
Pfosten.
Die Hauptsignale dürfen bei gezogenem
Rangiersignal in Haltstellung überfahren wer-
den. Zu den Rangiersignalen gehören auch
die sog. Ground Signals, die als Dwarf Signals
(Zwergsignale) und Disc Signals (Scheiben-
signale) in den verschiedensten Formen vor-
kommen.
Siding Signals (Nebengleissignale), gleich-
falls als Zwerg- oder Scheibensignale ausge-
bildet, regeln die Ausfahrt aus Nebengleisen
in die Hauptgleise.
Rücklichter an festen Signalen sind im all-
gemeinen nur bei der Haltstellung des Si-
gnals in Gebrauch; sie sind dann weiß. Es
kommt aber auch Purpurlicht als Rücklicht
für „Fahrt frei" vor.
Die Zahl der auf der Strecke und in den
Bahnhöfen sich findenden Signale ist in Eng-
land sehr groß. Es hat das seinen Grund
darin, daß die allgemeinen Vorschriften einer-
seits die Anbringung mehrerer Flügel an
einem Mast nur in beschränktem Umfang zu-
lassen, anderseits aber eine weitgehende Kenn-
zeichnung der bei großen Bahnhöfen meistens
sehr zahlreichen Fahrwege durch besondere
Signale üblich ist. Abb. 99 zeigt eine Signal-
brücke auf einem englischen Bahnhof.
Die Handsignale werden, wie überall
üblich, bei Tag mit der Hand oder mit
Fahnen, bei Nacht mit Laternen gegeben.
Die Knallsignale dienen zur Deckung
unfahrbarer Gleisstrecken und liegen gebliebener
Züge sowie zur Ankündigung der Gefahr-
(Halt-) Stellung feststehender Signale bei
Nebel.
Zugsignale werden in den verschieden-
sten Formen und Zusammenstellungen von
Scheiben und Lichtern verwendet. Vorge-
schrieben ist, daß jeder Zug bei Tag und
bei Nacht als Schlußsignal eine Laterne führt,
die am Tag angezündet wird, wenn Nebel
oder Schneewetter eintritt. Die Laterne ist
rot geblendet. Außer dieser Schlußlaterne muß
der Zug noch 2 rote Oberwagenlaternen
führen.
e) Die Signalvorschriften für die
belgischen Staatsbahnen sind in Bd. IV
des Reglement general des voies et travaux
iiithalten. Sie unterscheiden feststehende Si-
gnale (signaux fixes de la voie), Zugsignale
(signaux des trains) und Wärtersignale (si-
i^naux mobiles de la voie).
Die Vorsignale sind wie die Hauptsignale
als Flügelsignale ausgebildet. Der Flügel des
Signalwesen.
65
Vorsignals unterscheidet sich von dem des
Hauptsignals durch die Form. Die verschiedene
Gestalt der Flügel wird auch bei den Haupt-
signalen viel ausgenutzt zur Bezeichnung der
zulässigen Fahrgeschwindigkeit (s. Formsignale).
Bemerkenswert sind die sog. Kandelabersignale
(semaphores ä chandelier) zur Bezeichnung
mehrerer Einfahrwege(s. Wegesignale). Abb. 100
zeigt ein solches Kandelabersignal.
fj Die holländischen Bahnen haben
Streckensignale (Seinen op den weg), die als
Läutesignale (Geluidseinen) und sichtbare
Signale (Optische of gezichtseinen) unter-
schieden werden, Zugsignale (Treinseinen)
und Rangiersignale (Rangeerseinen). Für
Haupt- und Vorsignale werden meistens Fiügel-
signale verwendet. „Fahrt frei" wird durch
den schräg aufwärts, „Vorsicht" (Langsam-
fahren) durch den schräg abwärts gerichteten
Flügel angezeigt. Nachts wird „Fahrt frei"
durch weißes Licht, „Vorsicht" (Langsam-
fahren) durch grünes Licht dargestellt. „Halt"
wird durch wagrechte Flügel und rotes Licht
angezeigt.
gj Für die schweizerischen Eisen-
bahnen ist das im Jahre 1866 erlassene
Mallgemeine Reglement über den Signaldienst"
mit Ausführungsbestimmungen vom Jahre 1889
maßgebend. Es sieht Läute- und Rasselwerke
vor für den Zuglauf betreffende Meldungen,
sehr weit ausgebildete Wärtersignale und die
sonst üblichen Signale. Bahnhofsabschlußsi-
gnale, die allgemein vorgeschrieben sind, kom-
men in der Form von Wendescheiben und
Flügelsignalen vor. Die Flügel zeigen nach
rechts; die wagrechte Stellung bedeutet „Halt",
die unter 45° nach oben geneigte Stellung
»Fahrt frei". Bei Dunkelheit ist rotes Licht
das Zeichen für „Halt", grünes Licht das
Zeichen für „Fahrt frei". Als Blocksignale
werden ebenfalls Wendescheiben oder Flügel-
signale verwendet; Ausfahrsignale sind immer
Flügelsignale. Vorsignale zu Abschlußsignalen
werden als runde grüne gestrichene Wende-
scheiben mit schrägem weißen Balken aus-
gebildet. Bei Tag zeigen sie durch die volle
oder die schmale Seite der Scheibe, bei Dunkel-
heit durch grünes oder weißes Licht an, ob
das Abschlußsignal geschlossen oder ge-
öffnet ist.
h) In Italien besteht für die Staatsbahnen
eine Signalvorschrift „II regolamento dei seg-
nali" vom Jahre 1906. Außer den festen
Signalen gibt es bei den italienischen Bahnen
Läutesignale mit 6 Signalbegriffen, Wärter-
signale, die mit Fahnen und Laternen in der
allgemein üblichen Weise gegeben werden,
Weichensignale und Signale an den Zügen.
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
Die festen Signale sind Scheiben oder Flügel-
signale. Bei den Flügelsignalen bedeutet die
wagrechte Lage des Flügels „Halt", der schräg
abwärts gerichtete Flügel „Fahrt frei". Die
Flügelsignale werden auch als Vorsignale ver-
wendet; die Flügel erhalten dann gelben An-
strich, während sie bei den Hauptsignalen rot
gestrichen sind. Bei Dunkelheit wird „Halt"
durch rotes, „Fahrt frei" durch grünes Licht
angezeigt. Bei „Halt" am Hauptsignal erscheint
am Vorsignal gelbes Licht.
/) Für die dänischen Bahnen wurde im
Jahre 1903 eine allgemeine Signalordnung -
Almindeligt Signalreglement — erlassen, die
später einige Änderungen und Ergänzungen
erfahren hat. Sie enthält die allgemein üblichen
Signale einschließlich der Läutesignale. Ein
eigenartiges Signal ist das „Wimpelsignal",
das durch eine weiße Flagge anzeigt, daß die
Strecke durch einen Arbeitszug besetzt ist.
Die Einfahr-, Ausfahr- und Wegesignale und
ebenso auch die Vorsignale sind Flügelsignale,
deren Flügel in der Fahrrichtung gesehen
nach rechts weisen. Die Flügel der Einfahr-
signaie enden in einer runden Scheibe, die
Ausfahr- und Wegesignaie sind am Ende
rechteckig abgeschnitten, bei den Vorsignalen
ist das freie Ende schwalbenschwanzförmig
gestaltet. Bei Blocksignalen endet der Flügel
in einem über Eck gestellten Viereck. Wag-
rechte Stellungd er Flügel bedeutet bei den
Einfahr-, Ausfahr-, Block- und Wegesignalen
„Halt", bei den Vorsignalen „Langsam fahren",
die unter 45" nach oben geneigte Stellung
der Flügel bedeutet „Fahrt frei". Bei Sta-
tionen, auf denen nicht alle Züge halten, ist
an den Einfahrsignalmasten unter dem Ein-
fahrsignalflügel ein Vorsignalflügel ange-
bracht. Für Züge, die in der Station halten
sollen, wird die Einfahrerlaubnis erteilt durch
den unter 45° nach oben geneigten Einfahr-
flügel und deu wagrecht stehenden Vorsignal-
flügel. Für durchfahrende Züge werden beide
Signalflügel unter 45° nach oben geneigt ge-
stellt. Bei Dunkelheit wird „Halt" durch rotes,
„Fahrt frei" durch grünes, „Langsam fahren"
durch gelbes Licht (brandgult) dargestellt.
k) Die Signalvorschriften der schwedi-
schen Staatsbahnen sind in der im Jahre
1906 erlassenen, später ergänzten „Säkerhets-
och signalordningar vid Statens järngar" ent-
halten. Als feststehende Signale sind Scheiben-
und Flügelsignale in Gebrauch. Die Flügel-
signale, deren Flügel in der Fahrrichtung
gesehen nach links weisen, sind ein-, zwei- oder
dreiflüglig. Durch die mehrflügligen Signale
wird die Ablenkung vom durchgehenden Haupt-
gleis angezeigt. Mit den Einfahrsignalen sind
5
66
Signalwesen.
Vorsignale in Scheibenform verbunden. Bei
Dunkelheit bedeutet am Hauptsignal rotes Licht
.»Halt", grünes Licht „Fahrt frei", am Vorsignal
grünes Licht, daß das Hauptsignal „Halt" zeigt,
weißes Licht, daß am Hauptsignal „Fahrt frei"
zu erwarten ist.
l) Auf den amerikanischen Bahnen
herrscht im Signalwesen eine große Mannig-
faltigkeit. Als feststehende Signale werden
jetzt meistens Flügelsignale verwendet. Außer
der sonst üblichen wagrechten und unter 45"
nach oben und unten geneigten Stellung wird
mit Vorliebe auch die senkrechte Stellung des
wendet worden. Neuerdings bemüht sich die
Vereinigung der Signalingenieure, das S. zu
vereinheitlichen und dabei zu vereinfachen.
IV. Neuere Bestrebungen auf dem
Gebiete des S.
Die Steigerung der Fahrgeschwindigkeit auf
den Hauptbahnen und die Erhöhung der Zug-
dichte auf den elektrisch betriebenen Stadt-
bahnen hat für das S. neue Forderungen ent-
stehen lassen. Es handelt sich dabei haupt-
sächlich um die Ausbildung der Signale, die
zur Sicherung der Zugfolge und der Fahrten
X-l|
grur»
Langsam fahren.
Abb. 10!. Amerikanisches Flügelsignal.
Fahrt frei.
Flügeis ausgenutzt. Es bedeutet dann im all-
gemeinen die senkrechte Stellung „Fahrt frei",
die wagrechte „Halt" und die schräg nach oben
„Vorsicht", „Langsam fahren" (Abb. 101).
Unter dem Flügel des Hauptsignals wird vielfach
ein Vorsignalflügel angebracht, der auf die
Stellung des folgenden Hauptsignals hinweist.
Der Vorsignalflügel, der ebenfalls 3 Stellungen
einnehmen kann, ist in Form und Farbe vom
Hauptsignalflüge! verschieden. Für die Nacht-
signale werden rote, purpurrote, grüne und
gelbe Lichter verwendet. Rotes Licht bedeutet
„Halt", gelbes Licht an Vorsignalen „Vor-
sicht", grünes Licht „Fahrt frei". Als Scheiben-
signal ist das Hall-Signal (s. d.) vielfach ver-
durch die Bahnhöfe und die Abzweigungs-
stellen auf freier Strecke dienen. Die Bestre-
bungen zur N'ervollkommnung der Signai-
einrichtungen richten sich vor allem auf fol-
gende Punkte:
a) Rechtzeitige .Ankündigung des
am Hauptsignal zu erwartenden
Signalzeichens durch das Vorsignal.
iMan hat zu diesem Zweck auch für das
Vorsignal möglichst große Fernsichtbarkeit
gefordert und demgemäß auch für dieses die
Form des Flügels an hohem Mast statt der
vielfach üblichen, etwa in Augenhöhe des
Lokomotivführers angebrachten drehbaren
Scheibe vorgeschlagen.
Signalwesen. - Simplonbahn.
67
Den Vorteilen, die für die leichtere Erkenn-
barkeit des Vorsignals aus größerer Entfer-
nung auf diese Weise gewonnen werden
könnten, steht als Nachteil die Verwischung
des Unterschieds zwischen Hauptsignal und
Vorsignal beim Tagessignal gegenüber.
b) Die Kennzeichnung der Ablen-
kung aus dem Hauptgleis am Haupt-
signal und Vorsignal.
Nach der deutschen und der österreichischen
Signalordnung wird «die Ablenkung aus dem
durchgehenden Hauptgleis am Hauptsignal
durch besondere Signaibilder gekennzeichnet,
dagegen geschieht das nicht am Vorsignal.
Diese bis jetzt noch nirgends bestehende An-
kündigung der Ablenkung am Vorsignal wird
von vielen Seiten als erforderlich erachtet.
Man will dazu entweder das Scheibensignal
umgestalten oder das Vorsignal soll als ein-
flügliges Mastsignal ausgebildet werden und
dieselben Stellungen einnehmen wie das eben-
falls einflüglig zu gestaltende Hauptsignal.
Am Haupt- wie am Vorsignal soll dann
„Halt" (Warnung) durch den wagrechten,
„Fahrt frei" durch den um 45" nach oben
und „Ablenkung" (Langsam fahren) durch den
um 45° abwärts geneigten Flügel gekenn-
zeichnet werden.
Die Folge einer solchen Anordnung ist,
daß die Vorbeifahrt am wagrecht stehenden
Flügel des Vorsignals gestattet werden muß.
Für das Nachtsignal dem wagrechten Flügel
entsprechend am Vorsignal rotes Licht zu
verwenden, wie es in England üblich ist, hat
man bei den Neuerungsvorschlägen wohl all-
gemein Bedenken getragen.
Es werden vielmehr als Nachtsignale der
Vorsignale bei den meisten Vorschlägen —
z. B. von Martens (s. Literaturverzeichnis) —
die schrägen Doppellichter mit Doppelgelb für
„Warnung" und Doppelgrün für Vorbereitung
auf „Fahrt frei" beibehalten. Als Vorbereitung
auf Ablenkung soll dann ein grün-gelbes Doppel-
licht in Schräglage dienen.
c) Einsetzung von Lichtsignalenals
Tagessignale.
Die amerikanischen Signaltechniker beschäf-
tigen sich in letzter Zeit viel damit, wie es
möglich sein würde, die Lichtsignale auch
am Tag brauchbar zu machen. Es ist das
von besonderer Bedeutung für elektrisch be-
triebene Bahnen mit selbsttätiger Strecken-
blockung. Bei dieser wird die Ausführung
sehr erleichtert, wenn die Signalbilder ledig-
lich durch Ein- und Ausschaltung von Signal-
lichtern hervorgebracht werden und die me-
chanische Bewegung von Flügeln oder Scheiben
entbehrlich wird.
Literatur: M. M. v. Weber, Das Telegraphen-
und Signalwesen der Eisenbahnen. Weimar 1867. -
E. Schmitt, Das Signalwesen. Prag 1878. -
G. Kecker, Vergleichende Studien über Eisenbahn-
signalwesen. Wiesbaden 1883. - L. Kohlfürst,
Signal- und Telegraphenwesen. Sonderabdruck aus
dem Werk „Geschichte der Eisenbahnen der öster-
reichisch-ungarischen Monarchie". Wien 18Q8. -
H. Martens, Grundlagen des Eisenbahnsignal-
wesens. Wiesbaden 1909. - J. Frahm, Das eng-
lische Eisenbahnwesen. Berlin 1911. - Kecker.
Glossen zur Signalordnung. Arch. f. Ebw. 1895,
S. 793. — Blum, Glossen zur Signalordnung.
Arch. f. Ebw. 1895, S. 910. - Jäger, Zur deut-
schen Signalordnung. Arch. f. Ebw. 1896, S. 1090
u. 1899, S. 50. - Blum, Zur deutschen Signal-
ordnung. Arch. f. Ebw. 1897, S. 806 u. 1899,
S. 51. - Förderreuth er. Zur Signalordnung für
die Eisenbahnen Deutschlands. Ztg. d. VDEV. 1906,
S. 209. — Gau er, Zur deutschen Signalordnung.
Ztg. d. VDEV. 1906, S. 669. - Ulbricht, Zur
deutschen Signalordnung. Ztg. d. VDEV. 1906,
S. 889. Hoogen.
Signierungsgebühr, eine Nebengebühr
für die bahnseitige Signierung der Stückgüter
und für ihre Bezeichnung mit dem Namen der
Bestimmungsstation. Die Gebühr gründet sich
auf die Befugnis der Eisenbahn, zu verlangen,
daß Stückgüter vom Absender mit dem Namen
der Bestimmungsstation dauerhaft bezeichnet
werden, wenn es ihre Beschaffenheit ohne be-
sondere Schwierigkeit zuläßt.
Für die Dauer des Krieges wurde in Deutschland
diese Bestimmung dahin erweitert, daß der Absender
Stückgüter nicht nur mit dem Namen der Be-
stimmungsstation, sondern auch mit dem Namen
der Versandstation und dem Tag der Aufgabe
dauerhaft zu bezeichnen hat.
Simplonbahn (Schweiz), ursprünglich als
Walliser Bahn oder Ligne d'Italie bezeichnet.
Als solche war eine Linie von St. Gingolph,
schweizerisch -französische Landesgrenze am
südlichen Ufer des Genfer Sees über St. Maurice
bis Brig mit Verlängerung durch den Simplon
bis zur italienischen Grenze bei Gondo ge-
plant.
Die Bahn sollte hiernach, den Lauf der
Rhone verfolgend, der Länge nach den größten
Teil des Kantons Wallis durchziehen und faßte
den vielbesprochenen Alpenübergang bzw.
Alpendurchstich des Simplons in sich. Sie
schloß bei St. Gingolph und bei St. Maurice
an das französische und schweizerische Bahn-
netz und sollte es bei Gondo mit dem
italienischen verbinden. Die erste Konzession
bis Sitten wurde A. de Lavalette in Paris
im Jahre 1853 erteilt und es gelangten,
hierauf gestützt, am 14. Juli 1859 die Linie
Bouveret-Martigny (38-3 /^/h bauliche Länge)
5*
68
Simplonbahn. ~ Simplontunnel.
und am 10. Mai 1860 die Linie Martigny-
Sitten (25-S km bauliche Länge) zum Betrieb.
Am 1. August 1867 gingen diese Linien an
eine neue Gesellschaft mit dem gleichen Titel
über und diese eröffnete am 15. Oktober 1868
die Linie von Sitten nach Sierre (15-5 km
bauliche Länge) dem Betrieb. Die Gesellschaft
war jedoch nicht im stände, den Bau fortzu-
setzen und gelangte in Konkurs. Es entstand
1874 die Simplonbahn-Gesellschaft, die die
vorhandene, 80 km lange Bahn am 22. April
1874 zum Preis von 202.422 Fr. kaufte und
dann am I.Juni 1877 die Strecke Sierre-Leuk
(Q-5 km), am 1. Juli 1878 diejenige von Leuk
bis Brig (27-6 km) in Betrieb setzte. Am 28. Juni
1881 fand ihre Vereinigung mit der Suisse-
Occidentale-Bahn statt (s. Jura-Simplon-Bahn).
Ditiler.
Simplontunnel (Schweiz). Mit der Durch-
stechung der penninischen Alpen unter dem
Massiv des Monte Leone hatten sich seit
längerer Zeit die hervorragendsten Techniker
beschäftigt.
Man kann die aufgestellten Entwürfe je nach
deren Höhenlage und Haupttunnellänge in
3 Gruppen teilen: Basistunnel-, Zwischentunnel-
imd Scheiteltunnelentwürfe.
Die ersten Entwürfe waren meistens solche
mit Scheitel- oder Zwischentunnel, weil man
in Ermanglung von Erfahrungen der Durch-
bohrung von Alpentunneln die Haupttunnel-
länge möglichst zu beschränken suchte.
Die ersten Entwürfe mit Basistunnel, wobei
die unschachtbare Länge bis 1 6 km ange-
nommen wurde, sind von Vauthier 1 860, Lommel
1 864, Stockalper 1 869, Favre-Clo 1 875, Simplon-
bahn 1878, 1882,1886, 1891; die mit Zwischen-
tunnel von Clo-Venetz 1857, de Bange 1886,
Masson 1892 und die mit Scheiteltunnel von
FlachatlS60, Jaquemin 1860-1862, Thouve-
not 1863, Lehaitre 1863.
Alle Entwürfe mit Zwischen- oder Scheitel-
..L.pttunnel setzten starke Zufahrtsrampen von
50 — 60%5 voraus und gingen im weiteren von
dem Gesichtspunkt aus, die Baukosten mög-
lichst zu verringern, wobei die Betriebskosten
weniger im Auge behalten wurden. Mit Rück-
sicht auf die schon bestehenden Alpenbahnen
wurde von allen diesen Entwürfen mit starken
Zufahrtsrampen abgegangen und bei Basis-
tunnelentwürfen verblieben, als der wirtschaft-
lichsten Lösung, um in Wettbewerb mit den
benachbarten Alpenbahnen treten und eine
Verzinsung des erforderlichen Anlagekapitals
ermöglichen zu können.
Je mehr sich indessen die technische Frage
klärte, um so schwieriger schien sich somit
die finanzielle Seite des Unternehmens zu ge-
stalten und die Schweiz gewissermaßen auf
sich angewiesen zu sein.
Der erste Schritt zur Kräftigung der zur
Ausführung berufenen Bahngeseilschaft geschah
durch die Vereinigung der Suisse-Occidentale-
Simplon-Bahn mit der Jura-Bern-Luzern-Bahn.
Die Jura-Simplon-Bahn (s. d.) arbeitete auch
ungesäumt einen neuen Entwurf (1891) aus,
der einen Basistunnel von rd. 20 km vorsah,
auf der Nordseite mit einer Zufahrtsrampe
von 2"5 km und auf der Südseite von 1 9'5 km
mit größten Neigungen von 20 %o.
Am 20. September 1893 wurde mit der
Firma Brandt, Brandau & Gie. in Hamburg
ein Präliminarforfaitvertrag vereinbart, auf
Grund dessen der Staatsvertrag mit Italien vom
25. November 1895 zu stände kam. Dieser
Vertrag regelt die technischen und die finan-
ziellen Verhältnisse für die Eisenbahn von Brig
bis Domodossola. Diese wurde zunächst ein-
spurig, jedoch gleichzeitig der Übergang zur
Doppelspur vorgesehen. Der Entwurf der
neuen Gesellschaft, der auch die Gebrüder
Sulzer und Locher & Co. angehörten, sah ein
neues Bauverfahren vor, das der schweize-
rische Bundesrat durch die Herren Colombo
(Mailand), Fox (London) und Wagner (Wien)
begutachten ließ. Die Experten stimmten
diesem zu und befürworteten gleichzeitig
die spätere Einführung des elektrischen Be-
triebs. Am 15. April 1898 wurde der end-
gültige Bauvertrag abgeschlossen, im Oktober
mit den Bauarbeiten, am 22. November mit
der mechanischen Bohrung auf der Nordseite,
am 21. Dezember auf der Südseite begonnen.
Infolge der tiefen Lage des Tunnels und der
hohen Gebirgsüberlagerung wurden Tunnel-
temperaturen bis zu 42" C vorausgesetzt. Dies
veranlaßte die Tunnelbauunternehmung, neben
dem einspurigen Haupttunnel I in einem Ab-
stand von 17 m von Achse zu Achse einen
Parallelsohlstollen zu bauen, der nach dem
Grundsatz viel Luft mit mäßiger Pressung als
mächtiges Luftzuführungsrohr für den Haupt-
tunnel, mit dem er in Abständen von 200 m
durch Querstollen verbunden wurde, zu dienen
hatte. Indem die den Portalen nächstliegenden
Querschläge geschlossen gehalten wurden, ge-
langte die Preßluft vor Ort in den Haupttunnel,
um durch diesen wieder zurückzuströmen. In
der Mitte des Haupttunnels wurde für die
Dauer des einspurigen Betriebs unter Be-
nutzung des Parallelstollens eine 500 m lange
Ausweichstelle erbaut, für so lange, als der
Parallelstollen nicht zum einspurigen Haupt-
tunnel II ausgebildet werden würde. Ein wei-
terer Vorteil dieses Verfahrens neben denjenigen,
die für die Wasserabfuhr und Materialförderung
Simplontunnel.
69
während des Baues sich ergaben, wurde darin
gefunden, daß vorerst nur die Ausgabe für einen
eingleisigen Tunnel zu machen war. Dieser konnte
am I. Juni 1906 dem Betrieb übergeben werden,
der elektrisch geführt wurde (vgl. Schweizerische
Eisenbahnen, im besonderen Bundesbahnen).
Die Länge des einspurigen Tunnels ist end-
gültig auf 19.S03-1 m festgestellt, nachdem er
durch einen Nachtragsvertrag eine südliche
Verlängerung erhalten hatte.
Die Schwellenhöhe am Nordmund beträgt
685-77 m ü. M., am Südmund 633-48 m ü. M.,
am höchsten Punkt der Ausweichstelle und
des Tunnels 704-98 m ü. M. Von hier aus er-
gibt sich nach Norden ein Gefälle von 2%»,
nach Süden ein solches von 7 %a. Die Tunnel-
hälfte nördlich der Ausweichstelle liegt auf
Schweizer Gebiet, die südliche in Italien. Der
Tunnel verbindet die Station Brig im Rhonetal
mit der Station Iselle im Diveriatal. Die größte
Höiie des Gebirges über dem Tunnel befindet
sich bei 9100 m von der Nordmündung und
beträgt 2135 /« gegen 1706 m beim Gotthard.
Auf einer Länge von 19.318-63 m befindet sich
der Tunnel in einer Geraden und nur an
beiden Enden läuft er in kurze Bögen aus,
die den Übergang zu der Stations- und Tal-
richtung vermitteln. Der einspurige Tunnel-
querschnitt hat im Lichten eine größte Höhe
von 5-5 m, eine Breite in Schwellenhöhe von
4-5 m und 2 m über Schwellenhöhe von 5 m
und 23-2/n2Lichtfäche. Der Kanal von 40 - 50 cot
lichter Weite wurde nachträglich erweitert, nach-
dem die am Nord- und Südmund ausfließende
Wassermenge 800- 1000 Sek// erreichte. Alle
50 /«sind einseitige kleine Nischen (im Tunnel II
auf beiden Seiten), alle 1000 m kleine Kammern
und im ganzen 4 große Kammern angebracht.
Der Rieht- und Sohlstollen hatte einen Quer-
schnitt von 5 — 7 irfi, der Parallelstollen
3-2 m Breite und 2-4 m Höhe. Das durch-
fahrene Gebirge bestand in der Hauptsache
aus Gneis, dann Jura und Trias. Die Luft-
zufuhr steigerte sich von 17-4 nv" auf der Süd-
seite im II. Quartal 1902 bis zu 57 m? auf
der Nordseite im IV. Quartal 1905 in der
Sekunde. Unter Benutzung der Wasserkräfte
der Rhone und der Diveria, die je 1500 bis
2200 PS. lieferten, wurden neben der nörd-
lichen und südlichen Tunnelmündung die
hauptsächlich von Gebrüder Sulzer gelieferten
Turbinen, Kompressionspumpen, Reservedampf-
anlagen, Luftkompressoren und Zentrifugal-
pumpen untergebracht, die zur Lieferung des
Betriebswassers für die Brandtschen Bohrma-
schinen, des Kühlwassers, der Luftzufuhr er-
forderlich waren. In besonderen Gebäuden waren
Badeeinrichtungen für die Arbeiter vorhanden.
Preßpumpen lieferten das Druck wass er
für die Bohrmaschinen mit 80-lOOAtm.
Sulzers- Hochdruckkreiselpumpen lieferten
Kühlwasser mit 22 Atm., das an den An-
schlußstellen im Tunnel 10— 15 Atm. Druck
hatte.
Zweistufige Luftpressen erzeugten Preßluft
bis 100 Atm. für die im Tunnel tätigen Luft-
lokomotiven.
Die Luft für die Lüftung ging in der Regel
durch den mit Türen geschlossenen Stollen II.
Nur bei Absteckungen der Tunnelachse wurde
die Luft aus dem Tunnel II ausgesaugt, so daß
frische Luft durch den Tunnel I eintrat. Die
Lüftungsanlagen waren sowohl für den Bau
wie für den Betrieb bestimmt. Im Innern des
Tunnels kamen nach Bedarf noch besondere
Stollenventilatoren zur Verwendung. Die im
Simplontunnel für den Vortrieb der Stollen I
und II angewendeten Bohrmaschinen waren
die von Gebrüder Sulzer verbesserten Gesteins-
Drehbohrmaschinen System Brandt. Für die
Förderung des Ausbruchmaterials aus dem
Tunnel, des Baumaterials in den Tunnel, der
Mannschaft u. s. w. waren auf jeder Tunnel-
seite in den äußeren Tunnelabschnitten Dampf-
lokomotiven der Schweizer Lokomotivfabrik im
Betrieb, in den inneren Tunnelabschnitten da-
gegen Luftlokomotiven, beide für 80 cm -Spur.
Die zu überwindenden Bauschwierigkeiten
waren groß. Die höchste gemessene Gesteins-
temperatur betrug 500C (vgl. Abb. 102). Die
Kühlung durch die zugeführte äußere Luft,
durch das Betriebswasser der Brandtschen
Bohrmaschine genügten nicht. Eine be-
sondere Kühlwasseranlage war Ende Mai 1902
auf der Nordhälfte in Betrieb gekommen; ihr
Erfolg war vollständig. Zur Übertragung der
im Kühlwasser enthaltenen Kälte an die Luft
wurden Streudüsen verwendet. Vorsorglich be-
schaffte Eiswagen zur weiteren Abkühlung der
Luft vor Ort erwiesen sich als entbehrlich.
Auf der Südhälfte des Tunnels wurde eine bei
km 4-4 vom Südmund angeschlagene große
Quelle von 12° C Temperatur gefaßt und zu-
erst unter ihrem natürlichen Druck von 6 Atm.,
später unter erhöhtem, künstlich erzeugtem
Druck zur Abkühlung der Luft bis vor Ort
verwendet.
Bedeutende Erschwernisse der Arbeiten ver-
ursachte das Auftreten heißer Quellen. Auf
der Nordhälfte mußte der Stollenvortrieb des-
halb vom 18. Mai 1904 an, als bei 10.382/«
von der Nordmündung abermals eine große
heiße Quelle angeschlagen wurde, eingestellt
und der Südseite die noch bis zum Durch-
schlag aufzufahrende Strecke von rund 1 km
überlassen werden. Aber auch auf der Süd-
70
Simplontunnel.
Seite waren bei Annäherung an die Durch-
schlagsstelle, 9385 m von der Südmündung,
neue heiße Quellen aufgetreten, so daß die
Oberwindung der letzten 245m Stollenvortrieb
fast 6 Monate gekostet hatten.
Das durchfahrene Gebirge war im ganzen
auf der Nordseite dem Stollenvortrieb günstig
wegen des auf lange Strecken starken Ein-
fallens der Schichten. Doch fehlt es nicht an
Strecken, in denen der Fels gebrech- und druck-
haft war und deshalb zu Handbetrieb und
zeitraubendem Einbau zwang, letzteres von
S1S9-81Q9W, bei 8774 m, von 8934 -9000 m
von der Nordmündung, wo vollständige Geviere
mit Sohlschwellen eingebaut werden mußten.
Auf der Südseite dagegen waren die Vortriebs-
I arbeiten neben den Einbrüchen kalten und
heißen Wassers im allgemeinen durch die
wagrtchte Lagerung des Gesteins und durch
Strecken mit außergewöhnlich hohem Druck
behindert. Namentlich von 4450 - 4492 m vom
Südmund, somit auf 42 m Länge, war man
in weichen Qlimmerkalk geraten. Unter Zu-
hilfenahme eiserner Geviere wurde auf dieser
Strecke der Sohlstollen im Haupttunnel so
widerstandsfähig und mit solchem lichten
Querschnitt hergestellt, daß auch während der
nachfolgenden Arbeiten des Ausbruchs und der
Mauerung die Förderungen nach dem weiteren
Vortrieb des Sohlstollens sowie nach den
übrigen Vollausbruch- und Mauerungsarbeit-
stellen ungehindert stattfinden konnten. Nach
dem allgemeinen Bauverfahren hatte dem Sohl-
stollen der Firststollen oder der Firstschlitz,
dann die Ausweitung und die Mauerung zu
folgen. Am 20. Mai 1902, fast 7 Monate 'nach
Anfahren der Druckstrecke, wurde die Maschi-
nenbohrung wieder aufgenommen und führte
im Anhydrit zur höchsten Tagesleistung von
11-2 m. Die Mauerung des Gewölbes der
Druckstrecke erforderte Lehrbögen von unge-
wöhnlicher Widerstandsfähigkeit. Sie wurden
in Mauerwerk erstellt. Statt eines Sohlen-
gewölbes wurde ein Block aus wagrecht ge-
schichtetem Mauerwerk, die Widerlager in
Schichtenmauerwerk, das Gewölbe in der Ge-
samtstärke von 1'67 m aus Hausteinen erstellt
(Abb. 103). Die Herstellung des Gewölbes
hatte mehr als 1 ■'/2 Jahre gedauert. Das Mauer-
werk gab zu keinerlei Rekonstruktionen Anlaß.
Der Durchschlag des Richtstollens erfolgte
am 24. Februar 1905 bei 9385 m vom Süd-
mund. Die Abweichung in der Richtung betrug
202 mm, in der Höhe 87 mm, in der Länge
790 mm. Der durchschnittliche Tagesfort-
schritt seit Beginn der mechanischen Boh-
rung im Stollen ergab 8'84 m. Die Bestim-
mung der Tunnelachse, ihrer Länge und der
Höhenverhältnisse war auf trigonometrischem
Wege ohne besondere Basismessung und im
Anschluß an das schweizerische Präzisions-
nivellement erfolgt. Die Übertragung der Achse
in den Tunnel erfolgte zuerst durch Obser-
vatorien außerhalb des Tunnels und nachher
im Innern selbst.
Der Pauschalpreis für den Tunnel I nebst
Parallelstollen und Installationen betrug 54'5
Simplontunnel.
71
Mill. Fr., für den Ausbau des Tunnels II, wenn
er innerhalb 2 Jahre von der Betriebseröff-
nung des Tunnels I begehrt wurde und dann
innerhalb 4 Jahren zu erstellen war, 1 5 Mill. Fr.
Infolge der eingetretenen Bauschwierigkeiten
war die vertragliche Baufrist von 5V2 Jahren
um 2 Jahre überschritten worden. Überdies
wurde der Unternehmung eine Erhöhung des
Erstellungspreises des Tunnels I von zirka
2-5 Mill. Fr. einschließlich ge-
wisser Mehrleistungen von
etwa 3-Q Mill. Fr. sowie des
Tunnels 11 von 4-5 Mill. Fr.
bewilligt. Dazu kamen Lei-
stungen der Bahnverwaltung
im Betrag von 5-54 Mill. Fr.
Infolge Einwirkung des
Baues des Tunnels I auf den
Parallelstollen erwies sich die
Ausführung des Tunnels II
als dringlich, bevor die ent-
sprechende Verkehrssteige-
rung eingetreten war. Nach
einer bezüglichen Verständi-
gung mit der Bauunterneh-
mung beschloß der Verwal-
tungsrat der Bundesbahnen am
12. Juli 1912, die Arbeiten in
Regie auszuführen. Ais Bau-
leiter wurde Ingenieur Roth-
pletz ernannt, die Kosten
wurden auf 34-6 Mill. Fr.,
für die eigentlichen Tunnel-
arbeiten auf 27-5 Mill. Fr.
veranschlagt. Der Tunnel II
hat eine nördliche Mehrlänge
von 22 m gegenüber Tunnel I,
ist also 19.825 m lang. Die
Bauten sind Ende des Jahres
1912 begonnen worden und
stehen Mitte 1919 noch in
Arbeit. Beim Ausbau des
Tunnels II werden nur mehr pneumatische
Bohrhämmer verwendet.
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par Uli cliemiu de fer. Etüde du Passage par le
Simplon, Neuilly 1860. - Compagnie des
chemins de fer de la ligne d'Italie par la
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versee du Simplon entre Gliss, Brig et Domod'Ossola.
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St. Qottard et Lukmanier. Etüde comparative dela
valeur technique et commerciale des voies ferrees
projetees par ces passages Alpins Italo -Suisse.
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l'exploitation d'un chemin de fer. Lausanne 1869.
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techniques du probleme et limite de la zone com-
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long tunnel. Paris 1874. — Meyer, Le Gottard et
le Simplon. Lausanne 1876. — Lomtuel, Chemin
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les details techniques du projet de le ligne Brigue-
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tuiuiel du Simplon et les interets fran(;ais. Paris 1879.
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souterraine et de son influence sur les projets et
systemes d'execution du grand tunnel alpin du
Simplon. Lausanne 1880. — Comite du Simplon,
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1882. - Vauthier, Le percement du Simplon de-
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1881. - NeufviUe, Notes sur le tunnel du Simplon,
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des Paris^ Paris 1881. — Lommel, Quelques apperqus
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72
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1915. Dietler.
Slipfahrt, Kunstfahrt, englischer Ver-
schub (switcliing off a veliide; lancemenf d'iine
partie d'iin train sur iin changement de voic;
spinta di iina parte dt im treno in un binario
biforcato o deviato), eine \'erschubbe\vegung,
bei der die am Schluß laufenden Wagen
während der Fahrt abgehängt und vom
Fahrgleis der vorauffahrenden Fahrzeuge ab-
gelenkt werden. Dieses sog. „Abschneppern"
von Wagen erfordert besondere Geschick-
lichkeit. Nachdem die Lokomotive den Wagen-
zug in Bewegung gebracht hat, verzögert sie
in gewisser Entfernung vor der Abzweigungs-
weiche die Fahrgeschwindigkeit und verursacht
hierdurch ein Auflaufen der Wagen und eme
Lockerung der Kupplungen, die sodann durch
einen Verschieben vom Wagen aus gelöst
werden. Die Lokomotive erhöht jetzt ihre
Fahrgeschwindigkeit, während die abgehängten
Wagen mit geringerer Fahrgeschwindigkeit
folgen. Die zwischen den vorangefahrenen und
den abgehängten Fahrzeugen entstehende Lücke
wird nun zur Umstellung der Ablenkungs-
weiche benutzt, so daß die abgehängten Wagen
einen andern Weg einschlagen als die vor-
aufgefahrenen. Das Abkuppeln während der
Fahrt und das Umstellen der Weiche zwischen
den bewegten Fahrzeugen lassen sich mit den
heute für die Sicherheit des Betriebs getrof-
fenen Anordnungen und den geltenden Vor-
schriften nicht vereinbaren. Das Abschneppern
von Wagen kann deshalb nur unter ganz ein-
fachen Betriebsverhältnissen beim Vorhanden-
sein von Fahrzeugen, deren Kupplungen vom
Wagen aus ohne Gefahr für den Verschieber
gelöst werden können, sowie bei Bedienung
der Weichen von Hand und auch dann nur
bei Gleisanlagen von derartiger Einschränkung,
daß die Verschublokomotive den Wagenzug
nicht umfahren kann, zugelassen werden. Bei
den Verwaltungen mit geordneten Einrichtungen
für die Abwicklung des Zug- und Verschiebe-
verkehrs sind Slip- oder Kunstfahrten nicht
gebräuchlich und auch nicht gestattet (s. Slip-
wagen), ß reu sing.
Slipwagen fslip carriage; voitiire ä de-
crocher en marche; carozza da stuccare o da
rilasciare in marcia), ein während der Fahrt
abzukuppelnder Wagen. S. werden auf einigen
englischen Eisenbahnen am Schluß von Schnell-
zügen mitgeführt. Sie sind dazu bestimmt,
während der Durchfahrt des Zuges durch einen
Bahnhof abgehängt zu werden, um den Ver-
kehr nach diesem Bahnhof oder einer dort
abzweigenden Bahnstrecke zu vermitteln, ohne
I daß für den weiterfahrenden Zug ein Aufent-
halt entsteht. Auf den Bahnen des Festlandes
hat man von dieser Einrichtung keinen Ge-
brauch gemacht, deshalb fehlt auch ein deut-
scher Ausdruck für den S. Selbst im Ver-
schubdienst, wo früher sog. Kunstfahrten
üblich waren, bei denen Güterwagen während
der Fahrt abgehängt und „abgeschneppert"
NS'urden, um sie in ein von dem durch die
voranfahrende Verschublokomotive benutzten
Gleis abzweigendes Gleis zu leiten, gestattet
man heute zur Verhütung von Unfällen im
allgemeinen ein solches Verfahren nicht mehr.
In England verdankt die Einrichtung der S.
ihr Entstehen dem Wettbewerb der Eisen-
bahngesellschaften, deren Linien große Ver-
kehrspunkte mit London verbinden und die
durch lange aufenthaltlose Fahrten die größte
Reisegeschwindigkeit für ihre Züge im Wett-
bewerb mit den Kachbarbahnen zu erreichen
suchten, ohne dabei auf die Vermittlung des
Verkehrs nach den größeren Zwischenorten
durch dieselben Züge verzichten zu müssen.
So sehr nun auch die dem Reiseverkehr durch
die S. gebotenen Vorteile einzuschätzen sein
mögen, so liegen doch gegen die Einrichtung
so erhebliche Bedenken vor, daß die Bahn-
verwaltungen außerhalb Englands von ihr
niemals Gebrauch gemacht haben. Das Aus-
hängen der Kupplung während der Fahrt, das
Lösen der Leitungsschläuche für die durch-
gehende Bremse und die Heizung vom Innern
des Wagens aus erfordern eigenartige Anord-
nungen, deren Bedienung eine Gewandtheit
voraussetzt, wie man sie von den hierfür in
Frage kommenden Bediensteten nicht zu for-
dern pflegt und die sonst nur bei sportlichen
Slipwagen. — Solothurn-Münster-Bahn.
73
Leistungen vorkommt. Die Einrichtung steht
deshalb mit den Anschauungen über die
Betriebssicherheit nicht recht im Einklang.
S. sind u. a. auf der großen englischen
Westbahn in Gebrauch, wo sie den Verkehr
von London nach Westbury, Taunton und
Exeter vermitteln. Auf der London und Nord-
westbahn laufen S. zwischen London und
Coventry in den Schnellzügen London -
Birmingham. Bei Ausbruch des Krieges wurde
dieser Wagenlauf aus wirtschaftlichen Gründen
eingestellt und ein Aufenthalt der Schnell-
züge in Coventry eingeführt. Für den be-
dienenden Schaffner ist in den S. ein be-
sonderes Abteil eingerichtet, von dem aus die
Bahnstrecke übersehen werden kann und in
dem die nötigen Handgriffe zum Lösen der
Kupplungen und zum Bedienen der Bremse
angebracht sind. Die neueren S. sind ebenso
wie die D-Zug-Wagen mit Übergangsbrücken
und Faltenbälgen versehen. Breusing.
Solothurn-Bern-Bahn (Schweiz), elek-
trisch betriebene Meterspurbahn, auf eigenem
Bahnkörper von Solothurn bis Zollikofen
geführt; dieser Teil bildet die erste Bausektion.
Als zweite Bausektion ist die Strecke Zolli-
kofen-Bern in Aussicht genommen, wobei
z. T. das jetzt schon bestehende Gleis der
Bern-Zollikofen-Bahn benutzt werden soll.
Der Hauptzweck der Bahn besteht in der
direkten Personenverbindung der Städte Solo-
thurn und Bern und in der Bedienung der
Zwischenstationen. Durch Rollschemelanschluß
in Solothurn und Schönbühl, durch entspre-
chende Anlagen auf den Zwischenstationen kann
der Güterverkehr mit der Vollbahn und auch
der Durchgangsverkehr auf Normalspurwagen
vermittelt werden. Überdies werden schmal-
spurige Güterwagen zur Verfügung stehen.
Der Betrieb der Bahn auf der Strecke Solothurn-
Zollikcfen wurde am 9. April 1916 eröffnet.
Um die Bahn leistungsfähig zu machen,
wurden günstigere Krümmungs- und Neigungs-
verhältnisse als bei den umliegenden schmal-
spurigen Bahnen gewählt. Mindestkrümmungs-
halbmesser 120 m, auf offener Linie 200 m.
Überall Anwendung von langen Übergangs-
bögen für Geschwindigkeiten bis 50 km. Ge-
fällsausrundungsradien 4000 ni auf offener
Linie. Höchststeigung 28 %o an einer einzigen
Stelle, sonst 25%.
Elektrische Anlage. In Verwendung steht
Gleichstrom von 1200 Volt Spannung. Die
Motoren sind so gebaut, daß die Züge auf
der Wagrechten 50 Äm/Std. fahren und daß für
die Strecke Zollikofen-Bern die dortige Fahr-
drahtspannung von 750 Volt benutzt werden
kann. Die ümformerstation ist in Bätterkinden.
Kraft von den Bernischen Kraftwerken. Die
Fahrdrahtieitung ist mit Kettenaufhängung und
Eisenmasten in 60 m Distanz ausgeführt.
Kupferquerschnitt aller Leitungen 100 mm-.
Speiseleitungen 100 — 200 mm"^, auf einzelnen
Strecken verdoppelt. Die in der Umformerstalion
aufgestellte Batterie leistet bei einer Spannung
von 1200 Volt 644 Ampere während 1 Stunde,
930 Ampere während 7, Stunde, 1300 Ampere
während 5 Minuten und 1960 Ampere während
1 Minute.
Rollmaterial. DiePersonen- und ein Güter-
Motorwagen sind vierachsig mit je 4 Motoren
von 90 PS. Die S. ist die erste größere Bahn
in der Schweiz mit der automatischen Kupp-
lung. Die Motorwagen sind 17 m lang, haben
Kugellager und Vakuumbremse. Die Roll-
schemel sind für 30 / ebenfalls mit Kugellager
erbaut.
Das Führen von Schnellzügen ist vorge-
sehen.
Die Baukosten waren ursprünglich zu
3' 17 Mill. Fr. veranschlagt, haben aber 3"95
Mill. Fr. und damit eine Nachsubvention von
680.000 Fr. erfordert. Dietlei:
Solothurn-Münster-Bahn (Weißen-
steinbahn, Schweiz), eröffnet 1908,
Normalspurbahn mit Dampfbetrieb, 22 Bauern,
23 Betriebs^/«, durchbricht den Jura (Weißen-
stein) nördlich von Solothurn mit einem
3700 m langen, einspurigen Tunnel im ein-
seitigen Gefälle nach Süden von IS"^«,, ver-
bindet das Aaretal und damit die schweizeri-
sche Hochebene mit dem Birstal im Jura und
bildet ein Teilstück der kürzesten Linie Delle-
Zentralschweiz. Höchstneigung in der Ge-
raden 28*^^, zugleich maßgebende Neigung
im Sinne einer Linie gleichen Widerstandes der
südlichen Tunnelzufahrt. Kleinster Bogenhalb-
messer 300 m. Scheitelhöhe auf Station Gäns-
brunnen, 722 m ü. M. Ursprünglich als Zu-
fahrtslinie zum Lötschberg gedacht, wurde
sie hauptsächlich aus Mitteln der Kantone
Bern und Solothurn und der beteiligten Städte
und Gemeinden finanziert. Trotz großer Tarif-
entfernungszuschläge bewirkt sie erhebliche
Abkürzungen im internen und internationalen
Verkehr und erfüllt damit eine namhafte wirt-
schaftliche Aufgabe.
Die Linie weist bedeutende Bauwerke auf.
Der Weißensfeintunnel (s. d.) ist geologisch wohl
der interessanteste Juradurchstich. Er durch-
schneidet eine Doppelfalte und trifft im Berg-
innern als älteste Schicht den Gipskeuper
(Trias). Auf jeder Zufahrtsrampe befindet
sich ein großer Viadukt, auf der südlichen
der Geißlochviadukt, auf der nördlichen der
Corcellesviadukt. Im übrigen ist die Linie nach
74
Solothurn-Münster-Bahn. — Sonderabteil.
den Grundsätzen einer Hauptbahn gebaut
und wies Ende 1914 ein Baukapital von
8,658.475 Fr., für 1 km von 400.909 Fr. auf.
Literatur: W. Luder, Vom Bau der Weißen-
steinbahn. Soiiderabzug aus der Schwz. Bauztg.
IQll, Bd. I.VIII. Dietler.
Sommerzeit (siimmer time; heute d'ete;
tempo da estate). Der Gedanke, die Lebensweise
während der Sommermonate oder während der
Gültigkeitsdauer des Sommerfahrplans an die
Zeit des Tageslichts besser anzupassen, konnte
sich wegen der großen Schwierigkeiten eines ein-
heitlichen Vorgehens der am europäischen Eisen-
bahndurchgangsverkehr beteiligten Länder bis-
her keine Geltung verschaffen. Durch den Aus-
bruch des großen Krieges sind diese Schwierig-
keiten für die mitteleuropäischen Staaten im
wesentlichen beseitigt, während das Bedürfnis,
Brenn- und Beleuchtungsstoffe durch mög-
lichste Ausnutzung des Sonnenlichts zu sparen,
sich mehr als sonst geltend machte. Der
Eisenbahnverkehr nach den feindlichen Staaten
wurde durch den Krieg gänzlich unterbrochen.
Auch nach den neutralen Staaten mußte der
Durchgang der Personenwagen in Rücksicht
auf die aus militärischen Gründen notwendige
Überwachung des Grenzverkehrs eingeschränkt
oder ganz eingestellt werden. Unter diesen
Umständen beschloß der deutsche Bundesrat,
einer Anregung des preußischen Herrenhauses
folgend, am 6. April 1916, als gesetzliche Zeit
die mittlere Sonnenzeit des 30. Längengrades
östlich von Greenwich vom 1. Mai bis 30.
September 1916 an Stelle der durch Reichs-
gesetz vom 12. März 1893 in Deutschland
eingeführten mitteleuropäischen Zeit anzu-
nehmen. Es sind also für diesen Zeitraum
die Uhren um 1 Stunde vorzustellen. Der
1. Mai beginnt bereits am 30. April 11 Uhr
nachts und der 30. September wird um
1 Stunde verlängert. Österreich und Un-
garn entschlossen sich zu einer gleichen Maß-
nahme. Auch die neutralen Staaten, Luxem-
burg, Dänemark, Schweden und Norwegen
folgten dem Beispiel, ja sogar in den feind-
lichen Ländern Frankreich, England und
Italien wurde die S. eingeführt. Nur die
Schweiz konnte sich bisher nicht entschlie-
ßen, die alte Zeiteinteilung aufzugeben. Sie
befürchtet eine weitere Verschiebung der bei
der Eigenart des Landes ohnehin schon früh
beginnenden Tagesverrichtungen in die Morgen-
stunden hinein. - Der Übergang zur S. und
die Rückkehr zur mitteleuropäischen Zeit haben
sich anstandslos vollzogen. Schwierigkeiten be-
standen nur in der Durchführung der Eisen-
bahnzüge, deren Lauf sich über die Nacht
hinaus erstreckt. Ein Teil dieser Züge mußte
bereits am 30. April nach dem neuen Fahrplan
abgelassen oder am 1. Mai mit Verspätung
befördert werden, wobei nicht alle Anschlüsse
eingehalten werden konnten. Im übrigen sind
ungünstige Einwirkungen der S. nur von land-
wirtschaftlichen Betrieben, insbesondere von
Milchwirtschaften und Obstzüchtern geltend
gemacht. Sie müssen aber zurücktreten gegen
die erreichten Vorteile, insbesondere die erheb-
lichen Ersparnisse an künstlicher Beleuchtung.
Gelegentlich der Fahrplankonferenz in Stuttgart
am 18. und 19. Juli 1916, auf der die Eisen-
bahnverwaltungen Deutschlands, Österreichs,
Ungarns und der Schweiz vertreten waren,
wurden die Vorteile der S. anerkannt und für
den Übergang zur Winterzeit vereinbart, die
Uhr in der Nacht zum 1. Oktober von eins
auf zwölf zurückzustellen. Die dann abge-
laufene Stunde soll den Zusatz A, die folgende
den Zusatz B erhalten.
Der Übergang in die S. wird erleichtert,
wenn er in der Nacht nach einem Sonntag
stattfindet, weil dann ein großer Teil der Güter-
züge nicht gefahren wird (s. Sonntagsruhe).
Es war deshalb in Aussicht genommen, den
Übergang zur S. nicht auf den 1. Mai, sondern
in die Nacht nach dem ersten Sonntag im
April zu verlegen. Im Jahre 1919 ist von der
Einführung der S. allgemein Abstand ge-
nommen worden. Breusing.
Sonderabteil (separate compartment ; com-
partiment separe; compartimento separate), ein
Wagenabteil, das auf Bestellung bei einem Zug
zur Verfügung des Bestellers und seiner Be-
gleitung gehalten wird. Auf den deutschen
und den österreichischen Bahnen sind nach
§ 14 des BR. und nach § 15 der Verkehrs-
ordnung (Deutscher Eisenbahn-Personen- und
Gepäcktarif Teil I) ganze Abteile den Reisenden
auf Verlangen für den tarifmäßigen Preis zur
Verfügung zu stellen, wenn keine Rücksichten
des Betriebs oder des Verkehrs entgegen-
stehen. Die Bestellung muß mindestens
30 Minuten vor der Abfahrzeit erfolgen. Für
ein Abteil sind höchstens so viele Fahrkarten
zu bezahlen, wie es Plätze enthält. In das
Abteil dürfen nicht mehr Personen aufge-
nommen werden, als Fahrkarten bezahlt sind.
Bestellte Abteile müssen durch eine Aufschrift
kenntlich gemacht werden. Nach dem Er-
messen der Verwaltungen können geschlossene
Abteile in der I. Kl. schon gegen Lösung
von 4, in der II. K!. von 6, in der III. Kl.
von 8 Fahrkarten überlassen werden. Wo
Halbabteile geführt werden, genügt die Hälfte
dieser Mindestanzahl. Fahrkarten zum halben
Preis werden als eine Fahrkarte gerechnet.
Sonderabteil. ~ Sonderwagen.
75
Mindestens ist für jede Person eine Fahrkarte
zu lösen.
Nach diesen Grundsätzen wird auch in
anderen Ländern verfahren. Die Einzelheiten
werden durch die Tarifhestimmungen belvannt-
gegeben. Sie hier aufzuführen, erübrigt sich,
weil die Einführung numerierter Plätze in
den Schnellzügen des großen Durchgangsver-
kehrs (s. D-Züge und Luxuszüge) und
die Möglichkeit der Vorausbestellung dieser
Plätze das Bedürfnis für die Bereithaltung
von S. wesentlich eingeschränkt hat. Ander-
seits sind die Eisenbahnverwaltungen aber
auch ohne Rücksicht auf etwaige Tarifvor-
schriften bemüht, die Reisenden im Zug
ihren Wünschen entsprechend unterzubringen
und die nötigen Plätze hierfür so bereitzu-
stellen, daß das Ein- und Aussteigen in
kürzester Zeit vor sich geht und die Zug-
abfertigung dadurch beschleunigt wird. Sie
werden daher den Wünschen von Reise-
gesellschaften auf Bereithaltung von S. nach
Möglichkeit entgegenkommen, auch wenn die
Tarifbestimmungen nicht in allen Punkten er-
füllt sind, während sie sich anderseits vor-
behalten, nicht bezahlte freie Plätze in den
S. bei Platzmangel zeitweise oder dauernd mit
anderen Reisenden zu besetzen.
S. werden im allgemeinen nur in Oberein-
stimmung mit dem Lauf der im Zug befind-
lichen Wagen bereitgehalten, u. zw. auch
dann, wenn die Reisenden im Besitz von
durchgehenden Fahrkarten sich befinden.
Beim Übergang auf einen andern Zug ist
ein Umsteigen erforderlich. .Anders ist es bei
Benutzung von Sonderwagen, deren Bereit-
stellung vielfach gerade zu dem Zweck er-
folgt, um den Reisenden ein Umsteigen beim
Wechsel des Zuges zu ersparen (s. Sonder-
wagen u. Krankenbeförderung).
Über S. für dienstliche Zwecke, für Frauen,
Raucher und Nichtraucher s. Dienstabteil,
Frauen ab teil u. Raucherabteile.
Breusiiig:
Sonderwagen (special wagon ; wagon spe-
dal; carrozza speciale), Salon-, Schlaf-, Kranken-,
sonstige Personen-, Gepäck- oder andere
Wagen, die gegen Entrichtung bestimmter
Gebühren zum ausschließlichen Gebrauch des
Bestellers in einen Zug eingestellt werden.
Die Bestellung muß eine gewisse Zeit vorher
erfolgen. Auf die Höhe der Gebühren ist
es in der Regel ohne Einfluß, ob der S. der
Eisenbahnverwaltung oder dem Besteller ge-
hört (s. Privatwagen). - Für den Bereich
des VDEV. ist nach §§ 10 u. 11 des BR.
und für die deutschen Eisenbahnen nach
§§ 11 u. 12 der EVO. die Einstellung von
S. für Reisende, die mit bestimmt bezeich-
neten Krankheiten behaftet sind, vorgeschrieben.
Im übrigen kann sie auf Bestellung allgemein
erfolgen.
Wenn die Einstellung bahneigener oder Privaten
gehöriger Salon-, Schlaf- oder sonstiger
Personenwagen sowie besonders eingerichteter
Krankenwagen (s. Krankenbeförderung) gestattet
wird, so sind für die Benutzung ohne Rücksicht
auf die Achsenzahl in der Regel Fahrkarten I. Kl.
für so viel Personen, wie den Wagen benutzen,
mindestens für 12 Personen für jeden eingestellten
Wagen, zu lösen.
Werden auf Verlangen zur Beförderung des Ge-
päcks besondere Wagen eingestellt, so wird hierfür
eine Gebühr von 0-40 M. für die Achse und das
Tarif>tm erhoben.
Wird für die Beförderung von Kranken ein
Gepäck- oder Güterwagen, ein Wagen IV. Kl. oder
ein Wagen III. Kl. mit herausgenommenen Sitzen
eingestellt, so sind für die Kranken, ohne Rück-
sicht auf ihre Zahl, 6 Fahrkarten II. Kl. der be-
treffenden Zuggattung zu lösen. Auf den preußisch-
hessischen und den oldenburgischen Staalsbahnen
sowie auf einigen nord- und mitteldeutschen Privat-
bahnen erfolgt die Durchführung von S. III. Kl.
zur Krankenbeförderung schon gegen Lösung von
4 Fahrkarten III. Kl. in Personen- und Eilzügen.
Vgl. die Ausführungsbestimmungen zu § 12 der
EVO. im Deutschen Eisenbahn-Personen-
und Gepäckstarif.
Die vorstehend aufgeführten Gebührensätze gelten
nach § 11, B, 1 des BR, auf den österreichischen
und ungarischen Bahnen nur für zwei- und
dreiachsige Wagen. Bei Bestellung von vier- und
mehrachsigen Wagen sind 18 Fahrkarten I. Kl. der
betreffenden Zuggattung zu lösen. Diese Bestim-
mung gilt auch für den inneren Verkehr der
genannten Bahnen. Wenn die Züge Wagen I. Kl.
nicht führen, so sind nach dem österreichischen
und bosnisch - hercegovinischen Eisen-
bahn-Personen- und Gepäcktarif Teil 1 für
einen zwei- oder dreiachsigen Personenwagen 18, für
einen vier- oder mehrachsigen Wagen 27, für einen
Gepäck- oder Güterwagen zur Krankenbeförderung
9 Fahrkarten II. Kl, der betreffenden Zuggattung
zu lösen. Für Kranke in öffentlicher Armenpflege
werden nur 3'/2, sonst 6 Fahrkarten I. Kl. und
wenn diese nicht'geführt wird, 4'/3 Fahrkarten II. Kl.
verlangt.
Auf den schweizerischen Eisenbahnen
können auf allen Stationen S., die bis zur End-
station der Reise innerhalb der Schweiz durchlaufen,
gemietet werden. Die Gebühr beträgt 25 Ct. für
die Achse und km eines Wagens II. Kl. und 20 Ct.
für die Achse und km eines Wagens III. Kl. als
JVliete. Außerdem sind von den Reisenden Fahr-
karten zu lösen, u. zw. mindestens 4 für jede
Wagenachse. Für die JVliete bestimmter Salonwagen
werden besondere Zuschläge erhoben. Für Gesell-
schaftsreisen gelten besondere Bestinnnungen.
Auf der französischen Ostbahn müssen für
einen zwei- oder dreiachsigen Wagen 12 Fahrkarten
I. KI. und für einen vier- oder mehrachsigen Wagen 18
Fahrkarten I. Kl. gelöst werden. Reisende über
diese Zahl hinaus haben weitere Fahrkarten 1. Kl.
zu lösen. Im übrigen sind die Gebühren für die
Einstellung von S. in die Züge sehr verschieden
festgesetzt. Um ihre Berechnung und Einziehung
im direkten Verkehr auch anderen Verwaltungen
zu ermöglichen, sind in den Verbaudstarifen Preis-
76
Sonderwagen. - Sonderzug.
tafeln enthalten, aus denen die Gebühren für häu-
figer benutzte Reiseverbindungen unmittelbar ent-
nommen werden können.
In Rußland bestehen für die Verwaltungen,
die den allgemeinen Personentarif angenommen
haben, einheitliche Bestimmungen über die Beförde-
rung von S. Sie sind veröffentlicht in der Tarif-
sammlung Nr. 2323 vom 6. Februar 1914, Teil III
des Tarifbuches für den Personenverkehr. Hiernach
werden die Gebühren für S. nach der Anzahl der
von den Reisenden benutzten Plätze berechnet,
u. zw. müssen auf der Nowgoroder Linie der Moskau-
Windau-Rybinsker Eisenbahn mindestens S Fahrkarten
I. Kl. für einen Wagen I. Kl., 14 Fahrkarten II. Kl.
für einen Wagen II. Kl. und 20 Fahrkarten 111. Kl.
für einen Wagen III. Kl. gelöst werden, während
auf allen übrigen den allgemeinen Personentarif
anwendenden Bahnen die entsprechenden Mindest-
zahlen auf 12, 20 und 30 festgesetzt sind. Wird an
Reisende ein Bahndienstwagen oder ein Personen-
wagen mit Abteilen I. und II. Kl. überiassen, so
sind ebenfalls Fahrkarten für die besetzten Plätze,
mindestens aber 12 Fahrkarten I. KI. für den Dienst-
wagen und 20 Fahrkarten II. KI. für einen Wagen
mit Plätzen I. und II. Kl. zu lösen. Auch Wagen
IV. Kl. werden in gleicher Weise unter Berechnung
der besetzten Plätze bereitgestellt. Für einen Wagen
müssen jedoch mindestens 40 Fahrkarten gelöst
werden. - Eine Verpflichtung der Überführung von
S. im Personenverkehr von Bahn zu Bahn wird
nicht übernommen.
Erstrecken sich die in S. zurückgelegten Reisen
über mehrere Bahngebiete, so bedürfen sie,
auch wenn nach den Tarifen eine dtirch-
gehende Abfertigung möglich ist, in jedem
Fall einer vorhergehenden Vereinbarung zwi-
schen den an der Beförderung beteiligten
Verwaltungen, damit der Übergang der S.
von Zug zu Zug in der für durchgehende
Wagen (s. d.) üblichen Weise sichergestellt
werden kann. Die für den inneren Verkehr
in der Regel vorgeschriebene Bestellfrist von
24 Stunden vor dem Reiseantritt reicht für
solche Fälle nicht aus. Bmising.
Sonderzug (special traiii; train special;
treno speciale), ein Zug, der nur auf besondere
Anordnung aus besonderem Anlaß gefahren
wird, im Gegensatz zu einem regelmäßig
verkehrenden Zug, der nach den Angaben
des Dienstfahrplans (s. d.) täglich oder an
bestimmt bezeichneten Tagen zu befördern
ist (FV. § 5, 3). Zu den S. rechnen auf den
deutschen Bahnen auch die Bedarfszüge
(s. d.), die Vor- und Nachzüge, Arbeits-
züge, Lokomotivfahrten und Probezüge,
soweit nicht die Tage oder Zeiträume, für die
sie in Verkehr gesetzt werden sollen, ein für
allemal bekanntgegeben sind. Auf den öster-
reichischen Bahnen findet eine hiervon
abweichende Einteilung der Züge statt. Hier
bestimmt Art. 70 der Vorschriften für den
Verkehrsdienst, daß die Züge in gewöhn-
liche Züge, die nach dem Dienstfahrplan
täglich verkehren, und außergewöhnliche
Züge eingeteilt werden. Die außergewöhn-
lichen Züge zerfallen in: \. Züge, die nach
dem Fahrplan nur an bestimmten Tagen
verkehren; 2. Erforderniszüge, die im Be-
darfsfall nach dem Dienstfahrplan verkehren;
3. abgeteilte Züge, die dadurch entstehen,
daß ein Zug geteilt werden muß; 4. S., die nach
einem im Dienstfahrplan nicht enthaltenen
Fahrplan bei besonderen Anlässen verkehren,
und 5. Dienstzüge, die bei außergewöhn-
lichen Anlässen ohne Fahrplan abgelassen
werden müssen. Die Einteilung der Züge
ist grundlegend für die Ausbildung der Vor-
schriften für den Fahrdienst, wobei die sichere
Durchführung der S. ganz besonderer Für-
sorge bedarf. Die von den Aufsichtsbehörden
und den Eisenbahnverwaltungen für die Sicher-
heit des Betriebs erlassenen Vorschriften ent-
halten deshalb in allen Ländern mehr oder
weniger eingehende Bestimmungen über die
Beförderung von S.
Nach der deutschen BO. § 69 dürfen
S. nur befördert werden, solange die Schranken-
wärter im Dienst sind. Für jeden S. ist ein
Fahrplan aufzustellen und den Stationen und
Blockstellen rechtzeitig bekanntzugeben. Für
die Ablassung eines zweiten Teiles eines
Zuges, der dem fahrplanmäßig fahrenden ersten
Teil im Abstand der Zugfolgestellen mit
gleichen Fahr- und Aufenthaltszeiten folgt, gilt
die Bekanntgabe dieser Maßnahme als Mit-
teilung des Fahrplans. Für den zweiten Zug
gelten dann dieselben Stationen wie für den
ersten Zug als fahrplanmäßige Kreuzungs-
und Überholungsstationen. Bei unerwarte
auftretendem dringenden Bedürfnis gilt die
Verständigung zwischen den Zugmeldestellen
(s. Fahrdienstleitung) als Aufstellung des Fahr-
plans (FV. § 65). S. sind den Schranken-
wärtern und dem Bahnunterhaltungspersonal
in der Regel anzukündigen. Dies hat wenn
tunlich schriftlich, andernfalls durch Fern-
sprecher oder, wo ein solcher nicht vorhanden,
durch ein Signal an dem in der einen oder
andern Fahrrichtung vorhergehenden Zuge
zu erfolgen (Signal 17 u. IS des deutschen
Signalbuches). Ist die .Ankündigung nicht
möglich, so dürfen die S. nur dann mit mehr
als 30 Am Std. verkehren, wenn anzunehmen
ist, daß die Wegschranken rechtzeitig ge-
schlossen werden. Dasselbe gilt für Hilfs-
züge und Hilfslokomotiven, die unter Ver-
antwortlichkeit des zuständigen Beamten aus
Anlaß von Eisenbahnunfällen, Bränden und
sonstigen außergewöhnlichen Ereignissen oder
zur Beförderung der bewaffneten Macht ein-
gelegt werden dürfen, auch wenn die Schranken-
wärter nicht im Dienst sind und die Zug-
Sonderzug.
77
folgestellen nicht benachrichtigt werden konnten.
— Für die Beförderung von S. auf Lokal-
bahnen ist im § 107 der Grz. nur vorge-
schrieben, daß die Züge womöglich vorher an-
gezeigt, andernfalls nur mit 20 km Geschwindig-
keit gefahren werden sollen. — Die Zuständigkeit
zum Einlegen von S. ist in der Regel den betriebs-
leitenden Stellen vorbehalten, die mit der Auf-
stellung des Fahrplans betraut sind, also den
Eisenbahndirektionen. Im übrigen richtet sie sich
nach den Einrichtungen der Verwaltung und
dem Verkehrsbedürfnis. Auf den preußischen
Staatsbahnen sind die Betriebsämter ermächtigt,
Arbeitszüge einzulegen, und die Stationen be-
fugt, Bedarfszüge, zweite Teile fahrplanmäßiger
Züge, Hilfszüge, einzeln fahrende Lokomotiven
und in bestimmten Fällen auch Züge zur
Versorgung nahegelegener Bedarfsstationen mit
Wagen abzulassen. In Österreich dürfen S.
nach Art. 87 der Verkehrsvorschriften nur
durch Auftrag der Eisenbahndirektion und
nur ausnahmsweise auch ohne solchen Auf-
trag durch die Dispositionsstationen (s. d.)
eingeleitet werden. Da der Begriff der S.,
wie oben hervorgehoben, in Österreich ein
wesentlich eingeschränkter ist, die darüber
hinaus in Deutschland als S. bezeichneten Züge
aber in beiden Ländern gleichmäßig behandelt
werden, so besteht in der Übertragung der Be-
fugnis zur Ablassung von S. kein nennens-
werter Unterschied. Dasselbe gilt für die
sonst zur Sicherung der Fahrten der S. vor-
geschriebenen Maßnahmen, wenn auch hier
der erweiterte Begriff für S. zu gründe gelegt
wird. Die österreichischen Verkehrsvor-
schriften beschäftigen sich in Art. IX — XIII
eingehend mit diesen Maßnahmen, die ins-
besondere die Fahrplanaufstellung und die zuver-
lässige Benachrichtigung des beteiligten Perso-
nals bezwecken. Für die schriftliche Vormeldung
der S. werden auf den österreichischen Stationen
für jede angrenzende Strecke und nötigenfalls
auch für die einzelnen Bahnhofsbezirke Lauf-
zettelbücher (Avisobücher) geführt, aus
denen der Zugexpedient einen Laufzettel mit
zugehörigem Stamm entnimmt, nachdem er
darauf die vorzumeldende Fahrt, ihren Verkehrs-
tag und, wenn ein Fahrplan im Dienstfahr-
plan nicht enthalten ist, auch die Abfahr- und
Ankunftzeit eingetragen hat. Der Laufzettel
wird dann von Wärter zu Wärter den Bahnhof
und die Strecke entlang getragen, bis er mit
dem von der Nachbarstation entsendeten Zettel
in der Mitte der Strecke zusammentrifft. Kann
der Laufzettel nicht mehr rechtzeitig vor Ab-
fahrt des S. abgesendet werden, so hat die
Vormeldung telegraphisch oder durch Fern-
sprecher, nötigenfalls unter vollständiger Mit-
teilung des Fahrplans zu erfolgen. Ist auch
dies nicht mehr möglich, so ist dem S. eine
besondere Lokomotive vorauszusenden, die
ein mit den Verkehrsvorschriften vollkommen
vertrauter Beamter zur Verständigung der Be-
diensteten auf der Strecke und den Sta-
tionen zu begleiten hat. Mußte auch die Vor-
ausfahrt einer Lokomotive unterbleiben, so
hat der Beamte den S. zu begleiten. In solchem
Fall hat der S. auf allen Stationen zu halten.
Ist die Fernsicht gestört, wirken die Qlocken-
signale nicht zuverlässig oder stellen sonstige
Umstände den sicheren Gang des S. in Frage,
so darf ein in keiner Weise vorgemeldeter
S. überhaupt nicht abgelassen werden.
In ähnlicher Weise wird auch in den
übrigen Ländern anschließend an die allge-
meinen Vorschriften für die Sicherheit der
Zugfahrten für die unbehinderte Durchfüh-
rung der S. Sorge getragen. In Rußland
beschränken sich die Bestimmungen der Auf-
sichtsbehörde auf die Verpflichtung des Bahn-
vorstandes oder der von ihm zur Ablassung
von Zugfahrten bevollmächtigten Person, Maß-
regeln zu treffen, daß bei Ablassung von S.
Verwirrung im Zugverkehr nicht entstehen
kann. Die Ablassung eines S., d. h. eines
Zuges, für den ein Fahrplan nicht bekannt-
gegeben wurde, darf nur auf schriftlichen
Auftrag der bezeichneten Personen durch Auf-
stellung eines „Fahrscheines" erfolgen.
Die S. werden in ihrer überwiegenden
Mehrzahl aus dienstlichen Gründen abge-
lassen. Die auf Bestellung von Reisenden
oder Versendern gefahrenen S. treten hiergegen
erheblich zurück. Im Güterverkehr liegt nur.
in seltenen Fällen ein Anlaß vor, S. auf Be-
stellung zu fahren. Diese beschränkt sich daher
im allgemeinen auf den Personenverkehr, sei es,
daß einzelne Personen (s. Hofzüge) oder daß
Reisegesellschaften und Vereine die Benutzung
der fahrplanmäßigen Züge für ihren Reisezweck
nicht für geeignet halten (bestellte S.). Aus
Anlaß von Festlichkeiten, bei Ausstellungen
oder Truppenübungen, bei Beginn oder Schluß
der Schulferien sieht sich vielfach auch die
Eisenbahnverwaltung veranlaßt, aus eigenem
Antrieb oder einer Anregung folgend, zur
Bewältigung des Personenverkehrs S. einzu-
legen, die dann als Verwaltungssonder-
züge bezeichnet werden. Gestatten die Tarife
in solchem Fall die Gewährung von Preis-
ermäßigungen, so ist diese schon deshalb
geboten, weil es zur Abwicklung des ge-
samten Fahrdienstes erwünscht ist, die regel-
mäßigen Züge vom Massenverkehr möglichst
zu entlasten, also einen besonderen Anreiz
zur Benutzung der S. zu bieten (s. Ferien-
Sonderzug.
sonderzüge). Für liie Ablassung von Per-
sonensonderzüc;en im Innern Verkehr der
deutschen Eisenbahnen sind die nach-
stehenden Ausführungsbestimniungen zu §§ 4
u. 12 der EVO. maßgebend (s. Personen-
tarife) :
FürS., die Einzelbestellern gestellt werden, werden
für das Tarif Av/z erhoben:
Für die Lokomotive 1'20M., für jede Achse eines
auf Verlangen gestellten Personenwag'rns 0-40 M.,
für jede Achse eines auf Verlangen gestellten oder
aus Betriebsrücksichten erforderlichen anderen Wa-
gens 0-20 M., mindestens jedoch 4 M. für das
iarif^m und 100 M. im ganzen.
Erfolgt Hin- und Rückfahrt des S. innerhalb 24
Stunden, so gelten für die Berechnung des Mindest-
betrags beide Fahrten als eine Fahrt.
Werden auf Antrag des Bestellers besonders be-
zeichnete Wagen gestellt, so werden für ihre Be-
förderung auf Strecken, die der S. nicht befährl,
sowohl für den Hinweg wie für den Rückweg 7 Pf.
für die Achse und das Tanikm erhoben.
Der Beförderungspreis ist auf der Abgangsstation
vorauszubezahlen.
Wird ein S. abbestellt oder nicht benutzt, so sind
der Eisenbahn alle durch Ausführung der Bestellung
erwachsenen Kosten zu erstatten. Dabei werden für
jedes Tarif A'OT, das die Lokomotive oder die Wagen
bei der Beförderung von der Heimatsstation nach
der Ausgangsstation des S. oder auf dem Rückweg
durchlaufen haben, berechnet:
Für die Lokomotive F20 M., für jede Achse
eines Wagens 007 M.
Bei S., die auf .Antrag zu gemeinschaftlichen
Reisen größerer Gesellschaften gestellt werden (Ge-
sellschaftssonderzüge), werden, soweit die Tarifteile II
keine Abweichungen enthalten, für Fahrkarten zur
einfachen Fahrt in I. Kl. 4 Pf., in II. Kl. Pf. 2-5
und in 111. Kl. 1'75 Pf. für das TarifA/« erhoben.
Wird die Hinfahrt und die Rückfahrt im S. zurück-
gelegt, so wird das Doppelte des Fahrpreises für
die einfache Fahrt erhoben. Es sind mindestens zu
lösen: bei Benutzung der I. Kl. 100, der II. Kl. 160,
der III. Kl. 230 ganze Fahrkarten von der Ausgangs-
bis zur Bestimmungsstation des S., bei Benutzung
verschiedener Klassen so viel Fahrkarten von der
Ausgangs- bis zur Bestimmtmgsstation des S., daß
der Preis der Mindestzahl an Fahrkarten für die
niedrigste im S. geführte Wagenklasse (160 IL oder
230 III.) erreicht wird.
In jedem Fall sind für die ganze Sonderzug-
strecke mindestens 100 M. zu entrichten. Der Preis
jeder Fahrkarte für einfache Fahrt wird bei Beträgen
unter 1 M. auf 5 Pf., bei höheren Beträgen auf
10 Pf. aufgerundet. Je 2 Fahrkarten zimi halben
Preis werden als eine Fahrkarte gerechnet.
Wenn in Ausnahmefällen ein S. auf .Antrag aus
D-Zugwagen gebildet wird, so erhöht sich der für
die einzelne Fahrkarte zu berechnende Fahrpreis
sowie die Mindestgebühr um 25 "o.
Soweit zu den S. nicht Fahrkarten mit Fahr-
preisen einschließlich Fahrkartensteuer ausge-
geben werden, ist diese mit 10 "o der Sonderzug-
gebühren besonders zu berechnen. Ebenso ist für
beladene Güterwagen in S. der Frachturkunden-
stempel zu erheben (vgl. Kundmachung 5 des DEVV).
Bei S. zu Schulausflügen und Fahrten zum Zweck
der Jugendpflege kann anstatt der Fahrpreisermäßi-
gung für Gesellschaftssonderzüge auch die für diese
Zwecke bei Benutzung gewöhnlicher Züge übliche
Fahrpreisermäßigung zugestanden werden, wenn der
Preis der vorgeschriebenen Mindestzahl von Fahr-
karten für Qesellschaftssonderzüge und die vor-
geschriebene Mindestgebühr erreicht wird.
Bei Einstellung von Schlaf- und Salonwagen in
Gesellschaftssonderzüge werden die für die Beförde-
rung von Sonderwagen (s. d.) in gewöhnlichen
Zügen festgesetzten Gebühren besonders erhoben.
Eine Fahrpreisermäßigung tritt hierbei nicht ein.
Für S., die von der Eisenbahn zur Erleichterung
von Ferienreisen für den allgemeinen Verkehr ge-
fahren werden, werden, soweit die Tarifteile II keine
Abweichungen enthalten, Fahrkarten IL und III. Kl.
ausgegeben, die zur Hinfahrt mit dem S., zur Rück-
fahrt mit den fahrplanmäßigen Zügen einschließlich
der Schnellzüge berechtigen. Die Fahrkarten haben
eine Geltungsdauer von 2 Monaten, vom Abfahrts-
tag gerechnet.
Soweit für einzelne Züge nicht besondere Fahr-
preise veröffentlicht werden, werden an Fahrgeld
für die zur Hin- und Rückfahrt geltenden Fahr-
karten in 11. Kl. 6-75 Pf., in 111. Kl. 4-5 Pf. für
das Tarif^m erhoben ; für die Rückfahrt ist, soweit
die Tarifteile II nichts anderes bestimmen, in die
Fahrkarten der Schnellzugzuschlag einzurechnen.
Fahrtunterbrechung im S. ist ausgeschlossen.
Kinder genießen die übliche Fahrpreisermäßigung.
Für S., die von der Eisenbahn aus besonderem
Anlaß für den allgemeinen Verkehr gefahren werden,
werden die Beförderungsbedingungen von Fall zu
Fall veröffentlicht.
Bei Beförderung von Gütern in S. kommen die
gewöhnlichen Tarife in Anwendung.
Seitdem auf den preußischen Staatsbahnen
in größerem Umfang Triebwagen (s. d.) in
Dienst gestellt sind, werden für die von diesen ge-
fahrenen S. 13 M. L d. km, im ganzen aber min-
destens 50 M. erhoben. Bei Beförderung größerer
Gesellschaften sind mindestens 86 Fahrkarten III. Kl.
(1"75 Pf. f. d. km) für jede Triebwagenfahrt zu
lösen. — Anträgen gewerbsmäßiger Unternehmer auf
Stellung von S. mit Fahrpreisermäßigung wird nur
stattgegeben, wenn diese als zuverlässig bekannt
sind und anzunehmen ist, daß die Preisermäßigung
den Reisenden zu gute kommt. Ein Betriebs- oder
Verkehrsbedürfnis muß auch hier vorliegen. Ledig-
lich zu gunsten eines Unternehmens oder als Mittel
zu geschäftlichen Anpreisungen werden S. mit Fahr-
preisermäßigung nicht gewährt. — Bei Festlichkeiten
zur Eröffnung neuer Bahnen kann am Tag vor
der Betriebseröffnung ein S. für die Teil-
nehmer an der Einweihungsfeier kostenlos ge-
stellt werden.
Für den Verkehr von S. im Gebiet des VDEV.
sind den vorstehenden Bestimmungen der EVO.
ähnlich lautende Vorschriften in den §§ 3 und 11
des Betriebsreglements getroffen. Hiernach betragen
die unter Ziffer 1 zu la angegebenen Gebühren für
die österreichischen Eisenbahnen L50 K,
050 K und 0 24 K für das Tarif Am der Zugloko-
motive, der Personenwagenachse und der Güter-
wagenachse einschließlich Fahrkartensteuer. Die
Mindestgebühren sind dieselben wie auf den deut-
schen Eisenbahnen, doch ist in ihnen auch die
Fahrkartensteuer enthalten. — Für den inneren
Verkehr der österreichischen Eisenbahnen
beträgt die Mindestgebühr nach dem hierfür maß-
gebenden österreichischen und bosnisch-hercegovini-
schen Eisenbahn- Personen- und Gepäcktarif Teil I,
Anhang I, 450 K für das Tarif A« und mindestens
100 K "für den Zug. Dieser Betrag ist als Sicher-
heit bei der Bestellung zu hinterlegen. Für eia
Sonderzug.
19
Warten des S. über die festgesetzte Abfahrzeit hin-
aus wird eine Wartegebühr von 80 K berechnet.
Für Motorwagensonderzüge werden für den Motor-
wagen 0'50 K, für jede Personenwagenachse eben-
falls 050 K, mindestens jedoch 2 K f. d. km und
30 K für die Fahrt erhoben. Stellen sich die tarif-
mäßigen Fahrpreise für die mit dem S. beförderten
Personen und Gegenstände höher als die vor-
stehenden Sätze, so sind die tarifmäßigen Fahr-
preise zu zahlen. - Für gemeinschaftliche Reisen
von Gesellschaften in S. auf Entfernungen über
50 km werden, falls eine Mindesteinnahme von
5 K f. d. km gewährleistet wird, «-mäßigte Fahr-
preise gewährt. Bei Hin- und Rückfahrt innerhalb
3 Tagen wird der Fahrpreis für die einfache Fahrt
erhoben. Andernfalls tritt ein im Spezialtarif 1
besonders festgesetzter Fahrpreis in Kraft. Soll der
S. mit Schnellzuggeschwindigkeit verkehren, so
werden erhöhte, ebenfalls im Spezialtarif festgesetzte
Gebühren erhoben. Die ermäßigten Gebühren des
Spezialtarifs finden auch Anwendung auf die von
der Verwaltung bei bestimmten Anlässen einge-
legten S. - Bei S. für Güter erheben die öster-
reichischen Staatsbahnen mindestens die Gebühr für
60.000 kg nach Klasse I.
In den Niederlanden gelten im wesentlichen
die vorstehend für das Gebiet des VDEV. mitge-
teilten Bestimmimgen auch für den inneren Verkehr.
In der Schweiz werden S. nach § 7 des Trans-
portreglenients vom 1. Januar 1894 ebenfalls
nur nach dem Ermessen der Eisenbahnverwaltung
gestellt. Nach § 26 sind die Bahngesellschaften
verpflichtet, einen S. abzulassen, wenn infolge einer
auf schweizerischer Bahn erfolgten Zugverspätung
mindestens 10 mit Fahrkarten nach der gleichen
Linie versehene Reisende einen Anschluß verfehlten,
der durch einen nachfolgenden Zug nicht, wohl
aber durch den S. zu erreichen ist, insofern dies
mit der Betriebssicherheit zu vereinbaren ist und
die Betriebsmittel ausreichen. Nachzahlungen dürfen
in solchem Fall nicht verlangt werden. Die Ver-
pflichtung entfällt bei Vergnügungszügen, falls
höhere Gewalt vorliegt oder der Bundesrat Aus-
nahmen gestattet hat. Die Gebühren für S. auf
besondere Bestellung werden entweder nach den
Sätzen der allgemeinen Personentarife oder
nach dem Tarif für die Beförderung von Ge-
sellschaften und Schulen berechnet, wobei
Mindestsätze von 8 Fr. f. d. km der einfachen
Fahrt und je nach dem Zeitpunkt der Rückfahrt von
12 oder 16 Fr. f. d. km der Hin- und Rückfahrt,
mindestens aber von 100 Fr. bei einfacher und 160
oder 200 Fr. bei Hin- und Rückfahrt für den Zug
zur Anwendung kommen. Die gewöhnlichen Ein-
heitssätze betragen in I. Kl. 10-4 Ct., II. Kl. 7-3 Ct.,
III. Kl. 5-2 Ct. für die einfache Fahrt und in I. Kl.
15^/i, II. Kl. 20"„, III. Kl. 25 »i Ermäßigung für
Hin- und Rückfahrt. Für Gesellschaftsreisen von min-
destens 16 Personen sind besondere Sätze im Tarif
vorgesehen für Qemeinschaftsreisen von 16 — 60,
61-120, 121-180 und über 180 Personen.
In Italien können S. sowohl für den Personen-
verkehr als für den Güterverkehr bestellt werden.
Bei der Bestellung ist der Betrag von 40 Lire zu
hinterlegen. Die Verwaltung kann die Stellung eines
S. aus Sicherheitsgründen ablehnen. Neben einer
festen Gebühr von 4520 Lire sind mindestens
6'78 Lire f. d. km und 6780 Lire für den Zug zu
zahlen. Ergibt die Anwendung des gewöhnlichen
Tarifs einschließlich 10','i Zuschlag für die Rei-
senden, das Gepäck und sonstigen Gegenstände
einen höheren Betrag, so wird dieser erhoben. Für
die Rückfahrt des S. innerhalb 12 Stunden nach
Ankunft werden die Kosten nach denselben Sätzen,
aber ohne die feste Gebühr berechnet und um lO"»
ermäßigt. Die Mindestgebühr beträgt auch in diesem
Fall 67'^80 Lire. Wenn der S. durch Verschulden
des Bestellers nicht zur festgesetzten Zeit abfahren
kann, so ist die Verwaltung berechtigt, ihn aus-
fallen zu lassen und den hinterlegten Betrag ein-
zuziehen. — Wenn ein S. bei Festlichkeiten, Massen-
versannnlungen von Stadtvertretungen u. dgl. ver-
langt wird, so werden 3'955 Lire f. d. km sowie
eine Gebühr von 45'20 Lire erhoben unabhängig
von den Fahrkarten, mit denen die Reisenden
außerdem versehen sein müssen. Im übrigen werden
auch auf den italienischen Bahnen für Gesellschafts-
reisen unter ähnlicher Tarifabstufung wie auf den
schweizerischen Bahnen S. gestellt und hierbei Ein-
heitspreise in I. Kl. von 0 1276 Lire, in II. Kl. von
0-08932 Lire, in III. Kl. von 0-0580 Lire für die
einfache Fahrt erhoben. Bei Hin- und Rückfahrt
treten je nach Entfernung und Gültigkeitsdauer
20-35?i Ermäßigung der Fahrkartenpreise ein.
Diese Einheitssätze wurden nach Ausbruch des
Krieges erhöht.
In Belgien beträgt die Mindestgebühr 5 Fr.
f. d. km und 125 Fr. für den S. Im einzelnen
werden 1-5 Fr. für die Lokomotive, 0-5 Fr. für die
Personenvi-agenachse und 025 Fr. für die Güter-
wagenachse erhoben, während für einen 4achsigen
Güterwagen 0-75 Fr. berechnet werden. Bei Gesell-
schaftsreisen in S. wird die Gebühr ohne Rücksicht
auf die wirkliche Teilnehmerzahl nach den gestellten
Plätzen berechnet. Mindestens werden erhoben
160 Fr. bei Entfernungen bis 30 km und 5-25 Fr.
für jedes weitere km. Die Einheitssätze betragen
für die I. Kl. 94 Ct., II. Kl. 6-4 Ct., III. Kl. 38 Ct.
für die einfache Fahrt. Für Hin- und Rückfahrt
innerhalb einer bestimmten Frist tritt eine Ermäßi-
gung von 20% ein.
In Frankreich bestehen keine einheitliclien Be-
stimmungen und Tarife. Die Gebühren werden in
der Regel auf Grund der gewöhnlichen Tarifsätze
berechnet unter Erhebung eines Mindestsatzes. Für
Gesellschaftsreisen in S. gewähren die meisten Bahnen
Ermäßigungen von 40 — 50"i des gewöhnlichen
Fahrpreises. Die Höhe der Gebühren sind bei ein-
zelnen Verwaltungen durch Wettbewerbsrücksichten
stark beeinflußt.
In Rußland werden S. für Diensfreisen der
Staatsbeamten gegen Zahlung ermäßigter Gebühren
gestellt. Die letzteren betragen nach dem Tarifbuch
für Reisen von Personen und Beförderung ihres
Gepäcks (Tarif Nr. 7757), Teil III, veröffentlicht in
der Tarifsammlung der Russischen Eisenbahnen
Nr. 2323 vom 6. Februar 1914, 1-50 Rubel für
Werst und Zug, bestehend aus einem Wagen I. Kl.,
einem Wagen III. Kl. und Gepäck- oder Plattform-
wagen. Für jeden weiteren Wagen tritt der ge-
wöhnliche Personentarif nach der Platzzahl und
dem vollen Wagenraum in Kraft. Die Gebühren
für derartige S. sind von der Steuerpflicht befreit.
S. zur Beförderung von Feuerwehren, ihrer Fahr-
zeuge und Geräte werden zum Löschen von Bränden
im Geltungsbereich des allgemeinen Personentarifs
gebührenfrei befördert. — Für bestellte S. wird von
Privatpersonen Bezahlung nach den allgemeinen,
um 10 'V erhöhten Personentarifen für die benutzten
Plätze und das beförderte Gepäck erhoben. Hierzu
tritt die Staatssteuer mit 15",, der Eisenbahngebühr.
Für einen S., bestehend aus 3 Personenwagen ver-
schiedener Klassen und einem Gepäck- oder Plattforni-
wagen muß jedoch mindestens 2-50 Rubel f. d. Werst
80
Sonderzug. — Sonntagsruhe.
bis auf Entfernungen von 100 Werst und mindestens
250 Rubel für den Zug von 100-125 Werst Ent-
fernung bezahlt werden, während die Mindestgebülir
für Entfernungen über 125 Werst nur 2 Rubel
f. d. Werst beträgt. Für jeden weiteren Wagen wird
Bezahlung nach den gewöhnlichen Tarifen zuzüglich
10«<. Aufschlag oder mindestens 60 Kopeken f.d.
Wagen und Werst erhoben. In allen Mindestbeträgen
ist die Staatssteuer einbegriffen. — Für schnellzug-
mäßig beförderte S. und Einstellung von Wagen
mit Schlafplätzen treten besondere Zuschläge zu den
aufgeführten Tarifsätzen hinzu. Breusing.
Sonntagsfahrkarten (billets du dimanche),
ermäßigte Fahrkarten zur einmaligen Hin-
und Rückfahrt an Sonntagen, werden von ein-
zelnen Bahnverwaitungen für kürzere Strecken
ausgegeben. S. geben unter anderen aus
die preußischen Staatsbahnen, die Elsaß-Lo-
thringische Eisenbahn und die österreichische
Südbahn für Sonntagssonderzüge (vgl. Per-
sonentarife) sowie die schweizerischen Eisen-
bahnen.
Sonntagsruhe (Lord's day rest; repos du
dimanche; riposo domenicale). Die Unter-
brechung der Arbeit am Sonntag entspringt
dem kirchlichen Gebot der Sonntagsfeier und
dem Bedürfnis nach Ruhe und Erholung. Die
S. hat sich je nach dem Verhältnis zwischen
Kirche und Staat und der hierdurch beein-
flußten Gesetzgebung in den verschiedenen
Ländern verschieden entwickelt. Während sie
in England, Schottland und Nordamerika
schon früh eine strenge Form annahm und
diese auch beim Emporblühen von Handel
und Industrie bis heute erhalten hat, wurde
in Frankreich nach der großen Revolution
jede Unterscheidung zwischen Sonntag und
Wochentag gesetzlich verboten. Ebenso wurden
in Italien alle Strafbestimmungen beseitigt, die
über Nichtbeachtung der S. erlassen waren.
Aber auch auf diese Länder haben sich später
die allgemein sehr lebhaft auftretenden Be-
strebungen ausgedehnt, für die arbeitende Be-
völkerung auf gesetzlichem Wege die Gewährung
der S. sicherzustellen. Bereits im September 1 876
tagte in Genf ein internationaler Kongreß für
die Sonntagsheiligung, der auch für die Ein-
führung der S. im Eisenbahndienst eintrat und
zu dem Zweck eine Einschränkung des Güter-
dienstes an den Sonn- und Festtagen empfahl.
Dies gab Anlaß, daß die 1878 in Bern zur
Aufstellung eines Entwurfs für das internationale
Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtver-
kehr einberufene Konferenz ihre Beratungen
auch auf die Frage der S. ausdehnte. Die Kon-
ferenz erklärte, daß die empfohlene Maßnahme,
so erwünscht sie auch sei, als undurchführbar
angesehen werden müsse. Aber schon im folgen-
den Jahre sprach sich ein zweiter internationaler
Kongreß in Bern abermals für Einführung der
S. im Eisenbahndienst aus. Er empfahl den
Verwaltungen, den Sonntagsdienst derart ein-
zuschränken, daß künftig jeder Bedienstete
wenigstens jeden zweiten Sonntag vom Dienst
befreit werden würde (s. die Aufsätze Dienst-
und Ruhezeiten sowie Arbeiterschutz).
Auch der erste internationale Eisenbahn-
kongreß in Brüssel beschäftigte sich 1885
mit der Frage der S., allerdings ebenfalls mit
geringem Erfolg, denn er beschränkte sich
auf die Erklärung, daß eine Ausdehnung der
regelmäßig wiederkehrenden Ruhepausen und
deren Verlegung auf die Sonn- und Feiertage
sowohl den Verwaltungen wie den Bedien-
steten zum Vorteil gereichen würde. Während
der Weltausstellung im Jahre 188Q tagte in
Paris ein Congres international du repos
hebdomadaire au point de vue hygienique
et social (Paris, Genf 1890). Dieser Kongreß
stellte folgende Grundsätze auf: 1. An Sonn-
tagen soll der gewöhnliche Güterdienst ruhen
mit Ausnahme der Abfertigung von Vieh und
leicht verderblichen Waren. 2. Die Zahl der
Güterzüge ist an Sonntagen tunlichst einzu-
schränken. 3. Die Eilgutabfertigungen sind
Sonntags nur während bestimmter Stunden
geöffnet zu halten. 4. Neubau-, Bahnunter-
haltungs- und Werkstättenarbeiten sind an
Sonntagen womöglich einzustellen. 5. Bei den
Liefer- und Abfertigungsfristen der gewöhn-
lichen Güter sind Sonntage nicht in Rechnung
zu stellen. 6. Bei Festsetzung der Besoldung
ist zu berücksichtigen, daß die Bediensteten nicht
wünschen, an Sonntagen zu arbeiten. 7. Die den
Sonntagen gleich zu rechnenden Festtage sind
durch die Landesregierungen festzusetzen.
Einer der ersten Erfolge der in dieser
Weise immer von neuem geltend gemachten
Forderungen war die Aufnahme von Bestim-
mungen zur Einschränkung des Güterverkehrs
in den erwähnten Entwurf des internationalen
Übereinkommens über den Eisenbahnfracht-
verkehr, das am 1. Januar 1893 in Kraft
trat, nachdem über den Entwurf bereits seit
1878 verhandelt war. Nach diesem Überein-
kommen, dessen jetzt gültiger Wortlaut in
Abschnitt V der VBR. mit Ausführungsbestim-
mungen bekannt gegeben ist, beginnt die
Lieferfrist für die Beförderung der Ware 24
Stunden später, wenn der auf die Auflieferung
folgende Tag ein Sonntag ist ^Art. 14, Ausf.-
Best. § 6). Ist der letzte Tag der Lieferfrist
ein Sonntag, so läuft die Frist erst am dar-
auffolgenden Tag ab. Auf Eilgut sind diese
Ausnahmen nicht anwendbar. Nimmt ein
Staat in die Gesetze oder in die genehmigten
Eisenbahnreglemente eine Bestimmung über
Unterbrechung der Warenbeförderung an
Sonntagsruhe.
81
Sonn- nnd gewissen Feiertagen auf, so werden
die Beförderungsfristen im Verhältnis ver-
längert. Eine ähnliche Berücksichtigung der
Lieferfristen findet auch bei den innerstaat-
lichen Vorschriften statt (s. Lieferfristen u.
Avisieren).
In Deutschland wurde die Einschränkung
der Sonntagsarbeit schon 1869 bei Erlaß der
Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes
erwogen, aber erst durch die Novelle zur
Gewerbeordnung vom LJuni 1891 am I.April
1895 eingeführt. Demnach ist die Arbeit an
Sonn- und Feiertagen, abgesehen von beson-
ders zugelassenen Ausnahmen, für den größten
Teil der unter die Gewerbeordnung fallenden
Betriebe grundsätzlich verboten. Die Ruhe-
zeit soll 24 Stunden betragen. Wenn die
Gewerbeordnung auf den Betrieb der Eisen-
bahnen auch keine Anwendung findet, so
mußte sie doch die auf Ausdehnung der S.
auf den Eisenbahndienst gerichteten Bestre-
bungen kräftig fördern. Die Arbeiten in den
Werkstätten, die Bauarbeiten, die Unterhaltungs-
arbeiten an den Bahnanlagen, der Dienst bei
den Verwaltungsbehörden pflegten zwar mit
geringen Einschränkungen überall an den
Sonntagen zu ruhen, aber der Fahrdienst hatte
bis dahin nennenswerte Einschränkungen nicht
erfahren. Bei den nun einmal bestehenden
Lebensgewohnheiten mußte der Ausfall von
Personenzügen an den Sonntagen im allge-
meinen als ausgeschlossen angesehen werden.
Der Personenverkehr erforderte sogar an den
Sonntagen erhöhte Leistungen, namentlich
seitdem durch den Ladenschluß und die Aus-
gabe von Sonntagskarten der Ausflugsverkehr
Sonntags eine erhebliche Steigerung erfahren
hatte. Im Personenverkehr war deshalb an
Einschränkungen nicht zu denken, wohl aber
konnten diese auf dem Gebiet des Güter-
verkehrs erreicht werden. Im Jahre 1853 war
bereits das Fahren von Kohlenzügen auf der
königlichen Saarbrücker Eisenbahn von der
Aufsichtsbehörde untersagt worden. Auch hatte
man bei weiterer Entwicklung des Verkehrs
die Beobachtung gemacht, daß infolge der
Sonntags eingeschränkten und später gänz-
lich ruhenden gewerblichen Arbeit zu Beginn
der Woche ein merklicher Rückgang in der
Belastung der Güterzüge einzutreten pflegte,
der auf verkehrsreichen Strecken sogar eine
Verminderung der Zugzahl gestattete. Es lag
daher nahe, eine Anzahl von Güterzügen
schon am Sonntag ausfallen zu lassen und
die entstehenden Rückstände durch vollen
Zugverkehr am Montag wieder auszugleichen.
Dem Gedanken wurde auch durch einen
Erlaß des Ministers der öffentlichen Arbeiten an
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
die preußischen Eisenbahndirektionen im April
1883 Ausdruck gegeben. Auf diese Anregung
hin gelang es nach und nach, bis zum Jahre
1891 30*^ aller Güterzüge in dem Fahrplan
der preußischen Staatsbahnen für den Sonntag
als ausfallend zu bezeichnen. Da der Durch-
führung der S. im größeren Umfang sich
aber mancherlei Schwierigkeiten entgegen-
stellten, so beauftragte der Minister durch
Erlaß vom 8. Dezember 1891 einen Ausschuß
mit der Prüfung der weiter zu ergreifenden
Maßnahmen. Hierbei handelte es sich be-
sonders auch um die Frage der Notwendig-
keit der Herstellung von Aufstellungsgleisen
für die in ihrem Lauf am Sonntag aufge-
haltenen Güterzüge, der Unterbringung der
Lokomotiven für die Zeit des ruhenden Zug-
verkehrs, der erhöhten Aufwendung von
Wagenmieten für die nunmehr eine längere
Zeit im Bezirk sich aufhaltenden fremden
Wagen und endlich um die wichtige Frage
des erhöhten Wagenbedarfs, hervorgerufen
durch die Verzögerung des Wagenumschlags
und damit zusammenhängend um die Schaffung
von Aufstellgleisen für einen größeren Wagen-
bestand. Daß durch den Ausfall der Güter-
züge an den Sonntagen der Wagenumlauf
verzögert werden würde, stand fest. Strittig
war aber der Umfang der Verzögerung und der
daraus folgende Mehrbedarf an Wagen. Nach
eingehenden Erhebungen gelangte der Aus-
schuß zu dem Ergebnis, daß bei Einführung
voller Sonntagsruhe annähernd 8% der Wagen
fehlen und durch Neubeschaffung zu ersetzen
sein würden. Die zur Durchführung aller
dieser Maßnahmen erforderlichen, sehr erheb-
lichen Aufwendungen (vgl. Ztg. d. VDEV.
1894, S. 630) konnten vermieden oder ein-
geschränkt werden, wenn von vornherein auf
eine volle Durchführung der S. verzichtet und
diese auf die Zeit des gewöhnlichen Verkehrs
beschränkt und der Zugverkehr unbeschränkt
in den Monaten des großen Herbstverkehrs
beibehalten wurde (s. Arch. f. Ebw. 1894,
S. 201, Aufsatz von Seydel).
Aus wirtschaftlichen Gründen war diese
Lösung der Frage durchaus gerechtfertigt und
mit dieser Beschränkung wurde die S. im
Güterverkehr durch Erlaß vom 20. November
1893 auf den preußischen Staatsbahnen ein-
geführt.
Inzwischen hatte das Reichseisenbahnamt
die deutschen Regierungen zu gemeinsamem
Vorgehen aufgefordert. Nach einer Vorver-
handlung am 4. November 1892 wurde auf
Grund einer Beratung der Regierungsvertreter
am 8. Mai 1894 dem Vorgehen zugestimmt
und die S. im Güterverkehr der deutschen
82
Sonntagsruhe.
Eisenbahnen, soweit dies inzwischen nicht schon
geschehen war, vom 1. Mai 1895 ab nach
folgenden Grundsätzen eingeführt: 1. Der
Eisenbahngüterverkehr ausschließlich des Vieh-
und Eilgutverkehrs ist an Sonn- und Fest-
tagen so weit einzustellen, als solches möglich
ist, ohne daß umfassende bauliche Einrich-
tungen nötig werden und ohne daß die Be-
triebsmittel oder das Personal vermehrt werden
müssen. Auch abgesehen hiervon ist es zu-
lässig, an Sonn- und Festtagen einzelne Güter-
züge zu fahren, sofern und insoweit das durch
besondere Bedürfnisse des Verkehrs und des
Wettbewerbs mit dem Ausland erforderlich
werden sollte. 2. Es ist zulässig, Güter, die
aus besonderen wirtschaftlichen Rücksichten
eine Verzögerung in der Beförderung nicht
vertragen, z. B. leicht verderbliche Güter, regel-
mäßig auch an Sonn- und Festtagen zu fahren.
3. Als Festtage gelten der Neujahrstag, Kar-
freitag, der zweite Ostertag, Himmelfahrt, der
zweite Pfingsttag und die beiden Weihnachts-
tage. Über sonstige Festtage bleibt Vereinbarng
vorbehalten. 4. Volle Ruhe im Güterverkehr
tritt ein für die Zeit von 4 Uhr morgens bis
8 Uhr abends. Die übrigen Stunden dienen
zur Überleitung des Dienstes in die Ruhe
und umgekehrt. 5. Die Fahrbediensteten sind
bis 4 Uhr morgens in die Heimat zurück-
zuführen und bis 6 Uhr abends außer Dienst
zu stellen. 6. Für die Zeit des stärksten Ver-
kehrs ist eine zeitweilige Einschränkung oder
völlige Aufhebung der S. zulässig. 7. Es bleibt
vorbehalten, Erfahrungen über die Frage zu
sammeln, ob eine Verlängerung der Liefer-
fristen unvermeidlich sein wird. — Zur Durch-
führung der Ziffern 1, 2, 4 und 6 der Grund-
sätze vom 8. Mai 1894 ist zwischen den süd-
deutschen Staatseisenbahnen ein besonderes
Übereinkommen getroffen worden. Eine Ver-
längerung der Lieferfristen haben die deutschen
Eisenbahnen nicht eintreten lassen. — Die an
die Einführung der S. im Güterverkehr ge-
knüpften Erwartungen haben sich erfüllt. Es
konnten einzelne Güterbahnhöfe oder Bahn-
hofsteile Sonntags vollständig geschlossen
werden. Es wurde erreicht, daß nunmehr
Yj sämtlicher Eisenbahnbediensteten grund-
sätzlich an allen Sonn- und Festtagen vom
Dienst befreit werden konnte. Durch die all-
gemeine Bestimmung, daß auch den diese
Vergünstigung nicht genießenden Bediensteten
des Fahrdienstes, des Verkehrs- und Bahn-
bewachungsdienstes an jedem zweiten, minde-
stens aber an jedem dritten Sonntag Gelegenheit
zum Kirchenbesuch zu geben ist, sowie durch
tunlichste Verlegung der planmäßigen Ruhe-
tage auf die Sonntage ist auch diesen Bedien-
steten Gelegenheit zur Erfüllung ihrer reli-
giösen Pflichten gegeben.
Über die Bedienung des Güterverkehrs an
den Sonn- und Festtagen bestimmt § 63 der
EVO., daß die Eisenbahn Frachtgut nicht an-
zunehmen braucht. Eilgut anzunehmen ist sie
verpflichtet, wenn Zoll- und steueramtliche
Behandlung kein Hindernis bieten. Die Dienst-
stunden, während der die Güter aufzuliefern
sind, hat die Eisenbahn festzusetzen und
durch Aushang am Schalter bekanntzugeben.
Wagenstandgeld ist nur zu zahlen, wenn die
Ladefrist schon am Tage vorher nachmittags
2 Uhr ablief. Folgen mehrere Sonn- und
Festtage aufeinander, so ist nur für einen
Tag Wagenstandgeld zu erheben. Die Fristen
für Lagergeld und Standgeld ruhen an Sonn-
und Festtagen für die Dauer einer Zoll- oder
steueramtlichen oder polizeilichen Abfertigung.
Bei Eilgut, das an Sonn- und Festtagen an-
kommt, kann die Benachrichtigung des Emp-
fängers erst am folgenden Morgen verlangt
werden (§ 79). Endlich bestimmt § 80, daß
an Sonn- und Festtagen nur Eilgut auszu-
liefern ist. Auch die Annahme von Tieren
zur Beförderung findet an Sonn- und Fest-
tagen nicht statt (§ 43).
Seit Einführung der S. hat der Güterver-
kehr dauernd zugenommen und häufig die
Anspannung aller Kräfte erfordert. Es ist des-
halb notwendig geworden, die S. im Güter-
verkehr nicht nur, wie es von vornherein
vorgesehen war, regelmäßig während der
Herbstmonate, sondern auch zu anderen Zeiten
einzuschränken oder ganz aufzuheben. Das
Bedürfnis hierfür macht sich zuerst bemerkbar
durch Knappheit oder Mangel an Wagen.
Um nun jedesmal nur solche Züge während
der S. in Gang zu setzen, die am meisten
geeignet sind, den Umlauf derjenigen Wagen-
gattung zu beschleunigen, an der es haupt-
sächlich fehlt, so sind über das Fahren von
Zügen während der S. zwischen den ein-
zelnen Verwaltungen des Staatsbahnwagen-
verbandes eingehende Vereinbarungen ge-
troffen. Sie lauten auszugsweise für die west-
lichen Eisenbahndirektionen :
Das Ablassen von Bedarfsgüterzügen mit Aus-
nahme der Bedarfseilgüter- und Viehzüge ist bei
voller S. nur in dringenden Fällen gestattet.
An Sonnabenden oder Tagen vor Festtagen
dürfen auch von Zwischenstationen hinter dem als
letzten fahrplanmäßigen Güterzug vereinbarten Zug
Bedarfszüge nicht mehr abgelassen werden. Die
ausnahmsweise Ablassung von Bedarfsgüterzügen
darf nur nach Verständigung seitens der Abgangs-
station mit der ZielstaHon und den Zwischen-
stationen, für die der Zug Wagen befördern
soll, geschehen. Die Züge sind den Stationen vor-
Sonntagsruhe.
83
zumelden und der Eisenbahndirektion telegraphisch
mitzuteilen.
Bei drohendem Wagenmangel sind jedoch auf
besondere Anordnung der Eisenbahndirektion die
Bedarfsleerwagenzüge auch an Sonn- und Festtagen
zu befördern.
Bei Mangel an offenen und bedeckten Wagen
wird die S. im Qüterzugdienst nach besonderen
Plänen teilweise eingeschränkt. Es bedeutet:
Plan S: Kleiner Mangel an offenen Wagen im
Ruhrgebief.
Plan SS: Größerer Mangel an offenen Wagen
und Abfuhrschwierigkeiten infolge erheblicher Wagen-
ansammlung im Ruhrgebiet.
Plan A: Mangel an offenen Wagen.
Plan B: Mangel an bedeckten Wagen.
Plan C: Allgemeinen Wagenmangel.
Die Einschränkung der S. tritt nicht schon ohne-
weiters bei Bekanntgabe von Wagenmangel ein,
sondern wird durch Umlauftelegramme seitens der
Direktion angeordnet.
Die Aufnahme der Arbeiten auf den Qüterböden
bei Plan B und C wird in den Umlauftelegrammen
der Direktion besonders angeordnet.
In Österreich und Ungarn hat sich die
Einführung der S. im Eisenbahndienst in
ähnlicher Weise vollzogen wie in Deutschland.
Durch die Novelle zur Gewerbeordnung vom
8. März 1885, an deren Stelle das Gesetz
vom 16. Januar 1895 trat, wurde die S. in
Österreich und durch das Gesetz vom 14. Mai
18QI in Ungarn eingeführt. Hierzu wurde
vom österreichischen Handelsminister im RGB.
1895, Nr. 58 eine Verordnung erlassen, nach
der Eilgut bei den Eisenbahnen und Dampf-
schiffen auch Sonntags aufgegeben und den
Empfängern zugestellt werden darf. Auch das
Be- und Entladen der Wagen auf Anschluß-
gleisen ist hiernach erlaubt, wenn andernfalls
im Vergleich zur Abfertigung auf den Gleisen
des öffentlichen Verkehrs erhöhte Kosten für
Standgeld u. s. w. entstehen würden. Auch
in Österreich-Ungarn sind die Eisenbahnen
der Gewerbeordnung nicht unterworfen. Ihren
Einwirkungen konnten sich die Eisenbahn-
vcrwaltungen aber nicht entziehen. Sie be-
schlossen deshalb nach eingehenden Erhe-
bungen eine Einschränkung des Güterverkehrs
nach ähnlichen Leitsätzen, wie sie auf den
deutschen Eisenbahnen eingeführt sind. Durch
ministerielle Anordnung trat dieser Beschluß
am 1. Mai 1898 in Kraft. Als Feiertage, die
wie Sonntage zu behandeln sind, wurden der
Neujahrstag, der zweite Ostertag, Himmelfahrt,
der zweite Pfingsttag, Fronleichnam, Allerhei-
ligen sowie die beiden Weihnachtstage festgesetzt
und die Lieferfristen um diese Tage allgemein
verlängert. Über die Einschränkung der Eilgut-
und Güterbeförderung enthält das öster-
reichisch-ungarische Betriebsreglement die auch
in das VBR. aufgenommenen Bestimmungen,
die mit den für die deutschen Eisenbahnen
durch die EVO. getroffenen Anordnungen
sachlich übereinstimmen.
In Belgien gilt das Gesetz über die S. vom
17. Juli 1905 auch für die Eisenbahnen (s. Dienst-
und Ruhezeiten). Nach ministerieller Vorschrift sind
die Stationen der belgischen Staatsbahnen an Sonn-
und Feiertagen nur für den Verkehr von Personen,
Gepäck und Frachtstücken, die durch Eilboten zu
bestellen sind, Geldsendungen, Wertpapiere, von
Pferden und Fahrzeugen als Eilgut und von Leichen,
frischen Fischen und einigen anderen Gegenständen
geöffnet. Die Stadtbureaus sind vollständig ge-
schlossen. Die Anschlußgleise werden nicht bedient.
In Dänemark ist am 3. April 1891 und in
Norwegen am 27. Juni 1892 die gesetzliche S.
eingeführt.
In Frankreich ist die S. gesetzlich nicht ge-
regelt, doch werden die Bahnhöfe auf ministerielle
Anordnung an Sonn- und Festtagen um 9 Uhr vor-
mittags für Frachtgut und um 10 Uhr vormittags
auch für eilgutmäßig zu befördernde Gegenstände
geschlossen. Das gesamte Personal der Direktionen
und ihrer Abteilungen, der Hauptmagazine und
Werkstätten ist Sonn- und Festtags dienstfrei. Für aus-
nahmsweise Heranziehung zum Dienst werden Ersatz-
ruhepausen gewährt, so daß für jeden Bedien-
steten 52 Ruhetage sich ergeben (s. Dienst- und Ruhe-
zeiten). Nach Ministerialerlaß vom 9. Mai- 1S91
darf Eil- und Frachtgut den Empfängern, die es
beantragen. Sonn- und Festtags nicht zugestellt
werden.
In Italien ist die S. nicht gesetzlich geregelt.
Für den Eisenbahndienst an Sonn- und Feiertagen
sind daher die von der Verwaltung getroffenen
Bestimmungen maßgebend. Die den Eisenbahn-
bediensteten zu gewährenden Ruhezeiten sind durch
königliche Verordnung festgesetzt, doch enthält
diese keine Vorschriften über Dienstbefreiungen an
Sonn- und Festtagen.
In den Niederlanden besteht keine gesetz-
liche Regelung der S. Die Eisenbahnen lassen aber
den Güterzugverkehr seit dem 1. Juli 1895 an
Sonn- und Festtagen ruhen, nachdem die Regierung
sie von der Pflicht entbunden hat, an diesen Tagen
Güter anzunehmen, abzuholen oder auszuliefern und
zu bestellen sowie die Sonn- und Festtage bei den
hierfür festgesetzten Fristen anzurechnen. Ebenso
fallen diese Tage bei Berechnung der Lager- und
Magazingelder und der Wagenmieten aus.
In der Schweiz ist die Sonntagsarbeit durch
Bundesgesetz vom 23. März 1879 verboten. Durch
Gesetz vom 27. Juni 1890 wurde die S. auf die
Eisenbahnanlagen ausgedehnt und für den Güter-
dienst mit Ausnahme der Beförderung von Vieh
und Eilgut an Sonn- und Festtagen unbedingte
Ruhe angeordnet. Als Festtage gelten Neujahr,
Karfreitag, Himmelfahrt, Weihnachten und weitere
kantonale Festtage, aber nicht über 8 einschließlich
der genannten. Nach § 59 des Transportreglements
wird die Annahme von Gütern an den Vorabenden
von Sonn- und Festtagen um 5 Uhr nachmittags
geschlossen. Nach § 106 ist die Verwaltung zur
Abholung, Zustellung und Avisierung von Gütern
an Sonn- und Festtagen nicht verpflichtet.
In Rußland bezeichnet das Fabrikgesetz vom
2. (14.) Juni 1897 die Sonntage und eine Anzahl
Feiertage als Ruhetage. Auch nach dem russischen
Handelsgesetz darf an Sonn- und hohen Feiertagen
nicht gearbeitet werden. Im Eisenbahndienst schreitet
die Regelung der S. im Sinne der in den west-
lichen Nachbariändern getroffenen Maßnahmen nur
langsam vorwärts.
84
Sonntagsruhe. - Southern Pacific Company.
In England wird an den Sonntagen Dienst und
Arbeit mehr als in anderen Ländern vcrniicdcn.
Die strenge Einhaltung der S. hat die Entwicklung
des Eisenbalin\erl<ehrs von seiner Entstehung an
so stark beeinfhißt, daß auch im Fahrdienst eine
in anderen Ländern ganz unbekannte S. stattfindet.
Der Güterverkehr ruht gänzHch und selbst für den
Personenverkehr wird nur eine beschränkte An-
zahl von Zügen gefahren. Der Zugverkehr an Sonn-
tagen weicht deshalb vom Verkehr an den Wochen-
tagen so erheblich ab, daß für den Sonntagsdienst
besondere Fahrpläne aufgestellt werden müssen.
In den Bureaus der Verwaltungen wird, wie auch
im sonstigen Qeschäftsleben, am Samstag nur bis
1 Uhr mittags gearbeitet. Die Schalter für den
Güterenipfang werden um 3 Uhr, für den Versand
um 4 Uhr nachmittags geschlossen. Um dieselbe
Zeit beginnt ein starker Personenverkehr von den
Qeschäftsplätzen hinaus nach den Wohnstätten und
Erholungsorten, dem dann am Sonntag eine völlige
Ruhe bis zum Abend, wo die Rückkehr beginnt,
folgt. Während der S. verkehren im Fernverkehr
nur einige wenige Züge, deren Ausfall eine unzu-
lässige Unterbrechung wichtiger Verkehrsbeziehungen
zur Folge haben würde. -Sonntagsarbeit und Sonn-
tagsdienst wird in England ähnlich behandelt wie
Oberstunden über die gewöhnlichen Tagesleistungen
hinaus oder wie der Nachtdienst (s. d.). Die Eisen-
bahnen vergüten die Sonntagsleistungen auch höher
und gewähren hierfür Zuschläge von 25 — 50^;^. Der
Sonntagsdienst wird nur dann nicht besonders an-
gerechnet, wenn ihm eine Ruhe von 24 Stunden
vorausging oder wenn er die Verlängerung einer
Wochentagsschicht bildet. Auf der Midiandbahn
erhält das Lokomotivpersonal der Güterzüge für
den nach 7 Uhr endenden Dienst der abgelaufenen
Woche, soweit er in den Sonntag fällt, SO«;» Lohn-
zuschlag, für andern Sonntagsdienst wie das übrige
Personal aber nur 25 °i. Auf der großen Westbahn
erhält das ganze Personal 50 ",0 Lohnzuschlag, so-
weit der Dienst die wöchentlich zu leistenden
6 Schichten überschreitet. Die große Ostbahn ver-
gütet 25"» Zuschlag. Ihre Stellwerksweichensteller
erhalten ihn aber nur dann, wenn eine besondere
Sonntagsschicht über 5 Stunden geleistet wird und
sie keinen Ruhetag in der Woche gehabt haben
(vgl. Arch. f. Ebw. 1912, S. 677).
In den nordamerikanischen Staaten besteht
ebenfalls gesetzliche S. und eine fast ebenso strenge
Auffassung über ihre Einhaltung, auch im Eisen-
bahndienst wie in England. Breusing.
South Eastern and Chatham Railway
(619 engl. Meilen). Die Linien der South
Eastern Railway und jene der London Chatham
and Dover Railway wurden auf Grund einer
Parlamentsakte vom Jahre 1899 zu einer Be-
triebsgemeinschaft vereinigt. Die Hauptlinie
der ersteren (gegründet 1836) führt von London
über Tonbridge, Ashford nach Folkestone und
Dover. Die Hauptlinie der London Chatham
and Dover Railway (gegründet 1853) führt von
London über Farmingham, Chatham, Favers-
ham, Canterbury nach Dover.
Southern Railway (Vereinigte Staaten
von Amerika) erhielt ihren Freibrief am
20. Februar 1894 vom Staate Virginia, hat
ihren Sitz in Richmond (Virginia). Länge
1 1.330 km, davon im Eigentum 6825 km. Ihre
Hauptlinien durchziehen die Staaten Virginia,
Nord- und Südcarolina, Georgia, Tennessee, i
Alabama, Mississippi, Kentucky, Indiana, Illinois. i
Ihre westlichen Endstationen sind St. Louis und
Memphis, die östlichen Ausgangspunkte Wa-
shington, Norfolk, Charleston, Savannah bis
hinunter nach Florida. Die Richtung der
Hauptstrecke ist eine westöstliche und nord-
südliche. An die Hauptlinien schließen sich
eine große Anzahl Nebenbahnen an, die
wesentlich als Zufuhrbahnen dienen. Das durch
den Freibrief genehmigte Anlagekapital besteht
aus 350 Mill. $ Aktien, wovon aber erst ,
1 20 Mill. $ gewöhnliche und 60 Mill. .§ Vorzugs- i
aktien ausgegeben sind, und 195 Mill. 5 Bonds.
Die Bahn hat in den ersten Jahren 1V2%
Dividende auf die Vorzugsaktien verteilt, im |
Jahre 1912 A'^j^^, 1913 5%.
Die S. hat eine lange Vorgeschichte. Ihre
Vorgängerin war die Richmond Terminal Cy.,
eine Gemeinschaft von einer Reihe größerer
und kleinerer Bahnen, deren Hauptbestandteile
die Richmond und Danville-Eisenbahn (ge-
gründet 1856) und die Fast Tennessee, Virginia
und Georgia-Eisenbahn (gegründet 1869)
bildeten. Diese beiden und eine Anzahl
kleinerer Bahnen haben sich wiederholt zu-
sanunengeschlossen und wieder getrennt, eine
Zeitlang standen sie unter der Kontrolle der
Pennsylvaniabahn, die sich aber dieses un-
sicheren Besitzes bald entäußerte. Die meisten
der Bahnen haben wiederholt ihre Zahlungen
eingestellt, sind auch zwangsweise verkauft
worden. Sie waren fast alle mangelhaft gebaut
und schlecht mit Betriebsmitteln ausgestattet. ■
Bei den verschiedenen, immer erneuerten Re-
organisationsplänen ging es nicht sauber her,
die Aktionäre und die Obligationäre haben viel
Geld eingebüßt, bis der letzte, von der Firma
Drexel, Morgan & Cie. im Jahre 1893 vor-
geschlagene Plan mit allerdings großen Verlusten
der verschiedenen Interessenten zum Ziel
führte. Die S. hat sich seitdem langsam er-
holt, wenngleich ihre Finanzverhältnisse immer
noch nicht gesichert sind. Sie gehört jetzt zu
den 5 großen Eisenbahngruppen, die das süd-
liche Gebiet der Vereinigten Staaten zwischen
dem Atlantischen Ozean und dem Mississippi ,
beherrschen. Es sind dies außer ihr die Atlantic
Coast Line, die Seaboard Air Line, die Louisville,
Nashville und die Illinois Central-Eisenbahn.
Z./yfrato/-.-Daggett,RaiIroad reOrganization (1908):
The Southern (S. 146-191). v.dcrLeyen.
Southern Pacific Company (südliche
Überlandbahn) ist eine der größten Eisenbahn- '■
und Dampfschiffahrtsunternehmungen der Ver-
einigten Staaten. Die Gesellschaft ist am 1 7. März i
Southern Pacific Company. - Spanische Eisenbahnen.
85
1884 unter den Gesetzen des Staates Kentucky
gegründet. Obgleich sie ihren Schwerpunkt
in dem Staat Kalifornien hat, zogen die Gründer
— an erster Stelle die großen Eisenbahnkönige
des Westens der Vereinigten Staaten, C. P.
Huntington (s. d.) und Leland Stanford —
vor, sich von Kentucky die Konzession erteilen
zu lassen, weil sie fürchteten, daß die Gesetz-
gebung des Staates Kalifornien ihnen einmal
unbequem werden könnte. Die Eisenbahnlinien
der Gesellschaft erstrecken sich von Portland
in Oregon über San Francisco und Los Angelos
bis nach New Orleans und Galveston in einer
Länge von fast 5000 km. Von dieser Hauptlinie
gehen nach verschiedenen Richtungen Seiten-
linien ab, die insbesondere die südlichen und
westlichen Gebiete Kaliforniens durchziehen.
Die Gesellschaft hat mehrere größere Eisenbahn-
linien, die früher selbständig waren, teils durch
Kauf, teils durch Pachtung erworben und zu
einem Ganzen vereinigt. Die hauptsächlichsten
dieser Gesellschaften sind die Central Pacific-
Eisenbahn (s.d.), die Southern Pacific Gesell-
schaften von California, von Arizona und von
Neu-Mexico, die Oregon and California-Eisen-
bahn (von Portland in Oregon nach San Fran-
cisco), die Galveston, Harrisburgh and San
Antonio-Eisenbahn und mehrere kleinere Linien.
Durch Neubau und Erwerb anderer Bahnen
sowie durch Verkauf einzelner Strecken hat sich
das Netz im Lauf der Jahre wiederholt geändert.
Die S. war lange Zeit zu einer Betriebs- und
Finanzgemeinschaft mit der Union Pacific Ry.
verbunden (s. d.). Durch Urteil des höchsten
Gerichtshofs vom 2. Dezember 1912 ist diese
Gemeinschaft auf Grund des Sherman- (Anti-
trust-) Gesetzes aufgelöst und die beiden Netze
sind am 30. Juni 1913 getrennt worden. Der
Verkehr zwischen New Orleans, Galveston,
Veracruz und den übrigen südöstlichen Häfen
der Vereinigten Staaten und Mexicos mit New
York und den anderen nordöstlichen Hafen-
plätzen wird durch Dampfer vermittelt, die
Strecken in einer Gesamtlänge von etwa 7000/^/«
durchfahren.
Das Gesamtnetz der S. hatte am 30. Juni 1913
einen Umfang von 16.196 km, wovon 10.658/^/«
im Eigentum und 5538 km im Pachtbetrieb der
Gesellschaft standen. Das Anlagekapital betrug
272,672.406 Ä in Aktien und 165,581.910*
in Bonds. An Dividenden sind seit 1907 regel-
mäßig t% auf die gewöhnlichen Aktien aus-
geschüttet worden. Wie bei den meisten der
großen amerikanischen Bahnen, sind auch bei
der S. die Finanzverhältnisse höchst unklar.
Ober den Betrieb und die auf den wett-
bewerbsfreien Strecken erhobenen unverhältnis-
mäßig hohen Tarife wurde früher viel geklagt.
Literatur außer den Jahresberichten, den Mit-
teilungen in Poors Manual: van Oss, The Southern
Pacific System in dessen Buch: American Railroads
as investments. 1893, S. 689 ff. v. der Leveii.
Spanische Eisenbahnen (mitKarte,Taf.lI.).
Inhaltsübersicht: 1. Geschichte, a) Bis 1876.
b) Die neuere Zeit, c) Der gegenwärtige Zustand.
- 2. Bau. - 3. Betriebsmittel. - 4. Betrieb. -
5. Verkehr und Tarifwesen. — 6. Nebenbahnen. -
7. Aufsichts- und Verwaltungsbehörden.
1. Geschichte.
a) Bis 1876.
Der im Mittelalter so blühende Handel und
Verkehr Spaniens war im Lauf der Jahrhunderte
immer mehr zurückgegangen. Besonders das
von jeher arg vernachlässigte Straßenwesen ent-
sprach in keiner Weise den Bedürfnissen des
Verkehrs. Erst unter Carl Xlll. wurden etwa
2000 km Landstraßen gebaut, im übrigen gab
es nur für Reiter und Viehherden zugängliche
Saumpfade und Wege.
Mit dem Aufschwung des Eisenbahnwesens
schien auch für Spanien eine bessere Zeit an-
brechen zu wollen. Die erste Konzession wurde
schon 1830 erteilt, u. zw. für eine Eisenbahn von
Jerez nach der Hafenstadt Santa Maria Rota
nördlich von Cadiz. Allein diese Bahn kam
nicht zur Ausführung. Erst gegen 1843 nach
Beendigung der Bürgerkriege wurden wieder
Eisenbahngenehmigungen erteilt, so für Bar-
celona-Mataro und für Madrid-Aranjuez. Erstere
Linie wurde 1848 als erste Eisenbahn der
pyrenäischen Halbinsel eröffnet. Infolge Ge-
nehmigung weiterer Eisenbahnen — Madrid-
Cadiz, Avila-Leon — wurden durch königliche
Verordnung vom 31. Dezember 1844 die ersten
Grundsätze für Eisenbahnbewilligungen fest-
gestellt. Ein vom Generalrat der Ingenieure
auf Veranlassung der Regierung erstatteter Be-
richt empfahl Unterstützung der Bewerber,
Forderung der Vorlage vollständig ausgear-
beiteter Bau- und Betriebspläne und Stellung
eines Haftgeldes von ""/lo ^^■' veranschlagten
Baukosten. Die Regierung trat diesem Gutach-
ten mit der Maßgabe bei, daß vorläufige Ge-
nehmigungen jedem Bewerber erteilt werden
sollten. Hierbei sollten für Vorlage des Bau-
plans und des Haftgeldes 12—18 Monate
Frist bewilligt und es sollte den Bewerbern
dasVorrecht vor anderen Bewerbern zugestanden
werden. Die Folge hiervon war ein schwung-
voller Handel mit Baugenehmigungen. Wenn
alle damals genehmigten Eisenbahnen zur Aus-
führung gekommen wären, würde Spanien das
dichtmaschigste Eisenbahnnetz Europas haben.
Stattdessen entwickelte sich dieses recht langsam.
Es waren im Betrieb: 1848 28 km, 1855
475 ÄOT, 1860 1912 ÄOT, 1865 4823 >^w, 1870
5469 Ä/n, 1875 6134 km, 1880 1511 km, 1885
86
Spanische Eisenbahnen.
8933 km. Von allen in den Jahren 1 845/46
genehmigten Bahnen sind, abgesehen von
Barcelona-Mataro, zunächst nur die Linien
Madrid -Aranjuez (eröffnet 1852), Sama de
Langreo-Gijon (eröffnet 1852) und Valencia-
Jativa (eröffnet 1854) ausgeführt worden.
Der Mangel eines einheitlichen, weitaus-
bückenden Anlageplans oder vielmehr das
Unterlassen einer folgerichtigen Durchführung
eines solchen, ferner der Kampf der Gesell-
schaften untereinander trugen nicht wenig
dazu bei, viele Erwartungen und berechtigte
Hoffnungen zu täuschen. Auf Grund weit-
läufiger, jedoch ungleichwertiger Vorarbeiten
wurde im Jahre 1854 der erste allgemeine
Plan eines Eisenbahnnetzes veröffentlicht. Er
umfaßte 7798 km Eisenbahnen mit einem
Kostenvoranschlag von 1296 Mill. Pesetas',
wobei der Staat eine Beihilfe in unterschied-
licher Form, als gewöhnliche Unterstützung,
rückzahlbare Vorschüsse oder Zusatzunter-
stützung bis zu 421/2^^ des Voranschlags, zu
leisten sich verpflichtete.
Um dem Handel mit Baugenehmigungen
entgegenzuwirken, brachte die Regierung 1848
einen Gesetzentwurf ein, der die vorläufigen
Bewilligungen untersagte und den Unterneh-
mern eine 6 % ige Kapitalsverzinsung zusicherte.
Zugleich ließ sie Ermittlungen über den Bau
von 4 großen, von Madrid ausgehenden Bahnen
anstellen nach Frankreich, Portugal, Cadiz und
einem Mittelmeerhafen. Obwohl der Entwurf
nicht Gesetz wurde, dienten seine Grundsätze
doch als Richtschnur für die Verwaltung.
1850 erschien ein neuer Gesetzentwurf, der
die Eisenbahnen in solche allgemeiner und
solche örtlicher Wichtigkeit einteilte, für jede
Baugenehmigung ein besonderes Gesetz ver-
langte und eine Zinsgewähr von höchstens
6 % vorsah. Auch diese Vorlage blieb Entwurf,
es wurde dann 1851 ein vorläufiges Gesetz er-
lassen, das 6 *(7 Zinsgewähr vorsah, aber die
Unternehmer verpflichtete, der Zinsgewähr zu
entsagen, wenn das endgültige Gesetz sie ver-
weigern sollte. Die politischen Wirren verhin-
derten die Annahme des Gesetzes, die Regie-
rung wandte indessen seine Bestimmungen
eigenmächtig auf die Bahnen Madrid-Aranjuez
und Madrid-li;un an. Einen weiteren, sich an
belgisches Vorbild anlehnenden Gesetzentwurf
bereitete der Minister der öffentlichen Arbeiten
Reinoso vor, der aber auch nicht beraten,
trotzdem jedoch von der Regierung für rechts-
gültig erklärt wurde, die auf ihn gestützt mit
dem bekannten Finanzmann Jose Salamanca
zur Erbauung der Bahnen Madrid-Miranda-
und Miranda-Burgos Verträge abschloß, die
' 1 Pesetas = OSO M. = 005 Kr.
aber später hinfällig wurden. Gleichzeitig kaufte
die Regierung die Linie Madrid-Aranjuez und
baute für Rechnung des Staates die Linien
Malaga-Almodovar del Rio, Soenellasnos-Cuidad
Real und Sevilla-Cadiz. Der Betrieb wurde der
Salamanca-Eisenbahn auf 5 Jahre verpachtet. Um
sich die nötigen Mittel zu verschaffen, gab sie
ferner „Aktien der Eisenbahnen und Straßen«
aus und erteilte trotz des Widerspruchs des
königlichen Rates weitere Baugenehmigungen
mit Unterstützungen oder Zinsgewähr von 6%.
Allein dieses und weiteres ungesetzliches Ver-
halten der Regierung regte die öffentliche
Meinung in hohem Grade auf und führte
wesentlich mit zur Revolution von 1854. Die
neue Regierung beschäftigte sich alsbald wieder
mit der Eisenbahnfrage. Zuvörderst setzte sie
einen Ausschuß ein zur strengen Untersuchung
der seitherigen Genehmigungs- und Vertrags-
wirtschaft. Er erklärte die meisten Bewilligungen
für nichtig, die anderen wurden durch be-
sondere Verordnungen geregelt.
Ein Ausschuß wurde mit Ausarbeitung eines
Gesetzentwurfs über Eisenbahnen betraut. Das
von ihm unterm 3. Juni 1885 vorgelegte Gesetz
bestimmte folgendes:
1. Die Eisenbahnen werden eingeteilt in
solche allgemeiner und solche besonderer Be-
deutung. Von den ersteren sind die von Ma-
drid ausgehenden Hauptbahnen erster Ordnung
und sollen als Bestandteil des Staatseigentums
behandelt werden.
2. Die Genehmigung von Linien, die vom
Staat oder Privaten gebaut werden, kann nur
die Regierung aussprechen mit Bewilligung
von Unterstützung oder Zinsengewähr. Ge-
nehmigungen sind Gegenstand öffentlichen
Zuschlags, ihre Dauer ist bei Hauptbahnen
99 Jahre und ihr hat eine Haftgeldbestellung
von 1 % des Anschlags vorherzugehen.
3. Die Spurweite der Hauptbahnen beträgt
1-674 m.
4. Die Tarife setzen sich aus Wegegeld und
Beförderungsgebühr zusammen.
5. Die Bauausführung hat auf Grundlage
der von Staatsbaubeamten oder von Gesell-
schaften aufgestellten Pläne zu erfolgen.
Dieses Gesetz bildet die Grundlage für spätere
Eisenbahngesetze ebenso wie eine am 14. No-
vember 1855 erfassene Polizeiverordnung für
ähnliche Verordnungen.
Die Revolution von 1868 änderte vorüber-
gehend wieder alles, dem Eisenbahnbau wurden
die vollsten Freiheiten gewährt, dagegen die
den Gesellschaften bewilligten Unterstützungen
aufgehoben. Doch schon ein Gesetz von 1870
billigte wieder kilometrische Beihilfen bis zu
60.000 Franken zu.
Spanische Eisenbahnen.
87
Anfangs war es englisches Geld, später auch
französisches, das unter anscheinend günstigen
Bedingungen zum Eisenbahnbau herangezogen
\xurde. Die Regierung entschloß sich auch
noch zur Gewährung weitgehender Steuer- und
Zollbefreiungen. Letzteres schien geboten, weil
in Spanien weder Eisenbahnbau-, noch rol-
lendes Material erzeugt wurde. Den Genehmi-
gungsanträgen war zu diesem Zweck ein Ver-
zeichnis der einzuführenden Gegenstände, ihr
ungefährer Wert, Gewicht, etwaige Höhe des
Zolles und Angabe des Einfuhrhafens beizu-
fügen. Die Zollbefreiung für festes und rol-
lendes Material erstreckte sich auf 10 Jahre
nach Vollendung des Baues. Die Gesellschaft
hinterlegte den Zoll, doch war das Erstattungs-
verfahren langwierig.
Durch ein Ges. vom 31. Dezember 1891
wurden alle früheren Verordnungen über Zoll-
begünstigungen aufgehoben und wesentlich
abgeänderte Vorschriften über die Verzollung
einzuführender Eisenbahnmaterialien erlassen.
Das Genehmigungswesen lag in den ersten
Jahrzehnten des spanischen Eisenbahnbaues
ziemlich im argen. Viele Genehmigungen
wurden planlos nachgesucht und erteilt, oft
gar nicht oder nur stückweise, meist zunächst
die leichtesten Strecken verwirklicht. Schon in
den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts
hatten der Mangel einer namhaften Industrie und
politische Wirren viele Unternehmungen trotz
oder vielleicht gerade wegen der verhältnismäßig
hohen Genehmigungstarife in eine mißliche
Lage gebracht. Um aber einem Bankrott der
Eisenbahnen vorzubeugen, verfügte das Cortes-
gesetz vom 12. November 1869, daß Eisen-
bahngesellschaften, die Zinsen- und Tiigungs-
beträge zu zahlen nicht in der Lage seien, den
Gläubigern einen Vergleich (convenio) anbieten
können durch Vermittlung des Gerichts, das
entsprechende Fristen zur Erklärung der Gläu-
biger festsetzt. Häufig kam es der hohen Kosten
wegen auch zum außergerichtlichen Vergleich.
Aber auch wenn die Gesellschaft für bank-
brüchig erklärt wird, darf der Betrieb doch
keinesfalls unterbrochen werden.
1856 wurde einem Pariser Finanzmann die
Genehmigung für den Bau der nordspanischen
Eisenbahn erteilt, d.h. für die Hauptlinie Madrid-
Irun nebst Zweigbahn Venta de Bagnos-Alar
del Rey. Diese erste Bahn nach Frankreich
wurde am 15. August 1864 bis Irun eröffnet.
Die nordspanische Eisenbahn dehnte ihr Netz
aus, geriet aber in Geldschwierigkeiten. Es gelang
ihr jedoch, sich emporzuarbeiten, so daß sie 1885
das ganze Netz der asturischen, galicischen und
der Eisenbahnen bei Leon an sich bringen, bald
nachher auch die französische und katalonische
Inhabergruppe von Aktien mit sich vereinigen
konnte. Die spanische Nordbahn (s. d.) hatte als
Hauptwettbewerberin zunächst die Tarragona-
Barcelona Francia- und die Almansa-Valencia-
Tarragona-, sodann die Madrid-Saragossa-Ali-
cante-Eisenbahn, es kam aber im Lauf der
Jahre zu Verständigungen, besonders als eine
Gesellschaft der großen spanischen Zentralbahn
auftrat. Die erstgenannten Bahnen wurden von
der spanischen Nordbahn erworben. Die Grund-
lage der großen spanischen Zentralbahn aber
bildeten die Madrid-Caceres-Portugal-Eisenbahn
und die spanische Westbahn. Bei beiden war
die königlich portugiesische Eisenbahngesell-
schaft beteiligt (s. Portugiesische Eisenbahnen).
Um das Jahr 1895 hatten sich die spanischen
Eisenbahnverhältnisse einigermaßen gefestigt und
es hatten sich die 4 großen spanischen Eisenbahn-
netze gebildet, deren Gesellschaften noch heute
die Hauptverkehrsbeziehungen Spaniens regeln.
b) Die neuere Zeit.
In den Jahren 1876 und 1877 wurden die
Grundlagen für den Begriff der öffentlichen
Arbeiten und was damit zusammenhängt in
Spanien gesetzlich festgelegt. Darnach sind
öffentliche Arbeiten entweder allgemeine, oder
provinziale, oder Gemeindearbeiten. Zu den
allgemeinen öffentlichen Arbeiten gehören die
Eisenbahnen von nationaler Bedeutung und
die übrigen Eisenbahnen von allgemeiner Be-
deutung hinsichtlich der Bewilligung überhaupt,
der Prüfung und Genehmigung der Entwürfe,
der Aufsicht und Sicherheit. Die öffentlichen
Arbeiten können ausgeführt und ausgebeutet
werden entweder durch die Verwaltung, d. h.
durch den Staat, die Provinz, die Gemeinde,
oder durch Vertrag, d. h. durch Übertragung
der Arbeiten an einen Dritten. Die öffentlichen
Arbeiten unterstehen einer Generaldirektion, die
dem Ministerio di fomento, d. h. dem Mini-
sterium für Volkswohl angehört.
Die Eisenbahnen werden in der Regel durch
Privatunternehmungen gebaut, aber unter Mit-
wirkung des Staates. Letztere kann bestehen
1. in einem Zuschuß zum Bau, 2. in der Ein-
reihung der Eisenbahnen in das öffentliche
Eigentum und der Erklärung des öffentlichen
Nutzens für die Enteignung, 3. in der Verlei-
hung der Baubewilligung, 4. in der Regelung
des Betriebs, der Polizei u. s. w.
Die Bestimmungen über Bahnbau, Betrieb
und Polizei finden sich in dem noch gültigen
Eisenbahngesetz vom 23. November 1877
und in dem Polizeigesetz vom gleichen Tage
sowie in den zugehörigen Ausführungsbe-
stimmungen vom 24. Mai und 8. September 1878.
Nach dem Gesetze werden die Eisenbahnen
88
Spanische Eisenbahnen.
eingeteilt in Linien für den allgemeinen Dienst
und für besondere Zwecke. Die ersteren sind
für die Beförderung von Personen und Gütern,
die letzteren ausschließlich für private Zwecke
bestimmt. Dem Bau hat ein Genehmigungs-
gesetz vorherzugehen.
Voraussetzung für jede Bewerbung um eine
Eisenbahnlinie ist, daß sie in den von der
Regierung aufgestellten Generalplan aufge-
nommen ist oder durch besonderes Gesetz auf-
genommen wird. Dieser gesetzlich festgelegte
und nur gesetzlich abänderbare Generalplan ist
eine Besonderheit der spanischen Eisenbahnen.
Ursprünglich wohl aufgestellt, um die Baulust
anzuregen und den einzelnen Landesteilen die
Fürsorge der Regierung vor Augen zu führen,
hat er sich in seiner gesetzlichen Starrheit dem
Eisenbahnbau eher hinderlich als förderlich
erwiesen.
Will ein Unternehmer eine Bahnlinie
bauen, so hat er sich mit seinen Vorschlägen
unter Aufbringung einer dem Voranschlag ent-
sprechenden Hinterlegungssumme von 1,3,5%
an die Regierung zu wenden. Diese trifft mit
dem Unternehmer ein vorläufiges Überein-
kommen und sucht bei den Cortes um die
zuständige Ermächtigung nach. Diese Ermäch-
tigung ist indes noch keine endgültige, weil der
Zuschlag von Eisenbahnen wie der aller öffent-
lichen Bauten an den Meistbietenden bzw.
Wenigstfordernden zu geschehen hat. Die
Unternehmer können aus öffentlichen Mitteln
Unterstützung erhalten, indem sie entweder
mit solchen bestimmte Bauten ausführen, oder
in bestimmten Fristen einen Teil des aufge-
wendeten Kapitals als Zuschuß, oder die Be-
nutzung bereits bestehender Bauten zu Eisen-
bahnzwecken eingeräumt erhalten, oder endlich
durch Bewilligung von Steuerbegünstigung. Als
Grundlage für die Ausbietung und den Zuschlag
dient die vom Gesetz bestimmte Beisteuer,
auf deren Unterbietung sich die Steigerer einzu-
richten haben. Die Genehmigung wird höchstens
auf 99 Jahre erteilt, nach deren Ablauf die
Bahnen an den Staat heimfallen sollen.
Wird eine Gesellschaft aus irgend einem
Grund aufgelöst, sei es freiwillig oder un-
freiwillig, so ergreift der Verkehrsminister von
der Eisenbahn mit allem Zubehör Besitz und
übernimmt den Betrieb durch einen Ver-
waltungsrat, in dem die Aktionäre, Hypotheken-
inhaber und die Gläubiger der Unternehmer
Vertretung finden. Zwangsvollstreckung in das
bewegliche oder unbewegliche Eigentum der
Eisenbahnen ist verboten.
Auch die Befugnis, eine Eisenbahn zu be-
treiben, ist Gegenstand öffentlicher Ausbietung,
doch betreiben eine Eisenbahn im allgemeinen
diejenigen, die die Baugenehmigung erhalten
haben.
Diese auf dem Gesetz von 1877 beruhenden
Bestimmungen haben in den Jahren 1881 und
1883 einige wesentliche Abänderungen erfahren,
die wohl auf den Einfluß der bestehenden
großen Privateisenbahngesellschaften zurück-
zuführen sind. Nach Art. 2 der königlichen
Verordnung vom 10. Juni 1881 wurde die Be-
stimmung, daß die für eine Bahnlinie beantragte
Staatsunterstützung für eine Bahn des allgemeinen
Dienstes nur auf Grund öffentlicher Aus-
schreibung genehmigt wird, dahin abgeändert
und eingeschränkt, daß diese Ausschreibung
nicht von Amts wegen zu veranlassen ist, sondern
nur erfolgen darf, wenn sie von privater Seite
beantragt wird unter gleichzeitiger Hinterlegung
der gesetzlichen Sicherheit von 1 *„ des Kosten-
anschlags. Ein Ges. vom 16. .August 1883
hob die Bestimmung der Ausführungsver-
ordnung vom 24. Mai 1878 auf, wonach dem
Urheber des ausgebotenen Entwurfs unter be-
stimmten Voraussetzungen gestattet war, in das
Bestgebot einzutreten. Es liegt auf der Hand, daß
namentlich die letztgenannte Einschränkung
wenig geeignet war, zur Anregung von Eisen-
bahnbauten zu ermutigen. Diesem Umstand
wird es mit zuzuschreiben sein, daß manche
vom Verkehrsbedürfnis geforderte, wichtige
Eisenbahnlinien noch heute der Ausführung
harren, zum Vorteil der bestehenden Bahnen,
denen dadurch ein lästiger Wettbewerb erspart
wurde. Den hierdurch erwachsenen offenbaren
Übelständen abzuhelfen, entschloß sich die
Regierung durch ein Ges. vom 25. Dezember
1912. Darnach soll neben dem bestehenden
Generalplan ein „Sonderplan zur Ergänzung
des Hauptbahnnetzes" angelegt werden. In diesen
werden die Hauptbahnlinien aufgenommen, die
von besonderer Verkehrsbedeutung sind, zur
Abkürzung der im Betrieb befindlichen Linien
dienen, aus Rücksichten der Landesverteidigung
gefordert werden müssen, oder die geeignet
sind, wichtige Hafenorte untereinander oder mit
dem Landesinnern zu verbinden. Dieser Er-
gänzungsplan wird ebenso wie der Hauptgeneral-
plan in Gruppen eingeteilt. Bestimmend für die
Zusammenfassung der einzelnen Gruppen ist
aber im Gegensatz zum Generalplan nicht nur
die geographische Lage der einzelnen Linien
zur Hauptstadt Madrid, als vielmehr ihr Ver-
kehrswert. Als erste Gruppe des Ergänzungs-
plans sind folgende Linien vorgesehen:
1. Von Zamora nach Orente am Minho, wodurch
Madrid eine erheblich verkürzte Verbindung nach
der Küste des Atlantischen Ozeans, besonders dem
Handelshafen Vigo erhält.
2. Von Segovia nach Burgos über Aranda am
Duero, wodurch der Weg nach Bilbao, San Sebastian
z
Spanische Eisenbahnen.
89
und Südfrankreich wesentlich abgekürzt wird und
der spanischen Nordbahn ein starker Wettbewerb
droht, wenn sie nicht selbst den Bau der Linie zu-
geschlagen erhält.
3. Von dem bedeutenden Eisenbahnknotenpunkt
Medina del Campo nach Benevente, wodurch eben-
falls die Verbindung nach dem Atlantischen Ozean
verbessert wird.
4. Von Cuenca, dem Endpunkt der von Madrid
über Aranjuez kommenden Stichbahn, nach Utiel zum
Anschluß an die Bahn nach Valencia. Der Weg von
Madrid nach Valencia wird hierdurch so bedeutend
abgekürzt, daß die sehr erheblichen Baukosten durch
die zu ei-wartenden Verkehrseinnahmen voraussichtlich
reichlich werden aufgewogen werden. Es ist sogar
zur Erwägung gestellt, direkt von Madrid nach Utiel
eine neue Linie zu bauen, was den Weg nach Valen-
cia noch weiter kürzen würde.
5. Von Soria nach Castejon, einer Teilstrecke der
bereits durch Ges. vom 25. Juni 1911 genehmigten,
aber nicht zur Ausführung gekommenen Bahn von
Soria nach Sanguesa am Südfuß der Pyrenäen.
6. Von Lerida nach St. Girons, Station der franzö-
sischen Südbahn, soweit die Linie auf spanischem
Gebiet liegt. Der Pyrenäentunnel soll den Paß von
Salau unterfahren.
Die Frage eines Pyrenäendurchstichs spielt
schon viele Jahre. 1864 wurden spanische
Ingenieure nach Frankreich gesandt, um die
Sache zu studieren. Ein königliches Dekret vom
14. Oktober 1881 genehmigte den Bau einer
Bahn von Huesca nach der französischen Grenze
durch den Co! de Somport bei Confranc. Die
Bahn wurde 1893 bis Jaca eröffnet. Zum Py-
renäendurchstich kam es damals nicht, da der
Plan auf Widerspruch stieß bei den Ver-
fechtern der Bahn durch das Val Noguera Pal-
laresa mit Tunnel bei Salau. Spanien stimmte
1889 auch diesem Plan zu. 1907 kam es zum
Staatsvertrag darüber zwischen Spanien und
Frankreich, der im Gesetz vom 25. Dezem-
ber 1912 niedergelegt ist. Näheres bei De-
comble (s. Literatur). Hiermit in Verbindung
stehen noch verschiedene weitere wichtige Bau-
pläne. Als der Präsident Poincare am 10. Ok-
tober 1913 seinen amtlichen Besuch in Car-
tagena abstattete, wurde vereinbart, daß die
Confrancbahn normalspurig und daß eine neue
Bahn Saragossa-Caminreal gebaut werden sollte
zur Herstellung einer direkten Verbindung
französische Grenze-Valencia, auf die Frank-
reich wegen des Weges nach Algier hohen
Wert legte. Infolge der politischen Wirren wurde
die Ausführung aufgehalten. Daerschien plötzlich
im spanischen Staatsblatt vom 27. Januar 1914
die Nachricht, daß eine Abteilung des Aus-
schusses für transpyrenäische Eisenbahnen be-
auftragt sei, schleunigst einen Vorentwurf für
eine normalspurige, zweigleisige, elektrisch zu
betreibende Bahn JVladrid-französische Grenze
auszuarbeiten, um eine allerschnellste und un-
mittelbare Verbindung mit Frankreich zu schaffen.
Siesoll vom Staat gebaut und betrieben werden,
als Schule für Eisenbahnpersonal und für Kriegs-
zwecke dienen, also Truppentransporte ohne
Umladung ermöglichen. Anschluß an die im
Umbau für elektrischen Betrieb befindliche
französische Südbahn soll größtmögliche Zug-
folge sichern. Die Linie Saragossa-Caminreal
ist inzwischen genehmigt und gebaut und da
die in letzter Zeit im Bau geförderte Verbindung
Jaca-Confranc durch den Tunnel von Somport
im Jahre 1915 fertiggestellt sein sollte — ob
es geschehen, war wegen des Krieges nicht
festzustellen — so würde dadurch eine direkte
Verbindung Paris-Valencia geschaffen sein, die
etwa 100^/« kürzer ist wie die bisherige über
JVliranda. Es ist anzunehmen, daß die meisten
dieser neuen Linien, soweit sie den Anschluß
nach Frankreich haben, normalspurig gebaut
werden sollen. Die Beseitigung der überlebten
und für den Durchgangsverkehr immer lästiger
werdenden spanischen Breitspur und ihre Er-
setzung durch Normalspur ist in den letzten
Jahren zwar in Anregung, aber über die Er-
örterung des Kostenbedarfs kaum hinausge-
kommen. Nur bei einigen, die Fortsetzung der
aus Frankreich kommenden direkten Linien
bildenden Bahnen nimmt man an, daß sie um-
gebaut oder bei Neubauten gleich normalspurig
angelegt werden, so die Verbindung Madrid-
Valencia, namentlich eine etwaige direkte Bahn
Madrid-Utiel und die nach Algeciras führende
Linie der andalusischen Bahnen, ein Glied der
großen Linie Paris-Algeciras-Fez. Übrigens hat
ein Abgeordneter die Regierung ersucht, die
Frage einer allgemeinen Einführung der Nor-
malspur zu prüfen, und die Regierung hat
schleunige Prüfung zugesagt.
Von Gesetzen, die die Verwaltung der Eisen-
bahnen betreffen, ist hier hervorzuheben ein
Gesetzentwurf vom Jahre 1912 über die Be-
ziehungen der Eisenbahngesellschaflen zu ihrem
Personal. Er enthält Vorschriften über Schieds-
gerichte, bedroht den Streik mit Verlust aller
persönlichen und vermögensrechtlichen An-
sprüche des Personals, soweit nicht höhere
Strafen verwirkt sind, und macht die Wieder-
annahme vom Urteil des Arbeiterausschusses
abhängig. Hierbei sind aber diejenigen ausge-
schlossen, die ihre Streitfragen nicht zunächst
vor den Ausschuß gebracht haben. Der Entwurf
enthält außerdem Strafbestimmungen gegen
den Betrieb hindernde Sachbeschädigung (Sabo-
tage). Wird dabei ein Mensch verletzt, so tritt
Gefängnisstrafe (bagno) ein; die Höchststrafen
werden gegen solche Personen angedroht, die
nicht Eisenbahner sind, was vom Gesichtspunkt
der Disziplin aus zu beanstanden ist.
Gegen diesen Gesetzentwurf, der in erster
Linie Ausständen vorbeugen sollte, erhob sich
90
Spanische Eisenbahnen.
lebhafter Einspruch. Die Konservativen ver-
warfen ihn, weil sie den Eisenhahnerstreik als
Kraftprobe herbeiwünschten, die Gesellschaften,
weil sie eine übermäßige Belastung befürchteten
und die Verhältnisse ihres Personals selbst regeln
wollten, wohl mit dem Hintergedanken, durch
Zugeständnisse an dieses eine Verlängerung
ihrer Genehmigung zu erzielen. Die Republi-
kaner bekämpften verzweifelt das Streikverbot,
da ihnen der Eisenbahnerverband als Kampf-
mittel dienen sollte. Wie die Entscheidung ge-
fallen ist, ist nicht bekannt geworden.
c) Der gegenwärtige Zustand.
Die Mißstände im Eisenbahnwesen scheinen in
den letzten Jahren erfolgreich bekämpft worden
zu sein und scheinen eine günstigere Entwicklung
der S. bewirkt zuhaben. Ende 1Q14 waren in
Spanien im ganzen 15.205 km Eisenbahnen im
Betrieb, darunter etwa ^ '3 Nebenbahnen. Die
Herstellungskosten betrugen f.d. km im Durch-
schnitt:
km
Pesetas
. 3692
312.964
. 3683
270.893
. 1083
248.747
. 429
222.677
. 348
290.828
. 332
341.193
Spanische Nordbahn . .
Madrid-Saragossa-Alicante-
Eisenbahn
Andalusische Eisenbahnen
Madrid-Caceres-Portugal-Ges
Plasencia-Astorga-Ges. . .
Spanische Südbahn . . .
Abgesehen von den Gesellschaften unter
1 — 3 waren die Eisenbahnen in Spanien bis
in die neuere Zeit nichts weniger als ertrags-
reich. Außer den genannten Bahnen gibt es
in Spanien noch eine große Anzahl kleinerer
und kleinster Bahnen, nach französischen Quel-
len 81 -208 Eisenbahngeselischaften, doch sind
in letzterer Zahl die Klein- und Trambahnen
zweifellos mitenthalten. Die Madrid-Saragossa-
Alicante-Bahn zahlt seit 1902, die Nordbahn
seit 1908 Gewinnanteile. Abgesehen von der
Armut des Landes lag die Ursache der ge-
ringen Ertragsfähigkeit einmal in der Höhe
der ersten Anlagekosten bei meist großen Ge-
ländeschwierigkeiten und dann sehr wesentlich
darin, daß die Gesellschaften alle Abgaben an
den Staat in Gold leisten müssen, während
sie ihre Einnahmen in entwerteten Peseten be-
zogen. Hierzu kommt, daß die großen Linien
der zubringenden Nebenbahnen und Land-
straßen entbehrten. Hierin ist nun in den letzten
Jahren eine wesentliche Besserung eingetreten.
Das Nebenbahnenwesen beginnt sich zu heben,
wie am Schluß dieses Artikels gezeigt werden
wird. Einige Jahre vor Ausbruch des Weltkriegs
waren die Einnahmen der Hauptlinien sehr
wesentlich in die Höhe gegangen. Die Nord-
bahn hatte 1912 und 1913 24 »^ Dividende
verteilt, 'dieT' Madrid -Saragossa -Bahn 1913
desgleichen. Von 1909- 1913 stiegen die Eisen-
bahneinnahmen in Spanien durchschnittlich jähr-
lich um 13 Mill. Pesetas. Der Krieg brachte
vorübergehend einen Rückschlag, einzelne
kleinere Bahnen mußten den Betrieb sogar ein-
stellen, die Nordbahn und die Madrid-Sara-
gossa-Bahn konnten 1914 noch 15*» Gewinn-
anteil zahlen, für 1915 sind für die Aktie 18%
verteilt worden. Der Grund der Steigerung lag
fast ausschließlich in der Hebung des Güter-
verkehrs und dem Darniederliegen der Küsten-
schiffahrt infolge des Krieges. Letzterer beein-
flußte auch die Ausgaben durch Steigerung der
Kohlen- und Materialienpreise, doch halten sich
die Ausgaben infolge niedriger Löhne und be-
dürfnisloser Einrichtungen im allgemeinen so
niedrig, daß die Betriebszahl 50 kaum über-
schritten wurde.
2. Bau.
Die vorwiegend gebirgige Beschaffenheit
des Landes brachte es mit sich, daß viele kost-
spielige Kunstbauten erforderlich wurden. Bis
auf die neuere Zeit hat man wenig darauf
gesehen, den Mittelpunkt des Landes mit den
äußeren Grenzbezirken, besonders mit den
Häfen zu verbinden, obwohl sich dort die Haupt-
gewerbebetriebe befinden und das gewerbliche
Leben Spaniens abspielt. Auch der beliebte Weg,
den Bau durch kilometrische staatliche Unter-
stützungen zu fördern, hat schädlich gewirkt,
indem man die Längenentwicklung der Bahnen
über Bedarf ausdehnte, um die größere Unter-
stützung einzustecken. So z. B. beträgt bei der
Strecke Madrid -Coruna die Eisenbahnlinie
831/^OT, die Kartenlinie 630^/«, bei Madrid-Sevilla
500 bzw. 320 /tw, Madrid-lrun 633 bzw. 450 Äw
u. s. w., wobei die vielfach vorhandenen Gelände-
schwierigkeiten die künstliche Längenentwick-
lung doch nicht rechtfertigen. Andererseits
harren noch weite Gebiete des Eisenbahn-
aufschlusses. Die Küstenorte untereinander sind
nur in wenigen Fällen durch Eisenbahnen ver-
bunden. An Kunstbauten seien unter den vielen
Tunneln der 3074 m lange Tunnel bei Perruca,
Linie Leon-Gijon, und der 2954 m lange Tunnel
bei Oazazin an der Bahnstrecke Madrid-lrun er-
wähnt. Unter den Viadukten verdienen der bei La
Chanca mit 283 «Länge, an der Bahn Palencia-
La Carogna und der bei Ormairtegui an der
Linie Madrid-lrun mit 284-4 ot Länge ge-
nannt zu werden, unter den Brücken die beiden
Brücken über den Guadiana von 564 m und
605 m, erstere auf der Linie Ciudad-Real-
Badajoz, letztere auf der Linie Merida-Sevilla,
beide mit je 1 1 Öffnungen. Die große Zahl
tief eingeschnittener Flußtäler machte eine
Sfroße Zahl von Brücken und anderen Kunst-
Spanische Eisenbahnen.
91
bauten erforderlich. Zu erwähnen ist die 172 km
lange Bahnstrecke Leon-Gijon, auf der 58 Tunnel
zu durchfahren sind. Dabei beträgt zwischen
den Stationen Busdongo und Puente de los
Fierros die geradlinige Entfernung 1 1 km, der
Höhenunterschied 767 m, was eine Längenent-
wicklung der Bahnlinie von 42 km bedingt.
Für die Bewältigung der ganzen 172 km langen
Strecke braucht der Schnellzug 6'',2 Stunden.
1884 überschritten 5 Eisenbahnen den asturi-
schen Gebirgszug: von Alsasua über den 658 m
hohen Gebirgszug des Puerto de Idiogabal
nach Guipuzcoa und Irun, von Miranda nach
Bilbao, von Palencia durch das tiefe Tai des
Besaya nach Santander, von Leon durch den
Pajares nach Oviedo und über Montannas de
Leon nach Corunna.
Die Steigungen bewegen sich zwischen 30 %»
und 1 5 %, letztere bildet im allgemeinen die Regel.
Das Signalwesen ist wegen der verhältnis-
mäßig geringen Zugfolge auf den S. weniger
ausgebildet, früher gab es meist nur Einfahrt-
signale; Morse- und mehr noch Zeigertele-
graphen.
Der Oberbau besteht vorwiegend aus Vignole-
stahlschienen im Gewicht von 30 kg/m, die auf
2'8 m langen Schwellen aus Eichen- oder Fichten-
holz ruhen. Die Anzahl der Querschwellen
beträgt 7 auf eine Schienenlänge von 6 m, erhöht
sich in den Krümmungen unter 400 m. Letztere
gehen in der Regel nicht unter 300 m, ausnahms-
weise bis auf 250 m Halbmesser herab.
In neuerer Zeit ist, besonders auf denjenigen
Strecken, auf denen schnell fahrende Züge ver-
kehren, ein schwererer Stahlschienenoberbau
eingeführt worden (42 kg, seltener 35 kg Ge-
wicht f. d. laufenden Meter).
Die meisten spanischen Bahnlinien sind von
französischen Baumeistern ausgeführt und ähneln
infolgedessen den französischen Bahnen.
3. Betriebsmittel.
Auch die Betriebsmittel der S. haben ihr Vor-
bild in Frankreich. Die Personenwagen sind
des heißen Sommerklimas wegen meist doppel-
wandig. Auf größeren Durchgangslinien stehen
die Personenwagen den besten Europas gleich.
Die Lokomotiven sind der Steigungsver-
hältnisse halber im allgemeinen von schwerer
Bauart. Sie stammen gleich den Wagen meist
aus Frankreich, z. T, sind auch englische, bel-
gische und deutsche Lokomotivfabriken beteiligt.
Aus einem der letzterschienenen Annuario de
Ferrocarriles stammen die nachstehenden re-
lativen Ziffern über das rollende Material der S.:
3Q2 Lokomotiven für Personenzüge
1060 „ „ gemischte Züge
1141 „ „ Güterzüge
zusammen 25Q3 Lokomotiven mit nahezu
1,560.380 Pferdekräften. Hiervon sind 2198 Lo-
komotiven für spanische Normalspur und 395
für Schmalspur. Der Bau von Bahnen mit
eigentlicher Normalspur (L435/«) wird selbst-
verständlich auch den Lokomotiv- und Wagen-
bau beeinflussen.
Der Gesamtfuhrpark an Personenwagen
betrug insgesamt 6334 Wagen mit 270.032
Plätzen.
An normalspurigen Güter- und Viehwagen
waren vorhanden: 1943 Packwagen für Ge-
päck, 22.749 bedeckte Güter- und Viehwagen,
30.375 offene Güter- und Plattformwagen.
Die Schmalspurbahnen besaß: 305 Pack-
wagen, 1316 bedeckte Güterwagen, 5669
offene Wagen.
Der Bestand an Spezialwagen beträgt 699,
der gesamte Fuhrpark der S. besteht aus 61.351
Einheiten.
4. Betrieb.
Im allgemeinen weicht der Betrieb der S.
insofern von dem anderer Länder ab, als
der bauliche Zustand die Anwendung größerer
Geschwindigkeiten vielfach verbietet. Auch ist
die Zahl der Züge auf den einzelnen Linien
häufig eine geringe. Nur auf den großen, nach
Frankreich und Portugal führenden Linien
verkehren gute Schnellzüge, die den französischen
nicht nachstehen. Diese führen z. T. nur
1. und II. Klasse, die Luxuszüge nur I. Klasse;
in den Expreß- und Luxuszügen gibt es Speise-
und Schlafwagen. Daneben gibt es Omnibus-
züge I. — III. Klasse, die im wesentlichen den
deutschen Personenzügen entsprechen, gemischte
Züge mit II. und 111. Klasse und Arbeiterzüge
mit 111. Klasse. Die Einrichtungen für den Per-
sonenverkehr auf den Bahnhöfen sind meist
sehr einfacher Art. In neuerer Zeit ist man
daran, Abhilfe zu schaffen, wohl auf Grund
der königlichen Verordnung vom 6. Oktober
1905, die bestimmt ist, den Fremdenverkehr nach
Spanien zu heben. Sie setzte einen besonderen
Ausschuß ein, der unter dem Vorsitz des
Ministers für Landwirtschaft, Handel, Industrie
und öffentliche Arbeiten seine Tätigkeit auf
folgende Punkte richten sollte: 1. Bekanntgabe
im Ausland der besten Reisewege nach Spanien
und der zweckmäßigsten Reiseeinteilung,
2. Schaffung besserer Eisenbahntarife und be-
quemerer Züge, 3. Verbesserung der spanischen
Gasthofsverhältnisse und 4. Verbreitung im
Ausland von Veröffentlichungen über die
Sehenswürdigkeiten Spaniens. Zur Deckung
der dem Ausschuß erwachsenden Kosten
sollte ein Betrag im Staatshaushalt ausgeworfen
werden.
92
Spanische Eisenbahnen.
5. Verkehr und Tarifwesen.
Die Personentarifsätze sind im allgemeinen
auf den S. einheitlich. Die Einheitssätze sind
12 Ct. für die I. KI., 9 Ct. für die II. Kl., 5-4 Ct.
für die III. Kl. Rückfahrkarten bestehen nicht,
wohl aber Vergünstigungen durch Kilometer-
und Rundreisehefte, die z. T. auf die Hälfte
des einfachen Preises herabgehen. Es kosten:
km
Einfache Fahrt
Kilometerhefte
Rundreisehefte
I. Kl.
\\. Kl.
1. Kl. II. Kl.
1. Kl.
II Kl.
1500
187-50
146-25
_ —
129-90
97-70
2000
250
195
173-60 127-80
162-10
126-25
2600
325
253-50
225-35 165-55
189-70
148-30
3200
400
312
277-10 203-50
216-15
170-15
3800
475
370-15
328-35 241-45
246-05
192
4400
550
429
365-45 274-35
267-90
211-55
5000
625
487-50
403-60 305-85
288-60
227-65
6000
750
585
470-30 350-90
311-60
247-20
Zu erwähnen ist noch, daß die meisten größeren
Bahnen Stadtgeschäftssteilen haben, die die Abfer-
tigung, auch des Gepäcks, wesentlich erleichtern, und
daß zur Sicherheit der Reisenden, namentlich in den
weniger bevölkerten Gegenden, die Züge durch Gen-
darmerie begleitet werden, die den anerkennenden
Spitznamen la benemerita führt.
Bezüglich der Gütertarife besteht bei den
S. keine Einheitlichkeit. Sie werden bei jeder
Baugenehmigung von der Regierung in den
Höchstsätzen nach den fallweisen Verhältnissen
festgesetzt, so daß auf den verschiedenen
Strecken derselben Gesellschaft abweichende
Frachtsätze gelten können. Im übrigen haben
die Gesellschaften freie Hand, gesetzlich sind
sie berechtigt, Wege- (Bahn-) Geld und den
eigentlichen Beförderungspreis zu erheben. Dem
Mangel an Einheit im Tarifwesen wollte das
königliche Dekret vom 26. Juni 1882 abhelfen.
Es berief einen Ausschuß, dem Senatoren, Cortes-
mitglieder, Vertreter der Eisenbahngesellschafteii
und Staatsbeamte angehörten. Sein Bericht vom
Sommer 1884 schlägt Erhöhung des Einflusses
der Regierung auf die Gesellschaften und Ver-
stärkung des Aufsichtspersonals vor. Es wird
Prüfung des Anlagekapitals der Eisenbahnen
gefordert, um darnach die Angemessenheit der
Tarifsätze beurteilen und diese möglichst ein-
heitlich gestalten zu können. Auch die Ein-
führung einer einheitlichen Güterklasseneintei-
lung wird empfohlen. Ermäßigungen der Höchst-
sätze sind der Regierung anzuzeigen.
Spezialtarife zwischen 2 Stationen sollen auf
die zwischenliegenden Stationen derart einwir-
ken, daß nie der Satz für eine kürzere Strecke
höher ist als der für eine längere, ausgenommen
bei der Schiffahrt und bei den ausländischen
Verbandverkehren. Bei letzteren sollen die Tarife
von der Regierung bezüglich ihres Einflusses
auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Inlands
nachgeprüft werden, wobei Änderungen verfügt
werden können. Zulässig sollen Verträge sein
über Beförderung bestimmter Gütermengen zu
verabredeten Preisen. Solche Zugeständnisse
sollen aber auch anderen zu gute kommen,
die sich den betreffenden Vertragsbedingungen
unterwerfen. Der Ausschuß befürwortete auch
eine genügende Veröffentlichung der Tarife.
Inwieweit seine Vorschläge Geltung gewonnen
haben, ließ sich nicht feststellen.
6. Nebenbahnen.
Neben den Hauptbahnen werden in Spanien
noch Sekundär-, ökonomische und sog. strategi-
sche Bahnen unterschieden. Als Sekundärbahnen
werden die Zuleitungslinien zu den Haupt-
linien, die einem bedeutenden Verkehr dienen
sollen, bezeichnet. Sie haben z. T. die spani-
sche Normalspur von 1-674/w, meist aber eine
bis unter 1 in herabgehende Spurweite. Für
die Bemessung der letzteren sind die Gelände-
verhältnisse und die Kostenfrage maßgebend.
Zu den ökonomischen Eisenbahnen rechnen
die Linien, die vorwiegend dem Ortsverkehr
zu dienen haben. Ihre Spurweite darf nicht
mehr als 1 in betragen und die Anlagekosten
sollen möglichst niedrig gehalten werden. Das
spanische Neben- und Kleinbahngesetz vom
26. März 1908 hatte diesen Gegenstand geregelt,
jedoch ohne den erhofften Erfolg. Zwar konnten
von den 1 0.000 ä/w des zum Gesetz gehörenden
Generalplans mehr als die Hälfte zur Aus-
führung genehmigt werden, auch fehlte es
nicht an Gesuchen um Aufnahme neuer Linien
in den Generalplan. Allein diese Erfolge waren
nur scheinbare, es stand die zu einer Änderung
des Gesetzes drängende Tatsache gegenüber,
daß von den genehmigten 5254 km nur 88 km
in Angriff genommen wurden, die übrigen
Genehmigungen aber ihren Erwerbern nur zur
Erlangung von Abfindungssummen dienten.
Zur Behebung letzteren Übelstandes hatte im
Jahre 1911 der Verkehrsminister einen Gesetz-
entwurf eingebracht, der an die Stelle des im
geltenden Gesetz vorgesehenen privaten Aus-
bietungsverfahrens mit Staatsunterstützung
grundsätzlich die Erbauung der Neben-
(Klein-) Bahnen durch den Staat vorsah. Dieser
Entwurf hat die Zustimmung der gesetzgebenden
Körperschaften nicht gefunden. Unterm 23. Fe-
bruar 1912 wurde ein Abänderungsnachtrag
zum Gesetz von 1908 eingebracht und an-
genommen, der bestimmt ist, die hauptsäch-
lichsten Mängel des letzteren zu beseitigen.
Grundsätzlich ist auch bei den Nebenbahnen an
dem staatlich aufgestellten Generalplan fest-
gehalten, nur den in diesem enthaltenen Linien
wird staatliche Zinsbürgschaft zugesichert bis
zur Höhe von 5% des Baukapitals. Hierbei
muß jedoch der Unternehmer im Fall der
Spanische Eisenbahnen.
93
Unterwirtschaft den Fehlbetrag zwischen der
Roheinnahme und den Betriebskosten aus-
schließlich selbst tragen. Als Neben- (Klein-)
Bahnen im Sinn des Gesetzes sind alle Bahnen
anzusehen, die dem öffentlichen Verkehr dienen,
mit Maschinen betrieben werden und im ersten
Kapitel des Eisenbahngesetzes vom 23. Fe-
bruar 1877 nicht erwähnt sind. Hierdurch ist
ihr Begriff gesetzlich festgelegt. Bei den strategi-
schen Bahnen überwiegt die militärische Be-
deutung die für den öffentlichen Verkehr,
anderseits sind auch Nebenbahnen ohne staat-
liche Zinsbürgschaft zugelassen. Die im Gesetz
von 1908 allgemein auf 1 m festgesetzte Spur-
weite soll nach dem neuen Gesetz von Fall zu
Fall bestimmt werden. Auf Antrag derProvinzial-
und Kommunalbehörden dürfen unter be-
sonderen Voraussetzungen weitere Linien von
örtlicher oder allgemeiner Bedeutung in den
Generalplan aufgenommen werden. Der Ver-
kehrsminister kann ebenso wie jeder Privat-
unternehmer die Ausführung von Vorermitt-
lungen für eine oder mehrere Linien veranlassen,
um die Unterlagen für die Bau- und Betriebs-
bedingungen und einen Kostenanschlag zu
erlangen. Auf Grund der Ergebnisse wird ein
Wettbewerb unter denjenigen veranstaltet, die
Entwürfe für die betreffende Nebenbahn be-
arbeitet haben. Aus letzteren wählt die Regierung
den ihr am bauwürdigsten scheinenden aus und
legt ihn der nun vorzunehmenden öffentlichen
Ausbietung zu gründe. Dieses an manchen
Bedenken leidende Ausbietungsverfahren ist
also beibehalten. In demselben wird auf Grund
der eingereichten Angebote über die Höhe der
Zinsbürgschaft, die Genehmigungsdauer und
den Betriebskoeffizienten verhandelt, ein Ver-
fahren, das nicht ein gesundes genannt werden
kann. Der Bestbieter, d. h. der den geringsten
Prozentsatz für die Staatsbürgschaft, die geringste
Genehmigungsdauer verlangt und die für die
angenommene Ertragsberechnung günstigste
Betriebszahl angibt, erhält den Zuschlag, der
Eigentümer des der Ausbietung zu gründe
gelegten Entwurfs ist berechtigt, in das Best-
gebot einzutreten. Lehnt er dies ab, so hat
ihm der Bestbieter die vor Eintritt in das
Verfahren festgesetzte Entschädigung für seine
Aufwendungen zu zahlen. Auch die beteiligten
Gemeinden und Kreise sind berechtigt, in das
Bestgebot einzutreten. Nach längstens 9Q Be-
triebsjahren fällt die Bahn an den Staat, der
berechtigt ist, die Bahn gegen festzustellende
Entschädigung in einer bei der Genehmigung
festzusetzenden kürzeren Frist zu erwerben.
Das Heimfallrecht wird übrigens nur in wenigen
Fällen für den Staat von Vorteil sein, weil die
Nebenbahnen nur selten sich genügend verzinsen,
geschweige ihr Anlagekapital innerhalb der
Heimfallfrist getilgt haben werden.
Von den Bestimmungen, die für alle Neben-
(Klein-) Bahnen gelten, sind noch zu nennen:
Das Enteignungsrecht, die 10jährige Befreiung
von der Transportsteuer, die Benutzung öffent-
licher Anlagen und andere Erleichterungen, die
gewährt werden können. Bau und Betrieb
werden vom Staat überwacht. Das Heimfall-
recht umfaßt den kostenlosen Übergang in das
Eigentum des Staates.
Schließlich möge erwähnt werden, daß der
Stadt Madrid der Bau einer 4 Linien um-
fassenden Untergrundbahn genehmigt ist.
7. Aufsichts- und Verwaltungsbehörden.
Die Oberaufsicht über die S. liegt in der
Hand des Ministerio di fomento. Es ist zuständig
für die Genehmigung der Hauptbahnen, soweit
sie im Generalplan stehen. Darüber hinaus
entscheiden die Cortes. Neben dem Ministerium
stehen dem königlichen Rat bezüglich der
Eisenbahnen gewisse Befugnisse zu. Die Bau-
pläne prüft der Minister, die Bauaufsicht er-
folgt durch die staatlichen Baubehörden. Nach
der Polizeiordnung vom 23. November 1877
werden Verstöße der Genehmigungsträger oder
Pächter gegen das Bedingnisheft oder andere
Verordnungen mit Geldstrafen von 250-2500
Pesetas geahndet. Sie werden vom Statthalter
der beteiligten Provinz verhängt und können
nur vom Minister im Einvernehmen mit dem
Staatsrat erlassen werden.
Den Betrieb und Verkehr beaufsichtigen nach
der Verordnung vom 8. September 1878 tech-
nische und Verwaltungsbehörden. Die einzelnen
Netze sind ähnlich wie in Frankreich in sog.
Divisionen geteilt und unterstehen in techni-
scher Hinsicht der Aufsicht eines Ober-
ingenieurs.
Literatur: Kupka, Arch. f. Ebw. 1896. -
Weltverkehr und Weltwirtschaft. 1912-1916;
L'information Paris. 1912- 1916; - Adolfo Posada,
Span. Staatsrecht in „Das öffentl. Recht der Gegen-
wart" von Huber, Jellinek, Laband und Piloty.
Bd. XXIV. — Carl Andrees, Geographie des
Welthandels, 1912, Bd. IL - Dr. Manuel Cam-
pos, Spanisches Staatsrecht. Freiburg i Br. 1889,
Akad. Buchhandl. F. C. B. Mohr. — Berichte
über Handel und Industrie, zusammengestellt im
Reichsamt des Innern, Bd. XIV, H. 10. - Angel-
Marvand, L'Espagne au XX^nie Siede. Paris 1913. -
Annuaire des chemins de fer et des tramways (an-
cien Marchai), 29^ annee, Paris 1914. - Schrader,
Arch. f. Ebw. 1913; Ztschr. f. Kleinb. 1911-1913. -
Ztg. d. VDEV. - Clement Decomble, Les che-
mins de fer transpyreneens, leur histoire diplomatique,
leur avenir economique. Toulouse 1913, A. Nouge
(Doktorbewerbungsschrift). - Jose Torino, Legis-
lacion de Ferrocariles. Firnhaber.
94
Spanische Nordbahn. - Spannwerk.
Spanische Nordbahn (Compania de los ca-
rninos de liicro dcl Nortc de Espana), zurzeit die
größte der spanischen Eisenbahnen. Sie übertrifft
an Länge selbst die Madrid-Saragossa-Alicante-
Eisenbahn (s. d.). Ihre Gesamtlänge betrug nach
dem Annuaire ancien Marchai von 1914 (s. Lit.)
3759 km. Der Sitz der Haupt\'er\raltung ist
Madrid, daneben besteht ein Ausschuß in
Paris. Geldwirtschaftlich steht sie unter
Leitung der Gruppe Pereire-Banque Espagnole
de Credit.
1856 wurde einem Pariser Geldmann die
Genehmigung zum Bau der S. für die Haupt-
linie Madrid-lrun nebst Zweigbahn Venta de
Bagnos-Alar del Rey erteilt. Anlagekapital
100 Mill. Fr. Diese erste spanische Eisen-
bahn nach Frankreich wurde 1864 eröffnet.
Die Linie bildet die Stammbahn der S. und
ist 645 km lang. Zum Anschluß an sie erwarb
die S. die Bahn Barcelona-Saragossa-Alsasua
(591 hri) und von dieser bei Tudela abzweigend
die 249 Ä/« lange Bahn Tudela-Miranda-Bilbao.
Die S. hat ihr Netz fast ausschließlich durch
Erwerb bestehender Bahnen oder Baugenehmi-
gungen vergrößert. 1874 erwarb sie .-Mar del
Rey-Santander 138-384 ^/n, 1877 Quintanilla-
Barruela 1 3-208 Ä/n, 1878 Saragossa- Barcelona
365-780 ÄOT, Tardiente - Huesca 21-719 y^/ra,
Casetas-Alsasua 221-762 km, Castejon-Bilbao
249-037 km, 1881 erhielt die S. neben der
Genehmigung einiger Schmalspurbahnen eine
solche zum Bau der Bahn Medina del Campo-
Segovia 92-414 km und Segovia - Villalba
62-685 km. Größere Erwerbungen erfolgten von
der Gesellschaft Astorias-Galicias-Leon: Pal-
lencia-Ponferrada 251-038 Am, Ponferrada-La
Corunna 296-032 Aw, Leon-Gijon ITO-IST km,
Oviedo-Trubia \2-Q\() km, Toral de los Vados-
Villafranca de) Viergo 9-149 km und von der
Eisenbahn Lerida-Reus-Tarragona die Strecken
Reus-Monblanch 27-545 km, Lerida-Monblanch
59-312 km, Reus-Tarragona \5-75S km.
Die Eisenbahnkreditgesellschaft übertrug 1886
der S. die Bahn Villabona-Avilas-San Juan de
Nieva 19-835 /t/n, die Arragonische Gesellschaft
1888 die Baugenehmigung der Linien Zuera-
Turmana und Huesca-französische Grenze über
Confranc 138 km, wovon die 111 km-Unie
Huesca-Jaca 1893 eröffnet wurde. 1889 erwarb
die S. von dem Genehmigungsträger die Linie
Selgua-Barbastro 18-9 km^ \S90 trat die Gesell-
schaft der Eisenbahnen und Berg«-erke von
Sao Juan de las Abadesas der S. die Bahn
Sao Juan de las Abadesas-San Andres 88-373 äot
undSanMartindeProvensales-C!erona31-39Ä/n,
eröffnet 1886, ab. 1891 wurden weiter erworben:
Von der Gesellschaft Almansa-Valencia-Tarra-
gona die Linien Encina-Valencia-Tarragona
288 km, Valencia-Grao 6 km, Cargagente- Denia
65-572 km, Jativa-Alcoy 67-028 km, endlich
1892 von der spanischen Ostbahn die Linie
Valencia-Utiel 87-626 km. Ende 1892 stellte
sich die Gesamtlänge der S. auf 3407 km eröffnete
Bahnen und 2b5km Neubauten, sie hat sich also
seitdem nicht mehr -wesentlich vergrößert. Die
Baukosten steiiten sich auf 1 .0 1 3,633.507 Pesetas,
durchschnittlich auf das km 312.964 Pesetas.
Die gebirgige Natur des Landes hat zur Anlage
sehr zahlreicher Tunnel, Brücken und Viadukte
geführt (s. Spanische Eisenbahnen).
Das Aktienkapital betrug 1892 232,750.000 Pe-
setas, 490.000 Aktien zu 475 Pesetas im Nennwert. Die
Schuldverschreibungen beliefen sich auf 734,788.553 Pe-
setas, die staatlichen Unterstützungen ergaben
149,609.792 Pesetas. 1913 waren die Schuldenunkosten
auf über 54 Mill. Pesetas gestiegen. Die Verzinsung
betrug: bei den .■\ktien 5-05"„, bei 3 "»igen Schuld-
verschreibungen 1. Hyp. 4-20 '&, desgleichen Pam-
plona 4-45'?».
Nachstehende Übersicht zeigt die von der S. in
den letzten 10 Jahren bis einschließlich 1913 er-
zielten Betriebsergebnisse.
Jahr
Brutto-
einnahmen
Betriebs-
kosten
Netto-
einnahmen
Betriebs-
zahl
1904
1905
1910
1913
117.850
117.401
133.464
155.051
59.229
57.627
59.192
78.195
58.622
60.774
74.272
76.856
50-41
48-39
44-5&
50-44
1914 betrugen die Bruttoeinnahmen 146-019 Mill.,
gegen 1913 ein Ausfall von 8-775 Mill. Pesetas.
In 1915 sind die Einnahmen anscheinend wieder
gestiegen, für 1916 wurde sogar eine Dividende
von 16 «i beantragt.
Literatur: Economista. — Estadista de obras pu-
blicas en Espana. - Annuaire des chemins de fer et
des Tramways (ancien Marchai). 29. annee. Paris 1914.
Finthaber.
Spannwerk (wire compensator; tendeur
de fil; apparccchio tenditore del filo), ein in
die Doppeldrahtzugleitung der Stellwerke ein-
gehängtes einfaches oder doppeltes Gewicht,
das dazu bestimmt ist, die durch Wärme-
schwankungen und Dehnung in den Lei-
tungen auftretenden Längenänderungen aus-
zugleichen. Wird die Drahtleitung bei zu-
nehmender Wärme länger, so läßt sie das
Spanngewicht sinken, wird die Leitung bei
abnehmender Wärme kürzer, so sucht sie da^
Spanngewicht zu heben. Zum Ausgleich der
Längenänderungen muß daher das Spann-
gewicht frei beweglich sein. Beim Umlegen
des Stellhebels muß es dagegen festgehaUen
werden, damit die durch den Stellhebel auf
die Stelleitung übertragene Bewegung voll auf
den Weichen- oder Signalantrieb wirkt und
nicht in dem Anheben des S. verzehrt wird.
Spannwerk.
95
Abb. 105. Sperrvorrichtung.
Die Klemm-
Dabei greift
einen Zahn
Zu dieser Sperrung des Spanngewichts wird
der Spannungsunterschied benutzt, der während
der Hebelumstellung in dem Zugdraht
und Nachlaßdraht entsteht.
Abb. 104 zeigt ein S. für Signalleitungen.
An dem einen Ende der beiden in einem Bock
gelagerten zwei-
armigen Hebel
sind verstellbare
Gewichte ange-
bracht, an dem an-
dern Ende tragen
diese Hebel be-
wegliche Klemm-
backen, zwischen
denen eine kreis-
förmig gebogene,
gezahnte Stange
liegt (Abb. 105). Die Drahtleitung ist
um Seilrollen geführt, von denen 4 in dem
festen Gestell, 2 in den beweglichen Ge-
wichtshebeln gelagert sind. Wird beim
Umlegen des Stellhebels der eine Draht
der Doppelleitung angezogen, der andere
nachgelassen, so hebt sich das eine Ge-
wicht, das andere senkt sich
backen stellen sich schräg,
die höher stehende unter
der Sperrstange und hindert das weitere
Anheben des Spanngewichts. In der Ruhe-
stellung des Hebels, bei
der die Spannungen der
beiden Drähte gleich oder
nur wenig verschieden sind,
gleiten die Klemmbacken
beim Auf- und Niedergehen
der Gewichte an der Zahn-
stange entlang.
Abb. 106 stellt ein mitdem
vorbeschriebenen im wesent-
lichen übereinstimmendes S.
für Weichenleitungen nach
der Einheitsform der preußi-
schen Staatsbahnen dar.
Eine abweichende Bauart
findet sich bei den sog.
Hängespannwerken (Abb.
107), bei denen die Spann-
gewichte ohne Hebelübertra-
gung in die Drahtleitung
eingehängt werden.
Die S. haben aber nicht
nur die Längenänderungen
der Drahtleitung auszu-
gleichen, sondern auch ge-
wisse Sicherungsbedingun
Fall eines Bruches der Drahtleitung gefordert
werden. Nach diesen sog. Reißbedingungen soll:
Abb. lO-I. ULbcUpannwcrk liii Sigiulleiiuiii^cii.
gen zu erfüllen, die für den
Abb. 106. Hebelspannwerk fürWeichenleitungen.
96
Spannwerk. - Spar- und Vorschußkassen.
bei einem Bruch in der Leitung eines
Hauptsignals ohne Vorsignal das Hauptsignal
in der Haltstellung festgehalten oder aus der
Fahr- in die Haltstellung gebracht werden;
bei einem Bruch in der Leitung eines
mit einem X'orsignal verbundenen Hauptsignals
soll das Hauptsignal in der Halt- und das
Vorsignal in der Warnstellung festgehalten
oder in diese Stellung gebracht werden, wenn
der Bruch zwischen Hebel und Hauptsignal
eintritt;
Abb. 107. Hängespannwerk für Signalleitungen.
bei einem Bruch der Leitung zwischen
Hauptsignal und Vorsignal soll bei „Fahrt
frei" wenigstens das Vorsignal in die \X'arn-
stellung gelangen;
bei einem Bruch in einer Weichen- oder
Riegelleitung soll die Fahrstellung eines Sig-
nals verhütet werden, das von der Stellung
dieser Weiche oder dieses Riegels abhängig
ist, und endlich
bei Weichen- und Riegelleitungen jeder
Drahtbruch im Stellwerk angezeigt werden.
Die hierzu erforderliche Einwirkung auf
die Signal- und Weichenantriebe und die
Weichen- und Riegelhebel bei Drahtbruch
wird durch das den heil gebliebenen Draht
nachziehende Gewicht des S. hervorgebracht.
Die Spanngewichte müssen daher eine Fall-
höhe haben, die auch bei größter Wärme,
wo die Gewichte am tiefsten stehen, ausreicht,
um den Draht so weit nachzuholen, als zur
Erfüllung der Reißbedingungen nötig ist.
Die S. werden entweder unter der Hebel-
bank im Stellwerksgebäude oder im Freien
aufgestellt. Hoogen.
Spar- und Vorschußkassen (Darlehens-
vereine). Zur Pflege der Sparsamkeit sind bei
vielen Verwaltungen teils von diesen, teils auf
ihre Anregung oder aus freiem Antrieb des
Personals S. errichtet worden, an die die Mit-
glieder regelmäßig Beiträge zahlen, auch ein-
malig größere Einlagen machen können. Die
Beiträge werden am Gehalt und Lohn ein-
behalten und der Kasse überwiesen, die die
Gelder in mündelsicherer Weise gewinnbringend
anlegt und dem Personal verzinst. Diesem ist
so beste Gelegenheit zur Ansammlung eines
kleinen Kapitals geboten, auf das es in Zeiten
der Kot zurückgreifen kann. Auch kann es
aus der Kasse unter günstigen Bedingungen
(mäßiger Zinsfuß und ratenweise Abtragung)
ein Darlehen erhalten, wodurch es vor Wucher-
händen bewahrt wird. Voraussetzung für das
Gedeihen ist Fernhaltung von jeder Spekulation,
unsicherer oder zweifelhafter Kapitalanlage,
Ansetzung eines niedrigen Zinsfußes für die
Spareinlage verbunden mit Ausschüttung
von Dividenden nach Abschreibung wirklicher
oder wahrscheinlicher Verluste und nach Zu-
weisung eines bestimmten Anteils an den Reserve-
fonds. Darlehen etwa im Rahmen von einem
Monatseinkommen bis zum Jahresgehalt (höch-
stens) sind zur L'nterstützung von Notlagen
oder zu wirtschaftlichen Zwecken und gegen
einen den üblichen Satz nur mäßig über-
schreitenden Zins zu gewähren, wobei im
einzelnen ausreichende Bürgschaften zu fordern
sind, soweit sie nicht durch einen Bürgschafts-
fonds ersetzt werden. Darlehen zu unwirt-
schaftlichen Zwecken oder an Mitglieder mit
selbstverschuldetem, andauernd ungeordnetem
Haushalt sind abzulehnen.
Die Eisenbahnvensaltungen unterstützen diese
Vereine, die bei guter Leitung sehr segensreich
wirken, durch kostenfreie Führung der Kassen-
geschäfte, durch Ersatz der X'erwaltungskosten
oder auf andere Weise, insbesondere auch durch
eine Beaufsichtigung hinsichtlich der Kassen-
verwaltung.
In Deutschland sind bei allen größeren Staats-
bahnvenvaltungen S. eingerichtet, die vom Personal
durch einen gewählten Vorstand, auch durch einen
Ausschuß (Bayern) unter .Mitwirkung der Mitglieder
in einer Hauptversammlung selbständig geführt
werden. Die Eisenbahnverwaltungen besorgen die
Kassengeschäfte kostenfrei und behalten sich die
Genehmigung der Satzungen und ihrer Änderungen
vor, so in Baden, Bayern, Sachsen und Württemberg;
in Preußen sind die S. vom Staat gefördene Ein-
richtungen der Eisenbahner\'ereine und erst in der
Spar- und Vorschußkassen. - Speisekopf.
97
Entwicklung begriffen. Während in Deutschland mehr
der Sparzweck betont und erfüllt wird, ist in Öster-
reich mehr das V'orschußwesen ausgebildet worden.
Die Kassen sind hier vielfach Organe der Bahnver-
waltung, wobei das Personal von Amts wegen in der
Regel zu ehrenamtlicher Mitwirkung berufen wird.
Speiseanstalten (P e r s o n a 1 k ü c h e n)
sind Einrichtungen, die dem Personal Gelegen-
heit zur Einnahme eines (insbesondere warmen)
Essens zu mäßigem Preis während des Dienstes
oder in dessen Pausen geben. Sie finden sich
am Sitz größerer Werkstätten, deren Personal
vielfach von der Arbeitstätte weit entfernt wohnt,
oder an den Knotenpunkten mit zahlreichem
aus\x-ärtigen Personal oder auf größeren Statio-
nen (V'erschiebebahnhöfen) für das Stations-
personal.
Der Betrieb liegt — ähnlich wie bei Kantinen
— in den Händen teils von Pächtern, teils der
Verwaltung oder des Personals, in der Regel
unter kräftiger Förderung und Unterstützung
durch die Verwaltung. Mitunter werden sie auch
von gemeinnützigen Wohlfahrtsvereinen geleitet
Mit den Anstalten sind meistens auch Vor-
kehrungen zum Wärmen und Verzehren mit-
gebrachter Speisen verbunden. Mit solchen
Wärmevorrichtungen sind auch dieAufenthaits-
räume, Gepäckwagen und Lokomotiven aus-
gestattet. Wo keine Speiseanstalten bestehen
oder zu deren Ergänzung sind in der Regel
die Bahnhofwirte gehalten, Speisen billig (etwa
zu 3 '^ der ordentlichen Sätze) an das Personal
abzugeben.
Besondere Bedeutung gewannen die Speiseein-
richtungen während des Weltkriegs mit seinen
besonders für die -Mittelmächte schweren Folgen auf
dem Gebiet der Volksernährung. Die Verwaltungen
haben Nahrungsmittel im großen beschafft und an
das Personal abgegeben, sie haben Dörrvorrichtungen
eingerichtet und dem Personal kostenfrei oder gegen
mäßige Vergütung zur Verfügung gestellt. Zur Ver-
pflegung des Personals, z. T. auch der Familien
wurden Personalküchen errichtet, wo Speisen teils
als Eintopfgerichte, teils nach Suppe, Fleisch und
Gemüse getrennt, billig abgegeben werden. Wie in
der Heimat, so hat die Not auch in den besetzten
Gebieten zu mannigfachen Einrichtungen hinsichtlich
der Personalverpflegung geführt, die meist von gutem
Erfolg begleitet waren und ihren Zweck in harter
Zeit erfüllt haben.
Welche Einrichtungen von diesen Kriegsmaß-
nahmen sich besonders bewähren und welche sich
zur dauernden Übernahme in die Friedensverhältnisse
empfehlen, läßt sich nicht voraussagen.
In letzter Zeit ist in Österreich auch
an die Versorgung des auf der Strecke ar-
beitenden Personals mit warmem Essen von
den Personalküchen mittels Kochkisten ge-
schritten worden. Die S. haben einen ganz be-
deutenden Umfang angenommen, da vielfach
Metzgereien, Wursterzeugung, Kleintierzucht
u. s. w. mit den Küchen in Verbindung ge-
bracht worden sind.
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
Speisekopf (clack box, injector check valve;
boite ä clapct de retenue ; valvolad'alimentazione),
jenes Ausrüstungsstück am Lokomotivkessel, das,
gegen den Kessel absperrbar, das Zurücklaufen
des durch das Speiserohr in den Kessel einge-
führten und einzuführenden Wassers mittels
eines Rückschlagventils (Speiseventil) verhindert.
Der S. besteht in der Regel aus einem
gußeisernen Gehäuse, das im unteren Teil
ein Rückschlagventil (Kugel- oder Tellerventil),
im oberen Teil eine von außen stellbare
Schraubenspindel enthält, die mit ihrem birnen-
förmig gehaltenen Ende die Mündung des S.
in den Kessel zu schließen gestattet. Das Ende
der Spindel (die Birne) ist so gestaltet, daß
„zugeschraubt" ein dichter Schluß gegen den
Kessel und in der Stellung »offen" ein An-
liegen des rückwärtigen Birnenendes an einem
Bord des Muttergewindes der Spindel stattfindet,
so daß die Schraubenspindel keiner weiteren
Dichtung durch eine Stopfbüchse mehr bedarf.
Das durch die Wirkung der Speisepumpe
(Kolbenpumpe oder Injektor) vermittels des
Speiserohrs und S. in den Kessel eingeführte
Wasser hat eine bedeutend niedrigere Tem-
peratur als das Kesselwasser.
Es findet daher an der Einmündungsstelle
des S. im Kessel eine bedeutende Ablagerung
von Kesselstein statt, die mit der Zeit zu einer
Verengung des Einmündungsloches führt. Um
diesem Übelstand möglichst zu begegnen,
mündet der S. gewöhnlich dort in den Kessel
ein, wo die geringste Wassertemperatur herrscht,
also „vorn" in der Nähe der Rauchkasten-
rohrwand. Außer den in der Regel vorkommen-
den 2 Absperrvorrichtungen am S. hat man
neuestens in Amerika eine dritte Absperrung
„im Kessel" angebracht, u'_. bei etwaigem
Abbrechen des S. (bei Zugstreifungen, Ent-
Abb. 108.?Bauart der preußischen Staatsbahnen.
gleisungen u. s. w.) ein Verbrühen von Zug-
begleitern oder Reisenden zu verhindern.
Abb. 108 zeigt die bei den preußischen Staats-
bahnen in Verwendung stehende Bauart der
S. Diese S. haben außer dem Absperrkegel
noch ein gewöhnliches Kegelventil, dessen Sitz
7
Speisekopf. Speisewasser.
nach unten herausgezogen werden kann. Die
in Abb. 109 dargestellte, beiden österreichischen
Staatsbahnen verwendete Bauart hat statt des
Kegelventils eine Bronzekugel als selbsttätiges
Absperrorgan. Beide Bauarten haben gewöhn-
Abb. lOQ. Bauart der österrei-
chischen Staatsbahnen.
Abb.
110. Amerilianische
Bauart.
lieh noch auf dem einen der S. auf den Loko-
motiven einen kleinen von Hand mittels eines
Zuges zu betätigenden Spritzhahn für Rauch-
kammereinspritzung vorgesehen.
Abb. 1 10 zeigt die in Amerika übliche Bauart
der S. Sie hat den Vorteil, daß die selbsttätige
Absperrvorrichtung (in Abb. 110 ein Ventil) im
Kessel selbst liegt. Wird der S. infolge einer
Beschädigung abgerissen, so schließt das im
Kessel selbst liegende Ventil nach außen ab, ver-
hindert das Entströmen des Kesselwassers und
somit Verbrühungen von Personen. Gölsdoiif.
Speisepumpe (fced pump; pompe d'ali-
mentation; pompa d'alimentazione), eine Kolben-
pumpe zur Förderung des Speisewassers
in den Dampfkessel. An den ältesten Loko-
motiven wurde die S. von Hand aus ange-
trieben; später erfolgte der Antrieb durch
Exzenter von einer der Achsen aus, daher
auch der früher oft gebrauchte Ausdruck „Fahr-
pumpe". Um auch während des Stillstandes der
Lokomotive speisen zu können, hat man ver-
einzelt S. mit Antrieb durch eine kleine Dampf-
maschine, sog. Schwungradpumpen, ausgeführt.
Die S. sind ab Anfang der Sechzigerjahre
vorigen lahrhunderts immer mehr durch die
Dampfstrahipumpen (s. d.) verdrängt worden,
da diese die vielen Unzukömmlichkeiten der
damaligen Bauarten der S., wie Einfrieren,
Defekte am Antrieb u. s. w. nicht aufweisen
und überdies ermöglichen, während der Fahrt
und während des Stillstandes zu speisen.
Der Vorteil der S., beträchtlich vorge-
wärmtes Wasser aus dem Tender ansaugen zu
können, ist den Dampfstrahlpumpen nicht eigen;
es hat daher nicht an Bestrebungen gefehlt,
die S. weiter zu verbessern (z. B. London-
Brighton-Bahn, Paris-Orleans-Bahn u. s. w.).
Durch die in neuester Zeit in brauchbarer,
betriebssicherer Ausführung entstandenen „Vor-
wärmer" sind auch die S. wesentlich verbessert
worden. Da sie in dieser Form einen wesent-
lichen Teil der Vorwärmeranlage bilden, sind sie
dort behandelt (s. Vorwärmer). Golsdorff.
Speiserohre (fced pipes; tiiyaitx d'ali-
mentation; ttibi d'alimentazione), jene Rohr-
leitungen, die das von der Speisevorrichtung
(Injektor oder Dampfstrahlpumpe) oder der
Kolbenpumpe angesaugte Speisewasser in den
Kessel führen. Im allgemeinen sind in jeder
Speiserohrleitung 2 Absperrvorrichtungen an-
gebracht: eine dicht am Kessel, um .Aus-
besserungen (Reinigung der Speiserohrleitung
u. s. w.) vornehmen zu können, ohne den Kessel
kalt machen zu müssen, und eine zweite (Speise-
ventil), die selbsttätig das Zurücklaufen des im
Kessel befindlichen Wassers in die Speiserohr-
leitung bzw. in die Speisepumpen verhindert.
Getrennte Anordnung dieser 2 Absperrvorrich-
tungen kommt viel bei Stabilkesseln vor, ins-
besondere dann, wenn von einer Hauptspeise-
vorrichtung aus mehrere Kessel gespeist werden.
Bei Lokomotiven sind diese beiden Absperrungen
stets in einem Konstruktionsglied, dem Speis-
kopf (s.d.), vereinigt. In neuerer Zeit werden
fast alle Lokomotiven so eingerichtet, daß sie
im Bedarfsfall als Feuerspritze verwendet
werden können. Zu diesem Behuf ist in die
Speiserohrleitung, dicht an der Speisepumpe
(Injektor), ein Zwischenstück aus Metallguß ein-
geschaltet, das eine für gewöhnlich mit einer
Überwurfmutter geschlossene Zweigmündung
besitzt; an diese kann ein Feuerspritzenschlauch
angeschraubt werden. Golsdorff.
Speisevorrichtung (fced apparatns; ap-
pareil d'alimentation ; apparecchi per alimenta-
tione), Gesamtbezeichnung für die aus ver-
schiedenen Einzelteilen bestehende Einrichtung,
die bestimmt ist, das Speisewasser einem
Dampfkessel zuzuführen. Die S. bestehl aus:
dem Apparat, der das Wasser aus dem
Wasserkasten der Lokomotive oder dem Tender
ansaugt, d. i. einer Dampfstrahlpumpe (s. d.)
oder einer Kolbenpumpe; aus den Speise-
rohren (s. d.) und dem Speisekopf (s. d.).
Bezüglich der an Lokomotiven vorkommenden S.
enthalten die T. V. im § 94 folgende Bestimmungen:
1. Jeder Kessel ist mit wenigstens 2 vonein-
ander unabhängigen S. zu versehen, von denen jede
einzelne zum Speisen des Kessels ausreicht und
mindestens eine unabhängig von der Bewegung der
Lokomotive wirken kann.
2. An der Einmündung der S. in den Kessel müssen
selbsttätige Ventile zur Verhinderung des Wasser-
abflusses aus dem Kessel angebracht sein.
3. Bei neuen Lokomotiven sind diese selbsttätigen
Ventile von außen verschließbar herzustellen oder
es sind zwischen ihnen und dem Kessel besondere
Abschlüsse einzuschalten. Gölsdorf f.
Speisewagen s. Personenwagen.
Speisewasser (fccd-water; eau d'alimen-
tation; aqua d'alimentazione) zur Wasserver-
sorgung der Dampfkessel.
Speisewasser.
99
Ober Art und Verunreinigung des S.,
Kesselsteinbildung, Ablagerung des Kessel-
steins und Einfluß des Kesselsteins auf die
Wirtschaftlichkeit sowie über Verhütung der
Bildung des Kesselsteins s. Kesselstein.
Ober Einrichtungen zur Abscheidung des
Kesselsteins aus dem S. — entweder im
Dampfraum, im Wasserraum oder auch außer-
halb des Kessels - s. Kesselsteinabscheider.
S. muß beim Eintritt in den Kessel möglichst
warm sein. Warmes S. vermindert Wärme-
schwankungen im Dampfkessel. Es werden un-
günstige Materialbeanspruchungen vermieden
und Kohlen erspart. Daher Vorwärmung er-
wünscht. Ober Anlagen zur Vorwärmung des S.
s. Speisewasservorwärmung.
S. muß rein und weich, d. h. möglichst
frei von mechanischen und chemischen Ver-
unreinigungen sein. Schädliche Stoffe werden
beseitigt durch Reinigung und Enthärtung.
Reinigung von Schlamm, Lehm, Abfällen,
Öl u. s. w. Schwere Beimengungen läßt man
in Klärbehältern sich absetzen. Für leichtere
Stoffe erfolgt die mechanische Reinigung durch
Filter. Die Größe des Filters ist derart zu be-
messen, daß die Wassergeschwindigkeit höch-
stens Vlmin für 1 Sekunde beträgt. Als Mate-
rial des Filters empfiehlt sich am besten Kies und
zerkleinerter Koks in mehreren Schichten mit
i/, - 3 mm Korngröße. Die Filter sind häufig
durch Omrühren und Auswaschen zu reinigen.
Für geringen Raumbedarf und große Leistung
kommen Schnellfilter mit mehreren überein-
anderliegenden, auf je einem Siebboden ge-
lagerten Quarzsandschichten in Verwendung.
Öle und Fette sind aus dem S. durch Öl-
abscheider und Filter zu entfernen. Schon ein
Zusatz von 0'005 — 0-01 ^ im / ist bedenklich.
Das Filtermaterial besteht hierbei aus Koks,
Holzwolle, Sägespänen oder Schwamm.
Bei erheblichem Eisengehalt ist Reinigung
erforderlich, da sich unlösliches Eisenoxyd
bildet, das Kessel und Rohre verschlammt.
Das Wasser wird in Enteisenungsanlagen
durchlüftet und gefiltert. Ober neuere Anlagen
s. Guillery, Neuere Wasserversorgungsanlagen.
Die Enthärtung des S. erfolgt, um Kessel-
steinbildner, insbesondere Kalk- und Magnesia-
salze, unschädlich zu machen. Die wichtigsten
Kesselsteinbildner sind die Sulfate und Karbo-
nate von Kalzium und Magnesium. Kesselstein
entsteht dadurch, daß durch Wärmesteigerung
bzw. Verdampfen des Wassers die Löslichkeit
der im Wasser gelösten Verbindungen sich
verringert und die unlöslich gewordenen
Mengen sich in festem Zustand ausscheiden.
Für die Beurteilung eines S. kommt nicht
ausschließlich die Menge der Kesselsteinbildner
in Frage, sondern auch der Qesamtgehalt an
gelösten Stoffen, der als Abdampfrückstand
bezeichnet wird. Auch die bei starkem Ein-
dampfen gelöst bleibenden Salze wirlcen
schädlich, da sie durch Siedeverzug Spucken,
d. i. Wasserauswurf aus dem Rauchfang der
Lokomotive verursachen. Stark salzhaltige S.
führen zu Korrosionen der Kesselbleche.
Nach den vom preußischen Ministerium der
öffentlichen Arbeiten herausgegebenen Grund-
zügen für die Errichtung von Bahnwasser-
werken und Vorschriften für die Wasserunter-
suchung ist S. als gut anzusehen, wenn in
1 / klarem Wasser der Verdampfungsrückstand
nicht mehr als 1 00 - 200 mg beträgt. Wasser
mit einem Verdampfungsrückstand von 200 bis
300 mg ist ziemlich gut, mit einem solchen
von 300 - 500 mg noch eben brauchbar. Wasser
mit mehr als 500 mg Verdampfimgsrückstand
auf 1 / muß chemisch gereinigt werden. Der
Zusatz ist nach dem Ergebnis einer chemischen
Untersuchung zu bemessen.
Außer nach den Verdampfungsrückständen
wird die Güte des S. auch nach Härtegraden
gemessen. Ein deutscher Härtegrad = 1 Ge-
wichtsteil Kalk auf 100.000 Gew'ichtsteile Roh-
wasser (1 deutscher Härtegrad = 1'25 eng-
lischem = 1-79 französischem Härtegrad). Die
Gesamthärte des S. ist die Summe der Gewichts-
teile an Kalk und der auf Kalk umgerechneten
Gewichtsteile Magnesia. Dabei entspricht 1 Ge-
wichtsteil Magnesia 1'4 Gewichtsteilen Kalk.
S. von 10—15 deutschen Härtegraden
gilt im allgemeinen noch als weich. Die Ent-
härtung des S. ist für leicht zu reinigende
Kessel notwendig und nutzbringend, wenn die
Härte mehr als 1 2 deutsche Härtegrade beträgt,
wogegen bei schwer befahrbaren Kesseln, also
auch Lokomotivkesseln, schon 6-7 deutsche
Härtegrade die äußerste Grenze bilden, bis
zu der ungereinigtes Wasser ohne wesent-
lichen Nachteil verwendet werden kann.
Bestimmung der Härte. Sie erfolgt am
genauesten durch Errechnung aus der durch die
chemische Untersuchung des S. ermittelten
Zusammensetzung. Ongenauer wird sie durch
Titrieren mit einer Seifenlösung bis zur blei-
benden Schaumbildung nach dem Schütteln
bestimmt. Die zum Titrieren benutzte Seifen-
lösung wird auf ein Wasser von bekannter
Härte oder auf eine Chlorbariumlösung von
bekanntem Gehalt eingestellt. Man unterschei-
det Gesamthärte, bleibende Härte und vorüber-
gehende Härte. Bleibende Härte ist der nach
längerem Kochen verbleibende Rest an Härte. Sie
wird im wesentlichen durch den Gehalt des S.
an schwefelsaurem Kalk (Gips) und schwefelsau-
rer Magnesia bedingt. Die Abnahme der Härte,
10(J
Speisewasser.
vorübergehende Härte, wird durch den Gehalt
an saurem kohlensauren Kalk bzw. Magnesia
verursacht, die beim Kochen unter Verlust an
Kohlensäure sich als unlösliche kohlensaure
Salze abscheiden.
Ein Wasser von hoher bleibender Härte
bei gleicher Gesamthärte ist schlechter als ein
solches von niedrigerer bleibender Härte, da
der sich ausscheidende Kesselstein infolge seines
höheren Gehalts an Gips (schwefelsaurem Kalk)
wesentlich härter und schwerer abklopfbar ist.
Bei der Enthärtung werden die Kesselstein-
bildner chemisch in unlösliche Kalk- und
Magnesiaverbindungen umgesetzt. Die festen
Teile, die sich dabei bilden, werden auf
mechanischem Wege entfernt.
Nach den Zusätzen, die dem S. bei-
gegeben werden, unterscheidet man Enthärtung
durch: 1. Kalk, 2. Soda, 3. Kalk und Soda,
4. Ätznatron, 5. Bariumhydroxyd, 6. Barium-
karbonat und 7. Permutit.
1. Bei der Enthärtung durch Kalk wird
Kalkwasser (Lösung von gebranntem Kalk) dem
zu reinigenden S. hinzugesetzt. Aus dem im
Wasser gelösten sauren kohlensauren Kalk
entsteht unlöslicher einfach kohlensaurer Kalk.
Ca(HCO^). + Ca{OH). = 2 CaCO^ + 2 H.O
Mg{HCO,u + Ca{OH), ='MgCO, + CaCO, + H.O
Die Ausfällung der kohlensauren Magnesia
ist unvollständig. Auf ag des in der Analyse
angegebenen kohlensauren Kalks sind 0-56 ag
gebrannter Kalk erforderlich. Wasser, das freie
Kohlensäure enthält, erfordert eine größere
Menge gebrannten Kalks, als die vorgenannte
Rechnung ergibt.
2. Bei der Enthärtung durch Soda (kohlen-
saures Natron) wird der schwefelsaure Kalk
in kohlensauren Kalk umgewandelt.
CaSO, + Na.CO, = CaCO, + Na.SO,.
Die Umwandlung erfordert längere Zeit,
die der schwefelsauren Magnesia ist unvoll-
ständig. Auf bg schwefelsauren Kalk sind
136*^ ^ 078 6^ wasserfreie Soda (Ammo-
niaksoda) erforderlich.
3. Die Enthärtung durch gleichzeitigen Zusatz
von Kalk und Soda wird am häufigsten ange-
wendet und ist am meisten zu empfehlen. Berech-
nung der Zusätze wie oben unter 1 und 2.
4. Die Enthärtung durch Ätznatron zielt auf
Entfernung des schwefelsauren Kalks und Ver-
ringerung des sauren kohlensauren Kalks hin.
Ca{HC03t2 + 2NaOH= CaCO, +Na.CO,+ 2H^O
CaSOi + NüiCOi =^aCOi + NalSOt
CaSO^ + Ca{HCOih + 2NaOH = ICaCO, + Na2SOi + ZH.O
Auf ag schwefelsauren Kalk sind 0-6 ao- Ätz-
natron (Natriumhydroxyd) erforderlich, außer-
dem wird der Gehalt des Wassers an doppelt-
kohlensaurem Kalk um \-b ag vermindert.
5. Bariumhydroxyd wirkt in ähnlicher Weise
durch Bindung der Kohlensäure. Außerdem
wird die im Gips enthaltene Schwefelsäure als
unlöslicher schwefelsaurer Baryt entfernt.
CaSOi + BaCOi = BaSOi -{- CaCO,
Ca(/iC03l2 + Ba[Offh= CaCO^ +BaC03+7H20
CalHCO^). + CaSO^ + Ba(OH), = 2 CaCO^ + BnSO, + 2 //oO
Auf ag CaSO^ sind erforderlich 2-3 ag
kristallisiertes Bariumhydroxyd. Außerdem
werden von dem im Wasser gelösten doppelt-
kohlensauren Kalk noch 1-5 o^als kohlensaurer
Kalk ausgefällt.
6. Bariumkarbonat wirkt nur, wenn es
künstlich gefällt ist. Gemahlenes natürliches
Barium karbonat (Witherit) ist wirkungslos.
Auf ag schwefelsauren Kalk sind 1-45 ag
Bariumkarbonat erforderlich. Zweckmäßig wird
diese Enthärtung mit der Enthärtung durch
Kalk (vgl. 1 der Aufzählung) verbunden.
7. Permutit ist ein durch Zusammenschmelzen
von Feldspat, Kaolin, Sand und Soda erhaltenes,
dem in der Natur vorkommenden Zeolith ähn-
liches Produkt, das die Eigenschaft hat, Kalksalze
in Natriumsalze umzuwandeln. Das über Per-
mutit langsam filtrierte Wasser enthält an Stelle
des sauren kohlensauren Kalks Natriumbikar-
bonat. Die Permutitfilter werden mit der Zeit
unwirksam, lassen sich aber durch Behandlung
mit Chlornatriumlösung wieder wirksam machen.
Die Zusätze könn?n dem Wasser beigegeben
werden, bevor es in den Kessel gelangt oder
im Kessel selbst. Das letztere Verfahren ist
nicht zu empfehlen, da die bei der Enthärtung
sich bildenden Rückstände im Kessel verbleiben
und diesen verunreinigen.
Für die Enthärtung außerhalb des Kessels
sind besondere Vorrichtungen erforderlich, die
für die Verfahren zu 1 — 6 (s. o.) keine grund-
sätzlichen Unterschiede aufweisen.
Die als Beispiel dargestellte Kalk-Soda-Enthärtungs-
anlage vonReisert, Köln (s. Abb. 111), besteht aus dem
Kalksättiger 5, dem Klärbehälter D, dem darüber an-
geordneten Verteilungsbehälter und dem Kiesfilter F.
Letzterer ist bei Platzmangel in den Klärbehälter
eingebaut. Die in dem Raum y des Verteilungs-
behälters bereiiele Kalkmilch wird durch den Hahn K
und das darunter befindliche Rohr unten in den
Kalksättiger eingeführt. Durch das Ventil V und das
Rohr T fließt aus dem Raum B eine bestimmte,
dem Ergebnis der chemischen Untersuchung ent-
sprechende Wassermenge unter die Kalkmilch und
wirbelt diese in die Höhe. Bei dem nach oben zu-
nehmenden Querschnitt des Sättigers wird die Ge-
schwindigkeit des aufsteigenden Wassers ständig
geringer. Die Kalkteilchen fallen daher wieder zurück.
Das gesättigte Kalkwasser gelangt durch das Rohr U
in das Mischrohr E des Klärbehälters. Hierhin fließt
auch aus dem Raum C des Verteilungsbehälters
die genau bemessene IVlenge der Sodalösung und
aus dem Raum B das Rohwasser. Die ausgefällten
Kesselsteinbildner setzen sich in dem Klärbehälter
als Schlamm ab, der von Zeit zu Zeit durch den
Hahn W abgelassen wird. Das Wasser steigt aus dem
Speisewasser. - Speisewasservorwärmung.
101
Mischrohr E in dem Behälter D in die Höhe, fließt
durch ein Oberfallrohr in das Kiesfilter F und verläßt
durch ein Ventil die Enthärtungsanlage.
Zur Reinigung des h'ilters wird mit einem Ejektor
Luft durch das Filter gedrückt.
Über die verschiedenen Bauarten und über
Einzelheiten der Vorrichtungen s. Wehrenfennig,
Über die Untersuchung und das Weichmachen
des Kesselspeisewassers.
Die Kiärbehälter werden enKveder oben offen
(vgl. Abb. 111) oder geschlossen ausgeführt. Bei
den geschlossenen Behältern kann das Wasser
mit nur einer Pumpe durch die Enthärtungs-
anlage in den Wasserturm gedrückt werden.
Für offene Behälter sind 2 Pumpen, eine für
Rohwasser, die zweite für das enthärtete Wasser,
erforderlich. Zudem bedingt die offene Anlage
noch einen Zwischenbehälter, aus dem das
enthärtete Wasser gepumpt wird. Offene Bauart
Schlamm.
Abb. 111. Kalk-Soda-Enthärtungsanlage Bauart Reisert.
ist ZU empfehlen, wenn für das Wasser, etwa
wegen starken Eisengehalts, Durchlüftung er-
wünscht ist. Bei geschlossener Bauart ist Durch-
lüftung nur durch Druckluft herzustellen. Die
Zusätze können hierbei dem Rohwasser nur
durch genau eingestellte Hähne und Ventile
zugeführt werden. Bei offenen Behältern ist
Zuleitung der Lösung durch Heberieitung,
Schöpfwerk oder Kippschale erforderlich.
Die Klärbehälter müssen möglichst groß
sein, da für die Nachreaktion, die nach der ersten
Ausfällung der Kesselsteinbildner stattfindet,
eine geraume Zeit — wenigstens 3 Stunden —
erforderlich ist.
Auf dem üblichen kalten Wege läßt sich mit
obigen Vorrichtungen die Enthärtung bis auf
etwa 5 deutsche Härtegrade erreichen. Bei
starker Vorwärmung des Rohwassers ist eine
Enthärtung bis auf etwa 2 Härtegrade erzielbar.
Salzlöiung-
Eintrift
^4 H^«w
Abb. 112. Permutitfilteranlage.
Eine noch weitere Enthärtung erfolgt bei Per-
mutitbehandlung des Wassers. Eine Filteranlage
hierfür — in geschlossener Ausführung — ist
in Abb. 112 dargestellt.
Das Rohwasser fließt von einem oberen Behälter
dem Filter zu, durchströmt die Permutitschicht und
wird in enthärtetem Zustand in einen hochstehenden
Reinwasserbehälter gedrückt. Zur Erhaltung der Wirk-
samkeit der Anlage wird in den Betriebspausen eine
Kochsalzlösung in das Filter geleitet.
Literatur: Hütte, 22. Aufl., Bd. II, S. 57 f. -
Heidepriem, Die Reinigung des Kesselspeise-
wassers. — Wehrenfennig, Über die Untersuchung
und das Weichmachen des Kesselspeisewassers; Bahn-
hofsanlagen, Reinigung des Speisewassers. Eis. T. d. O.
— Stockert, Handbuch des Eisenbahnmaschinen-
wesens, Wasserspeisung von Schäfer. Berlin 1908,
Julius Springer. — QuiUery, Das Maschinenwesen
der preußisch -hessischen Staatseisenbahnen, neuere
Wasserversorgungsanlagen.
Speisewasservorwärmung. Sie dient da-
zu, das für die Speisung von Dampfkesseln
erforderliche Wasser vor Eintritt in den Kessel
auf eine höhere Temperatur zu bringen. Die
Vorteile, die damit erlangt werden, sind haupt-
sächlich: 1. Verbesserung der Wirtschaftlichkeit,
da das bereits vorgewärmte Wasser im Kessel
keinen so großen Wärmeaufwand zur Über-
führung in Dampf erfordert als kaltes Wasser;
2. Steigerung der Leistungsfähigkeit, da bei
102
Speisewasservorwärmung.
Aufwand derselben Wärmemenge im Kessel
bei vorgewärmtem Speisewasser mehr Dampf
erzeugt werden kann als bei kaltem; 3. Ver-
minderung der Kesselsteinbildung, da bei der
Vorwärmung sich ein großer Teil des Kessel-
steins ausscheidet und im V'orwärmer zurück-
bleibt; 4. Schonung der Kessel, da durch das
vorge\^ärmte Speisewasser der Temperatur-
unterschied in den Kesseln nicht nur örtlich,
sondern auch zeitlich gleichmäßiger verläuft,
hierdurch werden schädlicheSpannungen vermin-
dert ode." ganz hintangehalten. Alle diese Vorteile
haben bev^irkt, die an ortsfesten Kesseln bereits
fast allgemein verwendete S. in den letzten
Jahren auch bei Lokomotiven einzuführen.
Das im Lokomotivbetrieb verwendete Speise-
wasser hat ohne Vorwärmung im Jahresdurch-
schnitt eine Temperatur von etwa 10" C. Bei
Verwendung der bisher allgemein gebräuch-
lichen Injektoren wird das Speisewasser auf
etwa 70" vorgewärmt, es ist hierzu jedoch eine
nicht unbedeutende Menge frischen Kessel-
dampfes zum Betrieb der Injektoren erforderlich.
Soll eine stärkere Vorwärmung in Betracht
kommen, so ist jedoch die Verwendung von
Injektoren unzweckmäßig. Wird der Vorwärmer
zwischen den Wasserkasten und den Injekior
gelegt, in das Saugrohr eingebaut, so müßte
der Injektor heißes Wasser ansaugen, was bei
größeren Temperaturen (mehr als 50") mit
Rücksicht auf die Wirkungsweise des Injektors
unmöglich ist. Wird anderseits der Vorwärmer
zwischen Injektor und Kessel, ins Druck-
rohr eingebaut, so würde das bereits auf
70" vorgewärmte Wasser wegen des geringeren
Temperaturgefälles nur mehr wenig Wärme auf-
nehmen und trotz großer Heizflächen im Vor-
wärmer einen ungünstigen Wirkungsgrad er-
geben. Es ist daher bei S. die Verwendung
von Dampfpumpen notwendig. Diese sichern
auch bei Temperaturen des Wassers von mehr
als 100" die Speisung.
Beträgt die Temperatur des Speisewassers
vor dem Eintritt in den X'orwärmer 10" und
ermöglicht dieser eine Erwärmung auf 100", so
müssen dem Speisewasser durch den Vorwärmer
90'5 Wärmeeinheiten zugeführt werden. Um
Speisewasser von 10" in Naßdampf von rund
14 Atm. Überdruck zu verwandeln, sind 656'7
Wärmeeinheiten erforderlich, bei der Vorwär-
mung auf 1 00 " aber nur 656-7 - 90-5 = 466-2
Wärmeeinheiten. Es ist somit bei Naßdampf
auf eine Wärmeersparnis von
636-7
100
= 14-1«.
656-7-90-5
zu rechnen. Bei Heißdampf mit 14 Atm. Über-
druck und einer Temperatur von 330" ist der
Wärmeaufwand bei Speisewasservon 10"C 729-7
Wärmeeinheiten, wenn die spezifische Wärme mit
055 vorausgesetzt ist. Die Wärmeersparnis ist da-
her bei Heißdampf nur mit
729-7
100
= 11-4«
729-7-90-5 "'"
zu bewerten.
j Unter .Annahme dieser Grundwerte sind in
nachfolgender Zusammenstellung 1 für eine
Kohle von 7000 Wärmeeinheiten die Ersparnisse
angeführt, die bei Naß- und Heißdampf-, Zwilling-
und V^erbundlokomotiven im Durchschnitt zu
erlangen sind. Wie zu erwarten, ist bei den
wärmetechnisch vollkommener ausgebildeten
Lokomotiven der Gewinn durch die S. wesentlich
geringer als an der Naßdampflokomotive mit
einfacher Dampfdehnung. Hieraus ist abzuleiten,
daß namentlich an den älteren Naßdampf-
lokomotiven durch die S. eine merkliche Stei-
gerung der Wirtschaftlichkeit zu ens-arten ist,
während an den neueren Heißdampflokomotiven
der Erfolg ein begrenzter ist. Immerhin ist an
den Heißdampflokomotiven der Erfolg durch
Verwendung von S. ungefähr gleich dem Erfolg
durch Anwendung der Verbundwirkung.
Im Betrieb erweist sich der Gewinn gewöhnlich
noch etwas günstiger, als die Rechnung ergibt,
Zusammen Stellung; 1-
Lokomotivbauart
' Verhältnis der
Wärme in der Kohlenver- Kohlener-
Kohle für eine ' brauch für spamis gegen
indizierte PS. eine indizierte die Naßdampf-
und stunde PS. und Stunde Zvrillingloko-
motive
ohne Speiserasser^-ororärmung
Verhältnis der
! Kohlener- Steigerung
Kohlenver- spamis gegen ^„ Kohlen-
brauchfüreine dieNaßdampf- ersparnis
indizierte PS Zmllingloko- durch die Vor-
und Stunde raotive ohne irärmung
j Speisewasser-
I vorrärrauntT
mit Speisewasservoprärmung
Wärmeein-
heiten
*^
*?
Prozent
Naßdampfzwilling
Naßdampfverbund
Heißdampfzwilling
Heißdampfverbund
12.000
10.000
9.000
8.000
1-71
1-43
1-28
1-14
00
16-4
251
33-3
1-47
1-23
113
101
14-1
28-1
33-8
40-9
14-1
11-7
8-7
7-6
Speisewasservorwärmung.
103
da bei gleichbleibender Leistung die Bean-
spruchung des Kessels durch die S. vermindert
wird. Die geringere Kesselbeanspruchung
führt aber eine Besserung des Kessehvirkungs-
grades herbei und bringt hierdurch eine weitere
Brennstoffersparnis mit sich. So ist z. B. ohne
Verwendung derS. an einer Naßdampf-Zwiliing-
lokoniotive eine bestimmte Leistung mit einer
Rostbeanspruchung von 500 kg Kohle für 1 m~
Rostfläche und Stunde zu erreichen. Die Ver-
dampfungsziffer stellt sich hierbei auf 5-99
und der Gesamtwirkungsgrad des Kessels auf
62-7 0^0 ■ 1 '"" Kesselheizfläche erzeugt 58-5 kg
Dampf in der Stunde, wobei für jedes kg Dampf
655 Wärmeeinheiten aufgewendet werden, um
Speisewasser von 10" in Dampf von 12-5 Atm.
Überdruck zu verwandeln. Wird nun das Kessel-
speisewasser auf 100" vor Eintritt in den Kessel
durch S. erwärmt, so sind jetzt im Kessel nur
655-0 - 90-5 := 564-5 Wärmeeinheiten für die
Erzeugung eines kg Dampf erforderlich. Die
Beanspruchung kann daher wesentlich zurück-
gehen. Statt einer Rostbeanspruchung von früher
500 kg ist jetzt nur mehr eine solche von 390 kg
notwendig. Der Wirkungsgrad des Kessels stellt
sich jetzt mit etwa 69-0 f^ ein und durch die
Besserung des Kesselwirkungsgrades allein wer-
den nun unabhängig von der S. etwa
Brennstoff gespart. Hierdurch ist der günstige
Erfolg der S. im Betrieb hauptsächlich zu
erklären.
Hinsichtlich derAnordnung der Einrichtungen
für S. sind hauptsächlich 2 Bauarten zu unter-
scheiden; 1. Abdampfvorwärmer, die den
von der Lokomotivdampfmaschine abströmenden
Dampf für die S. verwenden, und 2. Rauchgas-
vorwärmer, die die hohe Temperatur der in die
Rauchkammer entweichenden Heizgase für die
S. ausnutzen. Bei ersterer Bauart ist mit einer
Temperatur des Dampfes von etwa 1 10- 130"
zu rechnen. Das Speisewasser kann daher kaum
auf viel mehr als etwa 1 00 " vorgewärmt werden.
Bei den Abdampfvorwärmern muß etwa l/; - "• ^
des abströmenden Dampfes zur S. Verwendung
finden. Diese Dampfmenge wird dem Ausström-
rohr entnommen und somit dem Blasrohr
entzogen. Die Blasrohrwirkung ist daher etwas
vermindert, was namentlich bei Heißdampf-
lokomotiven merkbar wird. Gewöhnlich wird
der Abdampf etwa vorhandener Luftpumpen
von Druckbremsen und der Abdampf der Speise-
pumpen selbst in den Vorwärmer geleitet. Da
die Rauchgase der Lokomotive in der Rauch-
kammer noch Temperaturen von 300-400°
besitzen, so ist durch Rauchkammervorwärmer
eine Erhitzung des Speisewassers auf 1 30 — 1 60 °
leicht möglich. Rauchgasvorwärmer gestatten
wegen des größeren Temperaturgefälles auch
die Verwendung von Injektoren. Einrichtungen,
bei welchen hochgespannter Kesseldampf oder
heißes Kesselwasser verwendet wird, um den
Kesselstein niederzuschlagen, können als eigent-
liche S. nicht angesehen werden. Sie bringen
in thermischer Beziehung auch keinen Gewinn.
Die erste Einrichtung für S. wurde um 1S52
von Kirchweger eingeführt. Bei dieser wurde
Tenderwasser durch einen Rohrkörper im Boden
des Wasserbehälters vom Abdampf der Loko-
motive erwärmt. Diese Einrichtung war ziemlich
verbreitet, vcurde jedoch sobald verlassen, als
an Stelle der damals wenig zuverlässigen Speise-
pumpen Injektoren eingeführt wurden.
Große Ähnlichkeit mit der S. von Kirchweger
besitzt eine Bauart von Drummond, die an
zahlreichen Lokomotiven in England in Ver-
wendung steht. Bei dieser Einrichtung werden
einzylindrige, doppeltwirkende Dampfpumpen
der Bauart G. u. J. Wair benutzt, die als Speise-
pumpen für ortsfeste Dampfmaschinenanlagen
und Schiffsmaschinen vielfach eingeführt sind.
Die Fördermenge dieser Speisepumpe kann
innerhalb weiter Grenzen eingestellt werden.
Neuerdings haben auch die Erzeuger der
G. u. J. Wair-Speisepumpe einen besonderen
Speisewasservorwärmer ausgebildet.
Die S. nach der Bauart Caille-Potonie
benutzt ebenfalls einen Teil des Abdampfes der
Lokomotivdampfmaschme für die Vorwärmung.
Ein besonderer Druck- und Temperaturregler
beeinflußt die Zuströmung des Abdampfes, damit
dem Blasrohr nicht mehr Dampf entzogen wird,
als für die Vorwärmung durchaus notwendig ist.
Der Abdampf tritt durch ein Rohrbündel eines
walzenförmigen Vorwärmers, ohne umzukehren.
Der Austritt des ausgenützten Abdampfes wird
durch ein federbelastetes Ventil geregelt, das
für einen Überdruck von 0-1 Atm. eingestellt ist.
Bei der neueren S. von Caille-Potonie ist eine
doppeltwirkende Speisepumpe vorhanden, die
nicht nur das kalte Wasser vom Tender in
den Vorwärmer saugt, sondern auch gleichzeitig
durch synchron arbeitende Kolben das Wasser
vom Vorwärmer in den Kessel drückt. Hierdurch
ist das sonst schwierige Ansaugen heißen Wassers
durch die Pumpe umgangen, ohne daß der
Vorwärmer unter hohem Druck steht. Von S.
nach Caille-Potonie wird an Lokomotiven der
französischen Eisenbahnverwaltungen in ziem-
lich bedeutenden Umfange Gebrauch gemacht.
Durch zahlreiche sehr eingehende Versuche
des Maschinendirektors F. H. Trevithick der
ägyptischen Staatsbahnen ist die Entwicklung
der Einrichtungen für S. an Lokomotiven be-
sonders gefördert worden. Von Trevithick rührt
I
104
Speisewasservorwärmung.
eine große Zahl von vereinigten Abdampf- und
Rauchkammervorwärmern und besonderen
Bei den preußischen Staatsbahnen ist die S.
von der Knorrbremse A. Q. umfangreich im
Rauchkammervorwärmern her, die gewöhnlich
für sehr hohe Vorwärmung (mehr als 100") be-
stimmt sind. Als Speisepumpen sind Dampf-
pumpen der Bauart Worthington in Verwendung.
Gebrauch. Es ist ein Abdampfvorwärmer, der
den Heizdampf dem Ausströmrohr unmittelbar
hinter dem Dampfzylinder entnimmt (Abb. 1 13).
Der Abdampf tritt in den zylindrischen oder
Speisewasservorwärmung.
105
ovalen Vorwärmer, der eine große Zahl von U-
förmigen dünnwandigen Rohren enthält, die vom
Speisewasser durchflössen werden (Abb. 114).
Die Heizfläche des Vorwärmers beträgt je nach
der Größe des Lokomotivkessels 10 — 15 /«- und
reicht aus, um im Durchschnitt eine Vorwärmung
auf 90" zu erlangen. Wie bei allen Vorwärmern
eignet sich Kupfer wegen seiner günstigen
Wärmeleitung am vorteilhaftesten für die Rohre
der Vorwärmer. Es ist auch gegen Kesselstein-
belag und gegen Zerstörung am widerstands-
fähigsten. Auch IVlessing bewährte sich vielfach,
wenn es auch ein viel geringeres Wärmeleitungs-
vermögen besitzt wie Kupfer. Eiserne Rohre
haben sich nicht als geeignet erwiesen, da sie
bei der geringen erforderlichen Wandstärke
rasch durchrosten und an der rauhen Ober-
fläche auch der Kesselstein stärker haftet,
wodurch die Reinigung erschwert wird. Ver-
zinkte eiserne Rohre sollen sich besser bewährt
haben.
Die Speisepumpe der Knorrbremse A. O. ist
in Abb. 115 dargestellt. Der Dampfzylinder mit
seiner Steuerung ist von den neueren Luft-
pumpen der Luftdruckbremse unverändert über-
nommen, so daß die Arbeitsweise und die
Behandlung die gleiche ist wie bei der Luft-
pumpe. Die Wasserpumpe mit einem großen
Windkessel enthält je 2 federbelastete Ring-
ventile auf der Saug- und Druckseite. Bei 42
Doppelhüben in der Minute fördert sie stündlich
1 5 tv? Speisewasser. Der Vorwärmer der Knorr-
bremse A. O. steht unter Druck, d. h. der Vor-
wärmer wird vom Speisewasser auf dem Weg
von der Pumpe zum Kessel durchflössen. Der
Gang der Pumpe wird vom Lokomotivführer-
stand aus nach Bedarf geregelt.
Neben diesen Einrichtungen besteht noch
eine große Zahl anderer Bauarten, die indessen
noch keine größere Verbreitung gefunden
haben oder erst in Entwicklung sich befinden.
Jedenfalls haben Einrichtungen für S. eine
nicht unwesentliche wirtschaftliche Bedeutung.
Neben den nicht unerheblichen Erspar-
nissen an Brennstoff kommt hauptsächlich
die Steigerung der Leistung und die allge-
mein beobachtete Schonung der Kessel in
Betracht. Allerdings dürfen anderseits die
nicht unbedeutenden Kosten für den Einbau
und die Instandhaltung der Vorwärmer und
der Pumpen übersehen werden. Namentlich
die letzteren waren bisher das hauptsächlichste
Hindernis für eine allgemeine Einführung der
S. an Lokomotiven, da sie in bezug auf Zu-
verlässigkeit den Strahlpumpen entschieden
nachstanden. Die S. hat besondere Bedeutung für
ältere Naßdampflokomotiven, deren Leistungs-
fähigkeit gegenwärtig nicht mehr völlig aus-
106
Speisewasservorwärmung.
ium Manon^stert
reicht, während der erreichbare Gewinn an
Heißdampflokomotiven oder an gut ausge-
bildeten Verbundlokomotiven mit hohem Kessel-
druck geringer ist.
Literatur: Feed water heating on loconiotives.
Engg. 1911, Bd. I, S. 143. - Caille-Potonie,
Speisewasservor-
wärmung. Lo-
kom. 1912,5.145.
- Locomotive
feed water heating results. Railw. Gaz. 1912, S. 477.
— Schneider, Speisewasservorwärmung an Loko-
motiven. Ztschr. dt. Ing. 1913, S. 6S7. - Hammer,
Speisewasservorwärmung. - Spitzenverschluß.
107
Neuerungen an Lokomotiven. Glasers Ann. 1915,
Bd. II, S. 221. - Strahl, Wert der Heizfläche.
Ztschr. dt. Ing. 1917, S. 258; Versuche mit Dampf-
lokomotiven. Glasers Ann. 1917, Bd. II, S. 84.
Sanzin.
Sperrbaum s. F.in- und Entgieisungs-
vorrichtungen.
Sperrige Güter (balk freighfs; marchan-
dises cncombrantcs; merci ingombmnü) sind
dem Sprachgebrauch nach solche ieichtwiegende
Güter, die im Verhältnis zu ihrem Gewicht einen
ungewöhnlich großen Raum beanspruchen. Der
Tarif deckt sich jedoch nicht mit diesem Be-
griff, er behandelt, den Grundsätzen des
Raum- und Wertsystenis im einzelnen folgend
(vgl. Gütertarife S. 46 1 u. 463), nur die Güter als
sperrig, die er ausdrücklich hierfür bezeichnet, sei
es, wie in Deutschland, durch Aufnahme in das
I. Verzeichnis zu den allgemeinen Tarifvor-
schriften, sei es, daß, wie in Österreich, die Güter
in der Güterklassifikation selbst in den Spalten
für die Tarifklassen als sperrig benannt werden.
Der deutsche Tarif kennt den Begriff der
Sperrigkeit nur bei Aufgabe als Stückgut.
Das Mindestgewicht ist 30 oder 60 kg, je
nachdem das Gut als Stückgut und Eilgut
oder als beschleunigtes Eilgut aufgegeben
wird. Bei der Frachtberechnung wird das
Gewicht um 50% erhöht. Die Fracht für
die dem Eilgut- oder Stückgutspeziaitarif an-
gehörenden sperrigen Güter richtet sich unter
Aufrechterhaltung des Gewichtszuschlags nach
den einzelnen Spezialtarifen. Die Verpackung
ist für die Berechnung des Sperrigkeits-
zuschlags gleichgültig, sofern nicht im Ver-
zeichnis 1 etwas anderes bestimmt ist. So sind
z. B. neue Glas- und Tonballons nur ver-
packt, neue Korbwaren dagegen, gleichgültig
ob sie verpackt sind oder nicht, als sperrig
zu behandeln. Die früheren Bestimmungen
über die Frachtberechnung für Gegenstände
von außergewöhnlichem Umfang sind aus dem
Tarif entfernt und sind auch trotz wieder-
holter Anregungen nicht wieder eingeführt
(vgl. Ständige Tarifkommission, 41. Sitzung,
Nr. 3, HO. Sitzung, Nr. 2).
Im österreichisch-ungarischen Tarif ist
die Bezeichnung „sperrig" bei einzelnen Gütern
nur für Stückgütermengen unter 5000 kg
(s. Futterlaub, Häckerling u. s. w.) vorgesehen,
während sie bei anderen Gütern außer für
Stückgut auch für Wagenladungen von 5000
und 1 0.000 Ä^ (s. Fahrräder, Handfahrzeuge
u. s. w.) gilt.
Die Fracht wird unter Zugrundelegung des
um 50 Ojo erhöhten und sodann abgerundeten
Gewichts zu den Frachtsätzen der Klasse 1
berechnet. Grunow.
Sperrschiene s. Stellwerke.
Spezialtarife s. Gütertarife.
Spezialwagen, Güterwagen mit besonderen
Einrichtungen zur ausschließlichen Beförderung
bestimmter Güter (s. die verschiedenen Einzel-
artikel).
Spitzenverschluß (i)oiiit lock; verroii de
calage poiir aiguillcs; chiiisiira di pitnfa dello
scambio), eine mit dem Weichenantrieb ver-
bundene Vorrichtung, die den festen Anschluß
der anliegenden Weichenzunge an die Backen-
schiene sichert.
Der S. soll auffahrbar sein, d. h. beim Auf-
schneiden einer Weiche (s.d.) soll der Verschluß
der anliegenden Zunge ohne Beschädigung
gelöst werden. Das wird dadurch erreicht, daß
die Weichenzungen nicht starr miteinander
verbunden werden, sondern jede Zunge unab-
hängig von der andern eine gewisse Bewegung
ausführen kann. Beim Umstellen oder Auf-
fahren der Weiche bewegt sich zunächst die
abliegende Zimge nach der Backenschiene hin;
die anliegende Zunge behält inzwischen ihre
Lage noch bei, aber ihr Verschluß wird auf-
gehoben. Erst wenn dieser völlig beseitigt ist,
folgt sie der Bewegung der abliegenden Zunge
und fängt an, sich von der Backenschiene zu
entfernen. Bei dem weiteren Umstellen bewegen
sich dann beide Zungen gleichmäßig, bis die
früher abliegende Zunge zum Anliegen an der
Backenschiene kommt. Im letzten Teil der Umstell-
bewegung wird diese nun anliegende Zunge ver-
schlossen, während die früher anliegende sich bis
zu dem vorgeschriebenen Maß von ihrer Backen-
schiene entfernt. Bei den preußischen Bahnen
beträgt diese Entfernung \ 40 mm.
Die Festlegung der anliegenden Zunge durch
den S. erfolgl entweder dadurch, daß die Zunge
gegen einen festen Punkt abgestützt wird, oder
dadurch, daß sie durch einen Haken mit einem
an der Backenschiene angebrachten Verschluß-
stück verklammert wird. Man unterscheidet hier-
nach S. mit AbStützung und S. mit äußerer
Verklanimerung.
Zu der ersteren zählt der in Abb. 116 darge-
stellte S. der Maschinenfabrik Bruchsal, die zuerst
einen einwandfreien auffahrbaren S. gebaut hat.
Mit jeder der beiden Weichenzungen ist ein
Stempel a verbunden, der mit dem einen Ende
den Fuß der Weichenzunge umfaßt und an
dem andern Ende in dem trapezförmigen
Gelenk b beweglich gelagert ist. Der mit der
anliegenden Zunge verbundene Stempel stützt
sich in der Ruhelage mit einem Röllchen gegen
das Verschlußstück c des auf der Weichenschwelle
befestigten Bockes d ab. Das Gelenk b ist durch
die Stange e mit dem Weichenantrieb verbunden.
Wird die Weiche umgelegt, so bewegt die Stange e
das Gelenk. Die abliegende Zunge folgt ohne
108
Spitzenverschluß.
I
o
tn
\-^
a>
>
c:
Q.
CO
J5
<:
T-
->
1
k
J
7
weiteres dieser Be-
wegung und nähert
sich ihrer Baci<en-
schiene. Der mit der
anliegenden Zunge
verbundene Stem-
pel dreht sich zu-
nächst um den Bol-
zen am Zungen-
kloben, während das
Röllchen an seinem
andern Ende auf
der gekrümmten
gleitet. Die
Abstützfläche nach vorne
anliegende Zunge behält dabei
ihre Lage bei. Erst wenn das Röllchen so weit
nach vorn gelangt ist, daß es seine Abstützung
verliert, beginnt auch die anliegende Zunge sich
zu bewegen. Bei der weiteren Bewegung erreicht
das Röllchen des zweiten Stempels die Abstütz-
fläche und verschließt nun die inzwischen zum
Anliegen gekommene, früher abliegende Zunge.
Wenn ein vollkommener Zungenschluß durch
diese Art des S. erreicht werden soll, muß dafür
gesorgt werden, daß die vorschriftsmäßige Spur-
weite an der Weichenspitze möglichst genau
Spitzenverschluß. - Splügenbahn.
109
erhalten wird. S. mit
Abstützung der vorbe-
schriebenen Art werden
auf den süddeutschen
Bahnen fast ausschließ-
lich verwendet.
Auf den preußischen Staatseisenbahnen ist das
sog. Hakenschloß (s. d.) eingeführt. Es stellt einen
S. mit äußerer Verklammerung dar. Seine
neuesteAusführungsform zeigt Abb. 1 17. Die
beiden Verschlußhaken a und die Stange b
bilden eine gelenkartige Verbindung der
Weichenzungen. Die Verschlußhaken sind
mit dem einen Schenkel in dem Zungen-
kloben c, mit dem andern in der Verbin-
dungsstange drehbar gelagert. Der vordere
Teil des Hakens umfaßt in der Grund-
stellung an der anliegenden Zunge das an
die Backenschiene angenietete Verschluß-
stück d, an der abliegenden Zunge ruht
er auf der unteren Platte dieses Verschluß-
stücks. Zur Verhütung des Durchhängens
der ganzen Vorrichtung dient der Unter-
stützungskloben e. Der Anschlag / unter
dem Haken legt sich beim Umstellen der
Weiche entweder gegen den Haken g des
Unterstützungsklobens oder gegen seine
Anschlagfläche h an der Weichenzunge und
begrenzt dadurch die Bewegung des Haken-
schlosses. Beim Auffahren der Weiche be-
wegt sich zunächst nur die abliegende Zunge
nach ihrer Backenschiene hin, während an
der anliegenden Zunge der Verschlußhaken
sich so weit dreht, daß der Verschluß
dieser Zunge aufgehoben wird. Erst wenn
das geschehen ist, folgt die anliegende
Zunge der Bewegung der andern Zunge.
Das Auffahren der Weiche vollzieht sich
auf diese Weise ohne Zerstörung einzelner
Teile des Verschlusses oder der Weiche
(s. Hakenschloß). Hoogen.
Spitzkehren s. Gebirgsbahnen.
Splügenbahn (Schweiz) bezeichnet den
Plan einer Ostalpenbahn, für den die be-
teiligte Ostschweiz zuerst eingetreten ist
und an dem der
Kanton Graubünden
auch jetzt noch fest-
hält. Die Alpenbahn-
bestrebungen der
Ostschweiz traten als
erste mit einem be-
stimmten Plan in den
Vierzigerjahren des
verflossenen Jahr-
hunderts auf und
stehen heute noch
vor der ungelösten Frage, welchem der Erfolg
zuteil werden soll (Greina oder Splügen).
Mitte des neunten Jahrzehnts des vorigen
Jahrhunderts begann das Interesse für eine
allen Anforderungen einer großen Transitlinie
entsprechende S. wieder zu erwachen. Es ent-
stand das Splügenbahnprojekt von Ober-
ingenieur Moser von 1890 mit einem Alpen-
110
Splügenbahn. - Spreetunnel.
tuniiel von \S km Länge, einem Scheitelpunkt
von 1156 w ü. M. und einer Höchstneigung
von 26 %o.
Im Jahre 1897 fand dann in der Schweiz
der Übergang vom Privatbahn- zum Staats-
bahnsystem statt (s. Schweizer Eisenbahnen,
Bd. ViU). In dem bezüglichen Gesetz wurde
die Förderung einer Alpenbahn im Osten
der Schweiz neuerdings zugesichert. Dagegen
neigten nun die Bundesbahnen in vermehrtem
Maße dem Projekt der verbesserten Lukma- •
nierbahn, d. h. der Greinabahn zu, das,
vom Kanton Tessin aufgestellt, nun gegen-
über dem alten und neuerdings verbesserten
Splügenprojekt in den Vordergrund trat.
Die ersten Entwürfe der S. haben später
Umgestaltungen und Verbesserungen er-
halten. Das Konzessionsprojekt für den
Splügen von 1909, verfaßt von dem Erbauer
der Pilatus- und Simplonbahn Dr. Locher und
Ingenieur Rigoni, weist eine Höchstneigung von
25%o und eine Tunnellänge von 24-29 ^m auf.
Von letzterer fallen 12-945^/7? auf schweizeri-
sches und \\-345 km auf italienisches Gebiet.
Während die Bundesbahnen den Bau der Ost-
alpenbahnen durch sie beantragen, hat der Bun-
desbeschluß vom 26. September 1906 bestimmt,
daß der Privaibau nicht ausgeschlossen sein solle.
Über die der Ausführung zu gründe zu legenden
Pläne wird das Parlament auf Grund eines
Antrags des Bundesrates zu entscheiden haben.
Die Baukosten der Splügenbahnprojekte sind
zwischen 1 12,554.000 Fr. und 192,000.000 Fr.,
auf 1 km zwischen 1,208.179 und 2,288.700 Fr.
berechnet.
Literatur: Dr. Hans Schmidlin, Die Ostalpen-
bahnfrage, Zürich 1916, mit ausführlichen Literatur-
verzeichnissen. Dietler.
Spreetunnel unterfahren die Groß-Berliner
Spree an 4 verschiedenen Stellen: In Treptow
(Straßenbahn), an der Wallstraße (Untergrund-
bahn Spittelmarkt-Alexanderplatz), im Zuge der
Friedrichstraße (Nordsüdbahn) und zwischen der
Waisen- und der jannowitzbrücke (Untergrund-
bahn Gesundbrunnen -Neukölln). Die beiden
letzten sind noch im Bau. Im Bau ist auch ein
zweiter Tunnel der Nordsüdbahn unter dem
Berliner Landwehrkanal nahe der Belle-Alliance-
Brücke. Tunnel unter dem Landwehrkanal an
der Kottbuser Brücke und unter dem Luisen-
städtischen Kanal sind geplant. Die Bauten waren
bei den schwierigsten Boden- und Grundwasser-
verhältnissen durchzuführen. Sie sind interessant
durch die Verschiedenartigkeit der Bauweisen.
I. Der S. zwischen Stralau und Treptow.
Beim Bau des Treptower Tunnels war man
auf die Erfahrungen angewiesen, die man in
London und New York bei der .Ausführung von
Unterwassertunneln gemacht hatte, und wählte
aus diesem Grund die von Barlow beim Bau
des Tower subway in London zuerst benutzte
Schildbauweise.
Der Treptower Tunnel hat eine Gesamtlänge
von 453 m (.Abb. 1 18) und einen kreisförmigen
stralau
'Proiemauerwerk
Trepton
"•3 **, ...161) ...'S..
_ii 132 ,U Z36..
Serade
-337.
Gerade
Abb. 118.
Querschnitt. Der eiserne Mantel (Abb. 1 19) be-
steht aus einzelnen, je öbOmm breiten, aus Fluß-
eisenplatten gebildeten Ringen und zwischen
diesen eingebauten
Versteifungsrippen.
Als Rostschutz um-
gibt ein Überzug
von Zementmörtel
außen und innen
den Eisenmantel in
einer Stärke von 80
und 100 mm.
Zum Vortrieb des
Schildes wurde am
Südufer eine 19 m
lange, 6 m breite
Baugrube hergestellt,
durch Spundwände eingefaßt und zur Abdichtung mit
einer Sohle aus Betonschüttung versehen. In diese
Grube baute man einen Förderschacht ein sowie ein
gegen die hintere Kopfwand der Grube durch Holz-
stempel abgesteiftes kurzes Tunnelstück, das man
darauf am hinteren Ende durch eine dichte, mit Luft-
schleusen versehene Wand, vorn durch Einbau des
Brustschildes abschloß. Dann wurde die vordere Kopf-
wand der Grube beseitigt, das Ganze mit Sand ein-
geschüttet, Tunnelstück und Brustschild mit Preßluft
gefüllt und mit dem Vortrieb begonnen. In der vor-
deren Schildwand, die unter dem Böschungswinkel
trockener Erde geneigt war, befanden sich zur Förde-
rung des Bodens verschließbare Öffnungen. Durch
in Kugelgelenken drehbare Stopfbüchsen erfolgte die
Einführung von Sonden, Meißeln, Bohrern u. s. w.
Eine Querwand zerlegte den Schild in eine vordere
und eine hintere Kammer. Vorn fand die Förderung
statt, hinten die Erstellung der Tunnelringe und
Zementverkleidungen sowie der Vortrieb des Schildes
durch kräftige Wasserdruckpressen. Die hintere Wand
mit den Luftschleusen wurde, dem Fortgang der Ar-
beiten entsprechend, vorgeschoben.
Die Förderung des Bodens geschah teils durch Hand-
wagen mitBenutzungderLuftschleusen.teilsdurch eine
Wasserstrahlsandpumpe. Es konnte nicht vermieden
werden, daß bisweilen der Inhalt der geförderten
Massen den dem Tunnelvortrieb entsprechenden Raum
überschritt. Sackungen des Geländes über und neben
dem Tunnel traten ein. Dem Auftrieb wurde durch
Spreetunnel.
111
äußere und innere Belastung des Tun-
nelrohrs und des BrustschJldes begeg-
net. Die Gesundheit der in der Preßluft
tätigen Arbeiter war zufriedenstellend.
Bei einer am Stralauer Ufer liegenden,
80 /«langen, stark gekrümmten Tunnel-
strecke sah man von der Sciiildbauweise
ab und versuchte die Ausführung in
offener Baugrube. Die nasse Baggerung
war dabei auf Tiefen von 4,5 bis zu
9,0 m zu bewirken. Während das Ver-
fahren auf dem höher gelegenen Teil
der Strecke gelang, war innerhalb des
tieferen, der Spree benachbarten Ab-
schnitts von 30 m Länge die Undichtig-
keit der Spundwändeund der Auftrieb des auszubag-
gernden Bodens zu groß, um einen sicheren Abschluß
der Baugrube zu erzielen. Man teilte darum diese Strecke
durch Querwände in 3 je etwa 10 m lange Kästen,
versah diese mit einer luftdichten Decke und füllte
sie mit Preßluft. So gelang denn auch
die trockene Förderung des Bodens und
die Betonierung der Sohle. Die Verbin-
dung der beiden in derartig verschie-
dener Bauweise hergestellten Tunnel-
strecken geschah durch Vortrieb des
Brustschildes in den äußersten Kasten.
Der Bau des Treptower Tunnels
hat, von einer längeren Unterbre-
chung abgesehen, 2Y2 Jahre bean-
sprucht. Der Vortrieb, der im An-
fang 07 — l'O/« am Tag betrug,
konnte im zweiten Bauabschnitt
bis auf 2'0/« gesteigert werden. Er
betrug im Anfang im Durchschnitt
O'Q m, später 1'5 m am Tage.
II. Der S. der Untergrundbahnstrecke
Spittelmarkt-Schönhauser Tor an der
Wallstraße.
Die für einen Teil des Treptower Tunnels
angewendete offene Bauweise hatte mehrere
Abb. 121.
Vorteile, so daß es nahe lag, sie noch einmal
unter Berücksichtigung der gesammelten Er-
fahrungen durchzuführen. Das ist bei dieser
Anlage geschehen, u. zw. unter gleichzeitiger
, I-3Z 2S M.W.
B&saliscIultteT
, -t 2S-60
)!s-—^-'-'
«. ^ ^ — ■ tj
-- • - - /i/-/-jff/!/'/vni-
SchutzhlecTi Smm-^y
Sparbeton.
?fauplspun.dwsj2.(3
Bteinp^dkun^
aus Sas^ltiruchst:
ScTiuCzschicht aas
Kalksandsteinen
-^S^^^
Abb. 122.
Absenkung des natürlichen Grundwasserstandes
durch eine Saugpumpenanlage. Aber auch hier
hat man anfangs nicht ausreichend gegen die
Gefahr einer Unterspülung der Baugruben-
umschließung Vorsorge getroffen.
DerSpittelmarkttunnel liegt unter äußer-
ster Einschränkung des Verlustes an Bahn-
gefälle dicht unter der Sohle des Flusses.
Die Spree ist in der Bahnachse etwa
3-5 m tief und 110 m breit. Der Unter-
grund ist reiner Kies, Eine undurchlässige
sedimentäre Decke von etwa l'O m Stärke
trennt den Flußlauf vom Grundwasser-
strom.
Im Frühjahr 1910 wurde zunächst vom süd-
lichen Ufer aus ein U-förmiger, 4 m breiter
Fangedamm hergestellt (Abb. 120 u. 121), der
ein 22 m breites halbinselartiges Arbeitsfeld
begrenzte; unter Absenkung des Grundwassers
wurde die Deckschicht abgetragen, die 10 ni
langen Tiefspundwände der 12 m breiten
Tunnelgrube wurden bis 2-5 m unter Tunnel-
sohle gerammt und die Betonierung des Tunnels
selbst (Abb. 122) in Angriff genommen. Der
Tunnelkörper erhielt zur Abdichtung eine
4fache Papplage und ist gegen Verletzungen
durch eine Hülle aus Beton oder in Zement-
mörtel verlegten Kalksandsteinen geschützt.
Das Ende der Eisenbetonröhre wurde durch
zwei 3 m voneinander entfernte Stirnwände ab-
Abb. 120.
112
Spreetunnel.
geschlossen und das ganze Bauwerk gegen Beschädi-
gungen durch Schiffsanker durch eine Decke von
bmm starken, in Zementmörtel verlegten Eisenblechen
geschützt, über der nochmals eine 10 c/« starke Beton-
schicht ruht.
Kurz vor Beendigung der Ausschachtungen, als
die Sohle des nördlichen Tunnelabschnitts nahe bis
zur Spreemitte fertiggestellt war, machte sich am
Kopfende des Südtunnels
starker Wasserandrang be-
merkbar, der sich bei der
Herstellungder Verbindung
mit dem Südtunnel noch
steigerte, bis ein Bruch eines
Teiles der äußeren Spund-
wand des Fangedamms und
ein ungehemmter Wasser-
einbruch eintrat und in-
folge von Kolkbildung
unter dem fertigen Tunnel-
ende das äußerste Stück
der Tunnelröhre in einer
Länge von etwa 16 m ab-
brach.
Die Fortführung der
Arbeiten geschah in der
Weise, daß man den Nord-
tunnel soweit als möglich
fertigstellte, nachdem die
Baugrube nach der Ein-
bruchsstelle zu durch einen
neuen Kopffangedamm abgeschlossen war, der, gegen
den hrüheren um 6 rri nach Norden verschoben,
fleigrzeitig zum Abschluß für die eigentliche Tunnel-
gbaucube diente.
Die fast unbeschädigte Betonsohie konnte nach
dem Auspumpen der Baugrube und der Beseitigung
der eingespülten Sandmassen sogleich fertiggestellt
und mit dem weiteren Aufbau des Tunnels fortge-
fahren werden. Der Raum zwischen Tiefspundwand
und Tunnelwandung wurde in ganzer Tiefe mit
Hl. S. der Nordsüdbahn im Zuge der
Friedrichstraße.
Die Nordsüdbahn kreuzt die Spree im Zuge
der Friedrichstraße. Der Eisenbetontunnel muß
die Pfeilerfundamente der Wiedendammer Brücke
durchdringen. Die mittlere Spreetiefe im Zuge
Bauabschnitt 1.
Bauabschnitt 11.
Abb. 124.
Bauabschnitt 111.
MI'l'l'l'II|i|'
" "^^S^ Leitwerk
r '>'^.".V\|--
Setanpfropfen
rmgeilSA.
\ \v,\llrl 1 1 j I II I liv« — i/VVv >^ r
\ \'\\ßsde7ischuttoniT r-\-^^/ ^
■3.\ \ / S
Abb. 123.
Sparbeton ausgefüllt (vorher unten Kies, oben Beton).
Die Spundbohlen wurden nach Abschluß der Ar-
beiten nicht herausgezogen, sondern über Spree-
sohle abgeschnitten, um den Grund nicht zu ver-
letzen.
Nach Abbruch des Fangedamms wurde auch die
nördliche Fahrrinne freigegeben, und man schritt
zum Aufbau der Insel (Abb. 123) in der Mitte des
Flußlaufs, von der aus das fehlende Verbindungs-
stück zwischen Nord- und Südtunnel innerhalb eines
ringförmigen Fangedamms hergestellt wurde, der die
Kolkstelle umfaßte. Das abgebrochene Tunne'stück
wurde vollständig beseitigt.
Die Bauzeit hat 3 Jahre betragen.
der Tunnelachse beträgt S^O m, die Breite des
Flusses rd. 62 m. Die Untergrundverhältnisse
sind nicht günstig. Unter der Flußsohle steht
zunächst eine rd. 2-0 m starke Schicht moorigen
Sandes an. Dann folgt eine im Mittel rd. 7-0 m
dicke Schicht scharfen, z.T. grobkörnigen Kieses
mit Lehm- und Tonnestern, die sich an der süd-
westlichen Ecke der Baustelle bis auf 30/« Tiefe
hinabzieht. Darunter haben die Boh-
rungen scharfen Sand verschiedener
Körnung festgestellt mit Nestern, die
bis kopfgroße Steine enthalten. Westlich
der Baustelle befindet sich in unmittel-
barer Nähe ein an den Rändern steil
abfallendes Loch, das mit wenig trag-
fähigem Sand gefüllt ist (wohl die alte
Pankemündung).
Man entschloß sich, Brücke und
Pfeiler völlig zu beseitigen und die
Pfeiler in neuer Gestalt, die Brücke
unter Verwendung des alten Materials
wieder aufzubauen.
Bauweise, die man wählte, sieht 3 Bau-
abschnitte (Abb. 124) vor. Zunächst wurde vom nörd-
lichen Ufer aus ein 3 m breiter Fangedamm erstellt,
dessen Flügel an die Ufermauern anschließen. Am
südlichen Abschluß der so gebildeten Halbinsel
wurde der Fangedamm durch eine \3m lange, einfache
Spundwand ersetzt, um ein gutes Übergreifen des
Bauabschnitts! auf den Abschnitt II zu ermöglichen.
Ein Leitwerk erleichtert die Schiffahrt. Nach Trocken-
legung der Baugrube bis etwa 2-0 m unter Flußsohle
wurden die beiden nördlichen Brückenpfeiler beseitigt
und an ihrer Stelle zu beiden Seiten des künftigen
Tunnels Pfeilerteile auf Beton zwischen Spundwänden
bis zur Tiefe der Tunnelsohle unter Wasser gegründet
Die
Spreetunnel.
113
und durch eine Überbrückung aus Eisenbeton über
die Tunnelbaugrube hinweg miteinander verbunden.
Zur Umschlieljung der eigentlichen Tunnelbaugrube
wurden gleichzeitig die hölzernen und eisernen
Sprudwände eingetrieben. Auch wurden die Rohr-
brunnen für die Grundwasserabsenkung auBerlialb
der Spundwände im Spreebett erstellt. Sodann hob
man den Boden in der inneren Baugrube so weit aus,
^^^
Abb. r>5.
wie es die Wirkung der Pumpenanlage gestattete,
brachte eine Baugrubendecke (Abb. 125 u. 126) ein,
dichtete sie und deckte den gesamten, vom Fange-
damm umschlossenen Teil der Flußsohle mit geteer-
tem Segeltuch ab. Zum Abschluß der hinter dem
.^:aiip:d!chtun^
■ S'aTilhJech tOmm.
Stahlblecli 10mm
Nolzerne Spundwand
.\bb. 126. Kcke der SchuUdecke.
Landpfeiler gelegenen Baugrube wurde auf die zeit-
weilige Decke eine dichte Betonwand aufgesetzt.
Am Südende dieses Abschnitts wurde eine hölzerne
Doppelwand auf die Baugrubendecke gesetzt und
deren Hohlraum mit Dichtungsmaterial gefüllt.
Während des zweiten Bauabschnitts wird der
mittlere Teil der Flußbreite durch einen
Fangedamm eingeschlossen. Es verbleibt für
die Schiffahrt die südliche Durchfahrt in
rd. 14 m Breite zwischen den Streichbalken
des Leitwerks, für die Wasserfülirung eine
Breite von 28 m.
Unter ganz ähnlichen Verhältnissen wird
der Übergang vom zweiten zum dritten Bau-
abschnitt erfolgen, bei dem der südliche Teil
der Flußbreite durch einen Fangedamm ein-
geschlossen wird. Der Abbruch des südlichen
Landpfeilers und der Fundamente des Strom-
pfeilers sowie der Neubau dieser Pfeiler und
die Erstellung der Tunnelgrubendecke sind
in diesem Abschnitt durchzuführen. Für die
Schiffahrt verbleibt eine Breite von 13-5 //;
zwischen Fangedamm und nördlichem Strom-
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
pfeiler. Auch im zweiten und dritten Bauabschnitt
erfolgt noch eine Abdichtung der Flußsohle durch
eine Segeltuchlage.
Die Arbeiten des ersten Bauabschnitts sind Ende
1917 noch im Gange. Abweichend vom ursprüng-
lichen Plan sind die ersten 30m (nördlicher Abschnitt)
der Tunnelröhre unter doppeltem Schutz des Fange-
damms und der provisorischen Tunneldecke bereits
ausgeführt. Es ist beabsichtigt, im dritten Bauab-
schnitt ebenso zu verfahren. Dementsprechend wird
die Tunnelröhre in 3 Teilen erstellt werden, die bis
zur gänzlichen Vollendung gegeneinander durch
Betonwände abgeschlossen sind.
IV. S. im Zuge der Untergrundbahn
Gesundbrunnen-Neukölln an der
\V a i s e n b r ü c k e.
An der Baustelle des vierten S. verläuft
die Tunnelachse spitzwinklig zu den beiden
nahegelegenen Straßenbrücken (Waisenbrücke
und Jannowitzbrücke), etwa als Diagonale eines
durch die Flußufer und die Brücken um-
schlossenen Rechtecks (Abb. 127). Da die Breite
des Flusses nicht groß ist, sah man von der
anfänglich gejjlanten Ausführung in offener
Baugrube (in 2 oder 3 Bauabschnitten ähnlich
wie an der Wallstraße) ab, um während der Bau-
zeit die Behinderung der Schiffahrt in diesem
Abschnitt nicht zu vermehren. Aus dem gleichen
Grunde wurde von Versenkung etwa 6-0 m i. L.
messender Röhren abgesehen; man beschloß
ein Verfahren anzuwenden, das den Bedürfnissen
der Schiffahrt in weitestem Maße entgegenkam.
Die Bauweise mit Schildvortrieb erschien nicht
ratsam, weil dicht bebaute Straßenzüge den Fluß
begleiten und kreuzen und man beim Bau des
Treptower Tunnels die Erfahrung machte, daß die
Schildbauweise bei den Berliner Bodenverhält-
nissen die Häuserfundamente gefährden könnte.
Es wurden 2 Bauabschnitte zu Grunde gelegt.
Im ersten erfolgten alle Arbeiten, die vom Wasser-
spiegel aus auf und in der Spree zu erledigen waren
und die, in der Winterpause 1Q14/15 zusammen-
gedrängt, ohne eine erhebliche Störung der Scliiff-
fahrt durchgeführt werden konnten. Im zweiten Ab-
schnitt wird der eigentliche Tunnelkörper erstellt,
u. zw. ohne das Spreebett in Anspruch zu nehmen,
von beiden Ufern aus unter einer im ersten Bauab-
schnitt vollendeten Schutzanlage.
114
Spreetunnel.
Im einzelnen gestaltete sich der Bauvorgant;
folgendermaßen: Im Zuge der künftigen Tunnelachse
\x'urde eine 20/« breite und \b m tiefe Rinne ausge-
baggert. Darauf trieb man zur Einfassung der Tunnel-
baugrube eiserne Spundwände ein, die von Tauchern
4 rn unter Wasser abgebrannt wurden. Die Brunnen
für die spätere Grundwasserabsenkung wurden so-
dann eingebaut und vorläufig abgestöpselt. Auf die
Köpfe der Spundwand liefi man nun in die gebag-
gerte Rinne in Abständen von \-bm Gitterträger herab
und verband diese durch Betonieren unter Wasser
zu einer starren Platte, die zulet;:t mit Segelleinwand
und einer 25 cm starken Schotterschicht abgedeckt
wurde (Abb. 128). Die Leinwand reicht beiderseits
Abb. 128.
noch IQ in über die Schutzdecke hinaus. Die Schutz-
decke besteht aus etwa liO m hohen Gitterträgern
von je 17 m Länge, die unter Verwendung des Ramm-
gerüstes aufgebaut, zu je 7 miteinander durch Quer-
träger verbunden und nach Einbringung eines 6 a«
starken, mit Asphaltpappe abgedeckten Holzbodens
(zwischen den Trägern) abgesenkt wurden. Mit einem
Auflagerholm setzen sich die Schutzdeckenträger auf
die Spundwand. Ein dicker Tonwulst umschließt die
Köpfe der Spundwandeisen.
Mit den Rammarbeiten wurde Anfang Dezember
1914 vom nördlichen Ufer aus begonnen, u. zw.
von einem festen Gerüst aus. Der nördliche .^st des
Gerüstes reichte so weit, als es der geringe Schiffs-
verkehr des Winters zu-
ließ. Nachdem die Beton-
arbeiten an der Schutz-
decke zur Hälfte fertig-
gestellt waren, wurde das
Rammgerüst vom Nord-
ufer bis Spreemitte be-
seitigt. Es blieb nur
inselartig so viel stehen,
wie zur Aufnahme der
Ramme und der Schütt-
bühne notwendig war.
Dann wurde die Schiff-
fahrt auf den nördlichen
Teil der Fahrrinne über-
geleitet und die Verbin-
dung der Insel mit dem
südlichen Uferhergestellt.
Die Herstellung der Schutzdecke wurde dann zu Ende
geführt. Nachdem die letzten Platten am Südiifer
gegen Ende Juli 1Q15 vollendet waren, ging man an
die Bodenausschachtung. Die Grundwasserabsenkung
für den eigentlichen Tunnelbau wurde vom südlichen
Abschnitt her über die Baugrube ausgedehnt.
Von der Bauausführung der vierseitigen Eisenbeton-
Tunnelröhre (Abb. 129)'^ ist vor alletn der .Arbeits-
vorgang bei der Erstellung der Decke bemerkens-
Abb. 129.
wert. Die Decke wurde in eigenartiger Weise nicht
gleich an ihrem endgültigen Platz eingebaut, sondern,
um sich die Vorzüge einer leichten Zugänglichkeit
während des Betonierens zu wahren und ein sattes
Anpressen gegen die Schutzdecke zu sichern, wählte
man ein anderes Verfahren. Die Decke, Beton zwischen
I-Trägern, \xurde zunächst etwa \-5 m unter ihrer
endgültigen Lage aufgebaut und ruhte dabei auf
einem Hebegerüst aus kreuzweise gelegten Eisen-
trägern, die durch 4 Winden gleichmäßig angehoben
werden konnten. So wurden Felder von jedesmal
etwa 40/« Länge hergestellt und nacheinander in
die endgültige Lage gehoben. Vor der Hebung wurde
die fertige Betondecke noch mit einer Dichtung
beklebt und mit einer 5 cm starken Schutzschicht
überzogen. Um beim Eintreten der Auftriebswirkung
ein sattes Anpressen des Tunnels gegen die Schutz-
decke sicherzustellen, wurden über der künftigen
Mittellängswand sowie über den Seitenwänden Beton-
wülste angebracht.
Nach Hebung der Decke wird die Verbindung
mit den Seitenwandstützen hergestellt (Abb. 130).
Abb. 130.
Einzelheiten bei A (Abb. 129).
Der Tunnel an der Waisenbrücke geht der
Vollendung entgegen, trotzdem die durch den
Krieg verursachten Schwierigkeiten die Arbeiten
empfindlich aufgehalten haben.
V. Tunnel der Nordsüdhahn unter dem
Landwehrkanal und weitere geplante
Tunnelanlagen.
Diese jüngste Bauausführung tritt gegenüber
den beiden Tunneln, die zuletzt beschrieben
worden sind, an Bedeutung zurück und bietet
kaum Besonderheiten. Er wird in offener Bau-
grube gebaut.
Im ersten Bauabschnitt werden die beiden Rampen-
strecken der Bahn so weit in den Kanal hineingebaut,
daß in Richtung des Scheitels der Belle-Alliance-
Brücke eine Schiffahrtsöffnung von 7-5/« Breite fi'ei-
bleibt. Fangedämme halten der Baugrube das Kanal-
wasser, eiserne Spundwände das Grundwasser fern.
Die Köpfe der beiden Fangedämme schützt ein festes
Leitwerk. Durch die Schiffahrtsöffnung vermag die
gesamte Wassermenge von 15 «i^ Sek., die dem Kanal
bei H. W. zugewiesen wird, bei nur ganz geringem
Stau abzufließen, mit einer Geschwindigkeit von
v= 1-047 /«'Sek.
Noch 2 weitere Tunnelanlagen sind für die
nächste Zeit zur Ausführung bestirnmt. Der
Spreetunnel. - Sprengarbeiten.
115
Tunnel unter dem Luisenstädtischen Kanal wird 1
voraussichtlich unter völliger Sperrung der
Schiffahrtsstraße einheitlich in offener Baugrube
ausgeführt. Für den Tunnel an der Kottbuser
Brücke steht die Bauweise noch nicht fest.
VI. Vergleich der verschiedenen Bau-
weisen.
Ein Vergleich der verschiedenen, bei den
einzelnen besprochenen Bauausführungen an-
gewendeten Bauweisen auf ihre technischen und
wirtschaftlichen Vorzüge und Nachteile läßt sich
nur mit großer Vorsicht durchführen. Die fünf
Tunnelbauten sind unter so verschiedenen ört-
lichen und zeitlichen Verhältnissen zur Ausfüh-
rung gelangt, z. T. noch unvollendet, daß es nicht
möglich ist, einen Zusammenhang zwischen den
■Arbeitsweisen, der Dauer und der Wirtschaft-
lichkeit der Bauausführungen zu erkennen.
Literatur: Schnebei, Der Spreetunnel zwischen
Stralau und Treptow bei Berlin. Zbl. d. Bauverw.
1896, S. 414 u. 1899, S. 105. - Kemmann, Der
Spreetunnel der Hoch- und Untergrundbahn in
Berlin. Zbl. d. Bauverw. 1913,5.283. - Bousset,
Die Erweiterungen der Berliner Hoch- und Unter-
grundbahn vom Jahre 1913. Verkehrstechn. W. 1914,
Nr. 32 u. 33. - Tunnel unter der Spree in
Berlin. Ztschr. dt. Ing. 1916, S. 721. - Der dritte
Spreetunnel in Berlin. Zbl. f. Wasserbau u.
Wasserwirtschaft 1915, S. 14. - Die Anwendung
eines neuen Bau Verfahrens für die Spree-
unternehmung der A. E. G. -Schnellbahn in
Berlin. Ztschr. dt. Ing. 1915, Nr. 16. Seidel.
Sprengarbeiten (blastings; abatages par
explosifs Oll sau tage, iavori da minatorc).
A. Sprengstoffe.
Sprengstoffe sind Körper, die unter be-
stimmten Bedingungen plötzlich eine große
Gasmenge von hoher Temperatur entwickeln.
Die Explosion ist ein chemischer Prozeß, der
großenteils wieder in einer Verbrennung besteht,
wobei der erforderliche Sauerstoff den Spreng-
stoffen selbst entnommen wird.
Die Sprengstoffe sind aus verbrennbaren,
u. zw. kohlenstoffhaltigen und aus sauerstoff-
abgebenden Körpern zusammengesetzt. Die
rasche Sauerstoffabgabe wird in vielen Fällen
durch Beigabe von dritten Körpern gefördert.
Je nach der Zeit, die zur Umsetzung des
Sprengstoffs in den gasförmigen Zustand er-
forderlich ist, unterscheidet man langsam wir-
kende Sprengstoffe und rasch wirkende (brisante)
Sprengstoffe.
Die Bedingungen für brauchbare Spreng-
stoffe sind:
1. Der verbrennbare Körper soll fein ver-
teilt und leicht entzündlich sein; der sauer-
stoffabgebende den Sauerstoff leicht und
schnell abgeben. Eine innige Mischung beider
Körper ist erforderlich, damit die Entzündung
sich rasch fortpflanzt.
2. Zu hoher Kohlenstoffgehalt ist zu ver-
meiden, damit nicht Kohlenoxydgase ent-
stehen, die die gebildete Wärmemenge ver-
ringern.
3. Großes spezifisches Gewicht, damit die
Sprengstoffe einen kleinen Raum im Bohrloch
einnehmen und der Gasdruck größer wird.
4. Unempfindlichkeit gegen Stoß und Schlag,
chemische Beständigkeit, Unveränderlichkeit
bei längerer Aufbewahrung und unter Wasser,
Entwicklung nicht gesundheitsschädlicher Gase
und gefahrlose Herstellung.
5. Pulverförmige oder plastische Formen
für Felssprengungen, damit Anschließen an
die Bohrlochwandungen erreicht wird. Flüs-
sige Form ist zu vermeiden (Verspritzen und
Verziehen in Gesteinspalten), Glas- oder
Blechhülsen vermindern aber den nutzbaren
Bohrlochraum.
Im folgenden sollen hauptsächlich nur die
Sprengstoffe für Bauzwecke (Eid- und Tunnel-
bau), nicht aber die für militärische Zwecke,
auch nicht die besonderen, im Bergbau ge-
brauchten Sicherheitssprengstoffe besprochen
werden.
Die Sprengstoffe kann man in 2 Gruppen
zusammenfassen:
I. Gruppe.
Der kohlenstoffhaltige und der sauerstoff-
abgebende Körper sind mechanisch gemengt.
Hierzu gehören:
1. Das Schwarzpulver, besteht aus:
60 - 75 Teilen Kalisalpeter
15-21 „ Holzkohle
10-18 „ Schwefel.
Schwefel hat den Zweck, das Gemenge
leichter entzündlich zu machen, auch die
Sauerstoffabgabe zu erleichtern. Gekörntes
Schwarzpulver hat 1'4, gepreßtes Schwarz-
pulver 17 spezifisches Gewicht. Entzündungs-
temperatur 250-275° C. Gepreßtes Schwarz-
pulver ist wegen steifer Form für Gesteins-
sprengungen unzweckmäßig.
Schwarzpulver ist kein brisanter Sprengstoff.
Es wird daher nur mehr ausnahmsweise ver-
wendet in Steinbrüchen zur Gewinnung großer
Gesteinsblöcke oder wenn mit besonderer
Vorsicht tiefer gehende Wirkungen vermieden
werden sollen, wie z. B. bei Nachsprengungen
am Tunnelausbruchsumfang.
2. Chloratpulver, Gemenge aus Kalium-
chlorat als sauerstoffabgebendem Körper mit
einem Nitrokörper (Nitrobenzol, Nitronaph-
thalin, Dinitrotoluol) als verbrennbarem Körper,
so z. B.
Rackarock, 80»^ Kaliumchlorat mit 20%
Nitrobenzol, oft mit etwas Schwefelzusatz,
116
Sprengarbeiten.
wird unmittelbar vor dem Gebrauch gemengt,
daher die Bestandteile getrennt zur Verwendungs-
stelle gebracht werden, was ungefährlichen
Transport ermöglicht. In Nordamerika zu
Felssprengungen mehrfach verwendet.
Cheddit, 75% Kaliumchlorat, 20% Nitro-
naphthalin, 5 % Ricinusöl.
3. Ammonsalpetersprengstoffe, wie z. B.
Westphalit, Q0% Ammonsalpeter, 4%
Kalisalpeter, 6% Harz;
Dahmenit, 62% Ammonsalpeter, 16%
Kalisalpeter, 17% Trinitrotoluol, 2-5% Naph-
thalin, 2-5% Holzmehl.
4. Oxyliquid. Eine Mengung von flüssiger
Luft mit in Petroleum getauchtem Papier oder
Wolle, Kohlenstaub, Holzmehl.
Es ist schwierig, die Wirksamkeit der flüs-
sigen Luft (Temperatur - 190^ C) von der
Mengung bis zum Gebrauch zu erhalten; denn
infolge dauernder Verflüchtigung der Luft
ändert sich das Mischungsverhältnis des Spreng-
stoffs, der nach kurzer Zeit seine Wirksam-
keit verliert.
Auf der Versuchsstelle am Simplontunnel
war die Wirkung des Oxyliquids infolge der
nach Mengung der Bestandteile erfolgenden
unmittelbaren Verwendung sehr günstig. Da
durch den Transport in den Tunnel und
durch die längere Dauer von der Ladung bis
zur Sprengung die Wirksamkeit des Spreng-
stoffs sehr herabgemindert wurde, so hat
man von dessen Verven düng abgesehen. Im
Bergbau ist Oxyliquid in letzter Zeit mehr-
fach verwendet worden.
II. G ruppe.
Hierzu gehören Sprengstoffe, die eine ein-
heitliche chemische Verbindung darstellen.
Sie werden hergestellt durch Einwirkung von
Salpetersäure auf Alkohol, Baumwolle, Stroh,
Glyzerin, Benzol, Phenol u. s. w., wozu viel-
fach noch Schwefelsäure beigegeben wird, um
das bei Bildung der Nitroverbindung frei-
werdende Wasser aufzunehmen und die Wirk-
samkeit iler Salpetersäure zu verlängern.
1. Knallquecksilber erhält man durch
Einwirkung von Salpetersäure auf Alkohol
und Quecksilber; es ist ein giftiger und sehr
empfindlicher Sprengstoff, der daher nicht
unmittelbar zum Sprengen, sondern gemischt
mit verschiedenen Stoffen in schützenden
Kupferhülsen als Sprengkapsel oder Zünd-
hütchen (s. d.), zur Entzündung anderer
Sprengstoffe (Detonationszündung) verwendet
wird und in dieser Form in der Spreng-
technik unentbehrlich ist.
2. Schießwolle entsteht durch Einwirkung
von Salpetersäure auf Baumwolle unter Zu-
j gäbe von Schwefelsäure (Wasserentziehung).
j Der flockige, im Aussehen der gewöhnlichen
I Baumwolle gleichende Sprengstoff eignet sich
wegen des geringen spezifischen Gewichts
(Ladegewicht OT - 0"3), des Verlustes der
Explosionsfähigkeit im nassen Zustand, der
größeren Empfindlichkeit gegen Stoß und der
höheren Kosten zu Gesteinssprengungen wenig.
Auch die gepreßte Schießwolle, die das
Aussehen von Pappe hat, wird in steifen Pa-
tronen oder Zylindern hergestellt, erlaubt keinen
dichten Anschluß an die Bohrlochwandungen,
wird daher zu Gesteinssprengungen nicht
verwendet.
Dagegen fand die gepreßte und gekörnte
Schießwolle entweder rein oder mit Zusätzen
(Kaliumnitrat, Bariumnitrat u. dgl.) als Spreng-
stoff (Tonit, Potentit) für Gesteinssprengungen
Verwendung. Tonit wurde z. B. zu den
Sprengarbeiten im Mersey- und Severntunnel
(England) gebraucht.
3. Nitroglyzerin (Sprengöl) entsteht durch
Behandlung von Glyzerin mit Salpetersäure
unter Zusatz von Schwefelsäure (Wasserent-
ziehung). Es ist eine gelbe ölartige Flüssigkeit
von 1-6 spezifischem Gewicht, 180° Explosions-
temperatur und 6-8° Gefriertemperatur; es
muß bei 10-11° aufgetaut werden, was mit
Vorsicht zu geschehen hat.
Die große Empfindlichkeit gegen Stoß und
Schlag, namentlich bei ungenügender Ent-
säuerung, sowie die flüssige Form (Verspritzen
und Verziehen in Gesteinsspalten, auch bei
Verwendung von Glas- oder Metallhülsen)
lassen die unmittelbare Verwendung dieses
sehr wirksamen Sprengstoffs zu Gesteins-
sprengungen nicht zweckmäßig erscheinen.
Durch Mengung mit unverbrennlichen oder
besser verbrennlichen Aufsaugestoffen beseitigt
man die genannten ungünstigen Eigenschaften
des Nitroglyzerins und erhält noch immer
sehr wirksame, zu Gesteinssprengungen be-
sonders geeignete Sprengstoffe, die allge-
mein Dynamite genannt werden. Auf gute
Entsäuerung des Nitroglyzerins ist in der Fa-
brikation besonders zu achten, weil sonst selbst-
tätige Explosionen möglich sind.
4. Dynamite. a) Mit unverbrenn-
lichen Aufsaugestoffen. \\s Aufsauge-
stoffe gebrauchte man Kieselgur, Kalkgur,
Kreide, Magnesiumkarbonat u. s. w. Die größte
Verbreitung fand das Kieselgurdynamit
bei den großen Tunnelbauten (Gotthard, Arl-
berg, Cochem u. s. w.). Es bestand zumeist
aus 75 % Nitroglyzerin und 25 % Kieselgur
(sehr poröse Infusorienerde, Kieselpanzer),
wodurch die einzelnen Nitroglyzerinteilchen
gegen unmittelbare Stoßeinwirkungen ge-
Sprengarbeiten.
117
sichert werden und der Sprengstoff eine
wachsartige, plastische, zur Ladung in Bohr-
löcher sehr geeignete Masse bildet.
Im übrigen besitzt das Kieselgurdynaniit die
Eigenschaften des Nitroglyzerins; es friert bei
6 - S", muß also in diesem Fall vor Ver-
wendung aufgetaut werden.
Da aber der unverbrennliche Aufsaugestoff
selbst keine Gase erzeugt, sondern den Spreng-
sasen noch Wärme zur Verschlackung der
Kieselgur entzieht, hat man Nitroglyzerin-
sprengstoffe mit
b) Verbrennlichen Aufsaugestoffen er-
zeugt.
Als Aufsaugestoffe wurden verwendet Kohle,
Holzfaser, nitrierte Strohfaser, Schießwolle,
Kollodiumwolle u. s. w.; diese Sprengstoffe
sind unter den Bezeichnungen Sebastine,
Rhexit, Petrolit, Dualin, Palein, Titanit, Me-
ganit, Dynammon, Sprenggelatine, Gelatine-
dynamite bekannt.
Namentlich sind die Sprenggelatine und
Gelatinedynamite in der Sprengtechnik zu
ausgedehnter Verwendung gelangt; es sind
dies wohl die gegenwärtig zu Sprengarbeiten
im Erd- und Tunnelbau am meisten ge-
brauchten, sehr wirksamen Sprengstoffe, die
bezüglich der Qefriertemperatur die gleiche
Eigenschaft haben wie das Nitroglyzerin, also
bei -\- 8° aufgetaut werden müssen.
Sprenggelatine wird erhalten durch Auf-
lösung von S-lO^ö Kollodiumwolle in
90 — 92% Nitroglyzerin; bei höherer Tempe-
ratur, als gummiartige, nicht plastische Masse
von großer Wirksamkeit, sehr geringer Emp-
findlichkeit gegen Stoß und Schlag, so daß
zur Zündung besondere Zündpatronen aus
anderen, leichter entzündbaren Sprengstoffen
verwendet werden müssen.
Der hohe Preis, die nicht plastische Form
und die Schwierigkeiten der Zündung haben
das Verwendungsgebiet der Sprenggelatine
eingeschränkt; immerhin wurde es bei großen
Tunnelbauten im sehr festen Gebirge ver-
wendet, wie z. B. im Gneis des Simplon-
tunnels.
Gelatinedynamite, zumeist aus 45%
bis 75% gelatiniertem Nitroglyzerin (97'5%
Nitroglyzerin, 2-5 % Kollodiumwolle) und
55 — 25% Zumischpulver (Salpeter, Holzmehl
u. s. w.).
Um restliche Säuremengen im Nitroglyzerin
unschädlich zu machen, werden noch kleine
Mengen Alkalien, meist 1 - 2 % Soda beige-
geben. Es stellt eine gelblichbraune plastische
Masse dar von 1'7 spezifischem Gewicht, die,
wenn Salpeter beigegeben, vor Durchnässung
gut zu schützen ist, und wird gegenwärtig in
ausgedehntem Maße meist unter der Bezeichnung
„Dynamit" zu Gesteinssprengungen verwendet.
Die Gefriertemperatur kann durch beson-
dere Zusätze herabgesetzt werden; so wurde
z.B. beim Bau des Hauenstemtunnels „Gamsit",
der bei niedrigen Temperaturen nicht wie die
Dynamite aufzutauen war, verwendet, beste-
hend aus 21% Nitroglyzerin, 19% Trinitroto-
luol, 1% Dinitrobenzol, 1-5% Kollodiumwolle,
1'0% kohlensaurem Kalk.
Die Dinitro-Glyzerin-Sprengstoffe können
innerhalb der meist in Frage kommenden
Temperaturgrenzen als nicht gefrierbar be-
zeichnet werden.
5. Trinitrotoluol erhält man durch Be-
handlung des Toluols (Destillationsprodukt des
Steinkohlenteers) mit Salpetersäure; ein weiß-
gelbes kristallinisches Pulver, das auch ge-
gossen (spezifisches Gewicht 1'6) verwendet
wird; es ist sehr wirksam und unempfindlich
gegen Stoß und Schlag und wird in der Gesteins-
sprengung rreist nur in Verbindung mit an-
deren Sprengstoffen (wie vorher bei Gamsit
angegeben) auch zur Füllung von Sprengkapseln
mit Knallquecksilber gebraucht.
6. Pikrinsäure (Trinitrophenol) wird
aus Phenol durch Behandlung mit Salpeter-
säure hergestellt, sie wird rein, meist aber
mit anderen Stoffen (Salpeter, Kaliumchlorat,
Holzmehl u. s. w.) vermengt oder mit 0'03
bis 0'05 Kollodiumwolle gelatiniert (Melinit,
Lyddit) gebraucht. Auch werden die pikrin-
sauren Salze mit Salpeter, Kohle, Naphthahn
vermengt als Pikratpulver verwendet. Die reine
Pikrinsäure ist unempfindlich gegen Stöße und
große andauernde Kälte; dagegen sind die
Pikrinsäuren Salze weit empfindlicher gegen
mechanische Einflüsse. Zu Gesteinsspren-
gungen haben die Pikrinsäuresprengstoffe nur
in wenigen Fällen Verwendung gefunden.
B. Zu ndmittel.
Die Sprengstoffe werden für Gesteinsspren-
gungen in der Regel in Patronenform (Pa-
pierhülsen, auch mit wasserdichten Über-
zügen), nur ganz ausnahmsweise in sehr nassem
Gebirge auch in Blechhülsen gebraucht.
Auf die Ladung des Bohrloches wird die
Zündpatrone gesetzt, die außer dem Spreng-
stoff eine Zündkapsel (Kupferhütchen mit
Knallquecksilber, Kaliumchlorat, auch Mehl-
pulver oder auch Trinitrotoluol) enthält, in
die die Zündleitung (Zündschnur oder elek-
trische Leitungsdrähte) eingeführt wird.
Einige schwer explodierende Sprengstoffe
(Rackarock, Sprenggelatine, Kampfergelatine,
Trinitrotoluol) erfordern Zündpatronen aus
einem leichter explosiblen Sprengstoff.
HS
Sprengarbeiten.
Die Zündkapseln werden meist in 10 ver-
schiedenen Größen mit Füllungen von 0'3
bis 3 0g Zündsatz gebraucht.
Der Rest des Bohrloches wird mit Besatz
(Papierpfropfen, Sand, Erde) vorsichtig ge-
schlossen, um die Sprengwirkung zu erhöhen.
Im Tunnelbau wird die Schnurzündung der elek-
trischen vorgezogen, da die Explosion der ein-
zelnen Bohrlochladungen in der Regel nacheinan-
der und in bestimmter Reihenfolge erfolgen soll.
Die Zündschnüre sind Hanfschnüre,
4-5 mrn stark, mit einer Pulverseele. Die
2-3fache Umspinnung wird meist mit Teer
getränki oder gefettet. Guttaperchaüberzüge
haben sich nicht bewährt, weil sie sehr leicht
brüchig werden. Die Brennlänge in 1 Min.
beträgt in der Regel 50 - 80 cm.
Bei den elektrischen Zündern werden
die beiden Leitungsdrähte in die Zündmasse
der Kapsel eingeführt. Man unterscheidet
Funkenzünder und Glühdrahtzünder;
bei den ersteren sind die Kupferdrähte bis
auf einen kleinen Spalt in der Zündmasse
zusammengeführt, der das Oberspringen eines
Funkens ermöglicht, bei den letzteren sind die
beiden Enden der Drähte durch einen sehr
dünnen (^ / 2f, -'^/^q mm stark und 5 — \2 mm
lang) Draht aus Platin, Iridiumplatin, Neu-
silber, selten Stahl verbunden, der bei Durch-
leitung des Stromes erglüht und so die
Zündmasse zur Explosion bringt.
Die Zündung erfolgt durch Reibungsappa-
rate (Bornhardt, Abegg, Ebner, Kromer), durch
dynamoelektrische Maschinen (Siemens, Smith,
Burgin, Tiremann, Gomaut) oder magnet-
elektrische Maschinen (Breguet, Markus, Scola),
außerdem ausnahmsweise durch galvanische
Elemente und Akkumulatoren.
Für die Gesteinssprengungen finden Funken
oder Spaltzünder mit Reibungsapparaten die
häufigste Verwendung.
C. Ausführung der Sprengarbeiten.
Die Sprengstoffe werden entweder in Bohrlöcher
oder in größere Hohlräume (Kammern) verladen
oder auch nur frei auf das Gestein aufgelegt. Man
unterscheidet hiernach Bohrlochminen, Kammerminen
und Freiminen. Im Erd- und Tunnelbau kommen
nur Bohrlochmincn in Frage, während im Steinbruch-
betrieb auch Kammerminen zweckmäßig sein können.
Das Laden der Bohrlöcher erfolgt in der Weise,
daß die Sprengmittel in Patronenform (Papier auch
mit wasserdichten Überzügen) einzeln in das Bohr-
loch gebracht und in diesem so festgedrückt werden,
daß das Bohrloch tunlichst ausgefüllt ist. .Auf die
Ladung wird die Zündpatrone, in der die Zündkapsel
sich befindet, vorsichtig aufgesetzt und sodann der
übrige Teil des Bohrlochs so mit Besatz (Papier)
geschlossen, daß die Zündleitungen (Zündschnur oder
Kupferdraht) nicht beschädigt werden. Der Besatz
hat den Zweck, ein wirkungsloses Entweichen der
Explosionsgase tunlichst zu vermeiden; er ist um
so wichtiger, je weniger brisant der Sprengstoff ist.
Um die mit dem Laden und Zünden der Minen
betrauten Arbeiter vor der Explosionswirkung zu
schützen, sind die Zündschnüre um eine ihrer Brenn-
geschwindigkeit und der Rückzugzeit der .Arbeiter
angepaßte Länge über das Bohrloch zu verlängern;
die Leitungsdrähte für die elektrische Zündung sind
bis zu dem außerhalb des Wirkungsbereichs der
Minen aufzustellenden Zündapparate zu führen; für
die an die Kupferdrähte der Zünder anschließende
längere Leitung werden auch Eisendrähte (1-3 mm
stark) gebraucht.
Bei der Minensprengung wird ein" trichterförmiger
Qebirgsteil ausgeworfen, der sog. Minentrichter oder
Wurftrichter. Man kann den Wurftrichter für die
praktischen Fälle genau genug kegelförmig annehmen,
wie Abb. 131 zeigt. Im
Minenherd a ist der
Kegel erweitert; den
senkTechten .Abstand
Abb. 131.
an = w nennt man
die kürzeste Wider-
standslinie oder Vor-
gabe, r ist der Halb-
messer des Kegel-
kreises, e die Seite und ß der Basiswinkel des Kegels.
Der dem Inhalt nach größte Wurftrichter für
eine bestimmte konzentrierte Ladung ist der, bei
dem w-^r, also ß = 45'', daher der Inhalt des nor-
malen Wurfkegels etwa K = '-^ h' = L05 w^ wird.
Die Ladung, die einen solchen Wurftrichter ergibt,
nennt man die normale. Da sich 2 Ladungen L und
Z-, verhalten wie die Volumina der \X'urfkegel V und
K,, d. h. I :/., = K; K, und da bei den Vorgaben
w H'i und den Basisradien der Kegel /-r, die Volu-
mina K = '
K,='
und tg ß
_ ' — '
3 ' ' 3 ' ° ■ r r,
werden, so folgt L : L, ^ w^ : ir,', d. h. es ver-
halten sich 2 Ladungen für geometrisch ähnliche Wurf-
kegel wie die dritten Potenzen ihrer Vorgaben. Da
— ^ = --' = C ein konstanter Wert, der Ladungs-
W^ 11', ^
koeffizient genannt wird, und für normale Wurf-
kegel r=\-05w^, so ist genau genug die erforder-
liche Ladung : L ^= CwK
Der Ladungskoeffizient C, der von der Oesteins-
festigkeit und von dem Sprengstoff abhängig ist, wird
aus Versuchen bestimmt, indem man mehrere Spren-
gungen im gleichen Gestein entweder mit gleichen
Vorgaben ii' oder mit verschieden großen Ladungen L
ausführt oder indem man bei konstanter Ladung L
die Vorgabe ir ändert. . e .
Die Ladeformel '—^ —
wird auch häufig ge-
schrieben: L = edw^,
worin ii' die Linie des
kürzesten Widerstands
in m, e einen von der
Festigkei t des Gesteins
und der Art des ver-
j wendeten Sprengstoffs abhängigen Koeffizienten,
d die Ziffer für ungenügende X'erdammung und L
die Ladung in kg bezeichnen.
Bei Sprengarbeiten im Erd-, Tunnel-, Stollen- und
Schachtbau werden die Minen zumeist in größerer
Zahl nebeneinander, in Reihen oder Gruppen an-
geordnet; sind hierbei Abstand und Ladungsgrößen
entsprechend gewählt, so können sich die Mineii
in ihren Wirkungen gegenseitig unterstützen. Bei
4Minen in einerReihe (Abb.132) im Abstand £>= 2/-= 2«»
Abb. 132.
Sprengarbeiten.
119
wird bei entsprechender Ladung und gleichzeitiger
Explosion ein Wurfkörper erzeugt, der ungefähr
K| = 7 11'^ wird, während 4 einzelne Normalminen
einen Gesamttrichterinhalt von etwa K = 4, 2 ir'
ergeben. Bei Gruppenbildung ist die quadratische
Anordnung der Minen die günstigste. Bei Anordnung
von 4 Minen nach Abb. 133 wird bei entsprechender
Ladung und gleichzeitiger elek-
trischer Zündung für r=w ein
Wurf körper sich ergeben von der un-
gefähren Größe K= Ow^, während
4 einzelne Minen emen ungefähren
Inhalt K=4-2ii'3 haben.
Werden die im Abstand f= 2/-
angeordneten Minen nicht gleich-
zeitig, sondern nacheinander zur
Explosion gebracht, was manchmal
zweckmäßig sein kann, so bleiben
die zwischen den Wurfkegeln be-
findlichen Gesteinsteile stehen und müssen durch
besondere Minen entfernt werden. Um dies zu ver-
meiden, ist im Falle nicht gleichzeitiger Zündung
ungefähr e = r zu wählen ; wenn auch hierbei ein
etwas kleinerer Wurfkörper erreicht wird, so über-
wiegen die Vorteile des geschlossenen Ausbruchs
und des geringeren Sprengmittelverbrauchs.
Bei 2 einander schneidenden freien Flächen
(Abb. 134) wird für gleiche Vorgaben w ein einheit-
licher Wurftrichter m o n mit kleineren Ladungen
erzeugt, wie in den vorher besprochenen Fällen; es
\. w.
f yi^^
r
— (
V
'-J
J
Abb. 133.
Abb. 134.
Abb. 135.
wird daher vorteilhaft sein, solche Gesteinskanten
bei der Sprengarbeit auszunutzen.
Die Lage und Abmessungen der Bohrlöcher hängen
von der Beschaffenheit des Gesteins und des verwen-
deten Sprengstoffs sowie von der Art ab, in der die
Bohrlöcher hergestellt werden. Die zur üesteinswand
senkrechte Lage des Bohrlochs ergibt dessen kürzeste
Länge; da hierbei die Bohrlochachse mit der Linie
des kürzesten Widerstands w (Abb. 135) zusammen-
fällt, so besteht hierbei aber die Gefahr wirkungs-
loser Explosion infolge vorzeitigen Hinauswerfens
des Besatzes B. Bei wenig wirkungsvollen Spreng-
stoffen wird man daher den Bohrlöchern eine ge-
neigte Lage zur Gesteinswand geben, die sich der
senkrechten h' umsomehr nähern kann, je wirkungs-
voller (brisanter) der verwendete Sprengstoff ist. Bei
brisanten Sprengstoffen ist der Besatz nicht von der
Bedeutung wie bei langsam verbrennenden, und da
namentlich beim Bohren mit Maschinen stärker ge-
neigte Löcher zumeist unbequem, ja unausführbar
sind, so begnügt man sich hierbei vielfach mit wenig
von der Senkrechten zur Qesteinswand abweichenden
Löchern. Eine zu große Höhe L der Ladung ist zu
vermeiden, daher sind brisante und spezifisch schwere
Sprengstoffe zu verwenden und die Weite d der
Tiefe t des Bohrlochs anzupassen, was nur teilweise
möglich ist. Wenn die Weite d der Tiefe t nicht
entspricht, so bleiben bei der Sprengung „Büchsen",
also Bohrlochteile stehen, die nicht ausgenutztwerden.
Erwünscht ist Ladehöhe Z. < 5rf und L < 'i,^ zu
machen, was aber nur bei wenig tiefen Bohrlöchern
eingehalten werden kann. Da vielfach im Erd- und
Tunnelbau \xegen rascher Beseitigung des Ausbruchs
eine starke Zerkleinerung des Gesteins gewünscht
wird, so wird eine Ladehöhe L =: y, — ^,,t gewählt.
Sprengungen im Tunnel (s. Tunnelbau).
Sprengungen in Felseinschnitten.
In der Regel wird in geschlossenen Einschnitten
in Absätzen gesprengt, deren Höhe vom Bohr-
betrieb abhängig ist. Die Löcher werden in
Reihen mit Hand- oder Maschinenbohrern mit
\ -2 m Tiefe und 20 - 40 /«//z Weite ausgeführt.
Die Zündung erfolgt meist in größerer Zahl
der Minen gleichzeitig sehr häufig elektrisch.
Bei sehr tiefen Felseinschnitten hat man auch
die Löcher auf volle Einschnittstiefe gebohrt,
sie mit Sand wieder verfüllt und dann von oben
nach abwärts stückweise auf solche Höhen vom
Sand freigemacht, mit Sprengmittel geladen
und die Ladung zur Explosion gebracht, bei
denen eine gute Sprengwirkung zu erwarten
war. Hierdurch konnte die Bohrarbeit ohne
Unterbrechung fortgesetzt und erheblich ver-
billigt werden.
Sprengungen in Steinbrüchen.
Im Steinbruchbetrieb kommt es in vielen
Fällen darauf an, größere, wenig zerrissene, für
die Herstellung von Mauerwerk oder Stein-
schüttungen brauchbare Steine zu gewinnen,
daher werden in solchen Fällen die tiefer her-
zustellenden Löcher mit weniger brisanten
Sprengstoffen schwach, daher vielfach noch
mit Schwarzpulver geladen. Auch erweitert man
hierbei 3 — 5 ot tiefe Bohrlöcher am unteren
Ende sackartig entweder mit Hilfe besonderer
Bohrwerkzeuge oder mit flüssigen Säuren (im
kalkigen oder dolomitischen Gestein) oder
besser durch kleine Mengen brisanter Spreng-
stoffe (Dynamit). Der Sack wird mit einem
weniger brisanten Sprengstoff geladen und mit
Zündschnur oder elektrisch angezündet. In-
folge der tiefen Lage der konzentrierten Ladung
wird das Gestein in großen Stücken gelockert
und gehoben, aber nicht zerkleinert und weniger
zerrissen, auch nicht fortgeschleudert.
Um große Werksteine zu gewinnen, werden
Gesteinsbänke oder -wände durch Stollen, die
in der angegebenen Weise gesprengt werden,
unterhöhlt, so daß die Wände infolge des großen
Eigengewichts fallen; hierbei ist die Gefahr
des Zerreißens größerer Werkstücke ziemlich
vermieden.
Für die Steingewinnung in großen Mengen,
wie namentlich für ausgedehnte Wasserbauten,
Ufer- und Pfeilersicherungen und besonders
für die Schüttung von Hafendämmen in den
südlichen Häfen des Mittelmeers, werden zweck-
mäßig die sog. Riesenminen verwendet, die
120
Sprengarbeiten. — Spucken.
eine sehr billige Sleingewinnung ermöglichen.
Es werden hierbei große Mengen brisanter
Sprengstoffe (1000- 10.000 >t^) in einem ent-
sprechend großen und richtig angelegten Hohl-
raum (Minenkammer) vereinigt und nach guter
Verdammung der Zugänge durch Mauerwerk,
Sandsäcke, Erde u. dgl. mittels elektrischer
Zündung zur Explosion gebracht. Durch solche
einmalige Explosionen wurden bedeutende
Massen (10.000-20.000^3) Steine mit sehr
geringen Kosten (unter Umständen nur O'IO M.
für 1 m^) gelöst. Die Herstellung einer Minen-
kammer (Stollenausbruch) erfordert verhältnis-
mäßig wenig und leichte Bohrarbeit; die Ladung
und Zündung wird für eine große Menge
Sprengstoff nur einmal vorgenommen und der
Wirkungsgrad der Explosion ist ein günstiger.
Sprengungen unter Wasser.
Die Gesteinssprengungen unter Wasser erfol-
gen entweder durch frei auf das Gestein gelegte
brisante Sprengstoffe, durch in Bohrlöcher ver-
ladene Sprengstoffe oder durch Anordnung
größerer Stollenanlagen und Minenkanimern
in dem wegzusprengenden, unter dem Wasser
liegenden Felsen. Bei Sprengungen mit frei auf-
gelegten Ladungen nach der Methode Lauer
erzeugen die zur Explosion gebrachten Spreng-
stoffe Trichter, deren Größe von der Dichte
des Gesteins, dem Umfang der Ladung und
der Höhe der Wassersäule abhängig ist und die
wegen der Verspannung des Gesteins durch
nachfolgende Ladungen nur bis zu einer be-
stimmten, nicht überschreitbaren Grenze vertieft
werden können; auch ist selbst im Strom mit
größerer Wassergeschwindigkeit nicht zu er-
warten, daß das gelöste Gestein der ersten
Sprengung so vollständig weggeschwemmt wird,
daß die folgenden Sprengungen hierdurch nicht
behindertwerden. Wenn daher bei dieserMethode
das oft mühsame und kostspielige Bohren von
Löchern unter Wasser vermieden wird, so ist
der Sprengmittelverbrauch doch ein so großer
und der Arbeitsfortgang ein so langsamer,
daß von diesem Verfahren wohl nur ausnahms-
weise, wie für das Absprengen einzelner Fels-
spitzen, nicht aber zur Beseitigung ausgedehnter
Felsbänke, Gebrauch gemacht werden kann.
Es ist daher zweckmäßiger, die Sprengstoffe
in Bohrlöcher zu verladen, die entweder von
der Oberfläche des Wassers aus mit Hilfe von
festen oder schwimmenden Gerüsten (Bohr-
schiffen) oder zwischen Fangdämmen, in Taucher-
glocken (Taucherschiffen) oder in Senkkästen
gebohrt werden. Auch hat man versucht, die
Löcher mit einer am abzusprengenden Grund
unter Wasser aufgestellten und durch einen
Taucher bedienten Bohrmaschine herzustellen.
Große, ausgedehnte, unter Wasser liegende
Felsriffe von großer Höhe, die also auf beträcht-
liche Tiefe zu beseitigen sind, um tiefes Fahr-
wasser für die Schiffahrt zu schaffen, werden
zweckmäßig unterhöhlt. Mit Hilfe eines Schachtes
werden Stollen ausgeführt, die so tief liegen,
daß zwischen Stollenfirst und der Oberfläche
des Riffes noch eine genügend starke und dichte
Felsschicht verbleibt, damit Einbrüche oder
stärkere Einsickerungen des Wassers nicht zu
befürchten sind. Diese Stollen dienen zur un-
mittelbaren Aufnahme von Sprengstoffen, oder
es werden m deren Wänden Bohrlöcher oder
Minenkammern zur Aufnahme der Sprengstoffe
hergestellt, durch welche die Beseitigung der
Felsdecke und der zwischen den Stollen verblei-
benden Wandungen und Pfeiler zu erreichen ist.
Eissprengungen.
Auch Eissprengungen werden mit Hilfe von
Sprengstoffen ausgeführt. Frei aufgelegte La-
dungen brisanter Sprengstoffe hatten natürlich
besseren Erfolg nach ihrer Bedeckung mit
Sand und Lehm; noch günstiger wirklen solche,
wenn sie in Rillen verlegt und dann bedeckt
wurden, wie dies bei den mit Dynamit aus-
geführten Eissprengungen in der Rhone bei
Lyon geschah. Durchbohrung der Eisdecke und
Versenkung der Sprengstoffpatronen (1—3 kg)
unter sie in größerer oder geringerer Tiefe
(0'3 —Im) je nach der Dicke der Eisschicht,
nach Art und Menge des verwendeten Spreng-
stoffs, hatte den günstigsten Erfolg. Die Spreng-
stoffe müssen mit wasserdichten Hülsen versehen
sein. Nitroglvcerinsprengstoffe sind gegen Frost-
wirkungen zu schützen. Dolezalek.
Sprengmittel s. Sprengarbeiten.
Spucken der Lokomotive (spray from fhe
fiinncl ; cntra'inement d'cau par la cheminee;
scappamento d'acqua dal fumainolo), Auswerfen
von Wasser aus dem Rauchfang.
Das S. (Speien, Priemen) hat zur Folge,
daß durch das ausgeworfene Wasser, vermengt
mit Ruß aus der Rauchkammer und dem Rauch-
fang, Reisende, Fahrpersonal, Wagen und Loko-
motive beschmutzt werden.
Das S. tritt in der Regel beim Anfahren
(Ingangsetzen der Lokomotive) ein, oft aber
auch plötzlich während des Fahrens.
Das beim S. ausgeworfene Wasser ist ent-
weder Niederschlagwasser, von dem an den
kalten Zylinderwandungen sich verdichtenden
Dampf herrührend (S. beim Anfahren), oder
mechanisch aus dem Kessel mitgerissenes
Wasser (S. während der Fahrt).
Tritt S. plötzlich während der Fahrt ein,
erkennbar für den Führer durch die an den
Spucken. - Spur.
121
Fenstern des Führerhauses sich zeigenden
schwarzen Tropfen und, wenn dies übersehen
wird, durch heftiges Stoßen und Dröhnen der
Lokomotive. Es müssen dann die Zylinderhähne
sofort geöffnet werden; der Regulator ist, wenn
nötig, ganz zu schließen.
Der Lokomotivführer wird hierdurch auf
einen für die Instandhaltung nachteiligen und
für die Betriebssicherheit selbst gefährlichen
Zustand aufmerksam gemacht, der darin be-
steht, daß durch das mitgerissene, zwischen
ZyJinderdeckel und Kolben gepreßte Wasser
ungemein heftige Stöße hervorgerufen werden.
1. S. beim Anfahren ist eine Erschei-
nung, die nur durch Offenhalten der Zylinder-
hähne während des Stillstands und zu Be-
ginn der Fahrt gemäßigt, nie aber ganz weg-
gebracht werden kann, da während des Still-
stands stets ein Niederschlagen des in den Ein-
strömungsrohren zurückgebliebenen Dampfes
und eine Abkühlung der Zylinder eintritt,
wodurch während der ersten Radumdre-
hungen beim Anfahren das Niederschlagen
einer bedeutenden Menge des frisch eintre-
tenden Dampfes bewirkt wird.
Dieses S. hört auf, wenn die Zylinderwan-
dungen eine entsprechende Wärme ange-
nommen haben.
2. S. während der Fahrt kann aus
folgenden Ursachen entstehen:
a) Plötzliche Vergrößerung der Re-
gulatoröffnung; sie bedingt eine sofort
eintretende, wenn auch nicht bedeutende
Druckverminderung über dem Wasserspiegel
an der Stelle, wo der Dampf entnommen wird,
infolge dessen heftiges Aufwallen und Mit-
reißen von Wasser.
b) Zu hoher Wasserstand (herbeigeführt
durch zu lang dauerndes Speisen) verringert den
über dem Wasserspiegel verbleibenden Dampf-
raum derart, daß die bei der Dampfentwicklung
mitgerissenen Wasserteilchen nicht mehr Zeit
finden, im Dampfraum zu verdampfen.
Solches S. kann vermieden werden durch
Abstellen der Injektoren, bzw. durch Speisung
des Kessels bis zu einer Höhe, die der Er-
fahrung entspricht.
c) Fehlerhafte Bauart des Kessels:
a) Zu kleiner Dampfraum führt, wie bei b
erörtert, S. herbei; es muß dann mit nied-
rigem Wasserstand gefahren werden, wodurch
die Handhabung und eine größere Anstrengung
der Maschine schwierig wird.
|j) Unrichtige Anordnung des Regulators.
Die Dampfentwicklung, mithin das Aufsteigen
von Wassertropfen, ist am heftigsten über der
Feuerbüchse und in den dieser nahe liegenden
Teilen der Feuerröhren.
Wird der Dom an diesen Stellen ange-
ordnet, so findet, wenn nicht hohe Dome mit
hoch liegendem Regulator angebracht sind
oder eine entsprechende Vergrößerung des
Kesseldurchmessers an dieser Stelle vorhanden
ist (Wagon top boiler), stets ein S. statt, so-
bald mit hohem Wasserstand gefahren wird.
Die Anordnung des Domes „vorne" ver-
hindert (sonstige Abmessungen des Kessels
richtig gewählt) wirksam das S., führt aber
bei langen Röhren zu großem Wasserverbrauch
bzw. zur Arbeit mit nassem Dampf, weil der
in der Nähe der Feuerbüchse entwickelte Dampf,
über den langen Wasserspiegel streichend, auf
dem Weg zum Dom bzw. Regulator eine
nicht unbeträchtliche Menge von fein verteiltem
Wasser mitreißt.
Ein vielfach angewendetes Mittel, diesen
Übelstand zu vermeiden, ist die Anbringung
von 2 miteinander durch ein Kupfer- oder
Eisenrohr verbundenen Domen. Durch den
hinteren Dom kann der über der Feuer-
büchse sich bildende Dampf zu dem im vor-
deren Dom angebrachten Regulator gelangen,
ohne über die lange Wasserfläche streichen
zu müssen.
d) Unreines Kesselwasser.
a) Wird der Kessel längere Zeit hindurch
nicht gereinigt (vom Wasser entleert und
frisch gefüllt), so wird durch die im Kessel
sich häufenden Verunreinigungen des Kessel-
wassers (durch Fette u. s. w.) das Wasser beim
Sieden derart in Wallung gebracht, daß sofort
das S. eintritt, wenn eine gewisse Höhe des
Wasserstands überschritten wird.
ß) Bei neuen Lokomotiven sind Teile des
fetthaltigen Anstrichs im Wasserkasten u. s. w.,
die sich ablösen und durch die Injektoren
in den Kessel gelangen, Ursache eines plötz-
lichen Aufwallens des Kesselwassers und eines
plötzlich eintretenden S. Gölsdorff.
Spur, Spurweite (gaiige; ecartement des
rails; scartamento), die gegenseitige Entfernung
der beiden zu einem Gleis gehörigen Schienen-
stränge senkrecht zwischen den Innenkanten
der Schienenköpfe, u. zw. nach den T.V. 14 nun
unter Schienenoberkante gemessen.
Der Ursprung der mit Ausnahme von Ruß-
land, Spanien und Portugal über ganz Europa
verbreiteten Regelspur von 4'8|/2" englisch
= 1435 OTTO ist nicht völlig klar (Haarmann,
Das Eisenbahngleis). Die erste, mit einer ähn-
lichen Spurweite ausgeführte Bahn war die den
Plymouthwerken in Merthyr-Tydfil gehörige,
1 800 eröffnete Strecke Merthyr-Tydfil-Aberdeen-
Junction. Die hier angewandten gußeisernen
Winkelschienen, deren senkrechte, aufwärts-
122
Spur.
stehende und nach der Gleismitte zu liegende
Schenkel als Spurränder dienten, hatten ein
Lichtmaß von 1294 und ein Außenmaß von
1 524 mm, paßten demnach für die damaligen eng-
lischen Straßenfuhrwerke, deren Räder 4' 6"
= 1372 mm lichten Abstand besaßen. Gibt
man solchen Rädern unter Belassung des
lichten ,\bstandes Spurkränze von 1" Stärke
und nach jeder Seite ein Spiel von ^1^", so
ergibt sich eine S. von 4' 872"- Georg
Stephenson hat die 1825 eröffnete Stockton-
Darlington-Eisenbahn mit einer S. \on A'^'^'2"
ausgeführt.
Die S. von 1435 mm wurde auch für die
im Jahre 1830 in .Angriff genommene Eisenbahn
Li\erpool-jManchester sowie bei den übrigen,
von George und Robert Stephenson gebauten
Eisenbahnen angenommen. Die anderen eng-
lischen Bahnhauer nahmen z. T. die gleiche
S. an, z. T. wählten sie größere Weiten,
hauptsächlich im Interesse der Erhöhung der
Leistungsähigkeit und Standsicherheit der Loko-
motiven. So kam es, daß sich bei den englischen
Eisenbahnen 7 verschiedene S. fanden, von
denen die kleinste die Stephensonsche mit
4'8V2" englisch (^1435 mm), die größte die
Brunelsche bei der Great Western-Eisenbahn
mit 7' englisch (^2134/wm) war.
Je mehr die ursprünglich ohne Zusammen-
hang gebauten einzelnen Linien .Anschluß an ein-
ander erhielten, desto mehr wurde das Unzu-
trägliche der Verschiedenheit der S. empfunden.
Es wurde 1845 vom englischen Parlament eine
Kommission mit dem Auftrag eingesetzt, die
Spurweitenfrage zu erörtern und ein Gutachten
darüber abzugeben, das etwaigen gesetz-
geberischen Maßnahmen als Grundlage würde
dienen können. Diese Kommission schlug vor,
die Regierung möge bestimmen, alle im Bau
begriffenen und noch zu bauenden Eisenbahnen
in Großbritannien mit gleicher S., u. zw. mit
der Stephensonsehen von 4' 8^2" englisch
auszuführen und die bereits im Betrieb be-
findlichen Eisenbahnen mit breiterer S. ent-
weder umzubauen oder A\aßnahmen zu treffen,
damit die normalspurigen Wagen ohne Unter-
brechung und Gefahr über sie laufen können.
Die Notwendigkeit einer einheitlichen S. wurde
außer mit den allgemeinen N'erkehrsinteressen
insbesondere mit den Rücksichten auf die Landes-
verteidigung begründet. Die Festsetzung des
Maßes der S. auf 4'S^/2" englisch wurde
nicht deshalb vorgeschlagen, weil es als das
zweckmäßigste erkannt wurde, sondern weil
zu jener Zeit der überwiegende Teil der eng-
lischen Bahnen diese S. hatte. Aus demselben
Grund wurde für Irland eine größere S. vor-
geschlagen. In Gemäßheit dieses Gutachtens
wurde im August 1846 durch Parlamentsakte
bestimmt, daß die S. bei allen noch zu bauenden,
für Personenverkehr bestimmten Eisenbahnen
in England mit Ausschluß der Grafschaften
Cornwallis, Devon, Dorset und Sommerset
4'8'2" englisch (= 1435 mm), in
englisch {= \bOO mm) betragen
bereits vorhandenen Eisenbahnen
S. wurden allmählich, das Netz
Irland 5' 3"
sollen. Die
mit anderer
der großen
Westbahn zuletzt im Aki 1892 auf die nor-
male S. umgebaut.
Die S. von 1435 mm wurde in den meisten
europäischen Staaten eingeführt, sie ist seit 1886
auch durch die Berner Vereinbarungen festgelegt,
und gilt daher für Mitteleuropa als Vollspur
oder Normalspur (Regelspur). Nach den Bestim-
mungen der Technischen Einheit von 1913 darf
dieses Maß für neue oder umgebaute Gleise nicht
unterschritien, aber in Krümmungen bis zu
1470 mm überschritten werden.
Für die erste in Deutschland erbaute Eisen-
bahn mit Dampfbetrieb - die am 7. Dezember
1835 eröffnete Linie Nürnberg-Fürth dienten
die in England erbauten Eisenbahnen als Muster
und wurde deshalb auch das gleiche Maß für
die S. angenommen.
Als in Preußen die Eisenhahnfrage zuerst
zur Erörterung kam, wurde von militärischer
Seite darauf hingewiesen, daß feindliche An-
griffe begünstigt würden, wenn die inländischen
Eisenbahnen die gleiche S. wie die ausländischen
erhielten. Durch königliche Ordre vom 13. Au-
gust 1837 wurde deshalb das Staatsministerium
beauftragt, diese Frage zu prüfen. In dem hierauf
erstatteten Bericht sprach das Staatsministerium
sich dafür aus, daß die S. der in Preußen zu
erbauenden Eisenbahnen derjenigen der Bahnen
des .Auslands, insbesondere Belgiens und Frank-
reichs, nach welchen Ländern damals Anschlüsse
in Frage standen, gleich gemacht werde, da
sonst die Interessen des Handels und Verkehrs
in empfindlicher Weise geschädigt werdan
würden. Durch königliche Ordre vom 11. No-
vember 1837 wurde infolgedessen bestimmt,
daß den Unternehmern einer Eisenbahn die
Annahme einer S., die von der angrenzenden aus-
ländischer Eisenbahnen abweicht, nicht zur
Bedingung gemacht werden solle. Durch das
preußische Eisenbahnnetz von 1838 wurde dann
die S. von 4' 8^ ," gesetzlich vorgeschrieben.
Wegen Unter- und Überschreitungen s. Spur-
erweiterung.
Für schmalspurige Neben- und Kleinbahnen
ist nach der Betriebsordnung, § 9, nur eine Spur
von 1000 oder 750 mm zulässig. Es finden
sich aber noch aus älterer Zeit Bahnen mit
600 mm S. (1913 etwa bOO km) in Pommern
und Posen, 785mm S. (1913 etwa 160 Am)
Spur.
123
in Oberschlesien (das Maß 7S5 mm ist aus
2' 6" rheinländisch entstanden), daneben auch
noch einzelne Bahnen mit abweichenden Spuren,
z.B. 720, 800, 900, 915, WQQ mm. Baubahnen
haben in Deutschland fast ausschließlich 600
oder 900 mm Spur. Schmalspurige Werkbahnen
haben S. von 600, 750, 1000 mm, doch finden
sich hier vielfache Abweichungen.
Größere S. als Regelspur weisen nur einige
Straßenbahnen auf (Danzig, Dresden, Hannover,
Leipzig, München).
Dem preußischen Beispiel folgten auch die
übrigen deutschen Staaten mit Ausnahme von
Baden, wo zuerst - bei Mannheim-Basel -
eine S. von 5''Y englisch {= 1600/«/«) zur
Anwendung kam. Die aus der Anwendung
dieser abweichenden S. für den durchgehenden
Verkehr entstandenen Schwierigkeiten veran-
laßten den Umbau der mit derselben gebauten
Strecken auf die S. von 1435/«/«, der im Jahre
1 S54 55 stattfand (s. Art. Badische Staatsbahnen).
InÖsterreich- Ungarn kam bei allen Haupt-
bahnen die Regelspur zur Anwendung, für
Nebenbahnen, aber auch das große bosnische
Netz, die niederösterreichischen Landesbahnen
u. a. m. 760 mm.
In Frankreich und Italien wurde ebenfalls
die Regelspur von vornherein zur Anwendung
gebracht; man nahm jedoch zuerst als Leitmaß
nicht die Entfernung zwischen den Innenkanten
der Schienenköpfe, sondern das Maß zwischen
den Mitten der beiden Schienen und bestimmte
es zu 1500/«/«. Hierdurch ergab sich je nach
der Dicke des Schienenkopfs eine verschiedene
S. Später wurde in den Konzessionen der Eisen-
bahngesellschaften zu gründe gelegten Bau-
bedingungen für die S. das Maß von 1440 bis
1 450////« vorgeschrieben. DieS.derfranzösischen
Eisenbahnen weicht demnach von der Regelspur
zwar etwas ab, es ergeben sich jedoch beim
Durchgang der Fahrzeuge infolge des un-
bedeutenden Unterschieds keine Anstände.
Die französischen Provinzialbahnen sind fast
ausschließlich mit 1000/«/« S. ausgeführt. In
Italien findet 1000/«/« S. hauptsächlich nur
für elektrische Straßenbahnen Anwendung, da-
gegen werden die Nebenbahnnetze fast aus-
schließlich mit 930/«/« S. (eingeführt 1S83 bei
der Bahn Sassuolo-Mirandola) gebaut. Das Sar-
dinische Bahnnetz hat übrigens 954 mm S. Zu-
gelassen, aber nicht angewendet ist für
italienische Kleinbahnen auch 700 mm S.
In den Niederlanden wurden die hollän-
dische sowie die Rheineisenbahn mit einer S.
von 1 930 mm angelegt, später aber auf die Regel-
spur umgebaut. Die übrigen Eisenbahnen der
Niederlande wurden von vornherein mit der
letzteren S. hergestellt. Die zahlreichen Straßen-
bahnen (meist Dampfbetrieb) weisen S. von
1067, 1000 und 750 auf.
In der Schweiz wurde zwar die Strecke
Zürich-Baden in Breitspur hergestellt, aber bald
auf Regelspur umgebaut. Alle Hauptbahnen
wurden dann nur mit dieser ausgeführt. Das
Rhätische Bahnnetz ist schmalspurig.
In Dänemark haben alle Hauptbahnen die
Regelspur erhalten, desgleichen in Belgien.
Schmalspurbahnen weisen in beiden Ländern
fast ausnahmslos 1 000 mm S. auf.
In Norwegen wurden die Hauptbahnen
teils mit 1435/«/«, teils mit \Qb7 mm. S. aus-
geführt, doch sind in den Jahren 1898- 1915
verschiedene größere Linien von letzterer auf
Regelspur umgebaut worden.
Schweden hat für Hauptbahnen stets die
Regeispur verwendet. Eine große Anzahl Klein-
bahnen ist jedoch mit 891 mm S. ausgeführt.
In Rußland wurde die erste Eisenbahn —
die am 30. Oktober 1S3S eröffnete, 27 km lange
Linie St. Petersburg-Zarskoje Selo - mit einer
S. von 6' englisch (=1829/«/«) ausgeführt.
Der Leiter dieses Bahnbaues, der österreichische
Ingenieur v. Gerstner, wählte diese große S., weil
bei ihr leistungsfähigere und standfestere Loko-
motiven gebaut werden konnten und auch für die
Wagen ein günstigeres Verhältnis der Nutz-
zur toten Last sich erzielen ließ. Als im Jahre
1842 der Bau der zweiten russischen Eisen-
bahn - der Linie St. Petersburg-Moskau (Nico-
laibahn) — in Angriff genommen wurde, beab-
sichtigte der vom Zaren Nikolaus mit der oberen
Bauleitung betraute Ausschuß, auch diese Bahn
mit der bei der Zarskoje Seloer Eisenbahn zur
Anwendung gekommenen großen S. auszuführen.
Diesem widersetzte sich aber der für den Bau
der Nicolaibahn als „beratender Ingenieur"
vom Zaren berufene amerikanische Major
Whistler. Er war ebenfalls der Ansicht, daß die
Stephensonsche S. zu klein sei, um dabei
genügend leistungsfähige und standfeste Lo-
komotiven bauen zu können, er hielt aber eine
so bedeutende Vergrößerung, wie sie von
Gerstner angenommen wurde, nicht für nötig
und wegen der dadurch hervorgerufenen Ver-
teuerung der gesamten Bahnanlage auch nicht
für zweckmäßig.
Auf Whistlers Rat wurde demnach die S.
der Nicolaibahn auf 5' englisch (= \ 524 mm)
festgesetzt. Dieses Maß wurde demnächst als
russische Regelspur beibehalten, mit der der
überwiegende Teil der russischen Eisenbahnen,
einschließlich der transkaspischen und sibirischen
Strecke, gebaut worden ist. Abweichende S.
haben außer der erwähnten Zarskoje-Seloer
Eisenbahn nur die im Jahre 1843 auf Staats-
kosten in Angriff genommenen, später an Privat-
124
Spur.
gesellschaften abgegebenen Linien der War-
schau-Wiener Eisenbahn, die mit der Regel-
spur (1435/ra/«) gebaut sind. Schon 1913 waren
Mittel für den Umbau dieser Strecken auf
russische Regelspur bewilligt. Zum Umbau ist
es jedoch des Krieges wegen nicht mehr ge-
kommen.
Für die großen Netze der „Zufuhrbahnen"
ist eine S. von 750 mm angenommen worden.
In Spanien wurde 1844 durch königliche
Verordnung eine Ingenieurkommission einge-
setzt, um Vorschläge über die S. der zukünftigen
Bahnen zu machen. Am 20. Januar 1845 wurde
von ihr als S. vorgeschlagen: 6 kastilianische
Fuß (d. s. 1671-6, also rd. 1672 mm), „weil
man bei dieser S. Lokomotiven bauen könne,
die eine genügende Menge Dampf erzeugen,
um bei gleicher Last schneller zu fahren als
bei 1435 mm S.".
Angewendet wurde diese S. gleich bei der
ersten, 1848 in Spanien eröffneten Eisenbahn
von Barcelona nach Mataro. Sie ist auch für
alle großen spanischen Bahnnetze beibehalten
worden. Doch schwanken in den amtlichen
neueren Angaben die Maße zwischen 1670
und 1672 mm. Das englische Maß von 5'6"
(^ 1676 mm) ist also in Spanien nicht zur
Einführung gekommen, mit .Ausnahme
von Engländern gebauten Algecirasbahn.
Für Provinzialbahnnetze ist allgemein
S. von 1000 mm verwendet worden. Es kommt
allerdings auch die Regelspur von 1435 mm in
Spanien bei der kleinen Bahn Langreo-Gijon vor.
Auch Portugal hat die spanische S. ange-
nommen, daneben aber auch 1000 mm.
In Nordamerika wurden die ersten, ohne
Zusammenhang miteinander gebauten Eisen-
bahnen ebenfalls mit verschiedenen S. aus-
geführt. .Auch hier erschien beim Beginn des
Bahnbaues vielen Ingenieuren die Stephenson-
sche S. zu klein. Die New York-Lake Erie-Bahn
erhielt 6' englisch (=1829 mm), andere Bahnen
5'6", wieder andere 5'3" und ähnliche Maße;
am meisten aber wurde neben der Stephenson-
schen die von 5' englisch (^1524/«/«) an-
gewendet. Diese letztere S. war besonders in
den Südstaaten verbreitet. Mit dem fortschrei-
tenden Zusammenschluß der ursprünglich
vereinzelt hergestellten Bahnlinien und der zu-
nehmenden Bedeutung des durchgehenden
Verkehrs machte sich auch das Bedürfnis nach
einer einheitlichen S. mehr und mehr geltend.
Um die Herstellung einer solchen tunlichst zu
erleichtern, wurde zwischen den verschiedenen
Verwaltungen die Einführung einer „Vermitt-
lungsspurweite" (compromise gauge) von 4'9"
englisch (=144S/«ot) vereinbart, auf die die
Bahnen mit abweichender S. umgebaut wurden.
der
die
In der Zeit vom 31. Mai bis 2. Juni 1866 wurde
in den Südstaaten ein zusammenhängendes
Netz von etwa 22.500 km Eisenbahnen auf
die Vermittlungsspur umgebaut, womit die
einheitliche Gestaltung der S. für die Haupt-
bahnen der Vereinigten Staaten im wesentlichen
durchgeführt war. Einzelne Eisenbahnen, wie die
Denver- und Rio Grande-Bahn (s. d.), waren
ursprünglich mit einer S. von 3' (=914/72/«)
gebaut. Sie sind nach und nach teils völlig
umgebaut, teils mit einer dritten Schiene für
den Durchgang normalspuriger Betriebsmittel
versehen worden.
In Mittelamerika sind die mexikanischen
Bahnen in Voraussicht des inzwischen längst
erfolgten Anschlusses an das Netz der Vereinigten
Staaten zum allergrößten Teil in Regelspur
angelegt. Doch kommt auch die S. von 3' englisch
(=91 4mm), z. B. bei der Interozeanischen Eisen-
bahn (\700km Strecke) vor. Nicaragua und Co-
starica besitzen 3'6" englisch (=: 1067 /K/ra), San
Salvador, Guatemala und Honduras 3' englisch
{= 914 mm). Die Panamaeisenbahn ist die
einzige amerikanische Eisenbahn, die noch 5'
englisch (= 1 524 mm) S. besitzt.
In Westindien weisen Cuba, Jamaica und
Trinidad Regelspur, Portorico 1000 mm, San
Domingo \0b7 mm und 762 mm und Barbados
762 mm S. auf.
In Venezuela ist als Regelspur die von
3'6" englisch {= 1067 mm) angenommen
worden. Es hat aber auch die S. von 914
und b\0 mm Anwendung gefunden.
In Brasilien wurden die ersten Eisenbahnen
mit 1600 mm (5'3") S. gebaut, die späteren
z. T. auch mit 1000 mm. Außerdem kamen
aber auch verschiedene andere S. (1400, 1360,
1210, 1100, 1067, 760 und 600 mm) vor. Es
erklärt sich dies dadurch, daß eine große
Anzahl der Bahnen Nord- und Mittelbrasiliens
ohne Verbindung miteinander sind.
In den La Plata- Staaten sind verschiedene
S. zur Anwendung gekommen, u. zw. eine
Breitspur von \67 6 mm (5'6"), die Regelspur
von 1435////// und in ausgedehntem A\aße
\000 mm, letztere namentlich für die langen
Gebirgsstrecken, die den .Anschluß nach Chile
und Bolivia bilden.
Chile hat für sein Hauptbahnnetz wie Ar-
gentinien 1676 ////// S., für Nebenbahnen und
Gebirgsbahnen (so besonders für die Transan-
denbahn) 1000 mm in Anwendung genommen.
Nur wenige kleine unabhängige Netze weisen
762 mm S. auf.
Die Bahnen in Bolivia weisen 1000/////? S.,
diejenigen in Peru größtenteils 1435////// S. auf.
In der asiatischen Türkei beträgt die S.
durchweg 1435//////, in Syrien (Damas-Hama-
Spur.
125
und Hedschasbahn) 1050//;//;, doch hat Jaffa-
Jerusalem 1000 /«/« S.
In Ostindien, ebenso auf Ceylon sind
die älteren großen Bahnnetze durchweg mit
Breitspur von 5'6" (^ 1676 mm) gebaut, doch
wird seit mehreren Jahrzehnten für nicht un-
bedeutende Bahnnetze die S. von 1000 mm
(3'33/g" englisch) angewendet. Diese S. besitzen
auch alle Bahnen in Englisch-Hinterindien.
Vereinzelt kommen in Ostindien 762 mm und
6 1 0 mm S. vor.
Slam hat 2 Bahnnetze, das nördliche mit
Regelspur, das südliche mit 1 000 mm S.
Bei den Eisenbahnen auf Java ist die
normale S. lObl mm; nur die älteste, im Jahre
1864 gebaute Linie Samarang-Djokiakarta
hat die Regelspur. Für die zahlreichen Plan-
tagenbahnen kommt außer 600 mm auch
700 mm S. häufig vor.
In Japan herrscht, abgesehen von kleinen
unbedeutenden Bahnlinien, durchweg die S.
von 1067/«/« vor, doch ist ein Umbau des
Staatsbahnnetzes auf Regelspur beabsichtigt.
In China findet nur die Regelspur Anwen-
dung. Eine Ausnahme machte die von Russen
gebaute ostchinesische Eisenbahn, die ur-
sprünglich mit russischer S. (1524/«/«) gebaut,
während des russisch-japanischen Krieges teil-
weise auf 1067, nach dem Krieg aber
im Anschluß an das koreanische Netz auf
1435/«/« umgebaut wurde.
In Afrika erhielt die erste Eisenbahn
Alexandrien-Cairo 1856 die Regelspur; diese
hat aber in Afrika, abgesehen von Ägypten,
nur noch in Algier und auf Mauritius Anwendung
gefunden. Die Fortsetzung der ägyptischen
Bahnen nach dem Sudan sind durchweg mit
3'6" (= 1067////«) S. ausgeführt, während das
große Netz der Deltabahn in Ägypten nur
750 mm S. aufweist.
In Algier sind die größeren Bahnnetze
teils in Regelspur, teils mit 1000/«/« S. aus-
geführt, dasoranische Netz jedoch mit 1050/«/«;
Tunis dagegen weist durchweg 1000/«/«S. auf.
In Südafrika wurde zwar die erste kurze
Eisenbahnlinie im Jahre 1864 mit Regelspur
ausgeführt. Diese S. fand jedoch kerne weitere
Anwendung. Alle weiteren Bahnbauten wurden
mit 3'6" (= 1067 /«/«), Kapspur genannt,
gebaut. Die Kapspur weisen auch alle an die
südafrikanischen Netze schon jetzt oder vor-
aussichtlich später anschließenden Bahnen auf;
so z. B. die Linien in Rhodesia, Maschonaland,
Angola, Nyassa, iVlozambique u. s. w.
Immittleren Afrika ist in den französischen
Besitzungen, auch in IVladagaskar, durchweg
die S. von 1 000 mm zur Anwendung gekommen,
ebenso in Kamerun, Deutsch-Ostafrika, Abes-
sinien und auch Britisch-Ostafrika (LIgandabahn),
doch hat die Goldküste 1067 /«/«, Sierra Leone
762 /«/« und Nigerien 1067 und 762 mm S. Die
italienischen Kolonien Erythräa und Tripolis
haben wie Sizilien 950 mm, die Kongobahn
765 /«/« S.
In Deutsch-Südwestafrika wurde die
erste Eisenbahn von Swakopmund nach Wind-
huk und auch die Otavibahn mit 600 /«/«
S. angelegt, Letztere Bahn hat die S. bei-
behalten. Auf der ersteren Strecke ist jedoch
die S. im Jahre 1911 auf 1Ü67 /«/« umgebaut.
Die südlichen Bahnen Deutsch-Südwestafrikas
sind von vornherein mit 1067 /«/«S. ausgeführt.
In Australien herrscht große Verschieden-
heit bezüglich der S. Neusüdwales hat fast
durchweg 1435/«/«, Victoria 1600/«/«, Süd-
australien 1600 und 1067 mm, Queensland
und Westaustralien 1067 /«/«. Letztere S.
besitzen auch Neuseeland und Tasmania.
Nachdem allmählich die früher durch weite
Strecken getrennten Netze in Verbindung
kommen, machen sich die verschiedenen S. un-
angenehm bemerkbar und es bestehen seit
einigen Jahren starke Bestrebungen, für ganz
Australien eine Regelspur einzuführen. Ver-
mutlich wird dies die S. von 4'8V2" werden.
Die Verteilung der S. auf die einzelnen
Weltteile gibt nachstehende Obersicht:
Vollspur
Breitspur
Schmalspur
km i %
km 1 %
km <a>
Europa . .
220.026
71
67.525
22
21.215
7
Nordamerika
376.741
98
80
—
8.373
2
Südamerika .
5.934
14
14.745
36
20.212
50
.^sien . . .
6.005
7
34.527
43
40.042
50
Afrika . . .
4.830
17
_
_
23.752
83
Australien .
5.454
20
6.290
22
15.939
58
Der Anteil der einzelnen S. an der Gesamt-
summe ist folgender:
1676 = 5' 6" .... 53.220 Ä/« .
1600= 5'3" .... 12.650 „ .
1524 = 5' 57.300 „ .
1435 = VolIspur . . 618.990 „ .
1067 = 3'6" .... 52.310 „ .
1000 = 3'33/g" (1 /«) 54.520 „ .
Unter 1 /« 22.700 „ .
. 6%
1V2%
. 7%
■ 71%
- 6%
. 6%
2V2%
Zusammen
87 1 .690 km
Ober die Wirtschaftlichkeit der Schmalspur-
bahnen (s. d.).
Literatur: Haar mann, Das Eisenbahngleis.
Ztg. d. VDEV. 1892, S. 429. - Betriebsordnung der
Eisenbahnen Deutschlands. - Arch. f. Ebw. 1904. -
Organ 1914. - Matschoss, Beiträge zur Geschichte
der Technik und Industrie, Bd. VII. - Dr. Keller,
Die Spurweite der Eisenbahnen und der Kampf um
die Spurweite. Metzelt/n.
126
Spurerweiterung.
Spurerweiterung (widening of flie gange,
slacking of the gonge; stirecartement de la
voie, clargisseinent de la voie; allargamento
dello scartamento), die Vergrößerun.ü; der Spur-
weite bei Eisenbahngleisen in schärferen Krüm-
mungen. Diese Vergrößerung ist erforder-
lich, damit die Eisenbahnfahrzeuge trotz der
unverrückbaren Stellung der Achsen zuein-
ander die Krümmungen leichter durchlaufen
können. Bei der großen Verschiedenheit des
Radstandes der Fahrzeuge und bei der Un-
gleichheit des innerhalb zulässiger Grenzen
schwankenden Spielraums zwischen Schiene und
Radreifen (je nachdem dieser noch neu oder
schon mehr oder weniger ausgelaufen ist) kann
man für eine gegebene Krümmung ein be-
stimmtes, für alle Fälle als das günstigste zu
bezeichnendes Maß für die S. nicht angeben.
Eine zu knapp bemessene S. bewirkt bei Fahr-
zeugen mit langem Radstand, besonders bei
mehrachsigen, leicht ein Einklemmen der Spur-
kränze, während ein reichlich bemessener Spiel-
raum einen unruhigen Gang der Fahrzeuge
und eine stärkere Abnutzung der Schienen und
Spurkränze herbeiführt.
Bei Begründung der Notwendigkeit der
S. und bei Ermittlung einer Formel für ihre
Größe geht man in der Regel von der An-
nahme aus, daß jeder Radsatz eines steifachsigen
Fahrzeugs das Bestreben hat, sich in jedem
Augenblick rechtwinklig zu seiner Achse fort-
zubewegen, und daß daher die Vorderachsen
solcher Fahrzeuge gegen den äußeren Schienen-
strang der Gleisbogen anlaufen und die Hinter-
achsen sich von diesen so weit zu entfernen
trachten, bis sie in der Richtung des Bogen-
halbmessers stehen.
Diese naturgemäße Stellung der Fahrzeuge
würde jedoch, zumal in schärferen Bogen, eine
derart große S. erfordern, daß unter Umständen
je ein Radreifen eines Radsatzes das Auflager
auf der zugehörigen Schiene verlieren könnte.
Demzufolge wird die S., über deren unbedingte
Notwendigkeit und zweckmäßigste Bemessung
die Anschauungen auch heute noch nicht voll-
ständig geklärt sind, von den einzelnen Bahn-
verwaltungen auf Grund versuchsweiser Er-
hebungen und z. T. daraus abgeleiteter Er-
fahrungsformeln verschieden bemessen.
Die Bestimmungen des Schlußprotokolls der
111. Internationalen Konferenz zu Bern vom
18. Mai 1Q07, betreffend die technische Einheit
im Eisenbahnwesen, die T.V. über den Bau
und die Betriebseinrichtungen der Haupt- und
Nebenbahnen von 190Q und die deutsche
Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung von 1904
bestimmen nahezu gleichlautend, daß die Spur-
weite vollspuriger Bahnen zwischen den Fahr-
kanten, u.zw. \A mm unter Schienenoberkante
gemessen, in geraden Gleisen 1435 mm zu
betragen habe und in Krümmungen von
weniger als 500 m Halbmesser angemessen,
u. zw. derart zu vergrößern sei, daß diese Ver-
größerung bei Halbmessern bis 300 m 30 mm,
bei kleineren Halbmessern 35 mm nicht über-
schreiten dürfe. Als Folge des Betriebs sind
Verengerungen der vorgeschriebenen Spurweite
bis 3 mm und Überweiterungen bis 10 mm
jedoch unter Festhaltung vorangegebener
Höchstmaße für die Gleiskrümmungen zulässig.
Diese Höchstmaße sind derart ermittelt, daß
im Hinblick auf die für Radsatz, Radreifen
und Spurkranz vorgeschriebenen Abmessungen
und zugelassenen Abweichungen hiervon bzw.
Abnutzungen stets noch ein genügendes Auf-
lager für die Radreifen auf den Schienen er-
übrigt.
Von verschiedenen Bahnverwaltungen tat-
sächlich angewendete S. sind in nachstehender
Zusammenstellung angeführt.
Da beim Durchfahren der Krümmungen die
Innenkante des äußeren Schienenstrangs die
Leitlinie für die Spurkränze der Fahrzeuge
bildet, so beläßt man diese zweckmäßiger-
weise in ihrer normalen Lage und bildet die
S. durch Verrücken des inneren Schienenstrangs
nach dem Mittelpunkt zu. Dabei ist für den
allmählichen Übergang der erweiterten auf
die Regelspur (Spurerweiterungseinlauf) zweck-
mäßig Sorge getragen, wenn er stetig auf den
Bereich der Übergangsbogen (s. d.) ausgedehnt
wird. Bei Krümmungen ohne Übergangsbogen
wird die S. zumeist derart ausgebildet, daß
ihr Beginn in die Gerade fällt und am .An-
fang des Hauptbogens der volle Wert erreicht
ist. Bemerkt sei, daß in der Regel auch in
den Weichen eine S. durchgeführt wird, u. zw.
schwanken bei vollspurigen Weichen die be-
treffenden Maße an der Zungenspitze zwischen
5 und 20 mm, an der Zungenwurzel zwischen
5 und 25 mm; sehr häufig werden diese Werte
zu 10 bzw. \5 mm angenommen. In Weichen-
bogen wird aus konstruktiven Gründen ge-
wöhnlich ein gegenüber gleich scharfen Krüm-
mungen der freien Strecke auf etwa -3 ver-
mindertes Spurerweiterungsniaß angewandt.
Bei in Hauptgleisen liegenden Weichen können
infolge des Betriebs entstehende Überweite-
rungen bzw. Verengerungen der für den ge-
krümmten Strang festgesetzten Spurmaße unter
10 bzw. 5 mm (bei Weichen in Nebengleisen
unter 15 bzw. ömm) als noch zulässig angesehen
werden, während für den geraden Strang die
zulässigen Abweichungen in der Spurweite
nach den für das Gleis der freien Strecke
geltenden Bestimmungen bemessen werden.
Spurerweiterung.
127
T3 (U
Verwaltuns
Gleisbogen mit Halbmessern (in m) von
1500 1000 900 I SOG 700 600 500 400 300 I 250 200 150 I 100 90 80 70 I 60 50
erhalten an Spuierweiterung in mm
Vollspurige Hauptbahnen:
Bayerische Staatsbahnen '
Bayerische Staatsbahnen -
Preußische Staatsbahnen .
Sächsische Staatsbahnen .
Österreichische Staatsbahnen
Südbahn
Ungarische Staatsbahnen .
Holländische Eisenbahnen
Schweizer Bundesbahnen .
Belgische Staatsbahnen . .
Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn ^
Schwedische Staatsbahnen .
Italienische Staatsbahnen . .
Spanische Nordbahn . .
New York Central and Hudson
River R\:*
—
_
3
6
9
12
16
_
_
4
4
8
12
16
—
—
—
3
6
9
12
7
4
8
12
12
12
16
20
4
8
12
12
12
16
16
10
10
10
10
10
10
10
_
—
_
3
6
9
12
—
—
-
10
10
10
10
—
—
5
5
6
6
7
—
—
—
—
5
10
_
3
3
4
4
5
5-5
25 bei /?r"300/re -
24 bei Rf^300m -
18;21 |24|27;30 -
25 30 bei R<_li^m
30 bei /?r"300OT
24 bei /?;"300ot
bei /?r-40Ö/n
R^bmm\ -
bei 7? ;-• 400 OT
10
6
13
10 10 20
6 6 6
15 bei/?<25üm
15 bei /?<350/n
bei /? ;:; 400 OT I -
7 10 11 : 13
Bahnen mit Spurweiten von
Nordhausen -Wernigerode .
Österreichische Eisenbahnen
Schweizerische Eisenbahnen
Sumatra
-
6
6
6
6
- 4
- 4
6 12
1 m
6
16
12
18
9; 9
16 120
16120
12 15 bei Rz' 90 m
25 bei R f^ \0Q m ' -
24 bei R^lOQm
24 bei /? 5 200 OT I
Bahnen mit Spurweiten von 0'75 ot und 076/«:
Sächsische Eisenbahnen . .
Österreichische Eisenbahnen
Bosnisch-Hercegovinische
Landesbahnen
_
_
—
_
—
—
—
5
5
10
10
15
15 120
201
-
-
-
—
-
-
4
4
8
8
12
16
20 bei R^WOm
1 1 1
-
1
1
1
2
2
2
3
4
4
6
9
10
1 1 13
15
20
18
' Für Holzquerschwellenoberbau.
- Für Eisenquerschwellenoberbau.
' In Frankreich weist schon das gerade Gleis insoferne eine Erweiterung gegenüber der
Vollspur auf, als die Spurweite in der Regel zwischen 1-44 und 1-45 m liegt, so daß in den
Krümmungen weitere Spurvergrößerungen in engen Grenzen gehalten werden können. Die
französischen Staatsbahnen wenden überhaupt keine Spurerweiterung an.
■• In Amerika liegen ähnliche Verhältnisse vor wie in Frankreich. Außerdem verkehren fast
ausschließlich Wagen mit Drehgestellen, so daß der feste Radstand stets sehr kurz ist.
Hinsichtlich der Lokalbahnen bestimmen
die Grundzüge für den Bau und Betrieb derselben
(1909) gleichfalls bloß, daß in scharfen Krüm-
mungen die Spurweite, so\T-eit dies die Breite
der Radreifen, der Zahnstange und der Spur-
rinne zulassen, ancremessen zu vergrößern ist.
Doch darf diese Vergrößerung unter Einrechnung
der größten infolge des Betriebs zulässigen
Spurüberweiterung von 10 mm bei vollspurigen
Gleisen 35 mm, bei schmalspurigen Gleisen von
1000 /rem Spurweite 25 mm, bei solchen von
750 mm 20 mm und bei Kleinbahnen von
bOO mm Spurweite \S mm nicht überschreiten.
Über die bei einzelnen Schmalspurbahnen
übliche Bemessung der S. gibt die obenstehende
Zusammenstellung Aufschluß (s. auch Schmal-
spurbahnen). Für die Ausführung der S. sowie
die in Weichen zu wählende Größe gelten die
gleichen Grundsätze wie bei Hauptbahnen.
FürZahnstangenbahnensetzen die vorhin
erwähnten Grundzüge fest, daß die in Krüm-
mungen anzuordnende S. nur durch V^erschieben
des inneren Stranges nach dem Krümmungs-
mittelpunkt zu auszubilden und mit Rücksicht
auf die Gewährleistung eines sicheren Eingriffs
des Zahnrads in die Zahnstange mit höchstens
\4mm zu bemessen sei. Demgegenüber hat
Abt bei seinen neueren Bahnen in der Schweiz
die S. bei Krümmungen mit einem Halbmesser
von 500 - 350 m mit 7 mm, bei solchen mit
einem Halbmesser von 349 — 250 m mit 1 4 mm
und bei Halbmessern unter 250 m mit 21 mm
ausgeführt, u. zw. erreichte er die erst ange-
gebene S. durch Verrückung des Innenstrangs,
die mittlere S. durch Verschiebung des Innen-
und Außenstrangs um je 7 mm und die größte
S. durch Verschiebung des Innenstrangs um
14 mm und des Außenstrangs um 7 mm.
In Gleisen mit einteiligen Rillenschienen
ist die Anordnung einer S. mit Rücksicht auf
die Schienenform untunlich. Wegen Schonung
des schwächeren Rillenschienenschenkels wird
128
Spurerweiterung. Spurwechsel.
zuweilen in (jleiskriinimungen sogar die Spur-
weiie gegenüber dem geraden Strang um 2-3 mm
verengert, u. zw. erfolgt dies zweckmäßig durch
Verschieben der Außenschiene um diesen Wert
nach dem Krümmungsmittelpunkt.
Literatur: Hb. d. Ing. W. 5. Teil, Bd. I, 11, 111,
VII u. VIII; Eis. T. d. O. 2. Abschn.; Berichte des
Internationalen Eisenbahnkongresses Bern 1010. —
M. Buchwald, Der Oberbau der Straßen- und Klein-
bahnen ; Maintenance of Way Standards on American
Railways. . Fet't.
Spurkranzschmierung (/lange lubrication;
graissage du boiidin; liibrificazione deV orletto)
bei den führenden Rädern von Lokomotiven
findet auf Bahnen mit häufigen und scharfen
Gleiskrümmungen vorteilhafte Anwendung zur
Verminderung der Reibung, die bei der Fahrt in
Gleisbogen durch das Anlaufen des x'orderen
.Abb 135 a.
Abb. 136 b.
Außenrades an die äußere Schiene her\orgerufen
■w'ird. Diese Reibung hat eine rasche Abnutzung
der Spurkränze (Scharflaufen) sowie eine Stei-
gerung des Zugwiderstands zur Folge und wirkt
namentlich dann nachteilig, wenn das vordere
(führende) Rad gleichzeitig Kuppelrad ist.
Eine sehr einfache und dabei gut entspre-
chende Schmiervorrichtung (Abb. 136a u. b)
besteht aus einem Filzstück, das in eine läng-
liche Blechhülse von rechteckigem Querschnitt
(Abb. 136 b) fest eingesteckt ist, u. zw. derart,
daß der Filz an dem einen Ende der Hülse
etwas über diese vorsteht. Mit diesem Ende
nach abwärts gerichtet, wird die Hülse (Schmier-
patrone) in eine weitere Führungshülse ein-
gesteckt, die in schräger Stellung so an der
Lokomotive angebracht ist, daß die Schmier-
patronc mit dem vorstehenden Filzteil durch
ihr eigenes Gewicht gegen die Hohlkehle des
zu schmierenden Radreifens drückt.
In dem Raum ober liem Pilz wird Ol (meist
Abtropföl von Lagern) eingegossen.
Diese Führungshülse ist in einem Hälter dreh-
bar gelagert, der mit dem Feder-
bund fest verschraubt ist. Rad,
Schmierpatrone und Federbund
bleiben daher stets in gegenseitig
gleicher Entfernung, so daß die
Schmierpatrone nicht weggeschleu-
dert werden kann.
Die S. wurde zum ersten Male
von Fischer v. Rößlerstamm
bei der ehemaligen österreichischen
Kaiserin Elisabeth-Bahn(Patent aus
dem Jahre 1S73) ausgeführt. Bei
dieser ersten Ausführung gelangten
Schmierpatronen aus billigem
Hartfett zur Anwendung. Um-
ständlicher ist die S. mit besonderen
Ölbehältern, wie sie an franzö-
sischen Lokomotiven vielfach vor-
kommt (Abb. 137). Apparate zur
S. werden seit einigen Jahren
auch auf amerikanischen Bahnen,
als eine wertvolle Neuerung be-
zeichnet, oft verwendet (Näheres
s. Heusinger, Hb. f. spez. E.-T.
Leipzig 18S2).
Spurstangen, Spurbolzen
gaune bars;
.\bh. 137.
Bd. III,
Gölsdorf f.
(cross tics,
triiigles d' icartement des rails;
tiranti di colegamento) Querverbindungen für
Gleise, die in der Höhe der Schienenstege
angeordnet werden und zur Erhaltung der
richtigen Spurweite dienen.
S. finden bei Oberbausystemen Anwendung,
deren Unterlagen aus Einzelstützen oder Lang-
schwellen bestehen. Früher wurden S. auch
vereinzelt bei Querschwellen, jedoch ohne be-
friedigenden Erfolg verwendet. Vielfach werden
zu S. Rundeisen benutzt, deren Enden mitSchrau-
bengewinden versehen und mit Schrauben-
muttern undSicherheitsplättchen an denSchienen-
stegen befestigt sind. Die Schraubenmuttern
können an einer Seite oder beiderseits des
Schienenstegs angebracht werden. Zuweilen ge-
langen auch noch besondere Beilagen zwischen
Steg und Schraubenmutter zur Verwendung.
Bei Schwellenschienen werden zur Vermei-
dung seitlicher Verbiegungen die S. atis Flach-
eisen oder aus U-förmigen Eisen hergestellt
und mit Flanschen an den Schienensiegen
verschraubt oder vernietet. Die ersteren werden
bei Straßenbahnen bevorzugt, weil sie sich bei
Ausführung des Pflasters in den Querfugen
unterbringen lassen.
Spurwechsel, der ohne Umladung sich voll-
ziehende Übergang der Betriebsmittel zwischen
Bahnen verschiedener Spurweite.
Spurwechsel.
129
Die Umladung der Güter (die Personen
müssen überall umsteigen, s. auch Art. Bahn-
höfe, Bd. I, S. 370; Laderampe, Bd. VII,
S. 47) wird ausgeführt:
durch Überwerfen, Überschaufeln, Über-
schieben auf möglichst dicht aneinanderge-
rückten Gleisen der offenen Güterwagen;
durch Tragen, Schieben, Rollen, Karren
(Sackkarren) in gedeckten Wagen über Lade-
rampen von verschiedener Breite und Länge,
die auch zur vorübergehenden Lagerung der
Lasten bei etwa zeitweilig fehlenden Gegen-
fahrzeugen zu benutzen sind;
durch Abrutschen über Schüttrinnen bei
Anordnung der Gleise in verschiedenen Höhen-
lagen mittels Futtermauer;
durch Bandbewegungen bei zwischen den
Gleisen eingeschalteten Speicher- und Silo-
anlagen (auch unter Anwendung von Eisen-
bahn\«-agen mit trichterförmigem Boden);
durch Krananlagen als: feste (Galgen-)
Überlade- oder fahrbare bewegliche (Dampf-)
Krane zum Überheben der einzelnen Kolli
(Langholz), auch der ganzen oder geteilten
Wagenkasten ;
durch Überpumpen von Flüssigkeiten
(Kesselwagen) mittels Schläuchen direkt oder
mittels zwischengeschalteten, hochgestellten
Behälteranlagen (Petroleum).
Alle diese Anlagen sind kostspielig und ihre
Handhabung ist umständlich ; außerdem ver-
ursachen sie nicht unerhebliche Kosten und
Gebühren sowie Verluste an Zeit, namentlich
an Menge und Güte der Waren, daher das
Bestreben dahin gerichtet war, eine Verein-
fachung des Übergangs durch Verwendung
besonderer Wagen zu ermöglichen.
Die Abweichungen von der herkömmlichen
Bauart der Wagen bestehen meist in der
Beibehaltung des Obergestells (Wagenober-
kastens) der für die kleinere Spur gegebenen
Normalabmessungen und Abänderung des
Untergestells (Rahmenwerkes) mit Bezug auf
die Anbringung der eigenen und der nach
der breiteren Spur gearbeiteten Radsätze.
Zum Übergang einzelner normalspuriger
Wagen auf schmalspurige Kleinbahnen sowie
einzelner schmalspuriger Wagen auf Linien
mit anderer Schmalspur dienen Rollböcke (s. d.).
Die für den S. von 1-676 und 1-524 in 1-435
und umgekehrt hergestellten Wageneinrichtungen
bestehen im großen und ganzen in:
a) Auswechslung der Einzelradsätze;
b) Auswechslung von mehrachsigen Unter-
wagen (Trucks);
c) Mitführen anders gespurter Radsätze,
lose oder eingebaut;
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
d) Verschieben der Räder auf den Achs-
wellen;
e) Verschlingung und Ineinanderschieben
der Gleise und Legen einer dritten Schiene.
Zu a) Auswechseln der Einzelradsätze,
Umsetzen genannt, vgl. den Artikel Breid-
sprechersche Umsetzvorrichtungen, Bd. III, S. 3.
Zu b). Anlagen zur Auswechslung von Dreh-
schemel-ünterwagen (Trucks) der typischen Bau-
art der Eisenbahnwagen in Nordamerika (ähn-
lich denen für das Auswechseln der Einzel-
radsätze) sind in Amerika nach verschiedenen
Patenten ausgeführt, wobei es sich um Abgleiten
der Trucks aus den Drehbolzengehäusen und
Wiedereinführen anderer, verschieden gespurter
Trucks handelt.
Hierher gehört auch die Auswechslung von
Einzelradsätzen der Normalspur 1435 gegen
Drehschemel von 1067, 1000, 750 w/n Spur,
die ebenso wie bei dem Breidsprecherschen
Umsatzverfahren so geschieht, daß die ent-
sprechend verlängerten Drehschemelbalken der
Schmalspur in die Achsgabeln der großen
Eisenbahnwagen mittels der Fänger und der
Grubenanlage eingeführt werden und sich selbst-
tätig darin befestigen, ganz so wie dies bei
den Achsbüchsen durch zapfenartige Dorne
geschieht.
Das Breidsprecher-Verfahren ist für das Um-
setzen von Einzelwagen und geschlossenen
Zügen eingerichtet, wozu die Grubenanlagen
in entsprechender Länge herzustellen sind.
Es würde eine größere Wirkung ausüben,
wenn der Verkehr in beiden Richtungen an-
nähernd gleich groß wäre, so daß die ausge-
wechselten Achsen sofort wieder ohne weitere
Bewegung in andere Wagen eingewechselt
werden könnten.
Dies ist jedoch bisher nicht zu erreichen
gewesen. Der gegenseitige Verkehr ist so
ungleich, daß für das Verfahren immer
Reserveradsätze mit Achsbüchsen in Bereitschaft
gehalten werden mußten. Da das Ein- und
Ausbiegen solcher in die Grubenanlage umständ-
lich und unbequem ist, so wäre es vorteilhafter,
wenn in der Grube an dem Zusammenstoß
der verschieden gespurten Gleise eine Achsen-
drehscheibe mit beiden Spuren angelegt würde,
mittels der aus seitlichen Achsengleisen schnell
die Bewegung der Radsätze in bzw. aus der
Grube ermöglicht werden könnte.
Hierzu wären die Gleise der Seitenwagen
in das Niveau der tiefen Grubengleise zu legen
und die Seitenwagen um die Differenz höher
anzuordnen.
Um die Benutzung dieses Verfahrens dem
verkehrtreibenden Publikum zu erleichtern,
hatten die beteiligten Eisenbahnverwaltungen
130
Spurwechsel.
Abb. 139 a.
Abb. 139b.
die Verabredung ge-
troffen, Privatumsetz-
wagen in die Betriebe
zuzulassen und die
Auswechselradsätze
eisenbahnseitiggegen
geringe Zeit- und
Laufmiete vorzu-
halten.
Die Einführung
dieses Verfahrens hat
sich infolgeAusbruch
des Weltkrieges nicht
verwirklichen lassen.
Zu c) Mitführen anders gespurter
Radsätze. Um den vorerwähnten Übel-
ständen abzuhelfen, sind der Ladung öfter
Abb. 140.
die entsprechenden anders ge-
spurten Radsätze als Fracht bei-
gegeben, die dann auf dem
Grenzbahnhof entweder durch
eine Grubenanlage oder nach
Aufheben der Wagen mittels
Wagenwinden eingesetzt werden.
Ferner sind, da allgemein im
Interesse des internationalen Ver-
kehrs eine größere Ladefähigkeit
der Eisenbahnwagen erwünscht
ist, Drehschemel-Truckwagen für
den S. anzuwenden.
Diese sonst 2achsigen Trucks
(Drehschemel) sind für das Um-
setzen mit je 4 Achsen ange-
ordnet, von denen 2 nach der
Spur 1'435, die anderen 2 nach
der Spur 1-524 geformt sind.
Durch eine besondere Vor-
richtungwird nun auf der Grenz-
station je ein Paar der Radsätze
für den Betrieb wechselweise
durch .•\nheben und Festhalten
in der erhöhten Lage ausge-
schaltet und die Weiterfahrt auf
dem anders gespurten Paar Rad-
sätze bewirkt.
Das patentierte Verfahren
Breidsprechers ist in .■\bb. 13S
bis 141 erläutert.
Die im allgemeinen nach dem
.Muster der preußisch - hessischen
Eisenbahn zu erbauenden Dreh-
gestelle erhalten (Abb. 133) an Stelle
zweier je 4 Radsätze, von denen die
mittleren b b deutsche Spur (1-435 m)
und die beiden äußeren c c die russi-
sche Spur (1-524 m) oder umgekehrt
haben.
Während die deutschen Radsätze
nach den Typen der deutschen
Bahnen fest gelagert sind, werden
die russischen, ähnlich gelagerten
Radsätze in der Höhe verschiebbar
angeordnet, so daß sie 100 mm über
und 100 mm unter die Schienenober-
kante, demnach im ganzen 200 mm
gehoben oder gesenkt werden könne
Fahrt in Deutschland die hochgehob
w
n, damit für die
enen russischen.
Spurwechsel.
131
für die Fahrt in Rußland durch die gesenkten russi-
schen die deutschen Radsätze unwirksam bleiben
(Abb. 140).
Das Heben und Senken der russischen Radsätze
geschieht bei der Bewegung des Eisenbahnwagens
durch die Lokomotive über eine in den Bahngleisen
auf der Umsetzstelle angeordnete kurze schiefe Ebene
(Abb. 141).
Zur Herstellung dieser schiefen Ebene ist auf
der kurzen Strecke, die zum Umsetzen des Eisen-
bahnwagens an der Betriebsgrenze erforderlich ist,
eineOIeisverschlingungso angeordnet, daß die Mittel-
achsen der beiden Gleise der verschiedenen Spur in
einer senkrechten Ebene liegen (Abb. 140).
Wegen der geringen Spurdifferenz zwischen 1-524
und 1-435 = 89 mm ist die Anwendung der ge-
wöhnlichen Eisenbahnschienen auf der Umsetzstelle
ausgeschlossen und daher die in Abb. 140 darge-
stellte Form der Schiene als Winkeleisenschiene ge-
wählt, nach der die deutschen Räder mit dem Flansch
auflaufen und daher am inneren Radrand in der
Spur gehalten werden, während die russischen Räder
mit dem am gewöhnlichen Schienenkopf überragenden
Radreifenteil auflaufen und durch den Schenkel des
Winkeleisens an ihrem äußeren Rand gespurt werden.
Die Qleislage der Umsetzstelle ist auf Mauerwerk
fest zu fundieren und durch geeignete Paßstücke
mit den gewöhnlichen Laufschienen zu verbinden.
In diesem so abgeänderten Gleis ist die schiefe
Ebene für die russischen Radsätze angeordnet, rnittels
der die Veränderung der Höhenlage bei dem Über-
gang über die Umsetzstelle bewirkt wird (Abb. 141).
Um die Radsätze in der veränderten Höhenlage
betriebssicher festzustellen, sind die in dem Achs-
büchsenlager rf (Mob. 139) über oder unter der Achse
entstehenden Lücken durch geeignete Keilstücke a
od. dgl. zu schließen. Da die Senkung gleich der
Hebung der Radsätze ist, so bedarf es für jede Achse
nur je eines Keilstücks, das je nach der Fahrt oben
oder unten in die Gabel der Achsbüchsenführung
einzubringen ist.
Das Keilstück a ist auf einer an der Achsgabel
angebrachten senkrechten Welle k mittels 2 Ösen g g
drehbar angebracht. Auf der Welle h kann das
Keilstück a auf und ab geschoben werden.
Die Keilstücke werden durch Bolzen k mit Wider-
haken /'verriegelt und durch eine Schraubenmutter e
gesichert.
Die Handhabung der Keil- oder Füllstücke erfolgt
bei dem Umsetzen durch den den Zug auf der
Umsetzstelle auf jeder Seite begleitenden Arbeiter
während der Bewegung des Zuges, der sich ent-
sprechend langsam ohne Anhalten über die Umsetz-
stelle fortbewegt, wobei der Eisenbahnwagen in den
unverändert bleibenden deutschen Radsätzen getragen
wird, bis die Feststellung der Füllstücke erfolgt ist
und dann der Wagen auf je 2 Achsen des Dreh-
gestells ruhend in Deutschland oder Rußland weiter-
laufen kann.
Die umzusetzenden Wagen eines Zuges bleiben
wie bei der gewöhnlichen Fahrt miteinander gekuppelt.
Das Umsetzen erfolgt durch 2 Lokomotiven ver-
schiedener Spurweiten, indem die eine hinter dem
letzten Wagen ungekuppelt schiebend wirkt, während
die andere auf der gegenüberliegenden Seite des
Umsetzgleises befindliche zum Ziehen des Zuges
angekuppelt wird.
Diese Bauart wird von der Waggonfabrik
Licke & Hofmann in Breslau ausgeführt und ist
auch auf Umsetzen von Personenwagen sowie für
andere Spurenweitenunterschiede anwendbar.
Zu d) Verschieben der Räder auf den
Achswellen. Hierfür sind verschiedene Patente
vorhanden, die jedoch zu einer brauchbaren
Ausführung nicht geführt haben, weil ihnen die
Bestimmung der Betriebsordnung Deutschlands
und der anderen Staaten in §31, Absatz 1 ent-
gegensteht, der lautet, daß die Räder auf
den Achsen unverrückbar befestigt sein
sollen, und eine unbedingt sichere Feststellung
der beweglichen Räder für den Betrieb sich
bisher nicht hat erreichen lassen.
Seitdem jedoch bei dem Bau der Lokomotiven
Hohlachsen mit gutem Erfolg und staatlicher
Genehmigung in Anwendung gebracht sind
(s. Art. Hohlachsen, Bd. VI, S. 220), die
in einer Trennung des Radsatzes in eine feste
Kranachse und 2 bewegliche Radreifenhohistücke
bestehen, um den Durchlauf durch die Krümmun-
gen des Gleises besser bewirken zu können, ist
die Anwendung solcher Hohlachsen auch für
den S. anwendbar geworden.
Es kommt nun vor allem darauf an, die
Feststellung derje nach derSpurweite zu verschie-
benden Hohlachsen so sicher herzurichten, daß
sie (also auch die Radreifen) nach der Verschie-
bung während der Fahrt unverrückbar auf
der Kranachse festgehalten werden, u. zw. so,
daß die Spurführung sicher gewährleistet ist.
Die Verschiebung der Fahrschienen wird
besser selbständig durch eine allenfalls mit
elektrischer Kraft getriebene Vorrichtung bewirkt,
die ähnlich wie die Gleisbremse (s. Art. Gleis-
bremse, Bd. V, S. 532 u. Abb. 255) gebaut ist.
Eine hierauf bezügliche Anordnung ist von
Breidsprecher erfunden worden.
Ein Unipressen der Räder auf der Achswelle
ist auch wohl versucht worden. Dabei hat sich
aber herausgestellt, daß die Naben der Räder
Sprünge aufzuweisen hatten und daher un-
brauchbar geworden waren.
Zu e). Um den S. zu vermeiden, hat man
für gewisse, besonders durch örtliche Verhältnisse
bedingte Fälle eine Verschränkung, Verschlin-
gung und Einschiebung der schmalen Gleise in
die breitere Spur hergestellt.
Dies ist jedoch nur für den Verkehr mit
Einzelwagen auf Anschlußbahnhöfen und Fabrik-
anlagen geschehen.
Von der Einlegung einer dritten Schiene
hat man z. B. auf der Great Western-Bahn
vielfachen Gebrauch gemacht. Hier bestand
bis zum Jahre 1890 ein Doppelverkehr auf 3
Schienen, von denen die kleinere Spur 1-435
und die größere 2-134 m betrug. Seit dieser
Zeit ist die dritte Schiene für die breitere Spur
entfernt und der Übergang zu der vom engli-
I sehen Parlament beschlossenen Normalspur von
9*
132
Spurwechsel. - Stadtbahnen.
1"435 m hergestellt worden, der bei mehreren
englischen Bahnen vorübergehend auch dadurch
bewirkt wurde, daß man ein normales Gleis
neben das aufzugebende breitere legte.
Das Einbauen einer dritten Schiene in die
Spur von 1-636/« erfolgte auf den spanisch-fran-
zösischen Obergangsbahnhöfen Hendaye und
Irun, aber nur für die Zoll-, Güter- und Güter-
schuppengleise. Von einer Weiterführung ins
Innere von Spanien hat man Abstand genommen.
Ein Einbau der Normalspur von 1-435/« in
die russische Spur von 1-524 m ist für den
großen Betrieb nicht möglich wegen der zu
geringen Differenz von 89 mm, die zur Unter-
bringung des Schienenkopfes, der Spurrinne
und der erforderlichen Befestigungsmittel nicht
ausreicht.
Es ist jedoch auf dem Grenzbahnhof Illowo
für geringe Gleisstücke auf Drehscheiben, Zentesi-
malwagen und an Kohlenhofgleisen die Doppel-
spur hergestellt worden, u. zw. durch entspre-
chendes .\bhobeln der beiden zusammen-
liegenden Schienen und .Anwendung einer ganz
besonderen Schienenbefestigung mittels Steh-
bolzen. Diese Gleisstücke werden nur für ört-
liche Zwecke bei ganz langsamer Bewegung
benutzt.
Als Beispiel einer Bahn mit 3 Schienen ist die
Kleinbahn in Kerkerbach (Westerwald) zu
nennen, auf der die Spur von 1-435 mit jener
von rOOO verbunden ist und die breitgespurten
Wagen durch schmalspurige Lokomotiven be-
fördert werden (s. Rollböcke) . v. Brcidspmhei:
Ssuramtunnel. Die transkaukasische Bahn
von Poti und Batum am Schwarzen Meer
über Tiflis nach Baku am Kaspischen See hatte
den Ssuramsattel in großer Höhe unter un-
günstigen klimatischen Verhältnissen und mit
Größtneigungen von Ab^ zu überschreiten,
so daß der Betrieb besonders erschwert und ver-
teuert wurde; denn Züge mit 10 Güterwagen
mußten durch 2 Failie-Lokomotiven von je 65 1
Gewicht über die steilen Rampen gefördert
werden.
Man sah sich daher veranlaßt, eine 24 km
lange Umgehungsbahn mitGrößtsteigungen von
28%(, zu bauen und den Ssuramgipfel mittels
eines 3963 m langen 2gleisigen Tunnels zu
unterfahren. Der Tunnel liegt mit Ausnahme
einer kurzen Bogenstrecke von 277 /// Halb-
messer und 170 m Länge am Westmund in der
Geraden.
Der Tunnel steigt vom Westmund (719 m
ü. M.) auf 3072 m mit I8%o und fäUt nach
einer wagrecliten Strecke von 106 m auf 785 ///
Länge mit 2% nach dem Ostmund (773m ü.M.).
Das vom Tunnel durchfahrene Gebirge gehört
der Kreideformation an und besteht der Haupt-
sache nach aus lehmigen Mergeln, teilweise aus
Sandstein. Auch strömten stellenweise brenn-
bare Gase und viel Wasser (120/ Sek.) zu,
wodurch die Arbeiten erschwert wurden.
Der Ausbruch wurde mit einem Sohlstollen
als Richtstollen begonnen und hauptsächlich
von der Westseite in der Steigung betrieben.
Auf der Ostseite wurden die Arbeiten ein-
gestellt, nachdem die Scheitelstrecke um \20 m
überschritten war und die Fortsetzung der Arbei-
ten im starken Gefälle kostspielig und unzweck-
mäßig gewesen wäre.
Der Stollen wurde mit je 2 Brandtschen
Drehbohrmaschinen auf einem Bohrwagen vor-
erst mit einem Querschnitt von 3-5 — 4m^ auf-
gefahren und dann sofort auf 7-0 m- erweitert.
Für jeden Bohrangriff wurden 6 — 7 Bohrlöcher
von 5 — 6 cm Weite und 1-3 — \-5 m ausgeführt
und hierbei Tagesfortschritte in 3 achtstündigen
Schichten von 5-4 — 7-S m erzielt. Die ■'\nlage
war aber im vorliegenden Gebirge unstreitig
zu kostspielig; sie wäre nur in sehr festem
Gestein wirtschaftlich am Platze gewesen.
Der Sprengmittelverbrauch (Gelatinedynamit)
betrug hierbei durchschnittlich \\7 kg'm. Bei
der schwächsten vorkommenden Gewölbestärke
von 0-64 m und einem Mehrausbruch von
0"15 /// betrug der Gesamtausbruch 80///^/«.
Zimmerung (Längsträgerzimmerung) des Voll-
ausbruches war durchwegs erforderlich.
Die Ausmauerung wurde teils mit den Wider-
lagern, teilweise aber auch mit dem Firstge-
wölbe (belgische Bauweise) begonnen; sie er-
folgte in Bruchsteinmauerwerk in Zementmörtel
(1 Z., 3 S. und 1 Z., 2 S.) mit Gewölbestärken von
0-64 — 0-8/«. Auch Sohlgewölbe mußten stellen-
weise eingezogen werden. Mit den Vorbereitungen
zum Bau, die der Unternehmung Brandt &
Brandau (Hamburg-Kassel) übertragen war,
wurde anfang 1887, mit den Stollenbohrungen
im Juni 1887 begonnen. Der Stollendurchschlag
erfolgte am 12. Oktober I88S im -Abstand von
2950 m vom Westmund. Der Tunnel wurde
1889 vollendet. Dolezalek.
Staatsaufsicht s. Aufsichtsrecht.
Staatsbahnsystem s. Eisenbahnpolitik.
Staatsbahnverwaltung s. Verx^altung.
Staatsbahnwagenverband s. Wagen-
dienst.
Staatseisenbahnen s. Eisenbahnpolitik.
Staatsgarantie s. Eisenbahnpolitik, Er-
tragsgarantie und Zinsbürgschaft.
Stadtbahnen (urban, city or metropolitan
railways; chcmins de fcr metropolitains; ferrovie
metropolitanc), in verschiedenem Sinne ge-
brauchte Bezeichnung im Schnellbahnwesen.
Häufig werden die gesamten Schnellbahn-
Stadtbahnen.
Stadtschnellbahnen.
133
n e t z e der Großstädte, ebenso häufig auch nur die
im Stadtinnern liegenden Teile oder gar
nur einzelne Linien im Stadtinnern als
S. bezeichnet; in den letzten beiden Fällen im
Gegensatz zu den Vorortschnellbahnen (Vor-
ortbahnen). In Berlin wird die Innenstrecke der
staatlichen Schnellbahnen zwischen den Bahn-
höfen Charlottenburg und Stralau-Runimels-
burg als S. bezeichnet, während der Metro-
politain (Metro) in Paris das Gesamtnetz der
von der Stadt gebauten Schnellbahnen inner-
halb des Weichbildes umfaßt. In London
werden mit den Bezeichnungen der Metro-
politan und der Metropolitan District die Linien
- Innen- wie Außen- (Vorort-) Linien - der
Metropolitan- und Districtbahn-Gesellschaften
je für sich zusammengefaßt u. s. w.
Kemmann.
Stadtschnellbahnen.
Inhalt: 1. Allgemeines; 2. Grundsätze für die
Netzgestaltung; 3. Bahnhofsformen; 4. Bauweise der
Schnellbahntunnel; 5. Betrieb und Verkehr; 6. Fahr-
preise; 7. Wirtschaftsformen.
1. Allgemeines.
Die Entwicklung der Großstädte wäre nicht
denkbar ohne großzügig angelegte Schienen-
und Wasserstraßen, die der Bevölkerung Kraft
und Stoff für die vielseitigen Formen ihrer
Betätigung zuführen. Die Pflege der persön-
lichen Beziehungen ist die weitere Aufgabe
der Eisenbahnen, die im Innenleben der Groß-
städte neben den Straßenbahnen vor allem
auch berufen sind, der Bevölkerung durch
Oberwindung der gesteigerten räumlichen Ent-
fernungen volle Freizügigkeit zu verschaffen.
So ist die mit selbständigem Bahnkörper aus-
gerüstete S. wichtigste Trägerin der Massen-
bewegungen in der Großstadt mit ihren Vor-
städten und Vororten. Die Elektrizität hat ihre
gemeinnützige Bedeutung weiterhin gesteigert,
indem sie das Bahnwesen beweglicher gestaltet,
seine Leistungsfähigkeit im Massenverkehr er-
höht und vor allem auch die Behinderungen
fortgeräumt hat, die der schnellverkehrs-
mäßigen Erschließung des Stadtinnern
noch im Wege standen. Heute vermag der
Schnellverkehr je nach der Gestaltung des
Stadtbildes mittels Hochbahnen aus Stein oder
Eisen oder mit der Tunnelbahn alle Teile
des Stadtgebiets bis in seinen innersten Kern
zu durchdringen. Im übrigen hält sich die mit
elektrischer Zugkraft ausgestattete Schnellbahn
im wesentlichen an die aus der Zeit des Dampf-
betriebs überkommenen Bahnformen; in den
Außengebieten ist auch bei ihr die offene Form
der DamiTi- oder Einschnittbahn die gegebene.
Bei der nachfolgenden Besprechung der
Schnellbahnen können nur die wesentlichsten
Punkte gestreift werden. Im besonderen wird auf
die Einzeldarstellungen über die Berliner Hoch-
und Untergrundbahnen, Bostoner, Chicagoer,
Liverpooler, Londoner, New-Yorker, Pariser,
philadelphischen Schnellbahnen verwiesen.
2. Grundsätze für die Netzgestaltung.
Neuzeitliche Schnellbahnnetze sollten auf der
Grundlage eines nach technischen und wirt-
schaftlichen Gesichtspunkten ausgearbeiteten
und von Zeit zu Zeit nachzuprüfenden Gesamt-
plans nach Maßgabe der Bedürfnisse zur Durch-
führung gebracht werden. Sparsamste Geld-
wirtschaft bei Auswahl und Ausbau der Linien
ist Gebot der Zeitverhältnisse, nach dem sich
auch das Tempo der Ausführung bestimmt,
das sich neuerdings in der alten Welt stark
verlangsamen dürfte. Bei der Verteilung der
Linien über das Stadtgebiet ist im Auge zu
behalten, daß die Außenbezirke auskömmlich
mit Schnellbahnen versorgt, die inneren Ge-
biete dagegen aus Kostengründen nicht über-
lastet werden. Die Linien sind ferner so zu
wählen, daß sie sich nicht gegenseitig den
Verkehr abgraben. Linienverkettungen sind nach
Möglichkeit zu vermeiden. Leistungsfähigkeit
und Betriebssicherheit werden dadurch gehoben;
die Fahrgäste müssen sich dabei freilich mehr
als bisher an den Umsteigverkehr gewöhnen,
der auch bei angemessener Ausbildung der
Übergangstationen leicht in den Kauf genommen
wird (Paris, London u. s. w.).
Indessen erscheint es weder notwendig noch
zweckmäßig, die fahrplanmäßige Überführung
von Zügen von einer Linie auf eine andere
grundsätzlich auszuschließen. Mit Rücksicht auf
3ie Entwicklungsverhältnisse oder aus Betriebs-
und Verkehrsgründen sind einfache Abgabe-
lungen wie auch der Anstoß von Pendellinien,
selbst an Zweige gegabelter Linien, unbedenklich
auch fernerhin zuzulassen. Aus wirtschaftlichen
Gründen werden bei Auswahl und Führung
der Linien häufig Kompromisse geboten sein.
Für die Einzellinie ist die Grundform die
Durchdringungsbahn, die meist als Durch-
messerlinie, häufig auch in Schleifenform das
Stadtinnere aufzuschließen und darin den Wohn-
verkehr zu verteilen hat. In dieser Durchdrin-
gungsform, die gleichzeitig auch einen starken
innenverkehr an sich zieht, wird die Schnell-
bahn zur Stadt- und Vorortbahn. In den
Innenbezirken unterliegt sie besonders scharfem
Wettbewerb von Straßenbahn und Onmibus.
Bei der Durchdringungsbahn kann der
Stadtbahncharakter durch Vermehrung
der Zugaufenthalte im Innengebiet, der Vorort-
bahncharakter durch Verminderung der
134
Stadtschnellbahnen.
Zahl der Zugaufenthalte im Innen- wie Außen-
gebiet gesteigert werden — A\aßnahmen, die
zum Teil miteinander im Widerspruch stehen.
Es ergeben sich Betriebsformen, bei denen
a) Züge oder Zuggruppen insbesondere auf
der Fahrt in den Außengebieten Stationen oder
Stationsgruppen nach bestimmtem Plan ab-
wechselnd überspringen (Durchfahrzüge);
b) den Schnellbahnlinien noch ein oder
mehrere Eilzuggleise mit erweiterten Stations-
abständen hinzugefügt werden, auf die Züge
oder Zuggruppen im Vorortverkehr abgezweigt
werden; die Eilzugstationen werden dabei
zweckmäßigerweise mit Ortstationen zu Umsteig-
stationen vereinigt.
Besondere Eilzuggleise nach b) finden sich
in Großstädten mit besonders gesteigerter Innen-
bebauung und vornehmlich einseitiger Stadt-
entwicklung vielfach neben den Ortgleisen im
Innern; so in den Turmhausstädten New York
und Chicago. In den Außengebieten sind die
Eilzuggleise auch in Großstädten mit allseitiger
Ent\s'icklung vielfach zur Anwendung gekommen,
so in London. Der frühere Vorortbetrieb auf
den Ferngleisen der Berliner Stadtbahn ist
ebenfalls hierher zu rechnen. Die unter a) ange-
führte Betriebsweise mit Durchfahrzügen (non
stop-Zügen) findet sich in London. Weiterhin
sind hier die vielfach angewendeten Staffelbe-
triebe zu nennen, bei denen Züge oder Zug-
gruppen im Wechsel eine oder mehrere Nahzonen
im Vorortverkehr ohne Aufenthalt durchfahren
und erst in den ferner liegenden Zonen anhalten.
„In den äußeren Gebieten und namentlich zu
Aufschließungszwecken ist auch die Straßen-
bahn in ihrer weiteren Ausbildung als Tram-
schnellbahn berufen, bei der Fortentwicklung
des Schnellbahn\^'esens mitzuwirkend" Für
die Ausgestaltung der Oemeinschaftsbahnhöfe
für Schnell- und Trambahnen liefert insbeson-
dere Boston lehrreiche Vorbilder.
Für die Ausgestaltung des Schnellbahnnetzes
ist im besonderen noch folgendes zu beachten.
Innerhalb der einzelnen Linien oder Linien-
gruppen ist der Zugumlauf abzustaffeln, wo
die Verkehrsströme stärker abfallen. Auf un-
verzweigter Strecke setzt dies die Anlage von
Umkehrgleisen voraus. Auf Bahnverzweigungen
ergibt sich die Abstufung des Zugumlaufs ohne-
weiters durch die Verteilung der Züge auf die
Seitenlinien.
Die Verhältnisse des großstädtischen Schnell-
bahnbetriebs nötigen weiterhin dazu, an geeig-
' Kemniann, „Das Bahnnetz von Berlin und Vor-
orten" in dein Werk „Das deutsche Eisenbahnwesen
der Gegenwart", Berlin, Reimar Hobbing 19L -
S. insbesondere auch Giese, Schnellstraßenbahnen unter
besonderer Berücksichtigung von Groß-Berlin. Berlin
1917, W. Mosers Verlag.
neten Bahnpunkten Hilfsgleise vorzusehen, aus
denen zur Verdichtung der Zugfolge Einsatz-
züge abgelassen oder zur Veränderung der
Zugstärken Zugauswechslungen vorgenommen
werden können.
Die Betriebsstätten, d. h. die Werkstätten-
und Aufstellungsanlagen müssen von allen
Zügen eines Schnellbahnnetzes erreicht werden
können. Aus diesem Grund sind zwischen den
einzelnen Linien Verbindungsgleise herzustellen,
die aushilfsweise auch zum Zugaustausch, zur
gegenseitigen Unterstützung im Betrieb u. dgl.
dienen können.
Wenngleich sich im Schnellverkehrswesen
der Großstädte neuerdings auf einer und der-
selben Linie Stadt-, Vorstadt- und Vorort-
verkehr im wesentlichen miteinander ver-
mischen \ so kommen im Gesamtzuschnitt der
vorhandenen Schnellbahnnetze doch die viel-
fachen Abweichungen und Zufälligkeiten ge-
schichtlicher Entwicklung stark zum Ausdruck.
Sie weisen neben ausgesprochenen Durch-
dringungslinien in Wirklichkeit zahlreiche
Gelegenheitslinien auf, die überwiegend oder
ausschließlich dem Stadt- und Vorortverkehr
dienen. Eine überaus große Zahl der aus der
Entwicklungszeit der Dampfeisenbahn stammen-
den Schnellbahnen sind ausgesprochene Vorort-
bahnen, die den Wohnverkehr an den Grenzen
der Innenstadt an die Straßenbahnen und
Omnibusse zur Weiter\'erteilung abtreten.
Schnellbahnen mit reinem Stadtbahn-
charakter, die des mittelbaren oder unmittel-
baren Zusammenhangs mit V^orortstrecken ent-
behren, kommen seltener vor (Glasgow City
Ry-)-
Die ältere Entwicklung des Schnellbahn-
wesens hat sich im Dampfbetrieb vollzogen.
Sie ist im wesentlichen dadurch gekennzeichnet,
daß die Züge nur bis zu den Einführungs-
bahnhöfen an den Grenzen der Innenstadt
vordringen und sich vielfach sogar auch der-
selben Streckengleise bedienen wie die Haupt-
bahnen. Auch heute noch sind fast alle Fernbahn-
höfe auch Einführungspunkte für den Vorort-
verkehr, sei es, daß Vorort- und Fernzüge in einer
einzigen Bahnhofgruppe abgefertigt oder den
Fernbahnhöfen besondere Vorortstationen an-
gegliedert werden. Dagegen finden sich nur
wenige selbständige Einführungspunkte, die
ausschließlich dem Vorortverkehr dienen. Die
Hergabe der Ferngleise für die Ortzüge ist vom
Standpunkt der Betriebsführung, Sicherheit und
Leistungsfähigkeit zu beanstanden und schon
seit Jahrzehnten wird daran gearbeitet, den
' Kemniann, Der Londoner Verkehr nacli dem
Bericht des englischen Handelsamtes. Berlin 1909,
Springer.
Stadtschnellbahnen.
135
Ortverkehr von den Fernbahnen mehr und
mehr loszulösen. Auch die aus dem Dampf-
betrieb überkommenen mannigfachen Ver-
zur elektrischen Betriebsweise bietet hier
Gelegenheit zu wesentlichen Vereinfachungen.
Einstweilen aber stellen sich die aus der Zeit
aufwärts
abvräils
Abb. 142. Betriebsfertige Fahrtreppe
aufwärt
abwärts
Abb. 143. im Bau befindliclie Falirtreppe.
kettungen der Ortgleise untereinander sucht
man nach und nach zu vereinfachen und zu
verringern. Der Übergang von der Dampfkraft
des Dampfbetriebs stammenden Schnellbahn-
netze allenthalben noch dar als ein System der
Verkettungen von Gürtelbahnen und Zentral-
136
Stadtschnellbahnen.
linicn, Boizenstrcckcn und Rückkelirschleifen,
die in mannigfachster Anordnung und unter den
verschiedenartigsten Namen und Bezeichnungen
das Außengebiet der Städte durchziehen, und
von diesen älteren Systemen sind die neuer-
dings ihnen eingegliederten elektrischen Durch-
dringungs-Schnellbahnen deutlich unterschieden,
bei denen eine größere Selbständigkeit in der
Linienführung zum obersten Grundsatz ge-
worden ist.
Die geschichtliche Entwicklung, Verschieden-
heiten der örtlichen Verhältnisse, der Auf-
fassungen maßgebender Fachleute und andere
Umstände haben zu einer Größenverschiedenheit
des Lichtraums der Schnellbahnen geführt,
die bei dem heutigen Stand des Schnellbahn-
wesens durchaus unerwünscht ist, da sie den
Austausch von Betriebsmitteln zwischen ein-
zelnen Linien oder Liniengruppen und die
Anlage zentraler Betriebsstätten für alle Linien
unmöglich macht. Die auf Taf. 111 zusammen-
gestellten Beispiele zeigen, daß bisher in der
Bemessung der Tunnelquerschnitte völlige
Willkür gewaltet hat.
3. Bahnhofsformen.
In Tunnelstrecken sind die Bahnhöfe mög-
lichst nahe unter dem Straßenboden anzu-
ordnen, um sie auf kurzen Treppenläufen
oder mittelbar über ein Zwischengeschoß
erreichen zu können, in das die Fahrkarten-
halle einbezogen werden kann. Die Bahnhöfe
der Tieftunnel werden mit Aufzügen oder
besser mit Fahrtreppen bedient. Letztere
vermögen in der auf den Londoner Unter-
grundbahnen verwendeten mustergültigen Aus-
führung — zu vgl. Abb. 142 u. 143 — auf
einem einzigen Lauf von etwa 1 ni Breite 2000
bis 3000 Fahrgäste in der Stunde zu befördern.
Gemeinschaftsbahnhöfe sind nach den ört-
lichen Verhältnissen so zu gestalten, daß ohne
Aufwendung unangemessener Geldmittel der
Umsteigverkehr möglichst erleichtert wird. Die
vollkommenste Bahnhofs-
form ist die, welche ge-
stattet, Züge gleicher Fahr-
richtungen an den beiden
Kanten eines Bahnsteigs
abzufertigen („Richtungs-
betrieb" im Gegensatz zum
„Linienbetrieb" s. Mehrgleisige Strecken). Auch
Kreuzungstationen von „turmförmiger" Anord-
nung gestatten bequemes Umsteigen. Bei den
Pariser und Londoner elektrischen Schnell-
bahnen sind die Interessen des Umsteigver-
kehrs denen der Linienführung untergeordnet,
ohne daß das reisende Publikum gleichwohl
zu Beschwerden Anlaß genommen hätte.
Ferner ist den Ansprüchen der Betriebs-
sicherheit in weitestgehendem Maße Rechnung zu
tragen, dabei jedoch größtmöglichste Leistungs-
fähigkeit der Bahnhofsanlagen zu wahren. Die aus
Sicherheitsgründen verschiedentlich erhobene
Forderung, von Gleiszusammenführungen an
der Einfahrseite der Bahnhöfe abzusehen, er-
scheint im allgemeinen und zumindest bei An-
wendung der im selbsttätigen Sicherungswesen
üblichen Grundsätze als zu weitgehend; unter
Umständen würde sie die Durchführung ein-
facher Bahnhofsformen unmöglich machen und
den Umsteigverkehr erschweren.
Die Anwendung von Inselbahnsteigen verdient
vor der geschichtlich überkommenen Form der
Außensteige im allgemeinen den Vorzug. Im
übrigen können beide Bahnsteigarten auch an
ein und derselben Linie unbedenklich ver-
wendet werden. In Stationen, die zeitweilig
ohne Aufenthalt durchfahren werden, sind
Seitenbahnsteige anzuordnen.
5cH|niH' r>dcl) a-
b.
Abb. 114. Beriihrungsstation.
In den Abb. 144- 147 sind einige moderne Bahn-
hofsformen für einander berührende und gabelnde
Linien sowie für Kehrstationen dargestellt.
Die in Abb. 144 angegebene Form einer Station mit
Riclitnngsbetrieb für zwei einander berührende
Linien findet in engeren Straßenzügen Anwendimg.
Die Oleispaare /, 2 und /, // sind so gegeneinander
verschoben, daß sie in der üeineinschaftstation
übereinander liegen. Auf dem Qemeinschaftsbahnhof
B wird zwischen den Gleisen / und / und auf dem
Abb 145. AbEweigungsstatioii mit Richtungsbetrieb.
darunter befindlichen Gemeinschaftsbahnhof ß,
zwischen den beiden anderen Gleisen umgestiegen.
Beim Bahnsteigwechsel ist nur ein einziger Treppen-
lanf zu überwinden.
Abb. 145 stellt eine Abzweigungstation mit
Richtungsbelrieb dar, bei der Schienenkreuzungen
vermieden sind. Die Gleise / und 2 der einen An-
schUißlinie befinden sich zwischen den beiden Bahn-
steigen, die Gleise J und 4 der andern Linie liegen
außerhalb. Auf dem Gleis / ankommende Züge
I
Eniyklopidie des Eicenbahn-resens. 2. Aafl. IX.
Stadtschnell bahne
Wilmersdorf er Bahn.
Betrlebsllnlni der Berünet Hochbahn Gesellschaft.
Hamburg.
Budapest.
Wien (Entwurf).
Mittelweg
Sladtbahnlunnel.
Große
Nord- und Citybahn.
(Doppelrnhre )
"^2JJ5— ?3pr-
Ö5
^Bf^"
Zwdheitnelz (im Bau).
Hudson-" und Manhaltmbahn.
i'SZS^'
Peiinsylvanische Bahn (Nordflußtuntiel),
i3z; — ^i n:
Cambridgelinie.
Marklstraßenlunnel.
Philadelphia.
Tunnelquerschnitte
der wichtigsten Stadtschnellbahnen.
Verlag von Urban & Schu-arienberg in Berlin u, Wien.
Stadtschnellbahnen.
137
fahren an der ihrem Ziel entsprechenden Seite des
Bahnsteigs^ vor; der Bahnsteig ß wird von den
auf den Gleisen 2 und 4 einfahrenden Zügen benutzt.
Zur Sicherung der Ausfahrt kann für die eine Richtung
noch ein Stumpfgleis Anwendung finden. Bei be-
schränkter Breite können die Bahnsteige auch über-
einander angeordnet werden.
In Abb. 146 ist eine einfache Kehrstation
veranschaulicht. Die auf Gleis / einlaufenden Züge
fahren entweder in der Richtung / weiter oder in
Abb. 146. Einfache Kehrstation.
eines der jenseits des Bahnhofs angeordneten beiden
Umkehrgleise, aus dem sie nach Gleis // zur Ab-
fahrt umsetzen. Züge aus Gleis 2 fahren in der
Richtung // ohneweiters durch. Diese Bahnhofsform
ist für einen starken Zugumlauf bestimmt. Bei
schwächerem Verkehr ist es zulässig, die Umkehr der
Züge vor dem Bahnhof über eine Weichen-
verbindung w stattfinden zu lassen. Ein auf Gleis /
einlaufender Zug fährt nach der Abfertigung am
Bahnsteig durch diese Weichenverbindung über
Gleis //"aus. Sollen auf einer Endstation die Züge
an den beiden Bahnsteigseiten abwechselnd einfahren,
wie es häufig gefordert wird, so ist die Verbindung
w zu einem Weichenkreuz zu ergänzen.
Weiter ist in Abb. 147 noch eine Doppelkehr-
Zweckmäßigkeitsgründe und die Forderungen
der Betriebssicherheit und Leistungsfähigkeit
maßgebend sein. Die äußere Erscheinung und
das künstlerische Aussehen der Bahnhöfe
müssen vollständig den Zweckmäßigkeitsformen
angepaßt werden.
Wegen weiterer Ausführungen über die Bahn-
höfe, die Bahnausrüstung, Betriebsmittel und
Betriebsstätten ist auf die in
diesem Werk enthaltenen Ein-
zelbeschreibungen und auf die
neuerdings außerordentlich an-
gewachsene Literatur über die
Großstadtschnellbahnen zu verweisen. Zu ver-
gleichen sind auch die Abschnitte dieses Werkes
über Bahnhöfe, Mehrgleisige Strecken, Personen-
wagen u. s. w.
4. Bauweise der Schnellbahntunnel.
Von besonderer Bedeutung ist die Aus-
führungsweise der Schnellbahn in Tunnel-
strecken. Aus Tai III ist ersichtlich, daß
gewölbte, rechteckige und röhrenförmige Quer-
schnitte in den mannigfachsten Größenverhält-
nissen vorkommen; selbst im Zug einer und
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Abb. 147. Doppelkehrstation.
Station dargestellt, die so eingerichtet ist, daß kein
einfahrender Zug Weichen zu passieren hat. Die von
A kommenden Züge fahren auf Gleis / ein und
gelangen über eines der Kehrgleise 2 oder 3 in das
Abfahrgleis 4. Von B laufen die Züge auf Gleis 3
ein und setzen über das Kehrgleis 6 nach der Ab-
fahrseite in Gleis Zum. Auf den Abfahrseiten könnten
2 Züge in den Kreuzungen k und ä, einander begegnen.
Da es sich dabei aber einerseits um ausfahrende
Züge, anderseits um Züge handelt, die nach der
Einfahrt in das Umsetzgleis vorziehen, die Bewe-
gungen dieser Züge außerdem unter ständiger Über-
wachung des Fahrdienstleiters vor sich gehen und
das Geben widersprechender Signale durch die Sicher-
heitseinrichtungen ausgeschlossen ist, so können
die in den Bahnhof einfahrenden Züge durch diese
Bewegungen nicht gefährdet werden. Wo die Stellung
der Weichen und Signale nicht von der Mitwirkung
von Gleisströmen abhängig gemacht ist, wird es sich
empfehlen, noch 2 Sicherheitsweichen s und s, vor-
zusehen, während derartige Weichen für die aus
den Kehrgleisen vorziehenden Züge überflüssig sind,
da diese beim Vorrücken an den Bahnsteig ohnehin
eine nennenswerte Geschwindigkeit nicht entwickeln
können. Die geschilderte Betriebsweise gewährt beiden
Bahnen auch bei Durchführung dichtester Zugfolge
die erforderliche Bewegungsfreiheit für die Aufstellung
des Fahrplans.
Vereinigungen der angeführten Bahnhofs-
formen sind in den verschiedensten Formen
möglich. Bei ihrer Durchbildung sollen lediglich
derselben Linie wechselt die Form je nach der
anzuwendenden Bauweise vielfach ab. Auch
nach der Tiefenlage, der Art der zu durch-
tunnelnden oder zu unterfahrenden Baugründe
und baulichen Anlagen (Wasserläufe, Sumpf-
strecken, Felsabschnitte, bebaute Grundstücke,
Rohrnetze u. s. w.) sind die Querschnittsformen
sehr verschieden. Von den bekannten berg-
männischen Tunnelbauverfahren ausgehend,
sind die Bauweisen in der neuesten Zeit zu
einem Grad der Vollkommenheit entwickelt
worden, die eine völlig neue Tunnelbauwissen-
schaft begründet hat. Ausführungen in offenen
oder für den Straßenverkehr vorübergehend
überdeckten Baugruben sind für alle Quer-
schnittsformen und Baugründe angewendet.
Für größere Tiefenlagen der Tunnel tritt zu
den überkommenen bergmännischen Verfahren
das des Vortriebs mit Schilden oder schild-
artigen Werkzeugen, die - wie beim Kreis-
querschnitt - die ganze Brust des Tunnels
einnehmen oder - wie bei gewölbten Quer-
schnitten - als Firsten- oder Sohlstollen-
schilde für die Ausführung mitbenutzt werden.
Die Anwendung der Druckluft in wasser-
führendem oder schlammigem Boden führt zu
138
Stadtschnellbahnen.
* s
besonderen Formen der Vortriebschilde, deren
Durchbildung den größten Scharfsinn der
Ingenieure herausgefordert hat. Die seit langem
für Pfeilerbauten angewendete Druckluftgrün-
dung hat eine wichtige Ausbildung auch im
Tunnelbau erfahren, namentlich für Fälle, in
denen eine Unterschreitung von Wasserläufen
erforderlich wurde. In 5
Berlin hat die Art der
Wasserhaltung durch
Grundwassersenkung
zu einem eigenartigen
Bauverfahren geführt,
das bei der Kreuzung
von Flußläufen noch
besondere Ausbildun-
gen erfahren mußte.
Als Sonderfälle der
Bauausführung möge
noch die Einbettung
fertiger Tunnelab-
schnitte in eine auf der
Flußsohle ausgebag-
gerte Rinne erwähnt
werden. Wegen der
sonstigen Bauweisen
sei auf die in neuerer
Zeit außerordentlich
stark angewachsene Li-
teratur hingewiesen (s.
auch den Artikel über
Tunnelbau). Die Bau-
kosten der Tunnel-
schnellbahnen gehen
über das bei sonstigen
Eisenbahnanlagen üb-
liche Maß weit hinaus.
5. Betrieb und
Verkehr.
Der Stadtschnellver-
kehr vollzieht sich in
starken Wellenbewe-
gungen, die abgesehen
von den Jahres-, Mo-
nats- und Wochen- ^
Schwankungen insbe-
sondere im Laufe eines
Tages außerordentliche
weisen. In den Früh-
auf den Schnellbahnen einfindet. Bei den Durch-
dringungslinien zeigen die Kurven des Verkehrs
infolge der hinzutretenden innenstädtischen
Strömungen im allgemeinen eine etwas gleich-
mäßigere Gestaltung. Ihren Höhepunkt erreichen
die Verkehrswellen an Sonn- und Festtagen oder
bei besonderen Gelegenheiten; so rufen das
S3 a S t' 5"
Abb. I4S. starrer Fahrplan der Londoner Distriktbahn
Ungleichheiten auf-
und Vorniittagstunden
sind die Fahrten hauptsächlich stadteinwärts,
in den Nachmittag- und Abendstunden nach
außen gerichtet. Die größten Verschiedenheiten
treten im Vorortverkehr auf, der sich im wesent-
lichen auf einige Vormittag-, Nachmittag- und
Abendstunden zusammendrängt, in denen sich
hauptsächlich die Berufstätigen, abends auch
die der Geselligkeit nachgehende Bevölkerung
Erholungsbedürfnis, Veranstaltungen im Freien
- Regatten, Rennen, Sportfeste - , oft lediglich
durch die Witterung bedingt, wahre Sturmfluten
im Verkehr hervor, die die stärksten Erhebungen
des Normalverkehrs um das 6-7fache über-
schreiten.
Den geschilderten Verhältnissen gegenüber
hat die Betriebsführung mit außerordentlichen
Schwierigkeiten zu kämpfen, die dadurch noch
besonders vermehrt werden, daß die zeitlichen
Stadtschnellbahnen.
139
und örtlichen Ungleichheiten des Verkehrs an
den verschiedenen Stellen des Stadtgebiets auch
wieder im einzelnen die wechselvollsten Bilder
zeigen. Die Aufgaben, die im Betriebsdienst in
bezug auf die Aufstellung des Zugbildungsplans,
die Verteilung der Züge und die Bemessung
der Zugstärken gestellt werden, gehören zu den
schwierigsten des Eisenbahnwesens. Sie werden
noch besonders erschwert, wenn bei der Fest-
steilung der Gesamtanlage und der Betriebs-
der Sonn- und Festtage, überhaupt im Aus--
flugsverkehr, gibt das starre Fahrplanschema
das Tempo an für den gesamten Zugumlauf;
den Ungewißheiten gegenüber, die durch
plötzliche Witterungseinflüsse und andere Um-
stände herbeigeführt werden, hilft sich die
Verwaltung durch Einstellung möglichst vieler
Bedarfszüge in den Dienstfahrplan, die, jederzeit
verwendungsbereit, je nach den eintretenden
Erfordernissen augenblicklich in den Verkehr
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Abb. 149. Durchfahrbetrieb auf der Piccadillybahn in London.
Bemerkung: In den durch Punkte bezeichneten Stationen fahren
Züge durch.
einrichtungen neuer Schnellbahnen nicht die
nötige Sorgfalt angewendet wird.
Die Mannigfaltigkeit und Massenhaftigkeit der
beanspruchten Leistungen kann nur durch ge-
steigerte Gesetzmäßigkeit im Aufbau der Zug-
umlaufpläne gewährleistet werden, die ihren
Ausdruck in dem sog. „starren Fahrplanschema"
findet, das gewissermaßen ein Skelett darstellt,
aus dem die ganze Mannigfaltigkeit des Zug-
umlaufs entwickelt werden muß. Das gilt auch
für den reinen Vorortverkehr, wenngleich hier
die Zugfolge auf der gesetzmäßigen Grundlage
nach freierem Ermessen dem Bedürfnis an-
gepaßt werden kann. Aber auch im Verkehr
Abb. 150. Durchfahrbetrieb auf der Hampsteadbahn
(jjp in London.
Bemerkung: Die Fahrten von Charing Gross über
Camden Town nach Oolders Green sind mit durch-
laufenden, nach Highgate mit unterbrochenem Strich
dargestellt. In den durch geschlossene oder offene
Punkte gekennzeichneten Stationen fahren die
Züge durch.
gebracht werden können. Normale Verkehrs-
verhältnisse erfordern einen nach innen zu
allmählich dichter werdenden Wagenumlauf,
d. h. eine Vermehrung der Zugzahl, die nach
Möglichkeit zu verbinden ist mit einer Ver-
stärkung der Züge selbst. Bei den älteren Schnell-
bahnen ergeben sich die inneren Verstärkungen
ohneweiters aus der .Art ihrer Verkettungen, die
eine Verschmelzung der Zugverkehre im Innern
des Stadtgebiets zurVoraussetzung hat (Abb. 1 48).
Bei unverketteten Linien wird die Staffelung
140
Stadtschnellbahnen.
des Zugumlaufs in der in den Abb. 146 u. 147
angedeuteten Weise durch Kehrstationen her-
beigeführt, bei deren Ausgestaltung auch die
Verhältnisse des Ausfiugsverkehrs gebührend
zu berücksichtigen sind. Die Frage, wie der
schwankenden Verkehrsstärke durch Änderung
der Zugiängen selbst Rechnung getragen werden
könne, bietet Schwierigkeiten, für die bisher
eine befriedigende Lösung nicht gefunden
wurde. Das An- und Abhängen einzelner Wagen
oder Wagengruppen im laufenden Betrieb hat
sich nur in sehr bescheidenem Umfang als
durchführbar erwiesen; dagegen hat das Ver-
fahren des Zugaustausches, d. h. des Ersatzes
kürzerer Züge durch längere und umgekehrt
weitergehende Anwendung gefunden. Hierher
gehört auch eine besondere Ausbildung der
Außenstrecken, deren Verkehr die Durchfüh-
rung längerer Züge wirtschaftlich ungerecht-
fertigt erscheinen läßt, in der Weise, daß die
Außenlinien mittels bequem eingerichteter Um-
steigstationen an die inneren Stammstrecken
angegliedert, im übrigen nach individuellem
Plan betrieben werden. Im Betrieb der Eilzüge,
der Durchfahr- (non stop-) Züge und der
Staffelzüge ergeben sich wieder besondere Auf-
gaben, auf die hier nicht weiter eingegangen
werden kann. In den Abb. 14Q u. 150 sind
2 Beispiele des Durchfahrbetriebs gezeigt, bei
dem, wie die Abbildungen erkennen lassen,
auch eine Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit
angestrebt wird.
6. Fahrpreise^
Die Schnellbahnen sind nur frei in der
Form der Fahrpreisbildung, nicht aber hin-
sichtlich der Höhe der Fahrpreise, in der sie
dem Wettbewerb anderer Verkehrsmittel und
den allgemeinen Verhältnissen Rechnung zu
tragen haben.
Zur Vereinfachung der Abfertigung im
Massenverkehr der Schnellbahnen sind die
Tarifformen möglichst einfach zu gestalten;
den Grundsätzen gerechter Behandlung der
Fahrgäste entspricht eine Abstaffelung der
Fahrpreise nach der Entfernung, unter weitest-
gehend gleichartiger Behandlung der Fahrgäste.
Beide Forderungen gleichzeitig werden weder
von dem amerikanischen oder Pariser Einheits-
tarif, noch von der geschichtlich überkommenen
Vielfältigkeit des Fahrkartenwesens der Londoner
oder staatlichen Berliner Schnellbahnen erfüllt;
sie finden ihre volle Verwirklichung in dem
auf der Berliner Hochbahn durchgeführten
Staffeltarif, der sich auf die Ausgabe von Ein-
' Keinmann, Die Fahrpreise der Stadtschnellhahneii
in den europäischen und amerikanischen Großstädten.
Ztsr. d. VDEV. igi2, Nr. 22 u. 23.
zelkarten beschränkt, deren Preise nach Ent-
fernungszonen abgestuft sind. Die den arbei-
tenden Klassen zu gewährenden Ermäßigungen
haben sich der Staffel zwanglos einzugliedern
(Frühkarten). Die Ausgabe billigerer Zeitkarten
ist mit den wirtschaftlichen Interessen der
Schnellbahnen nicht vereinbar.
Von einigen besonderen Unternehmungen
abgesehen, sind die Fahrpreise der Schnell-
bahnen im allgemeinen nicht ausreichend, um
außer der Bestreitung des Betriebsaufwandes
und der sonstigen notwendigen Ausgaben und
Rückstellungen auch das Anlagekapital aus-
reichend zu verzinsen. Die Ursachen der Un-
zulänglichkeit wurzeln zum Teil in veralteten
wirtschaftlichen Anschauungen und Tarifgrund-
sätzen, unter denen sich die Politik der Ver-
kehrswerbung durch niedrige Fahrpreise als
besonders verhängnisvoll erwiesen hat. Ein-
seitiges Erfassen der sozialen Aufgaben, das
namentlich der Bodenspekulation gegenüber
oft fehlgreift, die in der Gesamtheit als die
„öffentliche Meinung" zu bezeichnenden Kräfte,
die fast immer negativ arbeiten, Mitbestim-
mungsrechte öffentlicher Körperschaften, par-
teipolitische Einflüsse und nicht in letzter Linie
der Wettbewerb der Straßenbahnen und Om-
nibusse - vielfach auch der Schnellbahnen
selbst - sind die Triebfedern, die die Fahrpreise
ständig unter Druck halten. „Der Wettbewerb
hat auch die außerordentliche Ungleichartig-
'keit und Vielgestaltigkeit der Tarifformen im
Londoner Verkehr verschuldet, die zudem
infolge dauernder Änderungen der Tarifsätze
selbst das ganze Fahrpreiswesen niemals zur
Ruhe kommen läßt" (Berichte des englischen
Handelsamtes).
Die durchschnittliche Einnahme aus einer
Fahrt bewegt sich auf den selbständig da-
stehenden elektrischen Schnellbahnen zwi-
schen 1 1 -5 Pf. auf der Pariser Stadtbahn und
21 Pf. auf den Schnellbahnen der Vereinigten
Staaten von Amerika. Im Gesamtbetriebsnetz
der Berliner Hoch- und Untergrundbahn
beträgt sie 14 Pf., auf ihren Eigentumslinien
13-2 Pf.; in London liegt sie zwischen 12 und
ISV'jPf. Der personenkilometrische Betrag
der Fahrgeldeinnahnien ist nicht nachweisbar.
Sind schon die Fahrpreisdurchschnitte bei
diesen elektrischen Schnellbahnen unzurei-
chend, so gilt dies noch in weit höherem
Grad von den mit Großbahnnetzen zusammen-
hängenden und noch zum größten Teil mit
Dampfkraft betriebenen Schnellbahnen,
die geradezu zu Schleudertarifen gelangt sind,
von denen sie sich nur schwer zu befreien
I vermögen; beträgt doch der Einnahmedurch-
I schnitt bei der Berliner Stadt- und Ringbahn
Stadtschnellbahnen.
141
nur 7\, Pf.; zu einer so weitgehenden Tarif-
verbilligung hat man sich in keiner andern
Großstadt auch unter dem schärfsten Druck
des Wettbewerbs entschließen können.
Einzelheiten über die Fahrpreise der ver-
schiedenen Schnellbahnen finden sich in den
diese behandelnden besonderen Artikel.
7. Wirtschaftsformen.
Die Frage, ob die Schnellbahnen zweck-
mäßiger auf privatwirtschaftlicher oder gemein-
wirtschaftlicher Grundlage zu errichten seien,
bleibt unentschieden, da sie auch in der Hand
der Privatunternehmung als „gemeinnützige
Betriebe" anzusehen sind, wie dies auch im
Sinne des New Yorker Schnellverkehrsgesetzes
liegt.
Die Regeln, nach denen diese Verkehrs-
mittel, Volleisenbahnen in denkbar verfeinerter
Durchbildung, im öffentlichen Interesse aus-
gestaltet werden müssen, nach denen die Be-
triebsführung, der Sicherheitsdienst, die Ober-
wachung gehandhabt werden, weichen bei
beiden Wirtschaftsformen auch nicht im kleinsten
Punkt voneinander ab. Bezeichnend ist, daß
gerade die vollkommensten aller Schnellbahnen
von Privatgesellschaften errichtet sind. Aus dem
gemeinnützigen Charakter der Unternehmungen
folgt aber auch, daß da, wo private Mittel für
die Zwecke des großstädtischen Schnellverkehrs
mangels ausreichender Wirtschaftlichkeit nicht
zu haben sind, die Allgemeinheit in irgend einer
Form unterstützend einzuspringen hat, gleich-
viel, unter welcher Form das Unternehmen
bewirtschaftet wird. Die Geldbeschaffung kann
den Unternehmungen in den verschiedensten
Formen erleichtert werden, sei es, daß Kapitalien
zu billigem Zinsfuß beigesteuert, Zinsbürg-
schaften übernommen oder zweit- oder dritt-
stellige Kapitalanteile übernommen werden. Auch
die Bürgschaft für gewisse Mindesteinnahmen,
Zahlung von Betriebszuschüssen, unentgeltliche
Hergabe von Grund und Boden gehören hierher.
Im Falle der Aufschließungsbahnen würden auch
die Anlieger zwangsweise mit Zuschüssen be-
lastet werden können. Finanzielle Unterstützung
ist Vorbedingung in allen Fällen, in denen Ge-
meinden Angliederungen an ein Schnellverkehrs-
netz und dessen Betrieb mittels Linien suchen,
für die ein befriedigendes Ergebnis einstweilen
nicht anzunehmen ist. Die Linien haben sich
in diesem Fall baulich und betrieblich dem
Stammnetz völlig anzugliedern.
Das zuletzt angeführte Beispiel stellt einen
Sonderfall der gemischtwirtschaftlichen
Form der Schnellbahnunternehmung dar. Die
von Lord Avebury gerügten Mängel städtischer
Verkehrsbetriebe - hervorgehend aus der
Schwerfälligkeit städtischer Verwaltungen, den
Gefahren der Überschuldung, den sozialen
Rücksichten, mangelnder Sparsamkeit in der
Wirtschaftsführung, Mangel an Trieb zur Wei-
terentwicklung und erfinderischen Vervollkomm-
nung der Betriebseinrichtungen - sind bei
der gemischtwirtschaftlichen Unternehmung
jedenfalls vermieden. Sie entspringt aus dem
Gedanken, daß es demjenigen, dem die Herr-
schaft über die Straße zusteht, auch unbenom-
men bleiben müsse, zu den mannigfachen
Anlagen, die er sonst im Straßenkörper unter-
zubringen pflegt, auch die Schnellbahnen we-
nigstens in eigene Bauausführung zu nehmen,
wenn er auch die Betriebsführung durch Dritte
pachtweise bewerkstelligen lassen will. Dieser
Auffassung ist durch stadtseitige Herstellung
des Tunnelkörpers im wesentlichen genügt;
nur in Ausnahmefällen haben sich die Städte
auch mit der Erstellung von Hochbahn-
strecken befaßt. Die Ausrüstung der Schnell-
bahn und die Beschaffung der Betriebskraft
ist bisher in allen Fällen Sache des Pächters
geblieben. Die Bemessung der Tunnelpacht
oder Bahnpacht hängt von den Umständen
ab; vielfach ist sie so bemessen, daß sie für
die Verzinsung und Tilgung der städtischen
Anleihen ausreicht, aus deren Erlös die Bahn-
körper hergestellt sind, wobei für den Betriebs-
unternehmer immerhin der große Vorteil her-
ausspringt, daß der Zinsfuß in mäßigen Grenzen
bleibt. In anderen Fällen hat die Pächterin
einen Teil der Fahrpreiseinnahmen an die Stadt
abzuführen oder für jeden durch den Tunnel
geführten Wagen eine bestimmte Abgabe zu
entrichten; auch der Fall, daß die Fahrgäste
beim Lösen der Fahrkarten dem Fahrpreis
noch einen Zoll für die Stadt zuzulegen haben,
kommt vor. Der gemeinnützige Charakter der
Schnellbahnen gelangt in den Fällen mit be-
sonderer Deutlichkeit zum Ausdruck, in denen
der Betriebsunternehmerin gestattet ist, vorweg
aus den Einnahmen ausreichende Mittel für
den eigenen Kapitaldienst einzubehalten; in
allen anderen Fällen ist es Sache des Betriebs-
pächters, von vornherein zu prüfen, ob das
Unternehmen außer dem Pachtschilling noch
genügende Überschüsse für seine eigenen
Zwecke abwirft.
Tritt in diesen Fällen der kommunale Zu-
schnitt der Schnellbahnen unmittelbar zu tage,
so hat sich die Kommunalpolitik vielfach auch
mittelbaren Einfluß auf die Privatschnell-
bahnen gesichert. Der kommunale Einschlag
offenbart sich in den den Städten vielfach
ausbedungenen Übernahmerechten, nach denen
diesen das Unternehmen nach einer bestimm-
ten Zeit zum Teil oder im ganzen Umfang
142
Stadtschnellbahnen.
unentgeltlich anheimfällt, im übrigen von Zeit
zu Zeit auf Verlangen käuflich zu überlassen ist.
a) Wirtschaftliche Lage.
Schnellbahnen erfordern, wo nicht besonders
günstige Verhältnisse vorliegen, wie in Paris,
einen Anlageaufwand, der bei keiner andern
Bahngattung auch nur im entferntesten er-
reicht wird. Schnellbahnen, die als Hochbahnen
gebaut werden, erfordern etwa das lOfache,
als Untergrundbahnen das 20-30fache der
Kosten gleichlanger Straßenbahnen. Anlage-
kosten bis zu lOMill.M. und selbst darüber sind
für zweigleisige Tunnelbahnen im Stadtinnern
nichts Ungewöhnliches; selbst in Außengebie-
ten, wo die Schnellbahn auf Dämmen und in
Einschnitten geführt werden kann, sind die
kilometrischen Anlagekosten immer noch bis
auf etwa 1 ^j Mill. M. zu veranschlagen.
Wenn nun auch die Schnellbahnen eine
erheblich größere Zahl von Fahrgästen
befördern können als die Straßenbahnen, so
haben die Erfahrungen gezeigt, daß es wegen
der hohen Anlagekosten selbst mit erheblichen
Beihilfen der Wegeunterhaltungspflichtigen und
der Anlieger sehr schwierig ist, ein angemessenes
Erträgnis zu erwirtschaften. Die kilometrische
Beförderungsziffer der einzelnen Unterneh-
mungen bewegtsichindenOesamtdurchschnitten
etwa zwischen 2 und 2V2 Mill. Personen; nur
in Ausnahmefällen geht sie über 4 Mill. hinaus,
wie in Paris, wo auf den Linien der Stadtbahn
auf das Bahn/t/« etwa 5 Mill. Personen befördert
werden, oder in New York, dessen ungeheurer
Verkehr sich sogar bis auf 8 Mill. erhebt. Die
Berliner Hoch- und Untergrundbahn befördert
3V4 Mill. Fahrgäste auf das Bahn^m.
Der Beförderungsziffer entsprechend halten
sich auch die Verkehrseinnahmen in be-
scheidenen Grenzen. Die Ausgaben dagegen
werden durch die festen Lasten, die stetig
wachsenden Löhne und Materialpreise, die den
Betrieb, die Unterhaltungs- und Erneuerungs-
arbeiten der Anlagen unaufhaltsam verteuern,
immer weiter in die Höhe getrieben. Für Ab-
schreibungen ist nur selten in auskömmlichem
Maße gesorgt worden.
Aus den Verkehrsüberschüssen lassen
sich daher die in den Schnellbahnen angelegten
ungeheuren Kapitalien nur in besonderen Fällen
ausreichend verzinsen. Nur wenige Schnell-
bahnen sind auch - wie etwa die Berliner
Hoch- und Untergrundbahn - im stände,
das Erträgnis durch Nebeneinnahmen aus Ver-
mietungen und Verpachtungen, dem Reklame-
wesen, Übernahme der Betriebsführung für
andere Linien, Zuschüssen u. dgl. nennenswert
aufzubessern. Wird für das Gesamtkapital die
bescheidene Forderung einer auch nur 4 *» igen
Verzinsung aufgestellt, so gibt es in England
keine einzige unter den unzähligen Stadt- und
Vorortbahnen, die eine derartige Rentabilität
aufweisen. Von den Schnellbahnen der Ver-
einigten Staaten stehen nur die bedeutendsten
New Yorker Unternehmungen und unter den
europäischen nur die Pariser Stadtbahn günstiger
da. Die Berliner Hochbahn hat vor dem Krieg
mit Hilfe von Nebeneinnahmen und Zuschüssen
den Durchschnittsertrag auf 4-8 % des Gesamt-
kapitals, ohne diese nur auf 3-5% steigern
können, während die Hamburger Hoch- und
Untergrundbahn noch nicht 2% des gesamten
Anlageaufwandes erwirtschaften konnte, von dem
der hamburgische Staat den auf die Bahnanlage
entfallenden Teil übernommen hat.
Das Wohlergehen der Gesellschaften be-
rührt aber nicht die Aktionäre allein; „Unter-
nehmungen, die wenig mehr als die Selbst-
kosten erwirtschaften, können den Interessen
der Allgemeinheit nicht in demselben Maße
dienen wie Verwaltungen, die mit Überschüssen
arbeiten; Erweiterungen und Verbesserungen
werden vielfach aus dem Grund unterlassen,
weil sie ertraglos sind, und diese Zurückhaltung
wirkt in weiterem Umfang auch wieder auf
Handel und Wandel zurück" (Berichte des
englischen Handelsamtes). Ob es sich um selbst-
ständige Unternehmungen oder um solche
Schnellbahnen handelt, die den Großbahnen
eingegliedert sind, denen es zur Last fällt, die
für die örtlichen Verkehrsmittel erforderlichen
Zuschüsse aus dem Gesamthaushalt zu bestreiten,
macht hierbei keinen Unterschied. Aber auch
öffentliche Körperschaften haben ein Anrecht
darauf, in Schnellbahnen angelegte Kapitalien
ausreichend verzinst zu sehen. Wenn ihnen
auch die Steuerquelle zur Deckung von Fehl-
beträgen zur Verfügung steht, so würde doch
die steuerzahlende Allgemeinheit gegen eine
zu freigebige Geldwirtschaft im Schnellverkehr
berechtigten Widerspruch erheben können.
b) Bemerkungen zur Wirtschaftspolitik.
Gesunde Wirtschaftspolitik hat auf einer ge-
sunden Tarifpolitik aufzubauen, die auf die Be-
seitigung ungesunden Wettbewerbs hinarbeitet.
Sie nötigt zu einem engeren Zusammenschluß
der Unternehmungen durch Herstellung von
Wirtschaftsverbänden, Anbahnung von Betriebs-
und Verwaltungsgemeinschaften oder durch
völlige Verschmelzungen, wie sie in den Ver-
einigten Staaten und England aus der Notlage
wirtschaftlicher Depression und ausgearteten
Wettbewerbs heraus in größtem Umfang durch-
geführt worden sind. Bei diesen Maßnahmen
spielt auch die Tariffrage eine wichtige Rolle
Stadtschnellbahnen. - Ständige Tarifkommission.
143
obwohl der Gedanke, auf den Schnellbahn-
netzen verschiedener Verwaltungen in einer
Großstadt eine sehr weitgehende Freizügigkeit
im Fahrpreiswesen durchzuführen, an inneren
Schwierigkeiten scheitern muß. Diese Art der
wirtschaftlichen Selbsthilfe auf dem Wege des
Zusammenschlusses bedarf aber weiterhin der
Ergänzung durch eine amtliche Organisation,
deren Augenmerk darauf gerichtet sein muß,
bei voller Wahrung der öffentlichen Interessen
den Schnellbahnen ihre Aufgaben nach Kräften
zu erleichtern. Eine amtliche Zentralstelle, die
mit weitreichenden Befugnissen auszustatten
wäre, vermöchte hier in höchstem Maße segens-
reich zu wirken, ihr läge es ob, die Bedingungen,
Lasten und Abgaben, die den Schnellbahnen
aufzuerlegen wären, der wirtschaftlichen Lage
anzupassen, Beihilfen, Kredite oder Bürgschaften
für Bau- und Betriebszwecke auszuwirken, im
Falle einer Siedlungspolitik auf unentgeltliche
Hergabe von Grund und Boden zu dringen,
Vereinfachungen in den Bauformen durchzu-
setzen, Einfluß zu nehmen auf die Ausgestaltung
und Regelung des Fahrpreiswesens, die Hintan-
haltung unnützen Wettbewerbs und überflüssiger
Doppelleistungen, verständiges Maßhalten in der
Bedienung neuer Gebiete u. a. m. Unter den
dauernden Lasten nehmen die Abgaben für
das Wegerecht, die z. T. sogar eine Beteiligung
am Reingewinn einschließen, vielfach die erste
Stelle ein, obwohl bei den Schnellbahnen eine
Abnutzung der Straßenflächen überhaupt nicht
stattfindet. Auch die Staats- und Gemeinde-
steuern erreichen bei vielen Schnellbahnen
eine geradezu unerschwingliche Höhe.
c) Rechtszustand.
Ein „Schnellbahngesetz", das das Schnellbahn-
wesen bis in alle Einzelheiten regelt, gibt es
einstweilen nur im Staat New York (Rapid
Transit Act). Ein zur Durchführung des
Gesetzes errichtetes Amt für die gemein-
nützigen Betriebe (Public Service Commission)
hat die Angelegenheiten des Groß-New Yorker
Schnellbahnwesens im Einvernehmen mit der
Stadtverwaltung mit großer Selbständigkeit zu
ordnen (zu vgl. den Art. New Yorker Schnell-
bahnen). In keinem andern Land hat die all-
gemeine Gesetzgebung für das Schnellbahn-
wesen in gleich durchgreifender Weise vor-
gesorgt; auch die Machtbefugnisse der mit der
Überwachung des Schnellbahnwesens betrauten
Organe sind sonst nirgends einheitlich oder
auskömmlich geregelt, so daß vielfach der
Mitbestimmung berechtigter Dritter, insbe-
sondere der Wegeberechtigten, Tür und Tor
geöffnet ist, die aus privaten Unternehmungen
größtmöglichen Vorteil zu ziehen suchen.
In England bedarf jedes Schnellbahnunter-
nehmen eines Sondergesetzes (Act), in dem die
in einem kontradiktorischen Verfahren sorg-
fältig ermittelten Interessen der von dem Unter-
nehmen Betroffenen bis ins kleinste geregelt
werden. Das preußische Kleinbahngesetz be-
gnügt sich damit, die Schnellbahnen den Straßen-
bahnen oder den nebenbahnähnlichen Klein-
bahnen zuzuzählen, ohne ihrer Eigenart irgend-
wie besondere Rechnung zu tragen. Der behörd-
lichen Genehmigung hat die Zustimmung der
Wegeberechtigten voraufzugehen, während die
Interessen der übrigen Beteiligten im sog. „Aus-
legungsverfahren" ihre Regelung finden. Für
Groß-Berlin hat man die Schwierigkeiten, die
die Vielköpfigkeit der Gemeinden dem Ver-
kehrswesen bereitete, durch deren Zusammen-
fassung zu einem Zweckverband zu beseitigen
gesucht. Ein stehendes Kapitel in der Schnell-
bahnliteratur bilden die Widerstände und
Schwierigkeiten, die den Schnellbahnen bei Ver-
folgung ihrer Ausführungspläne von allen mittel-
bar oder unmittelbar Beteiligten, von Körper-
schaften, Kirchengemeinden, Vereinen, Grund-
besitzern, im Wege der Verhandlungen, in Ver-
sammlungen, in der Presse, offen und geheim,
und meist mit mehr oder weniger Erfolg in
den Weg gelegt zu werden pflegen, um den
Unternehmungen ein Übermaß von Lasten auf-
zubürden. Ist es doch so weit gekommen, daß
sich in Preußen die Zustimmungen der Stadt-
gemeinden, die nach dem Sinne des Kleinbahn-
gesetzes wesentlich das Entgelt für die Straßen-
benutzung ordnen sollen, allgemein zu umfang-
reichen Privatverträgen "ausgewachsen haben,
in denen sich die Wegeberechtigten in Aus-
übung der Rechte des Stärkeren den weitest-
gehenden Einfluß auf die Unternehmungen
gesichert und Mitbestimmungsrechte vereinbart
haben, die den Rechten der Obrigkeit oft in
bewußter Weise vorgreifen und zuwiderlaufen.
Kcinmann.
Ständige Tarifkommission ist eine
Körperschaft, der zusammen mit dem Aus-
schuß der Verkehrsinteressenten die Aufgabe
der Fortbildung des deutschen Gütertarifs
obliegt.
Nachdem das einheitliche Tarifschema des
deutschen Reformtarifs (s.GütertarifeBd.VS.464)
gewonnen war, regte der preußische Handels-
minister am 11. Juni 1877 an, eine aus Ver-
tretern der deutschen Staatsbahnen und einer
Anzahl Privatbahnen bestehende Tarifkommis-
sion zu bestellen, die Abänderungsanträge für
die Beschlußfassung durch die Generalkon-
ferenz der sämtlichen deutschen Eisenbahn-
verwaltungen konferenziell vorzuberaten habe.
Zugleich wurde vorgeschlagen, den Geschäfts-
144
Ständige Tarifkommission.
kreis der Tarifkomtnission noch dadurch zu
heben, daß ihm aucii „die Vorberatung ein-
heitlicher Normen für die Personentarife so-
wie für die Fahrzeuge, Leichen und lebende
Tiere zugewiesen, auch die Erörterung ge-
meinsamer Bestimmungen für das Expeditions-
und Abrechnungsverfahren vorbehalten wurde".
Die Zuweisung letzterer Aufgabe zog Preußen
zurück; sie ging auf den aus dem Tarif ver-
band sich entwickelnden deutschen Eisen-
bahnverkehrsverband über. Das Ministerial-
schreiben vom S. Oktober 1877 enthielt dann
aber noch weiter die Mitteilung, daß es „auf
den Vorschlag des Reichskanzleramtes" für
ersprießlich erachtet sei, „die Bestellung eines
ständigen, aus je 3 Vertretern der Land-
wirtschaft, der Gewerbtätigkeit und des Handels
unter Zutritt eines besonderen, aus Bayern zu
kommittierenden Mitglieds zu bildenden Aus-
schusses zu veranlassen, dessen Aufgabe es
sein würde, über allgemein wichtige, das
deutsche Eisenbahnwesen betreffende Fragen
aus dem Gebiet des Tarifwesens sich gut-
achtlich zu äußern und zu diesem Behuf
jährlich zweimal mit den Mitgliedern der vor-
erwähnten Tarifkommission zusammenzutreten ".
Der deutsche Landwirtschaftsrat und der
deutsche Handelstag würden ersucht werden,
die betreffenden Mitglieder dieses Ausschusses
zu bezeichnen.
Die Zusammensetzung der S. hat im Lauf
der Jahre mehrfach eine Wandlung erfahren.
Die Mitgliederzahi umfaßt heute 14 Bahn-
verwaltungen. Dagegen stieg die Zahl der
Mitglieder des Ausschusses der Verkehrs-
interessenten auf 5 in jeder Gruppe (mit
Bayern 16 im ganzen). Außerdem ist seit
1890 auch der Geschäftsführer des Aus-
schusses ohne Teilnahme an den sachlichen
Beratungen bei den Sitzungen anwesend. Seit
1883 nehmen mit beratender Stimme Ver-
treter der schweizerischen Bahnen (schweize-
rische Nordostbahn und schweizerische Zen-
tralbahn, später die schweizerischen Bundes-
bahnen und die Gotthardbahn) an den
Sitzungen teil.
Die erste ordentliche Sitzung der S. fand
am 7. Februar 1878 in Berlin statt und
stellte die Geschäftsordnung fest. Seit der
Sitzung vom 13. November 1878 wohnen
Vertreter des Reichseisenbahnamtes den Ver-
handlungen bei.
Die S. hat zusammen mit dem Ausschuß
der Verkehrsinteressenten die Anträge vorzu-
beraten, die die allgemeinen Tarifvorschriften
und die Güterklassifikation, die allgemeinen
Ausführungsbestimmungen zur Verkehrsord-
nung und den Nebengebührentarif betreffen.
In der Regel finden 3 gemeinschaftliche
Sitzungen unter dem Vorsitz der königlichen
Eisenbahndirektion Berlin statt. Über die
Beratungsergebnisse beschließt die General-
konferenz der deutschen Eisenbahnverwaltungen,
die in der Regel einmal im Jahr vom preu-
ßischen Minister der öffentlichen Arbeiten
einberufen wird. Die Beschlüsse der General-
konferenz werden bindend, wenn ihnen nicht
fristgemäß von einer satzungsgemäßen Minder-
heit widersprochen wird, wobei es Sache der
einzelnen Bahnverwaltungen bleibt, die Zu-
stimmung der Landesaufsichtsbehörden vorher
einzuholen.
Aus der Geschäftsordnung der S. ist fol-
gendes hervorzuheben:
Antragsberechtigt sind die bei der General-
konferenz zugelassenen Eisenbahnverwaltungen
und der Ausschuß der Verkehrsinteressenten.
Beratungsgegenstände können als dringliche
oder äußerst dringliche behandelt werden,
wenn eine ^/j-.Mehrheit der in der Sitzung
vertretenen Kommissionsmitglieder und der
anwesenden Mitglieder des Verkehrsausschusses
dies beschließt.
Beschlüsse über Anträge von einfacher Dring-
lichkeit werden bindend, sofern nicht bis zur
; nächsten ordentlichen Sitzung oder bis zur
Generalkonferenz wirksamer Widerspruch er-
hoben ist. Beschlüsse, deren äußerste Dring-
lichkeit zugestanden wurde, werden bindend,
sofern ihnen nicht binnen 10 Tagen wider-
sprochen wird. Zu einem wirksamen Wider-
spruch gehört eine Mehrheit von \/,q sämt-
licher bei der letzten Generalkonferenz be-
rechtigt gewesenen Stimmen. Tarifbestim-
mungen, die in ihrer Anwendung zu Zweifeln
Anlaß geben, können durch deklaratorische
Beschlüsse näher erläutert und klargestellt
werden, ohne daß hierdurch der Tarif selbst
sachlich geändert wird. Diese Bestimmung
hat in der 100. Sitzung der S. (8./9. Februar
IQIO) zu einer Einrichtung einer öffentlichen
Sammlung der bisherigen und zukünftigen
Entscheidungen und zu einer Einsetzung eines
ständigen Unterausschusses für Tarifentschei-
dungen geführt. Die Tätigkeit dieses Unter-
ausschusses grenzt sich ab gegenüber den
einzelnen Verwaltungen dadurch, daß 1. jede
Verwaltung nur das Recht, nicht die Pflicht
hat, den Ausschuß anzurufen, 2. es ander-
seits im Interesse der Sache gelegen ist, ihm
von allen Entscheidungen Kenntnis zu geben
und ihm alles zu überlassen, was nicht zwei-
felsfrei auf der Hand liegt.
Gegenüber der S. und dem Ausschuß der
Verkehrsinteressenten begrenzt sich seine Auf-
gabe dadurch, daß die Entscheidung sowohl
ständige Tarifkommission. - Stanserhornbahn.
145
die Absicht des Tarifs wie den Wortlaut des
Tarifs für sich haben müsse. Wo nur eines ver-
sagt, hat die S. einzugreifen. Die Sicherung
dieser Grenze wird durch das Widerspruchs-
recht gewährleistet, das jeder Verwaltung wie
dem Verkehrsausschuß zusteht.
In diesem Sinne sind dann die Befugnisse
des ständigen Unterausschusses durch die
Geschäftsordnung für die S. festgelegt. Seine
Beschlüsse werden bindend, sofern nicht bin-
nen 14 Tagen nach Absendung der Mitteilung
bei der geschäftsführenden Verwaltung Wider-
spruch erhoben wird. Dem ständigen Ausschuß
gehören neben der geschäftsführenden Verwal-
tung 2 von der S. gewählte Eisenbahnverwal-
tungen (Bayern und Sachsen) an. Gntnow.
Staffeltarif s. Gütertarife.
Stahlwagen s. Personenwagen.
Standard Time (Einheitszeit in den Ver-
einigten Staaten von Amerika). Bis Ende 1883
rechneten die Eisenbahnen der Vereinigten
Staaten eine jede für ihr Netz nach Ortszeit.
Die hieraus bei der großen Ausdehnung der
einzelnen Eisenbahnnetze hervorgehenden Un-
zuträglichkeiten veranlaßten Mr. W. F. Allen,
seine Bemühungen auf eine Vereinbarung
über Normaleisenbahnzeiten zu richten; Ende
1883 kam er zum Ziel. Die Eisenbahnen der
Union und der Nachbarstaaten - mit wenigen
Ausnahmen — verständigten sich über die
Annahme von 4 Normalzeiten, die östliche
(Eastern) des 75. Meridians von Greenwich, die
mittlere (Central) des QO. Meridians, die beiden
westlichen (Mountain und Pacific time) des
105. und 120. Meridians. Diese 4 Normal-
zeiten liegen eine jede 15 Grad, also genau eine
Stunde auseinander, der Meridian durchzieht
die betreffenden Gebiete ziemlich genau in
ihrer Mitte. Nach und nach ist im ganzen
Gebiet der Vereinigten Staaten die Einheits-
zeit der Eisenbahnen auch als Ortszeit ange-
nommen worden (vgl. Art. Eisenbahnzeit, Bd. IV,
S. 149 ff.).
Literatur: W.F.Alien, Report on the sulgert
of national Standard time. New York 1883.
1'. der Leyen.
Standbahnen. Eisenbahnen, bei denen der
Schwerpunkt der Fahrzeuge oberhalb der auf
festem Erd- oder Brückenunterbau angeord-
neten Bahn liegt, zum Unterschied von den
Schwebe- oder Hängebahnen, bei denen der
Schwerpunkt unterhalb der Bahn gelegen ist.
Die Standbahnen können ein-, zwei-, auch mehr-
schienig sein; in der Regel sind sie zweischienig
(Spurbahnen) mit verschiedenen Spurweiten
(s. d.); sie bilden das größte Netz der Dampf-
und elektrischen Voll-, Neben- und Schmal-
spurbahnen. Dolezalek.
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. l.X.
Standgeld ist eine tarifarische Nebengebühr
(S.Gütertarife, Bd.V, S.47S, X, 6), die nament-
lich erhoben wird, wenn die für Ladungsgüter
(hier Wagenstandgeld genannt) oder für auf
eigenen Rädern laufende Eisenbahnfahrzeuge
festgesetzte standgeldfreie Be- oder Entladefrist
überschritten wird. S. und Wagenstandgeld ist
auch verwirkt, wenn ohne Verschulden der Eisen-
bahn erforderliche Zoll-, Steuer- oder Polizei-
papiere bei einer Sendung fehlen und hierdurch
die Auflieferungen oder Auslieferungen des Gutes
verzögert werden. Im Tierverkehr hat die Eisen-
bahn, wenn sich bei unbegleiteten Sendungen
auf der Bestimmungsstation kein Empfangs-
berechtigter meldet, vielfach die Wahl, ob sie
die Tiere auf Kosten des Verfügungsberechtigten
in Verpflegung geben oder, wenn sie deren
ferneren Aufenthalt im Wagen oder auf dem
Bahnhof gestattet, das tarifmäßige S. erheben
will.
Für Deutschland finden sich die Be-
stimmungen über S. in den §§ 63, 65, SO
EVO., Ausf.-Best. II, III und IV zu § 59 und
IV zu § 73 EVO., § 58 (1) der Allgemeinen
Tarifvorschriften und in Ziff. IV B Neben-
gebührentarif zum deutschen Eisenbahngüter-
tarif, Teil I, Abteilung B. Siehe auch deutscher
Tiertarif, Teil I, § 50, 52 und C IV.
In Österreich gelten hierfür die Bestim-
mungen der §§ 46, 59, 63, 65, 73, 74 und 80
des Eisenbahnbetriebsreglements und das unter
XII des Nebengebührentarifs im Teil 1, Abtei-
lung B des österreichisch -ungarischen und
bosnisch-hercegovinischen Eisenbahngütertarifs
Gesagte. Griuiow.
Standgleis s. Aufstellgleis.
Stanserhornbahn. Diese am 23. August
1893 eröffnete Bergbahn hat ihre Ausgangs-
station unmittelbar bei Stans, Hauptort des
Kantons Nidwaiden. Sie wird von der Dampf-
schiffstation Stansstad mittels einer elektrischen
Schmalspurbahn (Stansstad - Engelberg, s. d.)
nach einer Fahrt von 20 Min. erreicht.
Die Bahn ist eine aus 3 Abteilungen be-
stehende Drahtseilbahn.
Die erste Abteilung verbindet die Station Stans,
450m ü.M., mit der Umsteigstation Kälti, 714mü.M. ;
ihre wagrechte Länge mißt 1527 m, die Gleislange
1550/«; die Anfangssteigung beträgt 12';;,, Eud-
steigung 27-5 'jo.
Die zweite Abteilung verbindet Station Kälti mit
der zweiten Unisteigstation Blumatt, 1221 m ü. M.
Diese Strecke ist, wagrecht gemessen, 9ö0 /«, geneigt
1090/« lang. Die Steigung beginnt mit 40';« und
endigt mit 60"», der größten Steigung, die die Bahn
überhaupt besitzt.
Bei der Station Blumatt beginnt die dritte Ab-
teilung. Die Steigungsverhältnisse sind gleich denen
der zweiten Abteilung. Die wagrechte Länge beträgt
1110/;/, die Gleislänge 1275///. hi weitem Bogen
10
146
Stanserhornbahn. - Stansstad-Engelberg-Bahn.
durchschneidet die Bahn die Alp Blumatt, bis sie,
einen 160 m langen Tunnel durchfahrend, die sog.
Schildflühe erreicht, wo sie über einen langen Viadukt
führt und die tndstation, das Hotel, 1850 //rü. M.
erreicht. Von hier aus fiihrt ein bequemer Fußweg
zu dem 50 m höher liegenden Gipfel des Berges.
jede der 3 Abteilungen hat ihre eigene Be-
triebsstation. Der Betrieb geschieht durch in
Serien geschaltete Elektromotoren, die ihre
Kraft, Gleichstrom von 1200-1300 Volt
Spannung, von der Zentralstation in Buochs
erhalten; die gleiche Station liefert die Kraft
zum Betrieb der Bürgenstockbahn. Nebst-
dem sind auf jeder Station elektrische Reserve-
motoren vorhanden.
Die Regelung der Fahrgeschwindigkeit er-
folgt selbstwirkend durch die Übersetzungen
Abb. 151.
des Treibwerks; alle 3 Abteilungen werden
annähernd in der gleichen Zeit durchfahren.
Die Fahrgeschwindigkeit beträgt demnach in
der unteren Abteilung 2 m, in der oberen
1"08 m i. d. Sekunde und die ganze Fahrzeit,
die Umsteigepausen eingerechnet, 50 Min.
Jede Abteilung hat 2 Wagen; diese sind
treppenförmig gebaut und haben Abteile zu je
8 Sitzplätzen. Sie sind verhältnismäßig leichter
als bei Betrieb mit Wassergewicht.
Da die Bahn eingleisig ist, so ist in der
Mitte jeder Abteilung eine selbsttätige Aus-
weiche. Die Führung der Wagen über diese
wird dadurch bewirkt, daß die Laufräder auf
einer Seite doppelten Spurkranz, auf der andern
Seite keine Spurkränze besitzen.
Die Spurweite der Bahn beträgt 1 m. Der Bahn-
oberbau besteht aus 10 m langen Schienen von
21 kgjm. Diese ruhen auf eisernen Schwellen, welch
letztere auf der ersten, unteren Abteilung in Schotter
gelagert sind.
Auf der zweiten und dritten Abteilung dagegen
ruht der Oberbau auf einem Mauerklotz von VbQ m
Kronenbreite. Die Schwellen sind aus Winkeleisen,
deren einer Schenkel in das Mauerwerk eingreift;
überdies sind zwischen jedem Schienenstoß 2
Schwellen mit dem Unterbau verankert. Die Schwellen
sind 15 kg'm schwer. Die Schienen sind breitfüßig
und haben 125 mm Höhe; die Form des Quer-
schnitts ist aus Abb. 151 zu entnehmen. Der
Schienenstoß ist fest. Die Stoßverbindung wird
durch 2 Winkellaschen von ö5 mm Höhe, die
sich an die Schwelle, den Schienenfuß und Steg
fest anlegen, und S Schraubenbolzen hergestellt.
Vier Bolzen verbinden die Laschen mit dem Schienen-
steg, die übrigen die Lasche mit der Schwelle.
Eigentümlich ist das Bremssystem, das bei dieser
Bergbahn zur Anwendung gebracht ist, indem von
der Zahnstange Umgang genommen wurde und die
Laufschienen auch für den Zweck des Bremsens be-
nutzt werden.
In der Hauptsache besteht das genannte System
darin, daß 2 Bremsklötze in der Art einer Zange
hergestellt, mittels der Muttern m auseinanderge-
zogen, um die Zapfen d gedreht und so an den
Schienenkopf gepreßt werden (Abb. 151). Der Druck
jedes Zangenbackens auf die Schiene beträgt bei
voller Belastung und einer Adhäsion von 0'15 min-
destens 13.500 kg. Jede Zange vermag für sich allein
den vollbelasteten Wagen auf der größten Neigung
festzuhalten, u. zw. auch dann, wenn der Wagen
schon eine Geschwindigkeit von 3 m erlangt haben
sollte.
Der Vorgang bei der Bremsung ist folgender:
Zunächst findet die Auslösung zweier Fallgewichte
statt, u. zw. bei Bruch des Seiles selbsttätig, sonst
aber vom Führerstand aus mittels eines Pedals. Die
Wirkung dieser Fallgewichte besteht darin, daß ein
auf jeder Radachse lose sitzendes Zahnrad mittels
Friktionskupplung mit der ersteren fest verbunden
wird. Damit nimmt dieses die drehende Bewegung
der Laufräder an ; sodann greift es in ein zweites,
mit einer Schraubenwelle verbundenes Zahnrad ein
und teilt damit die erhaltene Bewegung auch der
Schraubenwelle mit. Diese Welle endigt beiderseitig
in eine Schraube mit linkem und rechtem Gewinde,
die die Bremskluppen gegen die Laufschienen drückt.
Die Treibkraft der Bremsung besteht daher in
der Adhäsionskraft der beiden Laufräder auf den
Schienen. Durch das Anziehen der Zangen und in-
folge der konischen Form des Schienenkopfs soll
der Wagen, bzw. sollen die Radflächen auf die
Schienenkopffläche gepreßt und die Adhäsionskraft
vermehrt werden. An jedem Wagen werden 2
Paar Bremszangen in dieser Weise in Tätigkeit ge-
setzt. Eine dritte Bremsachse mit einem dritten Paar
Bremszangen kann ebenfalls vom Führerstand aus
mittels Handkurbel in Drehung gesetzt werden und
gelangen dadurch die Bremsen in Wirksamkeit.
Die Baukosten der S. betrugen annähernd
1,500.000 Fr.
Die Bahn wird von etwa 40.000 Personen
im Jahr benutzt. Dictlcr.
Stansstad - Engelberg - Bahn (Schweiz),
1898 eröffnete, Ti km lange, elektrisch be-
triebene Meterspurbahn, führt vom Vierwald-
stättersee in das Alpental am Fuße des Titlis
mit dem Luftkurort und dem Benediktiner-
kloster von Engelberg. Ihr Längenprofil ent-
hält eine L5 km lange Zahnbahnstrecke nach
System Riggenbach mit 250%^ Neigung. Der
Betrieb geschieht mit Drehstrom von 750 Volt
Stansstad-Engelberg-Bahn. - Stationsdienst.
147
Spannung und 32 Perioden, erzeugt in eigenem
Kraftwerk von Ohermatt. Die gesamten Bau-
kosten betragen Ende 1915 ^3,319.226 Fr.
oder 147.233 Fr. l d. km. Dietler.
Starkstromanlagen zur Erzeugung von
elektrischer Energie für Licht und Kraft, ins-
besondere für elektrische Eisenbahnen (s. d.).
Bei den mit Dampf betriebenen Bahnen kommen
S. für dep Antrieb von Arbeitsmaschinen in
Werkstätten (s. d.) für Drehscheiben (s. d.)
und Schiebebühnen (s. d.), seltener für Stell-
werkszwecke (s. Kraftstell werke) in Betracht.
Für Bauzwecke sind wiederholt, insbesondere
bei den großen Tunnelbauten, eigene S. er-
richtet worden (s. die Art. über die einzelnen
großen Tunnelbauten).
Station (Station; Station; stazione), von
dem Lateinischen „statio", eigentlich das An-
halten oder Stehenbleiben aus vorhergehender
Bewegung, im Eisenbahnwesen außer dieser
Bedeutung (z. B. „der Zug macht S. in . . .") in
2 übertragenen Bedeutungen :
1. Zur Bezeichnung von Teilpunkten einer
abgesteckten Bahnlinie oder einer fertigen
Eisenbahn, die, durch Längenmessung in
regelmäßigen Abständen (z. B. alle 50 ni oder
alle 100 ni) bestimmt, dazu dienen, um beim
Bau, der Unterhaltung und dem Betrieb die
Lage bemerkenswerter Punkte (z. B. Brücken,
Planübergänge, Tunnel, Bahnhöfe, Eisenbahn-
unfälle) genau bezeichnen, auch die Neigungs-
und Krümmungsverhältnisse angeben zu können.
Die Einteilung der Strecke in solche S. ne nnt
man Stationierung.
2. Zur Bezeichnung von Betriebsstellen der
im Betrieb befindlichen Eisenbahnen, diese
erfolgt in den verschiedenen Ländern nicht
übereinstimmend:
Die deutsche BO. bestimmt in §6, Abs.2:
i,S. sind die Betriebsstellen, auf denen Züge des
öffentlichen Verkehrs regelmäßig anhalten. S. mit
mindestens einer Weiche für den öffentlichen
Verkehr werden betriebstechnisch als Bahn-
höfe, S. ohne solche Weichen als Haltepunkte
bezeichnet." Nach der Begriffsbestimmung des
Deutschen Reiches, die sich mehr an die
Grundbedeutung des Wortes anlehnt, gehören
also zu den S. auch die Haltepunkte, nach
der österreichischen nicht. Nach dem schwei-
zerischen „Allgemeinen Reglement über den
Fahrdienst", Art. 42, gehören zu den S. zwar
ebenso wie in Österreich nicht die Halte-
punkte, aber auch die mit dem Namen „Block-
stationen" benannten Teilpunkte für die Zug-
folge auf freier Strecke, die in Deutschland
als Blockstellen, in Österreich als Blockposten
bezeichnet werden. Cauer.
Stationsblock s. Blockeinrichtungen
und Stellwerke.
Stationsdienst (Station service; service de
gare; servizio cli stazione). Der Stations- oder
Bahnhofsdienst umfaßt die zahlreichen Dienst-
verrichtungen auf den Bahnhöfen und Halte-
punkten, die den Reisenden die Benutzung
der Eisenbahnzüge ermöglichen und die Zu-
und Abfuhr sowie die Verladung und Ent-
ladung der Güter vermitteln. Außerdem gehören
der eigentliche Fahrdienst auf sämtlichen
Betriebsstellen der Bahn, also die Bewegung
der Fahrzeuge auf den Bahnhofsgleisen, die
Zusammenstellung, Ausrüstung, Erwärmung,
Beleuchtung und Auflösung der Züge, die Ge-
stellung des Zugbegleitpersonals (s. d.), die Lei-
tung der Zugfahrten innerhalb der Stationen, auf
den anschließenden Streckenabschnitten und
Anschlußgleisen (s. Betriebsdienst, Fahr-
dienstleitung u. Fahrdienstleiter), die
Handhabung des Signal-, Stellwerks- und Tele-
graphendienstes (s. d.), die Verwaltung der für
den S. erforderlichen Geräte und Betriebsstoffe,
die Aufrechterhaltung der Ordnung und Rein-
lichkeit auf dem Bahnhof, dessen Vorplätzen
und Zufuhrwegen, die Ausübung der Bahn-
polizei (s. d.) sowie der Feuerlöschdienst und
die Aufsicht über die Bahnhofwirtschaften (s.d.)
zum S. Wo der Geschäftsumfang der einzelnen
Dienstzweige es rechtfertigt, werden für diesen
besondere Dienststellen errichtet, die dann der
Dienststelle für den eigentlichen S. nebenge-
ordnet sind. Dies gilt in erster Linie für den
Güterverkehrsdienst, der bei größerem Umfang
von den Güterabfertigungen oder Güter-
abfertigungsstellen (s.d.) selbständig wahr-
genommen wird. Der Station oder dem Bahnhof
verbleibt dann nur die Bereitstellung der Güter-
wagen an den Güterschuppen, Umladehallen und
Freiladegleisen sowie die Abholung der Wagen
(s. Bahnhofsbedienungsplan), während die Be-
und Entladung der Wagen unter Aufsicht oder
durch die Güterabfertigung, der auch die Berech-
nung und Einziehung der Frachtgelder obliegt,
erfolgt. — In ähnlicher Weise wird je nach
dem Geschäftsumfang auch der Kassendienst
(s. Stationskassa), der Dienst der Fahrkarten-
ausgabestellen, der Eilgut- und Gepäckabferti-
gungen und auf Stationen, auf denen Loko-
motiven aufgestellt sind, auch der Lokomotiv-
dienst, endlich auch der Wagenüberwachungs-
und Reinigungsdienst vom eigentlichen S.
abgetrennt und besonderen Dienststellen selb-
ständig übertragen.
Für die Unterhaltung der Gleise, der Weichen,
Stellwerks- und Signalanlagen sowie der Ge-
bäude und der sonstigen Kunstbauten (s. Bahn-
unterhaltung), ferner für die Unterhaltung der
10'
148
Stationsdienst - Stationsglocke.
Betriebsmittel sind stets besondere, mit tech-
nisch vorgebildeten Beamten besetzte Dienst-
stellen eingerichtet. Bei der großen Mannig-
faltigkeit der Ausbildung der Bahnhofe (s. d.)
sind auch die dem S. zufallenden Aufgaben
sehr verschieden nach Umfang und Art (s. Bahn-
hofvorstand). Soweit die Aufgaben nicht für
den ganzen Bahnbereich gleichartige sind und
durch die allgemeinen Vorschriften, insbeson-
dere die Fahrdienstvorschriften (s. d.) geregelt
werden (s. Betriebsdienst), werden sie zweck-
mäßig für jeden Bahnhof in einer Bahnhof-
dienstanweisung (s. d.) oder in einem
Merkbuch zusammengestellt. Brensing.
Stationseinnehmer s. Stationskassa.
Stationsgebäude s. Empfangsgebäude.
Stationsgebühr. Unter dieser Bezeichnung
stand bei den österreichischen Staatsbahnen
1906 bis 1909 eine Nebengebühr in Geltung,
die als Entgelt für die bei der Auf- oder Abgabe
von Gütersendungen in der Versand- oder
Bestimmungsstation erwachsenden besonderen,
nicht durch die Manipulationsgebühr und die
sonstigen tarifmäßigen Nebengebühren gedeck-
ten bahnseitigen Leistungen eingehoben wurde.
Die S. war von der Länge des Beförderungs-
weges unabhängig und wurde, gleichviel ob nur
die Aufgabe oder nur die Abgabe oder die Auf-
und Abgabe in Stationen der österreichischen
Staatsbahnen erfolgte, berechnet. Sie war nach
Tarifklassen und Ausnahmetarifen abgestuft.
Die S. betrug für gewöhnliches Eilgut 12 h, er-
mäßigtes und besonders ermäßigtes Eilgut 8 h, für
die Klassen I und 11 8 h, für die Klassen A und B
sowie den Spezialtarif 1 4 h, für die Klasse C und
die Spezialtarife 2 und 3 (ausgenommen Düngemittel
und Rohmaterialien zur Kunstdüngerfabrikation),
ferner für Güter des Ausnahmetarifs 1 (ausgenom-
men mineralische Kohlen und Zuckerrüben) und des
Ausnahmetarifs II (ausgenommen Scheideschlamm,
Zuckerrübenabfälle, Rübenschnitze und Rübenschnitz-
abfälle der Zuckerfabrikation' 2 h für 100 />o-. Für
Düngemittel und Rohmaterialien zur Kunstdünger-
fabrikation sowie für Zuckerrüben, Zuckerrübenab-
fälle, Rübenschnitze und Rübenschnitzabfälle der
Zuckerfabrikation und für mineralische Kohlen wurde
eine S. von nur 1 h für WO kg eingehoben. Gänzlich
befreit von der Einhebung der S. waren Sendungen,
die mit direkten Frachtbriefen nach dem Zollausland
befördert wurden oder für die ein nur nach dem
Zollausland gültiger Frachtsatz Anwendung fand,
ferner die Güter der Ausnahmetarife VI und VIII
sowie die unter dem Titel „Besondere Bestimmungen
für einzelne Stationen" und „Überfuhrsgebühren"
zur Einhebung gelangenden Gebühren, Sendungen
von Privatwagendecken, Ladegeräten, Wärme- und
Kälteschutzmitteln und schließlich rückbeförderte
Ausstellungsgüter und Ausstellungstiere. Außerdem
wurde auch in zahlreichen, durch den Wettbewerb
fremder Bahnlinien beeinflußten Verkehrsverbindun-
gen von der Einhebung der S. Abstand genommen.
Die Einführung der S. wurde dadurch ver-
anlaßt, daß sich die Verwaltung der öster-
reichischen Staatsbahnen unvermittelt vor die
Notwendigkeit gestellt sah, dem Personal bedeu-
tende Zuwendungen zu machen und für den
hieraus entfallenden Mehraufwand in kürzester
Zeit die budgetäre Bedeckung zu finden.
Die Anwendung der S. stieß auf große
Schx^ierigkeiten ; waren schon die Bestimmun-
gen über die Anwendung der S. sehr verwickelt,
so gab die Unbestimmtheit der Leistung, für
die sie als Entgelt eingehoben wurde, sowie
der Umstand, daß ihre Verlautbarung lediglich
im Kundmachungswege und nicht im Tarifwege
erfolgt war, den Verfrachtern Anlaß, den Rechts-
bestand der Gebühr — vielfach mit Erfolg -
anzufechten. In den Reformgütertarif der öster-
reichischen Staatsbahnen vom I.Jänner 1910
wurde infolgedessen die S. nicht mehr als
besondere Nebengebühr aufgenommen, sie
wurde aber bei der Erstellung der neuen Mani-
pulationsgebühren insofern berücksichtigt, als
diese Gebühren im allgemeinen eine dem Aus-
maß der S. entsprechende Erhöhung erfuhren.
Pichler.
Stationsglocke (Station bell ; dache de la
statian ; campanadellastazione), eine am Stations-
gebäude auf der Bahnsteigseite angebrachte
Glocke, die in der ersten Zeit der Entwicklung
des Eisenbahnwesens zur Bekanntgabe von
Signalen an die Reisenden diente, die aber
heute kaum noch verwendet wird. Früher, als
die Regeln für die Handhabung des Fahr-
dienstes und für die Anlage und Absperrung
der Bahnsteige nur unvollkommen ausgebildet
waren, hielt man die S. für nötig, um die
Reisenden auf die Annäherung eines Zuges
aufmerksam zu machen, um ihnen den Zeit-
punkt bekanntzugeben, von dem ab die
Wagen bestiegen werden durften und -von
dem ab dies der bevorstehenden Abfahrt
wegen verboten war. In der Regel bedeutete
ein kurzes Läuten der S. und ein daran
anschließender kräftiger Glockenschlag: die
Abfahrt des Zuges naht, Erlaubnis zum Ein-
steigen; zwei Glockenschläge: Aufforderung
zum Einsteigen; drei Glockenschläge: Abfahrt,
Verbot des Einsteigens. Auch zur Bekanntgabe
der Schalteröffnung oder zum Weckruf bei
Feuersgefahr wurde die S. benutzt. Auf den
deutschen Eisenbahnen ist die S. bei Ein-
führung der Signalordnung vom I.Januar IS93
und später auch in Österreich beseitigt wor-
den, auf den englischen Eisenbahnen ist
sie nie eingeführt gewesen. Wo heute noch
ein Bedürfnis besteht, vor Gefahr zu war-
nen oder zum Einsteigen aufzufordern, ge-
schieht dies durch Zuruf oder durch Läuten
mit einer Handglocke. Da der mit der Hand-
glocke ausgerüstete Bedienstete sich an die
Stationsglocke.
Stationsnamen.
149
Stelle begeben kann, an der die Reisenden
gewarnt oder aufmerksam gemacht werden
sollen, neben dem Läuten mit der Glocke
auch jederzeit Zurufe möglich sind, so wird
hierdurch der beabsichtigte Zweck besser er-
reicht als durch den Gebrauch der S.
Breusing.
Stationskassa, Dienststelle zur Besorgung
der auf der Station vorkommenden Bargeld-
geschäfte und Kreditierungen. Ihr obliegt
unmittelbar oder durch Vermittlung der Ab-
fertigungskassen die Einziehung von Geldern aus
dem Personen-, Gepäck- und Güterverkehr sowie
sonstiger Einnahmen, zu deren Einhebung sie
beauftragt ist (Telegraphengebühren, Wagen-
und Lagergelder, Deckenmiete), die Verrechnung
und Ablieferung der Einnahmenüberschüsse
an die übergeordnete Kassa (Direktionskassa,
Hauptkassa) sowie die Ausführung der auf der
Station vorkommenden Zahlungen (Nachnah-
men, Parteiguthaben, Entschädigungen, Franka-
turdepositen, Gehalte und Löhne, Frankaturen,
Fakturen). Auf Stationen mit schwächerem Ver-
kehr sind die S. und die Abfertigungskassen in
der Hand des Stationsvorstehers oder des Expe-
ditionsvorstehers vereinigt oder es wird die S. von
dem Leiter einer einzelnen Abfertigungskasse
geführt. Auf größeren Stationen sind die Ab-
fertigungskassen für Personengepäck und Güter
sowie die S. vollkommen selbständige Kassa-
stellen unter besonderen Einnehmern. Es kommt
auch vor, daß die Einnahmen kleinerer Stationen
in die S. einer benachbarten größeren Station
abgeführt werden.
Stationsläutewerk s. Läutewerke.
Stationsnamen. Die Eisenbahnstationen
werden nach den Orten benannt, in denen sie
liegen und deren Verkehr sie vermitteln. Die S.
bilden mit den Stationsentfernungen die erste
Grundlage für die Herausgabe der Fahrpläne, die
Veröffentlichung der Tarife und überhaupt für
die gesamte Darstellung und Abwicklung des Be-
triebs- und Verkehrsdienstes. Kurze S. sind
die besten, weil sie ganz außerordentlich
oft gedruckt, geschrieben, telegraphiert und
ausgesprochen werden. Die Anwendung von
Doppelnamen und sonstiger Zusätze sollte
auf die unbedingt nötigen Fälle beschränkt
und nur zugelassen werden, wenn es zur
Vermeidung von Verwechslungen nicht zu
vermeiden ist. Die Durchführung dieser Grund-
sätze ist in der Regel dem Ermessen der Eisen-
bahnverwaltungen überlassen. Es bestehen
darüber weder Anordnungen der .Aufsichts-
behörden, noch Vereinbarungen unter den Eisen-
bahnverwaltungen, in Österreich ist es vielfach
üblich, nebst dem deutschen S. auch den in
der Landessprache anzubringen. Doppelnamen
sind nur zu wählen, wenn sie zur Unterschei-
dung von bereits bestehenden Stationen unver-
meidlich sind. Für die Schweiz ist die Fest-
setzung der S. durch Bundesratsbeschluß vom
11. Februar 1S74 geregelt. Schweizerische
Eisenbahnstationen, die in der Nähe mehrerer
Ortschaften liegen, sind für den Fall, daß die
Station weder in das eine noch in das andere
Dorf zu liegen kommt, nach beiden Gemeinden
zu benennen. Wird infolge der Bodenbeschaf-
fenheit ein bedeutender Ort von der Bahnlinie
nicht erreicht, liegt daher die Station an emer
Gemeinde von geringerer Bedeutung, so wird
diese als natürliche und wirkliche Station zu-
erst genannt und der Name des Hauptortes
angefügt. Wenn die Station aber im Bereich
einer großen zusammenhängenden Ortschaft
liegt, soll sie ausschließlich den Namen der-
selben erhalten, ohne Rücksicht auf die Ge-
meinden, die auf die gleiche Station angewiesen
sind. Nach ähnlichen GesichtspunWen wird in
den übrigen Ländern verfahren. In den meisten
Fällen wird man mit der Benennung der Station
nach dem Namen der wichtigeren Gemeinde
auch dann auskommen, wenn die Stationsanlagen
über das Gebiet mehrerer Gemeinden sich
erstrecken. Die kleineren Gemeinden wünschen
in solchen Fällen meistens bei Festsetzung
des S. berücksichtigt zu werden, während die
Eisenbahnverwaltung aus den angegebenen
Gründen auf einfache und kurze Ausdrucks-
weise drängt. Aus gleichem Grunde muß sie
den Bestrebungen entgegentreten, die darauf
gerichtet sind, durch Zusätze zum Ortsnamen,
wie dies besonders bei Badeorten üblich ge-
worden ist, zum Bekanntwerden oder zur Weiter-
verbreitung des Rufes der Orte beizutragen.
Liegen mehrere Bahnhöfe innerhalb derselben
Gemeinde, so muß jeder einen besonderen S.
erhalten; dabei sind dann Zusätze unvermeidlich.
Für ihre Wahl bietet die Lage nach der Himmels-
richtung, die Unterscheidung nach Hauptbahn-
hof (Hbf.) und Rangierbahnhof, Güterbahnhof,
.'\bstellbahnhof, ferner nach besonderen Stadt-
teilen oder Ortsteilen einen Anhaltspunkt. Liegen
mehrere Stationen in einer Gemeinde an ver-
schiedenen Bahnstrecken, so werden sie durch
Zusätze, die auf die Eigentumsbahn, auf die
Verwaltungsbezirke oder auf Stadt- und Ge-
meindeteile oder ebenfalls auf die Himmels-
richtungen hinweisen, unterschieden. In allen
Fällen ist aber auf möglichste Kürze, nötigen-
falls unter Anwendung von im Sprachgebrauch
üblichen Abkürzungen (s. d.) Bedacht zu
nehmen. Angaben in den Kursbüchern, wie
Berlin Anh. Bf., Wien Südbf., Dresden Hbf.,
Dresden Neustadt, Leipzig Bayer. Bf., Calais
150
Stationsnamen. Statistik der Eisenbahnen.
Hafenbf., Calais Stadtbf., sind bezeichnend und
für jedermann verständlich.
Obwohl durch deutliche S. Verwechslungen
vermieden werden, so sind doch zu diesem
Zweck noch weitere Maßnahmen erforderlich.
Zunächst müssen die Unterscheidungsmerkmale
gleich- oder ähnlich lautender S. in möglichst
weitgehender Weise bekanntgegeben werden.
Hierzu dienen außer den von den Eisenbahn-
verwaltungen herausgegebenen Ortsverzeich-
nissen die besonderen Verzeichnisse der
Eisenbahnstationen mit gleichlautenden
oder ähnlichen Namensbezeichnungen.
Sie werden sowohl von einzelnen Eisenbahn-
verbänden als auch von größeren Verwaltungs-
bezirken herausgegeben. So enthält die Kund-
machung I des DEVV. für den Bereich dieses
Verbandes ein solches Verzeichnis, das in
ähnlicher Weise auch der VDEV. für sein
Gebiet herausgibt.
Für die Unterweisung der Reisenden und
Erleichterung der Zugabfertigung ist die deut-
liche Anbringung der S. und bei Dunkelheit
ihre gute Beleuchtung sehr wichtig. Für
Deutschland ist deshalb durch §26 (1) der
BO. vorgeschrieben: „Auf den dem Personen-
verkehr dienenden Stationen ist der Name in
einer den Reisenden ins Auge fallenden Weise
anzubringen.« Ein gleiches bestimmt die öster-
reichischeVerordnung vom 10. Oktober 1874,
der Art. 64 der niederländischen Verord-
nung vom 28. Oktober 1 889 und die fran-
zösische Verordnung vom 17. September 1863.
Im Bezirk der preußischen Staatsbahnen er-
folgt die Durchführung dieser Bestimmungen
auf Grund einer besonderen Dienstanweisung,
der »Vorschriften betreffend die An-
bring ungvonStat ionsnamenundderHin-
weise für das Zurechtfinden der Reisen-
den auf den Stationen", denen als Anhangder
Ministerialerlaß vom 25. Dezember IQ lo" be-
treffend „Grundsätze für die einheitliche Schreib-
weise von Stationsnamen und politischen Orts-
namen" beigefügt ist. Die hierdurch erzielte
einheitliche Anbringung der S. trägt wesentlich
zum Erfolg der Maßnahmen bei.
Über das Ausrufen der S. durch die Schaff-
ner bei Ankunft der Personenzüge s. Aus-
rufen der Stationsnamen. Breusing.
Stationssignal s. Signalwesen.
Stationstarif s. Gütertarif.
Stationsteiegraphen s. Telegraph.
Stationsuhr s. Uhren.
Stationsvorsteher s. Bahnhof vorstand.
Stationszettel s. Beklebezettel.
Statistik der Eisenbahnen ist die zahlen-
mäßige Darstellung von Massenbeobachtungen
bestimmter Erscheinungen des Eisenbahnwesens
zu dem Zweck, um durch Vergleichung
der gewonnenen Zahlen gesetzmäßige Er-
fahrungen in bezug auf die beobachteten
Erscheinungen abzuleiten. Die S. erstreckt sich
nahezu auf alle Zweige des Eisenbahnwesens.
Schon die Anlage neuer Eisenbahnlinien und
ihre wirtschaftlichen Bestimmungsgründe er-
fordern statistische Unterlagen und Unter-
suchungen über das Verkehrsbedürfnis, die zu
erwartende Größe des Güter- und Personen-
verkehrs, über die Anlagekosten u. dgl.
Gegenstände der S. sind insbesondere: die
Längen der Eisenbahnen, die technische Aus-
stattung, die Anlage- und Erneuerungskosten,
die Verzinsung des Anlagekapitals, die Zahl,
Beschaffenheit, Kosten und Leistungen der
Fahrbetriebsmittel, die Unfälle, die Betriebs-
kosten und ihre Verteilung nach Dienstzweigen,
der Personen- und Güterverkehr, die Güter-
bewegung, die Roh- und Reinerträge aus den
verschiedenen Verkehrszweigen, die Betriebs-
zahl, die Zahl und Besoldung der Bediensteten,
ihre Krankheits- und Sterblichkeitsverhältnisse
u. s. w., die Verhältnisse der Versorgungs-,
Kranken- und Unterstützungskassen. Die An-
gaben sind meist getrennt für öffentliche und
nicht dem öffentlichen Verkehr dienende Bahnen,
für Hauptbahnen, Nebenbahnen und Klein-
bahnen, für voll- und schmalspurige Bahnen
u. s. w.
Die statistischen Angaben haben meist die
Form von Tabellen, die öfters durch bildliche
Darstellungen erläutert werden.
In der S. werden teils die absoluten, teils
die auf gewisse Einheiten zurückgeführten
Zahlen angegeben (Bahn-, Zug-, Wagen-, Achs-,
Lokomotiv-, Personen-, Gnizrtkm u. s. w.).
In einzelnen Ländern werden die statistischen
Tabellen besonders erläutert oder den Zahlen-
tafeln wird ein eigener Te.xt beigegeben (z. B.
in dem preußischen Betriebsbericht, in der vom
Bundesverkehrsamt herausgegebenen S. der \'er-
einigten Staaten von Amerika).
Es gibt kaum ein Gebiet der Volkswirt-
schaft, auf dem so viel und mit einem verhält-
nismäßig so guten Erfolg mit Statistik gearbeitet
wird wie das Eisenbahnwesen. Da sehr viele
Statistiken Aufzeichnungen von den ersten
Anfängen der Eisenbahnen enthalten, so läßt
sich ihre Entwicklung fortlaufend verfolgen
und es läßt sich beurteilen, ob und wie sich
einzelne Maßnahmen bewährt haben. Ferner
bietet die vergleichende Statistik verschiedener
Länder Anhaltspunkte zur Beurteilung ihrer
Eisenbahnverhältnisse, in dieser Beziehung
Statistik der Eisenbahnen.
151
muß aber mit Vorsicht verfahren werden, da
die statistischen Unterlagen und die statistischen
Grundbegriffe nicht immer dieselben sind.
So ist z. B. der Vergleich der Dichtigkeit des
Personen- und Güterveri<ehrs der deutschen,
amerikanischen und anderer Bahnen mit den
englischen Eisenbahnen nicht möglich, weil
die englischen Eisenbahnen die Personen^/« und
die Oüterfkm nicht veröffentlichen. Der Ver-
gleich der Unfallszahlen wird dadurch erschwert
oder vereitelt, daß der Begriff des Unfalls in
den verschiedenen Ländern nicht derselbe ist.
Mit Rücksicht auf die Bedeutung der all-
gemeinen S. pflegen die Staatsregierungen
selbst die Ausarbeitung und periodische Ver-
öffentlichung zu veranlassen oder zu beauf-
sichtigen. Zu diesem Behuf sind die einzelnen
Bahnverwaltungen meist gehalten, die erfor-
derlichen, ihre Linien betreffenden statistischen
Zahlen der die Sichtung und Veröffentlichung
besorgenden Behörde vorzulegen. Die allgemeine
S. genügt oft nicht, um zuverlässige Unterlagen
für einzelne Maßnahmen, z. B. Veränderung
der Tarife, zu gewinnen. Hier werden dann
besondere statistische Ermittlungen veranstaltet.
Auch darüber, ob sich solche Maßnahmen
bewährt haben, werden häufig besondere
statistische Aufzeichnungen angeordnet.
In fast allen Ländern mit einigermaßen
entwickeltem Eisenbahnnetz werden jetzt S.
aufgestellt und entweder jährlich oder in längeren
Zwischenräumen veröffentlicht ^ Die wichtigsten
dieser Statistiken sind die folgenden:
Deutsches Reich. Statistik der im Betrieb
befindlichen Eisenbahnen Deutschlands nach den
Angaben der Eisenbahnverwaltungen, bearbeitet
im Reichseisenbahnamt seit 18S0.
Der Stoff dieser S. ist in folgender Weise
angeordnet:
Erste Abteilung.
Mitteilungen über die dem öffentlichen Verkehr
dienenden Eisenbahnen mit normaler Spurweite.
Abschnitt I. Übersicht.
Verzeichnis der Eisenbahnen mit normaler Spur-
weite; Zusammenstellung der normalspurigen Eisen-
bahnen untergeordneter Bedeutung mit Angabe ihrer
charakteristischen Merkmale.
Abschnitt II. Ausdehnung der Eisenbahnen.
Abschnitt lli. Bauliche Anlagen.
A. Bestand der Bahnanlagen.
B. Unterhaltung und Erneuerung der Bahnanlagen.
Abschnitt iV. Betriebsmittel.
A. Bestand und Beschaffungskosten der Betriebs-
mittel.
B. Leistungen der Betriebsmittel.
' Während des Weltkriegs war die Aufstellung
und Veröffentlichung der S. in vielen Staaten
teils eingestellt, teils wesentlich eingeschränkt. Die
S. der Kriegsjahre werden aber, soweit auch solche
vorliegen, bei der gänzlichen Neugestaltung der wirt-
schaftlichen Zustände durch den Krieg für Vergleiche
kamn verwertbar sein.
C. Aufwendungen für die Leistungen luid für die
Unterhaltung der Betriebsmittel.
Abschnitt V. Verkehr.
Personen- und Güterverkehr.
Abschnitt VI. Finanzen.
Baukosten und verwendetes Anlagekapital; Stand
des konzessionierten .Anlagekapitals der Privatbalinen;
Betriebseinnahmen und -ausgaben; Betriebsüberschuß
und dessen Verwendung; Erneuerungs- und Reserve-
fonds.
Abschnitt VII. Beamte und Arbeiter.
Anzahl und Gehaltsverhältnisse der Beamten und
Arbeiter; Hilfskassen für Beamte und Arbeiter.
Abschnitt VIII. Unfälle.
Unfälle beim Eisenbahnbetrieb (mit Ausschluß
der Werkstätten); Nachweisung der infolge von Ver-
unglückungen geleisteten Zahlungen.
Zweite Abteilung.
Mitteilungen über die dem öffentlichen Verkehr
dienenden schmalspurigen Eisenbahnen.
Dritte Abteilung.
Mitteilungen über die nicht dem öffentlichen Ver-
kehr dienenden Anschlußbahnen.
Übersichtskarte der Eisenbahnen luiter Zugrunde-
legung der Eigentumslängen.
In einzelnen Jahrgängen, besonders im ersten
Jahrgang 1880/81, sind auch Notizen über
Entstehung und Entwicklung der einzelnen
Bahnen sowie eine Übersicht der Betriebs-
eröffnungen der normalspurigen Eisenbahnen
Deutschlands enthalten. Da die deutschen
Eisenliahnen ein neues Buchungsformular in-
folge der Umgestaltung der Verwaltung und
des Rechnungswesens der preußischen und der
meisten übrigen deutschen Eisenbahnverwal-
tungen angenommen haben, sind seit 1898
(Bd. XIX) einige Änderungen in den statistischen
Tabellen vorgenommen, worüber die Vorbemer-
kung zu Bd. XIX das Nähere enthält. Vom
Jahrgang I8Q8 an ist hierauf bei Vergleichen
mit älteren Jahrgängen Rücksicht zu nehmen.
Besondere Statistiken, unter Umständen mit
Text und unter Erweiterung des Inhalts, werden
außerdem veröffentlicht für die preußisch-
hessischen Eisenbahnen (sog. Betriebsbericht),
die bayerischen, sächsischen, württembergi-
schen, die badischen und mecklenburgischen
sowie die oldenburgischen Staatsbahnen und
viele der wichtigeren Privatbahnen.
Eine eigenartige S. ist die Statistik der
Qüterbewegung auf den deutschen Eisen-
bahnen. Eine solche wurde schon 1861 vom
VDEV. geplant, 1863 beschäftigte sich der
internationale statistische Kongreß in Budapest
tnit der Frage, ohne zu einem Ergebnis zu
kommen, und der VDEV. nahm sie darauf
wieder in die Hand, verfolgte sie aber nicht
weiter, als 1873 ermittelt war, daß die Kosten
sich auf etwa 400.000 Taler jährlich stellen
würden. Nach Verstaatlichung der ersten großen
preußischen Eisenbahnen wurden vom preußi-
schen Minister der öffentlichen Arbeiten neue
152
Statistik der Eisenbahnen.
Erhebungen angestellt und durch Erlaß vom
22. September 1SS2 die Aufstellung einer solchen
Statistik zunächst für die preußischen Staats-
bahnen und die Reichseisenbahnen angeordnet.
Nach und nach haben sich alle deutschen Bahnen
angeschlossen. Seit dem I.Januar 1909 wird
eine Statistik über den Verkehr auf den deutschen
Wasserstraßen nach denselben Grundsätzen auf-
gestellt. Die Herausgabe der Statistik erfolgt
seitdem alljährlich (anfangs wurde sie in kürzeren
Zwischenräumen herausgegeben) durch das
kaiserliche statistische Amt. Die Statistik gibt
Aufschluß über die Güterbewegung (Versand,
Empfang, Ausfuhr, Einfuhr, Durchfuhr) im
Deutschen Reich, das in 37 Verkehrsbezirke
eingeteilt ist, und mit dem Ausland (15 Ver-
kehrsbezirke). Die Güter sind in Gruppen ein-
geteilt. Mengen unter 500 kg werden nicht ange-
schrieben.
Eine Statistik der deutschen Kleinbahnen
wird seit 1902 vom preußischen Ministerium
der öffentlichen Arbeiten zusammen mit dem
Verein deutscher Straßen- und Kleinbahnver-
waltungen aufgestellt und als Ergänzungsheft
der Zeitschrift für Kleinbahnen herausgegeben.
Über die Entwicklimg der preußisch-hes-
sischen Eisenbahnen in den Jahrzehnten 1891 bis
1900 und 1901 — 1910 hat der Minister der
öffentlichen Arbeiten besondere Berichte mit
reichem statistischen Inhalt an den König er-
stattet (Zehnjahresberichte), die durch den Druck
veröffentlicht und damit allgemein zugänglich
gemacht sind.
Österreich-Ungarn. Statistische Nach-
richten über die Eisenbahnen der österreichisch-
ungarischen Monarchie, bearbeitet und heraus-
gegeben vom statistischen Departement im
Handelsministerium in Wien und vom unga-
rischen statistischen Landesbureau in Budapest;
seit einigen Jahren wird die österreichische
und die ungarische Statistik besonders heraus-
gegeben.
Schweiz. Schweizerische Eisenbahnstatistik,
veröffentlicht vom schweizerischen Post- und
Eisenbahndepartement.
Italien. Relazione dell' amministrazione
delle ferrovie esercitate dallo stato (früher
anderer Titel).
Frankreich. Statistique des chemins de fer
franqais; Documents principaux; ferner Chemins
de fer fran(;ais: France europeenne et Algerie,
Documents statistiques, I. partie. Eignes d'interet
general, U. partie, Eignes d'interet local; weiters
gibt der Minister der öffentlichen Arbeiten von
Zeit zu Zeit ein Album de statistique graphique
heraus, in dem den Eisenbahnen ein hervor-
ragender Platz eingeräumt ist. Außerdem ver-
öffentlichen die Staatsbahnen und jede der 5
großen Eisenbahngesellschaften jährlich Be-
richte, hauptsächlich über die finanziellen Er-
gebnisse.
Belgien. Chemins de fer (Festes, Telegraphes,
Marine), Compte rendu des Operations. Partie
A, chemins de fer, veröffentlicht vom Ministere
des chemins de fer, postes et telegraphes.
England. Railway-returns for England and
Wales, Scotland and Ireland, herausgegeben
vom Board of Trade. Ferner General report
to the Board of Trade in regard to the share
and loan capital, traffic in passengers and
goods and the working expenditurcs and net
profits from Railway working of the Railway
Companies of the United Kingdom. .außerdem
veröffentlicht das Board of Trade noch besonders
die Statistik der Unfälle (.-Xccidents), des Kapitals
(Share and loan capital), der durchgehenden
Bremsen (Continous brakes) u. s. w. Sorgfältige
Statistiken werden auch über die Eisenbahnen
der englischen Kolonien herausgegeben: Indien,
die australischen Kolonien, .Ägypten, Südafrika,
Kanada. Ein sehr abfälliges Urteil über die
englische Eisenbahnstatistik wird abgegeben von
Acworth in einer Abhandlung: English Rail-
way Statistics in Journal of the Royal Statistical
Society, Bd. LXV, Teil IV (3 I.Dezember 1902).
Dänemark. Beretning om driften für die
dänischen Staatsbahnen.
Rußland. Statistik des Ministeriums der
Verkehrsanstalten (in russischer Sprache).
Norwegen. Norges officielle Statistik. De
offentlige Jernbaner.
Schweden. Allmän svensk jernvägsstatistik.
Spanien. Situaciön de los ferrocarriles (nicht
regelmäßig).
Niederlande. Eisenbahnstatistik, heraus-
gegeben vom Ministerium für Wasserbau,
Handel und Gewerbe.
Portugal (nicht regelmäßig).
Vereinigte Staaten von Amerika.
Statistics of Railways in the United States of
America, herausgegeben von der Interstate
Commerce Commission, Washington, seit ISSS
jährlich. Die Grundsätze, nach denen diese
Statistik aufgestellt wird, sind wiederholt ge-
ändert, was bei Vergleichen zu beachten ist.
Die Änderungen werden in dem einleitenden
Kapitel begründet. Früher schöpfte man die
statistischen Nachrichten aus Poors .Manual
of the Railroads, einer Privatarbeit auf Grund
der Angaben der Eisenbahnverwaltungen.
Von den übrigen amerikanischen Staaten
werden Statistiken, z. T. nicht regelmäßig,
veröffentlicht von Mexico, Argentinien, Brasilien,
Chili.
Statistik der Eisenbahnen. ~ Steinbrücken.
153
Von den asiatischen selbständigen Staaten
geben Japan und Siam S. heraus.
Von den besonderen statistischen Zusammen-
stellungen der Bahnverbände sind die desVDEV.
hervorzuheben: Statistische Nachrichten von den
Eisenbahnen des VDEV., herausgegeben von
der geschäftsführenden Verwaltung des Vereins
seit dem Jahre 1S51; Statistik der Dienstun-
fähigkeits- und Sterbensverhältnisse der Beamten
der Vereinsbahnen (seit 1890 Weiterführung
aufgegeben); Statistische Nachrichten über die
Erkrankungsverhältnisse der Beamten der Ver-
einsbahnen; Statistik der Achsbrüche und Achs-
anbrüche auf den Vereinsbahnen; Statistik der
Radreifenbrüche und über die Dauer der
Schienen auf den Vereinsbahnen; statistische
Nachrichten über die Ergebnisse des Verkehrs
auf zusammenstellbare Fahrscheinhefte u. a.
Der internationale statistische Kongreß hat
sich wiederholt, so zu Paris im Jahre 1855,
im Jahre 1860 in London, 1863 in Berlin und
1872 in St. Petersburg mit der Frage beschäftigt,
in welcher Weise das nicht allein für die Eisen-
bahnen, sondern auch für den Welthandel
wichtige Ziel einer auf gleichen Grundsätzen auf-
gebauten internationalen S. erreicht werden
könne.
Der Kongreß beschloß im Jahre 1876 zu
Budapest, die Feststellung der Formulare für
die internationale S. einer besonderen Kom-
mission von Fachmännern zu überlassen, die
unter dem Vorsitz des Hofrats im österreichischen
Handelsministerium, Professor Hugo Brachelli,
1877-1881 ein 9 Tabellen und 288 Kolonnen
umfassendes Formular feststellte, wobei sie
sich auf solche Tatsachen zu beschränken
suchte, die die Mehrzahl der Eisenbahnen zu
liefern in der Lage sind, ohne die üblichen
statistischen Aufzeichnungen wesentlich zu
ändern.
Die erste und bisher einzige derartige S.
(Statistik der europäischen Eisenbahnen) ist
im Jahre 1885 für das Jahr 1882 erschienen.
Seitdem ist die Frage wiederholt auf Kon-
gressen, besonders aber von dem Zentralamt
für internationalen Eisenbahntransport in Bern
wieder aufgenommen. Bei Gelegenheit der Re-
visionskonferenz im Jahre 1905 wurde auf Grund
eines russischen Antrags zu Art. 57 des lÜ.
erneut darüber verhandelt. Auch auf dem inter-
nationalen Eisenbahnkongreß im Jahre 1910
stand die Frage auf der Tagesordnung. Es
ist aber über Anregungen und einzelne Vor-
arbeiten nicht herausgekommen.
Von den Statistiken aller Länder werden
regelmäßig Auszüge im Archiv für Eisenbahn-
wesen veröffentlicht. , ,
1'. der Leyen.
Staubsaugevorrichtungen zur Reinigung
von Räumen oder des Innern der Personen-
wagen werden auch vielfach im Eisenbahn-
betrieb verwendet. Zur Reinigung der Wagen
auf größeren Stationen oder in Werkstätten-
anlagen werden auch bewegliche S. benutzt, die
durch Anschluß an elektrische Leitungen in
Betrieb gesetzt werden.
Wo in Arbeitsräumen, wie in Sägehäusern
oder Holzbearbeitungswerkstätten, starke, die
Gesundheit der Arbeiter schädigende Staub-
entwicklung eintritt, wird in der Regel eine
Späneabsaugung eingerichtet (s. hierüber unter
Werkstätten).
St. Clair-Tunnel s. Tunnelbau.
Stechviehwagen s. Borstenviehwagen.
Stehbolzen s. Dampfkessel.
Stehkessel s. Dampfkessel.
Steife Achsen s. Lenkachsen.
Steifiiuppeln s. Drehschemelwagen und
Kuppelungen.
Steigungs- (Neigungs-) Widerstand s.
Z u g w i d e r s t ä n d e.
Steilbahnen s. Bergbahnen, Gebirgs-
bahnen, Seilbahnen, Zahnbahnen.
Steinbrechmaschinen s. Bettung.
Steinbrücken {stonc bridges; ponts en
magonncrie; ponti in pictra). Brücken, deren
zwischen den Widerlagern oder zwischen Pfei-
lern gebildete Öffnungen mittels gewölbter
Bogen aus Quader-, Bruchstein- oder Ziegel-
mauerwerk überspannt sind. Die auch hierher
gehörenden Brücken mit Bogen aus Stampf-
mauerwerk werden gesondert unter Beton-
brücken besprochen.
Die ersten Ausführungen von S. sind mit den
Anfängen der Brückenbaukunst verknüpft. Die
vorrömischen Völker kannten nur die Über-
deckung kleinerer Öffnungen mit Steinbalken
oder Platten nach Art unserer heutigen Platten-
durchlässe oder mittels ausgekragter Steine.
Erst bei den Römern gelangte der Gewölbebau
in zahlreichen Aquädukten, Strom- und Tal-
brücken zu hoher Entwicklung. Diese römischen
Brücken sind ausschließlich im Halbkreis aus
Hausteinen gewölbt mit kurzen, dicken, strom-
auf- und -abwärts zugeschärften Pfeilern, die
auf großen Steinwürfen, z. T. auch schon auf
Beton zwischen Pfahlwänden gegründet sind.
Die Fahrbahn ist in der Regel gegen die
Brückenmitte stark ansteigend, um die nötige
Höhe für den vollen Bogen zu gewinnen.
Die aus dem Mittelalter stammenden S., von
denen noch manche bis heute erhalten sind.
154
Steinbrücken.
zeigen noch die massigen Verhältnisse und
den großen Baustoffaufwand, aber nicht die
gleiche Vollkommenheit in der Ausführung des
Mauerwerks wie die römischen Brücken. Der
volle Halbkreisbogen wird aber schon vielfach
verlassen und der Segment- und auch schon
der Korbbogen angewandt. Jedoch erst in der
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind An-
sätze zu einer Fortentwicklung und wissen-
schaftlichen Ausgestaltung des Steinbrücken-
baues wahrzunehmen, und man kann wohl
sagen, daß davon die Tätigkeit des Bauingenieurs
ihren Ausgang genommen hat. Insbesondere
konnte Frankreich und England schon zu
Anfang des 19. Jahrhunderts auf zahlreiche be-
merkenswerte Ausführungen von S. hinweisen.
Der vor etwa 5 Jahrzehnten mächtig zum Auf-
schwung kommende Eisenbrückenbau drängte
zwar den Bau der S. eine Zeitlang wieder etwas
in den Hintergrund. In neuerer Zeit erkannte
man aber die großen Vorzüge des Steinbaues und
richtete das Bestreben darauf, den Gewölbebau
durch technisch richtige Ausbildung sparsamer
und wirtschaftlicher zu gestalten. Damit wurde
der Erfolg erzielt, daß die S. unter Umständen
heute mit Eisenbrücken in Wettbewerb treten
können, ja daß man geneigt ist, ihnen mit
Rücksicht auf ihre zweifellos längere Dauer
und auf ihre einfachere Überwachung wieder
ein größeres Feld einzuräumen. Für Eisen-
bahnbrücken spielt auch das wichtige Moment
mit, daß S. eine Zunahme der Verkehrslasten
ohne merkliche Einbuße an ihrer Sicherheit
vertragen und daher in diesem Fall nicht, so
wie Eisenbrücken, einer nachträglichen Ver-
stärkung bedürfen.
Hinsichtlich der Spannweite ist den S. aller-
dings eine engere Grenze gesteckt als den
Brücken mit eisernem Oberbau, u. zw. so\^'ohl
durch die Ausführungsschwierigkeiten sehr
weit gespannter Gewölbe wie auch durch die
mit zunehmender Spannweite ganz bedeutend
anwachsenden Kosten, die durch die Wider-
lager, insbesondere aber durch das erforderliche
Lehrgerüst bedingt sind. Die v^irtschaftliche und
technisch vervollkommnete Ausbildung des
neuzeitlichen Steinbrückenbaues hat aber diese
Grenze erweitert. VCährend noch vor wenig
Jahren S. mit mehr als 60 m Spannweite nur
ganz vereinzelt bestanden, hat die Zahl großer
gewölbter Brücken, von den Betonbrücken ab-
gesehen, im letzten Jahrzehnt erheblich zuge-
nommen. Nachstehende Zusammenstellung (auf
S. 155) enthält die Hauptabmessungen und
Kosten einiger der größten S.
Mit der Fortentx^icklung des Baues der S.
hat auch die Ausbildung der Theorie in der
Neuzeit Schritt gehalten. Der heutige Stand-
punkt kennzeichnet sich dahin, daß das Gewölbe-
mauerwerk, ob es nun regelmäßig gefugt ist
oder aus einer mehr weniger gleichartigen
Masse (Stampfbeton) besteht, als elastisch
anzusehen und daß sonach auf das Gewölbe
die Theorie des elastischen Bogens unter
bestimmten Voraussetzungen anzuwenden ist
(s. Bogenträger). Beobachtungen und Ver-
suche an ausgeführten Bauwerken, insbeson-
dere die 1892-1893 vom Österreichischen
Ingenieur- und Architekien-Verein durchgeführ-
ten Bruchversuche mit Gewölben von 23 m
Spannweite aus Bruchstein-, Ziegel- und Stampf-
mauerwerk haben diese Anschauung bekräftigt.
Form und Stärke der Brücken-
gewölbe. Während man früher fast aus-
schließlich nur den Halbkreis- oder Kreis-
segmentbogen, zuweilen bei flachen Gewölben
aus Schönheitsrücksichten auch den Korb-
oder elliptischen Bogen, bei hohen Pfeilern
auch den überhöhten elliptischen Bogen zur
Anwendung brachte, ist man jetzt bemüht,
dem Gewölbe eine solche Form zu geben,
bei der es mit der geringsten Stärke ausgeführt
werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn
die Bogenachse mit der Stützlinie, d. i. der
Mittelkraftlinie der Belastung, zusammenfällt,
da dann alle Querschnitte gleichmäßig verteilte
Pressung erfahren. Nun wechselt aber die
Stützlinie mit der V'erkehrslaststellung und es
ist daher die Mittellage aller möglichen Stütz-
linien für die Form der Bogenachse maßgebend.
Diese wird annähernd bei Vollbelastung der
Spannweite mit der halben Größe der gleich-
mäßig verteilt angenommenen Verkehrslast
erhalten. Ist ein Gewölbe mit gegebener Lage
der Kämpfer und des Scheitels zu entwerfen,
so wird man zunächst die Gewölbestärke fiach
den später gegebenen Regeln annehmen und
kann damit die Eigengewichtslast (Geviölbe
samt Brückenbahn) im Scheitel g^ und über
den Kämpfern ^.| berechnen. Als gleichmäßig
verteilte Verkehrslast in t f. d. in- kann ange-
nommen werden:
für Hauptbahnbrücken /j = ( 5-j- y) n.- \a
für Straßenbrücken Z' = ( 0'5 -|- -A „,„_J_„
worin für leichte, mittelschwere und schwere
Fuhrwerke a = 4, 10, 20 zu setzen ist. / be-
zeichnet die Spannweite, ii die Oberschüttungs-
höhe im Scheitel.
Die Form der Bogenachse bestimmt sich
damit, wenn x und y die auf den Scheitel
bezogenen Koordinaten sind und / die Pfeil-
höhe bezeichnet, annähernd aus der Gleichung
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SteinbrUcken.
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136
Steinbrücken.
Es genügt auch, bloß den Scheitelkrümmungs-
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und die
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Ordinate im Viertel der Spannweite zu berechnen,
die Kämpfer zu verschärft. Häufig, bei flachen
Bogen wohl immer, kann die theoretische
Stützlinienform ohne erhebliche Verstärkung
des Gewölbes durch einen Kreissegmentbogen
Abb. 152. Viadukt bei Wiesen der Schmalspurbahn Davos-Filisur. (N'acli einer photogr. .\ufnahme von Hermann Wolf in Konstanz.)
um daraus die Stützlinienform abzuleiten. Für
gleiche Auflast vom Scheitel bis zum Kämpfer
ergibt sich dafür eine Parabel, für gegen den
Kämpfer zunehmende Auflast wird die
Krümmung eine mehr gleichmäßige oder gegen
ersetzt werden, der demnach aucli für Brücken-
gewölbe von mittlerer Spannweite und Stich-
verhältnissen unter ^ '5 die zweckmäßigste und
üblichste Form ist. Auch bei großen Gewölben
(Brücken der österr. Staatsbahnen, Taf. 1\',
Steinbrücken.
157
Abb. 1) findet man den Kreisbogen beibehalten,
da er bei Hausteinen den Vorteil gleichmäßigen
Steinschnitts bietet, doch ist hier bei größerem
Unterschied der Belastung im Scheitel und
Kämpfer eine der Stützlinie sich besser
anschmiegende Korbbogenform vorzuziehen
(Addabrücke bei Morbegno [Taf. IV, Abb. 2],
Syratalbrücke [Taf. IV, Abb. 3], Gutachbrücke
u.a.). Talbrückenerhalten zur Verminderung der
Pfeilerhöhe tief gelegte Bogenanläufe und für
die gewöhnlichen Weiten bis zu 25 m im
Halbkreis gewölbte Brückenbögen, deren Ge-
wölbe aber etwas höher, mit einer unter 10 — 15"
geneigten Kämpferfuge ansetzen (Taf. IV, Abb. 5).
Für größere Spannweiten und große Viadukt-
höhen wird sich aber der der Stützlinie angepaßte
überhöhte Korbbogen als günstiger erweisen.
Beim Wiesener Viadukt (Abb. 152) wurde bei-
spielsweise durch Wahl des überhöhten Korb-
bogens gegenüber dem Halbkreisbogen eine
Ersparnis an Mauerwerk des Gewölbes und
der Hauptpfeiler von etwa \Q% erzielt.
Die Gewölbestärke hat der Bedingung zu
entsprechen, daß im Gewölbe bei ungünstigster
Belastung nirgends unzulässige Pressungen
auftreten. Zugspannungen sollen in einem
Gewölbe aus gefugtem Mauerwerk unter der
Belastung überhaupt nicht vorkommen. Letzteres
wird erfüllt, wenn die Stützlinien für alle
Belastungsfälle durchwegs im mittleren Drittel
der Gewölbestärke bleiben. Dies liefert für
die Scheitelgewölbestärke die annähernde Be-
sti mmungsgleichung
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Damit aber die zulässige Pressung im Ge-
wölbemauerwerk nicht überschritten wird, muß
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Auflast über dem Gewölbe im Bogenscheitel
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wicht des Gewölbemauerwerks (tiin^), q^ den
Scheitelkrümmungshalbmesser, s die zulässige
Pressung in ///«-'. Dabei ist eine günstigste
Stützlinienform des Gewölbes vorausgesetzt.
Abweichungen \'on dieser bedingen eine Ver-
größerung der Gewölbestärke. Für s kann
gesetzt werden:
für Gewölbe aus hart gebrannten Ziegeln
150-200 thn^-,
für Bruchsieingewölbe aus mittelfesten Steinen
200-300 tjm?;
für Gewölbe in Schichtmauerwerk aus druck-
festen Steinen 300-400 tlin^,
für Quadergewölbe aus Granit 500 - 600 tjm-.
In der Regel ist die Einhaltung der Druck-
spannungsgrenze, sohin Formel b für die
Qewölbestärke maßgebend; es kann jedoch bei
Bogen mit größerem Stichverhältnis, germger
Eigen- und hoher Verkehrslast die Vermeidung
der Zugspannungen nach Formel a eine größere
Stärke ergeben. In diesem Fall würde ein Ge-
wölbemauerwerk von hoher Druckfestigkeit, also
die Ausführung in harten Quadern keinen
Gewinn bringen, da diese Druckfestigkeit nicht
zur Ausnützung kommt.
Gewölbe, die als gelenklose eingespannte
Bogen wirken, sind in den Kämpfern zu ver-
stärken. Das notwendige Maß dafür ergibt
die statische Untersuchung, die sich auch auf
den Einfluß der Wärmeänderungen zu erstrecken
hat. Allerdings wird es ohne ungewöhnliche
Kämpferverstärkung meist nicht zu erreichen
sein, das Auftreten von Zugspannungen bei
niedrigen Temperaturen und gleichzeitig un-
günstigster Belastung ganz zu vermeiden. In
der Ausführung wird eine solche Zunahme der
Gewölbestärke vom Scheitel gegen die Kämpfer
angewandt, daß die lotrechten Projektioncii
der radialen Fugen bei Bogen mit einem Stich-
verhältnis bis V4 mindestens gleich der Scheitel-
stärke sind. Im Kämpfer geht die Verstärkung
auf das l'3-l'8fache der Scheitelstärke.
Von empirischen Formeln für die Scheitel-
gewölbestärke seien hier angeführt:
nach Desjardin </=0-3 -|- 0-045 /,
„ Desnoyers o' = 0- 1 5 -]- 0- 1 765 /,
neuere französische Formel
fi^=0-4-f 0-035 (/- 10),
Formel der österr. Staatsbahnen für Spann-
weiten über 30 m . . . . fl'= 0-1 +0-0325/.
Zur Ausführung der Brückenge wölbe
werden gewöhnliche Bruchsteine, lagerhafte
Bruchsteine, in den Lagerflächen bearbeitete
Steine (Schichtmauerwerk) oder behauene
Werksteine (Quader), seltener und jetzt wohl
nur für kleinere Gewölbe oder, wo gute natür-
liche Bausteine schwer zu beschaffen sind, hart
gebrannte Ziegel verwendet. An Stelle von
natürlichem Steinmaterial sind in einigen Fällen
bei neueren Ausführungen (Wiesener Viadukt)
auch Betonsteine verwendet worden. Unregel-
mäßige Bruchsteine sind zur Ausführung von
Wölbemauerwerk nicht gut geeignet, allenfalls
nur unter Verwendung kleinerer plattiger Steine
und reichlichen Mörtels, wie es der Bauweise
der Firma Liebold & Co. entspricht, in der der
Syratalviadukt (Taf. IV, Abb. 3), einige Brücken
der Eisenbahn Ilsenburg-Harzburg u. a. herge-
stellt wurden. Lagerhaftes Bruchsteinmauerwerk
in gutem Verband und Schichtmauerwerk kann
bei richtiger Bemessung und Formgebung des
Gewölbes anstandslos auch für große Spann-
158
Steinbrücken.
weiten Verwendung finden. Auf den österreichi-
schen Staatsbahnen wird diese Ausführungs-
art für alle Brückengewölbe bis zu 40 m Spann-
weite angewandt. Hausteingewölbe, die früher
auch für kleine und mittlere Spannweiten aus-
geführt wurden, beschränkt man ihrer höheren
Kosten wegen jetzt meist nur auf Brücken, von
denen ein besonders gutes Aussehen verlangt
wird, oder auf solche von großer Spannweite.
Man verwendetfürdie GewölbemauerungQuader
von 0'2— 0-7/«^ Inhalt und gibt bei kleineren
Gewölbestärken lauter durchbindende Steine,
bei größeren Stärken abwechselnd Läufer und
Binder, die in Verband stehende Ringe bilden.
Die Mörtelfugen macht man 1 an, wenn sie
mit Stampfmörtel ausgefüllt werden sollen,
mindestens 1-5 cot stark. Für die Ausführung
großer Gewölbe (von mehr als 40 m Spann-
weite) kann an Stelle schwer zu beschaffender
Quader auch die V'erwendung von aus Bruch-
steinen gemauerten Blöcken, denen aber
mindestens 07 tn} Inhalt zu geben ist, in
Betracht kommen. Sie sind der Mauerung auf
dem Lehrgerüst vorzuziehen, weil sie am Werk-
platz sorgfältig hergestellt werden können und
günstigere .Arbeitseinteilung gestatten. Sie
müssen zur Zeit der .Aufbringung auf das
Lehrgerüst aber bereits eine genügende Druck-
festigkeit besitzen.
Eine häufig beobachtete Erscheinung ist das
.Auftreten von Rissen am Gewölberücken in der
Nähe des Kämpfers, u. zw. entweder noch
am Lehrgerüst vor dem Schließen des Ge-
wölbes oder nach dessen .Ausrüstung. Diese
Risse sind zwar meist ungefährlich, aber doch
insofern nachteilig und unerwünscht, als sie
den nutzbaren Querschnitt des Gewölbes ver-
mindern und die wasserdichte Abdeckung zer-
stören können. Ihre Ursache liegt in einem
Heraustreten der Stützlinie aus dem Kern des
Gewölbes, herbeigeführt durch eine Formver-
änderung des Lehrgerüstes, Ausweichen der
Widerlager, größere örtliche Preßbarkeit des
Wölbematerials oder der Mörtelbänder bei noch
nicht voller Erhärtung, also zu frühem .Aus-
rüsten u. s. w. Man wird natürlich trachten,
diese störenden Einwirkungen möglichst ein-
zuschränken und insbesondere wird man
Senkungen des Lehrgerüstes während der
.Ausführung des Gewölbes tunlichst hintanhalten
oder unschädlich zu machen suchen. Dies
wird durch gewisse Vorsichtsmaßregeln und
Anordnungen bei der Ausführung erzielt, u.zw.
1. durch ein möglichst festes unnachgiebiges
Lehrgerüst;
2. durch tunlichst gleichmäßige Belastung
desselben während der Ausführung der Ge-
wölbemauerung;
3. durch Aussparen von Lücken und
Schließen des Gewölbes an mehreren Stellen;
4. durch nicht zu frühes Ausrüsten;
5. neuestens auch durch Anwendung des
unten beschriebenen sog. Gewölbe-Expan-
sions-Verfahrens.
Die gleichmäßige Belastung des Lehrgerüstes
von Anfang an ist eine immer zu beobachtende
Regel. Durch Aufbringen der Baustoffe auf
das Lehrgerüst und Vorbelastung des Bogen-
scheitels wird man verhindern können, daß
stärkere Senkungen erst während der Ausführung
der Gewölbemauerung eintreten. Bei größeren
Gewölbebogen wird überdies mit der Mauerung
nicht bloß von den Kämpfern aus, sondern
auch von zwei oder mehreren symmetrisch
liegenden Stellen derGewölbeschenkel begonnen.
Dadurch wird das Gewölbe in kürzere Seg-
mente zerlegt, die leichter den allfälligen Form-
änderungen des Lehrgerüstes folgen können;
auch werden dadurch mehr Arbeitsstellen ge-
schaffen. Die in den Gewölbeschenkeln be-
ginnende Mauerung erfordert provisorische
Widerlager durch Abpölzung, gewöhnlich in
Form von auf das Lehrgerüst aufgesetzten
Böcken. Der Gewölbeschluß erfolgt gleich-
zeitig an mehreren Stellen. In dieser Art
erfolgt jetzt die .Ausführung aller größeren
Bruchsteingeviölbe. Bei Hausteingewölben ver-
bindet man damit auch noch das trockene
Versetzen des untersten, auf der Lehrgerüst-
schalung liegenden Quaderrings. So wurde
beispielsweise der 85 m weit gespannte Bogen
der Isonzobrücke bei Salcano (Taf. IV, .Abb. S)
in 8 Wölbungsabschnitte geteilt und baute man
zu diesem Zweck an den Stellen der künftigen
Gewölbeschlüsse provisorische, mit dem Lehr-
gerüst fest verbundene hölzerne Widerhalter
ein. Es wurden dann die Steine des ersten
Quaderrings trocken versetzt, wobei auf der
Schalung zwischen den Lagerflächen der Steine
Holzleisten von der Stärke der Mörtelfugen
{\t mm) eingelegt oder in den stärker geneig-
ten Gewölbepartien die Steine durch eiserne
Trennungskeile in richtigem Abstand gehalten
wurden. Die 7 Lücken zwischen den Gewölbe-
segmenten blieben offen. Nach dem Ausstampfen
der Fugen mit Mörtel erfolgte das Aufbringen
der Steine des zweiten und dritten Ringes in
.Mörtellage und schließlich der Gewölheschluß
gleichzeitig an den 7 offen gelassenen Stellen
in der ganzen Gewölbestärke. Den gleichen
Ausführungsvorgang hätte man bei Verwendung
gemauerter Blöcke anstatt Quader anzuwenden.
Nachträgliche Verlagerungen der Stützlinie,
die im fertigen Gewölbe beim Ausrüsten, ferner
durch Temperaturwirkung oder infolge Wider-
lagerverschiebung eintreten können und un-
Steinbrücken.
159
günstige Spannungsverteilungen, allfällig Zug-
risse in der Nähe der Kämpfer und im Scheitel
hervorrufen können, werden aber durch diese
Ausführungsart nicht hintangehalten. Hierzu
müßte das Gewölbe als Dreigelenkbogen aus-
geführt werden, doch wird die Notwendigkeit
und Nützlichkeit von Gelenken in Mauerwerks-
gewölben nicht in dem Maße zugegeben, wie
bei Betonbogen, bei denen Gelenke denn
auch viel häufiger zur Anwendung gekommen
sind (s. Betonbrücken). Gemauerte Bogen sind
auch bei großen Spannweiten bisher selten mit
Gelenken ausgeführt worden. Bei der Adda-
brücke zu Morbegno (Taf. IV, Abb. 2) wurden in
den 70 m weit gespannten Granitsteinbogen im
Scheitel und in den Kämpfern Stahlgelenke
eingebaut, die aber einige Wochen nach dem
Ablassen des Bogens ausgemauert und mit
Zementmörtel vergossen wurden, so daß die
Dreigelenkbogenwirkung nur für das Eigen-
gewicht und für die Senkungen nach dem
Ausrüsten zur Geltung kam, Temperatur und
Verkehrslast aber ihre Wirkung auf das gelenk-
lose Gewölbe äußern. Dagegen erhielten die
Münchener Brücken, sowohl jene in Stampf-
beton wie auch die in Muschelkalkquader aus-
geführten, frei liegende, bleibend wirkende
Stahlgelenke. Ober die Ausbildung der Gelenke
s. Betonbrücken. Man ist wohl berechtigt, die
Anwendung von Gelenken bei Mauerwerks-
gewölben auf große Spannweiten mit kleinen
Stichverhältnissen und auf Fälle, wo ein nicht
ganz sicherer Baugrund Widerlagerbewegungen
befürchten läßt, zu beschränken. Bei Drei-
gelenkbogen entfällt die Verstärkung am Kämpfer
und es erhält das Gewölbe seine größte Stärke
im Gewölbeschenkel.
Bei Weglassung von Gelenken läßt sich durch
die Anwendung des schon erwähnten sog. Ge-
wölbe-Expansions- oder Gewölbespreizverfah-
rens, System Buchheim und Heister, den
Scheitelsenkungen beim Ausrüsten, die das Auf-
treten von Kämpferrissen bewirken könnten, vor-
beugen. Bei diesem Verfahren, das schon mehr-
fach, insbesondere für Bogen von 15 — 20/« vor-
teilhaft Anwendung gefunden hat, wird das Ge-
wölbe nicht durch Absenken des Lehrgerüstes
in Spannung gesetzt, sondern dadurch, daß die
Scheitelkraft in bestimmter Größe durchWasser-
druckpressen, die in offen gelassene Lücken im
Gewölbescheitel eingesetzt werden, erzeugt wird.
Diese Lücken werden dann durch Ausfüllung
mit Baustoff und Ausmauerung geschlossen.
(In der Anwendung auf Brücken des Eisenbahn-
direktionsbezirkes Frankfurt a. M. beschrieben
in „Armierter Beton", 1917, H. 3 u. 4.)
Die Brückengewölbe werden zur Herstellung
einer ebenen Brückenbahn mit Erde über-
schüttet oder es wird die Brückenbahn durch
Pfeiler auf den Bogen gestützt. Die Erdüber-
schüttung ist für Bogen von geringer Höhe
das Einfachste und Billigste, da es sich bei
einem nur auf Druck bemessenen Mauerwerks-
gewölbe nicht, wie bei einem Eisenbetonbogen,
um tunlichste Verminderung der Eigenlast
handelt, vielmehr die Überschüttung günstig
für die Stabilität und für die Verteilung
konzentrierter Lasten wirkt.
Über dem Gewölbescheitel soll die Höhe
der Überschüttung, einschließlich der Stärke
der Fahrbahnkonstruktion, bei Straßenbrücken
mindestens 30 - 50 cm, bei Eisenbahnbrücken
mindestens 70 cm betragen. Seitlich wird diese
Überschüttung durch Stirnmauern begrenzt,
die auf den Gewölbestirnen aufruhen, u. zw.
entweder ohne Verband auf dem Gewölberücken
sitzen oder aber durch treppenartige Absätze
der Stirnwölbequader mit dem Gewölbe in
Verband gebracht sind.
Bei größerer Pfeilhöhe des Gewölbes und
demnach auch großer Überschüttungshöhe an
den Kämpfern werden die gegen den Erddruck
zu berechnenden Stirnmauern sehr stark. Halb-
kreisbogen von mittlerer Spannweite und nicht
allzu großer Breite, wie sie die typische Aus-
führung der gewölbten Eisenbahnviadukte zeigt,
erhalten dann eine volle Ausmauerung bis auf
Bettungshöhe (Taf IV, Abb. 5), wodurch auch die
Anordnung der Entwässerung begünstigt wird.
Bei breiteren Brücken hat man aber häufig
auch Hohlmauerwerk, sog. Spandrillmauern,
angeordnet und dadurch eine Verringerung
des auf dem Gewölbe lastenden Gewichts und
eine Ersparnis an Mauerwerk erzielt. Diese Span-
drillen (Taf. IV, Abb. 9) bestehen aus einzelnen,
den Stirnmauern parallelen Zungenmauern, die
oben mit Platten überdeckt oder mit Stich- oder
Halbkreisgewölben überspannt sind. Ihr Abstand
wird mit 1-1'5ot gewählt. Bei sehr großer
Höhe hat man zuweilen diese Zungenmauern
noch durch Quermauern oder in verschiedener
Höhe durch Gewölbe verbunden und die Span-
drillräume zugänglich gemacht. Gegenwärtig
zieht man aber den gegen den Luftzutritt ab-
geschlossenen Spandrillräumen die Anordnung
offener Hohlräume vor, deren Achsenrichtung
parallel zu jener des Brückenbogens ist. Diese
sog. Sparbogen oder Sparöffnungen werden
durch auf dem Brückenbogen aufstehende
Pfeiler oder Mauern gebildet, die durch kleine
Gewölbe (Abb. 152 sowie Taf.IV, Abb. 1,2,3,4,6,8)
oder durch gerade Überdeckungen in Eisenbeton
überspannt sind. Mit dem Wegfall der vollen
Stirnmauern ist der Vorteil der Freilegung des
Brückenbogens und einer architektonisch günstig
wirkenden Gliederung der Stirnflächen verbun-
160
Steinbrücken.
den. Man wählt die Spannweite der Sparbogen '
entsprechend der Größe des Hauptbogens mit
2— 5 /«. Gewöhnlich werden sie im Halbkreis
überwölbt und in den Bogenzwickeln durch
Füllmauerwerk bis auf Scheitelhöhe abgeglichen,
so daß die wasserdichte Abdeckung und Ent-
wässerung über sie hinweggeführt werden kann.
Bei Brücken mit iMittelpfeilern hat man zuweilen
auch nur eine einzige Sparöffnung in den über
den Pfeilern liegenden Gewölbezvvickeln ange-
ordnet, um die Stirnmauern an ihren höchsten
Stellen in ihrem Ausmaß zu vermindern.
Das Streben nach Verminderung der Mauer-
werksmassen einer gewölbten Brücke hat bei
großer Brückenbreite auch zu einer Längs-
teilung des Brückengewölbes und auch der
Pfeiler geführt. Es werden zwei, allenfalls
auch mehr parallele, schmale Brückenbogen
in einem Abstand voneinander ausgeführt
und es wird der dazwischen verbleibende
Spalt durch eine sich auf die Bogen stützende
Querkonstruktion überspannt. Beispiele für diese
Anordnung geben die Straßenbrücke über das
Tal la Petrusse bei Luxemburg (Taf. IV, Abb. 6),
und die Armidoniersbrücke in Toulouse; sonst
ist diese gegliederte Ausführungsart besonders
durch Beton- und Eisenbetonbrücken vertreten.
Entwässerungsanlagen. Die Oberfläche
der Brückengewölbe und ihrer Übermauerung
ist, soweit sie mit dem Erdreich in Berührung
steht, gegen die eindringende Feuchtigkeit
durch eine möglichst wasserdichte Abdeckung
zu schützen. Ais Unterlage für die Deckschicht
dient eine S - 10 an hohe Beton- oder schwächere
Zementmörtelschichi, die die unebene Ober-
fläche des Mauerwerks ausgleicht. Ein Zement-
verputz allein bietet aber nicht genügende
Sicherheit für bleibende Wasserdichtheit. Man
verwendet heute zur Abdeckung vorzugsweise
Asphalt in Form von Gußasphalt oder mit
Asphalt imprägnierter filziger Gewebe. Der
Naturasphalt wird als
heißer Anstrich in
doppelter Lage von
zusammen 25 - 30mm
aufgetragen, in der
oberen Lage mit etwa
20 % Kieszusatz. Die
Asphaltfilzplatten ha-
ben 2 ^'2 -4 mm Stärke ;
sie werden an den
Stößen \Ocm breit überlappt und mit Asphalt
verkittet. Die auf den österreichischen Staats-
bahnen verwendeten Leiß-Zufferschen Platten
enthalten eine 2- 3fache Jutegewebelage mit
dazwischengestrichenem Asphaltgoudron. An-
statt der Verwendung fertiger Platten hat man
auch abwechselnde Lagen von heißem Qoudron-
■"•,*><: ,i-^-^.
Abb. 153.
anstrich und Juteleinwand unmittelbar aufge-
bracht. Eine gute, aber teure .Abdeckung geben
die Siebeischen Bleiisolierplatten, die eine dünne
Bleieinlage zwischen einem beiderseitigen Über-
zug von Dachpappe enthalten.
Die Abführung des in die Überschüttung
eingedrungenen Wassers erfolgt am einfachsten
über den Widerlagern; bei Brücken mit meh-
reren Öffnungen ist dies aber nicht gut möglich
und geschieht hier die Ableitung des Wassers
entweder durch den Gewölbescheitel, durch die
Gewölbeschenkel, durch die Kämpfer des Ge-
wölbes, durch die Pfeiler oder durch die Stirn-
mauern. Eine Entwässerung durch den Gewölbe-
scheitel ist natürlich nur bei vollständiger Aus-
mauerung der Gewölbezwickel oder bei der
Anordnung von Spandrillmauerwerk oder Spar-
bogen möglich.
Die Abdeckung erhält ein Längs- und Quer-
gefälle von ^60" 1/201 ^° ^^^ ^^^^ ^ '" '^^^
Mitte des Scheitels zusammentreffende Rinnen
bilden. Hier wird das Wasser mittels eines guß-
eisernen Abfallrohrs durch das Gewölbe geführt.
Dieses hat einen Teller angegossen, auf den eine
mit Löchern versehene Haube gestülpt wird
(Abb. 153). Letztere ist mit einer Packung aus
Steinen zu umgeben. Bei überschütteten Ge-
wölben ist über den .Mittelpfeilern eine Rinne
auszubilden, die das Wasser zu den Abfall-
rohren leitet. Diese Rinne ist entweder bloß
ein mit Steinen ausgepackier Sickerkanal oder
I ein gemauerter Kanal, dessen Seitenwände
Schlitze für den Wassereintritt erhalten.
Erfolgt die Entwässerung durch die Stirn-
mauern, so erhält der in den Gewölbezwickeln
anzulegende Kanal ein Gefälle nach den beiden
Stirnmauern zu und mündet daselbst in einer
kreisförmigen, mit einem auskragenden Rinn-
stein versehenen Öffnung oder in einem ent-
sprechend weit ausladenden Rohr. Bei dieser
Anordnung entstehen aber durch das ablaufende
Wasser auf den Stirnmauern und Pfeilern leicht
nasse Flecken und bei tonigen Steinarten
Flechten- und Moosbildung.
A\an hat endlich auch, um das Wasser ohne
Schädigung des Bauwerks und Belästigung des
unter der Brücke stattfindenden Verkehrs ab-
zuführen, die Entwässerung durch die Zwischen-
pfeiler mittels senkrechter, unten seitwärts ab-
gezweigter Abzugkanäle oder Röhren bewerk-
stelligt. Die Abfallschläuche sollen aber ent-
weder schliefbar sein oder es sind in sie Rohre
einzusetzen, die zur Reinigung herausgehoben
werden können (Stadtbahnviadukte).
Widerlager und Pfeiler. Im allgemeinen
wird die Mauerwerksmasse am kleinsten, wenn
man das Gewölbe selbst bis zum Baugrund
fortsetzt, in welchem Fall für das Widerlager
Tafel IV.
1
-?4
■20%, . y7g.:7g;SIl^:
J^-N-vJsyK^frJTrr^i ViT-r
Abb. 7. Landwasserviadiikt der Albulabahn.
r
Abb. 8. Eisenbahnbrück-e über den Isonzo bei Salcano (Oörz).
bi Querschnitt im Briicken-
sch eitel.
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
Steinbrücken.
Tafel IV.
Abb. 1. Eisenbahiibröcke über den Pruthfluß bei Jarenicze.
b} Lehrgerüst und Ausfiihrungsplan der 0.:wölbemauerung.
Abb. 2. Eisenbahnbrücke über die Adda bei Morbegno {Linie Tirano-Colico).
Abb. 4, Solisbrücke der Albulabahn.
—22,0 *MJC
■20%^ . :)^^i:':s;;ia.vir[ r
Abb, 7. I.andw.isserviadukl der .Mbulahahn,
Abb. 5. Schmiedtobelviadukt der Arlbergbahn.
Abb. 8. Eisenbahnbrücke über den Isonzo bei Salcano (Oörz).
b) Längsschnitt.
Abb. 3. Straßenbrücke über das Syralal in Plauen, Sachsen.
a) Längsschnitt und Aiisicbt,
Abb. 6. Straßenbrücke über das Pelriistal bei Luxemburg.
b) Querschnitt im Brücken-
scheiteL
Vorbg Too Urban & Schwarzenberg in Berlin u. Wien.
steinbrücken.
161
nur ein kleiner Mauerkörper benötigt wird,
der nur den Zweck hat, den Druck auf
eine so große Grundfläche zu verteilen, als es
die Beschaffenheit des Baugrunds erfordert.
Man nennt diese Anordnung verlorene Wider-
lager, Druckwiderlager, auch natürliche Wider-
lager. Sie eignet sich vorzugsweise bei Gründung
auf festem, gegen das Widerlager ansteigendem
Baugrund, also zur Oberbrückung von
Schluchten, Einschnitten in festem Boden, zu
Anschlüssen an Berglehnen u. s. w. Bei festem
Felsen kann man das Gewölbe direkt gegen
den Felsen stemmen, während bei erdigem
Boden der Druck auf eine größere Fläche
verteilt werden muß, wozu eine entsprechend
verbreiterte Fundamentplatte nach Erfordernis
aus Beton oder Eisenbeton oder aus Beton
mit Einlage eines eisernen Trägerrostes (Salcano-
brücke) herzustellen ist. In den meisten Fällen
wird aber das Gewölbe nicht bis zum Baugrund
geführt, sondern gegen einen größeren Mauer-
werkskörper mit mehr oder weniger senkrechter
Vorderfläche gestützt. Man nennt diesen dann ein
Standwiderlager oder künstliches Widerlager.
Die Stärke der Widerlager ist mit Rücksicht
auf die angreifenden Kräfte: Gewölbeschub,
Erddruck und Mauergewicht zu bestimmen.
Es sind dabei 2 Belastungsfälle zu berück-
sichtigen: belastetes Gewölbe und unbelastete
Hinterfüllung und umgekehrt; für S., deren
Gewölbe vor der Hinterfüllung der Widerlager
vollendet wird, was bei S. unter Dämmen in
der Regel der Fall ist, ist außerdem noch
eine Berechnung auf den durch das Eigen-
gewicht des Gewölbes veranlaßten Schub ohne
Berücksichtigung des Erddrucks durchzuführen.
Für jeden Belastungsfall soll die jMittelkraft
aus den angreifenden Kräften im mittleren
Drittel des Mauerquerschnitts bleiben, damit
keine Zugspannungen auftreten. Überdies darf
an der Fundamentsohle die zulässige Boden-
pressung nicht überschritten werden.
Der Anschluß der Brücke an die natürliche
Bodenfläche kann nach verschiedenen Anord-
nungen erfolgen, die z.T. bei den Durchlässen
(s. d.) eine Besprechung gefunden haben. Liegt
dasWiderlager im gewachsenen Boden, sowerden
einfach die Stirnmauern oder zu ihnen gleich-
laufende Stirnflügelmauern bis zum Anschluß
an das natürliche Bodengelände fortgesetzt.
Schließt aber die Brücke an einen Damm
an, so können Stirnflügel in Verbindung mit
vorgelegten Erd- oder Steinkegeln oder schräge
Flügelmauern (Böschungsflügel) in Anwendung
kommen. Bei großer Höhe werden aber die als
Stützmauern zu berechnenden Flügel sehr stark
und sind dann bei druckhafter Hinterfüllung
oder zu Rutschungen geneigtem Boden Be-
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
wegungen schwer hintanzuhalten. Stirnflügel
müssen dann wenigstens in ihrem unteren Teil
zu einem zusammenhängenden Mauerklotz ver-
bunden und es muß der zwischen ihnen \'er-
bleibende Raum mit Steinen ausgepackt werden.
Man schließt diesen Raum wohl auch durch
eine schwache Quermauer ab, die die rückwär-
tigen Enden der Stirnflügel verbindet. Anstatt
den so entstehenden kastenförmigen Raum
auszufüllen, hat man ihn auch überwölbt,
u. zw. entweder gleichlaufend oder senkrecht
zur Brückenachse. Im letzteren Fall können
dann die Stirnflügelmauern auch weggelassen
werden, und man gelangt so zu jener Lösung,
bei der der Endabschluß der Brücke durch
eine in die Dammschüttung hineinragende
Bogenstellung bewerkstelligt wird, bei Viadukten
die billigste und häufigst angewendete An-
ordnung.
Die Mittelpfeiler gewölbter Brücken erhalten
gewöhnlich eine solche Stärke, daß sie nur so
lange standsicher sind, als beide Bogen, die
von einem Mittelpfeiler getragen werden, vor-
handen sind. Nur bei längeren S. werden
einzelne Pfeiler stärker als Standpfeiler aus-
geführt, so daß sie auch dem einseitigen
Gewölbeschub widerstehen. Diese Standpfeiler
teilen die Brückenöffnungen in Gruppen zu je
3 — 5. Die Gewölbe einer Gruppe sind bei
der Ausführung gleichzeitig einzurüsten. Bei
ausgeführten Brücken beträgt die obere Pfeiler-
dicke bei Segment- und gedrückten Bogen
0-1 1-0-23/, im Mittel 0-15/, bei Viadukten
mit Halbkreisbogen 0- 1 5 - 0-3 1 /, im Mittel 0-20/,
für die Standp'feiler 0-26 -0-47/, im Mittel
0-35 /. Die Stärke der Mittelpfeiler von Strom-
brücken kann mit 0-55'^ l angenommen werden.
Die Seitenflächen der Pfeiler erhalten in der
Regel einen Anzug, der bei Landpfeilern mit
V20 ~ ^/so ^^^ ^^^ Strompfeilern über NW mit
■'/30 — V50 gewählt wird. Hohe Pfeiler für Tal-
brücken hat man zuweilen mit konkaven Seiten-
flächen oder in mehreren Abstufungen mit ver-
schiedenem, nach unten zunehmendem Anzug
ausgeführt (Albulabahn). Die Anlage der
Ansichtsflächen der Pfeiler ist meist ebenso
groß, bei hohen Brücken oft größer als jene
der Seitenflächen, um die erforderliche Stand-
festigkeit gegen Winddruck zu erhalten. Bei
Brücken in Bogen hat man den Anzug auf
der äußeren Seite bei hohen Pfeilern wegen
der Fliehkraft meist größer gewählt (bis 0-1).
Die Strompfeiler erhalten bis auf Hochwasser-
höhe Vorköpfe von halbkreisförmiger, ellip-
tischer, spitzbogiger oder 3eckiger Form.
Die Pfeiler sehr hoher Talbrücken sind
früher häufig durch sog. Spannbogen verstärk;
11
162
Steinbriicken.
worden. Letztere sind schmale flache Segment-
bogen, die in einem oder bei großen Höhen
auch in mehreren Geschossen die Pfeiler ver-
binden (Göltschtal- und Elstertalviadukt der
sächsischen Staatsbahnen). Über den Spann-
bögen sind in den Pfeilern meist Durchgänge
angeordnet. Werden die Bögen in derselben
Breite wie die Pfeiler ausgeführt, so gewinnen
die S. das Aussehen von Stockwerksbrücken
(s. beispielsweise die Viadukte der Semmering-
Abb. 154. Wa:dbachvi,idukt der Uodcii^^L-; ut;^.,!.,!.;^-. u^
einer phologr. Aufnahme von Hermann Wolf, Konst;
bahn). Die Pfeiler dieser älteren S. sind aber
so stark, daß sie auch ohne Spannbögen stand-
sicher wären. Jetzt läßt man die Spannbogen
auch bei hohen Viadukten weg und zieht es
vor, die Pfeiler so stark auszuführen, daß sie
standsicher sind.
Schiefe gewölbte Brücken werden des
schwierigen und teueren Steinschnitts wegen
jetzt gerne vermieden. Man ersetzt sie besser
durch die leichter auszuführenden Wölbungen
in Stampfbeton oder umgeht die Ausführung
eines schiefen Gewölbes dadurch, daß man es
aus einzelnen, gegeneinander verschobenen,
geraden Bogen zusammensetzt.
Gewölbte Viadukte. Bei
der Anordnung einer gewölbten
Talbri'cke ist vor allem die Frage
der Zah! und Weite der Einzel-
öffnungen und dann der Form
und Höhe der Bogen zu beant-
worten. Für die endgültige Wahl
ist hauptsächlich nur der Kosten-
vergleich entscheidend. Für Via-
dukte nach den üblichen Typen
der Eisenbahnen (Halbkreis-
bogen in Bruchsteinmauerwerk,
Abb. 154) kann man bei der Via-
dukthöhe// (in m) für die zu wäh-
lende Öffnungsweite etwa setzen
/=6-f-0-4A, doch gibt diese
Regel nur eine beiläufige Richt-
schnur. Hohe Pfeilerkosten, die
sich z. B. durch ungünstige
Gründungsverhältnisse ergeben
können, oder die Überbrückung
tiefer Schluchten (Taf. IV, Abb. 4),
werden zur Anwendung größerer
Lichtweiten führen. An den Tal-
lehnen werden sich, entsprechend
der abnehmenden Höhe des Via-
dukts, kleinere Öffnungsweiten
als zweckmäßig herausstellen.
Man wird aber nicht jede Öffnung
verschieden weit machen, sondern
gruppenweise gleiche Öffnungen,,
durch stärkere Pfeiler getrennt,
anordnen.
In den nachstehenden Tabellen
werden die Hauptabmessungen
der im Halbkreis gewölbten Viadukte nach den
Typen der österreichischen Staatsbahnen (Taf. IV,
Abb. 5) und der schmalspurigen Albulabahn
(1 m Spurweite) (Taf. IV, Abb. 7) gegeben.
.inz.)
iii (Nacli
Viadukte der österreichischen Staatsbahnen.
L i c h t w e i t e
10
12
16
20
22
Scheitelstärke des Gewölbes .
Kämpferstärke in unter 1 : 5
geneigter Fuge
Pfeilerstiirke
0-66
0-80
1-30
0-74
0-90
1-60
0-82
1-01
200
0-90
112
240
0-98
1-28
2-80
1-06
1-50
3-20
1-14
1-76
3-60
L22
2-08
400
1-30
2-52
4-40
1-38
3-15
4-80
steinbrücken. Stellwerke.
Viadukte der Albulabahn.
163
Lichtweite in m
10
20
25
30
Scheitelstärke des Gewölbes .
Kämpferstärke
Pfeilerstärke bis zu 5 m Höhe
Pfeilerstärke über 5 m Höhe
0-55
0-80
1-20
1-40
0-60
0-90
1-35
1-55
0-70
100
1-50
1-70
0-75
MO
1-70
1-90
0-86
1-20
200
2-20
0-90
1-35
2-70
2-90
1-00
1-50
3-60
3-80
1-20
1-90
1-40
2-60
Die Kosten der eingleisigen Viadukte be-
trugen für 1 m?- Ansichtumgrenzungsfiäche:
Arlbergbahn,
Viadukte von etwa 1 0 m Weite . . 6 1 - 63 K
„ 10-22 „ „ . . 60-66 „
Staatsbahnlinie Tabor-Pisek,
Viadukte von 10-12/« Weite . . 56-65 K
Albulabahn (1 m Spur), Öffnungen von
20 m Weite, Landwasserviadukt . . . . 47 K
Albulaviadukt 36 „
Melan.
Steinwürfelunterlagen s. Oberbau.
Steinwurf nennt man Vorlagen aus regellos
geschlichteten großen Steinen zum Schutz
gegen den Angriff durch fließendes Wasser.
S. wird bei Brückenpfeilern und -Widerlagern
sowie bei Uferschutzmauern angewendet. Die
Steine werden, ohne Werkzeuge zu Hilfe zu
nehmen, vor das Bauwerk in den Flußlauf
geworfen und wirken lediglich durch ihr Ge-
wicht, weshalb sie einen Rauminhalt von min-
destens Y^ m^ haben sollen.
Stellwerke (interlocking frames, interlocking
machines; apparails de mancEiivre de signal et
d'aiguillage; apparecchi di manovra per segnale
e scambio) sind die zu einem gemeinsamen
Werk zusammengefaßten Vorrichtungen zur
Fernbedienung von Weichen und Signalen sowie
zur Herstellung von Abhängigkeiten bei der
Weichen- und Signalstellung.
S., die lediglich zum Stellen von Weichen
dienen, heißen Weichenstellwerke. Signal-
stellwerke sind S., die nur Vorrichtungen
zum Stellen von Signalen enthalten. In den
Weichen- und Signalstellwerken sind
Weichen- und Signalhebel vorhanden.
Abhängigkeiten werden bei der Weichen- und
Signalstellung geschaffen: zwischen einzelnen
Signalen, um die gleichzeitige Fahrstellung feind-
licher Signale zu verhüten, zwischen Weichen
und Signalen, um die richtige Lage der Weichen
bei Fahrsignal zu sichern.
Diese Abhängigkeiten werden, wenn alle dabei
in Betracht kommenden Hebel in einem S.
vereinigt sind, in diesem selbst hergestellt. Ist die
Signalstellung von der Stellung von Weichen
abhängig zu machen, deren Hebel mit den
Signalhebeln nicht in einem S. sich befinden, so
wird zwischen dem Signalstellwerk und dem
Weichenstellwerk eine elektrische Zustimmung
eingerichtet. Ein solches Weichenstellwerk heißt
Zustimmungsstellwerk. Die Abhängigkeit
zwischen der Signalstellung und der Stellung
von Handweichen wird durch Riegelwerke
oder Schlüsselsicherung geschaffen.
S., bei denen Weichen und Signale durch
Gestänge oder Drahtzug gestellt werden, be-
zeichnet man als mechanische, solche, bei
denen die Weichen und Signale durch Elektri-
zität, Druckluft, Wasserdruck oder Preßgas be-
wegt werden, als Kraftstellwerke.
Die Kraftstellwerke sind in Bd. VI behandelt.
Die mechanischen S. sollen in folgenden Ab-
schnitten besprochen werden:
1. Weichenstellwerke.
II. Signalstellwerke.
III. Weichen- und Signalstellwerke.
IV. Zustimmungsstellwerke.
V. Riegelwerke.
VI. Schlüsselsicherungen.
VII. Verbindung der S. mit der Stations- und
Streckenblockung.
I. Weichenstellwerke.
a) Allgemeines. Zum Umlegen einer an
ein S. angeschlossenen Weiche (fernbediente,
ferngestellte Weiche, Stellwerkweiche) dient der
Weichenhebel, die zur Übertragung der
Hebelbewegung auf die Weichenzungen be-
stimmte Gestänge- oder Drahtleitung und
der zwischen dieser und den Weichenzungen
eingeschaltete Weichenantrieb.
Die gesamte Stellvorrichtung soll folgende
Bedingungen erfüllen:
1. Der Schaft des Weichenhebels muß in
den beiden Endstellungen (Grundsteilung und
Stellung des umgelegten Hebels) festgehalten
werden.
2. Die anliegende Weichenzunge muß bei
den Endstellungen des Hebeis fest an die
Backenschiene anschließen und die abliegende
Zunge muß ausreichend weit von der Backen-
schiene entfernt sein.
3. Die Weiche muß auffahrbar sein, d. h. bei
dem Auffahren der Weiche (s. d.) dürfen keine
Teile der Stellvorrichtung oder der Zungen zer-
stört werden.
11*
164
Stellwerke.
4. Das Auffahren einer Weiche soll dem Wärter
im S. durch ein sichtbares Zeichen angezeigt
werden.
Die Bauart der Weichenstellwerke ist bei Ver-
wendung von Gestänge- und Drahtzugleitungen
wesentlich voneinander \-erschieden.
b) Weichenstellwerke mit Gestänge-
leitung. Die Gesamtanordnung eines solchen
S. zeigt Taf. V, Abb. 1. Im Stellwerksgebäude
steht auf der Hebelbank (ß) der Weichen-
hebel (A), von dem die Gestängeleitung nach
unten und dann unter Einschaltung von
Ablenk- und Ausgleich Vorrichtungen (C, C,,
C2) zu der V'erbindungsstange der Weichen-
zungen führt. An diese greift sie mit dem
Weichenantrieb [E) an.
Der Weichenhebel (Taf. V, Abb. 3) ist in
einem Bock gelagert, der auf der Hebelbank be-
festigt ist. In der Grundstellung steht er nach oben,
unter ets-a 30° gegen die Senkrechte nach hinten
geneigt. Der umgelegte Hebel weist schräg nach
unten. In der Grundstellung greift die Hand-
fallenstange a in den Ausschnitt d, bei umge-
legtem Hebel in den Ausschnitt d'^ des Hebel-
bocks ein und wird darin durch die Spannung
der Handfallenfeder e festgehalten. Mit dem Hebel
sitzt auf derselben Welle drehbar das Zahn-
rad /, dessen Zähne in den im unteren Teil
des Hebel bocks gelagerten, gezahnten Bogen g
eingreifen. Beim Umlegen des Hebels wird
durch die angehobene Handfallenstange das
Zahnrad fest mit dem Hebel gekuppelt und in
der Richtung der Hebelbewegung mitgedreht.
Der gezahnte Bogen macht dabei die entgegen-
gesetzte Bewegung und drückt das ihm angehängte
Gestänge nach unten. Die Bewegung des Ge-
stänges überträgt sich weiter bis zur Weiche
und stellt die Weichenzungen um.
In den Endstellungen des Hebels ist eine
unter Federdruck stehende lösbare Kupplung
zwischen dem Hebel und dem Zahnrad vor-
handen. Beim Auffahren der Weiche wird, da der
Hebel durch die Handfallenstange in dem Hebel-
bock festgehalten ist, die Kupplung zwischen
Hebel und Zahnrad aufgehoben. Die vom
ordnungsmäßigen Zustand abweichende Stellung
des Zahnrads zum Hebel zeigt zwar schon an,
daß die Weiche aufgefahren ist; vielfach wird
dieses aber durch das Erscheinen eines roten
Zeichens noch besonders kenntlich gemacht.
Bei einigen Bauarten der Weichenhebel für
Gestängeleitung wird zur Übertragung der
Hebelbewegung auf die Leitung ein Zahnrad
in Verbindung mit einer Zahnstange, bei anderen
eine Kulissensteuerung verwendet.
Die Gestängeleitungen werden aus Gas-
rohr hergestellt. Zur Verbindung der einzelnen
Rohre dienen Gewindemuffen. Nach den
preußischen Vorschriften sollen zu den Leitun-
gen 42 mm starke Gasrohre von 4 mm Wand-
stärke verwendet werden. Die Verbindungs-
muffen sollen \20 mm lang und mit je 2
Kontroilöchern versehen sein. In angemessenen
Abständen - etwa 3-3-5 m - werden die
Rohrgestänge durch Rollen-, Walzen- oder
Kugellager unterstützt. Taf. V, Abb. 4 zeigt
solche Lager.
An den Punkten, wo Richtungsänderungen
des Gestänges in wagrechter oder senkrechter
Ebene erforderlich sind, werden Winkelhebel ein-
geschaltet (Taf. \^ Abb. 8). Diese Vorrichtungen
können bei richtiger Anordnung auch Längen-
änderungen, die durch Wärmeschwankungen
in dem Gestänge entstehen, ausgleichen. Viel-
fach sind aber noch besondere Ausgleichvor-
richtungen erforderlich (Taf. V, Abb. 7). Die
Winkelumlenkungen und Ausgleichvorrichtun-
gen erhalten gußeiserne oder schmiedeeiserne
Erdfüße.
Der Weichenantrieb besteht bei der
Gestängeleitung aus einem Winkelhebel (Taf. V,
Abb. 9), der die Bewegung des Gestänges
durch Vermittlung des Spitzenverschlusses (s. d.)
auf die Weichenzungen überträgt.
<^ Weichenstellwerke mit Drahtleitung.
Die Gesamtanordnung eines solchen S. zeigt
Taf. V, Abb. 10. Von der mit dem Hebel ver-
bundenen Seilscheibe (Stellrolle) führt eine ge-
schlossene Doppelleitung aus Drahtseil und
Stahldraht über Umlenkrollen zu dem Weichen-
antrieb. In die Drahtleitung ist zum .Ausgleich
von Längenänderungen und zur Erfüllung ge-
wisser, später zu erörternder Sicherheitsbedin-
gungen ein Spannwerk (s. d.) eingeschaltet.
Der Drahtzugweichenhebel ist wie der
Gestängehebel in dem Hebelbock gelagert. In
den Endstellungen wird er ebenfalls durch die
Handfallenstange, die in Ausschnitte des Hebel-
bocks eingreift, festgehalten. Eine unter Feder-
druck stehende lösbare Kupplung verbindet
ihn hierbei mit der Seilscheibe. Bei dem in der
Taf. V, Abb. 12 dargestellten Hebel der Ein-
heitsform der preußischen Staatsbahnen erfolgt
die Kupplung zwischen Hebel und Seilscheibe
durch das keilförmige Kuppelstück a, das in
eine Ausklinkung der Seilscheibe eingreift. In
dieser Lage wird das Kuppelstück durch eine
Feder, die Kuppel- oder Ausscheerfeder fest-
gehalten. Beim Auffahren der Weiche wird der
Druck der Feder überwunden und die Seil-
scheibe vom Hebelschaft gelöst.
Um die Seilscheibe sind 2 an ihr befestigte
Drahtseile geschlungen, deren Enden mit der
zum Antrieb führenden, 5 mm starken, doppelten
Drahtleitung verbunden sind. Nach den preußi-
schen Vorschriften für die Lieferung von Draht-
Stellwerke.
165
seilen für Weichen und Signalstellwerke sollen
die Drahtseile, die im allgemeinen 6 mm stark
sind, aus gut verzinkten Stahldrähten von 1 5Qkg
Festigkeit f. d. mm- bestehen. Sie werden aus
6 Litzen von je 19 Einzeldrähten gebildet und
auf einer Prüfmaschine einer sehr weitgehenden
Biegeprobe unterworfen.
Für die Drahtleitung wird verzinkter Tiegel-
gußstahldraht verwendet, der eine Zugfestigkeit
von mindestens \QQkgLA.mm~ haben soll.
Die Verbindung zwischen Drahtseil und
Draht wird durch Wickeldraht und Lötung
Abb 15t Nerbmdung zwischen Dr.iht und Drahtseil.
nach Abb. 155 hergestellt. Die Enden der Löt-
stellen sollen schräg auslaufen, damit sie bei
der Bewegung des Drahtzugs nicht an den
Kästen oder an anderen Stellen hängen bleiben.
Die Drahtleitungen werden vom Austritt
aus dem Stellwerksgebäude bis zum Weichen-
antrieb oberirdisch oder unterirdisch geführt.
Die oberirdischen Leitungen laufen über
Führungsrollen, die an Pfosten aus Holz,
Winkeleisen oder Gas-
rohr befestigt sind. Die
Abb. 156, ^\bl u. 158
zeigen Leitungspfosten
mit Drahtführungsrollen
in verschiedener Aus-
führung.
Unterirdische Füh-
rung der Leitungen ist
erforderlich, wo Gleise
und Wege von den Lei-
tungen gekreuzt werden.
Auch in Bahnsteigen und
zwischen den Gleisen
werden zur Erhaltung
eines ungehinderten Ver-
kehrs die Leitungen viel-
fach unterirdisch verlegt.
Die unterirdisch ver-
legten Leitungen werden
meistens mit Kanälen
aus Eisenblech abge-
deckt; zuweilen findet
man auch gemauerte oder aus Stampfbeton
hergestellte Kanäle mit Holz- oder Eisenab-
deckung. Taf. V, Abb. 5 zeigt verschiedene
Formen von Kanälen mit den Führungsrollen.
Wo in den Drahtleitungen Richtungs-
änderungen vorkommen, werden Ablenk- oder
Druckrollen eingeschaltet. Hierbei wird oft
eine größere Anzahl von Rollen zu einer
Gruppenablenkung zusammengefaßt (Taf. V,
Abb. 156. Holz-
pfosten für Draht-
leitungen.
Abb. 2). Regelmäßig finden sich solche
Gruppenablenkungen vor den Stellwerks-
gebäuden.
Die Drahtleitungen werden mit Spann-
schrauben (Taf. V, Abb. 11) und zuweilen
auch mit Reißkloben (Taf. V, Abb. 6) zur
Ausführung von Reißversuchen versehen.
Als Grenze für die Fernstellung von
Weichen gilt im allgemeinen eine Drahtzug-
länge von 350 m. Größere Leitungslängen er-
fordern besondere Sicherheitsmaßregeln.
Soll ein Weichenhebel umgelegt werden, so
wird durch Andrücken der Handfalle die
Handfallenstange aus dem Ausschnitt im Hebel-
bock herausgehoben. Dabei tritt ein Nocken d
der Handfallenstange (Taf. V, Abb. 13) unter
den Ansatz e des Kuppelstücks a und hält
dieses in der Ausklinkung der Seilscheibe fest.
Beim Umlegen des Hebels stützt sich die ange-
hobene Handfallenstange gegen den Schleif-
kranz des Lagerbocks ab, so daß während
dieser Zeit Hebelschaft und Seilscheibe un-
lösbar verbunden sind.
Durch die Drehung der Stellrolle beim Um-
legen des Weichenhebels wird der eine Draht
der Doppelleitung um 500 mm nachgezogen,
Abb. 157. Gasrohrständer für Draht-
leitungen.
Abb. 158. Winkeleisen-
ständer für Drahtlei-
tungen.
der andere um ebensoviel nachgelassen. Diese
Bewegung des Drahtes wird auf den Weichen-
antrieb übertragen.
Der in Taf. V, Abb. 14 dargestellte Weichen-
antrieb besteht aus einer Endrolle, die beim
Umlegen des Weichenhebels um ISO "gedreht
wird. Ein mit ihr auf derselben Achse sitzendes
Zahngetriebe bewegt dabei eine Zahnstange, mit
der die zum Spitzenverschluß (s. d.) führende
166
Stellwerke.
Stellstange verbunden ist, nach rechts oder
links. Durch Vermittlung des Spitzen verschlusses
(s. d.) wird die Bewegung der Stellstange auf
die Weichenzungen übertragen.
Eine andere Bauart des Weichenantriebs zeigt
Taf. V, Abb. 15. Hierbei ist in den um eine
Endrolle geschlungenen Drahtzug ein Winkel-
hebel eingeschaltet, der beim Hin- und Her-
gehen des Drahtzugs sich um seine Achse
dreht und dabei die Stellstange des Spilzen-
verschlusses mitnimmt.
Beim Auffahren der Weiche (s. d.) wird die
Bewegung der Weichenzungen durch den
Weichenantrieb auf die Drahtleitung und von
dieser auf die Seilscheibe des Weichenhebels
übertragen. Da der Weichenhebe! durch seine
Handfallenstange im Weichenbock festgelegt
Abb. 15,. V\.,.MUia.iiii.... I .iMs;\..ir..;,,,.i-i, o^, l :..,.. i^i... Vi „,
ist, wird das keilförmige Kuppelstück (Taf. V,
Abb. 12) durch die an ihm anliegende schräge
Fläche der Seilscheibe unter Überwindung der
Kraft der Feder aus seiner Rast herausgehoben.
Die Seilscheibe löstsich,ohnedaßeineZerstörung
einzelner Teile eintritt, vom Hebel. Dabei wird
eine rote Scheibe sichtbar, die anzeigt, daß die
Weiche aufgefahren ist.
Zu den unter I a aufgeführten allgemeinen
Anforderungen, denen die Weichenstellvor-
richtungen entsprechen müssen, treten bei der
Verwendung des Doppeldrahtzugs noch be-
sondere Bedingungen — Reißbedingungen —
für den Fall des Drahtbruchs hinzu. Es sind
im wesentlichen folgende:
1. Bei Drahtbruch soll der Weichenhebel
ausscheren;
2. die Weiche soll in diesem Fall in einer
Endlage festgehalten werden.
Die erste Forderung wird durch das in die
Stelleitung eingeschaltete Spannwerk (s. d.)
erreicht, das bei Drahtbruch die Seilscheibe
des Hebels verdreht und sie wie beim Auf-
fahren der Weiche vom Hebel löst.
Zur Festhaltung der Weiche in einer End-
lage bei Drahtbruch entsprechend der zweiten
Forderung sind die Weichenantriebe mit Fang-
vorrichtungen (Drahtbruchsperren) versehen.
Sie beruhen im allgemeinen darauf, daß unter
Federwirkung stehende Sperrhebel bei den im
gewöhnlichen Betrieb vorkommenden Span-
nungsverhältnissen in der Stelleitung an einem
festen Anschlag vorbeigehen. Bei dem Span-
nungsunterschied, der bei Bruch der Stelleitung
auftritt, stellen sich die Sperrhebel durch die
nun voll auf sie wirkende Federkraft so ein,
daß sie an dem Anschlag sich anlegen und
die Umstellung der Weiche verhindern. Abb. 1 59
zeigt einen Antrieb mit in Wirksamkeit ge-
tretener Fangvorrichtung.
II. Signalstellwerke.
a) Allgemeines. Zum Um-
stellen von Signalen dienen Hebel
oder Kurbeln. Es werden damit
Maupt- und Vorsignale, Gleissperr-
signale, Haltscheiben und Halt-
tafeln gestellt. Haupt- und Vor-
signale werden entweder gemein-
sam mit einer Stellvorrichtung
(Hebel oder Kurbel) bewegt, oder
jedes der beiden Signale hat seine
eigene Stellvorrichtung.
Die Übertragung der Kurbel-
oder Hebelbewegung auf die
Signalflügel, Signalscheiben und
,.,„.,, getreten. Signalkasteu geschieht durch den
Signalantrieb und den zwi-
schen diesem und der Kurbel oder dem Hebel
eingeschalteten Signaldrahtzug.
Die Antriebsvorrichtung an den Signalen soll
sowohl für die Fahr- wie auch für die Halt-
(Warn-) Stellung zwangsweise wirken. Bei einem
Bruch in der Signalleitung soll in keinem Fall
ein gefährliches Signalbild entstehen. Haupt-
signale sollen bei Drahtbruch in die Halt-
stellung gebracht oder in ihr festgehalten werden ;
Vorsignale sollen in die Warnstellung gelangen
oder sie behalten. Bei Haupt- und Vorsignalen,
die mit einem gemeinsamen Hebel gestellt
werden, wird es jedoch als zulässig angesehen,
wenn bei einem Drahtbruch, der zwischen
Haupt- und Vorsignal während der Fahrstellung
des Signals eintritt, nur das Vorsignal die
Warnstellung einnimmt, das Hauptsignal aber
die Fahrstellung behält.
bj Signalhebel. Der Signalhebel ist wie
der Weichenhebel in einem Bock gelagert, der
auf der Hebelbank befestigt ist. In der Grund-
stellung steht auch dieser Hebel meistens nach
Verlac von Urban & Schwarzenberi
Eniyklngiädtc df« ElicnbahliVKeiis. 2 And. IX
Stellwerke.
^ Abb „. D„b,„^,Ub„„.b,, ..,..B,„b, H.»,„„.™. ^,, „ „,,„j„,j,^,, „-„ D„„„„,„i,„„^,„
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Abb. H, VX'cichenanltieb für Diahllciliiin;iii
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Abb Ui. bii-iialkutbi-l.
Abb. 17. SiiiuaUkllwcck
Enzyklopädie des Eiscnbahnw
Tafel VI.
Abb. 1. Kurbel«
Verlag von Urban & Schwarzenberj
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, 2 Aufl. IX.
Stellwerke.
Tafel VI.
Abb. 1. Kurbelwerk einer Blncksk-Üe
Abb. 2. Signalantrieb Stellrinne bei .Hall" und „Fahrt frei".
Abb. 4.
erlag von Urban & Schwarzenberg in Berlin u. Vt'ii
Abb. 3-7. Signalantrieb. Preußische Einheilsform,
Stellwerke.
167
oben unter etwa 30" gegen die Senkrechte nach
hinten geneigt. Um das Signal auf Fahrt zu
stellen, wird der Hebel um etwa ISO" um-
gelegt. Abweichend hiervon ist der Signalhebel
der Bauart Siemens & Halske in der Grund-
stellung schräg nach unten gerichtet und macht
heim Umlegen nur einen Weg von etwa 145°.
Der Signalumschlaghebel, der früher vielfach
zum Stellen zweiflügeliger oder zweier einflüge-
liger Signale verwendet wurde, steht in der
Grundstellung senkrecht; er wird nach vorne
oder nach hinten um etwa 145° umgelegt.
Der Signalhebel ist im aligemeinen mit der
Seilscheibe fest verbunden. In den beiden End-
stellungen wird er durch die Handfallenstange
ebenso wie der Weichenhebel in je einem
Einschnitt des Hebelbocks festgehalten.
Taf. V, Abb. 17 zeigt einen solchen Signal-
hebel in Verbindung mit dem Signal. Im
Obergeschoß des Stellwerkturms befindet sich
der Signalhebel a. Von ihm führt der Signal-
drahtzug zum Antrieb c des Hauptsignals. In
diese Leitung ist im Untergeschoß des Turmes
das Spannwerk b eingeschaltet.
c) Signalkurbel. Die Signalkurbel ist in
einem Kurbelbock gelagert, der freistehend oder
an der Wand des Stellwerkraums befestigt ver-
wendet wird. In der Grundstellung hängt die
Kurbel senkrecht abwärts. In dieser Stellung
wird sie durch eine Feder in einer Rast fest-
gehalten. Auf der Kurbelachse sitzt die Seil-
rolle, an die der Drahtzug angebunden ist.
Zum Stellen des Signals wird die Kurbel
meistens um 360° bewegt, so daß die um-
gelegte Kurbel in ihrer Lage mit der Grund-
stellung übereinstimmt.
Durch einen über der Kurbel angebrachten
Zeiger wird dann kenntlich gemacht, ob die
Kurbel sich in der Grundstellung befindet oder
umgelegt ist. Bei einigen Bauarten ist zur
Signalstellung nur ein Umlegen der Kurbel
um etwa 300° erforderlich, so daß die Grund-
stellung und die Stellung der umgelegten
Kurbel sich durch die Lage der Kurbel ohne-
weiteres unterscheiden. Auch die umgelegte
Kurbel wird durch eine unter Federdruck
stehende Einklinkvorrichtung festgehalten.
Taf. V, Abb. 16 zeigt eine einfache Signal-
kurbel, a ist die zur Festhaltung der Kurbel in
ihrer Rast dienende Feder. Die Seilrolle b greift
mit dem Zapfen c in das Schaltrad d ein und
bewegt damit den auf derselben Achse sitzenden
Zeiger e nach rechts oder nach links. Von der
Seilrolle geht der Drahtzug über die am Fuß
des Ständers gelagerte Rolle/ nach dem Signal.
Durch Umlegen der Kurbel nach der einen
oder nach der andern Seite können auf den
Drahtzug 2 voneinander verschiedene Be-
wegungen übertragen werden. Mit einer Signal-
kurbel kann man daher sowohl ein einflügeliges
Signal wie auch ein zweiflügeliges oder 2 gekup-
pelte Signale stellen. Mehrere solcher einfachen
Kurbeln können zu einem Kurbelwerk ver-
einigt sein. Am häufigsten finden sich solche
Kurbelwerke mit 2 Kurbeln auf den Strecken-
blockstellen.
Taf. VI, Abb. 1 zeigt ein solches Werk.
Dabei haben Kurbeln Verwendung gefunden,
bei denen die umgelegte Kurbel eine von der
Grundstellung abweichende Lage hat.
d) Signaldrahtzug. Zur Übertragung der
Bewegung des Signalhebels auf den Signalan-
trieb wurde früher der einfache Signaldraht-
zug verwendet. Jetzt ist dafür allgemein eine
geschlossene Doppelleitung zwischen der Stell-
rolle am Signalhebel und einer Endrolle am
Signalantrieb - der Doppeldrahtzug — in
Gebrauch. Für die Signalleitung wird im all-
gemeinen 4 mm starker Stahldraht verwendet.
Der beim Umstellen des Signalhebels auf den
Drahtzug übertragene Weg wird bei neueren
Ausführungen auf 500 mm bemessen.
Wird der Hebel aus der Grundstellung um-
gelegt (Taf. VII, Abb. 1 2), so wird der eine Zweig
der Leitung als Zugdraht nach einer Richtung,
der andere Zweig als Nachlaßdraht nach der
entgegengesetzten Richtung hin bewegt. Dabei
wird die Endrolle gedreht und das Signal auf
Fahrt gestellt. Beim Zurücklegen des Signalhebels
wird der frühere Nachlaßdraht zum Zugdraht
und macht den Weg, den er beim Umlegen
des Hebels gegangen ist, wieder zurück. Die
hierbei in die Anfangsstellung zurückbewegte
Endrolle bringt den Signalflügel von Fahrt
wieder auf Halt.
Wird der Signalhebel nicht nur nach einer
Seite, wie in Taf. VII, Abb. 12, sondern wie
beim Signalumschlaghebel auch nach der
andern Seite umgelegt - Taf. VII, Abb. !2a -,
so wird einmal der obere, das andere Mal
der untere Zweig der Doppelleitung Zugdraht.
Die Endrolle wird dabei einmal um 90°
nach der einen und das andere Mal um 90°
nach der andern Richtung bewegt. Jede dieser
Bewegungen kann zum Stellen eines Signal-
flügels ausgenützt werden. Der Signalumschlag-
hebel wurde in dieser Weise früher vielfach
zum Stellen zweiflügeliger Signale verwendet.
Jetzt wird dazu meistens der sog. Doppel-
hebel (Doppelsteller) benutzt, bei dem in einen
Doppeldrahtzug 2 Hebel nach Taf.Vll, Abb. 1 1
eingeschaltet sind. Wird Hebel I in der Pfeil-
richtung umgelegt, so wird der untere Zweig
der Doppelleitung Zugdraht und die Endrolle
dreht sich in der Richtung des einfachen Pfeiles,
wird Hebel 11 umgelegt, so wird der obere
168
Stellwerke.
Leitungszweig Zugdraht und die Endrolle in
der Richtung des Doppelpfeils gedreht. In dem
einen Fall erscheint das einflügelige, in dem
andern das zweiflügelige Signal. Mit einem
solchen Doppelhebel kann man auch 2 ein-
flügelige Signale, z. B. 2 nebeneinander stehende
Ausfahrsignale stellen.
Zum Stellen eines dreiflügeligen Signals sind
2 Doppeldrahtzüge erforderlich. In den zweiten
Drahtzug wird ein sog. Kuppelhebel ein-
geschaltet, bei dessen Umlegen der dritte Signal-
flügel mit dem zweiten gekuppelt wird. Die
Stellung aller 3 Flügel auf Fahrt und Halt
geschieht durch Umlegen und Zurücklegen
des Hebels für den zweiten Flügel.
Die zum Ausgleich der Längenänderungen
in den Doppeldrahtzügen dienenden Spann-
werke (s. d.) müssen bei den Signaldrahtzügen
auch die Forderung erfüllen, daß beim Reißen
des Drahtes an beliebiger Stelle kein gefährliches
Signalbild erscheinen darf. Dies wird dadurch
erreicht, daß bei Drahtbruch das Spannwerk
den heil gebliebenen Draht nachzieht und den
Signalantrieb so beeinflußt, daß der Signalflügel,
wenn er »Halt" zeigt, in dieser Stellung fest-
gelegt und, wenn der Flügel „Fahrt frei" zeigt,
in die Haltstellung gebracht wird.
Der Signalantrieb besteht meistens aus
einer in den Signaldrahtzug eingeschalteten
Endrolle, die mit einer angegossenen Rille ver-
sehen ist. In der Rille läuft ein Röllchen,
das mit dem einen Ende eines Winkelhebels
oder eines einfachen Hebels verbunden ist und
die Bewegung der Endrolle auf den Hebel und
damit auf den Signalflügel oder die Signalscheibe
überträgt.
Die der Endrolle angegossene Rille — die
sog. S t e 1 1 r i n n e — ist aus mehreren verschieden-
artig geformten Teilen zusammengesetzt. Ein-
zelne Teile der Rinne sind nach einem aus
dem Mittelpunkt der Endrolle beschriebenen
Kreisbogen geformt, andere sind in anderer
Weise gebildet. Solange das Röllchen sich in
den kreisförmigen Rinnenteilen bewegt, wird
beim Drehen der Endrolle eine Bewegung auf
den Winkelhebel und auf das Signal nicht über-
tragen — Leerweg. Tritt das Röllchen bei
der Drehung der Endrolle aber in die anderen
Rinnenteile, so wird der Winkelhebel nach oben
oder nach unten bewegt und dadurch der Signal-
flügel oder die Signalscheibe aus einer Lage
in die andere gebracht - Stellweg. Taf. VI,
Abb. 2 zeigt die Stellung eines solchen Antriebs
bei Fahrt- und Haltstellung eines zweiflüge-
ligen Signals.
Wird mit einem Hebel gleichzeitig ein Haupt-
signal und ein Vorsignal gestellt, so befindet
sich am Hauptsignal ein Durchgangsantrieb und
am Vorsignal ein Endantrieb. Der Durchgangs-
antrieb wird verschieden ausgebildet. Viel ver-
wendet wurde früher der sog. Scherenhebel-
antrieb, neuerdings sind Rollenantriebe fast all-
gemein üblich (s. auch Vorsignale). Taf. VI,
Abb. 3 — 7 zeigt den Signalantrieb der Einheits-
form der preußischen Staatsbahnen.
III. Weichen- und Signalstellwerke.
In den Weichen- und Signalstellwerken sind
Weichen- und Signalhebel vereinigt. Zwischen
diesen Hebeln wird eine Abhängigkeit her-
gestellt, die erzwingt, daß ein Signal für eine
Zugfahrt nur gezogen werden kann, wenn
1. alle Weichenhebel die für diese Fahrt
vorgeschriebene Stellung einnehmen und
2. die Hebel der feindlichen Signale, d. h.
der Signale für Fahrten, die die beabsichtigte
Fahrt kreuzen oder mit ihr zusammenlaufen,
in der Haltstellung festgelegt sind.
Diese Abhängigkeit zwischen den Hebeln eines
S. wird fast immer durch einen Fahrstraßen-
hebel (-Schieber oder -knebel) hergestellt.
Die Fahrstraßenhebel bewegen in einem
Kasten - dem Verschlußkasten — gelagerte
Fahrstraßenschubstangen in der Weise,
daß z. B. die Schubstange nach rechts geht,
wenn der Fahrstraßenhebel aus der Grund-
stellung nach oben gelegt wird, während die
Schubstange nach links geht, wenn der Fahr-
straßenhebel aus der Grundstellung nach unten
gelegt wird. Auf diesen Schubstangen sind
verschiedenartig geformte Verschlußstücke be-
festigt. Senkrecht zu den Fahrstraßenschub-
stangen liegen mit der Handfalle der Weichen-
hebel in Verbindung stehende Balken - Ver-
schlußbalken ~ , die 3 verschiedene Stellungen
einnehmen können. Eine davon (Taf. VII, Abb. 1 )
entspricht der Grundstellung des Weichen-
hebels, eine (Taf. VII, Abb. 2 u. 3) seiner
Mittelstellung und eine (Taf.VII, Abb.4) zeigt den
umgelegten Hebel. Steht der Weichenhebel in
Mittelstellung, so läßt sich die Fahrstraßen-
schubstange weder nach rechts, noch nach
links bewegen, weil ihre zu beiden Seiten des
Verschlußbalkens sitzenden Verschlußstücke
sich gegen den Verschlußbalken legen. Befindet
sich der Weichenhebel in der Grundstellung
(Taf. VII, Abb. 1), so ist die Bewegung
der Fahrstraßenschubstange nach links nicht
möglich, da das rechts vom Verschlußbalken
auf ihr sitzende Verschlußstück dabei gegen
den Balken stößt. Wohl aber läßt sich die
Fahrstraßenschubstange nach rechts bewegen,
weil hierbei das links vom Balken befindliche
Verschlußstück sich unter den Balken schiebt.
Ist das geschehen, so läßt sich der Weichen-
hebel nicht mehr umlegen, weil die Handfalle
Entvklcipidit des Ei;riil)alinwiaens, 2, Aufl. IX,
Stellwerke.
Abb- 7. Spnnchiene.
ß;<Mt^KiU u dit<>]u^*ut»*t9t.
Signa/hebe/ Fahrsfrässenhebe/
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Abb. 10, Qeriegtltc Wekhe.
Iug(/r3^f
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NacMaßdraht Zu^efra/i/
Abb. 12. Wickungiweise des Düppcldr^bUiigs.
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NsdileMratif
^-"^^ ^^^-^^ Zu^draht ^ Nac/ifaßefra/if \\MiM
Abb, U. Doppclhebel im HoppeldrjliUue
Abb 12 J. Wirkungsweise des Doppeldr»hUugs bei dem Signalumschlagbebel.
Abb. 13. Weichen Verriegelung.
Verlag »an Urban ft Sehwanenbeig in Reilin u Vlicn
Stellwerke.
169
nicht ausgeklinkt werden kann. Bei umgelegtem
Weichenhebel (Taf. VII, Abb.4) hindert das links
vom Verschlußbalken sitzende Verschlußstück
die Bewegung der Fahrstraßenschubstange nach
rechts, dagegen ist die Verschiebung nach links
möglich. Bei dieser schiebt sich das rechts
vom Verschlußbalken befindliche, hakenförmig
gestaltete Stück über den Verschlußbalken. Das
Ausklinken der Handfalle des Weichenhebels
und das Zurücklegen des Hebels in die Grund-
stellung ist nun verhindert.
Durch Bewegen der Fahrstraßenschubstange
nach rechts oder nach links läßt sich also der
Weichenhebel in jeder seiner beiden End-
stellungen festlegen. Der umgelegte Fahrstraßen-
hebel verschließt auf diese Weise die Hebel
der in einer bestimmten Fahrstraße liegenden
Weichen und der dazugehörigen Schutzweichen.
Solange der Fahrstraßenhebel nicht umgelegt
ist, verhindert ein auf der Fahrstraßenschub-
stange sitzendes Verschlußstück das Umlegen
des Signalhebels für die durch den Fahrstraßen-
hebel festzulegende Fahrstraße. Der umgelegte
Fahrstraßenhebel gibt den zugehörigen Signal-
hebel frei und durch das Umlegen des Signal-
hebels wird endlich der umgelegte Fahrstraßen-
hebel verschlossen (Taf. VII, Abb. 5).
Neben der vorbeschriebenen Form der Ver-
schlußvorrichtungen ist besonders auf den süd-
deutschen, schweizerischen und österreichischen
Bahnen vielfach das sog. senkrechte Ver-
schlußregister in Gebrauch. Die Verschlußvor-
richtung liegt dabei vor den Hebeln. Die Fahr-
straßenschubstangen sind senkrecht unter-
einander angeordnet. Beim Umlegen des Fahr-
straßenhebels werden sie nach rechts oder
links verschoben. Mit den Weichen- und Signal-
hebeln sind Verschlußriegel verbunden, die
sich beim Andrücken der Handfalle senken
und beim Loslassen der Handfalle heben. Die
Abhängigkeit zwischen den Fahrstraßenhebeln
und den Weichen- und Signalhebeln wird
durch viereckige Verschlußknöpfe hergestellt, die
in die Verschlußriegel eingeschraubt sind und
in Einschnitte der Fahrstraßenschubstangen
eingreifen. Taf. VII, Abb. 6 zeigt ein solches
Verschlußregister.
Die in der beschriebenen Weise hergestellte
Abhängigkeit zwischen der Weichen- und Signal-
stellung ist in zweifacher Beziehung eine be-
grenzte, u. zw.
1. insofern, als die Abhängigkeit nur zwischen
den Weichen- und Signalhebeln besteht, nicht
aber zwischen den Weichenzungen einerseits
und den Signalflügeln oder -Scheiben ander-
seits und
2. insofern, als mit dem Zurücklegen des
Signalhebels ohne weiteres das Umlegen des
Fahrstraßenhebels und der Weichenhebel möglich
wird.
Solange die Stellvorrichtungen der Weichen
und Signale in Ordnung sind und die Bewegung
einzelner Teile nicht in unbeabsichtigter Weise
behindert wird, genügt die Abhängigkeit zwischen
den Stellhebeln. Würde aber z. B. an einer
Weiche die Verbindungsstange der Haken-
schlösser gebrochen sein oder der Bolzen, der
die Verbindungsstange an die Haken anschließt,
fehlen, so könnte der Weichenhebel sich in
der richtigen Lage befinden und das Signal
gezogen werden, obwohl eine Weichenzunge
unrichtig liegt. Ein gegen die Spitze einer
solchen Weiche fahrender Zug würde entgleisen.
Zum Schutz gegen solche Betriebsgefahren
dient der Kontrollriegel, der vor der Signal-
stellung die richtige Lage beider Zungen vom
Signal abhängiger, spitzbefahrener Weichen über-
prüft und die Bewegung der Zungen verhindert,
solange das Signal auf Fahrt steht.
Der Kontrollriegel ist ein Riegel (s. d.) mit
doppelten Riegelstangen. Er wird entweder in
die Signalleitung eingeschaltet und dann durch
den Signal- oder Kuppelhebel mit bewegt oder
er liegt in einer besonderen Doppelleitung und
wird dann durch einen Riegelhebel gestellt.
Zur Sicherung der Zugfahrten bei vorzeitigem
Zurücklegen der Signalhebel dienen Einzel-
sicherungen, u.zw. Sperrschienen und Zeit-
verschlüsse, sowie die elektrische Fahrstraßen-
festlegung (s. unter VII).
Sperrschienen sind — in der Regel an der
Außenkante der Fahrschiene — vor der Weiche
angebrachte bewegliche Flach- oder Winkel-
eisen, die beim Umstellen der Weiche nach
oben oder seitlich ausschwingen. Ist das Gleis-
stück vor der Weiche mit einem Fahrzeug
besetzt, so stößt beim Versuch, den Weichen-
hebel umzulegen, die Sperrschiene gegen die
Radkränze und hindert das Umstellen der
Weiche. Taf. VII, Abb. 7 zeigt die Sperr-
schiene der Einheitsform der preußischen
Staatsbahnen. Sie schwingt in lotrechter Ebene
aus, wenn der Weichenhebel umgelegt wird.
Der Zeitverschluß (Taf. VII, Abb. 8) besteht aus
einem zweiarmigen Hebel, der an dem einen Ende
einen neben der Fahrschiene liegenden, sie um
12—15 mm überragenden Taster a trägt. Die
über die Fahrschiene rollenden Räder drücken
den Taster nieder. Dabei hebt sich der andere
Arm b. des zweiarmigen Hebels und hindert die
Bewegung des mit der Weiche verbundenen
Riegelkopfes c. Solange der Taster a tief und
der Hebelarm b hoch steht, kann daher die
Weiche nicht umgestellt werden. Durch eine
aus einem Luftkessel mit Ventil bestehende
Verzögerungseinrichtung wird erreicht, daß
170
Stellwerke.
der von einem Rad niedergedrückte Hebel
erst nach etwa 15 Sekunden seine Anfangs-
stellung wieder einnimmt. Es ist dann auch bei
langsam fahrenden Zügen die Sicherheit vor-
handen, daß ein zweites Rad den Taster berührt,
ehe die durch das vorhergehende Rad bewirkte
Sperrung aufgehoben ist.
IV. Zustimmungsstellwerke.
Zustimmungsstellwerke sind Weichenstell-
werke, deren Weichenhebel in einer bestimmten
Weise festgelegt sein müssen, bevor in einem
davon getrennten Signalstellwerk die Signale
gezogen werden können. Die Festlegung der
Weichenhebel in dem ZustimmungsstelKverk
geschieht durch Fahrstraßenhebe!, die Fest-
legung der Fahrstraßenhebel durch ein Block-
feld — das Zustimmungsabgabefeld. Mit dem Zu-
stimmungsabgabefeld im Zustimmungsstellwerk
steht ein zweites Blockfeld - das Zustimmungs-
empfangfeld - in einem andern S. in Wechsel-
wirkung. In der Grundstellung ist das Zu-
stimmungsabgabefeld entblockt und die Weichen-
hebel sind frei. Im geblockten Zustand
verschließt das Zustimmungsabgabefeld die
Weichenhebel, von deren Stellung die Signal-
gebung an anderer Stelle abhängig ist. Statt
der Stellhebel ferngestellter Weichen können
durch ein Zustimmungsstellwerk auch Riegel-
hebel von Handweichen festgelegt werden. Das
in Grundstellung geblockte Zustimmungsemp-
fangsfeld x'erschließt den Fahrstraßenhebel
und hierdurch den zu dieser Fahrstraße gehörigen
Signalhebel. Das entblockte Zustimmungsemp-
fangsfeld gibt diesen Fahrstraßenhebel frei.
V. Riegel werke
dienen dazu, Handweichen, Handgleissperren,
Drehbrücken u. dgl. festzulegen und von deren
richtiger Stellung die an anderer Stelle er-
folgende Signalgebung abhängig zu machen.
Die Festlegung der Weichen, der Gleissperren
oder der Drehbrücken erfolgt durch Riegel
(s. d.), die durch besondere Riegelhebel bewegt
werden. Die Festlegung der Riegelhebel
geschieht durch Fahrstraßenhebel und deren
Festlegung durch Blockfelder oder Schlüssel,
die nach Verschließen des Fahrstraßenhebels
den Signalhebel frei geben.
Die Riegel werden durch Hebel oder Kurbeln
gestellt. Soll eine Weiche nur in einer Stellung
geriegelt werden, so wird ein Weichenhebel
als Riegelhebel verwendet. Zur Riegelung
einer Weiche in beiden Endstellungen dient
eine Riegelkurbel für 2 Bewegungen oder ein
Riegeldoppelhebel, der aus 2 einfachen Hebeln
besteht, die in einem Doppeldrahtzug liegen.
Durch eine und dieselbe Riegelleitung können
auch mehrere Riegel gestellt werden. Die Riegel-
kurbeln unterscheiden sich von den Signal-
kurbeln (s.d.) dadurch, daß sie mit einer Draht-
bruchsperre ausgerüstet sind, die bei Draht-
bruch in der Riegelleitung das Umlegen oder
Zurücklegen der Kurbel unmöglich macht. Das
Signal kann also nur bei ordnungsmäßigem
Zustand der Riegelanlage auf Fahrt gestellt
werden.
Taf. Vll, Abb. 9 zeigt ein Riegelwerk mit
Kurbeln. Über jeder Kurbel befinden sich im
Gehäuse 2 Ausschnitte, hinter denen eine
Scheibe sich bewegt, die durch rote oder
weiße Farbe die Stellung der Kurbel anzeigt.
Rote Farbe bedeutet Grundstellung der Kurbel,
weiße Farbe die Stellung, bei der die Weichen
geriegelt sind. Über der Kurbel sind Fahr-
straßenschieber gelagert, die Verschlußstücke
tragen. Mit der Kurbel sind Schaltscheiben
verbunden, die in der Grundstellung die
Fahrstraßenschieber sperren.
Der Zusammenhang zwischen dem Riegel-
werk und den Weichen ist aus Taf. VI , Abb. 1 3
ersichtlich. Taf. VII, Abb. 10 zeigt die Anlage
bei geriegelter Weiche. Der Riegelschieber ist
dabei wie beim Kontrollriegel doppelt, so daß
beide Weichenzungen festgehalten werden. Zur
Schaffung einer Abhängigkeit zwischen hand-
gestellten Weichen und Signalen wird jedoch
in vielen Fällen auch ein einfacher Riegel
verwendet.
VI. Schlüsselsicherungen.
Weichen und Gleissperren werden vielfach
auch durch Handschlösser gesichert. Die
Schlösser sollen so eingerichtet sein, daß sich
der Schlüssel erst aus dem Schloß entfernen
läßt, wenn die Weiche oder Gleissperre in der
richtigen Lage verschlossen ist.
Dabei kann auch die Signalgebung von dem
richtigen Verschluß der Weichen oder Gleis-
sperren abhängig gemacht werden, indem der
aus dem Handschloß herausgezogene Schlüssel
benutzt wird, um den unter Verschluß liegenden
Signalhebel freizumachen. Der Signalhebel
kann unmittelbar durch ein Handschloß oder
mittelbar durch einen unter Blockverschluß
liegenden Fahrstraßenhebel verschlossen sein.
Der aus dem Weichenhandschloß heraus-
gezogene Schlüssel wird in das S. oder Block-
werk gesteckt und gibt, nachdem er umgedreht
ist, den Signalhebel frei oder er macht das
zum Freigeben des Signals dienende Blockfeld
bedienbar. Dieser Schlüssel kann erst wieder
aus dem S. oder Blockwerk herausgezogen
werden, wenn der Signalhebel zurückgelegt
oder das Blockfeld an der Freigabestelle
entblockt ist. Die Schlüssel solcher mit den
Stellwerke.
171
Signalen in Abhängigkeit stehender Hand-
schlösser stecken im S. oder Blockwerk, wenn
sie nicht benutzt werden. Die Schlüssel nicht
abhängiger Handschlösser sollen, wenn sie nicht
benutzt werden, an bestimmter Stelle eines
Schlüsselbretts so aufgehängt werden, daß der
bei selten umzustellenden Weichen und Gleis-
sperren sowie zur vorübergehenden Sicherung
von Weichen bei Störungen oder bei Bauaus-
führungen, bei denen Weichen zeitweilig vom
S. abgebunden werden oder die Abhängigkeit
zwischen Weichen und Signalen aufgehoben ist.
^
^
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® d) © ®
^A^
A^
b
. . i J
Abb. 160. Blocksperren.
Fahrdienstleiter mit einem Blick erkennen kann,
ob die Schlüssel der Weichen, die zu einer
Fahrstraße gehören, sich am Brett befinden.
Zu dem Zweck werden die Schlüsselgriffe so
ausgebildet, daß sie sich nur an der für sie
bestimmten Stelle aufhängen lassen.
Solche Schlüsselsicherungen werden ver-
wendet bei einfachen Betriebsverhältnissen zur
Herstellung von Abhängigkeiten zwischen den
Signalen und den Einfahrweichen, bei Gleis-
anschlüssen auf der freien Strecke, in Bahnhöfen
VII. Verbindung der S. mit der Stations-
und Streckenblockung.
Die Stationsblockung (s. auch Blockein-
richtungen, Bd. II, S. 414) soll die Zugfahrten
innerhalb der Stationen sichern. Zu diesem
Zweck werden die Weichen und Signale in
größerem oder geringerem Umfang durch
Blockfelder derart festgelegt, daß
a) die Hauptsignale nur unter Mitwirkung
des Fahrdienstleiters auf Fahrt gestellt werden
Stellwerke.
/ ^7
J[^
yzy.'//^ y,v///^y
»^-vmvwvn;
rTTTT^
'>^
Signal sc hubsf^nge
Fahrsfraßen =
schubs fangen
entblockt. geblockt.
Abb. 161. Fahrstraßenfestlcgesperre.
können und dabei die Fahrstellung feind-
licher Signale ausgeschlossen ist;
b) die Freigabe eines Fahrsignals von
der Zustimmung anderer bei der Zu-
lassung der Zugfahrt beteiligter Stellen
abhängig gemacht wird und
c) die in der Fahrstraße des Zuges lie-
genden und diese Fahrstraßen schützen-
den Weichen, Gleissperren u. s. w. auch
dann noch unter Verschluß gehalten
werden, \x'enn das Signal wieder auf
Halt gestellt ist
Zum Festlegen und Freigeben der
Signale (a) dienen Signalfelder (Signal-
festlege- und Signalfreigabefelder), zur
Abgabe einer Zustimmung (b) Zu-
stimmungsabgabefelder und zu ihrem
Empfang Zustimmungsempfangfelder,
zur Festlegung einer Fahrstraße (c) Falir-
straßenfestlegefelder und zu ihrer Auf-
lösung Fahrstraßenauflösefelder.
Die Streckenblockung (s. auch Block-
einrichtungen, Bd. II, S. 386) soll die
Zugfahrten außerhalb der Bahnhöfe von
Zugfolge- zu Zugfolgestelle sichern.
Nach Einfahrt eines Zuges in eine von
solchen Zugfolgestellen begrenzte Block-
strecke wird das Signal an ihrem An-
fang - Ausfahrsignal oder BlocksignaJ
— durch ein Blockfeld — Anfangfeld —
in der Haltstellung verschlossen. Dieses
Signal kann nur von der nächsten vor-
wärts gelegenen Zugfolgestelle durch
Bedienen eines Blockfeldes — des End-
feldes — wieder freigegeben werden.
Die Festlegung von Fahrstraßen oder
Signalen durch ein Blockfeld geschieht
dadurch, daß beim Blocken des Feldes
dessen Riegelstange nach unten gedrückt
und in dieser Lage elektrisch verschlossen
wird. Die Aufhebung dieses Verschlusses
- die Entblockung - erfolgt durch
Entsendung von Strom von einer Frei-
gabestelle oder infolge Befahren eines
Schienenstromschließers durch den Zug.
Die Riegelstangen wirken auf Block-
sperren, die sich unter dem Blockwerk
im Blockuntersatz befinden und mit den
Fahrstraßen- und Signalschubstangen in
Verbindung stehen.
Bei der Stationsblockung kommt die
Fahrstraßenhebelsperre und die
Fahrstraßenfestlegesperre vor.
Die Fahrstraßenhebelsperre findet sich
unter den Signalfestlegefeldern und Zu-
stimmungsabgabefeldern in S., die von
einer Befehlstelle abhängig sind, und
unter den Zustimmungsabgabefeldern in
Stellwerke.
173
Weichen-, Signal- und Zustimmungsstellwerken.
Auch unter Zustimmungsempfangfeldern und
Signaifreigabefeldern in Befehlsteilwerken
kommen sie vor.
Abb. 160 stellt ein S. mit solchen Sperren
dar. Unter den Signalfestlegefeldern A'^ und
A- und dem Zustimmungsabgabefeld b be-
findet sich je eine Fahrstraßenhebelsperre. Die
Signalfelder A'^ und A- sind geblockt, ihre
Stellung: Ai
entblockt Signal gestellt
Abb. 162. Anfangsperre.
geblockt
Riegelstangen stehen tief. Das Zustimmungs-
feld b ist entblockt, seine Riegelstange steht
hoch. Bei dem entblockten Zustimmungsfeld
liegt der Verschlußhaken 12 über der Verschluß-
scheibe 11. Wird der Fahrstraßenhebel b nach
oben umgelegt, so wird durch die Winkelüber-
tragung 314 die Fahrstraßenschubstange 7 nach
rechts bewegt. Dabei dreht das Triebstück 8
die Verschlußscheibe // linksläufig. Wird das
Feld b geblockt, so drückt die Riegelstange den
Verschiußhaken 12 nach unten und hält ihn
in der tiefen Lage fest. Der umgelegte Fahr-
straßenhebel b kann nun nicht mehr zurück-
gelegt werden.
Der Fahrstraßenhebel ö| - liegt in Grund-
stellung fest, da die geblockten Signalfelder
A'^ und /l" die Verschlußhaken in ihrer Tief-
lage festhalten und hierdurch eine Drehung
der Verschlußscheibe verhindern. Erst wenn A'^
oder A- entblockt ist, läßt sich der Fahrstraßen-
hebel nach oben oder nach unten bewegen.
Die Fahrstraßenfestlegesperre findet
sich unter den Fahrstraßenfestlegefeldern, die
Stellung: A?
entblockt Signal gestellt geblockt
Abb. 163. Endsperre mit Signalverschluß.
als Wechselstromblockfelder oder als Gleich-
stromblockfelder ausgeführt werden. Die ge-
blockten Wechselstrom -Festlegefelder werden
durch einen Beamten entblockt, der beurteilen
kann, ob der Zug die zu sichernden Weichen
sämtlich durchfahren hat oder zum Halten ge-
kommen ist. Das Gleichstrom-Festlegefeld wird
in der Regel durch den fahrenden Zug selbst
entblockt. Hierzu dient ein Schienenstrom-
schließer in Verbindung mit einer isolierten
Schiene, wobei die letzte Achse des Zuges die
Entblockung bewirkt. Abb. 161 zeigt eine Fahr-
straßenfestlegesperre bei entblocktem und bei
geblocktem Feld.
174
Stellwerke. - Stellwerkhaus.
Bei der Streckenblockung 2gleisiger Bahnen
werden verwendet:
die mechanische Tastensperre mit Signai-
verschluß und die Wiederholungssperre als
Anfangsperre unter dem Anfangfeld;
die mechanische Tastensperre mit Signal-
verschluß unter dem Signalverschlußfeld der
abhängigen S. (Wärterstellwerke) als Endsperre;
die mechanische Tastensperre ohne Signal-
verschluß unter dem Endfeld bei Befehlstell-
werken als Endsperre;
die mechanische Tastensperre mit Signal-
verschluß unter dem Anfangfeld als gemein-
schaftliche Sperre für das Anfang- und End-
feld bei Blockstellen auf freier Strecke.
Abb. 162 u. 163 zeigen die beiden zuerst
genannten Sperren. Abb. 162 ist die Anfang-
sperre, Abb. 163 die Endsperre.
Bei der Anfangsperre wird durch die mechani-
sche Tastensperre verhindert, daß das Block-
feld bedient wird, bevor der zugehörige Signal-
hebel umgelegt und wieder zurückgelegt ist.
Der Signalverschluß legt beim Blocken des
Anfangfeides die Signalhebel fest, so daß sie
nur durch Blockbedienung von der nächsten
vorwärts gelegenen Zugfolgestelle wieder frei
gemacht werden können. Die Wiederholungs-
sperre hält den in die Grundstellung zurück-
gelegten Signalhebel und die Hebel aller übrigen
auf dasselbe Streckengleis weisenden Ausfahr-
signale so lange fest, bis das Anfangfeld geblockt
und der Signalverschluß eingetreten ist. Dieser
Verschluß des Signalhebels wird durch Ent-
blocken des Anfangfeldes von der vorwärts
gelegenen Zugfoigestelle wieder aufgehoben.
Bei der Endsperre wird durch die mechani-
sche Tastensperre ebenso wie bei der Anfang-
sperre verhindert, daß das Blockfeld bedient
wird, bevor der zugehörige Signalhebel um-
gelegt und wieder zurückgelegt ist. Der Signal-
verschluß legt beim Blocken des Endfeldes den
Signalhebel fest. Dieser Verschluß bleibt be-
stehen, bis der Signalhebel durch Blocken des
Signalfestlegefeldes wieder unter Verschluß des
Fahrdienstleiters gelegt ist.
Bei der gememschaftlichen Sperre für das
Anfang- und Endfeld der Blockstellen auf
freier Strecke wirkt die mechanische Tasten-
sperre wie bei der vorerwähnten Anfang- und
Endsperre. DerSignalverschlußlegt beim Blocken
des Anfangfeldes den Signalhebel fest. Dieser
Verschluß wird durch Blocken des Endfeldes
auf der nächsten Zugfolgestelle wieder auf-
gehoben.
Auf den bayerischen Staatseisenbahnen sind
zwischen den Ein- und Ausfahrsignalen vielfach
noch besondere Abhängigkeiten vorhanden.
Dort wird die Fahrstellung des Einfahrsignals
mit dem zugehörigen Ausfahrsignal einer Fahrt-
richtung so in Zusammenhang gebracht, daß
das Einfahrsignal nicht auf Fahrt gezogen werden
kann, bevor nicht das Ausfahrsignal der Ein-
fahrstraße auf Halt gestellt ist (Haltabhängig-
keit). Ferner besteht zwischen den Einfahr-
und Ausfahrsignalen die Abhängigkeit, daß-
nach Zurücknahme einer Einfahrt zuerst die
Ausfahrt aus dem betreffenden Gleis gegeben
und wieder zurückgestellt sein muß, bevor für
das nämliche Gleis eine wiederholte Einfahrt
von derselben oder die Einfahrt von der ent-
gegengesetzten Seite freigegeben werden kann
(Belegtabhängigkeit). Das Ausfahrvorsignal
(Durchfahrsignal) kann nur dann in die Fahr-
stellung gebracht werden, wenn sowohl das
Einfahrsignal wie das Ausfahrsignal am Durch-
fahrgleis auf freie Fahrt gestellt ist (Durch-
fahrabhängigkeit).
Literatur: Kolle, Die Anwendung und der Be-
trieb von Stellwerken zur Sicherung von Weichen
und Signalen. Berlin 1888, Verlag von Ernst &
Korn. - Scholkmann, Signal- und Sicherungs-
anlagen. Eis. T. d. Q. Bd. II, 4. AbschniU. Wies-
baden 1904. C. W. Kreideis Verlag. - Scheibner,
Die mechanischen Sicherheitsstellwerke im Betrieb der
vereinigten preußisch -hessischen Staatseisenbahnen.
2 Bände. Berlin 1904 u. 1906; Mittel zur Sicherung
des Betriebs. Hb. d. Ing.W., 5.Teil, Bd.VI, Leipzig 1913,
Verlag von Wilhelm Engelmann. - Zeitschrift für
das gesamte Eisenbalinsicherungswesen, herausge-
geben im Verlag v. Dr. Artur Tetzlaff, Berlin, S. 42.
Hoogen.
Stellwerkhaus {signal cabin, signal box,
Signal tower; cabine de poste de manoeuvre;
cabina di manovra, cabina a comando centrale)
ist das zur Aufnahme des Hebelwerks der
Stellwerke dienende Gebäude. S. finden sich
auf den Bahnhöfen als End- oder Mittelstell-
werke und auf den Blockstellen der freien
Strecke. S., deren Fußboden nur wenig über
den Schienen liegt, heißen Stellwerkbuden.
Als Stellwerktürme werden S. bezeichnet, deren
Fußboden zur Erreichung einer guten Ober-
sicht höher gelegt ist, als die Unterbringung
der Spannwerke es erfordert.
Die S. der Bahnhöfe sollen möglichst im
Schwerpunkt der Weichenbezirke liegen, da-
mit alle Weichen gleichmäßig gut zu über-
sehen sind und die Stelleitungen möglichst
kurz werden. Rangierstellwerke an Ablaufbergen
werden jedoch meistens in der Nähe der ersten
Verteilungsweiche angeordnet. Bei mechanischen
Stellwerken ist im allgemeinen die Stellung
seitwärts von den Gleisen und mit ihrer Längs-
richtung gleichlaufend am zweckmäßigsten.
Kraftstell werke werden, da sie ein Untergeschoß
zur Aufnahme der Drahtzugleitimgen und
Spannwerke nicht erfordern, vielfach mit Vorteil
quer über die Gleise gestellt (Abb. 164).
stellwerkhaus.
17S
Das S. muß das Hebel-
werk und, wenn es nicht
ein Weichenstellwerk ist,
fast immer ein Blockwerk
aufnehmen, außerdem
nach Bedarf Morsewerke
und Fernsprecher.
Für jeden Weichen-
und Signalhebel ist ohne
den Überstand der Hebel-
bank an den Enden je nach
der Bauart 1 0 - 1 6 cot zu
rechnen. Am häufigsten
ist das Maß von 1 4 cm.
Die Blocktelder sind 10 c/«
von Mitte zu Mitte von-
einander entfernt. Die
Morsetische sind etwa
60 X 95 an groß. In
Preußen haben sie die
Abmessungen 62 X 94 cm.
Das Hebelwerk und
das Blockwerk sollen von
allen Seiten zugänglich
Abb I(i4. Quer iibt^i die Gleise gebleutes Kiattsteiiwerk.
sein. Bei mechanischen Stellwerken hat
der Wärter bei Bedienung des Stell-
werks seinen Platz meistens zwischen
dem Hebelwerk und der den Gleisen zu-
gewendeten Längsseite des S. Zwischen
Hebelwerk und dieser Wand wird
dann eine Entfernung von 1 -50 -2-00/«
zweckmäßig sein. Als ganze Tiefe des
Stellwerkraumsgenügen im allgemeinen
3 — 3'5/ff, bei sehr großen Stellwerken
geht man damit auf 3-5 - 4-0 m. Die
Länge richtet sich nach dem Hebel-
werk und dem Blockwerk. An der
einen Seite davon ist ein Durchgang
von etwa PO/«, an der andern Seite-
ein solcher von P5-2-0«; vorzu-
sehen. Als Grundform für die S. ergibt
sich hiernach in der Regel ein Recht-
eck. Bei Befehlstellwerken mit vielen
Morsewerken ist unter Umständen ein
Querbau in Verbindung mit einem
Längsbau zweckmäßig. Wo Stellwerke
zwischen den Gleisen errichtet werden
müssen, wird das Obergeschoß zu-
weilen ausgekragt.
Für die Höhenlage des Fußbodens
des Stellwerkraums ist einmal die
Forderung einer guten Übersicht über
den Stellwerkbezirk und zweitens der
Umstand maßgebend, daß bei mecha-
nischen Stellwerken die Spannwerke-
Abb. 165. Blockstelle.
176
Stellwerkhaus.
Abb. 166. Stellwerk. Erdgeschoß.
Abb. 167. Stellwerk. Obergeschoß mit Einrichtiingsgegenständen.
Abb. 168. Stellwerk mit zweckmäßiger Fensterausbildung
am zweckmäßigsten unter den Stell-
hebeln angeordnet werden.
Wenn bei Endstellwerken und Block-
stellen (Abb. 165) Wert darauf gelegt
werden muß, daß das Schlußsignal eines
im zweiten Gleis fahrenden Zuges auch
bei Zugkreuzungen beobachtet werden
kann, so muß der Fußboden etwa 4-0 in
über Schienenoberkante angeordnet
werden. Der Fußboden des Spannwerk-
raums liegt in der Regel etwas unter
Planumshöhe.
Der obere Raum des S. wird durch
eine außen oder innen liegende Treppe
zugängig gemacht. Außen liegende Treppen
werden zweckmäßig überdacht und auch
mit Seitenschutz versehen. Bei innen
liegenden Treppen ist darauf zu achten,
daß sie die Aussicht nach dem Stell-
xserkbezirk nicht beeinträchtigen. Die
früher häufig verwendeten eisernen Wen-
deltreppen sind nicht zweckmäßig.
Im Untergeschoß des S. wird ein
Teil von den Spannwerken eingenom-
men. Er soll von den übrigen Räumen
abgetrennt und nicht als Lagerraum
benutzt werden. Für Kohlen, Lampen
u. dgl. sind besondere Räume einzu-
richten (Abb. 166 u. 167). Auch der
Abort kann im Untergeschoß liegen;
vielfach wird er aber im oberen Stock-
werk neben der Treppe angeordnet.
Bei der baulichen
Ausführung ist darauf
Rücksicht zu nehmen,
daß das S. häufig schon
nach kurzer Frist wieder
beseitigt werden muß,
weil bei Bahnhofser-
weiterungen der Platz,
auf dem sie stehen, für
Gleiserweiterungen be-
nötigt wird. Ein massi-
ver Unterbau mit Fach-
werkaufbau, der, wo die
klimatischen Verhält-
nisse es erwünscht er-
scheinen lassen, mit
Holz oder Schiefer be-
kleidet wird, gibt im
allgemeinen die anspre-
chendste und zweck-
dienlichste Lösung.
Besondere Aufmerk-
samkeit ist der Ausbil-
dung der Fenster zuzu-
wenden. Es muß für
möglichst freie Aussicht
stellwerkhaus.
177
gesorgt, aber auch auf ge-
nügende und zweckmäßige
Wandflächen zur Anbrin-
gung von Fernsprechern und
Aufstellungvon Ausrflstungs-
gegenständen (Batterie-
schränke, Kleiderschränke)
Bedacht genommen werden.
Überflüssige Fensterflächen
erschweren die Erwärmung
des Stellwerkraums im
Winter. Fenstersprossen in
Augenhöhe des Wärters sind
zu vermeiden. Die Fenster
sind genügend weit nach
unten zu führen, wenn in
der Nähe des S. liegende
Gleise beobachtet werden
müssen. Die Oberkante der
Fenster ist nicht höher als
unbedingt erforderlich zu
legen, um blendendes Son-
nenlicht abzuhalten. Zum
Schutz gegen die Sonne ist
auch ein breiter Dachüber-
stand über den Fenstern
zweckmäßig.
Zur Verständigung des
Steliwerkwärters mit dem
Rangierpersonal sind in den
Fenstern Klappen oder kleine
Flügel anzubringen. Vielfach
werden auch zur Erleichte-
rung der Verständigung und
der Ausschau nach den Si-
gnalen Erkerausbauten und
Austritte angeordnet. In man-
chen Fällen sind auch
Brücken mit den S. verbun-
den, die über die Gleise hin-
weggehen und den Überblick
über einen größeren Bezirk
gestatten.
Die Abb. 166 u. 167
zeigen die Grundrisse eines
S. mit den Einrichtungs-
gegenständen. Der Fußbo-
den liegt 3'5 m über Schie-
nenoberkante. Abb. 169, 170
u. 171 stellen ein größeres
Stellwerk mit massivem Un-
terbau und Fachwerkaufbau
dar. Abb. 172 gibt ein Bild
von einer Blockstelle auf
der freien Strecke, Abb. 168
zeigt ein Stellwerk, bei dem
die zweckmäßige Ausbil-
dung der Fenster beachtens-
Enzyklopädie des Eisenbahnvresens. 2. Aufl. IX,
Sinan-nq
Gerate -;*■ -f-
i#-^
Abb. 171. Längenschnitt.
&G<
12
178
Stellwerkhaus. — Stempel.
wert ist. In Abb. 164 ist ein quer über
die Gleise gestelltes Kraftstellwerk dargestellt.
Abb. 172.
Das Innere eines größeren deutschen Stell-
werks aus neuerer Zeit zeigt .\bb. 173.
Besonderes Augenmerk muß der künstlichen
Beleuchtung der S. zugewandt werden. Einer-
seits ist eine gute Beleuchtung des ganzen
Stellwerks notwendig, damit die Stellwerk-
wärter rasch und sicher arbeiten können,
anderseits darf durch die Stellwerkbeleuch-
tung die Sichtbarkeit der Signale und der
Fahrstraßen, aus Gründen der Betriebssicher-
heit nicht beeinträchtigt werden, eine Forde-
rung, die bei den großen, gegen die Bahn
gerichteten Fenstern der S. schwer zu er-
füllen ist.
Auch die Stellwerkwärter können die Signale
nicht gut wahrnehmen, wenn das innere des
S. zu grell beleuchtet ist.
Man hat daher Versuche angestellt,''die Be-
leuchtung so einzurichten, daß das Licht des
S. nach außen abgeblendet erscheint und auf
jene Teile des Stellwerkinnern reflektiert wird,
die eine ausgiebige Beleuchtung erheischen.
Hoogen.
Stellwerkturm s. Stell werkhaus.
Stempel, Stampiglien, Vorrichtungen, mit
denen Aufdrucke in Worten, Ziffern und son-
stigen Schriftzeichen hergestellt werden. In einem
andern Sinn versteht man unter S. auch die
Abb. 173. Inneres eines Stellwerks.
Stempel. - Stephenson.
179
durch dieses Verfahren hergestellten Aufdrucke
selbst. Im Eisenbahnwesen finden S. vielfache
Verwendung, so zum Aufdruck der Firma
der Bahnverwaltung, des Titels der einzelnen
Dienststellen und zu verschiedenen amtlichen
Vermerken. Eine besonders häufige Verwen-
dung finden S. im Personen-, Gepäck- und
Güterabfertigungsdienst. Hier sind beispiels-
weise die S. zur Bestätigung der Fahrtunter-
brechungen auf Fahrausweisen und Fahrkarten
sowie der Tagesstempel zur Feststellung des
Datums des Fahrtantritts, ferner im Güterver-
kehr der Tages-, Annahme-, Ankunfts-, Über-
gangs-, Umlade-, Wäge-, Saldierungsstempel
u. s. w. zu nennen.
Zum Aufdruck der Zeitangaben enthalten
die S. entweder drehbare Letterrädchen, die
dauernd im S. eingebaut sind, oder sie sind
mit auswechselbaren Buchstaben und Ziffern
versehen. Bei letzterer Einrichtung setzt man
in eine Einspannvorrichtung die entsprechenden
Lettern oder Ziffern ein und klemmt sie mittels
einer Schraube fest.
Je nach der Art des Aufdrucks unterscheidet
man Trocken- oder Feucht- (Färb-) Stempel.
Bei ersteren erscheint der Aufdruck in ver-
tiefter oder erhöhter Schrift (Hochdruck-
stempel), bei letzteren in Farbe, die von einem
Farbkissen abgenommen wird. Außerdem finden
Durchlochungsstempel Anwendung. Bei diesen
wird der Vermerk durch Durchlochung ersicht-
lich. Letztere S. werden in der Regel da ver-
wendet, wo es sich um gleichzeitige Abstem-
pelung mehrerer Stücke handelt, z. B. Buch-
fahrkarten. Der Aufdruck erfolgt entweder von
Hand aus oder (meistens bei Hochdruckstem-
peln wie bei den Tagesstempeln für Kartonfahr-
karten) durch eine Kniehebelpresse.
Über die Verwendung einheitlicher S. sind
namentlich für den Abfertigungsdienst, Wagen-
dienst u. s. w. in Eisenbahnverbänden und
sonstigen Eisenbahnvereinigungen besondere
Abmachungen getroffen.
S. ist auch die Bezeichnung für eine wegen
ihrer leichten Handhabung beliebte Form
der Erhebung öffentlicher Abgaben. Die Ab-
gabe wird in der Weise erhoben, daß das
stempelpflichtige Schriftstück mit amtlichen
Wertzeichen (Stempelmarken) versehen oder
amtlich abgestempelt wird. Die Stempelmarken
müssen entwertet werden. Von besonderer
Wichtigkeit für die Eisenbahnen sind die
Stempel für abgeschlossene stempelpflichtige
Dienst-, Lieferungs- und sonstige Verträge, der
Fahrkarten- und Frachturkundenstempel (s.d.).
Die Höhe des S. richtet sich vielfach nach dem
Wert der stempelpflichtigen Urkunde (siehe
Steuerrecht).
Stephenson, George, der Hauplbegründer
des Eisenbahnwesens, geboren am S.Juni 1781
zu Wylam am Tyne unweit Newcastle (in der
englischen Grafschaft Northumberland), gestor-
ben am 12. August 1848 zu Tapton House bei
Chesterfield, war als zweites von 6 Kindern
eines armen Arbeiterpaares schon von Kindheit
an genötigt, für seinen Lebensunterhalt selbst
zu sorgen. S., der fast ohne jede Schul-
bildung heranwuchs, wurde Hirtenjunge, dann
Wärter bei einem Pferdegöpel und im M.Jahr-
Gehilfe eines Kesselheizers. In dieser Eigen-
schaft machte er sich durch besonderes Ge-
schick bemerkbar, so daß er im Alter von
17 Jahren Maschinenbursche zu Water-Row
wurde. Erst in seinem 15. Jahr besuchte S.
die Abendschule mehrerer Wanderlehrer, um
lesen und schreiben zu lernen, und beschäftigte
sich auch eifrig mit Mathematik. In seinem
20. Jahr wurde S. als Bremser bei der Dolly-
grube in Black Callerton angestellt.
1802 heiratete S. Fanny Henderson, die
Dienstmädchen bei seinem Brotherrn war, und
bezog am Willington-Quai, wohin S. als Ma-
schinenwärter versetzt worden war, ein gemie-
tetes Häuschen. Die freie Zeit verwendete S.
zur Verbesserung seiner Schulbildung. Daneben
beschäftigte er sich, seinem Talent für Me-
chanik folgend, mit Putzen und Ausbessern
von Uhren.
Am 16. Oktober 1803 wurde ihm ein Sohn,
Robert, geboren.
Gegen Ende des Jahres 1804 wurde S.,
u. zw. noch immer als Bremser und Maschi-
nenwärter, zum West-Moor-Kohlenwerk nach
Killingworth versetzt, der Wiege seines Ruhmes.
Er studierte verschiedene Werke über Me-
chanik, die ihm in die Hand kamen, und es
gelangen ihm auch mehrfache mechanische Ver-
besserungen (Wecker für Wächteruhren u. dgl.).
Bald nach dem 1806 erfolgten Tod seiner Frau
wurde S. Maschinenmeister in der Spinnerei
zu Montrose in Schottland, kehrte jedoch 1808
wieder nach Killingworth zurück. Er machte
sich jetzt durch mancherlei Verbesserungen
an den Maschinen bemerkbar und gelang ihm
insbesondere 1811 die Instandsetzung einer
alten Dampfmaschine, woran sich vorher Fach-
ingenieure vergeblich abgemüht hatten.
Diese Leistung wie auch verschiedene Ver-
besserungen an den Pumpen bewogen die
Pächter der Killingworther Bergwerke, S. 1812
als Maschinenmeister anzustellen. In seiner neuen
Stellung verbesserte er die selbsttätig wirkenden
schiefen Ebenen und führte dabei die Maschinen-
arbeit als Ersatz der Pferdeverwendung ein.
Bei den Arbeitern erfreute sich S. des
größten Ansehens, namentlich infolge seines
12*
180
Stephenson.
mutigen Vorgeliens bei einer Grubenkatastrophe
im Jahre 1814. Diese soll S. dazu angeregt
haben, auf Mittel zur Ab\xendung der Gefahren
durch schlagende VC'etter zu sinnen.
Unabhängig von dem berühmten Chemiker
Professor Davy und gleichzeitig mit diesem erfand
S. eine Sicherheitslampe für Grubenarbeiter, wo-
für er einen Preis von 1000 Ouineen erhielt.
S. wurde infolge seiner hervorragenden
Leistungen zum Direktor der in den Besitz
des Sir Ravensworth übergegangenen Kohlen-
bergwerke zu Killingworth ernannt. In dieser
Stellung machte er Versuche wegen Herstellung
einer fahrenden Dampfmaschine, wozu ihn die
Arbeiten seiner Vorgänger auf diesem Gebiet
angeregt hatten.
S., der Gelegenheit hatte, die Hedleyschen
Lokomotiven auf der Wylam-Kohlenbahn zu
sehen, erkannte sehr bald die Mängel, die dem
Dampfwagen anhafteten, und machte sich er-
bötig, eine bessere Bauart zu ersmnen. Ravens-
worth, in dessen Diensten S. stand, ging auf
dieses Anerbieten ein und baute S. 1814 seine
erste Lokomotive, die der Hedleyschen glich,
in der Leistung nicht an sie heranreichte, aber
in Einzelteilen einige Verbesserungen zeigte.
In den folgenden Jahren bis 1829 baute S. in
den Werkstätten von Killingworth, dann ab 1824
in der von ihm gegründeten Lokomotivfabrik in
Newcastle, zu deren Leiter sein Sohn R. Stephen-
son bestellt wurde, etwa 30 Lokomotiven, von
denen die Mehrzahl für die Kohlenbahnen der
Umgegend, die übrigen aber bereits fürs Aus-
land bestimmt waren.
1823 wurde S. Ingenieur der Stockton-Dar-
lington-Bahn.
Der Ruf, den sich S. beim Bau der Stockton-
Darlingtoner Eisenbahn erworben hatte, veran-
laßte 1826 die Liverpool-Manchester-Bahn, ihn
als obersten ausführenden Ingenieur zu berufen.
Bei dem bekannten Preisbewerb, der über
seinen Antrag \-on der Liverpool-Manchester-
Bahn für die beste und schnellste Lokomotive
ausgeschrieben war, trug S. Lokomotive „ Rocket"
den ersten Preis davon (s. Lokomotive). In
der Folge übertrug man den beiden S. den
Bau der nötigen Lokomotiven.
Mit den erhaltenen Geldmitteln erweiterten
sie die Lokomotivfabrik zu Newcastle am Tyne,
die lange Zeit für englische und ausländische
Eisenbahnen die Maschinen lieferte.
Der weitere Verlauf seines Lebens war ein
glanzvoller. Er wurde am Abend seines Lebens
der gesuchteste Ingenieur Europas. Auch von
auswärts wurde sein Rat häufig eingeholt. So
wurde ihm insbesondere vom König von Belgien
die Ausarbeitung eines Entwurfs des belgischen
Eisenbahnnetzes übertragen und erhielt er
ähnliche Aufgaben auch von der Schweiz und
von Spanien.
1840 zog er sich von den Geschäften zu-
rück, um den Rest seines Lebens der Land-
wirtschaft zu widmen. S. wurde auch Eigen-
tümer mehrerer Kohlenbergwerke und der
großen Eisenwerke von Clayross; er lebte in
den letzten Jahren auf seinem Landsitz Tapton
House bei Chesterfield. Seine Beisetzung er-
folgte in der Trinity Church zu Chesterfield.
In Newcastle am Tyne, der Stätte seines
langjährigen Wirkens, wurde S. noch zu Leb-
zeiten auf der von seinem Sohn erbauten
Brücke eine Statue gesetzt. Nach seinem Tode
wurden ihm Denkmäler in Liverpool und London
(Euston-Square- Station) errichtet, außerdem
in Newcastle im Jahre 1862. Die Memorial-Hall
in Chesterfield wurde ebenfalls zum Andenken
an S. gegründet und 1879 eröffnet. (Diese ent-
hält eine polytechnische Schule, eine Frei-
bibliothek für Handwerker und einen Saal für
öffentliche Vorträge.)
Literatur: Smiles, Lives of George and Robert
Stephenson, 8. Aufl., London 1868. — Smiles, The
life of George Stephenson. London 1884; Georg
Stephenson in seinem Leben und Wirken (aus den
Biographien berühmter Erfinder und Entdecker der
Neuzeit). Stuttgart 1860, 2. Aufl. - Perdonnet,
Leben Robert Stephensons. Ztg. d. VDEV. 1881,
S. 623; Österr. Eisenbahnztg. 1881, S. 301, 325, 32S
u. 375. Gölsdorff.
Stephenson, Robert, einziger Sohn des
vorigen, geboren am 16. Dezember 1803 zu
Wilmington-Gray, gestorben am 12. Oktober
1859 zu London, erhielt seine Ausbildung auf
der Hauptschule in Edinburgh, trat dann als
Lehrling in die Maschinenbauanstalt seines
Vaters und unterstützte diesen bei allen seinen
Unternehmungen. Er erbaute u. a. die London-
Birminghamer Eisenbahn und die Fast Coun-
ties, die unter dem Namen High Lewel Bridge be-
kannte eiserne Bogenhängewerkbrücke bei New-
castle und erfand die sog. Tubulär- oder Röhren-
brücken, die aus Blech zusammengesetzt sind.
Eine Brücke dieser Gattung ist die bekannte
Britanniabrücke, die 1 847 -1850 über den
Menaikanal hergestellt wurde. Das bedeutendste
Beispiel dieser Brückenart ist die von S. ent-
worfene, 3 km lange Viktoriabrücke bei Mon-
treal in Kanada; sie überspannt den St. Lorenz-
strom in 25 Öffnungen, deren mittlere eine
Weite von 100-58 m besitzt.
S. wurde in der Westmünsterabtei zu Lon-
don beigesetzt. 1879 wurde auf der Station
Porta Nuova in Turin zum Andenken an die
beiden S. ein Denkmal gesetzt.
Literatur: Smiles, Lives of George and Robert
Stephenson, 8. Aufl., London 1868. - Jeaffreson u.
Pole, Life of Robert Stephenson. Daselbst 1864, Bd. 11.
Gölsdorf j.
Sterbekassen.
181
Sterbekassen (burying-funds; caisses morfii-
aires; cassc mortiiari) sind freie Vereinigungen
des Personals mit dem Zweck, durch Erhebung
von Beiträgen die Mittel zu sammeln, um den
Hinterbliebenen bei dem Tode eines Mitglieds
eine bestimmte Geldsumme zur Deckung der
Bestattungskosten und zur Erleichterung des
Übergangs in neue Verhältnisse zu sichern.
Sie sind meist auf den Bereich einer Ver-
waltung, vielfach nur auf einzelne Dienstklassen
beschränkt.
Sie gingen aus den in den Anfängen des
Eisenbahnwesens häufig veranstalteten Samm-
lungen für die in Not hinterlassenen Angehörigen
verstorbener Kameraden hervor. Bald bildeten
sich Organe bzw. Vereine, die an Stelle der un-
regelmäßigen und unsicheren Sammlungen bei
jedem Todesfall von allen Mitgliedern, alt und
jung, gleiche Beträge erhoben (sog. Umlagever-
fahren) und den Ertrag nach Abzug der Ver-
waltungskosten und einer kleinen Rücklage für
einen Betriebs- und Reservefonds den Hinter-
bliebenen übergaben. Die scheinbare Billigkeit
bei den wenigen Sterbefällen des jungen Eisen-
bahnbetriebs übte eine große Werbekraft aus.
Als mit dem zunehmenden Alter der Mitglieder
sich die Sterbefälle und damit die Beiträge ver-
mehrten, während die Lebensversicherungen ihre
Prämien herabsetzen konnten, stockte der Zu-
gang und viele Kassen brachen zusammen
(Sterbekassenelend), andere konnten sich zwar
dank einem hochentwickelten Standesgefühl
unter namhaften Opfern halten, sahen sich aber,
auch infolge staatlichen Eingreifens genötigt, von
der Umlage zu den rationellen Prämien mit
Abstufungen nach dem Eintrittsalter überzu-
gehen.
So wirken jetzt mehr und mehr leistungs-
und lebensfähige Kassen, die auf den Grund-
sätzen des modernen Versicherungswesens
aufgebaut sind.
Die Beiträge sollen nach den allgemeinen Sterbe-
tafeln so berechnet sein, daß sie für jede Alterstjruppe
(Jahresklasse) mit den Zinseszinsen zur Deckung
aller im Laufe der Jahre anfallenden Sterbegelder
ausreichen ohne Rücksicht darauf, ob und wie viele
neue Mitglieder zugehen. Statt der fortlaufenden
Beiträge sollte stets auch die einmalige Einlage vor-
gesehen sein, besonders dann, wenn die Mitglieder
auch ihre Frauen versichern können, denen die fort-
laufenden Beiträge nach dem Tode des Mannes
schwer fallen. Das Sterbegeld muß auf eine ange-
messene, dem Zweck der Kasse entsprechende Summe
beschränkt sein, weil kleine Kassen durch raschen
Abgang hoch versicherter Personen leicht Schaden
nehmen ; es wird sich in der Regel zwischen 300
und 1500 M. bewegen. Personen, die sich höher ver-
sichern wollen, sind an die Lebensversicherungs-
anstalten zu \x'eisen. Der Zinsfuß ist möglichst nieder,
etwa zu 3, jedenfalls nicht über 3Vj?o anzunehmen,
um die Beiträge bei anhaltendem Sinken oder uner-
wartet großer Sterblichkeit nicht ändern zu müssen.
Überschüsse können den Mitgliedern in Form von
Dividenden als Beitragsnachlaß oder - was der
Schwierigkeit wegen weniger zu empfehlen ist -
durch Gutschrift auf das Sterbegeld zugeführt werden.
Mangels einer genügenden ärztlichen Untersuchung,
zumal da bei der Aufnahme, dem Charakter der Kasse
entsprechend, wohlwollend zu verfahren ist, wird
zweckmäßig die Auszahlung des vollen Sterbegeldes
von einer Wartezeit (1 — 5 Jahre) abhängig gemacht.
Es empfiehlt sich bei Errichtung einer Kasse einen
erfahrenen Versicherungsmathematiker beizuziehen
und ihn wenigstens alle 4 — 5 Jahre eine Bilanz
nach versicherungstechnischen Grundsätzen ziehen
zu lassen.
An Stelle der vielen kleinen Kassen, die die
einzelnen Personalgruppen für sich errichten,
dürfte überall unter Unterstützung und Aufsicht
der Eisenbahnverwaltung zur Vermeidimg der
gerade auf dem Gebiet des Versicherungs-
wesens mißlichen Zersplitterung und von un-
wirtschaftlichen Aufwendungen die Schaffung
einer einzigen großen zentralen Kasse schon
wegen der Verteilung des Risikos imd wegen
der Möglichkeit einer einheitlichen guten Verwal-
tung vorzuziehen sein. Den einzelnen Gruppen
könnte ein angemessenerEinfluß durch satzungs-
mäßiges Recht der Vertretung im Vorstand
oder Ausschuß gewährt werden.
Wenn Vereine mit vornehmlich anderen
Zwecken, wie Pflege der Kameradschaft, neben-
her Sterbekasseneinrichtungen treffen, so tun
sie gut, das Sterbegeld in mäßigen Grenzen
(bis zu 200 M.) zu halten, besondere Beiträge
in möglichst einfacher Form mit nur 2 — 4
Abstufungen festzusetzen und auf Ansammlung
eines ausreichenden, gesondert verwalteten
Vermögens Bedacht zu nehmen.
Aus der übergroßen Zahl von Sterbekassen
seien die Einrichtungen und Ergebnisse von
zweien hier kurz erwähnt, von der einfacheren
Sterbekasse der Eisenbahndirektionsbezirke Ber-
lin und von der mehr entwickelten Sterbekasse
von Angehörigen der württembergischen Ver-
kehrsanstalten.
Die Berliner Eisenbahndirektionskasse gewährt
nach Wahl ein Sterbegeld von 75, 150, 300 und
600 M., hat 7 Altersstufen, die erste bis 32,
die letzte bis 45 Jahren und erhebt von 32jähri-
gen für je 75 M. 12',:. Pf- Monatsbeiträge und
vorläufig noch einen 13. Beitrag für Verwaltimgs-
kosten ; das Eintrittsgeld beträgt 1 "» . Der Beitrag
steigt in den höheren Altersstufen und beträgt
mit 45 Jahren das Doppelte. Die Kasse hatte 1915
bei 10.943 Versicherungen mit 3,240.000 M. ver-
sichertem Kapital 77.000 M. Beiträge und ein Ver-
mögen von 1,596.000 M., sie bezahlte für Begräbnis-
gelder 70.300, für die X'erwaltung 9200 M. und
schüttete 33.100 M. Dividenden aus.
Die württembergische Kasse versichert das
Personal von 100-1500 M., die Mitgliederfrauen
bis zu 700 M., sie erhebt 1-2M. Eintrittsgeld. Ihre
Beiträge, denen eine 3";. ige Verzinsung zu gründe
gelegt ist, stellen sich für 20jährige auf 1-86, für
30jährige auf 2-53, für 40jährige auf 3-76, für 50jährige
182
Sterbekassen. - Stereophotogrammetrie.
(Orenzalter) auf 6 47 M., mit 60 Jahren fallen sie
auf die Hälfte und hören mit 70 Jahren ganz auf.
Die Kasse gewährt nach je 4 Jahren Dividenden, in
der Regel in Höhe von 6 Monatsbeiträgen für je
angefangene 10 Alitgliedsjahre. Das Sterbegeld wird
erst nach 3 Jahren voll ausbezahlt, vorher nur -j^, ^i-,
und ■"5. Die Staatskasse trägt die X'eraaltungs-
kosten. Der 20. Jahresbericht von 1915 ergibt bei
4400 Mitglieder mit 3,380.000 .\1. Versicherungskapital,
102.000 M. Jahresbeiträge und ein Vermögen von
936.000 M. Der Sterbegeldaufwand betrug 36.800 M.
für 55 Todesfälle, davon 12.300 M. für 15 Kriegsteil-
nehmer. Beyerle.
Stereophotogrammetrie ist eine Sonder-
art der allgemeinen oder Intersektionsphoto-
g ramm et rie; hierbei werden in den Endpunkten
einer der Lage und Höhe nach bekannten Grund-
linie photogrammetrische .Aufnahmen gemacht,
deren Orientierungswinkel 90° betragen; die
Bilddistanz ist also normal zur Basis und be-
finden sich die Bildebenen beider Stationen in
derselben Vertikalebene. Ähnlich ist die Auf-
nahme in der Stereoskopphotographie mit dem
Unterschied, daß bei stereophotogrammetri-
schen Aufnahmen der Objektivabstand durch
die Basislänge b feststeht, von einigen bis auf
Hunderte von Metern anwachsen kann, während
er bei gewöhnlichen Stereoskopaufnahmen dem
Augenabstand a ^ 75 mm gleichkommt.
Richtig hergestellte, in einen Stereoskopapparat
eingelegte Stereoaufnahmen bieten dem Be-
schauer zufolge der Fähigkeit der menschlichen
J^defte gleicher /hrallaxe p
Augen, stereoskopisch zu sehen, ein räumliches,
plastisches Bild, sozusagen ein Modell des photo-
graphierten Gegenstandes. - Auch die stereo-
photogrammetrischen Aufnahmen liefern, in
einen besonderen Apparat, Stereokomparator,
eingelegt und mit einem binokularen Mikroskop,
Telestereomikroskop, betrachtet, plastische
Landschaftsbilder von demselben Effekt, als
wenn man ein reduziertes Modell des aufge-
nommenen Geländes mit freiem Auge ansehen
würde. Besondere Einrichtungen ermöglichen
es, eine Marke im plastischen Bild beliebig
von Punkt zu Punkt zu führen und an dem
Terrainmodell Messungen zu machen, deren
Daten, am Apparat abgelesen, Lage- und
Höhenbestimmungen der ausgemessenen Punkte
mit Zugrundelegung der bekannten Basis der
Aufnahme zulassen und damit Situations- und
Schichtenpläne herzustellen gestatten. Das
stereoskopische Meßverfahren, mit der erwähnten
wandernden .Marke am Modell des Geländes
in voller Bequemlichkeit am Instrument im
Zimmer ausgeführt, fußt auf der Tiefenwahr-
nehmung beim stereoskopischen Sehen und ist
hoher Genauigkeit fähig.
Bedeuten in Abb. 1 74 M und A/die Endpunkte,
Stationen, der bekannten Basis A, 7" 7" die Trassen
der zusammenfallenden Bildebenen (Positive),
im Abstand/ (Bilddistanz) von der Basis ent-
fernt, JT, und jc, die Abszissen des linken und
rechten Bildes, so reichen unter Voraussetzung,
daß M der Ursprung, die Basis die A:-.\chse
eines räumlichen Koordinatensystems darstellen,
zur Situationsbestimmung die Koordinaten aus:
Y =
b
f
f\
X,-X2' P
wobei p = x^-X2 die stereoskopische Par-
allaxe genannt wird. Der Abstand des Raum-
punktes P vom Horizont der linken Station,
die relative Höhe Z^=h, wird mit Hilfe
der Ordinate _v, des linken Bildes, wie in .Abb. 174
aus der Umlegung rechts zu entnehmen ist, mit:
Z = h = -ry, = z rr^i =
■/
y^ = ^^r^j^ = jy^
erhalten.
Ist Ho die absolute Höhe des Instrument-
horizonts der linken Station, so ist H^^Hg^h
die absolute Höhe des Raumpunktes A
Neben dieser rechnerischen Bestimmung der
Raumkoordinaten von P ist an der Hand der
Abb. 174 die konstruktive Bestimmung der Lage,
Situation, und der Höhe unschwer zu finden.
Die Bildkoordinaten .v, j-,, insbesondere die
stereoskopische Parallaxe /; = .v, -x, werden
nicht nach der in der Photogrammetrie üblichen
Weise direkt gemessen, sondern werden mit
dem Stereokomparator von Pulfrich in äußerst
bequemer Weise erhalten.
Der Stereokomparator (.Abb. 175) besitzt
als wesentlichen Bestandteil ein Telestereo-
mikroskop, mit dem das plastische Bild der
eingelegten Stereogramme (Negative) betrachtet
und mit Hilfe besonderer Einrichtungen .Messun-
gen ausgeführt werden können. Der Komparator
hat zum Träger einen massiven Tisch, auf dem
der Hauptschlitten A mit der Kurbel H in der
Richtung des Horizonts beider Platten P, und
Stereophotogrammetrie.
183
P^ (mittels D,, Dj und C justierbar) verschoben
werden kann; die Größe der Verschiebung wird
auf dem Abszissenmaßstab {X, Lj) abgelesen.
Ein binokulares Telemikroskop mit den im
erweiterten Abstand angebrachten Objektiven
A^i, K2 und den stellbaren Okularen O,, O, ist
mittels der Kurbel V mit dem Schlitten B ver-
steilbar; die Verstellung wird am Ordinaten-
maßstab (V, L,) abgelesen. Die Parallaxen-
schraube Z ermöglicht durch Verschiebung
der rechten Platte P2 auf einem Nebenschlitten,
die stereoskopische Parallaxe/? auf 0-01 mm
scharf an einem Maßstab abzulesen. Die Spiegel
5,, S2 bezwecken eine günstige Beleuchtung
der eingelegten Negative. Die Schraube/ ver-
bindet das Telestereo-
mikroskop mit seinem
Träger und kann nach
Lösung der Schraube
das Mikroskop ab-
genommen werden.
Die Bestimmung
der 3 Komparator-
daten x,, y■^ und p
wird in folgender
Weise vorgenommen.
Die beiden Stereo-
gramme, Negativ-
platten, werden ein-
gelegt und justieit;
hierauf wird die
Marke des linken
Mikroskops auf den
gewählten Punkt der
linken Platte mittels
der Kurbeln H und V
gebracht (monoku-
lare Einstellung) und
entfällt; man operiert nicht mit 2 Bildern, sondern
man betrachtet im Stereokomparator ein kleines
Modell der Landschaft, an dem sich die stereo-
skopische Marke von Punkt zu Punkt führen
läßt und die Komparatordaten bequem, ohne
jedwede Anstrengung erhalten werden. Die S.
ist daher der Intersektionsphotogrammetrie weit
überlegen und fand bereits für verschiedene
Ingenieurarbeiten, so auch bei Trassierungen
nützliche Verwendung.
Hat man für eine Trassenstudie nach gründ-
licher Rekognoszierung die Operationsbasis, den
Polygonzug, gewählt und durch geeigneteSignale
ersichtlich gemacht, so werden die Standlinien
für die Stereoaufnahmen mit Sorgfalt aus-
Abb. 175. stereokomparator von Pulfrich.
nunmehr bei binokularer Beobachtung im Mikro-
skop und Betätigung der Parallaxenschraube Z
die im plastischen Bild der Landschaft schwe-
bende Marke, die wandernde Marke, präzise
auf den ins Auge gefaßten Punkt gestellt. An
den Koordinatenmaßstäben des Komparators
können nun x^,y\, die Koordinaten des linken
Bildes, und am Parallaxenmaßstab die stereo-
skopische Parallaxe p = x^—X2 abgelesen
werden.
Durch diese 3 Größen ist der Raumpunkt
unzweideutig bestimmt: die Abszisse x^ gibt
die Richtung, p definiert den Abstand von der
Basis (Ebene gleicher Parallaxe/; in Abb. 174)
undj., ist für die Höhe des Punktes über dem
Horizont des linken Bildes maßgebend.
Diese Art der Punktbestimmung am plasti-
schen Raumbild des Stereokomparators hat gegen-
über der gewöhnlichen Photogrammetrie den
wichtigen Vorteil, daß jede Punktidentifizierung
gesucht, bezeichnet, geodätisch festgelegt und
mit dem Polygonzug der Trasse in sichere
Verbindung gebracht, worauf die stereophoto-
grammetrische Aufnahme durchgeführt werden
kann. Die Hausarbeiten umfassen Berechnungen
für den Entwurf des Gerippes, der die Grund-
lage für die planliche Darstellung bietet, die
Messungen am Stereokomparator, die Berech-
nung, Lage- und Höhenelemente für die Detail-
punkte, die Kartierung, die Schichtenkonstruktion
und die zeichnerische Ausführung der Pläne.
Eine stereophotogrammetrische Aufnahme
gestattet zu jeder Zeit die Betrachtung von
stereoskopischen Aufnahmen im Komparator
und dadurch die naturtreue Betrachtung belie-
biger Teile der Trasse, was gegebenenfalls
von unschätzbarem Wert sein kann. In den
letzten Jahren sind stereophotogrammetrische
Aufnahmen für Trassierungszwecke von Major
Truck in den Alpenländern und Bosnien, von
184
Stereophotogrammetrie.
Dipl.-Ing. Lüscher bei der Bagdadbahn,
durch Hauptmann v.Orel vom Institut „Stereo-
graphik" in Bulgarien und Mazedonien
ausgeführt worden.
Die S. hat durch die Erfindung des öster-
reichischen Hauptmanns v. Orel - den Stereo-
autographen - einen ungeahnten Fortschritt
erzielt. Die Einstellung der stereoskopischen
oder wandernden Marke im Stereokomparator
auf ein bestimmtes Objekt bedingt eine ganz
bestimmte Stellung der beiden Plattenbilder
der Zeichenfläche, und an einem Maßstab kann
man dessen absolute Höhe ablesen. Führt der
Beobachter am Komparator die Marke längs
einer Kommunikation, entlang eines Waldsaumes,
einer Parzellengrenze, so zeichnet der Stift die
horizontale Projektion in dem auf dem Apparat
eingestellten Maßstab.
Der Stereoautograph gestattet aber auch,
direkt die Komparatormarke in einer bestimmten
Schichtenlinie zu führen, wodurch im Plan un-
mittelbar die Isohypse gezeichnet erscheint und so
Abb. 176. Stereoautogr.iph von Orel.
gegeneinander, woraus folgt, daß durch eine
mechanische Vorrichtung, die mit dem Schlitten
der Plattenbilder in Verbindung ist, die Lage
des eingestellten Objekts auf einer Zei-
chenebene automatisch angezeigt werden
könnte.
Nach Überwindung großer konstruktiver
Schwierigkeiten ist es dem Zeißschen Institut
in Jena gelungen, einen tadellos arbeitenden
Stereoautographen (Abb. 176) dem Ver-
messungstechniker zu liefern.
Der Stereoautograph ersetzt alle früher
erforderlichen Rechnungen und Kartierungen.
Wird die stereoskopische Marke des Kompa-
rators auf einen beliebigen Punkt des Geländes
eingestellt, so gibt ein Stift seine Lage auf
unmittelbar ein Schichtenplan des aufge-
nommenen Geländes gewonnen werden kann,
in neuester Zeit ist es gelungen, außer den
normal zur Basis liegenden Stereoaufnahmen
auch beliebig zur Basis verschwenkte
Aufnah menim Stereoautographen auszuwerten
und so die Leistungsfähigkeit dieses sinnreichen
Apparates bedeutend zu erhöhen.
Der Pulfrichsche Komparator und der
Orel sehe Autograph bedeuten ganz neue, für
die photogrammetrische Geländeaufnahme wert-
volle Instrumente, durch die das Vermessungs-
wesen insbesondere für Ingenieurzwecke im
hohen Maße gefördert wird.
Literatur: Aufsätze über S. und Stereoautogram-
metrie von Baron v.Hübl, Korzer und v. Orel
Stereophotogrammetrie. - Steuerrecht der Eisenbahnen.
185
befinden sich in den „Mitteilungen des k. u.k. Militär-
geograph. Institutes" aus den Jahren 1903-1914. —
Hartner-Dolezal, Hand- und Lehrbuch der Nied.
Geodäsie, Bd. II, Wien 1910. - Internat. .Archiv
f. Photogrammetrie, Bd. I-V, Wien 1907-1917.
Dolezal.
Steuerbefreiung s. Abgaben und
Steuerrecht der Eisenbahnen.
Steuerrecht der Eisenbahnen (laws
rclating the railway duties; droit d'impöt des
chemins de fer; leggi siille imposte ferroviarie).
Inhalt: /4. Staatssteuern, a) Die besonderen
Eisenbahnabgaben, b) Einkommensteuern, c) Ver-
mögenssteuern, d) Gewerbe- (Erwerb-) Steuern,
e) Grundsteuern, f) Gebäudesteuern, g) Kapital-
rentensteuern, h) Stempelabgaben als Besteuerungs-
form der Eisenbahnaktien und Obligationen, i) Das
Gebührenäquivalent, k) Aufsichtsgebühren, l) Ge-
winnbeteiligung des Staates, m) Tantiemenabgabe. -
B. Staatsabgaben gebührenartigen Charak-
ters. — C. Sonstige Abgaben und Lei-
stungen. - D. Gemeindeabgaben. —
E. Steuerbefreiungen. — F. Nachtrag.
A. Staatssteuern.
a) Die besondere Eisenbahnabgabe.
Dieser Abgabe sind in Preußen einerseits
durch Ges. vom 30. Mai 1853 die Eisenbahn-
aktiengeselischaften anderseits durch Ges. vom
16. März 1867 die sonstigen für den öffentlichen
Verkehr benutzten Eisenbahnen, die sich nicht im
Besitz des preußischen Staates befinden (also,
soweit nicht Staatsverträge Ausnahmen ge-
währen, auch Eisenbahnlinien fremder Staaten
in Preußen), unterworfen.
Die Steuer ist in beiden Fällen nach dem
Jahresreinertrag zu berechnen und stuft
sich nach dessen Höhe derart ab, daß
bei einem Reinertrag bis zu einschließlich
4«^ (im ersten Fall des Aktien-, im zweiten
Fall des Anlagekapitals) I/^q jenes Ertrags,
bei einem höheren Reinertrag aber außerdem,
u. zw.: von dem Mehrertrag über 4 bis zu 5 %
einschließlich ''/jg dieser Ertragsquote; von dem
Mehrertrag über 5 bis zu 6 % einschließlich
■•'ig dieser Ertragsquote; von dem Mehrertrag
übT 6% hinaus '^j^^ dieser Ertragsquote als
Steuer zu entrichten sind. Für die Ermittlung
des steuerpflichtigen Reinertrags sind für den
einen und den andern Fall in den bezogenen
Gesetzen bestimmte, teilweise voneinander ab-
weichende Regeln festgesetzt. Diese Abgabe ist
infolge Überwiegens des Staatsbahnsystems in
Preußen nur noch von geringer Bedeutung.
Nach dem Vorbild Preußens wurden be-
sondere Eisenbahnabgaben auch in einigen
kleineren deutschen Bundesstaaten, so in
Lübeck, Sachsen-Altenburg, Sachsen-
Meiningen und Sachsen-Weimar, die
dafür die Eisenbahnunternehmer von der Ein-
kommensteuer frei lassen, dann in Schwarz-
burg-Sondershausen, wo diese Abgabe
ebenso wie in Preußen bei Ermittlung der
Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer
eine Abzugspost bildet, eingeführt und bis in
die Gegenwart aufrecht erhalten.
b) Die allgemeine Einkommensteuer
und ihr ähnliche Steuern.
Der allgemeinen Einkommensteuer als der
das Einkommen aus allen Quellen einheitlich
erfassenden Steuerform unterliegen, u. zw. mit
progressiven Steuersätzen, neben den natür-
lichen Personen in allen Bundesstaaten
des Deutschen Reiches (mit Ausnahme der
unter a im Schlußsatz angeführten) auch die
Eisenbahnaktiengesellschaften Als Besteuerungs-
grundlage dienen in Preußen und den meisten
übrigen der in Frage kommenden deutschen
Staaten grundsätzlich die Überschüsse der
Einnahmen über die Ausgaben, die als Aktien-
zinsen oder Dividenden, gleichviel unter welcher
Benennung, an die Aktionäre verteilt wurden
(oder ihnen gutgeschrieben werden: so die
beiden Mecklenburg, Schwarzburg-Rudolstadt
und Württemberg) unter Hinzurechnung
1. der zur Tilgung der Kapitalschulden oder
des Grundkapitals,
2. zur Verbesserung oder Geschäftserweite-
rung sowie
3. der zur Bildung bzw. Verstärkung von
Reservefonds verwendeten Beträge, ferner
4. in Württemberg auch der von den Ge-
meinden und Amtskörperschaften erhobenen
Ertrags- und Einkommensteuern.
In Bayern bildet die Besteuerungsgrund-
lage der unter Beobachtung der steuerrecht-
lichen Vorschriften nach den Grundsätzen, die
für die Inventur und Bilanz durch das Handels-
gesetz vorgeschrieben sind und sonst dem Ge-
brauch eines ordentlichen Kaufmanns ent-
sprechen, zu berechnende Reinertrag.
Im Königreich Sachsen gelangen nur die
an die Aktionäre alljährlich verteilten Über-
schüsse der Eisenbahnaktiengesellschaften unter
Hinzurechnung der allenfalls an die Inhaber
von Genußscheinen ausgeschütteten Beträge
fortlaufend zur Besteuerung, während die
übrigen (reservierten oder anderweitig ver-
wendeten) Ertragsüberschüsse erst bei der
Ausschüttung steuerpflichtig werden.
Von der in der angegebenen Weise zu er-
mittelnden Steuerbemessungsgrundlage wird in
einigen der deutschen Staaten ein bestimmter
Prozentsatz des Aktienkapitals (Bayern 2,
Baden und Württemberg 3, Preußen V^%)
in Abzug gebracht bzw. steuerfrei gelassen,
wodurch der Doppelbesteuerung derselben Er-
trägnisse durch die Einkommensteuer sowohl
bei der Eisenbahnaktiengesellschaft, als auch
beim Aktionär teilweise begegnet wird. Der
186
Steuerrecht der Eisenbahnen.
erwähnte Abzug erfährt jedoch in 3 der ge-
nannten Staaten eine Einschränkung insoferne,
als er in Baden und Württemberg nur bis zur
Höhe der verteilten Überschüsse, in Bayern nur
bis zum Höchstbetrag von 50 f^, des Reinertrags
zulässig ist. In Preußen und Württemberg ist
jedoch der Kommunaleinkommensteuer
das ermittelte Einkommen ohne den erwähnten
Abzug zu gründe zu legen. Durch Einkommen-
steuern bzw. ihnen ähnliche Steuern werden die
Eisenbahnaktiengesellschaften auch in mehreren
außerdeutschen Staaten betroffen.
Der in Österreich (Ges. vom 25. Oktober 1896
und vom 23. Januar 1914) und in Frankreich
(Ges. vom IS. Juli 1914 als „Impot general sur le
revenu") bestehenden Einkonniiensteiier sind Eisen-
bahnaktiengesellschaften ebensowenig unterworfen,
wie andere nichtphysische Personen, wohl aber die Ak-
tionäre auch hinsichtlich ihres Dividendeneinkommens.
Der in Ungarn am 11. April 1909 sanktionierte
Ges.-.^rt. X-1909 betreffend die Einkommensteuer, der
auch die Eisenbahnaktiengesellschafien unterworfen
werden sollten, ist infolge der durch Qes.-Art. VI-1913
suspendierten Steuerreform bisher nicht in Wirksam-
keit getreten. Die dort gegenwärtig noch bestehende
..allgemeine Einkommenersatzsteuer" ist nichts an-
deres als eine prozentweise Erhöhung der verschie-
denen, auch die Eisenbalinaktiengesellschaften treffen-
den Ertragssteuern.
In Belgien wurde durch Ges. vom 1. September
1913 an Stelle der bis dahin bestandenen pro-
portioneilen Patentsteuer (mit 2^„ des Reinertrags
nebst 2 Zusclilagsdezimen, Ges. vom 21. Mai 1819,
22. Januar 1849 und 24. März 1873) unter der Be-
zeichnung „Taxe sur les revenus des benefices realises
dans les societes par actions" eine Abgabe mit dem
Steuersatz von 4"., eingeführt, die auch die ge-
zahlten Obligationszinsen (in letzterem Punkt mit
dem Effekt einer Kuponsteuer) trifft.
Das Einkommen- und Vermögenssteuergesetz in
Dänemark vom S.Juni 1912 und 10. Mai 1915
besteuert die Eisenbahnaktiengesellschaften (unter
Freilassung derselben, nicht aber auch des .'Aktionärs
hinsichtlich des Wertes seiner Aktien von der Ver-
mögenssteuer) mit l-4-6?ü des steuerpflichtigen
Ertrags, der nach ähnlichen Grundsätzen wie in
Preußen und unter .Abzug von 4^^ des eingezahlten
Aktienkapitals ermittelt wird.
Das in Großbritannien und Irland be-
stehende System der „General property and income
ta.\e", das die verschiedenen Einkommenquellen in
5 Klassen nach sog. Schedulas, u. zw. unter A.
aus Grund- und Gebäudeeigentum, Ä. aus Pachtungen,
C. aus Kapitalvermögen, D. aus Handel und Ge-
werbe und E. aus Dienstbezügen abgesondert erfaßt,
hat gleichwohl hinsichtlich der Eisenbahnaktiengesell-
schaften insoferne den Charakter einer allgemeinen
Einkommensteuer, als das gesamte Einkommen dieser
Gesellschaften, auch aus Grund- und Gebäudebesitz,
soweit dieser dem eigentlichen Eisenbahnbetrieb
dient, und aus Kapitalvermögen zusannnengefaßt und
einheitlich nach Schedula D besteuert wird. Nicht
dem erwähnten Betrieb dienender Grund- und Ge-
bäudebesitz der Eisenbahnaktiengesellschaften bleibt
der Besteuerung nach Schedula A unterworfen. Der
Steuersatz wird alljährlich durch das Finanzgesetz,
u. zw. nicht in "„ des Einkonunens, sondern in
-^ f. d. £, so für 1911,12 mit 1 sh. 2 ,^ f. d. £ (rd.
5-8 f») festgesetzt.
Japan erhebt von den Eisenbahnaktiengesellschaf-
ten eine Einkommensteuer mit 6-25"« (2-5 "o ordent-
liche und 3-75% Zusatzsteuer) des Nettoeinkommens.
In Italien unterliegen der „Imposta sui redditi
della ricchezza mobile" (Ges. vom 28. August 1877,
Nr. 4021 und vom 22. Juli 1894, Nr. 339) die Elsenbahn-
aktiengesellschaften vom Nettoertrag des Eisenbahn-
betriebs, zu dem unterschiedslos auch alle Beträge
gerechnet werden, die unter welchem Titel immer an
die Aktionäre verteilt, zur Kapitalsvermehrung oder
zur Vermehrung der Reserve- und Amortisationsfonds
oder zur Schuldentilgung verwendet werden.
Das so ermittelte effektive Einkommen („reddito
effetivo") wird in steuerbares Einkommen („red-
dito imponibile") durch Reduktion des ersteren auf
einen bestimmten Bruchteil (nach dem Ges. von
1894 auf =%(,) umgewandelt. Der Steuersatz be-
trägt seit 1894 20 <?„ des steuerbaren Einkommens,
was einer Belastung des effektiven Einkommens
mit lO^i entspricht. Aui das Prinzipale der Steuer,
die seit 1894 von Gemeinde- und Provinzialzuschlägen
befreit ist, wird ein Aufschlag von 2 "„ für die Kosten
der Steuerveranlagung und Einhebung gelegt. Die
Eisenbahnaktiengesellschaften haben auch die Zinsen
der von ihnen aufgenommenen Anleihen und aus-
gegebenen Obligationen alljährlich einzubekennen
und die auf die entsprechenden Einkommen ihrer
Gläubiger entfallende Steuer unter Regreßvorbehalt
unmittelbar zu berichtigen. Das steuerbare Ein-
kommen beträgt bei vom Staate garantierten Anleihen
und Obligationen "/^o, sonst ^"/^o des Zinsenbezugs.
In Luxemburg (Ges. vom S.Juli 1913) haben die
Eisenbahnaktiengesellschaften von den an die .'\ktio-
näre gezahlten Zinsen und Dividenden sowie von den
hinzuzurechnenden, zur Tilgung der Schulden oder
des Grundkapitals, zur Qescliäftsverbesserung oder
Erweiterung und zur Bildung von Reservefonds ver-
wendeten Beträgen die „Mobiliarsteuer" nach einem
progressiven Satz mit der Höchstgrenze von 4?J.
zu entrichten. Außerdem besteht für sie die \'er-
pflichtung zur Entrichtung der Kuponsteuer mit 3-5",
der von ihnen gezahlten Obligationszinsen.
In den Niederlanden unterliegen die Eisen-
bahnaktiengesellschaften einer Steuer mit dem Satz
von 2-5 »o der an die Aktionäre verteilten oder zur
Kapitalstilgung verwendeten Gewinne (Ges. vom
2. Oktober 1893).
Spanien besteuert seit dem Ges. vom 27. März
1900 unter Auflassung der früheren „Industrial-
steuer" {&9% des Nettoertrags, Ges. vom 31. De-
zember 1881) die Eisenbahnaktiengesellschaften mit
der Steuer vom Einkommen aus beweglichem \'er-
mögen („Impuesto sobre utilidades etc.). Steuersatz
7?„ des Reingewinns.
In den Vereinigten Staaten von Nord-
amerika besteht zufolge Bundesgesetz vom S.Ok-
tober 1913 die Bundeseinkommensteuer (Income tax),
die in eine „normal ta.x« vom Einkommen natür-
licher und juristischer Personen aus allen Quellen
und eine „additional tax" auf das 20.000 S (98.704
Kronen österreichischer Währung) übersteigende Qe-
samtreineinkommen natürlicher Personen zerfällt.
Die Eisenbahnaktiengesellschaften werden nur von
der „normal tax" mit dem Steuersatz von 1 "v, jedoch
ohne Rücksicht auf die Höhe bzw. Untergrenze des
Gewinns getroffen.
Soweit in Australien neben dem vorherrschen-
den Staatsbahnsystem Eisenbahnen durch Eisen-
bahnaktiengesellschaften betrieben werden, unter-
liegen letztere besonderen Abgaben, so z. B. in
Viktoria der „Dividend tax", in Ostaustralien und
Tasmanien einer Steuer vom erzielten Reingewinn;
Steuerrecht der Eisenbahnen.
IS7
in allen gedachten Fällen mit dem Satz von 1 sli.
pro £ (rd. 5?«).
Eine einer Einkommensteuer ähnliche Funktion
haben auch die alljährlich zu gunsten des
Bundes der Schweizer Eidgenossenschaft
gemäß Qes. vom 23. Dezember 1872 von Privat-
bahnen auf Grundlage des Reingewinns (für dessen
Berechnung durch Bundesbeschluß vom 17. Juni
1914, bzw. Bundesratsbeschluß vom 29. September
1914 emgehende Bestimmungen festgesetzt wurden)
zu entrichtenden Konzessionsgebühren. Diese
Gebühren betragen bei einem Reingewinn von 4«i
bzw. 5^0, dann 6°i und mehr des Aktienkapitals
50 bzw. 100 bzw. 200 Fr. für jede im Betrieb be-
findliche Wegstrecke von 1 km.
Des Zusammenhangs wegen sei gleich hier ange-
führt, daß die Eisenbahnaktiengesellschaften außerdem
auch in den 25 Kantonen der Schweiz selbständig
besteuert werden. Jedes Kantonalgesetz ist von dem
andern verschieden. Esfinden sich Einkommensteuern,
Vermögenssteuern, Kombinationen von beiden unter-
einander oder mit Realsteuern u.s. w. Eine enzyklo-
pädische Übersicht ist für diese Kantone ebenso un-
möglich, wie für die Besteuerung derEisenbahnaktien-
gesellschaften in den 51 Einzelstaaten und Terri-
torien der Vereinigten Staaten von Ame-
rika, in welchen Vermögenssteuern („General property
taxes") vorwiegen. Hinsichtlich dieser letzteren
Steuern sei auf die Detailangaben in dem alljährlich
erscheinenden amtlichen „Report on the Statistics
of Railways in the United States" verwiesen.
Von den angeführten außerdeutschen Staaten
lassen u. a. England, Japan und die Vereinigten
Staaten von Amerika die Dividenden der von ihnen
besteuerten Eisenbahnaktiengesellschaften beim Ak-
tionär von der Einkommensteuer frei.
c) Vermögenssteuern.
Von den in mehreren Bundesstaaten
des Deutschen Reiches unter vollständiger
oder teilweiser Auflassung der Realsteuern,
bzw. unter Überweisung dieser Steuern an
die Gemeinden eingeführten Vermögenssteuern
(Ergänzungssteuern) werden meist nur die
natürlichen Personen, darunter auch die
Aktionäre vom Wert ihres Aktienbesitzes, in
Baden, den beiden Mecklenburg und im
Königreich Sachsen aber nebst anderen
juristischen Personen grundsätzlich auch die
Eisenbahnaktiengesellschaften erfaßt.
Als Besteuerungsgrundlage gilt hierbei im
allgemeinen das gesamte bewegliche und un-
bewegliche Vermögen (im Königreich Sachsen
mit der Abweichung, daß das von der Grund-
steuer getroffene Vermögen der Ergänzungs-
steuer nicht unterliegt) nach Abzug der
Schulden, zu denen im Königreich Sachsen
auch das eingezahlte Aktienkapital gerechnet
wird. In Baden ist der zulässige Schulden-
abzug (unter Ausschluß des Abzugs des
Aktienkapitals) auf die Hälfte der veranlagten
Vermögenssteuerwerte beschränkt. Der Steuer-
satz dieser Vermögenssteuern beträgt rd. Va/"««-
In Baden ist der Eisenbahnbetrieb durch den
Staat und die Gemeindestraßenbahnen von der
Vermögenssteuer befreit.
In Luxemburg besteht neben der Mobiliarsteuer
eine Ergänzungssteuer mit dem Satz von ';3?m, der
auch die Eisenbahnaktiengesellschaften nach dem
Kapitalswert ihrer Aktien, jedoch nur insoferne unter-
liegen, als dieser Wert nicht durch die Grund- oder
Minensteuer erfaßt ist.
In Spanien haben u. a. auch die sog. Eisen-
bahnkompagnien gemäß Ges. vom 29. Dezember 1910
eine jährliche Abgabe von 6?» des Gesellschafts-
kapitals zu entrichten, als welches gelten: 1. das
eingezahlte Aktienkapital, 2. die Reserven, 3. der Be-
trag außerordentlicher Abschreibungen. Diese Ab-
gabe wird von der Einkommensteuer abgerechnet,
falls letztere höher sein sollte als erstere.
d) Grundsteuern als Staatssteuern sind
auf Grund von Katastern auch von Eisenbahn-
unternehmungen u.a. zu entrichten in Bayern,
Belgien, Elsaß-Lothringen, Frankreich,
Italien, Japan, Luxemburg, Österreich,
Ungarn, Sachsen (mit gewissen Einschrän-
kungen) und Württemberg.
Der Grundsteuer unterliegen, soweit nicht
Ausnahmen platzgreifen, auch die eigentlichen
Eisenbahngrundstücke, deren Katastralsteuerwert
nach verschiedenen Methoden ermittelt wird, so
z. B. in Bayern mit einem den Hauptkulturarten
„assimilierten" Betrag, in Frankreich und Elsaß-
Lothringen wie für Ackerland erster Klasse, in
Italien und Österreich durch „Parifikation" mit
den angrenzenden Grundflächen.
Der Steuerfuß beträgt im Verhältnis zum Kata-
stralreinertrag in Belgien l«a (Ges. vom S.Juli 1871),
Elsaß-Lothringen, wo auch die Reichseisenbahnen
grundsteuerpflichtig sind, 3'5';ö (Ges. vom 13. Juli
1901), Frankreich (Ges. vom 29. März 1914) ab 1. Ja-
nuar 1915 4% von Vi jenes Ertrags, in Italien Ifo
(Ges. vom 1. März 1886) mehr einem Kriegszehntel
(Ges. vom 10. Juli 1887) und wiederholten sog.
Erdbebenzuschlägen, in Japan 5'5<!'„, in Österreich
21'1 ",'(, (Ges. vom 7. Juni 1881), später ermäßigt auf
19-3 ?„ (Ges. vom 23. Januar 1914), in Sachsen 4 Pf.
von jeder sog. „Steuereinheit", in Ungarn frülier
25-5"<,, seit Ges.-Art. V-1889 nur noch 20"„.
Als Staatssteuer wird die Grundsteuer nicht
erhoben in Bayern und Württemberg von
den Staatseisenbahnen (doch werden in Bayern
die sog. „Steuerverhältniszahlen" auch für diese
Bahnen im Kataster vorgetragen).
e) Von der Gebäude- (Häuser-) Steuer
werden im allgemeinen auch die Eisenbahn-
gebäude, insbesondere auch in den unter d
genannten Staaten getroffen.
Diese Steuer wird vorwiegend als propor-
tioneile Abgabe von dem nach verschiedenen
Vorgangsweisen ermittelten Gebäudemietwert
(„Hauszinssteuer") oder unter gewissen Voraus-
setzungen bei einigen Gebäuden auch nach
abgestuften festen Sätzen („Klassensteuer" in
Österreich, Preußen, Ungarn) erhoben.
Der Steuersatz beträgt in ersterem Fall : in
Bayern 2^„ der „Haussteuerverhältniszahl", in Japan
2'5';a des Katasterwertes, in Österreich je nach
dem Ort, in welchem das Gebäude liegt, 26' '3°/»
bzw. 20"«) oder I5"o des nach Abzug einer bestimmten
188
Steuerrecht der Eisenbahnen.
Quote {\b"i„ bzvr. 20 und SO';,,) für Erlialtungs- und
Amortisationskosten ermittelten „steuerbaren Zins-
ertrags", in Ungarn nach der Einwohnerzahl des
betreffenden Ortes von 16 über 14 und 11 auf
9«;» sinkend, in Italien \2'5"„ mehr 3 Kriegszu-
schlagsdezimen, zusammen \&2b%, in Elsaß-
Lothringen 3'5% des Nutzungswertes des Gebäudes,
bzw. l-Q"» des gleichen Wertes bei Dienstwohnungen
in steuerfreien Gebäuden.
In Frankreich, wo bei Ermittlung des Miet-
viertes auch das unbewegliche Zubehör der Gebäude
(so z. B. Maschinen in einem Eisenbahnwerkstätten-
gebäude) mit in Anschlag gebracht wird, betrug der
Steuersatz 3-2 "„ jenes Wertes (Ges. vom 8. August
1890), von dem ein Abzug von 25"« bei „maisons"
und 40''o bei „usines" zulässig ist. Als erstere gelten
beispielsweise die für den I^assagier- und Güterdienst
bestimmten Gebäude, als letztere Lokomotivremisen
und Werkstätten. Der Steuersatz wcirde unter Auf-
rechterhaltung der erwähnten .Abzüge durch Ges. vom
29. März 1914 ab 1. Januar 1915 auf A'o erhöht.
Lagerplätze u. dgl. der Eisenbahnen sind gebäude-
steuerpflichtig (Ges. vom 29. Dezember 1884).
Der Hauskiassensteuer unterliegen u. a. in
Österreich und Ungarn die Bahnwächterhäuser
außerhalb der „zinssteuerpflichtigen" Ort-
schaften.
Im Zusammenhang mit der Gebäudesteuer
sei der noch in Frankreich und Belgien
bestehenden, auch die Eisenbahngebäude treffen-
den, in Elsaß-Lothringen durch Ges. vom 14. Juli
1895 aufgehobenen Tür- und Fenstersteuer
gedacht.
In Österreich werden die zu den Staats-
eisenbahnen gehörigen Bahnbetriebs- und
Wohngebäude von der Gebäudesteuer ausge-
nommen, soweit sie nicht etwa einen Ertrag
durch Vermietung, z. B. von Restaurations-
räumen u. s. w. gewähren.
In Ungarn sind gemäß Ges.-Art. VI-IQ09
die Betriebsgebäude aller Eisenbahnen von
der Haussteuer dauernd befreit. Dieser Steuer
unterliegen jedoch bei Privateisenbahnen
alle bewohnten Teile und die sog. „offenen Loka-
litäten" (Gastzimmer, Restaurationsräumeu.s.w.)
und die bewohnten Wächterhäuser. Die den
Staatsbahnangestellten gebotenen Naturalwoh-
nungen sind immer steuerfrei. Die gedachten
Steuerfreiheiten erstrecken sich auch auf sämt-
liche die direkten Steuern belastenden Zuschläge.
In Württemberg und Bavern (hier mit
einem ähnlichen Vorgang wie bei der Grund-
steuer) sind die Staatseisenbahnen auch ge-
bäudesteuerfrei.
/) Gewerbe-(Erwerb-)Steuern.
1. Eine besondere Art dieser Steuern bildet
die in Österreich und in Ungarn bestehende
„Erwerbsteuer der der öffentlichen
Rechnungslegung unterworfenen Unter-
nehmungen" (Österr. Ges. vom 25. Oktober
1896, II. Hauptstück; Ungar. Ges. vom 14. Mai
1875, Ges.-Art. XXIV-1875).
Dieser Steuer sind in jedem der genannten
Staaten u. a. auch Eisenbahnunternehmungen
unterworfen, u. zw. in Österreich einschließlich
jener des Staates, während in Ungarn die vom
Ärar verwalteten Staatseisenbahnen von dieser
Steuer ausgenommen sind.
Ais Bemessungsgrundlage dient in Öster-
reich der in dem letzten, dem Steuerjahr
vorangegangenen Geschäftsjahr erzielte Rein-
gewinn, für dessen Ermittlung das Gesetz ein-
gehende Regeln aufstellt. In Ungarn wird von
den Bruttoerträgnissen der 3 letzten, dem
Steuerjahr vorangegangenen Jahre (allenfalls der
abgelaufenen kürzeren Betriebsperiode) aus-
gegangen und ist durch das Gesetz im einzelnen
bestimmt, welche Auslagen von jenem Erträg-
nis als steuerfrei abgerechnet werden dürfen.
In beiden Staaten werden die durch die
Grund- und Gebäudesteuern getroffenen Rea-
litätenerträgnisse von der «besonderen Erwerb-
steuer" freigelassen, und beträgt der Steuersatz
in der Regel lO*,, des sonstigen Reinertrags.
Die Steuer erhöht sich in Österreich noch
um die sog. Dividendenzusatzsteuer für
jene Aktiengesellschaften, die für das der Be-
steuerung zu gründe gelegte Geschäftsjahr an
Dividende mehr als 10"« des eingezahlten
Aktienkapitals verteilt haben. Diese Zusatz-
steuer beträgt von dem zur Verteilung ge-
langenden Betrag, der für das 11. bis
15. Prozent der Dividende erforderlich ist,
2 % und von den darüber hinaus zur Ver-
teilung gelangenden Beträgen 4 % . Anderseits
darf in Österreich die Steuer nicht weniger
betragen als 1 % des gesamten investierten
Anlagekapitals und ist diese sog. „Mini mal-
steuer" sohin auch dann zu entrichten, wenn
ein Reinertrag überhaupt nicht erzielt wurde,
in welchem Fall sie den Charakter einer Ver-
mögenssteuer an sich trägt. Zu der sog. be-
sonderen Erwerbsteuer ist in Osterreich
durch während des Krieges erlassene kaiser-
liche Verordnungen ein Zuschlag von 20<'(,
und ein „Rentabilitätszuschlag", der nach dem
Verhältnis des Reinertrags zum investierten
Kapital stufenweise steigt und bei einer Renta-
bilität von \4% einen Zuschlag von SO^o zur
ordentlichen Steuer erreicht, getreten.
2. \'on den Staaten, die eine allgemeine, auch die
Eisenbahnunternehmungen treffende Gewerbe-
steuer einheben, wären zu erwähnen:
Bayern (Ges. vom 14. .August 1910), wo sich die
Gewerbesteuer aus einer Betriebskapitalsanlage und
einer Ertragsanlage zusammensetzt. Als Betriebs-
kapital (Betriebskapital im engeren Sinne und Anlage-
kapital umfassend) werden sämtliche dem Gewerbe-
betrieb gewidmeten Gegenstände mit Ausnahme
jener, die der Grund- oder Haussteuer unterliegen,
angesehen. Den Maßstab für die Ertragsanlage bildet
Steuerrecht der Eisenbahnen.
189
der Reinertrag. Für jede der beiden Anlagen besteht
ein in Stufen nach der Höhe des Betriebskapitals
bzw. des Reinertrags steigender Steuertarif. Die vom
Staat betriebenen Verkehrsanstalten werden nur für
die Umlagenpflicht „vormerkungsweise" veranlagt.
Elsaß-Lothr i ngen belegt unter Befreiung der
von diesen Reichslanden selbst und vom Deutschen
Reich betriebenen Eisenbahnen die Eisenbahnaktien-
gesellschaften mit einer Gewerbesteuer nach Maßgabe
der ..Ertragsfähigkeit". Diese bemißt sich nach der
Ziffer, die unter normalen Verhältnissen und bei nor-
malem Betrieb nach Abzug der Betriebskosten als
durchschnittlich verbleibender Jahresertrag ange-
nommen werden kann. Die Steuer beträgt von 20.000 M.
«Ertragsfähigkeit" aufwärts l-Q"^ und wird nach
Maßgabe eines Tarifs erhoben, der bei einer
„Ertragsfähigkeit" unter 20.000 M. stufenweise fal-
lende Steuersätze ergibt. Von den Gewerbesteuern
\x-erden (nach dem in diesem Belang beibehaltenen
französischen Vorgang) 8% den Gemeinden über-
lassen. Zur Deckung von Steuerausfällen u. s. w. wird
ein Zuschlag von b'n des Steueransatzes zu gunsten
der Landeskassa eingehoben.
In Frankreich besteht als Gewerbesteuer die in
ihren Anfängen auf das Jahr 1791 zurückreichende,
durch Ges. vom 15. Juli 1880 neu geregelte Patent-
steuer („contribution des patentes"), die nach sog.
„äul3eren Merkmalen" veranlagt wird und sich aus
einem festen Satz und einer Proportionalabgabe zu-
sammensetzt.
Die »Konzessionäre oder Unternehmer von Eisen-
bahnen" unterliegen beiden Steuerformen.
Der feste Steuersatz beträgt 10 Fr. für min-
destens 2 Stationen verbindende Linien oder Teil-
linien mit 2 Gleisen und 5 Fr. für eingleisige
Linien oder Teillinien f. d. km. Dieser Abgabensatz
■wird um die Hälfte erhöht für jede Strecke, die durch
ein geschlossenes Stadtgebiet von mehr als 5000 Ein-
■wohnern führt, soferne jene Strecke mindestens 2
innerhalb des Stadtgebiets gelegene Bahnhöfe, Sta-
tionen oder Haltestellen verbindet.
Die Proportionalabgabe wird angelegt nach
dem Mietwert der dem Eisenbahnbetrieb dienenden
Gebäude und beträgt der Steuersatz für Wohn-
gebäude '/jo, für die übrigen Lokalitäten '/50 jenes
Wertes.
Von der Patentsteuer fließen 8% an die Ge-
meinden, in denen sich Betriebsgebäude befinden.
Japan belastet mit einer „Oeschäftssteuer" ge-
nannten Gewerbesteuer die Eisenbahnunternehmungen
in der Weise, daß diese jährlich 25?» des Betrags
der Einnahmen und außerdem für jeden Angestellten
2 Yen (ä K 2-32) zu zahlen haben. Für Angestellte
unter 15 Jahren wird nur die Hälfte des letzteren
Satzes berechnet.
In Württemberg haben die Privateisenbahnen
die Gewerbesteuer auf Grund eines Katasters zu ent-
richten, in den das sog. „Steuerkapital" eingetragen
wird. Hierbei wird der Ertrag des Betriebskapitals,
zu dem auch der im Schienenkörper angelegte Wert
zu rechnen ist, mitberücksichtigt. Der Betrag der zu
entrichtenden Steuer wird für jede Etatsperiode durch
das Finanzgesetz bestimmt. Die vom Staat betrie-
benen Eisenbahnen bleiben von dieser Steuer frei.
g) Kapitalrentensteuern.
Bayern (Ges. vom 14. August 1910) unter-
wirft dieser Steuer auch die Erträge der Privat-
(nicht aber der Staats-) Eisenbahnen aus Ka-
pitalvermögen, jedoch mit Ausschluß der im
Gewerbebetrieb insbesondere aus dem gewerb-
Hchen Betriebskapital anfallenden derartigen
Erträge, ferner die Dividenden beim Aktionär,
Steuersatz progressiv von 1 % bis 2 % .
Ähnlich Elsaß-Lothringen (Ges. vom
13. Juli 1901). Steuersatz 3-5% nach einem
analog wie für die Gewerbesteuer eingerichteten
Tarif, der erst von der Ertragsstufe von 4000
bis 5000 M. an den Kapitalsertrag voll erfaßt.
In Österreich unterliegen weder dieAktien-
gesellschaften noch die Aktionäre der dort
bestehenden Rentensteuer.
In Ungarn dagegen (Ges.-ArL XXII u. XXIV-
1S75 u. VII-I883) haben die Eisenbahnaktien-
gesellschaften die „Kapitalzinsen- und Renten-
steuer" mit dem Satz von 10% von gewissen
Kapitalerträgnissen, die dafür von der besonderen
Erwerbsteuer frei bleiben, zu tragen, so z. B. von
den im In- oder Ausland bei Geldinstituten, die
sich mit Kreditgeschäften befassen, im Konto-
korrent angelegten Kapitalien. Die genannte
Steuer ist seitens der Gesellschaften auch von den
Zinsen der von ihnen ausgegebenen Prioritäts-
obligationen oder gegen hypothekarische Sicher-
stellung aufgenommenen Kapitalien für Rech-
nung der Zinsenempfänger im Abzugsweg zu
berichtigen.
In Frankreich bildet die als „Taxe sur le revenu
des valeurs mobilieres" durch Ges. vom 20. Juni 1872
eingeführte und als „Impöt sur le revenu des capi-
taux mobilieres" durch Ges. vom 29. März 1914 neu-
geregelte und zugleich erweiterte, partielle Kapital-
rentensteuer eine der wichtigsten Steuerformen, unter
denen der Ertrag der Aktiengesellschaften zur Be-
steuerung herangezogen wird. Dieser Steuer unter-
liegen die Zinsen, Dividenden, Einkünfte und
Erträge jeder Art von Aktien, Obligationen und
Anlehen der Aktiengesellschaften welche verpflichtet
sind, die Steuer mit dem Satz von i';,, vorbe-
haltlich des (in der Regel nicht ausgeübten) Regresses
gegen die Bezugsberechtigten zu berichtigen. Nicht
verteilte bzw. als Zinsen verwendete Erträge, also
auch alle Reservierungen bleiben von der Steuer frei.
Soweit der französische Staat für Eisenbahnbauten
Kapitalien benötigte, wurden sie früher im Wege
steuerfreier Staatsrente aufgebracht. Dagegen
sind gemäß Art. 44 des Ges. vom 13. Juli 1911 die
ausschließlich für Zwecke des Staatseisenbahnnetzes
vom Staat ausgegebenen Obligationen denselben
Abgaben unterworfen wie jene der Aktiengesell-
schaften wie denn überhaupt in Frankreich die Staats-
eisenbahnen (mit Ausnahme desQebührenäquivalents)
ebenso besteuert werden wie die Privatbahnen.
Ähnlich wie in Frankreich werden auch in Ruß-
land die Einnahmen der Aktiengesellschaften (hier
jedoch unter Freilassung derselben von der für andere
Aktiengesellschaften bestehenden Gewerbesteuer)
durch Besteuerung der Aktien und Obligationen erfaßt
(Kapitalrentensteuergesetz vom 20. Mai/1. Juni 1885
und Spezialgesetz vom 12. '24. Januar 1887 bzw. Ukas
vom 24. Mai;4. Juni 1894). Der Steuersatz beträgt für
Obligationszinsen und für die vom Staat garantierten
Aktienerträge 5^o, von dem nicht garantierten Ertrag
und von Superdividenden 3?i. Die Zahlung der
Steuer erfolgt durch die Gesellschaften im Abzugs-
weg (Kuponsteuer). Von dieser Steuer wurden durch
das zweite der bezogenen Gesetze die Erträge der
190
Steuerrecht der Eisenbahnen.
Aktien der Eisenbahngesellschafteii : Warschau-
Bromberg, Warschau-Therespol, Warschau-Wien,
Dünaburg-Witebsk, Kursk-Kiew-Lodz, Orel-Witebsk,
Tambow-Koxlow, wie aucii die große russische Eisen-
bahngesellschaft für die Linien Petersburg-Warschau
und Nishnv-Nowgorod befreit.
In Spanien (Ges. vom 27. .März 1900) unterliegen
die Dividenden der Eisenbahnkompagnien einer
Steuer mit dem Satz von 3"« und die Amortisations-
prämien der Eisenbahnobligationen einer solchen
von 4",'e.
h) Stempelabgaben als Besteuerungs-
form der Aktien und Obligationen der
Eisenbahnaktiengesellschaften.
Der sog. „ Emissionsstempel " wird, soweit
es Aktien betrifft, vielfach als „Gebühr vom
Gesellschaftsvertrag" eingehoben. Ausländische
Titres werden in einzelnen Staaten höher be-
steuert als die einheimischen, worauf nicht
näher eingegangen werden kann.
Das Deutsche Reich {Reichsstempelgesetz
vom 3. Juli 1913) belegt unter Ausschluß
einer abgesonderten Besteuerung durch die
Bundesstaaten die Beurkundung von Gesell-
schaftsverträgen über die Errichtung von Aktien-
gesellschaften mit dem Steuersatz von 4-5 <>;o
des Grundkapitals (bzw. dem Betrag einer Er-
höhung desselben) zuzüglich des allenfalls den
Nennwert übersteigenden Emissionskurses.
Befreit sind deutsche Gesellschaften, die
die Herstellung oder den Betrieb von deutschen
Eisenbahnen unter Beteiligung oder Zinsbürg-
schaft des Reiches, der Bundesstaaten, der
Provinzen, Gemeinden oder Kreise zum Gegen-
stand haben.
Die inländischen, für den Handelsverkehr
bestimmten Renten- und Schuldverschreibungen
unterliegen im allgemeinen dem Steuersatz
von 2% (in Abstufungen von 40 Pf. für je
20 M.), jedoch inländische, auf den Inhaber
lautende und mit staatlicher Genehmigung aus-
gegebene derartige Titres der Eisenbahngesell-
schaften nur dem Satz von S»»» (in Abstu-
fungen von 5 Pf. für je 100 M.).
Für Zinsbogen dieser Titres (mit Ausnahme
der bei der ersten Ausgabe der Titres zugleich mit
ihnen in Verkehr gesetzten, soweit die Bogen nicht
für einen längeren Zeitraum als für 10 Jahre aus-
gegeben werden) beträgt der Steuersatz 2'''«> (sonst
5^); für Gewinn an teil seh einbogen inländischer
Aktien 1 "i für einen 10jährigen Zeitraum („Talon-
steuer") unter Befreiung der Eisenbahngesellschaften
beim Zutreffen der für deren Befreiung von der Gesell-
schaftsvertragsgebühr angeordneten Voraussetzungen.
Zinsbogen von Renten- und Schuldverschreibungen
des Reiches und der Bundesstaaten sind slempelfrei.
Die in den einzelnen Bundesstaaten für die Ein-
bringung von Grundstücken in eine Eisenbahn-
aktiengesellschaft bestehenden Gebühren blieben
durch das Reichsstempelgesetz unberührt.
In Österreich unterliegen nach Tarif post
55 des Ges. vom 13. Dezember 1862 Gesell-
schaftsverträge der Aktiengesellschaften, die
auf länger als 10 Jahre abgeschlossen werden,
der Gebühr nach Stempelskala 111 (72?« rn't
25 »ii Zuschlag), sonst nach Skala 11 (^|^<'„ nebst
25% Zuschlag) von der bedungenen Ver-
mögenseinlage. Die Gebühr ist vor Hinaus-
gabe der Aktien unmittelbar zu entrichten.
Für die etwa in die Gesellschaft eingebrachten
Immobilien ist vom Bruttowert eine Prozentual-
gebühr zu entrichten.
Durch Ges. vom 1 O.Juli 1865 wurde den Ak-
tiengesellschaften die Erleichterung gewährt, daß
ihnen,wenn sie Aktien auf Namen ausstellen, die
davon entfallende Gebühr ohne Rücksicht auf
die Dauer des Gesellschaftsvertrags bloß nach
Skala II bemessen wird. Durch die kaiserliche
Verordnung vom 28. August 1 9 1 6, RGB. Nr. 28 1 ,
wurde für alle Fälle die Entrichtung der Gebühr
nach Skala III, die überdies eine Erhöhung
erfuhr, angeordnet.
DieObligationen (Teilschuldverschreibungen)
der Ak-tiengesellschaft unterliegen gemäß Tarif-
post 36 des bezogenen Gesetzes nach ihremWert,
falls sie auf den Überbringer lauten, dem Stempel
nach Skala III, sonst nach Skala II. Erstere
Gebühr wird auf jene nach Skala II ermäßigt,
wenn die auf den Überbringer ausgestellten
Schuldverschreibungen auf eine bestimmte,
jedoch nicht längere Zeit als 10 Jahre lauten.
Ähnliche Bestimmungen bestehen auch in
Ungarn (Ges. Art. XVI- 1 869).
Frankreich besteuert die Aktien und Obligationen
der Eisenbahnaktiengesellschaften (neben der Kapital-
rentensteuer) noch mit dem als Emissionsstempel an-
zusprechenden „droitdetimbre" (Ges. vom S.Juni 1S50
u 23. August 1871) und mit der Umsatzsteuer „droit de
transmission" (Ges. vom 23. Juni 1857 mit Nachträgen).
Durch Ges. vom 29. März 1914 wurde
mit Wirkung vom 1. Juni 1914 an eine nicht
unbedeutende Erhöhung dieser beiden Abgaben
vorgenommen.
In England zahlen die Eisenbahnaktiengesell-
schaften bei ihrer Errichtung 5 sh. für 100 I (0-25 »»)
des Aktienkapitals und bei der Ausgabe von Obli-
gationen 2sh. 6d für 100 i' (0-125 ?<.), ferner für
den Besitzwechsel der Shares und Stocks bei
Inhabertitres 1-5"^ und bei Namenstitres Q-ö»<,.
1 1 a 1 i e n belegt die Wertpapiere auch der Eisenbahn-
aktiengeselischaften mit einem Emissionsstempel und
mit einer Abgabe vom Umlauf dieser Titres.
Der Emissionsstempel wird als Gradualabgabe
erhoben und steigt von 10 Centesimi bei 100 Lire
Nennwert auf 1 Lira von 1000-2000 Lire u. s. w.
um je 1 Lira mehr für je 1000 Lire. Es sind
ferner vom Umlauf jährlich zu entrichten hin-
sichtlich der 3 "„igen Eisenbahnobligationen (Ges.
vom 27. April 1885) und hinsichtlich der Obligationen
der vor dem 12. Juli 1888 konzessionierten Gesell-
schaften l-20°;,<,, dann hinsichtlich der sonstigen
Eisenbahnobligationen und der Aktien, wenn sie
auf den Inhaber lauten, 2-40?« und wenn sie auf
Namen lauten, LSO»«.
Von den Börsengeschäften mit Eisen-
bahnt itres bzw. dem handelsmäßigen Um-
steuerrecht der Eisenbahnen.
191
satz derselben sind gleichfalls Stempelsteuern
zu entrichten.
Deren Höhe beträgt: im Deutschen Reich bei
Kauf- und sonstigen Anschaffungsgeschäften von
Aktien ^ ,„, von Obligationen ^/,o»» (Tarif Nr. 4 des
Reichsstempelgesetzes vom Jahre 1913); in Frank-
reich seit Ges. vom 15. luli 1914 bei börsenmäßigen
Zeit- und Kassageschäften 15 Ct., bei Reportge-
schäften 375 Ct. für je 1000 f^r. ohne Bruchteil;
in Italien 1 Lira für Kassa- und 4 Lire für
Zeitgeschäfte, welche Sätze sich auf die Hälfte er-
mäßigen, falls das Geschäft durch Mäkler abge-
schlossen wird; in Großbritannien ist die Schluß-
notensteuer nach einer Skala zu entrichten, die von
6 d für umgesetzte 100 £ auf 1 £ für umgesetzte
mehr als 20.000 i.' steigt; in Österreich (Ges. vom
9. März 1897) ist die sog. „Effektenumsatzsteuer"
auch bei außerbörslichem Umsatz durch Handels-
mäkler und Effektenhändler mit der festen Gebühr
von 1 K für jeden einfachen „Schluß'' (10.000 K
bzw. 25 Stück) in Geschäften mit Dividendenpapieren
(Aktien) und Teilschuldverschreibungen (mit gewissen
Ermäßigungen bei geringeren Umsätzen und Frei-
lassung der Staatspapiere) zu entrichten. (Gebühren-
sätze während des Krieges erhöht.)
/^ Das Qebührenäquivalent, auch „Abgabe
der toten Hand " genannt, wird in manchen Staaten
als Ersatz der beim Ableben natürlicher Personen
piatzgreifenden Obertragungsgebühren u. a.
auch von den Eisenbahnaktiengesellschaften in
Form einer periodischen Abgabe eingehoben.
So in Österreich (Ges. vom 13. Dezember
1862 und 29. Februar 1S64) mit dem Satz
von 1-5% nebst 25% Zuschlag für je 10 Jahre
(und ähnlich in Ungarn, Ges.-Art. XXVI- 1881
mit dem Satz von ^1-^^%) vom Wert des un-
beweglichen Vermögens, in Elsaß-Lothringen
für Gebäude nebst Zubehör mit 39% des
Prinzipalbetrags der Gebäudesteuer und für
der Grundsteuer unterliegende Güter mit
S9-5% des Prinzipaibetrags der Grundsteuer.
In Frankreich wird entsprechend der Theorie,
daß die „Eisenbahnen" nebst Zubehör öffentliches
Gut („propriete publique" t bilden, das Gebührenäqui-
valent von den Gesellschaften nur insoweit angefordert,
als sie im Privateigentum von nicht zur „Eisenbahn"
zu rechnenden Liegenschaften stehen. Die „taxe des
biens de niain morte" beträgt einschließlich der Zu-
schläge dermal 140-625 ?u der Gebäude- und 87'5?i
der Grundsteuer.
In England wird das Gebührenäquivalent als
„Corporation duty" (Act 48 and 49 Vict. c 51) mit
5?o vom Nettoeinkommen des beweglichen und un-
beweglichen Vermögens (on net annual value, in-
come er profits accrued in respect of all real or
personal property) eingehoben.
Bayern und Span ien lassen die Eisenbahnaktien-
gesellschaften von dieser Abgabe ausdrücklich frei.
k) Als Besteuerungsform der Eisenbahn-
unternehmungen sind auch die Aufsichts-
gebühren zu erwähnen, die sie in mehreren
Staaten, so in Frankreich, Italien, Öster-
reich (§ 89 der EBO. vom 16. November
1851), Rußland, Ungarn u. s.w. zu ent-
richten haben, ferner
l) die Gewinnbeteiligung des Staates
an den Erträgnissen der Privatbahnen, die
eintritt, wenn diese Erträgnisse einen meist
zur Verzinsung des Anlagekapitals in Ver-
hältnis gestellten Betrag überschreiten. Sie ist
in Österreich seit der Verstaatlichung der
großen Eisenbahnen ohne Bedeutung. (Sie be-
steht u. a. noch bei der Aussig-Teplitzer- und
bei der Leoben-Vordernberger Eisenbahn.)
In Frankreich beginnt die Gewinnbeteiligung
des Staates, wenn die Dividende gestiegen ist, bei
der Paris-Orleans-Bahn auf 14-4';o, der Paris-Lyon-
Mittelmeer-Bahn auf IS"«, bei der Nordbahn auf
22-125»i, der Südbahn auf \b"o und der Ostbahn
auf lO'ji. des Anlagekapitals, und sie besteht in
Vj der weiteren Reineinnahmen.
Für Italien wurde durch Art. 255 des Ges. über
die öffentlichen Arbeiten und die Konventionen vom.
Jahre 1885 bestimmt, daß der Regierung das Recht
der Gewinnbeteiligung zustehen solle, wenn der
jährliche Nettoertrag der Eisenbahn im Durchschnitt
der letzten 5 Jahre 10?i> des Anlagekapitals übersteigt.
Durch Art. 11 des Ges. vom !6. Juli 1907 wurde
dem Staat eine doppelte Gewinnbeteiligung gesichert:
einerseits an den Nettoerträgnissen mit nicht
weniger als der Hälfte des Überschusses über die
gesetzlichen Handelszinsen vom Aktienkapital (bzw.
Anlagekapital, wenn der Unternehmer keine Aktien-
gesellschaft ist), anderseits an den Roh einnahmen,
sobald der Durchschnitt dieser Einnahmen im letzten
Quadriennium den in der Konzessionsurkunde fest-
gesetzten Kilometerbruttoertrag erreicht hat.
In den Niederlanden wurde durch die Verträge
vom 21. Januar 1890 zwischen der Regierung und
der Gesellschaft zum Betrieb der Staatseisenbahnen
(S. S. genannt) sowie der Holländischen Eisenbahn-
gesellschaft (H. S. M.) vereinbart, daß wenn der
Reingewinn der Gesellschaften 4"« des noch nicht
getilgten Gesellschaftskapitals übersteigt, der Über-
schuß zwischen dem Staat und den Gesellschaften
zur Hälfte geteilt ^x'ird. Sind die Einnahmen noch
größer, so erhält derStaat hiervon V;, die Gesellschaft ^i-,.
In R u ß 1 a n d wurde in den Statuten der Eisenbahn-
gesellschaften und in den Nachträgen zu diesen eine Ge-
winnbeteiligung des Staates in verschiedenem Umfang
vorgesehen, bei Nebenbahnen oft auch eine bestimmte
Summe f. d. Betriebswerst für den Staat angefordert
und noch in neuester Zeit in der Verordnung vom
15./28. Mai 1912 betreffend die Altaibahn eine
Gewinnbeteiligung dahin gesichert, daß von dem
Gewinn, der nach Deckung des Obligationen-
dienstes und nach Ausschüttung einer 8% igen Di-
vidende erübrigt, ^'4 an den Staat fallen (Näheres
für die Zeit bis 1908 in der „Revue de science et
de legislation financiere" 1908, S. 573).
In der Türkei hat, wenn die Betriebseinnahmen
der konzessionierten . Eisenbahnen die vom Staat
garantierte Mindesthöhe überschreiten, der Staat An-
spruch auf einen für die verschiedenen Gesellschaften
in verschiedener Höhe (25-60"«) bestimmten Anteil
der Mehrerträge (Einzelheiten im Arch. f. Ebw. 1914,
S. 1087).
m) Als einer die Eisenbahnaktiengesellschaften
nicht unmittelbar belastenden, jedoch von ihnen
für Rechnung der Bezugsberechtigten abzufüh-
rendenSteuerwäreauchnochdersog.„Tantiemen-
steuer" oder „Tantiemenabgabe" zu gedenken.
Im Deutschen Reich unterliegen die von den
Aktiengesellschaften obligatorisch anzufertigenden be-
192
Steuerrecht der Eisenbahnen.
sonderen Aufstell\ingen (§ 72 u. Tarif Nr.g des Reichs-
stempelgesetzes vom 3.Juli 19 13) über dieSumme der ge-
samten Vergütungen (üewinnanteile, Tantiemen, Ge-
hälter, Tagegelder u. s. \v.), die den zur Überwachung
der Geschäftsführung bestellten Personen (Mitgliedern
des Aufsichtsrates) seit der letzten Bilanzaufstellung
gewährt wurden, dem Steuersatz von 8"» der er-
\(-ähnten Summe. Befreit sind Summen unter 5000 AI.
Übersteigt die Gesamtsumme der Vergütungen diesen
Betrag, so wird die Abgabe nur insoweit erhoben,
als sie aus der Hälfte des 5000 M. übersteigenden
Betrags gedeckt werden kann.
In Österreich wurde die Tantiemenabgabe durch
Art.IlIdesQes.vom23.Januar 1914 eingeführt. Hier ist
von den Bezügen, die die Mitglieder des Vorstandes,
Aufsichtsrates und Vervcaltungsrates (Generalrat, Ad-
ministrationsrat, Kuratorium u. dgl.) von Aktiengesell-
schaften und Konnnanditgesellschaften auf Aktien in
dieser Eigenschaft unter welcher Bezeichnung immer
empfangen, vom Steuerjahr 1914 an eine ..Xbgabe von
10";, (seither auf20'> erhöht) zu entrichten, die von
den Gesellschaften bei Auszahlung der Bezüge den
Empfängern für Rechnung des Staatsschatzes in
Abzug zu bringen und an die Staatskasse abzuführen
ist. Sind jedoch solche Personen mit Dienstvertrag
als leitende Direktoren mit festem Gehalt angestellt,
so unterliegen die vertragsmäßigen Bezüge, die ihnen
in einer im ersten Absatz bezeichneten Eigenschaft
von der Gesellschaft, in deren Diensten sie stehen,
zufließen, nicht der Tantiemenabgabe, sondern der
Besoldungssteucr. Ist die Gesamtsumme der von einer
Gesellschaft ausbezahlten Bezüge geringer als 5000 K,
so entfällt die Entrichtung dieser Abgabe. Die von
dieser Abgabe getroffenen Bezüge unterliegen nicht
der Besoldungssteuer.
In Ungarn fallen die Gewinntantiemen der Ge-
sellschaftsdirektoren und Mitglieder des Verwaltungs-
rates derzeit noch unter die Erwerbsteuer der 3. Klasse
mit dem Steuersatz von 10",; (§ 16 Ges.-Art. XXIX-
1875 u. §4, Z. 10, Ges.-.^rt. LX-18S0).
In Frankreich unterliegen gemäß Ges. vom
13. Juli 1911 die Reingewinne, welche zufolge statu-
tarischer Bestimmung an die Mitglieder des Ver-
-waltungsrates verteilt werden, dem ,.Impöt sur le
revenu" mit dem Satz von 4%.
In Spanien (Ges. vom 27. März 1900) besteht
eine 10'>ige Steuer von den Bezügen der Direktoren,
Gereuten, Konsulenten und Administratoren der
Eisenbahngesellschaften.
B. Staatsabgaben gebührenartigen
Charakters.
Soweit es sich um Gebühren von beurkunde-
ten Rechtsgeschäften, Vermögensübertragungen
u. s. w. handelt, unterliegen in der Regel die
Eisenbahnunternehmungen denselben allge-
meinen Bestimmungen wie andere Rechts-
subjekte. Tritt der Staat als Eisenbahnunter-
nehmer auf, steht ihm gewöhnlich Gebühren-
freiheit zur Seite. Schließt er in diesem Fall
Rechtsgeschäfte mit nicht befreiten Personen
ab, so haben diese z.B. in Österreich die
entfallenden Stempelgebühren im vollen Betrag,
die Prozentualgebühren aber nur zur Hälfte
zu entrichten.
Für die Bewilligung zum Bau und Betrieb
von Eisenbahnen sind vielfach besondere
Konzessionsgebühren zu entrichten.
Hinsichtlich der diesfalls in den einzelnen
deutschen Staaten bestehenden Stempelab-
gaben, z.B. Preußen und Braunschweig 200 M.,
S.Archiv für Finanzwesen 1915, Bd. I, S. 155.
In Österreich ist gemäß §208 des Stempel-
und Taxgesetzes vom 27. Januar 1840 für das
Privilegium zur Errichtung einer E. A. G. für
jedes Jahr der ganzen Dauerzeit des Privilegiums
eine Taxe von 30 K zu entrichten.
Frankreich fordert von den Eisenbahnunter-
nehmungen eine Lizenzabgabe mit 625 Fr. für jedes
Vierteljahr und unterliegen dort die Wagen außerdem
einer Kontrollmarke (.^estampille") im Betrag von
je 2 Fr.
In der Schweiz wurde (neben der jährlichen
sog. Konzessionsgebühr, s. o. unter A, b) durch
Ges. vom 18. Juni 1914 auch eine einmalige Ge-
bühr für Gesuche um Erteilung einer. Konzession
für eine Eisenbahn (bzw. Ausdehnung, Übertragung,
Erweiterung oder Verlängerung einer solchen Kon-
zession) zu gunsten der Bundeskasse eingeführt. Die
Gebühr beträgt im Hauptfall 500 Fr. Grundtaxe
nebst einem Zuschlag von 50 Fr. für jeden km
der Bahnlänge, in den Nebenfällen weniger. Die
Gebühren werden zwischen dem Bund und den
Kantonen, deren Gebiet durch die Bahn in Anspruch
genommen wird, geteilt. Vgl. wegen Konzessions-
gebühr den Art. Konzession.
C. Sonstige Abgaben und Leistungen.
An solchen verdienen Erwähnung: die Han-
delskammerbeiträge, z. B. in Frankreich,
Italien und Österreich (Ges. vom 29. Juli 1868),
die Pflichtbeiträge für die Sozialver-
sicherung der Angestellten (Arbeiterkran-
ken-, Unfall- und Pensionsversicherung), die
in fast allen Staaten durch Gesetz oder Kon-
zession geregelten Kriegsleistungen, die
Verpflichtungen zur unentgeltlichen oder er-
mäßigten Beförderung von Staatsbeamten
Militär, Staatsmonopolgut, der Post u. s. w.
Hinsichtlich der von Personenfahrkarten
und Frachturkunden zu entrichtenden Stempel-
gebühren s. Art. Fahrkartensteuer, Frachtbrief-
stempel u. Transportsteuer der Eisenbahnen.
In Österreich sind während des Krieges die
Fahrkartensteuer und die Frachturkundengebühr er-
heblich erhöht worden, ebenso der Frachturkunden-
stempel in Deutschland.
D. Gemeindeabgaben.
Außer an den Staat haben die Eisenbahn-
unternehinungen vielfach auch an Gemeinden
und andere Selbstverwaltungskörper höherer
Ordnung (Länder, Provinzen, Kreise, Distrikte
u. s. w.) Abgaben zu entrichten, und besteht
auf diesem Gebiet ein kaum übersehbares
Wirrsal von verschiedenen Einzelbestimmungen.
Im allgemeinen lassen sich 2 Systeme unterscheiden.
Bei dem einen derselben, dem Umlagen- oder
Zuschlagsystem, werden meist durch den Staat
selbst in einem durch ihn bestimmten oder nach
oben hin begrenzten bzw. seiner Genehmigung unter-
liegenden Umfang perzentuelle Zuschläge (Umlagen)
zu allen oder mehreren direkten Staatssteuern (meist
steuerrecht der Eisenbahnen.
193
nur zur Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer) zu
gunsten der Gemeinden u. s. \v. erhoben.
Bei dem andern System besteht entweder ein
selbständiges Recht der Gemeinden uneben
dem Staat), gewisse Einkommensquellen oder Ein-
kommensarten zu besteuern, oder es hat der Staat
einzelne Steuergattungen den Gemeinden vollständig
überlassen, wobei wieder entweder der Staat die
Steuerveranlagung zu gunsten der Gemeinden selbst
besorgt oder ihnen gleichfalls überläßt.
Bei beiden Systemen werden in mehreren Staaten
auch die Staatseisenbahnen selbst in mehr oder
minder großem Umfang zur Kommunalsteuerung
herangezogen.
Hier ist bei dem ersterwähnten der beiden Systeme
für die Umlagengrundlage in der Weise vorgesorgt,
daß der Staat seine eigenen Bahnen auch allen oder
einigen Staatssteuern unterwirft.
Das Zuschlagsystem findet u.a. Anwendung
in Baden, Bayern, Belgien, Elsaß-Lothringen,
Italien (mit Ausnahme zur Einkommensteuer),
Frankreich, Portugal, Spanien und in Öster-
reich, wo die Umlagen oft ein Vielfaches der
Staatssteuer überschreiten und ebenso wie in Frank-
reich auch von den Staatseisenbahnen nach dem
Umfang ihrer Staatssteuerpflicht zu entrichten sind,
dann auch in Ungarn.
Gemeinden und andere Selbstverwaltungskörper
können ihr Zuschlagsrecht zeitlich nur dann und
örtlich nur dort ausüben, wann und wo auf ihrem
Gebiet eine direkte Staatssteuer zur Vorschreibung
gelangt. Das ist hinsichtlich der Grund- und Gebäude-
steuer regelmäßig dann und dort der Fall, wo sich
die einzefnen, diesen Steuern unterworfenen Liegen-
schaften befinden. Bei der Gewerbesteuer, die den
gesamten Betrieb einer sich über die Gebiete mehrerer
Zuschlagsberechtigten erstreckenden Unternehmung
als Einheit erfaßt, ist jedoch die sog. „Steuerteilung"
notwendig, die darin besteht, daß durch die Staats-
verwaltung von der einheitlichen Staatssteuer den
in Frage kommenden Selbstverwaltungskörpern eine
nach festen Grundsätzen auszumittelnde Quote zu-
gewiesen wird, an die sie ihr Zuschlagsrecht an-
knüpfen können.
Besonders umständlich gestaltet sich diese Steuer-
teilung in Österreich, wo nicht nur der Sitz der
Unternehmung (obersten Geschäftsleitung bei Staats-
bahnen), also meist Wien, sondern auch die anderen
Landeshauptstädte, die einzelnen Kronländer und
die Streckengemeinden mit solchen Quoten zu be-
denken sind und wo bei Verstaatlichung von Privat-
bahnen zum Schutz bestehender Zuschlagsrechte
Übergangsbestimmungen getroffen wurden.
In Ungarn tritt bezüglich der besonderen Er-
werbsteuer der Eisenbahnunternehmungen keine
Steuerteilung ein; die ganze Steuer ist am Sitz der
Direktion (also meist in Budapest) zu entrichten.
Ein von dem Staatssteuersystem nach jeder Richtung
vollständig unabhängiges Kommunalsteuersystem be-
steht in England. Es trifft dort ausschließlich das un-
bewegliche Vermögen auch der Aktiengesellschaften
als sog. Armensteuer (poor rate). Diese Steuer, in
ihren Anfängen auf das Jahr 1601 zurückreichend und
seit dem .aufkommen der Eisenbahnen auch auf diese
angewendet, wird zu gunsten der Kirchspiele erhoben,
und wurden auf sie im Lauf der Zeit alle anderen
Lokalabgaben für Sanitäts-, Schul-, Polizei- und ähn-
liche Zwecke in Form von Zuschlägen aufgepfropft.
Hinsichtlich der Distriktsabgaben (general district
rate), die auf alle der Armensteuer unterliegenden
Immobilien meist für Straßen- und Kanalisations-
zwecke umgelegt werden, genießen die Eisenbahnen
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
die Erleichterung, daß sie nur mit '/< der andere
Steuerträger treffenden Belastung zu den Distrikts-
abgaben herangezogen werden.
Die früher auch die Eisenbahnen belastende
Kirchensteuer (church rate) ist durch Ges. vom
Jahre 1868 aufgehoben worden.
In Preußen (Ges. vom U.Juli 1893, GS. S. 119
wegen Aufhebung direkter Staatssteuern und Kom-
munalabgabengesetz vom gleichen Tag, GS. S. 152
mit Nachträgen) sind die Grund-, Gebäude- und
Gewerbesteuern (unter Fortsetzung der Veranlagung
durch den Staat) den Gemeinden zur eigenen Er-
hebung und Verwendung zugewiesen worden, außer-
dem sind die Gemeinden berechtigt, Steuern auf das
Einkommen, in der Regel nur in der Form von Zu-
schlägen zur staatlichen Einkommensteuer zu erheben.
Spezielle Bestimmungen für preußische Eisen-
bahnunternehmungen :
Es unterliegen nicht der Grundsteuer die Schienen-
wege der Eisenbahnen überhaupt, dann nicht der
Gebäudesteuer die dem Staat gehörigen, zu einem
öffentlichen Dienst bestimmten Gebäude, z. B. jene
der Staatseisenbahndirektionen (wohl aber die un-
mittelbar dem Verkehr dienenden Gebäude), endlich
nicht der Gewerbesteuer: der Betrieb der Eisen-
bahnen, die 1. der Eisenbahnabgabe unterzogen
werden, 2. vom preußischen Staat oder vom
Deutschen Reich auf eigene Rechnung betrieben
werden oder 3. auf Grund von Staatsverträgen
Steuerfreiheit genießen, wohl aber die Kleinbahnen
(Ges. vom 28. Juli 1892, § 40).
Der Oemeindeeinkommensteuer sind alle
privaten Eisenbahnunternehmungen und auch der
Staatsfiskus bezüglich seines Einkommens aus den
von ihm betriebenen Eisenbahnen unterworfen.
Der Eisenbahnbetrieb unterliegt der Steuerpflicht
in den Gemeinden, in denen sich der Sitz der Ver-
waltung (bzw. einer Staatseisenbahnbehörde), eine
Station oder eine für sich bestehende Betriebs- oder
Werkstätte oder eine sonstige gewerbliche Anlage
befindet.
Die gesamten Staats- und für Rechnung des Staates
verwalteten Eisenbahnen sind als e i n e steuerpflichtige
Unternehmung anzusehen.
Als Reineinkommen dieser Eisenbahnen gilt der
rechnungsmäßige Überschuß der Einnahmen über
die Ausgaben mit der iVlaßgabe, daß unter die Aus-
gaben auch eine 3-5 »o ige Verzinsung des Anlage-
bzw. Erwerbskapitals zu rechnen ist. Der sich dar-
nach ergebende steuerpflichtige Gesamtbetrag ist
durch den zuständigen Minister alljährlich endgültig
festzustellen.
Als Reineinkommen der Privateisenbahnunter-
nehmungen gilt der nach Vorschrift der Ges. vom
30. Mai 1853 und 16. März. 1867 (s. unter A, a) für
jede derselben ermittelte Überschuß abzüglich der
Eisenbahnabgabe und mit der Maßgabe, daß bei
der Berechnung nach dem Ges. vom 16. März 1867
die zur Verzinsung und planmäßigen Tilgung etwa
gemachter Anleihen erforderlichen Beträge mit in
Anrechnung gebracht werden dürfen.
Auf Kleinbahnen findet die vorstehende Bestim-
mung keine Anwendung.
Die Verteilung des gemeindesteuerpflichtigen Ein-
kommens der Eisenbahnunternehmungen auf die be-
teiligten Gemeinden erfolgt (mangels anderweitiger
Vereinbarung zwischen diesen und dem Steuerpflich-
tigen) in der Weise, daß das Verhältnis der in den
einzelnen Gemeinden erwachsenen Ausgaben an Ge-
hältern und Löhnen, einschließlich der Tantiemen
des Verwaltungs- und Betriebspersonals, zu gründe
gelegt wird. Hierbei kommen jedoch die Bezüge
13
194
Steuerrecht der Eisenbahnen.
desjenigen Personals, das in der allgemeinen Ver-
waltnng beschäftigt ist, nur mit der Hälfte, die Be-
züge des in der Werkstättenvervcaltung und im Fahr-
dienst beschäftigten Personals nur mit =,'3 ihrer Beträge
in Ansatz. Erstreckt sicli eine Betriebsstätte, Station
u. s. w., innerhalb deren Ausgaben an Gehältern und
Löhnen erwachsen, über den Bezirk mehrerer Ge-
meinden, so hat die Verteilung nach Lage der ört-
lichen Verhältnisse unter Berücksichtigung des Flä-
chenverhältnisses und der den beteiligten Gemeinden
durch das Vorhandensein der Betriebsstätte, Station
u. s. w. erwachsenden Kommunallasten zu erfolgen.
Kreise imd [Provinzen erheben seit Ges. vom 23. April
IQOö nicht mehr direkte Umlagen, sondern teilen
ihren Bedarf auf die Gemeinden und Gutsgebiete auf.
Im Königreich Sachsen (Ges. vom 11. Juli 1913)
sind die Gemeinden ähnlich wie in Preußen berechtigt,
Grund-, Gebäude-, Gewerbe- und Einkommensteuern
u. a. auch von Eisenbahnunternehmungen zu erheben,
es bestehen jedoch insofeine Abweichungen gegen-
über [-"reußen, als von der Grundsteuer nur die Grund-
stücke, auf denen sich Schienengleise der sächsischen
Staatseisenbahnen befinden, und von der Gewerbe-
steuer nur die Staatseisenbahnen befreit sind, endlich
das Einkommen des Staates aus seinem Eisenbahn-
betrieb der Oemeindeeinkommensteuer nicht unter-
liegt. Bezüglich der Verteilung der letzteren Steuer bei
den unter sie fallenden Privatbahnen gelten folgende
Grundsätze: die Steuerpflicht ist in jeder Gemeinde
begründet, in der sich eine Betriebsstätte befindet.
Derjenigen Gemeinde, in der sich der Sitz der Leitung
des Gesamtbetriebs befindet, gebührt eine Voraus-
besteuerung des zehnten Teiles vom Gesamteinkom-
men; der übrige Teil wird nach Verhältnis der in
den einzelnen Gemeinden erwachsenden Ausgaben
an Gehältern und Löhnen (einschließlich der Tan-
tiemen, jedoch ohne die in Preußen gemachte Ein-
schränkung) verteilt.
In Württemberg (Ges. vom 8. August IQ03)
ist der Betrieb der Staatseisenbahnen vorbehaltlich
jedoch der Besteuerung der für diesen Betrieb be-
stimmten Grundstücke und Gebäude von Gemeinde-
umlagen befreit. Die Staatseisenbahnen unterliegen
auch nicht der Gemeindeeinkommensteuer. Für andere
Fälle dieser Steuer ist die Steuerteilung im Art. 27
des bezogenen Gesetzes geregelt.
E. Steuerbefreiungen.
Zur Förderung des Eisenbahnbaues oder
aus sonstigen Gründen wurden und werden
den Eisenbahnunternehmungen, sei es einzelnen
in den Konzessionsurkunden, sei es bestimmte
Arten, allgemein durch die Gesetzgebung Steuer-
befreiungen (s. Konzession), meist auf zeitlich
beschränkte Dauer, oft auch nur in begrenztem
Umfang zugestanden.
Einzelner solcher Steuerbefreiungen ist schon früher
gedacht. An sonstigen Steuerbefreiungen seien er-
wähnt:
Das Deutsche Reich genießt (mit der unter
A, d erwähnten Ausnahme) gemäß des Reichssteuer-
gesetzes vom 15. April 1911 auch bezüglich der Reichs-
eisenbahnen Freiheit von allen zur Hebung gelan-
genden Staatssteuern der einzelnen Bundesstaaten.
Durch Gemeinden (und weitere Kommunalver-
bände) kann das Reich zu Realsteuern vom Grund-
besitz nur in demselben Umfang wie die einzelnen
Bundesstaaten herangezogen werden.
Jedoch erhält nach § 7 des bezogenen Gesetzes
Elsaß-Lothringen behufs Zuführung an die Ge-
meinden, in deren Gemarkung oder Umgebung
sich eine Station oder eine für sich bestehende
Betriebs- oder Werkstätte der von der Reichseisen-
bahnverwaltung für Rechnung des Reiches betriebenen
Eisenbahnen befindet, aus den Erträgnissen dieser
Eisenbahnen einen Anteil in der Höhe von S'ü des
rechnungsmäßigen Überschusses, mindestens aber
jährlich 200.000 M.
In Baden wurde den Privateisenbahnen meist
auf Grund von Spezialgesetzen die Befreiung von
der Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer, die seit
1908 in der Vermögenssteuer aufgegangen ist, ge-
währt. Diese Befreiungen wurden durch das Ver-
mögenssteuergesetz aufrecht erhalten.
In Österreich und Ungarn wurden durch die
Lokalbahngesetze Steuerbefreiungen für neue Lokal-
bahnen festgesetzt.
In Österreich wurde durch das Ges. vom
8. August 1910 (wie schon früher durch das Ges.
vom 29. Dezember 1908) über Bahnen niederer
Ordnung (Lokalbahnen und Kleinbahnen) diesen
Bahnen eme Reihe (teilweise zeitlich beschränkter)
Befreiungen von der besonderen Erwerbsteuer, von
Stempeln und unmittelbaren Gebühren und von den
Aufsichtsgebühren u. s. \v. zugesichert, ebenso in
Ungarn durch die Qes.-Art. XXXI-1880 u. IV-1888
den Eisenbahnen von lokalem Interesse (sog. Vizinal-
bahnen), und sei bezüglich der Einzelheiten auf die
bezogenen Gesetze verwiesen.
In Belgien wurde durch Ges. vom 28. Mai 1884
der nationalen Gesellschaft für den Bau und Betrieb
von Vizinalbahnen die Befreiung von der Gewerbe-
steuer und von der Besteuerung durch die Provinzen
und Gemeinden zugestanden.
Brasilien gewährte durch Ges. vom 18. November
1900 der Gesellschaft zum Bau der Eisenbahn von
Sao Paolo zum FlußRibeira de Iquape Befreiung von
sämtlichen Steuern für die Dauer der Zinsengarantie.
Der Canadian Pacific Railway wurde durch
Ges. vom 22. Mai 1888 dauernde Steuerfreiheit für
sämtliche Linien und Ländereien (25,000.000 Acres
ä 4047 Ar, die der Bahn überlassen worden sind)
zugesichert.
In Dänemark wurde durch Ges. vom 26. Juni 1908
bestimmten Eisenbahnen Befreiung von Grund- und
Gebäudeabgaben zugebilligt (Näheres Arch. f. Ebw.
1908).
In England wurden von der durch das Finanz-
gesetz vom Jahre 1910 (10 Edw. 7 c. 8) eingeführten
Wertzuwachssteuer (Increment value duty), Heim-
fallsteuer (Reversion duty) und Bauplatzsteuer (Un-
developed land duty) nebst anderen Gesellschaften
auch die Eisenbahngesellschaften hinsichtlich des für
die Zwecke ihrer Unternehmung besessenen Bodens
befreit.
In Mexiko ist gemäß Ges. vom 29. April 1879
das Bahneigentum konzessionierter Eisenbahnen ein-
schließlich des Betriebskapitals - abgesehen von
der Stempelsteuer für Urkunden — von jeder Staats-
steuer befreit.
Die Schweiz hat durch Ges. vom 15. Oktober 1887
betreffend den Bau und Betrieb von Eisenbahnen
für Rechnung des Bundes diese Bahnen von jeder
Besteuerung durch Kantone und Gemeinden mit
der Einschränkung befreit, daß diese Befreiung
auf solche Immobilien keine Anwendung findet,
die zwar im Besitz der Bundesbahnen sind, aber
keine notwendige Beziehung zum Bahnbetrieb haben
(z. B. Eisenbahnhotels). Zugleich verzichtete der Bund
gegenüber den Bundesbahnen auf die Erhebung
der in Art. 19 des BGes. vom 23. Dezember 1872
steuerrecht der Eisenbahnen. - Steuerungen.
195
vorbehaltenen Konzessionsgebühr für regelmäßigen,
periodischen Personentransport (s. o. unter B).
In Serbien wurden durch Ges. vom 6./18. De-
zember 18Q8 die Konzessionäre bestimmter Eisen-
bahnlinien für die ganze Dauer des Baues und
Betriebs von jedem Zoll, Obt und den Zollneben-
gebühren hinsichtlich der Einfulir von Eisenbahn-
material, desgleichen von den staatlichen und kommu-
nalen Steuern sowie von Gerichts- und Verwaltungs-
gebühren befreit. Ebenso geniel3en die Staatsbahn'en
volle Zoll- und Steuerfreiheit.
Uruguay hat den Eisenbahnen durch Ges. vom
27. August 1884 Steuerfreiheit, dann Zollfreiheit
für Baumateriahen auf die Dauer von 40 Jahren,
Venezuela durch Ges. vom 31. Mai 1897 die Be-
freiung von allen Regierungsabgaben, ausgenommen
die Stempelsteuer zu gunsten des öffentlichen Un-
terrichts, zugesichert.
F. Nachtrag.
Während des Krieges wurden in Österreich, Deutsch-
land, in den Nordstaaten und anderwärts Kriegs-
gewinnsteuern von höheren Geschäftserträgnissen
eingeführt, denen auch Eisenbahngesellschaften unter-
worfen sind.
Literatur. Da eine zusammenfassende Darstellung
des geltenden Eisenbahnsteuerrechts bisher fehlt, ist
auf die in den Art. Eisenbahnrecht und Eisen-
bahnliteratur aufgezählten Sammelwerke, in denen
sich verstreute Angaben über die Besteuerung der
Eisenbahnen vorfinden, hinzuweisen.
Als spezielle neuere Quellen für das S. der
Eisenbahnen wären nach Staaten geordnet zu nennen
bzw. hervorzuheben: Leo Blum.Die steuerrecntliche
Ausnützung der Aktiengesellschaften in Deutsch-
land. Stuttgart u. BeVlin 1911. - Bougault,
Manuel pratique des principaux droits et impöts
frappant les societes etc. 1910. - Caillaux, Les
impöts en France 1911. - Colson, Chemins de
fer et voies navigables. Referat Berner Kongreß 1910.
— Chaveneau, Les contributions directes des che-
mins de fer. 1909. ~ Humbert, Traite complet
des chemins de fer. 1908. - Januschka, Die Besteue-
rung der Eisenbahnen und des Eisenbahnverkehrs in
Frankreich. Österr. Zeitschrift für Eisenbahnrecht
1913. - Browne et Theobald, Law of Railway
Compagnies. London 1911, 4. Aufl. - Dr.Josef Red-
lich, Englische Lokalverwaltung. Leipzig 1901. -
Martin, Les impöts directs en Angletcrre. 1905. -
Das vom italienischen Finanzministerium alljährlich
herausgegebene „Bollettino di statistica e di legis-
lazione comparata". - Gasca, L'esercizio delle strade
ferrate. Torino 1909. - Garilli, Prescrizione, deca-
denza e perenzione nell'applicazione delle tre imposte
dirette. Milano 1913. - Ruggiero, La imposta della
richchezza mobile etc. Milano 1914. - Roccataglia,
Come si pagano le imposte e ie fasse in Italia. Mi-
lano 1912. - Das für Japan von der dortigen Regie-
rung alijährlich auch in deutscher Sprache "herausge-
gebene „Finanzielle und ökonomische Jahrbuch Ja-
pans". - Die Besteuerung der Eisenbahnunterneh-
mungen in Österreich. Aufsatz des Verfassers in
der Ost. Ztschr. f. Eb. 1911. - Gerloff, Die
kantonale Besteuerung der Aktiengesellschaften in
der Schweiz. Bern 1906. — Jeze, L'impöt sur
le revenu dans les Etats-Unis de l'Amerique du
Nord. Revue de science etc. 1914. - Hill, The in-
come faxe of 1913. The quarterly Journal of Econo-
mics 1913. — Marcuse, Das neue Einkommensteuer-
gesetz in den Vereinigten Staaten von Nordamerika.
Arch. f. Finanzwesen "1914. ' Januschka.
Steuerungen (valve motions; distribiitions ;
distribuzioni).
Inhaltsübersicht. I. Zweck der S.; Abschnitte
der Dampfverteilung. — II. Die einfache Schieber-
steuerung; Schieberbewegung und Schieberdiagram-
me. — IIL Die Kulissensteuerungen im allgemeinen.
1. Die Kulissensteuerungen mit 2 Exzentern; A. Wir-
kungsweise und Bauarten, B. Bauregeln. 2. Die
Kulissensteuerungen mit einem Exzenter; A. Die
Wirkungsweise der Heusinger-Steuerung; B. Bau-
regeln ; C. Entwurfsregeln. 3. Die Kulissensteuernngen
ohne Exzenter. - IV. Nachprüfung der S. am Modell
und Regulierung. - V. Der Einfluß des Federspiels
auf die S. - VI. Gegenüberstellung der besprochenen
S. — VII. Die Anordnung der Kulissensteuerungen
für Mehrzylinderlokomotiven mit einfacher Dampf-
dehnung. 1. Dreizylinderlokomotiven; 2. Vierzylinder-
lokomotiven. - VIII. Die Anordnung der Kulissen-
steuerungen für Verbundlokomotiven. 1. Die Ver-
bundlokomotiven mit 2 Zylindern; 2. die Verbund-
lokomotiven mit 3 Zylindern; 3. die Verbundloko-
motiven mit 4 Zylindern a) mit je einer besonderen
Steuerwelle für das Hoch- und Niederdrucktriebwerk,
b) mit gemeinsamer Steuerwelle für das Hoch- und
Niederdrucktriebwerk. - IX. Die Ventilsteuerungen.
- X. Die Gleichstromlokomotiven. - XL Die Dreh-
schiebersteuerungen. - XII. Die Ausführung der
Einzelteile.
I. Zweck der S.; Abschnitte der Dampf-
verteilung.
Die S. hat den Zweck, die Zu- und Abfüh-
rung des Dampfes auf beiden Kolbenseiten
unter wirtschaftlichster Ausnutzung seiner
Spannkraft zu regeln.
Bei der Lokomotive muß die auf einen
Kolbenhub entfallende Arbeitsleistung da-
durch geändert werden können, daß dem
Dampf der Zutritt während eines größeren
oder kleineren Teiles des Kolbenhubs ermög-
licht wird, d. h. die S. muß mit einstell-
barer Füllung arbeiten. Außerdem muß
die S. Vorwärts- und Rückwärtsfahrt ge-
statten, d. h. sie muß Umsteuerung er-
möglichen. Die Einstellbarkeit der Füllung und
die Umsteuerung werden durch den gleichen
Maschinenteil, bei den meisten S., die Kulisse
erzielt (s. Abschnitt III).
Den oben in erster Linie angegebenen
Zweck der Dampfführung erfüllt die S., wenn
sie ein gutes Dampfdiagramm (Dampfdruck-
schaulinie) ergibt (s. Art. Dampfarbeit, Bd. III,
220, besonders auch Abb. 155). Dieses muß
während eines Hin- und Rückwegs des Kolbens
folgende Abschnitte aufweisen:
1. Einströmung \
2. Dehnung (Expansion)} Hinweg \
3. Voraussfrömung j | des
4. Ausströmung | Kolbens.
5. Kompression /Rückweg!
6. Voreinströmung J
13*
196
Steuerungen.
Die Dehnung soll den im Dampf ent-
haltenen Arbeitsvorrat durch Entspannung mög-
lichst ausnutzen. Sie darf jedoch nicht auf
<
J.a.,
, 1 ,
> a ,
^
%
,- :.*-
, 1 ,.ff.
!
=;
i
Jf'
!
Abb. 177 b.
Kosten der Einströmung zu sehr vergrößert
werden, weil sonst die Wandungstemperatur
zu weit sinken und der demnächst ein-
i-.-i,etae-r
nis der Einströmung zum Kolbenweg liegt
bei 0'2. Erheblich kleinere Füllungen können
übrigens bei den üblichen S. für Lokomotiven
nicht verwirklicht werden, weil die Kompression
dann unzulässig groß wird (s. aber das später
Mitgeteilte über Doppelschiebersteuerung und
Kammerschieber). Die Niederschlagsverluste
können durch Dampfüberhitzung vermieden,
kleinere Füllungen, also größere Dehnungen
durch Verbundanordnung ermöglicht und wirt-
schaftlich gemacht werden.
Die Vorausströmung wird zugelassen, um
bei Beginn des Kolbenrückwegs bereits einen
genügenden Querschnitt für den Dampfaustritt
zur Verfügung zu haben. Andernfalls würde
ein schädlicher Gegendruck entstehen.
Abb. 17S.
KompreasioiL
Abb. 179.
Abb. ISO.
Voraus strämim^
Abb. 181.
t'*t
!< l-mJ
^a
Abb. 1S2.
Abb. 183.
Abb. 184.
strömende Frischdampf zu
Schlagsverluste erleiden würde.
große Nieder-
Die wirtschaft-
lichste Füllung, d. h. das günstigste Verhält-
Die Kompression steigert die Pressung
des nach der Ausströmung im Zylinder und
dem schädlichen Raum zurückbleibenden Damp-
fes, so daß bei Beginn der Voreinströmung
der Raum vor dem Kolben schon mit hoch-
gespanntem Dampf gefüllt ist und keine Druck-
verluste beim Beginn des neuen Kolbenhubs
durch das Nachfüllen des schädlichen Raumes
entstehen.
Die Voreinströmung wird so bemessen,
daß der Schieber bei Beginn des neuen Kol-
benwegs bereits einen genügenden Querschnitt
für die Einströmung freigelegt hat. Andernfalls
würde der Dampfdruck während der Einströ-
mung infolge Drosselung zu we'it unter der
Kesselspannung bleiben.
II. Die einfache Schiebersteuerung;
Schieberbewegung und Schieber-
diagramme.
Der Schieber (s. auch Art. Danipfschieber,
Bd. III) dient der Führung des Dampfes nach
den oben angegebenen Gesetzen. Abb. 177 u.
184 zeigen ihn und den Schieberspiege! in
seiner einfachsten Form. Abb. 178 - 1S3 zeigen.
Steuerungen.
197
wie der Schieber die genannten Abschnitte des
Steuerungsvorgangs verwirklicht.
Die Bewegung des Schiebers erfolgt durch
ein Exzenter (Abb. 2 1 S u. 2 1 9) oder eine Gegen-
kurbel 7;a; (Abb. 198). In beiden Fällen
kann die Bewegung durch eine einfache Kurbel
von der Länge
CE (Abb. 218)
oder CK, (Abb.
198) ersetzt ge-
dacht werden.
Abb. 185 zeigt
einen solchen
schematischen
Schieberantrieb,
doch fehlen in
diesem Schema
die Teile für Ein-
stellbarkeit der
Füllung und Umsteuerung. Die durch ihr
Hinzukommen entstehende verwickeitere An-
ordnung Läßt sich aber auf diesen einfachen An-
trieb zurückführen. Nach diesem Bilde können
die wesentlichen Abmessungen der
einfachen Schiebersteuerung fest-
gelegt und ihre Eigenschaften er-
läutert werden. Die Breite des
Dampfeintrittskanals b möge nach
den unter Art. Dampfschieber,
Bd. III, mitgeteilten Regeln festge-
legt sein. Wenn sich die Kurbel
von ÄTo über AT nach A", bewegt,
so legt die linke, äußere Schieber-
kante einen Weg S„ S^ gleich K^ K-[
zurück. Bewegt sich der Kurbel-
zapfen von K„ bis K, so entfernt
sich die Schieberkante um
S,S = K„P von S„. Punkt P
wird gefunden, indem man mit
NK um A/ einen Kreis schlägt. Da
die Länge NK der Exzenterstange
im Verhältnis zur Exzenterkurbel
C/Csehr groß ist, so kann man den
Bogen KP durch das Lot KV/
ersetzen. Man kann sich also vor-
stellen, daß der Kurbelzapfen K
die Schieberkante unmittelbar als
eine Lotrechte VV hin- und her-
schiebe. Wenn man also das so
gewonnene Bild über den von der
betrachteten Kante gesteuerten Kanal zeichnet
(Abb. 186), so kann man die Steuerungsvor-
gänge verfolgen und die zweckmäßigsten Werte
für die verschiedenen Steuerungsabmessungen
ermitteln. Es sind dies 1. der Abstand e des
Kanals vom Mittelpunkt C des von der Schieber-
kante beschriebenen Weges, 2. die Größe der
Exzenterkurbel CK ^'"d 3. der Winkel 8
zwischen Exzenter- und Triebkurbel. Es ist
also auch die letztere, am besten in der Tot-
punktstellung Cr„ einzuzeichnen.
Bei dieser Stellung der Triebkurbel im Tot-
punkt muß der Kanal zur Ermöglichung der
Voreinströmung um das „lineare Voreilen"
Abb. 185.
V geöffnet sein. Anderseits soll die Ein-
strömung nur während eines Teiles des Kol-
benhubs andauern. Während des Restes soll
Expansion stattfinden. Die Einströmung wird
Abb. 186.
unterbrochen, wenn die Schieberkante von
rechts kommend die Kanalkante erreicht, also
bei der Exzenterkurbelstellung CKy Die zu-
gehörige Triebkurbelstellung CT^ erhält man,
indem man ^ T„ C T;^ = K^ C Kj, macht.
Wählt man den -^ T^ CK^ kleiner, wobei der
Kanal zur Erhaltung des Wertes v nach links
verschoben werden muß, so wird die Füllung
198
Steuerungen.
größer. Z. B. gibt Abb. 186 beinahe Vollfüliung,
denn ^K^CK^ ist fast ISO", die Expansion
sehr klein. Um genügende Expansion zu er-
zielen, muß ^ T^ CK-i also immer um einen
gewissen Winkel, den Voreilwinkel &, größer
als 90" sein (.^bb. 186).
Um die Füllung in % zu erhalten, müßte
man mit der Pleuelstangenlänge um die Achse
des Kreuzkopfbolzens einen Kreisbogen T-^X
schlagen und würde so die Kolbenstellung
im Augenblick des Dampfabschlusses und den
Wert -^^ als Füllungsverhältnis erhalten.
Augenscheinlich kommt es aber auf das gleiche
heraus, wenn man mit einem Halbmesser von
CK
7=r^ X Pleuelstangenlänge um einen auf der
Verlängerung von K^ C liegenden Punk-t einen
durch /<3 gehenden Kreisbogen schlägt. Dann
Abb. 187.
gibt
K,K-,
ebenfalls das Füllungsverhältnis an.
Bei überschlägigen Ermittlungen ersetzt man
den Bogen K^Y durch das Lot K^k-^- Da der
Einfluß der endlichen Stangenlängen hinsicht-
lich Vergrößerung und V'erkleinerung der Fül-
lungen bei Hin- und Rückgang des Kolbens
ein entgegengesetzter ist, hat jene Annäherung,
von der weiterhin zunächst Gebrauch gemacht
werden soll, die Bedeutung, daß ungefähr die
Mittelwerte der Füllung u. s. w. zwischen Kol-
benhin- und -rückgang ermittelt werden.
Fällt man auf Grund ähnlicher Erwägungen
das Lot K^k^, so ergibt sich, um wieviel Pro-
zent vor dem Totpunkt die Voreinströmung
beginnt. Es ist das also der sehr kleine Wert
^^ • Wenn die Exzenterkurbel die Stellung
CK2 hat, so muß der Kanal ganz oder wenig-
stens bis zu 80% geöffnet sein. Diese Bedin-
gung mit den Forderungen eines bestimmten
Winkels K^CK^ - d. i. einer bestimmten
Füllung - und einem bestimmten linearen
Voreilen r genügen zur Zeichnung der Abb. 186.
Es sind also festgelegt der Voreilwinkel des
Exzenters 5, der Exzenterhalbmesser CK^ und
eine Größe e. Die Bedeutung dieser ergibt
sich sofort, wenn man überlegt, daß sich der
Schieber in der Mittelstellung befindet, wenn
die Exzenterkurbel die Stellung CK^ hat. Um
den Kanal zu öffnen, muß er den Weg e
zurücklegen — mit anderen Worten: er über-
deckt in seiner Mittelstellung den Kanal um e.
Man nennte die äußere Überdeckung (Abb. 184).
Die Innenkante R des Schiebers (Abb. 186)
hat von der Außenkante den Abstand RS.
Würde man also in Abb. 186 im Abstand RS
auf T^ r, von C aus nach rechts gemessen
den Mittelpunkt eines zweiten Kreises vom
gleichen Durchmesser festlegen, so würde
dieser in ähnlicher Weise zur Untersuchung
Abb. ISS.
der durch Schieberkante R bewirkten Steue-
rungsvorgänge benutzt werden können,' wie
dies mit dem ersten Kreis hinsichtlich der
Kante S geschah. Das gleiche Ergebnis wird
erzielt, wenn man statt dessen den Kanal
nochmals links im Abstand RS von dem zuerst
gezeichneten Kanal einzeichnet; das ist in
der Abb. 186 geschehen. Die zweckmäßigste
Größe von RS und die Eigenschaften der S.
hinsichtlich der Ausströmung bleiben zu be-
stimmen.
Da aus den im Abschnitt I angegebenen
Gründen Vorausströmung gewünscht wird, so
muß die Lage des Kanals etwa, wie in Abb. 186
angedeutet, gewählt werden. Die Exzenterkur-
bel und mithin die Triebkurbel muß also,
wenn die Ausströmung beginnt, noch um einen
Winkel K^CKz, vom Totpunkt entfernt sein.
Die Dauer der Vorausströmung als Bruchteil
des Kolbenhubs ist ^'J%- Die rechte Kanal-
Ai A;
kante darf also nicht wesentlich nach hnks
Steuerungen.
199
V/////////////,
Abb. 1S9.
sion und
ist die
Vorwärts ,
verschoben werden, geschweige denn daß sie
durch /Cj gehen dürfte. Eine beträchtliche
Verschiebung nach rechts kann auch nicht
vorgenommen werden, weil dann die Voraus-
strömung zu früh
beginnen und ein
Arbeitsverlust ein-
treten würde. Hat
man sich für die ein-
gezeichnete Lage
des Kanals entschie-
den, so erhält man
beiderStellungCÄTg
der Exzenterkurbel,
also um den Winkel
K(,CK\ von der An-
fangstotpunktlage
entfernt, den Be-
ginn der Kompres-
Kompressionsdauer.
Diese ist also durch die vorher gewählten
Größen der Vorausströmung u. s. w. schon
bestimmt. Die Abhängigkeit wird unbequem,
wenn man kleine Füllungen anstrebt. Abb. 188
erläutert das. Die Füllung ist klein, weil der
Voreilwinkel Ö groß gewählt ist. Die
Folge ist, daß bei angemessener Voraus-
strömung die Kompressionsdauer ' '
und infolgedessen der Kompressionsend-
druck sehr groß wird. Man überschätzte
früher diesen Mangel, zumal man irr-
tümlicherweise an die Wirtschaftlichkeit
sehr kleiner Füllungen für Lokomotiven
glaubte. Man sah sich daher zur Einfüh-
rung der heutewieder verlassenen Doppel-
schiebersteuerungen veranlaßt (Borsig
1844). In neuester Zeit hat Hochwald die
Anwendung kleiner Füllungen in ein-
facherer Weise durch den Bau von
Kammerschiebern zu lösen gesucht.
Abb. 189 zeigt einen Kammerschieber der
Firma Henschel in Cassel. Der einge-
zeichnete Pfeil zeigt den Weg des Frisch-
dampfes, der also für jeden Einströmungs-
kanal durch die Kanten zweier gewisser-
maßen hintereinander geschalteter Schieber S,
und $2 gesteuert wird. Die Abmessungen sind
so gewählt, daß die Kante / den Dampf-
kanal früher öffnet als Kante 2. Bevor also
die Voreinströmung stattfinden kann, ist der
Raum vor dem Kolben schon mit der Schieber-
kammer und der Ringkammer R in Verbin-
dung, die daher eine Vergrößerung des schäd-
lichen Raumes während des letzten Teiles
der Kompression und damit die angestrebte
Herabsetzung des Konipressionsdrucks be-
wirken.
Wenn Schieberinnenkante und Exzenter-
kurbel in Mittelstellung CK^ stehen (Abb. 186),
so ist eine Verschiebung um / nötig, bis der
Kanal zur Ausströmung geöffnet wird. Man
nennt / die innere Überdeckung (Abb. 184).
Die Abmessungen des Schieberspiegels
werden durch folgende Rücksichten bestimmt:
ß,- (Abb. 178) muß auch bei größter seitlicher
Auslenkung des Schiebers mindestens = a sein,
um Drosselung des ausströmenden Dampfes
zu vermeiden. 0^ (Abb. 183) muß so be-
messen sein, daß auch bei größter seitlicher
Auslenkung des Schiebers die Dichtungsbreite
k ^ 0'5 a bleibt. Ist der Schieberhub veränder-
lich, wie bei den gleich zu besprechenden
Kulissensteuerungen, so soll zur Vermeidung
von Ansatzbildungen auch bei kleinstem
Schieberhub die Schieberinnenkante über die
Kante des Kanals Og, die Schieberaußenkante
über den Rand des Schieberspiegels wegschleifen.
Es finden sich zuweilen gewisse Abweichungen
gegenüber der bisher betrachteten regelrechten
Anordnung der Schiebersteuerung. Die sinn-
gemäße Änderung der zeichnerischen Unter-
suchung ergibt sich in einfacher Weise. Wenn
Söi«
■aber.
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\S.
w
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/
M,
Rudnvariv,^
1
Abb. 190.
l-
Oyitnder
Abb. 191.
z.B. die Bewegungsrichtungen des Kurbeltriebs
und des Schieberantriebs einen Winkel mit-
einander bilden (Abb. 190), so muß die Ex-
zenterkurbel in Abb. 186, im gleichen Sinn
und um den gleichen Wmkel gedreht, der
Voreilwinkel im vorliegenden Fall also ver-
kleinert werden.
Zuweilen werden aus irgendwelchen räum-
lichen Gründen zwischen Exzenterstange und
Schieberstange Zwischenglieder, meistens zwei-
armige Hebel eingeschaltet (Abb. 191). Zwei-
armige Hebel kommen auch bei den Kulissen-
steuerungen (vgl. später) vor (Abb. 220 u. unter
Lokomotive, Taf. II, Abb. 18). Wegen der Be-
200
Steuerungen.
wegungsumkehr ist alsdann das Exzenter um
180" gegen seine Lage bei unmittelbarem An-
trieb zu versetzen. Da im Fall der Abb. 191
gleichzeitig ein Schrägantrieb vorliegt, so ist ö
nicht von Y^ V,, sondern von K K an abzu-
tragen.
Das an Hand der Abb. 1 86 geschilderte Ver-
fahren ist ohneweiters oder mit geringen
sinngemäßen Änderungen auch auf andere
Schieberformen, z. B. den Trickschen Kanal-
schieber (Bd. III, S. 243, Abb. 191) oder den
Kolbenschieber mit innerer und äußerer Ein-
strömung anwendbar (ebenda, Abb. 187).
Für einen Schieber mit innerer Einströmung
erfolgt die Untersuchung ebenso, wie oben
auseinandergesetzt. Die Exzenter müssen aber
Abb. 192.
um 180° gegen die normale Anordnung ver-
setzt werden. Die äußere Überdeckung wird
nach innen gelegt und umgekehrt.
Alle bisherigen Ermittlungen gelten auch für
Kulissensteuerungen, deren Wirkungsweise im
nächsten Abschnitt auf die einfache Schieber-
steuerung zurückgeführt werden wird.
Der Schieberweg heißt die Ablenkung
des Schiebers aus seiner Mittellage. Es ist dies
in dem Sonderfall der Abb. 186, d. h. bei
Totpunktstellung der Triebkurbel, wenn C K\
mit r bezeichnet wird, der Wert i = r sin 8.
Denkt man sich die Kurbeln um einen be-
liebigen Winkel co gedreht, so wird allgemein
% = r sin (ö — lo) = r sin 6 cos co 4- r cos 6 sin m.
Nun sind r cos b und r sin 6 Abszisse und
Ordinate des Endpunktes AC, der Exzenterkurbel
bei Totpunktstellung der Triebkurbel. Nennt
man diese A und B, so erhält man die Gleichung
für den Schieberweg
l^A cos CO -j- ß sin co.
Für genaue Ermittlungen darf man, wie
schon früher angedeutet, nicht an der Vor-
stellung festhalten, daß Punkt AT (Abb. 186) die
Schieberkante unmittelbar steuere, sondern man
muß wie in Abb. 185 mit der Exzenterstangen-
länge den Bogen KP schlagen, um in P die
tatsächliche Lage der Schieberkante zu erhalten.
Es ergibt sich in Abb. 192 das lineare Voreilen
v' statt des Wertes v. Dieser Wert gilt nur für
den eben betrachteten Kanal, also für die Kurbel-
seite des Zylinders. Trägt man in Abb. 192
auch den zur Deckelseite des Zylinders führen-
den Kanal ein, so braucht man die Kurbel
CAT, nur um ISO" zu drehen, um in u' das
lineare Voreilen für diesen Kanal zu erhalten
und weiterhin die Dampfverteilung für diesen
prüfen zu können. Die Darstellungsweise ist
nicht mit der der Abb. 186 zu verwech-
seln. Dort kehrte in einem Bild zweimal der-
selbe Kanal wieder, um seine Wirkung als
Dampfein- und Dampfauslaß darzulegen. Hier
dagegen handelt es sich um die beiden Kanäle
an der Kurbel- und der Deckelseite des
Zylinders. Das lineare Voreilen wird durch
den Einfluß der endlichen Schieberstangenlänge
an der Kurbelseite verkleinert, an der Deckelseite
vergrößert. Die endliche Schieberstangenlänge
hat demnach zur Folge, daß das lineare V'oreilen
vor und hinter dem Kolben verschieden groß
ausfällt, vorausgesetzt, daß die äußere Cber-
deckung, wie in Abb. 192, an beiden Schieber-
enden gleich groß gewählt wird. Anderseits
kann man den Fehler beseitigen, indem man
die Überdeckungen an der Kurbelseite ver-
kleinert, auf der Deckelseite vergrößert, so daß
die Kanäle in die punktierte Lage kommen.
Die Abbildung läßt erkennen, wie weiterhin
der Einfluß der endlichen Exzenterstangenlänge
auf den Beginn der Expansion ermittelt wird.
Geht man zunächst von der ursprünglich
angenommenen Lage des Kanals aus, so er-
gibt sich, indem man die endliche Exzenter-
stangenlänge durch Schlagen eines Kreis-
bogens berücksichtigt, folgender Einfluß
dieser Länge auf den Beginn der Expansion:
Statt in k beginnt sie beim Hingang des Kolbens
schon in k'; statt in / beim Rückgang erst
in /'. Die X'erlegung des Kanals, d. h. also
die Änderung der Überdeckungen beseitigt,
wie die weiter eingetragenen Kreisbögen er-
kennen lassen, auch diesen Fehler nahezu. Die
Füllungsverhältnisse ergeben sich jetzt zu
K,K. und zu ^^-^_-.
Ganz ähnliche X'erhältnisse bestehen hin-
sichtlich des Einflusses der endlichen Exzenter-
stangenlängen auf die Vorausströmung. Man
wird auf Vergrößerung der inneren Über-
Steuerungen.
201
deckung auf der Kurbelseite, auf Verkleinerung
auf der Deckelseite geführt, u. zw. um die
gleichen Beträge, wie sie oben für die Vor-
einströmung ermittelt wurden. Die Zusammen-
fassung aller dieser Verkleinerungen und Ver-
größerungen bedeutet, daß der Bewegungsmittel-
punkt des Schiebers, von dem aus er gleich
weit nach beiden Seiten ausschlägt, aus seiner
anfangs angenommenen Lage über der Mitte
des Ausströmungskanals um die ermittelte
Änderung der Oberdeckungen von der Kurbel
weg zu verschieben ist.
Diese Verschiebung hat, wie die punktiert
eingezeichneten Kanäle in Abb. 192 erkennen
lassen, zur Folge, daß sie nun verschieden weit
geöffnet werden. Bemißt man die Kanäle so,
daß die kleinere Öffnung auf
der Deckelseite noch genügt,
so ist jene Verschiedenheit
ohne Bedeutung.
Die Dampfverteilung er-
leidet eine weitere Änderung
durch den Einfluß der end-
lichen Länge der Trieb-
stange. Auf das lineare Vor-
eilen erstreckt sich dieser Ein-
fluß nicht, denn, wenn der
Schieber um das lineare Vor-
eilen geöffnet hat, stehen die
Kurbeln im Totpunkt. Die
Einströmungsdauer hingegen
hat auf der Kurbelseite nun
K k"'
den Wert -,1-t^, somit
A, As
kleiner, auf dem Rückweg den
Ä5 /'"
werden können. Für den Rückweg des Kolbens
werden die Schieberwege nach unten abgetragen.
Zieht man in einem Abstand, der gleich den
äußeren Überdeckungen der beiden Schieber-
enden ist, die beiden Parallelen TT und in
einem Abstand, der gleich den inneren Über-
deckungen ist, die beiden Parallelen H H zn
Kq Ka,, so kann man alle wesentlichen Punkte
des Steuerungsvorgangs ablesen. Es beginnt
z. B.: bei Zj die Expansion und bei Z^ die
Vorausströmung für den Kolbenhingang. Die
Kreisbogen Z3Z3 und Z^Z^ bestimmen die
zugehörigen Kurbelstellungen CZ3 und CZ^.
Das Bild läßt auch ohneweiters erkennen,
daß die Voreinströmung und Vorausströmung
verschieden groß ausfallen würden, wenn die
Wert
k,k:
demnach größer als bei Nicht-
berücksichtigung der endlichen Stangenlängen.
Die Abbildung zeigt, daß das Verfahren, das
zur Behebung des Einflusses der endlichen
Exzenterstangenlänge eingeschlagen wurde, auch
den Einfluß der endlichen Triebstangenlänge
mildert.
Außer der in Abb. 186 angegebenen Dar-
stellungsweise, die von Reuleaux stammt, be-
nutzt man noch andere Schieberdiagramme.
Abb. 193 zeigt die Schieberellipse. Auf dem
wagrechten Durchmesser des Kurbelkreises
ermittelt man die z. B. zur Kurbelstellung CK2
gehörige genaue Kolbenstellung, indem man
mit der Triebstangenlänge den Bogen K2 Q
schlägt. Der kleinere Kreis zur Rechten dient
zur Ermittlung des gleichzeitigen genauen
Schieberwegs 0«2, der in C, senkrecht zu
A'g Kl, aufgetragen wird u. s. w. Dieser Schieber-
kreis ist um 90° gegen seine richtige Lage
zum Kurbelkreis gedreht, damit die Schieber-
wege bequem in den Kurbelkreis übertragen
Überdeckungen beiderseitsgleich gemacht wären.
Daaberdieäußeren und inneren Überdeckungen
nicht von A^AI,, sondern von einer um /,
tiefer liegenden Parallelen R^R^ abgetragen
sind, so ist damit die oben besprochene Be-
richtigung derSchieberbewegung vorgenommen,
d.h. es sind die Überdeckungen um/, vergrößert
bzw. verkleinert oder mit anderen Worten: der
Bewegungsmittelpunkt des Schiebers ist um /,
verschoben. Man kann der Abbildung auch ohne-
weiters entnehmen, daß infolge dieser Be-
richtigung die Kanaleröffnungen an beiden
Zylinderenden verschieden groß ausfallen.
Die Schieberellipsen können durch geeignete
Vorrichtungen an jeder Dampfmaschine auf-
genommen werden.
Das Zeunersche Schieberdiagramm ist
die geometrische Darstellung der oben ab-
geleiteten Gleichung für den Schieberweg
I = r sin 5 cos cü -p r cos h sin w. Die Polar-
gleichung eines Kreises, dessen Leitstrahl \,
dessen Halbmesser q ist und dessen Durchmesser
202
Steuerungen.
gegen die Ordinatenachse die
Neigung Ö hat, lautet t =
2 Q sin 8 cos CO -[-2 o cos b sin ü3.
Es hat in obiger Glei-
chung r der Halbmesser des
Exzenterkreises die Bedeu-
tung von 2 Q, also des Durch-
messers eines durch die Glei-
chung dargestellten Kreises.
Man mache in Abb. 194
CE=r und lege es um 8
geneigt gegen die Ordinaten-
achse. CO^\ ist dann der
Schieberweg. Schlägt man
noch um C Kreise mit / und e,
so können alle Abschnitte
der Dampfverteilung geprüft
werden. Für Winkel ü) über
180° müßte man sich die
Kurbel z. B. in der Stellung
3-w
Abb. 195.
Umsteuerung und Einstellbarkeit der Füllung zu
ermöglichen. Abb. 190, 195, 196, 197, 198 u.
199 zeigen Kulissensteuerungen für Lokomoti-
ven. Die Umsteuerungen oder die Änderung des
Füllungsgrades erfolgt nach Abb. 195 durch He-
bung oder Senkung der Kulisse M, nach Abb. 1 96
durch Hebung oder Senkung der Schieberschub-
stange Ly nach Abb. 197 durch Hebung oder
Senkung derKulisse^l'f und gleichzeitige Gegen-
bewegung der Schieberschubstange Z.,, nach
Abb. 198 durch Hebung oder Senkung der
Schieberschubstange EA und endlich nach Abb.
199 durch Drehung der Kulisse M. Diese Ver-
stellungen werden durch Drehung der Steuer-
wellePeingeleitet, die ihrerseits wieder mittels des
angedeuteten Gestänges durch Betätigung eines
auf dem Führerstand befindlichen Steuerhebels
(Abb. 200) oder einer meist mehrgängigen Steuer-
schraube (Abb. 201) bewirkt wird. Zuweilen
finden auch mit Dampf oder Luftdruck arbeitende
Umsteuerungsvorrichtungen Anwendung.
Cfi nach rückwärts über C
verlängert denken, um dann
auf CE den Schieberweg ab-
zulesen. Statt dessen trägt man
einen zweiten Kreis nach rechts
unten ein u. s. w. Die Glei-
chung für den Schieberweg
berücksichtigt nicht die end-
lichen Stangenlängen. Man er-
hält also nur ein angenähertes
Bild des Steuerungsvorgangs.
III. Die Kulissensteue-
rungen im allgemeinen.
Die Kulisse ist bei Lokomo-
tiven das übliche Mittel, um
Ko,.
1. Die
Kulissensteuerungen
2 Exzentern.
mit
Steuerungen.
A-
203
A. Wirkungsweise und Bau-
arten. Die Wirkungsweise der Kulissen-
steuerungen als Umsteuerungen geht aus
Abb. 195 ohneweiters hervor. In der
gezeichneten Kulissenstellung wird nur
die Bewegung der Exzenterstange L auf
die Schieberstange W übertragen, weil
beide am gleichen Punkt der Kulisse
angreifen. Die Lokomotive läuft vor-
wärts, weil das zur Stange I gehörende
Exzenter in Richtung der Vorwärts-
drehung der Kurbel um 90° -|- 8 gegen
diese versetzt ist. Das andere Exzenter
ist um 90" -|- 6 in Richtung der Rück-
wärtsdrehung der Kurbel gegen diese
versetzt. Bei gehobener Kulisse läuft die
Lokomotive also rückwärts.
Bei den Kulissensteuerungen der
Abb. 196 und 197 ist die Wirkungs-
weise als Umsteuerung eine ganz ent-
sprechende.
Es greift entweder das Vorwärtsex-
zenter am oberen und das Rückwärts-
exzenter am unteren Kulissenende an
(Abb. 190 und
195) oder um-
gekehrt (Abb.
196, 197). Man
spricht im er-
steren Fall von
offenen, im letz-
teren von ge-
kreuzten Stan-
gen. Die beson-
deren Eigen-
schaften beider
Anordnungen
werden sich
aus der nun
folgenden Be-
204
Steuerungen.
trachtung ergeben. Die Wirkungsweise der
Kuiissensteuerungen als Vorrichtungen zur
Einstelhing der Füllung bedarf besonderer
Behandlung. Die Betrachtung soll an eine
Stephensonsche Kulisse mit offenen Stangen
angelehnt werden (Abb. 195 u. 202). Die
Kulisse kann 3 ausgezeichnete Stellungen ein-
nehmen: 1. die in erstgenannter Abbildung
gezeichnete, bei der nur das Vorvcärtsexzenter
zur Wirksamkeit kommt, 2. die entgegengesetzte
Stellung, bei der nur das Rückwärtsexzenter zur
Wirksamkeit kommt, 3. die Mittelstellung, bei
Abb. :99.
Abb. 201,
der der Kulissenstein S bei Z^ in der Mitte
der Kulissenhöhe liegt. In dieser Stellung
wirken beide Exzenter im gleichen Maße. Diese
Kulissenstellung gibt, wie sich zeigen wird,
keine brauchbare Dampfverteilung, wohl aber
gewisse Zwischenstellungen, z. B. wenn der
Kulissenstein zwischen Z^ und Zj liegt. Er
liegt dann im Abstand u (Abb. 202) über dem
Kulissenmittelpunkt O. Das Vorwärtsexzenter
hat jetzt den überwiegenden, das Rückwärts-
exzenter einen geringeren Einfluß auf die Be-
wegung der in P angreifenden Schieberstange.
Die Aufgabe ist, ein resultierendes Exzenter
nach Größe der Exzentrizität und des Voreil-
winkels zu bestimmen, das, an Stelle der beiden
Exzenter C E^, und C £,■ aufgekeilt und mit
seiner Stange bei P unmittelbar an die Schieber-
stange angelenkt, dieser die gleiche Bewegung
erteilt wie jene unter Vermittlung der Kulisse.
Mit Lösung dieser Aufgabe sind die Erschei-
nungen, die die Kulissensteuerungen darbieten,
auf die im Abschnitt II behandelten einer ein-
fachen Schiebersteuerung zurückgeführt. Der
Einfluß endlicher Stangenlängen (vgl. oben)
muß vernachlässigt werden. Ferner soll an-
genommen werden, daß die Kulissenendpunkte
Mi,^ Mr gerade, parallel zur Schieberbewegung
verlaufende Bahnen beschreiben. In Wahrheit
beschreiben die Endpunkte der im Aufhängungs-
punkt Zj (Abb. 195)
im Kreis geführten
und gleichzeitig ihre
Neigung ändernden
Kulisse eigentüm-
liche schleifenför-
mige Bahnen.
Die Aufgabe zer-
fällt in 2 Teile. Man
sucht zuerst jedes
Exzenter für sich
durch ein anderes zu
ersetzen, das die
Schieberstange ohne
Vermittlung einer
Kulisse in P antreibt.
Dann sind diese
beiden Exzenter zu
einem resultierenden zusammenzusetzen.
Das Exzenter Cf",. hat beim Antrieb des
Kulissenendpunktes M„ — immer unend-
liche Stangenlängen vorausgesetzt — die
Totpunkte £",.„ und £",.,. Das Ersatzexzenter,
das P unmittelbar antreiben soll, hat die
Totpunkte Kq und A",, muß also, um seine
Totpunkte im gleichen Zeitpunkt wie jenes
zu durchlaufen, um ^ £",.(, C/<;, ^ ß^
gegen dasselbe versetzt werden. Bei einer
Drehung des Exzenters um 180° aus
der Stellung Cf,.^ in die Stellung C£",., würde
das Kulissenende von yW,.„ nach Af,., gelangen
und den Weg 2 X Cf,,, durchlaufen, wenn es
sich, wie beim regelrechten Kurbeltrieb der
Kreuzkopf, in der Richtung der Totpunktlagen
£",.„£",., bewegen könnte. Das Kulissenende bewegt
sich gemäß Annahme aber auf der Geraden A B.
Den wirklichen Endpunkt der Bewegung erhält
man, indem man mit der Exzenterstangen-
länge Kreisbögen um £",.„ und £",., schlägt, oder
sehr annähernd, indem man £",., yW,., = f,., yW,., ^=
der Exzenterstangenlänge macht und die Lote
und My D errichtet. Damit ergibt sich
Abb. 200.
M.,D,
CEv
der Weg des Kulissenendes zu Z)oZ)|=^ „ .
Das Ersatzexzenter muß daher nicht nur, wie
eben nachgewiesen, um ß,, versetzt, sondern auch
Steuerungen.
205
auf
CEv
a vergrößert werden. Dieser Bedin-
COS ßi/ *■
gung genügt das Exzenter CZf',.. Die ?m\ M^
übertragene Bewegung gelangt nur mit dem
Bruchteil —^ — nach P. Das an P unmittel-
z c
bar angreifende Ersatzexzenter muß nun end-
gültig die Länge CE\.^—=CE"v er-
halten.
In ganz gleicher Weise muß das Ersatz-
exzenter für das Rückwärtsexzenter ermittelt
werden. Für ß,, ist ß^, für - '^ ist -^ — zu
setzen. Beide E.xzenter sind nach dem Parallelo-
gramm der Bewe-
gungen zu dem resul-
tierenden Exzenter
C Er zusammenzu-
setzen.
Wenn man die be- t^
sprochene Konstruk-
tion für verschiedene
Kulissenstellungen
ausführt, so bekommt
man eine ganze Reihe
von resultierenden Ex-
zentern. Die äußer-
sten sind mit ß,, bzw.
ßr = 0 und 11= c
den wirklichen Ex-
zentern gleich und er-
geben sich für die
Kulissenendlagen.
Das kleinste resultie-
rende Exzenter liegt
gegen dieTriebkurbel
um 180° versetzt und
ergibt sich für die
Mittellageder Kulisse.
Die Endpunkte aller dieser Relativexzenter liegen
auf der „Scheitelkurve". Sie ist eine Parabel,
die im oben behandelten Fall, also für eine
Stephensonsche S. mit offenen Stangen ihre
hohle Seite der Kurbelwelle zuwendet. Ver-
kleinert man die Füllung, so wird bei Tot-
punklstellung der Kurbel der Schieber von seiner
Mittellage weiter entfernt. Die Stephensonsche
S. mit offenen Stangen ergibt daher für ab-
nehmende Füllung zunehmendes lineares Vor-
eilen.
Für eine Stephensonsche S. mit gekreuzten
Stangen sind die ^ ß negativ, weil die Stange
des Vorwärtsexzenters nicht nach oben, sondern
nach unten um ß,. von der Achse der Schieber-
bewegung abweicht u. s. w. Das Ersatzexzenter
für das Vorwärtsexzenter CEy eilt diesem
um ß„ nach, nicht vor, und die Scheitelkurve
wendet ihre gewölbte Seite der Kurbelwelle
zu. Das lineare Voreilen nimmt daher mit ab-
nehmender Füllung ab.
Bei der Oooch-Steuerung (Abb. 196) wird
Umsteuerung und Füllungsänderung durch
Heben und Senken der Schieberschubstange L,
bewirkt. Man braucht demnach nur die Kulisse
mit einem Halbmesser zu krümmen, der gleich
der Schieberschubstangenlänge /., ist, so er-
leidet bei Totpunktstellung der Triebkurbel
Punkt G, also auch der Schieber während
des Umsteuerns keine Verschiebung. Das
lineare Voreilen ist unveränderlich, die Scheitel-
kurve eine Gerade. Die Ermittlung ihrer Lage
erfolgt wie bei der Stephensonschen S., wobei
Abb. 202.
zu beachten ist, daß ß^, ß^. unveränderlich ist,
weil die Kulisse ihre Höhenlage nicht ändert.
Die Allan-Trick-Steuerung (Abb. 197) steht
zwischen beiden Bauarten. Es ergeben sich
schwach gekrümmte Scheitelkurven und eine
Veränderlichkeit des Voreilens, die gering-
fügiger als bei .der Stephensonschen S. ist.
Die Gleichung für den Schieberweg
l = A cos M -\- B sin co muß für Kulissensteue-
rungen in der Form geschrieben werden:
■g = .« cos CO -\-y sin co.
Hierin sind x und y die Ordinaten des-
jenigen Punktes der Scheitelkurve, der zufolge
der gerade gewählten Einstellung der Kulisse
eben benutzt wird.
Statt einer Schieberellipse ergibt sich für
eine Kulissensteuerung eine ganze Schar dieser
Ellipsen.
206
Steuerungen.
Statt eines Kreispaares des Zeunerschen
Diagramms (Abb. 194) ergibt sich bei Kulissen-
Steuerungen eine Schar solcher Kreise (Abb. 203).
Die Endpunkte ihrer Durchmesser liegen auf
der Scheitelkurve.
Man kann sich die Scheitelkurve als Schlitz-
führung für einen Stein verwirklicht denken.
Der Stein würde je nach der beabsichtigten
Füllung und Drehrichtung an einer bestimmten
Stelle des Schlitzes festzuklemmen sein und
mittels Schieberschubstange und Schieberstange
den Schieber bewegen. Diese sehr einfache
Vorrichtung würde eine Kulissensteuerung,
was die Schieberbewegung anlangt, völlig er-
übt also keine Zugkraft aus. Je größer die bei
ausgelegter S. ermöglichte Füllung ist, um so
näher steht der Kolben bei abschließendem
Schieber schon dem Totpunkt, um so geringer
ist der Ausfall an Anzugskraft, wenn er keinen
Frischdampf mehr erhält.
Abb. 186 läßt erkennen, warum man nicht
beliebig große Höchstfüllungen erreichen kann.
Geht man nämlich von der dort angenommenen
äußeren Überdeckung e aus, so führt das Ver-
langen größerer Füllungen auf die Notwendig-
keit, Punkt Ky parallel der Kanalkante nach
oben zu verschieben, also auf einen größeren
Exzenterkreis, d. h. ein größeres Exzenter. Es
Abb. 203.
setzen, aber nicht während des Laufes der
Maschine umstellbar sein.
B. Bauregeln für die Kulissen-
steuerungen mit 2 Exzentern. Für alle
Kulissensteuerungen, überhaupt alle Umsteue-
rungen gilt die Regel, daß sie ausgelegt eine
möglichst große Füllung geben sollen. Es ist
dies nicht nur erforderlich, um zeitweise, be-
sonders während des Anfahrens, die Zugkraft
über das durchschnittliche Maß zu steigern,
sondern es spricht auch die Rücksicht auf die
Kolbenstellungen vor dem Anziehen der Loko-
motive mit. Steht der Kolben dem Ende seines
Hubes nahe, so hat der Schieber schon ab-
geschlossen. Bei der in Fahrt befindlichen
Lokomotive würde der expandierende Dampf
auf den Kolben wirken; bei der stehenden fehlt
dieser, und dem Frischdampf wird der Eintritt
vom Schieber verwehrt. Der betreffende Kolben
Abb. 204.
ergeben sich bald unausführbar große Steue-
rungsabmessungen, und lOO'/fl Füllung würden
erst bei einem unendlich großen Exzenter er-
reicht. Man könnte anderseits eine Füllung von
fast 100% dadurch erreichen, daß man die
äußere Überdeckung ganz klein, in der
Abb. 204 = 0 macht. Das Exzenter würde nun
die Stellung CK erhalten, das Füllungsver-
Kk
hältnis =: ^c^ = 98-5 % sein. Legt man aber
die S. auf kleinere Füllung um, so entsteht
unter Annahme einer geradlinigen Scheitel-
kurve MN das resultierende Exzenter CK'-
Es ist auf etwa
des Exzenters CK ver-
kleinert, die S. also der Mittellage sehr weit
genähert und trotzdem ist die Füllung noch
^-.., = 82-5 % . Die Voreinströmung aber ist
schon auf den ganz unzulässigen Wert m K'
Steuerungen.
207
gestiegen. Der Schieber öffnet viel zu früh und
ruft einen schädlichen Gegendruck auf den
Kolben hervor. Bei Mittelstellung der S. würde
sich noch immer 50% Füllung einstellen. Die
Voreinströmung wäre ebenfalls 50 % .
Die Höchstfüllung ist aus diesen Gründen
zu 75 - 83 % anzusetzen.
Die Ansichten, ob für die Stephenson- und
die Allan-Trick-Steuerung offene oder gekreuzte
Stangen, also mit verringerter Füllung zu- oder
abnehmendes lineares Voreilen vorzuziehen sei,
sind geteilt. Die kleineren Füllungen werden
bei größeren Geschwindigkeiten benutzt. Für
diese ist zur Vermeidung starker Dampf-
drosselung erwünscht, daß schon zu Anfang
der Kolbenbewegung große Kanalöffnungen
vorhanden seien. Das spricht für offene Stangen.
Bei der Gooch-Steuerung ist das Voreilen un-
veränderlich. Von diesem Standpunkt aus ist
es gleichgültig, ob sie mit offenen oder ge-
kreuzten Stangen ausgeführt ist.
Für die Aufhängung der Kulisse, bei der
Gooch- und Allan-Trick-Steuerung auch der
Schieberschubstange, gilt die Forderung, daß
die Kulisse dort, wo der Stein liegt, und dieser
selbst geradlinig in der Achse des Steuerungs-
antriebs geführt werden sollen. Diese For-
derung ist nicht streng erfüllbar. Man
muß sich damit begnügen, einen Punkt
der Kulisse durch ein möglichst langes Hänge-
eisen in flachem Kreisbogen zu führen. Ihre
anderen Punkte beschreiben dann um so ver-
wickeitere Bahnen, je weiter sie vom Auf-
hängepunkt entfernt sind. Bei der Gooch- und
Allan-Trick-Steuerung erfolgt auch die Führung
der Schieberschubstangen durch möglichst lang
zu wählende Hängeeisen in Kreisbögen.
Die Folge aller dieser Notbehelfe ist, daß
der Stein um so stärker „springt", d. h. um
so größere Bewegungen im Kulissenschlitz
macht, je weiter vom Aufhängepunkt der
Kulisse entfernt er eingestellt ist. Bei haupt-
sächlich vorwärtsfahrenden Lokomotiven mit
gekreuzten Stangen, bei denen der Stein meist
in der unteren Kulissenhälfte steht, läßt man
daher das Hängeeisen bei oben liegender
Steuerwelle häufig am unteren Kulissenende
angreifen. Der Stein steht dann bei der meist
benutzten Füllung dem am besten geführten
Punkt der Kulisse nahe und das Hängeeisen
wird lang. Die gleiche Überlegung führt zur
Aufhängung des oberen Kulissenendes bei
offenen Stangen und unten liegender Steuer-
welle. Das Springen des Steines ist schädlich,
weil es die Dampfverteilung beeinträchtigt, Ab-
nutzungen und unbequeme Kräfterückwirkungen
auf das ganze Steuerungsgestänge bis zum Steue-
rungsbock auf dem Führerstand hervorruft.
Es lassen sich noch weitere Forderungen
für die Aufhängung der Kulisse aufstellen, die
aber ebenfalls nicht streng erfüllbar sind.
Der Aufhängepunkt M der Stephensonschen
Kulisse soll nämlich so geführt sein, daß die
Sehne des von ihm beschriebenen Bogens
parallel der Schieberbewegung, also in Abb. 205
wagrecht liegt. Andernfalls würde die Kulisse
in ihren beiden, den Totpunktlagen der Kurbel
entsprechenden Endlagen verschiedene Höhen-
lagen haben, die Dampfverteilung für Kolben-
hin- und Rückweg und im besonderen das
lineare Voreilen ungleich werden. Diese Forde-
rung müßte für jede Einstellung der S., also
«. H,
Abb. 205.
jede Höhenstellung der Kulisse erfüllt sein.
Abb. 205 läßt erkennen, daß dies nur dann
der Fall ist, wenn der Aufwurfhebel OH auf
der Steuerwelle die Länge der Exzenterstangen /
besitzt und jene selbst bei O liegt. Der Auf-
wurfhebel muß stets parallel der von C zum
Aufhängepunkt P der Kulisse gehenden Ver-
bindungslinie sein. Bei Mittellage und in der
Mitte aufgehängter Kulisse muß er die Lage
OH, bei unten aufgehängter Kulisse die Lage
OH2 haben. Diese Forderungen können im
allgemeinen nicht erfüllt werden. Dem Auf-
wurfhebel kann nur eine Länge O.,// gegeben
werden und O, ist, wie in Abb. 205 geschehen,
so zu legen, daß die Fehler möglichst klein
werden.
Abb. 206 deutet die entsprechenden Forde-
rungen für die Gooch-Kulisse an.
Ähnliche Forderungen lassen sich auch für
die Allan-Trick-Steuerung aufstellen, die aber
gegenstandslos sind, weil für die Längen der
208
Steuerungen.
Aufwurfhebel weiterhin andere wichtigere Be-
dingungen aufgestellt werden müssen.
Bei der Stephensonschen S. sollen die Ex-
zenterstangen möglichst lang sein. Bei der
Gooch- und Allan-Trick-Steuerung gilt die
gleiche Forderung für die Schieberschubstange,
so daß ein Ausgleich getroffen werden muß.
Bei der Stephensonschen S. soll die Kulisse
mit der Exzenterstangenlänge als Halbmesser
gekrümmt sein. Die Forderung hat zum Zweck,
den Schieber für beliebige Stellungen der
Kulisse um die gleiche Mittelstellung nach
beiden Seiten ausschlagen zu lassen. Die
Forderung, an sich einleuchtend, ist trotzdem
ungenau. Hoefer hat in der Ztschr. dt. Ing. 1891,
S. 476, eine genauere Berechnung des Krüm-
mungshalbmessers der Kulisse angegeben, die
auf etwas kleinere Werte führt.
Über die Krümmung der Qoochschen Kulisse
vgl. S. 205.
Die Allan-Tricksche S. ist aus dem Be-
streben entstanden, Stephenson- und Gooch-
Steuerung so zu vereinigen, daß sich eine
gerade Kulisse ergibt. Die Forderung ist er-
füllt, wenn das Verhältnis der Steinhebung
zur Kulissensenkung, mit den Bezeichnungen
der Abb. 207 J = /' (l -[- Vi -|- i-) ist.
Dieser Forderung müssen die Längen der
Hebel auf der Steuerwelle W gemäß der
Uo
«j'o
Gleichung — = - " angepaßt sein.
2. Die Kulissensteuerungen mit einem
Exzenter leiten die Schieberbewegung von
einem Exzenter und vom Kreuzkopf oder einem
andern Punkt des Triebwerks ab. Das Trieb-
werk stellt gewissermaßen das zweite unent-
behrljche Exzenter dar.
A. Die Wirkungsweise der Heusinger-
(Walschaert-) Steuerung (s. Abb. 198 u.
Art. Lokomotive, Taf. 1). Die Heusinger-
Steuerung ist heute die am meisten verbreitete
S. dieser Gattung und die meist benutzte Loko-
motivsteuerung überhaupt. Im Art. Lokomotive
(Bd. VII) finden sich zahlreiche Ausführungs-
formen dieser S. Ihre Wirkungsweise als Um-
steuerung und als Vorrichtung zur Einstellung
wechselnder Füllungen wird zweckmäßig gleich-
zeitig betrachtet. Denkt man sich in Abb. 198
Punkt A zunächst festgehalten, so erkennt man,
daß die Kreuzkopfbewe-
gung im Verhältnis auf
m
den Schieber übertragen
und umgekehrt wird. Im
Diagramm (Abb. 208)
ist ein gegen die Trieb-
kurbel CT„ um 180" ver-
setztes Exzenter von der
Größe — /?=€£•' einzu-
m
tragen, worin R den Halb-
messer der Triebkurbel be-
deutet. Denkt man sich nun
Punkt Z., festgehalten, so
ergibt sich der vom Exzenter C/<^ auf den
Schieber übertragene Bewegungsanteil von einer
solchen Größe, als ob er unmittelbar von einem
Abb. 207.
Exzenter der Größe r — - — herrührte. Hierin
c m
bedeutet u die Verschiebung des Steines aus der
Kulissenmitte. ;z ist aber veränderlich je nach Ein-
stellung des Kulissensteins in der Kulisse. Es
Steuerungen.
209
schwankt zwischen Null und einem positiven und
negativen Höchstwert. Da das Exzenter CKo
um QO'' voreilt, so ist jener Höchstwert CE,
in Abb. 208 ebenfalls der Kurbel um 90" vor-
eilend einzutragen, wenn der Stein unterhalb
des Kulissendrehpunktes liegt. Bei dieser
Steinstellung fährt die Lokomotive vorwärts.
Wenn der Stein aber oberhalb des Kulissen-
drehpunktes steht, so erfolgt durch die Kulisse
eine Umkehr der Bewegung. Jener Wert ist
als CE'r der Triebkurbel nacheilend einzu-
tragen u. s. w. Es setzen sich z. B. CE' und
CE'vZn einem resultierenden Exzenter CZT, mit
einem Voreilwinkel E[,CE^ zusammen. Wird
der Stein der Kuiissenmitte genähert, so wird
n kleiner und es ergibt sich z. B. das resul-
tierende Exzenter CEy Für Mittellage der
Schieberschubstange « = 0 bleibt nur der
Kreuzkopfantrieb übrig. Das resultierende Ex-
zenter wird dann durch CE' dargestellt.
Da sich die Größe des Ersatzexzenters CE'
nicht ändert, so liegen die Endpunkte aller
resultierenden Exzenter auf der Geraden f^ £",,
mit anderen Worten: die Scheitelkurve ist eine
Gerade, das lineare Voreilen unveränderlich.
Die Abszisse der Scheitelkurve hat den Wert
y?— , die veränderliche Ordinate den Wert
m'
r!L"y:j'Ji die Gleichung des Schieberwegs
cm
(s. S. 200) lautet also nach Maßgabe des zur Er-
läuterung dieser Gleichung Gesagten für die
Heusinger-Steuerung
:^/? — cos («-[-'■ — sm w.
^ m 'cm
Man kann das Exzenter nacheilend statt vor-
eilend aufsetzen, dann läuft die Lokomotive
vorwärts, wenn der Kulissenstein oberhalb der
Kulissenmitte steht u. s. w.
Wenn der Schieber als Kolbenschieber mit
innerer Einströmung ausgeführt ist, wie dies
heute für Heißdampflokomotiven die Regel ist,
so muß er jeweilig die entgegengesetzten Bewe-
gungen machen, als ein gewöhnlicher Schieber.
Es müssen demnach die beiden Bewegungs-
anteile, die der Schieber von der S. erhält,
umgekehrt werden. Es muß darum erstens
Punkte! (Abb. 198) über Punkt O liegen, so
daß sich die Anordnung der Taf. 1 zu Art.
Lokomotive ergibt. Zweitens lauten die oben
gegebenen Regeln über Vorwärts- und Rück-
wärtsfahrt umgekehrt: Die Lokomotive fährt,
wenn das Exzenter voreilend angeordnet ist,
vorwärts, wenn der Stein sich oberhalb des
Kulissendrehpunktes befindet u. s. w.
B. Bauregeln für die Heusinger-
Steuerung. In den beiden Totpunktstellungen
des Kolbens, also Endstellungen des Kreuz-
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
kopfes, soll der Schieber um den Weg e-\-v
aus seiner Mittellage abgelenkt sein (Abb. 186).
Hieraus folgt zweierlei :
1. Da die eben aufgestellte Bedingung auch
in dem Sonderfall erfüllt sein muß, daß die
Schieberschubstange auf die Kulissenmitte ein-
gestellt ist, daß Punkt A (Abb. 198) bei der
Kurbeldrehung seine Lage nicht ändert, so
muß der Voreilhebel OL nach beiden Seiten
um den gleichen Winkel ausschlagen. A, Z-g A
muß also ein gleichschenkeliges Dreieck sein,
dessen Grundlinie parallel der Zylinderachse
verläuft und in dessen Spitze Punkt A liegt.
Abb. 20S.
2. Da auch bei Verlegung der Schieber-
schubstange in der Kulisse der Schieber, sofern
sich der Kolben in einer seiner Totpunktlagen
befindet, seine Stellung ± (e-\-v) aus der
Mittellage abgelenkt beibehalten muß, so muß
die Kulisse als Kreisbogenstück mit der Schieber-
schubstange AE als Halbmesser ausgeführt
sein, und sie hat für beide Totpunktstellungen
des Kolbens eine solche Lage einzunehmen,
die sich mit dem um A mh AE geschlagenen
Kreis deckt.
Die eben geforderte gleiche Lage für beide
Totpunktstellungen C r^, und CT^ der Kurbel,
also für die beiden Exzentersteliungen C/Cq
und C/C, hat, wie Abb. 198 zeigt, die Kulisse
dann, wenn AToA:, _L CDp ist. Daraus folgt
weiter, daß der Winkel zwischen Kurbel und
Exzenter = 90°—« ausgeführt werden muß,
wenn man, um c klein zu halten, D^ aus der
Triebwerkmittellinie um einen -^a nach oben
verschiebt. Eine solche Verschiebung verstärkt
14
210
Steuerungen.
übrigens den störenden Einfluß des Federspiels
(Abschnitt V). Soll er sich möglichst wenig be-
merkbar machen, so muß Punkt D^ so liegen,
daß die Exzenterstange K^D^ gleich große
Ausschläge nach oben und unten aus der Wag-
rechten macht.
Die Höhenlage des Drehpunktes Z der Ku-
lisse wählt man meist so, daß A Z parallel der
Schieberbewegung, im allgemeinen wagrecht
liegt. Dann werden die Störungen durch Schräg-
lage der Stange bei Vorwärts- und Rückwärts-
fahrt gleich gering.
Schon hier muß darauf hingewiesen werden,
daß der N'ersuch am Modell oder die genaue
zeichnerische Untersuchung die eben bespro-
chenen Bauregeln meist ebs'as ändern (vgl.
Abschnitt IV). Da sich nämlich Punkt A nicht
auf einerOeraden bewegt, sondern seine Höhen-
lage etwas wechselt, da ferner Punkt N in
einem Kreisbogen geführt wird, so wird der
Stein nicht von einem bestimmten Kulissenpunkt
geführt, sondern er „springt" in der Kulisse.
Es liegen daher keineswegs die N'erhältnisse
eines einfachen Kurbeltriebs vor.
Kulisse und Exzenter stehen in k\>h. 19S in
Mittellage. Dreht sich das Exzenter um 90"
vorwärts oder rückwärts, so muß diese Be-
wegung, wenn vor und hinter dem Kolben die
gleiche Dampfverteilung angestrebt werden soll,
gleiche Winkelausschläge der Kulisse bewirken.
Legt man, wie dies zunächst richtig erscheinen
möchte, Punkt D^, d. i. die Lage des Kulissen-
endes bei den Totpunkistellungen der Kurbel,
nach D'o, so daß ^CD'^ Z= 90" ist, so ist
jene Bedingung nicht erfüllt. Abb. 198 erläutert
dies. Wenn man nämlich die Exzenterkurbeln
in die Lagen CK-> und C/Cj bringt und mit
/CqD'o Kreise um" AT, und K^ schlägt, so er-
geben sich die Kulissenlagen ZD' ., und ZD'y
Der Augenschein lehrt, d.z& D\D\-> D\D\
ist. Die Ausschläge ?ind verschieden groß.
Sie werden gleich groß für eine bestimmte,
nach der Kurbel zu verschobene Lage jenes
Punktes D^, die am besten durch Versuch ge-
funden wird. Die Erfüllung der oben begrün-
deten Forderung /Co /Ci \JC.D^ darf hierdurch
natürlich nicht beeinträchtigt werden. Der durch
die endliche Länge der Exzenterstange veran-
laßte Fehler ist für die Hauptlagen der Kulisse,
nämlich für die Mittellage und die Endlagen
durch die Zurückverlegung des Punktes D^ be-
seitigt. Ein weiterer Fehler entsteht aber dadurch,
daß die Kulisse keine Gerade ist. Die Kulisse
ist vielmehr ein Kreisbogen. Ein Punkt dieses
Bogens beschreibt bei gleichen Ausschlägen der
Kulisse im allgemeinen nicht gleiche wagrechte
Projektionen. Dieser Fehler wird mit zunehmen-
dem Kulissenhalbmesser und mit abnehmender
Kulissenlänge geringer. A E ist deshalb mög-
lichst groß zu machen und der Kulissenbogen
soll einen Zentriwinkel von nicht mehr als 25"
umfassen. Hinsichtlich der Länge der Exzenter-
stange AToOq braucht man weniger ängstlich
zu sein, da sich die von ihr herrührenden
Fehler, wie eben gezeigt, wenigstens für die
hauptsächlichen Kolbenstellungen ausgleichen
lassen. Eingehendere Untersuchungen hierüber
macht Professor Baudiss in der Ztschr. dt. Ing.
1908, S. 14L
Das Springen des Steines bedeutet eine weitere
Fehlerquelle, weil es ein fortwährendes Schwan-
ken des Füllungsverhältnisses bedeutet, auf das
die S. eingestetlt ist. Die weiteren schädlichen
Folgen des Springens sind in Abschnitt III, l,ß
dargelegt. Man soll das Springen für die meist-
benutzten Füllungen möglichst gering machen.
Man gehe von einer bestimmten Länge des
Hängeeisens MN aus (Abb. 198) und be-
stimme für 3 Füllungen, also 3 Stellungen des
Steines E in der Kulisse bei Mittelstellung der-
selben durch Versuch die günstigste Lage für
den oberen Endpunkt M, d. h. die beste Kreis-
bogenführung für die Schieberschubstange im
Punkt N. Es ist das diejenige, die die kleinsten
Steinverschiebungen in der Kulisse während
einer Kurbelumdrehung ergibt. Bei Lokomotiven
mit Tender wähle man 3 benachbarte Fül-
lungen für X'orwärtsfahrt, bei Tenderlokomo-
tiven Füllungen für \'or- und Rückwärtsfahrt.
Die 3 Lagen von M bestimmen die Länge
des Aufwurfhebels PM als Halbmesser und
die Lage der Steuerwelle als Mittelpunkt eines
Kreises. Es wird sich häufig eine Lage der
Steuerwelle ergeben, die zur Anwendung eines
gekrümmten .Aufwurfhebels führt, um dem
oberen Kulissenende auszuweichen (s.- Art.
Lokomotive, Bd. VII, S. 164, Abb. 196). Nicht
erforderlich ist die Befolgung der früher häufig
beobachteten Regel, daß das Hängeeisen bei
Mittelstellung der Schieberschubstange senk-
recht zu dieser stehen müsse. Bestimmte Regeln
an Stelle des eben empfohlenen versuchsweisen
Vorgehens lassen sich wegen der venxickelten
gegenseitigen Bewegungen von Kulisse und
Schieberschubstange y4 fkaum aufstellen, zumal
nicht Punkt A, sondern Punki G des X'oreil-
hebels gerade geführt ist.
Die „Kuhnsche Schleife" (s. Art. Loko-
motive, Bd. VII, Taf. 1 u. Abb. 215) führt
die Schieberschubstange in der Weise, daß sie
stets durch einen mit Einstellung der S. auf
verschiedene Füllungsgrade seine Lage ändern-
den Punkt geht. Sie führt die Schieberschub-
stange unter gleich günstigen Bedingungen für
geringes Springen des Steines ober- und unter-
halb des Kulissendrehpunktes.
Steuerungen.
211
Die Lage der Steuerwelle, wie sie nach den
eben mitgeteilten Verfahren festgelegt wird, ist
oft wegen der räumlichen Einschränkungen
durch Räder, seitliche Wasserkästen der Tender-
lokomotiven u. s. w. unausführbar. Man muß
mit verschiedenen Lagen des Hängeeisens vor
oder hinter der Kulisse oder mit seinem Ersatz
durch die Kuhnsche Schleife zum Ziel zu
kommen suchen.
Der Lenker J L^ überträgt wegen seiner
wechselnden Neigung die Kreuzkopfbewegung
nicht fehlerfrei auf den Voreilhebel G^L^. Die
stärksten Neigungen von unten nach oben ent-
stehen bei den schrägsten Stellungen des Vor-
eilhebels G, /.., und O2/.2, also bei den Tot-
punktstellungen des Kreuzkopfes, die stärksten
Neigungen von oben nach unten bei der zur
Achse des Kurbeltriebs senkrechten Stellung
GqLq des V'oreilhebels. Beide Stellungen sind
als I und IV in Abb. 20Q eingetragen. Bei
Stellung I, also für die beiden Totpunktstel-
lungen des Kolbens, muß die Schieberstellung
genau die beabsichtigte sein. Die Abbildung
zeigt, daß dann auch bei den Kolbenstellun-
gen, die zur Lenkerstellung ill gehören, die
Übertragung fehlerfrei geschieht. In den Stel-
lungen zwischen I und lil entstehen positive
Fehler, die bei Stellung II gleich der Pfeilhöhe/,
werden, in den Stellungen zwischen III und IV
negative bis zum Betrag — /j. Die vorkommenden
Fehler werden am kleinsten, wenn, absolut ge-
nommen,/, ^/j ist. Das wird erreicht, wenn das
Stück BJ in Abb. 198 eine solche Länge erhält,
daß Punkt / etwas über der mittleren Höhe
zwischen höchster und tiefster Lage von L liegt
(Abb. 209). Für übliche Lenkeriängen ergibt sich
von jL, Z,, aus nach unten gemessen etwa das
0^4 fache dieser Höhe. Diese Betrachtung lehrt
ferner, daß der Lenker möglichst lang sein soll.
Die in der Literatur anzutreffende Forderung,
der Lenker solle bei Mittelstellung des Kreuz-
kopfes wagrecht liegen und in gewisser Weise
dazu dienen, eine Übertragung der Unregel-
mäßigkeiten in der Kreuzkopfbewegung auf die
Schieberbewegung zu verhüten, ist irrig, denn
alle Abschnitte der Dampfverteilung müssen als
Bruchteile des Kolben-, nicht des Kurbelwegs
festgelegt werden. Der Schiebervceg muß also,
soweit er durch den Kreuzkopf erfolgt, ein ver-
kleinertes Abbild seiner Bewegung sein. Es ist ge-
rade ein Hauptvorzug der Heusinger-Steuerung,
daß der im Abschnitt II an Hand der Abb. 192
beschriebene störende Einfluß der endlichen
Pleuelstangenlänge wenigstens für den Anteil
der Schieberbewegung, der vom Kreuzkopf
abgeleitet wird, in beschriebener Weise fast
vollständig zum Verschwinden gebracht werden
kann.
Für die S. muß der Platz in der Längen-
richtung der Maschine vollständig ausgenutzt
werden, damit die durch die endliche Länge
der Stangen verursachten Fehler möglichst klein
ausfallen. Die Begrenzung gegen den Zylinder
zu ist durch den Voreilhebel gegeben, der in
der Stellung O,/., das Zylindergußstück nicht
berühren darf.
C. Entwurfsregeln für die Heusinger-
Steuerung. Die Höchstfüllung ist wie bei den
Kulissensteuerungen mit 2 Exzentern und aus
den gleichen Gründen beschränkt (vgl. S. 206).
Man wählt sie bei Zwillingslokomotiven zu
75-80*^, das lineare V^oreilen mit Größe
und Geschwindigkeit der Lokomotiven steigend
zu 2-5 min bei einfachem Schieber, zu ^4
Abb. 209.
dieses Wertes bei Kanalschiebern. Man trifft
endlich nach Maßgabe des S. 198 Gesagten eine
Entscheidung darüber, ob der Kanal bei größter
Auslenkung des Schiebers ganz oder etwa nur
zu 90 % geöffnet sein oder ob er ein wenig
überschliffen werden soll. Durch Versuch oder
mit Hilfe hier zu übergehender Verfahren
findet man ein Diagramm, das ähnlich Abb. 186
die gewünschten Werte, also Füllung, lineares
Voreilen und größte Kanalöffnung aufweist.
Dieses Diagramm ergibt dann mit e die
Größe der äußeren Schieberüberdeckung. Der
Schieberweg für Tctpunktstellung der Trieb-
kurbel ist e -\- V. Bei Totpunktstellung der
Kurbel ist co = 0; daher lautet für diesen die
oben aufgestellte Gleichung des Schieberwegs
e+v~ R
m
Da auch /?, der Radius der
Triebkurbel, bekannt ist, so ist hiermit —
m
berechnet. Die eben benutzte Beziehung kann
14'
212
Steuerungen.
übrigens in der Form
n_ _ 2 (e+v)
m ~~ 2 R
auch aus der Abb. 1Q8 abgelesen werden. Man
wählt nun für n eine eben noch bequem aus-
führbare Größe. Somit liegt auch m fest. Es ist
nachzuprüfen, ob mit diesen Größen Punkt L
weder zu hoch gerät, so daß der Anschluß an
den Kreuzkopf unmöglich, noch zu tief, so daß
er aus der Umgrenzungslinie für Betriebsmittel
herausfallen würde.
Aus dem Diagramm (Abb. 186) kann auch
der Schieberweg ig^ für co = 90 " abgelesen
Abb. 210.
werden. Die Gleichung des Schieberwegs für
CO = 90" lautet mit diesem Wert
m-\- n
(1
m
Hierin ist
aus der vorangegangenen
Berechnung bekannt, ii ist das Maß, das die
Kulissenlänge bedingt, denn da höchste Füllung i
angenommen ist, so bedeutet « im vorliegen-
den Fall die größte Auslenkung des Kulissen-
steins aus der Mittellage, ii ist also abhängig
von der Kulissenlänge, die man ausführen will,
und somit ebenfalls bekannt. Die Größe c
ist bekannt, sobald man sich nach Maßgabe
des früher Gesagten für die Lage von D„ ent-
schieden hat. Somit ist r berechenbar. Ergeben
sich unbequeme Werte, so ist die Rechnung
mit etwas geänderten Werten von ii und c zu
wiederholen.
Die eben besprochene Benutzung von 'tg^
kann keine ganz genauen Werte ergeben, weil
die endlichen Stangenlängen, das Springen des
Steines u. s. w., Fehlerquellen bilden.
Es ist eine Prüfung des Entwurfs daraufhin
erforderlich, ob bei der meistbenutzten Fül-
lung — bei Zwillingslokomotiven 20% —
die größte Kanalöffnung genügt, d. h. ob sich
im Augenblick der größten Kanalöffnung bei
Höchstgeschwindigkeit der Lokomotive nicht zu
hohe Dampfgeschwindigkeiten ergeben. Man
versuche daher das Diagramm zu zeichnen,
das mit gegebener Voreinströmung und Über-
deckung 20 % Füllung ergibt u. s. w.
3. Die Kulissensteuerungen ohne Ex-
zenter. Der Fortfall aller E.vzenter bedeutet
eine Platzersparnis. Eine gewisse, wenn auch
nicht große Verbreitung hat die J o y-S t e u e r u n g
liesonders in England gefunden (Abb. 199).
Über die Bewegungsverhältnisse gibt Abb. 2!0
Auskunft. Die Kulisse bleibt beim
Antrieb der S. in Ruhe. Der Stein
gleitet in ihrem Schlitz. Zur Ände-
rung des Füllungsgrades und zur
Umsteuerung wird die Kulisse ge-
dreht. Das lineare Voreilen ist un-
veränderlich. Ein Nachteil der S. ist
die in der Pleuelsfange wachgerufene
Biegungsbeanspruchung. Auch ist
eine starke Steinabnutzung zu er-
warten.
IV. Nachprüfung der S. am
Modell und Regulierung.
Bei der Betrachtung der Wirkungs-
weise der S. mußten mehrfach ver-
einfachende Annahmen gemacht
werden. Mittels der oben gegebenen
Bau- und Entwurfsregeln können
gewisse Fehler wohl vermieden, andere aber nur
gemildert werden. Um die wahren Schieberwege
zu ermitteln, ist deshalb die Prüfung an einem
Modell erforderlich. Diese Nachprüfung wird
häufig zu kleinen Abweichungen von den zu-
nächst nach den Regeln des Abschnitts III
gewählten Abmessungen führen. Man wird
z. B. finden, daß eine etwas andere Lage des
Punktes D^ die Dampfverteilung für die meist-
benutzte Füllung verbessert u. s. w. Ferner
benötigt man an der fertigen S. einer Vor-
richtung zur Beseitigung von Fehlern in der
Dampfverteilung. Sie wird bei der Heusinger-
Steuerung meist, wie Abb. 198 zeigt, an der
Gradführung der Schieberstange angebracht und
ermöglicht mittels zweier Schraubennuittern die
Verschiebung der Schieberstange, also auch des
Schiebers gegen den Punkt G. Man regelt mit
dieser Vorrichtung in erster Linie auf gleiches
lineares Voreilen vor und hinter dem Kolben.
V. Der Einfluß des Federspiels auf die S.
kommt dadurch zu stände, daß die Achswelle
einschließlich des oder der Exzenter lotrechte
Verschiebungen gegen den Rahmen, also auch
gegen die anderen Steuerungsteile erleidet. Eine
Steuerungen.
213
Aufwärtsbewegung der Achse mit dem Exzenter
hat eine gewisse wagrechte Verschiebung des
andern Endes der Exzenterstange zur Folge,
die um so größer und um so störender ist,
je stärker das Exzenter gegen die Wagrechte
geneigt ist. Dieser Hinweis genügt zur Beur-
teilung der Empfindlichkeit der einzelnen S.
gegen das Federspiel. Bei der Stephenson-Steu-
erung der Abb. 195 z. B. liegt in der ge-
zeichneten Stellung, d. h. bei ganz gesenkter
Kulisse die obere Exzenterstange nahezu wag-
recht. Der Endpunkt Z erleidet unter dem
Einfluß des Federspiels nur sehr geringe Ver-
schiebungen. Da nun bei ganz gesenkter Kulisse
dieses E.xzenter allein die Schieberbewegung
hervorruft, so erleidet die Schieberbewegung
bei dieser Kuiissenstellung nur geringfügige
Störungen durch das Federspiel. Ebenso, wenn
die Kulisse ganz gehoben ist. Befindet sich die
Kulisse in der Mittellage, so sind beide Exzenter-
stangen schräg gerichtet. Die Enden beider
erleiden gewisse, gleich große, aber entgegen-
gesetzte Verschiebungen. Beide Exzenter beein-
flussen dieSchieberbewegungbei dieserKulissen-
stellung im gleichen Maße. Jene störenden Ver-
schiebungen heben sich also in ihrer Wirkung
auf den Schieber nahezu auf. Die Stephenson-
sche S. ist, wenn die Achse des Steuerungs-
getriebes, wie in der betrachteten Abbildung,
wagrecht liegt, AS'enig empfindlich gegen das
Federspiel. Schlechter ist es, wenn, wie in
Abb. 190, die Achse des Steuerungsantriebs
schräg liegt. Ungünstiger fällt auch das Er-
gebnis einer solchen Untersuchung für die
Gooch-Steuerung, selbst eine solche mit wag-
rechter Achse (Abb. 206) und am ungünstig-
sten für Gooch-Steuerung mit schräger Achse
(Abb. 196) aus. Die Allan -Trick -Steuerung
(Abb. 197) steht zwischen beiden. Wenn
bei der Heusinger -Walschaert- Steuerung der
Angriffspunkt D der Exzenterstange an der
Kulisse so tief gelegt wird, daß die Ex-
zenterstange gleich große Ausschläge nach
unten und oben aus der Wagrechten macht,
so ist sie für alle Füllungsgrade ziemlich
unempfindlich gegen das Federspiel. Es ist das
mit eine der Ursachen, die zu ihrer heutigen
großen Verbreitung beigetragen hat.
Die Einwirkung des Federspiels ist auch
von der Lage der S. innerhalb oder außer-
halb des Rahmens abhängig. Im allgemeinen
wird nicht die Welle als Ganzes, sondern
nur eine Seite federnd angehoben oder ge-
senkt werden, wenn ein Rad eine Unebenheit
überfährt. Diese Hebung oder Senkung über-
trägt sich mit verkleinernder Hebelübersetzung
auf eine innen liegende S., zumal auf eine
solche, die nach altem englischen Muster mit
zwischen den Innenzylindern liegenden Schieber-
kästen der Lokomotivniitte nahe liegt. Ver-
größernd wirkt die Hebelübersetzung auf .Außen-
steuerungen.
Nach dem Gesagten werden die schlechten
Erfahrungen verständlich, die man seinerzeit
an außen liegenden Allan-Trick-Steuerungen mit
Schrägantrieb gemacht hat, denn hier wirkten
verschiedene Einflüsse im gleichen ungünstigen
Sinn. Anderseits kann man die Heusinger-
Steuerung unbesorgt guter Zugänglichkeit zu-
liebe nach außen legen, weil sie an und für
sich gegen das Federspiel unempfindlich ist.
VI. Gegenüberstellung der be-
sprochenen S.
Bei der Abwägung der Vor- und Nachteile
der einzelnen S. gegeneinander darf man der
Veränderlichkeit oder NichtVeränderlichkeit des
Voreilens keine wesentliche Rolle zuerkennen.
Noch heute sind die Meinungen, ob erstere
oder letztere vorzuziehen sei, geteilt. Die Stephen-
sonsche S. ist einfach und, wie oben gezeigt,
bei wagrechter Anordnung der Steuerungs-
mittellinie gegen das Federspiel wenig empfind-
lich. Die aus der endlichen Stangenlänge sich
ergebenden Fehlerglieder können klein gehalten
werden, weil die Kulisse nahe an den Schieber-
kasten herangelegt, die Stangenlänge demnach
groß gewählt werden kann. Man sah es früher
als einen Mangel der S. an, daß der Kessel
bei Innenlage dieser S. hoch gelegt werden
mußte, um Platz für die Hebung der Ku-
lisse zu schaffen. Heute gilt dieser Mangel
nicht mehr als solcher, weil man die Scheu
vor hoher Kessellage als unberechtigt erkannt
hat. Auch die Notwendigkeit eines schweren
Gegengewichts Q (Abb. 195) kann nicht gegen
die Stephensonsche S. angeführt werden, denn
es läßt sich durch eine Feder ersetzen.
Ein Mangel der Stephensonschen S. ist,
daß sie sich - wenigstens bei Außenlage
der Zylinder - nicht so gut wie die Heusinger-
Steuerung außen unterbringen läßt; denn
diese Bauart führt zu schräger Anordnung der
Steuerungsmittellinie (Abb. 190), somit zu grö-
ßerer Empfindlichkeit gegenüber dem Feder-
spiel oder zur Notwendigkeit, einen Doppel-
hebel nach Abb. 191 einzuschalten. Durch
einen solchen Doppelhebel geht aber die
Einfachheit verloren und die Exzenterstangen
fallen kürzer aus. Die Vereinigung innen lie-
gender Zylinder mit innen liegender Stephenson-
Steuerung ist bei den heutigen Abmessungen
der Lokomotiven kaum noch möglich, weil
sich der Platz für 4 Exzenter neben den ge-
kröpften Kurbeln auf der Welle nicht erübrigen
läßt. Die einzige Zusammenstellung, für die
214
Steuerungen.
heute die Stephenson-Steuerung noch allenfalls
Berechtigung hat, ist die innen liegender Zy-
linder und außen liegender S. mit wagrechter,
durch die Mitte der Triebachse gehender Steue-
rungsachse. Diese Anordnung ist an und für
sich selten, und so wird das Verwendungs-
gebiet der Stephenson-Steuerung mehr und
mehr eingeschränkt. Selbst englische und ameri-
kanische Bahnen, die sie noch vor wenigen
Jahren fast ausschließlich verwendeten, gehen
mehr und mehr zur Heusinger-Steuerung über.
Die Qooch-Steuerung entstand aus dem Be-
streben, die eingangs angeführten, teilweise nur
in der Einbildung bestehenden Nachteile der
Stephenson-Steuerung zu beheben. Es lassen
sich nicht so lange Exzenterstangen, wie bei
der Stephenson-Steuerung anwenden, weil die
Forderung möglichst großer Länge auch für die
Schieberschubstange erhoben werden muß. Die
S. ist empfindlicher gegen das Federspiel als
die Stephensonsche und vielteiliger. Das Vor-
eilen ist unveränderlich. Diese Eigenschaft ist
in den Augen mancher Lokomotivbauer kein
besonderer Vorzug oder, wenn man ihn als
solchen gelten läßt, so ist er auch durch die
Heusinger-Steuerung neben anderen gewichtigen
Vorteilen zu erreichen. Die Gooch-Steuerung
hat also heute keine Daseinsberechtigung mehr.
Die Allan-Trick-Steuerung ist aus dem Be-
streben entstanden, die gekrümmte Kulisse wegen
ihrer schwierigen Herstellung und Unterhal-
tung durch eine gerade zu ersetzen. Für große
Bauanstalten und Werkstätten trifft dieser Grund
Abb. 211.
heute nicht mehr zu. Die S. steht im übrigen
mit ihren Eigenschaften zwischen der Stephen-
son- und Gooch-Steuerung. Für ihre Anwen-
dung können heute in keinem Fall zwingende
Gründe sprechen.
Die Heusinger-Steuerung ist unempfindlich
gegen das Federspiel. Man ordnet sie deshalb
fast ausnahmslos außen an und erzielt so eine
bequeme Zugänglichkeit alier ihrer Teile. Die
Anordnung ihrer Einzelteile führt zwanglos auf
eine zur Zylinderachse parallele Lage des
Schieberspiegels, auf einfache, gleichzeitig an
der rechten und linken Lokomotivseite ver-
wendbare Formen des Zylindergußstücks. Der
Einfluß der endlichen
Pleuelstangenlänge
auf die Genauigkeit
der Dampfverteilung
ist für den vom Kreuz-
kopf abgeleiteten Be-
wegungsanteil des
Schiebers fast völlig
beseitigt (Abschnitt
III, 2, B). Ein Vor-
teil gegenüber den
vorgenannten S. ist
ferner die feste Lage
des Kulissendreh-
punktes. Die S. be-
kommt hierdurch
mehr Halt in der
Richtung quer zu
ihrer Ebene.
Bei der Joy-Steue-
rung bedeutet das Fehlen jeden Exzenters wohl
einen Vorteil, der aber durch die unter III, 3
aufgeführten Nachteile mehr als aufgewogen
werden dürfte.
\'ll. Die Anordnung der Kulissen-
steuerungen für Mehrzylinderlokomo-
tiven mit einfacher Dampfdehnung.
Die Bauart ist durch Einführung des Heiß-
dampfes zu einer gewissen Bedeutung gelangt.
Der Bedeutung der Heusinger-Steuerung ent-
sprechend, soll diese in erster Linie als S.
für Mehrzylinderlokomotiven und ebenso im
Abschnitt VlII als S. für Verbundlokomotiven
berücksichtigt werden.
1. Dreizylinderlokomotiven. Es können
3 getrennte gleichartige S., 2 außen und eine
innen liegende, ausgeführt werden. Wenn, wie
dies meist geschieht, 3 unter 120° versetzte
Kurbeln angewendet werden, so bietet sich die
Möglichkeit, einen Schieber, am besten den
des Innenzylinders, durch die beiden anderen
Steuerungsantriebe mitbewegen zu lassen.
Abb. 21 1 läßt nämlich erkennen, daß 2 Ex-
zenter /•, und /"j sich zu einem resultierenden
Exzenter r^' zusammensetzen lassen, das dem
dritten Exzenter r^ gleich, aber entgegengesetzt
gerichtet ist. Man hat also den Mittelschieber
durch die beiden äußeren Steuerungsantriebe
mit gleichem Teilbetrag anzutreiben und für
Umkehr der Bewegung zu sorgen. Abb. 212
Steuerungen.
215
erläutert, wie dies geschehen kann. Gr und O/
sind die dem Punkt G in Abb. 19S entspre-
chenden, von Heusinger-Steuerungen angetrie-
benen Enden der Schieberstangen am rechten
und hnken Außentriebwerk. Durch die wag-
rechten, um Mr und Mi drehbaren Hebel wird
ihre Bewegung in doppelter Größe auf gr und
gl übertragen. Deren Bewegung gelangt wieder
in halber Größe nach Gm, so daß die Schieber-
stange des mittleren Triebwerks, wie es nach
keine genau gleichlaufende sein darf, und diese
Forderung bei Ausbildung der Hebelüber-
setzung durch Versetzung der Hebel um den
Winkel Sa\ O S,i berücksichtigt werden kann.
Auf S. 211 ist nachgewiesen, daß ein Haupt-
vorzug der Heusinger-Steuerung die nahezu
vollständige Beseitigung des Einflusses der
endlichen Pleuelstangenlänge wenigstens auf
denjenigen Anteil der Schieberbewegung ist,
der vom Kreuzkopf abgenommen wird. Dieser
-C-0--
"-a
Abb. 213.
Abb. 211 sein muß, die Bewegungsanteile von
Gr und Gl der Größe nach unverändert, aber
in entgegengesetzter Richtung erhält. Diese An-
ordnung der S. hat bei neuen Dreizylinder-
Heißdampflokomotiven der preußischen Staats-
bahn Verwendung gefunden.
2. Vierzylinderlokomotiven. Die Zy-
linder liegen unter der Rauchkammer neben-
einander. Die Außen- und Innenkurbel einer
Maschinenseite werden unter 180° gegenein-
ander versetzt. Selten wird nur je ein Schieber j
für den Außen- und Innenzylinder
einer JV\aschinenseite angebracht
(s. Art. Dampfzylinder, Abb. 232).
Die Dampfventeilung läßt sich, wie
aus folgendem zu ersehen ist, den Be-
dürfnissen beider Zylinder besser an-
passen, wenn man getrennte Schieber
ausführt. Einer möge mit Innen-,
einer mit Außeneinströmung ar-
beiten. Dann sind ihre Bewegungs-
richtungen bei 180" Kurbelver-
setzung in jedem Augenblick gleich-
gerichtet. Jede Maschinenseite erhält
nur eine außen liegende S. In
Abb. 2 1 3 bedeuten Ga\ Ga2 Ga3 die
verschiedenen Lagen des in Abb. 198
mit G bezeichneten Punktes der
Außensteuerung. Dieser Punkt macht also die
gleichen Bewegungen wie der Außenschieber.
Er ist an Punkt Sa, des Hebels SaiOSn an-
geschlossen. S,i ist an G,i , d. i. die S :hieberstange
des Innenschiebers angelenkt. Diese Anordnung
ist der eines gemeinschaftlichen Schiebers vor-
zuziehen, weil die Bewecjung der beiden Schieber
Bewegungsanteil rührt vom Ersatzexzenter
CE' (Abb. 208) her. Man stelle sich für die
folgende Betrachtung daher zunächst die S.
in Mittelstellung, den Stein also in der Ku-
lissenmitte vor, so daß nur das der Kurbel
gegenüberliegende Ersatzexzenter CE' zur Gel-
tung kommt. Jener Vorzug nun würde für den
durch Hebelübersetzung genau gleichlaufend
mitangetriebenen Innenschieber verloren gehen.
Die Abb. 214 läßt nämlich erkennen, daß bei
der Kurbelstellung CKa der Kolben des Außen-
Abb. 214,
Zylinders in der Mitte seines Hubes steht, während
der Kolben des Innenzylinders schon um CP
über die Mitte vorgeschritten ist. Für die
Schieber gilt also hinsichtlich des in Rede ste-
henden Bewegungsanteils die Regel, daß sie zwar
gleichzeitig ihre Endlagen einnehmen müssen,
denn Außen- und Innenkolben stehen ja
216
Steuerungen.
gh'ichzeitip; in den Endlagen, daß aber der
Innenschieher früher seine Mittelstellung er-
reichen muß. Dies Ziel kann nun durch die er-
wähnte Versetzung der Außen- und Innenhebel
OSa und OS, gegeneinander erreicht werden.
Während nämlich 5a, G„, 5,- die gleichen
Wege Sa\ Sa2 = SalSaZ, Ggl Ga2 = Oal Ga3,
5,1 S/2 = 5,-2 5/3 zurücklegen, erhält der Innen-
schieber erst den größeren Bewegungsanteil
G/i G/2, dann den kleintren G/2G/3. Steht die
S. nicht in Mittelstellung, so dürften freilich
auch die Endstellungen der Schieber nicht genau
gleichzeitig erfolgen. Der Augenblick des größten
Schieberausschlags tritt aber bei den meistbe-
nutzten Füllungen ein, wenn die Kolben noch
nicht weit vom Totpunkt entfernt sind, der
Einfluß der endlichen Pleuelstangenlänge noch
klein ist.
Haben beide Schieber Innen- oder beide
Außeneinströmung, so müssen Innen- und
Außenhebel 05/i und 05„i einander gegen-
über liegen. Sie dürfen aber aus bereits vor-
gebrachten Gründen nicht einen Winke! von
180", sondern nur einen kleineren miteinander
bilden (s. Art. Lokomotive, Bd. VII, Taf. IV,
Abb. 4).
VIII. Die Anordnung der Kulissensteue-
rungen für Verbundlokomotiven.
Das Diagramm einer Verbundmaschine ist
im Art. Dampfarbeit, Bd. III, S. 223, Abb. 156
bis 158 mit den erforderlichen Erläuterungen
dargestellt. Die leitenden Gesichtspunkte für
den Entwurf der S. sind die folgenden:
a) Während des Kompressionsabschnitts wird
vom Kolben des oder der Hochdruckzylinder
Dampf von Verbinderspannung zusammenge-
preßt. Die Anfangsspannung des zusammen-
zupressenden Dampfes beträgt schon einige
kg/an^. Das würde zu unzulässig hohen, die
Dampfspannung im Schieberkasten überschrei-
tenden Endspannungen führen. Aus diesem
Grund muß der Hochdruckschieber eine negative
innere Überdeckung von 8—\0mm haben.
Wenn sich der Schieber, wie in Abb. 184
gezeichnet, in Mittelstellung befindet, so muß
er die Kanäle nicht, wie dort gezeichnet, mit
einer Breite / überdecken, sondern sie beider-
seits um den eben angegebenen Betrag öffnen.
Der Verlust an Arbeitsfläche, der als Folge dieser
Maßnahme durch den frühen Beginn der Vor-
ausströmung entsteht, ist unerheblich. Eine wei-
tergehende Behebung jener Schwierigkeit sucht
man durch Kammerschieber zu erreichen (Ab-
schnitt II, Abb. 189).
6^ Da der Niederdruckzylinder größere Abmes-
sungen hat, so werden auch die Schieberwege,
gleiche Füllung vorausgesetzt, im allgemeinen
größere sein als bei dem Hochdruckzylinder.
Das bedingt für die Niederdrucksteuerung an-
dere Abmessungen und einen gesonderten
Entwurf. Hierbei ist aber Rücksicht darauf zu
nehmen, daß Umsteuerung und Einstellung der
Füllungen meist durch eine gemeinsame Um-
steuerungsvorrichtung erfolgen sollen.
Das in Abb. 158 (Bd. III, S. 223) für die bei
Lokomotiven häufig benutzte Spannung von
12 Atm. gezeichnete Verbunddiagramm gewähr-
leistet eine gute Dampfausnutzung. Es ist nämlich
der Niederdruckzvlinder so groß gewählt, daß
der Dampf ungefähr bis auf den Gegendruck
abgespannt wird. Ferner liegt die Verbinder-
spannung, d.h. die Einströmspannung für den
Niederdruckzylinder, bei etwa 5 Atm. Die zu-
gehörige Temperatur von 151° liegt ungefähr
in der Mitte zwischen der Temperatur des Frisch-
dampfes von 184" bei 1 1'2 Atm. und der Tem-
peratur des Abdampfes von 111° bei 1"5 Atm.
Das Wärmegefälle ist also in beiden Zylindern
etwa das gleiche, so daß sich die eigenartigen
Vorzüge der Verbundlokomotive in größtmög-
lichem Umfang einstellen werden. Auch sind
die Flächen H' und A^' ziemlich gleich; Hoch-
und Niederdruckzylinder leisten etwa die
gleiche Arbeit und eine Überbeanspruchung
des einen oder des andern Gestänges ist nicht
zu befürchten; ebensowenig unruhiger Gang in-
folge verschieden großer Arbeitsleistung auf
beiden Maschinenseiten. Dieses günstige Ergeb-
nis ist, wie die Abbildung lehrt, durch ein Zylin-
derraunn-erhältnis von 1 :3 und ungefähr gleiche
Füllungen in beiden Zylindern erreicht worden.
Auch zeigt die Abbildung, daß zu diesem Zylin-
derraumverhältnis ungefähr gleiche Füllungen in
beiden Zylindern gehören. Nun ist ein solches
Zylinderraumverhältnis von 1 : 3 aber bei Loko-
motiven, wenigstens bei Zweizylinderverbund-
lokomotiven im allgemeinen nicht erreichbar,
weil es zu große Niederdruckzylinder erfordert.
Bei den großen neuzeitlichen Vierzylinderloko-
motiven liegt die Sache, falls die Niederdruck-
zylinder innen zwischen den Rahmen Platz
finden sollen, nicht viel besser. Man ist also
meist zu einer Verkleinerung des Zylinder-
raumverhältnisses auf 1 :2'2 bis 1 :2-5 gezwun-
gen. Denkt man sich (in Bd. III, Abb. 158) den
großen Zylinder und auch das Diagramm etwa
um die letzten 3 Teilflächen am rechten Ende des
Diagramms verkleinert, so folgt daraus erstens
eine Verkleinerung der Arbeitsfläche und ein
Steigen der Endspannung um einen nicht sehr
erheblichen Befrag, zweitens aber eine wesent-
liche Zunahme des Füllungsverhältnisses im
Niederdruckzylinder. Eine gewisse Vergröße-
rung der Niederdruckfüllung noch über das
Steuerungen.
217
Maß hinaus, das in eben besprochener Weise
ermittelt wurde, hat sich als vorteilhaft erwiesen,
weil infolgedessen die Verbinderspannung und
mit ihr die Kompressionsarbeit des Hochdruck-
kolbens abnimmt und weil ferner der so ent-
stehende Spannungsabfall zwischen Hochdruck-
zylinder und Verbinder eine Nachverdampfung
niedergeschlagenen Wassers in diesem zur Folge
hat. Diese Beweisführung trifft zunächst nur
eine gewisse wirtschaftliche Füllung im Hoch-
druckzylinder von etwa 40%. Würde nur die
Forderung maßgebend sein, daß bei Übergang
des Dampfes aus dem Hoch- in den Nieder-
druckzylinder kein Spannungsabfall eintreten
solle, so würde zu jeder Vergrößerung der Hoch-
druckfüllung nur eine sehr mäßige Vergrößerung
der Niederdruckfüllung gehören. Die Folge wäre
aber rasche Zunahme des Druckes im Ver-
binder und somit der Kräfte im Niederdruck-
triebwerk und des vom Niederdruckzylinder
geleisteten Arbeitsanteils sowie des Temperatur-
gefälles im Niederdruckzylinder. Das letztere
würde aber bedeuten, daß die von einer Ver-
bundmaschine erwarteten Vorteile verschwinden
würden. Endlich würde infolge der hohen Ver-
binderspannung im Hochdruckzylinder eine ganz
unzulässig hohe Kompressionsarbeit zu großen
Arbeitsverlusten führen. Aus allen diesen Grün-
den muß man zu größeren Hochdruckfüllungen
trotz gewisser Verluste durch Spannungsabfall
im Verbinder vergrößerte Niederdruckfüllungen
zuordnen. Zusammenfassend kann festgestellt
werden, daß im allgemeinen bei Verbundloko-
motiven die Füllung im Niederdruckzylinder
größer als im Hochdruckzylinder und der Fül-
lungsunterschied um so größer sein muß, je mehr
das Zylinderraumverhältnis, 12Atm. Kesselspan-
nung vorausgesetzt, von dem Wert 1 : 3 abweicht.
1. Die Verbundlokomotiven mit 2 Zy-
lindern. Wie bereits früher erwähnt, ergibt
sich die Notwendigkeit eines besonderen
Entwurfs für die Niederdrucksteuerung mit
größeren Schieberwegen und größerer Höchst-
füllung. Man geht etwa bis zu 83 % . Man
wird im allgemeinen ein größeres Teilungs-
verhältnis -— für den Voreilhebel OL (Abb. 1 98)
und eine längere Kulisse, also größere Höchst-
werte für ti erhalten. Den Exzenterhalbmesser
behält man meist bei und wählt statt dessen c
kleiner. Hierdurch wird der Kulissenausschlag
größer und somit die gleiche Wirkung erzielt,
als ob das Exzenter vergrößert wäre. Der Stein
in der Kulisse der Niederdruckseite soll von der
Mitte aus gerechnet beim Verlegen der S. größere
Wege machen als der Stein in der Kulisse der
Hochdruckseite, weil erstere Kulisse länger ist
und weil beide Steine gleichzeitig in den End-
lagen ankommen sollen oder weil, was das gleiche
ist, zu jeder Hochdruckfüllung eine größere
Niederdruckfüllung gehören soll. Man erreicht
das Ziel, indem man den Aufwurfhebel P M
(Abb. 198) auf der Niederdruckseite länger
ausführt. Bei Verwendung der Kuhnschen
Schleife (s. Art. Lokomotive, Taf. I u. Abb. 1 1 5)
verfährt man in gleicher Weise.
Das zuletzt angegebene Mittel genügt häufig
noch nicht, um die Füllungsunterschiede auf
Hoch- und Niederdruckseite groß genug zu
machen. Um sie für Vorwärtsfahrt zu vergrößern,
hat man Vorsorge zu treffen, daß bei Mittel-
stellung des Steines in der Hochdruckkulisse
der Stein in der Niederdruckkulisse bereits um
einen gewissen Betrag im Sinne der Vorwärts-
fahrt verschoben ist. Man erreicht dies durch
Kürzung des Hängeeisens M N oder durch
Versetzung der Aufwurf hebel P M auf beiden
Maschinenseiten oder durch gleichzeitige An-
wendung beider Maßnahmen. Bei Benutzung
der Kuhnschen Schleife sind lediglich die
Aufwurfhebel auf beiden Seiten gegeneinander
zu vernetzen. Man kann auf diese Weise für
Vorwärtsfahrt jede gewünschte Vergrößerung
der Niederdruck- gegenüber den Hochdruck-
füllungen erreichen. Für die Rückwärtsfahrt
kehren sich die Verhältnisse aber um; der
Stein auf der Hochdruckseite verläßt die Ku-
lissenmitte, sobald man die S. im Sinne der
Rückwärtsfahrt aus der Mitte verlegt. Der Stein
auf der Niederdruckseite hingegen, der ja bei
Mittelstellung der S. um eine gewisse Weg-
länge aus der Kulissenmitte im Sinne der
Vorwärtsfahrt verschoben ist, muß erst diese
Weglänge zurücklegen, um in die Mitte zu
gelangen, und erst bei weiterer Verlegung der
S. verschiebt er sich im Sinne der Rückwärtsfahrt.
Daraus folgt zweierlei: 1. Nahe der Mittel-
lage der S. gibt es Stellungen, bei denen die
Hochdrucksteuerung auf Rückwärtsgang, die
Niederdrucksteuerung noch auf Vorwärtsgang
steht. Diese Stellungen liegen freilich der Mitte
so nahe, daß sie ohnedies nicht in Frage kommen.
2. Bis zu einer gewissen Füllungsgrenze sind
bei Rückwärtsfahrt die Füllungen im Hoch-
druckzylinder größer; erst bei weiterer Um-
stellung überwiegt der Einfluß des auf der
Niederdruckseite längeren Aufwurfhebels oder
der genannten ähnlichen Maßnahmen: Der
Stein der Niederdruckseite überholt nun ge-
wissermaßen den auf der Hochdruckseite, so daß
die Niederdruckfüllungen jenseits einer gewissen
Füllungsgrenze wieder größer werden, freilich
nie in dem Maß wie auf der Hochdruckseite.
Infolge dieser Umstände können bei Loko-
motiven mit versetzten Aufwurfhebeln, ver-
schieden langen Hängeeisen od. dgl.,dieniedrigen
218
Steuerungen.
Füllungsgrade bis etwa zu 60»;^ im Hochdruck-
zylinder für Rückwärtsfahrt nicht benutzt werden.
Ein entsprechender Vermerk wird meist auf der
Füllungsteilung am Steuerungsbock eingetragen.
2. Die Verbundlokomotiven mit 3 Zy-
lindern. Die 3 Dampfzyiinder erhalten wie
bei Zweizylinderverbundlokomotiven je eine
S. für sich. Die beiden .^ußenzylinder arbeiten
als Niederdrucktriebwerk. Die Umsteuerung
und Einsteilung des Füllungsgrades erfolgt von
einer gemeinschaftlichen Steuerwelle aus. Gegen-
über den Zweizylinderlokomotiven besteht also
kein grundsätzlicher Unterschied. Die dort
gegebenen Regeln sind sinngemäß auch hier
anzuwenden. Bei Besprechung der S. für
Dreizylinderlokomotiven mit einfacher Dampf-
dehnung (Abschnitt VII) ist eine neue Bauart
erwähnt (Abb. 212), die es gestattet, mit 2
Steuerungsantrieben für 3 Zviinder auszu-
kommen. Es wird möglich sein, diese Bau-
weise derDreizylinder-Verbundlokomotive anzu-
passen. Ausführungen liegen bis heute nicht vor.
3. Die Verbundlokomotiven mit 4 Zy-
lindern. A. iMit je einer besonderen
Steuerwelle für das Hoch- und Nieder-
drucktriebwerk. Zu diesen gehören in erster
Linie die Mallet-Rimrott-Lokomotiven mit
Triebdrehgestell (s. Art. Lokomotive, Bd. VII,
Taf. II, .^bb. 9), in gewissem Sinne aber auch
andere Vierzylinderlokomotiven, deren Zylinder
nicht in einer Querebene der Lokomotive
liegen und auf verschiedene Achsen arbeiten
(ebenda, Abb. 10 u. 11). Hoch- und Nieder-
drucktriebwerk solcher Lokomotiven erhalten
vollkommen getrennte S. Die Steuerwellen für
die Hoch- und Niederdrucksteuerungen werden
miteinander gekuppelt. Die sinngemäße .Ände-
rung der Entwurfsregeln gegenüber den Zwei-
zylinder-Verbundlokomotiven ergibt sich leicht:
Die S. werden getrennt entworfen, die Kupplung
der Steuerwellen, Bemessung und Aufteilung
der Aufwurfhebel u. s. w. erfolgt so, daß be-
stimmte Füllungsverhältnisse der Hoch- und
Niederdruckzylinder erreicht werden.
Da bei den in Rede stehenden Bauarten
für Hoch- und Niederdrucktriebwerk getrennte
Steuerwellen ausgeführt werden müssen, so
liegt der Gedanke nahe, noch einen Schritt
weiter zu gehen und auch die Vorrichtungen
zum Umsteuern und zur Einstellung der
Füllungen auf dem Führerstand getrennt aus-
zuführen. Man erzielt auf diese Weise den
Vorteil, zu jeder Hochdruckfüllung die passende
Niederdruckfüllung einstellen zu können. Die
Führer sind dann in der Lage, auch für ver-
schiedene Belastungen und Geschwindigkeiten
die am besten zusammenpassenden Füllungs-
verhäitnisse durch Versuch festzustellen und
zu benutzen. Diese Bauweise ist in Frankreich
beliebt Es ist nur eine Kurbel- und Riegel-
scheibe vorhanden, wie in Abb. 201, aber
2 Steuerungsschrauben. Auf der hinteren
Hälfte der einen ist das Gewinde fortgelassen.
Über den verbleibenden zylindrischen Kern
ist eine zweite hohle Steuerungsschraube ge-
schoben. Die Handkurbel kann durch eine
Klinke mit dieser oder jener gekuppelt werden.
In Deutschland und den meisten anderen Ländern
scheut man die verwickelte Bauart dieser An-
ordnung. Auch fürchtet man, daß nicht jeder
Führer die zweckmäßigsten Füllungsverhältnisse
herausfinden wird, und zieht infolgedessen die
weiterhin beschriebenen einfachen Bauarten vor.
B. Vierzylinder-Verbundlokomotiven
mit gemeinsamer Steuerwelle für das
Hoch- und Niederdrucktriebwerk. Zu
diesen gehören in erster Linie alle Vier-
zylinderlokomotiven, deren Zylinder in einer
Querebene der Lokomotive liegen. Man sucht
dann mindestens einige Steuerungsteile für
beide Steuerungen gemeinschaftlich zu benutzen.
Bei der üblichen Bauart vierzylindriger Loko-
motiven sind die Triebwerke einer Seite um
180° gegeneinander versetzt. Das würde auch
eine gegenläufige Schieberbewegung bedingen.
Will man z. B. ein Exzenter zur Betätigung
beider S. benutzen, so müßte seine Bewe-
gung auf eine S. mit Umkehr der Bewegungs-
richtung übertragen werden. Alan vermeidet
dies meist, indem man einen Schieber mit
innerer, den andern mit äußerer Einströmung
ausführt.
Abb. 215 zeigt einen Steuerungsantrieb, bei
dem zwar jedes Triebwerk mit einem vom
Kreuzkopf angetriebenen Voreilhebel versehen
ist, hingegen ist nur ein Exzenter und nur
eine Kulisse mit Schieberschuhstange, u. zw.
für die außen liegende Hochdrucksteuerung
vorhanden. Die Schieberschubstange ist in
Aa an den Voreilhebel angelenkt, also ober-
halb des Punktes Ga, an dem die Schieber-
stange angreift, weil der Schieber innere Ein-
strömung hat (vgl. Abschnitt III, 2, A). Die
Bewegung des Punktes Aa wird durch ein
Hebelpaar auf Punkt Ai der innen liegenden
Niederdrucksteuerung übertragen, der unterhalb
Oi liegen muß, weil der Niederdruckschieber
Außeneinströmung hat. Die Hebellängen Q Aa
und Q Ai können verschieden gewählt werden
Dies wirkt ebenso, als ob Innen- und Außen-
steuerung mit Exzentern von verschieden großer
Exzentrizität angetrieben würden. Man wählt
ferner die Teilung - für die beiden \'oreil-
hebel verschieden groß und kann endlich den
Schiebern verschiedene Abmessungen geben.
Steuerungen.
219
Man kann jede S. ihrem Zweck gut anpassen.
Nur begibt man sich bei dieser Anordnung
der MögHchkeiten, die sich bei Besprechung
der ZweizyHnderiokomotiven durch Versetzung
der Aufwurfhebel u. s. w. in GestaU einer
weiteren Vergrößerung der Niederdruckfüllung
geboten haben. Man hat es aber verstanden,
durch geschickte Benutzung der übrigen Mittel
im Niederdruckzylinder etwa 20% größere
Füllung als im Hochdruckzylinder herbeizu-
führen.
Neuerdings geht man sogar noch einen
Schritt weiter und führt nur einen Steuerungs-
antrieb für die beiden Zylinder einer Seite
aus. Liegen diese als Außen- und Innenzylinder
nebeneinander, so werden Hoch- und Nieder-
druckschieber entweder in einem Stück ver-
demnach nur um2 — 4/rtm handeln. Man er-
reicht dann für 40 % Füllung im Hochdruck-
zylinder nur etwa 46 "lo im Niederdruckzylinder.
Man sollte bei Benutzung dieses Verfahrens
auf ein möglichst großes Zylinderraumverhält-
nis hinarbeiten. Selten ist eine Ausführung
der Vierzylinder-Verbundlokomotiven, bei der
auf der einen Seite innen und außen nebenein-
ander die Hochdruckzylinder, auf der andern
die Niederdruckzylinder liegen. Man kann mit
nur 2 S. allen Anforderungen gerecht werden,
indem man eine als Hochdruck-, die andere
als Niederdrucksteuerung ausführt. Die Regeln
sind die gleichen wie für Zweizylinder- Verbund-
lokomotiven. Sind für jedes Zylinderpaar 2
Schieber vorgesehen, so ist das im Abschnitt
VII, 2, Gesagte zu beachten. Die Bauart, u. zw.
— Q
Aussensteuerung Übertragungs - Jnnensteuerung-
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-Lir.
Abb. 215.
1^4-
%
einigt (s. Art. Dampfzylinder, Bd. III, Abb. 232)
oder man überträgt die Bewegung von der
außen liegenden S. durch einen Hebel auf den
innen liegenden Schieber, während der außen
liegende unmittelbar angetrieben wird. Letzt-
genannte Anordnung ist vorzuziehen, weil
sie bei Ausbildung nach Abb. 213 gestattet,
den Einfluß der endlichen Triebstangenlänge
auch für die mittelbar angetriebene S. des um
180° versetzten Triebwerks zum größten Teil
zu beseitigen (vgl. Abschnitt VII, 2). Liegen
die Zylinder hintereinander, so sind beide
Schieber auf einer gemeinschaftlichen Schieber-
stange befestigt. Liegen die Zylinder endlich
nach der Anordnung Vauclain übereinander,
so sind Hoch- und Niederdruckschieber in
einem Stück vereinigt. Bei allen diesen Anord-
nungen kann man verschiedene Füllungen nur
durch Verschiedenheit der Schieberabmessungen
erzielen. Die Betrachtung der Abb. 186 lehrt,
daß durch Verkleinerung der äußeren Über-
deckung die Füllung vergrößert wird. Das
lineare Voreilen wird aber um jene Verklei-
nerung der Überdeckung größer. Es darf sich
mit nur einem Schieber findet sich bei den 5/5
gekuppelten Vierzy linder- Verbund lokomotiven
der italienischen Staatsbahn, einschließlich der
S. beschrieben in der Ztschr. dt. Ing. 1911,
S. 928 und in Railw. Eng. 1910, S. 23 ff. (s. auch
Art. Lokomotive, Bd. VII, Taf. IV, Abb. 7).
Die beiden S. können bei diesen Lokomotiven
getrennt eingestellt werden. Man hätte wohl
ohne dieses Mittel auskommen können, selbst
wenn man bei der als Tenderlokomotive anzu-
sprechenden Bauart gleich guteDanipfverteilung
bei Vor- und Rückwärtsfahrt verlangte.
IX. Die Ventilsteuerungen.
Das Bestreben, die Schieber durch Ventile
zu ersetzen, erklärt sich aus ähnlichen Gründen
wie bei den ortsfesten Maschinen. Die Bewe-
gung der Ventile läßt sich leicht so einrichten,
daß sie schnell öffnen und schließen. Die
Drosselungsverluste werden geringer, die Dia-
gramme voller. Man erhofft ferner von den
Ventilen bessere Dampfdichtigkeit an den
Dichtungsflächen, den Ventilsitzen, weil diese
nicht, wie die Schieberspiegel, einer Abnutzung
2?0
Steuerungen.
durch Reibung unterv^'orfen sind. Aus dem
gleichen Grund darf man eine Verminderung
der Ausbesserungskosten, wie sie bei Schieber-
steuerungen durch Nacharbeiten an Schiebern
Kanal und ist nicht den hierdurch verursachten
Abkühlungsverlusten ausgesetzt. Eine solche
Trennung ist bei Lokomotiven aus räumlichen
Gründen im allgemeinen nicht durchführbar.
o
6
und Schieberspiegeln entstehen, erwarten. Bei
ortsfesten Maschinen trennt man Ein- und Aus-
laßventile und die zu ihnen führenden Kanäle
meist vollständig. Der Frischdampf durchströmt
nicht den eben vom Abdampf durchflossenen
Abb. 216 zeigt eine von der Hannover-
schen Maschinenbau-Aktiengesellschaft ausge-
führte Ventilsteuerung Bauart Lentz.
Sie ist bei D-Güterzug-Verbundlokomotiven
ausgeführt, die 1912 für die oldenburgische
Steuerungen.
221
Staatsbahn geliefert wurden,
und stellt die Fortbildung
einer älteren, aus dem
Jahre 1908 stammenden
Form dar. Die Nocken-
stange wird wie ein Schieber
durch eine Heusinger-Steu-
erung bewegt. Sie hebt bei
dieser Bewegung durch Ver-
mittlung der
in den Spindel-
köpfen gela-
gerten Rollen
die Ventile. Der
Ventilschluß
wird durch die über den
Spmdelköpfen sichtbaren
Federn gesichert. Ein- und
Auslaßventile sind so ange-
ordnet, daß sie durch den
Dampfdruck mäßig stark
auf ihre Sitze gepreßt
werden, u. zw. jene durch
den Druck des Dampfes
in der Frischdampfleitung,
diese durch den [3ruck des
Dampfes im Zylinder. Das
rechts sichtbare kleine Ven-
til bildet den wesentlichen
Bestandteil der Anfahrvor-
richtung für Verbundloko-
motiven Bauart Ranafier.
Es ist mit Spindel, Spindel-
kopf und Rolle gewöhnlich
durch eine
Feder nach
oben gegen
seinen Sitz
gepreßt und
so der Einwirkung der
Nockenstange entzogen.
Setzt der Führer dagegen
■den Raum über dem Ventil
durch die von links her-
kommende Leitung unter
Dampfdruck, so öffnet es
sich, falls die augenblick-
liche Stellung der Nocken-
stange es zuläßt, und läßt
Dampf hinter den Hoch-
druckkolben und somit auch
zum Niederdruckzylinder
treten. Die Nockenstange
steuert das Ventil so, daß
Dampf nur in den Hoch-
druckzylinder strömt, wenn
der Niederdruckkolben am Hub steht, nicht
.aber dann, wenn er nahe am Totpunkt steht.
jBliiijjBBnmofi
Im letzteren Fall
einen schädlichen
würde der Hilfsdampf nur
Gegendruck auf den Hoch-
222
Steuerungen.
druckkolben hervorrufen. In gewissen Kurbel-
stellungen muß der Führer durch eine weitere
Hilfsleitung dem Niederdruckzylinder unmittel-
bar Frischdampf zuführen.
X. Die Gleichstromiokomotiven.
Bei den Ventilsteuerungen in der für Loko-
motiven möglichen Ausführungsform bleibt,
wie eben gezeigt, der Übelstand bestehen, daß
die Kanäle abwechselnd vom Frischdampf und
vom Abdampf durchflössen werden. Bei der
Qleichstrommaschine Bauart Stumpf
(Abb. 217) ist nur ein Ventilpaar für die Dampf-
einströmung vorhanden. Der Abdampf verläßt den
2S-28»y(«J
m-'STh
.\bb. 218.
Zylinder durch die vom Kolben gegen Ende seines
Hubes in der Zylindermitte freigelegten Auslaß-
schlitze. Der Kolben muß, um diese Aufgabe für
Hin- und Rückgang ausführen zu können,
eine gewisse Länge erhalten. Der Vorteil der
Anordnung liegt nicht nur in dem Fernhalten
des Abdampfes von den Einströmungskanälen,
sondern auch in der Richtung des Dampfstroms
im Zylinder selbst. Befindet sich der Kolben
nur wenig vom Hubende entfernt, so steht
der Dampf noch unter hoher Spannung und
Temperatur, also nehmen auch die Wandungs-
teile an dieser Stelle eine höhere Temperatur
an als die in der Nähe der Schlitze, denn
diese werden vom Kolben erst dann frei-
gelegt, wenn der Dampf infolge der Dehnung
nur noch geringe Temperatur hat. Diese Teile
der Zylinderwandung kommen niemals mit
Dampf von hoher Temperatur in Berührung.
X'orteilhaft ist nun, daß die ganze Menge des
abgekühlten Dampfes nach Öffnung der Aus-
laßschlitze nur über diese kalten Wandungsteile
hinwegstreicht und so wenig Gelegenheit hat,
den heißen Wärme zu entziehen. \'orteilhaft
ist auch der Fortfall besonderer, den Auslaß
steuernde Teile. Nachteilig dagegen ist, daß
die Kompression unveränderlich früh beginnt,
u.zw. um ebensoviel Prozente des Kolbenhubs
nach Verlassen des Totpunktes, als die Vor-
ausströmung vor Erreichung des Totpunktes
beginnt. Dieser Übelstand ist beim Anfahren
besonders lästig, weil er die Widerstände im
ungeeignetsten Zeitpunkt erhöht. Nachteilig ist
auch das wegen der großen Zylinderlänge
vergrößerte Zylindergewicht und die ebendarum
vergrößerten Abkühlungsflächen.
Der Dampfeinlaß kann bei der Qleichstrom-
bauart auch durch Kolbenschieber erfolgen.
Man hat in diesem Fall neuerdings die An-
ordnung so gewählt, daß die Kolljenschieber
auch einen Teil des Abdampfes steuern. Hierdurch
wird der soeben behandelte Nachteil der großen
Kompression behoben, aber auch der Grund-
gedanke des Gleichstroms durchbrochen.
XL Die Drehschiebersteuerungen.
Sie sind aus ähnlichen Erwägungen wie die
Ventilsteuerungen entstanden und gestatten
außerdem eine Verkleinerung des schädlichen
Raumes bis auf 4%. Im Art. Dampfzvlinder,
Bd. 111, .Abb. 230, 231 ist ein Dampfzylinder
mit Drehschiebern für eine ortsfeste Maschine
dargestellt. Als Lokomotivsteuerung ist eine
Drehschiebersteuerung Bauart Durant-Lancau-
chez auf der Orleansbahn eingeführt worden.
Die Einströmungsschieber liegen oberhalb,
die Ausströmungsschieber unterhalb des Zy-
linders. Der Antrieb erfolgt durch eine Ku-
lissensteuerung Bauart Gooch, später Stephen-
son. Weitere Verbreitung haben diese und
ähnliche S. nicht gefunden.
XII. Die Ausführung der Einzelteile.
Exzenter verwendet man meist nur für Innen-
steuerungen. In der Regel wird die eine Ring-
hälfte mit der Exzenterstange aus einem Stück
ausgeführt (s. Art. Lokomotive, Taf. II, Abb. 3
u. Taf. III, Abb. 1), seltener die letztere durch
Verschraubung mit dem Ring befestigt (Abb.
218). Die gleitenden Flächen zwischen Scheibe
und Ring werden in Weißguß oder Rot-
metall ausgeführt. Wird eine S. mit 2
Exzentern als Außen- ,
Steuerung ausgeführt, so
werden die beiden Schei-
ben in der Regel als ein
Stück gegossen (Abb. 219).
Diese Exzenter werden
auf eine Gegenkurbel,
seltener — bei Außen-
rahmen — auf den Hals
gesetzt. Bei der fast stets
Abb. 219.
der Triebkurbel
außen liegenden
Heusinger-Steuerung ersetzt man das Exzenter
durch ein einfaches Stangenlager. Die Stangen
mit Ausnahme der Schieberstange erhalten
rechteckigen Querschnitt; alle Stangen werden
aus Flußstahl von 50 — 60 ^ Festigkeit und
Steuerungen. - Stiftungen.
22
20*^ Dehnung, die mit dem Schieberrahmen
aus einem Stück gefertigten Schieberstangen
aus Flußeisen von 34-41^0- Festigkeit und
25 "io Dehnung ausgeführt. In alle Bolzenlöcher
werden Büchsen aus Phosphorbronze oder im
Einsatz gehärtete Stahlbüchsen eingepreßt. Auch
die Bolzen werden im Einsatz gehärtet. Bolzen
und Büchsen werden auf Maß geschliffen. Die
Bolzen sollen nicht durch Nasen od. dgl. an
der Drehung verhindert werden, weil sie sich
sonst einseitig abnutzen. Die Kulissen, auch
Schwingen oder Schleifbogen genannt, werden
aus Flußeisen von 31-41 kg Festigkeit und
25% Dehnung hergestellt und an den Gleit-
flächen des Steines sowie den Zapfen im Ein-
z^lE
SdiiiittW-W, rf
y
ML
für Ausstattungen, die Erhaltung von Er-
holungs- und Erziehungsheimen u. s. w.
erfolgt.
In Österreich ist in erster Linie der österrei-
chische Eisenbahnunterstützungsfonds zu erwäh-
nen (1875 gegründet und von einem Kuratorium
verwaltet). Die Zinsen werden alljährlich an
hilfsbedürftige, dienstuntauglich gewordene Be-
dienstete österreichischer Bahnen, die keine
Ruhegenüsse beziehen, sowie an ihre Witwen
und Waisen verteilt.
Zu nennen ist ferner der Jubiläumsfonds,
der anläßlich des 50jährigen Jubiläums der
Kaiser-Ferdinands-Nordbahn zur Unterstützung
ihrer Diener, deren Witwen und Waisen ge-
Abb. 221.
satz gehärtet. Man unterscheidet Schlitzkulissen
(Abb. 195, 197, 220), Taschenkulissen (Abb. 196,
198) und Klotzkulissen (Abb. 221). Die Ku-
lissensteine werden aus Stahl angefertigt.
Jede S. muß die Möglichkeit zur Regulierung
der Schieberstellung gewähren. Bei der Heu-
singer-Steuerung ist diese Vorrichtung an der
Gradführung G der Schieberstange angebracht
(Abb. 198). Um das Umsteuern zu erleichtern,
werden die zu hebenden Gestängegewichte
durch ein Gewicht oder eine Feder (Abb. 198)
ausgeglichen.
Literatur. Außer den im Art. Dampfschieber, Bd. III
und Lokomotive, Bd. VII genannten Quellen:
Westren-Doll, Berechnung und graphische Ermitt-
lung der Hensinger-Steuerung für Lokomotiven.
Glasers Ann. IQIO, II, S. 8Q. - Obergethmann,
Die Dreizvlinderlokomotive und ihre Steuerung.
Ebenda 1914, II, S. 23. - Die Ventillokomotiven
der Qroßherzoglichen Eisenbahndirektion Oldenburg.
Hanomag-Nachrichten 1Q15, S. 80. Jahn.
Stichbahnen s. Kolonialbahnen.
Stiftungen für Eisenbahnbedienstete, durch
freiwillige Liebestätigkeit geschaffene Fonds,
aus deren Erträgnissen die Unterstützung und
Pflege hilfsbedürftiger Eisenbahnbediensteter
sowie ihrer Familienangehörigen, von Wit«'en
und Waisen, die Gewährung von Stipendien
gründet wurde (Gründungsfonds 400.000 K);
die Schönerer-Stiftung zur Unterstützung
nichtaktiver Eisenbahnbediensteter, die auf den
österreichischen Linien der Südbahn, der vor-
maligen Kaiser-Franz-Josefs-Bahn und Kaiserin-
Elisabeth-Bahn zur Zeit ihres Ausscheidens in
Dienst gestanden haben; die Kaiser-Jubi-
läumsstiftung für Kinder von Bedien-
steten der österreichischen Staatsbahnen
(Vermögen etwa 430.000 K), die bisher aus
ihren Mitteln die Kosten der Entsendung der
rekonvaleszenten Kinder in Erholungsheime
bestritten hat u. s. w.
Zu nennen sind ferner das Kaiser-Franz-
Josef-Jubiläums-Kinderasyl in Feldsberg (Stif-
tung der verstaatlichten Kaiser-Ferdinands-
Nordbahn), die Czediksche Heiratsausstattungs-
stiftung für Töchter von Bediensteten der
österreichischen Staatbahnen, die Czediksche
Stiftung für Eisenbahninvaliden, die Kur-
stipendienstiftung des Österreichischen Eisen-
bahnbeamtenvereins U.S.W. Der anfangs 1917
verstorbene Ministerialrat v. Bram, General-
betriebsdirektor der ungarischen Linien der Süd-
bahn, hat den Betrag von 1,000.000 K für eine
S. zu gunsten von Bediensteten der Südbahn
hinterlassen.
224
Stiftungen. - Störende Lokomotivbewegungen.
In Preußen ist die im Jahre 1902 ge-
gründete S. „Eisenbahntöchterhort" zu nennen
(vgl. Bd. VIII, S. 334).
Vgl. auch Art. Beamtenvereine.
In Amerika ist insbesondere das durch eine
großartige Stiftung des Eisenbahnkönigs Cornelius
Vanderbilt geschaffene, 18S7 eröffnete Heimatshaus
in New-Vork zu erw.ähnen (Railroad Mens Building).
Es umfalit Gesellschafts-, Lese-, Musikzimmer, einen
Saal für Vorlesungen, Bibliothek, Turnsäle, Bäder,
Frühstücksräume. Schl.ifzimmer für Beamte, die sich
vorübergehend in Ne\x-Vork aufhalten, u. s. w.
Stirnverladerampen s. Laderampen.
Stock, auch Capital-Stock (einer Eisenbahn),
ist die englisch-amerikanische Bezeichnung für
das Aktienkapital. Der S. wird eingeteilt in
Shares (Aktien). Der Besitzer einer Share hat
das Recht auf einen entsprechenden Anteil an
den Reinerträgen des Unternehmens, sofern
solche herausgewirtschaftet sind. Die Gesamt-
heit der Aktionäre (stockholders) bildet die
Vertretung der Gesellschaft. Bei Beschlüssen
gilt in den Vereinigten Staaten von Amerika
als Regel, daß jede Aktie eine Stimme hat.
Um die Verwaltung einer Bahn in die Hand
zu bekommen, genügt also eine Aktie über
die Hälfte.
Man unterscheidet in den Vereinigten Staaten
von Amerika: Common stock und preferred
oder guaranteed stock. Der letztere hat einen
Vorzugsanspruch auf Dividende bis zu einer
gewissen Höhe vor dem ersteren, entspricht
also im wesentlichen dem deutschen Stamm-
prioritätskapital. Es gilt als Regel, daß Vorzugs-
dividenden für die Jahre, in denen überhaupt
keine oder ungenügende Reinerträge erzielt
sind, aus den Erträgen späterer Jahre voll
nachbezahlt werden müssen, bevor die Besitzer
des Stammaktienkapitals (ordinary stockholders)
irgend einen Anspruch auf Dividende haben
(s. Rorer, The law of Raiiways, Kap. III, Bd. I,
S. Q3 ff.). r. der Leyen.
Stocklaterne (Schlußlaterne) s. Zug-
signale.
Stockmann (Signal mann) s. Zugper-
sonal.
Stockton - Darlington - Eisenbahn, die
erste dem öffentlichen \'erkehr übergebene
Eisenbahn Englands und der Erde überhaupt,
konzessioniert vom 19. April 1821, eröffnet
am 27. September 1825.
Sie war gleichzeitig auch die erste Bahn,
auf der die Lokomotive in die Dienste des
öffentlichen Verkehrs gestellt wurde (s. Loko-
motive).
Auf Grund der von Stephenson gemach- i
ten Erfahrungen suchte Pease, der Grün-
der der S., um die Erlaubnis an, Dampf- j
maschinen verwenden zu dürfen. Diese
wurde ihm auch erteilt, jedoch beschränkte
sich anfänglich der Lokomotivbetrieb nur auf
die Güterbeförderung, wogegen die Personen-
beförderung noch weiterhin durch Pferde er-
folgte.
Die S. erhielt die Spurweite 4' S^y engl.
(== 1-435 /7z), welches Maß später zur Regel-
spur wurde (s. Spurweite).
1863 ging die S., die bis Middleborough
und Saltburn by the Sea fortgesetzt worden
war, durch Fusion an die North Eastern-Eisen-
bahn (s. d.) über.
Stock-(Stutz-)Gleise s. Stumpfgieis.
Stockschiene s. Backenschiene.
Störende Lokomotivbewegungen, auch
schädliche Lokomotivbewegungen oder Xeben-
bewegungen genannt, sind alle Bewegungen,
die von der Hauptbewegung in der Fahr-
richtung abweichen. Sie unterscheiden sich nach
der Art der Bewegung in
I. S. der Gesamtmasse (einschließlich der
ungefederten Rädersätze). Hierzu gehören:
a) Das Schlingern ist ein wechselweises
seitliches Ausweichen des Gesamtschwerpunktes
aus der Gleismitte, wobei die Lokomotivlängs-
Abb. 222.
achse (s. Abb. 222) gleichzeitig nach rechts
und links von der Fahrrichtung ausweicht.
Diese S. ist durch das Spiel ermöglicht, das
in gerader Strecke und bei richtiger Lage und
Form von Schiene und Rad mindestens 10 mm,
bei ungünstigen Verhältnissen und äußerster
Abnutzung aber bis 35 mm beträgt. Das Schlin-
gern erfolgt gewöhnlich in größeren wieder-
kehrenden Zeiträumen sich verstärkend und
wieder abnehmend. Es fällt mit der Umdre-
hungszahl gewöhnlich nicht zusammen. Das
Schlingern tritt an allen Fahrzeugen auf. Es
ist unter den S. die gefährlichste.
Ä^ Das Zucken ist eine .\nderung des Ge-
samtschwerpunktes in der Fahrrichiung in Ab-
hängigkeit von der Umdrehungszahl der Trieb-
achse. Es tritt hierbei bei jeder Triebachsum-
drehung Beschleunigung und V^erzögerung ein.
Sind Lokomotive und Tender mit einer starren
Kuppelung verbunden, so kommt für das
Zucken der gemeinsame Schwerpunkt beider
Fahrzeuge in Betracht.
c) Das Drehen ist eine S. um die unver-
ändert fortschreitende lotrechte Schwerpunkt-
störende Lokomotivbewesjungen.
225
achse der Lokomotive (Abb. 223). Das Drehen
hat einige Ähniichi<eit mit dem SchHngern, fällt
jedoch stets mit der Umdrehungszahl der Trieb-
achse zusammen und kann dadurch leicht er-
kannt werden. Mitunter wird Schlingern und
Drehen als gemeinsame S. aufgefaßt.
II. S.derabgefederten Lokomotivmasse.
Diese sind hauptsächlich:
d) Das Wanken ist eine S. um die durch
den Schwerpunkt gehende Längsachse. Es ist
Abb. 223.
durch wechselseitiges Spiel der Tragfedern an
der rechten und linken Lokomotivseite ermög-
licht (.^bb. 224).
e) Das Stampfen (auch Nicken) ist eine
Drehbewegung um die wagrechte, durch den
Abb. 224.
Abb. 223.
Schwerpunkt gehende Querachse. Es geht bei
abwechselndem Zusammendrücken der Trag-
federn an den vorderen und rückwärtigen Lo-
komotivachsen vor sich (Abb. 225).
/) Mit Wogen wird die lotrechte Bewegung
des Schwerpunktes der abgefederten Lokomotiv-
masse bezeichnet. Hierbei spielen sämtliche Lo-
komotivtragfedern im gleichen Sinn (Abb. 226).
Da viele dieser S. gewöhnlich gleichzeitig
auftreten, jede besonders sich verstärken oder
verschwächen kann, so ist die einzelne S.
nicht immer deutlich zu erkennen. Mitunter
erscheint je nach der Bauart der Lokomotive,
der Güte des Oberbaues und der zufälligen
Fahrgeschwindigkeit eine oder die andere S. be-
sonders ausgeprägt. Um sie genauer zu unter-
suchen und an verschiedenen Lokomotivbau-
arten zu vergleichen, sind besondere Meß-
vorrichtungen, sog. Pallographen erforderlich.
Die S. unterscheiden sich hinsichtlich der
Ursache in folgende Gruppen:
l.S. hervorgerufen durch den Oberbau.
Hierbei sind hauptsächlich wagrechte und lot-
rechte Störungen zu unterscheiden. Die wag-
rechten Störungen sind einerseits durch einen
großen Spielraum zwischen Spurkranz und
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
Schiene verursacht. Auch bei vollkommener
Lage der Schienen im geraden Gleis wird bei
großem Spielraum ein Schlingern des Fahrzeugs
eintreten, das allerdings auch durch die Eigen-
heiten des Fahrzeugs mitbeeinflußt sein wird. Es
werden ferner durch eine unregelmäßige Lage
des Gleises in der Fahrrichtung noch besondere
Störungen auftreten. Das Schlingern kann hier-
durch verstärkt, aber auch verschwächt werden.
Gewöhnlich ergeben erhebliche Abweichungen
in der Gleisrichtung Seitenstöße, denen heftige
Schlingerbewegungen folgen. Diese Art der S.
ist die gefährlichste unter allen und häufig
die Ursache von Entgleisungen. Als Maß für
die mögliche Größe des Schlingerns eines
Fahrzeugs wird gewöhnlich die trigonome-
trische Tangente des größtmöglichen Schlinger-
winkels bei Spießeckstellung des Fahrzeugs in
der geraden Strecke unter Ausnutzung des
ganzen Spieles zwischen Spurkranz und Schiene
angesehen. Die Tangente des Schlingerwinkels a
erhält man (s. Abb. 227) durch den Bruch
kl
^."-. D
-.1 .
^ r
±'i^
:>4^
Abb. 226.
Gesamtspiel zwischen Rad und Schiene
Geführte Länge der Lokomotive
Hierbei ist unter geführter Länge der für die
Einstellung des Fahrzeugs maßgebende Rad-
stand zu verstehen. Für das Gesamtspiel ist bei
Fahrzeugen für Regelspurbahnen mit Rücksicht
auf die von den T.V. gestattete größte Spurweite
von 1445 mm und bei ganz abgenutzten Spur-
•c--tj
Abb. 227.
kränzen das Maß von 35 mm zu wählen. Die
Tangente des größten Schlingerwinkels an
Lokomotiven beträgt zwischen ""/^oo bis
/so-
Für rasch fahrende Lokomotiven sind die klei-
neren Werte anzustreben.
Bei der Fahrt durch gut liegende Gleisbogen
ist das Schlingern durch den Führungsdruck
der führenden Spurkränze an der Außenschiene
gemildert oder oft ganz aufgehoben. Es kann
aber auch in Gleisbögen bei unregelmäßiger
Lage der Schienen zu kurzen gefährlichen
Schlingerbewegungen kommen.
15
226
Störende Lokomotivbewegungen.
S. werden ferner durch lotrechte Abwei-
chungen der Gleislage erzeugt. Je nach deren
Verteilung auf beide Schienenstränge und deren
Wiederkehr können dadurch verschiedenartige
S. erzeugt werden. Da mit Rücksicht auf die
Nachgiebigkeit des Oberbaues ein Einsinken
der Räder bei der Fahrt über die Schienen
unvermeidlich ist, die Größe des Einsinkens
jedoch nicht überall gleich ist, so muß fort-
gesetzt ein lotrechtes Spielen der Räder gegen
die abgefederte Lokomotivmasse stattfinden,
diese selbst aber auch schädliche Bewegungen
vollführen. Kehren stärkere Einsenkungen in
der Oleislage regelmäßig wieder, so z. B. an
den Schienenstößen, dann wird unter Um-
ständen ein mehr oder weniger starkes Stampfen
der Lokomotive auftreten. Durch die Eigen-
heiten der Lokomotive, hauptsächlich aber
durch die Größe des maßgebenden Radstands
zur Schienenlänge kann das Stampfen noch
wesentlich beeinflußt werden. Je nach der Folge
der Einsenkungen im Gleis kann auch ein
Wanken, Stampfen oder Wogen der Lokomotive
eintreten. Diese S. werden jedoch durch ört-
liche Stellen von starker Nachgiebigkeit im
Oberbau eingeleitet und setzen sich durch die
elastische Nachwirkung der Tragfedern nur
kurze Zeit fort. Diese Art der S. ist daher von
jenen, die durch die Wirkungen im Triebwerk
hervorgerufen wurden, leicht zu unterscheiden,
da letztere in Abhängigkeit von den Triebachs-
umdrehungen in gleicher Stärke andauern.
2. S. hervorgerufen durch die Loko-
motive, als Fahrzeug betrachtet, ohne Rück-
sicht auf die Einflüsse des Triebwerks. Durch
die Bauart des Fahrzeugs, durch die Größe
des Radstands, die Lage und Führung der
Achsen, durch die Nachgiebigkeit und Schwin-
gungszeit der Tragfedern, durch die Höhe des
Schwerpunktes der abgefederten Masse des Fahr-
zeugs u. s. w. wird die Gangart auch bei
unverändertem Zustand des Oberbaues beein-
flußt. Wie bereits hervorgehoben, wird ein großer
fester Radstand und eine große geführte Länge
das Schlingern stets stark vermindern, da der
mögliche Schlingerwinkel kleiner ausfällt. Ein
Seitenspiel der Achsen, wie etwa bei Lenkachs-
wagen, begünstigt das Schlingern, wenn nicht
durch kräftige Rückstellvorrichtungen entgegen-
gewirkt wird. Weit vorgeschobene Laufachsen
mildern das Schlingern außerordentlich. Da
solche Achsen mit sehr großem Hebelarm
an der Gesamtlokomotivmasse wirken, so kön-
nen in diesem Fall besonders starke Rückstell-
vorrichtungen unter Umständen entfallen. Be-
sonders günstige Wirkung besitzen zweiachsige
Drehgestelle. Diese nehmen an den Schlin-
gerbewegungen der Hauptmasse des Fahr-
zeugs wegen der gelenkigen Verbindung
keinen wesentlichen Anteil. Sie besitzen zwar
durch ihren geringen Radstand selbst eine
Neigung zum Schlingern. Wegen der geringen
Masse nimmt dieses jedoch selten ein bedenk-
liches Maß an, und eine Übertragung der Schlin-
gerbewegungen vom Drehgestell auf die Haupt-
masse des Fahrzeugs bleibt gewöhnlich in
sehr engen Grenzen. Auf diese Erscheinungen
ist hauptsächlich der gute Lauf der Drehgestell-
wagen zurückzuführen. Aus denselben Gründen
wird das 2achsige führende Drehgestell auch
an rasch fahrenden Lokomotiven allgemein
bevorzugt. Nicht unbeachtet darf bleiben, daß
Lokomotivbauarten, bei denen die Spurkränze
mehrerer Achsen gleichzeitig an derselben Loko-
motivseite an die Schienen zum Anliegen kommen,
beim Schlingern den Oberbau weit weniger
beanspruchen, als wenn nur ein Spurkranz die
ganze abweisende Kraft der Schiene zu über-
nehmen hat. Verschiebbare Lauf- und Kuppel-
achsen erweisen sich hierbei ebenso vorteilhaft
wie Drehgestelle. Deichselgestelle, die geschoben
werden, neigen stark zum Schlingern. Solche
Gestelle werden daher meist so ausgeführt, daß
das Drehgestell durch eine besondere Vorrich-
tung gezogen wird und die Deichsel nur zum
Lenken dient. An Lokomotiven ist die Wirkung
der Schlingerbewegungen noch von der Größe
der überhängenden Massen abhängig. Durch
letztere ist das Trägheitsmoment der Lokomotive
in bezug auf die lotrechte Schwerpunkiachse
beeinflußt. Der führende Spurkranz wird daher
beim .Anlaufen an die Schiene einen um so
größeren Druck zu übernehmen haben, je mehr
Lokomotivmasse sich vor dieser Achse befindet.
Die Nachgiebigkeit und Schwingungszeit der
Tragfedern hat hauptsächlich auf das Wanken,
Stampfen und Wogen Einfluß. Beim Wanken
handelt es sich hauptsächlich um die Entfernung
der Stützung der abgefederten Masse auf den
Achsen und die Höhe des Schwerpunktes der
abgefederten Masse gegen die Achslager. In
dieser Richtung sind Fahrzeuge mit Außen-
rahmen durch die große Stützweite im Vorteil
gegen Innenrahmen. Störungen, die vom Gleis
ausgehen, werden daher bei Außenrahmen-
lokomotiven ein Wanken mit geringerem Aus-
schlag wie bei Innenrahmen hervorbringen.
Dagegen wird eine hohe Schwerpunktlage der
abgefederten Lokomotivmasse bis zu einem ge-
wissen Grad das Wanken mildern, da durch
die Erhöhung des Schwerpunktes das Trägheits-
moment der abgefederten Lokomotivmasse um
eine wagrechte Längsachse vergrößert wird. Da
ferner durch äußere Dampfzylinder ebenfalls eme
nicht unwesentliche \"ergrößerung des Träg-
heitsmoments der abgefederten Lokomotive um
störende Lokomotivbewegungen.
227
eine wagrechte Längsachse eintritt, so hat auch
diese Bauweise auf die Stärke des Wankens
Einfluß (Jahn, Das Wanken der Lokomotive.
Ztschr. dt. Ing. 1909, S. 621). Es hat sich ferner
gezeigt, daß Seitenstöße, die durch unregel-
mäßige Lage des Gleises auf die Räder ausgeübt
werden, sich an Lokomotiven mit hoher Schwer-
punktlage erst durch Vermittlung der Tragfedern
auf die abgefederte Lokomotivmasse übertragen.
Es werden somit die Seitenstöße durch die
Tragfedern aufgefangen, wobei allerdings Wan-
ken eintritt, das indessen stets unbedenklich
bleibt. Lokomotiven mit kurzem Radstand, stark
überhängenden Massen und hoher Schwerpunkt-
lage neigen mitunter stärker zum Stampfen.
Es tritt dies hauptsächlich an älteren C- und D-
Lokomotiven mit überhängender Feuerbüchse
ein. Das Stampfen wird noch verstärkt, wenn
die Schienenlänge mit dem Radstand, mit der
Fahrgeschwindigkeit und der Schwingungszeit
der Tragfedern in ein bestimmtes Verhältnis
tritt. Die Verwendung von Tragfeder-Ausgleich-
hebeln, deren Wert hinsichtlich der Vermeidung
von Über- und Entlastungen einzelner Räder
außer Zweifel steht, vermehrt jedoch die Neigung
der Lokomotive zum Stampfen, da durch die
Federausgleichhebel die Entfernung der Stütz-
punkte vermindert und ein stärkeres Spiel
zwischen Achsen und abgefederter Lokomotiv-
masse ermöglicht wird. Lokomotiven mit kurzen
Radständen und überhängenden Massen erhalten
daher besser keine Federausgleichhebel. Das
Wogen der Lokomotiven ist nur selten zu
beobachten. Es tritt am ehesten noch an Loko-
motiven mit schneckenförmigen Tragfedern ein,
dadiese Federbauart geringe Eigenreibimg besitzt.
Das Federspiel dauert daher nach Störungen
längere Zeit an. Auch die S. des Wankens und
Stampfens werden durch Schneckenfedern be-
günstigt, wogegen Blattfederwerke durch die
beträchtliche Reibung zwischen den Federblättern
eine starke Dämpfung der Schwingungen hervor-
bringen. Schneckenfedern sind daher nur an Loko-
motiven mit großen Radständen zu empfehlen, bei
denen die schädliche Bewegung des Stampfens,
die unter Umständen ein bedenkliches Maß er-
langen könnte, überhaupt ausgeschlossen ist. Das
Wanken, Stampfen und Wogen kann auch noch
dadurch eingeschränkt werden, daß die Trag-
federn aller Achsen nicht durchaus gleiche Bau-
art erhalten. Es fällt dann auch die Schwingungs-
zeit der Tragfedern verschieden aus und es
kommt dann nicht so leicht zur Anhäufung
starker Schwingungen.
Die Schwingungszeit in Sekunden für die
Doppelschwingung einer Tragfeder ist
wenn e die Einsenkung der Tragfeder unter
der ruhenden Last in cm und g die Beschleu-
nigung der Erdschwere ist. Für die gewöhnlich
an Lokomotiven in Verwendung stehenden Blatt-
federwerke ergeben sich Schwingungszeiten von
0-5- LO Sekunden. Bei größeren Geschwindig-
keiten ist es möglich, daß das Überfahren der
Schienenstöße je nach der Schienenlänge mit
den Federschwingungen gleichzeitig (isochron)
erfolgt, wodurch das Stampfen und Wogen
längere Zeit andauern kann.
3. S. hervorgerufen durch Kräfte im
Triebwerk. Diese lassen sich wieder unterteilen
in störende Bewegungen, die
A. von den Dampfdrücken im Triebwerk,
B. von den Massenwirkungen umlaufender
und hin und her gehender Teile im Trieb-
werk herrühren.
A. Zunächst kann durch die wechselnde
Zugkraft am Umfang der Triebräder eine
Unregelmäßigkeit in der Fortbewegung ent-
stehen. Bei der Übertragung des Kolbendrucks
auf die Triebräder durch das Schubkurbel-
getriebe wird für die beiden Totlagen des
Kolbens die Zugkraft Null. Wenn an einer
Zweizylinderlokomotive auch durch die um
einen rechten Winkel versetzten Kurbeln dieser
unregelmäßige Antrieb möglichst ausgeglichen
wird, so stellt sich doch unvermeidlich eine
Unregelmäßigkeit in der Zugkraft ein, die sich
auf die Bewegung der Lokomotive überträgt.
Verstärkt wird diese Unregelmäßigkeit, wenn
es sich um eine zum Kurbelhalbmesser ver-
gleichsweise kurze Triebstangenlänge, um kleine
Füllungen in den Dampfzylindern, um starke
Gegendrücke u. s. w. handelt. Die Unregel-
mäßigkeit in der Lokomotivfortbewegung äußert
sich durch das Zucken. Es wird mit der Um-
drehungszahl der Lokomotivtriebachse zu-
sammenfallen. Ein Ausgleich wird dadurch er-
zielt, daß die ganze Lokomotivmasse und bei
unelastischer Kupplung mit dem Tender auch
dessen Masse am Zucken teilnehmen muß. Bei
größerer Geschwindigkeit ist daher die Massen-
wirkung von Lokomotive und Tender so be-
deutend im Vergleich mit der Unregelmäßigkeit
der Antriebskraft, daß diese Zuckerscheinung
meist nur bei sehr geringer Fahrgeschwindigkeit
und in mäßigem .Ausmaß merkbar wird. Das
Zucken wird dann allerdings nochmals bei sehr
hohen Fahrgeschwindigkeiten fühlbar, ist dann
jedoch eine Folge der hin und her gehenden
Massen, wie w^eiter unten dargelegt wird.
Eine weitere störende Kraft, die S. hervor-
bringen kann, ist der Führungsdruck an den
Kreuzköpfen. Diese auch als Normaldruck
bezeichnete Kraft ist bei der Vorwärtsfahrt
vorherrschend nach oben gerichtet. Er ist für
15*
228
Störende Lokomotivbewegungen-
die Totlagen der Kurbel Null und erreicht nahe
an der Hubmittc den Höchstwert. Durch diesen
Kreuzkopfführungsdruck, der mit abnehmender
Schubstangenlänge stark zunimmt, wird je nach
der Lokomotivbauart Wanken, Stampfen und
Wogen erzeugt. Das Wanken wird um so stärker
ausfallen, je größer die Zylindermittel voneinan-
der abstehen, da dann der wirksame Hebelarm
größer wird. Mit der Höhe der SchwerpunW-
lage der abgefederten Lokomotivmasse müßte
eigentlich das Wanken zunehmen; es hat sich
jedoch gezeigt, daß das Trägheitsmoment der
abgefederten Lokomotivmasse durch die Ver-
größerung der Höhe des Schwerpunktes so
stark vermehrt wird, daß tatsächlich eine Besse-
rung des Wankens eintritt. An vierzylindrigen
Lokomotiven erfährt das Wanken infolge des
Kreuzkopfführungsdruckes eine Verstärkung,
da der Führungsdruck der um ISO" versetzten
Kurbeln derselben Lokomotivseite gleichzeitig
und in gleicher Richtung auftritt. Der wirksame
Hebelarm ist für die inneren Triebwerke aller-
dings geringer. Auf das Stampfen übt der
Kreuzkopfführungsdruck hauptsächlich dann
einen Einfluß aus, wenn die Kreuzkopffüh-
rungen gegen den Radstand weit vorgeschoben
sind. Kurze Triebstangen im Verein mit vorn
stark überhängenden Dampfzylindern und einem
kurzen Radstand können erhebliches Stampfen
zur Folge haben. An Lokomotiven mit kurzen
Radständen und großen überhängenden A\as-
sen soll daher, um das Stampfen zu vermeiden,
die Kreuzkopfführung möglichst gegen die
Mitte des Radstands gerücW werden. Bei Loko-
motiven mit genügend großem Radstand und
guter Stützung an den Enden ist die Neigung
Abb. 228.
zum Stampfen derart eingeschränkt, daß dann
auch eine weit vorgeschobene Lage der Kreuz-
kopfführung ohne Nachteil ist. Das Wogen
infolge der Kreuzkopfführungsdrücke ist un-
bedenklich und selten besonders wahrnehmbar.
Alle diese S. vollziehen sich im Einklang mit den
Umdrehungen der Triebachse. Sie können, wie
bereits bemerkt, durch besondere Eigenheiteh
der Lokomotive oder des Oberbaues erheblicn
verstärkt oder verschwächt werden. Sie treten
dann erfahrungsgemäß bei gewissen Geschwin-
digkeiten auffallend stark in Erscheinung.
An Lokomotiven mit wagrechten Dampf-
zylindern heben sich jeweils die gleich großen
und entgegengesetzt gerichteten Dampfdrücke,
die gleichzeitig an den Zylinderdeckeln und
an den Achslagerführungen wirken, gegenseitig
auf. An stark geneigten Dampf Zylindern ist
dies nicht mehr der Fall, da an der lotrechten
Lagerführung je nach der Richtung des Dampf-
drucks eine nach oben oder unten gerichtete
Komponente auftritt. Diese störende Bewegung
bringt ein Wanken hervor, das jedoch auch nur
bei geringen Fahrgeschwindigkeiten merkbar
ist. Immerhin verbietet diese Erscheinung eine
zu stark geneigte Lage der Dampfzylinder. Bei
lotrecht stehenden Zylindern würde der volle
Kolbendruck als störende Kraft wirken.
B. Die S., die durch die nicht ausge-
glichenen, umlaufenden und hin und her
gehenden Teile des Triebwerks hervor-
gerufen werden, sind besonders wichtig. Sie
können unter Umständen eine beachtenswerte
Stärke erreichen.
1. Umlaufende Teile des Triebwerks
können in der Regel vollkommen ausge-
glichen werden. Es kann jedoch in besonderen
Fällen vorkommen, daß bei einzelnen Rädern
von geringen Durchmessern die notwendigen
Gegengewichte nicht in dem erforderlichen
Ausmaß untergebracht werden können, so daß
ein Teil der umlaufenden Triebwerksteile un-
ausgeglichen bleibt. Die freie Fliehkraft eines
solchen Triebwerksteiles wird als störende
Kraft auftreten. Im lotrechten Sinn werden
sich diese Kräfte auf den abgefederten Teil
der Lokomotive nicht äußern, da die auf den
Schienen aufliegenden Räder den lotrechten
Druck nach abwärts ohneweiters aufnehmen
und der lotrechte Druck nach oben erst dann
eine Wirkung hervorbringen könnte, wenn
das belastete Rad durch die störende Flieh-
kraft von der Schiene abgehoben würde. Da-
gegen wird die Fliehkraft im wagrechten Sinn
sich durch die Achslager und deren Führungen
im Rahmen auf die abgefederte Lokomotiv-
masse übertragen. Diese störende Kraft wird
Zucken und Drehen hervorbringen. Die Zuck-
bewegung der Lokomotive durch das ein-
seitige, unausgeglichene Gewicht G mit dem
Schwerpunkt $2 ist aus Abb. 228 einfach abzu-
Störende Lokomotivbewegungen.
229
— =-k
leiten. Ist 5 der Schwerpunkt der gesamten
Lokomotive, 5, der Schwerpunkt des um-
laufenden Gewichts und 5^ der Schwerpunkt
der Lokomotive ohne dieses Gewicht, so muß
nach dem Grundsatz von der Erhaltung der
Schwerpunktlage bei der Fortbewegung der
Lokomotive der Schwerpunkt S sich unbeein-
flußt weiterbewegen. Bei der Verlegung des Ge-
wichts G um den Kolbenhub fi^2 r von vorn
nach hinten muß daher der Schwerpunkt S^
um den Betrag a nach vorne rücken. Dies
drückt sich durch die Gleichung
G h ^ Ln aus.
Hieraus ergibt sich der sog. Zuckweg
G
L
worin G das umlaufende, unausgeglichene Ge-
wicht, L das dem Schwerpunkt S^ entsprechende
übrige Gewicht der Lokomotive ist.
In ähnlicher Weise läßt sich das Drehen
der Lokomotive ableiten.
Verlegt sich in Abb. 229 die einseitig um-
laufende Masse m im Abstand / von der
Lokomotivmitte um den Weg r von der Mittel-
lage nach hinten, so muß die übrige Lokomotiv-
masse mit Ausnahme der gewöhnlich etwas
verschiebbaren Achssätze eine kleine ausglei-
chende Drehbewegung um die lotrechte Schwer-
punktachse im entgegengesetzten Sinn vollführen.
Ist Q das Trägheitsmoment der Lokomotive mit
Rücksicht auf die lotrechte Schwerpunktachse
und X der entsprechende Winkelausschlag, so
erhält man:
Qx = m rl
Das Trägheitsmoment läßt sich ersetzen durch
Q = ^ o
g "
wenn L das Lokomotivgewicht ohne die Achs-
sätze, g die Beschleunigung der Erd-
schwere und p der Trägheitshebelarm
ist. Man erhält dann den Winkelaus-
schlag der Drehbewegung von der
Lokomotivmitte nach einer Seite
GH
wenn G das unausgeglichene, um-
laufende Gewicht im Rad ist.
2. Die hin- und hergehenden
Massen des Triebwerks wirken auf
den Gang der Lokomotive störend
ein. Es sei zunächst nur ein Triebwerk
betrachtet und die hin und hergehenden
Massen nicht ausgeglichen. Es ist ferner
genommen, daß die Lokomotive ohne Dampf-
druck in den Zylindern am Gleis fährt und
daß die Triebstange unendliche Länge besitzt.
Denkt man sich in Abb. 230 die ganze Masse ÜI
Abb. 229.
der hin und her gehenden Triebwerksteile im
Kreuzkopf vereinigt, so wird diese Masse im
Kurbelzapfen zunächst einen Verzögerungs-
druck, in der linken Hälfte des Kolbenhubs
aber einen Beschleunigungsdruck
P =: Jit — cos 9
ausüben, wenn v die Geschwindigkeit im Kurbel-
kreis, rder Kurbelhalbmesser und cp der Kurbel-
winkel ist. Fügt man in der Achsmitte 2 gleiche
und entgegengesetzt gerichtete Kräfte P' und P"
an, so bilden PundP' ein Drehmoment, während
P" zwischen Achslager und Rahmen zur Wirkung
kommt. Das Drehmoment der Kräfte P und P"
am Hebelarm ;■ sin (p bringt nun eine Wirkung
am Umfang des Triebrads hervor. Es ist
UR = rsin (f P
wenn U die Umfangskraft infolge der Massen-
wirkung am Radhalbmesser/?. Hieraus ergibt sich
U^M {}^ sin2q)
iVIv'sinf
T
M^
an-
Abb. 230.
Es erscheint somit durch die hin und her
gehende Masse Üt auch eine wechselnde Kraft
U am Umfang des Triebrads. Da man bei
den älteren Untersuchungen der S. die Loko-
motiven der vereinfachten Vorstellung wegen
230
Störende Lokomotivbewegungen.
als schwebend oder auf Ketten hängend sich
vorstellte, so hatte man vom Bestehen der
Kraft U keine Kenntnis. Sie ist erst in den
Arbeiten von Lihotzky (1907), Strahl (1907)
und Jahn (1911) berücksichtigt.
Wird nun angenommen, daß die NX'irkung
der hin und her gehenden Massen durch ein
Gegengewicht ausgeglichen werden soll, so
ergeben sich unter Beibehaltung obiger Vor-
aussetzungen für ein Triebwerk die in Abb. 230
dargestellten Verhältnisse. Hierbei ist ange-
nommen, daß die Massen JJl und das üegen-
gewicht von der Masse M in derselben Längs-
ebene der Lokomotive sich bewegen. Die Massen-
kräfte von ill entsprechen dem Wert
M — cos (p
Das für den Ausgleich bestimmte Gegen-
gewicht, das im Kurbelkreishalbmesser r um-
läuft, ist der Fliehkraft ausgesetzt, die in der
Richtung des Halbmessers den Wert A/ — besitzt.
Für den .«Xusgleich kommt jedoch nur die wag-
rechte Komponente der Fliehkraft
M — cos cp
zur Geltung. Für vollkommenen Massen-
ausgleich im wagrechten Sinn müßte demnach
das Gegengewicht gleiches Gewicht haben wie
die hin und her gehenden Teile. Hierbei ist
unendliche Schubstangenlänge, die gleiche
Schwingungsebene für beide Massen und als
wirksamer Halbmesser des Gegengewichts r
vorausgesetzt.
Als Nachteil des Ausgleichs der hin und
her gehenden Massen durch ein umlaufendes
Gegengewicht muß angesehen werden, daß die
lotrechte Fliehkraftkomponente des Gegenge-
wichts F unbenutzt übrig bleibt und eine
Störung des Schienendrucks mit sich bringt.
Die Vergrößerung des Schienendrucks durch
die freie Fliehkraft kann bedenkliche Bean-
spruchungen des Oberbaues mit sich bringen.
Es muß daher eine Beschränkung der freien
Fliehkraft vorgesehen werden. DieT.V. schreiben
vor, daß bei der größten zulässigen Fahr-
geschwindigkeit der Lokomotive die freie Flieh-
kraft nicht mehr als 15fi des Raddrucks, im
Stillstand gemessen, betragen darf.
Hierdurch ist einerseits ein vollständiger Aus-
gleich der hin und her gehenden Triebwerksteile
durch Gegengewichte eingeschränkt, ander-
seits die Höchstgeschwindigkeit der Lokomotive
durch die Größe des Ausgleichs bedingt. An
Lokomotiven im Gebiet des VDEV. werden
die hin und her gehenden Massen zu 1 5 - 60 *ö
purch Gegengewichte ausgeglichen. Der geringe
Ausgleich wird bei rasch fahrenden, der starke
Ausgleich an langsam fahrenden Lokomotiven
vorgenommen. Im allgemeinen läßt sich fest-
stellen, daß die Lokomotiven um so ruhiger
laufen, je stärker die hin und her gehenden
\ Massen ausgeglichen sind. Daß bei rasch fah-
renden Lokomotiven der Ausgleich verhältnis-
mäßig gering ist, ist nur eine Vorkehrung zur
Schonung des Oberbaues. Es wurde einige
Zeit hindurch in Deutschland versucht, an
zweizylindrigen Heißdampflokomotiven die hin
und her gehenden Massen gar nicht auszu-
gleichen. Das Ergebnis war hinsichtlich der S.
so ungünstig, daß gegenwärtig ein Ausgleich
gewöhnlich wieder vorgesehen wird.
In Nordamerika werden die hin und her
gehenden Massen verhältnismäßig stark, gewöhn-
lich mit 40 — 80^0 ausgeglichen. Die Loko-
motiven zeigen einen guten Gang, beanspruchen
aber den Oberbau verhältnismäßig stark. An
vierzylindrigen Lokomotiven mit gegenläufigen
Triebwerken tritt ein teilweiser Ausgleich der
hin und her gehenden Massen ein. Der rest-
liche Teil ist dann mitunter noch durch Gegen-
gewichte ausgeglichen.
Überschüssige Fliehkräfte im lotrech-
ten Sinn. Jedes umlaufende Gewicht im Rad,
das nicht selbst wieder durch ein umlaufendes
Gewicht ausgeglichen ist, bringt im lotrechten
Sinn eine Überbelastung und eine Entlastung
des Raddrucks durch die Fliehkraft hervor,
je nachdem sich das Gewicht in der tiefsten
oder in der höchsten Lage befindet. Der Über-
gang vollzieht sich jedoch nicht plötzlich,
sondern mit Rücksicht auf die lotrechte Kom-
ponente der Fliehkraft genau nach einer Sinus-
i linie. Die freie Fliehkraft ist C = iW-, wenn
AI die Masse des Gewichts G, r^ der maß-
gebende Halbmesser des Schwerpunktes und
i' die Geschwindigkeit im Halbmesser r ist.
Auf die Umdrehungszahl der Triebachse in
der Sekunde n bezogen und bei Einführung
des Gewichts G lautet die Gleichung
Hierbei ist n die Umdrehungszahl der Achse
in der Sekunde, die aus
Vkmßti.
zu erlangen ist, wenn V die Fahrgeschwindig-
keit in yfe/n/Std. und D der Triebraddurchmesser
in m ist.
Diese freien Fliehkräfte bringen im allge-
meinen S. nicht hervor. Sie können jedoch bei
minder festem Oberbau diesen ungünstig be-
einflussen.
Ein häufig angewandtes Mittel, um den
Ausgleich der hin und her gehenden Massen
störende Lokomotivbewegungen. ]
231
im stärkeren Maße durchzuführen und die freie
Fliehkraft doch in den vorgeschriebenen Gren-
zen zu halten, ist an Lokomotiven mit gekup-
pelten Achsen möglich. Es kann dann der
Gegengewichtsanteil für die hin und her ge-
henden Massen auf alle Räder einer Lokomotiv-
seite gleichmäßig verteilt werden. Es ist dabei
ein sehr weitgehender Ausgleich möglich, ohne
daß die freien Fliehkräfte ein besonderes Maß
erreichen. Es können somit Lokomotiven mit
zahlreichen gekuppelten Achsen eigentlich besser
ausgeglichen werden als solche mit wenigen.
Es müssen in diesem Fall allerdings die Kräfte-
wirkungen für den Ausgleich von den Kuppel-
achsen erst durch die Kuppelachsen zur Trieb-
achse und zu den hin und her gehenden Massen
übertragen werden, wodurch eine stärkere Be-
anspruchung dieser Teile eintritt.
Für eine Zwischenlage stellt sich die lotrechte
freie Fliehkraftkomponente nach Abb. 230 durch
M
sin rp dar.
Der Massenausgleich der hin und her ge-
henden Triebwerksteile durch Gegengewichte
wird noch durch die endliche Triebstangen-
länge beeinflußt, derart, daß, selbst wenn die
hin und her gehenden Massen durch ein gleich
großes Gegengewicht ausgeglichen würden,
doch noch eine Zuckkraft bestehen bleibt.
Diese Zuckkraft wird um so geringer, je länger
die Triebstange im Verhältnis zum Kurbel-
halbmesser ist.
Der Einfluß der Masse der hin und her
gehenden Triebwerksteile am Triebzapfen bei
unendlicher Schubstangenlänge ist
M
cos Cp
Durch eine Triebstange von der Länge L
erfährt die wagrecht wirkende Kraft am Trieb-
zapfen eine Veränderung in der Form
iJly(coscp±^ cos 2 q))
Da bei dem angestrebten vollständigen Aus-
gleich die Gegengewichtsmasse yW = Ül zu
machen ist, so kann, da die wagrechte Kom-
ponente der Fliehkraft
M — cos rp
ist, ein vollkommener Ausgleich nicht erzielt
werden. Es bleibt somit eine störende Kraft
± Ül ^ COS 2 cp
übrig, die durch Gegengewichte überhaupt nicht
ausgeglichen werden kann.
Da die Triebstange an einem Ende eine
hin und her gehende, am andern eine kreis-
förmige Bewegung macht, ist zu entscheiden,
welcher Gewichtsanteil der Triebstange als hin
und her gehende und welcher als umlaufende
Masse anzusehen ist. Eine genaue Berechnung
beider Anteile ist sehr umständlich. Gewöhnlich
wird etwa V3 des Stangengewichts zu den umlau-
fenden und Vj zu den hin und her gehenden
Triebwerksteilen gerechnet. Nach einem andern
Verfahren wird das Stangengewicht im Verhältnis
der lotrechten Auflagerdrücke geteilt, wenn die
Triebstange an beiden Zapfenmitten unterstützt
abgewogen wird.
Alle vorstehenden Betrachtungen beziehen sich
auf das Schubkurbelgetriebe einer Lokomotiv-
seite und gleichzeitig ist angenommen, daß
die ausgleichenden Gegengewichte in derselben
Ebene liegen wie die auszugleichenden Massen.
In Wirklichkeit liegen jedoch die Gegengewichte
in den Radebenen, während die Triebwerks-
mittel gegen diese verschoben sind. Da es
ferner sich gewöhnlich um mindestens 2 gegen-
einander um 90" versetzte Schubkurbelgetriebe
handelt, so ergeben sich in beiden Rädern einer
Achse eine Reihe von Teilgegengewichten für
die umlaufenden und hin und her gehenden
Massen, die dann endlich zum resultierenden
Gegengewicht vereinigt werden.
Durch die Vereinigung zweier Schubkurbel-
getriebe unter einem Kurbelwinkel von 90",
d. i. bei der weitaus vorherrschenden Lokomotiv-
bauart, ergeben sich die für die S. maßgebenden
Kräftewirkungen. Sieht man von der endlichen
Länge der Schubstangen ab und nimmt man
an, daß die hin und her gehenden Massen voll-
ständig ausgeglichen sind, so ist grundsätzlich
eine Beseitigung der Zuckbewegung möglich,
da sich nicht nur die Massenkräfte P" in der
Achse, sondern auch die Umfangskräfte U aus-
gleichen lassen. Die Kräfte P" sind durch
die wagrechte Fliehkraftkomponente, die Um-
fangskräfte U aber dadurch ausgeglichen, daß
sie an beiden Lokomotivseiten stets gleich groß
und entgegengesetzt wirken. Hinsichtlich des
Drehens üben die Kräfte P" keinen Einfluß
aus, wogegen die an beiden Lokomotivseiten
stets entgegengesetzt gerichteten Umfangskräfte
t/einDrehmoment ergeben, das durch Gegen-
gewichte nicht auszugleichen ist.
Werden Triebstangen mit endlicher Länge
angeordnet, so ergeben sich unvermeidlich
gewisse störende Kräfte. Wird weiters nur ein
Teil der hin und her gehenden Massen ausge-
glichen, so bleibt von den Kräften P" ein
Anteil als störende Kraft übrig, der Zucken
und Drehen verursacht.
Hinsichtlich des Zuckens sind bei vollstän-
digem oder teilweisem Ausgleich der hin und
her gehenden Massen Lokomotiven mit inneren
und äußeren Dampfzylindern gleichwertig. In
bezug auf das Drehen ist jedoch unter sonst
232
Störende Lokomotivbewegungen.
gleichen Verhältnissen die Lokomotive mit
inneren Dampfzylindern erheblich im Vorteil,
da die störenden Kräfte an einem viel kleineren
Hebelarm angreifen. Das ist hauptsächlich der
Grund, warum Lokomotiven mit inneren Dampf-
zylindern ein besonders ruhiger Gang nach-
gerühmt wird.
An vierzylindrigen Lokomotiven ist, wenn die
Kurbeln einer Lokomotivseite um 180° gegen-
einander versetzt sind, bei unendlicher Trieb-
stangenlänge und gleich großen hin und her
gehenden Massen an den inneren und an
den äußeren Dampfzylindern das Zucken auch
ohne Gegengewichte ganz vermieden. Das
Drehen ist geringer als an der zweizvlindrigen
Lokomotive, läßt sich aber selbst durch Gegen-
gewichte nicht völlig vermeiden, da die Um-
fangskräfte U einander nicht ganz aufheben.
Hierbei sind Lokomotiven mit zwischen den
Rahmen liegenden Niederdruckzylindern im
Vorteil gegen Lokomotiven mit äußeren Nieder-
druckzylindern, da bei ersterer Bauart die
größeren hin und her gehenden Massen an dem
kleineren Hebelarm arbeiten und damit auch
ein geringeres Schlingermoment erzeugen.
An vierzylindrigen Lokomotiven sind 2 Bau-
arten zu unterscheiden, je nachdem beide
Zylinderpaare dieselbe Achse betreiben oder
2 getrennte Triebachsen vorhanden sind. Bei
ersterer Bauart mit nur einer Triebachse
gleichen sich die Gewichte vieler Teile unter-
einander aus, so daß die Gegengewichte ver-
hältnismäßig klein ausfallen. Bei 2 getrennten
Triebachsen müssen dagegen gewöhnlich ziem-
lich umfangreiche Gegengewichte für die um-
laufenden Massen vorgesehen werden, während
die hin und her gehenden Triebwerksteiie erst
durch Vermittlung der Kuppelstangen zwischen
beiden Triebachsen zum teilweisen Ausgleich
gelangen. Hinsichtlich der Leichtigkeit der
Bauart und der Beanspruchung des Triebwerks
beim Massenausgleich ist somit erstere Bauart
vorzuziehen.
Berechnung der Gegengewichte. Als
Grundsatz hat zu gelten, daß die umlaufenden
Teile des Triebwerks vollständig auszugleichen
sind. Sollte es ausnahmsweise nicht möglich
sein, das erforderliche Gegengewicht im be-
treffenden Rad unterzubringen, so kann es
auch auf die übrigen gekuppelten Räder der-
selben Lokomotivseite verteilt werden. Es kommt
dies mitunter an Lokomotiven mit geringem
Raddurchmesser an den Triebrädern vor, die
wegen der schweren Triebzapfen, Stangenköpfe,
Radkurbeln u. s. w. sehr große Gegengewichte
verlangen. Mit Rücksicht auf die starke Bean-
spruchung der Kuppelstangen ist jedoch dieser
Vorgang aufs äußerste einzuschränken. Da an
Lokomotiven die Gegengewichte am vorteil-
haftesten in den Rädern untergebracht werden,
die auszugleichenden Massen aber in außerhalb
liegenden Ebenen sich be\cegen, so ergibt sich
für jedes auszugleichende Gewicht in beiden
Rädern einer Achse je ein besonderes Gegen-
gewicht.
Ist Y in Abb. 231 die Achse mit beiden Rädern
und P das einseitig außerhalb der Räder sitzende,
auszugleichendeGewicht, somußzurHerstellung
der Ruhe in der Achse im rechten Rad das
Gegengewicht M, im linken Rad das Gegen-
gewicht N nach den Gleichungen
AI:
und N=P
vorhanden sein. Hierbei ist angenommen, daß
die Gewichte P, M und N im Halbmesser r
von der Achse umlaufen. VC'ird das Gegengewicht
in einen größeren Halbmesser r, verlegt, so
kann es entsprechend leichter ausgeführt werden,
neue Gewicht M, aus der
f
M — berechnet.
wobei sich das
Gleichung M, = M —
Gewöhnlich enthält das auszugleichende Ge-
wicht P einer Achsseite auch bereits den not-
wendigen Anteil für die hin und her gehenden
Massen, so daß die Gleichung
P=RJf-sH
besteht, wobei R das Gewicht der umlaufenden,
fi das Gewicht der hin und her gehenden
Massen und s, wie bereits oben dargelegt, ein
Wert zwischen 0'2 und 0'6 ist.
1. In Abb. 232 ist die Triebachse einer
gekuppelten Lokomotive mit 2 äußeren
Dampfzylindern und unter 90° versetzten
Kurbeln dargestellt. P ist das auszugleichende
Gewicht der umlaufenden und hin und her
gehenden Massen einer Seite, das in der Ebene
der Triebzapfenmitte in einer Entfernung c
Störende Lokomotivbewegungen.
233
von der Lokomotivmitte schwingt. K ist das
auszugleichende Gewicht in der Kuppelzapfen-
mitte, das in einer um k abstehenden Ebene
von der Lokomotivmitte umläuft. Die Gegen-
gewichte können in der Radebene untergebracht
werden, die in der Entfernung / von der
Lokomotivmitte liegen. Nach obiger Anleitung
erpfibt sich im rechten Rad für P
M,=
P(l+c)
21
und für K M^--
2/
Im linken Rad sind die Gegengewichte
21 ""''
K
21
Abb. 233.
Da M^ und M2, /V, und jVj in die gleiche
Richtung fallen, kann dafür auch ein Gegen-
gewicht
* = «,+«,= W-i + ^titü und
ausgeführt werden.
Nun erscheint für P und K am linken Rad
ebenfalls ein Gegengewicht M im linken und
N im rechten Rad. Statt
beider Gewichte M und
N in einem Rad kann
nun ein resultierendes Ge- ^
wicht G nach der Gleichung
G = 'fM'^^^ A/2 unter-
gebracht werden, das unter
dem Winkel
gegen die Richtung von M versetzt ist. Nach
entsprechender Umrechnung auf den wirksamen
Halbmesser ergibt sich das in Abb. 232 ein-
gezeichnete sichelförmige Gegengewicht.
An Außenzylinderlokomotiven mit voreilen-
der rechter Kurbel erhalten daher die Gegen-
gewichte an den Triebrädern die in Abb. 233
gekennzeichnete Lage.
2. In Abb. 236 ist die Triebachse einer ge-
kuppelten Lokomotive mit 2 inneren Dampf-
zylindern und unter 90° versetzten Kurbeln
dargestellt.
Ist P wieder das auszugleichende Gewicht
in der Triebzapfenmitte, das in der Entfer-
nung c' von der Lokomotivmitte schwingt,
und K das auszugleichende Gewicht in der
Kuppelzapfenmitte, das sich im Abstand k von
der Lokomotivmitte befindet, so ist im rechten
Rad für P
Abb. 232.
Man erhält hieraus die Gegengewichte
M = -^[P{l+c')^ K(l-\-k)] und
N:
21
_ J_
~ 21
[P{/-c')+a:(ä-/)]
BA Rechts ausseiL
RI " " innen.
LA Litilis aussen
LI " " imien
Abb. 234.
Abb. 235.
M,
l+C
2/
und für K My = K
l+k
21
Im linken Rad ist
l — c'
IT/
N^=P
und N. = K
21
Das resultierende Gegengewicht ist wieder
G = V ^^ + N^, das unter dem Winkel
tga:
M
Abb. 236.
gegen die Richtung von M versetzt ist. An
Innenzylinderlokomotiven ist daher die Lage
der Gegengewichte durch Abb. 234 gekenn-
234
Störende Lokomotivbewegungen.
zeichnet. Die Gegengewichte fallen gewöhnlich
verhältnismäßig klein aus, da durch die Rad-
kurbeln und Kuppelstangen ein Teil der Kurbel-
arme der gekröpften Achse ausgeglichen wird.
3. An vierzylindrigen Lokomotiven mit
je 2 inneren und 2 äußeren Triebwerken wird
die Anordnung gewöhnlich so getroffen, daß die
Kurbeln des nebeneinander liegenden inneren
und äußeren Triebwerks einer Lokomotivseite
um ISCgegeneinander versetzt sind. Es werden
dann gewisse Vorteile für die Gesamtanordnung
der Maschine, aber auch hinsichtlich des Aus-
gleichs erzielt. In Abb. 237 ist die Triebachse
Abb. 237.
einer derartigen Lokomotive dargestellt. Die
äußere Kurbel des rechten Rades eilt gegen
die linke äußere Kurbel um 90° vor. An
Vierzylinderlokomotiven ist es vorteilhaft, die
Berechnung für den Ausgleich der umlaufenden
und der hin und her gehenden Massen ge-
trennt vorzunehmen, da die hin und her
gehenden Massen sich in der Regel größtenteils
gegenseitig ausgleichen. Die auszugleichende
Masse an den äußeren Triebzapfen ist P,,, an
den inneren Triebzapfen Pi. Es gelten die
gleichen Bezeichnungen wie im Beispiel unter
1, doch ist die Entfernung der Schwingungs-
ebene der inneren Triebwerke von der Loko-
motivmitte mit c' bezeichnet.
Da Pi, Pa und K beiderseits gleich groß
angenommen sind und an jeder Lokomotiv-
seite zusammen in einer gemeinsamen Ebene
liegen, so ist
N
21
Pa{c-[) + K{k - /) + Pi (l - C)
2/
Dadurch, daß bei Bildung des Teilgegen-
gewichts M die äußeren Gewichte Pa und
K dem inneren Gewicht P, entgegenwirken.
fällt M gewöhnlich verhältnismäßig klein aus.
Es wird somit durch diese Anordnung Gewicht
gespart. Es kann übrigens, falls Pj sehr groß
ist, M auch auf die Seite von Pa zu liegen
kommen. Pi ist gewöhnlich mit Rücksicht auf
die schwere Achskurbel und den Triebstangen-
kopf groß.
Die Größe des resultierenden Gegenge-
wichts erhält man wie früher aus der Gleichung
G= \yW2 + A^~
Es steht unter dem Winkel
der gewöhnlich wesentlich größer als an Außen-
zylinderlokomotiven ausfällt. Er kann, falls M
auf die Seite von Pa fällt, auch größer als
90« sein.
Sind die auszugleichenden Massen an beiden
Lokomotivseiten nicht gleich groß, so werden
sich an den Rädern auch verschieden große
Gegengewichte unter verschiedenen Winkein
ergeben.
Will man Gegengewichte in den Rädern
ganz vermeiden, so kann man nach Annahme
der auszugleichenden Gewichte und der Kurbel-
winkel eines Triebwerkpaares die zum Aus-
gleich erforderlichen Gewichte und die Kurbel-
winkel für das zweite Triebwerkspaar berechnen.
Dies ist in Abb. 235 durchgeführt. Die Kurbeln
der beiden äußeren Triebwerke sind um 90"
versetzt. Die rechte Kurbel eilt vor. Die Teil-
gegengewichte sind nicht in die Radebenen,
sondern in die Schwingungsebene der Trieb-
zapfenmitten der inneren Triebwerke gelegt.
Gibt man den inneren Triebwerken jetzt
tatsächlich umlaufende Massen im Gewicht
G = Y^2 _j_ jY2 und versetzt man die Kurbel-
winkel unter den Winkel ts:a=-rr, so erhält
man hinsichtlich der umlaufenden Massen
einen vollkommenen Ausgleich ohne Gegen-
gewichte in den Rädern.
Bei gleich großen Massen an beiden Loko-
motivseiten ordnen sich die Kurbelwinkel dann
nach Abb. 235 symmetrisch zu einer Achse
XX^ an.
Hinsichtlich der hin und her gehenden
Massen gelten dieselben Grundsätze und es
können sinngemäß die gleichen Bezeichnungen
und Gleichungen Verwendung finden. Bei Ver-
nachlässigung der endlichen Triebstangen längen
ist ein \'ollkommener Ausgleich der hin und
her gehenden Massen in diesem Fall möglich,
da die gefürchteten lotrechten, freien Flieh-
kräfte in den Rädern ganz fortfallen. Dieser
von Yarrow-Schlick angegebene Massen-
ausgleich hat sich namentlich an Schiffs-
Störende Lokomotivbewegungen. — Stopfbüchsen.
235
maschinell vorzüglich bewährt, ist jedoch an
Lokomotiven bisher zwar oft erörtert, jedoch
nicht ausgeführt worden (Mehiis, Dampfschnell-
bahnzug, Diss. 1903 u. Glasers Ann. 1908,
S. 179). Man kann an zweizylindrigen Lokomo-
tiven an Stelle der resultierenden hin und her
gehenden Massen auch besondere, in geraden
Bahnen sich hin und her bewegende Aus-
gleichgewichte (sog. Bobgewichte) ausführen.
Auch dadurch ist ein vollkommener Ausgleich
möglich. Ein solcher Ausgleich wurde bereits
von R. v. Helmholtz an einer Lokomotive ver-
sucht (Die deutsche Kollektivausstellung von
Lokomotiven. Paris 1900. Glasers Ann. 1900).
An älteren Lokomotiven war die Form der
Gegengewichte gewöhnlich die eines Kreisaus-
schnitts oder eines Kreisringausschnitts. Gegen-
wärtig sind die Gegengewichte in der Form
eines Kreisabschnitts oder in Sichelform aus-
geführt. Bei diesen Gestaltungen kann der
wirksame Halbmesser des Gegengewichts ver-
hältnismäßig am besten zur Geltung gebracht
werden und man kommt mit dem geringsten Ge-
wichtsaufwand durch. Selbstverständlich müssen
die in das Gegengewicht fallenden Radspeichen
und Stücke des Felgenkranzes in Abzug ge-
langen, um den wirksamen Teil des Gegen-
gewichts zu erlangen.
Literatur: Redtenbacher, Die Gesetze des Lo-
komotivbaiies. Mannheim 1855. — Scheffler, Be-
stimmung des Gegengewichts in den Triebrädern.
Organ 1856. - Zech, Besprechung des Redten-
bacherschen Lokomotivbaues. Ztschr. d. Österr. Ing.-
V. 1857. — Zeuner, Über das Wanken der Loko-
motiven. Zürich 1861. - Grove, Die Störungen
der Lokomotivbewegung. Hb. f. spez. E.-T. Heu-
singer, 1875. — Angier, Gegengewichte an Loko-
motiven. Organ 1898, S. 95. - Kempf, Gegenge-
wichte an Lokomotiven. Glasers Ann. 1904. —Garbe,
Die Dampflokomotiven der Gegenwart. Springer,
1907. — Jahn, Über den Antriebvorgang bei Lo-
komotiven. Ztschr. dt. Ing. 1907, S. 1046. -- Li-
hotzky, Kritische Betrachtungen über das Zucken
der Lokomotiven. Lokomotive 1907, S. 149. - Linde-
mann, Das Wogen und Nicken der Lokomotiven.
Glasers Ann. 1907, I, 5.3. - Jahn, Das Wanken
der Lokomotiven unter Berücksichtigung des Feder-
spieles. Ztschr. dt. Ing. 1909, S. 621. - Leitzmann
u. V. Borries, Theoretisches Lehrbuch des Loko-
motivbaues. Springer, 1911. — Jahn, Ein Beitrag
zur Leiire von den Gegengewichten der Lokomotive.
Organ 1911, S. 163. Satizin.
Stollen s. Tunnelbau.
Stollenbau s. Erdarbeiten.
Stopfbüchsen {stuffing-boxes; hohes ä gar-
niture, boites ä etoiipe; premistoppa), Vorrich-
tungen, die eme Umfangsdichtung bei Kolben-
stangen und Spindeln an deren Austrittsstelle
aus einem mit gespanntem Dampf, Wasser,
Luft u. s. w. gefüllten Raum bewirken und
gleichzeitig der Kolbenstange oder der Spindel
eine Längs- oder Drehbewegung gestatten.
S. werden angewandt im Dampfmaschinen-
und Kesselbau bei Kolben- und Schieberstangen,
bei den Spindeln der verschiedenartigsten
Armaturventile (auch bei den Hahnwirbeln
größerer Hähne), bei Wellen, die, von außen
in Drehung gesetzt, im Innern des Kessels
Schieber bewegen, und bei den Plungern aller
hydraulischen Apparate (Krane und Aufzüge).
Die Bauart der S. beruht darauf, daß ein
biegsamer, federnder, weicher Stoff - Hanf,
Jute, Asbest, Leder, Weißmetall u.s. w., Packung
genannt — um die zu dichtende Stange oder
Spindel gewunden, durch Zusammenpressen
vermittels eines durch Schrauben nachstellbaren
Ringes (Druckbüchse) sich derart fest gegen
die Stange oder Spindel anlegt, daß ein Ent-
weichen der Druckflüssigkeit unmöglich wird.
Das Anpressen des Dichtungsstoffs kann
auch durch das Druckmedium selbst geschehen
— Manschettendichtung bei hydraulischen
Apparaten.
Um die durch die Pressung der Packung
hervorgerufene Reibung möglichst zu verrin-
gern, müssen die S. — insbesondere beiKolben-
und Schieberstangen der Dampfmaschinen —
mit Schmiergefäßen versehen sein.
Mechanische Abnutzung der Packung, ferner
Eintrocknen durch die Hitze des Dampfes hat
zur Folge, daß nach Verlauf einiger Zeit die S.
nicht mehr dicht halten. Um diesem Übelstand
zu begegnen, sind alle mit Hanf-, Asbest-, Jute-
oder Lederpackung versehenen S. derart ein-
gerichtet, daß durch Niederschrauben der Druck-
büchse das locker gewordene Dichtungsmaterial
wieder zusammengedrückt werden kann.
Da die gewöhnlich angewendete Packung
sich sehr rasch abnutzt, werden in neuerer
Zeit S. mit metallischer Packung hergestellt,
bei denen das Anpressen der Packung -
Ringe aus Weißmetall - selbsttätig durch Spiral-
federn bewirkt wird.
Abb. 23S,
Beschreibung einiger S. .Abb. 238 stellt
eine bei Kolben- und Schieberstangen von
Lokomotiven und Stabilmaschinen angewendete
Bauart dar.
Es bezeichnet AT die Kolbenstange, O den
Grundring aus Metall, gegen den die Packung
gepreßt wird, P die Packung (Zöpfe aus Hanf-
236
Stopfbüchsen. - Stoßfangschiene.
kleine Schraube s
oder Jutefaser oder Zöpfe aus Hanf mit Asbest-
pulver gefüllt), D die Druckbüchse, an die ein
Schmiergefäß S (Abb. 238) angegossen ist,
und F einen Futterring, der immer dann not-
wendig ist, wenn, wie in Abb. 238 gezeichnet,
das Keilende der Kolbenstange stärker als der
Kolbenstangenschaft ist. Futterring und Grund-
ring sind in diesem Fall behufs Aufbringung
auf die Stange zweiteilig hergestellt.
Der Futterring ist mit der S. durch eine
verbunden. Das Anziehen
und Nachstellen der Druck-
büchse erfolgt durch 2 oder
3 Schrauben A.
Einfacher sind die S.
bei den Spindeln der ver-
schiedenen Armaturventile
(Abb. 239, P Packung, D
Druckbüchse, U Überwurf-
mutter, durch deren Nieder-
schrauben die Packung an-
gepreßt wird). Ähnlich aus-
geführt sind die S. bei den
Wasserstandzeigern an Dampfkesseln u. s. w.
Abb. 240 stellt eine S. mit metallischer
Packung dar, nach Ausführung der französischen
Nordbahn (auch auf einigen österreichischen
Bahnen angewendet). G bezeichnet den Grund-
Abb. 239.
Abb. 240.
ring, P die Packung, D die Druckbüchse und
H eine Hülse, die es ermöglicht, eine aus-
geschmolzene Packung ohne Zuhilfenahme von
Meißeln und Messern herauszuziehen.
Die Dichtung erfolgt dadurch, daß die stark
konischen Enden der Packungsringe durch
einen etwas schwächeren Konus am Grundring
und an der Druckbüchse fest gegen die Stange
gepreßt werden.
Bei vielen S. (besonders bei Lokomotiven)
wird, wie aus Abb. 240 ersichtlich ist, im
vordersten Teil der Druckbüchse ein Filzring/
eingelegt, der durch eine Platte p aus Stahl
oder Kupferblech vor dem Herausfallen gesichert
ist. Zweck dieser Einrichtung ist es, zu ver-
hindern, daß durch Sand, Asche oder Kohlen-
stücke, die sich an der Kolbenstange ansetzen,
Furchen in die Stange gerieben werden.
In neuerer Zeit werden metallisch gedichtete
S. ausgeführt, bei denen die metallische Packung
durch eine Spiralfeder, die zwischen Grund-
ring und Packung eingelegt ist, gegen die
Druckbüchse bzw. den Futterring gepreßt wird.
Über S. für Heißdampflokomotiven s. Heiß-
dampflokoniotiven.
Stoßbaum (Pole), in Amerika gebräuch-
liches Hilfsmittel beim Verschieben (Rangieren).
Neben dem Zerlegungsgleis oder auch zwi-
schen 2 Zerlegungsgleisen liegt ein Gleis für
den V'crkehr der Stoßbaumlokomotive, die ent-
weder unmittelbar den S. trägt oder nach Droege
(s. Literatur) besser einen Stoßbaumwagen vor
sich herschiebt, der beiderseits und nach
vorn und hinten, also mit 4 S. ausgerüstet ist,
von denen immer einer benutzt wird. Der S., ein
(nach Oder, Hb. d. Ing. W. S. 63) etwa 3 m
langer und 13 cm dicker, von der Lokomotive
oder dem Stoßbaumwagen schräg vorgestreckter
Baum (pole) wirkt gegen eine an der hinteren
Ecke des abzustoßenden Wagens oder des
letzten Wagens des abzustoßenden Verschiebe-
gangs angebrachte Tasche (poling pocket)
und gestattet es, den einzelnen Wagen oder
den Wagengruppen die zum Ablauf erforder-
liche Geschwindigkeit zu erteilen. Das Stoß-
baumverfahren (poling) bedeutet also eine
Verbesserung gegenüber dem Abstoßen und
Zurückziehen, bedingt aber die Anordnung
vermehrter Gleise und wird selbst in Amerika,
wo die Bauart und das Gewicht der Wagen
Bedenken gegen das Abdrücken langer Züge
bildeten, mehr und mehr durch die Anwen-
dung von Ablaufbergen verdrängt. Das Ver-
fahren wird aber u. a. in dem Buch von
Droege (1912, s. Literatur) noch als eines der
besten Verfahren empfohlen. Droege rühmt
namentlich, daß bei diesem Verfahren die
Lokomotive nahe der Spitze des Verschiebe-
zuges wirkt, was besonders bei unsichtigem
Wetter ein Vorteil sei. Ferner hebt er hervor,
daß die Stoßbaumlokomotive den einzelnen
Wagen oder Wagengruppen nach Bedarf ver-
schiedene Geschwindigkeit erteilen könne, was
namentlich in Ländern mit rauhem Klima
einen Vorzug darbiete. Um die bei dem Stoß-
baumverfahren an sich starke Beanspruchung
der Lokomotive und der Wagen zu vermin-
dern, empfiehlt Droege, den Gruppengleisen
ein mäßiges Gefälle zu geben.
Literatur: A. Blum, Über Verscliiebebahnhöfe.
190L Sonderdruck aus Organ 1900, S. 10. - Droege,
Freight Terminals and Trains. New York 1912,
S. 60ff. - Oder, Hb. d. Ing. W. V, iV, I, 1907,
S. 63, 79. 151. Cauer.
Stoßfangschiene s. Oberbau.
StoßlUcken. - Straßenbahnen.
237
Stoßlücken s. Oberbau.
Stoßmaschinen (Abb. 241) dienen zum
Anarbeiten von \Veri<stücken mit lotrechten
ebenen Flächen, z. B. Pleuelstangenköpfen,
Lagerschalen u. dgl. Der kräftige Ständer ist
mit lotrechten Prismenführungen versehen,
in denen sich der „Stoß" bewegt. Die
Bewegung des Stoßes wird eingeleitet von
einem breitstufigen Riemenkonus, der beispiels-
weise von einem Deckenvorgelege angetrieben
werden kann. Der Riemenkonus treibt durch
ein Rädervorgelege eine Kulisse, in die der
Abb. 241.
Stoß eingehängt ist. Hierdurch wird eine
annähernd gleichmäßige Schnittgeschwindigkeit
und rascher Rücklauf erzielt.
Der Stoß selbst ist ausbalanciert und besitzt
eine beim Rücklauf sich selbsttätig abhebende
Messerkappe, die sowohl an der Stirnseite
wie an der unteren Seite mit Schlitzen zur
Aufnahme der Stahlhalter versehen ist. Die
Lage des Stoßes kann beliebig eingestellt
werden. Die Größe des Hubes wird durch
Verschieben des Kulissensteines geregelt. Der
Tisch erhält selbsttätige Bewegungen in der
Längsrichtung der Maschine, senkrecht auf
diese und auch im Kreis. Diese Bewegungen
sind in ihrer Richtung umkehrbar und können
auch in ihrer Größe geändert werden.
Die Maschinen werden für Stoßhübe von
120 -bOO m/n gebaut. In den Staatsbahnwerk-
stätten sind Maschinen mit 270 — 350 mm
Hub die gebräuchlichsten.
Die Stoßmaschinen werden durch die Fräs-
maschinen immer mehr und mehr verdrängt.
Spiizriei:
Straßenbahnen {tramways; chemins de fer
siir routes; tramvie), dem öffentlichen Personen-
oder Güterverkehr dienende, mit tierischer oder
mechanischer Kraft betriebene Kleinbahnen
(s. d.), die auf Schienenwegen in der Straßen-
oberfläche fahren. Das letztgenannte
Merkmal unterscheidet sie ohneweiters
von den gleislosen Bahnen, Seil-
bahnen, Schwebebahnen und den
Hoch- und Untergrundbahnen, wäh-
rend ihre Begriffsabgrenzung gegen
die den Verkehr von Ort zu Ort
vermittelnden Bahnen oft schwierig
ist; doch verlieren sie ihren Charakter
als S. in der Regel weder durch
Benutzung eines von dem übrigen
Straßenverkehr abgeschlossenen be-
sonderen Bahnkörpers (Rasenbet-
tung), noch durch Ausdehnung ihres
Betriebs über die geschlossenen Ort-
schaften hinaus. Wenn eine Klein-
bahn zugleich dem Verkehr inner-
halb eines Ortes und dem Verkehr
von Ort zu Ort dient, so kommt es
darauf an, welche Verkehrsart über-
wiegt. Oft wird die Bezeichnung der
Bahn einen Anhalt dafür geben, ob
sie als S. gelten kann. Eine scharfe
Abgrenzung des Begriffs ist wichtig,
weil die S. vielfach anderen Bestim-
mungen unterliegen als die übrigen
Kleinbahnen.
S. im heutigen Sinn wurden ge-
baut, als mit dem Aufblühen der
Städte deren Umfang und Bevölke-
rungszahl so anwuchs, daß das Bedürfnis
schneller und billiger Beförderung innerhalb
des Stadt- und Vorstadtgebiets hervortrat und
gleichzeitig die Rentabilität des Betriebs ge-
sichert schien. Die technischen Anfänge der
S. wurzeln wie die der Eisenbahnen in den
alten Spurbahnen, die zuerst im 16. Jahrhundert
in deutschen Bergwerken benutzt wurden und
bald darauf nach England kamen. Die erste
eigentliche S. wurde 1852 in New York von
Loubat gebaut. 1854 folgte Paris, 1860 England
(Birkenhead), demnächst 1863 Dänemark und
Belgien. Berlin erhielt die erste S. am 22. Juni
1865 durch Eröffnung der Pferdebahnlinie
Brandenburger Tor- Straßenbahnhof Charlotten-
burg. Von deutschen Städten folgten 1866
238
Straßenbahnen.
Hambiirg, 1868 Stuttgart, 1872 Dresden,
Frankfurt a. M., Hannover, Leipzig, 1876
München, Karlsruhe, Metz.
1892 gab es in Preußen bereits 79 S. mit
875-7 km Länge, am 1. April 1915 201 mit
3880-55 km. Bayern hatte Ende 1913 15 S.
mit 263-91 km, Sachsen 23 mit 390-75 km,
Württemberg 5 mit 97-68 km. Die Entwicklung
in ganz Deutschland von 1900-1913, dem
letzten Jahr mit normalen Verhältnissen, zeigt
sich in folgenden Zahlen ^ (die Angaben für
1900 sind eincjeklammert): Anzahl der S. 292
(180), Länge 5283-17 (2921-35) km. Wagen-
zahl 26.291 (14.485), Bedienstete 75.513,
gefahrene Personenwagen^/« 785,237.176
(299.524.078), Qüterwagen/5'OT 2,994.419
(3,746. 145!), beförderte Personen 2.954,454.369
(1.043,942.064), Gütern' 1,783.089 (1,038.180),
Betriebseinnahmen aj aus dem Personenverkehr
286,374.882 (107,169.595) M., b) aus dem
Güterverkehr 1 ,582.495 ( 1 ,063.795) M., Gesamt-
einnahmen 295,899.302 (111,762.226) M., Be-
triebsausgaben 168,332.460 (60,975.537) M.,
Gesamtausgaben 193,678.461 (78,019.832) M.,
Reingewinn (soweit verteilt auf Dividenden,
Tantiemen, Gratifikationen, Gewinnbeteili-
gungen Dritter) 27,037.576 (18,901.906) M.,
Anlagekapital 1.421,481.53! M., Unfälle: aJ
Tötungen 1. von Fahrgästen und fremden
Personen 272 (198), 2. von Bahnbediensteten
21 (13), b) Verletzungen 1. von Fahrgästen
und fremden Personen 1067 (633), 2. von
Bahnbediensteten 129 (215). Die Kriegsjahre
haben diese Entwicklung namentlich nach der
Richtung hin verschoben, daß bei geringerer
Bedienstetenzahl die Betriebsleistungen und
damit auch die Betriebseinnahmen bei vielen
Bahnen größer geworden sind, anderseits
aber auch die Betriebsausgaben infolge der
stark gestiegenen Löhne und Materialpreise
sich erheblich vermehrt haben.
Das Jahr 1865 brachte auch Wien die
erste S. Auf Grund der den Genfer Bauunter-
nehmern C. Schalk, Jaquet& Co. am 25. Februar
1865 eneilten Konzession wurde die erste
Teilstrecke der Probelinie Schottenring-Dorn-
bach am 4. Oktober 1865 in Betrieb genommen.
Weitere österreichische S. entstanden 1873
in Baden, 1875 in Prag, 1876 in Triest, 1878
in Graz, 1880 in Linz und Lemberg, 1882
in Krakau, 1891 in Klagenfurt, 1892 in Salzburg.
Die nachstehende Gegenüberstellung 2 läßt
die Entwicklung der österreichischen S. von
' Nach der amtlichen Statistik der Kleinbahnen
im Deutschen Reich in der Zeitschrift für Kleinbahnen.
' Die Zahlen entstammen dem II. Teil der amt-
lichen österreichischen Eisenbahnstatistik. Dieser
umfaßt unter Ausschluß der sog. nebenbalmähn-
1903-1912 (die Zahlen für 1903 sind ein-
geklammert) erkennen: Zahl der S. 68 (46),
Länge 754-38 (496-43) km, Wagenzahl 4722
(2995), Bedienstete 18.264 (9859), gefahrene
Zugkm 89,237.773 (53,745.936), beförderte
Personen 488,296.706 (233,136.921), Güter/
590.225 (330.430), Betriebseinnahmen aJ aus
dem Personenverkehr74,5 1 9.040(32,301 .359) K,
b) aus dem Güterverkehr 908.956 (324.594) K,
Betriebsausgaben 47,061.563 (20,874.892) K,
Gesamtausgaben 53,142.984 (22,779.924) K,
Reingewinn 30,28 1.810 (12,625.489) K, Anlage-
kapital 329,759.235 (218,167.288) K, Unfälle:
a) Tötungen 1. von Fahrgästen und fremden
Personen 15, 2. von Bahnbediensteten 1, A^ Ver-
letzungen 1. von Fahrgästen und fremden Per-
sonen 453, 2. von Bahnbediensteten 42.
Ungarn^ hatte 1913 29 S. mit 408-11 km
Länge. Befördert wurden 262,865.781 Personen
und 1,035.312 Güter/. Die Betriebseinnahmen
betrugen 43,936.013 K, die Betriebsausgaben
29.860.803 K. Das Anlagekapital belief sich
auf 195,167.414 K.
In der Schweiz waren 1913 37 S. mit
468-6 km Länge im Betrieb. Geleistet wurden
31,435.697 Zugkm mit 149,477.338 beför-
derten Personen und 199.982 Güter/. Die
Gesamteinnahme belief sich auf 18,372.680 Fr.,
die Gesamtausgabe auf 14,986.696 Fr., der
Überschuß auf 3,385.984 Fr.
Einen ähnlichen Aufschwung haben die S.
der übrigen Länder zu verzeichnen. Es gibt
heute in der Welt wohl kaum eine größere
Stadt ohne S. Von wesentlicher Bedeutung
war dabei die Umwandlung des Pferdebetriebs
in den elektrischen, die, um die Jahrhundert-
wende beginnend, sich nach und nach auf
fast alle bedeutenderen S. erstreckte. Am meisten
vorgeschritten ist hierin Österreich, das 1912
nur noch 1 km im Pferdebetrieb hatte, während
in Preußen 1914 noch 10 S. mit 43-97 km
Pferdebetrieb vorhanden waren. In den Städten
bilden die S. nahezu überall das Hauptverkehrs-
mittel und sind dadurch auch zu einem wichtigen
volkswirtschaftlichen Faktor geworden. Die Er-
sparnis an Zeit und Arbeitskraft für die Bevöl-
kerung ist außerordentlich groß. Wenn jeder
Fahrgast bei jeder Fahrt nur 5 Min. Arbeitszeit
liehen Kleinbahnen die Kleinbahnen im engeren
Sinne, d. h. nach dem Oes. vom 8. .August 1910 (s. u.)
außer den Seilbahnen, Schwebebahnen und anderen
eisenbahnähnliclien Transportmitteln insbesondere
diejenigen, die hauptsächlich den örtlichen Verkehr
in einer Gemeinde oder zwischen benachbarten
Gemeinden vermitteln, im großen und ganzen also
die S. Die Zahlen im Text enthalten daher die
Angaben der amtlichen Statistik unter Ausscheidung
der auf die Seilbahnen n. s. w. bezüglichen.
3 Die amtliche Statistik umfaßt die sog. Städte-
und Gemeindebalinen, die im wesentlichen nur S. sind.
Straßenbahnen.
239
erspart, so ergibt sich hei Annahme einer täglichen
Arbeitszeit von 10 Stunden für Deutschland
ein Gewinn von jährlich rd. 25,000.000 Arbeits-
tagen. Nicht minder wichtig ist der Einfluß der S.
auf die städtischen Wohnverhältnisse. Die
schnelle und wohlfeile Beförderung erschließt
neue große Wohngebiete im Umkreis der
Städte und ermöglicht eine auf Schaffung
gesunder und billiger Wohnungen gerichtete
kommunale Siedelungspolitik. Im allgemeinen
Interesse liegt daher die Aufrechterhaltung der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der S.
Die Rentabilität der S. wird gewährleistet
durch richtig abgestufte Tarife. Die S. haben
Strecken-, Zonen- und sog. Einheitstarife, bei
denen ohne Rücksicht auf die Länge der Fahrt
nur ein Preis gezahlt wird. Daneben bestehen fast
überall Vergünstigungstarife für Abonnenten,
Schüler, Arbeiter u. s. w. Im Lauf der Zeit
und besonders seit Einführung des elektrischen
Betriebs sind die anfangs ziemlich hohen
Tarife immer weiter verbilligt worden. Dies
hat zwar den Verkehr belebt, aber die Renta-
bilität verschlechtert. Die Durchschnittsein-
nahme für die Beförderung des einzelnen Fahr-
gastes betrug 1914 bei den deutschen S.
9-6 Pf. Die Verzinsung des Anlagekapitals
belief sich in demselben Jahr in Preußen und
den anderen Bundesstaaten (die für diese gel-
tenden Zahlen sind eingeklammert) bei 10 (4)
S. bis zu 1%, bei 23 (5) bis zu 2%, bei
21 (10) bis zu 3%, bei 19(10) bis zu 4%,
bei 27 (7) bis zu 5%, bei 50 (12) bis zu
10%, bei 5 (2) über 10%, während 20(18)
überhaupt keine Verzinsung hatten. Von den
zusammen 38 deutschen S., die keine Ver-
zinsung erreichten, haben 30 sogar Verluste
erlitten. Infolge dieser ungenügenden Renta-
bilität machen sich neuerdings vielfach Be-
strebungen auf Wiedererhöhung der Tarife
mit Erfolg geltend.
Die größte deutsche S., die Große Berliner
S., ist eine Aktiengesellschaft mit 1 00,082.400 M.
Aktienkapital und bOOkm Gleislänge. Von den
übrigen deutschen S. sind 136 im Besitz von
Gemeinden, Gemeindeverbänden und Kreisen,
124 gehören Aktiengesellschaften, 19 Gesell-
schaften m. b. H., 8 sind im Staatsbesitz und
13 in sonstigen Händen. Nach der Rechtsform
des betreffenden Straßenbahnunternehmens
richtet sich dessen Stellung im Privatrecht,
während die Stellung im öffentlichen Recht
besonders geregelt ist. Fast überall gelten die
S. als Kleinbahnen und unterliegen den für
diese gegebenen Gesetzen und Vorschriften
(s. Kleinbahnen).
In Preußen sind für die S. maß-
gebend ohne Rücksicht darauf, ob sie mit
tierischer oder mechanischer Kraft betrieben
werden, die Bestimmungen des Gesetzes über
Kleinbahnen und Privatanschlußbahnen vom
28. Juli 1892 und der Ausführungsanweisung
vom 13. August 1898. Im Anschluß an letztere
sind für den Bau und Betrieb der S.
mit Maschinenbetrieb besondere Vorschriften
gegeben worden (Bau- und Betriebsvorschriften
für Straßenbahnen mit Maschinenbetrieb vom
26. September 1906).
Die anderen deutschen Bundesstaaten haben
die Rechtsverhältnisse der S. verschieden ge-
regelt; teils sind wie in Preußen besondere
Kleinbahngesetze erlassen, teils erfolgt die
Regelung im Verwaltungsweg, in Sachsen
z. B. ist jedesmal die Genehmigungsurkunde
maßgebend.
In Österreich sind durch das Ges.
vom 31. Dezember 1894 die S. von den
Lokalbahnen abgezweigt und zusammen mit
den Seilbahnen, Schwebebahnen und anderen
eisenbahnähnlichen Transportmitteln als „Klein-
bahnen" (der österreichische Begriff ist also
enger als der preußische) besonderer Regelung
unterworfen worden. Das erwähnte Gesetz trat
1904 außer Kraft, wurde später wieder erneuert
und endlich durch das noch geltende Ges.
vom 8. August 1910 ersetzt (s. Kleinbahnen).
Eine ähnliche gesetzliche Sonderregelung ist
auch für Ungarn beabsichtigt. Von den übrigen
Ländern haben nur Belgien (Ges. vom 9. Juli
1875), Italien (Ges. vom 27. Dezember 1896)
und Japan (Ges. vom 25. August 1890) die
S. gesetzlichen Sonderbestimmungen unter-
worfen, während Frankreich die ursprüngliche
Trennung von den sons+igen Kleinbahnen
durch das Ges. vom 31. Juli 1913 wieder
beseitigt hat.
Als Rechtspersönlichkeiten und Gewerbe-
treibende unterliegen auch die S. der Besteu-
erung, insbesondere der allgemeinen Einkom-
men- und Gewerbesteuer. Daneben bestehen
in Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich,
Rußland Sondersteuern, die außer dem Eisen-
bahn-, Kleinbahn- und Schiffsverkehr auch
den Straßenbahnverkehr erfassen. Das deutsche
Gesetz über die Besteuerung des Personen- und
Güterverkehrs vom 8. April 1917 besteuert
unter Aufhebung der früheren Fahrkarten-
steuern jede Personenbeförderung auf der S.
(außer im Arbeiter-, Schüler- und Militärper-
sonenverkehr) mit 6% des Beförderungspreises
und außerdem jede Güterbeförderung mit 7 %
des Tarifs. Der Güterverkehr der S. unterliegt
jedoch nach den Ausführungsbestimmungen
der Besteuerung nicht, soweit es sich lediglich
um die Abfuhr und Zufuhr von Gütern von und
zu Bahnhöfen oder Schiffsladeplätzen oder sonst
240
Straßenbahnen. - Straßenbrücken.
um einen nicht dem allgemeinen Verkehr
eröffneten Betrieb handelt und in beiden
Fällen die Beförderung nur innerhalb ge-
schlossener Ortschaften und nicht planmäßig
stattfindet.
Literatur: Hilse, Handbuch der Straßenbahnkun-
de, Miinclien u. Leipzig 1892. — Müller, Die Entwick-
lung der Lokalbahnen in den verschiedenen Ländern.
Schniollers Jahrbuch für Gesetzgebung und Verwal-
tung, H. 2, sowie die dort angeführte reichlialtige
Literatur. - v. Lindheini, Straßenbahnen, Statisti-
sches und Finanzielles. Wien 1888. — Schimpff,
Die Straßenbahnen in den Vereinigten Staaten von
Amerika. Berlin 1903; Wirtschaftliche Betrachtungen
über Stadt- und Vorortbahnen. Berlin 1913. - Weil,
Die Entstehung und Entwicklung unserer elektrischen
Straßenbahnen. Leipzig 1899. — Frost, Elektrische
Tertiärbahnen. Halle 1901 ; Die deutschen elektrischen
Straßenbahnen, Sekundär-, Klein- und Pferdebahnen.
7. Aufl. Leipzig 1903. — Geyl, Der Umsteigeverkehr
bei Straßenbahnen. Osnabrück 1906. — Roth, Die
Verkehrsabwicklung auf Plätzen und Straßenkreuzun-
gen. Halle 1913. — Zfschr. f. Kleinb., herausgegeben
im preußischen Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
— Deutsche Straßen- und Kleinbahnzeitung, heraus-
gegeben von Dr. Dietrich, Berlin. Siehe auch die bei
dem Art. Kleinbahnen angeführte Literatur. AUcke.
Straßenbrücken (road bridges; ponts de
nie; ponti stradali), Weg- und Fußgänger-
brücken, Brücken, die im Zuge einer Straße
Abb. 242.
einer Brücke überzuführen, deren Endwiderlager
in die beiderseitigen Einschnittsb()schungen
gestellt werden. Solche Bahnüberbrückungen
können aber auch bei geringerem Höhenunter-
schied ausgeführt werden, nur ist dann die Straße
beiderseits auf Rampen so hoch über die Bahn zu
heben, daß unter der Brücke die Durchfahrt frei
bleibt. Hierzu ist nach dem Normalprofil des
lichten Raumes für Vollspurbahnen eine Höhe
zwischen Schienenkopf und Unterkante des
Brückentragwerks von mindestens 4-8 m, besser
5'0 m notwendig. Natürlich ist bei solchen
Bahnüberbrückungen das normale Lichtraum-
profil auch in der Breitenrichtung überall frei-
zuhalten. Die Pfeiler- und Widerlagerfluchten
müssen demnach von der nächsten Gleisachse
mindestens 2- 15 m abstehen.
Den früher häufig ausgeführten hölzernen
Überfahrtsbrücken mit neben die Einschnitts-
gräben auf gemauerte Sockel gestellten hölzernen
Zwischenjochen (Abb. 242) werden jetzt in der
Regel Überbrückungen in Stein, Beton oder
Eisen vorgezogen. Die alte Bauweise solcher
gewölbter Überfahrtsbrücken mit nahe an die
Gleise gestellten hohen Widerlagern und Flügel-
mauern wird dabei aber durch jene.'Xusführungs-
form ersetzt, bei der
das Gewölbe bis an die
Einschnittsböschungen
reicht und die Wider-
lager als sog. verlorene
oder Druckwiderlager
ausgebildet sind (Abb.
243). Eine Bahnüber-
brückung in Eisen-
beton zeigt Abb. 244.
Ist die vorhandene
Höhe für einen Bogen
nicht ausreichend, so
kommen Balkentrag-
Vlli^.'.p^^eKJii'Trf-y*' '•■ü^t^-i^i^ fcS-^KiSiy
oder eines Weges liegen, kommen für
das Eisenbahnwesen insofern in Be-
tracht, als es sich um Bahnüber-
brückungen oder um solche Brücken
in Bahnhof- Zufahrtsstraßen handelt,
deren Herstelhmg oder Erhaltung der
Eisenbahn obliegt.
An den Kreuzungen einer Eisen-
bahnlinie mit Straßen können beide
Verkehrswege entweder in gleicher
oder in verschiedener Höhe liegen.
Im ersteren Fall ist eine Kreuzung im
Niveau, ein Planumsübergang mög-
lich, sofern nicht Verkehrsrücksichten
bei frequenten Straßen oder bei
Kreuzungen in der Nähe von Bahnhöfen
dagegen sprechen. Liegt die Bahn in einem
genügend tiefen Einschnitt, so ist die Straße auf
Abb. 243.
werke in Eisenbeton oder Eisen zur Anwen-
dimg, die auf den Zwischenstützen entweder
frei aufliegen oder mit ihnen zu Rahmentrag-
Straßenbrücken.
241
werken vereinigt sind (Abb. 245). Die Breite
der Brücke, d. i. die nutzbare Breite der
Brückenfahrbahn zwischen den Geländern oder
den sie seitlich begrenzenden Tragwänden,
richtet sich nach der Wichtigkeit und Frequenz
der Straße. Gewöhnlich ist sie schon durch
Die kleinste Breite für eine Fahrbrücke von
ganz geringer Frequenz und kurzer Länge
ist 3'0 tn, doch wird man sie in der Regel
nicht unter 4'5 — 5'0 m bemessen. In Öster-
reich werden die in öffentlichen Straßen ge-
legenen Brücken nach 3 Klassen unterschieden,
Abb. 244.
deren Breite bestimmt, doch sind bei unter-
geordneten Wegen Einschränkungen zulässig.
für deren Breite folgende Mindestmaße ein-
gehalten werden sollen:
Außen liegende Fußwege (Abb. 246) Innen liegende Fußwege (Abb. 247)
Brücken I.Klasse. . . .0 = 5-8/« b^\-5m a=^l-Q m b=^V20m
Brücken II. Klasse . . . . ß = 5-3 /« b=V2m a=&Am ö=l-00/n
Brücken III. Klasse ohne getrennte Fußwege (Abb. 248) . . . . a = 50 m
Brücken in städtischen Stra-
ßenzügen erhalten meist grö-
ßere Breiten. Man rechnet für
3 Wagenreihen eine erfor-
derliche Fahrbahnbreite von
7 - 8 OT, für 4 Wagenreihen
Q-IO m; hierzu kommen
noch die Fußwege, bei Stadt-
brücken mit je 2 — 4 m Breite.
Der Querschnitt des Ober-
baues einer S. ist in einer
Höhe von mindestens 4'5 in
über der Fahrbahnoberfläche
und von 2'5 m über den
Gehwegen von allen Kon-
struktionsteilen freizuhalten.
Abb 246.
Abb. 247.
Abb. 248.
Gewichtsangaben für eiserne S. (nach Engesser).
Fahr-
bahn-
decke
Fahr-
bahn-
tafel
Eisengewicht des Brücken-
tragwerks bei der Stützweite /
kg pro m2 Grundfläche
der Fahrbahn
Eisengewicht infolge
von außerhalb der
Hauptträger liegen-
den Fußwegen
der Fußwege
Landstraßenbrücken mit doppeltem Bohlen-
belag
Landstraßenbrücken mit Beschotterung . .
Stadtstraßenbrücken mit doppeltem Bohlen-
belag
Stadtstraßenbrücken mit Beschotterung . .
Stadtstraßenbrücken mit Pflasterung ....
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2, Aufl. IX.
110
400 I 65
105 + 2-3/-
125 -f 2-8/-
■ 0-02 1'
- 0-025 /2
140
480
700
80
80
155 + 2-7/-I-0 021P
170-f 3-2/ -f 0-028/2
1 80 + 3-7 /-f 0-029/2
60 + 2-3 /
60 + 2-3 /
80 + 2-7/
80 + 2-7/
80 + 2-7 /
16
242
Straßenbrücken.
Streckenkenntnis.
Hinsichtlich der Belastungsannahnien für S. I
wird auf Art. Belastungsannahmen für Brücken, |
hinsichtlich ihrer Konstruktion auf die Art.
Betonbrücken, Holzbrücken, Eisenbetonbrücken, |
Eiserne Brücken und Steinbrücken ver- |
wiesen. I
Betreffs Prüfung und Erprobung der Bahn-
überbrückungen und Zufahrtsstraßenbrücken
s. die Art. Brückenprobe, Brückenrevision.
Alle in Benutzung befindlichen Brücken
sind mindestens alle 6 Jahre einer Untersuchung
und Prüfung zu unterziehen.
Jede S. soll an ihren beiden Enden neben
der Straße gut sichtbar angebrachte Tafel n er-
halten, auf denen die größte zulässige Verkehrs-
last und das Gewicht der schwersten Wagen,
die die Brücke befahren dürfen, angegeben ist.
Melan.
Streckenbaumeister heißt bei den preu-
ßisch-hessischen Staatsbahnen der dem Vor-
stand einer Eisenbahnbauabteilung (s. d.) zur
örtlichen Leitung und Aufsicht von Bauaus-
führungen zugewiesene und ihm dienstlich
unmittelbar unterstellte Beamte. Der S. ist im
allgemeinen ein höherer technischer Eisenbahn-
beamter (Regierungsbaumeister). Werden die
Geschäfte eines S. ausnahmsweise einem andern
geigneten Bautechniker zugewiesen, so hat er
die Bezeichnung Streckeningenieur. Zwecks
V^ermehrung der selbständigen Stellungen der
höheren technischen Eisenbahnbeamten herrscht
zurzeit das Bestreben, die Zahl der S. bei
gleichzeitiger Vermehrung der Bauabteilungen
zu verringern (s. Bauleitung). Gi£se.
Streckenbegehungen s. Bahnaufsicht.
Streckenbewachung s. Bahnerhaltung.
Streckenblock s. Blockeinrichtungen.
Streckenfernsprecher, Fernsprecher, die
auf der freien Bahnstrecke in den Bahnwärter-
buden und bei großem Abstand derselben
auch noch in besonderen, zu diesem Zweck da-
zwischen aufgestellten Buden angebracht und in
Parallelschaltung mit den beiden benachbarten
Stationen verbunden sind. Sie dienen zur .Meldung
von Unfällen und außergewöhnlichen \^or-
kommnissen von der Strecke nach den Stationen
sowie zur Anmeldung von Sonderfahrten, Än-
derungen in der Zugfolge, erheblichen Zug-
verspätungen u.dgl. von den Stationen nach der
Strecke. Bei Bau- und Unterhaltungsarbeiten
auf der Strecke sind sie ein bequemes Ver-
ständigungsmittel zwischen der Baustelle und
den benachbarten Stationen. Sie ersetzen die
früher im Gebrauch gewesenen Strecken-
telegraphen (s. d.), die nicht nur eine weit
beschränktere Anwendungsmöglichkeit boten,
sondern auch wegen der mit ihrer Bedienung
verbundenen Schwierigkeiten nur unvollkom-
men ihren Zweck erfüllten. Der S. hat den
großen Vorteil, daß er von allen Bediensteten
leicht und sicher gehandhabt werden kann
(s. Streckentelegraph). Fink.
Streckenkenntnis. Die Dienstverrich-
tungen des Lokomotivführers und des Zug-
führers verlangen eine mehr oder weniger
eingehende Kenntnis der vom Zug durch-
fahrenen Strecke. In besonderem Maße gilt
das für den Dienst des Lokomotivführers.
Die Steigungs- und Krümmungsverhältnisse
der Bahn, die Stationsentfernungen sowie die
Gleisführung innerhalb der Bahnhöfe und
mancher Kunstbauten sind maßgebend für die
Fahrgeschwindigkeit. Sie werden zwar durch
Signale, durch besondere Zeichen oder durch
die Fahrpläne und Dienstvorschriften dem
Lokomotivführer bekannt gegeben. Die Zeichen
für die Steigungs- und Krümmungsverhältnisse
(s. Neigungszeiger u. Streckenzeichen) sind aber
bei Dunkelheit nicht beleuchtet. .Auch bei Tages-
licht würde ihre Beobachtung die Aufmerksam-
keit des Lokomotivführers zu sehr in .-^.nspruch
nehmen und ihn von seinen sonstigen Dienst-
pflichten abhalten, wenn ihm nicht durch örtliche
S. die Beobachtung erleichtert würde.
Der Lokomotivführer erwirbt die S. durch
Belehrungsfahrten (s.d.) als dritter Mann
auf der Lokomotive eines Zuges. Die große
Verschiedenheit der Bahn- und Streckenver-
verhältnisse sowie der Betriebsführung erschwert
die Aufstellung allgemeiner Regeln über Art
und Umfang der Belehrungsfahrten. Die preu-
ßischen Staatsbahnen überlassen daher die
Festsetzung der Zahl der Fahrten dem Vor-
stand des .Maschinenamts. Sie fordern jedoch
allgemein, daß ein Lokomotixi'ührer zum
selbständigen Dienst auf einer Strecke nur zu-
gelassen werden darf, auf der er mindestens
je 2 und, wenn es sich um den Personen-
oder Schnellzugdienst handelt, mindestens je
3 Belehrungsfahrten bei Tag und bei Xacht
in jeder Richtung ausgeführt und außerdem
schriftlich erklärt hat, daß er die Strecke kenne
und im stände sei, auf ihr die ihm anzuver-
trauenden Zugfahrten mit voller Sicherheit
auszuführen. Wenn die Fahrten als Lokomotiv-
führer länger als 15 Monate unterbrochen
wurden oder während einer L'nterbrechung
der Fahrten wesentliche Änderungen an den
Gleisen, den Signalanlagen oder Blockeinrich-
tungen stattgefunden haben, so muß die S.
durch mindestens einmalige Belehrungsfahrten
in jeder Richtung bei Tag und bei Nacht
wiedererworben werden. - Auf der London
and North Western-Eisenbahn muß der Loko-
motivführer alle 6 Monate schriftlich bestätigen,
Streckenkenntnis. - Streckenzeichen.
243
daß er die von ihm zu befahrende Strecke
sowohl in dem hierüber herausgegebenen, die
Signale, Bahnhöfe sowie die Neigungs- und
Krümmungsverhältnisse enthaltenden Strecken-
buch als auch in der Wirklichkeit kenne (vgl.
Bulletin d. Int. Eis.-Kongr.-Verb. 1909, S. 241).
An die S. des Zugführers werden wesent-
lich geringere Anforderungen gestellt. Auf den
preußischen Staatsbahnen erwirbt der Zugführer
die S. durch mindestens je eine Belehrungsfahrt
bei Tag und bei Nacht in jeder Richtung unter
Leitung eines streckenkundigen Zugbegleitbe-
amten. Die S. geht verloren, wenn die Fahrten
auf der Strecke länger als 2 Jahre unterbrochen
vcaren. Brcusing-.
Streckentelegraph, eine in einer Wärter-
bude auf der freien Bahnstrecke aufgestellte
Telegrapheneinrichtung, die mit den beiden
benachbarten Stationen verbunden die Möglich-
keit bietet, von der Strecke aus beim Liegen-
bleiben eines Zuges oder bei Unfällen tele-
graphisch Hilfe anzufordern. Solche S. waren
früher auf allen verkehrsreichen Strecken in
Abständen von 2 — 4 km aufgestellt. Sie haben
sich aber nicht bewährt, weil es stets große
Schwierigkeiten bereitete, den Bahnwärtern die
erforderliche Fertigkeit und Sicherheit im
Telegraphieren beizubringen und sie genügend
in der Übung zu erhalten. Auch die Mitführung
der Telegrapheneinrichtung in den Zügen hat
sich im allgemeinen nicht bewährt. Bei einigen
Bahnen hat man selbsttätige Zeichengeber
eingerichtet, die mit den bei den Bahnwärter-
posten aufgestellten Läutewerken verbunden
waren. Damit konnte eine geringe Anzahl ein
für allemal festgesetzter Zeichen oder „Hilfs-
signale" nach den beiden benachbarten
Stationen gegeben werden, ohne daß dazu die
Kenntnis des Telegraphierens erforderlich war.
Ein am Läutewerk angebrachter Telegraphier-
taster wurde durch eine beim Ablaufen des
Läutewerks in Umdrehung versetzte gezahnte
Scheibe in Tätigkeit gesetzt. Die Zähne auf
der Scheibe stellten in abgekürzter Morseschrift
das Nummerzeichen des Wärterpostens und ein
bestimmtes Hilfszeichen dar. Zu jedem Läute-
werk gehörten 6-8 Scheiben mit verschiedenen
Hilfszeichen, z. B.:
»Lokomotive dienstunfähig",
„Hilfslokomotive senden",
«Zug entgleist",
«Bahnmeister und Arbeiter senden",
„Beide Gleise unfahrbar",
«Arztliche Hilfe erforderlich".
Vor Abgabe eines Hilfssignals mußte die
auf den Fall passende Zeichenscheibe auf das
Laufwerk aufgesteckt werden. Dann wurde das
Laufwerk einigemal mit der Hand ausgelöst,
wobei die Zeichenscheibe jedesmal 4 L'm-
drehungen machte und ebensoviele Male der
durch die Scheibe bewegte Telegraphiertaster
das Hilfszeichen in die Leitung abtelegraphierte,
wo es von den beiden benachbarten Stationen
auf den Morsewerken aufgenommen wurde.
Nach .Abgabe des Hilfssignals mußte die Zeichen-
scheibe wieder vom Läutewerk abgenommen
werden. Aber auch bei dieser Einrichtung fehlte
den Bedienenden meistens die erforderliche
Übung in der Handhabung. Mit der Einführung
des Fernsprechers an Stelle der S. ist ein be-
quemeres und sichereres Verständigungsmittel
zwischen der freien Strecke und den Stationen
geschaffen worden (s. Streckenfernsprecher).
Fink.
Streckenwärter s. Bahnaufsicht, Bahn-
wärter und Schrankenwärter.
Streckenzeichen, längs der Bahnsfrecke
angebrachte Tafeln, Pflöcke, Pfähle u. dgl.,
die entweder zu der aus Betriebsrücksichten
nötigen Ersichtlichmachung bestimmter Ab-
schnitte der Bahn dienen oder auf denen
sonstige für die Bahnbewachung und Zug-
förderung wichtige Merkmale der betreffenden
Stelle angegeben sind. Zu den S. der ersteren
Art gehören die Abteilungszeichen (s. d.), dann
die Grenztafeln zur Ersichtlichmachung der
Wärter-, Bahnmeister-, Inspektionsbezirke u. s. w.
Zu den S. der letzteren Art gehören die
Neigungszeiger (s. d.), ferner Läutetafeln (Pfeif-
pflöcke) und Geschwindigkeitstafeln sowie
Krümmimgstafeln. Läute- und Geschwindigkeits-
tafeln dienen dazu, Wegübergänge, die nicht mit
Schranken versehen sind, dem Lokomotivführer
so kenntlich zu machen, daß er rechtzeitig
das Achtungssignal geben kann. In Österreich
werden zu diesem Zweck sog. Pfeif pflöcke
rechts vom Gleis, in der Fahrrichtung gesehen,
aufgestellt, die an der dem Zug zugewandten
Seite weiß, oder rot und weiß gestrichen sind.
Wenn der Zug den Pfeifpflock erreicht hat,
ist das Signal „Achtung" mit der Dampfpfeife
zu geben.
An Steile der Pfeifpflöcke werden in Deutsch-
land Läutetafeln nach einheitlichen Mustern
angebracht, die für den Lokomotivführer das
Zeichen zum Ingangsetzen des Läutewerks
sind. (Die österreichischen Lokomotiven sind
nicht mit Läutewerken ausgestattet.)
Ist bei besonders gefährdeten Wegüber-
setzungen eine Herabminderung der Ge-
schwindigkeit vorgesehen, so wird die vor-
geschriebene Höchstgeschwindigkeit an der
Läutetafel oder an dem Pfeifpflock ersichtlich
gemacht.
Der Abstand des Aufstellungsortes der Tafel
oder des Pflockes von der Wegübersetzung
16'
244
Streckenzeichen. - Stubaitalbahn.
richtet sich nach der zulässigen Fahrge-
schwindigkeit, nach Übersichtlichkeit, nach den
Neigungsverhäitnissen der Bahn sowohl wie
nach jenen des Weges und nach der Dichtig-
keit des Verkehrs auf letzterem. In der Regel
wird ein Abstand von 200 - 300 m gewählt.
Da Läutetafeln nur auf Bahnen mit unbe-
wachten und nicht abgeschrankten Wegüber-
setzungen Aufstellung finden, demnach nur
auf Nebenbahnen, die in der Regel keinen
Nachtbetrieb haben, so ist auch das Beleuchten
der Läutetafeln nur in seltenen Fällen not-
wendig (s. auch Oberwegsignale).
Krüminungstafeln dienen dazu, an Ort
und Stelle Aufschluß über die Lage des Gleises
zu geben. Auf ihnen ist der Bogenhalbmesser,
die Bogenlänge, die vorgeschriebene Spurer-
weiterung und Überhöhung, mitunter auch
der Tangentenwinkel vermerkt. Häufig werden
auch Angaben über die Übergangsbogen bei-
gefügt. Die Krüniniungstafeln werden bei
Bogenmitte oder bei Bogenanfang und Bogen-
ende aufgestellt. Die Kennzeichnung von Bogen-
anfang und Bogenende ist für die Unterhaltung
des Gleises von großem Vorteil. Pollak.
Streckenzugverf ah ren s. Zollverfahren.
Streichschienen s. Leitschienen.
Streiiis s. Arbeitseinstellungen.
Strousberg, Bethel Henry, durch Umfang
und Kühnheit seiner Eisenbahngründungen be-
kannter Unternehmer, geboren 1823 zu
Neidenburg in Ostpreußen, gestorben 1884
in Berlin, war zunächst in England als
Kaufmann und Journalist tätig. Als 1861
ein Konsortium englischer Kapitalisten bei
dem preußischen Handelsministerium um die
Konzession zum Bau der Tilsit-Insterburger
Bahn sich beworben hatte, gelang es ihm, Ge-
sichtspunkte geltend zu machen, die die Ver-
leihung der Konzession herbeiführten. Es war
dies der erste in Deutschland auf dem Grund-
satz der General-Entreprise beruhende Eisen-
bahnbau. Seit 1863 leitete er als Bevollmächtigter
der Gesellschaft den Bau der ostpreußischen Süd-
bahn. Dann übernahm er in rascher Folge für
eigene Rechnung die Ausführung folgender
Bahnen: der Berlin-Görlitzer, rechten Oderufer-
bahn, Märkisch-Posener, Halle-Sorauer und
Hannover-Altenbekener Bahn, ferner der Brest-
Grajewo-, der ungarischen Nordost- und der
rumänischen Eisenbahnen, insgesamt rd. SOOOA/n.
Er wandte, da ihm zur Ausführung so gewaltiger
Unternehmungen weder Kapital noch Kredit
ausreichend zu Gebote standen, das System
an, als Generalunternehmer die Lieferanten
der Bahn durch Aktien zu bezahlen. Er kaufte
ferner die ausgedehnte Herrschaft Zbirow in
Böhmen, Fabriken, Gruben und Hütten, Güter
in der Mark u.s. w. Alle diese Unternehmungen
gerieten schließlich in finanzielle Schwierig-
keiten, die mit einem Besitzwechsel endigten.
Als 1870 die Kupons der Obligationen der
rumänischen Bahnen notleidend wurden, begann
das Gebäude seiner Unternehmungen zu zer-
fallen; er geriet 1875 in Preußen, Österreich
und Rußland in Konkurs, wurde in Moskau,
wohin er sich begeben hatte, verhaftet, nach
jahrelangem Prozeß zur Verbannung verurteilt,
trotzdem aber noch einige Zeit in Schuldhaft
gehalten, so daß er erst im Herbst 1877 nach
Berlin zurückkehren konnte. In der Haft schrieb
er seine Selbstbiographie (Dr. Strousberg und
sein Wirken, Berlin 1876).
Literatur: Außer obiger Selbstbiographie: Korfi,
Bethel Henry Strousberg. Biographisclie Charakte-
ristik. Berlin 1S70; Strousberg, der Eisenbahnkönig.
Stuttgart 1875.
Stubaitalbahn. Meterspurige Lokalbahn
von Innsbruck nach Fulpmes, dem Hauptort des
Stubaitals. Betriebslänge lS'2Ä/ra, größte Stei-
gung 46%, kleinster Bogenhalbmesser 40 m.
Es wird ein Höhenunterschied von 390 m
in der ersten Teilstrecke von 12 km Länge
überwunden. Am Bahnende befindet sich ein
Gegengefälle von 66 m, das in 2 km Strecken-
länge überwunden wird. Diese topographischen
Verhältnisse verursachen die obgenannte, ver-
hältnismäßig große Bahnlänge bei nur 1 1 km
Entfernung der Endpunkte in der Luftlinie.
Zahlreiche Kunstbauten, darunter 2 Viadukte
und 2 Tunnel, sämtlich in Krütnmungen bis
80 m, sind vorhanden.
Die S. ist dadurch bekannt geworden, daß
sie die erste Bahn war, die mit hochgespanntem
Wechselstrom hoher Pulszahl (42) betrieben
wurde. Die Fahrleitung wird von 3 Unter-
werken mit 2500 Volt Spannung gespeist. Dieser
Strom wird in den Motorwagen auf 400 — 500
Volt herabtransformiert. Es sind 4 vierachsige
Motorwagen vorhanden, die mit 4 je SOpfer-
digen kompensierten Serienmotoren System
Winter-Eichberg, Fabrikat der A. E. G.-Union-
Elektrizitätsgesellschaft, Wien, ausgerüstet sind.
Bei der S. wurde auch zum ersten Mal
eine Kettenoberleitung unter ausschließlicher
Verwendung von Porzellan als Isoiiermaterial
ausgeführt.
Die A. E. G.-Union- Elektrizitätsgesellschaft
Wien, die den elektrischen Teil des Baues
ausgeführt hat, hat durch Übernahme des über-
wiegenden Teiles des Prioritätenkapitals den
Bau ermöglicht. Außerdem sind an dem Bau-
kapital von insgesamt 2,650.000 K die anliegen-
den Gemeinden, das Land Tirol und der
österreichische Staat beteiligt.
Stubaitalbahn. - Stückgutbahnhöfe.
245
Den Betrieb führt die Loi<albahn Innsbruck-
Hall i. T. Betriebseröffnung: 1. August 1904.
Der Betriebsüberschuß genügt knapp zur
Verzinsung des Verzugskapitals.
Literatur: L. Th. Schopp, Innsbruck und seine
Bergbahnen. Deutsche Buchdruckerei G. m. b. H.,
Innsbruck, - Dr.-Ing. E. E. Seefehlner, Die Stu-
baitalbahn. Elektr. Kraftbetr. u. B. 1905. - K.Arm-
bruster, Die Tiroler Bergbahnen. Verlag für Fach-
literatur. ' Seefehlner.
Stückgüterzüge (parcel- or pkxe-goods
trains; trains poiir colis; treni colli o bagagli)
sind zur Beförderung von Frachtgutkurswagen
(s. Stückgutkurswagen) bestimmte Nahgüter-
züge. Sie vermitteln den Stückgutverkehr der
Haltestationen des Zuges in der Weise, daß
die Güter in die in den Zug nach einem
besonderen Verzeichnis regelmcäßig eingestellten
Kurswagen (s. d.) ein- und aus ihnen aus-
geladen werden. Um die Aufenthalte nicht zu
sehr auszudehnen, werden für Bahnhöfe mit
größerem Empfang besondere Ortswagen
oder Umladewagen gebildet, die nur Güter
für diesen Bahnhof enthalten und daher ohne
weitere Behandlung aus dem Zug ausgesetzt
werden können. Der Versand größerer Güter-
mengen wird in ähnlicher Weise geregelt.
Da die Zugkraft der Lokomotive durch die
Beförderung der Kurswagen vielfach nicht
ausgenutzt wird, so befördern die S. auch
leere Wagen und Ladungen für die Halte-
stationen und die Endstationen des Zuges,
soweit dieser hierfür eine günstige Gelegen-
heit bietet (s. Güterzüge). Breusing.
Stückgut (parcels; colis marchandises; merce
a colli), im Gegensatz zu „Wagenladung" eine
Frachtsendung, die im einzelnen Fall die Trag-
kraft des zur Verladung verwendeten Wagens
nicht voll ausnutzt und für die deshalb nicht
die Wagenladungssätze, sondern die hohen
Stückgutsätze eingehoben werden. Eine Mittel-
stufe zwischen Wagenladung und S. bildet die
halbe Wagenladung. Man unterscheidet tari-
farisch sperriges und nichtsperriges S., ferner
Fracht- und Eilstückgut (vgl. Gütertarif).
Stückgutbahnhöfe (parcels or packet sta-
tions; gares ä marchandises ; stazioni merci)
sind Bahnhofsanlagen, innerhalb deren solche
Güter abgefertigt werden (s. Güterabfertigung),
die stückweise der Eisenbahn zur Beförderung
übergeben werden. Meist sind diese Anlagen
mit denen für die Abfertigung der Wagen-
ladungen (Rohgutbahnhöfe, s. d., auch Wagen-
ladungsbahnhöfe oder Freiladebahnhöfe ge-
nannt) zu Gesamtanlagen für den Güterverkehr
(Güterbahnhöfe, Ortsgüterbahnhöfe) verbunden.
Da die Grundsätze für die Anordnung von
Gesamtanlagen und von Teilanlagen für Stück-
güter oder für Wagenladungen im wesentlichen
übereinstimmen, so erfolgt hier die Behandlung
ungetrennt.
Die Güterverkehrsanlagen sind auf kleinen
und mittleren Bahnhöfen mit den Personen-
verkehrsanlagen in der Regel zu einem Ganzen
verbunden (s. Bahnhöfe), so daß von einem
besonderen Güterbahnhof nicht gesprochen
werden kann. Auch auf großen Bahnhöfen
findet sich solche Anordnung bisweilen. Meist
bilden aber auf einem großen Bahnhof die
Anlagen für den Ortsgüterverkehr, auch wenn
sie unmittelbar neben den Personenverkehrs-
anlagen oder in deren Nähe liegen, eine für
sich geschlossene Einheit, die mit dem meist
weiter außerhalb gelegenen Verschiebebahnhof
in besonderer, d. h. von den Personengleisen
unabhängiger Gleisverbindung steht.
Außer solchen Güterbahnhöfen, die jedesmal
ein Glied einer gruppierten Gesamtbahnhofs-
anlage bilden, gibt es auch selbständige Güter-
bahnhöfe, die an einen Verschiebebahnhof
unmittelbar angeschlossen oder mit ihm durch
eine kürzere oder längere Anschlußbahn ver-
bunden sind oder als Zwischenstationen an
einer Güterbahn oder an einer dem Personen-
und Güterverkehr dienenden Bahn liegen.
Der Güterbahnhof enthält einmal die zur
Annahme und Verladung, Entladung und Aus-
lieferung, soweit erforderlich auch zur Zwi-
schenlagerung dienenden Anlagen, als Güter-
schuppen (s. d.) nebst anschließenden Lade-
bühnen, Freiladegleise (s. d.), Laderampen (s. d.),
Ladebühnen, Krane, Umladeschuppen u. s. w.
nebst den zugehörigen Abfertigungsräumen
(bei den Güterschuppen meist mit diesen bau-
lich verbunden), ferner aber einerseits die Zu-
fahrtstraßen und Ladestraßen, anderseits die
Zuführungsgleise und Ladegleise sowie Auf-
stellgleise und Verschiebeanlagen. Letztere
nehmen einen um so größeren Umfang an,
je weiter der Güterbahnhof von dem ihn
versorgenden Verschiebebahnhof entfernt ist.
Während sich bei den großen Personenbahn-
höfen gewisse Regelformen herausgebildet
haben (s. Bahnhöfe), ist dies für die Gesamt-
anordnung der Güterbahnhöfe nicht in gleichem
Maß der Fall, einmal weil die für die einzelnen
Zwecke des Güterverkehrs bestimmten Anlagen,
je nach dem Verkehrsbedürfnis, gegenseitig
einen sehr verschiedenen Umfang haben, bis-
weilen auch Anlagen mancher Art ganz fehlen,
oder auch die ganze Anlage nur einem Zweck
(S., Wagenladungsbahnhof) dient, dann aber
auch, weil es in vielen Fällen notwendig und
auch unbedenklich ist, sich mit der Gruppierung
und Entwicklung der den verschiedenen Ver-
kehrszwecken dienenden Bestandteile nach der
Form des verfügbaren Geländes zu richten.
246
Stückgutbahnhöfe.
Gleichwohl kann man für die Ausbildung
der üüterbahnhöfe gewisse Haupterfordernisse
aufstellen:
1. Oute Straßenverbindung zur Stadt, die
möglichst so geführt ist, daß die Straßenver-
bindung zum Personenbahnhof von den Qüterfuhrwerken nicht
belastet wird. Ausreichend breite Ladestraßen und Wendeplätze.
2. Selbständige zweigleisige Verbindung zum Verschiebebahn-
hof, außerdem nach Bedarf Oleisverbindungen zum Personen-
bahnhof oder Abstellbahnhof.
3. Gruppierung der einzelnen Ladeanlagen und ihrer Zu-
stellungsgleise derart, daß die Zu- und Fortführung der Güter-
wagen zu den Teilanlagen einander nicht behindern, aber doch
unter derartiger gegenseitiger Qleisverbindung, daß die Güter-
wagen von der einen zur andern Teilanlage auf möglichst kurzem
Wege und möglichst ohne Behinderung anderer Bewegungen
überführt werden können.
Dies kommt namentlich für das Überführen von auf einer Teilanlage
entladenen Wagen nach einer andern Teilanlage zur Wiederbeladung
oder zum Überführen teilweise beladener Wagen zur Fertigbeladung in
Betracht.
4. Anordnung ausreichender Wechselgleise, Aufstellgleise für
leere, für unerledigte oder erledigte beladene Wagen und Ordnungs-
gleise bei den einzelnen Teilanlagen (s. Freiladegleise, Güter-
schuppen), um jedesmal mit einer Verschiebefahrt vom und zum
Verschiebebahnhof und ohne unnötigen Zeitverlust Güterwagen
auswechseln zu können.
5. Erforderlichenfalls Anordnung von Güterzugein- und -aus-
fahrgleisen nebst einer Verschiebeanlage, auf der die mit den
Güterzügen angekommenen Wagen nach den Hauptteilen des
Güterbahnhofs oder auch nach den einzelnen Ladeanlagen geordnet
werden können.
Dies ist namentlich dann erforderlich, wenn der Güterbahnhof selb-
ständig an einer Güterbahn oder an einer dem Personen- und Güterverkehr
dienenden Bahn liegt, aber auch wenn der V'erschiebebahnhof, an den
der Ortsgüterbahnhof angeschlossen ist, nicht darauf eingerichtet ist, diese
Ordnungsarbeit vorzunehmen, .^n solche Verschiebeanlagen für den ganzen
Ortsgüterbahnhof sollen die Zuführungsgleise zu den Teilanlagen unmittel-
bar und möglichst unabhängig voneinander (s. o.) anschließen.
Zweckmäßig werden alle Gleisverbindungen auf Güterbahnhöfen
durch Weichen vermittelt. Im Ausland, namentlich in England und
Frankreich, finden sich statt dessen vielfach Drehscheibenverbin-
dungen (oder auch Schiebebühnenverbindungen), in England
namentlich oft bei mehrgeschossigen Anlagen im Zusammenhang
mit Aufzügen, die die Güterwagen aus dem einen in das andere
Geschoß befördern. Solche Verbindungen zwingen dazu, jeden
Wagen einzeln zu bewegen, und haben den ferneren Nachteil,
daß sie den Radstand der Wagen nach dem einmal festgelegten
Drehscheibendurchmesser (bzw. der Länge der Schiebebühne)
beschränken.
Ist das verfügbare Gelände langgestreckt und schmal, so muß
man die Teilanlagen hintereinander anordnen, was die Gesamt-
anlage weniger übersichtlich macht und weite Verschiebefahrten
veranlaßt. Übersichtlicher und bequemer ist die Nebeneinander-
anordnung der Teilanlagen auf breitem Ge-
lände, jedoch unter der Voraussetzung, daß
das Gelände nicht zu kurz ist, um die Wechsel-
gleise oder die Einfahr- und Verschiebeanlage
davor anordnen und die Gleisverbindungen
nach allen Teilanlagen mit ausreichenden
Krümmungshalbmessern entwickeln zu können.
Unabhängig davon, ob der Personenbahn-
hof, neben dem ein Güterbahnhof angelegt
ist, Kopfform oder Durchgangsform besitzt,
ergibt sich für einen größeren Güterbahnhof
in der Regel die Kopfform, indem seine Gleis-
anlagen sich aus den vom Verschiebebahnhof
kommenden Zuführungsgleisen, deren Richtung
fortsetzend, in die Breite entwickeln. Wo der
Enzyklopädie!
Tafel VII!.
Ablj.l.
Ubersichlsplan.
lOaO 3DO HOO
G e iP-^
fiiz)Uopäiii= des Fisi-nbahnwesens 2 Aufl IX
Stiickgiitbah nhöfe.
Tafel Vm.
Verlag von Urban üt Schwarzenberg in Berlin u. Wien.
Stückgutbahnhöfe. - Stütz- und Verkleidungsmauern.
247
Personenbahnhof wegen schienenfreien Bahn-
steigzugangs über oder unter Geländehöhe an-
geordnet ist, bietet eine hiervon abweichende
Anordnung des Güterbahnhofs in Gelände-
hohe den doppelten Vorteil der Ersparnis an
Erdarbeiten und der bequemeren Heranführung
der Zufahrtstraßen.
Zur weiteren Verdeutlichung des Gesagten kann
- außer dem Hinweis auf die Art. Freiladegleis,
Güterschuppen — im allgemeinen auf die beim Art.
Bahnhöfe in Taf. V-Vll (Bd. I) gegebenen Beispiele
Bezug genommen werden. Die Bahnhöfe Entwurf
Stuttgart (Taf. VI, Abb. 1) und Pilsen (Taf. Vll,
Abb. 3, 4) zeigen Nebeneinanderanordnung, die
Bahnhöfe Triest der Staatsbahnen (Taf. VII, Abb. 5)
imd Berlin, Stettiner Bahnhof (Taf. VI, Abb. 9)
Hintereinanderanordnung der Teilanlagen. Nur der
letztgenannte ist lediglich S. (zugleich für Eilgut
dienend), die anderen zugleich Wagenladungsbahn-
höfe. Alle besitzen Kopfform, auch Pilsen, wo der
Personenbahnhof Durchgangsform hat. Ein ähnliches
Beispiel bildet der in Taf. VI II wiedergegebene Güter-
bahnhof Darmstadt, der an die beiden neben dem
Personenbahnhof durchgeführten Hauptgütergleise
angeschlossen ist.
Ein Beispiel eines englischen Güterbahnhofs zeigt
Abb. 3S7, S. 453 (Bd. V) beim Art. Güterschuppen.
Das durch die eingezeichneten 3 Aufzüge zugäng-
liche (nicht dargestellte) Untergeschoß hat in der
Hauptsache Drehscheibenverbindungen der Lade-
gleise. Ein ferneres Beispiel eines englischen Güter-
bahnhofs, bemerkenswert durch die weitgetriebene
Ausnutzung eines langgestreckten, in der Breite be-
schränkten Geländes, zeigt Abb. 249 (nach Frahm,
s. Literatur, Abb. 16S auf S. 128).
Literatur: Oder, Hb. d. Ing. W. V, 4, 1, Leipzig
1907, worin zahlreiche weitere Literaturangaben. —
Frahm, Das englische Eisenbahnwesen. Berlin lOU.
Caiier.
Stückgutkurswagen (piece-goods wagons
witlwid special dcstination ; wagons poiir colis
faisantla navette; carri colli facente navetta) smä
Güterwagen, die zur Beförderung von Stück-
gut in bestimmten Zügen (s. Stückgüterzüge)
und auf bestimmten Strecken verkehren und
zur Einladung oder Ausladung oder zur Ein-
und Ausladung der Stückgüter auf der ganzen
vom Zug durchlaufenen Strecke oder auf
einem Teil der Strecke dienen (s. Durch-
gehende Wagen). In den Beförderungsvor-
schriften des DEVV. H. 1 ist die Behandlung der
S. für das Verbandsgebiet einheitlich geregelt.
Hiernach erhalten die S. Beklebezettel mit ein-
heitlichem Aufdruck. Man unterscheidet Eil-
gutkurswagen, Frachtgutkurswagen und
Feuerzeugkurswagen. Jede Verwaltung stellt
für die in ihrem Bezirk verkehrenden S. ge-
trennt nach den vorstehend genannten Gat-
tungen ein Verzeichnis auf, das der Güter-
abfertigung für die Benutzung der Wagen als
Anhalt dient. Die S. erhalten für den ganzen
Verwaltungsbezirk fortlaufende Nummern.
Außerdem werden in dem Verzeichnis ihre
besonderen Aufgaben sowie die zu ihrer Be-
förderung bestimmten Züge mit deren Abfahr-
und Ankunftzeiten für die Anfangs- und End-
station des Wagenlaufs ersichtlich gemacht.
Reicht der Laderaum eines S. nicht aus, so
wird ein Kursbeiwagen gebildet oder es
wird das Gut für eine oder mehrere Stationen
in besonderen Ortswagen untergebracht.
Breusing.
Stütz- und Verkleidungs- (Futter-)
Mauern (retaining walls and revetments; niurs
de soutcnement et miirs de reveiement; muri
di sostegno et muri di rivestimento). Die Be-
kleidung der Böschungsflächen eines Erdkörpers
durch stehende Steinbauten dient entweder
a) der Verkleidung an sich standfähiger
Massen der Einschnitte zur Herbeiführung
eines wirksamen Schutzes der Oberfläche gegen
Verwitterung und Abspülung - Verkleidungs-
oder Futtermauern - oder sie wird nötig
b) zur Stützung von Böschungen, die steiler
sind als die natürliche Böschung der betreffen-
den Erdmasse — Stützmauern. Anlagen der
letzteren Art sind zumeist durch die Notwendig-
keit begründet, Ersparnisse an Geländebreite
zu erzielen entweder wegen zu steiler Neigung
des Geländes, oder wegen der Nähe zu sclionender
Wegezüge, Wasserläufe oder sonstiger Anlagen,
oder wegen des hohen Preises des in Anspruch
zu nehmenden Grundes und Bodens.
Diesem verschiedenen Zweck entsprechend
sind die anzuwendenden Stärken verschieden.
In einfachster Weise kann ein steilerer als
der natürliche Lagerwinkel der Erdmasse für
Schüttungen bereits erreicht werden:
1. durch Steinpackungen (Steinsätze) aus
unbearbeiteten, aber in der Böschungsfläche
möglichst sorgfältig zusammengeschichteten
Steinen. Die hintere Bejrenzung solcher
Packungen ist meist lotrecht, die Vorderfläche
unter 1 : 1 geneigt, die obere Breite nicht unter
h
1-0
. Reichliches Sackmaß, etwa ^^ //, muß
gegeben werden {h = Mauerhöhe).
Steilere Neigungen der Vorderfläche ermög-
lichen
2. Trockenmauern aus mit dem Hammer
bearbeiteten, regelrecht in Verband gesetzten
und möglichst großen lagerhaften Bruchsteinen,
die mit Steinsplittern gegeneinander verzwickt
werden. Die Lagerfugen sind möglichst senk-
recht zur Drucklinie, also an der Vorderfläche
senkrecht zu dieser und von da nach und
nach zur Wagrechten übergehend anzuordnen.
Neigung der Vorderfläche meist 1 : ^/j, im
unteren Teil hoher Mauern besser 1 iVs- bei
niedrigen Mauern - höchstens 6 - 8 ot -
l-Va^Vs; Rückfläche im Auftrag senkrecht,
im gewachsenen Boden etwa gleichgerichtet
248
Stütz- und Verkleidungsmauern.
mit der Vorderfläche. Die Stärke der Mauer
hängt wesentlich von Größe und Lagerhaftig-
keit der Steine ab. Im aligemeinen Kleinst-
maß der Kronenbreite 0-6 m, wo starke Er-
schütterungen in Frage kommen, z. B. bei
Eisenbahnen, erheblich größer. Der Kopf der
Mauer soll der unmittelbaren Einwirkung der
Erschütterungen möglichst entzogen werden.
Beispiele ausgeführter Trockenmauern an Eisen-
bahnen zeigt Taf. IX, Abb. 1—5.
Bei großen Höhen ist eine Hinterpackung
der Trockenmauern mit Steinsätzen zweckmäßig,
jedoch ohne Verband der beiden Steinkörper.
In Dämmen ist die Vorderkante von Trocken-
mauern und Steinsätzen um ein Maß 8 vor die
Böschungsfläche zu legen, das für Stein-
h h
schüttungen zu 8 = ^^ -f ^, für Erdschüttungen
h h
zu ö = 15 "1" 5S angenommen werden kann
(Taf. IX, Abb. 6).
Lagerhaftigkeit und Größe der Steine, vor
allem in der Ansichtsfläche, ist für die Haltbar-
keit der Mauer besonders wichtig. V'on der
Ausfüllung der Fugen mit Erde oder Moos
ist abzuraten, da eine bessere Auflagerung der
Steine hierdurch nicht erreicht werden kann,
die Wasserabführung aber gehindert und das
V'ollsaugen der Fugen mit Wasser nur geför-
dert wird.
Wo gute lagerhafte Steine häufig sind, Sand
aber fehlt, können Trockenmauern zweckmäßig
erscheinen. Die Erfahrungen mit hohen Trocken-
mauern sind indessen nicht allenthalben günstige
gewesen, da die Mauern infolge ungleicher
Druckverteilung und ungleichen Setzens leicht
Ausbauchungen erhalten, die bei großen Höhen
schwierige Ausbesserungen ergeben.
Abtreppungen im Grunde werden der zu
befürchtenden ungleichen Setzungen wegen
besser vermieden.
Koch weitere Einschränkungen in der Neigung
der Vorderfläche — bis zur Senkrechten —
und geringere Stärken — etwa ^/^ — ^/^ der
Trockenmauerabmessungen — gestatten
3. Mörtel mauern aus Bruchsteinen, Beton
und Eisenbeton, seltener aus Hausteinen oder
Ziegeln. Gemischtes Mauerwerk mit Verblendung
aus Hausteinen oder Ziegeln ist des verschiedenen
Setzens wegen nicht zu empfehlen. Es sind
entweder volle Mauern mit gleichmäßig durch-
gehendem Querschnitt oder zur Baustoff-
ersparnis aufgelöste, gegliederte Bauwerke mit
ebenen oder gekrümmten Schilden zwischen
einzelnen Schäften anzuwenden.
Verkleidungsmauern werden meist mit vollem
Querschnitt ausgeführt (Taf. IX, Abb. 8).
a) Volle Mauern am zweckmäßigsten mit
geradlinig begrenzter, unter 1:5- 1:6, nach Be-
darf auch steiler geneigter Vorderfläche (Taf. IX,
Abb. 9). Die Rückfläche wird nach dem Ver-
lauf der Stützlinie begrenzt, im Teil über
Gelände meist der leichteren Ausführung wegen
lotrecht, im gewachsenen Boden \ielfach gleich-
gerichtet mit der Vorderfläche. Mauern mit
lotrechter Vorder- und Hinterfläche (Taf. IX,
Abb. 10) sind wenig vorteilhaft, weil viel Baustoff
erfordernd. Muß auf lotrechte Vorderfläche
Wert gelegt werden, so ist zur Querschnitts-
verringerung die Rückfläche geneigt anzuordnen
(Taf. IX, Abb. 11). Verkleidungsmauern werden
an der Rückfläche oft in gleichem Sinne geneigt
wie an der Vorderfläche (Taf. IX, Abb. 12).
Im Querschnitt gekrümmte Mauern sind
wegen der hohen Herstellungskosten jetzt nur
selten angexs'endet; der .Mehraufwand an Arbeits-
lohn, den sie erfordern, übersteigt die Kosten des
bei geraden Querschnittsbegrenzungen mehr er-
forderlichen Mauerwerks gewöhnlich wesentlich.
Die Mauern sind mit möglichst geringem
Aufwand von Baustoff durchzubilden, ihre Stärke
ist unter Berücksichtigung des auf sie wirkenden
Erddrucks (s. d.) zu ermitteln und ihre Ab-
messungen sind hiernach statisch zu begründen.
Für erste Annahmen kann zu gründe gelegt
werden:
b (mittlere Mauerstärke) = 0'29 h (Mauer-
höhe) bei trockener wagrechter Hinterfüllung;
b =^ 0'33h für gewöhnliche X'erhältnisse und
nicht zu nasse Hinterfüllung;
b = 0-43 h für tonige oder lehmige, zur
Rutschung neigende Hinterfüllung.
Intze gibt die Mauerdicke .y in beliebiger
Tiefe h unter der Mauerkrone mit:
x = 0-32h + 0-0 1 1 h- für trockenen und mit
a: = 0-40A— 0-016 //= für nassen Hinter-
füllungsboden.
Bei einem Anlauf der Vorderfläche von
1 : ■■ '5 - ^ 'g und bei lotrechter hinterer Begrenzung
kann die erforderliche Kronenbreite a^ für
Mauern zur Stützung von Dammkörpern (Taf. IX,
Abb. 13) zu 0-45 + 0-30-Ä - 0-1 -^(1- 1^)2,
für Mauern zur Stützung von gewachsenem Boden
(Taf. IX, Abb. 14) zu
0-30 -r 0-27 -A - 0-I-Ä(l
angenommen werden.
Liegen hinter der Mauer Steinsätze von
mindestens gleicher Stärke wie diese und nach
rückwärts geböscht, so kann die Stärke der
Mauer um 5 — 8 "^ verringert werden. Kleinst-
maß der Kronenbreite bei Bruchstein 0"5 - 0*6 m,
bei Ziegel 2 Steinlängen, bei Beton 0"3 — 0'4 m.
Beispiele ausgeführter Mauern vgl. Taf. IX,
Abb. 7, 15, 16, 21, 22.
3A
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. ;
Abb. 19. Querschnitt.
1^,01/
Abb 21.
Verl«g von Urban U Schwarzenberg
Tafel IX.
>«
s
Abb. 26. Onindsclinttt.
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
Stütz- und Verkleidungsmauern.
Tafel IX,
»r^^i'H^.vl'f
r-7'1'
Abb 21 Abb. 22.
Verlag von Urban & Schwarzenberg ln(Berlln u.j.Wlcn.
Abb. 26. Orundschnl«,
stütz- und Verkleidungsmauern.
249
Einfach gestaltet sich die zeichnerische Unter-
suchung des zunächst nach den vorstehenden
Anhalten anzunehmenden Mauerquerschnitts.
Vorausgesetzt sei, daß der angreifende Erd-
druck E (s. d.) auf die irgendwie gestaltete
Rückwand nach Größe, Richtung und Angriffs-
punkt gegeben sei. Dann setzt sich dieser
(Taf. IX, Abb. 17) mit dem Gewicht P der
Mauer zu einer Mittelkraft R zusammen, deren
Richtung die Bodenfuge des Mauerquerschnitts
bei / schneidet.
Die Standsicherheit der Mauer ist alsdann
an die Bedingungen geknüpft, daß
1. der durch die lotrechte Seitenkraft V der
Mittelkraft R erzeugte Bodendruck in der Sohle
die zulässigen Grenzen nicht überschreiten darf;
2. die wagrechte Seitenkraft H der Mittel-
kraft R bei frei, ohne Mörtelverbindung u. dgl.
in der Sohle gestützter Mauer so viel kleiner
sein muß als der durch V erzeugte Reibungs-
widerstand K-tg cp, daß die Sicherheit der Mauer
gegen Verschieben mindestens l^'j — 2fach wird;
3. in keinem Punkt des Mauerquerschnitts
die zulässige Fugenspannung überschritten wird,
auch dann nicht, wenn die Mauer noch nicht
hinterfüllt ist, damit sie auch ohne Erddruckwir-
kung standfähig ist.
4. der Angriffspunkt der Mittelkraft im all-
gemeinen nicht aus dem mittleren Drittel der
Fugenbreite heraustritt, demnach Zugspannun-
gen im Mauerwerk in der Regel nicht auftreten.
Ausnahmen sind zur Erzielung einer zweck-
mäßigen Ausgestaltung der Mauervorderfläche
und einer ausreichenden Unterstützung des
Mauerschwerpunktes nicht immer zu vermeiden,
namentlich nicht in der Bodenfuge, aber mög-
lichst zu beschränken.
Werden für eine Reihe aufeinanderfolgender
Fugen die Erddrücke auf die Hinterflächen
der einzelnen Mauerabschnitte ermittelt und mit
den Gewichten der Mauerkörper zwischen diesen
Fugen mittels eines Krafteckes zusammengesetzt,
so findet sich die Mittelkraftlinie für die
Stützmauer (Taf. IX, Abb. 23), mit deren Hilfe
die Mauerwerksspannungen und der Boden-
druck in den Kantenpunkten der einzelnen Fugen
, , ^, • u u K-IOOO bVx- 1000
nach der Gleichung ^=iööTy+ iqq.^»
berechnet werden können {b = Fugenbreite).
Statisch würde unter sonst gleichen Um-
ständen diejenige Form die günstigste sein, bei
der die Mittelkraftlinie für die maßgebende
Belastung durch die Mitte aller Fugen verläuft.
Das würde im allgemeinen einen Querschnitt
mit gekrümmten Begrenzungen ergeben, der
zwar die geringste Mauerwerksmasse erfordern
würde, aber deshalb noch nicht die wirtschaft-
lich richtigste I^orm darzustellen brauchte, weil
die Herstellung krummer Wände mehr Arbeits-
lohn kostet als die gerader oder gebrochener
Wände.
Das Mauerwerk der Stützmauern ist gleich-
mäßig herzustellen; Lagerfugen senkrecht zur
Vorderfläche, bei starken Mauern allmählich in
die Wagrechte übergehend. Möglichst großes
spezifisches Gewicht, guter Verband und gutes
Lager der Steine, kräftige Binder, große Kopf-
steine in der Ansichtsfläche, guter Schluß der
Fugen in der Vorderfläche mit Zementmörtel.
Das Fundament - in Erde 0-8- l'O m unter
Bodenfläche — ist sorgfältig gegen Gleiten
und Unterspülen zu sichern. Zur Abführung
des sich hinter der Mauer ansammelnden
Wassers sind Entwässerungskanäle von etwa
10X15 cm Querschnitt oder Röhren von
wenigstens 5 cm Durchmesser an richtiger Stelle
vorzusehen und an der Rückseite mit wasser-
durchlässigem Geröll zu umpacken. Bei zu er-
wartender größerer Feuchtigkeit 50 — 90 cm
starke Steinpackung hinter der Mauer mit
einer Sickerrinne längs des Fußes. Hinterfüllung
sorgfältig und gleichmäßig in nahe wagrechten,
nicht zu starken, gut anzustampfenden, keines-
falls gegen die Mauer abfallenden Schichten
mit Massen, die möglichst wenig Druck ver-
ursachen — Sand, Kies, Gerolle, Geschiebe.
Kopf der Mauer möglichst widerstandsfähig,
am besten aus einer kräftigen Rollschicht von
ausgesuchten Steinen zu bilden, bei Backsteinen
wohl auch, wenn Rollschichten und kräftige
Platten aus natürlichen Steinen schwer zu be-
schaffen sind, aus Backsteinrollschichten. Schwä-
chere Platten leisten nicht genügenden Wider-
stand gegen das Abschieben.
Die Hinterfläche der Mauer ist mit Mörtel
auszuschweißen und mit einem Anstrich von
Teer und Asphalt zu versehen, bei Betonmauern
auchwohldurch2 - 3 Lagen von aufzuklebendem
Asphaltfilz oder von Asphaltpappe gegen das
Eindringen der Bodenfeuchtigkeit zu schützen.
Bei in Kalkmörtel hergestellten Mauern ist
zu empfehlen, das Mauerwerk einige Wochen
unverfüllt stehen zu lassen, damit es genügend
austrocknen kann.
Bei rutschenden, gefährlichen Lehnen kann
es zweckmäßig sein, etwa nötig werdende Ein-
schnittsstützmauern vor der Aushebung der
Einschnittsmassen aus einzelnen Schäften zu
bilden, die in bergmännisch abzusenkenden
Schächten aufgemauert werden.
Ä^Aufgelöste (gegliederte) Mauern können
durch Schwierigkeiten der Gründung veranlaßt
sein, die es wünschenswert erscheinen lassen,
nur einzelne Pfeiler entsprechend zu gründen
und die Mauer entweder auf Grundbögen zu
stellen oder den Raum zwischen den hoch-
250
Stütz- und Verkleidungsmauern. - Stufenbahnen.
geführten Pfeilern durch Gewölbe mit wag-
rechter, senkrechter oder schräger Achslinie zu
schließen. Sie können auch bedingt sein durch
das Streben nach Verringerung der .Wauermasse,
wenngleich hiermit heutzutage nur in seltenen
Fällen sehr teurer Baustoffe eine Verringerung
■'£p<iCp[aHt
Abb. 250.
Abb. 251.
Abb. 252.
Abb. 253.
i:iO0.
der
T
V
Querschnitt.
-I.t ^><— «,#
E
I
s^--
^
siiiiim
1^
Kosten verknüpft
sein wird, die über-
dies auch stets mit einer
Erhöhung der Unter-
haltungskosten bezahlt
werden muß. Indessen
können dessenungeach-
tet ausnahmsweise sta-
tische Gründe, nament-
lich bei hohen jWauern
(10-15 m) solche
Planungen zweckmäßig,
wenn auch nicht billig,
erscheinen lassen (vgl.
Taf. IX, Abb. 18, 24,
25). In Einzelfällen, z. B.
bei der Hochlegung von
Eisenbahnen im bebau-
ten Stadtgebiet, kann
auch das Streben nach
Gewinnung nutzbaren
Raumes unter der Eisen-
bahn zu einer solchen
Auflösung in weitgehen-
dem Maß Veranlassung
geben (Taf. IX, Abb. 19,
20, 26). In der Bauweise selbst begründet ist
sie bei allen Stützmauern aus Eisenbeton, die
ihrem Baugrundsatz nach aus einzelnen Schäften
bestehen müssen, zwischen die sich biegungs-
fest mit jenen verbundene, lotrechte und wag-
rechte Platten einschieben (Abb. 250 — 254).
Literatur: v. Kaven, Stützmauern und Steinbe-
kleidungen. Dresden 1882. - Haeseler, Konstruk-
tion der Stütz- und Futtermauern. Hb. d. Ing. Vt'.
Leipzig, Bd. I, 2. Teil, 5. Kapitel. - .Müller, Breslau,
Erddruck auf Stützmauern. Stuttgart 1Q06. Lucas.
Stufenbahnen (moving platforms; plate-
fortnes mobiles; piattafonne mobile) werden
Bahnen genannt, wobei 2 oder mehrere, mit
kleinen Höhenunterschieden von etwa 10 cm
dicht nebeneinander liegende Plattformen, die
geschlossene Ringe von beliebiger Grundriß-
form bilden, so bewegt werden, daß die erste,
an den feststehenden Bahnsteig anschließende
mit der Geschwindigkeit des Fußgängers von
3-5 km, Std., die übrigen Plattformen nach-
einander folgend mit der 2-, 3-, 4- und mehr-
fachen der angegebenen Fußgängergeschwin-
digkeit dauernd und so bewegt werden, daß
die Reisenden gehend von der ersten bis auf
die letzte, mit der größten Geschwindigkeit
bewegte Plattform und vor Beendigung der
Reise umgekehrt von der letzten allmählich
bis auf den festen Bahnsteig ohne Gefahr ge-
langen können.
Die letzte Plattform kann für längere Fahrten
auch mit Sitzen versehen und gedeckt sein.
Nach der ursprünglichen Anordnung wurden
die einzelnen Plattformen durch Vermittlung
von Drahtseilen bewegt, während bei späteren
üruiidiiß
Abb. 254.
Abb. 255.
Ausführungen nach Abb. 255 auf einer durch-
laufenden .^chse A die mit wachsendem Durch-
messer angeordneten Räderpaare der einzelnen
Plattformen P aufgekeilt wurden, auf .denen
sie mittels biegsamer Schienen verbunden
werden, die sich auf dem Radumfang abwickeln
und daher infolge zunehmenden Durchmessers
größere Geschwindigkeit erreichen lassen.
Der Antrieb erfolgle hierbei elektrisch.
Da Wege- und Straßenkreuzungen in Bahn-
höhe undurchführbar sind, so müssen diese
Bahnen, falls solche Kreuzungen erforderlich
sind, als Hoch- oder Tiefbahnen ausgeführt
werden. Die S., die von den Gebr. W. und
H. Rettig erfunden wurde, ist in abgeänderten
Formen auf den Ausstellungsplätzen in Chicago
1893, dann in Berlin 1896 und in Paris 1900
ausgeführt worden.
Die Pariser S. hatte j-Akm Länge und 1 1 Sta-
tionen; sie wurde auf Grund von Versuchen
auf einer in Saint Ouen bei Paris ausgeführten
Probestrecke von 400 m Länge ungefähr in der
aus Abb. 256 ersichtlichen Weise mit 2 Platt-
formen erbaut.
stufenbahnen. — Subventionen.
251
Der feste Bahnsteig hatte M m, die erste,
mit 3-5 - 4-0 Ä/«/Std. "bewegte Plattform \-Q m,
die zweite, die 7'0 - S'O Ä/n'Std. Geschwindig-
keit erreichte, 2 m Breite. Der Antrieb erfolgte
elektrisch. Zur Unterstützung dienten Eisen-
träger, die zur Verminderung des Geräusches
von Holzjochen gestützt wurden.
Das Leergewicht der beiden zu bewegenden
Plattformen dürfte ungefähr 1170/ betragen
haben.
Bei 7 ktiij Std. Geschwindigkeit der äußeren
Plattform und Besetzung mit 15.000 Personen
war der Kraftverbrauch etwa 330 Kilowatt, was
sehr gering ist gegenüber dem Verbrauch der
elektrischen Straßenbahnen für die gleiche Zahl
von Personen.
Die Kosten der 3'Akin langen Bahnen werden
mit 2-8 Mill. M., daher für den laufenden m mit
800 M. angegeben.
Für Paris wurde sodann eine 10^/« lange
Untergrundbahn als S. geplant. Auch für New
York wurde nach den Plänen von Schmidt
& Galiatin eine vierstufige Bahn mit größter
Geschwindigkeit der vierten Plattform mit
14"5 /;/«/Std. in Aussicht genommen und nach
Stevenson eine S. mit 19 km/ Std. Größtge-
schwindigkeit, auf der in der Stunde 84.000 Per-
sonen befördert werden könnten.
Als Vorteile der S. sind hervorzuheben die
große Betriebssicherheit, die Vermeidung der
Aufenthalte und Ansammlung der Reisenden
auf den Stationen, daher großer Massenverkehr
bewältigt werden kann; das leichte Verlassen
der Bahn im Fall eines Stillstands, das geringe,
auf den Reisenden entfallende tote Gewicht
und die günstige Ausnützung der Betriebs-
kraft; dagegen sind als Nachteile anzusehen
die großen Anlagekosten, namentlich infolge
der Aufrechthaltung des Querverkehrs und der
großen zu bebauenden Fläche, die Stillegung
des ganzen Betriebs bei Eintritt einer Störung
und der Umstand, daß der volle Betrieb auch
in den Stunden schwachen Verkehrs aufrecht
erhalten werden muß.
Bisher haben die S. keine weitere Verbreitung
gefunden.
Literatur: Die Stufenbahn nach amerikanischem
System. Leipzig 1896, Verlag Oeidel. - Kollmann,
Das Verkehrswesen der Weltausstellung in Paris 1000.
Ztschr. dt. Ing. 1900. - Die Stufenbahn. Railr. gaz.
1904: Railway Age 1904; Gen. civ. 1899. - W.
u. H. Rettig, Patient für eine Stufenbahn. 1888. -
Stufenbahn auf der Berliner Ausstellung. Glasers
Ann. 1S96, Dolczalek.
Stuhlschienen (chair-rails; rails ä Cham-
pignon, rails ä coiissinet; rotai a doppio fiingo),
Schienen mit doppelkopfförmigem Querschnitt,
die in gußeisernen Unterlagen (Stühlen)
mittels Keilen befestigt werden (s. Oberbau).
Stumpfgleis, Stutzgleis (dead-end siding ;
voie en cid de sac; binario cieco o morto),
Gleis, das nur von einem Ende her Weichen-
anschluß hat, am andern Ende durch einen Prell-
bock abgeschlossen ist. Gleise, die zwar auch
nur von einem Ende her Weichenanschluß
besitzen, am andern Ende auf eine Dreh-
scheibe, Schiebebühne, die Landebrücke einer
Fähranstalt u. s. w. ausmünden, pflegt man
nicht als S. zu bezeichnen. Cauer.
Stundengelder s. Fahrdienstgebühren.
Stundenpaß s. Fahrbericht.
Subventionen, im weitesten Sinn Unter-
stützungen jeder Art, die an Privatbahngesell-
schaften seitens des Staates, der Provinzen, Ge-
meinden, anderer öffentlicher Körperschaften
oder auch Privater bei der Kapitalbeschaffung
gewährt werden. Gewöhnlich versteht man unter
S. kurzweg die weitaus am häufigsten vorkom-
menden Staatssubventionen. Mit Ausnahme Eng-
lands hat sich in allen Staaten, die nicht vorweg
das Staatsbahnsystem annahmen und insolange
sie nicht zu letzterem übergingen, die Notwendig-
keit ergeben, die Aktiengesellschaften, denen die
Ausführung der Eisenbahnen übertragen wurde,
durch S. zu unterstützen.
Die Begründung der staatlichen S. liegt zu-
nächst in der Differenz zwischen der direkten
und indirekten Rentabilität der Eisenbahnen.
Vielfach reicht die direkte Rentabilität, der von
den Aktionären aus dem Betrieb der Bahn zu
ziehende Gewinn, nicht hin, um die Kapitalisten
zur Anlage ihrer Kapitalien in dieser Weise zu
bewegen. Will nun der Staat nicht auf die
Vorteile, die nicht genügend rentierende Bahn-
linien in volkswirtschaftlicher, politischer und
strategischer Beziehung bieten, verzichten, so
252
Subventionen.
bleibt nichts übrig, als eine entsprechende
Unterstüt/ung zu gewähren und so das Kapital
heranzuziehen, wenn der Staat nicht selbst den
Bau und Betrieb der Bahnen übernehmen kann
oder will.
Die gewährten S. sind in den einzelnen Län-
dern nach Umfang, Höhe und Methode außer-
ordentlich verschieden. Während Österreich,
Frankreich, Italien, Spanien und Rußland in
großem Maßstab S. gewährten, blieben diese
in den meisten deutschen Staaten ziemlich be-
schränkt, teils wegen des Vorherrschens der
Staatsbahnen, teils aber auch wegen einer ge-
wissen Abneigung gegen das ganze System.
Was die Methoden der S. anbelangt, so ist
zunächst zu unterscheiden zwischen den posi-
tiven und negativen S. Positive S. sind jene,
die in einer direkten vermögensrechtlichen
Leistung zu gunsten der zu unterstützenden
Bahngesellschaft bestehen, während bei nega-
tiver S. die betreffenden Gesellschaften von ge-
wissen, ihnen sonst obliegenden Lasten, also
namentlich Steuern, befreit werden. Unter den
positiven S. sind wieder solche zu unterscheiden,
die ohne eine unmittelbare Gegenleistung der
Gesellschaft, also gewissermaßen ä fonds perdu
gewährt werden, und solche, bei denen im
bestimmten Verliältnis zur gewährten S. ste-
hende Gegenleistungen der Gesellschaft bedun-
gen werden. Die einfachste Form der S. der
ersten Art bilden die Landschenkungen.
Diese erfolgen entweder in geringem Umfang,
beschränkt auf die für den Bau selbst not-
wendigen Grundstücke, wo sie dann zumeist
von Bezirken, Gemeinden oder Privaten ge-
leistet werden. Oder aber es werden der Ge-
sellschaft große Landstrecken zur Verfügung
gestellt, was freilich nur dort möglich ist, wo
unbesiedeltes Land vorhanden ist. In großem
Umfang wurde diese Art der S. angewendet
in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo
vom Kongreß der „Land-grants" für die Pacific-
Linien großartige Landschenkungen bewilligt
wurden (s. Art. Grant).
Eine andere Subventionsmethode mit Natural-
leistungen wurde durch das Ges. vom 11. Juni
1842 in Frankreich eingeführt. Darnach stellte
der Staat den ganzen Unterbau und die Hoch-
bauten her, wobei Departements und Gemein-
den 2^3 der Kosten der Grundeinlösung
tragen mußten. Der Gesellschaft erübrigte nur
die Legung des Oberbaues und die Beschaffung
des Betriebsmaterials. Die kurze Dauer der
Konzessionen (50 Jahre) und der Anteil des
Staates an den Reinerträgnissen bot kein ent-
sprechendes Entgelt für die enormen Kosten
dieser Subventionsmethode, und sie wurde
schon 1845 aufgegeben.
Zu den S. ä fonds perdu gehört endlich noch
die Gewährung von Baukostenbeiträgen ohne
Rückzahlung, sei es, daß diese Beiträge in einer
Pauschsumme für die ganze Bahn oder nach
der Längeneinheit bestimmt werden, oder daß
ein prozentueller Anteil der wirklichen Baukosten
vom Staat getragen wird. Diese Methode wurde
in größerem Umfang namentlich in Frankreich
und Spanien, in geringerem Maß in Deutsch-
land und Österreich angewendet. Auch die von
Deutschland, Italien und der Schweiz gemeinsam
gewährte S. für die Gotthardbahn wurde in
dieser Weise veranlagt, wobei auch deutsche
Privatbahnverwaltungen Beiträge leisteten.
Im Gegensatz zu den bisher erwähnten
Subventionsformen stehen jene, bei denen die
subventionierte Gesellschaft nicht nur natur-
gemäß einer erweiterten Staatsaufsicht unter-
worfen, sondern auch verpflichtet wird, die
erhaltene S. in irgend einer Form rückzuer-
setzen. Dahin gehören nun die Darlehen und
Bauvorschüsse in ihren \erschiedenen Formen,
dann aber in den meisten Fällen auch die Er-
trags- oder Zinsengaranfie (s. Ertragsgarantie).
Die Modalitäten, unter denen Darlehen an
Eisenbahngesellschaften gewährt wurden und
noch werden, sind außerordentlich verschieden.
Ihre Höhe wird entweder im ganzen bestimmt
oder auch nach einer Finheitssumme i.d.km.
Sie werden weiters entweder unverzinslich
oder verzinslich gewährt. Die Rückzahlung
erfolgt entweder zu bestimmten Fiisten oder
auch nur nach Maßgabe der Betriebsüber-
schüsse. Die verzinslichen Vorschüsse erfolgen
wieder entweder ohne besondere Formen
oder gegen Übernahme eines Teiles der aus-
gegebenen Aktien oder Prioritäten, gewöhnlich
unter Verzicht auf einen Teil der Verzinsung.
Die Übernahme von Aktien ist zwar streng
juristisch nicht zu den Anlehen zu zählen, hat
aber doch zumeist eine wesentlich gleiche
Wirkung. Die Gewährung von Darlehen ohne
Übernahme von Titres findet sich zumeist in
Frankreich, wo ja überhaupt die verschiedenen
Subventionsmethoden am meisten entwickelt
sind, und in Spanien. In Preußen war namentlich
die Übernahme von Aktien seitens des Staates
beliebt. Sie erfolgte beispielsweise bei der Köln-
Mindener, der niederschlesischen (Frankfurt-
Breslau), der oberschlesischen (Aktien lit. B),
der Stargard-Posener Bahn (^Z, des Aktien-
kapitals), bei der Thüringer Bahn, der Bergisch-
märkischen, der Berlin-Anhalter, der Berlin-
Hamburger und bei der Berlin-Stettiner Bahn.
In großem Maß wurde die Anlehensmethode
in Osterreich angewendet, u. zw. zumeist in
solchen Zeiten, wo die Beschaffung der Mittel
infolge der Verhältnisse des Geldmarktes sehr
Subventionen. - Südnorddeutsche Verbindungsbahn.
253
erschwert war. So 1859 Kaiserin-Elisabeth-Bahn,
1866/67 Franz Josefsbahn, böhmische Nord-
bahn, Kronprinz-Rudolf-Bahn (durchwegs Bau-
vorschüssegegen Aktien), später I'ilsen-Priesener,
Buschteiirader, ungarisch-galizische, Prag-Duxer,
niederösterreichische Südwestbahnen u. s. w.
(Anlehen teils gegen Aktien, teils gegen Priori-
tätsobligationen). In großem Maßstab erfolgte
die Übernahme von Aktien und Obligationen
durch den Staat auch in Rußland.
In den Ländern, in denen das Staatsbahn-
system vorherrscht, und auch anderwärts erfolgt
in neuerer Zeit die Erteilung von S. fast aus-
schließlich nur mehr für Bahnen untergeordneter
Bedeutung (s. Art. Lokalbahnen).
Sudan s. Ägypten.
Südafrikanische Bahnen s. Britisch-
Südafrika.
Südafrikanische Union s. Britisch-Süd-
afrika.
Südaustralien, englische Kolonie, zum
australischen Bund (common wealth of Australia)
gehörig, 2,3A\.b\l krn^, 434.000 Einwohner.
Landgrenzen: Westaustralien, Queensland, Neu-
südwales, Victoria, im Süden der Indische Ozean,
an dem auch die Hauptstadt Adelaide liegt.
Die erste Eisenbahn von City of Adelaide nach
Port Adelaide wurde am 21. April 1854 eröffnet
und im folgenden Jahr von Adelaide nach Salis-
bury, im Jahre 1860 bis Kapanda fortgesetzt.
Die meisten Bahnen sind Staatsbahnen;
ihre Entwicklung ergibt sich aus folgender
Tabelle''. Außer den Staatsbahnen besteht eine
von ihnen am I.Januar abgetrennte Bundesbahn
von Port Augusta nach Oodnadatta (769 km).
Die einzige, in S. früher vorhandene Privatbahn
von Palmerstone nach Pine Creek (234 km) ist
gleichfalls am I.Januar 1911 in das Eigentum
des Bundes übergegangen. Der Betrieb dieser
Bundesbahnen ist an die Staatsbahnen ver-
pachtet.
Von den im Jahre 1913 vorhandenen Staats-
bahnen sind 1 163 km breitspurig (Lö m) und
1566 Ä/« haben die schmale (Kap-) Spur von
P067 m. Die Bundesbahnen sind schmalspurig.
Seit langer Zeit schweben 2 Pläne zur
Erschließung von S. durch 2 große Überland-
bahnen. Die eine, die Nordbahn, soll Austra-
lien von Norden nach Süden durchqueren
und die Häfen Port Darwin und Port Augusta
verbinden. Im Zusammenhang mit diesem
Bahnbau steht der Übergang der beiden vorer-
wähnten Bahnen in das Eigentum des Bundes.
Zu bauen ist noch die Strecke Pine Creek (im
Norden) nach Oodnadatta (Süden). Bei dem zwei-
ten Plan handelt es sich um eine Bahn, die den
Südwesten Australiens (Perth) mit dem Südosten
(Melbourne) verbinden soll. Von dieser Bahn
wäre noch die Strecke von Kalgoorlie nach Port
Augusta zu bauen. Durch den Bau dieser beiden
Bahnen würde das australische Eisenbahnnetz um
3529 km vergrößert. Wie weit diese Pläne aus-
geführt sind, ist nicht bekannt (vgl. Proposed
transcontinental Railway from Kalgoorlie to Port
Augusta, Melbourne 1903; Arch. f. Ebw. 1904,
S. 447/48). v.derLeyen.
Entwicklung der Staatsbahnen 18S0-1913.
Jahr
Länge
km
Anlagekapital
Einnahmen Ausgaben
ÜberschuS
Betriebszahl
Verzinsung
1880
1890
1900
1905
1911
1912
1913
731
2591
2794
2809
3076
2345
2719
3,073.388
10,302.472
13,070.087
13,587.406
14,352.602
13,644.155
14,178.485
369.845
1,043.878
1,166.987
1,273.321
1,840.399
2,090.563
2,222.431
242.527
529.005
657.841
736.796
1,069.140
1,293.987
1,398.775
514.473
509.146
536.530
771.259
796 516
828.611
50-68
56-37
57-86
6066
61-89
62-71
5-03
3-91
3-95
5-37
6-05
5-84
Südnorddeutsche Verbindungsbahn
(285'073 km), in Böhmen gelegene, eingleisige,
normalspurige Hauptbahn, ehemals Privatbahn
mit dem Sitz in Wien, seit 1908 gleichzeitig
mit der österreichischen Nordwestbahn (s. d.),
die (seit 1869) bis zu diesem Zeitpunkt auch
'den Betrieb der S. geführt hatte, vom Staat
' Die Zahlen sind nicht unmittelbar vergleichbar,
weil das Jahr, für die sie in der amtlichen Statistik
aufgestellt sind, wiederholt gewechselt hat. Der Rück-
gang in der Länge u. s..w. von 1911 auf 1912 hat
seine Gründe in dem Obergang der Strecke Port
. Augusta-Oodnadatta in den Besitz des Bundes.
angekauft und am 1 5. Oktober 1 909 in Staats-
betrieb übernommen. Die S. umfaßt die eigenen
Linien Pardubitz-Reichenberg-Reichsgrenze bei
Tschernhausen (200-1 06 A/n), Josefstadt-Reichs-
grenze bei Königshan (62-552 km), Eisenbrod-
Tannwald (17'72I km) und die gepachteten
Strecken Reichsgrenze bei Tschernhausen-
Seidenberg (2-066 km) und Reichsgrenze bei
Königslian-Liebau (2-628 km).
Die Stammstrecke der S. ist die Linie
Pardubitz-Reichenberg. Die Konzession für den
Bau und Betrieb dieser Bahn einschließlich einer
254
Südnorddeutsche Verbindungsbahn. - Szämostalbahn.
Flügelbahn von Jaromef und Schwadowitz er-
folgte 1856 unter Zusicherung der staatlichen
Zinsengarantie. Die Eröffnung des Betriebs
erfolgte 1857-59. 1865 erhielt die Gesellschaft
die Konzession für die Bahn von Schwadowitz
nach Königshan (eröffnet 1868). 1868 wurde
der S. und Konsorten die Konzession der öster-
reichischen Nordwestbahn verliehen, die 1871
an die Gesellschaft der österreichischen Nord-
westbahn (s. d.) überging. 1872 erfolgte die
Konzessionieriing der Linie Reichenberg-Reichs-
grenze bei Seidenberg nebst der Flügelbahn
Eisenbrod-Tannwald, gleichfalls unter Zu-
sicherung der Zinsengarantie. Die Eröffnung
der Linien Reichenberg-Seidenberg und Eisen-
brod-Tannwald hat 1875 stattgefunden. 1888
bzw. 1889 übernahm die S. den Betrieb der
Lokalbahnen Reichenberg-Gablonz und Königs-
han-Schatzlar. Auf Grund des mit Ges. vom
27. März 1909 genehmigten Übereinkommens
vom 21. Oktober 1908 erwarb die Staatsver-
waltung das gesamte Vermögen der S., ins-
besondere das Eigentum an den konzessionierten
Linien und übernahm anderseits alle Lasten,
hauptsächlich die Anlehen (Restbetrag aus der
Beteiligung der S. mit ursprünglich 63 Mill. K
an der Lotterieanleihe der österreichischen
Kreditanstalt für Handel und Gewerbe), ferner
die noch nicht getilgten Obligationen des von
der S. 1892 aufgenommenen Prioritätsanlehens
von ursprünglich 48 Mill. K. Außerdem gewährte
dieStaatsverwaltungfür jede Aktie den Umtausch
gegen den Nennbetrag von 425 K, für jeden
Genußschein den Umtausch gegen den Nenn-
betrag von 1 5 K in auf 400 K oder ein Vielfaches
hiervon lautende, zu 4% verzinsliche Eisenbahn-
staatsschuldverschreibungen.
Sumatra, Eisenbahnen. S. ist die zweit-
größte der Großen Sundainseln, durch die
Malakkastraße im NO. von der Malayischen
Halbinsel, durch die Sundastraße im S. von
Java geschieden; 433.795 km^, etwa 3,6 Mill.
Einwohner. Das Land wird in seinem westlichen
Teil von einer wilden Gebirgskette durchzogen.
Die Osthälfte ist eine sumpfreiche, von vielen
z. T. schiffbaren Flüssen durchzogene Ebene.
Die erste Eisenbahn an der Westküste von
Port Emma und Padang nach Fort de Kock
mit einer Abzweigung von Kubu-Puding nach
Lunto (179,5 /fem)" ist am I.Juli 1891 eröffnet
worden. Sie ist zur Förderung der Ausbeute
der reichen Ombilien-Kohlenfelder gebaut wor-
den, eine gemischte Reibungs- und Zahnstangen-
bahn nach System Riggenbach. Spurweite
1,067/«. Eine zweite kleinere Eisenbahn führt
an der Ostküste von Deli-Bag an der Mün-
dung des Deliflusses in das Innere des Landes,
sie ist 1895 im wesentlichen fertiggestellt.
Im Jahre 1911 ist von den Generalstaaten
der Niederlande der Bau einer Südbahn zur
Verbindung der Handelsplätze Telak Betong
an der Südküste der Insel und Palembang
beschlossen worden. Auf dem Wege liegt das
wichtige Handelszentrum Batoeradja, eine Zweig-
bahn soll nach dem Hinterland Mocara Enim
führen. Die Bahn soll 38 .Mill. Gulden kosten,
die zu
und zu Yj von
Regierung zu tragen sind; sie sollte in späte-
stens 6 Jahren fertig sein.
Die Statistik der Eisenbahnen in S. wird
regelmäßig veröffentlicht in dem amtlichen
Verslag der Staatsspoorwegen in Nederländisch-
Indie. Dieser sind folgende Zahlen entnommen:
■"y von der niederländischen Regierung
6/ ,,r.n der niederländisch-indischen
1907
1910
1911
1912
1913
1914
Länge km
Anlagekapital fl.
Einnahmen „
Davon : Personenverkehr . „
Güterverkehr . . „
Ausgaben „
Betriebszahl %
210
21,170.883
1,684.150
341.491
1,146.951
1,116.790
66-3
245
22,731.572
1,846.088
403.433
1,265.394
1,125.477
61
Supergabahn s. Bergbahnen u. Seil-
hahnen.
Surinam s. Niederländisch-Guayana.
Suttenbildung s. Oberbau.
Szämostalbahn (Szämosvölgyi vasiit), in
Siebenbürgen gelegene normalspurige Privat-
lokalbahn mit dem Sitz der Gesellschaft in
Des, umfaßt die Strecken Apahida-Des (er-
245
22,985.715
1,967.163
486.953
1,236.662
1,250.836
63-6
245
23,298.776
2,215.810
585.488
1,203.907
1 ,305.696
58-9
245
23,733.684
2,386.555
687.193
1,253.470
1,343 893
56-3
245
23,869.760
2,564.945
729.171
1,304.092
1,417.247
55-3
v. der Leyen.
öffnet 1881, 4()-7 km), die Salzbahn Des-De-
sakna (2-9 km, eröffnet 1882), ferner die Linien
Des-Besztercze (60-2 km, eröffnet 1886), Des-
Zilah (98-9 km, eröffnet 1890), Besztercze-
Borgöbesztercze (29-7 km, eröffnet 1898), zu-
sammen 238 km.
Außerdem hat die S. in Mitbetrieb die Linien
Apahida-Kolozsvär der ungarischen Staats-
Szämostalbahn. ~ Tachymetrie.
25d
bahnen (12-6 km) und Zilah-Einmündung der
S. (2-6 km).
Das Gesamtnetz erreicht daher die Länge von
253-6 km; ferner betreibt die S. 2 fremde Lokal-
bahnen in der Länge von I4ö'8 km (Z^bo-
Nagybänyes und Naszödvideker Lokalbaimen).
Das Anlagekapital beträgt 33-6 Mill. K, die
Dividende durchschnittlich 5 ",o .
Die Linien der S. haben große Bedeutung
für die Ausbeutung der mächtigen Waldgebiete
und Bergwerke in ihrem Bereich.
Anschluß hat die S. in Kolozsvär (Klausen-
burg) und Apahida an die ungarischen Staats-
bahnen, in Zilah an die Szilagysäger und in
Sajörnagyaros an die Marosludas-Beszterczeer
Lokalbahn.
T.
Tachymetrie.
Einleitung. Unter T. versteht man die
rasche Vermessung von Gebieten nach Lage
und Höhe zum Zweck der Herstellung von
Plänen mit Höhenlinien für technische Auf-
gaben oder von Karten kleineren Maßstabs
— topographische Karten — für allgemeine
Zwecke. Der Unterschied gegen andere Meß-
methoden besteht in der Anwendung der
optischen Entfernungsmessung.
Die Feld aufnähme erfolgt nach Poiar-
koordinaten, die Längenbestimmung durch das
entfernungsmessende Fernrohr mit Distanzlatte.
Den mittleren Fehler der Lagebestimmung eines
Meßpunktes bis zu etwa 400 m Entfernung
vom Instrument kann man bei der gewöhnlichen
Meßart mit Ablesung der Latte auf cm, mit
der Entfernung von 0-3 - 0-6 m wachsend
veranschlagen; der Höchstfehler ist 3mal größer
zu nehmen. Die schärfere Lattenablesung auf
mm, anwendbar bis gegen 100/n Entfernung,
gibt den ebenfalls mit der Entfernung zu-
nehmenden mittleren Fehler von 0-15- 0'25 m.
Die Genauigkeit der Höhenmessung gewöhn-
licher Meßpunkte findet in der natürlichen
Unebenheit des Bodens, also in etwa 0-1 m,
ihre praktische Grenze. Wechselpunkte für den
Instrumentenstand werden schärfer gemessen,
weil sich ihre Fehler übertragen.
Da es sich meist um ausgedehnte Gebiete
handelt, sind den Tachymeteraufnahmen ge-
nauere Vermessungen zu gründe zu legen:
für die Lage ein Dreiecknetz, nach Bedarf mit
Einfügung von Polygonzügen; für die Höhe
Nivellementszüge längs Tälern und Höhen, mit
Ergänzung durch trigonometrische Höhen-
messung. Die Festpunkte für Lage und für
Höhe brauchen nicht identisch zu sein. Zwischen
diese Festpunkte in Entfernungen von 1 — 3 äot
sind Tachymeterzüge mit der Flächenpunkt-
messung einzuschalten. Die Höhenmessung
hat bei Tachymeteraufnahmen eine größere
Bedeutung als die Bestimmung der Lage. Wenn
der Lageplan schon vorhanden ist, erübrigt
sich die Dreiecksmessung.
Instrumente und Meßmethoden. Zu
Tachymetermessungen kann jeder Universal-
theodolit mit Distanzfäden im Fernrohr und
jede Nivellierlatte benutzt werden. Die Haupt-
eigenschaften der Meßart: rasche Aufnahme
großer Gebiete, also Beweglichkeit, ferner die
Einschränkung der Genauigkeit der Winkel-
messung auf das durch die optische Distanz-
messung gegebene Maß geben die Anhaltspunkte
für die Umgestaltung des Universaltheodolits
wie für die Nivellierlatte, auch für die Einrichtung
der Meßmethode für die T. Die Messung geht
bergauf und -ab bei raschem Wechsel der
Standpunkte, sie führt durch Feld und Wald
und ist auch bei weniger gutem Wetter vor-
zunehmen. Der Tachymetertheodolit (Abb. 257)
muß also leicht und zugleich feldfest sein ; er soll
mit Stativ nur wenige kg wiegen und darf leicht
verletzliche Teile nicht enthalten. Das Stativ
braucht nur eben so stark zu sein, daß das
Instrument auch bei stärkerem Wind nicht
zittert; eine Vorrichtung zum Zentrieren des
Instruments muß das Stativ nicht notwendig
haben. Da eine auf die Kippachse des Fernrohrs
aufsetzbare Kreisbussole mit kräftiger Bezifferung
und Einteilung in volle Grade vorhanden sein
muß, ist das Instrument und Stativ eisenfrei
herzustellen. Doch kann die Stehachse des
Instruments aus Stahl sein, da deren Einwirkung
auf die ebenfalls zentrisch sitzende Magnetnadel
belanglos ist. Die rasche Messung erfordert
eine Dosenlibelle zur Horizontierung und eine
mit dem Nonius fest verbundene, durch Fein-
schraube drehbare Höhenwinkellibelle; auch
muß auf dem Fernrohr eine Nivellierlibelle
sitzen. Das Fernrohr soll so lichtstark sein,
daß man die in cm geteilte und nach dm
bezifferte Latte bis gegen 100 m Entfernung
noch auf mm, die in dm geteilte und groß
bezifferte Latte bis auf 400 m auf cm ablesen
kann. Das Instrument ist für Horizontal- und
Vertikalwinkelmessung und zum Nivellieren
vollständig zu berichtigen, da man nur in einer
Fernrohrlage mißt. Der Beobachter soll alle
Ablesungen am Instrumente machen können,
ohne seinen Standort ändern zu müssen; darnach
ist die Ablesestelle am Horizontal- und am
Vertikalkreis zu wählen und die Abschrägung
des Vertikalkreises zu bemessen. Die Kreise
256
Tachymetrie.
sind je nur an einer Stelle abzulesen mit
Lupen, die am Instrument befestigt sind, die
Ablesung am Vertikalkreis ist auf volle Minuten
zu machen, am Horizontalkreis entweder ebenso
oder nur auf Zehntelgrade; vorteilhaft ist eine
besondere Ablesestelle mit Strichablesung für
den Horizontalkreis etwas seitlich der Fernrohr-
ebene. Die Genauiokeitsstufe der optischen
Distanzmessung entspricht der Bestimmung der
Horizontalrichtung auf Zehntelgrade. Deshalb
kann man fast immer, wenigstens für ein-
geschaltete Züge, den Horizontalkreis durch
die Bussole ersetzen und trotz der täglichen
Abb. 257. Tachymetertheodolit.
Variation und der Störungen die Richtungen
magnetisch bestimmen. Man liest die hochkant-
gestellte Balkennadel nur am Nordende ab,
hat aber auf gute Erhaltung von Pinne und
Hütchen zu achten, also die Nadel vor jedem
Wechsel zu sperren. Außerdem ist erforderlich,
daß die Bussole stets gleich und unverändert
auf der Kippachse sitzt. Ein kleiner Kreuzungs-
winkel von Null in der Kompaßteilung und
Zielachse (Orientierungsfehler) schadet nicht,
wichtig ist nur, daß dieser Winkel unverändert
bleibt. Die tägliche Schwankung der .Magnet-
nadel beeinträchtigt die Genauigkeit der Züge
nur wenig. Die Größe dieser Schwankung
beträgt im Durchschnitt in 55° nördlicher
Breite im Sommer 0'2'', im Winter die Hälfte.
Bei Abnahme der Breite um 3** nimmt die
Schwankung um 1' ab. Auf Ortszeit bezogen
hat die westliche Deklination ihren geringsten
Betrag morgens 7 Uhr, ihren höchsten mittags
1 Uhr; durch die Mittellage geht sie um 10 Uhr
vor- und 6 Uhr nachmittags. Der einzelne
Tagesverlauf kann einige Minuten vom durch-
schnittlichen abweichen ; außerdem ist die Magnet-
richtung öfters kurzen unregelmäßigen Ab-
weichungen unterworfen; diese Störungen sind
aber selten groß und dann bei der Mes^img
zu erkennen. Bei eingeschalteten oder an feste
Richtungen angeschlossenen Zügen fällt die
magnetische Mißweisung heraus, es bleibt nur
eine kleine Ausbiegung infolge der Variation
zurück. Muß man ohne gegebene Anschluß-
richtung messen, so entnimmt man für nicht-
eingeschaltete Bussolenzüge die Deklination für
die betreffende Zeit einer magnetischen Karte.
Zur Reduktion auf 191 8-0 muß man in den
„Magnetischen Karten von Norddeutschland
(von Ad. Schmidt) und Südwestdeutschland
(von Nippoldt) für 1909" (Veröff. des kgl.
preuß. Meteorol. Inst. Nr. 217, 224, 276, erstere
Karte auch in Jordan-Eggert, Bd. II, 8. Aufl.,
S. 792) der westlichen Deklination den Betrag
— 10 21' hinzufügen; in den „Magnetischen
Übersichtskarten von Deutschland für 1912"
(von Haußmann; in Petermanns Mitt. 1913,
1. Halbband) sind die Werte um —57' zu
ändern. Die jährliche Abnahme der westlichen
Deklination beträgt für die Gegend von Berlin
gegenwärtig 9'.
Die Distanzlatte muß leicht sein, sie ist meist
auf der einen Seite als Nivellierlatte ausgebildet,
auf der andern in dm oder deren Hälfte ge-
teilt und mit großen Ziffern für die m versehen.
Gewöhnlich ist die Latte 4 m lang, mit Dosen-
libelle versehen; für Aufnahmen in kleineren
Kartenmaßstäben, bei großer Multiplikations-
konstante und ■'/2 dm-lt\\\mg auch wohl nur
2 m lang. Zum Ruhighalten der 4 m-Latte bei
schärferen Messungen wird ein leichter Stab
als Strebe benutzt. Zum Einmessen von Einzel-
heiten zwischen die Tachymeterpunkte, ins-
besondere bei Meßtischaufnahmen wird Schritt-
zähler, Handbussole und Aneroid, auch wohl
Meßband und Gefällmesser verwendet. Bei
großen Höhenunterschieden und gegebener
Lage wird das Aneroid zur barometrischen
Höheneinschaltung ausgiebig benutzt.
Optische Entfernungsmessung. Im all-
gemeinen wird der Reichenbachsche Distanz-
messer venvendet. Gleich weit entfernt vom
wagrechten Mittelfaden sind auf der Eaden-
platte 2 gleichlaufende Distanzfäden gespannt.
Wenn die Latte senkrecht zur Mittelvisur ge-
stellt wird, so ist, vom vorderen Brennpunkt
der Objektivlinse (anallaktischer Punkt) aus
Tachymetrie.
257
gezählt, die Entfernung D zur Latte propor-
tional dem Lattenabschnitt / zwischen den
Distanzfäden, es ist also D =^k- 1. Die Multi-
plikationskonstante k wird aus bekannten Ent-
fernungen bestimmt, indem man auf wagrechter
Linie vom vorderen Brennpunkt der Objektiv-
linse aus runde Strecken von 40-80/« ab-
mißt, für diese das Lattenstück / auf mm genau
bestimmt und daraus zunächst l/A berechnet.
Gewöhnlich nimmt man Ä^IOO, für Auf-
nahmen in kleinerem Kartenmaßstab auch wohl
k = 200, Werte, die der Mechaniker recht
genau einhalten kann. Die Entfernung der Latte
vom Aufstellungspunkt ist um die Strecke c
von der Kippachse zum vorderen Brennpunkt
größer als D. Die beiden Bestandteile dieser
Additionskonstanten c, die Entfernung e der
Objektivlinse von der Kippachse und die Brenn-
weite/ dieser Linse werden durch direkte Ab-
messung auf cm genau bestimmt. Die Additions-
konstante c ist immer klein, 0'2-0'6/«, sie
kann für kleine Kartenmaßstäbe bei der Be-
rechnung der Entfernung vernachlässigt werden.
Man kann c auch in die auf S. 260 genannte
Zahlentafel für ^ E einbeziehen. Oder man
läßt durch den Mechaniker die Multiplikations-
konstante k ein wenig kleiner als 100 machen,
führt sie gleichwohl genau zu 100 in die
Rechnung ein, so daß für mittlere Entfernungen
der Betrage in 100/ mitaufgenommen ist; dann
bringt die Vernachlässigung von c nur einen
geringen Fehler mit sich. Beim Fernrohr von
Porro ist durch eine eingeschaltete, mit dem
Objektiv fest verbundene Linse der anallaktische
Punkt bis zur Kippachse zurückversetzt, die
Additionskonstante wird r^ 0. Das Zielfernrohr
beim Instrument von Hanimer-Fennel (Abb. 260)
ist dieserart. Die Distanzlatte wird bei der
Messung aus praktischen Gründen stets lotrecht
gestellt; sie ist nur senkrecht zur Mittelvisur,
wenn diese wagrecht ist. In diesem besonderen
Fall ist die wagrechte Entfernung E der Latte
von der Kippachse, die allein in Frage kommt:
E^^ c-\-k- 1, wo 1 = 0 — a das Lattenstück
zwischen den Distanzfäden ist.
Ist die Mittelvisur um den Winkel a
gegen die Wagrechte geneigt und der Latten-
abschnitt der lotrechten Latte zwischen den
Distanzfäden wieder mit / bezeichnet, so würde
der entsprechende Lattenabschnitt der gegen
die Mittelvisur senkrecht gestellten Latte sehr
genähert / • cos a, und damit die schiefe
Entfernung r-j-^-^cosa sein. Die gesuchte
wagrechte Entfernung der lotrechten Latte vom
Instrument ist dann £'^(c-|-/fe- /• cos a) cos«,
wofür man mit stets vollausreichender Genauig-
keit setzen darf:
E=^{c-\-k- 1) cos^ a
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
Der Höhenunterschied zwischen dem am
Mittelfaden abgelesenen Lattenpunkt m und der
Kippachse ist
, „ , , I , rv sin 2 a
Ä = f • tg a ^ (c -|- Ä • /) — 2 —
Bemerkungen zum Meßvorgang. Da die
Objektivlinse ein umgekehrtes Lattenbild liefert,
so gibt der obere Faden die kleinere Latten-
ablesung u. Es ist wichtig, die Ablesungen an
beiden Distanzfäden gleichzeitig zu machen,
was dadurch ermöglicht wird, daß man mit
der Kippschraube des Fernrohrs den einen
Faden auf ein rundes u einstellt und im selben
Augenblick am andern Faden o abliest. Wenn
die Latte bis zum Betrag A vj gegen die
Lotlinie schwankt, so kann dadurch / fehler-
A Mf
haft werden um A / = (o — u) tg a • .
Wenn man aber ii und o zeitlich getrennt ab-
liest, so kann der Fehler in / den Betrag er-
reichen A /= (o -(- ") *g " ■ ^ • Unvermeid-
lich bei der Tachymetrie wird die zeitlich
getrennte Ablesung von a und o nur dann,
wenn durch teilweise Verdeckung der Latte
nicht 2 Fäden zugleich abgelesen werden können.
Man stellt dann den Mittelfaden nacheinander
auf 2 möglichst weit voneinander entfernte
Lattenpunkte m^ und m^ ein und liest die zu-
gehörigen Höhenwinkel a^ und 0.2 ab. Man
rechnet/^/Wj — m^ und die Horizontalentfernung
r~ , COS a, cos a, , ■■ j
aus E^l—.—^ p oder genügend genau
aus E^l
sin (ttj — a,)
COS''
Man hat darauf
fij — a, 2
zu achten, daß die Latte während der Messung
recht ruhig gehalten wird. Wegen dieses Um-
stands, auch wegen der langsamen Ausführung
kommt die optische Distanzmessung durch
Einstellung eines Fadens auf 2 (feste) Ziel-
marken auf der Latte mit Anwendung einer
Meßschraube für die beiden zugehörigen
Neigungen bei Tachymetermessungen nicht in
Betracht. Wohl aber kann man zur Verein-
fachung der Rechnung die Messung unter Ver-
zicht auf eine vollständige Meßprobe aber bei
noch ausreichendem Schutz gegen grobe Ab-
lesefehler dahin abändern, daß man nach Ab-
lesung von o und u den Mittelfaden mit der
Kippschraube des Fernrohrs auf den nächsten
vollen i//«-Strich verschiebt und dann erst m
und a abliest. (Für Zwischenpunkte wird man
ohne diese Verschiebung gleich den vollen dm
anschreiben.) Daß diese kleine Veränderung
während des Meßvorgangs für die Praxis ganz
unmerkliche Ungenauigkeiten mit sich bringt,
erkennt man aus der Differentialgleichung der
Grundformel. Man erhält AE= -2h-^^^
17
258
Tachymetrie.
und AÄ= -Ihtga
A a
also Fehlerbeträge
weit innerhalb der Meßgenauigkeit. Von diesem
Umstand macht man Gebrauch bei nahezu
wagrechten Zielungen, um kleinere Neigungs-
winkel zu vermeiden, indem man zuerst bei
einspielender Nivellierlibelle m abliest, dann
erst bei etwas geneigtem Fernrohr o und //.
Die Ablesung des Höhenkreises und die Be-
rechnung von h fällt dann weg.
Eine wesentliche Vereinfachung der Messung
und der Rechnung wird erreicht, wenn man
den Mittelfaden ganz ausschaltet oder ihn nur
zur reinen Meßprobe abliest, und ihn durch
den oberen Distanzfaden, der die kleinere
Lattenablesung liefert, ersetzt; die Ablesung u
ist dann zugleich m. Darnach ist die Höhen-
winkellibelle bei der Instrumentenberichtigung
umzustellen. Die Latte erhält dann zweckmäßig
ihren Nullpunkt in mittlerer Instrumentenhöhe
1,4 OT und wird von hier nach unten negativ
beziffert. Dieses vereinfachte Verfahren ist sehr
zu empfehlen.
Berechnung der Horizontalentfernung E
und des Höhenunterschieds h. Die Bildung
von / = ö — H ist sehr einfach, da ii eine runde Zahl,
meist ein voller Meter ist. Ebenso ergibt sich (c-{'k- 1)
ohneweiters, wenn die Multiplikationskonstante k
genau 100 (oder 200) ist. Weicht k vom runden
Sollwert ein wenig ab, so legt man sich eine kleine
Korrektionstabelle an. Ist k aber vom runden Wert
stark verschieden, so berechnet man sich eine mit /
fortschreitende Zahlentafel für (c-\-k-l).
Die Berechnung von E =: {c -\- k ■ l) cos- a und
von h = E{ga={c-\-k-l) — - — führt man mit
Zahlentafeln oder mit Rechenschiebern aus. DieTachy-
metertafeln von Jordan, Stuttgart (bei Metzler, 5. Aufl.
1912) schreiten von m zu m fort und gehen von
10-250 m. Für E ist das Winkelintervall 1°, für h
ist es 1-3', je nach der Größe der Entfernung.
Eine Erweiterung der Tafeln auf 350 m hat Reger
veröffentlicht. Tachymetertafeln für zentesimale
Winkelteilung hat Jadanza herausgegeben, deutsche
Ausgabe von Hammer. Der logarithmisch-tachymetri-
sche Rechenschieber von Wild, gefertigt von Kern in
Aarau, gibt E durch Einstellung des Schiebers,
// durch Einstellung der Zunge. Der Schieber von
Werner gibt mit euier Einstellung Lcängenreduktion
und Höhenrechnung. Da im allgemeinen die Neigung
der Visur nicht groß ist, etwa den Betrag von 15°
nicht übersteigt, so ist E meist nicht viel kleiner als
{c-\-k-l). Man legt sich daher eine Zahlentafel für
den auf dm abgenuideten Abzug A £ an, den man
an (c-(-A-/) anzubringen hat, um E=(cA^k-[) cos-a
zu erhalten. Für kleine Winkel ist dieser Abzug
(r-fA./){"y,fürgrößere(c+/../).[(^J-'/3('^'yj.
Für die Praxis genügt es, den Abzug nur für k ■ l
zu berechnen und die Additionskonstante c in diese
Reduktionstabelle hereinzunehmen. Dadurch wird
die Berechnung von E einfacher. Wenn man dann
für kleinere Höllenwinkel, etwa bis 10°, die Horizontal-
entfernung E mittels dieser Reduktionstabelle, den
Höhenunterschied // mit dem Wildschen Rechen-
schieber, für größere Höhenwinkel E und h mit
diesem allein bestimmt, so geht die Rechnung
schnell und bequem. Für größere Neigungswinkel
ist die Ablesung von E am Wildschen Schieber
einfacher als die Rechnung mit der Reduktions-
tabelle. Die Berechnung von h mit dem Schieber
ist unmittelbar mu' für Winkel von 0°35' an möglich.
Kleinere Hölien*inkel nuütipliziert man zunächst
mit 2 oder mit 10.
Besondere Tachymeter. Zur Lrsparung
der Rechnung von E und von h sind Schiebe-
tachymeter gebaut worden von Kiefer-Breit-
haupt, Kreuter, Wagner-Fennel, Puller-Breit-
haupt; auch ein selbstreduzierendes Instrument
von Hammer-Fennel. Bei den 3 ersten muß
die Latte senkrecht zur Mittelvisur gehalten
werden, eine für die Pra.xis ungeeignete Art
der Messung. Die beiden letzten gestatten die
Lotrechtstellung der Latte, ein Verfahren, das
aliein noch im Gebrauch ist. Die weitergehende
Leistung aller dieser Konstruktionen wird
gewonnen durch Verringerung sonst erwünschter
Eigenschaften, man hat je nach der Bauart
vennehrtes Gewicht oder geringere optische
Leistung. Wegen der Gewichtsvermehrung
werden diese Instrumente gleich als Topometer
zur Meßtischaufnahme eingerichtet, wo ihre
Leistungsfähigkeit besonders gut zum Ausdruck
kommt und die Gewichtsvermehrung bei dem
ohnehin schwerfälligen Meßapparat keine Rolle
spielt.
Selbstrechnender Schnell messer von
Puller-Breithaupt. Der Limbus ist als große
Scheibe ausgebildet, an der durch Schätzung an
einem Zeiger auf 2' abgelesen wird. Diese Scheibe
kann zugleich als Meßtischplatte dienen, auf die
Pauspapier (mit zentrischem Loch für die Stehachse)
aufgelegt werden kann. In der Mitte der Scheibe
wird die.'\chseder abnehmbaren Alhidade eingesteckt.
Die Alhidade besteht aus dem Meßfernrohr imd dem
seitlich davon angebrachten Rechenapparat, auch
einer Punktiervorrichtung zum Einzeichnen der Meß-
punkte. Der Rechenapparat hat teils mit dem Fern-
rohr, teils mit dem Fernrohrträger fest verbundene,
teils an diesen beiden verschiebbare Teile. Fest ver-
bunden mit dem Fernrohr, also mit ihm drehbar,
ist die Längsschiene AA mit der Führungsstange L
und die senkrecht dazu stehende, sich mit der Kipp-
achse kreuzende Stange AD. Am Fernrohrträger
festgemacht ist die wagrechte Skala CC und die
Führungsstange MM. Die Skala BB wird beim
Kippen des Fernrohrs an der Führungsstange MM
parallel bewegt durch ein an der Stange AD ver-
schiebbares Gelenk. Die Stange EEG ist parallel
zu AD, also senkrecht zu Z, sie ist längs der
Führungsstange L verschiebbar. An der Stange ist
der Nonius H und unten der Nonius G befestigt;
der letztere wird zugleich an NN geführt. Längs
der Skala CC läßt sich der Schieberahmen P mit
Nonien / und K und der Höhenskala zwischen H
und / bewegen. Diese Skala für die Höhenablesung
läßt sich durch eine Schraube so am Nonius /
verstellen und außerdem am weil3en Mittelstreifen
so beziffern, daß man bei H unmittelbar die Höhe
des Standpunkts der Latte abliest. Im Fernrohr liest
man / = o — u am Lattenbild ab. Dann stellt man Q
auf k- 1 ein, schiebt den Rahmen an H heran, liest
Tachymetrie.
250
die Entfernung bei K und die Höhe bei H ab oder
sticht den Punkt ins Papier ein, ohne K abzulesen,
wobei der Kartenmaßstab 1:1000 oder 1:2500 vor-
gesehen ist. Der selbsttätige Rechenvorgang ist aus
Abb. 259 ersichtlich; die Linie OS entspricht der
Zielrichtung.
Das selbstreduzierende Tachymeter von
Hammer- Fenne 1. Die Lattenablesung in r/« gibt die
nungslinie AA der Gesichtsfelder beider Fernrohre
ablesen würde: 12'4 und -lO'l cm, was E= 12-4 m
und h = -20 • 101 rm = -202m ergibt Die Ablesc-
kurven sind in Abb. 263 abgezeichnet. Den Kreis-
bogen GOG um die Mitte der Kippachse stellt man
auf den in Instrumentenliöhe 14 m an der Latte
angebrachten Nullpunkt der Teilung ein und liest
an der Kurve Et:„E den Betrag für die Entfernung
Abb. 258. Tachymeter Puller-Breithaupt,
Horizontalentfernung in m und den 20. Teil des Höhen-
unterschieds unmittelbar an. Statt geradliniger Di-
stanzfäden sind Kurven vorhanden, deren Abstand sich
imVerhältniscos'a: 1 verkleinert; fürdieHöhen-
ablesung ist eine besondere zweiästige Kurve
vorhanden. Diese Kurvenplatte, photographisch
auf eine Glasplatte übertragen, steht seitlich
des Fernrohrmantels über der etwas nach unten
versetzten Kippachse und ist fest mit dem Fem-
rohrträger verbunden. Im Fernrohr selbst ist
nur der Nivellierfaden (Nullfaden) angebracht.
Im Mantel des anallaktischen Zielfernrohrs ist
ein Ablesefernrohr derart eingebaut, daß das
gemeinschaftliche Okular in der einen Hälfte
des Gesichtsfeldes das Bild der Latte, in der
andern die Kurven zeigt. Die vertikale Tren-
nungslinie ist Ablesekante. Abb. 261 zeigt im
Horizontalschnitt die Anordnung. Die vertikale _
Kurvenplatte D D wird auf dem Weg über C -
das Prisma P', die Linse L und das Prisma
P' in der Fadenkreuzebene A des Zielfern-
rohrs abgebildet. Durch Verschiebung des
Objektivs wird in dieser Ebene auch das Lattenbild
entworfen. Durch das Okular sieht man das in
Abb. 262 dargestellte Bild, in dem man an der Tren-
ab. Die Ablesung für den Höhenunterschied erhält
man an der Kurve - H O + H. Beim Kippen des
Fernrohrs stellen sich die verschiedenen Radien A B
(H)
B
i(^
Abb. 259.
zwischen den Enden der Kurvenplatte an der Ablese-
kante ein, indem die Kurven scheinbar quer zur
Kante wandern.
17*
260
Tachymetrie.
Meßtischtachymetrie. Für Aufnahmen in
kleinerem Maßstab, etwa von 1 : 10000 ab, kann
die Zahl der Tachymeterpunkte stark ein-
Abb. 260. Tachymeter Hammer-I ciinel.
geschränkt werden, dagegen werden viele
Einzelheiten durch flüchtige Aufnahme, Ein-
Ä
"HZL
TM-
m^
Abb. 261.
schreiten mit Kompaß und Barometerbestimmung
dazwischen eingemessen werden können. Dann
ist es oft von Vorteil, statt der Zahlentachymetrie
die Meßtischtachymetrie anzuwenden, also gleich
die Karte während der Messung im Feld her-
zustellen. Man stellt im Feld den Zeichen-
tisch - die Meßtisch platte - auf einem
Stativ wagrecht und orientiert auf. Auf dem
Meßtischplan sind die gegebenen Festpunkte
eingetragen. Statt des Theo-
dolits hat man die Kippregel:
ein mit Distanzfäden ausge-
stattetes Ateßfernrohr mit Kipp-
achse und Höhenbogen, mittels
Stütze auf einem Zeichenlineal
(Regel) befestigt. Man legt das
Lineal, am besten Parallel-
lineal, an dem im Plan ein-
gezeichneten Standpunkt an
und zielt nach der Latte, liest
an dieser ii, o und m und am
Instrument den Neigungswin-
kel a ab, bestimmt E und h
und trägt mit Zirkel und Maß-
stab den .A\eßpunkt nach Lage
und Höhe ein. Der graphi-
schen Meßart entsprechend
werden E und h nicht be-
rechnet, sondern ebenfalls gra-
phisch bestimmt. Man ent-
nimmt einem Transversalmaß-
stab, in den die Additions-
konstante c eingefügt ist, mit
dem Zirkel die Größe (c-fÄ-/).
Nun geht man in ein Strahlen-
büschel für cos- o ein und
erhält daraus E. Mit E geht
man in ein 5- oder lOfach
überhöhtes Strahlenbüschel
für tg a ein und erhält an
einem passend bezifferten
Längenmaßstab, der im Ein-
klang mit der gewählten Über-
höhung steht, die Höhe des
Meßpunktes, indem man stets die Lattenab-
lesung m gleich der Instrumentenhöhe macht.
Der Puller- Breit-
hauptsche Schnell-
messer (Abb. 258)
kann ohneweiters für
~L den .Maßstab 1 : 1 000
oder 1: 2500 alsMeß-
tisch benutzt werden,
wenn man ein rundes
Pauspapier mit zen-
tralem Loch auf die
Horizontalkreisplatte
legt. Mit der Punktier-
vorrichtung am Schieberahmen zeichnet man
unmittelbar den Punkt ein, stattfan der Schiene
CC abzulesen, und schreibt die bei H abge-
lesene .Meereshöhe dazu (s. o.). Die verschie-
denen Pauspapierblätter verwendet man zur
später anzufertigenden Reinzeichnung.
-z-\-
i#U--
Tachymetrie.
261
Auch das Hammer- Fenneische Instrument
ist als Topometer ausgebildet, es gestattet das
unmittelbare Auftragen der Messung auf eine
runde Papierscheibe, die leicht ausgewechselt
werden kann.
Zusammenfassung. Die T. ist ein Meß-
verfahren zur raschen Aufnahme eines Geländes
nach Lage und Höhe zum Zweck der Her-
Abb. 262. Laltenablesung.
Abb. 263.
Stellung von Höhenlinienpiänen; diese Pläne
werden gebraucht zur Anlage technischer Bau-
werke, insbesondere solcher, die größere Erd-
massenbewegungen erfordern oder die die
Kenntnis der Wasserverteilung notwendig
machen, oder aber zu rein topographischen
Zwecken. Die Höhenaufnahme ist der wichtigere
Teil der Messung.
Vor Beginn der tachymetrischen Aufnahme
ist das Gebiet mit einem Klein-Dreiecknetz zu
überspannen und mit Nivellementszügen zu
durchsetzen. In dieses Gerippe von 1 — 3 km
Maschenweite werden Tachymeterzüge ein-
gefügt mit so viel Zwischenpunkten, daß die
Bodenform im Einzelverlauf zur Darstellung
gebracht werden kann. Wie dicht die Meß-
punkte zu nehmen sind, hängt von der geologi-
schen Formation und von der zu lösenden
Aufgabe ab. Auf den ruhigen Hängen des
Bundsandsteins werden Punkte in 50-100ot
Entfernungvoneinander für alle Zwecke genügen,
im Keuper, in Dünenlandschaften und Moränen
wird man die Meßpunkte viel enger nehmen
müssen. Der Kanalbau und der Straßenbau er-
fordern ein stärkeres Eingehen in die Bodenform
als der Eisenbahnbau, für die Feststellung der
Wasserscheiden oder für topographische Karten
braucht man die Bodengestaltung nur in
größeren Zügen zu kennen. Von den Tachy-
meterpunkten aus werden Einzelheiten in Lage
und Höhe nach Augenmaß, durch Abschreiten
oder mit Meßband, auch mit der Bussole
aufgenommen. In besonderen Fällen können
Höhenmessungen mit dem Aneroid eingeschaltet
werden. Doch nicht in der Ebene, da baro-
metrisch bestmimte Punkte im allgemeinen um
einige Meter unsicher sind.
Die Wahl der Instrumente hängt davon ab,
ob man die Feldarbeit auf die eigentliche
Messung beschränkt, wobei die Lage der Punkte,
die Leitkurven und die Einzelheiten nur
skizziert werden, und die Ausarbeitung zeitlich
davon getrennt im Zimmer vornimmt, oder
ob man im Feld zugleich mit der Messung
auch die Kartierung durchführt. Bei Aufnahmen
in größeren Maßstäben wird man die erstere,
bei solchen in kleineren die letztere Art vor-
ziehen; die Grenze kann bei 1 : 10.000 gezogen
werden. Die erstere Art wird Zahlentachymetrie,
die letztere Meßtischtachymetrie genannt. In
unruhigem Gelände mit kleinen regellosen
Bodenformen, wie in Dünen, Moränen und
rissigen Hängen, in Rutschungsgebieten, ist die
Kartierung im Felde auch bei größeren Karten-
maßstäben geboten.
Bei der Zahlentachymetrie werden kleine
leichte Universaltheodolite mit Distanzfäden,
mit Nivellierlibelle und mit Vollkreisbussole
verwendet. Die Instrumente müssen vollständig
berichtigt sein, da das Fernrohr nur in einer
Lage benutzt wird. Die Kreise werden nur an
einer Stelle abgelesen, der Höhenkreis auf 1',
der Horizontalkreis auf 1' oder nur, wie die
Bussole, auf 0-1 ". Die Wechselpunkte der Tachy-
meterzüge werden sorgfältiger und schärfer
gemessen als die gewöhnlichen Zwischenpunkte.
262
Tachymetrie.
Bei Verwendung der Bussole führt man die
Tachymeterzüge in „Sprungständen" oder
„ Lattenständen « aus, man wechselt also den
instrunientenstand gegen die Latte in derselben
Art wie beim Nivellieren. Wenn für die Auf-
nahme 2 Beobachter zur Verfügung stehen,
wird der erfahrenere Ingenieur die Meßpunkte
auswählen, dabei die Skizzen anfertigen mit
Eintrag dieser Punkte, den Einzelheiten im
Gelände und mit sorgfältigem Eintrag der
Leitkurven für die Bodenformen. Der Techniker
oder auch ein gewandter Aießgehilfe macht
die Ablesungen am Instrument und deren
Eintrag ins Feldbuch. Nicht die Zahl der Meß-
punkte, sondern ihre Auswahl und die Ein-
zeichnung der Leitkurven ist für die Güte der
Aufnahme entscheidemi.
Die Berechnung der Horizontalentfernung
E^{c^ k ■ l) ■ cos2 a und des Höhenunter-
schieds h
Etga= (c-r /.■/) „ ' geschieht
getrennt von der Messung mit tachymetrischen
Rechenschiebern oder mit Zahlen'afeln oder
mit beiden zusammen. Ebenso die Berechnung
der Höhen selbst //ß=:/y^-f-/+/; — m. Hier-
bei ist /die unmittelbar gemessene Instrumenten-
höhe über dem Festpunkt, also L3-1'5/«;
die Höhe Ma + i ist die Horizontalhöhe der
Kippachse. Man kann den Mittelfaden (Nivellier-
faden) auf die gleiche Höhe an der Latte
(Zielscheibe) einstellen wie die Instrumenten-
höhe, also m=^i machen; dadurch wird die
Rechnung von // etwas vereinfacht, die
Messung aber etwas verzögert.
Die Rechnung von E und von // wird er-
spart, wenn man das selbstreduzierende Tachy-
meter von Hammer-Fennel benutzt, oder das
selbstrechnende Tachymeter von Puller-Breit-
haupt, oder das Kontakttachynieter von Sanguet.
Die Anfertigung der Höhenkurvenpläne
kann für die Zahlentachymetrie in jedem Maß-
stab erfolgen; man nimmt für Ingenieurarbeiten
1:500 bis 1:5000.
Bei der Meßtischtachymetrie trägt man
die Meßpunkte nach Lage und Höhe zugleich
mit der Messung in die anzufertigende Karte
ein und macht die Karte in Bleistiftzeichnung
im Feld fertig. Die Karte auf der Meßtisch-
platte wird durch Eintrag des Koordinaten-
netzes und der Dreieckspunkte, auch der Höhen-
festpunkte vorbereitet. Der Meßapparat besteht
aus dem Meßtisch mit Stativ, Lotgabel und
Orientierungsbussole (Kastenbussole), der Kipp-
regel, Zirkel und Maßstäbe, dazu die Distanz-
latte. Die Berechnung von E und // geschieht
im Feld mit Diagrammen, der Eintrag der
Punkte am Ziehlineal der Kippregel mit Zirkel
und Maßstab. Die Meßtischaufnahme wird
meist nur für kleinere Maßstäbe 1:10000 bis
1:25000 angewendet, die Umwandlung in
größere Maßstäbe ist nur mit Drangabe der
Genauigkeit möglich.
Der Puller-Breithauptsche Schnellrnesser, der
besonders für Eisenbahnvorarbeiten dienen soll,
ist für Meßtischaufnahme im Maßstab 1 : 1000
bis 1 : 2500 bestimmt. Der Hammer- Fenneische
Tachymeter ist als Topometer für die Meß-
tischaufnahme eingerichtet.
Anmerkung. Im Flachland, \x-o viel nivelliert
werden kann und größere Höhenwinkel nicht
vorkommen, wird statt des Tachymetertheodolits
vielfach ein Nivelliertachymeter verwendet, ein
Nivellierinstrument mit Gefällschraube und
einem wagrechten Meßkreis.
Häufig liegt für die Tachymeteraufnahme der
Fall so, daß schon ein Lageplan vorhanden
ist, der zum Höhenplan erweitert werden soll.
Die Dreiecksmessung fällt weg. Im ebenen
Gelände werden dann die Lagepunkte ein-
nivelliert. Im hügeligen Gebiet wählt man als
Instrumentenstand gut gelegene, örtlich scharf
bezeichnete und in der Karte angegebene Punkte,
stellt die in Instrumentenhöhe mit Zieltafel ver-
sehene Latte in bekannten Kartenpunkten auf,
dann hat man nur je die Höhenwinkel zu
messen, da die Horizontalentfernung der Karte
entnommen werden kann. Für den Kartenein-
gang rechnet man eine entsprechende Zahlen-
tafel der Vergrößerung des Vertikalwinkels.
Durch Differentiation von h = Etgu erhält
man für den mit der Richtung veränderlichen
Karteneingang von p% :
i^a' = — \T ■ p ■ sin 2a
Die Höhenbestimmung geschieht mit Zirkel,
einem überhöhten Diagramm für E-tga und
einem entsprechend geteilten und bezifferten
Längenmaßstab. Im bergigen Gelände kann man
Höhenpunkfe zwischen nivellierten oder trigono-
metrisch bestimmten Tal- und Bergpunkten
durch Aneroidmessungen einschalten; wenn man
die Züge bei ruhiger Wetterlage ausführt und
sie nicht über etwa 2 Stunden ausdehnt, so
kann man die Luftdruckschwankungen als
gleichmäßig mit der Zeit gehend annehmen,
so daß ihr Einfluß durch die Einschaltung
herausfällt. In Waldschneisen von Tal zu Berg
ohne kartierte Zwischenpunkte kann man
Profile mit Meßband und Aneroid legen. Mit
Vorteil, besonders im Gebirge, wird man
photogrammetrische, hauptsächlich stereophoto-
grammetrische Aufnahmen zur Ergänzung und
zu teilweisem Ersatz der Tachymetermessungen
einschalten (s. Stereophotogrammetrie).
Ausarbeitung der Höhenlinien. Hat
man die Meßpunkte nach Lage und Höhe in
Tachymetrie.
263
die Pläne eingetragen, wobei man für Bussolen-
züge mit Vorteil parallel liniertes Pauspapier
verwendet, und ist der Lageplan fertig ge-
stellt, so sind die Höhenlinien zu konstruieren.
Man zeichnet diese Linien in runden
Höhen von 10 zu \0 rn, mit Unter-
teilung in flachem Gelände. In ganz
ebenem Gelände wie in Niederungen
ist es vielfach besser, keine Höhen-
linien einzuzeichnen und sich nur an
die Höhenpunkte zu halten. Da man
die Höhenlinienpunkte im größten Ge-
fälle interpolieren muß, so zeichnet
man zunächst die Linien nach Augen-
maß roh ein. Dann interpoliert man in
den Gefällinien. So gut es geht, ordnet man
schon im Feld die Meßpunkte längs dieser
Linien an, doch kann diese beste Lage nicht
immer erreicht werden, da man den Meßgehilfen
mit der Latte den Hängen entlang schickt,
nicht im Gefälle, was eine Kraft- und Zeit-
vergeudimg wäre. Sind benachbarte Punkte
nicht stark verschieden gegen die Gefällsrich-
tung, so kann man unbedenklich in ihrer
Verbindungsrichtung interpolieren, ist ihre
Verbindungslinie aber mehr als etwa 20° da-
von abweichend, so wird man zwischen 2 un-
gefähr gleich hohen Nachbarpunkten erst einen
geeigneten Zwischenpunkt suchen und diesen
dann zur weiteren Interpolation benutzen. In
jedem Fall ist aber zu beachten, ob die Gefäll-
linie beträchtlich konvex oder konkav verläuft,
ob und wieviel also der linear interpolierte
Punkt verschoben werden muß. Durch flüchtige
Herstellung des Profils wird die lineare Inter-
polation schnell richtiggestellt, man erlangt
aber schon bald eine so große Übung und
Sicherheit, daß Hilfskonstruktionen überflüssig
■«•erden. Die lineare Interpolation zwischen den
Höhenpunkten führt man mit Zirkel und
einem Diagramm aus. Es gibt eine große An-
zahl von Hilfsapparaten für diese Interpolation.
Sehr bequem ist ein parallel liniertes Zeichen-
papier, etwa ein Stück mw-Papier, mit Lineal
und Zirkel (Abb. 264). Die Höhenzahlen er-
scheinen in der Abszissenlinie, senkrecht dazu
wird mit dem Zirkel der Punktabstand ab-
gesetzt und die Linealkante an der Zirkelspitze
und der Höhenzahl des andern Punktes an-
geschlagen. Dann kann man die Maße für be-
liebige Zwischenpunkte mit dem Zirkel ab-
nehmen. Oder man zeichnet sich ein Strahlen-
büschel für Proportionalteilung, wie in Abb.2ö5
angegeben, und trägt mit dem Zirkel den Punkt-
abstand für die betreffenden Höhenzahien ein
und greift die gesuchte Länge ab. In den
Abbildungen ist dargestellt, wie man zwischen
2 Punkten vom Abstand s und den Höhen
387-6 und 395-5 die Entfernung a: der 390 /ra-
Linie vom tieferen Punkt aus bestimmt.
Die Zeichnung der Höhenlinien für Täler,
Kuppen, Sättel und Schluchten kann nur vom
s s
Abb. 264. Punkleinschaltung.
geübten Beobachter und an Hand der während
der Messung im Feld gezeichneten Leitkurven
und Gerippelinien richtig ausgeführt werden.
Die nur nach mathematischer Auffassung ein-
gezeichneten Kurven sind meist Zerrbilder der
Natur. Vielmehr gehört die Kenntnis der Boden-
Abb. 265. Punkteinschaltung.
gestaltung 'geologischer Formationen und die
Übung im Aufnehmen des Geländes zur richtigen
Darstellung der Bodenformen. Auf Berggipfeln
und im Satteltiefsten muß die dort gemessene
a.
Abb. 266. Höhenlinien.
Höhenzahl eingetragen sein. Die Höhenlinien-
darstellung muß dem Ingenieur schon an sich
einen Anhalt dafür geben, ob er es mit stand-
festen oder mit zu Rutschungen geneigten
Schichten zu tun hat. Dieser Gesichtspunkt
soll in Abb. 266 a u. b, 2 Darstellungen des-
264
Tachymetrie. - Tarif.
selben Geländes (im Knollenmergel des Keupers)
zum Ausdruck gebracht werden.
Literatur: Puller, Schnellniesser, Schiebetachy-
meter für lotrechte Lattenstellung. Ztschr. f. Vcrmess.-
Wescn 1901. — Jordan-Eggert, Handbuch der
Vermessungskunde, Bd. III, 8. Aufl., S. 737-837.
Literatur in § 190, S. 826. - Hartner-Dolezal,
Handbuch der niederen Geodäsie. Bd. 11, 3. Abt.,
S. 341-415. — Koppe, Genauigkeit der Höhen-
darstellung in topographischen Plänen und Karten
für allgemeine Eisenbahnvorarbeiten. Organ 1905.
— Ad. Schmidt, Magnetische Beobachtungen in
Potsdam 1900-1910. VeröfL des Kgl. Preußl Mete-
orol. Instituts, Nr. 289. Haiißmann.
Taff Vale Railway, eine der ältesten
Eisenbahnen von Wales. Die Stammlinie von
Merthyr Tydfii zu den Cardiff Docks wurde
1840 für den Personenverkehr eröffnet. Nach
Fusion mit anderen Linien (Cowbridge, Dare
Valley, Llantisant und Taff Vale Junction,
Rhonda Valley und Hirwain Junction, Treferic
Valley, Cardiff-Penarth und Barry Junction,
Cowbridge und Aberthaw, Aberdare) hat sie
eine Betriebslänge von rund 200 km erreicht.
Tagsignale s. Signalwesen.
Tarif (tariff; tarif; tariffa) — vom arabischen
'tarif ^ Kundmachung stammend (die Ableitimg
von der maurischen Hafenstadt Tarifa an der
Meerenge von Gibraltar ist wohl irrig) — ist
das Verzeichnis der für bestimmte Leistungen
zu entrichtenden Preise, das auch die Be-
stimmungen für ihre Anwendung, die Tarif-
vorschriften, enthält. Die Beförderungspreise,
Fahrpreise im Personenverkehr, Frachtsätze im
Sachverkehr genannt, werden nach bestimmten
Systemen gebildet; das Tarifschetua zeigt ihre
äußere Einrichtung und Anordnung.
Die T. lassen sich nach der Art ihrer
Beförderungsgegenstände, nach den Verkehrs-
bezirken, innerhalb deren sie gelten, nach
der besonderen Zweckbestimmung, nach der
Gültigkeitsdauer in folgende Gruppen einteilen:
1. Personen-, Gepäck-, Güter- (Expreß-, Eil-
und Frachtgüter-), Tiertarife.
2. Binnen- (Lokal-) T., direkte T. (Nachbar-
oder Wechseltarife, Verbandstarife, internationale
T.), Reexpeditionstarife.
3. Einfuhr-, Ausfuhr-, Durchfuhrtarife, See-
hafentarife.
4. Dauer- und Zeit- (Saison-) T.
Nach ihrer Bildung unterscheidet man regel-
mäßige (Nortnal-, Klassen-, Spezial-) T., Aus-
nahme- und Differentialtarife, ferner Kilometer-
und Zonentarife, bei denen für alle Entfernun-
gen gleiche Einheitssätze angewendet werden
und Staffeltarife mit nach Entfernungen abge-
stuften Einheitssätzen.
Für die von den kilometrischen Gebühren-
berechnungstabellen abweichenden Preissätze
werden Stationstarife erstellt, bei denen als
Unterarten die Schnittarife und Anstoßtarife
zu erwähnen sind.
Die materielle Tarifbildung wohl aller Eisen-
I bahnen setzt den Wert in den Vordergrund,
den die Beförderung für den die Beförderung
I benutzenden Interessenten hat; im Personen-
verkehr geht deshalb der T. von einer Anzahl
Wagenklassen aus und überläßt es dem Er-
messen des Reisenden, welcher Klasse er sich
bedienen und damit welchen Preis er zahlen
will; im Güterverkehr ordnet er die Güter in
eine Klassifikation ein und bestimmt, dal) für
alle die Güter, die nicht in der Klassifikation
genannt sind, die Fracht nach der allgemeinen
Wagenladimgsklasse, also nach der teuersten
Klasse berechnet wird. Jedes Gut ist also an
sich einem bestimmten T. unterworfen, der für
alle Beteiligten gleich anwendbar ist und von
dem zu keines Gimsten abgewichen werden darf
Die Eisenbahntarife imterscheiden sich we-
sentlich von den Beförderungskosten auf den
Wettbewerbswegen anderer Beförderungsmittel,
denn sie müssen auch die Kosten der Verzinsung
und Ablösung des Anla^eKapitals und der
Unterhaltung berücksichtigen, die bei den
Wasserstraßen und auch bei den Landstraßen
zum großen Teil fortfallen. Dieser unbestreit-
bare Vorteil vor dem Schienenweg wird oft
durch das dringende Verkehrsbedürfnis des
Versenders in Frage gestellt, das nur durch die
Schnelligkeit mid Planmäßigkeit der Eisenbahn
vollkommen befriedigt werden kann. Der
Wasserweg könnte an sich mit großem Nutzen
arbeiten, muß aber seinen Verdienst infolge
des Wettbewerbs der Eisenbahn schmälern;
abgesehen hiervon wirken noch verschiedene
zeitlich und örtlich schwankende Umstände
preisbestimmend auf die Beförderungspreise
der Wasserstraßen und Landwege, so daß es
nicht möglich ist, sie von vornherein ein für
allemal bindend für längere Zeit festzusetzen.
Angebot und Nachfrage sind hier die wesent-
lichen Preisbildner, Schwankungen bilden die
Regel und ein festes Preisgesetz ist tmdenkbar.
Anders bei den Eisenbahnen. Sie haben auf diesem
Gebiet eine monopolartige Stellung, wenigstens
faktisch. Der Versender selbst ist nicht in der
Lage, bei der Gestaltung der Frachtpreise des
einzelnen Beförderungsgeschäftes mitzuwirken.
Staats- und Privatbahnen machen hier keinen
Unterschied. Nur bei der Gestaltung der T.
im allgemeinen kann man von einer Beein-
fliissuns^smöglichkeit des Versenders sprechen,
indem die öffentliche Meinimg durch geeigneten
Druck auf die Verkehrsanstalten einzuwirken
versucht, ihre T. wunschgemäß zu regeln.
Diesem nicht ganz willkommenen Zwang
kommen die Staatsbahnen zuvor, indem sie
Tarif. - Tarifbildung.
265
durch gesetzlich eingerichtete Beiräte eine wenn
auch nur gutachtliche Mitwirkung in allen
Verkehrsfragen zugelassen haben. Soviel steht
aber fest, daß alle Verkehrsanstalten als öffent-
liche Unternehmungen, auch wenn sie sich
von einem ausgesprochenen Dividendeninteresse
leiten lassen, die allgemeinen volkswirtschaft-
lichen Rücksichten nicht vernachlässigen dürfen.
Sind sie Staatsanstalten, dann versteht sich dies
von selbst; die Exekutive liegt schließlich bei
der verfassungsmäßigen Volksvertretung; sind
sie Privatbahnen, dann sorgt der Staat kraft
seiner gesetzlichen Aufsichtsbefugnis für all-
gemein nützliche T. Hierin liegt eine der
Aufgaben der öffentlichen Gewalt gegenüber
dem Verkehrswesen. Der Staat soll eingreifen
dürfen, um die Ausbeutung der Allgemeinheit
zu gunsten der Einzelinteressen zu beseitigen
und zu verhüten. Er hat die Tarifhoheit, vermöge
deren er die T. und ihre Anwendungs-
bedingungen beaufsichtigt und genehmigt und
auf ihre Höhe einwirkt. Er bestimmt, daß die
T. rechtzeitig veröffentlicht werden müssen, und
verhindert so geheime Tarifvergünstigungen;
er verlangt, daß die T. jedermann zu gleichen
Bedingungen zur Verfügung gestellt werden,
und \ersucht so, den Einzelnen gegen Refaktien
und differentielle Tarifbildungen zu schützen.
Allerdings läßt sich nicht verhehlen, daß das
Interesse der Privatbahnen an möglichster
Steigerung ihrer Einnahmen oftmals Wege fand,
die staatlichen Anordnungen zu umgehen. Un-
streitig ist aber das staatliche Eingreifen auf
die äußere Gestaltung der T., also auf das
einheitliche Tarifschema von großem Erfolg
gewesen (s. auch Differentialtarife, Gepäcktarife,
Gütertarife u. Personentarife). Gninow.
Tarifbildung. Hierunter versteht man im
allgemei; en die Grundsätze, wonach die Beför-
derungspreise gebildet werden. Bei der T. kann
man entweder von dem privatwirtschaft-
lichen Verwaltungsgrundsatz ausgehen, um
einen möglichst hohen Betriebsüberschuß zu
erzielen oder man kann den gern ein wirt-
schaftlichen Verwaltungsgrundsatz annehmen,
wobei durch die Eisenbahnen für die Gemein-
wirtschaft der höchste Nutzen erreicht wird
(s. Gütertarife, insbesondere Bd. V, S. 464).
Der Umstand, daß die Verwaltungen der
Privateisenbahnen oft durch gesetzliche Vor-
schriften oder durch den Wettbewerb an der
unbeschränkten Durchführung der privatwirt-
schafllich günstigsten T. gehindert werden,
oder daß bei den Staatsbahnen mit Rück-
sicht auf den Geldhaushalt des Staates aus
Gründen der Steuerpolitik die gemeinwirtschaft-
lich beste T. nicht durchgeführt wird, ergibt
keine neuen Verwaltungsgrundsätze, sondern
nur eine unvollständige Durchführung eines
oder des andern der beiden genannten allein
möglichen Verwaltungsgrundsätze.
Für die T. kommen von den beiden Gruppen
der Betriebsausgaben, den festen und den ver-
änderlichen (s. Gütertarife, Bd. V, S. 455), nur
die veränderlichen Betriebskosten in Betracht,
die in gleichem Verhältnis mit der Zahl
der Verkehrseinheiten wachsen. Die festen Be-
triebskosten bilden eine von der Art der T.
ganz unberührt bleibende Ausgabe. Die mit
der Verkehrsmenge wachsenden Betriebskosten,
die Betriebskosten im eigentlichen Sinn, setzen
sich aus den Ausgaben für Aufnahme und Ab-
gabe des Verkehrs a und den mit der Fahr-
länge X wachsenden Transportkosten f^x zu-
sammen, sind also für die auf die Entfernung
X beförderte Einheit = a -]-fQX. Dieser Betrag,
der die Mehrkosten darstellt, die aus der Be-
förderung einer neu hinzukommenden Einheit
entstehen, ist natürlich von Fall zu Fall nicht
der gleiche, sondern ändert sich oft sprung-
weise, wenn die Einstellung eines neuen Wa-
gens in einen Zug oder die Einrichtung eines
neuen Zuges u. s. w. durch den Verkehrszuwachs
nötig wird. Für den Betrieb einer größeren
Bahnstrecke ergeben sich indessen für die
Zahlenwerte a und /g gleichbleibende Durch-
schnittswerte, die aber verschieden für die
einzelnen Verkehrsgattungen sind, wie bei-
spielsweise für die Personen der verschiedenen
Wagenklassen, für Stückgüter, Wagenladungs-
güter, Eilgüter u. s. w. Die Schwierigkeit,
diese Zahlenwerte in einer für die praktische
Benutzung genügend scharfen Weise festzu-
stellen, beeinträchtigt den Wert der Theorie
der T. nicht, denn diese Theorie hat nicht die
Aufgabe, für die zweckmäßigste Art der T.
unmittelbar verwendbare Zahlenwerte festzu-
stellen, sondern soll zunächst die Gesetze ent-
wickeln, die für eine zweckmäßige Art der T.
maßgebend sind.
Als einfachste und desh.ilb auch am weitesten
verbreitete Gesetzmäßigkeit der T. erscheint die
Erhebung eines gleichmäßig mit der Beförde-
rungsweite zunehmenden Beförderungspreises;
es ist dies der einfache Entfernungstarif. Wird
zur Vereinfachung der Betrachtung zunächst
angenommen, daß die Kosten der Aufnahme
und Abgabe des Verkehrs durch Erhebung
einer den Selbstkosten gleichkommenden Ab-
fertigungsgebühr (Expeditionsgebühr) a gedeckt
werden, so wird bei einem Tarifsatz /an einer
auf die Entfernung x beförderten Einheit ein
Betriebsüberschuß u= (f-fg) x gewonnen.
Wird ein Gut an seinem Ursprungsort zu
einem Preis p abgegeben und findet es zum
Preis m noch Abnehmer, so ist sein Versen-
266
Tarifbildung.
dungswert m—p — a
Satz / die äußerste Versendungsweite /• =
V und bei einem Fracht-
V
f
Ein Verbrauchsort kann also mit diesem
Gut aus einem Marktgebiet von der Größe
::r^= ^—versorgt und ebenso von einem Er-
zeugungsort ein gleich großes Absatzgebiet
damit versehen werden. Werden auf die Flächen-
einheit des Marktgebiets y Gütereinheiten er-
zeugt oder verbraucht, so ist die Anzahl der
zu leistenden Verkehrseinheiten [tkm):
i r
2
V = 2yjc\a-2ö'x
r^
und mithin der gesamte, aus der Versendung
dieses Gutes entstehende Betriebsüberschuß:
Man erkennt leicht, daß dieser Betriebs-
überschuß für/^P^/o sein höchstes Maß
erreicht. Es wird also bei Annahme des ein-
fachen Entfernungstarifs für Güter, deren Ver-
sendungsgebiet keine andere Einschränkung als
durch die Höhe der Frachtkosten erleidet, der
Frachtsatz am zvi'eckmäßigsten auf den 1 '' fachen
Betrag der Selbstkosten des Betriebs festgestellt.
Bei der Ableitung dieses Satzes wurde für
die ganze Ausdehnung des Versendungsgebiets
eine gleiche Verkehrsdichtigkeit y angenommen,
während in Wirklichkeit die Verkehrsdichtig-
keit mit der Versendungsweite im allgemeinen
abnehmen wird. Allein dieser Umstand beein-
trächtigt die Richtigkeit des gefundenen Satzes
nicht im mindesten, da man statt eines ein-
zigen Gutes, dessen Verkehrsdichtigkeit nach
irgendwelchem Gesetz mit wachsender Ver-
sendungsweite abnimmt, eine größere Anzahl
verschiedener Gütervon sehr kleiner, aber gleich-
bleibender Verkehrsdichtigkeit Av annehmen
kann, deren jedes einen andern Versendungs-
wert V und dementsprechend eine andere äußerste
Versendungsweite r hat. Für jedes einzelne
dieser Güter mit gleichbleibender Verkehrs-
dichtigkeit gilt dann der gefundene Satz, daß
der Frachtsatz zu dem P/jfachen Betrag
der Betriebskosten angenommen werden muß,
und folglich auch für die Summe alier dieser
Güter, die an Stelle eines einzigen Gutes mit
veränderlicher Verkehrsdichtigkeit gesetzt waren.
Der Satz bleibt auch ferner zutreffend, wenn
die Rechnung nicht auf ein volles, kreisförmi-
ges Verkehrsgebiet, sondern nur auf einen Kreis-
ausschnitt von kleinerem Zentriwinkel bezogen
wird.
Geht die äußerste Versendungsweite des
Gutes über die Grenzen des eigenen Bahngebiets
hinaus, so wird der günstigste Frachtsatz größer
als P'2/0 """^ s*^'§^ ^"'' ^^'^'' 1^'^'"^ Bahn-
gebiete im äußersten Fall auf 2/^, wie durch
einen dem vorstehenden ähnlichen Rechnungs-
gang leicht nachgewiesen werden kann. Hier-
durch wird die wichtige Tatsache erwiesen,
daß Verwaltungen großer Bahngebiete in ihrem
eigenen Interesse niedrigere Fahrpreise erheben
müssen als kleine Bahnverwaltungen.
Auch für den Fall, daß das Marktgebiet
eines Gutes durch den Wettbewerb benachbarter
Marktorte eine Einschränkung erleidet, wie z.B.
das Versendungsgebiet der Saarkohle durch
das der Ruhrkohle, wird der günstigste Fracht-
satz höher als P^/n-
Bemerkenswert ist noch, daß auf Zweigbahnen,
die für Rechnung des umgebenden Hauptbahn-
netzes betrieben werden, niedrigere Frachtsätze
erhoben werden müssen als auf Zweigbahnen,
die unter gesonderter Verwaltung stehen. Die
Rechnungen, durch die diese Wahrheiten
nachgewiesen werden, sind zu finden in Laun-
hardt, Kommerzielle Trassierung, Hannover,
2. Aufl., 1887; ferner in Launhardt, Mathe-
matische Begründung der Volkswirtschaftslehre,
Leipzig 1888; endlich auch in Launhardt,
Theorie der Tarifbildung, Arch. f. Ebw. 1890,
auch im Sonderabdruck erschienen.
Bei dem bis jetzt erörterten einfachen Ent-
fernungstarif wird der an der Beförderung
einer f^inheit erreichte Betriebsüberschuß um
so größer, je größer die Beförderungsweite ist,
und erreicht sein höchstes Maß an der Ver-
sendungsgrenze, über die hinaus bei Festhaltung
des einfachen Entfernungstarifs nun plötzlich
nichts mehr zu gewinnen ist. Es liegt nun
sehr nahe, für weitere Entfernungen dadurch
noch eine lohnende Versendung möglich zu
machen, daß man für diese einen etwas er-
mäßigten Streckensatz einführt. Eine solche
Abweichung von dem reinen Entfernungstarif
hat man bekanntlich als Differentialtarif be-
zeichnet und vielfach mit Vorteil für den Ver-
kehr wie für die Eisenbahnen in mannigfacher
Weise angeordnet. Dabei hat das Willkürliche
und die Systemlosigkeit dieser Einrichtungen
aber auch nicht selten zu einer Verletzung
wesentlicher Verkehrsinteressen geführt. Die
meistens aber unbestreitbaren Vorteile der Dif-
ferentialtarife erweisen, daß der reine Entfer-
nungstarif keineswegs die zweckmäßigste Art
der t. ist (vgl. Differentialtarif, Bd. HI, S. 371).
Um die günstigste .Art der T. zu finden, ist
vor allem die Tatsache zu beachten, daß die
\erkehrsmenge von der Höhe der Fracht ab-
hängig ist und mit Erhöhung der Fracht nach
irgendwelchem Gesetz abnimmt. Setzt man die
Höhe der Fracht für die Einheit = F, die
bei dieser Fracht zur Beförderung kommende
Tarifbildung.
267
Verkehrsmenge V, so besteht zwischen beiden
eine Fun]<tion, die das Gesetz der Verkehrs-
dichtigl<eit bildet und zu setzen ist: V=(('{F).
Betragen die Betriebskosten für die Beförderung
der Einheit auf die Entfernung, für die die
Fracht F erhoben wird, B, so ist der bei
dieser Beförderungsweite erreichte Betriebs-
überschuß N=(F^B)(p(F).
Man erfährt durch Differentiation nach F,
daß dieser Betriebsüberschuß sein höchstes Maß
erreiclit, wenn (f (F) -(- (F- B) ff' (F) = 0 ist.
In Abb. 267 sind die Größen der Fracht F
auf der Abszissenachse zu messen, während die
Ordinalen der Kurve der Verkehrsdichtigkeit
ACEG die Verkehrsmengen angeben.
Aus der für die günstigste Höhe der Fraclit
gefundenen Bedingung erhält man:
F-B=-y}Q^
<f'(F)
also in Worten ausgedrückt: Der Betriebs-
überschuß muß gleich der Subtangente der
Kurve der Verkehrsdichtigkeit an der Stelle
des günstigsten Frachtbetrags sein.
Trägt man in der Abbildung die Höhe der
Betriebskosten für irgendeine Entfernung mit
OB auf der Abszissenachse ab, so muß man
eine Tangente DFT derart an die Kurve der
Verkehrsdichtigkeit legen, daß deren Berührungs-
punkt E in der Mitte zwischen dem Schnitt-
punkt D mit der Ordinate der Betriebskosten
und deren Schnittpunkte T mit der Abszissen-
achse liegt. Das Rechteck BHEF stellt den
höchsten erreichbaren Betriebsüberschuß dar,
der durch Festsetzung der Fracht auf das Maß
OF gewonnen wird.
Die Entwicklung der Gestalt der Kurve der
Verkehrsdichtigkeit bietet allerdings praktisch
große Schwierigkeiten; sie wird für jedes ein-
zelne Frachtgut eine verschiedene sein. Ohne-
weiters läßt sich nun behaupten, daß diese
Kurve sowohl die Ordinalen wie die Abszissen-
achse schneiden muß, da selbst bei einer
Fracht = 0 dieVerkehrsmenge noch eineendliche
Größe haben muß und da der Verkehr schon
gleich Null werden wird für eine noch endliche
Höhe der Fracht. Ferner erkennt man schon
aus einer oberflächlichen Beobachtung der
Tatsachen, daß die Kurve von der Sehne AO
sehr stark nach unten abweicht. Aus dieser
Natur der Kurve der Verkehrsdichtigkeit folgt,
daß die absolute Höhe des Betriebsüberschusses
mit wachsender Beförderungsweite abnehmen
und für die Versendungsgrenze gleich Null
werden muß. Man hat eine solche Art der T.
wohl als den Tarif mit fallender Skala be-
zeichnet. Eine Annäherung an diese T. zeigen
die Staffeltarife, bei denen man mit wachsender
Entfernung den kilometrischen Frachtsatz nicht
stetig, sondern von Strecke zu Strecke ver-
mindert. Auch bei den Zonentarifen nimmt
die Fracht meistens langsamer zu als die Be-
förderungsweile. Indessen liegt hierin nicht
das Wesentliche des Zonentarifs, sondern darin,
daß die Fracht oder das Fahrgeld nicht un-
mittelbar nach der kilometrischen Entfernung,
sondern nach größeren Entfernungsabschnitten,
die man Zonen nennt, bestimmt wird. Für
kleine Entfernungen würde eine nach der Kurve
der Verkehrsdichtigkeit bestimmte Fracht so
hoch ausfallen, daß mit Rücksicht auf den
Wettbewerb des gewöhnlichen Straßenverkehrs
eine nicht unerhebliche Ermäßigung vorzu-
nehmen sein würde.
Da für wertvolle Güter die Kurve der Ver-
kehrsdichtigkeit flacher gestreckt ist und sich
0 B
der Abszissenachse langsamer nähert als bei
wohlfeilen Gütern, so muß der günstigste Fracht-
satz allgemein größer mit zunehmendem Wert
der Güter ausfallen. In diesem Umstand liegt
die wahre Begründung für die Wertklassifi-
kation bei der T., nicht aber in dem dafür
meistens angeführten Umstand, daß die wert-
volleren Güter höhere Frachten vertragen
könnten.
Für den Personenverkehr ist die Kurve
des Reisegesetzes nach Untersuchungen von
Eduard Lill (Ztschr. d. österr. Ing.-V.) eine ge-
meine Hyperbel. Nach anderen Untersuchungen,
die sich auf die Betriebsergebnisse der preußi-
schen Staatseisenbahnen gründen (Launhardt,
Das Personenfahrgeld. Arch. f. Ebw. 1890, H. 6)
ist das Reisegesetz weniger einfach, entspricht
aber immerhin einer Kurve, die man als eine
Hyperbel höherer Ordnung bezeichnen kann.
Bei der Untersuchung der günstigsten ge-
meinwirtschaftlichen T. ist wieder von der Kurve
der Verkehrsdichtigkeit auszugehen. Ist bei den
Betriebskosten OB die Fracht auf OF festge-
setzt (Abb. 268), so wird der durch die Ei-
senbahn erzielte Betriebsüberschuß durch das
Rechteck BHEF dargestellt. Setzt man jetzt
die Fracht von OF auf OK herab, so verliert
die Eisenbahn an dem Verkehr EF den durch
268
Tarifbildung. - Tariflänge
das Rechteck KMEF dargestellten Betrag, der
aber von den Verkehrsinteressenten gewonnen
wird. Dieser Verlust und Gewinn gleichen sich
gemeinschaftlich aus. Durch die Frachtherab-
setzung steigert sich aber die Verkehrsmenge
von FE auf KI, also um das Maß IM und
an diesem Verkehrszuwachs gewinnt die Eisen-
bahn einen Betriebsüberschuß, der durch das
Rechteck HL/M dargestellt wird. Die Fracht-
herabsetzung hat also den gemeinwirtschaft-
lichen Nutzen der Eisenbahn um diesen letzt-
genannten Betrag erhöht. Jede weitere Herab-
setzung der Fracht wirkt in ähnlicher Weise,
bis die Fracht auf die Höhe der Betriebskosten
herabgesetzt ist. Von hier ab ist durch eine
weitgehende Frachtherabsetzung keine Erhöhung
des gemeinwirtschaftlichen Nutzens mehr zu
erreichen, sondern jede Herabsetzung der Fracht
würde von da ab den gemeinwirtschaftlichen
Nutzen vermindern, weil an dem neugeweckten
Verkehr die Eisenbahn eine Einbuße erleidet.
Durch diese einfache Betrachtung zeigt sich,
daß der höchste gemeinwirtschaftliche Nutzen
der Eisenbahnen durch Herabsetzung der Tarife
auf die Höhe der Selbstkosten des Betriebs
erreicht wird. Es mag bemerkt werden, daß
hierbei x^'ieder nicht die festen Betriebsausgaben,
sondern nur die veränderlichen, gleichmäßig
mit der Verkehrsmenge wachsenden Betriebs-
kosten in Betracht kommen. Die Durchführbar-
keit dieser günstigsten gemeinwirtschaftlichen
T. ist allerdings an die Voraussetzung gebunden,
daß der Staat zur Deckung der festen Betriebs-
ausgaben, also auch zur Verzinsung der An-
lagekosten, andere Mittel zur Verfügung hat..
Wäre vor Anlage der Eisenbahn auf den
vorhandenen Wegen eine Fracht OT erhoben,
bei der ein Verkehr ST möglich war, so
würde sich im günstigsten Fall durch die
Eisenbahn ein gemeinwirfschaftlicher Gewinn
L
E
r
\
^r
./
\^
K
M
r ^^^'^--^
1 .
0 B
K F
Abb. 26S.
T
erzielen lassen, der durch das Dreieck UCS
dargestellt wird. Wird die Fracht aber nicht
bis auf die Betriebskosten OB herabgesetzt,
sondern zu OF festgestellt, so wäre der ge-
meinschaftliche Nutzen der Eisenbahn dem
Dreieck V7;S entsprechend. Hierauf lassen sich
auch ohne genaue Kenntnis der Form der Kurven
der Verkehrsdichtigkeit schätzungsweise Rech-
nungen stützen, nach denen der gemeinwirt-
schaftliche Nutzen der Eisenbahnen den Be-
triebsüberschuß um das 3- oder gar 4fache
übersteigt. Launhardt f.
Tarifenqueten s. Enqueten.
Tarifhoheit. Während nach allgemein
volkswirtschaftlichen Grundsätzen der Gewerbe-
treibende, besonders auch die Verkehrsanstalt,
die Preise für die Leistungen selbständig fest-
stellen kann, unterliegt dieses Recht bei den
öffentlichen Verkehrsanstalten (Eisenbahn, Post,
Telegraph) der Mitwirkung des Staates, es
gehört zu den sog. staatlichen Hoheitsrechten.
Seine innere Begründung findet das Tarif-
hoheitsrecht bei den Eisenbahnen in ihrer
allgemein wirtschaftlichen Bedeutung und ihrem
Monopolcharakter. Bei den Staatsbahnen ist
das Recht, die Tarife festzustellen, unbeschränkt.
Den Privatbahnen wird in den Konzessionen
dieses Recht — meist unter bestimmten Be-
dingungen und Beschränkungen — verliehen,
es kann nicht nur aus bestimmten Gründen,
z. B. Ablauf der Zeit, auf die es verliehen ist.
Mißbrauch u. s. w., entzogen oder beschränkt
werden, sondern auch durch die Gesetzgebung
unter Umständen gegen Gewährung einer Ent-
schädigung.
Ein Ausfluß der T. ist auch die Befugnis
des Staates, gewisse Grundsätze für die Bildung
und Gestaltung der Eisenbahntarife durch be-
sondere Gesetze festzustellen. Diese Grundsätze
sind sowohl für die Staatsbahnen als auch für
die Privatbahnen maßgebend und bei letzteren
in die Konzessionen aufzunehmen.' Solche
Gesetze sind z. B. das preußische Eisenbahn-
gesetz vom 3. November 1 S3S, das amerikanische
Bundesverkehrsgesetz (Interstate Commerce
Act, s. d.) sowie eine Reihe einzelstaatlicher
Gesetze in den Vereinigten Staaten, das englische
Eisenbahn- und Kanalgesetz vom 10. August
ISSS U.S.W, (s. die Art. über die einzelnen
Länder).
Literatur s. bei dem Art. Gütertarife. - Laun,
Tariffreiheit und Tarif hoheit. Wien 1914.
V. der Leyen.
Tarifkartelle s. Kartelle.
Tarifkrieg ist ein Wettkampf um den \'er-
kelir, der von Eisenbahnen untereinander oder
mit anderen X'erkehrswegen durch Unter-
bietung in den Beförderungspreisen geführt wird
(vgl. den Art. Wettbewerb).
Tariflänge, die der Tarifberechnung zu
gründe gelegte Entfernung zweier Stationen.
Sie weicht von der wirklichen Länge vor allem
Tariflärtge. - Tastensperre.
269
deshalb ab, weil bei der T. Bruchteile des
Längenmaßes, z. B. eines Kilometers, zu ganzen
Kilometern aufgerundet oder fallen gelassen
werden. Abgesehen hiervon wird aus Wett-
bewerbsgründen der Tarifberechnung mitunter
die geringere Länge einer im Wettbewerb
stehenden Eisenbahnlinie zu gründe gelegt,
anderseits werden bei der T. Zuschläge zu
den tatsächlichen Entfernungen gemacht, um
eme Entschädigung für schwierige Strecken
(starke Steigungen), für kostspielige Bauwerke
(Brücken, Tunnel, Verbindungsbahnen) zu ge-
währen. Vgl. Distanzzuschläge und Virtuelle
Länge.
Tarif politik s. Eisenbahn]5oIitik.
Tarifzuschläge s. Distanzzuschläge und
Gütertarife.
Tasmanien, Insel, südlich vom australischen
Festland, englische Kolonie, zur Commonwealth
von Australien gehörig, Umfang einschließlich
der Nebeninseln 68.334 km~, Emwohner etwa
ISO. 000. Das Eisenbahnnetz bestand (1912)
aus 757 km Staatsbahnen und 266 km dem
öffentlichen Verkehr dienenden Privatbahnen.
Außerdem waren eine Anzahl Trambahnen
vorhanden. Die Hauptlinie erstreckt sich von
der im Süden der Insel gelegenen Hauptstadt
der Kolonie, Hobart, nach Launceston im
Norden mit einer Zweigbahn nach dem Mac-
quarie-Hafen. Die Spurweite der Bahnen ist
3' 6" englisch.
Die Erträge der Bahnen sind sehr verschieden.
Bei 5 Linien im Umfang von 140 km deckten
im Jahre 1911 die Betriebseinnahmen nicht
die Ausgaben. Die Betriebszahl betrug bei einer
Bahn 244 % , dagegen hatte die vorgenannte
Hauptlinie eine Betriebszahl von 69 % und
verzinste das Anlagekapital mit 2-66 ^j,.
Hauptbetriebsergebnisse der Staatsbahnen (Rechnungsjahr I.Juli bis 30. Juni).
Einnahmen | Ausgaben (Jberschuß
Betriobszahl
Verzinsung
des Anlage-
kapitals
Beförderte
Personen
Beförderte Güter
Pfund Sterling
1909
1910
1911
280.036
284.063
277.916
204.127
211.677
215.530
75.909
72.386
62.386
72-89 »0
74-51 li,
77-55%
1-89%
1-78%
1-52%
1,547.016
1,650.455
1,682.386
467.417
422.793
346.186
1'. der Lnrii.
Tastensperre, elektrische (eledric pliinger lock;
cncknchcment electrique de la touclie ; arresto elettrico dcl
bottone) ist eine Vorrichtung, die das Niederdrücken einer
Blocktaste verhindert, bis ein zu der Vorrichtung gehörender
Elektromagnet Strom erhält und die Sperrung beseitigt.
Die elektrische T. findet bei der Streckenblockung und
bei der Stationsblockung Anwendung. Bei der Strecken-
blockung wird sie benutzt, um die Freigabe des Signals
am Anfang der rückliegenden Blockstrecke von der Mit-
■wirkung des aus dieser Strecke ausfahrenden Zuges abhängig
zu machen (s. Blockeinrichtungen, Bd. II, S. 392). Die T.
wird dann meistens mit dem Endfeld der Streckenblockung
verbunden und hält bei entblocktem Feld dessen Blockstange
fest. In der Regel wird die Sperrung aufgehoben, wenn
die erste Achse eines Zuges bei Fahrsignal einen Schienen-
stromschließer befährt und so einen Stromschluß herbei-
führt, der den Elektromagnet der T. erregt. Das Blocken
des Endfeldes und damit die Freigabe der rückliegenden
Strecke ist dadurch davon abhängig gemacht, daß eine
Zugfahrt erfolgt und bis zu einer bestimmten Stelle gelangt
sein muß. Auf den preußischen Bahnen wird der Schienen-
stromschließer im allgemeinen etwa 30 m hinter das Einfahr-
oder Blocksignal verlegt. Auf den bayerischen Bahnen ist
zwischen dem Blocksignal und dem Schienenstromschließer
meist eine volle Zuglänge vorhanden. Durch die elektrische T.
wird also verhindert, daß ein Zug in eine Blockstrecke ein-
gelassen wird, bevor der vorausgefahrene Zug beim Ver-
lassen dieser Blockstrecke eine bestimmte Stelle erreicht hat.
270
Tastensperre.
O
o
1
o
1
€
o
Bei der Stationsblockung findet die elektrische T.
Anwendung, um die Bedienung von Signalfreigabe- oder
Zustimmungsfeldern von der Mitwirkung eines Beamten oder
von dem Befahren eines Stromschließers durch ein Fahrzeug
abhängig zu machen. Am häufigsten wird sie so benutzt bei Ne-
benbefehlstellen,
wenn der Fahr-
dienstleiter die
Bedienung des
Signalfreigabe-;
feldes einem an-
dern Beamten
überträgt, oder
als Aufsichtszu-
stimmung, wenn
die Signalfrei-
gabe von der Zu-
stimmung eines
Aufsichtsbeam-
ten abhängig ge-
macht werden
soll. Auch die Er-
laubnisabgabe-
felder der Strek-
kenblockung für
eingleisige Bah-
nen erhalten häu-
fig elektrischer.,
um die Bedie-
nung dieser Fel-
der ohne Wissen
des Fahrdienst-
leiters zu ver-
hindern.
Die Abb. 269
bis 272 zeigen
die Bauart einer
elektrischen T.
Sie ist auf dem
Blockkasten über
demzugehörigen
Blockfeld aufge-
baut. Auf die
Stange / (Abb.
269 und 270),
die aus dem
Gehäuse der
T. nach unten
hinaustritt, ist
ein Kuppelstück
aufgeschraubt, das die unter ihr liegende
(Abb. 270). An ihrem oberen Teil trägt
Druckstück 2. In der Grundstellung der T.
stößt dieses Stück bei dem V^ersuch, die
zudrücken, auf die Sperrklinke 3. Die
gesperrt. Wird aber durch Befahren
Schließers oder durch einen von einem Beamten bedienten
Schlüsselstromschließer der Elektromagnet 5 (Abb. 269)
Abb. 272.
Blocktaste umfaßt
die Stange / das
(Abb. 269 u. 270)
Blocktaste nieder-
Blocktaste ist also
eines Schienenstrom-
Tastensperre. - Tauernbahn.
271
erregt, so zieht dieser seinen Anker 4 an.
Der vordere Teil 6 dieses Ankers senkt sich
dann. Der Verschiußhalter 7 verliert seine
AbStützung am Ankerhebel 6 und schwingt
unter dem Druck des von der Feder 10 ange-
zogenen Ausiösehebels 9 im unteren Teil nach
rechts aus. Der Auslösehebel 9 tritt alsdann aus
der Einklinkung 8 heraus und geht unter dem
Zug der Feder 10 nach oben. Dabei schiebt
ein auf dem Hebel 9 befestigter Stift die Sperr-
klinke 3 beiseite. Die T. nimmt dann die in
Abb. 271 dargestellte Stellung ein, sie ist ausge-
löst. Wird jetzt versucht, die Blocktaste niederzu-
drücken, so findet das Druckstück 2 kein Hinder-
nis. Die Blockbedienung kann jetzt durchge-
führt werden. Wird die niedergedrückte Block-
taste nach erfolgter Blockung losgelassen, so
tritt die Grundstellung wieder ein. Der Auslöse-
hebel 9 hat nämlich beim Heruntergehen der
Stange / den Verschlußhalter 7 wieder in seine
Grundstellung gebracht, in der dieser durch den
vorderen Teil des inzwischen abgefallenen Ankers
des Elektromagneten 5 festgehalten wird. //oo^i»«.
Taster, Telegraphiertaster. Der Teil der
Telegrapheneinrichtung, mit dem die zur
Zeichengebung erforderlichen Schließungen
und Unterbrechungen hervorgebracht
werden (s. Telegraph, A. Telegraphen-
anlagen). F'i'l^-
Tatbestandaufnahme s. Fracht-
recht u, Reklamationsverfahren.
Taubahnen (Kabelbahnen) s. Seil-
bahnen.
Tauernbahn, im eigentlichen Sinn die
Verbindungslinie von der Station Schwarz-
ach-St. Veit der Linie Salzburg-Innsbruck
nach der Station Spittal a. d. Drau der Süd-
bahn (Pustertallinie). Vom Standpunkt des
Verkehrs wäre allerdings im weiteren Sinn
die Strecke Salzburg-Bischofshofen-Vülach
als ein einheitliches Ganzes aufzufassen.
Die T. durchschneidet das vor ihrer Her-
stellung eisenbahnlose Gebiet zwischen der
Brennerbahn im Westen und der Linie
Selzthal-Villach im Osten ungefähr in der
Mitte seiner mehr als 200 km langen west-
öbtlichen Ausdehnung; sie verbindet das
Salzachtal mit dem Drautal und verkürzt
die Verbindung zwischen Salzburg und
Villach um etwa 185 km. Die T. ist nicht
nur eine wichtige Verbindung der öster-
reichischen Kronländer Salzburg und
Kärnten, sondern sie hat auch eine große
Bedeutung für den Weltverkehr, indem
sie in Verbindung mit der Karawanken-
und Wocheiner Bahn die lang ersehnte
„zweite Eisenbahnverbindung mit Triest"
und dem Orient herstellt (Abb. 273).
Die Notwendigkeit einer solchen zweiten Eisen-
bahnverbindung mit Triest neben der durch die Süd-
bahn verwirklichten veranlaßte die österreichische
Regierung und den Reichsrat schon 1868, sich mit dem
Plan ihrer Erbauung zu beschäftigen. In den Jahren
186Q, 1870, 1872 und 1875 wurden dem Reichsrat
von der Regierung Entwürfe vorgelegt, die auf die
Herstellung dieser Verbindung abzielten und in
denen die Predillinie (von Tarvis unter dem Predil
nach Görz) bevorzugt wurde. Aber keine dieser Vor-
lagen kam zur Beratung im Haus und die Sache
geriet ganz ins Stocken, als sich im Jahre 1876 der
Eisenbahnausscluiß gegen die Predillinie aussprach.
Erst anfangs der Aclitzigerjahre kam neues Leben
in die Frage inid es trat nunmehr die Forderung
immer bestimmter auf, daß die Verbindung Triests
mit dem Hinterland von Kärnten durch die „Tauern"
(östlicher Teil der Zentralalpen) nach Salzburg und
Süddeutschland geführt werden müsse; da aber hier-
für zahlreiche Möglichkeiten vorlagen, entbrannte ein
lebhafter Streit der Beteiligten, ohne daß eine be-
stimmte Linie unangefochten in den Vordergrund
getreten wäre. Dieser Kampf der Meinungen führte
aber dazu, daß nunmehr von verschiedenen Seiten,
darunter auch von der Staatsverwaltung selbst
eingehende Studien über die Möglichkeiten sowie
über die Vorteile und Nachteile jeder einzelnen
Tauernbahnlinie und der sonst noch in Betracht
kommenden Verbindungen mit Triest durchgeführt
wurden. 1897 waren die Studien der Regierung so
weit gediehen, daß sie einen Gesetzentwurf fertig-
Klaua -SteycJui^
Abb. 273. Lageplan der Tauernbahn.
272
Tauembahn.
stellen konnte, der damals \xohl nicht zur par-
lamentarischen Behandlung kam, IQOO aber, erweitert
durch die Einfügung der Karawankenbahn, dem
Reichsrat zuging. Da auch diese Vorlage infolge
Schlusses der Tagung nicht zur Behandlung kam,
wurde dem Reichsrat 1901 jene Vorlage unterbreitet,
die am 6. Juni desselben Jahres Gesetzeskraft er-
langte und den in den Jahren 1901-1909 erfolgten
Bau der sog. „neuen Alpenbahnen" ermöglichte.
Durch dieses Gesetz wurde die Regierung ermächtigt,
auf den bestehenden Staatsbahnen Investitionen für
den Betrag von 272 .Mill. K vorzunehmen und für
fast 200 Mill. K neue Eisenbahnen zu erbauen, dar-
unter: 1. die T., abzweigend von der bestehenden
Station Schwarzach-St. Veit der Staatsbahnlinie Bi-
schofshofen-Wörgl über Badgastein und Mailnitz
Abb. 274. Längenschnitt der Tauernbahn.
nach der Station Möllbrücken oder Spittal a. d. Drau
der Pustertaler-Linie der Südbahn; 2. die Kara-
wanken- und Wocheiner Bahn Klagenfurt-Rosen-
bachtal-Aßling-Podbrdo-Görz-Triest mit einem Flügel
Villach-Rosenbachtal; beide zusammengenommen
bilden die lang ersehnte zweite Eisenbahnverbindung
mit Triest.
Im Laufe der jahrzehntelangen Studien waren fast
20 verschiedene Linien projektiert und im Gelände
abgesteckt worden. Unter den zahlreichen Linien,
die die mächtige Gebirgskette der Hohen Tauern in
nordsüdlicher Richtung durchqueren sollten, wurde
die Gasteiner Linie zur Ausführung gewählt; denn
sie vereinigt die Vorzüge, daß sie die kürzeste und
billigste Linie ist, den kürzesten Scheiteltunnel be-
sitzt und zwischen Salzburg und Villach eine Weg-
kürzung von 185 km bei dem geringsten Aufwand
von kilometrischen Baukosten bewirkt, während sie
bezüglich der Baulän,ge, der erstiegenen Höhe beider
Rampen und der Höhe des Scheitelpunktes den sonst
möglichen günstigsten Verhältnissen wenigstens ganz
nahe kommt.
Die T. (vgl. Längenschnitt Abb. 274) ist
80-9 km lang. Die Anfangsstation Schwarzach-
St. Veit liegt in einer Seehöhe von 591 m,
der höchste Punkt im Scheiteltunnel 1226 m,
die Endstation Spittal-.Millstättersee in der See-
höhe von 543 m; die überwundene Steigung
beträgt also auf der Nordseite 635 m, auf der
Südseite 683 m. Die T. ist als Hauptbahn ersten
Ranges und eingleisig gebaut; nur die Strecke
zwischen den Stationen Böckstein und Mailnitz
mit dem Scheiteltunnel ist zweigleisig. Die größte
Steigung von durchschnitt-
lich 20'^ '2^00 ist auf der
Nordrampe auf 20.729 m
= öXOg der Länge, auf
der Südrampe auf 2 3.977 m
= 59*0 der Länge und
insgesamt auf 44.713 m
= 55 "ff der Gesamtlänge,
der kleinste Bogenhalb-
messer von 250 m auf
12.752/«= 16»^, der Ge-
samtlänge zur Anwendung
gebracht.
Die T. enthält außer den
beiden Anschlußstationen
10 Stationen von zusammen
5563 m Länge, 3 Haltestel-
len von zusammen 380 m
und 2 Betriebsausweichen
von zusammen 1009 m
Länge; die letzteren dienen
auch für den Personen-
und beschränkien Güter-
verkehr.
Der Charakier der Linie
ist durch die eigenartige
Gestaltung des Gasteiner-
tals einerseits und des Mail-
nitz- und Mölltals ander-
seits sowie durch die Bestimmung, daß die T.
als Hauptbahn ersten Ranges herzustellen war,
festgelegt. Geht man auf der Nordseite von
Lend aus dem Lauf der Gasteiner .Ache ent-
gegen, so hat man zunächst eine untere, mehr
als 200 m hohe Talstufe zu überwinden, die
von der Ache in eng gewundener Klamm durch-
braust wird, worauf man zu dem sanft ge-
neigten Talboden zwischen der Klamm und
dem Ort Badgastein gelangt. Dieser Bade-
ort schmiegt sich der zweiten, fast 250 m
hohen Talstufe an, in der die Ache die
weltberühmten Gasteiner Wasserfälle bildet.
Dann erreicht man den oberen Talboden, der
sich bis Böckstein am Zusammenfluß des An-
lauf- und Naßfelderbaches in mäßiger Neigung
Tauernbahn.
273
hinzieht. Daselbst wendet sich die Bahn ins
steilere Anlauftal, um über die Station Böck-
stein nach etwa 1 V2 km Entfernung von der
Talgabelung den Nordeingang des Tauern-
tunnels zu erreichen. Auf der Nordseite ent-
fallen also etwa 10 km Länge zur Überwin-
dung der untersten Talstufe von 255 m Höhe,
etwa 10 km auf den darauffolgenden flachen
Talboden mit einer Höhe von 33 m, etwa
\Q km zur Überwindung der zweiten oberen
Talstufe bei Gastein mit 242 m und endlich
etwas über 3 km zur Überwindung der letzten
Höhe bis Station Böckstein mit 86/«; es sind
also nordseits rd. 23 km Bahnlänge als Gebirgs-
bahn schwierigsten Charakters und ein etwa
10 km langes Zwischenstück als Talbahn mit
mäßigen Schwierigkeiten anzusprechen.
Hinter Böckstein folgt unmittelbar der Nord-
eingang des Tauerntunnels (s. d.), dessen
höchster Punkt 1225-884/« hoch gelegen ist, von
dem aus sich die Bahn bis zu der 3 km nach
dem südlichen Mundloch gelegenen Station
Mallnitz auf 1180 /« Seehöhe senkt. Der Mall-
nitzbach nimmt etwa noch 1 km nach der
Station Mallnitz einen flachen Verlauf und
bricht sodann mit 2 unmittelbar aufein-
anderfolgenden, von zahlreichen Wasserfällen
durchsetzten Steilstufen von über 400 m Höhe
zum Mölltal nieder, das wieder einen ver-
hältnismäßig flachen, nur von wenigen und
kurzen, steileren Gefällen unterbrochenen Ver-
lauf bis zur Einmündung in die Drau nimmt.
Zum Abstieg über diese von der Mallnitz
gebildete Steilstufe und den weiteren Lauf
der flößbaren Moll benutzt die Bahn die öst-
liche und nördliche Lehne des Mallnitz- und
Mölltals. Diese Lehnenstrecke gehört zu den
großartigsten und schwierigsten Baustrecken
dieser Art, die je hergestellt wurden. Bei
Station Pusarnitz erreicht die Bahn das be-
reits im Drautal gelegene Lurnfeld und im
weiteren Verlauf ohne Schwierigkeiten die
Anschlußstation Spittal a. d. Drau.
Die T. enthält eine große Anzahl von z.T.
sehr bedeutenden Kunstbauten, wie aus folgen-
der Zusammenstellung ersichtlich ist:
Gegenstand
Gewölbte
und gedeckte
Durctilässe
unter
20 m lichter
Weite
Offene
Durctilässe
unter
20 m lictiter
Weite
Gewölbte
Brücken
Eiserne
Brücken
Gewölbte
Viadukte
Überwölbte
Einschnitte
und
Galerien
Eingleisige
Tunnel
— r^
2 I
00
—00
E I
g
-SS
Anzahl
Summe der
lichten Weite
in m
120
124-8
11
64-0
420
260-2
45 Öffnung.
496 /n
7-6 m lang
1754-9 m
lang
Anzahl
Summe der
lichten Weite
in m
156
343-3
22
121-5
25-0
391-2
20
88 Öffnung.
906 /n
84-3 ni lang
12
4360« lang
Unter den Eisenbahnbrücken ist besonders er-
\s-ähnenswert : die wildromantisch zwischen Fluß-
wänden der Klamm eingespannte, gewölbte Klamm-
brücke km 8-2 von 22 m lichter Weite zwischen den
beiden Klammtunneln; die Angertalbrücke, /t/n 25-1,
ein eiserner Zweigelenksbogen von 110-2 m lichter
Weite, in 80 m Höhe das Tal überspannend (siehe
Bogenbrücken. Bd. II, Abb. 223); der Dössenviaduki
in km Al'l mit einer gewölbten Öffnung von 32 m
lichter Weite 35 m hoch ; der Zwenbergviadukt mit
3 eisernen Öffnungen von zusammen 125 m, 60 //z
über dem Tal ; der Rickenbachviadukt in km 02-8
mit einer eisernen Öffnung von 81 m lichter Weite,
50 m hoch über dem Tal. Außerdem mußten selbst-
verständlich, dem Charakter einer schwierigen Ge-
birgsbahn angemessen, zahlreiche Stütz- und Futter-
mauern, Lehnenschutzbauten, Uferversicherungen
u. dgl. m. zur Ausführung gebracht werden.
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
Der zwischen km 34-636 und km 43-187
gelegene zweigleisige Tauerntunnel ist 8550-6/ra
lang (s. Tauerntunnel).
Der Bau der T. wurde mit der Auffahrung
des Sohlstollens auf der Nordseite des Tauern-
tunnels im Juli und der des Sohlstollens auf
der Südseite im Oktober 1901 begonnen; der
Bau der Nordrampe selbst von Schwarzach-
St. Veit bis Badgastein wurde im Jahre 1902
der Unionbaugesellschaft in Wien zugeschlagen
und der Betrieb auf dieser Strecke am 20. Sep-
tember 1905 eröffnet. Die Ausführung des
restlichen Teiles der Nordrampe sowie des
ganzen Tauerntunnels und der Südrampe bis
18
274
Tauern bahn.
zum unteren Kapponigtunnel, km 52'5, \x'urde
von der Bauunternehmung Brüder Redlich
& Berger, Wien, am 2. Dezember 1905 und
der resthche Teil der Südrampe bis zur Station
Spittal a. d. Drau von der Bauunternehmung
Doderer, Wien, im Sommer 1Q06 zur Aus-
führung übernommen. Die Betriebseröffnung
der Strecke Badgastein bis Spittal a. d. Drau
erfolgte am 5. Juli 1909 in Anwesenheit des
Kaisers Franz Joseph I.
Während des Baues haben sich zahlreiche
und bedeutende Schwierigkeiten ergeben. Im
September 1903 wurde durch ein außergewöhn-
liches Hochwasser der Gasteiner Ache der
Bau lange gestört und es wurden arge Ver-
wüstungen angerichtet. Die Beschaffung der
Baustoffe für die hoch über der Talsohle
liegenden Lehnenstrecken der Nord- und be-
sonders aber der Südrampe war mit bedeu-
tenden Kosten verbunden und erforderte die
Anwendung maschineller Einrichtungen, wie
Seilbahnen und Aufzüge, sowie die Herstel-
lung zahlreicher Lokomotivdienstbahnen von
vielen Kilometern Länge; die Arbeiten ober-
tags hatten vielfach unter der Ungunst der
winterlichen Verhältnisse im Hochgebirge zu
leiden und noch im letzten Baujahr verur-
sachten heftige Lawinenstürze schwere Un-
glücksfälle, so bei Böckstein, woselbst kurz
vor der Fertigstellung der Verlegung des An-
laufbaches durch eine schwere Grundlawine
26 Arbeiter ihr Leben einbüßten.
Von den zahlreichen Wildbächen im Be-
reich der T. hat sich nach der Betriebs-
eröffnung nur der früher erwähnte Höhkaar-
bach infolge seiner Lage über dem nördlichen
Ende des Tauerntunnels bemerkbar gemacht
und eine sehr teuere Verlegung und Versiche-
rung des Baches verursacht.
Unangenehmer waren zahlreiche Lawinen-
gänge und Schneeabrutschungen: Am Thomas-
eck und am Hochstuhl zwischen Gastein und
Böckstein sowie über dem Südportal des
Tauerntunnels und an den Hängen des Auer-
nigg nächst der Station Mallnitz mußten zahl-
reiche und ausgedehnte Lawinenschutzbauten
in Höhen von 1200 bis 1900/n ausgeführt
werden, die einen Kostenaufwand von über
300.000 I< erforderten. Zur Sicherung des
Südeingangs des Tauerntunnels gegen Lawinen-
gefahr ist eine Verlängerung der Tunnelröhre
um 80 m geplant.
Der Schienenwanderung in den stark geneig-
ten Strecken der beiden Rampen wurde während
des Betriebs durch Einbau von Stützklemmen
und Stemmx^-inkeln entgegengearbeitet.
Sehr unangenehm machte sich im Dössen-
tunnel auf der Südrampe der T. die Rauch-
plage geltend ; es wurde daher beim nörd-
lichen Eingang dieses eingleisigen Tunnels
eine elektrisch betriebene Lüftungsanlage
System Saccardo errichtet.
In der ursprünglichen Gesetzesvorlage vom
Jahre 1901 war für den Bau der T. ein Be-
trag von 60 .Will. K vorgesehen. Für die
Durchführung des Baues selbst wurde im Ge-
setz vom 6. Juni 1901 ein Betrag von 19\'2
Mill. K und im Gesetz vom 24. Juli 1905 ein
weiterer Betrag von 55V2 Mill. K bewilligt.
Wegen der vielen Bauschwierigkeiten sowie
mit Rücksicht auf die zur Zeit der Baudurch-
führung gegenüber den ursprünglichen, weit
zurückliegenden Kostenberechnungen stark
geänderten Preisverhältnisse haben sich nam-
hafte Überschreitungen ergeben, die die tat-
sächlichen Baukosten auf einen Betrag von
90-5 Mill. K hinaufbrachten. Über die Kosten
des Tauerntunnels selbst s. d.
Der Personenverkehr auf der T. gestaltete
sich sehr lebhaft.
Der örtliche Güterverkehr auf der T. kommt
nahezu gar nicht in Betracht, da er sich nur
auf etwas Holz und Vieh, wenig Baumaterialien
und .Approvisionierungsartikel beschränkt. Der
Hauptanteil des Durchzugsverkehrs entfällt
auf die Richtung Böhmen-Triest mit Zucker,
Maschinen, Kohle, Glas und Bier, Baumwolle, '>
Südfrüchte, Gemüse, Schwefel, Tabak und j
Wein.
Der Auslandverkehr geht hauptsächlich in der
Richtung nach Süddeutschland und umfaßt ähn-
liche Artikel wie der böhmische Verkehr. Die Ver-
kehrsbewegung umfaßte 1912 in beiden Rich-
tungen etwa 560.000 t für den böhmischen
Verkehr und 110.000^ für den Auslandver-
kehr. Gegenüber einer Betriebslänge von 81 km
weist die T. eine Tariflänge von 105^/« auf
(s. Längenprofil Abb. 274).
Literatur: Technisch-kommerzieller Bericht über
die zweite Eisenbahnverbindung mit Triest. Wien
IQOl. — Stei n ermayer, Der Bau der zweiten
Eisenbahnverbindung mit Triest. Allg. Bauztg. 1906.
- Z uff er, Die offenen Strecken der neuen Alpen-
bahnen. Ztschr. d. Osten-. Ing.-V. 1907. - Dr. techn.
R. Schön höf er, Die Brücke über die .äingerschlucht
im Zuge der Tauernlinie der zweiten Eisenbahn-
verbindung mit Triest. Allg. Bauztg. 1909. — Hans
Rasch ka, Steinförderung auf Schlitten beim Bau
der neuen Alpenbahnen. Ztschr. d. Österr. Ing.-V.
1909. — Ing. Fritz Hromatka, Vom Bau der
Linie Schwarzach-St.Veit-Badgastein. Allg. Bauztg.
1911. - V. Klodic, Reiß u. Schumann, Der
Bau des Tauerntunnels. Allg. Bauztg. 1912, 77. Jg.,
S. 107 u. s. w. - Ing. R. Schumann. Studien an
den Lüftungsanlagen des Tauern- und Dössentunnels.
K. k. Staatsbahndirektion Villach 1914; Tunnellüft-
anlagen der Tauernbahn. Ztschr. dt Ing., 1915,
Bd. "lex. - Wessely, Die Südrampe der Tauern-
bahn. Techn. Blätter, 41. Jg., H. 4. - Zuffer,
Trassierung, Unterbau und Brückenbau der zweiten
Tauerntunnel. - Tauernbahn.
Eisenbahnverbindung mit Triest. Gesch. d. Eisenb.
d. öst.-ung. Monarchie, Bd. \'I. von Strach.
Enderes-Kleinwächter.
Tauerntunnel. Der zweigleisige, 8550-6 m
lange, gerade Tunnel der Tauernbahn liegt
zwischen den Stationen Böckstein in Salzburg,
Nordseite (1172-8/« ü. M.), und Mailnitz in
Kärnten, Südseite (1219/n ü. M.), unterfährt die
Hohen Tauern (2790 /«), steigt vom Nord-
mund mit 10 und 3'3%o und fällt nach dem
Südmund mit 4 und 2%o, 'W'ie Abb. 275 zeigt.
Die größte Überlagerung beträgt 1567 m.
Von Nord nach Süd geht der Tunnel auf
350 m Länge durch Bergschutt mit großen
Blöcken (schwieriger Bau), dann auf 1950 /n
durch feinkörnigen Gneisgranit auf 5676 m
durch harten porphyrartigen Qranitgneis mit
Knallgebirgsstrecken, schließlich durch Glimmer-
schiefer, wobei Quellen mit 40, 50 und 60 //Sek.
Jnlauftal
N
Jäckstem
schritt von 4-5 m. Im 4'2 m? großen Firststollen
arbeiteten 2 Drehbohrmaschinen mit einem
mittleren Tagesfortschritt von 3'2ot. Der Durch-
schlag des Sohlstollens erfolgte am 2 I.Juli 1907,
6164/« vom Nordmund entfernt. Die hier-
bei festgestellten Abweichungen betrugen in
der Richtung 55 mm, in der Höhe 56 mm und
in der Länge 2-93 m. Da die angenommene
Durchschlagstelle sich nennenswert nach Süden
verschob, wurde der Längsschnitt in der aus
Abb. 275 ersichtlichen Weise abgeändert.
Nach Herstellung des Firststollens erfolgte
der Vollausbruch in Zonenlängen von 8— 10 //z,
die Zimmerung nach der Längsträgerbauweise
mit Brust- und Mittelschwellen.
Der Tunnel wurde trotz festen Gebirges
wegen möglicher Qesteinsablösungen durch-
wegs meist mit plattenförniigen Bruchsteinen
(Gneisgranit) in Zementmörtel ausgemauert.
i
Seelachtal
s
Mailnitz
2190
WBijüJig'in %o
Längen in zn
Höhen üb. dM.
Wasser angeschnitten wurden. Die höchste Ge-
steinstemperatur betrug 22-4*' C.
Der Sohlstollen als Richtstollen wurde nord-
seits auf etwa 630 m Länge durch Hand-
arbeit, dann bei einem Querschnitt von 3'0 m
Breite und 2-2 m Höhe mit hydraulischen
Drehbohrmaschinen Brandt, wovon 3-4 auf
einer mit einem Bohrwagen verbundenen
Spannsäule befestigt waren, bei einem durch-
schnittlichen Tagesfortschritt von 5-0 m her-
gestellt. Zur Bohrung des im Mittel 3-4 ot^
großen Firststollens wurden 2 elektrische
Kurbelstoßbohrmaschinen Siemens-Schuckert
(1 PS.) verwendet und hiermit ein mittlerer
Tagesfortschritt von 1 -5 m erreicht.
Nach Durchschlag des Sohlstollens wurden
die frei werdenden Drehbohrmaschinen im
Firststollen verwendet.
In der 350 //z langen Bergschuttstrecke wurde
der Firststollen nicht vom Sohlstollen, sondern
durch 2 Schächte von der Oberfläche aus in Ab-
ständen von 41 m und 233 /n vom Nordmund
erreicht. Auf der Südseite arbeiteten im b'bm^
großen Sohlstollen 3 Drehbohrmaschinen
Brandt mit einem durchschnittlichen Tagesfort-
Die Druckstrecke im Schuttkegel am Nordein-
gang erhielt Gewölbestärken von 0'9 - 1 -0 m
und Sohlgewölbe von 0'8 m Stärke.
Die Förderung geschah in den Arbeitsstrecken
mit Benzinlokomotiven, im fertigen Tunnel mit
elektrischen Lokomotiven. Erstere zeigten die
auch schon bei anderen Tunnelbauten beob-
achteten Obelstände der Luftverschlechterung.
Zur Lüftung dienten auf beiden Seiten je 6
Hochdruckventilatoren mit je 350/n^/Min. Luft-
ansaugung, die teils durch Turbinen, teils durch
elektrische Motoren angetrieben wurden. Die
Luftleitung hatte 500 — 800 mm Durchmesser.
Die für den Antrieb der Maschinen er-
forderlichen Kräfte lieferten auf der Nordseite
der Anlaufbach und der Höhkaarbach, und da
die Wasserkräfte im Winter nicht ausreichten
(120 Sek// mit ISO PS.), wurde noch eine
Dampfkraftanlage erforderlich. Auf der Südseite
lieferte der Mallnitzbach die erforderlichen
Kräfte (Winterminimum 600 Sek// mit 900 PS.)-
Mit den Bauarbeiten wurde auf der Nord-
seite im Voreinschnitt des Tunnels am 6. Juli
1901 begonnen. Die Ausführung der Arbeiten
erfolgte zunächst im Akkordweg mit 14tägiger
18'
276
Tauerntunnel. Technikerversammlungen.
Kündi^mino; durch die bekannte Bauunter-
nehnuing Brüder Redlich tk Berger. Erst am
22. Dezember 1905 wurde der Bau endgültig
dieser Unternehmung übertragen, da die für
die Fertigstellung des Tunnels erforderlichen
Mittel erst durch das Ges. vom 24. Juli 1905
sichergestellt wurden.
Im September 1903 wurde der Bau auf der
Nordseite durch die bedeutenden Hochwässer
des Anlauf- und Höhkaarbaches, die teils
durch die genannten Schachtanlagen in den
Tunnel drangen und mit etwa 4000 Sek// aus
dem Sohlstollen über die Bauplätze flössen,
gestört, so daß die Arbeiten bis Mitte Jänner
1904 eingestellt bleiben mußten.
Der Tunnel wurde am 23. Januar fertigge-
stellt und am 26. Februar 1909 durch Loko-
motiven befahren. Die verhältnismäßig lange
Bauzeit des sonst sehr zweckmäßig betriebenen
Tunnelbaues hat wohl hauptsächlich darin
seinen Grund, daß die zur Vollendung er-
forderlichen Geldmittel so sehr verspätet zur
X'erfügung gestellt werden konnten.
Für die Lüftung des Tunnels während des
Eisenbahnbetriebs wurde auf der Südseite eine
Lüftungsanlage nach Bauart Saccardo erstellt,
wobei die Luft von Süd nach Nord entgegen
den in der Steigung von \0%o aufwärts
fahrenden Zügen gedrückt wird, wozu die für
den Bau erstellte Wasserkraftanlage bei Mallnitz
(Lassach) benutzt wird. Die Kosten für den T.
werden angegeben:
für den Tunnelbau mit . . . 23,338.500 M.
für die Baubetriebsaniage mit . 4,146.700 „
zusammen mit . . 27,485.200 M.
daher für den laufenden/« mit 3215 M., worin
die am Südmund für die Tunnellüftungsan-
lage erforderlichen Mauerungsarbeiten ent-
halten sind. Die für den Bahnbetrieb auf der
Südseite ausgeführten Lüftungsanlagen haben
etwa 700.000 M. gekostet.
Die jährlichen Betriebskosten dieser Anlagen
gibt Heine (s. Literatur) mit Rücksicht auf
die mögliche Einschränkung im Winter mit
21.000-23.000 M. an.
Die 12^7« lange Strecke Böckstein-Mallnitz
mit dem T. wird in 16-18 Min. durchfahren.
Literatur: Hannack, Der Tunnelbau. Geschichte
der Eisenbahneil der österr.-ungar. Monarchie, Teschen
1909. - Schneller, Über Gesteinsbohrungen mit
Berücksichtigung des Stollenvortriebs in den .Mpen-
tunnels. Ztschr. d. Österr. Ing.-V. 1909. - Heine,
Bericht 5, betreffend die Frage über lange Eisenbahn-
tunnels. Bulletin d. Int. Eis.-Kongr.-\'erb.
Dolezalck.
Taunusbahn, in den Jahren 1837 und
1838 von der Stadt Frankfurt, dem Groß-
herzogtum Hessen und dem Herzogtum Nassau
konzessionierte Privatbahn, umfassend die
Strecken von Frankfurt a. M. über Kastei nach
Wiesbaden mit der Abzweigung von Curve
nach Bieberich sowie von Höchst nach Soden.
Die Strecke Frankfurt a. M.-Hattersheim ( 1 4-8*/«)
wurde 1839, die von Hattersheim bis Wies-
baden (27-02 y^/K) 1840 dem Betrieb übergeben.
Die ursprünglich mit Pferdekraft betriebene
Zweigbahn Curve-Bieberich (1-49 A/n) ist 1872
für den Lokomotivbetrieb eröffnet worden.
1863 erwarb die Gesellschaft die Höchst-
Sodener Bahn (6'6 kni), die sie seit Eröffnung
(1847) bereits in Betrieb gehabt hatte.
Das Gesamtanlagekapital belief sich auf
7,032.000 M.
Mit Ges. vom 3. Mai 1872 erwarb der
preußische Staat die T. zu einem Gesamtpreis
von 10,001.000 M.
Ihre Linien wurden zunächst der Direktion
in Wiesbaden unterstellt und gehören jetzt
zur Eisenbahndirektion Frankfurt a. M.
Die Ergebnisse der T. waren fortdauernd
günstige.
DieStammaktien erhielten 1 840 - 1 870 durch-
schnittlich 6-8 % Dividende.
Literatur: Dröll, Sechzig Jahre hessische Eisen-
bahnpolitik, Leipzig 1912, insbesondere S. 7—16.
Technikerversammlungen des VDEV.
Bald nach Gründung des VDEV. wurde eine
Kommission eingesetzt, der die Berichter-
stattung über die Vorarbeiten zur Herbei-
führung der möglichsten Obereinstimmung im
deutschen Eisenbahnwesen und zur Anbahnung
eines allgemeinen deutschen Eisenbahngesetzes
übertragen wurde.
Von dem Bevollmächtigten der hannover-
schen Staatsbahn, dem Baurat Mohn, wurde
dieser Kommission eine Denkschrift über
folgende Beratungsgegenstände vorgelegt: „Vor-
schläge zur Erreichung einheitlicher Bestim-
mungen im deutschen Eisenbahnwesen, inson-
derheit gleichmäßige Konstruktionen des Bahn-
baues und gleichmäßige Betriebseinrichtungen
betreffend" und „Vorschläge zu einer Verein-
barung wegen Durchführung der ersteren nebst
transitorischen Bestimmungen, solange allge-
meine gesetzliche Vorschriften nicht erlassen
sind".
Der Denkschrift war für den Bahnbetrieb,
die Betriebsmittel und das Telegraphensystem
ein Entwurf der für die tunlichst allgemeine
Benutzung der deutschen Eisenbahnen teils
unumgänglich notwendigen, teils sehr enx'ünsch-
ten Vorschriften beigegeben.
Die Generalversammlung zu Wien am 15.
bis 19. Oktober 1849 beschloß auf Antrag der
Kommission, daß die Techniker der sämtlichen
Verwaltungen, die den deutschen Eisenbahn-
verband bilden, zur Beratung über obiges
Technikerversammlungen.
277
Promemoria zusammentreten und daß hierzu
auch die Techniker der anderen deutschen
Eisenbahnverwaltungen, die noch nicht zum
Verein gehören, eingeladen werden sollen.
Die Beratungen dieses Technikerausschusses
fanden unter Vorsitz der Bauräte Mohn und
Neu haus in der Zeit vom 18. bis 27. Februar
1850 in Berlin statt.
Das Ergebnis dieser Beratungen bildeten
die „Qrundzüge für die Gestaltung der Eisen-
bahnen Deutschlands" und „Einheitliche Vor-
schriften für den durchgehenden Verkehr auf j
den bestehenden Vereinsbahnen" (vgl. Tech-
nische Vereinbarungen).
Während dieser Verhandlungen wurde von
der Kommission zur Vorberatung der Grundzüge
die Bildung eines Vereins der deutschen Eisen-
bahntechniker beantragt. Dieser Antrag fand
allseitige Zustimmung und es wurde die
Gründung des Vereins sogleich durch schriftliche
Verpflichtung der Teilnehmer vorgenommen.
Bei den Verhandlungen der Generalversamm-
lung des VDEV. zu Aachen vom 29. Juli
bis 1. August 1850 fand eine Beratung der
»Einheitlichen Vorschriften" statt, die in fast
unveränderter Fassung angenommen und den
Vereinsverwaltungen dringend zur baldmög-
lichsten Ausführung empfohlen wurden. Die
„Grundzüge" wurden als schätzenswertes
Material zur Kenntnis der Verwaltungen gebracht.
Zu der Gründung des Vereins deutscher
Eisenbahntechniker beantragte die Kommission:
„Der bei Gelegenheit der Zusammenkunft
der Techniker gegründete Verein der deutschen
Eisenbahntechniker kann zwar nur als ein
Privatverein angesehen werden, doch wird mit
Rücksicht auf die ersprießlichen Folgen, die
die Zusammenkünfte und gemeinschaftlichen
Erörterungen der tüchtigsten und erfahrensten
Eisenbahntechniker haben können, den Verwal-
tungen zu empfehlen sein, die Zusage zu
erteilen, daß jede Vereinsverwaltung tunlichst
gestatten wolle, daß eines ihrer dem Techniker-
verein angehörenden Mitglieder bzw. Beamten
den Versammlungen beiwohne."
Nach Erledigung der ersten und bedeutendsten
Aufgabe ist der Verein der deutschen Eisen-
bahntechniker längere Zeit nicht wieder in die
Öffentlichkeit getreten.
Erst in der Generalversammlung des VDEV.
zu Frank-furt a. M. am 21. und 22. Juli 1856
machte sich bei Gelegenheit der Erörterung
wichtiger technischer Fragen das Bedürfnis
nach einer neuerlichen Versammlung der
Techniker des VDEV. fühlbar. Diese wurde
im Jahre 1857 in Wien abgehalten. Neben
der Vervollständigung der Vorschriften vom
Jahre 1850 wurden noch verschiedene andere
technische Fragen behandelt. Zwischen der
zweiten und dritten T., die auf Veranlassung
der 1864 in Salzburg abgehaltenen General-
versammlung des VDEV. einberufen wurde,
lag wieder ein großer Zeitabschnitt.
Die dritte T. fand 1865 in Dresden, u. zw.
ebenfalls hauptsächlich zum Zweck der weiteren
Ausgestaltung der „Grundzüge" und „Einheit-
lichen Vorschriften" statt; hierbei wurde die
langwährende Unterbrechung der Versamm-
lung des Vereins als ein Nachteil für die
gründliche und fachgemäße Erledigung der
Aufgaben bezeichnet. Von der Versammlung
wurde der Wunsch ausgesprochen, daß es ihr
gestattet sein möge, künftighin in kürzeren,
womöglich regelmäßig wiederkehrenden Zeit-
abschnitten zu tagen.
Infolgedessen wurde die nächste Versamm-
lung im Jahre 1868, u. zw. nach München
einberufen. Die folgenden Versammlungen
fanden dann meistens in 3- oder in 2iährigen
Zwischenräumen statt.
In der T. des Jahres 1865 wurden die
„Grundzüge" und „einheitlichen Vorschriften"
nach abermaliger Umarbeitung in ein ein-
ziges Werk zusammengefaßt, das unter der
Bezeichnung: „Technische Vereinbarungen des
Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen über
den Bau und die Betriebseinrichtungen der
Eisenbahnen" in der Generalversammlung zu
Mainz im Jahre 1866 die Genehmigung fand.
Weitere Prüfungen und Ergänzungen der
„Technischen Vereinbarungen" fanden in den
Beratungen zu Hamburg 1871, Constanz 1876,
Graz 1882, Salzburg 1886, Constanz 1888,
Berlin 1890, Straßburg 1893, Budapest 1896,
Hamburg 1908, Teplitz-Schönau 1914 statt.
Im Jahre 1876 verhandelte die T. über die
„Grundzüge für die Gestaltung der sekundären
Bahnen". Diese Vorschriften waren schon
vordem, im Auftrag des VDEV. von der techni-
schen Kommission verfaßt und später umge-
arbeitet, 1873 zu Frankfurt -genehmigt worden.
Eine durchgreifende Umarbeitung dieser
Grundzüge ergab sich zu Anfang der Acht-
zigerjahre infolge der starken Vermehrung der-
artiger Bahnen im vorangegangenen Jahrzehnt
sowie mit Rücksicht auf die hei ihrem Bau
und Betrieb gewonnene Erfahrung. Um den
bis dahin allgemein als sekundär bezeich-
neten Bahnen die erwünschten größtmöglichen
Erleichterungen gewähren zu können, wurde
eine Unterscheidung dieser in Nebenbahnen
und Lokalbahnen vorgenommen. Die hiernach
von der technischen Kommission entworfenen
„Grundzüge für den Bau und Betrieb der
Nebeneisenbahnen" und „für den Bau und
Betrieb der Lokaleisenbahnen" wurden von
278
Technikerversammlungen.
der T. im Jahre 1886 durchberaten und in
demselben Jahr von der Generalversammlung
des VDEV. angenommen.
Außer den vorgenannten Beratungen war
die Haupttätigkeit der T. der Erörterung wich-
tiger technischer Fragen des Eisenbahnwesens
gewidmet. Schon in der Versammlung zu Wien
1857 war durch mehrere Fragen die Anre-
gung zu einem lebhaften Meinungsaustausch
gegeben worden, der in den späteren Sitzungen,
namentlich durch sorgfältige Auswahl der zur
Erörterung gestellten Fragen und durch die
umfassende und gründliche Vorbereitung der
Beratungen, mehr und mehr an Bedeutung
gewann. Die zur Beratung zu stellenden Fragen
wurden von der technischen Kommission aus-
gewählt und durch die geschäftsführende Verwal-
tung den sämtlichen Vereinsverwaltungen zur
Abgabe ihrer Gutachten oder Mitteilung ihrer
Erfahrungen zugestellt. Nach diesen Antworten
wurden dann von der technischen Kommis-
sion die der T. vorzulegenden Berichte mit den
hieraus sich ergebenden Schlußfolgerungen und
Gutachten angefertigt. Um das wertvolle Er-
gebnis dieser gutachtlichen Urteile, die be-
reits im Jahre 1868 zwei stattliche Foliobände
füllten und später zu noch größerem Umfang
anwuchsen, auch weiteren Kreisen zugänglich
zu machen, wurden sie dem Buchhandel über-
geben (s. Erg.-Bd. I-XV zu der Zeitschrift:
Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens).
Die Ergebnisse dieser Beratungen geben
ein treues Bild von dem jeweiligen Stand
der Eisenbahntechnik. Alle Wandlungen, die
diese im Lauf der Zeit durchgemacht hat,
spiegeln sich in den Sitzungsberichten der
technischen Kommission (jetzt „technischer
Ausschuß") und der T. des Vereins wieder;
viele sind auf die Anregungen zurückzuführen,
die die einzelnen Teilnehmer der Beratungen
aus diesen selbst geschöpft hatten.
Die bedeutendsten Fortschritte im Eisen-
bahnwesen, wie die allgemeine Einführung des
Stahls als Baumaterial für Schienen, Radreifen
und Achsen, des eisernen Oberbaues, der
doppelten Kreuzungsweichen, der Weichen-
sicherungen, des höheren Dampfdrucks, der
Dampfstrahlpumpen und Bremsen der Loko-
motive, der Aborte, der verbesserten Heizungs-
und Beleuchtungseinrichtungen der Personen-
wagen, der Flußstahl-Scheibenräder und der
verbesserten Radreifenbefestigungen sowie der
durchgehenden Bremsen, ferner die Verstär-
kungen der Zugvorrichtungen an den Betriebs-
mitteln, die Begutachtung wichtiger Fragen
der Bahnunterhaltung und der Bahnbewachung,
die Aufstellung von Leitsätzen für den Bau von
Weichen und Kreuzungen in Hauptgleisen u.a.
sind auf die Beratungen des technischen Aus-
schusses und der T. zurückzuführen. Zu
den weiteren Früchten, die diese Beratungen
gezeitigt haben, gehören ferner: die Statistik
der Dauer der Schienen, die Ergebnisse der von
den Vereinsverwaitungen mit Eisenbahnmaterial
angestellten Güteproben, die statistischen Nach-
richten über die auf den Vereinsbahnen vorge-
kommenen Achsbrüche sowie jene der Rad-
reifenbrüche, die Klassifikation von Eisen und
Stahl, die Lieferungsbedingnisse für Achsen,
Radreifen und Schienen aus Flußeisen bzw.
Flußstahl u. s. w.
Die Wirksamkeit der T. hatte in den
Satzungen des VDEV. keine Unterlage. Da die
Tätigkeit des Vereins der deutschen Eisenbahn-
techniker aber ausschließlich dem VDEV. ge-
widmet und die T. tatsächlich zu einem mit-
wirkenden Faktor in der Vereinsgesetzgebung
geworden war, mußte schließlich ihr privater
Charakter fallen. Es wurde deshalb vom tech-
nischen Ausschuß 1891 der Antrag auf Er-
gänzung der Vereinssatzungen durch Einfügung
von Bestimmungen über die T. gestellt.
Über diesen Antrag wurde auf Grundlage
eines Berichts des Ausschusses für Vereins-
satzungen in der Vereinsversammlung vom
Jahre 1892 der Beschluß gefaßt, in die Vereins-
satzungen (als § 15) folgende Bestimmung auf-
zunehmen:
1. Der Ausschuß für technische Angelegen-
heiten kann im Bedarfsfall zur T. erweitert
werden, an der sämtliche Vereinsmitglieder
teilzunehmen berechtigt sind.
2. Welche Beratungsgegenstände der T. zu
überweisen sind und ob und wann diese zu be-
rufen ist, bestimmt — insofern nicht die Vereins-
versammlung darüber Beschluß gefaßt, hat —
der Ausschuß für technische Angelegenheiten im
Einvernehmen mit der geschäftsführenden Ver-
waltung; glaubt die letztere ihre Zustimmung
nicht erteilen zu können, so ist die Entschei-
dung der Vereinsversammlung anzurufen.
3. Die T. wird von der geschäftsführenden
Verwaltung vorbereitet und einberufen.
4. Den Vorsitz in der T. führt die ver-
sitzende Verwaltung des Ausschusses für tech-
nische Angelegenheiten, der auch die Be-
fugnis zusteht, die berichterstattende Verwal-
tung für die einzelnen Beratungsgegenstände
zu ernennen. Die Vertretung der Vereinsver-
waltungen in der T. erfolgt durch einen oder
mehrere Abgeordnete; das Stimmrecht wird im
letzteren Fall jedoch nur durch einen von ihnen
ausgeübt. Die Vertretung einer Verwaltung
durch eine andere ist unzulässig. Bei den Ab-
stimmungen gebührt jeder Vereinsverwaltung
eine Stimme.
Technikerversammlungen. - Technische Einheit im Eisenbahnwesen.
279
5. Im übrigen finden die in § 14, Abs. 4
bis 9 für die Geschäftsführung der Ausschüsse
getroffenen Bestimmungen auch auf die Ge-
schäftsführung der T. Anwendung.
Diese Bestimmungen sind im allgemeinen un-
verändert geblieben. Die frühere Unzulässigkeit
der Vertretung in den Versammlungen ist da-
durch aufgehoben, daß die Möglichkeit einer Ver-
tretung in den Ausschüssen durch Beschluß der
Vereinsversammlung in Budapest 1910 allgemein
eingeführt wurde. Gleichzeitig wurde hierbei das
Abstimmungsverfahren, das bis dahin jeder Ver-
waltung nur eine Stimme gewährte, nach der
Länge der Vereinsbahnstrecken geregelt.
Hervorzuheben ist noch der von der Ham-
burger T. 1892 ausgesprochene Grundsatz,
1. daß durch die Bezeichnung „Techniker-
versammlung" das Selbstbestimmungsrecht der
einzelnen Vereinsverwaltungen, zu den T.
Personen ihrer Wahl - also auch solche, die
dem Technikerstand nicht angehören - zu
entsenden, in keiner Weise beschränkt werde;
2. daß es jedem Ausschuß freistehe, zu seinen
Beratungen auch außerhalb des Vereins stehende
Personen zuzuziehen, wenn dies im Interesse
der Sache für nützlich gehalten wird.
Literatur: Rückblick auf die Tätigkeit der Techniker-
Versammlungen des VDEV. 1S50-1S90. Berlin 1890.
Technische Einheit im Eisenbahnwesen
(technical Standards in railway matters; iinifc
tedinique adoptee dans /es chemiiis de fcr;
unitä tecilica in materia ferroviaria), das Über-
einstimmende in technischer Anlage und Be-
triebführung verschiedener Eisenbahnen. Sie
entwickelt sich im allgemeinen aus denselben
Bedingungen wie die Eisenbahneinheit (s. d.)
überhaupt, von der die T. nur einen besonderen
Zweig bildet; es können daher auch hier ent-
weder gesetzliche oder obrigkeitliche Vorschriften
oder freie Vereinbarungen der beteiligten Eisen-
bahnverwaltungen in Frage kommen. Solche
durch freies Übereinkommen entstandene Be-
stimmungen sind z. B. die vom VDEV. auf-
gestellten und für die Bahnen des Vereinsgebiets
gültigen technischen Vereinbarungen (Tech-
nische Vereinbarungen über den Bau und die
Betriebseinrichtungen der Haupt- und Neben-
bahnen, Grundzüge für den Bau und die Be-
triebseinrichtungen der Lokalbahnen u. s. w.).
In ähnlicher Weise kamen auch die durch
die amerikanische Master Gar Builder Associa-
tion (s. d.) aufgestellten Vorschriften und Nor-
malien zu Stande.
Im engeren, gewöhnlich gebrauchten Sinn wird
unter T. die aus den Beschlüssen der internatio-
nalen Berner Konferenzen sich ergebende T.
verstanden. In dem folgenden sollen nun über
letztere T. einige Angaben gemacht werden.
Die erste internationale Konferenz in Bern,
zu der der schweizerische Bundesrat die Re-
gierungen von Deutschland, Österreich-Ungarn,
Frankreich und Italien in der Absicht einge-
laden hatte, eine Verständigung über die T.
zu erzielen, hat in den Sitzungen vom 16.,
17., 18. und 19. Oktober 1882 über die sämt-
lichen Verhandlungsgegenstände teils einstim-
mige, teils Beschlüsse mit Stinnnenmehrheit
gefaßt. Es handelte sich hierbei um die Fest-
setzung von Normen für Erleichterung des
Übergangs von Rollmaterial auf den mittel-
europäischen Eisenbahnen.
Die Abgeordneten der bei der Konferenz
vertretenen Regierungen haben als Ergebnis der
Beratungen das folgende festgestellt:
Das Rollmaterial der Eisenbahnen, das für
den internationalen Durchzugsverkehr bestimmt
ist, soll gewissen in einer besonderen Zusam-
menstellung verzeichneten Bedingungen genü-
gen. Die in dieser Zusammenstellung ange-
gebenen Größt- und Kleinstmaße gelten für
bestehendes und neu herzustellendes Material
mit einigen Vorbehalten (Art. 1).
Das Rollmaterial eines Staates, das den Be-
dingungen des vorstehenden Artikels entspricht
und außerdem sich in gutem Zustand befindet,
ist zum freien Verkehr auf dem Landesgebiet
der anderen Staaten zugelassen (Art. 2).
Die Spurweite auf geraden Strecken soll bei
neu zu legenden oder umzubauenden Gleisen
höchstens 1440 und mindestens 1435 mm be-
tragen (Art. 3).
Die Konferenz erklärt es einstimmig für
zweckmäßig, daß eine allgemeine größte Quer-
schnittsumgrenzung für Eisenbahnwagen auf-
gestellt werde. Es werden jedoch weitere Er-
hebungen für notwendig gehalten ; der Bundes-
rat möge daher die beteiligten Regierungen
um die Übersendung der erforderlichen Nach-
weisungen ersuchen und nach dem Einlangen
derselben die Konferenz für Aufstellung einer
endgültigen Umgrenzungslinie für Eisenbahn-
fahrzeuge einberufen. Vorläufig wurde festge-
stellt, daß auf allen Bahnen der bei der Kon-
ferenz vertretenen Länder ein Ladeprofil un-
behindert verkehren kann, das in 1300 mm
Höhe über Schienenoberkante eine Breite von
3000 mm hat und mit einem Halbkreis von
1500 min Halbmesser in einer Gesamthöhe von
4150 mm über Schienenoberkante abschließt.
Die Konferenz wünsche, daß die Frage ein-
heitlicher Vorschriften betreffend den Zollver-
schluß für Eisenbahnwagen geregelt werde;
ferner sprach sie den Wunsch aus, daß ein
einheitlicher Schlüssel für die im internationalen
Verkehr verwendeten Wagen angenommen
werde (Art. 4).
280
Technische Einheit im Eisenbahnwesen.
Die Verhandlungsschrift der Konferenz wurde
den beteiligten Regierungen mitgeteilt und an
diese das Ersuchen gestellt, ihre endgültigen
Entscheidungen dem schweizerischen Bundesrat
bis zum 1. Juli 1883 kundzugeben.
Die zweite internationale Eisenhahnkonfe-
renz, die in Bern vom 10. bis 15. Mai 1886
tagte, einigte sich über Vorschriften betreffend
sicherere Einrichtung der im internationalen
Verkehr unter zollamtlichem Raumverschluß
abzufertigenden Eisenbahnwagen und über die
Punkte des Schlußprotokolls der ersten Berner
Konferenz, die in der Zwischenzeit zu Beanstan-
dungen und Abänderungsvorschlägen Anlaß
geboten hatten. Das Übereinkommen wurde
von den Abgeordneten am 15. Mai 1886 unter-
zeichnet, mit dem Vorbehalt der Genehmigung
durch die betreffenden Staatsregierungen.
Das Schlußprotokoll umfaßte 6 Artikel und
eine Zeichnungsbeilage zu § 25 des Art. II
(Doppelschlüssel für die dem internationalen
Verkehr dienenden Personenwagen).
Nachdem sämtliche beteiligten Staaten ihre
Zustimmungzu dem Schlußprotokoll der zweiten
internationalen Konferenz erklärt hatten, trat
das Übereinkommen mit I.April 1887 in Kraft.
Die dritte internationale Konferenz für T.
tagte in Bern vom 6. bis 18. Mai 1907. An
ihr nahmen teil Abgeordnete der Regierungen
des Deutschen Reiches, von Österreich, Ungarn,
Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Italien,
Norwegen, den Niederlanden, Rumänien, Ruß-
land, Schweden und der Schweiz.
Das Programm betraf Überprüfung bestehen-
der Bestimmungen, das Ladeprofil und die
Einschränkungen der Breitenmaße der Wagen
und Ladungen als Ergänzung zum Art. II,
§ 23 des Schlußprotokolls von 1886, ferner
Unterhaltung und Beladung der Wagen sowie
schließlich Anregungen zu Studien.
Die Beschlüsse der Konferenz wurden im
Schlußprotokoll vom 18. Mai 1907 niedergelegt.
Nach Zustimmung sämtlicher beteiligter
Staaten zu diesem Schlußprotokoll traten die
Bestimmungen der 3. internationalen Konferenz
am I.Juni 1908 in Kraft.
Nicht alle Punkte des Konferenzprogramms
von 1907 konnten jedoch damals erledigt
werden; für einzelne waren noch Vorarbeiten
nötig.
So trat später auf Anregung der 3. internatio-
nalen Konferenz eine internationale Kommission
zusammen zur Feststellung der Bedingungen,
denen eine durchgehende Güterzugbremse zu
genügen hat, und ferner eine Kommission zur
Aufstellung einer allgemeinen Begrenzungslinie
für Güterwagen und zur Festsetzung der mit
Rücksicht auf das Durchfahren von Krümmun-
gen erforderlichen Breiteneinschränkungen
dieser Wagen und ihrer Ladungen.
Die erstgenannte Kommission stellte im Mai
1909 in Art. 1 ihrer Beschlüsse die Anforde-
rungen, die an eine durchgehende Güterzug-
bremse zu stellen sind, und in Art. II das
Programm fest, wie die Versuche vorgenommen
werden sollen.
Art. 1 lautet:
Die internationale Kommission ist der Ansicht, daß
an eine durchgehende Güterzugbremse folgende An-
forderungen gestellt werden sollten :
1. Die Bremse soll selbsttätig wirken.
2. Die Bremse soll von einfacher Bauart sein.
3. Die Anschaffungs- und Unterhaltungskosten der
Bremse sollen möglichst klein sein.
4. Alle Teile müssen aus gutem, die der Abnutzung
unterworfenen Teile aus besonders widerstandsfähigem
Material hergestellt werden.
5. Das Gewicht der Bremseinrichtung soll mög-
lichst gering sein.
6. Die Bremsschläuche müssen so angeordnet sein,
daß jeder Wagen mit jedem andern Personen- oder
Güterwagen verbunden werden kann.
7. Die'Bremse ist so einzurichten, daß das Schleifen
der Räder möglichst vermieden wird.
8. Bei den Wagen soll der Bremsklotzdruck (be-
rechnet aus dem größten Kolbendruck ohne Berück-
sichtigung der Reibung) mindestens 70"» des Leer-
gewichts des Wagens betragen. Der größte zulässige
Hub des Bremskolbens in mm, geteilt durch das
Übersetzungsverhältnis von der Kolbenstange bis zu
den Bremsklötzen, soll mindestens 25 ergeben.
9. Alle Wagen müssen mit durchgehender Leitung
versehen sein. Die Bremswagen müssen so einge-
richtet sein, daß sie bei Beschädigung der Brems-
apparate noch als Leitungswagen benutzt werden
können.
10. Die Handhabung der Bremse muß einfach,
die Wirkung der Bremseinrichtungen zuverlässig sein.
Die Witterung darf die Wirkung der Bremseinrich-
tungen nicht beeinträchtigen.
Tl. Die Handbremsen müssen unabhängig von der
vorhandenen durchgehenden Bremse bedient werden
können.
12. Die Bremse muß sowohl als Betriebs-' wie als
Schnellbremse gleich gut zu gebrauchen sein. Sie ist
auch derart als Notbremse einzurichten, daß sie vom
Zug aus in Tätigkeit gesetzt werden kann.
13. Das Auffüllen der Kraftbehälter des Zuges auf
den normalen Druck nach eingeleiteter Entbremsung
soll möglichst wenig Zeit beanspruchen.
14. Die Leitungen der Wagen sollen sich in mög-
lichst einfacherweise kuppeln und entkuppeln lassen.
Die zum Kuppeln und Entkuppeln der Leitungen
erforderliche Zeit muß möglichst kurz sein.
15. Die Bremsprobe muß derart möglich sein, daß
der Lokomotivführer in einfachster Weise volle Ge-
wißheit darüber erhält, daß die Brenisleitung des
ganzen Zuges verbunden und wirksam ist.
lö. Die Bremse sollte in Zügen bis zu 200 Achsen
verwendbar sein.
17. Es muß möglich sein, Gruppen von Leitungs-
wagen an beliebiger Stelle des Zuges einzufügen.
18. Die Bremse soll mit Personenzugbremsen
gleichen Systems anstandslos zusammenarbeiten.
19. Bei Betriebsbremsungen muß selbst beim läng-
sten Zug schon bei einer Änderung des normalen
Leitungsdrucks um ' ,„ auch die Bremse des letzten
Wagens in Tätigkeit treten.
Technische Einheit im Eisenbahnwesen.
281
20. Die Bremse soll unter allen Verhältnissen ohne
gefährliche Stöße und Zerrungen für Personal, Ladung
und Fahrzeuge wirken ; dabei ist vorausgesetzt, daß
die Entfernung der Bufferscheiben nicht mehr als
10 cm betrage.
21. Es dürfen auch dann schädliche Wirkungen
für den Zug nicht entstehen, wenn bei einer kräf-
tigen Betriebsbremsung eine unbeabsichtigte Schnell-
bremsung eintritt.
22. Die Bremse muß ohne schädliche Stöße und
Zerrungen auch während der Fahrt gelöst werden
können.
23. Der Vorrat an Bremskraft darf sich auch bei
Fahrten auf langen und starken Gefällen nicht er-
schöpfen.
24. Die Bremse muß derart beschaffen sein, daß
die längsten und stärksten, auf Hauptbahnen vor-
kommenden Gefälle mit voller Sicherheit und mög-
lichst geringen Schwankungen der vorgeschriebenen
Geschwindigkeit befahren werden können.
25. Die bei Schnellbremsungen aus nicht vorge-
bremstem Zug erzielten Bremswege sollen kleiner
sein als die bei gleichen Bremsprozenten mit den
heutigen Handbremsen erreichbaren Bremswege.
Dabei ist unter Bremsprozenten zu verstehen :
a) bei den Handbremsen das Verhältnis des Ge-
samtgewichts der gebremsten Wagenachsen zum
Gesamtgewicht des Wagenzugs;
b) bei durchgehenden Bremsen, bei denen nur das
Leergewicht abgebremst wird, das Verhältnis des
Gesamtleergewichts der gebremsten Wagenachsen
zum Gesamtgewicht des Wagenzugs;
c) bei durchgehenden Bremsen, die geeignet sind,
die beladenen Wagen entsprechend ihrem Gesamt-
gewicht abzubremsen, das Verhältnis des Gesamtge-
wichts der gebremsten Wagenachsen zum Gesamt-
gewicht des Wagenzugs.
Art. II lautet;
Die internationale Kommission empfiehlt, Versuche
mit durchgehenden Güterzugbremsen künftig nach
folgendem Programm vorzunehmen:
L Der Versuchszug ist mit Ausnahme der Be-
obachtungswagen tunlichst aus Güterwagen zu bilden
und sowohl mit einer Lokomotive als auch mit 2
Lokomotiven zu fahren.
2. Es sollen tunlichst Wagen verschiedener Bauart,
auch solche mit hoher Tragkraft, verwendet werden.
3. Auf den Zug sind mindestens 3 Beobachter
gleichmäßig zu verteilen.
Es ist erwünscht, daß beiläufig auf je 20 Wagen
ein Beobachter kommt.
4. Es ist wünschenswert, daß die Beobachtungs-
wagen mit Vorrichtungen zum Messen der durch die
Kupplungen übertragenen Kräfte versehen werden
oder daß mindestens ein so ausgerüsteter Wagen
abwechselnd an den Platz der übrigen Beobachtungs-
wagen gestellt werde.
5. Die Stärke und die Belastung des Zuges (aus-
schließlich Lokomotive und Tender) sollen betragen :
a) in der Ebene und auf Gefällen von höchstens
löfoo bis zu 150 Achsen und 1100/;
b) auf längeren Gefällen über 16 f«, bis zu 1 10 Achsen
und 800 t.
Es ist erwünscht, daß auch Züge bis zu 200 Wagen-
achsen vorgeführt werden.
6. Die Versuche sollen mit leerem, teilweise be-
adenem und voll beladenem Zug ausgeführt werden.
Hierbei sollen Last und Bremsen möglichst ungleich-
mäßig verteilt sein, worüber vor Beginn der Ver-
suche Aufzeichnungen zu machen sind.
7. Der Zug soll derart lose gekuppelt sein, daß
die Entfernung der Bufferscheiben bei ungespannter
Zugvorrichtung des gestreckten Zuges wechselnd bis
zu 10 cm beträgt.
8. Die Bremsungen sollen sowohl bei gestrecktem
als auch bei aufgelaufenem Zug vorgenommen werden.
9. Der Sandstreuer darf, abgesehen von Oefahrfällen,
bei den Bremsversuchen nicht verwendet werden.
10. Es sind von verschiedenen Stellen des Zuges
aus Notbremsungen auszuführen.
11. Der Gesamtbremsklotzdruck der gebremsten
Wagen hat wechselnd 10, 20, 35, 50 und 60% des
ganzen Zuggewichts (ausschließlich Lokomotive und
Tender) zu betragen. Schließlich sind sämtliche Wagen-
achsen des Versuchszugs, insbesondere die eines
leeren Zuges von 150 Achsen, zu bremsen.
Es wird jedoch nicht gefordert, daß bei einem
Zug von mehr als 150 Achsen mehr als 150 Achsen
gebremst werden.
12. Schnell- und Betriebsbremsungen sind bei Ge-
schwindigkeiten von 10, 20 /t/«/Std. u. s. w. bis zur
erreichbaren Höchstgeschwindigkeit auszuführen, alle
anderen Arten von Bremsungen, wie z. B. Regulier-
bremsungen, Notbremsungen vom Zug aus u. s. w.,
bei verschiedenen Geschwindigkeiten.
Es wäre erwünscht, daß Züge von 120 Achsen mit
der Höchstgeschwindigkeit von 90 kmßiA. vorge-
führt werden könnten.
13. Die Bremsungen auf der Flachbahn sind tun-
lichst in gerader und horizontaler Bahn vorzunehmen,
um den Vergleich der Bremswege zu erleichtern.
Doch sind auch Schnell- und Notbremsungen in
starken Krümmungen vorzuführen.
14. Bei Anwendung niedriger Bremsprozente sind
Gruppen bis zu 15 Leitungswagen (30 Achsen) zu
bilden.
15. Die Verwendbarkeit der Bremse zum Herab-
fahren langer und starker Neigungen ist vorzuführen.
Dabei ist der Zug derart abzubremsen, daß der er-
reichbare größte Qesamtklotzdruck der wirkenden
Wagenbremsen das lOfache der Schwerkraftkom-
ponente des ganzen Zuges samt Lokomotive und
Tender beträgt.
16. Auf Gebirgsstrecken sind Bremsversuche mit
angehängter Schiebelokomotive vorzuführen. Es ist
sowohl von der Zug- als auch von der Schiebe-
lokomotive aus zu bremsen.
17. Es ist zu erproben, ob die Versuchsbremse mit
den vorhandenen Personenzugbremsen zusammen-
arbeitet, insbesondere an:
a) einem Güterzug von insgesamt 110 Achsen
mit einer Gruppe von Personenwagen (mindestens
12 Achsen), die an verschiedenen Stellen des Ver-
suchszugs einzureihen ist;
b) einem Personenzug von insgesamt 60 Achsen
mit einer Gruppe von halb beladenen Güterwagen
(mindestens 12 Achsen), die sowohl an die Spitze als
auch an das Ende des Zuges zu stellen ist.
Beide Züge sind sowohl mit Personen- als auch
mit Qüterzuglokomotiven zu fahren.
18. Die Anordnung der Bremsschläuche an den
verschiedenen Qüterwagengattungen ist vorzuführen.
19. Nach jeder Trennung und Wiederverbindung
der Bremsleitung ist vor der Abfahrt eine Brems-
probe vorzunehmen, durch die der Lokomotivführer
Gewißheit erhält, daß die Bremsleitung bis an das
Zugende verbunden ist.
Die hierzu erforderliche Zeit ist festzustellen.
Es ist zu verzeichnen, ob außer dem Lokomotiv-
führer noch andere Personen bei der Bremsprobe
mitwirkten oder ob diese vom Lokomotivführer allein
ausgeführt wurde.
20. Bei Verschubbewegungen auf den Anfangs-,
Zwischen- und Endstationen ist die durchgehende
282
Technische Einheit im Eisenbahnwesen.
Bremse zu benutzen. Es ist hierbei die Zeit festzu-
stellen, die für das Trennen und W'iederverbinden
der Brenisleitung, für das Anstellen, Lösen und Laden
der Bremse zwischen den einzelnen Bewegungen er-
forderlich ist.
Der Zeitaufwand für das Endbremsen eines abzu-
stellenden Zugteils oder einzelner abzustellender
Wagen ist zu ermitteln.
2L Es ist festzustellen, in welcher Zeit sich bei
abgestellten Wagen die mit voller Kraft angezogene
Bremse von selbst löst und in welchem Alaße sich
die Bremswirkung der von der Kraftquelle abge-
schalteten Wagen ändert.
22. Es sind Versuche über das Entlaufen von Zug-
teilen auf den auf Hauptbahnen vorkommenden
stärksten Neigungen zu machen. Namentlich ist der
von einem abgelösten Zugteil vom Eintritt des Kupp-
lungsbruches bis zum vollständigen Anhalten zurück-
gelegte Weg zu bestimmen.
Dabei ist an dem ablaufenden Zugteil der Qesarat-
bremsklotzdruck gleich der lOfachen Schwerkraft-
komponente dieses Zugteils anzunehmen.
23. Es sind die verschiedenen Fälle des Versagens
der Bremse - zufällige oder absichtlich herbeigeführte
— die ein Anhalten des Zuges auf offener Strecke
veranlassen können, näher zu untersuchen. Ferner
sind die für die Weiterfahrt anzuwendenden Hilfs-
mittel zu prüfen und die für das Suchen und Be-
heben der Störung verwendete Zeit zu verzeichnen.
24. Es ist erwünscht, daß Versuche bei großer
Kälte vorgenommen werden.
25. Von den verschiedenen Bremsungsarten ist
mittels einer Schreibvorrichtung mindestens je ein
Schaubild aufzunehmen, aus dem sowohl die Durch-
schlagszeit als auch die Zeit bis zur Erreichung des
höchsten Druckes im Bremszylinder ersichtlich ist.
Ferner ist die für das Lösen der Bremse und die
Wiederherstellung des normalen Leitungsdrucks er-
forderliche Zeit in einem Schaubild festzulegen.
Sämtliche Angaben sind für verschiedene Zuglängen
und Bremsprozente, besonders im letzten Wagen des
Versuchszugs, festzustellen.
26. Bei Ermittlung der Leitungslängen ist sowohl
die durchgehende Länge der Leitung als auch die
Gesamtlänge (durchgehende Länge -^ Länge der
Abzweigungen) festzustellen.
Die Durchschlagsgeschwindigkeit ist bloß aus der
Länge der durchgehenden Hauptleitung ohne Ab-
zweigungen zu berechnen.
27. Vor Beginn der Versuche sind die Brems-
kolbenhübe säintlicher Fahrzeuge festzustellen und
zu verzeichnen.
Es sollen Versuche mit möglichst gleichen und mit
möglichst ungleichen Kolbenhüben vorgenommen
werden.
28. Es sind Angaben zu machen über das Material
der Bremsklötze und der Radreifen sowie über die
Bauart und Stärke der Zug- und Stoßvorrichtungen.
29. Die während des Bremsens und Lösens im
Zug auftretenden Schwankungen, Zuckungen und
Stöße sowie das Maß des Auflaufens und Streckens
sind zu verzeichnen.
30. Für die .Aufschreibungen sind Formblätter nach
den aufgestellten 2 Mustern zu verwenden.
31. Den Formblättern sind möglichst vollständige
Angaben über die Steigungs- und Krümmungsver-
hältnisse der Versuchsstrecken beizufügen.
Im Oktober 1911 trat die zweite der vor-
genannten Kommissionen zusammen. Sie be-
antragte, am Schlußprotokoll der dritten inter-
nationalen Konferenz für T. vom IS. Mai 1907
Abänderungen und Ergänzungen vorzunehmen,
die sich auf die §§ 18, 22, 25 des Art. 11,
Bauart der Fahrzeuge, und auf §§ 6 und 9 des
Art. IV, Beladung der Güterwagen, bezogen.
Im Hinblick auf die große Zahl der in der
Kommission vertretenen Staaten wurde es für
entbehrlich gehalten, die Beschlüsse der Kom-
mission einer internationalen Konferenz vor-
zulegen. Das Schlußprotokoll wurde daher den
an den Vereinbarungen für T. beteiligten Re-
gierungen unmittelbar mit dem Ersuchen über-
mittelt, die Abänderungen und Ergänzungen
zu genehmigen und sich bereit zu erklären, die
neuen Vorschriften ebs-a bis I.Januar 1914 in
Kraft zu setzen.
Nach Genehmigung der Kommissionsbe-
schlüsse durch die einzelnen Regierungen traten
die Bestimmungen der T. in der Fassung vom
Jahre 1913 bei sämtlichen beteiligten Staaten
mit Ausnahme Deutschlands am 1. Mai 1914
in Kraft. In Deutschland hatten die Bestim-
mungen vom I.Juni 1914 an Gültigkeit^ Die
Bestimmungen sind vereinbart zwischen dem
Deutschen Reich, Belgien, Bulgarien, Dänemark,
Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg,
den Niederlanden, Nor\vegen,Österreich, Ungarn,
Rumänien, Rußland, Schweden, der Schweiz und
Serbien. Sie finden Anwendung auf alle dem
internationalen Verkehr dienenden vollspurigen
Eisenbahnen. In Rußland nur auf die Warschau-
Wiener Eisenbahn und die Zweigbahn nach
Lodz, in Griechenland nur auf die Linie Piräus-
Larissa mit deren Fortsetzung bis zur ehe-
maligen türkischen Grenze.
Art. I enthält Vorschriften über die Spurweite.
Die Bestimmungen des Art. II, Bauart der Eisen-
bahnfahrzeuge, erstrecken sich auf folgende Gegen-
stände :
§ 1. Allgemeine Bemerkungen über Zulässigkeit
und Einstellung der Fahrzeuge und über die Gültig-
keit der nachstehend angegebenen größten und
kleinsten Maße für vorhandenes wie für neu zu be-
schaffendes Material, soweit nicht für ersteres die in
Klammern beigefügten Maße zugelassen sind.
§ 2. Radstände von Wagen und Drehgestellen,
Verschiebbarkeit der Achsen, wenn mehr als 2 Achsen
in einem gemeinsamen Rahmen gelagert sind.
§ 3. Abstand der Räder einer Achse, größtes Maß
1366, kleinstes .Maß 1357 mw.
§ 4. Breite der Radreifen, größtes Maß 150, kleinstes
Maß \30 mm, zulässiges Minimum für bestehendes
Material, unter der Bedingung, daß der .Abstand der
Räder mindestens 1360/«/« betrage, kleinstes Maß
(125 /n/n).
§ 5. Entfernung von Außenkante zu Außenkante der
Spurkränze, größtes.Maß 1425, kleinstes ALiß 1405 /n/n.
§ 6. Höhe der Spurkränze, größtes Maß 36, kleinstes
Maß 25 mm.
' In Deutschland ist der Wortlaut der Beschlüsse
mit sämtlichen Zeichnungen und Tabellen als Text-
ausgabe unter dem Titel : „Technische Einheit im
Eisenbahnwesen, Fassung 1913" im Verlag von
Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin, im Druck erschienen.
Technische Einheit im Eisenbahnwesen. - Technische Vereinbarungen.
283
§ 7. Stärke der Radreifen, kleinstes iMaß 25 mm.
§ 8. Schalengußräder.
§ 9. Elastische Zug- und Stoßapparate.
§ 10. Höhenlage der Buffer, bei leeren Wagen
größtes Maß 1065 mm, bei größter Belastung kleinstes
Maß 940/«/«.
Zulässige Maße für das vor 1887 gebaute Material,
bei leeren Wagen größtes Maß (1070 mm), bei größter
Belastung kleinstes Maß (900 /«/«).
§ 11. Abstand der Buffer, größtes Maß mO mm,
kleinstes Maß 1710 /«///.
Zulässige Maße für das vor 18S7 gebaute Material,
größtes Maß (\800 mm), kleinstes Maß (\700 mm).
§ 12. Durchmesser der Bufferscheiben, kleinstes
Maß 340/«///.
Zulässiges Maß für das vor 1887 gebaute Material,
kleinstes Maß (300/«/«).
Für Fahrzeuge, bei denen der Abstand der Buffer
geringer ist als 1720/«/«, muß der horizontale Durch-
messer der Bufferscheiben mindestens 350 mm betragen.
§ 13. Freie Räume an den Stirnseiten der Wagen
zu beiden Seiten der Zugvorrichtung, z\xischen dieser,
den Bufferscheiben und den vor der Kopfschwelle
vortretenden festen Teilen an beliebiger Stelle, Breite
kleinstes Maß 400 mm.
Tiefe bei völlig eingedrückten Buffern, kleinstes
Maß 300«//«.
Höhe über Schienenoberkante, kleinstes Maß
1800«//«.
Für bestehendes Material wird kein Maß festgesetzt.
§ 14. Vorsprung der Buffer über den Zughaken,
von der Angriffsfläche des nicht angezogenen Hakens
bis zur Stirn der nicht eingedrückten Buffer, größtes
Maß 400«//«, kleinstes Maß 300/«///.
Zulässiges Maß für das vor 1887 gebaute Material,
Personenwagen größtes Maß (430 mm).
Güterwagen größtes Maß (430 /«/«), kleinstes Maß
(223 /«/«).
§ 15. Länge der Kupplungen, von der Stirnseite
der nicht eingedrückten Buffer bis zur Innenseite des
Einhängbügels, bei ganz ausgeschraubter und ge-
streckter Kupplung gemessen, größtes Maß 550 mm,
kleinstes Maß 450////«.
Für das vor 1887 gebaute Material werden keine
Maße festgesetzt.
§ 16. Kleiner Durchmesser des Querschnitts der
Kupplungsbügel am Berührungspunkt mit dem Zug-
haken, größtes Maß 35 /«/«, kleinstes Maß 25 mm.
§ 17. Sicherheitskupplungen.
§ 18. Kupplungsteile, die auf weniger als 140«//«
über Schienenoberkante herabhängen könnten, müssen
mindestens auf diesen Abstand eingeschraubt oder
aufgehängt werden können.
§ 19. Tragfedern.
§ 20. Bremsen.
§ 21. Abstand der Bremsersitze von der Stirnfläche
der vollständig eingedrückten Buffer, kleinstes Maß
40 mm.
§ 22. Querschnittsmaße der Wagen.
Bedingungen für Güterwagen, die ohne besondere
Prüfung ihrer Querschnittsmaße übergehen sollen
(Transitwagen).
§ 23. Schlösser der dem internationalen Verkehr
dienenden Personenwagen.
§ 24. Äußere Schiebtüren.
§ 25. Anschriften an den Wagen.
Art. III. Unterhaltungszustand der Eisenbahnfahr-
zeuge.
§ 1. Die Wagen sollen sich in befriedigendem, die
Sicherheit des Bahnbetriebs in keiner Weise ge-
fährdendem Zustand befinden, wenn dies nicht der
Fall ist, dürfen sie zurückgewiesen werden.
§ 2. Zeit der letzten Revision nicht mehr als
3 Jahre, Ausnahme bei nach der Heimat zurück-
kehrenden lauffähigen Wagen.
§ 3. Schmierungen der Achsbüchsen.
§ 4. Desinfektion der zur Vielibeförderung be-
nutzten Wagen.
§ 5. Mängel, die zur Zurückweisung berechtigen.
A. Mängel an Rädern und Achsen.
B. „ „ Achsbüchsen und Lagern.
C. „ ,/ Tragfedern.
D. „ „ Stoßvorrichtungen.
E. „ „ Zugvorrichtungen.
F. « n Untergestellen und Wagenkasten.
§ 6. NichtZurückweisung von Wagen mit schad-
hatten oder unbrauchbaren Bremsen.
§ 7. Übernahme eigener leerer Wagen.
Art. IV. Beladung der Güterwagen.
§ 1. NichtZurückweisung von Wagen wegen ihrer
Beladung.
§ 2. Die verladenen Gegenstände müssen sicher
und fest liegen.
§ 3. Verteilung der Ladung auf den Wagen.
§ 4. Die Belastung eines Wagens darf die Trag-
fähigkeit nicht überschreiten.
§ 5. Raddrücke eines Wagens.
§ 6. Lademaße und Einschränkungen der Ladungen.
§ 7. Überragung der Ladung offener Güterwagen
über die Kopfschwelle des Wagens.
§ 8. Verladung langer Gegenstände, die auf einem
Wagen nicht gelagert werden können.
§ 9. Vorschriften bei Verwendung von Schemel-
wagenpaaren, von Schutzwagen oder eines Zwischen-
wagens.
Den Bestimmungen für die T. sind 6 Anlagen
beigegeben.
Anlage A enthält ein Zeichen -e-Q* für Wagen
nach Art. II, § 2, Absatz 4, d. h. für Wagen, die
Krümmungen von 150 m Halbmesser durchfahren
können mit einem Radstand von mehr als 4500/««/.
Anlage B enthält eine Zeichnung eines Doppel-
schlüssels für die dem internationalen Verkehr die-
nenden Personenwagen nach Art. II, § 23.
Anlage C enthält eine Zeichnung einer allgemeinen
Begrenzungslinie für Güterwagen nach Art. II, § 22,
Absatz 2.
Anlage D enthält eine Zeichnung eines Zeichens
für Transitwagen nach Art. II, § 25, Absatz 10.
Anlage E enthält eine Ladetabelle nach Art. IV,
§ 6, Absatz 2, für Breiteneinschränkungen der La-
dungen auf jeder Seite.
Anlage E enthält eine Tabelle nach Art. IV, § 9,
Absatz Ib, für wagrechte Entfernungen auf jeder Seite
zwischen den Ladungen und den Seitenwänden der
Wagen bei Verwendung von tragenden Schemel-
wagen, von Schutzwagen oder eines Zwischenwagens.
Technische Vereinbarungen (teclinical
regiilations; Conventions techniques; convenzioni
tecniclie) über den Bau und die Betriebs-
einrichtungen der Haupt- und Neben-
bahnen (abgekürzte Bezeichnung T. V.) sollen
im Sinne des § 1 der Satzungen des VDEV.
dazu beitragen, den gegenseitigen Verkehr auf
den Haupt- und Nebenbahnen des Vereins hin-
sichtlich der technischen Einrichtungen zu er-
leichtern und die Betriebssicherheit zu erhöhen.
Hierbei sind unter Nebenbahnen vollspurige,
dem öffentlichen Verkehr dienende Eisenbahnen
zu verstehen, auf die Fahrzeuge der Haupt-
284
Technische Vereinbarungen.
bahnen übergehen können, bei denen aber die
Fahrgeschwindigkeit von 50 km'Std. nicht
überschritten werden darf und für die, ent-
sprechend der geringeren Geschwindigkeit und
dem einfacheren Betrieb, erleichternde Be-
stimmungen Platz greifen dürfen.
Die T. gingen hervor aus den „Grund-
zügen für die Gestaltung der Eisenbahnen
Deutschlands" und den „Einheitlichen Vor-
schriften für den durchgehenden Verkehr auf
den bestehenden Vereinseisenbahnen", die das
Ergebnis der Beratungen der ersten Techniker-
versammlung (s. d.) Berlin, 18. — 27. Februar
1850, gewesen sind.
Das Verdienst, einen ersten Versuch unter-
nommen zu haben, „Vorschläge zur Erreichung
einheitlicher Bestimmungen im deutschen Eisen-
bahnwesen, insonderheit gleichmäßige Kon-
struktionen des Bahnbaues und gleichmäßige
Betriebseinrichtungen betreffend" auszuarbeiten,
gebührt dem Baurat iWohn der ehemaligen
kgl. hannoverschen Staatsbahn. Er überreichte
dem VDEV. seine Vorschläge im Jahre 1849
mit einer Begründung, in der die damaligen
Zustände bei den Eisenbahnen ausführlich be-
handelt waren. Seine V'orschläge wurden in
der ersten Technikerversammlung (Berlin 1850)
den Beratungen über die Aufstellung einheit-
licher Bestimmungen für den durchgehenden
Eisenbahnverkehr zu gründe gelegt.
Dem aus den Beratungen der ersten Tech-
niker\'ersammlung her\orgegangenen Werk
zollte die in demselben Jahr in Aachen abge-
haltene Generalversammlung die gebührende
Anerkennung. Sie beschloß, die „Grundzüge"
nebst den ihnen beigegebenen ,. Sicherheits-
polizeilichen Bestimmungen für den Zustand
der Bahn und der Betriebsmittel, sowie Hand-
habung des Fahrdienstes" zur Kenntnis der
Vereinsverwaltungen zu bringen und die „Ein-
heitlichen Vorschriften" dringend zur baldmög-
lichen Ausführung zu empfehlen.
Nach dem Wortlaut des Beschlusses der
Aachener Generalversammlung war der Vereins-
verwaltung kein Zwang auferlegt, es war je-
doch selbstverständlich, daß die wertvollen Be-
schlüsse der Technikerversammlungen allen
Ausführungen als Grundlage dienten. .Mit den
Fortschritten des Eisenbahnwesens mußte das
Bedürfnis einer weiteren Vervollkommnung
dieser Bestimmungen sich geltend machen.
Einen diese Ausbildung fördernden Beschluß
faßte die Generalversammlung zu Frankfurt
a. M. im Jahre 1856. Sie setzte eine zweite
Technikerversammlung fest, die zu Wien im
Jahre 1857 tagte. Die Ergebnisse dieser Be-
ratung fanden ihre Genehmigung durch die
Generalversammlung im Jahre 1858 in Triest
und bestanden der Hauptsache nach in der
Festsetzung der bei allen Bauwerken einzu-
haltenden Umrißlinien des lichten Raumes so-
wie in der Aufstellung von Zeichnungen für
Schrauben- und Kettenkupplung. Die dritte
Technikerversammlung, abgehalten 1865 zu
Dresden, bildete ausden „Grundzügen", „Sicher-
heitspolizeilichen Anordnungen" und „Einheit-
lichen Vorschriften" nach abermaliger durch-
greifender Umarbeitung und Hinzufügung eines
neuen Abschnitts „Signalordnung für die
deutschen Eisenbahnen" ein einziges Werk,
das unter der Bezeichnung „Technische Ver-
einbarungen des Vereins Deutscher Eisenbahn-
verwaltungen über den Bau und die Betriebs-
einrichtungen der Eisenbahnen" auch im Buch-
handel erschien.
Weitere Ergänzungen und Neuausgaben des
Werkes haben in den Jahren 1871, 1876, 1882,
1888 und 1909 stattgefunden. Die Ergebnisse
der Beratungen vom Jahre 1914 in Teplitz-
Schönau sind bisher noch nicht xeröffentlicht.
Hatte der ursprüngliche Entwurf der T. den
Zweck, eine einheitliche Gestaltung des Bahn-
baues, der Betriebsmittel und Betriebseinrich-
tungen zu erstreben, so sollten die späteren
Umarbeitungen und Ergänzungen die einmal
erzielte Einheitlichkeit auch bei der rasch fort-
schreitenden Entwicklung des Eisenbahnwesens
aufrecht erhalten. Durch die Einheitlichkeit war
bereits eine größere Sicherheit des Betriebs
erzielt, aber außerdem trat überall das Be-
streben zu Tage, durch vervollkommnete Ein-
richtungen und durch schärfere Fassung der
Vorschriften die dem Eisenbahnbetrieb anhaf-
tenden Gefahren zu mindern und Erleich-
terung für Personen- und Güterverkehr zu
schaffen.
Ein Teil der in den T. niedergelegten
Bestimmungen, durch fetten Druck hervor-
gehoben, ist für die X'ereinsbahnen bindend.
Diese bindenden Bestimmungen müssen von
jeder Verwaltung für alle Einrichtungen so weit
befolgt werden, als nicht durch Staatsverträge
oder durch die obersten staatlichen Aufsichts-
behörden abweichende Bestimmungen getroffen
sind oder getroffen werden.
Bindende Bestimmungen, die nur für Neu-
bauten und größere Umbauten gelten, sind als
solche ausdrücklich bezeichnet. Als Neubau
gilt auch der Bau weiterer Hauptgleise der
freien Strecke. Die Bestimmungen für Loko-
motiven, Tender und Wagen gelten sinngemäß
auch für Triebwagen.
Die letzte, am 1. Jänner 1909 erschienene
Ausgabe der T. enthält Bestimmungen ^ über:
' Der Inhalt der Beslinimungen ist bei den ein-
zelnen Artikeln angeführt.
Technische Vereinbarungen. - Telegraph.
285
A. Bau und Unterhaltung der Bahn.
a) Allgemeine Bestimmungen.
b) Freie Strecke.
c) Stationen.
B. Bau und Unterhaltung der Fahrzeuge.
a) Aligemeine Bestimmungen.
b) Lokomotiven.
c) Tender.
d) Wagen.
C. Telegraphen-, Signal- und Sicherungs-
wesen.
D. Betriebsdienst.
a) Bahndienst.
b) h'alirdienst.
Angeschlossen sind ein Sachregister und
23 Beilagen.
Die 23 Beilagen der letzten Ausgabe ent-
halten Angaben über:
Verkehrslast für neue und umzubauende Brücken,
Umgrenzung des lichten Raumes für Haupt- und
Nebenbahnen, Spielraum der Spurkränze, Umriß
der Lauffläche des Spurkranzes für abgedrehte Rad-
reifen, Schaulinien zur Bestimmung der kleinsten
zulässigen Schenkel- und Nabendurchmesser von
Güterwagenachsen aus Flußstahl, Schaulinien zur
Bestimmung der kleinsten zulässigen Schenkel- und
Nabendurchmesser von Achsen aus Flußstahl der
Personen-, Gepäck- und Postwagen und Tender, Zug-
haken, Schraubenkupplung, doppelte Kupplung
Handgriffe für Wagenkuppler, Schlauchkupplung
für ßampfheizungen, Schlauchkupplung für Luft-
druckbremsen, Schlauchkupplung für Luftsauge-
bremsen, Umgrenzung für Lokomotiven und Tender,
Umgrenzung für Wagen Spielraumlinie für die
Stellung der Wagen, in Krümmungen, Zeichen der
für den internationalen. Verkehr bestimmten Wagen
mit Vereinslenkachsen, Übergangsbrücken und Falten-
bälge, Einrichtungeines Faltenbalgrahmens geringerer
Lichtweite für die Verbindung mit Vereinsrahmen,
Gaseinrichtungen für Wagen, Glasglocken zur Be-
leuchtung der Wagen, Richtungsschilderund Kloben,
Bremsweg.
Vgl. auch die Artikel : Grundzüge für den
Bau und die Betriebseinrichtungen der Lokal-
bahnen, Technikerversammlungen und Tech-
nische Einheit im Eisenbahnwesen. Pollak.
Technisch-polizeiliche Prüfung s. Ab-
nahme der Bahn.
Teerwagen s. Kesselwagen.
Teilfahrten sind im Geltungsbereich der
■deutschen Fahrdienstvorschriften solche
Zugfahrten, die nur einen Teil des Weges
zwischen 2 zur Ablassung und Auflösung von
Zügen berechtigten Stationen (Zugmelde-
■stellen) zurücklegen und auf demselben Gleis
zttrückkehren, ohne die nächste Station erreicht
zu haben. Bei zweigleisigem Betrieb finden die
T. entweder bei der Hinfahrt oder bei der
Rückfahrt auf dem falschen Gleis statt. Diese
Abweichung von der Fahrordnung ist im § 53
der EB. zugelassen für Arbeitszüge, Hilfs-
-züge und Hilfslokomotiven, zurückkehrende
Schiebelokomotiven, für die Bedienung von
Anschlußgleisen (s. d.), die auf freier Strecke
abzweigen, sowie für den Fall von Gleis-
sperrungen. Hiernach bilden die T. eine von
der Regel abweichende Betriebsweise, die nur
in Ausnahmefällen und unter Anwendung
besonderer Sicherungsmaßnahmen zugelassen
werden dürfen. Nach § 27 der detitschen FV.
müssen die beiden Zugmeldestellen (s. Fahr-
dienstleitung), zwischen denen die von der T.
berührte Strecke liegt, über die Zeit der Ab-
fahrt und Rückkehr, über den Endpunkt der
Fahrt und bei zweigleisigem Betrieb über das
zu benutzende Gleis unterwiesen werden oder
sich gegenseitig verständigen. Die von der T.
berührten Blockstellen müssen vor der Abfahrt
beauftragt werden, die T. nicht zurückzu-
melden und endlich müssen die Schranken-
wärter an der zu befahrenden Teilstrecke —
abgesehen von Hilfszügen (s. Sonderzüge) —
besondere Nachricht erhalten, weil die zur
Ankündigung der gewöhnlichen Zugfahrten
dienenden Läutesignale hierfür in der Regel
nicht benutzt werden können.
Auf den österreichischen Staatsbahnen
sind durch Art. 139 (14) und Abschnitt XVI
der Vorschriften für den Verkehrsdienst in
gleicher Weise Sicherheitsmaßnahmen für Züge,
die nach und von einem Punkt derStrecke
eingeleitet werden, getroffen. Die Bezeich-
nung T. wird für solche Züge nicht angewendet.
Breusing.
Telegraph (Fernschreiber) (telegraph; tele-
graplie; ttiegrafo).
Man versteht darunter eine Vorrichtung,
mit der die an einem Ort zum Ausdruck ge-
brachten Gedanken an einem andern Ort so-
fort in für das Auge oder das Ohr verständ-
lichen Zeichen wahrnehmbar getnacht werden
können. Zu diesem Zweck bedient man sich
der Elektrizität, u.zw. entweder indem man
elektrische Ströme in metallischen Drähten
nach dem entfernten Ort leitet und sie dort
die zur Hervorbringung der telegraphischen
Zeichen erforderliche mechanische Arbeit leisten
läßt (elektromagnetischer T.) oder
indem man elektrische Wellen von bestimmten
Längen in bestimmt abgegrenzten Zwischen-
räumen durch die Luft sendet, die am entfernten
Ort aufgefangen und in Zeichen umgesetzt
werden (Funkentelegraph, s. Funken-
telegraphie).
A. Telegraphenanlagen.
Die ersten Versuche zur Nachrichtenüber-
mittlung durch elektrische Ströme fallen zeit-
lich zusammen mit dem Bau der ersten Eisen-
bahnen, bei denen sehr bald das Bedürfnis
nach einem schnellen Verständigungsmittel
286
Telegraph.
zwischen den Betriebsstellen hervortrat. Die
bekannten Erfolge der Qöttinger Professoren
Gauss und Weber veranlaßten im Jahre 1835
die Verwaltung der damals im Bau begriffenen
Leipzig-Dresdener Bahn, mit diesen beiden
Gelehrten wegen der Anlage eines elektrischen
T. in Verbindung zu treten. In England
wurde schon im Jahre 1830 eine 13 englische
Meilen lange Strecke der Great Western-Bahn,
im Jahre 1841 die London-Blackwell-Bahn mit
dem von Cooke und Wheatstone gebauten
Nadeltelegraphen ausgerüstet (s. Nadeltelegra-
phen). In Deutschland haben die Rheinische
Bahn im Jahre 1843 und die Taunusbahn im
Jahre 1844 zuerst Zeigertelegraphen auf ihren
Linien verwendet. In Österreich wurde im
Jahre 1847 auf der Kaiser-Ferdinands-Nord-
bahn der Bainsche Nadeltelegraph eingeführt.
Von da ab machte die Entwicklung und Ver-
wendung der Zeiger- und Nadeltelegraphen bei
den Eisenbahnen rasche Fortschritte. Um diese
Zeit fing auch der Morsesche Schreibtele-
graph an, sich Eingang zu verschaffen, bei dem
der Telegraphierende durch Gruppen von län-
geren und kürzeren Stromschlüssen oder Unter-
brechungen an der empfangenden Stelle Schrift-
zeichen aus Gruppen von Strichen und Punkten
auf einem Papierstreifen hervorruft. Die Eisen-
bahnverwaltungen zögerten jedoch mit der
Einführung dieses T., weil sie seine Bedie-
nung gegenüber der Bedienung der Zeiger-
und Nadeltelegraphen für zu schwierig hielten.
Durch die Erfahrung wurde dieses Vorurteil
widerlegt. Der Alorsetelegraph fand bald Ein-
gang auch im Eisenbahnbetrieb, zunächst
neben den Zeiger- und Nadeltelegraphen, bald
aber diese gänzlich verdrängend. Nur bei den
englischen Bahnen wird auch jetzt noch neben
dem Morsetelegraphen der Nadeltelegraph ver-
wendet. Mit der zunehmenden Entwicklung
des Teiegraphenverkehrs trat dann mehr und
mehr das Bedürfnis nach einer Steigerung der
Leistungsfähigkeit der Telegrapheneinrichtungen
hervor und es entstanden die Typendruck-
telegraphen, die Mehrfachtelegraphen
und die Schnelltelegraphen. Im Vergleich
zum Morsetelegraphen sind diese wesent-
lich verwickelter gestaltet, und ihre Handhabung
und Bedienung erfordert große Geschicklich-
keit und Sachkenntnis. Diese für große
Leistungsfähigkeit geschaffenen Einrichtungen
eignen sich im allgemeinen nur zur unmittel-
baren Verbindung großer Plätze, auf denen
die Telegramme stets in solcher Zahl zur
Beförderung vorliegen, daß sie in geschlossenen
Reihen abtelegraphiert werden können.
Für den Eisenbahntelegraphenverkehr steht
allgemein der Morselelegraph in Anwendung.
Während die Verwaltung der T. für den
öffentlichen Verkehr fast überall in den Händen
des Staates liegt, ist den Eisenbahnverwal-
tungen allgemein das Recht zugestanden, auf
ihren Linien und für die Zwecke ihres Betriebs
eigene T. zu errichten und für ihre Rechnung
zu betreiben.
Die Grundlagen für die Ausrüstung der
Eisenbahnen mit T. bilden die allgemeinen
Bestimmungen für den Bau und den Betrieb
der Eisenbahnen. So fordert z. B. für die
deutschen Bahnen die BO. als das Mindestmaß
an Telegrapheneinrichtungen,
daß auf Hauptbahnen und solchen Neben-
bahnstrecken, die mit mehr als 40 km Ge-
schwindigkeit befahren werden, die Zugfolge-
stellen'' durch T. und auf den sonstigen
Strecken durch T. oder Fernsprecher zu ver-
binden sind und
daß auf Hauptbahnen auf der freien Strecke
in Entfernungen von höchstens 4 km Ein-
richtungen zum Herbeirufen von Hilfe vor-
handen sein müssen.
Im wesentlichen decken sich diese Forde-
rungen auch mit denen in anderen Ländern.
Auf Hauptbahnen und den wichtigeren Neben-
bahnen ist hiernach mindestens eine Leitung
vorhanden, die auf allen Zugfolgestellen mit
Morsetelegraphen besetzt ist. Auf Hauptbahnen
von größerer Länge und solchen mit lebhafterem
Zugverkehr oder einer großen Zahl zu ver-
bindender Stellen findet sich noch eine zweite
Leitung, die nur die hauptsächlichsten Stellen
einschließt. Die erste Morseleitung dient dann
dem nachbarlichen Verkehr (Bezirksleitung)
und ist dementsprechend je nach Erfordernis
in 2 oder mehr Kreise abgeteilt, während
die zweite Morseleitung dem Fernverkehr
dient (Fernleitung).
Auf Hauptbahnen und verkehrsreichen Neben-
bahnen ist in der Regel auch noch eine be-
sondere Morseleitung für den Zugmcldedienst,
die Zugmeldeleitung vorhanden; jedoch
kann hierfür, wenn der Zugverkehr sich in
mäßigen Grenzen hält, die ohnehin vorhan-
dene Läutewerkleitung mitbenutzt werden.
Auf Hauptbahnen tritt bei wachsendem Ver-
kehr eine zweite Morseleitung für den nach-
barlichen Verkehr hinzu — eine zweite Bezirks-
leitung - in die jedoch die unbedeutenderen
Betriebsstellen nicht mit eingeschaltet werden,
und sofern dem Bedürfnis auch dann noch nicht
genügt ist, eine zweite Morseleitung für den
Fernverkehr - eine zweite Fernleitung - in
' Zugfolgestellen sind Betriebsstellen, die einen
Streckenabschnitt begrenzen, in den ein Zug nicht
einfahren darf, bevor ihn der vorausgefahrene Zug
verlassen hat.
Telegraph.
287
die dann nur die allerwichtigsten Betriebsstellen
eingeschaltet werden.
Bei noch größerem Verkehr kann auch die
Herstellung einer dritten Bezirksleitung und
unter Umständen einer dritten Fernleitung in
Frage kommen. Die Zahl der Fernleitungen
wächst namentlich dann, wenn die Notwendigkeit
eines unmittelbaren Telegranimverkehrs der
leitenden Behörden (Direktionen) der ver-
schiedenen Verwaltungsbezirke vorliegt.
gebend, in Preußen außerdem der Vertrag
zwischen der Reichs-Post- und Telegraphen-
verwaltung und der preußischen Staatseisen-
bahnverwaltung vom ASePiimber jg
28. August
Die grundsätzliche Anordnung und Wirkungs-
weise des Morsetelegraphen ist die folgende (s. die
schematische Darstellung Abb. 276):
Auf jeder der untereinander in telegraphischen
Verkehr zu bringenden Stellen ist in die diese Stellen
verbindende metallische Leitung L je ein Elektro-
^^^—P'
Nebenbahnen mit geringem Verkehr und
die sog. Kleinbahnen werden vielfach auch
nur mit Fernsprechleitungen ausgerüstet.
Für die die verschiedenen Eisenbahndienst-
stellen verbindenden Leitungen bildet die
oberirdische Führung längs der Bahnstrecke
die Rege!. (Näheres s. unter Leitungen für
elektrische Schwachstromanlagen.)
magnet M eingeschaltet. Der Anker A des Elektro-
magneten bildet das eine Ende eines zweiarmigen
Hebels h, dessen anderes Ende die Schreibvorrich-
tung s trägt. Solange die Leitung stromlos, ist werden
die Elektromagnetanker durch Spiralfedern/ in ihrer
oberen Lage gehalten ; sobald aber die Leitung und
demnach auch die Elektromagnetwindungen ein
elektrischer Strom durchfließt, werden die Anker
der Elektromagnete angezogen und, solange der
Strom andauert, in der angezogenen (unteren) Lage
Da auch die Telegraphenverwaltungen für den
öffentlichen Verkehr (Landes-, Staats-, Reichs-
telegraphenverwaltungen) ihre Leitungen vor-
zugsweise auf Eisenbahngelände führen, weil
dann die Bewachung leicht mit der Bahnbewach-
ung verbunden werden kann, ist es in der Regel
nicht nötig, daß jede der beiden Verwaltungen
eigene Gestänge aufstellt. Die Leitungen beider
Verwaltungen \xerden vielmehr an gemeinsamen
Gestängen angebracht. In fast allen Ländern
bestehen hierüber Obereinkommen zwischen
beiden Verwaltungen. Im Deutschen Reichs-
Telegraphengebiet z. B. sind in dieser Beziehung
die Bestimmungen des Bundesratsbeschlusses
vom 21. Dezember 1868 betreffend die Ver-
pflichtungen der Eisenbahnverwaltungen im
Interesse der Reichstelegraphenverwaltung maß-
festgehalten. In diesem Fall drückt die Schreib-
vorrichtung s am andern Ende des Ankerhebels
leicht gegen ein durch ein Laufwerk fortbewegtes
Papierband P und schreibt auf dieses einen farbigen
Strich, während imersteren Fall die Schreibvorrichtung
das Papierband nicht berührt. Ein Stromschluß von
kurzer Dauer ruft also auf dem Papierband einen
kurzen Strich, ein Stromschluß von längerer Dauer
einen längeren Strich hervor. Aus kürzeren und
längeren Strichen (Punkten und Strichen) in richtiger
Zusammensetzung wird die Morseschrift gebildet.
Zwei feste Anschläge o und u begrenzen die Bewegung
des Ankerhebels. Den Strom erhält die Leitung aus
galvanischen Batterien B (Näheres s. unter Elemente,
galvanische), die auf den Telegraphenstellen aufgestellt
sind und mittels Stromschließer T ein- und aus-
geschaltet werden. Der Stromschließer dient hierbei
als Zeichengeber oder Telegraphiertaster.
Abweichend von der vorbeschriebenen
Betriebsweise, bei der die Leitung im Ruhe-
288
Telegraph.
zustand stromlos ist und die Schreibvorrichtung
das Papierband nur bei Stromschiuß berührt,
kommt noch eine zweite Betriebsweise zur
Anwendung, bei der die Leitung im Ruhe-
zustand unter Strom steht, der bei jedem
Druck auf den Teiegraphiertaster unter-
brochen wird, so daß die Schreibvorrichtung
das Papierband nur bei Stromunterbrechung
berührt (s. die schematische Darstellung
Abb. 277). Die erstere Betriebsweise heißt der
Arbeitsstrombetrieb, die letztere der Ruhe-
strombetrieb (vgl. Ruhestromschaltung).
Da beim Arbeitsstrombetrieb immer nur die
Batterie der gebenden Stelle in Anspruch
genommen wird, so muß die Batterie jederStelle
so groß bemessen werden, daß sie den Strom
zur Erregung der Elektromagnete aller in die
Leitung einbezogenen Stellen zu liefern vermag,
während dazu beim Ruhestrombetrieb eine
solche Batterie ausreicht, deren Elemente auf
die einzelnen Stellen verteilt werden können.
Arbeitsstrombetrieb wird daher im allgemeinen
nur für Leitungen mit wenigen Betriebsstellen,
Ruhestrombetrieb für Leitungen mit vielen
Betriebsstellen zur Anwendung kommen.
Die Handhabung des Telegraphiertasters ist
bei beiden Betriebsweisen die gleiche, die
X^Cirkung auf den Ankerhebel aber die ent-
gegengesetzte; bei Arbeitsstrombetrieb wird
beim Drücken des Telegraphiertasters der Anker
angezogen, die Verlängerung des Ankerhebels
also vom oberen Anschlag o nach dem
unteren u bewegt, bei Ruhestrombetrieb
dagegen wird beim Drücken des Tasters der
vorher vom Elekiromagnet festgehaltene Anker
losgelassen, also vom unteren nach dem oberen
Anschlag bewegt. Damit aber die am andern
Ende des Ankerhebels befindliche Schreib-
vorrichtung sich in beiden Fällen in gleicher
Richtung, d. h. gegen das Papierband bewegt,
ist bei den Schreibwerken für Ruhestrombetrieb
die Schreibvorrichtung nicht wie bei Arbeits-
strombetrieb unmittelbar am Ankerhebel an-
gebracht, sondern an einem durch Gelenk mit
diesem verbundenen besonderen zweiarmigen
Hebel h^, wie in der schematischen Skizze
Abb. 277 bei der linken Endstelle angedeutet
ist. Bei den beiden anderen Stellen ist der
Einfachheit wegen der Ankerhebel mit Schreib-
vorrichtung x^eggelassen.
Der Ruhestrombetrieb ist für Eisenbahn-
telegraphenleitungen allgemein in Anwendung,
■weil diese fast immer eine größere Zahl von
Betriebsstellen umfassen.
Wie jeder elektrische Strom, so kann auch
der Telegraphierstrom nur in einem vollständig
geschlossenen Leitungskreis zu stände kommen;
die Leitung, in die die Telegraphenstellen ein-
geschaltet sind, muß also zu einem Kreis
geschlossen sein. Die beiden Enden der Leitung
müssen deshalb entweder durch eine metallische
Rückleitung verbunden oder an die Erde an-
geschlossen sein, so daß diese als Rückleitung
dienen kann. Metallische Rückleitung kann
aber für Telegraphenleitungen nur dann in
Frage kommen, wenn es sich um eine so
geringe Länge der Rückleitung handelt, daß
der Leitungswiderstand wesentlich kleiner sein
würde als die Summe der Übergangswider-
stände der Anschlüsse der beiden Enden der
Leitung an die Erde, also wesentlich kleiner
als 20 Ohm oder, in Leitungslänge ausgedrückt,
als 2 km (s. Erdleitungen).
Der Schlag des Schreibhebels dient als
Anruf für die Beamten; er muß deshalb bei
den Eisenbahn-Telegrapheneinrichtungen ein
möglichst lauter sein, damit er von den Beamten
auch bei ihren sonstigen Dienstgeschäften
(Zugdienst, Abfertigungsdienst u. s. w.) deutlich
wahrgenommen werden kann. Die Vergrößerung
der Schlagstärke bedingt aber eine Vergrößerung
des Arbeitsweges des Schreibhebels und diese
wieder eine entsprechende Verstärkung der
elektromagnetischen Kraft. Bei unmittelbarer
Einschaltung der Schreibwerke in die Leitung
würde das aber einen ganz unverhältnismäßig
großen Aufwand an Betriebsstrom und Batterie
erfordern und den Betrieb nicht nur sehr
unwirtschaftlich, sondern infolge des raschen
Verbrauchs der Batterieelemente (s. Elemente,
galvanische) auch sehr unsicher gestalten. Die
Schreibwerke der Eisenbahntelegraphen werden
deshalb nicht unmittelbar in die Leitung
geschaltet, sondern jedes Schreibwerk arbeitet
in einem auf die Örtlichkeit beschränkten Strom-
kreis, dem Ortsstromkreis, mit besonderer
Batterie. Die zur Hervorbringung der tele-
graphischen Schriftzeichen dienenden Unter-
brechungen und Schließungen des in der Leitung
fließenden Betriebsstroms - des Leitungs-
stroms — werden durch ein Relais (s. d.)
auf diesen besonderen Stromkreis - den Orts-
stromkreis - übertragen in dem Sinne, daß
beim Ruhestrombetrieb jede Unterbrechung
des Leitungsstroms die Schließung des Orts-
stromkreises und jede Schließung des Leitungs-
stroms die Unterbrechung des Ortsstrom-
kreises zur Folge hat. Die Schreibvorrichtung
braucht deshalb auch nicht, wie oben angedeutet
und durch Abb. 277 erläutert, durch Gelenk
mit dem Ankerhebel verbunden zu werden,
sondern wird wie beim Arbeitsstrombetrieb
nach Abb. 276 unmittelbar am Ankerhebel an-
gebracht. Der Ankerhebel des Relais vertritt
im Ortsstromkreis die Stelle des Stromschließers.
In Abb. 278 ist diese Anordnung in einfachen
Telegraph.
289
Linien dargestellt. S ist das Schreibwerk, OB
die Batterie für den Ortsstromkreis - die
Ortsbatterie - , R das Relais, a die Strom-
schlußvorrichtung des Relais; mit Ltg ist die
Leitung be;?eichnet, mit LB der auf der Tele-
graphenstelle aufgestellte Teil der Batterie für
den Leitungsstrom - die Leitungsbatterie —
mit T der Telegraphiertaster (s. Abb. 27S).
Hili-ob-
OB. -=r
Es besteht entweder aus einer Anzahl feststehender,
isolierter, in den Stromweg eingeschalteter Draht-
windungen, in deren Wirkungsraum ein leichter
Magnetstab um eine feine Achse schwingt, oder
aus einem feststehenden starken Magneten, zwischen
dessen Polen — in dessen Kraftlinienfeld (vgl. Induk-
tionsströme) — ein mit den im Stromweg liegenden
feinen isolierten Drahtwindungen bewickeltes leichtes
Rähmchen um eine feine Achse spielt. Sobald und
solange Strom in der Leitung fließt, wirken bei der
Hr
L^
O
^
Abb. 278.
Das Relais erfordert zu seiner Bewegung
nur geringe Kraft, weil der denkbar kleinste
Arbeitsweg für dessen Ankerhebel genügt und
dieser deshalb auch sehr leicht gebaut sein
kann. Für die Bewegung genügt infolgedessen
auch nur ein geringer Strom in der Leitung,
in der Regel 15 Milliampere; dabei wird die
Leitungsbatterie so wenig verbraucht, daß sie
unbedenklich 6 Monate im Betrieb bleiben
kann, ohne in ihrer Leistungsfähigkeit nach-
zulassen. In dem mit dem Widerstand der
Leitung nicht belasteten Stromkreis der Orts-
batterien wird dagegen mit wenigen Elementen
die zur Hervorbringung eines genügend lauten
Schlages des Schreibhebels erforderliche elektro-
magnetische Kraft erreicht.
Die Morsewerke der Eisenbahntelegraphie
sind im wesentlichen dieselben, wie sie die
öffentliche Telegraphie verwendet. Sie setzen
sich zusammen aus den bereits genannten
Teilen: Schreibwerk, Telegraphiertaster
und Relais; dazu kommt noch der Strom-
zeiger (oder das Galvanoskop), der Blitz-
ableiter und der Umschalter; letztere beiden
werden gewöhnlich zu einem Stück vereinigt.
Der Stromzeiger soll dem Beamten sichtbar
anzeigen, ob Strom in der Leitung fließt oder nicht
und ob der Strom die vorgeschriebene Stärke und
Richtung hat; er ist also ein zur Prüfung des
betriebsfähigen Zustands der Leitung sowie zur
Feststellung von Fehlern unentbehrliches Instrument.
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
zuerst erwähnten Form die stromdurchflossenen
Windungen ablenkend auf den Magnetstab; bei der
letzteren Form wirkt der Magnet ablenkend auf die
stromdurchflossenen Drahtwindungen. Je nach der
Richtung des Stromes erfolgt die Ablenkung nach
der einen oder der andern Seite. Die Größe des
Ablenkungswinkels bildet ein ungefähres Maß für
die Stärke des Stromes; sie wird auf einer Skala,
vor der ein am bewegten System befestigter Zeiger
spielt, abgelesen. Sobald der Leitungsstrom unter-
brochen wird, schwingt das bewegte System unter
der Einwirkung eines Richtmagneten oder feiner
Spiralfedern in die Nullstellung zurück.
Der Blitzableiter schützt die Telegraphen-
einrichtung vor der zerstörenden Wirkung der auf
die oberirdisch geführte Leitung treffenden Blitz-
schläge. Da, wie oben gesagt, die Enden der Tele-
graphenleitungen an die Erde angeschlossen sind,
so bieten sie den Blitzentladungen stets einen
bequemen Weg zur Erde. Die in diesem Weg liegen-
den feinen Drahtwindungen des Relais und des
Stromzeigers würden aber dabei ohne den Blitz-
ableiter der Zerstörung durch Überhitzung aus-
gesetzt sein. Ein solcher Blitzableiter besteht in der
Regel aus je einer vor die Telegrapheneinrichtung
in jede Zuleitung geschalteten Metallplatte, die mit
möglichst geringem Zwischenraum - höchstens
0-5 mm - über oder unter einer andern Metall-
platte liegt, die an die Erde angeschlossen ist. Die
atniosphänsche Elektrizität überspringt vermöge ihrer
außerordentlich hohen Spannung den kleinen Zwi-
schenraum zwischen beiden Platten und kürzt
dadurch ihren Weg zur Erde unter Vermeidung der
vielen feinen Drahtwindungen des Relais und des
Stromzeigers ganz wesentlich ab, dadurch diese vor
dem zerstörenden Einfluß der hochgespannten Elek-
trizität schützend. Zur Erleichterung des Uber-
19
290
Telegraph.
springens sind die einander zugekehrten Flächen
der Platten fein geriffelt. Die Leitungsplatten beider
Zuführungen einer Telegrapheneinrichtung, nicht
selten auch die Leitungspiatten mehrerer auf einer
Betriebsstelle befindlichen Telegrapheneinrichtungen
werden so nebeneinander angeordnet, daß sie eine
gemeinsame Erdplatte erhalten können.
zweckmäßige Zusammenstellung von Siemens &
Halske zeigt die Abb. 27Q. Der Unterrahmen des
Qrundbretts paßt in einen Ausschnitt des zugeliörigen
Tisches, Abb. 280. Die Zuführungsdrähte von der
Leitung und den Batterien sind nicht unmittelbar
an das Grundbrett, sondern nur an Klemmen des
Tisches angeschlossen. Zur Verbindung dieser Klem-
Abb. 279.
Die Platten der Blitzableiter werden zweckmäßig
so angeordnet, daß die Leitungsplatten jeder Tele-
grapheneinrichtung mittels Metallstöpsel sowohl
untereinander als auch jede einzelne mit der Erd-
platte verbunden werden können, wodurch die Mög-
lichkeit geschaffen wird, die Telegrapheneinrichtung
je nach Erfordernis entweder aus der Leitung aus-
Abb. 2S0.
zu.schalten oder auf Zwischenstellen nach der einen
oder andern Seite an Erde zu legen und den ent-
gegengesetzten Leitungsteil abzuschalten. Der Blitz-
ableiter vertritt dann zugleich die Stelle des Um-
schalters. Andernfalls muß hierfür eine besondere
Vorrichtung angeordnet werden.
Die einzelnen Bestandteile der Telegraphenein-
richtung sind in der Regel auf einem gemeinsamen
Qrundbrett befestigt, unter dem die Drahtverbin-
dungen zwischen den einzelnen Teilen fest ange-
bracht sind. Eine für Eisenbahnbetriebsstellen sehr
men mit dem Qrundbrett dienen Stromschlußböcke
und Federklinken. Diese Anordnung ermöglicht es
dem bedienenden Beamten, die Telegrapheneinrich-
tung, wenn sie unbrauchbar werden sollte, ohne
Benutzung von Werkzeugen und ohne Lösung von
Schrauben leicht und schnell gegen ein Ersatzwerk
auszuwechseln oder auf größeren Telegraphenstellen
bis zur Beseitigung des Fehlers oder bis zum Ein-
treffen eines Ersatzwerkes durch sofortiges Einsetzen
eines gerade unbenutzten Werkes den Betrieb aufrecht
zu erhalten.
Die Verbindungen zwischen den einzelnen Teilen
der Telegrapheneinrichtung sowie zwischen den ein-
zelnen Stellen einer Leitung sind in Abb. 281 durch
2 Endstellen und eine Zwischenstelle dargestellt.
Mit S ist das Schreibwerk, mit R das Relais, mit T
der Telegraphiertaster, mit Bl der Blitzableiter, mit
LB die Leitungsbatterie, mit OB die Ortsbatterie
bezeichnet. Wie ersichtlich, sind die Leitungsbatterien
nicht besonders an das Orundbrett angeschlossen,
sondern liegen auf den Zwischenstellen in der Zu-
führung der Leitung, auf den Endstellen in der Zu-
führung der Erdleitung. Es empfiehlt sich, wie in
der Abbildung dargestellt, auf den Zwischenstellen
die Elemente der Leitungsbatterie auf beide Leitungs-
zuführungen zu verteilen, auch vor der Leitungs-
batterie einen Ausschalter (A in der Abbildung)
anzubringen, damit die Telegrapheneinrichtung ein-
schließlich der eigenen Batterie aus der Leitung
ausgeschaltet und so ihr Zustand durch den Strom-
zeiger festgestellt werden kann. Am Blitzableiter
kann bei der dargestellten Anordnung nur die
Telegrapheneinrichtung ohne die Batterie ausge-
schaltet werden.
Zur Erzielung ungestörter Abwicklung des
telegraphischen Verkehrs dürfen die Leitungen
nicht überlastet werden, d. h. die Zahl der zu
einem Leitungskreis oder Stromkreis zu ver-
bindenden Betriebsstellen darf nie so groß
Telegraph.
291
sein, daß sie sicii gegen-
seitig in der Benutzung
der Leitung hindern; viel-
mehr muß allen die recht-
zeitige und ungehinderte
Abwicklung des telegra-
phischen Schriftwechsels
möglich sein. In der Regel
dürfen deshalb je nach
der Dichtigkeit des Ver-
kehrs nicht mehr als
10—15 Stellen zu einem
Stromkreis verbunden
werden. Leitungen, die
mehr Betriebsstellen be-
rühren, müssen in 2 oder
mehr Stromkreise abge-
teilt werden. Die Strom-
kreisendstellen, zu denen
immer größere und wich-
tigere Betriebsstellen aus-
ersehen werden, erhalten
dann für jeden Stromkreis
eine besondere Telegra-
pheneinrichtung und wer-
den außerdem als Zwi-
schenstelle an die längs
der Strecke geführte Fern-
leitung angeschlossen.
Auf großen Übergangs-
bahnhöfen, wo die Fern-
leitungen der verschie-
denen Bahnlinien zu-
sammenlaufen, kann für
die von einer Linie auf
die andere übergehenden
Telegramme selbsttä-
tige Übertragung
eingerichtet werden. Abb.
282 veranschaulicht in
einfachen Linien diese
Übertragung für 2 auf
einer Dienststelle endende
Ruhestromfernleitungen
— Ltg^ und Lfg^ — mit
den Telegrapheneinrich-
tungen / und //. R^ und
/?2 bedeuten darin die
Relais, 5, und S, die
Schreibwerke. Die Tele-
graphiertaster, Stromzei-
ger und Blitzableiter sind
der besseren Übersicht
wegen fortgelassen. Skizze
A zeigt die Grundschal-
tung, in der beide Tele-
grapheneinrichtungen als
stellen arbeiten. Abb. 282
gewöhnliche End- i Übertragungsschaltung, wobei die in einer der
B dagegen zeigt die | beiden Leitungen — Ltg^ oder Ltg2 — tele-
19*
292
Telegraph.
graphierten Schriftzeichen
andere übertragen werden.
zu ersehen, findet bei d
selbsttätig in die
Wie aus Abb. 282ß
ieser Schaltung die
-»SV
r-CZA
■^
r+\ ^
'it»,
§
^
yj\f^
Hi|H"
Leitung nicht wie bei der Grundschaltung
(Abb. 282/1) Erdschluß in der eigenen Telegra-
pheneinrichtung, sondern über einen Strom-
schließer a, oder 03 am Schreibwerk
der andern Telegrapheneinrichtung.
Auf diesen Stromschließer wirkt der
Schreibhebel wie die Hand des Be-
amten auf den Telegraphiertaster; die
auf der einen Leitung ankommenden
Zeichen werden also durch den
Schreibhebel in die andere Leitung
weitertelegraphiert oder übertragen.
Der Schreibhebel betätigt noch emen
zweiten Stromschließer — A, Aj " <
der in der Übertragungsschaltung beim
Schreiben den Stromkreis der Orts-
batterie für das Schreibwerk der andern
Leitung unterbricht, damit dessen
Schreibhebel nicht gleichzeitig betätigt
wird, und rückwirkend auch den Erd-
schluß der ersteren Leitung unterbricht,
weil dadurch dauernde Unterbrechung
auf beiden Leitungen eintreten würde.
Siemens ßiHalske bauen sehr zweck-
mäßige und handliche Schaltvorrich-
tungen für die Übertragung, wie in
Abb. 283 dargestellt. Für jede Leitung
ist ein Klinkenkästchen und für je
2 Klinkenkästchen eine vieraderige
Leitungsschnur mit je 4 Metallstöpseln
an jedem Ende erforderlich. Die Über-
tragungsschaltung wird dadurch her-
gestellt, daß die Klinkenkästchen der
beiden auf Übertragung zu schaltenden
Leitungen mit der Stöpselschnur durch
Einstecken der Stöpsel in die Löcher
der Kästchen verbunden werden. In
der Abb. 282 sind die Klinkenkästchen
mit AT, und /C/, und die Stöpsel mit
St^ und 5^2 bezeichnet. Wie ersicht-
lich, unterbrechen die eingesteckien
Stöpsel im Klinkenkästchen 4 in der
Grundstellung geschlossene Strom-
schlußstellen und schließen 4 neue.
Die Klinkenkästchen für die ver-
schiedenen Leitungen werden auf ge-
meinsamen Konsolen oder Schalttafeln
angebracht.
Die Übertragungseinrichtungen er-
fordern dauernd eine sachkundige
Überwachung und Nachhilfe. Die
Stromschlußstellen an den Schreib-
werken müssen öfter gereinigt werden,
weil sich durch den Öffnungsfunken
Brandstellen darauf bilden, die den
Stromschluß in Frage stellen. Es muß
auch dafür gesorgt werden, daß die
Bewegung des Schreibhebels für die
^a
Telegraph.
293
mmsuSLS
Übertragung voll
ausgenutzt wird; je
mehr nutzlose Bewe-
gung, desto spitzer
wird die übertragene
Schrift; sie bleibt
dann in größerer
Entfernung leicht
aus. Anderseits muß
aber durch empfind-
liche Einstellung der
Übertragungseinrich-
tung dafür gesorgt
werden, daß etwa spitz ankommende
Schrift möglichst kräftig übertragen
wird. Die selbsttätige Übertragung
sollte beschränkt bleiben auf groß-
Betriebssteilen, auf denen ein beson-
derer Aufsichtsbeamter mit ausrei-
chender Sachkenntnis vorhanden ist,
der die Gewähr bietet für sachgemäße
Benutzung dieser Einrichtungen.
Auch darf nicht angenommen
werden, daß die Zahl der auf Ober-
tragung zusammenzuschaltenden Lei-
tungen unbegrenzt ist. Je mehr selbst-
tätige Übertragungen im Beförde-
rungsweg eines Telegramms gleich-
zeitig arbeiten, desto mehr steigern
sich die Schwierigkeiten. Es sollten
in der Rege! nicht mehr als 2, allen-
falls unter ganz besonders günstigen
Voraussetzungen ausnahmsweise 3
Leitungen auf Übertragung zu-
sammengeschaltet werden.
Eine wichtige Anwendung findet
die selbsttätige Übertragung bei der
täglichen Übermittlung des Zeit-
signals an die Betriebsstellen von
einer Zentralstelle aus. Nach diesem
Zeitsignal haben die Betriebsstellen
ihre Uhren einzustellen; denn genau
richtige, auf allen Stellen überein-
stimmende Zeitangaben sind für einen
geordneten und gesicherten Eisen-
bahnbetrieb unerläßliche Bedingung.
Die nachstehende Beschreibung be-
zieht sich auf eine Einrichtung, wie
sie in Deutschland in Anwendung
steht und in Abb. 284 in einfachen
Linien dargestellt ist. Auf der Zentral-
stelle (in Deutschland Berlin) befindet
sich eine Präzisionsuhr PL/, deren
genau richtiger Gang von einer astro-
nomischen Stelle (Sternwarte u.s.w.)
aus überwacht wird. Das 24-Stunden-
Rad der Uhr betätigt 2 Strom-
schließer. Durch den einen wird
Abb. 2S3.
Awfiacny.
294
Telegraph.
2 Minuten vor dem Zeitsignal (8 Uiir vor-
mittags) elektromagnetisch das Laufwerk des
Rufzeichengebers RG ausgelöst. Das Lauf-
\xerk versetzt beim Ablaufen eine gezahnte
Metallscheibe S in Drehung, auf deren Zähnen
eine vom Werk isolierte Metallfeder F schleift.
Scheibe und Feder bilden die beiden Enden
des Stromkreises für den Relaiselektromagneten
R des Zeitsignalgebers, der geschlossen wird,
wenn die Feder über einen Zahn schleift, also
Feder und Scheibe einander berühren, und geöff-
net wird, wenn eine Zahnlücke an der Feder vor-
übergeht, also Feder und Scheibe einander nicht
berühren. Das Relais überträgt die Strom-
schließungen und Unterbrechungen auf den
Stromkreis des Zeitgeberelektromagneten ZE.
An den Zeitsignalgeber sind alle Telegraphen-
leitungen angeschlossen, in denen das Zeitsignal
zu geben ist. Der Ankerhebel A des Zeit-
geberelektromagneten ZE betätigt in den
angeschlossenen Leitungen je einen Strom-
schließer kk in der gleichen Weise
wie die Hand den Telegraphiertaster; er unter-
bricht also die Leitungen, sobald der Anker
vom Elektromagneten angezogen wird, und
schließt die Leitungen wieder, sobald der Anker
wieder losgelassen wird. Die Zähne der Scheibe
5 stellen in Morseschrift ein bestimmtes Zeichen
dar, in Deutschland MEZ (Mittel-Europäische
Zeit), das durch den Zeitgeber in alle an-
geschlossenen Leitungen in ununterbrochener
Folge und ohne Rücksicht darauf, ob die
Leitungen noch besetzt sind oder nicht, als
Rufzeichen übertragen wird. Dadurch werden
die Betriebsstellen aufmerksam gemacht, daß
das Zeitsignal zu erwarten und deshalb der
telegraphische Schriftwechsel einzustellen ist.
Etwa 1 Minute vor dem Zeitsignal schließt
die Uhr den zweiten mit dem 24-Stunden-Rad
verbundenen Stromschließer und stellt dadurch
dauernden Schluß des Relaisstromkreises mit
der Batterie /?, und dadurch des Zeitgeber-
stromkreises mit der Batterie B^ her, so daß
derAnkerhebeM alle angeschlossenen Leitungen
bei ÄÄ dauernd unterbricht. Genau zum
festgesetzten Zeitpunkt öffnet die Uhr diesen
zweiten Stromschließer \s-ieder, der Zeitgeber-
elektromagnet ZE läßt infolgedessen seinen
Anker wieder los und die Unterbrechung der
Leitungen hört auf. Das Aufhören der Unter-
brechung ist das Zeitsignal. Der Rufzeichen-
geher RG ist inzwischen gleichfalls zum Stillstand
gekommen.
Der ElekiromagnetZfdes Zeitgebers erfordert
für die gleichzeitige Betätigung aller Leitungs-
stromschließer k k eine verhältnismäßig
große elektromagnetische Kraft. Die erregende
Batterie muß deshalb einen entsprechend starken
Strom liefern, womit der zarte Stromschließer
in der Uhr nicht belastet werden kann. Aus
diesem Grund ist das Relais R dazwischen
geschaltet, das selbst mit schwachem Strom
arbeitet, aber zum Schließen und Unterbrechen
einer kräftigen Batterie B^ dient.
Alle in die an den Zeitsignalgeber ange-
schlossenen Leitungen eingeschalteten Betriebs-
stellen haben das Zeitsignal aufzunehmen, die
Dienstuhren damit zu vergleichen und soweit
erforderlich richtigzustellen. Auf den an diesen
Strecken liegenden V'erwaltungsbezirkshaupt-
stellen und Übergangsbahnhöfen sind weitere
Zeitsignalgeber, aber ohne Uhr und Rufzeichen-
geber, aufgestellt, die das von der Zentralstelle
ankommende Zeitsignal auf ihren Relais auf-
nehmen und auf die Bezirksleitungen und die
Leitungen der abzweigenden Strecken über-
tragen. Auf diese Weise ist ein einheitliches
und genau richtiges Zeitsignal für einen beliebig
großen Verwaltungsbezirk gewährleistet.
Wie bereits erwähnt, sind für die tele-
graphischen Zugmeldungen auf Haupt-
bahnen und verkehrsreichen Nebenbahnen
besondere Zugmeldeleitungen vorhanden,
die entweder in eine Anzahl kleinerer Leitungs-
kreise abgeteilt sind, die dann nur eine geringe
Zahl von Betriebsstellen umfassen oder, was
das vollkommenere ist, Kreisschluß auf jeder
Zugmeldestelle' haben, so daß auf dieser
Leitung jede Zugmeldestelle nur mit den beider-
seits benachbarten Zugmeldestellen verbunden
ist. Die Leitung ist dann jederzeit zur Abgabe
der Zugmeldungen frei. Damit auch in der
Annahme Verzögerungen vermieden werden,
ertönt der Anruf durch Klingelzeichen, das
sich von den durch den Schlag des Schreib-
hebels hervorgebrachten Geräuschen der übrigen
Telegrapheneinrichtungen scharf unterscheidet.
Grundsätzlich würde eine solche Anordnung
auf jeder Zugmeldestelle für jeden Leitungs-
kreis eine besondere Telegrapheneinrichtung
erfordern und sich dadurch unwirtschaftlich
gestalten. Siemens & Halske haben deshalb
eine Anordnung angegeben, nach der nur
eine Telegrapheneinrichtung erforderlich ist,
die in der Ruhe keine X'erbindung mit der
Leitung hat und nur je nach Erfordernis mittels
besonderer Schaltvorrichtungen in den einen
oder den andern Leitungskreis eingeschaltet
werden kann. In die Leitung ist für jede
Richtung ein Wecker mit Selbstunterbrechung
eingeschaltet, auf dem der Anruf wahrgenommen
' Zugmeldesteilen sind die Zugfolgestellen
(s. o.\ auf denen es möglich ist, Züge beginnen,
endigen, wenden, kreuzen, überholen, von einem
Hauptgleis auf das andere gelangen oder auf eine
abzweigende Bahnstrecke übergehen zu lassen.
Telegraph.
295
wird. Eine besondere Batterie ist für den Wecker
nicht nötig; die Leitungsbafterie vfird dafür
mitbenutzt. Die Schaltung einer solchen An-
ordnung ist in Abb. 285 dargestellt. In der
Ruhe fließt der Strom aus der Leitung durch
die Elektromagnetwindungen des Weckers W^
oder W2, die Leitungsbatterie LB^ oder LB2,
den Umschalter t/, oder t/, und zur Erde £";
dabei ist der Weckeranker angezogen. Drückt
Si,
von links nach rechts, womit der Ruhezustand
wieder hergestellt ist.
Da im Zustand der Ruhe die Telegraphen-
einrichtung keinen Strom erhält, würde, wie
aus der Stromlaufskizze Abb. 285 hervorgeht,
der Relaisanker dauernd den Ortsstromkreis
schließen und die Ortsbatterie schnell verbraucht
werden. Um dies zu verhindern, smd die
Umschalter f/, und f/j so eingerichtet, daß
^f,-^
die Nachbarstelle beim
Rufen den Telegra-
phiertaster, nachdem
sie vorher die Tele-
grapheneinrichtung
durch Umlegen des
Umschalterhebels t/^
oder U2 von rechts
nach links in den be-
treffenden Leitungs-
kreis eingeschaltet hat,
so hört der Strom in
der Leitung auf, der
Anker des Weckers
dieses Leitungskreises
fällt ab, berührt den
Anschlag 5, oder 5,
und schließt dadurch
die Leitungsbatterie
LB^ oderLßj zu einem
kurzen Kreis, in dem
der Wecker als ge-
wöhnlicher Selbst-
unterbrecher arbeitet.
Hört der Tastendruck
auf der Nachbarstelle
auf, so tritt der Lei-
tungsstrom wieder ein
und der Weckeranker
wird wieder festgehal-
ten. Das Ertönen des
Weckers kann selbst
vom unaufmerksam-
sten Beamten, auch
wenn in demselben Raum eine größere Anzahl
von Telegrapheneinrichtungen gleichzeitig ar-
beitet, nicht überhört werden. Schaltet die ge-
rufene Stelle daraufhin durch Umlegen ihres
Umschalters U-^ oder t/, gleichfalls ihre Tele-
grapheneinrichtung in den betreffenden Lei-
tungskreis ein, so hört das Klingeln auf und
der telegraphische Schriftwechsel kann in der
gewöhnlichen Weise vor sich gehen. Nach
Beendigung des Schriftwechsels legen beide
Zugmeldestellen den Umschalterhebel wieder
'^t
sie in der Rechtsstel-
lung den Ortsstroni-
kreis unterbrechen.
Für den Anruf kann
auch Wechselstrom
zur Anwendung kom-
men. Jede Zugmelde-
stelle erhält dann einen
Wechselstrominduktor
(s. Induktor) und statt
der Wecker mit Selbst-
unterbrechung polari-
sierte oder Wechsel-
stromwecker. Die Lei-
tungsbatterie braucht
dann nicht dauernd
eingeschaltet zu sein,
sondern kann mit der
Telegrapheneinrich-
tung durch den Um-
schalter (C/, oder f/j)
ein- und ausgeschaltet
werden. Da bei dieser
Anordnung die Leitung
in der Ruhe stromlos
ist, so ist auch der
Batterieverbrauch nur
gering.
Die etwa zwischen
2 benachbarten Zug-
meldestellen noch lie-
genden Zugfolgestel-
len (Blockstellen) kön-
nen als Zwischenstellen
in die Zugmeldeleitung eingeschaltet werden.
Sie können sich dann auch jederzeit durch
Mitlesen der Zugmeldungen über den Lauf
der Züge unterrichten.
Statt der Handumschalter U^ und U2 werden
vielfach Fuß Umschalter verwendet. Da diese
aber sich der Überwachung entziehen, sind
sie so eingerichtet, daß sie beim Loslassen des
Tritthebels durch Federkraft selbsttätig in die
Grundstellung zurückschnellen. Die Rück-
stellung kann also nicht versäumt werden.
296
Telegraph,
Sie haben aber auch den Nachteil, daß der
Beamte während der Aufnahme einer Alelduni^
die Telegrapheneinrichtung nicht verlassen kann,
weil er den Umschalterhebel mit dem Fuß
festhalten muß.
Für Bahnlinien mit geringerem Verkehr
ist es nicht erforderlich, die Zugmeldeleitung
auf allen Zugmeldestellen mit einer besonderen
Telegrapheneinrichtung zu besetzen; für die
minderwichtigen Stellen deren Telegraphen-
dienst gering ist, ist es angängig, die Tele-
grapheneinrichtung der durchgehenden (Be-
zirks-) Leitung für die Zugmeldeleitung mitzu-
benutzen. Es kommt dann eine Umschaltvor-
richtung zur Anwendung, die es ermöglicht,
die Telegrapheneinrichtung aus der durch-
gehenden Leitung aus- und in die Zugmelde-
leitung nach der einen oder der andern Rich-
tung einzuschalten. Die besonderen Anruf-
wecker für die Zugmeldeleitung sind selbst-
verständlich auch hier nicht zu entbehren. In
solchem Fall sind aber Fußumschalter, die
selbsttätig die Rückschaltung in die durch-
gehende Leitung bewirken, unerläßlich, weil
bei Handumschaltern die Rückschaltung ver-
gessen und dann der Anruf auf der durch-
gehenden Leitung nicht wahrgenommen wer-
den kann.
Wie bereits früher angedeutet, kann auf
Bahnlinien mit mäßigem Verkehr die besondere
Zugmeldeleitung entbehrt und die Läutewerks-
leitung als Zugmeldeleitung mitbenutzt werden.
Die glatte Abwicklung des Telegraphier-
geschäfts ist in erster Linie davon abhängig,
daß Störungen in den Anlagen möglichst
vermieden werden oder, wenn solche auftreten,
deren rascheste Beseitigung erfolgt.
Die weitaus häufigsten Störungen sind auf
Isolationsfehler (s. Isolatoren) zurückzuführen.
Dadurch entstehen Stromverluste infolge Ableitung
des Stromes zur Erde an Stellen, wo eine möglichst
vollkommene Isolation der Leitung von der Erde
Bedingung ist. Solche Stromableitungen bezeichnet
man kurz mit „Nebenschließungen". Sie ver-
hindern bei Ruhestrombetrieb beim Drücken des
Telegraphiertasters das vollständige Aufhören des
Betriebsstroms in der jenseits der Nebenschließung
liegenden Leitungsstrecke. Die Relaisanker auf dieser
Strecke fallen dann nicht ordnungsmäßig ab, weil
infolge des zurückbleibenden Stromteils auch der
Elektromagnetismus nicht vollständig verschwindet.
Ist der Stromverlust nur unwesentlich, also der
Ableitungswiderstand groß, dann wird der zurück-
bleibende geringe Elektromagnetismus noch von den
Ankerabreißfedern überwunden, aber der Ankerabfall
erfolgt mit Verzögerung, so daß die Schriftzeichen
verkürzt — spitz — erscheinen. Mit zunehmendem
Stromverlust, also weiterer Verringerung des Ab-
leitungswiderstandes, nimmt diese Verkürzung zu,
bis die Punkte ganz ausbleiben und die Schrift
nicht mehr lesbar erscheint. Bei noch größerem
Stromverlust bleiben dann auch die Striche aus, so
daß von den gegebenen Schriftzeichen überhaupt
nichts erscheint. Durch entsprechende Anpassung
der Relaiseinstellung, u.zw.:
Anspannen der Änkerabreißfeder,
Vergrößerung des Abstandes zwischen Anker und
Pol,
äußerste Verkleinerung des Arbeitsweges des Ankers,
ist die empfangende Stelle im stände, der Verzögerung
des Ankerabfalls zu begegnen und die Verkürzung
der Schriftzeichen auszugleichen. Ist die Strom-
ableitung aber so groß, daß dies Mittel wirkungslos
bleibt, dann ist eine unmittelbare Verständigung
zwischen den beiderseits der Nebenschließung
liegenden Stellen unmöglich; die Telegrammbeför-
derung zwischen diesen Stellen läßt sich dann nur
mit Umtelegraphierung aufrechterhalten.
Die Ursachen solcher Nebenschließiuigen können
die mannigfaltigsten sein, hauptsächlich kommen die
folgenden in Betracht:
1 . Es kann ein mehr oder weniger leitendes Schmutz-
teilchen, Feuchtigkeit oder ein Fremdkörper zwischen
Leitungsplatte und Erdplatte des Blitzableiters geraten
oder durch Blitzschlag eine die beiden Platten ver-
bindende Abschmelzung entstanden sein.
2. Es kann, sei es durch Mutwillen oder bei
heftigem Wind, ein Fremdkörper - abgebrochener
Baumzweig, Seil, Lappen, Drahtstück u. dgl. - auf
die Leitung geraten sein und Verbindung zwischen
Leitung und Gestänge oder Bauwerk herstellen.
3. Die Leitung kann mit den Zweigen benach-
barter Bäume oder Gebüsche Berührung haben.
4. Die Leitung kann sich vom Isolator gelöst
haben und auf den in der Erde befestigten Draht-
anker des Gestänges oder auf den eisernen Isolatoren-
träger, auf ein darunter befindliches Bauwerk, auf
eine eiserne Läutewerksbude u. dgi. gefallen sein
oder sie kann am Gestänge anliegen.
5. Die Leitung kann mit einer andern Leitung
Berührung haben.
6. Es kann in das Gehäuse eines Kabelendver-
schlusses (s. Leitungen für elektrische Schwachstrom-
anlagen) nach und nach so viel Niederschlagswasser
eingedrungen sein, daß es die Leitungsklemmen
erreicht hat und dadurch Verbindung zwischen
Leitung und Gehäuse herstellt.
Die Fälle zu 2, 3 und 4 machen sich in verstärktem
Maße bei Regen oder feuchter Luft bemerkbar.
Der schlimmste Feind der Isolation bei, ober-
irdischen Leitungen ist der Nebel. Während die
Doppelglockenforni der Isolatoren eine Gewähr dafür
bietet, daß bei Regen die inneren Wandungen der
Isolatoren trocken bleiben, gelangen die feinen
Wasserbläschen des Nebels von der Luft getragen
auch in die inneren Höhlungen der Isolatorglocken,
überziehen deren äußere und innere Wandungen nach
und nach mit Feuchtigkeit und stellen bald eine
ununterbrochene feuchte Verbindung von der Leitung
über die nassen Flächen des Isolators und das Gestänge
nach der Erde her. Wenn auch der Stromverlust
an jedem einzelnen Isolator nur sehr klein ist, so
summieren sich doch diese kleinen Verluste längs
der ganzen im Nebel liegenden Leitungsstrecke zu
einem verhältnismäßig großen Verlust, der um so
fühlbarer, je länger die Nebelstrecke ist und dem
auch durch die peinlichste Überwachung und Unter-
haltung der Leitungen und durch die oben angedeutete
Veränderung der Relaisstellung nicht begegnet werden
kann ; alle Bemühungen und Versuche nach dieser
Richtung müssen als unnütze Zeitvergeudung
bezeichnet werden. Es erübrigt nur, an Stelle des
unmittelbaren Telegramm wechseis über die Nebel-
strecke hinaus unverzüglich Umtelegraphierung treten
zu lassen. Dagegen bietet die Beseitigung der vor-
Telegraph.
2Q7
stehend unter 1-6 bezeichneten Störungsursachen
in der Regel keine besonderen Schwierigkeiten.
Zur FeststeUung der örtlichen Lage einer Neben-
schließung durch die Betriebsstellen ermittelt die
untersuchende Stelle, indem sie unter Beobachtung
des Stromzeigers die Leitung nacheinander auf den
verschiedenen Stellen kurz unterbrechen läßt, bis zu
welcher Stelle der Strom bei der Unterbrechung
noch vollständig verschwindet, der Stromzeiger also
Null zeigt, und von welcher Stelle ab ein Rest von
Strom in der Leitung verbleibt, der Stromzeiger
also einen Ausschlag zeigt. Zwischen diesen beiden
Stellen liegt die Nebenschließung. Handelt es sich
um eine Fernleitung, die nicht auf allen Betriebs-
stellen eingeführt ist, dann müssen diese die Leitungs-
unterbrechung unter Zuhilfenahme der an solchen
Stellen in der Regel zu diesem Zweck in die Leitung
eingebauten Untersuchungsstelle vornehmen.
Die zweite Hauptgruppe von Störungen sind die
Unterbrechungen. Sie können hervorgerufen
werden durch Leitungsbruch auf der Strecke, in der Zu-
führung zur Betriebsstelle und zur Erdleitung, an den
Verbindungsdrähten der Telegrapheneinrichtung, an
oder in den Batterieelementen und durch mangelnden
Stromschluß am Telegraphiertaster infolge unbeab-
sichtigten Zwischenklemmens eines nicht leitenden
Fremdkörperchens.
Der Fehler wird durch die Betriebsstellen ermittelt,
indem die untersuchende Stelle unter Beobachtung
des Stromzeigers die in der Richtung der Unter-
brechung liegenden Stellen nacheinander ihre Tele-
grapheneinrichtung mittels des Umschalters kurz an
Erde legen läßt. Zwischen der entferntesten Stelle,
bei deren Erdschluß der Stromzeiger noch einen
Ausschlag anzeigt, und der nächsten darauf folgenden
Stelle, bei deren Erdschluß der Strorazeiger Null
zeigt, liegt die Unterbrechung. Auch wird bei Fern-
leitungen auf den Betriebsstellen, in die die Leitung
nicht eingeführt ist, der Erdschluß unter Benutzung
der in die Leitung eingebauten Untersuchungsstelle
hergestellt.
Außer durch diese wichtigsten und häufigsten
Störungen kann der Telegraphenbetrieb noch be-
hindert werden durch örtliche Fehler an den
Telegrapheneinrichtungen, deren Feststellung
und Beseitigung aber selten Schwierigkeiten bereitet.
Ganz zu vermeiden sind Störungen im Telegraphen-
betrieb nicht; sie können aber durch gewissenhafte
Überwachung und Unterhaltung der Telegraphenan-
lagen von selten der zuständigen Beamten und Bedien-
steten auf ein sehr geringes Maß eingeschränkt werden.
Literatur: Schellen, Der elektromagnetische
Telegraph. Braunschweig, Vieweg & Sohn. —
Zetzsche, Handbuch der elektrischen Telegraphie,
Bd. IV, Berlin, J. Springer. - Bauer, Prasch, Wehr,
Die elektrischen Einrichtungen der Eisenbahnen.
Wien u. Leipzig, Hartleben. - Strecker, Tele-
graphentechnik. Berlin, J. Springer. - Karras,
Geschichte der Telegraphie. Braunschweig, Vieweg
& Sohn.
B. Telegraphendienst.
Der Eisenbahntelegraphendienst umfaßt die
verantwortliche Bedienung der auf den Eisen-
bahndienststellen befindlichen Telegraphenein-
richtungen zum Zweck der Beförderung tele-
graphischer Nachrichten. Dieser Dienstzweig
bildet einen Teil des gesamten Eisenbahn-
betriebsdienstes und wird von den Eisenbahn-
betriebsbeamten neben ihren sonstigen Dienst-
obliegenheiten - Zug- und Abfertigungsdienst
— mit wahrgenommen. Nur auf den Haupt-
verwaltungsstellen und auf großen Übergangs-
bahnhöfen werden besondere Beamte für diesen
Dienstzweig beschäftigt.
Die Ausübung des Telegraphendienstes er-
folgt nach besonderen, von den obersten Ver-
waltungsbehörden erlassenen Vorschriften, deren
wesentlichste Bestimmungen nachstehend an-
gegeben sind.
Der Eisenbahntelegraph hat in erster Linie der
Beförderung eisenbahndienstlicher Nach-
richten zu dienen; jedoch ist seine Benutzung
auf wirklich eilige Nachrichten zu beschränken.
Für solche Mitteilungen, die sich unbeschadet
des Dienstes schriftlich erledigen lassen,
soll der T. nicht in Anspruch genommen
werden. Die Beförderung nichteisenbahn-
dienstlicher Nachrichten ist nur unter ge-
wissen Beschränkungen zugelassen und nur
soweit der Eisenbahndienst dadurch nicht be-
nachteiligt wird. Bei der Beförderung haben
aber die eisenbahndienstlichen Telegramme
unter allen Umständen den Vorrang vor den
nichteisenbahndienstlichen.
Die Beförderung eisenbahndienstlicher
Nachrichten ist gebührenfrei; für die Beför-
derung nichteisenbahndienstlicher Nach-
richten gelten die Qebührenvorschriften
des öffentlichen Telegraphenverkehrs.
Zur Aufgabe von eisenbahndienstlichen Tele-
grammen - Bahntelegrammen -- sind nur die
oberen Verwaltungsbehörden der Eisenbahn,
die Vorstände von deren Bureauabteilungen, die
Bezirksaufsichtsstellen, die Überwachungsbe-
amten für den Betriebs-, Verkehrs- und Loko-
motivdienst, die Dienststellenvorsteher und die
Fahrdienstleiter befugt.
Die Telegramme müssen von den Berech-
tigten schriftlich aufgegeben oder den Tele-
graphierenden zur Niederschrift diktiert werden.
Die mündliche Aufgabe durch Vermittlung
dritter Personen ist nicht zulässig.
Die Telegramme, ausgenommen die tele-
graphischen Zugmeldungen und Wagenmel-
dungen, für die bestimmte Formen ein für
allemal festgesetzt sind (s. u.), sollen aus Auf-
schrift, Inhalt und Unterschrift bestehen. Der
Wortlaut soll unbeschadet der Deutlichkeit und
Verständlichkeit möglichst kurz abgefaßt sein;
Höflichkeitsformen sollen vermieden werden.
Zwischen größeren Verwaltungsgruppen, z.B.
zwischen den Verwaltungen des VDEV., sind
Abkürzungen für die Aufschriften und Unter-
schriften vereinbart, deren sich die Aufgeber
bedienen sollen.
Aufschrift und Unterschrift von chiffrierten
Telegrammen sollen in gewöhnlicher Sprache
abgefaßt sein.
298
Telegraph.
Wird ein und dasselbe Telegramm nach ver-
schiedenen Orten gerichtet, so dürfen diese
Bestimmungsorte vom Aufgeber nicht in einer
Aufschrift zusammengefaßt \s-erden, \ceil sonst
das Telegramm an ein und demselben Bestim-
mungsort von verschiedenen Seiten mehrere
Male eingehen würde. Solche Telegramme
sollen vielmehr für jeden Bestimmungsort in
besonderer Niederschrift aufgegeben werden.
Kur soweit die Bestimmungsorte von der
Aufgabestelle auf derselben Leitung erreichbar
sind, dürfen sie in der Aufschrift zusammen-
gefaßt werden.
Zur Beförderung der Telegramme soll mög-
lichst der geographisch kürzeste Weg gewählt
werden; es sollen nicht lediglich zur Er-
reichung selbsttätiger Übertragung unter Inan-
spruchnahme großer Leitungslängen Umwege
gewählt werden (s. A. Telegraphenanlagen).
■Ä'enn sich jedoch der Beförderung auf dem
hiernach zu wählenden kürzesten Weg Schwie-
rigkeiten entgegenstellen, soll die Beförderung
nicht durch umständliche Feststellungen und
Versuche verzögert, sondern ohne X'erzug der
geeignetste Umweg gewählt werden. Jede hier-
bei in Anspruch genommene Telegraphendienst-
stelle ist verpflichtet, die ihr angetragene Ver-
mittlung, ohne Einwendung und ohne nach
Gründen zu fragen oder zu suchen, bereitwilligst
zu übernehmen. Bedenken gegen die Recht-
mäßigkeit der Anforderung dürfen nach
erfolgter Vermittlung bei der vorgesetzten Stelle
vorgebracht werden.
Ist die Beförderung durch den Bahntele-
graphen infolge von Störungen nicht möglich,
so muß der öffentliche T. — Landes-, Staats-,
Reichstelegraph — in Anspruch genommen
werden. Fast in allen Ländern ist dieser auf
Grund besonderer, auf Gegenseitigkeit beru-
hender Abmachungen in solchem Fall ver-
pflichtet, die Beförderung kostenfrei zu über-
nehmen.
Bei der Abtelegraphierung und der Auf-
nahme der Telegramme kommt das gleiche
Verfahren zur Anwendung wie beim öffentli-
chen T. Dabei ist folgende Ordnung zu beob-
achten :
a) Anruf,
bj Meldung,
c) Abtelegraphierung (Abgabe) und Auf-
nahme,
dj Empfangsbestätigung (Quittung).
Andere als die nachstehenden, international
festgesetzten Schriftzeichen dürfen nicht be-
nutzt werden. Änderungen oder Kürzungen
des Wortlauts oder die Anwendung eigen-
mächtiger Abkürzungen sind den Telegraphie-
renden nicht gestattet
Schriftzeichen des Morsetelegraphen,
a — n —
ä n
ää o
b ö
c p
d --- q
e - r
e s
f t -
g u
h ü
i - - \-
j w
1 y
m z
abgekürzt
5
0 _
Bruchstrich
Punkt
Strichpunkt ;
Komma ,
Doppelpunkt :
Fragezeichen ?
Ausrufungszeichen !
Apostroph '
Bindestrich -
Klammer ^ ()
Anführungszeichen „
Unterstreichungszeichen ^
Trennungszeichen ^ — .
Anruf
Verstanden
Irrung
Schluß der Übermittlung
Dringend
Warten
Quittung
M
' Vor und hinter die einzuschließenden Worie
zu setzen.
2 Vor und hinter die zu unterstreichenden Worte
zu setzen.
' Das Trennungszeichen scheidet den Kopf des
Telegramms von der Aufschrift, die Aufschrift vom
Inhalt und den Inhalt von der Unterschrift.
Die Länge des Striches gleich 3 Punkten.
Der Raum zwischen den Zeichen eines Buchstaben
gleich 1 Punkt, zwischen 2 Buchstaben gleich 3
Punkten, zwischen 2 Wörtern gleich 5 Punkten.
Telegraph.
299
Die ankommenden Telegramme mit allen
Dienstvermerken müssen voll auf dem Morse-
streifen aufgenommen werden. Die Aufnahme
nach dem Gehör ist verboten.
Die Telegraphendienststellen führen Tele-
grammbücher, in die die aufgegebenen und
angekommenen Telegramme nach der Zeitfolge
einzutragen sind. Die Aufgeber sind berechtigt,
die von ihnen aufgegebenen Telegramme selbst
in das Telegrammbuch einzutragen.
Bei der Abtelegraphierung wird die Num-
mer, die das Telegramm bei der Eintragung
auf der Aufgabestelle nach dem Telegramm-
buch erhalten hat, mittelegraphiert. Diese
Nummer behält das Telegramm auf dem ganzen
Beförderungsweg bei.
Die ankommenden Telegramme können auch
mittels Durchschrift unmittelbar auf dem Aus-
fertigungsvordruck niedergeschrieben werden;
in das Telegrammbuch sind dann nur Nummer,
Aufschrift, Unterschrift und die Beförderungs-
vermerke einzutragen. Eine Ausfertigungsnie-
derschrift wird als Ausweis zurückbehalten.
Der Wortlaut chiffrierter und solcher Tele-
gramme, die vom Aufgeber als „geheim" be-
zeichnet sind, wird nicht in das Telegramm-
buch eingetragen, sondern nur Aufschrift,
Unterschrift und die Beförderungsvermerke.
An Stelle des Wortlauts ist der Vermerk
„chiffriert" oder „geheim" einzutragen.
Soweit nicht Ausnahmen ausdrücklich zu-
gelassen sind, soll nach der Abtelegraphierung
die Vergleichung erfolgen. Sie besteht in
der Wiederholung der Nummer des Tele-
gramms, der in dem Telegramm vorkommenden
Zahlen, Namen und wenig bekannten Wörter
durch die aufnehmende Stelle. Den Richtig-
hefund der Vergleichung hat die abgebende
Stelle durch das Quittungszeichen und die
Abkürzung ihres Namens zu bestätigen.
Chiifrierte Telegramme sind ihrem ganzen
Wortlaut nach zu vergleichen.
Bei der Vergleichung von Zahlen dürfen die
abgekürzten Zifferzeichen angewendet werden.
Für Telegramme, die an mehrere oder an
alle Stellen eines Leitungskreises gerichtet sind,
kommt ein vereinfachtes Beförderungsverfahren,
in Deutschland z. B. das folgende zur An-
wendung :
Ist das Telegramm an die Minderheit
der Stellen abzutelegraphieren — Umlauftele-
gramm — , so werden diese der Reihe nach
aufgerufen und zum Mitlesen aufgefordert.
Wenn sich alle gemeldet haben, erfolgt die
Abtelegraphierung unter mehrmaliger Voran-
schickung des Zeichens „U" (Umlauf). Alle be-
teiligten Stellen haben das Telegramm aufzu-
nehmen. Vergleichung und Quittung erfolgt aber
nur zwischen der entferntesten und der abtele-
graphierenden Stelle; alle übrigen Stellen lesen
dabei mit.
Ist das Telegramm an alle oder an die
Mehrzahl der Stellen eines Leitungskreises
gerichtet — Kreistelegramm — , so ruft die
abtelegraphierende Stelle nur die am weitesten
gelegene Stelle auf, gibt dann als Weckruf für
die übrigen Stellen eine Minute lang das Zei-
chen „Ks" (Kreis) und läßt darauf unmittelbar
die Abtelegraphierung des Telegramms folgen.
Alle Stellen des Kreises lesen mit; die etwa
nicht beteiligten erkennen aus der Aufschrift,
daß das Telegramm nicht für sie bestimmt ist
und scheiden aus; die übrigen haben das
Telegramm aufzunehmen. Vergleichung wie bei
Umlauftelegrammen. Quittung geben alle betei-
ligten Stellen der Reihe nach, wobei die Ab-
telegraphierungsstelle beginnt. Wenn bei der
Quittungsleistung eine oder mehrere Stellen
fehlen, so hat die Abtelegraphierungsstelle die-
sen das Telegramm nachträglich besonders zu
übermittein, die Säumigkeit aber bei der zu-
ständigen Aufsichtsstelle zur Anzeige zu bringen.
Auch bei der Beförderung der täglichen
Wagenverteilungstelegramme kommt das
Verfahren für Kreistelegramme zur Anwendung.
Die Bezeichnungen „Umlauftelegramm" und
„Kreistelegramm" kennzeichnen nicht die Gat-
tung des Telegramms, sondern nur das Be-
förderungsverfahren. Der Aufgeber hat
diese Bezeichnung nicht anzuwenden. Denn
ein und dasselbe Telegramm kann für einen
Teil der Bestimmungsstelien gewöhnliches Ein-
zeltelegramm, für andere Umlauftelegramm und
für noch andere Kreistelegramm sein.
Für die tägliche telegraphische Wagen-
meldung und -Verteilung sowie für die
telegraphischen Zugmeldungen — Anbieten,
Annehmen, Abmelden und Rückmelden der
Züge, Meldungen bei Verwendung von Schiebe-
lokomotiven, beim Fehlen des Zugschlußsignals,
beim ausnahmsweisen Befahren des falschen
Gleises, bei Fahrten, die auf der freien Strecke
endigen, beim Verlegen von Zugkreuzungen,
beim Verlegen von Überholungen, bei Zugver-
spätungen — sind ganz bestimmte Wortlaute und
Abkürzungen und ganz bestimmte Formen der
Abtelegraphierung festgesetzt, von denen die
Telegraphierenden nicht abweichen dürfen. Die
Vergleichung unterbleibt bei diesen Meldungen.
Auf den Morsestreifen soll von den Tele-
graphierenden jeder Tag der Benutzung und die
Beförderungszeit jeden Schriftwechsels kennt-
lich gemacht werden.
In Deutschland werden die Morsestreifen
in ganzen Rollen beschrieben ; das Herausnehmen
von Teilen aus diesen Rollen ist nicht gestattet.
300
Telegraph. - Tender.
Die Morsestreifen, die Telegrammbücher, die
Urschriften der abgegebenen und die Durch-
schriften der aufgenommenen Telegramme
bilden die Ausweisstücke über den tele-
graphischen Schriftwechsel und sollen minde-
stens ein Jahr lang geordnet aufbewahrt werden.
Die Telegraphierenden sind zur Geheim-
haltung des telegraphischen Schriftwechsels ver-
pflichtet; sie müssen jede Handlung verhindern,
durch die andere Personen als ihre Vorgesetzten
und die berechtigten Empfänger Kenntnis von
dem Inhalt eines solchen Schriftwechsels erlan-
gen können.
Für die Besetzung der Telegraphendienst-
stellen, die nicht ununterbrochenen Dienst
haben, gilt als Regel, daß jede zum Dienst
bereit sein muß, sobald ein Zug in den Bereit-
schaftslokomotivbezirk tritt, zu dem sie gehört,
und daß sie besetzt bleiben muß, bis der
letzte Zug den Bezirk verlassen oder innerhalb
desselben sein Ziel erreicht hat.
Die mit der Bedienung der Telegraphen-
einrichtungen betrauten Beamten haben sich
während der vorgeschriebenen Dienstzeit so
einzurichten, daß sie den telegraphischen Anruf
unbehindert hören und sofort beantworten
können.
Kein Beamter oder Bediensteter darf zur
Wahrnehmung des Teiegraphendienstes zuge-
lassen werden, der nicht von der zuständigen
Behörde oder Bezirksaufsichtsstelle nach zuvor
bestandener Prüfung hierzu ausdrücklich er-
mächtigt worden ist. Fink.
Telegraphenapparate, Telegraphen ei n-
richtung s. Telegraph, A. Telegraphen-
anlagen. Fink.
Telegrapheninstruktion, Zusammenstel-
lung der Vorschriften für den Telegraphendienst
s. Telegraph, B. Telegraphendienst. Fink.
Telegraphen- und Fernsprechleitung
s. Leitungen für elektrische Schwach-
stromanlagen. Fink.
Telephon s. Fernsprecheinrichtungen.
Fink.
Tender (tender, engine tender ; allege,
tender; tender), unmittelbar mit der Lokomotive
gekuppeltes Fahrzeug zur Aufnahme der für den
Lokomotivbetrieb erforderlichen Mengen von
Brennstoff und Speisewasser; außerdem werden
auf dem T. noch verschiedene Werkzeuge und
Geräte untergebracht. Bei Tenderlokomotiven
sind die den gleichen Zwecken dienenden Ein-
richtungen auf der Maschine selbst vorhanden
(s. Art. Lokomotive).
I. Geschichtliches.
Die Vollkommenheit der Bauart der heutigen
T. gründet sich auf eine über 100 jähre
dauernde Entwicklungszeit, denn schon die
ursprünglichen Lokomotiven, die zu Ende des
18. und Beginn des 19. Jahrhunderts in Wales
gebaut und verwendet wurden, waren mit T.
(Munitionswagen genannt) versehen.
.Ms erste Lokomotive, die keinen T. nach
sich zog, erscheint die «Novelty" (gebaut
von Braithwaite & Ericson, eine der bei den
Wettfahrten von Rainhill 182Q zur Erprobung
zugelassenen Lokomotiven); bei dieser sind
die Wasser- und Brennstoffvorräte auf dem
Lokomotivuntergestell untergebracht.
In der ältesten Ausführungsweise — beinahe
typisch bis zum Jahre 1829 - ist der T. ein
kleiner vierrädriger Wagen, auf dem, mit ge-
eigneten Unterlagen befestigt, ein gewöhnliches
Faß oder ein einfacher viereckiger Eisen- oder
Holzkasten als Wasserkasten dient. In dem
Raum vor dem Faß wurde der Brennstoff
gelagert. Zur Verbindung des Wasserkastens
mit den Speiseapparaten der Lokomotive ver-
wendete man einfache Leder- oder Hanf-
schläuche.
Das Untergestell dieser T. war aus Holz
angefertigt; die Achslagerführungen waren aus
Eisenblech, an den Langbäumen angeschraubt
oder in Konsolform aus Gußeisen hergestellt.
Buffer waren ursprünglich keine vorhanden;
die mit Blech oder Leder überzogenen, vor-
stehenden Enden der hölzernen Langträger
vertraten ihre Stelle. Ebenso einfach war die
Kupplung zwischen Lokomotive und T.: ein
Winkelstück am Feuerkasten angeschraubt,
dessen wegstehender Schenkel von der Gabel
eines Zugeisens umfaßt wird, das ein Loch
zur Aufnahme des Kupplungsbolzens trägt
(s. Abb. 2S6, T. der Lokomotive „Rocket").
Erst in den Drei-
ßigerjahren wird
auch dem Tender-
bau eine größere
Beachtung zu teil.
Das Untergestell
wird kräftiger ge-
halten und der auf
dem Untergestell
aufgesetzte Vi'asser-
kasten aus Eisen-
blech hat eine der
heutigen Ausfüh-
rungsart entsprechende
hauptsächlichsten, im
Abb. 2S6.
Tender der Lokomotive Rocket.
Die
aus-
jene
mit
Form erhalten.
Verlauf der Jahre
geführten Formen der Wasserkasten sind
in „Hufeisen "-Form, als „Sattel "-Kasten
einer zwischen die Räder reichenden Wanne
und schließlich als Kasten mit ebenem Boden
mit wagrechter oder z. T. geneigter Decke. In
Amerika finden auch T. der Bauart „Vanderbilt"
mit zylindrischem Behälter Verwendung.
Tender.
301
Das Untergestell, bis in die Fünfzigerjahre
der Hauptsache nach aus Holz angefertigt, wird
von da ab aus Eisen hergestellt. Die Form der
alten Holzuntergestelle (2 Langträger mit
Blech armiert und mit angeschraubten Achs-
lagergabeln) dient auch der Ausführung in
Eisen als Vorbild, indem an gewalzte C- oder
I-Trcäger die Achslagergabeln angeschraubt
werden oder indem 2 dünne Rahmenplatten
Verwendung finden, die, durch Füllstücke und
Futtereisen zu einem festen Ganzen verbunden,
in entsprechenden Ausschnitten die Achslager
aufnehmen. Abweichend von diesen an die alte
Holzbauweise sich anlehnenden Ausführungs-
arten werden schon frühzeitig in England und
Frankreich die Tenderuntergestelle ähnlich den
Lokomotivrahmen ausgeführt. Man verwendet
2 starke Rahmenbleche (1S~23ot/« dick), auf
denen die Achslagerbacken aufgenietet sind;
die beiden Bleche sind durch ein System von
Längs- und Querverbindungen gegenseitig ab-
gesteift, oben mit einem Holzrost versehen,
auf dem der „Hufeisen "-Wasserkasten mit
Schrauben befestigt ist.
In Amerika werden die T. mit 2 Dreh-
gestellen ausgeführt. Bei besonders schweren
T. haben die Drehgestelle 3 Achsen. Der
Wasserkasten ist beinahe immer als „Hufeisen"
behandelt und in vielen Fällen (bei Verschub-
lokomotiven) wegen der unbehinderten Aus-
sicht rückwärts abgeschrägt.
II. Bauart der neueren T.
a) Allgemeines. Der T. besteht im all-
gemeinen aus einem Untergestell mit Rädern,
Achsen, Lagern u. s. w., aus einem Wasser-
behälter, der entweder auf das Untergestell
aufgesetzt ist oder mit seinen Wandungen
selbst einen Teil dieses Gestells bildet, und aus
einem auf dem Wasserbehälter angeordneten
oder in diesen eingebauten Raum für den
Brennstoff. Die T. besitzen besondere Ein-
richtungen für das Füllen, das Untersuchen,
Reinigen u. s. w. (Füll- und Einsteigöffnungen)
der Wasserkasten, für das Erkennen des Wasser-
stands (s. Wasserstandzeiger), für die Wasser-
entnahme aus dem T. und oft auch noch für
das Vorwärmen des Tenderwassers.
An geeigneter Stelle sind Werkzeugkasten
angebracht; meist ein großer Werkzeugkasten
rückwärts zur Unterbringung der weniger oft
gebrauchten größeren Werkzeuge, wie Winden,
Beißer, Ketten u. s. w., und 2 kleine Werk-
zeugkasten auf der vorderen Plattform, be-
stimmt, die vom Führer oft benötigten Hand-
werkzeuge, Schraubenschlüssel, Feilen, Zangen,
Hammer aufzunehmen.
Auf dem vorderen Teil des T. wird eine
Plattform angeordnet, die mit der rückwär-
tigen gleich hoch liegenden Lokomotivplatt-
form durch ein Brückenblech verbunden wird.
Es bestehen aber auch Ausführungen, bei
denen der T. keine besondere Plattform besitzt,
sondern wo jene der Lokomotive in den T.
hineinragt und der Spalt zum T. mit emem
Brückenblech überdeckt ist. Zur Tenderplatt-
form, die nach außen durch Geländer oder
Türen abgeschlossen ist, führen beiderseits Auf-
stiege.
T. werden ausnahmslos mit Bremsen ver-
sehen, u. zw. immer mit Handbremse, wenn
auch noch, wie dies bei den neueren T. in
der Regel der Fall ist, eine andere Bremse
(z. B. durchgehende Druckluft- oder Sauge-
bremse) vorhanden ist.
Für die Dampfheizung der Wagen werden
am T. die nötigen Dampfleitungsröhren an-
gebracht. Für das Aufstecken von Signalen
(Laternen, Scheiben) wird die Anordnung von
Signalstützen (Laternenstützen, -kloben) er-
forderlich; bei Bahnen, die noch die Signal-
leine benutzen, sind am T. Führungen für
diese anzubringen.
In betreff der Zug- und Stoßvorrichtung
ist zu bemerken, daß die Verbindung zwischen
Lokomotive und T. am vorderen Tenderende
durch besondere Ausführungsarten bewirkt
wird, während die am rückwärtigen Ende des
T. befindliche Verbindung der gewöhnlichen
Anordnung bei Wagen entspricht (s. Buffer,
Kuppelungen).
Die Untergestelle ruhen auf 2 - 6 Achsen,
die in festen Rahmen oder Drehgestellen
gelagert sind. Bei mehr als 2 Achsen in
einem Rahmen erhalten einzelne Achsen zum
leichteren Befahren der Krümmungen ein Seiten-
spiel. Moderne, für hohe Geschwindigkeiten
und große Vorräte bestimmte T. besitzen fast
ausnahmslos Drehgestelle. Gestellrahmen, die
heute aus Eisen hergestellt sind, haben ent-
weder eine Anordnung ähnlich wie bei den
Wagenuntergestellen oder eine solche wie die
Rahmen der Lokomotiven.
Es werden fast immer Speichenräder aus
Stahlguß verwendet, seltener gewalzte Fluß-
eisenscheiben. Die Räder werden auf die
Achsen ohne Keil aufgepreßt; die Verbindung
der Radreifen mit dem Radstern erfolgt fast
nur mehr durch Sprengringe.
Gute Bauart und Ausführung der Einzel-
heiten vorausgesetzt, werden mit allen For-
men der heute bestehenden Achslager gute
Ergebnisse erzielt. Man findet geschlossene
Gußeisenlager mit abnehmbarem Oberteil,
Bügellager, Lagergehäuse aus einem Stück
mit Stirndeckel und Lager ähnlich wie die
Lokomotivlager mit abnehmbarem Unterlager
302
Tender.
(Schlepplager) u. s. w. überall in Verwendung.
In die gußeisernen Lagergehäuse ist stets eine
Lagerschale aus Rotmetall oder Eisen ein-
gelegt - fest gelagert oder um einen mittleren
Zapfen etwas drehbar - die einen Ausguß von
Weißmetall erhält.
Die Abfederung durch die Tragfedern ist
jener der Wagen bzw. der Lokomotiven ganz
ähnlich; bei dreiachsigen T. werden zuweilen
die Federn der ersten und zweiten oder der
zweiten und dritten Achse durch seitliche Aus-
gleichhebel verbunden.
Dem Wasserkasten wird ein Inhalt von
8 — 32 rn^ und darüber gegeben. Der Wasser-
kasten erhält entweder 2 seitliche Füll-
öffnungen oder nur eine Füllöffnung. Im
letzteren Fall ist diese in der Regel in der
Mitte am rückwärtigen Teil des Kastens an-
gebracht und hat eine solche Größe, daß sie
auch als Einsteigöffnung benutzt werden
kann. Die seitlichen Füllöffnungen sind bei
neuen österreichischen T., nach Angaben Göls-
dorfs, über den größten Teil des Wasserkastens
reichend ausgeführt, was infolge ihrer Länge
ein leichtes Anhalten beim Wasserkran er-
möglicht (s. Abb. 288 u. 29 1 ). Bei seitlichen Füll-
öffnungen befindet sich meist rückwärts eine
besondere Einsteigöffnung in der Mitte. Sämt-
liche Öffnungen erhalten Verschlußdeckel oder
-klappen; die Füllöffnungen werden mit sieb-
artigen Einsätzen versehen oder es bestehen,
wie bei den österreichischen T. mit langen
Füllöffnungen, deren Böden aus gelochten
Blechen.
An der tiefsten Stelle des Wasserkastens
münden symmetrisch zur Längsachse des T.
die beiden Saugrohre. Um den Wasserzufluß
zu den Speiseapparaten der Lokomotiven ab-
sperren und auch bei abgekuppeltem T. einen
Wasserverlust vermeiden zu können, werden
Absperrventile oder Absperrhähne angebracht.
Damit der am Boden sich ansammelnde
Schlamm nicht in die Abflußöffnung eintreten
kann, soll auf diese Öffnung ein Saugkorb
aus Kupferblech gesetzt werden.
T. mit besonderer Einrichtung zum Wasser-
nehmen während der Fahrt finden in Fällen
Verwendung, in denen es sich darum handelt,
möglichst große Strecken unter Vermeidung von
Aufenthalt durchfahren zu können, ohne große
und schwere T. verwenden zu müssen. Auf
einigen englischen und amerikanischen Bahnen
sind an durch Signale bezeichneten Stellen
z\^ischen den üleisen Wasserrinnen an-
gebracht - etwa 1 km lang - aus denen
das Wasser während der Fahrt vermittels eines
um Scharniere beweglichen, senkbaren Schnabels
in denT. gefördert wird; bei einer Geschwindig-
keit von etwa 40 km in der Stunde, einer
Breite der Schöpföffnung von 20 cm und Ein-
tauchung von nur 5 cm können nach Ver-
suchen ^000 / Wasser auf 100 m Weglänge
in den T. gehoben werden. Bei den in Eng-
land üblichen Geschwindigkeiten ist durch
diese Einrichtung der T. in einigen Sekunden
gefüllt (Abb. 287).
Abb. 2S7.
Die Schlauchverbindung zwischen Ma-
schine und T. erfolgt durch universalgelenkig
angeordnete Kupferrohre mit Kautschukring-
dichtung oder durch gewöhnliche Kautschuk-
schläuche, die mit den Enden der Rohrleitung
durch eine leicht und rasch lösbare Flanschen-
oder Überwurf mutterkuppelung verbunden sind.
Eine der am meisten angewendeten Aus-
führungsarten ist dargestellt in den Abb. 288
(T. der österreichischen Staatsbahnen). Unter
der Plattform des T. und der Lokomotive
befinden sich nahe der Längsachse Trom-
peten aus Metall, die einerseits mit dem Tender-
boden, anderseits durch Kupferrohre mit
dem Speiseapparat verbunden sind. Über der
Einmündungssteile dieser Trompeten im T.
befindet sich ein korbförmiges Sieb; in die
Trompeten sind Kupferrohre eingeschoben, die
durch aufgezogene starke Kautschukringe in
den Trompeten abgedichtet sind; diese ein-
fache Dichtung ermöglicht das nötige Spiel in
den Krümmungen. An Stelle der Gummiringe
werden nach der Bauart Szasz in Unschlitt
getränkte Hanfringe, die durch Rohrschrauben-
muttern zusammengepreßt werden, angewendet.
In dem Hals der Tendertrompeten sind Ab-
sperrhähne angebracht.
In Deutschland, England, Frankreich und
Amerika werden fast ausschließlich Kautschuk-
schläuche verwendet.
Um den im Kessel unter gewissen Verhält-
nissen überflüssigen Dampf zum Vorwärmen
des Wassers verwenden zu können, wurden
an dem Kessel der Lokomotive absperrbare
Wärmrohre angebracht, die vor den Schlauch-
kuppelungen in die Saugrohre der Lokomotive
münden. Bei Lokomotiven mit Injektoren er-
Tender.
303
folgt das Vorwärmen des Tenderwassers da-
durch, daß der überflüssige Dampf durch die
Injektoren (Öffnen des Wasserwechseis, Schließen
des Schlabberventils) durch die Saugrohrleitung
in den T. geführt wird. Das Vorwärmen
des Tenderwassers kann nur bis zu einem ge-
wissen Grad getrieben werden, da sonst das
Tenderwasser zu heiß wird und die Speise-
apparate der Lokomotive dann versagen.
Die letztere Schwierigkeit hat auch dazu
geführt, daß die vielfach versuchte Nutzbar-
machung des aus dem Blasrohr entweichenden
Abdampfs zum Vorwärmen des Tenderwassers
trotz der auf diese Weise erzielten Brennstoff-
ersparnisse meist wieder aufgegeben wurde.
Derartige Kondensationseinrichtungen waren
auf vielen deutschen Bahnen, insbesondere in
Sachsen (Leipzig-Dresdener Bahn) in Gebrauch;
auf der englischen London-Brighton-Bahn stehen
sie heute noch in Anwendung.
Als Raum für Brennstoff wird bei
hufeisenförmigen Wasserkasten hauptsächlich
der Raum zwischen den beiden Schenkeln des
Wasserkastens benutzt; bei sattelförmigen
Wasserkasten wird der Brennstoffraum durch
die Decke des Wasserkastens und durch seine
nach aufwärts verlängerten Seitenwände gebildet.
Bei neueren T. wird der Kohlenkasten auf
der Decke des Wasserkastens besonders auf-
gebaut. Die erforderliche Größe des Brenn-
stoffraums ist von der Art des Brennstoffs
(Kohle, Holz, Torf) und von der Bauart der
Lokomotive abhängig, für die der T. ver-
wendet werden soll. Für Torf wurden wegen
der Feuergefährlichkeit dieses Brennstoffs all-
seitig verschließbare Räume angeordnet.
In der nebenstehenden Tabelle sind die haupt-
sächlichsten Angaben für verschiedene T. zu-
sammengestellt.
b) Beschreibung einiger T.
1. T. mit einfachen Blechrahmen und
„SatteL'-Wasserkasten der österreichischen
Staatsbahnen (Abb. 288).
Dieser T. entspricht der in Österreich, Ungarn
und auf deutschen Bahnen angewendeten Bau-
art mit 3 Achsen.
Tabelle über die Hauptabmessungen verschiedener T.
Nr.
Bahn
Art der
Hand-
bremse
durch-
gehenden
Bremse
Fassungs-
raum für
nii
MO
Anmerkung
Österreichische Staatsbahnen
Preußische Staatsbahnen
Bayerische Staatsbahnen
Badische Staatsbahnen .
Ungarische Staatsbahnen
Schwedische Staatsbahnen
3
0-995
3-200
4
0-995
5-300
4
0-995
5 800
3
—
4 400
4
-
4-600
4
—
5-600
4
1-006
5-100
3
1095
3-500
4
1-006
5-350
4
1050
5 050
4
0-970
5-400
Spindel
Wurfbremse
Spindel
Aut. Vakuum
Knorr
Westinghouse
Aut. Vakuum
16-0
21-0
300
16-5
21-5
31-5
21-0
12-0
20-0
260
250
170
1062
22-9
1-085
23-5
0-782
21-0
1-275
22-9
1-063
24-83
0-732
220
1-050
14-0
1-167
22-7
1-124
21-8
0-840
23-5
0-940
I Einfacher Platten-
i rahmen
( Drehgestelle mit
\ Blechrahmen außen
) Drehgestelle mit
l Blechrahmen innen
( Einfacher Platten-
1 ahmen
Drehgestelle mit
Blechrahmen
Drehgestelle mit
Flarheisenrahmen
Drehgestelle mit
Blechrahmen
Einfacher Blech-
rahmen
Drehgestelle aus
Flacheisen
Drehgestelle aus
Flacheisen
Drehgestelle mit
Blechrahmen
Der Wasserkasten ist in Sattelform aus-
geführt, besitzt lange Gölsdorfsche Fülltaschen,
deren innere Wände nach oben verlängert den
seitlichen Abschluß des Kohlenkastens bilden.
Der Rahmen besteht aus einfachen Platten von
20 mm Stärke, vorn und rückwärts durch
Horizontalbleche verbunden. Die Federn sind
außerhalb der Rahmenbleche angeordnet. Als
Handbremse dient eine Spindelbremse, als
durchgehende die automatische Vakuumschnell-
bremse. Sämtliche Räder sind gebremst; die
6 Bremsklötze sind derart angeordnet und
durch Ausgleichhebel verbunden, daß jeder
Bremsklotz gleichen Druck erhält. Die Brems-
zylinder für die Vakuumbremse hängen in am
Wasserkasten befestigten Lagern hinter der
ersten Achse.
2. T. mit einfachem Plattenrahmen
und Hufeisen-Wasserkasten (Ausführung
der französischen Orleansbahn, Abb. 289).
Das Untergestell ist gebildet aus 2 inneren
Hauptrahmen, 22 mm dick, auf denen die
Achslagerbacken aufgenietet sind, und 3 inneren
Nebenrahmen, 10 mm dick, die durch Quer-
Tender.
_JZlO
507.
. 3210'.
bleche untereinander und mit dem Haupt-
rahmen verbunden sind. Der vordere und
rückwärtige Zugkasten ist durch wagrechte
Bleche gebildet, die zwischen sich die einzelnen
Bestandteile der Zug- und Stoßvorrichtung
tragen.
Auf dem Untergestell liegt ein Rost, der
aus 50 mm starkem Eichenholz angefertigt ist;
Tender.
305
auf dem ist der Huf eisen wasserkasten mit
Schrauben befestigt. Die Spindelbremse, kom-
3. T. mit Wasserkastenrahmen (Aus-
führuno; der großherzosilich oldenburgischen
m
Abb. 289. Tender der französischen Orleansbahn.
Abb. 290. Tender mit Wasserkastenrahmen der oldenburgischen Staatsbahnen.
biniert mit Westinghousebremse, wirkt mit
4 Bremsklötzen auf die 4 Räder. Die Trag-
federn sind außerhalb der Räder angeordnet.
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
Staatseisenbahnen, Abb. 290). Das Unter-
gestell ist ähnlich wie bei den Tenderlokomo-
tiven von Krauß kastenförmig ausgebildet und
20
306
Tender.
I, M»6
l6oz
dient zur Aufnahme eines Teiles des Speise-
wassers; der obere Teil des W'asserkastens ist
hufeisenförmig gehalten. An den Stellen, wo
die Achslagerführungen an die dünnen (7 mm
starken) Rahmenplatten angeschraubt sind,
sind auf diesen Rahmenplatten Verstärkungs-
bleche aufgenietet.
Der T. hat nur 2 Achsen; die Federn der
Vorderachse liegen in Blechkasten im Kohlen-
raum, die gemeinschaftliche Querfeder der
rückwärtigen Achse liegt in einer entspre-
chend versteiften Aussparung im unteren W'asser-
kasten (Lagerung auf 3 Punkten). Die Hand-
bremse — gewöhnliche W'urfbremse — wirkt
mit 4 Bremsklötzen einseitig auf die Räder.
Die Kuppelung zwischen Maschine und T.
Tender.
307
erfolgt durch die Wolfsche Kuppelung (s.
Kuppelungen).
4. T. mit Drehgestellen der österreichi-
schen Staatsbahnen (Abb. 291). Der Wasser-
kasten für 30 m^ Inhalt ist innen durch kräftige
Längs- und Querverbindungen versteift, die
gleichzeitig als Schwellbleche dienen. Er ist
auf 2 C-Eisen aufgebaut, zwischen denen die
beiden Zugkasten und die Verbindungen und
die Träger für die Drehgestellzapfen liegen.
Da bei Ausnützung des Inhalts von 30 m^
der bei den österreichischen Staatsbahnen noch
zulässige Achsdruck von 14'5 t überschritten
werden würde, ist ein Überlaufrohr vorgesehen,
das ein Füllen von nur 27 m? Wasser der-
zeit gestattet.
Zur Aufnahme des Schürhakens ist vorne
in der Mitte des Wasserkastens ein Rohr vor-
gesehen. Die seitlichen Fülltaschen sind mit
dem Kohlenkasten, der sich auf dem Wasser-
kasten aufbaut, gleich lang.
Um das Eigengewicht
des T. möglichst her-
unterzudrücken, wurden
die Drehgestelle wie bei
den Lokomotiven mit
Innenrahmen ausgeführt
und die Räderpaare gleich
den Laufachsen einer gro-
ßen Zahl von Lokomo-
tiven gewählt. Die Innen-
rahmen gestatten auch die
Anordnung eines sehr leicht zugänglichen Brems-
gestänges. Die unter dem hinteren Zugkasten
hängenden Vakuumbremszylinder betätigen das
vollkommen ausgeglichene Bremsgestänge, an
dessen anderm Ende die Spindelbrenise angreift.
III. Besondere Tenderbauarten.
Die T. haben je nach der von den Betriebs-
verhältnissen abhängigen Achsenzahl und An-
ordnung ein Dienstgewicht von 20-70^; die
Mitführung dieser großen toten Last auf großen
Steigungen verursacht bedeutende Förder-
kosten ; um diese zu vermindern, wurden
verschiedene Bauarten ausgeführt, durch die
ein Teil des Tendergewichts oder das ganze
Tendergewicht als Adhäsionsgewicht nutzbar
gemacht werden kann. Diese Aasführungsarten,
die in weiterer Durchbildung zum Bau kurven-
beweglicher Tenderlokomotiven führen, bestehen
darin, daß durch Balancierkuppelungen und
Gleitplattenauflagerungen ein Teil des Tender-
gewichts auf die Maschine übertragen wird,
mithin eine \'ermehrung der Adhäsion bewirkt
wird (Ausführung Oroßmann, österreichische
Nordwestbahn, verschiedene ähnliche amerika-
nische Entwürfe), oder darin, daß das Tender-
untergestell unter die Maschine hinein ver-
längert ist, wodurch der T. nicht allein als
Träger für Wasser und Brennstoff erscheint,
sondern auch einen Teil des Lokomotivgewichts
übernimmt. Diese Bauarten ermöglichen unter
Umständen, einen Motor zu schaffen, der bei
gleichem Wasser- und Kohlenraum und bei
gleichem Adhäsionsgewicht ein geringeres
Gesamtgewicht, mithin eine geringere tote Last
aufweist als die gewöhnliche Ausführung, bei
der Lokomotive und T. als getrennte Fahr-
zeuge erscheinen. Ausführungen dieser Art
— System Behne-Kool, Engerth, ferner
Deichsel-Drehgestelle — sind jedoch überaus
schwerfällig und kompliziert und heute fast
vollständig aufgegeben. Es wurden überdies
viele Bauarten erdacht und auch ausgeführt,
um die Räder des T. bei Engerth-Lokomotiven
mit denen der Lokomotive zu kuppeln, um
also einen Motor zu schaffen, dessen ganzes
Abb. 2g2. Tender Bauart Sturrock.
I Gewicht als Adhäsionsgewicht nutzbar ist (Sy-
stem Fink und Zahnradkuppelung Fischer
V. Rößlerstamm).
In die Gruppe dieser Ausführungen gehört
auch die Bauart Sturrock: Anbringung von
Dampfzylindern mit vollständigem Mechanis-
mus am T., Anordnung einer Dampfzuleitung
zwischen Lokomotive und T., um die Maschine
am T. zu betreiben. T. dieser Bauart wurden
in den Sechzigerjahren gebaut für die eng-
lische Great Northern-Bahn und für die fran-
zösische Ostbahn, wurden aber später in
gewöhnliche T. umgebaut.
Diese wohl nur historisches Interesse bie-
tende Ausführung ist in Abb. 292 gezeichnet.
DerT. ist ähnlich dem französischen T. ausge-
führt, hat einfache, außerhalb der Räder liegende
Plattenrahmen und Hufeisenwasserkasten. Die
Dampfzylinder sind innerhalb der Rahmen an-
geordnet; sämtliche Achsen sind gekuppelt.
In neuester Zeit (1916) wurde diese Bau-
art in .Amerika bei mächtigen Mallet-Loko-
motiven, deren T. ebenfalls als Triebmaschine
ausgebildet ist, wieder aufgegriffen, so daß
eine dieser Lokomotiven samt T. die Achsfolge
I D -f D + D 1 aufweist.
20*
308
Tender.
Theißbahn.
Literatur: Heusinger, Hb. f. spez. E.-T. Bd. III,
Leipzig 1882. - Meyer, Orundzüge des Eisenbahn-
maschinenbaues, Teil I, Berlin 1883. - Organ 1893,
Erg.-Bd. X. — Das Eisenbahnmaschinenwesen 1903.
Gölsdorf-Riohsck.
Tenderlokomotive s. Lokomotive.
Terminals, Ter m inal facilities ist die
in England und in den Vereinigten Staaten
von Amerika übliche Bezeichnung für die
Bahnhöfe, insbesondere die Güterbahnhöfe
mit ihren Anlagen zur Be- und Entladung
der Güter. Diese Anlagen sind häufig im Be-
sitz und Betrieb besonderer Gesellschaften.
Unter Terminals = Terminal charges (Station
charges) versteht man auch die für Benutzung
dieser Anlagen zu zahlenden Gebühren, Ab-
fertigungsgebühren, die meist in die Frachtsätze
eingerechnet sind. In England hat das die
Folge, daß die Übersichtlichkeit und Kontrolle
der Gütertarife erschwert wird. Den dortigen
Eisenbahnen waren in den Konzessionen meist
nur Höchstsätze oder Normalsätze für die
Streckengebühr vorgeschrieben; die Fest-
setzung der Stations- und der Abfertigungs-
gebühren war ihrem freien Belieben überlassen.
Durch Änderung dieser Gebühren konnte
also leicht die wahre Höhe der Tarife ver-
schleiert werden. Infolgedessen ist auch im
Art. 24 des Ges. vom 10. August 18SS die
Feststellung von Höchstsätzen für T. vorge-
sehen. In den Vereinigten Staaten von Amerika
ist die Trennung von Stations- (Expeditions-)
und Streckensätzen gleichfalls nicht üblich,
wird aber vielfach zur Erhöhung der Über-
sichtlichkeit der Frachtsätze und zur Vermei-
dung ungebührlicher unterschiede zwischen
den Frachtsätzen für lange und für kurze Ent-
fernungen verlangt. i'- der Leyen.
Terminushotels s. Bahnhotels.
Territet Glion, Drahtseilbahn, die den Kur-
ort Montreux mit dem am Fuß der Rochers
de Nage liegenden Ort Glion verbindet. Von
hier findet die Bahn als Zahnradbahn Fort-
setzung nach den Rochers de Nage. Näheres
s. Bergbahnen.
Tertiärbahnen s. Kleinbahnen.
Texas and Pacific Railway Company.
Die Hauptlinie erstreckt sich im Süden der
Vereinigten Staaten von New Orleans nach
Fort Worth und El Paso in westlicher Richtung,
dort schließt sie an die Southern Pacific an
und erhält damit eine Verbindung nach dem
Stillen Ozean. Von Fort Worth geht eine
Hauptlinie nach Norden bis zum Red River.
Die Gesamtlänge des Netzes beträgt 3034 km,
davon die Stammbahnen 2356 km, die an-
schließenden Zweigbahnen 678 km. Die Bahn
gehört zu dem Gouldsytem der südwestlichen
Staaten, sie hat ihren Freibrief am 3. März
1871 erhalten, hat sich dann durch Erwerb
von Teilen der Southern Pacific, der Southern
Transcontinental und der Memphis EI Paso
and Pacific-Eisenbahn erweitert, stellte 1886
ihre Zahlungen ein, wurde zwangsweise verkauft
und am S.November 1SS7 reorganisiert. Zu
dem System der T. gehören eine größere An-
zahl kleiner Bahnen im Gesamtumfang von
1 037 km, die von der T. kontrolliert werden. Die
längste und bedeutendste von diesen ist die
Trinity and Brazos \'alley Railway im umfang
von 494 km. Das Anlagekapital der T. beläuft
sich auf 38,763.810 Dollar in Aktien und
57,818.142 Dollar in Bonds verschiedener Art.
Die wesentlichen Betriebsergebnisse der
T. ohne die von ihr kontrollierten Bahnen
sind folgende:
1905
1911
1912
Beförderte Personen . .
Beförderte Güter . . . t
Qesamtverkehrseinnahmen
Dollar
Gesamtausgaben . „
Oesamtreineinnahmen „
Überschuß (nach Abzug der
Steuern, Zinsen, Renten
u. s. w.) .... Dollar
2,536.661
4,734.002
14,914.608
9,854.923
5,115.702
1,564.243
3,251
5,900,
16,375,
12,272,
4,210.
298
801
805
841
024
3,373.629
5,937.019
16,139.029
12,248.019
4,141.739
3,298.959
4,442.082
16,973.223
13,308.296
3,835.643
-384.769
3,516.678
6,915.402
1,807.878
14,772.781
3,473.079
Theißbahn (606-129 A/n), in Ungarn ge-
legene Eisenbahn, ehemals Privatbahn mit
dem Sitz in Budapest, seit 1880 verstaatlicht,
umfaßte zur Zeit der Verstaatlichung die Strecken
Czegled-Szolnok (28-582 km, übernommen von
der südöstlichen Staatsbahn, eröffnet 1847),
Szolnok-Debreczin (12 1-04 Uot, eröffnet 1857),
Püspök Ladäny-Großwardein (68'069 km,
447.378 186.976 -384.769 -760.342
V. der Leyen.
eröffnet 1858), Szajol-Arad (142-611 km, er-
öffnet 1858), Debreczin-Miskolcz (136-785 km,
eröffnet 1859), Miskolcz-Kaschau (89-088 Ä/ra,
eröffnet 1860) und Mezötur-Szarvas (19-953 äot,
eröffnet 1880). 1871 übernahm die T. auch
den Betrieb der Arad-Temesvarer Eisenbahn.
Die Gesellschaft genoß auf Grund der Kon-
zession die Staatsgarantie für ein 5^/5 feiges
I
Theißbahn. — Themsetunnel.
309
Erträgnis des Anlagekapitals, das sich 18S0
auf 100,384.400 K stellte. In diesem Jahre er-
folgte die Einlösung der Bahn durch den Staat,
der die Verzinsung und Tilgung der Anlehen
übernahm und sich verpflichtete, die Aktien
binnen 10 Jahren mit 490 K einzulösen.
Themsetunnel. Das reich verzweigte Netz
der Londoner Schnellbahnen (s.d.) kreuzt
mit zahlreichen Linien den Themsefluß. Aus
der im engen, verkehrsreichen Stadtinnern un-
erläßlichen unterirdischen Führung der Bahnen
ergab sich an den Kreuzungsstellen mit dem
Fluß die Anlage zahlreicher Unterwassertunnel.
Vortrieb eines Richtstollens mit Schildvortrieb
von beiden Ufern aus, Preßluft; Wandung aus
gußeisernen Ringstücken mit Betonauskleidung,
Gesamtbauzeit 3^', Jahre, Bodenverhältnisse
günstig, geringer Wasserzudrang, täglicher Vor-
trieb rd. 12 m, höchste Tagesleistung rd. 19 in);
der
Blackwalltunnel (1897, Gesamtlänge
1891/n, davon 368 ot unter dem Fluß, Zugang
durch sehr lange Rampen 1 : 34 und 1 : 36
und Fußgängertreppen, Kreisquerschnitt 7'40 m
innerer Durchmesser, Fahrstraße 4-SS m, Fuß-
wege 0-95 m breit; Bau des Unterwasserteils
Abb. 293.
Auch der Straßenverkehr ist unterhalb der
Londonbrücke, von der an abwärts eine starke
Schiffahrt den Fluß belebt, vielfach auf diesen
Weg verwiesen worden; so dient dem Fuß-
gängerverkehr der bereits 1869 erbaute
Tower Subway (375 m lang im festen Ton,
Kreisquerschnitt 2-2 m Durchmesser, innen mit
Gußeisenringen verkleidet, Zugang durch Trep-
pen; Bau durch Schildvortrieb, täglicher Fort-
schritt 1-5 -2-75 m, Baukosten rd. 400.000 M.),
dem gesamten Straßenverkehr; der
Rotherhithetunnel (1907, Gesamtlänge
2099 OT, Länge ohne die z.T. abgedeckten Vor-
einschnitte 1092 OT, davon rd. 480/« unter dem
Fluß, Zugang durch Rampen 1 : 37 und Fuß-
gängertreppen, Kreisquerschnitt 8'2 m innerer
Durchmesser, Fahrstraße 4 86 m breit, Bürger-
steige je \-2m. Bau des Unterwasserteils nach
mit Schildvortrieb und Preßluft, Wandung aus
mit Ziegeln bekleideten eisernen Ringstücken,
Gesamtbauzeit rd. 5 Jahre, davon 13 Monate auf
den Unterwasserteil, Bodenverhältnisse ungleich,
häufig starker Wasserzudrang, jedoch keine
Menschenverluste durch Bauunfälle, Baukosten
rd. 1 7 Mill. M., f. d. m Tunnellänge 1 0 1 2 M.) ; der
Tunnel zwischen Greenwich und Mil-
wall (Schildvortrieb mit Preßluft), dem Fuß-
gängerverkehr endlich noch die Tunnel zu
Greenwich und Wo ol wich.
Neben diesen dem Straßenbahnverkehr
dienenden Verbindungswegen bestehen noch
4 Eisenbahntunnel, die 4 Bahnlinien, der East-
London-Bahn, der City and South London
Electric Railway, der City and Waterloo Railway
und der Bakerloo Railway (Waterloo-Baker-
Straße) die Unterfahrung des Themseflusses
310
Themsetunnel.
ermöglichen, dessen Bett mit seinem Klaiboden
ja im allgemeinen für Tunnelbauten überaus
günstige Verhältnisse bietet. Weder in den Ton-
noch in den Kiesschichten waren, von zeitweise
stärkerem Wasserzudrang abgesehen, erhebliche
Schwierigkeiten zu überwinden.
Abb. 293 zeigt die Lage der 4 Eisenbahntunnel
an. Der älteste von ihnen, zugleich der erste
I
Bahn erworben
Eisenbahntunnel
war wegen der
Abb. 294.
für den menschlichen Verkehr bestimmte Unter-
wassertunnel überhaupt, ist der von Brunei
1825—1843 erbaute Tunnel zwischen den
Stadtteilen Rotherhithe und Wap-
ping. Das ursprünglich für den Fuß-
gängerverkehr bestimmte Bauwerk
wurde 1865 von der East-London-
und 1877 zum
umgebaut (hierzu
knappen lichten
Abmessungen die besondere Ge-
nehmigung des Parlaments notwen-
dig). Querschnittsabmessungen und
Bodenverhältnisse zeigt Abb. 2Q4.
In einem etwa 400 m langen Mauer-
klotz von rechteckigen Umrissen
mit 1 1 m Breite und 6-5 m Höhe
sind 2 Röhren von je 4-2 m Breite
und 4-8/« Höhe ausgespart. In der
Mitte der Themse lag der Tunnel
nur 4 m unter dem Flußbett, mit
dem First im Schlamm des Flusses, mit der
Sohle auf festem Sand und Schotter ruhend.
Der Bau hatte große Schwierigkeiten zu über-
winden; wegen Mangels an Geld lag er 8 Jahre
lang völlig still und konnte erst zu Ende ge-
führt werden, nachdem nationaler Ehrgeiz das
Parlament veranlaßt hatte, die zur Vollendung
erforderlichen Mittel zu bewilligen. Einbrüche
kamen infolge der zu gering gewählten Tiefe
des Tunnels unter dem lockeren Flußschlamm
1 Omal vor, setzten den Bau unter Wasser und
vernichteten Menschenleben. Jedoch verdient
die Ausdauer und Umsicht, mit der Brunei
trotz aller Fehlschläge den Bau schließlich
der Vollendung entgegenführte, vollste Aner-
kennung.
Die Eigenart der von Brunei eingeführten
Bauweise beruhte in der Verwendung eines
eisernen Schildes, der rings etwas über den
Umfang des Mauerwerks hinausragte und aus
12 einzelnen Abteilungen (Rahmen) bestand.
Jeder Rahmen vermochte durch Übertragung
des Erddrucks auf die nächste Abteilung für
sich entlastet zu werden, so daß allmählich die
einzelnen Rahmen und so schließlich der ganze
Schild vorgeschoben werden konnte. Jede Ab-
teilung war in 3 Stockwerke gegliedert, an deren
Wänden der Arbeiter an jeder beliebigen Stelle
kleine Öffnungen machen und den Boden
fördern konnte. Der Schild befand sich gewöhn-
lich etwa 2'7 m vor der Stirnfläche des gleich-
mäßig nachrückenden Mauerwerks.
Die Kosten des in 9^/3 Jahren effektiver Bau-
zeit hergestellten Tunnels erreichtet! die ge-
waltige Summe von 9 Mill. M. Diese Summe
entsprach in keiner Beziehung den erreichten
Vorteilen; denn vor seinem Umbau in einen
Eisenbahntunnel war die Benutzung durch Fuß-
gänger ganz gering. Für alle Zeiten aber
wird das kühn geplante Werk ein glänzendes
Abb. 293.
Ayit/fir.
Abb. 296.
Zeugnis für die Erfindungs- und Tatkraft
seines Erbauers sein.
Erwähnt sei hier noch eine andere, ebenfalls
im Zuge der East-London-Bahn liegende, zwei-
gleisige Tunnelanlage, die Unterfahrung eines
190 m breiten Beckens der Londondocks. Bei
Themsetunnel.
Thommen.
311
geringer Wassertiefe wurde der Bau unter dem
Schutz von Fangedämmen ausgeführt. Nach
Auspumpen des Wassers aus der Baugrube
wurde so nahezu im Trockenen gearbeitet. Um
den Schiffsverkehr nicht unterbrechen zu müssen,
geschah die Bauausführung in 2 Abschnitten
von je 95/« Länge. Der 15 m breite, 7'5 ot
hohe Mauerklotz, der 2 Röhren von je 4-3 m
Weite enthielt, wurde zum Schutz und zur
Dichtung mit einer Qbm starken Betonlage und
einer 1 m starken Tonschicht abgedeckt.
Erst fast ^2 Jahrhundert später als der
Brunelsche T., im Jahre 18Q0, wurde der
zweite Eisenbahntunnel unter der Themse dem
Verkehr übergeben. Die erste elektrisch betrie-
bene Stadtbahn Englands, die City and South
London Railway, kreuzt dicht oberhalb der Lon-
donbrücke den Fluß. Der hier ausgeführte
Unterwassertunnel besteht aus 2 gußeisernen
Röhren von je 3"05 m Durchmesser. Er wurde
von Ingenieur J. H. Greathead erbaut und ähnelt
in der Bauart dem älteren, kleineren Tower
Subway. Jedes Rohr ist aus Ringen von 0'5 m
Länge mit \\'5 cm breiten inneren Flanschen
mittels Schraubenbolzen zusammengesetzt, jeder
Ring besteht wiederum aus 5 Stücken, die unter
Verwendung einer 0'6 cm starken Zwischenlage
von Kiefernholz in gleicher Weise miteinander
verschraubt sind (Abb. 295 u. 296).
Zum Vortrieb des Tunnels wurde ein stäh-
lernes, etwa 2 m langes Vorstück von etwas
größerem Durchmesser, als das Tunnelrohr be-
saß, durch hydraulische Pressen vorgeschoben
Das Vorstück war am vorderen Ende durch
einen starken gußeisernen Ring verstärkt
und trug am Kopf eine Stahlschneide; es
nahm den Erddruck so lange auf, bis ein neuer
Ring an das bereits fertige Tunnelstück an-
gesetzt war.
Wider Erwarten war man beim Vortrieb in
dem Klaiboden des Themsetals auf Kies- und
Sandlager mit großem Wasserzudrang gestoßen;
durch Verwendung von Preßluft wurden die
sich hieraus ergebenden Schwierigkeiten be-
hoben. Das Verfahren bewährte sich vollauf,
kein ernster Unfall, kein Verlust an Menschen-
leben war während der ganzen Bauausführung
zu beklagen.
Bemerkenswert war die Schnelligkeit des
Vortriebs, die im letzten halben Jahr rd.
24 m im täglichen Durchschnitt erreichte. Dies
entsprach einem Bodenaushub von rd. 200 m^.
Literatur: Dolezalek, Subaquare Tunnel. Meyers
Konv.-Lexikon 1883; Die elektrische City- und Süd-
London-Bahn. Zentralbl. d. Bauverw. 1891; Der
Rotherhithe-Themse-Tunnel. Zentralbl. d. Bauverw.
1906. - Kämmerer, Der Rotherhithetunnel in Lon-
don. Zischr. dt. Ing. 1908; Der Rotherhithetunnel.
Ztsclir. d. Österr. Ing.-V. 1909. - Timnel für Straßen-
verkehr unter der Themse zwischen Stepney und
Rotherhithe. Engg. News 1907. - Der Blackwall-
tunnel unter der Themse in London. Zentralbl. d.
Bauverw. 1893. — Themsetunnel bei London zwischen
Oreenwich und Millwall. Gen. civ. 1902/03. - Themse-
tunnel zu Greenwicli für Fußgänger. Ann. d. trav.
publ. d. Belg. 1903. - Der Fußgängertunnel unter der
Themse in Woolwich. Engg. 1905-1912. Seidel
Theodolit s. Winkelmessung.
Thessalische Eisenbahnen s. Griechi-
sche Eisenbahnen.
Thielen, Carl v., kgl. preußischer Staats-
minister und Minister der öffentlichen Arbeiten,
einer der hervorragendsten und erfolgreichsten
Förderer des preußischen und des deutschen
Eisenbahnwesens, geboren 30. Januar 1832 in
Wesel, gestorben 10. Januar 1906 in Berlin.
T. studierte die Rechts- und Staatswissenschaften,
wurde 1854 Auskultator. 1860 Regierungs-
assessor, als welcher er in der allgemeinen Ver-
waltung tätig war. 1864 trat er bei der Eisenbahn-
direktion Saarbrücken in den Staatseisenbahn-
dienst ein, aus dem er 1867 ausschied, um
als Direktionsmitglied in die Rheinische Eisen-
bahngesellschaft einzutreten. Nach deren Er-
werb für den Staat wurde er 1881 Präsident
der Eisenbahndirektion Elberfeld und 1887
Präsident der Eisenbahndirektion Hannover.
Am 20. Juni 1891 wurde er als Nachfolger
des Ministers v. Maybach (s. d.) zum Minister
der öffentlichen Arbeiten und Chef der Ver-
waltung der Reichseisenbahnen berufen. Am
23. Juni 1902 schied er aus beiden Ämtern
aus und lebte bis zu seinem Tod in Berlin im
Ruhestand. Unter seiner Verwaltung sind in
allen Zweigen des preußischen Staatsbahnwesens
große Fortschritte gemacht worden. Durch
Erlaß des Kleinbahngesetzes vom Jahre 1892
wurde der Ausbau des Eisenbahnnetzes we-
sentlich gefördert. Sein Verdienst war die
Neuordnung der Staatseisenbahnverwaltung im
Jahre 1895. Das Staatsbahnnetz wurde durch
Erwerb einiger Privatbahnen erweitert, vor
allem durch den der hessischen Ludwigsbahn
gemeinsam mit der großherzoglich hessischen
Regierung, worauf im Jahre 1896 die preußisch-
hessische Eisenbahngemeinschaft gebildet wurde,
der später die Main-Neckar-Bahn beitrat. Zahl-
reiche Verbesserungen im Personenverkehr
(u. a. die D-Züge) und in den Personentarifen
(die 45tägigen Rückfahrkarten) wurden von ihm
eingeführt. Seine Pläne zum Ausbau des Wasser-
straßennetzes (Mittellandkanal) scheiterten.
V. der Leyen.
Thommen, Achilles, einer der bedeutend-
sten Ingenieure aus der Etzelschen Schule und
Leiter der Baues der Brennerbahn, geboren
am 25. Mai 1832 zu Basel, gestorben am
21. August 1893 zu Wien. Er besuchte nach
312
Thommen.
Thüringische Eisenbahn.
Beendigung der Gymnasialstudien zunächst
durch P '2 Jahre die Basler Universität, wo
er mathematischen und naturwissenschaftlichen
Studien oblag. Die in Aussicht stehende Auf-
nahme von Bahnbauten in der Schweiz ver-
anlaßte T., die Universitätsstudien aufzugeben
und IS50— 1852 das Karlsruher Polytechnikum
zu absolvieren. Anfangs 1853 trat er unter
Etzel (s. d.) in den Dienst der schweizerischen
Zentralbahn, 1857 in jenen der Franz Joseph-
Orientbahn, bei deren Bau er sich hervorragend
betätigte. 1861 wurde ihm die ehrenvolle
Aufgabe zu teil, die Leitung von Etzels größtem
Werk, des Brennerbahnbaues (s. d.) zu über-
nehmen. Diese großartige und schwierige Auf-
gabe hat T. im Verein mit den ihm zugeteilten
Ingenieuren in der Zeit bis zum 18. August
1867, wo der erste Zug von Innsbruck nach
Bozen verkehrte, bewältigt, wiewohl die un-
gemein schwierigen und z. T. lebensgefähr-
lichen Trassierungs- und die Ent\^urfsarbeiten
2 Jahre in Anspruch genommen und die Kriegs-
ereignisse eine 4monatliche Baueinstellung zur
Folge gehabt hatten.
Im September 1867 bereits folgte T. der
Einladung der ungarischen Regierung nach
Pest, wo er die Baudirektion organisierte und
den Bau der Linien Großwardein-Klausenburg,
Losoncz-Kremnitz-Rutka, Karlstadt-Fiume samt
Bahnhof und Hafen u. s. w. leitete.
Nebenbei war T. Regierungskommissär für
die neu entstandenen Privatbahnen (Alföldbahn,
Nordostbahn, Kaschau-Oderberger Bahn, erste
Siebenbürger Bahn u. a. m.). Einen großen
Teil der Trassen und Profile dieser Bahnen
hatte T. festzusetzen, und die Ausführung er-
folgte nach den von ihm für das ganze neue
ungarische Netz einheitlich aufgestellten Typen.
Infolge der ungeheuren Anstrengung, die
mit seiner Tätigkeit in Ungarn verknüpft war,
trat T. 1871 zurück und übersiedelte nach
Wien, wo er bis zu seinem Tode lebte, von
der unmittelbaren Bautätigkeit zwar sich zu-
rückziehend, aber als scharfsinniger Ratgeber
in schwierigen eisenbahntechnischen Fragen
hoch angesehen und vielfach in .Anspruch ge-
nommen.
Thüringische Eisenbahn (521-25 km), in
den Königreichen Preußen und Sachsen, im
Großherzogtum Sachsen-Weimar und in den
Herzogtümern Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-
Meiningen, Sachsen-Altenburg, Schwarzburg-
Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt und
Reuß j. L. gelegene Eisenbahn, ehemals Privat-
bahn, seit" 1882 im Betrieb, seit 1886 im
Eigentum des preußischen Staates, umfaßte
zur Zeit der Verstaatlichung die Stamm-
bahnen Halle-Gerstungen (189-46 km, konz.
1844, eröffnet 1846/49), Leipzig-Corbetha
{31-11 Ä/«,konz. 1855, eröffnet 1856), Übergabe-
bahnhof Leipzig-Möckern (4-63 km), Weißen-
fels-Gera (59-51 km, konz. 1857, eröffnet 1859)
und Dietendorf-llmenau (37-29 km, bis Arn-
stadt konz. 1866, eröffnet 1867, bis Ilmenau
konz. 1877, eröffnet 1878,79) sowie die Zweig-
bahnen Gotha-Leinefelde (67-13 km, konz.
1866, eröffnet 1870), Gera-Eichicht (77 /^m,
konz. 1868, eröffnet 1871).
Das Stammkapital war für die Hauptlinie
mit 27 Mill. M. in Stammaktien zu je 300 A\.
mit zunächst 4 % Bauzinsen festgesetzt worden.
Den vierten Teil des Stammkapitals über-
nahmen die beteiligten Regierungen und ver-
zichteten zu gunsten der Privataktionäre solange
auf Dividende, als auf diese aus dem Rein-
ertrag des laufenden Jahres nicht mehr als 3 %
kommen sollten.
Die in Barneck von der Linie Leipzig-
Corbetha abzweigende Bahn Barneck-Zeitz (er-
öffnet 1873) wurde am 27. April 1870 kon-
zessioniert.
Bei dem Werrabahn- Unternehmen beteiligte
sich die T. mit Stammaktien von 3 Mill. M.
und führte auch den Betrieb von der Eröffnung
im Jahre 1858 bis Ende 1875; ferner über-
nahm die T. den Betrieb der 1876 eröffneten
Eisenbahn Gotha-Ohrdruf.
Die Hauptlinie der T. erfreute sich stets
eines regen und einträglichen Verkehrs, während
die Zweigbahnen sich nur schwach entwickelten,
so daß diesen von den Garantiestaaten bis Ende
1881 Zinszuschüsse von mehr als 10 Mill. M.
zu zahlen waren.
Die Bahn ging laut Ges. vom 28. März 1882
mit Rechnung vom 1. Januar am 1. Mai des-
selben Jahres in Verwaltung und Betrieb, am
I.Juli 1886 ins volle Eigentum des Staates über.
Der von Preußen entrichtete Kaufpreis be-
trug 182,134.822-50 M. in 4 feigen Konsols
(für die Einlösung der Stammaktien, Lit. A,
B und C zusammen 119,271.225 M., an Ab-
findungen für die am Unternehmen beteiligten
Städte und Landkreise 14,603.950 M., an Kon-
vertierungsprämien 892.647-5 M., an noch
nicht getilgten Prioritätsobligationen zu 41/3*»
45,893.100 .M., dann an noch nicht getilgten
Darlehen von Sachsen-Weimar und Sachsen-
Coburg-Gotha 1,473.900 M.). Dagegen fielen
dem Staat an Fonds 6,812.647 M. sowie die
Werrabahnaktien im Betrag von 6 Mill. M.
zu. Die Bahn erhielt zunächst eine besondere
königliche Direktion in Erfurt und gehört
jetzt zur Eisenbahndirektion Erfurt.
Literatur: Lins, Die thüringischen Eisenbahn-
verhältnisse und ihre geschichtliche Entwicklung und
die gegenwärtige Lage. Jena 1910.
Thunerseebahn. — Tiefbohrungen.
313
Thunerseebahn (Schweiz) Normalspurbahn
im Berner Oberland. Ursprünglich auf die
Strecke Scherzligen-Spiez (Abzweigung der
Lötschbergbahn)-Därligen beschränkt, die 1893
eröffnet wurde, erwarb sie 1900 die Bödeli-
bahn Därligen-Interlaken-Bönigen (s. d.), ging
jedoch selbst 1912 durch Fusion an die Lötsch-
bergbahn, s. Bern-Lötschberg-Simplon, über.
Zur selben Zeit gingen auch die Dampfschiffe
auf dem Thuner- und Brienzersee, mit denen
sie sich gleichzeitig vereinigt hatte, an die
Lötschbergbahn über. Dietler.
Tiefbahnen (Underground railways; che-
mins de fer Souterrain; ferrovie sotterane),
unterirdisch geführte Stadtschnellbahnen im
Gegensatz zu den als Hochbahnen (Viadukt-
bahnen) oder als offene Bahnen, d. h. in
Geländehöhe (auf Dämmen und in Einschnitten)
gebauten Schnellbahnen. In geringer Tiefe
unter dem Straßenboden liegend, wird die
Tiefbahn zur „Unterpflasterbahn". Englisch:
Underground (deep level und shallow) railways
im Gegensatz zu den elevated railways (vielfach
kurzweg als L bezeichnet); französisch: chemins
de fer Souterrains im Gegensatz zu den chemins
de fer elevees. Kemmann.
Tiefbohrungen.
Inhalt: I.Allgemeines über Anwendung der T.
— II. Beschreibung der Tiefbohrverfahren: 1. Meißel-
bohrungen; 2. Kronenbolirungen. - III. Vor- und
Nachteile und Anwendung der verschiedenen Arten
von T. Behandlung der Bohrproben.
1. Allgemeines über Anwendung der T.
Die T. finden im Eisenbahnwesen in erster
Linie zur Aufklärung der Gebirgsverhältnisse
beim Tunnelbau Anwendung, u. zw. besonders
dann, wenn es sich um Tunnel mit großer
Überlagerungshöhe handelt.
Daneben können sie sehr wohl zur Ermitt-
lung der Wasserzuflüsse und der Wärmever-
hältnisse im Tunnelgebirge mit Vorteil ver-
wendet werden.
Sodann lassen sie sich, wie die Erfahrungen
des Feldzugs gezeigt haben, in vorteilhafter
Weise dazu benutzen, um starke Wasserzuflüsse
in Einschnitten u. s. w., die durch wasser-
tragendes Gebirge am Versacken gehindert
werden, in tiefe, belegene, zerklüftete und wasser-
führende Schichten abzuleiten. Endlich können
sie recht wohl zur Erschließung von in größerer
Tiefe liegendem Druckwasser ausgeführt werden.
II. Beschreibung der Tiefbohrverfahren.
Die T. zerfallen in 1. Meißelbohrungen und
2. Kronenbohrungen. Ihre Technik ist namentlich
in Deutschland und Österreich zu hoher Voll-
endung gediehen. Insbesondere haben die
deutschen Bohringenieure Tiefen erzielt, wie
sie weder andere europäische, noch amerikanische
Staaten erreicht haben. Gegenwärtig sind in
Deutschland mit dem Meißel Bohrungen bis
zu 1300 /«, mit der Krone solche bis zu
2240 ni Tiefe ausgeführt worden. Auch die
Tagesleistungen sind z. T. sehr große. Es sind
bei Verwendung des Meißels an einem Tag
bis zu 160 /TZ, bei Verwendung der Diamant-
krone an einem Tag bis zu 50 m, letztere
einmal in ziemlich ungünstig ausgebildetem
Buntsandstein abgebohrt worden.
Von den zurzeit im Gebrauch befindlichen
Tiefbohrapparaten sind nachstehend jene
näher beschrieben, die sich am besten für Boden-
untersuchungen des Eisenbahnbaues eignen.
1. Meißelbohrungen.
Bei den Meißelbohrungen sind 2 Arten, die
Freifall- und die Schnellschlagbohrung, zu unter-
scheiden. Bei der ersteren beträgt die Anzahl
der Schläge höchstens 60 in der Minute mit
60-80 cm Hubhöhe, während bei der letzteren
bis zu 120 Schläge in der Minute mit 8-10 cm
Hubhöhe gemacht werden können.
Des weiteren lassen sich die Meißelbohrungen
in Trockenbohrungen und Spülbohrungen ein-
teilen. Bei der Trockenbohrung arbeitet der
Meißel entweder in vollkommen wasserfreiem
Bohrloch oder im Grundwasser bzw. im Gebirge
mit Quellzutritt. In sehr hartem trockenen
Gebirge muß dem Bohrloch allerdings von
Zeit zu Zeit etwas Wasser zugeführt werden.
Der Bohrschlamm wird bei diesem Verfahren
mittels der Schlammbüchse aus dem Loch
entfernt. Mit Rücksicht auf die hierdurch ent-
stehende zeitraubende Unterbrechung der Arbeit
kommt dieses Verfahren mehr und mehr in
Abnahme; für größere Tiefen als 200 m sollte
es überhaupt nicht mehr angewendet werden.
Bei der Spülbohrung wird der Bohrloch-
sohle durch das hohle Bohrgestänge beständig
Druckwasser zugeführt, das den Bohrschlamm
in den ringförmigen Hohlraum zwischen der
Bohrwand und dem Gestänge ununterbrochen
zu Tage spült. Bei 50 cm Sekundengeschwin-
digkeit des aufsteigenden Wasserstroms werden
Gesteinsstücke von 2 cm Durchmesser, bei
100 cm solche von 5 cm Durchmesser, bei
200 cm sogar Metallteile des Bohrgezähes, die
sich etwa losgelöst haben, zu Tage gefördert.
Die Bohrapparate bestehen aus dem eigent-
lichen Bohrgezähe, dem Gestänge mit seinen
Verbindungen, den Haspeln, dem Antrieb und
dem Motor. Dazu kommen noch die Verrohrung
des Loches, zahlreiche Instrumente zum Aus-
wechseln einzelner Teile der Apparate und für
Fangarbeiten u. s. w. bei Betriebsstörungen.
Ferner tritt bei den Spülbohrungen noch die
314
Tiefbohrungen.
Spülpumpe mit ihren Rohren und Schläuchen
hinzu.
Sämtlichen hier in Frage kommenden Appa-
raten gemeinsam ist als Antrieb der Bohr-
schwengei. Er besteht aus einem ungleich-
armigen Hebel, dessen kürzerer Arm, der
Schwengelkopf, das Bohrgestänge hebt und
senkt, während der längere Arm, der Schwengel-
schwanz oder das SchM-engelende, bei der
Freifallbohnmg mit dem Kolben des Schlag-
zylinders, bei dem Schnellschlag mit einer
a
-w
C:
§
K
F
^
0
ü . I ,
F'^^ir
u
^3r-
K
Abb. 297.
Abb. 298.
Pleuelstange oder einem Exzenter nebst Ex-
zenterstange gekuppelt ist. Bei größerer Tiefe
des Bohrlochs wird das Schwengelende derartig
mit angehängtem Gewicht belastet, daß dadurch
ein Teil des Gestängegewichts ausgeglichen ist.
Der Schwengel ist entweder aus einem sehr
kräftigen, 4kantigen Holzbalken oder aus
einem genieteten Eisenträger gebildet und
mittels eines wagrechten Zapfens in etwa 2'0 m
Höhe über dem Boden auf den Schwengel-
bock verlagert. Das Gestell des letzteren ist
gleichfalls aus Holz oder aus Profileisen her-
gestellt.
Freifallbohrung.
Das eigentliche Bohrgezähe besteht aus dem
Meißel, bei der Freifallbohrung außerdem noch
dem Bär und dem Freifallstück.
Der Meißel wird aus Schmiedeeisen mit
gehärteter Schneide, besser noch aus Gußstahl
hergestellt. Seine Schneidebreite schwankt zwi-
schen 100 und 400/«/«, sein Gewicht zwischen
20 und 250 kg. Bei der Spülbohrung sind
Meißelgewinde und -schaff hohl, damit die
Spülung aus dem Hohlgestänge die Bohrloch-
sohle neben der Meißelschneide trifft. Neben
den eben beschriebenen Flachmeißeln kommen
noch sog. Kernstoßmeißel vor, die ringförmigen
Querschnitt besitzen und in der Mitte des
Bohrloches einen Kern von Gestein stehen
lassen. Bei der Freifallhohrung beträgt, wie
bereits bemerkt, die Hubhöhe des Meißels bis
zu 80 cm. Diesen Hub müßte bei steifem
Gestänge - englische Bohrmethode — das
ganze Gestänge mitmachen. Bei größerer Tiefe
des Bohrloches und dementsprechendem, sehr
bedeutendem Gewicht des Gestänges würde
das letztere infolge der Stauchungen häufigen
Brüchen ausgesetzt sein.
Man hat deshalb beim Freifallbohren mit
der großen Hubhöhe zwischen Meißel und
Gestänge den Bär und ein sog. Freifallstück
eingefügt - deutsche Bohrmethode. Der Bär
hat lediglich den Zweck, den Meißel zu be-
lasten; er ist 200 - 500 ^^ schwer und besteht
aus einem voll- oder hohlz3'lindrischen Stück
Eisen, das unten ein Muttergewinde zum Auf-
schrauben auf das Meißelende, oben ein Gewinde
für die Verbindung mit dem Freifallstück
besitzt. Letzteres ist recht verschiedenartig
gebaut. Am zweckmäßigsten hat sich noch
das am häufigsten angewendete Fabiansche
Freifallstück erwiesen.
Das Oberstück O (Abb. 297) besteht aus
2 Teilen, die oben und unten durch warm aufge-
zogene Ringe verbunden sind. In seinem Schlitz,
der sich oben zu einem Keilsitz /C verbreitert,
gleiten die Flügelkeile F des Unterstücks U.
Steht letzteres auf seinem tiefsten Punkt, so
ruht der Meißel auf der Bohrlochsohle. Senkt
sich O mit dem Gestänge, so schiebt sich U
mit seinen Flügelkeilen FF in O in die Höhe,
die Keile werden am höchsten Punkt seitlich
auf den Keilsitz K gedrängt. In dieser Stellung
wird das Ganze auf dem Gestänge hochgehoben,
letzteres erhält über Tag eine Prellung und
zugleich eine kurze Drehung. Dadurch werden
die Flügelkeile nach rechts geschoben, U mit
dem daranhängenden Bär und Meißel wird
abgeworfen und der Meißelschlag auf die
Sohle erfolgt, ohne daß das Gestänge beansprucht
wird.
Als Gestänge werden bei T. heutzutage
vorwiegend Mannesmannrohre von je 5 m
Länge mit angedrehten konischen Gewinden
für die Verbindung der einzelnen Rohre mit-
Tiefbohrungen.
315
einander verwendet, u. zw. so, daß das Mutter-
gewinde jeweils am unteren Ende des Rolires
sitzt.
Ober Tag wird das Gestänge am Scliwengei-
kopf aufgehängt. Da es aber beim Bohren mit
Zunahme der Lochtiefe nachgesenkt und von
Zeit zu Zeit durch Aufsetzen einer neuen Stange
verlängert werden muß, so ist am oberen Ende
des Gestänges noch die sog. Nachlaßvor-
richtung (Abb. 298) eingefijgt. Sie bestand ur-
sprünglich aus einer einfachen, 1 — 1"5 m langen
Schraubenspindel, die mittels Wirbel W am
Schwengelkopf aufgehängt war, und aus der
sog. Schere S, in deren Mutter M die Spindel
gehoben und gesenkt werden konnte. Am
unteren oder oberen Ende der Schere, die das
Gestänge trägt, ist der Krückel K zum Um-
setzen und Abwerfen des Meißels angebracht.
Diese einfache und dauerhafte Vorrichtung ist
auch jetzt noch vielfach in Gebrauch. Sie
verlangsamt aber den Bohrbetrieb insofern,
als jedesmal, nachdem das untere Ende der
Schraubenspindel in der Mutter M angelangt
ist, ein neues, noch dazu nur etwa 1'5 m
langes Gestängestück zwischen der Schere
und dem Gestänge eingesetzt werden muß.
Zur Vermeidung dieses Übelstandes ordnet
man 2 Spindeln nebeneinander an; diese sind
oben und unten durch Traversen verbunden,
auf die das nach oben über die obere Traverse
hinausragende oberste Gestängerohr mit ein-
fachem Rohrbündel abgefangen ist. Hierdurch
wird erreicht, daß die Unterbrechung der
Bohrarbeit bei Ablauf der Spindel auf das
Zurückschrauben der Muttern, das Lösen des
Rohrbündels und das Wiederfestschrauben des
letzteren in 1'5 m höherer Lage beschränkt ist.
Auch diese Unterbrechung wird noch in zweck-
mäßiger Weise durch die stetig wirkende Nach-
laßvorrichtung des Bergrats Köbrig (Abb. 299)
vermieden. Bei dieser besitzen die beiden Schrau-
benspindeln in der oberen Hälfte Rechtsgewinde,
in der unteren Linksgewinde. Jede Traverse
trägt Muttergewinde für die Spindeln, deren
Bewegung unten durch Zahnräder Z und ein
kleines Handrad bewirkt wird. Ist das Gestänge
mit dem Bündel Bu der Traverse Tu abge-
fangen, so ist Bo lose. Beim Bohren und
Drehen der Spindeln bewegt sich Tu mit dem
Gestänge nach unten, bis sie am unteren Spin-
delende angekommen ist. Dabei ist gleichzeitig
To am oberen Spindelende angelangt. Jetzt wird
Bu gelöst, Bo festgemacht und damit das Ge-
stänge auf To abgefangen. Die Gestänge werden
von jetzt ab in umgekehrter Reihenfolge gedreht,
die obere Traverse To mit dem Gestänge
bewegt sich abwärts, während die unbelastete
Tu wieder aufsteigt u. s. w.
Das Aufholen und Einlassen des Gestänges
und Bohrgezähes erfolgt durch einen besonderen
Haspel, dessen Seil über eine kräftige, im
höchsten Punkt des Bohrturms über dem
Bohrloch aufgehängte Seilscheibe führt. Der
Haspel wird maschinell betrieben und bietet
in seiner Bauart nichts bemerkenswertes.
Die Bewegung des Bohrschwengels und
damit des Meißels wird durch den Schlag-
zyhnder bewirkt, der unterhalb des Schwengel-
endes aufgestellt ist.
Er stellt einen Dampfzylinder dar, dem der
Dampf durch Rohrleitung in der Regel von
einer Lokomobile her zu-
geleitet wird. Die Kolben-
stange greift am Schwengel-
ende an; sie zieht es nach
jedem Schlag abwärts, hebt
also den Schwengelkopf mit
dem daran hängenden Ge-
stänge. Der Zylinder be-
sitzt selbsttätige Umsteue-
rung. Der Dampf pufft nach
jedem Kolbenhub aus, wo-
bei dann das Übergewicht
des Gestänges den Schwen-
gelkopf senkt, das Ende
hebt. Neuerdings ist in ein-
zelnen Fällen der stehen-
de Schlagzylinder durch
Pleuelstangenexzenter er-
setzt worden, die durch
Riementrieb von der Loko-
mobile her bewegt werden.
Als Motor dient vorwie-
gend die Lokomobile, die
je nach der Tiefe der Boh-
rung 10-40 PS. besitzt.
Elektrische Kraftübertra-
gung ist bislang nur sehr
selten verwendet worden.
Wie oben bemerkt, erfolgt die Förderung
des Bohrschlamms von der Lochsohle bei
Bohrungen geringer Tiefe durch die Schlamm-
büchse, einen Blechzylinder mit Klappenventil
im Boden. Sie wird mit Seil eingelassen und
gehoben.
Tiefere Bohrungen werden besser mit Wasser-
spülung ausgeführt, wobei das Wasser durch
das Hohlgestänge der Lochsohle zuströmt.
Von der im Bohrturm aufgestellten Riemen-
oder Dampfpumpe geht das Wasser dem
Hohlgestänge durch einen Schlauch zu. Dieser
endigt in einem einfachen Gestängekopf, der
auf das obere Ende des Gestänges aufgeschraubt
ist. Der Kopf ist mit oberer und unterer Stopf-
büchse versehen, so daß auch drehende Be-
wegung des Gestänges ohneweiters möglich ist.
Abb. 2Q9.
316
Tiefbohrungen.
Wie bei den Seichthohrungen muß das
Bohrloch auch bei der Tiefbohrung gegen
„Zusammengehen" durch Futterrohre geschützt
werden, die nur in ganz festem Gebirge ent-
behrt werden können. Sofern eine solche Rohr-
tour, die mehrere 100/« lang sein kann, im
Loch nicht mehr abwärts bewegt werden kann,
wird innerhalb derselben eine engere eingeführt.
Bei sehr tiefen Bohrungen stehen des öfteren
5-6 Rohrtouren ineinander. Selbstverständlich
nimmt mit der Weite der Futterrohre auch
die Lochweite und die Meißelbreite ab.
Schnellschlagbohrung.
Bei den Schnellschlagbohrungen wird auch
bei größter Tiefe das Freifallstück und der
Bohrbär ausgeschaltet. Der Meißel ist also
unmittelbar an das untere Gestängeende an-
geschraubt. Das Gestänge wie auch die sonstigen
Teile des Bohrapparates besitzen im allgemeinen
die gleiche Anordnung wie bei der Freifall-
bohrung. Um indes die bei den schnell auf-
einander folgenden Schlägen eintretenden Stauch-
beanspruchungen möglichst unschädlich zu
machen und insbesondere das Gestänge vor
Beschädigungen zu schützen, wird der Bohr-
schwengel in elastischem Rahmen aufgehängt,
der auf einer Gruppe von Pufferfedern gelagert
ist. Bei anderen Bauarten erhält der Schwengel
selbst eine Verlagerung auf Pufferfedern oder
eine Unterstützung durch Gestängevierecke
mit Federn.
Der Schwengel wird durch Pleuelstange
oder Exzenter bewegt, da der Schlagzylinder
die große Anzahl der Schläge nicht zu leisten
vermag.
Mit den Schnellschlagapparaten lassen sich
in günstigem Gebirge Tagesfortschritte erzielen,
die jene der Freifallbohrungen um das 5 — 10-
fache übertreffen. Anderseits erfordern die
ersteren verhältnismäßig viele Reparaturen.
Am besten bewährt haben sich bislang die
Schnellschlagapparate System „Raky und System
der Deutschen Tiefbohrgesellschaft zu Nord-
hausen. Ferner sind folgende Systeme zu nennen:
Thumanns Schnellschlagapparat, Faucks Expreß-
bohrkran, Trauzls Rapid-Bohrkran.
2. Kronenbohrungen.
Bei den Kronenbohrungen wird im Bohr-
loch nicht der ganze Vollzylinder des Gebirges
zermahiit, sondern nur ein ringförmiger Hohl-
raum eingeschnitten, in dessen Mitte ein Ge-
birgskern unverletzt stehen bleibt. Geschickte
Bohrmeister liefern im festen Gebirge nicht
selten Kerne ab, deren Gesamtlänge bis 98%
der Bohrlochtiefe beträgt. Im einzelnen sind
Kerne mit Stücklängen von mehr als 10 m
vorgekommen.
Die Bohrung wird stets als Spülbohrung
und so ausgeführt, daß die Krone, ein Hohl-
zylinder, dessen Fuß das Einschneiden in das
Gebirge besorgt, mit dem Gestänge in drehende
Bewegung gesetzt wird.
Das eigentliche Bohrgezähe besteht aus der
Krone und dem Kernrohr.
Bei weicheren Gesteinen stellt die Krone
einen Hohlzylinder aus Stahl dar, dessen unterer
Rand gezähnt ist.
Im festeren Gebirge muß dagegen der untere
Kronenrand mit Diamanten besetzt werden.
Versuche der amerikanischen Bohringenieure,
die Diamanten durch Karborund zu ersetzen,
haben sich nicht bewährt.
In den unteren Rand der Krone werden zur
Aufnahme der Diamanten Löcher gebohrt, in
diese die Steine eingesetzt und dann die Löcher
wieder mit Kupfer verstemmt. Die Diamanten
sind dabei etwa so auf der Ringfläche zu
verteilen, wie Abb. 300 zeigt An der In-
nen- und Unterseite der Krone sind flache
Rinnen angebracht, die die Wasserwege für die
Spülung bilden. Im mittleren Teil sind die
Innenwände konisch nach unten verengt: in
diesem konischen Teil der Krone liegt ein Feder-
ring - vgl. Abbildung - der an der Innenseite
4 oder SDornfortsätze trägt. Wird die Krone
angehoben, so wird der Federring nach unten
gedrängt, er wird enger, seine Dornfortsätze
krallen sich in den Gebirgskern ein und der
letztere wird bei weiterem Anheben des Ge-
stänges abgerissen und mit zu tage gefördert.
Der Durchmesser der Kronen und demzu-
folge auch der Kerne ist sehr verschieden. Im
Tiefbohrungen.
317
allgemeinen wird man mit dem Kronendurch-
messer nicht über 40 cm hinausgehen. In den
untersten Tiefen der beiden über 2000 m
tiefen Bohrungen von Paruschowitz und Czuchow
hatten die letzten Kerne nur noch wenige
cm Durchmesser.
Um möglichst lange Kerne abbohren zu
können, setzt man auf die Krone noch ein
Kernrohr, das als einfacher Hohlzylinder die
Verlängerung der Krone nach oben bildet und
das sich mit dem Fortschreiten der Bohrung
allmählich über den Kern herabsenkt. Das
Kernrohr kann bis zu 15 m Länge erhalten.
Größere Längen sind unzweckmäßig, weil sowohl
das Gewicht des Kernrohrs wie auch das
des abgerissenen Kernes zu groß wird.
Das Gestänge ist das gleiche wie bei der
Meißelbohrung, doch fehlt an seinem oberen
Ende die Nachlaßvorrichtung.
Die Drehung des Gestänges und der Krone
erfolgt mittels des Bohrwagens, der auf einer
Bühne im Bohrturm 5 — 6/« über dem Erd-
boden aufgestellt ist.
Der Bohrwagen (Abb. 301) trägt eine wag-
rechte Welle, an deren einem Ende die Riemen-
scheibe/? für den Antrieb, an deren anderm ein
stehendes Kegelrad aufgekeilt ist. Letzteres treibt
ein liegendes Rad an, dessen Nabe eine hohle
Spindel, die sog. Bohrspindel B umschließt.
Die Spindel ist in der Nabe senkrecht ver-
schiebbar. In B wird das Gestänge mit Klemm-
futter befestigt; es muß also die Drehung des
Kegelrades und der Spindel mitmachen. Letztere
ist aber am Schwengelkopf aufgehängt und
mittels des Schwengels so ausbalanciert, daß
die Krone im Bohrloch höchstens 250 - 400 kg
Belastung erhält. Die Zuführung der Spülung
erfolgt in gleicher Weise wie bei der Meißel-
bohrung von oben her.
Durch Lösen des Klemmfutters und der
Spindel, durch Aufziehen der letzteren und
Zurückfahren des Bohrwagens kann das Gestänge
in wenigen Minuten zur Aufnahme des Schlag-
betriebs freigemacht werden. Ebenso leicht ist
umgekehrt der Übergang von der Meißel-
bohrung zur Kronenbohrung zu vollziehen,
nachdem selbstverständlich vorher Krone und
Meißel vertauscht sind.
Bei den T. werden sämtliche Apparate in
einem aus Holzfachwerk mit Bretterverschalung
hergestellten Bohrturm vereinigt. In diesem
finden neben Bohrapparat, Lokomobile und
Pumpe auch eine kleine Schmiede und ein
Raum für die Bohrproben Platz.
Wagrechte Kernbohrungen.
Diese kommen für Bodenuntersuchungen
im Eisenbahnbau nur in seltenen Fällen in
Betracht, können jedoch bei Gebirgsunter-
suchungen für Tunnel, die in geringer Ent-
fernung hinter Steilhängen verlaufen, wichtige
Dienste leisten. Sie werden mit der Krone,
u. zw. entweder der Stahl- oder der Diamanten-
krone zur Ausführung gebracht. Der Kern-
durchmesser beträgt meist nur 6 — 8 rm. Die
Drehung erfolgt durch Kurbelmechanismus
Abb. 301.
entweder von Hand oder von einem Arbeits-
motor aus, der mit Dampf, hin und wieder
auch elektrisch betrieben wird. Der Tagesfort-
schritt beträgt bei Handbetrieb 1 - 2 m, bei
Maschinenbetrieb 3 — 8 m. Dabei sind Bohrun-
gen bis zu 450 m Länge ausgeführt worden.
Mit der gleichen Maschine lassen sich übrigens
auch senkrechte Bohrungen, überhaupt Boh-
rungen in jeder beliebigen Richtung ausführen.
Hin und wieder sind senkrechte oder doch
sehr steil geneigte Seichtbohrungen bis zu
100 m Tiefe mit einem solchen Apparat nieder-
gebracht worden.
III. Vor- und Nachteile und Anwend-
barkeit der verschiedenen Arten von
T. Behandlung der Bohrproben.
Die Meißelbohrungen besitzen den Kern-
bohrungen gegenüber den Vorteil größerer
Schnelligkeit und geringerer Kostenerforder-
nisse. Sie sind deshalb einmal da am Platz,
wo es sich lediglich um die Erschließung
einer bestimmten Gesteinsschicht handelt, also
z. B. bei Wasserbohrungen. Sodann werden
sie zweckmäßig im oberen Teil eines Bohr-
loches verwendet, in dem, wie beispielsweise
im Tunnelbau, die genaue Ermittlung des
Gebirgsprofils durch Kernbohrung auf eine
bestimmte Tiefe dicht über und in der Tunnel-
ebene beschränkt werden kann.
318
Tiefbohrungen. - Tiefgangwagen.
Dagegen ist es als ein Nachteil der Meißel-
bohrung zu bezeichnen, daß sie mit Rücksicht
darauf, daß das durchbohrte Gestein in völlig zer-
malmtem Zustand zu Tage gefördert wird, keine
genaue Deutung des Bchrlochprofils zulassen.
Im übrigen wird zweckmäßig in mildem
Gebirge, bei weichem tonigen Sandstein, Ton,
Tonschiefer, Mergel und Gips die Schnellschlag-
bohrung, im festen Gebirge dagegen die
Freifallbohrung angewendet.
Die Kernbohrung gestattet die Aufnahme
eines bezüglich der Mächtigkeit, der Größe
des Einfallswinkels und der Beschaffenheit des
durchsunkenen Gebirges ziemlich genauen Pro-
fils, dagegen vermag sie keine sichere Auskunft
über die Richtung des Streichens und des Ein-
fallens der Schichten zu geben, weil die ge-
wonnenen Gesteinskerne infolge des dem
Bohrgestänge innewohnenden „Dralles" beim
Aufholen sich mehrfach drehen müssen und
daher in veränderter Stellung an die Ober-
fläche gelangen. Die zur Unschädlichmachung
dieses Übelstandes bislang verwendeten Vor-
kehrungen, sog. Stratameter, die die Streich-
und Fallrichtung des Gebirges schon auf der
Bohrlochsohle teils mittels Kompaß, teils mittels
zweier senkrecht zueinander schwingender
Lote und mit Selbstzeichner festlegen sollen,
arbeiten gleichfalls nur recht unvollkommen.
Immerhin wird es dem erfahrenen und geo-
logisch geschulten Ingenieur möglich sein,
aus einer Reihe von nicht zu entfernt von-
einander niedergebrachten Kernbohrungen in
Verbindung mit den Oberflächenaufschlüssen
und unter Berücksichtigung des allgemeinen
geologischen Charakters der betreffenden Ge-
gend ein brauchbares Längenprofil für einen
Tunnel od. dgl. aufzustellen.
Im Ton, nicht zu festen, von Quarz- und Eisen-
kieseinlagerungen freien Tonschiefer, Mergel,
Gips und selbst in weichem Kalkstein läßt sich
recht wohl die Stahlkrone verwenden. In allen
härteren Gebirgsarten ist die Diamantkrone
nicht zu entbehren, so teuer sie auch sein mag.
Die Bohrproben der Meißelbohrungen werden
an der Luft getrocknet und in Holzkästen mit
Einzelfächern für jedes abgebohrte in oder
doch für zusammenhängende Abschnitte des
Profils aufbewahrt.
Die Kerne der Kronenbohrungen werden
zunächst mit U'asser abgespült, an der Luft
getrocknet und dann gleichfalls in langen Holz-
kästen oder Blechhülsen aufbewahrt.
Von jedem Bohrloch ist ein Profil aufzu-
tragen, das auf genauer Bezeichnung der ein-
zelnen Gesteinsarten, der Tiefenangabe jedes Ge-
steinswechsels, der Angabe der Einfallwinkel der
Schichten, etwaiger Verwerfungen, aller Wasser-
zugänge, Spülverluste und vorkommendenfalls
der Kern\'erluste zu versehen ist. Hoycr.
Tiefgangwagen, Tiefladewagen (basketcars;
wagoris ä platcfonne hasse; carri a piatta-
forma ribassata), sind offene Güterwagen,
bei denen der zwischen den beiden Dreh-
gestellen liegende Teil der Ladebühne ein-
gesattelt ist. Sie dienen zur Beförderung um-
fangreicher Güter (Transformatoren, Turbinen,
Dampfkessel, nicht regelspurige Lokomotiven
u. s. w.), die bei Verladung auf Wagen mit
der gewöhnlichen Höhenlage des Plattform-
fußbodens in die vorgeschriebene Ladeum-
grenzung ragen würden. Jene Teile der Lade-
bühne, die den Übergang von den Kopfträgern
zur Einsattlung bilden, müssen wegen der hier
auftretenden hohen Beanspruchungen besonders
kräftig und sorgfältig ausgeführt werden. Auf
die Anbringung einer durchgehenden Zug-
vorrichtung muß bei diesen Wagen verzichtet
werden. Die Ladebühne ist in der Regel ohne
Fußbodenbelag ausgeführt, so daß auch noch
zwischen den Langrahmen freie Räume vor-
handen sind, die für besonders tief reichende
Teile der Ladung ausgenützt werden können.
Im Bedarfsfall kann natürlich ein Fuß-
bodenbelag immer angebracht werden.
Taf. X. Sechsachsiger T. der öster-
reichischen Staatsbahnen. Der Wagen be-
sitzt 2 dreiachsige Drehgestelle mit Rahmen
aus Preßblech. Die Zug- und Stoßvorrichtung
ist zum Zweck des leichteren Befahrens von
scharfen Bahnkrümmungen am Drehgestell
angebracht. Das eine Drehgestell ist mit Hand-
spindelbrenise bremsbar. Da die Bremse auch
auf die Mittelachse wirkt, ist bei diesem Dreh-
gestell die Anwendung eines größeren Rad-
standes als bei dem Drehgestell ohne Bremse
notwendig. Die Bremshütte ist leicht abnehm-
bar aufgesetzt, so daß sie bei Be- oder Ent-
ladung des Wagens entfernt werden kann.
Die Tragfedergehänge sind durch Ausgleich-
hebel miteinander verbunden.
Die Langrahmen der Ladebühne sind als
Kastenträger ausgebildet.
Die Auflagerung der Bühne erfolgt auf dem
Drehgestell mit Bremse in der Mitte durch
eine kalottenförmige Drehpfanne und seitlich
durch kugelförmige Auflagen, auf dem Dreh-
gestell ohne Bremse in der Mitte durch einen
Kugelzapfen und seitlich durch abgefederte
Stößel. Durch diese Anordnung wird eine
weitgehende Beweglichkeit für das Befahren
von Schienenüberhöhungen und Gleisuneben-
heiten, somit eine erhöhte Sicherheit gegen
Entgleisungsgefahr erreicht.
In den oberen Traggurten der Langrahmen
sind Löcher von 25 mm Durchmesser für die
Cniyklopidic des EiunbahnveScnt. 2. Aufl. l\.
Tiefgangwagen.
^•io Sie I" 610 . 6la
SKhsachsIger Tideangvagcn der Österreichischen Slaaljbihnc
. Urban & Sdiaatzenbem in Berlin u. Wien
Tiefgangwagen. - Tierbeförderung.
Befestigung der Ladung vorgesehen. An den Außenseiten der
Rahmen sind Marken für die zulässige kleinste Ladelänge
des Gutes je nach seinem Gewicht (40, 45
und 50 /) nebst der notwendigen erläu-
ternden Anschrift angebracht.
Das Eigengewicht des Wagens beträgt
33-5/, die Tragfähigkeit 50/.
Abb. 302. Sech sachsiger T. der
Hannoverschen Maschinenbau-Ak-
tiengesellschaft. Dieser Wagen unter-
scheidet sich von dem vorbeschriebenen
vornehmlich durch die Anordnung derZug-
und StoBvorrichtung und der Bremshütte
sowie durch die Auflagerung der Ladebühne
auf den Drehgestellen. Die Zug- und Stoß-
vorrichtung ist auf den Kopfträgern der
Ladebühne angebracht, wodurch eine Ent-
lastung der Drehgestellzapfen von den auf-
tretenden Zug- und Stoßkräften herbei-
geführt wird. Die Bremshütte ist auf die
Ladebühne aufgesetzt. Die Bremse wirkt
nur auf die Endachsen des der Bremshütte
benachbarten Drehgestells.
Die Lagerung der Ladebühne erfolgt auf
dem einen Drehgestell mittels eines Kugel-
zapfens, auf dem andern, das in der Mitte
einen Drehzapfen aufweist, mittels zweier
seitlicher Gleitstücke.
Das Eigengewicht des Wagens beträgt
32-4 t, die Tragfähigkeit 51-6 /. Cimonetti.
Tierbeförderung (cattk traffic; trans-
port du betail; trasporto besfiame). Sie
umfaßt insbesondere die Beförderung von
Hunden in Begleitung Reisender, von kleinen
Tieren in Käfigen, Kisten, Säcken u. dg
als Gepäck oder Fracht, von Pferden und
Hunden mit Personenzügen, von Einzel-
stücken und Wagenladungen aller anderen
Arten Klein- oder Großvieh und von wilden
Tieren, auch ganzen Menagerien u. dgl.
Die Beförderung lebender Tiere (getötete
Tiere, geschlachtetes Vieh einschließlich
Geflügel fallen unter die Beförderung von
Gütern im allgemeinen) unterliegt überall
besonderen, durch die Eigenart dieser Trans-
porte bedingten Beförderungsvorschriften,
die zum nicht geringen Teil veterinär-
polizeiiicher Natur sind. Diese polizeilichen
Vorschriften betreffen insbeson-
dere die Vorsorge für entspre-
chende Ladevorrichtungen und
Einrichtung der Viehwagen, die
Feststellung der Zulässigkeit eines
Viehtransports mit Rücksicht auf
bestehende Seuchenvorschriften,
die Sicherstellung des Gesundheitszustandes der aufzugebenden
Tiere, den Ausschluß kranker Tiere, die Art der Verladung, die
Auswahl geeigneter Züge, die Tränkung und Fütterung während
319
320
Tierbeförderung.
der Beförderung, die Beigabe der nötigen Begleit-
papiere sowie von Begleitern zur Beaufsichtigung
der Tiere, die Desinfektion und Reinigung der
zur Beförderung verwendeten Wagen u. s. w.
Die übrigen Beförderungsvorschriften regeln
insbesondere die Art der Abfertigung, die An-
meldung und Wagenbestellung, die Fracht-
zahlung und die Fahrgebühren für die Begleiter,
die Abnahme der Tiere und das Verfahren bei
Ablieferungshindernissen, die Lieferfrist und
die Haftung für Tiersendungen.
I. Polizeiliche Vorschriften.
1. Ladeanlagen. Die Ver- und Entladung
von Vieh erfordert besondere Vorrichtungen,
weshalb die Annahme und Ausfolgung von
Vieh nur in Stationen erfolgen darf, die der-
artige Einrichtungen besitzen. In Deutsch-
land müssen nach der Eisenbahnverkehrs-
ordnung und deren Anlage B, die die haupt-
sächlichsten und grundlegenden Bestimmungen
über die T. enthält, die Stationen, die nahe
dem Tarif unbeschränkt oder beschränkt für
■den Viehverkehr bestimmt sind, mit Vorrich-
tungen versehen sein, die den Abfertigungs-
befugnissen entsprechend ein zweckmäßiges
Ein- und Ausladen der Tiere gestatten. Die
Oberfläche der festen Rampen darf eine
stärkere Neigung als 1:8 und die der beweg-
lichen Vorrichtungen eine stärkere Neigung
.als 1:3 nicht erhalten. Die Überladebrücken
zwischen Rampe und Wagen müssen eine hin-
reichende Breite haben uud zu beiden Seiten
mit Einfriedigung versehen werden. Auf Bahn-
höfen mit regelmäßigem größeren Viehversand
^owie auf den Tränkestationen sind von den
Bahnen zur Unterbringung des Viehs ein-
gefriedete und überdeckte Räume (Buchten,
Bansen) herzustellen und mit Brunnen oder
einer Wasserleitung sowie mit Vorrichtungen
zum Füttern und Tränken der Tiere zu ver-
sehen. Die Räume sind zum Zweck der Tren-
nung der verschiedenen Gattungen des Groß-
und Kleinviehs in kleinere Abteilungen zu
teilen. Der Fußboden muß eine ordnungsmäßige
Reinigung ermöglichen.
In Österreich mangeln allgemeine Be-
stimmungen über Ladeanlagen, dagegen sind
ähnliche Vorschriften wie für Deutschland in
der Schweiz durch Bundesratsbeschluß vom
28. November 1905 eingeführt worden, jedoch
iehlen dort Bestimmungen über die zulässige
Neigung der Brücken sowie über die Unter-
teilung der Unterkunftsräume für das Vieh.
In Frankreich behält sich die Regierung
vor, die Stationen zu bestimmen, in denen
Ladeanlagen für Pferde und Vieh eingerichtet
^werden müssen.
In Rußland sind nur bestimmte Stationen
von der Eisenbahnverwaltung im Einverständnis
mit der Veterinärbehörde mit den für die Ver-
und Entladung von Vieh erforderlichen Ein-
richtungen versehen. Nur auf diesen Stationen
darf Großvieh in einer Anzahl, die der normalen
Beladung eines gewöhnlichen Wagens entspricht
oder darüber hinausgeht, sowie Kleinvieh in
Mengen von mehr als 15 Stück regelmäßig
ein- und ausgeladen werden, während es zur
Ver- und Entladung dieser Mengen auf anderen
Stationen besonderer Genehmigung bedarf.
Vieh in geringerer Menge kann auf jeder Station
ein- und ausgeladen werden.
2. Beschaffenheit und Einrichtung der
Wagen. Nach den für Deutschland geltenden
Vorschriften sind Tiere in bedeckten oder hoch-
bordigen offenen Wagen zu befördern; letztere
dürfen jedoch in den Monaten Januar, Februar,
März, November und Dezember nur auf Antrag
des Versenders gestellt werden. Geflügel darf
nur in bedeckten Wagen befördert werden.
Unter gewissen Voraussetzungen findet die
Beförderung auch in mehrbödigen Wagen statt.
Die lichte Breite der zur Beförderung von
Großvieh dienenden Wagen muß mindestens
2-60 m betragen. Die offenen Wagen müssen
bei Verwendung für Großvieh eine Bordhöhe
von mindestens 1-50 m und bei Verwendung
für Kleinvieh eine solche von mindestens 0'75 m
über dem Fußboden haben.
Bei Verwendung bedeckter Wagen zur T.
sind solche Wagen auszuwählen, die in der
Nähe der Wagendecke an den Längs- oder
Stirnseiten je 2 verschließbare Öffnungen von
je mindestens 0-40 m Länge und O'SO m Breite
haben und außerdem an den Türen mit Vor-
richtungen versehen sind, die ihr Offenhalten
in einer Breite von 0-35 m bei Großvieh und
von 0'15 m bei Kleinvieh ermöglichen. Bleiben
die Türen während der Fahrt ganz geöffnet,
so müssen die Türöffnungen durch einen
P50 m hohen Bretterverschlag oder durch
Lattengitter verstellt sein. Zum Festbinden der
Tiere müssen Vorrichtungen, wie eiserne Ringe
u. dgl., in den Wagen angebracht sein. Die
Ladefläche der zur Beförderung von Tieren
dienenden Wagen muß an der Außenseite an-
gegeben sein, u. zw. bei mehrbödigen und bei
den in mehrere Abteile geteilten Wagen derart,
daß die Größe eines jeden Raumes ersichtlich ist.
Die in Österreich geltenden Vorschriften
unterscheiden sich insofern wesentlich von den
in Deutschland in Anwendung stehenden, als
in Österreich bei Neuanschaffung von Hornvieh-
wagen nur gedeckte derartige Wagen in Be-
stellung gebracht werden dürfen und der Ge-
brauch offener Hornviehwagen für die T. nur
Tierbeförderung.
321
unter bestimmten Beschränkungen und unter
der Voraussetzung zugelassen wird, daß diese
Wagen in gewissen Fällen zum Schutz der
Tiere mit Piachen überdeckt werden.
Im übrigen beziehen sich die österreichischen
Vorschriften nur im allgemeinen auf die regel-
mäßige Verwendung von Etagewagen mit
Tränkevorrichtungen zur Borstenviehbeförde-
rung, die tunlichste Größe der Lüftungsöff-
nungen, die Vorrichtungen zum Festhalten der
Lüftungsschieber und der Türen in der offenen
Stellung u. s. w.
In der Schweiz soll die lichte Breite der
zur Beförderung von Pferden und Großvieh
benutzten Wagen nicht unter 2'45 m. betragen.
Die Tiere sollen in der Regel nur in gedeckt
gebauten Wagen, die mit guten Böden und
nahe an der Wagendecke liegenden, genügen-
den und verschließbaren Öffnungen versehen
sind, befördert werden. Fehlen diese, so
müssen an den Türen der Wagen Vorrich-
tungen angebracht sein, die das ganze oder
teilweise Offenstellen der Türen ermöglichen.
Bei Kleinviehbeförderung soll dem Versender
in allen Fällen gestattet sein, auf seine Ver-
antwortung und Kosten einen Bretterverschlag
oder ein Lattengitter an die Stelle der ganz
oder teilweise geöffneten Tür anzubringen.
Zum Festbinden der Tiere sind die Wagen mit
geeigneten Vorrichtungen (eiserne Ringe u.dgl.)
zu versehen. Offene Wagen mit Decken dürfen
nur ausnahmsweise und nur auf kürzeren
Strecken verwendet werden; während der
Winterszeit ist diese Beförderungsweise aus-
geschlossen.
In Italien sind die für T. zu verwen-
denden gedeckten Wagen mit Lüftungsöff-
nungen zu versehen. Bei Kleinviehsendungen
werden diese geöffnet, während die Türen
geschlossen bleiben. Bei Großviehsendungen
werden die Türen auf den ersten oder zweiten
Haken eingehängt, wogegen die Lüftungs-
öffnungen geschlossen bleiben. Wenn keine
Gefahr des Entspringeiis der Tiere vor-
liegt, können die Türen auch ganz offen
bleiben.
In Rußland werden für die Beförderung
von Vieh nach dem Ermessen der Eisenbahn
besondere (Spezial-) Viehwagen (auch vergitterte)
oder gewöhnliche bedeckte Güterwagen be-
stimmt. In der Zeit vom \. April bis zum 1. No-
vember kann das Vieh mit Genehmigung des Ab-
senders in offenen Wagen mit hohen — dichten
oder vergitterten — Seitenwänden befördert
werden. Die für die Beförderung von Groß-
vieh bestimmten Wagen müssen eine ent-
sprechende Anzahl von Ringen aufweisen, die
in die Stützen der Längsbalken eingeschraubt
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
sind, damit auf Wunsch der Versender die
Tiere angebunden werden können. Für die
Beförderung von Pferden werden bedeckte
Güterwagen von mindestens 7^3 Fuß Höhe
verwendet, die nach dem für Pferdebeförderung
der Militärverwaltung festgesetzten Muster ein-
gerichtet sind. Lebendes Geflügel und Klein-
vieh werden auch zur Beförderung in Etage-
wagen angenommen.
3. Art der Verladung. Nach den deut-
schen Vorschriften dürfen die Tiere nicht ge-
knebelt und in Säcken, Käfigen, Kisten oder
ähnlichen Behältern, nur wenn sie hinlänglich
geräumig sind, zur Beförderung aufgegeben
werden. Bei Festsetzung der größten Anzahl
der in einem Wagen zu verladenden Tiere ist
davon auszugehen, daß Großvieh nicht anein-
ander oder gegen die Wandung des Wagens
gepreßt werden darf, für Kleinvieh aber genü-
gender Raum, um sich legen zu können, ver-
bleiben muß. Die Verladung von Großvieh und
Kleinvieh sowie von Tieren verschiedener Gat-
tung in denselben Wagen ist nur gestattet,
wenn die Einstellung in durch Barrieren,
Bretter- und Lattenverschläge voneinander ge-
trennten Abteilungen erfolgt. Über die zu-
lässige größte Stückzahl der in einem Wagen
oder in die einzelnen Abteilungen aufzu-
nehmenden Tiere entscheidet im Streitfall der
diensthabende Stationsbeamte. Das Bestreuen
der Fußböden offener Wagen mit brennbarem
Material (Stroh, Spreu, grasartiger Streu und
Torfstreu) ist unzulässig.
In Österreich haben ähnliche Bestim-
mungen wie in Deutschland allgemeine An-
wendung erlangt, daß sie in das für
sämtliche Bahnen geltende gemeinsame Tarif-
heft I mit behördlicher Genehmigung Auf-
nahme gefunden haben (Zusatzbestimmungen
II, III, IV zu § 44 des Betriebsreglements).
Was die Maßnahmen gegen die Überfüllung
der Viehwagen anbelangt, so ist auch in Öster-
reich eine Reihe von Verfügungen ergangen, die
dahin zielen, diesem Übelstand zu steuern, der
insbesondere bei Anwendung von Wagenraum-
tarifen sich fühlbar macht. Hierbei wurde im
Gegensatz zur deutschen Auffassung von dem
Grundsatz ausgegangen, daß die Bahnorgane auf
Grund der reglementarischen Bestimmungen zu
einer Zurückweisung überfüllter Viehwagen inso-
lange nicht berechtigt sind, als eine die Betriebs-
sicherheit gefährdende Überlastung der Wagen
nicht stattfindet, daß dagegen sonstige Über-
füllungen nach der Verordnung vom 15. Fe-
bruar 1855, betreffend die Tierquälerei, zu be-
urteilen sind, deren Handhabung nicht den
Eisenbahnbeamten, sondern den polizeilichen
Behörden obliegt.
21
322
Tierbeförderung.
Die Bahnorgane sind daher, insolange eine
betriebsgefähdiche Überlastung nicht vorHegt,
nur berechtigt bzw. verpflichtet, auf die Ver-
sender wegen Hintanhaltung von Überfüllungen
entsprechend einzuwirken und, wenn die Ein-
wirkung erfolglos bleibt, die Anzeige an die
zuständige Behörde zu erstatten.
Nach den Schweizer X'orschriften soll die
Verladung der Tiere mit der größten Sorgfalt
und Umsicht geschehen, damit nicht Grund
zu Beschwerden über Tierquälerei gegeben
werde. Kranke Tiere sowie an den Füßen
gebundene Kälber, Schweine u. s. w. werden
nicht zugelassen.
Die Verladung von Groß- und Kleinvieh
sowie von Tieren verschiedener Gattung in
demselben Wagen ist gestattet, wenn die Ein-
stellung in durch Barrieren-, Bretter- oder
Lattenverschläge voneinander getrennte Ab-
teilungen erfolgt. Großvieh darf nicht enger
verladen sein, als daß ein Mann zwischen
2 Stücken einer Wagenladung leicht sich be-
wegen kann; für Kleinvieh muß so viel Raum
vorhanden sein, daß es sich legen kann.
Ausnahmsweise soll für die Schafe in Herden
eine Bodenfläche von mindestens 0'22 m'^ auf
das Stück als genügend angesehen werden. Die
Unterbringung der Tiere in den zwischen den
Wagenachsen befindlichen Kasten ist unzulässig.
Die Tiere, die angebunden werden, sollen mit
den Köpfen der gleichen Seite zugekehrt werden.
Ausnahmsweise können Zuchtochsen ver-
schränkt verladen werden (senkrecht zur Längs-
seite des Wagens, aber mit den Köpfen nicht
nach derselben Seite oder derart, daß hinter
den in gleicher Richtung nebeneinander ge-
stellten Tieren noch solche den Seitenwänden
des Wagens entlang untergebracht werden).
Die Verladung ist Sache der Versender,
die auch das Anbinden mit ihrem .Waterial
zu besorgen haben, .^uf Verlangen übernimmt
die Eisenbahn die Verladung.
In den Niederlanden (Zusatzbestimmun-
gen zum Reglement, Art. 29) können in einen
Wagen so viele Tiere geladen v^erden, als ohne
Nachteil für die Tiere und ohne Überlastung
des Wagens Platz finden. Bei A\einungsver-
schiedenheiten über die zu ladende Anzahl
entscheidet der diensthabende Beamte. Das Ver-
laden und Befestigen der Tiere ist Sache der
Partei.
In Italien richtet sich die Zahl der in den
Wagen zu verladenden Tiere nach der Trag-
fähigkeit der Wagen unter Zugrundelegung
der Normalgewichte. Die Tiere dürfen durch
Überfüllung nicht leiden. In Wagen mit S und
10 / werden verladen: 8 Stück Pferde oder
Großvieh, 12 Esel oder Füllen, 24 Kälber oder
Schweine, 36 Milchkälber, kleine Schweine und
Hunde, 72 Ziegen oder Schafe.
In einem Wagen darf nur Vieh gleicher
Gattung verladen werden. Die Eisenbahn haftet
nicht für den Schaden infolge Überfüllung der
Wagen.
In Belgien und Frankreich ist die An-
zahl der Tiere, die ein Wagen enthalten
darf, nicht bestimmt; die Versender können
auf ihre Gefahr so viele Stücke unterbringen,
als sie für zulässig erachten.
Das Ein- und Ausladen geschieht auf Ver-
anlassung und unter Verantwortung der Partei.
In Rußland wird das Großvieh hinsichtlich
der in einen Wagen (von 21 Fuß Länge und
9 Fuß Breite) zu verladenden Mengen in
4 Gruppen (große, mittlere, kleinere, kleine
Stücke) eingeteilt und darnach die Beladung
eines Wagens mit 8, 10, 12 und 14 Stück
zugelassen. Von Kleinvieh können in einen
gewöhnlichen Güterwagen 30-60 Stück ver-
laden werden. Bei der Verladung von Pferden
ist f. d. Stück regelmäßig ein Raum von
mindestens 10 Fuß Länge und 2 Fuß 2 Zoll
Breite zur Verfügung zu stellen.
4. Beförderung.
a) Züge. Die Beförderung erfolgt in
Deutschland in Viehzügen und Güterzügen,
nach näherer Bestimmung der Eisenbahn auch
in Personenzügen. Viehzüge müssen auf Strecken
mit regelmäßigem starken Viehverkehr an be-
stimmten, von der Eisenbahn bekanntzu-
machenden Tagen — regelmäßig oder nur nach
Bedarf - nach den bei jedem Fahrplanwechsel
festzusetzenden Fahrplänen verkehren; sie
müssen derart gelegt sein, daß der Aufenthalt
für das auf den Anschlußlinien zu- und ab-
gehende Vieh auf das unbedingt nötige Maß
beschränkt wird. Bei .Aufstellung der Fahrpläne
ist für die Trinkstationen ein ausreichender
Aufenthalt vorzusehen. Steht so viel Vieh zur
Beförderung, daß zu seiner Verladung min-
destens 20 Achsen erforderlich sind, so ist in
Ermanglung anderer Beförderungsgelegen-
heiten ein besonderer Viehzug abzulassen. Die
durchschnittliche Geschwindigkeit der Viehzüge
darf — vorbehaltlich der Befugnis der Landes-
aufsichtsbehörde, bei besonderen Verhältnissen
nach Genehmigung des Reichseisenbahnamts
.Abweichungen zu gestatten — nicht weniger
als 25 km in der Stunde betragen.
Auch in Österreich bestehen Vorschriften,
die den Bahnverwaltungen die Verpflichtung
auferlegen, in Ausführung der §§ 42 und 43
des BR. die zur Viehbeförderung bestimmten
Züge in entsprechender Weise kundzumachen.
Die Beförderung hat, abgesehen von Hunden
und Pferden, die zu den von den mitfahrenden
Tierbeförderung.
323
Reisenden benutzten Personen- oder Schnell-
zügen angenommen werden, in der Regel nur
mit den für die T. bestimmten Güterzügen
zu erfolgen.
Die Bemühungen der Regierung waren seit
langem darauf gerichtet, die Bahnen zu be-
stimmen, Vieh möglichst mit direkten und
schnellverkehrenden Zügen (nötigenfalls mit
gemischten Zügen) zu befördern, worauf rück-
sichtlich der für die Versorgung Wiens be-
stimmten Sendungen ein besonderer Wert gelegt
wird. Auch ist eine Reihe von Verfügungen
an die Bahnen ergangen, die die Ein-
haltung der für Viehzüge festgesetzten Fahr-
ordnungen bezwecken.
In der Schweiz haben die Eisenbahnen
unter Genehmigungsvorbehalt des Bundesrats
die Züge zu bezeichnen, mit denen Vieh in
gewöhnlicher oder in Eilfracht befördert wird.
Die für die Beförderung in gewöhnlicher Fracht
bestimmten Züge sollen sich in billiger Weise
den örtlichen Bedürfnissen anpassen. Auch ist
darauf Bedacht zu nehmen, daß, soweit mög-
lich, von jeder Station aus wenigstens einmal
täglich die 24stündige Fahrleistung (ohne Über-
nachten) erzielt wird.
Die IBeförderung geschieht nach dem Er-
messen der Bahnanstalt mit Personen- oder
Güterzügen. Mit Schnellzügen werden keine
Tiere befördert.
In den Niederlanden erfolgt die Be-
förderung der Tiere mit Vieh-, Güter- oder
gemischten Zügen, mit Personenzügen jedoch
nur auf Grund fallweiser Bewilligung; mit
Schnellzügen ist (Pferde ausgenommen) die
Beförderung ganz ausgeschlossen.
Die Züge, mit denen die Beförderung
stattfindet, sind kundzumachen.
In Belgien werden lebende Tiere in der
Regel mit gemischten oder Güterzügen, die
die Verwaltung bezeichnet, und nur ausnahms-
weise mit Bewilligung des Betriebschefs in
Personenzügen befördert.
Falls die Tiere die Ladung von 10 Wagen
umfassen, können Sonderzüge gestellt werden.
In Italien werden Tiere gewöhnlich (von
Pferden in Luxuswagen abgesehen) nur mit
Güterzügen befördert. Will der Versender eine
beschleunigtere Beförderung, so muß er eine
höhere Gebühr entrichten.
In Frankreich erfolgt die Beförderung bei
Aufgabe als Eilgut mit gewöhnlichen Personen-
zügen, die alle Wagenklassen führen; bei
Aufgabe als Frachtgut in besonderen Vieh-
zügen oder gemischten Zügen.
Ä^ Tränkung und Fütterung. In Deutsch-
land sollen alle Tiere, deren Beförderung
24 Stunden oder länger in Anspruch nimmt.
vor der Verladung vom Absender gefüttert
und getränkt werden. Dauert die Beförderung
mehr als 36 Stunden, so sind die Tiere
spätestens nach je 36 Stunden zu füttern und
zu tränken. Für die unterwegs erforderliche
Fütterung und Tränkung sind nach Bedarf
besondere Stationen mit Einrichtungen zu ver-
sehen. Diese „Tränkstationen" werden vom
Reichseisenbahnamt nach Anhörung der be-
teiligten Bundesregierungen bestimmt und sind
in den Tarifen bekanntzumachen.
In Österreich gilt (Handelsministerialerlaß
vom 26. Februar 1875) bezüglich des Borsten-
und Hornviehs gleichfalls der Grundsatz, daß
das Tränken der Tiere innerhalb 24 Stunden
stattzufinden hat und daß es, insoferne den
Tieren kein Begleiter beigegeben oder von
diesem die Tränkung unterlassen wird, von
der Bahn gegen eine angemessene Entschädi-
gung zu bewerkstelligen ist. (Die Tränkungs-
gebühr beträgt bei den österreichisch-unga-
rischen Bahnen für Großvieh f. d. Stück 20 h.
Für das Tränken sonstiger Tiere werden für
jeden Wagen bzw. für jede Etage 50 h ein-
gehoben. Die letztere Gebühr wird verdoppelt,
wenn der Sendung kein Begleiter beigegeben
ist. Für Fütterung und Tränkung von Ge-
flügel beträgt die Gebühr 5 h für 10 kg und
mindestens 50 h).
In der Schweiz sollen Tiere, die ihren
Bestimmungsort nicht innerhalb 24 Stunden
erreichen, inzwischen mindestens einmal auf
einer Zwischenstation gefüttert und getränkt,
und wenn sie untenx'cgs auf einer Station über-
nachten müssen, in dieser ausgeladen werden.
Ausnahmsweise sind Schaftransporte in Herden
im Durchzug durch die Schweiz auf einer der
Grenzstationen bzw. auf der Übergangsstation
auszuladen, zu füttern und zu tränken. Milch-
kälber, die zur Ausfuhr aufgegeben werden und
deren Beförderung von der Aufgabe- bis zur
Bestimmungsstation fahrplanmäßig mehr als
10 Stunden in Anspruch nimmt, sind auf der
Übergangsstation mit Nahrung zu versehen
(nahrhaft zu tränken).
Die Käfige, Körbe und sonstige Behälter,
in denen Geflügel und andere kleine Tiere
zur Beförderung gelangen, sollen mit dichten
Böden versehen, luftig und geräumig genug
sein, um den Tieren die nötige Bewegung
sowie um deren Fütterung und Tränkung zu
gestatten.
Wenn Geflügelsendungen, bei denen dieser
Forderung nicht genügend Rechnung getragen
ist, auf den Übergangsstationen anlangen, so
sollen sie in Reservekäfige (Körbe) umge-
laden werden, die von den Bahnen vor-
rätig zu halten sind.
21*
324
Tierbeförderung.
Geflügelsendungen sollen nicht länger als
12 Stunden ohne Tränkung und Fütterung
bleiben.
In Frankreich müssen die Absender den
Tieren die zu ihrer Erhaltung erforderliche
Pflege angedeihen lassen. Weitere Vorschriften
bestehen nicht.
In Rußland kann das Tränken des Viehs,
das ausschließlich den Begleitern obliegt, auf
sämtlichen Stationen vorgenommen werden,
falls eine Ausladung nicht stattfindet und die
fahrplanmäßige Aufenthaltszeit des Zuges es
zuläßt. Im übrigen werden von dem Verkehrs-
minister und dem Minister des Innern gewisse
Tränkstationen besonders bestimmt, die mit
besonderen Vorrichtungen ausgerüstet sind und
auf denen die N'erwaltung auf Ersuchen der
Begleiter ohne irgendwelche Vergütung ge-
nügend Wasser herzugeben und Arbeiter zur
Hilfeleistung beim Tränken zu stellen hat.
c) Verschieben. Die deutschen \'orschrif-
ten bestimmen, daß das Verschieben dermitTieren
beladenen Wagen auf das dringendste Bedürfnis
zu beschränken und stets mit besonderer Vor-
sicht vorzunehmen ist; insbesondere ist heftiges
Anstoßen dabei zu vermeiden. Dieselben Vor-
schriften sind auch für die Schweizer Bahnen
gegeben; ähnliche Vorschriften bestehen auch
in Österreich.
d) Begleiter. Auf den deutschen Bahnen
wird Großvieh in Wagenladungen nur in Be-
gleitung angenommen; für je 3 zu einer Sen-
dung gehörige Wagen muß mindestens ein
Begleiter gestellt werden. Bei Aufgabe von
Kleinvieh in Wagenladungen sowie von ein-
zelnen Stücken Groß- und Kleinvieh kann von
der Beigabe eines Begleiters nach dem Ermessen
der Versandstation abgesehen werden.
Zu jeder Sendung und, wenn eine Sendung
aus mehr als einer Wagenladung besteht, zu
jedem Wagen wird ein Begleiter zugelassen.
Diese Begleiter haben ein Fahrgeld von 2 Pf.
f. d. 'XzxWkm zu zahlen, wenn sie im Vieh-
wagen, im Packwagen oder in der nied-
rigsten Klasse des Zuges fahren, sonst das
Fahrgeld der benutzten Klasse. Ober diese
Zahl hinaus werden Begleiter zur Fahrt in den
Güter-, Eilgüter- und X'iehzügen zugelassen,
soweit Platz vorhanden ist. Diese Begleiter
haben, wenn sie im Viehwagen oder im Pack-
wagen fahren, ein Fahrgeld von 2 Pf. f. d.
Tarif/^OT, wenn Personenwagen gestellt werden,
das Fahrgeld der benutzten Klasse zu zahlen.
Jedem Begleiter ist gestattet, einen Hund im
Viehwagen unentgeltlich mitzunehmen. Bei
Fahrten zur Nachtzeit müssen die Beglei-
ter mit gut brennenden Laternen ver-
sehen sein.
In Österreich-Ungarn werden lebende
Tiere, mit Ausnahme von kleinen Tieren in
Käfigen, zur Beförderung in der Regel nur
angenommen, wenn für jede Sendung min-
destens ein Begleiter beigegeben wird; für
mehrere in einem Wagen nach derselben Be-
stimmungsstation verladene Sendungen gerügt
ein Begleiter für den Inhalt des ganzen Wagens.
Falls die Sendung aus mehreren Wagenladungen
besteht, soll bei Großvieh für je 3 Wagen
mindestens ein Begleiter gestellt werden; bei
Kleinvieh genügt ein Begleiter für jede Sendung
ohne Rücksicht auf die Zahl der Wagenladungen.
Bei Sendungen von Pferden, die zur Be-
förderung mit Personenzügen aufgegeben
werden, wird von der Beigabe einer Begleitung
überhaupt nicht abgesehen. Bestehen die Sen-
dungen aus mehreren Wagenladungen, so kann
auch für jeden Wagen ein Begleiter verlangt
werden.
Wird die genügende .Anzahl von Begleitern
oder überhaupt Begleitung nicht beigegeben,
so kann die Bahn vom Absender die Aus-
stellung einer entsprechenden Erklärung ver-
langen, und übernimmt die Bahn in keinem
Fall die Haftung für den Schaden, für den
sie im Fall der Begleitung nicht aufzukommen
gehabt hätte.
Was die Fahrbegünstigungen für Tier-
begleiter in Österreich betrifft, so gelten hier-
über bei den einzelnen Bahnen besondere
Bestimmungen. Zumeist wird bei Hornvieh-
sendungen die freie Rückfahrt für die Vieh-
begleiter (auf 3 Wagen je ein Begleiter) ge-
währt, jedoch besteht die Absicht, bezüglich
der Viehbegleiter einen einheitlichen Vorgang
für alle Bahnen einzuführen, bzw. die ge-
bührenfreie Abfertigung der Begleiter nur bei
Kleinviehbeförderungen zuzulassen, die freie
Rückfahrt aber ausnahmslos aufzuheben.
In Belgien sollen den Sendungen von
Pferden und anderen Tieren Begleiter bei-
gegeben werden; andernfalls trägt der Ab-
sender die Folgen, die durch den Mangel
der Begleitung hervorgerufen werden.
Für jede Sendung oder Wagenladung wird
ein Begleiter unter der Voraussetzung, daß er
in demselben Wagen wie die Tiere Platz findet,
frei befördert.
In den Niederlanden ist die Eisenbahn
Begleitung zu fordern berechtigt. Bei Kleinvieh,
insbesondere Geflügel in Käfigen, bedarf es
der Begleitung nicht.
Für jede volle Wagenladung wird die un-
entgeltliche Beförderung eines Begleiters, der
nach Bestimmung des Stationsvorstands im
Viehwagen oder einem Wagen III. Klasse Platz
zu nehmen hat, zugestanden.
Tierbeförderung.
325
Begleiter von Pferden in Stallwagen werden
nur in letzteren frei befördert. Erfolgt die Be-
förderung ohne Begleiter, dann muß der Fracht-
brief „Bahn restante" lauten, und ist der Ab-
sender verpflichtet, dem Adressaten Kenntnis
von der Absendung zu geben, um diesen in
den Stand zu setzen, die Sendung gleich nach
der Ankunft abzunehmen.
Auf den schweizerischen Eisenbahnen
soll jede Sendung zum Zweck der Beaufsichti-
gung, Wartung und Fütterung der Tiere während
der Fahrt in der Regel von einem Führer
begleitet werden, der seinen Platz in dem
Wagen zu nehmen hat, in dem die Be-
förderung der Tiere erfolgt; wenn der Auf-
enthalt im Viehwagen unmöglich sein sollte,
so ist dem Begleiter ein Platz in einem Per-
sonenwagen III. Klasse oder im Gepäckwagen
bzw. in einem gedeckten Güterwagen anzu-
weisen. Soweit die Bahn auf die Begleitung
der Sendung verzichtet hat, haben ihre Or-
gane die den Umständen angemessene Wartung
und Fütterung der Tiere zu besorgen, und
ist die Verwaltung berechtigt, die daraus er-
wachsenen Kosten nachzunehmen. Die Beglei-
tung von Zuchtstieren, Hengsten und bösarti-
gen Tieren ist vorgeschrieben. Sie wird aus-
nahmsweise im Verkehr der normalspurigen
Bahnen unter sich, u. zw. auch hier nur
dann erlassen, wenn der Versender die Ver-
wendung eines eigenen Wagens verlangt und
dafür die im Tarif festgesetzte Zuschlagstaxe
bezahlt. Sofern der Begleiter Sendungen dieser
Art, die ohne Zuschlagstaxe, d. h. ohne
besonderen Wagen abgefertigt worden sind,
vor vollendeter Beförderung verläßt, kann die
Eisenbahn die Umladung der betreffenden Tiere
selbst oder der allfällig beigeladenen anderen
Tiere anordnen und die tarifmäßige Gebühr für
die Aus und Einladung, sowie die Zuschlags-
taxe ab derjenigen Station, ab der die Be-
gleitung fehlt, vom Empfänger der betreffenden
Sendung erheben. Auch hat der Eigentümer
der Tiere für alle Folgen aufzukommen, die
aus der Nichtbegleitung entstehen können. Be-
steht eine Sendung aus einer oder mehreren
Wagenladungen, so hat für jede Wagenladung
ein Begleiter Anspruch auf freie Fahrt. Bei
Sendungen, die nicht eine ganze Wagen-
ladung ausmachen, hat er Anspruch auf Be-
förderung zur halben Personentaxe III. Klasse,
bei Beförderung von Kleinvieh (Kälber,
Schweine, Schafe, Ziegen) jedoch nur, wenn die
Sendung mindestens 5 Stück umfaßt.
In Frankreich ist keine Begleitungs-
pflicht. Begleiter von Eilgutsendungen haben
in den Personenwagen Platz zu nehmen und
den Fahrpreis der Wagenklasse zu zahlen.
die sie einnehmen. Begleiter von Fracht-
gutsendungen erhalten fast auf allen Bahnen
für sich und mitgenommene Hunde einen
Freifahrtschein III. Klasse für Hin- und Rück-
fahrt. Für jeden Wagen wird ein Freischein,
für jede Sendung werden höchstens 2 Frei-
scheine gewährt. Die Begleiter sind berechtigt,
den Tieren vorauszufahren und sie auf den
Bahnhöfen zu erwarten, auf denen sie sie ver-
pflegen wollen.
In Italien kann die Verwaltung verlangen,
daß der Viehsendung Begleitung beigegeben
werde. Die Begleiter haben bei der Fahrt in
Vieh- und Stallwagen den halben Preis der
111. Klasse zu bezahlen. Bei Beförderung in
Personenwagen ist der volle Preis zu bezahlen.
In Rußland wird Vieh nur mit Begleitern
befördert, u. zw. wird für jeden Wagen höch-
stens ein Begleiter zugelassen, während für je
8 Wagen Großvieh und ebenso für je 6 Wagen
Kleinvieh mindestens ein Begleiter vorhanden
sein muß. Wird das Vieh nach Stückzahl be-
fördert, so ist jeder einzelnen Sendung ein Be-
gleiter beizugeben. Die Begleiter sind in einem
Wagen III. oder IV. Klasse unterzubringen,
wenn sich ein solcher im Zug befindet; andern-
falls ist ihnen ein Platz im Dienstabteil anzu-
weisen. Die Beförderung von lebendem Ge-
flügel und Kleinvieh in Kisten, Käfigen und
Körben ist auch ohne Begleitung zulässig. Für
die Beförderung der Begleiter wird eine Gebühr
nach einem besonderen Tarif erhoben.
II. Sonst ige Beförderungsvorschriften.
1. Art der Abfertigung. In Deutsch-
land wird Kleinvieh (einschließlich Hunde) in
Käfigen, Kisten, Säcken u. dgl. oder wilde
Tiere in Käfigen nach Wahl der Versender auf
Gepäckschein (Beförderungsschein) oder auf
Frachtbrief abgefertigt; im ersteren Fall er-
folgt die Abfertigung durch die Gepäckabferti-
gungsstellen. Alle übrigen Sendungen werden
nur auf Grund von Frachtbriefen, u. zw. bei
den Eilgut- oder Güterabfertigungsstellen ab-
gefertigt.
In Österreich-Ungarn werden, abgesehen
von kleinen Tieren in Behältern, die auf
Gepäckschein befördert werden können, dann
von Hunden, die gegen Beförderungsscheine
(Hundekarten) aufgegeben werden, lebende Tiere
nur auf Grund von Frachtbriefen als Eil- oder
Frachtgut zur Beförderung angenommen.
In der Schweiz erfolgt die Abfertigung
der Tiere als Eil- oder Frachtgut. Dem Ab-
sender wird von der Aufgabeexpedition ein
Beförderungsschein ausgestellt, der bei Emp-
fangnahme der Tiere auf der Bestimmungs-
station zurückzugeben ist.
326
Tierbeförderung.
Die Aufgabe erfolgt in der Regel bei den
Gepäcksabfertigungen.
In den Niederlanden erfolgt die Beför-
derung der Tiere gegen Frachtbrief oder Be-
förderungsschein.
Kleine Tiere, Hunde und Vögel, die in
geschlossenen Kisten, Käfigen u. dgl. zur Auf-
gabe gebracht werden und keine Wagenladung
bilden, können als Bestellgut gegen Bezahlung
der Fracht vom doppelten Gewicht angenommen
werden.
In Belgien werden Tiere auf Frachtbrief
in grande oder petite vitesse befördert, u. zw.
als grande vitesse nur Pferde, Esel, Maulesel,
unter der Voraussetzung, daß die zu durch-
fahrende Strecke wenigstens 75 km beträgt oder
die Aufgabs- und Bestimmungsstationen der
Sendung zugleich Anfangs- und Endstation des
Zuges sind.
Kleine Tiere in Behältern können auch
nach dem Tarif II: „Service accelere" befördert
werden.
In Frankreich werden Pferde und Groß-
vieh nur in und nach Stationen angenommen,
die Laderampen besitzen. Hunde in oder
ohne Begleitung von Reisenden werden nur
als Eilgut, andere Tiere als Eilgut oder
Frachtgut angenommen. Die Abfertigung ge-
schieht auf Grund einer Versanderklärung
(declaration d'expedition), die im wesentlichen
die gleichen Angaben enthält wie ein Frachtbrief.
In Italien erfolgt die Beförderung von
Vieh entweder in beschleunigter Beförderung
(ä piccola velocitä accelerata) gegen Beförde-
rungsschein (nota di spedizione) oder als Fracht-
gut auf Frachtbrief.
In Rußland werden lebende Tiere nur auf
Frachtbrief angenommen.
Ebenso können nach dem lÜ. lebende Tiere
nur auf Frachtbrief aufgegeben werden.
2. Vorherige Anmeldung und Wagen-
bestellung. Diesbezüglich gelten in Deutsch-
land und Österreich sowie im Vereins-
verkehr zunächst die Vorschriften des § 44
des BR. und der Verkehrsordnung, (s. auch
Zusatzbestimmung S zu § 43 des VBR.) Darnach
sind die Tiere rechtzeitig, einzelne Stücke min-
destens 1 Stunde vor Abgang des Zuges auf
den Bahnhof zu bringen.
Die Bestellung von Wagen hat in Deutsch-
land in der Regel schriftlich bei der Aufgabs-
station zu erfolgen und ist hierbei die Anzahl
und Gattung der Wagen, die Bestimmungs-
station u. s. w. anzugeben.
In den Niederlanden müssen Wagen für
Viehbeförderung 24 Stunden vorher bestellt
werden. Bei Bestellung ist auf Verlangen
ein Angeld von 5 K zu erlegen, das nicht
zurückgegeben wird, wenn der Wagen nicht
am bestellten Tag benutzt wird.
Die Tiere müssen 2 Stunden vor dem Ab-
gang des Zuges auf die Station gebracht werden ;
wenn der Zug des Nachts oder vor 7 Uhr früh
verkehrt, müssen die Tiere am Abend vorher
zur Beförderung angemeldet werden.
In der Schweiz hat die Anmeldung der
Tiersendungen mit Ausnahme der Hunde in
den Zwischenstationen mindestens einen Tag
voraus, in den Hauptstationen für einzelne
Stücke und einzelne Wagenladungen mindestens
2 Stunden vor Abgang des betreffenden Zuges,
für 2 oder mehrere Wagenladungen ebenfalls
einen Tag vorher zu erfolgen.
Die Zufuhr hat bei Pferden i Stunde, bei
den übrigen Tieren 2 Stunden vor Abgang
des betreffenden Zuges zu erfolgen.
In Belgien müssen Viehsendungen min-
destens 48 Stunden vorher angemeldet werden.
Handelt es sich um mehr als 5 Wagen, so
verdoppelt sich die Anmeldefrist.
Die Tiere müssen mindestens 1 Stunde vor
der Abfahrt eingeladen sein.
In Frankreich sind die Versandstationen
24 Stunden vorher von der Anzahl und Art
der in Wagenladungen als Frachtgut zu be-
fördernden Tiere zu benachrichtigen. Bei Nicht-
beachtung dieser Vorschrift stellt die Eisenbahn
den Versendern solche Wagen, die im Augen-
blick der Verladung gerade verfügbar sind. Die
Zufuhr der Tiere zum Bahnhof hat wenigstens
3 Stunden vor Abgang des Zuges, mit dem die
Beförderung ausgeführt werden soll, zu erfolgen.
In Italien muß die Anmeldung der Sen-
dung, falls Wagen nicht vorhanden sind,
12 Stunden vor der Aufgabe erfolgen. Die Ver-
ladung muß spätestens 1 Stunde vor Abgang
des Zuges vollendet sein.
In Rußland hat der Versender die Ver-
sandstation vor Einreichung des Frachtbriefs
von jeder bevorstehenden Wagenladung unter
Mitteilung der Stückzahl des abzufertigenden
Viehs, der Bestimmungsstation und der ge-
wünschten Wagen schriftlich zu benachrich-
tigen und gleichzeitig für jede Wagenladung
3 Rubel als Kaution zu erlegen, die verfällt,
wenn das Vieh nicht abgesandt wird. Vor der
Absendung wird das Vieh, soweit es eine
Wagenladung bildet, auf der Versandstation
regelmäßig tierärztlich untersucht; ausnahms-
weise kann die Untersuchung auch auf der
Empfangsstation stattfinden, der in diesem
Falle die Sendung vorgemeldet wird.
3. Zahlung der Frachf. In Deutsch-
land und Österreich-Ungarn, sowie im
' Wegen der Fahrgebühren für Viehbegleiter
s. 0. S. 324.
Tierbeförderung.
327
Vereinsverkehr ist die Bahn (s. deutsche Ver-
kehrsordnung, österreichisch -ungarisches BR.
und VBR.) berechtigt, die Vorauszahlung der
Fracht zu beanspruchen.
Nach den Zusatzbestimmungen zu § 48 der
Verkehrsordnung für die Eisenbahnen Deutsch-
lands ist bei den auf Beförderungsschein oder
Gepäckschein abgefertigten Tiersendungen der
Fahrpreis stets am Absendeort zu erlegen und
eine Nachnahmebelastung ausgeschlossen. Bei
Frachtbriefsendungen ist es dem Ermessen der
Eisenbahnverwaltungen überlassen, in den ein-
zelnen Verkehren unfrankierte Aufgabe und
Nachnahmebelastung zuzulassen und die Be-
dingungen, unter denen die Zulassung ge-
schieht, festzusetzen.
In Österreich-Ungarn sind laut Zusatz-
bestimmung zu § 46 des BR. die entfallen-
den Gebühren für Pferde, Fohlen, Maultiere,
Hunde und wilde Tiere stets bei der Auf-
gabe zu entrichten. Für sonstige Tiere können
die Beförderungsgebühren nach Wahl des Ab-
senders auch an den Empfänger zur Zahlung
überwiesen werden.
In Frankreich und Belgien ist es eben-
falls dem Versender freigestellt, die Fracht im
vorhinein zu bezahlen oder die Sendung mit
überwiesenen Gebühren aufzugeben.
In der Schweiz, den Niederlanden und
in Italien ist die Frachtgebühr stets bei der
Aufgabe zu entrichten. Der Taxzuschlag für
die streckenweise Beförderung als Eilgut kann
in der Schweiz auf der betreffenden Unterwegs-
station oder auf der Empfangsstation bezahlt
werden.
In Rußland können Fracht- und Neben-
gebühren auf Wunsch des Versenders auf den
Empfänger überwiesen werden; anderseits kann
bei der Beförderung von Geflügel und Klein-
vieh in Kisten, Käfigen und Körben die Eisen-
bahn verlangen, daß Fracht- und Nebengebühren
im voraus bezahlt werden.
4. iVlitnahme von Futter und Gepäck
durch die Begleiter. Bei den deutschen
Bahnen wird das während der Eisenbahn-
fahrt zur Fütterung der Tiere erforderliche
Futter, das etwaige Geschirr der Tiere sowie
das übliche Handgepäck der Viehbegleiter un-
entgeltlich im Viehwagen mitbefördert. Sonstiges
Gepäck oder Güterstücke dürfen in den mit
Vieh beladenen Wagen nicht mitgeführt werden,
sind vielmehr ordnungsmäßig aufzugeben.
Bei den österreichisch- ungarischen
Eisenbahnen dürfen Futtervorräte, die dem
Verbrauch während der Fahrt entsprechen,
begleiteten Sendungen beigegeben werden.
Das Reisegepäck der Viehbegleiter unterliegt
der allgemeinen Bestimmung.
In der Schweiz wird das während der
Eisenbahnfahrt zum Unterhalt der Tiere erforder-
liche Futter bis zum Gewicht von 50 ^o' für den
Wagen sowie das Handgepäck der Viehbegleiter
unentgeltlich im Viehwagen mitgenommen. Die
Begleiter der Tiersendungen, denen die Füt-
terung der Tiere übertragen ist, haben dafür
zu sorgen, daß das Futter in ihrem Bereich
verbleibt und nicht verdorben wird. Der
Aufenthalt auf den Plattformen der Wagen
ist nicht gestattet. Treibhunde, die zu Vieh-
sendungen in ganzen Wagenladungen ge-
hören, werden taxfrei befördert. Es wird aber
nur ein Treibhund auf die Wagenladung
angenommen.
In Italien ist für jedes zur Beförderung
aufgegebene Pferd unentgeltliche Beförderung
des Geschirrs, der Geräte und des für die
Reise nötigen Futters im Höchstausmaß von
40 kg (hierunter höchstens lO^o- Futter) für das
Pferd zugestanden, unter der Bedingung, daß
diese Gegenstände ohne die Ausnutzung des
Wagens hinsichtlich der Anzahl der Tiere zu
hindern, im selben Wagen mitverladen werden
können.
Der Begleiter ist zur unentgeltlichen Mit-
nahme des eigenen Gepäcks, soweit dieses nicht
die für das Handgepäck bestimmten Grenzen
übersteigt, berechtigt.
In Belgien können Streu- und Futtervor-
räte auf Kosten der Versender im Viehwagen
untergebracht werden.
In Rußland darf das zur Fütterung der
Tiere bestimmte Körnerfutter, Gras, Heu und
Stroh, in einem für die einzelnen Viehsorten
verschieden bemessenen Umfang kostenlos
mitgeführt werden.
5. Abnahme der Tiere, Ablieferungs-
hindernisse. Nach den in Deutschland
und Österreich geltenden reglementarischen
Bestimmungen werden Tiere bei der Ankunft
an dem Bestimmungsort gegen Rückgabe des
Beförderungsscheins oder nach Aushändigung
des Frachtbriefs an den Empfänger gegen
dessen Bescheinigung ausgeliefert. Das der
Partei obliegende Ausladen und Abtreiben muß
spätestens 2 Stunden nach der Bereitstellung
und dem Ablauf der zur etwaigen zoll- oder
steueramtlichen Abfertigung erforderlichen Zeit
erfolgen. Nach Ablauf dieser ist die Eisen-
bahn berechtigt, die Tiere auf Gefahr und
Kosten des Absenders in Verpflegung zu geben,
oder falls sie deren ferneren Aufenthalt auf
dem Bahnhof gestattet, ein im Tarif festzu-
setzendes Standgeld zu erheben.
Das Transportreglement für die schwei-
zerischen Eisenbahnen bestimmt, daß das
Ausladen dem Empfänger obliegt. Verlangt
328
Tierbeförderung.
er, daß die Ausladung durch die Bahn ge-
schehen soll, vcelchem Verlangen die Bahn-
verwaltungen nachzukommen nicht verpflichtet
sind, so werden die im Tarif vorgesehenen
Gebühren eingehoben. Ebenso auch dann, wenn
die Entladung wegen Abwesenheit des Emp-
fängers oder Begleiters durch das Bahn-
personal erfolgt. Nimmt die Bahn die Aus-
ladung vor, so haftet sie nicht für Verlust und
Beschädigung infolge Entspringens, Fallens,
Stoßens und ähnlicher Ursachen.
Das Ausladen und Abnehmen des Viehs
hat längstens 1 Stunde nach Ankunft zu ge-
schehen, widrigenfalls es, soweit nicht Zoll- oder
sanitätspolizeiliche Vorschriften entgegenstehen,
auf Gefahr des Empfängers ausgeladen und
in Pflege gegeben wird.
Im andern Fall ist unter Beobachtung der
obigen Bestimmungen nach den Weisungen
der Zoll- oder Sanitätspolizeiorgane vorzugehen.
Nach 8 Uhr abends kann die Ausladung
und Unterbringung auch vor Ablauf einer
Stunde vorgenommen werden.
Zur Aufbewahrung von Hunden, die nach
der Ankunft nicht sofort abgeholt werden, ist
die Bahnverwaltung nicht verpflichtet.
In Frankreich hat die Entladung auf Ver-
anlassung und unter der vollen Verantwort-
lichkeit der Versender, u. zw. sofort nach der
Ankunft (Bereitstellung) vor sich zu gehen,
widrigenfalls sie auf Kosten und Gefahr des
Verfügungsberechtigten eisenbahnseitig ausge-
laden und in Pflege gegeben werden.
Auf den italienischen Bahnen muß die
Ausladung innerhalb 4 Stunden nach Beistellung
des Wagens geschehen bei sonstiger Einstellung
des Viehs auf Gefahr und Kosten des Eigen-
tümers. Die Entladung selbst erfolgt auf Ver-
anlassung und Gefahr des Empfängers.
Können Viehsendungen, die des Abends ein-
langen, infolge Zoll- oder Sanitätsvorschriften
oder aus anderen Gründen nicht ausgeladen
und abgenommen werden, so haben sie gegen
Entrichtung einer im Tarif festgesetzten Gebühr
im Wagen zu verbleiben.
Für die Entladung und die Begleitung bis
zum Ort der Einstellung werden ebenfalls
tarifmäßig bestimmte Gebühren eingehoben.
In Belgien sollen Tiere 2 Stunden nach
der Ankunft abgeholt werden. Nach dieser
Frist werden sie entweder auf Rechnung und
Gefahr des Absenders in Futter gegeben oder
die Bahn behält sie gegen Ersatz der auf-
laufenden Kosten selbst in Kost.
Ähnliches gilt auch in den Niederlanden,
mit der Abänderung, daß Pferde, nicht wie
die übrigen Tiere, erst nach 2, sondern bereits
nach 1 Stunde ausgeladen und abgeführt werden
müssen. Hunde sind längstens ^'2 Stunde nach
ihrer Ankunft abzuholen ; über diese Zeit sind
die Eisenbahnen zu ihrer Verwahrung nicht
verpflichtet.
In Rußland muß die Entladung innerhalb
12 Stunden vor sich gehen, jedoch darf Groß-
vieh nicht vor erfolgter tierärztlicher Beschau
abgetrieben werden. Nach diesem Zeitraum
wird das Vieh unter Aufstellung eines Protokolls
der Ortspolizei zur weiteren Verpflegung und
Veranlassung übergeben.
6. Lieferfristen. In Deutschland dürfen
die Lieferfristen folgende Höchstfristen nicht
überschreiten: bei einer Entfernung bis zu
150 lanikm 1 Tag, bei größeren Entfern-
ungen für weitere angefangene je 300 TsLuikm
1 weiteren Tag. Der Lauf der Lieferfrist ruht
für die Dauer des Aufenthalts auf den Tränk-
stationen und für die Dauer der ärztlichen
Viehbeschau.
In Belgien geschieht die Beförderung mit
jenen gemischten oder Güterzügen, die zum
mindesten 1 Stunde nach der Auflieferung
zur Beförderung abgehen und von der Ver-
waltung hierzu bestimmt worden sind. Die
Ablieferung in der Bestimmungsstation hat mit
dem gleichen oder aber mit dem nächsten
Anschlußzug zu erfolgen. Kann die Beför-
derung zum Bestimmungsort nicht mit dem
gleichen Zug vor sich gehen, mit dem
die Viehsendung von der Aufgabsstation ab-
rollte, so wird sie, wenn es die Regelmäßig-
keit des Dienstes erheischt, im Lauf auf-
gehalten und selbst im Fall des Zusammen-
treffens mit dem früheren, doch erst mit dem
darauffolgenden Anschlußzug befördert.
In Italien werden berechnet für je an-
gefangene 225 km 24 Stunden, für jeden Über-
gang von Bahn zu Bahn 8, und für jeden
Übergang über eine Strecke mit Neigungen über
20<"oo 6 Stunden.
In Rußland ist für Großxieh eine Trans-
portfrist von 24 Stunden für je 250 Werst
nebst einer Sstündigen Manipulationsfrist für
jede Übergangsstation bestimmt. Bei Klein-
vieh werden für je 200 Werst 24 Stunden,
für die Abbeförderung ebenfalls 24 Stunden
und für jeden Übergang von Bahn zu Bahn
8 Stunden gerechnet.
In Amerika (Leyen, Amerikanische Eisen-
bahnen, S. 260) ist die Zusicherung des Ein-
haltens bestimmter Lieferfristen verboten.
Was die Haftung für Versäumnis der Liefer-
frist betrifft, so gelten hierfür sowohl in den
einzelnen Staaten als auch nach dem inter-
nationalen Übereinkommen über den Eisen-
bahnfrachtverkehr dieselben Bestimmungen wie
für Güter überhaupt.
Tierbeförderung. ~ Tiertarife.
329
7. Haftung für Verlust und Beschä-
digung. In Österreich, Deutschland, der
Schweiz, Belgien, Italien, Rußland und
nach dem lÜ. richtet sich die Haftung nach
den Bestimmungen über die Beförderung von
Gütern (s. Frachtrecht), jedoch haftet die Eisen-
bahn nicht für den Schaden, der aus der
mit der Beförderung lebender Tiere verbundenen
besonderen Gefahr entstanden ist, sowie für
den Schaden, dessen Abwendung durch die
Begleitung bezweckt wird, u. zw. wird bis zum
Nachweis des Gegenteils vermutet, daß der
Schaden aus der betreffenden Gefahr wirklich
entstanden ist.
Tritt Ersatzpflicht ein, so ist der Wert der
zu gründe gegangenen Tiere bzw. bei Be-
schädigung der Minderwert zu ersetzen. Bei
Deklaration des Interesses ist auch der über-
steigende Schaden zu ersetzen.
In den Niederlanden gelten ebenfalls die
vorstehenden Haftungsbeschränkungen bei Ver-
lust eines Tieres. Mangels einer Wertversicherung
werden die folgenden Beträge als Höchst-
entschädigungssätze gezahlt: 300 fl. für ein
Pferd, 125 fl. für einen Mastochsen, 12 fl. für
ein Kalb, 90 fl. für jedes andere Stück Groß-
vieh, 36 fl. für ein Mastschwein, 15 fl. für ein
mageres Schwein, 4 fl. für ein Spanferkel, 7 fl.
für ein Schaf oder eine Ziege, 4 fl. für einen
Hund, endlich 36 fl. für 100 kg sonstiger Tiere.
Ist Wertangabe erfolgt, so ist neben dem
tarifmäßigen Beförderungspreis ein Zuschlag
zu bezahlen, der lo/gg der ganzen deklarierten
Summe für jede angefangenen 150 km der
ganzen Strecke und mindestens 20 Ct. beträgt.
In Frankreich ist die Haftung auf 5000 Fr.
f. d. Stück beschränkt, wenn im Aufgabe-
schein nicht ein höherer Wert deklariert ist.
Im allgemeinen besteht in Frankreich bei
Verlust oder Beschädigung gegen die Bahn-
gesellschaften die Vermutung des Verschuldens
ebenso wie bei anderen Waren.
In England bestimmt die Railway and
Canal Traffic Act vom 10. Juli 1854, daß die
Bahnen für den Verlust von Pferden und Vieh
während der Beförderung nicht über gewisse
Beträge (bei Pferden z. B. nicht über 50 Pfund
Sterling f. d. Stück) haften sollen, ausgenommen
es würde eine angemessene Versicherungs-
prämie dafür gezahlt.
Aber auch diese enthebt den Eigentümer
der Sendung nicht vom Nachweis der Höhe
seines Schadens. Weiters bestimmt obiges Ge-
setz, daß die Eisenbahnen bei Vieh- und Pferde-
sendungen für Schäden, die durch Nach-
lässigkeit ihrer Organe entstehen, zu haften
haben, und Bedingungen, die diese Haftpflicht
ausschließen, nichtig seien, wobei Bedingungen,
die das Gesetz für gerecht und angemessen
findet, nicht eingeschlossen sein sollen.
In Amerika lehnen die Bahnen jede Haf-
tung, insbesondere für Ersticken des Viehs oder
für Beschädigungen, die die Tiere einander
zufügen, ab.
8. Beförderung wilder Tiere (Mena-
gerien). Diesbezüglich bestimmt § 44 der
deutschen Verkehrsordnung und des öster-
reichisch-ungarischen BR., daß die Eisen-
bahn zur Beförderung wilder Tiere nur bei
Beachtung der im Interesse der Sicherheit vor-
zuschreibenden Bedingungen verpflichtet ist.
Die Bedingungen bezwecken die Sicherstellung
einer solchen Verpackung oder Verladung, daß
die Gefahr einer Beschädigung von Personen,
Tieren oder Gütern ausgeschlossen ist.
Ähnliche Bestimmungen gelten auch in
anderen Staaten. In der Schweiz finden auf
die Beförderung wilder Tiere — wenn solcher
übernommen wird, wozu die Bahnverwaltungen
nicht verpflichtet sind — die Bestimmungen des
„Reglements und Tarifs für die Beförderung
von im Tarif für lebende Tiere nicht benannten
— auch wilden Tiere — sowie von ganzen
Menagerien auf den schweizerischen Bahnen"
Anwendung, bzw. ist eine besondere Verstän-
digung mit der Bahnverwaltung erforderlich.
In Belgien werden wilde Tiere nur in
festen, gut verschlossenen Kisten zur Beförde-
rung angenommen, und behält sich die Ver-
waltung ebenfalls das Recht vor, die Beför-
derung zurückzuweisen.
In Italien werden wilde Tiere nur in festen
Eisenkäfigen übernommen ; sie müssen von
den Eigentümern oder Aufsehern begleitet sein
und muß auf der Abgangsstation der Erlaubnis-
schein der Sicherheitsbehörde beigebracht wer-
den. Die Beförderung geschieht auf Gefahr
des Versenders, u. zw. mit Güterzügen, aus-
nahmsweise mit gemischten Zügen, falls auf
einer Linie keine Güterzüge verkehren. Der
Versender hat Seile, Ketten und was sonst zur
Befestigung der die wilden Tiere enthaltenden
Käfige oder Fuhrwerke nötig ist, beizustellen.
Tiertarife regeln die Beförderungspreise
und Beförderungsbedingungen für lebendeTiere.
Als Tiere gelten im allgemeinen Pferde, auch
Ponies, Großvieh (Rindvieh, Maultiere, Esel,
Fohlen u. dgl.), Kleinvieh (Schweine, Kälber,
Schafe, Ziegen, Hunde, Gänse u. s. w.). Tari-
farisch gehören Tiere zu den niedrig tarifieren-
den Beförderungsgegenständen, denn die Tier-
frachten entsprechen z. B. in Deutschland un-
gefähr den Sätzen des Spezialtarifs III und des
Rohstofftarifs, sind also im Verhältnis zum Wert
des Gutes sehr gering. Ihre durchschnittliche
Höhe wird noch wesentlich heruntergedrückt
330
Tiertarife.
durch die zahlreichen Ermäßigungen für Zucht-
tiere und Weidetiere und die frachtfreie Rück-
beförderung der Tiere von Ausstellungen, die
stets zugleich als iVlärkte dienen. Demgegen-
über sind die Selbstkosten der Eisenbahn in-
folge der raschen Beförderung hoch. Für die
Berechnung der Tierfrachten können die ge-
läufigen Grundsätze der Gütertarife nicht An-
wendung finden, vielmehr wird in den ein-
zelnen Ländern ganz verschieden verfahren
und ein im wesentlichen einheitliches Tarif-
system ist nicht vorhanden. Deutschland, Däne-
mark, Frankreich und die Niederlande legen
der Frachtberechnung die Ladefläche des be-
nutzten Wagens zu gründe, Österreich-Ungarn
daneben beim Zuchtvieh die Stückzahl der
benutzen Wagen und Ungarn z. T. das Ge-
wicht der Tiere; Belgien, Norwegen, Schweden
gehen von der Stückzahl der Tiere aus. Die
Schweiz und Rumänien lassen die Stückzahl
der benutzten Wagen entscheiden, ebenso Ruß-
land bei Pferden, während es im übrigen die
Fracht nach der Stückzahl der Tiere berechnet;
England legt bei Pferden die Stückzahl, bei
Groß- und Kleinvieh die Länge des benutzten
Wagens, Italien das Ladegewicht des benutzten
Wagens und die Vereinigten Staaten das Ge-
wicht der Tiere der Frachtberechnung zu gründe.
Jedes dieser Tarifsysteme hat seine Vorzüge
und seine Nachteile; seine praktische Durch-
führbarkeit hängt vielfach von Handelsgewohn-
heiten und Rücksichten auf die Landwirtschaft
ab. Die Mängel, die den einzelnen Systemen
anhaften, sind wohl erkannt, indes eine all-
gemein befriedigende, den Interessen der Ver-
sender, Empfänger und der Eisenbahn in
gleichem Maße gerecht werdende Lösung ist
trotz vielfacher Versuche bisher nicht gefunden.
1. Bei der Frachtberechnung nach dem Ge-
wicht ist zu unterscheiden, ob ihr das wirk-
liche Gewicht oder ein Normalgewicht zu
gründe gelegt werden soll.
1. Die Frachtberechnung nach dem wirk-
lichen Gewicht sichert eine gleichmäßige
Behandlung der Verfrachter, fördert die Inter-
essen an der Gestellung großer Wagen und
vermeidet den Anreiz zum Zusammendrängen
der Tiere; sie setzt voraus, daß ein Handel
nach Gewicht besteht, was nicht überall der
Fall ist; ferner, daß geeignete Wägevorrich-
tungen auf allen Stationen vorhanden sind. Sie
führt aber zur Verlangsamung der Beförde-
rungen, sowohl bei Einzeltieren, die sich häufig
nicht ohne Widerstand zur Wage führen lassen,
als auch bei ganzen Wagenladungen, für deren
Verbringung nach und von der Gleiswage nicht
immer Verschiebeniaschinen zur Verfügung
stehen werden; Zugverspätungen, Anschluß-
versäumnisse, Verschlechterung des Wagen-
umlaufs, Nachteile für die Tiere selbst sind
die unausbleiblichen Folgen. Zur Verminde-
rung des Gewichts werden die Tiere ohne
vorherige Fütterung und Tränkung verladen
und das Fleisch wird schließlich infolge der
ungleichen Fleischausbeute auch ungleichmäßig
mit Fracht belastet. Eine gerechte Durchführung
des Gewichtssystems nach Lebendgewicht wird
wegen der Sperrigkeit der Tiere die Fläche
bei der der Station obliegenden Auswahl des
Wagens nicht außer Betracht lassen dürfen,
da es auch erforderlich sein wird, eine be-
stimmte Höchstzahl der in einen Wagen zu
verladenden Stücke festzusetzen, um Fracht-
ungleichheiten und Bevorzugungen vorzu-
beugen, die sich aus der Verladung einer
größeren Stückzahl in Wagen mit besonders
großem Laderaum ergeben.
2. Das Normalgewichtssystem vermei-
det die Nachteile des Lebendgewichtsystems
und besitzt dessen Vorteile, wenn die Normal-
gewichte verschiedener Tierarten so niedrig
gegriffen werden, daß sich hiernach fast regel-
mäßig die billigsten Frachten ergeben. Dieses
System ist in Österreich neben der Frachtbe-
rechnung nach der Ladefläche fakultativ zu-
gelassen. Gegen die Feststellung solcher Nor-
malgewichte kann eingewendet werden, daß
für Gebiete, die nach ihrer geschichtlichen Ent-
wicklung volkswirtschaftlich nicht zu eng ver-
knüpft, räumlich weit ausgedehnt, landwirt-
schaftlich anders geartet sind, die Festsetzung
verschiedener Normalgewichte notwendig sein
wird. Dieses erschwert oder macht die Her-
stellung direkter Tarife so gut wie unmöglich.
Das Interesse der Verfrachter an der Gestellung
großer Wagen führt leicht zu dem Nachteil
ungünstiger Wagenausnutzung. Auch wird
Magervieh für dasselbe Gewicht frachtpflichtig
wie Schlachtvieh, was volkswirtschaftlich nicht
gerechtfertigt ist.
II. Bei der Frachtberechnung nachderStück-
zah! kann eine Normalstückfracht oder eine
Staffelung der Stücksätze in Frage kommen.
Die erstere Berechnungsart bezweckt die Be-
rechnung der Fracht nur nach der Stückzahl
der verladenen Tiere. Inhaltlich gibt sie hier-
mit alle Vorteile des Wagenraumsystems auf,
das Interesse der Versender an der Gestellung
und Ausnutzung ganzer Wagen geht verloren,
ein erhöhter Wagenbedarf ist die unausbleib-
liche Folge. Sie erfordert auch eine Tierklassifi-
kation, ohne die Sicherheit einer in allen Fällen
gleichen und gerechten Frachtbelastung zu
bieten.
Eine Staffelung der Stücksätze hat zur Vor-
aussetzung, daß die auf den m- entfallende
Tiertarife. - Töchterhorte.
331
Zahl der einzelnen Tiere annähernd gleich ist
und daß die als Norm festzusetzenden Durch-
schnittsziffern den tatsächlichen Verhältnissen
im einzelnen Fall nicht wesentlich widersprechen.
Das ist aber nach allen Erfahrungen auf diesem
Gebiet nicht der Fall.
III. Die Frachtberechnung nach der Lade-
fläche des benutzten Wagens kommt dem
im Gütertarif aufgestellten Grundsatz hinsicht-
lich der nach dem Ladegewicht tarifierenden
Güter am nächsten; bestmögliche Wagenaus-
nutzung und deshalb Verringerung des Wagen-
bedarfs und der Beförderungskosten sind die
anerkannten Vorzüge dieses Systems, das kaum
zu ernsteren Beanstandungen Veranlassung
geben würde, wenn der Wagenpark der Eisen-
bahnen aus Wagen mit einer einheitlichen
Ladefläche bestände. Das trifft aber nicht zu.
Deswegen bewegen sich die Klagen gegen
dieses System vornehmlich in folgender Rich-
tung: es sei ungerecht, weil es Zahlung für
eine nicht gewünschte Leistung verlange; es
behandle die Versender ungleichmäßig, indem
dem einen der verlangte Wagen gestellt würde,
dem andern nicht; die Frachtberechnung nach
der Ladefläche sei auch wirtschaftlich verfehlt,
weil sie die verschiedenen Tierarten nicht im
gleichen Verhältnis zu ihrem Wert belastet.
Hierzu ist zu bemerken, daß die Frachtver-
teuerung, die für kleinere Sendungen durch den
Übergang zu größeren Wagen eintritt, ein
Vorgang ist, mit dem die Interessenten wenig-
stens bei niedrig tarifierten Beförderungs-
gegenständen sich abfinden müssen, wenn an-
ders nicht die wirtschaftlichen Vorteile der
Vergrößerung der Wagen verloren gehen sollen.
In dieser Hinsicht liegt die Sache beim Über-
gang zu größeren Ladeflächen im Tierverkehr
genau so wie beim Übergang zu größeren
Ladegewichten im Güterverkehr. Die Ver-
größerung des Laderaums und Ladegewichts
in Verbindung mit den Tarifvorschriften über
die Berechnung der Fracht nach Ladefläche
oder Ladegewicht ermöglicht allein eine gute
Ausnutzung der Wagen und damit die mög-
lichste Verbüligung der aus der Vorhaltung
der Wagen entstehenden Kosten und der Be-
förderungskosten. Für den Güterverkehr ist
auch infolgedessen die Beschaffung der Wagen
mit niedrigem Ladegewicht im allgemeinen
aufgegeben.
Es hat nicht an Versuchen gefehlt, im Rahmen
dieses Systems Unterarten zu schaffen, die
die Härten ausgleichen und die Mängel be-
heben sollen; indessen auch diesen ist der
praktische Erfolg versagt geblieben.
Über die Einzelheiten der T. s. Gütertarife.
Grunow.
Tilgung s. Anleihen.
Töchterhorte. Der Eisenbahn-Töchterhort
der vereinigten preußischen und hessischen
Staatseisenbahnen und der Reichseisenbahnen
ist eine im Jahre 1902 errichtete Stiftung mit
dem Sitz in Berlin, deren Zweck es ist, un-
verheirateten Töchtern verstorbener Beamten
und Arbeiter dieser Eisenbahnverwaltungen
im Fall der Hilfsbedürftigkeit und Würdigkeit,
insbesondere zur Ausbildung und Förderung
ihrer Erwerbsfähigkeit Beihilfen zu gewähren.
Ihr Bestreben ist es, den gesetzlichen Fürsorge-
einrichtungen des Staates und den Hilfsfonds
der Eisenbahnverwaltung helfend zur Seite zu
treten. Vorübergehende Notlagen sucht sie durch
einmalige Geldunterstützungen zu beseitigen,
bei dauernder Bedürftigkeit durch fortlaufende
Zuwendungen zu helfen. Schwächliche oder
kränkliche Kinder sendet sie in Bäder und
Ferienkolonien. Vor allen Dingen aber greift sie
da ein, wo es den Waisen an der nötigen Er-
ziehung im Elternhaus und an der Möglichkeit
zur Ausbildung für einen Beruf fehlt. Auch will
sie Waisen, die alleinstehend im Alter keinen
eigenen Herd besitzen, Unterkunft gewähren.
Die Organe der Stiftung sind ein Hauptausschuß
in Berlin und 23 Bezirksausschüsse, je einer für die
Direktionsbezirke und das Zentralamt der preußisch-
hessischen Staatseisenbahnen und für die Reichseisen-
bahnen in Elsaß-Lothringen. Zur Unterstützung der
Bezirksausschüsse sind Vertrauensmäinier an allen
Orten, wo Eisenbahner Dienst tun, und nach Bedarf
Ortsausschüsse eingerichtet. An der Spitze steht ein
Aufsichtsrat. Sämtliche Verwaltungsämter, in denen
höhere, mittlere und untere Beamte, Hilfsbeamte,
Handwerker und Arbeiter vertreten sind, werden
unentgeltlich wahrgenommen, wie überhaupt die
Verwahungskosten auf das geringste Maß herab-
gemindert sind.
Die Stiftung besitzt ein eigenes Töchterheim, das
Christianenheim in Erfurt. Dieses Heim kann in
112 Wohn- und Schlafräumen 239 Waisen aufnehmen.
Entsprechend seiner Zweckbestimmung ist das Heim
in 3 Abteilungen, das Kinderheim, das Zöglingsheim
und das Pfleglingsheim eingeteilt, in dem Kinderheim
werden die zur Waisenpflege aufgenommenen Waisen-
kinder im Alter von 5 -1d Jahren untergebracht. Das
Zöglingsheim beherbergt die zur vorübergehenden
Aufnahme zwecks Ausbildung für einen Beruf be-
stimmten Zöglinge. Das Pfleghngsheim dient der
dauernden Versorgung erwerbsunfähiger oder erwerbs-
beschränkter Waisen. Die Räume sind so angeordnet,
daß die Waisenkinder, Zöghnge und Pfleglinge
möglichst getrennt wohnen, schlafen und essen. Für
jeden Pflegling ist ein Wohn- und Schlafzimmer
vorhanden, während die Kinder und Zöglinge in
mehreren Schlafsälen und mehreren Wohnzimmern
zu etwa 5 Personen untergebracht sind. Zur all-
gemeinen Benutzung dienen Speisezimmer, Bade-
einrichtung, Bücherei und Musikzimmer sowie Turn-
und Spielräume. Die Verwaltung desChristianenheims
ist dahin geregelt, daß unter der Leitung des Haupt-
ausschusses und der ständigen Mitwirkung des
Bezirksausschusses in Erfurt der gesamte Verwaltungs-
körper der Stiftung daran teilnimmt. Daneben ist ein
Erziehungsbeirat mit dem Sitz in Erfurt eingerichtet,
332
Töchterhorte. - Togo.
der sich aus Männern und Frauen beider christlicher
Konfessionen zusammensetzt.
Zwecks Erziehung von Waisentöchtern zur prak-
tischen Arbeit in der Haus-, Feld- und Garten-
wirtschaft, zur Ausbildung geeigneter Bewerberinnen
zu ländlichen Dienstboten sowie zur Versorgung des
Christianenheimsmit Lebensmitteln besitzt die Stiftung
eine eigene Meierei, den „Aschenhof", dernichtfern von
Erfurt inmitten des Thüringer Waldes liegt.
Von den Gesamtaufwendungen der Stiftung
entfallen auf Töchter von Unterbeamten und
Arbeitern etwa 67% der Unterstützungsfälle
und etwa 56 % der Ausgaben, Wcährend der
Anteil dieser Kreise an den Einnahmen nur
annähernd 50% beträgt.
Die bedeutendste Einnahmsquelle ist die
regelmäßige Sammlung unter den Beamten und
Arbeitern der Staats- und Reichseisenbahnver-
waltung. Auf diesem Weg ist der Grundstock
gesammelt und auf gleichem Weg sind durch
laufende und einmalige Beträge sehr erheb-
liche Summen beschafft. Wertvolle Unterstüt-
zung leisten die bei den Staats- und Reichs-
eisenbahnen bestehenden allgemeinen Eisen-
bahnvereine sowie die Fachvereine der Beamten.
Von besonderen Einnahmen verdienen hervor-
gehoben zu werden: der Reinertrag eines vom
Vorsitzenden des Aufsichtsrats Ministerialdirektor
Hoff verfaßten Werkchens „Eisenbahn-Töchter-
hort" und das Ergebnisdes Vertriebs eines Kriegs-
andenkens. Bis Ende 1917 sind überö Mill. M. ein-
gekommen, von denen über 2 Mill.M. für Zwecke
der Stiftung verausgabt sind. Hausmann.
Tößtalbahn (Schweiz). Sie verdankt ihre
Entstehung der Anregung und dem Opfer-
sinn der fast ausschließlich auf die Industrie
angewiesenen Gemeinden des Tößtals und der
als Ausgangspunkt der Linie mitinteressierten
Stadt Winterthur.
Ursprünglich Teil einer von Waldshut nach
dem oberen Zürichsee geplanten Transitlinie,
wurde schließlich das Stück von Winterthur bis
Bauma als selbständige Unternehmung ver-
wirklicht. Als 1870- 1875 der Bau einer Ver-
bindungslinie von Rappersweil nach Pfäffikon
begonnen und auch von Rüti gegen Wald
eine Bahnlinie hergestellt wurde, gaben die
Interessenten der zwischen Bauma imd Wald
gelegenen Ortschaften die Anregung zur Er-
stellung des zweiten Teiles der T., des kurzen
Zwischenstücks Bauma-Wald, und es gelang
mit Aufbietung aller Kräfte von Gemeinden und
Privaten, die nötigen Mittel zu beschaffen.
So konnte 1874 auch mit dem Bau dieser
Strecke begonnen werden, während die Linie
Winterthur-Bauma schon 1872 in Angriff
genommen worden war. Die Teilstrecke Winter-
thur-Bauma wurde 1875, die ganze Strecke
1876 eröffnet.
Die T. verläßt den Bahnhof Winterthur in
östlicher Richtung, läuft mit den nach Konstanz,
Romanshorn und St. Gallen ausgehenden Linien
auf etwa 2 km parallel und erreicht bei km 2-5
ihre erste eigene Station Grüze.
Von hier zieht sich die Linie in südöstlicher
Richtung gegen das Dorf Seen und erreicht
bei Sennhof das eigentliche Tößtal. Bei der
Ortschaft Steg verläßt sie das Tößtal, um sich
wieder in südlicher Richtung gegen Wald,
ihre Endstation, hinzuziehen.
Die Betriebslänge ist 40 km, die Höchststeigung
30%o, der kleinste Bogenhalbmesser 215 m.
Die gesamten Baukosten haben Ende 1915
8,422.010 Fr., auf 1 km 214.990 Fr. betragen.
Die Gesamteinnahmen erreichten im |ahre 1913
629.836 Fr., auf 1 km 15.746 Fr., die Gesamt-
ausgaben 551.543 Fr., auf 1 km 13.789 Fr.
Mit dem Bundesrat wurde am 29. Septem-
ber/12. Oktober 1917 ein Vertrag betreffend
Verstaatlichung zum Preis von 2'/2 Mill. Fr.
und Entschädigung der vorhandenen Vorräte
und Ersatzstücke abgeschlossen. Die stände-
rätliche Kommission für den freihändigen
Rückkauf der T. und der Wald -Rüti -Bahn
beschloß einstimmig das Eintreten auf die
Vorlage. Mit 1. Oktober 1918 ist die T. in den
Besitz der S. B. B. übergangen. Dietler.
Toggenburger Bahn (Schweiz), jetzt Linie
der Schweizer Bundesbahnen, zweigt auf der
Station Wyl vom Netz der Bundesbahnen ab.
Sie ist eine unter schwierigen Verhältnissen
durch einsichtig geleitete und beharrlich fort-
gesetzte Anstrengungen der beteiligten Be-
völkerung ins Leben gerufene Unternehmung.
Ihre Begründung geht in das Jahr 1856 zurück,
in welchem Jahr die Linie St. Gallen-Wyi zur
Eröffnung kam. Infolgedessen faßte in Walwyl
eine Anzahl von Männern den Entschluß, die
nötigen Schritte zur Herstellung der T. einzu-
leiten. Diese Beschlußfassung wurde durch eine
Aktienbeteiligung des Kantons St. Gallen in der
Höhe von 2Y, Mill. Fr. und die Zeichnung des
restlichen Kapitals von 1 Yj Mi"- Fr. seitens der
Gemeinden und Privaten ermöglicht.
Die T. wurde am 24. Juni 1870 dem Betrieb
übergeben. Durch Vertrag vom 7. Oktober 1901
ging die T. in das Eigentum der Vereinigten
Schweizer Bahnen und mit diesen am 30. Juni
1902 gegen Anrechnung des Vertragswertes
von 2^'^ Mill. Fr. in dasjenige des Bundes über.
Literatur: Schweizer, Das Werden der Toggen-
burger Bahn. St. Gallen 1870. Dietler.
Togo. Das deutsche Schutzgebiet T.,
87.200 km'^ mit rd. 1 Mill. Einwohnern, ist
wegen seiner begrenzten Küstenausdehnung und
seiner Lage zwischen 2 fremden Nachbarländern
bei geringer Breite — durchschnittlich etwa
Togo.
333
\75 km - und großer Ausdehnung in das
Hinterland - 560 km — geographisch sehr
ungünstig zugeschnitten. Dabei ist es aber, mit
einer Bevölkerung von 11-45 (Bezirk Anecho
sogar 44) Seelen auf 1 km~, das am dichtesten
bevölkerte der deutschen afrikanischen Schutz-
gebiete und bietet wegen seines offenen Ge-
ländes für den Eisenbahnbau günstige Vorbe-
dingungen. Die friedliebende, fleißige Bevöl-
kerung hat sich als besonders willig und be-
fähigt zu den Eisenbahnarbeiten erwiesen, so
daß die Arbeiterfrage keine Schwierigkeiten
machte.
Die Erschließung des Schutzgebiets durch
eine bis an die Nordgrenze vordringende
Stammbahn bleibt eine Aufgabe der Zu-
kunft. Es gelang noch nicht, die Bahn zu
finanzieren.
l.Die erste Eisenbahn war die Küstenbahn
von Lome nach Anecho. Zur Verbesserung
des durch die schwere Brandung gefährdeten
Landungsbetriebs in Lome wurde 1S9S der
Bau einer eisernen Landungsbrücke und der
Plan einer Bahn von Lome nach Anecho ins
Auge gefaßt; dadurch gewann man die Mög-
lichkeit, die Reede von Anecho zu sperren
und den Zollverkehr des Schutzgebiets in Lome
zu vereinigen. Nachdem der Brückenbau im
März 1904 vollendet war, wurde der Bahnbau
der Aktiengesellschaft Augsburg- Nürnberg
übertragen. Die Mittel von 1,1 20.000 M. wurden
etatsmäßig bewilligt. Die Spurweite wurde auf
1 m festgesetzt. Der Bahnbau im Küstengebiet
bot keine Schwierigkeiten, Erdarbeiten und
Kunstbauten waren nur in geringem Umfang
erforderlich; die niedrigen Baukosten, rd.
26.100 M!km, finden hierin ihre Erklärung.
Die wichtigsten Zwischenstationen sind Bagida
nebst Vorwerk, Porto Seguro und Kpeme. Die
Bahn hat sehr günstige Linienverhältnisse,
größte Steigung 1:800, kleinsten Bogenhalb-
messer 300 m. Sie wurde in 44 km Länge am
18. Juli 1905 dem Verkehr übergeben, gleich-
zeitig die Reede von Anecho gesperrt. Die
Baugesellschaft m. b. H. Lenz & Co., Berlin,
übernahm den Betrieb und vereinigte damit
später den Betrieb der anderen Bahnen des
Schutzgebiets.
2. Die Inlandbahn Lome-Palime.
1902 machte das kolonialwirtschaftliche Komitee
in Berlin die Vorarbeiten; der Bahnbau wurde
1904 genehmigt und das Reich gewährte dem
Schutzgebiet die Mittel, 7'8 Mill. M., in Form
eines mit 372^« zu verzinsenden Darlehens.
Der Bahnbau in Meterspur wurde der Firma
Lenz & Co. übertragen, September 1904 be-
gonnen und 1907 vollendet, die 119 Am lange
Bahn am 27. Januar 1907 dem Verkehr über-
geben. Stärkste Steigung landwärts 1:60,
küstenwärts (Ausfuhr) 1:100.
Die Bahn verläßt Lome in nördlicher Rich-
tung und folgt im wesentlichen der nordwest-
lichen Richtung des Straßenzugs nach Palime;
wichtigste Zwischenstationen Noepe, -ßadja,
Assahun, Gadja und Agu.
Südlich Gadja umfährt die Bahn das wert-
volle Pflanzungsgebiet des Agubergs und er-
reicht in Agu auf 246/« Seehöhe ihren höchsten
Punkt. Der Betrieb wurde am 1. April 1908
mit dem der Küstenbahn und Landungsbrücke
in Lome auf 12 Jahre verpachtet. Die Züge
werden von Palime über Lome nach Anecho
und umgekehrt durchgeführt.
3. Die Hinterlandbahn Lome-Atak-
pame. Ihr Bau war in der Kolonialbahnvorlage
von 1908 enthalten. Die der Westgrenze des
Schutzgebiets zustrebende Bahn Lome-Palime
genügt nicht, um dieses in seinem mittleren
und nördlichen Teil zu erschließen. Hier war
eine Bahn notwendig, die die Mitte des Schutz-
gebiets von Süd nach Nord durchschneidet,
das Rückgrat des Verkehrs bildet und seitlich
anschließende Straßen oder Stichbahnen als Zu-
bringer aufnimmt. Zunächst wurden nur die
Mittel in Höhe von 11 -2 Mill. M. für rd. \65 km
Baulänge (68.000 M/km) bisAtakpame bewilligt.
Der Bau wurde derBetriebspächterin der Schutz-
gebietsbahnen übertragen und im allgemeinen
bis zum 1. April 1911, die etwas steilere
Reststrecke Agbonu-Atakpame am 2. Mai 1913
vollendet. Die Linie zweigt bei km 2'7 von
der Bahn Lome-Palime ab und verläuft in
nördlicher Richtung; der Bau bot keine be-
sonderen Schwierigkeiten. Da zahlreiche von
Nordwest nach Südost gerichtete Wasserläufe
die Bahnlinie schneiden, so war eine Anzahl
verlorener Steigungen und Gefälle — über etwa
8 höhere Rücken — nicht zu umgehen. Kleine
Zwischenstationen sind Tsewie, Agbeluvhoe
und Nuatjä.
Von Agbonu steigt die Bahn auf 4'6 km
bis zur Endstation Atakpame mit Steigungen
bis zu 1:50 und Krümmungen bis zu 200 m
Halbmesser und endigt mit \b7 km Gesamt-
länge auf 329 m Meereshöhe.
Am 1. April 1911 wurde die Bahn in den
Pachtvertrag einbezogen und der Mindest-
pachtzins von 306.500 auf 523.000 M. jährlich
erhöht.
Der Oberbau der Togobahnen verwendet
für einen Raddruck von 35 — 4/ eine Schiene
von 20 kg metrischen Gewichts und 10 m
Länge auf 12, in Krümmungen, deren Halb-
messer kleiner als 300 m ist, auf 13 eisernen
trogförmigen Querschwellen. Die Bahnen
sind mit Fernsprechdoppelleitung aus Bronze-
334
Togo. - Toledo St. Louis and Western Railroad Company.
draht ausgerüstet; zum Schutz der Wegüber-
gänge sind Läutetafeln aufgestellt. An Fahr-
zeugen waren am Schluß des Rechnungsjahrs
1913 vorhanden: 16 Lokomotiven, 15 Personen-
wagen, 5 vereinigte Post- und Gepäckwagen,
70 bedeckte und 132 offene Güterwagen.
Infolge des Weltkriegs fand der Eisenbahn-
betrieb am 4. August 1914 sein Ende.
i.
Rechnungsjahr 1913
Küstenbahn
Inlandbahn
Hinterlandbahn
[ Landungsbrücke Verkehrsanlagen
in Lome im ganzen
Betriebslänge km
Einnahmen :
Personenverkehr M.
Güterverkehr «
Tierverkehr »
Sonstige Quellen ■>
Qesamteinnahme . M.
Betriebsausgaben „
Betriebszahl '/o
Betriebsüberschuß jM.
Befördert :
Personen
Pkni
Gütern
tkm
ZugÄm
Anlagekapital Mill. M.
Der Betriebsüberschuß verzinst das
Anlagekapital mit >
44
73.370
22.930
612
5.782
IIQ
113.383
250.949
553
16.186
167
82.018
263.622
614
28.695
12.266
280.002
199
1.348
102.714
78.094
76
24.620
69.977
2,371.130
6.906
292.536
29.128
1.150
2-14
381,073
165.419
43-4
215.654
68.004
3,509.250
13.261
952.392
55.346
7.190
30
374.949
229.033
61 1
145.916
40.768
2,429.090
12.720
1,158.981
63.301
10.350
1-41
293.815
179.019
60-9
114.796
2.957
32.497
1.870
6-15
1,152.551
651.565
56-5
500.986
Obwohl das Jahr 1913 unter den sinkenden
Preisen des Produktionsmarkts zu leiden hatte
und ungünstiger war als das Vorjahr, so
ergibt sich doch eine wenn auch niedrige
Verzinsung des Anlagekapitals. Baltzer.
Toledo St. Louis and Western Railroad
Company von Toledo (Ohio) nach St. Louis
(Illinois) 767 km, Freibrief des Staates Indiana
vom 5. Juli 1900.
Die Bahn gewann erst größere Bedeutung
dadurch, daß sie im August 1907 die .Mehr-
heit der Aktien der am 8. März 1906 kon-
zessionierten Chicago and AI ton- Eisen-
bahn (1661 km) erwarb und seitdem die
Kontrolle über diese Bahn ausübt. Eine Ver-
schmelzung der beiden Bahnen hat bisher
nicht stattgefunden, auch wird jede Bahn formell
besonders verwaltet. Durch die Chicago and
Alton-Bahn erhält die T. weitere Ausdehnung
nach dem Westen zu (Chicago, St. Louis,
Kansas u. s. w.).
Das Anlagekapital der T. beträgt je 10 Mill.
Dollar in gewöhnlichen und Vorzugsaktien und
28,477.000 Dollar in Obligationen. Die Ver-
kehrs- und Finanzverhältnisse sind in der
folgenden Tabelle zusammengestellt:
1906
1910
1911
1912
1913
Beförderte Personen
Beförderte Güter
t
Einnahmen
Ausgaben
L'berschuß
Dollar
672.600
692.156
664.497
623.087
492.236
3,041.448
3,240.531
3,443.760
3,186.952
3,502.205
4,205.051
3,772.631
3,777.677
3,865.229
4,335.167
3,016.026
2,385.772
2,608.013
2,665 858
2,900.257
1,189.025
1,386.874
1,169.664
1,199.371
1,434.910
Nach Abzug der Zinsen, Renten, Steuern
u.s. w.haben diejahre 1 906, 1910 und 1913 einen
geringen Überschuß abgeworfen, während die
Jahre 1 9 1 1 und 1 9 1 2 einen Fehlbetrag aufweisen.
Die gewöhnlichen Akiien haben überhaupt keine
Dividende, die Vorzugsaktien eine solche von
4% nur in den Jahren 1910 und 1911 erhalten.
Das Anlagekapital der Chicago and Alton-
Eisenbahn besteht aus 43,659.300 Dollar
in Aktien und rd. 90 .Will. Dollar in Obliga-
tionen.
Nach Abzug von Renten, Zinsen, Steuern
u. s. w. schließen die Jahre 1910-1913 mit
einem Fehlbetrag ab. Auf die Vorzugsaktien
sind früher Dividenden von 1-4*^ bezahlt.
Seit 1911 haben die Dividendenzahlungen bei
den Vorzugs- und den gewöhnlichen Aktien
aufgehört. v. der Leyen.
Toledo St. Louis and Western Railroad Company. - Tränkungsverfahren.
Verkehr und Finanzen.
335
!^
Beförderte Personen
Beförderte Güter
Einnatimen
Ausgaben
Oberschuß
/
Dollar
igo6
3,109.318
6,812.469
11,586.095
7,818.904
3,767.191
1910
3,833.022
8,511.682
13,358.475
8,640.207
4,718.868
1911
3,781.436
9,484.618
14,592.519
10,446.636
4,145.883
1912
3,823.772
10,123.710
14,535.722
10,885.200
3,650.522
1913
3,887.642
10,678.122
15,254.865
12,840.072
2,414.792
Tonnenkilometer s. Bruttotonnenkilo-
meter.
Topfwagen s. Kesselwagen.
Tote Last (Tara) s. Gütertarife unter
111. Tarifgrundlagen, 1. Raumsystem.
Totes Gewicht, Eigengewicht der Betriebs-
mittel im Gegensatz zu ihrer Nutzlast (s. d.).
Tränkungsverfahren (impregnation, wood
preservation, antiseptic treatment; impregnation,
imbibition, injection; conservazione legno, inie-
zione).
Verfahren, um aus dem Holz mittels Durch-
tränkung desselben mit fäulniswidrigen Stoffen
den Pflanzensaft zu entfernen und dadurch die
Lebensdauer der Hölzer zu erhöhen.
Holz wird im Eisenbahnwesen hauptsächlich
verwendet zur Stützung, für Schwellen und
Masten, im Brückenbau sowie zum Ge-
rippe und zur inneren Einrichtung der
Fahrzeuge.
Inhaltsübersicht: A. T. für Eisenbahnhölzer.
— B. Anwendungsgebiete für Eisenbahnhölzer;!. Höl-
zerne Eisenbahn-Querschwellen, 1. Verbreitung in ver-
schiedenen Ländern, 2. Tränkstoffaufnahme, 3. Liege-
dauer, 4. Tränkungskosten ; II. Hölzer für Stangen
und Leitungsmaste, 1. Rohe Stangenhölzer, 2. Fäulnis-
schutz für Stangenhölzer; III. Hölzer für Eisenbahn-
brücken; IV. Hölzer für Eisenbahnfahrzeuge. —
C. Tränkanstalten für Eisenbahnhölzer; I. Einrichtung
und Betrieb von Tränkanstalten; II. Ausgeführte
Tränkanstalten.
A. T. für Eisenbahnhölzer.
Sorgfältiges Trocknen des frischen Holzes
an der Luft oder in besonderen Trockenan-
stalten, wodurch dem Holz das Wasser entzogen
wird, erhöht seine Dauer nur wenig. Auch
läßt sich durch Eintauchen, Auslaugen,
Kochen, Dämpfen, Dörren und andere Ver-
fahren, durch die ein Teil der zersetzlichen
Stoffe beseitigt wird, nur selten eine genügende
Erhaltung der Hölzer erzielen.
Eintauchen (Verfahren von Kruskopf,
Ott und Guissani). Man legt das Holz in
die Tränkflüssigkeit hinein und läßt es längere
Zeit darin liegen. Aber je nach der Beschaffenheit
des Holzes ist das Eindringen der Tränkflüssig-
keit in das Holz so wenig tief, daß nur durch
großen Zeitaufwand bei ganz besonders hier-
für geeigneten Hölzern der gewünschte Erfolg
erreicht werden kann. Alle dicht gewachsenen
Hölzer eignen sich für dieses Verfahren wenig
oder gar nicht. Bei Anwendung des Tränkstoffs
in erhitztem Zustand ist bei dem Eintauch-
verfahren ein besseres Eindringen der Flüssig-
keit in das Holz zu erreichen; doch auch hier
wieder versagen besonders dicht gewachsene
Hölzer. Auslaugen (Wässern der Hölzer).
Hierbei werden die Hölzer in fließendes Wasser
gelegt und 1 - 2 Jahre darin liegen gelassen.
Das Wasser laugt aus dem Holz die Proto-
plasma und Eiweiß enthaltenden Zellsäfte,
die die Nahrung für holzzerstörende Pilze
bilden können. Kochen nimmt oft viele Jahre
in Anspruch, bis ein Beharrungszustand im
Holz eingetreten ist. Deshalb hat man versucht,
diesen Zustand durch Behandeln des Holzes
in kochendem Wasser mit folgender künstlicher
Trocknung schneller herbeizuführen. Bei Be-
handlung von Eichenholz erreicht man auf
diese Weise, daß Reißen, Werfen und Schwinden
des Holzes nicht mehr auftritt. Doch ist dieses
Verfahren nur im kleinen und bei wertvollem
Holz im Wagenbau anwendbar, da es bei
größeren Mengen viel zu teuer wird. Beim
Dämpfen werden die Hölzer in dicht ver-
schlossenen eisernen Kesseln mit gespannten
Wasserdämpfen behandelt Versuche der Preußi-
schen Chemischen Eisenbahn-Versuchsanstalt
haben ergeben, daß bei mehrstündiger Be-
handlung nicht zerkleinerten Holzes in Dampf
von 1V2~2 Atm. Spannung höchstens 2%
der durch langes Auskochen ausziehbaren
Stoffe ausgezogen werden können, und auch
das nicht gänzlich ohne Schädigung des Holzes.
Ein nennenswertes Heraustreiben der Säfte
aus dem Holz findet durch Dämpfen also nicht
statt. Dörren (Vulkanisieren), das von dem
Amerikaner Haskin eingeführt wurde, hat ziemlich
günstige Erfolge gehabt. Hiernach wird das
Holz in einen schmiedeeisernen Kessel gebracht,
in dem sich Dampfschlangen zum Heizen
befinden. Nach Verschluß des Kessels wird
Luft, die auf 300-500° C erhitzt ist, unter
einem Druck von 10-14 Atm. eingepreßt,
worauf unter Beibehaltung des Druckes die
Abkühlung eintritt. Durch den Druck wird
336
Tränkungsverfahren.
das Reißen des Holzes und das Verflüchtigen
der Holzfeuchtigkeit verhindert; durch die hohe
Temperatur soll das Holz an Festigkeit gewinnen.
T. ohne Anwendung eines Antisepti-
kums können also nur geringen Erfolg haben,
weil einmal die im Holz vorhandenen Pilze
dabei nicht abgetötet werden und nach Ablauf
einiger Zeit wieder aufleben können, und weil
ferner durch Bildung von Rissen Möglichkeiten
für neu von außen entstehende Pilze gebildet
■«■erden. Alle diese Verfahren, wie Trocknen,
Eintauchen, Auslaugen, Kochen, Dämpfen und
Dörren dienen heute eigentlich nur noch als
Vorbereitungsarbeiten für die Tränkung
der Hölzer. Eine größere Lebensdauer erhalten
diese erst dann, wenn sie mit fäulniswidri-
gen Stoffen behandelt werden, u. zw. müssen
die Tränkstoffe derart gewählt sein, daß sie
die Fäulniserreger töten, die schädlichen Reste
der Saftbestandteile in unlösliche Verbindungen
überführen und mit dem Wasser keine lös-
lichen Verbindungen eingehen. Zu diesem
Zweck muß sich das Antiseptikum in flüssi-
ger oder gasförmiger Form befinden, da
es in fester, unlöslicher Form nicht imstande
ist, auf den Organismus der Bazillen im Holz
einzuwirken.
Nicht jedes Holz läßt sich gleich gut durch-
tränken. Vollkommen durchtränkungsfähig ist
alles Splintholz und das farblose Kernholz der
Laubhölzer. Nicht tränkbar sind alle schon von
Natur aus mit einem Farbstoff im Kern durch-
tränkten Hölzer, sowie Hölzer mit Farben-
fehlern, d. h. mit Abweichungen von der ge-
wöhnlichen Farbe des Splint- oder Kernholzes.
Unvollkommen, doch meist noch genügend
durchtränkungsfähig ist das von Natur aus
trockene, aber farblose Kernholz der Nadel-
hölzer, z. B. der Fichten und Tannen, wobei
das viele Vorhandensein von Harz das Tränken
erschwert. Um diese Nadelhölzer für die
Tränkung geeignet zu machen, haben Halten-
berger und Berdenich (s. S. 351) ein Ver-
fahren gefunden, das darin besteht, daß man
die Hölzer (Schwellen oder Stangen) vor der
Tränkung mit Bohrmaschinen am Umfang
punktiert, d. h. mit feinen Löchern versieht.
Die ersten Holztränkungsversuche mit anti-
septischen Stoffen — abgesehen von dem bloßen
Anstreichen der Hölzer mit geeigneten Schutz-
mitteln — reichen bis zum Anfang des 18. Jahr-
hunderts zurück, u. zw. war es besonders in
England, wo bereits so früh Patente auf Mittel
zur Tränkung von Hölzern erteilt wurden.
So erhielt Emerson 1737 ein Patent für
Tränkung mit heißem Öl, das mit giftigen Stoffen
gemischt wurde; Lewis 1754 für Behandlung
des Holzes mit einem Destillat aus Teer ; J a c k s o n
1768 für Kochen des Holzes in einer Lösung
kalkhaltiger Erde oder Vitriol. Seitdem wurde
bis zum Jahre 1832 eine große Zahl von Patenten
erteilt, welche die Holztränkung betrafen und
die Vorläufer von späteren bewährten Er-
findungen waren. Unter diesen verdient besonders
ein in Oxford 1822 patentiertes V^erfabren
Beachtung, das als erstes die Anwendung eines
aus Steinkohlenteer zu destillierenden Öles
umfaßte. In das Jahr 1832 fällt das noch heute
angewendete Verfahren von Kyan, das Tränken
der Hölzer mit Quecksilbersublimat, nach dem
Erfinder mit „Kyanisieren" bezeichnet. Margary
ließ sich 1837 die Tränkung des Holzes mit
Kupfervitriol und Burnett 1838 das Tränken
mittels Zinkchlorid patentieren. Weniger bekannt
ist das Verfahren von Payne (1841), der das
Holz zunächst mit einer Eisenvitriollösung und
dann mit kohlen- oder salzsaurem Natron tränkte.
Zu erwähnen wären noch die Verfahren von
Mott aus dem Jahre 1836 und Hall aus dem
jähre 1838, von denen für die Holztränkung
Steinkohlenteeröl als wesentlich bezeichnet
wurde; doch hat erst Bethell, ebenfalls 1839,
praktisch dieselbe Theorie wie seine beiden
genannten Vorgänger genauer verfolgt, und
gilt er daher allgemein als Erfinder der Tränkung
des Holzes mit bituminösen Stoffen, namentlich
mit karbolsäurehaltigem Teeröl in eisernen,
luftdicht verschlossenen Zylindern unter starkem
Druck, ein Verfahren, das noch heute vorwiegend
zur Anwendung kommt. Bald darauf, im Jahre
1841, führte Boucherie in Frankreich das
Tränken des Holzes mit Kupfervitriol ein.
Man unterscheidet die verschiedenen T. nach
der Behandlung der Hölzer beim Tränken
und nach den Stoffen, die zum Tränken
verwendet werden. Bezüglich der Behandlung
unterscheidet man, ob die Hölzer mit dem
Schutzmittel angestrichen werden, ob die
Tränkungsstoffe ohne äußeren Druck nur
durch Eintauchen, mit geringem Druck oder
mit Hochdruck auf die Holzflächen wirken.
Von den vielen, zum Tränken des Holzes be-
nutzten Stoffen sind zurzeit entweder wässerige
Metallsalzlösungen oder ölige Flüssig-
keiten in Gebrauch. Von den Salzen sind von
größerer Bedeutung: Kupfervitriol, Queck-
silberchlorid (Sublimat) und Zinkchlorid,
von den Ölen das Steinkohlenteeröl. Dem-
nach ergeben sich viererlei Hauptverfahren zum
Tränken von Hölzern:
1. Tränken mit Kupfervitriol, unter schwa-
chem Druck auf das Hirnholz (Boucherie);
2. Tränken mit Quecksilberchlorid, ohne
Druck (Kyan);
3. Tränken mit Zinkchlorid, unter Hoch-
druck gegen alle Holzflächen (Burnett);
Tränkungsverfahren.
337
4. Tränken mit Steinkohlenteeröl, unter
Hochdruck gegen alle Holzflächen (Bethell).
Durch Fäulnisversuche in besonders dazu
angelegten Fäulniskammern ist es in den letzten
Jahren geglückt, den Wert dieser Tränkungs-
stoffe möglichst genau zu bestimmen. Abb. 303
stellt solch eine Fäulniskammer dar, wie sie
in Stendal von den Rütgers-Werken errichtet
wurde. Die Kammer liegt in einem Keller mit
Wänden und Fußboden aus Beton, unterhalb
eines kleinen Ziegelsteingebäudes, das als
Museum und Laboratorium benutzt wird. Der
Keller besteht aus 4 Räumen; einer von
ihnen enthält die Heizvorrichtung, ein anderer
dient zur Züchtung
verschiedener Pilz-
arten, und die letz-
ten beiden sind
Prüfräume. Die
Temperatur in der
Fäulniskammer be-
trägt 1/-21" C.
Für genügende
Feuchtigkeit ist ge-
sorgt durch Öffnun-
gen in den Wänden,
sowie durch einen
durch den Keller
geleiteten Wasser-
strom. Die holzzer-
störenden Pilze
pflanzen sich in
zinkausgelegten
Kästen fort. Will
man die Pilze zu
Kulturversuchen
mit Holz als Nähr-
boden benutzen, so
impft man mit ihnen
die zu prüfenden Holzstücke. Man hat z. B.
durch solche Versuche festgestellt, daß unge-
tränktes Fichtenholz, das mit Pilzen infiziert
wurde, in 7 — 8, ungetränktes Kiefernholz in
6—12 Monaten ganz zerstört war. Auf diese
Art erhält man Vergleichsergebnisse zwischen
getränktem und ungetränktem Holz und zwischen
den einzelnen Tränkungsmitteln.
Tränken mit Kupfervitriol. Es beruht
auf dem Vorgang, durch den hydrostatischen
Druck der Tränkflüssigkeit den Zellsaft aus
dem Holz auszupressen und an seine Stelle
die Lösung zu bringen, in der das Kupfer
den wirksamen Bestandteil darstellt. Eine Lösung
von 1-5 Gewichtsteilen Kupfervitriol auf 100 Ge-
wichtsteile Wasser wird verwendet. Vor dem
Tränken werden die frischgefällten Baumstämme,
die noch in Rinde sind und ihren natürlichen
Saftgehalt noch ganz besitzen, schräg gelagert.
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
In die senkrechte Schnittfläche des höher liegen-
den Stammes wird die Tränkflüssigkeit unter
schwachem Druck aus einem 10- 12/« höher
stehenden Gefäß hineingepreßt. Der durch den
Tränkungsstoff verdrängte Holzsaft fließt am
unieren Ende anfangs allein, später mit der Tränk-
flüssigkeit vermengt ab. Als beendet gilt die Trän-
kung, wenn die Ausflußmenge etwa -/a Kupfer-
vitriol enthält. Die Dauer der Tränkung einer
10 m langen Telegraphenstange aus Nadelholz
beträgt etwa 1 3 Tage. Aus Abb. 304 ist der eben
beschriebene Tränkungsvorgang ersichtlich.
Neuerdings werden die Stämme nicht mehr
an einem Ende, sondern in der Mitte ange-
Abb. 303. Fäulnisltamnier der Rütgers-Werke.
bohrt, so daß infolge des Druckes der Lauge
auf den Baumsaft der Saft und später auch
die Lauge an beiden Stammenden austritt.
Sollen z. B. Schwellen nach diesem Verfahren
getränkt werden, so muß die Tränkung des
Holzes in rundem Zustand vorgenommen
werden. Erfolgt dann erst, nach beendeter
Tränkung das Zuschneiden der Schwellen,
so zeigt sich, daß die Lauge nicht gleichmäßig
in das Holz eingedrungen ist und daß nur
die äußeren Stammteile gut von dem Kupfer-
vitriol durchtränkt sind. Es wurde der am
meisten durchtränkte äußere Holzteil abge-
schnitten und der ungenügend getränkte Kern
bloßgelegt. Ein weiterer Nachteil ist, daß das
Kupfervitriol durch Eisen und Kalk zersetzt
wird, weshalb das verwendete Wasser frei von
Kalk sein muß. Ferner werden Eisenteile, wie
Schienennägel, Schwellenschrauben, Unterlags-
22
338
Tränkungsverfahren.
platten vom Kupfervitriol angegriffen. Für
Schwellentränkung hat daher Kupfersulfat keine
eigentliche Bedeutung; nur bei halbrunden
Schwellen könnte es erfolgreich verwendet
werden. Dagegen hat für Rundhölzer, z. B.
^^
Abb. 30-4. Tränkung mit Kupfervitriol.
Telegraphenstangen, Kupfervitrioltränkung
Verbreitung gefunden.
Verbesserungen des Boucherie-Verfahrens
sind die Verfahren von Pfister, Lebioda und
Köpfer. Sie benutzen zur Druckerzeugung
Abb. 305. Tränkung mit Kupfervitriol im Kessel.
nicht die Flüssigkeitssäule, sondern eine trag-
bare Pumpe, mitteis der unter starkem Druck
der Tränkstoff durch Rohre in die Baum-
stämme geleitet wird. Die zu tränkenden Hölzer
werden hiernach so in den Kessel (Abb. 305)
eingebracht, daß an beiden Stirnflächen Glocken
mit scharfen Schneiden sich in die Hölzer
eindrücken. Diese Glocken sind durch Rohre
mit Hohlräumen in Boden und Decke des
Kessels verbunden. In einem dieser Hohlräume
wird nach Füllung des Kessels mittels einer
Pumpe weitere Tränkflüssigkeit unter beliebig
hohem Druck eingepreßt, die nun durch die
Glocken in die Hölzer eingedrückt wird. Hier-
durch soll die Tränkflüssigkeit durch die Zellen-
und Wasserbahnen des Holzes von einem
Ende zum andern durchfließen. Der Vorteil
gegenüber Boucherie besteht darin, daß die
Durchtränkung schneller erreicht wird und
daß der Tränkungsprozeß im Wald unmittelbar
nach Fällung der Hölzer vor sich gehen kann,
sich somit die Beförderung der Hölzer nach
einer Tränkungsanstalt erübrigt.
Tränken mit Quecksilberchlorid (Sub-
limat) hat ebensowenig wie das Kupfervitriol
für die Tränkung von Holzschwellen Bedeutung
erreicht. Wenn auch von sämtlichen für die
Holzerhaltung benutzten Metallsalzen das Sub-
limat am stärksten antiseptisch wirkt, so stehen
dem gegenüber als Nachteile seine Giftigkeit
und seine Eigenschaft, sich leicht zu verflüch-
tigen. Auch greift es ebenso wie Kupfervitriol
Eisen stark an, so daß das Tränken der Hölzer
durch Eintauchen in eine kalte, in Zement-
oder Holztrögen zubereitete Sublimatlösung
erfolgen muß. Vorher fertig bearbeitete Nadei-
holzschwellen bleiben 8—10 Tage, Eichenholz-
schwellen 12—14 Tage in diesem Bad, bis die
Tränkung beendet ist. Hierbei nimmt jede
Schwelle etwa 0-125^0' Sublimat, u. zw. bis
2 mm unter der Oberfläche auf.
Im Trog müssen die Hölzer durch Latten
voneinander getrennt werden, damit die Lauge
sämtliche Oberflächenteile berührt; denn da
ohne Druck gearbeitet wird,
wirkt die Lauge nur durch ihr
Eigengewicht auf die Holzober-
flächen, und es findet nur ein
ganz oberflächliches Eindringen
der Flüssigkeit in das Splintholz
statt. Durch eine derartige Trän-
kung wird die Lebensdauer der
Schwellen nur wenig verlängert,
und wenn sieauch nach längerem
Gebrauch äußerlich einen ge-
sunden Eindruck machen, sind
sie tatsächlich doch im Innern
bereits in Fäulnis übergegangen.
Außerdem ist von Kachteil, daß Quecksilber-
chlorid sehr teuer und in Mengen kaum zu
beschaffen ist. Nur zum Tränken von Tele-
graphenmasten wird es noch vereinzelt
benutzt. Versuche, Sublimat unter Druck einzu-
pressen, sind erfolglos gewesen, da es schwierig
ist, die erforderlichen Apparate aus einem
Stoff herzustellen, der von der Flüssigkeit
nicht angegriffen wird.
Tränken mit Zinkchlorid findet noch
zuweilen bei Schwellen Verwendung. Bei
einigen Eisenbahnverwaltungen (Sachsen, Öster-
Tränkungsverfahren.
339
reich) ist man gegenüber früher jetzt wieder
mehr zur Tränkung mit Zintcchlorici, aller-
dings nicht Chiorzinklauge allein, zurück-
gekehrt, weil dieses Verfahren billiger ist als
alle bisher angewendeten mit Teeröl. Eine
volle Durchtränkung der Schwellen unter
starkem Druck im Kessel läßt sich gerade
noch vornehmen, was bei Tränkungen mit
Kupfervitriol und Quecksilberchlorid nicht
möglich ist, obgleich auch durch Chlorzink
Eisen stark angegriffen wird. Es kommt also
hier das sog. Dampfdruck- oder pneumatische
Verfahren zur Anwendung, wo die zu tränken-
den Hölzer vor der Tränkung getrocknet und
für den späteren Gebrauchszweck fertig zu-
gerichtet sein müssen — im Gegensatz zum
hydrostatischen Druckverfahren bei Boucherie,
das frisch gefälltes Holz in der Rinde voraus-
setzt.
Tränken mit Chlorzinklösung allein.
Sie zerfällt in 3 Teile: 1. Dämpfen des Holzes,
2. Herstellung der Luftverdünnung und Ein-
lassen der Chlorzinklösung, 3. Anwendung der
Druckpumpe. Das in dem luftdicht verschlos-
senen Tränkungskessel befindliche Holz wird
zunächst durch Dampf erhitzt. Die Dauer des
Erhitzens ist von Jahreszeit und Beschaffen-
heit des Holzes abhängig. Der Danipfstrom
wird so geleitet, daß der mit dem Tränkungs-
kessel verbundene Druckmesser nach min-
destens 30 Min. eine Spannung von 1 ^/j Atni.
Überdruck anzeigt. Dieser Dampfspannung
bleibt das Holz weitere 30 Min. ausgesetzt.
Bei dem Einlassen des Dampfes wird die in
dem Kessel befindliche Luft durch einen an
seinem unteren Teil befindlichen Verschluß
herausgetrieben, bis Dampf ausströmt. Dies
gilt für Eichen- und Kiefernholz. Da Buchen-
holz größere Mengen eines sehr leicht in
Gärung übergehenden Holzsaftes enthält, so
muß die Einwirkung des Dampfes so lange
fortgesetzt werden, bis der Holzsaft im inner-
sten Kern den Siedepunkt erreicht hat. Des-
halb wird Buchenholz 4 Stunden lang der
Dampfeinwirkung ausgesetzt, wobei die 30 Min.
zur Herstellung der Spannung von 1 Yj Atm.
mit eingerechnet werden. Nach genügend
langer Behandlung des Holzes mit Dampf
wird letzterer aus dem Kessel abgelassen. Nach
Entfernung des Dampfes wird in dem mit
dem Holz gefüllten Kessel eine Luftverdün-
nung von mindestens 60 cm QS. erzeugt und
10 Min. lang unterhalten. Darauf beginnt die
Füllung des Tränkkessels mit Chlorzinklösung,
die vorher auf mindestens 65° C erhitzt worden
ist. Nach erfolgter Füllung wird mittels Pum-
pen Chlorzinklösung in das Holz gedrückt
und der Druck bis auf wenigstens 7 Atm.
Oberdruck gesteigert. Zur Erreichung mög-
lichst vollständiger Sättigung des Holzes soll
dieser Druck bei Kiefern- und Buchenholz
mindestens 30 Min., bei Eichenholz 60 Min.
bestehen bleiben, worauf die Holztränkung
vollendet ist und die Chlorzinklösung abge-
lassen wird.
Zinkchlorid ist eigentlich ein gutes Holz-
tränkungsmittel, weil es antiseptisch wirkt,
wenn auch nicht in so hohem Grad wie das
Sublimat. Es konnte sich aber trotzdem nicht
dauernd allein halten, weil es sehr stark hygro-
skopisch ist. Ein allmähliches Auslaugen des
Chlorzinks findet statt, so daß die Hölzer
nach und nach immer ärmer an Chlorzink
werden und nur unvollkommen gegen Fäulnis
geschützt sind. Auch besitzt das Chlorzink,
wie alle Metallsalze, den Übelstand, mit den
Bodenbestandteilen und Holzfasern unlösliche
Verbindungen einzugehen und freie Säure
abzuspalten, die nicht allein die Holzfaser mit
der Zeit brüchig macht, sondern auch auf die
mit dem Holz in Berührung kommenden
Eisenteile (besonders bei Schwellen) eine zer-
störende Wirkung ausübt.
Tränken mit Zinkchlorid unter Zusatz
von Teeröl (Mischungsverfahren nach
Rütgers). Es wird zunächst ebenso ausgeführt
wie das Verfahren mit Chlorzink allein. Das
Teeröl wird während der Erwärmung der
Chlorzinklösung zugesetzt, u. zw. für jede
Schwelle von 2-5 m Länge oder mehr 2 kg,
bzw. für jedes m} Holz 20 kg. Um eine mög-
lichst gute Mischung von Chlorzink und Teeröl
zu erreichen, ist eine geeignete Mischvorrichtung
unter Zuströmung von Dampf und Luft an-
zuwenden.
Tränken zunächst mit Zinkchlorid und
dann mitTeeröl (Doppeltränkung). Hier-
durch, wie auch durch das vorgenannte Ver-
fahren sollen die Schwellen gegen das Ein-
dringen des Wassers und Auslaugen des Tränk-
stoffs mehr geschützt werden. Doch wurde
der gewünschte Erfolg, eine gleichmäßige
Durchtränkung des Holzes mit Chlorzink und
Teeröl meistens nicht erreicht. Denn im Tränk-
kessel trennen sich die spezifisch verschieden
schweren Stoffe schnell wieder, so daß stets
ein Teil des Holzes mehr oder weniger mit
reinem Teeröl und ein anderer mit reiner
Chlorzinklauge getränkt wird.
Tränken mit Steinkohlenteeröl. Es hat
nicht allein die Eigenschaft, die mit ihm in
Berührung kommenden Metallteile nicht anzu-
greifen; es schützt diese sogar vor schädlichen
Einflüssen des Wassers und der Luft. Außerdem
können die mit Teeröl getränkten Hölzer sofort
nach beendeter Tränkung ihrer eigentlichen
22*
340
Tränkungsverfahren.
Bestimmung zugeführt werden; die mit Salz-
lösungen dagegen müssen einem vorherigen
mehrmonatlichen Trockenprozeß unterworfen
werden.
Steinkohlenteeröl ist eine Mischung von
verschiedenen schwer verdunstbaren Ölen. Man
bezeichnet es als „schweres Steinkohlenteer-
öl", nach falschem Sprachgebrauch als Kreosot.
Es wird hergestellt durch Destillation aus dem
bei der Gas- oder Koksgewinnung entstan-
denen Steinkohlenteer. Hauptbezugsquellen für
„WS™.
3 V 5 6
Abb. 306. Volltränkung von buchenen Hölzern mit Tecröl.
j^ ^p/Qcm
Abb. 307. Volltränkung von eichenen Hölzern mit Teeröl.
Steinkohlenteeröl sind Deutschland und England.
In Deutschland sind besonders die großen
Kokereien in Westfalen und Oberschlesien ein
bedeutendes Absatzgebiet für Steinkohlenteeröl.
Konservierende Eigenschaften im Teeröl besitzen
hauptsächlich seine hochsiedenden neutralen
Bestandteile. Nach den Vorschriften für die
preußischen Staatseisenbahnen soll das
Öl so zusammengesetzt sein, daß bei der Destilla-
tion bis 1 50 0 C höchstens 3 % , bis 200 " höchstens
\0%, bis 235° höchstens 25^;, überdestillieren.
Zwischen 150 und 400 °C soll das Teeröl sieden;
doch muß der Siedepunkt von mindestens 75 %
über 235" C liegen. Der Gehalt an sauren
Bestandteilen, diein Natronlauge vomspezifischen
Gewicht M5 löslich sind, soll wenigstens 6%
betragen. Das spezifische Gewicht des Öles bei
15° C muß zwischen 1-04 und 1-15 liegen. Bei
-)-40°C soll das Öl vollkommen klar sein;
beim Vermischen mit gleichen Raumteilen
Benzol muß der Tränkstoff klar bleiben und
darf höchstens Spuren ungelöster Körper
ausscheiden. Gießt man 2 Tropfen dieser
Mischung und des unvermischten Öles auf
mehrfach zusammengelegtes Filtrierpapier, so
müssen diese vollkommen von dem Papier
aufgesogen werden,
und nur Spuren un-
gelöster Stoffe dür-
fen auf dem Papier
zurückbleiben.
Das T. mit erhitztem
Steinkohlenteer-
öl (nach Bethell)
zerfällt in 2 Teile:
I.Trocknen des Hol-
zes bzw. Entziehen
des Wassers aus dem
Holz durch das er-
hitzte Teeröl unter
Mitwirkungder Luft-
pumpe, 2. Eindrin-
gen des Teeröls in
das Holz mittels der
Druckpumpe. Das
lufttrockene Holz
wird in einen eiser-
nen Tränkkessel ge-
bracht und nach
luftdichtem Ver-
schließen des Kessels
die Luft in diesem
mittels einer Luft-
pumpe verdünnt,
bis der Druck auf
WO mm QS. ge-
sunken ist, so daß den
Poren der Hölzer
weiter Luft und Saft entzogen wird. Hierauf
wird unter fortgesetzter Tätigkeit der Luftpumpe
die auf etwa 80° C vorgewärmte Tränkungs-
flüssigkeit in den Kessel eingelassen, bis das
Öl beinahe bis zum Kesseldom gestiegen ist.
Sodann wird die Luftpumpe außer Tätigkeit
gesetzt und die Füllung des Kessels mit einer
Druckpumpe beendet, indem mit ihr ein Druck
von 5 — S Atm. ausgeübt und das Teeröl in die
Holzzellen eingepreßt wird. Hat das Holz die
nötige Ölmenge aufgenommen, so wird die
Druckpumpe abgestellt, das noch im Kessel be-
findliche überflüssige Öl tritt in den Ölbehälter
zurück, der Kesseldeckel wird geöffnet und die
Wagen mit den getränkten Hölzern werden
Tränkungsverfahren.
341
hinausgefahren. Die graphische Darstellung der
Abb. 306 u. 307 zeigt den Tränkungsvorgang
von buchenen und eichenen Hölzern mit er-
hitztem Teeröl.
Die sog. „Volitränkung" mit Teeröl dauert
bei Eichenholz etwa 2, bei Buchenholz etwa
3 Stunden. Im einzelnen setzt sich die Tränkungs-
dauer aus folgenden Abschnitten zusammen:
"
i 1
Eichenholz
Buchenholz
1
Beschicken des
Kessels ....
15Min.
15Min.
2
Erzeugung der
Luftleere . . .
30 „
30 „
3
FülIungdesKessels
mit vorgewärm-
tem Teeröl unter
Beibehalten der
Luftleere . . .
13 „
15 „
4
Fortsetzung der
Kesselfüllung
mit Teeröl durch
Nachpressen
des Öles, bis im
Kessel ein Druck
von 5—8 Alm.
entsteht . . .
17 „
30 „
5
Unterhalten des
1
Druckes . . .
30 „
60 „ ,
6
Abstellen der
Druckpumpe
und. Ablassen
desÖlesausdem
Kessel ....
25 .,
25 „
7
Abnehmen des
Kesselver-
schlusses und
Herausschaffen
der Wagen . .
15 ■■
15 ..
'2Std.25Min.
3Std. lOMin.
Der hauptsächlichste Nachteil dieser Voll-
tränkung, bei der man die Hölzer mit so viel
Teeröl tränkte, als sie aufzunehmen vermochten,
ist ihr hoher Preis, weil man nur durch voll-
ständige Sättigung des Holzes mit großen Öl-
mengen eine zufriedenstellende Durchtränkung
zu erreichen glaubte. Nach Vorschrift der
preußischen Staatseisenbahnverwal-
tung mußte eine kieferne Schwelle von 2'7 m
Länge und 16'26c/ra Stärke an Teeröl 36 kg
aufnehmen. Demnach würde bei einem Teer-
ölpreis von 6 M. für 100 kg solch eine
Schwelle an Teeröl M. 2' 16 kosten.
Spar verfahren. Um den hohen Ver-
brauch an kostspieligem Teeröl zu verringern,
sind in den letzten Jahren verschiedene Vor-
schläge und Versuche gemacht worden.
Blythe dämpfte die Schwellen vor dem
Tränken mit Teeröl zunächst 6 — 20 Stunden
in karbolsäurehaltigem Wasserdampf. Ferner
wurde mit erhitztem Teeröl getränkt, wobei
das Einpressen des Öles erst erfolgt, nachdem
das vorgewärmte Öl bereits während der Luft-
verdünnung in den Tränkkessel gelangt und
dort auf etwa 110° C erhitzt worden ist.
Paradis versuchte, das Teeröl in Dampfform
unter hohem Druck in das Holz zu bringen,
nachdem dieses vorher mittels Wasserdampfes
ausgelaugt und dann mit überhitztem Wasser-
dampf getrocknet wurde. Andere Sparverfahren
sind: Verdünnung geringerer Teerölmengen mit
Wasser und Vervs'endung des Öles in Gestalt von
Emulsionen, wobei das Öl mit einer wässerigen
Harzseifenlösung zusammengerührt wurde und
so als Tränkstoff diente; Behandlung von Harzöl
mit konzentrierter Schwefelsäure und Benutzung
des Produkts hieraus als Lösungsmittel für
das Teeröl, das man alsdann mit Wasser ver-
dünnt als feine Emulsion in die Holzfaser
brachte. Doch werden beim Tränken mit der-
artigen Emulsionsmassen die Teerteilchen be-
reits an der Holzoberfläche zurückgehalten,
da Holz hochgradig filtrierfähig ist, und nur
das Wasser dringt in das Holzinnere ein.
Nicht durch Verdünnung des Teeröls,
sondern auf mechanischem Wege mit ge-
ringeren Ölmengen wird Durchtränkiing des
Holzes erreicht, indem man nur so viel Teeröl
einpreßt, als man im Holz nach beendeter
Tränkung tatsächlich haben will. Das nur in
den äußeren Holzschichten sitzende Öl wird
sodann durch nachträgliches Dämpfen möglichst
gleichmäßig und tief verteilt. Dies ist das
Heyse-Verfahren, in Amerika creo-air-
process genannt. Es wird seit 1904 bei der
österreichischen Staatstelegraphenver-
waltung zum Tränken von Leitungsmasten aus
Nadelholz benutzt. Bis Ende des Jahres 1910
waren bereits etwa 175.000 so behandelte
Masten aufgestellt worden. Auch nach dem
Northeimer Verfahren wird ähnlich ge-
arbeitet. Hierbei wird etwa die Hälfte der für
das Holz bestimmten Ölmenge mehr in das
Holz eingedrückt und nachher alles durch
Luftleere wieder aus dem Holz entfernt und
zurückgewonnen. Nach dem Evakuierungs-
verfahren wird eine etwas größere Menge
Tränkstoff als später im Holz bleiben soll,
mittels Druckpumpe eingepreßt und die nicht
gewünschte Ölmenge durch Evakuieren des
Holzes wieder entfernt. Bei dem Rüping-
Verfahren wurde erreicht, die Wandungen
der Zellen und sonstigen Hohlräume, die allein
der Fäulnis ausgesetzt sind, mit Teeröl zu
durchtränken, ohne dabei gleichzeitig auch
den Hohlraum der Zellen u. s. w. mit Teeröl
auszufüllen. „Hohltränkung" heißt dieses
Verfahren im Gegensatz zur Volltränkung, wo
alle Zellen im Holz mit Teeröl ständig gefüllt
342
Tränkungsverfahren.
werden. Abb. 308 zeigt den Verlauf der Druck-
linie für Kiefernholztränkung nach 3 ver-
schiedenen Sparverfahren bei gleicher Teeröl-
aufnahme f. d. m?.
T. von Rüping. Hiernach werden die
Zellen des lufttrockenen Holzes vor dem Ein-
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2 ä
:
Abb. 308. Kiefernholztränkung nach Teerölsparverfahren.
den Druck - je nach Beschaffenheit der zu
tränkenden Holzart - bis auf 15 Atm., so
daß die Flüssigkeit schneller in die einzelnen
Zellen eindringt. Sind die Hölzer genügend
getränkt, so wird der Druck aufgehoben und
das Öl aus dem Kessel abgelassen. Ist der
Druck auf die atmosphärische Spannung
gefallen, so setzt man das Holz im
Kessel noch eine Zeitlang einem Vakuum
aus, nach dessen Aufhebung der Trän-
kungsvorgang beendet ist.
Bei dem Rüping-Verfahren werden
die lufttrockenen Hölzer auf Tränkwagen
in den Kessel A gebracht (Abb. 309),
dieser wird luftdicht verschlossen, wo-
rauf eine Verbindung zwischen dem
Tränkkessel A und dem Ölfüllkessel B
hergestellt wird, indem die Ventile v
und i', geöffnet und die Ventile V2, Vj, v^
geschlossen gehalten werden. Hierauf
setzt man Tränk- und Füllkessel mittels
der Pumpe C unter einen Luftdruck, der
der Art und Trockenheit der Hölzer ent-
sprechend zu bemessen ist, jedoch nicht
weniger als 1 ^/j und nicht mehr als
4 Atm. Oberdruck betragen soll. Ist der
jeweilige festgesetzte Luftdruck erreicht,
so wird er weitere 5 Min. unterhalten
(10 Min. bei Eichenholz, 15 Min. bei
Buchenholz); während dieser Zeit füllen
sich alle Holzzellen mit Druckluft.
Sodann öffnet man die \'entile v^ und
''y'^'y'/yyyyyyyyy^y/yy^^^yyy^yyyy.
31
das vorgewärmte Teeröl fließt durch
eigene Schwere aus dem Füll- in den
Tränkkessel, und die Druckluft wird aus
letzterem durch die geöffneten Ventile v
und v'i in den Füllkessel getrieben. In
diesem Augenblick sind die Schwellen
außen ganz von Teeröl umgeben,
während die Holzzellen noch mit Druck-
luft angefüllt sind, die ein Eindringen
der Flüssigkeit in das Holzinnere zu
hindern sucht. Nach vollstän-
diger Füllung des Tränkkessels
mit dem vorgewärmten Teeröl
schließt man die Ventile i' und
i",
und
Abb. 309. Tränkvorgang nach dem Rüping-Verfahren.
pressen der Tränkungsflüssigkeit nicht wie
bei der N'olltränkung evakuiert, sondern
im luftdicht verschlossenen Tränkungskessel
einem Luftdruck von 5 Atm. ausgesetzt,
so daß sich sämtliche Zellen und Hohlräume
im Holz mit Druckluft füllen. Sodann läßt
man die auf et^sa lOO^C erwärmte Flüssig-
keit in den Kessel eintreten, bis das Holz
vollkommen von Öl bedeckt ist und steigert
i',, öffnet das Ventil
preßt mittels der Flüssigkeits-
pumpe D eine weitere Teeröl-
menge in den Tränkkessel nach, bis dort ein
Überdruck von 51/2 - 7 Atm. entsteht (7-8 Atm.
bei Eichen- und Buchenholz). In dem Maße,
wie das Einpressen geschieht, läßt man Luft
aus dem Ventil i'., des Kessels A entweichen,
um Raum für die nötige Flüssigkeitsmenge
zu schaffen. Der Druck von 5V2-7Atm. ist
wenigstens ^/^ Stunde im Tränkkessel zu unter-
halten (3 Stunden bei Eichen-, 1 Stunde bei
Tränkungsverfahren.
343
Buchenholz). Unter diesem erhöhten Druck
dringt die Tränkflüssigkeit in die einzelnen
Zellen ein. Sind die Hölzer genügend durch-
tränkt, so wird der Druck aufgehoben, indem
und Füllkessel B durch
Ventil v^ geschlossen
Öffnen des Ventils v^ wieder mit
luft verbunden wird, worauf
das Öl infolge des entstandenen
Druckunterschieds aus dem
Tränkungs- in den Füllkessel
zurückfließt. Durch Herstellen
des atmosphärischen Druckes
dehnt sich die Druckluft in den
Zellen aus und treibt infolge
ihrer Ausdehnung das Öl wieder
aus dem Holz heraus, soweit es
nicht an den Zellenwandungen
haften bleibt. Nach Aufheben
des Druckes und Ablassen des
Öles aus dem Tränkkessel
werden Ventile v, und Vj ge-
schlossen, Ventil v^ wird ge-
öffnet, und im Tränkkessel A
wird mittels Luftpumpe C eine
Luftverdünnung von minde-
stens 60 cm QS. hergestellt, um
das überflüssige Öl aus den
Zellen herauszutreiben und nur
das in die Zellwandungen ein-
gedrungene zurückzulassen. Ist
das Vakuum 1 0 Min. lang unter-
halten (15 Min. bei Eichen-,
30 Min. bei Buchenholz), so ist
die Tränkung beendet. Bei
Tränkung von Buchenhölzern
wird das sog. „Doppel-Rü-
ping-Verfahren" angewendet,
d. h. genau derselbe Vorgang
wird noch einmal nach Beendi-
der Außen-
gung der 30 Min. dauernden Luftverdünnung
von Anfang an wiederholt. Acht (bei Buchenholz
2mal 8) verschiedene Arbeitsstufen ergeben sich.
Diese sind in Tabelle 1 für alle 3 Holzarten
mit den Angaben ihrer Zeitdauer nebeneinander-
gestellt. Abb. 3 1 0 u. 3 1 1 zeigen die 3 Tränkungs-
Scönftung tion JCitftr- und SttAenfiife«:!!, mit %sc'ct.
1B0 21.0
■ 9IKnuHa
Abb. 310. Tränkung von Kiefern- und Eichenhölzern mit Teeröl nach dem
Sparverfahren von Rüping.
5uiivfiitng von ^bucficnAiJ-txc^rt mit Sie'iöC
(■äiwAmdi
x*na5
Abb. 311. Tränkung von Buchenhölzern nach dem Doppel-Rüping- Verfahren.
Tabelle 1.
Arbeitsstufen
Einfaches Rüping-
Verfahren
für
Kiefernholz
für
Eichenholz
Doppel-Rüping-
Verfahren
für Buchenholz
Zeitdauer in Minuten
Erzeugen des Luftdrucks: Minimum l'/jAtm., Maxi-
mum 4 Atm
Unterhalten des Luftdrucks
Füllung des Kessels mit vorgewärmtem Teeröl unter
Beibehaltung des Luftdrucks
Nachpressen von Teeröl in den Kessel, bis in diesem
ein Überdruck von 5 '/j- 8 Atm. entsteht
Unterhalten des Druckes im Kessel
Ablassen des Teeröls aus dem Kessel
Herstellen einer Luftleere im Kessel von 60 cm QS. .
Unterhalten der Luftleere im Kessel
Gesamte Zeitdauer in Minuten . .
20
5
10
20
30
10
20
10
15
10
10
15
180
10
20
15
20
15
10
15
60
10
20
30
10
15
10
15
180
10
20
30
125
275
470
344
Tränkungsverfahren.
Vorgänge in ihren äußersten Grenzen schaubild-
lich. Die Zahlen von 1 bis 8 hierin entsprechen
den einzehien Arbeitsstufen der Tabelle 1.
Kombinierte Rüping- Verfahren.
R ü p i n g - R ü t g e r s - W e r k e. Die Rütgers-
Werke haben das Rüping-Verfahren auch für
nasse Hölzer geeignet umgestaltet in der
Weise, daß der ersten Periode des Rüping-
Verfahrens ein Trocknungsprozeß vorgeschoben
wird derart, daß die Hölzer in heißem Öl
hinreichend lange unter geringer Luftleere er-
hitzt werden. Hierdurch soll das Wasser des
Holzes verdampft und ebenso wie bei der
Volltränkung mit Teeröl entfernt werden. Nach
Durchführung dieses Trocknungsprozesses wird
das Öl abgelassen und dann das Rüping-Ver-
fahren in vorbeschriebener Weise durchgeführt.
Heidenstam-Rüping. Nachdem die Preß-
luft einige Zeit auf das Holz gewirkt und das-
selbe gefüllt hat, wird der Kessel entlüftet und
sofort mit Öl gefüllt. Hierauf wird das Rüping-
Verfahren angewendet. Heidenstam behauptet,
daß hierbei nur die Preßluft aus dem Splint-
holz entweicht und die in das Kernholz ein-
gepreßte Luft dabei darinbleibt.
B. Anwendungsgebiete
b a h n h ö 1 z e r.
für Eisen-
L Hölzerne Eisenbahn-Querschwellen.
1. Verbreitung in verschiedenen
Ländern.
In Europa von Laubhölzern die Buche und
Eiche, von Nadelhölzern die Lärche,
Fichte, Tanne und Kiefer oder Föhre.
Von den Nadelhölzern ist in Mitteleuropa
Kiefernholz gegenwärtig am beliebtesten; in
England wird fast ausschließlich die baltische
Kiefer zum Holzschwellenbau benutzt. Noch
im Jahre 1895, bevor man gute T. hatte, war
der Buchenschwellenverbrauch in Deutschland
sehr gering. Dagegen waren in Westeuropa,
besonders in Frankreich, Buchenhölzer früher
in ausgedehnterem Maße als Baustoff für
Bahnschwellen in Anwendung gekommen. Die
Schweizer Bundesbahnen benutzten bis zum
Jahre 1907 größtenteils getränkte Eichen-,
Kiefern- und Lärchenschwellen. Das Verhältnis
der getränkten zu den nicht getränkten
Schwellen im Gebiet des VDEV. ist aus Ta-
belle 2 ersichtlich. Die Zahl der getränkten
Schwellen in
der gesamten Schwellenzahl
Tabelle 2.
Jahr
Preußische Sfaatseisenbahnen i
Deutsche Eisenb.ahnen i
Osterreichiscli-ungarisclie
Eisenbahnen
Sämtliche Eisenbahnen des
VDEV.
Getränkt Nicht getränkt 1
Getränkt Niclit getränkt
Getränkt ^Nicht getränkt
Getränkt Nicht getränkt
1
P r 0
z e n t
1880
69-4
1885
71-3
1889
80-7
1894
86-8
1897
96-4
1900
98-2
1902
99-8
1904
99-8
30-6
28-7
19-3
13-2
36
1-8
0-2
0-2
61-3
70-1
782
83-4
93-5
94-2
95-0
96-4
38-7
29-9
21-8
16-6
6-5
5-8
5-0
3-6
140
203
31-9
37-9
38-4
50-6
44-4
45-9
86-0
79-7
68-1
621
61-6
49-4
55-6
54-1
44-1
49-3
56-9
61-9
64-7
66-8
63-4
62 6
55-9
50-7
43-1
38a
35-3
33-2
36-6
37-4
ist außerdem schaubildlich in Abb. 312 dar-
gestellt. Darnach hat das Tränken namentlich
bis 1900 zugenommen, besonders in Öster-
reich, wo jedoch die Zahl der getränkten
Schwellen sogar im Höchstfall nur 50 % be-
trägt. Seit 1900 ist die Zunahme der Trän-
kung in Preußen und Deutschland gering ge-
wesen; in Österreich und bei sämtlichen Ver-
einsbahnen stellt sich sogar wieder ein Rück-
gang im Tränken ein. Man ersieht dies aus
Tabelle 3, worin nach Holzarten getrennt an-
gegeben ist, wieviel Schwellen einer bestimmten
Holzgattung bei den einzelnen Verwaltungen
getränkt wurden.
Das Schwellentränken wird von den Bahnen
teils im Eigenbetrieb besorgt, teils an
Unternehmer vergeben. In Deutschland wird
letzteres vorgezogen. 47 Tränkungsanstalten
befanden sich 1911 in Deutschland, 14 in
Frankreich und 9 in Belgien. Von diesen
70 Anstalten wurden 14 von den Eisenbahn-
verwaltungen selbst betrieben; die übrigen 56
waren in Privathänden. Die 9 Anlagen in Belgien
sind sämtlich in privatem Besitz, während 6
von den 47 in Deutschland und 9 von den
14 in Frankreich von der Eisenbahn selbst
verwaltet werden. Diese 6 staatlichen Tränk-
anstalten in Deutschland sind: Zernsdorf und
Northeim für die preußische, Kirchseeon für
die bayerische, Wulknitz und Falkenstein für
die sächsische und Zuffenhausen für die
württembergische Bahnverwaltung. Außer den
Tränkungsverfahren.
345
2 staatlichen Anlagen gibt es in Preußen
weitere 26 Anlagen, die für die preußischen
Staatseisenbahnen arbeiten. Allein die Rütgers-
Werke unterhalten 14 Holzkonservierungsan-
lagen. Von ausländischen Bahnen tränken u. a.
die französische Ostbahn in d'Amange und
Port d'Atelier, die französische Staatsbahn in
St.-Mariens, Surdon und Landebia, die hollän-
dische Eisenbahngesellschaft in Crailoo, die
italienischen Staatsbahnen in Neapel, die
dänischen Staatsbahnen in Kjöge undHorsens
und die rumänische Staatsbahn in Ploesti
Die Frage, welche T. bei den verschiedenen
Verwaltungen des VDEV. in Anwendung
stehen, wurde von 29 Verwaltungen auf der
XX. Technikerversammlung im Juni 1Q12 in
Utrecht folgendermaßen beantwortet: es tränkten
2 Verwaltungen mit Quecksilbersublimat
2 „ „ Zinkchlorid
6 „ „ Zinkchlorid und Teeröl
(Mischungsverfahren)
2 „ „ Zinkchlorid und dann
Teeröl (Doppel-
tränkung)
Sit Mu %tiÄiX d«o <ü.fD. S.'O. AJOm 9afi/ic mo*Mok /^eMA^Ktn^c^wvMm
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'J15 /W /'!9>r /S97 />900 /^ol.
Abb. 312. Getränkte Holzschwellen im Verhältnis zu ungetränkten. '
-".^olf
ihre Schwellen im Eigenbetrieb. Ferner be-
treiben die ungarischen Staatsbahnen 5,
die P.-L.-M.-Bahn 2 und die französische
Nordbahn 3 eigene Anlagen. In den Ver-
einigten Staaten wurden die Holzschwellen
im Jahre 1910 in 86 Anstalten getränkt, die
60 Verwaltungen gehörten und in 51 ver-
schiedenen Staaten lagen. Von diesen 86 wurden
64 von 43 Privatgesellschaften und 22 von 17
Eisenbahn Verwaltungen betrieben.
5 Verwaltungen mit Teeröl (nach Bethell)
1 „ „ Teeröl (nach Sparver-
fahren, Bayern)
17 „ „ Teeröl nach dem einfachen
Rüping-Verfahren
14 „ « Teeröl nach dem
doppelten Rüping-
Verfahren.
Auf die Holzarten verteilt ergibt sich be-
züglich der einzelnen T. bei den Verwaltungen
Tabelle 3.
Verwaltungen
Holzarten
Im Jahre
1880
1885
1889
1894
1S97
1900
Preußische Staats-
eisenbahnen
Deutsche Eisen-
bahnen
Österreichisch-
ungarische Eisen-
bahnen
Sämtliche Eisen-
bahnen des VDEV.
Eichenholz ....
Sonstige Laubhölzer
Nadelholz ....
Eichenholz ....
Sonstige Laubhölzer
Nadelholz ....
Eichenholz ....
Sonstige Laubhölzer
Nadelholz ....
Eichenholz ....
Sonstige Laubhölzer
Nadelholz ....
62-1
631
72-3
77-8
87-1
920
99-2
89-5
97-0
980
98-4
1000
74-7
100-0
900
89-6
94-2
97-5
99-4
1000
100 0
46-5
53-4
62-5
67-7
74-8
72-3
75-6
53-4
75-3
94-2
95-7
99-5
99-5
99-9
80-8
910
94-0
96-3
99-2
99-4
99-2
_
_
_
_
_
27-0
22-5
_
_
_-
_
97-7
100-0
—
—
_
-
-
75-4
81-8
_
_
_
_
_
31-6
28-3
_
_
—
_
_
98-2
100-0
—
—
—
—
93-3
94-7
99-7
100-0
99-7
73-7
1000
99-9
19-4
98-4
81-4
23-8
99-0
93-8
346
Tränkungsverfahren.
Tabelle 4.
Tränkungsverfahren
für Buchenholz j für Eichenholz | für Kiefernholz ! für Lärchenholz [ für Tannenholz
bei Verwaltungen
Quecksilbersublimat
Zinkchlorid
Zinkchlorid vermischt mit Teeröl
(Mischungsverfahren)
Zinkchlorid und hierauf Teeröl
(Doppeltränkverfahren)
Teeröl (nach Bethell)
Teerölsparverfahren (Bayern) . . .
Einfaches Rüpingverfahren mit
Teeröl
Doppeltes Rüping-Verfahren mit
Teeröl
14
Tabelle 4. Die preußischen Staatseisen-
bahnen tränken seit dem Jahre 1Q09 sämt-
liche Schwellen nach dem Rüping-Verfahren.
In Sachsen wurde bis 1895 nur mit reiner
Zinkchloridlösung getränkt; erst 1896 setzte
man Teeröl hinzu und verwendete das
JVlischungsverfahren; ebenfalls in Österreich-
Ungarn bei leichtem Oberbau. Dagegen
kommt bei schwerem Oberbau für Buchen-
schwellen das Doppelverfahren zur Anwendung.
Von ausländischen Bahnen lassen die
Schweizer Bundesbahnen seit 1907
Schwellen in privaten Anstalten zu Zofingen,
Qlovelier und Sargans mit Teeröl nach Rüping
tränken. Auch in Dänemark ging man 1907
zum Rüping-Verfahren über. Die rumänischen
Staatsbahnen haben erst 1913 ihre Tränk-
anlage zu Ploesti umgebaut und arbeiten jetzt
nach Rüping. Dagegen tränkt man in Belgien
immer noch mit Teeröl nach Bethell. Die
holländische Eisen bah ngesellschaft
behandelt ihre Schwellen mit reinem Zink-
chlorid, während die niederländischen
Staatseisenbahnen ihre Kiefernschwellen mit
Zinkchlorid und Teeröl gemischt tränken. In
Frankreich begann man 1880 alle Schwellen
mit Ausnahme der splintreiclien Eichenschwellen
mit Teeröl zu tränken; 1886 ging man zur
Zinkchloridtränkung über, bis 1890, von wo
an mit Zinkchlorid und Teeröl vermischt ge-
tränkt wurde. Jetzt ist bei fast allen französischen
Bahnen wieder die Volltränkung mit Teeröl
eingeführt; nur bei der französischen Nord-
bahn wird nach Blythe und für die französische
Staatsbahn in Bordeaux nach Rüping getränkt.
Die Paris- Orleans-Bahn läßt ihre Eichen-
und Buchenschwellen mit Teeröl nach Bethell,
die Kiefernschwellen mit Kupfersuifat in Privat-
anstalten tränken. Die italienischen Staats-
bahnen geben ihre Schwellen an Unternehmer,
von denen sie nach Quissani und (seit 1907)
nach Rüping behandelt werden. So sind in
14
1
2
6
1
1
17
Neapel nach letzterem Sparverfahren vom
Januar 1907 bis Oktober 1912 fertiggestellt
worden: 682.652 Buchenschwellen, 40.750
Schwellen aus Steineiche, 173.851 aus Zerr-
eiche und 1,722.884 aus Fichtenholz. Mit
Ausnahme der London- und Südwest-Bahn,
die noch heute ohne Druck in offenen Ge-
fäßen Schwellen tränkt, behandeln die meisten
englischen Bahnen ihre Schwellen mit
Teeröl nach Bethell. Irgendwelche neuere
Versuche sind wenig angestellt worden und
mit Ausnahme von 50.000 nach Rüping ge-
tränkten Schwellen für die Große Nordbahn
sind nur vereinzelt Bestrebungen bekannt, die
darauf hinzielen, durch Anwendung von Spar-
verfahren weniger Teeröl zu verbrauchen.
Kurz vor dem Weltkrieg waren jedoch auch
schon in England wie in Schweden und
Norwegen Unterhandlungen wegen Über-
nahme des Rüping-Verfahrens im Gang. In
den Vereinigten Staaten arbeiten gegen-
wärtig etwa 14 Anstalten mit Zinkchlorid, teils
allein, teils mit Teeröl vermischt, 42 mit Teeröl
nach Betheil, 2 mit Quecksilberchlorid und 4
nach Rüping. So ist z. B. die Missouri-, Kansas-
und Texasbahn auf das Rüpingsche T. über-
gegangen und die Atchison-Topeka- und Santa
Fe-Eisenbahn hat in Sommerville (Texas) im
Jahre 1907 in 7 Monaten etwa 1 V4 Mill. Bahn-
schwellen und 3 Mill. Festmeter anderer Hölzer
nach dem Rüping-Verfahren fertiggestellt.
2. Tränkstoffaufnahme.
Nach Art und Trockenheit des Holzes isl
die Tränkstoffaufnahme bei jedem T. ver-
schieden. Vorschriften darüber weichen bei
den einzelnen Verwaltungen oft voneinander
ab. Wirken die Tränkstoffe mit Druck auf
die Holzflächen, so hat man es in der Hand,
durch Druckerhöhung oder durch längeres Be-
lassen im Tränkkessel beliebige Tränkstoff-
mengen einzupressen. Da jedoch Menge und
Gewicht der zugeführten Tränkstoffe stets
Tränkungsverfahren.
347
größer sind als die Saftabgabe, so tritt in-
folge Tränkung eine Gewichtszunahme der
Schwellen ein. Schwellen aus Hölzern mit
natürlicher Kernbildung, die gar kein Splint-
holz, wie die Eiche, oder nur wenig, wie die
Kiefer und Lärche besitzen, nehmen weniger
Tränkstoff auf als Buchenschwellen, die fast
nur aus Splintholz bestehen. Grad und Gleich-
förmigkeit der Durchtränkung hängen somit
bei verschiedenen Holzgattungen nicht nur
von der aufgenommenen Flüssigkeitsmenge,
sondern auch von dem Holzkörperaufbau ab.
Tränken mit Kupfervitriol. 1 m^ Holz
nimmt durchschnittlich Q'5 äo- Tränkflüssigkeit
auf, wodurch die Gewichtszunahme f. d. m^
bei Fichtenholz 24 kg, bei Eichenholz 25 kg,
bei Kiefernholz 57 kg, bei Buchenholz Q5 kg
beträgt. Nach Vorschrift der österreichischen
Staatsbahnverwaltung belief sich die Gewichts-
zunahme bei der früher dort vorgenommenen
Buchenschwellentränkung mit Kupfervitriol so-
gar auf 25 - 30 kg für die Schwelle.
Tränken mit Zinkchlorid. Dieses hängt
von der Zusammensetzung (Verdünnung) der
Zinkchloridlauge ab. Nach Burnett wurde eine
Mischung von 1 Teil Salz und 59 Teilen
Wasser angenommen. Allmählich ging man
jedoch zur Beimischung von nur 14 Teilen
Wasser zu 1 Teil Salz über. Im allgemeinen
arbeitete man mit Lösungen von 1 : 60 bis 1 : 25,
wobei schwächere Mischungen einem höheren
und länger dauernden Druck ausgesetzt
wurden als stärkere. Preußen, die Reichseisen-
bahnen und die pfälzischen Bahnen tränkten
mit 25facher Verdünnung, während z. B. in
Österreich Lösungen mit 2 - 3 % Chlorzinksalz
veru'endet wurden. Nach Angaben der preußi-
schen Staatseisenbahnen betrug dieAufnahmean
Chlorzinksalz für 1 m^ Holz: bei Eichen Q - 22kg,
bei Buchen 44 - 53 kg, bei Kiefern 1 1 - 42 kg.
Dabei wurde insgesamt an Lauge verbraucht:
1 1 0 - 1 1 4 ;^^ für 1 «3 Eichenholz, 257-315/^^
für 1 m^ Kiefernholz, 286 - 429 kg für 1 m^
Buchenholz. In Österreich ergaben sich bei
Tränkung mit Zinkchloridlösung vorerwähnter
Zusammensetzung Gewichtszunahmen von
7-\0kg für die Eichen-, 18-31 kg für die
Kiefern- und 20-3\kg für die Buchenschwellen.
Bei der holländischen Eisenbahngesellschaft
muß jede Schwelle normaler Größe bei Eichen-
holz 6 — 9, bei Lärchenholz 9—15 und bei
Fichtenholz 25 - 35 / Tränklauge aufnehmen.
Tränken mit Chlorzink und Teeröl ge-
mischt (Mischungstränkung). Rütgers gab
Anfang der Siebzigerjahre der auf 65° C
erwärmten Chlorzinklösung einen Zusatz von
2 kg Teeröl für jede Schwelle; später wurde
der Teerölzusatz erhöht. In Dänemark, wo bis
1907 nach dem Mischverfaliren getränkt wurde,
gab man der Chlorzinklauge ebenfalls 2 kg
Zusatz an Teeröl für jede Schwelle; die ge-
samte Tränkstoffaufnahme sollte bei jeder
Kiefern- und Buchenholzschwelle 27kg betragen ;
auf 1 m^ rechnete man insgesamt 310 — 325/^^
Tränkstoff. Bei der italienischen Staatsbahn
soll jede Schwelle außer 15 kg Zinkchlorid
an Teeröl aufnehmen 8 kg bei der Buche,
4 kg bei der Steineiche und 7 kg bei der
Zerreiche. Vorgeschrieben sind für die nor-
male Schwelle: bei den preußischen Staats-
bahnen 1 1 kg für Eichenholz und 36 kg für
Buchen- oder Kiefernholz, bei den französi-
schen Staatseisenbahnen 4 kg für Eichenholz
und 30 kg für Kiefernholz, bei den öster-
reichischen Staatseisenbahnen 8 kg für Eichen-
holz und 30 kg für Kiefernholz. Auf 1 m^
Schwellenholz bezogen verlangen die preußi-
schen Staatseisenbahnen etwa 100 kg Lauge
bei Eichen- und 325 kg bei Buchen- und
Kiefernholz, die niederländische Staatseisen-
bahn bei Kiefernholz 280 kg Lauge, in denen
20 kg Chlorzink und 50 kg Teeröl enthalten
sein müssen.
Tränken mit Chlorzink und Teeröl
in aufeinanderfolgender Behandlung
(Doppelverfahren). Österreichische Staats-
bahnen: für Kiefern- bzw. Buchenschwellen von
0-075- 0-09 ot3 Rauminhalt außer mit Chlor-
zinklauge mit 5 bzw. 13^^, bei größerem Raum-
inhalt mit 6 bzw. 15 kg Teeröl; für Lärchen-
und Eichenschwellen aller Abmessungen mit
Ausnahme von Schmalspurschwellen eine Teer-
öleinpressung von 4 kg.
Volltränkung mit reinem Teeröl. Die
Anforderungen bezüglich Tränkstoffaufnahme
sind verschieden; sie schwankt für 1 /«^ Holz
bei Eichenholz zwischen 70 und 100^^, bei
Buchenholz zwischen 160 und 325 kg, bei
Kiefernholz zwischen 140 und 325 kg. Die
preußischen Staatsbahnen verlangen sogar für
eine normale Schwelle Teerölaufnahmen von
1 1 kg bei Eichenholz und von 36 kg bei
Buchen- und Kiefernholz. Andere Bahnen ver-
langen eine geringere Teerölaufnahme, u. zw.:
für Eichen-
schwellen
für Buchen -
schwellen
Französ. Ostbahn t-7 kg 27 -2Q kg
„ Nordbahn 5 kg ^^ kg
P.-L.-M.-Bahn 5 - 6 kg 21 „
Westbahn - 18-22 kg
Niederl. Staatsbahn 75 kg/m^ 160 kg/ m^
Englische Bahnen allgemein 18 — 22^^'.
Hohltränkung nach Rüping. Durch-
schnittliche Teerölaufnahme in Deutschland:
4 — 5 kg für Eichen-, b — 7 kg für Kiefern-
348
Tränkungsverfahren.
und 12 — 16 kg für Buchenschwellen. Demnach
wiegt eine kieferne Schwelle nach Aufnahme
von 7 kg Tränkungsflüssigkeit 67 kg, eine
eichene nach Aufnahme von 5 kg Öl 85 kg
und eine buchene etwa 91 kg. Die französische
Staatsbahn schreibt 7'5 kg Teerölaufnahme für
die Kiefern- und nur 11-5^^ für die Buchen-
schwelle vor, während bei der dänischen Staats-
bahn an Öl 5-3 kg in Kiefernschwellen und 12^0^
in Buchenschwellen von 0084 m^ Inhalt ein-
gepreßt werden müssen. Bei den italienischen
Staatsbahnen wird das Gewicht einer Buchen-
schwelle (0"087 rti^ Inhalt) um 1 1 kg durch
die Tränkung vergrößert; für Steineichen-
mäßiger Wärme die Entwicklung und Förderung
der Fäulnis verursacht. Über die durch Durch-
tränkung der Schwellen erreichte längere Liege-
dauer — d. h. Zeitabstand zwischen ihrem
Einbau und ihrer Erneuerung — werden von
den meisten Bahnverwaltungen fortwährend
Beobachtungen angestellt. Man hat die ver-
schiedenen Lebensdauern der Einzelschwellen
wohl von der mittleren Lebensdauer der
Gattung zu unterscheiden, welch letztere allein
für Vergleichsrechnungen in Frage kommen.
Auf eine Verwechslung dieser beiden Begriffe
kommt es meist hinaus, wenn von sehr großen
Lebensdauern einer Schwellenart gesprochen
Abb. 313. Schaulinie für die Liegedauer getränkter und ungetränltter Schwellen.
schwellen von gleichem Inhalt soll die Gewichts-
zunahme 4'75A^, für Zerreichenschwellen 8'25äo'
bei jeder Schwelle betragen.
3. Liegedauer.
Rohe hölzerne Bahnschwellen sind der Zer-
störung durch Fäulnis noch mehr ausgesetzt
als die meisten anderen Nutzhölzer. Luft,
Feuchtigkeit und eine gewisse Wärme brauchen
die Fäulniserreger zu ihrer Entwicklung und
Erhaltung; man kann die Schwellen aber weder
dem schädlichen Wechsel von Feuchtigkeit
und Trockenheit, noch dem Luftzutritt entziehen.
Je poröser und schwammiger die Holzmasse
ist und je weniger Harz und Gerbstoffe sie
enthält, um so kürzer ist die Liegedauer der
Schwellen. Denn unter diesen Umständen wird
das Eindringen von Feuchtigkeit in das Holz I
erleichtert, die dann ihrerseits bereits bei i
wird. Es wird dann die beobachtete höchste
Lebensdauer einer beschränkten Anzahl von
Einzelschwellen an Stelle der durchschnitt-
lichen Lebensdauer der ganzen Einbau-
gruppe gesetzt. Es schwanken die Angaben
über die mittlere Dauer der Holzschwellen etwa
in den in Tabelle 5 angegebenen Grenzen.
Tabelle 5.
Holzarten
Eiche .
Lärche
Kiefer .
Buche .
Mittlere Liegedauer in Jahren
Nicht
getränkt
12-15
8-10
6- 8
2V2- 3
Getränkt
nach anderen | mit karbolsäure-
Vertahren \ haltigem Teeröl
15-20
15-20
10-15
10-16
25
20
20
30
Tränkungsverfahren.
349
In Abb. 313 ist eine Anzahl von Schauiinien
für die Liegedauern von HoJzschwelien wieder-
gegeben, u. zw. links für ungetränkte und rechts
für getränkte. Hierdurch ist nachgewiesen, daß
die mittlere Lebensdauer der getränkten Holz-
schwelle infolge der T. beträchtlich gestiegen
und mit ihrem Schwerpunkt den Liegedaucr-
ordinatendes linksseitigen Teiles der Darstellung
nähergerückt ist.
Tränken mit Teer öl. 20 — 25 Jahre Liegedauer
bei der französischen Nordbahn und P.-L.-M.-
Bahn für Buchenschwellen, 18-25 Jahre für
Eichensch weilen. Belgische Staatsbahn 10-12
Jahre in Hauptgleisen und etwa weitere 10 Jahre
darauf in Nebengleisen für Buchen- und Eichen-
schwellen, so daß diese im ganzen 20 — 22 Jahre
gebrauchsfähig sind. Dem internationalen Eisen-
bahnkongreß von 1900 wurde ein auf Grund
der Mitteilungen von 64 Verwaltungen — haupt-
sächlich von Frankreich, England und Rußland
— ausgearbeiteter Bericht unterbreitet, worin die
in Tabelle 6 angegebenen mittleren Gebrauchs-
Tabelle 6.
Holzarten
Kiefernschvcelien .
Eichenschwellen .
Buchenschwellen .
Dauer in Nachher noch
Haupt- verwendbar in
gleisen j Nebengleisen
Gesamte
Gebrauchs-
dauer
J
15
18
20
5
7
10
20
25
30
dauern von teerölgetränkten Schwellen bekannt-
gegeben wurden. Im Taschenbuch der Hütte sind
folgende mittlere Liegedauern angegeben: 8 bis
15 Jahre bei Fichten- und Tannenschwellen,
15 — 20 Jahre bei Kiefern- und Lärchenschwellen,
20-30 Jahre bei Eichenschwellen, 25-35
Jahre bei Buchenschwellen.
Tränken mit Kupfervitriol. Paris-Orleans-
Bahn 10 Jahre Betriebsdauer für Buchen-
schwellen, 14 Jahre für Kiefernschwellen.
Tränken mit Quecksilbersublimat. In
Bayern 15 Jahre für Kiefernschwellen, in Baden
18-20 Jahre für Eichen- und 12 Jahre für
Buchenschwellen.
Tränken mit Zinkchlorid (nach Heinzer-
ling). 22 Jahre Betriebsdauer für Eichen-, 15
für Lärchen-, 13 für Buchen-, 12 für Kiefern-
und 10 Jahre für Tannenschwellen. In der
Schweiz: 19 Jahre Betriebsdauer für Eichen-,
13 für Kiefern- und 12 für Buchenschwellen.
Tränken mit Chlorzink und Teeröl ge-
mischt (Mischungstränkung). Holländische
Eisenbahngesellschaft: Fichtenschwellen 12- 14,
Eichenschwellen 15-20 Jahre Lebensdauer.
In Sachsen sank die Auswechslungsziffer von
Kiefernschwellen in der Zeit von 1 896 - 1 905 auf
jährlich 4'34 %, was einer Verlängerung der Liege-
dauer um 4-6 Jahre im Mittel entspricht. In Öster-
reich hatten weiche Schwellen Lebensdauerer-
höhungen von etwa 5 auf 12 Jahre, Lärchen-
und Eichenschwellen von etwa 8 auf 16 Jahre.
Hohltränkung nach Rüping. 17 Ver-
waltungen beantworteten auf der Techniker-
versammlung zu Utrecht (im Jahre 1912) die
Frage bezüglich Verlängerung der Schwellen-
dauer dahin, daß noch keine Aufzeichnungen
vorliegen und noch kein abschließendes Urteil
gefällt werden kann, da ja die so behandelten
Schwelienbestände noch gar nicht erneuert sind.
Die voraussichtliche Dauer von Schwellen in
Hauptgleisen wird bei Kiefern auf 15—17
Jahre, bei Eichen auf 15-20 Jahre und bei
Buchen auf 1 8 - 25 Jahre geschätzt.
4. Tränkungskosten. ^
Sie hängen hauptsächlich von der einge-
führten Tränkstoffmenge ab. Die Kosten der
Tränkmasse betragen etwa 50 — 75 % (bis 90 % )
des gesamten Tränkungspreises. Letzterer ist
am höchsten bei Buchenschwellen, weil diese
am meisten Tränkstoff aufnehmen.
Die Kosten verschiedener Tränkungsarten
einer Schwelle sind bei den Bahnen des VDEV.
ermittelt und in Tabelle 7 für einige Jahre
' Die Angaben beziehen sich auf die Zeit un-
mittelbar vor Kriegsausbruch 1914.
Tabelle 7.
Holzarten
Jahr
Kupfervitriol
Quecksilber-
chlorid
Zinkchlorid
Teeröl
(nach Bethell)
Zinkchlorid mit
Teeröl (Mischungs-
verfahren)
Eiche
Buche .
Kiefer
oder
Föhre
1884
1893
1903
1912
1884
1893
1903
1912
1884
1893
1903
1912
0-34
0-32
0-40
0-23
0-45
0-40
0-60
0-75
0-52
0-55
066
0-37
0-43
0-33 -0-50
0-30
0-44
0-53
0-35 -0-80
0-47
0-50
0-25 -0-65
0 30-0-53
1-0
0-93
0-75- 1-20
0-73 -0-78
1-9
1-5 -2-55
114
1-7
1-5
2-33
0-61
0-62- 1-20
0-68 -0-73
0-86
0-9
0-43 -0-96
0-74
0-69
0-59 -0-88
0-63 -0-82
350
Tränkungsverfahren.
angegeben. Bei der französischen Ostbahn
beträgt z. B. der Preis einer nur mit Teeröl
o;eträni<ten Eichen- oder Buchenschwelle etwa
5-9 M. Für sog. Schwellen I. und II. Kl. in
Deutschland sind die Tränkkosten nach dem
Rüping- Verfahren in Tabelle 8 wiedergegeben.
Tabelle 8.
Holzarten
Kiefer
(Einfach-Rüping)
Eiche
(Einfach-Rüping)
Buche
(Doppel-Rüping)
Abmessung der
Schwelle
Preußen
(Northeim)
Direktion
Cassel
Württemberg
I. Kl.
2-7 mX 16/26 cm
II. Kl.
2-5/nX14/24cOT
I. Kl.
2-7 m X \b\1bcm
II. Kl.
2-5 mX 14/24 cw
I. Kl.
2-7 otX Xbßbcm
II. Kl.
2-5 mX 14/24 cm
I U 0
I U 0
I "
I U 0-80
U 1-65
97 M
86
0-90
!
\ U 1-35
E 0-71 M
E 0-65
E 0-69
E 1-26
E 104
Am billigsten stellt sich darnach das Tränken
von Eichenschwellen, nächstdem das von Kiefern-
und am teuersten das von Buchenschwellen,
weil eben der Aufwand an Tränkstoff bei
Eiche am geringsten (5 kg), bei Buche am
größten {\^ kg) ist. Tränken im Eigenbetrieb
(E) in der Direktion Cassel ist für die Kiefern-
schwelle I. Kl. um etwa 26^4 "lo , för die Eichen-
und Buchenschwelle um etwa23V2% billiger,
als wenn das Tränken der Schwellen an Unter-
nehmer (U) vergeben werden würde. Vergleicht
man die Rüpingsche Hohltränkung mit der
Teerölvolltränkung, würde also eine Kiefern-
schwelle I. Kl. statt 36 kg nur 7 A^ Teeröl ent-
halten, so würde bei einem Preis von 6 M. für
100/^^ Teeröl eine nach Rüping getränkte Kiefer-
schwelle nur für (7 X 6) : 100 = 0-42 M. statt
wie früher für (36 X 6) : 100 = 2i6M. Teeröl
aufnehmen. Dies bedeutet eine Ersparnis von
1-74 N[. für die Schwelle. Die deutschen Eisen-
bahnverwaltungen gebrauchen etwa 4 Mill.
Bahnschwellen jährlich. Nimmt man an, daß
bei der Volltränkung mit 300 kg/m^, bei der
Hohltränkung mit 60 kg/m^ durchschnittlich
getränkt wird, so müssen dafür 120.000 /
bzw. 24.000 t Teeröl bewilligt werden; in
Kosten ausgedrückt bedeutet dies bei 6 M.
für 100 kg Teeröl eine jährliche Ersparnis
an Ausgaben für Tränkflüssigkeit von etwa
53/4 Mill. M.
11. Hölzer für Stangen und Leitungs-
maste.
1. Rohe Stangenhölzer.
In Deutschland und den anderen mitteleuro-
päischen Ländern verwendet man meist die
Kiefer, weniger die Fichte, Lärche, Weißtanne;
E 0-76 M
E 0-59
Baden
Elsaß-Lothrin-
gische Reichs-
eisenbahnen
2-7X15/25
U 1-39
E 1-56
E 1-21
U 1-15
U 1-16
U 2-04
in den Vereinigten Staaten Amerikas fast immer
die gelbe Zeder. Zerstörung der Stangen aus-
schließlich durch Fäulnis, die das Holz dicht
unter der Erdoberfläche ergreift. Zum Teil
werden die Stangen mangels leicht zu be-
schaffender getränkter Stangen noch jetzt roh
verwendet. Im Jahre 1909 standen z. B. rund
14.900 ungetränkte Stangen in den Linien
der deutschen Telegraphenverwaltung (gleich
0-4 % ). Das Zopfende auf 40 cm Firsthöhe
wird dann dachförmig abgeschrägt, um dem
mit Fäulniskeimen gesättigten Niederschlags-
wasser (Regen, Schnee) den Weg durch die
Hirnfläche in das Innere der Stange zu ver-
legen. Die Schnittflächen erhalten einen
2maligen Anstrich von Steinkohlenteer, Auf
den zweiten Anstrich, der erst nach dem Er-
kalten des früheren aufzutragen ist, wird reiner
gesiebter Quarzsand gestreut, der größere
Haltbarkeit und besseres Haften des Teeröls
bewirkt.
2. Fäulnisschutz für Stangenhölzer.
Einfachster Schutz durch Ankohlen der
Stammenden. Hierdurch wird ein Kohlen-
mantel um das Holz gebildet, der zugleich
Holzteer und andere aus der trockenen Destil-
lation des Holzes herrührende Stoffe enthält.
Dadurch wurde zwar die Stange gegen An-
griffe aus dem Erdreich genügend geschützt,
aber durch die nicht geschützten Teile in der
Luft drangen dauernd atmosphärische Feuchtig-
keit und Fäulniserreger ein. Verwendung dieses
Mittels in neuester Zeit für Leitungsmaste der
Lokalbahn Innsbruck-Hall im Jahre 1912. In
abgelegenen Gegenden, wo Stangenbeförderung
zur Tränkanlage zu teuer würde, wird An-
strich mit Holzteer angewendet, der, auf
Tränkungsverfahren.
351
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gut getrockneten Stan-
gen aufgebracht, in
einem Klima wie in
Norwegen etwa 1 5
Jahre schützt.
T. bis zum Jahre
IQOS.DasBoiicherie-
Verfahren wurde frü-
her am meisten von
der deutschen Tele-
graphenverwaltung an-
gewendet; in dem glei-
chen Maße die Voll-
tränkung mit Teer-
Öl nach Betliell, die
1903 ihren Höhepunkt
erreichte. Das Ver-
fahren mit Zink-
chlorid und Teeröl ge-
mischt unter künst-
lichem Druck ist völlig
außer Gebrauch ge-
kommen. Auch die
Tränkung der Tele-
graphenstangen mit
Quecksilbersubli-
mat nach Ky an wurde
lange deshalb stark ein-
geschränkt, weil die
starke Giftigkeit des
Quecksilbersublimats
und seine Eigenschaft,
leicht zu zerstäuben,
sorgfältigste Vorsichts-
maßregeln nötig mach-
ten. Nur infolge des
großen Bedarfs der
Reichspostverwaltung
an Stangen wurden
aushilfsweise Liefe-
rungen kyanisierter
Stangen an Unter-
nehmer vergeben.
Nach Angaben der
deutschen Telegra-
phenverwaltungen, bei
denen länger als 40
Jahre nur kyanisierte
Stangen in Gebrauch waren, betrug die durch-
schnittliche Lebensdauer mit Quecksilber-
chlorid getränkter Stangen etwa 17 Jahre. Die
Tränkungsarten bis zum Jahre 1905 (nach
Archiv für Post und Telegraphie 1905/16) sind
in Tabelle 9 enthalten. Die Preise für die
Stangenhölzer sind in Tabelle 10 angegeben.
Das in der Anschaffung teuerste Verfahren, die
Tränkung mit Teeröl, ist also im Gebrauch
das billigtse.
Tabelle 10.
Tränkungsarten
Mittlere
Dauer
Jahre
Für 1 m3 Holz
"
Gesamt-
kosten
M.
Kosten für
ein Jaiir
M.
Kupfervitriol ....
Zinkchlorid ....
Quecksilberchlorid
Teeröl
Rohe Stangen . . .
13-4
12-2
14-5
22-3
7-9
5200
48-82
52-77
64-26
41-50
3-88
4-02
3-64
2-88
5-25
NeuereTeeröi-Tränkungs verfahren. Das
Rüping-Verfahren wird jetzt am meisten von
der Reichstelegraphenverwaltung benutzt. Von
1 904 bis Anfang 1912 sind etwa 8,b00.000 solcher
Stangen eingebaut worden. Nach dem Rütgers-
schen Sparverfahren sind von 1904 bis 1912
etwa 3,000.000 mit Teeröl getränkte Stangen
eingebaut. Rüping verwendet nur etwa bOkg/m^
und Rütgers 100 kg/m^ Öl. Die bisher für
Stangenhölzer genannten Tränkungen konnten
nur bei der Kiefer erfolgreich angewendet
werden. Denn da der Tränkstoff nur das Splint-
holz, nicht aber den Kern durchtränkt, ist von
unseren Nadelhölzern hierzu die Kiefer am
geeignetsten, weniger die Lärche, ungeeignet
Fichte und Tanne. Letztere eignen sich aber
wegen ihres schönen, geraden Wuchses und
ihrer Festigkeit besonders zu Telegraphen-
stangen. Nun besteht ein Verfahren von Halten-
berger und Berdenich in Ungarn darin
— um auch Fichte und Tanne für die Tränkung
mit Teeröl geeignet zu machen — daß Stangen
aus diesen Hölzern in ihrem unteren Teil auf
2 m Länge mit Bohrmaschinen am Umfang mit
feinen Löchern versehen werden.
Die mittels Nadeln von etwa 2 mm Stärke
20 - 30 mm tief eingebohrten Löcher sind
Abb. 314. Lochungsmascliine für Stangen.
352
Tränkungsverfahren.
Holzarten
Tanne
Fichte
Kiefer
Lärche
Eiche
Elastizitäts-
ziffer E
in Abständen von rd. 10 cot in der Längs-
richtung des Holzes in spiralförmigen Linien
derart angeordnet, daß jede derselben gegen
die nebenliegende versetzt ist. Durch die An-
ordnung der Bohrnadeln wird erreicht, daß
der Tränkstoff durch den Splint hindurch bis
zum Kern eindringt und sich in Längsrichtung
des Holzes gleichmäßig ver-
teilt. Abb. 314 zeigt solch _____^_^,^
eine Lochungsmaschine
für Mäste in schematischer
Darstellung.
In Österreich wird zur
Erreichung desselben Zieles
noch ein anderer Weg ein-
geschlagen. Man tränkt näm-
lich die Stangen erst mit der
wässerigen Lösung eines
Metallsalzes (Natrium,
Fluor) und preßt dann Teeröl bis zur Sättigung
des Splintes nach. Durch Verdunsten der tiefer
eindringenden Metalisalzlosung wird das Teeröl
weiter in den Stamm hineingesaugt. Andere
Versuche der österreichischen Telegraphen-
verwaltung erstrecken sich auf fäulnishindernde
Salze. In neuester Zeit haben die Rütgers-
werke nitrierte Phenole zum Tränken
von Stangen benutzt. Sie wurden für Kiefern-
holz und auch für Fichten- und Tannenholz
unter Anwendung des Haltenbergerschen Ver-
fahrens angewendet.
III. Hölzer für Eisenbahnbrücken.
Es kommen vor hölzerne Eisenbahnbrücken
in Neben- oder Kleinbahnen; hölzerne Eisen-
bahnbrücken für provisorische Zeitdauer, z. B.
Not- und Kriegsbrücken zur Wiederfahrbar-
machung zerstörter Eisenbahnteile, provisorische
Holzbrücken zur schnelleren Inbetriebnahme
einer neuen Eisenbahn, Arbeits- und Material-
transportbrücken. Die Hölzer werden getränkt
zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der Holz-
brücken innerhalb gewisser Grenzen ihrer
Spannweiten gegenüber dem Eisen. Von Nadel-
hölzern kommen in Betracht: Kiefern, Lärchen,
Tannen und Fichten; von Laubhölzern Eichen-
holz zu Trägern, Stützen und Grundbauten,
Erlenholz zu Grundbauten, Buchenholz zu
Brückenbahnbelägen. Durch Öl- und Teer-
anstriche sucht man die Dauerhaftigkeit der
Brückenhölzer zu erhöhen; doch bringen diese
Verfahren neben zeitweise erforderlicher Erneue-
rung den Nachteil mit sich, daß der Oberflächen-
bezug durch Abhaltung der Luft den inneren
Feuchtigkeitsgehalt des Holzes an der Verdun-
stung durch die Poren der Oberflächen hindert
und so der Fäulnis von innen her Vorschub leistet.
Wirksamste Abhilfe gegen diesen Fäulnisprozeß
bildet Tränkung unter Hochdruck nach
den neueren, vorher beschriebenen, antisep-
tischen Verfahren, besonders die Teer-
ölspartränkung. Hierdurch wird auch die
bauliche Zug- und Druckfestigkeit der Hölzer,
hauptsächlich an ihren Verbindungsstellen, be-
Tabelle n.
Brücken mit rohen Hölzern
ZugZ
kgtcmfi
Druck D
kglcm^
130.000
IQO
130.000
160
130.000
210
130,000
230
120.000
160
Brücken mit getränkten Hölzern
Elastizi'äts-
ZugZ
Ziffer E
kglcmi
120.000
100
113.000
80
120.000
105
120.000
113
113.000
80
Druck D
fcgfcm^
trächtlich erhöht. Tabelle 1 1 weist Werte in kg
auf, denen unter Zugrundelegung mäßiger Er-
schütterungen der rohe Holzstab ausgesetzt
werden darf und wie groß die Erhöhungen
der Festigkeiten durch die Tränkungen sind.
IV. Hölzer für Eisenbahnfahrzeuge.
Tränken der sog. Werkstattnutzhölzer
mit antiseptischen Mitteln findet nicht
statt; höchstens Behandlung durch Trocknen,
Dämpfen, Anstreichen und Auslaugen.
Alle diese Mittel geben dem Holz eine größere
Lebensfähigkeit.
Trocknen, bei erhöhter Temperatur (etwa
100'' C) im Freien oder in Trockenöfen bei
noch höheren Temperaturen. Nach einem be-
sonderen Verfahren wird das Holz einer mehr-
stündigen Behandlung in ungespanntem Ab-
dampf unterzogen und hierauf 5 Tage schwelen-
den Gasen von Holzspänen ausgesetzt, die
unter mangelnder Luftzufuhr verbrennen. Der
ins Holz eingedrungene Dampf wird hierbei
durch die teerölhaltigen Verbrennungsgase
ersetzt, das Holz getrocknet und haltbar gegen
alle Einflüsse gemacht. Dämpfen und nach-
trägliches Tränken des Holzes durch eine
salzige Flüssigkeit (Hasselmann), wodurch
den Hölzern verschiedenartige Farbentöne (grau,
bräunlich) gegeben werden können. Diese er-
halten sich auch bei der Holzverarbeitung,
wodurch ein Anstreichen überflüssig wird.
Anstriche werden erfolgreich bei Holzteilen
angewendet, bei denen der Anstrich leicht
ausgeführt bzw. erneuert werden kann, z. B.
bei Türen und Fensterhölzern. Anstrichmittel
sind: Terpentin- und Leinöl, Ölfarbe, Holz-
firnisse aller Art. Warmen Leinölanstrich er-
halten z. B. die Verschalungsbretter gedeckter
Tränkungsverfahren.
353
Güterwagen; die der offenen Güterwagen
werden erst mit einer Ölfarbe angestrichen
und darüber lackiert. Mit den äußeren Holz-
teilen der Personenwagen wird ebenso ver-
fahren wie mit den Verschalungsbrettern der
offenen Güterwagen; die inneren Teile da-
gegen werden nur poliert^ Auslaugung
bewirkt Entziehung der wasserlöslichen Be-
standteile aus den Hölzern. Sie findet meist
ohne besondere Absicht nebenher beim Flößen
des Holzes statt.
C. Tränkanstalten für Eisenbahnhöizer.
I. Einrichtung und Betrieb von
Tränkanstalten.
Zu jeder Tränkanlage gehört:
a) ein Bahnhof mit äußeren ma-
schinellen Einrichtungen, in der
Hauptsache Transportvorrichtungen
dampf, Abdampf und Heizdampf; bei den
Leitungen für Wasser: Leitungen für Nieder-
schlags-, Zu- und Ablauf für Kühl-, Speise-
und Löschwasser. In alle diese Rohrleitungen
müssen Absperrventile eingebaut sein, um
je nach den Arbeitsstufen verbinden und ab-
sperren zu können. Da das Öffnen und
Schließen der zerstreut angebrachten Ventile
unbequem ist, bedient man Luft- und Tränk-
stoffleitungen getrennt durch Fernschalter von
einer Stelle aus.
Der Verlauf des Arbeitsvorgangs
bedingt als Form der Tränkanlage eine
möglichst langgestreckte, schmale; Hobelhaus,
Abb. 315. Kesselwagen für Tränkkessel.
sowie Schwellenbohr- und -hobel-
maschinen;
Ä^ innere maschinelle Einrichtun-
gen, d. s. Einrichtungen für den Trän-
kungsvorgang. Zu b gehören: Tränk-
kessel; Füllbehälter und Meßgefäße; Preßluft-
behälter, Kühler und Luftpumpen für Luft;
Pumpen für Tränkflüssigkeit, Luft, Wasser
und Dampf. Rohrleitungen zur Verbindung der
Tränkeinrichtungen untereinander sind Luft-,
Flüssigkeits-, Dampf- und Wasserleitungen.
Man unterscheidet bei den Leitungen für
Luft: Leitungen zum Drücken, Saugen, Aus-
puffen und Entlüften; bei den Leitungen
für Tränkflüssigkeit: Leitungen zum Füllen,
Drücken, Saugen und für Oberlauf; bei den
Leitungen für Dampf: Leitungen für Frisch-
' Das Füllmaterial (Holzwolle), das zur Iso-
lation bei den Personenwagen in den Seitenwänden
und in den Zwischenräumen des Fußbodens ver-
wendet wird, tränkt man nach dem Qantschen
Verfahren.
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
Wage und Tränkgebäude sollen möglichst in
einer Richtung liegen. Im Hauptgebäude
der Tränkanstalt sind die Einrichtungen für
den Tränkungsvorgang in 2 getrennten
Räumen, dem Tränk- und Maschinenraum,
oder in einem gemeinsamen Raum unter-
gebracht. Austrocknen der Hölzer vor der
Tränkung ist notwendig. Es gibt: a) natür-
liches Austrocknen im Freien mit Luft oder
in luftigen, vor Feuchtigkeit geschützten
Schuppen; b) künstliches Trocknen in Öfen
mit heißer Luft oder mit Dampf; c) Trocknen
mit Öl (sehr selten). Sind die Hölzer ge-
nügend trocken, so verladet man sie auf
Zustellungswagen, die von kleinen Loko-
motiven zu den Holzbearbeitungs-
maschinen gebracht werden. Dort werden
Schwellen vor der Tränkung gehobelt oder
gekappt, besser auch noch gebohrt. Beim
Abtransport nach dem Hobeln u. s. w. fallen
die Schwellen von oben in die Tränkkessel-
wagen (Abb. 315). Diese müssen unmittelbar
23
354
Tränkungsverfahren.
:^
TerramhÖ^e unä Schienenu/tterffOfth
-^■V-"M'
^<£^^^J^^luff>^|
Abb. 316. Hauptgebäude der Tränkanstalt in Zernsdorf (preußische Staatsbahnen).
in den Tränkkessel einfahren können
genai: in diesen passen; ihre Seiten sind
und
des-
halb stets kreisförmig gebogen. Diese Wagen
bringen die Schwellen nach der Tränkung
auch zu den Stapelplätzen zurück. Bevor
die bearbeiteten Schwellen mit den Kessel-
wagen in den Tränkkessel gelangen, werden
sie auf einer Gleiswage verwogen. Nach der
Tränkung wird das
Schwellengewicht
wiederum ermit-
telt, um die Menge
der aufgenomme-
nen Tränkflüssig-
keit bei jeder Wa-
genladung festzu-
stellen.
II. Ausgeführte
Tränkanstalten.
Zernsdorf für
diepreußischen
Staatseisenbah-
nen ist eine Drei-
kesselanlage. An
Gebäuden sind in
Zernsdorf (Abb.
316) vorhanden:
Hauptgebäude;
Schuppen zum
Schutz der Ölvor-
ratsbehälter im
Freien; Hobel-
haus und Gebäude mit Wohlfahrtseinrichtungen
für die Arbeiter. Das Hauptgebäude enthält
den Tränkraum, Dampfkesselraum, Maschinen-
raum, Akkumulatorenraum, V'ersuchsraum und
verschiedene Bureauräume. Im Tränkraum
liegen: 3 Stück 17-5 m lange Tränkkessel A,
3 Ölvorwärmer F von 10/n Länge, 2 Meß-
gefäße C, ein Kondensator D für die Vakuum-
Abb. 317. Tränkgebäude der
schweizerischen Tränkanstalt
»Zofingen".
Tränkungsverfahren.
355
leitung und ein Kondenswassergefäß E. Im
Maschinenraum stehen S Maschinen. Die
alte einzylindrige Betriebsdampfmaschine M
dient nur noch zum Antrieb der Wellenleitung.
Betriebsdampfmaschine O ist mit 2 Dynamo-
maschinen unmittelbar gekuppelt. Luftkompres-
sor N wird benutzt zum Erzeugen von Preß-
luft für das Bewegen des Teeröls in den
Leitungen und zum Nachdrücken des Öles aus
den Meßgefäßen in die Hölzer. Zwei Vakuum-
pumpen P stellen den Unterdruck beim Trän-
kungsvorgang her, Q sind die Wasserpumpen.
Die beiden Dynamomaschinen dienen zum
Treiben der Elektromotoren für die Hobel-
maschine, die Spiilanlage, zur Beleuchtung
u. a. m. In dem Gebäude K Hegen 4 Ölvorrats-
behälter, außerdem noch 3 im Freien.
Zofingen an der Bahnstrecke Luzern-
Olten (Abb. 317).
Außer Schwellen
werden auch kieferne
Telegraphenmasten
und Brückenbeläge
getränkt. Höchstlei-
stung könnte bei
lOstündiger Arbeits-
zeit an den Holzbe-
arbeitungsmaschinen
und 12stündiger am
Tränkkessel etwa
15.000 m^ Holz in
300 Arbeitstagen be-
tragen ; da jedoch
nur 8 Monate jähr-
lich (April bis De-
zember) der Betrieb
aufrechterhalten wird, so beträgt die jährliche
Leistung nur etwa 8000 m^ Holz. Im Haupt-
gebäude befindet sich ein Tränkkessel von
17 m Länge und 2 m Durchmesser, ein 28 m^
Öl fassender Füllkessel, Luftkompressor, Öl-
preßpumpe, Kondensator für die Vakuumleitung,
elektrische Lichtanlage und Dampfwinde zum
Herausschaffen der Wagen aus dem Kessel. Im
Nebenraum stehen Dampfkessel und Speise-
wasserbehälter. Ferner sind Werkstatt-, Lager-,
Arbeiter-, Bureau- und Baderäume vorgesehen.
Viereckiges Meßgefäß und Ölvorratsbehälter
befinden sich unter Dach im Freien.
Crailoo für die holländische Eisen-
bahngesellschaft. 4,000.000 Schwellen kön-
nen in Stapeln auf den Lagerplätzen unter-
gebracht werden. Die jährliche Schwellenzufuhr
beträgt etwa 120.000 Stück Lärchen- und
Fichtenhölzer sowie etwa 60.000 Eichenhölzer.
Buchenholz kommt gar nicht in Anwendung,
weil in Crailoo nur mit Chlorzink getränkt
wird. Die Kesselwagen stehen auf Anfuhr-
wagen und werden auf diesen auf dem Gleis
zum Tränkkessel gefahren. Das Haupt-
gebäude besteht aus 6 Räumen (Abb. 318):
aus dem Tränkraum A, Maschinenraum B, Akku-
mulatorenraum C, aus den Lager-, Werkstatts-
und Bureauräumen D E F. Im Tränkraum A
liegen 2 Tränkkessel a von 2 m Durch-
messer und 16-5 m Länge, so daß jeder Kessel
einen Tränkzug aus 6 Wagen aufnehmen kann.
Man hat damit Leistungen von 6000 Schwellen
jährlich erzielt. Ferner enthält der Tränkraum
einen Kellerraum mit 4 Arbeitströgen b,
sowie einen hochliegenden Chlorzinkbehälter c;
von dem Behälter aus wird die Lauge in den
Mischtrog d abgezapft, um nach ihrer genügen-
den Verdünnung in die Arbeitströge b abge-
lassen zu werden. Kondensator e sorgt dafür,
daß in der Nähe der Luftpumpe keine Feuchtig-
/
P
a
k
UJ
V /
Abb. 31S. Tränkgebäude in „Crailoo" (Holländische Eisenbahn-Gesellschaft).
keit vorhanden ist. Abzapfkessel/ zapft Wasser
aus den Tränkkesseln, nachdem die Luftpumpe
in Tätigkeit getreten ist. Zwei Spänefänger o'
in den Leitungen von den Arbeitströgen zu
den Flüssigkeitsdruckpumpen verhüten, daß
Holzspäne in die Pumpen geraten. Brücke h
ist nur zur Bedienung der verschiedenen Ab-
sperrventile angelegt. Im Maschinenraums
dient Dampfmaschine l zum Antrieb zweier
Dynamos m, Dampfmaschine n zum Laden der
Akkumulatorenbatterien im besonderen Raum C.
p sind 2 Flüssigkeitspreßpumpen und q eine
Luftpumpe.
Neapel hat eine Dreikesselanlage. Fast
alle Einrichtungen für den Tränkungsvorgang
liegen in einem Raum. Das Hauptgebäude um-
faßt den Maschinenraum, den Danipfkesselraum,
der jedoch vom Maschinenraum nicht zugängig
ist, einen Raum für die Meßgefäße und 2 kleine,
vorn angebaute Räume zum Unterbringen der
Dampfwinden. Im Maschinenraum liegen 3
Tränkkessel von 2 m Durchmesser und 21-5 zw
23'
356
Tränkungsverfahren. - Transandinische Eisenbahn.
Länge; 3 Füllkessel von 2-5 m Durchmesser
und 16 zw Länge; 3 Ölpreßpumpen, 2 Luftpum-
pen und ein Kondensator. Die 3 Meßgefäße
haben eine Höhe von \-\ m und eine Grund-
fläche von 2-8 X 4 /K.
Amerikanische Tränkwerke werden
neuerdings mit hochstehenden Kesseln aus-
gerüstet. Die Kessel stehen im Freien, während
die Lagerschuppen und Holzbearbeitungs-
maschinen in besonderen Gebäuden unter-
gebracht sind. Als Vorteile dieser Behandlung
in stehenden Tränkkesseln werden folgende an-
gegeben : 1 . Vereinfachung der Arbeit, beginnend
mit der Zuführung des Holzes von der Säge in
die Fördergefäße; 2. der nicht mit Holz ausge-
füllte Raum in den Tränkkesseln ist auf das
geringste Maß eingeschränkt, weil der ganze
Kessel mit Holz ausgefüllt wird, was bei liegen-
den Kesseln unmöglich ist, weil zur Aufnahme
des Holzes Wagen erforderlich sind; 3. die
stehenden Kessel erfordern nur ^/^g der Grund-
fläche der liegenden; 4. die Anlagekosten sind
bei weitem geringer als bei einer Anlage mit
liegenden Kesseln. Der Hauptvorteil wird
aber erreicht durch die Vereinfachung des
Arbeitsverfahrens und dessen geringere Kosten.
Diese lassen sich umsomehr einschränken,
je weniger Raum die stehenden Kessel ein-
nehmen. Außerdem ist die Größe der Kessel
nicht mehr abhängig von der Form der Zu-
führungsgefäße, weil keine Wagen in die
Kessel eingeführt werden. Kleine oder auch
besonders geformte Kessel von der Form enger
Röhren können daher aufgestellt werden.
Masten brauchen in teilweise gefüllten Kesseln
nur so weit getränkt zu werden, als sie später
eingegraben werden müssen, während der frei-
stehende, weniger der Zerstörung durch Fäulnis
ausgesetzte Teil von der Tränkflüssigkeit nicht
benetzt wird.
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— Winnig, Grundlagen der Bautechnik für über-
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nische Rundschau 1910; De Ingenieur 1910;
Rev. gen. d. ehem. 1891, 1905; Report Comitee
of Preservation treatment 1910, 1911; Engg.
News 1910; Railw. Age Gaz. 1906, 1908, 1909,
1912, 1913. Igel.
Tragbare Telegraphen s. Streckentele-
graphen.
Tragfähigkeit der Wagen (carrying ca-
pacity; capacitc de Charge; capacita di portata),
die äußerste Grenze, bis zu der Wagen be-
laden werden dürfen (s. Ladegewicht).
Traglasten in Körben, Säcken oder Kiepen
dürfen nach § 28 der deutschen Verkehrsord-
nung und des österr.- un gar. BR. in die 4. Klasse
der Personenwagen mitgenommen werden, so-
fern sie ein Fußgänger mit sich führen kann.
Nach den Ausfuhrbestimmungen zurdeutschen
Verkehrsordnung darf jeder Reisende in der
4. Klasse nur eine T. mit sich führen. Sie
kann auch aus mehreren Stücken bestehen.
Gegenstände, die infolge ihres Umfangs, ihres
Gewichts oder ihrer ."Xnzahl ein einzelner Fuß-
gänger nicht zu tragen vermag, werden auch
dann nicht als T. zugelassen, wenn mehrere
Fahrkarten vorgezeigt werden. Kleinere Tiere
dürfen dagegen als T. mitgenommen werden.
Trajektanstalten s. Fähranstalten.
Transandinische Eisenbahn, auch nach
ihrem Erbauer Transanden-Clark-Bahn genannt,
ist die erste und bis jetzt einzige Eisenbahn,
die das Festland von Südamerika durchquert
und den .atlantischen mit dem Stillen Ozean
verbindet. Sie durchzieht die Staaten Argentinien
und Chili zwischen Buenos Aires und Val-
paraiso und ist 1436 ÄOT lang. Die Bahn führt
von Buenos Aires zunächst nach A\endoza
(1048 äot), bis wohin die technischen Ver-
hältnisse ziemlich einfach liegen. Ihre Spur-
weite beträgt bis dahin 1'646/k. In Mendoza
beginnt die eigentliche Andenbahn, die bis
Los ,\ndes in Chili führt, 1 m Spurweite hat
und 250 km lang ist. An sie schließt sich die
wieder breitspurige Bahn von Los .Andes nach
Valparaiso (138 Ä/w). Der Bau der Gebirgs-
strecke war mit außerordentlichen Schwierig-
keiten verbunden. Die Bahn überschreitet in
einer Höhe von 3200 m den 3842 m hohen
Upsallatapaß (auch juncalpaß genannt) mit
einem 3030 ni langen Tunnel. Auf der Bahn-
strecke befinden sich 291 Durchlässe in einer
Transandinische Eisenbahn. - Transportsteuern.
357
Gesamtlänge von 438 m, 39 Brücken in einer
Gesamtlänge von 1276 m und 10 kleinere
Tunnel in einer Gesamtlänge von 533 m.
Ein Teil der Bahn ist als Zahnradstrecke ge-
baut. Die größte Neigung beträgt auf der
Adhäsionsstrecke 25% auf 1-64 Ä/n, auf der
Zahnradstrecke bQ% auf 3-38 ^m. Der Durch-
schlag des größten Tunnels (Tunnel de la
Cumbre) erfolgte am 27. November 1909,
die ganze Bahn wurde am 25. Mai 1910 bei
Eröffnung einer großen internationalen Aus-
stellung in Buenos Aires zur Hundertjahrfeier
der Unabhängigkeit der argentinischen Re-
publik dem Verkehr übergeben.
Die Bahn hat ihre Bedeutung als eine große
neue Verkehrsstraße hauptsächlich zwischen
den beiden südamerikanischen Republiken, die
sie durchschneidet, aber auch den Nachbar-
republiken. Die Reise von Valparaiso nach
Buenos Aires zur See durch die Magalhaens-
straße dauerte 14 Tage, auf der Eisenbahn
dauert sie 2 Tage. Die Beförderung der ver-
hältnismäßig geringen Gütermengen über das
Gebirge erfolgte früher durch Maultiere. Un-
geachtet der durch die Bahn herbeigeführten
Verbesserungen sind die wirtschaftlichen Er-
folge des neuen Verkehrsweges bis jetzt nur
mäßige. Es liegt das einmal daran, daß beim
Wechsel der Spur eine 2malige Umladung
der Güter erforderlich ist, und sodann an den
klimatischen Verhältnissen der Gebirgsstrecken,
die bei den starken Schneefällen und den
heftigen Schneestürmen in der kalten Jahres-
zeit oft Wochen-, ja monatelang gesperrt werden
müssen. Der Güterverkehr stockt dann voll-
ständig, die Reisenden werden mit Wagen über
das Gebirge befördert. Für den Güterverkehr
kommt dazu der Wettbewerb des Seewegs
und der Umstand, daß das für Chili besonders
wichtige Vieh immer noch besser und billiger
zu Fuß über die Grenze geführt wird. Im
Jahre 1910, für das allein Zahlen vorliegen,
wurden nur 36.050 1 Güter über die Bahn
gefahren. Die Zahl der beförderten Personen
betrug in demselben Jahr 20.566, während
sie sich in den Vorjahren durchschnittlich auf
10.000 belief. Wie weit für den internationalen
Verkehr der Panamakanal Einfluß haben wird
auf die wirtschaftliche Entwicklung der T.,
ist noch nicht zu übersehen. Auch durch die
mit Rücksicht auf die hohen Anlagekosten
sehr hoch bemessenen Tarife wird der Ver-
kehr stark beeinflußt. Die Entfernung wird durch-
wegs nicht nach der natürlichen, sondern nach
der virtuellen Länge der Strecke bemessen, die
stellenweise doppelt so hoch ist als die natürliche.
Insgesamt sind die Personentarife, je nach dem
Kurs des Geldes, 10-12mal, die Gütertarife
etwa 8-lOmal höher als die der übrigen
Staatsbahnstrecken.
Ungeachtet dieser wenig günstigen wirt-
schaftlichen Verhältnisse ist der Bau weiterer,
südlich gelegener, die Anden überschreitender
Bahnen teils geplant, teils bereits in Angriff ge-
nommen. Eine Bahn soll über den Antucopaß
gehen. Sie würde das chilenische Zentral-
netz in der Nähe von Concepcion und Talca-
huano mit einer von Bahia Bianca am At-
lantischen Ozean ausgehenden argentinischen
Bahn verbinden. Die andere, noch südlichere
würde in der Gegend von Osorno zwischen
Valdivia und Puerto Montt in Chili den An-
schluß von einer Linie herstellen, die vom
Golf San Antonio am Atlantischen Ozean
nach dem Nauheiuapisee führt. Auf dieser
würden die Anden in einer Höhe von nur
1 1 80 /w zu überschreiten sein. Wie weit die
Anlage dieser Bahnen in den letzten Jahren
gefördert ist, ist nicht bekannt.
Z.;Yfra^«/-u. a. :.Biedermann, Die transandinische
Eisenbahn. Mit Obersichtskarte. Arch. f. Ebw. 1911,
S. 366 ff. — Martner, Die Eisenbahnen Chiles. Arch.
f. Ebw. 1916, S. 649 ff., 892 ff. - Offermann, Die
technisch-wirtschaftliche Entwicklung von Patagonien.
Arch. f. Ebw. 1917, S. S2 ff. - Ältere, meist über-
holte Literaturangaben bei Biedermann, a. a. O.
V. der Leyen.
Transbaikalbahn s. Sibirische Eisen-
bahn.
Transittarife s. Gütertarife.
Transitzüge (Durchgangszüge) s. Güter-
züge.
Transkaspische Eisenbahn s. Mittel-
asiatische Bahnen.
Translation. In der Telegraphie die selbst-
tätige Übertragung der Schriftzeichen von einer
Leitung auf eine andere (s. Telegraph, A.
Telegraphenanlagen). Fink.
Transportberechtigter Weg s. Ver-
kehrsleitung.
Transportdienst s. Güterdienst.
Transporteinnahmen s. Betriebsergeb-
nisse.
Transportsteuern (diities payable in resped
of conveyance; impöts sur les transports;
imposte siii trasporti), darunter sind jene Ab-
gaben zu verstehen, die auf die Beförderung
von Personen und Sachen mit bestimmten Be-
förderungsmitteln gelegt werden. Diese Abgaben
erfassen lediglich den tatsächlichen Vorgang
der Ortsveränderung ohne Rücksicht darauf,
ob mit ihm auch eine Vermögensveränderung,
wie sie für die „Verkehrssteuern" im tech-
nischen Sinn gefordert werden muß, verbunden
ist oder nicht, und lassen den Zweck jenes
Vorgangs ganz außer acht.
358
Transportsteuern.
Der Enh^'ickliing der mechanischen Mittel
zur Personen- und Warenbeförderung ent-
sprechend, bilden gegenwärtig die T. für Be-
förderungen mittels Eisenbahn (neben jener
mittels Schiffen) die wichtigste, ja in vielen
Staaten die einzige Art der T.
Bei der Regelung der Eisenbahntrans-
portsteuer knüpft die Gesetzgebung der
Staaten, in denen diese Steuer eingeführt ist,
einerseits an die Tatsache der Beförderung in
Verbindung mit dem für sie zu entrichtenden
Preis, anderseits an die Tatsache der Errich-
tung bestimmter, die Beförderung betreffender
Urkunden an.
Im ersteren Fall wird die T. in der Regel
als fester oder perzentueller Zuschlag zu dem
tarifmäßigen Beförderungspreis angefordert und
sie ist seitens der staatlichen und privaten Eisen-
bahnunternehmungen von denen, die den Be-
förderungspreis zu entrichten haben, als den
eigentlichen Steuerträgern zugleich mit jenem
Preis für Rechnung des Staatsschatzes einzu-
heben und an die Staatskasse abzuführen.
In diese Gruppe gehört auch die in dem
gleichnamigen Artikel bereits behandelte sog.
„Fahrkartensteuer" im Deutschen Reich
und in Österreich.
Im zweiten Fall wird die Entrichtung einer
Stempelgebühr hinsichtlich der über die Be-
förderung zu errichtenden Urkunden aller Art
(Personenfahrkarten, Frachtbriefe u. s. w.) ent-
weder mit festen Beträgen für jede einzelne
Urkunde oder auch mit einem dem Beförde-
rungspreis proportionalen Satz auferlegt, was
letzteres der Gerechtigkeit mehr entspricht als
der Vorgang, Fahrten über kurze und weite
Strecken und ohne Rücksicht auf die Wagen-
klasse mit gleich hohen und daher relativ un-
gleichmäßigen Stempelbeträgen zu belasten.
Die erste Einführung einer T. ist für den
Verkehr mit den allgemeinen Wirkungen einer
Tariferhöhung verbunden. Betrifft die neu ein-
geführte Steuer den Personenverkehr und
ist sie nach der Güte der Wagenklasse an-
steigend abgestuft, so bewirkt sie zunächst ein
Abwandern der Reisenden aus den höheren
in die niederen Wagenklassen, so daß sie die
Eisenbahnunternehmungen zur Vermehrung des
Bestandes an Wagen der unteren Klassen, also
zu erhöhten Ausgaben nötigt und bei Staats-
eisenbahnen aus der gleichen Ursache den
Erfolg der Besteuerung auf längere Zeit hinaus
wettzumachen vermag.
(Näheres hierüber in Revue de science et de
legislation financiere, 1909, S. 365 und in der Ztg.
d. VDEV. vom 18. Sept. 1907, 26. Aug. 1908 und
11. Nov. 1908.)
In ihrem geschichtlichen Entwicklungsgang
ist die T. auf die frühere Besteuerung öffent-
licher Fuhrwerke in Frankreich und Groß-
britannien zurückzuführen.
In Frankreich hatte schon das Ges. vom
Q.Vendemiaire desJahresVI (30.Sept. 1797) auf
die Personenplatzpreise der nach einem
festen Fahrplan zwischen bestimmten Oiten
verkehrenden öffentlichen Fuhrwerke eine Ab-
gabe mit 10% gelegt, die durch Ges. vom
6. Prairial des Jahres VII (26. Mai 1798) um
■•'.,0 als Zuschlag erhöht und durch Ges. vom
5. Ventöse des Jahres XII (25. Febr. 1803)
auch auf den Preis der Beförderung von
Waren mittels jener Fuhrwerke ausgedehnt
wurde.
Das Ges. vom 2. Juli 1838 regelte nun
die Anwendung der erwähnten Abgaben
auf Eisenbahnen in der Art, daß die Eisen-
bahnunternehmungen verpflichtet wurden, die
Abgabe von den Platzpreisen der Reisenden
mit jener Quote zu entrichten, die auf den
Preis der Beförderung im engeren Sinn ent-
fiel. Die im Platzpreis inbegriffene sog. Peage-
gebühr und die Warenbeförderung durch Eisen-
bahnen blieb vorläufig unbesteuert.
Durch das Ges. vom 14. Juli 1855 wurde
die Proportionalabgabe auf eine neue Grund-
lage gestellt. Das Gesetz bestimmte, daß die
if^ige Abgabe (10% -]- Zuschlag) von dem
vollen Preis der Personenplätze und
außerdem von dem Beförderungspreis der Eil-
güter einzuheben sei, und fügte der Haupt-
abgabe einen weiteren Zuschlag von ■'/,o
hinzu, so daß sich die .Abgabe nun auf 12%
stellte. Die Eisenbahnunternehmungen wurden
ermächtigt, ihre Tarife um den Betrag der Ab-
gabe zu erhöhen, wovon sie auch Gebrauch
machten. Das Ges. vom 16. September 1871
(eine Folge des Krieges mit Deutschland) brachte
eine Erhöhung der Abgabe um 10% des tat-
sächlichen Beförderungspreises von Personen
und Eilgütern, so daß die Steuer auf 23-2%
stieg.
Erst 1892 (und nachdem in der Zeit von
1874 bis 1878 auch der gewöhnliche Frachten-
verkehr einer 5% igen Abgabe unterzogen
worden war) konnte Frankreich an eine Herab-
setzung der schweren Belastung des Personen-
und Eilgutverkehrs schreiten.
Durch das Ges. vom 26. Januar 1892 wurde
die 10% ige Zuschlagstaxe des Ges. vom 16. Sep-
tember 1871 vollständig beseitigt und die 1 2 % ige
Abgabe von den Nettopreisen der Eilfracht
aller Art auf die Beförderung von Gepäcks-
übergewicht, von Geldsendungen (finances) und
Hunden eingeschränkt. Da die Abgabe nur die
Nettopreise der steuerpflichtig gebliebenen
Personen- und Eilgutbeförderungen trifft, in
den Tarifsätzen der Bahnen (den Bruttopreisen)
Transportsteuern.
359
aber die 12^^ ige Steuer niitenthalten ist, er-
geben sich als Steuer bei den Hauptbalinen
12/^^2= 10-72 % des Tarifsatzes. Für Lokal-
bahnen wurde die Proportionalabgabe auf
3% (2-91% des Tarifsatzes) herabgesetzt.
Für Bahnen endlich mit einer Betriebslänge
unter 10 km kann an Stelle der Proportional-
abgabe eine feste jährliche Abgabe nach einem
der Anzahl der Platzpreise entsprechenden
Tarif treten, wie er für öffentliche, nur ge-
legentlich oder nach Belieben verkehrende
Fuhrwerke ohne bestimmte Abfahrzeiten gilt.
(Art. 28, Ges. vom 26. Januar 1892 und
Art. 12, Ges. vom 16. April 1895.)
Ertrag der besprochenen Abgaben im Jahre
1911 rd. 83 Mill. Fr.
Personenf ah rkarten unterliegen, wennder Fahr-
preis 10 Fr. übersteigt, dem durch Ges. vom 15. Juli
1874 erhöhten Quittungsstempel. Die effektive Stem-
pelung kann durch Pauschalierung ersetzt werden.
Freifahrscheine und Legitimationen für Fahrten
zu ermäßigten Preisen der Staatsbahnen und staat-
lich unterstützten Bahnen sind durch Ges. vom
29. März 1897 mit gewissen Ausnahmen einer Stempel-
gebühr unterworfen. Sie beträgt:
Für eine einmalige direkte Fahrt oder eine Hin-
und Rückfahrt in der I. bzw. II. und Ili. Kl. 20
bzw. 10 und 5 Ct.; für Jahres-, Zeit- oder Perma-
nenzkarten nach der Wagenklasse absteigend 1 bzw.
0-50 und 025 Fr.
Die von den Eisenbahnen jedem Aufgeber einer
Fracht, der nicht die Ausfertigung eines förmlichen
Frachtbriefs (Art. 101 und 102 des Code de commerce)
beansprucht, und auch vom aufgegebenen Personen-
gepäck obligatorisch auszustellenden Rezepisse
sowie die ihnen durch Ges. vom 25. Dezember 1893
gleichgestellten internationalen Frachtbriefe (Berner
Konvention vom 14. Oktober 1890) unterliegen der
Gebühr von 35 Ct. bei Eilgut- und von 70 Ct. bei
gewöhnlichen Frachtsendungen. Diese Gebühr ist auf
10 Ct. ermäßigt für Postkollis und die sog. „colis
agricoles", deren Gewicht 50 kg nicht übersteigt.
Für Sammelsendungen unter gemeinsamer Adresse
(«groupage") müssen so viele Rezepisse ausgestellt
und vergebührt werden, als faktische Bezugsberech-
tigte der vereinigten Einzel trachten bestehen (Ges.
vom 30. März 1872). Ertrag dieser Steuern 1911
rd. 73 Mill. Fr.
In Großbritannien wurde anschließend an
die Besteuerung der öffentlichen Fuhrwerke
im Jahre 1832 für die Beförderung von Per-
sonen auf Eisenbahnen ein sog. „Meilengeld"
mit dem Satz von 0-5 d (4-25 Pf.) für eine
englische Meile (1-609 km) und 4 Personen
eingeführt.
Diese Abgabe wurde durch den Railway
Passenger Duty Act vom 5. August 1842
(5 & 6 Vict. c. 79) in eine Steuer in der Höhe
von 5% des Ertrags des Personenverkehrs
umgewandelt und nahm hierdurch den Charakter
einer (partiellen) Ertragsteuer der Eisenbahnen
an, denen es durch die Rechtsprechung der
Gerichtshöfe verwehrt wurde, von den Reisenden
außer dem Fahrgeld einen 5 ^i, igen Zuschlag
zur Deckung der Steuer einzuheben, widrigens
sie die Steuer auch von dem Zuschlag zu ent-
richten hätten. Gleichwohl kann kaimt bezweifelt
werden, daß die Steuer tatsächlich aus den
Taschen der Reisenden fließt.
Durch den Railway Regulation Act vom
9. August 1844 (7 & 8 Vict. c. 85) wurden die
Eisenbahngesellschaften verpflichtet, auf ihren
Strecken an jedem Wochentag mit Ausnahme
des Weihnachtstages und des Charfreitags (die
Ausnahme gilt für Schottland nicht) einen in
jeder Richtung verkehrenden, in jeder Station
haltenden und mit Wagen 111. Klasse versehenen
Zug verkehren zu lassen, wobei der Fahrpreis
dieser Wagenklasse 1 Penny f. d. Meile (5-28 Pf.
f. d. km) nicht übersteigen durfte.
Über Fahrgeschwindigkeit, Ausstattung der
Wagen, Freigepäck u. s. w. wurden nähere Be-
stimmungen getroffen.
Die Einnahmen der Eisenbahngesellschaften
aus der Beförderung von Reisenden mit
solchen Zügen und zu einem Fahrpreis,
der den angegebenen Satz nicht über-
stieg, wurden von der Steuer befreit, was den
Gesellschaften Anlaß gab, diese Art von Zügen,
die sog. „parliamentary trains" (s. Parlaments-
züge), ungemein zu vermehren, ohne sich immer
streng an die gesetzten Bedingungen zu halten.
Deshalb wurde durch Abs. 14 des Revenue
Act vom 29. Juni 1863 (26 & 27 Vict. c. 33)
bestimmt, daß die durch das vorbezogene
Gesetz hinsichtlich der Beförderung von Rei-
senden mit billigen Zügen („Cheap trains")
zugestandene Steuerbefreiung nicht auf Züge
ausgedehnt werden dürfe, die nicht wenigstens
an 6 Tagen in der Woche oder an einem
Markttag zu und von einem Marktort unter
Genehmigung des Handelsamtes (Board of
Trade) verkehren sollen oder die nicht von
diesem Amt als regelmäßig laufende, Reisende
der III. Klasse zum Satz von 1 Penny f. d. Meile
befördernde Sonntagszüge erklärt wurden.
Mit Cheap Trains Act vom 20. August
1883 (46 & 47 Vict. c. 34) wurden die Fahr-
preise, die den eben erwähnten Satz nicht
übersteigen, für alle Arten von Zügen von der
Passagiersteuer befreit und wurden die Ein-
schränkungen, die die frühere Gesetzgebung
an die Befreiung geknüpft hatte, aufgehoben.
Fahrpreise für Hin- und Rückfahrts- sowie
für Zeitkarten sollten jedoch nur dann steuer-
frei sein, wenn der gewöhnliche Fahrpreis für
die einfache Fahrt jenen Betrag nicht überstieg.
Zugleich wurde die (für Fahrten zum Preis
von über I Penny f. d. Meile im allgemeinen
fortbestehende 5 % ige) Steuer für Beförde-
rungen zwischen Stationen innerhalb
solcher geschlossener Gebiete, die mehr als
360
Transportsteuern.
100.000 Einwohner enthalten und vom Handels-
amt als Stadtgebiete (urban districts) erklärt
werden würden, was z. B. bezüglich der Me-
tropole London am 7. April 1884 geschah,
auf 2% herabgesetzt.
Falls eine Gesellschaft zu dem Fahrpreis
von 1 Penny f. d. Meile Zuschläge für besondere
Bequemlichkeiten (reserved accommodations)
einhebt, hat sie auf die Befreiung solcher
Fahrten von der Steuer keinen Anspruch.
Die vom Staat bezahlten, gegen Marsch-
route erfolgenden Beförderungen von Ange-
hörigen der bewaffneten Macht (the forces),
dann von Frauen, Witwen und Kindern solcher
Personen sind von der Passagiersteuer befreit.
Ertrag dieser Steuer, die für Irland nicht
gilt, betrug im Jahre 1907 rd. 350.000 £
= 1 ftf des aufgewandten Anlagekapitals der
Bahnen.
Für die Güterbeförderung auf Eisenbahnen
besteht keine T., auch nicht in Stempelform.
Italien hat nach französischem Vorbild
durch Ges. vom 6. April 1862 auf die unter
den Begriff „trasporti a grande velocitä"
fallenden Beförderungen von Personen, Gepäck
und Eilgut jeder Art eine Abgabe mit 10%
des Beförderungspreises gelegt, die durch Ges.
vom 14. Juni 1874 unter gleichzeitiger Ein-
führung einer Abgabe mit 2% für gewöhn-
liche Güterbeförderungen (trasporti a piccola
velocitä) auf X'i'o erhöht wurde.
Um Vorkehrungen zur Beseitigung des Abgangs
der wechselseitigen Pensionskassen des mittelländi-
schen, adriatischen und sizilianischen Eisenbahn-
netzes zu treffen, erfolgte im Grund des Ges. vom
15. August 1897 durch kgl. Dekret vom 27. No-
vember 1S97 eine weitere Erhöhung der .Abgabe für
Personenbeförderungen über Strecken von mehr als
20 km in folgendem Ausmaß:
a) für Eilzugfahrten über 21 bis einschließlich
29 km von 13 auf \%«o;
b) für Eilzugfahrten über mehr als 30 km von
13 auf 23»i;
c) für Personenzugfahrten über mehr als 20 km
von 13 auf 14%.
Der Mehrertrag der Steuer über 13 «i hinaus wurde
den genannten Kassen zugewiesen.
Diese zunächst nur für die Zeit bis zum 31. De-
zember 1898 eingeführten Steuererhöhungen wurden
durch spätere Gesetze, zuletzt durch jenes vom
21. Dezember 1899 in Kraft belassen, jedoch nur
bis zur endgültigen gesetzlichen Regelung der Für-
sorgeinstitute für das Eisenbahnpersonal imd läng-
stens bis zum 31. März 1900. Diese Regelung erfolgte
durch Ges. vom 29. .März 1900, das jene Steuer-
erhöhungen in seinem Art. 29 außer Kraft setzte.
Durch Art. 22 des Ges. vom 29. März 1900
wurde, jedoch nur für die Linien des adria-
tischen, mittelländischen und sizilianischen
Netzes, die Abgabe von den Beförderungen
„a grande velocitä" von 13 auf 16% und von
den Beförderungen «a piccola velocitä" von
2 auf 3% erhöht.
Von den Erträgnissen der Züge, die aus-
schließlich aus Wagen der niedersten Klasse
zusammengesetzt sind, den Lokal- oder Vor-
stadtverkehr besorgen, gelegentlich der Ab-
haltung von Märkten verkehren oder zur Be-
förderung von industriellen oder landwirt-
schaftlichen Arbeitern (operai e lavoratori della
terra) eingeführt sind, wird nur die Abgabe
für Beförderungen „a piccola velocitä" (also
2 bzw. 3 % ) eingefordert (Ges. vom 27. De-
zember 1896 und 30. Juni 1906). Die gleiche
Begünstigung wurde durch das letztbezogene
Gesetz den Wochen- und Feiertagsabonnement-
fahrkarten für die Beförderung von Arbeitern
der genannten Berufsarten zugestanden.
Nach Art. 20, Z. 5 u. Z. 20 des Ges. vom 4. Juli
1897 unterlagen Personenfahrkarten und Emp-
fangscheine (riscontri, ricevuti) über die Beförde-
rung oder Aufbewahrung von Gepäck und Waren
der festen Stempelgebühr von 5 Centesimi, dann
Abonnementskarten für Reisen oder Warenbeförde-
rung der festen Stempelgebühr von 50 Centesimi für
jede einzelne dieser Urkunden.
Diese Gebühren wurden nach und nach, u. zw.
zunächst für die Bahnen mit sog. „ökonomischem
Betrieb" (Ges. vom 9. Juni 1901), dann hinsichtlich
der .^bonnementskarten für alle Bahnen (Ges. vom
30. Juni 1906), endlich hinsichtlich der 5 "«igen
Stempelgebühr auch für die Hauptbahnen (Ges. vom
4. Juli 1912) durch Proportionalabgaben ersetzt,
die nunmehr betragen :
1. für Warenbeförderungen ,.a piccola velocitä"
0-4%;
2. für sonstige Waren- und für alle Personen-
beförderungen 1-5»«
des Beförderungspreises. Personenfahrkarten der
III. Klasse zum Preis bis zu '/: Lire sind von dieser
Abgabe frei.
Ertrag der Fahrkartensteuer im Jahre 1913
rd. 40 Mill. Lire, jener der Stempelsteuer im
Jahre 1914 rd. 5-5 Mill. Lire.
Der Ausgabe von Freifahrscheinen bzw. An-
weisungen zu ermäßigten Fahrten sind für die
Staatsbahnen durch Ges. vom 22. April 1905,
für die Privatbahnen durch Ges. vom 14. Juni
1874 ziemlich enge, durch Strafsanktion ge-
sicherte Schranken gezogen.
In Deutschland gelangte erst mit dein
Ges. vom 8. April 1917 eine Abgabe für die
Beförderung von Personen auf Schienenbahnen
und Wasserstraßen, ferner von Gepäck und
Gütern zur Einführung.
Die Abgabe für die Beförderung von Per-
sonen beträgt I. Kl. 16%, IL Kl. 14%, III. Kl.
12%, IV. (111 b) KL 10%, im Straßenbahn-
verkehr 6 % des Beförderungspreises.
Befreit sind Beförderungen im Arbeiter-,
Schüler- und Militärpersonenverkehr, soweit
die Abfertigung in diesen X'erkehren zu er-
mäßigten Preisen erfolgt.
Bei Neueinführung bzw. Neuregelung der
angeführten Abgaben im Deutschen Reich wur-
Transportsteuern.
361
den die Vorschriften des Reichsstempel-Gesetzes
über den Personenfahrkartenstempel (Fahr-
kartensteuer, s. d.) außer Kraft gesetzt.
Jedem Bundesstaat werden von den aus jenen
Abgaben innerhalb seines Gebiets jährlich auf-
kommenden Einnahmen 2% aus der Reichs-
kassa gewährt. Für Gepäck ist die T. mit
12% der Gepäckfracht festgesetzt. Gepäck-
beförderungen im Militärgepäckverkehr sind,
soweit die Abfertigung zu ermäßigten Preisen
erfolgt, von der Abgabe befreit. Für die Be-
förderung von Gütern auf Schienenbahnen
und Wasserstraßen innerhalb des Reichsgebiets
ist eine Abgabe in der Höhe von 7 % des
Beförderungspreises zu entrichten.
Von der Abgabe sind u. a. befreit: Beförde-
rungen von Gütern, die den eigenen Zwecken
des Beförderungsunternehmens dienen, Beförde-
rungen der unter I genannten Kohlenarten im
Eisenbahnverkehr, gewisse Beförderungen im
nichtöffentlichen Güterverkehr (Werkbahnen,
Grubenbahnen).
Außer der durch Ges. vom S. April 1917 einge-
führten T. vom Personen- und Güterverkehr wird
in Deutschland ein Frachturkundenstempel ein-
gehoben, zunächst bloß für Frachtbriefe, welche auf
die Ladung ganzer Eisenbahnwagen lauteten ; nor-
mierte Stempel von 20 bzw. 50 Pf, wurden durch das
Frachturkundenstempelgesetz vom 17. Juni 1916
auch auf Frachturkunden über Stückgüter ausgedehnt
und durch das Reichsgesetz über die Besteue-
rung des Personen- und Güterverkehrs vom
8. April 1917 unter neuerlicher Erhöhung der
Stempel für Frachturkunden im Eisenbahnverkehr
festgesetzt wie folgt:
1. Frachtstückgut und Expreßgut . . . . M. 0-15
2. Eilstückgut „ 0-30
3. Frachtgut in Wagenladungen
bei einem Frachtbetrag von nicht mehr als
25 M , 1-50
bei höheren Beträgen „ 3-—
4. Eilgut in Wagenladungen
bei einem Frachtbetrag von nicht mehr als
25 M 3-
bei höheren Beträgen „ 6'—
Bei der Beförderung von Steinkohlen, Braunkohlen,
Koks und Preßkohlen aller Art erhöhen sich die
Sätze in Ziffer 3 auf 2 M. und 4 M.
In Österreich war bereits 1892 die Ein-
führung einer T. für den Personen- und
Frachtenverkehr mit folgenden Sätzen geplant:
5% für Frachten, 7% für Eilgut, 10% für Per-
sonen. Der Plan wurde jedoch wegen des
Widerspruchs, den er in der öffentlichen Meinung
hervorrief, fallen gelassen. Erst im Jahre 1902
erfolgte die Einführung einer T. vom Personen-
verkehr (Fahrkartensteuer) und mit kaiserlicher
Verordnung vom 10. Januar 1917 eine solche
vom Gepäck- und Güterverkehr.
Durch die angeführte kaiserliche Verordnung
wurden die Sätze der Fahrkartensteuer zunächst
bis 31. Januar 1920 wie folgt erhöht:
a) auf Hauptbahnen von 12 auf 20%, bj auf
Lokalbahnen von 6 auf 10%, cj auf Klein-
bahnen von 3 auf 5 % des in Österreich zur
Einhebung gelangenden Fahrpreises, dj nach
und von Ungarn, Bosnien und Hercegovina
von 10 auf 18% jenes Teiles des Fahrpreises,
der auf die Beförderung in Österreich entfällt.
Eine besondere städtische Fahrkartensteuer wird
auf Grund von Landesgesetzen im Verkehr ein-
zelner städtischer Straßenbahnen eingehoben.
Gleichzeitig erfolgte die dauernde Erhöhung
der Stempelgebühr für Anweisungen
(Legitimationen) zur freien Fahrt sowie zur
Fahrt zu ermäßigten Preisen auf dasDoppelte
der in § 12 des Ges. vom 19. Juli 1902, RGB.
Nr. 153 aufgestellten Sätze.
Durch die erwähnte kaiserliche Verordnung
vom 10. Januar 1917 wurde in Österreich auch
eine Steuer für die Beförderung von Reise-
gepäck (auch Militärgepäck) auf Eisenbahnen,
worunter auch die von den Reisenden mit-
genommenen Hunde und das Expreßgut zu
verstehen ist, mit den jetzt für die Fahrkarten-
steuer untere bis c normierten Sätzen eingeführt.
Für die Beförderung von Gütern auf
Eisenbahnen wurde auf Grund derselben
kaiserlichen Verordnung für die Zeit bis
31. Januar 1920 eine Steuer in der Höhe von
1 5 % des Beförderungspreises eingeführt und
außerdem die Regierung ermächtigt, die Eisen-
bahnen anzuweisen, für die gleiche Zeit einen
Kriegszuschlag zu den jeweiligen im Güter-
verkehr geltenden Beförderungspreisen einzu-
heben. Der Kriegszuschlag ist von der Regie-
rung derart festzusetzen, daß er mit der Kriegs-
steuer zusammen höchstens 30% des Beförde-
rungspreises ausmacht.
Neben der Steuer werden in Österreich
Frachturkundengebühren eingehoben. Die
Stempelgebühren von Frachtbriefen (Beför-
derungsscheinen, Begleitadressen u. dgl.), welche
bis dahin 10 h betrug, wurde durch die kai-
serliche Verordnung vom 28. August 1916 ab
1. November 1916 wie folgt erhöht:
a) bei Sendungen im Eisenbahnverkehr,
deren Gewicht nicht weniger als 5000 kg be-
trägt oder für die wenigstens ein ganzer Wagen
in Anspruch genommen wird, auf K 1"20.
b) bei sonstigen Sendungen auf 30 h.
In Ungarn wurde die T. durch Ges.-Art. XX
vom 6. Mai 1875 eingeführt und betrug für Rei-
sende, Gepäcksübergewicht und Sonderpersonen-
züge 10%, für Eilgutsendungen 5% und für
Frachtsendungen 2 % des Beförderungspreises.
Durch Ges.-Art. LXI vom 23. Dezember 1880
wurden die angeführten Sätze auf 15 bzw. 7 und
3 % und durch Ges.-Art. XIV vom 2. April 1887
auf 18 bzw. 7 und 5% festgesetzt bzw. erhöht.
362
Transportsteuern.
Von der Steuer sind befreit:
1. der königliche Hof;
2. Personen-, Eilgut- und sonstige Beförde-
rungen der gemeinsamen Armee, der Marine und
der Honvedschaft, insoferne die Beförderung
auf Grund der üblichen Militärausweise erfolgt;
3. die Eisenbahnunternehmungen in bezug
auf jene Güter, die sie ausschließlich zu eigenen
Bau-, Erhaltungs- und Belriebszwecken von einer
eigenen Station zur andern befördern;
4. die zwischen den einzelnen Teilen der
Landeshauptstadt die Personenbeförderung ver-
mittelnden Eisenbahnen.
Lokalbahnen sind auf Grund des Ges.-Art.
XXXI vom 13. Juni ISSO auf die Dauer von
10 Jahren nach ihrer Konzessionierung von der
Entrichtung der T. befreit.
Auf Grund des Ges.-Art. VI vom L Februar
1917 wurde für die Zeit bis 1920 eine 30 "»ige
Kriegssteuer von den Gebühren für Personen,
Gepäck und Güter eingeführt.
Ertrag der T. 1913 rd. 44 Mill. K.
Für Personenfahrkarten ist eine Stempelge-
bühr zu entrichten, die für Fahrpreise bis zu 1 K
2 h, für höhere Fahrpreise so oft mal 2 h be-
trägt, als 100 h in dem Fahrpreis enthalten sind,
wobei jeder Rest unter 100 h als voll anzurechnen ist.
Die Schweiz hat mit Bundesgesetz vom
4. Oktober 1917 einen Frachturkundenstempel
eingeführt, der im Gepäck-, Tier- und Güter-
verkehr der Eisenbahnen zu entrichten ist. Er
beträgt für jeden Frachtbrief 10 Rappen. Bei
Wagenladesendungen ist für je volle oder
angefangene 5000 kg ein Zuschlag von 25 %
zu entrichten. Befreit sind u. a. Frachturkunden
über Lebensmittelsendungen und Militärtrans-
porte. Die Abgabe soll 2 Jahre nach Beendigung
des Krieges außer Kraft treten und wird V5
ihres Reinertrags den Kantonen nach Verhält-
nis der Wohnbevölkerung überwiesen.
In Spanien gilt gegenwärtig für die T. das
Ges. vom 20. März 1900, das alle entgeltlichen
Beförderungen von Reisenden und Waren zu
Wasser und zu Lande innerhalb des König-
reiches, auch im Durchzugs- und Ausfuhr-
verkehr trifft.
Die Steuer beträgt für Reisende 20%, für
Waren aller Art, Metallgeld, Särge und Ge-
päcksübergewicht 5 % des Beförderungspreises.
Der ersterwähnte Satz wird auf 1 0 % herab-
gesetzt in jenen Fällen, in denen die Eisen-
bahngesellschaften eine Herabsetzung der nor-
malen Fahrpreise um 25 % oder mehr zu-
gestehen und dies öffentlich kundmachen.
Diese .^usnahme findet jedoch gemäß des
Ges. vom 29. Dezember 1910 keine Anwen-
dung auf Kilometer- und Rundreisebilletts zu
ermäßigten Preisen. Solche Fahrscheine sind
Abgabe mit 15% unterworfen.
emer
Gemäß der bezogenen Gesetze sind von der
T. u. a. befreit: im Dienst reisende Regierungs-
beamte, Beamte der Eisenbahngesellschaften und
Militärpersonen, Kinder unter 3 Jahren, Mit-
glieder der gesetzgebenden Körperschaften,
dann Gegenstände, die für Rechnung des Staates
befördert werden.
Ertrag der Steuer im Jahre 1913 rd. 28 Mill.
Pesetas (ä M. 0-81).
Rußland erhob von 1878 bis 1894 eine
T. mit 25 % von den Fahrscheinen 1. und
11. Kl., dann vom Reisegepäck und vom Eilgut,
und mit 15% von den Fahrscheinen III. Kl.
Durch Ges. vom 19./31. Mai 1894 wurde
die Steuer für den Personen-, Gepäck- und
Eilgutverkehr auf den einheitlichen Satz von
15% gebracht.
Die Abgabe wird nicht erhoben von der
Beförderung von Personen und Gütern, die
auf Rechnung des Staates erfolgt (Militär,
Häftlinge, Beamte, Postsachen u. s. w.).
Wie aus den Darlegungen des russischen
Finanzministers zum Staatsvoranschlag für das
Jahr 1913 hervorgeht, hatte die Einführung
der T. in Rußland den besonderen Zweck,
die durch das Sinken des Rubelkurses ein-
tretende automatische Tarifherabsetzung teil-
weise auszugleichen.
Ertrag der T. im Jahre 1913 rd. 29 Mill.
Rubel (zu 3-14 M. Gold).
In Rußland wird ferner auf Grund eines
Ukas vom 15./27. November 1900 zu gunsten
der Russischen Gesellschaft vom Roten Kreuz
von den Reisenden eine Steuer von 5 Kopeken
für jede Fahrt erhoben, u. zw. von den Rei-
senden der I. und II. Kl., wenn sie mindestens
2 Rubel, und von jenen der III. Kl-, wenn sie
mindestens 8 Rubel an Fahrpreis zu entrichten
haben. Diese Steuer trifft auch Personen mit
Freifahrscheinen der I. und II. Kl. Befreit sind
nur Personen mit Militärausweisen.
Durch Ukas vom 4. '17. Mai 1900 wurden
bestimmte und durch Ges. vom 2./! 5. März
1910 alle an Bahnen gelegene Städte Rußlands
ermächtigt, mit Genehmigung der Regierung
von den mit der Eisenbahn in die Städte oder
aus diesen beförderten Gütern eine Abgabe zu
erheben, die den zehnten Teil des f. d. Ge-
wichtseinheit (Pud), Stück oder Wagen und
Werst (1-067 km) festgesetzten Tarifsatzes nicht
übersteigen und nur zur Herstellung von Bahn-
hofzufahrtsstraßen (in einigen Städten auch zu
Kasernenbauten u. dgl.) verwendet werden darf.
Durchgehende Güter, staatliche Sendungen
und Reisegepäck unterliegen dieser Abgabe nicht.
Mit Verordnung vom 27. September 1914
wurden ab 30. November 1914 Kriegssteuern
für die Eisenbahnbeförderung eingeführt. Die
Transportsteuern. - Transportversicherung.
363
Steuer beträgt für Personengepäck und Eilgut
25 "jo des Beförderungspreises (einschließlich
Reichsfahrkartensteuer). Befreit sind Beförde-
rungen auf Pferde- und Stadtbahnen, ferner
Militärpersonen und Reisende zu ermäßigten
Preisen.
Für Gütersendungen sind pro Pud verschie-
dene Steuersätze festgesetzt, u.zw. für Sendungen
in Personen- und Eilgüterzügen 15 Kopeken,
für Milch 5 Kopeken, für andere Güter zwischen
10 und 0'25 Kopeken. Befreit sind Sendungen,
für die die Fracht vom Reich gezahlt wird,
ferner Güter, die frei oder zu ermäßigten Taxen
befördert werden (Dienstgut, Hausgerät und
Lebensmittel der Eisenbahnbediensteten).
Brasilien erhebt auf Grund des Ges. vom
10. März 1910 unter Aufhebung der früheren
einschlägigen Gesetze ab 1. April 1910 eine
Fahrkartensteuer mit 10% der einfachen Fahr-
preise, jedoch nicht mehr als 2 Milreis (2-50 M.)
für die einfache Fahrkarte. Bei Zeit- und
Abonnementskarten sowie bei Kilometerheften
beträgt die Steuer 10% ihres Preises. Befreit
sind Fahrten innerhalb der Bundeshauptstadt
und der Staatshauptstädte nebst Vororten, ein-
fache Fahrkarten bis zu 5 Milreis (6-25 M.),
Mitglieder der diplomatischen Korps u. s. w.
Ertrag im Jahre 1913 rd. 3000 Contos
<3-75 Mill. M.).
In Japan wurde im Jahre 1905 eine sog.
„Reisesteuer" eingeführt, die von Reisenden
auf Eisenbahnen und Dampfschiffen mit fol-
genden Sätzen (die Beträge in „sen" ä 2-09 Pf.)
eingehoben wird:
bei Fahrten I. Kl. II. Kl. III. Kl.
unter 50 engl. Meilen 5 3 1
von 50 bis^ 100 engl. Meilen 20 10 2
„ 100 „ 200 „ „ 40 20 3
über 200 engl. Meilen 50 25 4
Ertiag laut Voranschlag 1912/13 rd. 3-6 Mill.
Yen (7-5 Mill. M.).
Bezüglich der Literatur wird auf die im Art.
„Steuerrecht der Eisenbahnen" gemachten Angaben
und weiter noch verwiesen auf; Sonnenschein,
Die Eisenbahntransportsteuer in ihrer Stellung im
Staatshaushalt. Berlin 1897; grundlegend, jedoch hin-
sichtlich der positiven Gesetzgebung leider schon
veraltet. — C. Colson, Transports et Tarifs. Paris
1908. — Siehe auch den Art. Frachtbriefstempel.
Januschka.
Transportversicherung, Sicherstellung
gegen die Schäden, denen der Güterverkehr,
soweit er im planmäßigen Ortswechsel beweg-
licher Sachen, d. h. in der Beförderung, besteht,
ausgesetzt ist. Die T. erfolgt in bezug auf die
Eisenbahnbeförderung zunächst durch die
Bahnen selbst, indem diese gegen Einhebung
einer bestimmten Prämie eine über ihre recht-
liche Verpflichtung hinausgehende Haftung für
Verlust und Beschädigung übernehmen.
Nach dem lÜ. ebenso wie nach der deut-
schen Verkehrsordnung, dem österreichisch-
ungarischen Betriebsreglenient und dem Schwei-
zer Transportreglement gibt die Deklaration
des Interesses an der Lieferung Anspruch
auf einen die festgesetzte Entschädigung für
den Wert des in Verlust geratenen Gutes
(Gepäckstücks) bzw. für die Beschädigung oder
Lieferfristversäumnis übersteigenden Schaden-
ersatz bis zur Höhe des in der Deklaration
festgesetzten Betrags (vgl. Frachtrecht, inter-
nationales, Bd. V, S. 153).
Die Eisenbahnen decken sich mitunter gegen
die Schäden aus der T. durch Bildung von
Schadenversicherungsverbänden zur gemein-
samen Tragung der Schäden. Ein solcher Ver-
band hat längere Zeit für die österreichischen
und ungarischen Bahnen bestanden und besteht
dermalen noch für die letzteren.
Abgesehen von der T., die die Bahnen
selbst übernehmen, beschäftigen sich vielfach
auch Privatversicherungsgesellschaften mit der
Eisenbahntransportversicherung. Die T. hat
durch Privatgesellschaften entweder eine ein-
zelne Beförderung auf einem bestimmten Wege
zum Gegenstand (Einzelversicherung) oder sie
umfaßt eine Vielheit von Beförderungen auf einer
oder mehreren Wegen innerhalb einer be-
stimmten Zeit (Abonnementsversicherimg). Der
Wert der Abonnements- oder Generalpolizze
liegt darin, daß durch den generellen Vertrags-
abschluß die Einzelsendung bereits assekuranz-
rechtlich gedeckt ist, d. h. daß die Gefahr des
Versicherers mit dem Beförderungsbeginn auch
ohne Kenntnis dieser Tatsache seitens der
Versicherungsnehmer wie seitens des Ver-
sicherten beginnt. Eine besondere Art der
Generalpolizze ist im Landtransportgeschäft die
Tauschpolizze mit Abschreibung (gewöhnlich
monatlicher) — hier wird eine Summe im
voraus festgesetzt, für die der Versicherte
innerhalb eines bestimmten Zeitraums (ge-
wöhnlich eines Jahres) versichert sein will, der-
art, daß mit jeder Einzelbeförderung eine Auf-
zehrung dieser Summe in der Höhe des Wertes
dieser Einzelsendung eintritt — und die Tausch-
polizze mit täglicher Versicherungssumme, sog.
Tagespolizze, bei der der Versicherte inner-
halb eines bestimmten Zeitraums (ein Jahr) für
eine bestimmte Summe von neuem täglich
versichert ist. Innerhalb der Landgefahren ist
die Eisenbahnbeförderung die geringste und ist
dementsprechend auch die meist f. 1000 aus-
geworfene Prämie für die Eisenbahntransport-
versicherung am niedrigsten bemessen. In Öster-
reich ist in den letzten Jahren unter Mitwir-
364
Transportversicherung. - Treibstangen.
kung der Eisenbahnen die Reisegepäck- und
Garderobeversicherung eingeführt worden.
Transvaal s. Britisch-Südafrika.
Trassenrevision s. Vorarbeiten.
Trassierung s. Vorarbeiten.
Treibstangen (connecting-rods; bielles moto-
rices; bielle di manovella), auch Leit-, Trieb-
oder Pleuelstangen genannt, sind im Schub-
kurbelgetrieb der Lokomotivdampfmaschine das
Verbindungsstück
zwischen Kreuz-
kopf und Treib-
zapfen. Die Schaft-
länge der Stange
soll mindestens
das Sfache des
Kolbenhubs betra-
gen, besser jedoch
mehr, da sonst
fühlbare Unregel-
mäßigkeiten bei
Abb. 319. der Kraftübertra-
Abb. 320.
Abb. 322.
Abb. 323.
gung zwischen Kolben und Rad auftreten.
An den beiden Enden der Stange sind Köpfe
mit Lagerschalen vorhanden, um einerseits den
Kreuzkopfbolzen, anderseits den Treibzapfen
aufzunehmen. Der Kopf an der Kreuzkopfseite
ist gewöhnlich geschlossen, d. h. die Stange
umschließt das Lager völlig (Abb. 319). An
der Seite des Treibzapfens ist nur dann ein
geschlossener Kopf möglich, wenn die Bauart
der Kurbel ein Aufbringen der T. von außen
zuläßt. Sonst sind Bügelköpfe erforderlich, bei
welchen die Bügel durch einen oder mehrere
Bolzen oder durch Keile festgehalten sind.
Bügelköpfe für die T. von Lokomotiven mit
inneren Dampfzylindern und Kurbelachsen er-
halten besonders große Abmessungen und
müssen der starken Beanspruchung wegen sorg-
fältig ausgeführt werden (Abb. 320 u. 321).
Andere Ausführungen zeigen die Abb. 322, 323
u. 324. Die Lagerschalen der Stangenköpfe
an der Kreuzkopfseite sind gewöhnlich wegen
der hohen Lagerdrücke aus Rotguß oder Bronze
ohne Weißmetallausguß hergestellt. Der spezi-
fische Lagerdruck beträgt 280-330 kglciv?-.
Dieses Lager ist stets nachstellbar hergestellt.
Die Lagerschalen der Stangenköpfe an der
Teilzapfenseite sind gewöhnlich aus Rotguß,
Bronze oder Schweißeisen und mit Weißmetall
ausgegossen. Der spezifische Lagerdruck ist hier
140- 200 yi:o-/art2. In den meisten Fällen ist
auch dieses Lager durch einen, seltener durch
2 Keile nachstellbar.
Die Keile müssen Si-
cherungen besitzen,
damit die einmal ein-
gestellte Stellung er-
halten bleibt und eine
Lockerung ausge-
schlossen ist. Auf die
Schmierung muß be-
sondere Sorgfalt ge-
legt werden. Es
sind vorherrschend
Dochtschmierungen
in Verwendung, doch
sind vereinzelt ■ auch
Kugel- und Stift-
schmierungen ohne
Docht mit Erfolg
versucht worden. Die
Schmiergefäße sind
gewöhnlich mit den
Stangen aus einem
Stück hergestellt, da
alle unnötigen An-
bohrungen und
Schraubengewinde in
den Stangenköpfen
wegen der Neigung zu Anbrüchen gefährlich
sind. Die Stangen wurden früher aus Schweiß-
eisen hergestellt, gegenwärtig sind sie aus
Martinflußstahl oder Tiegelgußstahl gefertigt.
Während früher der Schaft gewöhnlich recht-
eckig war, ist er gegenwärtig der Gewichts-
ersparnis wegen TT- förmig ausgebildet. Die
Ausnehmungen werden durch Fräsen herge-
stellt.
t-f-H#--
Abb. 321.
Abb. 324.
Treibstangen. - Triangulation.
365
Da mit Rücksicht auf die Ruhe des Ganges
der Lokomotiven die Massen des Triebwerks
möglichst eingeschränkt werden müssen, so
werden die T. so schwach gehalten, als es mit
Rücksicht auf die Sicherheit möglich ist. Der
Sicherheitsgrad gegen Knickung ist im lot-
rechten Sinn ungefähr 5 — 6-5, im wagrechten
Sinn nur 1-5 — 3. Bei Lokomotiven für sehr
hohe Umdrehungszahlen ist eine besondere
Einschränkung des Stangengewichts noch des-
wegen erforderlich, da durch die Fliehkraft des
Stangengewichts die T. (neben der Knickung
durch die Kolbenkraft) auch noch auf Biegung
beansprucht wird.
Die Berechnung der Abmessungen der T.
erfolgt in ähnlicher Weise wie die der Kuppel-
stangen (s. d.).
Vgl. auch die beim Art. Kuppelstangen an-
gegebene Literatur. Sanzin.
Trennungsbahnhöfe s. Bahnhöfe.
Treppenstation, Turmstation, s. Brük-
kenstation.
Triangulation. Zur Aufnahme großer Ge-
biete, als Unterlage für technische Messungen
und zur Verbindung von Einzelmessungen führt
man zusammenhängende Dreiecksmessun-
gen aus. Man gibt den Dreieckspunkten eine
dauernde Vermarkung, mißt eine Grundlinie,
im übrigen nur Winkel, rechnet geographische
und ebene Koordinaten für die Eckpunkte und
nimmt diese Werte als Ausgang für alle weiteren
Messungen.
Im Eisenbahnbau werden T. zur Festlegung
der Achse längerer Tunnel durchgeführt, na-
mentlich bei sog. Scheiteltunneln, weil hier die
Aussteckung der Tunnelachse im Gelände der
großen Überlagerung wegen nicht angängig ist.
Im großen werden die Dreiecksmessungen
durch die Landesaufnahme ausgeführt. An sorg-
fältig ausgewählter und vorbereiteter Stelle wird
mit hoher Genauigkeit eine Grundlinie, die
Basis, gemessen, aus ihr leitet man durch
Winkelmessung in rautenförmigem Basisnetz
eine mehrfach längere Dreiecksseite ab, wobei
besonders die spitzen Winkel mit großer Schärfe
zu messen sind, und schließt durch Winkel-
messung weitreichende Dreiecksketten an. Ein
mit der Kette verbundener Punkt ist durch
astronomische Messungen nach geographischer
Breite und Länge zu bestimmen, auf gleichem
Wege ist das Azimut einer Dreiecksseite festzu-
legen. Die Basis wird 2-8 km, die aus ihr
abgeleitete Dreiecksseite 5- oder 6 mal so lang
genommen. In und zwischen die Dreiecks-
ketten werden Füllnetze mit stufenweise klei-
neren Seiten gelegt. Die Dreiecke erster Ordnung
haben Seiten von 25 - 75 km, gelegentlich bis
über 100 km, die zweiter Ordnung von 15 bis
20 km, die dritter Ordnung von 3-5 km. Für
die Dreiecke ist möglichst gleichseitige Form
anzustreben.
Die Basismessung größter Genauigkeit
erfordert viel Gehilfen und umfangreiche Meß-
vorrichtungen. Mit dem Basismeßapparat von
Bessel oder von Brunner erreicht man innere
Genauigkeiten von etwa ^3 "^"^ der einfach
gemessenen Ä/ra-Länge; die absolute Genauig-
keit ist wegen systematischer Fehlereinflüsse,
vor allem der Temperatur, viel geringer. Neuer-
dings sucht man nicht mehr die Genauigkeit
der Längenmessung zu steigern, da sie durch
die unvermeidlichen Fehler der Winkelmessung
in den Dreiecken doch bald wieder verloren
geht; vielmehr legt man, um der fortschreiten-
den Fehlerwirkung der Winkelmessungen zu
begegnen, in bestimmten Abständen, alle 200
bis 300 km, eine neue Basis ein. Jetzt begnügt
man sich vielfach auch mit geringerer Ge-
nauigkeit der Längenmessung, etwa 2 mm Un-
Abb. 325. Basisnetz mit Dreieckskette.
Sicherheit auf 1 km einfach gemessener Länge,
die man nach dem Verfahren von Jäderin mit
Meßdrähten erreichen kann. Statt Drähten aus
verschiedenem Metall zur Berücksichtigung des
Temperatureinflusses werden jetzt durchweg
Drähte aus Invar - 64% Stahl, 36% Nickel
— genommen, die in diesem Mischungsver-
hältnis einen bis 100 mal kleineren Koeffi-
zienten der Wärmeausdehnung haben als Eisen.
Die Neigung der Invardrähte zu sprungweiser
Längenänderung wird durch monatelange Be-
handlung vor der Verwendung beseitigt; die
Längung der Drähte wird dadurch berück-
sichtigt, daß man die Drähte vor und nach
der Basismessung eicht, wozu die Hilfsbasis
des geodätischen Instituts in Potsdam einge-
richtet ist. Man verwendet nebeneinander 2 bis
4 Drähte zu einer Basismessung. Die ge-
messene Basislänge ist auf den Landesvermes-
sungshorizont zu reduzieren.
Die Winkelmessung bei der Großtrian-
gulierung wird mit Schraubenmikroskop-Theo-
doliten ausgeführt. ZurKleintriangulierung kann
man auch Nonien-Theodolite mit Repetitions-
einrichtung benutzen. Die Sichtbarmachung
366
Triangulation. Triebwagen.
der Dreieckspunkte geschieht durch Signale,
Stangen und Pyramiden, auf große Entfernung
unter Verwendung von Heliotroplicht oder elek-
trischem Licht. Wenn zur Überwindung der
Erdkrümmung oder von Sehhindernissen der
Theodolit auf einen Hochstand gestellt werden
muß, so ist der Instrumentenpfeiler fest und
erschütterungsfrei zu bauen, also vollständig
getrennt vom Beobachterstand und Leucht-
stand oder der Zielspitze zu erstellen; die
beiden Holzpyramiden dürfen einander nicht
berühren. Die Genauigkeit der Winkelmessung
ist so zu bemessen, daß die Koordinatenwerte
der Dreieckspunkte gegeneinander auf etwa
1 dm sicher sind.
Für die Landesaufnahmen rechnet man
für die Dreieckspunkte geographische und
rechtwinklig sphäroidische Koordinaten. Bei
uns werden für das Erdellipsoid die von
Bessei abgeleiteten Werte: große Halbachse
a = 6,377.3Q7 m, kleine b = 6,356.079 m, Ab-
plattung 1 : 299 angenommen. In kleineren
Vermessungsgebieten bezieht man die Berech-
nungen auf die Schmiegungskugel der Mitte
des Gebiets. Die rechtwinkligen Koordinaten
rechnet man in Meridianstreifen von 3"
Breite, früher im Cassini-Soldnerschen Koor-
dinatensystem, jetzt in konformen Koor-
dinaten nach Gauß. Man verwendet dazu das
Verfahren von Krüger der unmittelbaren kon-
formen Abbildung des Ellipsoids auf die
Ebene. Bei der Kleintriangulierung rechnet man,
wie bei der Kleinmessung überhaupt, nur nach
ebenen Koordinaten.
Für Ingenieurarbeiten wird man, wenn
eine Landesaufnahme vorhanden ist, von dieser
ausgehen und die Dreiecksmessung nach Be-
darf weiter ins kleine treiben. Liegt aber eine
solche Aufnahme nicht vor, so wird man sich
eine selbständige Dreiecksmessung anlegen und
im kleinen ähnlich verfahren wie die Landes-
aufnahme im großen. Man mißt an günstiger
Stelle eine Grundlinie von einigen hundert
Metern Länge. Hierzu kann man Invardrähte
verwenden. Meist aber werden gute 5 /«-Latten
genügen, mit Neigungsmesser, wenn nur täg-
lich vor und nach jeder Messung die Längen
der Latten mit Normalmaßen geprüft werden.
Man erhält mit dieser Lattenmessung einen
mittleren Fehler von 2-3 cm der einfach ge-
messenen /^/«-Strecke. Zur Winkelmessung wird
im allgemeinen der Nonien-Theodolit genügen,
da bei Horizontabgleichung der vierfach repe-
tierte \X'inkel bis auf wenige Sekunden genau
erhalten wird. Auf diese Weise läßt sich die
selbständige Dreiecksmessung des Ingenieurs
in einfacher Weise ausführen. Eine größere
Sorgfalt erfahren die Dreiecksmessungen für
die Gegenortsbetriebe großer Tunnels, die des-
halb schwierig durchzuführen sind, weil sie meist
im Hochgebirge vorkommen und bis in enge
Täler hineinzubringen sind. Bei der Absteckung
großer Alpentunnel der zweiten Eisenbahnver-
bindung Wien-Triest hat Tichy als Basislinie
nur einen L2/n langen Invarstab genommen.
Literatur: Veröffentlichungen der Landesauf-
nahmen der verschiedenen Länder. — Jordan, Hand-
buch der Vermessungskunde, Bd. II und III, Feld-
messung, Landesvermessung und Erdmessung (mit
großer Literaturangabe). — Dolezalek, Durch-
schlag und Richtungsbestimmung des Qotthard-
Tunnels. Ztschr. d. Arch. u. Ing.-Vereins zu Han-
nover 1S80. — Koppe, Bestimmung der Achse des-
Gotthard-Tunnels. Ztschr. f. Vermess.-Wesen 1875 und
1876. - Gelpke, Bestimmung der Gotthard-Tunnel-
achse. Zivilingenieur 1870. - Rosenmund, .Ab-
steckung des Simplon-Tunnels. Schwz. Bauztg. 1901.
— Baeschlin, Absteckung des Lötschberg-Tunnels.
Schwz. Bauztg. 1911, Bd. LVIII. - Schumann,
Lotstörungen und ihre Anwendung bei Tunnelab-
steckungen. Ztschr. d. Österr. Ing.-V. - Tichy,
Messung von Grundlinien genauer als mit optisch-
tachymetrischem Verfahren, wo die gebräuchlichen
Methoden versagen. Wien 1909. Haiißmann.
Trichterwagen s. Fördermittel.
Triebwagen (rail motor cars; aiitomotrices;
automotori). Geschichtliches. Als ältester
Eisenbahntriebwagen (Motorwagen) ist die
„Novelty" („Neuheit") von Ericsson und
Braithwaite anzusehen, die als „Loko-
motive" an der Wettfahrt von Rainhill im
Oktober 1829 beteiligt war. Es war ein leichtes
zweiachsiges Wagenuntergestell, auf dem die
stehende zweizylindrige innenliegende Maschine
nebst Wasser- und Kohlenbehälter und der Kessel
aufgebaut war^ (vgl. Literatur). Letzterer^ war
aus einem Stehkessel mit Feuerbüchse und einem
liegenden Walzenkessel mit schlangenförmig ge-
krümmtem Flammrohr zusammengesetzt. Nach
diesem Vorbild, das noch heute im „Science
Museum" („South Kensington Museum") in
London aufbewahrt wird, baute der Oberinge-
nieur Samuel der englischen Ostbahn - der
auch als Erfinder des Eisenbahnfahrrads (Drai-
sine) gilt - seine „Expreßmaschinc^mit stehen-
dem Röhrenkessel und liegender Zwülings-
maschine, mit ebenfalls inneren Zylindern und
Kropfachse. Zum Unterschied von der nur für
die Bedienungsmannschaft Raum bietenden und
zu deren Schutz mit einem einfachen Geländei
versehenen «Novelty" besaß die ursprünglich
für den Bahnaufsichtsdienst bestimmte - später
auch für den Reiseverkehr benutzte - „Expreß-
maschine" offene, völlig ungeschützte Sitzplätze
für 7 Personen. Die Fahrgeschwindigkeit betrug
auf längeren Reisen für gewöhnlich 4S A'm/Std.,
konnte aber vorübergehend auf 51 Meilen
= 82 km/Sid. gesteigert werden. Auf diesen
T. folgte 1849 ein von Bridges Adams
Triebwagen.
367
entworfener Dampfwagen'', der aus einer zwei-
achsigen ungekuppeiten Lokomotive (Bauart
„Bury") und einem gewöhnlichen, fest damit
verbundenen zweiachsigen Personenwagen zu-
sammengebaut war. Ein anderer, im gleichen
Jahr von Adams gebauter Danipfv's'agen^ be-
stand aus einem zweiachsigen Wagen und einer
einachsigen, mit diesem fest — aber doch
leicht lösbar — verbundenen Lokomotive mit
Blindwelle. Von letzterer aus wurde die Kurbel-
achse, auf der sich die Räder zum leichteren
Durchfahren der Bahnkrümmungen lose drehten,
von außen angetrieben. Die mittlere Achse des
Fahrzeugs war seitlich verschiebbar. Heizung
des Wagens mittels heißen Wassers in dünnen
Metallröhren wurde damals schon in Vorschlag
gebracht. Mehrere ähnlich gebaute Dampfwagen
wurden in der Umgebung von London in
Betrieb genommen. Der Fußboden beider letzt-
genannten Dampfwagen lag tief; beide fuhren
gelegentlich mit 2 Anhängwagen.
Erst 1868 erscheint ein neuer Dampfwagen
von Fairlie*, der aus einem dreiachsigen zwei-
stöckigen Personenwagen und einer ebenfalls
dreiachsigen, als Wagen verkleideten Lokomo-
tive bestand. Alle 3 Lokomotivachsen waren ge-
kuppelt, ebenso die gleichfalls mit Dampfantrieb
versehenen 3 Achsen des damit verbundenen
Personenwagens; beide Achsgruppen waren
mit mittlerem Drehzapfen ausgestattet. Der
Dampfwagen war somit - bei niedrigem
Raddruck - zur Fahrt auf stark geneigten
Strecken mit scharfen Krümmungen und leichtem
Oberbau geeignet, ähnlich wie die bekannte
„Fairlie-Lokomotive". Im folgenden Jahr
bauten Fairlie und Samuel gemeinsam 2
Dampfwagen verschiedener Größe mit je 2
Drehgestellen, von denen das eine den stehenden
Röhrenkessel und die Maschine trug und 2
gekuppelte Achsen hatte. Diese Wagen können
als Vorbild der heutigen vierachsigen britischen
und irischen Dampfwagen gelten.
Es folgen dann nacheinander und zum Teil
gleichzeitig die Dampfwagen von Qrantham,
Brunner, Belpaire, Rowan (s. Bd. VII,
Abb. 212), Weißenborn, die zweistöckigen
Wagen von Thomas (hessische Ludwigs-
bahn) und von Krauß, ferner Dampfwagen
von Baldwin (Philadelphia) und feuerlose
Wagen für Straßenbahnen'. Am längsten haben
sich, z. T. bis heute, Wagen der Bauart
Rowan behauptet. Ein bemerkenswerter, auch
schon der Geschichte angehörender Dampf-
wagen ist fernerhin von Serpol let gebaut;
dieser Wagen ist dadurch merkwürdig, daß
sein Kessel (s. Bd. VII, Abb. 213) keinen ei-
gentlichen Wasserraum besaß, indem das
Wasser in den bis zur Rotglut erhitzten Röhren
sofort verdampfte. Auch Druckluftwagen und
die Gaswagen von Lührig für Straßenbahnen
hatten keinen dauernden Erfolg, indem sie
bald durch den elektrischen Betrieb verdrängt
wurden.
Einen neuen starken .Anlauf mit nachhalti-
gerem Erfolg nahm das Triebwagenwesen um
die Jahrhundertwende. Die Förderung des
Vorortverkehrs in der Nähe großer Städte,
des Zwischenverkehrs auf Hauptbahnen und
des Verkehrs der Nebenbahnen, namentlich
seitens der großen staatlichen Eisenbahnver-
waltungen, sind an diesem Erfolg ebenso be-
teiligt wie die Fortschritte der Technik. Während
die früheren Eisenbahntriebwagen, dem da-
maligen Stand der Technik entsprechend, fast
ausschließlich Dampfwagen sind, treten nun-
mehr Verbrennungsmaschinen und elektrischer
Antrieb mit in Wettbewerb.
Neuere Eisenbahntriebwagen.
a) Dampfwagen. Die neueren Dampftrieb-
wagen sind teils mit eigens entworfenen Kesseln
und mit Maschinen besonderer leichter Bau-
art, teils auch mit solchen Kesseln und Maschinen
versehen, die unmittelbar von bekannten und
im Eisenbahnbetrieb üblichen Bauarten abge-
leitet sind. Die ersteren sind vorwiegend auf
Neben- und Kleinbahnen, die letzteren auf
Hauptbahnen in Betrieb. T. von Ganz & Co.
(Budapest) mit Kesseln der Bauart de Dion
Bou ton (Bd. VII, Abb.21 4) und schnellaufenden,
unter dem Wagenkasten aufgehängten Maschinen
mit Zahnradübersetzung haben sich in Ungarn,
Rumänien und Serbien bei sehr weichem
Speisewasser und leichten Betriebsverhältnissen
bewährt^. Erwähnenswert sind Wagen dieser
Art für die Strecke Adriatico-Fermo-
Amandola bei Ancona, mit einer stärksten
Steigung von 1-5% (1:13) und Krümmungen
bis zu 50 und selbst 18 in Halbmesser, bei
einer Spur von 0-Q5 m. Sämtliche 4 Achsen der
beiden zweiachsigen Drehgestelle dieser Wagen
werden von einer unter dem Wagenkasten lie-
genden Welle aus mittels gelenkig angeschlos-
sener Kegelräder angetrieben'. Rohrplattenkessel
der Bauart Stoltz haben sich auf deutschen
Bahnen — mit Rücksicht auf das durchwegs
harte Speisewasser und auf die bessere Eignung
der elektrisch angetriebenen Wagen — ebenso-
wenig einführen können wie die vorerwähnten.
Noch empfindlicher gegen hartes Speisewasser
sind die Kessel von Komarek und Purrey mit
gekrümmten Rohren. Dampfwagen sind heute
in Deutschland noch in Betrieb bei den württem-
bergischen und bei den bayerischen Staats-
eisenbahnen. Die teils regelspurigen, teils
schmalspurigen T. der württembergischen
368
Triebwagen.
Staatseisenbahnen haben stehende Röhren-
kessel (s. Bd. VII, Abb. 217) der Bauart Kittel
mit Überhitzer. Ähnliche Kessel werden in den
großen vierachsigen Dampfwagen der britischen
und irischen Bahnen benutzt. Die Maschinen
haben gewöhnliche Lokomotivbauart. Bei den
vierachsigen Dampfwagen der bayerischen Staats-
bahnen und vielen britischen und irischen Wa-
gen ist das eine der beiden Drehgestelle durch
eine zwei- oder auch dreiachsige Lokomotive
ersetzt (Abb. 326). Bei den Dampfwagen der
Abb. 325. Großbritannien.
bayerischen Staatseisenbahnen ist besonders
ruhiger Lauf durch Anordnung von 2 hinter-
einander liegenden Zylindern auf jeder Seite,
mit gegenläufigen Dampfkolben, erzielt. Andere
Abb. 327. Taff Vale.
Dampfwagen, in Großbritannien wie in Italien
(italienische Staatsbahn) haben Kessel, die von
der Lokomotivbauart abgeleitet sind (Abb. 327
bis 329). Durch Einrichtung von Füllfeuerungen
und selbsttätiger Beschickung ist versucht
■worden, bei Dampfwagen wie auch bei den
daraus abgeleiteten kleinen Lokomotiven für
leichte Züge einmännige Bedienung zu ermög-
lichen. Durchführbar ist dies indessen aus
Sicherheitsrücksichten nur auf Nebenbahnen
und bei sehr geringer Fahrgeschwindigkeit im
Zwischenverkehr von Hauptbahnen.
Besondere Erwähnung verdient der Dampf-
triebwagen mit überhitztem Dampf, Bauart
Schmidt, der „Pilatusbahn" (mons pileatus),
Schweiz (s. Bd. VIII, Abb. 72).
b)l. mit Verbrennungsmaschinen. Als
Brennstoffe kommen nur Flüssigkeiten von
hohem Heizwert - je nach der Örtlichkeit -
Benzin (Ungarn) oder Benzol, für Diesel-
maschinen schwere Öle (Deutschland),
Gasolin (Nordamerika) in Frage. Die Trieb-
kraft wird von der Verbrennungsmaschine auf
die Triebräder entweder
mechanisch oder elektrisch
übertragen. Ein wesent-
licher Nachteil der mecha-
nischen Übertragung ist
das Erfordernis mehrerer
veränderlicher Überset-
zungsverhältnisse mit den
nötigen lösbaren Kupp-
Maschinen bei der Fahrt
wechselnden Neigungsver-
mit regelmäßiger, wirt-
arbei-
lungen, wenn die
auf Strecken mit
hältnissen annähernd
schaftlicher Umdrehungsgeschwindigkeit
ten sollen. Die Bedienung wird dadurch
unbequem, die Vielteiligkeit gibt Anlaß zu
Schäden und das Geräusch ist störend. Ver-
einzelte Versuche mit derartigen, mit 4 ver-
schiedenen Übersetzungen ausgestatteten Wagen
(der Daimler-Motoren-Gesellschaft) hatten auf
deutschen Bahnen keinen bleibenden Erfolg;
länger hat sich ein solcher Wagen bei den
„Schweizer Bundesbahnen" behauptet. In
größerer Zahl sind T. mit Verbrennungs-
maschinen und mechanischer Kraftübertragung
nur in Nordamerika, namentlich bei der
Union Pacific-Bahn (Omaha) in Betrieb
gekommen (s. Bd. IV, Abb. 1 86)''°. Die Maschinen
dieser Wagen arbeiten bei niedrigem Brenn-
stoffpreis (15 Pf//) mit nur 2 verschiedenen
Übersetzungen. Die Kraft wird durch Kettentrieb
und Reibungsräder auf die Triebachse über-
tragen; die höchste Fahrgeschwindigkeit der
ohne Benutzung von Holz gebauten Wagen
ist 80 und bis über 100 A/n/Std. Indessen ist
auch in Nordamerika in letzter Zeit ein Versuchii
(von Thomas) gemacht worden - mittels einer
etwas verwickelten Einrichtung - bei Trieb-
wagen mit Verbrennungsmaschinen und mecha-
nischer Kraftübertragung eine günstigere mitt-
lere Umlaufgeschwindigkeit der Verbrennungs-
maschine zu erreichen, indem mechanische Kraft-
übertragung, Stromerzeuger und Stromspeicher
wechselweise und z. T. gleichzeitig zum Antrieb
benutzt werden. Dieser Versuch beweist, daß
auch in Nordamerika die Mängel der mecha-
nischen Kraftübertragung für Wagen mit Ver-
brennungsmaschinen fühlbar geworden sind.
Triebwagen.
369
Elektrische Kraftübertragung wird in
Deutschland, Ungarn und Nordamerika bei
T. mit Verbrennungsmaschinen erfolgreich
angewendet. Der wesentliche Vorzug dieser
Anordnung ist der, daß die Verbrennungs-
maschine, vom Anfahren abgesehen, stets
mit der wirtschaftlichsten regelmäßigen
Umdrehungszahl laufen kann, während
die Fahrgeschwindigkeit lediglich durch
Änderung der Stromspannung geregelt
wird. Die entsprechenden Wagen (Bd. iV,
Taf. V, Abb. 3) der preußisch -hessi-
schen Staatseisenbahnen - einschließlich
3 Dieselwagen im ganzen 19 Stück —
sind vierachsig, letztere fünfachsig und
fassen je etwa 90 Reisende; im Bedarfs-
falle wird auf einzelnen Strecken ein An-
hängwagen — mit 60 Plätzen — mitge-
nommen. Die mit dem Stromerzeuger
von 138 Kilowatt Dauerleistung ge-
kuppelte Verbrennungsmaschine mit
6 paarweise gegeneinander geneigten,
oder auch mit 4 senkrecht hintereinander
gestellten Zylindern ist auf dem vorderen
Drehgestell des Wagens eingebaut. Die
Verbrennungsgase werden nach dem
rückwärtigen Ende des Wagens abge-
leitet. Die hinter- oder nebeneinander
schaltbaren elektrischen Triebmaschinen
von je 130 PS. Stundenleistung wirken
einzeln auf die beiden Achsen des andern
Drehgestells. Erregt
wird der Stromer-
zeuger durch einen
kleinen Stromspei-
cher, der auch zur Be-
leuchtung, Zeichen-
gebung sowie zur Aus-
lösung der Schützen-
steucung und des
Bremsventils dient.
Die höchste Fahr-
geschwindigkeit der
Wagen ist etwa 70
bis 80 Ä/ra/Std. Zwei
ähnlich gebaute, mit
dem Rücken zusam-
mengekuppelte Wa-
gen bilden den Hofzug des Khedive von Ägypten.
Vorzüge derT. mit Verbrennungsmaschi-
nen und elektrischer Kraftübertragung
bilden die etwas höhere damit erreichbare Fahrge-
schwindigkeit, die Möglichkeit zeitweiliger Über-
lastung auf starken Steigungen und ihr etwas
größerer, ohne Erneuerung des Brennstoffvor-
rats zu durchlaufender Fahrbereich. Indessen
liegt auf deutschen Bahnen selten ein Bedürfnis
vor, die höhere Fahrgeschwindigkeit und den
Enzyklopädie des Eisenbahnvt-esens. 2. Aufl. IX.
größeren Fahrbereich auszunutzen, und die elek-
trischen Speicherwagen bieten den Qegenvor-
zug, daß sich bei der Talfahrt auf stark geneigten
Strecken ein erheblicher Teil des auf der Berg-
fahrt verbrauchten Stromes zurückgewinnen läßt.
Abb, 328. It.iUenische Staatsbahnen.
Abb. 32Q. Italienische Staatsbahnen.
Mit Dieselwagen sind bei der sächsi-
schen und der preußisch-hessischen Staatseisen-
bahn - infolge der Beschlagnahme der Öle
- noch keine sicheren Betriebsergebnisse er-
zielt worden.
Dieselwagen mit elektrischer Kraftübertra-
gung sind, im Verhältnis zu der Anzahl Plätze
für Reisende, erheblich schwerer als die benzol-
elektrischen Wagen der preußisch hessischen
Staatseisenbahn infolge des höheren Gewichts
24
370
Triebwagen.
und der größeren Rauminanspruchnahme der
Maschinenanlage.
T. mit Elektrizitätspeichern (Akkumu-
latoren). Dem Beispiel der Pfälzischen
Eisenbahnen folgend, sind seitens der
preußisch-hessischen Staatseisenbahnen im Lauf
der letzten 10 Jahre nach und nach bis zu
182 T. mit Elektrizitätsspeichern beschafft
worden. Während aber die entsprechenden,
bei den pfälzischen Eisenbahnen nur in ge-
ringer Zahl benutzten Wagen durch Einbau
der Speicher in gewöhnliche Personenwagen
hergestellt sind, haben die preußisch-hessischen
T. eine ganz neue Bauart erhalten (Bd. IV,
Abb. 184), indem die Wagen (als Doppelwagen)
aus je 2 kurzgekuppelten dreiachsigen Wagen
gebildet und die Speicher in einem durch je
2 Achsen gestützten Vorbau jedes Einzelwagens
untergebracht sind, wodurch die Bedienung
und Unterhaltung erleichtert und die Belästigung
der Reisenden durch Säuredämpfe und Be-
schmutzung der Kleider verhütet ist. Für be-
sondere Fälle wird ein dritter, nicht mit Antrieb
versehener Einzelwagen zwischen die beiden
Hälften des Doppehvagens eingestellt und mit
diesen durch Kurzkupplung und Obergangs-
brücken verbunden. Der elektrische Antrieb
dieser Wagen ist ähnlich wie bei den benzol-
elektrischen Wagen; bei Speicherwagen für
Stromrückgewinnung werden Nebenschluß-
maschinen statt der sonst (wie bei Straßen-
bahnwagen) üblichen Hauptstrom- (Reihen-
schluß-) Maschinen verwendet. Die Schwierigkeit
der Regelung zusammengeschalteter Neben-
schlußmaschinen ist dadurch umgangen, daß
nur eine solche Maschine für jeden Doppel-
wagen benutzt wird, unter Verzicht auf die
Annehmlichkeiten, die sonst durch Verwendung
von 2 wechselweise neben- oder hintereinander
zuschaltenden Triehmaschinen für die Regelung
der Fahrgeschwindigkeit geboten werden. Ver-
suche mit Verbundwicklung der Triebmaschi-
nen, die wenigstens teilweise die Vorzüge der
Reihenschlußmaschinen mit denen der Neben-
schlußmaschinen vereinigt, werden vorgenom-
men. Die meisten preußisch-hessischen Speicher-
wagen haben Bleispeicher, einige neuere
Edisonspeicher (aus vernickeltem Stahl mit
Füllung von Kalilauge) erhalten, die teurer
sind und geringeren Wirkungsgrad, aber auch
weit geringeres Gewicht haben. Die Edison-
speicher sind schon vor 16 Jahren erfunden,
aber jetzt angeblich sehr verbessert worden;
1913 waren auf amerikanischen Bahnen etwa
90 T. mit Edisonspeicher neben 230 T. mit
Bleispeicher in Benutzung. Im übrigen sind
im Ausland bislang nur vereinzelte Versuche
mit Speicherwagen gemacht worden.
Die höchste Fahrgeschwindigkeit der preu-
ßisch-hessischen Speicherwagen auf wagrechter
Strecke ist 50 - bO km/Sid.; zu einer höheren
Fahrgeschwindigkeit liegt bei dem durchweg
nur geringen Abstand der Haltestellen im
Zwischenverkehr der Hauptstrecken kein Be-
dürfnis vor. Beim Loslassen der Fahrkurbel
kommen die Speicherwagen ebenso wie die
benzol-elektrischen Wagen selbsttätig zum Still-
stand; nur einmännige Besetzung der Wagen
ist indessen bisher nirgend versucht und ist
auch auf Hauptstrecken mit einigermaßen dichter
Zugfolge sowie auf Nebenbahnen mit großem
Stationsabstand kaum zulässig. Der ohne
Aufladung der Speicher zu durchlaufende
Fahrbereich ist 100, 130 und 180 km bei
verschiedenen Wagengruppen; die höheren
Werte sind durch die Verwendung größerer
Speicherplatten und von Masseplatten statt
glatter Platten, auch für den positiven Pol, er-
reicht. Dreiteilige Wagen mit Edisonspeichern
haben einen Fahrbereich von 180 km bei einem
Speichergewicht von nur lO'S / für den ganzen
Wagenzug. Das Netz der von den Speicher-
wagen regelmäßig bedienten Fahrstrecken ist
so dicht, daß solche Wagen in verschiedenen
Richtungen den ganzen Bereich der preußisch-
hessischen Staatseisenbahnen durchkreuzen
könnten, indem sie immer wieder rechtzeitig
eine Ladestelle finden würden.
Verkehrstechnischer und wirtschaft-
licher Wert der T. Der Nutzen der T. für
den Verkehr auf Nebenbahnen und Vorort-
strecken sowie im Zwischenverkehr der Haupt-
bahnen besteht neben ihrer steten oder
doch baldigen Betriebsbereitschaft vornehmlich
in der Ersparung an Gewicht und Betriebs-
kosten gegenüber einem Lokomotivzug. Bei
den preußisch-hessischen Staatseisenbahnen ist
der Personenverkehr auf Nebenstrecken und
der Zwischenverkehr auf Hauptstrecken durch
Benutzung von T. belebt und wirtschaftlicher
gemacht worden; auf gewissen Strecken des
Ruhrkohlengebiets wird der gesamte Reise-
verkehr durch Speicherwagen bewirkt. Bei den
Arader und Csanäder Bahnen ist es unter
gleichzeitiger starker Herabsetzung der Beför-
derungspreise gelungen, den Reiseverkehr durch
Übernahme desselben auf benzin-elektrische T.,
an Stelle der früheren gemischten Lokomoti\'-
züge, erheblich zu steigern und ihn einträglich
zu machen, während früher die Ausgaben die
Einnahmen überwogen; ähnliche, wenn auch
nicht so auffallende Erfolge sind seitens der
„Ostdeutschen Eisenbahngesellschaft" in
Königsberg erzielt worden. Auf Vorort-
strecken bei London ist seitens der Großen
Westbahn ein erheblicher Teil des an Straßen-
Triebwagen. — Trockenelemente.
371
bahnen und Omnibuslinien verlorenen Verkehrs
mit Hilfe von Dampftriebwagen zurückgewonnen
worden. Elektrische Speicherwagen sind ins-
besondere angenehm für die Reisenden durch
die Ruhe des Laufes und durch ihre Sauberkeit
in Ermanglung von Ruß und Rauch. Bedingung
für die Wirtschaftlichkeit ihrer Venx-endung
ist gute Unterhaltung der Speicher und niedriger
Strompreis. Die Benutzung der im Straßenbahn-
betrieb (Schlieren bei Zürich) schon erprobten
Quecksilberdampf-Gleichrichter zum La-
den der Speicher an Stelle der sonst benutzten
umlaufenden Strom- und Spannungsumformer
bietet neue Aussichten für wirtschaftliche Ver-
wertung billigen hochgespannten Drehstroms
zum Betrieb von Speicherwagen.
Literatur: ' Äußere Ansicht: Ztschr. dt. Ing, 1912,
H. 10, S. 6; Brosius u. Koch, Schule des Loko-
motivführers, Bd.I. — -Schnittzeichnung: Heusin-
ger V. Waldegg, Hb. f. spez. Eis.-T., Bd. III, S. 207,
Leipzig, Engelmann. — ^ Organ 1849. — ■• Eng. vom
8. Mai 1903 u. 26. Okt. 1906; ähnlich: Ann. f. Gew.
u. Bauw. (Berlin) vom 1. April 1914. - 'Pract. Mech.
J. 1848,49, Bd.I, Patentamt London, C 40/848. -
*> Pract. Mech. J. 1868, 3. Serie, Bd. IV, Patentamt
London. — " Vgl. wegen dieser und der folgenden
T. des Verfassers Handbuch über T. für Eisenbahnen
(München-Berlin 1908) und Ergänzungsheft 1919 mit
Quellen. - *A. Sarmezey, Motorwagen im Eisen-
bahnbetrieb. Budapest 1904 (S.-A. d. Ztschr. d. ung.
Ing. u. Arch.-Ver.). - 'Ztschr. dt. Ing. 1912, S. 1678.
- '° Ztg. d. VDEV. 1908, Nr. 82; Mitt. d. Ver. f. d. Ford,
d. Lokal- u. Straßenbahnw. Wien 1909, H. 12 u.
1912, H. 10. - " Elektr. Kraftbetr. u. B. 1915, S. 326.
-Elektr.Kraftbetr.u.B.,München-Beriin 1913 -1915;
Mitt. d. Ver. f. d. Ford. d. Lokal- u. Straßenbahnw.
Wien 1907, 1909 ff.; Niederschr. d. Internat. Perman.
Straßenb.-Ver. (spät. Straß.- u. Kleinbahnver.) Stock-
holm 1896; desgl. Int. Eis.-Kongr.-Verb. Washington
1905, Frage XX; Bern 1910, Frage XII. - Spitzer
u. Krakauer, Motorwagen und Lokomotive. Wien
1907. — Pascher, Lokalbahnwesen in Österreich.
Wien 1904. — v. Stockert, Handbuch des Eisen-
bahnmaschinenwesens, Bd. I, Berlin 1908; Ztschr. dt.
Ing. 1905, S. 1541 ff., 1906, S. 86. - W. R. Rowan,
De la traction economique pour tramways. Paris 1891,
Baudr\' ?:< Cie. C. Gtiillery.
Trinidad, die größte der Kleinen Antillen,
englische Kolonie, 4544 km'^, rd. 260.000
Einwohner, hat 130^/« dem englischen Staat
gehörige Eisenbahnen. Die Hauptstrecke geht
von dem Hafenplatz San Fernando in nörd-
licher Richtung nach San Jose mit einer Zweig-
bahn von Cuva nach Serrat. Die Hauptstadt
Puerto d'Espana oder Port of Spain ist gleich-
falls durch eine Eisenbahn mit San Jose ver-
bunden.
Statistik.
1898 1910 1911 1912
Einnahmen £ 70.597 103.578 107.805 100.166
Ausgaben „ 51.516 64.268 66.018 68.833
V. der Lcyen.
Trinkbrunnen (drinking wells; fontaines
d'eaii potable ; fontane d'aqua potabile) zur Ver-
sorgung der Bediensteten sowie der Reisenden
mit Trinkwasser werden zufolge behördlicher
Vorschriften in allen Bahnhöfen errichtet. Als T.
finden Pump- oder Schöpfbrunnen (s. Brunnen),
Ausläufe von Wasserleitungen und Zisternen
(s. d.) Verwendung. Ihre Lage wird derart ge-
wählt, daß die Brunnen leicht von der Bahn,
den Wohnungen, Arbeitsplätzen u. s. w. erreicht
werden. Mit Rücksicht darauf erhalten Bahn-
höfe zumeist mehrere T. Die TV. über den
Bau und die Betriebseinrichtungen der Haupt-
und Nebenbahnen empfehlen die Anlage von
T. für Reisende auf den Bahnsteigen oder in
deren Nähe.
Tripolis. Nach der Besetzung von T. durch
Italien, Ende 1911, schritt die Heeresver-
waltung sofort zum Bahnbau, um sich das
Gebiet strategisch zu sichern. Zunächst wurde
in 95 cm Spurweite (wie in Erithrea nach dem
sizilischen Vorbild, unter Benutzung des Ober-
baues und der Fahrzeuge von den dortigen
Nebenbahnen) von der Stadt T. südlich nach
Ain Zara, 12 km, gebaut und März 1912
vollendet; ferner westlich nach den Steinbrüchen
von Gargares ch, 9 km; von dieser Linie
führt eine die Altstadt nördlich bis zum Hafen
umfahrende Bahn mit Abzweigung bei Baldari
nach dem Truppenlager; ferner eine Bahn
nach der Feste Tagiura, 15 km, und eine
Abzweigung nach Osten. Bau und Betrieb wird
durch die Wanderdünen sehr erschwert.
Von der Bahn von T. nach dem Garian-
gebirge wurde 1913 der Abschnitt Gheran-
Zanzur-Suani-.'\zizia vollendet, so daß am
1. Mai 1913 im ganzen 85 km im Betrieb waren.
Schienen, Lokomotiven und Personenwagen
waren deutschen Lirsprungs. Die anfangs
militärischen Bahnen wurden am I.Mai 1913 für
den öffentlichen Verkehr freigegeben und gingen
aus Militärbetrieb an die italienische Eisenbahn-
verwaltung (Generaldirektion der italienischen
Staatsbahnen) über.
Neubaulinien sind geplant: von T. über
Bir-Kuka nach Garian, etwa 38 km, und über
Zanzur westlich nach Zuara, etwa 90 km, ferner
über Tagiura nach Kussabat, etwa 70 km, und
nach Homs (80 km). Die weiteren Pläne zu
Eisenbahnen ins Innere von Garian, westlich
nach Gadames und südlich nach Murzuk,
ferner Ausdehnung der geplanten Küstenlinien
bis an die Grenzen von Ägypten und Tunesien
gehören der Zukunft an.
In Bengasi (Cyrenaika), wo Bahnbauten
bisher nicht ausgeführt sind, kommt in Frage
die Verbindung von Bengasi und Derna und
eine Bahn ins Innere, etwa nach Merg.
Baltzer.
Trockenelemente s. Elemente, galvani-
sche. Fink.
24*
372
Truckgestelle. - Trust.
Truckgestelle s. Drehgestelle.
Trunk Lines, von Trunk (Stamm) abge-
leitet, nennt man in den Vereinigten Staaten
von Amerika im weiteren Sinn große, durch-
gehende, ein bestimmtes Verkehrsgebiet be-
herrschende und wichtige Verkehrsmittelpunkte
verbindende Hauptbahnen. Das Wort Trunk
befindet sich in dieser Bedeutung in der
Firma der Grand Trunk Railway of Canada
und der Grand Trunk Pacific-Eisenbahn (vgl.
Bd. V, S. 364, 365). Im engeren Sinn versteht
man unter T. die 4 großen Eisenbahnsysteme,
die das Gebiet der Vereinigten Staaten östlich
von den großen Seen und nördlich vom Ohio
und Potomac bis zur Küste des Atlantischen
Ozeans durchziehen. Es sind dies:
1. die New York Central and Hudson River-
Bahn mit ihrem Zubehör, die sog. Vander-
bilt-Bahnen (s. d.);
2. die Pennsylvania-Eisenbahn (s.d.);
3. die New York Lake Erie and Western-
Bahn und das sog. Erie-System (s. d.);
4. die Baltimore and Ohio-Eisenbahn (s. d.).
Die Linien dieser 4 Bahnen berühren alle
größeren Verkehrsmittelpunkte des von ihnen
durchschnittenen Gebiets, also New York, Phila-
delphia, Baltimore, Washington, Boston, Buffalo,
Pittsburgh, Cleveland, Cincinnati, St. Louis,
Chicago u. s. w.
Zwischen diesen Bahnen haben sich insbe-
sondere in der Mitte der Siebzigerjahre bis
in die Mitte der Achtzigerjahre des vorigen
Jahrhunderts wiederholt die heftigsten Tarif-
kriege abgespielt, die durch das Eintreten
der kanadischen Grand Trunk-Bahn noch viel-
fach verschärft wurden. Handel und Verkehr
haben ebensowohl wie die Finanzen aller
Bahnen stark unter diesen Konkurrenzkämpfen
gelitten. Nachdem, die Leiter der Bahnen wieder-
holt vergeblich versucht hatten, eine dauernde
Verständigung über die Teilung des Verkehrs
herbeizuführen, beriefen sie zu diesem Zweck
den Präsidenten der Southern Railway and
Steamship Association, Albert Fink (s. d.), dem
es gelang, den sog. Trunk Line Pool, den
Verband der T., zu stände zu bringen und
nach mehrfachen Rückfällen in den früheren
Kriegszustand so zu befestigen, daß nunmehr
ein dauerndes Yerbandsverhältnis zwischen
den 4 T. und den kleineren, in ihrem Gebiet
gelegenen Bahnen besteht. Der Verband hat,
nachdem das Bundesverkehrsgesetz vom 4.
Februar 1887 die Pools verboten, die Be-
zeichnung «Trunk Line Association" ange-
nommen. Die diesem Verband angehörigen
Bahnen haben sich gleichzeitig über eine ein-
heitliche, am L April 1887 in Geltung ge-
tretene Güterklassifikation — die sog.
Official Classification — sowie über
Normaleinheitssätze für den Lokal- und Ver-
bandverkehr verständigt. Zur Zeit der Neu-
begründung der „Trunk Line Association"
hatten die daran teilnehmenden Bahnen eine
Länge von fast 77.000 km mit 10.461 Sta-
tionen. Die Klassifikation, später die der Joint
traffic Association genannt, hat im Lauf der
Jahre verschiedene Änderungen und Er-
gänzungen erfahren, sie ist aber eine einheit-
liche geblieben. Die Geschäfte des Verbands
werden von einem in New York befindlichen
besonderen Bureau geleitet, an dessen Spitze
ein Präsident steht und in dem alle größeren
Bahnen durch Bevollmächtigte vertreten sind.
Durch Urteil des höchsten Gerichtshofes der
Vereinigten Staaten vom 24. Oktober 1898 ist
die Trunk Line (Joint traffic) Association
aufgelöst worden, weil sie dem Antitrustge-
setz vom 2. Juli 1890 widersprach (s. Art. Trust).
Dieses Urteil machte seinerzeit viel .Aufsehen,
weil die allgemeine Überzeugung herrschte, daß
gerade diese Vereinigung wohltätig gewirkt und
insbesondere Ordnung in die dortigen Tarife
gebracht habe. Durch Änderung in der Orga-
nisation sind die durch das vorgedachte Urteil
erhobenen Bedenken beseitigt worden und tat-
sächliche Änderungen sind nicht eingetreten
(vgl. den 12. Jahresbericht der Interstate Com-
merce Commission für 1898, S. 48 ff).
Literatur: v. der Leyen, Eisenbahnkriege und
Eisenbahnverbände in dem Werk: Die nordamerika-
nischen Eisenbahnen. Leipzig 18S5, S. 273 ff.; Nord-
amerikanische Eisenbahnzustände im Jahr 1888. Arch.
f. Ebw. 1889, S. 768 ff.; Die Finanz- und Verkehrs-
politik der nordamerikanischen Eisenbahnen. Berlin
1894, S. 25 ff. - Mc. Cain, Report on charges in
Railway Transportation Rates on freight traffic
throughout the United States. Washington 1893,
S. 405 ff., 431 ff. i'. der Leyen.
Trust, eine in England entstandene, in den
Vereinigten Staaten von Amerika weiter ausge-
bildete Form einer Handelsgesellschaft. Es ver-
binden sich mehrere Aktiengesellschaften zu
einer gemeinsamen Obergesellschaft, trust, oder
auch Board of trustees genannt. Dieser über-
tragen sie ihre Aktien, die in trust certificates
umgewandelt werden. Die Leitung der Geschäfte
erfolgt durch den Board of trustees, der Gewinn
wird an die Einzelgesellschaften nach Maßgabe
ihrer trust certificates verteilt. Das Wort trust
(von Treue, daher auch Treuhänder, Treu-
handelsgesellschaft) bedeutet ursprünglich \'or-
mundschaft, trustee Vormund. Der Zweck einer
derartigen Vereinigung ist die Beseitigung des
Wettbewerbs unter den einzelnen Gesellschaften,
ihre einheitliche Leitung und die Vereinfachung
des Betriebs. Diese Form der Vereinigung kam
und kommt noch in den V^ereinigten Staaten
besonders häufig vor bei den Eisenbahnge-
Trust.
Türkische Eisenbahnen.
373
Seilschaften, die auf diese Weise die in einigen
Staaten verbotene Verschmelzung ihrer Linien
verschleiern wollen.
Die öffentliche Meinung war von jeher in
den Vereinigten Staaten stark gegen die T.
eingenommen. In den Jahren 1888- 1S90
wurde eine eingehende Untersuchung über sie
angestellt, deren Ergebnisse in einem 1890 in
Washington erschienenen Preliminary Report
on trusts and industrial combination veröffentlicht
sind. Dieser Bericht war den betroffenen Unter-
nehmungen so unbequem, daß sie alle vorhande-
nen Druckexemplare aufkauften und vernichteten.
Das Ergebnis der Untersuchung war das Bundes-
gesetz vom 2. Juli 1890, der nach seinem Ur-
heber so genannte Sherman Act, mit dem
Titel: An act to protect trade and commerce
against unlawful restraints and monopolies (Ge-
setz zum Schutz von Handel und Verkehr gegen
ungesetzliche Einschränkungen und Monopole).
Im § 1 des Gesetzes heißt es: „Jeder Vertrag,
jede Vereinigung in Form der T. oder in
anderer Form, oder jede Verschwörung zur
Beschränkung von Handel und Verkehr zwischen
den Einzelstaaten oder mit fremden Nationen
wird hiermit für gesetzeswidrig erklärt." Zu-
widerhandlungen werden mit Geldbußen bis
zu 5000 Dollar, oder mit Gefängnis, oder mit
beiden Strafen geahndet l Auf Grund dieses
Gesetzes sind einzelne, an sich nützliche Eisen-
bahnverbände, z. B. die sog. Transmissouri
Association, die Trunk Line Association, die
Northern Securities Company (s. d.), für un-
gesetzlich erklärt und sie mußten aufgelöst
werden. Die Eisenbahnen haben stets andere
Formen der Vereinigung gefunden, mit denen
sie dieselben Zwecke wie mit den T. er-
reichten, z. B. die Holding Company (s. Bd. VI,
S. 221), oder sie haben sich, soweit dies zu-
lässig war, vollständig verschmolzen.
Das Sherman-, auch Antitrustgesetz bezeichnet,
ist seit seinem Bestehen viel angefochten worden.
Von einer Seite wurde die Abschaffung des
Gesetzes gewünscht, weil infolge seiner Be-
stimmungen eine Reihe nützlicher, den Verkehr
fördernder Vereine aufgehoben seien. Von an-
deren wurde eine Verschärfung der gesetzlichen
Bestimmungen verlangt, durch die auch die
vielen Umgehungen unmöglich gemacht würden.
Der jetzige Präsident der Vereinigten Staaten
Woodrow Wilson hatte sich in seinen Uni-
versitätsvorlesungen und seinen Schriften auf die
letztere Seite gestellt und sich zum entschiedenen
Gegner der T. erklärt. Als Präsident hat er
' Eine Zusammenstellung aller in den Vereinigten
Staaten damals geltenden Trusigesetze befindet sich
im Bd. II des großen Berichts der Industrial Com-
mission, Washington 1900.
in seinen Botschaften vom 2. Dezember 1913
und 20. Januar 1914 denselben Standpunkt mit
allem Nachdruck vertreten und den Erlaß neuer
Gesetze zur Bekämpfung derT. angeregt. Nach
Ausbruch des Weltkriegs hat Wilson indes
die bestehenden mächtigeren T. nach allen
Richtungen hin unterstützt, so den an den
Munitionslieferungen stark beteiligten Stahl-
trust, den die Geldunterstützung der Entente
fördernden Geldtrust, an dessen Spitze Morgan
steht, und auch die großen Eisenbahnverbände,
denen er zur Durchsetzung ihrer Tarifer-
höhungen im Jahre 1915 mit seinem ganzen
Einfluß verholfen hat. Dagegen sind 2 Ge-
setze erlassen worden, mit denen Wilson die
in seiner Botschaft gegebenen Versprechungen
einlösen wollte. Das eine Gesetz vom 20. Septem-
ber 1914 betreffend die Errichtung eines Bundes-
Handels-Amts (Federal Trade Commission) hat
zum Zweck, unsauberen Wettbewerb im Ver-
kehrsleben zu bekämpfen. Das andere Gesetz
vom 15. Oktober 1914 betreffend Ergänzung
der geltenden Gesetze gegen ungesetzliche
Beschränkungen und Monopole (nach seinem
Urheber im Repräsentantenhaus auch Clayton
Act genannt) enthält eine Reihe von Be-
stimmungen, durch die Zweifel bei Auslegung
besonders des vorerwähnten Gesetzes vom 2. Juli
1890 beseitigt werden sollen. Daß diese beiden
Gesetze zur Einschränkung oder zur Aufhebung
der T. beigetragen haben, ist nicht bekannt.
Literatur: American economic Review. 1914,
S. 840 ff. u. 1915, S. 38 ff. - Allyn A. Young,
Journal of political economy, Jan. u. April 1915.
1'. der Leyen.
Türkische Eisenbahnen. (Mit Karte,
Taf. XI.)
Inhaltsübersicht: I. Europäische Türkei, Geschicht-
liches, Technische Anlage; II. Salonik-Monastir;
III. Salonik-Dedeagadsch; IV. Asiatische Türkei.
I. Europäische Türkei.
Geschichtliches.
Die ersten in der europäischen Türkei er-
öffneten Bahnen waren die heute zu Rumänien
gehörige, von einer englischen Gesellschaft er-
baute Linie Konstantza-Czernavoda, eröff-
net am 4. Oktober 1860 (s. Rumänische Eisen-
bahnen) und die am 7. November 1866 in Be-
trieb genommene Linie Rustschuk-Varna,
die (von 1873—1888 von der Betriebsgesell-
schaft der orientalischen Eisenbahnen betrieben)
einen Bestandteil der bulgarischen Eisenbahnen
(s. d.) bildet.
Sie waren jedoch Sackbahnen und inso-
lange ohne größere Bedeutung, als sie nicht mit
einem in sich geschlossenen Eisenbahnnetz in
Verbindung standen. Die Bestrebimgen wegen
Schaffung eines solchen reichen bis in den
Beginn der Sechzigerjahre zurück.
374
Türkische Eisenbahnen.
1S6S kam zwischen der Pforte und einem
französisch-belgischen Unternehmen ein Über-
einkommen zustande, demzufolge eine Haupt-
linie von Konstantinopel über Adrianopel
durch Rumelien und Bosnien an die Save
mit Abzweigungen an die serbische
Grenze und nach Salonik, sowie eine Linie
von Varna über Adrianopel nach Enos
zur Verbindung des Schwarzen Meeres mit
dem Ägäischen Meer hergestellt werden sollte.
Allenfalls sollte die Hauptlinie bei gleichzeitiger
Vertagung des Baues der bosnischen Strecke
unmittelbar durch Serbien an die Save geführt
werden.
Dadurch, daß seitens der ursprünglichen
Konzessionäre eine Reihe von Bedingungen
unerfüllt blieb, erlosch jedoch diese Konzession;
nach vielfachen Verhandlungen übertrug die
türkische Regierung mit Vertrag vom 17. April
1869 den Bau der Eisenbahnen in der euro-
päischen Türkei an Baron Hirsch bzw. an die
von ihm gebildete „Societe imperiale des chemins
de fer de la Turquie d'Europe".
Hierbei war die Herstellung folgender Linien
vorgesehen:
1. der Hauptlinie von Konstantinopel über
Adrianopel, durch Bulgarien, Serbien, Bosnien
nach Doberlin im Anschluß an eine von
Österreich auszuführende Linie Sissek-Doberlin;
2. einer Linie nördlich zur damaligen
serbisch-türkischen Grenze bei Nisch und südlich
über Osküb nach Salonik;
3. einer Linie von Philippopel über Jamboli
nach Burgas längs des südlichen Balkanabhangs;
4. einer Linie von Jamboli über Adrianopel
nach Enos oder Dedeagadsch.
Für dieses Netz von beiläufig 2500 Ä/ra Länge
gewährte die türkische Regierung eine jährliche
Ertragsgarantie von 14.000 Fr. f. d. km und
versprach außerdem mit Rücksicht auf die
hohen Baukosten der bosnischen Strecke ent-
sprechende Subventionen. Ferner sollte die
Venvaltung, die den Betrieb zu übernehmen
gehabt hätte, und als die die österreichische
Südbahngesellschaft in Aussicht genommen war,
einen jährlichen Pacht von mindestens 8000 Fr.
f. d. km entrichten.
Auf Grund der von der türkischen Regierung
gewährleisteten Garantie wurde am 15. und
16. März 1870 eine öffentliche Subskription
auf 750.000 Stück Prämienobligationen aus-
geschrieben, jede zu 400 Fr.; diese wurden
später in die Türkenlose umgewandelt.
Alsbald wurden auch von 4 verschiedenen
Punkten (Konstantinopel, Dedeagadsch, Salo-
nik und Doberlin) die Arbeiten begonnen
und ziemlich rüstig gefördert, so zwar, daß
bereits am 4. Januar 1871 die 10-4^w lange
Teilstrecke von Jedikule (Konstantinopel) nach
Kutschuk-Tschekmedsche dem Betrieb über-
geben werden konnte.
Bald trat jedoch ein Stillstand ein; der eu-
ropäisch gesinnte Großvezier Aali Pascha war
gestorben, und an seine Stelle der Alttürke
Mahmud Pascha getreten, der im Gegensatz
zu seinem Vorgänger einer Verbindung mit
Zentraleuropa abgeneigt war und den Anschluß
an die russischen Bahnen über Rumänien
anstrebte. Als die Türkei überdies ihren Ver-
pflichtungen gegen die Societe imperiale nicht
nachkommen konnte, legte diese am 18. Mai 1872,
bevor noch eine der Hauptlinien ausgebaut war,
ihre Konzession in die Hände der türkischen
Regierung zurück, wogegen diese letztere die
unmittelbare Haftung für die Verzinsung und
Tilgung der Türkenlose auf sich nahm. Die
Societe imperiale übernahm als Generalbau-
untcrnehmung nunmehr auf Grund eines neuen
Vertrags die Fertigstellung des türkischen Staats-
bahnnetzes, das sich aus folgenden Linien zu-
sammensetzen sollte:
1. Konstantinopel-Adrianopel bis Bellova oder
Sarambey mit den Abzweigungen von Adrianopel
nach Dedeagadsch und von Tirnovo-Semenli
nach Jamboli;
2. Salonik- Üsküb-Mitrowitza;
3. Doberlin-Banjaluka (hierüber S.Näheres im
Art. Bosnisch-hercegovinische Eisenbahnen).
Das nunmehr aufgestellte Eisenbahnnetz besaß
eine beiläufige Länge von \23Q km; für dessen
Herstellung reichte das durch die Türkenlose
aufgebrachte Kapital aus.
Ihrerseits verpflichtete sich die türkische
Regierung, aus Staatsmitteln eine Linie von
Jamboli über den Balkan nach Schumla im
Anschluß an die Bahn Varna-Rustschuk, sowie
die Strecke Sarambey-Sofia-Osküb herzustellen.
Durch erstere sollte das türkische Bahnnetz
an die Donau geführt werden, um so eine
Verbindung mit den rumänisch -russischen
Bahnen zu schaffen, durch letztere die Strecke
Salonik -Mitrowitza dem Hauptnetz angegliedert
und damit erträgnisfähiger gemacht werden.
Überdies erklärte sich die Pforte bereit, die
Herstellung der nötigen Zufahrtsstraßen zu
den Stationen, der erforderlichen Hafenanlagen,
Lagerhäuser u. s. w. aus eigenen Mitteln vor-
zunehmen.
Die im vorbesprochenen Vertrag von der
Generalbauunternehmung zur Herstellung über-
nommenen Linien waren bis zum Jahre 1875
fertiggestellt, u. zw. wurden die Linie Konstan-
tinopel-Adrianopel-Sarambey 1871-1873, die
Flügel Adrianopel-Dedeagadsch und Adrianopel-
Jamboli 1872 bzw. 1874, die Linien Salonik-
Üsküb 1872-1873, Üsküb-Mitrowitza im
Türkische Eisenbahnen.
375
Jahre 1874, Banjaluka-Doberlin im Jahre 1872
eröffnet.
Der Betrieb der bereits fertiggestellten und
noch fertigzustellenden Linien wurde an die
durch Baron Hirsch mit einem Aktienkapital
von 50 Mill. Fr. begründete Betriebsgesellschaft
(Compagnie generale pour re.xploitation des
chemins de fer de la Turquie d'Europe) pacht-
weise übertragen. Dieses Pachtverhältnis wurde
auf die Dauer von 50 Jahren abgeschlossen,
gerechnet vom Zeitpunkt der Betriebsübergabe
aller im Vertrag bezeichneten sowie der von
der Regierung herzustellenden Linien (an Stelle
dieses Zeitpunkts wurde durch Vertrag vom
April 18Q3 das Jahr 1958 festgesetzt). Mit
Ablauf eines Jahres nach erfolgter Inbetrieb-
setzung sämtlicherstrecken hatte die Betriebs-
gesellschaft eine jährliche Rente von 8000 Fr.
f. d. km an den Staat zu entrichten. In der
Zwischenzeit sollte ein Pachtschilling nur dann
bezahlt werden, wenn die Durchschnittsein-
nahmen der in Betrieb befindlichen Strecken
12.000 Fr. f.d. km übersteigen und sollte er
dann 80% des Überschusses über 12.000 Fr.,
bis die Höchstrente 8000 Fr. erreicht, betragen.
Infolge des Staatsbankrotts, der Unzulänglich-
keit der damaligen Verwaltungsbehörden, und
in nicht geringem Maß auch infolge der
Kriegsereignisse der Jahre 1877 und 1878,
durch die die Türkei über Gebiete, auf denen
die von ihr auszuführenden Verbindungsstrecken
zum Teil gelegen waren, die Verfügung ver-
loren hatte, konnte die Pforte den ihrerseits
durch die Verträge von 1872 übernommenen
Verpflichtungen nicht nachkommen. Anderseits
wurde aber auch der Bruttoertrag von 12.000 Fr.
niemals überschritten (die in den Jahren 1877
und 1878 erzielten Überschüsse wurden ver-
tragsmäßig zur Deckung früherer Abgänge ver-
wendet); die Betriebsgesellschaft weigerte sich
daher, mit Berufung auf den abgeschlossenen
Vertrag für die von ihr tatsächlich betriebenen
Linien eine Pachtsumme zu bezahlen.
um sich aus diesen auf die Länge unhalt-
baren Verhältnissen zu befreien, drohte die
türkische Staatsverwaltung mit der Sequestrie-
rung der Bahneinnahmen. Da dies aber
einer Konfiskation von Privateigentum gleich-
gekommen wäre, legte sich Österreich ins Mittel,
worauf man seitens der Türkei davon Abstand
nahm, und die Sache schon damals vor das in
den Verträgen von 1872 vorgesehene Schieds-
gericht bringen wollte. Doch auch hier blieb
es nur bei der Absicht, bis endlich die Betriebs-
gesellschaft, die sich gleichwie die Baugesell-
schaft in der Hand des Barons Hirsch befand,
sich aus anderen Ursachen bewogen fand,
diesem Zustand ein Ende zu machen.
Zu Beginn der Siebzigerjahre hatte die
damals bestandene Societe imperiale für die
planmäßige Fertigstellung der von ihr über-
nommenen Arbeiten eine Kaution von 25 Mill. Fr.
geleistet, die nach erfolgter endgültiger Über-
nahme der Bahnen zurückgestellt werden sollte.
Da aber nur eine vorläufige, niemals eine
endgültige Übernahme erfolgte, so war auch
trotz aller erhobenen Einsprüche nur ein Teil
der Kaution zurückgezahlt worden. Solange
der übrige Teil noch ausständig war, konnte
jedoch die als Baugesellschaft fortbestandene
Societe imperiale, die nach Fertigstellung der
vertragsmäßigen Linien ihre Aufgabe beendet
hatte, nicht in Liquidation treten und insolange
auch nicht ihrer Verpflichtungen enthoben
werden. War die Pforte nun auch gegenüber
der Betriebsgesellschaft machtlos, so konnte
sie doch der Baugesellschaft dadurch, daß
sie eine endgültige Übernahme verweigerte,
Schwierigkeiten bereiten. Mit Rücksicht darauf
beschloß Baron Hirsch, sich mit der türkischen
Regierung ins Einvernehmen zu setzen, und
so wurde gelegentlich eines zu Ende des Jahres
1885 seitens der Betriebsgesellschaft mit der
Türkei gegen 7 % Verzinsung und 1 % Amorti-
sation abgeschlossenen Anlehens von 23 Mill. Fr.
auch eine Regelung dieser Streitpunkte ange-
bahnt. Die noch übrige Kautionssumme sollte
zurückgezahlt werden, während die Betriebs-
gesellschaft die unbedingte Bürgschaft für die
Erledigung jener Anstände auf sich nahm, die
sich bei der endgültigen Übernahme ergeben
sollten.
Außerdem wurde an Stelle des früheren
Teilungsschlüssels festgesetzt, daß die Betriebs-
gesellschaft 7000 Fr. f. d. Jahr und km vorab
zur Bestreitung der Betriebsauslagen erhalten
solle, und der Rest des Bruttoertrags in der
Weise zu teilen sei, daß die Betriebsgesellschaft
55%, die Regierung 45% bekomme, wobei
erstere die Bürgschaft dafür übernahm, daß der
Anteil der Regierung mindestens den Betrag von
1500 Fr. f. d. km erreiche. Diese Beteiligung
des Staates diente nunmehr als Unterpfand für
die Verzinsung und Tilgung der Anleihe.
Ferner wurde vereinbart, daß der vorläufige
Betrieb nach erfolgter Untersuchung der ein-
zelnen Strecken durch eine technische Kommis-
sion mit schiedsrichterlicher Gewalt in einen
dauernden überzugehen habe.
Eine Reihe von anderen, meist \ermögens-
rechtlichen Fragen, die sich auf Leistung einer
Pachtsumme seitens der Betriebsgesellschaft an
die Regierung, auf Bezahlung einer Entschädi-
gung für Kriegsschäden, auf Schaffung eines
Garantiefonds u. s. w. bezogen, wurde vorder-
hand unberührt gelassen, bis auch diese Fragen
376
Türkische Eisenbahnen.
zu Ende des Jahres 1888 durch den Schieds-
spruch des Dr. Gneist ihre Lösung fanden.
Während die soeben berührten Verhandlungen
zwischen Baron Hirsch und der Türkei noch
in Schwebe waren, hatte die auf Grund des
Berliner Vertrags (1878) in Wien zusammen-
getretene I, Conference ä quatre" durch die
Eisenbahnkonvention vom Q. Mai 1S83 die
Frage über die Anschlüsse der türkischen
Bahnen an das westliche Europa endgültig
geregelt. Zufolge Art. 3 des Konferenzbeschlusses
verpflichtete sich die kaiserlich ottomanische
Regierung, die Anschlußstrecken Bellova-Vakarel
(s. Art. „Bulgarische Eisenbahnen") und Osküb-
Sibeftsche an die bulgarisch-rumelische, bzw.
serbische Grenze herstellen zu lassen und bis
zum 15. Oktober 1886 gleichzeitig dem Betrieb
zu übergeben.
Die Ausführung dieser beiden Strecken
wurde einer unter Beihilfe des Comptoir
National d'Escompte gebildeten Societe de
construction des lignes de raccordement de
Roumelie übertragen. Die Herstellungskosten
wurden mit 175.000 Fr. f. d. km festgesetzt. Die
Eröffnung der Linie Üsküb-Sibeftsche erfolgte
am 25. Mai 1888, die der Linie Bellova-Vakarel
gleichzeitig mit der Strecke Tsaribrod-Vakarel
am 7. Juli 1888; damit war endlich der direkte
Schienenweg zwischen Mitteleuropa einerseits,
Salonik und Konstantinopel anderseits hergestellt.
Bis zur Austragung der zwischen Baron
Hirsch und der Türkei obwaltenden Schwierig-
keiten wurde der Betrieb auf der Linie Üsküb-
Sibeftsche gemäß des Vertrags vom 25. Fe-
bruar 1888 vorläufig der Societe des raccor-
dements überlassen. Als dann Ende 1888 durch
den früher erwähnten Schiedsspruch die letzten
Streitpunkte mit Baron Hirsch beseitigt waren,
wurde dieser Vertrag gekündigt; die Betriebs-
gesellschaft der Orientalischen Eisenbahnen (s.d.)
übernahm nunmehr auch den Betrieb dieser
Linie. Die Linie Bellova-Vakarel ist nach
ihrer Fertigstellung sofort seitens Bulgariens
okkupiert und dem bulgarischen Staatsbahn-
netz einverleibt worden. Die finanzielle Seite
dieser Angelegenheit wurde später einverständ-
lich geregelt. Die Orientalischen Eisenbahnen
hatten nunmehr, d. i. im Jahre 1888, eine Ge-
samtlänge von 1263-7 km.
Das rumelische oder Hauptnetz umfaßte
die Hauptlinie Konstantino pel-Bellovo
(561-1 km) sowie die Zweiglinien Adrianopel-
Dedeagadsch (148-9 km) und Tirnovo-
Semenli-Jamboü (105-7 km). Das mazedo-
nische oder Saloniker Netz begriff in sich die
Linie Salonik-Üsküb-Sibeftsche (328-5^
und die Flügelbahn Üsküb - Mitrowitza
{\\9-5 km).
Hiervon wurden schon im Jahre 1908 von
der bulgarischen Regierung die sog. ostrume-
lischen Strecken (Ljubimetz (Grenze) -Bellova
und Tirnovo-Semenli-Jamboli) in einer Länge
von 309-6 km nach der Souveränitätserklärung
Bulgariens besetzt. Die finanzielle Regelung er-
folgte 1919 gleichzeitig mit der Schlichtung ver-
schiedener Streitfragen zwischen der ottomani-
schen Regierung und der Betriebsgesellschaft.
Durch Vertrag vom 7. '20. Juli 1910 wurde
den orientalischen Eisenbahnen seitens der
türkischen Regierung die Konzession zum
Bau und Betrieb einer 45-62 km langen Zweig-
linie von Babaeski nach Kirkkilisse erteilt,
welche Strecke am 20. Juli 1912 dem öffent-
lichen Verkehr übergeben wurde. Außerdem
wurde der Gesellschaft am 20. Juli/12. August
1912 die Konzession zum Bau und Betrieb
einer Linie von Üsküb nach Gostivar über
Kalkandelen übertragen. Der Bau wurde kurz
vor Beginn der Balkankriege begonnen.
Infolge dieser Kriege, während deren Dauer
der Betrieb der Gesellschaft auf 1 \2km gesunken
war (Teile der Linien Salonik-Üsküb-Konstanti-
nopel-Tschataldscha und Salonik -Monastir),
gingen folgende Strecken in das Eigentum
anderer Staaten über: an Bulgarien 85-6 km
(Svilengrad-bulgarische Grenze und Grenze bei
Demotika-Dedeagadsch), an Serbien 376-7 km
(Gewgheli-Üsküb-Mitrowitza und Üsküb-Si-
beftsche), an Griechenland 77-3 km (Salonik-
Gewgheli).
In den Friedensverträgen der Türkei mit
Bulgarien, Serbien und Griechenland sind
diese Staaten in alle Rechte und Pflichten
gegenüber der Betriebsgesellschaft eingetreten.
Der Betrieb der in Neuserbien gelegenen
Linien wurde auch fernerhin von den serbischen
Staatsbahnen weitergeführt. Die mit der serbi-
schen Regierung geführten Ablösungsverhand-
lungen waren noch im Zuge, als der Weltkrieg
ausbrach; sie konnten daher nicht zum Ab-
schluß gebracht werden.
Die Linien auf bulgarischem und griechischem
Gebiet sind von der Gesellschaft bis Oktober
1915 weiter betrieben worden.
Infolge einer freiwilligen Gebietsabtretung
seitens der Türkei an Bulgarien sind weitere
142-5 km der gesellschaftlichen Linien (Svilen-
grad-Adrianopel-Küleli Burgas- Demotika) an
Bulgarien übergegangen; die bulgarischen
Staatsbahnen haben am 7. Oktober 1915 den
Betrieb dieser 142-5 km und der infolge des
Balkankriegs auf Bulgarien entfallenen 85-6 km
an sich genommen. Die eingeleiteten Verhand-
lungen über die Ablösung des Betriebsrechtes
der Gesellschaft an Bulgarien gelangten 1916
zum Abschluß.
1
Enzyklopädie des Elsen bahn veseni. 2. Aufl, IX.
Westarabien
Verlaß von Urban & Schwarzenberg in Berlin u. Wien.
Türkische Eisenbahnen.
377
Desgleichen hat die griechische Regierung
am 3. Oktober 1915 den Betrieb der auf ihrem
Gebiet liegenden n-350 km langen Teilstrecke
Salonik-Gewgheli der orientalischen Bahnen
übernommen.
Der Betrieb der Gesellschaft erstreckte sich
Ende 1916 nur mehr auf die Strecke von
Konstantinopel an die neue türkisch-bulgarische
Grenze zwischen Uzunköprü und Küleli Burgas
mit einer Baulänge von 27Skm und auf die
Zweiglinie Alpullu-Kirkkilisse mit einer Länge
von 45'6 km.
Technische Anlage.
Konstantinopler Netz. Linie Konstanti-
nopel-Bellova (56 LI km). Ausgangspunkt ist der
am Ostende des Goldenen Horns gelegene
Bahnhof von Konstantinopel. Anfänglich längs
des Alarmarameers durch welliges Hügelland
fortführend, überschreitet sie unter Steigungen
von 12-5 bis 15%;, die Wasserscheide bei Sinikli
und senkt sich in das Maritzata! herab. Ober
die Maritza selbst führt eine in den Jahren
1912 — 1914 mit einem Kostenaufwand von
iy4 Mill. Fr. neuerbaute eiserne Brücke mit
7 Öffnungen von 50 m Spannweite. An diese
schließen sich außerdem zu beiden Seiten Flut-
brücken an. Am rechten Maritza- Ufer verblei-
bend, übersetzt die Bahn oberhalb Adrianopel
einen Nebenfluß der Maritza, die Arda, mittels
einer eisernen Brücke von 4 Öffnungen zu je
57"33 m Spannweite (Fachwerkträger, Fahr-
bahn unten, gemauerte Pfeiler) und erreicht in
Bellova den Anschluß an die Bahnlinie Bellova-
Vakarel.
Der kleinste Krümmungshalbmesser beträgt
225 m (bei Konstantinopel), sonst 275 m, die
größte Steigung \5%o.
Linie Adrianopel-Dedeagadsch (\4S-9 km).
Dieser an das Ägäische Meer führende Flügel
zweigt von der Station Kuleliburgas der Haupt-
linie ab und überschreitet, den Abhängen längs
des rechten Ufers der Maritza folgend, mittels
einer Steigung von 1 1 %(, den Mahamlysattel. Auf
dem Scheitel ist ein Ausweichgleis angeordnet,
um längere Züge geteilt die Rampe hinauf-
befördern zu können. Bei Feredjik schließt die
Linie Salonik-Dedeagadsch an.
Linie Tirnova-Semenli-Jamboli (1057 km).
Diese vermittelt den Anschluß der Hauptbahn
an die Linie Jamboli- Burgas und damit an
das Schwarze Meer. Nach Übersetzung der
Maritza mittels einer Brücke von 9 Öff-
nungen mit je 29 m lichter Weite wendet sie
sich einem Seitental dieses Flusses zu und
tritt sodann in die dem Balkan vorgelagerte
Ebene ein, in der die Endstation Jamboli liegt.
Ausgenommen die Maritzabrücke und den Be-
ginn der im oben erwähnten Seitental gelegenen
Teilstrecke, bot der Bahnbau keine bedeutenden
Schwierigkeiten.
Diese beiden Linien liegen nunmehr eben-
falls auf bulgarischem Gebiet.
Saloniker Netz. Linie Salonik-Üsküb -
Sibeftsche (448 km). Nach Überbrückung
des Gallico folgt diese bis hinter Üsküb dem
Lauf des Vardar, wendet sich sodann dem
Gebiet der Morava zu und erreicht, in nörd-
licher Richtung fortschreitend, bei Sibeftsche
die serbisch-türkische Grenze. Der weitaus
größte Teil dieser Linie führt durch gebirgiges
Land. Gleich hinter Salonik tritt sie in ein
durch Wildbäche durchbrochenes Gelände und
setzt zu wiederholten Malen über den Vardar. Die
bedeutendste dieser Brücken besitzt 16 Öff-
nungen mit zusammen 3 1 0 ot lichter Weite. Durch
die Gebirgsschluchten des Vardar, worunter
bemerkenswert die Schlucht von Demirkapu und
jene hinter Köprülü, erreicht sie Üsküb. Auf
einer Brücke aus Eisenkonstruktion mit kon-
tinuierlichen Trägern von 120/« Länge und
3 Öffnungen zu je 40 m Spannweite über-
schreitet sie ein letztes Mal den Vardar und
gelangt in das Gebiet der Morava. Der aus-
gesprochene Gebirgscharakter der Bahn machte
zahlreiche Tunnelbauten nötig, worunter der
Tunnel in der Schlucht hinter Köprülü der
wichtigste ist. Er ist 300 m lang, nicht aus-
gemauert und führt durch mürben Gneis.
Die Steigung beträgt durchschnittlich 10%,,,
der kleinste Krümmungshalbmesser 275 m.
Von dieser Linie sind infolge der Balkan-
kriege die 77-350 km zwischen Salonik und
Gewgheli an Griechenland, der übrige Teil
an Serbien gefallen.
Linie Üsküb-Mitrowitza (\\Q-5 km). Am Be-
ginn durch ebenes Gebiet führend, wendet sie
sich in die Gebirgsenge von Katschanik. In
dieser Strecke befinden sich 20 Brücken und
8 Tunnel von 100-200/« Länge, sämtlich
durch druckhaftes Gestein führend. Das bisher
benutzte Tal der Neredinka verlassend, senkt
sich die Bahn zum berühmten Amselfeld (Kosovo
polje) und zur Endstation Mitrowitza. Die größte
Steigung findet sich in der Schlucht von
Katschanik mit \7%o, sonst beträgt sie durch-
schnittlich 10%^; der kleinste Krümmungs-
halbmesser 275 m.
Diese Linie ist infolge der Balkankriege
ganz an Serbien gefallen.
Von Mitrowitza sollte die sog. Sandschak-
bahn (s. d.) ausgehen, die schon in den ersten
türkischen Bahnprojekten vorgesehen war, und
für die die Betriebsgesellschaft der orienta-
lischen Eisenbahnen im Jahre 1909 neue ein-
gehende Pläne und Entwürfe aufgestellt hat.
378
Türkische Eisenbahnen.
II. Salonik-Monastir.
Diese Linie wurde mit Firman vom 15./27.
Oktober 1S90 an ein deutsches Syndikat kon-
zessioniert. Die seitens der Pforte ge\^'ährte Er-
tragsgarantie sichert eine jährliche kilometrische
Mindestbruttoeinnahme von 14.300 Fr. zu. Die
Konzession lautet auf 9Q Jahre und setzt den
Eintritt des staatlichen Rückkaufsrechtes nach
30 Jahren fest.
Die Linie (219 km) ist in einer Länge von
96 km, d. i. bis Vertekop, am 9. Dezember 1892
eröffnet worden, während der restliche Teil bis
Monastir am 13. Juni 1894 dem Verkehr über-
geben wurde. Die Betriebführung der Linie
wurde gegen eine feste Entschädigung der Be-
triebsgesellschaft der orientalischen Eisen-
bahnen überlassen. Eine Verlängerung an das
Adriatische Meer ist in Aussicht genommen.
Der Bau gestaltete sich ziemlich schwierig;
schon in der Nähe von Salonik waren zahl-
reiche Wildbacharbeiten und unweit davon
mehrere größere Brückenbauten notwendig, so
die 158 m lange Brücke über den Gallico und
die Eisenbrücke von 330 m Länge zu 12
Öffnungen von je 27'36 m Lichtweite über den
Vardar. Die Bahn überschreitet sonach den
Gebirgskamm X'odena in anhaltender Steigung
von 250/00- In diesem Teil der Bahn ergab sich
die Notwendigkeit zahlreicher Kunstbauten; auf
einer Länge von \Akm befinden sich 13 Tunnel
und 9 große X'iadukie.
Infolge der Balkankriege sind 213 ä/w dieser
Linie auf griechisches Gebiet, die übrigen 16 km
mit der Endstation Monastir auf serbisches
Gebiet zu liegen gekommen.
In den Betriebsverhältnissen war jedoch keine
Änderung eingetreten, bis anfangs Oktober 1915
die griechische Regierung den Betrieb übernahm.
An Fahrbetriebsmitteln besaß die Bahn da-
mals 1 3 Lokomotiven und 289 Wagen.
III. Salonik-Dedeagadsch.
Die Konzession wurde im Oktober 1892
einem unter der Firma „CompagniedesChemins
de fer de jonction Salonique-Constantinople"
durch die Banque imperiale Ottomane in V'er-
bindung mit belgisch -französischen Bankinsti-
tuten gebildeten Konsortium erteilt.
Die Pforte gewährt eine Ertragsgarantie, u. zw.
sichert sie eine jährliche Bruttoeinnahme von
Fr. 15.500 f. d. km zu.
Die Konzessionsdauer beträgt 99 Jahre; nach
30 Jahren kann die Bahn rückgekauft werden.
Die Linie (519 km), die in den Jahren 1894
und 1895 eröffnet worden ist, wurde hauptsächlich
zu strategischen Zwecken errichtet.
Ausgangspunkt ist die Stadt Salonik, End-
punki der Hafen Dedeagadsch am Ägäi-
schen Meer; außerdem bestehen Abzweigun-
gen, von denen die eine die Station Kara-
souli mit der Linie Salonik- Üsküb ver-
bindet, die andere bei Feredjik die Verbindung
mit der Linie Dedeagadsch-Adrianopel herstellt.
Infoige der Baikankriege kamen die Strecken
Dedeagadsch bzw. Feredjik-Okschilar (143 äot)
an Bulgarien, die Strecken Okschilar- Salonik
bzw. Karasouli (376 km) an Griechenland.
Das bulgarische Stück ist seit Oktober 1915
den bulgarischen Staatsbahnen einverleibt,
während das griechische Stück bis Oktober 1915
im Betrieb der Gesellschaft verblieb.
IV. Asiatische Türkei.
Es befinden sich folgende Eisenbahnen in
Betrieb:
l.Hedjasbahn (s.d.): Länge in*m
Hauptlinie Damaskus-.Wedina . 1305
Abzweigung von Deraa-Caiffa . 163 1468
Diese Bahn wurde von der Regierung erbaut
und wird auch von ihr betrieben. Zu den
Baukosten haben die Mohammedaner der ganzen
Welt beigesteuert. Die kilometrischen Einnahmen
betrugen im Jahre 1911 4100 Fr.
2. Jaffa-Jerusalem:
Die Konzession datiert vom Jahre 1888 und
wurde auf 71 Jahre erteilt. Die Bahn ist schmal-
spurig (Länge 87 km). Zwei in der Konzession
vorgesehene Zweiglinien (nach Naplus, Länge
50 km, und nachGhaza, Länge IQ km) sind nicht
gebaut worden. Die Regierung liefert keine
Garantie. Die jährlichen kilometrischen Ein-
nahmen schwankten in den Jahren 1906— 1911
zwischen 12.931 und 13.963 Fr.
3. Damas-Hamah et Prolongements:
Länge in km
a) Beyrut-Damaskus .... 147
b) Verbindung mit dem Hafen
in Beyrut 2
c) Damaskus-M'zerib .... 100
d) Ravak-Aleppo 331
e) Homs-Tripoli (Syrien) . . 102 682
Die Konzession für die erste Linie Beyrut-
Damaskus (Länge 147 km, schmalspurig) wurde
im Jahre 1889 erteilt. Die Regierung leistete
keine Garantie, die Gesellschaft hat im Gegenteil
jährlich einen Betrag von 1 200 türkischen Pfund
(rd. 27.500 Fr.) an die Regierung zu erlegen.
Die Konzession für die Abzweigung von
Damaskus nach M'zerib (Länge \QOkm, schmal-
spurig) wurde im Jahre 1890 erteilt, ebenfalls
ohne Leistung einer Garantie seitens der Regie-
rung, die für die Verlängerung von Damaskus
nach Biredschik über Homs-Hamah-Aleppo im
Jahre 1893. Letztere Bahn wurde jedoch vor-
erst bis Aleppo normalspurig in einer Länge
von 33\-5 km gebaut, u. zw. nicht von Da-
Türkische Eisenbahnen.
379
maskus aus, sondern von Rayak bei km 65
der Linie Beyrut-Damaskus. Die staatliche Ga-
rantie beträgt 13.600 Fr. f. d. Jahr und km.
Die normalspurige Zweiglinie Homs-Tripoli
(in Syrien) mit einer Länge von 1 02 km wurde
im Juni 1911 dem Betrieb übergeben; sie
genießt keine Staatsgarantie.
Die kilometrischen jährlichen Einnahmen der
Linie Beyrut-Damaskus-M'zerib betrugen in
den Jahren 1907-1911 16.729- 19.040 Fr.,
diejenigen der Linie Rayak - Hamah - Aleppo
5977-8063 Fr.
4. Mersina-Tarsus- Adana:
Die Konzession für diese Linie (67 km)
datiert vom Jahre 1883. Die Bahn wurde im
Jahre 1886 dem Betrieb übergeben.
Die Gesellschaft (türkische Aktiengesellschaft)
war später Gegenstand einer finanziellen Re-
organisation und ging in deutschen Besitz über.
Die kilometrischen Einnahmen betrugen:
Jahr
Fr.
Jahr
Fr.
0
12.286
1913
13.682
1
12.980
1914
15.045
2
14.605
1915
9.593
5. Anatolische Eisenbahnen
Länge in km
(s. d.):
a) Eski-Chehir-Konia ....
445
b) Ismidt-Angora
486
c) Haidar Pascha-lsmidt . .
93
d) Abzweiglinie Arifie-Ada-
basar
9
1033
6. Bagdadbahn (s. d.):
Länge
in km
a) Konia-Eregli-Bulgurlu-Ulu-
kischla-Karapunar ....
292
b) Dorak bis zum Fuße des
Taurus via Adana ....
115
c) Abzweigung von Toprak
nach Ale.xandrette ....
60
d) Radschu über Aleppo-
Dscherablisse bis zum
Amanus
305
e) von Bagdad gegen Norden
bis Samara
119
891
7. Aidin Railway:
Länge
in km
a) Smyrna-Aidin-Diner (Haupt-
linie)
376
b) Diner-Eguirdir (Hauptlinie)
93
c) Abzweiglinie Torbali-Tireh
48
d) „ Tschatal-Kara-
gatsch-Eudemish ....
25
e) Abzweiglinie Paradiso-Bud-
scha
2
f) Abzweiglinie Ghasi-Fumer-
Seidliköi
1
g) Abzweiglinie Südlüdsche-
Tschivril
31
576
Län^e in km
li) Abzweiglinie Baladschik- 576
Seukie 22
i) Abzweiglinie Gondscheli-
Denizli 9 607
Die ursprüngliche Konzession für diese Linie
wurde im Jahre 1856 erteilt; es ist dies also die
älteste Eisenbahn in der Türkei. Der Staat hatte
der Gesellschaft eine Verzinsung des Anlage-
kapitals von 6 % f. d. Jahr gesichert, welche Be-
stimmung aber im Jahre 1888 aufgehoben wurde.
Die Gesellschaft hatte von da an das Netz
ohne jede Belastung der Regierung weiterbe-
trieben. Die kilometrischen Bruttoeinnahmen
schwankten in den Jahren 1907— 1911 zwischen
14.332 und 16.938 Fr.
8. Smyrna-KassabaetProlongements:
a) Smyrna - Kassaba - Alacheir Länge in km
(Häuptlinie) 169
b) Abzweiglinie Jonction-Bur-
nabat 5
c) Abzweiglinie Magnesie-Soma 92
d) „ Soma-Panderma 183
e) Alacheir-Afion-Karahissar . 253 702
Im Jahre 1 894 wurde dem belgischen Staatsan-
gehörigen Georges Nagelmackers, dem bekann-
ten Gründer der internationalen Schlafwagen-
gesellschaft, für die schon bestandenen Linien:
Smyrna - Kassaba - Alacheir, Magnesia - Soma -
Birum-Abat, im ganzen 266 km, eine neue
Betriebskonzession und für eine Linie von
Alacheir nach Afium-Karahissar, 247 km, eine
Bau- und Betriebskonzession erteilt. Die
Regierung garantierte für die schon bestehen-
den Linien eine Annuität von 2,310.000 Fr.
während 99 Jahren, und für die zu bauenden
Linien eine jährliche kilometrische Bruttoein-
nahme von 830-76 türkischen Pfund (rund
18.880 Fr.). Die kilometrischen Jahresein-
nahmen stiegen in den Jahren 1907-1911
auf den alten Linien von 14.816 Fr. auf
18.670 Fr., auf den neuen Linien von
5.065 Fr. auf 7.194 Fr. Der Vertrag für
die Linie Soma-Panderma wurde erst im Jahre
1910 abgeschlossen. Die Regierung hatte der
Gesellschaft 77.832 4*0 ige Staatsobligationen
zu 500 Fr. zu übergeben. Den Betrieb hat die
Gesellschaft auf ihre Rechnung und Gefahr
gegen eine Entschädigung nach folgender For-
mel zu besorgen: Präzipuum 2300 Fr. f. A. km
und Jahr, 20% von den Bruttoeinnahmen für
den Verkehr, 80 Ct. f. d. beladenen Zugkm für die
Zugförderung, 90% von den Hamalgebühren.
9. Mudania-Brussa:
Die Konzession wurde im Jahre 1891 an den
Gründer der Schlafwagengesellschaft Nagel-
mackers erteilt. Von der in dieser Konzession
erteilten Ermächtigung, die Linie bis nach
380
Türkische Eisenbahnen. - Tunis.
Tschitli weiterzuführen, ist bisher kein Ge-
brauch gemacht worden.
Wenn die jährlichen kilometrischen Ein-
nahmen 10.000 Fr. überschreiten, sind 25%
von dem Überschuß an die Regierung abzu-
führen. Die kilometrischen Einnahmen schwank-
ten in den Jahren 1907-1911 zwischen 6366
und 11.581 Fr. Alle diese Eisenbahnen sind
nach dem Ursprung der investierten Kapitalien
wie folgt zu trennen:
1. Ottomanisches Kapital: km
Hedjasbahn 1468
II. Deutsches Kapital:
Anatolische Eisenbahnen .... 1033
Mersina- Tarsus -Adana 67
III. Deutsches und französisches Kapital:
Bagdadbahn 891
IV. Französisches Kapital:
a) Smyrna-KassabaetProlongements
einschließlich Soma-Panderma . 702
b) Damas-Hamah et Prolongements 682
c) Jaffa-Jerusalem 87
V. Französisch-belgisches Kapital:
Mudania-Brussa 41
VI. Englisches Kapital:
Aidin Railway 607
Zusammen . . 5578
Die unter IV — VI angeführten Eisenbahnen,
bei denen englisches, französisches und belgi-
sches Kapital investiert ist, sind im August 1915
von der türkischen Regierung beschlagnahmt
und in den Staatsbetrieb übernommen worden.
Im September 1916 hat die türkische
Deputiertenkammer ein provisorisches Gesetz
votiert, wonach alle diese Bahnen auf Grund
einer Expertise verstaatlicht werden sollen.
Tunis. Seit ISSl steht der Bei von T., dessen
Gebiet 99.600 Am- mit (1911) etwa 1-78 Mill.
Einwohnern umfaßt, unter französischer Ober-
hoheit; als eingeborenem Herrscher stehen ihm
jedoch Eisenbahnhoheitsrechte zu, wodurch sich
ein wesentlicher Unterschied für das Eisen-
bahnwesen zwischen T. und Algier (s. d.) ergibt.
Für die Entwicklung des Bahnnetzes, die
etwa 20 Jahre später als in Algier beginnt,
war es von Vorteil, daß Bau und Betrieb von
Anfang an im wesentlichen in einer Hand,
bei der Bone-Guelma-Gesellschaft lagen;
daher wurde die Mannigfaltigkeit von Spur-
weiten, an der die algerischen Bahnen leiden, ver-
mieden. Neben der europäischen Vollspur,
die nur anfangs für die wichtigsten Haupt-
bahnen angewendet wurde, gelangte die 1 OT-Spur
einheitlich zur Durchführung.
Die erste Eisenbahn war die 30 km lange
vollspurige Bahn der tunesischen Eisen-
bahn-Gesellschaft von T. nach den nord-
östlich gelegenen Hafenplätzen von La Goulette
und La Marsa, 1872 vollendet; sie gelangte
1880 mit Auflösung der Gesellschaft an die
italienische Dampfergesellschaft Rubattino und
im Jahre 1898 in den Besitz der Böne-
Guelma-Gesellschaft; diese hatte als Rechts-
nachfolgerin der Baugesellschaft Batignolles
1877 mit dem Bei von T. einen Vertrag über
den Bau einer Hauptbahn von T. in westlicher
Richtung nach der Grenze von Algier abge-
schlossen. Diese Bahn wurde als die sog.
Medjerdalinie, 196 km, über Djedeida und
Suk-el-Arba nach Suk-Ahras nebst der östlichen
Strecke T.-Hamman-el-Lif, 16 km, bis 1888
in Vollspur vollendet. Von Djedeida nach
Norden abzweigend wurde die Flügelbahn
nach dem Hafen Biserta, 73 km, gleichfalls
in Vollspur, 1894 erbaut.
Bei dem Bau der übrigen Bahnen handelte
es sich im wesentlichen um die Verbindung
von T. mit den wichtigsten Häfen Susa und
Sfax der Ostküste und um die Erschließung
des Innern von diesen Häfen aus vorwiegend
in südwestlicher Richtung, um die reichen
Erz- und Phosphatgebiete des Landes an die
Verschiffungsplätze anzuschließen.
Für die Bahn von Sfax nach Gafsa erhielt
die Phosphat- und Eisenbahn-Gesellschaft
von Gafsa 1896 eine Konzession auf 60 Jahre
mit 30.000 ha Domänenland mit der Auflage,
die Bahn auf eigene Rechnung zu bauen und zu
betreiben. Die Bahn wurde 1900 eröffnet und
später über Metlaui nach der Oase Tozeur ver-
längert (1. März 1913 vollendet); das Unter-
nehmen ist heute eines der bedeutendsten von T.
Durch die Eisenbahngesetze vom 30. April
1902 und 10. Januar 1907 erhielt die tunesische
Regierung die Ermächtigung zur Aufnahme
von Anleihen von 40 und 75 Mill. Fr. zum
Ausbau und zur Ergänzung des Bahnnetzes.
Dementsprechend wurden folgende Linien her-
gestellt: von Pont du Fahs nach Kalaat-as-Senam
mit nordwestlicher Abzweigung nach den Salz-
lagern von El-Kef; von Kairuan nach Sbeitla;
von Biserta nach Nefzas; von Susa nach Sfax;
von Nebeur über Beja nach Mateur, außerdem
eine Anzahl kürzerer Zweig- und Stichbahnen.
Eine dritte Schutzgebietsanleihe in Höhe von
90-5 Mill. Fr., laut Gesetz vom 28. März 1912,
dient zur Verstärkung des Oberbaues, zur Er-
weiterung von Bahnhöfen, Verbesserung des
Betriebs u. dgl., Deckung von Kostenüber-
schreitungen bei den früheren Bahnlinien und
(mit dem Betrag von 34,950.000 Fr.) zu neuen
Bahnbauten, u.zw. den Strecken Metlaui-Tozeur,
55 km, Graiba-Gabes (entlang der südlichen
Ostküste), 80 km, T.-Tebursuk, 145 km, und
T.-Hamman-Lif (elektrische Bahn).
Tunis.
Tunnelbau der Eisenbahnen.
381
Die französische Regierung gewälirte der
Gesellschaft Böne-Guelma ähnlich wie den
algerischen Bahnen eine Zinsbürgschaft von
jährlich bis zu 4 Mill. Fr., so daß der französische
Staat bis 1902 rd. 60 Mill. Fr. Zuschuß leisten
mußte. Mit dem I.Januar 1903 übernahm die
tunesische Regentschaft diese Zinsbürgschaft
und der französische Staat zahlt nunmehr feste
Zuschüsse, bis 1906 jährlich 2 Mill. Fr., von
da ab abnehmende Beträge. Seitdem untersteht
das Eisenbahnwesen von T. nur noch der
einheimischen Regierung, die dadurch freie
Hand für den Ausbau ihres Bahnnetzes ge-
wonnen hat; zu ihrer Unterstützung in Eisen-
bahnangelegenheiten ist ein Eisenbahnrat
eingesetzt.
Die Erträge des tunesischen Bahnnetzes der
Böne-Guelma-Gesellschaft sind befriedigend.
Am 31. Dezember 1912 waren im Betrieb
410-87 Äwz vollspurige und 1339-11 Ära l rn-
spurige, zusammen 1749-98 km Eisenbahnen
und 32-49 km städtische Straßenbahnen. Die
Betriebsergebnisse für das Jahr 1912 zeigt die
nachstehende Zusammenstellung:
Rechnungsjahr 1912
Gesellschaft Böne-Guelma
Vollspurig
Medjerdabahn
Djedeida-
Biserta und
Zweigbahnen
1 m-spurige
Bahnen
Gesamtnetz
Gesellschaft von Qafsa
I /n-spurig
Sfax-Oafsa- ' ,
Metlaui Grubenbahnen
Betriebslänge km
Einnahmen:
Personenverkehr Fr.
Güterverkehr „
Qesamteinnahme .... „
Beförderte :
Reisende
Güter/
Zngkm ....
226
1,626.471
1,425.778
3,347.967
108
479.395
372.432
913.276
1,355.941 '. 320.374
315.514 I 127.613
759.542 I 224.997
1017
2,470.093
11,865.280
14,962 669
885.939
1,554.399
3,026.427
1350
4,576.058
13,663.490
19,223.912
2,562.254
1,997.526
4,010.960
243
244.209
9,715.843
10,028.554
68.405
1,255.833
1,300.337
63
64.471
941.696
1,010.365
30.933
550.920
86.718
Die alten Linien von T. nach La Goulette
und Marsa wurden 1905 von der Gesellschaft
Böne-Guelma an die Straßenbahngesellschaft
von T. verkauft und 1908 für elektrischen
Betrieb eingerichtet.
Literatur: Rapport au Presid. de la Republ. sur
la SiUiation de laTunisie en 1912; Schander, Eisen-
bahnpolitik FrankTeichs in Nordafrika. Jena 1913;
Regence de Tunis. Tableaux Statistiques 1912. —
Baltzer, Die Kolonialbahnen mit besonderer Berück-
sichtigung Afrikas. Berlin-Leipzig 1916. Baltzer.
Tunnelbau der Eisenbahnen (railways
tunrniling; constriiction de tunnels de chemins
de fer; costnizione di gallerie ferroviarie).
Tunnel sind unter der Erdoberfläche her-
gestellte röhrenförmige Bauwerke, die bewegten
Massen, namentlich denen des Verkehrs, einen
freien, sicheren Durchgang gestatten. Je nach den
verschiedenen Verkehrsarten, die durch den
Tunnel geführt werden, unterscheidet man Schif-
fahrts-, Fußgänger-, Straßen- und Eisenbahn-
tunnei. Nur letztere kommen hier in Betracht.
Die Notwendigkeit einer Tunnelanlage ergibt
sich aus Hindernissen, die sich der Trassen-
führung des Verkehrswegs entgegenstellen,
wie große Höhen, deren Ersteigung unmöglich
oder deren offene Durchschneidung zu kost-
spielig ist, breite und tiefe Wasserflächen, deren
Überbrückung zu teuer oder wegen der Störung
des Schiffsverkehrs untunlich ist, oder endlich
wertvolles, namentlich städtisches Gebiet, das
unverändert erhalten werden soll.
Inhaltsübersicht: Richtungsverhältnisse. —
Neigungsverhähnisse. — Längenverhältnisse. — Licht-
raumverhältnisse. - Der Stollen: Bohr- und Spreng-
arbeit; Bohrarbeit; Anordnung der Bohrlöcher;
Schutterung; Wertung der Bohrarbeiten für den Richt-
stollenbetrieb; Hau- und Brecharbeit; Orabarbeit;
Stollenzimmerung. — Der Schacht: Stellung der
Schächte; Tiefen der Förderschächte; Ausbruch des
Schachtes; Größe der Förderschächte; Abstützung
oder Zimmerung; Ausmauerung; Abstand der Förder-
schächte; Verschluß der Förderschächte. — Der zeit-
weise Ausbau: Holzzimmerung: 1. Längsträgerzimme-
rung (Langständerbau, Brustschwellenbau, Mittel-
schwellenbau), 2. Querträgerzimmerung; Eisenzimme-
rung. - Der dauernde Ausbau: Form und Stärke
des Mauerwerks; Nischen und Kammern; Tunnel-
mündungen. — Die Bauweisen: Erste Bauweise;
zweite Bauweise (belgische Bauweise); dritte Bau-
weise (englische Bauweise); vierte Bauweise; fünfte
Bauweise; sechste Bauweise (Firstsclilitzbauweise); die
Schildbauweise; Bauweisen nach dem Gefrierver-
fahren. - Förderung. — Lüftung.
Richtungsverhältnisse.
Der Tunnel kann den Richtungen folgen,
die für die betreffende Bahnlinie im allgemeinen
zulässig sind. Mehrfach hat man zur Vermin-
derung des Krümmungswiderstandes die Bogen-
halbmesser im Tunnel gegenüber denen auf
offener Strecke vergrößert. Auch Korbbögen
sind zulässig.
Größere Unterschiede der Halbmesser sind
wegen plötzlicher Änderung der Gleichgewichts-
lage der Fahrzeuge bei großer Fahrgeschwindig-
keit zu vermeiden, daÜbergangsbogen zwischen
den einzelnen Kreisbögen meist nicht einge-
382
Tunnelbau der Eisenbahnen.
schaltet werden. In stark gekrümmten, längeren
Tunneln kann die Lüftung Schwierigkeiten
machen. Ausführung, Richtungsbestinimung und
Lüftung können oft durch mehr oder weniger
geneigte Seitenstollen erleichtert werden.
Lange Scheiteltunnel werden mit Rück-
sicht auf tunlichste Kürze, leichtere Richtungs-
bestimmung und Lüftung gerade geführt. Die
Überführung in die offene Bahnstrecke ge-
schieht oft im Bogen, da die Tunnelachse
häufig senkrecht zu den Tälern liegt, in denen
die Bahn weitergeführt wird. In diesen Fällen
wird der gerade Tunnel meist behufs Erleichte-
rung der Richtungsangaben mittels eines
Richtungsstollens oder Richtungstunnels
nach außen verlängert, nur in besonderen Fällen
geht man bei langen Tunneln von der Geraden
ab, wie z.B. im Lötschbergtunnel (s. d. Bd. VII,
S. 122).
Die Achsen der Doppel- oder Parallel-
tunnel werden meist parallel zueinander ge-
führt; ihr Abstand ist so groß zu wählen,
daß zwischen beiden Tunneln ein ausreichend
starker Oebirgskörper verbleibt, damit der Bau
des zweiten Tunnels durch Bewegungen nicht
gefährdet wird. Zu großer Abstand erschwert
jedoch das Zusammenführen der Gleise außer-
halb des Tunnels auf das kleinste zulässige
Maß der offenen Strecke. In der Regel ist der
Achsabstand der ein- und zweigleisigen Parallel-
tunnel mit 17-20w und nur ausnahmsweise
weniger und mehr bemessen worden.
Neigungsverhältnisse.
Die größte oder maßgebende Steigung der
Bahn wird in längeren Tunneln infolge Ver-
minderung des Reibungswertes, daher der Loko-
motivzugkraft ermäßigt. In kurzen, gut gelüf-
teten und trockenen Tunneln (300 — 500 m) ist
eine Neigungsminderung nicht erforderlich.
Unter ungünstigen klimatischen Verhältnissen
kann der Reibungswert im Tunnel größer sein
wie auf offener Strecke (s. Steigungsverhältnisse,
Bd. VII, S. 318).
Die kleinste Neigung des Tunnels ist
so zu wählen, daß eine rasche Wasserabführung
gesichert und während des Baues auch die
Förderung der Ausbruchmassen nach außen
erleichtert wird. Sie soll hiernach wenigstens
etwa 2%o, besser noch 5% betragen, die
noch innerhalb der Grenzen der unschädlichen
Neigung liegen. Wagrechte Tunnel können nur
für ganz kurze Längen in Frage kommen.
Große Scheiteltunnel erhalten daher in der
Regel von der Mitte oder richtiger von der
wahrscheinlichen Durchschlagstelle der Richt-
stollen nach den beiden Mündungen Qefäll-
strecken; zu große beiderseitige Neigungen
sind aber, abgesehen von den bereits erörterten
Gründen, auch wegen der zu hoch liegenden
Knickstelle, wodurch die Lüftung im Scheitel
des Tunnels erschwert und überflüssige Lasl-
hebung bedingt wird, zu vermeiden.
Da die zweckmäßige Höhenlage der Mün-
dungen der meisten langen Gebirgstunnel eine
verschiedene ist, so ist die angegebene Kleinst-
neigung nurvoneinerMündung bis zum Scheitel
durchzuführen, woraus sich das Neigungsver-
hältnis nach der andern Mündung ergibt, das
dann häufig das gewünschte Kleinstmaß, manch-
mal auch erheblich überschreitet.
Wegen besserer Neigungsausrundung und
auch um den Verschiebungen der von vorn-
herein nicht sicher festzustellenden Durchschlag-
stelle leichter Rechnung tragen zu können, wird
an der Knickstelle eine wagrechte oder schwach
geneigte Strecke vorgesehen.
Ob und wie weit diese Neigung der Scheitel-
strecke eingehalten werden kann, hängt von
der Lage der tatsächlichen Durchschlagstelle ab.
Längen Verhältnisse.
Im allgemeinen ist mit Rücksicht auf Bau-
und Betriebskosten die Länge des Tunnels so
kurz wie möglich zu halten. Die Kosten wachsen
unter sonst gleichen Verhältnissen mit der Länge.
Auf Gebirgsbahnen sucht man die Länge des
Scheiteltunnels durch tunlichst hohe Lage der
Mündungen einzuschränken; das bedingt aber
Verlängerungen der Zufahrtsrampen, größere
Hebungen der Züge. Mehrfach ist die Höhen-
lage der Tunnel durch ungünstige klimatische
Verhältnisse begrenzt, die eine Höherführung
der offenen Strecke ausschließen.
Die Längen der Scheiteltunnel der Gebirgsjjahnen
sind trotz großer Höhenlage in vielen Fällen doch
noch recht beträchtliche, wie folgende Beispiele
zeigen.
, .. . , Seehöhe der
Tunnel Lange m km Mündung in m
Qotthard 14-99 1145
Lötschberg 14-6 123S
Mont Cenis 12-8 1269
Arlberg 10-25 1302
Tauem 8-5 1217
Col di Tenda 8-1 1030
Albula 5-9 1818
Gravehals 5-3 866
Furkabalin-Scheiteltunnel. 1-9 2170
Andenbahn-Scheiteltunnel 3-2 3200
Der rd. 20 km lange Simplontunnel mündet nord-
seits im Rhonetal ailf 686 m Seehöhe und schließt
daher unmittelbar an die Rhonetalbalin an.
Hoch gelegene, verhältnismäßig kurze Tunnel
mit langen und stark geneigten Zufahrtsrampen,
auch Tunnel mit ungünstigen Neigungsverhält-
nissen hat man bei Zunahme des Verkehrs
durch tiefer liegende, schwach geneigte und
längereTunnel mit kurzen und schwach geneigten
Zufahrten ersetzt (s. Gebirgsbahnen, Bd. V,
Tunnelbau der Eisenbahnen.
383
S. 259 u. Art. Hauensteintunnel, Rd. VI, Elm-
tunnel, Bd. IV, Roncotunnel, Bd. VIII).
Für die Tunnellänge ist auch die Grenze
maßgebend, bei der der Tunnel billiger wird
wie der Einschnitt oder Abtrag. Es sind hierbei
nicht allein die Baukosten, sondern auch die
Betriebs- und Bahnerhaltungskosten sowie etwa
erforderliche Entschädigungen für Grundstück-
verschlechterungen über dem Tunnel in Rech-
nung zu stellen.
Außerdem ist noch in Erwägung zu ziehen,
daß die infolge der Verminderung des Reibungs-
wertes erforderliche Steigungsermäßigungen im
Tunnel Linienverlängerungen zur Folge haben
können, die die Bau- und Betriebskosten der Bahn
umsomehr erhöhen, je länger der Tunnel wird.
Die Sicherheit des Betriebs erfordert unter
Umständen Verlängerungen der Tunnel über
das angegebene Maß namentlich bei Gebirgs-
bahnen, um Steinstürze, Erdrutsche, Lawinen-
fälle unschädlich zu machen. Die nachträgliche
Verlängerung zu kurzer Tunnel, die so häufig
notwendig wird, ist stets mit vermehrten Bau-
und erhöhten Betriebskosten verbunden.
Lichtraumverhältnisse.
Die inneren lichten Abmessungen der Tunnel
sind zunächst dem Lichtraumquerschnitt oder
dem sog. Normalprofil des lichten Raumes der
Bahnen, dessen Größe namentlich von den
Abmessungen der Fahrzeuge, daher von der
Spurweite, sodann von der Gleiszahl und dem
Gleisabstand sowie von den Krümmungsverhält-
nissen abhängig ist, anzupassen. Ein Mehrmaß
wegen unvermeidlicher Ausführungsfehler und
nachträglicher unvorhergesehener Sackungen
der Tunnelverkleidung, wie namentlich der Aus-
mauerung, ist vorzusehen.
Bei Gebirgstunneln, die in der Regel aus-
gemauert werden, erfolgt die Umgrenzung des
Tunnellichtquerschnitts durch Kreisbogen oder
aus solchen zusammengesetzte Korbbogen, die
auch an Stelle der Ellipse und Parabel treten.
Wenn die Druckverhältnisse, die in einem
Tunnel meist wechseln, auf verschiedene Formen
des Ausbaues, also der Umgrenzungslinien des
Lichtraums hinweisen sollten, wird doch zur Ver-
meidung von größeren Ausführungsschwierig-
keiten und Kosten, die häufiger wechselnde
Lichtquerschnitte zur Folge haben müßten,
ein einheitlicher Lichtquerschnitt durchzuführen
und den wechselnden Druckverhältnissen durch
verschiedene Mauerwerksabmessungen Rech-
nung zu tragen sein. Tunnelquerschnittsformen
können außerdem in den meisten Fällen den
unsicheren und nur schätzungsweise zu er-
mittelnden Druckverhältnissen doch nicht richtig
angepaßt werden.
Für städtische, meist knapp unter der Straßen-
oberfläche liegende Untergrundbahnen, wobei
die Tunneldecke aus Eisen- oder Betoneisen-
trägern gebildet wird, erhält der Lichtquerschnitt
in der Regel eine den Fahrzeugen angepaßte
rechteckige Form (s. Stadtschnellbahnen).
Abb. 330. Osterreichische Staatsbahnen.
(Tunnel unter 1000 m.)
Tunnel können ein und mehrere Gleise
erhalten. In der Regel wird der bergmännisch
betriebene Tunnel jedoch für nicht mehr wie
2 Gleise ausgeführt. Mehrgleisige Tunnel sind
selten und hauptsächlich nur im festen Gebirge
erbaut worden. Für mehr wie 2 Gleise werden
Schwelle
Abb. 331. FJsaß-Lolliringen-Bahnen.
Parallel- und Zwillingstunnel vorgezogen. In
zweigleisigen Tunneln beträgt der Abstand der
Gleise bei Vollbahnen zumeist 3'5 m, im Arl-
bergtunnel nur 3'45 tn, in einigen englischen
Tunneln noch etwas weniger, obwohl der durch
die Lichtraumprofile gegebene Abstand 4-0 m
betragen sollte. Auf den württembergischen
Staatsbahnen haben die beiden Pras;tunnel bei
384
Tunnelbau der Eisenbahnen.
Stuttgart 37 rn und 4-0 m Gleisabstand, was
sehr zweckmäßig und nachahmenswert erscheint.
Es ist ferner Rücksicht zu nehmen auf etwaige
größere Einhauten von Leitungen und Signal-
einrichtungen, sodann ist es zweckmäßig, nament-
lich im eingleisigen Tunnel den Lichtraum so
Schw.
1
Abb. 332. Würltembergische Staatsbahnen (Pragtunnel).
■[■3 50 J
I
Abb. 333. Elsaß-Lothringen-Bahnen.
groß zu machen, daß zwischen dem Lichtraum-
profii und der Tunnelmauerung noch Raum für
Rüstungen zu Ausbesserungsarbeiten während
des Bahnbetriebs verbleibt. Im zweigleisigen
Tunnel kann bei kleinem Gleisabstand der er-
forderliche Raum durch Einführung des ein-
gleisigen Betriebs für die Zeit der Umbauarbeiten
gewonnen werden.
Zumeist bewegt sich die Breite in Kämpferiiölie
bei eingleisigen Vollbahntunneln von 5'0-5-5 m,
bei zweigleisigen von 8'ü— 88 m, die Höhe über den
Schienen bei eingleisigen von 5'4 — 65 m, bei zwei-
gleisigen von 60 -75 m. Der kleinste Abstand des
Lichtraumprofils von den Tunnelwandungen beträgt
in den meisten h'ällen bei eingleisigen Tunneln
03 — 0'6 /.'/, bei zweigleisigen Tunneln Oi5-0'35OT.
Auf Schmalspurbahnen betragen die
größten Breiten bei 1 -0 m Spurweite ungefähr
3-5 -4-25 m, bei OS -075 m Spurweite 30 bis
40 m. Die Höhen über den Schienen im ersten
Fall 4'25 — 4'75 m, im zweiten 3'75 — 4'5 m.
Die TV. sehen im § 16 vor:
„In zweigleisigen Tunneln soll außerhalb
der im § 30 vorgeschriebenen Umgrenzung
des lichten Raumes überall ein Spielraum von
mindestens 300 mm, in eingleisigen Tunneln
ein solcher von mindestens 400 mm vorhanden
sein. In diesem Spielraum dürfen die Strom-
leitungen der elektrisch betriebenen Bahnen
untergebracht werden. Die geänderte Lage der
Umgrenzung des lichten Raumes durch Spur-
erweiterung und Überhöhung soll berück-
sichtigt werden."
Und in den Grundzügen für den Bau der
Lokaleisenbahnen wird empfohlen, daß neben
der Umgrenzung des lichten Raumes ein Spiel-
raum von mindestens 200 /nm verbleiben soll.
Nach diesen Vorschriften scheint der
Spielrautn zwischen dem Lichtraumprofil
und der Tunnelwandung zu knapp be-
messen; daher die vielfach so großen
Schwierigkeiten, Betriebsstörungen und
Kosten bei Ausbesserungs- und Umbau-
arbeiten der Eisenbahntunnel. Für ein-
gleisige Tunnel empfiehlt es sich in allen
Fällen, auch für Nebenbahnen diesen
Spielraum nicht unter 0-5 m anzunehmen.
In den Abb. 330, 331, 332, 333 und
334 sind einzelne Querschnitte wieder-
gegeben.
In Gleisbögen von kleinen Krümmungs-
halbmessern unter 1000 m v;'ird \«-egen
der Überhöhung des äußeren Schienen-
strangs gegenüber dem inneren und der
Spurerweiterung eine seitliche Verschie-
bung der Gleisachse gegen die Tunnel-
achse und auch wohl eine Vergrößerung
des Tunnellichtraums erforderlich. Der
Einfluß der Sehnenstellung der Fahrzeuge
im Gleisbogen auf die Lichtraumverhält-
nisse ist bei den immerhin großen Krüm-
mungshalbmessern gering.
Die Verschiebung der Gleisachse um
das Maß a, Abb. 335, erfolgt in vielen Fällen
so, daß die Abstände b und b^ ungefähr gleich
werden dem Abstand c. Da hiernach aber die
Umgrenzungslinien des lichten Raumes für
Eisenbahnfahrzeuge der inneren Tunnelleibung
näher liegen wie im geraden Tunnel, so ist eine
Vergrößerung des Tunnellichtraums um das
Maß c in denjenigen Fällen erforderlich, in
Tunnelbau der Eisenbahnen.
385
welchen die Abstände der Umgrenzungslinien
von der inneren Leibung des geraden Tunnels
bereits die zulässige Grenze erreicht haben,
umsomehr als die genaue Anpassung des
Tunnelmauerwerks an den erforderlichen Licht-
querschnitt im Bogen mit Schwierigkeiten ver-
Der Stollen.
Stollen, meist mit 4-10 m'^ Größe, sind ent-
weder Teile eines größeren Tunnels oder selb-
ständige Bauten. Tunnel mit größeren Ab-
messungen, wie Eisenbahntunnel, beginnt man
mit einem, zwei, ausnahmsweise auch mehreren
Schien,
-■■t Schwelle
Abb. 335.
Abb. 334. Preußische Staatsbahnen {Tunnel bei Elm)
bunden ist. Das Maß der Verschiebung
der Gleisachse a ^ u- /i ist von der Über-
höhung h des äußeren Schienenstrangs
und von der Form der Umgrenzung des
Lichtraums der Fahrzeuge abhängig.
In den Bogentunneln der Gotthardbahn mit
Halbmessern von 300 m (Abb. 336) wurde
z. B. a=l-6 ermittelt; außerdem sind die
Lichtquerschnitte gegenüber dem geraden
Tunnel um das Maß c = 0-l rn vergrößert
worden. In den Tunneln der österreichischen
Alpenbahnen wurde die Tunnelachse von der
Gleisachse gegen den Mittelpunkt des Rogens
um die Größe « nach folgender Tabelle ver-
schoben :
Halbmesser
250 m
300 /n
400 /7j
Geschwindigkeit
A/n/Std.
bis 30
von 31 „ 40
„ 41 „ 55
40
von 41 bis 50
„ 51 „ 60
40
von 41 bis 50
„ 51 „ 70
60
von 61 bis 70
„ 71 „ 80
500 m
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
a in m
008
015
0-25
0-08
0-15
0-25
008
015
0-25
0-08
015
0-25
Abb. 336.
Stollen, u. zw. mit einem Firststollen, einem
Sohlstollen, einem Sohlstollen, dem der First-
stollen folgt; mit 2 Sohlstollen, auch Ortstollen
genannt und einem Firststollen; ausnahmsweise
auch mit 2 Ortstollen, einem Kernstollen und
einem Firststollen. Zur Erleichterung von Lüftung,
Förderung und Entwässerung, auch wohl zur Ver-
mehrung von Arbeitsangriffstellen des Tunnels
25
386
Tunnelbau der Eisenbahnen.
werden auch Parallelstollen in genügend
großem Abstand ausgeführt und mit dem
Stollen des Tunnels durch Querstollen ver-
bunden, wie z. B. am Simplontunnel (Schweiz)
oder im Rogers Paß-Tunnel (Canada).
Es liegen auch Vorschläge vor, den Parallel-
stollen unter den Sohlstollen des Tunnels
zu legen, der dann als Richtstollen dem Tunnel-
stollen vorauseilen soll, wobei dieser auch
als Schlitz hergestellt werden kann.
Zur Vermehrung der Angriffstellen sowie
zur leichteren Förderung und Lüftung des
Tunnels werden auch Neben- oder Seiten-
stollen ausgeführt; bei längeren Voreinschnitten
finden Mund- oder Voreinschnittstollen Ver-
wendung, namentlich wenn sog. englischer
Einschnittsbetrieb mit Stollen und Schächten
zweckmäßig erscheint, damit der Tunnelbau
vor Fertigstellung der Voreinschnitte in Angriff
genommen werden kann.
Zur Entwässerung des Gebirges über oder
neben dem Tunnel können auch Entwässerungs-
stollen Verwendung finden.
Die in der Regel von beiden Mündungen
eines Tunnels vorzutreibenden Stollen, womit
die Ausbrucharbeiten begonnen \'serden, heißen
Richtstollen; sie erhalten meist Querschnitts-
flächen von 5— IOot^, können in der Sohle
oder in der First liegen und haben den Zweck,
Aufschlüsse des Gebirges, Gewinnung von
Angriffstellen für die weiteren Ausbrucharbeiten,
Wasserabführung, Förderung der Ausbruch-
massen und Richtungs- sowie Höhenangaben
zu ermöglichen und zu erleichtern.
Die von beiden Mündungen vorgetriebenen
Richtstollen treffen an der von den beider-
seitigen Arbeitsfortschritten abhängigen Durch-
schlagstelle zusammen, die von vornherein
nicht genau angegeben werden kann. Der
baldigste Durchschlag ist anzustreben, da hier-
nach die übrigen Tunnelarbeiten nennenswert
erleichtert und beschleunigt werden können.
Der Ausbruch der Stollen erfolgt je nach Ge-
birgsbeschaffenheit mittels Bohr- und Spreng-
arbeit, Hau- und Brecharbeit oder der
Grabarbeit von Hand oder durch Maschinen.
Bohr- und Sprengarbeit.
DerStollenausbruch bedingt nachstehende
Arbeitsvorgänge: 1. das Bohren der Löcher in
der Stollenbrust; 2. das Aufstellen, Abnehmen
und Zurückziehen der Bohrgeräte; 3. das Laden
der Bohrlöcher mit Sprengstoffen, die Zündung
der Ladungen (Minen) und die darauf folgende
Lüftung der Arbeitsstelle am Stollenort; 4. die
Fortschaffung der vor der Stollenbrust liegenden
Ausbruchmassen und das Verlegen der erforder-
lichen Gleise.
Bohrarbeit.
Der rasche Fortgang des Ausbruchs im Richt-
stollen ist besonders wichtig, weil hiervon die
Tunnelbauzeit abhängt. Es ist daher zweck-
mäßig, den Querschnitt für den ersten Vortrieb
(Vortriebstollen) tunlichst klein zu halten. Nach-
träglich wird er auf das erforderliche und nament-
lich durch die Förderung und Schutterung be-
dingte Maß erweitert. Der kleine Querschnitt
des Vortriebstollens erfordert nicht nur weniger
Bohrarbeit, sondern auch im mittelfesten Gebirge
keine unmittelbare Abstützung oder Zimmerung,
wodurch Zeitverluste vermieden werden. Aller-
dings ist der Sprengstoffverbrauch unter sonst
gleichen Verhältnissen beim kleinen Querschnitt
größer wie im großen.
Beispielsweise vcurden im Tauerntunnel (Oneis-
granit) bei einem Stollenquerschnitt von 45 m- etwa
5-3 kg und bei 6'5 m^ etwa 4'5 kg für 1 m^ gelösten
Gesteins an Sprengstoffen gebraucht. Nach den
dortigen Beobachtungen ist bei Maschinenbohrung
der Sprengstoffverbrauch bei einem Stollenquerschnitt
von 6-7 m- am günstigsten.
Man unterscheidet: Schlagbohren, Stoß-
bohren, Drehbohren; hierbei wird entweder
von Hand oder mit Maschinen gearbeitet.
Das Schlag- und StoBbohren erfolgt mit
Meißel-, Kreuz- oder Z-Bohrer aus Stahl. Das
Naßbohren, d. i. Einspritzen von Wasser in
das Bohrloch während der Arbeit, ist wegen
längerer Erhaltung der Bohrschneiden, Ver-
meidung der Staubbelästigung und bei fallenden
Löchern wegen günstigerer Bohrwirkung zu
empfehlen. Das erforderliche Wasser \xird in
fahrbaren Behältern oder besser in besonderer
Rohrleitung (Druckwasser) vor Ort des Stollens
gebracht. Zur Vermeidung von Zeit\-erlusten
wird Wassereinspritzung, namentlich bei steigen-
den Löchern, wobei das Bohrmehl von selbst
herausfällt, vielfach unterlassen.
Das Drehbohren erfolgt im Stollenvortrieb
hauptsächlich mit Maschinen, die mit Druck-
wasser betrieben werden, das auch zum Spülen
der Bohrlöcher dient; hierzu werden Kernbohrer
aus Stahl verwendet.
Über Gesteinsbohren und die hierzu er-
forderlichen Geräte s. Art. Gesteinsbohren
(Bd. V, S. 314).
Anordnung der Bohrlöcher.
Im Stollen von 5 — Sm^ Querschnittfläche
werden der Beschaffenheit des Gesteins, der
Sprengstoffe und dem Bohrvorgang ent-
sprechend mit Meißel-, Kreuz- oder Z-Bohrern
10 — 24 meist 1 0 — 20°zurGesteinswandgeneigte
Löcher von etwa 30 — 70/«/« Weite und l~2 m
Tiefe gebohrt. In der Regel werden erst nach
Fertigstellung sämtlicher Löcher die Lade- und
Sprengarbeiten vorgenommen, u. zw. so, daß
Tunnelbau der Eisenbahnen.
387
meist eine mittlere Gruppe von 3 — 4 Loch-
ladiingen zuerst zur Explosion gebracht wird,
um den zur Abminderung der Gesteins-
verspannung erforderlichen Einbruch zu er-
halten, sodann folgen die übrigen Lochgruppen
am Umfang der Stollenwandungen.
Bei Verwendung der Drehbohrmaschinen
Brandt mit Kernbohrern von 6 — 8 cm Durch-
messer ist infolge großer Lochweite die Zahl
der im Stollenquerschnitt erforderlichen Löcher
unter sonst gleichen Verhältnissen kleiner wie
bei Verwendung der Stoßbohrmaschinen. Bei
den üblichen Stollenquerschnitten von 6 — 8/«^
wurden, je nach Gesteinsverhältnissen und der
Sprengstoffart, 7—12 Löcher von 1 — 2 /« Tiefe
gebohrt.
Die Bohrlöcher werden mit Sprengstoffen
geladen und mit Hilfe von Zündkapseln ent-
weder mittels Zündschnüren oder elektrisch
gezündet; im Stollenbau findet fast nur die
Zündschnur Verwendung, da die sonst vorteil-
hafte elektrische Zündung zur Lösung einzelner
Minen nicht zweckmäßig zu gebrauchen ist.
Über Sprengstoffe und Zündungen s. Art.
Sprengarbeiten (Bd. IX, S. 115).
Schutterung.
Die im Stollen gelösten Massen müssen tun-
lichst rasch beseitigt werden, damit die Bohr-
arbeit nicht zu große Unterbrechungen erfährt.
Durch rasche Schutterung wird die Angriffs-
dauer verkürzt, der Arbeitsfortschritt gesteigert,
daher die Wegräumung und Verladung der
Ausbruchmassen durch stärkere Sprengladungen,
welche bessere Zerkleinerung und weitere
Streuung des Gesteins sowie größere Angriffs-
längen ermöglicht, beschleunigt. Die Wider-
stände beim Fassen des Ausbruchs mit der
Schaufel werden durch auf der Stollensohle
verlegte Blechplatten abgemindert.
Bohrung von Hand und namentlich mit
Bohrhämmern ermöglicht bei nur teilweiser
Beseitigung der Ausbruchmassen die baldigste
Wiederaufnahme der Bohrarbeiten, daher be-
sonders günstige Fortschrittsziffern im Stollen.
Bohrwagen mit Stoß- und Drehbohrma-
schinen sollen tunlichst schmal und leicht,
die Stollenbreite entsprechend groß gehalten
werden, damit die Schuttmassen nach Frei-
legung des Bohrwagengleises zu beiden Seiten
des Gleises Platz finden und dann nach Wieder-
aufnahme der Bohrarbeiten und während dieser
ohne Störung fortgeschafft werden können.
Mechanische Schutterungen haben eine Herab-
minderung der Schutterzeit gegenüber der Hand-
arbeit bisher nicht ermöglichen lassen. Bei
richtiger Wahl und Einrichtung der Bohranlagen
kann durch Handarbeit die teilweise und zur
Wiederaufnahme der Bohrarbeiten erforderliche
Freimachung des Stollenorts leicht und rasch
erfolgen. Die übrigen, zu beiden Seiten im
ausreichend breiten Stollen abgelagerten Massen
können dann allmählich während der Bohr-
arbeit und ohne deren Störung beseitigt werden,
wozu sich aber größere und sperrige Maschinen-
anlagen nicht eignen.
Der Stollenvortrieb im unteren Hauenstein-
tunnel hat gezeigt, daß bei Verwendung von
Bohrhämmern, die vom Arbeiter gehalten werden,
nur ein kleiner Teil der Schuttmassen vor Ort
wegzuräumen ist, um die Bohrarbeit wieder
aufnehmen zu können, also die Unterbrechung
der Bohrarbeit auf ein sehr kleines Maß ein-
geschränkt werden kann, was ein Hauptgrund
der außergewöhnlich großen Arbeitsfortschritte
im Richtstollen dieses Tunnels gewesen ist.
Wertung der Bohrarten für den Richt-
stollenvortrieb.
Handarbeit mit Schlagbohrer. Für
kurze Tunnel, wobei maschinelle Anlagen nicht
ausgenutzt werden können, aber auch für
längere Tunnel im weichen oder wenig festen
Gebirge, das aber noch Bohrarbeit erfordert, ist
die Handbohrung in der Regel der Maschinen-
bohrung wegen geringerer Kosten und des
mit abnehmender Gesteinsfestigkeit kleiner
werdenden Unterschieds der Vortriebsgeschwin-
digkeit bei beiden Bohrarten vorzuziehen. Bei
Handbohrung können die Löcher sehr zweck-
mäßig angesetzt werden, so daß Bohr- wieSpreng-
arbeit mit dem geringsten Kraft- und Spreng-
I stoffaufwand erfolgen kann, wenn auch der
Wirkungsgrad der Handbohrarbeit ein geringer
ist und 5 ojo der aufgewendeten Kraft des .Arbeiters
kaum übersteigt. Auch kann die Unterbrechung
der Bohrarbeit durch die Schutterung auf das
geringste Maß beschränkt werden, da eine nur
teilweise Beseitigung des Schuttes nach erfolgter
Sprengung zur Wiederaufnahme der Bohr-
arbeiten genügt. Infolge Verteuerung der .Arbeits-
löhne und Verbesserung der Bohrmaschinen-
arten ändert sich aber das Kostenverhältnis
immer mehr zu Ungunsten der Handbohrung.
Um mit dem Vortrieb des Richtstollens vor
Fertigstellung der Anlagen für den Bohr-
maschinenbetrieb, die nicht selten längere Zeit
beansprucht, sofort beginnen zu können, wird
in der Regel mit Handbohrung vorgegangen,
so daß diese fast bei jedem Tunnelbau, der Bohr-
arbeit erforderte, auch im Richtstollen gebraucht
worden ist.
Druckluft-Bohrhämmerarbeit. In länge-
ren Tunneln von weniger festem bis mittelfestem
Gebirge ist der Vortrieb des Richtstollens mit
Druckluft-Schlagbohrhämmern, die vom Arbeiter
25*
388
Tunnelbau der Eisenbahnen.
gehalten und nicht durch ein Bohrgestell ge-
stützt werden, besonders zweckmäßig. Die
Löcher können hierbei wie bei Handbohrung
sehr günstig angesetzt und infolge der Maschinen-
kraft sehr rasch abgebohrt werden; auch die
Zeitverluste für die Bohrarbeit durch die Be-
seitigung der Schuttmassen können bei Nicht-
verwendung von Bohrgestellen auf das geringste
Maß eingeschränkt werden. Die Bohrhämmer
können sodann auch für die Erweiterung des
Vortriebstollens und den Vollausbruch zweck-
mäßig Verwendung finden, was namentlich bei
Stoßbohrmaschinen auf Gestellen meist nicht
der Fall ist.
Allerdings ist der Luftverbrauch ein verhältnis-
mäßig großer, daher der Wirkungsgrad ein
kleiner. Im festeren Gestein erhalten die Bohr-
hämmer großes Geviicht, auch macht das An-
setzen am Beginn der Bohrung Schwierigkeiten,
daher erfolgt die Bedienung vielfach durch
2 Arbeiter. Der Bohrstaub belästigt die Arbeiter.
Man hat daher versucht, Staubsammler anzu-
ordnen, die von Zeit zu Zeit entleert werden
sollen. Infolge mangelhafter Führung durch
den Arbeiter findet häufiges Festklemmen des
Bohrers statt. Im festen Gebirge sind die starken
Rückstöße durch den Arbeiter schwer aufzu-
nehmen und wirken ermüdend. Bei Verwen-
dung eines Bohrgestells fallen aber die Vor-
teile der ohne Gestell arbeitenden Bohrhämmer
zum größten Teil fort. Bei gleichzeitiger Ar-
beit mehrerer Bohrhämmer im engen Vortrieb-
stollen sind die Luftzuführungsschläuche zu
den Hämmern schwierig unterzubringen und
störend.
In sehr festem Gestein wird also der Bohr-
hammer in der Regel nicht zu verwenden sein,
dagegen bietet dessen Verwendung für den
Vortrieb des Richtstollens im mittel- und wenig
festen Gebirge große Vorteile und erlaubt be-
deutende Arbeitsfortschritte.
Druckluft - Stoßbohrmaschinenarb ei t.
Die auf einem Gestell zu lagernden Stoßbohr-
maschinen finden auch in sehr festem Gestein
vorteilhafte Verwendung. Der Wirkungsgrad
der Maschine ist zwar klein, aber immer noch
günstiger wie der des Bohrhammers. Die Stöße
sind sehr kräftig, die Bohrer erhalten gute
Führung, die Rückstöße werden vom Gestell
aufgenommen. Die Bauart der neuen Maschinen
ist ausreichend kräftig, daher die Reparatur-
bedürftigkeit gering. Die Bedienung ist einfach;
die abströmende Druckluft verbessert die Lüf-
tungsverhältnisse vor Ort.
Dagegen ist der Betrieb ein geräuschvoller,
die Staubbelästigung muß durch Wasserein-
spritzung ins Bohrloch gemindert werden; die
häufig verwendeten Wagengestelle (Bohrwagen)
bedingen größere Unterbrechungen der Bohr-
arbeit, da der Schutt vor Wiederbeginn der
Bohrarbeit zum größeren Teil beseitigt sein
muß. Die Luftleitung erhält größere Ab-
messungen, ist daher in den Arbeitsstrecken
eines längeren Tunnels schwierig unterzubringen
und kaum gegen Beschädigungen zu schützen.
Auch die Kosten der .Waschinenanlagen werden
mehrfach recht hohe.
Die Druckluft-Stoßbohrmaschinen, zumal die
mit Handvorschub, haben in großen und kleinen
Tunneln ausgedehnte Verwendung gefunden.
Bei richtiger Handhabung und einem dem
Gestein angepaßten Luftdruck sowie bei aus-
reichend weiter und gut erhaltener Luftleitung
sind neuestens beträchtliche Leistungen erzielt
worden.
ElektrischeStoßbohrmaschinenarbeit.
Die vornehmlich für die .Auffahrung der Tunnel-
richtstollen gebrauchten Kurbel -Stoßhohr-
maschinen mit Federwirkung neuester Bauart
haben sich bisher im wenig festen und mittel-
festen Gebirge bewährt. Als besonders günstig
erscheint die leicht zu schützende Kraftleitung
mit geringen Abmessungen und der geringe
Kraftverlust. Der Wirkungsgrad der Maschine
ist größer wie der der Druckiuft-Stoßbohr-
maschine. Die Bohranlage ist rasch zu ersteilen
und verhältnismäßig billig. Dagegen ist die
Stoßstärke geringer wie bei den Druckluft-
maschinen, Federbrüche kommen nicht selten
vor, namentlich bei ungeübter Bedienung, es
wird daher auch größere Geschicklichkeit in
der Bedienung gefordert.
Die mit diesen Maschinen in den Tunneln
der österreichischen Alpenbahnen erzielten Er-
gebnisse sind günstige.
Drehbohrmaschinenarbeit. Die mit
Druckwasser betriebeneDrehbohrmaschine kann
nur für lange Tunnel mit großer Gesteins-
festigkeit in Frage kommen, wenn rascher Arbeits-
fortgang im Richtstollen ohne Rücksichtnahme
auf die Kosten gefordert wird. Im wenig festen
Gestein und für kurze Tunnel ist sie unvorteil-
haft.
Die Vorteile dieser Bohrart bestehen in dem
großen Wirkungsgrad von Maschine und Bohrer,
in der zufolge hohen Wasserdrucks engen und
leicht zu schützenden Kraftleitung, in der stoß-
freien, ruhigen und staublosen Arbeit, in der
durch den Differentialkolben ermöglichten
bequemen Druckregelung und einer geringen
Reparaturbedürftigkeit. Infolge der großen Weite
ist die Zahl der erforderlichen Löcher in der
Stollenbrust gering.
Dagegen bedingen die maschinellen Anlagen
hohe Kosten und längere Erstellungszeit, daher
deren V^erzinsung und Tilgung größere Beträge.
Tunnelbau der Eisenbahnen.
389
Dieweiten Löcher erfordern wegen ungünstigerer
Ausnützung höheren Verbrauch an Spreng-
stoffen.
Die Bohrer müssen aus bestem, härtestem,
daher kostspiehgstem Stahl erstellt werden;
die Erneuerung abgenützter Schneiden ist
schwieriger und teurer wie die der Stoßbohrer.
Auf die Vorteile des Kernbohrens muß wegen
Vermeidung von Zeitverlusten bei Beseitigung
der Kerne im raschen Richtstollenbetrieb ver-
zichtet werden. Die rasche Abführung der Ab-
wässer bietet in manchen Fällen Schwierig-
keiten. Die Maschinen können nur auf den
zwischen den Qesteinswänden festgespannten
Säulen verwendet werden, wo solche Gesteins-
wände in geringerem Abstand vorhanden sind
(Stollen, Schlitz oder Schacht).
Die Bohrergebnisse zeigen, daß in sehr festem
Gestein gute Fortschritte erzielt werden können.
Die Ergebnisse der Bohrung mit den ver-
schiedenen Bohrmaschinenarten in den Richt-
stollen neuerer und bedeutendererTunnelbauten
sind in den nachfolgenden 4 Tabellen zusammen-
gestellt.
Schlagbohrmaschinen.
Unterer Hauensteintunnel, 8135 tri lang, Südseite
Mai 1913, 25 Arbeitstage
2521-2807 =285/«
Oktober iyi3, 29 Arbeitstage
3694 -3934 = 240 m
Gebirgsart
Richtstolienquerschnitt m^
Bohrmaschinen vor Ort
Bohrerstärke mm
Lochtiefen m
Zahl der Angriffe in 24 Stunden . . .
Zahl der Bohrlöcher ( für 1 Angriff .
im Mittel I für 1 m Stollen
Sprengstoffverbrauch ( für 1 Angriff kg
(Gamsit) im Mittel l für Im Stollen „
IT i u -44 ■ >«•*. 1 ( für 1 Angriff m
Fortschritt im Mittel [;„ 24 Stunden „
Bunte Mergel .
Schilf Sandstein
Gipskeuper . .
18 ra
60 „
208 „
5-6
3 Bohrhämmer (Westfalia)
38-45
1-3-1-7
8-9
11
9
14-20
11-7
1-3
11-5 (max. 14-7)
Mergelkall^e (oberer und mittlerer
Jura) lll/n
Tongestein (mittlerer Jura) ... SS
Oolithische Kalke (Hauptroggen-
stein) 32
Mergelsandsteiue und knollige Kalk-
steine 9
5-6
3 Bohrhämmer (Westfalia)
38-45
1-3- 1-6
7-9
12-17
10
15-22
14-3
1-1
S-3 (max. 10-4)
Druckluft-Stoßbohrmaschinen.
Gotthard-
tunnel,
14998««
lang, Nord
Monte
Cenere-
Tunnel
(Gotthard-
batm),
1673 m lang
Brandleite-
tunnel
(preußische
Staatsbahn),
3050«! lang
Bosruck-
tunnel
(österreichi- 1
sehe Staats- j
bahnen),
4770 m lang,
Nord
Lötschbergtunnel (Berner Alpen-
bahn), 14 605 «: lang
Nord
Süd
Gebirgsart '
Richtstolien m-
Bohrmasciiinenart . . . . |
Zahl der Maschinen vor Ort .
Luftspannung vor Ort Atm.
Bohrerstärke mm
Loch tiefe m
Lochzalil im Querschnitt . .
Dynamitverbrauch für 1 m
Länge kg
Bohrdauer Std.
Schutterung „
Angriffsdauer „
Fnrt I 'ür 1 Angriff . m
Sh^ui. 1 in 24 Stunden . „
^'^'^""^ 1 max
Quarziti-
scher
Gneis
5-8
Ferroux
\SQ kg
6
3-4
40
1-25
18
18-20
2-5
3-5
6
1-0- 1-2
3-4-0
50
Gneis
6-6-5
Mac Kean-
Seguin
170 *^
4
3-4
30-35
1-3
18-20
12-15
3-3-75
2-5 -30
6-7
1-1
4-1
4-8
Porphyr-
konglonierat
6-5-6-75
Frölich
90*^
3
3-5
30-35
1-3
16-18
15-16
3-5
4-5
8-8-5
1-02
2-9
40
Harter Kalk
Kreide
Qastern-
Kristall-
mit Kalzit-
adern
und Jura
granit
schiefer
5-5
6-2
6-2
6-2
Oatti
R. Meyer
iSS kg
R. Meyer
1S8A^
IngersoU
Rand
170*p-
4
4-5
4-5
4-5
5-6
6-7
6-7
5-6
32-45
60
60
—
1-7
1-4
1-4
1-37
18-20
13-14
15-16
12-14
18-22
20-23
25-26
_
3-3-5
1-6
1-3
1-9
2-7 -3-5
2-7
2-1
3
5-75 -6-5
4-5
3-6
5
1-5-1-7
1-3
1-2
1-1
6-6-5
7-6
7-5
D
7-5
10-7
10-4
—
Granit
6-2
170 Ag-
1-37
15-16
26
3
5-7
1-2
4-7
390
Tunnelbau der Eisenbahnen.
Elektrische Stoßbohrm aschinen.
Wocheiner Tunnel, Nord, 6340/n lang ; Karawankentunnel, Nord, 7976m lang
Qebirgsart J
Richtstollenquerschnitt m^
Bohrmaschinenart |
Zahl der Maschinen vor Ort
Bohrerstärke mm
Lochlänge m
Lochzahl im Querschnitt
Bohrdauer Sld.
Schutterung „
Angriffsdauer samt Zeitverlusten . . .
Sprengstoffe kg^lm
Fortschritt in 24 Stunden . . . . m
Harter Kalkstein mit Korallen-
kalk, Kieselkalk mit Hornstein
7
Grauer Kalk mit Werfner
Schichten, Tonschiefer mit
Dolomit
6-5-7-5
Kurbel-Stoßbohrmaschine, 150 kg- schwer, Siemens-
Schuckert, 2 PS.
4
4
30-60
30-60
1-6-1-8
1-7 -20
18-23
12-14
3-5-30
3-2'(j
4-25-4-0
3-75 -40
7-8
7
25-28
Gelatine und Dynamit 25
4-4 -5-4 (ma.x. 6-9)
5-3 (max. 7-9)
Drehbohrmaschinen.
Arlberg, West
10 250 m lang
Simplon, Süd
19 770 m lang
Albula, Nord
5S6Ö m lang
Tauern, Nord
8530 m lang
Gebirgsart [
Richtstollenquerschnitt m-
Bohrmaschinenart {
Druckwasser vor Ort Atm.
Zahl der Maschinen vor Ort
Bohrerstärke (Kernbohrer) mm
Lochlänge m
Lochzahl im Querschnitt
Bohrdauer Std.
Schutterung „
Angriffsdauer samt Zeitverlusten .... „
Sprengstoff (Dynamit) kfflm
Fortschritt in 24 Stunden m
Gneis- und
quarzreicher
Glimmerschiefer
6-5 -7-0
Brandt Bauart I
80
3-4
70
1-4- 1-5
9-10
3-3-2
3-4 {
6-7
18-20
5-6
Antigoriogneis
5-7-60
Brandt
Bauart 1897
70-80
3
60-85
1-2-1-4
8-11
2-25-2-75
2-25-2-25
1-1 2 Verluste
7-7-5
25-
28*^/ Angriff
Gelatine
4-5-5-2
Granit
5-5
Brandt
Bauart 1897
100
3
60-80
1-4-1-5
9-10
2-2-5
-45-
-2-45
7-
■7-5
20-
-25
6-4-
-7-3
Gneisgranit
6-5
Brandt
Bauart 1901
3-
60-
1-2-
10-
2-5-
4
80
1-3
11
30
2-5-3-0
6-6-5
2S-30
Sprenggelatine
und Dynamit
5-0-6-0 !
Hau- und Brecharbeit.
Im gebrächen und wenig festen Gebirge
wird Bohr- und Sprengarbeit nur ausnahms-
weise in Frage kommen. Die Gewinnung erfolgt
von Hand, in der Regel mittels der Keilhaue
oder der Spitzhaue und Brechstange — Arbeits-
vorgänge, die aus dem Erdbau bekannt sind.
Grabarbeit
im milden, weichen und rolligen Gebirge erfolgt
von Hand mittels der Breithaue, Schaufel und
Spaten, wie im Erdbau, so daß für den Tunnel-
bau keinerlei nennenswerte Abweichungen zu
bemerken sind.
Hau- und Brecharbeit sowie Grab-
arbeit können im wenig festen, gebrächen und
weichen Gebirge auch maschinell und ohne
Sprengarbeit erfolgen. Die hierzu gebrauchten
Maschinen werden in der Regel Tunnelbohr-
maschinen oder Stollenbohrmaschinen
genannt. Es liegen auch Vorschläge vor, solche
Maschinen im festen Gebirge ohne Sprengarbeit
zu verwenden.
Für gebräches und weich es Gebirge würden die
fräsend oder schneidend wirkenden Maschinen,
wie z. B. die Bauweisen von Brunton, Beauinont
und English, Rziha und Reska, Crampton, zu
verwenden sein.
Die Maschinen von Beaumont und English,
auch die von Brunton arbeiteten im Merseytunnel
(roter Sandstein) und in den beiderseitigen
Versuchsstollen (Frankreich und England) für
den Ärmelkanaltunnel (graue Kreide). Auch die
Cramptonmaschine, womit ein voller Tunnel-
querschnitt von 10-8 rn Durchmesser erbohrt
werden soll, \x-urde für den Ärmelkanaltunnel
in Aussicht genommen.
Die Verwendung dieser Maschine ist eine sehr
beschränkte geblieben, da sie nur im gleich-
mäßigen Gestein von geringer Festigkeit, das
aber nicht unmittelbare Abstützung bedingt, in
Frage kommt. Die Beseitigung der Ausbruch-
Tunnelbau der Eisenbahnen.
391
massen ist schwierig und bedingt besondere
Einrichtungen; die sehr sperrigen Maschinen
erschweren das Zurüci<ziehen vom Stolienort
behufs Vornahme von Ausbesserungen, die dann
eine Stillegung des Arbeitsbetriebs bedingen.
Für loses und rolliges Gebirge wurden
Maschinen nach Art der Eimerbagger oder sog.
Bohrschrauben oder Maschinen mit Schwemm-
wasserbetrieb vorgeschlagen.
Diese Maschinen sind über das Versuchs-
stadium kaum hinausgekommen; sie haben für
den Stollenvortrieb bei Gebirgstunneln noch
keine Verwendung gefunden; denn sie können
den mehrfach wechselnden Gebirgsverhältnissen
nicht rasch genug angepaßt werden; bei Aus-
besserungsbedürftigkeit sind längere Arbeits-
unterbrechungen unvermeidlich; zudem ist
die Handarbeit in solchen Fällen billiger;
daher soll an dieser Stelle von einer Schilde-
rung des Arbeitsvorgangs abgesehen werden.
Fürden Stollen-
vortrieb in sehr
nassem, schwim-
mendem Gebirge
können die Ver-
fahren mit Eisen-
schild und
Druckluft, das
Gefrier- und
Zementierver-
fahren in Frage
kommen.
Stollenzimmerung.
Im festen Gebirge und bei kleinen Quer-
schnitten kann der Stollen ohne Abstützung
oder Zimmerung verbleiben, was namentlich
für den raschen Vortrieb des Richtstoliens vor-
teilhaft ist. Meist liegen die Gebirgsverhältnisse
so, daß der größte Druck in der First, geringerer
Druck an den Stößen und der kleinste Druck
in der Sohle auftritt. Dementsprechend würden
zuerst die First, dann die Stöße oder Seiten-
wände und nur im ungünstigen Gebirge auch
die Sohle des Stollens abzustützen sein.
Die Art und Stärke der Zimmerung ist also
von derGebirgsbeschaffenheit, den Abmessungen
und der Benutzungsdauer des Stollens abhängig;
sie erfolgt durch Rundholz, seltener durch Kant-
holz, auch wohl durch Eisen (Altschienen oder
I- und L-Eisen), ausnahmsweise mit Beton-
zwischenfüllungen. Für dauernde Stollenab-
stützung wird Eisen, Beton oder Mauerwerk
verwendet.
Im Richtstollen des Tunnels müssen Förder-
wagen, Kraft-, Luft- und Wasserleitungen sowie
der Wasserabzugsgraben Platz finden; auch
ist ein freier Raum für den ungehinderten Ver-
kehr der Arbeiter erforderlich. Für die Förderung
(s. d.) der Ausbruchmassen und der im Tunnel
erforderlichen Baustoffe wäre die zweigleisige
Anlage der eingleisigen mit entsprechenden
Ausweichen vorzuziehen; sie bedarf aber durch-
laufend größerer Stollenbreiten, also Vergröße-
rung der Querschnittsflächen und Kosten, ist
also nicht zu empfehlen.
Die Entwässerungsgräben werden unter das
Fördergleis (Spur 0'6— l^O ah) oder seitlich
gelegt. Erstere Anordnung erschwert Legung
und Unterhalt des Fördergleises, sowie die
Grabenreinigung, läßt aber mehr Raum für den
unbehinderten Verkehr der Arbeiter und die
Unterbringung der erforderlichen Leitungen.
Der vom Gleis unabhängige seitliche Graben
schränkt den Raum aber nennenswert ein und
bedingt Vergrößerung der Ständerauflager,
namentlich im weniger festen Boden des mit
Wasser gefüllten Grabens. Man hat daher auch
Abb. 338.
Abb. 339.
den seitlichen Graben abgedeckt und ihn vom
Ständerfuß der Stollenzimmerung abgerückt. Bei
Abdeckung und Befestigung der Wände des
Grabens sowie bei Anordnung von Sohlschwellen
zur Unterstützung der Ständer können die Übel-
stände vermindert und die Entwässerungsgräben
unterdas Gleis gelegt werden. Eine Verschiebung
der Gleisachse gegen die Stollenachse ist nament-
lich im engen Stollen zweckmäßig, um auf einer
Stollenseite mehr Raum für den Arbeiterverkehr
zu gewinnen.
Im weniger festen Gebirge besteht die
Zimmerung des Stollens aus Kappen a, die
durch Ständer oder Stempel S gestützt werden
(Abb. 337, 338, 339), die auf Fußbrettern /
oder Schwellen g stehen. Der Abschluß des
Gebirges in der First wird durch Bretter C,
der Längsverband der im Abstand von 1 — 20
angeordneten Rahmen oder Gespärre durch
Bundholzbolzen d bewerkstelligt.
Im losen und drückenden Gebirge, das
auf den Abstand der Stollenrahmen ohne Ge-
fahr des Ablösens nicht standhält, wird der Vor-
trieb nach Abb. 340 und 341 durch Pfähle /7
(15 — 25 cm breit und 2 — 5 cm stark, ausnahms-
392
Tunnelbau der Eisenbahnen.
weise vorn mit Eisenblech beschlaijen und hinten
mit einem Eisenband gegen Aufspalten gesichert)
bewerkstelligt, die über den Stollenkappen a
und, wenn erforderlich, auch seitlich über den
Stempeln S so vorgetrieben werden, daß der
Ausbruch unter dem Schutz dieser Pfähle er-
ipP^?i^'*^^'-> .
Abb. 340.
angeoriinct werden, ist ein Bretterbelag zu
empfehlen.
Im stark drückenden Gebirge werden
die Köpfe der Pfähle, Abb. 342 u. 343, auch
wohl durch ein Querbrett q, Pfandblatt
genannt, so unterstützt, daß sie gemeinsam in
dem zum Nach-
treiben der unteren
Pfähle erforder-
lichen Abstand ge-
halten werden, wo-
durch infolge Ent-
lastung das Vor-
treiben der Pfähle
zumal in nahezu
richtiger Neigung
erleichtert, auch
beim Herausfallen
eines Keiles der
darüber liegende
Pfahl durch das
Abb. 341.
.'. ■• ■ - ^ "i iTT— TT-mii,,
Abb. 342.
Abb. 343.
Abb. 346.
folgen kann. Der Raum zwischen Schwanz des
vorderen und Kopf des hinteren Pfahles wird
zumeist durch Keile K ausgefüllt, die die
oberen Pfähle dicht an das Gebirge drücken,
den zur Erleichterung des Vortriebs belassenen
Zwischenraum ausfüllen und den Unregelmäßig-
keiten im Ausbruch Rechnung tragen. Unter
den Sohlschwellen g, die im weichen Gebirge
Pfandblatt gehalten wird. Beim Anstecken
der Pfähle über dem letzten Rahmen vor Ort
halten die großen Keile K\ das Pfandblatt in
seiner Lage; nach dem Eintreiben werden die
Zwischenräume zwischen Pfandblatt q und
Pfahl p durch die kleinen Keile k ausgefüllt;
hierbei sind die oberen Pfähle von diesen
Keilen nicht unmittelbar abhängig, so daß
Tunnelbau der Eisenbahnen.
393
Abb. 349.
die unteren Pfähle ohne Störung der Lage der
oberen Pfähle vorgetrieben werden können.
Im druckhaften Gebirge ist dieser Vorgang
zweckmäßig, während im wenig
drückenden Gebirge die unmittel-
bare Unterstützung jedes ein-
zelnen Pfahles durch den Keil,
also die Fortlassung des Pfand-
blattes vorzuziehen ist, damit
jeder Pfahl unabhängig von den
anderen sicher an das Gebirge
angeschlossen werden kann.
Bei größeren Abständen der
Hauptgespärre H werden zur
Unterstützung der Pfähle p
Zwischengespärre Z angeordnet
(Abb. 344, 345, 346). Man kann
hierdurch größeren Druckver-
hältnissen begegnen und die
Pfähle unter den Kappen der vor-
letzten Gespärre leichter so vor-
treiben, daß sie mit geringer oder
ohne Verschwenkung (Schnap-
pen) in nahezu richtiger Lage
sich befinden, wodurch das Ein-
treiben erleichtert und Gebirgs-
bewegungen sicherer vermieden
werden.
Sind im ungünstigen Gebirge
die Pfähle ohne nachherige
Drehbewegung einzutreiben, so
werden die Zwischengespärre Z
entsprechend höher und breiter,
auch Pfandblätter und Keile
stärker gehalten. Die Neigung
der Pfähle wird um so größer,
je kleiner der Abstand der Haupt-
gespärre H ist. Im Gebirge mit
kleinem Reibungswinkel sind bei
steiler Lage der
(Abb. 347, 348, 349, 350), welche von beson-
deren Ständern - Nebenständern - gestützt
werden. Zur Vermeidung der Stollenverengung
Abb. 350.
Abb. 351.
Abb. 352.
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Abb. 353.
Abb. 354.
Abb. 355.
Pfähle die gro-
ßen Zwischen-
räume zu ver-
schließen, wo-
zu auch Keile
oder Zumach-
bretter verwen-
det werden.
Die Zahl der
Stollenrahmen
wird, wenn die
Druckverhältnis-
se es bedingen,
so weit vermehrt,
daß die Gespärre dicht aneinander stehen.
Die Verstärkung der längeren, auf Biegung
beanspruchten Kappen kann durch einen Spreng-
bock erfolgen; besser jedoch durch Unterzüge
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Abb. 356.
Abb. 357.
werden die Nebenständer zwischen den Haupt-
ständern auch so gesetzt, wie Abb. 347 zeigt.
Die Stollenzimmerung wird auch teilweise
oder ganz in Eisen ausgeführt, was die Vor-
394
Tunnelbau der Eisenbahnen.
teile kleinerer Abmessungen, leichteren Vortriebs
der Pfähle und längerer Dauer, also der Mög-
lichkeit häufigerer Wiederverwendung bietet.
Dagegen sind als Nachteile anzusehen das
unter Umständen schwierigere Anpassen der
fertig gelieferten Eisenrahmen an den Stollen-
umfang, die nicht leicht lösbaren Verbindungen
der einzelnen Teile, namentlich bei kleinen
Formänderungen der Stollenrahmen sowie meist
die größeren Kosten.
Bei teilweiser Verwendung von Eisen
•werden die Kappen aus Altschienen oder
I-Eisen (Abb. 351, 352), dagegen die Stempel
oder Ständer aus Rundholz hergestellt, die
oben zur Aufnahme der eisernen Kappen aus-
geschnitten werden und zur Vermeidung der
Aufspaltung einen Eisenring erhalten. Die Ver-
bindung der Kappen mit den Ständern ist
keine günstige.
Die ganz aus Eisen hergestellten Rahmen
der Stollenzimmerung (Altschienen, I- oder
Abb. 35S.
Abb. 359.
C-Eisen) sind meist 3-, auch 4teilig; die ein-
zelnen Teile werden durch Laschen und Schrau-
ben verbunden; die Füße stehen in der Regel
auf Langschwellen. Zum Längsverband wird
Rundholz verwendet (Abb. 353).
In stark drückendem Gebirge gebraucht man
auch 4teilige Rahmen aus ^[I-Eisen, deren
Teile mit Knotenblechen und Schrauben ver-
bunden werden. Der Längsverband erfolgt
durch Rundholz (Abb. 354, 355). Auch sind
die Eisengespärre dicht aneinandergestellt und
die Zwischenräume durch Holz oder Beton
ausgefüllt (Simplontunnel, Kara\^ankentunnel),
s. Abb. 356, 357.
Der Schacht.
Die Schächte erhalten rechteckige, vieleckige,
kreisförmige, auch elliptische Querschnitte. Für
Holzzimmerung sind rechteckige oder viel-
eckige Querschnitte den runden vorzuziehen.
Ausgemauerte Schächte erhalten runde Quer-
schnitte.
Der Winkel des Schachtes mit der Boden-
oberfläche kann p^90°sein; dementsprechend
heißt der Schacht ein senkrechter (seigerer)
oder ein geneigter (tonnlägiger). Bei Her-
stellung der Schächte sind in jedem Fall das
Wasser und die Ausbruchmassen bis an den
Schachtmund zu heben, das Aus- und Ein-
fahren der Arbeiter mit den Geräten und den
erforderlichen Baustoffen ist zeitraubender und
erfordert größeren Kraftaufwand wie im Stollen.
Das Vortreiben des für die Wassersammlung
erforderlichen Schachtsumpfes beeinträchtigt
den Fortgang; dadurch werden die Arbeiten
erschwert und \'erteuert.
Man unterscheidet Förderschächte, Lüf-
tungsschächte, Entwässerungsschächte.
Förderschächte haben den Zweck, die
Zahl der Angriffstelien für den T. zu ver-
mehren oder Angriffspunkte überhaupt zu ge-
winnen, wie bei Unterwasser- oder Städtebahn-
tunneln; sie dienen zur Förderung der Aus-
bruchmassen aus und der Baustoffe sowie
Geräte in den Tunnel, zur Unterbringung er-
forderlicher mechanischer Einrichtungen und
häufig gleichzeitig zur Hebung des zufließenden
Wassers.
Mundschächte, die bei langen Vorein-
schnitten in gewissen Fällen an den Tunnel-
eingängen erstellt werden, um mit dem T. vor
Durchschlitzung der Einschnitte beginnen zu
können, sind Förderschächte.
Lüftungsschächte dienen zur Lüftung
des Tunnels während des Baues oder im
Eisenbahnbetrieb. Auch die Förderschächte
wirken meist als Lüftungsschächte während
des Baues.
Entwässerungsschächte werden entweder
in Verbindung mit Stollen zur Entwässerung
des Gebirges vor und während des T. oder
zur Abführung des Wassers im fertigen Tunnel
ausgeführt, wie u. a. bei Tunneln unter \X'asser
und bei Stadtbahnen, wo andere Vorflut fehlt.
Stellung der Schächte.
Die Schächte werden in der Tunnelachse
(Abb. 358) oder in ausreichendem Abstand (et\va
6-20 m) seitwärts (Abb. 359) angeordnet.
Die erste Anordnung hat die Vorteile der
unmittelbaren Förderung, der Vermeidung von
Querstollen mit den Gleisverbindungseinrich-
tungen und Vereinfachung der Absteckungs-
arbeiten, bei Lüftungsschächten auch des kür-
zesten Abzugs der Rauchgase; bei der zweiten
Anordnung kann größere Sicherheit in der
Tunnelförderung und die Fernhaltung des zu-
fließenden Wassers vom Tunnel erreicht werden,
auch belastet die nachträgliche Verfüllung oder
die Ausmauerung (Lüftungsschacht) des
Schachtes das Tunnelmauerwerk nicht. In der
Mehrzahl der Fälle wird deshalb der Förder-
schacht seitlich der Tunnelachse gelegt.
Tunnelbau der Eisenbahnen.
395
Die
Tiefen der Förderschächte
•sind, abgesehen von der Beschaffenheit und
Wasserführung des Gebirges, auch von der
Tunnellänge abhängig, da der Schacht so
zeitig die Tunnelsohle erreichen muß, daß
•noch entsprechende Längen des Tunnels beider-
Für raschen Fortschritt im festen Gebirge sind
Bohrhämmer oder Stoßbohrniaschinen auf
Bohrsäulen zu verwenden.
Bei Bohr- und Sprengarbeit können bei Schächten
bis etwa 100 m Tiefe und einem Querschnitt von
8—15/«- mit Handarbeit (6 -8 Mann in 3 achtstündigen
Schichten) und Verwendung brisanter Sprengstoffe
(Dynamit) Tagesfortschritte angenommen werden :
Abb. 360.
Abb. 361
Abb. 363.
Abb.' 365.
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Abb. 362.
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Abb.;366.
seits des Schachtes vorgetrieben werden können.
Die Tagesleistungen nehmen mit der Schacht-
tiefe ab; sie sind geringer, die Kosten größer
wie unter gleichen Verhältnissen im Stollen.
Im T. ist man mit den Schachttiefen kaum
über 300 m hinausgegangen.
Ausbruch des Schachtes
ei^olgt wie im Stollen mittels Bohr- und
Sprengarbeit, Hau- und Brecharbeit,
Grabarbeit von Hand oder mit Maschinen.
im sehr festen Gebirge mit 0'2-0'4«
,. festen „ „ 0-4-0'8 „
., gebrächen „ „ OS -TG,,
Im wasserführenden und schwimmenden Gebirge
werden die Fortschritte kleiner.
Größe der Förderschächte
ist für die Förderung der Ausbruchmassen
und Baustoffe, die Befahrung durch die Ar-
beiter, die Unterbringung der Wasser-, Luft-,
Licht- und Kraftleitungen ausreichend zu be-
messen und beträgt daher meist 5—12, aus-
396
Tunnelbau der Eisenbahnen.
nahmsweise bis 18 m~. Die größeren und
tieferen Schächte erhalten aus Sicherheits-
gründen und zur Vermeidung von Betriebs-
störungen in der Regel mehrere Abteilungen
(Trume), Abb. 360, 361, 362, 363.
Es bezeichnen: F die Abteilungen tür anf-
and abwärtsgehende Fördergefäße, a die Ab-
teilung mit den Leitern und den eingelegten
Zwischenböden (Sicherheitsgründe) für die ein-
und ausfahrenden Arbeiter, L den Raum für
die Leitungen. Bei wenig tiefen Schächten
begnügt man sich mit 1 oder 2 Abteihmgen.
AbStützung oder Zimmerung
der Schächte hängt von der Gebirgsbeschaffen-
heit ab. Im festen Gebirge reicht eine geringe,
nur stellenweise Abstützung aus; im losen und
drückenden Gebirge sind stärkere Abstützungen
mit Verpfählungen wie im Stollenbau erfor-
derlich, Abb. 364, 365 u. 366. Für dieZimmerung
weise im Schacht selbst unterzubringen sind,
da diese Anlagen sorgfältigst gegen Störungen
und Beschädigungen zu schützen sind, was
beim Holzeinbau nicht sicherzustellen ist.
Manche Schachtzimmerungen sind schon durch
Feuer zerstört worden. Die Ausmauerung des
Förderschachts kann auch bei sehr starkem
Wasserandrang zweckmäßig sein.
In stark wasserführendem, schwimmendem
Gebirge kann die Schachtabteufung durch
besondere Verfahren, wie Brunnensenkung
(Senkschachtverfahren), Druckluft-, Gefrier-
oder Zementierverfahren erfolgen.
Der Abstand der Förderschächte
von den Tunneleingängen und untereinander
ist bei gegebener Tunnellänge von den Schacht-
tiefen und den möglichen Arbeitsfortschritten
abhängig und so zu bemessen, daß nach
Erreichung der Tunnelsohle durch die Schächte
Abb. 368.
■ n ^
. ::. ^: S -Ü
Abb. 369.
ist Rundholz dem Kantholz vorzuziehen. Die
Rahmen oder Gespärre a werden in Abständen
von 0-S - 2-0 tn angeordnet und größtenteils
durch die Reibung gehalten, welche die Ver-
keilung erreichen läßt, sowie durch Abstützung
auf der Sohle oder auf der Stollen- oder
Tunnelzimmerung durch die Bolzen g. Genügt
das nicht, so hängt man die Rahmen mittels
Rundeisen / oder durch hölzerne Hängsäulen,
die durch Eisenbänder verbunden werden, an
das oberste, durch kräftige Querträger unter-
stützte Gespärre auf. Bei starkem Gebirgsdruck
wird die Schachtsohle abgedeckt und gegen
Auftrieb des Bodens gesichert, Abb. 367.
Die Schachtrahmen können auch in Eisen,
Altschienen, I-, C- oder L-Eisen, hergestellt
werden mit kreisförmigem oder rechteckigem
Querschnitt, Abb. 368, 369.
Ausmauerung
von Förderschächten geschieht nur aus-
nahmsweise, u. zw. in Beton, Betoneisen oder
Mauerwerk, namentlich wenn wichtige maschi-
nelle Anlagen auf der Schachtsohle oder teil-
noch beiderseits entsprechend lange Stollen
vorgetrieben werden können.
Die von der Gebirgsbeschaffenheit und den
Wasserverhältnissen abhängigen Arbeitsfort-
schritte im Schacht sind unter gleichen Ver-
hältnissen geringer wie die im Stollen ; bei
Tiefen bis etwa 100/k kann man eine Ver-
minderung der möglichen Leistung um
0-25 -0-5 annehmen. Ferner erlaubt der im
Gefälle auszuführende Stollen unter gleichen
Verhältnissen 0-2 -025 geringere Leistungen
wie der in der Steigung.
Wichtig ist, daß der Schachtmund leicht
zugänglich, durch fahrbare Wege erreichbar
und ausreichender Raum vorhanden ist füi
die erforderlichen Einrichtungen wie für die
Ablagerung des Tunnelausbruchs. Geneigte
Schächte sind in vielen Fällen den senkrechten
vorzuziehen.
Verschluß der Förderschächte.
Förderschächte werden, sofern sie für den
Eisenbahnbetrieb nicht als Lüftungs- oder
Entwässerungsschächte benutzt werden, nach
Tunnelbau der Eisenbahnen.
397
Tunnelvollendiing geschlossen, d. h. verfüllt,
wobei aber namentlich bei den in der Tiinnel-
achse angeordneten Schächten durch Anordnung
von Entlastungsmauerwerk eine übermäßige
BelastungdesTunnels durch hohe und kohäsions-
lose Auffüllungen vermieden und auch für gute
Wasserabführung Sorge getragen werden muß.
Der zeitweilige Ausbau.
Der zeitweilige Ausbau oder die Tunnel-
zimmerung, d. i. die Abstützung des aus-
gebrochenen Raumes, erfolgt in Holz oder Eisen,
ausnahmsweise in Mauerwerk.
Holzzimmerung.
Die Hauptträger der Zimmerung werden
parallel oder senkrecht zur Tunnelachse an-
geordnet, hiernach unterscheidet man: 1. Längs-
träger oder Jochzimmerung, 2. Querträger oder
Sparrenzimmerung.
1. Längsträgerzimmerung.
Die Längsträger (Kronbalken, Wandruten)
25 — 60c/n stark; kurze, in der Tunnelfirst ver-
legte Längsträger haben ausnahmsweise auch
70 an Stärke erhalten ; sie werden von der First
nach der Sohle mit abnehmender Stärke am
Umfang des Ausbruchs parallel zur Tunnelachse
auf die Länge einer Zone oder eines Ringes,
welche meist 3 - 9 /w beträgt, auch wohl zwei-
teilig in Abständen von etwa 0-7 - 2'0 m verlegt
und durch 15-25 cm starke Rundholzbolzen in
diesen Abständen erhalten. Sie werden entweder
nur an beiden Enden oder auch dazwischen
gestützt, daher die Bezeichnung „Joch-
zimmerung".
Die Verzugsbretter (Verladung) oder Pfähle,
welche das Gebirge gegen das Tunnelinnere
abschließen, liegen senkrecht zu den Längs-
trägern; es findet also Querverpfählung statt.
Da die Längsträger in der durch den Tunnel-
querschnitt gegebenen Krümmung verlegt
werden, so ist im druckhaften Gebirge eine
Getriebezimmerung, wie sie im Stollenbau be-
sprochen wurde, nicht durchzuführen; denn
die Pfähle können nicht in der angesetzten
Lage vorgetrieben, sie müssen gedreht (ge-
schnappt) werden, um sie in die erforderliche
Lage zu bringen, und umsomehr, je geringer
der Abstand der Längsträger und je stärker
die Krütnmung ist, was meist nicht durchführbar
ist. Allerdings hat man in verschiedener, recht
umständlicher Weise auch im starken Druck-
gebirge, worin der Raum zwischen den einzelnen
Trägern auch nicht für kurze Zeit ohne Ab-
stützung gelassen werden konnte, Längsträger
mit Querverpfählung gebraucht, wie z. B. im
alten Hauensteintunnel 1 und im Col di Tenda-
Tunnel. Das sind aber nur Hilfsmittel in Aus-
nahmefällen, die von vornherein nicht in Aus-
sicht genommen wurden. Diese schwierigen
und nicht ungefährlichen Vorgänge sind tunlichst
zu vermeiden. Wenn Getriebezimmerung mit
Vortrieb von Längspfählen erforderlich ist, ist
der Querträgerbau anzuwenden.
Je nach Art der Unterstützung der Längsträger
bezeichnet man die Zimmerung als Langständer-,
Brustschwellen- und Mittelschwellenbau.
Langständerbau.
Die Längsträger in Abständen von LO - \b m
werden unmittelbar durch lange Ständer ab-
gestützt, die auf der Sohle des Bogenorts wie
bei der Unterfangungsbauweise oder auf der
Sohle des Tunnels stehen (Abb. 370).
Da die auf Druck und Knicken beanspruchten
Ständer sehr lang (bis 9/re) werden, so erhalten
sie große Querschnitte (30 — 50 cm) und be-
deutendes Gewicht.
Abb. 370.
Das Einbringen der langen und schweren Stän-
der ist im engen, druckhaften Tunnel schwierig,
namentlich wenn nachträglich Zwischenstützung
der Längsträger in geringem Abstand, also Ver-
stärkung des Einbaues nötig wird. Im Druck-
gebirge ist daher der Langständerbau nicht
zu empfehlen.
Im festeren Gebirge, das wenige Langträger,
meist nur in der Tunnelfirst, daher auch wenige
und leichte Ständer benötigt, kann der Lang-
ständerbau wohl in Frage kommen, weil er
gegenüber dem Schwellenbau immerhin den
Vorzug der einfacheren und übersichtlichen
sowie der gelenkfreien Anordnung hat; denn
durch eine Mittelschwelle werden die Ständer
geteilt, wodurch gelenkartige Wirkung geschaffen
wird, die durch kräftigen Längsverband tun-
lichst abgemindert werden muß.
Brustschwellenbau.
Die Längsträger b und c (Abb. 371 u. 372)
werden auf eine Schwelle S oder nach Abb. 373
auf 2 Schwellen So und 5«, die auf volle Breite
398
Tunnelbau der Eisenbahnen.
des ausgebrochenen Tunnels reichen und daher
2teilig mit Überbiattung und Verschraubung
aus Kantholz hergestellt werden, durch Ständer
abgestützt. Da diese Schwellen den Oebirgs-
Die Zimmerung erfolgt auf Zonenlänge Z,
so daß die Längsträger nur den beiden Ge-
spärren EE oder nach Abb. 374 auf dem
fertigen Mauerwerk und dem Gespärre E frei
Abb. 371.
Abb. 372.
Abb. 373.
Abb. 375.
Abb. 376.
druck der Tunnelbrust aufzunehmen haben,
heißen sie „Brustschwellen". Bei stärkerem
Gebirgsdruck sind sie durch die „Brust-
streben" m und n gegen Ausbiegen zu sichern.
Die Brustschwellen werden durch mehrere
Ständer gegen die Tunnelsohle gestützt.
aufliegen und dazwischen entweder keine Unter-
stützung erhalten (englische Zimmerung) oder
sie werden noch durch Zwischengespärre FE
(Abb. 372) gestützt, die entweder nach dem
Langständer- oder Mittelschwellenbau ange-
ordnet sein können.
Tunnelbau der Eisenbahnen.
399
Die Brustschwellen sind an beiden Enden
namentlich dann zu empfehlen, wenn in den
anschließenden Zonen nur die Stollen auf-
gefahren sind, im übrigen die Tunnelbrust in
senkrechter Lage bestehen bleibt und infolge
Gebirgsdrucks abzustützen ist.
Bei der sog. „englischen Zimmerung"
(Abb. 373, 374) werden die Längsträger außer-
halb des dauernden Ausbaues, der Mauerung,
so angeordnet, daß das Mauerwerk unter ihrem
Schutz ausgeführt werden kann und die Be-
seitigung der Längsträger, wenigstens in den
obersten Teilen, in der Tunnelfirst, erst nach
Schluß des Scheitelgewölbes durch Vorziehen
erfolgt. Die Längsträger sind hierbei auch bei
den kurzen Zonenlängen von 5-6 m sehr
schwer, da Zwischenstützen fehlen. Das Hervor-
ziehen der hinter dem Mauerwerk verbliebenen
Längsträger oder
Kronbalken ist na-
mentlich im druck-
haften Gebirge be-
sonders schwierig,
wenn auch durch
kleine Mauerwerks-
pfeiler zwischen dem
Gewölbe und dem
Gebirge eine Ent-
lastung der vorzuzie-
henden Längsträger
angestrebt wird; das
Mauerwerk leidet dar-
unter, eine wasser-
dichte Abdeckung,
ein dichter Anschluß
des Mauerwerks an
das Gebirge oder eine
gut ausgeführte Steinpackung oder Ausmaue-
rung hinter dem Gewölbe kann nicht sicher
gestellt werden; daher ist diese Zimmerungsart
nicht zu empfehlen trotz der Vorteile der vom
Gebirgsdruck namentlich im Gewölbescheitel
unabhängigen Durchführung der Mauerungs-
arbeiten und der sonst während der Arbeiten
erforderlichen Beseitigung der Kronbalken in
der Tunnelfirst.
Wohl aber kann der Bau mit 1 oder 2 Brust-
schwellen für die Endgespärre E im Druck-
gebirge, das zonenweisen Vorgang erheischt,
bei Anordnung von Zwischengespärren nach
der Langständer- oder Mittelschwellenbauweise
in vielen Fällen zweckmäßig sein.
Mittelschwellen bau.
Die Längsträger oder Kronbalken b (Abb. 375
und 376) werden auf kurze Mittelschwellen 5,
deren Länge in der Regel den Tunnellichtraum
nicht überschreitet, durch Ständer d abgestützt.
Die Schwelle, welche auch später zur mittleren
Stützung der Lehrbogen für die Mauerung dient,
wird von den Ständern c f, deren Zahl auf je
3 — 5 zu beiden Seiten vermehrt werden kann,
getragen; sie teilt die Zimmerung in 2 Teile;
die hierdurch verursachte Gelenkbildung muß
durch Längsverspannung unschädlich gemacht
werden.
Die Unterzüge o- der Schwelle, welche nicht
nur einen Längsverband, sondern auch die
Anordnung weiterer Stützen zwischen den Ge-
spärren ermöglichen, werden besser über den
zweiten Stützen /eingebracht, da hierdurch die
Unterfangung der Schwelle S durch die ersten
Stützen c sowie die Einbringung des Unterzugs
erleichtert wird. Die unteren Längsträger, auch
Wandruten genannt, werden durch Bolzen h
und Streben / gestützt.
Abb, 377.
Abb. 378.
Im Zonenbau, d. h. völlige Fertigstellung
einer Zone (Ring), bevor mit den Nachbarzonen
in Ausbruch und Mauerung begonnen wird, wer-
den auf Zonenlänge Z, die meist 6-9/7? be-
trägt, 2 Endgespärre E, sodann Mittel- oder
Zwischengespärre /^angeordnet, deren Abstände
und Anzahl vom Gebirgsdruck und der Zonen-
länge abhängig sind und etwa L5 — 3'0 7/z
betragen.
Im Druckgebirge erhalten die Endgespärre
auch „Brustschwellen" nach Abb. 371 und 372
oder längere Mittelschwellen nach Art der
Brustschwellen, die nur zum Teil in das Mauer-
werk reichen.
Die Vorteile der Längsträgerzimmerung
bestehen in dem sehr guten Längsverband. Die
meist auf 6 - 9m Bau- oder Zonenlänge (Ring-
länge) ohne Unterbrechung durchlaufenden
Längsträger geben dem Ausbau große Stand-
sicherheit gegen Bewegungen und Verschiebun-
gen und ermöglichen günstige Druckverteilung
400
Tunnelbau der Eisenbahnen.
auf die Stützen und die Bausohle. Die Zimme-
rung erlaubt verhältnismäßig rasches Einbrin-
gen der Träger auf die Zonenlänge sowie eine
leichte nachträgliche Verstärkung durch Zwi-
schenstützen. Der Arbeitsvorgang ist daher bei
nicht großem Gebirgsdruck ein rascher und
verhältnismäßig billiger. Die Nachteile dieser
Zimmerung sind namentlich die großen Längen,
Abmessungen und Gewichte der Träger, die
Unterzügen g besser über / wie über e ge-
tragen werden. Bolzen b vermitteln Längs-
und Querverband. Die Pfähle k werden über
den Querträgern a parallel zur Tunnelachse
vorgetrieben. Die Mittelschwelle kann entweder
auf volle Tunnelbreite reichen (Abb. 377) oder
nur auf den mittleren Teil (Abb. 379) und
wird dann gegen die Tunnelwände abgestützt,
um Seitenbewegungen zu verhindern.
Abb. 379.
Abb. 3S0.
Abb. 381.
Aufschließung des Gebirges auf diese Länge
sowie die Undurchführbarkeit einer reinen
Getriebezimmerung, d.h. Vortreiben der Pfähle
in der Längsrichtung und Einbau der Zimme-
rung unter dem Schutz der vorgetriebenen
Pfähle.
2. Querträgerzimmerung.
Die Querträger oder Sparren auf Abb. 377
und 378 werden am Umfang des Tunnel-
ausbruchs senkrecht zur Tunnelachse verlegt
und durch Unterzüge u sowie Stempel d auf
eine Mittelschwelle 5 abgestützt, die wieder
durch Stände e und / durch Vermittlung von
Abb. 3S2.
Ein guter Längsverband ist besonders wich-
tig, damit die einzelnen Gespärre, meist in
Abständen von 1-0- 2-0 /«, gegen Bewegungen
in der Längsachse gesichert sind. Die Quer-
trägerzimmerung wird auch auf einen Teil der
oberen Tunnelhälfte beschränkt (Abb. 379), da
die Druckverhältnisse in der Regel im Tunnel-
first am ungünstigsten sind. Auch im festeren
Gebirge, wobei Verpfählung nicht erforderlich
ist, kann Querträgerzimmerung am Platze sein,
wie Abb. 380 (amerikanische Zimmerung) zeigt.
Der Querträgereinbau ist bei Anwendung
der Getriebezimmerung, die eine Längsver-
pfählung bedingt, nicht zu entbehren; der
Tunnelbau der Eisenbahnen.
401
Längsverband ist aber nicht in der Weise
möglich wie bei der Längsträgerbauweise, da
durchlaufende Unterzüge wegen des nur von
Gespärre zu Gespärre, also auf Pfahllänge
möglichen stückweisen Vorgangs erst nach
Fertigstellung einer längeren Strecke von etwa
Zonenlänge eingezogen werden können, es ist
daher die Gefahr von Verschiebungen der Ge-
spärre durch Längskräfte größer wie beim
Längsträgerbau, wenn auch eine Verspannung
der Querträger oder Sparren durch Zwischen-
bolzen nicht unterlassen wird. Im festeren,
wenig druckhaften Gebirge
ohne nennenswerten Längs-
schub erleichtert die Quer-
trägerzimmerung wegen
der kleinen und leichten
Hölzer den Einbau und
dessen Beseitigung nach
Fertigstellung des Mauer-
werks.
Für Holzzimmerungen
werden Querträger oder
Sparren auch aus ±- oder
I-Eisen hergestellt. So
bestanden die Querträger
im Cochemtunnel (Mosel-
Eisenzimmerung.
Eisen wird zur Zimmerung in Walzträger-,
auch Altschienenformen, sodann als Blech-
wand und Fachwerksträger, schließlich in
Röhrenform verwendet.
Während die Holzzimmerung an Ort und
Stelle im Tunnel hergestellt und den jeweiligen
Bedürfnissen angepaßt werden kann, auch ein-
fache Verbindungen und billige Ausführung
ermöglicht, wird die Eisenzimmerung in den
Hauptteilen fertig in den Tunnel gebracht, kann
also den Verhältnissen oder den während des
P
Abb. 3S3.
Abb. 3S4.
Abb. 385.
Abb. 386.
bahn) (Abb. 381, 382) aus gekrümmten I-Eisen
von L5 — 2-5 m Länge, die verlascht und
verschraubt wurden; sie erhielten angenietete
Schuhe zur Aufnahme der Unterzüge.
Diese Anordnung hat sich aber nicht be-
währt, weil infoige von Bex^'egungen und kleinen
Verbiegungen der Träger die verschraubten
Laschen schwierig zu lösen waren und die
aufgenieteten Schuhe ihren Zweck nicht er-
füllten. Man hat daher bei späteren Ausfüh-
rungen, wie z. B. im Endertunnel, die
eisernen Querträger nicht mehr gekrümmt und
verlascht, sondern sie gerade und ohne Ver-
bindung auf die Unterzüge verlegt; sie wurden
durch den Gebirgsdruck in dieser Lage er-
halten.
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. IX.
Baues eintretenden Änderungen nicht sofort
angepaßt werden. Verlaschungen und Ver-
schraubungen der einzelnen Teile sind un-
günstig, weil schon bei geringen Form-
änderungen, die häufig nicht vermieden werden
können, das Lösen der Verbindungen besonders
schwierig, ja unmöglich werden kann. Dagegen
erlaubt die Eisenzimmerung kleinere, weniger
Raum sperrende Abmessungen und ist von
größerer Dauerhaftigkeit, die aber zumeist nicht
ausgenutzt werden kann, da die Möglichkeit
der Wiederverwendung bei anderen Tunnel-
bauten von günstigen Zufälligkeiten abhängt;
daher sind auch die Kosten der Eisenzimmerung
für einen Tunnelbau hohe und überschreiten
die der Holzzimmerung.
26
402
Tunnelbau der Eisenbahnen.
Abgesehen von den für kleinere Tunnel
zweckmäßigen und billigen I-Eisenrahmen, die
erforderlichenfalls durch Holzstützen verstärkt
werden, ist die Eisenziinmerung auf wenige
Fälle beschränkt geblieben. Eisen hat in der
Hauptsache nur in die Querträgerzimmerung
Eingang gefunden.
i'itf /'iiVi'iQ^ir^!
Abb. 387.
Abb. 38S.
Für kleine Querschnitte reichen wie im
Stollenbau 3-, auch mehrteilige Eisenrahmen a
aus (I oder n-Eisen), die verlascht, auf Sohl-
schwellen versetzt und durch Rundholzbolzen
gegen Längskräfte gestützt werden. Die Längs-
verpfählung liegt auf den Eisenrahmen
(Abb. 383,384). Diese Eisenrahmen hat man bei
größeren Querschnitten auch durch Holz-
ständer gestützt (Abb. 385, 386). Bei geringen
Überlastungen und stärkerem Druck sind zur
Vermeidung von Bodensenkungen bei Aus-
mauerung die Eisenrahnien häufig nicht ent-
fernt, sondern im Mauerwerk (meist Beton) be-
lassen worden. Eisenzinimerungen für große
Querschnitte sind meist nach der Bauweise
Rziha ausgeführt, aber aus den oben an-
gegebenen Gründen auf wenige Fälle beschränkt
geblieben. Nach der Bauweise Rziha besteht
die Zimmerung nach Abb. 387 und 388
aus mehrteiligen, der Form der Tunnel-
ausmauerung angepaßten Eisenrahmen A,
die anfänglich aus Gußeisen, später aber
aus Blechwandträgern, deren Teile durch
Verschrauben bzw. Verlaschungen und Ver-
schrauben miteinander verbunden werden.
Diese Rahmen werden durch Querträger ß^
ßj abgesteift, die auch als Rüstung für
die Mauerung dienten, daher Bühnenträger
genannt werden.
Die Eisenrahmen A tragen die in den
neueren Anordnungen aus verschraubten
Winkeleisen gefertigten, mit dem Fortschritt
der Ausmauerung einzeln herausnehm-
baren Auswechslungsrahmen a, deren Höhe
etwa gleich der Stärke des Mauerwerks
mehr der Schalhölzer ist, und bilden dann
die Lehrbogen für die Mauerung.
Über diesen Rahmen wird die Längs-
verpfählung K vorgetrieben. Der Längs-
verband erfolgt durch Rundeisen b, auch
wohl Rundholzbolzen zwischen den Quer-
trägerrahmen A. Die Querträger werden,
wenn Sohlgewölbe nicht erforderlich sind,
auch auf Sandunterlagen gestellt, um das
Abtragen nach vollendeter Mauerung zu
erleichtern.
Der dauernde Ausbau.
Der dauernde Ausbau oder die Ver-
kleidung des Tunnels erfolgt durch Mauer-
werk, Eisen und ausnahmsweise Holz. In
den meisten Fällen ist der Mauerwerks-
ausbau der zweckmäßigste; er umfaßt das
Firstgewölbe mit der Abdeckung und
Hintermauerung, die Widerlager, das
Sohlgewölbe mit der Abdeckung und
dem Entwässerungskanal sowie die
Nischen in den Widerlagern. Der Mauer-
werkskörper wird in der Regel in einzelnen
kurzen, stumpf aneinanderstoßenden Zonen
oder Ringen eingebaut. Die Zonenlängen
schwanken von 3-15/«; in der Regel be-
tragen sie 6-9 m. Im druckhaften Gebirge
sind kurze Zonenlängen zu wählen, immerhin
so lang (nicht unter 3-0 m), damit auch die
Standsicherheit gegen Längskräfte gewahrt
wird. Das Sohlgewölbe wird auch in kürzeren
Zonen von 2-2-5m eingebaut. In der Regel
wird mit der Aufmauerung der Widerlager
Tunnelbau der Eisenbahnen.
403
begonnen, hierauf das Firstgewölbe und zum
Schluß, wenn erforderlich, das Sohlgewölbe
und der Tunnelkanal hergestellt. Auch beginnt
man mit dem Firstgewolbe, das dann durch
die Widerlager unterfangen wird.
Das Mauerwerk wird aus rein oder roh
bearbeiteten Quadern, Hau- und Bruchsteinen,
Ziegeln (Hartbrandsteine, Klinker), Stampf-
beton, Zementkunststeinen ohne oder mit Eisen-
einlagen und in Betoneisen hergestellt.
Zum Mörtel verwendet man Zement (Port-
land-, Erz-, Hochofenschlackenzement), Zement-
kalk und hydraulischen Kalk. Traßmörtel oder
stärkere Traßzusätze zum Zement- oder Zement-
kalkmörtel haben sich trotz der günstigen Eigen-
schaften des Trasses in der Mehrzahl der Fälle
im Tunnelbau nicht bewährt.
In nassen und druckhaften Tunnelstrecken
ist dichter und rascher bindender Mörtel zu
verwenden, da das Mauerwerk sofort Gebirgs-
druck aufnehmen muß. Die Wasserdichtigkeit
des Zementmörtels wird durch fette Mischungen
(1 Z., 1 S. bis 1 Z.,2S.), auch durch verschiedene
Zusätze (Zerisit, Kaliseifenlösung, Öl, Alaun,
feine Tonerde) etwas erhöht. Auch durch Zusätze
von flüssigem Natrium- oder Kaliumsilikat und
einer geringen Menge einer Kalziumverbindung
kann die Wasserdichtigkeit etwas erhöht werden.
Sauere und salzhaltige Gebirgswässer wirken
auf feuchten Mörtel zerstörend ein, ebenso die
schwefligen Lokomotivrauchgase infolge der
Umwandlung des Kalkes im Zement in schwefel-
sauren Kalk (Gips). Es sind daher besondere
Schutzvorkehrungen zu treffen und nicht lang-
sam bindende Mörtel, wohl aber besondere
Zementarten (Erzzement), die keine Tonerde
enthalten, aber nicht zu rasch abbinden, zu
verwenden. Trockener und erhärteter Mörtel
leidet nach den vorliegenden Beobachtungen
unter den Lokomotivrauchgasen nicht.
Form und Stärke des Mauerwerks.
Form und Stärke der Ausmauerung sind
von dem durch die Abmessungen der Eisen-
bahnfahrzeuge bedingten Lichtquerschnitt, von
der Größe und Richtung des Gebirgsdrucks
sowie von der Art des Ausbaues und der hierzu
verwendeten Stoffe abhängig.
Die Lichtquerschnitte der Tunnel sind auf
das geringste durch die Umgrenzungslinien
des Lichtraums der Bahnen mit den erforder-
lichen Spielräumen zu beschränken, da größere
Lichtquerschnitte Mehrausbrüche, daher ver-
stärkten Gebirgsdruck sowie Mehrausmauerung
und daher größere Kosten bedingen.
Es ist zu prüfen, ob den Gebirgsdrücken
nicht billiger durch entsprechende Vergröße-
rung der Mauerwerkstärken bzw. Verwendung
festerer Baustoffe, die kleinere Abmessungen
erlauben, wie durch Tunnelformen zu begegnen
sei, welche von den erforderlichen Lichtraum-
querschnitten erheblich abweichen und zudem
in den meisten Fällen den tatsächlichen Ver-
hältnissen doch kaum richtig angepaßt werden
können. In der Regel wird der Lichtraumquer-
schnitt eines Tunnels einheitlich durchgeführt.
Größe und Richtung des Gebirgsdrucks sind
von vielen, meist kaum richtig zu beurteilenden
Umständen abhängig, wie von den Festigkeits-
und Reibungswerten, dem Streichen und Fallen,
den Überlagerungsverhältnissen, der Wasser-
führung und der chemischen Zusammensetzung
des Gebirges, aber auch von der Art, der
Zweckmäßigkeit und Raschheit der Ausführung
des zeitweiligen und des dauernden Ausbaues.
Je tiefer der Tunnel unter der Erdoberfläche
liegt, um so schwieriger wird die richtige Er-
kenntnis der Gebirgsverhältnisse.
Der Ausbau soll so erfolgen, daß Bewegun-
gen, Loslösungen und Auflockerungen des
Gebirges tunlichst eingeschränkt werden; er
soll gemeinsam mit dem Zusammenhalt, also
der Zug- und Scherfestigkeit des Gebirges, der
Schwerkraft, dem Gewiclit der Überlagerungs-
massen und den seitlichen Gebirgsdrücken
tunlichst entgegenwirken.
Die Belastungen des Tunnels erfolgen durch
das Gewicht, den Erddruck und den Auftrieb
des Gebirges, durch seitliches Ausweichen ge-
preßter und das Abrutschen einzelner Gebirgs-
schichten und Gesteinsblöcke, die namentlich
bei vorhandenen Hohlräumen ungünstige dyna-
mische Einwirkungen äußern; dann durch An-
schwellen und Volumsvergrößerung, „Blähen",
des Gebirges infolge Einwirkung von Luft und
Wasser.
Der Zutritt von Wasser vermindert die
Reibung, teilweise auch die Scher- und Zug-
festigkeit. Das Austrocknen verschiedener Qe-
birgsarten erleichtert dagegen die Rissebildung
und daher die Lösung einzelner Teile aus dem
Zusammenhang.
Am Tunnelumfang wirken daher an dessen
einzelnen Stellen verschieden große Kräfte
nach verschiedenen Richtungen, deren Ermitt-
lung nicht oder nur schätzungsweise möglich ist.
Es fehlt nicht an Versuchen, in einigen Fällen,
namentlich im gleichartigen Gebirge, die Größe
des Gebirgsdrucks zahlenmäßig zu ermitteln,
um bei Festsetzung von Form und Stärke des
Tunnelausbaues nicht allein auf den empiri-
schen Vorgang angewiesen zu sein. Die Unter-
lagen für solche Berechnungen können nur
durch Schätzungen gewonnen werden, daher
auch den Rechnungsergebnissen größeres Ge-
wicht nicht beigelegt werden kann.
26'
404
Tunnelbau der Eisenbahnen.
Sie geben aber Fingerzeige und Anhalts-
punkte für die Wahl der Form und Stärke der
Tunnelausmauerung, auf die selbstverständlich
nicht verzichtet werden soll.
In sehr festem Gebirge mit großer Kohäsion,
das keine Ablösungen zeigt, können Tunnel
unausgemauert bleiben; das ist im eingleisigen
Tunnel namentlich auf Schmalspurbahnen eher
möglich wie im zweigleisigen der Vollbahnen,
welche auch im festen Gebirge fast durchwegs
ein Verkleidungsmauerwerk mindestens in der
Decke erhalten, da infolge der Aufhebung der
ih>-
tAbb. 389.
'Abb. 390.
„=aE jrgT' i&ä*r~_
Abb. 391.
Abb. 392.
Gesteinsverspannung, der zerklüftenden Spreng-
wirkung bei Herstellung des Ausbruchs sowie
der erschütternden Wirkung der Eisenbahnzüge
nachträglich Gesteinsablösungen vorkommen,
die den Betrieb gefährden.
Zur Vermeidung der während des Eisenbahn-
betriebs besonders schwierigen, für eine nach-
trägliche Ausmauerung erforderlichen Mehr-
ausbrüche sind diese in zweifelhaften Fällen
für vorerst unausgemauerte Tunnel schon
während des Baues vorzunehmen, in manchen
Fällen kann Deckenverkleidung ausreichen
(Abb. 389), auch einseitige Widerlager, nament-
lich in später auf 2 Gleise zu erweiternden
Tunneln (Abb. 390).
Im Gebirge, das nur Verkleidung bedarf,
und Gebirge, das nur geringen Druck äußert,
erhalten die Querschnitte für ein- und zwei-
gleisige Tunnel Formen nach Abb. 391 und 392.
Mit zunehmendem Druck werden Gewölbe und
Widerlager verstärkt und erforderlichenfalls
Sohlgewölbe ausgeführt. Die Firstgewölbe er-
halten für eingleisige Tunnel meist elliptische,
bzw. Korbbogengewölbe (Abb. 393, 394, 395).
Für zweigleisige Tunnel werden in der Regel
halbkreisförmige Gewölbe und nur bei größerem
Firstdruck überhöhte Korbbogengewölbe an-
geordnet (Abb. 396, 397).
Der Raum zwischen Ge-
wölbe und Gebirge wird ent-
weder durch trockene Stein-
packung oder zur Erhöhung
der Standsicherheit meist
besser durch Mörtelmauer-
werk oder Beton ausgefüllt,
wenn das Gewölbe selbst nicht
unmittelbar an das Gebirge
angemauert wird, aber durch-
aus nicht in allen Fällen, wie
dies von einigen Seiten vor-
geschlagen wird, s. hierüber
„Entwässerung"). Firstgewölbe
sind wegen der unvermeid-
lichen Sackungen so zu über-
höhen, daß nach Ausrüstung
der Tunnellichtraum überall
vorhanden ist. Zu dem Zwecke
werden die Lehrgerüste über-
höht (etwa 15-30 cm).
Widerlager werden dem
Gebirgsdruck entsprechend
mit innen, ausnahmsweise
auch mit außen geböschten
Flächen (Abb. 394) und mit
entsprechend großer Sohlen-
breite sowie in genügend tiefer
Lage ausgeführt. Sohlgewölbe
werden bei Auftrieb des Bo-
dens, zur Entlastung der Widerlagerfundamente
und Vermeidung der Verschiebung der Wider-
lager nach innen auszuführen sein. Die Stärke
des Sohlgewölbes ist unter sonst gleichen Ver-
hältnissen größer zu wählen wie die des First-
gewölbes, um den Stoßwirkungen der unmittel-
bar darüber rollenden Eisenbahnzüge Rechnung
zu tragen. Über dem Sohlgewölbe wird eine
Magerbetonschichte aufgebracht zur Verhinde-
rung der Durchnässung und damit das Wasser
von oben in den Tunnelkanal eingeführt werden
kann.
Der Einbau von Quadern zum Anschluß
des Sohlgewölbes an die Widerlager ist zu
empfehlen, auch dann ratsam, wenn vorerst
Tunnelbau der Eisenbahnen.
405
kein Sohlgewölbe ausgeführt wird, aber die
Möglichkeit einer nachträglich notwendig wer-
denden Einziehung nicht ausgeschlossen ist.
Anstatt des Gewölbes können auch Balken aus
Mauerwerk, Beton oder Betoneisen, sog. Sohl-
klötze verwendet werden (Abb. 398). Wenn der
Beton richtig bereitet und eingestampft wird.
damit nach Aufschluß des Gebirges, der meist
durch den Richtstollen genügend erfolgt, der
in jedem einzelnen Fall passende Mauerungs-
querschnitt gewählt und mit den vereinbarten
Preisen bezahlt werden kann, in Ausnahme-
fällen sind aber auch wesentlich größere Ab-
messungen des Tunnelmauerwerks erforderlich
-äftqte'w,.
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Abb. 394.
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Abb. 395.
Abb. 396.
'^/^^''^'^^^T^^*
Abb. 397.
ist er sehr wohl in vielen Fällen
im Sohlgewölbe zweckmäßig.
Die Stärken des Mauer-
werks in ein und zweigleisigen
Tunneln der Vollspurbahnen
bewegen sich je nach den
Gebirgsverhältnissen und der
Mauerwerksgattung, zumeist im
Firstgewölbe von 0-4 — 1 -0 in,
im Sohlgewölbe von 0-4— l'Om,
in den Widerlagern von 0'4
bis 1'3 m. In der Regel werden
namentlich für längere Tunnel
auf Grund der wahrscheinlichen
Gebirgsbeschaffenheit die anzu-
wendenden Mauerungsquerschnitte (Tunnel-
typen) in ausreichendem Umfang festgesetzt,
<^,r'^^'-
Abb. 39S.
gewesen, die nicht vorgesehen
waren, allerdings meist infolge
von fehlerhaften erstmaligen
Ausbauten und der hierdurch
hervorgerufenen größeren Ge-
birgsbewegungen.
So sind z. B. Mauerstärken
im Firstgewölbe erforderlich
gewesen in den Druckstrecken
des zweigleisigen Gotthard-
tunnels \-b m, des eingleisigen
Simplontunnels 1'67 m, des
zweigleisigen Roncotunnels und
des zweigleisigen Col di Tenda-
Tunnels 2^0 m.
Betoneisenausmauerungen sind bisher
mit Draht- und Flacheiseneinlagen im Tunnel-
-y~^'^H^
406
Tunnelbau der Eisenbahnen.
bau nur im bcscliränkten Maße ausgeführt.
Ausbauten mit einbetonierten Eisenfachwerks-
rahmen sind verwendet worden z. B. im Schön-
huter Tunnel (Abb. 399) und im Pragtunnei bei
Abb. 400a,
Stuttgart (Abb. 400), auch in den Druckstrecken
des Umgehungstunnels bei Elm (Schlüchtern).
Hierbei wurden die Eisenfachwerkträger in
Abständen von 1-5 m angeordnet und mit
Beton umgeben.
Eisenausbau. Hierzu wurden anfänglich
Rahmen aus Gußeisen verwendet, von der
Ansicht ausgehend, daß Gußeisen weniger der
Rostgefahr ausgesetzt ist wie Schweiß- und
Flußeisen. Gegenwärtig wird Flußeisen ge-
braucht, weil sich hierbei die bei Gußeisen
vorgekommenen Rissebildungen vermeiden
lassen. Die Rahmen bestehen aus mehreren
nicht zu langen Teilstücken, die durch Ver-
schraubungen oder Vernietungen verbunden
werden, wobei die Stoßfugen durch Weich-
metalle oder geteerte Stoffe gedichtet werden.
In vielen Fällen hat man die Eisenrahmen
auch mit einer nicht tragfähigen Betonschicht
verkleidet, um sie gegen die Einwirkungen
der Feuchtigkeit und Rauchgase der Loko-
motiven zu schützen.
Tunnelentwässerung. Bei Wahl der
Tunnellinie sucht man wasserführenden Ge-
birgsschichten auszuweichen; häufig kennt
man aber ihre Lage und Ergiebigkeit nicht;
erst während des Baues, ausnahmsweise auch
erst einige Zeit nach Vollendung des Tunnels,
tritt das Gebirgswasser in Erscheinung. Be-
sondere Entwässerungsanlagen durch Stollen
über und neben dem zu erbauenden Tunnel
erheischen gewöhnlich große Kosten und
bieten oft wenig Gewähr einer ausreichenden
Entwässerung. In der Regel leitet man das
angefahrene Wasser in das Innere des Tunnels
und führt es mittels besonderer, in dessen
Sohle angeordneter Kanäle nach außen ab.
Wasserläufe an der Oberfläche führen bei
genügender Überlagerung durch feste, risse-
lose und nicht verworfene Schichten dem
Tunnel nur wenig oder kein Wasser zu,
andernfalls kann man es in einigen Fällen
durch Ableitung oder Herstellung wasser-
dichter Gerinne an der Oberfläche vom
Tunnel fernhalten.
Bei LJnterfahrung wasserreicher Bäche,
von Flüssen, Seen und Meeresarmen in
wasserdurchlässigem Gebirge muß durch
Bauvorgang und dichte Verkleidung (Eisen-
haut) der Wasserzufluß in das Tunnelinnere
, überhaupt verhindert werden. Das ist auch
in Fällen nötig, in welchen eine Entziehung
des Wassers aus der Tunnelüberlagerung
zur Vermeidung der Trockenlegung von
f Brunnen-, Wald- oder Gartenanlagen u. s. w.
.; oder die hierdurch bedingte Auswaschung
von weichen und löslichen Teilen des Ge-
birges, was plötzliche stärkere Druckäuße-
rungen zur Folge haben kann, nicht zulässig
ist; denn der Tunnel mit innenliegender Ent-
wässerung wirkt als Saugrohr (Drainrohr), das
der Überlagerung oft auf beträchtliche Aus-
dehnung das Wasser entzieht.
Tunnelbau der Eisenbahnen.
407
Kanäle. Die zur Abführung des in das
Tunnelinnere geleiteten Wassers dienenden
Kanäle liegen in der Tunnelsohle entweder in
der Bahnachse oder an einem, auch an beiden
Widerlagern (Abb. 391 - 395). Im wenig breiten
eingleisigen Tunnel ist die Lage des Kanals an
den Widerlagern wegen leichterer Zugänglich-
keit vorzuziehen. Im breiten zweigleisigen
Tunnel ist der in der Bahnachse zwischen
den Gleisen liegende Kanal, namentlich bei
größerem Qleisabstand (3-7 - 4-0 in) wohl
erreichbar. Die Anordnung von 2 Kanälen
an beiden Widerlagern (Abb. 400 a) ist im
ein- und zweigleisigen Tunnel vorteilhaft,
weil das Wasser unmittelbar in die Kanäle
und nicht mehr durch die Gleisbettung fließt,
die ohnedies mit der Zeit die Wasserdurch-
lässigkeit verliert, oder es können die nach
dem Kanal führenden, Mehrkosten bedingenden,
die Gleisunterstopfung teilweise hindernden
Querkanäle vermieden werden. Die Mehrkosten
der Doppelkanalanlage werden durch deren Vor-
teile, namentlich bei Weglassung von Querkanä-
len größtenteils ausgeglichen. Auch falls sich der
an einem Widerlager bereits ausgeführte Kanal
im Verlauf der weiteren Arbeit infolge größerer,
nicht vorhergesehener Wasserzuflüsse unzu-
reichend erweist, wird ein zweiter Kanal am
gegenüberliegenden Widerlager erforderlich. In
Strecken mit Sohlgewölben bedingen Doppel-
kanäle allerdings deren tiefere Lage.
Zur Abführung größerer Wassermengen sind
geschlossene, gewölbte oder gemauerte, in Beton
oder Betoneisen und mit Stein- oder Beton-
platten abgedeckte Kanäle erforderlich, die auch
Sicherheit gegen Verstopfungen bieten. Die ge-
deckten Kanäle, wobei die leicht abnehmbaren
Deckel mit freien Stoßfugen ohne Mörtel verlegt
und die Seitenmauern mit Schlitzen versehen
werden (s. Abb.
401), so daß das
Wasser überall
von oben in den
Kanal gelangen
kann, sind den
gewölbten Kanä-
len vorzuziehen;
denn die Ab-
nehmbarkeit des
Deckels ermöglicht die Zugänglichkeit an be-
liebiger Stelle. Die meist rauhe und unregel-
mäßig ausgebrochene Tunnelsohle ist zweck-
mäßig durch Mörtel abzugleichen und zu glätten,
damit das Wasser dem Tunnelkanal möglichst
rasch zugeführt wird.
Die nachteilige Durchnässung der Bettung
wird bei stärkerem Wasserzudrang, wenn nicht
Doppelkanäle an beiden Widerlagern ausgeführt
werden, durch röhrenförmige oder gemauerte
Querkanäle, welche tief genug liegen, um die
Oberbauerhaltung nicht zu erschweren, ver-
mieden (Abb. 402). Die Zugänglichkeit und Rein-
haltung wird auch bei gedeckten Kanälen durch
Einsteigschächtein Abständen von 30 — 50/«,
die bis auf Schwellenoberkante geführt werden,
erleichtert. Wird dasGebirgswasser demTunnel-
innern zugeführt, so erfolgt die Abführung ent-
Abb. 402.
weder unmittelbar über dem abgedichteten Ge-
wölberücken oder oberhalb einer Obermaue-
rung des Gewölbes, wodurch dichter Anschluß
des Mauerwerks an das Gebirge erreicht wird.
Bei Abführung des Wassers auf der äußeren
Gewölbeleibung wird der Raum zwischen dieser
und dem Gebirge mit entsprechend großen
und sehr festen Steinen trocken so ausgepackt,
daß die Wasserdurchlässigkeit tunlichst erhalten
bleibt, was allerdings nur im festeren Gebirge
ohne Ablösungen zu erreichen ist, da im losen
und weichen Gebirge die vom Wasser mit-
geführten Teile die Steinpackung bald ver-
schlammen.
Das dem Gewölbekämpfer zufließende Wasser
wird in den meisten Fällen in geneigten, in
der Hintermauerung der Widerlager hergestellten
Rinnen gesammelt, aus welchen es in ver-
schiedener Weise der Tunnelsohle und von dort
den Entwässerungskanälen zugeführt wird.
Bei geringen Wassermengen und im festen
Gebirge, in dem nennenswerte Ablösungen
des Gesteins und daher Verstopfungen nicht
zu befürchten sind, werden in den Widerlagern,
welche in allen Fällen an das Gebirge anzu-
mauern sind, mit Steinen trocken ausgepackte
Sickerschlitze belassen. Bei größeren Wasser-
mengen und im wenig festen und losen Gebirge
sind aber geschlossene gemauerte Abfallschächte,
auch Ton- oder Eisenrohre hinter oder in den
Widerlagern zweckmäßiger, weil diese weniger
leicht verstopft oder verschlämmt werden wie
die mit Steinen ausgepackten Schlitze.
Es empfiehlt sich, diese Schächte stellenweise
so zugänglich zu machen, daß etwa eintretende,
hierbei auch nicht ausgeschlossene Verstopf ungen
unschwer beseitigt werden können.
Das Wasser wird auch vom Gewölbe-
kämpfer unmittelbar durch Schlitze im Mauer-
werk in das Tunnelinnere geführt. Die Abführung
408
Tunnelbau der Eisenbahnen.
des den Widerlagern unmittelbar zufließenden i
Wassers kann durch die für die Ableitung des
Gewölbewassers hinter den Widerlagern be-
lassenen, mit Steinen ausgepackten Schlitze
erfolgen.
Bei satter Anmauerung des Gewölbes
an das Gebirge oder Ausfüllung des Raumes
zwischen dem Gewölberücken und Gebirge
mit Mauerwerk oder Beton können geringe
W'assermengen zurückgehalten werden.
Bei größeren Wasserzuflüssen ist aber die
Aufstauung des Wassers über dem Gewölbe
und die hierdurch bedingte Steigerung der
Druckhöhe zu vermeiden, da Rissebildungen
in der Hintermauerung der Gewölbe häufig
nicht hintangehalten werden können. Daher
sind in der Hintermauer oder zwischen ihr
und dem Gewölbe Entwässerungsschlitze oder
Saugrohre anzuordnen, die das Wasser sam-
meln und nach den Gewölbekämpfern ab-
führen.
Die völlige Abhaltung des Wassers vom
Tunnelinnern wird bei geringen Zuflüssen
durch Anmauern des Gewölbes an das Gebirge
oder durch dessen Hintermauerung zu er-
reichen versucht, was aber infolge der Gewölbe-
bewegungen und der hierbei möglichen Risse-
bildungen in der Hintermauerung häufig nicht
gelingt
Die Ausfüllung des Raumes zwischen dem
Gewölbe und dem Gebirge mit Mauerwerk
oder Beton ist der Trockenpackung, deren
gute Herstellung kaum zu erreichen ist und
die vielfach doch nach einiger Zeit verschlämmt
und unwirksam wird, trotz größerer Kosten
(Mehrkosten nicht unter 3 % der Tunnelkosten)
vorzuziehen, weil durch den dichten Anschluß
des Gewölbes an das Gebirge günstigere sta-
tische Verhältnisse ermöglicht, weitere Ab-
bröckelungen und Auflockerungen des Gebirges
sicherer verhindert und außerdem noch besserer
Schutz des Gewölbes erreicht werden kann.
Nur in stark wasserführendem Gebirge, das
in der Regel ohnedies fest ist, also Ablösungen
und Auflockerungen nicht zu befürchten sind,
auch das Mauerwerk nur geringe Belastungen
erfährt, ist die Trockenpackung der Hinter-
mauerung, welche bei Herstellung gegen
Durchwaschung nicht geschützt werden kann,
vorzuziehen.
Wasserdichte Abdeckung des Mauer-
werks ist bei Abführung des Wassers un-
mittelbar auf dem Gewölberücken erforderlich.
Auch bei Hintermauerung des Gewölbes, also
Ausfüllung des Raumes zwischen Gewölbe-
rücken und dem Gebirge mit Mauerwerk
oder Beton ist unmittelbare Abdichtung des
Gewölbes zu empfehlen, da die Hintermaue-
rung auch bei Verwendung von dichtenden
Mörtelzusätzen selten dicht ist und bei den
unvermeidlichen Bewegungen des Tunnelmauer-
werks leicht Risse bekommt, durch die das
Wasser dem Gewölberücken zugeführt wird,
was vermieden werden muß, namentlich wenn
sauere, den Mörtel schädigende Gebirgswässer
vorhanden sind. Zur Ausführung der wasser-
dichten Decke muß ein Raum von 0'4 — 0-6 m
zwischen dem Gewölberücken und dem Ge-
birge freigehalten werden.
Zur Abdichtung sollen wasserdichte, dauer-
hafte Stoffe verwendet werden, die gegen Zer-
störung durch die Gebirgswässer und Zerreißen
bei Bewegungen des A\auerwerks sicher sind.
Man verwendet Eisenbleche, Wellbleche, Zink-
und Bleibleche, Zement- und Betoneisenplatten,
sodann wasserdichte Stoffe verschiedener Art.
Von den Metallabdeckungen sind Bleiplatten,
namentlich die mit Asphaltfilzplatten umhüllten
(Siebeische Asphaltfilzplatten) mit ausreichend
dicken oder doppelten Bleiblechen die dauer-
haftesten und zweckmäßigsten, allerdings auch
die kostspieligsten. Zur Abdeckung mtt wasser-
dichten Stoffen werden zumeist leichte,
biegsame und dichte Stoffe verwendet, wie
z. B. Tektolith, Pachytekt, Ruberoid, Asphaltfilz-
platten von Buscher & Hoffmann u. s. w. Bei
größeren Gewölbebewegungen erleiden die
weniger zugfesten Stoffe Risse, namentlich an
den Stoßstellen, die mit besonderen Klebmitteln
geschlossen werden. Nach mehreren Jahren
verlieren sie meist die Wasserdichtigkeit. Asphalt-
platten werden leicht brüchig. Diese Abdeckungen
haben sich auch mehrfach nicht bewährt,
weshalb man den kostspieligeren, aber dauer-
haften Abdeckungen mit geschützten Bleiplatten
oder den Siebeischen Asphaltfilzplatten' mit
Bleieinlagen den Vorzug geben soll.
Die wasserdichten Abdeckungen werden in
der Regel auf dem mit Zementmörtel oder
einer Ziegelflachschicht geglätteten Gewölbe-
rücken verlegt. Die mit 5 — \5cm übergreifenden
Fugen werden entweder nicht oder mit einem
dem Stoff angepaßten Klebmittel geschlossen. Die
Decke soll dann durch eine Zementmörtelschichte
oder durch in Mörtel verlegte Flachziegel oder
dünne Steinplatten gegen Wunddrücken und
Aufreißen durch die Steinhinterpackung oder
Hintermauerung geschützt werden. Im letzteren
Fall hat man auch zwischen Schutzdecke und
Hintermauerung ein Netz von Sickerungen
angeordnet.
Wasserdichte Abdeckung durch nachträgliches
Einpressen von Zementmörtel unter An-
wendung höheren Druckes von etwa 2 — 6 Atm.
in den mit Steinen trocken ausgepackten Raum
hinter dem fertigen und ausgerüsteten Gewölbe,
Tunnelbau der Eisenbahnen.
409
nachdem Bewegungen und Sackungen kaum
mehr vorkommen, erscheint nur im wenig
drückenden Gebirge ohne Ablösungen zweck-
mäßig, weil hierbei eine Verunreinigung des
eingespritzten Mörtels nicht zu befürchten ist.
Im Gewölbe werden während des Baues die
zur Einspritzung erforderlichen Löcher belassen.
Die Einspritzung wird an den Kämpfern
begonnen und im Scheitel des Gewölbes
beendigt. Die Steinhinterpackung wird in
Abständen von 5~10//z durch kleine, ans
Gebirge schließende Quermauern abgeschlossen,
um die einzelnen Zonen unabhängig von-
einander zu machen. Diese Dichtungsart hat
den Vorteil, daß die während des Baues und
nach Ausrüstung unvermeidlich eintretenden
Bewegungen nicht mehrzerstörendauf diewasser-
dichte Gewölbeabdeckung einwirken können und
Abb. 403.
.■\bb. 4U4.
hierbei auch ein dichter Anschluß des Gewölbes
an das Gebirge erreicht wird.
Von dieser Abdichtungsweise wird auch bei
Wiederherstellung alter Tunnelgewölbe, die
namentlich durch die Feuchtigkeit gelitten
haben, mehrfach Gebrauch gemacht.
Nischen und Kammern.
Der Tunnellichtraum reicht meist nicht aus
zum sicheren Verkehr zwischen den Eisenbahn-
fahrzeugen und den Tunnelwandungen. Es
werden daher Nischen in Abständen von 20 bis
50 m in einem oder in beiden Widerlagern,
im letzteren Fall entweder um die Hälfte des
Abstandes gegeneinander versetzt oder gegen-
überliegend angeordnet. Die gegenüberliegenden
Nischen sind aus Sicherheitsgründen namentlich
im zweigleisigen Tunnel den versetzten Nischen
vorzuziehen.
Die Nischen werden nach Abb. 403 u. 404
angeordnet. Es empfiehlt sich, sie so erkenntlich
zu machen, daß sie von den Tunnelarbeitern
rasch und sicher aufgefunden werden. Die
Umrahmungen erhalten daher häufig weiße
Anstriche.
In langen Tunneln sind zur Unterbringung
von Geräten für die Bahnerhaitung und von
Oberbauersatzstücken, zum zeitweiligen Aufent-
halt der Wärter und zur Einrichtung von Signal-
stationen größere Nischen, Kammern genannt,
die meist mit Verschlußeinrichtungen versehen
werden (Abb. 405, 406, 407), erforderlich.
Meist wurden kleine Kammern von etwa
3"0 m Tiefe und Breite alle Kilometer und
S ^nv-^v.:^ ^^'^r >^'.^f äV'
F T'fe^l'^^3^^^
Abb. 405.
Abb. 406.
Abb. 407.
große Kammern von 6 — 8/« Tiefe in Abständen
von 3 — 4 km angeordnet.
Tunnelmündungen.
Nur in sehr festem Gebirge münden Tunnel
unmittelbar in der Felswand; sofern Gefahr
von Abbröckelungen der Gesteinswand besteht,
ist eine Verkleidung der Stirnwand vorzusehen.
Im minder festen Gebirge sind zur Aufnahme
des Erddrucks Abstützungen der Stirnwände
durch Mauern erforderlich, auch mit geböschter
Vorderfläche, wobei das Tunnelrohr auch
senkrecht zur Vorderfläche aufgebogen wird
(Abb. 408, 409, 410, 411).
Die Anschlüsse der Tunnelstirn an die beider-
seitigen Böschungen des Bahnvoreinschnitts er-
folgen entweder durch Böschungsflügelmauern
410
Tunnelbau der Eisenbahnen.
(Abb. 412 u. 413), die zur besseren Stützung
der Stirnniauern als Strebepfeiler ausgebildet
werden können, oder durch Stirnflügel bei ge-
neigter Geländeoberfläche (Abb. 414).
!^,«^-"<'«'^T^
Abb. 40S.
Abb. 409.
Abb. 410.
Abb. 411.
i'J^:33&'^te,'-"'''''-''''™S>'5*^~;*3
Abb. 412.
Zur Aufnahme und Abführung des Wassers
sind über der Tunnelmündung Gräben erforder-
lich, die zur Sicherung der Bahn gegen Erd- und
Steinfälle auch durch Mauern begrenzt werden.
Tunnel werden vielfach zu kurz ausgeführt.
Zur Überführung des Wassers aus dem Tunnel-
kanal nach den beiderseitigen Einschnittsgräben
sind Querkanäle erforderlich, die bei genügender
Querschnittsgröße senkrecht zu den Oraben-
richtungen geführt werden können. Tunnel-
mündungen, die an Bahnhöfe so anschließen,
daß die Endweichen im Tunnel liegen,
erhalten behufs besserer Beleuchtung
und größerer Weite größere Lichtquer-
schnitte (Abb. 415", 416, Gotthard-
tunnel).
Die Bauweisen.
Art, Umfang und Reihenfolge des
Ausbruchs, des zeitweiligen Ausbaues
(Zimmerung) und des dauernden Aus-
baues (Ausmauerung, Eisenverkleidung
des Tunnels) ändern sich mit der Quer-
schnittgröße, der Beschaffenheit des
Gebirges, der Länge und dem Zweck
des Tunnels sowie mit der zur Ver-
fügung stehenden Bauzeit. Tunnel mit
kleinen Querschnitten werden in der
Regel wie Stollen ausgebrochen, wäh-
rend bei größeren Tunneln der Aus-
bruch in Teilen des Querschnitts er-
folgt; hierbei wird, abgesehen vom
Schildvortrieb, der Ausbruch in der
Regel mit einem, ausnahmsweise mit
2 Richtstollen in der Sohle oder
in der First des Tunnels begonnen,
damit das Gebirge aufgeschlossen und
für die weiteren Arbeiten, namentlich
für Zimmerung und Mauerung, zweck-
mäßige Anordnungen und Stärke-
bestimmungen getroffen, eine größere
Zahl von Arbeits-
angriffstellen ge-
wonnen sowie
die Entwässe-
rung des Gebir-
ges und gesi-
cherte Wasserab-
führung erreicht,
auch Förderung,
Richtungs- und
Höhenfeststel-
lungen erleich-
tert werden.
Der Angriff
der Ausbruchar-
beiten mit dem
S 0 h 1 s t 0 1 1 e n
hat die Vorteile
der Vereinfachung der Förderung, da die Förder-
bahn während des Baues nahezu unverändert
liegen bleiben kann. Die Vermehrung der
Arbeitsstellen kann so häufig, als der Arbeits-
fortgang es erheischt, erfolgen. Entwässerung
und Wasserabführung sind mit geringster
Störung für die übrigen Arbeiten möglich.
Abb. 413.
Tunnelbau der Eisenbahnen.
411
Da aber die Ausbrucharbeiten zweckmäßig
von oben begonnen und nach unten fortgesetzt
werden, so werden außer dem Sohlstollen
noch einFirststolien (Abb. 4 17, 4 18, 4 19, 420)
oder ein Firstschlitz (Abb. 421, 422) aus-
geführt, was immerhin Mehrkosten bedingt, da
der Ausbruch des Firststollens oder auch des
Firstschlitzes kostspieliger ist wie der des VoH-
ausbruchs.
Man kann annehmen, daß die Kosten des
Firststollens im festen Gebirge nahezu das 3 fache
und des Firstschlitzes etwa das 2 fache der des
Vollausbruchs betragen.
Der Firststollen kann entweder unabhängig
vom Sohlstollen vorgetrieben werden (Abb. 417,
418), was bei maschinellem Vortrieb des Sohl-
stollens dann zweckmäßig ist, wenn auch der
Firststollen, gleichen Schritt mit dem Sohlstollen
haltend, maschinell vorgetrieben wird, oder der
Firststollen wird vom Sohlstollen aus auch
noch durch Aufbrüche (kleine
Schächte) erreicht (Abb. 419,
420), was eine Vermehrung der
Angriffsstellen des Firststollens
und daher rascheren Arbeitsfort-
gang ermöglicht. Im ersteren Fall
können Aufbrüche meist ver-
mieden werden; die Lüftung des
Firststollens muß unabhängig
von der des Sohlstollens erfol-
gen, im letzteren Fall macht die
Lüftung der Firststollenteile, die
vom Sohlstollenteil aus erfol-
gen muß, Schwierigkeiten. Da-
gegen ist die Lüftung eines First-
schlitzes wesentlich einfacher.
Wird der
Ausbruch mit
dem First-
stollen als
Richtstollen be-
gonnen, so ist
ein zweiter
Stollen nichter-
forderlich; der
Ausbruch er-
Abb. 415.
folgt von oben in der Reihenfolge 1 - 4 u. s. w.
(Abb. 423). Förderbahn, Entwässerungsgräben
müssen aber nach Maßgabe des Fortgangs von
3 und 4 von oben nach unten verlegt werden.
Die Verbindung der beiden Förderbahnen im
oberen und unteren Teil des Tunnels erfolgt
durch Rampen, die nach Maßgabe des Arbeits-
fortgangs verlegt werden müssen, oder die
Fördermassen werden aus den Wagen des oberen
Tunnelteils durch Trichter oder über Rutschen
in die Wagen der Sohle umgeleert. Die im
Firststollen erforderlichen Baustoffe werden auf
den genannten Rampen oder durch Aufzüge
gefördert. Die Förderung der Ausbruchmassen
Abb. 414.
Abb. 416.
Abb. 417.
Abb. 418.
Abb. 4 IQ.
Abb. 420.
412
Tunnelbau der Eisenbahnen.
aus dem Firststollen ist also eine umständ-
liche. Eine Vermehrung der Arbeitsstellen im
Tunnel bei weit vorgeschrittenem Firststollen
ist nur durch Absenkungen (Abb. 423, 424),
möglich, die aber eine wesentliche Erschwe-
rung und Verteuerung der Förderung und
der Entwässerung bedingen. Diese Übelstände
wachsen mit der Länge des Tunnels.
SohlsWlen
W^^^S^^m^^f^^fW^W
Abb. 421.
Abb. 422.
Abb. 423.
Abb. 424.
Abb. 425.
Die Vorteile des Sohlstollenbetriebs über-
wiegen dessen Nachteile, so daß, von sehr kurzen
Tunneln abgesehen, der Sohlstollenbetrieb dem
Firststollenbetrieb vorzuziehen ist.
Im Sohlstollenbetrieb ermöglichen die Auf-
brüche eine größere Zahl von Arbeitsangriff-
stellen nicht nur für den Firststollen, sondern
auch für alle anderen Tunnelarbeiten, so daß
jeder Aufbruch zur Tunnelbaustelle werden
kann. Form und Querschnittsgrößen der Auf-
brüche sind so zu bemessen, daß ein leichter
Verkehr der Arbeiter sowie die Aufbringung von
Baustoffen möglich ist (Abb. 425, 426). Für
das Aufbringen längerer Hölzer sind schräge
Aufbrüche erforderlich. Der Abstand der
Aufbrüche a zur Erreichung des Firststollens
(Abb. 427) ist vom erforderlichen Arbeits-
fortgang, vom Stand des Richtstollens und der
Größe des Oebirgsausbruchs abhängig und
bewegt sich von 60 — 1 50 m auch darüber.
Nach Herstellung des First-
stollens können für Vollausbruch
und Mauerung noch Zwischen-
aufbrüche im Abstand von 4-8
Zonenlängen angeordnet werden.
Die Ausbruchmassen aus dem
Firststollen und dessen Erweite-
rungen werden in der Regel nicht
auf besonderer Bahn gefördert,
sondern meist, um die Förder-
wege kurz zu halten, durch
1 — rS/reweite, nach Erfordernis
auch ausgezimmerte, im Abstand
von etwa 5 — 30 /n angeordnete
Schutt löcher 5 (Abb. 427)
und nicht durch die Aufbrüche /l
in die im Sohlstollen bereitstehen-
den Förderwagen geschüttet.
Der Vorgang mit 2 Sohlstollen,
Ort Stollen genannt, kommt
hauptsächlich für die Kernbau-
weise in Betracht.
Parallelstollen werden
außerhalb des Tunnelquerschnitts
zu dem Zweck vorgetrieben, um
Lüftung, Förderung und Wasser-
abführung im Tunnel zu erleich-
tern, auch Angriffstellen für den
Bau vermehren zu können.,
Im ersten Fall wurde beim Bau des
19.825/?; langen Simplontunnels
nach Abb. 428 im Abstand von 17 m
von der Achse des eingleisigen
Tunnels ein etwa S'O m- großer
Parallelstollen (Hilfsstollen), der im
ungünstigen Gebirge ausgemauert
werden mußte, hauptsächlich zum
Zweck der Lüftung des Tunnels, für
Abb. 426. den eine Größtwärme von 50° C er-
wartet wurde und wofür bei geringer
Luftpressung große Leitungsquerschnitte erforderlich
geworden wären, die im Richtstollen und selbst im
eingleisigen, im Bau begriffenen Tunnel keinen Platz
finden konnten, dann aber auch zur Entlastung der
Förderung und Wasserabführung im Tunnel ange-
ordnet. Dieser Hilfsstollen wurde nach Maßgabe des
Fortgangs des Richtstollens in Abständen von etwa
200 m durch Querstollen mit diesem verbunden. Der
Hilfsstollen wird nun zum zweiten eingleisigen Tunnel
ausgebaut, da sich das Bedürfnis der zweigleisigen
Anlage geltend machte.
Diese Vorteile des Parallelstollens für den
Bau eines sehr langen, warmen, zumal ein-
gleisigen Tunnels sind unverkennbar.
Tunnelbau der Eisenbahnen.
413
Als Nutzen des Parallelstollens wird weiter
hervorgehoben, daß er auch für den Bau des
zweiten eingleisigen Tunnels verwertet werden
kann. Da sich das Bedürfnis der zweigleisigen
Anlage im Simplon sehr bald nach Fertigstellung
des ersten Tunnels geltend machte, so kann
von Ersparnissen, die durch Vermeidung von
Zinsverlusten, welche durch die sofortige
Anlage eines zweigleisigen Tunnels gegen-
über dem eingleisigen entstanden wären,
im vorliegenden Fall keine Rede sein
Zudem kosten unter sonst gleichen Ver-
hältnissen 2 eingleisige Tunnel 15 — 20%
mehr wie ein zweigleisiger; auch ist im ein-
gleisigen langen Tunnel der Luftwiderstand
schon beträchtlich, die Aufsicht und Ober-
bauerhaltungwird in 2 eingleisigen Tunneln
kostspieliger wie im zweigleisigen. Aller-
dings werden größere Umbauten in den
beiden eingleisigen Tunneln insofern leichter
und sicherer zu bewerkstelligen sein wie im
zweigleisigen Tunnel, als der eine Tunnel
zeitweise außer Betrieb gesetzt werden kann
und die Wahrscheinlichkeit nicht besteht,
daß beide Tunnel plötzlich gleichzeitig Um-
bauten bedürften.
Die Frage, ob der Tunnel von vorn-
herein zweigleisig gebaut werden soll, ist
daher nicht in unmittelbarer Verbindung
mit der des Hilfsstollens zu entscheiden.
Die Vorteile eines Hilfsstollens für ge-
wisse, namentlich zweigleisige Tunnel-
bauten haben zu den von Weber und
Hennings ausgehenden Vorschlägen eines
Unterstollens geführt. Hiernach soll vor /
dem üblichen Richtstollen ein Unterstollen i
(Abb. 429, 430) vorgetrieben werden, der 1
zur Lüftung, Wasserabführung, teilweisen i
Förderung und Unterbringung der er-
forderlichen Röhren- und elektrischen
Leitungen dienen und dauernd bestehen
bleiben, daher voll ausgemauert werden soll.
Der sonstige Richtstollen wird dann ent-
weder schlitzartig oder mittels Aufbrüche
vom Unterstollen aus vorgetrieben.
Vorteile dieser Bauweise sind die Vermeidung
eines Parallelstollens in größerer Entfernung mit
langen Querstollen, die gründliche, immer leicht
zugängliche und wirksam zu erhaltende Wasser-
abführung, die geschützte, unmittelbar unter der
Tunnelsohle mögliche Lagerung aller für den Bau
und den Bahnbetrieb erforderlichen Leitungen, die
ungehinderte Bewegung der Arbeiter während des
Baues und Betriebs, schließlich bis zu einem gewissen
Grad die durch den ausgemauerten Unterstollen ge-
schaffene Stütze für die darauf ruhende Tunnel-
zimmerung.
Infolge der geringen Masse und der knapp über
dem Stollen eintretenden stoßweisen Eisenbahn-
belastung ist eine besonders kräftige, tunlichst auch
zugfeste Ausmauerung {Betoneisen) sowie während
des Betriebs eine gute Überwachung des Unterstollens
erforderlich. Sohlgewölbe des Tunnels sollen bis
unter die Sohle des Unterstollens reichen.
Als Nachteile dieser Bauweise sind hervorzuheben
die Verlängerung der Bauzeit, namentlich bei schlitz-
artiger Herstellung; des Sohlstollens, die Vergrößerung
der Höhe und Fläche des gesamten Baues, was im
Druckgebirge ungünstig is't, die Abhängigkeit des
Unterstollens von den Oebirgsbewegungen im Tunnel
und bis zu einem gewissen Grad die ungünstige
I — ^ -?
ffW
Abb. 427.
ParallelsMlen
Abb. 428.
-J--.
I
Abb. 429.
Abb. 430.
Belastung des Unterstollens durch den Tunnel und
den Eisenbahnbetrieb. Praktische Erfahrungen mit
dieser Bauweise liegen nicht vor.
Der Vollausbruch umfaßt alle übrigen,
nicht zu den Stollen gehörigen, meist in einzelnen
Teilstücken auszuführenden Ausbrucharbeiten,
deren Größe und Anordnung von der Qebirgs-
beschaffenheit und der gewählten Bauweise
abhängig ist.
Im festen Gebirge kommt Hand- und
Maschinenbohrarbeit zur Anwendung, und da
meist eine größere Zahl von Arbeitsangriff-
stellen zur Verfügung steht, so sind auch mit
414
Tunnelbau der Eisenbahnen.
Handbohrung ausreichende Arbeitsfortschritte j
zu erreichen. Sind für den Richtstollenvortrieb !
Preßluftanlagen erforderlich, so können sie
zweckmäßig so erweitert werden, daß der Voll- I
ausbrach mit Preßluftbohrhämmern erfolgen
kann.
Auch Preßluft-Stoßbohrmaschinen auf Ge-
stellen oder Bohrwagen sind in mehreren Fällen
und Drehbohrmaschinen Brandt vereinzelt im
Vollausbruch zur Verwendung gelangt.
Im Druckgebirge sind kurze Zonen anzu-
ordnen und dem Vollausbruch sowie der
Zimmerung die Ausmauerung tunlichst un-
mittelbar folgen zu lassen. Die Bauweise ist
die beste, bei der die Ausmauerung unmittelbar
dem Ausbruch und der Zimmerung folgt.
Die Abstützung im wenig festen oder ge-
brächen Gebirge geschieht durch Querträger-
zimmerung mit Längsverpfählung; vielfach mit
eisernen Querträgern, die wie im Stollenbau
mehrteilig angeordnet werden.
Zweite Bauweise.
Der Ausbruch wird mit dem First- oder mit
dem Sohlstollen begonnen. Im ersten Fall wird
(nach Abb. 431 u. 432) der Firststollen/ er-
weitert und erhöht, 2-4, oder vertieft, 2-5,
bis auf Kämpferhöhe des Firstgewölbes (Bogen-
ort). Im zweiten Fall (Abb. 433 u. 434) wird
der Firststollen 2 vom Sohlstollen /, wenn
erforderlich, durch Aufbrüche erreicht. Der
weitere Ausbruch erfolgt in der angegebenen
m^m^^M^^W^^
Abb. 431.
Abb. 432.
Abb. 433.
Der Bauvorgang ist so zu wählen, daß den
vorliegenden Verhältnissen entsprechend die
Zeit vom Stollendurchschlag bis zur Tunnel-
vollendung möglichst kurz ausfällt.
Auf Grund vorliegender Erfahrungen kann
zumeist das Zeitmaß vom Sohlstollendurchschlag
bis zur Tunnelvollendung mit 6- 12 Monaten
angenommen werden. Beim Firststollenbetrieb
ist in der Regel dieses Maß größer.
Erste Bauweise.
Tunnel mit kleinen Abmessungen für Schmal-
spurbahnen, auch für Ent- und Bewässerungs-
anlagen werden bei geringer Länge und nament-
lich im festen Gebirge so wie die Stollen in
einem oder 2 Teilen ohne Vortrieb eines Richt-
stollens ausgebrochen und wenn erforderlich
ausgemauert. Die Ausmauerung wird entweder
mit dem Sohlgewölbe oder mit den Wider-
lagern begonnen. Ein etwa erforderliches Sohl-
gewölbe wird dann zum Schluß eingebaut.
Abb. 434.
Reihenfolge bis auf Kämpferhöhe. Hiernach wird
das Firstgewölbe hergestellt, dessen Kämpfer vor-
erst auf dem Gebirge ruhen. Der Ausbruch der
übrigen Teile des Querschnitts erfolgt in der
in den .\bbildungen mit Ziffern angegebenen
Reihenfolge, wonach zuerst der eine, dann der
andere Kämpfer durch Holzständer abgestützt
und durch das Widerlager unterfangen wird.
Dieser Vorgang ist das Bezeichnende der Bau-
weise, die daher als Unterfangungsbau weise
bezeichnet werden kann und, da sie zuerst in
Belgien gebraucht wurde, auch „belgische
Bauweise" genannt wird.
Der Ausbruch des unterhalb der Gewölbe-
kämpfer liegenden Tunnelquerschnitts kann auch
nach Abb. 435 so erfolgen, daß Schächte oder
Schlitze 6 und S hergestellt werden und ein
Gebirgskern 10 bis zur Fertigstellung der beider-
seitigen Widerlager verbleibt — ein nur aus-
nahmsweise eingehaltener Vorgang (s. Kern-
bauweise).
Tunnelbau der Eisenbahnen.
415
416
Tunnelbau der Eisenbahnen.
Die Zimmerling des Bogenorts beschränkt
sich im festen Gebirge auf Abstützung einzelner
Punkte. Im weniger festen und gebrächen Ge-
birge ist die Längsträgerzimmerung (Abb. 436,
437, 438) zweckmäßig. Gegebenenfalls ist auch
die Anordnung kräftiger Sohlschwellen nötig.
Im druckhaften Gebirge soll die Unterfangungs-
bauweise überhaupt nicht mehr angewendet
werden.
Die Zimmerung des Bogenorts wird entweder
zonenweise (Zonenlänge b — Sm) oder durch-
laufend ausgeführt. Der Abstand der Gespärre
hängt von den Gebirgsverhältnissen ab und
bewegt sich von 1 — 2'5 m. Zwischen den Ge-
spärren muß ausreichender Platz für die zur
Qewölbemauerung erforderlichen Lehrbogen
(Holz, Eisen) verbleiben. Die Stärke der Rund-
holzlängsträger und -Ständer beträgt 20 — 35 cm,
der Abstand der Längsträger O^S - 2*0 m.
Es ist Vorsorge zu treffen, daß für die Auf-
mauerung der höher liegenden Gewölbeteile Fuß-
gerüste eingebaut oder aufgestellt werden können.
Die Aussteifungen der Holzlehrbogen können
bei guter Unterstützung teilweise hierzu dienen.
Beim Firststollenbetrieb sind die Fußgerüste
der Förderung und dem .Arbeiterverkehr viel-
fach recht hinderlich.
Da die Gevsölbekämpfer auf das Gebirge
gesetzt werden, so ist behufs Abminderung des
Einheitsdrucks ihre Verbreiterung zu empfehlen.
Auch ist ihre Unterstützung durch biegungs-
feste, auf größere Längen durchlaufende Holz-
balken oder Betoneisenbalken notwendig, um
die Abstützung durch Holzständer ohne Gefahr
für den Bestand des Gewölbes bei der Unter-
fangungsarbeit zu ermöglichen.
Die Holzbalken müssen durch Mauerwerk
ersetzt, daher vor Anschluß der Widerlager an
das Gewölbe entfernt werden, was meist recht
schwierig ist, namentlich wenn sie auf volle
Gewölbetiefe verlegt sind; daher werden die
hinteren Holzbalken besser fortgelassen. Die
Betoneisenbalken (aus I-Eisen oder .Mtschienen)
können im Gewölbe auf dessen voller Tiefe
verbleiben, das ist ein Vorteil, sie sollen nicht zu
große Längen (4 — 6 /«) erhalten ; es besteht
aber Gefahr, daß die Vorderkanten brechen,
die Balken Risse bekommen und die Eisen-
einlagen dem Rosten ausgesetzt werden.
Die Gewölbekämpfer werden bei Ausbruch
für die Widerlager durch Holzständer von
25 — 40 cm Stärke in Abständen von \ —2 m
unterstützt (.Abb. 43Q u. 440), die auch gegen
Aufspalten des Kopfes durch Eisenringe ge-
schützt werden. Über 4-5 m Gewölbelänge
soll die Unterfangung nicht erfolgen. Die Ver-
schiebung der Gewölbefüße nach innen wird
durch Querriegel verhindert.
Zur Verhinderung von Formänderungen
während der Unterfangungsarbeiten sind die
Gewölbe unter Umständen einzurüsten. Im
gebrächen Gebirge ist auch der Sohlschlitz
wie auch der Ausbruch für die Widerlager
abzustützen oder schachtartig zu zimmern
(Abb. 441).
Im Druckgebirge wird nach Herstellung des
Gewölbes häufig nicht erst der Sohlschlitz aus-
geführt, sondern es werden vorerst die Wider-
lager in einzelnen Schächten aufgemauert und
der Kern zum Schluß beseitigt. In der Druck-
strecke des Gotthardtunnels hat man nach
Fertigstellung und Einrüstung des Gewölbes
Schächte abgeteuft, hierauf den mittleren Teil
des Sohlgewölbes und schließlich die Wider-
lager gemauert. In allen Fällen sollen die beiden
gegenüberliegenden Widerlager nicht gleich-
zeitig ausgebrochen und aufgemauert werden,
damit nicht beide, sondern nur ein Kämpfer
des Gewölbes auf den Holzständern ruht, und
die Mauerung tunlichst beschleunigt werden,
um zu lang dauernde Belastungen der Ständer
zu vermeiden.
In Abb. 442 ist der Bauvorgang im eingleisigen
3408 m langen Crenolinotunnei (Südseite), welcher
Mergel, Konglomerate und größtenteils Serpentin
durchfährt, dargestellt. Der Ausbruch begann mit
den Firststollen als Richtstollen.
Die Vorteile der Unterfangungsbauweise
bestehen in der einfachen Zimmerung, die nur
kurze Zeit durch das Gebirge belastet wird, in
der raschen Sicherung der Tunneldecke durch
das Gewölbe, so daß die weiteren Ausbruch-
und Mauerungsarbeiten unter dem Schutz der
Gewölbedecke, die nicht mehr den ungünstigen
Zufälligkeiten wie die Holzzimmerung ausgesetzt
ist, vorgenommen werden können.
Als Nachteile sind hervorzuheben, daß die
Gewölbekämpfer meist ohne eine der Belastung
und der Gebirgsbeschaffenheit entsprechende
Auflagerfläche auf das Gebirge gesetzt und an
der Vorderkante durch die Ständer gestützt
werden, so daß die Belastung an dieser Stelle
konzentriert ist; eine Bewegung der Ständer
bis zur Erreichung dichter Anschlüsse ist hierbei
nicht zu vermeiden, ebensowenig wie die Ver-
schiebung der Kämpfer nach innen, was auch
durch Querverspannungen nicht ganz ver-
hindert werden kann. Die Widerlager können
infolge unvermeidlicher Sackungen und der
Ausführungsschwierigkeiten den dichten An-
schluß, der zur Vermeidung von Gewölbe-
senkungen erforderlich ist, nicht ermöglichen.
Aus diesen Gründen treten meist ungleich-
mäßige Bewegungen der Gewölbe nach abwärts
und deren Kämpfer nach innen ein, so daß
im Gewölberücken, in dessen Hintermauerung
oder wasserdichter Abdeckung Risse entstehen,
Tunnelbau der Eisenbahnen.
417
deren Folgen erst längere Zeit nach der Tunnel-
vollendung in Erscheinung treten und dann
namentlich im wasserführenden Gebirge zu
größeren Ausbesserungen und Umbauten nö-
tigen.
Im festen Gebirge, das gesprengt werden
muß, wird das fertige Gewölbe durch die im
unteren Tunnelteil erforderlichen Sprengarbeiten
vielfach beschädigt.
Im Druckgebirge müssen die Absenkungen
für die Widerlager schachtartig erfolgen, wobei
für die Gewölbe noch größere Gefahr von
Bewegungen besteht; in diesem Fall zeigen
sich auch beträchtliche Formänderungen und
Risse oft schon während der Ausführung, so
daß schwierige und kostspielige Umbauten
sofort notwendig werden.
Die Unterfangungsbauweise soll daher im
Druckgebirge und im sehr festen Gebirge von
vornherein ausgeschlossen sein, im weniger
festen, gebrächen und nicht wasserführenden
Gebirge ausnahmsweise für eingleisige Tunnel
zugelassen werden.
Dritte Bauweise.
Die Teilung des Querschnitts und die Aus-
mauerung erfolgen in der aus Abb. 443 — 446
ersichtlichen Reihenfolge.
Der Ausbruch wird zumeist mit dem Sohl-
stollen / begonnen, dem Firststollen 2 und
die übrigen Ausbruchsarbeiten 3 — 9, Vollaus-
bruch genannt, folgen; ausnahmsweise folgt dem
Sohlstollen sofort der Vollausbruch (Abb. 446).
Auch wurde der Firststollen nur auf Zonen-
länge Z ausgebrochen, in wenigen Fällen auch
der Sohlstollen nicht über die in Ausführung
begriffene Zone verlängert, was eine Vermehrung
der Angriffstellen ausschließt und daher un-
genügenden Arbeitsfortschritt sowie unwirt-
schaftliche Verteilung der Arbeitskräfte zur
Folge hat.
Vollausbruch, Zimmerung und Mauerung
bleiben auf Zonenlänge Z beschränkt. Erst nach
Vollendung der Ausmauerung einer Zone wird
mit dem Ausbruch der Nachbarzone begonnen.
Der zonenweise Vorgang ist im drückenden
Gebirge zweckmäßig, da eine Freilegung des
vollen Ausbruchs auf kurze Strecken erfolgt,
die Zimmerung nur kurze Zeit bestehen bleibt
und jede Zone zu beiden Seiten Stützen gegen
Längsbewegungen findet; hat aber die Nach-
teile, daß an vielen Stellen schwierige Schlüsse
und Scheitelabdeckungen der Firstgewölbe beim
Anschluß von Zwischenzonen an fertige Zonen
erforderlich sind und die Arbeiten kostspieliger
werden wie bei durchlaufendem Ausbruch und
Mauerung einer größeren Zahl nebeneinander
hegender Zonen.
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. I.X.
Der zeitweilige Ausbau erfolgt mittels Längs-
trägerzimmerung (Abb. 447, 448), wobei die
Längsträger nur an den beiden Enden, nicht
aber dazwischen gestützt werden. Die End-
stützen werden entweder durch das fertige Ge-
wölbe einerseits und ein
Gespärre mit 2 Brust-
schwellen anderseits
oder in der Aufbruch-
zone durch 2 Gespärre
gebildet.
Da die Längsträger
ohne Zwischenstützen
bleiben, so erhalten sie
großeAbmessungen und
die einzelnen Zonen nur
kurze Längen von 3 bis
6 m; die Mauerung kann
allerdings auch mit dem
Sohlgewölbe beginnen,
was oft vorteilhaft ist;
sie wird dann unter dem
Schutz der Längsträger
mit den Widerlagern
fortgesetzt und mit dem
Firstgewölbe geschlos-
sen. Die Längsträger in
der Nähe des Scheitels,
Kronbalken genannt,
welche in der Regel die
größte Belastung aufzu-
nehmen haben, werden
nach Fertigstellung des
Firstgewölbes in den
vorgetriebenen und ent-
sprechend erweiterten
Firststollen vorgezogen,
um in der folgenden
Zone Verwendung zu
finden.
Zur Entlastung der
Gewölbestirn werden
zweckmäßig die obersten
Kronbalken anschlie-
ßend an der Auflager-
stelle, also an der Stirn
der fertiggestellten Zone
durch einen Holzbock
(Querträger und Lang-
ständer) unterfangen,
hierdurch die Übel-
stände der ungünstigen Gewölbebelastung
durch die Längsträger abgemindert.
Zur Erleichterung des Vorziehens, das infolge
größerer Reibungswiderstände immer schwierig
ist, werden zwischen den einzelnen Kronbalken
vom Gewölberücken nach dem Gebirge bzw.
der hinter der Mauerung verbleibenden Ver-
27
418
Tunnelbau der Eisenbahnen.
pfählung Stützpfeiler aufgemaiiert. Der von
den Kronbalken eingenommene Raum wird
Bei sehr großem Druck kann das Vorziehen
der Kronbalken auch wohl nicht möglich sein;
Abb. 447.
Abb. 448.
Abb. 450.
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2
3
Abb. 451.
dann mit Steinen trocken ausgepackt, was bei
größeren Zonenlängen von 3-6 m meist nur
unzureichend möglich ist.
Abb. 452.
sie müssen in diesem Fall hinter dem Mauer-
werk verbleiben, was nach deren Verfaulen zu
Gebirgsbewegungen Veranlassung geben kann.
Tunnelbau der Eisenbahnen.
419
Dieser Vorgang ist unter der Bezeichnung
„Englische Bauweise" bekannt. Diese Bau-
weise wird in dieser Form wenig mehr ver-
wendet; ihre Vorteile sind aber auf andere
Bauweisen übernommen worden.
Vierte Bauweise.
Ist aus Bauweise 3 hervorgegangen. Die Tei-
lung des Querschnitts, die Reihenfolge des Aus-
bruchs und der Mauerung zeigen Abb. 449,
450. Ausbruch, Zimmerung und Mauerung
bleiben wie bei der dritten Bauweise auf
Zonenlänge beschränkt, während Sohl- und
Firststollen fortlaufen. Die Zahl der Auf-
brüche wird so groß angenommen, daß un-
unterbrochener Arbeitsbetrieb und der ver-
langte Baufortschritt gesichert sind. Mit Aus-
bruch, Zimmerung und Mauerung wird in
den Aufbruchzonen begonnen, hiernach
folgen die beiderseitigen Nachbarzonen und
dann die Schlußzone. Hierbei ergibt sich die
zweckmäßig größte Zahl von Arbeitsstellen
nach Abb. 45 1 , wonach der fertig gemauerten
Aufbruchzone / die Vollausbrüche der Nach-
bruchzonen 2 und dann die Schlußzone 3
folgen.
Die Abstützung des ausgebrochenen
Raumes erfolgt durch Längsträgerzimmerung
mit Zwischengespärren (Abb. 452). An den
beiden Enden der Zone werden die Längs-
träger nicht, wie bei der dritten Bauweise,
in einer für das Gewölbe ungünstigen Weise
durch das Mauerwerk der Nachbarzone,
sondern durch besondere Endgespärre ge-
stützt, die im Druckgebirge in der Regel
3teilige Brustschwellen erhalten, während in
Zwischengespärren kurze Mittelschwellen
verwendet werden.
Die Auflagerstelle der Mittelschwelle, das
Schwellenort, wird von der Sohle des First-
stollens je nach den Druckverhältnissen des
Gebirges in 1 -3 Absätzen erreicht. Mit der
Zahl der .^bsätze wächst die Zahl der er-
forderlichen Auswechslungen der Stützen
der Längsträger und daher auch das Maß der
unvermeidlichen Sackungen der Zimmerung.
Die Zonenlänge Z kann bei dieser Bau-
weise infolge der Zwischenabstützungen der
Längsträger größer gewählt werden wie bei
Bauweise 3 und beträgt vielfach 7 - 1 0 /w. Auch
können die Längsträger wegen der Zwischen-
stützung aus 2 Teilen von je halber Zonen-
länge bestehen.
Die Mauerung wird in der Regel mit den
Widerlagern begonnen; ein Sohlgewölbe wird
nach Schluß des Firstgewölbes eingezogen. Es
ist zweckmäßig, die Ausmauerung nur bis an
die Innenseiten der Endgespärre zu führen.
damit diese als Endgespärre für die folgende
Zone ausgenützt werden können.
Die Bauweise hat die Vorteile des zonen-
weisen Arbeitsvorgangs; die
Längsträger erhalten auch ^'■':!I^:~~]\
Zwischenstützen, daher ge- ,.//"' l'\\
ringere Abmessungen oder
größere Längen; sie lagern
nicht mehr auf dem Gewölbe
der anschließenden Zonen,
sondern auf besonderen End-
gespärren; das Ziehen der
Kronbalken findet nicht statt;
die Längsträger werden nach
Maßgabe des Fortschritts des Mauerwerks
herausgehoben bzw. in den anschließenden
Firststollen vorgezogen. Diese Bauweise kam
namentlich bei deutschen und österreichischen
27*
420
Tunnelbau der Eisenbahnen.
Tunnelbauten zur Anwendung. Eine besondere
Ausbildung erfuhr sie beim Bau der Tunnel
der österreichischen Alpenbahnen.
Den Bauvorgang im 6339 m langen, zweigleisigen
Wocheinertunnel der österreichischen Alpeiibahnen
zeigen Abb. 453 — 455. Der Tunnel durchfährt die
Kalksteine der oberen Trias, des Jura und der Kreide.
Der Bau wurde durch Wassereinbrüche sehr erschwert.
wird mit dem Sohl- oder Firststollen begonnen.
Namentlich bei längeren Tunneln ist der Sohl-
stollenbetrieb vorzuziehen.
Der zeitweilige Ausbau erfolgt meist durch
Langständer- oder durch Mittelschwellenzimme-
rung; im letzteren Fall erhalten die Endge-
spärre meist keine Brustschwellen, sondern
y^r<7ri<«ft<i<5^^..^
Abb. 456 u. 457.
Abb. 458.
Abb. 459.
Fünfte Bauweise.
Unterscheidet sich von der vierten Bau-
weise hauptsächlich dadurch, daß der Arbeits-
betrieb nicht mehr auf eine Zone beschränkt
bleibt, sondern mehrere unmittelbar aneinander
schließende Zonen im Bau sich befinden, was
nur in wenig drückendem und festem Gebirge
zweckmäßig sein kann. Hierbei wird häufig
auch nicht zonenweise, sondern fortlaufend
gebaut, namentlich im festen Gebirge, das geringe
oder keine zeitweilige Abstützung benötigt. Die
Widerlager werden in diesem Fall meist durch-
laufend gemauert und nur die Gewölbe auf
Zonenlänge stumpf gestoßen. Der Ausbruch
wie die Zwischengespärre
nur kurze Mittelschwellen.
Den Vorgang eines Aus-
baues mit Mittelschwellen-
zimmerung zeigen Abb.
456, 457. Arbeit und Ar-
beitsteilung werden durch
diesen Vorgang etwas ver-
einfacht, das Gebirge jedoch
auf größere Länge freigelegt, daher Gebirgs-
bewegungen nicht in dem Maße eingeschränkt
werden können wie bei Bauweise 4 und das
Gebirge meist zu lange auf der mit der Zeit
nachgiebigen Zimmerung ruht, wodurch größere
Bewegungen hervorgerufen werden; auch ist
die lang stehende Zimmerung durch Zufällig-
keiten mehr gefährdet.
Sechste Bauweise.'[j
Der Ausbruch wird mit dem Sohlstollen
begonnen, dem nicht der Firststollen, sondern
ein Firstschlitz folgt, daher diese Bauweise auch
Firstschlitzbauweise genannt wird. Die
Tunnelbau der Eisenbahnen.
421
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422
Tunnelbau der Eisenbahnen.
Teiluno; des Querschnitts kann nach Aljb. 458,
459, 460 erfolgen.
Zumeist wird der niit kleinem Anfangsquer-
schnitt vorgetriebene Sohlstollen / auf 2
erweitert, hierauf der Firstschlitz in einem
oder 7.wei Teilen hergestellt. Auch kann zur
Erleichterung der Zimmerung ein ganz kurzer
Firststollen 3 (Abb. 459) vorgetrieben und
hiernach der Firstschlitz 4 ausgeführt werden.
Im festen Gebirge und im schmalen eingleisigen
Tunnel kann der Sohlstollen / auch erst nach
2 erbreitert und dann im vollen Querschnitt
3 in einem oder mehreren Absätzen geschlitzt
werden. Die Zimmerung erfolgt nach dem
Längs- oder Querträgerbau. Die Ausmauerung
beginnt mit den Widerlagern. Die Firstschlitz-
bauweise hat die Vorteile der geringeren Aus-
bruchskosten im festen Gestein, der besseren
Lüftung und leichteren Übersicht des Baues
gegenüber dem Firststollenbetrieb; auch die
Einbringung der Zimmerung erfolgt von unten
nach oben, daher stärkere Senkungen der Zim-
merung, die namentlich bei L'nterfangung der
Abb. 468.
Mittelschwelle der vorbesprochenen Bauweisen
vorkommen, vermieden werden. Auch kann die
Zahl der Arbeitsangriffstellen wie bei den
Bauweisen mit dem Firststollen durch Aufbrüche
nach Bedarf vermehrt werden.
Dagegen besteht der Nachteil, daß für die
Ausführung der Schlitzarbeiten im festen
Gebirge, in welchen Zimmerungen nur in
geringem Maße oder nicht erforderlich sind,
besondere Rüstungen oder Verstärkungen vor-
handener Stollenrüstungen, welche zur Auf-
stellung der Bohrarbeiter, Lagerung der Bohr-
geräte und auch des Ausbruchs dienen, notwendig
sind, die so angeordnet werden müssen, daß
die Förderung aus dem Sohlstollen nicht
behindert wird. Auch die Aufstellung der
Zimmerungen im hohen Schlitz ist immerhin
mit einigen Schwierigkeiten verbunden.
Der 3557ra lange eingleisige Wasserf iuhtunnel
der Bodensee-Toggenburg-Bahn (Schweiz) durchfährt
feste Nagelfluh, die stellenweise durch Mergelschichten
von geringer Stärke durchzogen sind. Zimmerung
war daher nur stellenweise und in geringem Maße
erforderlich. Der Sohlstollen wurde mit Druckluft-
Stoßbohrmaschinen, der Vollausbruch mit Druckluft-
bohrhämmern ausgeführt, .^bb. 461, 462, 463 zeigen
die mehrfach eingehaltene Arbeitseinteilung bei
Erhöhung des Sohlstollens / auf 2, des Firstschlitzes
3 und dessen Erweiterung 4, die mit Bohrhämmern
und nach Fertigstellung des Sohlstollens auch mit
der freigewordenen Druckluft-Stoßbohrmaschine auf-
gefahren wurden, wozu die aus den Abbildungen
ersichtlichen Rüstungen, die den Raum für die
Förderung in der Tunnelsohle freiließen, eingebaut
wurden.
Der 904 m lange 2gleisige Remsfelder Tunnel
durchfährt Schieferton, Röt, Letten und Buntsandstein.
Es kam teilweise die Firstschlitzbauweise mit Quer-
trägerzimmerung (Abb. 464) zur Anwendung. Dem
Firstschlitz ging ein ganz kurzer Firststolien mit
kleinem Querschnitt voran, wodurch das Aufstellen
der Zimmerung im Firstschhtz erleichtert wurde.
Zonenlängen betrugen 4-5 m. Zumeist waren höchstens
3 Zonen gleichzeitig im Bau.
Siebente Bauweise.
Der Ausbruch des Tunnels wird nur in
dem für die Herstellung des Mauerwerks er-
forderlichen Umfang ausgeführt. Es bleibt ein
Gebirgskern K (Abb. 465, 466, 467, 468) bis
nach Vollendung des Mauerwerks stehen, der
eine Stütze für Zimmerung und Mauerung
bildet, so daß die Zimmerung geringere Ab-
messungen erhält, daher kleinere Holzmengen
benötigt und die Lehrrüstungen
für die Gewölbemauerung verein-
facht werden. Ein Sohlgewölbe
wird erst nach Beseitigung des
Kernes eingezogen. Diese Bau-
weise wird auch Kernbauweise
genannt.
Der Ausbruch beginnt entweder
mit einem Firststollen / oder mit
2 Sohlstollen (Ortstollen) / und 3, bei sehr
großen Querschnitten (für 3- und 4gleisige
Tunnel) auch mit einem Kernstollen / in der
Sohle des Tunnels oder höher, dann mit einem
Firststollen 2, der nach 3 ens-eitert wird,
wonach der Raum für die Aufmauerung der
Widerlager-^, 5 schachartig ausgebrochen wird;
der Kern wird nach Fertigstellung von Wider-
lager und Firstgewölbe beseitigt. Man beginnt
auch mit einem Kernstollen /, dem die Ort-
stollen 2, welche durch Querstollen erreichbar
sind, folgen. Nach Ausmauerung der Wider-
lager 3 auf die Höhe der Ortstollen wird ein
Firststollen 4 vorgetrieben, der zur Aufnahme
des Gewölbes nach 5 erweitert \^'ird. Nach Ein-
ziehung des Gewölbes 6 kann der Kern 7 vom
Kernstollen aus beseitigt werden. Ein erforder-
liches Sohlgewölbe 8 wird zum Schluß einge-
zogen. Der Kernstollen 1 ist für die Förderung
der Ausbruchmassen und auch zur Beschleuni-
gung des Kernausbruchs vorteilhaft.
Bei kleinen Querschnitten und im Druck-
gebirge ist es schwierig, einen Kern K. zu
erhalten, der sich zur sicheren Abstützung des
übrigen Ausbruchs eignet; dann ist der Raum
in den Schlitzen 3, 5 (Abb. 465) so schmal.
Tunnelbau der Eisenbahnen.
423
daß Förderung und Mauerung der Widerlager
erschwert und verteuert werden. Aus diesem
.Grund ist man von der seinerzeit vielfach
verwendeten Bauweise für die Eisenbahntunnel,
deren Breite gering ist, abgegangen.
In manchen Fällen und namentlich für Tunnel
mit großen Querschnitten kann die Kernbau-
weise doch solche Vorteile bieten, daß sie
zweckmäßig erscheint und kaum durch
andere Bauweise ersetzt werden kann,
denn es ist hierbei eine wesentliche
Vereinfachung der Zimmerung mög-
hch, die mit Zunahme des Umfangs
mehrteilig sein muß und daher an
Verläßlichkeit abnimmt. Bei geringen
Überlagerungen des Tunnels empfiehlt
es sich, noch vor Vollausbruch die
beiderseitigen Widerlager in den ent-
sprechend zu erhöhenden Ortstollen
so herzustellen, daß der für das Ge-
wölbe erforderliche Raum sowie die
Lehrgerüste nicht nur auf den Kern,
sondern auch auf die unnachgiebigen
Widerlager abgestützt werden können
und Bewegungen der geringen Über-
lagerungen, die meist große Übelstände
zur Folge haben, vermieden werden.
Für die .Abstützung des ausge-
brochenen Raumes wurde Längsträger-
oder Querträgerzimmerung gebraucht.
Die Ausmauerung wurde meist mit den
Widerlagern begonnen, in einigen
Fällen auch mit dem Firstgewölbe,
das dann durch die in Schlitzen ge-
mauerten Widerlager wie bei Bau-
weise 2 unterfangen wurde.
Wenn auch das Sohlgewölbe erst
nach Beseitigung des Oebirgskerns ein-
gezogen werden kann, so ist doch
in einigen Fällen durch kurze, die
beiden Ortstollen verbindende Quer-
stollen das Einziehen einzelner Sohl-
gewölbegurten schon vor Beseitigung
des vollen Kernes möglich geworden.
Bei einem der ältesten Eisenbahntunnel Deutsch-
lands, dem Königsdorfer Tunnel (Köln-Achen),
der Druckgebirge, auch Schwimmsand durchfahren
mußte, kam die Kernbauweise nach Abb. 469 zur An-
wendung. In den beiden erhöhten Ortstollen wurden
vorerst die Widerlager gemauert, dann der Firststollen
nach beiden Seiten erweitert und durch Längsträger-
zimmerung abgestützt, so daß auf die Widerlager das
Firstgewölbe gesetzt werden konnte, wobei der Kern
als Stütze für die Zimmerung wie für die Lehrbogen
diente. Mit Hilfe eines Querstollens wurden einzelne
schmale Sohlgewölbegurten eingezogen und nach Be-
seitigung des Kernes das zwischen den Gurten noch
fehlende Sohlgewölbe hergestellt. Die Tunnel der
Bahnhöfe der Pariser Untergrundbahn, die etwa
14 m lichte Weite tnid 5,7 /n Höhe erhielten, wurden
mehrfach nach der Kernbauweise ausgeführt, was bei
der großen Breite und der geringen Überlagerungs-
höhe der Tunnel zweckmäßig war. In der Regel
wurde (s. Abb. 470) ein Sohlstollen vorgetrieben, von
dem aus durch beiderseitige Querstollen Ortstollen
herzustellen waren, in welchen die meist 2 m starken
Widerlager in Beton aufgemauert worden sind.
Sodann trieb man einen f^irststollen vor, der nach
beiden Seiten etwa 2-2 m hoch so erbreitert und
verzimmert wurde, daß die etwa 0,7 m starken First-
gewölbe eingezogen werden konnten. Nachdem der
Abb. 46g.
Abb. 470.
-^ <^ä. iü-^/.^-j:-,^ »^-.^^ :
Abb. 471.
Kern meist vom Sohlstollen aus abgetragen war, konnte
das 0-5 m starke Sohlgewölbe ausgeführt werden.
Die Schildbauweisen.
An Stelle der Holz- oder Eisenziminerung
tritt der Brustschild, unter dessen Schutz
Ausbruch und dauernder Ausbau hergestellt
werden. Ausnahmsweise wird ein Richtstollen
vorgetrieben und namentlich im ungleichartigen
Gebirge, in dem feste und lose Schichten wechseln,
auch vor dem Schild ein entsprechend ver-
zimmerter Vorausbruch vorgenommen, wonach
ein gleichmäßiger, weniger schwieriger Vortrieb
des Schildes ermöglicht wird.
424
Tunnelbau der Eisenbahnen.
Der Briistschild ist entweder ein «beschlossenes,
meist kreisförmiges oder elliptisches, mehr oder
weniger versteiftes Eisenrohr oder ein Halbrohr,
ein Teilschild oder auch nur eine Schutzhaube
in der First des Tunnels, die auch mit dem
Voll- oder Halbschild verbunden sein kann.
An Stelle der Schutzhaube können auch Eisen-
vortriebspfähle treten.
Der Schild hat eine Schneide S (Abb. 471)
und wird mit Hilfe von Schrauben oder Wasser-
pressen P, die am Umfang des Schildes an-
geordnet sind und deren Füße F sich gegen
den fertigen Tunnel (Mauerwerk oder Eisen-
verkleidung) oder die mit kräftigem Längs-
verband versehenen Lehrbogen für die Tunnel-
verkleidung stützen, knapp an oder in das
Gebirge gedrückt und der Boden vor und
innerhalb des Schildes gelöst und beseitigt.
Wasserpressen mit Differentialkolben sind
den Schrauben durchaus vorzuziehen, da sie
;^^*'^^^-^^
Abb. 472.
eine leichte Regelung und daher gleichmäßigen
Vorschub des Schildes erleichtern, in der Regel
können die zu Gruppen zusammengefaßten
Pressen nicht nur gemeinsam, sondern auch
gruppenweise unabhängig voneinander in Betrieb
gesetzt werden, damit den verschiedenen Wider-
ständen an den einzelnen Stellen des Umfangs
der Schneide Rechnung getragen werden kann.
Die Einhaltung von Höhe und Richtung
des Schildes ist im wechselnden Gebirge und
bei stellenweise stärkerem Wasserauftrieb mit
Schwierigkeiten verbunden. Es liegen verschie-
dene Vorschläge zur leichteren Sicherung der
Führung beim Schildvortrieb vor, die aber noch
keine vollends befriedigende Lösung ergaben.
Die Zahl der Pressen ist tunlichst groß zu
halten; sie sind über den Umfang des Schildes
entsprechend zu verteilen, so daß den wahr-
scheinlichen Widerständen Rechnung getragen
werden kann.
Die Füße F der Pressen sind mit großen
Anlageflächen zu versehen und nicht unmittel-
bar auf Mauerwerk, sondern auf Holzzwischen-
lagen, auch Holzkränze zu setzen, um den Druck
auf die Tunnelverkleidung gleichmäßig zu ver-
teilen und daher den Einheitsdruck zu mindern
sowie die den Gebirgsverhältnissen anzu-
passende Lenkung des Schildes zu erleichtern.
Der Druck der Pressen auf die Tunnel-
verkleidung, zumal auf frisches Mauerwerk,
kann durch Einlegen von Eisenstangen oder
durch verspannte Lehrbogen auf größere Tiefe
verteilt werden. Für das Mauerwerk wird in
der Regel nicht zu rasch bindender Zement-
mörtel (4-5 Stunden Bindezeit) verwendet.
Wegen rascher Abbindung des Zements in der
warmen Preßluft sind Mörtel und Beton feuchter
als gewöhnlich zu halten. Der für Mörtel im
Tunnel meist wenig günstige Traßzusatz soll
aber bei Schildvortrieb mit Preßluft, weil hierbei
die Feuchtigkeit abgehalten wird und rasche
Austrocknung des Mauerwerks eintritt, gänzlich
unterbleiben.
Es ist die Ansicht vertreten, daß das Mauer-
werk durch starkes Zusammenpressen an Festig-
keit gewinnt und daher das Anstemmen
der Pressen dem Mauerwerk nicht schäd-
lich sei; das kann bei Stampfbetonmauer-
werk unter bestimmten Bedingungen der
Fall sein. Nach Vortrieb des Schildes auf
die Länge einer kurzen Zone (0-5 - 2-0 m)
wird der Tunnel unter dem Schutz des
Schildes ausgemauert oder mit Eisen ver-
kleidet. Es ist nötig, daß der Schild die
Tunnelauskleidung M genügend weit
übergreift.
Mauerwerk wird namentlich bei großen
Tunneln mit einer Eisenhaut (früher Guß-,
jetzt besser Flußeisen) umgeben, nicht nur zur
Erzielung eines wasserdichten Tunnels, sondern
auch zur Verminderung der Reibungswider-
stände beim Vorschieben des Schildes und der
hierdurch hervorgerufenen Beschädigungen des
Tunnelmauerwerks, sowie zur Vermeidung des
Verlustes an der das Mauerwerk durchdringenden
Preßluft.
In einzelnen Fällen liat man einen Eisen-
mantel an der inneren Fläche der Tunnelaus-
mauerung angeordnet, namentlich wenn Stampf-
betonmauerwerk unmittelbar an das Gebirge
anschließt und die Hohlräume hierdurch ge-
schlossen werden sollen. Es entfallen aber
hierbei die übrigen Vorteile des äußeren Eisen-
mantels. Für kleine Bauwerke hat man den
Eisenmantel auch gänzlich fortgelassen.
Die nach dem Vorschieben des Schildes
hinter dem Mauerwerk oder der Eisenverkleidung
verbleibenden Hohlräume sind tunlichst rasch
auszufüllen, um Bodenbewegungen, die sich
namentlich bei geringen Überlagerungen des
Tunnels bis auf die Oberfläche erstrecken können,
sowie größere Preßluftverluste zu vermeiden
auch das Rosten des Eisenmantels zu verhindern.
Tunnelbau der Eisenbahnen.
425
Zu diesem Zweck wird in der Regel Zement-
mörtel, auch wohl reiner Sand mittels Preßluft
hinter die Tunnelverkleidung, die mit nach-
träglich gut schließbaren Löchern versehen
wird, oder auch von der Stirn des Gewölbes
aus, letzteres bei Vortrieb des Schildes ein-
gespritzt. Für kleinere Tunnel hat man in einigen
Fällen bei Weglassung der kostspieligen Eisen-
verkleidung und Vermeidung von Stampfbeton,
der durch die Wasserpressen zusammengedrückt
wird, gleichzeitig die Hohlräume zwischen
Gebirge und Mauerwerk ausgefüllt und dichten
Anschluß an das Gebirge erreicht.
Die Blechstärke des Schildes wird tunlichst
dünn gehalten, damit der hinter der Verkiei-
Preßiuft leicht ein Ausblasen der Preßluft,
plötzliche Druckniinderung im Arbeitsraum und
großer Luftverlust eintreten kann.
1. Schildvortrieb ohne Verwendung von
Preßluft.
Bei Anwendung eines Vollschildes kann im
Gebirge, das kurze Zeit senkrecht stehen bleibt,
das Rohr nach Abb. 472, also an der Schneide
senkrecht begrenzt sein.
Im Boden, der unter einem kleineren
Böschungswinkel in Ruhe bleibt, wird der
Schild ungefähr nach dem Böschungswinkel des
Erdreichs geschnitten (Abb. 473) oder er erhält
wagrechte Abteilungswände, auf welchen der
'^*\
1
J
^
Abb. 473.
dung verbleibende Hohl-
raum möglichst klein ausfällt.
Im übrigen muß das Rohr
der Größe des Durchmessers
entsprechend ausreichend
versteift werden.
Vollends dichter Anschluß
des Schildes auf die ganze
Länge des die Tunnelver-
kleidung übergreifenden Tei-
les ist aber wegen der zur
Einhaltung von Höhe und
Richtung notwendigen Beweglichkeit des
Schildes zu vermeiden. Der Schildvortrieb wird
in sehr drückendem und in wasserführendem
Gebirge sowie bei geringen Überlagerungen
des Tunnels gebraucht, um Boden- und Wasser-
einbrüche sowie Bodenbewegungen, die sich
auf die Oberfläche fortpflanzen, zu verhindern.
Im Druckgebirge mit geringem Wasserzu-
fluß genügt die Anwendung des Schildes ohne
weitere Hilfsmittel, während im stark wasser-
führenden Gebirge, also namentlich für Tunnel
unter Wasser, der Schildvortrieb mit Hilfe von
Preßluft behufs Zurückhaltung des Wassers
zweckmäßig und notwendig wird.
Allerdings darf die Überlagerung nicht zu
gering sein, weil die Gefahr besteht, daß hierbei
der vom Schild gestaute Boden nach oben
ausweicht und im Fall von Verwendung der
Abb. 474.
Abb. 475.
Boden unter dem entsprechenden Böschungs-
winkel, also mit geringer Fußbreite in Ruhe
bleibt (Abb. 474).
Bei größeren Querschnitten werden im Schild
noch senkrechte Wände und damit kleinere
Abteilungen hergestellt, die außer der Ver-
mehrung der Arbeitsstellen und der leichteren
Verbauung der Brustfläche des Gebirges auch
eine Versteifung des Schildes ermöglichen.
Im wechselnden Gebirge mit dazwischen-
liegenden festeren Schichten ist es zweckmäßig,
den gleichmäßigen Vorschub des Schildes durch
Vortreiben eines Richtstollens oder einer Holz-
zimmerung im Vollausbruch zu erleichtern
oder zu ermöglichen (Abb. 475). Im ungünstigen
Gebirge kann der Richtstollen auch mittels
eines kleinen Schildes vorgetrieben werden.
Der Schild tritt dann an die Stelle des vollen
426
Tunnelbau der Eisenbahnen.
zeitweiligen Ausbaues, unter dessen Schutz der
dauernde Ausbau (Mauerung oder Eisenver-
kleidung) eingebracht werden kann. Falls
gezimmerter Vollausbruch vorausgehen muß,
wird der Schild inner-
halb der Verpfählung,
die dann hinter der
Tunnel verkleidung ver-
bleibt, vorgetrieben,
was oft Schwierigkeiten
bereitet.
Je nach der Boden-
beschaffenheit im
Querschnitt kann man
den Schildvortrieb auf
den oberen Teil des
Tunnels beschränken
und verwendet den
Halb- oder Teilschild.
Hierbei können (Abb.
476, 477) vorerst in
2 Sohl- oder Ortstol-
len 1, 3 die Widerlager
2, 4 aufgemauert wer-
den. Auf den fertigen,
mit Gleitplatten abge-
deckten Widerlagern,
die dem oberen Tun-
nelausbruch genügend
weit voran sind, wird
der Halbschild mit
Gieitschuhen oder Rol-
len aufgesetzt und mit
den am Umfang ange-
ordneten Pressen vor-
getrieben; hierbei ist
die genaue Einhaltung
von Richtung und
Höhe wegen der fest-
stehenden Widerlager
und der gegebenen
Führung leichter mög-
lich wie beim Voll-
schild.
2. Schildvortrieb
mit Verwendung
von Preßluft.
Der Vortrieb mit
Verwendung von Preß-
luft kommt im wasser-
reichen und schwim-
menden Gebirge zur Anwendung. Die Preßluft
hat das Eindringen des Wassers oder Gebirges
in den Arbeitsraum und auch in den Raum
zwischen der bereits fertiggestellten Tunnel-
verkleidung und dem Schild zu verhindern,
was Schwierigkeiten bereitet, weil die Wasser-
druckhöhen an tiefster und höchster Stelle des
Tunnels verschieden sind. Zu geringer Luft-
druck kann ein Ansteigen des Wassers in der
Sohle, zu großer ein Ausblasen der Preßluft
und plötzliche Druckverminderung im Arbeits-
raum sowie ein Aufwühlen und eine Bewegung
des den Tunnel überlagernden Bodens zur
Folge haben. Man wird zur Vermeidung eines
zu hohen Wasserstandes in der Tunnelsohle
den Luftdruck in der First höher halten müssen,
als er für die Wasserverdrängung an dieser
Stelle erforderlich ist. Dieses Maß wird \'on
dem zulässigen Stand des Wassers in der Sohle,
von der Querschnittshöhe des Tunnels sowie
von der Stärke und Beschaffenheit der Tunnel-
überlagerung, die daher ausreichend groß zu
bemessen ist, abhängig sein.
Man hat mehrfach im durchlässigen Boden den
Luftdruck so hoch gehalten, daß er dem Wasserdruck
im unteren Viertel bis Drittel des Tunnelquerschnitts
das Gleichgewicht hält, also das Eindringen des
Wassers in der Sohle nicht ganz verhindert. Bei
wechselndem Wasserstand über dem Tunnel ist eine
Regelung des Luftdrucks schwierig.
Diese Übelstände haben zu verschiedenen
Vorschlägen geführt, die aber nur teilweise
befriedigten.
Man hat auch den Schildquerschnitt durch
wagrechte und senkrechte Wände in einzeln
zu schließende Zellen geteilt, so daß bei Arbeit
in den unteren Zellen die oberen dicht ge-
schlossen werden konnten und umgekehrt; daher
der Luftdruck entsprechend der Höhenlage der
in Arbeit stehenden Zelle, also dem jeweiligen
Wasserdruck entsprechend, geregelt werden
konnte. Dieser Vorgang hatte aber nur im
gleichartigen, nicht zu fließenden Boden einigen
Erfolg.
Da die im Scheitel des Schildes ausströmende
Preßluft die Bodenüberlagerung auflockert, eine
Dichtung an dieser Stelle schwierig ist, so
versieht man mehrfach die Schilde mit senk-
rechter Vorderfläche auf l'j - ''/j des oberen
Schildumfangs mit einem vortretenden Dach,
Haube genannt, an deren Stelle man auch
eiserne Triebpfähle, die einzeln in der Regel
mit Wasserpressen vor Vortrieb des Haupt-
schildes vorgetrieben werden können, ange-
wendet hat.
Bei Verwendung von Preßluft sind Luft-
schleusen erforderlich, die die Arbeitsräume
vom fertigen Tunnel trennen; sie vermitteln
den Verkehr der Arbeiter und die Förderung
aus den mit Preßluft gefüllten Arbeitsräumen
nach außen und umgekehrt.
Für größere Tunnel werden meist getrennte
Luftschleusen für den Arbeiterverkehr und die
Materialförderung angeordnet. Sie liegen ent-
weder nebeneinander im unteren Teil desTunnels
Tunnelbau der Eisenbahnen.
427
oder übereinander, wobei aus Sicheriieitsgründen
die Schleuse für den Personenverkehr in die
Tunnelfirst verlegt wird. Auch sind 3 Luft-
schleusen angeordnet worden. Die in der Regel
gebrauchten, für Personenverkehr und Material-
förderung, liegen im unteren Teil, eine dritte
Sicherheitsschleuse, die bei raschem Ansteigen
des Wassers zu benützen ist, in der First des
Tunnels.
Die Schleusen erhalten selbstverständlich
dichten Anschluß an die Tunnelwandungen
und werden dem Arbeitsfortgang entsprechend
verlegt, also nachgeschoben, u. zw. so häufig,
daß der mit Preßluft zu füllende Raum zwischen
Schleuse und Schild nicht zu groß wird.
In den Querwänden des Schildes werden auch
Notschleusen eingebaut, damit den Luftdruck-
unterschieden in den Arbeitsräumen des Schildes
und dem Raum zwischen Schild und Tunnel-
verkleidung und der Hauptschleuse Rechnung
getragen werden kann, namentlich wenn durch
Ausblasen der Preßluft eine plötzliche Druck-
verminderung eintritt, die durch die Notschleusen
auf den Schildraum beschränkt werden soll. Ein
dauernder Verschluß der Notschleusen ist wegen
des Zeitverlustes beim Durchschleusen nicht
zweckmäßig, daher Notschleusen an dieser
Stelle kaum mehr ausgeführt werden. Auch
Taucherglockenanordnungen in den oberen
Teilen des Schildes können zur Sicherung der
Arbeiter bei plötzlichen Einbrüchen des Wassers
zweckmäßig sein.
Zur Einschränkung des Luftverlustes kann
der Raum zwischen dem Schildende und der
Tunnelverkleidung so gedichtet werden, daß
die Beweglichkeit des Schildes erhalten bleibt.
In Eisen gefaßte Gummiringe oder Schläuche,
die mit Wasser oder Preßluft gefüllt sind, haben
dauernd brauchbare Lösungen nicht erreichen
lassen.
Zur Abminderung der Luftverluste hat man
auch hydraulischen Kalkmörtel unter großem
Druck an der Stirn der Tunnelverkleidung
zwischen dieser und dem Schildende während
des Schildvortriebs eingepreßt, was je nach der
Gebirgsbeschaffenheit mehr oder weniger Erfolg
hatte.
Da eine Luftpressung von etwa 3 Atm. mit
Rücksicht auf die Arbeitsmöglichkeit kaum über-
schritten werden kann, so ist hierdurch die
Tiefenlage eines Tunnels im stark wasser-
führenden Gebirge begrenzt.
In allen Fällen wird man wie bei Luftdruck-
gründungen durch Abkühlen der mit Preßluft
erfüllten Räume, die oft recht hohe Wärmegrade
zeigen, durch kurze Arbeitszeit, langsames Aus-
und Einschleusen, Schutzmittel und sofortige
ärztliche Hilfe die Übelstände der Preßluft-
krankheiten zu mindern sich bemühen. Auch sind
besondere Vorsichtsmaßregeln gegen Feuers-
gefahr wegen der rascheren Verbrennung in
der Preßluft erforderlich.
Abb. 478 zeigt einen kreisförmigen Schild mit
2 Mittelwänden m, und /«_,,. Der Arbeitsraum D vor
der mit verschließbaren Öff-
nungen a versehenen vorderen
Mittel wand ist durch wagrechte
Wände in 3 Abteilungen ge-
teilt. Zur Versteifung sind
außerdem senkrechte, aber
durchbrocliene Wände ange-
ordnet. Die senkrechte Mittel-
wand nu, welche den Raum C
abschließt, erhält zur Siche-
rung entweder eine Verschluß-
tür bei b oder eine Not-
schleuse S,, um verschiedenen
Luftdrücken in den Räumen ß
und C—D Rechnung tragen
zu können. Die am Schild-
umfang angeordneten Wasser-
pressen/?, deren Kolben durch
die Wand m^ mit entsprechen-
der Dichtung gehen, stützen
sich gegen die Wand a«,
und die fertige Tunnelverklei-
dung M mit breiten Fuß-
flächen. Die Hauptschleuse S,
für Arbeiter- und Materialver-
kehr trennt den mit Preßluft
gefüllten Raum B vom fertigen
Tunnel A.
Die Vorteile der Bau-
weisen mit dem Brustschild
bestehen in der großen
Sicherheit im Ausbruch
und Ausbau im rolligen,
schwimmenden imd wasser-
reichen Boden, zumal bei
geringer Gebirgsüberlage-
rung des Tunnels, ferner in
der Möglichkeit der Ein-
haltung des kleinsten, für
den Tunnel eben erfor-
derlichen Ausbruchquer-
schnitts, in der leichten und
geschützten Ausführung
der Tunnelverkleidung,
auch in einem den Verhält-
nissen entsprechenden ra-
schen Bauvorgang.
Die Nachteile dagegen
liegen in den Schwierigkei-
ten bei Durchfahrung un-
gleichartigen, wechselnden Bodens, der meist be-
sondere Vorausbrucharbeiten und Abstützungen,
auch die Anwendung von Getriebepfählen vor
dem Schild, namentlich in dessen Scheitel er-
heischen kann, sowie in der Einhaltung von
Höhe und Richtimg des Tunnels; ferner mehr-
fach in der imgünstigen Beanspruchimg der
Tunnelverkleidung durch die Pressen und beim
428
Tunnelbau der Eisenbahnen.
Vorziehen des Schildmantels namentlich dann,
wenn das Tunnelmauerwerlc keine Eisenhaut
erhält. Auch die hinter der Tunnelverkleidung
verbleibenden Hohlräume sind schwierig dicht
zu schließen.
Bei Verwendung von Preßluft treten noch die
Erschwernisse und Gefahren infolge der Unter-
schiede in den Wasserdrücken an der Sohle
und in der First des Tunnels hinzu, die mit
dessen Abmessungen zunehmen. Der Einbau
und Betrieb der Luftschleusen und der übrigen
umfangreichen maschinellen Anlagen, auch die
Sicherheitsvorkehrungen für die Arbeiter bei
plötzlicher Spannungsabnahme der Preßluft
bilden weitere Erschwernisse dieser Bauweise.
Verwendung von Preßluft ohne
Brustschild.
Diese Bauweise kam nur ausnahmsweise und
dann zur Anwendung, wenn beim gewöhnlichen
bergmännischen Vorgang ohne Schild Schichten
angefahren wurden, die sich druckhafter und
wasserführender herausstellten, als von vorn-
herein angenommen werden konnte, und der
nachträgliche Einbau eines Schildes meist auf
kurze Tunnellängen zu umständlich, schwierig
und kostspielig gewesen wäre. Sie erscheint nur
zweckmäßig und möglich, wenn das Gebirge
bei genügend hoher Überlagerung des Tunnels
so weit dicht zu halten ist, daß zu große Druck-
verluste durch Ausblasen der Preßluft nicht zu
befürchten sind. Da der Brustschild fehlt, so
ist nicht nur die Brust, sondern auch die Ober-
fläche des ganzen Ausbruchs, der vom fertigen
Tunnel ebenfalls durch dichte Wände abge-
schlossen werden muß, im Gleichgewicht zu
halten. In die Abschlußwände sind Luftschleusen
für Material- und Arbeiterförderung einzubauen.
Der ausgebrochene Raum wird in einer den
Druckverhältnissen angepaßten .^rt und Stärke
abgestützt oder verzimmert.
Beispiele dieser Bauweise geben der Bau des
Emmersbergtunnels bei Schaffhausen und der
Bau des Gatticotunnels auf der italienischen Bahn
Santhä-Borgomanero-.-Xrona. In dem letztgenannten
Tunnel wurden auch einige Strecken von der Ober-
fläche aus mittels Senkkästen und Preßluft in ähnlicher
Weise wie bei Gründung von Brückenpfeilern her-
gestellt.
Die Bauweisen nach dem Gefrier-
verfahren.
Das Gefrierverfahren, das vorerst für Schacht-
absenkungen zur Anwendung kam, kann auch
für den Vortrieb von Stollen und Tunnel in
Frage kommen. Es besteht darin, daß das
Gebirge auf den Umfang des Tunnels entweder
durch Einblasen von kalter Luft oder durch
Einführen von Kälteflüssigkeiten mittels Röhren
zum Gefrieren daher, in feste Form gebracht
wird, wonach in stark wasserführendem und
schwimmendem Gebirge der Ausbruch und
dessen Abstützung, also der zeitweilige Ausbau
erleichtert oder erst ermöglicht wird.
Das Verfahren wird im Tunnelbau vornehm-
lich dann in Frage kommen, wenn die Schild-
bau\T-eisen mit Preßluftverwendung nicht mehr
anwendbar sind, was namentlich bei größeren
Tieflagen des Tunnels infolge hohen Wasser-
druckes, der einen für den .^rbeitsbetrieb zu
hohen Luftdruck erfordert, der Fall ist.
1. Durch Einblasen von kalter Luft
(40 — 60" C) in den Tunnel, der gegen die
fertige Strecke durch entsprechend starke Wände
abgeschlossen wird, kann das Gebirge auf eine
gewisse Tiefe zum Gefrieren gebracht und dann
gelöst und abgestützt werden.
Die bis zum Eintritt der Frostwirkung er-
forderliche Zeitdauer der Einwirkung der kalten
Luft auf den Hohlraum, also auf die Wandungen
der sog. Gefrierkammer, hängt von deren Größe
und der Temperatur der venscendeten Luft ab
und ist eine verhältnismäßig lange. Bei größerem
Querschnitt findet infolge Senkung der kalten
Luft eine weit stärkere Abkühlung der Sohle
wie der First des Tunnels statt.
Die Luft ist auch bis auf das durch den vor-
handenen Wasserdruck im Gebirge bedingte
Maß zu pressen und dann in den bekannten
Maschinen abzukühlen. Bei hoher Pressung
wird die Luft stark erwärmt, so daß länger
dauernde Abkühlung mit hohen Kosten erforder-
lich wird.
Im Tunnelbau kam dieses Verfahren aus-
nahmsweise zur Verwendung.
Bei Herstellung eines Tunnels in Stockholm
von etwa 4 m Weite und Höhe, der den unter Ge-
bäuden liegenden, feinen, mit Wasser durchtränkten
Kies und Lehm zu durchfahren hatte, wurde auf eine
kurze Strecke diese Bauweise verwendet.
Hierbei ist je ein Raum von etwa 6—12 m Länge,
also von 100-180 ni^ Größe durch eine 20 cm starke
Wand vom ausgebauten Tunnel abgeschlossen worden,
in den kalte Luft eingeblasen wurde, so daß die
Temperatur in dem Gefrierraum —20 bis -31° C
betrug. Die Luft wurde vorerst auf 3 Atm. gepreßt,
dann auf gewöhnliche Temperatur abgekühlt und
schließlich in Kältemaschinen auf -dO^C gebracht.
Der gefrorene Boden wurde ausgebrochen und der
ausgebrochene Raum durch Eisenbögen mit Ver-
pfählung und kräftigem Brustverzug aus Eisenplatten
abgestützt, wobei tägliche FortschriUe von etwa Oi 5 m
erreicht werden konnten.
Die Ausmauerung in Beton blieb so weit zurück,
daß eine ungünstige Kälteeinwirkung auf das Mauer-
werk nicht mehr zu befürchten war.
Auch auf der Interborough Rapid Transit
R. R. in NewYork hat man das \'erfahren, jedoch
mit ungünstigem Erfolg verwendet, da bei einem
Tunneldurchmesser von 4-6 in die Länge des sog.
Gefrierraumes etwa 60 m, daher deren Größe etwa
1000 m^ betrug und die Abkühlvorrichtungen für
diesen großen Raum unzulängliche gewesen sind.
Tunnelbau der Eisenbahnen.
429
daher die Temperatur in der Gefrierl<ammer sicli nur
zwischen -5" bis -12'C bewegte. Man hat diese
Bauweise nach kurzer Zeit verlassen.
2. Die Einführung von Kälteflüssig-
keiten, wie Chlorcaicium- oder besser 25 bis
SÖ^^iger Chlormagnesiumlauge, die bei etwa
-SS^C friert, oder von 95%igem Alkohol, der
bei -110" friert, in doppelwandigen Röhren
von der Erdoberfläche aus, also in ungefähr
senkrechter Richtung, kann in gleicher Weise
wie beim Abteufen von Schächten erfolgen.
Die Röhren werden bis auf die Tiefe des Tunnels
zu beiden Seiten des auszubrechenden Quer-
schnitts versenkt und das vom Tunnel zu
durchfahrende Gebirge zum Gefrieren gebracht,
wonach der Vortrieb des Tunnels in üblicher
Weise erfolgt.
Dieser Vorgang kann nur bei geringeren
Überlagerungshöhen des Tunnels in Frage
kommen, weil mit der Tiefe der Tunnellage die
Schwierigkeiten der Versenkung der Röhren
und die Größe des abzukühlenden Erdkörpers
zunimmt, daher die Bauzeitverlängerungen und
die Kosten ganz bedeutende werden.
3. Die Einführung von Kälteflüssig-
keiten durch doppelwandige Röhren am
Umfang des Tunnelquerschnitts, also parallel
mit der wenig von der Wagrechten abweichenden
Tunnelachse, bietet mehrfache Schwierigkeiten,
namentlich wenn für längere Strecken Röhren-
leitungen, für welche meist die Löcher vorgebohrt
werden, erforderlich sind.
Die Bohrarbeiten erfordern bei großen Loch-
längen im ungleichartigen Boden namhafte
Kosten. Die Röhren müssen stückweise ein-
gesetzt und durch großen Druck, also mittels
Pressen vorgetrieben werden.
Wie beim Schachtabteufen kann man die
Kälterohre auch im Innern des Tunnels
vortreiben und den auszubrechenden Körper
unmittelbar zum Gefrieren bringen. Hierbei
wird in kurzen Längen vorgegangen, wobei
aber im schwimmenden Gebirge vorsichtshalber
ein jedesmaliger Verschluß der Tunnelbrust
auszuführen ist, was am zweckmäßigsten durch
den Vortrieb eines schildartigen, an der Brust
mit verschließbaren Öffnungen versehenen
Rohres erreicht werden kann, wobei auch rasche
und gesicherte Abstützung der ausgebrochenen
Tunnelstrecke ermöglicht wird.
Beim Vortrieb eines schildartigen Eisenrohrs
mit den kleinen Abmessungen eines Richtstollens
kann man die Kälterohre an den Innen-
wandungen dieses Rohres verlegen, indem
nun abermals Gefrierrohre verlegt werden, um
die erforderliche Frostwirkung zu erreichen,
nachdem der Boden innerhalb des Rohres ent-
fernt ist und auf diese Weise den das Stollen-
rohr umgebenden Boden auf einem Umkreis
zum Gefrieren bringen, der das Nachschieben
eines zweiten Eisenrohrs mit entsprechend
größerem Durchmesser ermöglicht. Für Tunnel
mit großen Querschnitten kann das Verfahren
mehrfach wiederholt vcerden.
Der Vorgang ist zeitraubend und kostspielig,
zumal die Frostwirkung nicht unmittelbar vom
Kälterohr aus, sondern erst durch die Wandung
des Eisenrohrs erfolgt.
Die Förderung.
Die Abfahrung der Ausbruchmassen aus dem
Tunnel und ihre Unterbringung auf den vor-
gesehenen Ablagerungsplätzen, die Zuführung
der Geräte und Baustoffe in den Tunnel und
bei längeren Bauten auch die Beförderung der
Arbeiter erfolgt zumeist und am richtigsten auf
Fördergleisen.
Die Gleise erhalten in der Regel Schmal-
spurweiten von O^ö - 0'9 m, selten etwas weniger
oder mehr. Ausnahmsweise sind auch Vollspur-
gleise mit 1-435 m aus besonderen Gründen,
wie z. B. im Cochemtunnel und in einem Teil
des zweiten Simplontunnels (Nord) angeordnet
worden. In den meisten Fällen hat sich eine
Spurweite von 0-7 - 0-75 m als zweckmäßig
erwiesen, da hierbei auch die Förderwagen noch
ausreichend großen Fassungsrauni erhalten.
Die Schienengewichte bewegten sich von
15 bis 20 kg!m. Zur Unterstützung eignen sich
Holzsch«ellen besser wie Eisenschwellen. In
einigen Fällen hat man Stuhlschienenoberbau
verwendet, der den Vorteil hat, daß die auf
den Schwellen festsitzenden Stühle ein rasches
Umlegen der Gleise ermöglichen.
Es empfiehlt sich, eine einheitliche Spur der
Tunnelförderbahnen anzustreben, damit Förder-
wagen und Maschinen bei weiteren Tunnel-
bauten wieder verwendet werden können.
Im Interesse raschen Verkehrs und leichter
Verteilung der Wagen auf die einzelnen Arbeits-
strecken wäre die zweigleisige Bahn vorteilhaft.
Allein die engen Tunnelräume, wie namentlich
die Arbeitsstellen im Stollen und auch die durch
Zimmerungen eingeengien Tunnelstrecken er-
schweren die Anlage zweigleisiger Bahnen und
bedingen schmale Spur der Gleise und schmale,
langgestreckte, wenig zweckmäßige Förder-
wagen mit immerhin verhältnismäßig kleinem
Fassungsraum.
In Fällen, in welchen zweigleisige Förder-
bahnen ausgeführt wurden, mußten Stollen-
querschnitte über das sonst übliche und zweck-
mäßige Maß vergrößert und besondere Zim-
merungsanordnungen getroffen werden. Auch
hat sich herausgestellt, daß in einzelnen starken
Druckstrecken die zweigleisige Anlage stellen-
430
Tunnelbau der Eisenbahnen.
weise unterbrochen werden mußte; sodann ist
der zwischen den Förderwagen und den Tunnel-
wandungen verbleibende Raum doch noch so
knapp, daß ein sicherer Verkehr der Arbeiter
bei Begegnung zweier Züge kaum möglich ist.
Man hat daher bei den meisten Tunnelbauten
für die Arbeitsstrecken eingleisige Förder-
bahnen und an einigen besonders ausgeweiteten
Stellen Ausweichen, auch Nebengleise ange-
ordnet. Bei langgestreckten Tunnelbauten mit
vielen Arbeitsstellen und eingleisiger Förderbahn
bereitet die Verteilung der einzelnen Wagen,
d. s. Leerwagen für die Aufnahme des Tunnel-
ausbruchs und der verbrauchten Zimmerungs-
hölzer und Geräte einerseits sowie der mit
neuen Geräten, Hölzern und Mauerungsstoffen
beladenen, von außen kommenden Wagen an-
derseits, mancherlei Schwierigkeiten und erfor-
dert einen wohldurchdachten und streng ein-
zuhaltenden Betriebsplan.
Zumeist wird eine Gleisanlage (Aufstellungs-
und Verschiebegleise) vor dem Tunnelmund,
sodann an dem jeweiligen Ende des fertig-
gestellten Tunnelteils, eine sog. Tunnelstation,
und schließlich in einem ausreichend großen
Abstand vor dem Ort des Richtstollens im
besonders erbreiterten Stollen, eine .Ausweiche,
erstellt. Im übrigen ist die Anlage eingleisig.
Im fertigen Tunnelteil, also vom Außenbahnhof
bis zur Tunnelstation, kann ein zweites Gleis
gelegt werden, was auch in mehreren Fällen
geschehen ist.
Die Tunnelstation und die Ausweiche vor
dem Stollenort sind so einzurichten, daß eine
leichte Verteilung der an den einzelnen Arbeits-
stellen erforderlichen Wagen erfolgen kann, sie
müssen auch nach Maßgabe des Arbeitsfortgangs
verschoben, also verlegt werden. Als Förder-
wagen werden Kastenwagen, Kippwagen und
Plattformwagen verwendet. Die Kastenwagen
mit abnehmbaren Seitenwänden behufs Ent-
leerung und niedriger Bauart zwecks leichterer Be-
ladung erhalten im Tunnel kleinere Abmessungen,
Fassungsräume von etwa 0'7-l'5 cin^, und
werden in der Regel für die Förderung im
Stollen verwendet. Ihre Entleerung erfordert
mehr Zeit und Kraft wie die der Kippwagen.
Im übrigen wurde die Förderung des Tunnel-
ausbruchs zumeist mit Kippwagen (Seiten-
kipper) mit tunlichst großem Fassungsraum
von 1 — 3'5 an'^ im Interesse rascher und billiger
Entladung bewerkstelligt. Der große Fassungs-
raum ermöglicht eine Verminderung der Zug-
zahl und damit der durch den Zugverkehr
nicht zu vermeidenden Arbeitsstörungen.
Plattformwagen dienen zur Förderung
von Holz für die Zimmerung, großen Steinen
/Quadern), auch von Maschinen.
Bei kleinen Tunnelbauten werden vielfach
die vom Ausbruch entleerten, in den Tunnel
zurückkehrenden Förder\i-agen teilweise mit den
benötigten Baustoffen und auch .Maschinen
beladen. Bei großen Tunnelbauten mit raschem
Betrieb werden aber die Ausbruchwagen ganz
oder größtenteils leer in den Tunnel gefahren
und die erforderlichen Baustoffe auf besonderen
Wagen verladen, die nicht zur Förderung des
Ausbruchs verwendet werden, um Zeitver-
säumnisse zu vermeiden.
Die Bewegung der Förderwagen erfolgt durch
Menschen, namentlich für kurze Strecken.
Pferde werden gegenwärtig nur für kurze
Tunnel gebraucht; sie haben allerdings den
Vorteil der Unabhängigkeit vom Gleis und
der Wagenstellungen, so daß sie ohne Aus-
weichgleise an beiden Zugenden angespannt
werden können, was bei Maschinen nicht der
Fall ist.
Von Maschinen kommen Dampf-, feuer-
lose, elekirische, Druckluft- und Benzinloko-
motiven in Betracht. Dampflokomotiven sind
wegen Luftverschlechterung bei den neueren
Bauten nur mehr in den fertigen Strecken oder
nur außerhalb des Tunnels \-erwendet \«-orden.
In einzelnen Fällen wurde der übelstand der
Luftverschlechterung durch Dampflokomotiven
(Bauart Kraul!) vermindert, die während der
Tunnelbefahrung nicht nachgefeuert werden.
Zumeist sind nun für längere Tunnel in den
Arbeitsstrecken Benzin- oder Druckluftloko-
motiven in Gebrauch. Benzinlokomotiven lassen
Luftverschlechterung nicht ganz vermeiden, was
zu Übelständen Veranlassung gab. Die Druck-
luftlokomotiven tragen zur besseren Lüftung
bei, sind aber insofern unwirtschaftlich, als der
im Interesse kleinerer Abmessungen der Luft-
behälter erforderliche hohe Sammeldruck von
150-200 Atm. auf den Arbeitsdruck von
10— 12Atm. herabgesetzt wird und die ent-
sprechende Kompressionsarbeit verlorengeht.
Zumeist werden die für den Tunnel bestimmten
Leerzüge und die mit Baustoffen und Geräten
beladenen Wagen durch kräftige Maschinen bis
in die Tunnelstation geschoben und die dort
bereits aufgestellten beladenen Züge durch diese
Maschinen aus dem Tunnel gezogen.
In der Tunnelstation übernehmen leichte
Benzin- oder Druckluftmaschinen, eingeschaltet
zwischen den Wagengruppen die Verteilung
der Wagen an die einzelnen Arbeitsstellen.
Bei Vortrieb des Firststollens als Richtstollen,
wobei ein Sohlstollen fehlt, liegt die Förder-
bahn im oberen und nach Fertigstellung des
Sohlschlitzes im unteren Teil des Tunnels.
Die Ausbruchmassen des oberen Teiles werden
durch Vermittlung von Schuttrichtern oder
Tunnelbau der Eisenbahnen.
431
Rutschen in die auf dem unteren Gleis bereit-
stehenden Leerwagen umgeladen oder es wird
das obere Fördergleis durch Rampen, die nach
Maßgabe des Arbeitsfortschritts vorgeschoben
werden müssen, mit dem unteren Fördergleis
verbunden. Beide Anordnungen erschweren
und verteuern die Förderung.
In einigen Fällen hat man für die Stollen-
förderung Gleise mit kleinerer Spurweite an-
geordnet wie für die übrige Förderung. Allein
das erforderliche Umladen ist zeitraubend und
kostspielig, daher einheitliche Spurweite vor-
zuziehen ist.
Beim Bau des zweiten Simplontunnels (Nordseite)
wurden wegen der erforderlichen Kreuzung der im
Betrieb befindlichen Bahn aus dem ersten Simplon-
tunnel und der raschen Beförderung der Ausbruch-
massen nach den Ablagerungsstellen von der Tunnel-
station bis an den Tunnelmund und weiter an die
Ablagerungsstellen eine Vollspurbahn (1 '435/«) gelegt,
während von den Arbeitsstellen bis zur Tunnei-
station das Fördergleis 075 m Spurweite erhielt. In-
folgedessen werden die Kasten der von den Arbeits-
stellen kommenden kleinen Wagen mit Hilfe von
besonderen, in der Tunnelstation angeordneten Kranen
abgehoben und etwa 4 auf die großen vollspurigen
Förderwagen gesetzt. In diesem Sonderfall hat sich
die Umladung als z\veckmäi?ig herausgestellt.
L ü f t u n g.
Das Maß der Luftverschlechterung im Tunnel
und der hierdurch bedingte Frischluftbedarf
ist je nach dem Arbeitsbetrieb ein verschie-
denes. Wenn in Tunneln mit Druckluftbohr-
maschinen- und Luftlokomotivbetrieb schon
eine Verbesserung der Lüftungsverhältnisse er-
reicht wird, so genügt das meist noch nicht.
Natürliche Lufterneuerung genügt nur für
ganz kurze Tunnel. Die Länge ist von ört-
lichen Verhältnissen abhängig. Durch Anord-
nung von Schächten oder Kaminen kann eine
Verbesserung der Luft im Tunnel erreicht
werden. Die Schachtlüftung beruht auf den
Unterschieden des Luftdrucks und des Wärme-
grads im Tunnel und an der Oberfläche, die
nicht nur von der Höhenlage, sondern auch
von den Windrichtungen abhängig sind. Kurze
Schächte kann man durch Schachtaufsätze
wirkungsvoller machen.
Durch Unterhaltung eines Feuers im Schacht
ist eine Erhöhung der Wirkung zu erreichen,
ist aber unwirtschaftlich.
Auf der Nordseite des ersten Simplontunnels hatte
man in einem in der Nähe des Eingangs hergestellten,
47 m tiefen Schacht ein kräftiges Feuer unterhalten,
wodurch die Lüftung auf etwa 1500 m verbessert
wurde.
Schachtlüftungen sind bei großen Über-
lagerungen des Tunnels sehr kostspielig und auch
bei großen Längen der zwischen den einzelnen
Schächten liegenden Strecken nicht ausreichend;
anders bei Lüftung der Eisenbahntunnel im
Betrieb.
Für lange und hoch überlagerte Tunnel ist
während des Baues künstliche Lüftung ent-
weder durch Ansaugen der schlechten Luft
oder Eindrücken von guter Luft erforderlich.
Bei Sauglüftung wird die schlechte Luft
zumeist nicht unmittelbar abgezogen, sondern
nur ein Gemisch aus schlechter und guter Luft,
wobei also überflüssige Arbeit geleistet wird,
namentlich wenn die Saugleitung nicht unmittel-
bar an die betreffenden Arbeitsstellen führt.
Die am Mont-Cenis- und Gotthardtunnel ein-
gerichteten Sauglüfter haben sich nicht bewährt.
Die Drucklüftung wird so eingerichtet,
daß die frische Luft in geschlossenen Leitungen
unter genügendem Druck in den Tunnel geführt
und an verschiedenen Stellen abgegeben wird,
so daß je nach der Luftmenge ein atembares
Gemisch von guter und schlechter Luft vor-
handen ist. Bei den neueren großen Tunnel-
bauten wurden Drucklüfter verwendet, die im
Bedarfsfall auch als Sauglüfter wirken konnten,
was in einigen Fällen erwünscht war.
Als Drucklüfter dienen meist Schleuder-
gebläse der Bauarten Capell, Pelzer, Rateau
und Sulzer. Für kleinere Luftmengen werden
auch Strahlgebläse gebraucht.
Die Lüfter arbeiten entweder einzeln oder
mehrere gemeinsam neben- oder hintereinander
geschaltet, je nach geforderter Menge oder
erforderlichem Druck.
Der Kraftbedarf der Lüfter kann durch große
Leitungsquerschnitte und kurze Leitungslängen
eingeschränkt werden ; er betrug bei den neueren,
über 6 km langen Tunneln für die einzelnen
Lüfter etwa 50-160 PS.
Meist wurden 2 — 4 Lüfter hintereinander
verbunden. Die Lüfter hatten einzeln 5 bis
15/ß3/Sek. Luft von 200-600 mm Wasser-
säule zu liefern.
Den Antrieb der Lüfter besorgten Turbinen
oder Elektromotoren.
Die Leitungsquerschnitte sind durch die engen
Stollen- und Tunnelquerschnitte beschränkt. Im
Stollen können Leitungen von 200 bis höchstens
500 mm verlegt werden, die gegen Beschädi-
gungen, namentlich gegen Sprengwirkungen
geschützt werden müssen.
Die Luftleitungen werden meist aus Eisen-
oder Zinkblech in den fertigen Strecken für
große Weiten auch aus Beton oder Betoneisen
hergestellt.
Für große Luftmengen bei geringem Druck
sind bedeutende Leitungsquerschnitte erforder-
lich, für die der Raum in engen, namentlich
eingleisigen Tunneln kaum zu gewinnen ist.
Man hat daher durch Parallelstollen (Simplon-
432
Tunnelbau der Eisenbahnen. Tunnellüftung.
tunnel) oder Unterstollen (Vorschlag Hennings,
Weber) grolie Luftleitungen geschaffen, auch hat
man in den fertiggestellten Strecken zweigleisiger
Tunnel durch den Einbau einer Scheidewand
(Lötschbergtunnel) eine Luftleitung großen
Querschnitts erreicht.
Im ersten eingleisigen Simplontunnel, in dem
größte Wärmegrade bis zu 50° C beobachtet wurden,
dessen Richtstollen mit hydraulischen Drehbolir-
maschinen aufgefahren wurde, standen auf jeder Seite
2 durch Turbinen angetriebene Lüfter, die je 25mVSek.
Luft bei 250 mm Wassersäule lieferten, in Betrieb.
Die Lüfter konnten auf Druck oder Menge geschaltet,
auch zum Saugen eingerichtet werden. Die Luft
wurde in den Parallelstollen (s. Abb. 428) als Leitungs-
rohr und aus diesem durch den jeweilig letzten der
in etwa 200 m Abständen hergestellten Querstollen
in den Tunnel gedrückt. Mittels Strahlgebläse oder
kleinen Lüftern wurde die Luft an den Enden der
Querstollen gefaßt und durch Rohrleitungen bis vor
Ort des Richtstollens gedrückt. Der Parallelstollen
wurde auch zur Wasserabführung und Förderung
benutzt und wird nun zum zweiten Tunnel ausgebaut.
Im zweigleisigen Lötschbergtunnel, in dem
Druckluftbohrmaschinen arbeiteten, befanden sich auf
jeder Seite 2 Lüfter, die je 25 m'/Sek. Luft von 250 mm
Wassersäule durch den in der ausgemauerten Tunnel-
strecke durch eine Scheidewand hergestellten Luftkanal
von 6'3 m- Querschnitt drückten. Am Ende dieses
Kanals wurde die Frischluft durch eine dort aufge-
stellte kleinere Drucklüfteranlage in geschlossenen
Eisenrohren bis vor Ort des Richtstollens geführt.
Im zweigleisigen zweiten Hauensteintunnel, in
dem Druckluftbohrhämmer arbeiteten, drückten 3 hin-
tereinander geschaltete Lüfter 4 — 5 m'/Sek. Luft, von
400 - 600 /«//; Wassersäule in die Tunnelleitung, deren
Durchmesser von 1000 auf 330 mm im Richtstollen
abgemindert wurde.
Im Tauern-, Karawanken- und Wocheiner-
tunnel der österreichischen Alpenbahnen, in denen hy-
draulische Drehbohrmaschinen und elektrische Stoß-
bohrmaschinen mit geringer Ausnahme tätig waren,
sollten 5-8 m^/Sek. Luft bei etwa WO mm Wassersäule
in die 800-500 mm weite Tunnelleitung durch 3 und
4 Lüfter, welche teils von Turbinen, teils von Elektro-
motoren angetrieben wurden, gedrückt werden.
Literatur: Rziha, Lehrbuch des Tunnelbaues.
Berlin 1872.- Winkler, Vorträge über Tunnelbau.
Wien 1875. - Dolezalek, Tunnelbau, Oewinnungs-
arbeiten. Hannover 18Q6. - Mackensen, Tunnel-
bau; Hb. d. Ing. W. I. Leipzig 1902. - Dolezalek,
Der Eisenbahntunnel. Berlin-Wien 1018. - Die aus-
führlichen weiteren Literaturangaben finden sich in
den obgenannten Schriften. Dolezalek-
Tunnellüftung (Ventilation of tunnels;
acragc des tunnels; aerazione dellc gallerie).
Die Lüftung der Tunnel im Eisenbahnbetrieb
vollzieht sich in kürzeren Tunneln, auch in
stärkeren Steigungen meist in natürlicher
Weise und ist abhängig von der Lage der
Tunnelinündungen, den Wärnieunterschieden
an diesen, ihrer gegenseitigen Höhenlage und
der herrschenden Windrichtung. Für lange
Tunnel mit starkem Zug\-erkehr genügt natür-
liche Lüftung zumeist nicht mehr, um der
Luftverschlechterung durch die Rauchgase der
Lokomotiven und der etwa dem Gebirge ent-
strömenden Oase vorzubeugen, eine Abkühlung
der durch die Rauchgase erwärmten Luft und
ihre Trocknung im Interesse der Oberbau- und
namentlich der Schienenerhaltung, auch des
Tunnelmauerwerks, wie der Reibungsverhält-
nisse und der Sicherungsanlagen zu erreichen;
sie muß daher durch andere Mittel und meist
durch künstliche Lüftung unterstützt werden.
Auch bei elektrischem Betrieb ist die Lüftung
des Tunnels zumal zur Trockenhaltung der
Luft sehr zu empfehlen. Durch rasches Befahren
der Tunnel, tunlichste Vermeidung stärkerer
Rauchentwicklung und Verwendung hoch-
wertiger Brennstoffe, wie namentlich Petroleum
und Petroleumrückstände zur Lokomotivfeue-
rung können die Übelstände der Rauchbelästi-
gung et«'as abgemindert werden. Die immerhin
kostspielige Petroleumfeuerung hatte aber starke
Erwärmung der Luft und, zumal bei unvor-
sichtiger Behandlung, Luftverschlechterung zur
Folge, auch die Feuchtigkeit der Luft wurde
nicht gemindert und die Reibungsverhältnisse
wegen des Niederschlags von Teerteilchen auf
die Schienen verschlechtert, \^'ie die Versuche
im Arlbergtunnel ergeben haben. Eingleisige,
über 1 km lange Tunnel, die in stärkeren
Steigungen liegen, hat man mit größeren Licht-
raumquerschnitten auch von vornherein als
zweigleisige Tunnel ausgeführt und die starken
Steigungen der offenen Strecke wesentlich er-
mäßigt, um die natürlichen Lüftungsverhältnisse
zu verbessern und die Rauchentwicklung zu
vermindern, wie das in letzter Zeit auf fran-
zösischen Bahnen wiederholt geschehen ist. Zu-
führung von Druckluft in geschlossenen Lei-
tungen in das Tunnelinnere, namentlich in die
Tunnelnischen zur Entnahme durch das Bahn-
personal, oder Mitführung von Druckluftbe-
hältern auf den Lokomotiven haben keine brauch-
bare und ausreichende Abhilfe ermöglicht. Die
Versuche, die auf einigen österreichischen
Bahnen gemacht wurden, mittels Sauglüftern
die noch weniger verdorbene kühle Luft aus
der Tunnelsohle anzusaugen und sie vor dem
Lokomotivführer auszublasen, hatten sich stellen-
weise bewährt; allein eine Tunnellüftung, die
auch für die Arbeiter und Wärter im Tunnel
sowie für die Trocknung der Luft erforderlich
ist, wurde hierdurch nicht erreicht
Es ist daher künstliche Lüftung des
vollen Tunnels erforderlich, die tunlichst so
einzurichten ist, daß sie die natürliche Lüftung
unterstützt. Künstliche Lüftung kann durch .'\us-
saugen der schlechten oder durch Eindrücken
von frischer Luft in den Tunnel erreicht werden,
in beiden Fällen erhält man im Tunnel ein
Gemisch von frischer und verbrauchter Luft.
Hierfür kommen 2 Vorgänge in Frage, u. zw.:
Tunnellüftung.
433
1. Lüftung durch Schächte; 2. Lüftung durch
die Mündungen a) mit Mündungsverschlüssen,
b) mit Strahlgebläsen (Bauweise Saccardo).
1. Schachtlüftung.
Die Tunnellüftung durch Schächte kann unter
gewissen Bedingungen auch ohne künstliche
Mittel erträgliche Verhältnisse ermöglichen. Die
Schächte sind mit großen Lichtquerschnitten
anzuordnen und bei Anordnung nur eines
Schachtes dieser tunlichst an höchste Stelle und in
die Mitte des Tunnels zu verlegen. Bedeutende
Schachttiefen werden ohnedies wegen zu großer
Kosten vermieden. Die Wirkung beruht haupt-
sächlich auf den Wärme-, daher Druckunter-
schieden im Tunnel und am Schachtmund. So-
lange die Wärme im Tunnel und Schacht
größer ist wie an der Oberfläche, ist Luft-
bewegung vom Tunnel nach außen möglich.
Andernfalls hört die Luftbewegung überhaupt
auf oder es findet solche im umgekehrten
Sinne statt. Es sind bei manchen Tunneln
Schachtlüftungen in ausreichender Weise er-
möglicht worden. Da aber die Bedingungen
für genügende Schachtlüftungen unter allen
Witterungsverhältnissen kaum zu erfüllen sind,
so haben Schachtlüftungen in der Mehrzahl
der Fälle nicht befriedigt; allerdings haben
auch die zumeist unzureichenden Lichtquer-
schnitte der Schächte deren Wirksamkeit ver-
hindert. Eine in allen Fällen zweckmäßige
Schachtlüftung kann durch Anordnung von
Sauglüftern am Schachtmund erreicht werden,
die unier günstigen Verhältnissen die natür-
liche Lüftung unterstützen und bei entsprechend
großem Kraftaufwand auch dann Luft aus dem
Tunnel saugen, wenn natürliche Lüftung nicht
oder im entgegengesetzten Sinn vorhanden ist,
so daß ein gleichgerichteter Luftstrom von
den Mündungen durch den Tunnel und Schacht
nach außen gesichert werden kann. Auch diese
Anordnung ist durch die Überlagerung begrenzt,
da bei großen Höhen und ungünstigen Gebirgs-
und Wasserverhältnissen die Anlage zumal
weiter Schächte sehr hohe Baukosten und bei
großer Tiefe auch erhebliche Betriebskosten
erfordert.
Bei geringer Schachttiefe werden z. B. die
Tunnel unter dem Severn- und Merseyflusse
(s. Bd. VII u. IX) sowie unter dem Hafen von
Boston durch Schächte und Sauglüfter in zu-
friedenstellender Weise entlüftet; es werden hier-
bei Windgeschwindigkeiten von 2 — 2-5 /n/Sek.
erreicht. Für den neuen 8134m langen zwei-
gleisigen Hauensteinbasistunnel (s. Bd.VI, S. 1 18)
hat Wiesmann auf Grund seiner Beobachtun-
gen am Severntunnel eine Lüftungsanlage mit
Saugschacht und Sauglüftern entworfen und aus-
Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. I.X.
geführt. Die Verhältnisse des Tunnels und der
Schachtanlage zeigen Abb. 479 u. 480.
Mit Rücksicht auf die Überlagerungsverhält-
nisse wurde der Schacht nicht in der Mitte
und auch nicht in höchster Stelle, sondern im
Abstand von 3594 m vom Nordmund des
Tunnels, b'd m weit, kreisförmig und 133 /«
tief, seitwärts der Tunnelachse ausgeführt. Für
normale Verhältnisse bei natürlicher Luftbe-
wegung vom Tunnel durch den Schacht nach
außen ist eine Luftgeschwindigkeit von 3 w/Sek.
und eine bewegte Luftmenge von 132//z3/Sek.
M>rcf
Thäir/raa
Süd
Offen.
Abb. 479.
vorgesehen. Am
Schacht wird da-
her die bewegte
Luftmenge der
Nord- und Süd-
strecke zusammen
264 /«3/Sek. und
die Luftgeschwin-
digkeit im Schacht
etwa 10-7 /«/Sek.
betragen. Die vor-
erstnochnichtaus-
geführte Anla-
ge des Lüfters
und Motors
am Schacht-
mund ist nach
dem Entwurf
für eine För-
dermenge von 264 /«^ Luft bei —22 mm
Wassersäule vorgesehen, wofür eine Betriebs-
kraft von 129 PS. und eine Maschinenstärke
von 150 PS. angenommen wurde.
Die Kosten für diese Lüftungsanlage werden an-
gegeben wie folgt:
für den ausgeführten Schacht samt Orund-
erwerb und Entwässerungen .... 173.000 Fr.
für die noch zu erstellenden 2 Zwillingslüfter
mit Vorgelege und 2 Elektromotoren 66.000 „
für gemauertes Gehäuse 20.000 „
für Dienstwohnung und Verschiedenes 21.000 „
zusammen . . . 280.000 Fr.
28
Abb. 4S0.
434
Tunnellüftnng.
Die jährlichen Betriebskosten werden mit 30.000 Fr.
geschätzt.
Vorerst wird hiernach der neue Hauenstein-
tunnel nur durch natürliche Lüftung ohne
maschinelle Sauganlagen gelüftet, wie weit dies
unter den gegenwärtigen Verkehrs- und Betriebs-
verhältnissen genügt, wird nicht mitgeteilt.
Da die Lüftung des 4200 m langen zwei-
gleisigen Cochemtunnels der Moselbahn
(s. Bd. 111, S. 207) mittels der dort angeordneten
Anlage (Bauweise Saccardo) nicht genügte, hat
man im Abstand von 1135/« vom Südende
(Eller) einen etwa 230 m tiefen, durchschnitt-
lich 5 m weiten Schacht eingebaut, durch den
entweder die Luft mittels eines Sauglüfters
angesaugt oder aber die Frischluft mittels
des drückend wirkenden Lüfters einer im Tunnel
an der Schachtstelle eingebauten Luftkammer
mit Düse zugeführt werden soll. Die Kosten
für Luftkammer, Schacht und maschinelle An-
lagen sind auf 583.000 M. veranschlagt. Vor-
läufig dient der Schacht hauptsächlich zur
natürlichen Entlüftung.
Die Lüftung durch Vermittlung von Schächten,
die ausreichend großen Lichtquerschnitt er-
halten müssen, hat den Vorteil, daß der an
der Mehrzahl der Tage herrschende natürliche
Luftzug aus dem Tunnel durch den Schacht
einen geringen Kraftverbrauch der Lüfter er-
möglicht oder auch den Betrieb der Lüfter
zeitweise entbehrlich machen kann und daß
Einbauten im Tunnel wie bei den Lüftungen
durch die Mündungen nicht erforderlich sind.
Dagegen sind Saugschachtlüftungen nur dort
möglich, wo nicht zu weit von der Mitte oder
der höchsten Stelle des Tunnels ein Schacht
mit großem Lichtquerschnitte, mäßiger Tiefe
und im nicht ungünstigen Gebirge, daher ohne
zu große Kosten erstellt werden kann, was
namentlich bei den tief gelegenen, langen
Scheitehunneln meist nicht der Fall ist.
2. Die Lüftung durch die [Tunnelnuin-
dungen •v
kann durch Eindrücken oder Aussaugen der
Luft erfolgen; in beiden Fällen wird die Luft
im Tunnel in Bewegung gesetzt und aus dem
Tunnel gefördert, wobei frische Luft nach-
strömt. Auch können Druck- und Sauglüftung
so verbunden werden, daß beide einander unter-
stützen. Da die natürliche Lüftung, die von
der Höhenlage, den Wärmeunterschieden und
den Windrichtungen auf beiden Tunnelmün-
dungen abhängig ist, im Interesse wirksamer
Lüftung und Kraftersparnis ausgenützt werden
soll, so sind die Lüfter an den Tunnelmün-
dungen dementsprechend tunlichst so anzu-
ordnen, daß die natürliche Lüftung unter-
stützt und ihr nicht entgegengearbeitet wird,
was freilich nicht immer möglich ist.
In Tunneln mit größeren Höhenunter-
schieden der beiden Mündungen und stär-
keren Steigungen wurden Drucklüfter zumeist
an den höher gelegenen Mündungen ange-
ordnet, um die Luft dem in der Steigung
fahrenden Zug entgegenzudrücken und den
Rauch tunlichst rasch vom Lokomotivführer-
stand zu beseitigen, was allerdings infolge
vermehrter Widerstände größeren Kraftauf-
wand, daher Mehrkosten bedingt. Da die Luft-
geschwindigkeit im Tunnel auch im Interesse
der darin tätigen Arbeiter 2 — 4 /«/Sek. selten
überschreitet, also geringer ist wie in der
Regel die Zugsgeschwindigkeit, so würde auch
bei gleichgerichteter Bewegung der Luft und
des Zuges im Tunnel eine Rauchbelästigung
vermieden werden können. Da das aber nicht
immer gesichert ist, so dürfte doch in der
Mehrzahl der Fälle das Eindrücken der Luft
der Zugrichtung entgegen trotz der hierdurch
bedingten Mehrkosten vorzuziehen sein. Am
wirksamsten und sichersten würde die Lüftungs-
anlage sich gestalten durch Anordnung von
Lüftern an beiden Tunnelmündungen, die zum
Drücken und Saugen eingerichtet und so zu
betreiben sind, daß nach Bedarf von der einen
Seite gedrückt, an der andern gesaugt wird
und umgekehrt, wobei allen Verhältnissen
Rechnung getragen werden kann. Ob durch
die hierbei mögliche Kraftersparnis die immerhin
nicht geringen Mehrkosten der Doppelanlage
aufgewogen werden, wäre im einzelnen Fall
zu prüfen. Als Lüfter werden in der Regel
Schleudergebläse (Zentrifugalventilatoren) der
Bauweisen Guibal, Pelzer, Rateau u.a.m.,
namentlich Capell, gebraucht.
fl^Die Lüftung mit Mündungs ver-
schlussen. Die Luft wird von dem an den
Tunnelmündungen aufgestellten Gebläse durch
Querkanäle unmittelbar in den Tunnel gedrückt
oder aus diesem angesaugt. Um das Entweichen
der nahe der Mündung in den Tunnel ge-
drückten Luft zu verhindern, wird die Mün-
dung während des Betriebs des Lüfters ge-
schlossen, was durch Tore oder besser durch
leichte und bewegliche Vorhänge, die für den
Eisenbahnbetrieb gefahrlos sind, geschehen
kann. Durch selbsttätige Signale wird der Zu-
stand angezeigt, in dem die Verschlußeinrich-
tungen sich befinden.
Es ist zweckmäßig, den Luftzuführungskanal
von den Lüftern nach dem Tunnel bei ge-
öffnetem Vorhang durch Klappen zu schließen,
da sonst bei nicht abgestellten Lüftern die Luft
durch die benachbarte Mündung mit großer
Geschwindigkeit entweicht, was Überlastung
Tunnellüftung.
43S
des Motors und unangenehmen Luftstrom zur
Folge hat. Die verwendeten Vorhänge bestehen
aus getränktem Segeltuch, das in Eisenrahmen
gefaßt ist; bei richtiger Anordnung können sie
auch auf der Höhe der Schienen annähernd
dicht anschließen, so daß Luftverluste ziemlich
vermieden werden können. Das Heben und
Senken der Vorhänge kann von Hand oder
maschinell erfolgen. Die an einer Mündung
eingedrückte Luft durchströmt den Tunnel und
entweicht an der entgegengesetzten Mündung.
Auch können an dieser Mündung Sauglüfter
und Vorhangverschluß zur Unterstützung des
Drucklüfters an der ersten Mündung ange-
ordnet werden.
Eine Anlage dieser Art, wie sie im 8565 in
langen eingleisigen Grenchenbergtunnel
(Schweiz) ausgeführt ist, zeigt Abb. 4SI u. 4S2.
Seite in Brig erstellt, auf der Südseite fallen
Lüftungsanlagen, daher auch die Vorhänge fort.
Als größter Luftbedarf wurde für jeden der
beiden eingleisigen Tunnel 90 /«^/Sek. fest-
gesetzt, was eine Luftgeschwindigkeit von
3-4 /«/Sek. ergibt. Es wurden 2 Lüfter von
Sulzer von 180 m?jStk. Fördermenge bei
\?>Q mm Wassersäule Pressung so aufgestellt,
daß beide Lüfter hintereinander auf Druck ge-
schaltet werden können. Auch im 14.536 m
langen zweigleisigen Lötschbergtunne!
(s. Bd. VII) wurde eine Lüftungsanlage mit
Vorhängen angeordnet.
Die Vorteile der Lüftungsanlagen mit Vor-
hängen bestehen in dem günstigen Wirkungs-
grad und den niedrigen Erstellungskosten,
dagegen ist als Nachteil anzusehen, daß die
Lüftung nur bei geschlossenem Vorhang wirk-
sam ist, dieser besonders bedient
und mit einer Signaleinrichtung ver-
bunden sein muß und infolge des
häufigen Öffnens und Schließens
des Vorhangs bei stärkerem Ver-
kehr Unterbrechungen und Störun-
gen eintreten.
b) Die Lüftungsanlage des
Ingenieurs Saccardo wirkt als
Abb. 482.
An gemeinsamer Welle befinden sich 2 Lüfter Z.
mit einseitigem Einlauf, die eine Betriebskraft
von 50 PS. benötigen und durch einen 100 PS.
starken Elektromotor angetrieben werden. Sie
liefern 75 /«^/Sek. bei einem Druck von 30 mm
Wassersäule und einer Normalgeschwindigkeit
der einziehenden Luft mit 3 /«/Sek. Der be-
wegliche Vorhang V befindet sich unmittelbar
an der Tunneimündung. Der Luftkanal C kann
bei geöffnetem Vorhang durch eine Klappe K
geschlossen werden. Der Vorhang wie die
Klappe werden durch Elektromotoren bewegt.
Die Gesamtkosten der Lüftungsanlage werden
mit 124.000 Fr. angegeben. Im seinerzeit ein-
gleisigen, rd. 20.000m langen Simplontunnel
(s. Bd. IX) waren nach der alten Anordnung
beide Tunnelmündungen mit Vorhängen ver-
sehen; hierbei erfolgte das Eindrücken der Luft
auf der Nordseite (Brig) und das Ansaugen
auf der Südseite (Iselle). Die neue Anlage für
beide eingleisige Tunnel wurde auf der Nord-
Abb. 4S3.
Strahlgebläse oder, wie der Erfinder sagt, als
Stoßmaschine (s. Abb. 483). Die seitwärts
der Tunnelmündung M angeordneten Lüfter
(Schleudergebläse) drücken Luft in eine um
den Tunnelquerschnitt in der Nähe der Mün-
dung M ringförmig angeordnete Luftkammer L
und aus dieser durch Düsen D, deren Öffnungs-
weiten und Winkelgrößen den jeweiligen Ver-
hältnissen anzupassen sind, daher letztere auch
verstellbar eingerichtet werden, in den Tunnel.
Für eingleisige Tunnel können Luftkammer
und Düsen unter dem Gleis weggelassen
werden, wodurch die brückenartige, kostspielige
Anordnung vermieden wird. Die aus den Düsen
tretende Luft stößt auf die Luftsäule im Tunnel
und setzt diese mit der Düsenluft in Bewegung
durch den Tunnel bis an die Mündung der ent-
gegengesetzten Seite. Unter gewissen Bedin-
gungen erleidet die aus den Düsen kommende
Luft beim Stoß auf die Tunnelluft einen Rück-
stau, so daß Luft, nachdem sie nützliche Arbeit
28*
436
Tunnellüftung.
geleistet hat, unmittelbar durch die naheliegende
Tunnelmündung zurückfließt. Durch Regelung
Abb. 4S4.
Abb. 485.
des Luftdrucks, der Bauart und Abmessungen
der Düsen kann der Rückstau eingeschränkt
oder in das Umgekehrte, also in ein Einsaugen
von Luft durch die Mündung in den Kegel der
Düsenluft, verwandelt werden. Es werden in der
Regel Windgeschwin-
digkeiten im Tunnel von
2 — 6 /«/Sek. eingehalten.
Die natürliche Luftbe-
wegung soll tunlichst
unterstützt werden. Im
Interesse der Krafter-
sparnisse, also nament-
lich dort, wo Wasser-
kräfte nicht oder unzu-
reichend zur Verfügung
stehen, kann die An-
ordnung von Anlagen
an beiden Mündungen
zweckmäßig sein, auch
derart, daß diese An-
lagen nicht nur zum
Drücken, sondern auch
zum Saugen eingerichtet
werden, weil in diesem
Fall dem natürlichen
Luftzug nicht entgegen-
gearbeitet, sondern die-
ser unterstützt werden
kann. Bei einseitigen An-
lagen mit Druckwirkung
wird diese in steigenden
Tunneln vielfach an der
oberen Mündung ange-
ordnet, um die Luft dem
aufwärts fahrenden Zug
entgegenzudrücken. Wie
weit dies zweckmäßig
ist, wurde bereits oben
bei Lüftungsart, 2a] be-
sprochen.
Diese Lüftungsart
wurde zuerst an dem
2725 m langen einglei-
sigen Prachiatunnel der
Appeninenbahn (Bolog-
na-Pistoja), dann an
mehreren anderen, auch
größeren zweigleisigen
Tunneln in Italien, an
dem zweigleisigen Gott-
hard- und Moiit-Cenis-
Tunnel, auch am Arz-
weiler- und Cochem-
tunnel (unzureichend),
schließlich an den zwei-
gleisigen Tauern- und
eingleisigen Dössentun-
nel der österreichischen Alpenbahnen sowie an
einigen Tunneln in Frankreich und Nord-
amerika ausgeführt.
ty^.t
Tunnellüftung. Tunnelsignale.
437
Die Anlage am zweigleisigen 8550 m langen
Tauerntunnel, (s. Bd. IX,) zeigen Abb. 484
bis 487. Als Lüfter werden 2 Schleuder-
gebläse Bauart Capell verwendet, wovon das
eine zur Aushilfe dient. Sie sind für eine
größte Fördermenge von 260 m^jSek. gebaut.
Die Flügelräder haben 5'5 m Durchmesser
und 2 m Breite. Für die Grenzleistungen von
3 — 6 /«/Sek. Luftgeschwindigkeit ist ein Kraft-
bedarf von 250-1100 PS. erforderlich.
Der Antrieb geschieht durch Gleichstrom-
motoren. Die Wasserkraft des Mallnitz-
baches bei Lassach erzeugt Drehstrom
von 5000 Volt, der im Maschinenhaus
des Tunnels in Gleichstrom von 250
bis 500 Volt umgewandelt wird. Die
Anlage befindet sich an der höher ge-
legenen südlichen Mündung des Tunnels,
um die Luft dem in der Steigung von
\0% aufwärts fahrenden Zug entgegen-
zudrücken. Die Vorteile der Lüftungsart
Saccardo bestehen in der Vermeidung
von Tor- oder Vorhangseinbauten, wo-
durch die störenden Unterbrechungen
und Bedienungen vermieden werden,
gegenüber der Lüftungsart 1 in der Fort-
lassung von Schächten, die nur bei nicht
zu großen Tiefen und im günstigen Ge-
birge vorteilhafte Anordnungen ermög-
lichen; dagegen ist der Wirkungsgrad
wie bei allen Strahlgebläsen gering, auch
ist bei starker Gegenströmung der Luft
im Tunnel die Anlage mit den bisherigen
Formen und Abmessungen kaum aus-
reichend; zweiseitige Anlagen erfordern
hohe Erstellungskosten. In dieser Richtung
sind noch Verbesserungen möglich. Im
Eisenbahnbetrieb hat allerdings die Lüf-
tungsart Saccardo bisher die häufigste
Verwendung gefunden.
Literatur: Heine, Tunnellüftung während
des Eisenbahnbetriebes. Bulletin d. Int. Eis.-
Kongr.-Verb. 1900. - Klodic v. Sabladoski,
Studie betreffend künstliche Lüftung des Qott-
hardtunnels. Aus dem Italienischen. Ancona
18Q9. - Kern mann, Über Lüftung von
Tunneln. Ztg. d. VDEV. 1900. - Hannak,
Tunnelbau, in Geschichte der Eisenbahnen
Österreichs. Teschen 1909. - Aerotion des
Souterrains. Ann. d. ponts 1909. - Schubert,
Lüftung im Tunnelbau. Weida 1912. - Schumann,
Die Tunnelluftanlagen der Tauernbahn. Ztschr. dt.
Ing. 1915. - Rothpletz, Die Ventilationsanlage
des Simplontunnels. Schwz. Bauztg. 1 91 9. - W i n k 1 e r.
Die Eisenbahntunnel der Schweiz. 1915. - Wies-
mann, Künstliche Lüftung im Stollen- und Tunnel-
bau sowie von Tunneln im Betrieb. Zürich 1919.
- Lucas, Der Tunnel. Berlin 1920. Dolezalck.
Tunnelsignale (tannel Signals ; signatix de
tiinnel; scgnali di galleria) zur Deckung der
Züge während der Fahrt im Tunnel sowie
Enzyklopädie des Eisenbahn«esens. 2. Aufl. IX.
zur Verständigung der Tunnelwärter und Ar-
beiter untereinander und mit den nächstgele-
genen Stationen.
In der Regel ist die Bestimmung getroffen,
daß sich in einem Tunnel nie 2 oder mehr
Züge gleichzeitig hintereinander bewegen dür-
fen, weil die Züge zur Tageszeit für kleinere
Tunnel keine Nachtsignale haben, diese aber
in größeren Tunneln, wo sie vorgeschrieben
Lultkanal zimVeniilaior
I
Abb. 486.
rih r „
Abb. 487.
sind, infolge des Rauches leicht übersehen
werden können.
Für kleinere Tunnel genügt es, die Austeilung
der Blockposten so zu treffen, daß der Tunnel
ganz in eine Blockstrecke zu liegen kommt;
damit ist die Einfahrt eines Zuges in diese
allenfalls noch besetzte Blockstrecke verhindert.
Solche kürzere Tunnel bedürfen dann keiner
besonderen Signaleinrichtungen. Es genügt die
Beleuchtung der Kilometer- und Hektometer-
zeichen sowie der Neigungszeiger. An beson-
29
438
Tunnelsignale. — Tunnelvermessung.
ders wichtigen Gefällsbrüchen wird es sich
überdies empfehlen, Rasselwerke aufzustellen.
Bei langen Tunneln wird es zweckmäßig
sein, sie als eine besondere Blockstrecke zu
betrachten und an beiden Eingängen eigene
Blockposten zu errichten. Überdies erheischt
aber die Sicherheit des im Tunnel beschäftigten
Personals, dieses vom Verkehr der Züge zu
verständigen und ihm die Möglichkeit zu bieten,
sich untereinander sowie mit den nächstgelegenen
Bahnhöfen in Verbindung setzen zu können.
Dies erfordert die Anbringung zahlreicher
Glockensignale und Telephonstellen im Tunnel.
Die Telephone werden am besten in den
größeren Tunnelnischen untergebracht.
Die Anlage von Blockposten im Innern lan-
ger Tunnel ist nicht immer günstig. Sie er-
scheint bei elektrischem Betrieb der Bahn
weniger bedenklich und läßt sich bei Unter-
grundbahnen nicht vermeiden.
Im Simplontunnel ist eine Blockstation vor-
handen, ebenso im neuen Hauensteintunnel.
Liegt ein Bahnhof so nahe an der Tunnel-
mündung, daß das Einfahrtssignal nicht in der
vorgeschriebenen Entfernung vom Einfahrts-
wechsel außerhalb des Tunnels angebracht
werden kann, so muß es in den Tunnel ver-
legt werden. In diesem Fall kann das Ein-
fahrtssignal nur als Nachtsignal ausgebildet
und muß so gebaut werden, daß es sich den
beschränkten Raumverhältnissen anpaßt, jedoch
hinreichende Lichtwirkung besitzt.
Vielfach wird heute in solchen Fällen von
Blinklichtsignalen Anwendung gemacht.
Da Holz und Eisen in den Tunneln rasch
zu gründe gehen, empfiehlt es sich, bei der Her-
stellung der T. diese Baustoffe tunlichst zu
vermeiden und sie durch Messing, Kupfer,
Hartbronze und Hartgummi soweit als mög-
lich zu ersetzen. Ferner muß, der nachteiligen
Einflüsse der zumeist sehr feuchten Luft wegen,
auf guten Abschluß aller Apparate nach außen
hin sowie auf sorgfältige Isolierung aller Lei-
tungen und Verbindungsteile gesehen werden.
Tunnelvermessung, Für den Tunnelbau
ist die Angabe der Mundlöcher und der
Richtungen der Achsenlinie und das Ansteigen
erforderlich, damit der Gegenortsbetrieb ein-
gerichtet werden kann. Manchmal sind auch
noch Betriebsschächte anzugeben, die von der
Erdoberfläche aus abgeteuft und als neue Aus-
gangspunkte für den Tunnelstollen angesetzt
werden sollen, oder Luftschächte, die sowohl
abgeteuft als aufgebrochen werden. Beim Vor-
treiben der Stollen ist die Achsenrichtung jeweils
vor Ort anzugeben und von Zeit zu Zeit sind
Prüfungen über den Verlauf der ganzen auf-
gefahrenen Strecke vorzunehmen. Nach erfolgtem
Durchschlag ist die Achse zweckmäßig aus-
zugleichen. Bei Verdrückungen sind auch Quer-
profilmessungen auszuführen.
Die Hauptmessungsarbeiten über Tag be-
stehen in den Angaben der Achsenrichtung an
den Tunnelenden und des Höhenunterschieds
beider Eingänge. Der Höhenunterschied wird
meist vorläufig weniger genau durch trigono-
metrische Höhenmessung, darauf genauer durch
ein geschlossenes Nivellement ermittelt. Die
Achsenrichtung wird nur in einzelnen Fällen
durch unmittelbare Angabe über Tage möglich
sein. Manchmal ist die Messung eines stark
gestreckten Polygonzugs möglich, bei dem die
Seitenlängen auf optische Art bestimmt werden
können ; die Achsenrichtung ist dann durch
seitliche Versetzung der Polygonpunkte nach
einfacher Rechnung zu erhalten. Zur optischen
Längenmessung ist das Tichysche Verfahren
mit wagrechter Latte, deren Ablesung an verti-
kalen Distanzfäden den Logarithmus der schiefen
Länge angibt, auch der Streckenmeßtheodolit
nach Werkmeister oder nach Pulfrich bei
wagrechter oder der Hohennersche Präzisions-
distanzmesser bei lotrechter Latte eingerichtet.
Die Zentrierfehler quer zur Achsenrichtung sind
möglichst klein zu halten ; bei kurzen Zug-
seiten verwendet man Zwangszentrierung oder
Kollimatorenstellung oder, wo angängig, einen
entfernteren bekannten Zielpunkt. Ist ein der
Achsenrichtung angepaßter Streckenzug nicht
durchführbar, so legt man den Zug so, daß
man gut meßbare, möglichst lange Seiten erhält,
die mit abgeglichenen 5-/w-Holzlatten mit
Schneidenenden bei Verwendung des Grad-
bogens schief gemessen werden. Dieser Strecken-
zug wird dann in einem beliebig gewählten
Koordinatensystem berechnet. Aus den Koordi-
naten der Endpunkte in der Tunnelachse ergibt
sich die Länge ihrer Verbindungslinie und ihre
Richtung in dem Koordinatensystem. Die Unter-
schiede dieser Schlußrichtung gegen die Rich-
tungen der Anschlußseiten sind die Abgabe-
winkel für die Achsenrichtung.
Wird der Tunnelstollen auch von Zwischen-
punkten in Angriff genommen, so sind über
Tage die Ansetzpunkte für die Betriebsschächte
anzugeben ; nach Abteufen und der Abseigerung
bis auf die Tunnelsohle ist durch diese Schächte
die Stollenrichtung durch Schachtlotung einzu-
bringen.
Der Absteckung langer, durch mächtige
Gebirgsstöcke gehender Tunnel muß eine
Dreiecksmessung zu gründe gelegt werden (vgl.
Triangulation). Da diese Tunnel in der Haupt-
sache meist geradlinig geführt werden, wird
man die Dreiecksmessung dieser Richtung an-
passen, indessen die Dreieckspunkte der Landes-
Tunnelvermessung.
439
Vermessung nach Möglichkeit miteinbeziehen.
Soll der Bau bald folgen, so genügt für die
ersten Baumonate schon eine flüchtige Triangu-
lierung, die die TunneJrichtung auf etwa I'
sicherstellt. Eine damit verbundene trigono-
metrische Höhenmessung ergibt den Höhen-
unterschied innerhalb weniger dm richtig, wenn
sie in Hinsicht auf die Refraktion sachgemäß
durchgeführt wird. Die nachfolgende genauere
Höhenbestimmung, die innerhalb weniger cm
richtig sein muß, ist durch ein Feinnivellement
meist um den Gebirgsstock herum in ge-
schlossener Schleife auszuführen. Man befolgt
die Regeln für Feineinwägungen. Möglichst
gleiche Zielweiten, nicht über 50 m, Instrument
mit starker Fernrohrvergrößerung und empfind-
licher Libelle. Latte mit Yg-^^^'^eilung. Einstel-
lungauf Feldesmitte und Ablesung des Libelien-
standes bei flüchtiger Längenbestimmung. Aus-
reichend genau sind auch die Nivellierinstru-
mente nach Wild von Zeiß, die ein rascheres
Arbeiten bei einspielender Libelle gestatten.
Wegen gelegentlich kurzer Zielweiten wird man
die Latte auch mit einer 2-OTOT-Teilung versehen.
Für die Winkelmessung ist maßgebend, daß
meist 1 m Querfehler beim Durchschlag zu-
lässig ist, wovon aber bei langen Tunneln nicht
viel mehr als die Hälfte auf die Fehler der
Ausgangsrichtungen an den Tunnelenden
kommen darf, da die Fehler der Stollen-
messungen dazukommen. Die aus der Dreiecks-
messung hervorgehenden Richtungsangaben für
die Absteckung müssen also auf einige Sekunden,
bei lOÄOT Durchschlagslänge schätzungsweise
auf + 6" sicher sein. Für geradlinige Tunnel
ist ein Längenfehier von 3 m noch erträglich.
Die Längenmessung im Tunnel erfolgt wie über
Tage mit abgeglichenen 5-/«-Schneidelatten und
Gradbogen. Die verhältnismäßig weite Fehler-
grenze läßt die Form von stark spitzwinkligen
Dreiecken in Richtung des Tunnels zu. Diese
Form wurde von Tichy für die Tunnelmessungen
der zweiten Linie von Wien nach Triest be-
vorzugt, weil bei nicht allzu weit auseinander-
gehenden Zielstrahlen eine gleichmäßigere
seitliche Refraktion zu erwarten ist und deshalb
die Winkelfehler kleiner werden. Wenn bei der
Tunneltriangulation im Vergleich zur Großdrei-
ecksmessung auch keine allzu genaue Winkel-
messung erforderlich ist, so ist doch große
Sorgfalt nötig, weil die äußeren Umstände im
Gebirge besonders ungünstig sind. Haupt-
sächlich die Ungleichheit der Luftverhältnisse
beim Übergang vom Gebirgskamm ins Gebirgs-
tal bringt eine Unsicherheit in den Gang der
Lichtstrahlen, die eine übergroße Winkelmeß-
genauigkeit nutzlos macht; wegen dieser Un-
sicherheit ist die Winkelmessung der großen
Dreiecke nur zu günstiger Witterungs- und
Tageszeit - nachmittags an Tagen mit leicht
bewegter Luft - auszuführen. Statt der ein-
maligen Messung mit hoher Sätzezahl sind
zeitlich auseinanderliegende Wiederholungs-
messungen angezeigt. Eine Verkleinerung der
Widersprüche der Winkelsumme in einzelnen
Dreiecken durch Berechnung der Lotstörungen
bei der Annahme gleichmäßiger Gesteinsdichte
hat Rosenmund bei der Dreiecksmessung für
den Simplontunnel erhalten. Beim Lötschberg-
tunnel wurden von Baeschlin die transversalen
Komponenten der Lotablenkungen in Rechnung
gezogen, die rechnerisch in der Tunnelmitte
einen Querfehler von 3 dm erzeugt hätten.
Auch die gekrümmte Form der Tunnelachse
als geodätische Linie auf dem Erdeilipsoid hat
Baeschlin berücksichtigt.
Die aus der Dreiecksmessung berechnete
Länge der Endsignale an den Tunnelausgängen
ist auf die stark abgerundete Tunnelhöhe als
Vermessungshorizont zu reduzieren. Außer den
durch festfundierte Pfeiler zu Instrumenten-
ständen hergerichteten genannten Endsignalen
sind nach vor- oder rückwärts in den Vertikal-
ebenen durch die Tunnelachse einige Ziel-
marken, Miren, festzumachen, die zur Festhaltung
der Richtungen der Tunnelachse und zur Ab-
steckung dieser Achse in den Stollen hinein
dienen. Von ihnen aus erfolgt auch die durch-
laufende Übertagabsteckung der Tunnelrichtung,
die zwar für die Bauarbeiten nicht nötig ist,
aber bei dem großen Arbeitswerk eine erwünschte
durchgreifende Probe gibt. Die Absteckung
der vorzutreibenden Stollen geschieht zunächst
von den Endpfeilern aus, bei geradlinigem Vor-
trieb aus den Zielmarken durch Verlängerung
der Achslinie mittels eines Absteckinstruments
in beiden Fernrohrlagen. Gehen nur die End-
stücke des Tunnels in Bogen, so treibt man
Richtstollen für die Hauptrichtung. Sind dann
einige hundert Meter der Stollen aufgefahren,
so verlegt man den Hauptausgangspunkt der
Absteckung erst in den Richtstollen, später aber
fortschreitend tiefer in den Stollen hinein.
Dadurch wird man bei der Absteckung von
der Tageshelle frei und vermindert den fehler-
haften Einfluß der seitlichen Refraktion. Man
hat nur immer durch übergreifende Messungen
ausreichende Proben zur Feststellung von Eigen-
bewegung einzelner Achsenfestpunkte oder einer
Anzahl solcher Punkte durch Schollenver-
schiebung vorzunehmen. Alle hundert Meter legt
man Achsenpunkte fest, dabei in Yj ^'^ E"*"
fernung Hauptpunkte, etwa durch quergestellte
Klammern mit Kerbe oder Korn auf Beton-
klötzen in der Sohle oder im festen Gestein
an der First. Bei geradliniger Achse werden
29«
440
Tunnelvermessung. Übergabegleis.
diese Punkte durch Verlängern und mehrfaches
Einweisen in beiden Fernrohrlagen bei tele-
phonischer Verbindung bestimmt, wobei für die
Messung durch geeignete Vorrichtung eine seit-
liche Verschiebung bei der Auswechslung von
Signal mit Instrument auf den Übergangs-
punkten unmöglich gemacht ist. Für die Ab-
steckung der Stollenachse beim Gotthardtunnel
hat Dolezalek vereinfachte und leicht zu hand-
habende Apparate angegeben, die sich gut be-
währt haben. Die Platte auf dem Universalstativ
gestattet das sichere Auswechseln von Signal
und Instrument, sie ist nur quer zur Achsen-
richtung verschiebbar und wird durch eine
seitliche Klemmvorrichtung, die zugleich zum
Abloten des Mittelpunkts der Platte eingerichtet
ist, festgestellt. Für Bogenabsteckung eignet sich
die Breithauptsche Steckhülsenvorrichtung und
die Freiberger Aufstellung. Man wird einen
ungefähr der Achse folgenden Streckenzug ab-
stecken und die Achsenpunkte auf diesen Zug
einrechnen. Ebenso kann man bei geradliniger
Achse verfahren, wobei die grob eingewiesenen
Signalpunkte auf Grund scharfer Winkel- und
flüchtiger Längenmessung nach Rechnung seit-
lich zu verschieben sind. Von Zeit zu Zeit
werden an Feiertagen nach genau mit der Bau-
leitung verabredetem Plan bei völlig ruhendem
Betrieb und nach guter Durchlüftung des
Stollens Hauptabsteckungen vorgenommen.
Einmal im Jahr erfolgt von außen her eine
etwa 2 Tage dauernde große Nachmessung, bei
der Längenmessung, Nivellement und Richtungs-
messung mit gutgeschultem Personal nach einem
bis ins einzelne festgelegten Plan gut verteilt
auszuführen ist. Bei der Richtungsabsteckung
sucht man wegen der Umständlichkeit und der
seitlichen Lichtbrechung nicht mehr möglichst
lange Sichten von außen her in den Tunnel
hineinzubringen, sondern nimmt alle halbe
km oder wie es die Sichtigkeit der Orubenluft
sonst zuläßt, Umsteilungspunkte für das Ab-
steckungsinstrument auch bei geradlinigem
Tunnelverlauf. Nachstehend sind die beim
Durchschlag einiger Tunnel gefundenen Schluß-
fehler angegeben :
Tunnel
Gotthard .
Simplon .
Lötschberg
Albula . .
Tauern . .
Karawanken
Wocheiner
Bosruck .
Länge
km
15
20
14
6
9
8
6
5
Quer-
fehler
0-33
0-20
0-26
005
0-05
002
0-05
0-15
Höhen-
fehler
005
0-09
0-10
0-05
006
0-03
002
003
Längen-
fehler
7-6
0-8
0-4
11
0-3
0-4
0-8
0-2
Für die Tunnelvermessungen lassen sich wohl
allgemeine Gesichtspunkte, nicht aber fest-
stehende Regeln angeben. Die äußeren Verhält-
nisse sind so verschieden, daß für jeden Tunnel
eine Sonderaufgabe der Vermessung vorliegt,
die eine eigene Lösung verlangt.
Literatur: Dolezalek, Hilfsmittel für die
Richtungsangabe im Ootthard-Tunnel. Ztschr. d.
Hannoverschen Arch. u. Ing.-Vereins 1878; Der
Durchschlag und die Richtungsbestimmung im Gott-
hard-Tunnel. Ebenda ISSO.— Koppe, Die Absteckung
der Achse im Gotthard-Tunnel. Bd. XXII, Nr. 8 der
„Eisenbahn" 1880. — Rosenmund, Spezialbericht
der Direktion der Jura-Simplonbahn über den Bau des
Simpion-Tunnels. I. Teil, 1901. Auch Ztschr. f. Ver-
mess.-Wesen 1902; Wahrnehmungen bei den Rich-
tungskontrollen am Simplon-Tunnel. Schvcz. Bauztg.
1902, Bd. XL. — Gast, Über Luftspiegelungen im
Simplon-Tunnel. Ztschr. f. V'ermess.- Wesen 1904. —
Baeschlin, Über die Absteckung des Lötschberg-
tunnels. Schwz. Bauztg. 1911, Bd. L\'1I1. - Tichy,
Rationelle Vorgänge der Absteckung bedeutend langer
Eisenbahntunnels. Ztschr, d. Österr. Ing.-V. 1914.
Nr. 47 — 52 ; Das optische Längenmessen nach logarith-
mischer Methode. Ebenda 1913, Nr. 43-45. -
Hohenner, Der Hohennersche Präzisionsdistanz-
messer. Darmstadt 1919. - Wild, Neues Nivellier-
instrument. Ztschr. f. Instrumentenkunde 1909, H. 11.
- Fuhrmann, Photographischer Lotapparat. Mitt.
a. d. Markscheidewesen 1901, H. 3. - Wilski,
Über einige neuere Schachtlotverfahren. Mitt. a. d.
Markscheidewesen 1914. — ;Schuhmann, Lotstö-
rungen und ihre Anwendung bei Tunnelabsteckungen.
Österr. Ztschr. f. Verm.-Wes. 1917. Haiißmann.
u.
Übergabebahnhöfe s. Übergabegleise.
Übergabegleis (ckiivcry line; voie de sortie
ou de transbordement ; binario di transbordo),
Gleis zum Aufstellen der an eine andere Ver-
waltung oder Betriebsstelle zu übergebenden
beladenen oder leeren Wagen (s. Bahnhöfe
u. Anschlußbedienung).
Solche U. werden namentlich an solchen Stellen
erforderlich, wo die Bahnnetze zweier Eisenbahn-
verwaltungen aneinanderstoßen, ohne daß dort ein
Gemeinschaftsbahnhof mit vollständiger Betriebs-
gemeinschaft angelegt wäre, d. h. wo entweder jede
der beiden Eisenbahnverwaltungen einen besonderen
Bahnhof besitzt oder wo zwar ein Gemeinschafts-
bahnhof vorhanden ist, die Betriebsgemeinschaft aber
für gewisse Betriebszweige, zwischen denen Wagen
zu übergeben sind, gar nicht oder nicht vollständig
durchgeführt ist, so z. B. schon dann, wenn die den
Qemeinschaftsbahnhof der Eigentumsbahn mit-
benutzende Bahn eigene, von ihr selbst betriebene
Ortsgüteranlagen besitzt. Die Ü. werden in der Weise
benutzt, daß die eine Verwaltung die zu über-
gebenden Wagen in die Ü. hineinsetzt, die andere
sie herausholt. Da in der Regel Wagen in beiden
Richtungen zu übergeben sind, so empfiehlt es
sich, in der Regel hierfür mindestens 2 Ü. an-
zuordnen. Wo sonst der Betrieb der beiden Bahn-
netze hinsichtlich des Güterverkehrs vollständig
übergabegleis. - Übergabezug.
441
getrennt ist, werden nur die Ü. von den Lokomotiven
beider Bahnvervcaltungen befahren.
Ü. sind ferner an solchen Stellen erforderlich, wo
•ein nicht im eigenen Betrieb der Eisenbahn be-
findlicher Hafen, eine Zeche, eine industrielle Anlage,
ein Steinbruch u. s. w. an die Eisenbahn angeschlossen
ist. Nur bei ganz kleinen Anschlüssen begnügt man
sich oft damit, daß die Bahnverwaltung die zu über-
gebenden Eisenbahnwagen unmittelbar in das An-
schlußgleis hineinsetzt und die zu übernehmenden
Wagen aus diesem wieder herausholt. Bei allen
größeren Anlagen empfiehlt es sich schon, um die
Haftung genau zu begrenzen, eigentliche Ü. vor-
zusehen, in die die Eisenbahn die Wagen hineinsetzt
imd aus denen die angeschlossene Anlage sie heraus-
holt, und umgekehrt. Bisweilen verbinden sich mehrere
angeschlossene Anlagen zu einer Betriebsgemeinschaft,
mit gemeinsamen Ü. Wo die angeschlossenen Anlagen
sehr groß sind, wachsen sich die Ü. zu einem ganzen
Bahnhof, einem Übergabebahnhof, aus, in dem die
angeschlossene Anlage die übernommenen Wagen
für ihre Ladestellen ordnet und in dem bisweilen
auch eine Verordnung der an die Eisenbahnverwaltung
zurückzugebenden Wagen stattfindet.
Mit dem Namen Ü. belegt man schließlich auch,
nicht sehr glücklich, Gleise innerhalb eines Verschiebe-
bahnhofs, die dazu dienen, Eisenbahnwagen vorüber-
gehend aufzunehmen, die dann von ihnen aus nach
«iner andern Stelle des Bahnhofs oder nach einem
andern Bahnhof oder Bahnhofsteil derselben Eisen-
bahnverwaltung überführt werden sollen. Solche
Bezeichnung kommt z. B. vor bei Gleisen für Wagen,
die beim Verschiebegeschäft für die Ortsgüteranlagen,
für eine Umladebühne, für die Werkstätte ausgesondert
^verden, ferner auch bei Richtungsgleisen für sog.
Umkehrwagen, die auf einem 2seitigen Verschiebe-
bahnhof zuerst bunt ausgesondert werden, um dann
auf die andere Bahnhofseite übergeführt zu werden,
•wo sie zusammen mit den in entgegengesetzter Rich-
tung angekommenen Wagen endgültig geordnet
■werden (s. Verschiebebahnhöfe). Cauer.
Übergabezug (dcUvery train; train de
transbordemcnt ; trcno di transbordo), ein Zug,
der an der Grenze zweier Verwaltungs-, Eigen-
tums- oder Betriebsaufsichtsbezirke von einer
betriebsführenden Stelle an die andere über-
geben wird. Im Geltungsbereich der deutschen
Fahrdienstvorschriften werden allgemein auf
Hauptgleisen (s. d.) stattfindende Fahrten zur
Überführung von Wagen zwischen benach-
barten Bahnhöfen, nach den Anschlußgleisen
der Werkstätten und gewerblichen Anlagen
(s. Anschlußbahnen) Ü. genannt. Es ist erforder-
lich, durch diese Bezeichnung die Zugehörig-
l<eit der Fahrten zu den Zügen im Gegensatz
zu den beim Verschiebedienst vorkommen-
den Wagenbewegungen zum Ausdruck zu
bringen, um dem Grundsatz der deutschen
Signalordnung Geltung zu verschaffen, nach
dem bei Zugfahrten eine Bedienung der Haupt-
signale stattzufinden hat, während Verschiebe-
bewegungen unter dem Schutz der in Halt-
oder Ruhestellung befindlichen Hauptsignale
auf Grund besonderer Signale erfolgen sollen.
Ein Beispiel möge dies erläutern. Zwischen
2 Güterbahnhöfen eines Ortes findet auf
einem Verbindungsgleis die gegenseitige Zu-
führung von Wagen statt. Die zu dem Zweck
auszuführenden Fahrten können sowohl als
Verschiebebewegung als auch als Zugfahrten
behandelt werden. Im ersteren Fall ist das
Verbindungsgleis als Nebengleis anzusehen,
Hauptsignale dürfen nicht angewendet werden.
Die Obergabefahrten erfolgen auf Grund der
für den Verschiebedienst vorgeschriebenen
Signale. Diese Betriebsweise ist die einfachere,
aber auch die weniger leistungsfähige. Im
zweiten Fall rechnet das Verbindungsgleis zu
den Hauptgleisen, denn es wird von Zügen —
den Ü. — befahren. Für die Ein- und Ausfahrten
können Hauptsignale zur Anwendung kommen.
Da die Fahrten sich über den Bereich mehrerer
Aufsichts- oder Fahrdienstleiterbezirke er-
strecken, so wird durch ihre Behandlung als
Zugfahrten die gegenseitige Verständigung er-
leichtert und bei größerer Leistung eine höhere
Sicherheit erreicht.
Wenn die Ü. unter diesen Umständen auch
zu den Zügen zu rechnen sind, so ist es doch
nicht erforderlich, für ihre Beförderung die
sämtlichen für die eigentlichen Zugfahrten vor-
geschriebenen Bestimmungen im vollen Um-
fang zur Anwendung zu bringen. Bei den kurzen
Entfernungen, auf denen Ü. verkehren, kann in
der Regel die Mitführung eines Gepäckwagens
unterbleiben. Ferner genügt außer den auf der
Lokomotive befindlichen Signalmitteln die Bei-
gabe einer Schlußscheibe oder einer Schluß-
laterne. Die Aufstellung eines Fahrberichts
(s. d.) kann meistens unterbleiben, vielfach auch
die Führung von Wagennachweisungen. Eine
Vereinfachung des Dienstes kann häufig auch
dadurch erreicht werden, daß nicht Zugbegleit-
beamte (s. d.), sondern Bedienstete des Ver-
schiebedienstes der Bahnhöfe, auf denen die
Ü. gebildet oder aufgelöst werden, die Ü.
begleiten.
In erheblichem Umfang findet ein Verkehr
von Ü. auf großen Personenbahnhöfen statt,
wenn die Bildung und Auflösung der Personen-
züge nicht innerhalb der den eigentlichen Zug-
fahrten dienenden Bahnhofsanlagen stattfindet,
sondern wenn hierfür besondere Anlagen —
Abstellbahnhöfe (s. Bahnhöfe) — herge-
stellt sind. Diese werden getrennt betrieben,
sind besonderen Fahrdienstleitern unterstellt
und gegen den Personenbahnhof durch Ein-
und Ausfahrsignale abgeschlossen. Die Beför-
derung der Leerzüge, der Zug- und Verschiebe-
lokomotiven, der Post-, Eilgut- und sonstigen
Wagen zwischen Abstellbahnhof und den Bahn-
steiggleisen verursacht eine große Anzahl von
täglich wiederkehrenden Fahrten, die bei Ver-
einigung der Abstellgleise mit den Bahnsteig-
442
Übergabezug. Übergangsbogen.
gleisen zu einem Bahnhofsbezirk mit gemein-
samer Fahrdienstleitung unter den Begriff des
Verschiebedienstes fallen, die aber bei Trennung
der Bezirke oder Anlage besonderer Abstell-
bahnhöfe zu den Ü. rechnen und als Zug-
fahrten unter Anwendung der telegraphischen
Meldevorschriften für die Sicherung der Züge
und unter Bedienung der Blockwerke und der
Hauptsignale behandelt werden. Schon mit
Rücksicht auf die große Zahl der Fahrten ist
in diesem Fall die Anwendung der für Ü.
zugelassenen Erleichterungen von besonderer
Bedeutung. Je nach den örtlichen Verhältnissen
erstrecken sich diese auf vereinfachte Signal-
gebung an Spitze und Schluß der Ü., auf das
Schieben der Ü. ohne führende Lokomotive
sowie auf die Anwendung der Vorschriften
für den Verschiebedienst bei der Bremsbedie-
nung und Zugbegleitung. Breusing.
Übergabsverzeichnisse s. Güterabferti-
gung.
Übergangsbahnhöfe s. Bahnhöfe.
Übergangsbogen (curves of adjusteinent ;
courbes de raccordcment ; ciirve di raccordo)
werden zwischen geradem und gekrümmtem
Gleis oder zwischen anschließenden gleich-
gerichteten Gleisbogen (Korbbogen) zur all-
mählichen Herbeiführung dieser Richtungs-
änderungen eingeschaltet, um bei
den großen Fahrgeschwindigkeiten
die Betriebssicherheit zu erhöhen,
die Abnutzung
des Materials
,,-- --^^ (s. Schienenab-
nutzung) zu
verringern und
um schließlich
das Reisen
durch weitge-
hende Behe-
bung des
Stoßens und
Schleuderns
der Wagen an-
genehmer zu
gestalten,
ittlung der Richtungs-
änderung zwischen der Geraden und
dem Kreisbogen würde sich theore-
tisch jede krumme Linie eignen, die
in dem auf der Geraden liegenden
Anfangspunkt A (Abb. 488) und in
ihrem auf dem Kreisbogen befind-
lichen Endpunkt E die Gerade bzw. den Kreis-
bogen in zweiter Ordnung berührt, demnach
in A einen Wendepunkt mit dieser Geraden
als Wendetangente besitzt. Hieraus folgt, daß
^f
Abb. 488.
der Halbmesser o des Krümmungskreises im
Anfangspunkt des Ü. unendlich groß sein
muß und mit dem Fortschreiten auf dem Ü.
stetig abzunehmen hat, bis er in deren End-
punkt E den Wert R des Halbmessers des
anschließenden Kreisbogens erreicht.
Dieses Fortschreiten auf dem Ü. kann nun
in erster Annäherung in der Richtung der
wachsenden Abszissen gemessen werden und
führt, sobald die Gerade als Abszissenachse
und A als Ursprung eines rechtwinkligen
Koordinatensystems angenommen werden, zu
der grundlegenden mathematischen Beziehung
d?2_
1 dx->^ X
[■+©"]
7=
die ausdrückt, daß der Krümmungshalbmesser f>
in jedem Punkt des Ü. mit dessen Abszisse x
in umgekehrtem Verhältnis steht.
Es kann aber, was der Bewegung der Fahr-
zeuge im Kreisbogen besser entspricht, das
Fortschreiten in der Richtung der wachsenden
Sehnen s des Ü. oder, im Sinne einer voll-
kommen strengen mathematischen Auffassung
der Aufgabe, in der Richtung des wachsenden
Bogens b des Ü. gemessen werden, so daß
sich die weiteren Grundgleichungen
1
dx'
1
ergeben.
Max V. Leber hat eingehende Untersuchungen
über die aus diesen 3 Differentialgleichungen
hervorgehenden Kurven angestellt und sie als
Abszissen-, Sehnen- und Bogenradioide be-
zeichnet. Die Abszissenradioide (Abb. 48Q) be-
steht aus 2 übereinandergestellten ellipsenähn-
lichen Ovalen, deren Achsenverhältnis 1 : 0-5Q9O
beträgt, die Sehnenradioide (Abb. 490) ist die
bekannte Bernoullische Lemniskate, deren Achse
unter 45" gegen die Abszissenachse geneigt ist,
und die Bogenradioide (Abb. 491) ist identisch
mit der Clothoide, einer Spirale, die in unend-
lich vielen Windungen den symmetrisch ge-
legenen Punkten mit den Koordinaten
y=±\^
x=y=+\C
asymptotisch zustrebt. Wichtig ist nun die
Erkenntnis, daß im Bereich der praktischen
Verwertung dieser 3 Kurven als Ü., d. i. bis
zu einer Anomalie von ungefähr 9°, die Kurven
voneinander gar nicht abweichen, ja daß sich
sogar mit ihnen innerhalb dieser Grenze der
Übergangsbogen.
443
allgemein in Verwendung stehende Ü. deckt,
dessen Differentialgleichung aus jener der Ab-
szissenradioide durch Vernachlässigung der
ersten Ableitung hervorgeht, also wenn
rf.v=
X
c
gesetzt wird. Die zweimalige Integration gibt
dann x^
6 C
die Gleichung der kubischen Parabel. Damit
dürfte auch hinreichend erklärt sein, warum
Vorschläge, die die Einführung der Lemnis-
kate (Paul Adam in „Annales des Ponts et
Chaussees" 1895) oder der Clothoide(d'Ocagne,
ebenda 1902; in beiden Aufsätzen werden die
Absteckdaten für diese 0. berechnet) als Ü.
befürworten, keinen Erfolg haben.
Da die kubische Parabel in dem Punkt mit
den Koordinaten
x =y0-8 a- = 0-949741 . . "j/C und
y ^^y 0-032 C- = 0-130983. . yC
einen Scheitel mit dem kleinsten Krümmungs-
halbmesser
haltenem Mittelpunkt C der Kreishalbmesser R^
um den Betrag v vermindert wird.
Q = 2V5-0-66C2= 1-38991 1 . . VC
hat, so ergibt sich erstens, daß der Halb-
messer R des Kreisbogens den vorstehenden,
für jedes C zu berechnenden Grenzwert nicht
imterschreiten darf und daß zweitens, weil
beiderseits dieses Scheitels gleiche Krümmungs-
verhältnisse bestehen, ein oszillierender An-
schluß an einen Kreisbogen vor und nach
diesem Scheitel erfolgen kann. Im ersteren
Fall berührt der Ü. den Kreisbogen von außen,
im letzteren von innen.
Obwohl theoretisch beide Lösungen zulässig
erscheinen, wird tatsächlich nur von dem außen
berührenden Anschluß Gebrauch gemacht und
der innere mit einigen Abänderungen nur in
jenen seltenen Fällen verwendet, wo örtliche
Verhältnisse der nachträglichen Einschaltung
eines Ü. in bestehende Eisenbahngleise be-
sondere Schwierigkeiten bereiten. Hierüber
findet man eingehenden Aufschluß in dem
unten angegebenen Werk von Leber.
Unerläßlich ist für die Anbringung eines Ü.
mit äußerem Anschluß, daß zwischen der Ge-
raden und der zu ihr parallelen Tangente an
den Kreisbogen im Punkt G (Abb. 488) ein
Abstand v vorhanden ist, der entweder dadurch
gewonnen werden kann, daß bei beibehaltenem
Kreishalbmesser R der Bogen um den Betrag
WW^ ^ i; : cos y/j in der Richtung der Hal-
bierenden des Tangentenwinkels y nach innen
verschoben wird oder dadurch, daß bei beibe-
Da aus der Grundgleichung
daß die Abszisse für den Endpunkt t' des Ü.
— ^«
und somit bei der kubischen Parabel die Or-
dinate für E ^3 ^2 ^2
~ ()C~bR^~ 6R
sein muß, so rechnet sich der Abstand i-, wie
der Abb. 488 entnommen
werden kann, mit
V =yi— R(\ — cos l),
wobei I den Winkel be-
zeichnet, den die gemein-
schaftliche Tangente in E
an den Kreis und an die
kubische Parabel mit der
Abszissenachse einschließt,
für den die Beziehung
dy _ r~ _ J
dx~ 2C " 2R
besteht. Die zur Ordinate i'
gehörende Abszisse u liefert
die Formel
// = / — /? • sin '£.
Nur in jenen Fällen, in
denen der Winkel S so klein
ist, daß es gestattet ist, seine
trigonometrische Tangente
mit dem Sinus zu ver-
tauschen, kann, wie sonst
allgemein üblich,
/
Abb. 489.
tg'i--
Abb. 490.
Abb. 491.
gesetzt werden und weil
dann die Ordinate des
Punktes E bezogen auf die Kreistangente in G
angenähert gleich ist, so berechnet sich
8R
v mit
_ /2 _ /2 /^ _ 1
" "•'''"" 8R^ 6R 8/?"~
24
R
oder
1
■yi-
Die Berechnung der Konstanten C folgt aus
der Erwägung, daß die der größten Fahr-
geschwindigkeit V in km/Sid. und der Spur-
weite s entsprechende Schienenüberhöhung h
(s. d.) des äußeren Schienenstrangs über den
inneren am Endpunkt E des Ü. im vollen
444
Übergangsbogen.
Ausmaß erreicht wird und daß der Anstieg im
Anfangspunkt A des Ü. beginnend sich gleich-
mäßig auf eine solche Länge / verteilt, daß
das Steigungsverhältnis 1// in der Rampe inner-
halb der Grenzwerte / = 300 und / = 600 liegt.
Das Ausmaß der Schienenüberhöhung rechnet
sich nach der Formel
_ s-1/2 _ k
^ niR^ r'
somit muß die Länge des Ü. in der Abszissen-
achse gemessen
_ /Ä _ C
sein, woraus sich die Beziehung ableitet, daß
C = ik
anzunehmen ist, und schwankt demnach dieser
Wert zwischen 750 und 54.000, da k nach
der beim Art. Schienenüberhöhung enthaltenen
Tabelle (Bd. VIII, S. 334) zwischen den Werten
2-5 und 90 variiert. Leber empfiehlt für C die
Werte 750, 1500, 3000, 4500, 6000, 12.000
und 24.000, von denen die
ersten 5 für schmal- und voll-
spurige Lokalbahnen, die letzten
2 für Hauptbahnen fast alige-
mein Annahme fanden.
Bei Bogen von größerem
Halbmesser, etwa R > jV, C,
werden Ü. nicht mehr verlegt.
Wird z. B. C= 12.000 für
eine Hauptbahn angenommen,
so beträgt die Abszissenlänge
des Endpunktes E des Ü. für
einen Bogen mit
R=250m,l=y^^ = A„n,
250
die Bogenlänge L ^ AE =^
1 /■*
Hierbei ist der Anhaltspunkt des Ü. an die
Gerade der Ursprung des Achsenkreuzes und
die verlängerte Gerade die positive j;-Achse
(Abb. 4Q2).
Abb. 492.
C wird der nachstehenden Tabelle gemäß
bemessen:
Mindestfestziffer C.
Bogenhalbmesser
in m
R< 140
UQ<R< 200
200</?< 375
375<./?< 600
600</?< 800
800 </?< 1250
1250 <./?< 1750
1750 <./?< 2250
2250 <R< 4000
= /fl+— — 1= 48-044,
V ^40 C2/
der Winkel 1=5° 2Q' 0-9" und
demnach das Maß der Ver-
schiebung V = 0-392 m.
Nach den neuesten, vorläufig versuchsweise bei
den österreichischen Staatsbahnen in Verwendung
stehenden Vorschriften für die Ausführung der
Ü. werden folgende Formeln zu gründe gelegt.
": r\. ac^J
Fahrgeschwindigkeit in Am/Std.
K< 40 40 < V< 60 60 < K< SO
so:
anzustrebende Mindestfestziffer C
3000
9000
12.000
12.000
18.000
6000
15.000
24.000
30.000
36.000
42.000
48.000
54.000
60.000
6C
4C2.
a = / — Rsm (f.
2C'
Literatur: Helmert, Die Übergangskurven für
Eisenbahngleise. Aachen 1872. - Maximilian de
Leber, Calculs des Raccordements paraboliques
dans les traces de chemin de fer. Paris 18Q2; Ver-
ordnungsblatt des H.M. für Eisenbahn- und Schiff-
fahrt Nr. 102 und 131 vom Jahre 1890. - M. Pernt,
Tafeln zum Abstecken von Kreis- und Ü. mit Polar-
koordinaten und andere im Art. „Abstecken" ange-
führte Tabellenwerke. - H. K. Müller, Tafelbuch
für Oleiskrümniungen. Hamburg 1917. Pernt.
Druck von Chrisloph Reisser's Söhne, Wien V.