/^/? loiH
f/i^
r^.
' mjer C^liecff<7i*
VIT
Wm&t
n i f.
/I iV^
e
W-^
mr
l^eP(Jpl'<
m03 ' 1170 j
/.
1
/ ^/^
l/\J"^A '
y) /v
52 Sonntag, 8. März 1970 Nr. 111 (Fernausgabe Nr. 66)
LITERATUR UND KUNST
3lcuf ,%rd)cr Leitung
ß
r
Lied- und Kantatenproduktion, übrigens auch
einer entsprechend stark entwickelten Orgelbau-
kunst steht allerdings auch die Tatsache gegen-
über, daß Paul Gerhard auf das ostpreußische
Kirchenliedschaffen ebenso wenig wie Johann
Sebastian Bach auf die Königsberger Kantoren
und Organisten gewirkt hat.
Wie sehr Ostpreußen auf dem Gebiet des
Kirchenhaus Gewaltiges geleistet hat, geht schon
daraus hervor, daß Hubatsch diesem Thema nicht
nur im darstellenden Band I immer wieder viel
Aufmerksamkeit geschenkt, sondern sogar einen
besondern Band II des Gesamtwerks gewidmet
hat. Von Hubatschs langjähriger Mitarbeiterin
Iselin Gundermann betreut und herausgegeben,
enthält dieser auch technisch hervorragend aus-
gestattete Band neben genauen Verzeichnissen
nicht weniger als 715 Bilder ostpreußischer evan-
gelischer Kirchen und, in einem wohldokumen-
tierten Textteil, Bemerkungen «zur Baugeschichte
der ostpreußischen Kirchen» sowie eine genaue
Beschreibung sämtlicher evangelischer Gottes-
häuser und kirchlicher Anstalten. Hubatsch und
Gundermann zeigen hier außer den zu evangeli-
schen Andachtsstätten umgewandelten ehemaligen
Ordenskirchen und den als Folge der Notzeiten
wie der Hinwendung zur Innerlichkeit einfach
gehaltenen Predigtkirchen des Retablissements zu
Beginn des 18. Jahrhunderts im weitern die zahl-
reichen, von Berlin aus programmierten romani-
schen oder gotischen Neubauten des 19. Jahrhun-
derts wie die sogenannten Jubiläumskirchen und
damit natürlich auch die Eigentümlichkeiten der
jeweiligen Bauzeit; sie weisen die Eigenheiten des
Stils den grundverschiedenen Eigenarten der Be-
völkerung — der Bauern, Städter, Gutsherren,
der Obei-iänder, Natangcr, Litauer oder Masurcn
— zu und orientieren über Baumeister und Ar-
chitekten, Bildhauer, Maler und Orgelbauer, wel-
che in vielen auswärtigen und einheimischen
Werkstätten nicht nur/schlichte Gotteshäuser ge-
baut,'sondern diese iuch mit kunstvollen Altar-
aufbauten, Kanzeln,/Gestühl, Beichtstühlen, Or-
geln und Orgelprosj/ekten geschmückt haben.
(^
€.
Schließlich gelingt es Hubatsch in glücklicher
Weise, durch die Erinnerung an bedeutende Für-
sten, Beamte, Theologen und Pfarrer das Bild der
evangelischen Kirche Ostpreußens lebendig zu
machen. Oft nur in Form knapper Hinweise, oft
ausführlicher skizziert er das Lebensbild und Le-
benswerk zahlreicher Persönlichkeiten. Ob es sich
nun um einen einfachen Doripfarrer handelt wie
Michael Burckhardt, der 33 Jahre lang treu in
ein paar Nehrungsdörfern «gegen Gleichgültigkeit,
Trägheit, Armut, Stumpfsinn» ankämpfte, um
den unbestrittenen Führer der Königsberger
Orthodoxie Johann Jacob Quandt. der als viel-
seitig begabter Philologe außer den klassischen
Sprachen Französisch, Englisch, Holländisch, He-
bräisch, Arabisch und Syrisch verstand, dazu zu-
gleich «der einzige deutsche Redner» war (Fried-
rich IL: «Ich habe niemals besseres Deutsch,
schönere Wendungen und einen fließenderen zier-
lichen Vortrag gehört als von Herrn Quandt»).
um den Feldprediger Franz Albert .Schultz, in
dessen Regiment es keinen Soldaten gab, «der
nicht seine Bibel aufschlagen und die Sprüche
mitlesen konnte», oder um geistliche Wider-
standskämpfer wie die Pfarrer Arnoldt und Do-
nalitius, die mit Bibelsprüchen beziehungsweise
Predigttexten der russischen Besetzung schon im
Siebenjährigen Krieg die Stirn boten — gerade
diese Ausführungen zeigen noch einmal das eigent-
liche und tiefste Anliegen des Verfassers: aus
dei Geschichte der evangelischen Kirche Ost-
preußens die Kraft, die Zuversicht, vor allem
aber die Liebe zu gewinnen, die jeder Christ heule
in seinem Verhältnis zur Kirche dringender als
je benötigt.
Daß unter solchen Voraussetzungen sämtliche
Hilfsmittel und Methoden des Historikers —
Quellennachweise, Bibliographien, biographische
Daten, Sach- und Namenregister — einwandfrei
eingesetzt werden, sei dankbar nur am Rande
noch vermerkt.
Walther Hubatsch: Geschichte der evangelischen Kirche
Ostpreußens. 3 Bände Vandenhoeck und Ruprecht, Göt-
tingen 1968/69.
Bemerkungen
2 u IV e r k
VlT^V 1
Deutschland vor 1914
Fritz Fischers und des
I
^ Von Peter Stadler
Fritz Fischers «Griff nach der Weltmacht»
(1961) mit seiner umfangreichen Darstellung der
deutschen Kriegszielc im Ersten Weltkrieg ist
das wenn nicht meistgelesene, so doch meist-
diskulierte und meistumstrittene deutsche Ge-
schichtswerk der 196()er Jahre gewesen. An zwei
Historikerkongressen (dem deutschen \or\ 1964
und dem internationalen von 1965) stand es im
Kreuzfeuer erregter Voten und Gegenvoten. Das
hängt mit seiner nur scheinbar gegenwartsent-
rückten, in Wirklichkeit aber eminent zeitge-
Grafen Otto zu S to Ihe rg-fVe r n ige rode
scher hält sich darstellerisch zwischen"' diesen
beiden Polen etwa in der Mitte — er geht zwar
aus von den gesellschaftlich-ökonomischen Trieb-
kräften und Strukturen, schwenkt aber im win-
dui^sreichen Verlauf seiner Schilderung dann
dach in mehr herkömmliche Bahnen ein.
/ Als Voraussetzung und Symptom der deut-
schen Sonderentwicklung nach ISSO vermerkt
^r eine sich steigernde Unruhe und Divergenz
^der Kräfte; «Denn hier wurde die Spannung l
in allen Ländern verbreitet, also eine gesamt-
europäische Erscheinung.
Fischer weist auf den Konjunkturrückgang
des Jahres 1913 hin. der bei den Unternehmern
die ohnehin schon vorhandene Bereitschaft, den
steigenden Sozialleistungen und der sogenannten
«Versicherungsseuche» Einhalt zu gebieten, noch
verstärkte. Der Gedanke, einen siegreichen Krieg
zur Aufhebung des demokratischen Reichstags-
wahlrechts auszunutzen, scheint aber doch nur
ganz vereinzelt ventiliert worden zu sein. Daß
die Konkurrenzschwierigkeilen auf dem Welt-
markt eine Kanalisierung des deutschen Exports
in Richtung Türkei bewirkten, ist ebenso bekannt
wie das intensivierte deutsche Interesse am klein-
'asiatisch-mesopotamischen Raum, das sich daraus
ergab. Aber ließen nicht gerade solche Kapital-
investitionen eine friedliche Entwicklung, wie sie
sich nach dem Zweiten Balkankrieg durchaus
wieder als möglich erwies, wünschenswert er-
scheinen? .Albert Ballins pessimistische Einsicht,
«daß unsere ewig sich erweiternde Industrie auch
einen ewig sich erweiternden Absatzmarkt
braucht und daß diese Erweiterung unserer Aus-
landsmärkte immer ernster gefährdet wird», steht
sicher stellvertretend für manche ähnlich formu-
lierten Sorgen. Aber sie impliziert keineswegs
einen Kriegswillen, und auch Fritz Fischer unter-
schiebt ihr diese Intention nicht. Eir weist jedoch
auf die Nachbarschaft anderer schwerindustrieller
Stimmen hin, die solchen ungünstigen Lage-
beurteilungen «ein aktives, drängendes Moment»
gegeben hätten. So etwa diejenige Hugenbeigs.
der als Vorsitzender des Krupp-Direktoriums imd
Mitglied des Direktoriums des Zentralverbandes
deutscher Industrieller anläßlich einer Ansprache
im April 1914 die Hoffnung äußerte auf «eine
befreiende Kraftprobe, hinter der uns ein kla-
rerer und weiterer Himmel und die Möglichkeit
winkt, an unsere ganze wirtschaftliche und poli-
tische Zukunft sehr viel größere Maßstäbe anzu-
legen, als wir es bisher in unserer Bescheidenheit
getan haben».
Solche Hinweise auf die Notwendigkeit eines
kommenden Krieges hat der Verfasser in großer
Zahl gesammelt — aus Reden, Denkschriften,
Zeitungsartikeln — unCf solche Aeußcrungen
minuziös als Fundament seines Plädoyers ausge-
arbeitet. Man darf das Gewicht mancher Stimmen
fnicht einfach verringern. Eines der beachtens-
werten Ergebnisse des Buches scheint mir darin
izu liegen, daß er der alldeutschen Bewegung eine
wirkungsvollere Funktion innerhalb der deut-
|Schen Politik zumißt, als es bisher geschehen ist,
daß er ihre Wirkungen auf die Führungsschichten
iin Industrie luid Militär verfolgt. Sicherlich er-
scheint gar manches vorweg, was dann in der
Kriegszieldebatte an Breitenwirkung gewinnt,
manches auch, was als prekäre Vorwegnahme
totalitärer Staatsauffassung fast noch fremd in
der Welt vor 1914 anmutet. Dazu gehört das
üble Buch des alldeutschen Chefideologen Hein-
li'zwischen der alten monarchisch-feudalen
un*ü'
schichtlichen Fragestellung zusammen. Am Bei- ||üer neuen bürgerlich-kommerziellen Struktur im
spiel des Ersten Weltkrieges entzündete sich die '^asch aufgestiegenen Industriestaat nie ganz aus-
prinzipielle Auseinandersetzung um Kriegsschuld
und Kriegsverantwortung, die dem Zweiten ge-
genüber kaum am Platz gewesen wäre — denn
über Hitler bestand unter den ernstzunehmenden
Historikern ein weitgehender Meinungskonsens.
Das Herausfordernde an den vohmiinös vorge-
tragenen Thesen des Hamburger Historikers be-
stand aber darin, daß er in den deutschen Kriegs-
^getragen: hier konnte die soziale Frage unter dem
Druck des Bündnisses von Junkertum und
»Schwerindustrie bis 1914 in voller Schärfe fort-
'bestehen; und hier erfolgte schließlich der Ein-
tritt in das Zeitalter der Weltpolitik und Welt-
wirtschaft zu einem relativ ungünstigen Zeit-
punkt, als die Welt schon weitgehend unter die
etablierten Mächte verteilt war.» Daraus folgt als
zielen von 1914—1918 deutliche Vorwegnahmen | weitere Präinisse: «Spätestens seit 1911, so glaube
nationalsozialistischer Hegemonialpolitik in ihrer
ganzen Uferlosigkeit wahrnehmen zu können
glaubte. Die Sorgfalt der Beweisführung im ein-
zelnen ist häufig angefochten worden, das Mate-
rial als Ganzes aber ließ sie doch nicht bagatelli-
sieren. Das war das eine. Eine weitere, viel-
fachem Widerspruch ausgesetzte These Fischers
lautete dahin, daß schon der Krieg von 1914
von deutscher Seite durchaus bewußt entfesselt
worden sei. Das lief auf eine Erneuerung des
Versailler Kriegsschuldspruches hinaus, wie sie
so nebenbei nicht zu bewerkstelligen war. Fritz
Fischer hat sich, offenbar in Anerkennung dieses
Sachzwanges, erneut hinter die Akten gemacht
und legt nun als Ergebnis seines Suchens und
Kombinierens ein neues, kaum minder umfang-
reiches Werk vor: «Krieg der Illusionen. Die
deutsche Politik von 1911 bis 1914».
1911 ist das Jahr der zweiten Marokkokrise,
dieser letzten eben noch mit friedlichen Mitteln
geschlichteten Auseinandersetzung Deutschlands
mit seinen weltpolitischen Antagonisten. Warum
hat Fischer gerade dieses Jahr zum Ausgangs-
punkt gewählt anstelle der geläufigeren Zäsuren
von 1.S90 oder 1901/04? Man muß hier einiges
vor;iiissct/cn. l'ni 1*>30 überraschte ein genialer
ich zeigen zu können, wurden Kräfte eines neuen
völkischen Nationalismus freigesetzt, die das Ge-
füge des alten bürokratischen Obrigkeitsstaates
aufzubrechen drohten.» Denn der Rückschlag in
der zweiten Marokkokrise führte zum «Durch-
bruch der nationalen Opposition», zum Willen
einer um den Kronprinzen und I irpitz sich
ischarenden Oppositionsgruppe, ein «neues Ol-
rnütz» um jeden Preis zu vermeiden und «Guil-
iaume le timide» nötigenfalls über den Kanzler
hinweg zu kriegerisch beherzten Entschlüssen
fortzureißen. Von diesem Wendepunkt an zieht
sich für den Verfasser ein roter Faden durch das
Gewirr der Ereignisse und Zusammenballungen,
der wirtschaftlich-politischen Gruppierungen und
Gegengruppierungen; da ist das Feuer an die
Zündschnur gelegt und frißt sich unaufhaltsam
fort, bis es 1914 die große Exph^sion phmmäßig
auslöst. Der leitende Gedanke steht mithin fest
— auf beinahe .SOO .Seiten wird der Ablauf auf
Grund einer imponierend komponierten Matc-
rialfülle an Zitaten herausgearbeitet, variiert und
erweitert, dann wieder reduziert — , strukturelle
Abschnitte legen sich zwischen solche vorwiegend
erzählerischen Charakters. Interessant ist das
Buch bestimmt, auch eine der detailliertesten und
rieh Class '■<\Venn ich der Kaiser war» (em
peinlicher Druckfehler macht auf S. 3,50 aus dem
Kaiser einen Käser) mit seinen auf ein diktato-
rial-antisemitischcs Ermächtigungsregime hinaus-
laufenden Forderungen. Dieses Buch dürfte, wie
so manche alldeutsche oder antisemitische Buch-
schrift aus der Zeit unmittelbar vor 1914, zu den
geistigen Nahrinigsmitteln Adolf Hitlers gezählt
haben. Sicherlich waren da Kräfte am Werk,
über die man nicht einfach hinwegsehen darf.
ein Gleiches gilt von den vielen Pressestimmen.
Um aber zu einem gültigen Urteil über den Stel-
lenwert solcher Meiniingsäußerimgen zu gelan-
gen, müßte man ein möglichst umfassendes Spek-
trum deutscher Pressestimmen überhaupt anlegen
und daraus zu ermitteln suchen, wie weit etwa
extreme und kriegsevozierende Ansichten durch
andere neutralisiert oder aber summiert wurden.
Fi.scher selbst leistet dazu einen wohl unfrei-
willigen Beitrag, wenn er (in einem anderen Zu-
sammenhang) die in einer konservativen Zeitung
erhobene I'orderung nach besseren Beziehinigen
zu Rußland (wie zu Bismarcks Zeiten) erwähnt,
die nun sicherlich nicht mit der sonst mehrfach
auftauchenden Forderung nach einem Präventiv-
krieg gegen dieses Land, der einem weiteren
russischen Rüstungsausbau zuvorkommen sollte,
in Einklang zu bringen ist. Fischer erwähnt auch
die sicherlich verhängnisvolle Russophobie des
Osteuropahistorikers und Kaisergünstlings Theo-
dor vSchiemann. Doch hat gerade dieser Cielchrte
ausgleichend die Pflege guter Beziehungen zu
England gefordert. Allgemein wäre zu bedenken,
wieweit nicht auch in anderen Fändern Natio-
nalisten, Wirtschaftsexpansionisten und Militari-
sten den Tenor der Presse beeinflußt inid viel-
leicht bestimmt haben. Den Vorwurf einer zu aus-
schließlichen Begrenzung auf deutsche Voten.
^cw sich I ischers «Griff nach der Weltjiu»
Es kommt dem Verfasser zugute, daß er sel-
ber Angehöriger dieser Führungsschicht ist und
daß sich ihm private Nachlässe erschlossen haben,
die anderen Forschern kaum zugänglich gewor-
den wären. Zudem hat Otto Graf zu Stolberg-
Wernigerode (Jahrgang 1893) die von ihm ge-
schilderte Zeit noch selber erlebt, während Fritz
Fischer (Jahrgang 1912) sich ihr gegenüber in der
Normalsituation des Historikers befindet, das
heißt sie aus den Quellen und vom Hörensagen
kennt. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb
hat die «Unentschiedene Generation» bei weitem
nicht das .Aulsehen erregt, das dem imponie-
renderen Werk Fischers in so reichlichem Maße
zuteil geworden ist. Das hängt sicherlich mit den
Zeitströmungen zusammen: die «junge Gene-
ration», welcher Stolberg-Wernigerode sein Buch
widmet, interessiert sich im ganzen wohl mehr
für die empordrängenden als für die ihren Status
bewahrenden Schichten. Dazu kommt, daß die
einleitenden «allgemeinen Bemerkungen zur deut-
schen Außen- und Innenpolitik» zu den schwä-
cheren Teilen des Buches gehören: da findet
sich wenig, was anderweitig nicht auch schon und
sogar besser gesagt worden wäre. Auf dem Höhe-
punkt der Darstellung steht der Verfasser jedoch
dann, wenn er sich dem eigentlichen Thema
seines Buches zuwendet. Er geht aus von der
Monarchie, bietet eine sehr abgewogene und
doch recht kritische Charakterisierung Wil-
helms II., des Kronprinzen und der wichtigsten
unter den damaligen deutschen Fürsten. Dann
wendet er sich den Ständen zu, beschäftigt sich
in einläßlicher, die bekannten Darlegungen GoU-
witzers variierender Darstellung mit den Standes-
herren der Hofgesellschaft, mit dem Adel in der
ganzen Vielfalt seiner Stufen und seiner regio-
nalen Verwurzelung.
Einen wirklich geschlossenen Charakter hat /
die ostelbische Grundbesitzerklasse bewahrt, de-
ren Kontakte mit den anderen Bevölkerungs-
schichten verhältnismäßig gering geblieben sind,
die im allgemeinen auch eine geringe Reiselust
bezeugt und sich ungern von den Gütern trennt.
Da es Eliteschulen nach englischer Art in
Deutschland höchstens für den katholischen Adel
gab, fehlte es außerhalb der Kadettenanstalten
gleichwohl an den Möglichkeiten, eine wirklich
homogene Führungsschicht heranzubilden. So
gab es in Deutschland «auch kein Leitbild, das
dem Typus des englischen Gentleman entsprach».
Die Normalausbildung führte über das Gymna-
sium an die Universität, wo jedoch das standes-
gemäße Leben vor allem auf das Corps und
weniger auf das Studium ausgerichtet zu sein
hatte. Dem Adel gegenüber bildete das wohl-
habend gewordene Bürgertum keine innerlich
wirklich geschlossene und gefestigte soziale
Gruppe.
Es hatte dein Selbstverständnis des Adels
zumal in Preußen nichts Ebenbürtiges entgegen-
zusetzen, strebte vielmehr nach Möglichkeit einen
adeisgleichen Status an. Bezeichnend für die so-
ziale Stufung des mittleren und kleineren Bürger-
tums sind die verhältnismäßig vielen Schichten,
die im wörtlichen Sinne «dazwischen» standen:
«die Techniker, die nicht Diplomingenieure wer-
den konnten, die Halbgebildeten, die sich von
den Akademikern mißachtet fühlten, die Ange-
stellten, die keinen Beamtenstatus erreichten,
kleinere und mittlere Beamte, denen der Aufstieg
in die höhere Kategorie verwehrt war». Die Sozial-
demokratie, die in den Reichstagswahlen von
1912 zur stärksten Partei wurde, wuchs zu einer
eigentlichen VolJUpartei an, was ihr eine ent-
schieden oppositionelle Haltung erschwerte und
verwehrte. Mit Recht wurde darauf hingewiesen,
daß es ja mit einer kleineren Zahl von Abgeord-
neten im August 1914 leichter gefallen wäre,
die Kriegskredite abzulehnen. Es sind aber mehr
nur beiläufig abrundende Partien, die der Ver-
fasser den unteren Schichten des Volkes widmet:
der vierte Stand ist beispielsweise nur mit einer
knappen Seite bedacht. Die gewichtigsten Ab-
schnitte gelten den Beamten, den Diplomaten,
den Offizieren und dem Offiziersstand, abschlie-
ßende Betrachtimgen ähnlich der Staatsführung.
Sie enthalten viele wertvolle Urteile, wobei sich
Ansätze ständischer Selbstkritik mit historischer
Analyse und Herleitung durchdringen. Der Autor,
iler inehrere wertvolle Untersuchimgen zur Bis-
marck-Zeit geschrieben hat und in den Jahren vor
1945 den I. ehrstuhl für Neuere Geschichte in
Rostock innehatte, kennt durchaus die kritischen
Fragestellimgen. denen sein Thema ausgesetzt ist.
Aber er macht sie sich nur mit starken Einschrän-
kimgen zu eigen. So notiert er zwar den gegen
die Konservativen der wilhelminischen Zeit er-
hobenen Vorwurf, daß sie zu einer rein ökonomi-
schen Interessengemeinschaft geworden seien,
läßt sich jedoch auf eine schlüssige Stelhuig-
/
k
<'^
\/'M-
reichen, von lierliii ;iiis proizramniicrteii n^inani-
schcn oder gotischen Neubaiilen des 19. Jahrhun-
derts wie die sogenannten Jubiläumskirchen und
damit natürUch auch die Eigentümlichkeiten der
jeweihgen Bauzeit; sie weisen die Eigenheiten des
Stils den grundverschiedenen Eigenarten der Be-
völkerung" — der Bauern, Städter, Gutsherren,
der Oberländer, Natanger, Litauer oder Masuren
— zu und orientieren über Baumeister und Ar-
chitekten, Bildhauer, Maler und Orgelbauer, wel-
che in vielen auswärtigen und einheimischen
Werkstätten nicht nuryschlichte Gotteshäuser ge-
baut, sondern diese /ich mit kunstvollen Altar-
Gestühl, Beichtstühlen, Or-
ikten geschmückt haben.
aulbaulcn, Kanzeln,
geln und Orgelprosi
it Bibelsprüchen bezicl
ler russischen Besctzun]
Krieg die Stirn boten
fingen zeigen noch einmal
iste Anliegen des Verlj'
der Geschichte der evangelischen Kirciie Usi
preußens die Kraft, die Zuversicht, vor allem
aber die Eiebe zu gewinnen, die jeder Christ heute
in seinem Verhältnis zur Kirche dringender als
je benötigt.
Daß unter solchen Voraussetzungen sämtliche
H fsmittel und Methoden des Historikers -
Quellennachweise, Bibliographien, biographische
Daten, Sach- und Namenregister - einwandfrei
eingesetzt werden, sei dankbar nur am Rande
noch vermerkt.
Walthcr Hubatsch: Geschichte der evangelischen Kirche
Ostpreußens. 3 Bände Vandenhoeck und Ruprecht. Göt-
lingen 1968/69.
Deutschland vor 1914
Bemerkungen zu Werk/n Fritz Fischers und des Grafen Otto zu Sto Ibe rg-We rnigerode
r
\Mo^ ^ '
Von Peter Stadler
' ^/
f6M^
j.
i."
' iFritz Fischers «Griff nach der Weltmacht»
(1961) mit seiner umfangreichen Darstellung der
deutschen Kriegsziele im Ersten Weltkrieg ist
das wenn nicht meistgelesene, so doch meist-
diskutierte und meistumstrittene deutsche Ge-
schichtswerk der 1960er Jahre gewesen. An zwei
Historikerkongressen (dem deutschen von 1964
und dem internationalen von 1965) stand es im
Kreuzfeuer erregter Voten und Gegenvoten. Das
hängt mit seiner nur scheinbar gegenwartsent- y
rückten, in Wirklichkeit aber eminent zeilge
scher hält sich darstellerisch zwischen diesen
beiden Polen etwa in der Mitte - er geht zwar
aus von den gesellschaftlich-ökonomischen Trieb-
kräften und Strukturen, schwenkt aber im win-
dur^sreichen Verlauf seiner Schilderung dann
dcjch in mehr herkömmliche Bahnen ein.
/ Als Voraussetzung und Symptom der deui-
^hen Sonderentwicklung nach KSSO vermerkt
/er eine sich steigernde Unruhe und Divergenz
,der Kräfte; «Denn hier wurde die Spannui^g^
zwischen der alten monarchisch-feudalen und*
schichtlichen Fragestellung zusammen. Am Bei- |der neuen bürgerlich-kommerziellen Struktur rni
Spiel des Ersten Weltkrieges entzündete sich die
prinzipielle Auseinandersetzung um Kriegsschuld
und Kriegsverantwortung, die dem Zweiten ge-
genüber kaum am Platz gewesen wäre — denn
über Hitler bestand unter den ernstzunehmenden
Historikern ein weitgehender Meinungskonsens.
Das Herausfordernde an den voluminös vorge-
tragenen Thesen des Hamburger Historikers be-
stand aber darin, daß er in den deutschen Kriegs
Wasch aufgestiegenen Industriestaat nie ganz aus-
getragen; hier konnte die soziale Frage unter dem
^ Druck des Bündnisses von Junkertum und
Schwerindustrie bis 1914 in voller Schärfe fort-
■bestehen; und hier erfolgte schlief51ich der Ein-
tritt in das Zeitalter der Weltpolitik und Welt-
wirtschaft zu einem relativ ungünstigen Zeit-
punkt, als die Welt schon weitgehend unter die
etablierten Mächte verteilt war.» Daraus folgt als
zielen von 1914—1918 deutliche Vorwegnahmen | weitere Prämisse: «Spätestens seit 1911, so giauhe
nationalsozialistischer Hegemonialpolitik in ihrer
ganzen Uferlosigkeit wahrnehmen zu können
glaubte. Die Sorgfalt der Beweisführung im ein-
zelnen ist häufig angefochten worden, das Mate-
rial als Ganzes aber ließ sie doch nicht bagatelli-
sieren. Das war das eine. Eine weitere, viel-
fachem Widerspruch ausgesetzte These Fischers
lautete dahin, daß schon der Krieg von 1914
von deutscher Seite duichaus bewußt entfesselt
worden sei. Das lief auf eine Erneuerung des
Versailler Kriegsschuldspruches hinaus, wie sie
so nebenbei nicht zu bewerkstelligen war. Fritz
Fischer hat sich, offenbar in Anerkennung dieses
Sachzwanges, erneut hinter die Akten gemacht
und legt nun als Ergebnis seines Suchcns und
Kombinierens ein neues, kaum minder umfang-
reiches Werk vor: «Krieg der Illusionen. Die
deutsche Politik von 1911 bis 1914».
1911 ist das Jahr der zweiten Marokkokrise,
dieser letzten eben noch mit friedlichen Mitteln
geschlichteten Auseinandersetzung Deutschlands
mit seinen weltpolitischen Antagonisten. Warum
hat Fischer gerade dieses Jahr zum Ausgangs-
punkt gewählt anstelle der geläufigeren Zäsuren
von 1890 oder 1901/04? Man muß hier einiges
voraussetzen. Um 1930 überraschte ein genialer
junger Außenseiter der deutschen Geschichts-
wissenschaft, Eckart Kehr, seine wenig begei-
sterten Zunftgenossen mit dem sorgfältig fundier-
ten Hinweis auf den eminent kapitalexpansiven
Unterbau der deutschen Flotten- und Weltmacht-
politik. Damit bahnte sich eine Verschiebung der
Gewichte an. die allerdings vorerst noch nicht
wirksam wurde. Jene Abhandlungen blieben we-
nig beachtet; sie sind erst 1965 durch Hans
Ulrich Wehler unter dem Titel «Primat der
Innenpolitik» neu herausgegeben worden und ent-
halten eine sehr interessante, soziologisch aus-
gerichtete Strukturanalyse des deutschen Impe-
rialismus. Diese Sehweise wurde erweitert und
komparatistisch bereichert durch das große Werk
des gleichfalls jungen Historikers Wolfgang Hall-
garten: «Imperialismus vor 1914». das 1933 er-
scheinen sollte, aber der Zeitumslände wegen
erst 1951 (in Neuauflage 1964) herauskommen
und zu wissenschaftlicher Wirkung gelangen
konnte. So wog noch bis in die 1950er Jahre
in der Beurteilung der Vorgänge und Entwick-
lungen um und nach 1900 die politisch-diplomatie-
geschichtliche Betrachtungsweise vor. die in den
Darstellungen der Brandenburg, Onckcn, Langer
und zuletzt noch von Luigi Albertini mit großer
Meisterschaft gehandhabt worden war. Fritz Fl-
ieh zeigen zu können, wurden Kräfte eines neuen
völkischen Nationalismus freigesetzt, die das Ge-
füge des alten bürokratischen Obrigkeitsstaates
aufzubrechen drohten.» Denn der Rückschlag in
der zweiten Marokkokrise führte zum «Durch-
bruch der nationalen Opposition», zum Willen
einer um den Kronprinzen und Tirpitz sich
scharenden Oppi^sitionsgruppe, ein < neues OI-
mütz» um jeden Preis zu vermeiden und «Guil-
laume le timide» nötigenfalls über den Kanzler
hinweg zu kriegerisch beherzten Entschlüssen
fortzureißen. Von diesem Wendepunkt an zieht
sich für den Verfasser ein roter Faden durch das
Gewirr der Ereignisse und Zusammenballungcn,
der wirtschaftlich-politischen Gruppierungen und
Gegengruppierungen; da ist das Feuer an die
Züiidschnur gelegt und frißt sich unaufhaltsam
fort, bis es 1914 die große Explosion planmäßig
auslöst. Der leitende Gedanke steht mithin fest
~ auf beinahe 800 Seiten wird der Ablauf auf
Grund einer imponierend komponierten Matc-
rialfülle an Zitaten herausgearbeitet, variiert und
erweitert, dann wieder reduziert — . strukturelle
Abschnitte legen sich zwischen solche vorwiegend
erzählerischen Charakters. Interessant ist das
Buch bestimmt, auch eine der detailliertesten und
zugleich geballtesten Explikationen der letzten
Vorkriegsjahre. Man wird es auf jeden Fall zu
Rate ziehen müssen. Wie steht es aber mit den
Ergebnissen?
Schon der Versuch, mit den Mitteln einer
integralen Historie die sozio-politischen Basen
des nahenden Verhängnisses freizulegen, gelingt
nur teilweise. Gerade die an sich sehr instruk-
tiven \Nirtschaftsgeschichtlichcn Partien über den
«Zwang zum Export» und über die «Vorherr-
schaft von Junkertum und Großindustrie» führen
vielfach zu .Schlüssen, die keineswegs einen
Zwang zum Krieg nahelegen. Fischer führt zu
wiederholten Mafen Planungen eines mittel-
europäischen Wirtschaftsraumes an. die in deut-
schen Wirtschafts- und Wissenschallskreisen ent-
worfen wurden, selbst der Gedanke einer euro-
päischen Zollunion klingt an. Doch ergibt sich
aus dem Kontext, daß solchen Erwägungen weni-
ger politische Hegemonialabsichlen zugrundelie-
gen als vielmehr die Intention, gegen die grö-
ßeren Wirlschaftsräiime der Vereinigten Staaten
oder Rußlands ein ansprechendes Gegengewicht
(zu schaffen. Auch der zutreffend diagnostizierte
und im einzelnen belegte «Antisozialismus als
Klammer der bürgerlichen Parteien» war doch
vor allem innenpolitisch bedingt und überdies
auf die NaLliharschaft aiulcrer sehwcrindiistricllcr
Stimmen hin, die solchen ungünstigen I.age-
beuiteilungen «ein aktives, drängendes Moment»
gegeben hätten. So etwa diejenige Hugenbergs.
der als Vorsitzender des Krupp Direktoriums und
Mitglied des Direktoriums des Zentralvcrbandes
deutscher Industrieller anläßlich einer Ansprache
im April 1914 die Hoffnung äußerte auf «eine
befreiende Kraftprobe, hinter der uns ein kla-
rerer und weiterer Himmel und die Möglichkeit
winkt, an unsere ganze wirtschaftliche und poli-
tische Zukunft sehr viel größere Maßstäbe anzu-
legen, als wir es bisher in unserer Bescheidenheit
getan haben».
Solche Hinweise auf die Notwendigkeit eines
kommenden Krieges hat der Verfasser in großer
Zahl gesammelt — aus Reden. Denkschriften,
Zeitungsartikeln — unff solche Aeußerungen
minuziös als Fundament seines Plädoyers ausge-
arbeitet. Man darf das Gewicht mancher Stimmen
'/'nicht einfach verringern. Eines der beachtens-
werten Ergebnisse des Buches scheint mir darin
zu liegen, daß er der alldeutschen Bewegung eine
wirkungsvollere Funktion innerhalb der deut-
schen Politik zumißt, als es bisher geschehen ist,
daß er ihre Wirkungen auf die Führungsschichten
in Industrie und Militär verfolgt. Sicherlich er-
scheint gar manches vorweg, was dann in der
Kricgszieldebatte an Breitenwirkung gewinnt,
manches auch, was als prekäre Vorwegnahme
totalitärer Staatsauffassung fast noch fremd in
der Welt vor 1914 anmutet. Dazu gehört das
üble Buch des alldeutschen Chefideologen Hein-
aich Cl,'iss «Wenn ich x\cr Kaiser war» (ein
' peinlicher Druckfehler macht auf S. 350 aus dem
Kaiser einen Käser) mit seinen auf ein diktato-
rial-antisetnitisches Ermächtigungsregime hinaus-
laufenden Forderungen. Dieses Buch dürfte, wie
so manche alldeutsche oder antisemitische Buch-
schrift aus der Zeit unmittelbar vor 1914, zu den
geistigen Nahrungsmitteln Adolf Hitlers gezählt
haben. Sicherlich waren da Kräfte am Werk,
über die man nicht einlach hinwegsehen darf.
ein Gleiches gilt von den vielen Pressestimmen.
Um aber zu einem gültigen Urteil über den Stel-
lenwert solcher Meinungsäußerungen zu gelan-
gen, müßte man ein möglichst umfassendes Spek-
trum deutscher Pressestimmen überhaupt anlegen
und daraus zu ermitteln suchen, wie weit etwa
extreme und kriegsevozierende Ansichten durch
andere neutralisiert oder aber sunmiiert wurden.
Fischer selbst leistet dazu einen wohl unfrei-
willigen Beitrag, wenn er (in einem anderen Zu-
sanmienhang) die in einer konservativen Zeitung
erhobene I oiderung nach besseren Beziehungen
zu Rußland (wie zu Bismarcks Zeiten) erwähnt,
die nun sicherlich nicht mit der sonst mehrfach
auftauchenden Forderung nach einem Präventiv-
krieg gegen dieses Land, der einem weiteren
russischen Rüstungsausbau zuvorkommen sollte,
in FLinklang zu bringen ist. Fischer erwähnt auch
die sicherlich verhängnisvolle Russophobie des
Osteuropahistorikers und Kaisergünstlings Theo-
dor Schiemann. Doch hat gerade dieser Gelehrte
ausgleichend die Pflege guter Beziehungen zu
England gefordert. Allgemein wäre zu bedenken,
wieweit nicht auch in anderen Ländern Natio-
nalisten, Wirtschaftsexpansionisten und Militari-
sten den Tenor der Presse beeinflußt und viel-
leicht bcstinmit haben. Den Vorwurf einer zu aus-
schließlichen Begrenzung auf deutsche Voten,
den sich Fischers «Griff nach der Weltmacht *
gefallen lassen mußte, wird man auch dem vor-
liegenden Werk nicht ganz ersparen können. In
dieser Hinsicht war schon Hallgartens Werk uni-
versaler und deshalb abgewogener. Aber das darf
doch nicht dazu veranlassen, über dieses Werk
einfach hinwegzugehen — dazu ist es bei allen
anzubringenden Vorbehalten denn doch zu we-
sentlich. Und manche Phase der Ereignis-
geschichte — etwa die Mission Haldanes — er-
scheint doch in einem neuen Licht.
Im Unterschied zu Fritz Fischers Werk ver-
zichtet «Die unentschiedene Generation» des
Grafen Otto zu Stolberg-Wcrnigerode auf das
Durchexerzieren eines bestimmten Beweises. Das
Interesse des Verfassers, der «Deutschlands kon-
servative Führungsschichten > am Vorabend des
Ersten Weltkrieges untersucht, gilt .den Men-
schen, ilie in dieser Zeit gelebt haben, und vor-
nehmlich jener Minderheit, die sich im Besitz
der Regierungsgewalt befand oder die durch tlcn
Einfluß, den sie auf Staat und Gesellschaft aus-
übte, als führend zu betrachten ist». Dabei ging
es ihm darum, «die Handlungsmotive von ein-
flußreichen Persönlichkeiten oder ganzer Grup-
I pen aus Quellen erster Hand kennenzulernen». |
helnis IL. des Kronprinzen und der wichtigsten
unter den damaligen deutschen Fürsten. Danq
wendet er sich den Ständen zu, beschäftigt sich
in einläßlicher, die bekannten Darlegungen Goll-
witzers variierender Darstellung mit den Standes-
herren der Hofgesellschaft, mit dem Adel in der
ganzen VieUalt seiner Stufen und seiner regio-
nalen Verwurzelung.
Einen wirklich geschlossenen Charakter hat
die ostelbische Cirundbesitzerklasse bewahrt, de-
ren Koniakte mit K\cn anderen Bevölkerungs-
schichten verhältnismäßig gering geblieben sind,
die im allgemeinen auch eine geringe Reiselust
bezeugt und sich ungern von den Gütern trennt.
Da es Eliteschulen nach englischer Art in
Deutschland höchstens für den katholischen Adel
gab, fehlte es außerhalb der Kadettenanstalten
gleichwohl an den Möglichkeiten, eine wirklich
homogene Führungsschicht heranzubilden. So
gab es in Deutschland «auch kein Leitbild, das
dem Typus des englischen Gentleman entsprach».
Die Normalausbildung führte über das Gymna-
sium an die Universität, wo jedoch das standes-
gemäße Leben vor allem auf das Corps und
weniger auf das Studium ausgerichtet zu sein
hatte. Dem Adel gegenüber bildete das wohl-
habend gewordene Bürgertum keine innerlich
wirklich geschlossene und gefestigte soziale
Gruppe.
Es hatte dem Selbstverständnis des Adels
zumal in Preußen nichts Ebenbürtiges entgegen-
zusetzen, strebte vielmehr nach Möglichkeit einen
adelsgieicnen Status an. Bezeichnend für die so-
ziale Stufung des mittleren und kleineren Bürger-
tums sind die verhältnismäßig vielen Schichten,
die im wörtlichen Sinne «dazwischen» standen:
«die Techniker, die nicht Diplomingenieure wer-
den konnten, die Halbgebildeten, die sich von
den Akademikern mißachtet fühlten, die Ange-
stellten, die keinen Beamtenstatus erreichten,
kleinere und mittlere Beamte, denen der Aufstieg
in die höhere Kategorie verwehrt war». Die Sozial-
demokratie, die in den Reichstagswahlen von
1912 zur stärksten Partei wurde, wuchs zu einer
eigentlichen Volk&partei an, was ihr eine ent-
schieden oppositionelle Haltung erschwerte und
verwehrte. Mit Recht wurde darauf hingewiesen,
daß es ja mit einer kleineren Zahl von Abgeord-
neten im August 1914 leichter gefallen wäre,
die Kriegskredite abzulehnen. Es sind aber mehr
nur beiläufig abrundende Partien, die der Ver-
fasser den unteren Schichten des Volkes widmet;
der vierte Stand ist beispielsweise nur mit einer
knappen Seite bedacht. Die gewichtigsten Ab-
schnitte gelten den Beamten, den Diplomaten,
den Offizieren und dem Offiziersstand, abschlie-
ßende Betrachtungen ähnlich der Staatsführung.
Sie enthalten viele wertvolle Urteile, wobei sich
Ansätze ständischer vSelbstkritik mit historischer
Analyse und Herleitung durchdringen. Der Autor,
der mehrere wertvolle Untersuchungen zur Bis-
marck-Zeit geschrieben hat und in den Jahren vor
1945 den Lehrstuhl für Neuere Geschichte in
Rostock innehatte, kennt durchaus die kritischen
Fragestellungen, denen sein Thema ausgesetzt ist.
Aber er macht sie sich nur mit starken Einschrän-
kungen zu eigen. So notiert er zwar den gegen
die Konservativen der wilhelminischen Zeit er-
hobenen Vorwurf, daß sie zu einer rein ökonomi-
schen Intcressengetneinschaft geworden seien,
läßt sich jedoch auf eine schlüssige Stellung-
nahme hinsichtlich der Berechtigung oder Nicht-
berechtigung des Vorwurfs nicht ein. Die von
Fischer ins Zentrum gerückte Frage nach dem
wachsenden EinHuß des Alldeutschtums auf
Beamtenschaft und Offizierskorps greift er eben-
falls auf und stellt einen erhöhten Anfälligkeits-
grad dieser Körperschaften fest, glaubt jedoch,
daß die Staats- und die Heerführung von solchen
Einwirkungen frei geblieben seien. Es gehört
eben zum Wesen tier «unentschiedenen Gene-
ration», daß in ihr alle Möglichkeiten offen waren,
die zerstörerischen Elemente des Radikalismus
aber noch unter Kontrolle blieben. Wer also
eine eindringende historisch-soziologische System-
kritik des deutschen Konservatismus erwartet,
wird hier nicht auf seine Rechnung kommen.
Doch beruht in der Fülle der Beispiele, aus wel-
cher der Verfasser zu schöpfen vermag, in der
abwägenden Cierechti<.ikeit und zurückhaltenden
Bencvolen/ des Urteils die Stärke und im ge-
wissen Sinne auch die Unersetzlichkeit seines
Buches.
r-rit/ Fischer: Krieg der Illusionen. Die deutsche Politik
von 1911 bis 1914. Drostc-Verlag. DiUseldorf I%9.
Otto Gral' /ii Siolbcry-VVernigerode: Die unentschiedene
Generation. Deutschlands konservative Führungsschichten
am Vorabend des Ersten Weltkrieges. Verlag R. Olden-
bourg, München und Wien 1968.
h.
VV
r
DAS PARLAMENT
DAS POLITISCHE BUCH 13
Nr. 52/31. Dezember 1977
Eine Herausforderung
für denkende Zeitgenossen
gefallen lassen, nicht nur auf „geneigte" - wie vom ^.«^f.^^Tl'^^^^esp^^^^^^^ 7J
Sondern auch auf garstige, ärgerliche und auf a P^^^". ^J^^^J^.^^^f^^^^^^^^^^^^
treffen Das ist denn auch kein Wunder, denn es wird hart mit jenen vertan
ren die un- aber auch solchen, die redlich auf ihre, dem Gewissen oder der
WUsenschaft verpflichtete Art die Probleme ihr.r Zeit angingen und sie zu-
mindest ordentlich, wenn auch nicht letztendlich geregelt zu haben glauben.
Wissenschaft, auch die in der von Balluseck gegeißelten klassisch-rationalisti-
schen Form, ist durchaus dialektisch und damit widersprüchlich!
Nehmen wir also die Kritik vorweg:
Die Abrechnung mit der herrschenden
Schul-Weisheit. die der Autor erbar-
mungslos exekutiert, scheint mir bis-
weilen die ebenso simple wie fordern-
de, bald gütige, bald einschneidende
Aufgabe derer zu mißdeuten, die for-
schend oder handelnd als Wissen-
schaftler. Politiker. Arzte, Lehrer sich
den Forderungen der Zeit stellen, sie
zu enüllen versuchen und dabei ganz
oder zum Teil scheitern. Dies vorweg,
weil wohl jeder Leser zuerst einindl
sich in eine Abwehrstellunn, gedrängt
fühlt, verteidigend, was sein (bisher)
gesicherter Bestand war und was
leichten Herzens fahren zu lassen von
ihm kaum verlangt werden kann, ihm
vom Autor aber zugemutet wird.
Mit dem Titel schließt von Ballu-
seck an Jean Pauls „Dämmerungen
für Deutschland" an. Es wäre, so be-
ginnt das Geleitwort, „für den Verfas-
ser kein angenehmer Umstand, wenn
man den Titel des Buches deutlich
fände anstatt dunkel und vieldeutig"
— so die Eingangsworte von Jean
Paul selbst, die der Autor in Vereh-
rung für den „skurrilen Souverän der
deutschen Sprache" übernimmt.
Unter den wünschenswert vielen
Lesern dieses Buches wird kaum einer
sein, wie immer er sich letztlich dazu
stellt, der nicht, wie Walter Dirks von
sich bekennt, „einige Male zusammen-
zuckt". Das Buch erscheint mir, wenn
Lothar von Balluseck: „Auf Tod und Le-
ben". Letzte Dämmerungen für Deutsch-
land. Hohwacht-Verlag, Bonn-Bad Go-
desberg 1977; 192 Seiten, geb. DM
1980.
damit auch unzureichend charakteri-
siert, als die tiefenpsychologisch mo-
tivierte und instrumentierte Entlar-
vung politischen, wissenschaftlichen,
ideologischen und traditionalistischen
Scheins — und, weit darüber hinaus-
gehend und hier erst seine Bedeutung
gewinnend, als eine Entschleierung
des entsprechenden Seins.
Der Autor läßt alle denkbaren Vor-
urteile im negativen wie im manchmal
auch berechtigten positiven Sinne bei-
seite und geht an der Erscheinungen
Kern heran. Leiden müssen so gut wie
alle Denkmethoden, sei es die dialek-
tische, die rationalistische, seien es
die 'liebgewordenen Vorstellungen
vom Normalen oder Anormalen, vom
Gesunden oder Ungesunden, sei es.
der Glaube an die Wissenschaftlicn-
keit unseres Weltbildes und der dar-
aus fließenden Entscheidungen — im-
mer wieder werden unter den sicn
überlagernden Verpackungen diP
nackten Tatsachen hervorgezogen.
Dabei geht es weniger, meist gai
nicht, um Klage und Anklage, viel-
mehr um Richtigstellung und den Ver-
weis auf neu zu ziehende Schlüsse.
Für den Verlasser mag und soll
wohl dieses Buch — in einem reich-
haltigen Autorendasein an hervorra-
gender Stelle stehend — so etwas wie
die Summe mühevoller, auch quälen-
der Überlegungen und befreiender bi-
kenntnisse sein. Er zeigt sich außeror-
dentlich belesen und kundig auf über-
raschend vielen Wissensgebieten. Da-
bei stützt er sich in seiner Argumen-
tation vielfach auf Autoren, die nicht
unbedingt in, oder aber auch weit ne-
ben den überlieferten und etablierten
Denktraditionen stehen. Nicht zu ver-
wechseln indes sind diese Denker mit
Sektierern, vor welchem Fehlschluß
nicht eindringlich genug gewarnt wer-
den kann. Manchen Lesern wird man-
ches, ja vieles schockierend vorkom-
men. Wir sagten dies schon anfangs
kritisch, hier' nun ganz anders: denn
von Ballusecks Buch will ein hilfrei-
ches sein, das trotz pessimistischer
Grundeinstellung von der skeptischen
Hoffnung ausgeht, dem Verständnis-
vollen zur Erkenntnis zu verhelfen.
Fragt man nach einem Gesamturteil,
das besonders auch den Nutzen für
die politische Bildung im Auge hat, so
wird man folgern können: Der Verfas-
ser setzt die Kenntnis der gängigen
Diskussion um die modernen Wissen-
schaftstheorien voraus. Hat man
sich jedoch in das Werk eingelesen,
so sind die mitgeteilten Erkenntnisse
in der Tat vielfach verblüftend, und
sie sind in dem Sinne politisch bil-
dend, als sie den Schlüssel zum Ver-
stehen des alltäglich auf den Bürge--
eindringenden Vordergründigen bie-
ten. Von einem prominenten Leser
als „nach Form und Inhalt hinreißend"
bezeichnet, kann das Buch Erhebli-
ches dazu leisten, die Diskussion über
umstrittene, vielfach gar nicht ver-
standene Fragen anzuregen. Rede und
Widerrede, Wort und Widerwort
könnten so manche neue Klangfär-
bung finden, könnten mit mehr Aus-
sicht auf Erkenntnis abgeklopft, ge-
wertet und gewichtet werden. Ein sel-
tenes, ganz besonderes Buch.
Eugen Stamm
Wie der „Zentrumsturm" zerbrach
rjie Dusche Zentrumspartei - im Kampf gegen B.smarck war sie entstanden
•-'und gewachsen, als Mittel — und Mittlerpartei hatte se sich im Kaiser-
reich und Tn der Weimarer Republik gehalten, im Schwanken .wischen Ab-
Vhnung des Nationalsozialismus und Anlehnung an eine ->" " "|^, J«!"'"'^
Keqierung war sie innerlich zerbrochen, bevor sie
dußen vollends zerschlagen wurde
Die Endphase der Deutschen Zen-
trumspartei schildert Rudolf Morsey,
ein guter Kenner der Zentrumsge-
• chichte. Es ist dies eine zweite Fas-
sung der bereits 1960 erschienenen
Studie, die in dem Sammelwerk „Das
Ende der Parteien 1933- enthalten
war. Inzwischen gab es neue For-
schungsergebnisse, differenziertere
Deutungen und auch eine rege öffent-
liche Diskussion, die um die Frage der
Anfälligkeit einer kirchlichen, also
auf Autorität ausgerichteten Partei
gegenüber einem autoritären Regime
kreiste — eine Diskussion, die sich,
wie Morsey kritisiert, nicht selten in
eben dieser historisch haltlosen oder
unergiebigen These verrannte.
Eine Überarbeitung der ersten Stu-
die war jedenfalls angebracht. Neu
nmgefügt wurde das einleitende Ka-
pitel „Zwischen Politik und Kirche-
Rudolf Morsey: „Der Untergang des po-
litischen Katholizismus**. Die Zentrunr»s-
partei zwischen christlichem Selbstver-
ständnis und .Nationaler Erhebung"
1932/33. Belser-Veriag, Stuttgart/Zürich
1977; 280 Selten, Leinen DM 32,-.
mit den Unterkapiteln „Das Dilemma
der Zentrumspartei", „Zwischen den
Fronten". »Die Problematik der geist-
lichen Führerschaft". ..Mitglieder,
Fraktion, Parteifinanzierung, Partei-
presse". Wie die Stärken der Zen-
trumspartei zugleich ihre Schwächen
waren, ist hier gut herausgearbeitet.
Sie war im Kulturkampf zur Vertre-
umg katholischer Interessen, vor-
nehmlich weltanschaulicher und kul-
turpolitischer Art, gegründet worden,
aber nicht nur in der Defensive gegen
das Staatskirchentum und den moder-
nen Freisinn, sondern auch zum
Schutz der Katholiken im neuen
Reich, die von dessen Grunder als
„Reichsfeinde" abgualifiziert worden
waren.
Dieser Gründungszweck ist mehr
und mehr verwässert worden. Dem
modernen Verständnis von Politik
und Partei widerstrebte zunehmend
eine ausgesprochen und ausschließ-
lich konfessionelle Formation. Die
deutschen Katholiken wuchsen in das
neue Reich hinein, die Zentrumspartei
gewann mit ihren 20—25 Prozent der
Bücher zum Thema Urlaub und Tourismus
Hans Bensmann: „Die Reise-Gesell-
schaft'*. Deutschlands Urlauber und
die Tourismus-Industrie. Droste-Verlag,
DüsseldoH 1976; 260 Seiten, Lin&on DM
26,80.
Rund 30 MiJl'cnen Bundesbürger
machen im Jahr eine Urlaubsreise.
Die touristische Industrie — Reise-
veranstalter, Transportunternehmen,
Fremdenverkehrsorte und -verbände
— kurbelt das Geschäft an, das Mil-
liarden umsetzt und Millionen in Be-
wegung hält. Die Reise in den Urlaub
gehört^ zu den selbstverständlichen
Konsumgütern, in den Massenmedien
spielt das Thema Tourismus eine im-
mer größere Rolle.
Der grenzenlose Boom hat aber in
den letzten Jahren nicht nur unge-
ahnte Chancen, sondern auch Proble-
me mit sich gebracht: Die bevorzug-
ten Ziele an den Sonnenstränden des
Südens oder innerhalb der Bundesre-
publik platzen während der Hochsai-
son aus den Nähten. Andere Gebiete
werden von der touristischen Welle
überrollt, wieder verlassen und blei-
ben als Ruinen zurück. Volkswirt-
schaften leben vom Tourismus, Um-
welt wird zerstört. Politische und
wirtschaftliche Entscheidungen beein-
flussen massiv Reisepläne. Der einzel-
ne Tourist sieht sich einer permanen-
ten Kampagne gegenüber, die ihm
den Duft der weiten und die Schön-
heiten der nahen yMelt verspricht —
die Realität muß er selbst erfahren.
aus, ohne sich der selbstzerstöreri-
schen Wirkung ihres Tuns bewußt zu
sein. Und der Druck auf die Erho-
lungslandschatten, das Massenpen-
deln zwischen Stadt und Land wird in
Zukunft nocli zunehmen. Wie kann
man diese Entwicklung in Ordnung
bringen und die Nachfrage nach den
immer knapper werdenden Erholungs-
landschaften befriedigen, ohne ihnen
weitere irreparable Schäden zuzufü-
gen?
Prof. Krippendorf analysiert die be-
drohliche Situation und faßt seine
durch sorgfältig ausgewähltes Bildma-
terial ergänzten Überlegungen in 14
Thesen zusammen, die nicht nur für
Tourismus-Produzenten, sondern auch
für den Konsumenten interessant
sind. — ^~"
J. Albrecht Cropp: „Von der Nordsee
auf die Zugspitze". Eine Wanderung
durch Deutschland. Mit einem Vorwort
von Philipp Rosenthal. Verlage alpha 9/
Eschborn-Taunus und Hailwag, Stutt-
gart-Bern. 198 Selten mit 82 z. T.
doppelseitigen Farbaufnahmen und 113
schwarz-weißen Abbildungen, 7 Karten-
skizzen mit Wegbeschreibungen. Lei-
nen DM 49,—.
Weiträumige Wanderungen werden
bei den deutschen Wanderfreunden
immer beliebter. Zu den passionierten
Weilwanderern gefiört seit Jahren
Schaftsraum des Menschen eingeglie-
dert. Mit der Touristik unserer Zeit
hat diese Entwicklung einen Höhe-
punkt erreicht. Eine Gesamtdarstel
lung des Alpenraums und aeinet
Menschen kommt daher einem brei
ten Interessentenkreis entgegen. Ait-
tor und Verlag haben sich die Aufga-
be gestellt, eine Darstellung des Al-
penraums zu geben, in der alle Per-
spektiven von allgemeinem Interesse
angeschnitten sind. Der Umfang die-
ses Lexikons zwingt bei einigen The-
men zur Auswahl und Kürze.
Breit aufgefächert sind Landschaf-
ten, Täler, Flüsse, Gebirgsgruppen
und Berge. Die Berge wurden nach
geographischen, bergsteigerischen,
touristischen und skisporllichen Kri-
terien aufgenommen. Klettertechni-
sches wurde auf das Wesentliche be-
schränkt — doch wird genug geboten,
um auch den Laien mit dem Bergstei-
gen vertraut zu machen. Besonders
beachtet wurde die neuzeitliche Ter-
minologie im Alpinismus. Geologische
Begriffe und Zusammenhänge sind
ausiühüich behandelt. Aus der Tier-
und PfkwTenwelt wird das Typische
und Interessante gebracht. Hingewie-
sen sei besonders auf die Aspekte
der UmweHbedrohung und die Schil-
derung der Naturparks.
Eine Reihe längerer, einen Themen-
komplex zusammenlassender Artikel,
qeben Überblicksdarstellungen und er-
//f sonst in einem
nalparks, der in Kürze in der Hochge-
birgslandschait rund um Konigsee
und Watzmann als großartigstes Na-
turschutzprojekt Mitteleuropas ent-
stehen wird.
Kamen in rien letzten Jahren in das
rund 21 000 Hektar große Gebiet, das
schon Alexander von Humboldt „zu
den schönsten der Erde' zählte, rund
2 5 Millionen Touristen, so wird die
Attraktivität dieses Bergparadieses,
das für viele Pflanzen- und Tiergat-
tungpn eine wirkliche Arche Noah
werden könnte, noch zunehmen. Zu-
nehmen wird auch das Interesse der
Besucher an präziser Information
über den Nationalpark.
Geologische Entstehung und ökolo-
gischer Kreislauf, Pflanzen- und Tier-
arten in den einzelnen Regionen und
viele andere Fragen werden hier vom
kompetentesten Fachmann engagiert
und verständlich erklärt. Die zehn
wichtigsten und aufschlußreichsten
Wanderrouten im Nationalpark wer-
den anhand von Karten genau be-
schrieben. Der Führer durch den Na-
tionalpark Berchtesgaden birgt einp
Fülle von Informationen für jeden
Bergwanderer und Naturfreund."
Nachzutragen wäre 1977 zu diesem
Verlagstext, daß der Forstmeister und
Hochgebirgsökologe Dr. Georg Mei-
ster von seinem Posten ah Planer des
Nationalparks zurückgetreten ist. An
welchen Widerständen er gescheitert
Mandate im Reichstag eine Schlüssel-
stellung, war seit 1890 Regierungspar-
tei, zum Kompromiß gezwungen und
immer mehr dazu von sich aus bereit.
Diese Entwicklung setzte sich in der
Weimarer Republik fort; das Zentrum
gehörte zur liberal-demokratisch-
sozialen Weimarer Koalition, war bis
1932 an allen Reichsregierunqen betei-
ligt. Nicht nur dadurch fühlte es sich
zur Mittlerposition zwischen Links
und Rechts berufen, auch durch seine
eigene Zusammensetzung war es auf
Vermittlung und Ausgleich angewie-
sen. Denn dieses Zentrum war, wenn
auch im begrenzten katholischen Rah-
men, eine Volkspartei, die Bauern,
Mittelständler, Arbeiter und Unter-
nehmer in ihren Reihen hatte, deren
Interessen unter einen Hut zu bringen
waren, was mit wachsender Wirt-
schaftskrise immer schwerer wurde
Auch die politischen Unterschiede in
der Partei traten stärker hervor: alle
Strömungen waren im Zentrum ver-
treten, mit katholischen Vorzeichen
und in gewisser Parteidisziplin freilich
— Linke und Rechte, Christlich-
Soziale, Nationale, Konservative und
Monarchisten.
In der Endphase der Weimarer Re-
publik begann sich das Dilemma der
Zentrumspartei zuzuspitzen, existenz-
bedrohend zu werden. Immer mehr
katholische Wähler identifizierten
sich nicht mehr mit der konfessionel-
len Partei. Der Versuch des Zentrums-
politikers Brüning, als Reichskanzler
die Republik wirtschaftlich zu stabili-
sieren und politisch auf die Mitte ein-
zupendeln, war gescheitert. Ein Aus-
bau des „Zentrumsturms", der gebo-
ten gewesen wäre, war nicht möglich,
weil' keine Einigung zu erzielen war,
ob dieser Ausbau nach Links oder
nach Rechts erfolgen sollte, weil er
auf jeden Fall die Mittelposition und
damit das Zentrum selber in Frage ge-
stellt hätte.
In dieser Situation erinnerte sich
die Partei — über ein halbes .lahrhun-
dert nach dem Kulturkampf und bei
weit fortgeschrittenem Säkularisie-
rungsprozeß — an ihr konfessionelles
Einigungsband, und es wieder fester
7u knüpfen, nahmen sich die „Zen-
trumsprälaten" vor, die neue Partei-
führung, an der Spitze Prälat Kaas.
Das beschleunigte den Untergang der
Partei.
Das Interesse der Kirche, das ein
Reichskondordat verlangte und das
die neue Reichsregierung unter Hitler
zugestehen konnte, brachte die Partei
in eine Nähe zu den neuen Machtha-
bern, die weder mit den Cirundsätzen
noch' mit den politischen Auffassun-
gen eines Großteils der Zentrumsmit-
glieder und der Zentrumswähler zu
vereinbaren war. Die in einer langen
Parteigeschichte geradezu in Fleisch
und Blut übergegangene Bereitschaft
zum Punktieren und Kompromisse-
srhließen führte bis zu Versurhen, mit
der neuen Regierung zu koexistieren,
wenn nicht gar zu koalieren.
Die von „politischen Amateuren"
geführte Partei zeigte seit dem Herbst
1932 Neigung, mit den Nationalsozia-
listen und den Deutschnationalen zu-
sammenzuarbeiten, jedenfalls eine
von diesen beiden Parteien gebildete
Regierung zu tolerieren, um auf diese
Weise, wie Morsey schreibt, „die Dik-
tatur einer Partei verhindern und in
einer Art von historischer Parallelität
das .gelungene' Zähmungskonzept ge-
genüber dem Sozialismus nach 1918
nunmehr gegenüber dem Nationalso-
zialismus wiederholen zu können". Im
Sammelbecken des Zentrums gab es
auch starke nationale Kräfte, die
glaubten, besonders nachdem Hindrn-
burg Hitler die Hand gedrückt hatte,
daß das „Dritte Reich" in der Konti-
nuität des „Zweiten Reiches" stünde.
So kam es zum Zusammenbruch des
Zentrumsturins, der von innen heraus
gesprengt und schließlich von außen
her zerstört wurde. Morsey resümiert:
„Die Zentrumsführung schwankte zwi-
schen illusionären Hoffnungen auf ein
Auslaufen der rcvolutionärejT__VVolle
und auf das Funktionieren des Zäh-
mungskonzeptes auf der einen und
der Zweckmäßigkeit und dem Ausmaß
politischer Vorleistungen auf der an-
deren Seite. Unter ihnen kommt der
Zustimmung zu den Ermächtigungsge-
setzen im Reich und in den Ländern
die größte Bedeutung zu, auch wenn
diese Gesetze im Prozeß der national-
sozialistischen Machtbefestigung kei-
neswegs jene entscheidenden Etappen
darstellen, die ihnen im Ruckblick im-
mer noch zugemessen werden." Im
Juli 1933 verfiel das Zentrum dann
der „zwangsweisen Selbstauflösung".
Viele Zentrumsführer wurden poli-
tisch verfolgt, auch katholische Politi-
ker und Kleriker beteiligten sich an
der Widerstandsbewegung gegen Hit-
ler.
Nach 1945 wurde die Konseguenz
aus dem Dilemma der Zentrumspartei
gezogen, die CDU und die CSU als in-
terkonfessionelle, liberale, demokrati-
sche und soziale Parteien gegründet.
Der „politische Katholizismus", auch
wenn er noch eine Zeitlang und hie
und da aufflackerte, war tatsächlich
1933 untergegangen — wie es Rudolf
Morsev in seiner nicht nur wissen-
schaftlich bedeutenden, sondern auch
politisch wichtigen Studie zeigt.
Franz Herre
tiitiiiiiniiiiiiiiiiiiiiiHiiniiimiimiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiin
Zeitschriftenschau
(Die Verlage. Herausgeber und Bezugs-
bedingungen der Zeitschriften können
in jeder Buchhandlung ertragt werden.)
liberal 12/77
Hans Wolfgang Rubin: Die Aufgaben der
Liberalen:
Ingo von f^ünch: Grundsätzliche Fragen
des modernen Verständnisses der Grund-
rechte;
Gertiard Walter: Betrieb und Gesellschafts-
politik;
Friedrich-Wilhelm K i r c t» ti o f f : Bildungs-
und Beschäftigungssystem;
Dokumentation:
Georg D e n z I e r . Das Papsttum und die
Menschenrechtf! im 19. Jahrhundert - Im
Kampf gegen Freiheit, Gleichheit und Brüder-
lichkeit;
Detlef P u h I : Die Entwicklung der EG und
des Mittelmeerraums.
Politische Didaktik 4/77
Thema: Das Schulbuch
als Gegenstand Politischen Unterrichts
Gerd Stein Die politische Dimension des
pädagogischen Hilfsmittels Schulbuch. Oder:
Von der Unzulänglichkeit einer nur fachwissen-
schaftlich-didaktischen Schulbucharbelt:
Walter Müller: Schulbuchzulassung: Ein
Indiz für den parapädagogischen Charakter
von Schule:
Hans-Jörg B i r k : Schulbuchzulassung: Rechts-
grundlagen und Praxis heute;
Volker N i t z s c h k e : Schüler untersuchen
Schulbücher ~ Eine Unterrichtseinheit für die
Primarstufe;
F'ank Nonnenmacher Schüler verglei-
chen Schulbücher. Eine Unterrichtseinheit für
die Sekundarstufe 1
yiwppppwwupiiiiiiiiiiiliin
;:t«rtitb<;ti>3 Bu'xwspost
iMAiMh
r^f'.ttef». Sperrt.
Zugunsten der 1967 gegründeten .Stif-
tung Deutsche Sporthilfe" gibt die Bun-
despost eine Serie von Zuschlagsmar-
ken heraus. Der erste Wert, mit einem
Skisport-Motiv, erscheint am 12. Januar.
Jürgen Henningsen: Des linken Kate-
chismus drei falsche Artikel;
Joachim Sech. Landesschulbuchkommission
Nordrhein-Westfalen - Ein Modell für die
Schulbuchprufung in der Bundesrepublik?
Dietrich Z i t z I « f f Anschriften und Medien
zum Thema „Schulbuch" .
Osteuropa 12/77
Mira T h e i I : Eine neu© Schulreform in Ju-
goslawien.
Annen Ute G a b a n y i : Das ..Bu_kar£ai£f_JaiL
Freitag, den 14. JulM967
POLITIK
ZEIT Nr. 28 -Seite 9
I
(
Ein Deutscher aus
Leidenschaft
Zum Tode des Historikers Gerhard Riller
Von Karl-Heinz Janßen
Wir saßen, ein Dutzend Studenten, in seiner
gemütlichen Studierstube, deren ^ Wände
durch Bücher verstellt, deren Tcppiche mit Akten
überladen waren. Gerhard Ritter liebte es, von
Zeit zu Zeit junge Menschen zum zwanglosen
Gesprädi einzuladen, wozu in den überfüllten
Hörsälen oder den überlaufenen Seminaren nie
Zeit blieb. Irgendwann kam dann der Augen-
blick, wo er sich behaglich zurücklehnte und den
Rock öffnete, so daß die Uhrkette sichtbar wurde,
die nach Altväterart über der Weste hing; er
schnitt sich schweigend eine Zigarre zurecht, dann
zuckte es belustigt in seinen Augcnwmkcln, und
man konnte sicher sein, daß jetzt eine seiner vie-
len Schnurren folgen würde, die er hinreißend
erzählen konnte. In solcher Stimmung kam die
Unterhaltung auf einen alemannischen Heimat-
dichter mit leicht „brauner" Vergangenheit. Einer
von uns glaubte, ihm, dem ehemaligen Gestapo-
häftling, imponieren zu können, indem er sich
abfällig über den Dichter äußerte: „Jetzt sitzt
er da auf seiner Burg, schaut nach Kolmar rüber
und jammert über das verlorene deutsche Elsaß."
Ritter antwortete nur: „Ist ja auch ein Jammer!"
Der Freiburger Historiker hat es immer
schmerzlich empfunden, daß _ das Straßburgcr
Münster nicht mehr deutsch sei. Er hat nie seine
Freude über den Anschluß Österreichs verhehlt,
wiewohl er es tief bedauerte, daß gerade der
verabscheute Demagoge Hitler den Ruhm davon-
trug. Er dachte und fühlte so national wie sein
Freund Goerdeler; er hatte nichts dagegen, wenn
man ihn einen Konservativen nannte.
Gerhard Ritter gehörte zu den wenigen, die
nach der Katastrophe von 1945, mitten in einem
\on fremden Truppen besetzten Lande, mutig
für das Lebensrecht und für die Ehre des deut-
schen Volkes ihre Stimme erhoben. Als es Mode
war, unsere Nation als von Grund auf böse und
verderbt anzuprangern und seine Geschichte als
eine Kette blutiger Raubzüge gegen friedliebende
Nachbarvölker, als ein Schauspiel machtlüsterner
Tyrannen und unterwürhger Sklaven darzustel-
len, da lehrte er unbeirrt, daß sich die Deutschen
ihrer tausendjährigen Geschichte nicht zu schä-
men brauchten. Wo er nur konnte — auf inter-
nationalen Kongressen, in Leserbriefen an große
ausländische Zeiumgen — trat er der Geschichts-
klitterung entgegen, die Martin Luther, I-ned-
ridi den Großen und Bismarck zu Vorläufern
Adolf Flitlers stempeln wollte. Ritter, der Bio-
graph Luthers und Friedrichs, der LIerausgeber
der textkritischen Ausgabe von Bismarcks Ge-
sammelten Werken, der Gegner Hitlers -- er
durfte es sofort nach dem Zusammcnbrudi wagen,
wieder von Vaterlandsliebe zu reden.
Von da an ließ die Zeitgeschichte Ritter nicht
aus ihrem Bann. Manche Kollegen im Ausland
bedauerten, daß er nicht wieder zur Reforma-
tionsgeschichte zurückkehrte, um die er, der Nach-
fahre einer hessischen Pastoren- und Gelehrten-
familie, sich bleibende Meriten erworben hat.
Aber er war überzeugt, daß Historie nicht lebens-
fremd sein dürfe: „Wie sollten wir sichere Schritte
in die Zukunft tun, wenn wir den historischen
Standort unserer Gegenwart nicht genau kennen
und nichts Näheres von der historisch geworde-
nen Struktur des Geländes wissen, in dem wir uns
bewegen?" Er wollte nicht, wie viele seines Fachs,
Geschichte nur vom Rande, nur vom elfenbeiner-
nen Turme aus schildern.
Schon während des Krieges machte er sich
daran, das Problem des Militarismus zu erfor-
schen. Er wollte das Unfaßbare begreifen, wieso
ein von Natur aus eher biederes und lamm-
frommes Volk einem Erzmilitaristen ins Ver-
derben folgen konnte, freiwillig und ohne auf-
zumucken.'Nach 1945 mußte die Arbeit an dem
großen Werk, für das er mit sicherem Sprachge-
fühl den schönen Titel „Staatskunst und Kriegs-
handwerk" fand, etliche Jahre lang ruhen, ehe
ihn das westliche Ausland an die erbeuteten
Archive heranließ. Tag für Tag vergrub er sich
nun in Berge von Akten, die er sich in Kopien
aus England und Amerika kommen oder von
seinen „T^manuensen" zusammentragen ließ.
Die intensive Beschäftigung mit der wilhel-
minischen Zeit hat Ritter seelisch tief erschüttert.
Der einstige preußische Oberlehrer, der Kriegs-
freiwillige' des Ersten Weltkrieges, mußte von
A-ielen geliebten Vorstellungen Abschied, nehmen.
Auch er hätte seinen Söhnen — dem Gefallenen
und dem Heimgekehrten — nach 1945 zurufen
können, was sein Münchner Kollege Karl Alexan-
der von Müller in die Klage faßte: „Wir Älteren
können des Gefühls nicht Herr werden, daß nie-
mand mehr weiß, wie schön die Welt sein kann,
der die Jahre vor 1914 nicht erlebt hat." Auf das
Deutschland seiner Jugend, das solange vom
Strahlenglanz der Erinnerung überdeckt schien,
fielen nun dunkle Schatten. y\ber Ritter war als
Forscher zu unbestechlich, zu wahrheitsliebend,
als daß er die Augen vor Schuld und Schwäche,
vor Fehlern und Versäumnissen deutscher Staats-
männer und Militärs hätte verschließen Jüinnen.
Dennoch traf es ihn schwer, als Anfang der
sechziger Jahre F'ritz Fischer in seinem Buch
„Griff nach der Weltmacht" zwischen Kaiser- und
Hitlerrcich eine Kontinuität herstellte und
Deutschland ziemlich eindeutig mit der Allem-
schuld am Ersten W^-ltkrieg belastete. Ritter, dein
im Gegensatz zu Fischer die Archive in der DDR
verschlossen geblieben waren, mußte alle l'aktcn
und Daten des eben abgeschlossenen dritten Ban-
des von „Staatskunst und Kriegshandwerk" noch-
mals prüfen. Und nicht nur das: Fr fühlte sich
lierausgefordert durch Fischers Thesen, die er
nicht anders als eine „Katastrophe" verstehen
wollte. Leidenschaftlich setzte er sich gegen
Fischers Geschichtsbild zur Wehr; in manchmal
verletzender Form verdammte er die Thesen des
jüngeren Kollegen, die von der Öffentlichkeit,
voi-T einer durch Erinnerungen unbeschwerten
lugend und erst recht vom mißtrauischen Aus-
ian"d so begierig aufgenommen wurden. „Meme
Arbeitskraft ist' noch leidlich", schrieb er mir im
April 1962, „aber der 3. Band macht sehr viel
Mühe, und ich bin manchmal so weit,^ daß ich an
der Möglichkeit seiner Bewältigung fast zu ver-
auch noch die fürchterliche Aufgabe vor mir habe,
mich mit dem unglückseligen Buch von Fischer
auseinanderzusetzen."
Im Streit um die Kriegsschuld \on 1914 waren
die beiden Professoren nur um Nuancen von-
einander entfernt. Wo Fischer von bewußter Ab-
sicht sprach, da wollte Ritter nur politische Blind-
heit sehen, aber er räumte durchaus ein, daß
auch sie zur historischen Sdiuld werden könne.
Darüber hätte sich diskutieren lassen, wären hier
nicht zwei Generationen, zwei verschiedene Kon-
zeptionen gegenwärtiger Geschichtsschreibung auf-
einander geprallt. Wo Fischer und seine Schüler,
nicht ganz fern der marxistischen Geschichtsauf-
fassung, die Politik des Deutschen Reiches \or
allem als Produkt der herrschenden gesellschaft-
lichen und wirtschaftlichen Kräfte begriffen, wo
sie Firmenbilanzen und Produktionsziffern, Kor-
In Deutschlands schwers;en Jahren: Gerhard Ri
porationen und Aur>ichts^re für wichtiger hiel-
ten als persönliche EntscPidungen eines Staats-
mannes, da wehrte sich Rii er gegen den Irrglau-
ben, „als ob anonyme Kräf e, ökonomisch-soziale
Gegebenheiten den Gang Jer Politik im Großen
bestimmten und nicht der lebendige Wille poli-
tisch-aktiver Person lichkeitjn''.
Ritter war seiner ganzeWNatur nach nicht da-
zu geschaffen, eine statisch. Zu candsschilderung
zu geben oder anStcllc der .istoi sehen Erzählung
historische Analysen zu schreiben. „Wem die Ge-
schichte als Drama orsdieinj, der muß wünschen,
ihren Ablauf in einer loi, l^'.v, zustellen, die den
sehen Tempo entspricht." Tnm war Geschichts-
schreibung nie bloße Komfi ilation, nie nur flei-
ßiges Faktensammeln — e' verstand sein Fach
' als künstlerische Aufgabe, er wollte gestalten:
„Historie höheren Stils em >teht erst da, wo der
gestaltlose historische Stoff : .ur lebendigen Gestalt
geformt wird." Ein begHuletes Erzählertalent
und der ganze Reichtum /[er deutschen Sprache
standen ihm zu Gebote. \\l|- wollte leugnen, daß
seine Biographien über Lu\fher, über den großen
Preußenkönig, über den I Reichsfreiherrn vom
Stein, über Goerdeler uni seine Passagen über
Bethmann Hollweg zum bleibenden Bestand
deutscher Literatur in di.sfem Jahrhundert ge-
hören? Ritter muß allein deswegen sdion in einer
Reihe genannt werden n^k Ranke, Mommsen,
Droysen, Treitschke, Delbrlück und Meinecke.
„Historiker sein heißtifzu neunzig Prozent
Aufnahme: Erich Retzlaff
üer (1888-1967) nach dem Zweiten Weltkrieg
guter Stil", sagte er einmal, dabei bewußt über-
treibend, denn' er verstand auch sonst viel von
seinem Handwerk. Ihm war die gleiche Gabe zu
eigen, die er gern dem Altmeister Ranke nach-
rülimte, der angeblich nur mit dem Zeigefinger
in i.ku Aktenberg zu stoßen brauchte, um sofort
das wichtigste Dokument zu finden: Er vermochte
Wesentliches vom Unwichtigen zu trennen. Er
wußte komplizierte Zusammenhänge durchschau-
bar zu machen, er ging immer von lebensnahen
„Fragestellungen" aus, ohne daß ihm die Historie
zur Tagespublizistik entartete. Er besaiS
die Spürnase eines Kriminalisten, die kritische
Di.tan.. dc3 GeLl;:ten unvl d^s £eurige,TempiYa-
ment des engagierten Schriftstellers: „Der wahre
Historiker ist immer mit dem Herzen bei seiner
Sache." j tt j
jede Biographie geriet ihm unter der Hand zur
umfassenden Darstellung einer ganzen Epoche.
Er wollte, wie Ranke, die „Mär der ganzen Welt-
geschichte" auffinden. Einen gewaltigen Bogen
von sechs Jahrhunderten umspannt sein Lebens-
werk, seine Bibliographie enthält an die drei-
hundert Titel. In seinen Kollegs las er geistes-
geschichtliche und verfassungsgeschichdiche Essays,
die sogar bis ins Altertum führten. Ritter war in
der Tat der letzte universale Historiker, viel-
leicht, wie sein Freund und Bewunderer Pcrcy
Ernst' Schramm meint, die „Endgestalt einer
Epoche", denn mehr und mehr greift auch in der
Geschichtswissenschaft das Teamwork um sich,
weil einfach die Kraft eines einzelnen nicht mehr
ausreidit, die gewaltigen Stoffmassen und ver-
sdiiedenen Wissensgebiete zu beherrschen.
Dennoch bleibt der Wissenschaftler Gerhard
Ritter als Persönlichkeit ein Vorbild auch fiir die
nachfolgenden Generationen in der Geisteswissen-
schaft. Er hat ihnen vorgelebt, daß die Wissen-
schaft nicht lebensfremd zu sein braucht, daß auch
der Gelehrte zuweilen aus seiner Studierstube
ausbrechen und sich in das Getümmel des politi-
schen Tageskampfes stürzen muß.
Viele seiner Verehrer, die ihm seine tapfere
Haltung und seinen Leidensweg im Dritten Reich
hoch anrechneten, waren jedoch bestürzt, als sich
Ritter während der „Spiegel"-Afl"äre vehement
und blindwütig auf die Seite der Staatsautontat
schlug. Wieso, fragten sie, ergreift ein Mann des
20. Juli nicht Partei für die Rebellion des kriti-
schen Geistes gegen die Bevormundung des Staa-
tes, wieso kann er offenbares Unrecht gutheißen,
wieso in das Verdammungsurteil gegen eine freie,
kritische Presse einstimmen? Doch sie vergaßen,
daß Ritter den 20. Juli immer nur als eine Aus-
nahmesituation verstanden hat, verursacht durdi
die Perversion einer Staatsführung, die als „ver-
brecherisch" abzuurteilen er sich nicht scheute.
Aber im Grunde war er ein Mann der Staats-
räson, kein Nachfahre der 48er-Revolution (wie
konnte er spotten über das Parlament der Pro-
fessoren!) und mitnichten der Französischen Re-
volution. Überhaupt waren ihm alle „Literaten,
Journalisten, Rechtsanwälte" in der Politik ver-
jial>t, sah er immer die Demokratie in Gefahr,
zum „Tummelplatz der Bloß-Betriebsamen" zu
werden. Darum mußte ihn die Rechtfertigung
publizistischen Landesverrats auf die andere Seite
der Barrikaden rufen, auf die Seite des Staates.
Ritters Liberalismus war von der Art des Frei-
hcrrn vom Stein, „daß wahre Freiheitsgesinnung
sidi nicht gegen den Staat kehrt, sich nicht in der
Sicherung \md Behauptung einer privaten Frei-
heitssphäre erschöpft, sondern sich erst im Be-
wußtsein der Mitverantwortung für das Gemein-
wohl vollendet". Überhaupt wollte ihm der
Reichsfreiherr auch in diesem Jahrhundert noch
„als ein Idealbild aufrechter deutscher Männ-
lichkeit" erscheinen.
Sie reizten ihn zur Darstellung: die Männ-
lichen, Trutzigen (Luther), aber auch die schuld-
haft Verstrickten, die großen Willensmenschen
(Bismarck), die um der Macht willen zuweilen
die Schranken des Rechts durchbrechen, aber letzt-
lich doch ihre Flandlungen von der nüchternen
Staatsräson diktieren lassen und nicht von ver-
blendeter Leidenschaft. Er war sich dessen be-
wußt, daß die reine Staatsvernunft das Seltenste
ist, daß jeder große Staatsmann der „Dämonie
der Macht" (so der Titel seines wohl tiefschür-
fendsten Werkes) ausgesetzt ist, daß alles Men-
schendasein in unauflöslidie Interessengegensätze
verwoben, alles Mensdienwerk unzulänglich
bleibt.
Er forderte vom Staatsmann wie vom Histori-
ker, die Doppelnatur des Menschen, das Ringen
zwischen Gott und dem Dämon illusionslos zu
erkennen. „Wahre Historie ist eine männliche
Wissenschaft", bekannte er. Sein persönliches
I eben war nicht eben arm an Schicksalsschlagen:
Der älteste Sohn fiel am Weihnachtsabend 1941
in Rußland (ihm widmete er eine ergreifend zu
lesende Totenklage); im Winter 1944/45 hatte er
täglich den Tod vor Augen, bis ihn sdüießlicli
die Russen aus den Fängen der Gestapo befrei-
ten; Ende der fünfziger Jahre drohte er zu er-
blinden, doch konnten zwei gewagte Operationen
ihm das Augenlicht retten. Nie versiegte seine
Lebenszuversicht; noch im hohen Alter reiste er
auf dem Moped kreuz und quer durch Sizilien.
Das Aktenstudium hielt ihn jung wie einst den
alten Ranke, dem er auch äußerlidi immer mehr
zu ähneln begann. Entspannung vom seclisdi
wie körperlich aufreibenden Tageswerk suchte er
in der Kammermusik oder in der Natur, in sei-
nem Haus im Hochschwarzwald. Bis zuletzt
arbeitete er weiter am vierten Band von „Staats-
kunst und Kriegshandwerk", dem vielleicht nodi
ein fünfter folgen sollte. Im Oktober wollte er
noch einen Vortrag auf dem Freiburger Histori-
ker-Kongreß halten, und zum Abschlufb seines
Lebenswerkes gedachte er, eine moderne deutsdie
Gesdiichte zu schreiben. Er wurde der selbstge-
stellten Aufgabe nicht müde, «dem Satan ein
Stüdc vernünfdger Weltordnung abzutrotzen*.
Sein Lieblingswort war das lutherisdie .Dennodi .
Seile 10 - ZEIT Nr. 28
POLITISCHlp BUCH
Freitag, den 14. Juli 1967
Chruschtschows
nachträglicher Sieg
Die enlsclieideiulen Elemente seiner Politik wurden beibehalten
Edward Crankshaw: Der rote Zar: Nikita
Chruschtschow. Aus dem Amerikanischen von
Günther Danehl. S. Fischer Verlag, Frankfurt;
344 Seiten, 24,— DM.
Nikita Sergejcwitsch Chruschtschow war der
typischste Russe unter allen bisherigen kom-
munistischen Machthabern im Kreml. Er kam
wohl dem am nächsten, was wir gern als die
russische „schirokaja natura" bezeichnen: jene
grandios-bestürzende Mischung nämlich ^ von
Grausamkeit und Gutmütigkeit, robuster Grob-
heit und vitaler Lebensfreude. Chruschtschow be-
saß von allem etwas; er war der erste Sowjet-
herrscher, der alle Welt diese Stärken und Schwä-
chen des russischen Charakters aus unmittelbarer
Nähe miterleben ließ. Dem Volke kam er unver-
gleichlich näher als der aus der Distanz verehrte
Lenin und der unnahbare Stalin, auch wenn er
weder über die messerscharfe Intelligenz des
einen nodi die staatsmännische Gerissenheit des
anderen verfügte.
Auch seine Biographen — es sind schon über
ein halbes Dutzend — können Chruschtschow
eine gewisse Sympathie nicht versagen. Crank-
shaw, ein führender Rußlandkenner im britischen
Journalismus, hat Chruschtschows Laufbahn bis
in dessen nur in den Umrissen bekannte Kind-
heits- und Jugendjahre zurückverfolgt; er ist
dem gestürzten Sowjetführer persönlich begegnet
und hat ihn zu Hause und im Ausland „an der
Arbeit" gesehen. Crankshaws Buch über Chru-
schtschow wurde mehr als eine Biographie. Es
wurde ein mit vielen, bisher unbekannten Fakten
bereicherter Ausschnitt aus 45 Jahren sowjetischer
Politik, mit der sich Leben und Karriere Chru-
schtschows immer mehr verflocht, um auf der
Höhe seiner Macht fast identisch zu werden.
Chruschtschow war jedoch nicht der „rote Zar",
wie ihn der etwas unglückliche deutsche Buchtitel
vorstellt. Er war weniger und mehr zugleich.
Crankshaw (wie übrigens auch Lazar Pistrak,
dessen Buch über Chruschtschow Crankshaw viel
verdankt, und Wolfgang Leonhard in seiner aus-
gezeichneten Chruschtschow-Biographie) zeigt
uns deutlich die charakterlichen und intellektuel-
len Grenzen dieses russisch-ukrainischen Bauern-
sohnes, seine Fehler und Irrtümer, seine völlige
Unterwerfung unter Stalins Diktat gerade wäh-
rend der schrecklichen Zeit der „Säuberungen*,
seinen offenen Antisemitismus, seine ToUpatschig-
keit und Launenhaftigkeit als Staatsmann.
Trotz alldem hatte Chruschtschow den mei-
sten seiner Vorgänger eine entscheidende Gabe
voraus: die Bereitschaft und Fähigkeit, aus be-
gangenen Fehlern zu lernen. Nirgends hat er diese
Gabe deutlicher und mit größerem Mut gezeigt
als nach dem gescheiterten Kuba-Abenteuer.
Chruschtschow, der wenige Jahre zuvor noch
fast abergläubisch an die politische Wirkungskraft r
nuklearer Raketen geglaubt hatte, erkannte da- i.
mals ihre Grenzen und wohl auch jene der von %
ihm gelenkten Sowjetmacht.
Ungleich seinen zaristischen Vorgängern stand
er an der Spitze der nunmehr zweitgrößten
Weltmacht; der ihm daraus erwachsenden Verant-
wortung ist er sich in den letzten Jahren seiner
Herrschaft zunehmend bewußt geworden. Wahr-
scheinlich gegen wachsenden Widerstand in der
sowjetischen Führungsspitze versuchte Chru-
schtschow, seine Außenpolitik darauf umzustellen
und die Welt von seiner Koexistenzbereitschaft
zu überzeugen. Ob er dabei allerdings so weit
ging, sich kurz vor seinem Sturz „mit West-
deutschland zu einigen und den Genossen Ulbricht
zu verkaufen", wie Crankshaw schreibt, ist zwei-
felhaft. Chruschtschow blieb, bei aller Anpas-
sungsfähigkeit, der ideologisch gläubige, oft
messianisch eifrige Führer des Mutterlandes der
kommunistischen Revolution. Das .setzte auch
ihm und seiner Politik genau umschriebene Gren-
zen, die zu überschreiten er weder willens noch
in der Lage war. t> i •
Es ist die Schwäche in Crankshaws Buch, in
dem man Chruschtschow schließlich als Held ab-
treten sieht, daß sich der Autor zu sehr von der
farbigen Persönlichkeit des Hauptdarstellers und
den Höhepunkten seiner Laufbahn gefangenneh-
men läßt und dabei allzuleicht übersieht, wie
viele ungelöste oder von ihm erst geschaffene
Probleme der gestürzte Sowjetführer seinen farb-
loseren Nachfolgern überließ. Vielleicht besteht
Chruschtschows größter Sieg darin, daß trotz der
wohl unvermeidlichen „Enteil ruschtschowisierung"
nach seinem Sturz die entscheidenden Elemente
seiner Politik beibehalten wurden.
Curt Gasteyger
Kirche des Konzils
Vieles blieb uu>ollendct, aber der Sauerteig wirkt weiter
Josef Schmitz van Vorst: Kirche gestern —
Kirche morgen. Aufzeichnungen 1962 bis 1966.
Verlag Kepplerhaus, Stuttgart; 300 Seiten,
18,80 DM.
Am Ende seines Buches schreibt der Autor,
vieles auf dem Vatikanischen Konzil sei
unvollendet geblieben; doch eben durch diese
Lücken hindurch vermöge der Sauerteig der
großen katholischen Kirchenversammlung weiter-
zuwirken. Nicht von ungefähr wählte Schmitz
van Vorst den Untertitel „Aufzeichnungen". Diese
Form der schildernden, betrachtenden, wenn auch
thematisch geordneten Notizen ergab sich aus
der Arbeitsweise des Journalisten und Korre-
spondenten, dessen tägliche Konzilsberichtserstat-
tung in der „Frankfurter Allgemeinen" ausführ-
liche und sachkundige Information bot.
Die „Aufzeichnungen" sind mehr als eine
Sammlung dessen; sie vervollständigen und er-
gänzen, sie lassen neben dem vordergründigen
Geschehen, der fast parlamentarisch-geschäftigen
Bemühung ums Metaphysische, das einem solchen
Konzil theologischer und hierarchischer Sach-
walter Christi unvermeidlich anhaftet, auch den
Hintergrund sichtbar bleiben: den weiten histo-
rischen und geistigen Horizont einer so univer-
salen, altehrwürdigen Institution wie es die
katholische Kirche ist, die sich mutig den Zwei-
feln, Schwächen und Herausforderungen einer
Welt stellt, die ihr anders zu entgleiten drohte.
Die Form der „Aufzeichnungen", in denen
Man braucht nur einige Stichworte zu nennen,
die Schmitii van Vorst gibt, um das weite Feld
zu ermesse;!, auf dem diese Kirche mit und seit
dem Konzil wichtige Schritte tat, ohne sich des
Ziels schon immer ganz gewiß zu sein: „Ent-
mythologisierung der Kurie" — „Ende des
Kreuzzugsgeistes" — „Beginn des großen Dia-
logs« — „Religionsfreiheit — eine kopernika-
nische Wende".
Von Pius XII. über Johannes XXIII. bis
Paul VI., der die Tiara ablegte, reicht der „Ab-
bau des übersteigerten kirchlichen Autontäts-
verständnisses", wie es der Autor einmal nennt,
ohne daß klerikale Enge durch laxe Liberalität
ersetzt würde. Der Erfolg des Reformwerks,
dem sich diese Kirche verschrieben hat, hängt
wesentlich — das lehrt dieses Buch — von der
Abgrenzung des „Aggiornamento", der Anpas-
sung an die gegenwärtige Welt, ab. Eine Institu-
tion, die sidi nicht von dieser Welt herleitet,
doch für diese Welt dasein will, kann sich nicht
mehr darin genügen, ihr dogmatisches Selbst-
verständnis zu hüten. Sie muß Verständnis zei-
gen, Antworten geben, wo Krieg, Bevölkerungs-
druck, Hunger, Unfreiheit und Unmenschlichkeit
den Menschen als Ebenbild Gottes in Frage
stellen. . ,
Wie diese Notwendigkeit die Traditionen und
Konventionen der römischen Kurie zu durch-
brechen beginnt, mit Schwierigkeiten und Rück-
schlägen auch, wie sich die Vielfalt des Denkens
in der Einheit eines Glaubens regt und aus der
ru-^-]R "jni^arü^cn — lateinischen Klarheit
a^i<ie«^it/n(/ Umm« iiririiffiii>of<iTfiiAwfrirttiiifiniiiiii(fifririit)
Wollte Chruschtschow den Genossen Ulbricht an Bonn verkaufen?
Aufnahme; Paris-Match
Provokation des Selbstverständlichen
Plädoyer für die Respeklieruiij» der DDW — Die Lberschälzimo der neuen Oslpolitik
Eberhard Schulz: An Ulbricht führt kein Weg
mehr vorbei. Hoffmann und Campe Verlag,
Hamburg 1967, 266 Seiten, DM 19,80.
Es ist merkwürdig: seihst im milden Klima der
Großen Koalition muß ein Autor das, was
Vernunft und historisciie Erfahrung gleicher-
maßen gebieten, noch als provozierende Thesen
anpreisen. So weit aUo^ist es mit der deutschen
Politik gekommen. Das Plädoyer unseres Ver-
fassers für eine neue Deutschlandpolitik, die end-
lich die Existenz des zweiten deutschen Staates, in
welchen juristischen Formen auch immer, zur
Kenntnis nimmt, enthüllt die Tiefe der deutschen
Mißverständnisse über die eigene Lage. Zu lange
und zu naiv — in beidem sei Eberhard Schulz
zugestimmt — haben wir Formeln und Wunsch-
bilder für Wirklichkeiten genommen.
Unser Autor veranstaltet ein Scherbengericht
über den Schlußteil der Ära Adenauer. Inwie-
fern Fehlentwicklungen und Mißverständnisse
schon früher angelegt waren, spart er aus. Daß
wir aber zumindest ^ den sechziger Jahren
immer stärker gegen d" Strom der internationa-
len Entwicklung gesdiwommen sind, wird im
Detail nachgewiesen, ^icht zuletzt in unserem
Verhältnis zu den osteuropäischen Staaten und
zur Sowjetunion. Daß wir mit ihren Interessen
noch nie wirklich gerejinet haben, indem wir uns
auf den moralischen iprotest beschränkten, wird
auch bei Schulz zum eigentlichen Sündenfall der
deutschen Außenpolitik.
Was die GroßmatJit Sowjetunion seit 1945
für die Weltpolitik bjedeutete, das zu wissen ist
nun einmal die eler entare Voraussetzung für
jede ' rationale Pol;^;k in Mitteleuropa. Im
Grunde war schon sejt 1949 die Machtverteilung
in Europa fixiert. Wilr haben es nur lange nicht
gemerkt, weil sich diet beiden Blöcke noch feind-
lich gegenüberstanden!. Spätestens aber zu dem
Zeitpunkt, zu dem die beiden Hauptbeteiligten
in Washington und ijloskau, eindeutigen natio-
nalen Interessen folgelid, sich in Europa auf dei
Basis des Status quo! zu arrangieren begannen,
mußten wir bemerke!, in welche Sackgasse wir
gerieten. Beteiligten 4ir uns an der Politik der
Entspannung, so anerkannten wir faktisch die
deutsche Teilung. Tatdn wir es nicht, so mußten
wir als Friedensstörei gelten, denen man erst
recht jedes Zugeständnis verweigerte. Deswegen
haben wir auch langd Jahre beteuert, friedlich
sein zu wollen, aber glj^ichzeitig die Revision des
Status quo verlangt uind brachten uns zwangs-
läufig in Ost und >Ji'est ins Zwielicht. Noch
schlimmer aber ist, da|ß wir unsere Lage durch
juristische Dcnkoperatibncn rationalisierten und
so gar nicht bemerkten, warum wir auf der in-
ternationalen Bühne iiiimer mehr Akteuren nur
noch Mißtrauen einflößten.
An dieser Vcrwcchsliing der Außenpolitik mit
der Wahrung höchst zweifelhafter völkerrecht-
licher Gesichtspunkte zeigt unser Autor auch, daß
er einen größeren Ehrgeiz hat, als ein paar The-
sen mehr aufzustellen, so prägnant sie auch im
Tenor des Buches zusammengefaßt sein mögen.
Eberhard Schulz, der stellvertretende Direktor
wir das Problem der völkerrechtlichen Anerken-
nung überschätzt haben und noch immer über-
schätzen; kein Wunder, bei der vornehrnlich
juristischen Ausbildung, durch die die meisten
unserer Diplomaten hindurchgehen. Diese Denk-
weise veranlaßte die Regierung der Großen Koa-
lition, die bloße Aufnahme diplomatischer Be-
ziehungen mit Rumänien als ungeheuren Erfolg
der Bonner Neuorientierung zu werten. Unser
Verfasser setzt dagegen: „Die völkerrechtliche
Anerkennung eines Staates oder die Aufnahme
diplomatischer Beziehungen zu einem Regime
sind heute keine lebenswichtigen Vorgänge mehr,
sondern eher Akte der Verwaltungsroutine, deren
Bedeutung für die Öffentlichkeit noch etwas von
dem Schimmer fürstlicher Traditionen vergoldet
wird. Es ist menschlich verständlich, daß die Per-
sonen, die bei diesen internationalen Akten im
Mittelpunkt stehen, die Außenminister, Völker-
rechtler und Diplomaten, geneigt sind, den For-
malitäten noch eine prägende Kraft zuzumessen,
die ihnen in der Realität nicht mehr zukommt."
Das ist ein notwendiges und richtiges Wort. Es
ist nur erstaunlich, daß in Deutschland so auf-
rührerisch klingt, was man in jedem politologi-
schen Proseminar lesen und hören kann.
Freilich, gerade die prinzipiellen Teile des
Buches enthalten einige Mängel. Schulz ist nicht
ehrgeizig, nicht präzise genug. Die Riditung
stimmt, aber sie bedürfte der besseren Begrün-
dung. Unser Autor meint, daß man an Stelle
der staatlichen Wiedervereinigung, die nicht mehr
erreichbar sei, die Wiedervereinigung des Volkes
setzen solle. Damit kommt ein höchst umstritte-
ner und in seiner Bedeutung noch unklarerer Be-
griff ins SpitfJ. Was. iit deau das dcut&ihe Volk?
Wie macht man denn Wiedervereinigung eines
Volkes, wenn staatliche Fragen ausgeschlossen
sein sollen? Genügen dazu ein normaler Reise-
verkehr, die Verbesserung der Lebensverhältnisse
usw.? ,.,
Unser Verfasser hätte gut daran getan, tur
dieses Problem das alte Begrifltspaar Kultur-
nation— Staatsnation einzuführen, das ja fiir
die deutsche Geschichte so viel bedeutet und, wie
sich gerade auf Grund der Darlegungen von Eber-
hard Schulz zeigen ließe, auch für die Zukunft
sehr viel bedeuten wird. Die Chance, die uns
nämlich bleibt, besteht in der Tat darin, die
deutsche Kulturnation auch in Zukunft zu erhal-
ten, auch wenn wir in getrennten Staaten leben,
wobei wir allerdings nicht in den Fehler verfal-
len sollten, die prägende Kraft staatlicher Ge-
meinwesen und staatlicher Interessen für das Be-
wußtsein von Menschen auch über den politischen
Raum hinaus zu unterschätzen. Kritisch ließe sich
auch noch anmerken, daß eine Analyse _ des
Deutschlandproblems heute eine systematische
Darstellung der Position der Bundesrepublik in
der gegenwärtigen Weltpolitik voraussetzt. Die
Explikation der westdeutschen Staatsräson wäre
geboten, um Grenzen und Möglichkeiten der
Bonner Politik besser zu kalkulieren.
Solche einschränkenden Bemerkungen sollen
den Wert des Buches nicht mindern. Es leidet im
Formalen daran, daß es eine nicht ganz ge-
glückte Mischung von publizistischen Thesen und
wissenschaftliche^ Analyse ist. Das Ideal wäre ein
pointiertes, politisch wirksames Argument, das
auf einer breiten wissenschafllichen Basis beruht.
Eberhard Schulz hätte ein solches Buch durchaus
schreiben können. Nehmen wir also die jetzige
Publikation als einen Vorgriff, der aufhorchen
läßt und dessen Richtung uns überzeugt. Sie sei
der Großen Koalition wärmstens zur Lektüre
zu empfehlen, denn man braudit schon viel Opti-
mismus, wenn man glauben soll, daß wir seit
Dezember 1966 an die Stelle eines bankrouen
außenpolitischen Konzepts eine neue, durchdachte
Strategie gesetzt hätten. So weit sind wir nodi
lange nidit, und gerade deswegen ist eine so wohl
begründete Provokation hochwillkommen. Aber
ob" unsere Politiker noch Zeit und Lust haben,
Büdier zu lesen? Waldemar Besson
Ostlidi der Elbe
Eine Beaeifiiiiiift mit c1(mii Vergangenen
Horst Mönnidi (Herausgeber): Wiederbegeg-
nung mit DeutschKand. Deutschlands Mitte,
Deutschlands Osten. Verkig Mensch und Ar-
beit München; 240 Seiten, 29,80 DM.
Horst Mönnich nennt dieses Buch „Wieder-
begegnung". Er meint damit wohl die seelische
AiTstrengung des Hinschauens, der Auseinander-
setzung nnt dem Vergangenen, Veränderten und
Verlorenen. Diese Wiederbegegnung ist zum Teil
eine Neubegegnung, da politische und wirtschatt-
liche Aktualität hier keineswegs vermieden wird.
So enthält der Band als erstes Bild das bekannte
Photo von der Flucht in der Bernauer Straße;
' istrie-
ist demgemäß höc+ist unterschiedlich. Ebenso viel-
seitig setzen sich die Bilder aus mittelalterlichen
Stichen, Gemälden verschiedener Jahrhunderte
und modernen Pressephotos zusammen.
Häufig wird die Brücke von der Vergangen-
heit zur Gegenwart geschlagen, indem Texte aus
verschiedenen Zeiten, die sich jedoch inhaltlidi
entsprechen, parallel nebeneinander gestellt wer-
den. Hin und wieder wird ein Gedicht oder eine
Prosastelle aus dem Bezug der Zeit gelöst und
auf eine moderne Situation übertragen; so steht
das berühmte Sonett von Andreas Gryphius
„Tränen des Vaterlandes", das im Dreißigjähri-
gen Krieg gesdirleben wurde, im Zusammenhang
%
\
V
s
inen noch die stavitsmännisdie Gerissenheit des
anderen verfügte.
Auch seine Biographen — es sind schon über
ein halbes Dutzend — können Chruschtschow
eine gewisse Sympathie nicht versagen. Crank-
shaw, ein führender Rußhindkenner im britischen
Journalismus, hat Chruschtschows Laufbahn bis
in dessen nur in den Umrissen bekannte Kind-
heits- und Jugendjahre zurückverfolgt; er ist
dem gestürzten Sowjetführer persönlich begegnet
und hat ihn zu Hause und im Ausland „an der
Arbeit" gesehen. Crankshaws Buch über Chru-
schtschow wurde mehr als eine Biographie. Es
wurde ein mit vielen, bisher unbekannten Fakten
bereicherter Ausschnitt aus 45 Jahren sowjetischer
Politik, mit der sich Leben und Karriere Chru-
schtschows immer mehr verflocht, um auf der
Höhe seiner Macht fast identisch zu werden.
Chruschtschow war jedoch nicht der „rote Zar*,
wie ihn der etwas unglückliche deutsche Buchtitel
vorstellt. Er war weniger und mehr zugleich.
Crankshaw (wie übrigens auch Lazar Pistrak,
dessen Buch über Chruschtschow Crankshaw viel
verdankt, und Wolfgang Leonhard in seiner aus-
gezeichneten Chruschtschow-Biographie) zeigt
uns deutlich die charakterlichen und intellektuel-
len Grenzen dieses russisch-ukrainischen Bauern-
sohnes, seine Fehler und Irrtümer, seine völlige
Unterwerfung unter Stalins Diktat gerade wäh-
der Spitze der nunmc
facht; der ihm daraus erw.
ist er sich in den letzi
haft zunehmend bewußt
scheinlich gegen wachsenden Widerstand in der
sowjetisdien Führungsspitze versuchte Chru-
schtschow, seine Außenpolitik darauf umzustellen
und die Welt von seiiK^r Koexistenzbereitschaft
zu überzeugen. Ob er dabei allerdings so weit
ging, sich kurz vor seinem Sturz „mit West-
deutschland zu einigen und den Genossen Ulbricht
zu verkaufen", wie Crankshaw schreibt, ist zwei-
felhaft. Chruschtschow blieb, bei aller Anpas-
sungsfähigkeit, der ideologisch gläubige, oft
messianisch eifrige Führer des Mutterlandes der
kommunistischen Revolution. Das setzte auch
ihm und seiner Politik genau umschriebene Gren-
zen, die zu überschreiten er weder willens noch
in der Lage war.
Es ist die Schwäche in Crankshaws Buch, in
dem man Chruschtschow schließlich als Held ab-
treten sieht, daß sich der Autor zu sehr von der
farbigen Persönlichkeit des Hauptdarstellers und
den Höhepunkten seiner Laufbahn gefangenneh-
men läßt unci dabei allzuleicht übersieht, wie
viele ungelöste oder von ihm erst geschaffene
Probleme der gestürzte Sowjetführer seinen farb-
loseren Nachfolgern überließ. Vielleicht besteht
Chruschtschows größter Sieg darin, daß trotz der
wohl unvermeidlichen „Entchruschtschowisierung'*
nach seinem Sturz die entscheidenden Elemente
seiner Politik beibehalten wurden.
Curt Gasteyger
Kirche des Konzils
Vieles blieb um olleiidel, aber der Saiierlei«; wirkt weiter
Josef Schmitz van Vor st: Kirche gestern —
Kirche morgen. Aufzeichnungen 1962 bis 1966.
Verlag Kepplerhaus, Stuttgart; 300 Seiten,
18,80 DM.
Am Ende seines Buches schreibt der Autor,
vieles auf dem Vatikanischen Konzil sei
unvollendet geblieben; doch eben durch diese
Lücken hindurch vermöge der Sauerteig der
großen katholischen Kirchenversammlung weiter-
zuwirken. Nicht von ungefähr wählte Schmitz
van Vorst den Untertitel „Aufzeichnungen". Diese
Form der schildernden, betrachtenden, wenn auch
thematisch geordneten Notizen ergab sich aus
der Arbeitsweise des Journalisten und Korre-
spondenten, dessen tägliche Konzilsberichtserstat-
tung in der „Frankfurter Allgemeinen" ausführ-
liche und sachkundige Information bot.
Die „Aufzeichnungen" sind mehr als eine
Sammlung dessen; sie vervollständigen und er-
gänzen, sie lassen neben dem vordergründigen
Geschehen, der fast parlamentarisch-geschäftigen
Bemühung ums Metaphysische, das einem solchen
Konzil theologischer und hierarchischer Sach-
walter Christi unvermeidlich anhaftet, auch den
Hintergrund sichtbar bleiben: den weiten histo-
rischen und geistigen Horizont einer so univer-
salen, altehrwürdigen Institution wie es die
katholische Kirche ist, die sich mutig den Zwei-
feln, Schwächen und Herausforderungen einer
Welt stellt, die ihr anders zu entgleiten drohte.
Die Form der „Aufzeichnungen", in denen
zuweilen blitzartig die Erkenntnis des tieferen
Zusammenhangs vermittelt wird und sogar reich-
lich Raum für das Anekdotische bleibt, für das
Menschliche (und Allzumenschliche), das eben den
Katholizismus soviel humaner, weltgerechter sein
läßt als den Puritanismus und Perfektionismus
moderner Ideologien — solche Form des Buches
wird dem Fragmentarischen gerecht, das dem
Ereignis selbst anhaftete.
Man braucht nur einige Stichworte zu nennen,
die Schmitz van Vorst gibt, um das weite Feld
zu ermessea, auf dem diese Kirche mit und seit
dem Konzil wichtige Schritte tat, ohne sich des
Ziels schon immer ganz gewiß zu sein: „Ent-
mythologislerung der Kurie" — „Ende des
Kreuzzugsgeistes" — „Beginn des großen Dia-
logs" — „Religionsfreiheit — eine kopernika-
nische Wende".
Von Pius XII. über Johannes XXIII. bis
Paul VI., der die Tiara ablegte, reicht der „Ab-
bau des übersteigerten kirchlichen Autoritäts-
Verständnisses", wie es der Autor einmal nennt,
ohne daß klerikale Enge durch laxe Liberalität
ersetzt würde. Der Erfolg des Reformwerks,
dem sich diese Kirche verschrieben hat, hängt
wesentlich — das lehrt dieses Buch — von der
Abgrenzung des „Aggiornamento", der Anpas-
sung an die gegenwärtige Welt, ab. Eine Institu-
tion, die sich nicht von dieser Welt herleitet,
doch für diese Welt dasein will, kann sich nicht
mehr darin genügen, ihr dogmatisches Selbst-
verständnis zu hüten. Sie muß Verständnis zei-
gen, Antworten geben, wo Krieg, Bevölkerungs-
druck, Hunger, Unfreiheit und Unmenschlichkeit
den Menschen als Ebenbild Gottes in Frage
stellen.
Wie diese Notwendigkeit die Traditionen und
Konventionen der römischen Kurie zu durch-
brechen beginnt, mit Schwierigkeiten und Rück-
schlägen auch, wie sich die Vielfalt des Denkens
in der Einheit eines Glaubens regt und aus der
— gewiß großartigen — lateinischen Klarheit
und Geborgenheit heraustritt, um sich der Un-
sicherheit des „ökumenischen" Alltags zu stellen
— das wird in diesem Buch vielleicht auch den
Nichtgläubigen faszinieren können.
Leider nur wenig berührt wird in dem Buch
die päpstliche Ostpolitik, die direkte und in-
direkte Reaktion des Konzils auf die Existenz
einer großen kommunistisch oder doch „links"
orientierten Welt, Hansjakob Stehle
rovoKation ües Selbstverständlichen
Plädoyer für die Respeklioiiiii«,^ der J)I)U _ Die Iherschülziing der neuen O^lpolilik
Eberhard Schulz: An Ulbricht führt kein Weg
mehr vorbei. Hoffmann und Campe Verlag,
Hamburg 1967, 266 Seiten, DM 19,80.
C^s ist merkwürdig: seihst im milden Klima der
*-^ Großen Koalition muß ein Autor das, was
Vernunft und historiscne Erfahrung gleicher-
maßen gebieten, noch als provozierende Thesen
anpreisen. So weit aho^ist es mit der deutschen
Politik gekommen. Das Plädoyer unseres Ver-
fassers für eine neue Deutsdilandpolltlk, die end-
lich die Existenz des zweiten deutschen Staates, in
welchen juristischen Formen auch immer, zur
Kenntnis nimmt, enthüllt die Tiefe der deutschen
Mißverständnisse über die eigene Lage. Zu lange
und zu naiv — in beldem sei Eberhard Schulz
zugestimmt — haben wir Formeln und Wunsch-
bilder für Wirklichkeiten genommen.
Unser Autor veranstaltet ein Scherbengericht
über den Schlußteil der Ära Adenauer. Inwie-
fern Fehlentwicklungen und Mißverständnisse
schon früher angelegt waren, spart er aus. Daß
wir aber zumindest
n'-t)*
f
len
sechziger
Jahren
immer stärker gegen dÄ Strom der internationa-
len Entwicklung gesdiwommen sind, wird im
Detail nachgewiesen, iMcht zuletzt in unserem
Verhältnis zu den osteuropäischen Staaten und
zur Sowjetunion. Daß wir mit ihren Interessen
noch nie wirklich gerejinet haben, indem wir uns
auf den moralischen Protest beschränkten, wird
auch bei Schulz zum ^Mgentllchen Sündenfall der
deutschen Außenpolitik.
Was die Großmaciit Sowjetunion seit 1945
für die Weltpolitik oedeutete, das zu wissen ist
nun einmal die eleAntare Voraussetzung für
jede ' rationale PolWk in Mitteleuropa. Im
Grunde war schon se'lt 1949 die Machtverteilung
in Europa fixiert. Wilr haben es nur lange nicht
gemerkt, weil sich die! beiden Blöcke noch feind-
lich gegenüberstanden. Spätestens aber zu dem
e beiden Hauptbeteiligten
in Washington und Moskau, eindeutigen natio-
nalen Interessen folge id, sich in Europa auf der
zu arrangieren begannen,
in welche Sackgasse wir
ir uns an der Politik der
Basis des Status cjuo
mußten wir bemerke
gerieten, Beteiligten ^
',
kannten wir faktisch die
Entspannung, so ane:
deutsche Teilung. Tat( n wir es nicht, so mußten
wir als Friedensstöre gelten, denen man erst
recht jedes Zugeständi iIs verweigerte. Deswegen
haben wir auch lange Jahre beteuert, friedlich
sein zu wollen, aber ghichzeltig die Revision des
Status quo verlangt uind brachten uns zwangs-
läufig in Ost und West ins Zwielicht. Noch
schlimmer aber ist, daiß wir unsere Lage durch
juristische Denkoperatibnen rationalisierten und
so gar nicht bemerkter|, warum wir auf der in-
ternationalen Bühne irhmer mehr Akteuren nur
noch Mißtrauen elnflößien.
An dieser Verwcchslimg der Außenpolitik mit
der Wahrung höchst zweifelhafter Völkerrecht-
lieber Gesichtspunkte zeigt unser Autor auch, daß
er einen größeren Ehrgeiz hat, als ein paar The-
sen mehr aufzustellen, so prägnant sie auch im
Tenor des Buches zusammengefaßt sein mögen.
Eberhard Schulz, der stellvertretende Direktor
des Forschungsinstitutes der Deutschen Gesell-
schaft für auswärtige Politik, sucht nach den tie-
feren Gründen für unsere Fehldeutungen und
Fehlhaltungen. Darum scheint mir auch der Ab-
schnitt „Was ist ein Staat noch wert?" ein Kern-
stück seines Arguments zu sein.
Mit Recht unterziehi; Eberhard Schulz das
Konzept der staatlichen Souveränität einer
ätzenden Analyse. Er macht sonnenklar, wie sehr
wir das Problem der völkerrechtlichen Anerken-
nung überschätzt haben und noch immer über-
schätzen; kein Wunder, bei der vornehmlich
juristischen Ausbildung, durch die die meisten
unserer Diplomaten hindurchgehen. Diese Denk-
weise veranlaßte die Regierung der Großen Koa-
lition, die bloße Aufnahme ciiplomatlscher Be-
ziehungen mit Rumänien als ungeheuren Erfolg
der Bonner Neuorientierung zu werten. Unser
Verfasser setzt dagegen: „Die völkerrechtliche
Anerkennung eines Staates oder die Aufnahme
diplomatischer Beziehungen zu einem Regime
sind heute keine lebenswlchtiiien Vorsänse mehr,
sondern eher Akte der Verwaltungsroutine, deren
Bedeutung für die Öffentlichkeit noch etwas von
dem Schimmer fürstlicher Traditionen vergoldet
wird. Es ist menschlich verständlich, daß die Per-
sonen, die bei diesen internationalen Akten Im
Mittelpunkt stehen, die Außenminister, Völker-
rechtler und Diplomaten, geneigt sind, den For-
malitäten noch eine prägende Kraft zuzumessen,
die ihnen in der Realität nicht mehr zukommt."
Das ist ein notwendiges und richtiges Wort. Es
ist nur erstaunlich, daß in Deutschland so auf-
rührerisch klingt, was man In jedem politologi-
schen Proseminar lesen und hören kann.
Freilich, gerade die prinzipiellen Teile des
Buches enthalten einige Mängel. Schulz ist nicht
ehrgeizig, nicht präzise genug. Die Riditung
stimmt, aber sie bedürfte der besseren Begrün-
dung. Unser Autor meint, daß man an Stelle
der staatlichen Wiedervereinigung, die nicht mehr
erreichbar sei, die Wiedervereinigung des Volkes
setzen solle. Damit kommt ein höchst umstritte-
ner und in seiner Bedeutung noch unklarerer Be-
griff ins Spiel. Was ist dena das deutiidae VoJk.^
Wie macht man denn Wiedervereinigung eines
Volkes, wenn staatliche Fragen ausgeschlossen
sein sollen? Genügen dazu ein normaler Reise-
verkehr, die Verbesserung der Lebensverhaltnisse
usw.?
Unser Verfasser hätte gut daran getan, für
dieses Problem das alte Begriffspaar Kultur-
nation— Staatsnation einzuführen, das ja für
die deutsche Geschichte so viel bedeutet und, wie
sich gerade auf Grund der Darlegungen von Eber-
hard Schulz zeigen ließe, auch für die Zukunft
sehr viel bedeuten wird. Die Chance, die uns
nämlich bleibt, besteht in der Tat darin, die
deutsche Kulturnation auch in Zukunft zu erhal-
ten, auch wenn wir in getrennten Staaten leben,
wobei wir allerdings nicht in den Fehler verfal-
len sollten, die prägende Kraft staatlicher Ge-
meinwesen und staatlicher Interessen für das Be-
wußtsein von Menschen auch über den politisdien
Raum hinaus zu unterschätzen. Kritisch ließe sich
auch noch anmerken, daß eine Analyse des
Deutschlandproblems heute eine systematische
Darstellung der Position der Bundesrepublik In
der gegenwärtigen Weltpolitik voraussetzt. Die
Explikation der westdeutschen Staatsräson wäre
geboten, um Grenzen und Möglichkelten der
Bonner Politik besser zu kalkulieren.
Solche einschränkenden Bemerkungen sollen
den Wert des Buches nicht mindern. Es leidet im
Formalen daran, daß es eine nicht ganz ge-
glückte Mischung von publizistischen Thesen und
wissenschaftlicher Analyse ist. Das Ideal wäre ein
pointiertes, politisch wirksames Argument, das
auf einer breiten wissenschaftlichen Basis beruht.
Eberhard Schulz hätte ein solches Buch durchaus
schreiben können. Nehmen wir also die jetzige
Publikation als einen Vorgriff, der aufhorchen
läßt und dessen Richtung uns überzeugt. Sie sei
der Großen Koalition wärmstens zur Lektüre
zu empfehlen, denn man braucht schon viel Opti-
mismus, wenn man glauben soll, daß wir seit
Dezember 1966 an die Stelle eines bankrotten
außenpolitischen Konzepts eine neue, durchdadite
Strategie gesetzt hätten. So weit sind wir nodi
lange nicht, und gerade deswegen ist eine so wohl
begründete Provokation hochwillkommen. Aber
ob unsere Politiker noch Zelt und Lust haben,
Bücher zu lesen? Waläemar Besson
Ostlidh der Elbe
Eine Beaeiriums: mil dojn Voriraiiireiieii
Horst Mönnich (Herausgeber): Wiederbegeg-
nung mit Deutschland. Deutschlands Mitte,
Deutschlands Osten. Verlag Mensch und Ar-
beit München; 240 Seiten, 29,80 DM.
Horst Mönnich nennt dieses Buch „Wieder-
begegnung". Lr meint damit wohl die seelische
Anstrengung des Hinschauens, der Auseinander-
setzung mit dem Vergangenen, Veränderten und
Verlorenen. Diese Wiederbegegnung ist zum Teil
eine Neubegegnung, da politische und wirtschaft-
liche Aktualität hier keineswegs vermieden wird.
So enthält der Band als erstes Bild das bekannte
Photo von der Flucht in der Bernauer Straße;
ebenso werden Aufnahmen moderner Industrie-
anlagen Mitteldeutschlands gezeigt.
Der Herausgeber bemüht sich um eine
lebendige Ganzheit der Darstellung, indem er das
Wesentliche und Typische einer jeden Landschaft
in allen Lebensbereichen aufzuspüren versucht.
Die Beiträge umfassen Geschichte und Gegen-
wart; sie stammen aus der Dichtung, aus Chro-
niken, aus der modernen Presse. Ihre Qualität
ist demgemäß höchst unterschiedlich. Ebenso viel-
seitig setzen sich die Bilder aus mittelalterlichen
Stichen, Gemälden verschiedener Jahrhunderte
und modernen Pressephotos zusammen.
Häufig wird die Brücke von der Vergangen-
heit zur Gegenwart geschlagen, indem Texte aus
verschiedenen Zeiten, die sich jedoch inhaltlidi
entsprechen, parallel nebeneinander gestellt wer-
den. Hin und wieder wird ein Gedicht oder eine
Prosastelle aus dem Bezug der Zeit gelöst und
auf eine moderne Situation übertragen; so steht
das berühmte Sonett von Andreas Gryphius
„Tränen des Vaterlandes", das im Dreißigjähri-
gen Krieg geschrieben wurde, im Zusammenhang
mit der Zerstörung Breslaus. Unter der Über-
schrift „Klage um Dresden" sind auf einer Seite
ein Beitrag von Gerhart Hauptmann (1945),
eine Zeitungsnotiz (1965) und eine Stelle aus den
Klageliedern Jeremias zusammengestellt. Auch
Witze und Anekdoten enthält dieser Band, so-
fern sie die Mentalität der Bevölkerung eines
bestimmten Landstriches verdeutlichen. U. v. K.
\
Was ist
»Ich als Verfahrensingenieur würde sagen:
daß LINDE für mich ein Begriff für Tieftemperatur-
und Verfahrenstechnik ist. Und für technische Gase.
Und für eine Reihe weilerer Erzeugnisse*, die ich gar nicht
alle aufzählen kann. LINDE ist nun einmal für viele
ein Begriff für Vieles. Eine Vielfalt mit System. Wozu?
>Zukunftssichere Unternehmungspolitik<,
sagen die Leute von LINDE.«
* Er meint folgende, weilere Arbeitsgebiete von LINDE:
Källe- und Klimatechnik • Küh!häu';er • Technische Gase • Schweißtechnik
Hydrauh'k • Traktoren • Gabelstapler • Transportkarren
GroO-Kompressoren • Expansionsturbinen • Druckluftwerkzeug«
Hausgerät«
Und« Anticngeseiiichof), Wittoao«
der Freihei
Vorwort von Franz Josef Strauß. Herausgegeben von
Paul Bucher, Seewald Verlag, Stuttgart; 311 Seiten,
Leinen DM 19,80.
Wer liest sdion Bundestagsieden im Proto-
koll nach, wer besitzt oder bemüht schon
Archive, um wichtige Aussagen in Artikeln
wiederzufinden? Mit der Sammlung von Re-
den und Aufsätzen des CSU-Abgeordneten
Baron v. Guttenberg setzt der Seewald-Verlag
eine verdienstvolle Tradition fort, liefert er
eine Auswahl von Stellungnahmen eines
Mannes, den man als das konservative Ge-
wissen des Bundestages bezeichnen kann, zu
außenpolitischen und grundsätzlichen Fragen
der deutschen .-»olitik.
Baron von Guttenberg verfügt nicht nur
über die Gabe der prägnanten Formulierung
und rednerisches Talent in der parlamentari-
schen Debatte, er ist auch der bedeutendste
außenpolitische Kopf der CSU und ein politi-
scher Denker von hohen Graden. Seine denk-
würdige Rede vom 27. Mai 1970, in der er sich
in eindrucksvoller Weise grundsätzliche mit
der Ostpolitik der Regierung Brandt ausein-
andersetzte, wurde vom AZ-Studio Bonn als
Schallplatte herausgebracht und gab wohl
auch den Anstoß zu dem vorliegenden Sam-
melband.
Wer etwas über das Selbstverständnis
eines modernen Konservativen und über die
Motive des oppositionellen Mißtrauens ge-
genüber der Ostpolitik der SPD-FDP-Koalition
wissen möchte, findet es hier zusammenge-
tragen. Guttenbergs Äußerungen zur Außen-
politik in der Zeit von Ende 1959 bis zum
Herbst 1970 gehören nicht nur zu den bedeu-
tenden zeitgeschichtlichen Quellen, sie ent-
halten auch manchen hochaktuellen und zu-
kunftweisenden Satz, so z.B. wenn er 1959
dem Gedanken einer gleichgewichtigen Trup-
penverminderung in Ost- und Westeuropa
entgegenhält, daß nicht die mit Truppen voll-
gestopften Räume die politischen Spannungen
erzeugen, sondern die Bedrohung des Friedens
zu den Truppenmassierungen in Europa ge-
führt hätten. Er folgert daraus, daß jede Vor-
aussetzung für eine auf ein militärisches
Vakuum in Europa gerichtete Politik fehle,
solange die militärische Macht nicht aus-
schließlich in den Dienst der eigenen Sicher-
heit gestellt werde.
Guttenbergs Kritik an den außenpolitischen
Vorstellungen der Sozialdemokraten, manch-
sein politisches Wüktiü ii- -.- üu., iiuijuv
eines finanziell unabhängifion Mannes ver-
standen, sondern als leidenschaftliches Enga-
gement für sein Volk, « .r die Einigung
Europas und die Bewahrunq der Freiheit. Das
hat ihm in allem Widerstreit der Meinungen
immer auch die hohe AdiUuig seiner politi-
schen Gegner eingetragen.
Es wäre Guttenbergs Leitungen und Gaben
eher angemessen gewesen, eine ausführliche
Würdigung aus berufener Feder in den Band
aufzunehmen als den kn.ippen Auszug aus
einer Dissertation über Rhetorik im Deutschen
Bundestag. Die vom Her-uisgeber gewählte
Gliederung der Einzelbeilräge scheint von
ihrer Logik her nicht konsequent durchgeführt
zu sein, und auch so bände Fehler wie die
Bezeichnung von Indira Gandhi als indische
Staatspräsidentin in einer Bildunterschrift
hätten sich wohl vermeiden lassen. In einem
kurzen Vorwort hat sein Parteivorsitzender,
Franz Josef Strauß, dem Autor die Reverenz
erwiesen. Die Leser seiner Reden und Auf-
sätze werden ihm ihren R' ^pekt ebensowenig
verweigern können wie kitnttige Historiker.
H. H. Schneider
n
Dieter Golombek
Die politische Vorgeschichte des Preußenkonkordats
Reihe B, Forschungen Band 4 der Veröffentlichungen
der Kommission für Zeitgeschichte bei der Katholi-
schen Akademie in Bayern. XXIV und 135 S., Matthias-
Griinwald-Verlag, Mainz; Leinen DM 29,—.
Vom Titel her richtet sich diese Arbeit an
den Fachhistoriker, zumal den Spezialisten im
kirchenhistorischen Bereich. Ihm bietet Golom-
bek eine sorgfältige Analyse der Verhandlun-
gen zwischen preußischer Staatsregierung und
Kurie (1926—1929), die eine allmähliche Ent-
schärfung des Konfliktstoffes einzelner Kon-
korüaismateiien ermoglichLeu und sc.iließiicti
zu einem für beide Teile annehmbaren Kom-
promiß führten. Die Kurie stimmte einer Lö-
sung zu, bei der die Schultrage ausgeklammert
blieb.
Im Verlauf der Untersuchung wird die Ent-
wicklung einer einheitlichen Meinung im preu-
ßischen Staatsministerium ebenso erkennbar
wie die Willensbildung im preußischen Land-
tag. Die ganze Darstellung ruht auf einer Er-
läuterung der kirchenrechtlichen Ausgangs-
tage, des Kräfteverhältnisses zwischen den in
der Konkordatsfrage aktiven Parteien und der
international isolierten Stellung des Weimarer
Staates. Eine Analyse der kirchenpolitischen
C:)rdnungsvorstellungen, die einerseits im La-
ger der Konkordatsbefürworter (katholische
Kirche und Zentrum.), andererseits bei bedincf-
ten (Teile der evangelischen Kirche, DNVP,
DVP, DDP und SPD) und unbedingten Kon-
kordatsgegnern (Evangelischor Bund und KPD)
bestanden, wird geschickt in den Untersu-
chungsablauf eingebaut.
Indessen möchte man dieses Buch nicht nur
der „Zunft" der Historiker empfehlen. Gehört
es doch zur Spezies jener historischen DarsltM-
lungen, die — verständlich und flüssig ge-
schrieben — den Blick des interessierten Laien
für die unmittelbare Gegenwart schärfen. Wel-
chen Grad &n Entspanntheit das Verhältnis
zwischen katholischer Kirche und Staat in der
Bundesrepublik erreicht hat, zeigt der Ver-
gleich mit der von Golombek gemessenen
Hochspannung, die das kirchlich-staatliche
Verhältnis im Prozeß der Konkordatsverhand-
lungen bestimmte. Welches Maß an Entifleolo-
qisierung und Entkonfessionalisierung sich in
den bundesrepublikanischen Parteien durch-
gesetzt hat, lehrt der Vergleich mit den vom
Konkordatsproblem in den Parteien Weimars
und Preußens mobilisierten ideologischen und
konfessionellen Positionen.
Golombek kann seine Aibeit unter anderem
auf eine Reihe bislang un^schlossener Akten-
bestände und insbesonder ■ auch auf den Nach-
laß des langjährigen prei:f^ischen Kultusmini-
sters C. H. Becker stützen. Schade nur, daß der
Autor keinen Zugang zu drehlichen Archiven
halte, so daß der Prozeß der innerkirchlichen
Willensbildung unerforLc'Lt bleiben mußte.
*■■* Klaus {..lüniher
. ,,.;, . ,ins auch \()n Lenin zururlT uie Anirfr
poiogen stützen sich auf den jungen Marx und
gehen von seiner Entfremdungstheorie aus.
Beide Sdiulen erstreben den Entwurf eines
geistigen Modells, das die möglichst vollstän-
dige "Erkenntnis der objektiven Wirklichkeit
mit einer widerspruchsfreien Erklärung des
menschlichen Lebens verbindet. Beide bemü-
hen sich um eine selbständige Weiterentwick-
lung der marxistischen Philosophie, deren
Rückstände aufgeholt und deren Lücken ge-
schlossen werden sollen. Die offizielle Doktrin
als Gralshüter der dogmatischen Tradition —
in ihrer Moskauer wie in ihrer Pekinger
Variante — hält das für unnötig und revi-
sionistisch. Aber die Bildung von verschie-
denen Denkschulen begann auf dem Boden
der offiziellen Doktrin selbst, als man in
Moskau versuchte, sich vom Stalinismus abzu-
setzen und die Erkenntnisse der modernen
Wissenschaft zu rezipieren.
Dahm spricht von „ideologiezersetzender
Sachlichkeit". Seit Mitte der fünfziger Jahre
sind nacheinander alle (acht) Prinzipien des
Dialektischen und Historischen Materialismus
in Frage gestellt worden. Vielleicht am radi-
kalsten durch den bulgarischen Philosophen
PoJikarov, nach dem das Bewußtsein ebenso
ewig wie die Materie ist; selbst ihre anorga-
nischen Formen besäßen die Eigenschaften
Widerspiegelung, Information und Bewußt-
sein. Das verträgt sich, meint Dahm, nicht
mehr mit einer materialistischen Philosophie.
Wenn die Welt eine dynamische Ordnung
informativer Beziehungen ist, muß ihre Ge-
setzlichkeit geistigen Ursprungs sein.
Die häufige Verwendung des Begriffs .In-
formation' in beiden Schulen verrät den Ein-
bruch der Kybernetik in das marxistische
Denken. Ihm widmet der Autor ein besonders
interessantes Kapitel. Einige Marxisten glau-
ben an die Fähigkeit kybernetischer Maschi-
nen, sich in Subjekte und damit in Lebewesen
zu verwandeln. Andere bestreiten diese Mög-
lichkeit ganz entschieden, weil Computer der
menschlichen Programmierung bedürfen — die
Maschine kann zwar erkennen, aber nicht den-
ken. Eine dritte Gruppe sieht die Rückkoppe-
lung schon in das Fundament der Materie ein-
gebaut, so daß es keinen Wesensunterschied
zwischen den verschiedenen Formen des Seins
cjibt. Die Rezeption der Kybeinelik hal die
.inderen hvlllen hnnnniT f-s si<
einen Autstand des Denkens, der durchaus
noch nicht „gescheitert" ist. Kolakowski hat
eine eigene Schule begründet.
Dahm wird der heutigen Vielfalt des mar-
xistischen und über den Marxismus hinaus-
schwingenden Denkens bei weitem nicht ge-
recht. Außerdem fehlt ihm noch die Fähig-
keit, sidi klar und einfach auszudrücken. Der
Autor führt jedoch tief in die innere Proble-
matik einiger Marxismen und ihren Konflikt
mit der offiziellen Doktrin ein. Neu ist, daß
die Anregung für die Bildung der anthropo-
logischen Schule von einem sowjetischen
Philosophen ausging. Auch die scientistische
Schule schlug zuerst in Moskau Wurzeln. Es
werden viele Namen genannt, die man sich
einprägen sollte. Günter Barisch
lllllllllllllltllllltlllflllllltlillMlllillllliillliilHIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII
Zeitschriftenschau
Deutschland Archiv, Heft 1/1971:
Wilfried Schulz: Festungsmentalität in Ost-Berlin;
Joachim Nawrocki: Über Autorität und Vernunft
der Wirtschaftsplaner;
Czeslaw Jackowscki: Der Warschauer Vertrag —
ein Schlüssel zur friedlichen Zukunft;
Gerhardt Wettig: Entspannung in Berlin^;
Marlies Jansen: Deutschlandpolitik der SED auf Eis;
* ' * • Zur Verfassunqsmaßigkeit eines „Staatsvertrages
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
DDR (I);
Karl Wilhelm F r i c k e : Der diplomatische Dienst der
DDR;
Hans Theodor Schmidt: Das Strafrecht in Deutsch-
land nach der Kapitulation:
Gisela H e I w i g : Die Darstellung der Frau im Lese-
buch;
Die politische Meinung, Heft 134/1971:
Bruno Heck: Blick nach vorn;
Karl Willy Beer: Wandel durch Annäherung?;
Anton Böhm : Der Soziaiismus und die SPD;
Hans-Peter Schwarz: Absichten und Aussichten für
Europa;
Waldemar B e s s o n : Die schleichende Entfremdung;
Jans Hacker: Sicherheit nach den Verträgen?;
Robert Bauer: Die falschen Reformen;
Horst D i e m e I : Mißverstandene Demokratie;
Wolfram von Raven: Moskaus Macht auf den Mee-
ren: ^ .
Ferdinand Otto M i k s c h e : Rückwirkungen aus Asien.
lllliiililiiiilllililiiHliH)H)ilH>iilllllllll)i>ili>li>liailJllli)t)i)}lllll)»ill
„Ich bin Bürger der DDR und lebe in der Bundesrepublik"
Rudolf Pettinger:
Arbeiterkinder und weiterführende Schule
Empirische Untersuchungen über Einflußfaktoren auf
die Schulentscheidungen von Arbeitereltern. Marbur-
ger Pädagogische Studien, Neue Folge, Band 6. Ver-
lag Julius Beltz, Weinheim; 249 Seiten, kart. DM 26,—.
Der Autor definiert das Ergebnis seiner
Untersuchungen mit der Feststellung, daß die
bestehende Ungleichheit der Bildungschancen
nicht formell ist, sondern auf gewachsenen
Ungleichheiten beruht, die eine durchaus
existente rechtliche Chancengleichheit unter-
laufen.
Das 1. Kapitel seiner auf gründlichen Um-
fragen beruhenden Arbeit soll, im Anschluß
an Pichts Thesen vom Bildungsrückstand der
BRD, den statistischen Nachweis von Ungleich-
heiten im weiterführenden Schulwesen erbrin-
gen. Im 2. Kapitel wird die Ungleichheit der
Bildungschancen für sozial unterrepräsentierte
Gruppen herausgestellt. Kapitel 3 zieht die
Bilanz der Diskussion über die Ursachen sol-
cher Ungleichheiten. Kapitel 4 und 5 teilen die
Ergebnisse eigener empirischer Untersuchun-
gen mit. Und Kapitel (i bringt schließlich Vor-
schläge zur Verringerung bestehender Benach-
teiligungen, wobei vernünftigerweise auf die
Konstruktion eines weiteren organisatorischen
Modells zur Reform des Schulwesens verzich-
tet wird.
Im statistischen Teil der Untersuchung treten
als „rückständige " Bundesländer auf: Saarland,
Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und
Nordrhein-Westfalen; zur Spitzengruppe ge-
hören: Schleswig-Holstein, Bremen, Berlin-
West, Hamburg und Hessen. Niedersachsen
und Bayern repräsentieren den Durchschnitt.
Wie relativ angreifbar die Verwertung solcher
Statistiken und ihrer Aussagen ist, zeigt z. B.
die von Pettinger nicht berücksichtigte Tat-
sache, daß etwa die hohen Abiturientenzahlen
in Berlin und Hessen nicht ohne weiteres ver-
gleichbar sind, weil hier die in den Saar-
brückener Vereinbarungen festgelegten Lei-
stungsforderungen im Gegensatz zu den ande-
ren Ländern nicht eingehalten wurden. Die
Untersuchungen unterstreichen bekannte Tat-
sachen: Arbeiterfamilien stellen knapp 5 " o der
Abiturienten, aus Bauernfamilien kommen gar
nur 2,2 "/o, während Akademiker, Angestellte
und Beamte allein 70 ""n der Abiturienten stel-
i,.p Her Antf'i' <I<.r M,Wlrti(>n Ijpfit liri rinrm
besonders in mangelhaften Kontakten zwi-
schen Schule und Elternhaus gerade auf der
gymnasialen Ebene, während die Realschule
hier entschieden besser abschneidet. Ererbte
Vorrechte und Benachteiligungen auf dem Ge-
biet der Bildung lassen sich nach Meinung des
Autors nur durch eine rechtzeitige und um-
fassende Information der Elternschaft abbauen.
Das Gesamtergebnis dieser Untersuchung
sollte als Material für weiterführende Über-
legungen betrachtet werden. Für sich gesehen
bleibt die gewonnene Aussage mager und
führt kaum über bereits Erkanntes hinaus.
Volkmar Kellermann
Zwölf Interviews von Barbara Grunert-Bron-
n o n , mit einem Nachwort von Uwe Johnson.
Piper Verlag, München; 130 Seiten, kartoniert DM6,—.
Die Bereitschaft der Bundesregierung, auf
dem Wege zur Entspannung in Europa auch
das Verhältnis zur DDR zu entkrampfen, in-
terpretiert die SED-Oligarchie, aus Angst vor
„ideologischer Aufweichung", als Versuch der
Unterwanderung und cuitwortet darauf mit
einer Politik der strikten „Abgrenzung" zwi-
schen den beiden deutschen Staaten, die an-
geblich nichts mehr miteinander verbindet.
Wie groß die Entfremdiiiig tatsächlich gewor-
den i'^st, durch Versagen auf unserer Seite,
durch systematische Indoktrination auf der an-
deren, wird aus den Interviews von Barbara
Grunert-Bronnen bedrückend deutlich, auch
wenn man voraussetzt, daß die Aussagen der
zwölf Befragten nicht typisch sind für die
Haltung der 3,5 Millionen Flüchtlinge, die
zwischen 1949 und 1961 die DDR verlassen
haben.
Zu Wort kommen Angehörige verschie-
dener Berufe und Altersklassen: der Jüngste
(Kraftfahrer) ist 25 Jahre alt, der Älteste
(Schauspieler) 37. Allen wurden die gleichen
Fragen vorgelegt: nach ihrer sozialistischen
Erziehung, nach ihrem augenblicklichen Ver-
hältnis zur DDR, unter welchen Bedingungen
sie wieder dorthin zurückkehren würden, wie
sie die Bundesrepublik erlebt haben und was
sie an ihr kritisieren.
Beruflich und materiell haben alle, wenn
auch unter erheblichen Schwierigkeiten, Fuß
gefaßt, aber zur geistigen und politischen
Heimat ist ihnen die Bundesrepublik nicht
geworden. Ihre Seelenlage erinnert an die
prominenter Ex-Kommunisten wie etwa
Koestler und Silone. Von ihnen, aber auch
von Männern wie Kurt Fischer und Alfred
Kantorowicz unterscheiden sie sich allerdings
wesentlich dadurch, daß sie nicht — oder noch
njeht — genügend Distanz zu ihrem Erleben
gewinnen können und deshalb behindert sind,
außerhalb der Geborgenheit eines ideolo-
gischen Kollektivs sich zu behaupten, das
ihnen die Selbstverantwortung weitgehend ab-
nahm.
Die Interviewten haben die DDR aus den
verschiedensten Gründen verlassen, aber sie
sind keineswegs fertig mit ihr. Dazu sitzt das
drüben Erlebte zu tief. Ihre sozialistische Er-
ziehung hat ihnen den Blick geschärft für die
Diskrepanz zwischen dem idealen Anspruch
der Gesellschaftsordnung hier und dort und
der sehr viel weniger idealen Realität in bei-
den Teilen Deutschlands. Sie halten sich fast
alle für überzeugte Sozialisten, sind es aber
sicher nicht im Sinne der SED. Ihre Kritik an
der Bundesrepublik, die natürlich nicht frei
ist von anerzogenen Vorurteilen, wird in star-
kem Maße auch bestimmt von Ressentiments,
die aus der Enttäuschung zu großer Erwar-
tungen entstanden. Sie richtet sich fast ein-
Jugendmarken 1971
iiliiHiHMii'iiii
AMUl^MiA^
wwrww9mrmm999wwm
AAA4UbAJbtii^
■wv^F^rr^pvrrf ■•«■■••■i
IHf»HlHtiilii»>»fll
<>*i»wmr«fcri»'v»r>'>*-
mtrrww^wwwwmßm^wwwww
■ nninimiwtii
hellig gegen den Mangel an Gemeinschafts-
bewußtsein, an Solidarität, an politischem
Engagement. Bezeichnend für die besondere
Art der Bewußtseinsspaltung der Befragten
ist, daß sie das materialistische Denken der
Bundesbürger verdammen und im gleichen
Atemzug die materiellen Vorteile betonen,
welche die DDR ihren Bürgern bietet.
Die Mitbürger, die hier zu Wort kommen,
sind, wie Uwe Johnson im Nachwort schreibt
— er selbst gehört zu ihnen — , Kinder, die
das Elternhaus enttäuscht oder im Zorn ver-
lassen haben und sich doch nicht völlig von
ihm lösen können. Sie leben als heimatlose
Bürger eines nicht existierenden idealen
Deutschland unter uns. Sie haben es schwer
mit uns und wir mit ihnen, aber jeder Ver-
such, ihnen aus ihrer Vereinzelung herauszu-
helfen und sie damit zu bewahren vor dem
endgültigen Absacken in die Resignation oder
in den Radikalismus, wäre ein Beitrag dazu,
die Entfremdung zu überwinden.
Hermann Simon
Kurz notiert
Jerusalem. Dieser von Moshe Tavor einge-
leitete Bildband von Hanns Reich zeigt zwar
die 5000 Jahre alte, drei Religionen heilige
Stadt, doch erkennt man beim Betrachten der
Bilder, daß wir es nicht mehr mit der Stadt
Davids zu tun haben, die wir aus der Bibel
kennen. Das Jerusalem von heute ist eine
Stadt von orientalischer Aktivität, mit Stra-
ßencafes, wild hupenden Taxis und Omni-
bussen, bevölkert von Arabern in weißen Bur-
nussen, orthodoxen Juden mit Schläfenlocken
und breitkrempigen Hüten, von Immigran-
ten aus vielen arabischen Ländern Vorder-
asiens und Afrikas, aber auch von nach
westlicher Art gekleideten modernen Israelis.
Die ausgezeichneten Photos und der instruk-
tive Text vermitteln ein plastisches Bild des
Lebens in Jerusalem. (Hanns Reich Verlag,
München; 96 Tiefdrucktafeln, 8. Farbtafeln,
24 Seiten Text, Leinen DM 26,80.) H. L.
African Book Trade Directory. Mit diesem von
Sigfred Taubert bearbeiteten und herausgege-
benen Nachschlagewerk liegt das grundlegende
Informationsmittcl vor, das für die Entwick-
lung und Förderung des afrikanischen Buch-
handels unentbehrlich ist. Es bietet das für den
Buchhandel wichtige Adressenmaterial aller
afrikanischen Staaten nach dem gegenwärtigen
Stand. In vielen Teilen der afrikanischen Ver-
lags- und Buchwelt kann man seit einigen Jah-
ren einen rapiden Fortschritt beobachten. Man
kann daher mit Sicherheit annehmen, daß es
nicht mehr lange dauern wird, bis der afrika-
nische Buchhandel eine Größe haben wird, die
die Publikationen der afrikanischen Länder für
die übrige Welt mehr und mehr attraktiver
macht. Für ein ausgewogenes Verhältnis zwi-
/ N
^^X
y^
CM
CO
<0
Ü)
m^
Dienstag, 19. Aprü 1966
91euc 3iird]cr 3cittittg
Fernausgahe Nr. 106 BUtt 2
Europa unter der Herrschaft
der Diktatoren
Zu einem Buch von Elizahelh Wiskeniann
A. C. Zur Gcschicliio dos Europa clor Zwisclion-
kriogszcit, übor (lio eine Fülle von Dokiunontar-
inatprial vorliegt, sind bis honte nnr woniiro nrn-
tassondo Darstollun^on orscliionon, dio das Tlioma
wirklioh bowiiltist liabon. Dies ist nm so erstann-
liolior, als dio Poriodisiornng; der K]kh'Iio inilio
Abscbnitto Nachkrioofsrliaos, Sdioinprosporität,
\VoltA\irt-s<-lialtskriso und nationalso/ialistisclio
l'.edrohung mit don Sti<-li.jaliron 1923, 1929 nnd
1933 dnn-h die Kroignisso eindontig gegeben ist
und sieb die KntAvickhingon .'.er violtaltigen euro-
päiscben Staatenwolt mübolos in dieses Sclioma
einordnen lassen, oiine daß man den bistonscbon
Tatsachen allzu stark Zwang antun müßte. Man
wird es deshalb begrüßen, daß heute in englisrlier
Sprache ein Buch vorliegt, das in knappster Form
einen sachliehon Ueberbtiek über diese wielitigo
Periode der europüiscdien (Teschiohte gibt.* Die
Autorin des Werkes, FJizahrth Wishrnunui, hat
einen großen Teil des von ihr gesidiilderten Ge-
sfhehens als Auslandkorrespondenlin in verscdiie-
denen Landern des Kontinents selber mitorle])t ;
gelockerte journalistische Dai-stollung verbindet
sich in dem Buch mit der Genauigkeit und Akribie
der wissenschaftlich geschulten Historikerin. Per-
sJüilichc Erlalirung und intensives Quellenstudiiun
bilden die Gnnidlage für ein spannend geschrie-
benes Buch, in dem die Erregung über die Tragik
des Geschehens, über die begangenen Fehler, die
Versäumnisse und die verpaßton Gelegenheit/^n
durch alle Objektivität hindurdischimmert.
p:ii7.ab(>th Wiskeniann ist es gelungen, auf
^\eniger als 2G0 Seiten dio tiint'undzwanzig er-
eignisreichen Jalire europäischer Geschichte zwi-
schen 1919 und 1945 zu schildern, ohne daß sie
irgendwie etwas Wesentliclies übersehen oder der
Bcschriinktheit dos Raumes geopfert hätte. Die
Verfasserin geht den Geschelieu in den einzelnen
Ländern Europjis bis ins kleinste Detail exakt
nach, und zwar nicht nur bei den Großmächten,
sondern auch bei den mittleren und kleineren
Staaten. p:ingehend liescbäftigt sie sich dabei unter
ondorom mit dem Fiasko der Demokratie in den
meisten der 1919 gcschalTenen neuen Staaten
Mittel- und Osteuropas. Als Beispiel sei hier auf
den Abschnitt über Polen liingewiesen. Das dik-
tatorische Regime Pilsudskis, der 192t) die Macht
übernommen hatt<\ wird cals ein Rogimont geschil-
dert^ dessen Methoden weniger an den italienis<-hen
Fascismus als an das System erinnoHon, mit
welchem in den sechziger Jahren des 19. Jahr-
luinderts Preußen und Oesterreich regiert wurden.
In kritischer Sicht wird die Miu^erhcHrvpolifik
des sich zu l^nrecht als Großmacht gebärdenden
neuen Polen beurteilt und mit einem kleinen, aber
deutlichen Seitenhieb gegen die deutsche Ueber-
hebbchkeit, die das polni.sche Volk in Bauseh nnd
innen don Weg zu ebnen. Den 20. Juli 1932, als
Papon durch einen kalten Staatsstreich die demo-
kratische preußische Regierung ausschaltete und
diese widerstandslos abtrat, betrachtet Elizabeth
Wiskeniann als das eigentliche f^nde der Demo-
kratie in Deutschland. Mit Schärfe kritisiert sie die
selbstni(*»rderische Politik der Kommunisten, die ihre
ILauptangrilTe gegen die Sozialdemokratie richteten
und Hitler bewußt an die Macht kommen ließen.
All jene, die sich auf ihren guten Glauben beriefen,
werden dun-h den Hinweis auf das Telegramm
Hitlers vom Sommer 1932, in dem er sich mit den
Mr.rdern von Potem]>a solidarisch erklärte, daran
erinnert, daß d(>r Nationalsozialismus sein brut<iles
Gesiclit schon lange vor der Machtergreifung ent-
hüllt hatte. Die Autorin wertet es als ein Zeichen
von ^fut, daß am 5. März 1933, nach dem Reichs-
tagsbrand und unter s<-liärfstem Terror, m den
letzten halbwegs Ireien Wahlen sk-h dennoch mehr
als die Hälfte der Deutschen gegen den National-
sozial ismns aussprach.
Elizabeth Wiskemanns Buch z>eugt von einer
souveränen Beherrschung der Materie. Es zeichnet
sich vor allem aus durch eindrückliche und in aller
Knappheit treffende Charakteristiken der führen-
den Politiker der Zwischenkriegszeit und des
Zweiten Weltkriegs. Wer eine objektive Ein-
führung in das politische Geschehen der Jahre von
1919 bis 1945 will, wird zu diesem Buch greifen,
das' in vorzüglicher Weise den Sinn für das
Wesentliche mit einer spannungsvollen Dar-
stellung vorbindet.
Das neue Osteuropa
F. M. Seit dem Auftauchen de- Wunschbildes
einer direkten amerikanisch-sowjetischen Ver-
ständigung und dem Ausbruch des chinesisch-
sowjetischen Konfliktes ist das kommunistische
Osteuropa etwas in den Schatten der großen Welt-
politik geraten — ganz im Gegensatz zur Epoche
nach 1956, als man im Satellitenreich einen der
wichtigsten Angelpunkte der weltweiten Aus-
einandei^etzung zwischen der freien Welt und dem
Kommunismus sah. Dementsprechend ist die
Literatur über Osteuropa im Westen seltener ge-
worden; besonders amerikanische, aber teilweise
auch deutsche und französistdie P^xporten in kom-
munistischen Fragen interessierten sich mehr für
die Sowjetunion oder China direkt und behandelten
das europäische Satellitonreich lediglich als eine
Art Accessoire. Das nicht zuletzt unt^r dem Ein-
lluß de Gaulies entstandene neue Konzept einer
Art europäischer «Wiedervereinigung» beginnt
erst jetzt auch in der internationalen Politologie
und Publizistik wieder vermehrtes Interesse für
Osteuropa zu wecken.
Dir naehstalinistisrlie Enlwirklung
Es ist besonders wertvoll, daß gerade jetztUin
ausgezeichnete^ Werk erschienen ist, das die ga^.«,
nachsta 1 i nis-fi.sche Entwicklung Osteuropas bis ;.h-
Bilder aus Israel
Existenz auf-nhauen.
-ff. Woher stammt die Faszination Israels? Die
Frage überfällt jeden, der don jungen Stwit der
Juden zum erstenmal besucht. 11 cd M'iv)wrr hat
sich mit der Kamera <laran gemacht, eine Antwort
zu finden — und gibt sie auf jeder der 1(>0 Bild-
tafeln des Bandes «/^/•«^/ — Land ohne Beispiel»
(Verlag Heinz Moos, München, 1966). Die Karg-
heit und großartige Leere der Wüste findet sich
hier neben der Ueppigkeit der Felder, auf die das
belebende Wasser hingeleitet wird. Es ist nicht das
einzige Gegensatzpaar. Es gibt den Gegensatz zwi-
schen (iroßsta<lt und ländlicher Siedlung, zwischen
Industriewerk und wissenschaftlichem Laborato-
rium, zwis<-hon friedlicher Siodlungsarboit und
Spuren des Kriegs, der 1948 nicht endete, sondern
noch immer vveiter geht. Vor allem aber tindet
sich in <liesem Band eine Andeutung des Reich-
tums an Gestalten und Gesichtern dieses Landes:
Mäd«hen und Bui-schen in der ITnifonn, bärtige
Patriarchen, Strenggläubige im orthodoxen Vier-
tel Jerusalems, Siedler und Fischer, Dru.sen und
Beduinen, Männer an der Drehbank und Jugend
in den S<-hnlen, Neueinwanderer und Sabres - die
im Land Geborenen — , Feiernde und Betende.
Gabriella Rosenthal hat auf zwanzig Seiten
einen knappen Umriß der geographischen Eigen-
arten und der historischen Bezüge zu geben ver-
eifert damit dem photographischen Auge Hcd
Wimmors nach, das auch der genauen Inforniation
den \'orzug gibt vor dem maleris<-hen Schein.
Israel besticht nicht durch landschaftliche Schön-
heit, sondern durch das atemraubende Tempo, in
dem ein kleines Stück mittelöstlicher Landschaft
in einen modernen Industriestaat venvandelt w\rd.
Es ist die menschliche Leistung, die zählt und die
in diesem Bildband ihre eindrucksvolle Wieder-
gabe findet.
♦
Auch ein Schweizer hat sich vor kurzem zum
Thema der Aufbauarbeit in Israel vernehmen las-
sen. Es ist (rnstav Kpli vom Landesverband freier
Schweizer Arbeiter, der in einer in der Fehrschen
Buchhandlung in St. Gallon ei-schionenen Broschüre
das Wesen dieses Landes auf die Fonnel bringt:
Eintra<-ht. Redlichkeit, Fleiß. Ihn interessierten
ver^tändlicherweise vor allem die wirtschaftspoli-
tischon Aspekte des Landes, das er während der
letzten Wahlen studierte. So gibt er neben einer
sehr eingehenden und wohlabgewogenen Analy.-^e
der mächtigen Arbeiterorganisation Histndnit vor
allem ein Bild des sich wandelnden Stiuitsbewußt-
seins der israelischen Gesellschaft, die, aus dem
harten (irifT der Pionierzeit entlassen, allmählich
die Vorteile und die Problematik des Wohlfahrts-
ÄVV*.
bonos Hu«li, in (Um (V\o iMToj^un*^' iiiu-r .TTö
.los GesoViohons, üImt «lio hotrniijronon Fohlor. die
Vorsiinmnis^o un.l .lio von»aßton Golojronhoilrn
«luroh allo ()U,)oktivitUt liiii(1unlistliimmort.
Elizal)oth Wiskoninnn ist os golunj^on, auf
woni^or als 'JC>0 Soiton ilio liinluiulzwan/.ig cr-
oio-nisroiolion Jaliro ouropiii-«-lior Gosclnohto zwi-
schen 1910 und 1945 zn scl.il.lorn, olmc daß sie
irgondwio otwa.s Woisontliohos üborsolion odor <lor
Bcsohränkthoit dos Raumos ^oopfort hättr. Dio
Verfasserin ^oht den (Tosoholion in den einzelnen
Ländern Europas bis ins kleinste Detail exakt
naoh und /war nicht nur bei den Großrnacht^^n,
.f.ndern auch bei den mitthTon und kleineren
Staaten. Eingehend beschäftigt sie sich dabei unter
;uulerem mit dem Fiasko der Demokratie m den
Mioiston der 1910 g:esclialT<'nen neuen Staaten
Mittel- und Osteuropas. Als Beis])iel sei hier aiii
(Ion \bschnitt über Polen liinprewiesen. Das dik-
tatorische Regime Pilsudskis, der 1926 die Macht
übernommen hatte, wird als ein Regiment gesc iil-
<lert, dessen ^Lethoden weniger an den italienischen
Eascismus als an das System erinnerten mit
welchem in den sechziger Jahren des 19. Jabr-
luinderis Preußen und Oestorreich regiert wurden.
In kritischer Sicht wird die Minderheit enjmhUk
des sich zu Unrecht als Großmacht gebärdenden
neuen Polen beurteilt und mit einem kleinen, aber
deutlicher: Soitenhieb gegen die deutsche Leber-
heblichkeit, die da^ polnische Volk in Bausch und
Rogen als unfähig bezeichnete, die Aufbauarbeit
l'olens bei der Errichtung eines eigenen Ostsee-
hafens in Gdingen gewürdigt.
Als zweites Beispiel, dem sich beliebig weitere
anfügen ließen, sei auf die Darstellung der poli-
tischen Verhältnisse im republikanisclien Spanien
am Vorabend des Bürgerkrieges hingewiesen. Die
komplizierte Vielfalt der Bewegungen aiif der
politischen Linken, die Anarchisten und Syn-
dikalisten, die Kommuniston aller Schattierungen,
deren Bestrebungen zum Teil wirr durchoinandor-
liefe.n, was 1037 in Barcelona zu einem eigentlichen
l^.ürgerkrieg im Bürgerkrieg führte, wird über-
sichtlioh zusammengefaßt. Die Tragikomödie der
Sichtintervention erfährt eine kritische ^\ urdi-
gung.
Trotz der ausführtichon Behandlung der Details
wird der große Zug im Gang der Ereignisse nicht
aus den Augen vertorcn. So arbeitet die Autorin
klar heraus, wie der Zusammenbruch der Weimarer
Kopublik im Jahre 193:J dio antidemokratischen
Tendenzen in den übrigen Ländern Europas ver-
stärkte und jene Lähmung des Widerstandswillens
herbeiführte, der es Hitler ertaubt-e, seine poli-
tischen Triumphe zu feiern. Der Niedergang
Frankreichs und die verhängnisvolle Appoa.sement-
Politik Großbritanniens unter Baldwin und Chnm-
bcrlain worden eingehend geschildert.. Man be-
dauert e^ hier, daß das Thema des Buches — es
erschien in einer Paporback-Sei*k über die euro-
päische Geschichte seit dem 16. Jahrhundort — auf
Europa beschränkt blieb; Amerika und der Ferne
Osten bleiben praktisch außortialb der Betrachtun-
'-en, und auch Rußland erscheint gelegentlich allzu
stark an den Rand gedrängt,. Es zeigt sich, daß
CS fa.st unmr»glich ist, euro])äische Gegonwarts-
gcschichte zu schreiben, ohne die Perspektiven
weltweit auszudolMien. Cianz deutlich wird diese
Verflechtung dos Geschehen.^ beim Zicciten Welt-
l'rieg, der keine europäische, sondern eine welt-
uinspannon<le Auseinandersetzung war, die zu-
mindest seit 1941 weitgohond durch außoreuro
päische Mächte bestimmt wurde. Dieser Beschrän-
kung auf das europäische Geschehen und den auto-
matisch daraus resultioronden Mängeln wird je-
doch mit Geschick begegnet, indem in kurzen Hin-
weisen auch die überseeischen Entwi.-klungon,^ so-
uoit diese für Europa wichtig waren, ir den Kreis
iler Betrachtungen gezogen werden.
Besonderes Roliof gewinnt die Schilderung beim
Abschnitt ül)er das Aufkommen Hitlers, vor allem
bei der Charakterisierung der verhängnisvollen
Rolle, die Leut<} wie Ilugenberg, Schacht und
Papen in den entscheidenden Jahren vor dem
30. Januar 1933 spielten. So heißt es von Schacht,
er habe, indem er auf allen Parties von Bankiers
und Botschaftern nicht müde geworden sei zu er-
klären, Hitler allein könne Deutschland retten,
wohl mehr als irgendein anderer Einzolmensch da-
zu beigetragen, Hitler sowohl nach außen wie
j'J4.) Will, Wirrt zu rtio
vorzüglitlier Weise <l(ij
ii<he mit einer spanl
vorbindet.
Das neue Osteuropa
r. M. Seit dem Anftiiuchen des Wunschbildes
einer direkten amerikanisch-sowjetischen Ver-
ständigung und dem Ausbruch dos chinesistdi-
sowjotischen Konfliktes ist das kommunistische
Osteuropa etwas in den Schatten der großen Welt-
politik geraten — ganz im Gegensatz zur Epoche
nach 1956, als man im Salellitenreich einen der
wichtigsten Angelpunkte der weltweiten Ans-
ein an dei-sotzung zwis<lien der freien Welt und dem
Kommunismus sah. Doniontsprec hend ist die
Literatur über Osteuropa im Woston seltener ge-
worden; besonders anioiikanische, aber teilweise
auch deutsclio und franz;>sischc Experten in kom-
munistischen Fragen interessierten sich mehr für
dio Sowjetunion oder China direkt und behandelten
das europäische Satellitonroich lediglich als eine
Art Accessoirc. Das nicht zuletzt unt^^r dem Ein-
fluß de Gaullos entstandene neue Konzept einer
Art europäischer «Wiedervereinigung» l>eginnt
erst jetzt auch in der internationalen Politologie
und 'Publizistik wieder vermehrtes Interesse für
Osteuropa zu wecken.
Dir nachstalinistisohc Entwicklung
Es ist besonders wertvoll, daß gerade jetzt ei r
ausgezeichnetes^ Werk erschienen ist, das die gaVA
nachst^linistische Entwicklung Osteuropa.s ^is J^.
gegenwärtigen Zeitpunkt aus sich selbst hcrai^^
darzust^'llen sucht und insbesondere den Prozeß
der zunehmenden Emanzipation und DifTö-
renzierung der Satellitenstaaten horausarbeitej.
J.V.Brown, ein brttischer, seit längerer Zeit in
Mittoleuropa arbeitender Konner der osteuro-
päischen Verhältnisse, analysiert in seinem englisch
erschienenen Werk '<The New Eastcrn hurope»
die teilweise komplizierten Prozesse, welche jedes
einzelne der Satcllitenländer in den letzten Jahren
durchgemacht hat und die dazu geführt haben,
daß man von diesem Teil der Welt heute nicht
mehr als von einer Einheit spre<-hen kann. Brown
behandelt denn auch jedes Land im wesonthchen
separat, nach Sachgebieten geordnet, und versucht
lediglich jeweils am Anfang oder am Ende der
ent^sprochenden Kapitel zusammenhängende Tntor-
protationon zu geben. Zuerst werden die innon-
])oIitischon Entwicklungen gewürdigt, dann die
Wirtsdiaft im allgemeinen und im Zusammenhang
damit auch die Versuche von Reformen sowie
weiter Landwirtschaft und Kultur. Ein beson-
deres Kapitel analysiert die Entwicklung der Be-
ziehungen jedes einzelnen osteuropäis( hon Landes
— Jugoslawien wird im Buche nicht behandelt -
zur Soivjetnnion, Rumänien und Albanien erfahren
in diesem Rahmen wiederum eine gesondert<^ Wür-
digung. Den Schluß macht die Darstellung der
Beziehungen Osteuropas zum Westen sowie eine
Zusammenstellung der gegenwärtig in den einzel-
nen Ländern maßgebenden Persiuilichkeiten mit-
samt den recht ausführlich gehaltenen Biographien
der Hauptakteurc.
Die Darstellungen sind bemerkenswert präzise
gelialten und die Interpretationen fast durchweg
tretl'sidier. Brown hütet sich vor Ueberschätzung<>n
des P^manzipationsprozesses in Osteuropa, aber
iintors<diätzt ihn auch nicht. Als bemerkenswert os
Ergebnis seiner Analyse des neuen Osteuropa halt
erlöst, daß jene Staaten, die 195G an der Spit/e
(lor Entwicklung nach vorn standen, also Ungarn
und Polen, heute als Promotoren neuer Wege aus-
gt^chaltot sind, während andere Länder, wie (he
Tschechoslowakei und Rumänien, gleichs.-im von
den letzten auf die ersten Plätze v«)rge,stx)ßen sind.
Der Person Chnuschtschc2VS mißt Brown sicher vn
Recht eine große Rolle im allgemeinen Emanzi-
pationsprozoß zu. Noch erachtet as auch Brown
für verfrüht, allgemeine Schlüsse zu ziehen, aber
er wertet bereits die Zwischenbilanz vom westlichen
Standpunkt aus trotz allen Widerspnichen als
j sehr ennuligend.
.'>t:i
.fr Woher stammt die Faszination Israels! Die
Frage überfällt jeden, der den jungen Staat der
Juden zum erstenmal besucht. Hed \V immer ha
sich mit der Kamera daran gemacht. ^^^ ^^^^^^^l"^
zu finden - und gibt sie auf jeder der IbO Bild-
tafeln des Bandes ^hrael — Land ohne heisyneh
(Verlag Heinz Moos, München, 19G6). Die Karg-
heit und großartige Leere der Wiiste findet sich
hier neben der Uopi>igkeit der Felder, aut die das
belebende Wasser hingeleitet wird. Es ist nicht das
einzige Gegensatz])aar. Es gibt den Gegensatz zwi-
s<lien Großstadt und ländlicher Siedlung, zwis<-hon
Industriewerk und wissenschaftlichem Laborato-
rium, zwischen friedlicher Siodlungsart)Oit und
Spuren des Kriegs, der 1948 nichi endete, sondern
noch immer weiter geht. Vor allem aber l'mdet
^ich in diesem Band eine Andeutung des hoich-
tums an Gestalten und Gesichtern dieses Landes:
ATädchen und Burschen in der l'niform, bärtige
Patriarchen, Strenggläubige im orthodoxen Vier-
tel Jerusalems, Siedler und Fischer, Drusen und
Beduinen, Männer an der Drehbank und Jugend
in den Schulen, Xoiioinwanderer und Sabres — die
im Land Geborenen — , Feiernde und Betende.
Gabnella Rosenthal hat auf zwanzig Seiten
einen knappen Umriß der geographischen Eigen-
arten und der historischen Bezüge zu geben ver^
.acht. Sic bleibt sachlich und beinahe trocken und
eifert damit dem photographischen Auge Hed
Wimmers nac h. das auch der genauen Information
den Vorzug gibt vor dem malerisrlien Schein.
Israel besticht nicht durch landschaftliche Schön-
heit, sondern dunh das atomraubende Tempo, in
dem ein kleines Stück mittelüst lieber Landschaft
in einen modernen Industnestaat verwandelt wird.
F.s ist die menschliche Leistung, die zählt und die
in diesem Bildband ihre eindrucksvolle Wieder-
gabe findet.
Auch ein Schweizer hat sich vor kurzem ziun
Thema der Aufltauarbeit in Israel vernohmen las-
sen. lOs ist (instav Kgh vom Landesverband freier
Schweizer Arbeiter, der in einer in der Fehrschen
Buchhaucllunir in St. Gallon erschienenen Broschüre
das Wesen dieses Landes auf dio Formol bringt:
Eintracht, Redlichkeit, Fleiß. Ihn interessierten
verständlicherweise vor allem die wirtschaftspoli-
tischon Aspekte des Landes, das er während der
letzten Wahlen studierte. So gibt er neben einer
solir eingehenden und wohlabgewogenen Analyse
der mächtigen Arbeiterorganisation Histadrut vor
allem ein Bild des sich wandelnden Staatsbewußt-
seins der israelischen Gesellschaft, die, aus dem
harten Griff der Pionierzeit entlassen, allmahlicdi
die Vorteile und die Problematik des Wohlfahrts-
staates zu spüren beginnt..
darf nicht irreführen; obschon das Buch kurz vor
der unerwarteten Absetzung Chru.schtxlicws er-
schien, hat es seine aktuelle Bedeutung behalten.
Es ist allerdings, wie schon Titel und Anlage aus-
sagen, gleichsam eine ahschlioßende Darstellung
einer Epoche, jener nämlich, in der die ganze
Problematik Osteuropas um Jugoslawien und
später um den auftauchenden Gegensatz zwischen
Moskau und Peking kreiste.
Honte hat sich dies grundlegend geändert:
Jugoslawien ist vor allem mit seinen inneren Pro-
blemen besc'häftigt, und seine Ausstrahlungskratt
im übrigen Osteuropa ist mehr als beschränkt. Aut
der andern Seite ist auch der Kcmflikt mit Peking
in Ost<^uropa kein Problem mehr, das dcMi ost-
europäischen Kcmimuniston Kopfzerbrechen oder
Qualen der Wahl verursachen würde, sondern im
Gegenteil — wenigstens für einige von ihnen —
eine ho<liwi11kommt-ne Handhabe, um Distanz
gegenüber dem übermächtigen ^Foskau zu ge-
winnen. Rumänion zum Beispiel hat seine Politik
der Unabhängigkeit gerade auf das Prinzip der
Einheitlichkeit und Gleichmäßiskoit dei Beziehun-
gen zu allen sozialistischen Ländern gegründet.
Sogar im Falle Albaniens mochte diese.s Motiv
ausschlaggebend gewesen sein.
Aus der wachsenden Distanz zu Moskau ist
gerade wie<ler das entstanden, wa,s Ströhm in
seinem Buch so ausgezeichnet darstellt, nämlich
das Hervortreten de.s Balkanraumes als selbständi-
gos Zentrum. Strühm stellt dies dar anhand der
Entwicklung in Jugoskiwien und Albayiien, al>er
er geht zum Schluß auch noch auf die Emanzi-
pationstendenzen Bumänienfi ein. Dio Evolution m
dic-^en drei Ländern erfolgtx^ wcnler parallel noch
in gegenseitigem Einvernehmen; aber gerade in
letzter Zeit zeigen sich Ansätze einer gewissen
Synchronisierung, die nun allerdings ihren Pol
nicht mehr in Belgrad, sondern in Bukarest zu
haben sdieint-
Angelpunkte Rumänien
und Tschechoslowakei
• Elizabeth Wiskemann, Europe of the Dictators
1919_1945. The Fontana History of Europe. Collins,
London.
Der Balkan als Kraflzentrum
Von einem andern Ausgangspunkt aus gelangt
Carl Gustaf Ströhm in seinem bereits vor zwei Jah-
ren erschienenen Buch «Zwischen Chruschtschew
und Mao»' im wesentliclien zu ähnlichen Ergeb-
nissen. Ströhm nimmt Jugoslawien zum Mittel-
punkt seiner Darstellung und analysiert die poli-
tische Entwicklung, welche sich seit dem Ende des
Zweiten Weltkrieges im ganzen südosteuropäischen
I Raum um dieses Land herum abspielte. Der Titel
Kcben den erwähnten zusammenfassenden Dar-
stellungen sin<l in letzter Zeit zwei Werke erschie-
nen, welche die Entwicklung in Einzelstaaten zum
Gegenstand haben. Ghita lonescu behandelt in
seinem ^Covimunism in Rumania 1944 — 1962»'
die Politik der rumänischen Kommunistx^n von der
Vorkriegszeit über den ganzen Kneg hinweg zur
Machtergreifung und bii zu den ersten Ansätzen
einer Unabhängigkeit von Moskau. Es ist die
erste Darstellung dieser Art, und wenn die rumä-
nischen Kommunisten, wie sie es angekündigt
haben, demnächst eine neue offizielle Partci-
geschichte veröffentlichen werden, wird ihr zum
Vergleich bereits cm gutes, von westlichem Stand-
punkt aus geschriebenes Werk gegenüberstehen.
lonescus Studie ist präzis und wohldokumentiert ;
oin wissenschaftliches Work vor allem und keine
Apologie. Vielleicht ist das Buch etwas zu früh
hcrau.-^gokommen ; es wäre interessant gewesen,
wenn auch noch die ersten Schntte der neuen
UnabhängigkoitÄpolitik hätten behandelt werden
können.
Anders geartet ist das Werk, das ein guter
Kenner der Tschcclio>lowakoi unter dem Pseud-
onym Chri.stian WHIar^ und unter dem Titel
«Die höhiw.^ci'P Zitadelle»* über dio Tschecho-
slowakei voröffontlicht hat. Hier werden nicht in
erster Linie Fakten darge^ollt, sondern Ideen in
Zusammonhänge eingeordnet und interpretiert.
Von frühester Zeit an wird der Wordegang do-s
tschechischen Volkes analysiert und wird auf
einige Erscheinungen hingewiesen, die sich schon
in vorirangonon Jahrtiundorten unter den Tschechen
bemerkbar machten und die olYonsichtlich in vielem
den Schlüssel zum Verständnis der heutigen
Situation liefern. Willars weist auf den radikalen,
egalitären und nationalistisch unterbauten Demo-
krattsmus der huf'sifi.^chen Brtcnung hin, mit dem
die Tschechon für die damalige Epoche geradezu
<ailtramodern» waren und mit dem sie ein ganz
neues Element in die europäische Ge^schichte hin-
einbrachten. Dio gleiche Tendenz glaubt Willars
in der ganzen fschechischen Erneuorungsbewegung
und heute auch im tsc-hochi schon Kommunismus
festzust4>llon. Tatsächlich war der Kommunismus
in koincMu andern osteuropäischen Land derart
radikal gloiclimac herisch wie in der Tschecho-
slowakei, und heute ist die ausgeprägte Abneigung
^Xi'^(-n jode h'crm von Elitenbildung und Differen-
zierung wieder eines der wichtigsten Hindernis-o
für die in Wirtschaft und Gesellschaft angestreb-
ten Reformen. Willars stellt im übrigen über-
zeugend dar, daß bereits für Musarifk und die ei-ste
Republik dieser radikal gleichmachertsche Demo-
kratismus ein schweres Problem war. Als politische
Ideengeschichte ist Willars Buch zweifellos das
beste, das seit langer Zeit über die Tschechen und
die Tschechoslowakei geschrieben wurde. Es kommt
nicht zu optimistischen Schhißfolgerungen, aber
es regt wie kaum oin anderes zeitgenössisches Werk
über ein osteuropäisches Volk zur ernsthaften
Diskussion und zum Nachdenken an.
tj. F. Brown: The New p:astern Europe; the
Khnishchev Era and after. Verlag Frederick A. Prae-
ger, New York 1 066.
«Carl Gustaf Ströhm: Zwischen Mao und Chru-
schtschew; Wandinngen des Kommunismus in Südost-
curopa. Verlag Kohlhammer, Stuttgart 1964.
»Ghita Tone.scu: Communisra in Rumania 1944 bis
]1>62. Oxford University Press, London 1964.
«Christian Willars: EHe böhmische Zitadelle:
CSR — Schicksal einer Staatsidee. Verlag Fritz Mo1
den, Wien 1965.
1
l
I
«
X
work of ethologists on the innate
behavioral mechanisms by which ag-
gression is inhibited before fatal in-
juries have been inflicted suggests that
complete ruthlessness, if we ever
achieve it, is one of our cultural
attainments. Game theory implicitly
carries the ruthlessness of true games
into real life.
None of these Problems will prevent
it from having its contemporary suc-
cess and we can be sure that its
vocabulary -Utilities, equilibrium
Points, mixed strategies, Pareto opti-
mal, minimax play, and so forth-will
find a place in the repertory of every
business Consultant under forty. For
his purposes, Dr. Morton Davis's book
is excellent, contenting itself with the
usual View that "players doii't look to
the game theorists for moral principles;
they already have their own. All they
ask for is to find a strategy that will
suit their purpose, selfish or other-
wise.'* It is Rapoport's distinction that
he feels disquiet about this orthodox
Position. For one thing, he doubts
whether game theory will in practice
help anyone to compete more success-
fully. More profoundly, and I think
rightly, he suspects that the apparent
neutrality of the theory conceals moral
assumptions of its own. □
Weimar and the Intellectuals : II
Weimar Germany*s Left-Wing
Intellectuals: A Political History of
the Weltbühne and Its Circle
by Istvan Deak.
California, 346 pp., $9.75
Kurt Tucholsky and the Ordeal
of Germany, 1914-1935
by Harold L. Poor.
Scribner's, 285 pp., $7.95
Social Conservatism and the Middle
Classes in Germany, 1914-1933
by Herman Lebovics.
Princeton, 248 pp., $8.50
Weimar Culture: The Outsider as Insider
by Peter Gay.
Harper & Row, 205 pp., $5.95
Carl E. Schorske
I
While Weimar's leftist intellectuals were
being ground up by events, a rightist
intelligentsia was Coming into its own.
Herman Lebovics has explored the
process by which the social ideas of
conservative critics of modern society
were gradually assimilated by the Ger-
man middle class and became ideologi-
cal fuel for the fascist political ma-
chine. Because the values of his char-
acters are remote from our own,
Lebovics's book does not speak so
directly to the contemporary political
sensibility as do Deak*s and Poor's
studies of the left-wing intellectuals of
the Weltbühne, which I discussed in
the last issue. But Lebovics provides a
better understanding of the interaction
of ideas with the social development
that enabled the enemic. ot th'» Re-
public to ".ubvert it. One comes away
from the book with a strengthened
sense that the fundamental differences
between Weimar Germany and present-
day America make analogizing a dubi-
ous game. One becomes aware also of
shortcomings in the German left intelli-
gentsia which neither Deak nor Poor
discerns.
I
n Lebovics's title, Social Conserva-
tism and the Middle Classes in Ger-
many, 1914-1933, the term "middle
classes" needs clarification. The word
which the author would have used, had
our language a clear equivalent for it,
is ^^Mittelstand.*' The term means
"middle estate,'* implying Status in a
feudal, hierarchical order, as distinct
from "class,** which refers to position
in a socio-economic order. Yet ''^Mittel-
stand,'' for all its feudal ring, is not a
truly • feudal term. It arose in the
nineteenth Century, and was developed
by conservative social theorists to ap-
ply to the pre-industrial artisans, shop-
keepers, peasants, etc. threatened by
the new industrial capitalism. The term
expressed both nostalgia for the lost
Privileges and rights of medieval guilds-
men, and a claim to Status independent
i- qf wealth. Above all, the concept of
20
"estate** offered a psychological refuge
-though no economic defense-against
the two modern classes which were
squeezing the industrial middle class
between them: big capital and big
labor.
The American reader mindful of the
history of our own pre-industrial mid-
dle class will be Struck by the differ-
ences between the responses of the
American and German little man to
the cruel process of economic modern-
ization. The ideological defenses of
American farmers and small business-
men against big capital in the late
nineteenth Century emerged from the
democratic individualist tradition. In
their political and social programs-
trust-busting, railway and Utility regula-
tion, land grants for public higher edu-
cation-the threatened little men justi-
which had at least fed their egos while
it bled their sons. The November
Revolution seemed to make the ero-
sion of security total. It brought to the
heim of State the political formations
first of the powerful unions, then of
the big corporations-the two principal
enemies of the class that wished to be
no class.
Bc
•oth economically and socially, the
German Mittelstand desperately needed
the special protection of the State. The
Weimar Repubjic, Lebovics shows, was
neither able nor willing to provide it.
In the title of his first chapter,
"Organize or Perish," Lebovics ex-
presses the real need of the pre-
industrial social mass which had sur-
vived into the Weimar Republic only
half-assimilated into moder« capitalist
fied their special interests as indistin-
guishable from the general public inter-
est.
Even in their later, soured manifes-
tations, such as in the Taft and
Goldwater movements, they professed
an ideology of rugged individualism
rather than one of corporate Status.
American populism developed under
the same economic conditions as the
German '"völkisch" nationalist move-
ment. Both adopted some measure of
racism to justify their hatred of those
above and their fears of those below.
But the fact that in late nineteenth-
century Germany, corporate capitalism
grew out of a feudal social order,
rather than an individualistic liberal-
democratic one as in America, made
all the difference in the social and
political responses of the victimized
pre-industrial strata in the two coun-
tries. This difference has relevance for
those who would read the fortunes of
the US in the tea leaves of Weimar.
World War I provided the Mittel-
stand, 'ike the rest of German society,
with a nationalistic outlet for its
pent-up aggressions. But the Imperial
war economy, with its fattening of big
business and concessions to big labor,
only accelerated the economic decline
of the artisans, farmers, and small
businessmen. Politically, too, defeat hit
them with particular force, destroying
cpnfidence in the national monarchy
society. Although the Weimar Constitu-
tion stipulated that "the independent
agricultural, industrial, conimercial Mit-
telstand shall be fostered by legislation
and administration," this was inter-
preted in the narrowest way The State,
Said the Minister of Economics, had
only to ensure the middle classes *'free
participation in the economic process."
In Short, the Mittelstand could only
hope for as much support from the
Hberal State as it could develop power
in the market place to exact it.
Fragmented as they were, the in-
dependent middle classes could not
succeed in organizing politically or
economically to secure a place in the
Republic equal to that of big labor, big
business, or big agriculture. The ablest
and most fortunate were absorbed into
the corporate structure as a white-
coUar class, the "new Mittelstand."
The Great Depression, however, knew
no distinction between new Mittelstand
and old. Completing the destruction of
the economic security of both, it laid
them open to the Nazis. "Organize and
Perish'* is the apt title of Lebovics*s
final chapter describing the mobiliza-
tion of the neglected and embittered
men of the Mittelstand into the Nazi
party.
Lebovics devotes the major part of
his book to the conservative thinkers
who provided the elements of a social
theory for the unprotected Mittelstand.
Under the flau of politics, their ideas
were threshed into constituents of Nazi
ideology. Lebovics is not the first to
seek the intellectual origins of Nazism
in conservative theory; older American
historians, such as Fritz Stern, Klemens
von Klemperer, and Stuart Hughes
have already done much work on this
question, studying the ideas of the
precursors of Nazism by analyzing the
intellectual traditions and personal ex-
periences from which the ideas arose.
Lebovics adds a new dimension by
tracing the transformation of conserv-
ative ideas as they passed from the
academic world through the medium
of journalism into the political arena.
.he trail blazers of Lebovics's group
of theorists are two Professors of
economics, Werner Sombart and Edgar
Salin. Neither originated in the lower
middle class; both espoused its cause
out of genuine sympathy with its lot
as a victim of capitalism. Sombart
began as a maverick socialist, trying to
incorporate Marx 's conception of eco-
nomic process especially that of the
concentration of economic power—
into his analysis of Germany's special
development. In the 1890s, he stood
among those who, with the Marxists,
cheerfully proclaimed the old Mittel-
stand to be dying. He even cautioned
the Social Democrats against allying
themselves with that moribund class.
With this background of economic
realism, Sombart avoided the character-
istic nineteenth-century social-conserva-
tive dream of a return to a pre-
industriai era.
His acceptance of modern indus-
trialism, however, did not mean that
Sombart accepted capitalism. At first
he looked to Social Democracy and the
big labor unions to curb it. Then he
turned against Social Democracy,
seeing it as infected by business oppor-
tunism and other unsavory character-
istics of late capitalism. Like capitalism
itself, the working class had become
overorganized, bureaucratic, devital-
ized.
Without losing the sense of econom-
ic realism which was the basis of his
awareness of the plight of the middle
class, Sombart turned to ideas of
Community. Before 1914, he looked
briefly for "social harmony" in the
collaboration of big business and big
labor. During World War I he sought
Community in the military nation-state.
Finally under Weimar, he found it in
the tenaciously surviving artisan and
peasant class. In the face of the sharp
vicissitudes of the postwar economy,
Sombart concluded that it was not the
old Mittelstand that was declining, as
he had believed in 1900, but capitalism
itself. Whereas Communists believed
that the economic crisis created the
conditions of revolution, Sombart saw
it as opening the way to "German
socialism.** State planning, directed
toward curbing the power of business
and labor and toward strengthening the
The New York Review
old middle ciass, would pave the way
to social regeneration. Sombart con-
ceived his future bourgeois ulopia not
very differently from William Morris in
News from Nowhere; peasant sim-
plicity and bourgeois comfort would
create an idyllic contentment beyond
"the uniformity of a grey proletarian
poverty." How the Proletariat was to
be brought to share in these blessings
troubled Sombart much less than it did
Morris. The German state would find a
way.
Jo Sombart's critique of capitalism
and ideas of redemption through na-
tionalism and state planning, Edgar
Salin added a dangerous touch of
poetry. A follower of Stefan George,
Salin deplored the quality of life under
capitalism and the Philistinism of the
German burgher as much as any left
radical. But where the radical critics
looked to socialism and democracy for
renewal, Salin called for a German
Caesar who would restore heroism to
modern life and resolve the raw con-
flicts of crass economic interest which
were poisoning the national scene.
Lebovics recounts with sympathetic
understanding Salin's polemic against
an economic theory based on the
natural-scientific model in favor of a
social-ethical one. Salin's rejection of
economic rationalism, windy and ro-
mantic though it was, was based on a
genuine humanism, and he spoke to
real psychological problems of the class
that later became Hitler's troops. Lebo-
vics responds more positively than
perhaps an older generation liberal
could to Weimar's neglect of this
Stratum:
The anomie feit by the middle
classes that had been engendered
by the radical alterations in their
Position in society was well suited
to arouse pity in those with a
finely attuned moral sense. The
failure of the democratic govern-
ments of Weimar to solve the
agrarian question was a serious
shortcoming too. . . .
The Views of the academic spokes-
men of social conservatism had little
appeal until they were fortified by
nationalist aggressiveness and adapted
to the Situation of the new Mittel-
stand, the white-collar class. Ernst
Niekisch, a national Bolshevik who had
been expelled from the Social Demo-
cratic Party for heresy, introduced a
strain of Marxist militancy into the
developing ideology of the new right.
By identifying capitalism with the
Western powers, Niekisch found a
formula to make the Germans a "revo-
lutionary people." He built an ideologi-
cal bridge between Mittelstand and
Proletariat by representing both as
victims of international capitalist op-
pression under the Versailles System.
German capitalists, complicit with
the Western powers, had passed the
bürden of reparations on to the middle
and lower classes. "Liberation from
social oppression," Niekisch wrote, "is
impossible without emancipation from
national enslavement." Here truly was
a "national socialist," one who syn-
thesized nationalist aggression with
class conflict in order to shatter both
the Versailles System and the Weimar
Republic.
In the Journals of Niekisch and other
right-wing intcllectuals, the middle-class
grievances which Sombart and Salin
addressed in their economic programs
acquired political form. On the one
band, the neoconservativc Journals
conveyed popularized academic ideas |
into lower middle-class homes and beer
halls; on the other hand, they extract-
ed and emphasized the moral content
of extreme nationalism so as to dignify
and rationalize right-wing street politics
for the more squeamish of the bour-
geoisie. The most intellectual of the
conservative Journals, Die Tat, vigor-
ously agitated for a so-called "Third
Front" that would unite the victims of
the Weimar "system" of capitalist
exploitation and foreign domination.
Workers, old and new Mittelstand,
socially conscious entrepreneurs, aca-
demic youth, and the more sophisti-
cated younger officers of the Reichs-
wehr, such were the constituents
whom Die Tat summoned to create a
new social-authoritarian polity. In
1932, the Tat group looked to the
enigmatic "social general," Kurt von
Schleicher, to supplant the Republic
with a State of their Third Front. They
got Hitler's Third Reich instead.
Was the Third Reich what the
neoconservativc intelligentsia wanted?
No. Almost all of them rejected the
Nazis, and those who, like Sombart,
welcomed them soon found themselves
rejected. The right-wing intelligentsia
provided the ideological mgredients for
the Nazi movement, but in politics
they proved to be the prisoners of
their own dreams. Hitler shared their
middle-class sentimentalism about a
World of peasants and artisans, but
only to fire his will to power. Hitler
was nothing if not modern, and mo-
dernity meant to accept technological
rationality and big business. He did not l
love modern corporate capital, but I
without it Hitler could not succeed in |
making his military welfare state. Al-
most instinctively, he distinguished be-
tween the ideological ingredients need-
ed to make a mass movement, and the
concrete policies that would win over
the social groups necessary to grasp
and maintain power. If the intcllectuals
who provided him the greatest service
in the first task would allow their
communitarian idealism to interfere in
the second, so much the worse for
them.
n
The recent studies of the political
intelligentsia of left and right illumi-
nate the Weimar political tragedy most
clearly when taken together. For Wei-
mar's intcllectuals distilled and magni-
fied the ironies of the German Situa-
tion. Comparison reveals that the in-
dependent intelligentsia of left and
right had more in common than they
cared to admit. Both groups came to
socialism malgre eux, not because of
clearly formulated class interest but
because of their strong humanistic
convictions. The ethical impossibility
of capitalism motivated both. Both
espoused revolution out of frustra-
tion-frustration not with class rule but
with liberal democratic institutions
that did not work. The left encouraged
social revolution to realize the tradi-
tional bourgeois airns of political
democracy, the right urged a political
revolution to realize the traditional
bourgeois aims of social Community.
But if the left and right loosely
shared certain intellectual concerns,
each side was blind to the values of
the other. The Weltbühne had no
sympathy for the yearning for Com-
munity; Die Tat attached no value
to individual liberty. Thus two Cle-
ments of the middle-<:lass tradition, the
medieval-social and the modern-
QQj
i99
That's what Allen Ginsberg calls the poetry of Michael McCIure.
The London Times Literary Supplement refers to McCIure's
work as ''one of the most remarkable achievennents in
rprpnt American literature." .. ..
Ifar Is McCIure at his most protoplasmically energet.c
and remarkable seif. It contains, among others 13
Mad Sonnets"; the poem "The Surge, for Stan
Brakhage, the avant-garde filmmaker; the
entire Love Lion Book, a powerfui
poem of erotic love; "Poisoned
Wheat," McCIure's classic anti-
Vietnam War poem; and "The
Sermons of Jean Harlow and the
Curses of Billy the Kid" (Re-
member McCIure's contro-
versial play, The Beard?)
/^
^m
i '^"m
k# \
w
*f*
By Michael McCIure
$475. now at your bookstore
or Order direct from
GROVE PRESS
2U Mercer, N. Y. 10012 'Mi.
Mythopoesis
Mythic Patterns in Literary Classics
By Harry S/oc/iower
Mythopoesis is an ambitious study of myth patterns *^'j»«^^^"^^ J^^'^^
the Book of Job to the extistentialists. Dr. Slochower prov.des a system-
atfc reexamination of our major literary classics that combmes anthro-
noLTcarDSVChoanalytic, and literary critical perspectives. H.s approach
C^L^fes a Sal of the ever-increasing specialization of human^t.c
Tdies- it cons dLrs Freudian motifs as determining factors in the modern
fr^teileclua! drama. but its overall perspective is the v.ew of ^ythopoes.s
Ts the Center in whi^ the various cultural forms meet and form an
"'^The'tht^ is explored through a careful. -itical. and literate exam.
nation of works from Sophocles and Aeschylus to Th^ f'^'^^ ^™
and Don Quixote, from Hamlet and Goethe's Faust to The Brothers
Karamozovanö Moby Dick, concluding with modern mythopoet.c class.cs
suTh as Gide s r/7eseas, Mann's Magic Mountain, Kafka, and the ex.sten-
t*?!;^^^- clothbound, $13.95
362 pages
Wayne State University Press
Detroit, Michigan 48202
TO: Wayne State University Press
please send
copy/ies of MYTHOPOESIS by Harry Slochower @ $13.95
Name.
Address.
City.
.State.
.Zip Code.
Please enclose check or money order with your order. We will pay
all postage and shipping charges.
:i
Mav 21, 1970
j
I
THE CRITICS' CHOICE
HIOH FIDELITY
•■To say that the AR-4 (forerunner of the AR-4«| is the best of this class would be to
p esume too much in the way of individual listener preterence, it would perhaps be mo e
?o the Point to say that we have heard nothing better, so far at least m th.s pnce class.
HiFi/Stereo Review
"This Ifrequency response) would be remarkable for any Speaker, and in our experience
IS unijue för any Speaker in the price class of the AR.4« . . . We know of no con,pet,t,vely
priced Speaker that can compare with it."
REVUE«s
DISQUES ^ , ...
••There has been nothing like it, and the least I can write is that th,s Speaker ,s astonishing
. . . a model Speaker in its class."
Hl-H
"All in all, it is difficult to see how AR has achieved this Performance at the price."
The AR-4X is priced f rom $57 to $63 depending on cabinet fmish. Literature on other AR products
is available for the asking.
Acoustic Research Inc-
24 Thorndike Street. Cambridge, Massachusetts 02141
Overseas Inquiries: Write to AR International at above address
Paul R Ehrlkh
Anne H. Ehrlich
Population
Resources
Environment
ISSUES IN HUMAN ECOLOGY
"The best Single
descriptive and analytic
treatment of the subject
I have yet seen ,
Telling and courageous."
Robert L Heilbroner,
The New York Review
of Books, April 23, 1970
Paul Ehrlich is one of the most farsighted, outspoken prophets of the
environment movement in this country. If this book does not arouse us to the
dangers we face, none will!"
^ Stewart L. Udall
II
"One of the year's most important books."
Saturday Review, April 4, 1970
libertarian, were arruyed against each
other. This confrontation ot values
reminds us, howcver. that the same
components ot bourgeois tradition
which were successiuUy integrated in
Sweden or Switzerland to make bour-
geois Society weather its crisis of
capitalism were present in Germany
too. The German crisis was played out
within the middle class, with the
communitarians, ironically, espousing
the authoritarian State while the liber-
tarian rationalists ignored the desperate
need of the Mitte.lstand for social
Integration and personal dignity.
The populär novels of the period
reveai the same polarization of the
bourgeois class as that expressed by
the pohtical intellectuals. On the one
side, the so-called Blubo literature
(from Blut und Boden, blood and soil)
glorified provincial Hfe; on the other,
"asphalt literature" chronicled the
pleasures and pains of life in the eitles.
The urbane leftist intellectual poured
his contempt on Blubo kitsch, but
would not miss the latest Vicki Baum.
The moraUzers of the right condemned
urban kitsch as "degenerate,'' but de-
voured the Imperialist bucolics of Hans
Grimm's Volk ohne Raum. Both
groups, however, read the best seller of
the Republic's twilight years: Hans
Fallada's Little Man, What Now' Its
helpless antihero of the new Mittel-
stand incarnated the negations of both
bourgeois traditions: in him Commu-
nity appeared as social victimization,
liberty as anomie. All seemed to
recognize in this novel the ultimate
middle-class product of the Republic
that failed.
How strikingly different is the ideo-
logical alignment in America! Here
republican individualism, which the
Welthühne radicals had promoted
against the mihtary-industrial complex,
serves as the ideology of the national-
istic right. Again in contrast to Ger-
many, communitarianism in America
has been assimilated by the left, which
is enriching the democratic hentage
with participatory forms drawn from
the utopian collcctivist tradition. The
communitarian impulse that under Wei-
mar was most fully identified with
nationalism. militarism, and political
authoritarianism has in America be-
come a part of the radical Opposition
to all three. Yet with respect to the
greaf middle class, the American left
intellectuals seem to be prisoners of
the same urban snobbishness as that of
their earlier German counterparts.
They too allow their contempt for
traditional middle-class values to stifle
their sympathies and bhnd them to the
real psychological needs of that impor-
tant Stratum which in the end will
probably determine the fate of all of
US.
"For every American interested in understanding and solving the critical
Problem of overpopulation and our deteriorating environment, this thoughtfui
new book is a must." tw^.«««
Senator Joseph D. Tydings
"I have read it from cover to cover and am now busily recommending it to all
•^y ^"*'"^'" Pete Seeger
The new book by the authors of the Population bomb
$8.95 at all bookstores now.
W. H. FREEMAN AND COMPANY
660 Market Street
San Francisco, California 94104
the Problem which Peter Gay boldly
tackles in Weimar Culture: Ehe Out-
staer as Insider.
(,ay\ subtitle announces the thesis
by which he tries to organize the
Chaos. Weimar culture was created by
the "Outsiders" of the prewar Empire-
Jews, democrats, socialists- who were
"propelled by history into the inside
for a Short, dizzying, fragile moment."
Although clearly formulated at the
outset, this thesis is allowed to die
away in the analysis which follows.
Gay does not show us how and why
cultural production originated in the
Outsider groups. Countless important
figures Mann, Kilke, Meinecke, for
example-were neither Jews nor pre-
war democrats nor socialists, yet
were central to Weimar's cultural life.
And did the old outsiders-those who
helped to form the "counter-culture"
of Hmpire-really become insiders? It
was not easy under Weimar for radicals
of any kind to become 'Insiders."
What Weimar gave was freedom-but
only the freedom of the market. In
those remarkably large sectors of intel-
lectual life where state patronage was
involved, such as classical theater,
opera, and the universities, persistent
bureaucratic conservatism generally sus-
tained tradition against those who tried
to blaze new paths.
Despite its weaknesses, Gay 's "out-
sider" thesis serves to remind us that
most of what we think of as Weimar
culture the international style in archi-
tecture, expressionist art and poetry,
symbolic and iconographic analysis in
the arts, depth psychology, existential-
ist philosophy, and atonal music was
largely conceived as the counter-culture
of Empire (much of it in Austria), and
was well on the way to maturity
before the Republic was born. In the
culture as in the politics of the
Republic the persistence of the social
conditions of the Empire gave prewar
ideas and emotional responses continu-
ing vitality.
I
III
"How much do we know about the
Thirteenth Century," Johan Huizinga
once asked, "when we have read
through all the papal calendars of State
papers but do not know the dies iraeV
Much the same might be said about
the attempt to understand the Weimar
Republic from political sources alone.
Indeed, the most glaring weakness of
the works of Deak, Poor, and Lebovics
is their lack of sensitivity for the
aesthetic culture to which the Weimar
intellectuals belonged. Yet if one wants
to understand that intense, divided
culture, which had lost its binding .
ethos and its shared Images, where
shall one seek the 'dies irae'n That is
n culture as in politics-and here
Gay produces evidence that contradicts
his thesis- the essence of Weimar, of its
Suspension between the once-was and
the not-yet, was that no one could be
clearly identified as an "outsider."
Everyone, including even the presidents
of the Republic, the socialist Ebert no
less than his monarchist successor,
General Hindenburg, feit themselves to
be "outside." Frecisely the difficulty
of identifying the establishment makes
Weimar society so very different from
our own.
The great merit of Gay's book lies
not in its rather dubious thesis, but in
the comprehensive inventory of cultur-
al currents it provides. There is an
engaging empirical freshness about the
work. An urbane explorer of the
consummately urban part of Weimar
culture, Gay conveys the excitement of
his own first encounters with the
atmosphere of Weimar-or more accu-
rately, of Berlin. As he ranges from
expressionist theater to historical
theory, his prose often glitters with the
promise of pleasure like a sequinned
dress of Marlene Dietrich. Gay knows
how to recapture from the reminis-
cences of Stefan Zweig, Bruno Walter,
Max Beckmann, and others the dyna-
mism of raw, sophisticated Berlin.
Gay does not confine his study to
the racy world of cabaret and art, that
part of Weimar culture which most
non-German intellectuals at one time
took to be the whole, but deals with
aspects of intellectual life which have
Tke S€W York Review
" s^; ? "ö s^'ööjiiys' "
never been explored. He traces the rise
of the semiprivate institute as a device
for developing new kinds of Knowledge
not congenial to the academic man-
darins of the old regime who contin-
ued to dominate the universities. Thus
the Hochschule für Politik, supported
by a progressive industrialist, was de-
signed to liberate German poUticai and
social studies from the legalistic for-
malism of academia. The Hochschule^
original name of 1918, "School of
Citizenship," well conveys the Inten-
tion of its liberal founders to provide
the republic with republicans, and with
a social science relevant to their needs.
Institute at Hamburg were more eru-
dite and less political. Here the tradi-
tional German preoccupation with the
classical heritage was updated by
symbolic analysis and attentiveness to
the chthonic and irrational aspects of
culture. This refined scholarly intelli-
gentsia explored the role of myth in
the culture of the past, even as myth
began to appear in Weimar political
culture to provide new political groups
with their integrating creeds. Peter Gay
makes clear that when Dionysus re-
turned to Germany, he appeared in
many diverse camps.
Gay also includes many other reveal-
The more radical Institute for Social
Research in Frankfurt, established by
independent Marxists, provided a Cen-
ter for original talents in humanistic
and social studies which no so-called
"socialist country" has yet matched:
Herbert Marcuse in philosophy, Walter
Benjamin in literature, Erich Fromm in
psychology, Leo Lowenthal in sociolo-
gy, Theodor Adorno in musicology. If
they were held at arm's length by the
academic establishment, these intellec-
tual mavericks were, on their part, not
uniformly eager to penetrate it. Unlike
the men of the Hochschule, they knew
themselves to profit intellectually from
their insecurity of Status, on the
border between the orthodox world of
learning and the freer realm of the
unattached intelligentsia. They deep-
ened political criticism with their sensi-
tive explorations of culture, both elite
and populär, and sharpened cultural
analysis with the critical spirit of
Marxist politics.
The scholars gathered in the Warburg
ing sides of Weimar culture: "the
cartelization of culture" by the Com-
munications empires of Hugenburg and
Ullstein, who adapted both media and
message to many different publics; the
complex fashions in poetic taste which
enabled men of the most diverse
political persuasions to celebrate the
romantics Hölderlin and Kleist as cul-
ture-heroes; the significance of Rilke
and Hofmannsthal.
_he introduction of so many topics
in rapid succession makes Gay's book
richly suggestive, but sometimes tanta-
lizingly superficial. Too seldom does
Gay have a firm enough grasp of the
works of the thinkers or artists whom
he uses in his cultural collage. In the
disconcerting manner of a textbook
writer, he reduces to shallow formulas
even such complex figures as Hölderlin
or Rilke. Both poets as young men
were searching for the right relation-
ship of politics and art for their
societies. From memoirs or interviews
Richard Brauligaris
ROMMEL DRIVES ON DEEP INTO ECYPT | ^^^^ .^^.^ j^^.,, pocms
from the book:
|ulcs Vcrnc /ucchini
Leu arc \valkini;(>n the- nnK>n t(Kla\ ,
plantini; tlinr f(K)tsti-ps as if tks win-
/uciluni on a dcaJ worlJ
w liilc- ()\ er 3,000,000 ptoplc- star\ i kkUmiIi
cviTV \ian>n a livin;:;<iiK.
l.irth
'^*T''Z: ( riricalC \\n ( )pcTicr
1 Iure- is somi'thiiT^ wroni;
witli thisjxK.-iii.( .m vovi
hiiii it'
i Harckovei cdilion SlOÖ: DHta papn l.a. k. $1 '•"-
ackrt pho(o Edmund Shfa
Richard Bpamioans three previous bestsellers
Trout Fish.ng m The Pill arr.«^ the In Watermelon
America Springhill Mine Sugar
Disaster
Delta Paperbacks, $1 95 each
Also available together m
one hardcover volume, $6 95
dSEYMOUR LAWRENCE BOOKS
elacorie press
,«*.! pHofoI n lor> Er,k Wfbfr Wmund Sh.a Fd-undSh«
, suB.ISMiNr. CO I 11«,"
Announcing...
Accounts of psychedelic experiences reported by Huxley, De Ropp. Leary
anS others a?e set in juxtapSsition with passages from such visjonary poets
as Wi liam Blake Coleridge and Wordsworth and writmgs of Eastern
mvS To explore as thi author says. "the similarities between the world
7psychedeli c'vl^on and the world of imaginative literature-numerous.
striking. and of the essence. They share a mode of be.ng and of
apprehension, a constellation and a view of life.
This is an unforgettable journey mto the
"visionary country of the mind." $9.00
At your bookstore
SYRACUSE UNIVERSITY PRESS
Syracuse, New York 13210
PK£SS
Vision
ana tV^<-'
^«Srf* E»P«*"!!
A
'■--rmt.^Mrvi.^.--
'■•Kmiuftxin^ixr^ms
"This book contains a concen-
trated dose of the raw stuff
of our times Do not ünder-
estimate the prejudices you
may bring to this book, "
RAMSEY CLARK
5.^2
V
Transcript of the Contempt Citations, Sentences,
and Responses of the Chicago Conspiracy 10
Foreword by RAMSEY CLARK, Introduction by HARRY KALVEN, JR.
at your bookseller or
SWALLOW PRESS inc
1139 S. WABASH AVENUE CHICAGO, ILLINOIS 60605
THE
The University of Iowa
announces
The Second Annual Institute for Afro-American Studies
The Culture of Black America:
An Interdisciplinary Approach
sponsored by
The National Endowment for the Humanities
Topic for 1970:
The Harlem Renaissance
August 10-21, 1970
Open to thirty College teachers with at least an M.A. degree and a recommendation from
an appropriate administrative official guaranteeing financial support and authomation to
teach at least one Afro-American course during 1970-71. AU participants will rece.ve
tuition, air transportation, and sixteen dollars per day. Participant support will be
provided in equal portions by the endowment and the participant's home Institution, l^ull
scholarships are available for teachers whose Colleges are unable to provide for their
support.
For further information and application
forms write to:
Robert A. Corrigan
DirectOT, Institute for Afro-American Culture
305 F.nglish-Philosophy Building
The University of Iowa
Iowa City, Iowa 52240
Gay can show us well enough what
Weimar intellectuals thought about the
ideas of Hölderlin or Rilke, but only a
knowledge of their lives and works can
lay bare what historical significance
those perceptions had as attempts to
define and meet the Weimar Situation.
Gay Shows his capacity for more
probing analysis in his treatment of
Thomas Mann's Magic Mountain, in
which he finds a clinical parable of late
Imperial Germany's deceptive health.
He captures the lightly fevered atmos-
phere of high bourgeois society, the
persistent low throbbing of the experi-
ence of war, the sense of living in the
provisional. But this treatment is an
exception. For the most part, Gay
flattens out the ideas of intellectuals-
even those of such major significance
for European culture as Heidegger or
Hofmannsthal-into brightly colored
pieces for use in his historical mosaic.
The function of the mosaic is in part
to teil a moral tale. Gay's values are
firmly those of America's older genera-
tion liberals, appreciative of aesthetic
culture but suspicious of the world of
instinct with which it is connected.
Not for nothing has Peter Gay been
the historian of the Enlightenment.
Having chronicled its rise in the eight-
eenth Century in his major works, he
turns to Weimar now to sketch its
destruction.
^ffimar Culture begins with a de-
scripvion of the "community of rca-
son," a Community composed largely
of hien pensant academic men who
supported the Republic out of good
sense, when not out of conviction. It
ends in the destruction of "objcc-
tivity" by youth revolting on behalf of
the Nazis. Between beginning aiul end,
''poetry'^ and a ''hunger tor whole-
ness," which Gay rcgards as incompat-
ible with the acceptance of the modern
World, do their corrosive work. His
chapters succeed each other along a
sequence of three polarities: reason
versus poetry; democracy versus Com-
munity; father versus son. Gay is an
avowed partisan of reason, democracy,
and fatherhood over poetry, communi-
tarianism, and sons. Tragedy lies in the
defeat of what he loves by that which
he distrusts.
The "secret Germany" which hol-
lows out the Community of reason is
the realm of poetry. Gay sees poetry's
role in Germany as "one of the
historical instruments of perdition."
Goethe and Schiller become sources of
bad politics: "Goethe's politics was
apathy, Schiller's tyrannicide; neither
was a mode calculated to prepare men
for parliamentary compromises; both,
in calling for something higher than
politics, helped to call in something
lower-barbarism." This astonishing
Statement reveals quite clearly the
particular form of political orthodoxy
to which Gay would confine what
Shelley once called the "unacknowl-
edged legislators of the world," the
poets. The victory of National Social-
ism. which a young generation would
see as the subjection of life to rational
Organization, Gay sees as the outcome
of a process m which "song was
substituted for thought."
At his best, Gay uses a more
nuanced approach to explain the fate
of the Enlightenment under Weimar.
He brings out the fascination of his
rationalists with the poetic (or even
the mythic and mystical). He shows
that some good democrats like Gropius
shared with more conservative social
organicists the "hunger for wholeness."
Yet Gay is so wedded to the spirit of
John Locke that he treats affirmation
of the poetic, let alone the mystical, as
a suspicious flirtation with unsavory
instinct.
His conviction of the incompatibility
between feeling and reason misleads
him into defining expressionism and
the new objectivism (Neue Sachlich-
keit) as opposites, the first aligned
with the sons and the second with the
fathers. The Bauhaus he places square-
ly in the second camp. Yet even before
World War I the expressionist artists
and rationalistic architects who made
the Bauhaus had found each other, and
embraced each other's work as comple-
mentary. In the cool geometricity of a
building by Breuer or Gropius, one
could sustain the febrility of an expres-
sionist painting. In an expressionist
play, the Stripping down of human
characters to anonymous archetypes-
"Man" and "Woman" rather than
named characters -directly parallels the
abstraction, the simple volumes and
clear lines, in Bauhaus architecture.
The Bauhaus not only had lies with
Herwarth Walden's expressionist liter-
ary Journal, Der Sturm, but itself
published the graphic works of expres-
sionist artists.*
Gay's Identification of expressionism
with the sons and Neue Sachlichkeit
with the fathers produces the ultimate
in confusion when he reaches his
final chapter, "The Revenge of the
Father." The revenge takes the form of
a victory of Sachlichkeit over emotion-
al revolt, with Mann's Magic Mountain
and the Bauhaus oddly classed with
President Hindenburg as exemplars of
the constructive responsibility of the
middle years of Weimar. Yet Gay
closes his chapter with a discussion of
the dcsertion of the Republic by
youth. Is this part of the father's
revenge? Gay teils us that in Weimar's
father-and-son literature there was
"confusion over who was who" from
the Start. But he falls into the confu-
sion himself. For the youth that
revolted were no followers of the
expressionists (whose books they freely
burned), but young men of the upper
and middle class completing in more
radical forms the work of their nation-
alistic fathers.
Gay's oedipal model here, especially
after he has linked it to the cultural
manifestations of expressionists (sons)
and objectivists (fathers), creates a
hopeless conceptual tangle. Which
fathers are avenging? And whose work
are the sons doing? The university
rowdies, after all, were linked with the
conservative Alte Herren, "the old
boys," whose social power had been
left unbroken by the Republicans.
Geflerational categories only obscure
the social dynamics of counterrevolu-
tion, which transcended any genera-
tional lines.
Although he has denied any Inten-
tion to draw parallels between Weimar
and America, Gay's placement of the
Student revolt so prominently at the
end of his work suggests at least the
inspiration of the present. In diction
hardly unfamiliar to the current scene,
Gay cites Thomas Mann as among the
many "responsible republicans . . urg-
ing the students toward patience, and
toward an appreciation of the true
*Recently reissued by Lund Hum-
phnes, Hans M. Wingler, ed.: Graphic
Work from the Bauhaus; translated by
Gerald Onn.
The New Y'orK Ä^v/e»a .
24
y
freedom that comes with rationality
and discipline." But the students to
whom Mann's words were spoken, if
they understood that "true freedom"
any better than their parents, were no
longer within earshot of "responsible
republicans" who had earlier failed to
address their problems. Those were the
Problems of the archaistically oriented
middle class, caught once more in
economic crisis. Only Lebovics's ideoi-
ogists and the Nazis could any longer
reach them.
W
eimar Culture is a book written to
open up its subject, not to close it.
Among the important questions Gay's
work raises is the relationship between
culture and politics. Gay rarely tackles
the question directly. Yet he is a man
of such pronounced conviction that he
judges virtually every cultural tendency
by the Standards of liberal political
rationalism.
In his analysis of The Magic Moun-
tain, Gay describes the character of
Settembrini: "The unrepentant child of
the Enlightenment, well-meaning, ra-
tionalist, predictable in his anti-
clericalism, his Opposition to censor-
ship, his optimism. . . ." To Mann, this
character, however lovable, was as
anachronistic in 1924 as Settembrini's
antagonist, the Catholic fanatic Naph-
ta. Not so to Gay, who states, however
wistfully, "What Weimar needed
was precisely more Settembrinis-
perhaps a little less naive and a little
more laconic-liberals whoUy disen-
chanted with political myths and meta-
physical Schwärmerei.''''
Thomas Mann and many other hu-
manists who feared for the Republic
knew that the Settembrinis too lived
by political myth and by Schwärmerei,
however antimetaphysical. Only the
Triste Trinidad
The Loss of El Dorado
by V. S. Naipaul.
Knopf, 334 pp., $7.50
J. H. Elliott
/ swear that this tobacco
It's perfect Trinidado
By the very Mass
Never was
Better gear
Than is here . . . .
The words floated down from the
minstrels' gallery during a feast at a
Cambridge University College last De-
cember. They come from the Airs or
Fantastic Spirits to Three Voices of
. . the associa-
But so, too,
was another-
For what eise
hook, ar?d is but narrow; the north
part is very mounteynous, the solle is
very excellent . . ."
Tobacco, Trinidado
tion was automatic.
thanks to Raleigh,
Trinidado, El Dorado.
was Trinidad but the gateway to that
fabulous realm, now believed to be
located somewhere in the large and
beautiful empire of Guiana, the realm
of El Dorado? The legend was an cid
one-far older than Sir Walter Raleigh,
who gave it an enhanced European
currency and a new lease of life. Some
time in the past, well betöre thefirst
Settembrinis did not realize it, and
that increased the vulnerability of the
World they wished to save. In this
respect, Weimar's left-wing intellec-
tuals, with their acerbic criticism of
the Republic's failures, were more
realistic than the orthodox liberals and
Vernunftsrepuhlikaner.
Yet who would assert that the
radicals had the key to the unborn
kingdom? They too were prisoners of
their pre-1914 counter-culture which,
for all its brilliance, could not develop
a politics capable of dealing with the
return of the repressed in the German
middle class. Whether American intel-
lectuals, with their different assets and
liabilities, will address our similar Prob-
lem more effectively surely cannot be
prophesied by analogy to the Weimar
experience, D
(This is the second part of a two-part
review.)
\ SISTINE
CARTOONS
BY
L.C. Phillips
extraordi nary book of poems
Thomas Weelkes, and date from 1608.
At the time of their composition, both
tobacco and "Trinidado" had only
quite recently impinged on the collec-
tive consciousness of Englishmen,
many of whom may well have instinc-
tively associatcd them with the name
of the last of the great heroes of
Eli/.abethan England, Sir Walter Ra-
leigh. It was he who had helped to
popularize the new craze for smoking;
and he, too, who had introduced them
to Trinidad in his best seller of l 596,
The Discoverie of the Large and Bewti-
ful Empire of Guiana. 'This iland of
Irinidado hath the form of a sheep-
Spaniard had set foot on the mainland
of South America, the Indians in the
uplands of Bogota had been accus-
tomed to cover the body of one of
their number with powdered gold and
throw him into a sacred lake. The
Spaniards first heard the story in the
1530s, and the search for El Dorado,
the gilded one, was on.
Vom the first, it was a curiously
unsatisfying search, for no one was
quite sure what he sought or where it
was to be found. The adventurers-
Germans as well as Spaniards-who
toUed over the hot plains of the vast
Stretch of land between the coasts of
Venezuela and the banks of the Ama-
zon struggled on in faith and hope, but
were very. short on charity. As was to
be expected, frightened Indians told
them what they wanted to hear-how,
somewhere to the east (it was always
to the east), there was not only a
golden man, but even a golden city. It
lay, they said, on the shores of a lake,
ringed by high mountains. Its exact
location was never quite clear. but
eventually it acquired a name the city
of Manoa.
It was an elderly Spanish captain,
Antonio de Berrio, a veteran of the
European wars of Charles V and Philip
II, who switched the direction of the
quest from the central plains to the
uplands of Guiana. Marching from
Tunja he at last glimpsed a great
cordillera, which must surely be the
mountain ränge that hid the golden
city. He devoted the rest of his life to
heroic attempts to skirt the cordillera
and penetrate to El Dorado.
His search took him down the
Orinoco to the waters of the Atlantic,
and it brought him, in September
1591, to the isle of Trinidad, which he
perceived to be an ideal base for
further expeditions along the Orinoco.
In the following year his lieutenant,
Domingo de Vera, formally settled the
Island, and Berrio laid his plans for a
great new expedition. But Berrio
proved to be one of those men who
dream of great things and stumblo over
little ones. His life was dogged by ill
luck, and in April 1595 fatc played
another cruel trick when Sir Walter
Raleigh put in at Port of Spain with
four ships, overpowered the garrison,
and took Berrio into custody. Ai the
same moment as Vera was trium-
phantly recruiting soldiers and colo-
nists in Seville, Raleigh was quietly
appropriating Berrio's one remaining
Icgacy, the secret of El Dorado.
It was Raleigh who preserved Ber-
rio's name for posterity, but it was not
until the late Professor Harlow dis-
covered his original reports to Philip II,
and published them in 1928 in his
edition of Raleigh's Discovery of Gui-
ana, that Berrio acquired a historical
Personality. What more can be said
about Berrio beyond Harlow's docu-
ments and commentary? Not, it must
be confessed, very much. But Berrio,
that last, obsessed relic of the age of
/ wüs imprvssed by the s/utT
expressive power ot( thr) writinfi
— Maurice Giro(Ii<is
Including, NAPALM: ODE TO
VAGINAL JELLY . . . thr most
severe und poetic judgment oi
Viel Ncim war-politics ever pub-
lished.
- Edmond DevogheLiere
. . . monumental cartoons . . .
that title just swings right on
in the cozmic consciousness of
. . . how bis poetryliiestyle-
sentience makes yr mnuth water
yr bram plead yr innards thank-
iul. Which is beside (his) "sheer
expressive power" of writing
whole commitments in a world-
view like every patternsbcih'd
piece of buckshot yr brain gors
barrellingout to. . o l havi n<>
negative or withheld sense ol
the poetry and man whiti /j-
comes down to th.it ultiuvt,
suttce . . .1 BeUeviY<ni l lliv<
Heard You. as all Chtymn'
needs could say no mort -(h< s/
tht' best damn Wi)rd-jorkey in
USA.
- Gary t. Ider
ntw eastern ad(fress
Box 1669^ ^L'_?lLf°- ^"^^^^
PULSE-FINGER PRESS
Send me
hardbound copies
üf SISTINE CARTOONS post-
paid Q S3.95 ea.
Name
Addres.s
City
State
D
Bill
Me
c
Zip
Payment
Enclosed
25
May 21, 1970
\V
Seite 14
DAS PARLAMENT
Nr. 19/ 9. 5. 1970
POLITI
BUCH
Gert Buchheit:
Die anonyme Macht
Aufgaben, Methoden, Erfahrungen der Geheimdienste.
Al(ademlsche Verlagsanstalt, Frankfurt; 373 Seiten,
Leinen DM 29,—.
Wer heute aus dem überreichlichen Ange-
bot der sogenannten Spionageliteratur ein
Budi herausgreift, muß schon Glück oder eine
gute Hand haben, will er mehr als nur vor-
dergründige Unterhaltungslektüre finden, und
das ist selten der Fall. Um so dankbarer ver-
zeichnet man dann eine Publikation, die zu
den raren Ausnahmen zählt und die gehegten
Erwartungen erfüllt. Gert Budiheits jüngste
Monographie über die Geheimdienste ist eine
solche Rarität. Sie holt nach, was längst über-
fällig war: eine systematische Gesamtdarstel-
lung jener Einrichtungen und Organisationen,
die hinter all den Tausenden Agenten und
Spionen stehen und ihre Einsätze leiten, die
aber ihrer Struktur und Aufgabe gemäß zu-
meist im Dunkel der Anonymität bleiben.
Nach der mit großer Sachkunde und schrift-
stellerischer Brillanz geschriebenen Einführung
von Wilhelm von Schramm kommt der Verfas-
ser gleich zum Thema. Er beginnt mit einer
kurzen Rückschau auf die in letzter Zeit ge-
führten Diskussionen über Sinn und Zweck
geheimer Feindaufklärung, um daran eine
grundsätzliche Deutung der Funktionen eines
Geheimdienstes zu knüpfen. Diese erstrecken
sich nach seiner Gliederung auf die Nachrich-
tenbeschaffung (= Informationsfunktion), die
Abwehr gegnerischer Spionage und Sabotage
(= Schützfunktion), die Gegenspionage und
die Planung und Ausführung geheimer Kom-
mandounternehmen. Daraus ergeben sich
zwangsläufig die einzelnen Aufgabenbereiche
für einen geheimen Nachrichten- und Abwehr-
dienst: die ständige und aufmerksame Beob-
achtung des Kriegspotentials der ausländi-
schen Staaten, der vorsorgliche Geheimschutz
der eigenen militärischen Kräfte und die Über-
wachung verfassungsfeindlicher und umstürz-
lerischer Elemente. In der Bundesrepublik tei-
len sich der Bundesnachrichtendienst (BND),
der Militärische Abschirmdienst (MAP) und
durch werden diese in die Lage versetzt, den
Inhalt der übermittelten Meldung mit anderen
vorliegenden Nachrichten zu vergleichen und
aus dem Ergebnis die notwendigen Schlüsse
zu ziehen. Gibt dagegen ein Nachrichtendienst
eine wichtige Meldung ohne Kommentar nach
oben weiter, läuft er Gefahr, daß seine Mit-
teilung bagatellisiert oder in ihrem Wert ver-
kannt wird. Der Verfasser führt dafür beson-
ders markante Beispiele aus dem letzten
Weltkrieg an. In gewisser Hinsicht vorbild-
lich funktioniert die Nachrichtenauswertung
in den USA. Dort steht dem Direktor des
Geheimdienstes („CIA" -- „Central Intelligen-
ce Agency") ein eigener Nachrichten-Aus-
schuß, das „United States Intelligence Board"
(USIB), zur Seite, der die auf den verschieden-
sten Wegen eingegangenen Nachrichten zu-
sammenfaßt und gleichzeitig die Vordringlich-
keit der noch zu beschaffenden Informationen
festlegt. In welcher Besetzung dieser Ausschuß
arbeitet und wie oft er zusammenkommt, be-
schreibt Buchheit in einem gesonderten Kapi-
tel. Er stützt sich dabei auf Quellen ersten
Ranges wie den früheren amerikanischen Ge-
heimdienstchef, Allen W. Dullen, und den frü-
heren Direktor der CIA, Admiral William Red
Raborn.
Schwieriger war es dagegen für den Autor,
grundlegend Neues über die sowjetischen
Nachrichtendienste und Sicherheitsorgane zu
erfahren. So ist denn auch das meiste, was er
im einschlägigen Abschnitt über das Komitee
für Staatssicherheit (KGB) und den Nachrich-
tendienst der Roten Armee (GRU) beriditet,
nur aus anderen Veröffentlichungen sorgfältig
zusammengetragen. Daß er dabei die allerjüng-
ste Publikation über den sowjetischen Ge-
heimdienst von Norman Lucas übersah, ist
nicht unbedingt ein Mangel, denn was der
englische Kriminalreporter darin an Wissens-
wertem bietet, geht über bereits Bekanntes
kaum hinaus.
Fachliterarisches Neuland betritt Buchheit
mit seiner Darstellung des lotchinesischen
Geheimdienstes. Er beschreibt darin, wie sich
Maos Spionagechef, Chao Yun, vom Schang-
haier Universitätsstudenten bis zum fünftmäch-
tigsten Mann des Staates und „ranghöchsten
Nachrichtenoffizier der Welt" emporgearbei-
tet hat und heute über den wohl umfangreich-
sten östlichen Spionageapparat gebietet.
Hauptträger der rotchinesischen Auslands-
spionage ist nach Angaben des Verfassers die
„Neue Chinesische Nachrichtenagentur Hsin-
Hua", die in über 60 Ländern, darunter auch
in der Bundesrepublik, Filialen unterhält und
über außergewöhnlich große Geldmittel ver-
fügt. Als Zentrum der Spionageunternehmun-
gen Pekings in Europa gilt die chinesische
Botschaft in Bern, wo laut Buchheit eine „ge-
tarnte Spionageequipe von rund 200 Personen
arbeitet". Außer in der schweizerischen Haupt-
stadt arbeitet Peking auch von Albanien aus
und mit Hilfe der Kommunistischen Partei Bel-
giens, die vom maoistisch orientierten Jacques
Grippa geleitet wird.
Zum Schluß beschäftigt sich der Autor noch
mit der immer wieder gestellten Frage, ob der
Zweite Weltkrieg durch Verrat entschieden
worden sei. Unter Auswertung einschlägiger
Untersuchungen kommt er zu der Feststellung,
daß im letzten Krieg zwar viel verraten wurde
— Buchheit zählt die verschiedenen Spione
und Agentenringe auf, die für Rußland und
die Alliierten arbeiteten — , daß aber das we-
nigste davon beim Gegner Glauben fand und
gegen Deutschland verwendet wurde. Die Er-
fahrungen mit Doppelagenten, „umgedrehten"
Spionen und Pannen im Funkverkehr ließen
es der militärischen Führung angezeigt er-
scheinen, Spionage und Verrat nie höher zu
bewerten als einen hilfreichen Beitrag, eine
lokale Operation schneller als sonst möglich
zu einem erfolgreichen Ende zu führen. Von
einer kriegsentscheidenden Bedeutung des
Verrats kann daher keine Rede sein. Man
möchte wünschen, daß mit dieser Bekräftigung
Buchheits jetzt endgültig das letzte Wort zu
diesem Thema gesprochen ist.
Kenner der Materie werden auch mit beson-
derer Aufmerksamkeit und Zustimmung die
sachgerechte Kritik des Autors an mancher
mangelhaften Arbeitsweise der früheren Ab-
wehr lesen. Buchheit räumt in erfrischender
Weise mit manchen liebgewordenen Legenden
auf, an denen so mancher „alter Hase" auch
heute noch spinnt. Die verantwortlichen Poli-
tiker werden dagegen aus den Passagen ler-
nen können, in denen sich der Verfasser mit
den aktuellen Problemen der Leitung eines
Geheimdienstes sowie seiner Lenkungs- und
Koordinierungsorgane beschäftigt.
Fazit: ein hervorragendes Buch und ein sehr
aktuelles Notabene für alle, die mit dem ge-
heimen Nachrichtendienst beruflich oder poli-
tisch zu tun haben. Alfred Sdiickel
Propheten des Nationalismus
Herausgegeben von Karl S c h w e d h e I m. Mit Bei-
trägen von Gerd-Klaus Kaltenbrunner, Alfred
Prügel, Günther Scholz, Clara M e n c k ,
Margarete P I e w n I • , Han« von Hülsen, Jür-
gen Lütge und Dieter L a 1 1 m a n n , einem Vor-
wort von Ekkehart Rudolph und einem Nachwort
von Karl Schwedhelm. Paul LI«! Verlag. Mün-
chen; 320 Selten, kart. Studienauegabe DM 16,-, Lei-
nen DM 23,—.
Wahrscheinlich gibt es unter den nach 1930
Geborenen nur wenige, denen Namen wie
Paul de Lagarde, Julius Langbehn und Hans
Blüher noch etwas sagen. Mit dem „Turnva-
ter" Jahn und dem preußischen Historiker
Heinrich von Treitschke mögen einige viel-
leicht noch vage Vorstellungen verbinden;
Ludwig Klages mag anderen als Verfasser des
Werkes „Handschrift und Charakter" bekannt
sein und Eugen Dühring als der Adressat von
Friedrich Engels' Schrift „Anti-Dühring . Aber
wie viele der heute Lebenden sind sich nodi
bewußt, wie tief das Denken und mehr noch
das Fühlen ihrer Urgroßväter, Großvater und
Väter von diesen und einigen anderen Man-
nern geprägt und wie unheilvoll dadurch die
Geschichte der letzten 150 Jahre auf eine uns
kaum noch verständliche Weise beemflußt
wurde?
Man muß es deshalb begrüßen, daß die
Essays über diese „Propheten des Nationalis-
mus", geschrieben für eine Sendereihe des
Süddeutschen Rundfunks, auch dem Leser zu-
gänglich gemacht wurden, zumal sie sich um
äußerste Objektivität bemühen und sich jeder
Verteufelung enthalten. Vielleidit wirkt ge-
rade deshalb diese Galerie .volkischer und
nationalistischer Irrlehrer so beklemmend.
So groß die Unterschiede ihres intellektuel-
len Niveaus und ihrer Intentionen audi wa-
ren — man stelle etwa Klages und Bartels
gegenüber. Moeller van den Brück und
Dietrich Eckart, Treitschke und Jahn oder Düh-
ring und Blüher -, so verhängnisvoll wirk-
ten sie doch letzten Endes zusammen rn dem
Resultat der Desorientierung und Entpolitisie
fung vieler Deutschen, so daß schließlich eine
Atmosphäre des wirklichkeitsblinden Irationa-
lismus und Rassismus entstand, die sidi m
einem Exzeß des Nationalismus entlud an
dessen Folge, den Zusammenbruch von 1945.
wir uns dieser Tage erinnern.
Von Gerd Kaltenbrunner werden yorge-
stellt: Eugen Dühring. ein bedeutender
Kopf der sich in einen hemmungslosen Haß
aeqen die schöne Dreieinigkeit von Profes-
L?en Juden und Socialjudodemokraten" hin-
einsteigerte, Houston Stewart Chamber-
1 a i n . der in Deutschland heimisch gewor-
dene Brite, Künder eines heroischen Neu-Ger-
manentums und Verfasser der -Grundlagen
des 19. Jahrhunderts"; Arthur Moeller
van den Brück, der. tief beeindruckt
vom Mystizismus Dostojewskis, die ..konser-
vative Revolution" propagierte; Ludwig Kl a-
ges. dessen Werk „Der Geist als Wider-
sacher der Seele"; den irrationalen Tenden/nn
im Denken der Deutsdien neuen Auftrieb gab.
Von Alfred Prügel werden porträtiert: Paul
de Lagarde, der sich vom religiösen zum
nationalen Schwärmer von der Wiedererrich-
tung des Stauferreiches wandelte; Heinrich
von Treitschke, der mit pathetischen
Reden und Schriften die nationale Hybris an-
heizte und mit dem Schlagwort „Die Juden
sind unser Unglück!" dem Antisemitismus sein
primitivstes, aber wirkungs- und verhängnis-
vollstes „Argument" lieferte; Walter Flex,
der „Wanderer zwischen beiden Welten", er-
füllt von schwärmerischem Patriotismus und
pseudoreligiöser Opferbereitschaft, aber auch
naiv-skrupellos in der Forderung der deut-
schen Herrschaft über Osteuropa und Rußland.
Günther Schloz macht uns bekannt mit
Friedrich Ludwig Jahn, dem Prediger des
„reinen Volkstums" und des unversöhnlichen
Franzosenhasses, und mit Hans Blüher,
dem antisemitischen Verfechter des Männer-
bundes und Führerkultes. Clara Monck ver-
sucht dem „Rembrandtdeutschen" Julius
Langbehn gerecht zu werden, der eine
Weltanschauung der elitären Überlegenheit
des niederdeutsch-nordischen Menschen zu-
sammenbraute. Margarete Plewnia befaßt sich
mit Dietrich Eckart, dem glücklosen Dra-
matiker und völkischen Reimeschmied. Hans
von Hülsen schildert den in pathologischen
Judenhaß verbohrten dithmarsischen Dickschä-
del Adolf Bartels. Jürgen Lütge schreibt
über Erwin Guido Kolbenhey er und des-
Geschichte der sozialen Ideen in Deutschland
Zeltschriftenschau
Europa Archiv, Heft 8/1970:
Katharina Pocke: Europa-Politik nach Den Haag.
Neubeginn in der europäischen Integration?:
Richard H. Noite: Eskalation im Nahen Osten;
H. Jon Rosönbaum: Die Außenpolitik Brasiliens
in den sechziger Jahren;
Dokumente zur Ostpolitik der Bundesrepublik
Deutschland. Teil I: Vom Regierungswechsel im Herbst
1969 bis Januar 1970.
unl«r
ri^l^n fCöniotums- eine Ethik: und zugleich
sen „Bauhütten-Metaphysik", die als rassi-
stisdi-biologistische Weltanschauung dem Ras-
senmord gedanklich den Weg bereitete.
Schließlich führt Dieter Lattmann ein in die
Gedankenwelt von Hans Grimm, dessen
Blut und Boden verherrlidiender, Verstädte-
rung und Industriealisierung verdammender
Roman „Volk ohne Raum" die Ausbreitung
eines Denkens förderte, das durch „rassische
Überlegenheit" jede imperiale Expansion und
Annexion gerechtfertigt sah.
Ergänzt werden die vierzehn Essays durch
die einleitende, konzentrierte Geschichte des
deutschen Nationalismus von Ekkehart Ru-
dolph (der sich leider zu der indiskutabel ver-
allgemeinernden Charakterisierung der rebel-
lierenden Jugend als „langhaarig und unge-
waschen" hinreißen läßt) und durch das Nach-
wort von Karl Schwedhelm. Er weist noch ein-
mal hin auf die Wirklichkeitsblindheit, den
■rt'iky'-'^^'
mandounternehmen. Daraus ergeben sidi
zwangsläufig die einzelnen Aufgabenbereidie
für einen geheimen Nadiriditen- und Abwehr-
dienst: die ständige und aufmerksame Beob-
achtung des Kriegspotentials der ausländi-
schen Staaten, der vorsorglichie Geheimschutz
der eigenen militärischen Kräfte und die Über-
wachung verfassungsfeindlidier und umstürz-
lerischer Elemente. In der Bundesrepublik tei-
len sich der Bundesnachrichtendienst (BND),
der Militärische Abschirmdienst (MAD) und
das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in
diese Aufgaben. Gert Buchheit stellt ihre Or-
ganisationen in einem eigenen Absdinitt vor.
Wie Informationen beschafft und ausgewer-
tet werden, beschreibt Buchheit ausführlich
und recht anschaulich im Kapitel „Die Infor-
mationsfunktion". Darin erfährt der Leser, daß
ein beträchtlicher Teil der Nachrichten, die von
einem Geheimdienst zusammengetragen und
verwertet werden, aus Zeitungen, Zeitschriften
und militärischen, t»^-dinischen, wirtschaftlichen
und wissenschaftlich«^-n Fachblättern sowie aus
Rundfunkmeldungen des Auslandes stammt.
Dazu kommen dann noch die im Rahmen des
normalen diplomatischen Verkehrs eingehen-
den Meldungen der Auslandsvertretungen mit
ihren oft sehr detaillierten Attache-Berichten.
Diese fallen bereits unter die Geheimhaltung,
weil sie in aller Regel Fragen und Probleme
behandeln, die in die Sicherheitsphäre des be-
treffenden Landes hineinreichen. Die auf die-
sen Wegen erhaltenen Informationen werden
schließlich durch das von den eigenen Agenten
gelieferte „Geheimmaterial" ergänzt. Das Sich-
ten, Vergleichen und Auswerten aller dieser
Meldungen obliegt einer eigenen Abteilung in
der „Zentrale", die es dem Leiter des Dienstes
zur Vorlage beim politischen oder militäri-
schen Vorgesetzten aufbereitet.
Buchheit schildert diese Prozeduren einge-
hend im zweiten Teil seines Buches. Er weist
dort auch darauf hin, daß die beste Methode
für einen geheimen Nachrichtendienst, der sei-
ner Regierung zuverlässiges Material liefern
will, darin bestehe, jede einigermaßen wich-
tige oder aufschlußreiche Nachricht oder Zu-
sammenstellung von Nachrichten zu kommen-
tieren und beides, Meldung und Kommentar,
an die zuständigen Stellen weiterzugeben. Da-
tendienst der Roten Armee (GRU) berichtet,
nur aus anderen Veröffentlichungen sorgfältig
zusammengetragen. Daß er dabei die allerjüng-
^in nervörrt
aktuelles Notabene für alle, die mit dem ge-
heimen Nachrichtendienst beruflich oder poli-
tisch zu tun haben. Alfred Schickel
vom Mystizismus Dostojewskis, die „konser-
vative Revolution" propagierte; Ludwig K 1 a ■
g e s , dessen Werk „Der Geist als Wider-
Geschichte der sozialen Ideen in Deutschland
Herausgegeben von Helga G r e b i n g unter Mitar-
beit von Wilfried Gottsclialch, Friedrich K a r -
r e n b e r g , Franz Josef S t e g m a n n. Deutschet
Handbuch der Politik Band 3. Günter Olzog Verlag,
München; 757 Seiten, Leinen DM 95, — .
Eine Ausführliche und umfassende Darstel-
lung der Geschichte der sozialen Ideen in
Deutschland hat seit langem gefehlt. Bisherige
Beschreibungen konzentrierten sich entweder
mehr auf die Ausformung der kapitalistischen
Wirtschaftsverfassung (z. B. W. Sombart) oder
auf die Arbeiterbewegung (H. Herkner und in
neuerer Zeit C. Jantke, H. Grebing und W.
Abendroth). Die hervorragende sozialwissen-
schaftliche Studie von Werner Hof mann:
„Ideengeschichte der sozialen Bewegung" lei-
det etwas unter der durch ein Taschenbuch
bedingten Kürze, bringt aber andererseits die
gesamte internationale Entwicklung.
Eine auf Deutschland beschränkte Darstel-
lung wie die vorliegende Veröffentlichung
konnte sehr detailliert die Ursachen des sozia-
len Konflikts aufzeigen und die verschiedenen
Konzeptionen verfolgen, die zur Lösung oder
zur Abwehr der „sozialen Frage" im Laufe
eines Jahrhunderts entworfen wurden. Dabei
mußte auch die soziale Fürsorge der beiden
Kirchen adäquat gewürdigt werden, denn sie
waren diejenigen Oroanisationen, die in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die So-
zialpolitik des Staates entscheidend mitgeprägt
hatten und vor allem nach dem Zweiten Welt-
krieg eine intensive Arbeit zur Klärung des
sozialen Problembewußtseins geleistet haben.
Entsprediend den Trägern der sozialen Ideen
wurde im vorliegenden Handbuch der Stoff in
drei Abschnitte unterteilt. Der einleitende und
umfangreichste Beitrag gilt der „Ideenge-
schichte des Sozialismus in Deutschland" (W.
Internationale Beziehungen
Herausgegeben von Karl Friedrich Bracher und
Ernst Fraenkel. Fischer-Lexikon Bd. 7. Fischer-
Bücherei, Frankfurt; 346 Seiten, kart. DM 4,50
Mit dem neuen Band des Fischer-Lexikons
versuchen die Politikwissenschaftler Bracher
(Bonn) und Fraenkel (Berlin) in Coproduktion
mit zahlreichen Fachkollegen, „eine Einfüh-
rung in Hauptgebiete und wichtige Fragestel-
lungen der Internationalen Politik zu geben".
Dieser Absicht gemäß werden in über vierzig
Artikeln Erscheinungsformen und Interdepen-
denzen dargestellt, welche das Bild der welt-
politischen Gegenwart bestimmen.
In Sonderheit hat man den Organisationen
multinationaler Zusammenarbeit wie UNO,
EFTA, COMECON, OECD usw. informative
Artikel gewidmet. Das Zentralproblem unse-
rer Zeit, die Friedenssicherung und ihre stän-
dige Gefährdung, wird in den Abschnitten
„Abrüstung und Rüstungskontrolle" (E. Forn-
dran), „Frieden und Krieg" (K. D. Bracher) und
„Balance of Power" (H.-A. Jacobsen) mit akri-
bischer Sorgfalt behandelt. Darüber hinaus
veranschaulichen fundierte Kommentare zur
Berlin- und Deutschlandfrage, zu Währungs-
und Kolonialproblemen, zum Rassismus und
sonstigen politischen „Ismen" das komplexe
Beziehungsgewebe der internationalen Politik.
Bei der Darstellung der Methoden der Außen-
politik hätte die theoretische Grundlegung der
Ziel-Mittel-Projektionen noch ausführlicher
sein können.
Das Verdienst der übrigen Mitarbeiter wird
nicht geschmälert, wenn man den Artikel „Ent-
wicklungspolitik" von Richard Behrendt beson-
ders hervorhebt. Grund dazu gibt die sehr
dezidierte Kritik an der bisherigen Entwick-
lungsförderung. Behrendt warnt eindringlich
vor einer Fassadenkultur, die aus der Negie-
rung der starken Unterschiede zwischen der
Suprastruktur der Institutionen, Funktionäre
und „Entwicklungsgesten" einerseits und der
statisch verharrenden Infrastruktur vieler Ent-
wicklungsländer andererseits gefährlich her-
vorwächst.
Aktualitätsbezug und Informationsleistung
auch der übrigen Artikel sind so hervorra-
gend, daß sie den Auswahlcharakter des lexi-
grafischen Taschenbuches und damit das hin
und wieder vergebliche Suchen nach einem
Begriff fast wettmachen. Das Format des Fi-
scher-Lexikons bestimmte zwar die Quantität
der Artikel, ihre wissenschaftliche Güte aber
ein Autorenteam, in dem neben Bracher und
Fraenkel die bekanntesten Politologen und
Zeitgeschichtler als Bearbeiter der einzelnen
Sachgebiete zusammenwirkten. Außer den
Namen qualifizierter Nachwuchs-Wissenschaft-
ler stehen renommierte Forscher wie Anspren-
ger, Herzfeld, Hofer, Jacobsen, Pross, von
Simson, Oberndörfer, Stourzh, Verdross, G. A.
Ritter und C. C. Schweitzer im Autorenver-
zeichnis.
Eine sehr nützliche weiterführende Biblio-
graphie und ein zuverlässiges Register mit
rund 1 600 Stichwörtern erlauben eine schnelle
und zugleich eingehende Information, da sich
dank der Querverweise im Text politische
Einzelphänomene sehr leicht den übergreifen-
den Sachzusammenhängen zuordnen lassen.
Der neue Band stellt somit eine lang vermißte
Ergänzung zum Fischer-Lexikon Nr. 2 „Staat
und Politik" dar. Mantred Funke
Gottschalch) ; es folgen eine „Geschichte der
sozialen Ideen im deutschen Katholizismus"
(F. J. Stegmann) und eine „Geschichte der so-
zialen Ideen im deutschen Protestantismus" (F.
Karrenberg).
Die differenzierte und mit Quellenauszügen
belegte Untersuchung von W. Gottschalch
über den deutschen Beitrag zu Theorie und
Praxis des Sozialismus bringt vor allem eine
sinnvolle Gegenüberstellung der Wechselbe-
ziehungen zwischen den sozioökonomischen
Verhältnissen und den politisch-sozialen Ideen.
Bei deren kritischer Würdigung wird die Ge-
fahr der Einseitigkeit einer nur ökonomischen
oder nur personalen Geschichtsauffassung ver-
mieden.
Wie sehr die sozialen, wirtschaftlichen und
politischen Probleme der Weimarer Republik
auch die Gegenwart beeinflussen, das haben
die jüngsten Diskussionen um die Räteverfas-
sung und die erweiterte Mitbestimmung ge-
zeigt. Das Kapitel über die „Aufgaben des So-
zialismus in der Phase des organisierten Ka-
pitalismus" gehört deshalb zu den interessan-
testen Abschnitten des Buches. Leider ist der
Vorwurf Gottschalchs nur allzu berechtigt, daß
die Konzeptionen einer Wirtschaftsdemokratie
in den ersten Jahren nach 1918 unter dem Ein-
druck der Restauration und des Faschismus
nur noch ideologiekritisch weitergeführt wur-
den. Die sozialphilosophischen Theorien der
Selbstentfremdung, des antiautoritären Kamp-
fes, die Verlockungen einer organischen und
universalistischen Gesellschaftsauffassung für
den Mittelstand oder die Kontroverse über
Parteienoligarchie und Rätedemokratie in den
Jahren vor 1933 sind schließlich immer noch
aktuell. Diese Gedanken spiegeln die Angst
und das Unverständnis einer Gesellschaft ge-
genüber ihren eigenen sozioökonomischen Be-
dingungen.
Ein schwerwiegender Mangel des Buches ist
es, daß gerade im Hinblick auf die strittigen
und daher ungelösten Fragen in der Weimarer
Republik das Dritte Reich in allen Beiträgen
ausgelassen wird. Da die zeitgeschichtliche
Literatur zunehmend auch die sehr wichtigen
sozialgeschichtlichen Aspekte des National-
sozialismus berücksichtigt, ist das Fehlen die-
ses Zeitraumes in einem Handbuch unver-
ständlich. Daß in einer so umfangreichen Dar-
stellung einzelnen Autoren je nach Standort
oder Interessen des Verfassers unterschied-
liches Gewicht beigemessen wird, ist wohl
nicht zu vermeiden. Ein auch objektiver Man-
gel ist jedoch, daß der seinerzeit einflußrei-
che Lorenz von Stein kaum erwähnt wird.
Immerhin hatte er mit seiner Konzeption eines
In der Sondermarken-Serie „Fremdenver-
kehrsorte" gibt die Deutsche Bundespost nach
dem Wertzeichen „Rothenburg ob der Tauber'
am //. Mai diese 30-Pfennig-Marke „Oberam-
mergau' aus Anlaß der Passionsspiele heraus.
„sozialen Königtums" eine Ethik und zugleich
Strategie der sozialen Befriedigung entwor-
fen, die später die Grundlage für die Bis-
marcksche Sozialgesetzgebung bildete.
Die Geschichte der sozialen Ideen im deut-
schen Katholizismus und Protestantismus of-
fenbart insgesamt für das 19. Jahrhundert und
selbst bis 1933 ein fast erschreckendes Unver-
ständnis der Kirchen gegenüber den Ursachen
sozialer Not und eine völlige Unangemessen-
heit der angebotenen Hilfsmittel. Daß es Ver-
treter der beiden Konfessionen waren, die als
erste tatkräftig halfen und die Aufmerksamkeit
des Staates wie der Gesellschaft auf die „so-
ziale Frage" lenkten, kann nur ein geringer
Trost sein — bedenkt man den Widerstand,
den die Kirchen lange Zeit einer sozial ge-
rechten Veränderung der Wirtschafts- und
Gesellschaftsverfassung entgegensetzten.
Der Mangel an konkreten Vorschlägen zur
Lösung sozialer Konflikte klingt auch noch in
dem Beitrag von F. J. Stegmann nach. Die ein-
zelnen Konzeptionen innerhalb der katholi-
schen Soziallehre werden zwar in ihrem Ver-
hältnis zueinander und vor allem zu den Lehr-
sätzen der verschiedenen Sozialenzykliken ge-
prüft. Eine originäre Zuordnung zu den Grund-
elementen christlicher Ethik, wie sie beispiels-
weise in der Bergpredigt zum Ausdruck kom-
men, vermißt man leider zu oft. Es fehlt auch
eine eingehende ideologiekritische Analyse
der von der katholischen Soziallehre entwor-
fenen Gesellschaftstheorien sowie eine Dar-
stellung, inwieweit die Kirche selbst für be-
stimmte historische Herrschaftsverhältnisse
den dogmatischen überbau geliefert hat, selbst
also nicht nur auf vorgefundene Verhältnisse
reagierte. Ganz allgemein scheint es der katho-
lischen Soziallehre lange Zeit weniger um die
konkreten Probleme des Menschen in der mo-
dernen Industriegesellschaft als um dessen
ethische Existenz in der Gesellsdiaft über-
haupt gegangen zu sein. Davon zeugen die
harten Diskussionen um die korporative Wirt-
schafts- und Gesellschaftsverfassung oder um
das Subsidiaritätsprinzip und heute die Fra-
gen nach mehr Eigentum und Mitbestimmung.
Allerdings hat sich nach dem Ende des Zwei-
ten Weltkrieges ein erheblicher Wandel voll-
zogen, unterstützt durch die Enzykliken Jo-
hannes XXIII. und Paul VI., die die Besse-
rung der realen Nöte des Menschen etwas
mehr in den Vordergrund stellen.
Einen noch stärkeren Wandel hat der Pro-
testantismus und sein Verhältnis zu Staat und
Gesellschaft durchgemacht. Von der engen
Bindung zwischen Thron und Altar und einer
kirchlichen Sozialpolitik, die sich als soziale
Befriedung im Sinne einer Verteidigung staat-
licher Autorität verstand, bis hin zu den Denk-
schriften der vergangenen Jahre war ein wei-
ter Weg. Karrenberg beschreibt mit der ge-
botenen Kritik die Veränderung des Ver-
ständnisses für gesellschaftliche Fragen inner-
halb der protestantischen Kirche, insbesondere
im Hinblick auf den Sozialismus. Sehr inter-
essant ist auch hier wieder der Abschnitt über
die Weimarer Zeit, in der sich mit dem be-
ginnenden Widerstand gegen den Nationalso-
zialismus eine evangelische Sozialethik her-
ausformte, die in den Nachkriegs jähren eine
tragfähige Grundlage für Diskussionen und
Lösungsvorschläge gesellschaftlicher Konflikte
bildete. Als bestimmender Wesenszug dieser
Ethik mag ein Satz Karl Barths dienen: „Der
mündige Christ kann nur ein mündiger Bürger
sein wollen, und er k€uin auch seinen Mit-
bürgern nur zumuten, als mündige Bürger zu
existieren." Klaus W. Wippermann
Ergänzt werden die vierzehn Essays durch
die einleitende, konzentrierte Geschichte des
deutschen Nationalismus von Ekkehart Ru-
dolph (der sich leider zu der indiskutabel ver-
allgemeinernden Charakterisierung der rebel-
lierenden Jugend als „langhaarig und unge-
waschen" hinreißen läßt) und durch das Nach-
wort von Karl Schwedhelm. Er weist noch ein-
mal hin auf die Wirklichkeitsblindheit, den
Provinzialismus, die monomanische Besessen-
heit und auf den Bruch in der Persönlichkeit
fast aller dieser Propheten des Nationalismus.
Ihre Kurzbiographien und Porträts, Literatur-
verzeichnis, Anmerkungen und Register run-
den den Band zu einem gelungenen Ganzen.
Hermann Simon
Kurz notiert
Sehen — Beurteilen — Handeln. Lese- und
Arbeitsbuch zur politischen Bildung und So-
zialkunde von WoUgang Hilligen. Für die Se-
kundarstufe, das 7. bis 10. Schuljahr bestimmt,
bietet die gründlich umgearbeitete und ak-
tualisierte Neuauflage des bewährten Werkes
eine sachliche Basis für den gemeinschafts-
kundlichen Unterricht. Wohltuend unterschei-
det sich das Buch von der Vielzahl einschlägi-
ger Angebote durch Vermeidung jeglicher
Schwarz-Weiß-Malerei. So werden Positives
und Negatives sowohl im westlich-demo-
kratischen wie im östlich-sozialistischen Sy-
stem angemerkt, erscheint die Zeitgeschichte
in ihren wesentlichen Bezügen zur Vergangen-
heit, wenn auch Dialoge wie der auf S. 84 in
dieser Form unter Umständen mehr Unheil als
Nutzen stiften könnten. Als Arbeitsbuch bie-
tet sich der neue „Hill igen" auch zum Selbst-
studium an. Er gibt keine vorgeformten Ant-
worten auf die zahlreichen gestellten Fragen,
sondern fordert den Leser zum eigenen Durch-
denken auf, verlangt von ihm eine Stellung-
nahme, eine eigene Position. Der starke so-
ziologische Akzent vermittelt ausreichend
Stoff auch für die Diskussion im innerschuli-
schen Bereich (z. B. das Kapitel über die Schü-
lermitverwaltung). Kleine Fehler — auf der
Übersichtskarte S. 240 ist Albanien als Mit-
glied des Europarats verzeichnet — können
ohne Schwierigkeit ausgemerzt werden; an
der Brauchbarkeit des Werks besteht kein
Zweifel, auch wenn es durch sein eigenes
Engagement zum Widerspruch autfordert. Ge-
rade das aber zeigt, daß es in der Politik keine
Wertfreiheit gibt. (Hirschgraben Verlag,
Frankfurt; 320 S. mit zahlreichen Karten und
Graphiken geb. DM 9,80). V. K.
„Der gewitzte Staatsbürger". In diesem in
Quizform aufgebauten Taschenbuch bietet Ge-
org Fabian, der bereits durch mehrere Veröf-
fentlichungen zur politischen Bildung bekannt
wurde, eine Fülle von Informationen über
Staat und Politik, Kirche und Kultur, Wirt-
schaft und Recht. Im Betrieb und am Stamm-
tisch, in der Familie, in Gruppen und Vereinen
wird sicher audi über Politik geredet. Man
kann aber nur mitreden, wenn man gut infor-
miert ist; andernfalls bleibt man ein politi-
scher Dilettant. Dieses kleine Nachschlage-
werk will das Verständnis für die politischen
Grundstrukturen und Funktionen wecken, zur
Bildung der Urteilsfähigkeit beitragen und zu
politischem Handeln anregen. Heute ist Quiz
ein allerseits beliebtes Ratespiel. Deshalb
wählte auch der Autor die Form dieses auf-
gelockert plaudernden Frage- und Antwort-
spiels, um dem Leser die Informationen
schmackhaft zu machen. Nach dem Motto „Der
Vater fragt, der Sohn antwortet', oder auch
umgekehrt, können sich nun die Vertreter
beider Generationen prüfen, wer schließlich
auf dem Gebiete der Politik der „Gewitztere'
ist. Das Buch eignet sich nicht nur zum Selbst-
studium sondern auch für Schulen und zur
Vorbereitung von staatsbürgerlichen Quizver-
anstaltungen. (Verlag J. Pfeiffer, München,
vierte, verbesserte Auflage 1969; 192 S., kart.
DM 6,50). E. L.
Nr. 19/ 9. 5. 1970
DAS PARLAMENT
Seite 13
DRINGLICHE FRAGEN IM BUNDESTAG
\
1
(
(Fortsetzung von Seite 10)
Identitätstheorie aus, oder verläßt sie di'iss
mit dieser Erklärung in diesem Augenblick?
Bundesminister Sdieel: Ich darf wiederholen,
Herr Abgeordneter, was ich soeben gesagt
habe, daß die Bundesregierung für sich selbst
handelt und keine territorialen Forderungen
an irgend jemanden hat, daß sie aus diesem
Grunde die bestehende Grenzführung Polens
respektiert und auch in einem Abkommen zu
respektieren bereit ist.
(Abg. Rasner: Das ist überhaupt keine
Antwort!)
Dr. von Bismarck (CDU) : Herr Bundesaußen-
minister, ich darf die Frage nodi einmal stel-
len: verläßt die Bundesregierung damit die
Identitätstheorie, oder hat sie sie damit schon
verlassen?
Bundesminister Sdieel: Herr Abgeordneter,
ich möchte die Haltung der Bundesregierung
nidit auf eine Theorie stützen, sondern an den
praktischen Erfordernissen messen.
(Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen
und Aha-Rufe von der CDU/CSU.)
Das habe ich soeben getan.
(Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU.)
Kiep (CDU): Herr Bundesaußenminister,
nachdem der Kollege Wienand hier dargelegt
hat, daß die öffentliche Diskussion über Teile
von Vertragstexten etc. während schwebender
Verhandlungen zu unterbleiben habe und sol-
che Diskussionen, wenn überhaupt, in -den zu-
ständigen Ausschüssen stattfinden müßten,
darf ich Sie fragen: würden Sie, wenn dem so
ist, dem Hohen Hause mitteilen, daß Sie die
Absicht haben, die Informationspolitik der
Bundesregierung und die Äußerungen führen-
der Politiker der beiden Parteien, die diese
Regierung tragen, diesem vom Kollegen Wie-
nand hier vorgeschlagenen Verhalten anzu-
passen?
(Beifall bei der CDU/CSU.)
Bundesminister Sdieel: Herr Kollege, die In-
formationspolitik der Bundesregierung in die-
ser Frage stützt sich erstens auf die Regie-
rungserklärung, ferner auf die Erklärungen
der Bundesregierung zur Lage der Nation und
im übrigen, soweit es das Haus angeht, auf
ihre Darlegungen im Auswärtigen Ausschuß
des Deutschen Bundestages.
(Beifall bei den Regierungsparteien.)
Die Abgeordneten dieses Hauses, gleich wel-
cher Partei sie angehören, sind völlig frei
darin, ihre eigenen politischen Meinungen aus-
zudrücken, wo sie es wollen.
(Zurufe von der CDU/CSU: Aha! — Abg. Dr.
Barzel: Danke schön 1)
Dr. Czaja (CDU): Herr Bundesaußenminister,
mit welchen Gründen könnte die Bundesregie-
rung bei einem von Ihnen soeben angekün-
digten Grenzvertrag den von Anfang an offe-
nen völkerrechtlichen Dissens zwischen der so-
genannten Feststellung einer angeblichen, bis-
her völkerrechtlich nicht fixierten Grenze ganz
Deutschlands im Osten und der Unberührtheit
der von Ihnen angeführten Verträge widerle-
gen, und wie könnte sie die sich daraus erge-
bende Niditigkeit soldier Verträge widerle-
gen?
Bundesminister Sdieel: Es gibt darin keinen
Dissens, Herr Abgeordneter. Ich darf wieder-
holen: wir werden ein Abkommen anstreben,
in dem wir die Westgrenze Polens respektie-
ren und feststellen, daß die Integrität des Ter-
ritoriums von uns geachtet wird. Wir stellen
die in den Verträgen mit unseren westlichen
Verbündeten vorbehaltenen Rechte nidit in
Frage, in einem Friedensvertrag eine endgül-
tige Regelung der deutschen Grenzfragen zu
finden.
(Zuruf von der CDU/CSU: Ein offener Dissens!
— Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)
Dr. Barzel (CDU): Herr Bundesaußenmini-
ster, ist die Bundesregierung auch dabei, eine
Absichtserklärung für die Haltung der Bundes-
regierung der Bundesrepublik Deutschland für
den Fall, daß es zu einer friedensvertraglichen
Regelung kommt, abzugeben?
Bundesminister Sdieel: Nein, Herr Abgeord-
neter.
Dr. Marx (Kaiserslautern, CDU): Herr Bun-
•desaußenminister, darf ich noch einmal präzi-
sierend fragen, ob Sie bereit sind, im Aus-
wärtigen Ausschuß — ich frage deshalb, weil
es Diskussionen über Einlassungen unserer
Regierungsvertreter in den Kommissionen
von Zentralkomitees in Osteuropa gibt — die
notwendige und eingehende Information zu
geben und dort auf die gestellten Fragen auch
zu antworten?
Bundesminister Scheel: Herr Abgeordneter,
das ist bisher immer geschehen. Es wird auch
weiter geschehen, und zwar je nach dem Ver-
lauf der Verhandlungen, die wir führen.
Dr. Marx (Kaiserslautern, CDU): Herr Bun-
desaußenminister, ich frage, ob Ihnen denn
entgangen ist, daß bei einigen der letzten Sit-
zungen zumindest eine Seite des Hauses
durchaus nicht den Eindruck hatte, daß ihre
Fragen dort beantwortet worden seien.
(Abg. Mattick [SPD]: Unerhört!)
Bundesminister Sdieel: Herr Abgeordneter,
das muß ich Ihrer Beurteilung überlassen. Die
Bundesregierung gibt auf jeden Fall die Ant-
worten, die sie für richtig hält.
(Beifall bei den Regierungsparteien.)
Anhörung der Vertriebenen
Dr. Czaja (CDU):
Hat die Bundesregierung vor ihren Gesprä-
chen in Warschau und zwischen deren ein-
zelnen Phasen die Vertreter der Deutschen
gehört und diese über ihre Absichten infor-
miert, deren persönliche Rechte hier auch
betroffen sind?
Dr. Dahrendorf,
Parlamentarischer Staatssekretär
beim Bundesminister des Auswärtigen:
Die Vertreter der Deutschen sind die Abge-
ordneten dieses Hohen Hauses. Selbstver-
ständlich will die Bundesregierung die Abge-
ordneten des Hauses nicht nur hören, sondern
ihnen, wie es sich gehört, die Entscheidung
über alle Fragen in unseren Gesprächen mit
Warschau überlassen.
Sollte in Ihrer Frage besonders auf die Ver-
treter der vertriebenen Deutschen angespielt
sein, so kann ich darauf antworten, daß wir
sie vor dem Beginn der Warschauer Gespräche
gehört haben. Die Argumente der Vertriebe-
nen sind uns bekannt. Sie werden in unseren
Gesprächen berücksichtigt; denn es ist unsere
Absicht, alle Gruppen im Lande von der Poli-
tik, die wir verfolgen, zu überzeugen. Es muß
zugleich klar sein, daß die politischen Ent-
scheidungen, die getroffen werden, nicht nur
einem Teil der Menschen in der Bundesrepu-
blik gelten können.
Dr. Czaja (CDU): Herr Staatssekretär, ist
Ihnen bekannt, daß in der Sitzung im Bundes-
kanzleramt, der Sie beiwohnten, den unmittel-
bar Betroffenen, deren Menschen- und Grup-
penrechte ja betroffen sind, zugesagt worden
ist, daß diese Gespräche rechtzeitig vor ge-
wichtigen grundsätzlichen politischen Erwä-
gungen fortgesetzt werden, und ist dies er-
folgt?
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Dahren-
dorf: Herr Kollege, wenn ich mich an diese
Sitzung recht erinnere, war vor allem davon
die Rede, daß eine solche Unterrichtung recht-
zeitig vor gewichtigen politischen Entscheidun-
gen erfolgt. Politische Entscheidungen sind bis-
her nicht gefallen; denn es hat bisher nur
Vorgespräche gegeben.
Dr. Czaja (CDU) : Herr Staatssekretär, warum
haben die Vertreter der Bundesregierung da-
bei nie im Sinn einer wirklich ausreichenden
und wahrheitsgetreuen Information dargelegt,
ob und daß die Bundesregierung die Absicht
habe, der Anerkennung der üder-Neiße-Linie
als endgültiger Grenze politisch Vorschub zu
leisten?
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Dahren-
dorf: Die Bundesregierung hat an allen Punk-
ten, an denen sie ihre Absichten dargelegt hat,
das wahrheitsgetreu getan. Im übrigen sind
die Absichten der Bundesregierung vor allem
hier in diesem Hause und im Auswärtigen
Ausschuß erörtert worden. Ich halte das für
den geeigneten Weg, wenngleich ich auch gern
noch einmal betone, daß eine Unterrichtung
anderer und betroffener Gruppen auch in Zu-
kunft erfolgen soll.
Dr. Klepsch (CDU): Herr Parlamentarisdier
Staatssekretär, halten Sie es für möglich, daß
die Mitglieder des Zentralkomitees der Kom-
munistischen Partei Polens umfassender über
die Absichten und Vorschläge der Bundes-
regierung unterrichtet sind als der Auswärtige
Ausschuß des Deutschen Bundestages?
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Dahren-
dorf: Nein, das halte ich nicht für möglich.
Freiherr von Fircks (CDU): Herr Staats-
sekretär, meinen Sie nicht, daß in solch einer
Schicksalsfrage der formale Zeitpunkt der Ent-
scheidungen den Betroffenen nicht mehr die
Möglichkeit gibt, zu einer Meinungsbildung
mit den Menschen zu kommen, die sie dann
gegenüber der Bundesregierung zu vertreten
haben, und daß daher nachher eine Lücke klafft
zwischen der Information, die die Bundesregie-
rung über die gewählten Vertreter darüber
bekommt, welche Meinung die Betroffenen
vertreten, und den Entscheidungen, die die
Bundesregierung auf der Grundlage der Kennt-
nis der Meinungen und Vorstellungen dieser
Millionen Deutschen dann tatsächlich zu tref-
fen bereit ist?
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Dahren-
dorf: Herr Kollege, ich bin in meiner Äuße-
rung davon ausgegangen, daß zwischen Mit-
teilung und Entscheidung nicht etwa eine
Woche, sondern ein längerer Zeitraum liegt.
Denn es ist für die Bundesregierung wie für
uns alle, glaube ich, ganz unentbehrlich, daß
in diesen wichtigen Fragen keine undiskutier-
ten Entscheidungen getroffen werden. Dabei
gilt die Forderung nach Diskussion sowohl für
dieses Hohe Haus als auch für die betroffenen
Gruppen als auch für die Wähler und Bürger
in der Bundesrepublik ganz allgemein. Es muß
also hinlänglich Zeit dafür sein. Aber diese
Zeit ist erst dann gekommen bzw. kann erst
dann beginnen, wenn entscheidungsreife Vor-
lagen für eine solche Diskussion vorhanden
sind. Ich darf hinzufügen, daß im übrigen viele
von uns seit langem Wege dafür suchen, die
Argumente, die für oder gegen die eine oder
andere Entscheidung sprechen, öffentlich aus-
zutragen.
Dr. Slotta (SPD): Herr Staatssekretär, sind
Sie mit mir der Meinung, daß man hier nicht
in der Form sprechen kann — ich meine nicht
die Sadie — wie die Kollegen argumentiert
haben?
(Abg. Rasner [CDU]: Keine Zensuren von der
Regierungsbank, bitte!)
Parlamentarisdier Staatssekretär Dr. Dahren-
dorf: Ich muß Ihnen dazu sagen, daß es mir
nicht liegt, zu der Form Stellung zu nehmen.
Ich kann Ihre Frage also nur zur Kenntnis
nehmen.
Politik in Hörfunk und Fernselien
Aus den Programmen der Rundfunk- und Fernsehanstalten
in der Zeit vom 13. Mai bis 19. Mai 1970
Die ständigen Programmteile mit politischem Inhalt (Nachrichten, Kommentare,
Presseschauen und tagesaktuellen Magazinsendungen) sind nicht aufgeführt.
Mittwoch, 13. Mai
Da« politisch« G«sprach (8.15-17.15 DW)
Front gegen den Kommunlamu» Die Truman-Dok-
trin (9.00 RB 1)
Zur Geschieht« des Impsriallsmus ' Die glücklichen
Inseln (9.00 SWF 2)
Au« d«m Br«m«r Parlamentsgebäude: Übertragung
von der Sitzung der Bürgerschaft (16.30 RB 2)
Demoakopl« — Volkes Stimme? (17.00 SDR 2)
Bundesparteitag der SPD (19.30 SR 1)
ZDF Magazin ' Informationen und Meinungen zu
Themen der Zeit (20.15 ZDF)
Zwischen Aufstand und Reform — Was wollen die
Priestergruppen? Ein Bericht von Gerhard Adler
(20.18 SWF 2)
Bericht vom Parteitag der SPD (21.00 DF)
Bundesparteitag der SPD in Saarbrücken (21.45
NDR WDR 1)
Parteitag der SPD 1970 / Berichte und Interviews
(22.06 DLF)
Bericht aus Amerika Es spricht Klaus Bölling
(22.10 NDR WDR 1)
Donnerstag, 14. Mai
W«lt«pl«g«l / Auslandskorrespondenten berichten
(8.45! 17.45 DW)
Ost-W««t-Forum / Politik, Wirtschaft, Ideologie
(10.30 HR 2)
ZDF Magazin / Informationen und Meinungen zu
Themen der Zeit (11.30 ARDZDF-V)
Fri«d«n«forschung: 3) Die Verflechtung von Rüstung,
Wirtschaft und Wissenschaft / Von Fritz Vilmar
(17.30 DLF)
Di« T«ch«ch«n und die Deutschen / Geschichte ei-
ner tausendjährigen Nachbarschaft / 5) Die Repu-
blik — von St. Germain bis München (19.30 HR-F)
Auf «In Wort, Herr Nachbar! Bilder aus dem
Bayerischen Landtag (19.30 BR-ST)
Bund««part«itag dar SPD (1930 SR 1)
Wir schalton um nach Butzbach / Übertragung einer
Bürgerversammlung mit hessischen Politikern (20.15
HR-F)
Forum Südwest ! Ein aktuelles Schwerpunktthema
mit Berichten und Kommentaren (20.15 SWF-F)
Der 8. Mal / Erinnerungen an 1945 und ein Stun-
denbuch von heute .' Von Luc Jochimsen (20.35 NDR/
WDR 1)
Kriegsverhütung und Friedensförderung ' Acht Re-
ferate aus der Heidelberger Forschungsstätte der
Evangeli.schen Studiengemeinschaft / 7) Das Prob-
lem der B-Waffen / Von Ernst-Ulrich von Weiz-
säcker (21.30 RB 2)
Bundesparteitag der SPD in Saarbrücken (21.45
NDR WDR 1)
Bericht vom SPD-Parteitag in Saarbrücken (21.45
ZDF)
Open End ' Aktuelles Streitgespräch zwischen Poli-
tikern und Literaten Leitung Hans Werner Richter
(21.50 NDRRB'SFB-F)
Parteitag der SPD 1970 Berichte und Interviews
(22.05 DLF)
Städte im Krieg — Leningrad Ein Film von Bruce
Norman und Michael Darlow (22.50 DF)
Freitag, 15. Mai
Zum B«ispi«l Pr««««fr«lheit — Anmerkungen zu
einem Grundrecht (8.15^ 17.15 DW)
Der Dlcht«r und dl« Politik: Ernst Junger (15 25
SWF 2)
Zwischen Chaos und Fortschritt — Italien im neuen
Jahrzehnt / Von Luigi Barzmi (20.05 NDR SFB 3)
Abschied von Don Camillo — Neues über den
Familienstreit zwischen Kommunisten und Katholi-
ken in Italien ' Eine Reportage von Jürgen Möller
(20.15 DF)
100 Jahr« deutsch« Ostpolitik Eine Dokumentation
über die Zeit von 1870 bis 1970 . 3) Der Krumme
Weg nach Stalingrad — Hitlers Strategie und Tak-
tik im Osten 1933 bis 1945 Von Hans Adolf Jacob-
son (20.15 SRSDRSWF-F)
Bericht aus Bonn (21.00 DF)
Mit Konflikten leben ... Erziehung zur Friedens-
fahigkeit ' Bericht von Monika Schlecht und Hans
Jochen Gamm (21.15 NDR RB SFB-F)
Dar W«ltspi«gel Berichte von Auslandskorrespon-
denten (22.00 BR 1)
Die Beamten / 1. Teil: Die Weimarer Republik /
Ein Bericht von Joseph Wulf (22.00 SWF 2)
Politische Bücher: Die dritte Welt (22.05 NDR WDR 1)
Samstag, 16. Mai
Bericht aus Bonn (9.40 18.40 DW)
W«r Ist w«r? ' Bundesminister über sich selbst
Der Chef des Bundeskanzleramtes Horst Ehmke
(11.30 BR 1)
Da« Wort hat der Bundestagsabgeordnete Egon
Susset (CDU), Wimmental über Heilbronn (13.05
SDR 2)
Au« d«m Maximllianaum Kommentar zur bayeri-
schen Landespolitik / Von Bernhard Ocker (13.20
BR 1)
Q««prich mit lung«n Politikorn (14.30 SWF 2)
Ostaurop« und wir / Berichte, Kommentare und
Meinungen (15.30 BR 2)
Llnderspiegal / Informationen und Meinungen aus
der Bundesrepublik (17.15 ZDF)
Pro & Contra Aktuelles aus Wirtschaft und Sozial-
politik / England in der EWG / Eine konkrete ^r-
spektive — kontrovers gesehen (19.15 BR-ST)
Wo uns d«r Schuh drückt / Es spricht der Regieren-
de Bürgermeister von Berlin, Klaus Schütz (19.20
SFB-F)
Wl« g«r«cht «ind dl« St«u«rn7 / Eine kritische
Analyse / Von Charlotte Rothweiler (21.00 SR 2)
Georg Forstsr — Ein deutscher Republikaner des
18 Jahrhunderts Von Helmuth Bauer und Winfried
Schafhausen (22.05 BR 2)
Sonntag, 17. Mai
Pollllseh«« Tag«buch / Von Johannes Gross (10.05 D«mokrati«ch l«b«n Von Hartmut von Hentig
419.05 DW) (^7.30 WDR 3)
iW^m^:
|^y9^«ppR^).W 'n
; 'IIWBWWIPCT
Bundesminister Scbeel: Es gibt darin keinen
Dissens, Herr Abgeordneter. Idi darf wieder-
holen: wir werden ein Abkommen anstreben,
in dem wir die Westgrenze Polens respektie-
ren und feststellen, daß die Integrität des Ter-
ritoriums von uns geachtet wird. Wir stellen
die in den Verträgen mit unseren westlichen
Verbündeten vorbehaltenen Rechte nicht in
Frage, in einem Friedensvertrag eine endgül-
tige Regelung der deutschen Grenzfragen zu
finden.
(Zuruf von der CDU/CSU: Ein offener Dissens!
— Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)
. Dr. Barzel (CDU): Herr Bundesaußenmini-
ster, ist die Bundesregierung auch dabei, eine
Vorgespräche gegeben.
Dr. Czaja (CDU) : Herr Staatssekretär, warum
haben die Vertreter der Bundesregierung da-
bei nie im Sinn einer wirklich ausreichenden
und wahrheitsgetreuen Information dargelegt,
ob und daß die Bundesregierung die Absicht
habe, der Anerkennung der Oder-Neiße-Linie
als endgültiger Grenze politisch Vorschub zu
leisten?
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Dahren-
dorf: Die Bundesregierung hat an allen Punk-
ten, an denen sie ihre Absichten dargelegt hat,
das wahrheitsgetreu getan. Im übrigen sind
die Absichten der Bundesregierung vor allem
hier in diesem Hause und im Auswärtigen
andere Entscheidung sprechen, öffentlich aus-
zutragen.
Dr. Slotta (SPD): Herr Staatssekretär, sind
Sie mit mir der Meinung, daß man hier nicht
in der Form sprechen kann — ich meine nicht
die Sache — wie die Kollegen argumentiert
haben?
(Abg. Rasner [CDU]: Keine Zensuren von der
Regierungsbank, bitte!)
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Dahren-
dorf: Ich muß Ihnen dazu sagen, daß es mir
nicht liegt, zu der Form Stellung zu nehmen.
Ich kann Ihre Frage also nur zur Kenntnis
nehmen.
Schutz von Diplomaten
NATO nicht „Weitpolizist"
Aus der Fragestunde des Deutschen Bundestages / 47. Sitzung am 24. 4. 1970
Schlee (CDU/CSU):
Warum betrachten es überstaatliche Orga-
nisationen, z.B. die UNO oder die NATO,
nicht als ihre weltpolizeiliche Aufgabe, ge-
gen VeHbrechen gegeü das Völkerrecht wie
bei der Entfi&hrung und Ermordung des deut-
schen Botschafters Karl Graf von Spreti, ge-
meinsam vorzugehen?
Scheel,
Bundesminister des Auswärtigen:
Die Befugnisse internationaler Organisatio-
nen richten sich nach ihren Satzungen.
Die NATO ist eine regionale Organisation,
die der gemeinsamen Verteidigung ihrer Mit-
gliedstaaten gegen bewaffnete Angriffe dient;
„weltpolizeiliche Aufgaben" obliegen ihr nicht.
Die Vereinten Nationen haben nur bei einer
Bedrohung oder einem Bruch des Friedens und
angesichts von Angriffshandlungen gewisse
Zwangsbefugnisse. Die Voraussetzungen für
ein solches Einschreiten der Vereinten Na-
tionen liegen nicht bereits dann vor, wenn ein
Staat in einem Einzelfall seine völkerrechtliche
Verpflichtung zum Schutz eines bei ihm akkre-
diesem Fall in erster Linie Sache des Entsen-
ditierten Diplomaten nicht erfüllt hat. Es ist in
destaates, auf die Völkerrechtsverletzunq zu
reagieren. Die Bundesregierung hat das der
Regierung Guatemalas gegenüber getan. Sie
hat in diesem Zusammenhang auch erklärt,
daß sie weltweite Schritte zur Verbesserung
des Schutzes von Diplomaten für erforderlich
hält; sie sieht darin eine wichtige Aufgabe
auch für die Vereinten Nationen.
Erster nicht
ausgelöster Diplomat
Schlee (CDU/CSU):
Ist der deutsche Botschafter Karl Graf von
Spreti der erste der in den letzten Jahren in
den lateinamerikanischen Staaten entführten
Diplomaten und Politiker gewesen, der nicht
ausgelöst und dadurch vor dem Tode be-
wahrt wurde?
Scheel,
Bundesminister des Auswärtigen:
Ich beantworte Ihre Frage mit Ja.
Verbesserung der Sicherheit
Benda (CDU/CSU):
Welche Maßnahmen zum Schutz der deut-
schen Diplomaten in den in Frage kommen-
den Ländern beabsichtigt die Bundesregie-
rung zu ergreifen, nachdem Botschafter Graf
von Spreti in Guatemala ermordet wurde,
ohne daß die dortige Regierung das Not-
wendige getan hat, um ihn aus der Gewalt
der Entführer zu befreien?
Scheel,
Bundesminister des Auswärtigen:
Noch am selben Tage, an dem die Ermor-
dung des Botschafters bekannt wurde, hat das
Auswärtige Amt eine Arbeitsgruppe einge-
setzt, die die Frage prüft, welche Maßnahmen
getroffen werden können und sollen, um die
Sicherheit der Bediensteten der deutschen
Auslandsvertretungen und ihrer Familienan-
gehörigen über die geltenden Dienstvorschrif-
ten hinaus zu verbessern.
Die Arbeitsgruppe hat ihre Tätigkeit sofort
aufgenommen. Ihr gehören alle zuständigen
Referate des Auswärtigen Amts an, sie wird
je nach Bedarf um Vertreter anderer Res-
sorts, insbesondere des Bundesministeriums
des Innern, erweitert.
Die Arbeitsgruppe hat die süd- und mittel-
amerikanischen Auslandsvertretungen sofort
durch Drahterlasse über mögliche Sofortmaß-
nahmen zur Verstärkung der eigenen Sicher-
heit unterrichtet und um umgehende Bericht-
erstattung über die Lage gebeten. Aufgrund
der hierzu laufend eingehenden Berichte wer-
den die Auslandsvertretungen angewiesen,
welche zusätzlichen Maßnahmen sie von der
Regierung des Gaststaates unter Anbietung
der Gegenseitigkeit fordern sollen. Die Ar-
beitsgruppe prüft zur Zeit im Benehmen mit
allen deutschen Auslandsvertretungen, welche
Maßnahmen unter Berücksichtigung der be-
sonderen Umstände des jeweiligen Einzel-
falles und örtlicher Verhältnisse von der Bun-
desregierung zur Verbesserung dieses Schut-
zes getroffen werden können.
Die , zweite Gruppe der eingeleiteten Maß-
nahmen bezieht sich auf eine verstärkte in-
ternationale Zusammenarbeit bei Sicherheits-
vorkehrungen. Kontakte sind hierzu aufge-
nommen und werden in den nächsten Tagen
weiter ausgedehnt. Aufgrund der bisherigen
Erfahrungen läßt sich eine erfreuliche interna-
tionale Solidarität zur Durchführung gemein-
samer Maßnahmen unter den befreundeten
Nationen feststellen. Ziel dieser Aktion ist
vor allem eine weitgehende Zusammenarbeit
und gegenseitige Unterstützung der Vertre-
tungen der verschiedenen Staaten an Ort und
Stelle bei der Durchführung von Schutzmaß-
nahmen zur Vorbeugung und Abwehr von
verbrecherischen Angriffen auf Auslandsbe-
dienstete.
Darüber hinaus bemüht sich die Bundesre-
gierung, auch internationale Organisationen
für eine Behandlung dieser Frage zu interes-
sieren. Sie denkt hierbei an eine gemeinsame
Ächtung von Gewaltmaßnahmen gegen Un-
beteiligte als Mittel der politischen Ausein-
andersetzung sowie an eine Konkretisierung
der völkerrechtlichen Normen, die den Schutz
und die Unverletztlichkeit diplomatischer Ver-
treter zum Inhalt haben.
(11.30 BR 1)
Om Wort hat der Bundestagsabgeordnete Egon
Susset (CDU), Wimmental über Heilbronn (13.05
SDR 2)
Au« dem Maximllianeum Kommentar zur bayeri-
schen Landespolitik / Von Bernhard Ocker (13 20
BR 1)
Gesprich mit jungen Politikern (14.30 SWF 2)
Osteuropa und wir / Berichte, Kommentare und
Meinungen (15.30 BR 2)
Politik / England in aer twu / tine Konnrete ner-
spektive — kontrovers gesehen (19.15 BR-ST)
Wo uns der Schuh drückt / Es spricht der Regieren-
de Bürgermeister von Berlin, Klaus Schütz (19.20
SFB-F)
Wie gerecht sind die Steuern? Eine kritische
Analyse / Von Charlotte Rothweiler (21.00 SR 2)
Georg Forster — Ein deutscher Republikaner des
18. Jahrhunderts Von Helmuth Bauer und Winfried
Schafhausen (22.05 BR 2)
Sonntag, 17. Mai
Politlachas Tagebuch / Von Johannes Gross (10.05
+19.05 DW)
Friada ata poiitlache Aufgal>e Von Professor Ernst
M. Wallner (10.30 SWF 2)
Orttzait / Berichte aus fünf Kontinenten (11.30
ZDF)
Protokoll einer Generation: 8. Mai 1945 / Rückblick
mit StraBeninterviews vom März 1970 / Von Uwe
Jochimsen (15.00 SDR 2)
Wo una dar Schuh drückt / Es spricht der Regie-
rende Bürgermeister von Berlin, Klaus Schütz
(17.15 SFB 1)
Von Hartmut von Hentig
Besprochen von Dietrich
Demokratisch leben
(17.30 WDR 3)
Politische Bücher
Schwarzkopf (17.45 DLF)
Deutschland und die Weit / Ein Bericht von Wolf-
gang Wagner (18.05 DLF)
Wo uns der Schuh drückt Es spricht der Regie-
rende Bürgermeister von Berlin, Klaus Schütz (19.40
RIAS 1 • 2)
Bonner Perspektiven / Informationen und Meinun-
gen aus der Bundeshauptstadt (19.55 ZDF)
Der angeklagte Kläger — Julius Hay, Dichter und
Revolutionäre ' Aus der Reihe Ost und West (22.55
DF)
Montag, 18. Mai
Aua Politik und Zeltgeschehen: Der geteilte Siegfried
— Ein Brite erfährt Nachkriegsdeutschland (8.15 -
17.15 DW)
Bonner Perspektiven / Informationen und Meinun-
gen aus der Bundeshauptstadt (11.00 ARD/ZDF-V)
intarnationalar Frühschoppen / Sechs Journalisten
aus fünf Ländern an einem Tisch Gastgeber: Wer-
ner Höfer (12.00 WDR 2; DF: NDR 2; RB 2; SDR 2)
Das politische Buch / Besprechung von Neuerschei-
nungen (13.45 HR 2)
Bücher, Bücher, Bücher ... Politik schwarz auf
weiß Von Otto Wolfert (19.55 ZDF)
Die Ostpolitik der Ära Adenauer / Von Waldemar
Besson (20.00 WDR 3)
Beamte in der Bundesrepublik Deutschland / Von
Joseph Wulf (21.00 WDR 3)
Dienstag, 19. Mai
Blickpunkt / Analysen, Dokumente, Kommentare
(8.45 17.45 DW)
Auf dam Wage zum Zweiten Weitkrieg / Friedens-
politik und Kriegsvorbereitungen (9.05 NDR'WDR 1)
Carl Schurz 182»-1906 (10.00 BR 1)
Ende und Anfang / Erinnerungen an die Kapitula-
tion 1945 / Von Manfred Franke (10.10 DLF)
Macchlavalll: Der neue Staat (15.00 SR 2)
Im Qasprich — Politik In fünf Ländern / Heute
unter anderem: Erwachsenenbildung' Filmbericht
von Hans Eberhard Kießling / Leitung Eberhard
Kruppa (20.15 NDR SFB RB-F)
Ost-West-Forum ' Politik, Wirtschaft, Ideologie
(20.30 HR 1)
Dar Weltspiegel ' Berichte von Auslandskorrespon-
denten (22.00 BR 1)
KompaB — Gedankengange zwischen Ost und West
(22.00 RIAS 2)
Städte Im Krieg — Berlin Ein Film von Annemarie
Weber und Michael Darlow (22.35 DF)
AbkOrzungan für dia Sander und Ihre Programme:
ARO/ZDF-V — Fernsehen Qemeinschaftsprogramm
1. und 2. Fernsehen am Vormittag
BR - Bayerischer Rundfunk
BR-St — Bayerischer Rundfunk Fernsehen — Stu-
dienprogramm
DF - Deutschea Fernsehen Gemeinachaftsprogramm
(ARO)
DLF — Deutschtandfunk
DW — Deutscha Wella (Deutsches Programm
Europa)
HR - Hassischer Rundfunk
HR-F - Hessischer Rundfunk Fernsehen — 3. Pro-
gramm
NOR > Norddeutscher Rundfunk
NDR/RB/SF8-F - 3. Farnaehprogramm daa Nord-
deutschen Rundfunks, Radio Bramena und des Sen-
ders Freiea Berlin
RB — Radio Bremen
RIAS - RIAS Berlin
SR - Saarländischer Rundfunk
SFB - Sender Freies Berlin (1 - Hauptprogramm;
2 - Gemeinschaftsprogramm; SFB/NDR und Wo-
chenendprogramm)
SFB-F — Regionalprogramm Fernsehen des SFB
SDR — Süddeutscher Rundfunk
SWF — Südwestfunk
WDR - Westdeutscher Rundfunk
WDR-F - Westdeutschor Rundfunk Fernsehen
3. Programm
ZDF — Zweites Deutschea Fernsehen
Hörfunk — 1 - 1. Programm
2 • 2. Programm
3 — 3. Programm
Samstag/Sonntag, 13./14. Januar 1968
Süddeutsche Zeitung Nr. 12
Seite 7
Zur Verabschiedung der neuen Sfrafgesefze
Kriminalität im „Staat der Sittlichkeit«
Zur herrsche-dm Id.ologte poBen di. Verbrechen nicM. deren .ich jung. DDR-Barger .chuldig machen
Berlin, 12. Januar
Gerichtsberichte sind in den Zeitungen der
DDR eine Seltenheit. Nur wenn sie gesell-
schaftspolitischen Zwecken dienen, etwa der
Abschreckung oder der Umerziehung, werden
sie veröffentlicht. Noch seltener erscheinen
Nachrichten über Kriminalfälle. Erst wenn sich
die Verbrechen nicht mehr geheimhalten las-
sen werden sie gedruckt. Schamhaft heißt es
dann in einigen wenigen, versteckten Zeilen:
Eine 72jährige Rentnerin aus Petershagen im
kreis Strausberg ist das Opfer eines Sexual-
mordes geworden. Wie aus einer amtlichen Mit-
teilung hervorgeht, ist der inzwischen gefaßte
Täter bereits zweimal wegen Sittlichkeitsver-
brechen vorbestraft."
Wir haben keine jugendlichen Bankräuber;
bei uns wird an den Schulen nicht mit Rausch-
gift gehandelt; wir haben keine jugendlichen
Dirnen oder Landstreicher", behauptete
DDR-Generalstaatsanwalt Josef Streit, als er
1965 eine Statistik vorlegte, aus der hervorge-
hen sollte, daß die Kriminalität in der DDR
rückläufig sei. Insbesondere die Jugendkrimi-
nalität. Er nannte dies das Ergebnis der huma-
nistischen Jugend- und Bildungspolitik der
DDR Doch andrerseits mußte Streit schon
damals zugeben, daß die Kriminalität der jun-
gen Leute zwischen dem 14. und dem 25.
Lebensjahr „unbefriedigend stagniert".
So ist es in der Tat: Obwohl die „Statisti-
«;chen Jahrbücher der DDR" die Belastungszif-
fern nach Altersgruppen stets verschweigen, ist
bekannt, daß der Anteil der 14- bis 253ahrigen
an den festgestellten Straftaten seit Jahren bei
etwa 50 Prozent liegt. Dabei muß berücksichtigt
werden, daß dieser Personenkreis nur ein Fünf-
tel der Gesamtbevölkerung ausmacht, mitnin
unter den straffällig gewordenen DDR-Burgern
mehr als doppelt so stark vertreten ist, als nach
seinem Bevölkerungsanteil zu vermuten wäre.
Das staatliche Archiv veröffentlichte kürzlich
eine Statistik, aus der hervorging, daß sich
zwar die absolute Zahl der von Jugendlichen
und Heranwachsenden begangenen Straftaten
zwischen 1960 und 1964 von 46 869 auf 45 825
verringerte, ebenso aber auch das Durcn-
schnittsalter der Täter. Auch 1966 gab man zu
daß „fast die Hälfte" der Täter jünger als 25
Jahre war.
1966 sind in der DDR 124 524 Straftaten regi-
striert worden. Dabei fiel zweierlei auf: 1. die
besonders hohe Zahl der Diebstähle und Unter-
schlagungen (60 471) und 2. die Häufigkeit der
- bei geringer Verkehrsdichte - begangenen
Verkehrsdelikte (16 025). Die erste Zahl erklart
sich aus den vielen Ladendiebstählen Jugendli-
cher die zweite aus dem beträchtlichen Alko-
holkonsum. 67,7 Prozent aller Verkehrsdelikte
wurden unter Alkoholeinfluß begangen.
Kampf mit dem Flaschenteufel
Der Alkoholkonsum bereitet dem SED-Re-
gime schon seit langem Sorgen. Bei 52 Prozent
der Fälle von Raub und Notzucht spielte der
Alkohol eine Rolle. Auch die vorsätzlichen Kor-
perverletzungen gingen zu 58 Prozent auf Alko-
holeinfluß zurück. Da nach Ansicht der SED
Sozialismus einerseits und Kriminalität sowie
Alkoholmißbrauch als Stimulans der Kriminali-
tät andrerseits miteinander unvereinbar sind,
fand sie für die sich ständig ausbreitende Trun-
kenheit folgende Erklärungen: 1. historisch
soziale Gewohnheiten in Verbindung mit be-
stimmten Trinksitten, 2. Wohlstands-, Prestige-
und Repräsentationsdenken, 3. „Freizeitgestal-
tung".
Die Neue Zeit, das Blatt der Ost-CDU,
forderte kürzlich ein rigoroses Trinkverbot am
Arbeitsplatz: „Die gefährlichen Folgen des
Alkoholmißbrauchs werden zweifellos oft noch
unterschätzt. Wie sollte es sonst zu erklären
sein, daß auch heute noch in manchen Betrie-
ben die Unsitte besteht, junge Arbeiter bei
jedem denkbaren Anlaß zum Alkoholgenuß zu
animieren." Das Blatt wagte es sogar, die kom-
munistische Jugendorganisation zu rügen: „In
manchen FDJ-Grundorganisationen glaubt
man, die stimulierende Wirkung des Alkohols
bei der Entwicklung eines sinnvollen Jugendle-
bens nicht entbehren zu können."
Doch der Flaschenteufel, den die SED zu be-
kämpfen aufruft, ist nicht allein am Stand der
Kriminalität in der DDR schuld. Wie in der
Bundesrepublik stammen viele Täter aus Fami-
lien, die materiell gesichert sind und als stabil
gelten, also keine kriminelle Vergangenheit
aufweisen. Insbesondere diese Tatsache ver-
setzte die SED in arge Verlegenheit: Da die
Jugend spätestens seit dem Bau der Berliner
Mauer direkten „verderblichen westlichen Ein-
flüssen" entzogen ist, stehen die Kriminalstati-
stiken in krassem Widerspruch zur der marxisti-
schen Behauptung, daß der sozialistischen Ge-
Von unserem Redaktionsmitglied Willi Kinnigkeit
Seilschaft das Verbrechen wesensfremd sei. Die gesucht hatte. Sie wurde nun ^0^0/^^^^!!^^^
Frklärune daß es sich um einen „subjektiven Stadtgericht wegen versuchten Mordes in Tat-
wtderhalfoto Einheit mit schwerer Brandstiftung zu zehn
nicht bestimmender und im Prinzip überwun-
dener, aber noch existenter demoralisierender
Umstände, Traditionen, Lebens- und Denkge-
wohnheiten" handle, stellt eine Bankrotterklä-
rung doktrinärer Erziehungsarbeit dar: Damit
gibt die SED nämlich zu, daß sogar noch die
Rudimente „kapitalistischer Wolfsmoral" Ein-
fluß auf die Bevölkerung, speziell die Jugend,
haben.
Die Partei ist denn auch äußerst beunruhigt
darüber, daß insbesondere Jugendliche an Ver-
gewaltigungen, Autoeinbrüchen, Körperverlet-
zungen, Morden und Raubmorden beteiligt sind
und ebenso rohe Züge wie die kriminellen
Altersgenossen in kapitalistischen Gesell-
schaftssystemen aufweisen. Vom Stadtgericht
Berlin beispielsweise wurde der 24jährige Gun-
ter Susdorf zu lebenslangem Zuchthaus verur-
teilt, weil er eine 19jährige Krankenschwester
überfallen hatte. Das Mädchen war von ihm in
der S-Bahn gepackt und durch Messerstiche
schwer verletzt worden. Als die Überfallene
laut um Hilfe rief, antwortete Susdorf: „Schrei
nur, hier hört dich doch keiner." Dann schleifte
er sie zur Abteiltür und versuchte, das Mädchen
aus dem Zug zu werfen. Es konnte sich wehren,
bis der Zug die nächste Station erreicht hatte.
14 Blutübertragungen aber waren nötig, um es
am Leben zu erhalten.
Die Prostitution ist zwar offiziell abgeschafft,
doch blüht sie im verborgenen. Manchmal
kommt die Sache heraus wie im Fall einer
24jährigen, die sich ständig in Tanzlokalen her-
umgetrieben und dort Männerbekanntschaften
einheit
Jahren Zuchthaus verurteilt. Sie hatte sich
scheiden lassen wollen, jedoch nicht die Zu-
stimmung ihres Mannes erhalten. Daraufhin
legte sie ihre beiden Kinder ins Bett und
steckte die Wohnung in Brand. Zufällig kam
ihr Mann früher nach Hause, so daß die Kinder
noch gerettet werden konnten.
Hin und wieder versucht das SED-Regime
über seine eigenen Kriminalprobleme dadurch
hinwegzutäuschen, daß es „Bilanzen des Grau-
ens" (Neue Zeit) veröffentlichen läßt, die über
das grassierende Verbrecherunwesen in der
Bundesrepublik uiformieren sollen. Dann lobt
man sich selbst: „Wir in der DDR können im
Kampf gegen fiie Kriminalität auf einmalige
Ergebnisse verWeisen . . . Für widerliche und
barbarische Lebensweisen gibt es in unserer
Gesellschaft keinei Boden. Die Deutsche Demo-
kratische Republik ist und bleibt der Staat der
Sittlichkeit und des Anstandes."
Wenn man fi^ich Gerichtsberichte wie den
über die „Köpenicker Desperados" liest, zwei-
felt man an der Glaubwürdigkeit solcher
Postulate. Ein junger Mann namens Hinz stand
vor Gericht. Am Halswirbel hatte er sich die
Worte eintätowieron lassen: „Hier abtrennen."
Zusammen mit anderen jungen Räubern hatte
er ein altes Rentnerpaar überfallen und auf
bestialische Weise gefoltert.
Eine 23jährige FDJ-Funktionärin erwürgte
ihr uneheliches Kind und verbarg die Leiche
vier Monate lang im Kleiderschrank. Eine
18jährige wiederum befehligte eine Bande von
Einbrechern. Ein Arzt aus Mecklenburg vergif-
I tete seine Frau, weil er ein Verhältnis mit einer
20jährigen hatte. Und im Dezember vergange-
nen Jahres mußte das Stadtgericht Berlin den
18 Jahre alten Gerd P. zu lebenslangem Zucht-
haus verurteilen, weil er seine 65jährige Groß-
mutter erwürgt, die Leiche in die Besenkammer
geschleppt und anschließend in derselben Woh-
nung seine Verlobung gefeiert hatte.
Die Kriminologen der DDR haben bis heute
kein Rezept gefunden, wie sich die These be-
wahrheiten ließe, in einer sozialistischen Ge-
sellschaft gebe es keinen Grund für „delinquen-
tes Verhalten". Eine fast hektische Betriebsam-
keit auf höchster Ebene deutet auf Hilflosigkeit
hin. 1964 fand das erste internationale Sympo-
sium zum Thema „Jugendkriminalität und ihre
Bekämpfung in der sozialistischen Gesell-
schaft" statt. Im vergangenen Monat beschäf-
tigte sich ein zweites Symposium mit der Rück-
fallkriminalität. Dazwischen wurde eine For-
schungsgemeinschaft „Jugendkriminologie"
gegründet. Im März 1965 hatte sich das Zentral-
komitee der SED eingeschaltet und eine Konfe-
renz über Jugendkriminalität abgehalten. Auch
das Oberste Gericht der DDR beschäftigte sich
mehrfach mit dem Thema, schließlich sogar der
Staatsrat.
Die Betriebe wurden aufgerufen, „Pro-
gramme zum Kampf gegen die Jugendkrimina-
lität" zu entwickeln. FDJ-Ordnungsgruppen
wurden eingesetzt, damit die „Einhaltung der
sozialistischen Gesetzlichkeit" gewährleistet sei.
Doch am Ende mußte der stellvertretende Ge-
neralstaatsanwalt Harri Harrland bekennen:
„Es ist ein Faktum, das wir mit der bestge-
meinten Tätigkeit der Rechtspflege allein nicht
aus der Welt schaffen können, daß Jahr für
Jahr eine neue Kriminalitätsreserve in ziemlich
konstanter Größe in das Strafmündigkeitsalter
hineinwächst... Trotz der erreichten Ergeb-
nisse zeigt sich auch, daß bei einer Reihe von
schwerwiegenden Straftaten in den letzten Jah-
ren kein wesentlicher Rückgang zu verzeichnen
ist. Der Rückgang der Kriminalität bezieht sich
in der Hauptsache auf Delikte von geringerer
gesellschaftlicher Bedeutung."
Bekümmert fragte der Wissenschaftliche Bei-
rat für Jugendforschung beim DDR-Minister-
rat: „Wie ist es möglich, daß gerade bei der
Jugend und nicht bei den älteren Jahrgängen,
die noch unter kapitalistisch-imperialistischen
und faschistischen Lebensbedingungen groß
geworden sind, eine so hohe Kriminalitätsbela-
stung zu finden ist?"
Taten in Zahlen
Straftatengruppe
1960
1961
1962
1963
1964
1965
1966
Vorsätzliche Körperverletzung . . .
Notzucht
Übrige Sexualdelikte
Diebstahl und Unterschlagung . . .
Betrug, Untreue, Urkundenfälschung
Brandstiftung
Wirtschaftliche Straftaten ....
Straftaten gegen den Arbeitsschutz .
Verkehrsdelikte:
mit Personenschaden
ohne Personenschaden ....
mit Transportgefährdung . . .
Mord, Totschlag (einschl. Versuch) .
Fahrlässige Tötung . . ,
Raub, Erpressung
8730
781
7 029
62978
6 650
2212
2020
401
3187
6973
867
156
190
350
8 801
732
7109
70016
5 860
1590
1951
336
3 416
8914
1064
162
149
390
9 508
766
7 551
84 635
8385
1827
2196
334
10 678
987
7 605
91699
8 274
1722
843
361
2953
3 075
10776
11733
1632
1174
125
134
141
154
371
422
9427
761
5662
72169
6 893
1195
454
438
2416
11542
1031
110
93
331
9 487
658
5 314
68 520
6323
873
192
490
1931
10764
857
114
76
381
10106
708
5 258
60471
6 234
865
188
533
2 259
12 969
797
113
71
315
;
Vorgeschichte der SPD-Perspektiven
1
Parteigrundsätze von Gotha bis Godesberg
^^gesellschaftspolitische Programmatik der deutschen Sozialisten in den letzten hundert Jah
ren
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands
hat mit den Richtlinien für den „Übergang zu
den siebziger Jahren", die sie ihren Unterver-
bänden zur Diskussion vorlegte, eine neue Pro-
grammdebatte eröffnet. Auf dem nächsten Par-
teitag in Nürnberg soll daraus eine Art
Aktionsprogramm entwickelt werden. Die Par-
teipresse der SPD betont, es handle sich nicht
Von unserem Redaktionsmitglied Immanuel Birnbaum
Gesellschaftsordnung führen
Abänderung, sondern um eine Anwen- tischer Schulen miteinander nnischt.
um eine _ _ „
düng des geltenden Godesberger Programms
von 1959. Tatsächlich ist die Entwicklung der
sozialdemokratischen Programmatik seit einem
runden Jahrhundert ständig im Fluß. Das be-
ruht nicht nur auf der Veränderung der gesell-
schaftlichen Zustände in Deutschland, die alte
Analysen und Forderungen überholt hat. Es ist
auch der Ausdruck einer geistigen Wandlung
innerhalb des demokratischen Sozialismus.
Ein kurzer Rückblick auf die älteren Pro-
gramme zeigt, daß die Ideenentwicklung m der
deutschen sozialistischen Bewegung nicht
immer gradlinig war. Es gab Auseinanderset-
zungen zwischen den beiden großen Denkrich-
tungen, von denen die eine aus dem Staatssozia-
lismus von Philosophen wie Johann GottlieD
Fichte und von praktischen Politikern wie Fer-
dinand Lassalle ausging, die andere von den
Theorien über die Entwicklung der modernen
Wirtschaft, wie sie Karl Marx und Friedrich
Engels formuliert haben. Kompromisse zwi-
schen beiden Richtungen kennzeichnen den
Inhalt der meisten älteren Programme. Das
Zurücktreten theoretischer Auffassungen von
der Automatik der kapitalistischen Entwick-
lung, der Verzicht auf ein philosophisch kon-
struiertes Geschichtsbild, stärkere Betonung sitt-
licher Motive für politische und soziale Forde-
rungen und die Ableitung des sozialwirtschaft-
lichen Programms aus dem Wesen der Demo-
kratie werden immer mehr bezeichnend für die
programmatischen Neuformulierungen der letz-
ten 40 Jahre.
Das Leipziger Programm des von Lassalle
begründeten Allgemeinen Deutschen Arbeiter-
vereins von 1866 verlangt die „Beseitigung der
Unterdrückung jeglicher Art, namentlich im
.Wegfall der Ausbeutung der kapitallosen
Arbeit durch das Kapital". Den Weg dazu sahen
die Verfasser dieses Programms im allgemei-
nen, gleichen und direkten Wahlrecht. Dadurch
hoffen sie „den jetzigen Staat, in welchem die
Unterdrückten die ungeheuere Mehrheit bilden,
ihren gerechten Ansprüchen gemäß" umzuge-
stalten. Diesen demokratischen Optimismus der
Lassalleaner haben Marx und Engels nie ge-
teilt.
Ihre Schüler Wilhelm Liebknecht und Bebel
schlössen sich aber einige Jahre später mit der
Gefolgschaft Lassalles zusammen, und die
fusionierte Sozialistische Arbeiterpartei
Deutschlands beschloß 1875 in Gotha ein neues
Programm, das Formulierungen beider theore-
' .--.-^ j-)£^ heißt
es: „Die Defreiung der Arbeit erfordert die
Verwandlung der Arbeitsmittel in Gemeingut
der Gesellschaft... Sie muß das Werk der
Arbeiterklasse sein, der gegenüber alle anderen
Klassen nur eine reaktionäre Masse sind." Wie-
derum wird die staatliche Umgestaltung vom
allgemeinen, gleichen, direkten Wahlrecht er-
hofft, aber auch von einer Militärreform auf
der Grundlage allgemeiner Wehrhaftigkeit:
Volkswehr an Stelle der stehenden Heere.'
Marx und Engels haben dieses Programm als
„konfus" abgelehnt. Engels hat auch die Formel
von der „einen reaktionären Masse" für falsch
erklärt.
Theoretisch einheitlicher formuliert war
dann das von Karl Kautsky entworfene Erfur-
ter Programvi von 1891. Es übernahm die An-
schauungen von Marx und Engels über die Ent-
wicklung der kapitalistischen Wirtschaft, die
angeblich, „mit Naturnotwendigkeit" zum Un-
tergang des Kleinbetriebes und zur Monopoli-
sierung der Produktionsmittel durch kolossale
Großbetriebe führe, auf Kosten des Proletari-
ats, aber auch der „versinkenden Mittelschich-
ten" der Kleinbürger und Bauern. Radikal for-
dert der Marxist Kautsky „Verwandlung des
kapitalistischen Privateigentums an Produk-
tionsmitteln - Grund und Boden, Gmben und
Bergwerke, Werkzeuge, Maschinen, Verkehrs-
mittel — in gesellschaftliches Eigentum".
Kommt der ,,große Kladderadatsch*!
In der Wahl des Weges aber bleibt auch die-
ses Programm demokratisch und reformistisch.
Es verlangt zwar „Erklärung der Religion zur
Privatsache", begnügt sich aber mit Sofortfor-
derungen, die inzwischen zum größten Teil
längst erfüllt sind: Achtstundentag, Verbot der
Kinderarbeit, Sicherstellung des Koalitions-
rechtes. Kautsky glaubte als Schüler der Ent-
wicklungslehre Darwins nicht mehr wie der
Hegelianer Marx an den „Umschlag" der sozia-
len Entwicklung in revolutionären Wendungen
(Realdialektik), aber immer noch an die Auto-
matik der geschichtlichen Tendenz, die zu der
erhofften neuen
müsse.
Die grundlegende Kritik dieser Geschichts-
deutung brachten die nüchternen Untersuchun-
gen des „Revisionisten" Eduard Bernstein den
Bismarcks Sozialistengesetz zum Flüchtling
gemacht und der in England eine fortgeschrit-
tene Industriegesellschaft studiert hatte Er
stellte dort fest, daß die angeblich „versinken-
den Mittelschichten" unter dem Kapitalismus
weiterbestehen und sogar no'.h/uf steigen
könnten und daß der „große Kladderadatsch
niemals automatisch eintreten werde. Weniger
Glaube und mehr Aktion war seine Forderung.
Der Gegensatz zwischen den beiden Richtungen
spiegelt sich noch in den Programmen der wah-
rend des Weltkrieges gespaltenen sozialdemo-
kratischen Parteien. Die "Unabhängigen be-
schlossen 1919 in Leipzig ein neues Programm,
n dem sie als Altmarxisten „Diktatur des Pro-
letariats" forderten und als Mittel dafür auch
das Rätesystem anwenden wollten. Die Mehr-
heitssozialdemokraten formulierten dagegen ihr
Programm 1921 in Görlitz mit emem Bekennt-
nis zur demokratischen Republik. Sie forderten
nur die „Überführung der großen konzentrier-
ten Wirtschaftsbetriebe" in Gemeineigentum.
In dem nächsten Programm der wiederverei-
nißten Partei (Heidelberg 1925) kommt das
Wort „Klassenkampf" nicht mehr vor. Auch die
von Bernstein kritisierte Theorie, daß die
Arbeiterschaft im Kapitalismus immer niehr
verelenden müsse, wird nicht mehr wiederholt.
Dafür wird jetzt von den einheitlichen Interes-
sen der Arbeiter, Angestellten und Intellektuel-
len jeder Art gesprochen. Das aktuelle Sofort-
programm wird breiter entwickelt als m frühe-
ren Dokumenten. Aufhebung des Bildungspri-
vilegs der Besitzenden wird gefordert, das Be-
triebsrätesystem soll jetzt zum Mitbestim-
mungsrecht der Arbeiterklasse an der Organi-
sation der Wirtschaft ausgebaut werden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat die deut-
sche Sozialdemokratie ihr Programm in Godes-
berg 1959 neu formuliert. Es erschien als ein
Erfordernis der Zeit, den Begriff Sozialismus
gegen seinen Mißbrauch sowohl durch die
Nationalsozialisten als auch durch die Kommu-
nisten abzusichern. So wurde die Ablehnung
jeder Diktatur und totalitärer Herrschaft noch
schärfer betont als früher. ^.Sozialismus wird
nur durch die Demokratie verwirklicht, die
Demokratie durch den Sozialismus erfüllt. Was
unter Sozialismus zu verstehen sei, wird in dem
Godesberger Dokument allerdings nicht deut-
lich. Es heißt da: „Der Sozialismus ist eine ddu-
ernde Aufgabe - Freiheit und Gerechtigkeit zu
erkämpfen, sie zu bewahren und sich m hnen
zu bewähren ... Der demokratische Sozialismus
erstrebt eine neue Wirtschafts- und Sozialord
nung." Diese neue Ordnung selbst wird also
nicht mehr Sozialismus genannt. Die lyriscn
g Mummten Autoren dieses P-gramms nannten
^ ^ o^r^nvme Kraft, die die Neuora-
Letzte
vielmehr die anonyme Kraft, die die Neuord-
nung herbeiführen solle, Soziahsmus.
Wahrheiten wolle der Sozialismus nicht ver-
Sen, aus Achtung vor den Glaubens^nt-
scheldungen des Menschen Die Sozialdemokra-
tie will seit Godesberg also nicht mehr eine
gem^^isame geistige Heimat i^-r J^^^^f ^^^,
bilden, sondern eine Aktionsgemeinschaft zur
Erreichung bestimmter politischer Ziele.
Benedikt Kautsky, ein
Kautsky, der das geistig
Ein Sohn berichtigt den Vater
Sohn jenes Karl
geschlossene, aber
ruchle;chrchts7hiloTophi"sch dogmatische Er-
furter ^Programm entworfen hatte, empf^^^^^^^^
Godesberg am wirkungsvollsten die Abkehr
von jeder theoretischen Grundlage früherer
Irt Ein anderer Mitautor der Godesberger
Formul'rungen, der Bayer Walde-ar von
Knoeringen, setzte durch, daß unter den prakti
fchen Forderungen die bildungspolitischen an
erste Stelle gerückt wurden. „Alle Vorrechte im
Zugang zu Bildungseinrichtungen müssen be-
seitigt werden."
In den Godesberger Forderungen für eine
bessere Sozialordnung wird dann deutlich ge-
sagt was die Sozialdemokratie nicht mehr will,
wlbr^d die Formulierungen der positiven
zfele mehr dehnbar gehalten sind. „Das private
E^enZn an Produktionsmitteln hat Anspruch
id För(
r gere
dert... Wirksame öffentliche
^Jshüu und Förderung, soweit es nicht den
Aufbau einer gerechten Sozialordnung hin-
dert . Wirksame öffentliche Kontrolle muß
Machtmißbrauch der Wirtschaft verhindern
Einkommen und Vermögen «^nd iingerecht ver-
teilt. Das ist die Schuld einer Wirtschafts- und
Steuerpolitik, die die Einkommens- und Vermo-
censbildung in wenigen Händen begünstigt ..
fTie Lohn- und Gehaltspolitik ist ein geeignetes
Mittel, um Einkommen und Vermögen gerech-
ter zu verteilen."
Solche Sätze bedürfen der Ausfüllung und
Ergänzung. Sie machen ein ne^es Aktionspro-
gramm für die nächste Zukunft notwendig.
/
r
i
f ■
>
Seite 8
Das pctitisclhe Biaclh
Freitag/Samstag/Sonntag, 5./6.a. Januar 1968/ Nr. 5- 6
Antisemitismus — Krankheit der Kirche
FRIEDRICH HEER: Gottes erste Liebe. 2000 Jahre
Judentum und Christentum — Genesis des oster-
ieMschen Katholiken Adolf Hm^r^Bechtle Ver-
lag, München. 740 Seiten, Leinen 4S DM.
Wenn sich der Christ der Frage ,De Judaeis'
zuwendet, dann steht er heute, im Umbruch der
Jahrtausende, am Scheideweg. Er muß entwe-
der die Tradition der Kirche in Frage stellen
oder den Weg weitergehen, auf dem die Papste
konsequent bis zu Pius XII. gegangen sind.-
Das ist die provokante Kernthese des Katholi-
ken Friedrich Heer, seine Antwort auf die
durch Hochhuths ,.Stellvertreter" aufgerissene
Frage nach der Stellung der Christen zu den
Juden. . ,
Was Heer zusammengestellt hat an .luaen-
feindlichen Äußerungen und Aktivitäten von
den Kirchenvätern bis zu den Kirchenfuhrern
unserer Tage, zeigt die eigentliche Wurzel des
Antisemitismus, seinen irrationalen, nie ganz
aufklärbaren Grund: die reUgiöse Feindschaft
gegen die „Gottesmörder". Nicht wirtschaftliche
Auseinandersetzungen oder rassistische Vorur-
teile sind die eigentliche Ursache der Judenver-
folgungen. Darüber hinaus verführen Heer
ziemlich verwegene tiefenpsychologischc Argu-
mente sogar zu behaupten: „Der mörderische
Judenhaß von Christen, vom 4. bis zum LO.
Jahrhundert, richtet sich in seiner tiefsten
Dimension gegen den Juden Jesus." Denn dem
Himmelskaiser, dem Gottessohn, sei im frühen
Christentum der Vorzug vor dem Menschen
Jesus, „dem frohen, selbstsicheren jungen Juden
aus Galiläa" gegeben worden. Im dann sichtba-
ren Exodus der Kirche aus der Geschichte"
sieht Heer die Ursache der Krankheit der Kir-
che Und darauf zielt eigentlich sein ausführli-
ches Buch: die Krankheit der Kirche an einem
Symptom, dem Antisemitismus, nachzuweisen
Besonders greift Heer immer wieder auf die
Greuelschrift Maurice P^^^^^ ^J"^'^.^^^', ''.y^"^,"
schwörung gegen die Kirche". Madrid 1963 i
dem Buch, das an alle Konzilsvatervei teilt
wurde, wird behauptet, die ..jüdischen treimau
rerischen und
testen: Der „Encjllisung" stand nichts im Weg,
das spürten sie bald. Dabei verweist Heer dar-
auf daß Proteste wahrscheinlich nicht nutzlos
ge^^•esen wären, vie der Stop des Euthanasie-
programms beweis'. Papst Pius XII. habe dage-
aauptet, die -^-^^^^^^^^ ^;n ^ ^^1 auf die Frage, warum er nicht ge-
kommunistischen Verschwoici ge ..,,.,. ^,,„^„ ,,,.. juden nrotestiere ge-
hätten einen Überraschungscoup auf das Konzil
geplant. Pinay: ,.Die Nazis taten nur, was die
heilige katholische Kirche bei verschiedenen
Gelegenheiten während der letzten 14 Jahr-
hunderte als Maßnahme angeordnet hat. um die
Christenheit vor der Eroberungs- und umsturz-
lerischen Tätigkeit der jüdischen Infiltration zu
bewahren." . i^ .
Heer schont niemand. Er schildeit — zu
knapp allerdings - die Toleranz der evangeli-
schen Bischöfe gegenüber dem NS-Regime und
er untersucht genauer als bisher die Rolle, die
etwa die Kardinäle Graf von Galen und Faul-
haber von 1933 bis 1945 gespielt haben. Ihren
Widerstand gegen das NS-Regime sieht er nur
als Verteidigung der engstverstandenen Ip^---
essen der Kleruskirche. Die Rolle Pius XII. er-
scheint bei Heer noch weit dubioser als bei
Hochhuth. Er ist bei Heer ein Mann der „Ord-
nung" Gefangener der kirchlichen Vergangen-
heit der sein Schlüsselerlebnis hat. als Kom-
munisten ihn. den päpstlichen Nuntius, in Mün-
chen mit der Pistole bedrohen.
Den Beginn der christlichen Judenfeindschaft
sieht Heer freilich bereits vor 1900 Jahren: In
gen die Ausrottur.s.^ der Juden protestiere
antwortet: ..Vergessen Sie nicht, daß Millionen
von Katholiken in den deutschen Armeen die-
nen. Soll ich sie in Gewissenskonflikte brin-
gen''"
-.(^er fragt im S'hlußkapitel seines Buches:
Sc^b'^tmord der Christenheit oder christliche
und jüdische Wiedergeburt?" Denn die Kirchen
hätten zu den Lebensfragen der Gegenwart,
zur- Atomkrieg beispielsweise, nichts zu sagen,
da die Kirche keine Theologie der irdischen
Wirklichkeit besitze Heers Antwort, die sicher-
lich auch kein Rezept für das 20. Jahrhundert
isi • Diese erschreckende Tatsache beruht aut
der ' Nichteinwurzelung des Christentums in
.erstand gegen das NS-Regime siem er nur u^- — — ,^ ^ ^^ ^^^^^t: in jüdischer
Verteidigung der engstver.standenen^Inter- de;-^Eidreich, '^s^^^^^^^, Gottesfurcht, Men-
schenliebe. Erdliebe. Weltliebe, Weltfreude,
Geschlechtsfreude. G.^genwartsfreude und Zu-
kunftshoffnung." Manired F. Schröder
Drei deutsche Politiker
EMIX'RITTER: Radowir. - Windthorst - ^'tepf--
tc^Drei Vorläufer der CDU. Warte-Vcrlag,Fmnk-
den Evangelien und bei Paulus scheinen ihm M^rtlSüd. 291 Seiten, HuMeinen, 16,80 DM.
dTzudte Wurzeln gelegt. Den eigentlichen/^ Die in diesem kleinen Band vereinten de
kiichlichen Antisemitismus führt Heer aber v«<r Politikerporlräts charakterisieren recht g^jt ^^ci
knchlichenAniK^^^ „.h ..inpn manichäischen verschiedene Stadien der deutschen innenpoii-
schen Entwicklung. Der Frühzeit eines politi-
schen Lebens in Deutschland gehört Radowitz
an. der viel umstritten-^ preußische Staatsmann,
General und Beratei König Friedrich Wil-
helms IV. Umfangreiche Zitate, die Ritter gibt
vergegenwärtigen eindrücklich die Gedanken und
Pläne von Radowitz; sie nehmen manches Spa-
tere vorweg, lassen aber auch die großen
allem auf Augustin
Dualismus zurück.
Heer gibt auch einen Abriß von zwei Jahr-
Symptom, dem Antisemitismus, nach.uvve.sen. tausenden r^^^J}^'^,, r^i^-hundti',
SO iii es eigentlich gar nicht das geworden was ^.«^^'„^^^^^„''"/^tSen Einfluß der Juden im
-^Ti^r^Äi=is^=sywor^ i?9ji^in ^;£rUÄ r =:
^.^^:^^^i:^J^^^'^^- ^---^T,^:^^.:^^^.^:!^^ Schwi;Äten-7r-.ennen, die damals eine.
htsS!rrai.er.a^^^nd:^r^^^^^^^^^
:^^^^T^^^^o^^^ ^}^^d^Z^^Z^.^Z .rhrhun?r-=-'-r" vertS
Kirche freilich eindrmghcher dargestelltln der ! .°" ™ ' o!!l"nderung Luthers antiiüdische
krausen Mischung aus Informafon. hjston- .n^d.^hen 0^,'^^t,;;°^;;'j"e'he Antisemitismus, die
aschkenasischen Judentums in
sehen und theologischen Überlegungen ist frei-
lich eine eindrucksvolle Materialsammlung ver-
borgen sind viele gründliche Überlegungen
enthalten, die beweisen, daß die Schrecken des
Tausendjährigen Reiches nicht ein plötzlicher,
durch nichts erklärbarer Amoklauf waren.
Eines allerdings ist Heer nicht ganz gelun-
gen: die Mitwirkung der Kirche bei der Entste-
hung des modernen Antisemitismus im 19.
Jahrhundert hinreichend darzulegen, der ja
vorwiegend im säkularen Raum entstand und
von Theolügen nur sekundär unterstützt oder
geduldet wurde. Aber vielleicht war emfach
das Schweigen auf die Frage: „Christ, wo ist
dein Bruder Israel?" die tiefste Schuld der
■• :hon Kirche;
Blütezeit des , ^. a-
Polen im 16. Jahrhundert und des sephardi-
schen in der Türkei, die Judenmorde in Polen
(die sich in einer eigenen Art von Antisemitis-
mus erhalten haben, der noch heute in Polen
außerordentlich lebendig ist) sind weitere Mar-
kierungen auf dem geschichtlichen Weg der
Juden. Mit dem Versuch der Synthese des
Judentums mit dem Deutschtum im 19. Jahr-
hundert entsteht gleichzeitig eine neue antise-
mitische Strömung, angeheizt schließlic-h durch
die Protokolle der Weisen von Zion". Der An-
tisemitismus in Frankreich, wo so gut wie keine
Juden leben, erlebt seinen Höhepunkt im Drey-
fus-Prozeß, wozu der Bischof von Nancy 191fi
\
Windthorst: erfolgreicher Anwalt, hannover-
scher Minister, dann Reichstagsabgeordneter
und unbestrittener Führer des Zentrums, das
unter ihm zu einer Partei wurde, mit der .lede
Regierung des Kaiserreichs zu rechnen hatte —
auch Bismarck. dessen großer parlamentari-
scher Gegen- und Mitspieler Windthorst war.
Mit Stegerwald, von den christlichen Gewerk-
schaften herkommend und verschiedenthch
Heichsminister in der Weimarer Repubhk In t
uns dann der PoUtikev des 20. Jahrhunderts
entgegen. Alle drei war.>n in ihrer Art bedeu-
tende Porsö-I^^bkoiton i^'iß. an ihr Leben und
Wirken erinnert wird, darf «1« ^^f ^""f"!!^,^I|^^
Beitrag zur Geschichte des Parlamentarismuh
in Deutschland betrachtet werden. ^i,.
DIE PREUSSEN, im Janrc ii>o- -u ^';; "^ <.' '"^^^
,,,,)uut. war das einzige FiinimastvollschiU der
Welt In der Salpeterjahrt trug es auf jeder semer
-wöli Chile-Reisen mo tons Ladung nach Europa
Zic<nigslänng führte jede dieser Fahrten ziveima
nn d"s gefilräUete Kap Hoorn. Kapitän HemncI
mssen, der soioohl die FünfmastUark Potosi une
eins Vollschiif Preußen bc.fchl.pt hat, soll von die-
sem gewaltigen Segler mit seinen 5560 Quacrat-
netern Segelüäcke gesagt haben: „Die Potosi habe
ch immer gesegelt, aber die Preußen is doch
.nanäimal mit mir gesegelt.-^ Die ^iHsm, ,ou t
d(.v- Titelbild eim-r .soebrr. erschienenen f^roßfonna-
tig^n Dokumentanon „Der Segelschiife große Zeit
olese Koproduktion mehrerer Verlage rn ««rsc/ e-
Aenen Ländern ist weit mehr als ein prachtvolles
Nachschlage- und Schmökerwerk, das Seefahrer
ältester und jüngster Generationen verzaubern
kann: sie ist zugleich eine allgemein interessie-
rende Kulturgeschichte von Columbus bis zur
Tragödie der Pamir im Jahre 1957. Entdeckungen
und Freibeuterei, Handel und Kriege, Skorbut und
Navigationsprobleme, Gallionsfiguren und Flaggen,
Schiffhaukunst und Wettbeioerb - das sind einige
Slichworte für die imponierende Reise durch ftnif-
Jahrhunderte. Kapitäne und Mannschaften haben
sich. u:ie Herausgeber Joseph Jobe bemerkt, im
Kielwasser ihrer Schiffe eine Legende geschaffen,
die über ihre Zeit hiuansreidu. (Verlag Delats,
Kia^iuy 6i Co., Bielejeid'B.yU i, ::2S--Uu. -<.. u-u-
reproduktionen, 40 weitere farbige Darstellnngenso^
wie 280 Zeichnungen und Photos, Ganzleinen 120 DM).
Seite 6
MB — 8. März 1968
/^
Nr. 10
Gegen Erstarrung der Ideologie
Im Zusammenhang mit den Vor-
gängen in der Tschechoslowakei,
die K.L. im MB Nr. 6 vom 9. Fe-
bruar 1968 in seinem Artikel „Be-
wegung im Ostblock" gewürdigt
hat, darf man es vielleicht auch
als ein Symptom betrachten, dass
— nach der aussenpolitischen Ent-
fremdung seit dem Junikrieg in
Israel — das Staatliche Jüdische
Museum in Prag vor einigen Tagen
ein neues Heft der Zeitschrift „Ju-
daica Bohemiae" (III, 2) zur Ver-
sendung gebracht hat, in dem jü-
dische Themen mit grosser Sym-
pathie behandelt werden. Sogar ei-
ne äussere Kleinigkeit ist bemer-
kenswert: diese Postsendung aus
Prag ist frankiert mit den dem
1000jährigen Jubiläum der böhmi-
schen Judenscliaft gewidmeten, die
Bilder altjüdischer Prager Denkmä-
ler tragenden Briefmarken, von de-
nen es in Zeitungsmeldungen hiess,
dass sie nach dem Juni-Krieg aus
dem Verkehr gezogen worden sind.
Das Heft ist dem Andenken des
im Jahre 1967 verstorbenen Prager
hebräischen Gelehrten Otto Mune-
les gewidmet und enthält in deut-
scher Sprache einen Auszug aus
den historischen Arbeiten von Ruth
Gladstein-Kestenberg (Haifa), von
denen ausdrücklich gesagt wird,
dass sie in Israel in der hebräi-
schen Zeitschrift „Zion" erschienen
sind; Ruth Gladstein arbeitet be-
kanntlich an einer mehrbändigen
Geschichte der böhmischen Juden,
deren erster Band demnächst vom
Leo Baeck-Institut herausgegeben
werden soll. Ein anderer Beitrag
stammt von Professor Guido Kisch
(New York-Basel), „Das jüdische
Prag vor zwei Generationen", eine
Kurzbiographie des Vaters des Ver-
fassers, Rabbiner Alexander Kisch.
Darin wird das Lob der alten Zeit
gesungen, der Kaiserzeit ebenso
wie der ersten (Masaryk-) Repu-
blik. Zu Alexander Kisch hat Kai-
ser Franz Josef 1899 anlässlich der
Hochflut des Antisemitismus nach
dem Hilsner-Prozess die berühmten
Worte gesprochen: „Ich büi sehr
empört über diese Rohheiten".
Eine wertvolle Ergänzung der
Ausführungen von Guido Kisch
über die Zustände im Prag der
Jahrhundertwende finden wir übri-
gens in der bezaubernden Autobio-
graphie des Bruders des Verfassers,
des leider zu früh verstorbenen
Professor Bruno Kisch (Wanderun-
gen und Wandlimgen. Die Ge-
schichte eines Arztes im 20. Jahr-
hundert. Greven Verlag, Köln), der
in Prag studiert hat und später in
Köln und schliesslich in Amerika
Professor war. Bruno Kisch be-
schreibt das alte jüdische Prag mit
grosser Liebe, er war auch ein
grosser österreichischer Patriot,
und sein Lebensweg ist nicht nur
für Medizmer, sondern auch vom
jüdischen Gesichtspunkt höchst
aufschlussreich. (Auf seinen Wunsch
wurde Bruno Kisch in Jerusalem
beigesetzt, seine Tochter imd En-
kel leben in Israel.)
Am interessantesten in dem Heft
der „Judaica Bohemiae" ist die Äus-
serung von Professor Frantischek
Graus von der Prager Universität,
Mitglied der Akademie der Wissen-
schaften, der in seinem Aufsatz,'
„Prolegomena zu einer Geschieht^
der Juden in den Böhmischen Län-
dern" in prmzipiellen Darlegungen
weit über den Rahmen des Sp^zial- '
themas hinausgeht. Bei seiner Wür-
digung der Juden-Emanzipation des
19. Jahrhunderts bemerkt Graus
„Auf einmal wurden den Kräften
des Individuums Möglichkeiten ge-
öffnet, die den Wert des Indivi-
duums zeigten und die Problematik
eüier jeden vollständigen Opferung
des Individuums einer Gemein-
schaft offenbarten..." Der Verfasser
sieht den eigentlichen Sinn der jü-
dischen Geschichte — offenbar
meint er den allgemein-gültigen
Sinn — in „der Warnung, wohin
die sinnlose imd vollständige Opfe-
rung des Individuums führen muss
— zu einer Erstarrung in einer sich
wandelnden Welt..." Und er zieht
daraus die Folgerung: „Kein Kol-
lektiv und keine Ideologie kann
straflos auf die Dauer die Opfe-
rung des Individuums fordern, oh-
ne selbst an diesem Opfer zu er-
starren." (Hervorhebung von mir.—
R.W.) Solche Worte, in Prag ge-
druckt, lassen einen gewiss aufhor-
chen. Es klingt wie ein Plädoyer
an eine ganz andere Adresse als
die der Verfasser einer künftigen
jüdischen Geschichte.
Noch eine zweite Lehre zieht
der tschechische Gelehrte aus der
jüdischen Geschichte; oder hat er
diese Einsicht anderswo erworben
und benützt die jüdische Geschich-
te nur als Anlass (oder Vor wand)
seiner Stellungnahme? £r sieht
nämlich in der jüdischen (^schich-
te „eine Warnimg vor einer sinn-
losen Nationalisierung, vor der Ein-
kapselung in das Eigene und die
Ablehnung des Fremden". Ander-
seits hat er Verständnis, für den
modernen jüdischen Nationalismus:
„Ein Teil der Juden hat sich im
20. Jahrhundert dazu entschlossen,
sich als neuzeitliche Nation zu
konstituieren — und niemand wird
ihnen dieses Recht versagen können
oder diese Entscheidung verübeln,
denn sie geschieht in einer natio-
nalistischen Welt und nach Erfah-
rungen, deren Bitterkeit unermess-
lich ist. Wohl wird man aber die
gesamte Nationalisierung des Le-
bens im 19. und 20. Jahrhundert
bedauern dürfen und sie als Irr-
weg ansehen."
So gesprochen von dem Vertre-
ter einer Nation, die in den letz-
ten hundert Jahren einer der ent-
schiedensten Vorkämpfer des poli-
tischen Nationalismus war und viel
zur nationalen Aufspaltung Europas
beigetragen hat. Man kann die For-
mulierung solcher Einsichten nur
mit Respekt begrüssen, als hoff-
nungsvolles Symptom dafür, dass
der menschliche Geist frei ist imd
auf die Dauer keine Ideologie zur
Erstarrung des Denkens führen
kann. ROBERT WELTSCH
In der Stadt und auf dem Lande
Neues zur Geschichte der Juden in Südwestdeutschland
, Im Schlusswort zu seiner rei-
ches Material verarbeitenden Stu-
die mit dem vorsichtig gewählten
Titel „Von den Juden in der Pfalz"
(Speyer, Ende 1967/ führt Hermann
Arnold aus, was alles und wie vie-
les noch zu bearbeiten übrig blei-
be: die sprachlich-mundartlichen
Zusammenhänge west jiddisch-süd-
pfälzisch; die wissenschaftliche Auf-
nahme der noch vorhandenen Syn-
agogen und Mikwoth; eine Samm-
lung der hebräischen Epigraphik
(Grabstein-Inschriften); eine Aus-
wertung der Schulakten des 19.
Jahrhunderts; und schliesslich Bio-
graphien bedeutender pfälzischer
Juden. Wenn er diese Andeutungen
macht, so ist sich Dr. Arnold be-
wusst, dass solche und andere Un-
tersuchungen einen Bearbeiter voll
beanspruchen dürften.
Das neue Buch will keine Ge-
schichte der Juden in der Pfalz
sein. Im Kern ist es eher eine de-
mographische Studie, einer sozial
exponierten Minderheit gewidmet.
Sie geht der Bevölkerungsentwick-
lung nach. Sie untersucht die so-
zialen Verhältnisse von der recht-
lichen Stellung der Juden bis zu
ihrer Betätigungssituation. Das Gan-
ze ist zeitlich in zwei grosse Perio-
den eingeteilt: 1500 bis 1800 und
1800 bis etwa 1930. Die Zäsur bil-
det die Französische Revolution.
Während im ersten Zeitraum das
Verhältnis der Juden zur Obrig-
keit, ihre Wohnbesitzbegründung,
ihr Grunderwerb, ihre beschränk-
ten Betätigungs- und Erwerbsmög-
lichkeiten im Vordergrund der Be-
trachtung stehen (auch die Er-
scheinung der vagabundierenden
Betteljuden wird in diesem Zusam-
menhang berührt), spielen in der
zweiten, uns näher liegenden Pe-
riode Gesichtspunkte wie Berufs-
struktur der jüdischen Bevölkenmg
in gewissen Bezirken und Orten
und die jüdische Bevölkerungsent-
wicklung (auch verglichen mit der
Gesamtbevölkerung) eine hervorste-
chende Rolle. Neben einer knapp
informierenden allgemeinen Ueber-
sicht, die zuweilen sogar bis 1938
reicht, ist hier viel nützliches sta-
tistisches Material über Geburten-
ziffern, Heiraten und Sterblichkeit
zusammengetragen. Aber auch
Aspekte der Einwanderung, Aus-
wanderung und Binnenwanderung
werden hier behandelt. Nach Dr.
Arnold sprechen mehrere Gründe
für die Annahme, dass seit 1648
osteuropäische Juden in grösserer
Zahl in die Pfalz gelangt sind, und
AUS LinRATUR, KUNST UND WISSENSCHAFT
In Santa Barbara (Kalifornien),
wo sie seit ihrem Abschied von
der Opembühne (1945) lebt, voll-
endete die Sängerin Lotte Lehmann
am 27. Februar das 80. Lebensjahr.
1945 wurde sie als Lehrkraft an die
Mtisikakademie der Universität von
Kalifornien in Santa Barbara be-
rufen. Daneben war die Sängerin
auch als Regisseur in, Malerin und
Autorin tätig: in ihren Büchern
„My Many Lives" und „More than
Singing" gab sie wertvolle Hin-
weise auf die Behandlung der von
ihr gesungenen Opernrollen und
Lieder.
Die Salzburger Max-Reinhardt-
Forschungsstätte zeigt derzeit auf
Einladung des österreichischen
Kulturinstitutes in Rom eine Aus-
stellung, die dem Lebenswerk Max
Reinhardts gewidmet ist. Für die-
se Schau stellte die Stadt Rom die
Räume im Palazzo delle Esposizioni
zur Verfügung. Die Ausstellimg um-
fasst 12 Abteilimgen, die den ein-
zelnen Absclmitten in Werken Rein-
hardts gewidmet sind.
zwar als Flüchtlinge vor der Ver-
folgung durch die Kosaken (1648/
49) und später durch die Polen
(1655/60). Bei der Emigration im
19. Jahrhundert, an der die Pfälzer
wesentlich beteiligt waren, werden
zeitlich und zahlenmässig Unter-
schiede zwischen der Gesamtbevöl-
kerung und der jüdischen Bevölke-
rung festgestellt. Unter „Binnen-
wanderung" untersucht Arnold u.a.
auch die „Heiratsschranken" zwi-
schen Stadt- und Land Juden.
Hermann Arnold, Oberregierungs-
medizinalrat in Landau, kommt von
der Biologie und der Soziographie
her. Er hat 1958 über „Vaganten,
Komödianten und Briganten" gear-
beitet imd 1966 ein Buch über ,J)ie
Zigeuner, Herkunft und Leben der
Stämme im deutschen Sprachge-
biet" geschrieben. Ihn interessieren
die biologischen Vorgänge, die so-
zialen Faktoren imd die sozialge-
schichtliche Entwicklung vor allem
von Minderheiten. Unter solchen
Gesichtspunkten sind Entstehung
und Gestaltung der vorliegenden
Schrift zu verstehen. Sie ist mit 50
statistischen Tabellen durchsetzt
und mit einem stattlichen wissen-
schaftlichen Apparat versehen. Aus-
serdem sind ihr eine Liste von 72
jüdischen Friedhöfen in der Pfalz
(mit Grössenangabe und Bezeich-
nung des Eigentümers) und etwa
30, grossenteils vom Verfasser
selbst gemachten Fotoaufnahmen
von Mikwoth und Synagogen (Al-
senz, Kimweiler, Gommersheim, In-
genheim und Landau) und von
Friedhöfen, Grabsteinen und Grab-
inschriften (Grünstadt, Annweüer,
Alsenz, Wachenheim, Winnweiler,
Ingenheim und Essingen) beigege-
ben. Man muss wissen, dass bis in
die Anfänge der 30er Jahre sich
die nahezu 7700 Juden in der Pfalz
auf etwa 150 Städte und Dörfer
verteilten.
„Wer nach den pfälzischen Ju-
den forscht", so ist in der Einlei-
tung zu lesen, „erlebt mit Erschüt-
tenmg, wie rasch eine blühende
Bevölkenmgsgruppe vergehen kann.
Nur noch Friedhöfe, standesamtli-
che Register, wenige ehemalige
Schulhäuser, Reste von Synagogen
und jiddische Lehnwörter in der
Mundart geben Kunde von den Ju-
den in der Pfalz". Die Arbeit, Band
56 der Veröffentlichungen der Pfäl-
zischen Gesellschaft zur Förderung
der Wissenschaften, ist im Verlag
dieser (3esellschaft erschienen.
E. G. L.
„Auf dem Wege zur Versöhnung"
(Schluss von S. 5)
wegen. (Die deutsche Ausgabe wird
von Hoffmann und Campe vorbe-
reitet.) Und wie ist das Echo?
Norwegische Kritiker erklären: „Ei-
nes der Bücher, die mich am tief-
sten ergriffen haben..." (CJordon
Johnsen). „Ein herrliches Buch —
berauschend, aber auch zum Den-
ken einladend..." (Ingvar Haddal).
„,Auf dem Wege zur Versöhnung'
ist ein Buch, das man immer wie-
der lesen sollte — ein Serum gegen
'alle vergiftenden Kräfte, die uns
weismachen wollen, es habe doch
alles keinen Zweck..." (Sigurd Ja-
kobsen). „Lest Max Tau — dies ist
ein herzerquickendes Buch unter
der so notwendigen Devise: es ist
nicht vergebens!" (Pater Rieber-
Mohn). „Ich glaube, Max Tau ist
ein besserer Realpolitiker als man-
che, die sich mit dieser Bezeich-
nung schmücken, ein Realpolitiker
des Guten..." (öyvind Seip Berg-
grav). „Ein seltener Inspirator im
norwegischen Geistesleben... ein Ge-
nie des Herzens... ein Reichtum für
unser Land..." schreibt „K." in
„Sogn og Fjordane".
So urteilt die norwegische Kri-
tik, einmütig zustimmend und be-
geistert. Die Buchhändler taten ein
übriges und wählten aus der Fülle
des Angebots Max Taus Buch als
eines der fünf besten des Jahres,
Und mehrere Zeitungen schlugen
ihn für den Nobelpreis vor, den
Friedenspreis, der ja in Oslo ver-
liehen wird. Gewiss, die Mühlen des
Nobelkomitees mahlen manchmal
recht langsam, aber niemand in
Norwegen würde sich wundem,
wenn Max Tau den Preis erhielte.
KARL CHISTIANSEN,
Hoböl (Norwegen)
wmm
Süddeutsche Zeitung Nr. 15
fcttilUbw
Samstag/Sonntag, 17./18. Januar 1970
GISELA UELLENBERG
Die verhinderte
Revolte
Zu neuen Dokumentationen der deutschen
Jugendheivegung: 1. Die Wandervogel^eit (1890-1919)
Hat die Jugendbewegung, diese einzigar-
tige und typisch deutsche Absage von
Bürgersöhnen und -töchtern an einige
Spielregeln ihrer Umwelt, für das Bürgertum
von heute, das sich von einer die ganze Welt auf-
rüttelnden Revolte seiner jungen Generation
herausgefordert sieht, noch irgendeinen anderen
als einen sentimentalen Erinnerungswert? Sind
Dokumentationen wie das auf drei umfangreiche
Bände angelegte Sammelwerk des Eugen Die-
derichs Verlags „Die Grundschriften der deut-
schen Jugendbewegung" (dieser Artikel stützt
sich auf den von Werner Kindt herausgegebenen
Band II: Die Wandervogelzeit) nur für den
Historiker von Interesse, der einmal aus der Zu-
sammenschau von Ursachen und Wirkungen die
Geschichte unseres Jahrhunderts zu schreiben
haben wird? Sicherlich nicht; denn die Politiker,
die Pädagogen, die Soziologen und last not least
auch die Theologen, die sich mit großer Verspä-
tung ihren jugendlichen Angreifern zu stellen
beginnen, können nicht warten, bis die Ge-
schichtswissenschaft es ihnen abnimmt, die
Lehre aus der Vergeblichkeit eines Protests ge-
gen die damals wie heute fest etablierte bürger-
liche Gesellschaft zu ziehen — eines Protests,
der nicht zur Revolte wurde, sondern „Bewe-
gung" war und blieb und möglicherweise eben
deshalb von einer anderen „Bewegung" ver-
schlungen wurde, die sie ahnungslos selber vor-
bereitet hatte; der beklemmende Gleichklang
des Vokabulars, von der „deutschen Seele" bis
zur „artgemäßen Kultur", von der „Sturmschar"
bis zum „Männerbund", vom „Führer" bis zum
„Reich" — um nur einiges zu nennen — lieferte
einem Wolf den Schafspelz, der ihm ermöglichte,
sich die Deutschen mit Hilfe ihrer Ideale hörig
zu machen.
Die eine Bewegung ist ohne jene andere nicht
denkbar — das ist, sieht man die Lauterkeit der
ersten Impulse, den Adel des Widerwillens ge-
gen heuchlerisches Spießertum und erstik-
kende Bürgerlichkeit, die Sehnsucht nach
Natürlichkeit, Echtheit und Ursprünglichkeit,
sehen einer Bewegung und einer Revolte buch-
stäblich sinnlich evident: Die Wandervogelju-
gend begegnete dem Mißtrauen und den mora-
lischen Vorbehalten ihrer Umwelt nicht
dadurch, daß sie deren Moral und Normen prin-
zipiell in Frage stellte — sie distanzierte sich von
ihnen nur, insoweit sie nicht von der Realität ge-
deckt, die Befolgung der Gesetze zur Konven-
tion, wenn nicht Heuchelei, und Sitte zur Unsitte
geworden war. Der Wandervogel war „weder
konservativ noch revolutionär". „Der Gegen-
stand und Sachverhalt dieser Bewegung ist viel-
mehr die praktisch verwirklichte Selbsterzie-
hung in jugendlichen Gemeinschaften" (W. Flit-
ner).
Diese Jugend wandte sich nicht gegen die
Grundsätze der älteren Generation; sie bemühte
sich darum, sie weniger mechanisch und auto-
matisch als jene, dafür aber umso aufrichtiger
und zuverlässiger zu erfüllen. Sie erlebte, daß sie
in den großen Städten, aber auch in ihren Schu-
len und Familien keine Luft mehr bekam, weder
für ihre Lungen noch für ihren Geist. Sie zog in
die Wälder, um wieder atmen zu lernen. Jung
sein hieß, die verbrauchte Luft nicht mehr zu er-
tragen; es hieß, sich der Lähmung aller schöpfe-
rischen Instinkte bewußt zu werden, die sie mit
dem Hineinwachsen in eine festgefügte Erwach-
senenwelt befallen würde. Es hieß, sich die Frei-
heit seiner Entscheidungen und seiner Selbst-
verwirklichung retten. Man wollte nicht prinzi-
piell anderes als das, was die Erwachsenen woll-
ten, aber man wollte es reiner, tiefer, echter. So
wehrte sich der Wandervogel beispielsweise er-
folgreich gegen die von General von der Goltz
unternommenen Versuche, die Jugendbewegung
in den Dienst der Wehrertüchtigung zu stellen
und sie in den zur Pflege des Wehrkraftgedan-
kens von ihm gegründeten Jungdeutscluland-
bund aufzunehmen, aber man begründete die
Ablehnung damit, daß der Wandervogel „von all
den bestehenden Vereinigungen seinen Mitglie-
dern für den Krieg die besten Grundlagen mit
auf den Weg" gebe. Man wollte sich immer „von
des deutschen Idealismus, zu denen sich die
Schicht, aus der sie stammten, das gebildete
Bürgertum, bekannte. Weil man diesen Idealis-
mus mit Deutschsein gleichsetzte, sah man es als
eine der wichtigsten Aufgaben an, das „Völki-
sche" zu kultivieren, nationale Traditionen
bewußt zu pflegen — und was auf den ersten
Blick wie romantische Schwärmerei für altes
Volksgut in Handwerk und Kunst, in Tracht,
Lied und Tanz aussah und im allgemeinen auch
nichts anderes war, enthüllte in der Auseinan-
dersetzung einzelner Gruppen mit dem „volks-
fremden" Judentum schon in der Zeit vor dem
ersten Weltkrieg eine der verderblichsten Fol-
gen dieser „Selbstbesinnung": sie legte den
Keim für das gute Gewissen, mit dem später
weite Teile dieses nach wie vor „idealistischen",
„vaterländisch gesinnten" Volkes einen der
furchtbarsten Vernichtungsakte aller Zeiten als
notwendige „Reinigung" verstanden.
Der Wandervogel war eine idealistische Bewe-
gung. Aber er vertrat Ideale, die sich dem Mi(3-
brauch am willigsten anbieten. Wer sie als
„romantisch" abtun zu können glaubt, verkennt
das Gefährliche des typisch deutschen Hangs,
die Ursprünge, das Völkische, das Blut, auch das
Natur- (gleich Heimat-)erlebnis zu mythisieren.
Er verkennt auch die Verführungskraft des Eli-
tebewußtseins, das in jeder Absonderung von
einzelnen oder sich als Bund von einzelnen ver-
stehender Gemeinschaft steckt. Nicht zufällig
war Nietzsches Zarathustra einer der Heiligen
der Wandervögel. Und nicht zufällig gibt es nur
eine deutsche Jugendbewegung. Ein Äquivalent
für den spezifischen Gemütswert von „Heimat"
findet sich anderswo so wenig wie eine genaue
Entsprechung für den Mythos vom ..Reich". Der
Hang zum Irrationalen, der sich hier ausdrückt,
der Glaube an das „Wesen" und das „Wesent-
liche" — auch dies Begriffe, die sich in keine an-
dere Sprache übertragen lassen — hat mit der
„Natur" eines Volkes wchl kaum etwas zu tun.
sicherlich aber sehr viel mit seinem geschicht-
lich gewordenen Selbstverständnis.
Da die Wertung des Irrationalen als des
eigentlich Schöpferischen, Göttlichen, eine ur-
alte Tradition hat (und Gott, der Inbegriff des
Lebendigen, sich tatsächlich nur in schöpferi-
schen Impulsen offenbart, die sich der rationa-
len Erklärung entziehen und dennoch als „wirk-
lich" erlebt werden), konnte die Irrationalität
des „Erlebnisses" von jeher sehr leicht zum
Rechtfertigungsgrund von Emotionen werden,
deren unerbittliche Leidenschaft sich gerade an
der Überlegenheit der verteidigten „heiligen"
Werte entzündete.
Wo das Selbstgefühl des einzelnen und mehr
noch eines Volkes sich auf irrationale Werte be-
ruft, ist höchste Wachsamkeit geboten. Die be-
rechtigte Furcht anderer Volker vor der „Irra-
tionalität" der Deutschen hat ihre Ursache in
einem Selbst- und Uberle^enheitsbewußtsein,
das aus solcher mythischen Begründung unge-
heure Kräfte bezieht. Weil der Wandervogel die-
ses typisch deutsche Selbstbewußtsein nicht
grundsätzlich in Frage stellte, es vielmehr ledig-
lich von seinen Schlacken reinigen wollte, um es
neu rechtfertigen zu können, arbeitete er un-
schuldig-schuldig jener anderen Bewegung vor.
dustrie- und Arbeitergesellschaft keinen ihrer
bürgerlichen Maßstäbe und keines ihrer Rechte
zu opfern bereit war, völlig außerhalb ihres
Blickfelds lagen. Solche Blindheit und egozen-
trische Selbstbeschränkung als das Versagen
dieser Bewegung vor den Forderungen des
historischen Augenblicks zu brandmarken, kann
nur den Sinn haben, einer Gesellschaft, die sich
der Erfüllung dieser unerledigten Forderungen
immer noch widersetzt, die Augen für die
Zwangsläufigkeit einer Jugendrevolte zu öffnen,
die ihre Lehre aus der Geschichte, auch und ge-
rade auch aus der Geschichte einer Jugendbe-
wegung, die nicht zur Revolte wurde, gezogen
hat. Aber auch eine revolutionäre Jugend wird
sich diese Lehre erst vollständig zueigen ge-
macht haben, wenn sie zur Einsicht der Besten
jener alten Jugendbevs^egung kommt, die im
eigenen Ich das primäre Objekt der Erziehung
und Veränderung entdeckten. Wer nicht nur die
Verhältnisse, sondern die Gesellschaft ändern
will, muß Personen ändern. Personen ändert
man nicht durch tödliche Gewalt, sondern durch
das lebendige Beispiel.
(Ein zweiter Aufsatz wird sich mit den katholi-
schen Jugendverbänden befassen.)
MARTIN WALSER
Fiction
So wie Hegel in der Logik „Sein, reines Sein —
ohne alle weitere Bestimmung, in seiner unbe-
stimmten Unmittelbarkeit . . ." beschreiben kann,
als stünde er weit außerhalb, so beschreibt Mar-
tin Walser in seinem neuesten Text sein „Ich"
und das, was dieses Ich tut, woran es trägt, was
es will, was es immer wieder versucht. Dabei gibt
Walser dem Ich — seinem Bodensee-Ich, das
nach München verschlagen ist und dabei die Ge-
gend um den Staehus als Zone befremdlich groß-
städtischer Abenteuer begreift — immer wieder
die Chance, von neuem anzufangen. Aber das Ich
gerät trotz dieser Erzähler-Freiheit nur in im-
mer erneuerte, meist unsinnige, wenn auch amou-
röse Verstrickungen. Äußerste Objektivität ge-
genüber dem Ich schlägt um in reinste Erzähl-
Subjektivität. Sprache wird dabei so sehr als be-
kannt, allzu bekannt vorausgesetzt, daß sie zu
Verkürzungen förmlich einlädt. Virtuosität und
Eindruck habe, München bestehe vor allem auä
Frauen. Vor mir geht eine. Schwarze, gelbe,
Bluse, Hose, weit aus, aber dann auch eng, jetzt
hält sie vor einem Stoß Zeitungen, nimmt keine,
also liest sie, hat nur diesen kurzen Rockriegel
an in Schockorange, was frei Hängendes, das nur
auf den Schultern aufliegt, plissiert, grün, luftig,
imd wenn sie sich bückt, stürzt es mit, jetzt muß
sie sich mit der flachen Hand den Bauch reiben,
ein bißchen genügt, und sie reibt das ganze Kleid
durcheinander. Vorsichtig trete ich hinter sie,
ein Schlapphut, pink, und schon sieht sie nicht,
wie ich an sie herantrete und mitlese, was sie da
liest, eine ausgesuchte Botschaft. Houston (AP)
Die 45jährige May Hyatt, die an Gehirnentzün-
dung leidet und seit fast 6 Jahren in tiefer Be-
wußtlosigkeit liegt, wurde in einem Pflegeheim
in Houston (Texas) von ihrem Mann getötet. Wie
schon viele Male vorher besuchte Hyatt, der als
Verwaltungsangestellter arbeitete, auch jetzt
wieder seine Frau. Kurz nachdem er ihr Kran-
kenzimmer betreten hatte, gab er einen Pisto-
lenschuß auf den Kopf seiner Frau ab und schoß
sich dann selbst in die Schläfe. Er starb kurz
darauf. Die Filmrechte sind noch zu haben.
Möchten Sie diese Frauenrolle übernehmen. Wir
könnten gleich Probeaufnahmen machen. Aber
bitte rasch, denn ich weiß nicht, wie lange ich
diese Laune durchhalte. Nachdem sie das gele-
sen hatte, entriß die 22jährige ihrem Begleiter
seine Taschenuhr, strangulierte ihn mit der
Uhrenkette, biß sich die Pulsader auf und rannte
in eine Seitenstraße. Die herbeigeeilte Polizei
fand die Ohnmächtige in einer Hofeinfahrt hin-
ter mehreren Mülleimern. Ihr Zustand wird als
ernst bezeichnet. Über die Motive für ihre Tat
konnte nichts in Erfahrung gebracht werden. Da
ich meines Wadenmuskelschmerzes wegen an
der Verfolgung nicht teilnehmen konnte, ging
ich langsam weiter. Kein Wunder, daß schon
bald ein anderes Mädchen vor mir hergeht. Ich
steige ihr nach. Es ist eine klägliche Beschäfti-
gung, gewiß. Aber da mir jeder Schritt Schmer-
zen macht, gleicht sich das wieder aus. Auch
habe ich was in einer Zahnlücke, was ich nicht
herauskriege. Aber es läuft gegen mich keine
Anklage wegen Zechbetrugs. Sonst wäre es
wirkhch nicht auszuhalten. Wahrscheinlich geht
sie jetzt gleich zu einem Damenfriseur hinein.
Oder zu Lodenfrey, in eine Abteilung, die für
mich verboten ist. Ich kann mir Geld beschaffen.
Das zur Person. Ich bin parasitär. Dann habe ich
noch das Privileg, folgenden Satz mitzuteilen: In
der nächstbesten Autohandlung kaufte ich mir
einen Porsche Targa Florio. Am Bremspedal ließ
ich mir eine weichere Feder einbauen, weil mein
linker Wadenmuskel mir nicht erlaubt, eine
harte Bremspedalfeder durchzudrücken. Selbst
während der Türkenkriege hätte ich mir zu hel-
fen gewußt. Prinz Eugen war zwar durchweg
jünger als ich. Er hätte mich erschießen lassen.
Aber ich hätte auf dem Weg zur Hinrichtungs-
stätte plötzlich türkisch gesprochen. Dann hät-
ten sies ihm gemeldet. Und schon wäre ich sein
Spion gewesen und wäre erst später von den
Türken hingerichtet worden. Sie wollte schon
um meine Porscheschnauze herumbiegen, als ich
leise rief. Sie erinnerte sich zum Glück an diese
Szene und stieg ein. Hoppla, sagte sie. Ich versu-
che, solche Autos rasch wieder zu verkaufen.
r'^4
■"^i:^.
irr. ..^•.-■.•. •■
s1'*f;^-iC<
einem Wolf den Schafspelz, der ihm ermöglichte,
sich die Deutschen mit Hilfe ihrer Ideale hörig
zu machen.
Die eine Bewegung ist ohne jene andere nicht
denkbar — das ist, sieht man die Lauterkeit der
ersten Impulse, den Adel des Widerwillens ge-
gen heudilerisches Spießertum und erstik-
kende Bürgerlichkeit, die Sehnsucht nach
Natürlichkeit, Echtheit und Ursprünglichkeit,
die jene Jugend damals buchstäblich in Bewe-
gung setzten, nämlich auf die Wanderschaft
trieben, ein wahrhaft Schaudern erregender Be-
fund. Und wenn ein so reiner Impuls wie der,
aus dem die »Jugendbewegung entstand, den
Mißbrauch nicht verhindern konnte, der mit die-
sen Idealen getrieben wurde, was hätte ihn dann
verhindern können oder müssen? Läßt die Mani-
pulation von Idealen nur Schlüsse auf die
schmutzigen Hände derer zu, die sie erfolgreich
betrieben? Oder zwingt die Manipulierbarkeit
von Idealen zu Schlüssen auf deren wahren Cha-
rakter? Oder auf den Charakter derer, die sich
kraft dieser Ideale manipulieren lassen?
Am Anfang der Wandervogelzeit stand — das
kann man in den Dokumenten wieder und wie-
der lesen — nicht eine Ideologie, sondern ein
Trieb: „Ein großer Trieb ging durch das ganze
Land. . ." (Hans Breuer) — der Trieb zu wandern.
Erst in einer zweiten Phase wurde das Wandern
als Hinauswandern aus einer Gesellschaft,
wurde der Umgang mit der Natur als Protest ge-
gen die Unnatur einer saturierten, in ihren
Konventionen gefangenen Gesellschaft ver-
standen und sehr bewußt als Mittel einer
neuen Selbstfindung und Selbsterziehung
des jungen Menschen eingesetzt. Triebe sind
irrational, und auch wenn sie in der — von der
heutigen Triebentfesselung her gesehen völlig
harmlosen — Form des Wandertriebs auftreten,
der im innigen Kontakt mit der Natur, in der Er-
oberung der heimatlichen Landschaft, im einfa-
chen Leben und dem Stolz darauf, der Krücken
der Zivilisation nicht zu bedürfen, seine volle
Befriedigung fand, wird er von der in einem
streng durchrationalisierten Gefüge banaler Ge-
wohnheiten und enger Moralbegriffe lebenden
Gesellschaft, die sich noch dazu Verlogenheit
vorwerfen lassen muß, mit Mißtrauen betrachtet
werden.
Mißtrauen macht hellsichtig, und daß der
Wandertrieb eine sexuelle Komponente enthielt,
wurde von den Gegnern des Wandervogels, zu
denen der überwiegende Teil der Lehrerschaft
und der Geistlichkeit gehörte, schärfer gesehen
als von seinen Befürwortern. Diese begegneten
der Verdächtigung entweder mit einem um so
nachdrücklicheren Bekenntnis zur „Reinheit"
ihres Wollens (und also etwa mit der anfänglich
entschiedenen Ablehnung der Aufnahme von
Mädchen), und zur Notwendigkeit der Sublimie-
rung. „Reif werden und rein bleiben" war die
Devise des „Wanderers zwischen beiden Wel-
ten", der Walter Flex' von Millionen gelesene
Erzählung zu ungeheurer Wirkung verhalf. Oder
aber der Sexualtrieb wurde, wie von Hans Blü-
her und seinen Anhängern, einseitig im Sinne
platonischer Homoerotik interpretiert, zum päd-
agogischen Eros zwischen älterem Führer und
jungem Geführten überhöht und die Begegnung
mit dem anderen Geschlecht dadurch eher noch
radikaler verhindert.
Daß der Naturtrieb, der als Wandertrieb die
Jugend in Bewegung setzte, die Tabuierung des
Geschlechtlichen, auch als das Verhältnis zwi-
schen wandernden Jungen und Mädchen lang-
sam natürlicher und unbefangener wurde, nicht
durchbrochen hat, unterscheidet den auslösen-
den irrationalen Impuls von damals nicht nur
graduell von dem, der ein halbes Jahrhundert
später der Bewußtwerdung der Jugend voraus-
ging; die Durchsetzung einer vollständigen
sexuellen Freiheit macht den Unterschied zwi-
unternommenen Versuche, die Jugendbewegung
in den Dienst der Wehrertüchtigung zu stellen
und sie in den zur Pflege des Wehrkraftgedan-
kens von ihm gegründeten Jungdeutschland-
bund aufzunehmen, aber man begründete die
Ablehnung damit, daß der Wandervogel „von all
den bestehenden Vereinigungen seinen Mitglie-
dern für den Krieg die besten Grundlagen mit
auf den Weg" gebe. Man wollte sich immer „von
dem Verdacht freihalten, eine Wehrkraft-Wehr-
macht-Militärspielbewegung zu sein". Der Satz
stammt von dem ehemaligen Kapitänleutnant
Hans Paasche, der im 1. Weltkrieg als radikaler
Kriegsgegner ins Gefängnis kam und zur Zeit
der Arbeiter- und Soldatenräte angeblich auf
der Flucht von rechtsradikalen Soldaten er-
schossen wurde.
Aber der Antimilitarismus der übrigen Wan-
dervögel war weniger konsequent, konnte es bei
jungen Menschen, die zu einer „fast fanatischen
Liebe zum Volkstum" erzogen waren, angesichts
eines „Volkskriegs" auch gar nicht sein: die Be-
geisterung, mit der sie in ihn zogen, brauchte
ihnen nicht suggeriert zu werden; wie von selbst
vollzog sich der Wechsel von der Suche nach den
nationalen Ursprüngen zum Kampf für das
nationale Ziel.
Er vollzog sich um so bedingungsloser, als es
ein Ziel, das außerhalb ihrer selbst lag, für die
Wandervögel nie gegeben hatte. Die Prinzipien
ihrer Selbstfindung, Selbsterziehung waren die
redhtlgte jjurcnt ahaerer VoiKer vor aer „irra-
tionalität" der Deutschen hat ihre Ursache in
einem Selbst- und Überlegenheitsbewußtsein,
das aus solcher mythischen Begründung unge-
heure Kräfte bezieht. Weil der Wandervogel die-
ses typisch deutsche Selbstbewußtsein nicht
grundsätzlich in Frage stellte, es vielmehr ledig-
lich von seinen Schlacken reinigen wollte, um es
neu rechtfertigen zu könnea, arbeitete er un-
schuldig-schuldig jener andtren Bewegung vor,
die sich die Emütionaiität dtues auf irrationale
Werte sich gründenden nationalen Selbstbe-
wußtseins schamlos und ohne auf ernsthaften,
nämlich geschlossenen Widerstand zu stoßen,
zunutze machen konnte.
Spätestens da zeigte sich, daß eine Jugend ihre
Bewegung nicht imgestrafi als „apolitisch" ver-
steht, wie die Statuten des Wandervogels es ver-
langten. Auch das Ausweichen vor politischer
Auseinandersetzung ist eine in höchstem Maße
politische Entscheidung. Deshalb zeigt sich hier
am deutlichsten der nicht nur individualistische,
sondern der Klassencharakter der Jugendbewe-
gung. Die Wandervögel, zumindest die der Zeit
vor dem 1. Weltkrieg, sahen keine Veranlassung
zur Rebellion gegen eine Klasse, mit der sie sich
schon dadurch identifizierten, daß sie — als
Schüler höherer Lehranstalten — ganz selbst-
verständlich unter sich blieben. Ihr Augenmerk
war so ausschließlich auf Selbstfindung, Selbst-
bewährung, Selbstertüchtisung gerichtet, daß die
Problematik einer Gesellschaft, die auch als In-
stätltischer Abenteuer begreift — immer wieder
die Chance, von neuem anzufangen. Aber das Ich
gerät trotz dieser Erzähler-Freiheit nur in im-
mer erneuerte, meist unsinnige, wenn auch amou-
röse Verstrickungen. Äußerste Objektivität ge-
genüber dem Ich schlägt um in reinste Erzähl-
Subjektivität. Sprache wird dabei so sehr als be-
kannt, allzu bekannt vorausgesetzt, daß sie zu
Verkürzungen förmlich einlädt. Virtuosität und
Ironie sollen einen Prosaversuch zuEammerhal-
ten, der das moderne Deutsch als soziologisches
Faktum begreift, fern aller unvermittelten Ge-
sellschaftskritik. Unser Vorabdruck ist der An-
fang von den Münchner Erlebnissen des Walser-
schen Ich. Der vollständige Text wird unter dem
Titel „Fiction" im Februar im Suhrkamp-Verlag
erscheinen.
Ich. Es gibt. Ich gehe. In die Stadt. Eine
Menge Menschen. Es gibt immer. Wo ich hin-
komme. Eine Menge Bilder. Ich folge. Es
kommt mir bekannt vor. Jeder erzählt, daß er
ging. Ich ging über den Stachus. Mein linker
Waden muskel schmerzt. Ich darf nicht mehr auf
dem Ballen auftreten. Sobald ich nur auf der
Ferse auftrete, schmerzt der Wadenmuskel
nicht. Wenn Leute auf mich zukommen, denen
ich nicht durch Hinken auffallen will, bleibe ich
einfach stehen. Mein Muskel fühlt sich riesig an.
Kein Wunder, daß ich denke, ich schleppe mei-
nen linken Wadenmuskel durch die Stadt. Kein
Wunder, daß ich unter diesen Umständen den
Aber ich hätte auf dem Weg zur Hinrichtungs-
stätte plötzlich türkisch gesprochen. Dann hät-
ten i-ie's ihm gemeldet. Und schon wäre ich sein
Spion gewesen und wäre erst später von den
Türken hingerichtet >vorden. Sie wollte schon
um meine Porscheschnauze herumbiegen, als ich
leise rief. Sie erinnerte sich zum Glück an diese
Szene und stieg ein. Hoppla, sagte sie. Ich versu-
che, solche Autos rasch wieder zu verkaufen.
.Soviel Geld verdiene ich nämlich auch wieder
nicht. Es gibt richtige Notzeiten bei mir. Ich
fahre dann zu einem höheren Festangestellten,
klage über meinen Wadenmuskel und leihe mir
einen Vorschuß. Fahren wir also, solange wir das
Auto noch haben, zum Aumüller hinaus. Sie
wollte aber lieber zum Weinbauer. Grünwald,
bitte, wie Sie wollen. Ich sage jetzt schon voraus,
daß sie einen winzigen Langhaardackel bei sich
hatte. Natürlich spielt vorerst der Wadenmuskel
die größere Rolle. Ohne diesen Schmerz hätte
ich nicht den Mut gehabt, ein solches Auto ein-
zuführen, und ohne ein solches Auto hätte ich
nicht gewagt, diesen Eroberungsversuch zu
machen. Das ist nicht wahr. Soviel vermag ein
Wadenmuskelschmerz auch wieder nicht. Das
Mädchen, vergessen wir doch nicht: dieses Mäd-
chen. Ich traue mich mit keinem Wort mehr an
dieses Mädchen heran. Gehen wir, bitte, noch
einmal zurück. Mindestens bis zum Lenbach-
platz. Die Frauentürme spielen auch eine Rolle.
Die Obszönität dieser beiden Türme ist. Ich
sollte es immerzu kalt regnen lassen. Aus dem
DEUTSCHE WANDERVÖGEL layern an einem See in Finnland.
PHOTO: ARCHIV
A
■ ^m,
c;^rr..fn^/Sonntag, 17./18. Januar 1970 / Nr. 15
^ttnUetm
seit Jahren verlassenen Gehöft grunzen verkru-
stete Schweine. Eines richtet sich auf. Offenbar
eine Mutation. Bachmusik. Und der Idiot heißt
August und sagt, er wisse genau noch ]eden
Satz den der Oberschulrat bei der Einweihung
der Hüttener Volksschule gesagt habe. Es regnet
August ins Gesicht. Der Oberschulrat hat gesagt,
die Hüttener Volksschule, die er hiermit der Ge-
meinde übergebe, sei die modernste weit und
breit August hat eine hohe löchrige Stimme. Er
ist im Spülraum des Krankenhauses der tonan-
gebende Mann. Er sagt natürlich, daß er dem
Küchenchef Einfluß im Spülraum gestatte. Ich
habe schon 60 Mark Schulden bei Kohler. Und
die Uhr könnte längst abgeholt werden, wenn
ich 25 Mark hätte. Die Ärzte essen nicht mit den
Schwestern. Die Schwestern essen nicht mit dem
Personal Das Personal ißt nicht mit den Putz-
frauen. Aber Pasohni. Aber er ist mit Orson
Welles befreundet. Sagt P. H. Kennen Sie ihn.
Ich möchte Ihnen damit nur sagen, falls Sie
mich eine Stunde anhören würden, wäre das für
mich. Ein solches Mädchen wie Sie. Mir gehört
kein verregnetes Gehöft. Die Sonne scheint. Vor-
her löste sich ein Mädchen Ihres Alters nur mit
ungeheurer Mühe von einem Mann. Er ging in
den Alten Botanischen Garten. Sie ging Rich-
tung Lodenfrey. Verstehen Sie mich. Es gibt
offenbar Mädchen, die waren lieber mit einem
zusammen, als daß sie sich von einem trennten.
Falls so etwas bei Ihnen der Fall ist, würde ich
gern eine Stunde mit Ihnen. Nachher können Sie
sich ja frei entscheiden. Lassen wir's bei diesem
Porsche. Obwohl sie mir ja unheimlich verkom-
men vorkommt, wenn sie jetzt gleich einsteigt.
Ich bin radikal. Treue um Treue. Sie soll es
schön haben. Sie steigt ein. Entsetzlich. Ich
wollte ihr sofort meinen Schmerz mitteilen. Sie
war so was von entgegenstrebend. Nein. War sie
nicht. Sie saß finster. Vorgebeugt. Ellbogen auf
ihren Knien. Ich sagte. Ich fühlte, dies war ein
Augenblick, von dem mein weiteres Leben. Da
sagte ich ihr auch. Ich war zu. Entweder. Das
gibt es. Dieses Mädchen. Das geht vom Lenbach-
platz in Richtung Lodenfrey und wird von einem
gekätscht. Ich war wirklich bereit, mein bisheri-
ges Leben aufzugeben. Mir schwebte sofort
Arbeit vor. Ich sagte, gut, wenn Sie Grünwald
vorziehen. Halt, biegen S' ein, da, in den Augusti-
ner-Garten, den mag ich so gern. 1 Kalbsbraten
glac. mit Semmelknödel, 1 Tellerfleisch, 1 Bier.
Der Dackel holt aus dem Kies immer wieder
schwarze Hühnerknochen. Sie springt jedes Mal
auf und nimmt sie ihm aus den Zähnen, Das sind
doch Röhrenknochen, wenn er die zerbeißt, hat
er ein Stück in der Luftröhre und ich kann ren-
nen. Die Bedienung bezeichnet ' sich selbst als
stocknarrisch. Ich wundere mich darüber, daß
man so alte Hühnerknochen ohne weiteres an-
fassen kann. Dann legt sie die Knochen auf einen
noch nicht abgetragenen Teller, der auf dem
Nebentisch steht. Dann zur Bank. Neuvians. Die
ist noch zu. Solange auf eine Bank in den Anla-
gen Dann wieder zur Neuvians-Bank. Sie muß
Geld holen. Fragt mich, ob sie gleich wechseln
soll, oder erst in Nizza. Mir hat man schon er-
klärt, was vorteilhafter ist. Aber wenn eine Ent-
scheidung zwnschen zwei Möglichkeiten zu tref-
fen ist, vergesse ich, welche die vorteilhafte ist.
Man müßte im Stande sein, nur die vorteilhafte
im Gedächtnis zu behalten und die andere zu
vergessen. Sage ich ihr. Sie schaut mich zum er-
stenmal an. als wären wir einander fremd. Also.
Sie wissen's nicht. Nein. Ich bleib mit dem Dak-
kel auf Neuvians' Stufen sitzen, kassiere BUcke.
Dann in eine Drogerie. Einen Bademantel kau-
fen. Mein V/adenmuskel. Wir gehen das ja alles
zu Fuß. In der Drogerie gab es keinen. Nur
einen. Einen roten. Und der war auch nichts. Ich
konnte mich leider nicht setzen. Mein Hündchen
wurde wieder bewundert. Dann eben zu Beck
am Rathauseck. 2. Etage, links. Der rote in der
Drogerie war eben doch nicht so schlecht. Sie
ging trotzdem in die Umkleidekabine. Ich im Be-
reich. Sie zeigt sich mir erst gar nicht. Der fällt
nicht schön. Aber nebenan klappt es. Und noch
eine Leinenbadetasche, grellorange, innen der
Boden weißes Plastik, 19,60 u. 39,50. Lassen Sie
mich das, bitte. Dann will ich noch in die inter-
nationale Buchhandlung, The naked Lunch, ein-
fach als Test. Ist das unanständig? Leider zur
Zeit nicht am Lager. Dann ins Luitpold. Kaffee
und Käsesahne. Bitte, für mich nur Kaffee. In
die Apotheke vis ä vis, wo sie alles auf den
Namen ihrer Mutter aufschreiben lassen kann.
Ich warte an der heißen Wand. Zum nächsten
Lutthansa -Laden. Ich buche für sie, als wäre ich
der Glückliche, einen Rückflug für den 23.. Nizza
ab 18.45, 20 Uhr an Frankfurt, dann zur Zeit, ja
nur nach Nürnberg, macht nichts, wird sie abge-
holt, noch Wäsche in der Praxis, nein, das macht
sie morgen, übermorgen fährt sie, also, auf Wie-
dersehen, machen Sie's gut, mein Wadenmuskel
macht mir ganz schön, hören Sie, ich bitte Sie,
ohne Sie hab ich keinen Porsche, stehe ich wirk-
lich saudumm in München und warte auf den
Zug, der durch die Hitze wohin fährt. Hätte ich
ihr die Flugkarte bezahlen sollen? Natürlich.
Das war der Fehler. 230 Mark. An so was laß ich
es scheitern, das sieht mir gleich. Was tu ich
jetzt mit 230 Mark. Ich kann nicht weiterleben
ohne sie, habe ich mir gesagt. 230 Mark, mein
Gott. Viel Geld. Aber wenn man nicht weiterle-
ben kann. Gehen wir doch, BITTE, noch einmal
zurück. Zum Lenbachplatz.
Gefühle und seinen Zustand zu beurteilen in
dem Augenblick, da er sie zu erklären glaubt.
Der einzige Mensch, der nichts Gültiges über
sein eigenes Herz zu sagen hat, ist derjenige, der
verkündet, daß er es verschenkt habe.
Zu Anfang gelüstot es einen nach einer Frau:
man macht sich falsche Vorstellungen von ihr;
man erwartet von ihr eine gewisse erfreuliche
Erregung, die die j^alanten Reden und kleinen
Lobsprüche begleitet; man ergreift die Gelegen-
heit es den Romanhelden gleichzutun; man
träumt von einer zärtlichen Neigung, wobei es
wenig darauf ankommt, wem sie zuteil wird;
man wählt eine Lebensgefährtin, ohne zu wis-
sen, ob sie brauchbüi ist . . . Zu guter Letzt liebt
man sie. Manchmal.
Eine Frau „lieben" heißt fast immer, sie nicht
entbehren können in dem Augenblick, da uns
ihre Anwesenheit zugemessen wird. Aus dieser
Liebe ' kann man koine Schlüsse ziehen auf die
Zeit da uns dieselbe Anwesenheit auferlegt
wäre Dennoch bieten die Männer weiterhin der
Dame ihrer Träume die Ehe an, weil dieses Wort
ein Unendlich beschwört, dessen Rausch die
Wonnen der flüchtigen Liebe erhöht. Und auch
desha'b, weil die Madchen gelernt haben, diesen
Preis bezahlen zu las.sen: „Du v/illst mich für
eine Stunde? Vierzig Jahre wirst du mich haben.
Entweder das eine oder das andere." Ist es da
verwunderlich, daß so viele Männer mogeln,
nachdem sie derart für dumm verkauft worden
sind?
fügen, der Hierarchie. Ebenso wird die Theorie
der Liebe von einer großen Zahl von Leuten ver-
breitet, die niemals Liebe kennengelernt haben
und sie niemals kennenlernen werden, ausge-
nommen ihre Mißerfolge und ihr falscher
Schein.
„Ein schönes Paar" . . . Jedermann wünscht,
daß der gutaussehende junge Mann das anmu-
tige junge Mädchen heirate. Als ob es das Ziel
der Ehe sei, uns mit einer dekorativen Kompar-
serie zu umgeben. Jedenfalls wird das schöne
Paar aufhören, schön zu sein. Von diesem
Augenblick an sollte seine Geschichte schön
sein.
Seitdem fast alle Neugeborenen überleben und
die Alten das Sterben hinauszögern, mußte es
dem sozialen Instinkt überlassen bleiben, die
Zahl der Menschen mit anderen Mitteln zu be-
schränken. Das hatte er in den zivilisiertesten
Ländern schon zu tun begonnen. Hingegen gefiel
man sich darin, auch diesen Ersatzmechanismus
zu verfälschen. Es gibt einen dritten: den
Krieg ... Zu spät: Die Wissenschaft und die
Humanitätsduselei haben auch ihn schon un-
brauchbar gemacht !
Der Bourgeoisie kann man auf dem Gebiet der
Ethik zwei recht beachtliche Verdienste gut-
bringen: eine gewisse äußere Würde; und die
Geburtenkontrolle. Weder die eine noch die an-
dere haben diese Klasse überlebt, vielmehr sind
nur deren Nachteile und Fehler auf jene überge-
gangen, die ihr nachfolgt.
PAUL KONRAD KURZ
Roman
ROBERT POULET
Die ganz
Das Kino hat bei uns die amourösen Sitten
zerrüttet weil es eine amerikanische Kunst ist
und sie sich in der Darstellung der Liebe auf den
sexuellen Reflex der Amerikaner stützt, der sehr
viel weniger prompt ist als der unsere.
Damit sich der Mann jenseits des Atlantiks
sexuell erregt, bedarf es sehr bestimmter und
nachdrücklicher Bemühungen, von denen der
zehnte Teil genügen würde, um den franzosi-
schen Mann zu entflammen. Man braucht als
Bewpis nur den Kuß auf den Mund, der in latei-
nischen Ländern gut und gerne in den Bereich
der eigentlichen Sinnlichkeit gehört, wahrend er
in angelsächsischen Ländern sogar zwischen
Mutter und Sohn, zwischen Vater und Tochter
gang und gäbe ist. Wenn eine Französin vor dem
Aufkommen des Kinos ihrem Verehrer die Lip-
pen bot, dann gab sie damit zu erkennen, daß sie
der letzten Hingabe nicht mehr fern war. Und
aus gutem Grunde, denn von nun an versetzte sie
den Verehrer in die Lage, dieser Hingabe anzu-
nehmen . Außerdem unterstellte diese ent-
scheidende Liebkosung, daß die Intimität gesi-
chert war. Die Linie, die die schlichten Kennzei-
chen der Zuneigung von den Präliminarien der
Umarmung trennt ^ also den öffentlichen und
den privaten Bereich - verlief zwischen dem
Arm um die Taille und dem geküßten Mund.
Doch auf der Lemwand sahen Millionen euro-
päischer Zuschauer, daß sich junge Amerikane-
rinnen in aller öf f<-'ntlichkeit von bedeutungslo-
sen Flirts" küssen ließen, obwohl sie keines-
wegs" die Absicht hatten, sich ihnen hinzugeben.
Die iugendliche Nachäfferei konnte dem Verlan-
gen nicht Widerslehen, diese Verhaltensweise
nachzuahmen, die indes bei uns einen anderen
und die
Wohlstands - Ge
Zu einer englischen Untersuchung
" ^ • 4 » uini^ti Thntnas und W ilf ried van der Will haben sich in einem
^T^::r^Z^S:X^ erschienen ist .OB Seiten. ..0 OM>. mit
dem „Deutschen Roman und der Wohlstandsgesellschaft" ausemandergesetzt.
Trotz zahlreicher Ansätze in Monatsschrif-
ten und Feuilletons wurde von der deut-
sclien Germanistik und Literarkritik bis-
her weder über die erste Periode der deut-
schen Nachkriegsliteratur noch über die Periode
der deutschen Wohlstandsgesellschaft eine zu-
gleich materialkundige und einen Zusammen-
hang herstellende Arbeit vorgelegt.
Man weiß, daß die deutsche Hochschul-
germanistik die Auseinandersetzung mit der
Literatur nach 45, und also mit der eigenen
Gegenwart, bis in die jüngste Zeit sträflich
ausgelassen hat. Nunmehr kommt eine Arbeit
von außen. Nicht aus den von Germanistik über-
fließenden USA, sondern aus dem ehemals ger-
manistisch unterentwickelten England. Sieht
man von Roy Pascal und Michael Hamburger
oder von Martin Esslin ab, so ist bisher von jen-
seits der Themse nur wenig deutsche Literarkri-
tik in das Ursprungsland seiner Texte zurückge-
flossen. Die Beschäftigung nüt Literatur ist im
angelsächsischen Raum weit weniger in die
Sa ■ — - ^-* ^4.^*i^^
Konservativen, negativ gewertet, figuriert Gai-
ser der freilich nur im „Schlußball" mit Klein-
stadthänden in die Wohlstandsschüssel langt.
Gaiser zeigt im Gegensatz zu den übrigen
Romanautoren so etwas wäe einen „positiven'*
Horizont, einen von der Jugendbewegung, vom
heroischen Bild des Menschen, von „heiler"
Natur, vom Mythischen und vom Christlichen
herkommenden „Glauben". Das Problem der
Identität der Person entsteht für seine Figuren
nicht. Was das Mißfallen der beiden Literarhi-
storiker erregt, könnte als Frage nach Genera-
tion und Herkunft, nach der Basis des Lebensge-
fühls auch neutraler gesehen werden. Ein Sei-
tenblick auf Hans Erich Nossack oder auf Max
Frisch hätte hier wohlgetan.
Die übrigen genannten fünf Autoren ver-
treten als zeitgenössisdie Intellektuelle das
Antüdeologische und die mehr oder minder
ausdrückliche Utopie einer rationalen Gesell-
schaft auf der Grundlage einer international
gesonnenen Humanität. Koeppens Ausweichen
l^-'-^-VJ
Die ganz
konventionelle Liebe
Ketzerische Gedanken contre Vamotir
lede Wahrheit habe zwei Seiten, findet der Belgier Robert Poulet, und die Kehrseite, die sich
dem Blick entzieht, sei nicht die weniger interessante. In drei Aphorismen-Sammlungen hat er
Gedanken Contre la Jeunesse" (Wider die Jugend - vor zwei Jahren im Klett- Verlag auf deutsch
^rsl™ ,»e ramour« und „Contre la plebe" aufgezeichnet. Wir veröffentlichen hier Aus-
züge aus der zweiten, die im Frühjahr in der Übersetzung von Margaret Carroux gleichfalls bei
Klett herauskommt; sie ist mit dem Prix Sainte-Beuve ausgezeichnet worden.
Es ist ärgerlich, daß die Menschen zur
Liebe tauglich sind, ehe sie eine Ahnung
von deren Wesen haben und ihre Folgen
ermessen können. Aber das Schlimmste ist.
daß sie dann nur auf die falsche Weise lieben
können. Und das, weil sie ihre Informationen
auf diesem Gebiet aus Büchern beziehen. Wahr-
scheinlich praktizieren die der Natur nahen Ge-
schöpfe die Vereinigung der Geschlechter, ohne
gekünstelte Elemente hineinzumengen, die der
Welt des „Gefühls" entlehnt sind. Kurz gesagt,
die Zivüisation hat die Liebe verdorben, und
zwar durch ein Übermaß von Idealismus, dessen
lächerliche und entwürdigende Wirkungen be-
sonders im Laufe der Jugend auftreten. Wenn
man die Menschheit neu erschaffen könnte, dann
müßte man die Pubertätszeit um fünfzehn oder
zwanzig Jahre hinausschieben.
Diese Babys, die in fünf Minuten neue Babys
erzeugen. Und so immer weiter, bis die ganze
Welt im Infantilismus untergegangen ist.
Ganz gewiß werden sich die Frauen niemals
verrechnen, wenn sie auf die Faulheit der Män-
ner bauen. Es gibt wenig Lieben, bei denen der
Mann nicht in gewissem Maße immer den Weg
des geringsten Widerstandes einschlägt. Insbe-
sondere der moderne Mann, der wenig Zeit und
vv^enig Phantasie hat. Er trifft gar keine Wahl
mehr, denn Wählen setzt Verzögerungen voraus,
eine Reihe von Überlegungen und Umstellun-
gen. Man nimmt, was man findet. Schicksale
regeln sich in zehn Minuten, wie beim Roulette-
spiel. Man verführt seine Klassenkameradin,
man heiratet die Nachbarstochter, nachdem man
flüchtig mit der einen und mit der anderen die
übliche Komödie aufgeführt hat: plötzliche Lei-
denschaft, du bist mir unter allen anderen vom
Schicksal bestimmt, ich könnte sterben vor
Liebe, usw. Die Liebschaften und Ehen scheitern
aus Schlappheit, haben Bestand aus Gewohn-
heit, gehen auseinander aus Mangel an Mut. Die
Phantasie ist zu rege und der Wille zu schwach.
Man kann sich nur an jemanden anschließen,
den man heiß liebt, und dieses unerhörte Privi-
leg läßt man einem x-beliebigen zukommen.
Man kennt die Liebe durch jene, die sie nicht
gekannt haben: Racine, Stendhal, Chardonne . . .
Die Literatur über die Liebe scheint sich das
Ziel gesetzt zu haben, eine Wahrheit, die allzu
oft scheitert, durch eine rührende und dekora-
tive Fiktion zu ersetzen.
Ein Gefühl, das die Aufrichtigkeit des Begeh-
rens besäße, unendlich wäre v/ie die Leiden-
schaft und außerdem ehrenwert und gerechtfer-
tigt wie die eheliche Zärtlichkeit, das ist die kon-
ventionelle Liebe, wie sie in den Romanen be-
schrieben und im Leben vorgeschrieben wird.
Das Ärgerliche ist. daß es sie nicht gibt.
päischer Zuschauer, daß sich junge Amerikane-
rinnen in aller Öffentlichkeit von bedeutungslo-
sen „Flirts" küssen ließen, obwohl sie keines-
wegs" die Absicht hatten, sich ihnen hinzugeben.
Die jugendliche Nachäfferei konnte dem Verlan-
gen nicht widerstehen, diese Verhaltensweise
nachzuahmen, die indes bei uns einen anderen
Sinn erhält, und zf^ar durch die völlig verschie-
dene Wirkung, die si( auf einen der Partner aus-
übt — und sogar auf den anderen, ein treffendes
Beispiel für das, was an den fremdländischen
Sitten absurd ist.
Überdies ist die Bedeutung der Filmsprache
verfälscht worden. Wenn in Paris eine Frau
einem Mann in die Arme sinkt, dann bedeutet
das — noch heute - . daß sie ihm die letzte Gunst
zugestehen wird. So ist das nicht in einem Holly-
wood-Film, aber da tauscht man sich.
Irregeführt durch das Kino, haben die franzö-
sischen Mädchen die Fähigkeit verloren, bei der
amourösen Koketteiie eine wichtige Nuance
zum Ausdruck zu bringen. Jetzt muß explizite
gesagt werden, was man akzeptiert, was man zu
tun bereit ist, und vovon bis auf Widerruf nicht
die Rede sein kann. Die Art und Weise, wie die
Jungen den Mädchen den Hof machen, ist von
widerwärtiger Platti^eil; es ist gar nicht mehr
spannend: Man schläft miteinander, oder man
schläft nicht miteinander. Ich sage nicht, daß die
durch die männliche Widerspenstigkeit der her-
kulischen Yankees hervorgerufene Zv/eideutig-
keit die einzige Ursache dieses Wandels war.
Etwas Schuld hat sie.
„Ich liebe sie!"' •— „Ach so. Sie lieben sie!" Als
ob" dieses Verb zu allem paßte, alles erklärte!
Man fügt nicht hinzu, wie man müßte: „Lieben
Sie sie so. daß Sie eine aufregende Nacht mit ihr
verbringen möchten oderfünf langweilige Jahre?
. . . Des Haders müde? . . . Unfreiwillig? . . . Aufs
Geratewohl? . . . Weil sie die erste ist — oder die
letzte? . . . Alles wohlüberlegt? . . . Ohne eigent-
lich zu wissen, warum? . . . Den Kopf verloren
oder an etwas anderes gedacht . . . Wegen ihres
linken Ohrs, ihres Ganges, eines Blicks, etwas
bloß Dahergeredetem. eines Rocks, der ihr gut
steht, wegen ihres Geldes? Aus Berechnung? . . .
Wie in einem Traum? . . . Handelt es sich darum,
ein wenig auf einer Bank zu plaudern, gemein-
sam nach Spanien zu fahren und dann Schluß,
eher sechs Menschen umbringen als auf sie ver-
zichten, und auch sie umbringen? ... Mit ihr eine
Familie gründen oder sie nur im Kino an sich
drücken? Ihr mit feierlichen Schwüren Ihr
Leben weihen? Mit der Absicht, die Schwüre zu
brechen, oder so aufrichtig wie es nur geht?
Aber in diesem Fall, um die Aufrichtigkeit bald
zu revidieren, um zu erkennen, daß Sie sich ge-
täuscht haben, und mit hundert anderen anzu-
fangen? . . . Lieben und achten Sie sie? Oder lie-
ben und hassen Sie sie? Lieben Sie ihr Traum-
bild, das Symbol der Weiblichkeit, Ihr eigenes
Ebenbild; alle oder niemanden? ... Und wenn
Sie sagen, Sie lieben sie, wollen Sie damit nicht
sagen, was jedermann sagt? Oder um irgend
etwas zu sagen? . . . Nennen Sie nicht die Ab-
wechslung, die in Ihrem Leben gang und gäbe
ist, gern Liebe?"
Wenn jemand, der liebt, auf diese Fragen eine
Antwort gibt, spricht er sich selbst das Urteil.
Wenn er nicht antwortet, spricht er sich auch
das Urteil. Aber das haben schon Millionen Män-
ner vor ihm getan; weil sie der Verlegenheit, in
die eine Frau sie bringt, nicht entgehen können,
ohne sie ihrer Liebe zu versichern, und weil das
ein Wort bar jedes Sinnes ist. Oder aber ein un-
endlich vielsinniges Wort, was auf dasselbe hin-
ausläuft.
Daraus folgt, daß es, wenn man erklärt, man
liebe, nichts regelt, nichts beweist, außer daß es
für denjenigen, der spricht, unmöghch ist, seine
Unsere Vorfahren hatten eine Strategie für
Gefühl und Sinnlichkeit aufgestellt, vom Salon
des Bordells bis zu dem der Mme Recamier, die
dem Rhythmus des Mannes entsprach und ihm
erlaubte, alle seine Hilfsmittel aufzubieten,
wobei den Frauen die Möglichkeit blieb, sich
damit abzufinden oder nicht, je nach ihrer Nei-
gung und der Lage. Dieses Kartenhaus, das aus
Konventionen, Angriffs- und Vertcidigungsmit-
teln, maßvollen Konzessionen und stets abände-
rungsfähigen und erklärbaren Verhaltensweisen
bestand, ist bedauerlicherweise eingestürzt,
nachdem es drei Jahihunderte überdauert hatte.
Die galante Liebe darf nur noch als Erinnerung
zählen. Sie wird durch etwas anderes ersetzt, das
sich zu ihr in etwa verhält wie Esperanto zur
Sprache von Mallarmc. Wohlgemerkt, weder die
eine noch das andere enthält wahre Liebe. Ein
subtiles Spiel ist auf ganz dumme Weise durch
plumpes Spiel ersetzt. Der Einsatz bei beiden ist
das Flechtwerk verschiedener Freuden, die ein
Glacis um die Befriedigung des Begehrens bil-
den.
Zweifellos bringt man es leichter fertig,
jemanden zu lieben, den man nicht liebt, als
jemanden, den man liebt.
Es gibt keine unglückliche Liebe, keine erkal-
tete Liebe, keine Verzweiflung aus Liebe; ebenso-
wenig, wie es eine ausschUeßlich positive Elek-
trizität gibt. Die Liebe beginnt, wenn der Strom
einsetzt. Vorher sind es nur Sehnsüchte, Enttäu-
schungen oder Verirrungen. Ein junger Mann,
den seine Schöne zurückgewiesen hat, stürzt sich
ins Wasser. „Er stirbt aus Liebe!" Nein, er stirbt
aus Mangel an Liebe. Männer bringen sich um,
weil sie nicht dem Mut haben, nachdem sie bei
einer Frau gescheitert sind, ihr Glück bei einer
anderen zu versuchen. Othello, Werther und so
weiter: Leute, die für die Liebe nicht geeignet
sind.
Heute wird die Gesellschaftstheorie von einer
großen Zahl von Leuien aufgeslol'.t. Hie tnrihig
sind, sich der ersten gescUschaftlichtn Regel zu
manistisch unterentwickelten England. Sieht
man von Roy Pascal und Michael Hamburger
oder von Martin Esslin ab, so ist bisher von jen-
seits der Themse nur wenig deutsche Literarkri-
tik in das Ursprungsland seiner Texte zurückge-
flossen. Die Beschäftigung nüt Literatur ist im
angelsächsischen Raum weit weniger in die
Sackgasse werkimmanenter Interpretation ge-
laufen. Der Blick auf die gesellschaftliche Um-
welt ging nie verloren, und die soziologischen
Quellen begannen früher als hierzulande auch in
die Germanistik zu fließen.
Man erinnert sich, der amerikanische Har-
vard-Ökonom J. Kenneth Galbraight veröffent-
lichte 1958 „The Affluent Society" (deutsch 1959
als „Gesellschaft im Überfluß" erschienen). Die
englischen Germanisten Richard H. Thomas
(geb. 1912) und Wilfried van der Will (geb. 1935)
publizierten ihre Untersuchungen zum deut-
schen Roman der fünfziger und sechziger Jahre
1968 unter dem soziologischen Titel „The Ger-
man Novel and the Affluent Society". Jetzt liegt
die überarbeitete und erweiterte deutsche Über-
setzung vor.
Jede größere gesellschaftliche Veränderung
verändert auch das Gegenüber und die Bedin-
gungen, Objekt und Subjekt der Literatur. Nach
Ansicht der beiden Autoren wurde die literari-
sche „Tabula-rasa"-Situation nach 45 über-
schätzt, der Beginn des wirtschaftlichen Wieder-
aufstiegs und die sich ausbreitende Wohlstands-
gesellschaft als literarische Zäsur unterschätzt.
Methodisch betrachtet sich die Untersuchung
..literatursoziologisch nur insofern, als sie die für
eine kritische Interpretation notwendigen sozio-
logischen Kenntnisse berücksichtigt". Später
heißt es im Kapitel über Martin Walser: „An die
Stelle weltan.schaulicher Dogmatik ist soziologi-
sche Einsicht getreten." In einem einleitenden
Essay beschreibt Thomas literar- und gesell-
schaftsgeschichtliche Voraussetzungen. Verän-
derungen des Romans, des Erzählerbewußtseins,
der Gesellschaft. „Eine allerorten pluralistisch
verstandene Gesellschaft, entgegen der älteren
Vorstellung vom organisch einheitlichen Cha-
rakter, drängt dem Individuum widersprüch-
liche Forderungen und Möglichkeiten aus ver-
schiedenen Richtungen auf." Goethes „unent-
rinnbare Identität des Selbst" war schon bei
Nietzsche, war im Roman bei Robert Musil, jetzt
aber in fast jeder kritischen Erfahrenssumme in
die Brüche gegangen.
Zeitlich beginnt die Thematik des aufsteigen-
den Wohlstands mit Wolfgang Koeppens „Tau-
ben im Gras", geschrieben nach dessen eigenen
Worten „kurz nach der Währungsreform, als das
deutsche Wirtschaftswunder im Westen auf-
ging", veröffentUcht 1951. Den Durchbruch des
neuen deutschen Romans sehen Thomas und van
der Will um 1958/59 mit Gaisers „Schlußball",
Bölls „Billard um halb zehn", mit der „Blech-
trommel" von Grass und Johnsons „Mutmaßun-
gen über Jakob". Im gleichen Jahr 1959 sagte
Günter Eich in seiner Büchnerpreis-Rede: „Es
wird Ernst gemacht, die perfekt funktionierende
Gesellschaft herzustellen. Wir haben keine Zeit
mehr, ja zu sagen. Wenn unsere Arbeit nicht als
Kritik verstanden werden kann, als Gegner-
schaft und Widerstand, als unbequeme Frage
und als Herausforderung der Macht, dann
schreiben wir umsonst, dann sind wir positiv
und schmücken das Schlachthaus mit Geranien."
Im folgenden Jahr kam Martin Walsers Roman
„Halbzeit" dazu; der Typ des Vertreters und
Handlungsreisenden auch hierzulande. Ein Sei-
tenblick auf die Lyrik hätte im gleichen Jahr
Enzensbergers „Landessprache" gezeigt. Die
Zäsur ist erkennbar.
Im Hauptteil analysieren Thomas und van der
Will die Romane von Gerd Gaiser, Wolfgang
Kocppen, Heinrich Böll. Günter Grass, Martin
Walser, Uwe Johnson. Als einziger Vertreter der
Frisch hätte hier wohlgetan.
Die übrigen genannten fünf Autoren ver-
treten als zeitgenössisdie Intellektuelle das
Antiideologisdie und die mehr oder minder
ausdrückliche Utopie einer rationalen Gesell-
sdiaft auf der Grundlage einer international
gesonnenen Humanität. Koeppens Ausweichen
auf Relsebüdier wird nicht mehr betrachtet.
Bölls Auseinandersetzung mit der Wohlstands-
welt beginnt mit den Satiren von 1952/53.
Die Verunsicherung der Individualität gegen-
über der sie umstellenden Wirklichkeit beginnt
im „Haus ohne Hüter", bricht im „Billard"-
Roman durch. In den „Ansichten eines Clowns"
ist „die Wirklichkeit zum erstenmal die Gegen-
wart der pluralistischen Gesellschaft der Bun-
desrepublik". Mit der Kritik der Wohlstandsge-
sellschaft als Auswahlprinzip der Romane geht
es nicht ganz so streng zu. Der exzellent analy-
sierte „Blechtrommer'-Roman — van der Will
kennt ihn aus seinen Picaro-Studien — hat ja
mit der Wohlstandsthematik kaum etwas ge-
mein, wohl aber mit der Rollenthematik, die van
der Wills Schlußkapitel einholt. Auch die „Hun-
dejahre" stoßen erst im dritten und schwächsten
Romanteil auf bundesdeutschen Wohlstandsbe-
trieb. Ähnliches gilt von Johnsons „Drittem
Buch über Achim", einer Art Detektivgeschichte
über eine festzustellende Identität. Daß John-
sons schwächere „Zwei Ansichten" dagegen aus-
fallen, hat mit dem Abschluß der Arbeit im
Herbst 1966 zu tun. Der neugierig weiterboh-
rende Leser bedauert natürlich, daß keine von
den Frauen — Wohmann, Eisner, Rasp — ins
Blickfeld kommt. Frischs „Homo Faber" hätte
berücksichtigt werden sollen.
Im Verlauf der Lektüre wird immer deut-
licher, daß die Darstellung des deutschen
Romans in der Wohlstandsgesellschaft einen
zweiten Pol hat: den der Rolle und Identität. Es
.scheint, als habe van der Will diesen Aspekt
stärker hereingeholt. Und von hierher erschei-
nen die Romane von Grass, Johnson. Martin
Walser, der im Nachhinein hereingeholte ..Gan-
tenbein" von Frisch, erschiene sogar „örtlich
betäubt" im Licht einer breiten thematischen
Bahn der Verunsicherung von Identität. Van der
Wills Schlußüberlegungen zum Problem der
Spannung empirische und fiktionale Gesell-
schaft, zum Begriff der plurahstischen Gesell-
schaft, zu Literatur und Markt, zum Schriftstel-
ler als Intellektuellen, zum genannten Rollenda-
sein, führen über den einleitenden Ansatz und
zum Teil auch über die Romananalysen hinaus.
Insofern ist die Darstellung nicht ganz inte-
griert, werden Materialteile sichtbar. Man hätte
gern Beziehungen zum „Nouveau Roman" und
zu der in den mittleren sechziger Jahren sicht-
bar werdenden ..dokumentarischen Literatur-
hergestellt gesehen. In dem von Will erwähnten
Vorwort Martin Walsers zu Erika Runges ..Bott-
roper Protokollen" wird nicht nur dokumentii-
risches Aufmerken, sondern auch das Problem
der vom intellektuellen Schriftsteller nicht dar-
gestellten und nicht darstellbaren Welt der
Arbeit deutlich.
Die beiden englischen Germanisten haben der
gegenwaitsscheuen deutschen Germanistik eine
kenntnisreiche, auf soziologischem Nenner auf-
gebaute, exemplarische Untersuchung zum
Roman und zur Kritik der Wohlstandsgesell-
.schaft gegeben. Daß es bei einer so gegenwarts-
nahen Untersuchung Auslassungen und Rand-
unschärfen gibt, liegt in der Schwierigkeit der
Sache. Eine erste umfassende Darstellung unse-
rer zweiten literarischen Periode seit 45 liegt
vom Roman her vor. Höllerers „Sprache im
technischen Zeitalter", Enzensbergers „Kurs-
buch", Baumgarts „Frankfurter Poetikvorlesun-
gen" signalisieren, so meine ich, den Einstieg in
die dritte.
l
■>»• «■'."-
MB
5.
*^^raar
1968
Seite 7
/^7
Zur Geschichte der Juden in Deutschland
1/
I. WERTHEIM/MAIN
Die von Dr. Eugen Ludwig Rapp,
Professor für semitische und afri-
kanische Sprachen an der Univer-
sität Mainz, angeregte wissenschaft-
liche (auch fotographische) Aufnah-
me von kunst- und kulturhistorisch
wertvollen Grabsteinen und Grab-
steininschriften auf dem am
Schlossberghang gelegenen, würdig
hergerichteten, altehrwürdigen jüdi-
schen Friedhof in Wertheim/Main
geht weiter; sie erstreckt sich jetzt
bis auf das Jahr 1699. Solche Ar-
beiten sind naturgemäss auch von
der Wittenmg abhängig. Der bis
ins 15. Jahrhundert zurückgehende
Friedhof wird häufig besucht, nicht
nur von Ausländern, die zu der al-
ten jüdischen Gemeinde famüiäre
Beziehungen haben. Bis ins Jahr
1938, also fast 500 Jahre lang, ist
der Friedhof belegt worden. Ein
Grabstein mit dem Datum vom 13.
Oktober 1469 trägt diese (aus dem
Hebräischen übersetzte) Inschrift
„Hier ist ein rechtschaffener und
zuverlässiger Mann bestattet, der
Herr Mordechai, der Sohn des
Herrn Meir, sein Andenken gerei-
che zum Segen, der begraben wur-
de am 5. Wochentage, am 6. Mar-
cheschwan des Jahres 230 der klei-
nen Zeitrechnung im sechsten Jahr-
tausend. Seine Seele sei aufbewahrt
im Beutel des Lebens, im Garten
Eden. Amen". Erich Langguth, der
historisch geschulte Wertheimer
Stadtarchivar und Genealoge, der
sich insbesondere um die Erhal-
tung des jüdischen Friedhofs der
Stadt bemüht und verdient macht,
hat erst kürzlich wieder darauf
hingewiesen, dass eine Geschichte
dieses Friedhofs noch nicht ge-
schrieben ist. Professor Rapp hat
im „Wertheimer Jahrbuch" 1961/62
einen gewissen Anfang gemacht, in-
dem er dort die Texte von insge-
samt 72 datierbaren Grabsteinen
wiedergegeben und mit Ueberset-
zung und kurzen Erläuterungen ver-
sehen hat. Heute existiert eine jü-
dische Gemeinde in dieser zu Ba-
den gehörenden alten Mainstadt
nicht mehr. Bis in die 30er Jahre
war sie der Sitz des gleichnamigen
Rabbinatsbezirks, der etwa zehn
Gemeinden umfasste; zu ihnen ge-
hörten als die grösseren Wertheim
und Tauberbischofsheim.
II. WESTFALEN
Schon früh, im Jahre 1886, ist
Professor Franz Boas (Minden I.W.
1858 — New York 1942) nach Ame-
rika gegangen. Er unternahm ins-
besondere in Kanada ausgedehnte
Forschungsreisen. Ende 1931 hielt er
in der Columbia-Universität in New
York einen Vortrag über „Rasse imd
Kultur". An den Schluss stellte er,
dem die politisch-geistige Entwick-
lung im Deutschland jener Zeit, vor
allem das allmähliche Aufblühen
der biologisch verankerten antise-
mitischen Rassentheorie nicht ent-
gangen war, den Satz: das Verhal-
ten eines Volkes wird nicht we-
sentlich durch seine biologische Ab-
stammung bestimmt, sondern durch
seine kulturelle Tradition; die Er-
kenntnis dieser Grundsätze werde
der Welt und besonders Deutsch-
land viele Schwierigkeiten erspa-
ren...
Jetzt, 25 Jahre nach Boas' Tod,
ist Dr. Bernhard Brilling, Oberku-
stos an der Universität Münster
i.W., den Vorfahren des Anthropo-
logen nachgegangen. In einem in
den „Mitteilungen des Mindener
Geschichts- und Museumsvereins"
erschienenen Aufsatz stellt er auf-
grund eingehender (und dement-
sprechend zitierter) archivarischer
Forschungen fest, dass sich Boas'
Vorfahren väterlicherseits bis gegen
Ende des 17. Jahrhunderts zurück-
verfolgen lassen; sie lebten in
Werther bei Bielefeld. Die Vorfah-
ren der Mutter gehörten zu den al-
ten westfälisch-jüdischen Familien,
sie kamen aus dem im Fürstbistui?*
Minden gelegenen Petershagen (We-
ser).
NEUE STUDIEN UND MATERIALIEN
Bis zum sogenannten Anschluss
Oesterreichs an das Deutsche Reich
konnte sich die im 14. Jahrhundert
entstandene imd im ausgehenden
17. wiedererstandene jüdische Ge-
meinde Eisenstadt/Burgenland ihre
politische Selbständigkeit bewahren.
Sie war nicht nur bekannt als eine
alte Stätte jüdischer Gelehrsamkeit,
sondern auch dadurch, dass sie im
westjüdischen Bereich die einzige
politische jüdische Gemeinde war.
Als Heft 51 der „Burgenländischen
Forschungen", 1966 herausgegeben
vom Burgenländischen Landesarchiv
in Eisenstadt, ist eine, mit zahlrei-
chen Abbildungen ausgestattete Stu-
die von Joseph Klampfer über das
Eisenstadter Ghetto erschienen. Sie
umfasst eine kurze Geschichte der
Juden dieser Stadt, reichend bis
zur Vertreibung bzv/. „Aussiedlung"
der etwa 550 Juden aus Stadt und
Bezirk Eisenstadt. Am 1. Septem-
In den von dem bekannten Ge-
schichtsprofessor Dr. Fritz Fischer
(mit Unterstützung der Stadt) her-
ausgegebenen „Hamburger Studien
zur neueren Geschichte" (Europäi-
sche Verlagsanstalt, Frankfurt a.M.
1967) ist als Band 9 erstmals ein
Beitrag zur Geschichte der Hambur-
ger Juden herausgegeben. In ihm be-
handelt Helga Krohn, gestützt auf
im Hamburgischen Staatsarchiv auf-
bewahrte Akten des Senats und der
ber 1964 wohnten im ganzen Eisen-
stadter Bezirk, worauf ausdrücklich
hingewiesen ist, nur wieder - 16
Juden! Unter den bekannten Per-
sönlichkeiten, die der jüdischen Ge-
meinschaft der Stadt ihr Gepräge
gaben, sind auch Akiba Eger, der
1761 dort geboren war (und 1837
in Posen gestorben ist) und Dr. Is-
rael Hildesheimer (1820—1899), der
Schöpfer der Eisenstadter Jeschi-
wah, genannt, dessen Briefe, auch
aus seiner dortigen Amtszeit, in ei-
ner Auswahl 1966 vom Leo-Baeck-
Institut herausgegeben worden sind.
Die Schrift enthält schliesslich die
Namen der Gemeindevorsteher von
1822 bis 1938, der jüdischen Richter
von 1688 bis 1938, auch der Lehrer
und Kantoren. Grosse Teile der Ge-
burten-, Heirats- und Sterberegister
etwa der 60 Jahre ab 1880 sind
abgedruckt.
alten jüdischen Gemeinde, die Sta-
dien vor allem der sozialen Ent-
wicklung der jüdischen Gesamtheit
in der ersten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts, als sich die Eman-
zipation langsam Bahn brach. Im
Mittelpunkt stehen die Problematik
einer beruflichen Umschichtung, wie
sie zwischen 1815 und 1850 versucht
wurde, und die Stellung und Be-
deutimg der Juden im Hamburger
Lükalnotiz
die selige
nur einige
Es scheint, dass
Donaumonarchie nicht
der besten Journalisten in deut-
scher Sprache hervorgebracht hat
— man entschuldige, wenn das
Feindespaar Theodor Herzl und
Karl Kraus hier in einem Atem
genannt sei — sondern auch aus-
gezeichnete Vertreter in einigen
nahen und fernen Hilfsberufen der
Presse; man denke beispielsweise
an den von Peter Altenberg ver-
ewigten Kaffeehauskellner, der von
jedem seiner Stammgäste wusste,
welche Zeitungen und in welcher
Reihenfolge er sie von ihm zur
Lektüre gebracht haben wollte.
Auch Herr Blum — vor seiner
Einwanderung in Israel Besitzer
einer Fabrik in Ungarn — gehörte
in die Kategorie der lobenswerten
Hilfsarbeiter im Zeitungsgev/erbe.
Nicht nur in der Entschlossenheit,
mit der er sich an seinem Ver-
kaufsstand in der Jerusalemer Ben-
Yehuda- Strasse auf seine neue
Arbeit umgestellt hat, liegt der
Beweis seiner Würde, sondern auch
in der fast philosophischen Skepsis,
mit denen er stets seine Blätter
an den Mann und an die Frau
bringt — eine Haltung, die ihn
fast zu einem Berufsbruder der
Journalisten gemacht hat, sind die
doch erst wirklich gute Zeitungs-
schreiber, die gegenüber den Ereig-
nissen, die sie berichten sollen, die
vorsichtige mentale Zurückhaltung
haben, die auf dem Wissen beruht,
dass auch in den grossen und
kleinen Küchen der (jescliichte
nur mit Wasser gekocht wird, und
dass man nicht alles für unabwert-
bare Mün2:e nehmen darf, was man
so erfährt.
Auch zeigte Herr Blum stets sei-
nen selbstbewussten Stolz vor der
Diktatur des schlechten Geschmacks.
Zugleich ein Ritter und Gentleman
seines Berufs und Diener am
Publikum hat er sich zwar nicht
gerade geweigert, zweit- und dritt-
klassige Presseerzeugnisse zu füh-
ren, zeigte aber dem Kunden doch
recht deutlich, was er von ihnen
hielt — nämlich gar nichts. Vom
„M.B." hingegen hatte er eine sehr
hohe Meinung. Als ich einmal bei
ihm nach einer bestimmten Num-
mer des Blattes fragte und im
Scherz bemerkte, dass sie teuer
sei, antwortete er fast vorwurfsvoll-
beleidigt: „Das „M.B." kann gar
nicht billiger sein. Das ist das
beste Blatt von allen", und mit-
leidig-herablassend fügte er hinzu:
„Aber das verstehen Sie nicht..."
Nun haben wir gehört, dass Herr
Blum beschlossen hat, sich ins
Privatleben zurückzuziehen, nach-
dem er so viele Jahre hindurch
in seiner Zeitimgsfeste Wind, Wet-
ter und den wildesten Schlagzeilen
getrotzt hat. Seine vielen ihm
bekannten und auch die ihm
anonym gebliebenen Freunde wün-
schen üim noch viele gute Tage
seines Lebens Abendausgabe zu
gemessen.
ERICH GOTTGETREU
Internationales Erbrecht
In der Literatur zum internatio-
nalen Erbrecht nimmt das Quellen-
werk von Prof. Dr. M. Ferid und
Prof. Dr. K. Firsching „Internatio-
nal»!« Erbrecht" (C. H. Beck'sche
Verlagsbuchhandlung, München und
Berlin) einen hervorragenden Platz
ein, nicht nur weil es die Quellen
des Erbrechts der einzelnen Länder
mit systematischen Darstellungen
des ^materiellen Erbrechts und des
Kollisionsrechts der Staaten bringt,
sondern auch weil durch die Lose-
blattausgabe ermöglicht wird, das
Werk auf dem neuesten Stand zu
halten, was für die Benutzung in
der Rechtspraxis von grösster Be-
deutung ist.
Die letzte sechste Lieferung ent-
hält vor allem eine Neubearbeitung
des Erbrechts der wichtigsten Staa-
ten der U.S.A. wie New York, Illi-
nois und California. Dies ist beson-
ders wichtig, weil das Rechtsden-
ken und der Aufbau des Rechts-
systems der Vereinigten Staaten so-
wie die praktische Behandlung so
sehr von dem kontinental-europäi-
schen Recht abweicht, dass blosse
Hinweise auf Änderungen nicht ge-
nügen würden.
Im Abschnitt Deutschland sind
u.a. das dort am 1. Januar 1966 in
Kraft getretene Uebereinkommen
über das auf die Form letzwilliger
Verfügungen anzuwendende Recht
sowie Ergänzungen zum Erbschafts-
steuerrecht aufgenommen. Auch die
Kapitel Oesterreich und Schweiz
sind ergänzt worden.
Daneben bringt diese Lieferung
für das erste der Länder des skan-
dinavischen Rechtskreises das Erb-
gesetz von Dänemark. Aufgenom-
men sind ferner die in Belgien gel-
tenden erbrechtlichen Vorschriften,
soweit sie von denen des jetzt gel-
tenden französischen Code Civil ab-
weichen. In Spanien fehlt es auf
dem Gebiete des Erbrechts noch
an einer Rechtseinheit und so gut
das hier abgedruckte Erbrecht des
Codigo Civil nicht in einer Reihe
von Provinzen wie etwa dem wich-
tigen Katalonien mit der Stadt Bar-
celona, wo auch heute noch beson-
deres provinziales Recht Anwen-
dung findet. Femer wurden die
erbrechtlichen Vorschriften des neu-
en Bürgerlichen Gesetzbuches der
Tschechoslowakei aufgenommen, die
am 1. April 1964 in Kraft getreten
sind, jedoch richtet sich das Erb-
recht nach dem am Tage des To-
des des Erblassers geltenden Recht.
Für die kommenden Lieferungen
sind vorgesehen das Erbrecht Gross-
britanniens, der Niederlande und
vor allem auch eine weitgehende
Neubearbeitung des Erbrechts Is-
raels, die infolge des — im Wort-
laut bereits früher wiedergegebenen
— Erbgesetzes von 1965 notwendig
geworden ist.
Wünschenswert wäre es, dass
auch bei den wichtigen europäi-
schen Ländern die praktische Ar-
beit durch ein Stichwortregister er-
leichtert würde, wie dies etwa bei
dem Band U.S.A. bereits geschehen
ist.
Diese Hinweise sind auch an
dieser Stelle von Interesse, weil
sich gezeigt hat, dass gerade auf
dem Gebiete des Erbrechts sich
ständig Fragen ergeben, die auf der
Verbreitung der Mitglieder jüdi-
scher Familien über die verschie-
densten Länder beruhen.
Dr. RUDOLF LEVY
Wirtschaftsleben. Zu beiden Aspek-
ten wird viel aufschlussreiches Ma-
terial geliefert. Ueberhaupt zeichnet
sich diese Arbeit auch in anderen
Abschnitten (jüdisch-kulturelle Re-
formen; Kampf um die bürgerliche
Gleichstellung) durch die sorgfälti-
ge Berücksichtigung und die wis-
senschaftlich einwandfreie Zitierung
bisher ungenutzter Quellen aus. Ge-
rade das hebt den Wert dieser Stu-
die, mit der die geschulte, jüdisch
interessierte junge Wissenschaftle-
rin die jüdische Hamburg-Literatur
bereichert hat.
E. G. LOWENTIIAL
/
)
Seite 24 — ZEIT Hn 49
lITrnÄTUR
Pu:nri\9t„ de^ ?t> Dtzembev 1968
Ein F
(' u er
aui (KT I JtlC
KiTist Blochs .,A(lu'is«)nis im ( lirislciiliim
\ (Hl I' ri(:(li"i( ii I leer
Im Rahmen tlcs let/tcn Philosoplun Kun-rcsM-s
kam es, in Wien, zu eiiu-ni /iis.innncii .k.In
F.rnst Blochs niit einem ViMir.ici .In IMSSK,
der den akademischen Raliinni spi\-ii;.;u-. 1>h'
Schatten von I'raj; her hcihohim da nniuli-
akademische Sonne, deren Licht iin Vdhi.i;' nivlii
so redit leuchten komitc. Somieiiiiiisu rnis. Mm
schenfinsternis. Da stand a!s>) der jmi-i' \iu>\
]\\öch ((ieist ist an kein Kalcndtraher -ihimden)
und sddeuderte seine Blitze, h-^ljnr.:, jor (i)}ni>l;
mtnts: tiic Misere der Phih)sophie liaii-i .in der
Geschichie der Anenipiindun-en von I'hiii)M>plien,
die dem je vermeintlich erspiiiuii „/.eiti;cist" ihr
philosophierendes Mäntelchcu unih,in;;cn. Woin
ger sensible Geislc-r haschen dnrki nach einem
Zipfel vom Mantel der Macht der M;ichtii;en
und stellen sich als Ideologen /iir Vcilü-un^.
Nichts von Anempfmdung. hier, hei l'a'nst lUoch.
„rlickit'ti ist vevgeblid), der äcniiiii'^f Roch, so
auch der herretihujte reißt:' Bloch will wcilcr
eineni „bürgerlichen Eslahlnhmcnr lu.Ji einem
,,rioch halb '/.aristisch-soziahstisd.'or dienen.
So im Vorwort z,u seinem neutn liuch —
Ernst Bloch: ^Athcisinus im Christtiiium" —
Zur Religion des Exodus utid des Reiches;
Suhrkamp Verlag, liankiurt; 363 S., brosch.
16,— DM.
Der jüdische Marxist Ernst Blücli l-^t ein^^ Ver
wandter des „trühesicn Propheten, Amos", aut
den er sich mit Recht gern beruft. Es gilt heute
noch, im Banne von philosemitiscli-anti>.emiti:idier
Befangenheit (Philosemitismus und Antisemitis-
mus sind siamesische Zwillinge), als undelikat,
von „jüdischem Marxismus" zu sprechen. Kon-
servative und reaktionäre Ideologen haben lange
vor Hitler von Katheder und Kanzel gegen den
„roten Teufel", den „jüdischen Marxismus" ge-
wettert.
Rot ist, bei Bloch, die I-arbe der Großen Holf-
nung. Seine Frohe Botschaft in Rot und Gold
ist nur verständlich, wenn man diesen Propheten
sieht als das, was er ist: ein Mann, der vom
Sinai herkommt, durch die Jahrtausende der jü-
dischen und christlichen Traditionen schreitet,
immer wieder, ehrfürchtig und unruhig, halt-
macht, dann t/eiterschreitet, über Marx, den
Großen Bruder, vor dem er keine Angst hat,
hmaus.
jüdischer Majxlsmus: Wir erleben gegenwärtig
cr-^lrii Knilkeili. die el.dilicrte Koie Kiidie, di n
Ki>uii lempel, in I r.i;;c' sicilieii. l'.s Mi;d diesel
Inii M(iii\e, vselJie sie /um l'.intritt, v.uv Krilik,
/inii Ausinit (wi-iin möglich) bewegen. Ihr reli-
',;i()sei liiipuls drängt sie weiter: „Das da kann
do^h iKiIii wahr sein." -- „Sieht die (. erecht ig
keil so ans?"
In der Sprache I i nsi l'.loehs (im VorspruJi /u
„Atheismus iin ( .lirisient um" ) i'eilsi das: „Dcnkcii
lU ("/i>vrsth}r>li-}i. .,./.■' t<t ./ws hcslc iin der
Rchf^io}!, ditjs SIC Kct/cr hcrvorrnjl ." Russische,
ukrainische, |)olnische, deutsche Marxisten (nicht
nur in der DDK) erschrecken tödlich ob dieser
l'jcunruhigung, die dnrJi jüdische Marxisten ko^i-
stituliv 111 den staatlich, poli/eilidi, armecpoli-
tisji etablierten roten Kirchenbau huu ingctra -
gen w ird.
Vermchtung der Ketzer: In eben diesem heu-
tigen Moment, in dem der Moskauer Krem!, um
ilcn Gdanz seiner rubineiien Sterne vor jeeler
„Verunreinigung" zu sdmtzen, zu neuer Ketzer-
jagd aus/iehi, die im Innern dem Erzketzer,
dem roten ürigenes Trotzkij gilt, der seit Jah-
ren eine russisdie junge Intelligenz unterwan-
dert, und im Außen lito gilt, in eben dem
Moment, in dem im kurialen Rom nidu minder
beunruhigende Parallelphänomene sichtbar wer-
den, veröllentlidit also Ernst ßlodi sein Budi
„Atheismus im C^hristeiuunr'.
Das Hohelied der Ket/.er ist seit Gottfried
.Arnold, einem Lehrmeister Goethes, bis zur Cjc-
genwari (Niggs Buch der Ketzer) verschieden
moduliert woVden. Nie jedoch so global, so fron-
tal — mit Angriffen an drei Fronten. Bloch
greift eine altjüdische, eine kirchenchnstüdie und
die „marxistische" Orthodoxie in einem an.
Wenn er Molochzüge in Jahwe anvisiert, nimmt
er damit Molochzüge im Kyrioskult der Kirche
und in roten Staatskirchen aufs Korn.
Sturz der Götzen! Jede etablierte Religion
wird Götzendienst. Ist bereits Götzendienst; sie
verstellt, sie verbaut, sie versperrt dem Menschen
i.\cn Fortschritt seiner Menschwerdung. Jede eta-
blierte Religion tötet das religiöse Element n,:
Mensdien, das Messianische. „Das Mcssianiscb':
ist das rote Geheinviis jeder revoln'tionär, jcdet
in Fiille sich haltenden Aujklarun'^:"
Aufklärung: Die jüdischen Marxisten ^^ urdcn
und werden in den Staaten der neuen roten
Ernst Bloch
fbes: den vei wunschenen Menschen. Den Men-
schen im Aufstand, den Menschen, der aufredu
stehen und gehen Icrten möchte. Er kann dies
nur im Aufstand gegi-n alle seine Herren und
Herrgötter. \
„Es rettet euch kein>h'"hres Wesen, kein K]o\u
kein Kaiser, kein Tribi\n." i:)iese Losung, im Text
vitieri, wird von Bloch als in Schlüsselwort ver-
standen, das, richti'.^ vervendet, Tendenzen,
wörtlich Spannungti^, Str^angen, Ströme an-
zeii-t, die in der Bibel selbvrVL gegen sind.
.lis cn .iihc stisdies Fvange
>o
ker eles Kirdienchristentums wie etwa Tolstoj
sehr zu beachten ist) ein Ikonokiast. Die hohe
Fragwürdigkeit Blochs, die sich jeder verharm-
losenden Anemphndung oder Ablehnung seines
.'\nspruchs verwehrt, wird in diesem Moment
besonders /ichtbar. Bloch zertrümmert nicht, als
ein Riese^kind, die Spielzeuge der Menschen-
kinder, al\. da sind: Bauten und Bilder, Wort-
gemälde, 'Dichtungen, Symphonien, Theologien
und andere kunstvolle schöne Gebilde. Bloch ist
ein ergrid'cner Freund allen. Lebens, allen echten
Lebens. ,Er läßt, au!^ seine Weise, mehr gelten im
im Blick auf deti Mensdien Jesu«:, auf seinen
Kampf für das Reid» Gottes aui dieser Erde,
Ansätze einer „Theologie der Revolution" ge-
bildet, die m Südamerika wohl ernst zu nehmen
ist. m Europa vielleicht in modischen Anempfin-
dungen steckenbleibt.
Bloch aber drängt weiter. Jesus ist tür ihn eine
,,Wi(r7.el Mensch, die noch nicht geblüht hat".
Dieser Bezug gilt, im letzten Kapitel seines neuen
Buches, »Marx und dem „Abtun der Entfreni'
r///;/^". Um es kurz zu sagen: Bloch :>t der Über-
zeuiiuni;, daß lesus \on Nazareth und Karl
Mar.x, daß die Frohe Botschaft des Jesus und die
Frohe Botsdiaft Marx' bis heute noch nicht zum
Blühen, gesdiweige denn zum großen Frucht -
tragen gekonmien suid.
Die Frohe Botsdiaft Jesu wurde von der Kirche
und tien jeweiligen historischen christlichen Esta-
blishments überdeckt, kaserniert, zur Ideologie
je herrschender Gruppen pervertiert. Die Frohe
l)Otsdiafl Marx' wurde in „zaristisch-sozialisti-
sdien" Istablishments auch in abstrakten „ortho-
doxen" Marx-Theologien erstickt.
Frnsi Blodi möchte beide befreien, mdern et
grollend und liebend ihre Versddüsselung in Bil-
dern umkreist, um den Feuerkern freizulegen. Er
wehrt sich dagegen, daß kirdilich mterpretierte
Innerlidikeit und Jcnscitigkeif das Hirrimel-
reidi ersetzen, und er wehrt sich dagegen,
daß Marx' hohe Intention einer ..Resur-
rektion i\cr Natur" durch immer neue blutrote
Unterdiückungen des Aufstandes des Mensdien
(als revolutionäre Erhebung des Menschen zu
seiner Menschenwürde) liquidiert werden. Bloch
möchte den i evolutionären Kern m der ganzen
Bibel und vorzüglich im Christentutn und den
religiösen Kern im Marxismus freilegen, indem
er in beiden weltgeschichtlichen Bewegungen das
messianische Element aufzeigt.
Bloch glaubt an eine mögliche gesdiichtsmäch-
tige künftige Allianz von Christentum und Mar-
xismus. Diese setzt voraus, daß beide, Christen-
tum und Marxismus, sich in ihren verschütteten
liefen ernster nehmen als zumeist bisher:
lüenn christlich die Emanzipation der Müh-
seligen und Beladenen z:;irklich noch gemeint ist,
•nenn marxistisch die Tiefe des Reichs der Frei-
heit wirklich siibsta7iziicrender Inhalt des rciolu-
tsonärcn Bewußtseins bleibt und wird, dann wird
die Allianz zwischen Revolution und Christen
tum in den Bauernkriegen flicht die letzte ge-
wesoi sein — diesmal jnit Erfolg. Auf dem
Schwert Florian Geyers, des großen Kämpfers
aus dem Bauernkrieg, soll eingeritzt gewesen
seiti: nulla criix, nulla Corona: Das waren auch
die Stichworte eines sich unendlich tinentfremde-
ten Christentums, und das noch weiterhin drin-
gende, so unausgeschöpjt Emanzipatoriscbe darin
gibt eben das Stichwort eines seiner tiefen Dimen-
sionen einmal bewußt gewordenen Marxismus.
Vivant sequentes; es vereinigen sich dann Mar-
xismus und Traum des Unbedingten im gleid)en
Gang und Feldzugsplan. Das nicht ?nehr ent-
fremdete Humanuni, das Ahnbare, noch Ungc-
iundcne seiner möglichen Welt, beides steht
unabdingbar im Experiment Zukunft, Exper'-
ment Welt.i
'^' ' ' ■ « -1 • jusäni CKristU
im^'
,.. CT leben wir ^^ wirKlicli mit, oucr^lescn wir es
nur in der Zeitung?) den Exodus jüdiiclier Mar-
xisten aus Polen, die Verfolgung jüdisdier Mar-
xisten in der UdSSR, ihre Verdriiiigung in der
Tschedioslowake^i. Nidit alle jüdischen Marxi-
sten sind aus dem Geblüt der Ernst Blochs Das
Phänomen Bloch sollte uns jedoch -eradc heute
erinnern an einige Phänomene des jüdischen Mar-
xismus im neunzehnten und zwanzigsten Jahf-
hundert. Marx, Trot^kij, Rosa Luxemburg; vui-
kanisdie Leidenschaft, prophetische Rrah. Als
Trotzkij in Alma Ata, an der chinesischen Grenze,
dtn Tod seiner lochter Nina erlähri, erhall er
einen Trostbrief des Freundes Kakowski aus Mos-
kau: „Lieber Freund, ich trauere sclimerzlich um
Ninotsclika,umDich,umEud) alle. Du trägst sdvm
lange das schwere Kreuz des revolutionären M;\r\i
sten..." Trotzkij appelliert l'^OI an das zwan
zigste ]ahrhundert: Jhwi srnt», .lu-.o! . . . Wan'
ich einer der Himmelskörper, sn vviinle \c.\ völlig
unbeteiligt auf diesen e]en*len I'm'iI \«)n St.tnb
und Schmutz herabblicken.,. Aber ich bin en
Mensch. Die Weltgeschichte, iHc h-.r c!un ka.i-
herzigen Genießer der Wissenstii.ili. liir dich, cLt
Buchhalter der I'wigkeit, nur cm (nilHU'.uUMuKr
Augenblick im Kommen und GcIk. n dir /riteii
ist — für mich bedeutet sie .d'U-s! S<. i.u-.-.c ■• i«h
lebe, werde ich für die Zul-unH K.'.npt..:<, ,,„•
strahlende Zukunft, in der dei M-n^rh, sc stark
und schön, Herr über den dahjiKiKiidcn Suum
der Gcsdtichte sem wird, um seine Wassir uein
grenzenlosen Horizoait der Schiniheii, der l^reude
und des Glückes entgegenzutühren! ..."
Diese Sätze könnten in einem Vorwon /u
„Das Prinzip HotTnung" und zu „Atheismus im
Christenrum" stehen. Es emphehlt sich, das neue
Buch Blochs korrespondierend mi; seinem bekann-
ten FLiupiwerk zu lesen. Die beiden Werke er-
hellen sich gegenseitig.
1904 befürchtete Trotzkij, &a^I selbst „Marxens
Löwenhaupt" dem neuen Robespierrc Lenin zum
Opfer fallen würde. Mitten im ersten Irührot
der Revolution der Bolschewiki, die sich sehr
langsam zur ., Weltrevolution" ausfaltet, befürch-
tet Rosa Luxemburg bereits, daß die Revolution
abgewürgt, erdrosselt, pervertiert werde.^ Judi-
scher Marxismus: In den 1 ändern des Zaren-
reiches entlaufen sehr junge Knaben i\\\i\ Mad-
chen ihrem jüdischen Vaterhaus, dem Haus des
Erzvater-Zaren, und treten illegalen sozialisti-
schen und kommunistischen Bünden und Parteien
bei. Der Aufstieg des Sozialismus m Westeunn^-^
ist undenkbar ohne Männer und I-rauen jüdischer
Herkunft.
Messianische Teuer brennen in diesen jungen
Seelen: Sie suchen ein Reich der Gerechtigkeit,
der praktizierten Gerechtigkeit hier, heute, mor-
gen, auf dieser Erde. Em Reich der Wahrheit,
Reich des Weltfriedens. Man täusche sich nicht:
Es ist dieses jüdische, prophetische, messianische
Salz, das die groi^^e Unruhe, die Bewegung in
den weltgeschichtlich relevanten so/iabstisdien
und kommunistischen Parteien tragt, l-ällt dieses
Salz aub, wird es demonstrativ ausgeschieden
(wie bereits durch Trotzkijs Verbannung aus der
DdSSR Stalins), dann versumpert und vcrsumptt
die Bewegung schnell. Kleinbürgertum. Bürokra-
tismus, Orthodoxie eii\er Partei-Kirdn- überneh-
men die Macht.
Jüdischer Marxismus in den Oststa.iU'n l.iuo-
pas 1918 bis 1968: Es sind „dieselben" lungen.
unruhigen jüdischen Geister, die im Zarcp, reich
in die sozialistischen und kommunistischen Bv
wegungen eintraten und diese messianisch mobi-
lisierten, die. als erste oder /umindest unter den
bindung eines messianischen Eiemen;.> n'.it einer
persönlichen Kultur und wissenschaftlichen Bil-
dung, die der ersten, zweiten, dritten (wcst
europäisdien) Aufklärung zugehört.
Aufklärung: Marxistisc+ie Orthodoxe gefallen
sich gern in jener Eitelkeit und Starre, die hxier-
ten Denkern eigen sind, i.rnst Blodi als einen
Mystagogen, einen Mythomanen, einen „Schwär-
mer" abzuiun, der eben seinem Thomas Münzer.
seinem Schelling, im ganzen der deutschen und
westeuropäischen mythologisierenden idealisti-
sdien Philosophie auf den leim gegangen sei.
Diese T,;mpelhüier übersehen (mdit selten em
Besseres, das sie nidii auszusagen wagen, wissend
xerM-hweigend), dais europäisdie Hochaul klärur.L;
lu-uh, im zwanzigsten Jahrhundert, nicht d.e
(innner /••im Sddinnni-ii sidi v/e-uiemk-n) '. -e-
M-li.ific einrr „ms; ninu'in i!en Veriuinir' (\Kr;
ijnikiieimcr) iKirciben mödiic. l.iiur Vcrimnlt
alsi), die im Dienslc des Sysicir.s mul ;-sva!s iler
„Mauerkirdie" (Luther, Bernhard von Gkiirvaux
fol-L-nd) das verteidigt, was eben --_ etwa cien
Rclormkoinmunistcn m der Tsdtechoslowake:
-rvcniilH-r -- dem Pla«i>oll em^pn.-diend veru;-
di;;;l Wiidrii niub.
AiilklHruii;.;, w;c Biovh sie vrrsicht, isi ( )ll
mm; d.M- Vi'niuiili: nrugie-ng ,nii immer neue
initU-ckuiiv;iM;, offen <lem ollenl'aren Cjchcmmis
Vb'llsdl. . ,
In diesem Sinne br;,;ibl sich Ernst Blöd) w.eder
aui seine groli^e Reise („Reise" bedeutet im deut-
sdicn ursprünglich: Kriegsfahrt, Ausfahrt zur
avauiurc. Fahrt durch die Höllen, in neue Him-
mel) Die Reise geht, jahriausendc zurück, '/u-
nädist m die Lande der Bibel, in die Landschaf-
ten des sogenannten Alten und des Neuen Testa-
ments. Bloch sucht keine Ungeheuer, Drachen,
Rieben, verwunsdiene Prinzessinnen, wohl aber
,c ii.'f - uicne liicologie
vom „Tod Gottes", f von ei-^-m „atheistischen
Christenrum" ist hied. bei Pdoch, nicht gemeint.
Ihm geht es nicht «Lrum. eine ältlich;- Sadie
durch eine'-» neuen Zuckerhut schmackiiafl: zu
machen. Bloch will a^ch nicht (wie ihm wohl-
ir.einende SpöticV •/.usdUeiben) eine neue Pvcligion
begründen. Bhv-h wÜl aufzeigen, l^^^ es in der
ganzer. Bibel (beider Testamente) um dieses „hm
und Alles" gehl: \y?\ A^n Menschem.
!".s cmpftf'hlt sich sehr, um den Voll klang ent-
scheidender Kapitel in „Atheismus jm Christe-v
tum" zu vernclimen, :'.u'- Einstimmung die Ml)^e^-
und Christus-Kap'tel im „Prinzip Hoiliumg"
nachzulesen. In Bknlü Vcrsit>n: Moses ist nie;,.,
einiadi der Moses d^T jüdischen Kuhreligi;;n.
Jesus ist nicht einf.id-. der Christus Cion c^-
Kirche, Gott ist, als eine ungeheure Chitlre,
.iiideres und mehr, .■!? jene zugeben wollen, die
ihn, .ils ein kosti)are>^ und heikles her, m ek.r
l"alle ihrer Theologien bi den Goldenen Häusern
ti-r Pharaonen, Vxw>\ ■. •-. iv'sterköi^ig:: getanüen-
zuhaiten meinci.
Marx' berühmte W (U-te ,,/V/o/, /e ;/e sni-^ /ms
Marxislc'' kann,, VAoyW. imentiim emspredie-;!
bereits Jesus von sidi sagen: Ldi bin kern ( ..r: •
Nun, gerade hier h d)en cvangclisdie unI im
Nachzugsx erfahren au.'n katholische BilndwisvMi
schaltler einige Arbitü, für Blochs Durdibnui.
vorgeleistet. Bloch bcrLitzt dankbar die !-or-
sdumgen eines Gerhard vom \\^i\ zu Proi^i; In-
kreisen des Alten Testaments und setzt sidi ■J.^rn
mit Theologen wie T.arth und Bultmann au».
einander.
Bloch geht in meiner Entmyth'>logisierung ent-
sdueden weiter als christliche Theologen: Ais
Tcmpelstürmer ist er ledoch, was bedeutsam ist,
nicht auch (was mit dem Blick auf östlidie Knti-
DEUTSCHE BIBLIOGRAPHIE
Wichtige Werke deutschsprüd..ger Verloyo. die jetz» erschienen und be. uns eingegangen sind;
Belletristik
Johannes R. Becher: , Abschied": .o-vn
1106-1107, Rowohll Taschenbuch v'erlay;
Rembek: 309 S„ 3,80 DM
Carnilo Jose Cela/Pablo Picasso: „Geschich-
ten ohne Liebe^ aus dorn Spanischor. von
Rainer Specht; Piopyläen Verlag, Bs.tm;
154 S., Abb., 75- DM
Hans-Helmut Decker-Voigl: „-er zwoitö
Schritt vor dem ersten", Romar;: Gieiizinac-
Voriag, Wolfenbülte!; 250 S., 13,30 DM
ETA. Hoffmann: ..Lebensarisichten ries
Katers Murr'', mit 103 Zeicr.nu.-.ac;i vom
Josef Hegenbarth, Eugen üiederichs Ve.'ag,
Düsseldorf; 384 S., 24,- DM
Hanns Dieter Husch: .,Ai_Gh.eb!ues umo' an-
dere Sprechgesänge": Sanssouci ve.iag,
Zürich; 142 S., 9,80 DM
Max Jacob; ..Der Würfelbecher" - GecJichte
in Prosa; Suhrkamp Verlag, Frankfu.l; BS S,
b 80 DM
James Joyce: „Giacomo Joyce", zweispra-
chige Ausgabe, aus dem Englischen von
Klaus Reichert; Suhrkamp Verlag, Fra.ikijrt;
81 S., 35,- DM
Alexander Klugo: „Die Artisten in der
Zirkuskuppel: ratlos"; Piper Verlag, Mün-
chen; 144 S., 5,- DM
Paul Pt;('Oell Mok „Die Etablierten", Ro-
nvn.. ai!3 -.lern Amorikanischen von Manja
V^'iikVjns; Verlag C. Meyer, Frankfurt; 3G0 S.,
18 00 DM
il.-ins Schumacher: „In der Rechnung ein
H-^r.ie,' Grischichtf i; Artemis Verlag, Stutt-
gart; 184 S., 16,80 DM
Richar'.' Vv'einer: „Der leere Stuhl und andere
Prosa'-, aus dem Tschechischen von Franz
Peier Kunze!; Suhrkamp Verlag, Frankfurt;
.14-: 3 , n,8ö DM
Sachliferafur
Claude Arthaud: ..Welt der Genies'^ - Wie
große Künstler wohnten, aus dem Franzö-
sischen von Wolfc:ang Pfeiffer-Belli: Keyser-
sche Verlagsbuchhandlung, München: 314 S.,
Abb., 96,- DM
Hermann Bahr: „Zur Überwindung des Na-
turalismus" - Theoretische Schriften 1887
bis 1904, ausgewählt von Gotthart Wunberg:
Kohlhammer Verlag, . Stuttgart; 244 S.,
18,50 DM
Robeit R. Bell: „Voreheliche Sexualität":
rororo sexologie 8009. Rowohlt Verlag,
Reinbek; 151 S., 230 DM
H. P. Bleuel: .^Deutschlands Bekenner" -
Professoren zwischen Kaiserreich und Dik-
^cn ütis^, Mcn:>chcn als maiuhc „konbcrvativcn"
(k'istcr. ''jloch ist so durch und durch revolutio-
när, dali\er es sich leisten kann. Ungeheures und
Un'^eheuörliclies wahrzunehmcMi: von der Schlan-
ge im Paradies bis zu so manchen „abwci^igen",
in der BiV'l schmal erv/p.hnten Oberlicferungen,
die ihrer Ausmer/ung durch die priesterliche
Bürokratie der kultisch fixiertefi Jahwc-Religitni
entgingen, ßloch begibt sich zunäclist auf die
Su'le nach den ctth^^istischen Kiementen, die zu-
mnde^t in für ihn kostbarer, Spurenelementen im
Alten testamei-.t /.niV'.'gen sind, uyM\ v/ender sieh
-iarn In vollem I'.insat/ dein Menschen Jesus zu.
„AtJici--»mus im (.'hriMer.tum" : „OasTleich Cjot-
t'.'s ist mitten unier euch" (nicht, wie spintuali-
sl;r'.'pd ,ii!/ulani;e übersct/.t wurde, „in euch").
l\i- lüde Je^UN kämpTt für di<- Ankunit iIcs
Ke chc.s Outtes mi'icn in iheser Web. „So i<t Jesus
,t!s l'jfipihvr v<i'/ d'':/ l\<i)WY)i y^cr/il)!(l i\ oitloi,
tnul Ulli iinind junhlclcn der 1 h-hcfr/oto iinii
d:c l-hansäL-r dtu Ma?i!i, dcf/i d.is Volk a)iJ)ing
iLiik. 19, -/(V;, dem die iicsarntc Pric>[cr-Thvo-
hr.itic inid (usc!>:c>fili:^i<>!i, li'U' sie r<cit l.sra
i!'/d Sehoühi stdhdniert jrou'ni \::(r, /.iir ver
?/.'•. '''.7.'/'v'.<u.' *(•;.' *.^ elt '.:'.■ :)(>rif"
J''eiiJit 111 dc)i Auren dusrr Weil ■icn'.de )inhl
er,! !'.n:iil(^^ei \il'r. .hnn) ,/;/> l\u-;t/. ;^e;.c-'-laye}i ,
■inide)}! (/(•) ^idcoitl'.ille iHüireyte) dt r ro'lhiii
d'iii;! Weit, dü^- 'f^roße i'.cetHjd.n e;>i<-) .nidereu
i)hue U>ite}drüehi!Uf^ mid ! lerreni^oli."
Bloch kann sich tür seine Auftassunj; des Jesus
\;)ii Naz.ireth als Ketzer, als Menschensohn-
iVcssi:i.>, der nichts mir dem uaii'- jenseitigen
Kynoi-Chn^ui.> der Grorskirche zu tun hat, nut
eine evangelische I'orschung stützen, die fünf
Generationen uml'af.st. Am nächsten kommt Bloch
hier Martin Werner (den Bloch r.ichi als Zeugen
beiun). In <\en letzten Jahren haben sich zudem,
tatut; Sciietz Verlag, München: 225 S.,
19,80 DM
EÜenne de ia Boetie. „Über die' freiwillige
Knechtschaft des Menschen' aus dem Fran-
zösischen von M. Koneffke, herausgegeben
und eingeleitet von Heinz-J. Heydorn:
Europäische Verlaqsansf^lt. Frankfurt; 116 S
kart. 6,- DM. Ln. 10- DM
1 othar-Günther Buchheim: „Otto Mueller'^;
Üuchheim Verlag, Fcldafing; 92 S., Abb..
29.80 DM
Jean Bühler: „Biafra'" - Tragödie eines be-
gabten Volkes, aus dem Französischen von
Br>at Christoph Bäschün; Flamberg Verlag.
Zürich; 158 S.. Abb., U,- DM
Sorot Eiigelmann: „Die Macht a,m Rhein'- -'
fx/leine Freunde, die Geldgiganfen. Bd. 2;
Die neuen Reicfien": Schneekluth Verlag,
München; 335 S., Abb., 19.80 DM
Franz Gooss Manfred R. Beer: „Prager An-
schlage" - Bilddokumenle des gewaltbsen
V\/;go;. Standes; uüsiein Verlag, Berlin; 127 S.,
2,60 DM
Hans Grassl: ..Aufbruch zur Romantik" -
Bayerns Beitrag zur deutscnen Geistesge-
srhVjhte 1765 bis 1785; Becksche Verlags-
buchhandlung, München; 494 S.. Abb.,
Ö5,- DM
Gerhard Graubor: „Theaterbau' - Aufgabe
und Planung; Verlag Callwey. München;
loG S., Abb.. 53,- DM
Wax Horkheimer: „Kritische Theorie": S-
Fischer Verlag, Frankfurt; Bd. I 376 S.. Bd. II
358 S., je Bd. 25,- DM
tum" t>eieuihteiJ Jen batz ?m Vor^rudi:' „t^i^
cm Atheist kann ein guter Christ sein, nur hhi
Christ kann ein guter Atheist sein.'" Beiden, detn
Atheisten wie dem Christen, wird in Jeder ge-
schichtlichen Stunde (wir erinnern an die Trost-
worte Rakowskls an Trotzkij) das schwere^ Kreuz,
auferlegt, die jeweiligen „Hcrrengötter", ihre
Tempel aus Stein und Stahl zu zertrümmern, um
die juni;e Pflanze Mensch freizulegen, ihr Erd-
reich zum Einwurzeln, Wadisen, Blühen und
Fruchttragen freizukämpfen. Die Provokation
des Ernst Bloch gilt, wörtlich verstanden als ein
liroi'ocarc, ein Anruf der Tiefenschidueii. der
sdiöpferi sehen Substanz (diese ist ohne das mes-
siani.sche Element nicht zu denken) Marxisten
und Christen in gleicher Weise.
Diese Provokation hat nichts mit modisdicn
„Proviikationcn" von Berufsjugendlidien /u tun.
Die Weligescliidite ist kern Happening. Blochs
militanter, glaubiger Optimismus wäre ein „rudT
loser Optimismus", wenn er nicht ständig dies
im Auge behielte: die Gewinnung voti Todesinur.
In zumindest diesem einen Sinne ist Ernst Bloch
dem hohen Barock und den barocken Wellbau-
mcisuiii verwandt: Svin Denken kreist imtner
liui die (ifwinnung einer ars moriendi. Die wahre
,/;s ,,}>/, nidi, dir Kunst, den Menschen richtig zu
lirlnn uml dergestalt die Aufklärung weiter-
/ui reiben (mit dem Hirn fühlen, mit dem Hei-zen
denken lernen), ist eine Schwester der ars mu-
Yieudi, der Kunst des Todesmutes.
„Quellen des Lebensmutes'* und „Quellen des
möglichen Todesmutes" sind im letzten eins. Ernst
Bloch, blickt auf „die katastrophale Verlassenhcn
con KreHz'\
„ . . . wie die bisherige menschliche Geschichte
iuiv erst Vorgeschichte, Vorzeit ist, so hält die
vorhandene, wenn auch noch so umgreifende
hosmische \'atur einen Raum besetzt, auf den sie
)ncht hingehört. Das eben war logosmythisch, dir
letzte Freisetzung, Sprengsetzung des Christlichrn
hc treffend, im Mythos des Eschaton bedeutet, .m
Symbol eines Neuen Jerusalem — gar nidn tiei
drinnen, erst recht nicht hoch droben, aber rmt
zusammengelegtem, zu totaler Freundlichkeit ge-
wordenem Heiynalraiim von Welt."
In diesem Sinne spricht Ernst Bloch l%8 sein
„Spero ergo ero" — ich hoffe, also werde idi sein.
Bloch möchte die im Christeinuni und Marxisrau.<
investierten Glaubenskräfte des Mensdien frei-
ii-sen, aus vielfacher Verfremdung, aus Kirchen-
bann und Parteibann in beiden, indem er, um
offene Zukunft zu gewinnen, immer wieder bei
den Icucrn des Sinai einkehrt.
Wer also heute meint, den „Utopisten" Erii^r
Bloch, den „Schwärmer" für Münzer und die
Täufer, leicht oder schlankweg abfertigen zu
können, der sehe sich vor: und besehe die Feuer
brande, die \o\^ dem Manne Moses zu dem
Manne' Ernst Bloch dem Menschen Führung und
(Geleit gaben, indem sie ihn in „Bewegung" hal-
wn, m ständiger Unruhe. Der Mensch ist hier
Jas Wesen, das sich nie beruhigen, nie befrieden
lassen darf, solange es Versklavung des Menschen
i'iht.
„Ich bin gekommen, ein l'euer anzuzünden aul
1 rden; was wollte ich lieber, als es brennte sdion"
(Luk. 12, 49). In tiefer Herzensfreude und Gei-
siesfreude beruft sich Ernst Blodi auf dieses
lesus-Wort und kommentiert es mit Verse« Wil-
liam Blakes „in der auf 1789 beziehbaren Folge-
rung: ,Der Geist des Aufruhrs schoß vom Heiland
nieder ' Und in den Weinbergen Frankreichs
erschien da^ Licht seiner Wut."^
I
.'■^^-,
\
/
9kuf 3Mrd)cr^citting
FEUILLETON
Donnerstag, 28. März 196?; FPTnatisjjabe Nr. 86 39
7
Zur Problematik der historischen Erfassung des Sozialismus
Der Sozialismus ak politisch wirkende Utopie
ist ^Geschichte geworden. Das läßt sich natürlicher-
weLse am deutlichsten eben an seiner historisch-
politischen Publizistik erkennen, die sich hundert
Jahre lang kämpferisch und aktuell präsentiert
hat, nun aber in jüngster Zeit zusehemls weniger
polemisch und ihrem Gegenstand gegenüber distan-
zierter geworden ist. Die Zeit, die sich immer merk-
licher — bei Fünfzig.! ah rfeiem, wie jener der Rus-
sischen Revolution, wird dergleichen plötzlich be-
^ißt _ zwisc^hcn den Betrachter und die frag-
lichen Ereignisse schiebt, schafft von selbst jene
Entrücktheit, die der Avissenschaftlichen Erfassung
des geschichtlichen Gegenstand« so förderlich ist.
Die einst glaubensvoll vorgetragenen sozialistischen
Ij<>sung<^n von Gesellschafts-, Staats- und Wirt-
schaftsproblemen sind von der Geschichte über-
schichtet worden-
Ein unübersehbarer Tatbestand verunklärt al-
lerdings diese Historisierung des Phänomens, das
sich als Sozialismus einigermaßen definieren ließe.
Daß es Weltmächte gibt, die zAvar mit den histori-
schen Gcnossensx'hafts- und Gemeinsch<aftsideen
wenig zu tun haben, sich a.l)er dennoch sozialistisch
und komiTuin istisch nennen, trägt nicht nur zur be-
kannten S])rachverw'irrung unserer Tage bei, son-
d<»rn behindert eben auch den Prozeß der Distan-
zicrung. Dariiber, ob und wie weit man Ideen der
einstigen Weltverbesserer-Sozialisten in Rußland
und China realisiert sehen will, ist gCAviß nicht im
Ton des abgeklärten Rückblicks zu reden. Solchen
Fragen wird die unpolemischc Publizistik von Hi-
stx^rikern des Sozialismus nicht gerecht. Denn diese
sachli<'he Historiographie fordert, keinen andern
Widerspruch mehr heraus als den der wissen-
schaftlichen Diskussion. Auf sie beschränkt sich
unsere Auseinandersetzung mit einigen jüngst er-
schienenen Büchern. Die alle in ihrer Wissenschaft-
lichkeit und in ihrer Gesinnung — sei sie nun
dem Sozialismus verpflichtet oder nicht — ernst
zu nehmen sind.
MONOGRAPHIEN
Die nachgerade tiefe geschichtliche Dimension
des Sozialismus bringt Helga Grehing eindrücklich
zu Bewußtsein mit ihrer «Geschichte der deutf^chen
A rheiterhcwegu ng» ( N ymphenburger Verl ags-
handlung, München). In klarer und ausgewogener
Gliederung vermittelt die Verfasserin einen großen
lTel)erblick über die ideologischen, politischen,
kirchlichen, soziologischen, biographischen und sta-
tistischen Gegebenheiten, die sich aus ihren umfas-
senden Studien herauskristallisiert haben. Da sie
sehr viel zu bieten hat, tut sie es in lexikalischer
Knappheit, die aber dafür wirklich Wesentliches
taßt. Auch wenn sich Helga Givbing zu einem
recht entschiedenen Sozialismus Ijekennt-, bleibt sie
doch sachlich und gelegentlich sogar sehr kritisch
.sondern auch die sozialen Aspekte der industriellen
Revolution unt^r \äelen psychologischen, juristi-
schen und allgemein menschlichen Gesichtspunkten.
Unter dem Titel «Die Soziale Frage» haben
Wolfram Fischer und Georg Bajor einen Sammel-
band «A>M<?re Studien :::ur Lage der Fahrikarheiter
in den, Friihphasen der Jndmtriallsierung» heraus-
gegelM^n und eingeleitet (K. F. Koehler- Verlag,
Stuttgart). Die einzelnen Aufsätze — von Eric
J. Hobsbawm, Arthur J. Taylor, Ray Ginger,
Gaston V. Rimlinger, Wolfram Fischer, Werner
Conze u. a. — sind aus wLssenschaftlichen Zeit-
schriften abgednickt und zum größeren Teil aus
dem Englischen übersetzt ; sie behandeln denn auch
vor allem den «Modell fall Großbritannien» in bei-
spielhaft gründlichen und reich mit Anmerkungen
aasgestatteten P^firterungen. Der Sanmielband er-
hebt und erfüllt \\r\\er den hier vorgestellten Bü-
chern den Anspruch geschichtlicher Forschungs-
arbeit am besten ; er zeigt am meisten die vornehme
Distauziertheit des objektiven Historikerethos dem
Stoff gegenüber und ist auch am mühseligsten und
dürrsten als Lektüre.
DOKUMENTE
Ein Komitee, dessen Vorsitz Herbert lAlthy
innehat, ist mit der großangelegten Edition einer
neuen Reihe, «Dokumente der Weltrevolution»,
hen^orgetreten (Walter- Verlag, Ölten). Sie will
in Quellentexteu, deren Verständnis durch Einlei-
tungen erleicht-ert wird, eine übersichtliche Be-
standesaufnahme der Geschicht-e des revolutionären
Sozialismus bieten, von den mehr oder weniger phi-
losophischen Theoretikern im Gefolge der Fran-
ztVsischen Revolution bis zu den Praktikern des
heutigen sogenannten Sozialismus in aller Welt.
Das große Unternehmen hat viel F.inleuchtendes.
Im Vergleich zur überreichlich angebotenen inter-
pretierenden und popularisierenden Sekundär-
literatur gibt es ja wirklich nur wenig greifbare
gedruckte Primärdokumente zur Greschichte der
kommunistivschen I.^hre und Praxis. So ist es zwei-
fellos s(>hr verdienstlich, diesem Mangel abzuhel-
fen; verdienstlich auch dann, wenn sich zeigen
sollte, daß di<' Texte, auf die bisher nur mit Mühe
zurückgegriffen werden konnte, gar nicht so be-
deutend sind, wie sie im Spiegel der Sekundär-
literatur erschienen. Zwei Bände der Reihe sind
bereits herausgekommen, auf sie sei hier etwas nä-
her eingegangen.
Der erst-e Band, «Die frühen Soz-ialislen»,
herausgegeben von Frits Kool und Werner Krause
und eingeleitet von Peter Stadler, bezieht sich auf
die Epoche von der Französis<dien Revolution bis
zum Scheitern der Revolutionen von 1848. Ueber-
aus vielsagende Quellentexte repräsentieren we-
sentlich jene Reihe seltsamer Propheten französi-
scher, deutscher und englischer Nationalit-ät, von
sucht noch Haß; weder Habgier noch Ehrfurcht;
keine Müßiggänger oder kaum; keine Faulenzer, keine
rrunkenboldc, keine Diebe. ... Man wird der Straf-
;esot.7,e, der Gerichte, der Gendarmen ... entraton
tonnen.»
Hermann Piittmann: «Gefängnis- und Todesstra-
fen sind abgeschafft. — Vergehen wie Faulheit, Un-
näl.Ugkeit etc. werden mit Verweisen, Ent/.ichung der
.Vrbeit (XB. Arbeit in unserem Sinne ist Lebens-
renuß\ Ausschließung von VerwaUnngsstollen etc.
iwstraft. — Unnatürliche Verbrechen, wie Mord und
Diebstahl, werden mit Verweisung aus der Gcmein-
schuft (Exil) bestraft. ... Alle niederträchtigen In-
stitutionen, die mit hundsföttiseher Arbeit im Laute
1er Jahrhunderte zum Ruin der Völker und Menschen
erzeugt wurden, werden untergehen. Kein vStaat mehr,
der ülx>r dem Volke steht; keine Kirche melir, die den
Menschen verdummt; kein individuelles Vermögen
mehr, das den Bruder vom Bruder scheidet; keine fa-
talen Standesunterschiede, keine alberne Nationalität,
kf^ine unglückliclie Ehe, keine Bordelle, keine Armen-
häuser, keine stehenden Heere, keine Zollstätten, kei-
ne Zuchthäuser, keine Schafotte mehr! !»
Schon diese zitierten Stellen dürften hinlänglich
yx'igen, daß bei weitem nicht alles, was hier an
Quellen texten wiedergegeben wird, von überzeit-
licher Bedeutung ist. Der eine oder andere dieser
Autoren wäre wohl bereits als mehr oder weniger
lielicns würdiger Schwärmer unter die verstaubten
Kuriositäten geraten, wenn nicht aus der zx-itgeniks-
sischen Perspektive heraus auch kleine Denker zu
übertriebener Geltung kämen. So bemerkt auch
Stadler in seiner ausgezeichneten Einleitung, man
iiabe in den letzten Jahren viel Aufhebens um Ba-
b<nif gemacht; demgegenüber müsse doch auf «das
Dilettantische dieses Ideologen» hingewiesen wer-
den.
Manche naive Schwärmereien früher Sozialisten
viinlen heute niclit mehr so eifrig aufgewärmt,
>v('nn sie nicht zur Vorgeschichte heutiger Groß-
mä(dite gerechnet würden. Das läßt der zweite
Band der Reihe erkennen: Denn «, Arbeit er-
dcmokralie oder Parteidiktatur», herausgegeben
von Frits Koni und Erwin Oberländer und einge-
hntet von Oskar Anweiler. Er sammelt oppositio-
nelle Verlautbarungen, die sich bei der Errichtung
der Sowjetunion vergeblich meldeten. Die unmittel-
bare Konfrontation mit dem gleichzeitig erschiene-
n<m ersten Band macht erst recht bewußt, wie we-
nig der in Rußland realisiert« Kommunismus mit
den sozialistischen Utopien des 10. Jahrhunderts
zu tun hat.
Er.s<diütternd siml die Dokumente, die von dem
wirklich spontanen und freiheitlichen Aufstand der
Matrosen und Arbeiter in Kronstadt vom Februar
und März 1921 berichten; Trotzki hat ihn niederge-
s<hlagen. In den Mitteilungen des Kronst^^dter Re-
volutionskomitees lesen wir:
<Als die Arlteiterklasse die Oktoberrevolution zum
Erfolg führte, hoffte sie, ihre Befreiung /.u erlangen.
Das Ergebnis aber war eine noch größere Versklavung
der menscillichen P.>rsönUclikeit. Die Ma<-ht des Po-
livfiraonaTrhismus ging in die Hände der kommunisti-
schen Eindringlinge übor, die den WeH^tätige^^
Die Namen des Alpsteingebiets
Es ist erfreulich, daß auch kleinere Kantone
es wagen, die Eigenart und Vielfalt ihrer Kultur
durch eine Schriftenreihe bekannt zu machen. So
emdieinen seit 1964 in rascher Folge die Appenr^
■rller Hefte. Während das ei-ste Hott sich ail-
ge,n(Mn mit <ler Sprache des Appc^/elleryolkes 1h;-
.chäftigte, gilt das neueste (das Doppelbett b/7)
den Kamen, und zwar ausschnittsweise und bei-
spielhaft den Namen des Aipsteingebiets.
Stefan Sonderegger, Professor an der Universi-
tät Zürich, der seinerzeit die Orts- und Flurnamen
s(Miies lleimatkantons gesammelt und sie einer-
seits in einer methodis<h richtungweisenden Namen-
c-rammatik, andei-seits iu einer aufschlußreichen
Cirundlogung einer Siedlun-sgescliichte ausgewer-
tet hat. fühi-t uns hier rund tausend Namen des
appenzellischen, toggenburgischen und rheint^h-
schen Teils des Säntismassivs vor und erklart
uns ihre Herkunft, ihren Sinn, ihre Rolle im ge-
samten Namengefüge.
Das rund hundert Seiten starke Heft gliedert
sich in zwei Teile: einen historischen und einen
systematischen. Einleitend führt der Verfasser
aus wie unsere Gebilde mit ihren Gipfeln und
Gewässern, Wäldern und Weiden, Wegen und
Siedlungen im Laufe einer jahrhundertelangen
Entwicklung vom Menschen erschlossen worden
sind und wie das Auftreten eines Nani(>ns jeweils
beweist, daß der Mensch die betrelTende Stelle
geistig in seinen Besitz genommen hat. Obwohl die
schriftliche Aufzeichnung der Namen lückenhaft
ist und oft mit großer Verspätung erfolgt, so laßt
sich doch aus den Hainen, sobald mau sie histo-
risch aufreiht, in großen Zügen die sich ändernde
Einstellung des iMenschen zum Gebirge erkennen.
So haftet zum Beispiel der Name «Säntis» zu-
nächst (wie auch jetzt n^K-h der Alpname «Sämtis»)
an einer Alp und ist aus dem Namen ihres truh-
mittclalterlichen Besitzers /u erklären; seit dem
11. Jahrhundert tauchen mit der starkem Er-
schließung der Bei-gweiden die innerrhodischen
Alimamen auf, später aucli genauere Grenzpunkte-
und Weidenamen; die Namen einzelner Gipfel, wie
«Altmannv;, «Hoher Kasten», werden offenbar erst
im Zuge des geogrni)hisch-naturwissenscliaftlichen
Interesses an der schweizerischen Gebirgswelt be-
kannt; noch jünger sind Namen für jMerkpunkte
des Fremdenverkehrs und des Bergsportes. Die
(ieschichte der Namengebung und der Nnmcnübcr-
liefening wird in solcher Sicht überraschend zu
einem Stück Kulturgeschichte. Größere Zitate und
verschiedene Reproduktionen aus Gebirgsbeschrei-
bungen des 18. Jahrhunderts bilden in diesem
ersten Teil einen reizenden Abschnitt.
Im systematischen Teil ordnet Sonderegger die
«Bcrgna'men», das heißt die Namen von Alpeji
und ihivn Teilweiden, von Bergspitzen und -masai-
'-r.
:>f^J
,„*'w <i
kannton Sprachverwirrung' unsoror Tape l)oi son-
dern behin<lort rbon an<-l. den Prozeß der Distan-
zicrnnj?. Danil3or, ob und wie weit man Ideen der
einst ij?en \Vellverl)€>s.^rer-So7-ialisten in Kußland
„nd China realisiert sehen will, ist gewiß nacht im
Ton des abgeklärten Rückblicks zu reden. Solchen
FVac^n wird die unpolemische Publizistik von 11 1-
storTkeni des Sozialismus nicht gerecht. Denn diese
sHchliche Historiographie fordert keinen andern
Widers]»ru..h mehr iieraas als den der wissen-
.^•haftlichen Diskussion. Auf sie beschnmkt sich
unsere Auseinamiersetzung mit einigen jungst er-
schienenen Büchern. Die alle in ihrer Wussenschatt-
li.hkeit und in ihrer Gesinnung - sei sie mu
dem Sozialismus verpflichtet o<ler nicht - ernst
zu nehmen sind.
MONOGRAPHIEN
Die nachgerade tiefe geschichtlu-he ;>nnension
des Sozialismus bringt, Helga Grehingcmdvnokheh
.u Bewußtsein mit ihrer .GrsM^^fe der äeuU^
Arbciterhewegmm (Nymphenburger \ erlags-
indlung, München). In klarer und ausgewogene.
Gliederung vcnnitteli die Verfasserin einen großen
Feberblick übc-r die ideologisclien politische^,
kirchlichen, soziologischen, biographischen und sUi-
tistischen Gegebenheiten, die sich aus ihren umias-
senden Studien herauskristalhsiert haben Da m(
^br viel zu bieten hat, tut sie es in 1^>^^^^^ ';<'^^;;
Knappheit, die aber dafür wirklich Wesenth<-he.
laßt Au<-h wenn sich Helga Givbmg zu einem
recht entschiedenen Sozialismus bekennt bleib s,e
aoch sachlich und gelegentli(^h sogar sehr kritisch
als Historikerin. .
Biographien sind ei-schienen. Sie liaben mil ih-
rem spezifisch menschlichen Gehalt ohnehin efwas
V^-söhnliches. Was einmal leidenschaftludie Erre-
cninc^ hervorrief, trägt in der Rückschau ott nur zu
:ehr^len Stempel der Vergänglichkeit, die zur Be^
sinnung stimmt. Rosa Luxemburg - ihr ^ode^ ag
wird sich bald zum fünfzigstenmal .l^ijren -- hat
.ich auf dem Büchermarkt beachtlich in Erinner-
ung gerufen. Die groß angelegte Biographie <</?a.a
LLn^bnrg. von Peier Netll Lst von Kar Römer
aus dem Englischen übertragen worden (I^^^^P^^"
heuer und Witsch, Köln). Der Verfasser de
iibrio-ens auch neue Quellen einschlössen hat, bleibt
trotz seiner spürbaren Verbundenheit mit seiner
Heldin anscheinend neutral. Er versUn-kt sich gerne
hinter ihr, doch nicht ohne ab ""^\^'" 77^7,^2
um geistreich oder auch nur geistreichelnd Hiebe
nach Ost und West auszuteilen. Die s<dion seit 19.3J
bekannte, erste große Biographie «^^^ /.iixem-
hnrgs von Paul Frölich i.st kurz vor Nettls Werk
m dritter Ausgabe erschienen ( Europa i.s<-hc \ er-
lagsanst^lt, Frankfurt). Beide Ix^bensschilderungen
werden nicht verfehlen, Sympathien für die außer-
ordentliche Frau hervorzurufen, die ja allein schon
durch ihren Mäiiyrertod immer wieder Anteil-
nahme wecken wird.
Die Biographie <^Heinrich. Brami», mit der
Julie Braun-Vogehtein schon 1932 Sympathien
für einen ideal gesinnten Sozialisten geworbeii hat,
i.t um unveröffentlichte Dokumente und Briete
vennehrt, in zweiter Auflage erschienen. (Deutsche
Verlagsanstalt, Stuttgart).
So etwas wie Mai^idenkult manifestiei-t sich,
da die an sich gewiß eher untedeiitende z^^^lte
To<-hter von Karl Marx einer ausführlichen Bio-
graphie - in englischer Sprache - würdig be un-
> den worden ist: «The Life of Eleanor Marx
■I8.3r3_i8()8 — A Socialist Tragedy» (Clarendon
Pres. Oxford). Der Verfasser, ChuschwM Tsy-
■ukl 'ist der Meinung, daß die unglückliche Sozia-
Ustin — ihre schauspielerischen Ambitionen zei-
tia-ten wenig Erfolg, ihre Liebe zu einem Betnigcr,
<uTr sie ausbeutete, trieb sie in den Freitod -- auch
olme den bekannten Vater eine bedeutende Gestalt
wäre. Obwohl er damit seinen Gegenstand sicher-
lich überschätzt, schildert er ihn doch re<dit glaub-
würdig und ohne die widerlichen Zeichen des Per-
sonenkults. • , ^ 7 • L.
In der Reihe ^Persönlichkeit und Geschichten
sind in ausgewogenen, knappen Biographien s^it
langem schon auch hei-vorragcnde Sozialisten be-
rücksichtigt worden; in den letzten Jahren <<^ri-
,tidr BrimuU von Maurice Bamnont, «Karl Marx»
von Peter Stadler und zuletzt «August BeheH von
Ernst Schraepler (Musterschmidt-Verlag, Got-
tingen). Der selbe Verlag hat in der vortreff-
lichen «Quenensammlung zur Kulturgeschichten
herausgegeben von Wilhelm Treue, wiederholt
sozialgeschichtliche Themen beackern la.^n zu-
letzt im überaus umsichtig konzipierten Band 17:
<cQucllen :ur Geschichte der mdustnellen
Evolution». Tn breiter Streuung ^^^ ^f ^^^^^ ^
mit großer Treffsicherheit ausgewählten iextc
nicht nur die naturwissfinschaftlicb-teohmseheu,
h des objektiven llistoril
l)er und ist auch am müh
Ix^ktüre.
DOKUMENTK
Ein Komitee, d«.sen Vorsitz f^-^^J^
inneliat, ist mit der ^^-^--^^^'^Zc^^^^^^^^^
neuen Reihe, <^noh-^'^^»^\^'' JfT J^^^^^
hen'orgetreten (Walter- Verlag, Ölten). Sie wü
in QueUentexten, deren VersUim ms dur<di Ein^ei
tunoSen erleichtert, wird, eine "^l>^''^^^'^^7^^ n^j-^^'^^
Itamlesauf nähme der Geschichte des revolut^naren
So Ivlismus bieten, von den "-^'-f ^T^^f ^^ra -
losophischen Theoretiken. '^^'^'^fj^l,;""^^
.ösischen Revolution bis zu den ^ 7™^^^
heutigen sogenannten Sozialismus in «'^^^ ;;f^-
Das ^roße Unternehmen hat viel Einleuchtendes.
?^%Cc.eicli zur überreichlich angebotenen inter-
pretierenden und popularisierenden ^^^"ndai^
'S^r gibt es ja wirklich nur ^^^^
credruckte Primärdokumente zur Gesc'hichte der
kommun^ I^l^re und Praxi.^ So ist c^ zwei-
felt sehr verdienstlich, diesem Mangel abzuhel-
fen;' verdienstlich auch dann, wenn ^ich zeigen
sollie, daß d\o Texte, auf die b.>her nur mit Muhe
/nrück-ecriffen wer.len konnte, gar nicht so be-
bend ^ind, wie sie im Spiegel der Sekundär-
literatur erschienen. Zwei Bände der Reihe sind
bereits heraasgekommen, auf sie sei hier etwas na-
her eingegangen.
Der erste Band, «Die frühen So^mhsten»,
herausgegeben von Frits Kool und Werner Krause
und eingeleitet von Peter Stadler, bezieh sich auf
aie Epoche von der Franz;>sis<-hen I^^v^^^^^^J^J;;^
zum Scheitern der Revolutionen von 1848. Ucher-
aus vi(>lsagende Quellentexte repräsentieren we-
sentlich jene Reihe seltsamer P^'^^^*'» ^f^"^;);^;
scher, deutscher und englischer Nationaliüit, von
l^obert Owen, Babeul" mid den Babouvis en über
Saint-Simon, Fourier, lx>uis Blanc, Weitling und
ie ihi^n Anhängern bis zu Karl Grün Moses Hes.
und den von diesen Beeinfkißten. Mit Recht sind
die Klassiker Marx und Engels weggelassen, da
ihre Werke ja leicht zugänglich sind. Um so fri-
scher und uiikonkurrenzierter präsentieren sich all
die Ideen und Träume von Ikarien, von großen
Familien Phalansterien, communautes und
Menschheitsgemeinschaften, die hier in Erinnerung
'berufen werden - eifrige Untei-suchungen über die
Ouelle aller Uebel und Laster in der Einrichtung
,1er Gesellschaft - ein ungeheurer Glaube an die
Oroanisierbarkeit des Glücks. l\lan kiüinte darüber
wefnen - lächeln nicht, daran hindert einen die
politische Begriffsverwirrung, auf die noch zurück-
zukommen ist. Eine kleine Auswahl von lapidaren
Formulierungen dürife aber besser als aller Kom-
mentar deutlich machen, wie weit zurück all diese
Visionen und U^eberlegungen liegen
. 11. 11 lor^pekllvc Ikthus ;ui<-h kK'ine
iib<'rtnelMmer Geltung kämen. So l>emerkt auch
Stadler in seiner ausgezeichneten Einleitung, man
habe in den letzten Jahren viel Aufhebens mn Ba-
Ix'uf gemacht; demgegenüber müsse doch auf «da.s
Dilettantische dieses Ideologen» hingewiesen wer-
den.
Manche naive Schwännereien früher Sozialisten
würden heute nicht mehr so eifrig aufgewännt,
wenn sie nicht /.ur Vorgeschichte heutiger Groß-
mächte gi'rechnet würden. Das läßt der zweite
Band der Reihe erkennen: Denn «Arbeit er-
demokratic oder Parteidiktatur^, herausgegeben
von Frits Koni un<l Erwin Oberländer und einge-
leitet von Oskar Anwciler. Er sammelt oppositio-
nelle Verlautbarungen, die sich bei der Erric^htung
der Sowjetunion vergeblich meldeten. Die unmittel-
bare Konfrontation mit dem gleichzeitig erschiene-
nen ersten Band mat-ht erst recht bewußt, wie we-
nig der in Rußland realisierte Kommunismus mit
den .sozialistischen l'topien des 10. .lahrhunderts
zu tun hat
ncnri de Salwt-Simon: «Das Goldene Zeitalter des
Menschengeschlechts, es ist nicht hinter uns, es steht
uns bevor: es liegt in der Vervollkommnung der ge-
o]ls.haftlichen Ordnung; unsere Väter Imben es nicht
croschen. unsere Kinder werden es eines Tages erleben.
\n uns ist es, ihnen den Weg zu ebnen.»
Franz Stromeycr: «Der Zorn z.B. h<*St ."\<''\t u'';
sprünglich in der Menschennatur . . . Die Traghe, is
nich ursprüngli<-h im Menschen, im Gegenteil hegt
h der Menschennatur ein dringend^'s ""vc^tilgbares
Verlangeu nach steter Betätigung. Die Trägheit be-
steht n^r in dem natürlichen Wunsehe, d,e Qual und
den Ueberdruß einer unseren natürlichen Anlagen und
Xei<rungen ni<'ht entspreehenden Tätigkeit /u vermei-
den .. .Könnten wir in dieser Weise alle Ausschwei-
fungen, alle Laster . . . einer besonderen Beaehtung
unterziehen, so würden wir imstande sein, augen-
seheinlich darzulegen, daß dieselben ... nur durch
äußere, zufälhge, einer Aenderung zuganghche Um-
stände'erzeugt\erden. Es handelt sich also darum
die ffcsellschaftliehen Einrichtungen so zu treffen, dab
solche zufällige, äußere Umstände . . . soviel als mog-
lieh f>cseitigt und vermieden werden.»
Hippolyte Benaud: «Das Böse, das ist die Unwis-
senheit. Das Böse verschwindet mit dem Wissen.»
CrracchiK<i BoJjeuf: «Wir werden ]>eweisen, daß
Grund und Boden nicht einzelnen, sondern alhMi ge-
hört Wir werden beweisen, daß es widersinnig und
ungereciit ist, eine größere Belohnung für denjenigen
zu verlangen, dessen Arbeit oinen höheren Grad von
Intelli'-enz, mehr Fleiß und geistige Anstrengung er-
fordert; daß diese keineswegs die Kapazität seines
Magens vergrößern.»
WiUi07n Thompson: «Gleichheit der körperlichen
oder geistigen Anstrengung aller, soweit sie nicht
phvsisch untaugheh sind, ist die einzige gerechte und
vernünftige Basis der Gleichheit des Genusses.^
Jean Reynaud: «Proletarier nenne ich diejenigen,
die den gesamten Reichtum der Nation erzeugen, ...
Bourgeois nenne ich diejenigen . . ., die mit vollen Zü-
gen die Gegenwart genießen».
Victor Considerant: «Tn einem Phalansterium ist
der Diebstahl unmöglich.» Es wird dort «überhaupt
keine Faulen mehr geben». Die Einführung des Bozic-
tären Regimes wird «das Elend und die Bettelei aus
der Welt schaffen».
FAienne Cahet: «Keine Arme, keine Reiche wird es
gehen, keine Knechte; keine Ausbeuter, keine Ausge-
l beuteten; keine Sorgen, keine Aengste; weder Eifer-
Erschütternd sind die Dokumente, die von dem
\Mrklich spontanen und freiheitlichen Aufstand der
Matrosen und Arbeiter in KroiLstadt vom Februar
und März 1921 bericliten; Trotzki hat ihn niederge-
s< hlagen. In den Mitteilungen de.s Kronst.idter Re-
v«»lutionskomitees lesen wir:
^ Als die Arbeiterklasse die Oktoh.Mrevohition zum
Erfolg führte, hoffte sie, ihre Befreiung /u erlangen.
Dis Ergebnis aber war eine noch größere Versklavung
der menschlielien PersönUchkeit. Die Macht des Po-
liivpimonarchismus ging in die Hände der kommunisti-
sdken Eindringlinge über, die den Werktätigen statt
dir Freiheit ständige FurcKt vor d.'r Folterkammer
dßr Tscheka brachten, deren Greueltaten die der (^end-
armerieverwaltung des zaristischen Regimes noch um
ein Vielfaches übertrafen. . . . Das Leben unter dem
Joeh der kommunistischen Diktatur ist schrecklicher
als der Tod ovworden.» — - Der Revolutionäre Dreier-
ausscliuß des technischen Arbeiterbataillons von Kron-
stadt rief den k(nnmunistischen Parteiführern zu:
«Genug der ({ewalttaten, genug des Betrugs. Weg mit
euch ! Daßt uns frei atmen ... Wo sind unsere Ver-
treter?! Warum können sie nicht für uns eintreten und
unsere Brüder, die in den Gefängnissen schmaehten,
b(>freien? Nein, ihr Betrüger, lange genug haben wir
eurer Schönrederei zngeliört.»
Das Aufrüttelnde der Dokumente «Die Wabr-
heit über Kronst^idt» dürfte die beste Wirkung
dieses Buches ausmachen. Im Vonvort wird sie
allerdings nach Kräften heral)gestimmt. Die froi-
heitsdui^^tigen urs])rünglichen Räte — heißt es —
wären wohl «kaum geeignet gewesen, das Land zwi-
schen den Klii>]M'n der wirtschaftlichen Zerrüttung,
der politischen Wirren und der ausländischen In-
terventionen himlurchzusl<niern». «Daß die Kron-
siadter Aufständischen 1021 die Forderung nach
frei gewählten und souveränen Räten erhoben und
dabcrvon den Hoffnungen des .Jahres 1917 inspi-
riert w^urdcn, ist l^ezoichnend für die dem Ideal
innewohnende Kraft, as beweist aber keineswegs
seine Durchführbarkeit.»
Ein solches Urteil bezeugt auf seine Weise, wie
wenig mit der praktischen Verwirklichung jener
Ideafe zu reehnen war und ist, die der Revolution
\on 1017 den Schwung gaben; aueh wenn die
Sowjetunion «sie nie förmlich aufgegeben hat». So
bleibt die Frage, ob hier nicht unter dem Kamen
.Wellrevolution» Dinge zusammengereiht sind, die
nicht zusammengehören.
11 M> L'uiic ' laluTunTruTäng^
rMcd ilirMU Uli li<lUii • . I
i:n w n-khing vom Menschen en.<.ldossen ^.^
sind und wie das Auftreten <'ines Namens jewcds
»"weist, daß der Meii.-h die ^>f ^^f^^,^ ^
rjeistig in seinen Besitz genommen hat. Obwolil die
S^.nmi<-he Aufzeichnung der Namen l^-»-^^
st und oft mit großer Verspätung erfolgt, so laßt
ich doch aus d(.i Manien, sobahl man «^e i'»«^;
sch aufreiht, in große, Zügen dio sudi ändernde
Einstellung d!. Mens<l.en zum Gebirge ei^ennen.
So haftet zum Beispiel der Name «^^»Vi''tis»^
nächst (wie auch .letzt n.Kdi der A pname «Samhs»)
an einer AI,) und ist aus dem Namen ihres 1 ruh-
mittelalterlichen Besitzers zu erklären ; seit dem
11. Jahrhundert tauchen mit der starkern t.r
sehließung der Bei-gweiden die innerrhoduschen
Alpnamen auf, später auch genauere ^renzpunkte-
und Weidenamen; die Namen einzelner Giptel, wie
«Altniann», «Hoher Kasten», werden oilenbar erst
i,n Zuge (h.s goographisch-imturwisscnschaltichen
Interesses an der schweizerischen Gebirgswelt be-
kamit; no.h .iünger sind Namen für Merkpunkte
<los Fremdenverkehrs und des Bergsportes. Die
(}esehi<lite der Namengebung und der Namen uber-
lieJenmg wird in solcher Sicht überraschend zu
einem Stück Kulturgeschichte. Größere Zitate uncl
verschiedene Reproduktionen aus Gebirgsbeschrei-
bungen des 18. Jahrhunderts bilden in diesem
ersten Teil einen reizenden Abschnitt.
Im svstematischen Teil ordnet Sonderegger die
«Bergnamen», das heißt die Namen von Alpeii
und ihren Teilweiden, von Bergspitzen und -i;^assi-
ven Schneefeldern und Höhlen, von Wegen,
Pässen und Grenzpunkten, von Wäldern und üe-
wilssern, nach ihrer Bezeichnungsfunktion, Obw'ohl
nicht jede Deutung der zahlreichen Namen völlig
überzeugt, so werden doch die Motive der Namen-
gebung gut überschaubar. Es zeigt, sich da etwa,
daß die Namen von W^äldern und Bergseen oft
nach den Namen zugehöriger Alpen geprägt sind,
daß manche Gipfelbczeichnungen von den tieter
o-el(Krenen Alpen gleichsam hinan fgerutscht sind;
neben Namen aus der Sicht des Viehliii-tcn (zum
Beispiel «Chüeboden», «Schaf ler») stehen solche
aus der Sicht des Jägers («Gamsloch») oder des
Bergsteigers («Trittli»). Das Alpsteingebirge er-
scheint auf diese Weise als farbiges Mosaik de^
ordnenden und wertenden Sprachgeistes. Dabei
sind bildhafte Namen wie etwa «Ofen», «Rasier-
messer» oder «Na.scnlöcher» eindrücklichc Beispiele
volkstümlicher Namengebung.
Wer immer, ob Heimatfreund oder Namen-
kundler, ob Einheimischer oder Gast des Alpstein-
gebietes', zu dieser ansprechenden Schrift greift,
welche 'wissenschaftliche Qualität in allgemein-
verständlicher Form darbietet, wdrd reichen Gewinn
davontragen.* Rudolf Trüb
* Stefan Sonderegger: Der Alpstein im Lichte der
Bergnamengebung. Das Land Appenzell, Heft 6/7. Ver-
lag Appenzeller Hefte, Herisau 1967.
Gerhard Frick
Alemannische Gedichte
eb Aus dem Schwarzwald stammt ein Viertel-
hundert «Gedichte in Wiesentäler Mundart» %-on
Gerhard Jung, die William Afatheson für das
fünfzehnte Bändcheii der «01tn(;r Liebhaber-
Drucke» bestimmt hat. Schon der Tite « M urzlc
nn Blatt» läßt erkennen, daß man auf kleine Be-
sonderheiten achten muß, wenn man die Eigenart
dieses ScOiwarzwalddialektes erfassen will, (jerhard
Jung hält Eindrücke aus dem Naturleben und aus
dem tätigen Alltag in seinen Vei-sen fest Aber er
verweilt iewcils nicht lang bei ihnen, sondern laßt
sogleich die lebenskundliche Lehre folgen, die er
daraus gewinnt. So mahnt er wohlmeinend und
deutlich zur Zusammenarbeit und zum eintrachtigen
Zusammenstehen. Für Stimmungen des ünmnts
empfiehlt er das Wandern als heilkräftige Debung,
und die Heimat wird mit unpathetischer Ueber-
zeugung gepriesen. Einzelne Gedichte wenden sich
an Persönlichkeiten von Gerhard '/""g« Umkreis
Ser entdecken Sinnbildhaftes «Am Webstuhl»
und bei einem «Alten Holzmacher». Eine Gedicht-
folge läßt alle Arbeitskräfte sprechen, die in einer
Gießerei ein Werkstück entstehen lasseii. Auch das
«Roti Chrüz» erhält einen ^hyvj^Ä^n Gruß. (Vei-
lag der Freunde der Oltner Liebhaber-Drucke.)
Kunsl in Zürich. Die Galerie in d^r KUeweid,
Zürich-Leimbach, zeigt seit 22. März bis zum
"1 Vpril Bilder von Ernst Georg Heussler, Paris,
und Plai^tiken von Hermann Klöckler, Oberalbis
— In einer Ausstellung «konkreter Poesie» stellt
die Galerie Stummer £' Hubschmid Posters, Ob-
jekte und Projekte vei-schiedcncr Künstler vor.
Literarischer Club. oc. Dem Vortragszyklus des
Liferarischcn Clubs war ein ei ndrückl icher Ab-
schluß beschieden. Der Präsident Arthur llany
konnte in Peter Brogle einen Referenten begrüßen,
der als Schauspieler zu den Suchenden gebort, der
Routine abgew^nndt bleibt und unglücklich ist,
wenn einem weitern Tiefgang der Darste hing Ein-
halt geboten wird. Das Thema freilich, das Brogle
an Texten von Kafka, Thomas IMami, Brecht H.
Hediger, Grock und aus eigenen Skizzen enttal-
tete, hieß für einmal nicht Theater, sondern Zir-
kus Was für ein Ziel hatte der Rclerent im Blick?
Er wollte der Geringschätzung des Artistcnberutes
entgegentreten und die Welt des Zirkus fachkun-
dig erhellen. So zeigte er auf, wie hart und präzis
<\or Artist zu arbeiten liat, bis da5 D nmogl ich e ge-
lingt. Im Theater ist ein «Hänger» einzurenken,
im Zirkus wird er zum Verhängnis. Der Schauspie-
ler sieht sich umsorgt von Helfern. Er muß sich
um die Technik nicht bemühen. Der Artist hat alles
von Grund auf zu kennen und zu ubenvachen.
Brogle wünscht sich für die Thcaterarbeit ein
wenig von dieser Disziplin. Diesen Ausführungen
folgte eine überraschende Demonstration, cipgclei-
tet durch den Vortragenden selber, der durch be-
wußt nervöses Suchen nach einem «offenkundig»
verlegten ]\ranuskript beiläufig Aepiel und Oran-
gen aus der Mappe fallen ließ und so dem be-
kannten Artisten und Mitbesitzer des Zirkus
Royal, Cony Gasser, Gelegenheit bot, sein stiipen-
des Können als Jongleur vor einem «instruierten»
\ Publikum unter Beweis zu stellen.
>S
:i^mi
(V^
Page 6
MEMOIRS BY TWO GERMAN JEWS
A SERVANT TO JEWRY
Martin Rosenbluth's Reminiscences
Martin Rosenbluth's reminiscences* form a
desirable and valuable first-hand contribution to
the knowledge of former German Jewry and of
the Services rendered by German Jews to the
Zionist World movement. The first half of the
book is devoted to the early years the author
spent at Messingwerk, near Eberswalde, north of
Berlin. Martin Rosenbluth's father, as the
numerous friends of the Rosenblueth clan will
recall, was an executive of the metal firm of Aron
Hirsch und Sohn, Halberstadt, which had acquired
Messingwerk from the Prussian Crown in 1863.
A small, but vigorous Jewish community
developed, with Gustav Hirsch, the factory
director, serving as the Hazan in the Shool.
Services were according to the Hildesheimer
brand of Jewish Orthodoxy.
Jewish Orthodoxy and German Culture
The German classical authors were given equal
weight in the upbringing of the Rosenblueth
children. The political outlook was "kaiser-
treu ■'. One of the author's brothers was killed
in Service during the First World War. About
the turn of the Century, the late Lazarus Barth,
a kin&man of the Hirsch family, and an ardent
proponent of the Zionist credo, was transferred to
Messingwerk. However, Martin Rosenbluth's
conversion was achieved only later, during his
university years in Berlin, by the late Professor
Eugen Taeubler. "German Zionists," Taeubler
said, "need never regret the influence of their
upbringing and their education. Their "finest
thoughts, their dreams, their imaginations would
always be deeply influenced by their heritage of
German childhood songs and fairy tales ; by the
remcmbranca of German hüls and forer.ts, fields
and flowers ; by the beautiful music of German
composers and the immortal writings of the great
il • Martin Rosenbluth : Go Forth and Serve. Early Years
' and Public Life. Herzl Press, New York, 1961. 318pp.
KELLERGEIST
ADVISES A.J.R. READERS
Choose Hallgarten—
Choose ßne
Ask tor ih»m by name!
l( you have any difficulty in frnding
HALLGARTEN wines, wrile to u$
(or assistance
S. F. & 0. HALLGARTEN
1, Crutch«d Friars, London, E.C.3
German authors ; by ^ the teachings of German
scholars and scientists."
The second part of the book records some high-
lights of the fifty-one years (from 1910-61) Martin
Rosenbluth spent in the service of the World
Zionist Movement in Central Europe, Copenhagen,
since 1933 in London and since 1940 in New York,
Rosenbluth personifies what another author
(Richard Lichtheim, Die Geschichte des Deutschen
Zionismus, Jerusalem. 1954. p. 9) has smgled out
as the characteristic contribution of German Jews
to the Zionist cause, viz. sense of Organisation and
discipline. Its importance is perhaps less obvious
than spectacular, dramatic Propaganda successes,
But without the most intimate co-operation
between forceful propagandists and patient
administrators, the dream could never have
become stable reality. Only insiders will ever
realise the efforts invested by Dr. Rosenbluth
since the proclamation of the State of Israel in
1948, in establishing and maintaining the name of
the State as a good credit risk inside the Wall
Street community of bankers and financiers.
It is gratifying to know that his achievements
were appreciated by the Israel Government which
granted citizenship to Dr. and Mrs. Rosenbluth
even though they were neither born in the country
nor have ever lived within its borders except for
Short periods as visitors.
En|ivened by Anecdotes
Dr. Rosenbluth's narrative is enlivened by
numerous anecdotes, as a charming raconteur of
which he commands a deserved reputation among
his friends and admirers. He could, no doubt.
have easily doubled the space allotted to him, by
filling in worthwhile details. For instance : the
last phase of Messingwerk (after he had left the
place) witnessed the establishment of a Hachshara
(retraining) centre for Halutzim.
While in New York. Dr. Rosenbluth co-operated
with the German-Jewish Representalive Commit-
tee of the World Jewish Congress. He has also
been a member of the Board of Directors of the
American Federation of Jews from Central
Europe, Inc. since its inception. He has devotedly
and ably served both the Zionist cause and the
collective interests of the German Jews. May he
bc bles5»ed with many more years to witncss and
cnjoy the fruition of his labour.
DR. H. G. REISSNER.
FRANKFURT BEFORE THE FIRST
WAR
This dclightful litlle book* is by a lawyer v\ho
Icft his home-town Frankfurt early in 1936 and
scttlcd in what was then Palestinc. While living
at Ramot Hashavim it occurred to him that his
children. born over there, s-hould know something
about their father's past. his family background
and his education. So he wrote thcse chaptcrs
about his childhood. the town. the family, reli-
gion, schooling and fatherland. They are followed
by copious notes on pcrsonalities mentioned in the
tcxt, institutions and some Hebrew words.
Spier was the son of a prosperous- businessman.
whose shoe-shop was well known in old Frankfurt
as " der Schuh-Spier ". Neither his father nor
his mother was born at Frankfurt, both had
moved to that centre towards the end of the last
Century, as did many other Jews from villages or
smaller towns. Like so many of their fellow-
Jew9. the family lived in the cast end of the
town, near the Zoological Garden, and the little
boy could hear from his nursery the notes of the
exotic birds kept in that menagerie. Hence the
* Selmar Spier. Vor 1914. Erinnerungen an Frankfurt,
geschrieben in Israel. Frankfurt a.M. 1961. Verlag Waldemar
Kramer. DM. 6.80.
AJR INFORMATION January, 1962
original title of his first chapter, "Der Ruf des
fremden Vogels". The Spiers were fairly Ortho-
dox, eating kosher food, but their shop was not
closed on Saturdays. The reader of *' Vor 1914"
gets an idea of the author's piety even before
opening the book, as its cover, done after some
old print, shows Frankfurfs Central Synagogue in
Allerheiligenstrasse, which many emigrants remem-
ber so well. Spier received his first education in
a school later to be called after its founder,
Samson Raphael Hirsch, a strictly Orthodox
establishment. It was a gloomy place, where
incompetent masters would often flog their little
victims.
The Goethe Gymnasium
When he was twelve years old he was
transferred to a Grammar School, the Goethe
Gymnasium, a stately building in the western part
of the city, a so-calied Reformgymnasium where
Latin was no longer the first foreign language to
be taught, but followed French in the fourth year
of the curriculum. It was 1905 when Spier and I
became proud pupils in that school, he entering a
form called U III. while I was a mere "Quin-
taner "'. We did not have the same masters, but
even so, Spicr's description of conditions in our
school was of great interest to mc, as it musjj^e
to all those who survived the First World War
and like to remember a now distant past. Once a
year our headmaster read out the names of the
bovs who moved up to a higher form, and as
he came from the far North of Germany, he
pronounced Spier's name like the English word
spear, which gave us Frankfurters great amuse-
ment. . , „ ,
Spiers last chapter, " Das Vaterland , has a
more general appeal. Deeply interested in history
and politics, the author here deals with the
problematic position of a young Jew in a
Christian state and society. Those school-leavers
who did not enter business could as a rule only
choose between law and medicine as a career.
Spier chose the former. but his book stops short
before he went to the university. His book is a
" must " for all Frankfurters, but so great are bis
literaiy i»kill, his Icarning and hi'- hiimour that it
can be warmly recommended also to those in or
from other parts of Germany, and to Jews and
Gentiles alike. W. MOREL.
J^EMME
Wir kaufen Einzelwerke, Bibliotheken,
Autographen und moderne Graphik
Direktor: Dr. Joseph Suschitzky
38o BOUNDARY RD., LONDON, N.W.8
==Telephone. MAI. 3030 =
.•^'cfi^rr
THE LUTON
KNITTING
COMPANY
LTD.
Manufacturers of Jersey Clofh
and Knitted Headwear
Wholesale only
664-668 DUNSTABLE ROAD,
LUTON, BEDFORDSHIRE
Tel.: Luton 52516/7
K.
l
^ THE NEW YORK riMF.^ WEDNESDAY, SEPTEMBER 13. 1967
f
mation
fff^
...,_j
Srhuplro Black Star
d States in 1964
1 will Sit on the
hrone, which is
high and covered
ind 26,733 jewels.
Fath-Ali, a 19th-
lah of the last
lasty, the Qajars,
d for a favorite
) was known as
hanoum, which
! Peacock.
ctcd Sitting
» throne is wide
only one person,
5s will Sit on a
sted chair near-
press has taken
with the design
mation wardrobe
and 10 high-born
tendants, whose
I not yet been an-
e of Dior in Paris
Sketches of her
d her attendants'
' the Emprcss's
HS. The clothes
made in the
elicr of a Swiss-
n coulurier, Mon-
figure with a
1 mustache, Pierre
representative in
id has the right
)ior label.
ne, Anyway
of Monsieur Pier-
ressmakers havc
Dg on the clothes
\6 of June. Asked
ib would be done,
up his eycs and
R. W. Pershing
Becomes Fiance
Of Shirley Gay
Special to The New York Time«!
WATER MILL. L. 1., Sept.
12— The engagemcnt of Miss'
Shirley Hildreth Gay and
Lieut. Richard Warren Per-
shing. U.S.A., has been made
known by her parents, Mr.
and Mrs. Philip Dumaresque
Gay.
Mr. Pershing is the son ox
Mr. and Mrs. F. Warren Per-
shing of New York and
Southampton. He is the
grandson of the latc General
of the Armics John J. Per-
shing and Mrs. Pershing.
Miss Gay was graduatcd
from Northfield School in
Fast Northfield, Mass., and
Bennelt College in Millbrook,
N. Y. She is on the cditorial
staff of Vogue jnagazine.
The prospective bride is
the granddaughter of the late
Mr. and Mrs. William Otis
Gay of Boston. New York and
Southampton, and of Mr. and
Leon Pclletreau Hildreth of '
Southampton. She is a de-
.scendant of William Bradford,
second Govcrnor of Plymouth
Colony. Her fathcr is an in-
spector for tho Grumman
Aircraft Engineering Corpo-
ration in Sag Ffarbor.
Lieutenant Pershing is an
alumnus of Phillips Exeter
Acadcmy and Yalc College,
where Im was a member of
Fence Club and Skull and
Bones. He recently completed
training at Fort Benning, Ga.,
and will be assigned to the
101 st Airborne Division at
Fort Campbell, Kentucky.
He is also the grandson of
the late Mrs. Frederick Bcck-
man and tho late Mr. Freder-
ick Lloyd Richards, both of
New York, and a grcat-grand-
son of the late Senator Fran-
cis E. Warren of Wyoming
and the late Jules S. Bache
of New York. His father is a
senior partner of Pershing &
Co., Stockbrokers.
y^'
^.j.yrf*-vw/^ **v\
^^*^.
••V
% v*^^*"*^
I
•^*
The engagemcnt of Miss
Marina Leonie Kellen to Leo-
pold-Bill von Brcdow has
been announced by her par-
ents, Mr. and Mrs. Stephen
Max Kellen of 784 Park Ave-
nue and Ridgefield, Conn.
Mr. von Bredow is the son of
Mrs. Leopold-Waldemar von
Bredow of Les Diablerets, |
S Witzerland, formerly of
Potsdam, Germany, and the
late Major von Bredow of
the Gemian Army. ^.
The couple plan to be mar- \ .
ried hcre in January. \
The bride-to-be, an alumna \
of the Brearley School, at- K
tended the New York School,
of Interior Design and the
University of Lausanne in
Switzerland. She operated a
multilingual guide service
here called Keys to New
York.
Mi.ss Kellen was presented
in 1959 at a dinner-dance
given by her parents and at
the International Debutante
Ball.
Mr. von Bredow, a great-
grandson of Prince Otto von
Bismarck, first ChanccUor of
the Second German Empire,
scrved with the German For-
eign Office in Brüssels, West
Africa and Fast Pakistan and
with the German Observcr
Mission to the United Na-
tions. He is second sccrctary
in the Foreign Office in
Bonn.
A graduate of the Human-
istisches Gymnasium in Basel,
Switzerland, he also studied
law at the University of Bas-
el and at the University of
Freiburg in Germany, receiv-
ing a master's degrce in 1955
from the latter.
Miss Kellcn's father is
President of Arnhold and S.
Bleichroeder, Inc., invest-
ment bankers here. Her great
grandfather. the late Georg
Arnhold of Dresden, Ger-
many, foundcd the banking
house of Arnhold Brothers,
Dresden and Berlin, in 1864.
The house was merged with
the S. Bleichroeder Bank of
Berlin.
Miss Kellen is also Ihe
granddaughter of Mrs. Hans
Arnhold of the Ritz Tower
Hotel, formerly of Berlin, and
the lato Mr. Arnhold. and of
Mrs. Max Kellen of Baden,
Swii/'Miand, formerly of Ber-
;ir -id the late Max. Katz-
ra.'.iirnbogen.
Her fiance is tlie grandson
of the late Mr. and Mrs. Wi-
chard von Bredow ..f Bredow,
Germany. and th< ..e Prince
and Princess 1. oert von
Bismarck of .Scidnhausen
and Friedrichsru. .ermany.
^y
Miss Marina L. Kellen
Mrs. Lewis Has a Son
A son was born on Aug. 30
in London to Mr. and Mrs.
Richard Lewis of Harrington
Sound, Bermuda. Mr. Lewis
is an opera and concert
tenor. His wife, the former
Elizabeth Robertson, is the
daughter of Fyfe Robertson,
British radio and television
director and commentator,
and Mrs. Robertson of Bux-
ted, Sussex, England. The
child has been named Nigel
James.
j, -VS**J-.*^^M'^#V Ä
i
Marina L. Kellen Is Betrothed L
To Leopold-Bill von Bredow '
i:
D
Li
sc
G
ai
at
u
»
p
B
d
g
a
C
J
n
\
c
I
t
e
J
r
l
}
,, (12010 ^!juJ
vOTtn
f KOWACCEPTI
I
AT m \i\
Wlonday, Sep
Civic Ce
49 Why
V/ednesday,
York^
157 East
5 K..n.TrM '^ ask about our FRI
<^9-ll QUEENS BLV
For informatior
^.^^vyyvA^■A^«|eJ^^'»X:T^».■y;>50^XW.■-^^^*^
\ JEAN
'] NIOETCH
.♦w-
r>r\fr\9%at ^f\r\ .
i
i( is'jyu "^
m^
: </,-'«t .3
^^'^^^^
Halbmonats. BeMoge des "Aufbau" fOr Unterhaltung und Wissen
No. 278
Marxismus: Dogma und Wirklichkeit
Gedanken zum 150. Geburtstag von Karl Marx am 5. Mai
Von HEINZ PÄCHTER
Welch glücklicher Zufall, dass
wir in diesen Tagen nicht, wie,
im vorigen Jahre, den hundert-
sten Veröffentlichungstag des
«^Kapital" feiern, sondern den
150. Geburtstag seines Verfas-
sers. Denn das Rad der Ge-
schichte hat die langwierige
Dissertation über den Mehrwert
nunmehr gründlich zermahlen
— nicht ohne mit ihrem Staube
die Gefilde der Geschichte kräf-
tig "au düngen! — aber es hebt
ins hellste Licht unserer zeitge-
nössischen Diskussion die flam-
menden und quälenden "Ju-
gendschriften" von Karl Marx,
dem Achtundvierziger. Der Pat-
riarchenbart des Gründers, der
als Staate Philosoph über russi-
schen Banketten und sozialisti-
schen Kongressen prangt, er-
scheint uns heute wieder als
der zornige Bart eines Prophe-
ten. Der Gelehrte, der zwanzig
Jahre lang täglich in die Biblio-
thek des Britischen Museums
pilgerte und mühsam die Selbst-
zeugnisse unser er es Wirtschafts-
systems zusammenklaubte,
moclite ein Führer für die Mas-
sen des viktorianisch-wilhelmi-
nischen Zeitalters sein, die sei-
ne Schriften nicht lesen konn-
ten, aber darin — wie die From-
men in einem heiligen Schrein
die Versicherung bewahrt
glaubten, ihr Weg zum Heil sei
unwiderstehlich und wissen-
schaftlich beweisbar. Im 19.
Jahrliundert war es notwendig.
dass diese Versicherung in der
magischen Sprache einer unzu-
gänglichen Wissenschaft gege-
ben wurde.
Der junge Marx rief den Men-
schen auf, sich gegen seine Um-
stände aufzulehnen imd seine
Verhältnisse selbst zu formen;
die marxistischen Lehrbücher
lehren, es seien die Umstände,
die den Menschen schüfen, und
die Verhältnisse würden schon
melir oder minder von selbst
die ersehnte Umwälzung herbei-
führen. Die Arbeiterklasse
brauchte sich nur zu organi-
sieren, um dann im gegebenen
Moment die alte Maschine von
den bankrotten Kapitalisten zu
übernehmen. Inzwischen hatte
die marxistische Wissenschaft
nichts zu tun, als aus des Mei-
sters grossem Zitatenschatz je-
weils die bereits vorausgesehene
und vorausbedachte Antwort zu
ziehen. Diese Werke werden noin
von eifrigen Philologen mit Ak-
ribie und Gelehrsamkeit ediert
und interpretiert.
Denn Marx glaubte nicht, wie
die meisten anderen Philoso-
piien, dass er ein für alle Zeiten
gültiges Lehrgebäude erriclitet
haibe ("Wir sagen dem Proleta-
rier nicht: hier ist die Wahr-
heit, hier knie nieder"); son-
dern wie heute jeder Klippschü-
ler weiss, entdeckte er das so-
ziologische Gesetz, dass Ideen
Sich nach den gesellschaftli-
dhen und geschichtlichen Ver-
hältnissen wandeln. Er war
nicht so töricht zu meinen, dass
seine eigenen Ideen von diesem
Gesetz ausgenommen wären.
Ja er ging sogar noch einen
Schritt weiter: wenn Leute un-
ter veränderten Bedingungen
an einer Idee festhalten, die
vielleicht einmal ganz richtig
war, so wird diese Idee zur Fes-
sel weiteren kritischen Denkens
imd darum falsch, blosse Ideo-
logie oder religiöses Dogma. Bei
Marx ist die Wahrheit nie das
Abbild einer sich stets gleich
bleibenden Wirklichkeit, son-
dern ist immer sich entwickeln-
de Erkenntnis, die im Prozesse
des Erkennens selbst das Objekt
(die Welt) umgestaltet. Das ist
in der modernen Physik ein
ganz geläufiger Vorgang, aber
nur Marx hat ihn konsequent
auf die Gesellschaftswissen-
schaft angewandt, wo er natur-
gemäss ein viel allgemeineres
Phänomen ist.
Wie intim die Theorie bei
Marx mit der umwälzenden
Praxis verbunden ist, das lässt
sich an Marxens eigener Gei-
stesentwicklung und insbeson-
dere an der fortschreitenden
Verfeinerung seiner Geschichts-
auffassung zeigen. In jenen Ju-
gendschriften, die uns heute so
vertraut anmuten, klagt Marx
noch über die Entfremdung des
Menschen, seine "Entmen-
schung" durch die kommerziel-
le Zivilisation. Aber im Unter-
schied zu seinen Freunden, den
Radikalen von damals — Jung-
hegelianern, Feuerbachianern
und "wahren" oder "deutschen"
Sozialisten, die den heutigen
Psycho-Anarchisten, Marcuse-
Jüngern und "Neuen" Linken
entsprechen — erkannte Marx,
dass man diesen Verlust des
"natürlichen" Menschen nicht
wieder rückgängig machen
kann, indem man sioli dagegen
auflehnt.
Da die Entfremdung ein Pro-
dukt gesellschaftlicher Entwick-
lung ist. muss sie durch gesell-
schaftliche Kräfte überwunden
werden, und diese können nur
einer Klasse angehören, die
selbst völlig entmenscht und da-
her zu einer totalen Umwäl-
zung der Gesellschaft bereit ist.
Ganz im Sinne der Apokalypse
lebte Marx damals in der Er-
wartung, dass die "Erfüllung"
des Kapitalismus seinen Unter-
gang hervorbringen würde.
Aber wie sollte man sich die-
ses Sich -Selbst-Überschlagen des
Kapitalismus vorstellen? Durch
den grossen "Kladderadatsch",
den jedermann für das Jahr
1848 erwartete? Darauf gab
Marx im "Kommunistischen
Manifest" 1847 die überraschen-
de Antwort: Keineswegs. Nicht
nur musste der Sozialismus auf
die Entwicklung des Kapitalis-
mus warten; auch die totale
Revolution konnte nur als Fort-
setzung der "bürgerlichen" Re-
volution gewonnen werden, und
als der März-Sturm tatsächlich
ausbrach, gab Marx seinen
Kommunisten genaue Anwei-
sung, wie sie den "radikalen
Flügel der Bourgeoisie weiter-
treiben sollten. Ein neues Sta-
dium in Marx' Denken war er-
reicht, in dem er nun von der
"permanenten Revolution"
sprach. Als die Revolution ge-
schlagen war oder in einem
schmählichen Kompromiss zwi-
schen Fürsten und Bourgeoisie
endete, da wandte sich nun-
mehr Marx seiner Lebensauf-
gabe zu, eine selbständige Po-
litik und Ökonomie der prole-
tarischen Klasse zu entwik-
keln, die in ständigem Kampf
um ihre Lebensbedingungen
Karl Marx schreibt an seine Frau
Mein Herzliebchen.
Ich schreibe Dir wieder, weil
ich allein bin und weil es mich
geniert, immer im Kopf Dialoge
mit Dir zu halten, ohne dass
Du etwas davon weisst oder
hörst oder mir antworten
kannst. Schlecht, wie Dein Por-
trät ist, leistet es mir die besten
Dienste, und icli begreife jetzt,
wie selbst "die schwarzen Ma-
donnen", die seh impfier testen
Porträts der Mutter Gottes, un-
Jenny Marx
verwüstliche Verehrer finden
konnten, und selbst mehr Ver-
ehrer als die guten Porträts. Je-
denfalls ist keins dieser schwar-
zen Madonnenbilder je mehr
geküsst und angeäugelt und
adoriert worden als Dein Photo-
graph, das zwar nicht schwarz
ist, aber sauer, und durchaus
Dein liebes, süsses, "dolce" Ge-
sicht nicht widerspiegelt. Aber
ich verbessre die Sonnenstrah-
len, die falsch gemalt haben,
und finde, dass meine Augen,
so sehr verdorben vom Lamp>en-
licht und Tobacco, doch malen
können, nicht nur im Traum,
sondern auch wachend. Ich
habe Dich leibhaftig vor mir,
und ich trage Dich auf den
Händen, und ich küsse Dich
von Kopf bis Fuss, und ich
falle vor Dir auf die Knie, und
ich stöhne: "Madame, ich liebe
Sie." Und ich liebe Sie in der
Tat, mehr als der Mohr von Ve-
nedig je geliebt hat. Falsch
und faul fasst die falsche und
faule Welt alle Charaktere auf.
Wer von meinen vielen Ver-
leumdern und schlangenzüngi-
gen Feinden hat mir je vorge-
worfen, dass ich berufen sei,
eine erste Liebhaber rolle auf
einem Theater zweiter Klasse
zu spielen? Und doch ist es
wahr. Hätten die Schufte Witz
besessen, sie hätten "die Pro-
duktions und Verkehrsverhält-
nisse" auf die eine Seite ge-
malt und mich zu Deinen Füs-
sen auf der anderen. Look to
this picture and to that — hät-
ten sie drunter geschrieben.
Aber dumme Schufte sind es
und dumm werden sie bleiben,
in saeculum saeculorum.
Momentane Abwesenheit ist
gut, denn in der Gegenwart
sehen sich die Dinge zu gleich,
um sie zu unterscheiden. Selbst
Türme erscheinen in der Nähe
zwerghaft, während das Kleine
und Alltägliche in der Nähe be-
trachtet zu sehr wächst. So ist
es mit den Leidenschaften.
Kleine Gewohnheiten, die durch
die Nähe, mit der sie einem auf
den Leib rücken, leidenschaft-
Uche Form annehmen, ver-
schwinden, sobald ihr unmittel-
barer Gegenstand dem Auge
entrückt ist. Grosse Leiden-
schaften, die durch die Nähe
ihres Gegenstandes die Form
von kleinen Gewohnheiten an-
nehmen, wachsen und nehmen
ihr naturgemässes Mass wieder
ein durch die Zauberwirkung
der Ferne. So ist es mit meiner
Liebe. Du brauchst mir nur
durch den blossen Traum ent-
rückt zu sein, und ich weiss so-
fort, dass die Zeit ihr nur dazu
gedient hat, wozu Sonne und
Regen den Pflanzen dient, zum
Wachstum. Meine Liebe zu Dir,
sobald Du entfernt bist, er-
scheint als was sie ist, als ein
Riese, in die sich alle Energie
meines Geistes und aller
Charakter meines Herzens zu-
sammendrängt. Ich fühle mich
wieder als Mann, weil ich eine
grosse Leidenschaft fühle, und
die Mannigfaltigkeit, worin uns
das Stadium und moderne Bil-
dung verwickeln, und der Skep-
tizismus, mit dem wir notwen-
dig alle subjektiven und objek-
tiven Eindrücke bemängeln,
sind ganz dazu gemacht, uns
alle klein und schwach und
quängelnd und unentschieden
zu machen. Aber die Liebe,
nicht zum Feuerbachschen
Menschen, nicht zum Mole-
schottschen Stoffwechsel, nicht
zum Proletariat, sondern die
Liebe zum Liebchen und na-
mentlich zu Dir. macht den
Mann wieder zum Mann.
Du wirst lächeln, mein süsses
Herz, und fragen, wie ich auf
einmal zu all der Rhetorik
komme? Aber könnte ich Dein
süsses weisses Herz ans Herz
drücken, so würde ich schwei-
gen und kein Wort sagen. Da
ich nicht küssen kann mit den
Lippen, muss ich mit der Zunge
küssen und Worte machen. Ich
könnte in der Tat sogar Verse
machen und Ovids "Libri Tri-
stium", zu deutsch Bücher des
Jammers, nachreimen. Er war
bloss vom Kaiser Augustus ver-
bannt. Ich aber bin von Dir ver-
bannt, und das begriff Ovid
nicht.
Es gibt in der Tat viele Frauen-
zimmer auf der Welt, und ei-
nige darunter sind schön. Aber
wo finde ich ein Gesicht wie-
der, wo jeder Zug, selbst jede
Falte die grössten und süs.se-
sten Erinnerungen meines Le-
bens wieder erweckt? Selbst
meine unendlichen Schmerzen,
meine unersetzlichen Verluste
lese ich in Deinem süssen Ant-
litz, und ich küsse mich weg
über den Schmerz, wenn ich
I>ein süsses Gesicht küsse. "Be-
graben in ihren Armen, aufer-
weckt von ihren Küs,sen" —
nämlich in Deinen Armen und
von Deinen Küssen, und ich
.^henke den Brahmanen und
dem Pythagoras ihre Lehre von
der Wiedergeburt und dem
Christentum seine Lehre von
der Auferstehung . . .
Ade mein süsses Herz. Ich
küsse Dich vieltausendmal und
die Kinder
Dein Karl
Die Karl-Marx-Gedächtnismarke
der Deutschen Bundespost
das Bewusstsein vom Pro-
zess der gesellschaftlichen
Entwicklung gewinnen sollte.
Diese kritische Methode, die
Entwicklung des gedanklichen
Widerspruchs aus gegebenen
geschichtlich - gesellschaf tliolien
Verhältnissen, ist der eigentli-
che Inhalt des Denkens Marx'
in seinen mannigfachen Anwen-
dungen. Wer diese Methode an-
wendet, kann sich Marxist nen-
nen, selbst wenn er den soge-
nannten "Materialismus" für
Metaphysik, die Dialektik für
eine Spielerei und die Wert- und
Mehrwertlehre für Talmudistik
hält.
Vor Marxens Lehrsätzen, die
grossenteils auf Beobachtungen
und Vorstellungen, ja wissen-
schaftlichen Moden des 19.
Jahrhunderts beruhen, brauch-
ten die herrschenden Klassen
keine Angst au haben. Weder
hat er die Klassen entdeckt
noch den Klassenkampf erfun-
den. Auch die Mehrwert-Theo-
rie war bereits in der englischen
Ökonomie vorgebildet. Selbst
die Theorie von der Akkumula-
tion des Kapitals und das Ge-
setz der wiederkehrenden Kri-
sen — lange für einen spezifi-
schen Beitrag der marxistischen
Ökonomie gehalten — hat der
bedeutende Marxist Hilferding
für "klassenmässig neutral" er-
klärt, ja man kann ohne Über-
treibung sagen, dass viele kon-
krete Beobachtungen von Marx
— etwa das Gesetz der Konzen-
tration — und sogar viele seiner
Lehrmeinungen, wie die ökono-
mische Verursachung der Krie-
ge, heute Allgemeingut auch
der nicht-marxistischen Ökono-
mie und in allen Lehrbüchern
zu finden sind. Er teilt dieses
Schicksal mit Freud — dass er
gerade von denen, die ihn am
meisten bestehlen, auch am wü-
tendsten verlästert wird. Aber
was all diesen vermeintlichen
oder unbewussten Nachläufern
fehlt, ist Marxens spezifische
Methode der Verbindung von
Theorie und Praxis, jene schnei-
dende Konkretheit der Unter-
suchung, die die Wahrheit nicht
für gefunden hält, ehe sie nicht
überwunden ist, und die der
Menschheit neue Aufgaben
stellt, indem sie sie verwirk-
licht . . .
ili«4lViMii«ll
imiiiliiiw
Die Karl-Marx-Marke der
Deutschen Demokratischen
Republik
Ein falscher
Friedrich Engels
Das Erbe des Sozialismus
Notizen über neu erschienene Schriften
<
p
<
pH
p
Von Dr. HELMUT HIRSCH
Man kennt sie aus unzähli-
gen Reproduktionen, die ver-
schiedenen Aufnahmen von
Karl Marx und Friedrich En-
gels, die sie in der Pracht ihrer
Vollbarte zeigen, jenes Frei-
heitssynibols der 48er Revolu-
tionäre. Recht bekannt ist auch
das hier wiedergegebene Solda-
bildness, auf dem erst ein
leichter Flaum die Oberlippe
bedeckt. Es schmückt viele west-
liche und östliche Publikatio-
nen, so die von 1961 bis 1966
unter den Auspizien des Insti-
tuts für Gesellschaftswissen-
schaften beim Zentralkomi-
tee der SED erschienene zwei-
bändige historisch - biographi-
sche Studie Der junge Engels
von Horst Ullrich. Zukunftig
werden wir jedoch die Anfänge
der Karriere des "Generals"
(wie Engels als Militärsachver-
ständiger von seinen Freunden
genannt wurde) anders zu illu-
strieren haben. Denn dieses
Bildnis stellt nicht ihn dar, son-
dern seinen heftigsten Gegner,
nämlich seinen Vater.
Hierfür gibt es zunächst do-
kumentarische Hinweise. In
Friedrich Engels' Testament
vom 29. 7. 1893, das Eduard
Bernstein als einer der Voll-
strecker am 18. 9. 1929 im "Vor-
wärts" veröffentlichte, heisst es
gleich zu Beginn: "Ich ver-
mache meinem Bruder Her-
mann das jetzt in meinem Be-
sitz befindliche Ölgemälde mei-
nes Vaters, und falls der ge-
nannte Bruder ihm im Tode
vorangehen .sollte, vermache ich
es seinem Sohn Hermann". Am
14. 8. 1895, also kurz nach En-
gels Ableben, bestätigte Emil
Engels seiner Mutter: "Ein aus-
führliches, englisch atogefasstes
Testament hat er hinterlassen
und zwei Freunde zu Vollstrek-
kern ernannt. Onkel Hermann
bekommt ein kleines Ölbild,
welches Grosspapa als Soldat
darstellt, sonst bekommt die
ganze Familie Engels gar
nichts". Hermann Engels (der
Dritte) bewahrt das Portrait
bis zum heutigen Tag in der
Bngelsschen Villa zu Engelskir-
chen aüt.
I>och — vielleicht fielen En-
gels' Erben einer seiner häufi-
gen Eulenspiegeleien oder ei-
nem namentlich in seinen alten
Tagen bei ihm vorkommenden
Erinnerungsfehler zum Opfer?
Sollte der Abgebildete nicht
doch etwa Friedrich Engels Ju-
nior sein, dem er tatsächlich
ähnlich sieht? Ikonographische
Fakten verneinen eine solche
Frage. Die weiss eingefasste
Schulterklappe mit der gelben
Ziffer 7, die auf den anschei
Friedrich Engels, der Vater
Photo: Müller, Engelskirchen
nend retouschierten Reproduk-
tionen nicht zu erkennen ist,
deutet auf die 7. Artillerie-Bri-
gade von 1816 hin, die hernach
im Westfälischen Fussartillerie-
Regiment Nr. 7 des 7. Armee-
korps aufging. Engeln' Vater,
der 1816 gerade 20 war, damals
seit zwei Jahren im Barmer
Geschäft der Eltern arbeitete
und mit 23 heiratete, bekam
im Jahr darauf den Stammhal-
ter, der Marxens lebensläng-
licher Freund werden sollte.
Mithin könnte der Vater wohl
1817 bis 1818 in Münster ge-
dient haben.
Der "richtige" Engels aber,
den es in die Nähe der Berliner
Universität zog. leistete seinen
Militärdienst vom Herbst 1841
bis zum Herbst 1842 im Garde-
Fusß - Artillerie - Regiment. Er
schickte der Lieblingsschwester
Marie nicht nur eine köstliche
Skizze von seiner Uniform, son-
dern auch deren genaueste Be-
schreibung: "blau mit schwar-
zem Kragen, an dem zwei gelbe
Streifen sind, und mit schwar-
zem, gelbgestreiften Aufschlä-
gen nebst rot ausgeschlagenen
Schössen. Dazu die roten Ach-
selklappen mit weissen Rän-
dern". Auch die Zeichnung hob
die beiden Streifen der Berliner
Montierung hervor und para-
dierte ausserdem einen mächti-
gen Schnauzer, gegen den das
Münsteraner Bärtchen ein
Schatten war.
Kennern war ehedem die Pro-
venienz unseres Porträts nicht
unbekannt (wie der an Hans
Stein, Mitarbeiter des Moskauer
Marx-Engels - Institutsdirektors
D. Rjazanoff, gerichtete Brief
von Emil Engels (10. 2. 1928»
im Internationalen Institut für
Sozialgeschichte, Amsterdam
zeigt). Vier Jahrzehnte genüg-
ten jedoch, um das merkwür-
dige Bild eines Sohnes zu
schaffen, der sein eigener Va-
ter ist.
"Moi, je ne suis pa^ Marxi-
ste" ("ich bin kein Marxist")
hat Karl Marx selbst einmal
geschrieben. Auch die flüchtig-
ste Beschäftigung mit seinem
Werk zeigt, wie schwierig es ist,
seine Theorien in das Korsett
einer fixierten Ideologie zu
zwängen. Das Marx-Gedenk-
jahr sollte ein besonderer An-
lass sein, die Schriften von
Marx zu studieren und seine
Ideen im Zusammenhang mit
der Gesamtentwicklung des So-
zialismus zu sehen. Für einen
solchen prüfenden Blick ist
eine Reihe neuer und neu her-
ausgegebener Schriften von ho-
hem Wert.
Walter Rathenau sagte
"Was Marx
.//
Goethe nannte die Romantik
"kranke Kunst". Mit Recht.
Denn die Romantik entstammt
nicht dem Drang nach Mittel-
alterlichkeit, sondern die Mit-
telalterlichkeit wurde gemacht
von Menschen, die für ihre
trüben Seelen Verkörperungen
suchten.
Am Zweige der tristen Kunst
wächst die Sentimentalität, die
slawische Schwermut, die My-
stik, die Satirik, die Kindelei.
Auch starke Menschen kön-
nen schwermütige Stunden er-
leben: aber diese Stimmung
ist bei ihnen flüchtig, verach-
tet, zum mindesten gebändigt.
Ein Dichtwerk, das "einen
Gedanken" verkörpert, wäre
nichts als eine elende Charade.
Das wahre Dichtwerk ist ein
unendlich vieldeutiges Gleich-
nis: keine Lösung ist gewollt,
jede ist gestattet.
So tut man den grossen Wer-
ken das kläglichste Unrecht,
wenn man sie auf einen einzel-
nen "Gedanken" gewaltsam re-
duziert.
Da kommt einer und lehrt:
Der Gedanke des "Faust" ist,
"wer strebt, kann gerettet wer-
den".
Armseligkeit!— Was ist Faust
und was ist solch ein Gedanke!
Alle höchste Kunst ist unbe-
wusst und dämonisch in die
Welt getreten. Ja, man darf
sagen (was unerhört scheint),
dass sie in ihren vollkommen-
sten Äusserungen stets nur eine
unbeabsichtigte Nebenwirkung
war.
Die Epik war Erinnerungs-
mittel für wichtige Vorgänge.
Rhythmen und Melodien lassen
sich leichter behalten als unge-
messene Rede. Die Schönheit
homerischer und biblischer Dar-
stellung ist keine Kunst, son-
dern unbewusste Spiegelung
harmonischen Geistes.
wirklich sagte
Eine Art Führer durch das
Gesamtwerk Karl Marx hat
Ernst Fischer mit seinem Buch
"Was Karl Marx wirklich
sagte" geschaffen (Molden-Ver-
lag, Wien). Fischer, der intelek-
tuelle Führer der österreichi-
schen Kommunisten, der neuer-
dings durch seinen Protest ge-
gen den letzten Moskauer
Schriftstellerprozess hervorge-
treten ist, rektifiziert viele land-
läufigen Irrtümer (zum Bei-
spiel entlarvt er die "Opium für
das Volk"-Phrase als eine Ver-
fälschung der Ideen Marx').
Besonders wichtig ist Fischers
Hinweis auf Marx' Satz, dass
der Kommunismus als solcher
nicht daß Ziel der mensch-
lichen Entwicklung sei. "Zum
wirklichen Leben des Menschen
gilt es vorzudringen, zum posi-
tiven Humanismus": das ist
eine zentrale These dieses Marx-
Interpreten.
Ein ähnlich wertvolles Nach-
schlagwerk ist Iring Fletschers
Dokumentation "Der Marxis-
mus — Seine Geschichte in Do-
kumenten", deren abschliessen-
der Band vor einiger Zeit er-
schienen ist (R. Piper & Co
Verlag, München). Er ist dem
politischen Aspekt des Marxis-
mus gewidmet. Alle Lager kom-
men zu Wort, Marx selbst, die
Reformisten und die Revolutio-
näre; ein Abschnitt zitiert so-
zialistische Kritiker der rus-
sischen Revolution.
^'Aufruf
zum Sozialismus"
Ein Manifest, das zu einem
grossen Teil aus einer ebenso
geistvollen wie sarkastischen
Polemik gegen den Marxismus
besteht, ist neu erschienen: Gu-
stav Landauers leidenschaft-
licher "Aufruf zum Sozialis-
mus" (Politische Texte, Euro-
päische Verlagsanstalt, Frank-
furt). Es hat seit seiner ersten
Publikation 1>11 zwar keine
breite, aber eine sehr intensive
Wirkung ausgeübt, und die Ge-
schichte hat Landauer in vieler
Beziehung Recht gegeben. Für
ihn ist der Marxismus ("die
papierne Blüte am geliebten
Dornenstrauch des Kapitalis-
mus") eine PseudoWissenschaft
— Sozialismus bedeute aber
nicht Wissenschaft, sondern
Gestaltung und Tat. Der Her-
ausgeber Hans-Joachim Hey-
dorn hat einen feinen klären-
den Essay beigesteuert, der mit
Recht Landauers Verwurzelung
im Judentum akzentuiert: denn
sein Sozialismus ist in allen Fa-
sern mit dem mosaischen und
prophetischen Erbe verbunden.
Martin Bubers Stimme
Eine Fortsetzung und Verbrei-
terung der Argumente Lan-
dauers findet sich in einer Sam-
melschrift Martin Bubers, die
der Verlag Jakob Hegner in
Köln unter dem Titel "Der
utopische Sozialismus" heraus-
bringt (die Studie "Pfade in
Utopia" aus dem Jahre 1950
mit dem 1952 erschienenen Es-
say "Zwischen Gesellschaft und
Staat" kombinierend). Buber,
der sich in einem besonderen
Kapitel mit Landauer als dem
letzten grossen sozialistischen
Utopisten beschäftigt, folgert
aus dem sov; jetrussischen Bei-
spiel, dass "die Beziehungen
der Menschen im wesentlichen
unverändert bleiben, wenn sie
in eine sozialistisch-zentralisti-
sche Machtordnung eingefügt
sind". Das heisst: der verheis-
sene "Sprung aus dem Reich
der Notwendigkeit in das Reich
der Freiheit" hat sich nicht ver-
wirklicht. Gemeinschaft, das
macht auch Buber klar, muss
organisch w'achsen. Bubers Ruf
nach einer gesellschaftlichen
"Restrukturierung" trifft den
Mittelpunkt der heutigen Welt-
auseinandersetzung; hoffnungs-
voll spricht er von der wach-
senden "Auflehnung gegen die
massierte oder kollektivierte
Einsamkeit".
Bebeis Mahnung
iDe Hegner-Bücherei lenkt
unsere Aufmerksamkeit auch
wieder auf einen der grossen
Führer der deutschen Sozial-
demokratie. Ein Querschnitt
durch August Bebeis Reden und
Schriften i "Politik als Theorie
und Praxis") zeigt, wie dieser
hervorragende politische Prak-
tiker sich mit seinen Prophe-
zeiungen gründlich irren konn-
te. Bebel verkündete kurz vor
dem Erfurter sozialdemokra-
tischen Parteitag (1891) den be-
vorstehenden Untergang der
bürgerlichen Gesellschaft: "Der
Blödeste kann doch nicht mehr
leugnen, dass die Sintflut
naht".
Gleichzeitig aber wird man
daran erinnert, dass dieser Ra-
dikale die Sozialdemokratie als
eine Partei sah, "die beständig
lernt und in beständiger geisti-
ger Mauserung begriffen ist".
Und daran, dass Meinungsfrei-
heit ihm als grundpfeiler des
Sozialismus erschien: "Eine auf
vollkommener demokratischer
Gleichheit beruhende Gesell-
schaft kennt und duldet keine
Unterdrückung. Nur die vollste
M e i nungsverschiedenheit er-
möglicht den ununterbroche-
nen Fortschritt, der das Lebens-
prinziip der Gesellschaft ist".
Gespräch im Dunklen
Du armer Gott, du kannst dich nicht mehr retten
vor unsrer Hirne fürchterlicher Brut.
Wir werfen Flammen in die Wolkenbetten
darin du einst geruht,
und unser grossen Bomben ü^berknall
zerreisst die Stille deiner Fernen.
Dein Wort geht unter in dem Widerhall.
Uralte Sicht aus ungezählten Sternen
wird dir verbündet durch den Feuerschein,
mit dem wir Dunkelheit noch dunkler machen.
Wir lassen dich mit Hass und Tod allein.
Wir können nicht mehr weinen — nur noch lachen.
Gelächter der Verdammten, ohne Herz
und ohne Freude, ohne Sinn und Glück.
Wir werfen die Geschütze himmelwärts.
Sie treffen dich.
Kein Trost fällt uns zurück.
Hilde Marx
Ein Aussenseiter
Ein Gegenspieler Bebeis wird
durch die neu aufgelegte Bio-
graphie Julie Braun - Vogel-
steins: "Heinrich Braun — Ein
Leben für den Sozialismus"
(Deutsche Verlags - An.stalt,
Stuttgart) in scharfem Relief
herausgemeisselt. Die zuerst
1932 erschienene, nunmehr
überarbeitete und dokumenta-
risch bereicherte Arbeit zeigt,
wie Heinrich Braun den grössten
Teil seines Lebens "in der Un-
rast eines zermürbenden Stel-
lungskrieges verkämpft" hat.
Idealist und Autokrat, ein Gü-
tiger und Gebender, kompro-
misslos seinen Ideen ergeben
(er gehörte zu den "Reformi-
sten"), im persönlichen Leben
zwischen steilem Aufschwung
und jähen Wellentälern hin-
und hergeri^ssen, scheiterte er
im Grunde an seiner Unfähig-
keit, den Parteiapparat zu mei-
stern.
Heinrich Braun war viermal
verheiratet (die Biographin war
seine vierte und letzte Frau;
die dritte war Lily Braun, die
Verfasserin der berühmten
"Memoiren einer Sozialistin'*
und Mutter des im Ersten Welt-
krieg gefallenen Otto Braun,
an dessen reinen jugendlichen
Idealismus sich so viele Hoff-
nungen geknüpft hatten). Die
Schilderung des Lebensweges
des aussergewöhnlichen Man-
nes ist nicht immer sehr straff
organisiert und an vielen Stel-
len von billigen Abstraktionen
überwuchert. Und doch bietet
sie das faszinierende Bild eines
ringenden Menschen, der, wenn
er auch am Rande der politi-
schen Massenbewegung stand,
den deutschen Sozialismus auf
seine besondere Weise befruch-
tet hat: zum Beispiel durch
sein 18B8 gegründetes, äusserst
einflussreiches "Archiv für so-
ziale Gesetzgebung und Stati-
stik".
Rosa Luxemburg:
ein Meisterporträt
Vor allem muss hier Peter
Nettls "Rosa Luxemburg" no-
tiert werden (Verlag Kiepen-
heuer & Witsch, Köln— Berlin).
Diese Biographie über die in-
tensivste Persönlichkeit der
deutschen sozialistischen Bewe-
gung ist so autoritativ wie nur
wenige politische Geschichts-
werke. Ihr Erscheinen stellt
ein grosses literarisch-histori-
sches Ereignis dar.
Nettl, ein britisclier Polito-
loge und Soziologe, besitzt eine
seltene Ga)be: er kombiniert
forschende Präzision mit stili-
stischer Lebendigkeit. Die Fülle
des Materials, das in dem dick-
leibigen (über 900 Seiten umfas-
senden) Band verarbeitet ist,
gleicht einer vielschichtigen
Partitur. Das Deskriptive mischt
sich zwanglos mit dem Analyti-
schen, und hinter den poli-
tischen werden immer wieder
auch die menschlichen Züge
sichtbar. Nettl schildert Rosa
Luxemburg als "Kind ihrer
Zeit, der optimistischen Vor-
kriegswelt des Friedens und
Fortschritts", als Moralistin
und Prophetin, die "auf einma-
lige Weise vollkommene Treue
zum dialektischen Materialis-
mus vereinigt mit einem unein-
geschränkten Bekenntnis zu
den humanistischen, befreien-
den Aspekten der revolutionä-
ren Demokratie". Und er be-
tont: "Vor einer deformierten
Revolution hatte sie mehr
Angst als vor einer gescheiter-
ten".
Es ist die Geschichte einer
entflammten Aktivistin. Sie
zeigt, dass es in der Politik
keine fixen Formeln gibt. Jede
Zeit und jede Generation muss
ihren eigenen Weg und ihre
eigene Form der Aktion finden.
Will Schaber
\
Nr. 2
^lli __ 10. Januar 1969
Seite 3
■t^i
.'•,it\jX*S.
AUSSENHANDEL
Der Export von Baumwollfäden
und fertigen Textilwaren stellt Is-
raels zweitgrössten Industrieexport
dar — er erreichte im vorigen Jahr
$ 50 Millionen.
Im Jahre 1968 betrug die israe-
lische Ausfuhr nach dem Iran etwa
$ 10,5 Millionen.
Grosse Nahrungsmittel Importeu
re in den Vereinigten Staaten began
nen mit dem Import von St. Peter-
Fischen aus dem Kinereth.
Solei Boneh erhielt den Auf-
trag, ein grosses Bürogebäude in
Nairobi zu bauen - es handelt sich
uni ein Objekt von $ 16 Millionen.
Zwischen Juli 1967 und Novem-
ber 1968 wurden landwirtschaftliche
Produkte aus den besetzten Gebie-
ten im Werte von IL 86 Millionen
über den Jordan exportiert. In der
gleichen Zeit kamen aus Jordanien
Waren im Werte von etwa IL 17
Millionen in die besetzten Gebiete.
Im Dezember 1968 importierten
Kaufleute in den besetzten jorda-
nischen Gebieten Waren im Werte
von $ 750 000.- über israelische Hä-
fen; früher gingen diese Importe
über Akaba oder Beirut.
Die Berliner Juden der Emanzipationszeit
FINANZEN
Der Banknotenumlauf ging in der
vergangenen Woche wiederum um
IL 23,4 Millionen auf ca. IL 1 124
Millionen zurück; die Deckung be-
steht in IL 161 Millionen in Gold
und IL 963 Millionen in auslandi
scher Währung.
Im Dezember 1968 stiegen die
Gesamteinnahmen der Regierung
auf IL 315 Millionen gegenüber IL
264 Millionen im Dezember 196'<.
In den ersten neun Monaten des
laufenden Finanzjahres betrugen
die Staatseinnahmen IL 2.464 Mülio-
nen, IL 492 Mülionen mehr als m
der 'gleichen Zeit des Vorjahres.
VERSCHIEDENES
Der am 31. Mai 1968 verstorbe-
ne letzte Direktor des Berliner
Gesamtarchivs der deutschen Ju-
den, mein alter Freund und Kollege
Dr. Jacob Jacobson, hat mit seinem
noch kurz vor seinem Tode er-
schienenen Werke „Jüdische Trau-
ungen in Berlin 1759-1813" (Ver-
lag Walter de Gruyter & Co., Ber-
lin 1968) seine Trilogie über die
Berliner Judengemeinde vor, wäh-
rend und nach der Emanzipation
abschliessen können und sie als
sein Vermächtnis für die zukünfti-
gen Forscher einer wichtigen und
entscheidenden Epoche preussi-
sehen Judentums hinterlassen. Die
drei Werke, zu denen ausser dem
bereits erv/ähnten Buch noch die
1938 erschienenen „Jüdischen Trau-
ungen in Berlin 1723-1759" und die
1962 herausgekommenen ..Judenbür-
gerbücher der Stadt Berlin" über
die Berliner jüdischen Stadtbürger
von 1791-1851, gehören, enthalten
zusammen eine Art biographisches
Nachschlagewerk der Berliner Ju-
denheit von 1723-1851. Dies ist die
Zeit, in der sich die Mitglieder
der Berliner jüdischen Gemeinde
von (ordinären und privilegierten)
Schutz Juden in (juristisch gleichbe-
rechtigte) preussische Staatsbürger
und Berliner Stadtbürger verwan-
delten. Diese Verwandlung war be
gleitet von einer Aenderung der
gesamten geistigen und kulturellen
Einstellung der Berliner Juden-
schaft, deren jüdisches Bewu.'^stsoin
unter dem Einfluss der in Berlin
besonders stark vertretenen Aufklä-
rung und der verhältnismässig to-
leranten Umwelt, zu der besonders
die Beamtenschaft zählte, immer
.sclwächer geworden war. Die.se
Verminderung der jüdischen Sub-
stanz stiess auf keinen grossen
Widerstand, da Berlin kerne alte
jüdische Tradition besass, wie sie
die grossen und älteren jüdischen
Gemeinden von Frankfurt. Fürth,
oder Hamburg aufwiesen. Ebenso
wenig gab es in Berlin eine be-
deutende Talmud-Hochschule und
jüdische Gelehrte, die im Stande
waren, sich mit den neuen Rich-
tungen auseinanderzusetzen.
Die israelische Wirtschaft gab
im vergangenen Jahre nahezu IL
60 Millionen für Reklame aus, 34' o
mehr als im vorhergehenden Jahr.
Zur Zeit werden in Israel 150
neue Telefonanschlüsse pro Tag
hergestellt.
KATHOLISCHE KIRCHE
denten in Zusammenhang brachte
mit einer Aeusserung des „L'Osser-
vatore Romano" über die F'rage der
Beschneidung, also eine rein theolo-
gische Auseinandersetzung, die nicht
das Geringste mit der Politik des
Vatikans in den Fragen des Mittle-
ren Ostens zu tun hat. Solche Über-
treibungen nützen unserer Sache
wenig, ja sie schädigen das jüdi-
sche Volk in der Welt. In unserer
Beziehung zur Kirche haben wir
diese Beziehungen zu berücksichti-
gen. Es gibt dabei noch manches
Ambivalente, wie überhaupt in der
Haltung des Vatikans gegenwärtig
auf vielen Gebieten eine Ambivalenz
besteht, die sich nach innen wie
nach aussen richtet, ist doch die
Kirche selbst in einer schweren Kri-
se in deren Rahmen Papst Paul VI.
eine wichtige Rolle spielt. Wir ha-
ben dazu als Juden nichts zu sagen,
aber wir sollten jedenfalls, soweit es
Israel betrifft, uns der grössten Zu-
rückhaltung befleissigen. geht es
doch dabei um sehr wichtige Inter-
essen unserer Volks in der Welt,
soweit die katholische Kirche in
ihr Einfluss besitzt.
Die Berliner Gemeinde war un
ter dem Einfluss der staatlichen
Selektion und unter der Aufsicht
der preussischen Behörden entstan-
den. Nach den preussischen Ju-
dengesetzen wurden Juden in
Preussen nur aufgenommen, die ei-
nen gewissen Vermögensstand er
reicht hatten (abgesehen von Ge
meindebedienten. die aber nicht als
vollprivilegierte und ansässige Ju-
den galten). In Berlin konnten sich
daher nur solche Juden als ..an-
gesetzt" bezw. vergleitet halten, die
dem preussischen Staat von Nutzen
waren, z.B. durch Militärbelieferun-
gen, durch die Silberbeschaffung
für die Münzen oder indem sie der
Entwicklung der Industrie dienten.
Diese, aufgrund ihrer Fähigkeiten
und wirtschaftlichen Potenz privi-
legierten preussischen Schutzjuden
büdeten die offiziell anerkannte Ge-
meinde. Sie stellten die Vorsteher,
sie erwählten die Rabbiner und
die anderen für den Kultus be-
nötigten Beamten der Gemeinde,
die aber nur als zeitweilig gedul-
dete Famulizjuden und Gemeinde-
bediente galten. Auf diese Weise
gerieten natürlich die Gemeindean-
gestellten in ein völlig abhängiges
Verhältnis zu den Vor.stehern. de-
nen sie daher auch nicht imponie-
ren konnten, selbst wenn sie jü-
disches Wissen besassen. Solange
die Rabbiner als Vertreter und
Verwalter der jüdischen Gerichts-
barkeit, d.h. als Richter m^d Ent-
scheider in Personenstandsangele-
^-enheiten innerhalb der jüdischen
Gemeinde zuständig waren, besas-
sen die Rabbiner trotzdem noch
eine gewisse Autorität, die auch
von den staatlichen Behörden an-
erkannt wurde. Aber das Bestre-
ben der Generalprivilegierten, also
der obersten Klasse der Juden, die
allmählich in die Gruppe der
Gross-Bourgeoisie aufgestiegen war
lind sich im Verlauf ihres wirt-
schaftlichen Aufstieges von religiö-
sen Vorurteilen — wie sie es nann-
ten — befreit hatte, ging dahin,
sich nun auch der „Bevormun-
dung" durch die jüdischen Geset-
ze bezw. die Rabbiner, die die Ge-
setze praktizierten und ihnen Gel-
tung zu verschaffen suchten, zu
entziehen. Daher unterstützten sie
die ohnehin bestehende Neigung
der „aufgeklärten" Beamten, die
rabbinische Gerichtsbarkeit der Ju-
den aufzuheben. In Verfolgimg sol-
cher Tendenzen wurden später Gut-
achten angefertigt, die zu dem Er-
aebnis kamen, dass überhaupt kei-
ne Rabbiner für den jüdischen
Kultus benötigt wurden, wodurch
es der Regierung leicht fiel, die
Rabbiner ihrer Funktionen zu ent-
kleiden und die reichen General-
privilegierten völlig unabhängig von
den Rabbinern und von dem von
ihnen vertretenen jüdischen Recht
zu machen.
Es ist nicht zu verwundern,
dass mit der Degradierung der Rab-
biner, die sich aus der Aufhebung
ihrer richterhchen Funktionen ergab,
nicht nur die Autorität des Rabbi-
nats überhaupt, sondern auch die
der jüdischen Religion und der jü-
dischen Gemeinde geschwächt wur-
de Der Versuch David Friedlan-
ders, der aus dem Judentum eine
von allen Vorschriften und Geset-
zen freie Weltanschauung für sich
gemacht hatte, auch das Christen-
tum in eine solche (durch seinen
Vorschlag eines Christentums ohne
Dogmen) zu verwandeln, erfuhr
von Seiten der christlichen Theo-
logen eine energische Zurückwei-
sung. Die aufgeklärten .Juden, die
sich von der Last befreien wollten,
die ihnen die selbst nur formale
Zugehörigkeit zur jüdischen R'?!^-
uion auferlegte, gaben schliesslich
nach und nahmen die Tpufe ohne
irgendwelche Bedingungen daran zn
knüpfen, wie es David Friedländer
noch versucht hatte.
Wie schwach die religiöse Kraft
des Judentums bei den Hofjuden
und bei den privilegierten Juden
Preussens war und wie gering ihr
mnerer Widerstand, ergibt sich aus
der Tatsache, dass die Angehöri-
gen dieser wirtschaftlich sehr gut
gestellten Schicht die Diskrepanz
Zwischen ihrer wirtschaftlichen
Machtposition und den Beschran-
kungen ihres persönlichen Lebens
nicht ertragen 7ai können glaubten.
Insbesonders empfanden sie die
Bestimmungen, die ihnen die judi-
sche Religion, wenn auch nur in
geringem Masse, auferlegte, lastig
bei ihrem Verkehr mit Nichtju-
den. Demnach ist es selbstverständ-
lich, dass die von der jüdischen
Religion gegen die Assimilation auf-
gerichteten Schranken sehr schnell
fielen, als diese Schicht des jüdi-
schen Grossbürgertums die alten
Ideale der jüdischen Religion ver-
loren bezw. über Bord geworfen
hatte.
Die später selbst getaufte Rahel
Lewin (Vamhagen) hatte behaup-
tet, dass ..halb Berlin" sich taufen
Hesse. Man muss den Hintergrund
die^^er Bemerkung kennen, um fest-
zustellen, was Rahel wirklich ge-
meint hat. Der jüdische Historiker
Heinrich Grätz und auch andere.
die diesen Hintergrund nicht kann-
ten, nahmen diese Worte wörtlich
und gaben dadurch Anlass zu dem
Schlagwort von der Massentaufe
der Berliner Juden um die Wende
des 19. Jahrhunderts. Ebenso wur-
den dadurch falsche Vorstellungen
nicht nur vom Berliner, sondern
auch vom deutschen Judentum er-
zeugt, das damals durch das Ber-
liner Judentum gar nicht vertreten
wurde. Bei dem Ausspruch der
Rahel handelt es sich nicht nur um
eine ..durch die Tatsachen nicht
gestützte grobe Verallgemeinerung"
(Bulletin des LBI, 8. Jg., 1965.
S. 82, Anm. 90). sondern um eine
Aeusserung, die aus dem eigenen
engen Gesichtskreis der Rahel er-
klärlich ist. Ihr Ausspruch bezog
.sich nämlich nur auf den kleinen
Kreis der BerUner ..Jüdischen Ge-
sellschaft", zu der auch Raheis
Eltern gehörten. Von ihrem engen
Gruppenstandpunkt aus gesehen,
hielten die Angehörigen der führen-
den Schicht der Berliner jüdischen
Gemeinde ihre eigene kleine, durch
sozialen Status und wirtschaftliche
Position ausgezeichnete Gruppe fiir
die" Berliner Judenschaft, die
für sie mit ..Berlin" identisch war.
Und von dieser kleinen obersten
Gruppe der Berliner Judenschaft
Hessen sich tatsächlich die Hälfte
oder sogar mehr als die Hälfte
taufen. Dies trifft aber nicht für
die Angehörigen des jüdischen Mit-
telstandes zu, der die Mehrzahl der
Berliner Juden ihrer wirtschaftli-
chen Position nach bildete.
Das ist die Bedeutung der miss-
verstandenen Worte Rahel Lewins,
die selbst zu dieser Schicht der
Getauften gehörte. Es waren geistig
und kulturell hochstehende Men-
schen, die sich vom Judentum los-
gelöst hatten, die von ihm nichts
mehr wissen wollten und ihre Fä-
hit'keiteTi und Kenntnisse in den
Dienst der Umwelt stellten. Diese
Umwelt kam ihnen mit ausgebrei-
teten Armen entgegen, nachdem sie
die Juden zur Kapitulation und
Entjudung gezwungen hatte. Die
deutsche Kultur, die deutsche Wis-
senschaft und die deutsche Litera-
tur gewannen aus diesem Reser-
voir ein Menschenmaterial, das
sich bemühte, seine besten Fähig-
keiten nun ungehindert durch ir-
gendwelche Beschränkungen gesetz-
Hcher oder religiöser Art entwik-
keln zu können.
In dem letzten Buche Jacobsons
über die Heiraten der Berliner Ju-
den in der Zeit von 1759-1813
sind die nach dem Gesetze Moses
und Israels m Berlin geschlossenen
Ehen verzeichnet. Ein grosser Teü
der Ehepartner selbst oder deren
Kinder liessen sich dann allerdings
taufen, wie aus den Bemerkungen
Jacobsons ersichtlich, die man bei
den einzelnen Eheeintragungen, be-
sonders aus der Gruppe der Ge-
neralprivilegierten, findet. Zahlrei-
che Namen könnte man nennen,
die oerade damals das Judentum
verliessen und im Christentum ihre
neue Heimat fanden. Die meisten
dieser Namen haben im Berliner
Kulturleben eine Rolle gespielt.
Ihre jüdische Herkunft blieb aber
bekannt, auch wenn sie sie durch
eine Aenderung ihrer allzu judi-
schen Familiennamen unkenntlich
machen wollten. Heute blicken ih-
re Nachkommen sogar mit Stolz
auf ihre jüdischen Vorfahren zu-
rück oder sie suchen sie gar wie-
der Ich nenne hier nur die Na-
men der Familien Ebers, des be-
rühmten Aegyptologen. und Eberty,
des Rechtshistorikers, die beide aus
de.n T^iimilinnnamen Ephraim ab-
gewandelt wurden. sowie den
Seite 4
MB — 10. Januar 19(>9
j
\
Nr. 2
f t
DER KONSUL VON FLORENZ"
„Das ist's, was Florenz tat, ei-
ne kleine Stadt von Geldhändlern,
um nicht zu sagen Wucherern,
Wollkämmern und Stoffwebem mit
einer geringen militärischen Kraft
und fast keiner politischen Autori-
tät. Das florentinisierte Italien üb-
te seinen sintflutartigen Einfluss
auf die gesamte Welt des weissen
Mannes aus und darüber hinaus,
zu einer Zelt, als Italien 'nur ein
geographischer Begriff war. Ar-
meen mögen den Weg bereiten oder
nicht. Auf lange Sicht wird Ein-
fluss verbreitet durch Kunsthand-
werker. Handwerker, Architekten,
Holzbildner und Steinmetzen, Schrift-
steller, Lehrer, Sänger, Tänzer,
Gaukler, Clowns, Hausierer, Medi-
zinmänner, Friseure, Geiger, wie er
im späten Altertum von Griechen
und dann mehr und mehr von Sy-
rern, Juden und Gopten verbreitet
wurde, denselben Menschen, die
zunächst soviel zur Auflösung der
hellenischen Welt beitrugen, und
dann zur Rettung Europas davor,
auf eine Misthaufen-Wirtschaft und
Berserker-Barbarei herabzusinken ' '
Mit diesen Worten schliesst Her-
nard Berenson das Kapitel über
Florenz in seiner Schrift „Aesthe
lies and History" (Pantheon Books.
1948). Darin wird man erinnert
beim Lesen eines Buches aus der
Feder eines in Russland geborenen,
in England lebenden früheren Di-
plomaten und Schriftstellers, David
Tutaev, das nun auch in deutscher
Übertragung vorliegt: „Der Konsul
von Florenz. Die Rettung einer
Stadt" (aus dem Englischen von
Dr. Eugen Haas — Econ- Verlag,
Düsseldorf und Wien 1967). Es be-
schäftigt sich mit dem Schicksal
der Stadt Florenz, ihrer Bewohner
und ihrer Kunstschätze, in den Ta-
gen des Zweiten Weltkrieges, als
nach der Absetzung Mussolinis und
Uebergang der römischen Regie-
rung auf die Seite der Alliierten
der Nordteil Italiens in den Hän-
den der Deutschen blieb, wo nach
der Befreiung Mussolinis die Repu-
blik der Neo-Faschisten entstand,
die auch Florenz umfasste. Es ist
im Grunde nur eine kleine Episode
aus der Geschichte des grossen
Krieges, um die es hier geht, und
Ein Beitrag zum Studium menschliclien Geistes und Wahnes
nicht einmal eine ausschlaggebende,
war doch das Schicksal Italiens
besiegelt, nachdem die Alliierten
den Süden erobert hatten. Was Tu-
taev in seinem Buch schildert, dar-
unter auch die Kämpfe vor und
um Florenz, das bildet den Hin-
tergrund für die Darstellung einer
menschlichen Tragödie. Ihr Held
ist der deutsche Konsul von Flo-
renz, Dr. Gerhard Wolf, und der
Gegenstand seines Wirkens ist die
Rettung der Stadt Florenz, ihrer
Kunstschätze und ihrer Menschen,
vor allem der besonders gefährde-
ten, darunter die Juden der Stadt,
der alte versteckt lebende Bernard
Berenson, viele Ausländer und Men-
schen des italienischen Volkes, die
dem Faschismus und den nationalso-
zialistischen Unterdrückern feindlich
gesinnt waren. Dr. Wolf, der im
Jahre 1954 zum Ehrenbürger der
Stadt Florenz ernannt worden ist.
gehörte nicht unmittelbar zu dem
Kreise der sogenannten deutschen
Widerstandsbewegung, obgleich man-
che Fäden von ihm zu ihren Men-
schen führten. Sein Widerstand war
anderer Art. Er beruhte auf der
scheinbaren Einfügung in ein Sy-
stem, das er aus tiefstem Herzen
verabscheute, auf der Durchkreu-
zung seiner unsinnigsten Massnah-
men, und allerdings auch auf der
Uebernahme von grossen persönli-
chen Risiken, wenn es um die Ret-
tung von Menschen und Menschen-
werken höchsten Ranges ging. Da-
bei fand der Konsul in den Reihen
der Deutschen so manchen Helfer,
unter seinen unmittelbaren Mit
arbeitern in Florenz wie vor allein
bei seinem Freunde, dem deut
sehen Gesandten bei der italieni-
schen Regierung und später bei
derjenigen der neofaschistischen
Republik, ür. Rudolf Rahn. Mit
ihm verband ihn das gemeinsame
Studienerlebnis in Heidelberg, vor
allem bei Gundoif; für beide war
Stefan George eine Gestalt, die ge-
wiss nicht zu dem Dritten Reiche
des Linzer Gefreiten führte.
Die Vorgänge, die von Tutaev
dargestellt werden, sind deshalb
so besonders interessant, weil sie
Die Berliner Juden
(Schluss von S. 3)
von Heine verspotteten Namen Hit-
zig (aus Itzig gebildet), oder den
Namen Friebe, den sich der Ber-
liner Bankier Zacharias Fränkel
Veitel Ephraim gab (zu seinen
Nachkommen gehörte Dr. Adolph
von Batocki-Friebe, der während
des ersten Weltkrieges Oberpräsi-
dent von Ostpreussen war). Als
weitere bekannte Familien Hessen
sich noch nennen die Familien
Bing, Caspar, Friedländer, Gans,
Heydemann und natürlich die Fa-
milie Mendelssohn. — Ihre Nach-
kommen findet man in den ver-
schiedenen Nachschlagebüchern und
Gelehrtenlexika.
Neben den Generalprivilegierten
und ihren Nachkommen stellte
selbstverständlich gerade die jüdi-
sche Intelligenz einen grossen An-
teil an den Tauf Juden. Dem Juden-
tum durch ihre Erziehung und ihr
Streben entfremdet, von der Um-
welt wegen ihres Judentums nicht
anerkannt und zurückgestossen,
entschloss sich der grösste Teil der
damaligen jüdischen Intellektuellen,
den Lockungen, die ihnen die Taufe
versprach, nachzugeben. Aerzte, die
keine Anstellung erhalten konnten,
Juristen, die als Juden nicht zu Be-
amten ernannt wurden, traten zum
Christentum über. Ihre Namen auf-
zuzählen, würde mehrere Seiten in
Anspruch nehmen.
Es ist von Interesse das Mate-
rial durchzuarbeiten, das von Ja-
cobson auf Grund einwandfreier
dokumentarischer Unterlagen in be-
wunderswerter Reichhaltigkeit und
Vollständigkeit in seinem Werk
über die , .Jüdischen Trauungen"
unterbreitet wurde. Dabei kann
man feststellen, auf welchen Gebie-
ten und wodurch sich diese Nach-
kommen der alten Berliner Schutz-
juden ausgezeichnet haben.
Die allgemeine Kultur und vor
allem die deutsche Kultur ist durch
diese Nachkommen der Juden be-
reichert worden. Die deutsche Ju-
denheit und speziell die Berliner
jüdische Gemeinde hat bei diesem
Zusammenprall der Aufklärung mit
einem Judentum, das auf die
Emanzipation gar nicht vorbereitet
war und deren Führerschaft kein
jüdisches Selbstbewusstsein besass,
einen schweren Substanzverlust, be-
sonders in den Reihen seiner gei-
stigen Führungsschicht, erlitten.
B. BRILLING
eine Art von Miniatur des grossen
Kriegsgeschehens bilden, das Schick-
sal einer Stadt, von bestimmten
Menschen, von bestimmten Objek-
ten höchster Bedeutung für die
menschliche Kultur. Gleichzeitig ist
der Lauf der Dinge kompliziert
durch die Verschlingung des Kriegs-
geschehens mit den Vorgängen ei-
nes Bürgerkrieges, den Auseinan-
dersetzungen zwischen den uner-
bittlichen Faschisten und den Teilen
der italienischen Bevölkerung, die
ihnen offen feindlich oder doch
jedenfalls mit sehr grosser innerer
Zurückhaltung gegenüberbestanden.
Die Grausamkeit dieser Art des
Bürgerkrieges übersteigt vielleicht
noch das Mass des Grauens, das
der Krieg selbst bedeutete. Dabei
handelt es sich bei all dem, was
in und um Florenz geschah, um
Ereignisse, die auf dem Hinter-
grund der Gesamtgeschichte des
Zweiten Weltkrieges vor der Sil-
houette des russischen Feldzuges
und der Kamine, die in Auschwitz
und an anderen Orten rauchten,
nahezu als ..harmlos" zu bezeich-
nen wären. Umso stärker kommt
der Charakter des Mannes zum
Ausdruck, der in dieser Situation
um jeden Fussbreit Menschlichkeit
und Vernunft kämpfte, auch wenn
er die Tragödie der Stadt Florenz
am Ende nicht verhindern konnte.
Der Verfasser des Buches schiebt
dabei die Schuld nicht einzig und
allein den Deutschen zu, sondern
in gewissem Masse auch dem Un-
verstände auf alliierter Seite. Ge-
wiss, Dr. Wolf und seine Mitarbei-
ter vermochten Menschen Schutz
zu gewähren, Italienern, Juden und
anderen, auch der berühmte Beren-
son stand — zumindest indirekt —
unter diesem schützenden Einfluss.
In weitem Umfange konnte er die
Absichten zur Plünderung der
Kunstschätze durch gewisse deut-
sche „Experten" durchkreuzen, aber
es gelang nicht, die schweren, mi-
litärisch völlig unsinnigen Vernich-
tungen zu verhindern, die in Flo-
renz durch die Sprengung fast al-
ler seiner Brücken und auch von
Stadtvierteln am Arno-Ufer eintra-
ten, darunter der vielleicht schön-
sten Brücke der Welt, der nach
den Plänen Michelangelos erbauten
Brücke Santa Trinita. Der Besu-
cher der Stadt kann heute die
exakt wiederaufgebaute Brücke be-
wundern, aber das, was am Ufer
des Flusses vernichtet worden ist,
fällt auch jetzt noch durch Lücken
oder durcii Neubauten ins Auge.
Dennoch konnte immerhin die Stadt
als ganze erhalten werden, obwohl
niemand der Verantwortlichen, auf
keiner Seite der kämpfenden Li-
nien, den Mut hatte, ein klares
Wort zu ihrem Schutze auszuspre-
chen.
Der Bericht über diesen gehei-
men Kampf um Menschen und
Dinge, die ihr Eigenleben führen,
ist ein bedeutsames Dokument hu-
maner Gesinnung und auch mensch-
lichen Mutes. Er ist umso wir-
kungsvoller, als sich solche Gesin-
nung unter den Bedingungen einer
nahezu absoluten Herrschaft der
Gewalttätigkeit und Brutalität pri-
mitivster Art entfalten musste. Ge-
rade der relativ beschränkte Mass-
stab der Vorgänge, die hier geschil-
dert werden, zeigt mit grösster
Deutlichkeit die beiden gewaltigen
Kräfte, die miteinander in einer
historischen Konfliktsituation rin-
gen: die Kraft der Gestaltung, die
dem Menschen innewohnt, und die
in dieser Stadt Florenz, deren Cha-
rakter in den eingangs zitierten
Worten Berensons gekennzeichnet
wurde, einen so überragenden Aus-
druck gefunden hat; und die an-
dere Kraft, die dem Wahne des
Menschen entspringt, er könne
durch die Anwendung von Gewalt,
durch den Krieg, durch die Ver-
nichtung von Menschenleben und
Menschen werken, den Keim zu et-
was Neuem, etwas Beständigem
legen.
Wahrscheinlich kennen viele Le-
ser dieser Zeilen und des hier er-
örterten Buches Florenz und lieben
es wie selten einen Ort. Als vor
zwei Jahren die Ueberschwemmung
des Arno die Stadt bedrohte, er-
griffen Sorge und spontane Hilfs-
bereitschaft weite Teile der Welt.
Aber es frage sich jeder selbst, ob
in ihm, der zumindest die Fähig-
keit des Nacherlebens dessen be-
sitzt, was menschlicher, ja göttli-
cher Geist an einem solchen Punk-
te der Erde hervorbringen konnte,
nicht dennoch auch die Möglichkeit
jenes Wahnes existiert, der in
Kampf und Krieg unter Menschen
und Völkern etwas Unausweichli-
ches, ja zu Bejahendes erblickt,
wenn damit ein Ziel in erreichbare
Nähe gerückt erscheint? Das Pa-
radox der menschlichen Seele, in
der die Schöpferkraft wohnt und
die dunkle Strömung der Vernich-
tung, ist ungelöst. In jedem von
uns wirkt etwas von beiden Kräf-
ten, die meisten sind sich dessen
nicht einmal bewusst. Eine Darstel-
lung wie diejenige über den* he-
roischen Kampf des Konsuls von
Florenz kann ihren Sinn darin fin-
den, dass sie beim Leser die boh-
rende Frage weckt, ob er selbst
sich von jenem Wahn frei machen
kann, der da glaubt, dass die Welt
oder auch nur ein kleines Stück
chen von ihr durch Gewalt, durch
Vernichtung vor allem von mensch-
lichem Leben, auch nur erhalten
werden kann — von Neuschaffung
gar nicht zu reden. Der alte Be
renson, aus dessen Tagebüchern in
Tutaevs Bericht häufig zitiert wird,
wusste es besser. Und unbewusst
haben all diejenigen es besser ver-
standen, die dafür sorgten, dass
in alten Zeiten Europa nicht in
die Barbarei versank, darunter auch
so manche unserer eigenen Vorfah-
ren, auf die wir stolz sein können.
oe.
Redaktion : Tel-A\ iv. Rambamstr. Ift,
POB 1480. Tel. 614411. Anzelgen-
Aniiahnio : Ettlinger's Advertisinsr,
Tel-Aviv. 70, Allenby Rd., Tel. 613344.
Anzeigen-Annahme in Jerusalem : H.
Sturmann, Tel. 33435. Herausgeber;
Bitaon Ltd., Tel-Aviv, Rambamstr. 15.
Verantwortlich : Dr. Hans Tramer.
Tel-Aviv. Registriert als Zeitung beim
Hauptpostamt Jerusalem. Druck :
Blumonlhal's Printing Pre.ss, Tel-Aviv.
INSERIEREN SIE IM ,;VIB" —
und Sie werden bekannt!
CTTUNOERS
/KDMERTtStMG
Tel-Aviv, Allenby Rd. 70,
P.O.B. 911, Tel. 613344.
^
•>/ viA e
y
yk^c^r /K^t-^^
/
AUFBAU
/
/
(^A
FncUy, F»bruTy 4, 1966
Kein ' 'Taschkent' ' für Israel
(Fortseizunir von Seite 1)
Wilson und Ausseniministeo: Ste-
wart einsciialten.
Der Gedankengang von Elbans
Politik ist, den dauernden Waf-
fenlieferungen in die Länder
des mittleren Ostens mit einer
grossangelegten Friedensoffen-
sive zu begegnen. "Wir sassen
nicht passiv mit veiischränkten
Armen da, als unseren arabi-
schen Nachbarn schwere An-
griffswaffen aus dem Ausland
zuströmten. Aber was wir vor
allem wollen, ist ein Ende des
Kairo, I>amaskus und Bagdad
lautete ganz ähnlich.
In diesem Zusammenhang ist
eine etwas seltsame Meldung
aus Tunis beachtlich. Mongi
Slim, der Aussenminister Tune-
siens, dementierte ein Gerücht,
dass er siöh nach Teheran und
New Delhi begeben wolle, um
dort über eine Vermittlung im
Konflikt zwischen Israel und
den Arabern zu sondieren. Eine
solche Absicht bestehe in Tunis
nioht.
Zwar ist richtig, dass Tunesien
Wettrüstens in unserer Region. | seine extremistischen arabi-
Wenn es den Grossmächten
nicht gelingt, dem mittleren
Osten eine Atmosphäre des Frie-
dens aufTuu-zwingen, dann wer-
den wir die notwendigen Initia-
tiven von uns aus ergreifen."
Erster und drastischster Aus-
druck dieser israelischen Frie-
densipolitik war der Versuch, die
*'Tashkent-Former' auf Israels
Grenzen anzuwenden; wie erin-
nerlich, hatten sich in Tash-kent
Indien und Pakistan verpflich-
tet, ihre Truppen von der Grenze
abzuziehen und eine Konflikt-
lößung mit friedlichen Mitteln
zu suchen
sehen Brüder immer wieder zur
Mässigung und zur Ko-Existenz
mit Israel mahnt; aber anderer-
seits hat sich Mongi Shm, als
er noch Delegierter seines Lan-
des bei den Vereinten Nationen
in New York war, zur damai-i-
gen israelischen Delegierten
Golda Meir stets ausgesprochen
unhöflich benomanen. Als er
Präsident der Vollversammlung
war und Präsident Kennedy
diese besuchte, war Golda Meir
die einzige Delegierte, die von
Monigi Slim dem amerikanischen
Präsidenten nicht i>erßönlich
vorgestellt wurde. Dieser Mann
ist kaum der passende Kandidat
für eine Friedensvermittlung
zwischen Israel und den Ara-
bern.
Letzthin wurde nach längerer
Pause wieder einmal eine Was-
serstation auf israelischem Bo-
den, im Dorfe Juval in Galilea.
durch Terrorakt besöhädigt. Die
nächtlichen Täter waren aus
Syrien gekommen und entflohen
über die libanesische Grenze. Es
mag dies ein Einzelfall gewesen
sein; aber sollte es sich um den
Beginn einer neuen Terrorwelle
und neue Zuspitzung der Lage
handeln, dann wäre das für eine
israelische Friedens - Initiative
ein sehr schlechter Auftakt.
Bonn ohne starke Führung
(Fortsetzung: von Seite 3) 1 her allen Grund, immer wieder
schon im Wahlkampf mehr eine ' auf Klarheit zu drängen. Aber
_ . , , ... „„ „, ,. .. , wenn in einer parlamentarischen
, suonen Regierungsbeteiligung als die Ab- ! Demokratie nicht nur die Regie-
Freilich "hat das Wort von der ^^sung der CDU/CSU durch die ^ung, sondern auch die Opposi-
Tashkent - Formel auf Israels i SPD angestrebt hatte. So hält tion sich taub stellt, dann kann
arabische Nachbarn wenig Ein- [ die SPD auch gegenüber der . es lange dauern bis ein solches
druck gemacht. Als erste rea- | schwachen Regierung Erhard an Drängen Wirkung hat. Innen-
gierten die Zeitungen in Beirut: i ihrem müden, unkämpferischen politisch ist das Haushaltssiche-
I
rungsgesetz mit seinen Kürzun-
gen auch der Wiedergutmachung
zwar in Kraft, aber rigorose
die Prinzipien von Tashkent ' und keinen Erfolg vensprechen-
seien für die Palästina-Situation den Oppositionsstil fest. Sie stellt
unanwendbar. Im Gegenteil die Regierung nicht im Paria-
schlugen die Zeitungen in Bei- ment, um die Klärung der vielen Sparmassnahmen blieben aus^
rut daraufhin einen besonders | Fragen zu erzwingen, denen Er- | Das Budget für 1966 geht mit
aggressiven Ton an: im März j hard und sein immer umstritte- seinem 69 Milliarden-Volumen
werde in Kairo eine Konferenz ner werdender Aussenminister weit über die Steigerung des
der Ministerpräsidenten und Schröder beharrlich ausweichen. ; Bruttosozialprodukte hm a^^
Generalstabschef der arabischen ^--.-'i- ji
Länder einen Plan gemeinsamer
Entwicklung atomarer Waffen
^^ns^^Zf^ '^-^1^'?' damit sei es
__reriii5K,^, ::L'^t^f»chen Staa-
ts :ki\ Fiie-
i^n mit Israel
pressiert sei. Das Echo aus
So steht in der Bundesrepublik \ behält daher seine gefährliche
dem Unbehagen über die Regie
rung keineswegs eitel Wohlgefal-
len an der SPD gegenüber. Pro-
filierte deutsche Zeitungen, wie
etwa die liberale "Zeit" in Ham-
burg oder der mehr konservative
"Rheinische Merkur" haben da-
MIL
^■J
MIL
AN INTERNATIONAL BANK
OFFERING DOMESTIC SERVICES
Bank Leumi is one of thc worltTs largest banks, with Offices in London,
Paris, New York, Frankfurt, Zürich, Geneva, Buenos Aires, Caracas,
Panama, and throughout all of Israel.
Combined with its many correspondent banks, this network efficiently
meets the demands of world wide commercial banking.
Yet the New York Branch does more and more business with Americans
whose transactions are domestic, whose banking needs are local In
character and scope. Why? Because the attention given to each cus-
tomer, depositor, or borrower, has attracted d growing number of
individuals to do business with the New York Branch of Israel's oldest,
largest, and most diversified bank.
To find out how Bank Leumi can serve your firm on any banking
matter, domestic of international, write or lelephone today.
inflationistische Wirkung
Das Bild der Bonner Politik
wird ergänzt durch die Schwie-
rigkeiten in den deutsch-israe-
lischen Wirtschaftsverhandiun-
gen, die kurz vor dem Ende des
vergangenen Jahres sichtbar
wurden, als die Regierung Is-
rael erst einmal einen 75 Millio-
nen-Kredit zur Verfügung stellte,
ohne dass weitere Einzelheiten
mitgeteilt wurden. Auf die Dauer
wird sich auf diese Weise nicht
ein klares Abkommen über Art
und Umfang der deutschen
Wirtschaftshilfe nach Auslaufen
des Wiedergutmachungsabkom-
mens ersetzen lassen. Die Bun-
desrepublik und Israel haben
keinen Gund, auf lange Sicht
vertraulichen oder geheimen
Absprachen den Vorzug geben
zu wollen. Das könnte sehr leicht
zu einem späteren Zeitpunkt zu
einer von beiden Seiten nicht ge-
wollten Belastung des Verhält-
nisses werden.
Das Fehlen einer starken Füh-
HERBERTS
BARBER SHOP
Inh. HERBERT ROSENTHAL
JETZT 809 W. 18 f. ST.
Nähe Fort Washington Avenue
gegenüber der Subway
ERÖFFNUNG I. FEBR.
Saubere, gute Bedienung
zu massigen Preisen.
Modernes Aircond. Lokal.
Leo's Barbershop
Inh. LEO 5ALX>MON
früh«r Berlin/BofotA
4764 BROADWAY . LO 9.f4Sl
a. d. Dyclcman St., n*b«n Blcklorda
Ihf •uropllschaf PrLMur.
taubar. - Aufmarksama l>adia»wf
/ Nürnberg ehrt
Richard Willstaetler
I>as Realgymnasiuim der Stadt
Nürnberg hat seinen Namen ge-
ändert, Das Lehrerkollegium,
der Elternbeirat der Schule und
das Bayerische Kultusaniniste-
rium haben gemeinsam und
übereinstimimend beschlossen,
der Schule den Namen ihres be-
rühmtesten Abiturenten, des
grossen Chemikers Richard Will-
j staetter a872-1942j zu geben.
j Die Namensuimnennung fand im
Rahmen einer Feierstunde statt,
an der rund siebenhundert Per-
sonen teilnahmen.
Richard Willstaetter. in Karls-
ruhe als Sohn jüdischer Eltern
geboren, kam mit seiner Fami-
lie nach Nürnberg, als er elf Jah-
re alt war: 1Ö90 bestand er am
Realgymnasium die Reifeprü-
fung als brilliantester Schüler
.seiner Generation. In München
studierte er Chemie; er war 43
Jahre alt, als er für seine bahn-
brechenden Arbeiten über Pflan-
zenstoffe, insbesondere die Frei-
legung von Chlorophyll . den No-
belpreis für Chemie erhielt. Sei-
ne praktischen biologischen Ar-
beiten waren die Grundlage der
Ernährung&politik der deutschen
Regierung im ersten Weltkrieg;
dennoch legte er noch vor 1933,
pfer vieler Anschuldigungen,
erbittert seinen Lehrstuhl nie-
er, verlor später auch alle son-
stigen Aemter un<i musste 1939
schliesslich bei Nach^t^und Nebel
Deutschland verlassen. Er starb
wenig später in der Schweiz.
Bei der Nürnberger Feier im
Realgymnasium hielt ein ehema-
: liger Schüler Willstaetters. Pro-
fessor Kuhn von der Universität
Heidellberg, die Festrede, der die
Ausgabe von Stipendien — zu-
meist finanziert von der chemi-
schen Industrie Deutschlands
und der Schweiz — für begabte
Chemiestudenten bekivnn tgab ,
die fortan als "Willstaetter-Preis"
verteilt werden sollen. Der Di-
rektor der Schule rüh^mte in sei-
ner Ansprache, dass Willstaetter
"der Erinnerung an seine Schu-
le ebenso treu geblieben sei wie
dem Glauben seiner Väter . . .
Höchste Achtung verdient die
Tapferkeit, mit der Willstaetter
sein wahrhaft erschütterndes
Schicksal trug . . . Mit der Wahl
des Namenspatrons schliessen
wir alle ehemaligen jüdiscihen
Schüler unserer Anstalt in unser
ehrendes Gedenken ein."
An der Feier nahm u. a. auch
Senator Jean Mandel teil, Vor-
sitzender der jüdischen Gemein-
de Fürth und einziges jüdisches
^Mitglied des Bayerischen Sena-
tes. Kurt L. Metzger
rung in Bonn Ist natürlich nicht
nur mit Schwächen der Parteien
und der Politiker zu begründen,
Aussenpolitisch ist der Manöv-
rierraum für Bonn noch kleiner
' geworden und innenpolitisch
I sind die guten Jahre des Wirt-
' Schaftswunders vorüber. Beides
der öffentlichkeit zu sagen, zu
; erklären und daraus politische
Konsequenzen zu ziehen, hat die
die Regierung allein nicht die
Kraft. "Schmerzliche Entschei-
dungen", von denen Adenauer
als für die deutsche Politik eines
Tages unausweichlich gespro-
chen hat, dürften sich tatsäch-
lich nur fällen la.ssen, wenn
CDU/CSU und SPD zumindenst
auf Zeit Partner in der Regie-
rung werden. Das aber kann Er-
hard nicht wollen, während die
SPD mit ihrem artigen regie-
rungsfähigen Verhalten das Ziel
zu erreichen hofft.
ZlZl Broadway, New York, N.T. 1002S
Phone iZlZ) TR 3-7400
Cable Address: Aufbau New York
Manfred George
Editor 1939—1965
Acting Editor: Dr. Hans Stei-
nitz; Advertising^ Manager: John
M. Harold; Circulation Mana^^er:
Werner D. Wohl.
AUFBAU COMMITTEE: Alfred
Prager (Chairman), Ludwig Low-
enstein (President), Michael
Schnaittacher (Trcasurcr). Nor-
bert Goldenberir (Budget Direc-
tor), Fritz Schleger (Director).
ACHTUNG. Für unverlantt«
Einsendung ton Manuskripten
und unverlangtem anderen Ma-
terial (Photos, Ausschnitte, etc.)
kann keine Verantwortunir über-
nommen werden. Rücksendungen
können nur erfolgen, wenn ein
adressiertes und frankiertes Ku-
vert beigefügt ist.
SUBSCRIPTION flATES:
$1^.00 for two ycars; $9. 00 for on* y*att
$5.00 for on«-half yeair (Postag* inclu€l*4lj|
Sifigl* eopy: 29c
ADVERTISINQ KATES ON APPLICATION.
M*mb*r of Audrt Bureau of Circtlation.
RM. U. S. Pat. Off. No. 422,891
Publishod wc«kly by Now World Club, %n%,
Snt«red as second-ciass matter Jaruarr Jtk,
1940, at the New York Post Offic* undar
Act of March 3. 1879.
Alle vierzehn Tage erscheinen dlt
Beilagen "Der Zeitgeist", "Die West-
küste" und "Die Wiedergnitma<;hung*
Copyright I9«S by N*w World Club, Ine.
Tj'pe set by Pentagon Prlnting Co.
Vol. XXXII— No. 5
ABC
Feb. 4, 196«
442 ABC
Ehrungen Prof. E. J. Gunribels
Professor E. J. Gumibel, der
führen<le G'Melvi"-te-
schaften der Statistik und Ver-
sicherungsmathematik, der frü-
her in Heidelberg und Gren'>ble
lehrte und jetzt der Fakultät der
New Yod'ker Columbia-Univeri-
tät angehört, hat vom Bundes-
gesundheitsdienst der Vereinig-
ten Staaten ein Stipendiuh. zur
Fortführu).g seiner Studien über
die Statistische Theorie der Ex-
tremwerte erhalten. Senator Ro-
bert Kennedy (New York) schick-
te Ihm aus diesem Anlajss ein
Glückwunschtelegraimim, das der
Gelehrte erhielt, bevor er nocli
über die Bewilligung des Stipen-
diums informiert worden war,
und das demnach die erste Nacli-
richt über die bevorstehende Eih-
rung war.
Professor Gumbels Buch über
dieses Arbeitsfeld. "The Statistica
of Extremes" (Columbia Univer-
sity Press. New York) ist .mittler-
weile in japanischer Ueberset-
zung erschienen und erscheint
jetzt auch in russischer Ueber-
setzung. -tz
Lerntag der ^Tederation"
Sunday, February 6,
10 a.m. to 4 p.m.
American Federation of Jews
^ from Central Europe, Inc. -at
' the Hotel Roosevelt, Madison
I Avenue at 45 Street) — Second
i Lerntag:. Morning session 10 am.
! to 12:30 p.m. Lecture by Mr. Pe-
; ter Stadclmayer. Program Di-
j rector of Goethe House: "Ger-
I man Developments since 1945.'*
Joint Luncheon session: 2 p.m.
to 2:30 p.m. Afternoon session:
2 p.m. to 4 p.m.: Lecture by Dr.
Joachim Prinz. President of the
j American J e w i s h Congress:
j "German-Jewish Relations since
1945".
ZIGARREN
von HolUnd, Schwoix«
DEUTSCHLAND
AM* b*l(annt*n M«rk*n
Bank Koschland & Hepner AG
Zürich 1 Selnaustr. 6
Telephon Nr. 27 06 30 Telex Nr 5 34 36 37 Tel«gr.-Aclr.: Hepkob«aik
Filiale Montreux
Grand Rue 9«
^nHHoutsche :^--""»^ Nr. 126/127
iUais pOiiiitESCine Büclli
Geschichte - national verengt
ABBA EBAN: Dies ist mein Volk. Die Geschichte
der Juden. Droemersche Verlagsanstalt, Zürich.
447 Seiten, Leinen, 20,80 DM.
Die Geschichte der Juden von den ältesten
Patriarchensagen bis zur Gegenwart — das ist
ein faszinierendes Thema, denn welches andere
Volk ist durch die Jahrtausende hindurch so eng
mit der Weltgeschichte verbunden wie dieses!
Im 19. Jahrhundert hat ein gelehrter Rabbiner,
(^raetz, diese Geschichte als Religions- und Gei-
stesgeschichte zu schreiben versucht, im 20.
Jahihundert ein ostjüdischer Sozialist, Dubnow,
als sozialgeschichtliches Entwicklungsbild.
Beide Werke sind vielbändige und vielschichtige
Darstellungen, in manchen Teilen noch immer
lesenswert. Das neue Buch des israelischen
Außenministers Eban ist für ein breiteres Publi-
kum geschrieben, flüssig, schwungvoll und in
seiner Art ebenso einseitig wie die Werke seiner
gelehrten Vorgänger.
Es sieht die jüdische Geschichte von einem
streng nationalen Gesichtspunkt, mit der Staats-
bildung der Zeit König Davids als erstem und
der Staatsgründung der Zionisten in unserem
.Jahrhundert als zweitem Höhepunkt. Alles, was
dazwischen liegt, interessiert den Autor vor
allem im Hinblick auf Bewahrung und Gefähr-
dung einer nationalen Volkssubstanz. Dadurch
kommt zu kurz, was das Judentum der Mensch-
heit gegeben hat, kommt auch viel zu kurz weg,
was es von seiner Umwelt her an Werten auf-
nahm. Beides kann ein gebildeter Mann wie
Eban natürlich nicht ignorieren; er will es auch
— schon aus nationalem Stolz — nicht ver-
schweigen. Aber die jüdische Religion interes-
.viert ihn im Grunde nur als ein Überbau natio-
naler Entwicklung, und wenn jüdische geistige
Leistungen universale Bedeutung gewinnen, be-
trachtet er sie immer etwas sorgenvoll als Sym-
ptome einer Assimilation an die Umwelt auf
Kosten der Volkssubstanz.
Das Buch wird trotzdem schon durch seine
Zusammenschau des vielseitigen Themas und
seine suggestive Schreibweise jedem Leser Ein-
druck machen. Man muß es freilich vorsichtig
benutzen, auch wegen seines allzu pietätvollen
Umgangs mit jüdischen Traditionen, die die
deutsche, holländische, englische Religionswis-
senschaft schon weit kritischer behandelt hat.
Die monarchistische Legende von dem jungen
David, der den Philisterriesen Goliath erschla-
gen haben soll, hat zwar nicht nur die jüdische,
sondern auch die christliche Erbauungsliteratur
und Balladendichtung mit einem beliebten Stoff
versorgt. Aber neben dieser an drei biblischen
Stellen so königsfromm retuschierten Überliefe-
rung ist doch immer noch eine, zweifellos ältere
in der Bibel übriggeblieben, wonach der Besie-
ger des Philisters ein Ritter namens Eljakim ge-
wesen ist.
Ein paar Jahrhunderte später weiß der Autor
die Bedeutung der persischen Weltreichsbildung
und andeutungsweise auch der persischen
Nationalitätenpolitik für die Erhaltung des
Restes der Juden in einer eigenen Gemeinschaft
zu würdigen. Aber der Einfluß persischen Den-
kens auf die Bildung religionsgeschichtlicher
Begriffe wie der des Menschensohnes (bei
Daniel) und ihr Weiterwirken im Christentum
bleibt außerhalb seines Gesichtskreises. Audi in
der Auseinandersetzung zwischen dem Hellenis-
mus und dem Judentum geht er nicht .so sehr der
starken griechisclien Einwirkung auf spätjüdi-
sches Denken nach als vielmehr der Abwehr der
Hellenisierung durch die Makkabäer. Jesus ist
für Eban nur ein jüdischer Prophet,. den er übri-
gens den Pharisäern zurechnet.
Religionsgeschichtliche Unterscheidungen
sind auch sonst nicht seine Stärke: schon in der
frühkananäischen Zeit schreibt er den jüdischen
Stämmen eine „monistische" Gottesvorstellung
zu, während die Geschichte der Eroberung des
Landes doch Dutzende von Zeugnissen ihrer
Scheu vor anderen Göttern neben dem eigenen
Stammesgott bewahrt. Einige Verlegenheit be-
reitet Eban auch die Annahme der jüdischen
Religion durch die herrschende Schicht des
frühmittelalterlichen Chasarenreiches im heuti-
gen Südrußland, die nicht aus Semiten bestand.
Verständnisvoller folgt der Autor der Ge-
schichte der Juden im späteren Mittelalter,
wobei er den Zusammenbruch der jüdischen
Kulturblüte in Spanien als ein Exempel der Un-
möglichkeit dauernder jüdischer Existenz in
fremder Umwelt behandelt. Zu kurz kommt
dabei wieder der Einfluß der nichtjüdischen
Traditionen auf die spanischen Juden, großartig
bezeugt in der langen Liste ihrer Übersetzungen
aus dem Arabischen. Lehrreich ist der Überblick
über die Verteilung der aus Spanien Vertriebe-
nen auf andere Länder. Eine verständnisvolle
Skizze der ostjüdischen My.stik des Chassidismus
wird durch eine weniger fundierte Geschichte
der Emanzipationsbewegung, zumal in Deutsch-
land, ergänzt. Die gröbsten Irrtümer dieses
Kapitels kommen wohl auf Kosten der Überset-
zer: Humboldt war kein Abgeordneter und Ga-
riel Riesser, der Sprecher der liberalen Juden in
der Frankfurter Nationalversammlung, kein
Preuße. Deutsche Geschichte ist auch sonst ver-
zeichnet. Weder hat Bismarck eine Staatsform
nach dem Gedanken von Kant schaffen wollen
noch waren die deutschen Konservativen Schü-
ler des (Nationalliberalen) Treitschke.
Sachkundiger wird dann die Darstellung der
Entstehung des Zionismus in Osteuropa und der
Formierung seines Programms durch Theodor
Herzl, Weizmann und andere politische Führer.
Die Geschichte der Staatsgründung und der ihr
vorangehenden Auseinandersetzungen mit der
britischen Mandatsmacht hat der Autor selbst
miterlebt. Er schildert sie mit innerer Anteil-
nahme und feiert die Wiedergeburt einer neuen
Nation im alten Lande der Bibel. Als das zweite
Zentrum des Judentums in der Welt erkennt er
aber die zahlenmäßig weit stärkere jüdische Be-
völkerung der Vereinigten Staaten an. Daß dort
jüdische Religiosität sich differenzierter entfal-
tet als in Israel, wo sich alle Energie auf den
wirtschaftlichen Aufbau und die militärische
Verteidigung konzentrieren, kommt allerdings
nicht zur Sprache. Ebans Sorge gilt vielmehr den
Assimilationstendenzen des amerikanischen
Judentums an sein nichtjüdisches Milieu. Ge-
genüber den arabischen Gegenspielern des
neuen zionistischen Staates findet er einige ver-
söhnliche Worte. Die Problematik der Entwick-
lung Israels nach dem militärischen Sieg von
1967 und der daduich verhäiteten Verieindung
mit den Nachbarn wird noch nicht benandelt.
Man kann von einem aktiven Politikei- wie
Eban nicht erwarten, daß er ein unparteiisches
Bild der Nation gibt, für die er spricht; er ist ihr
Anwalt. Wer sich das im Bewußtsein hält, wird
viel aus dem Buche lernen k<)nnen. Der Leser
sollte aber nicht vergessen, daß die Tiadition.
aus der die großen Figuren des Urchristentums
und moderne Denker von Spinoza bis Karl Marx
hervorgingen (die sich alle aus dieser Tradition
entfernten), daß dieses geistige Erbe noch weit
reicher ist als der nationalpolitische Hinter-
grund des kämpfenden Zufluchtslandes viele;
Verfolgter. Immanuel Birnbau):
Der Berliner Reichstag
KLAUS-PETER SCHULZ: Der Reichstag gesten^
— morgen. Kranich-Verlag, Berlin. 320 Seiten, Lei-
nen, 28 DM.
Die Neugier, die der Autor mit dem Titel sei-
nes Buches weckt, bleibt unbefriedigt. Dcj^
Sozialdemokrat Klaus-Peter Schulz weiß auf di(
Frage, was mit dem für 100 Millionen Mark wie-
der aufgebauten Reichstagsgebäude in Westber-|
lin geschehen soll, nur zu sagen, daß er sich dort
nicht ein Museum, sondern „eine Stätte der poli-l
tischen Lebendigkeit und des gesamtdeutschen!
Bewußtseins" wünscht. Im übrigen hofft er au|
die Phantasie derer, „die bei aller Verstrickunj
in den Knäuel einer oft unentwirrbar anmuten]
den Gegenwartsproblematik noch zu echter|
Visionen fähig sind".
Im Vergleich dazu haben sich Christdemokra-j
ten wesentlich genauer geäußert. Aus ihren Rei
hen kam beispielsweise der Vorschlag, ein
Bannmeile um das Areal hart an der Mauer z
ziehen und hinter der wilhelminischen Fassad-^
Brandt und Stoph verhandeln zu lassen. Freilic
ist dieser Gedanke der Verwirklichung so fen
wie der. in dem Haus ohne Parlamentarier d;
Parlamentarier ohne Haus, die Mitglieder de
Ostberliner Volkskammer, tagen zu lassen. ,j
Nun wollte Schulz sich allerdings nicht dara.^
beschränken, die Frage der Nutzung eines mei
leerstehenden Gebäudes zu lösen. Sie diente ih'
vielmehr als Ausgangspunkt einer Würdigui
des deutschen Parlamentarismus, von seine
Anfängen in der Frankfurter Paulskirche bis z'
unrühmlichen Abdankung im Jahre 1933, vollz
gen in der KroU-Oper, da der Reichstag seh
abgebrannt war. Schulz bietet viele Details c
für das Ganze gilt das Urteil, das er im Vorwo
selbst spricht: „Er hat sich absichtlich nicht i
eine wissenschaftliche Darstellung bemüht, so
dern lediglich zur Geschichte des deutsch.
Reichstags und seiner ehemaligen Bewohrj
spontan alles das niedergeschrieben, was il
hierzu eingefallen ist."
Texte zum Nachschlagen
MICHAEL SCHWEITZER: Internationale Oru
sotionen. Verlag Gehlen, Bad Homburg. 314 Seil
broschiert, 8,80 DM.
Da das Bändchen unkommentierte Texte
öffentlicht, ist es am zweckmäßigsten, hier ar,
geben, um welche Verfassungen von Organ,
tionen oder welche Pakte es sich handelt: \
kerbund 1919, UNO, ILO (Arbeitsorganisati
OAS (Organisation Amerikanischer Stac
Europarat, Liga der Arabischen Staaten,
(Organisation der Afrikanischen Ein
NATO, WEU (Westeuropäische Union), SE
(Südostasienpakt) und Warschauer Pakt
nützlich es für den mit der Zeitgeschichte
faßten sein mag. diese Texte griffbere.
haben — der breitere Kreis der Nichtfach
dürfte aus den nackten, den nicht erläutt 'J
Wortlauten kaum viel Honig saugen. Das gl*
gilt für die acht Seiten Literaturhinweise:
einer Angabe wie etwa „BASSET: The Lc
of Nations (1928)" ohne Verlagsort und ohne
loilung, ob es sich um eine Quellenedition
Sekundäj-literatur handelt, wird nur dei- ei
lene Benutzer großer Bibliotheken etwas ai.
gen können.
REFERENCEi
Karl Erich Born, Der soziale und wirtschaftliche Strukturwandel
^ Deutschlands in Viertel jahsschrift fuer Jozial
und v/irtschaf tsgeschichte , 1965,^.261
Theodor Geiger, Die soziale Schichtung des deutschen Volkes, Stuttgart
/^ 1932, Neu druck 1967
f^^^^/fe' /T^^ . A^yr^^ /////^^r.
//^Jf-^^^
^^/-^z
/f^r^^i /fr,
^>^
/
r
ty^t
y
/ —
/
i i(,7^./J! W'^:, ■■^'^ ' -^"1 ^f'^'
A.
n
/^//' l/^/^
/^ ^ 7^-
*/t
r-. , / -r y / /.. //// /fy^^ '^5^ /^^y'/y
'lUjd^/i '' , -MvA^^Jt: /<
V^ .Z' ^'^^.
^
-/^ clu^ /^ /^/-^
^i-/
f ////^
^/ ^/^Z?' /^ ^/^^
^.^....^. yf/y-z'^^r
i^^^ /^u^rf c ^ «^^^ z^' '/-^
4/ /^ ^ ^/y //^^^^ /6j%^Y
/^Al^
/^
^/ ./-f^-^^'*'
-^^f<. /^/r//^ ^^^^</
^ fti^ A^d,^U. / //^V,^, X^ c^/...,^ #^v /^^<^^ /^-'^
/
/ . 'v^
if
//y
J^
^
/^^.
ftA>CU^^
/i.5*.*4s^^- 4^^y^^
^vM^^^ ^
^e^/?^^
X
1
<c
\7^^ ^"e^ ^^ ^^f/. <' ,V -^/Ä ^"
A^^cii^^Ufi
^^e^
Zü4c^ /r/i -//>"-d , ^/^ /^^^,
^^./j
Xufi^n/ (jCuKö-^'^*^
Die gleiche Sprache:
Erst für Hitler - jetzt für Ulbricht
von Simon Wiesenthal
am 6. September 1968
in Wien
eine Dokumentation
der
deutschland-berichte
Inhalt
Seite
Die gleiche Sprache wie in der Hitlerzeit
Die Pressekonferenz von Simon Wiesenthal
im Presseclub Concordia in Wien
am 6. September 1968
Nationalsozialistische Elemente in Presse und
Propaganda der Deutschen Demokratischen Republik
11
Notwendige Vorbemerkungen
Prominente NSDAP-Mitglieder im Dienst
der DDR-Propaganda
Dokumente zu den 39 Fällen
12
25
39
Die internationale Presse reagierte überrascht
67
KönlostraS« 17 a
Die gleiche Sprache wie in der Hitlerzeit
Simon Wiesenthals Dokumentation
Als Simon Wiesenthal, der Leiter des Dokumentationszentrums des Bun-
des jüdischer verfolgter des Naziregimes, am 6. September 1968 xm
Presseclub Concordia in Wien seine Dokumentation "Nazionalsozialist.-
sche Elemente in Presse und Propaganda der Deutschen Demokratischen
Republik" vorlegte, wollte man es nicht glauben. Mehr als ein Jahr-
zehnt trommelt die sowjetzonale Propaganda, die Führung der "DDR",
iimer wieder auf der Bundesrepublik Deutschland herum, nur in West-
deutschland säßen die Nazis. Im Bereich der kommunistischen SED von
Walter Ulbricht, so hat er es formuliert, hätten alle Nazis, die sich
nunmehr zur komir.unistischen Einheitspartei bekennen, ihre Vergangen-
heit hinter sich gelassen. So einfach also ist es auf der anderen
Seite Deutschlands.
Die Dokumentation Wiesenthals zeigt nun deutlich, warum. Die gleichen
Leute, die im "Völkischen Beobachter", der Parteizeitung der NSDAP,
gegen' Juden hetzten, die die Gewalt predigten, sind umgestiegen. Sie
wurden Anhänger Ulbrichts. Diese Konzentration nationalsozialistischer
Propaganda-Experten, vor allem im "Agitprop-Apparat" der Zone ist 3a
kein Zufall. Sie ergibt sich aus der Verwandtschaft von Nationalsozia-
lismus und Komir^unismus in vielen Zielen und Methoden. Chruschtschow
zun Beispiel formulierte einst: "Wir werden den Kapitalismus begraben"
und die Nationalsozialisten marschierten auf das Lied: "Denn heute ge-
hört uns Deutschland und morgen die ganze Welt" . In der Propagandame-
thode sind sich beide Systeme gleich: agitatorische Erfassung und
Durchdringung aller Lebensbereiche - gesteigert bis zum agitatorischen
Terror. Die totale Kontrolle des menschlichen Bewußtseins wird ange-
strebt.
Wenn man die Dokumente und die Zusammenstellung, die Wiesenthal erar-
beitet hat, durchblättert, so wird deutlich, wie stark das Publika-
tionswesen der sowjetischen Besatzungszone, der "DDR", von diesen Leu-
ten beherrscht wird. Sie brauchen ja nicht viel Umschulung. Wiesenthal
sagt deutlich, daß ja nur wenige Worte genügten, um glauben zu machen,
der Artikel habe nicht im "Völkischen Beobachter", sondern in der heu-
tigen Parteizeitung, die noch bis vor wenigen Jahren auf den gleichen
Maschinen wie der "Völkische Beobachter" gedruckt wurde, im "Neuen
Deutschland", gestanden. Er schildert es in seiner Pressekonferenz
an einigen Beispielen.
ILA--""..''"
Neue Gruppen haben sich formiert, zum Beispiel in der Zeitschrift
"Die deutsche Außenpolitik" mit Aust, Kregel und Kroger, die Gruppe
im "Neuen Deutschland" unter Führung von Kretzscher mit den einfluß-
reichen Helfern Kegel, Dengler, Siebenmorgen. Damit sind zwei wichti-
ge Punkte der gesamten Publizistik innerhalb der Zonenpresse genannt.
Eine sehr wichtige "Mannschaft" ist die sogenannte "Nationaldemokra-
tische Gruppe", von der meistens im Zusammenhang mit der "DDR" über-
haupt nicht gesprochen wird, die aber bewußt von Ulbricht gegründet
wurde, um die "nationalen" Elemente auf gleichem Kurs mit eigener
Flagge zu halten. Eine Dreiergruppe kann m.an zu den leitenden Publi-
zisten zählen: Es sind Stößlein, Zander und HofS. Dazu gehören nach
Arnold, Ball, Caspar, Hampe, Hempelmann, Riess, Scurla und der vor
kurzem verstorbene Stiehler. Auch die CDU-Ost, die auch eine Satelli-
tenpartei Ulbrichts ist, hat ihre eigenen ehemaligen NS-Publizisten
mit Höhn und Gast an der Spitze, mit Schnabel und Ulrich. Diese Grup-
pierungen sind bedeutsam, weil sie im Gegensatz zu einem freien demo-
kratischen Staat mit dieser handvoll Leuten in der Lage sind, die ge-
samte öffentliche Meinung zu manipulieren. In unserem Staat, wo die
Presse frei ist, gibt es derartige Einflüsse nicht. Man muß daher die
Wiesenthal 'sehe Dokumentation unter dem Gesichtspunkt lesen, daß hier
die gleichen Töne gegen Zionisten, gegen Israel, von den gleichen
Schreibern geblasen werden, wie einst unter der braunen Herrschaft.
Darin liegt die Bedeutung, im Gleichklang der Töne. Darin liegt die
Bedeutung der Arbeit Simon Wiesenthals. Er hat der Welt gezeigt, daß
sie nicht auf die Moralprediger aus Ostberlin hereinfallen soll, um
zu glauben, dort habe sie ein "sauberes" Deutschland im Gegensatz zur
Bundesrepublik vor sich. Die Dokumentation Simon Wiesenthals zeigt
vielmehr, daß diese Leute die Vergangenheit nur zu ihrem propagandi-
stischem Geschäft benutzen, daß es ihnen nicht darum geht, wie sie
immer behaupten, einen neuen Geist, eine freie Meinung gegen die alte
Diktatur zu stellen. Darum ist es wichtig, das, was in Wien am 6.
September der Öffentlichkeit übergeben worden ist, festzuhalten. Da-
rum haben wir diese Dokumentation mit dem, was Simon Wiesenthal auf
seiner Pressekonferenz sagte, in diesem Heft festgehalten.
%^iv<
r ■K'^'y',
Israelis ermordeten
Gefangene und Pfarrer
nj^VleTtfriede
'^mZ^l
U mf assender
imperialistischer
^^ Angriff auf
per 11 W"""^ UA*iirtÄllUllfl Maliost abgeweiirff
"^»t s.. '^ "oeA"""^^ KMipl i«aeUsdie P»» Vli
Das militfirische Komplott
Israel
iert (^ ^
W«llöff«nllichlc«it S 2.
;upant«n wi«d«rhol«n territorial« Ford«runi
Westfteutschlond-Isf
Kv^^^^i'^SK.rr Gesichter der
At^''««»%^ DDR mit VAR Globalstrategie
SLSr^SSWS^SS.
'»>.
der aroWsdi««
Ministerp. Jsident Kossygin vor ^^M7^f/ ^^^Jf ^ KOmpHCeil
UNO muB Aggrejf^^iKV %l. lS«ss.« ^e*
venirteilen
•^•"nrrTevtet
>/ ^-
«
5>
Ä e*
fl <» g
V p ^
^
.s^V
^
y
V^e^V
ö< wSK k^*'<^* ^j"*^^ Gewässer ^^ ^ 4/^^i
leit
asser
9 S
CS 0) d ^
.<y^^
^^ *'•'•' «"•r.i»r.,d^w^,..^..„V^^/;y
^^%^!''^ Cv? '^5:*<erteidigen Revolut.ong p
'••- '"^ e>, <y« «.w r.^ *^^ Jö Machtgier isoliert
'4 fk '^'*'*®' *P*e'» Gendarm
^ Machtgier isoliert
~ rael noch stärker
Ansehen der DDR
arabischen
Ä<S.v^*
Ä»
Ä^tt^eX
^Ä.
%»%^^' V^^^'^r^** Arabische Länder in *^tlÖ^ Bonn schuldig desQ^. Qjv^
^^^t^* Aftii?PÄr,/pr4e'*'rfl>»«io/i^^ Mordes an Arabern '^O^
1 ■>"'*'•'
^f5^3?f^'^
^-'■•■T.'.'^-ir. ,-,.;-■;>
^ässmmmsmmam
Die Pressekonferenz von Simon Wiesenthal im Presseclub "Concordia"
in Wien am 6. September 1968, lo.3o Uhr
Hof rat Rudolf Kalmar, Ehrenpräsident des Journalistenverbandes:
Die heutige Pressekonferenz ist einem alten Bekannten, dem Diplom-
Ingenieur Simon Wiesenthal, gewidmet. Das Thema, das er behandelt,
lautet: "Nationalsozialistische Elemente in Presse und Propaganda
der Deutschen Demokratischen Republik". Ich habe zum Thema selbst
nichts zu sagen und bitte Herrn Ingenieur Wiesenthal, das Wort zu
ergreifen.
Wiesenthal: Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kollegen und
Kolleginnen! Die Ergebnisse der Arbeit, die ich Ihnen heute vorgelegt
habe, war vor Jahresfrist geplant. Sie wurde durch die Schreibweise
der Zeitungen der Deutschen Demokratischen Republik ausgelöst, die
sich krass unterschieden von der Schreibweise der Zeitungen des Ost-
blocks. Nachdem ich selber fast alle östlichen Sprachen beherrsche
und die Terminologie, die verwendet wird, kenne - ich lebte zwei Jah-
re in der Sowjetunion, ich war in Polen, studierte in der Tschechos-
lov;akei - fiel mir gleich auf, daß in den Zeitungen, sei es in "Neues
Deutschland", sei es in "Deutsche Außenpolitik" oder wie sie alle
heißen, eine Terminologie verwendet wurde, die an etwas bestimmtes
erinnert hat.
Wir machten in unserem Büro so etwas wie ein Puzzlespiel. Wir nahmen
alte Zeitungen von vor 3o Jahren, den "Völkischer Beobachter" oder
das "Schwarze Corps" und entfernten einige Worte und ersetzten sie
durch die gebräuchlichen Worte in der Presse der DDR. Das heißt, an
die Stelle des Wortes "Jude" schrieben wir "Zicnist" und anstatt "Na-
tionalsozialismus" "Friedenslager oder sozialistisches Lager". Und
auf einmal sahen diese Artikel so aus, als wären sie nicht vor 3o
Jahren, sondern vor etwa einem halben oder einem Jahr in der Presse
erschienen. Das "Dokumentationszentrum" befaßt sich prinzipiell nur
mit Kapitalverbrechen. Von Zeit zu Zeit haben wir auch eine Dokumen-
tation über Dinge herausgegeben, die mit Mord als solchem nichts zu
tun haben. Wir haben zum Beispiel auch im vorigen Jahre eine Dokumen-
tation über Leute, die in der Bundesrepublik tätig sind, herausgegeben,
die früher Eesatzungsblätter der Nazis geleitet haben. Wir haben eine
Dokumentation über Herrn Dr. Tötter, der noch vor zwei Jahren Presse-
chef des Deutschen Beamtenbundes war.
Früher leitete er die "Brüsseler Zeitung", und schrieb darin blutrün-
stige Artikel. Durch die ständige Propaganda aus der DDR in Richtung
Westen war es irgendwie auch schwer zu glauben - vielleicht haben
wir einen Teil der Propaganda in unser Unterbewußtsein aufgenoirmen -
daß auch dort Leute sein können, die ihre Feder in die Tinte von
Goebbels eingetaucht haben und gegen die Demokratie, gegen die Juden
verwendet haben. Diese Schreibweise brachte unn auf die Idee, der Sa-
che nachzugehen. Ich glaube, die Journalisten hier im Saal sind sich
dessen bewußt, was es heißt, in einem abgeriegelten Staat zu recher-
chieren, ich war m.ir im klaren, wenn ich jemanden nach Ostberlin schik-
ken sollte, nur um die Liste der Mitarbeiter von "Neues Deutschland"
mitzubringen, da würde ich ihn zwei oder drei Jahre nicht wiedersehen.
Die Dokumentation, die ich Ihnen vorlege, hat keinen Anspruch komplett
zu sein. Im Verlaufe von mehreren Monaten haben wir aus verschiedenen
Archiven, aus Veröffentlichungen, aus SS- und Partei-Listen die Anga-
ben herausgeholt und geben Ihnen heute 39 Namen bekannt. Wir hatten
bedeutend mehr, aber wir wollten die Sache nicht verwirren, wir woll-
ten nur diese Leute in die Dokumentation hereinbringen, die heute eine
Position innerhalb der Presse und Propaganda haben oder die in der Na-
zizeit eine derartige Position hatten, auch wenn sie heute auf weni-
ger wichtige Posten abgesetzt wurden.
Ich möchte vorausschicken: Diese Dokumentation ist keine Waffe inner-
halb eines "Kalten Krieges". Wir haben unser Dokumentationszentrum.
Ich persönlich habe im Laufe der Jahre bewiesen, daß für mich die
Nachforschungen nach nationalsozialistischen Aktivitäten und Aktivi-
sten keine Einbahnstraße ist. Sie soll auch keine Einbahnstraße blei-
ben, denn wenn Anti-Faschismus, dann gegen alle, die Faschisten sind
oder die sich faschistischer Methoden bedienen. Ich möchte sagen, daß
wir die Aufklärungskampagnen aus der DDR und die Dokumente, die aus
der DDR gekommen sind, immer begrüßt haben, auch wenn wir wußten und
überzeugt sind, daß sie nicht der Gerechtigkeit dienen sollten, son-
dern als politischer Trumpf. Dadurch hat sich vieles erhellt. Aber
diese Leute, die jahrelang das Monopol ausgeübt haben, der ständige
Ankläger zu sein, sollen auch einmal sehen, daß diese Rolle ihnen
nicht zu Gesicht steht, daß der erhobene Zeigefinger in Richtung We-
sten, mit dem sie immer operiert haben, einmal auch umgedreht werden
kann gegen diese Leute selbst. Wir müssen verstehen, daß die Presse
und Propaganda in einem totalitären Staat eine besondere Rolle spielt.
Sie wirkt nicht meinungsbildend oder willensbildend unter der Bevölke-
rung, sondern vermittelt Befehle von oben, um richtungsweisend zu sein,
denn es gibt keine öffentliche Meinung, nur, die eben von oben kommt.
in dieser Dokumentation werden Sie Leute finden, wie zum Beispiel den
Pressechef der DDR-Regierung, Kurt Blecha. Sie finden hier, wann er
zur NSDAP ging, seine Mitgliedsnummer. Ein Pressechef einer Regierung
in einem solchen Staat hat mindestens die Bedeutung eines Ministers
in einem westlichen Staat. Sie werden hier unter den Leuten auch den
Präsidenten der Reichsrundfunkkammer finden. Ich habe Ihnen einen
Auszug der Erklärung von Hans Fritzsche in Nürnberg beigelegt, was er
über Herrn Horst Dressler-Andress, der heute im Agit-Prop tätig ist,
gesagt hat. Wie erfolgte die Machtübernahme im Rundfunk? Herr Dressler-
Andress ist seit 1929 Parteigenosse gewesen. Er war der Gründer des na-
tionalsozialistischen Rundfunks, er bestimmte alles, er war der Kunst-
mäzen. Sie werden hier eine Zeitung "Deutsche Außenpolitik" aus Ost-
berlin beigelegt finden. Der Chefredakteur, Herr Aust, ein National-
sozialist. Wir geben an wo und für wen er tätig war. Ein weiterer
Leiter in dieser Zeitung, Herr Gesandter Kegel. Wir legen Ihnen ein
Schreiben bei vom Auslandsnachrichtendienst der NSDAP an Herrn Kegel
nach Warschau. Er war getarnt in Warschau, im Jahre 1937 als Korres-
pondent der "Breslauer Neuesten Nachrichten" . Es gibt nicht viele
Korrespondenten von Zeitungen, die einen diplomatischen Status haben,
wenn er ihn hat, dann braucht er ihn. In dieser Zeitung "Deutsche
Außenpolitik" schreibt auch ein Herbert Kroger. Dieser Mann war bex
der SS und war für das SD-Hauptamt tätig. Auch von der alten Garde
des Führers haben wir einen in der Sammlung. Ich habe den Namen ver-
gessen, aber sie finden ihn. Ein Parteigenosse aus dem Jahre 1925 mit
einer Parteinummer von ll.ooo bei neuneinhalb Millionen. Wir haben
darunter auch einen österreichischen Illegalen, der im Jahre 1939 an
die Reichskanzlei geschrieben hat, wir haben dort den Text, er bittet
seine Verdienste um die Ostmark anzuerkennen. Es sind Kriegberichter
da. Wir legen Ihnen Artikel vom "Völkischen Beobachter" dieser Leute
bei. Sie sind heute in der Presse der SED und der NDP, sowie in der
LDP und der Ost-CDU tätig. Und nun ein markanter Satz einer Kriegsbe-
richterstattung: "Unsere Tiegerpanzer zerquetschen die asiatischen
Untermenschen wie die Wanzen". Einer war ein sehr wichtiger Mann. Er
ist vor einigen Monaten verstorben. Herr Wilhelm Stiehler, Stadtver-
ordneter in Leipzig. Er war eine Zeit lang auch in der Volkskammer,
ich habe eine Reihe von antisemitischen Artikeln, die er geschrieben
hat. ES sind Leute, die in ihrem Lebenslauf zur Aufnahme an die NSDAP
geschrieben haben, daß sie sich verdient gemacht haben um die Entju-
dung der deutschen Kultur. Und das sind die Ent juder, die heute dort
in der Presse tätig sind und die Krokodilstränen heute vergießen um
zu zeigen, daß irgendwie hier oder dort ein Antisemit tätig ist. Das
8
Stimmt. Aber das soll uns vielleicht nur ablenken von dem, daß auch
dort diese Leute tätig sind. Um zu diesen 39 Namen zu kommen, haben
wir etwa 600 Namen durchgearbeitet. Nicht bei allen konnten wir alles
überprüfen und nicht alles schien uns wichtig.
Als diese Dokumentation fertig war, es war im April dieses Jahres,
begannen die Ereignisse in der Tschechoslowakei, und wir wollten nicht
durch diese Publikation irgendwie beschuldigt werden, daß wir uns in
einen Konflikt einmischen. Für die anderen wäre es ein Trumpf gewor-
den, sie hätten gesagt: Natürlich die Juden aus dem Ausland, die
kämpfen an gegen die Gegner von Dubcek usw. Da sagten wir uns nein,
wir warten damit. Es ist das erste Mal, daß man mit einer derartigen
Dokumentation herauskommt. Die Zeit spielt keine Rolle. Es wird der
Zeitpunkt kommen, sonst hätten wir Juden, wie schon seit Jahrhunder-
ten einmal den Sündenbock abgegeben.
Der Zeitpunkt war gekommen. Am vorvorigen Sonntag stand in der SED-
Zeitung "Neues Deutschland" ein Artikel "In Prag regiert der Zionis-
mus". Jetzt sahen wir, daß diese Leute am Ende ihrer Argumente sind:
"Der Jude ist schuld". Und als die Besetzung der Tschechoslowakei im
Jahre 1939 endgültig erfolgt ist, da erschien im "Völkischen Beobach-
ter" auch eine Überschrift: "In Prag regiert das Judentum". Ich glau-
be nicht, daß es hier notwendig ist zu erklären, daß unter den 14
Millionen Tschechoslowaken nur 14. 000 Juden leben, also ein Promille.
Daß die überwiegende Mehrheit von ihnen weit über 60 Jahre alt ist
und daß es sich hier um Leute handelt, die mit kleinen Ausnahmen über-
lebende aus dem Konzentrationslager sind. Und daß die Leute, die Bin-
dungen an Israel und an den Zionismus hatten, wie auch in anderen
Ostblockstaaten mit Ausnahme der Sowjetunion, dieses Land längst ver-
lassen haben. Ich glaube, mit diesen einleitenden Worten habe ich den
Zweck der heutigen Pressekonferenz umrissen, und ich bin bereit, so-
weit ich dazu im Stande bin, Ihnen auf Ihren Fragen Antwort zu geben.
Fragen der Journalisten
Frage: "Ist Ihnen die Identität der Journalisten bekannt, die in der
Ostdeutschen Presse jetzt besonders in der anti- tschechischen Kampag-
ne hervortreten?
Wiesenthal: Diese Artikel sind meistens nicht gezeichnet. Es kommen
Redaktionsartikel. Wir kennen nur einzelne Journalisten, die in diesen
Zeitungen tätig sind, aber ich sagte eingangs: Wenn jemand z.B. die
Liste der Mitarbeiter vom "Kurier" in Österreich haben möchte oder
von der "Welt" in Hamburg schafft er es an einem Nachmittag ohne Be-
schwerden. Das schafft er aber nicht beim "Neues Deutschland". Nicht
in einem halben Jahr.
Frage: Frage zum Fall Schnabel. Ob es gerechtfertigt ist, ihn in die-
ser Liste aufzunehmen. Raimund Schnabel war zwar HJ-Bann-Führer, hat
sich aber dann als ganz junger Mensch in Gegnerschaft zum Nationalso-
zialismus gestellt, wurde zum Tode verurteilt, wurde dann in das KZ
Mauthausen eingeliefert und hat nach dem Kriege die Dokumentation
"Macht ohne Moral" in der Bundesrepublik veröffentlicht, hat dann
"Die Frommen in der Hölle - Priester in Dachau" geschrieben und er
ist jetzt nicht Redakteur einer Zeitung, sondern freischaffender
Schriftsteller in der DDR. Ich glaube nicht, daß es gerechtfertigt
ist, ausgerechnet Raimund Schnabel in diese Liste hineinzunehmen.
Wiesenthal: Ich glaube ja. Ich habe mich der Mühe unterzogen, dieses
Buch, das Raimund Schnabel in der Nazi-Zeit geschrieben hat, zu le-
sen. Auch der Herr Herbert Scurla, der seine Bücher den Kameraden,
die für Führer und Vaterland im Kampf gegen Polen gefallen sind, ge-
widmet hat, schreibt heute ein Buch, zum Beispiel: "Die Begegnungen
mit Rachel Levin" . Das sagt gar nichts, denn solche Leute, die heute
demokratisch, sagen wir quasi demokratisch gesinnt sind, wenn sie in
den westlichen Zeitungen schreiben, dann werden sie von der DDR ange-
prangert und wir wissen es und das ist nicht das erste Mal. Daher
haben wir diese Leute aufgenommen. Immerhin war einer der Pressechef
der Hitler- Jugend. Wir wissen, wie frei ein freischaffender Journa-
list in einem östlichen Staat heute sein kann. Daher schien es uns
für wichtig, auch diesen Mann mit hineinzunehmen.
Pmletaner aller Länder, vereinigt euch!
Neues Deutschland
ORGAN DESZENTRALROMITEES DER SOZIAUSHSCHEN EINHEITSPARTEI DEUTSCHIANDS
15. Juni 1967
I
Das Gewissen der Menschheit ist aufgerüttelt
Die Ereignisse im Nahen Osten, der wiederholte Überfall
der imperialistisch denkenden und handelnden herrschenden
Klasse Israels gegen die arabischen Nachbarstaaten, hoi uns,
die Mitglieder der Sektion „Karikaturisten und ^^l^^^^}^'
ner". zutiefst empört. In einer Zeit, da *°g''? JJ^^^^^^^^"
auf friedliche Städte und Dörfer der Demokratischen Kcpubl k
Vietnam fallen, da Napalm und Giftgas Leben "'^^Gludc n
Südvietnam vernichten, ist das Gev/.ssen der M«"^^*^^* «^J".
gerüttelt worden. Trotz weltweiter Verurteilung des J^enka
nischen Angriffs auf Frieden und Sicherheit haben d'« g'^'-
dien Kräfte erneut gewagt, den Kriegsbrand in einen anderen
Teil der Erde zu tragen.
An der Seite Kys und Eschkols. am Mekong und am Golf
von Akabo. überfallen die gleichen ''"P«^'°''^*"^^f " .^°'?^'
Frauen. Kinder und Greise, verwüsten Hauser. Äcker und Po-
briken. die gleichen Mörder, die seit zwei Generationen auch
Europa in Schutt und Asche legten. Wieder bliesen Fanfa ^n
zu neuem Blitzkrieg, wurden 100 000 Menschen einer anderen
Sprache und Sitte aus ihrer Heimat ^^pogl ^\oXsä^^n\^^^^^^^^
treiber und Lieferer von Kriegsmaterid in USA. Westdeutsch-
.U^"^
lond und Großbritannien begeistert da capo. Aber der Überfall
auf die VAR, Syrien und Jordanien wird nicht menschlicher, nie-
mals geredeter, weil diesmal statt der Stars and Stripes der
Davidstern als mißbraudites Symbol der Aggression voran-
flattert. Dieser Krieg ist kein Blitzsieg, als >^«:^dTen 'hn d^
Westprvsse darzustellen liebt, sondern eiri Überfall, ein«
fJrdiihofe moralisd>e urvd gesellsdiaftlidie Niederlage für das
Land fsroei.
Wir Karikaturisten der DDR sd><ießen uns den Protesten
aus aller Welt an. Wir verurteilen den Überfall auf die ara-
bischen Länder. Wir fordern nidit nur die strikte Einhaltung
der Feuereinstellung, sondern audi den Ab^"5 a"«;^ 'sroeli-
schen Truppen aus okkupiertem Lande in ihre Ausgangsstel-
lungen.
Diese Resolution wurde am 13. Juni 1967 auf einer
Beratung der Sektion „Kankaturisten und Pressezeich-
ner" im Verband der Deutschen Journalisten angenom-
men.
Nationalsozialistische Elemente
in Presse und Propaganda
der
Deutschen
Demokratischen Republik
12
DOKUMENTATIONSZENTRUM
DES
BUNDES JÜDISCHER VERFOLGTER DES NAZiREGIMES
10 10
WIEN I. RUDOLFSPLATZ 7/II1
BANKVERBINDUNG«
ALLGEMEINE WI RTSCH AFTS B AN K WIEN
KONTO NR.30<./00
DRESDNER BANK. FRANKFURT
KONTO NR. 181236/00
WIEN, den
Telefon 63 90 932, 63 30 302
6. September 1968
Pressekonferenz
6. September 1968
Presseclub Concordia
Nationalsozialistische Elemente in Presse
und Propaganda
der Deutschen Demokratischen Republik
Eine aktuelle Dokumentation
Notwendige Vorbemerkungen
Der Anlaß» die Repräsentanten der Öffentlichkeit heute
in den Presseclub zu bitten, ist, an den bisherigen Themen
der Pressekonferenzen des "Dokumentationszentrums" gemessen,
etwas ungewöhnlich: Es geht diesmal nicht darum, die An-
klage gegen bisher verborgene Naziverbrecher zu erneuern
oder von müde gewordenen Behörden die Ahndung ans Licht
gekommener Taten in der NS-Zeit zu fordern. Wir halten es
vielmehr für geboten, mit dieser Dokumentation - die der-
zeit gewiß als "heiß" gelten darf - den Hintergrund besorg-
niserregender internationaler Entwicklungen zu beleuchten
lind Zusammenhänge aufzuzeigen, welche Historiker und Poli-
tiker zu sehr ernsten Überlegungen und Vergleichen anregen
könnt en •
13
-,r ''<:»-•
Fast täglich spielen neue Meldungen in das Thema dieser
Dokumentation hinein; das gesammelte und zusammengefaßte
Material spräche auch für sich allein sehr deutlich. Im
Hinblick auf die Spannung und die stürmischen Vorgänge in
tmserer Nachbarschaft bedarf es aber doch einer Einleitung
xmd Abgrenzung, die vor Mißverständnissen schützt:
1. Dieser Arbeit kann nicht die Absicht unterlegt werden,
sich in einen Konflikt zwischen anderen Ländern einzumischen.
Sie wurde vor mehr als einem Jahr in Angriff genommen; das
Ergebnis lag schon vor mehreren Wochen bereit ; die Ereig-
nisse in der CSSR haben uns dedoch veranlaßt, mit der Publi-
zierung zuzuwarten - bis von einer Normalisierung der Lage
gesprochen werden konnte.
2. Diese Arbeit entspringt der Initiative des Dokumen-
tationszentrums und geht nicht etwa auf irgendjemandes Auf-
trag zurück; es handelte sich auch gleichsam um ein inter-
nationales Vorhaben - wir haben unsere Tätigkeit gegen den
Ungeist des Nationalsozialismus und der mit ihm verwandten
Ideologien immer als umfassende und internationale Aufgabe
betrachtet.
5. Mit der Charakterisierung der Persönlichkeit und der
Tätigkeit ehemaliger NSDAP-Mitglieder in der DDR-Publizistik
verbindet sich keineswegs der Ruf nach Maßregelung oder Be-
strafung. Doch kommt es darauf an, diese Leute und ihre Auf-
traggeber - die sich wieder in wachsendem Maß der "Zionisten"
als Sündenböcke für ihre Schwierigkeiten bedienen - welt-
anschaulich einzuordnen und moralisch zu qualifizieren.
14
Was diese Dok\imentation auslöste
Der Sechstage-Krieg im Juni 1967 beherrschte wochen-
lang die Ausgaben der großen Zeitungen in aller Welt, eben-
so die Kommentare und Berichte im Rundfunk und im Fern-
sehen. Aus hunderten uns zur Verfügung stehenden Aus-
schnitten und Dokumenten aus den Ostblockländern ergab
sich - in Übereinstimmung mit der Politik der kommunisti-
schen Regierungen - das Bild einer proarabischen und anti-
israelischen Meinungskampagne. Aggression, Verleumdung und
maßlose Übertreibungen kennzeichneten diese Kampagne; zwi-
schen den Stimmen aus der DDR und aus den anderen Ostblock-
staaten fiel jedoch sofort ein kraßer Unterschied in der
Terminologie ins Auge. Die in der DDR verwendeten Ausdrücke,
Begriffe \md ideologischen Denkmodelle schienen nicht
kommunistischen Ursprungs zu sein. Sie erinnerten sofort
viel stärker an den "Völkischen Beobachter", den "Stürmer"
und das "Schwarze Korps". Daneben drängte sich auch der
Vergleich mit der aktuellen Schreibweise der "Deutschen
National- und Soldaten-Zeitung" auf, deren Ton jenem der
aus der DDR kommenden Blätter aufs äußerste nahe kam.
Es lag damit auf der Hand, dieser doppelten Affinität
nachzuspüren, den ideologischen, handwerklichen und personel-
len Verwandtschaftsgrad im Zuge sorgfältiger Nachforschungen
und Analysen zu prüfen. Dabei ergab sich auf der Ebene der
Ideologie sehr rasch die Hypothese, daß wir es im einen
wie im anderen Fall mit Diktat\iren zu tun haben - mit einem
System also, in dem Zeitungen und Journalisten nicht zur
politischen und gesellschaftlichen Willensbildung beitragen
15
dürfen, sondern die von oben kommenden Befehle auszu-
führen haben. Dazu kommt, daß das Gebiet der ÜDR seit min-
destens 35 Jahren nicht mehr demokratisch regiert wird,
der freie Journalismus also mit großer Wahrscheinlichkeit
erloschen ist.
Diese Überlegungen erklärten aber noch nicht den großen
Unterschied zwischen dem Ton in der DDR und den übrigen
Ostblockstaaten; der Verwandtschaftsgrad zum National-
sozialismus mußte im Pressewesen ein höherer sein. Ein
kleines Experiment bei der Analyse der Texte führte da zu
einem verblüffenden Ergebnis: V/enn man in den Kommentaren
der DDR-Blätter das Wort "Israeli" durch "Jude" sowie "fort-
schrittliche Kräfte" durch "Nationalsozialismus" ersetzte,
glaubte man plötzlich eine Vorlage aus Goebbels Propaganda-
ministerium vor sich zu haben. Die Ähnlichkeit der Gedanken
und Begriffe ergab sich aber auch, wenn man den umgekehrten
Weg ging und probeweise Artikel aus der NS-Zeit mit Vokabeln
aus dem DDR-Wortschatz ausstattete.
Worauf frappierende Parallelen zurückzuführen sind
Diese auffallenden Parallelen führten von der ideologi-
schen Ebene weg - hier mußte nachgeforscht werden, wie weit
etwa Werkstatt und Personen mit jenen der NS-Ära identisch
sind. Dieses Vorhaben, nachzuforschen, erschien, wenn man
die Verhältnisse in der DDR in Rechnung stellt, als nicht
einfach. Die Erfahrungen im Umgang mit den dortigen Behörden
brachten uns schon vor längerer Zeit dazu, Naziverbrecher,
die sich in der DDR aufhalten, "abzubuchen" und deren so
gut wie aussichtslose Verfolgung gar nicht mehr zu versuchen
16
1^ ,< -
"s'j
.13 Beispiel .ag dienen, .a. »ir einmal einen An.e-
.».i,en der Toten^op^-Standarte . die bei. Ohetto .n Lublxn
hörigen a Abgeordneter
stationiert war, ausforschten - doch er
Vin anderer Abgeordneter hatte, wie sich
der Volkskammer. Ein anaerei- ^i^b
A^ vnikscerichtsprozessen
4.^11-1-*. als Beisitzer in VoiKsgeixv.! i-
herausstellte, ais cex vai-ten
.^,ie«, die »it de. Ven.r.eiluns »- Tod geendet ha«en.
und i. Zentralkomitee der SED fand sie. ein nenn. de.
,,. Kommandantur des Konzentrationslagers Saonsenhausen
tätig gewesen war. ^tworteten Vertreter
Diesbesüslioh zur Rede gestellt , antwor
... „BK - darunter der oft als Ne.en^äger .u Prozessen
in der Bundesrepublik gesonic«e Prof. Priedrich Kaul -
stets ausweiciieiid.
„it umso größeren Schwierigkeiten wuBte hier gerechnet
„erden, da sich unsere Untersuchungen gegen fest im Sattel
.itzende Punktionäre des Prcpagandaapparats , gegen aner-
.a^te Autoren und Redakteure in leitender Stellung rieh-
w^rr T^ersönliche Recherchen
teten. Es blieb hier nur der Weg personll
in .er BDR hätten zweifellos zu rascher Verhaftung gefuhrt -
,lne Liste von mit Kamen zeichnenden DDR-Publizisten zu-
ssmmenzustellen und in den verfügbaren Unterlagen nach An-
tK-r. oHi-t-zten uns auf Archive,
haltspunkten zu suchen. Wir stutzten un
QQ „«fl der NSDAP, auf verschiedene
Bibliotheken, Listen der SS und der rJüUAr,
Veröffentlichungen in den letzten zehn Jahren.
Bas Ergebnis hat alle Erwartungen - oder Befürchtungen -
.hertroffen. Die angeschlossene Liste enthält 39 Personen,
aie der NSDAP angehörten und in der NS-Zeit einflußreiche
Posten hatten, heute aber in der Presse, im Hundfunk und
17
in den Propagandastellen der DDR mindestens den gleichen
Einfluß besitzen. Da gibt es ehemalige Parteigenossen,
SS-Männer, SA-Führer, Vertrauensleute der Gestapo, Ange-
hörige von Propagandakompanien, Mitarbeiter des NS-Rund-
funks, des "Völkischen Beobachters" , des "Schwarzen Korps" ,
Beamte des Propagandaministeriums, Mitglieder des "SS-
Rasse- und Siedlungs-Hauptamts", Angehörige der berüchtig-
ten' "Legion Condor". Sie tragen heute Orden der DDR, be-
kleiden in vielen Fällen die Stellung eines stellvertreten-
den Chefredakteurs (der weniger Repräsentationspflichten
zu erfüllen hat), bilden in einigen Blättern - wie in der
Redaktion des "Neuen Deutschland" und der "Deutschen Außen-
politik" - eigene Nazi-Cliquen.
Diese ehemaligen NSDAP-Mitglieder und -Funktionäre im
Pressewesen der DDR stellen die natürliche und - sobald die
Beweise einmal gesammelt sind - auch sehr einfache Erklärung
für die Terminologie" der DDR-Zeitungen dar. Diese Leute in
diesen Funktionen zu beschäftigen, ist für die Machthaber
auch bequem: Da sie das System der Diktatur bereits gewohnt
sind, lassen sie sich leichter lenken als auf dem Boden der
Demokratie gewachsene oder jüngere, von revolutionären Ideen
geleitete Journalisten. Ebenso bequem ist es für die NSDAP-
Anhänger selbst - sie können ihre alte Linie unter einem
anderen Machthaber weiter pflegen.
Wir müssen uns dabei vor Augen halten, daß diese Dokumen-
tation nicht vollständig ist und nicht vollständig sein
kann. Wir gingen nxir vom Material über den Sechstage-Krieg
aus und beschränkten die überprüfving a\if den Sektor der
7'-
18
"^"i^:
Publizistik. Eine Reihe von Informationen mußte auch des-
halb ausgeschieden werden, weil sie nicht erhärtet werden
konnten und wir uns nicht der Gefahr aussetzen durften,
etwa einer Anti-DDR-Propaganda zu erliegen*
Im Zusammenhang damit ist festzustellen, daß die von
der DDR betriebene laufende Aufklärung über ehemalige NS-
Punktionäre, die in der Bundesrepublik Deutschland mehr
oder weniger wichtige Stellungen einnehmen, notwendig und
wünschenswert ist. Das darf Jedoch nicht von der Tatsache
ablenken, daß ehemalige und, wie man sieht, heute noch
aktive Nationalsozialisten in der DDR eine angenehme Heim-
statt und eine schöne Karriere in ihrem alten Beruf ge-
funden haben.
Worin die Gefahr lie^t
Wir stehen seit einiger Zeit vor dem Phänomen, daß
Schwierigkeiten in den Ostblockstaaten regelmäßig zu schwe-
ren Angriffen auf die Reste der Jüdischen Bevölkerung in
diesen Ländern führen. So war es vor einem Jahr in Polen,
dessen Regieriings- und Parteistellen eine Kampagne gegen
die "Zionisten" aufbauten \ind den alten Antisemitismus
wiederzuerwecken suchten, um interne Schwierigkeiten besser
bewältigen zu können. Ähnliche Töne gab und gibt es in der
Sowjetunion; schon wenige Tage nach dem Akutwerden der
CSSR-Krise wurde die Version laut, die "Konterrevolution"
werde von den "Zionisten" betrieben.
In der CSSR machte man sich sogar die Mühe, einen ge-
fälschten Brief des Dokumentationszentrums herzustellen
19
rw:'^^'
und aus Gründen der Provokation in Umlauf zu setzen. Für
diesen nachgemachten Brief, der dem Stil der "Protokolle
der Weisen von Zion" angepasst wurde, hat man sich ein Blatt
unseres Briefpapiers und ein Faksimile der Unterschrift des
Leiters (Dipl.-Ing. Simon Wiesenthal) besorgt; er enthält
die erfundene Mitteilung, dass die Demokratisierung der CSSR
im Interesse des Judentums und Israels liege.
Während des Eichmann-Prozesses hielt Prof. Friedrich Kaul
als Vertreter der DDR im April 1961 eine Pressekonferenz in
Jerusalem. Er wurde unter anderem gefragt, warum die Deutsche
Demokratische Republik den Opfern der Naziherrschaft -keine
Wiedergutmachung leiste, warum sie geraubtes Gut, das sich
gewiss auch auf DDR-Gebiet befinde, nicht den rechtmässigen
Besitzern zurückgebe. Oder warum die Regierung der DDR nicht
wenigstens die in Polen, der CSSR oder Ungarn lebenden Nazi-
opfer entschädige.
Prof. Kaul, durch diese Fragen in die Enge getrieben, ant-
wortete: "Die Deutsche Demokratische Republik leistet eine
besondere Art der Wiedergutmachung. Sie besteht darin, dass
wir die Nazis aus ihren Stellungen entfernt haben und dass
ein Nazi in der DDR zu keiner wichtigen Position gelangen kann."
Ganz abgesehen davon, dass eine solche Antwort auf die
Frage nach der Entschädigung der Naziopfer nicht akzeptiert
werden kann, hat sich die Behauptung des DDR-Vertreters nun
auch als unwahr erwiesen.
Jene NSDAP-Mitglieder, die in diesem Land eine neue Existenz
gefunden haben, wären nicht weiter zu beachten - hätten sie
dort nicht Gelegenheit, in wirksamer Weise und sogar unter
" IS
20
dem Zeichen des Kommunismus ihrer alten, unheilvollen
Ideologie zu dienen. Und gäbe es nicht ernste und mahnende
Hinweise darauf, dass der Ungeist des Nationalsozialismus
auch ausserhalb der Redaktionen und Propagandabüros dieser
Länder eine Auferstehung feiert.
1«. Juli
1M7
Nf. 1»1
3X Mwgong
SetrlinetiSeituno
Prwi 15 H
(bai 16>*Hi9«(
Aut^ob«
outvörti
20 Pf)
.Machen Sio nur so weiter, Kollege Dayanl"
Zeichnung: Schnitt
Israels Verteidigungsminister
Moshe Dayan wird in der
sowjetzonalen Presse mit
Hitler verglichenl
21
Proletarier aller Länder.vereinigt euch!
Neues Deutschland
Organ des Zentralkomitees der Soziaustischen Einheitspartei Deutschlands
23. Jahrgang / Nr. 190
Berlin, Donnerstag, 11. JuU 1968
Berliner Ausgabe / Eünzelpreis 15 Pf
Komplott Bonn -Tel Aviv
Pauls prahlt: ,,Alle Erwartungen übertrotten"
Berlin (ND). „Das . Venhälitnis awi-
sdien der Bumdesrejwblik und Israel hat
sich in einem Ausmaß ipoöitlv entwlk-
kelt, das alle Erwartungen übertroffen
hat." Diese BÜamz zog gestern Rolf
Pauls in einem Intervleiw mit DPA nach
Albsdiluß seiner dreijährigen Tätigkeit
als erster westdeutsdier Botsdiafter in
Israel. „Ich ha-be nldit erwartet",
prahlte Pauls, „daß wdr In der Entwldc-
lung der Bezlehuntfen zwlsd^en Israel
und der BundttiVsi^bHk In ^drel Jplh-
ren so» weit kombKin kfdnnA, wie es ge-
schehen Ist." Diese Entwicklung sei
durdi die prolsraellsche Haltung Bonns
während des Nahostkrieges und in der
Folgezelt „ganz wesentlldi gefördert"
wonden.
Pduls bestätigt damit, daß das Im-
perialistische KompJott zwischen Bonn
und Tel AvW tonmer enger wind. Dieses
Bündnis, das - wie Walter Ulbricht
kürzlich in seinem vieJIbeafditeten Inter-
view für die Kairoer Zeltung „AI Gum-
hurya" feststellte - „a\if der gemeln-
sashen Gegnerschaft zum soeialen Fort-
schritt der Völker, den Expansions-
bestrebungen gegenüber den Nachbar-
staaten, dem Drang nadi Revision der
Grenzen und Annexion fremder Ge-
biete und dem Streben nach Verfü-
gungsgewalt üiber Atom-Waffen" beruht,
hat erat in Jüngster Zelt wiederum sei-
nen friedensgefähiidenden CSiarakter
offenbart. Die Regierungen beider Staa-
ten weigern sldi In gegenseitiger Ab-
sprache, den Atomiwaffenaperrvertrag
zu nni&^iSfmexk ^ ujnd ♦ efttW**" '««««^
Ihn eine züg^ljoae ttetiae, BeMÄ^ntlich
besteht bereits seit einem Jalhrzahht
zwdsdien Bonn und Tel Aviv eine „laut-
lose" Zusammenarbeit „auf dem Ge-
biet der Erforaduing und Nutzung von
Kernenergie", die Immer intensiver
wird.
Der israelische Botsdiafter Aaher Ben
Nathan hat erat vor kurzem erkllärt, daß
die umfassende militärische Zusam-
.menarbelt zwischen Westdeutsdiland
und Israel „edne nicht zu übersehende
Rolle" bei der Entwicklung der Beeie-
hungen zwischen beiden Staaten
spielt habe.
f.wt-rzyri JTjriftTTrtnrfcjg
22
Pmletarier edler Länder,vereinigt euch!
Neues Deutschland
■^ ^ "^"^ ^"^ "^"^ ,,„ c^^T»! TCTi«rHFN FtNHEITSPARTEI DEUTSCHLANDS
Organ des Zentralkomitees der SoziAUSTiscHENtmHEUbmn ^
23. Jahrgang / Nr. 213
Berlin, Sonnabend, 3. August 1968
Berliner Ausgabe / Einzelpreis 15 Pf
Komplott ßonn-Te/ Aviv
Von Rolf Oünthor, Kairo
Die Feststellung i*n ii^fg'^f" Sf*
meinsamen Kommumqu* UdSöK-
VAR, daß der imperialistische west-
deutsche Staat nach wie vor den
israelischen Aggressor unterstutzt,
dürfte auf die Inspiratoren der 'Bon-
ner „neuen" Nahostpolitik wie eine
kalte Dusche gewirkt haben. Tat-
sächlich hat das Brondtsche Täu-
schungsmanöver von der „Neutrali-
tät" der westdeutschen Regierung
im Nahostkonflilkt wenige täuschen
können. Führende Zeitungen der
VAR veröffentlichen immer wieder
Beiträge, die an die Tatsache er-
innern, daß es auch von West-
deutsdilond bezahlte Waffen waren,
die im J-uni 1967 Araber töteten.
Zugleich enthüllen sie neue Seiten
des Komplotts Bonn-Tel Avjv.
So pubMzierte das ASU-Orgon „AI
Gu-mhuriya" dieser Tage einen um-
fassenden • überbMdc über die west-
deütsdie Unterstützung Israe s vor
und nadi der Aggression. I>l« Unter-
suchung vermittelt viele Detail*
über die Bonner Hilfe bei der Vor-
bereitung der Aggression, die sich
laut „AI Gumhuriya" Jn versdiiede-
nen Formen vollzog: durch direkte
Lieferung von Waffen, die Lieferung
von Hilfsmitteln militärischen Cha-
rokters. durch die Bereitstell urvg von
Maschinen und Ausrüstungen zur Er-
riditung einer Kriegsindustrie, die
Ausbild-ung israelischer Offiziere
und SoWaten in Westdeutschland
und durch die Zusammenorbelt auf
dem Gebiet der Atomforscbung.
Besonders der atomaren Koopera-
tion Bonn-Tel Aviv, kn d«r sie eine
heraufziehende Gefahr für die ara-
bischen Länder erblickt, widmet „AI
Gumhuriya" viKjrnende Worte: ..Die
Gefahr, daß Urael durch Wesl-
deutschloTvd zu Atomwaffen ge-
lange, taudite bei der letzten israel -
sehen Aggression gegen die arab •
sdien Länder auf. Das war. als
Westdeutschland zu Beginn des Juni
17 Tonnen Schutxmasken und aridere
Apparaturen nach Israel sandte . . .
Die Zeitung verweist darauf, daß
Israel mit westdeutschen Anleihen
einen Atommeiler zur „Entsalzung
von Meerwasser" errichtete, der
aber „nebenbei" so viel Plutonium
produziert, daß pro Johr zwei Atom-
bomben hergestellt werden könnten.
Weiter heißt es: „Oie grundlegenden
Atomiforschungen werden von west-
deutschen Wissenschaftlern am
Weizmann-Institut in Rehovot betrie-
ben. Diese israelischen Atomfor-
schungen werden u. o. aus dem
westdeutschen Budget finanziert.
Westdeutschland zahlte dafür in der
Zeit von i960 bis 1966 insgesamt
25,4 Millionen DM."
Noch der Israelischen Aggression
habe Bonn seine militärische Hilfe
für Israel fortgesetzt, seine wirt-
sdiaftlidie nodi •'^**^\' "^' . ^^J^^
huriya" schreibt: .Am 17. JuU 1967
stellte die American Bank ot Import
& Export (bekannt als f inannier des
Internationalen Waffengeschäfts im
Rahmen der USA-Globalstrategie -
R. G.) mehrere Millionen Dollar
für Waffenkäufe zur Verfüauna,
einen großen Teii erhielten Groß-
brltannien und Westdeutsdilarijg . • •
Es Ist bekannt, wohin diese Waren
gingen . . .
Die Regierung In flbnn gab Israel
neben den bisherigen Anleihen eine^
weitere Anleihe von 160 Mi Io-
nen.. . Sie bemühte sidi. ihre Un-
terstützung für Israel vom offiziellen
Staatsapparat ouf Organisationen
zu verlagern, die keinen ^•9l*r^ng^-
diorokter trogen ... Am 11. J-uH 1967
händigte CDU-Mlnlster Berida a s
Vorsitzender der Israellsdi-Oeul-
sdien Freundsdioftsaesellsdioft ira-
eis BotsdKrfter in Bonn 1.3 Millio-
nen iDM als Beitrag zum Wiederauf-
bau des besetzten Teils Jerusalems
aus. So erklärte die westdeutsdie
Regierung Ihie öbereinstimmung mit
der Illegalen Annexion Jerusal^s
durch Israel."
\
23
Proletarier aller Länder.vereinigt euch!
Neues Deutschland
Organ des Zentralkomitees der Soziaustischen Einheitspartei Deutschlands
23. Jahi-gan« Ni. 219
Berlin, Freitag, 9. Auguül 1968
Bc-ilinei Ausgabe / Einzelpreis 15 Pf
Nahosf-Aggressoren und
ihre Bonner Sprachrohre
ex« Machthaber Israels sind von
der Tollwut der Aggressivität ge-
podct. Die bisher üblidien syste-
motisdien Verletzungen der Feuer-
einstellung vom Juni 1967 weiten
»dh immer mehr zu barbarischen
Kriegshand^ungen a<is.
Israelische Rugzeuge fliegen tief
in jordanisches Gebiet ein und wer-
fen Ihre Spreng- und Napalmbom-
ben ob rrvlt der ^Begründung", daß
damit die Widerstandsbewegung in
den okkupierten arabischen Gebie-
ten, also ganz anderen Ortes, ge-
troffen werden soll.
Wiederholt sind die israelischen
Machthaber vor dem Versuch ge-
warnt worden, mehr als 1,5 Millio-
nen Araber gewaltsam dem israe-
lischen Staat einzuverleiben. Jetzt
zeigt es sich immer mehr, daB dies
nie gelingen kann. Kein Polizei-
terror, keine Sondergerichte und
Konzentrationslager vermögen den
FreÜheltswMlen der Unterjochten zu
brechen.
Anstatt daraus die einzig ver-
nünftige SdiluBfolgerung zu ziehen
urvd die okkupierten arabischen Ge-
biete zu röumen, wie es in den Be-
schlüssen der Vereinten Nationen
gefordert wird, führen die israe-
lischen Militaristen einen brutalen
Krieg gegen Dörfer und Siedlungen
orcbisdier Länder. Den unvermeid-
lichen Folgen Ihrer Aggressionen
suchen sie mit neuer Aggression zu
begegnen.
Es gibt wenige Zeitungen in der
Welt die das zu entschukiigen
suchen. Zu den widerwärtigen Aus-
nahmen gehört selbstverstöndiich die
Springer-Presse. So heißt es z. B. in
der „Welt" : „Die im Sturzflug abge-
worfenen Bomben und dos Punkt-
feuer der Bordkanonen richten sich
nicht gegen einen arabischen Staat."
Wohlgemefkt: Die Bomben und
Granaten foilen auf jordanisches
Gebiet, doch der arabische Stoat
Jordanien ist noch dieser Sprlnger-
schen Logik nicht davon betroffen.
Gehirnverrenkungen eines Geistes-
kranken? Weit gefehlt.
Wie ihre Vorgänger bemühen sich
die westdeutschen Militaristen und
ihre Sprachrohre krampfhaft um die
Beschönigung und Bemäntelung von
Aggressionen, weil sie selber Aggres-
sior^en rm Schilde führen. Zudem
sind sie an den isroelischen Aggres-
sionen mitbeteiligt - durch wirt-
schaftliche Unterstützung und mili-
tärische Hilfe, wie eben erst In einer
DDR-Stellungnohme erneut nachge-
wiesen worden ist.
•
Die neuen israelischen Aggres-
sionsakte beweisen die Dringlia>keit
der in der Erklöruna der komnuj-
nistisdien und Ärt>eiterporteien
sozioiistischer Länder bekräftigten
Forderung noch Abzug der israe-
lischen Truppen aus den okkupier-
ten arabischen Gebieten. Diese
Forderung ist die Stimme aller Völ-
ker. O. H.
,",¥•'
24
Proletarier aller Länder, vereinigt euch!
Neues Deutschland
ORGAN DES ZENTRALKOMITEES DER SOZIAUSTISCHEN EINHEITSPARTEI DEUTSCHLANDS
23 Jahrgang Nr. 224
Berlin, Mittwoch, 14. August 1968
Berliner Ausgabe Einzelpreis 15 Pf
'.J,-^
Warum Israel
nicht
unterzeichnet
Von Hans L • b r e c h t
Dutzende Staaten unterzeichneten schon
den Atomwaffensperrvertrag, darunter auch
arabische Nachbarstaaten Israels. Aber
Israel unterschrieb bis jetzt noch nicht, ob-
wohl progressive Kreise im Lande die Un-
terschrift fordern. Außerdem sollte man
meinen, daß ein Land, welches ständig in
die Welt hinausschreit, es fühle sich be-
droht, besonders daran interessiert wäre,
daß keine Kernwaffen im Nahen Osten
stationiert werden. n -i
Israel ist ein kleines Land. Seine Bevöl-
kerung ist zum Teil auf engem Raum kon-
zentriert. Es würde von einem Kernwaffen-
krieg besonders schwer betroffen. Worum
unterschreibt es also nicht?
Israelische Zeitungen, die der Regierung
nahestehen, erklären, daß die Regierung
sich vorher mit befreundeten Staaten bera-
ten müsse, bevor sie dem Sperrvertrag bei-
treten könne. Wenn man die sogenannten
Freunde - Frankreich gilt heute nicht mehr
als befreundeter Staat - Israels durch-
sieht, die nicht unterschrieben haben;
bleibt eigentlich nur Westdeutschland üb>
rig. Und das hat seine besondere Be-
wandtnis. Westdeutschland arbeitet an
einer eigenen Kernwaffenproduktion, Eirien
Teil der Produktion hat es in fremde Län-i
der verlagert. Zu den Ländern, die west-
deutschen Kernphysikern Forschungskapa-
zitäten auf ihrem Territorium zur Ver-
fügung stellen, gehört auch Israel. Die
Bonner Regierung, der „Volkswagenfonds
und andere westdeutsche Institutionen
überwiesen während der letzten Jahre
schon einige Dutzend Mihionen DM an
das „Weizmonn-Institut" in Rehovot zu
Forschungszwecken, an denen Wissen-
schaftler und Techniker Westdeutschlands
beteiligt sind.
Darum zögert Israel, den Kernwatten-
sperrvertrog zu unterzeichnen.
Prominente NSDAP-Mitglieder
im Dienst
der DDR-Propaganda
26
DOKUMENTATIONSZENTRUM
DES
BUNDES JODISCHER VERFOLGTER DES NAZIREGIMES
Prominente NSDAP-Mitglieder im Dienst der DDR-Propaganda
Eine Dokximentation
Kurt Blecha
Vom Spät-Parteigenossen zum Pressechef der DDR-ReKlerunp;.
Als Leiter des Presseamts beim Vorsitzenden des Minister-
rats ist Blecha einer der wichtigsten Leute im Propaganda-
apparat der DDR. Ihm untersteht die Nachrichtenagentur ADN;
er ist für die gesamte Nachrichtenpolitik der Regierung ver-
antwortlich; er bestimmt, was der Bevölkerung über die Vor-
gänge in der DDR selbst und über das soziale, politische
und kultxirelle Leben in der ganzen Welt bekannt wird.
Eintritt in die NSDAP: 1. September 19^1, Mitgliedsnummer
8,65^.832.
Hans Walter Aust
yntn V-Marin fiPT» fieBtapo zum Chefredakte\ir des außenpolitischen
Organs der DDR.
Als Chefredakteur des DDR-Organs "Deutsche Außenpolitik"
verfügt Aust über das aiißenpolitische Sprachrohr der Regie-
rung .Er ist seit 1960 Träger des "Vaterländischen Verdienst-
ordens " .
Eintritt in die NSDAP: 1. Mai 1955, Mitgliedsnummer 2,657.972.
Ab Februar 1954 arbeitete Aust im Leitabschnitt Berlin ehren-
amtlich für die Gestapo; am 2. Februar ;)955 avancierte er
zum V-Mann (Kenn-Nummer 000168) , wurde in die Reichsleitung
des "Reichsverbandes deutscher Schriftsteller" geschleust
und hatte dort die weltanschauliche xind politische Haltung
der Mitglieder zu überwachen. Seine Berichte gingen an den
OberSsfinitt 8, Abschnitt III des Reichs-Sicherheitsdienstes
in Berlin. Daneben schrieb Aust unter verschiedenen Decknamen
(häufig unter Gert Holten) für das SS-Organ "Schwarzes Korps •
Im Jänner '^942 überwarf sich Aust mit dem SD, kam vor Gericht
und erhielt wegen "Heimtücke" zwei Jahre Gefängnis - eine
damals außerordentlich milde Strafe. (Beilagen;
27
Dr« Richard Arnold
Vom "Etit.mder" des NS-Kulturlebens zum Chefredakteur in der DDR.
Dr. Arnold ist heute Chefredakteur des »DP-Blattes "Der
nationale Demokrat" und Inhaber des "Vaterlandischen Ver-
dienstordens" *
Eintritt in die NSDAP: 1. April 1955, Mitgliedsnummer 1,792.249.
Dr. Arnold war im Dritten Reich zunächst Ministerialrat im
Volkshildungsministerium des Landes Thüringen; von 1959 Dis
1945 arbeitete er im Reichsmini st er i\im für Wissenschaft,
Erziehung und Volksbildung in Berlin. In seinem Personalakt
bei der NSDAP findet man deutliche Hinweise auf diese Arbeit.
Dr. Arnold schrieb in einem Lebenslauf, er sei zustandig
für die vollständige Entjudung des deutschen Geisteslebens.
Diese Entjudung ist nicht nur personell durchzufuhren - durch
Beseitigung aller Juden und Judenknechte aus Wissenschaft,
Erziehung und Volksbildung. Es geht um die Tilgung jeglicher
Spur Judengeistes aus der deutschen Kultur".
Kurt Herwart Ball
Vom Chefredakteur der SS-Zeitschrift z\im Mitarbeiter des
DDR-Propagandaamt s .
Kurt Ball schreibt heute Artikel für die NDP-Presse, ist aber
auch Mitarbeiter des Propagandaamts der DDR.
Eintritt in die NSDAP: 1. Mai 1955, Mitgliedsnummer 5,545.700.
Ball war lange Zeit Chefredakteur der SS-Zeitschrift "Hammer"
und schrieb für das SS-Zentralorgan "Schwarzes Korps , für
"Freiheitskampf" und "Deutschlands Erneuerung". Er trat aber
auch als Verfasser einschlägiger Romane auf (1956: "Germanische
Sturmflut", 1958: "Die Wege der Wolfssöhne"); seine Bucher
wurden vom Schulungsamt der SS als Lektüre empfohlen. Der
Reichssender Leipzig stufte in einer Besprechung am 50. April
1956 die Bücher Balls als "Kan^pf Schriften des nordischen
Geistes" ein. (Beilagen)
Johannes Caspar
Vom Befürworter der Nürnberger Rassengesetze zum Redakteur
in der DDR. .
Johannes Caspar ist heute als Hedakteur der "Mitteldeutschen
Neuesten Nachrichten" tätig.
Eintritt in die NSDAP: 1. April 1950, Mitgliedsnummer 227.744.
Altparteigenosse .
In der NS-Zeit arbeitete Caspar als Redakteur des "Wald-
heimer Tagblattes"; die Nürnberger Rassengesetze nannte er
damals "ein notwendiges chirurgisches Heilverfahren .
28
Dr> Gerhard Dengler
Vom Freund hoher SS-Führer zur Hauptverwaltung Aufkläriing
m der DDR> — —
Dr. Dengler begann seine Nachkriegskarriere in der Redaktion
des SED-Zentralorgans "Neues Deutschland"» arbeitete von
1955 bis 1958 als Korrespondent dieses Blattes in Bonn und
wurde 1959 stellvertretender Vorsitzender des Büros des
Nationalrats-Präsidiums. Derzeit in der Hauptverwaltung
Aufklärung tätig.
Eintritt in die NSDAP: 1. Mai 1957» Mitgliedsnummer 5,^70.128.
Dengler gehorte zum Freundeskreis des SS-Obergruppenführers
Eberstein.
Horst Dreßler-Andreß
Vom Präsidenten der NS-Reichsrundfunkkammer z\am Mitarbeiter
des Agitprop in der DDR
Dreßler-Andreß machte sich als Verfasser zahlreicher Artikel
in Kulturzeitschriften der DDR einen Namen; er wirkt als
Regisseur und Oberspielleiter und ist Mitarbeiter des Agitprop.
Eintritt in die NSDAP: 1. Mai 1950, Mitgliedsnummer 257.^55*
Altparteigenosse .
Dreßler-Andreß gilt als Begründer und erster Leiter der ge-
samten nationalsozialistischen Rundfiinkpolitik; er war zu-
nächst als Ministerialrat im Reichsministerium für Volksauf-
klärung und Propaganda, später Präsident der Reichsr\indf\ink-
kammer. In dieser Funktion verfaßte er mehrere ideologische
Schriften, darunter "Der Rundfunk - das Verkündungsmittel
der nationalsozialistischen Weltanschauungseinheit" und
"Der Rundfunk - das Instrument des neuen Staates". In einem
Brief an Heinrich Himmler hob der berüchtigte Massenmörder
SS-Obergruppenführer Kurt Daluege die Verdienste Horst Dreßler-
Andreß' um den Rundf\ink besonders hervor.
An einem seiner Beiträge wird auch die Auffassung Dreßler-
Andreß' von der Kunst deutlich. Er schrieb; "Der National-
sozialismus hat die Bedeutung der Kunst für die geschicht-
liche Gestaltung erkannt und bereits die ideelle Voraus-
setzung für die Betreuung der Künste durch die Organisationen
des Propagandaministeriums und der Kulturkammern geschaffen.
Damit ist der Staat der erste Mäzen der Kunst geworden."
1959 wandte sich Dreßler-Andreß der reinen Parteiarbeit zu.
Er kam als Propagandaleiter der NSDAP nach Krakau und ein
Jahr später in derselben Funktion nach Lublin. Zu diesem Ver-
waltungsbezirk gehörten übrigens die Massenvernichtungslager
Majdanek \and Belzec.
Am 7.1.1946 schilderte Hans Fritzsche, einer der Haugtange-
klagten vor dem Internationalen Militärtribunal in Nürnberg,
die Rolle Dreßler-Andreß* bei der Machtübernahme am 50.1 •1955«
(Erklärung Fritzsohe und andere Beilagen.)
s--'i!
29
Dr. Egbert von Frankenberp: tind Proschlitz
Vom Altparteigenossen zum Milltärkommentator in der DDR>
Dr. Frankenberg arbeitet derzeit als Militärkommentator im
Agitprop der DDR; er zälilt zu den Autoren des Milit arver-
lages der "Nationalen Volksarmee" und ist Vorstandsmitglied
der Arbeitsgemeinschaft ehemaliger Offiziere.
Eintritt in die NSDAP: 1. April 1951» Mitgliedsnummer 516*855»
ab 7. November 1952 Mitglied der SS.
In den Jahren 1957 und 1958 war Prankenberg als Plieger-
hauptmann ("Legion Condor") freiwilliger Teilnehmer am
spanischen Bürgerkrieg und kämpfte gegen die Antifaschisten.
Werner Gast
Vom SA-Sturmführer zum Vorstandsmitglied des Verbandes
deutscher Journalisten.
Gast arbeitet bei verschiedenen Zeitungen in der DDR mit,
er gehört dem Zentralvorstand des Verbandes deutscher
Journalisten an.
Eintritt in die NSDAP: 1. Oktober 1950, Mitgliedsnummer 519*080,
Altparteigenosse .
Er brachte es als Altparteigenosse bis zum SA-Sturmführer
in der Gruppenführung Berlin-Brandenburg, wurde allerdings
am 50. Juli' 1945 wegen Kameradschafts-Diebstahls zu vier
Jahren Gefängnis verurteilt und aus der SA ausgeschlossen.
Dr. Karlheinz Gerstner
Vom Günstling von Kriegsverbrechern zum Chefreporter der
"Berliner Zeitung".
Gerstner wurde 1963 mit der Verdienstmedaille der DDR ausge-^^
zeichnet \ind arbeitet als Chefreporter der "Berliner Zeitung .
Eintritt in die NSDAP: 1. Mai 1955, Mitgliedsnummer 2,675.180.
Während des Krieges war Gerstner als Legationssekretär an
der deutschen Botschaft in Paris; zu seinen besonderen Gönnern
zählten Botschafter Otto Abetz (wegen Kriegsverbrechen zu
20 Jahren Zuchthaus verurteilt) und SS-Standartenf uhrer
Helmuth Knochen. Dr. Gerstner verfaßte eine Reihe von Bro-
schüren für die Wehrmacht, er soll aber auch den Kontakt mit
der Resistance gepflegt haben. Die Widerstandsgruppen Pierre
Reval \md Jacques Robinet behaupteten. Beweise dafür zu be-
sitzen, daß er sich als Agent provocateur betätigte. Eine von
Dr. Gerstner damals für die Wehrmacht verfaßte Broschüre tragt
den Titel "Vemiggertes Frankreich".
3o
Fritz Gralmann
Vom NSDAP-Mitglied zum Mitarbeiter der PropaKandaabteiluns
a:er Ost-CI>U. ""
Gralmann gehört seit 1952 dem Hauptvorstand der Ost-CDU an
SrSilet in deren P^opagandareferat. Außerdem ist er
auch für die Hauptverwaltung Aufklarung tatig; vor sechs
J^ren^rde er in das Präsidium der deutsch-franzosischen
Gesellschaft der DDR berufen.
Eintritt in die NSDAP: 1. September 19^, Mitgliedsnummer
7,827.592.
Lieselotte Otting
Von der "Leben3born"-Pörderin zum Vorstandsmitfilied der
liiberaldemokratischen Partei in der uuS.
T.iftselotte OttinK betreut im Zentral vorstand der LDP das
ReflJaf ISltS Sd Publizistik; auch sie gehört dem Präsidium
der deutsch-französischen Gesellschaft an.
Eintritt in die NSDAP: 1. Mai 1955, Mitgliedsnummer 2,280.^88,
Sie war in der NS-Zeit Pörderungsmitglied des berüchtigten
"Lebensborn, e.V.". Nach einer Definition Himmlers diente
diese Organisation zur "Förderung des rassebewußten Ge-
schlechtsverkehrs der SS und zur Aufnordung des deutschen
Volkes".
Karl Kurt Hampe
Vom Pressereferenten des SA-Stabschefs zum Virtschafts-
iredaktetir in der DDK.
Hampe ist derzeit als Wirtschaftsredakteur der "Thüringer
Neuesten Nachrichten" tätig.
Eintritt in die NSDAP: 1. Juni 1951, Mitgliedsnummer 55^.^07-
Altparteigenosse .
Noch vor der Machtübernahme, 1951, war er Reichsamtsleiter
SrNSDAP in Gerlitz; 1954 wurde er für seine Verdienste um
die Entjudung der deutschen Presse in , Sachsen zum Gaustellen-
leiter befördert. Sechs Jahre später übernahm Hampe das
pjesseref erat des Stabschefs der SA - von dort aus dirigierte
er die gesamte SA-Publizistik.
Dr. Franz Hempelmann
Vom NS-Parteigenosaen zum Chefredakteur der "BrandenburRi-
schen Neuesten Nachrlcnten"_^
Dr. Hempelmann ist Funktionär der NDP und leitete zeitweilig
Nr. 45
MB — 8. November 1968
Seite 5
99
Juden Im öffentlichen
Ein grundlegendes Werk
Leben Deutschlands"
von Ernest Hamburger
50 JAHRt: NACH DER NOVEMBERRKVOLUTION
In diesen Tagen gedenkt man
der deutschen Revolution des 9.
November 1918, der damals erweck-
ten Hoffnungen und der nachfol-
genden Enttäuschungen. Der Um-
sturz des Kriegsendes war ein neu-
es Glied in der Kette der miss-
Rlückten Revolutionen der deut-
schen Geschichte -~ vom Bauern-
kriege im 16. Jahrhundert über die
Marz-Revolution von 1848 bis zum
Umsturz des Kaiserreiches. Es mag
sein, dass in diesem Versagen eine
Eigenschaft des deutschen Volks-
charakters begründet ist, der sei-
nem Wesen nach nicht revolutionär
ist. Aber wir dürfen dabei nicht ver-
gessen, dass die Gegenkraft, die sich
in der Bismarckschen Formulie-
rung von „Blut und Eisen" aus-
drückt, zu keinen dauerhaften po-
litisch-sozialen Zuständen in
Deutschland geführt hat, und zwar
lange vor Bismarck, wenn wir an
das Schicksal Preussens denken,
wie es von Friedrich dem Grossen
geschaffen worden ist. Für Bis-
marcks Reich ist dies evident und
nicht weniger für dasjenige von
1933, als man in einer alles Mass
sprengenden Form die Lehre von
Blut und Eisen zu verwirklichen
trachtete. So ist die deutsche Ge-
schichte gewiss nicht ohne Tragik
in ihren Wendungen von Extrem zu
Extrem, von revolutionärer Hoff-
nung zu der Illusion, die auf die
gewaltsame Zusammenfassung der
Volkskräfte im Innern und zu ih-
rer Durchsetzung nach aussen hin
tendiert.
Ks bleibt die Fruae. ob da^ deut-
sche Volk und seine politischen
und geistigen PLihrer die Lehre der
Geschichte begriffen haben und
sich in unseren Tagen zu einem
neuen Prinzip bekCiinen, das viel-
leicht dem „deutschen Wesen" und
der Position Deutschlands unter den
Völkern Europas angemessen ist.
Nicht Revolution, nicht Unterdrük-
kung der Freiheit im Innern und
nach aussen hin können der Be-
gabung dieses Volkes und seinem
Glücke dienen, sondern die Aus-
nutzung seiner immensen Reserven
an Beharrlichkeit und Fleiss, an
Erfindungsgabe und auch schöpfe-
rischer Kraft. Es wäre nichts Neu-
es in der Geschichte, dass ein Volk
eine Lehre aus den Zusammenbrü-
chen zieht und sich dadurch eine
beständige Basis für seine Existenz
schafft. Ein naheliegendes Beispiel
ist Schweden, einst erfüllt von
Grossmachtstreben, bis es sich
nach dem Zusammenbruch unter
Karl XII. auf sich selbst zurückzog
und eine Zukunft auf die immanen-
ten Kräfte gründete, die das Volk zu
Wohlstand und auch zu bedeutsa-
men geistigen Leistungen geführt
hat. Vielleicht darf man auch die
Schweiz heranziehen, wo nach einer
Periode des Kampfes um die Frei-
heit die Tendenz zur Entwicklung
der eigenen, ursprünglich so be-
schränkten Kräfte mehr und mehr
in den Vordergrund trat und dem
Lande inneren Frieden, äussere Si-
cherheit und Reichtum in materiel-
ler wie auch in geistiger Beziehung
gegeben hat. Steht das deutsche
Volk nach dem Zusammenbruch
des zweiten Weltkrieges am Be-
ginn einer solchen Epoche, in der
es weder revolutionär noch aggres-
siv nach innnn vn6 aussen auftritt
und sich auf Werte besinnt, die
ihm die Tragik der Vergangenheit
ersparen?
dass sein zweiter Teil, der sich mit
der nachfolgenden Entwicklung in
der Weimarer Republik bis 1933
beschäftigen soll, in absehbarer Zeit
vorliegen wird. Die Fülle der Tat-
.sachen, die auf den .'■)62 Textsei-
ten vor dem Leser erscheinen, auch
der Umfang des Quellennachweises
zeigen dies deutlich, wobei es sich
bei den Quellen zum grossen Teil
nicht nur um gedrucktes Material
handelt, sondern um. Dokumente
aus Archiven und um perstinliche
Auskünfte aller Art. Sicher wird
es möglich sein, dem Autor diesen
oder jenen sachlichen Fehler nr.*h-
zuweisen, wenn man im einzelnen
in.sbesondere die Darstellung der
persönlichen Schicksale untersucht,
die dem Buch seinen besonderen
Charakter geben. Hamburger hat ja
nicht allein eine Darstellung des
Ablaufes einer bestimmten Zeitpe-
riode unter einem speziellen Ge-
sichtspunkt vorgelegt, sondern er
hat vor allem - und darin liegt
der besondere Wert der Untersu-
chung — diesem Skelett das le-
bendige Fleisch eingefügt in der
Schilderung des Wirkens der Män-
ner, die in dieser Periode aufge-
treten sind. Das gilt sowohl für
die relativ kleine Zahl von Juden
oder getiiuften Juden, die in Regie-
rung iun\ \ erwaltuni; eine wichtige
Rolle gespielt haben, wie auch für
die Juden als Abgeordnete in den
verschiedenen Parlamenten von den
Tagen der 1848er Revolution bis
/.um November 1918. Ohne zu wer-
ten, darf man vielleicht sagen, dass
uns die Porträts jüdischer Abgeord-
neter der Sozialdemokratischen
Partei besonders gefesselt haben;
vielleicht lag dieses Thema dem
Autor besonders nahe, kannte er
doch sehr viele der Abgeordneten
jener Periode persönlich aufs eng-
ste, soweit sie mit ihrem Wirken
in die Republik hinüberreichen, in
der Dr. Hamburger selbst in die
Reihe der sozialdemokratischen Par-
lamentarier eingetreten ist.
VERGLEICH \()N ZWEI AUTOREN
EIN BlfH ZI R RECHTEN STUNDE
Es sind solche Fragen, die sich
an einem Gedenktage wie demjeni-
gen aufdrängen, an dem Deutsch-
land den Schritt von der Monar-
chie zur Republik in der Stunde
der militärischen Niederlage tat.
Nur ein Zufall ist es. aber ein
glücklicher, wenn gerade jetzt ein
sehr bedeutsames Werk erschienen
ist, welches u.a. auch auf die Zeit
jener Revolution in mancher Hin-
sicht Licht wirft, soweit nämlich
Juden als Politiker an ihr teilnah-
men. Es ist das Buch von Ernest
Hamburger „Juden im öffentlichen
Leben Deutschlands. Regierungsmit-
glieder, Beamte und Parlamentarier
in der monarchischen Zeit 1B4R-
1918" (Schriftenreihe wissenschaftli-
cher Abhandlungen des Leo Baeck
Instituts 19, J.C.B. Mohr [Paul Sie-
laeckl Tübingen 1968). Der Ver-
fasser des Werkes ist aufs beste
dafür qualifiziert, dieses Thema 7U
erforschen. Er war in der Weima-
rer Republik als Oberregierungs-
rat in Breslau ein hoher Beamter,
gehörte der Sozialdemokratischen
Partei an, die er als Abgeordneter im
Preussischen Landtag vertrat, und
gelangte nach seiner Auswanderung
schliesslich nach New York, wo er
viele Jahre im Apparat der Verein-
ten Nationen tätig gewesen ist. Zu-
gleich war er in allen Phasen sei-
nes Lebensganges an jüdischen
Dingen interessiert und ist heute
mit dem New Yorker Arbeitszen-
trum des Leo Baeck Instituts eng
verbimden. dessen Anregung das
Werk sein Entstehen verdankt.
Wenn wir es zunächst einmal all-
gemein charakterisieren wollen, so
zeichnet es sich durch die Eigen-
schaften aus, die der Verfasser
mitbringt; die scharfe Analyse des
Juristen in der Darstellung von Zu-
sammenhängen, ihrer Ursachen und
Folgen, eine gewisse Distan7ierung
von Dingen imd Menschen, die ge-
rade der Verwaltungsbeamte besit-
zen muss, die genaue Kenntnis der
Vorgänge, die der Autor z.T. be-
reits miterlebt hat und die für sei-
ne eigene Entwicklung in jungen
Jahren bestimmend waren, bevor er
in der Weimarer Republik .selbst
als Beamter und Politiker seinen
Platz fand. Auf der anderen Seite
findet sich Freiheit von jeder Dog-
matik, etwa einer marxistischen,
oder auch einer bestimmten Ideolo-
gie. Dabei leuchtet vor allem in der
Bewertung der Leistung und der
Mängel von Menschen eine liberale
Grundlage hindurch, der Einfluss
einer Erziehung, die sich um die
Jahrhundertwende volh^og imd in
den Ideen des 19. Jahrhunderts
ihre Basis besitzt. Damit kein Miss-
verständnis entsteht: Es ist ein
Werk voller Tatsachen, der Darle-
gung politischer imd sozialer Zu-
sammenhänge und des Auftretens
und der Wirkun.^ einer langen Rei-
he von Persönlichkeiten. Wertung
im subjektiven Sinne ist demgegen-
über relativ selten, auch wenn es
an manchen Stellen deutlich wird,
wie sehr der Verfasser an den
Ergebnissen der politischen Ent-
wicklung inneren Anteil nimmt und
im Grunde seines Herzens nicht
ohne Leidenschaft dieses Quellen-
werk zusammengetragen hat. Denn
es ist ein Quellenwerk ersten Ran-
ges, das hier entstanden ist imd
von dem wir nur hoffen können.
Wie der Verfasser bemerkt,
konnte er das im Jahre 1966 er-
schienene Buch von .lacob Toury
„Die politischen Orientierungen der
Juden in Deutschland. Von Jena bis
Weimar" (Schriftenreihe wissen-
schaftlicher Abhandlungen des Leo
Baeck Instituts 15, J.C.B. Mohr
[Paul Siebeck] Tübingen 1966) nur
noch in einigen Fussnoten berück-
srchtigen. • Toury s Arbeit (die wir
im ,>IB" Nr. 47 voom 25. Novem-
ber 1966 an dieser Stelle gewürdigt
haben) überschneidet sich in ge-
wisser Hinsicht mit der Untersu-
chung Hamburgers. Vor allem gilt
dies für jenes- Kapitel, in dem er
sich mit den Juden als Wähler be-
fasst. Aber während der israeli-
sche Autor im wesentlichen jüdi-
sche Quellen heranzieht und die
Dintie damit überhaupt vor allem
als Gegenstand der jüdischen Ge-
schichte betrachtet, wobei er selbst,
einer jüngeren Generation angehö-
rig, die Entwicklung aus zeitlicher
imd geographischer Distanz heraus
empfindet, baut Hamburger seine
Untersuchimg in ersier Linie auf
deutschen Quellen auf; ihm ist der
Gegenstand mindestens ebenso sehr
Teil der deutschen Entwicklung wie
der jüdischen, wobei auch die jü-
dische Haltung weniger als auto-
nome Erscheinung erscheint, son-
dern als Glied der deutschen Ge-
samtwelt, in welche die Juden ein-
gegliedert waren bzw. sich einglie-
dern wollten oder sollten. Damit
wird gerade auf den Gebieten, wo
sich das Thema überdeckt, die jetzt
vorliegende Darstellung zu einer
komplementären Untersuchung für
das Toury sehe Buch; es wäre eine
interessante Aufgabe, im einzel-
nen die.se Erörterimg gleicher oder
ähnlicher Probleme miteinander zu
vergleichen und daraus Schlüsse zu
ziehen. Hingewiesen sei z.B. auf
das Kapitel bei Toury, das sich mit
dem Gedanken eines „jüdischen
Zentrums" beschäftigt (S. 276 ff)
imd dem kurzen Abschnitt über das
gleiche Thema bei Hamburger „Der
Freisinn als .jüdisches Zentrum' "
(S. 143 ff); schon aus der Formu-
lierung kann man den Unterschied
erkennen, abgesehen davon, dass
Hamburger diesem Ciegenstand eine
Druckseite v.'idmet, Toury dagegen
neimzehn Seiten. Dies ist aber nur
ein Bei:5piel für die Differenzierung,
die gewiss vom Standpunkt der
Forschungsaufgaben des Leo Baeck
Instituts nur positiv zu werten ist.
DER AUIBAIT DES WERKES
In seinem Vorwort sagt der
Autor, das Buch solle „das Ringen
der Juden um ihre Aufnahme in
die gesetzgebenden Körperschaften
und die staatlichen Exekutivorgane
.schildern". Es wolle , .ferner ein
Bild derjenigen zeichnen, die im
Reichstag und in den Landtagen
als Abgeordnete oder in leitenden
Stellen in Regierung, Verwaltung
und Justiz hervorgetreten sind".
Die Darstellung gliedert sich in drei
Teile. Das erste Kapitel behandelt
das Thema der Juden in Regierung
und Verwaltuntr, wobei der Verfas-
ser auch auf die Periode des Vor-
märz zurückgreift und damit so-
wohl die erste Emanzipationsperio-
de wie auch die Periode der er-
.sten Reaktion miteinbezieht. Das
zweite Kapitel schildert die Stel-
Inng der Juden als Wähler und
das dritte, bei weitem umfangreich-
ste Kapitel, das mehr als zwei Drit-
tel des Werkes imifasst. stellt das
Wirken von .luden als Abgeordnete
dar. Von besonderer Wichtigkeit er-
scheinen uns auf der einen Seite
die Zusammenfassungen, die Ham-
burger immer wieder vornimmt,
und — wie bereits bemerkt, —
die Porträts jüdischer Persönlichkei-
ten und auch gelegentlich von
Nicht Juden, die in der Debatte ei-
ne Rolle spielten als Gegenspieler
von Juden und von spezifischen jü-
dischen Forderungen. Diese Porträts
von wechselnder Länge je nach der
Bedeutung der geschilderten Per-
sönlichkeiten, gelegentlich auch ent-
sprechend dem vorliegenden Mate-
rial sind gerade durch die
Sachlichkeit unseres Autors nicht
nur wertvoll, sondern z.T. in ihrer
Zurückhaltung glänzend. Als Bei-
spiele, die willkürlich herausgegrif-
fen sind, meinen wir Eduard Las-
ker, oder das Kapitel über einige
Sozialdemokraten, die uns beson-
ders nahe gestanden haben, wie
Hugo Haase. Eduard Bernstein und
Oskar Cohn. Gerade solche Ab-
schnitte sind mit dem Herzen ge-
schrieben, mit einem warmen Her-
>
Seite 6
MB — 8. NcWember 1908
Nr. 45
H. \V. GOLDSTEIN
Die jüdische Turnerschafl Bar Kochba Berlin wurde vor 70 Jahren gegründet
Sport und Loibesübungen gehö-
ren heute zu den Selbstverständlich-
keiten, und wir vorj^essen. dass es
noch nicht so lange her ist. als
die Forderung danach Ausdruck ei-
ner beinahe revolutionären Gesin-
nung war, insbesondere für die jun
gen jüdischen Menschen in den
kleinen und grösseren Gemeinden
Europas.
Die Assimilation hat um die
Jahrhundertwende in Preussen-
Deutschland ihren Höhepunkt er-
reicht. Berlin, die junge Hauptstadt
des Reiches, erlebte wirtschaftlich
und kulturell einen unerhörten Auf-
schwung. In den jüdischen Studen-
tenkreisen beschäftigte man sich
ernsthaft mit den neuen Parolen;
Nordaus ..Muskeljudentum" findet
Resonanz.
Die Initiative ging von Wilhehn
Lcvi, dem späteren Rabbiner, aus.
aber ein Turnverein braucht Turn-
lehrer, um die Erlaubnis zu erhal-
ten, und so mussten drei junge
Studenten. R. Blum. H. Jalowitz,
M. Zirker eine Prüfung ablegen; an-
dere besuchten Vorturnerkurse in
der Deutschen Turner schalt. Es sind
48 junge Menschen, die am 22. Ok-
tober 1898 den Bur Kochba grün-
den. Die jüdische Gemeinde Berlin
weigerte sich, die Turnhalle ihrer
Knabenschule zur Verfügung zu
stellen, aber das Jugendamt der
Stadt gab einen Turnsaal. Der er-
ste Turnabend fand am 5. Dezem-
ber 1898 statt.
Die ersten Nummern der ,, Jüdi-
schen Turnzeitung. Officielles Or-
gan des jüdischen Turnvereins Bar
Kochba Berlin" erschienen im Jah-
re 1900. Die ersten Jahrgänge ge-
iDen eine interessante Lektüre,
kraftstrotzende Gedichte, mit denen
sie sich anspornen, wie nett werden
die Turnfahrten beschrieben, wird
von 'Spielen und Hebungen ohne
Geräte'. .Freiübungen ohne Bela-
stung* berichtet. Auseinandersetzun
gen mit jüdischen Gruppen und der
Pres.se folgten. Der Herbst des Jah-
res 1900 bringt zwei Erfolge, es
wird eine 'Lehrling.sabteilung' ge-
gründet und damit der Rahmen ei-
ner akademischen Bewegung ge
sprengt. Die jüdische Gemeinde er-
laubte die Benutzung ihrer Turn-
halle.
Durch die Turnzeitung wird ein
Kontakt mit anderen Gemeinden
und Gruppen hergestellt. Man er-
fuhr, dass es einen jüdischen Turn-
verein in Konstantinopel seit 1895.
in Philippopel seit 1898. eine Israe
litische Turnerschaft in Hamburg
.seit 1898 gab. In Bialitz-Biala wird
eine jüdische Sportorganisation 1899
gegründet, in Wien im gleichen
Jahr, eüie zweite 1900. Es folgen
Sofia 1899. Bukarest 1899, Halber-
stadt und Mährisch Ostrau 1900.
Man schrieb fleissig Briefe an
die Turnzeitung. Die ersten Rufe
nach einer Vereinigung wer-
den laut. Im März 1903 beschlos-
sen die 400 Mitglieder des Bar
Kochba. eüien Verband jüdischer
Turnvereine zu gründen, der auf dem
6. Kongress im gleichen Jahr ent-
steht. „Die jüdische Turnerschaft
bezweckt die Pflege des Turnens als
Mittel zur körperlichen Hebung des
jüdischen Stammes im Sinne der
national-jüdischen Idee." Der Name
wurde von der Deutschen Turner-
schaft übernommen, die . oft offan
antisemitisch eingestellt war. Aus
Graz wird 1908, berichtet: 'in der
deutschesten Stadt Oesterreichs ver-
.•ianunelten .^^^ich 4500 Turner im Zei-
chen des Arierparagraphen'. In Dis-
kussionen vergleicht man sich ger-
ne mit ihr, die auch in den ver-
.schiedenen Ländern Turngruppen
hat, ohne sich um die politischen
Belange der Länder zu kümmern.
Die Jüdische Turnerschaft setzt
sich im Gründungsjahr aus 13 Ver-
einen zusammen: die fünf Vereine
in Bulgarien, in einem Landesver-
band zusammengeschlossen, bleiben
der Vereinigung fern, unterhalten
aber Kontakt mit ihr durch die
Turnzeitung. In Palästina wird die
erste Turngruppe 1906 in Jaffa ge-
gründet. Es fehlen Turnlehrer. Nach
der Einwanderung von Elias Auer-
bach und Ernst Hermann, 1909, wird
der Geist des Bar Kochba ins Land
gebracht. Es entstehen Gruppen in
Petach Tikwa, Rischon le Zion, Re-
chowoth. Ness Ziona, Gedera; spä-
ter folgen Vereine in Jerusalem,
Sichron Ja'akow, Ekron, Haifa, Bei-
rut. Das hebräische Gymnasium sen-
det 1908 seinen Turnlehrer, Zwi Oloff ,
zur Ausbildung nach Deutschland
und in die Schweiz. Aus einem In-
terview lernen wir Einzelheiten über
den Turnbetrieb. 'Häufig bildet der
gemeinsame Dreschplatz der Kolo-
nie den Versammlung.sort!' Volks-
feste werden zu einer ständigen
Einrichtung, die die Jugend Jaffas
mit den Kolonien vereinigt, Pferde-
rennen, Preisschiessen, Wettlauf.
Springen und Ringkampf. In den
Pessachtagen 1908 improvisieren sie
ein Schar turnen auf dem Festplatz
in Rechowoth.
Ein besonderes Problem stellen
die Kommandoworte dar. Man sieht
in Berlin ein, dass die deutschen
Ausdrücke nicht die Jugend in Pa-
lästina, in der Türkei und Bulga-
rien ansprechen, im Jahre 1908 er-
bittet man Vorschläge und Berich-
te über Versuche mit hebräischen
Ausdrücken...
„Juden im öffentlichen Leben Deutschlands"
zen, das der Autor aber zu zügeln
versteht, weil er als Historiker
wirkt. Dennoch bricht hier und da
in der positiven Wertung wie auch
in der Kennzeichnung von Fehlur-
teilen und Fehlhandlungen dieses
Herz durch, nicht zum Schaden
der Darstellung.
IDEOLOGISCHE PROBLEME
Hamburger will kein „ideologi-
sches" Buch liefern, er ist ein Sach-
historiker, den die ..Philo.sophie"
der Vorgänge, wie man dies im
englischsprachigen Bereich zu nen-
nen pflegt, erst in zweiter Linie in-
teressiert. Dennoch beschäftigt er
sich gelegentlich mit Problemen, die
in den theoretischen Bereich hin-
überspielen. So stellt er in seiner
Schlussbetrachtung die Frage, ob
es so etwas wie ein spezifisches
Verhalten jüdischer Abgeordneter
und Mitglieder der Exekutive ge-
i^eben hat. Er ist VeiHlhremeine-
rungen gegenüber skeptisch, den-
noch aber kommt er zu dem Er-
gebnis, dass es bestimmte Eigen-
schaften und Verhaltensweisen gab,
die bei einer relativ grösseren An-
zahl von Juden anzutreffen waren
als bei NichtJuden. Er schildert
dann solche typischen Haltungen
wie etwa, dass mit einer Ausnahme
alle jüdi.schen Abgeordneten die To-
desstrafe verwarfen; andererseits
verschweigt er aber auch nicht,
dass sich manche Juden oder Ab-
geordnete jüdischer Herkunft auf
politische Linien begaben, die in
keiner Weise mit dem zu verein-
baren sind, was man vielleicht als
spezifisch jüdisches geistiges Gut
bezeichnen mag. Gerade unter den
Gesichtspunkten des Halbjahrhun-
dert Gedenkens an die Revolution
von 1918 sind die Ausführungen
über die Stellung der Sozialdemo-
kratischen Partei im Kriege und
in der Revolutionszeit interessant,
aus der hervorgeht, in welchem
Mftsse es Juden waren, die an der
USP1> Anteil nahmen, sodass last
ein Drittel der Fraktion aus Juden
bestand, die auch im Kriege den
Gedanken des Internationalism.us
nicht aufgaben. Aber auch die in-
nere Unsicherheit dieser Partei,
wird beleuchtet, die zwischen den
beiden grossen Richtungen des So-
zialismus, der Sozialdemokratie
und dem K(jmmunismus. zerrieben
worden ist
VON BISIVIARCK ZU SOMBAIIT
Hamburger behandelt die be
rühmte Rede des jungen Bismart-k.
in der er sagte, er gönne den Ju-
den alle Rechte, nur nicht das. in
einem christlichen Staat ein ob
rigkeitliches Amt zu bekleiden. Er
würde sich tief niederjzedrückt füh
len, wenn er sich gegenüber als
Repräsentanten des Königs einen
Juden dächte, dem er gehorchen
.sollte. Das war im Jahre 1847. Ge
gen Ende der Periode, die hier er
örtert wird, steht die berühmte
Aeus.serung von Werner Sombart
Die Jüdische Turnerschaft wird
in Landeskreise eingeteilt. Es ent-
steht der deutsche, der westöster-
reichische, der Kreis Galizien-Buko-
wina, der es trotz Schwierigkeiten
auf 27 Vereine bis zum Kriegsaus-
bruch bringt, Bulgarien mit 10
Gruppen und die Türkei. In Palä-
stina erfolgt der Zusammenschluss
erst 1912.
Der deutsche Kreis organisiert
Turnfahrten nach Palästina, 1913
und 1914. Der Weltkrieg unterbricht
die Turnerei. Nach dem Krieg ging
die Initiative von den Gruppen in
Deutschland aus, die sich im Sep-
tember 1919 zu einer Tagung in
München zusammenfanden, aber
erst auf dem 12. Zionlstenkongress,
August 1921, wurde die Neuorgani-
sation der Jüdischen Turnerschaft
proklamiert, und unter der Führung
der Gruppen in Deutschland wird
der Makkabi-Weltverband geschaf-
fen, auf dem „Turntag" in Karls-
bad, 1923, wird Heinrich Löwe zum
Präsidenten gewählt. Das Präsidium
wird 1925 nach Wien verlegt, bis
1929, als die neue Leitung unter
Dr. Lelew er mit Fritz Bernstein, Dr.
Richard Blum, Dr. Friedenthal die
Parole einer palästinensisch ausge-
richteten Erziehungsarbeit prokla-
miert. Der Plan der Makkabia
kommt auf, der 1932 verwirklicht
werden kann, nachdem ein Sport-
platz in Tel-Aviv geschaffen wurde.
Berichtigung. In dem Auf sat z
„Erinnerungen an Paul Lazarus"
in der vorigen No. des MB ist
am Ende des vierten Absatzes ein
Druckfehler unterlaufen. Das Im Zu-
sammenhang mit einer Predigt in
der Nazi-Epoche angeführte Zitat
muss heissen: ,,Dei-m 1000 Joiiz'o
Sind in Deinen Augen wie der ge-
strige Tag."
vom Jahre 1912, in der er die Mei-
nung vertrat, den Juden gebühre
die volle Emanzipation, aber sie
sollten nicht in vollem Masse von
ihr Gebrauch machen. Diese Mei-
nung hatte ihre Parallele in der
Kunstwart-Debatte aus dem glei-
chen Jahre, die sich aber vor allem
mit der Stellung der Juden im
Kulturleben Deutschlands beschäf-
tigte (siehe hierzu: Moritz Goldstein
..German Jewrys Dilemma before
1914" — Jahrbuch II des Leo Baeck
Instituts, 1957).
Es liegt vielleicht nicht im Sin-
ne des Verfassers des hier bespro-
chenen Werkes, die Aeusserungen
Bismarcks und Sombarts miteinan-
der in Beziehung zu setzen und das
Ergebnis seiner Forschungsarbeit
als einen Beitrag zur Erkenntnis
der Tragik der deutsch-jüdischen
Geschichte zu bezeichnen. Hier geht
es um die Eroberung von Positio-
nen im öffentlichen Bezirk der
Verwaltung, der Rechtsprechung der
der Exekutive und der Parlamente.
Wie Dr. Hamburger selbst gelegent-
lich mit Recht sagt, war der Anteil
von Juden an diesen Gebieten je-
denfalls bis 1918 relativ gering ge-
messen an ihrer Beteiligung an Wis-
.senschaft, Kunst imd Wirtschaft.
Aber dennoch war es eben ein neu-
ralgischer Punkt, um den es hier
geht, wie es von Bismarck, der
seine antisemitische Gesinnung in
keiner Weise zu verbergen suchte,
seiner Zeit entsprechend nicht we-
niger deutlich formuliert wurde als
von Sombart. der trotz allen ge
genteiligen Behauptungen nun ge-
wiss nicht als ein Antisemit dekla
riert werden kann, auch nicht was
sein Auftreten in der Zeit der Na
ziherrschaft betriff:. Sombart hatte
in einer mehr allgemeinen und weit
vornehmeren an die Adresse der Ju-
den gerichteten Form etwas Ähnli-
ches zum Ausdruck gebracht. Das
Auf und Ab im Einfluss von Juden
auf Exekutive, Verwaltung und Le-
gislative, die Unsicherheit ihrer ei-
genen Haltung und nicht zuletzt die
Tatsache, dass ein sehr grosser Teil
der Persönlichkeiten, die auf all
diesen Gebieten erfolgreich wirken
konnten, die Taufe nahmen oder
sich vom Judentum zumindest ab-
wandten, zeigt die Problematik, die
niemals zu überwinden war und
die dann ihren Einfluss auf die
weitere Entwicklung in der Wei-
marer Republik ausübte. Es ist
möglicherweise nicht nur die Ab-
neigung gegen Ideologie oder „Phi-
losophie", die dazu geführt hat,
dass im Index von Hnmburgerr.
Werk der Name Sombarts nicht
auftaucht...
Aber dies ist schon eine Bemer-
kung, die' ein wenig über unsere
Aufgabe hinausführt, ein Werk zu
würdigen, das einen bedeutenden
Baustein zum Verständnis der
deutsch-jüdischen Geschichte im
vergangenen und im beginnenden
neuen Jahrhundert darstellt. Ham-
burgers Leistung als Forscher, der
das Material nicht nur in uner-
müdlicher Kleinarbeit zusammenge-
tragen hat. sondern es in seiner
Darstellung wirklich beherrscht,
kann nicht hoch genug anerkannt
werden. Mit Spannung erwarten
wir den für uns so besonders in-
teressanten zweiten Teil, der der
Weimarer Republik gewidmet sein
soll KURT LOEWENSTEIN
-4-
ii-rich ^.:ollenb£rt;,.^ls .-;o uarmist vor MuencLen, Berlin 1129
J(^
Die ..uencbtner Raeterepublik. Zeu.^nisse und Konii.ientare e . Tankred Ijorst , >t-^»-»
E.und E. Iiannover, Politische Justiz 1^.18-1932 ^J/ ^ ^/
lu Deutschen Heicli, }J{:IY Dez. 1^13 ueber Lisnrr
Richard ^i. f. Conifort , Revolutionary xiaraburg, Stanford 1966
llax . Harburg, ^lU:; me i-n..n Auf zei dinun^'en,
nub-cr uebt-r die r^evolution in Der Jude III, lovember/Dez. 1^.13
.-crsey, Die . eutsche Zentrumspartei
Verhandlungen c.er Nationalversaiuiilun^ St.i:. band 527,^^. ilSo {^namentliche
.^bsti nun, ueber uen ^'rie. ensvertrag)
f^ /^ ^..^W ^^^ ..vi^V/. /^^e^i^^^^^^ A^^^
'■"•'<-"Si3
$
The Death of Dr# Lasker.
Dying on bis way home from a dinner party.
ihe cause of bis decease probably over-work - i'Le German statesnian'ö
career and aobievenients#
Dr« Ddouard Lasker, the erainent German statesmant ^ormed one of
a small dinner party at i.r« *lesse .u Seligman's residence, Ko 2 .ast
Forty-sixtb-dtreet ,Tbursday evening. He was in unusually cbeerful
spirits and obatted pleasantly about bis recent journeyinßs in tbis
country and bis inoumbent departure for boiiie in tbe steamer kain on
tbe 26tb inst. *'I bave a great deril to do wben Parlia ent begins,"
be said. About 11 o^oIock Dr» Lasker bade bi^.^ last good-nigbt and
walked down Fiftb-avenue in Company with Äir» august uai>8enTian,a
California gentleman, wbo is stopping at tbe Gilsey Kouse# For a
llttle isbile Dr. Lasker oontinued to talk about bis .oafrican visit
and the extremely pleasant reiations he bad formed vvi th a few prominent
people, it Fortietb-street lAr. .»asserraan noticed thai bij companion
seemed tired, and ituuMx offered bim bis arm» "Perhaps we bave been
Walking too fast for you, Doctor" be said«
(Tbe next paragrapbs oo;-tain detailed indications about tbe last
bours of tbe dying man and \^hat v^as d.ne to save bis life)
Ä dispatch wms sent to Dr. Laskers brother,:uorris lasker in Galveston,
Texas» Dr. Lasker bad lived in I^ew York at Uo 102 Lexington-avenue,
be bad been introduce to tbe landlady by bis cousin,i.r. h#.\ioLt€r,
livin£ at ..o 822 Lexington-avenue. Tbe cousingals^., was notified of tbe
sad occurrence.JUawn was just briaking wben the undertaker toor: Dr. Laskers
body to tbe room be bad quitted only a few bours before apparentii
in good bealtb. kssrs V*asserman ana üeligman watcbei by it until the
people in the bouse were astir. ix-oecretarj Carl ochurz, a lont;
personal friend of tbe deceaseö, was made aware of tbe TactSiana bad
arrlvea early at the house. ''Poor fellow/* he said, as be stood by
tbe lifeless form of bis friend, "be x;as a grand good man.''
Larly yesterday morning a dispatch was received from Mr. fviorrls
Lasker in Oalvesxon, directin^ tbat tbe body of bi :> brotber sbou-..d be
emtbalmed and statirig tbat be was then on bis way to X^ew-Yoii^. "Tbe
reraains vill be taken to Gerruaay probably next Thursday",said a relative
••••• ibe doctor was unmarriedg but be bad anotber brotner and relatives
in Berlin, i resumabiy tbere will be funeral ceremonies of some sort
bere, but no ai rangements hiive yet been made*'.
k representative mt a looal German society wbo was in the room
said tbat in all probability tbe Gernian orbanisat Ions ir tbe City would
hol! meetinf's today to take action...
Cn June 22 last Dr. Lasker came to *merica to see bis brotber and to
ke a study of the free institutioiis and repubiican syate i of eovernmcnt.
He reoain/ed in tbis Cit^. for about a montb after bis arrivel ,and
i<-V > 'f
9
-2-
türoueh Mr. ^churz. Mr. öeligman, and a ftw other acqulantances was
feiJ^n^ample opportunity to ivather the inforo.ation and «^tatisUos he
«as in searor, of. Ue went aest *itß the Villard party to attend tue
ostentatlou^ openim; «f the Northern Pacific i^ailroad. crom there he
«nt to ial^eston U> viait bis brother. In hi. travels he was sho«.
preat attention irom all olasses of people ami partioulariy Di
Übrrai-thinklng Geman.. v*o «ere in sy.pathy v-tth his parlianientary
co'ox'se In their fathtrlaAd. He v.as/profoundly impressed by the great
oharitible institutions in this »ountry ana the-r read:/ ..eans ol
carlng for Se maiaxod and unfortunate. bein,: a ^-"^f ^,if jy^^J'^^J^f^i^i^^
aome attention to the judtcial system, also, ana madc dilife.ent inqulrlea
on the subject during s brief stay in y^ashintton. it «as tm^ dooU-r .
Intention aurint the reraainö r of his stay in this countr, to fivt
some attention to the local Eebre« institutions. ^.bout ^^°^^f^^^
Dr. -asker v.as taken ill. and Dr. Jacobi ^as ^^''^ ^"^ '^^''''^f^
oomplainea at that tlnie of loss of phyaioal energy am. {^^^^'^
and was advised to take neeaed rest beforc gonme back to Ger..iany
to resuBie his p rliamentary dutic.s.
Ihere «ere sevcral cailers «r Lo 1Q£ ^exlngton-avenue yest^rday.
though Dr. Lasker rorely spce of his apartments. and but few ^ne% the
addrels. Col. Ochiltree.the «all-known Texan ..ongresaman sent ^J^h^^
Card in the afternoon.in ^uirinf, if there whs «"^f i;;! *^^«i„^^^- ^°^i\f *
" 1 met Dr. Lasker while he was in 'iexas" he said. "his brother is an
old friend of mine. >.c fo ßht in the Confed rate ^^^y /«e^f'?^' ^^^ „^
cane o t o'" the war with nothin^ but his musket, and now he is one of
the wealthies? raai in Oalveston. I was charned by the <^°°J°^^ J^^F«^^-"^
knov^ledge of cur finanoial and legislative f f^^"„«» ,^f vln Sd he
coracany often. 1 traveled from Texas to Louisiana '^^^^ . ^^^» ^"%t'^,^^
afterward viaite. me in ..ashinfton. Ue occuuieo my seat on the floor
of the Eouse. and I introduoed hi to the ..'resident. ^ f^^^^' f. ^" .,
Borry. very aorry - and the Congressnan bustlcd out. ..r. Lraoi.vogel,
an eminent Oerman writer.now visitin the City, also ^f ^^^ *° P^^
his respects. a Qevinan lawyer called i^ho said he use. to ^.nov. l.err
iasKer in the zenith of his po.er in Gerrnany. -It ««^ /y hi^ StereS
in the farnous Gruendungsschwindel cuse in 187S t at ^%fi"*^,^Jt^*'-^'-^
bis heaith," he said. The dootor alle xge^ and proyed J^at .ount
Putbus, a meaiber of royalty.was m the scheme. he lea m the debate
for 14 days.ani v.as soon afterwaras do«i with nervous pcostration.
The neoDle were so entbusiastio at his success that they tooK the
horses ffom hi. carriage and drew hi home. I^ell remeaber with ^hat
anxiety they looked for hourly bulletina of bis health.
•i'he lA«t speech which Dr. Lasker laade was at the annual meeting
of lAount üinai hosoital, which took pl .ce on 1 st ..unday. -unong; other
?Jiags he sa?d :° During my whoie joumey through ^mrica tne benevolent
institutions of the Jewa have made an especially ««^^f .«»'»;,' ffif/.^'-f^^y
i iDression upon me. -md the caieful conservation of this hol^^ duty in-
SuSes me somewhat to overlook the fact that I have seen otherwise very
littlc attempt of the .»'ews M ämerlca to preserve the traditions Ox the
older times,\en the Deity selected Israel to be.as it wer*, a teacher
and a monitor to the nations, a large portion of the national duty, as
i take it, was to conslst in the exhibition ox that oharitable dispositlon
7
-3-
and aotlve sympath^jr whlch mark the Jewish heart. /oid the assemblage
today gives me ample proof that this po rtlon of the national mission
is abundantly dischar^ed. I can recaii nothing of all that i have
seen in my journey in Uiierica which has had so refreshing and
inspiring an effect upon me, as these evidences that the Jev^s, who
are freer here than in any other lands devote themselves with all
the more energy and aevotion to the development of benevoience, and
thU8 testify to the i^ast power for good which lies inherent in the
Jewish race ^herewer they may be domic^iled»"
\
\
\
'iäsK
/A-
<^
V
/
"Uü/C^? ^u^
■rf-^f^^i
■^ \
Z^J<-c
H
^ /yL^(ivw,k-.
a
£^t^
-n
C?
«j^ ^
^>.'< i^
2/^i-^
v
C U6^-)
.UA^"^-^ f< /--''^^^ ^ ^^ ^*^ - t^^^
Pre./C.
/^..^ a^^^*^^/'^ ^-^^
c^ €^^'^-xL^
eA
a^üU^^^
^;
*-^
med
.4^^ 4tr/^ /^^//^ • ^^ ^^^^ '-^(^^
<^c
y~~
!f^>*^'
^W ; ^ -^ ^<^/ ^A*^^
jt^^^^
r4^
^^A4,
i,,;/ ^^/4.
^/^ .^ /^^^ ^ ^^^^
^
^/t^y /4 ^y,/dc^^,
^tC^^Ua (/u
/
^^4^t^-
""-^^ /C^,
V^i
'J^^€^
^^^^ ^ ii^^
'^^ *S^^^
y
?^
^/>'*
J/^T^ /V e/w-V^^/ f^ t^^ Ä^^s^ ^-^^^^^^<^ ^ i^AJi^u:^C^^ . A'^^^i^^ <^ yio^
t>
/rW ^ /^/^i^^e^ f «/W '^'^
ci 4^ ^^^ ;^^^^/^. ^/i^ /^/^/r ^5.-^^-^^
,^i,i^ ; ^^tst^ M^/:^^ ^y^^^^ ^^X '^^^ . -^^^
m^4^
/^
^^^^.fc*-/^
V
C^
^^^"^-^^ ^/C^ H^i^H^ y^'^^7i
"^^-^
-^
Ä^^ ^IsC^ -i«^ -^ ^^^ /X^M /^^3^_
^^e-^^^ ^;ä>
^^t^^^>^«-T-^ ^*^r^^
^ 4i(^4r
C (^*
^, 4^*^^v ^^'^^
i
7^^
^Mf^^^ ^a^l^^ ^ r Ä^^a^Ui &^<5^- /r^cy^
4i^^C^< i^/^/^^ ^^^' i^c-^c/<.^j
OC'i/^,lky f
/HyU
i^%iU /^^u^ ^^ ^u^^ ^^^^
/L^y^^/C ^ ^ ^* #ü^^^^^ ^^i^/^ /U<y^'^^y ^^ /^
/^u^a:^^ f^i^yj^r^^. i^u^ '/ ^ ^v^>^x:^^^
(^-4^^ " >^^S2^ /^«^"^ >^«^<^^i-w'r«f'^<:^^^f/>^^ ^i'-«-^^^ ^ -^«jf^f^ '^ '^ ^ey 4^^X/c.<^*^
^>-^w
:>C f. -/i /<f ^>l 1, ^^<r^/f-^^.*^^^ /^y Ar-e^/^^: ^ ^c/^<^^i^ ^/T""^!) y ^ ^^5^^^.
/*^.
"^i.X-Ci.^
cOt^rp^i^^^ . iA<^ ^^^h / ^ic^ . ^^^^r /T^^^^'^ /c^äf^ ^^ ^^!^^r/z^^
/^.
^^^ '^-^ ^ ^ /^riJ'. ^U^^H^ /l/^i^ /?V y^^ 4y /C^-^y . /"
"75?^""! — /j /^-^-«^
V^ >(;^ <^^ A^y^^ ^<^'/^^f^ ^ i"^
4.^V
1<.U^ €^C<^
^-e^ »^^ ^-^>L^ /^«-c-
^<^C^-<^4t
^t^
Je.'^^L'^^
V> 4^-J*
'.^il^ O /ti^\
Jt/€^^ ^^^^^^ A-^^ <^^^^.*^^ ^^VC^-^^^^v^
>4>^
/^^
^ -^ «^ /
rr-^^it-V
^f^
**^ yLU y/V/^^'^'J^^ i^t£ j^ //. '^ 4,'-u^.( ^^^^^ /^^^c^^/^/^
/^
^^C4^
ffi^jA
€CPi^
/^^ «^'^/ -— ^ ^-^^i-^^^^ . ^^/ /VV^
/*-<
Ar ^>-
•>i^ >^^
'^c^^f^ ^^^
^ ^*-^t-*^<^
t9^ // . //^ *4^^^ ,:-. >24^^^.5^*W^ ^^-^ ^/^T^/^ /^^^^2^.r-^i$<^> ^
/f.^iV
«--^-w
I /'^Tft'A^^i-^ ^-^/^' ^/>^ — 4^ /^^^
i^t^if-
^-<^^/^'£y^
^. U^H^^^t^^^ s/f/- ^
'A^-u^
J^ i
£^U^^ p4L^ ii^^cf *' U^^^y*^ Ö \ ^^ ^^Cy *^^/ ^i^/ ^ttMx^y ^V> ^^^i^r0^
i» ^t-^^^Vr<^^"
4y )^^A-^ JkC /.
4:V.^
.4^ 4^,iU^U£- / Z^}^-^ ^^C^^ A^ /^^^ /4^/^ . ^^^'
.^*it^
/'i^ ^^,
«^«7- »^.-^ i^'i^' '^-'^^ /^v,^^^ r /i^cP^ ^' '<^-^
u.
Ui-Ul
^/J*r^
i^ . }^^ /&^^/)'4<' /^^<VÄr<^ Z^>%^^< ^^«^, C^Uc^^^Aif^t^
Cc^
4/cU^^^
^ ^
/
fc^c^A^Z^ /^ ^^^C^^Y^^^^i^^C^ ^^^^
^
>^«<*^
^^
'^^^ ^<äiA/i/i^ J^i^i^^»^^ /^{^.tf t^r^^^ ^ A
t^C'X
/^
^^4,./^ . ^^y^ ^^
-n
^?p
sy-
DAS PARLAMENT
Seite 11
Nr. 11 / 14. 3. 1970
Vor fünfzig Jahren:
Der erste Notstand der Weimarer Republik
Der Kapp-Putsch am 13. März 1920 / von Aured s*i*ei
Die Weimarer Republik bestand noch nicht
ein Jahr, da verdichteten sich im Winter
1919/20 die Anzeichen dafür, daß die ablen-
nende Haltung rechtskonservativer Gruppen,
zu denen ehemalige Freikorpsführer und hö-
here Reichswehrkommandeure stießen, gegen-
über dem neuen demokratischen Staatswesen
immer bedrohlichere Formen annahm Die
rechtsoppositionellen Kreise versuchten, durch
Druck auf die Regierung eine Änderung der
verfassungsmäßigen Verhältnisse in Deutsch-
land zu erreichen. Sie forderten die Auflosung
der Verfassunggebenden Nationalversamm-
lung, die angesichts der unsicheren innen-
politischen Lage auch nach Erledigung ihrer
eigentlichen Aufgaben - der Ausarbeitung
einer neuen Reichsverfassung und der Ent-
scheidung über Annahme oder Ablehnung
des Versailler Friedensvertrags sowie der Er-
richtung einer vorläufigen Reichsgewalt -
nicht auseinandergegangen war, sondern als
parlamentarisches Gremium weitertagte, und
verlangten Wahlen zum Reichstag. Von sol-
chen Wahlen versprachen sich die Führer der
Rechtsopposition eine erhebliche Stärkung ih-
rer Stellung, war doch seit Bekanntwerden
der ungemein harten Friedensbedingungen des
Versailler Vertrages eine Woge der Empörung
durch das deutsche Volk gegangen und hatte
den nationalistischen Parteien großen Zulaut
qebracht. Entsprechend ging das Ansehen der
Nationalversammlung, die sich trotz größter
Bedenken für die Annahme des Friedensver-
trages entschieden hatte, immer mehr zurück.
Neben dem ungerechten Kriegsschuldartikel
231 und den unmäßig hohen Reparationsfor-
derungen der Siegermächte erregten besonders
die rigorosen Abrüstungsbestimmungen des
Versailler Vertrages die deutsche Öffentlich-
keit Der Artikel 160 des Vertrages begrenzte
die Stärke des deutschen Heeres auf sieben
Infanterie- und drei Kavalleriedivis^ioneii mit
insgesamt 100 000 Mann; die Friedensstarke
des deutschen Heeres betrug jedoch vor dem
Ersten Weltkrieg über 760 000 Mann. Das be-
deutete, daß viele Berufssoldaten und Offiziere
nadi der von den Alliierten geforderten Ver-
ringerung der Streitkräfte entlassen werden
mußten und ohne Beruf dastanden. Als etzte
Frist für die Entlassung war von der Iriter-
alliierten Militärmission der 31. März 1920
qesetzt worden. Dieser Termin beunruhigte
besonders jene Reichswehrverbande, die von
der Auflösung betroffen waren und /wischen
Januar und April 1920 entlassen werden soll-
ten Es handelte sich um über 60 000 Mann,
die mit ihrer Verabschiedung gleichzeitig vor
die Frage ihrer weiteren wirtschaftlichen und
beruflichen Existenz gestellt wurden.
Zur Sorge um ihre Zukunft gesellte sich
noch die Meinung, daß die Herabminderung
des Heeresbestandes von der Regierung ohrie
Not betrieben werde. Man vertrat innerhalb
der Armee die Auffassung, daß es in der
Macht der Reichsleitung gelegen sei, m der
Frage der Abmusterung weitere Zugestand-
nisse von den Alliierten, besonders von den
Engländern, zu erreichen. Jede weitere Ent-
lassung aus dem Heer wurde daher als eine
gelenkten Aufstand in Deutschland stehe un-
mittelbar bevor, wollte seine Verbände unter
allen Umständen zusammenhalten. Er wider-
setzte sich daher dem Auflösungsbefehl und
versuchte in einer persönlichen Unterredung
mit Reichswehrminister Noske am 7. März,
die Zurücknahme dieser Anordnung zu erwir-
ken Noske lehnte das Ansinnen ab und ent-
hob General von Lüttwitz seines Kommandos^
Dieser begab sich daraufhin am 10. März 1920
7U Reichspräsident Friedrich Ebert und ver-
lanqte unverzügliche Neuwahlen zum Reichs-
laq Wahl eines anderen Reichspräsidenten
durch das Volk. Ersetzung verschiedener
Reichsminister durch nichtparlamentarische
Fachminister und eine ganze Reihe weiterer
Maßnahmen, die ebenso gegen die Bestimmun-
gen des Versailler Friedensvertrages verstie-
ßen wie gegen den Fortbestand der Republik
gerichtet waren.
Ebert beantwortete diese in ultimativer
Form vorgebrachten Forderungen mit der Ent-
lassung des Generals. Gleichzeitig erließ die
Reichsregierung, die von den heim ichen Vor-
bereitungen der Putschisten Nachricht erhalten
hatte, Haftbefehle gegen Kapp, Bauer und
Pabst, die aber nicht mehr aufgeführt werden
konnten.
Brigade Ehrhardt marschiert
Die Rebellen kamen der Regierung zuvor^
In der Nacht vom 12. auf den 13. März 1920
marschierte die Brigade Ehrhardt, mit seh waiz-
weiß-roten Fahnen und dem Hakenkieuz auf
dem Stahlhelm, von ihrem Lager Dobentz na*
Berlin. Am 13. März ließ Kapitän Ehrhardt
durch zwei Generale die -^nunmehr bis
7 Uhr morgens des folgendes Tages befriste-
ten - Forderungen, die General von Luttwitz
dem Reichspräsidenten gestellt hatte, wieder-
holen und verlangte dazu den RürktTiU Nos-
kes. der durch einen General ersetzt werden
sollte. Die Reichsregierung lehnte auch dieses
Ultimatum ab. Wehrminister Noske versuchte,
unterstützt vom Chef der Heeresleitung, Ge-
neralmajor Walther Reinhardt, mit Regie-
rungstruppen den Kampf gegen die Meuterer
aufzunehmen, hatte jedoch keinen Erfolg, da
die Mehrzahl der Kommandeure, an ihrei
Spitze der Chef des allgemeinen Truppen-
amtes im Reichswehrministerium, General
von Seeckt, die Ansicht vertrat, die Truppen
würden nicht auf ihre Kameraden schießen^
Daraufhin entschloß sich das R?ichskabinett
auf Anraten des Vizekanzlers Schiffer DDP),
Berlin zu verlassen, um sich die Handlungs-
freiheit zu erhalten.
Während sich Reichspräsident und Reichs-
regierung zunächst nach Dresden und spater
nach Stuttgart begaben, besetzten /l'« Auf-
ständischen das Regierungsviertel in Berlin^
Wolfgang Kapp ernannte sich eigenmächtig
zum Reidiskanzler und Preußischen Ministe -
Präsidenten und übertrug General vjn Lut -
Witz das Reichswehrministerium. Die National-
versammlung und die Preußische Landesver-
sammlung ließ er für aufgelöst .erklaren und
ein „Regierungsprogramm der inneren Ruhe
Generalstreik aus und legten damit das Wirt-
schafts- und Verkehrsleben in Berlin lahm.
Der Kreis um Kapp konnte sich nicht erwei-
tern und die drohenden Erlasse der Putschi-
sten gegen Streik und Dienstverweigerung
blieben ohne Wirkung.
In jenen Gegenden freilich, in denen der
Einfluß der Gewerkschaften und der republika-
nischen Kräfte aul Grund der Bevölkerungs-
struktur schwach war, fand der nationalistische
Rechtskurs der Putschisten mehr Zustimmung.
So drohte bei längerer Herrschatt des „Reichs-
kanzlers' Kapp die Einheit des Reiches verlo-
ren zu gehen; Deutschland schien sich zu tei-
len Zur rechtmäßigen Regierung hielten bud-
deutschland und der deutsche Westen; gegen
sie wandte sich der Norden und der Osten
des Reiches. In Ostpreußen, Schlesien und
Pommern wurde Kapp größtenteils anerkannt.
Die Reichswehrführer in Mecklenburg und
Schleswig-Holstein rissen die Macht an sich
und legten die verfassungsmäßigen Regie-
rungsbehörden lahm, auch der Marmebefehls-
haber in Kiel trat hinter Kapp. Deutschnatio-
nale und (anfänglich und weniger offen) auch
die Deutsche Volkspartei Gustav Stresemanns
stellten sich auf den „Boden der Tatsachen
und verlangten w,e die Putschisten Neuwah-
len.
Die Parteien der Regierungskoalition —
SPD, Zentrum, Deutsche Demokratische Par-
tei -- wandten sich ihrerseits in Autrufen
gegen den „verbrecherischen, mit aller Krat
zu bekämpfenden Verfassungsbruch . Die Ver-
mittlungsversuche des Vizekanzlers Schiffer
scheiterten an der Festigkeit der rechtmäßi-
gen Reichsregierung. Reichspräsident Ebert
und Regierungschi-f Bauer zogen eine deutli-
che Trennungslin:o zwischen sich und dem
Rebellen-Regime m Berlin. Ihre Beharrlichkeit
zahlte sich bald aus, denn schon ^^ ..^^^^^^^^
Tage, dem 15. März 1920, tauchten für Kapp
als Folge des allgemeinen Streiks unüber-
windliche Schwierigkeiten auf und veranlaß-
ten die Rechtsparteien, wieder von Kapp ab-
zurücken.
Flucht nach Schweden
Der Generalstreik, der passive Widerstand
der Beamtenschaft, die Zurückhaltung des
Größten Teils der Reichswehr und die Unmog-
rhkeit lachlich geschulte Mitarbeiter zu fin-
dt erwiesen sich für Kapp und P^^^^i^ten
als unbezwingliche Hemmnisse. Se^^st die
militärischen Führer cles Staatsstreidis gaben
ihr Unternehmen verloren und Thesen zum
Rückzug. Am 17. März 1920 zog auch Kapp de
unumgänglichen Konseguenzen und eik artp
seinen „Rücktritt'. Gemeinsam ^it seinem
Komplicen von Luttwitz fluchtete er ^adi
Schweden, von wo «^ "«^ ^^,^^,•^^^i%'P üSc^
im Frühjahr 1922, nach Deutschland zurück-
kehrte, um sich dem Reichsgericht zu stellen.
Sein Putsch war gescheitert, die Weimarer
Republik hatte ihren ersten großen inneren
Notstand glücklich überwunden.
Als die „Brigade Ehrhardt" am Abend des
17. März 1920 wieder aus Berlin abgezogen
Politik in Hörfunk und Fernsehen
Aus den Programmen der Rundfunk- und Fernsehanstalten
in der Zelt vom 18. März bis 24. März 1970
Die ständigen Programmteile mit politischem Inhalt (Nachrichten Kommentare,
Presseschauen und tagesaktuelle Magazinsendungen) sind nicht aufgeführt.
Mittwoch, 18. März
Das politische Gespräch (8.15-17.15 DW)
Lateinamerika zwischen gestern und morgen: Die
Indianer — schutzlos und verfolgt (9.35 RIAS 1-2)
Partelen zur BUrgerschaftswahl in Hamburg (11.55-
1800 NDR 2) , u . H^r
Diener Ihres Gewissens: Albert Luthuli - der
Gandhi Afrikas (15.30 SFB 2)
Auf dem Wege zur Gesamtschule - 20 Jahre Schui-
DOlitik auf dem Lande (15.35 RB 1)
In Gefolgschaft des Führers - Der Dokumentar-
film im Dritten Reich (16.00 RIAS 2)
Aus dem Bremer Parlamentsgebäude: Übertragung
von der Sitzung der Bremischen Bürgerschaft (16 30
RB 2)
Politische Wissenschaft heute - am Beispiel der
Parlamentsreform Von Heinz Rausch (19.30 BR 2)
Brauchen wir noch Dörfer? Von Josef Ried!
(20.15 DF)
ZDF Magazin ' Informationen und Meinungen zu
Themen der Zeit (20.15 ZDF)
Vermögensbildung im Modell Eine so^'^lpolitische
Dokumentation von Fritz Koeltze (20 18 SWF 2)
1X1 der Politik: 5) Die Verfassung Von Karl-
Hermann Flach (20.30 WDR-F)
Bericht aus Amerika / Es spricht Klaus Soll mg
(22 10 NDR WDR 1)
Donnerstag, 19. März
Tansania — Probleme eines Entwicklungslandes-
5) Die „guten Ratschlage' (8.20 WDR-F)
Weltspiegel Auslandskorrespondenten berichten
(8 45 ■ 17.45 DW)
Diener ihres Gewissens: Albert Luthuli - der
Gandhi Afrikas (9.05 SFB 1)
In Gefolgschaft des Führers - Der Dokumentarfilm
im Dritten Reich (10.00 RIAS 1 2)
Ost-West-Forum Politik. Wirtschaft. Ideologie
(10.30 HR 2) ^.
ZDF Magazin / Informationen und Meinungen ni
Themen der Zeit (11.50 ARD ZDF-V)
Partelen zur Bürgerschaftswahl In Hamburg (1155
16 00 NDR 2: u ■ 1/- «„
Rußland zwischen Weiß und Rot: Aufstand m Kron-
stadt (15.30 SFB 2)
Die Dritte Gewalt: 11) Rechtsstaat — Justizstaat —
Richterstaat (16 00 SFB 2)
Forum Südwest Heute: Presseclub / Journalisten
und Politiker diskutieren (20.15 SDR SWF-F)
Erziehung zum Frieden Von Prof. Dr. Heinz Rolf
Lückert. München (21.00 SDR 2)
Journalisten fragen - Politiker antworten / Leitung.
Reinhard Appel (22.00 ZDF)
Freitag, 20. März
Rußland zwischen Weiß und Rot: Aufstand in Kron-
stadt (9.05 SFB 1) . . . ♦
Die Dritte Gewalt: 11) Rechtsstaat - Justizstaat -
Richtersoat (9.35 SFB 1i ,.. „
Partelen zur BUrgerschaftswahl in Hamburg (11.55
18.00 NDR 2) „
„Das Votum" — Wahlsysteme m aller Welt (16.00
RIAS 2)
Vorgestellt - vorgelesen Klaus von Beyme: Die
parlamentarischen Regierungssysteme in Europa
Der°°p^manente Krieg / Aspekte des Nahostkon-
flikts (17.15 DW)
Jugend fragt Politiker (17.25 DF) . , ^ .^
Die Nachbarn am Rhein / Ein Kapitel "ber die
deutsch-französischen Beziehungen ' Von Alfons
Lauströer (17 45 SFB 1)
Europäische Sicherheit - Programm einer Fne
densordnung Von Jens Hacker (20.05 NDR'SFB 3)
DCCI - Democrazia Christiana Comunista Italiana/
Reportage über den Familienstreit zwischen Kom-
munisten und Katholiken in Italien / Von Jürgen
Möller (20.15 DF)
Management einer Regierung: Von Globke zu
Ehmke - neue Führungsmethode im Pa'a'«
Schaumburg / Von Hans-Eberhard Friedrich und
Paulheinz Middeldorf (21.00 HR 1)
Bericht aus Bonn (21.00 DF)
Bürger fragen einen Prominenten / Leitung Erich
Bottlinger (21.00 SR SDRSWF-F)
Abschied von Salomo — Äthiopien am Ende einer
Epoche / Bericht von Peter Berg (21.45 ZDF)
Der Weltspiegel ' Berichte von Auslandskorrespon-
denter (22.00 BR 1)
Kritische Chronik Aus Politik und Kultur (22.10
NDR WDR 1)
Samstag, 21. März
Prominente zu Gast: DAG-Vorsitzender Hermann
Brandt diskutiert mit Berliner Schulern (10.30 RIAS
Ruhe und Ordnung genügen nicht Z^mchenbilanz
der Hochschulpolitik / Von Heribert Schmidt (IZ.oo
WDR 2)
Das Wort hat der Bundestagsabgeordnete P;;_ An^on
Stark (CDU), Nürtingen-Böblingen (13.05 SDR 2)
Aus dem Maximlllaneum - Komrnentar zur bayeri-
schen Landespolitik / Von Bernhard Ocker (13.20
BR 1)
Gespräch mit Jungen Politikern (14^30 SWF 2)
Osteuropa und wir Berichte. Kommentare und
Meinungen (15.30 BR 2)
Länderspiegel Informationen und Meinungen au»
der Bundesrepublik ' Heute unter anderern: Dia
Sanierung der Altstädte Überlegungen zum Städte-
bauförderungsgesetz (17.15 ZDF)
Bayern fragt Bonn Bürger stellen Fragen —
Politiker antworten (17.30 BR 1)
1 < 1 der Politik: 10) Die Regierung (17.30 HR-F)
Bericht aus Bonn (18 40 DW) ^ * , ,
Pro & Contra Aktuelles aus Wirtschaft und Sozial-
politik (19.15 BR-St)
Wo uns der Schuh drückt Es spricht der Regie-
rende Bürgermeister von Berlin. Klaus Schutz (19.20
SFB-F)
Politische Bücher: Lebensläufe und Erinnerungen
(22.05 NDR WDR 1)
März
IT^X.
des Heeresbestandes von der Regierung ohne
Not betrieben werde. Man vertrat innerhalb
der Armee die Auffassung, daß es in der
Madit der Reichsleitung gelegen sei, in der
Frage der Abmusterung weitere Zugeständ-
nisse von den Alliierten, besonders von den
Engländern, zu erreichen. Jede weitere Ent-
lassung aus dem Heer wurde daher als eine
bewußte oder zumindest fahrlässige politische
Handlung der Reichsregierung gewertet. Diese
Einstellung war schon im Juni 1919 zum Aus-
druck gekommen, als die Frage der Annahme
oder Ablehnung des Versailler Vertrages zur
Entscheidung anstand und es zu Protestkund-
gebungen von Offizieren kam, welche planten,
zusammen mit dem Reichswehrminister Gu-
stav Noske eine Militärdiktatur zu errichten.
Noske hatte jedoch seinerzeit dieses Ansinnen
entschieden zurückgewiesen und jede Zusam-
menarbeit mit diesen Offizieren kategorisch
abgelehnt.
t
Geheime Vorbereitungen
Eine Gruppe politisierender Offiziere, an
ihrer Spitze der Kommandeur des Gruppen-
kommandos I der Reichswehr, General Frei-
herr von Lüttwilz, Hauptmann Waldemar
Pabst und Oberst Max Bauer, waren auch in
den folgenden Wochen und Monaten im ge-
heimen "äußerst aktiv, um Vorbereitungen für
eine Aktion zum Sturz der Regierung zu tref-
fen. Wie aus einem Brief des deutschnatio-
nalen Abgeordneten von Freytag-Loringhofen
vom November 1919 hervorgeht, waren schon
im Oktober 1919 unter führenden Reichswehr-
offizieren Pläne für einen Staatsstreich im
Umlauf. Nach ihnen wollten Lüttwitz, Pabst
und Bauer ihre Aktion gegen die Regierung
vornehmlich auf die Freikorps stützen und
auf bestimmte Truppenteile der Reichswehr,
namentlich jener Einheiten, die aufgelöst wer-
den sollten. Die Reichsregierung sollte abge-
setzt und die Nationalversammlung aufgelöst
werden.
Als politischer Führer stellte sich der Gene-
rallandschaftsdirektor von Ostpreußen, Dr.
Wolfgang Kapp, zur Verfügung, der schon seit
dem Zusammenbruch von 1918 auf eine Samm-
lung aktiver Rechtskreise hingearbeitet hatte,
um 'durch einen Putsch die Monarchie der Ho-
henzoUern im Reiche wieder autzurichten.
Als Anfang März 1920 Reichswehrminister
Gustav Noske (SPD), einer Anordnung der
Interalliierten Militärmission nachkommend,
dem General von Lütlwitz den Befehl erteilte,
die ihm unterstellten Marinebrigaden Ehrharrit
in Döberitz bei Berlin und in Löwenfeld in
Schlesien bis zum 10. März 1920 aufzulösen,
hielten die Verschwörer den Zeitpunkt zum
Losschlagen für gekommen. General von Lütt-
witz, davon überzeugt, ein Krieg mit Sowjet-
rußland verbunden mit einem bolschewistisch
ständischen das Regierungsviertel in Berlin.
Wolfgang Kapp ernannte sich eigenmächtig
zum Reichskanzler und Preußischen Minister-
präsidenten und übertrug General von Lutt-
witz das Reichswehrministerium. Die National-
versammlung und die Preußische Landesver-
sammlung ließ er für aufgelöst erklären und
ein „Regierungsprogramm der inneren Ruhe
und Ordnung" verkünden.
Kapps viertägige Kanzlerschaft
Um vor dem Volke seinen Staatsstreich zu
rechtfertigen, wandte sich der neue „Reichs-
kanzler Wolfgang Kapp" in einem Aufruf
an die Bürger. Er versprach, ein von ihm
aufgestelltes Reformprogramm zu verwirkli-
chen und dann Neuwahlen zum Reichstag
durchzuführen. Einige seiner Programmpunkte
lauteten:
„Die Regierung wird die Kriegsanleihen als
gerechte Gegenleistung für treu erfüllte
vaterländische Pflicht sicherstellen und ihre
demnächstige Rückzahlung einleiten . . .
Die Regierung wird Streiks und Sabotage
rücksichtslos unterdrücken. Gehe jeder fried-
lich seiner Arbeit nach. Streik ist Verrat am
Volk, an Vaterland und Zukunft . . .
Die Regierung wird für die das Vaterland
gegenwärtig mit der Waffe schützenden Sol-
daten und ihre Angehörigen nachdrücklich
sorgen . . .
Die Regierung wird ... die nationale und
religiöse Erziehung wiederherstellen . . ."
In diesen Absichtserklärungen kamen deutlicii
die rechtskonservativen Tendenzen der Put-
schisten zum Ausdruck. Manche Formulierun-
gen klincjen wie eine Vorwegnahme der Hit-
ierschen Regierungserklärung vom 24. März
1933.
Fern von der Hauptstadt, ohne funktionie-
rende Exekutivgewalt und militärische Macht,
konnte die rechtmäßige Reichsregierung sich
nur an das deutsche Volk um Unterstützung
gegen die Putschisten von Berlin wenden. Sie
taf dies durch Aufrufe zu Widerstand und
Ungehorsam gegen die Anordnungen der Auf-
rührer und erinnerte Beamten und Soldaten
an ihre Loyalitätspflicht gegenüber der ver-
fassungsmäßigen Reichsgewalt. Die Wirkung
dieser Appelle blieb nicht aus. Die hohe Mini-
sterialbürokratic verweigerte Kapp und seiner
„Regierung" die Dienstleistung, die Reichs-
bank lehnte es ab, auf Anweisung der Put-
schisten Geld auszuzahlen. Maßgebende
Reichswehroffiziere, darunter die Generale
Reinhardt, von Seeckt, 01dershau?en und von
Oven, weigerten sich, mit Lüttwitz zusammen-
zuarbeiten. Die entscheidende Hilfe erhielt
die verfassungsmäßige Reichsregierung jedoch
von den Gewerkschaften. Diese riefen den
IlllllllillllllllllllllllillllllllllllllllllllllillllllJJIIIIillllllJIIJIIJllllJllllllitJilJlllllllllill^
MilffiifPI^PPfPPWP
MMU
^MiA^AA*
Zum 200. Geburtstag von Beethoven, Hegel und Hölderlin gibt die Deutsche Bundespost am
20. März diese drei Gedenkmarken heraus.
Schweden, von wo er erst zwei Jahre später,
im Frühjahr 1922, nach Deutschland zurück-
kehrte, um sich dem Reichsgericht zu stellen.
Sein Putsch war gescheitert, die Weimarer
Republik hatte ihren ersten großen inneren
Notstand glücklich überwunden.
Als die „Brigade Ehrhardt" am Abend des
17. März 1920 wieder aus Berlin abgezogen
war, kehrte üie Reichsregierung von Stuttgart
in die Reichshauptstadt zurück. Vor der Ver-
fassunggebenden Nationalversammlung rech-
neten Reichskanzler Bauer und der SPD-Ab-
geordnete Philipp Scheidemann scharf mit
den Putschisten und ihren Hintermännern ab.
Sie forderten strengste Bestrafung der Meu-
terer und die Entlassung aller unzuverlässi-
gen Offiziere und Mannschaften. In ihre Kritik
bezogen sie auch den Reidiswehrminister ein.
Sie warfen Noske mangelndes Durchsetzungs-
vermögen und zu große Vertrauensseligkeit
gegenü'oer dem Of'fi/iorkorps vor. Der Mini-
ster zog daraus die Folgerungen und erklärte
seinen Rücktritt. Die Sozialdemokratie be-
raubte sich damit eines ihrer wichtigsten und
besten Männer und mußte fortan die Leitung
des Wehrressorts Vertretern der bürgerlichen
Parteien überlassen. Der Chef der Heereslei-
tung, General Reinhardt, erklärte sich mit
Noske solidarisch und nahm ebenfalls seinen
Abschied. Nachfolger wurde der wenig repu-
blikfreundliche General von Seeckt. Eine Un-
tersuchung des Verhaltens von Offizieren und
Mannschaften wahrend der vier Tage des
Kapp-Putsches führte zur Entlassung von
rund 170 Offizieren, Unteroffizieren und Mann-
schaften. Reichspräsident Ebert sorgte dafür,
daß die am Staatsstreich Beteiligten von or-
dentlichen Gerichten abgeurteilt und Über-
griffe von regierungstreuen Soldaten gegen
eidbrüchige Offiziere vermieden wurden.
Die Reichswehr blieb . . .
So rasch der Putsch auch zusammengebro-
chen war, so wenig folgte ihm ein Wieder-
erstarken der demokratischen Kräfte in
Deutschland. Die Reichsregierung blieb wei-
terhin auf die Hilfe der Reichswehr und ihrer
Führer angewiesen, denn im Ruhrgebiet hat-
ten die Kommunisten den allgemeinen Streik
für einen Aufstand ausgenützt. In Düsseldorf,
Essen, Mühlheim und anderen Städten hatten
linksradikale Elemente die Macht an sich
gerissen und versuchten, die steckengeblie-
bene Revolution von 1918/19 noch einmal in
Gang zu bringen. Es bildete sich eine gut
bewaffnete „Rote Armee", die über 60 000
Mann zählte, unter ihnen sehr viele ehemalige
Offiziere, Unterführer und Mannschaften aus
dem Weltkrieg. Da die örtliche Gewalt dieser
Aufrührer nidit Herr wurde, mußte schließlich
am 2. April 1920 Reichswehr ins Ruhrgebiet
einrücken und den Aufstand blutig nieder-
schlagen. Ebenso waren Verbände der Reichs-
wehr nötig, in Mitteldeutschland die vom
Kommunistenführer Max Holz ausgerufene
Räterepublik zu liquidieren.
Da durch diese Umstände die Reichsregie-
rung immer wieder auf die Unterstützung und
das Wohlwollen der Reichswehr angewiesen
war, mußte sie mit den militärischen Teilneh-
mern des Kapp-Putsches verhältnismäßig mil-
de verfahren, was ihre Autorität nicht er-
höhte.
Kapps Revolte hatte mit einem Schlage er-
hellt, was bisher nicht klar gesehen worden
war: wie weit sich seit den Wahlen zur Natio-
nalversammlung im Januar 1919 ein großer
Teil der Bevölkerung von der Republik abge-
wandt hatte, wie lange und wie ungestört man
bei der radikalen Rechten mit dem Staats-
streich gespielt hatte und wie ausgedehnt die
Unterstützung — von der wohlwollenden
Neutralität bis hin zur aktiven Teilnahme —
war, welche sie von der Reichswehr audi in
einem möglichen Wiederholungsfalle erwarten
durfte.
Und dieser Fall kam.
Aus dem Maximilianeum — Kommentar zur bayeri-
schen Landespolitik / Von Bernhard Ocker (13.20
BR 1)
Gespräch mit jungen Politikern (14.30 SWF 2)
Osteuropa und wir / Berichte, Kommentare und
Meinungen (15.30 BR 2)
»ro & Contra ; Aktuelles aus
Politik (19.15 BR-St)
Wo uns der Sdiuh drückt ' Es spricht der Regle-
rende Bürgermeister von Berlin, Klaus Schütz (19.20
SFB-F)
Politische Bücher: Lebensläufe und Erinnerungen
(22.05 NDR WDR 1)
Sonntag, 22. März
Dokumente neuen Denkens: Das Polen- und Viet-
nammemorandum des Bensberger Kreises / Von
Reinhold Lehmann (9.00 SR 2)
Politisches Tagebuch Von Johannes Gross (10.05 -
19.05 DW)
Politik für Nichtpolitiker: Wissenschaft / Es spricht
Prof. Dr. Georg Picht (11.00 SDR 2)
Frankfurter Gespräch (11 30 HR 1)
Ortszeit ' Berichte aus fünf Kontinenten (11.30 ZDF)
internationaler Frühschoppen / Sechs Journalisten
nus fünf Ländern an einem Tisch ' Gastgeber: Wer-
ner Höfer (12.00 WDR 2: DF; NDR 2; RB 2; SFB 2;
SDR 2)
Ein Wort zur Politik (13.10 SWF 1)
Die Straßen nach Jerusalem — Eine Reise ins Jahr
5730 ' Von Erwin Behrens (13.45 WDR 2)
Wie gerecht sind Steuern? Eine kritische Analyse /
Von Charlotte Rothweiler (15.30 SFB 2)
Wo uns der Schuh drückt / Es spricht der Regie-
rende Bürgermeister von Berlin, Klaus Schütz
(17 ,5 SFB 1: 19 40 RIAS H-2)
Deutschland und die Welt / Ein Bericht von Rein-
hard Appel (18.05 DLF)
Hamburg wählt sein Parlament / Berichte und
Ergebnisse von der Bürgerschaftswahl (18.15 NDR 2;
19.00 ZDF; 20.15 NDR/RB/SFB-F; 21.15 NDR-WOR 1
• RB 1; 21.45 DF; 21.50 ZDF; 22.05 DLF)
Weltspiegel Auslandskorrespondenten berichten
(19.00 DF)
Wachablösung east of Suez — Empire im Rückzug ^
Film von James Cameron (19.15 WDR-F)
Bonner Perspektiven Informationen und Meinun-
gen aus der Bundeshauptstadt (19.55 ZDF)
Kredit für Kontinente: 2) Das Märchen von den
milden Gaben — Türkei (20.15 HR-F)
Impulse: Zur Bildungspolitik (23.10 ZDF)
Montag, 23. März
Unter der Schwelle der Anerkennung — Kontakte
zwischen den beiden Teilen Deutschlands (8.15-
17.15 DW)
Hilfe durch Organisationen: Die Bürgerrechtsbewe-
gung in den USA (9.00 HR 2)
Grüne Insel ohne Frieden: Irland (9.00 RB 1)
„Das Votum" — Wahlsysteme in aller Welt (10.00
RIAS 1-2)
Schweden und seine Neutralität (10.05 HR 1)
Management einer Regierung: Von Globke zu
Ehmke — neue Führungsmethoden im Palais
Schaumburg Von Hans-Eberhard Friedrich und
Paulheinz Middelsdorf (11.00 HR 2)
Bonner Perspektiven ' Informationen und Memun-
gen aus der Bundeshauptstadt (11.05 ARDZDF-V)
Weltspiegel Auslandskorrespondenten berichten
(19.00 ARD ZDF-V)
Schmelztiegel Israel / Statistisches über die israeli-
sche Gesellschaft / Vpn Pinchas E. Lapid (15 05 DLF)
Die islamische Republik Pakistan (15.30 SFB 2)
Aus der Landesgeschichte von Nordrheln-Westfalen
/ Die Gemeinden und der Nationalsozialismus:
8) Bombenkrieg und Zerstörung / Von Horst Mat-
zerath (16.15 WDR 2)
Wurzeln des Antisemitismus / Von Elisabeth Bacht-
ier (17.45 BR 2)
Gleiche Chancen — auch für Minderheiten / Sozial-
gesetz und Menschlichkeit: 2) Möglichkeiten parla-
mentarischer Arbeit ' Eine Sendung mit Irmgard
Bach Partner: Liselotte Funke, FDP, und Maria
Jacobi, CDU (19.20 RB 2)
1 X 1 der Politik: 11) Der Haushalt (19.30 HR-F)
Gestern — heute — morgen / interessantes aus
Politik und We'tgeschehen (19.45 HR 2)
Das Volk, das sterben muB / Bericht über die
brasilianischen Indianer / Von Karl Brugger (20.00
WDR 3)
Report Berichte zu Nachrichten von gestern und
morgen (20.15 DF)
Wettkampf der Systeme Beiträge zur Auseinander-
setzung zwischen Ost und West (21.45 NDR 'WDR 1)
Dienstag, 24. März
Blickpunkt / Analysen, Dokumente, Kommentare
(8.45 1 17.45 DW)
Die islamische Republik Pakistan (9.05 SFB 1)
Die letzten Tage des SS-Staates Eugen Kogon
berichtet (15.30 RB 2)
Potsdam — gestern und heute ' Von Traute Hell-
berg (20.05 DLF)
Menschen in Lagos — Porträt einer afrikanischen
Großstadt Von Klaus Stephan (20.15 BR-St)
Filme im Dritten Reich — Exkurs zur propagan-
distischen Massenführung: Das perfide Albion
Von Gerhard Schoenberner (20.15 HR-F)
Politik in fünf norddeutschen Ländern Leitung
Rudolph Borchers / Unter anderem: 1) Volks-Vertre-
tung? 2) Jungwählerverhalten .' Nach oer Wahl in
Hamburg Von Birgit Jurisch (20.15 NDR RB SFB-F)
Politik, Wirtschaft, Ideologie
Ost-West-Forum
(20.30 HR 1)
Was Ist sozialistischer Realismus? / Eine Diskus-
sion zur Kulturpolitik in der DDR mit Walter
Boehlich. Ulrich Gembardt, Yaak Karsunke, Peter
Laudan und Gerhard Reitschert (20.45 NDR/WDR 1)
Deutsche Politik in den siebziger Jahren: Vil. Welche
Möglichkeiten hat die deutsche AuBenpoIrtik?
Von Hans Dietz (20.45 SDR 1)
Politische Bildung und Massenkommunikation /
Von Heinz Schlicht (21.15 SR 2)
Der WeltspJegel / Berichte von Auslandskorrespon-
denten (22.00 BR 1)
Abkürzungen für die Sender und Ihre Programme:
ARD/ZDF-V = Fernsehen Gemeinschaftsprogramm
1. und 2. Fernsehen am Vormittag
BR ■=■ Bayerischer Rundfunk
BR-St — Bayerischer Rundfunk Fernsehen — Stu-
dienprogramm
DF — Deutsches Fernsehen Gemeinschaftsprogramm
(ARD)
DLF «= Deutschlandfunk
DW - Deutsche Welle (Deutsches Programm
Europa)
HR «. Hessischer Rundfunk
HR-F - Hessischer Rundfunk Fernsehen — 3. Pro-
gramm
NDR - Norddeutscher Rundfunk
NDR/RBSFB-F — 3. Fernsehprogramm des Nord-
deutschen Rundfunks. Radio Bremens und des Sen-
ders Freies Berlin
RB = Radio Bremen
RIAS = RIAS Berlin
SR "» Saarländischer Rundfunk
SFB «= Sender Freies Berlin (1 = Hauptprogramm;
2 ■" Gemeinschaftsprogramm; SFB/NDR und Wo-
chenendprogramm)
SFB-F — Regionalprogramm Fernsehen des SFB
SDR - Süddeutscher Rundfunk
SWF ■= Südwestfunk
WDR = Westdeutscher Rundfunk
WDR-F — Westdeutscher Rundfunk Fernsehen
3. Programm
ZDF -. Zweites Deutsches Fernsehen
Hörfunk — 1 - 1. Programm
2 — 2. Programm
3 — 3. Programm
' t
^ ■■■
' / /
Jtott o3«Td)er 3eJtimg
FEUILLETON
Freita«, t3. Febnww W70 Fernausgabc Nr. « f3
« Schauplatze»
Zw emem Buch von Heinrich Wiesner
Heinrich Wiesner stammt aus dem Baselbiet.
Er wurde 1925 als Sohn eines Bauern geboren
und lebt heute als Lehrer in Reinach bei Basel.
Seine entscheidenden Kindheits- und Jugenderleb-
nisse fallen also in die Zeit des deutschen Natio-
nalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs — für
die Schweiz: die Zeit des «Frontenfrühlings» und
der «Geistigen Landesverteidigung», der Grenz-
besetzung und der «Anbauschlacht». Celestino
Piatti hat für den Umschlag seines neuen Prosa-
buches «Schauplätze», das im Diogenes-Verlag,
Zürich, erschienen ist, einen eingerollten Igel mit
einer kleinen Schweizer Fahne und einer ebensol-
chen Hakenkreuzfahne gezeichnet. Damit ist das
Thema dieser «Chronik», wie sich das Werk im
Untertitel nennt, gegeben. «Zwölf Jahre ist das
nun doch her. Da geht einem manches unter.»
Das sagt die Mutter, nachdem der Krieg zu Ende
ist; sie möchte wissen, wo die deutschen Ferien-
buben geblieben sind, die früher einmal auf den
Bauernhof kamen. Einer von ihnen hieß Adolf.
Zwölf Jahre! Der Verfasser dieser Chronik weiß,
wie rasch man vergißt. Er versucht, von dem
«manchen», das schon untergegangen ist, einiges
wieder heraufzuholen und im Bericht festzuhalten.
In seinen frühen Gedichten war Wiesner auf
der Suche nach einer Welt unzerstörter Innerlich-
keit — «Der innere Wanderer» heißt eines seiner
Bändchen. Aber Innerlichkeit steht nicht mehr
hoch im Kurs. Wiesner zog daraus seine Kon-
sequenzen. In aphoristischen Texten — «Lakoni-
schen Zeilen» — erprobte er das intellektuelle
Bewußtsein durch die Sprache, gegen die Undeut-
lichkeiten des «reinen Gefühls». Die Arbeiten er-
schienen in Deutschland und fanden Leser. Der
Schritt zur großen Prosa, den er jetzt getan hat,
führt ihn vom «objektiven» Standpunkt des Apho-
ristikers zurück zur Subjektivität seines privaten
Schicksals. Aber nun ist der Mensch für ihn kein
Vereinzelter mehr, sondern ein soziales Wesen.
Die Begegnung mit der eigenen individuellen Ver-
gangenheit wird zur Begegnung mit einem Stück
kollektiver Vergangenheit, mit der «Zeitge-
schichte». Wiesner reiht sich damit unter die
deutschschweizerischen Autoren der mittleren und
jüngeren Generation ein, die das gesellschaftliche
Engagement der deutschen — und natürlich nicht
nur der deutschen — Nachkriegsliteratur auf ihre
Art fruchtbar zu machen suchen: mit ihren Er-
fahrungen, mit ihrem MateriaL
«Eine Chronik»: darin liegt der Verzicht auf
belletristische Ambitionen, darin liegt aber auch
ein dokumentarischer Anspruch. Wiesner rekon-
struiert das Bild der Schweiz zwischen 1933 und
1945. «Das» Bild? Nein, es ist «ein» Bild, eines
von vielen, die möglich sind. Wiesner schreibt
aus der Perspektive des Mitlebenden, eines acht-
bis zwanzigjährigen Bauernbuben aus dem Basel-
biet, aus der Perspektive seiner Erinnerung. Das
schlägt sich zunächst in der Darbietung der Fak-
ten nieder: Röhm ist ein Mann, der in der Fa-
milienillustrierten abgebildet ist, gemütlich aus-
sieht und ein Doppelkinn hat; die Kriegsmobil-
machung äußert sich darin, daß ein Motorrad-
fahrer den Vater vom Feld wegruft; der Ruß-
landfeldzug der Deutschen zeigt sich als Steck-
nadeln mit bunten Köpfen auf einer Landkarte,
aber auch in der Mitteilung des Schuldirektors
an die Seminaristen, ein ehemaliger Kamerad sei
«in Rußland irgendwo» gefallen. Wiesner teilt
diese Dinge in einem Stil mit, der seinerseits den
Denk- und Sprachgewohnheiten des deutsch-
schweizerischen Durchschnittsbürgers zu folgen
versucht. Es sind kurze, einfache Sätze mit vielen
Wiederholungen, scheinbar unbeholfen oft, durch-
setzt von Wendungen einer kennzeichnend schwei-
zerischen Schriftsprache mit dialektäfaa Ele-
menten, naiv und in ihrer Naivität sachl^. Zum
Beispiel: Die Soldaten «schössen im Berg»; die
Rakete versprüht «mit einem Klapf». Sehr oft
läßt Wiesner die Gestalten seiner Erinnerung —
Vater, Mutter, Onkel, Kollegen — in indirekter
Rede selber zum Wort kommen, manchmal ist es
geradezu das Kollektiv selber, das spricht: «Man
hat gesagt, unser General hat das Reduit geschaf-
fen. Man hat gesagt, unser General hat gesagt.
Man hat gesagt: Unser General.» Oder es ist die
Sprache des Gedruckten, das der Bürger zur
Kenntnis nimmt und die sich unmittelbar nieder-
schlägt, Zeitungsstil, Stil der Handbücher, Re-
glemente, Verordnungen: «Am 20. Juli übertraten
Tn der Gegend von St-Ursanne Truppen in der
Stärke von 28 000 Mann, davon 16 000 Polen mit
7800 Pferden, die Schweizer Grenze.» Die Sprache
des Schriftstellers sucht sich mit dem Gegenstand
der Erzählung zu identifizieren. Sie will nicht be-
reden, sondern bezeugen.
Der Unterschied zu einer rein dokumen-
tarischen Literatur liegt darin, daß Wiesner diese
Identifikation nicht konsequent durchführt. In
Alexander Kluges «Schlachtbeschreibung» ver-
spricht der Schriftstener nicht «aus» der 2^it der
Kriegsjahre, sondern darüber. In solchen Passagen
verändert sich deshalb auch die Sprache. Sie wird
lehrhaft. Sie beredet die Dinge. Das ist kein Argu-
ment gegen die Sache selber. Es gab tatsächlich
eine humanitäre und eine amtliche Schweiz. Aber
es macht deutlich, daß sich der Stil Wiesners,
genau gleich wie seine sachliche Dokumentation,
zwei verschiedenen Ebenen zuordnet.
Daß man bei der Lektüre dieses Buches dann
und wann ein unbefriedigendes Gefühl empfin-
det und bei allem Positiven, das man darüber
sagen möchte, doch zögert, es in allen Teilen als
gelungen zu bezeichnen, liegt, glaube ich. darin,
daß diese beiden Ebenen zu oft und zu deutlich
auseinandertreten. Die jüngste Vergangenheit
unseres Landes, von der man gewiß zu Recht ge-
sagt hat, auch sie sei in manchem noch «unbewäl-
tigt», und die Geschichte des jungen Heinrich
Wiesner besitzen viele gemeinsame Punkte. Man
könnte sich vorstellen, daß von einem solchen
Punkt aus die Bewältigung der eigenen Kindheit
und Jugend als Bewältigung der «nationalen»
Vergangenheit möglich wäre. Aber Wiesner hat
den Bogen weiter gespannt — zu weil, wie mir
scheint. Wem wäre es schon zuzumuten, auf zwei-
hundert Seiten zugleich mit einem entscheidenden
Jahrdutzend des eigenen Lebens und jenem
schwierigen Kapitel unserer modernen Geschichte
so ganz und gar ins reine zu kommen, daß sie
zur Einheit zusammenwachsen? Der Gegenstand,
den sich Wiesner vorgenommen hat, war zum
mindesten auf der einen Seite — derjenigen des
Kollektiverlebnisses — zu groß. Kein Wunder,
daß er sich im Lauf der Erzählung immer wieder
selbständig macht. Wenn das aber so ist, stellt
sich das erzählerische Unternehmen selber in
Frage. Dann muß an die Stelle der als literari-
sches Werk konzipierten «Chronik» in der Tat
die reine Dokumentation treten. Alice Meyer,
Häsler, der Bonjour-Bericht sagen dann mehr —
und sie sagen es oft auch besser — als Wiesner.
Ist «Schauplätze» ein mißratenes Buch? Nein.
Es ist ein wichtiges Buch. Es ließen sich ohne
Schwierigkeiten zahlreiche Sätze, Seiten, Ab-
schnitte anführen, in denen die trockene Formu-
lierungskraft Wiesners, seine Vorstellungsgabe,
seine Kunst, Erinnerung im Kleinen und Klein-
sten lebendig zu machen, völlig überzeugend zu
sich selber gekommen sind. «In Tecknau wech-
selte der rote Vorstandshut alle paar Jahre den
Kopf.» So etwas sitzt im Ziel. Und es steckt mehr
«Information» über unsere Gesellschaft in dem
einen Bild als in umständlichen Reflexionen. Die-
ses schriftstellerische Metier, das bei Wiesner ge-
rade im Detail zum Ausdruck kommt, ist das eine.
Sein Verdienst ist es aber auch, den Gegenstand
seines Buches wenn nicht «bewältigt», so eben
doch «bearbeitet» zu haben. Unsere jüngste Ge-
schichte ist tatsächlich ein Brocken, mit dem sich
die schweizerische Literatur auseinandersetzen
muß. Wiesner hat einen Entwurf vorgelegt, er
zeigt Möglichkeiten und Ansatzpunkte. Er hat
den Gegenstand umrissen. Nicht alles ist ihm ge-
lungen, aber doch manches. Das ist keine geringe
Leistung. Man soll es zur Kenntnis nehmen.
Und nun noch ein kleiner Nachtrag. Von
Heinrich Wiesner weiß der Klappentext zu seinem
neuen Buch zu berichten: «Dem Aphoristiker, der
als „heutiger Lichtenberg der Schweiz" bezeichnet
wurde, geht es in seiner neuen Arbeit um das Er-
zählen.» Es wird wohl so sein, daß sich irgendein
Rezensent der «Lakonischen Zeilen» diese hilf-
lose Formel — der richtige, der einzige Lichten-
berg wäre der «gestrige»? — geleistet hat. Aber
warum wiederholt man sie? Daß Verlage ihre
Autoren im Stil von Waschmittel- und Auto-
reklamen anpreisen, ist leider längst üblich ge-
worden. Aber Heinrich Wiesner hat das nicht
^<^'"^*'^"^- Manfred Gsteiger
Eine Bibliographie jiidaistischer Studien
Es ist eine wahre Freude, an dieser Stelle eine
Schrift anzuzeigen, welche, wie es im Jargon der
Rezensenten gewöhnlich heißt, aber in diesem
Falle wirklich wahr ist, eine Lücke in der Organi-
sation unserer wissenschaftlichen Bestrebungen
ausfüllt. Die <cMaf^nes-Presse», der offizielle Ver-
lag der Hebräischen Universität in Jerusalem, hat
soeben einen < Index of Articles on Jewish
Studiesj^ herausgegeben, welcher es unternimmt,
für das Jahr 1966 alle wissenschaftlichen Studien
zu verzeichnen, die das Judentum in allen seinen
Verzweigungen betreffen (mit alleiniger Aus-
nahme der hebräischen Dichtung, die von Pro-
fessor J. Shirmann schon jährlich an anderer
Stelle verzeichnet wird). Herausgeber dieser, wie
wir gleich sehen werden, sehr umfangreichen
bibliographischen «Studies» ist Issachar Jod, der
seit sehr vielen Jahren die Verantwortung für
die bibliographische Vierteljahrsschrift ^Kirjat
Sepher» trägt, welche das Organ der Jüdischen
National- und Universitätsbibliothek in Jerusalem
ist.
Als die Leitung dieser Bibliothek 1924 dem
Drängen junger Bibliographen und Historiker
(S. Assaf, B. Dinaburg, L. A. Mayer, G. Scholem),
die damals nach Palästina eingewandert waren,
nachgab und das Risiko der Herausgabe einer
bibliographischen Viertel jahrsschrift «Kirjat Se-
pher» übernahm — «Kirjat Sepher», die Stadt
des Buches, ist der biblische Name für D'wir in
Josua 15, Verse 15, 16; und Buch der Richter,
1, 12 — , geschah dies ohne viele Hoffnung, daß
die Bibliothek imstande sein würde, das begon-
nene Werk lange aufrecht zu halten. Die ^Zeit-
schrift für hebräische Bibliographie», in Frankfurt
herausgegeben von Ch. Brody und A. Freimann,
welche die längste Lebensdauer unter den Zeit-
schriften dieser Art gehabt hatte, war 1921 den-
noch eingegangen, und es war wohl dieser Ver-
lust, welcher der nächste Anlaß zur Gründung
von «Kirjat vSepher» war. Aber würde sich der
neue Versuch in Jerusalem, das damals, 1924, so
fern von allen Zentren des Wissenschaftsbetriebs
war (die Hebräische Universität ist erst ein Jahr
später gegründet worden), halten lassen? Daß der
Traum Wirklichkeit wurde und «Kirjat Sepher»
seit 1924 regelmäßig erscheint, ist wohl vor allem
das Werk von 7. Joel, der wenige Jahre nach der
Gründung die Redaktion übernahm und sich
einen Stab von Mitarbeitern herangebildet hat.
Der uns vorliegende «Index von Artikeln auf
dem Gebiete der Wissenschaft des Judentums»
unternimmt es, wie gesagt, alle Artikel, welche
im Jahre 1966 (jüdisches Jahr 5726) erschienen
sind, in einer klassifizierten Ordnung zu verzeich-
nen. Wie riesenhaft ein solches Unternehmen
war, möge die Tatsache illustrieren, daß nach
den Angaben von Dr. Joel 7000 Zeitschriften für
das vorliegende Buch durchgesehen werden
mußten.
Untertiteln: «Messianismus», «Zeitgenössische
Diskussionen», «Judentum und Christentum und
andere Religionen», «Mystik und Kabbalah»,
«Chassidismus», «Ethik», «Religiöse Strömun-
gen»; VII. Liturgie (der Abschnitt über die Ge-
bete ist überraschend kurz ausgefallen, was natür-
lich nicht die Schuld der Herausgeber ist); VIII.
Literatur einschließlich jiddischer Literatur (an-
gesichts der oben zitierten Bemerkungen des Vor-
wortes über die Arbeit von Shirmann ist dem
Referenten nicht klar geworden, welche Studien
hier verzeichnet wurden und wo die Grenze ver-
läuft); IX. Sprache (mit Unterabschnitt über Jid-
disch, Ladino und andere judaisierte Dialekte).
In diesem Kapitel findet sioh in einer sehr über
sichtlichen alphabetischen Anordnung ein Ver-
zeichnis einzelner Wörter, welche im Berichts-
jahre Gegenstand wissenschaftlicher Untersu-
chungen waren; auch ein Unterabschnitt über
modernes Hebräisch; X. Jüdische Geschichte (ein-
schließlich Antisemitismus. Juden in der allge-
meinen Literatur, Demographie); XI. Kulturelles
Leben (Folklore, Kunst, Musik, Erziehung, Medi-
zin); XII. Staat Israel (einschließend solche Un-
terabschnitte wie Religion, Kibbuz, Erziehung,
Araber).
Es folgen die bei einem solchen Buche be-
sonders wichtigen Indices; ein Index nach Auto-
ren und ein Index nach Gegenständen, Hiebci
sind, was unvermeidlich war, hebräische und
nichthebräische Autoren getrennt und auch der
Sachindex, der die Namen von Personen, Ländern
und Büchern enthält, mußte in zwei Alphabeten
angeführt werden. Dies muß der Leser immer in
Erinnerung behalten, wenn er die Bibliographie
richtig benützen will: er muß immer in zwei
Alphabeten nachsehen. Wenn also jemand wissen
will, welche Artikel über die Juden in Oesterreich
zum Beispiel (hebräisch: Austria) und welche
Artikel über die Juden in Australien erschienen
sind, muß er im hebräischen und im nichthebräi-
schen Alphabet nachsehen, er wird dabei die
Entdeckung machen, daß Oesterreich (Austria)
sich nur im hebräischen Teil findet, weil es sich
um einen jiddischen Artikel handelt und Jiddisch
mit hebräischen Buchstaben gedruckt wird, wäh-
rend das Wort «Australia» sich nur im Index der
lateinischen Buchstaben findet. Solche Anomalien
waren wohl unvermeidlich, hätten aber dem Leser
nicht nur hebräisch, sondern auch englisch mit-
geteilt werden müssen.
Dazu kommt noch dies, daß die Herausgeber,
wie sie selbst in einer nur hebräisch erscheinen-
den Vorbemerkung sagen, nicht konsequent wa-
ren: die laufenden Zahlen der Eintragungen
hebräischer Bücher werden im hebräischen Index
angeführt, die laufenden Zahlen der nichthebräi-
schen im nichthebräischen Index, wenn aber über
einen gewissen Gegenstand Artikel hebräisch und
nichthebräisch erschienen sind, «haben wir kein
einheitliches System verfolgt: bisweilen haben wir
Kunst in Zürich
Curt Manz, Walter Meier, Marco Richterich
im Wolfsberg
r. Mit einer bewundernswerten Stetigkeit er-
neuert sich bei dem seit 1920 in Frankreich leben-
den Curt Manz, der vor der Vollendung des sie-
benten Lebensjahrzehnts steht, die Freude am
empfindungsreichen Schauen. Es steht im Ein-
klang mit einem meisterlichen Können, das die
Einzelheiten der Umwelt aufblühen, die Natur-
räume sich weiten und die Jahreszeiten in ihrer
farbigen Atmosphäre sich entfalten läßt. Ein
Hauch des Irrealen schwebt über den Tälern und
Landstädten, sogar bis in die Pariser Seineland-
schaft hinein, auch über einem lichten Gehölz,
einer Allee oder einem Gehöft. Farbklänge und
Tonwerte werden zur Einheit dank der Eindring-
lichkeit der äußerst kultivierten Naturbetrachtung
und der Subtilität der malerischen Phantasie. Auch
bei den Blütenzweigen vor seidenen Draperien
und bei den Fischen und Muscheln wird die Sin-
nenhaftigkeit des Kolorits, wie auch das vibrie-
rende Leben der Pinselschrift, von einem persön-
lichen Feingefühl getragen.
Gut zwei Jahrzehnte jünger als Curt Manz ist
der ebenfalls aus Zürich stammende, aber im
Welschland geschulte Walter Meier. Er ordnet
alles Dargestellte, frei rhythmisiert, in eine stark-
farbige oder diffus-helle Bildfläche ein und läßt
kühnes Gelb, Orange, Hellrot mit Dunkelblau
oder Schwarz kontrastieren. Während Sonnenblu-
men, bunte Sträuße und gefestigte Stilleben die
Bildmitte beherrschen, erscheinen dunkle Boote,
Netzflickerinnen und wartende Fischerfrauen am
oberen Bildrand über tonlich differenzierter Frei-
fläche. Im Nebenraum zeigen Walter Meiers
Aquarelle eine gelockerte Malweise. — Aus der
Provence komml der 1929 in St. Immer geborene
Marco Richterich mit Oelbildern und Aquarellen
von persönlicher, leicht kapriziöser Faktur. Ein
spiritueller Zug beherrscht die hellen, zeichnerisch
betonten Darstellungen von Baumlandschaften
und Bauwerken, die manchmal von feinem Linien-
gekringel durchwirkt sind. Etwas Illustratives, Ar-
tistisch-Verspieltes ist auch aparten Einfällen wie
«Place de la Mairie» eigen. (Bis 28. Februar.)
Lucio Fontana und Paul Wunderlich
(Galerie Verna & Baltensp erger)
P. Wd. Eine dem Schaffen Lucio Fontanas
(J899 bis 1968) gewidmete Darstellung trägt den
Titel «Segno antidisegno»; die rund fünfzig zo
dieser Ausstellung zusammengetragenen Zeichnun-
gen und Radierungen haben nicht Gestaltung oder
formale Analyse von Sinneseindrücken zum Ziel,
sondern geben nichts Weiteres als das krude, zu-
fällige und isolierte Faktum einer beliebigen Be-
einträchtigung oder Beschädigung eines Werkstof-
fes, Form also, die sich keinem Willen zu fügen
hatte, frei von jeder Regel und Grammatik. Es
genügt die Tatsache, daß der Eingriff die freie
Leere einer weißen Fläche verändert hat, und der-
artigen Ereignissen, welche durch nichts geglie-
dert oder artikuliert sind, gilt Fontanas Aufmerk-
samkeit. Ob aber alle diese «moments» der Auf-
merksamkeit wert sind . . . ?
Der 1927 in Hamburg geborene Paul Wunder-
lich legt einen Bestand von drei Dutzend Oelbil-
dern, Gouachen und Lithographien vor. Raffiniert
und gekonnt strafft oder lockert er den Linien fluß
und die Flächendichte der Figuren, die auf einen
Akt zurückgehen, den er dann aber in mannig-
facher Weise in Stücke zerlegt, in einen starren
und kahlen Raum versetzt und mit einer versach-
lichten FVcmdheit umgibt, so daß selbst das for-
mal Ausgewogene irgendwie pervers anmutet. (Bis
Ende März.)
die folgenden kiitischen Bemerkungen aufgefaßt
werden.
Es kann natürlich nicht verlangt werden, daß
die Herausgeber alle einschlägigen Publikationen
sehen. Eine Bibliographie muß immer ergänzungs-
bedürftig sein, sowie das göttliche Schöpfungs-
werk als Schöpfungswerk unvollkommen sein
muß. Ich habe den Artikel «Buber» als Beispiel
angeführt, weil er mir nahelag. Hier ist zum
Beispiel das Bändchen der Reden, welche die
Hebräische Universität selbst herausgegeben hat,
nicht angeführt worden, ebenso fehlt die Jerusa-
lemer englische Tageszeitung «The Jerusalem
Post» und das deutsche «Mitteilungsblatt», das
trotz dem bescheidenen Namen auf hoher litera-
rischer Stufe steht. Im Verzeichnis der hebräi-
schen Zeitschriften vermißte ich «Sch'demot».
Daß im Berichtsjahre über Kafka zwei Studien
hebräisch und nur eine in deutscher Sprache er-
schienen ist, ist äußerst unwahrscheinlich. (Siehe
z. B. das «Mitteilungsblatt» vom 9. September.)
Aber das sind Kleinigkeiten. Schwerer wiegt, daß
das englische Year Book des Leo Baeck-lnstitutes
(Bd. XI. 1966) nicht benutzt wurde, oder der
«Frcibureer Rundbrief»: beide Quellen sind so-
«manchen», das schon untergegangen ist, einiges
wieder heraufzuholen und im Bericht festzuhalten.
In seinen frühen Gedichten war Wiesner auf
der Suche nach einer Welt unzcrstörter Innerhch-
keit — «Der innere Wanderer» heißt eines seiner
Bändchen. Aber Innerlichkeit steht nicht mehr
hoch im Kurs. Wiesner zog daraus seine Kon-
sequenzen. In aphoristischen Texten — «Lakoni-
schen Zeilen» — erprobte er das intellektuelle
Bewußtsein durch die Sprache, gegen die Undeut-
lichkeiten des «reinen Gefühls». Die Arbeiten er-
schienen in Deutschland und fanden Leser. Der
Schritt zur großen Prosa, den er jetzt getan hat,
führt ihn vom «objektiven» Standpunkt des Apho-
ristikers zurück zur Subjektivität seines privaten
Schicksals. Aber nun ist der Mensch für ihn kein
Vereinzelter mehr, sondern ein soziales Wesen.
Die Begegnung mit der eigenen individuellen Ver-
gangenheit wird zur Begegnung mit einem Stück
kollektiver Vergangenheit, mit der «Zeitge-
schichte». Wiesner reiht sich damit unter die
deutschschweizerischen Autoren der mittleren und
jüngeren Generation ein, die das gesellschaftliche
Engagement der deutschen — und natürlich nicht
nur der deutschen — Nachkriegsliteratur auf ihre
Art fruchtbar zu machen suchen: mit ihren Er-
fahrungen, mit ihrem MateriaL
«Eine Chronik»: darin liegt der Verzicht auf
belletristische Ambitionen, darin liegt aber auch
ein dokumentarischer Anspruch. Wiesner rekon-
struiert das Bild der Schweiz zwischen 1933 und
1945. «Das» Bild? Nein, es ist «ein» Bild, eines
von vielen, die möglich sind. Wiesner schreibt
aus der Perspektive des Mitlebenden, eines acht-
bis zwanzigjährigen Bauernbuben aus dem Basel-
biet, aus der Perspektive seiner Erinnerung. Das
schlägt sich zunächst in der Darbietung der Fak-
ten nieder: Röhm ist ein Mann, der in der Fa-
milienillustrierten abgebildet ist, gemütlich aus-
sieht und ein Doppelkinn hat; die Kriegsmobil-
machung äußert sich darin, daß ein Motorrad-
fahrer den Vater vom Feld wegruft; der Ruß-
landfeldzug der Deutschen zeigt sich als Steck-
nadeln mit bunten Köpfen auf einer Landkarte,
aber auch in der Mitteilung des Schuldirektors
an die Seminaristen, ein ehemaliger Kamerad sei
«in Rußland irgendwo» gefallen. Wiesner teilt
diese Dinge in einem Stil mit, der seinerseits den
Denk- und Sprachgewohnheiten des deutsch-
schweizerischen Durchschnittsbürgers zu folgen
versucht. Es sind kurze, einfache Sätze mit vielen
Wiederholungen, scheinbar unbeholfen oft, durch-
setzt von Wendungen einer kennzeichnend schwei-
zerischen Schriftsprache mit dialektälMi Ele-
menten, naiv und in ihrer Naivität sachl^. Zum
Beispiel: Die ^Soldaten «schössen im Berg»; die
Rakete versprüht «mit einem Klapf». Sehr oft
läßt Wiesner die Gestalten seiner Erinnerung —
Vater, Mutter, Onkel, Kollegen — in indirekter
Rede selber zum Wort kommen, manchmal ist es
geradezu das Kollektiv selber, das spricht: «Man
hat gesagt, unser General hat das Reduit geschaf-
fen. Man hat gesagt, unser General hat gesagt.
Man hat gesagt: Unser General.» Oder es ist die
Sprache des Gedruckten, das der Bürger zur
Kenntnis nimmt und die sich unmittelbar nieder-
schlägt, Zeitungsstil, Stil der Handbücher, Re-
glemente, Verordnungen: «Am 20. Juli übertraten
\n der Gegend von St-Ursanne Truppen in der
Stärke von 28 000 Mann, davon 16 000 Polen mit
7800 Pferden, die Schweizer Grenze.» Die Sprache
des Schriftstellers sucht sich mit dem Gegenstand
der Erzählung zu identifizieren. Sie will nicht be-
reden, sondern bezeugen.
Der Unterschied zu einer rein dokumen-
tarischen Literatur liegt darin, daß Wiesner diese
Identifikation nicht konsequent durchführt. In
Alexander Kluges «Schlachtbeschreibung» ver-
nehmen wir nur noch die Dokumente selber; das
literarische Werk ist eine Montage geworden,
sein Stil ist nicht nur ein Spiegel der Ereignisse,
sondern deren unmittelbarer Niederschlag. Bei
Wiesner bleibt die Fiktion des Erzählers trotz
allem gewahrt. Der Abstand zwischen dem Da-
mals und dem Heute ist nicht aufgehoben. Ge-
wahrt bleibt aber auch die kritische Distanz des
Zeitgenossen zur jüngsten Geschichte: Der
Schriftsteller Wiesner hat sich im nachhinein
über die Zeit zwischen 1933 und 1945 unterrich-
tet. Man kann sich, um nur ein Beispiel zu nen-
nen, einzelne Stellen seines Buches ohne den Lud-
wig-Bericht nicht vorstellen. Wiesner meint selber:
«Ich habe gehört davon. Ich habe gelesen davon.
Aber eigentlich habe ich nichts gewußt. Ich habe
nicht gewußt, daß es die humanitäre Schweiz und
die amtliche Schweiz gegeben hat. Ich habe nicht
gewußt, daß man einen Unterschied machte zwi-
schen politischen Flüchtlingen und Flüchtlingen,
die von Politikern verfolgt wurden . . .» Hier
ugend als Bewältigun;
genheit möglich wäre.
ogen weiter gespannt
t. Wem wäre es schon zu! _^^^^
liunücrt Seiten zugleich mit einem entschcidenJeii
Jahrdutzend des eigenen Lebens und jenem
schwierigen Kapitel unserer modernen Geschichte
so ganz und gar ins reine zu kommen, daß sie
zur Einheit zusammenwachsen? Der Gegenstand,
den sich Wiesner vorgenommen hat, war zum
mindesten auf der einen vSeite — derjenigen des
Kollektiverlebnisses — zu groß. Kein Wunder,
daß er sich im Lauf der Erzählung immer wieder
selbständig macht. Wenn, das aber so ist, stellt
sich das erzählerische Unternehmen selber in
Frage. Dann muß an die Stelle der als literari-
sches Werk konzipierten «Chronik» in der Tat
die reine Dokumentation treten. Alice Meyer,
Und nun noch ein kleiner Nachtrag. \on
Heinrich Wiesner weiß der Klappentext zu seinem
neuen Buch zu berichten: «Dem Aphoristiker, der
als „heutiger Lichtenberg der Schweiz** bezeichnet
wurde, geht es in seiner neuen Arbeit um das Er-
zählen.» Es wird wohl so sein, daß sich irgendein
Rezensent der «Lakonischen Zeilen» diese hilf-
lose Formel — der richtige, der einzige Lichten-
berg wäre der «gestrige»? — geleistet hat. Aber
warum wiederholt man sie? Daß Verlage ihre
Autoren im Stil von Waschmittel- und Auto-
reklamen anpreisen, ist leider längst üblich ge-
worden. Aber Heinrich Wiesner hat das nicht
^^'■^^•^"^- Manfred Gsteiger
Eine Bibliographie judaiHlisclier Sl neuen
Es ist eine wahre Freude, an dieser Stelle eine
Schrift anzuzeigen, welche, wie es im Jargon der
Rezensenten gewöhnlich heißt, aber in diesem
Falle wirklich wahr ist, eine Lücke in der Organi-
sation unserer wissenschaftlichen Bestrebungen
ausfüllt. Die <!cMaf>nes-Presse:», der offizielle Ver-
lag der Hebräischen Universität in Jerusalem, hat
soeben einen €lnäex of Articles on Jewish
Studies» herausgegeben, welcher es unternimmt,
für das Jahr 1966 alle wissenschaftlichen Studien
zu verzeichnen, die das Judentum in allen seinen
Verzweigungen betreffen (mit alleiniger Aus-
nahme der hebräischen Dichtung, die von Pro-
fessor J. Shirmann schon jährlich an anderer
Stelle verzeichnet wird). Herausgeber dieser, wie
wir gleich sehen werden, sehr umfangreichen
bibliographischen «Studies» ist Issachar Joel, der
seit sehr vielen Jahren die Verantwortung für
die bibliographische Viertel jahrsschrift ^Kirjat
Sepher» trägt, welche das Organ der Jüdischen
National- und Universitätsbibliothek in Jerusalem
ist.
Als die Leitung dieser Bibliothek 1924 dem
Drängen junger Bibliographen und Historiker
(S. Assaf, B. Dinaburg, L. A. Mayer, G. Scholem),
die damals nach Palästina eingewandert waren,
nachgab und das Risiko der Herausgabe einer
bibliographischen Viertel jahrsschrift «Kirjat Se-
pher» übernahm — «Kirjat Sepher», die Stadt
des Buches, ist der biblische Name für D'wir in
Josua 15, Verse 15, 16; und Buch der Richter,
1, 12 — , geschah dies ohne viele Hoffnung, daß
die Bibliothek imstande sein würde, das begon-
nene Werk lange aufrecht zu halten. Die «Zeit-
schrift für hebräische Bibliographie», in Frankfurt
herausgegeben von Ch. Brody und A, treimann,
welche die längste Lebensdauer unter den Zeit-
schriften dieser Art gehabt hatte, war 1921 den-
noch eingegangen, und es war wohl dieser Ver-
lust, welcher der nächste Anlaß zur Gründung
von «Kirjat Sepher» war. Aber würde sich der
neue Versuch in Jerusalem, das damals, 1924, so
fern von allen Zentren des Wissenschaftsbetriebs
war (die Hebräische Universität ist erst ein Jahr
später gegründet worden), halten lassen? Daß der
Traum Wirklichkeit wurde und «Kirjat Sepher»
seit 1924 regelmäßig erscheint, ist wohl vor allem
das Werk von J. Joel, der wenige Jahre nach der
Gründung die Redaktion übernahm und sich
einen Stab von Mitarbeitern herangebildet hat.
Der uns vorliegende «Index von Artikeln auf
dem Gebiete der Wissenschaft des Judentums»
unternimmt es, wie gesagt, alle Artikel, welche
im Jahre 1966 (jüdisches Jahr 5726) erschienen
sind, in einer klassifizierten Ordnung zu verzeich-
nen. Wie riesenhaft ein solches Unternehmen
war, möge die Tatsache illustrieren, daß nach
den Angaben von Dr. Joel 7000 Zeitschriften für
das vorliegende Buch durchgesehen werden
mußten.
Die Anordnung des Inhalts ist bei einem sol-
chen bibliographischen Buche von entscheiden-
der Bedeutung und sei daher hier in ihren Haupt-
zügen wiedergegeben:
I. Bibliographie (einschließlich persönlicher
Bibliographie. Manuskripte, Geschichte des Druk-
kes, und bibliographische Studien über einzelne
Bücher); IL Die Wissenschaft des Judentums und
ihre Institute; 111. Das Alte Testament (hier auch
solche Unterabschnitte wie: «Frühchristliche
Kommentare», «Die Religion des Alten Testa-
mentes», «Engel, Propheten und Prophetie»,
«Der Dekalog und der Bund». «Sünde und Er-
lösung», «Bibelkritik», «Geschichte und Geogra-
phie», «Das AT als Literaturprodukt», «Die
Sprache des AT», «Einfluß und Verbreitung des
AT», «Das AT in der Kunst» usw.); es folgt
IV. Apocrypha und die Rollen vom Toten Meer;
V. Mischna, Talmud, Midrasch, Halakhah; VI.
Geistige Strömungen im Judentum mit den
Untertiteln: «Messianismus», «Zeitgenössische
Diskussionen», «Judentum und Christentum und
andere Religionen», «Mystik und Kabbalah»,
«Chassidismus», «Ethik», «Religiöse Strömun-
gen»; Vll. Liturgie (der Abschnitt über die Ge-
bete ist überraschend kurz ausgefallen, was natür-
lich nicht die Schuld der Herausgeber ist); VII L
Literatur einschließlich jiddischer Literatur (an-
gesichts der oben zitierten Bemerkungen des Vor-
wortes über die Arbeit von Shirmann ist dem
Referenten nicht klar geworden, welche Studien
hier verzeichnet wurden und wo die Grenze ver-
läuft); IX. Sprache (mit Unterabschnitt über Jid-
disch, Ladino und andere judaisierte Dialekte).
In diesem Kapitel findet sich in einer sehr über
sichtlichen alphabetischen Anordnung ein Ver-
zeichnis einzelner Wörter, welche im Berichts-
jahre Gegenstand wissenschaftlicher Untersu-
chungen waren; auch ein Unterabschnitt über
modernes Hebräisch; X. Jüdische Geschichte (ein-
schließlich Antisemitismus, Juden in der allge-
meinen Literatur, Demographie); XL Kulturelles
Leben (Folklore, Kunst, Musik, Erziehung, Medi-
zin); XII. Staat Israel (einschließend solche Un-
terabschnitte wie Religion, Kibbuz, Erziehung,
Araber).
Es folgen die bei einem solchen Buche be-
sonders wichtigen Indices; ein Index nach Auto-
ren und ein Index nach Gegenständen. Hiebei
sind, was unvermeidlich war, hebräische und
nichthebräische Autoren getrennt und auch der
Sachindex, der die Namen von Personen, Ländern
und Büchern enthält, mußte in zwei Alphabeten
angeführt werden. Dies muß der Leser immer in
Erinnerung behalten, wenn er die Bibliographie
richtig benützen will: er muß immer in zwei
Alphabeten nachsehen. Wenn also jemand wissen
will, welche Artikel über die Juden in Oesterreich
zum Beispiel (hebräisch: Austria) und welche
Artikel über die Juden in Australien erschienen
sind, muß er im hebräischen und im nichthebräi-
schen Alphabet nachsehen, er wird dabei die
Entdeckung machen, daß Oesterreich (Austria)
sich nur im hebräischen Teil findet, weil es sich
um einen jiddischen Artikel handelt und Jiddisch
mit hebräischen Buchstaben gedruckt wird, wäh-
rend das Wort «Australia» sich nur im Index der
lateinischen Buchstaben findet. Solche Anomalien
waren wohl unvermeidlich, hätten aber dem Leser
nicht nur hebräisch, sondern auch englisch mit-
geteilt werden müssen.
Dazu kommt noch dies, daß die Herausgeber,
wie sie selbst in einer nur hebräisch erscheinen-
den Vorbemerkung sagen, nicht konsequent wa-
ren: die laufenden Zahlen der Eintragungen
hebräischer Bücher werden im hebräischen Index
angeführt, die laufenden Zahlen der nichthebräi-
schen im nichthebräischen Index, wenn aber über
einen gewissen Gegenstand Artikel hebräisch und
nichthebräisch erschienen sind, «haben wir kein
einheitliches System verfolgt: bisweilen haben wir
bei einem Gegenstand sämtliche Nummern an-
geführt, bisweilen haben wir uns mit einem Hin-
weis von einem Index auf den andern begnügt».
Diese Inkonsequenz verwirrt den Leser, wie es
mir widerfuhr, als ich die Artikel über Buber
nachsehen wollte, welche in dieser Zeit, wenige
Monate nach dem Tode von Martin Buber, be-
sonders zahlreich sein mußten. Das Verzeichnis
führt 15 nichthebräische und 2 hebräische Studien
über Buber an; das ist natürlich nur ein kleiner
Teil der Buber-Studien, die 1966 erschienen sind.
Dr. Joel sagt in seinem Vorwort: «Ich sehe in
der hier vorgelegten Liste nur einen Versuch,
einen ersten Schritt: und ich spreche die Hoff-
nung aus, daß diejenigen, die an unserem Unter-
nehmen interessiert sind, uns aufmerksam machen
werden auf Fehler und auf Artikel, welche unse-
rer Aufmerksamkeit entgangen sind, so daß das
folgende Heft, das bereits vorbereitet wird, voll-
kommener sein wird.» In diesem Sinne wollen
TüTzwci Jahrzehnte jünger als Ciirt Man/ Kt
der ebenfalls aus Zürich stammende, aber im
Welschland geschulte Walter Meier. Er ordnet
alles Dargestellte, frei rhythmisiert, in eine stark-
farbige oder diffus-helle Bildfläche ein und läßt
kühnes Gelb, Orange, Hellrot mit Dunkelblau
oder Schwarz kontrastieren. Während Sonnenblu-
men, bunte Sträuße und gefestigte Stilleben die
Bildmitte beherrschen, erscheinen dunkle Boote,
Netzflickerinnen und wartende Fischerfrauen am
oberen Bildrand über tonlich differenzierter Frei-
fläche. Im Nebenraum zeigen Walter Meiers
Aquarelle eine gelockerte Malweise. — Aus der
Provence kommt der 1929 in St. Immer geborene
Marco Richterich mit Oelbildern und Aquarellen
von persönlicher, leicht kapriziöser Faktur. Ein
spiritueller Zug beherrscht die hellen, zeichnerisch
betonten Darstellungen von Baumlandschaften
und Bauwerken, die manchmal von feinem Linien-
gekringel durchwirkt sind. Etwas Illustratives, Ar-
tistisch-Verspieltes ist auch aparten Einfällen wie
«Place de la Mairie» eigen. (Bis 28. Februar.)
Lucio Fontana und Paul Wunderlich
(Galerie Verna & Ballensperger)
P. Wd. Eine dem Schaffen Lucio Fontatias
(1899 bis 1968) gewidmete Darstellung trägt den
Titel «Segno antidisegno»; die rund fünfzig zu
dieser Ausstellung zusammengetragenen Zeichnun-
gen und Radierungen haben nicht Gestaltung oder
formale Analyse von Sinneseindrücken zum Ziel,
sondern geben nichts Weiteres als das krude, zu-
fällige und isolierte Faktum einer beliebigen Be-
einträchtigung oder Beschädigung eines Werkstof-
fes, Form also, die sich keinem Willen zu fügen
hatte, frei von jeder Regel und Grammatik. Es
genügt die Tatsache, daß der Eingriff die freie
Leere einer weißen Fläche verändert hat, und der-
artigen Ereignissen, welche durch nichts geglie-
dert oder artikuliert sind, gilt Fontanas Aufmerk-
samkeit. Ob aber alle diese «moments» der Auf-
merksamkeit wert sind . . . ?
Der 1927 in Hamburg geborene Paul Wunder-
lich legt einen Bestand von drei Dutzend Oelbil-
dern, Gouachen und Lithographien vor. Raffiniert
und gekonnt strafft oder lockert er den Linienfluß
und die Flächendichte der Figuren, die auf einen
Akt zurückgehen, den er dann aber in mannig-
facher Weise in Stücke zerlegt, in einen starren
und kahlen Raum versetzt und mit einer versach-
lichten Fremdheit umgibt, so daß selbst das for-
mal Ausgewogene irgendwie pervers anmutet. (Bis
Ende März.)
die folgenden kritischen Bemerkungen aufgefaßt
werden.
Es kann natürlich nicht verlangt werden, daß
die Herausgeher alle einschlägigen Publikationen
sehen. Eine Bibliographie muß immer ergänzungs-
bedürftig sein, sowie das göttliche Schöpfungs-
werk als vSchöpfungswerk unvollkommen sein
muß. Ich habe den Artikel «Buber» als Beispiel
angeführt, weil er mir nahelag. Hier ist zum
Beispiel das Bändchen der Reden, welche die
Hebräische Universität selbst herausgegeben hat,
nicht angeführt worden, ebenso fehlt die Jerusa-
lemer englische Tageszeitung «The Jerusalem
Post» und das deutsche «Mitteilungsblatt», das
trotz dem bescheidenen Namen auf hoher litera-
rischer Stufe steht. Im Verzeichnis der hebräi-
schen Zeitschriften vermißte ich «Sch'demot».
Daß im Berichtsjahre über Kafka zwei Studien
hebräisch und nur eine in deutscher Sprache er-
schienen ist, ist äußerst unwahrscheinlich. (Siehe
z. B. das «Mitteilungsblatt» vom 9. September.)
Aber das sind Kleinigkeiten. Schwerer wiegt, daß j
das englische Year Book des Leo Baeck-lnslitutes
(Bd. xi. 1966) nicht benutzt wurde, oder der j
«Freiburger Rundbrief ^>: beide Quellen sind so-
wohl wichtig durch ihre Artikel wie durch das
große Gewicht, das sie selbst auf die Bibliographie
legen.
Zusammenfassend: Es ist ein sehr gutes und
sehr wichtiges Buch, das bestimmt ist, großen
Nutzen zu bringen, falls es dem Herausgeber
Dr. L Joel und dem Verlag der Magnes-Presse
der Hebräischen Universität gelingt, das Buch zu
einer festen Einrichtung zu machen. Zur Er-
reichung dieses Zieles werden hoffentlich alle
interessierten Institute und Forscher helfen. Sie
werden dem Initiator Dr. I. Joel Dank wissen.
Hu^o Bergnian
SchHetzinper Festspiele 1970. Die Schwetzin-
gcr Festspiele wcnlen unter dem ProioK»i>rat des
Süddeutschen Kundfunks Stuttgart am Donnerstag,
14. Mai, mit der Oper <iLes fetes venetiennes» von
Andre Campra (1660 bis 1744) eröffneL
\-r-
i
l
K
I
\'
Seite 8 / Donnerstag, 3. Mai 1962 / Nr. 102
POLITISCH
/
Aus der Reichskanzlei beobachtet
HERMANN PÜNDER: Politik in der Reidiskanzku
Aufzeidinungen aus den Jahren 1929 — 1932. Her-
ausgegeben von Thilo Vogelsang. (Schriftenreihe
der Vierteljahrshefte für Zeitgesdiidite Nummer 3.)
StuttgartyDeutsdieVerlagsanstalt, 179 S., 7,80 DM.
"Wie kein anderer Beamter, wenn man von
Otto Meissner, dem Staatssekretär Hindenburgs,
absieht, erlebte Hermann Pünder als Staats-
sekretär in der Reichskanzlei die Jahre von
1926 bis 1932 im Zentrum der Reiciispolitik. Um
so dankbarer sind wir, daß er nun sein Tage-
buch, das auch viel Persönliches enthält, zur
Veröffentlichung freigegeben hat. Seine von
Thilo Vogelsang eingeleiteten und kommentier-
ten Aufzeichnungen sind für die deutsche Be-
hörden- und Beamtengeschichte wichtig, und sie
bieten auch neue Einzelheiten über die Krisen-
jahre von 1929 bis 1932 dar. Pünders Eintragun-
gen beginnen unmittelbar nach dem Tod Strese-
manns und enden im Oktober 1932, fünf Monate
nach seiner dem Rücktritt Brünings folgenden
Entlassung aus dem Reichsdienst. Wichtige De-
tails bringen sie über die letzten Monate der
Regierung Müller, über die deutsche und inter-
nationale Währungs- und Reparationspolitik,
über die Wirtschaftskrise — hier werden in
einem Anhang die Tagebuch-Nc Uzen durch eine
im August 1931 ausgefertigte interessante amt-
liche Aufzeichnung Pünders über die Entwick-
lung der wirtschaftspolitischen Lage ergänzt —
sowie über die Kanzlerschaft und den Sturz
Brünings. Die Eintragungen in das Tagebuch er-
folgen unregelmäßig im Abstand von mehreren
Tagen. Lücken in den Aufzeichnungen stellten
sich leider oft dort ein, wo ereignisreiche Tage
dem Autor keine Zeit und Ruhe zum Schreiben
ließen.
Mit Recht betont Thilo Vogelsang in seiner
Einleitung, daß Pünder trotz seines intimen amt-
lichen Umgangs mit der Politik und trotz seines
großen Einflusses auf die Personalpolitik, den
die AufzejÜ^nungen erkennen lassen, stets der
und loyale Beamte blieb. Dem
^ten Müller diente er mit der glei-
dem Zentrums-Mann Brüning,
erhältnis zu Müller nur korrekt,
\dagegen ein Vertrauensverhält-
jser \Veise verwöhnte der kluge,
„_, _, schriftlichen Ausdruck gewandte
Staatssekrc tär seine Kanzler, indem er ihnen bei
der VorforjTiulierung von Entwürfen und Reden
Überparte
Sozialden
chen Trei'
obwohl se
das zu Bri
nis war. In
fleißige, ii
eine Menge Arbeit abnahm. In anderer Hinsicht
ergänzte er mit seinem rheinischen Tempera-
ment seine beiden kontaktarmen Kanzler Mül-
ler und Brüning gerade dort, wo sie versagten:
im notwendigen persönlichen Umgang mit poli-
tischen Persönlichkeiten. Für die letzten Monate
der Regierung Müller erhält man sogar den Ein-
druck, daß Pünder die Zügel der Reichsregie-
rung etwas selbständig in die Hand nahm, als
der kranke und resignierende Müller sich von
der Pohtik immer mehr zurückzog.
Pünder offenbart in seinen Aufzeichnungen
eine gute Menschenkenntnis, aber er hält mit
.seinem Urteil zurück. Offene Abneigung drückt
er nur gegenüber Schacht und Papen aus, Zu-
neigung und Freundschaft gegenüber Luther,
Stresemann und Brüning. Ob sein enger Kon-
takt zu Schleicher und Meissner mehr bedeutete
als nur dienstliche Notwendigkeit, erfährt man
nicht. Über den rätselhaftesten der Weimarer
Reichskanzler, Heinrich Brüning, liest man
einige rührende Details — z. B. die Geschichte
wie er, von einer Reise zurückkehrend, seine
Wohnung nicht betreten konnte, weil seine
Haushälterin verreist war — , aber man erfährt
nicht, ob Pünders persönliche Hochachtung für
Brüning auch/ dessen, i;*o^itik v.nd Erglerunj»;s-
weis: * voll einbezog. Das wichtigste Thema der
Aufzeichnungen ist jedoch die vielschichtige
Staats-, Wirtschafts- und Parteienkrise, die das
Deutsche Reich nach 1929 erfaßte. Politik wurde
nicht nur vom Kanzler, sondern rivalisierend
auch von der Reichswehr, dem Reichspräsiden-
ten und der Reichsbank gemacht. Der Kanzler
bestimmte zwar die Richtlinien der Politik, aber
er konnte immer weniger die politischen Par-
teien, die Reichswehr oder gar Hindenburg dar-
auf festlegen. Mit dem Rechtsextremismus und
der Wirtschaftskrise nahm die Staatskrise Aus-
maße an, die größer waren als die Befugnisse
des Reichskanzlers. So mußten dieser und seine
nächsten Mitarbeiter ständig mit den Über- und
Nebjhregierungen sowie mit den Parteiführern
verhandeln, und Politik konn.e nur von heute
auf morgen gemacht werden. Für diese „Auf-
lösung" des Weimarer Staates sind Pünders
Aufzeichnungen ein unmittelbares Zeugnis. Ihre
Lel:türe kann man jedem, der sich für Zeitge-
schichte interessiert, empfehlen. Auch sei dem
Verlag und dom Institut für Zeitgeschichte in
München dafür gedankt, daß sie dieses Buch
zu ^^ -niedrigem Preis dem interessierten Publi-
kum anbieten. Eberhard pikart
Akten
|is erste Kriegshalbjahr
> UTSCHEN ^AUSWd
Sc-wititunion Überfallenen Finnlands an Deutsch-
land; und Rooseveits Vorbereitungen für eine
BiilitiKL der .aktiri^i^TntniirtfitTnnr Ei
Stichwörter aussuchenj
halten wünschte. Man*
Luther, Bismarck, Hitll
der Geschlechter, Graij
Schlagwort „Mach es
14 Bildreproduktionerj
liehe drei aussuchen,
den Untersuchender;!
zeigt sich, wie schwiei
ist. Die Ergebnisse 2feigei|
die Jugend heben ihve Um
ansehen und keinesfalls
Kommunistiscl]
C. //. nOLPH: ATthCse
Trial. London, Verlag Arj
6 sli.
Den berühmten GeriJ
tischen Gewerkschaftsge^
gefolgt. Er ist insofern
zum erstenmal ereignet
nach einem lanr^en Prozl
rechtmäßige Generalsekr>|
werkschaft sei. Nahezu "
Worte sind in den zwei]
Zivilprozesses gegen die
rung der Elektrikergew |
sprechen worden, die d
Wahl des GeneralsekretJ
Aus denj umfungreicnem
' t/ H. Rolph einen Bei*
der alle wesentlichen ^|
sehenerregenden Prozesse
ist ein aufschlußreiches!
Dokument über die komil
Schäften, aufschlußreich ii|
Methoden und Tricks in
trug in der Geschichte dei|
gung", erschreckend in
ungeheuren Schwierigkeit]
der Angeklagten, von dei
Foulkes, führende Komm|
gleich zu den bekanntestei]
Gewerkschaftsführern zäh
Was dem Prozeß seine
gegeben hat, war, daß dl
einem englischen Gericht)
Objektivität die Technik
Machtausübung in einer
Schaft demonstriert wordel
ses Prozesses zu ignorierej
werden.
Jugend und Wi^
DIE JUGEND UND Dil
DEUTSCHLANDS,
des Wettbewerbs de\
Frankfurt, Wien, V<J
24,— DM.
Aus fliriPLT^rrrn ßcj
Samstag/Sonntag, 18./19.März 1961
Das
{
atische l
Kin Wälzer über «lie llaclitergreiiiing
l
K. D. Bracher / W. Sauer / G. Schulz: Die national-
sozialistische Machtergreifung — Studien zur Errich-
tung des totalitären llerrschaTtssystems in Deutsch-
land 1933,34 (Schriften des Instituts für politische Wis-
senschaften in Berlin. Ban.l 14). Westdeutscher Ver-
lag, Köln-Opladen. XX und 1034 Seiten, Leinen, 59 DM.
Der Rezensent erinnert sich kaum an ein Buch,
das in ihm so r.wiespältige Geiühle erweckt hat:
Bewunderung für die wissenschaftliche Leistung,
Mißfallen an Form und Gestalt. Ein ausländischer
Publizist, der sich kürzlich nach dem bedeutsam-
sten Opus der jüngsten Zeitgeschichtsforschung
erkundigte und auf Brachers „Machtergreifung"
verwiesen ward, wog das Buch bedäclitig in der
Hand und sagte dann enttäuscht: Das hat ja die
Elephantiasis. In der Tat, das Buch ist den Auto-
ren zu einem Wälzer ausgewachsen, der sogar
Fachleute abschrecken könnte. Über tausend Sei-
ten, eng bedruclct, mit zahllosen Anmerkungen
gespickt — und sieht man genauer hin, so bedarf
es zur Abrundung des Themas auch noch der
Kenntnis von Brachers früherem Werk über die
„Auflösung der Weimarer Republik" (fast ebenso
dick). Beide zusammen ergeben erst das volle Bild
von dieser unglückseligen Epochenwende, die
Deutschland ins tiefste Unglück stürzte.
Ein gewaltiges Problem, das jedermann angeht,
aber — in dieser Form dargestellt — gewiß nicht
von jedermann erfaßt werden kann. War denn
ein solches Mammutopus nötig? Der Umfang
kommt nicht so sehr daher, daß Braclior und
seine Mitarbeiter vor der Fülle der Details kapi-
tuliert hätten — für die Einzelheiten wird man
zumeist an andere Literatur weiter verwiesen.
Die „Maßlosigkeit" resultiert vielm.ehr aus der
Methode, aus einer wenig glücklichen Stil-
mischung: Das Budi will nicht nur darstellen,
sondern sogleich auch analysieren, will Geschichts-
schreibung sein und politische Wissenschaft, Er-
zählung und Systematik. Der Leser fühlt sich auf
diese Weise nicht nur über Gebühr bevormundet,
sondern hat auch ständig Wiederholungen in Kauf
zu nehmen, die ihm die Lektüre glatt verleiden.
Schade, denn das Buch, wäre es historischer
ausgefallen, hätte eine so wichtige Funktion zu
erfüllen gehabt — und sie, doppelt schade, auch
ohne weiteres erfüllen können. Was ein Standard-
v/erk werden konnte, ist in einer umständlichen
Studie steckengeblieben: ein Werk für Fachleute
und Bibliotheken, leider nicht für die interessierte
Öffentlichkeit.
Sehen wir davo» ab, über verschiedene Ansich-
ten zu streiten — obwohl es natürlich, gerade an-
gesichts der Bemühung, alle Einzelheiten zu be-
rücksiclitigen und im Urteil überall strengstens zu
differenzieren, genug Thesen aufzuspüren gäbe,
die man in Frage stellen müßte. Nennen wir lie-
ber ein paar Beispiele, die den wissensdiaftlichen
Gewinn verdeutlichen. Beherzt wird da mit Le-
genden aufgeräumt — vor allem mit jener weil-
verbreiteten Meinung, die den Beginn des Un-
rechts-Staates, die „Machtergreifung", erst mit
dem Ermächtigungsgesetz (23. März 1933) für ge-
geben ansieht und darum von einer „legalen" Re-
gierungsübernahme faseln zu können glaubt.
Spätestens mit dem 28. Februar, nämlich mit der
Präsidialverordnung „zum Scliutze von Volk und
Staat" nadi dem Reichstagsbrand war das Terror-
regime befestigt, die Weimarer Demokratie durch
Mißbrauch ihrer eigenen Mittel überwunden.
Wohltuend, wie Bracher die ominöse Brandstif-
terstory einzuordnen versteht. Wichtig daran ist
ja nicht die Lösung des Kriminalfalls, sondern
sind die politischen Konsequenzen, die Hitler, Gö-
ring und Genossen in bewußter Verdrehung des
Tatbestandes, somit illegal, daraus gezogen haben.
Gebührend ins Licht gerückt wird auch jene Zu-
sammenkunft prominenter Industrieller mit Hit-
ler am 20. Februar, auf der die totalitären Ab-
sichten des neuen Regimes zynisch enthüllt und
die Kapitalgeber mit Erfolg zur Wahlhilfe ver-
anlaßt wurden. Schacht: „Und nun, meine Herren,
an die Kasse!" Bracher meint, man solle das
•InsLencl iund Autorität
Felix Raabe: Die Bündische Jugend — Ein Beitrag
zur Geschichte der Weimarer Republik. Brentano-
verlag, Stuttgart. 255 Seiten, kart. 12.80 DM.
Manfred Priepke: Die evangelische .Tuf^end im Dritten
Reich. Norddeutsche Verlagsanstalt O. Goedel. Han-
nover/Frankfurt a .M. 244 Selten, Leinen 12.50 DM.
Je intensiver die zeitgeschichtliche Forschung
sich den Voraussetzungen des Hitlerstaates zu-
wendet, desto heftiger wird der biographisch-be-
dingte Widerstand, auf den sie stößt. Er kommt
weniger von Leuten, die sich, im Dritten Reidi
unbestreitbar blamäert haben, als von solchen
Männern und Frauen, die keine Nationalsoziali-
sten waren, oder doch nur eii^e ^ '^le, oder zur
Tarnung. Er kommt von Emig^ V., ^vobl wie
j'on KZlern oder gar von W" "*
sich gegen die ZumutunJ
Wandervogelbewegung und das Soldatentum
— was immer das heißen mag — außerordent-
lich stark an den Ideen orientiert waren, die das
Bürgertum sich von der Vergangenheit machte.
Der Bund selber, als Knabenbund und Protest
gegen gesetzte Organisation verstanden, war ein
Fluchtversuch aus der Welt rationaler Großorga-
nisation, ein privater Traum, der ach so techni-
sierten Welt ein lebendiges Blümchen ins Knopf-
loch zu stecken.
Allerhand romanti?cher Theorie von „lebendi-
gen Organismen" zu? Wiederherstellung ,. gewach-
sener Ordnungen" Vierpflichtet, litt der Bund an
seiner eigenen ErfiWdung. Er war zu spät gebo-
ren, um ernsthaft /für die pluralistische Gesell-
schaft in Frage ztf kommen. Die Bündische Ju-
>nd in ihrem Ve/angen nach Bindung und „ech-
Rendezvous nicht übersdiätzen; „es^b.
auch eine Verdrängung wesentlicher
sammenhänge, wenn heute von betroi
strienahen Kreisen. . . die Wirtschaft
politischen Aspekte des Treffens vom]
1933 wie der früheren' und späteren
arbeit weitgehend bagatellisiert wer]
Ebenso aufregende, ja haarsträubc
sind — vielleicht der bedeutsamste T
kcs — den Machensdiaften der Reichj
met (Wolfgang Sauer). Mochte ..man|
Ansicht neigen, der Pakt mit Hitler
erst durch die Röhm-Affäre besiege]
wird hier der Nachweis erbracht.
scheidenden Weichen gleich zu Fiegj
herrschalt gestellt wurden. Hitler vi
auf Grund seiner imperialistischen Ij
die Weimarer Republik der Reichs^
mußte. Es scheint, als habe Hitler .sj
der Auswahl des gefügigen Blombij
ster seine Hand im Spiel gehabt
man davon, daß sich Hindenburgsl
Nazi als Glücksfall erwies). SpätesJ
nach dem 30. Januar v/urde das , Bf
neuen Reidiswehrführung perfekv^
sprach Hitler vor den Befehisl
seine Köder aus: Aufrüstung,
des Volkes, keine Antastung d^
SA; und es störte die Geneiäi
Hitler ziemlich unverhii^
— Krieg im Innern uJ
entsdilossen sidi Blcnl
Brücken hinter sich a]
Chance zu geben.
denburgsche Plan, Hi]
Wehrmacht bereits
In kalter Berech]
rung der Beseitigt
Reichenau: „Morsf
kann nur mit Ter!
gegen Marxismus
gäbe der Wehrr
Unterstütz;ung,
Truppe Ju(
1. Juni \i
„Es wird
bald zu
Die Rci
von
SPD),
konstj
teieni
Daf
terir;'
zeuJ"^^
fors^
künnn
in eil
Man
übernl
Buch rj
ten r\\
die AI
A • Autorität«!
^^ ^ ^jisweisei
i^;» '.ndivic
dennoch in ihrem Bereidi Ver-
i Tu5.'^>'^ entwickelt, die in
Offenheit bis heute
^
'h war
Nr. 32 / 9. 8. 1969
. DO0 padoment
Seite 11
(Fortsetzung von Seite 10)
lidi auch die verbreitete Notwendigkeit, 7.u-
nächst für den eigenen Lebensunterhalt sor-
gen zu müssen, mögen Gründe dafür sein.
Vielleidit steht audi die s^rke Geschichts-
gerichte theit der jüdisdien Kultur einem ra-
dikalen Brudi mit Tradition und Vergangen-
heit entgegen.
Deutscher in Israel
Kein Deutscher kann Israel besuchen, ohne
daß die dunklen Ereignisse der 30er und
40er Jahre gegenwärtig sind. Die deutsch-isra-
elischen Beziehungen waren daher eines der
mensdilidi erregendsten Themen der Fahrt.
Zunächst ein Wort zu den offiziellen Kon-
takten: Die Aufnahme der diplomatischen Be-
ziehungen mit Bonn wurde im Jahre 1965 ge-
gen leidenschaftlichen Widerstand einer star-
ken Bevölkerungsgruppe durchgesetzt} die
Übergabe des Beglaubigungsschreibens durch
den ersten deutschen Botschafter hat das Land
zutiefst aufgewühlt. Nach Ablauf von vier
Jahren, vor allem nach dem Sechstagekrieg,
wird die Tatsache offizieller Beziehungen
heute nicht mehr als Problem empfunden.
Der Stand der Beziehungen und das Maß der
beiderseitigen Übereinstimmung, zum Bei-
spiel auch in der Deutschlandfrage, wurden
von amtlicher Seite nachdrücklich als ausge-
zeichnet bezeichnet. Noch bestehende Be-
schränkungen auf dem kulturellen Sektor
dürften sich in Kürze erledigen. Würde der
israelische Botschafter in Deutschland nieder-
geschrien, so wisse man heute wohl zu dif-
ferenzieren, wenngleich man solche Vorgänge
begreiflicherweise mit etwas anderen Augen
sähe, als wenn sich ein ähnlicher Vorgang in
Oslo oder Paris abspielte. In der Verjährungs-
frage, die die Beziehungen bisher belastet
hätte, werde jetzt vermutlich Ruhe eintreten,
man sei über die getroffene Regelung nicht
glücklich, könne aber „mit ihr leben".
Mit der DDR bestehen keinerlei offizielle
' und kaum persönliche Kontakte; die Haltung
der DDR Israel gegenüber gehört zu den
Peinlichkeiten der deutschen Gegenwart.
Gesprächspartner im Lande waren im Rah-
men des offiziellen Programms ebenso wie bei
den zahlreichen privaten Begegnungen und
Zufallstreffen überwiegend Israelis deutscher
Herkunft, darunter manche, die Jahrzehnte
hindurch geglaubt hatten, nie wieder Deutsch
sprechen zu können und alle Bindungen an
die frühere Heimat abgeschnitten zu haben.
Man kann das Gespräch nicht vergessen, in
dem sich binnen kurzem herausstellt, daß
sämtliche Partner zur gleichen Zeit in der
gleichen Stadt die Schule besudit haben und
Opfer der dort besonders bösartigen Aus-
schreitungen am 8. November 1938 waren, de-
nen man selbst zwar entsetzt, aber tatenlos
zugesehen hat. Man kann den Augenblick
nicht vergessen, in dem während eines langen
Weimarer
Geburt und Tragik der ersten deutschen Demokratie / von Alfred schickei
Am 11. August 1919 unterschrieb der am-
tierende Reichspräsident Friedrich Ebert in
dem thüringischen Kurort Schwarzburg die
Urkunde über die „Verfassung des Deutschen
Reiches". Sie war zehn Tage zuvor, am 31. Juli
1919, von der Weimarer Nationalversammlung
mit 262 Ja- gegen 75 Nein-Stimmen bei einer
Enthaltung verabschiedet worden und trat am
14. August 1919 mit ihrer Verkündung im
Reichsgesetzblatt in Kraft.
Ihrer Annahme waren fünf Monate intensi-
ver Beratungen der eigens zu diesem Zweck
gewählten Nationalversammlung in Weimar
vorausgegangen. Als Arbeitsgrundlage diente
den Abgeordneten der Verfassungsentwurf
des Berliner Staatsrechtslehrers Prof. Dr. Hugo
Preuß. Da die Nationalversammlung auch
gleichzeitig die Aufgaben eines Parlamentes
wahrzunehmen hatte und dringend notwen-
dige Gesetze zur Regelung des staatlichen und
wirtschaftlichen Lebens besdiließen mußte, bil-
dete sie im März 1919 einen 28köpfigen Ver-
fassungsausschuß, in welchem der vorgelegte
Entwurf in allen Einzelheiten beraten wurde.
Dabei wurden nicht nur viele wichtige Ergän-
zungen zur eingebrachten Vorlage beschlos-
sen, sondern es wurde auch teilweise die Rei-
henfolge der vorgeschlagenen Verfassungsbe-
stimmungen verändert. Hatte Hugo Preuß die
„Grundrechte des deutschen Volkes" an den
Anfang seines Entwurfs vom 20. Januar 1919
gestellt, so ließ sie die Nationalversammlung
erst in den zweiten Hauptteil der Verfassung
aufnehmen. Dem ersten Platz nahmen nun-
mehr die Bestimmungen über den Reichstag
und den Reichspräsidenten ein.
Den Abgeordneten von Weimar erschien die
Begründung und Sicherung eines einheitlichen
deutschen Staatswesens vordringlicher als die
Niederlegung der einzelnen Grund- und Men-
schenrechte. Diese Entscheidung wird ver-
ständlich, wenn man die innenpolitisdie Lage
des Reiches in jenen Monaten in Betracht
zieht. Nach dem Zusammenbruch der alten
staatlichen Ordnung in den deutschen Ländern
und der Abdankung des Kaisers hatten sich im
Süden und im Westen Deutschlands starke se-
paratistische Strömungen bemerkbar gemacht.
Dazu kam nodi das bei den Versailler Frie-
densverhandlungen offen zutage getretene Be-
streben Frankreichs, an die Stelle eines ein-
heitlichen deutschen Staates einen losen Bund
deutscher Länder zu setzen.
Angesichts dieser innen- und außenpoliti-
schen Gefahren schien nicht die Formulierung
und Fixierung der eir:zelnen staatsbürgerli-
chen Rechte das Gebot der Stunde, sondern
die Sicherung der Einheit des Reiches. Diesem
Erfordernis trugen die Väter der Weimarer
Verfassung Rechnung und bekundeten be-
reits bei der Abfassung der Präambel ihren
erklärten Willen zur Einheit des neuen deut-
schen Staates. Sie leiteten die insgesamt 181
Artikel mit dem programmatischen Satz ein:
„Das Deutsche Volk, einig in seinen Stäm-
men und von dem Willen beseelt, sein Reich
in Freiheit und Gerechtigkeit zu erneuern
und zu festigen, ... hat sich diese Verfas-
sung gegeben."
Vom Kaiserreich zur Republik
reichs mit in die neue deutsche R<>publik über-
nommen.
Zu einem ähnlichen Kompromiß fanden sich
die Väter der Weimarer Verfassung bereit, als
sie den Artikel 1 0 9 mit der Bestimmung
„Orden und Ehrenzeichen dürfen vom Staat
nicht verliehen werden' durch d^n Artikel 175
der Verfassung wieder einschränkten, in dem
es hieß: „Die Bestimmungen des Artikels 109
findet keine Anwendung auf Orden und Eh-
renzeichen, die für Verdienste in den Kriegs-
jahren 1914 bis 1919 verliehen werden sollen".
Machtfülle
des Reichspräsidenten
Noch deutlicher und für den Gang der deut-
schen Geschichte folgenschweier wird die An-
lehnung der Weimarer Verfassung an frühere
Regelungen im Kaiserreich in den Bestimmun-
gen über Stellung und Befugnisse des Reichs-
präsidenten. Sie sind in den Artikeln 41 bis
59 niedergelegt. Danach war der Reichspräsi-
dent unmittelbar vom Volk zu wählen und
stand somit ebenbürtig neben dem Parlament.
Wählbar war jeder Deutsche, der das 35. Le-
bensjahr vollendet hatte. Die Amtsdauer des
Reichspräsidenten währte sieben Jahre, wobei
eine Wiederwahl möglich war. Der Reichsprä-
sident hatte gemäß Artikel 53 das Recht, den
Reichskanzler zu berufen und zu entlassen. Da
ihm nach Artikel '25 der Verfassung auch die
Vollmacht zustand, den Reichstag aufzulösen,
konnte er in Verbindung der beiden Befug-
nisse auch Regierungen gegen die Mehrheit
des Parlaments im Amt hallen, wenn die Ab-
geordneten mit ihrem Widerstand nicht eine
Auflösung des Reichstags riskieren wollten.
Die Einschränkung des Artikels 25, wonach
der Reichspräsident den Reichstag nur einmal
aus dem gleichen Anlaß auflösen durfte,
konnte unschwer mit wechselnden Begrün-
dungen für den Auflösungsbeschluß umgangen
werden. Unter diesen Umständen war die Bil-
dung von sogenannten Präsidialkabinetten
möglich, wie sie in den 1 ruhen dreißiger Jah-
ren unter Hindenburg die Regel wurden.
Die größte politische Machtfülle war dem
Reichspräsidenten mit dorn Artikel 48
der Weimarer Verfassung gegeben. Er hatte
folgenden Wortlaut:
„Wenn ein Land die ihm nach der Reichsver-
tassung oder den Reichsgesetzen obliegen-
den Pflichten nicht ertüllt, kann der Reichs-
präsident es dazu mit Hilfe der bewaftne-
ten Macht anhalten. Der Reichspräsident
kann, wenn im Deutschen Reiche die öttent-
liche Sicherheit und Ordnung gestört oder
gefährdet wird, die zur Wiederherstellung
der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nö-
tigen Maßnahmen treffen, erforderlichen-
talls mit Hilfe der bewaffneten Macht ein-
schreiten. Zu diesem Zweck:e darf er vor-
übergehend die in den Artikeln 114 115,
117, 118, 123, 124 und 153 festgesetzten
Grundrechte ganz oder zum Teil außer Kraft
setzen. . . ."
Mit diesen Bestimmungen war die Beseitigung
eines inneren Notstandes geregelt. Der
Reichspräsident konnte — im Gegensatz zum
heutigen Notstandsrecht — von sich aus und
ohne das Parlament vorher um Zustimmung
bitten zu müssen die Initiative ergreifen und
die ihm notwendig erscheinenden Maßnah-
men treffen. Er war lediglich gehalten, den
Reichstag über die von ihm erlassenen Anord-
nungen in Kenntnis zu setzen.
Voraussetzungen für die dem Reichspräsi-
denten in diesem Artikel zugestandenen N4ög-
lichkeiten waren der ihm übertragene Über-
befehl über die Streitkräfte (Artikel 47 der
Reichsverfassung) und die Bestimmung des
Artikels 13, welcher besagte: „Reichsrecht
bricht Landrecht". Die vom Reichspräsidenten
teilweise oder ganz aufhebbaren Grundrechte
betrafen in der Hauptsache:
a) die Freiheit der Person (Artikel 114),
b) die Unverletzlichkeit der Wohnung
(Artikel 115),
c) das Brief-, Post-, Telegraphen- und
Fernsprechgeheimnis (Artikel 117),
d) die Presse- und Meinungsfreiheit (Ar-
tikel 118),
e) die Versammlungsfreiheit (Artikel 123),
f) die Koalitions- und Vereinsfreiheit
(Artikel 124),
g) das Recht auf Unantastbarkeit des Ei-
gentums (Artikel 153).
Mit diesen Befugnissen, zu denen noch das
Begnadigungsrecht (Artikel 49) und ein be-
schränktes Einspruchsrecht gegen Gesetze und
Besdilüsse des Reichstags (Artikel 73) kamen,
hatte der Reidispräsident in der Tat eine der
Stellung des früheren Deutschen Kaisers ver-
gleichbare politische Machtposition. Man
nannte daher das Staatsoberhaupt der Weima-
rer Republik nicht zu Unrecht auch einen
„Ersalzkaiser der Deutschen".
Verhältniswahlrecht und Volksentscheid
Einen deutlidien Fortschritt gegenüber den
bisher geltenden Regelungen stellten die Her-
absetzung des Wahlaltors auf 20 Jahre und die
Einführung des Frauenwahlrechts dar, wie sie
im Artikel 22 der Verfassung bestimmt
wurden. Mit der Festsetzung des aktiven
Wahlrechts auf das vollendete 20. Lebensjahr
und der Bestimmung des Artikels 41, wonach
jeder Deutsche, der das 35. Lebensjahr er-
reicht hatte, in das Amt des Reichspräsidenten
rens und eines Volksentscheids vor. Der ein-
schlägige A r t i k e 1 73 bestimmte:
Ein Gesetz, dessen Verkündung auf
Antrag von mindestens einem Drittel des
Reichstags ausgesetzt ist, ist dem Volksent-
scheid zu unterbreiten, wenn ein Zwanzig-
stes der Stimmberechtigten es beantragt.
Ein Volksentscheid ist ferner herbeizufuh-
ren, w(>nn ein Zehntel der Stimmberechtig-
ten dds RoMPhren ndd-i Vorleuuna einai» Ge-
fen jedoch diesen Gedanken, nachdem sich
schon vorher die Vertreter der Landesregie-
rungen auf einer Konferenz entschieden ge-
gen diesen Vorschlag gewandt hatten. Gleich-
sam als Kompromiß zwischen der unitarischen
Konzeption von Hugo Preuß und den föde-
ralistischen Forderungen der Länder beschlos-
sen die Delegierten die Artikel 61 und 63 der
Verfassung. Darin legten sie fest, daß kern
Land durcii mehr als zwei Fünftel aller Stim-
men im Reichsrat vertreten sein durfte und
die Stimmen Preußens zu gleichen Teilen von
der Staatsregierung und den preußischen Pro-
vinzialverwaltungen zu stellen waren. Damit
schwächte man zwar die Stellung Preußens ge-
genüber den Ländern, beseitigte aber nicht
den Dualismus zwischen Reichsregierung und
Preußenkabinett.
Sozialpolitische Bestimmungen
Bedeutsame Neuerungen brachten die Arti-
kel 151 bis 165 der Reichsverfassung. Sie re-
gelten das Wirtschaftsleben im Staate. Das
Recht auf Eigentum wurde grundsätzlich an-
erkannt, aber den Bedürfnissen des Gemein-
wohls untergeordnet, das heißt eine Enteig-
nung mit oder auch ohne Entschädigung für
möglich erklärt, wenn es die Interessen der
Allgemeinheit erforderten. Dementsprechend
lautete der Artikel 153 der Verfassung:
„Das Eigentum wird von der Verfassung
gewährleistet. Sein Inhalt und seine Schran-
ken ergeben sich aus den Gesetzen. Eine
Enteignung kann nur zum Wohle der Allge-
^-ms^'-
V
Israeli^
i
Fanara* ^,.
Gineifa~*x'
1
20 km
[Taufik
\
4/n Suez-Kanal stehen sich Israelis und
Ägypter gegenüber. Trotz des Watfenstill-
mdes kommt es immer wieder zu heftigen
fechten. Der Verkehr auf dem Kanal ruht
seit dem Sechs-Tage-Krieg von 1967.
Jt
'^®^;prächs unversehens die Frau ihren Mann
"öM^ dem fast eine Generation hindurch nicht
-9Q*hr benutzten deutschen Vornamen anre-
ö!P . Haften bleibt auch die Erinnerung an
1 alten, einsam gewordenen Mann, der den
-aßcik für eine Auskunft im Straßenverkehr
eqot dem Hinweis erwidert, er sei doch in
-L|Ojopa erzogen, und seine Vergangenheit als
qosi illerieoffizier der k. u. k. Armee in verklä-
SJepden Farben schildert, oder die Erinnerung
-SlLf' jenen anderen weisen Mann aus Süd-
• Jtschland, der über das Heimweh nach-
.Mji'akt: Heimweh, das sei nicht das richtige
UQ^JTi, wohl aber Sehnsucht nach verlorener
uad.borgenheit.
zifer^iese Menschen zeigten eine Aufgeschlos-
-ipuiheit und Noblesse, die bewegt und auch
uep te in keiner Weise selbs.tverständlich ist
>im|f jedenfalls nicht gegenüber Angehörigen
-19J^ Generation, welche die düsteren Vor-
•J! •'^ge miterlebte und daher in einer nicht ver-
"®^ -enden Mitverantwortung steht.
— Uf
-nda^^ der Begegnung mit Israel ist harmlose
■■^^^rtraulichkeit unter dem Motto, das Ver-
H^angene ruhen zu lassen und einen neuen
öurvifang zu setzen, schwerlich angebracht, fast
eau'denklicher noch ist billiger Philosemitismus.
-sßie Israelis können und wir dürfen nicht
-aiergessen. Gershon Sholem zitierte auf dem
lll'üdischen Weltkongreß 1966 in Brüssel den
"•"Propheten Jesaja: „Gedenket nimmer des
'^Früheren, dem Vormaligen sinnet nimmer
rj'nach", fügte aber hinzu, er wisse nicht, ob die
f messianische Zeit den Juden Vergessen schen-
ken würde; von demjenigen, der illusionslos
in einer unmessianischen Zeit lebe, werde mit
solcher Hoffnung das Unmöglidie verlangt.
Nur im Eingedenken des Vergangenen, das
sich niemals ganz durchdringen lasse, könne
Hoffnung auf Versöhnung der Gesdiiedenen
keimen.
Das haben wir hinzunehmen. Bei aller Of-
fenheit und Ungezwungenheit bleibt im Um-
gang mit den Juden eine gewisse respekt-
volle Distanz die uns angemessene Form. Be-
fangenheit wird uns zeitlebens hindern, im
Juden bei aller Individualität seiner Existenz
einfach nur den Mitmenschen zu sehen. In der
nachwachsenden Generation mag das anders
\ werden, wenngleidi auch sie die Last der Ge-
schichte nicht abwerfen kann.
Wird im Artikel 1 unseres Grundgesetzes
festgestellt, daß die Würde des Menschen
unantastbar ist, so steht in der Weimarer Ver-
fassung an gleicher Stelle der Satz: „Das
Deutsche Reich ist eine Republik". Diese For-
mulierung wurde gegen den erbitterten Wi-
derstand der monarchistischen Gruppen in
der Nationalversammlung beschlossen. Sie
markierte den Übergang vom Kaiserreich
zum parlamentarisch regierten Volksstaat in
Deutschland, jedoch noch nicht die vollstän-
dige Abkehr von allen herkömmlichen Vor-
stellungen und Begriffen, denn in der Be-
zeichnung „Reich" lebte noch die wörtliche
und gefühlsmäßige Verbindung zum Vergan-
genen fort, was nicht zuletzt im Ausland auch
so verstanden wurde. Eine klare Trennung
von der Vergangenheit und ihren überlebten
Äußerlichkeiten wollten oder konnten die
Volksvertreter von Weimar nidit vollziehen.
Dies zeigte sich auch in der Flaggenfrage,
Hugo Preuß wollte dem neuen Staat auch
neue Farben geben. Er schlug die Trikolore
Schwarz-Rot-Gold vor. Sie sollte nach seinen
Worten an die Tradition der Frankfurter
Paulskirchen-Verfassung von 1849 anknüpfen
und „den Gedanken politischer Freiheit mit
dem der nationalen Einigung" verbinden. Die
konservativen Kreise der Nationalversamm-
lung setzten es mit Hinweis auf die im inter-
nationalen Handelsverkehr eingelührten al-
ten Reichsfarben Schwarz-Weiß-Rot durch, daß
dem Artikel 3 der Reichsverfassung, wel-
cher besagte: „Die Reichsfarben sind Schwarz-
Rot-Gold" der Zusatz angefügt wurde: „Die
Handelsflagge ist Schwarz-Weiß-Rot mit den
Reichsfarben in der oberen inneren Ecke." Da-
mit waren die Farben des Deutschen Kaiser-
VJV. V*^»»ll' »TV4>i.^'»» -,.■•-»•.»»---1 ^ Zf
Weimarer Verfassung noch weiter als die Mit-
glieder des Parlamentarischen Rates, die das
aktive Wahlalter wieder auf das vollendete
21. Lebensjahr und das passive Wahlalter für
das Amt des Staatspräsidenten auf das 40. Le-
bensjahr heraufsetzten. Die Abgeordneten von
Weimar ließen sich bei ihren Beschlüssen von
dem Bestreben leiten, das Volk möglichst
frühzeitig und in allen seinen Gruppen an
den staatspolitischen Entscheidungen zu be-
teiligen.
Diesem Ziel sollte aud, die Einführung des
Verhältniswahlredites dienen, das die Natio-
nalversammlung gegen den Widerstand von
Hugo Preuß beschloß. Voi den maßgeblichen
Sprechern der staatstrageaden Parteien SPD,
Zentrum und Deutsche Demokratische Partei
warnte nur Friedrich Naumann, der politische
Lehrmeister des späteren Bundespräsidenten
Heuss, vor den möglichen negativen Auswir-
kungen dieses Wahlsystenis und trat für das
Mehrheitswahlrecht ein.
Seine Befürchtung das Verhältniswahlsy-
stem würde zu einer Entliemdung zwischen
Wählern und Gewählten führen und das Auf-
kommen von Splitterparteien begünstigen,
sollte sich später bitter bewahrheiten. Schon
die Reichstagswahl vom 4. Mai 1924 brachte
zwölf Parteien in das Berliner Parlament, dar-
unter 32 nationalsozialistisdie Abgeordnete,
und erschwerte dcimit das Zustandekommen
von regierungsbildenden Mehrheiten.
Um dem Volk bei wichtigen politischen Ent-
scheidungen Gelegenheit zu einer direkten
Mitspradie zu geben, sah die Weimarer Ver-
fassung die Möglichkeit eines Volksbegeh-
setzentwurfs stellt.
Zur Anwendung kam dieser Artikel allerdings
nur insgesamt dreimal, und bei allen drei Ge-
legenheiten — der Fürstenabfindung, der An-
nahme des Young-Planes und der Entschei-
dung über den Bau von Panzerkreuzern —
blieij den Initiatoren ein Abstimmungsertolg
versagt.
Von der Möglichkeit, durch Volksentscheid
die Verfassung zu ändern, wie dies der Ar-
tikel 7 6 gestattete, wurde überhaupt kein
Gebrauch gemacht, obwohl weite Teile des
Volkes ernsthafte Vorbehalte gegen manche
Bestimmungen der Verfassung hegten. Die
Föderalisten beklagten den zentralistisdien
Autbau des Staates, der die Länder nach ihrer
Meinung zu bloßen Verwaltungseinheiten de-
gradierte. Die Anhänger des Einheitsstaales
kritisierten dagegen die weitere Beibehaltung
der einzelnen Länder und die ihnen m den
Artikeln 60 bis 67 der Verfassung eingeräum-
ten Rechte. Em besonderes Problem stellte da-
bei die Weiterexistenz des Großstaates Preu-
ßen dar, der zwei Drittel des gesamten Reichs-
gebietes umfaßte. Mit seiner widschafthchen
Stärke und dem bevölkerungsmäßigen Über-
gewicht hatte es unter den 17 Gliedstaaten
des Reiches nach wie vor eine beherrschende
Stellung inne und konnte zum Konkurrent der
Reichsmacht werden. Um eine solche Vorherr-
sdiaft eines einzelnen Landes von vornherein
auszuschließen, hatte Hugo Preuß in seinem
ersten Verfassungsentwurf vorgeschlagen, die
Bundesstaaten aufzulösen und das Reich in
annähernd gleichgroße Verwaltungskörper-
schaften neu zu gliedern. Die Abgeordneten
der Weimarer Nationalversammlung verwar-
Prol. Dr. Hugo Preuß (1860—1925),
der Vater der Weimarer Verfassung
Die Eröiininigssitzur.ci der Verfassunggebenden Nafonalvcrsai
nmluno im Weimarer Nationaltheater am 5. Februar 1919.
meinheit und auf gesetzlicher Grundlag«
vorgenommen werden. ..."
Einen späten Ausfluß der Rätebewegung
stellte der Artikel 156 dar, In dem «i
hieß:
„Das Reich kann durdi Gesetz, unbesdiadet
der Entschädigung, in sinngemäßer Anwen-
dung der für Enteignung geltenden Bestim-
mungen, für die Vergesellsdiaftung geeig-
nete private wirtschaftliche Unternehmun-
gen in Gemeineigentum überführen. . . ."
Die Reichsregierung erhielt dadurdi das Redit,
mit Zustimmung des Reichstags bestimmte Be-
triebe zu sozialisieren.
Zur Erhaltung der Gesundheit und Arbeits-
fähigkeit, zum Schutze der Muttersdiaft und
zur Vorsorge gegen Not in Krankheit und Al-
ter sdirieb der Artikel 161 der Verfas-
sung die Schaffung eines „umfassenden Ver-
sicherungswesens unter maßgebender Mitwir-
kung der Versicherten" vor.
Den Arbeitern und Angestellten wurde Im
Artikel 165 das Recht zugestanden, .zur
Wahrnehmung ihrer sozialen und wirtsdiaft-
lichen Interessen" sogenannte Betriebsarbei-
terräte zu bilden. Diese konnten Vertreter in
die Bezirksarbeiterräte entsenden, die sich
ihrerseits wiederum zu einem Reichsarbeiter-
rat zusammenschließen durften. Ein Reldis-
wirtschaftsrat, bestehend aus Vertretern des
Reichsarbeiterrates und der Unternehmer,
sollte ins Leben gerufen werden und das Recht
erhalten, „sozialpolitisdie und wirtsdiaftspoli-
tische Gesetzentwürfe von grundlegender Be-
deutung" der Reichsregierung vor ihrer Ein-
bringung in den Reidistag zu begutaditen und
seinerseits entsprechende Gesetzesvorlagen
zu beantragen.
Dem Artikel 178, über die Reditskraft
der Verfassung und die Gültigkeit der bisher
erlassenen Gesetze und Anordnungen des
Reiches mußte auf Betreiben der alliierten
Siegermädite der Zusatz angefügt werden, daß
„die Bestimmungen des am 28. Juni 1919 in
Versailles unterzeichneten Friedensvertrags
durch die Verfassung nidit berührt werden".
Damit wurde das neu geschaffene Verfas-
sungswerk in verhängnisvoller Weise mit der
Hypothek des verlorenen Krieges belastet.
Die erklärten Feinde der jungen deutschen
Republik nahmen dies in der Folge zum will-
kommenen Vorwand, das neue demokratisdie
Staatswesen als ein „Gesdienk der Sieger' in
Verruf zu bringen und zu bekämpfen. Daß ihr
skrupelloser Kampf sdiließlidi Erfolg hatte
und im Jahre 1933 zum Untergang der Wei-
marer Republik führte, lag aber nicht an der
Unzulänglidikeit der Verfassung, sondern an
der mangelnden Entsdilossenheit der Bürger,
sie tatkräftig und überzeugend zu verteidi-
gen.
Sä«5*Mi
Polltics — Histcry
LJ^/ ,./^uy^
MUELLER, Hans:
GERMAN
V
<^
ABRAMOVITCH.R.R.: Die Sowjetrevolution
ADOLPH, W.: Verfaelschte Geschichte -
Antwort an Rolf Hochhuth
ALLEMANN, F.R.: Zwischen Stabilitaet & Krise,
Deutsche Politik 1955-63
Die Kapitulation oder Deutscher
Katholizismus heute
«feMERKER.R.: Der SED- Staat
Neue Dimensionen der Aussen-
politik; England, Nato, Europa
Der Libertaere Sozialismus in
der Westschweiz - Kampf der
Uhrenarbeiter gegen Marx & Engels
Die Oder-Neisse Linie in der
deutschen Aussenpolitik
Die Zweite Republik (Deutschland)ab.
Unsere Freiheit morgen
(Borch, Dahrendorf, Holthusen.etc.)
BOETTCHER, Erik (hrsg): Ostblock. EWG & Ent-
wicklungslaender
Deutschland im Kreis der
Europaeischen Maechte
Die Grundrechte im Sowjetsystem ab.
Ultramontanismus & Demokratie -
Katholiken im 19. Jhdt.
Das Papsttum (b.z. Johannes XXIII)
Die Wiedervereinigung
ab. 6.50
AMERY, Carl:
BAERWALD, H
BELOFP, Max:
BIGLER, R.R.:
BLUHM. Georg:
BOELLING, Klaus:
BOESE, G. (hrsg):
BORRIES, Kurt:
BRUNNER, Georg:
BUCHHEIM. Karl:
^
y
1.50
3.00
1.00
2.00
4.50
4.50
6.00
5.00
5.00
2.50
5.00
5.00
6.00
15.00
2.00
5.50
6.50
4.50
BUCHHEIT, Gert:
COUDENHOVE-KALERGI. R,
Europas
DEMETER, Karl: Das deutsche Offizierskorps in
Gesellschaft & Staat 1650-1945
kumente zur Geschichte der Frankfurter Juden
1933-1945
Dokumente zum Ostrecht:
I Der Warschauer Pakt
II Uschakow,A.: Der Rat fuer gegen-
seitige Wirtschafts-
hilfe (Comecon) 4.50
III Meissner, Boris: Sowjetunion &
Selbstbestimmungs-
recht ab. 9.00
FEST, J.C.: Das Gesicht des 3. Reiches -35 repr. 6.00
FETCHER, Irving: Der Marxismus, seine Geschichte in
Dokumenten I 3.00
FREDERICIA.W.: Europa - Traum oder Drohung 3.00
GEYER, Dietrich: Lenin in der russ. Sozialdemokratie 12.50
GISEVIUS, H.B.: Adolf Hitler 6.50
GOEPPINGER. Horst: Der Nationalsozialismus «fe die
juedischen Juristen 3.00
GOLDENBERG, Boris: Lateinamerika «fc die kubanische
Revolution ab. 9.00
GONTARD, Fr.: Die Paepste & die Konzilien 5.00
GROSSMANN, Kurt R.: Ossietzky 6.00
GRUEBER, H. (Probst): Zeuge fuer Israel 2.50
GRUETZNER.G.: Die Pariser Kommune- Macht
& Karriere einer Legende 7.50
HAMM, H&KUN,J.: Das rote Schisma 4.50
HORNSTEIN. Erika v. (hrsg) Die deutsche Not 2.50
Hundert Jahre Deutsche Sozialdemokratie 15.00
JACOBSEN. H.A. &DOLLINGER, H. (hrsg): Der 2.
Weltkrieg in Bildern & Dokumenten
3 vols. 45.00
JANSSE N.Karl- Heinz: Macht & Verblendung - Kriegs-
zielpolitik der deutschen Bundes-
staaten 1914-1918 8.00
JASPER, Gotthard: Der Schutz der Republik
(Weimar 1922-1930) 10.00
KINDERMANN, G.K.: Konfuzianismus. Sunyatsenismüs
& chinesischer Kommunismus 9.00
Die unvollendete Erneuerung
Deutschlands 1945-1963 3.00
: Der Warschauer Aufstand 1944 10.00
Das Ende einer Utopie 2.50
Was is heute links? 1.00
Franz Josef Strauss -
Ein Politiker unserer Zeit 4.50
Das Jahrhundert des Sozialismus 3.50
LANGBEIN, Hermann: So urteilen deutsche Gerichte.
Zwischenbilanz der Prozesse gegen
nationalsozialistische Verbrecher ab. 3.00
LENIN: Ausgewaehlte Schriften, hrsg.
V. Hermann Weber 12.00
LEWYTZKYJ, Borys: Die Sowjetukraine 1944-1962 ab. 6.50
UEBER.H.J.&RUFFMANN, K.H.(hrsg): Der Sowjet-
kommunismus, Dokumente I, ab. 6.00
LIEBKNECHT, Wilhelm: Briefwechsel mit Marx &
Engels 12.50
LINDEMANN, H. & MANN, Golo: Ist der Krieg noch zu
retten? Mil itaer politische Meinungen
der Gegenwart 3.00
LOEWENTHAL, Richard: Chruschtschov & der Welt-
kommunismus 3.00
Der Sowjetsektor von Berlin 8.00
Die volksdemokratische Ordnung
in Mitteldeutschland 1.50
Genossen beten nicht. Kirchen-
kampf des Kommunismus 4.50
MEISSNER, Boris: Sowjetunion & Voelkerrecht,
Bibliographie ab. 12.50
Juden & Judenfeinde in der
Christlichen Welt 3.00
Die 5. Republik. Was steht hinter
KOGON. Eugen:
KRANNHALS, H.v.
KRUEGER, Horst:
tt ff
KUBY, Erich:
KUPISCH, Karl:
MAMPEL. S.
ff ff
MASER, W.:
MEYER, Enno:
MOHLER. Arnim:
de Gaulle?
MORUS: Marx. Maerkte und Mars.
Asien - heute und morgen
ab. 2.00
4.50
Katholische Kirche & National-
sozialismus
5.50
•r
NICOL AEVSKY, B. & MAENCHER-HELFEN. O.:
Karl Marx - eine Biographie
NOLLAU, Guenther: Die Internationale, 2. erw. Aufl.
Zerfall des Weltkommunismus.
Einheit oder Polyzentrismus 2.00
Osteuropastudien Reihe I, hrsg. im Vlg. W. Schmitz:
Willi Wapenhans: Agrarpolitik in der
Zentralverwaltungswirtschaft
Mitteldeutschlands etc. 3.00
Erik Amburger: Beitraege zur Ge-
schichte der deutsch-russi-
schen kulturellen Beziehungen 5.00
H. Ludat(hrsg): Siedlung & Verfas-
sung der Slaven zwischen
Elbe. Saale & Oder 9.50
PAECHTER. Heinz: Chruschtschow, Kennedy. Castro 3.50
Perspektiven der sowjetischen Politik. Der XXII.
Parteitag (hrsg. Gasteyger) 4
PISCATOR. Eugen: Das Politische Theater 3
POELCHAU. Harald: Die Ordnung der Bedraengten
(Pfarrer im Gefaengnis)
Politische Forschungen, hrsg. v. Dolf Sternberger:
I Paul, E.: Der moderne Machia-
vellismus
II Eine Auswahl der Bundestags-
kandidaten
III Kralewski& Neunreither; Oppo-
sitionelles Verhalten im ersten
deutschen Bundestag ab.
jy Molt, P.: Der Reichstag vor der
improvisierten Revolution ab.
Literatur und Politik - Programme
seit 1870 ab.
RASSINIER, Paul: Zum Fall Eichmann: Was ist
Wahrheit?
RIESSER, H.E.: Von Versailles zur UNO cl. 7.50; pp.
RIKLIN.A.Ä WESTEN, K.: Selbstzeugnisse des
SED- Systems
RÜGE. Gerd (hrsg): Landesverrat & Pressefreiheit -
ein Protokoll ab. 2.00
Freiwillige fuer den Galgen. Ge-
schichte eines Schauprozesses ab.
Preussen- gestern und morgen
Hitler als mil itaer isc her Fuehrer
Schriftenreihe des Arbeitskreises fuer moderne Sozial-
geschichte:
I Th.Schieder.etc: Staat & Ge-
sellschaft im deutschen
Vormaerz 1815-1848
n Fr. Baiser: Sozialdemokratie
1848-1863
III H.Stuke: Philosophie der Tat
rv W.Schieder: Anfaenge der
der deutschen Arbeiterbe-
wegung
V M.Riedel: Buergerliche Ge-
sellschaft in preparation
VI R. Koselleck: Preussen
zwischen Reform & Revolution
in preparation
SCHROEDER, Gerhard: Wir brauchen eine heile Welt,
P.olitik in&fuer Deutschland
SETHE, Paul: Morgenroete der Gegenwart
SLOMINSKI, J.A.: Der neue Papst Paul VI. ab.
SONTHEIMER.Kurt: Politische Wissenschaft &
Staatsrechtslehre
Der Preussische Staat & die
U Juden. 4 vols..
7-50 vi;;^!
PROSS, Harry:
savarius, v.:
^,^^-^s:;hoeps. h.j.
schramm, p.e
,50
,50
3.00
6.50
4.50
4.50
7.50
6.50
3.00
4.50
4.50
5.50
1.00
2.50
6.50
17.50
8.00
ab. 10.00
STERN, Selma:
br.
cl.
5.00
18.00
2.00
1.75
38.00
42.00
STTROEHM. e.G.:
in der
Zwischen Mao & Chruschtschov,
Revisionismus & Dogmatismus
im Ostblock
Summa Iniuria oder durfte der Papst schweigen?
Hochhuth 's "Stellvertreter"
oeffentlichen Kritik
SVEISTRUP. H. &ZAHN-HARNACK, A.v. (hrsg)- Die
Frauenfrage in Deutschi. 1790- lyju
WARLIMONT, W.: Im Hauptquartier der deutschen
Wehrmacht 1939-1945
Der Weg in die Diktatur 1918-1933 (var. authors)
WEINSTEIN, A.: Das ist de Gaulle- Anspruch
& Wirklichkeit
WICKENBURG. Eric G.: Kleine Geschichte Wiens
3.50
WULF. Joseph:
t%
»>
*t
»•'
••
>»
Die Bildenden Kuenste im 3. Reich
Die Musik ^, ,, ..
Literatur und Dichtung ^ ,^^
Theater und Film
Presse und Funk
ff ff
1.00
12.50
ab. 9.00
2.00
2.00
3.00
10.00
10.00
11.00
"(1964)*
ab. 11-00
"(1964)
ab. 11.00
ZIEBURA, Gilbert: Leon Blum. Theorie & Praxis
einer sozialistischen Politik..
2 vols. (vol. 2to be publ. lat€r),vol.I:
18.00
Cuhural Subjecta - Philosophy
ADORNO, Th. W. zum 60. Geburtstag. Zeugnisse,
hrsg. M. Horkheimer
BAECK, Leo: Das Wesen des Judentums,
ab. 10.00.
5.50
BARION, J.:
cl. ab.
4^'
,/f<vU*, '^^ll^^ Av <^^^^^ ^^^^
6. erw. Aufl.
Hegel & die marxistische Staats
lehre, pp. 4.50.
BASCHWrrZ. Kurt: Hexen und Hexenprozesse
7.00
6.50
Vi-«:'
''.»^'ir-.
•*^-^4i:M4S|l
BUBER, Martin:
DAHM. Helmut
DIWALD. H.:
HEISS, Robert:
HERDER, JG.
HESS, Moses:
JASPERS, Karl:
JXJERGENS, H.W.
JUNG, e.G.:
WerCa vols.O^ 36.00
- hrsg. V. M.S. Friedmann &P.A.
Schilpp, Philosophen des 20. Jhdts. H.OO
Die Dialektik im Wandel der
Sowjetphilosophie ab. 5.00
Wilhelm Dilthey, Erkenntnis-
theorie & Philosophie der Geschichte 7.50
Dokumente der Naturwissenschaft:
I Max Born: Zur Statistischen
Deutung der Quantentheorie
II Born, Heisenberg, Jordan: Zur
Begruendung der Matrizen-
mechanik
III Erwin Schroedinger: Die Wellen-
mechanik
IV Heisenberg, Bohr: Die Kopen-
hagener Deutung der Quanten-
theorie
FREUD, Sigmund -PFISTER. Oskar -Briefe 1909-1939,
pp. ab. 2.50; cl. ab.
GLASENAPP, Helmuth v.: Die fuenf Weltreligionen,
special edition
HEIDEGGER, Martin: Die Frage nach dem Ding
Die Grossen Dialektiker des 19.
Jhdts. (Hegel-Kierkegaard-Marx)
Ideen '>^ ir Philosophie der Geschichte
der Menschheit
Ausgewaehlte Schriften
jAöfc^rvo, ivaii. Werk und Wirkung, zum 80 Gebirtstg.
JOSEPHUS, Flavius: Saemtliche Schriften: Die jue-
dischen Altertuemer, 2 vols.
Geschichte des juedischen Krieges
Kleinere Schriften
Asozialitaet als biologisches &
sozialbiologisches Problem
Erinnerungen, Traeume, Gedanken,
hrsg. V. A. Jaffe
KELLER, Werner: Und die Bibel hat doch recht -
in Bildern
KERENYI. Karl: Die Religion der Griechen u. Roemer
M " Tessiner Schreibtisch. Unmytho-
logische Studien
LANDMANN,Salcia: Jiddisch. Das Abenteuer einer
Sprache
LOEWITH, Karl: Die Hegeische Linke
MILLER, Andreas: Kultur & menschliche Fruchtbarkeit
MITSCHERLICH. Alfred: Auf dem Wege zur vaterlosen
Gesellschaft
MOSER. Hugo(hrsg): Die Sprache im geteilten Deutschi.
'^ • ^ I : Das Aueler Protokoll. Deutsche
Sprache im Spannungsfeld zwischen
West & Ost ,, ^-"^
n: H. Bartholmes: Das Wort Volk
im ."Sprachgebrauch sozialistischer
Parteien, insbes. der SED
Beiheft: E.G. Riemenschneider:
Veraenderungen der deutschen
Sprache in der sowjetischen Zone
seit 1945
PODACH. E.F.: Ein Blick in die Notizbuecher
Nietzsches
ROSENSTOCK-HUESSEY,E.: Die Sprache des Men-
schengeschlechts, 2 vols.
Die Sarajevo-Haggadah. Faksimile in Originalformat
(orig. ab. 1350)
SCHELLING.F.W.J.: Briefe & Dokumente, 3 vols.,
hrsg. H. Fuhrmann; vol. I:
SCHILLER's Gespraeche, hrsg. v. Frh. v. Biederstein
SCHOEPS. H.J.: Studien zur unbekannten Religions
& Geistesgeschichte
SCHROEDINGER. Erwin: Was ist ein Naturgesetz?
^TERN, Fritz: Kulturpessimismus als politische
Gefahr
TUCKER, Robert: Karl Marx. Entwicklung v. d.
Philosophie zum Mythos
WEBER, Alfred: Der Dritte oder der Vierte Mensch
WELTSCH, Robert (hrsg): Deutsches Judentum -
Aufstieg und Krise
WINTERS. P.J.: Die "Politik" des Joh^ Althusius
& ihre zeitgen. Quellen
ZWEIG. Stefan: Unbekannte Briefe aus der
Emigration
y
2.75
3.00
4.50
2.00
3.50
3.50
4.50
6.50
12.00
14.00
2.00
14.00
6.50
3.50
7.50
8.00
7.50
7.00
4.50
7.50
8.00
5.00
3.00
6.50
2.00
4.50
17.00
25.00
15.00
3.00
9.50
3.00
7.50
3.50
2.50
5.00
10.00
3.00
ab.
ab.
Socio/ogy - Economics
ATf-H P • Farbige unter Weissen (Farbige
Studenten in der Bundesrepublik)
BAADE. Fritz: Brot fuer die Welt
BALS ehr ' Halbstarke unter sich
BLUECHER. Vlggo Graf: Freizelt in der indus-
triellen Gesellschaft
• . Industriearbeiterschaft In der
Sowjetzone
DAHRENDORF. Ralf: Angewandte Aufklaerung -
^ Gesellschaft & Soziologie In
Amerika, kt. 3.50. cl.
Die Grundlagen des Historismus in
der deutschen Nationaloe konomle
Vllfredo Paretos System der
allgemeinen Soziologie
FUERCTENBERG. Fr.: Das Aufstlegsproblem In der
modernen (jcsellschaft
GEIGER, Theodor: Aufgaben & Stellvmg der Intelligenz
In der Gesellschaft
GEORG, Enno: Die wirtschaftlichen Unter-
nehmungen der SS
EISERMANN, G.
• •
4.50
6.00
6.25
4.00
3.00
4.50
7.50
7.00
7.50
3.50
3.00
Goettinger Abhandlungen zvf Soziologie, hrsg. v.
Helmuth Plessner:
I Ansatz & Wirksamkeit der Er-
wachseneriblldung V.W. Schulenberg 5.00
II Vom Staatsroman, eur Science
Flctlon y. M. Schwonke
in Die Entscheidung (Juenger,
Schmitt, Heidegger) v. Chr. Graf
V. Krockow
IV Arbeitfreude (Wirklichkeit & Ide-
ologie) V. Chr. V. Ferber
V Die Geschichte des Privatdo-
zenten V. Alexander Busch
VI Elitebegriff & Sozialstruktur
V. H. P. Dreltzel
VII Der Gewerbelehrer v. Wolfgang
Lempert
Handbuch der Soziologie, hrsg. v W. Ziegenfuss
^ndwoerterbuch der Soziologie, hrsg v. A Vierkandt
internationales Soziologen- Lexikon, div. authors
HARTMANN. Heinz: Amerikanische Fu-men
in Deutschland
Einfuehrung in die soziologische
Theca*ie
Industrlallsierungspolitik in
Spanien seit dem Ende des
Buergerkrieges
Der Wandel der Generationen.
Biolog.-soziolog. Studie
KOENIG, Rene (hrsg): Handbuch der empirischen
Sozialforschung, vol. I
vol. II in preparation
Sittlichkeit & Kriminalitaet
(vol. 11)
Die Anlagen im Rechnungswesen der
sowjetischen Industrie Unternehmung
Planung & Leitung der Schwer-
industrie in der SU ab.
MIDDENDORFF. Wolf: Der Strafrichter. (Beitrag
zur Strafrechtsreform)
T^^TTT T TrqsFN W & NOLD. K.: Unterlagen der deutschen
NELLESSEN. W. ^ ^^^^^^^^ g^^istik fuer eine quan-
titative Abgrenzung der deutschen
Mittelschichten
PFLANZ M.: Sozialer Wandel & Krankheit
PIPES. Richard: Die russische Intelligenzia ^
PRITZKOLEIT, Kurt: Maenner. Maechte, Monopole
^"^^^ new edition
Gott erhaelt die Maechtigen
(v. deutschen Wohlstand)
SCHELSKY. Herbert: Die skeptische Generation.
Soziologie d. deutschen Jugend
VOGEL. H.H.: Jenseits von Macht & J^^f ^^^U
Sozialordnung d. Freiheit kt.6.00, Ln.
WITTFOGEL.K.A.:Die Orientalische Despotie
HEINTZ, Peter:
HERGEL. H.H.:
KEHRER. F.A.
KRAUS, Karl:
LEPTIN. Gert:
MAWRITZKI. S.
4.50
4.50
4.00
5.50
5.50
6.50
37.00
23.00
12.50
6.00
G.50
15.00
4.00
28.00
6.50
6.50
8.00
2.50
7.50
10.00
3.00
7.50
7.50
3.50
7.50
15.00
L/terofure
BEER-HOFMANN, Richard: Gesammelte Werke
BOELL, Heinrich: Ansichten eines Clowns, novel
BOERNE, Ludwig: Saemtliche Schriften, 3 vols.
I & II together
vol. III in preparation
FRIEDENTHAL, Richard: Goethe - sein Leben & Werk
GOETHE: Faust I & n uncl Urfaust, special edit.
GRASS, Guenter: Hundejahre, novel
HASENCLEVER. Walter: Gedichte, Dramen, Prosa
HAUPTMANN. Gerhart: Frueheste Dichtungen.
Faksimile-Ausgabe w. 4 pl.
HESSE. Hermann: Das Glasperlenspiel, special edit.
HOCHHUTH, Rolf: Der Stellvertreter, drama
HOHOFF, Curt: Schnittpunkte, literary essays
HOLZ, Arno: Werke. 7 vols. until 1. III.
1964: $ 50.00, later
KESTEN, Herman(hrsg): Europa Heute,
Prosa & Poesie seit 1945
2 vols., 2500 pp.
KISHON, Ephraim: Drehn Sie sich um, Frau Lot.
Satiren aus Israel
LEPPMANN, Wolfgang: Goethe & die Deutschen
Lexikon der Weltliteratur, hrsg. Gero v. Wilpert,
8000 art. conc. authors of all
times & nations
Briefe 1937-1947 (vol. II)
1889-1936 (vol. I)
Saemtliche Erzaehlungen, spec.edit.
Wagner & unsere Zeit. Aufsaetze,
Betrachtungen, Briefe, hrsg. v.
Erika Mann, br. ab. 3.00, cl. ab.
MORGENSTERN, Soma: Der verlorene Sohn, novel ab.
Das Grosse Roda-Roda- Buch, unabridged
SEUME, J.G.: Prosaschriften
STERNHEIM, Carl: Das Gesamtwerk, 8 vols.
First complete edition, subscr.
STRESAU, Hermann: Thomas Mann & sein Werk,
pp. ab. 2.50 cl. ab.
WEIßSTEIN, Ulrich: Heinrich Mann
ZUCKMAYER .Carl: Geschichten aus 40 Jahren, ab.
15.00
4.50
MANN, Thomas:
»»
»•
21.00
7.50
3.00
6.50
3.50
6.50
3.50
2.50
4.50
60.00
20.00
4.00
3.00
17.00
9.00
7.50
3.50
4.50
5.00
5.00
12.50
50.00
4.00'
6.50
3.50
ADORNO. Th.W.
•»
ti
BENNWITZ, H.
Der Getrue Korrepetitor, Lehr-
Schrlften z. muslk. Praxis ab. 6.00
Quasi Una Fantasla,
(Musik, Schriften Vol. n) ab. 6.00
Kleines Musiklexikon,
2400 Stichw.. 800 Namen 4.00
Else Behrend-Rosenfeld, Ich stand nicht allein, 1945
L.G. Lowenthal, Bewaehrung im Untergang
Maria Zelzer, v;eg und Schicksal der Stuttgarter Juden
Arnd Mueiler, Geschichte aer Juden in x.'uernberg
li^rwin J. David, Wege eines deutschen Juden und seiner Zeitgenossen,
Frankfurt EVA 1968
Else Dormitzer, Beruehmte juedische Frauen in Vergangenheit und Ge-
genwart 1925.
Kurt Eisner, Gesammelte Schriften 1919; Gefaengnistagebuch 1928; die
halbe Macht den Raeten,Koeln, Hegner Buecherei 1969, DM 8.80
^ ^ ' C-^/
(Zf^^^ ^
• »
*^<^
;j5:^ .h^/ -^^'^ '^ ^^^«.-47
-^^^i^p&^ ^mrt4rirVy^&
T"
ife»!
-o-
John -.aatjes, The rolc oI* CoauunisLi darin; th. I.lunich revolut ionary period,
Diss.ü. f Illinois, Urb'dna 1958 ^v^-^,
Harry F. Youngj^-^.xi .äli-on Harden,Censor ermaniae, Haag l^ö9 z 2^
y^^. ..'■.. Foerster, .^Jrlelzite Weltgeschichte, Nucrnberg 195S /"/^A/^v/V ^^/^
y x.rnsL Kiekisch, Gev«agt-c.s Leben, Berlin 1953 ^
Ernst ..ueller-I.:ein.ncen,Aus bayerns schv.ersten ia^en,berli./l924 J^^f"/")^, JP yp
Hans La..]ni, Juden in Iviuenchen, C^^<^^^/u.^ Ai<^^ ^ ^^ x //^ /^c4j/^
cjosef Lofiiiiller, Revolutionstagebuch 1918/19, Leipzic 1958 ^^^ ^^
Ludväg Thonia,x^in Leben in Briefen,
Harry ochulze . ilde {üebf;r Eisner) in Der l.xOnat ,?ebr .1967 '<f'^^^^/ , ^^/
Helmut Neubauer, i.^uenchen un^; ...osx.au, Beiheft 4 der Jahrbuechcr fuer Ge-
schichte Osteuropas, ^-uenchen 1958 ^/^
Hichael Doeberl,3ozialis:.xi3, soziale i.evol.t .. Ion, oozialfr Vo_k£staat,
Luencnen 19£0
r 1
ozisldemokratischc Partei in Bayern, Die Bayerische oozialdeiaokralie vom
8.11.1^.1:- - ^.6.1920,-.uenchen ^-^
Felij? echenbachjDer rievolutiaiaer Hurt Hisner
Heuss, Zrinnerungeii (ueb.r Li^ner }
Fans Beyer, Von aer Hoverdberrevolut ion zur Raetere.-pub^ik in i:uench..n,
i^erlin Ost, 1957
Iv^acht unc Ghniaacht der intelxektue ll^n ed. Hurt HorfLiaim,l-a-.^urg 1968
(darin laqueur,die Ideologen der Revolution;
Gustav Landauer, :::.in Lebensweg in Brief en , ed-H. Buber Ffm 1929 ^ L^d^ X^ /
Hax Gersti, Die i.uenchen..r Raeteregierung,Huenchen 1^19 Sp
Paul .ferner, (Paul Froelich) die bayerische laeterepublik, Leipzig 1^20 f^j
Josef Karl, die ochreci^ensherrschaf t in Lluenchen ^ ^£^^ ^.^
Hans Elueher, deutsches Reich, Judentum und Sozi ali ^fius,- uencnen 1919 ^^^.
Ctto Hrnst ^chue^dekopf , Linke Leute v:n rechts, :Jtu ..tgart l^.ou /^y:
"^eor^ Franz, üeber x..u eh sam, Journal of ...oaeni History,^u.^D: Dec.1957 31.//
/Crnst Toller, i-ine Jugend in Deutschland ,Hai.'iburg ii:^ai963 ^t^^^
.iudolf Lindau, Revolutionaere JL.ae.ipfe 1913 - 1919 , Berlin-Ost 1960 ^^>'
*^
Friedrich i^oepp, j,^^ Juden ia deutschen oeff entlichen Leben in Deutsche
Politi .♦ iiiin voelkisches Handbuch ed. ..'ilhelni Lerensmann
Franlcfurt 1925
^lans Dlbruech, Vor uni nach dem Weltkrieg, Berlin li26
/^/^
9J^/
■ alter Gross, Das politische :ochicksal der Juden in der ..ei .arer Republik.
In ZT. ei i^aenden. j?<^<^
.x.Z, xiyder, The Gernian Revo±ution of 1915 , Cambridge 1^.67 /yf~/y^f /J^f -/^^^ ^ ^/
^.19.
iberhard i.olb, Die Arbeite rruete in der deutschcxi Innenpolitik lil. - l
Band ::j5. Beitrae^e zu Geschichte des Parlaaentari slius,
Duesseldorf 1962 ;>^'>^; //V-v^^ /or^
'C
f
..o.fgang Blben, Das B'robleni der I.ont inuitaet in aer aeutschcn Revolution.
Bana ;j1 üer Beitraeise DuesseldorB 19ub /?f'^/^fi f^/ ^^j' If^^
iierinan A.L. Deeiener, wer ist 's, Berlin 1928 ^^^/^^^. //^
Guno Borekenbach, Das deutsche Reich von 191' bis heute. Berlin l^BB
Bet :r von '^ertzenjBetriebsraete una ..oveniberrevolution.-anc. 25 der i^eitrae^-e,
Duesselccorr 1962 ^^, L/f£, li7
..alter Bornin, ZiV^iscBen Raet^diktatur uno sozialer D. niolorat ie.Bane 4 der jj-^9^^
Beitrae^e, Duesseldorf 1£54
•alter üehme, i-*anials in der Reichs.. anzlei. Berlin Ost 1953
: odor ..Blff, ..-.rinnerunj'.en
t/v^^ ^^y
iter de I.-endelssohn, Beitungsstadt Berlin, Berlin 1159
I ^'
Irrnann Beidegger , die deutsche Sozialdei.iokratie und der nationale Staat
1870 - 1920, Goettincen 1^56 Z S S^ J t^Zc C <^f<iL*^^<^
^^'/ 2,^ ßjj^ ^
'^achen und Folgen, '/oni deutscnen Zusani e bruch 1916,xjand S d^r eg in die
./eirnarer Reoublik, ed. Herbert ...ich^elis und Brnst och^pler
j-erlin 19B5 "^
;anz ochsde, 1 urt ^isner unu ai bayerische oozialdemoijrat^e ,Bannov^;.r 1961
ll^m i-itchell, Revolution in Bavaria 1918 - 1^19,Brinceton 1965 //¥- if'i
.Inelui Lerzo,^. , i-enschen, denen icn begegnete, rem und Buenchen 1959 ^/-/'/'
ijll^:,r . Die BoveMberrevolution
[...ernstein, die deutsche Revolution
Arnola Brecht, -Erinnerungen, 2 Baende
.0. Yolkmann, Revolution ueb-.. r Deutschland, Oldenburg 1^50
J
58
das die deutsche Türkenpolitik zu durchkreuzen dachte, er-
gänzt dieses Kapitel, zugleich mit den Hintergründen der Bal-
fourdeklaration und allem, was sie nach sich zog. Mit Interesse
verfolgt der Leser auch die Bemerkungen des Verfassers zur
Haltung der zionistischen Führer, die ihre «Bindungen an
Deutschland und die deutsche Kultur nicht hintanstellten und
einen «Riss in der zionistischen Weltorganisation» ebenso in
Kauf nahmen, wie die Mitglieder der internationalen Sozial-
demokratie die Kluft zwischen den Landesgruppen. Die Zioni-
stische Organisation hatte allerdings von Anbeginn ihre Neu-
tialifät proklamiert, da sie mit dem Krieg und seinen Entste-
hungsursachen nichts zu tun hatte, jedoch hat sie nicht zu
verhindern vermocht, dass sie in den Wirbel hineingerissen
wurde.
Die amerikanischen Juden waren das Publikum, das alle deut-
schen Aktionen in der Ostjudenfrage und in der Palästinafrage,
auch die Behandlung der Juden in Deutschland selbst, mit
kritischer Aufmerksamkeit verfolgte. In einer Überbewertung
ihres Einflusses, die mit den irrationalen Vorstellungen über
die Verflechtung der «jüdischen Hochfinanz» in Deutschland
mit der in England und Amerika zusammenhing, versuchte die
deutsche Politik um die amerikanischen Juden zu werben und
sie zu benutzen, allerdings ohne Erfolg. Interessant sind Details,
die der Verfasser aufzeigt, in der Haltung der amerikanischen
Juden zu den Mittelmächten einerseits, zu den Alliierten an-
dererseits, zum Zionismus und zu Sozialismus in Wechselwir-
kung, wobei gelegentlich die paradoxe Situation entstand, dass
die aus dem Osten stammenden amerikanischen Einwanderer
prodeutsch eingestellt waren, während die zu «Honoratioren»
gevvordenen früheren deutschen Einwanderer eher der Entente
zugewandt waren.
Mit dem Kapitel «Jvden und AntisemiHsnms im Weltkrieg»,
das die negative Bilanz der deutschen Judenpolitik auch innen-
politisch zieht und das Anwachsen des Antisemitismus mit den
schwindenden Aussichten auf einen Sieg zeigt zugleich die For-
mierung der antisemitischen Bewegung mit einer Deklarierung
.^'^i^^k^M
.^»l*^,.
^^Ij,
^^^W^^
■••■•i'.-/--^.-->v-'V
Les herbes de Manosque
F£in reicher, unter der südlichen
Sonne schwer duftender Kriiuiergar-
ten ist die Gegend um Manosque.
Hier gedeihen Basilikum für die
«Soupe au Pistou^>, Fenchel für feine
Fischgrilladen, die spitzen Nadeln
des Rosmarin für ein Pot-au-fcu. Der
Salbei und die Tomate bilden ein
Liebespaar bis in die Salatschüssel,
und der Thymian will Wild und
auch anderes Fleisch umkosen.
Alle diese Kräuter der Provence gibt
es gartenfrisch oder getrocknet. Sie
finden auch ein ganzes Bouquet in
einem rohen Tontopf mit dem schö-
nen Namen «Aux Anysetiers du
Roy».
Rabbiner Dr. Jakob Teichman:
Gebete für Festtage (XVI)
Das Abendgebet zu Schabbateingang: «Barne I\/Iadiikin»
Die Heiligung des Schabbats — der Kiddusch — bedarf nicht
nur einer seelischen Vorbereitung, sondern auch einer bewuss-
ten durchdachten Einführung. Die schöne «Braut», die ma-
jestätisch einherschreitende «Königin», soll nicht nur mit Ge-
sang und Melodie, sondern auch mit den weisen Worten der
göttlichen Lehre empfangen werden.
Das Stück, das zu diesem Zweck aus dem reichen Schrifttum
der Schabbatgesetze ausgewählt wurde, zeigt einmal mehr, dass
es unseren Altvorderen beim Studium der frommen Satzungen
nicht um etwas Theoretisches, sondern um die Praxis ginK.
In der spanischen (sef ardischen) Gebetsordnung werden die
empfohlenen Texte vor dem Abendgebet rezitiert. In manchen
Gemeinden hat man sie sogar zweckmässigerweise^vor das Nach-
mittagsgebet verlegt, um das Gelernte bei der Gestaltung des
Feiertags nützlich verwenden zu können. Die mitteleuropa-
ischen (aschkenasischen) Riten haben den Babylonischen Brauch
übernommen, wonach das «Lernen» zuletzt unmittelbar vor dem
Kiddusch erfolgte, mit dem Ziel, die Gemeinde sinnvoll zu be-
schäftigen, während sie darauf wartete, dass die spater h.r-
schienenen ihr Gebet beendeten. Dieses Motiv ist in neuerer
Zeit hinfällig geworden. «,Bame madlikin' wird neuerdings
nicht nur in allen Synagogen mit reformierter, sondern auch
vielfach in solchen mit alter Liturgie weggelassen», schreibt
J.Elbogen im Jahre 1913 (J.Elbogen. Der jüdische Gottes-
dienst).
Das zweite Kapitel des Mischnatraktats Schabhat «Bame madli-
kin» das in die Gebetbücher als Lehrstoff zum Schabbatemp-
fang aufgenommen worden ist, befasst sich mit der Auswahl
von Dochten und Ölen für die Schabbatlichter und schildert,
wie fromme Betriebsamkeit im antiken jüdischen Hause bei
einbrechender Dunkelheit in Schabbatruhe überging. Das Trak-
tat endet mit einem Hinweis auf die vornehmsten Aufgaben der
jüdischen Frau in ihrem Hause und auf die Pflicht des Man-
nes darauf zu achten, dass alles richtig ausgeführt werde und
auszurufen: «Zündet die Lichter an!» — Diesem Mischnatext
wurde die Schriftdeutung hinzugefügt, die Rabbi El'asar im
Namen von R. Chanina gibt. Sie beschreibt die Macht der gott-
lichen Weisheit, die imstande ist, Frieden in der Welt zu ver-
breiten Mit dieser schönen Botschaft enden einige Traktate des
Talmuds: B'rachot, J'wamot, Nasir, K'ritot; im Gottesdienst
des Schabbatempfangs bildet die Verkündung dieser Hoffnung
eine gedankliche Verbindung zwischen dem ewigen Frieden in
messianischer Zeit und dem göttlichen Ruhetag, der dem Men-
schen einen Vorgeschmack ewigen Friedens vermitteln soll.
***
delicatessa
Globus
136-26-G1-6906
wohn/m
/rn
Prestlge-Fauteuil?
Wir würden eher sagen,
Symbol Ihres Erfolges
und Ihres guten
Geschmacks. Und für
einen Geschäftsmann,
der laufend wichtige
Gespräche führt, gera-
dezu eine Notwendig-
keit.
Sie brauchen nur zu
telefonieren, und schon
steht er versuchsweise
in Ihrem Büro.
Fr. 990.- in hochwerti-
gem Kunstleder
Fr. 1145.- in echt Leder
UBL.ERB&
Telefon 051 25 0350
26 Zürich
Stauffacherstr. 104
eines völkischen Deutschland, werden die Betrachtungen abge-
schlossen. Die zionistischen Forderungen nach Anerkennung
ihrer Bestrebungen in Palästina und auf nationale Autonomie
für die jüdische Bevölkerung in Ländern der Massensiedlung
fanden damals neuen Zuzug in der ganzen Welt, jedoch blieb
das Assimilationsdenken beim grossen Teil der deutschen Ju-
den erhalten.
Das mit einem umfangreichen Literaturverzeichnis und einem
Index versehene Werk, das einen weiten Tour d'Horizon ver-
mittelt, verdient die Beachtung auch derer, die sonst historische
Werke nicht in die Hand nehmen. Es ist leicht fasslich und ein-
gängig geschrieben. Es scheint indes, dass bei dem Buch,
das auf ausführlichem Quellenstudium beruht, auch gelegent-
lich in einer Auslegung Fehlinterpretationen sich eingeschli-
chen haben (ein Zitat von Dr. Robert Weltsch) oder Namen
und Organisationen nicht genau zitiert oder buchstabiert win-
den. Wir glauben indes, dass solche Irrtümer bei einer so ver-
dienstvollen umfassenden Forscherarbeit nicht zu schmälern
geeignet sind. C. W.-^-
-Wf'-'
56
/
//
/^ ^
^%^i^
Der Erste Weltkrieg
als historischer Hintergrund
Effmont Zechlin. Die deutsche Politik und die Juden im Ersten
Weltkrieg. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1969.
Die Geschichte der deutschen Judenheit unter der Gewaltherr-
schaft des Nationalsozialismus ist noch ungeschrieben. Erst,
wenn der Abstand gross genug ist, wird wohl diese historische
Aufgabe anhandgenommen werden. Indes gehören Werke
über den Ersten Weltkrieg, seine Vorgeschichte und seine Fol-
gen zu den meistgelesenen und meistdiskutierten der letzten
Jahre. So wird in dem Werk des Hamburger Historikers Fritz
Fischer, «Griff nach der Weltmacht», bereits herausgearbeitet,
inwieweit in den deutschen Kriegszielen 1914 — 1918 national-
sozialistische Hegemonialpolitik vorweggenommen sei, und
Hinweise auf das Buch des alldeutschen Chefideologen Heinrich
Class, «Wenn ich Kaiser wäre», lassen erkennen, wie bereits
von ihm ein diktatorisch-antisemitisches Ermächtigungsregime
gefordert wurde; man kann füglich annehmen, dass dieses
Buch, und andere antisemitische Schriften aus der Zeit, auf die
nationalsozialistischen Nachfahren, auf Adolf Hitler insbeson-
dere, ihren Einfluss ausgeübt haben.
Diese Auffassung wird nach der Lektüre des vorliegenden Ge-
schichtswerks von Egmont Zechlin, Hamburger Ordinarius für
Mittlere und Neuere Geschichte, bestätigt. «Die deutsche Poli-
tik und die Juden im Ersten Weltkrieg» ist wohl die ausführ-
lichste, auf Materialien des Auswärtigen Amts und der ver-
schiedensten Archive, auf Einzeldarstellungen deutscher und
jüdischer Verfasser und zahlreichen Dokumenten beruhende
Untersuchung zum Thema, weit ausholend und nie dem Ver-
such unterliegend, irgendetwas zu beschönigen. Am Ende der
Lektüre, die durch den von Deutschland erstrebten «Griff nach
der Weltmacht» sich nicht nur auf die in Deutschland leben-
den Juden bezieht, sondern die Beziehungen zu denen in den
Oststaaten, in Amerika und England zu durchleuchten ver-
sucht, ist man bestürzt, in vieler Hinsicht bereits ein Vorspiel
der späteren Tragödie zu erkennen, als die jüdischen Mitbür-
ger vollends im Stich gelassen, entrechtet, jeglichen Schutzes
beraubt und schliesslich vernichtet wurden.
Wer bislang versucht hatte, sich mit der Haltung, den Hoffnun-
gen und Irrungen des deutschen Judentums des Kaiserreichs
zu befassen, sah die Dinge zumeist unter wirtschaftlichen
Aspekten, den Angriffen gegen «jüdischen Kapitalismus», in
der durch die «Judenstatistiken» zu Unrecht mehrfach hoch-
gespielten Erörterung, in welchem Masse jüdische Soldaten
und Offiziere ihrer Pflicht zum Frontdienst nachgekommen
sind (eine Tatsache, die trotz vorliegenden Dokumenten über
den grossen Blutzoll immer bestritten wurde i, und endlich,
im jüdischen Bereich, in den Wünschen nach voller Assimilie-
rung einerseits, im aufstrebenden Zionismus anderseits, in der
Stellung der Orthodoxie, die die strikte Wahrung der religiö-
sen Haltung mit Assimilierung in Einklang zu bringen suchte.
Der Historiker Zechlin spannt den Bogen viel weiter. Nach
einer fast hundert Seiten umfassenden Einleitung zur Sitimtion
und zum Selbstverständnis der Juden in Deutschland vor dem
Ersten Weltkrieg, denen das Kriterium einer einheitlichen
Gruppe fehlte und die er deshalb nach den angegebenen Unter-
scheidungen und in ihrer Reaktion auf den virulenten Antise-
mitismus darstellt, wird die interessante und ambivalente Ost-
judenpolitik im Osten, die durch die Besetzung Russisch-Polens,
Rumäniens, Litauens und der Ukraine in Fluss gekommen war,
aufgerissen, die bei aller relativ anständiger, korrekter Ver-
waltungstätigkeit gegenüber den Juden, die unter dem Zaren-
reich, der Gettoisierung und Pogromen nicht gerade verwöhnt
gewesen waren, und unter Nichtantastung des jüdischen Kul-
tus- und Bildungswesens, dennoch eine im deutschen Interesse
liegende Politik des «Divide et impera» befolgte und in Ver-
suchen gipfelten, die ansässigen Juden gegen das Zarenreich
aufzuwiegeln. Die vielen Versuche jüdischersei ts, den Juden im
Osten einen Minoritätenstatus mit Rechten auf Selbstverwal-
tung zu verschaffen, blieben weiter unerfüllt. Jedes der besetz-
ten Gebiete wird durch den Verfasser mit seinen Sonderfragen
behandelt, die damals weit auseinanderklafften. Besonders
scharf wurde in der Ukraine deutlich, als eine Pogromwelle das
Land überflutete, dass die bereits vor dem Ersten Weltkrieg
vorhandene Strukturkrise in den Ländern des Ostens weiter
bestand, vielleicht sogar durch die aufgerollten Forderungen
für die Minoritäten sich noch verstärkt hatte.
Breiten Raum nimmt die Stellung Deutschlands zum ZionisniKs
in diesem Geschichtswerk ein. Zechlin greift zurück auf die
Bemühungen Theodor Herzls um eine deutsche Unterstützung,
auf das Kaisertreffen mit Herzl, das stark überbewertet wurde;
er behandelt den im zionistischen Sinne gelösten Sprachen-
kampf, der eine Loslösung von der deutschen Politik war, die
die Palästinasiedlung als Objekt deutscher Interessenausübung
betrachtete und vor dem Krieg zu einem gespannten Verhält-
nis des Zionismus zur deutschen Regierung und im Eintreten
für das Hebräische auch zu Spaltungen unter den deutschen
Juden führte. Weiter zeigt er die verworrene Grossmachtspoli-
tik während des Krieges, in der trotz Bündnis mit dem Osma-
nischen Reich, Deutschland immer wieder versuchte, sich aus
der Palästinapolitik nicht ausschalten zu lassen. Die prekäre
Stellung der Zionistischen Bewegung in einem durch Krieg
zerrissenen Europa wird verdeutlicht. Ein Blick nach England,
Terlinden
mit der grössten Erfahrung im
Chemisch Reinigen
• «Spezial-Service»: tadellos
reinigen, entflecken und fach-
männisch bügeln
• die gute, billige «einfach»-
Reinigung
• Färben, Graufrisch-Verfahren
• Wildleder-Reinigung
Sie finden die Telefonnummer
der nächsten Terlinden-Filiale
im Telefonbuch.
Vorhang-, Teppich- und Polster-
möbelreinigung
Gratis-Hauslieferdienst
Für spezielle
Verpackungsprobleme
kommt nur Dimmler
in Frage !
Terlinden
Terlinden & Co., 8700 Küsnacht/ZH,Tel. 90 6222
Chemisch Reinigen, Färben, Teppich- und Polsterpflege
C.E. Dimmler AG
Cartonnagen
4800 Zof ingen, 062 51 42 44
m-
5,V.I
ac^j£'^?Tjir.-J
THE TIMES LITERARY SUPPLEMENT FRIDAY NOVEMB
CONSTITUTIONAL ADVANCE
-■^-i'.(-.<V/
A. H. DODD : The Growth of Responsible Government. From James the
Kegan Paul. 23s.
The British Constitution, like the their opponents called ihem. The
British Empire, was not achieved in Protector cleaned up most ot^ the
a fit of absence of mind. It has been corruption, and left a body ot com-
the cumulative result of the expedients petent administrators-as a legacy tu
of hard-headed politicians and admi- CgaFTj^ li. V lo eiarenoon, nu-
nistrators. Its slow tentative growth fessor Dodd remarks, it bore tne
took centuries; Professor Dodd mark of the Beast, but the King was
calls his book " A study of politics always content ah hoste ('^'^•^,7 JIJj
in action." Here is liltle that is ncw ; made things smoother for him inis
the survey is based on the obvious nascent Dureaucracy piuvcd- per-
printed authorities. But it usefully manent A spoils ^y^l^^^^l"^^'
relates conslilutional to polit.cal swamped it. and it appointments were
history for Hfe, corruption was that much
If change came gradually and diminished. ^^
piecemeal, noveltv, once accepted, Cab.net government and party
soon became tradition. When, to-day, Organization emerged very gr^oua ly.
a Government loses its majority in The first was made inevitable by tne
the House of Commons, it automatic- Marlborough wars. It was dis-
allyresigns: as Professor Dodd points trusted ; Defoe called it modern
out, this was new doctrine '", ^^^^
powers over 'the executive tnought
inherent in the iegislature are even
low not exercised in the United States,
rhe British method of responsible
-overnment, " probably our most
üistinctive contribution to politics,"
has been only slowly worked out in
quite exceptional conditions. In
detail, though without much colour or
style, Professor Dodd retraces the
familiär theme.
The responsibility of the executive
to Parliament, the rise of the Cabinet,
the emergence of the Prime Minister,
and, along with it all, the establish-
merit of etfective bureaucracy, are
adequately described. In the last
aspect Cromwell gets some
The Grt^ai 'ReMlü^l'- writes
saw the
fcS^ional CivTI Service. Ihough the
cOnsliluiroilMr fhdiüfier of the sec-
and excentrick." If its composition
was still at the Sovereign's discretion,
it was a businesslike instrument— an
advance on the caprice and favourit-
ism of the early Stuarts. With a
Hanoverian king, the initiative
passed to Walpole, an astute political
manager alone capable of carrying
on.
George HI always accepted the
terms of the Glorious Revolution—
the legislative and financial supre-
macy of Parliament. Unlike Charles
I, he never tried to raise money
unconstitutionally. When he sought
his own ends, he sought them
through interest and political man-
agement, at which he was a shrewd
hand. We find him, early in his reign,
trying to oust Chatham— " that mad
Pi'tt." The younger Pitt and the Kings
illness put an end to these man-
oeuvres. He was thought to be
incorruptible ; he abolished hundreds
of sinecures; he made himself the
leader of the State in a great war
taries had little eftect on policy, when
Poyalist estates were confiscated and
s* questration committees were set
'olle jrs ofTafhad Toi Ä '^'^^^^ "' '"'' "' ^"
First to Victoria. Routledge and
was a shift of power. Although the
kind of representative took long lo
change, for the new voters, as much
as the old, preferred the natural
leaders of their neighbourhood. and
the " carpet bagger " candidate took
long to come in, the basis of the new
constituencies was in numbers, not
in corporations. When the univcrsity
vote was abolished, this change
became complete. With the commg
of mass democracy and the rise ot
the great party machines, tb.e pendu
lum seemed to swing too iar. The
executive, men feared, might be ham-
strung. The danger was avoided ;
the initiative preserved. To-day. the
threat to liberty comes frcin another
quarter.
"This I may say for Scotiand,"
wrote James I and VI, that would-be
enlightened despot, " and 1 may iruly
vaunt it: I write and it is done." It
has taken over three centuries to pre-
serve and develop the liberties of
Great Britain, to achieve the harmony
of executive and Iegislature; to accus-
tom a widening electorate to the
responsibilities of self-government.
But the First World War, Professor
Dodd wams us, brought a new
threat :
The real crisis of responsible government
in the present Century came when the
Virtual abeyance of the Constitution in
Lloyd George's wartime coalition
which his second-in-conimand Bonar
Law did not shrink from duhhinu a
" Dictatorship *"— was prolonged into
the years of peace ... Sir Wmston
Churchill ... had the wisdom to heed
the warning when his own time came.
To-day the bureaucrats of the
welfare and the garrison State can
make short work of the achievement
of centuries. Professor Dodd secs
hope in question time in the House of
Commons and in the sequel to
Crichel Down.
w
THE SOCIETY OF ANTIQUARIES
mtract its scope
archaeological domain, the socie^y^
ias become steadily more scieti^''
jnethod and more^ extensiv.^
it would be ^ntpiing Ij
fcfe SS i rrnl ^km T*""'
fi^-V.
^«;//> /ÄW Z^>U // ^ jyy
^x*/^^ A^C^ ^C/ ccocAf
W'^ •v-«^
A^^t^^
.i:.^^
^^^^-'^ -
^ Au^^l>^
/x/t^C
.^^
/•r
^^
rjjMM^
c/JA^t.-. J
i/'
/.., ^^-A-.^^ "-^- '"^^ ^^^
/ /7^ 4v^ ^
V^<<— 0
,^ ^Ä*^ /i«^ v'.^.i./-
o^<X
./.
>^^^ //7^ ß ^ Ifö
4/-
rU
^^/ t^ /M /^t
4:-
Jeu4jt.Jt^ ^t^4J-
Cf- y/Cf Ä^— *^Ä^<^XC^^ C^^^-«- ^
^ £1^. /^x^ • ^^^ ^'^^
//7 K - //" H-t^ *^ /&^<
^>v*
c^
(/>•
\At4/i^ v'
«f «
z^^^^^:^ >^ ^/>^
LZ
c^ ^
u *^^
ÄJ>
^4^
VV,' O^
/
^Ü^^
^:
^^ /L, . ^ -i^*— ^
/«^.
^
«^/c
/***
- k^*A^jLt. — ^^
^ c^e^
:?♦
i'^«^
7'<^ 4.^ --^ '^
^:««:^44 -
/
, /^ .^ z^:-. ^u?/ x.A
^'.^ /CU-f ^ «y-^^ '«'^ '^S''
/
sen späterhin moisLcfh^
haupt, machte die genreriaFm
!naulich-
einer DokumltiT
phischcr Intimität.
"!isa- WcT/^^^ vOiT Äoci'iä^
Alexis de Tocqueville
Zum Erscheinen einer Gesamtausgabe
Man macht schon etwas mit, seufzt mancher
ZeUßen?.srhalb stolz, halb wehleidig und
sSSeU sich, mehr erlebt zu haben als scme
fdXoUen Vorfahren. Wer wollte die Genei-a-
tfinen zählen, die dieses Vorurteil vererbten sie
aUeS seien bei unerhörten Vorkommnissen der
Zeußens^^^ teilhaftig geworden. Der Irrtum
Dflanzt sidi um so sicherer fort als es den Men-
Ä offenbar nicl.t gegeben -^^-^^^
wirkende Erinnerung an durchlebtes Schicksal
in Weisheit des Instinktes umzuwandeln. So
ebt^n die Zeitgenossen des aus unerfmdlichen
Gründen so genannten Biedermeier stanaig^m
Anblick ienes Wetterleuchtens, das ein Jahi-
hunden der Umwälzungen und Untergärige an-
kündrgte Aber niemand wollte auf den ah^^
vollen Warner hören, der sich aus ihiei Mitte
erhob.
Al^ Alexis de Tocqueville geboren wurde,
.titß liber dem alten Europa die Sonne von
Ausiri^^z empor. Einen seiner Großväter hatten
dirschreckensmänner der Revolution aufsScha-
fn?t beschickt Seine Eltern hatte nur der Sturz
RoLÄt vor einem ähnlichen Sd.cksal be-
wahrt Er war em junger ^anr als Kall X. der
ipt-te reaierendeBourbone. sich in emeKa esaie
wirf um vor dem Aufruhr m Fans zu fheherv
?i™ rniiRte sein Adel viele Jahre hmdurcli die
Se?rs^af der MiUelmäßigkeit unter dem Bur-
ger-'md Börsenkönig aus dem unseligen Hause
Orleans erdulden. Die Ereignisse de.s Jahies
?84rf anden ihn auf der Deputiertenbank in der
^^mm^r Oder auf den Boulevards, unterm
Feue?^der Artillerie, gedankenvoll hin und her
wandernd zwischen den ausgehobenen Stel un-
r,^« Ae^r Recierungstruppen und den nocngc
tü?mfen Bar ikadln der bewaffneten Arbeiter
aus den Nationalwerkstätten. Oder auf emem
v^irlrain nahe dem verlassenen Schloß seinei
Väter wo er die Bauern auf ihrem Zuge zur
Ume üb^? d'e Bedeutung der ersten allgemeinen
unS gehlimen Wahl belehrte. Tocqueville starb,
erst 54 Jahre alt, und nahm den Ruhm mi^,ii^
sein Grab, als Minister dem Staatsstreich des
Präsidenten Louis Napoleon, wie aucli dem
Rauscli der Plebiszite, die jenen auf den Thron
des zweiten Kaiserreiches emportragen sollten,
feierlicli widersproclien zu haben.
Die politische Karriere dieses Aristokraten
bestätigt eine leidige Regel, wonach in unserer
Welt wie sie nun einmal beschaffen ist. auch der
Weiseste nicht zu verwirklichen vermag, was
sein durcl-idringcnder Geist als wahr erkannt
hat Daß Tocqueville ein glanzloser Außen-
minister gewesen ist. wie manche hartnackig
behaupten, nimmt ihm gar nichts von der
Größe die er als ein politisclicr Denker er-
reidite Die Laufbahn des Schriftstellers Toc-
queville? bedurfte niclit des mühseligen Aufstiegs,
sie begann auf einsamer Höhe, die .sie nie mehr
verließ Schon die erste Veröffentlicliung machte
ihn berühmt und seine Leser betroffen. Man
kennt die Geschichte; der Richter Tocqueville,
nacheifernd dem Vorbild des unbestechlidicn,
im Ancien regime für Menschenwürde streiten-
den Malherbes — Verteidiger Ludwigs XVI. —
und angewidert von den Verhältnissen seines
Vaterlandes, das ziellos in der Politik ..herum-
probierte", wollte eine Weile die Luft der Prei-
heit atmen. Er besorgte sich, wie das auch heut-
zutar'e noch geschehen mag, einen Urlaub sowie
den "staatlichen Auftrag, das Gefängniswesen
und den Strafvollzug in den Vereinigten Staaten
gründlich zu studieren. Als unerwartetes Ergeb-
nis seiner Reise und einer ausgebreiteten Quel-
lenforschung legte er im Jahre 1835 ein Buch
vor. das sofort Sensation machte: Die Demo-
kratie in Amerika.
Was den französisdien Grafen in Amerika
fasziniert hatte, teilte er im Vorwort zur zwölf-
ten Auflage mit. die im Revolutions.iahr 1848 er-
schien: „Dieses Budi wurde vor fünfzehn Jah-
ren im beständigen Banne eines einzigen Ge-
dankens gesdiriel-^.i,: des nahen, unaufhalt-
samen, allgemeinen 'Aufstiegs der Demokratie
in der Welt. Wer es r/ieder liest, wird auf jeder
Seite eine feierliche Warnung finden, die die
Mensdien daran er; mert, daß die Gesellschaft
ihre Gestalt, die m
verändert und daß i^
reiten."
Der Reisende hatte
ded^ung gemacht, daß d
Kolonien der englisch(
konformisten jener
des Bürgers geboren u'
französische Nation alveij
später einen Hauch veif
kannte, die Demokratie j
Da er jedoch überzeugt
Zukunft, zumindest d?l
würde, hielt er es für sJ
am Beispiel Amerikas, k]
Weise von den Einrij '
tisch regierten Staate
machen sei. überdies
weit vorzustellen, wcj
kratie fast unvermei(
ihn nämlich die Beob;
Institutionen in AmcJ
gegen gesellschaftlich!
keinen gegen die Wl
allem aber war es
Gleidiheit, der seine
die Bewegung zu all
schlechthin unwiderstf
der Demokratie einen
vorgezeidinet; einen, <"]
über die Gleichheit zu)
kann — ,.im Namen d^
lung zum Staatssoziali
aller Farben lag vor '
ein Rechenexempcl.
Was die Mitwelt
das war die körnige]
durchsiditige Sprache
in dem er etwa di'
Staatsaktionen oder
daß man glauben ko]
Stendhal gelesen zu 11
man sich einbilden. nu|
zu wissen, was es mit
sich hat. Was jedoch d|
Tocqueville geradezu
selber machte, seine e|
\
|',-'.'Äiic>'""-:'"i/V'^
•R« Haecker:
Was
Augen. /
ist der
poral. 1^ or
Gustav Adolf Moic"
langshandlung, Münclien, JecT
'^y^\i-
'•>^^?^:.''^'
ihre Lebensweise
?hicksale sic±i vorbe-
J) in Amerika die Ent-
fort, in den ehemaligen
|?.a Puritaner und Non-
[r!St der Selbstregierung
)»rden war, von dem die
I Sammlung erst 60 Jahre
spürte. Tocqueville bc-
nicht lieben zu können.
J\var, daß ihr die nächste
Is Jahrhundert gehören
fcine Pflicht, der Mitwelt
llarzumachen, auf welche
Jtungen eines demokra-
P der" beste Gebrauch zu
[log ihm daran, der Nach-
':che Gefahren der Demo-
llich innewohnen. Es hatte
Ichtung erschreckt, daß die
Irika kaum einen Schutz
n Zwang boten und gar
■ der Mehrheit. Vor
\d2r machtvolle Zug zur
[Besorgnis erregte. Da er
]l;;emeiner Gleichheit für
Milich hielt, sah er darm
lihrer möglichen Irrwege
ller sie aus d«.r Freiheit
neuer Tyrannei führen
s Volkes". Die Entwick-
Imus und auch Faschismus
Ihm, klar und sclilüssig wie
H Tocqueville faszinierte,
marmorkühle und dabei
der unnachahmliche Stil,
Naturgeschichte großer
Devolutionen so erzählte,
Innte, einen Boman von
liaben. Noch dazu durfte
In zum ersten Male genau
der Politik eigentlich auf
m vornehm bescheidenen
Jein wenig stolz auf sicli
linzigartige Fähigkeit, das
Ergebnis scliärfster Analysen in eine ferne
Zukunft hineinzusehen, wußten die Zeitgenos-
sen noch nicht gebührend zu schätzen, da üinen
alle Möglichkeiten des Vergleichs und der Nach-
nrüfung fehlten. Der berühmte Literaturkritiker
Sainte Beuve war gewiß nicht der einzige der
sich neidvoll ärgerte über eine Hellsidit die er
bloß als die Pose eines Visionars erachtete. Erst
*:pätere Geschlecliter, die das Rechtbehalten
nicht mehr als Verletzung von Tabus empfan-
den, begannen die Kraft dieses Seherbhckes zu
begreifen der weltpolitische Mäditekonstella-
tionen unseres 20. Jahrhunderts klar zu erfassen
vermochte.
Heutzutage ist icne Prophezeiung im letzten
Kapitel des Buches über die Demokratie in
Amerika wohlbekannt, die mit den gewaltigen
Sätzen au.sklingt: „Es gibt heute auf E^-den zwei
oroße Völker, die, von verschiedenen Punkten
ausgegangen, dem gleichen Ziel zuzustreben
scheinen: die Russen und die Angloamerikaner.
Alle anderen Völker scheinen die Grenzen un-
gefähr erreicht zu haben, die ihnen die Natur
^e70Pen hat. und nur noch zum Bewahren da-
zu.'^ein; sie aber wachsen. Dem einen ist Haupt-
mittel auf Erden die Freiheit: dem andern die
Knechtschaft. - Ihr Ausgangspunkt ist ver-
schieden, ihre Wege sind ungleich; dennoch
scheint jeder von ihnen nach einem geheimen
Plan der Vorsehung berufen, eines Tages oic
Ge^^chicke der halben Welt m seiner Hand zu
bauen- Ob freilich die noch mehr ins einzelne
«ehenden Urteile dieses genialen Diagnostikers,
die gleiche Beachtunc finden, mag fuglich be-
zweifelt werden. Etv.^a die bestimmte Voraus-
sage es werde Amerika dereinst bei seiner Aus-
einandersetzung mit dem weltpolitischen Gegen-
:spieler Rußland beträclitliche Anfangsschvnerig-
i5keiten überwinden müssen, da es auf Grund
ieiner Verfassung bis dahin noch keine feste
(^Tradition eigentlicher Außenpolitik entwickelt
^haben könne.
Angesid-its solcher Sicherheit, mit der Tocque-
ville sämtliche Gelegenheiten ausdenkt, die noch
heute von iedem Politiker teueres Lehrgeld for-
dern, vcrsdilägt es nidit viel, daß er manchmal
der Geschichte ein zu rasches Tempo zumiin.
Irrt er sich gleich im Zeitmaß, so verfehlt er
doch nie die Sache. Wenn einschränkend gesag.
wurde, er habe die Heraufkunft der chinesisdien
Macht über Asien noch nicht gesehen, so wäre
immerhin dagesrenzuhaltrn. daß er. mitten auf
einem Pariser Boulevard, die Volkskommunen
erahnte.
Alexis de Tocqueville gewann sich viele
Freunde, die ihn sehr hodrstellten. Auch fand er
zu allen Zeiten erklärte Liebhaber — v/ie etwa
Dilthev und Carl Burckhardt — dann ungleich
glücklicher als sein düsterer Zeitgenosse, der
gleichfalls seherisch begabte Donoso Cortes. Audi
hatte er seine Renaissance in jüngster Zeit, und
man könnte sagen, daß sein Werk, aus naho-
liegenden Gründen, nach den beiden Welt-
kriegen plötzlidi sogar in Mode kam. Dennoch
bleibt ein begründeter Verdadit. daß dieser un-
vergleichliche Erforscher politischer und gesell-
<:chaftlicher Zusammenhänge, von dem sein eng-
lischer Briefpartner J. St. Mill sagte, er koir.me
als Staatsdenker durchaus dem Montesquieu
gleich, um ihn als Charakter noch zu überragen.
doch viel weniger bekannt ist, als es sein Ruf
erwarten ließe.
Dankbar darf man daher die Deutsche Ver-
lagsanstalt in Stuttgart zu dem mutigen Ent-
schluß beelüd^wünschen, das Gesamtwerk in
deutscher Übersetzung auf Subskription herau>-
zubrir.gen. Die Ausgaben, von denen, durch
Theodor Eschenburg vorzüglich eingeleitet die
..Demokratie in Amerika' bereits vorliegt, wer-
den noch folgende Bände umfassen: ..Das Ancien
Regime" und die Revolution, dann Reisebilcier
und Vermischte Schriften, schließlich Parlamen-
tarische Reden und eine Auswahl von Briefen. ^
Den größten Genuß aber wird dem Leser ver- j
mutlich der letzte Band bereiten, der Tocque- ;
villes Erinnerungen enthält Von ihnen darf
ohne Übertreibung^ behauptet werden, daß sie .;
zu den schönsten und vor allem zu den Inhalts- ;
=:chwersten Memoiren der Weltliteratur zählen.
Tocqueville hat einmal geschrieben: „Eine völhg
neue Welt bedarf einer, neuen politischen Wis-
senschaft." Die Art, wie er es anstellt, ein Funda-
ment dazuzulegen, bedeutet allein schon eine
Offenbarung. Hermann Procbst
L
5*. " -■-
-- 2 . ^ f
//«Ä^/ .^ ^.»^ .vi; ^^^ Ao:^^ & .t^^^^j-
,t«^^' ^fj^^pe ^^<-i-
/<P^?
^'■^m
'M
DIE GEGENWART
Mittwoch, 9. Juni 1965 / Nr. 131 / Seite 15
FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
' —
Berichte • Dokumente
i
m
,' ■■■^■-i'i^^.'^v ■
NACH DEM KRIEGE
KRIEG GEGEN WEHRLOSE
Im Herbst 1940 fuhren die ersten Lastwagen-
kolonnen der SS, die Trecks, die Sonderzüge und
Donauschiffe mit zweihunderttausend in Ru-
mänien beheimateten Deutschen ins Reich. Was
nicht lange darauf, vor jetzt zwanzig Jahren,
mit den Deutschen in den östlichen preußischen
Provinzen, in Polen, der Tschechoslowakei, Un-
garn und Jugoslawien geschah, hatte hier in
kleineren Dimensionen ein Beispiel gefunden.
Rücksichtslos hatte die SS im Interessenspiel
zwischen Berlin und Moskau Bevölkerungsgrup-
pen verschoben, nicht nur, um sie vor kommuni-
stischem Zugriff zu bewahren, sondern um die
annektierten Ostgebiete „rassisch zu veredeln".
Nach dem Polenfeldzug im Herbst 1939 wurde
der SS-Führer Himmler zum „Reichskommissar
für die Festigung des deutschen Volkstums" er-
nannt und leitete von da an die Umsiedlungen.
Im August hatten sich die deutsche und die so-
wjetische Führung in ihrem Nichtangriffspakt
über die Aufteilung Osteuropas in Interessen-
gebiete geeinigt; im Spätherbst wurde ein Ver-
trag über die Rücksiedlung der Deutschen aus
dem Baltikum, aus Galizien und Wolhynien un-
terzeichnet. Ein knappe Jahr später, als Rumänien
auf deutschen Druck das nach dem Ersten Welt-
krieg in Besitz genommene Grenzland zwischen
Dnjestr und Pruth, Bessarabien und die nörd-
liche Bukowina an Rußland abtreten mußte,
wurden die Deutschen dieser Gebiete in das Ab-
kommen einbezogen. Kurz darauf vereinbarten
Berlin und Bukarest den Auszug der Deutschen ,
aus der bei Rumänien verbleibenden südlichen
Bukowina und der Landschaft im Süden der
Donaumündung, der Dobrudscha.
Die Transporte begannen zu rollen. Drei-
hunderttausend Polen und Juden woirden von
der SS aus dem Wartheland, Danzig- Westpreu-
ßen und Oberschlesien verjagt, damit Höfe und
Werkstätten für die Volksdeutschen frei wur-
den. In den folgenden drei Jahren setzte die SS
ihr Programm fort; 36 000 Deutsche aus Bosnien
und Serbien und die zweitausend Deutschen aus
Bulgarien wurden umgesiedelt, meist in die
Gegend von Lodz. 26 000 Slowenen wurden
nach Kroatien geschoben, und 15 000 Deutsche
mußten nach einem deutsch-italienischen Ab-
kommen vom Oktober 1941 die Gottschee ver-
lassen, die Italien sich von Jugoslawien einver-
leibt hatte. Die Entwurzelung hatte begonnen.
Man veränderte die Landkarle
Als sie fortgesetzt wurde, brachte sie unge-
zählten den Tod. Der Krieg ging zu Ende; wie-
der gab es Interessengebiete: man veränderte
die Landkarte und löschte, während man bei
den internationalen Konferenzen auf den An-
schein der Humanität bedacht war, mit papier-
nen Anordnungen das Leben von Frauen, Män-
nern und Kindern zu Tausenden und aber Tau-
senden aus. Es stand seit der Konferenz von Jalta
fest, daß Polen für dieRussifizierung des Landes
jenseits der Curzon-Linie entschädigt werden
mußte, und die Siegermächte stellten mit dem
Potsdamer Abkommen in den ersten August-
tagen des Jahres 1945 nicht nur die Gebiete ost-
lich von Oder und Neiße unter polnische und
Nordostpreußen unter sowjetische Verwaltung,
sondern bewilligten im Artikel XIII die Auswei-
sung der Deutschen mit den Worten: „Die drei
Regierungen erkennen an, daß die Überführung
der deutschen Bevölkerung oder Bestandteile
"" derselben die in Polen, der Tschechoslowakei
Die Vertreibung der Deutschen aus Ostmitteleuropa / Von Claus Gennrich
der Ostseeküste bis nach Schlesien von Deutschen
geräumt r^ine Vier^elmillion Menschen war, als
die Konferenz der Sieger am 17. Juli begann, aus
Ostpjmm^-rn, Ostbrancenbui.,, Niederschlesien
und aus Danzig ausgetrieben. Nicht mehr mit
Trecks kamen sie jetzt, sondern zu Fuß, abge-
rissen, mit klapprigen Handwagen, Kinder an
der Hand, beraubt und geschlagen, in verworre-
nen Knäueln über die Oderbrücken, über die
gleichzeitig zurückkehrende Flüchtlinge in der
Gegenrichtung strömten. Polen schuf rasch voll-
endete Tatsachen.
Mit den Hunderttausenden von überrollten
und heimgekehrten Flüchtlingen waren nach der
Kapitulation fünfeinhalb Millionen Menschen
Volkssturm, über ihr Verhalten gegenüber
Kriegsgefangenen und Fremdarbeitern verhört,
ob sie etwa Partisanen seien, und dann in die
Lager getrieben. Ande:e wurden von der Straße
weg aufgegriffen und auf Lastwagen verladen,
und vielerorts verlangten Plakate, daß die Män-
ner zwischen 16 und 60 Jahren sich zu stellen
hätten. Wenn auch Frauen in die Sammelstel-
len, meist Kirchen und Schulen, geholt wurden,
blieben die Kinder allein zurück.
Sammellager waren Insterburg, Graudenz
und Schneidemühl, Schwiebus in Brandenburg,
Posen, Landsberg/Warthe und Sikawa bei Lodz,
Beuthen und Krakau. Dort lagen die Menschen
auf engstem Raum zusammengepfercht auf dem
'<"''//;''
■'^4f 7:
^.
I
'i.M, a
m;,,.A
Im
»
•' ä
gÄ ^ <.^
Aii^f V
^^ ""Ä»
^Ik \
W -^
^HUb{ h
W -w"
MBI
mM
fl^H
^^M.
^^^^1
^»■'^
^^^H
WR'^
^^^iMmm
'«'
IS
lB^'*^^^H
'■m^,
^^Hm
iJ^^mBS^7?msSs»^
'Äü^^^^
s: \
Auf dem Lehrter Bahnhof in Berlin
Foto Ullstein/Eschen
transporte nach Deutschland verließen die La-
«er im Herbst 1945, die letzten 1949. Auch jetzt
noch starben viele an Ruhr, Typhus und Fleck-
fieber; die Leichen wurden, wenn die Züge
hielten, neben den Gleisen verscharrt oder auf
Bahnhöfen liegengelassen.
Zur Zwangsarbeit wurde auch verpflichtet,
wer nicht deportiert worden war. Überall in den
besetzten Gebieten richteten die sowjetischen
Kommandanturen Militärkolchosen und Arbeits-
lager ein; die arbeitsfähige Bevölkerung hatte
die Versorgung der russischen Truppen sicher-
zustellen. Da niemand mehr Uhren besaß, rief
in den Dörfern am frühen Morgen eine Glocke
zum Appell, bei dem die Feldarbeit eingeteilt
wurde. Brot bekam nur, wer selbst arbeitete;
Mütter mußten von ihrer eigenen kargen Ration
auch noch die Kinder ernähren. Frauen waren
selbst bei der Arbeit nicht sicher vor den russi-
schen Bewachungskommandos, und nachts hall-
ten Schreie und Schüsse durch die finsteren Ort-
schaften.
Hunger und Rechtlosigkeit
Am ärgsten hungerten die 250 000 Deutschen
im nördlichen Ostpreußen. Im Juni 1946 wurden
die Brotzuteilungen eingestellt; auch von den
Feldern gab es bald nichts mehr heimlich zu
holen; die Vorräte an Kartoffeln, aus verlasse-
nen Kellern geborgen, waren schon lange er-
schöpft. Seit dem November 1945 wurden Ar-
beitsunfähige ausgewiesen, wer bleiben mußte,
hatte zehn bis zwölf Stunden täglich zu arbeiten.
Die Häuser der Städte blieben verwüstet, die
Deutschen drängten sich zu ihrem Schutze in
wenigen Häusern und dort wieder in einigen
Zimmern zusammen. Als 1946 Zivilrussen ins
Land zu strömen begannen, suchten sie sich die
besten der noch bewohnbaren Häuser aus. Die
Deutschen, die gerade eine Wohnung wetterfest
gemacht hatten, mußten sich anderswo ein Un-
terkommen schaffen. Je mehr Russen nachruck-
ten, desto öfter hatten die Deutschen umzuzie-
hen, immer weiter rutschten sie hinunter bis in
die schlechtesten, verkommensten Winkel, und
jedesmal von neuem versuchten sie sich einzu-
richten, schleppten herumliegenden Hausrat
heran und machten eine Behausung daraus.
Froh war, wer in der Nähe der litauischen
Grenze lebte. Dort gab es. wie in Gumbinnen,
den schwarzen Markt, auf dem Litauer Lebens-
mittel anboten. Der geringe Erlös der Zwangs-
arbeit, Kleidungsstücke, aus unbenutzten Woh-
nungen genommene Einrichtungsgegenstände
und letzte, bis dahin sorgsam verborgene Wert-
sachen, wie Schuhwerk, wurden dagegen einge-
tauscht. Ergiebiger noch war die Bettelfahrt über
die Grenze nach Litauen. In den Güterwagen
versteckt, auf der Hut vor Kontrollen, fuhren die
Menschen hinüber und kehrten mit Eßbarem
71 1 T* 1 i r* rC
In Königsberg bestand diese Möglichkeit
nicht. Wohl gab es auch dort einen schwarzen
Markt, aber der Hunger war zu groß und die
Rechtlosigkeit zu vollkommen. Die Deutschen
beraubten sich untereinander, Halbwüchsige lau-
erten Frauen auf, die etwas nach Hause trugen,
und erschlugen sie. Der eisige Winter 1946/47
brachte den Höhepunkt des Hungers. Kaum ein
Tag verging ohne Raubmorde, Verhungerte la-
gen auf den Straßen und in den Kellern herum,
Abfälle der russischen Haushalte und — es kam
vor — Menschenfleisch waren die letzte Nahrung.
Über Königsberg lag Leichengeruch. Jon den
70 000 Königsbergern, die 1945 nocli in der Stadt
waren, lebte im Sommer 1947 nur noch die
Hälfte. Zu dieser Zeit bevölkerten bereits w^eit
mehr Russen als Deutsche die Hauptstadt des
Bezirks Kaliningrad, wie Königsberg nun hieß.
Obgleich sich die Ernährung von 1947 an bes-
serte, kam die Ausweisung in den Jahren 1947
und, 1948 als Erlösung. Nur „Spezialisten , Hand-
werker, verdienten genug zum Lebensunterhalt;
manche von ihnen und diejenigen, die ganz nacti
Litauen zogen, bUeben von der Ausweisung aus-
genommen.
In einem ausgebluteten Land
unter russische Militärverwaltung und dann \ Fußboden, ohne sanitär! Anlagen, standig Miß-
... —..,,,.,. _.--_ T^ r^-1-1 — i — I 1 11 — ,^^ "'iggpgrtTlt M'hlT'1 'i^U: Unu PRl P.äiU
In den übrigen Gebieten war im Sommer oder
Herbst 1945 die sowjetische Militärverwaltung
in polnische Zivilhoheit übergegangen. Nun be-
gann eine neue Welle von Verhaftungen, Ver-
hören, Mißhandlungen und Strafen vor allem
im oberschlesischen Bezirk Kattowitz. DiejDis.
herigen Sammellager der Deportation dienten
jetzt den Polen als Internierungslager für Deut-
sche. Mittellose Polen strömten aus den an Rui5-
land gefallenen polnischen Ostgebieten in die
deutschen Orte, sie nahmen Häuser und Hofe in
Besitz, und wenn die bisherigen Eigentumer noch
dort waren, zogen sie in Kammern und Stalle
und hatten als Knechte zu arbeiten, oder sie
mußten mit etwas Handgepäck fortgehen. Ein
Dekret hatte schon im März verfugt, daß „auf-
gegebenes Vermögen« einschließlich allen Ver-
mögens deutscher Staatsangehöriger an Polen
falle
Doch das Land war bereits ausgeblutet, als
die Polen es in Besitz nahmen. Seine Reichtumer
hatten den Weg in die Sowjetunion genommen.
Die deutschen Bewohner taugten bei der Arbeit
nicht mehr viel, sie waren entkräftet. Ihnen
stand kein Wasser und keine Seife zu Gebote,
Bei der ersten Austreibungswelle vor der
Potsdamer Konferenz mit ihrem Höhepunkt im
Juni hatten sich die Anordnungen der Russen
und Polen häufig widersprochen. Polen verfug-
ten den Auszug der Deutschen, Russen verboten
ihn und erzwangen manchmal mit Watten-
gewalt den Rückmarsch. Dennoch räumten die
Polen mit Schüssen, Peitschen und Gewehrkol-
ben Straßenzüge und Ortschaften und trieben
die Bewohner, die unterwegs meist vollends
ausgeraubt wurden, in tagelangen Fußmarschen
über Oder und Neiße.
Im Viehwagen nach Westen
Nach der Konferenz von Potsdam, vor allem
nach den Ausführungsbestimmungen des
Alliierten Kontrollrats vom Oktober und No-
vember 1945, wurden Viehwagen für die Trans-
porte benutzt. Zuerst wies man die nicht mehr
Arbeitsfähigen aus, ohne auf Jamilien Ruck-
sicht zu nehmen. Von Juli an durften Antrage
auf die Ausreise gestellt werden; das Eigen-
tum wurde dabei, um den Anschein der Frei-
TT
*
t
Deutschland durchgeführt werden muß." ^as
habe „in geordneter und humaner Weise zu
^^^Die Warschauer Regierung verstand unter
Polen von Anfang an auch die deutschen Ostge-
biete. Schon im Juni, noch vor der Konferenz in
Potsdam, hatte die polnische Miliz einen hundert
bis zweihundert Kilometer breiten Streifen von
waren es zweieinhalb Millionen; in Ostpom-
mern, wo sich in den Orten um Stolp und Lauen-
burg die Bevölkerung nur um ein Viertel ver-
ringert hatte, eine Million; in Ostpreußen
800 000, davon diQ meisten in den südlichen, zu
Polen geschlagenen Kreisen; in Ostbrandenburg
350 000 und in Polen 800 000 Deutsche. Sie alle
wurden vom Strudel der Katastrophe erfaßt.
unzureichendem E?sen-
sich. Auf den Märschen
Wasser aus Pfützen ui|
Darmerkrankungen un<
Folge. Aus Schlesien wu
die Sowjetunion gebra '
dem westlichen Ostpot
57 000, aus dem westlf
preußen und dem östr
Eine Kette von Gewalttaten
Wer sein Haus, seinen Hof und seinen Besitz
nicht hatte verlassen wollen und daheim geblie-
ben war, wer gehofft hatte, zu Hause noch bes-
ser das Kommende zu überstehen als mit der
ganzen Familie auf den Winterstraßen der
Flucht, wer angesichts der verstopften Wege die
Aussichtslosigkeit eines Aufbruchs erkannt nat-
te und auch wer im Vertrauen auf die eigene
antifaschistische Gesinnung, vielleicht auf die
frühere Zugehörigkeit zur Kommunistischen
Partei, den sowjetischen Siegern entgegensah,
der wurde ebenso von den Schrecken der Beset-
zung niedergeworfen wie die von den Panzern
überraschten Trecks im offenen Land. In einem
Wirbel versank das bisherige Leben, das Gefuge
der Zivilisation zerbrach. Als die ersten sowje-
tischen Fronttruppen weiter nach Westen gezo-
gen und andere ihnen gefolgt waren, reihten sich
die Gewalttaten zu einer Kette, aus der es kein
Entrinnen gab. Kaum eine Frau entging wäh-
rend der ersten Monate Vergewaltigungen, an
denen viele schließlich jämmerlich starben. Oft
wurden Väter, die ihre Töchter, Männer, die ihre
Frauen schützen wollten, erscliossen. Plünderun-
gen waren das kleinere Übel, sie verstanden sich
sozusagen von selbst. Die Betten und Polster wur-
den aufgeschnitten, die Schränke geleert und der
Hausrat verstreut, und oft wurden die Bewoh-
ner aus ihren Häusern und Orten gejagt, für
Tage, und wenn sie zurückkehren durften, fan-
den sie ihre Habe verwüstet. Das Vieh wurde,
wenn es nicht auf Müitärkolchosen kam, in gro-
ßen Herden nach Osten getrieben.
Dem Vieh aber folgten Menschen. In langen
Kolonnen schleppten sich Männer und jüngere
Frauen, von Soldaten mit Hunden bewacht, zu
den Sammellagern, von denen die Deportations-
züge in die Sowjetunion abgingen. Wer ge-
schwächt am Wegrand liegenblieb oder wer
sich von einer Brücke ins Wasser stürzte, wurde
mit dem Gewehrkolben erschlagen oder erschos-
sen. Die Vereinbarung der Konferenz von Jalta,
daß die Sowjetunion als Teil der Reparationen
deutsche Arbeitskräfte zum Wiederaufbau des
zerstörten Landes einsetzen könne, begann zu
wirken. Jede sowjetische Heeresgruppe hatte
ein Soll an Deportierten zu erfüllen. Wo es nicht'
genug Männer gab, wurden Frauen ergriffen;
aus manchen Orten wurden alle noch halbwegs
arbeitsfähigen Männer geholt, andere wieder
blieben verschont. Parteigenossen, Bürgermei-
ster, Gutsbesitzer, Besitzer von Jagdwaffen oder
irgendwelchen Uniformen und Abzeidien wur-
den, wenn nicht erschossen, als erste festgenom-
men. Verdächtige wurden lange, oft unter Schlä-
gen, über ihre Zugehörigkeit zur Partei und zum
und aus dem übrigen oltpreußen 44 000, meist
Sachen griffen um
atten die Durstenden
Gräben getrunken.
Typhus waren die
en 62 000 Deutsche in
aus Ostbrandenburg,
iern und Westpolen
n Ostpreußen, West-
n Ostpommern 55 000
[völkerung am gering-
en es zweihundertacht-
Frauen, weil hier die
sten war. Zusammen wa
zehntausend Menschen. H
In den Güterzügen, <äie nach Osten rollten,
starb während der drei Wochen langen Fahrt
ein großer Teil der Insassen. Die Krankheiten
und der Hunger fraßen an den Kräften der
Überlebenden, so daß nach der Ankunft in den
russischen Lagern die Deportierten trotz der
dort besseren Ernährung bald von Hunger-
ödemen und ruhrartigen Durchfällen befallen
wurden; ungezählte gingen an Entkräftung und
Herzschwäche zugrunde; sie wurden am Lager-
rand verscharrt. Die Schikanen und Mißhand-
lungen der Sammellager wiederholten sich in
der Sowjetunion nicht, und sowjetische Arzte
waren nach besten Kräften um die Deutschen
bemüht. Aber gewöhnlich unternahm die so-
wjetische Lagerleitung nichts gegen die Kor-
ruption der polnischen und deutschen Abtei-
lungsverwalter und Küchenmannschaften; die
Kommandanten hatten, wenigstens in der
ersten Zeit, kein Interesse an der Verwaltung.
Die von Stacheldraht umzogenen Barackenlager
v/aren über die ganze Sowjetunion von der Eis-
meerküste über den Kaukasus bis nach Turk-
menien verstreut, es gab sie am Ob und im
Donezbed^en. Die Deportierten mußten Bäume
fällen und zersägen, sie wurden zu Erd- und
Torfarbeiten, zur Förderung von Kohle und
Erz, in Steinbrüchen, Ziegeleien und in der
Landwirtschaft eingesetzt. Die ersten Rück-
sich sauber unc — . ■« _
Typhus brach aus und raffte, besonders m Pom-
mern, Zehntausende fort. Die Intemierungslager
in Zentralpolen vermittelten Gefangene an pol-
nische Bauern, Kinder kamen in staatliche
Heime, ^vo sie verwahrlosten und später zu Po-
len erzogen wurden. .
In dem noch am stärksten deutsch be.s.iedel-
ten oberschlesischen Industriegebiet bean-
spruchten die Polen nicht überall sofort Häu-
ser und Wohnungen, sondern mieteten sich zu-
nächst in Zimmer ein und verdrängten die
Deutschen allmählich. Auch die Plünderungen
nahmen hier nicht so maßlose Formen an. Aber
die Zwangsarbeit bestand wie überall, Frauen
mußten Eisenbahnschwellen tragen, Eichenboh-
len für den Brückenbau heranschleppen und
Ziegel abtragen. Wer deutsch sprach, wurde be-
schimpft und bekam als letzter sein Essen.
Männer, die sich unter Tage lange versteckt
gehalten hatten, um den Deportationen zu ent-
gehen — allein aus Beuthen waren elftausend
Männer nach Rußland verschickt worden — ,
wurden zu Notstandsarbeiten in den Gruben
herangezogen. Gefürchtet war die polnische
Bürgermiliz.
Die Miliz raubte und sdiikanierte oft im
Auftrag von Privatpersonen. Unter den polni-
schen Beamten in Breslau war es beliebt, sich
Milizionäre zu kaufen, die deutsche Wohnungen
zu besetzen und deren Eigentümer mit gerin-
gem Gepäck binnen einer halben Stunde zu
vertreiben hatten. Dann gingen die Beamten
zum polnischen Wohnungsamt, sagten, sie hät-
ten eine Wohnung gefunden, erhielten einen
Berechtigungsschein und verkauften nun die
Wohnung und das Inventar weiter. Denn sie
selbst besaßen längst Wohnungen. Die Bres-
lauer Läden führten bald wieder ein ver-
gleichsweise reichhaltiges Angebot an Lebens-
mitteln, Doch kein Deutscher hatte das Geld,
sich dort zu versorgen.
jJbersdirieber^Ei^entralpolen, wo Deutsche
weiße Armbinden tragen mußten, hatten ohne-
hin Dekrete über die „Ausscheidung feindlicher
Elemente aus der polnischen Volksgemein-
schaft" und über „Sicherungsmaßnahmen gegen
Verräter der Nation" die entschädigungslose
Enteignung verfügt. Die Ausweisung aller
Deutschen aus Zentralpolen wurde erst mit
einem Dekret im September 1946 beschlossen.
In den deutschen Ostgebieten setzte bald der
Druck auf die Bevölkerung ein, die polnische
Staatsbürgerschaft anzunehmen. Vielen blieb
nicht einmal die Alternative der Ausweisung;
wenn sie gesuchte Arbeitskräfte waren, ließ
man sie nicht ziehen, sondern zwang sie mit
Schlägen und Haft zur Option für Polen.
In den Ausführungsbestimmungen des Kon-
trollrats war vorgesehen, daß die sowjetische
Besatzungszone zwei Millionen Ausgewiesene,
die britische Zone anderthalb Millionen auf-
zunehmen habe. Transporte mit 400 000 Men-
schen gingen während des Jahres 1945 in die
sowjetische Zone. 1946 hatten die Züge die eng-
lische Zone zum Ziel; zwei Millionen Ausgetrie-
bene kamen in diesem Jahr. Denn viele schlös-
sen sich freiwillig den Transporten an, ohne sich
um die Aufnahmczahlen des Kontrollratsbe-
schlusses zu scheren. Die Übergangsstellen aus
dem polnischen Verwaltungsbereich waren Stet-
tin-Scheune an der Oder und Kohlfurt bei
Görlitz an der Neiße. In Scheune wxirden die
Ausgewiesenen noch einmal bis aufs Hemd
ausgeraubt. Schon vorher waren polnische Plün-
derer auf freier Strecke nachts auf die langsam-
fahrenden Züge aufgesprungen und hatten mit-
genommen, was sie zu fassen bekamen.
Im Jahre 1947 ließen die Plünderungen nach.
500 000 Ausgetriebene kamen in diesem Jahr;
die meisten Transporte führten in die sowjeti-
sche Zone. 1948 und 1949 waren es nur noch je-
(Fortsetzung auf der folgenden Seite)
S
5
/hre Re/sekassef
American Express Travelers Cheques:
Mit unverlierbarem Geld wie bar bezaiilen
„Wie das passiert ist? Das weiß ich heute noch nicht.
Jedenfalis saß ich seeienruhig in diesem netten Lof<ai
in Madrid. Bis ich merkte, daß meine Brieftasche weg
war. Mit dem ganzen Reisegeid und... Nun, zum Glück
hatte mir meine Bank daheim den Tip gegeben, für mein
Geld American ExpressTravelers Cheques zu kaufen...
Also, meine Uhr als Pfand für die Rechnung dagelassen.
Und dann zumAMEXCO-Büro in Madrid. Dort ersetzten
sie mir anstandslos meine verschwundenen Schecks,
Meine Reise konnte weitergehen..."
Das passierte Herrn Günter W. aus Bremen. Es kann
auch Ihnen passieren! Lassen Sie sich nicht durch ver-
lorenes Geld Ihre Reise verderben ! Fragen Sie bei Ihrer
Bank nach American Express DoliarTraveiers Cheques
— dem internationalen Zahlungsmittel.
yYHHEHH^AIM EXPRESS American ExpressTravelers Cheques - das sichere Geld
v .
r
.4
■■.r:rr^ k^ '^i fut'-: ■ yy/.'
Nr. 49
MB — 9. Dezember 1966
Seite 5
S. BRAUN
Aus der Zeit der Entstehung des Nobelpreises
Am 12. Dezember 1896 starb in
San Remo im 63. Lebensjahr Alfred
Nobel. Letztwillig hatte er die Er-
richtung eines Fonds bestimmt, aus
dessen Zinsen alljährlich fünf Prei-
se an solche zu verteilen seien,
die "für das Wohl der Menschheit
Erspriessliches geleistet haben''.
Das war die Geburt des Nobelprei-
ses der infolge eines Anfechtungs-
prozesses seitens der Verwandten
Alfred Nobels erst 1901 verteüt
werden konnte. Den Friedenspreis
erhielt damals Henri Dunant, der
Begründer des Roten Kreuzes.
Am 14. Februar 1896 erschien
Theodor Herzls „Judenstaat", also
zehn Monate vor Nobels Heimgang.
Wir wissen nicht, ob der Menschen-
freund diese Schrift gelesen hat;
gehört hat er ohne Zweifel von ihr
durch seine Freundin Bertha von
Suttner, und sicherlich hätte er
Herzls Ideen gebilligt, wäre ihm
eine längere Lebensdauer beschie-
den gewesen.
Die Gräfin Bertha von Suttner,
geb. von Kinsky, wurde 1843 in
Prag geboren. Sie war eine begabte
Schriftstellerin und Sängerin und
mehrerer Sprachen mächtig. In den
siebziger Jahren wählte sie als ih-
ren zukünftigen Gatten den Baron
Artur G. von Suttner aus Wien.
Auch er, der Jura studiert hatte,
wurde freier Schriftsteller und er-
wies sich gleich seiner zukünftigen
Gefährtin als ein wahrer Kämpfer
gegen das Unrecht in der Welt imd
nicht zuletzt gegen den Judenhass.
Das Unrecht in jeder Gestalt schien
ihnen als Wurzel der Kriege; diese
Erkenntnis gab ihnen die Richtung
ihres Lebensweges.
Alfred Nobel, Bertha von Suttner und Theodor Herzl
Des Barons Mutter billigte die
geplante eheliche Verbindung nicht.
Deshalb entschloss sich Bertha, ei-
ne Zeit lang aus Wien fortzugehen
und zu warten, ob sich eine wirt-
schaftlich ausreichende Existenz-
grimdlage für ein junges Paar ohne
eigenes Vermögen werde finden
lassen- Eines Tages kam ihr eine
Zeitungsannonce zu Gesicht folgen-
den Wortlauts: ,,Ein sehr reicher,
hochgebildeter älterer Herr, der in
Paris lebt, sucht eine sprachenkun-
dige Dame, gleichfalls gesetzten Al-
ters, als Sekretärin und zur Ober-
aufsicht des Haushalts. " Es stellte
sich bald heraus, dass der Suchen-
de der schwedische Chemiker und
Erfinder Alfred Nobel war. Nach
einem längeren Briefwechsel mit
Bertha wurde ihr die Stelle über-
tragen. Sie trennte sich schv/eren
Herzens von dem jimgen Baron,
reiste nach Paris, wurde von Nobel
am Bahnhof abgeholt, sollte aber
vorläufig in einem Hotel wohnen,
da ihre Zimmer in Nobels Palais
noch nicht angemessen ausgestattet
waren. Indes wartete die Gräfin
nicht ab; ihre Sehnsucht nach Wien
und ihrem Verlobten war über-
mächtig. Sie bat Nobel um Ver-
ständnis und fuhr nach Wien zu-
rück. Im geheimen liess sich das
Paar trauen und ging zu Freunden
in die Berge des Kaukasus. Dort
begannen beide, journalistisch zu
arbeiten, und Bertha gab Sprach-
imd Musikstunden. Die briefliche
Verbindung mit Nobel wurde wei-
terhin bis zu seinem Tode gepflegt.
Bemerkenswert ist Nobels Aeusse-
rung in einem seiner Briefe: „Ich
möchte einen Stoff oder eine Ma-
schine schaffen können, von so
fürchterlicher massenhaft verhee-
render Wirkung, dass dadurch Krie-
ge überhaupt unmöglich würden."
Dieser Absatz erinnert an ein Wort
Herzls, der rund zwanzig Jalire spä-
ter sagte: „Ein Mann, der ein
furchtbares Sprengmittel erfindet,
tut mehr für den Frieden als tau-
send milde Apostel."
1887 besuchten die Suitners ih-
ren Freund und Gesinnimgsgenos-
sen Nobel in Paris. Bei einer Ge-
sellschaft trafen sie unter den Gä-
sten u.a. Max Nordau und Wilhelm
Loewenthal, die beide nach Ueber-
windung von Zweifeln sich der
Friedensbewegung anschlössen. Loe-
wenthal, ein gebürtiger Berliner,
war Professor für Hygiene in Lau-
sanne und Paris. Loev/enthal erzähl-
te der Baronin, dass in London
eine „International Peace and Arbi-
tration Association" bestehe, deren
Zweck es sei, durch Organisierung
der öffentlichen Meinung die Ein-
setzung eines internationalen
Schiedsgerichts herbeizuführen, wel-
ches an Stelle von Waffengewalt
zwischenstaatliche Streitfälle zu
schlichten hätte- Es gäbe bereits
Zweigvereine in Stuttgart, Berlin
(mit Rudolf Virchow als Präsiden-
ten) sowie m Rom und in den
nordischen Staaten. Kurze Zeit
nach dieser Aussprache begann die
Baronin das Buch zu schreiben,
welches üir Weltruhm einbrachte:
„Die Waffen nieder". Der Roman
erschien 1889 und fand rasch Ver-
breitung in vielen Ländern der
Welt. Neben Worten begeisterter
Anerkennung gab es heftige Ableh-
nung. In den Spott- und Schmäh-
briefen an die Verfasserin und in
den Pressekritiken, las man von
rührseliger Albernheit, aufdringli-
cher unkünstlerischer Tendenzma-
cherei und ähnliches. Hohe Aner-
kennung fand das Buch bei einem
sehr bekannten Publizisten m Russ-
land, dem Hof rat Iwan von Bloch,
der sich des Vertrauens des Zaren
Nikolaus II. erfreute. Er empfahl
dem Zaren die Lektüre des Romans
und gab ihm die Anregung, sich
mit einem eindringlichen Friedens-
manifest an die Weltvölker und
ihre Führer zu wenden. Das Mani-
fest kam 1898 heraus. Der Zar ver-
langte, man möge kriegerische Aus-
einandersetzungen in Zukunft ver-
meiden und sich zur Schlichtung
von zwischenstaatlichen Konflikten
friedlicher Mittel bedienen.
legierten über ihre Stellung zum
Zionismus zu interviewen und die
Ergebnisse für „Die Welt' festzu-
halten. Es sei zu hoffen, dass man
dabei auch der Audienzen gedenke,
die Kaiser Wilhelm II. 1898 Herzl
in Konstantmopel und Jerusalem
gewährt habe. Die Baronin erklärte
sich einverstanden, bat aber Herzl,
selbst nach dem Haag zu kommen.
Er fuhr im Jvmi — als Gast — zur
Konferenz und lernt« eine Reihe
von einflussreichen Diplomaten und
Politikern kennen, u.a. Iwan von
Bloch, den er bald schätzen lernte
und von dem er manch Interessan-
tes über die Hintergründe erfuhr,
die zu dem Friedensaufruf des Za-
ren geführt hatten. Bloch schilder-
te Herzl den Ausbruch einer ern-
sten Krise in den Verhandlungen
des Kongresses, hervorgerufen
durch den Einspruch des deutschen
Delegierten Dr. Zorn gegen die Er-
richtimg eines internationalen
Schiedsgerichtes, welches nur dazu
führe, „die Souveränitätsrechte
der Monarchen und die Unabhän-
gigkeit der Staaten zu schädigen".
Jetzt bot sich Herzl eine günstige
Gelegenheit, als Vermittler einzu-
springen. Bertha v. Suttner erzählt
hierüber in ihren „Memoiren", am
15. Jimi sei Andrew White, der
Führer der USA-Delegation, an sie
mit der Frage herangetreten, ob sie
etwas tun könne, um den Kongress
aus der Krise herauszuführen; sie
habe zugesagt, einen ihrer Freunde
zu veranlassen, durch den Gross-
herzog von Baden den deutschen
Kaiser über die politische Gefahr
zu informieren, die Deutschland
drohe, wenn die Kongressteüneh-
mer ohne Dr. Zorn das internatio-
nale Schiedsgericht konstituieren
würde;i. Dieser Freimd war kein
anderer als Herzl. Ein Bericht aus
seiner Feder, gebilligt von Bloch
und der Baronin, ging über Karls-
ruhe nach Berlin- Es vergingen nur
wenige Tage, da brachte Bloch die
Nachricht zu Herzl, sein Bericht
habe Erfolg gehabt; Dr. Zorn sei
abberufen und die Krise beseitigt,
das Schiedsgericht entstand.
Dem Auftrag, der „Welt" laufend
über den Gang der Haager Ver-
handlungen zu berichten, kam die
Baronin in zuverlässiger Weise
nach. Es erschienen nicht nur eine
Reihe ausführlicher Artikel, son-
dern auch Interviews mit bedeuten-
den Kongressteilnehmem wie
Andrew White, dem Franzosen Leon
Bourgeois, Max Nordau u.a.m.
Und das Ergebnis all dieser Be-
mühungen? Bertha von Suttner
starb am 21. Juni 1914. Eine Woche
später, am 28. Juni wurde der Erz-
herzog Franz Ferdinand ermordet,
und es kam zum Ersten Weltkrieg.
Und dann? Die technischen Kriegs-
werkzeuge haben sich in furchtba-
rer Weise entwickelt; statt des
„ewigen Friedens" droht in unseren
Tagen der Untergang der Mensch-
heit.
Der Friedenspreis der Nobelstif-
tung ist m diesem Jahr nicht ver-
geben worden. Die Welt ist fem
von der Verwirklichung jener Idee,
der Alfred Nobel dienen wollte.
I
\mimmmimi
■ HOLLAND BANK UNION
I Haifa ♦ T«l- Aviv
Bereits vorher hatten Diploma-
ten aufgrund eines Aufrufs der
Gräfin Suttner über dieses Problem
verhandelt. Die 1899 im Haag durch-
geführte Konferenz gewann beson-
dere Bedeutung. Einer der interes-
santesten TeUnehmer war der Hof-
rat von Bloch, der m den Vollver-
sammlungen vier Referate über das
Kriegs- imd Friedensproblem hielt.
Dieser Mann war 1836 als Jude in
Warschau geboren, wurde ein er-
folgreicher Finanzier und Wissen-
schaftler, der die Gunst des Zaren
gewann. Unter seinen Fachschriften
war die bedeutendste das sechsbän-
dige Werk „Der Zukunftskrieg in
seiner technischen, volkswirtschaft-
lichen und politischen Bedeutung"
(deutsch 1919 im Verlag Puttkam-
mer, Berlin, erschienen). Bertha v.
Suttner hatte durch Herzl die
„Neue Freie Presse" bitten lassen, sie
als Berichterstatterin nach dem Haag
zu schicken; der Vorschlag wurde
abgelehnt. Herzl lag sehr viel dar-
an, aus ihrer Feder laufende Be-
richte zu erhalten. So schickte er
sie als Vertreterin seines eigenen
Blattes, des Organs der Zionisten-
Organisation „Die Welt", zur Kon-
ferenz. Er übertrug ihr zugleich
die Aufgabe, die massgeblichen De-
Jed« Woche frei ins Haus
erhalten Sie unser
Jede Woche finden Sie in unserer Zeitung eine unparteiische
Stellungnahme zu den Fragen des israelischen Lebens, eine
konzentrierte Darstellung der Weltereignisse. Wir bringen
wichtige und interessante Meldungen in Wiedergutma-
chungsangelegenheiten, laufend Berichte über Theater, Mu-
sUc und Kunst in der Welt und in Israel, eine ständige
Information über kulturelle und soziale Fragen des In-
und Auslandes.
Die Abonnementspreise betragen
für ein Jahr IL 23.—
für 1/2 Jahr IL 13.—
für 1/4 Jahr IL 7.—
— im Inlande — :
Nur bei
Vorauszahlung
BITAON PUBLISHING CSD. LTD.
Tel-Aviv. Rambamstr. 15 - Telefon: 614411 - P.O.B. 1480
Postscheckkonto: 43416 (Bank Hadoar)
Banken: Kupath Müwe „Haoleh" Tel-Aviv
I. L. Feuchtwanger, Tel-Aviv
Seite 6
MB — 9. Dezember 1966
Nr. 49
Wirtschaftsdebatte - unsystematisch betrachtet
.,. __ ^v,«« «rill vo?af Pinfi pr- schlage aus den V
"Mm
„Eins von Null geht nicht, da
muss ich eins borgen." Diese grund-
legende Weisheit jeder Wirtschafts-
politik steht schon bei Heine. Man
muss ihr eine weitere Grundwahr-
heit hinzufügen: Borgen, ja, aber,
man muss haben, von wem. Und
schliesslich kommt sehr oft dann
auch die Zeit, wo man zurückzah-
len muss und eventuell nicht hat,
wovon...
Diese Grundprinzipien gelten, so
sonderbar es bei der anscheinend
so komplizierten modernen Wirt-
schp.ftslehre klingt, sogar noch heu-
te eine Generation nach John May-
nard Keynes. Sie werden nur durch
die verschiedensten Ideologien
überdeckt. Sieht man ganz genau
hin, so braucht man heute ebenso
wie zur Zeit der alten Ägypter und
zu Lebzeiten von Karl Marx drei
Dinge für wirtschaftliches Gelingen:
Kapital, gewöhnlich in Form von
Geld, wirtschaftliche Fähigkeit und
Um, wie es sich bei wirtschaft-
lichen' Bemerkungen gehört, mit
dem Ende zu beginnen: Märkte
kann man entweder im Inland oder
im Ausland oder in beiden finden.
Die meisten Wirt.schaftswunder, wie
zum Beispiel das deutsche und das
israelische, fanden die inneren
Märkte beim Anfang ihres Wieder-
aufbaus vor: Deutschland in der
Wiederherstellung der Kriegszerstö-
rungen, Israel in der Einwanderung.
In Deutschland begann das Wunder
an Glanz zu verlieren, als der Auf-
bau beendet war, in Israel, als die
Einwanderung abstoppte. Das
heisst, der Markt begann zu
schrumpfen. Es gibt eine weitere
Parallele zwischen der Bundesrepu-
blik nach dem Kriege und Israel:
in Deutschland kam das nötige Ka-
pital von der Marshallhilfe, in Israel
aus den verschiedenen Auslandsquel-
len. Es waren also in beiden Fällen
sowohl Markt wie Kapital in genü-
genden Mengen vorh;;nden. Und was
die wirtschaftliche Fähigkeit betrifft,
so hatte sie Deutschland noch von
vor dem Kriege her in genügendem
Masse aus der Zerstörung hinüber-
gerettet. In Israel wurde sie noch
vor der Gründung des Staates aus
Europa fertig importiert. Das FvC-
sultat: zwei Wirtschaftswunder.
Selbstverständlich gab es in den
Entwicklungen weitgreifende Unter-
schiede, wie z.B. den, dass Deutsch-
land lange Zeit von der Aufrüstungs-
last befreit v/ar, während Israel ei-
nen ungewöhnlich hohen Prozentsatz
des Nationalproduktes in militäri-
sche Rüstung investieren musste.
Ausserdem ist jede so kurze sche-
matische Darstellung natürlich zu
stark simplifiziert. Die Grundlagen
jedoch stimmen.
Was ergibt sich aus dieser Si-
tuation für die augenblickliche wirt-
schaftliche Lage in Israel? Vor al-
lem die Erkenntnis, dass die Ein-
wanderung als solche nicht geniigt
hätte, um uns wirtschaftlich ,,im
Laufen" zu halten, sondern dass sie
nur deswegen als wirksamer Markt
funktionieren konnte, weil wir das
entsprechende Kapital zugleich im-
portieren konnten. Hätten wir heute
plötzlich eine neue Einwanderungs-
welle ohne das entsprechende Auf-
baukapital, so würde das die Krise
nicht beheben, sondern verstärken.
Wir hätten jedoch in den vergange-
nen Jahren nicht nur die Einwan^
derung aufnehmen, sondern auch
die Grundlagen für eine ausgewo-
gene und konkurrenzfähige Wirt-
schaft legen können, wenn wir öf-
fentliche Verschwendung und Infla-
tion vermieden, ehrlich nach wirt-
schaftlicher Unabhängigkeit gestrebt
und die Arbeitsmoral hochgehalten
hätten. Auch dann wäre es nicht
einfach gewesen, die Auslandshilfe
durch echtes Investitionskapital zu
ersetzen und Märkte zu finden.
Denn weder Kapital noch Märkte
sind im Überfluss vorhanden. Bei
dem was geschah, müssen wir aber
heute für den E;:port und damit für
ein ehrlich verdientes Einkommen
erst die Grundlagen schaffen.
Die heutige Wirtschaftsdebatte
sollte sich also darauf konzentrie-
ren, die geeigneten Mittel dafür zu
finden. Sonderbarerweise gibt es
aber keine derarti|:^e umfassende
und ehrliche Diskussion. Jedenfalls
nicht in der Öffentlichkeit, nicht in
der Knesseth, es sei denn in der
sicheren Abgeschlossenheit der Be-
ratungszimmer der Kommissionen.
Noch schlimmer, bei Gesprächen
über Wirtschaftsfragen, die heute
an jeder Strassenecke geführt wer-
den, spürt man die Befriedigung
an Kritik und Klagen, nicht aber
das ehrliche Bemühen um Besse-
rung. Dass dem so ist, liegt na-
türlich vor allem an der Regierung,
die immer noch meint, sie könnte
„Aulklärung" statt Politik treiben.
Die Minister haben immer noch zu
viel Zeit für interparteiliches Ma-
növrieren und viel zu wenig zum
Nachdenken oder zum Studium von
Plänen von Experten, wenn es sol-
che gibt. Das Publikum, das wahr-
.scheinlich noch mehr Reserven hat
als es zugeben will, aeigt eine er-
staunliche Geduld, obwohl es sich
dauernd beklagt.
Viele unserer Wirtschaftler be-
ruhigen sich immer noch mit den
Grundsätzen von Keynes, dass man
durch entschlossenes Dirigieren Kri-
sen vermeiden könne. Das gilt je-
tioch nur so weit, wie die Bcschaf-
tung von ßoschäftigung und Neu-
verteilung des Nationaleinkommens,
die mit öffentlichen Arbeiten ver-
bunden ist, im Rahmen des Natio-
nale inkoimnens bleibt. In den Ver-
einigten Staaten mit ihrem gewal-
tigen Produktionspotential kann
man fraglos das Arbeitslosenpro-
blem lösen ■ wenn man will -
indem man Sozialprojekte aus der
öffentlichen Hand finanziert. Wenn
nämlich der private Markt gesät-
tigt ist, so kann man auf den „So-
zialmarkt", auf den Bau von Schu-
len, auf Slumclearing etc. zurück-
greifen. Bei uns ist das nicht so
einfach. Wir können, dass soll nicht
geleugnet werden, noch genug zu-
sätzliche Schulen, Spitäler, bessere
Wege und bessere Wohnungen für
die Armen brauchen. Wir müssen
sie aber bezahlen. Das hat ein Teil
unserer Politiker immer noch nicht
verstanden, weil er in alten Vor-
stellungen der Neuverteilung des
Nationaleinkommens lebt. Man kann
auch nicht Vorstellungen und Vor-
schläge aus den Vereinigten Staa-
ten hierher übernehmen, weil wir
uns eben nicht selbst erhalten.
Dieser so oft wiederholte Satz
verlangt eine sehr wichtige Ein-
schränkung. Wir könnten uns auch
heute bereits selbst erhalten, .iedoch
auf einem sehr viel niedrigeren Le-
bensstandard. Denn wir haben in
den letzten fünfzehn Jahren nicht
nur gewaltige Kapitalmengen be-
kommen, sondern sie auch zu einem
guten Teil in produktiven Unter-
nehmungen angelegt. Wir sind je-
doch im Begriffe, einen Teil dieses
kostbaren Kapitals und der noch
kostbareren Menschen zu ver-
schleudern.
Das muss erst einmal klargestellt
werden. Weiterhin brauchen wir die
Erkenntnis, dass es keine rein wirt-
schaftliche Fragen gibt, sondern
dass sie sämtlich aufs engste nüt
politischen verbunden sind, und
dass deswegen ihre Lösung in er-
ster Linie von der Konstellation der
Parteien und von der persönlichen
Besetzung der Schlüsselposten ab-
hängt. Es kommt heute erst gar
nicht zu einer Wirtschaftsdiskussion,
weü man vor der grotesken Situa-
tion steht, dass dieselben Leute, die
die Krise nicht verhindert haben,
sie jetzt beheben sollen. Gesucht:
eine effektive Opposition.
GE. LU.
Aschheim-Ausstellung im Israel-Museum
Anlässlich des 75. Geburtstages
des Malers Isidor Aschheim ist im
graphischen Ausstellungsraum des
Israel-Museum eine Auswahl seiner
Zeichnungen und Lithographien, vor
allem aus den letzten Jahren, zu .
sehen. Die Büder sind besonders
schön angeordnet; der Katalog ent-
hält eine gute Einleitung von Eli-
sheva Cohen, die nicht nur in das
künstlerische Werk Aschheims ein-
führt, sondern auch seine liebens-
werte Persönlichkeit als Freund
und Lehrer zeichnet. Jimge Men-
schen, die üir Berufsstudium als
Künstler beginnen, ebenso wie Ael-
tere, die in ihrer Freizeit oder nach
abgeschlossener Berufstätigkeit sich
der Kunst widmen, verdanken dem
Unterricht Aschheim.s entscheidende
Anregungen.
Bedauerlich ist, dass in dieser
Ausstellimg der sehr bedeutende
Kolorist Aschheü-n überhaupt nicht
erscheint. Was kürzlich bei Aricha
im Museum möglich war (dass
gleichzeitig Oelbilder imd Zeichnun-
gen ausgestellt vmrden), wäre bei
Aschheim bestimmt am Platze ge-
wesen. Seine Oelbüder vom Tibe-
riassee oder die Kuben arabischer
Bauten in ihrem charakteristischen
Grün, geben wirklich die in Kunst
transformierte Atmosphäre des Lan-
des; die Zeichnungen in ihrem sou-
verän-lockeren Stil erinnern manch-
mal an die späten Venezianer, be-
sonders in den Meeresbildern, bei
denen ja auch das Motiv ähnlich
den Venezianern ist. (In der Aus-
stellung die Zeichnungen aus Akko;
leider fehlen die aus Italien, die
noch stärker die Verwandtschaft
mit den späten Venezianern zeigen.)
Wie sehr Asciiheim mit der israeli-
schen Landschaft gerungen hat,
zeigt in der Ausstellung ein Ver-
gleich der etwas zaghaften „Land-
schaft bei Jawniel" (1943), No. 10,
mit den 20 Jahre später entstande-
nen Askalonbildern (zB. No. 31).
So ist es auch interessant, das
Selbstporträt des jungen Mannes
aus dem Jahre 1924 (No. 8) zu ver-
gleichen mit dem lithographischen
Siübstporträt aus der letzten Zeit
(No. 42), einem reifen und auch
im Format anspruchsvollen Kunst-
werk, das aber zeigt, wie sehr
Asclüieim durch mehr als vier Jahr-
zehnte dieselbe Künstlerpersönlich-
keit geblieben ist, mit seinen aus-
drucksvollen Augen in die Welt
sieht und sie uns in den Werken
seiner Künstlerhand zeigt, das
heisst jetzt vor allem unsere Welt,
das Land mit seinen Menschen. Er
ist darin emer der prominenten
Vertreter der vor dem Zweiten
• Weltkriege eingewanderten Künst-
lergeneration, deren Verdienst heu-
te allzu leicht vergessen wird. Ha-
ben sie doch aufgeräumt mit dem
provinziellen Kitsch des alten Be-
zalelstüs, indem sie das Land und
seine Menschen darstellten, in den
Ausdrucksformen moderner euro-
päischer Kunst, dem Stüe, in dem
sie in Europa zu Künstlern gereift
waren.
Isidor Aschheim wurde am 14.
Oktober 1891 in Margonin (Provinz
Posen) geboren. Aschheim arbeitete
zunächst als kaufmärmischer Ange-
stellter, bis er sich zum Malerberuf
entschloss und die Kimstakademie
in Breslau be.suchte, wo er ein
Schüler des Expressionisten Otto
Müller wurde, mit dem ihn bis zu
dessen Tode eine enge Freundschaft
verband.
Aschheim hatte sich schon in
Breslau im Kreise der jüngeren
Künstler einen Namen erworben,
als er 1933 durch die Nazis aus dem
Breslauer Kunstleben entfernt vmr-
de. Er v/irkte dann als Lehrer an
der jüdischen Schule in Berlm und
fand gerade noch rechtzeitig 1939
eine Möglichkeit zur Alijah.
Nach schweren Anfangsjahren
wurde er 1943 als Lehrer an der
Bezalelschule angestellt, — für ihn
und vor allem für den grossen
Kreis seiner Schüler eine sehr
glückliche Wahl, dank seiner per-
sönlichen Wärme imd Hüfsbereit-
schaft, jüngeren Künstlern ihren
Weg zu zeigen und zu erleichtem.
— Hunderte kamen ziir Eröffnung
dieser Ausstellung, so dass für die
später Gekommenen eine Betrach-
tung der Bilder unmöglich war; das
zeigt aber so recht die Beliebtheit
„Aschis" bei Künstlern und kunst-
interessiertem Publikum.
Aber Freunde sind nun einmal
besonders anspruchsvoll und ver-
missen hl der Ausüitellung einige
Meisterwerke, die sie kennen und
lieben; das schöne Büd der „Fi-
scher am Tiberiassee" hat auch im
Farbphoto auf Christen immer be-
sonderen Eindruck gemacht, weil
hier ohne „Grenzüberschreitung",
wie sie andere jüdische Künstler
in ihren Darstellungen religiöser
Themen begangen haben, doch aus
gegenwärtiger Landschaft und Wirk-
lichkeit des Landes, von Aschheim
ein Bild geschaffen wurde, das
auc;h zu den Christen spricht — ei-
ne Erinnerung der Bedeutung die-
ses Landes nicht nur für uns Ju-
den. Wenn wir aber schon von
„Grenzüberschreitungen" sprechen:
in dieser Ausstellung fehlt ims vor
allem Aschheims koloristisches imd
psychologisches Meisterwerk imter
seinen Porträts: das Oelbild von
Kurt Blumenfeld. Hier hat ein
deutscher Zionist und echter Künst-
ler den Charme und die Resigna-
tion des Blumenfeld der letzten
Jahre unvergleichlich wiedergege-
ben. Wanmi kopjite nicht wenig-
stens dies eine Oelbüd aus Fami-
lienbesitz die Ausstellung zieren?
HEINRICH STRAUSS
, BLAU-WEISS'-TREFFWOCHE
IN ARAD
In der Zeit vom 13.— 21- Januar
findet ein Treffen der ehemaligen
Chawerim des „Jüdischen Wander-
bundes Blau-Weiss" statt, dessen
Zentrum die „Beit Blau-Weiss"-Ju-
gendherberge in Arad ist. Die Teil-
nahme kann je nach Wunsch für
einen oder mehrere Tage erfolgen.
An jedem Tag sind ein halbtägiger
Ausflug im Negev und dem Gebiet
des Toten Meeres vorgesehen sowie
ein Bild-Vortrag auf dem Gebiet
der Landeskimde imd eine Stunde
Musik. Eine Kunst- Ausstellung un-
ter Beteiligung von Käte Efraira-
Markus, Hedwig Grossman und
Jochanan Simon sowie eine Buch-
schau landeskundlicher Literatur
sind geplant.
Die Organisation des Treffens
liegt in den Händen von Kurt
Echel, der die Aufforderung zur
Beteiligung am Treffen bereits an
den Kreis der ehemaligen Blau-
Weissen versandte. Wer dabei über-
sehen wurde, wird gebeten, sich
brieflich an den Organisator (Us-
sischkinstr. 26, TelAviv) zu wenden.
^\v:,l-u^vx K "^^^ t>^^ ^-tAA
k^
.\tt£ ZÜRCHER ZEITVNG
LITERATUR UND KUNST
Firn(m><yabe Xr. ooj lilntt l!»
Snmhtag, 6. Novemher lüfju
«Ein feste Burg ist unser Gott»
Ein berühmtes Gedicht in neuer Beleuchtung
Von Markus Jenny
D<r xJvj. Pmlm. Dens no,stf r
fi fiuvum ( t rir(ti,s.
Mar. Lufh.
\ IJ Kin l'otc \nnix ist uiisor (Tott,
«'in gute \\o\\r uml waffcu.
Er liiltTt uns l'roy aus all»'i- ii(»t,
'lit' uns Jlzt liat Ix'trofVt'u.
I><'r alt höso fc in<l,
mit ernst ors jtzt meint ;
uros macht und viel list
sein ürausain rüstunji^ ist :
auti" vv(\ ist nielit s<'ins •ricii-lien,
[2] Mit unser luaciit ist niclits ^-ethan:
wir sind gar bald verloren.
VjS streit für uns der rechte man.
lii'ii (»Ott [hatj st'llts ej'koren.
Fragst n wor der ist?
I]f hcist .Ihcsu Christ,
■ h'r Fierr Zeliaoth.
l'inl ist kein ander Gott:
lias feit nuis er Ix'halten.
( .''i I l'iid wenn die weit \ ol Teuffel wer
und wolt uns gai verschlingen,
so fürchten wir uns nicht so selir.
Es sol uns doch gelingen.
Der J'ür.st dieser weit,
wie säur er si<'h sielt,
thut er uns doch nicht ;
das mHcht: er ist gcriclit.
liiii wörtlein kafi .)n feilen.
I i] T")as wort sie sollen lass«'n stan
und kein danck <ia/,u haben.
Kr ist bey uns wol auff de/n plan
mit seinem geist und gab<'n.
Xemeii sie den leib,
gut, ehr, kind und weib:
las faron dahin;
sie hal>ens kein jtewin ;
das reich muH nWs doch Idc^iben.
Dieses Lied Lulliers LstCiiieht nur cinos der be-
lic'btestfii und vorbreitetHt(Aovjmgelis« licn Kirelieii-
lieder, sondern »nich ein Äediehj, dns zur Welt-
iteruiiir /iihll. So steht W< In^nle, weit über <las
Psnlniiibei-t ragungen ionlert, «laß sie den Sinn «ler
Vorlage klar wie<lergeb{'n und in<)gii«disl nahe atn
Psalin((»\i bieilxMi sollen, aiu-li wenn etwa andere
Wörter verwen«lel werden, wo/.n natiirli«-li Freiheit
bestellen soll. Daß «lie hier /nr Ke«le stehen«le I)i«-h-
tung diesen Forderungen ge7'e«-lit werde, wird man
ni«'Id behaupten «lürren, zumal ni<lit, Mcnn man sie
mit «len übrigen Psahnliedern Lntliers vei'glei<-ht.
Ks «larf uns nielit wundern, «laß ein K«»nnnentator
sieh sogar zu der' lU'hanplung versteigt: «Wenn
etwas luudi Wortlaut nn«l (ieist v«'i'schie<len ist. so
ist es der 4(). Psalm nn«l Lntliers .A\\\\ feste P>urg"».
Es wird notwciHJig s<'in, den Psalm un«l «las
Lie«l einaiulei- gegenüberzustellen, um ihr g<'g<'n-
seitiges Verhältnis zu bestimmen. Wir wühlen dazu
den Vidgata-Texl des Psalms. Denn S[)itta hat
übei'zengeml mu-hgew iest-n, daß das Lied in nntn-
«du'u Finzelheifen, so zum l'eispiel gleich in «1er
eisten Zeile in «1er Znor«liuing «les P«)ssessi\ [iro-
nomens zu «(^«ott» statt zu «ZulliKdit ^ «len V'ulgata-
Text und ni«-lil den xon Luthers deuts«-lier Psalmen-
Übersetzung zur \ «»rauss<'t/uiig hat. Das braucht
einen ab«'r bei «'in<Mii Mann«', der .jahiH^lang >ein
Brevier gebet<'t ha), nicht ^\ niid«'rzuiiehmen. und es
ist no«di lange kein P»ew('is für eine l^ntstehiing «les
Lie«les cur «1er l'salmenübersetzung.
2 Dens nosjcr refuuiuni et virtus.
adintcii' in t ?ibidal ionibns «|uae invern'iunt
iKis niniis.
.'} J^i()|)ler«'a in»n timebinuis dum lurbal>itui leira
et transl'erentur niont«'s in cor maris.
4 .Sonuenuit. et turltatae sunt a«juae «Muum,
eonturbati sunt in«)n1es in fort il inline eins. | S(>la. |
~) Eluminis imp«>tus laet i l"i<'al civilateni Dei ;
sanetif icavif laberna» nlmn ssnni Ahissinius
6 Dons in m«'«rio eins iion c«tnunov«'bitur ;
adiu\aiMf eani Dens niane diluculo.
7 Conturbatae sunt gen t es et in«'Iinata smit i-e;j;iia :
«ledit vocein suain ni«»ta «'st ttMia.
iS Dominus vi.-tiitmn |Sabaoth| ndbiscuni.
siisc«'])t«)r noster i)eiis la«'«)b. | Sela. |
U Venite «d vi«hd«> oiM'ra Domini «|ua«> posuit
prodigia supor UMram
auferens bella usquo ad finein tiu-rae.
10 ArcoMi content, «d confring«»t arma
et Hcuta comlaind iLni.
11 Vacate <'t vid<'1e (|uonlam eeo snm Dens:
exaltal)or in gentilAs «-t exaltabor in t<^
l'J Dominus virtnfum fflibaothl n«»biscuMi,|
in der \'orlage wird noch einmal der Ansturm
gegen «lie (jottesstadt in «li<-ht«'ris«dien Bildern be-
seliworen, nn«l wiederum setzt J^uther an «liese
Stelle «len Teiiiel. Bei<le (lestaltnngen de.s Stol"('e>
siinl \«>n «lerselben Sicüesgewißheit getragen. Hifdi
«'S in «ler ersten Stro|>li«,' zweimal bedrohlieh «.jetzt >^
l«X«>t, die uns Jetzt hat betroffen» ninl «mit Ernst
er's .jetzt meint»), so in der dritten nun ebenfalls
zweimal, und zwar wiederum einmal am Eiule «les
Stollens und einmal im Abg(\sang', fröhli«di ««lo«di
(«es soll uns do«di gelingen-' und <.. ..lut er uns
do<h nicht-').
S«) weit hiilt sich das Lied al>«) ganz an d«'n
Psalm. I']s «'iit lernt si«-h zwai* in >ein«'n ^V«^rten un«l
l^ildern wie mu-h seiner ( i«Mlankenfiihning s«-hein-
!>ar riMdit weil \(»n seiner \ «u'iage. E> ist keine
Psalmbereiiming. Aber für seine wesentlichen Aus-
lagen, für seine llallnng, .ja >«»gar tormal — in der
Zn«tr«lnung «ler weseiitli<dien Ans.sagen zu den «Irei
Stro])hen — . isi doch «lie Psalmv«»rlage für «liese
Di«-hluna' durchaus maßgebend gewesen. Lutlici's
Lie«l i<t eiiu- k«)iig«'niale uml kontorine sch«"»pte-
risch«' Xeulassung des>elb<'n St«iftes. Da Jed«»<di
Luther hier zui!ii«-hst ni«d)t einen Psalm für «len
(rot!es«li(Mi>t der (iemciiMle s«-lirieb. somlern anhaiul
de> Psalms >eiii«' pers«»nliche I'eberzengung ins
Kniwlw(Mk faßte, war er frei, «len Sl«)l"f im l-!in-
/.eliU'ii gan/ n«'U zu g«'-tal!eii.
Was aber soll nun «lie vierte Strophe.' Zur Xot
i^önnte man >ie als In-eiten Xachhall /um Pefrain
(\'. 12) ansehen: «Der Herr Zel)aoth i>l mit un>:
— <\\v ist bei uns wohl auf dem Plan>. ^ «las Fehl
muß (U- l)eliallen . Ab«'r aufs (ian/.«' gesehen, g(>ht
diese Strojdu' «l«)«di s«'hr deuili«-li über «lie Psalm-
vorlage hinau'^.
Sie sticht abei- au«-h >-on-;t m«>rkwürdig abseits.
Die «Irei ersten Strophen i)il«len ein abgertimleles
( «anzes und zeigen einen Aufbau, «hu- im (Irnnde
durch «liese vierte Strophe gesi«>rt wir«l. Wenn wir
sie uni)erücksi«htigt lassen, .s«) hab(>n wir ein v«»ll-
k«)mmeii symmetristdi g(>l)aiUes Kunstwerk vor uns.
(Au«'h antlere Lie«ler Luthers weisen di(^sen Bau
auf!) Die «u'st«» uml «lie «Iritte Str«»phe «'Ulspreehen
siidi genau: die St«)llen re«lon von unserem S«'hutz
und «h'r Zuversicht, «1i«' wir unter diesem Schutz
als Ang(d'o«dn«'ne hala'ii, wjihr«Mi«l «h'r Abg«^sang
jeweils «len gegen uns ti'cht«'n«len ]'\Mn«l bes«-hreibt.
Die analogen bezeielm«'nd«>n Aus«lrücke ««ler als
böse Feind» und ««h'r Fihst «lieser Welt» stehen je
an genau dervselb«M\ Stelle der Strophe, wo die
iW«'ise (in iUt^r F igest alt) mit <lem i>unkti(Mten
I.Mt^lisma uiivl der rhythmischen Vers«hiebung die
Lisi uml Tii«'ke «les Satans s(du' lebeiulig zum Aus-
driuk bringt. Die eivte Strophe wird mit dem Hin-
weis «larauf beseblossen, «laß dies(M' Feind nnbe-
crnst zu nehmen ist, die dritte mit dem Ilin-
t., wi«' l«i«ht «'1- «loch zu fällen ist, wenn
«ler r«'clit« n llille v«>r^i<>ht. Die Miltel-
l'nd es ist nicdit mehr vom Teufel «lie Re<le. s«in-
«lerii v«ui einem aiu»nymen mensehli«-heii Kollektiv:
«Ireimal heißt es «sie». Erst bei dieser Strophe
«Irängt sich di«- Frage auf, wen Luther in diesem
Liede gemeint haben nK'Wdite. Der schon zitierte
W. Sta]K'l glaubt tcststellen zu können: «Es (das
Lied) richtet si«di also ni«dit gegen «lie römische
Kirch«', somlern gegen die Rationalisten... Damit
siml Leute wie zum Beispiel Zwingli 2emeiiii.
Hätte StajK'l lecdit. m) dürfte man darob im Zeii-
aher «1«^' «>kumenis«dien P>e.stiebnngen >elir er-
h'ichtert sein, k«innte amlerseits aber etwa in
Züri«'h «liesen (lesang nur noch mit größten Be-
denken anstimmen, X'nn kann aber der .\bgesang
iiieinaL auf «lie Schweizer timl S«'hwärmer si«di
beziehen, «lie Ja gegen Luther und seinesgleichen
nicht iiiii <i«-walt vorgegangen siml. Eher mö«'hte
man <li<' Strophe mit der Türkeiigefahr in \vr-
liirHlunu" lu'ingen. oi)w<ilil Luther v«)ii diesem
< legner mei>t in «ler Einzahl s]»ri<dit. So Averchn
el)en «lotdi wohl nur «lie Pa])ist('n übrig bleiben,
ohn«' «laß «lie amleren Feimle «ler evanuelischen
Sa«die uii«l des ( 'liristentums ganz ans «lern Ge-
sichtskreis träten. \'i«ll('icht i.st «lie Melirzald «sie»
überhau])t dahin zu \«'rstelien, daß damit die Viel-
zahl ^]^'r K;uui)ft'r«»nten ange«leutet sein soll: «ler
B;ip»l und der Türke, Zwingli und die S<diwiinnei
und wohl au« h Erasmu>.
So ist (ii«'s«' \ierie Strophe sozusagen «lie An-
wendung' di-r in dem «liei>trophigen Liede au>-
gi'breiteteii ]->ots«diaft «les P.salms. ^lan hat das
gr«>ße Lutiu'r-Lied immer wie«ler als «Kampflied».
«Trutzlied», « Hehlengesaiig». «Triumphgesang
iukI Siege>lied» bezeiidmet und es in den Gesang-
l)ü«-hern gern tinter die Preislieder atif die Re-
formation o«ler d«)ch tmter «lie Lieder von d<'r
Kinlii' eingereiht und es prakti>ch dement -
sprechend im Gottesdienst gcbranelit. Das alles
aber i)aßt einzig und allein für die vierte Strophe.
Die «hei ersten Stro]>hen müßten ganz anders ein-
ge«)r«lnet wertlen. Sie .stellen — genau wie der
Psalm
ein ktilh'kfivcs Tmst- uttd Vtrtram >*.-<-
Iinl dar. xAin trosf Psalm» übersehr«'ibt denn amh
eine Augsburger Quelle von 1530 das Lied. Sein
Anliegen i>t ni«ht der Kampf im Sinne der gei-
stigen «»«ler kriegerischen Aiiseinandei'setznng mit
irgiMnleinem (legner. Wenn Luthers Gedieht pri-
mär als k«>nt('ssionelles o«ler ehristlicdies mler gar
völkis«dies Kampflied vei"standen wird, dann hat
man «li«' Bihlretle, die hier vorliegt, wörtlieh ge-
nommen und damit den Diehter mißverstanden.
Der tTebratieh, der seit den Glatibenskriegeii d«»-
17. Jahrhundei-ts un<l «lann vor allem in der
Kaisorzeit, vor und in den beiden Weltkriegen in
Deutsidiland \o\\ dem Liede mul insbesondere von
seiner letzten Zeile gemaeht wnr«le, .'^igt allzu-
deutlich. wie nahe liier ein^ fatales MißfeiMändnis
liegt. Die Verbindung zwis«dieii Thrill und Altai
•1 l;!«'i' liier ijire Vivinivis« li<i Dmt^^^ eVi i lUg uet .mi«l« l >
''Hvitj?-'*;'!
Ivirc-hc, an y^wvr ChrilusfcTno, an ihrer I nirouo,
an ihrer G>J.spalt.onhcit,. T'ntl als solches dann auch
getröstetes; sieghaftes rjeiden.
Luther hat — soweit die Xachsehlag:e werke da.s
erkeinien las.;en — merkwürdigerweise über diesen
46 Psalm weder je gepredigt noch ihm eine be-
sondere SchrUt oder ansl'ührli<he Auslegung ge-
widmet. Die einzige zusammenhängende Aeußerung
dazu, die wir kennen, findet sich in den Summa-
rien über die Psalmen von 1531 —33. Diese kurze
\uslegung — nach dem \Avd entstanden, aber da-
von völlig unabhängig — bestätigt doch Avohl unsere
Ausführungen und mag sie darum auch zusaimnen-
fasscnd beschließen.
Der xh'j. Psabn
Ist ein Danckpsalm, zu der zeit vom volck
Israel gosungou für die wundcrthatton Gottes, das
er die 8tadt Jerusalem, da seine« woniing war,
sci.ützet imd bowaret widder aller Könige und
licidon wüten und toben und frieden erhielt widd.'r |
alle kriege und woffen. T'nd nennet na<-h der
..•hrifft weise das wesen der Stad ein brunlein, als
ein kleins wesseilin, das niclit versiegen sol gegen
die großen wasser, seen und mcer der beiden, das
ist grofXe königreiche, l'ürstentliüm und iiirs<-iiat i-
ten, d"e versiegen und vergehen niusten.
Wir alter siugi'n jn Gott zu lobe, das er bey uns
i<t und sein wort und die Christeidieit wunder!. ur
Heil erhelt v.ider die ludlisrhen pforten, wid.ler
das wüten alh'r Tenffel, der Kottengeister, (h'r
weit de«^ fleisrlies, der sunden, des todes etc. Das
unser brünlin audi bleibt ein lebendige Quelle da
ihener sümpf fe, tümid'el und kolke (-- P ulile,
Wassevlöelier) faul und slinekend werden und ver-
fliegen müssen.
■i.muu..-^ .Ti^iTK-sRii^. •-! .■^.vi/...nfn- iuu .-... . ^ uignipii de,> gn.ßen deiftsf-lien, bzw. niederländi-
ilen Jalire im Kloster der obseivanten Augu>tinfr
eremiten hi"ErfuH,"in denen der junge Mönch di
Bibel kennenlernte, das Turmerlebnis, das nei
Amncrkunijcn
1 1005 erschien das in seiner Tendenz problema-
tische, aber in vielen Kinzell.eobaehtungen noch heute
nicht überholte Buch von F. Sjiitta, Ein frsie Burp ist
imscr Gott. Dir hud,r Luthers in ihrer hxlrutiinfj
für da^ rva,i„rJisrhr Klrrhndud. Darin versuclit
Spitta mit viel'{<<-hHrrsinn und gr()l.'.em phdolog.schem
\ufvvand die selion von ält.ren Auloren behau])tete
Entstehung des Li.'drs im Jahre M-l na.-hzuw..,sen.
Seinen s.-härfsten Gejr.u'r fand er ni ^^ • '^i»''|;='> '''l'"
im Lied.Ml.and «ler Weimarer Luther- Ausgal.e (WA.?;),
ahgesehlosscMi 1914, ers.'hienen ID'iM) d.eser I rage
nicht weniger als 44 Seiten widn.ete. Die unseres
Wissens letzte ausfülirliclK« AeulAerung <lazu stamm
von W.Steinlcin, der sich im deutsehen Pfarrerbatt
40 1930, 507f und 5:^2f und in den '1 heologischen
Blättern 19:^7. Sp. 101-105, mit Arbeiten von
J Ficker. (J.W.dfiam und K.Völker auseniand_er-
sctzte, die das Li.'d mit dem Türkenausturm von loL.
in Zusammenhang bringen wollten. Stcnlcm hat viel
neues und seither von keiner Seite wu-der benutztes
Material zu der Frage zusammengetragen. Wahrend
er Endo 1^)L^S als Terminus ante quem fes U'gt, gilt
seit Lucko und zwei Aufsätzen von B. Violct m der
Monatsschrift für Gottesdienst und kin-hliche Kunst
(34. 19L'9, 8.3~8t^, und .'JO, 19:51, 92—94) allgemein
die Datierung auf Herbst 1527. Einen umfassenderen
UeberbH<-k üb.->r diese Literatur habe n-h im Jahrbuch
für Liturgik und Tlymnologie 11, 190-t, W gegel)en
In dem dort (143-152) sich findend.-n Aufsatz ist
manches von dem, was hier zur Sprache kommt, noch
etwas einlätilicher begrüudi^t,
2 Ob jenes Weißscho Wittenlierger v:Sangbuchlein >
das Luther-Lied wirklich enthalten hat, wissen wir
Verständnis von Kömer 1,17 als Schlägel zu Lu
thers zentralen (Jedankon über die Oerech igko .
au.s Glauben, über GlaulKm un<l Werke, dir K<;;; i^
fertigung. die zusammen zu einer Tiicjologio t""r-
ten, welche ohne großen philosoplusrhen Al>l>«rai
da.s Herz anspricht. In der Darstellung des Ablau-
st reites zögert Tüchle nicht, die imanziellen uiui
theologischen Machenschalten der Kurie minde-
stens als «skandali)s» zu bezei<dmen. ^^ cnn Luihoi
^roixon Tetzel aul'geti-(>ten ist, der aus der Al)hili-
predi<'t ein Gescliäft und <labei das Geld zur Haupt-
sache" geinn<-ht hatte, so wirkte sich dann «vor
allem der ungeheure Gegensatz» aus zwischen
Lulhei-s -'eigenem l)lul.igen Hingen gegen Sunde
und Höllenangst und der leichtsinnigen Suher-
heit, die durch die marktsehreierisehe \ erkinnh-
crung unerhörter (inaden dem sittliclioi Bewulitseiii
angeboten wurde!» Daß die Ablaßthesen wie ein
Funke im Pulverfaß zündeten, führt Tuchle einer-
seits darauf zurück, daß Luther es sofort ver-
stand, sieh zum Sprachrohr <ler deutschen ( nzii-
friedenheit zu macdien; anderseits kam infolge der
naticmalen antiknrialen StW.mungen, der theoh)-
gischen rnklarheit <h>r Humani.-ten, der l ninter-
essiertlH'it <ler Hegierenden und Roms selber eine
geschlossene Abwehrfront überhaupt nicht nielir
/uslniKle. Durchaus richtig stellt Tü<-hle die L<'ip-
ziirer Dis])utation als die entseheidende Plia.se der
Heformation dar. Nicht nur hat sieh Luther hier
für das protestantische Formalprinzii), liir die Sola-
scriptura-Lehre, entschieden und daraus heraus
jedes kirchliche Lehramt abgelehnt. Von L(Mpzig
her datieil auch <ler otTene Kainjif in wissen-
scluiftlicii-theoh.oriselier und mehr noch in populär-
polemiseher Form. Luther verfaßle seine grolJen
Hefornmtionssehriften d(^ Jahres 10*20, schuf nach
der großen «Show» von Worms in einer Zeit diM-
Sammlung und ruhigen Arbeit auf der Warllmrg
«zwar nicht die ei-ste, aber die beste» deutsche
Bibelübei-setzung, die ihren Werl nicht bloß darin
hat, daß sie auf den rrtcxt des Fra.snnis zurück-
geht, somlern in volksnaher, ansclianliclier Spra-
che «die (rlui des religiösen Kmi)findens des Man-
nes si)iegelt, der an tler Dibel selber gewachsen
war und auf das Wort Gottes allein seine ganze
Existenz gestellt hatte». Mit vollem Hecht sielii
Tüchle «in der Bibel Luthers das Zentrum y\vr
religiösen Substanz der Kelonuation».
Hecht verständnisvoll schildert Tüchle aber
nicht bloß den Hetorinator selber, sondern auch
den äußern Verlauf der deutschen Hefonnation, die
sich in der Folge mehr und mehr von der PeiNon
Luthers löste und ihr eigenes Schicksal hatte: die
Wittenberger Unruhen, wehdie Luther lehrten, nicht
hen. Papstes verwirklicht hat. Er ist 'sich dabei
vJ-JUW'.HT und gnindsätzliclv im klaren, daß die gc-
waltige Herausforderung Luthers eine existentielle
Antwort erforderte. Weder die «Antwort des lor-
mellen Hechtes» noch gar politis«-he und mili-
liirische Fmerdrückung konnten zur U)sung des
Problems genügen.
Im («rslen <lieser <ler katholischen Heforai
ucwi.lniet;-n Kapitel — «Antwort und Abwehr —
Die neuen Kriitte und das Konzil von Tnent» — -
s,.hihl<r1 Tii.hle, wie die Frneuenmg der Kirche
weder in d( r Kune noch in Deutschland, sondern
in kleinen Zellen von l^iien und Priestern in
K.,m. im Oratorium der göttlichen Liebe, ihren
\Hnn- -eiH.mmen hat, wie sie sich in den Ordens-
gründungen des Lmlwig von Fossombrone uml
des Ignatius v<m Loy<.la und erst «lann m der Lr-
n..nening der Kurie fortgesetzt und schließlu-h im
Konzil von Trient mit der Bestimmung <Jf"|;/ ""«';';
me„t.^ und den Heiormdekreten ihren JJ.V^;^"')!^/
..(Munden hat. lnteressant<n'weise macht lue de sich
Hl der IVuHeilung des Tri.lentinums die Meimuig
.hMin-^ zu ei-en, wonach das Konzil «wohl ab-
givnzte, ab(>r nicht trennte, wo nicht s<-h.»n I ren-
nmig war».
Mit besonderer Aufmerksamkeit und Liebe
vertol-t Tüchle natürlicdi die Auswirkungen un<l
Friichb' dieser innern Krneuerung. 1 nter <lem
Titel vhn Geiste des Tridentinums — Innerkmdi-
Tn-lie Frneiiening un<l aktive Gegenwehr (CU«geu-
,H.rnu.tion). zeichnet <'r zuerst die gewaltige Aut-
|,auarbeit der Hefonnpäpsle Pius \\ . uiul \ .. Un'-
..„r \ni. und Sixtiis V. Dann ennneii er an < le
Bemühungen des Carlo l^orn.meo der über (he
Vustührung .1er K.mzil>beschlüsse bekanntlich bis
;,, ,,ie lu-.chsten Alpentäler hinauf peiv<mlich
wM.'ht(> Kr orientiert ülx'r .len zweiten Apostel
l)'.utM-hlands, P(>trus Canisius, über die Tati^-rke.t
.l,r Societas Jesu, welche bis Knde des 1 ^ Jabr-
linn.h'rts praktisch den gesamt<>n höhern Int er-
f„ht für <lie männliche Ju-end in den Händen
l,,Ho nls Veiiraute und Hatgelx-r v.m Kaisern
,;„! Köni^-ren und des Papstes die aktive Gegen-
,,,.l,r in P.avern, ( >esterreich. in I- rankren-h und
,..,l.,.H.n organisierte und darüber hinaus die ge-
wänne katholische Kultur, nicht zuletzt die Mission,
hahnbrechend beeintlußte.
l.Uer der Febei-^clirift «Fernwirkungen der
(ilaube.isspaltung im Zeitalter des Absolut. smu> -
KVli«-iö^er Aufschwung und theologische W n'^'n —
Fnkmsvei-suche» iolgon dann AusiT.hrungen über
u!„ Dreißigiährigen Krieg, die Hekatholis.erung
nur zu predigen, sondern auch zu organisieren;
den Bauernkrieg, der für Luther die ei-ste große
Gel'alir bedeutete; die Trennung von Zwingli; die
* Hermann Tüchle, Deformation und Gegenrefor-
mation. Unter Mitarbeit von C. A. Bouman für die
Ges(diichte der orientalisdien Kirche. Henziger Verlag,
Kinsiedeln.
in PohMi und Ungaru, die AuHiebung des Ldikte^
von Nantes, mit größter AVärme und weitaus am
'.usführlichsten solche über den gewaltigen theo-
io-ischen AufschxMing und die religiösen Wirren
; Frankreich des 17. Jahrhunderts. Dort halte
die Fxistenz der Hugenotten alle geistigen Lner-
cien des frnnzösischen Katholizismus gewe<.k(, eine
:eUene FüHo religiös hochbegabier und begnadeter
Poi-sönli<-hkeiten auf den Plan gerufen. Auf die
\nregung der Teresa von Avila und des Phihpp
Veri schuf Pierre de Benille 1613 das «Oratorium
;^ünlV-h keilen. Vor nllet* a)>er fand dns l^bens-
gefübl dos nachtridenti/iiscben Katholizismus sei-
nen sichtbaren Ausdnickjin der Barock-Architektur,
in enveit<^rtem Sinn T*itürlich im ganzen Auf-
schwung von Kunst uild Wissenschaft, Literatur
und Theologie, wie sie i*i ganz Kuropa festzustellen
sind. Der Verfasser v(?Vschweigt dabei nicdit.^ daß
die katholische Kirche wenigstens auf dem Gebiet
der Natunvissenschaft versagte. Die Abwanderung
der Natunvissenschaften aus Italien in neue anti-
kirchliche BaluuMi bezeichnet er als schmerzliche
Tragik, da <lie Zimmerer des neuen Vreltbildes
gläubige Menschen waren; den Pro/eß gegen Gali-
Tei bedauert er offen als «eine bedenkliehe Fehl-
leistung, von <len Folgen her gesehen oreradezu als
katastro])halen M ißjjrrilT».
Oekumeniseher Geist ste<dct in Tüchles Werk
nicht zuletzt auch insofern als er gerade in diesen
hier nachskizzierten Ka])iteln eindeutig gegen alle
Gewaltmaßnahmen der katholischen Kirche bzw.
ihrer \erl reter Stellung bezieht. Tüchle verurteilt
nicht bloß die Bartlu.h.mäusnacht und das «Te
Deiini», das (iregor XIII. dafür anstimmen ließ;
er betrachtet auch die Aufhebung des Ediktes von
Xantes, die Frankreich durch die Abwanderung
geistiger und wii-tschafi lieber Kräfte schwer ge-
schadet hat, als >pek1akulär(> Aktion eines Königs,
der «katholischer sein mußte als Papst und Kai-
ser». Zur Ausweisung der Salzburger Protestanten
bemerkt er, «laß sie nicht bloß die Gesetze der
>renschli(dikeit, sondern auch d(Mi Buchstaben des
Westfälischen Friedens verletzt habe.
Sym])athisch berührt sodann die Sorgfalt und
AusfVihrtichkeit, mit der Tüchle über die verschie-
denen rnionsversuche zwischen Katholiken und
l'rot est anten refeneiL Wenn diese aufs Ganze ge-
sehen auch ergebnislos verlaufen sind, anerkennt
<ler katholische Ilistonker doch den Frust und den
Einsatz der Männer, welche auf bei.len Seiten
glaubten, mit gutem Willen eine Einiuung der gc-
s]^altenen Christenheit iHrbeiführen zu können. Er
erinnert an die Bcmiihunuvn <l(>r kathoÜsehen und
protestantischen I Inmanisten, Erasmianer und
Ireniker der dreißiger und vierziger Jahre des
1() Jahrhunderts, an du' Bucer, Melanchthou, Gat-
tinara, Sadolet und Groi>i)er, welche im Glauben
an die Helativität der theologischen Fonnulierun-
gen und ohne Konzil die S])altung zu überwinden
hofften, an die Beniiilinn<j:<'n O.v^ seltsam zwischen
den beiden Laircrn >ich lierinnxhlagenden, als Ka-
Itholik gestorbenen Georu" Witzel, des irenischeu
l^elgiers Gwrg Cassander und seines lutherischen
Fortsetzers Georg Calixt, <ler HHÖ in Thorn ein
Gollof|uium cantativum, ein «liebreiches Heligion.>-
gespräch», veranstalten Avollte, an Kepler, an Hugo
Grotius, au den Erzbisciiof De Dominis von Spo-
leto. Vor allem erinnert Tüchle an die Arbeit, welche
^^folanus, Hojas y Spinola. Leibniz und Bossuot
für die Unionssache leisteten. Zusammenfa.ssend
bedauert er, daß t^ no«h über zwei Jahrtiundertc
dauern sollte, «bis unter ganz andern Vertüiltnissen
das Verlangen nach Einheit in den Kirchen selbst
lebendig wurde und zu mehr und mehr ottiziellen
Bemühungen auf breiter Front führte».
(Schluß folgt)
i
Nr. 24
MB — 17/ Juni 1966
Seite 9
WERNER KRAFT
GEDENKREDE AUF MARTIN BUBER
Am 10. Oktober 1965 hat im
Schauspielhaus Zürich eine Ge-
denkfeier für Martin Buber
stattgefunden. Im Mittelpunkt
stand die Rede von Werner
Kraft. Wir danken ihm dafür,
dass er uns das Manuskript für
den Abdruck zur Verfügung
stellte. (RED.)
In dieser feierlichen Stunde, in
der wir Martin Bubers gedenken,
ist unser Grundgefühl: Dank. Dank,
dass er ein langes, auf Dauer an-
gelegtes Leben des Geistes und
der Treue des Geistes gelebt hat,
dass er es für uns gelebt hat, seien
wir Juden oder Christen oder Men-
schen schlechthin, Dank, dass es
nun da liegt, dieses mächtige Werk,
damit wir von ihm lernen. Herr-
lich hat Buber selbst es gesagt, am
Schluss des Vorworts der 1964 in
drei Bänden erschienenen Ausgabe
seiner Werke: „Dem Dank, dass
ich leben durfte, engverbunden ist
der, dass ich werken durfte. Dank
sei gesagt." Dieser Dank ohne Ob-
jekt klingt so, als wenn da im Ge-
sagten ein Nichtgesagtes verborgen
erklänge. An wen ist er gerichtet?
An die Menschheit? An Gott? Wir
v/issen es nicht, imd es ist schön,
dass wir es nicht wissen. Noch ein-
mal klingt bei einem späten Be-
wohner der bedrohten Erde, um
deren Unzerstörbarkeit im Namen
des Geistes er gekämpft hat, in
Prosa auf, was Goethe im Alter
„gläubigerweise" gesungen hat,
',',Dass die Welt, wie sie auch kreise,
liebevoll und dankbar sei".
es zu sehen, wie der uralte Mann,
der nur mit einer ganz starken
Lupe überhaupt lesen konnte, m
seiner letzten Lebenszeit eben diese
seine Bibelübersetzung einer noch-
maligen Durchsicht und Verbesse-
rung unterzogen hat. Wieder ist es
überaus belehrend, was er selbst
im zweiten Band der Werke
schreibt:
„Wohl hatte die Schrift mich
schon lange vorher gleichsam
angefordert, aber nur erst m
der Art einer eher geahnten als
gewussten Verpflichtung: ich war
dieser noch nicht gewachsen.
Erst als mir die Uebertragung
zugemutet, zugetraut wurde, er-
wies sich, beim ersten Versuch,
dass sich in aller Stille etwas
entscheidend geändert hatte.
Dass ich diesen Sachverhalt hier
berichte, gilt letztlich nicht mir
und meiner Arbeit. Es geht mir
um den Menschen, der der
Schrift entglitten ist und nun
wieder und v/ahrhaft zu ihr ge-
langt."
Es kann nicht der Sinn dieser
kurzen Stunde des Gedenkens sein,
in dieses Werk einzudringen oder
gar kritisch sich zu ihm zu ver-
halten. Nur wenige Punkte will ich
zu beleuchten suchen, um den be-
sonderen Weg dieses Maimes deut-
lich zu machen. Buber spricht, wie
wir gehört haben, von „werken"
als einer Tätigkeit, als werktätiger,
an einem Werke tätiger Arbeit, und
er nennt die Ausgabe seiner Schrif-
ten „V/erke". Darüber wird er sel-
ber stutzig und bezeichnet das, was
lür ihn unabgeschlossen in beinahe
dreitausend Seiten Text vorliegt, als
„entworfenes Atmen". Ergreifend
bestätigen sich hier Leben und
fragmentarisches Werk im Atem, er
hält den Atem offenbar für wah-
rer, wärmer, sinnvoller als das ab-
geschlossene Werk in seiner Stren-
ge und Grösse, aber auch imgesel-
ligen Kälte. Bei Buber stand im
Zentrum seiner Besmnung nicht
der Monolog, sondern der Dialog,
der Dialog zwischen Gott und
Mensch, aber auch der Dialog zwi-
schen Mensch und Mensch, ich
möchte ihn daher einen im Geiste
geselligen Menschen nennen, ja
man könnte die Frage stellen, ob
er jenseits seiner ausserordentli-
chen schriftstellerischen und rein
sprachlichen Begabung nicht eher
ein mündlicher Mensch gewesen sei,
wie so oft Juden, in denen die
Quellen des Judentums noch leben-
dig sind, also ein Mensch, dem es
wesentlich nicht um die Erschaf-
fung neuer Werke geht, sondern
um das Verstehen der alten, in die-
sem Falle also der Bibel. Es
scheint mir daher kein Zufall zu
sein, dass das grösste Werk im
strengen Sinne, das Buber geschaf-
fen hat, kein Origmalwerk ist, son-
dern eine Uebersetzung, eben die
Uebersetzung der Bibel. Mit Franz
Rosenzweig hatte er sie 1925 mit 47
Jahren begonnen und dann über
dessen Tod hinaus allein bis in
sein höchstes Alter hinem fortge-
setzt und beendet. Ergreifend war
Was hatte sich mm geändert?
Ich möchte es kühn so sagen: Aus
einem Schriftsteller, einem reich-
begabten, war ein schlichter, wenn
man will: mündlicher Mensch ge-
worden, dessen Ehrgeiz nicht mehr
der ist, Werke zu schaffen, son-
dern einem Werk zu dienen. Und
war es nicht mit den chassidischen
Geschichten ähnlich? Erst als er
das freie Selbstdichten an vorgeg^B-
benen Motiven aufgab, und auch
dies hat er offen ausgesprochen,
fand er den Weg zu seiner Aufga-
be: was geschehen war unter Ver-
-dcht auf eigene Zutat schlicht zni
berichten, so dass nun erst das
Alte wahrhaft neu wurde. Man
darf wohl sagen, dass Buber das
Vorbild des mündlichen Menschen
in seiner nächsten Nähe hatte:
Franz Rosenzweig und in weiterer
Nähe den tiefsinnigen Christen
Christian Florens Rang. Diesen bei-
den, „die mir geholfen haben, die
Schrift zu lesen", ist mit eben die-
sen Worten das Buch „Königtimi
Gottes" gewidmet.
Völker, die neue Poesie um die
Jahrhundertwende, die neue Philo-
sophie von Dilthey und Simmel,
nicht zuletzt die Affäre Dreyfus.
Und vor allem den Zionismus. Bu-
ber wurde der Führer des deut-
schen Judentums, aber nicht im
Dienste des assimilierten Liberalis-
mus, sondern im Dienste des Zio-
nismus. Mit den drei Reden über
das Judentum fiel die jüdische Ju-
gend ihm zu und fand den Anstoss,
ihr neues Leben an Zion als Mit-
telpunkt zu messen: die edelsten
Vertreter gingen nach Palästina,
viele von ihnen in den Kibbuz, der
als Form einer neuen Gemeinschaft
Buber besonders am Herzen lag.
Buber nahm Stellung, wie er sein
ganzes Leben lang Stellung genom-
men hat. Schon in der Frühzeit des
Zionismus nahm er Stellung, als
unbedingter Zionist, und so auch
für Theodor Herzl, imd doch auch
gegen Herzl, soweit dessen Zionis-
mus nur ein politischer Zionismus
war. Er war für den Zionismus als
eine Kulturbewegung in Gestalt ei-
ner Erneuerung der hebräischen
Kultur als ganzer, Kultur mcht
verstanden als schöne Nebensache,
sondern als allumfassende Haupt-
sache. Man köimte allerdings fra-
gen ob bei solchem natürlichem
Stehen in der Welt ein Durchbruch
in die Welt überhaupt nötig war,
und zweifellos wäre Buber bei sei-
ner grossen Begabung auf jeden
Fall ein bedeutender Schriftsteller
geworden. Ein bedeutender wohl,
aber kein beispielgebender!
Buber v;ar der Welt verbunden,
vom Anfang seines Lebens an, und
doch meine ich, dass der Durch-
bruch in die Welt eines der ent-
scheidenden Motive seiner geistigen
Erfahrung gewesen ist. Wie ist das
zu verstehen? Es gibt für jeden
Menschen eine doppelte Eroberung
der Welt. Die erste vollzieht sich
nach der Geburt imter imendlichen
Mühen. Er wächst empor, und
dann kommt früher oder später die
zweite Eroberung der Welt, und sie
ist das eigentliche Problem des
menschlichen Geistes, ein Problem,
das jeder Mensch anders löst. Die
Mühen wiederholen sich, bis end-
lich der Punkt gefunden Ist, wo
der Mensch sich der Welt mit
dem, was er hat und ist, hinzutut,
wo die Welt aus ihrer passiven zu
ihrer aktiven Natur erwacht, in ei-
nem neuen Menschen.
So war es auch bei Buber. Er
hat diesen Punkt etwa im Jahre
1916 erreicht, mit der ersten Skizze
von „Ich und Du". Was vorherging,
war nicht etwa negativ, im Gegen-
teil, es war alles da, aber etwas
fehlte. Alles war da, um seine Ent-
wicklung zu begünstigen, der von
jüdischem Wissen durchdrungene
Grossvater, die jüdische Umgebung
m Galizien, die seinem Judentum
Ziel und Richtung gab, die deut-
sche Kultur in Wien, in die er
grossartig hmein wuchs. Alles nahm
der junge Mensch auf, die Kunst,
die Mythen und Religionen dec
Beispielhaft wurde er, weil er
in der ersten Hälfte seines Lebens
eine persönliche Entdeckung mach-
te die des Ich imd Du, mit allen
umstürzenden Folgen einer solchen
Entdeckung, nicht zuletzt für ihn
selber. Sie war vorbereitet und
wurde bestätigt durch andere Den-
ker Aber Buber hat diese Entdek-
kung für sich selbst unter dem
Druck einer gefährlichen Spannung
gemacht, und diese Entdeckung
hing in einem erstaunlichen Grade
mit der Welt zusammen. Das Kom-
plizierte wurde einfach, aber das
Einfache wurde wiederum kompli-
2,ij^T.f Wie schwierig alles gewesen
war"' zeigen uns zwei Tatsachen,
die Buber selbst berichtet. Zwei
Jahre vor der ersten Niederschrift
des Buches „Ich und Du" hat er
fast nichts Eigenes arbeiten kön-
nen. Die zweite Tatsache ist noch
beweiskräftiger. Das Buch war ur-
sprünglich als der erste Teil eines
fünfbändigen Werkes geplant, des-
sen „systematischer Charakter", wie
er schreibt, „es ihm zusehends ent-
fremdete". In dieser Entfremdung
vom System zeigt sich das Neue
an, auch äusserlich: die Einschrän-
kung eines umfassenden systemati-
schen Werkes auf einen schmalen
unsystematischen Band. Es ist so,
wie ich gesagt habe: es war alles
da, aber etwas fehlt. Da war Gott,
da' war die Welt, da war sicherlich
das Ich und wahrscheinlich schon
das Du, alles wurde isoliert ge-
dacht, alles wurde verbunden,
scheinverbunden im Namen der
grossen Dämonie der Zeit, die un-
diskutierbar war: Wissenschaft.
Und plötzlich sah ein Mensch, dass
da etwas nicht stimmte, dass da
etwas Störendes war, das ihn hin-
derte, auf die andere Seite zu kom-
men, wo Ich, Du, Welt, Gott als
Gegenstände nicht mehr gelten, wo
wirklich einer ist, der Ich und der
Du sagt, wo wirklich die Welt, wo
wirklich Gott ist, der ansprechbare
Gott. Darum wirkt dieses Buch, ob-
wohl ganz in der Sprache der Ver-
nunft gedacht imd geschrieben, wie
alle grossen Durchbruchsschriften
so ergreifend, so ergriffen in dem
Stammeln eines von seinem neuen
Blick auf die Dinge überwältigten
Menschen. Darum beginnt es mit
einfachen Feststellungen, und sie
beginnen mit der Welt: dass sie
dem Menschen zwiefältig sei nach
seiner zwiefältigen Haltung, dass
dies Zwiefältige von den Grund-
worten komme, die nicht Einzel-
worte seien, sondern Wortpaare
Ich-Du, das zweite Ich-Es. Zu dem
Grundwort Ich-Es gehört die Er-
fahrung, gemeint ist die wissen-
schaftliche Erfahrung, zu , .dfem ^
Grundwort Ich-Du aber die Bezie-
hung. Nur in dieser Beziehung of-
fenbart sich die Natur, die Kunst,
das Leben mit den Menschen, das
Leben mit den geistigen Wesenhei-
ten. Zwischen Ich und Du steht
keine Begrifflichkeit. Dass ich Du
sage, ist eine Tat, eine Wesenstat.
Ich spreche es mit dem ganzen
Wesen. Es ist eine Begegnung. Das
Es hat Gegenstände, die der
Mensch erfährt und gebraucht. Das
Du hat Gegenwart, das Es der Ge-
genstände nur Vergangenheit. Aus
diesen einfachen Setzungen entwik-
kelt Buber die Welt in allen ihren
Erscheinungen, entwickelt er
schliesslich Gott. Und doch ist er
nicht blind im Rausche seiner Er-
kenntnis, er weiss, auf einer neuen
Stufe, dass das Einfache sofort
wieder kompliziert wird, sonst wä-
re es Mystik, die Mystik seiner Ju-
gend, die er selbst an einer Stelle
ausdrücklich verwirft. Er spricht
von „der erhabenen Schwermut
unseres Loses", dass jedes Du in
unserer Welt zum Es werden muss.
Das Du dos Mensclicn, das in dei
echten Beziehung steht, ist von
flüchtiger Dauer, das Es der Er-
fahrung von den Dingen ist unent-
rinnbar. Das Du bleibt aber: als
ein Masstab.
Was meint nun dies alles, nicht
als Erfüllung, sondern als reine
Intention? Buber will aus der Dia-
lektik heraus, so wie die chassidi-
schen Weisen schon jenseits der
Dialektik lebten, er will die Welt
mnerhalb der Dialektik durchbre-
chen, er will in die Welt, jenseits
der Es- Welt. So schreibt er:
„Der Geist ist wahrhaft ,bei
sich', wenn er der ihm erschlos-
senen Welt gegenübertreten, sie
und an ihr sich erlösen kann.
Das könnte die zerstreute, ge-
schwächte, widerspruchdurch-
setzte Geistigkeit, die heute den
Geist vertritt, freilich erst, wenn
sie wieder zum Wesen des Gei-
stes, zum Dusagen gediehe."
Und noch deutlicher wird er,
wo er von dem namenlosen Weg
spricht, der durch die Auf. und
Niedergänge der Kulturen führt,
und nun heisst es wörtlich: „wo es
kein Weiter mehr und erst recht
kein Zurück gibt, nur noch die un-
erhörte Umkehr: den Durchbruch".
Und er zitiert Hölderlin: „Wo aber
Gefahr ist, wächst das Rettende
auch."
An einer anderen Stelle spricht
Buber deutlicher von diesem Ret-
tenden, dort nämlich, wo er von
Gott spricht:
„Von der Welt wegblicken,
das hilft nicht zu Gott; auf die
Welt hinstarren, das hilft auch
nicht zu ihm: aber wer die Welt
in ihm schaut, steht in seiner
Gegenwart. .Hier Welt, dort
Gott', das ist Es-Rede; und
,Gott in der Welt' — das ist
andre Es-Rede; aber nichts aus-
(Schluss S. 10)
Seite 10
MB — 17. Juni 1966
GEDENKREDE AUF MARTIN BUBER
'•■r'*'
'"r; '^'t
(Schluss von S. 9)
schalten, nichts dahintenlassen,
alles — all die Welt mit im Du
begreifen, der Welt ihr Recht
und ihre Wahrheit geben, nichts
neben Gott, aber auch alles in
ihm fassen, das ist vollkomme-
ne Beziehung. Man findet Gott
nicht, wenn man in der Welt
bleibt, man findet Gott nicht,
wenn man aus der Welt geht.
Wer mit dem ganzen Wesen zu
seinem Du ausgeht und alles
Weltwesen ihm zuträgt, findet
ihn, den man nicht suchen
kann."
Hier ist die entscheidende Wen-
dung vollzogen. Das Grundwort Ich-
i>u*^wiru zu der reinen Beziehung
Welt-Gott. Dieses Wortpaar wird
nicht gesprengt, beide Teile der Be-
ziehung sind ineinander da, aber
der volle Akzent liegt auf der Welt.
Dies ist es, was ich unter Bubers
Durchbruch in die Welt verstehe,
als letzte Konsequenz des Ich-Du-
Verhältnisses. Was hier gemeint ist,
ist ohne das Judentum in seiner
Weltbejahung nicht zu verstehen.
Alles, was Buber nach „Ich und
Du" geschrieben hat, ausgenommen
vielleicht die religionswissenschaft-
lichen Werke, entspringt aus der
Wurzel dieses Buches. Aus ihr ent-
springt das Gespräch, aus ihr das
dialogische Leben, aus ihr die Ka-
tegorie des Zwischenmenschlichen,
aus ihr die Steigerung der Gesell-
schaft zur Gemeinschaft und die
grossen Auseinandersetzungen mit
Kant, Hegel, Marx, Heidegger, Sar-
tre, aus ihr auf höchster Stufe der
Erkenntnis die Entdeckung des
„Wir" in dem Aufsatz über das
Wort „Dem Gemeinschaftlichen fol-
gen" von Heraklit, aus ihr schliess-
lich entspringt Bubers Auffassung
von der Sprache in dem Aufsatz
„Das Wort, das gesprochen wird",
derm die Grundworte Ich-Du wer-
den gesprochen, mit ganzer Seele
gesprochen, die Grundworte Ich-Es
werden nicht gesprochen.
Dies alles bedeutet aber niclit.
dass Bubers Weltansicht zuletzt
doch v/ieder in eine wenn auch ver-
hüllte philosophische Lehre zurück-
biegt, sondern es bedeutet, dass die
stellungnehmende Aktivitiit seiner
ersten Lebenshälfte kraft dieses
Durchbruchs sich verstärkte. Das
kam. zum Ausdruck in seiner Tä-
tigkeit am Jüdischen Lehrhaus in
Frankfurt, es kam zum Ausdruck
nach der grossen Katastrophe 1933
in Deutschland, als Buber mit vol-
lem persönlichem Einsatz die assi-
milierten deutschen Juden lehrte,
wofür sie litten, und ihnen durch
die V/iedererweckung ihres jüdi-
schen Bewusstsoins ein Gegenge-
wicht gegen die völlige Verzv/eif-
lung gab. Es kam zum Ausdruck
in seiner unnachgiebigen Haltung
in Isrc^el gegen jeden Chauvinismus,
den jüdischen und den arabischen.
Er nahm noch in seiner allerletzten
Zeit bei schon sinkenden Kräften
aktiv Stellung in einer kleinen
Gruppe, zusammen mit Ernst Si-
mon, Doktor Scheresche wski und
anderen, die sich um die Verstän-
digung mit den Arabern bemüht.
Es ist tief begründet, dass die ara-
bischen Studenten der Universität
Jerusalem einen Kranz an seiner
Bahre niederlegten.
Es ist bekannt, dass Bubers po-
litische und philosophische Gedan-
ken bei seinen Lebzeiten viel Kri-
tik erfahren haben. Im Nachv/ort
zu dem chassidischen Roman „Gog
und Magog" geht er auf solche
Kritik seiner angeblichen Lehre ein
und schreibt:
„Ich aber habe keine „Leh-
re". Ich habe nur die Rmktion.
auf solche Wirklich::eiten hinzu-
zeigen. Wer eine Lehre von mir
erwartet, die etwas anderes ist
als eine Hinzeigung dieser Art,
wird stets enttäuscht werden.
Es will mir jedoch scheinen,
dass es in unserer Weltstunde
überhaupt nicht darauf an-
kommt, feste Lehre zu besitzen,
sondern darauf, ewige Wirklich-
keit zu erkennen und aus ihrer
Kraft gegenwärtiger Wirklichkeit
standzuhalten. Es ist in dieser
Wüstennacht kein Weg zu zei-
gen; es ist zu helfen, mit be-
reiter Seele zu beharren, bis
der Morgen dämm^ert imd ein
Weg sichtbar wird, wo niemand
ihn ahnte."
Das ist heute noch wahrer, als
es schon damals war. Wir wollen
es uns zueignen.
Schliessen möchte ich nicht mit
eigenen Worten, sondern mit einem
Gedicht, das Buber in der letzten
Zeit seines Lebens gemacht hat. Es
heisst „Der Fiedler" und stellt Mar-
tin Bubers, des hohen Menschen,
letzten Durchbruch dar:
Hier am Weltrand habe ich zur
Stunde
Wunderlich mein Leben
angesiedelt.
Hinter mir im grenzenlosen
Runde
Schweigt das All, nur jener
Fiedler fiedelt.
Dunkler, schon steh ich mit dir
im Bunde,
Willig, aus den Tönen zu
erfahren.
Wo ich schuld ward ohne eigne
Kunde.
Spüren lass michs, lass sich
offenbaren
Di.eser heilen Seele jede Wunde,
Die ich heillos schlug und blieb
im Schein,
Nicht eher, heiiger Spielmann,
halte ein.
Rechrund Gesefe
Neue Gesetzentwürfe
Seit der Wahl der jetzigen Knes-
seth hat die Regierung nicht weni-
ger als 30 neue Gesetzentwürfe vor-
gelegt.
Ein umfangreicher Entwurf soll
die Pensionen der Staatsbeamten
neu regeln. Beim Lesen dieses Ent-
wurfs hat man bisweilen den Em-
druck, dass das Hauptaugenmerk
nicht auf die angemessene Versor-
gung des Beamten und seiner Hin-
terbliebenen gerichtet ist, sondern
auf die Einsparung von Geldern.
Daher gibt es bei der Pension ei-
nes Beamten zv/ar eine Höchst-
grenze, nämlich 70% des Gehalts,
aber keine Mindestgrenze, imd da
jedes Dienstjahr 2"/b Pensionsrechte
verleiht und ein erkrankter Beam-
ter in gewissen Fällen schon nach
fünf Dienstjahren pensioniert wer-
den kann, bedeutet es, dass eine
Pension dann 10"ü des Gehalts aus-
macht. Wie aber ein Beamter, der
IL 600.— Gehalt bekam, von IL
60.— im Monat leben soll, darüber
scheint man sich keine Gedanken
zu machen. Zum Vergleich sei er-
wähjit, dass die mitteleuropäischen
Pensionsgesetzc eine Grundpension
von 50ro vorsehen, die sich mit je-
dem Dienstjahr um 1% erhöht, so
dass nach 25 Dienst jähren die
Höchstpension von 75"/b erreicht
wird.
Ein anderes Beispiel: Nach bis-
herigem Recht erhält die Witwe
eines nach wenigstens fünf Dienst-
jahren im Dienst verstorbenen Be-
amten eine Witwenrente von 40%
des Gehalts des Verstorbenen, gege-
benenfalls mit Kinderzuschlägen.
Gegen diese Regelung v/äre nichts
einzuwenden. Aber wenn der Beam-
te im Zeitpunkt seines Hinscheidens
schon pensioniert v/ar, beträgt die
Witwenreiite nur 50" b der Pension,
also unter Um.ständen nur 5"/b vom
Gehalt und höchstens 35% vom Ge-
halt. Ein wirtschaftlicher oder logi-
scher Grund für diese Schlechter-
stellung ist nicht einzusehen, denn
diese Benachteiligung der Witwe,
wenn der Ehemann bei seinem To-
de schon pensioniert war, müss-
te den Mann logischerweise „mora-
lisch dazu verpflichten", am Tage
vor seiner Pensionierung aus dem
Leben zu scheiden, wenn er seine
Witwe gehörig versorgt wissen will.
Um diesen Unterschied zu mildem,
wird zunächst einmal vorgeschla-
gen, die Pension der Witwe des im
Dienst verstorbenen Beamten, wenn
sie noch nicht 45 Jahre alt ist, je
nach den Umständen von 40"'b bis
auf 30" b des Gehalts zu kürzen. An-
dererseits ist in Aussicht genom-
men, die Pension der Witv/e. deren
Mann als Pensionsempfänger ge-
storben ist, auf 60% der Pension
zu erhöhen; aber für diesen Fall
ist kein Mindestbetrag vorgesehen,
so dass sich so geringfügige Pen-
sionen wie 8"/b des letzten Gehalts
des Verstorbenen ergeben können,
bei denen von einer „Versorgung"
nicht die Rede sein kann; dagegen
hat man im Entwurf durchaus an
den Fall gedacht, dass ein Beamter
sein ganzes Leben für den Staat
arbeitete und nach 35 oder mehr
Dienstjahren seine Höchstpension
von 70% des Gehalts erreicht hat.
Nach der neuen Regelung würde
dann nach seinem Tode die Witwe
60% hiervon erhalten, also 42^/ o
vom Gehalt; das jedoch erscheint
unserem Finanzministerium zu
grosszügig, und so wird — kleinli-
cherweise — für solche seltenen
Fälle längster Dienstzeit ein Höchst-
satz von 40"/b vorgeschlagen. Man
sollte bedenken, dass unser Staat
sich nicht den Luxus eines schlecht
bezahlten und noch schlechter ver-
sorgten Beamtenapparats leisten
kann. Die Folge ist der Weggang
der guten Kräfte aus dem Staats-
dienst, und die Schäden fürs Gan-
ze sind am Ende viel höher als
die paar unbedeutenden Ersparnis-
se.
Auf die anderen Entwürfe kann
hier nur kurz eingegangen werden:
Elektronische Aufnahmen von
Kraftfahrzeugen in Strassenkreu-
zungen sollen bei Gericht Beweis-
kraft dafür haben, dass das Fahr-
zeug bei rotem Licht in die Kreu-
zung gefahren ist. Zugleich wird
von der (widerlegbaren) Vermu-
timg ausgegangen, dass der Inha-
ber des Autos am Steuer war. —
Gleichzeitig wird vorgeschlagen,
dass das Gericht, wenn es einen
Führerschein entzieht, dern Verur-
teilten aus besonderen Gründen das
Führen landwirtschaftlicher Fahr-
zeuge, z.B. Traktoren, ausserhalb
der Verkehrswege zu gestatten be-
rechtigt ist.
Im Strafgesetzbuch soll das
Strafmass in achtzig Fällen teUs
nach oben und teils nach unten ab-
geändert werden. Zugleich soll die
Strafbarkeit der Aufforderung zum
Duell und des Selbstmordversuchs
beseitigt werden.
In einem privaten Gesetzesvor-
schlag regt Menachem Begin an,
die Vertrelung des Knesseth-Präsi-
dcnten für den Fall seiner Krank-
heit oder Abwesenheit gesetzlich
zu regeln. Der Anlass zu dem Vor-
.vchlag war, dass während der
Staatspräsident im Ausland war.
der Knesreth-Präsidcnt, der den
Nr. 24
Jüdisches Museum in Bosef
In Basel v/urde das Jüdische
Museum der Schweiz am 12. Juni
eröffnet. Den Anstoss zu dieser
Gründung gab die „Monumenta Ju-
daica", die im Winter 1963/64 im
Köhiischen Stadtmuseum 2000 Jah-
re jüdische Geschichte und Kultur
der Juden am Rhein dokumentier-
te, Basel miteingeschlossen. Die
von privater Seite ausgehende Ini-
tiative zur Schaffimg eines Schwei-
zerischen jüdischen Museums geht
bis in den Anfang des Jahres 1964
zurück. Träger wurde der zu die-
sem Zweck im Februar 1966 kon-
stituierte „Verein für das Jüdische
Museum der Schweiz in Basel". Er
sicherte sich die finanzielle Hilfe
des Schweizerischen Israelitischen
Gemeindebundes und gewann, dar-
über hinaus, private Gönner. Die
fast 100 Objekte aus den Bestän-
den der Judaica-Abteilung des
Volkskundemuseums in Basel bil-
den — als Leihgaben — den Grund-
stock des neuen Museums, der er-
sten öffentlichen Sammlung dieser
Art in der Schweiz. Da sind, um
nur eüiige wenige Beispiele zu nen-
nen, Tefillin und hebräische Kalen-
der, Amulette, Becher und Hoch-
zeitsringe, Sabbathleuchter und
feiertägliche Tischdecken, femer
Thoraschmuck und Psombüchsen
aus dem 18. Jahrhundert. Schächt-
messer und Brennstempel aus der
gleichen Zeit, zur Sederfeier gehö-
rendes Gerät, Etrogschalen, Cha-
nukkahleuchter und Trendel. Er-
gänzt werden diese Leihgaben
durch andere aus privatem und
öffentlichem Besitz, so auch aus
dem Historischen Museum in Basel
und dem Schweizerischen Landes-
museum in Zürich.
E. G. L.
Staatspräsidenten vertrat, seine ge-
plante Afrika-Reise absagen muss-
te, da die Frage seiner Vertretung
ungeklärt war.
Dem Innenminister sollen weite-
re Befugnisse zur Einschränkimg
des Missbrauchs israelischer Pässe
verliehen werden. Insbesondere soll
die Regel aufgestellt werden, dass
ein Israelpass in der Regel an Neu-
einwanderer erst erteilt werden
darf, wenn seit der Einreise ein
Jahr vergangen ist.
Ortsrätc sollen ähnlich wie Städ-
t^^ die Befugnis erhalten, sich recht-
hch wirksam auf Wechseln zu ver-
pflichten.
Das Justizministerium hat einen
Entv/urf zur zivilrechtlichen Rege-
lung des Verwahrungsvertrages
einschl. Einbringung von Sachen in
Gastwirtschaf t.sbetrieben vorgelegt.
Die vom Obersten Gericht für
ungültig erklärten Anordnungen
des Reiigionsministers über die Or-
ganisation des jüdischen Beerdi-
gungswesens sollen nachträglich ei-
ne gesetzliche Grundlage erhalten.
IiTi Gesetz gegen Völkermord
soll die Unverjährbarkeit solcher
Verbrechen festgelegt werden.
Am 15. Februar 1966 schlug die
Regierung die (üizwischen bereits
angenommene) Erhöhung der Ein-
kommensteuer um 2—2'- "b des
Einkommens für das Steuerjahr
1966/67 vor.
Eine Anordnung zum Urheber-
rechtsgesetz soll gelegentliche Wie-
dergabe von gesetzlich geschütztem
geistigem Eigentum im Rahmen
des Schul-Bildfunks ohne ausdrück-
liche Genehmigung der Berechtig-
ten ermöglichen. Soweit dom Be-
rechtigten eine Vergütung zusteht,
wird sie im Streitfall von einer
richterlichen Kommission festge-
setzt.
Ein im Mai vorgelegter Geset»-
entwTirf soll den Misslirauch der
Bczeiclmung „Ka.scher" miter Stra-
fe stellen.
Dr. F. S. PERLE&
ALLGEMEINE Seiie 26 — Nr. XXI/8
KOLTUR« FEUILLETON
20. Mai 1966
Eleonore Sterling:
Analyse historischer Tatbestände
Ralf Dahrendorf: „Gesellschaft und Demo-
kratie in Deutschland." Piper Verlag. München. 536 S.
28,— DM.
Demokratische Leidonsdiaft ist hierzulande so
solten, daß wir geneigt sind, dieses von einem
Deutsdien in Deutschland für Deutsche geschrie-
bene Buch als „undeutsche" zu bezeichnen. Es be-
wdfst aber auch, daß viele Vorstellungen vom
unpolitischen „deutschen Charakter" der Revision
bedürfen. Die Ausnahme braucht nicht immer, wie
CS heißt, die Regel zu bestätigen; sie könnte audi
■/eigen, daß sich, wenn auch vorerst nur in klei-
neren Kreisen, etwas Grundsätzliches geändert
hat.
In der soziologischen Fachwissenschaft ist eine
entwicklungsgeschichtliche Analyse der Gegen-
wart, wie sie uns hier so anschaulich präsentiert
wird eine Ausnahme. Unter den Historikern wird
man 'diesem Versuch, Geschichte nidit darzustel-
len und als „Wert an sidV zu analysieren, son-
dern unter dem Gesiditspunkt modemer Probleme
aufzuschlüsseln, mit Kopfsdiütteln begegnen. Und
die meisten werden an den oft globalen und wag-
halsigen Hypothesen viel auszusetzen nahen.
Trotzdem: es ist ein wissenschaftliches Werk,
dem die leidenschaftlidie Fürspradie für eine frei-
heitliche Demokratie keineswegs abträglich ist.
Im Gegenteil: stets wurde wirkliche Wissenschdtt.
audi die empirische, angetrieben von der Liebe
zur Gerechtigkeit und dem Wunsdi, daß die Welt
doch besser werde. Und es ergibt sich aus dem
Thema selber, das alle angeht, daß es unter pad-
agogisdien und nicht aussdiließlidi akademisdien
Gesichtspunkten formuliert werden muß. Dahren-
dorf s Darstellungsweise selber ist demokratisch
denn er läßt den Leser an seinen Gedankengan-
gen teilnehmen. Er stellt Hypothesen auf, erwagt
das Für und Wider, setzt sidi mit der Literatur
und mit sich selber auseinander und endet viel
öfter mit neuen Fragen als mit endgültigen Ant-
worten.
Qesamtanalyse der deutschen Qesellsdiaft?
Der Verfasser will eine Gesamtanalyse der
doutsdien Gesellschaft von heute vorlegen, und
7war in ihrem besonderen Verhältnis zur Politik.
Er will also nic^t, wie dies häufig geschieht, sich
mit der Untersuchung eines Teilgebietes oder mit
einer Zusammenstellung von bloßen Fakten be-
gnügen, sondern die „Strukturen vieler gesel -
sdiaftlicher Bereiche auf ein politiscties <^^runcl-
problem beziehen, damit zugleich Fragen, die sidi
jedem Bürger der betroffenen Gesellschaft stellen,
beantworten". Das bedeutet „Distanz vom Selbst-
verständlichen", also nicht einfach die Beschrei-
bung dessen, was ist, sondern Diagnose von Ur-
sadien und Zusammenhängen sowie die Erarbei-
tung von Prognosen und Therapievorschlagen.
Das , distanzierte Engagement" zieht sich durch
das ganze Buch hindurdi. Von den „Intellektuel-
len", zu denen sich der Verfasser rechnet, ver-
langt Dahrendorf historisch gerichtete Kritik und
Teilnahme am sozialen und politiscben Gescbe-
hrn damit sie kraft ihrer Erkenntnis dazu beitra-
gen mögen, endlich in Deutschland eine „freiheil-
lidie Verfassung" zu verwirklichen. Nodi nie,
meint Dahrendorf, waren „die Chancen der libe-
ralen Demokratie in einer deutschen Gesellschaft,
so groß, wie sie es in der Bundesrepublik sind .
Damit stimmen wir überein, aber es muß hier
schon eingewandt werden, daß Dahrendorfs Kri-
tik letztlich doch nicht scharf genug ist — der
menschlich sehr verständliche Wunsch, seinen Op-
timismus zu unterstreichen, war wohl zu dring-
lidi __, um die Widerstände, die einer soldien
Entwidilung entgegenwirken, klar genug in den
Gnff zu bekommen. Oft wirkt diese Untersuchung
viel zu versöhnlich. Nach dem, was in Auschwitz
gcsdiehen ist, bedürfte es eigentlidi eines noch
viel stärkeren Aufwandes des Geistes, noch star-
k#«rer Leidensc*ia/t«>«. Oio Bürjjor dor BundosrepU-
blik sollten nidit nur aufgefordert werden, ihre
gegenwärtige gute Chance, eine freiheitliche Ver-
fassung zu erriditen, wahrzunehmen; sie müßten
auch zutiefst einsichtig werden, daß sie und die
Menschheit überhaupt es sich gar nicht mehr
leisten können, ohne eine freiheitliche Gesell-
sdiaft zu leben.
Dahrendorfs Modell einer „freiheitlichen Ver-
fassung", das heißt einer offenen Gesellschaft und
Politik, ist der englische und amerikanische Libe-
ralismus. Die deutsche Fehlentwicklung wird an
diesem Maßstab gemessen, und es ergibt sich, daß
im Deutschland des 19. Jahrhunderts vier ent-
scheidende Grundzüge fehlten: 1. Statt der für
Demokratie konstitutiven experimentell-prakti-
schen Denkweise, wie sie für die Naturwissen-
schaften und die empirische Sozial forschung kenn-
zeichnend ist, dominierten in Deutschland die
Geisteswissenschaften und die Metaphysik.
Deutschland hat einen Imanuel Kant und einen
Friedridi Hölderlin hervorgebracht, aber nicht
einen John Locke und einen Edmund Burke.
2. An Stelle der für die liberale Demokratie not-
wendigen Anerkennung der Unvermeidlichkeit
von Interessenverschiedenheiten und Konflikt so-
wie der Einsicht in die Notwendigkeit von deren
Institutionalisierung dominierte die Sehnsud^t
nadi Harmonie und Synthese. Statt „Spielregeln"
zu entwickeln, sudite man nach „Lösungen".
Statt die Notwendigkeit eines Parlamentes („go-
vernment by discussion") und der Parteienkon-
kurrenz einzusehen, entwickelte man den Mythos
vom neutralen, über allen „egoistisdien" Inter-
essen stehenden väterlichen Staat. 3. An Stelle
einer etablierten politischen Elite, die aus Ver-
tretern unterschiedlicher Interessen und Ideolo-
gien besteht, gleichwohl aber sozial und kulturell
homogen ist, besaß Deutschland vor 1918 und von
1033 "bis 1945 eine autoritäre, beziehungsweise
totalitäre einheitliche Führungskaste, aber in
seiner demokratischen Weimarer Epoche lediglich
Inhaber von Führungspositionen, eine „Elite der
Angsi . Diese verschleierte ihre Machtstellung
vor sich selbst und bildete keine „etablierte"
Gruppe, weil sie sich insgeheim noch an den ar-
chaischen Werten des vergangenen Zeitalters ori-
entierte. 4. Statt „sozialer Tugenden", die auf
Umgänglichkeit (fair play, keep smiling) beru-
hen, dominierten in Deutschland die „privaten"
der Innerlichkeit, der „reinen Seele", die zur Un-
terwerfung im sozialen und politischen Bereich
prädisponieren.
Dahrendorf trägt hier eigentlidi nichts Neues
bei, denn dies ist nichts anderes als die Zusam-
menfassung der von deutsdien Exilautoren und
von Mitgliedern der London School of Economics
gestellten Diagnosen während der dreißiger und
vierziger Jahre. Sie sind aber in Deutschland —
symptomatisch genug — immer noch weithin un-
bekannt, so daß Dahrendorfs kluge und oft kriti-
sche Darstellung wertvoll ist. Auch die Begrün-
dung für die soziale und politische Defizienz in
Deutschland ist nicht neu. Schon Thorstein Veblen
hat in seinem leider immer noch nicht übersetzten
Budi „Gerraany and the Industrial Revolution"
während des ersten Weltkrieges die These auf-
gestellt, daß die verspätete und sodann über-
schnelle Industrialisierung das Entstehen eines
starken, selbstbewußten und unabhängigen Bür-
gertums verhinderte; daß sich Werte der Liberali-
tät, des Kompromisses und der gegenseitigen
Achtung aus Einsicht der Notwendigkeit, die auf
der Grundlage des Laisser-faire, der Konkurrenz-
und Marktwirtschaft beruhen, nicht festigen konn-
ten; daß sich statt dessen die neue Industrieelite
dem semi-feudalen Obrigkeitsstaat einfügte.
Allerdings hatte der amerikanische Sozialkriti-
ker Veblen schon einen Faktor erkannt, der von
Dahrendorf unseres Erachtens nicht genügend be-
rücksichtigt wird: die konkreten, keineswegs nur
in einer Geisteshaltung begnindeten Auswirkun-
gen der so spmnghaft entstandenen Monopol-
wirtschaft auf die Grundlagen des Liberalismus.
Dahrendorf besteht darauf — und er sdieint sich
hier auf die Thesen des klassischen Liberalismus
des 17, Jahrhunderts zu stützen — , daß eine freie
Gesellschaft nur diejenige sei, die den Konflikt
anerkenne. Er weiß zwar wohl, daß es diese Kon-
flikt- und Konkurrenzgesellschaft in ihrer von den
Klassikern des Liberalismus idealisierten Form —
MODE
Sf-Ä'''ir.''-
:'*!i*;'.Tr •'-",'
„d,svoUe Frooen
V\e.det anspr
ßcTSSELDÖF^F ^^HäI>ÖWS^^
Die Sprache eines Freundes
Aus christlicher Sicht
ff einrieb Spaemann: „Die Christen und das
Volk der Juden." Kösel-Verlag, München. 79 S. Kart.
5,50 DM. Erschienen in der Reihe „Kleine Schriften
zur Theologie".
„Die Drohweissagungen, die sich auf
Israel bezogen, haben wir wörtlich genommen . . .
die Heilsweissagungen verstanden wir
so, als seien sie nur auf uns als ein geistiges
Israel anzuwenden." Mit diesen Worten hat der
Verfasser bereits seinen Standpunkt dargelegt. Es
ist die Basis eines katholischen Christen, der da-
von ausgeht, daß Israel sich wieder als Volk in
den Blick der Menschheit bringt, während Juden
vor wenigen Jahrzehnten nur in der Vereinzelung
bestenfalls als Judenheit existierten. In der Tat-
sache, daß ein „konkretes Israel" besteht, sieht
Spaemann einen biblischen Aspekt der Kirche und
zugleich eine Forderung „wie am ersten Tag". Es
ist jene Geisteshaltung, wie sie der XI. Pius for-
muliert hat: „Geistlich gesehen sind wir alle Se-
miten."
Ueber den Ursprung dieser Haltung sdieint eine
Passage in Spaemanns Schrift besonders Auf-
sdiluß zu geben: „Die für Israel so typisdie Aus-
zugs- und Exilexislenz ist nach der Schrift schließ-
lich die endzeitliche des Gottesvolkes überhaupt.
In der Leidensgemeinschaft aber erkennen sidi
Juden und Christen als Kinder eines Vaters
wieder. Im gemeinsamen Sterben für Gott stirbt
alles Trennende. In den Konzentrationslagern und
an allen Stätten, wo Christen mit Juden litten, ist
die Wiedervereinigung von altbundlichem und
neubundlidiem Gottesvolk eingeleitet worden."
An anderer Stelle weist der Autor seinen Glau-
bensgenossen einen Weg, der aus den alten Glei-
sen in eine neue Richtung führt:
„Soweit das jüdische Volk offenbarungsgläubig
ist, lebt es in der Erwartung des messianischen
Reiches, wie die Propheten es in den leuchtenden
Farben seines endgültigen Zustandes geschildert
haben. Die Christen haben es sich allzu leicht ge-
madit, wenn sie darauf nur die Antwort hatten,
der Ersehnte sei bereits gekommen und die Juden
hätten ihn anzuerkennen. Das ist nur die eine
Hälfte der Wahrheit, und gerade die andere
Hälfte wäre es, die uns mit den Juden verbände,
die Sehnsudit nach der Fülle der Erlösung, nach
ihrem Otfenbarwerden in einem neuen Himmel
und einer neuen Erde."
Der Autor, 1903 in Sölde/Westfalen geboren, ist
Theologe. Zunächst studierte er in München, Ber-
lin, Rom und am Bauhaus Dessau, war Mitarbeiter
der Sozialistischen Monatshefte, Berlin; erst 1936
begann er seine theologischen Studien. Gegen-
wärtig ist er als Spiritual an einem Benedikti-
nerinnenkonvent tätig.
Der jüdischer Leser wird längst nicht überall
mit den Ansichten des Verfassers übereinstimmen
wollen und können. Aber er wird erkennen und
anerkennen, daß hier ein Theologe aus christli-
cher, brüderlicher Verantwortung eine Antwort
sucht. Spaemanns Sprache ist die eines Freundes.
A. Neustadt
I HUBERT I
I GRKGLGnZ I
i KOMMANDIT-GESELLSCHAPT 1
I IMMOBILIEN I
I HYPOTHEKEN |
■ VERMIETUNGEN 1
1 — — p
I DÜSSELDORF |
i BERLINER ALLEE 61 TELEFON 8 04 44 s
= s
illllillllllllililllllillilllllllllllliiilillillllillllillilllllllllillillllllillllllllililllilllHI'll"^
als sich letztlich dodi harmonisierend und ausglei-
chend — nie gab; denn weder John Locke und
Adam Smith noch ihre Anhänger ließen den Kon-
flikt etwa gegenüber den Besitzlosen, außer im
ausschließlich eigenen Interesse, gelten. Aber
Dahrendorf berücksichtigt nicht, daß die Konzen-
Irationstendenzen im gegenwärtigen „spätkapita-
listischen" Zeitalter die Konflikttheorie zur Farce,
wenn nicht gar zur Verschleierungsideologie zu
machen drohen. Unter diesem Gesichtspunkt
müßte man etwa die Staatslehre Georg Friedrich
Hegels differenzierter bewerten, wie dies bereits
Herbert Marcuse getan hat. Hegel hat die engli-
schen Klassiker nicht so sehr kritisiert, weil er
die Freiheit verpönte, sondern weil er an der
englischen Entwicklung schon konstatieren konn-
te.^ daß die Konflikttheone nur einer kleinen
Oberschicht der Bevölkerung zugute kam. Des-
halb versprach er sich vom „rationalen und sitt-
lichen Staat" eine ausgleichende Wirkung. Er ver-
folgte dabei mehr die Theorie eines Thomas Hob-
bes, der ebenfalls zur englischen Tradition gehört,
wenn auch seine Lehre vom Bürgertum des 17.
Jahrhunderts nicht rezipiert wurde. Es ist aber
ein interessantes Phänomen, daß er unter den
sozial-pragmatischen Utilitariern des 19. Jahrhun-
derts und heute in gewissen Kreisen der Labour
Party neu interpretiert wird. Der Staatsauffassunq
Hegels war also schon eine Einsicht immanent,
die, hätte man sie befolgt, vielleicht in Deutsch-
land im vornherein negative Begleiterscheinun-
gen der Industrialisierung, wie die Verelendung
der unteren Bevölkerungsschichten, hätte abfan-
gen können.
Dahrendorf interpretiert die gegenwärtige Ten-
denz der Führungseliten in der Bundesrepublik,
Konflikten auszuweichen und sich statt dessen zu
arrangieren, soziale und politische „Kartelle" zu
bilden, als ein Ergebnis traditioneller Fehlhaltun-
gen. Das ist gewiß richtig. Sie ist aber auch Re-
sultat eines tiefergehenden und umfassendem«
Wirtsdiaftsprozesses, der nicht nur auf DeutsüX*-
land beschränkt ist. Autoritäre Politik gründet
nicht nur in einer falsdien Einstellung, sondeij
auch in der Tatsache, daß eine Monopolwirtsd^afl;
ihr politisches Machtmittel nicht mehr in der „Re-
gierung durch Diskussion", sondern immer mehr
mit der autoritären Entscheidung sieht. In
Deutschland freilich, wo das Zwischenstadium des
Laisser-faire nun einmal gefehlt hat. wo die wirt-
schaftliche Elite, wie Dahrendorf konstatiert,
Angst vor ihrer eigenen Macht und Verantwor-
tung hat, ist dieses Problem um so schwerer zu
bewältigen. Auf der positiven Seite, meint Dah-
rendorf, liegt allerdings — o Ironie der Geschich-
te — , daß der Nationalsozialismus, also das Er-
gebnis der deutschen Fehlentwicklung, durch sei-
ne brutale Schreckens- und Vernichtungspolitik
ungewollt Traditionsbestände beseitigte, die der
„Moderne" seit Generationen im Wege standen.
Unwiderruflich ist die Feudalherrsdiaft des
Grundbesitzes beseitigt worden, und die Enteig-
nungspolitik Walter Ulbrichts hat den Rest getan.
Das Verhältnis zur Industrie, zur Verstädterung,
zur technischen Zivilisation ist im Nachkriegs-
deutschland ein anderes geworden. Agrar-roman-
tische Mythen, die wesentliche Bestandteile des
Ultra-Nationalismus und der nazistischen Blut-
und Bodenlehre waren, meint Dahrendorf, besit-
zen keine Virulenz mehr, ist doch schon der Le-
bensstandard, eine Errungenschaft der Technik,
viel zu hodi. Dies schließt jedoch nicht aus, daß
Traditionsbestände aus dem 19. Jahrhundert völ-
lig ausgelöscht worden wären.
Dies ist wahrhaft ein großartiges Buch, das zu
weiterem Denken verpflichtet.
Harmonie mit HOHNER
Bewundert werden, Im Mittel-
punkt stehen - das möchte
^
ESSEN • LINDENALLEE 7/9
FERNSCHREIBANSCHLÜSSE: 0857 709 (AUSLAND)
20. Mal 1966
KULTUR • FEUILLETON
ALLGEMEINE Nr. XXI/8 — Seite 25
Europäisch denken und gemeinsam handeln
Von T. S. Eliot, London
Ich will nidit behaupten, daß Politik und Kultur
nichts miteinander zu tun haben. Ja, wäre es mög-
lich, sie vollkommen zu trennen, dann würde das
ganze Problem sogar sehr vereinfadit sein. Der
politische Aufbau eines Landes übt aber auf seine
Kultur einen Einfluß aus und wird seinerseits von
ihr beeinflußt. Heute machen wir jedodi den Feh-
ler, daß wir uns zu sehr um unsere gegenseitigen
politischen Probleme kümmern ohne entspredien-
den Kontakt auf dem Gebiet der Kultur.
Diese Vermengung von Kultur und Politik kann
einmal dazu führen, daß ein Land keine Kultur
mehr anerkennt außer der eigenen, daß es sich
bemüßigt fühlt, seine Nachbarkulturen auszumer-
zen oder gewaltsam umzuformen. In Deutschland
bezeidinete man unter Hitler jede nichtdeutsche
Kultur entweder als dekadent oder als barbarisch.
Es wäre Zeit, daß solche Vorurteile aufhörten.
Andererseits kann die Vermischung von Kultur
und Politik genau entgegengesetzte Folgen ha-
ben: Sie kann zu dem vermeintlichen Ideal eines
Weitstaates führen, in dem es schließlich nur eine
einzige einförmige Weltkultur gibt.
Idi kritisiere keineswegs die praktischen Pläne
einer Weltorganisation. Solche Pläne fallen in den
Bereich technischer, organisatorischer Fragen, Fra-
gen der Maschinerie. Maschinerie ist notwendig
Für eine gesunde europäische Kultur ist zweier- jede für die Einflüsse der anderen empfänglich
lei notwendig: ^ij. ^_^^ ^^^ögii^i^t ^nd erleichtert dadurch,
1. daß jedes Land seine bodenständige «.uiiur ^^^ ^^ .^ ^^^ europäischen Kultur ein gemeinsa-
besitzt, mes Grundelement gibt, ein langes gegenseitiges
2 daß die verschiedenen Kulturen ihre Bezie- Befruchten und Denken, Fühlen und Sagen, eine
hungen zueinander anerkennen und bejahen, damit Wechselbeziehung in der Kunst und in der Idee.
Der entscheidende Trennungsstrich
,,fUüu*^
KETTELMASCHINEN
KARUSSELL
fOr hochelastischen
Doppel- und Einfach-
kettenstich
ohne Greiferwechsel,
Mkundenschnell
umstellbar.
Kl 100 ,r
mit drehbarer Säule.
Kl. 200 .Z' nfiit
drehbarem Oberteil.
Stufen lose
Stichzahlregulierung
durch Fußpedal.
z'
■\
Friedrich Hollaender
Von Kopf bis Fuß
Mein Leben mit Text und Musik
427 Seiten, Ganzleinen . . DM 19,80
.Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe einge-
stellt , . .', «Johnny, wenn du Geburtstag hast,
bin ich bei dir zu Gast ...',- es ließe sich be-
liebig fortfahren mit der Aufzählung von Hol-
laender-Chansons, die sehr schnell zu Schlagern
wurden «nd die nicht nur Berlin, sondern die
ganze Welt sang und pfiff. Beinahe unüberseh-
bar ist die Galerle berühmter Männer und
Frauen, denen Friedrich Hollaender in seinem
Leben begegnete. Unter ihnen befanden sich
so gegensätzliche Persönlichkeiten wie Else Las-
ker-Schüler und Joachim Ringelnatz, Trude He-
sterberg und Marlene Dietrich. Von der genie-
geladenen Atmosphäre im »Cafe des Westens"
bis zum rauchigen Keller des Kabaretts »Schall
und Rauch" wird in diesen Erinnerungen ein Ber-
lin lebendig, das eine ganze Generation ge-
prägt hat. Hollaenders Autobiographie ist der
blitzende Spiegel einer turbulenten Zeit, ein
Augenzeugenbericht voller Charme und sprühen-
dem Witz.
Bucherstube der Allgemeinen
4 Dusseldorf 10, Zietenstroße 50, Postfach 100 99
Postscheck Essen 99 055 / Telefon 49 36 34/35
1 Berlin 15, Joachimstaler Straße 13, Telefon 91 58 51
K-nitiir ist — aenauso wie Demokratie — ein ndlen Eigenarten zur Gleidifömiigkeit verschmel-
Rpnriff den man fast jedesmal von neuem defi- zm. Was wir braudien, ist Mannigfaltigkeit, der
nieren muß und nidit allein delinieren, sondern eine Einheit zugrunde liegt, aber keine organisa-
audi veransdiaulichen. Wir müssen uns über die torisdie. sondern eine natürhdie Einheit
Bedeutung dieses Begriffes Kultur genau im kla- Unter „Kultur" verstehe ich also zunadist e.n-
ren sin damirwir einen Trennungsstrich ziehen mal das, was auch die Anthropologen darunter
könnei zwischen der materiellen Organisation verstehen: Die besondere Lebensweise eines
^^H^om nPi^iaen Oraanismus Europas. Wenn Volkes, die sich durch em Zusammenleben auf
Europa als^TesUgerWi^^^ abstirbt, dann gleichen Boden herausgebildet hat Diese Kultur
w^rTLf was uns zu organisieren übrigbleibt, äußert sich in der Kunst eines Volkes^ in seinem
nicLt r^ehr Europa sein, sondern eine Masse sozialen System, seinen Sitten und Gebrauchen
m^schTcher ExTstenzen, die verschiedene Spra- seiner Religion. Aber all dies zusammen ist noch
T^oHonli^ri^e verschiedenen Sprachen selbst nicht die Kultur des betreffenden Volkes, obgleich
tZlf^h^E^s^^^^^ verlieren, da wir es der Einfachheit halber oft so ausdrücken.
Tese Menslen Ss i^^^^^^^^ sagen haben wür- All diese Dinge sind nur die Bestandteile, in die
den warJ* SicMgenauso gut in jeder beliebi- eine Kultur zerlegt werden kann - geradeso wie
aen Sprache sagen ließe; da sie nichts mehr zu sich der menschliche Körper anatomisch zerlegen
?Rnpn hätten in der Sprache der Dichtung. läßt. Genauso, wie der Mensch mehr ist als die ^^^^^ anzunehmen, daß das Individuum nur eine
sagen natten '" °^' ^ ■■ a , a a ^. Summe seiner Organe und Glieder, so ist auch p^^.^^ ^^^, ^.^ p^^-^^^ gegenüber dem Staat. Ge-
Ich habe bereits die Ansicht geäußert, dab es ^.^ Kultur mehr als die Summe von Künsten, j-^^^^u haarsträubend scheint mir aber die An-
keine „europäische" Kultur geben kann, wenn sich Gebräuchen und religiösen Ueberzeugungen. Alle ^.^^^^ ^.^^^ oberste Pflicht jedes Individuums be-
_ .. , T^ .. ^;-r, ^»^/^Q-r ior»liprf>n Trh j:«^^ ■m/-»T-^.->T-.+n TiriT-lron anfpinanrJpr ein. und wenn ', --i • «-> et «. ■\st-.^ ;,a-. .,,;♦
HAMBURGER
KETTELMASCHINEN-FABRIK
I. Huhn KG. Hamburg 33
sieht, diese oberste Pflicht jedes Individuums be-
stünde gegenüber einem Super-Staat. Was ich mit
„Loyalität verschiedener Art" meine, möchte ich
am Beispiel der Universitäten klarmachen.
Keine Universität sollte eine bloße nationale
Institution sein, selbst wenn sie von der Nation
erhalten wird. Die europäischen Universitäten
sollten ihre gemeinsamen Ideale entwickeln und
ihre Verpflichtungen gegeneinander erkennen. Sie
sollten unabhängig sein von der Regierung ihres
und wertvoll. Je besser sie ist, desto besser wird
die Organisation funktionieren. Aber Kultur ist
nicht organisatorisch, sondern organisch. Kultur
wächst: Einen Baum kann man nicht bauen; man
kann ihn nur pflanzen, pflegen, warten, daß er
reift; wenn eines Tages der Baum vor uns steht,
kann man sich nicht beklagen, daß aus der Eichel
eine Eiche geworden ist und keine Ulme.
Die politische Struktur eines Landes ist zum Teil
bewußt Konstruktion, zum Teil natürliches Wachs-
/^
K
Alle
Bücher
und
Schallplatten
AUS DEM IN- UND AUSLAND
sind zu beziehen
durch unsere
Bucherstube der Allgemeinen
4 OSsseldorf 10, Zietenstroße 50, Postfach 100 99
Postscheck Essen 99 055 / Telefon 49 36 34/35
1 lerlin 15, Joachimstaler Straße 13, Telefon 91 58 51
tum. Die zur Konstruktion benötigte Maschinerie
kann, wenn sie gut ist, gut sein tür alle Völker.
Aber der Teil der politischen Struktur, der orga-
nisches Wachstum ist, entspringt aus der Kultur
eines Volkes und wächst mit ihr mit. In diesem
organischen Element untersdieidet sich der Auf-
bau eines Volkes von dem aller anderen Volker.
keine „europdlbuie iviului ^v..-.«^** ... , \jt:uiaui-in:;u uiivi iciiyiwa.:.!! ^^^^^^^■^^^■':3~--
die Länder Europas voneinander isolieren. Ich diese Elemente wirken aufeinander ein, und wenn
möchte jetzt hinzufügen: Ebensowenig kann es man dies völlig verstehen will, muß man alle ver-
eine europäische Kultur geben, wenn ihre natio- stehen.
Die Gradmesser der Kultur
Es gibt natürlich höhere und niedrigere Kultu- ist das Band so stark, daß man von Kulturgemein-
rpn. riiP höheren zeichnen sich gewöhnlich durch schaffen sprechen kann. • • . t^ ,
: cfiirWp nifferenzieruna ihrer Funktionen Wenn wir also den Ausdruck „europaische Kul- ^^,,,^,, uimuuaxxyiy ^^... vwxx ^.x xv.y..x...y x.....
eine ^^aj-k^^!,^^^^^^^^^^^^^'"^^^^ tur" gebrauchen, meinen wir die Elemente, die eigenen Landes. Universitäten dürften keine Aus-
aus so daß '^l^y.^^l^^^^^^.'^^^^ innerhalb der verschiedenen nationalen Kulturen bildungsschulen für einen tüchtigen Beamtenstab
kultivierten Gesellschaftsschi^^^^ die gleichen sind. Natürlich stehen manche Län- sein, und keine Institute, in denen Wissenschaft-
Und schließlich kann man auch no^ Emzelmrn a g ^.^^^^^^ ^^^^^ ^^^ ^^^^^^ ^^ ^^,^^^ ^^^^ ^^^^^^ ^^^^^^^ ^^ ausländische Wis-
Kästlet ein Phtsophwde^ d" sogar vor'kommen, daß ein Land eine starke kultu- senschaftler zu übertumpfen.
K^ir bes tzen a?s ein Land- oder Bergarbeiter^ relle Verwandtschaft mit zwei verschiedenen Lan- ^^.^ j^^^^^^ ^^.^ ^ ^en Männern des Geistes
di^ Kultur ef^^^^^ dem aufweist, die ihrerseits nur sehr lose Bindun- .^ ^^^^^^^ ^^f ^eren Schultern eine besondere
^Pin wiP dip eines Politikers. Aber in einer ge- gen besitzen. ^r .♦ ^ Verantwortung liegt: die Erhaltung und Weiter-
sTdeT GeselSt s nd dies alles nur Schat- Es gibt ja auch in der Familie Vettern ^^^ ^^^^^^^ gemeinsamen Kultur. Wir mögen
tierunaen efner u^^^^ derselben Kultur: Künstler, mütterlicherseits und Vettern väterlicherseits ^^^.^.^^^ verschieden denken: Unser aller
Sef Philosophen Politiker und Arbeiter eines zwischen denen keine direkte Verwandtschaft ^^^-^^^ -^^ ^^ j^^och, unsere gemeinsame Kultur
Landes wede^^^^ Kultur gemein- besteht. Genauso, wie ich es ablehne die euro- ^^^ ^^^ Ansturm der Politik zu bewahren. Das
samhaberd!L?e nicht mu päische Kultur als Summe einer Anzahl von Ein- wesentliche ist, daß isoliert, von den anderen
fn.n deren Länd^^^^ Einen allseitigen, zelkulturen anzusehen, wende ich mich auch ge- abgeschnitten, keiner von uns imstande ist, Werke
a^eichm^ßlSen Austausch kultureller Werte gibt gen die Einteilung der Welt in scharf getrennte ^^ ^^^^ff^„^ ^ie von unserer hohen Zivilisation
e ntcht Auch tuf wirtschaftlichem Gebiet kann Kulturgruppen Es gibt meiner Ansicht nach keine ^^^ Fachwelt Zeugnis ablegen,
man nicht mit allen Ländern gleichmäßig Handel absolute Scheidelinie ^^is^^^^ « ^ d West, ^^^ ^^_^^^ ^^^^ ^^^.^^ ^^^ ^^^^^^^^ ^^^^.^^^
treiben: Manche benötigen Güter, die man selbst zwischen Europa und Asien. ADer ^^ gio^ mnt_r Literatur-Nobelpreisträger dieses geistige Vermäditnis.)
einführen will. Genauso ist es auf dem Gebiet der halb Europas gewisse ^^^^^^J^^^'^^^^^^^^^ (Copyright 1965 by gja-euroscript, London-New York)
Kultur; es gibt Länder mit engen und solche mit das Recht geben von einer euronaischen Kultur i p- y ^
weniger engen kulturellen Bindungen. Manchmal zu sprechen. Welches sind diese Z.ugef ^-^
■" " Der Sinn unseres ganzen Denkens
Die treibende Kraft bei der Schaffung einer ge- griffe individueller und f/^f ^^li^^die L?te'
meinsamen Kultur in zwei kulturell verschiedenen Christentum übermittelte uns s*^^,^ß^^5^,°'^,,„'^
Sem ist d^e Religion. Nun soll mich niemand raturen Griechenlands ""^ Roms, die heute unse
falsch verstehen: Idi will niemand bekehren. Ich ren ^^^^'^^ZZfiTerv^^^^^^ Einheit Ser west-
spreche nur eine Tatsache aus. Ich denke nicht so Auf dieser Erbschaft beruht c^iebmneu^
sehr an das Band zwischen den gläubigen Christen liehen Wet: Auf ^em Christentum u^dde^^^
unserer Zeit. Ich denke an die gemeinsame Tradi- tiken Zivilisationen ^nechenlands Ro^^^^
tion des Christentums, die das moderne Europa eis, von denen wir durch zwei Jf^rtausenae aer
geprägt hat und an die kultuellen Werte, die für christlichen Aera unsere ^erkun t a^l^^^^^^
Us a'lle aus dieser Tradition erwachsen sind. , f- J^f/^^^^^^^^^^
^^S^^^:^:^^f^^^^^n ^^^^as~cll:sf kunurelle Hinhe. gibt da k
Ten Europas EsTs't das Christentum, auf dessen keine politische oder ^^^tschatlidie Organisation
SunSs'ch unsere Kunst entwickelt hat. AI- ersetzen, -i/^-^--^,- ^^^^^^^^^^^^^^^
lein vor diesem Hintergrund erhält unser ganzes ser gemeinsames Erbe ^,^_[^^^^^"°^'^' °^
D^ken seinen Sinn. D^er einzelne Europäer mag uns keine ^^^^^^^^^^ll^^f J^^^^rs efn^^ nä'
den christlichen Glauben für falsch halten, und Plane der klügsten Kopfe nicht, uns einanaer na
doch entspricht ^Ues was er sagt denkt oder tut ^^^^j^^E^nhlu^der Kultur, im Gegensatz zur Ein-
dipspm Erbaut der christlichen Kultur und wird L)ie tinneii aer rvuiiui, n -^ „«,.i3„„f ,rnn
nur l^s ihm heraus verständlid.. Allein die dirist- heit der politischen Organisation ve.angt von
UAeKuC konnte einen Voltaire hervorbringen, uns nicht, daß wir nur einem Herrn d>enen-. Sie
oder einen Nietzsche.
Ich halte es für ausgeschlossen, daß die euro-
päische Kultur den völligen Untergang des christ-
lichen Glaubens überleben könnte. Diese Ueber-
zeugung hege ich nicht nur, weil ich selbst Christ
bin, sondern weil ich mich mit dem Studium der
modernen Gesellschaft befaßt habe. Das Ende des
Christentums wäre das Ende unserer ganzen Kul- ^^^^^^ Tinsiae selbst ist ein Prachtstück: hoschua) der Verfasser der Alenu-Hymne. Der
' tur. Dann müßten wir mühselig von vorne begin- Der Machsor Lipsiae f^^^^J f ' ^'". ^ausreiche Name Hoschea ist in den ersten Versen der Hym-
nen. denn eine Kultur läßt sich nicht fertig ü^ber- ^ie Beschreiber bie en im T^^ neTs Akrostichon „tatsächlich" zu finden, jedoch
nehmen. Dann müßten wir warten, bis das Gras Studien Katz ^^Vf^der zuviel ^^^^^ umgekehrter Reihenfolge (vgl. Siddur Heg on
gewachsen ist, das den Schafen Futter gibt, aus l^nsymbolik aus den II us rat^^^^^^ ew Königsberg 1845, S. 166). Umgekehrtes Akro-
äeren Wolle das neue Kleid gewebt werden kann. G^-f - |;; ^/^ ^.^^ ^^iTau^^^^ sti'hon is' eine Seltenheit.^nd man würde es
Jahrhunderte der Barbarei wurden vergehen objektiv. Zu meinem LoDisiaucnx ^ erkennen, wenn man nicht die Auf-
müssen. Wir würden die neue Kultur nicht mehr daß er zur Losung mehrerer p^^^^ merksaXit darauf lenkt. Im Machsor Lipsiae
erleben und auch nicht unsere Kinder und Kindes- der rabbinisch^n Lite^^^ Miniaturen kom- ist das Akrostichon gekennzeichnet und nun: Um
kinder; und wenn wir sie selbst erlebten, so hatte Ueber d'^e ^^^^^^^9 ^ ^ ^^ ^ ^^^ R^th, darauf hinzuweisen, daß der Name Hoschea nur
nicht ein einziger unter uns Freude daran. men ^^J."?,* ^elegenti^^^^^ erkennen ist, wenn man das Akrostichon
Wir verdanken der Erbschaft des Christentums -Israelitisches Wodienblatt , 24. 9^1^^^^^^ Tn umgekehrter Reihenfolge liest, hob man den
mehr, viel mehr als den christlichen Glauben. In 1965); gegenwartig nur zur Mi^^^^ BuSben „H- (im Worte\Hu-) ganz besonders
seinem Wandel durch die Zeiten erleben wir die ters:Warurn das Hu vom-Ai^" ^^lllf"^^^^ ^^ ^^„ ^^sten Buchstaben des umgekehr-
Dr. Hugo Marx:
Landgerichtspräsident a. D.t
„Der Werdegang eines jGdischen
Stoatsonwalts und
Riditers in Baden (1892-1933).''
Mit einem Geleitwort von Justizminister
Dr. Wolfgang Haußmann. Neckar Ver-
lag, 773 Villingen/Schwarzwald. 240 S.
Gbd. 12.50 DM
Bücherstube der Allgemeinen
4 Dusseidort 10, Zietenstroße 50, Postfach 100 99
Postscheck Essen 99 055 / Telefon 49 36 34/35
1 Berlin 15, Joochimsfaler Straße 13, Telefon 91 58 51
bringt Loyalität verschiedener Art mit sich. Es ist
Maclisor Lipsiae
(Fortsetzng von Seite 19)
seinem Wandel durch die Zeiten erleben wir die ters: Warum aas „riu ^'y -^;':';" hervoraehoben hervor als den ersten Buchstaben des umgekehr-
^^^^^^Sr^^^^^r:^^^^^^^ ^^^n^'^^^^^-^^^^^^"^^^ -Zi - Be..Uer verendet.
EIN GUTER PARTNER
V
i ^ V '^ > "
K
v4^
l-
A
Bisiaarch Gedanken und Erinnerungen. 2. Band 21# Kapitel
III Das allger^eine Wahlrecht und sein Gegengewicht
\
D 78
Im Hinblick auf die Notwendigkeit , i::i Kampfe gegen eine Uebemacht des
Auslands im aeussersten Notfall auch ^m revolutionaeren Mitteln grei:.en
zu koennen, hatte ich auch keine Bedenken getrL;gen,die aamals staerkste
d-r freiheitlichen Kuenste,das allgemeine Wahlrecht, schon durch die
Curkulardepesche vom 10. Juni 1866 mit in die Pflfinne zu werfen, um das
monarchische Ausland abzuschrecken von Versu chen ,die Finger in unsere
nation le Omelette zu stecken. Ich habe nie gezweifelt, dasd das ^
V deutsche Volk,spbald es einsieht, dass das bestehende Wahlrecht eine
^ schaedliche Institution sei, stark und klug genug sein werde, sich davon
J frei zu machen • Kann es das nicht, so ist meine Redensart , dass es _
S reiten koenne, wenn ee erst im Sattel saesse, ein Irrtum gewesen. /Die
^ Annahme des allgemeinen Wahlrechts war eine \affe in Kampfe gegen
'£ Oesterreich und weitres Ausland, im Kampfe fuer die deutsche Einheit,
\n^ zugleich eine Drphung mit letzten Ivlitteln im Kampfe gegen Cialitionen.
$ ^ In einem Kampfe derart, wenn er auf Tod und Leben ge^, sieht man die
k^ V\affen zu denen man greift, und die Werthe,die man durch ihre Benutzung
-1^ zerstoert, nicht an:der einzige Rathgeber ist zunaechst der Erfolg des
^ >r Kampfes, die Rettung der Unabhaengigkeit nach Aussen; die Liquidation
•r^ ^ und Aufbesserung der dadurch ante richteten Schaeden hat nach dem
A^ Frieden stattzuf inden#\ Ausserdem halte ich noch heute das allgemeine
":^ "X v^aiilrecht nicht blo3'~theoretisch, sondern auch praktisch fuer ein
'^1' ^Slberechtigtes Prinzip, sobald nur die Heimlichkeit beseitigt wird, die
^ ausserdem einen Charkrer hat, der mit den besten Eigenschaften des
' ■ "^ germanischen Bluts in Widerspruch steht--'
•^
A
-J-
/(/
^;/
/c,/iiCf A
4 ttcHr
\ fC^i<,j4f^ , ^^^>
'/"
r
/
/^
/
/tu
V
A
, ^^/
^/ä
/^C/
^Cr
<^t il'C^^t ^
,^
/^^ ) ./ye/^f
^Ci't'^r
<
Ml/ /^
^Ü^^-i^:^ /K ^ iA /Y^Uj
^cV /i^.
'^f
/^
t^i/d4 6cf/^C^i:i
.S^^ ^^4^./.r /^/Cf^'/i-/"
J4
^ 9
Ail^
■k
ft//i
t^e^^
^fe«^
''//
*?Ui€4.ä ^^
\c.,^,U..^ />f <rc/ ^i %> ^^^- ^-^^'^ - ^^^ ^ '^
Aj
u
y
¥&
U .'*,'-■ t'<K-^ Um
Neue Zürcher Zeitung • B eil age z um A usb ruch de s Z w ei t e a Wel tk riegs • D ieu s tag, de n 1. S ep tember 19 6 4 • F er nausgab e Nr. 2 41 • Blatt 10-12
1. SEPTEMBER 1939
'^-i^-f»m^
Hitlers Krieg
Von Albert Müller
Am 1. September 1939 leitete der deuts<-he An-
griff auf Polen, den Adolf Hitler als eine rein
lokale Aktion auszugeben versuchte, den Zweiten
Weltkrieg ein! Großbritannien und Frankreich, die
eine Hitlereche Aggression durch ein Hilfsverspre-
chen an diQ Regierung von Warschau zu ver-
hindern gehofft hatten, honorierten ihre Ver-
pflichtung, indem sie Deutschland am 3. SeptcmlxT
den Krieg erklärten. Nachdem sich Westeuropa
engagiert hatt«, war es nur eine Frage der Zeit,
wann der Krieg die übrigen Großmächte ergreifen
und alle Kontinente einbeziehen werde. Im Jahre
1941, mit dem deutschen Angriff auf die Sowjet-
union und mit der Herausforderung der Vereinig-
ten Staaten durch Japan, wairden die Dimensionen
des Weltkriegs erreicht. Wenn wir heute, mit
dem zeitlichen Abstand eines Vierteljahrhun-
derts, wiederum die Frage nach der Verant-
wortung für die Katastrophe stellen, dann lautet
(las Urteil unverändert: E.s war Hitlers Krieg,
l'eber die Befreiung Deut.^ciilands von den «Fes-
seln von Versailles» und die Beseitigung des ver-
haßten Friedensvertrages hinaus fühlte er sich zu
einer weit ehrgeizigeren geschichtlichen Sendung
berufen. Er zog die falschen Schlüsse aus der deut-
schen Niederlage von 1918 und war besessen von
dem Gedanken, die innen- und weltpolitischen Er-
gebnisse des Ersten Weltkrieges rückgängig zu
machen. Er nahm die damals gescheiterten Aspi-
rationen des deutschen XationalisTnus wieder auf
und traute sich die Fähigkeit zu, die vermeintlichen
Versäumnisse der aristokratisch-bürgerlichen Füh-
rung des Wilhelminischen Reiches, der er Schwäche
und Mangel an Kühnheit vorwarf, wiedergut-
zumachen und durch rücksichtslosen Gebrauch aller
Mittel d<>m deut-schen Volk in der Welt die Macht-
stellung zu erobern, die den im Siegesrausch des
Jahres 1914 entstandenen Kriegszielprogrammen
entsprochen hätte. Während er in den Anfängen
^eitler poli^tiscben Laufbahn die;ien|ltachtwillen und
••♦*^-=i
yc^^'mtnammamtt^^'^^'-W"^-"'
^^
'■«*?M"^.'.^,^,^^
OvW^-^OOCWWOv*!^.
^WWnMyMMAMMMMiHM^KmjHfrt^ii^^HV^tf'vvws^^
y^^ .
>f
~^
1 v:
5;J i ..
t^<w:
W
««*^-
V
.<j^:
A.
I i^l^^l tMiiiaJtfi«! 1^ >l
^--v-^
.iiÜäl^'
8päbct, ras Kd^kati7le.r iil^^t^iatsoberhaupl, \
aiK'h wenn er V^lrägrc zerriß und mit Drohungen
operierte, geflissentlich in Frietlensbeteucrungen
ein, durch die sich die Umwelt lange genug irre-
führen ließ.
Die Versichenmg friedlicher Gesinnung war
eine Kriegslist: der Hitler der «Tischgespräehe»
aus den Jahren 1941/42 bewegt sich in den selben
i^nitalen und absurden Vorstellungen, die er reich-
lich anderthalb Jahrzalinte zuvor in «Mein Kampf»
niedergelegt hatte. Von dem Augenblick an, in dem
er sich im Besitz diktatorischer Hegiorungsgcwalt
sah, waren seine Ansti-engungen darauf gerichtet,
nicht nur das Instrument zur Venvirklichung der
Weltmachtst-ellung Deutsclilands zu schaffen, son-
dern durch Maßnahmen zur Unterdrückung der be-
siegten Völker — so die Dcgradiorung der Polen
und anderer Slawen zu einer Klasse von Heloten
— und durdi Vertreibung oder \>rnichtung ganzer
Boviilkerungsgruppen wie der Juden die einmal
errichtete Herrschaft unwiderruflich zu machen.
Die entsetzlichen Tatsachen der mit kriminell-
brutalen Metlioden betriebenen Ausrottungs- und
Unterdrückungspolitik können nicht, wie das in
Deutschland zuweilen noch gescliiehl, als bloße
«Kxzesse» abgetan werden. Sie waren nicht nur
bedauerliche oder erschreckende Begleitei-scheinun-
gcn des Krieges: die planmäßigen Vernichlungs-
aktiimen und die Hohandlung der besiegten Völker
Osteuropas als inferiore ]\rens<-henkalegorie ge-
liörten zum politischen Kriegsziel des national-
sozialistischen Regimes, Wenn der Jiritisdie Histo-
riker A. J. P. Taylor, der den Diktator des Dritleu
Reiches von der eig<'ntlichen Schuld am Kriegs-
ausbruch von 1930 zu einem guten Teil entlasten
wollte, seine Darstellung naclilräglich einer gewis-
scu Korrektur unterzogen hat, so ])eharrt er doch im
entscheidenden Punkt auf einem Keidurteil. Zwar
stellt er in der neuen Passung seines Buches mit
starken Worten fest, daß Hitler Verbrechen über
Verbredien gehäuft habe wie kaum jemand vor ihm ;
aber er faßt das ott'enbar als eine von den Zielen
des nationalsozialistischen Imperialismus unabliän-
gige Prsclieinung auf uiul bleil)t l)ei seiner Behaup-
tung, daß Hitler sich durchaus im l^ahmen der
traditionellen :Machti)olitik bewegt habe.
Taylor geht am Kern der Sache vorbei. Hitler
hatte sich für seine Machtpolitik, also auch für die
Kriegführung, verwegene Ziele gesetzt und war
entschlossen, zur Festigung und Behauptung der
einmal errungi'uen Herrschaft bai'barische Mittel
anzuwenden. Die diidonuitischen Akten der AN il-
helmstraße, die das grenzenlose Maclitstreben <l(>s
Hitlerregimes mit einer konventionellen Fassade
versehleierte, können allein ein realistisches Ge-
schichtsbild nicht vermitteln. Hitlers Diplomatie
hatte nach 1933 zuerst Polen mit Geschick für das
deutsche ^piel eingefangen, dann bei der eigen-
mächtigen Aufrüstung, bei der Remilitarisierung
des Rheinlandes und bei der Annexion Oesterreichs
die Westmächte mit Erfolg hingehalten und über
die eigentlichen Ziele getäuscht. Die durch das
Münchner Abkommen von 1938 genährte Hoffnung
auf eine Normalisierung der deutcichcu «Dynamik*
:!,-«üÄ-^'
v
"^m*^
^.
■*v.
u
rjj ^'<
Hitler verkündet vor dem Den Ischen Reichstag am LSeplcmhcr 1939 den Beginn des Avgrijjs auf Polen
wurde rasch zunichte, und als die polnische Frage
am Horizont auftauchte, zeichnete sich deutlich die
Absicht Hitlers ab, den Konflikt mit Waffengewalt
zu entscheiden und auf die Westmächte nocji weni-
ger als im Fall der Tschechoslowakei Rücksiclit zu
n<>hmen.
Mit der Forcierung der sudetendeutschen Frage,
die im Spätsommer 1938 von Berlin unter gewalti-
ger militärischer Machtenfaltung betrieben wurde,
hatte Hitler die Zerstörung der Ts(diechoslowakei
beabsichtigt. An der Verwirklichung seines Plans
wurde er damals durch das Abkommen von Mün-
chen gehin<lert, das der Abtretung der sudeten-
deutschen Gebiete die Form einer von den Mächten
vereinbarten Verhandlunsslösung unter Zustim-
mung der Prager Regierung gab. Der Krobernngs-
krieg fiel aus; der Einmarsch der deutschen Armeen
vollzog sich als kampflose Okkupation und kam an
der in Mün<-hen festgesetzten Demarkationslinie
zum Stillstand. Hitler konnte, obwidd er seine
<detzte territoriale Forderung» ohne Schwertstreich
durchgesetzt hatte, seinen Aerger über den Zäh-
nmngsvei-such und das ihm aulerlegte Mir>i>raclie-
re(dit <ler euroi)äischen Mächte katun verwinden.
Die Eroberung der Tschechoslowakei wurde im
März 1939 nadigeiiolt, als deidsche Truppen von
allen Seiten über die erst vor fünf Monaten gezo-
gene Grenze in das Land einrückten, Prag l)esetz-
ten und den Staat zei-schlugen.
Daß damit das Abkommen von ^lünchen zer-
rissen wurde, das den Gebiets- und Machtzuwachs
des Dritten Reiches legitimiert hatte, wurde von
der deutschen Di|)lonuitic der Wilhelmstraße als
Katastrophe empfiuulen und im stillen beklagt;
Hitler selbst kannte keine solchen Bedenken, son-
dei-n fühlte sich eher von einer lästigen Fessel be-
freit. Der Gedanke, daß sich in der bevorstehenden
deutscli-polnischen Auseinandersetzung Mussolini
mit einem Konferenzvorschlag ins Mittel legen
kihinte, war ihm nicht weniger zuwider als eine
neue «Einmischung» Chamberlains. Hitler war
einschlössen, die Schlagkraft seiner Weiirmacht in
iXi^m Feldzug gegen Polen vor aller Welt zu demon-
strieren und sich diesmal von niemand in den Arm
fallen zu la.ssen.
Hitler hatte sich die eigene Handlungsfreiheit
und Stalins Gewogenheit erkauft, indem er der
Sowjetunion in Osteuro])a einen Interessenber<'ich
in einem Umfang zugestand, den man sich in Mos-
kau bis dahin kaum erträumt hatte. Die zwischen
Riboentrop und Molotow vereinbarte «Interessen-
gj-eiize» bedeutete die Auslieferung der baltischen
Staaten, ausg<'delinter rumänischer Gebiete und
«'ines Teils von Po1<mi an die Sowjetunion. Zwar
hatte Hitler diese Zugeständnisse als nur zeit-
weilige betrachtet ; aber er hat den Sowjets
die Tür geöffnet und ihnen die erste Besetzung der
Länder ern)r>glicht, die sie 1945 in eiulgiiltige Er-
obciungeu verwandelten. Der nationalsozialistische
und der Imlschewist ische Diktator hatten sich mit
der gleichen Skrupel losigkeit kurzfristige Vorteile
auf Kosten der kleinen Völker Osteuropas erkauft.
Allerdings glaubte Stalin, als er Hitler freie Hatid
g(>gen Polen ließ und ihm Kückendeckung gegen
die Westmächte gcAvälirte, von Deutschland daliir
dauerhaftere Sicherungen eingehandelt zu haben;
daß Hitler sich nach seinen raschen Siegen auf
dem Kontinent, ohne zuvor den Krieg mit Groß-
biitannien zur Entscheidung zu bringen, in den
ru.>^ibchen Feldzug stürzte, traf den Herrscher im
Kreml unvorljoreitet und ließ seine Urteilskraft als
recht schwach erscheinen.
Das umnittelbare Kriegsziel war die Zertrüm-
merung des polnischen Staates. Um die Vorau>-
setzungen dafür zu schaffen, vollzog Hitler wenige
Tage vor dem Angriff eine brüske vSchwenkung
seiner Außenpolitik. Das im Mai 1939 abge>chlos-
sene Bündnis mit dem fascistischen Italien war
für das national>ozialistische Deutschland l>ei sei-
nem ersten osteuropäischen Krieg von geringem
Wert, ganz abgesehen davon, daß Mus.solini, wie
er etwas später in einem Brief an Hitler ausdrück-
lich erklärt hat, denn italienischen Volk in keiner
Weise eine ^litwirkung an der Auslöschung des
polnischen Staates zunuiten konnte. Von dem
«Stahli>akt-» der beiden Diktatoren war deshalb in
Berlin während der 1 nkui)ationszeit des kriegeri-
schen rnternehmens wonig die Rede. In dieser
Zeit reiffe jedoch der Xichtanffriff-pakf zwischen
Hitler und Stalin, der a?n 23. August von Ribben-
trop und Molotow unterzeichnet wurde und bereits
auch das etwas spätere Abkommen über die Tei-
lung Polens vorbereitete. Damit hatte Hitler so-
wohl einen Komplizen für die Lifiuidierung Polens
als auch eine Rückendeckung und Handlungsfrei-
heit für den konunen<len Krieg gegen die West-
mächte gewonnen.
Hitler hat von der militärischen Ueberlegenheit
Deutschlands und von der dadurch gegebenen
Möglichkeit der Initiative politisch und strategisch
einen rücksichtslosen, aber ati<h abenteuerlich un-
gehemmten Gebrauch gemacht und sich damit im
Anfangsstadium des Kriege> einen großen Vor-
sprung gesichert. Drei Jahre lang beherrschte seine
(
r
Mnlnfoio witcr::eiclivet am 23. August 1939 in Moskau den dciitsch-sowjethchm Nu^hta^wriJfspaU.
Hinter dem sowjetischen ÄufSenkommissar der deutsche Außenminister v. Ribhentrop und btalm
Staatssekretär v. Weizsäcker in einem Bundschrei-
hen vom 1. September 1939 an dis deutschen diplo-
matischen Missionen
In Abwehr polnischer AngrrifTc sind die doni-
schen Truppen heute beim Morgengrauen s^ge^
Polen in Aktion getreten. Diese Aktion ist vor-
läufig nicht als Krieg zu bezeichnen, sondern
lediglich als Kampfhandlungen, die durch pol-
nische Angriffe ausgelöst worden sind.
Britische Warnungen
Chmnherlains Garantieerklärung für Polen vor dem
britischen Unterhaus am 31. März 1939
Der ehrenwerte Führer der Opposition fragte
mich heute morgen, ob ich eine Erklärung zur
europäischen T^ge abgehen könne . . . Wie das
Haus weiß, sind jetzt bestimmte Konsultationen
mit anderen Regierungen im Gang. Um inzwi-
schen, ehe diese Verhandlungen abgeschlossen
sind, die Stellung der Regierung Seiner Maje-
stät vollkommen klarzumachen, habe ich jetzt
dem Hause mitzuteilen, daß im Falle einer
Aktion, welche die polnische Unabhängigkeit
klar bedrohen und gegen welche die polnische
Regierung entsprechend den Widerstand mit
ihrer nationalen Wehrmacht als unerläßlich
ansehen, würde, Seiner Majestät Regierung sich
während, dieser/^eit verpflicht(f fühlen würde.
Sollte es so weit kommen, so ist Seiner Majestät
Regierung entschlossen und bereit, alle ihr zur
Verfügung stehenden Kräfte unverzüglich ein-
zusetzen, und es ist unmöglich, das Ende einmal
begonnener Feindseligkeiten abzusehen. Es
würde eine gefährliclie Täuschung sein, zu glau-
ben, daß der einmal begonnene Krieg frühzeitig
enden werde, selbst wenn ein Erfolg auf einer
der verschiedenen Fronten, an denen er geführt
wird, erzielt worden sein sollte.
Der Pakt mit Moskau
Geheimes ZusatzprotokoU zum deutsch-sowjetischen
^Nichtangriffspakt vom 23. August 1939
1. Für den Fall einer territorial -politischen Um-
gestaltung in den zu den baltischen Staaten
(Finnland, Estland, Lettland und Litauen) ge-
hruenden Gebieten bildet die nöi-dliche Grenze
Litauens zugleich die Grenze der Interessen-
sphäre Deutschlands und der UdSSR. Hierbei
wird das Interesse liitauens am Wilnaer Gebiet
beiderseits anerkannt.
2. Für den Fall einer territorial-politischen Um-
gestaltung der zum polnischen Staat gehörenden
Gebiete werden die Interessensphären Deutsch-
lands und der UdSSR ungefähr durch die Linie
der Flüsse Pissa, Narew, Weichsel und San al>
scBwacli, tind für seinen smma Senden ÄBspnich
anf die Weltherrschaft wolle ee andere kämpfen
la^en.
Herr Stalin stimmte lebhaft zu und bemerkte
folgendes: die englische Armee sei schwach;
auch der britischen Secflotte komme nicht mehr
ihre frühere Bedeutung zu. Die Luftflotte Eng-
lands sei zwar im Aufbau begriffen, et» herrsche
al>er ^fanget an Fliegern. Wenn England trotz-
dem die Welt beherrsche, so läge das an der
Diunmheit der anderen Länder, die sich immer
wieder bluffen ließen. Es sei lächerlich, daß
zum Beispiel einige hundert Engländer Indien
beherrschten.
Der Herr R^ichsaußenminister stimmte zu und
teilte Herrn Stalin vertraulich mit. daß Eng
land in diesen Tagen einen neuen Fühler aus-
gestreckt habe, der mit gewissen Andeutungen
an das Jahr 1914 verknüpft sei. Es handle sich
dabei um ein typisch englisches, dummes Manö-
ver. Der Herr Reichsaußenminister habe dem
Führer vorgeschlagen, den Engländern mitzu-
teilen, daß Deutschland jede feindselige briti-
sche Handlung im Falle eines deut.sch-polni-
schen Konfliktes mit einem Bombenangriff auf
I»ndon beantwort^^n würde.
Her^ Stalin bemerkte, bei dem Fühler handle
es sieh offenbar um den Brief Chamberlains an
den Führer, den der Botschafter Henderson am
23. August auf dem Obersalzberg ül)ergeben
habe. Herr Stalin äußerte ferner die Ansicht,
daß England trotz seiner Schwäche schlau und
hartnäckig Krieg führen würde.
Frankreich: Herr Stalin gab der Meinung Aus-
druck, daß Frankreich immerhin eine beacht-
liche Armee habe. Der Herr Reichsaußenmini-
ster wies seinerseits die Herren Stalin und
Molotow auf die zahlenmäßige Unterlegenheit
Frankreichs hin. Während Deutschland über
eine Jahreskla.sse von mehr als 300 000 Solda-
ten Acrfüge, könne Frankreich jährlich nur
150 000 Rekruten einberufen. Der Westwall sei
fünfmal stärker als die Maginotlinie. Wenn
Frankreich mit Deutschland Krieg führen wolle,
würde es unter allen Umständen besiegt werden.
Antikominternpakt: Der Plerr Reichsaußen-
minister bemerkte, daß der Antikominternpakt
im Grunde nicht ^Q^Qn die Sowjetunion, son-
dern gi'^f^n die westlichen Demokratien gerich-
tet gewesen sei. Dies habe, wie er wisse und
auch aus russischen Pressestimmen entnehmen
konnte, die Sowjetregierung richtig erkannt.
Herr Stalin warf ein, der Antikominternpakt
hal>e in der Tat hauptsächlich die Ivondoner
City und die kleinen englischen Kaufleute er-
Soll reckt . . .
Bii der Verabschiedung erklärte Herr Stalin
d<m Reichsaußenminister wörtlich: Die Sowjet-
riierung nehme den neuen Pakt sehr ernst,
e^ könne auf sein P^hrenwort versichern, daß
diJB Sowjetunion ihren Partner nicht betrügen
Avjürde.
Der Kriejssbefehl
'inc\l'Wci>Hvq Nr. 1 für die Kriegführung mm
Die ^Agonie des Friedens
Vom dcutsrh-sowjpüschen
Mchtangriffspakt zum Kriegsausbruch
Montag, 21. August: In Berlin und Moskau vird
mitgeteilt, die Unterzeichnung eines deutsch-
sowjetischen Nichtangriffspaktes stehe unmittel-
bar bevor.
Dienstag, 22. August: Auf dem Obersalzberg erklärt
Hitler den Befehlshabern der Wehrmachtteile
und den Kommandierenden Generälen, daß er
ent.schlossen sei, Polen militäris<h anzugreifen.
Angriffsdatum sei voraussichtlich der 26. August.
Mittwoch, 23. August: In Moskau wird der
deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt unterzeich-
net, der in einem Geheim protokoU die gegensei-
tigen Interessensphären in Osteuropa abgrenzt.
Hitler überläßt Ostpolen, Estland. Lettland.
Finnland und P>essaral)ien der Sowjetunion;
Westpolen und Litauen kommen zum deutscheu
Interessenbereich.
Donnerstag, 24. August: Göring ersucht den ihm
bekannten schwedis«-hen Gescliäftsmann Birger
Dahlems, die Rolle eines Mittelsmannes zw^i-
schen Berlin und l^udon zu überncJimcn.
Freitag, 25. August: Unterredung Hitlers mit dem
britischen Botschafter Henderson. Der deutsche
Diktator erklärt sich bereit, eine militärische
Garantie für das britische Empire abzugeben,
sobald die Danziger Frage gelöst sei.
Um 15 Uhr gibt Hitler den Befehl zum Angriff
auf Polen mit AngritTsbeginn am 26. August,
4 Uhr 30.
Hitler erhält eine Botschaft Mussolinis, in der
dieser mitteilt, Italien könne sich wegen seiner
mangelnden Bereitschaft nicht an einem Krieg
beteiligen.
Unterzeichnung des englisch-polnischen Bünd-
nisvertrages in I>oudon.
Um 18 Uhr 30 gibt Hitler den Befehl, den An.
griff auf Polen zu verschieben. Zusammenkunft
Dahlems' mit dem britischen Außenminister
Lord Halifax.
Samstag, 26. August: Botschafter Henderson be-
gibt sich nach London, um Chamberlain und
Halifax die Vorschläge Hitlers vom 25. August
zu überbringen.
Dahlems fliegt nach Berlin, um Göring eine
Botschaft von Lord Halifax zu überbringen.
Zusammenkunft mit Göring und Hitler.
Mussolini läßt Hitler eine Liste über den italie-
nischen Bedarf an Rohstoffen und Rüstungs-
material überreichen.
Sonntag, 27. August: In Deutschland werden als
erste kriegswirtschaftliche Maßnahmen Lebens-
mittelkarten und Bezugsscheine ausgegeben.
Dahlems fliegt nach Ix>ndon, Besuch im Foreign
Office, telephonische Gespräche mit Göring, am
A hend Rückkehr . nach Bül'l 1
.yM»)R<^K<^w<'^^!y!^?r^^<'^■'^'■'jVV!^'■^''■V''■':
^iv.^iv.-'^V'^y-'yfy^^^-
Polen - Opfer von Hillers Kriegführung und Rassenpolitik
■msä^
^^1-
'-■■:'J l'
Macht lio^Äe Unterst ützuiT^ zii gewähren. Sie /
hat der pdiiischen Regierung eine entspre-
chende Zusicherung gegeben.
Ich darf darauf hinweisen, daß die französische
ri^gierung mich ermächtigt hat, kUirzustellon,
daß sie in dieser Angelegenheit donselhen Stand-
punkt einnimmt wie Seiner Majestät Regierung
Brü'f des britischen Premierministers Chanibrrlain
an Hitler vom 22. August 1939
Welcher Art au<'h immer das deutsch-sowjetische
Abkommen sein wird, so kann es niclit (Iroß-
britanniens Verpflichtung gegenüber Polen
ändern, die Seiner Majestät Regierung wieder-
holt öffentlich und klar dargelegt hat und die
zu erfüllen sie entschlossen ist.
Es ist behauptet worden, daß, wenn Seiner
Majestät Regierung ihren Standpunkt im Jahre
J914 klarer dargelegt hätte, die große Kata-
strophe vermieden worden wäre. Unabhängig
davon, ob dieser Behauptung Bedeutung beizu-
legen ist oder nicht, ist Seiner Majestät Regie-
rung entschlossen, dafür zu sor-gen, daß im vor-
liegenden Falle kein solches tragisches Miß-
verständnis entsteht.
3. Hinsichtlicli des Südostens Europas wird von
sowjetisclier Seite das Interesse an Bessarabien
betont. Von deutscher Seite wird das völlige
politische Desintere.ssement an diesen Gebieten
erklärt.
4. Dieses Protokoll wird von beiden Seiten
streng geheim behandelt werden.
Aiif-eichnungen des Vortragenden Legationsrats
Hcncke über Ribboifrops Unterhaltung mit ."itolin
und Molotow in der Nacht vom 23. zum 2i. August
J939 nach der Unterzeichnung des Nichlangr^ffs-*
pakles in Moskau
Es \N'urden folgende J ragen erörtert:
• • •
Kngland: Die Herren Stalin und Molotow
äußerten sich in absprechender Weise über die
englische Militärmission in Mo^kau, die der
Sowjetregierung niemals gesagt habe, waii sie
eigentlich wolle.
Der Herr Rcic/isaußenminisler erklärte hieran
anknü])i>nd, daß England stets den Versuch
gemacht habe und noch mache, die Entwick-
lung guter Bezielnuigen zwischen Deutschland
und der Sowjetunion zu stören. England sei
1
sc
D
,'.Zu-ei Freunde gingen zusammen spa-ierev^ — Karikatur David Lou-^ im ^tEvening Standards, -um
deuisch-sou jrliifchcn Pakt
bdem ^f politischen Möglichkeiten er-
liöp\t sind, um auf friedlichem Wege eine für
putsMaud unerträgliche Lage an seiner Ost-
g] onze p^u beseitigen, habe ich mich zur gewalt-
salmen tösung entschlossen.
Der Angriff auf Polen ist nach den für Fall
Weiß getroffenen Vorbereitungen zu führen mit
den Abänderungen, die sich beim Heer durch
den inzwischen fast vollendeten Aufmarsch er-
geben. Aufgabenverteilung und Operationsziel
bleiben unverändert.
Angriffstag: 1.9.39.
Angriffszeit: 4 Uhr 45.
• • ■
.1. Im Westen kommt es darauf an, die Verant-
wortung für die Eröffnung der Feindseligkeiten
eindeutig England und Frankreich zu über-
lassen. Geringfügigen Grenzverletzungen ist zu-
nächst rein örtlich entgegenzutreten. Die von
lins Holland, Belgien, Luxemburg und der
Schweiz zugesicherte Neutralität ist peinlich zu
achten.
Die deutsche West grenze ist zu Lande an keiner
Stelle ohne meine ausdrückliche Genehmigung
/u übei-sch reiten. Zur See gilt das gleiche für
.qllc kriegerischen oder als solche zu deutenden
Handlungen.
» • •
4. Eröffnen PJngland und Frankreich die Feind-
seligkeiten gegen Deutschland, so ist es Aufgabe
der im Westen operierenden Teile der Wehr-
macht, unter möglichster Schonung der Kräfte
die Vorausset:'.ungen für den siegreichen Ab-
schluß der Operationen gegen Polen zu erhal-
Irn... Den Befehl zum Beginn von Angriffs-
handlungen behalte ich mir in jedem Fall vor . . .
Rücken französische Kräfte in Luxemburg ein,
so bleibt die Sprengung der Grenzbrücken frei-
SPgel>en.
• • •
Englands Kriegserklärung
Dfh'i britische Ultimatum vom 3. September 1939,
um '' Uhr vormittags von Botschafter Henderson
dem Auswärtigen Amt in Berlin überreicht.
In der Mitteilung, welche ich die Ehre hatte,
Ihnen am 1. September zu machen, unterrichtete
ich Sie, . . . daß die Regierung Seiner Majestät
im Vereinigten Königreich ohne Zögern ihie
Verpflichtung gegenüber Polen erfüllen werde,
wenn nicht die deutsche Regierung bereit sei,
der Regierung Seiner ^tajestät im Vereinigten
Königreich befriedigende Zusicherungen dahin-
gehend abzugeben, daß die deutsche Regierung
jegliche Angriffshandlungen gegen Polen ein-
gestellt habe und bereit sei, ihre Truppen un-
verzüglich aus polnischem Gebiet zurückzu-
ziehen.
Obwohl diese Mitteilung vor mehr als
2\ Stunden erfolgte, ist keine Antwort ein-
gegangen, hingegen wurden die deutschen Ai\-
Montag, 28. August: Botschafter Henderson über-
gibt Hitler die britische Antwortnote; London
schlägt direkte deutsch-polnische Verhandlungen
vor.
Dienstag, 29. August: Die britische Flotte wird in
die Heimatgewässer zurückbeordert.
Hitler teilt Hendei-son mit, Deutschland ver-
lange die Rückkehr Danzigs und des Korridors.
Hitler stimmt direkten deutsch-polnischen Ver-
handlungen zu, fordert jedoch in ultimativer
Form, daß bis spätestens am 30. August Mitter-
nacht ein polnischer Bevollmächtigter zu diesen
Verhandlungen nach Berlin kommen solle.
Mittwoch, 30. August: Unterredung Dahlems' mit
Chamberlain und Halifax in London.
Hitler entwirft einen gemäßigten 16-Punktc-
Vorschlag an Polen, den Ribbentrop ^Q?.Qn Mit-
ternacht Botschafter Henderson vorliest, ohne
ihm jedoch das Dokument auszuhändigen. Der
deutsche Außenminister behauptet, das Angebot
sei überholt, da kein polnischer Bevollmächtigter
in Berlin erschienen sei.
Donnerstag, 51. August: Um 1 2 Uhr 40 gibt Hitler
zum zweitenmal den Befehl zum Angriff auf
Polen. Angriffstag: 1. September, Angriffs-
stunde: 4 Uhr 45.
Um 20 Uhr vnvd von der SS auf den Sender
Gleiwitz ein fingierter Ueberfall ausgeführt..
Freitag, 1. September: Um 4 IHir 45 rücken deut-
sche Truppen in Polen ein.
Hitler erklärt vor dem Reichstag, Deutschland
sei von Polen angegriffen worden. «Seit 5 Uhr 45
wird jetzt zurückgeschossen!» Verkündung des
Gesetzes über die Wiedervereinigung Danzigs
mit dem Deutschen Reich.
Großbritannien und Frankreich verlangen in
einer gemeinsamen Wamung von der Reichs-
regierung, den Angriff auf Polen einzustellen
und die Wehrmacht sofort aus polnischem Ge-
biet zurückzuziehen.
Samstag, 2. September: Hitler gibt auf die bri-
tisch-französische Warnung keine Antwort; der
Angriff auf Polen wird fortgesetzt.
Sonntag, 3. September: Kriegserklärung Groß-
brit^anniens und Frankreichs an Deutschland.
griffe auf Polen fortgesetzt und verstärkt. Ich
habe demgemäß die Ehre, Sie davon zu unter-
richten, daß, falls nicht bis H Uhr vormittags
britischer Sommerzeit am heutigen Tage, dem
3. September, eine l>e friedigende Zusicherung
im obenerwähnten Sinne von der deutschen
Regienmg erteilt wird und bei Seiner Majestät
Regierung in l>>ndon eintrilft. der Kriegs-
zustand zwischen den beiden Ländern von die-
ser Stunde an bestellen wird.
I
t
i^%'
-'■«:.
^%'^
,-i3i'«-
4.(7. Am J.^ptombor 1939 bfegadn in <Tor
^ro^genfrühe der An^iff der deutschen Wehr-
macht auf Polen. Entlang der Ostgrenze des
Reiches waren 52 Infanteriedivisionen aufmar-
schiert, verstärkt durch zahlreiche Panzerverbände
und die ganze Luftwalle. Praktisch befand sich
die ganze Streitmacht des Dritten Reiches im
Osten; zur Sicherung der Westgrenze waren hin-
ter der noch nicht fertiggestellten Siegfriedlinie
nur 23 meist nicht überaus kampfkräftige Divi-
sionen aufmarschiert. Der Plan, nach dem die gegen
Polen eingesetzten, in fünf Armeen gegliederten
deutschen Divisionen vorzugehen hatten, war in
seinen Grundzügen denkbar einfach: die Masse des
polnischen Heeres sollte durch eine von Nord-
osten und Südwesten gefüiirte ZmtgevheweniDig
westlich der Weichsel eingekesselt und zur Kapi-
tulation gezwungen werden. Eine parallel weiter
T>slii\'h gefiihrteT^l^eungeUmfa^pPF Vollte den
\Ring um das Oros der polnischeW'ruppen ver-
stärken und ein Entweichen nach (l^ten verunmög-
lichen. Der Plan basierte auf der Beweglichkeit
der deutschen Panzerverbände und auf einer ab-
soluten deutschen Luftherrschaft.
Es gelang den Deutschen, ihren militärischen
Feldzugsplan durchzuführen, ohne daß ihnen von
polnischer Seite je die Initiative entrissen w^orden
wäre.
Der ILuiptstoß der Wehrmacht, der am 1. Sep-
tember begann, hatte seinen ersten Schwerpunkt
in Ostpreußen, von wo aus die 3. Armee südwärts
vordrang und sich mit der aus Pommern durch
den Korridor vorstoßenden 4. Armee vereinigte.
L^er zAveite Schwerpunkt lag im Süden, in Schle-
sien. Von hier aus stieß die 10. Armee nach Nord-
m wm
<j^; «*
j-4
fr j.X-^'^--
iPSy
.Mä
< <^y<
mi<^sm
Motorisierte deutsche K
olonne im Yormn
Höh
rsch. Im vordersten Wagen wird ein erbeutetes polnisches
eitii'jeichen rniirfv führt
^^ Deutsch-russische Demarkationslinie
'" yom Z8 Sept 1939
Deutsche Vormarschrichtungen
::^ Sowjetischer Einmarsch am 17 Sept 1939
— Landesgrenzen
/
1
»
. v"^,'..:-!',, . ■> ^ •'.'- >.f y' rÄi
■■.••-t:r,^' ■:i
v-;-Ȁ->a
"^n, K'TC
r^
i\."->
\,
t '•". -
■
■'T.
u
i
Osten vor. Ihre Panzerspitzen erreiclitcn ^.reits
am 8. September den südlichen Stadtrand War-
schaus, -wTirden aber zurückgeworfen. Inzwischen
vollzog sich westlich Warschaus der Zusammen-
schluß der von Norden her vorgednmgenen mit
den aus Schlesien vormarschierenden deutschen
Truppen. Als die polnische Posen-Armee, die
zalilenmäßig stärkste Heeresgruppe der Polen, die
praktisch ohne Verbindungen mit der oberen Füh-
rung und auf sich selbst gestellt war, die Gefahr
erkannte, die ilir drohte, war es bereits zu spät.
Der Ring, der sich um sie gelegt hatte, war nicht
mehr zu sprengen. Bereits schloß sich auch weiter
östlich die zweite Zange: südlich Brest-Lüowsk
vereinigten sich am 17. September die aus Ost-
preußen vorgedrungenen Deutschen mit den aus
der Slowakei nordwärts vorstoßenden Einheiten,
Am 19. September kapitulierten die Reste der
eingeschlossenen Posen-Armee bei Ktitno. Nur m
Warschau, Modlin und auf der Danzig vorgelager-
ten Halbinsel Heia leisteten die tapfer kämpfen-
den polnischen Truppen noch längeren Wider-
stand: AVarschau ergab sich den Deutschen am
28. September, Modlin zwei Tage später und Heia
am 2. Oktober.
Als die Niederlage der polnischen Armee offen-
kundig war, marschierten am 17. September die
sowjetischen Streitkräfte in Polen ein, um die
ihnen im Geheimabkommen zum Nichtangriffsver-
trag vom 23. August 1039 zAigesicherten polnischen
Gebiete zu besetzen. Die Russen motivierten ihren
Einmarsch sehr zum Aerger der Deutschen mit
der Notwendigkeit, die auf polnischem Territorium
lebenden TJkrainer und Weißrussen schützen zu
müssen. Aber vorläufig zeigte man in Berlin gute
Miene, und in Brest-Litowsk fand eine gemeinsame
deutsch-sowjetische Truppenparade statt. Ribben-
trop flog am 27. September nach Moskau, wo eine
Neuahgrenzmig des deutsch-sowjetischen Inter^
essenbereichs in Osteuropa festgelegt wurde.
Deutschland verzichtete auf Litauen und erhielt
dafür in Polen eine Vorverlegung der Demarka^
tionslinie, die ursprünglich längs von Narew und
Weichsel hätte verlaufen sollen, an den Bug.
Hitler hat unmittelbar nach Abschluß des pol-
nischen Feldzuges an die Westmächt« ein Angehot
gerichtet, den Kampf im Werten einzustellen. Der
deutsche' «Führer» vermied es, konkrete Ziele
seiner Politik zu nennen, und das Angebot wurde
von den Westmächten abgelehnt. Wie ernst es mit
der von Hitler in seiner Reichsta^rede vom
6. Oktober in nebulosen Formulierungen in Aus-
sicht gestellten Wiederaufrichtung eines polnischen
Staates war, zeigte seine wenige Tage nachher
verfügte territoriale Umgestaltung der ehemals
polnischen Gebiete. Im Westen Polens zog er eine
Grenze die beträchtlich östlicher verlief als die
Reichsgrenze von 1914. So kam beispielsweise die
wichtige Industriestadt Lodz, nun umbenannt in
Litzmannstadt, zum Deutschen R<.'ich. Den Rest
des unter deutscher Herrschaft st<»henden Polens
unterstellte er am 12. ()kt/)l>er einem General-
gouverneur, dem bewährten alten Parteigenossen
Hans Frank.
Unter v der deutschen Besetzung wurde Polen
zu. einend err^nhaften Exper^rnentierfeld ^der^
i^filtflifliSfijiKfiifm!!^
-^^!!»!5!!5S!!!«?^^
itf.rn.ntfM.i^'"*'^'»»^' Uli iingii i| ■ ■ ■
Polnische Artillerie Im Jahre 193.0 war das polnische Heer noch weitgehend auf die Hilfe des Pferdes angew
Polnische Artülene. im ./««r. ^^^^,^.^-J,^ Verbänden ausgerüsteten deutschen Armeen liojjnungslos im
icsen und damit gegc
Nachteil
niibcr den viit starken
•■ ••••• •.•.-.;:•;■■ 7- • •;::i*:;:?WJ'-v-"-
.... «w« '*•• ^f.-.WA*.*-*-"
>»».
«N**
^c*r
■■>*
h
'-iiiitfMiiinÜa''ii'Viy-f ' ■"'^
#..
*....«**l^
*Ä;.
■«Hv^
tii,t
- i '" .' 1 •
• VI
'fiSft'"
Einheiten des deutschen Sicherheitsdienstes hei einer Razzia gegen Juden in Polen
n
>' -L
•-■, . •--i'i
m-
Drole de guerre an der Westfront
* AVähroml die dontsclioii Trii])pon Polen innort
weniger Wochen üherrannten, kam es an der
Westfront nur zu geringen Kampfhandlungen.
Hitler hatte in seiner Weisung Nr. i für die Krieg-
führung befohlen, im Westen französischen und
britischen Angriilcn nur Örtlich entgegenzutreten.
Die Befehle für Offensivaktionen hatte er ausdrück-
lieh sich selbst vorbehalten. Er geriet jedoch nicht
in die Verlegenheit, schon im Anfangsstadium des
Krieges gegen zwei Fronten hin aktiv Krieg füh-
ren zu müssen. Die Alliierten blieben untätig, und
während acht Monaten wurde an der Westfront
jene «Drole de guerre» geführt, aus der es für die
Westmächte am 10. Mai 1940, als Hitler mit dem
Ueberfall auf Holland, Belgien und Luxemburg die
Westfront in Bewegung brachte, ein bitteres Er-
wachen gab.
Der Chef des deutschen Wchrmachtführungs-
stabes, Generaloberst JodI, hat 194(5 in Nürn])erg
ausgesagt, Deutschland habe 1939 zwar Poh^i allein
7A\ schlagen vermocht, aber es sei niemals, weder
1938 noch 1939, in der Lage gewesen, einem kon-
zentrischen Angriff aus West und Ost standzuhal-
ten. Wenn Deutschland nicht schon 1939 zusam-
mengebrochen sei, so komme das nur daher, daß die
rund 110 franzr)sischcn und englischen Divisionen *
im Westen sich während des Polen fei dzuges gegen-
über den 23 deutschen Divisionen viillig untätig
verhielten. Deutschland sc mit etwa 75 Divisionen
in den Zweiten Weltkrieg eingetreten. Die Vor-
räte an Munition und Bomben seien geradezu
lächerlich gewesen. Die wirkliche Aufrüstung
Deutsciilands sei erst nach Kricgshegiun durch-
geführt worden . . .
Winsion Churchill, während dieser Phase des
Krieges Erster I^ord der Admiralität, fand in sei-
nen Memoiren bittere Worte über diesen «Zustand
der Lethargie, in welchem Frankreich und Groß-
britannien zur Verwunderung der ganzen Welt acht
Monate hindurch verharrten». «Dic^se Wartezeit er-
wies sich als h()chst verderblich für die Alliierten»,
urteilte Ghurchill. «Von dem Augenblick an, da
Stalin sich mit Hitler verständigt hutte,^ nahmen
die Kommunisten in Frankreich das Stichwort
Moskaus auf und erklärten den Krieg als „ein
imperialistisches, kapitalistisches Verbrechen gegen
die Demokratie''. Sie taten ihr ^Möglichstes, um die
^loral in der Armee zu untergraben uiul die Pro-
duktion in den Betrieben zu sabotieren. Die :Moral
in Frankreich — unter den Soldaten wie unter der
Bevölkerung — war im Mai 1940 ausgesprochen
schlechler als bei Ausbruch des Kineges. In Groß-
britannien, wo der von den Sowjets geleitete Kom-
mnnismus zwar recht tätig, aber schwach war, ge-
schah nichts dergleichen. Nichtsdestoweniger waren
wir noch eine Einparteiregienuig, unter einem
Prcmienninister, auf den die Opposition erbittert
war, und die tätige Unterstützung der Gewerk-
schaften war uns vei-sagt. Der nüchterne, ehrliche,
aber bureauk ratische Charakter der Verwaltung
konnte weder in den Regierungskreisen noch in den
Rüstungsbetrieben die intensiven Anstrengungen
auslösen, die lebensnotwendig waren. Die herein-
brechende Katastrophe und der Ansporn der Ge-
fahr waren nötig, um die schlafende Kraft der
britischen Nation zu wecken. Bald sollten die
StuKnglocken läuten !»
Unterirdisches Munitionslager der Siegfriedlinie
I . i.- ■■■■»■■.„■f.«_j-].i..iJiiJJjMMliWW-WW.'tri yiimli ■ ij. .1 i'l I' ri.ll I '■'!■■
, I ijiir'-' *'-«-4««*<^*«^;^..-^¥i%< ■
J^«»*"
Französische Mobilmachung September 1939
Die Maginotlin
Im Vordergrund ein älteres Werk, dßhinter ein in der Zwischenkriegszeit erstellter Bunker
. . , . .^«pr.«n)MKMnfff^:
-■■ : ^■■>^^•^■M:*■■-:■
wHiirÄ
- ^^^i
^
Steitag, 1. Scpf emBcr 1939 IBfatt 5
»er Süt^ct ^tlhxni 160- S'ö^tßÄttj
8l6cnbaußgö6c Jl.^ 1580
ttBüttnemente:
2ftri(9 am €(^alter ober Bei ^6Td()«n
S>urd() Austräger Inf gaui gebracht
C<9»>^S SBcItcDung betm <poftomt
fiiefentttg unter Gtreifbanb
«ttflanb imtet GfreirSanb: i 3 9l|>.>^orto
unter etretfbanb i 5 9l^.-9otto
1 QSottat
fft. 2.eo
. 3.50
. 8.60
• 4.60
. 8.-
. 10.—
sötte.
7.—
9.—
12.—
23.—
27.—
emtt.
12.60
17.—
17.—
22.60
44.—
60.—
12 mit»
25.—
82.-«
32.—
44.—
80.—
88.—
«esug im poftamtifdjen Abonnement» 9Iuf fünft an Un V«P-3eltun9«fd6ttItem
uttb f$ajtfjerif$e§ ganbcBBIatt
Jlcbortton: Jörfcnfttnfie 11, Süiit^ 1
übmlttUttötion: I^Mferfttoftc 1, 3)tucfctei: ©ocf^cfiro^c 10
ZcUp^on 2 71 00, ^aupipo\i^ad), ^oftfc^edfonto VIII 645
Annoncen : ^ro ee\U 8 spalten l «ilO omnmeterjeilen
lörcts bcr 2ninimctctaclU
für lofale (Scfc^aftSentpfc^Iunflen 25 ^p,
für AnaeiflCtt frf)tpc{3ettfd^cn ilrfptungi 80 «Rp.
für ^nteigen ou8Iänt)lf(^cn llrfprungi 35 <Rp.
für «Rcflamen pro boppclbrette ^ellc 1.25 3t
"Hbfctjlufi- unb OT{cbcrI)OIung§tobattc nac^ ^farif
5lnnonccn=?rafctriing: 2^cntccftro§c 1 unb g?ol)n^offftö5e 70
a3ric[abref[c: ^o\i\aö) O^raumünfict. ^i^oftfd^cc! VI 11 1264
^oVxtma^nn^ bet fiS^n^et^ettfc^en ^tmee
©cm, 1. ®c^jt. ag ^ct VSnnbt&tai
S(rmce nuf ben 2. ^tptemhcv Be«
.fc^Ioffctt. 3>cc 2. Sc^jtcmbct Ift i>cr c t ft c
»ctn, 1. ©cpt. ag SDer a9unbe§röt§Bcfc^ru^
übet bie ^ticg§mobt(ma(f)ung ber 5lrmee loutet:
S)er fdjnjeigcrifcT^e SBunbeSröt, auf ?Introg
fctncä 3}liIttärbepQrtemente8 unb ö^ftübt auf
STrt. 102 bcr ^unbeSbcrfafjunn, unb bic 5lrt.
198, 199, 202 unb 217 ber anilitärorgnntfotion
t)om 12. 3{^rtl 1907 befrf)Iie6t bie mohiU
mad^ung ber ganäen ^rmee.
I.
1939
ifl •• bcr ctfle Tlobih
2)et 2. ©c^temBct
madjungitag.
1. es l^obcn gemäfe bwt SCDetfungcn bc8 ÜJTobil-
inöt^ungSaettcIS im 3!)tcnftbüd^Ictn unb bcn nad)-
ftcfjcnben Scftimmungcn ein^urücfen:
a) alle nod^ n\d)t aufgebotinen GWbe, 3:tii)3t)cn«
fordet unb (Jinfjeitcn bcS ^luS^ugcS, bct ßanbmcf)!,
beS ßanbftutmS unb bcr ou8 bicfen ^»ecteSüctbänbcn
gcmifd)ten SlruplJcn;
b) bte Qtabi unb {yotmattonen be§ 3^ran§j?ott-
Menfte§, bct tücfnjttrtigen S)icnfte unb bcS Slctti-
totialbienfteS;
c) bte gut SSctfflflung be8 ©unbcStoteS flcl^cnben
Cff tötete;
d) bte ?rngef)Bt?Qen ber ©tcnablenfte, beten
JJlobilmad^ungS^cttcI im ^tcnftbüc^Ictn baS Ctntücfen
öm IDottage bc8 etften aOflobilmad^ungStageS, am 1.,
2. ober 3. SDlobilmac^ungStag, botjd^tcibt;
e) bic ©d^afeungSfommiffionen bct 3föf)tt3bet.
2. S5ie mit ben (Srenjttup^n eingctücften, «bcr
Icicber ouf ^ifctt entlaffenen 2Jlübtlmarf)ung8funftio-
Jtdte ber 5J3Ia^!ommanboftäbe, ^fetbeftenungSfommtf-
ftonen unb ^Dlototfa^tjcugfornmiffionen fotoie bie
5ttainmannfdF)oft^n h^r ^.f<»mtttf!atötno«^ ^ip^-.ffir«»^?-
aeugen unb Cuftfal^raeugen rl^ne (StraubniS ^n eib-
genüfftfcfjcn 2)lilitätbel)örbcn i[t biß auf »eitctcS tjct-
botcn.
2Bct btcfcm S?crbot anmtberlianbcrt, hJtrb burci^
t>a'^ SunbeSftrafgcricfjt mit ©clbbu^c bon 100 bisi
10 000 g?r., iDomit ©efängnt§ bi§ au fcdjs Spflonaten
üctbunbcn hjerbcn fann, bcftraft.
SBctn, 1. Bept. ^ 3)er SunbeSrat togtc
r}cutc bormittag bon 10 bi§ >2 U^r. Um 10 lt{)r 30
licQab ficf) ® c n c r a I ® u i f a n in bic ©i^jung.
iBöIb narf)bem er bit^fe berlaffen f)ntte, iiber=»
brarf)te ein (Seneralftabgoffi^icr bcr Sd)n»ci?\ß-
rifcljcn !I^c):icfrf)cnagcntur bcn JTOortlnut be§ fo-
ebcn bom 33unbc§rflt gefaxten Scfd^tuffc3
bcr ©cnerölmobilmad^ung bcr fd)n)ei=
jctifdjen Slrmec.
4
©tttcniiungcn
3nm (Bcncralöbiutanten l^öt bcr
©eneral Cberft D^ogcr 3) o 1 1 f u 8 ernannt. S)cr
95unbc§rat bcjörberte Dbcrft ^ollfuS sum £)bcrft-
bibifionär.
3nm 9}lirtt5rctfcnba]^nbireftor
mürbe SJlajor !p a d| o u b, (Scncralbircftor bcr
J8unbc§baf)nen, crnönnt, unter Scförbcrung ^um
Dbcrften. itrcftor bcr SBctricbSgruppc I bcr Sun-
bc§bal^ncn ift Dberft 6^ f) e n o u jr, 3^ircf tor bc§
^rcifcg I bcr Scl^i-bcigcrifcficn 93unbc§baif)ncn,
33ctricb§gruppcnbitcrtor bt§> ^rci[c§ II Cberft»
Icutnnnt ß u c dj i n i (33cförbcrnng ^um Cbcr=
ftcn), 9?ctricb§gruppcnbireftor be§ RrcifcS III
Cberft 23 ä r 1 0 dj e r.
Sie fc^h)ct5cnfd)e
SflcnttaVxtät^ctMävunQ
mom, 1. ©Gpt. (Icl. unfetcs »=«ott.) TIU
nifter ^r. ')t ü c g g e r ift nm ffrcitag um 11
lU)r bon llntcrftant^fcfuctär U3aftiainnt nn
SteQc bc§ im tagcnbcn ^D^Hniftcrrat nidjt nb»
fömmlid)cn 9Jlinifter§ ßiano cmtifangcn n?or«
bcn, bcm er bie (5 r f I ä r u n g be» S3 u n b e §«
r a t c § gur fdinjeijerifdjen DZeutralität über»
hxadjt f)at, bic feinen i^er;^ug ericibcn burftc.
3m DRamen bcr italicnifd)cn 0?cgicrung bcr«
banftc ber llnterftaatsfcfrctär iinfcrem ®c»
fanbten bic bunbcärätüci^c ßrftärung unb er»
flärte feinerfcit§, ba& bon 3Iom an§ alle 9Jln^-
na\)mm ergriffen mürben, um bcn 2;rnnfitbcr=
fclir unb bie JOer^flcgung ber ©dj\ret3, tt?o unb
ft)ie immer c§ fei, 3u crleid)tern.
3)et ^rleö ©etttftS^tattb^ ö^Ö^« ^oten
Set Snifc^eibung^iag in ^cxlm
Rittet In 55etb6rÄtt
»etlfit, 1. ©c^t. (ZtU unfeteS O«Ä0tT.)
SBcrIin l^at einen gang aUtägririf)en unb ruhigen
aJlorgen erlebt, meil bon t)unbert (JinttJoHnern
faum mel)r oIS einet beim erften SluS^ang
mu^te, bo^ ba§ ßanb f\6) im Ätieglgii-
ftanb bcfanb. ^sm Ö^Iüfterton ging bamt bic
cn.»/j(^~;-r,i ^s :f*-. r^
poXm^dytn ^Regierung", hJrtS Tinnöeniö^ ötS üm-
»onblung be§ ftaat8red)tlic^cn unb bölfcrtcc^t-
lid^en «Statut «poIenS au berftcf)en ift.
4. ^ür bic fTübrung beS ßuftfrtcgeS
regt ^ttter einen 23eraid}t auf ba^ a3ombarbc-
ment ber Sibitbebölferung an. 2öenn *PoIen
fic^ nid^t an btefen »orfcfjtag b^lt fo broF)en
feinen unbefeftigten Drtfd)oftcn fdjmerc 93cr-
gcltunglmofenai^men.
cn .
r I
ff vC* ^* j^^
^ttfoTjtc bcr SWobtlmac^uttö bcr
f cfjjijci je tt friert 2(rmcc tulrb ein ßroftcr
2:cir unfcvcö ^crfonal«^ in alten 2JbtctIun«
f^cn bc^ ^ßCotteö unb btt ^ruderet Ijcutc
unb motc^cn juin Ülftiubienft einrußen*
^n ftetuiffen tcrfjntfrficn Slbtetlun^cn tottb
ftr^ baburd) ber ^evfonalbeftanb nm etwa
bic Hälfte unb mcf)v rebujtcrcn. Sic .^tt«
auö^abc beö ^laiic^ unterließt unter
btefen Itmftänben um fo ßriJncrn ."^cmm«
niffen unb StfjhJtcrififcitcn, nid
nreirfjjeitifl bie C^'rfclihjerunrt ber JBcrtrf|t«
erftattun^^ über bic iQoraangc im 91ud>
lanbc burdi ^cnfur ufiu. Ijinjutretcn Juirb»
(S'^ Wirb unfcr iöeftrcBctt fein, bic 2luf«
gäbe bcr fornfältiöcn unb rafcfjcn ^nfor«
mation bcr Ccffcntlirfjfeit über bic iSt»
cif^niffe Int :J?n« unb SluSlanb auä^ unter
unnünftif^cn Jöebinflunr^en fa ö"t öl^
ntöc^nct) au erfünen; hiir bitten aber unfcrc
Mtfonntntcn unb alle übrl<tcn ficfcr Int
boraud um 9}ad)ftd)t unb ^tbuXb, tnenn
bic bi^Iicrlf^c ref^elmä^loc «^crau^gabe
unb ©crfcnbun«! bed ©lattcd nctulffc un*
bcrmclbllc^c Stdrungen erfahren fplltc*
Sic ©cfd^äftdlcltuna
bcr „Jltucn 3ürc^er S^itune,"
%Ut J^etonattorren erfolgten au^cr^olb beS
StabtbcreidiS. (S-hva% fptitcr, al§ man bereits baS
©eräufd) ber fcbroercn ff^ugaeugc beutlic^ bcr-
nnt)m, erfolgte eine furd)tbare ®?pIofionin
ber ^äi)t tc% .fS o u p t b a ^ n I) o f §.
JDiclc Seilte ftebcn jefet ruf)iq unter bcn
p5gS?^
General Guisan
''It.'*'
Henri Guisan wird vor der Vereinigten Bundesversammlung als General vereidigt.
Mi
»*, ^'
'S
~y'
*V '!jiB':
h
■■'■m
e(i^n>ei5etif(^e ©tetijtpac^t
i:^m
Seit bcm 5;ien§tQG fteljcn unfevc (5) r c n 3 =
fd)ufcttuppcn unter ben ai^affen iiub
liefern bte fd^treiscrifcTien Corciv^cn riuflÄuin
ncgen jebe ®c{al)r eine§ §anb[treid[)§ ober lieber^
iall§, tüie er al§ ^um 6I)arafter be§ mobevnen
53lifefrtcGe§ geliöreub fo oft in ber ^T)aiitäv=
Uterotnr ber letzten ^mf)re bcfprüd)en luorben ift.
3m 23emu^tfein biejer ©trf)erl}e!t t[t ba^?
^d)tüet3ert)Dlf am %a(\e nnd) bem erften milt=
tärifc^en ^tufgebot, nnd) ber mtlitärifdjen ^eil=
mobirmadjunq, and) sur ftaat§poritifd)cn IKobiU
mad)unn flefd)rttten, inbem eä burd) bie 3?cr=
trctuna beö 3}ülfc^ unb ber Stänbe, bic iBunbei^=
berfammlung, ber ß a n b e § r e n i c ^ 11 " H bic
nötigen iß 0 11 m a d) t e n ?,\n ^^eiüältinunn
einer nufeecorbentlidien i^uje in bie s^anb unb
ber 51 r in c e ben lierantaiort!{d)en rvü^rev, ben
(V) e n c r a I, o^flebcn Oat. 2:ie ^emofvntic, biefc
nielüerfanute StaatSform. \)at bamit ilne
-•panblunqöfäfiinfeit mieber einmal unter ^^emeiv
geftcat; nne eö in ber römifdien ^KepuMif in für
ben Staat fritifdjer Stuube l)ieH: „Cavoant con-
siiles ne quid detrimonli capiat res publica"
(5)ie ^onfuln möoen n:)ad)cn, auf ba^ ber Staat
feinen Sd)aben nel)me), fo jeiflt [id) bie fd)mei--
jerifd)e Xemofratte fäfiiq, ba?^ «ebot ber etunbe
in ernfter 3eit burd) bie Älon^entration ber ÜU^r^^
antmortung in ben Spitzen ber bürgerrid)en
unb militärifd)en ("bemalt ju ertiUIen. Itnb f)in=
ter ber fo geftrafften ):)oritifd)en unb miritäri=
fd)en ^^ütirung ftef)t ein gefd)loffene§ 33oIf, ba^o
fti nid)t aU Objeft, fonbern al§ Präger unb
3)oIIftreder be§ t)on ber Spi^c auSftrabtenben
2Biflen§ tüt)It. S5)e§f)arb mevben nud) äffe bie
au^erorbentlid)en ÜJ^a^naljmen, bie iTJegiernng
unb ^Irmeeleitung b\^f)cx getroffen I)ttben unb
nod) mcrben treffen muffen, um ed)aben 00m
Sonbe abjumeliren unb unfer 3taatömefen burd)
bie 5ät)rniffe biefer 3eit l)ctl {)inburd)3uleiten, bie
feines äußern ?ru^?brurfS bebürftige ^Billigung,
bie ?lffIamation au^^ bem C^er^en eine§ einigen
unb gefdiloffenen S^otfeS finben.
3)te C^offnung, ba^ Europa ba§ foftbare C5nt
be^ griebenS bod) ert)alten bleiben merbe, ift
inbfffen beinal)c böüig gefd)munben. 3)ie 2)ipIo»
matic ber ©ro6mäd)te fd)eint if)re Aünfte unb
mittel crfd)öpft gu I)aben; fett bem ^JJIorgen be§
1. September, ber ol§ ein lag be§ Unr)eiU in
bic! ®efd)td)tc eingeben tuirb, fpred)en im Cften
(guiopaä bie Kanonen, unb jebe Stunbe fann
bic erfd)üttcrung neuer ^reigniffe bringen.
fd)ül;>en. ^(u§gevüftct mit 2öaffcn, bie [\e ^anb«
l)abcn gelernt fiaben, bereu JBirfung f^e fennen
unb auf bie fie nertraucn bürfen, ober oud)
auSgerüftet mit bem 3}hit unb Stol^ be^ freien
'^Bürgers, mit ber •f)cimatliebe unb bem Opfer-
geift beö ^ibgenoffen, mcrbon unfere 2öel)r-
nu'inner luun (S)cncral bi>? yim jüngften 8olba-
tcn if)rc ^^iflidlt im Sicnfte be§ 5»3aterlanbc§ hi^i
3um letzten erfüüen.
:ra§ Sdimei^ernolf grünt in biefer Stunbe
bie ^trnu^e, mit ber es al^S mit feinem eigenen
^leifd) unb '^Int unlo§lid) oevmadifcn ift, cd
grüßt feine Solbaten. alle feine Solbaten ol^ne
llnterfd)ieb ber Sprad)e, ber .^ionfcffion, be^
Stanbcö unb ber '^Uutci. Sein ^^crtrauen gur
\HvniiT unb ,yi ibrer rvübrnng nuuielt im ©efül^l
bor ^l'vcrte ber fd)tDei^^erifd)en ?Jation, bie e§ er»
fannt unb erlebt bat in ber granbiofen g ei ftt =■
g e n 'VI 0 b i l m a d) u u g, bie für unfer Qön=»
^^e?" 'iuHf bic Sd]iuciH'rifri]c l^onbccmu^^ftellung,
bic aiifrüttclnbcn unb fammclnbcn Jefte unb
,"vcicvn i^on <?anpen, l'n.^^eru, 'JJäfel-ä unb ber
bieejabrige l.XHnguft bebeuteten, (vd tudrc biel»
(cid]t uid)t fdjidlid), in ber iBcrgangenlicit gu
graben unb pebantifd)e iöergleiri)e mit bem
3al)re 1914 au^uftcllcn; aber ba?-^ barf moF)I Qe»
fagt merben, ba'\i ba?> 5d)iüei^erOolf nod) feiten
in feiner Q9cfd)id)tc unb nod) nie feit jmei ^a\)t'
^^cl)utcn bac^ Sd)anfpiel einer fotd)cn m 0 r a 1 1 «
f d) e n unb g e i ft i g e n ß i n b e 1 1 geboten
bat mie beute. (^S ift ein reife?, ein ermad)fene^
iöolf, ba% tief ergriffen unb erfd)üttert ob ber
Ungel)eucrlid)feit be§ über ben 33ölfern @uro»
pa§ fd)mebenben ^4)erbänguiffe^3, aber tro^bem
bod)genutten Sinnc-^ unb mit bem unbeugfamen
Lyntfri)lu$ 3ur ii^abrung feiner teuerften ®ütcr
oor bem fiel) entroUtubcn nieltgefd)idittid)en
3)ramo ftebt. Si)mpatl)ten unb 5lntipatf)ien
merben eS nid)t aueeinanberreifeen mie ehe-
mals; feine 5Jicinung \)at fid) geformt, fein nr=
teil ift gemad)t über bie greigniffe, bie iöerant=
mortlid)feiten, bie mit bem brobenben ^lusbrud^
eine-5 neuen europäifdien .^riegeS öerfnüpft
finb. ilöie läd)erlid) mutet beute felbft ben
böfeften ©iferer oon geftern ber Streit übet
^beologien angefid)t§ cine§ bcutfc^«rufrifcf)cn
'^afte^S an! ^ür meldjen ©ibgenoffen gibt c§
beute eine tüid)tigere, übertoälttgenberc 1a^ad)e
aU bie .munberbare 2:atfad)e be§ SSatcr-
lanbe§"?
2)te iRculralität ber Sd)tt)etg ift
»j4*»»
'»?■: :?■•■•:•■; a^-: '■■ ■ ■> vx;;; >;::■• i
Armee suisse
Schweizerische Armee
Esercito svizzeA
KRIEGSNOBILNACHUNG
AUFGEBOT DER GRENZTRUPPEN
MOBILISATiON DE GUERRE MOBILITAZIONE DI GUERRA
MIS( SUR PKO 0(S IROUPES FRONIIIRFS
CHIBMIII IIL[ IRMI 0(U( TRUPPE DI FRONIlfNB
1f»Die Grenztruppen werden hiemit aufgeboten.
>) AMft^y<c^IP.".i<h!*9*r>j daran DIansibüchIcin ainan fotan Mobilmachungsiattal anthMIt, haban
sofort an den im Mobllmachungsianel angagabanan Ortan ainiuruckan.
b) Pfardestallung: Die für die Stellung von Pferden und Maultieren »n die Qrenitruopen bestimmten Ge-
meinden haben diesen Befehl sofort ausiuführen.
c) Slallung dar Molorfahrtauge: Alle rio(orfahrzeu<ie (Personenwagen Lastwagen, Motorräder etc.), deren
Fahrzeugausweis mit einem rotan AufgebotszcMel versehen ist. sind sofort an dem im Aufgebotsiettel ry-
segebenen Orte zu stellen
2. Es sind ferner ebenfalls aufgeboten und haben sofort einzuriicken:
a) Dia Tarritorialkommandostiba 1-12, dia Mobllmachungsfunklionara. das Parsonal das
Hunitionsdianstas :
b) Dia Organa das Fliagar-Baobachlungs- und Maldadianstas:
c) Dia Organa das passivan Luftschuttas;
d) Dia Minaurdatachamanta. Eidgenössisches Militärdepartement. {
1. Les troupes frontiferes sont mises sur pied.
•) Tous las mllitairas dont la livrat da sarvica est muni da la ficha rouga da moblllsatlon
antrant imm^diatament au sarvica aux androits prascrits par la fUha da mobllisation.
b) Fournitura das chavaux: Les rommunes ayant et* d^sign^es pour fournir des chevaux et mulets aux
troupes frontt^res ex^cutent imm^diatamant lordre de fourniture.
d Fournitura das v^hiculas A motaur: Tous les vthicules ä moleur (woHures. camions, molocycleMes. eU.)
dont Ic permis de tirculation est muni dun ordre de marthe rouga sont i remettre immidlatamant ä la
troupe A l'endroit indiqu^ par l'ordre de marche.
2. Sont egalement mis sur pied et entrent au Service imm^diatsment:
«) Las «tats-maiors tarritoriaux 1-12, las fonctionnairas da la mobllisation, la partennal du
sarvica das munitlons;
b) Las organas da raparaga at da signallsation d'aviens;
<) Las organas da la dAfansa aArlanna Passiva;
d) Las datachamants da minaurs. Departement militalfa f^d^fal.
1. Le truppe ö\ frontiera sono chiamata aila armi.
•> Tuttl I mIHtarl. II cul llbralto dl sanrixio 4 mumio dell awiso di mobilitatione dt <olor resso.
davono antrara immadiatamanta in sarvliio giusta la istruiioni contenutc in datto avvise.
b) Consagna dal cavalll: I comum che sono stali designaü per la consegna dei cavalli o muli alle truppe di
frontiera devono eseguire subito questo ordine
O Consagna dagli autovaicoli: Tutti gli autoveicoli (auioveiture, autocarri. motociciette. ecc). la cui liceifza
di drcolaxione t munita di un ordine di marcia di color rosso. devono esserc presentati subito giusU le
tstnaioni contenute in detto ordine. *
2. Sono parimente chiamate alle armi a antrano In sarvizio immadiatamanta:
•> GH st«« m«99iorl tarritorlali 1-12, i ffuntionari dalla mobilltaxiona, • II parsonala dal s«nflilo
dalla munixlonl;
b) Gli organi dal sanritio d'awisamanto • dl stinalasion« anliaarao;
c) Gli organi dalla protaxlei
d) I dislaccamanti minalorl.
11 Dipartimento militara faciarala.
Bas erste der Kriegsmohnmarhuvp'iphdnfe, das die Orrnztruppoi zum, sofortigen Schutz der*.
Landesgrctue unter die Fahnen rief '
In den Dörfern zogen Trommler durch die Straßen und riefen die Wehrmänner zu den
Mohilmachungs platzen
r""
.1-^ *-^ .'"^-^'
IfflW^
:c5?
Die Division Constam
Von Ohersthngadicr Ernst Brandenhcrgcr
Wer immer als Soiaat der :\Iobilniacliung in
,lcn ersten Septembertagen I9;i9 uiul des daraut-
lolgcnden Jahres zusaminenliängendcn Aktivdien-
stes gedenkt, tut es naturgemäß m der Sicht
des seinerzeit persönlich Erlebten von jener btute
aus, aui: weldier er dan.Us im Dienst gestanden
hat So geschehe es denn un folgenden vom Stand-
punkte des Hauptmanns, eines Hauptmanns der
Infanterie, eingeteilt in einem Regiment der
Zürcher Divüion, weh-he seit noch nu-ht zAvei
Jahren aus der 5. die 6. Division unscivr Annee
geworden war.
Eines Hauptmanns jenor Tnrnntcrie, xvejche
kurz vor der Mobiln.acluing im Rahmen der
Tntppenordmu.p mS eili.iu. Atnderangen er-
fahren hatte: die; l)edeutsamste bestehend in d r
Bildung eine Stabskompagnie beim l usilierbatail-
on welcher vorab die ])elden neu autgestellten
Mi^enwerl-erzüge und der ebenüdls neu iorm;-;^e
Infanteriekanonen/Aig angehorten. Im "'>i^;^^^
war es iedoch griUJtentcils beim Hergebrachten
c^cblieben Hauplkamplmiltel dieser Infanterie
waren nach wie vor die Infanterieabwehrwalfen
Karabiner, lei.hte und schwere ALas.lunengeweh.^^
neben <c wohl behüteten» Handgranaten De r
Flierabwehr sollten auf besonderen Lafetten
ein^setzte schwere Maschinengewehre dienen,
anenfalls auch die je drei lafettierlen Lmg. der
F Isilierkompagnien. Einzige eigentliche Panzer-
atwehr^^affcn waren die heulen ^''/-'^-^^^IX^^^
des Bataillons. Die Fiisdiere und Lmg.-Schut/^n
trugen ihr Gepäck auf sich, <la/u Taschen oder
Trisehlaufen mit 120 bzw. ^V;"'"/," o'und
mit 300 Gewchrpatronen, die M.tra.lleurc und
Kanmdere gleichfalls Vollpackung oder^ ai>er an
ihrer Stelle (Ue schweren Wahen samt dei
unmittelbar dazu gehörenden ^l"!^'^'^^"- //" V ;;,"
liorbaiailUm gab es sodann 15 Reit- und ii. ^> -
Pferde, die letzteren zur Bespannung der beulen
ik der 37 Karren und 38 Eourgons, tur weh-he
eine peinlich zu befolgende Vcrladeordnuug
ex stierte darin inbegriffen die den einzelnen
FaSen /.ugeteilte W.^enwa.-hen und deren
iutSng (so' hatte etwa <ler Hnfschmie< dem
Munitionsfourgon Nr. 5 zu folgen und sta des
Tornisters den Beschlagsa<.k -^*-^.^'\ ;/; ;,;^,
Vaiorfahrzeuq im Infanterieregiment ^^ar damals
recht genaue und, wie sich später zeigen sollte, n
der Tal zutreffende Schilderung, wie deutsclie
Truppen mit Bunkern u. dgl. befestigte Stellungen
an-rcifen wer<len. Für unsere eigene Annee da-
pl^on existierten im Herbst 3939 kaum tur chis
Ganze verbindliche Gnmdsätze der Kampftuhrung,
indem die einstmals ausgezeichnete, mit viel Vor-
aussicht für das Kommende verfaßte Voi-schnit
.Fehhlienst» aus dem Jahre 1927 in mancher
Beziehung überholt war; nicht von ungefähr hat
sich später hierüber au<-h <ler General in seinem
Bericht ausgelassen; <loch hat sich c aran ol ens|d.f-
lich nichts geändert angesichts der hea e no h
viel schwerer wiegenden Dissonanz zwis.-hcn d(^r
auf den 1. Januar 1902 grundlegend "j;'«;''^«^;;;-
sierten Armee und der aus dem Jahre 9..1 stanv
menden </rmppenführung», welche dei Kiicg
crogen einen voll ouer auch nur stark mechan.sior-
Ten Angreifer, der zudem über A-Sprengkorper
verfügt, noch weitgeh(>nd ignoriert.
J
War diese Infanterie bei ihrer Mobilmachung
imstande S auf Anhieb sicher und gewandt ihrer
\Ä und Geräte zu bedienen, um damit ihren
Abwehrkampf zu führen? Mochte sie zwar ihre
fnflnlleneabwehrwaffen leuUich ^^'^-rrsdien u^d
mochte die Führung der Gruppen und Zuge >vie
Ter Emheiten und Truppenkr>rper im allgemeinen
einigermaßen spielen, so feWe o^^ ']':^'^Tr tn
damalsgenau so wie heute an der Mar.cl^ncUl.g-
trlie'an jegru-»- Behen.chung es M^
Muim grcif,^ i^fo'in und Qiner vqr.Uoften O^^f^'^f^^
\11 das spiele indes für uns Hauptleute der
(i. Division keine Rolle. Was auf der Stute der
Armee fehlen mochte, der <lamalige Kommam ant
der t) Division, Ohersfdivisiondr Constam, lial e^
mit Weisungen und Hinweisen, die es an Eni-
A tigkeit und Entschie<lenheit nicht fehlen ließen
mehr als wettgen acht. Seit er am 1. Januar 1938
di^ Kommando unserer Division ubeniommen
^^tte vermittelte er uns bei jeder Gelegenheit ein
'^a^^n^^knckes Büd des kommenden Kn^es und
forderte unnachgiebig, was wir 1»^.«"^^^^'^^^^" ^^^^
diesen Krieg ki'.nnen sollten und können innß cn,
uHm au^l. mit unsern bescheideneren Md^ n
erfolgreich zu bestehen. Was er damals an Gnnd-
sä zen «vom Kampf auf kurze Distanz» lehrte
::;!^";nit uns in ;ersonli<.h geleiteten Uebung^i
und Scharfschießen ;)(Mlennann augenfaUig er-
obte,\var nicht nur gültig für den A^f-f^^'^^^
er bald l«mnnen sollte. Es ist es vielmehr bis
heute geblieben - auf .je<len Fall für clie,en.gen,
welche sich darüber im klaren «'"*!' ;^'7'"I"V, Vi
terie in einem modernen Krieg noch taugt, und
,lazu den Mut haben, daraus die gebotenen Kon-
sequenzen zu ziehen.
So waren für die Zürcher Division das Ein-
rücken zur Kinegsmoi>ilmachung und der to ge^^^^^^^
Aktivdienst unter <lem Kommando von Obers^^^
<iivisionär Constam nichts grundlegend ^^^T^
etwas Außerordentliches, sondern ^^ ^.f ü^' ,[ ' Z;
<lnrum, mit )(>nem Ernst and .lener (xrundl.chk( it
t;M;er;ufahrin, welche vom Divisionskonnnaiidan^
ten bereits zuvor gefordert wonlen ^^'''•^"'/*;^^^
tedo!^ auf allen Stufen n-»'t».loß.dre. Wochen
lang, sondern auf «unbestimmte Frist» «tets neu
XU beweisen. Er hat dazu mit seinem strengen
Trtei der Tnippe, den Kadern und Kommandan-
ten im ner wieder den gültigen Maßstab gegeben,
len eTan si<.h selber und an seine l ntc.-gebenen
anzulegen galt. Wohl .ic-.ler Wehrmann der -
• m lÄnnb Jöoe miverwecligo'^^rn Erscnemjtn^
Mar>chtüehigkeit, standen ^^^"f ^^^^,. ;";,,) %ts',
cnind. Bereit« im Oktober wurden die llab.-Zugc
d.^ Mitrailleurkompagnien zu Scharfschießen gegen
FH,<.erziele nach Walenstadt befohlen; es folgen
Schu^ßen der Infanteriekanonen aut einer behdf s-
mäßi-en «Tankbahn» bei Toßegg und Minen-
^^;r^.iU.UMcn in Gegenwart des Divisumskom-
Imuidanten. Aber auch als im ^^;^<^^- ^^^-
(>. Division mit <lrei Regimentern in <lie L^mm
,f,ll,u,9 einmarschierte, um diese wahrend der
„ä.hsten Monate dun-h Bauarbeiten ge-gnet zu
verstärken, blieb «die ^^J'^« J^^^!!^;;, "• ^^
Divisionsknniniandanten spurl,ar. Zuna<dist be. du
Maßnahmen zur Verstärkung des Geländes, ^noi
befahl, in erster Dringl.ehkeit Unterstande zun
l^.hutz der Truppe gegen Arti lerie euer i.nd
Fri(>gerbo.nba.Hlemente anzulegen (ein ^-^ >;»-[;;:
der zwar heute mehr denn je gelten sollte, dy
•,,ac>ch, wie es manche Geniebefehle belegen, we t-
herum längst m Vergessenheit geraten ^^^'^-^^
,lH>r auch darin, daß in der (i. D.visum trotz alhn
Bauarbeiten die' Ausbildung der Truppe und ihn.
Kommandanten weiterhin unablässig ^'«"^-'/^^^
vur.le. So gab es pro Woche noch immer m n -
.K^stens einen der Ausbildung vorbel.altenen lag
nrden nach wie vor Uebungen im Verband von
Baiailhm und Regiment sowie Tram.ngsnKii.che
ic>l/t auch in der verdunkelten Tracht, dl
.„•ührt, folgte im Januar 1940 bei bissiger Kalte
■;. Eehl.Uen.tperiode mit wüchentUcli gcnvechse -
Unterkunft - von der Truppe damals scherz-
aft «Constam-Zirkus» geheißen. ^ eben Schal -
hießen mit einzelnen ^V'^<|"-\-''"''7 ,"",),;; "
fnihlin- unter der Leitung des Divisionskomm. n
,::;;u!^„; der Gegend von Menzingen die ex.Uni
iener unvergeßlichen kombin>erten hfanterie
'^mcne-Srhu^ßer abgehalten, an welchen etwa
; wei knegsstarke Füsilierbataillone, eine Art -
U.noabteihuig und zwei 1^ ^'^•»•^^! ' l'^ „ , " ,,
,„,„„,,, Was hier zum ^^f'^^^^""''' "^^'^
H-uim Ol.criberg und auf dem Stoos, mit dem
!;SenSc.mßViU>tun<l^.r allem auehgc^^^
wurde i<t, wie der aufmerksame Bei. aehter <l ■
\ A ■ «n der Expo feststellen kann, ab-
Armeeliliiis an (k r i>aj»»^' \v.,rfnn
<.ospli<-.. VOM .!<•., neu l,in/,uKck..i.wm-non W ..fi( n.
iill ', n.i.1 .n-lir iih..rtroir.-n wor.lon. Nor allo.n
, c4n ko,nlM,uort,.n S.-Ikh lM-l,.oß<M. war nu.,-
.|,r ™ «.w,.is,.„, Ol. eine Truppe- .m.tanOe so,.
',»;,,/,-,»!„'»«'..«''■'« ^on Straßen und Welle.
■uJl'rH u.ä o,n,c Länn voll,« -'^''-^^^^
,1,.,, Gegner licranzuscliirbon. .larnaeli m prston
"or;o,-,l.rli,.lM.n Tr,.|fsu-.l».rlKMt. „m -Loses }■ o,,or
: Artill..r,o ,m<l a..r Minonwortor -""^ - -^;-
kauoncn auszunutzen unü •"';'; . suirm-
«iodcrnin zum mrnichte„deHStoB der mit blurm
Vuer tan. Nal'kampf vorhre..|.e,.<lcn Fus.Uere. Ol.
lio k£ k .larnaeh herber «ar oder loben kenn e
%,TReC.'l began.. Ohe.-st.livisio..ar Constam m.t
Lwlf in Onlnnng war», um l-"aoh -un -
Vom Frieden in den Aktivdienst
14 Tafie Zeitgeschichte
Freitag. 25. Augu.t: Erklän.ng des Bundesrate
iib.,r die gespannte '""^'•nafonalc Lage. D.e
Wolinnänner werden darauf autmerk&am ge
,. b,ß sie mit der Einberufung reeV,nen
,niiss..n (inforn.elle PiMMellung der Armee).
Besel.luß d.-s Bundesrates über f V«"«»^-
haltung von Weizen, Roggen und Baekrachl.
dem,
muß
schief
de^tü^er : crkmi- ^w.s noel, . bosser worden
lauiiiLiicx . , . .„ .^i.^ „,;r. r^in^p Schart -
•ner zu t;iMan.ii, - . ,• c - i .».v
_ OS haben nieht.s so sehr w.o diese Soharl-
,on',.nt"r der Leitung des l>ivisionsk„n..m.n-
schiel en um-r un .......... Vprtraiien
dantekalUn Beteiligten immer wieder ^^^^"'|^
Somstaa,26.Aupust: Beschluß des Bundesrates
üijer Ausfuh rheschränkungen.
In den Departementen gehen die Vorbereitun-
gen der Maßnahmen für den Fall einer Mobd-
machung weiter.
Sonvfaa 27 iuansf: Sitzung des Bundesrates:
'"kein"' Vei.chlimnierung der Hiternationafen
Lage, keine VeranUissung zu weiteren Maß
nahmen.
Montag, 2S.A.a.^!: Am späten Nachmittas be-
schließt der Bundesrat:
1 Die Grev.schutztmppen werden aufgeboten.
2. Die BandesversammJnng wird auf den kom-
menden Mittwoch einlierufen, um
a) dem Bundesrat Vollmachten zu ertcden;
b) den General zu wählen.
l'm 19 Uhr 30 hält Bundespräsident Etter eine
Radioansprache an das Schweizervolk.
Dienstag, 29. August: Ab 00.00:
Bezugssperre für einzelne Lebensmittel (Hin-
weis auf den Aufruf zur zweimonatigen Lager-
haltung vom 5. Apnl 1939) ;
vorläufige Rationierung von flüssigen Kratt-
und Brennstoffen.
\mchlag des Mobilmachungsplakates «Kriegs-
;nobilma<hung - Aufgebot der G-n^^-PP-;;
Einrücken: sofort. Das Aufgebot umfaßt rund
80 000 bis 100 000 Mann.
Bundesrat sbeschl üsse :
Der ^Aktivdienstzustand>> wird für das ganze
Gebiet der Eidgenossenschaft erklart;
teilweise Schließung der Grenzen (Kanalisie-
ning des Grenzübertrittes) ;
Verbot des zivilen Luftverkehrs;
Ermächtigung zur Beschlagnahme von Lager-
und Tank räumen.
üie Xationalbank gibt Fünffrankennoten heraus.
Ultfa.,rh.3n. August: 17 bis 18 Uhr: In außer-
^" o denllicher Sitzung erteilen d- ^e.den Rate
dem Bundesrat Vollmachten Naüonalrat
181 Ja, 6 Enthaltungen; Standerat. 42 Ja, ein
stimmig).
18 ühr- Die Vereinigte Bundesversammlung
wählt Öberstkorpskommandant Henri Guisan
mit 204 von 229 Stimmen zum General.
r. tr.n ?y Auaust- Ab 00.00 Einschränkung
Donnerstag. öl. AU gusi. ^" -»r^ui
der Abgabe von K^ble und von Mchh
■^■■•V^ •!,;-
Vereidigung eines Tnippenkörpers in, Hnf des Landr^rnnsoims
Große Schweizer Kreuze kennzeichnen d<is vrutralr Tcnilorinm für die ausläHdischen Flh^iirr^
(! cd ränge vor einem Bank^chüUer
— Kennzeicherk des ersten Sihocks aUgmui^n'r Vnsinherheit
.>■• •
..T, .,,:-- ••
-. ^^mBCIlju
■,. l..^ . ^
völkTsrhei^ Wcf^mdcen. ünmittelOar hinter der
kämpf encieii Truppe waren, wie fkhon früher i^v
der Annexion Oesterreichs und der Unterwerfung
der Tscheeliüslowakei, besondere polizeiliche t.in-
satzgruppen vorgegangen. Sie handelten wie der
Chef des Reichssicherlieitshauptamt^s, Heydrich,
später in einem Aktenvermerk notierte gemab
einem Sonderbefehl Hitlei^ und hatten auf Grund
der vorbereiteten Arbeit «systematisch durch \ er-
haftung, Beschlagnahme und Sicherstelhing wich-
tigen politisclien Materials heftige Schlage gegen
die reichsfeindlichen Elemente in der Welt aus
dem Lager von Emigration, Freimaurerei, Juden-
tum und politisch-kirchlichem Gepertum sowie
der 2 und 3. Internationale gefuhrt». In Folen
hausten diese Einsatzgruppen besonders bnüal;
selbst Heydrich bezeichnet die ihnen erteilten
Weisnncren als «außerordentlich radikal: zum Bei-
spiel Uquidierung^befehl für zahlreiche polnische
Führungskreise, der in die Tausende ging>)^ Der
Terror von Polizei und SS veranlaßte die Wehr-
machtführer in Polen, die um den Ruf und die
Moral ihrer Tni])pe besorgt waren, zu Frot^fcen.
Aber Hitler deutete den Generälen an, daß er
eine Polenpolitik zu treiben gedenke, in die er
sich von der Wehrmacht nicht werde dreinreden
lassen Am 18. Oktober 1939 notierte der General-
stabschef des Heeres, Halder, in sein Tagebuch die
ihm hirterbrachten Auffassungen Hitlers: «Wir
wollen Polen nicht sanieren... Deutsches Aut-
marschgebiet für Zukunft. Polen soll sich selbst
verwalten. Es soll nicht nach deutschem Begrifl
zum Musterstaat gestaltet werden. Verhindern,
daß polnische Intelligenz sich zu neuer Fuhrer-
schii-ht aufwirft. Niederer lx>bensstandard soll er-
halten bleiben. Billige Sklaven. Aus deutschem
Gebiet muß alles Gesindel heraus... Schaffung
einer totalen Desorganisation. Keine Mit^nrkung
von Reichsstellen! Das Reich soll den Genera -
gouN-erneur befähigen, dieses Teufelswerk zu voll-
enden.»
Die Polen sollten zu einem Helotenvolk, zu
«billigen Sklaven», herabgedrückt werden. In den
westlichen Gebieten jagte man sie von Haus und
Hof und trieb sie mittellos in das Generalgouverne-
ment Ihren Grundbesitz übernahmen Volks-
deutsche, zum Teil Leute, die Hitler aus den von
der Sowjetunion besetzten Gebieten nach Deutsch-
land zurückholen ließ.
Ein noch schrecklicheres Schicksal als die Polen
traf die in Polen wohnenden Juden. Schon un-
mittelbar nach der Besetzung des Landes begann
die erste Etappe der «Endlösung». Die Juden soll-
ten wie Heydric^h in einer Geheimrede am
21 September 1939 erklärte, aus den ländlichen
Gebieten verjagt und in den Städten in Ghettos
untergebracht werden. Wie Heydrich i"^ leicht
durchschaubarer Absicht bemerkte, sollten Ghettos
nur in Ortsrhaften mit Eisenbahnverbindung er-
richtet werden.
In den nächsten Monaten begann nun ein wil-
des Heriimstoßen der Juden von einer Stadt zur
andern: zueret wurden die Juden in den vom Reich
annektierten Gebieten nach Polen verjagt, die
polnischen Juden trieb man aus den Dörfern in
r'^" i
'^■0m
^■'^i
e*
'^^.^
it»m
■^■ym
Va*(-'<. J-..'A.«,.<.«i,»WÄV.rf\/WtÄft •5*' • ■■**'Ä
.-:-.%-;vA.V'. :■.'.•>>;■-■•■*■.*<**.■*#.'■'■*■•■.
>:*i,-*w»d«->
Polnische Gefangene vor dem Abtransport ins Lager
■■■^m^f^^ximf^'f^'^':^
j '.r..hr nffi-i^rP hei einem Treffen in Brest-Lifowsk. Der genaue Verlauf d^ Drwa
Deutsche und sowjetische Offiziere bei einem ^reff^^^^^^^^ Mililärführcni an Ort und Stelle festgelegt
rkalionfylinie wurde von den deutschen und
i
H
wifsa^ ihi-f^tiJx -Ä^iiÄ;-
fe
die Städte, und man begann bereits, »"sjiem
Reichsgebiet und Oesterreich Juden nach Polen
abzuschieben. Die Deportation geschah völlig will-
kürlich und in gewollter Unordnung; Tausende
von Menschen wurden von Ort zu Ort geschickt,
weil nichts vorbereitet und nirgends Platz zu lin-
den war In teuflischer Berechnung hatte Heydrich,
um so Haß und Zwiespalt unter den Juden zu
säen die Organisation des Transportes der Juden
in die Hände von «Judenräten» gelegt, die die
einzelnen jüdischen Gemeinden selbst zu/^-^TJ^f^
hatten. Tausende von Juden, vor a^cm Alte
Frauen und Kinder, starben bereits jiuf efesen
Transporten, die ohne Rücksicht auf die A Ritte-
rling selbst im Winter vorgenommen if^urden. JJie
Erstellung der Ghettos dauerte das ganze Jalir
19-iO hindurch fort, da es in den gioßeron Stad en
länger dauerte, bis die ganze jüdische Bevolke-
runcr — wie die Nationalsozialisten ««^^11 —
«erfaßt» werden konnte. Erst im November 3 940
wurde auch in Warschau ein Ghetto geschaffen --
eine hohe Mauer trennte es vom «arischen» btadt-
teil.
Was 1939 in Polen begann, war der Auttakt
zur Ausrottung des jüdischen Volkes. Noch exi-
stierte das Konzentrationslager Auschwitz mchU
aber bereits im Frühjahr 1940 hatt<> die SS die
eifrig nach geeigneten Orten für die Eirichtung
von Lagern suchte, die alten polnischen Kasornon
in Auschwitz entdeckt und sie für ihre Zwecke
;.;^;.:.y.:.r,-«^>K;:<-!'>>^<'W5M<'»>>Cr*'|:J^:JÄi^^^^
m::
:i
.-^K-x-HW-i^- <-:•>:'>:•>■■;<•> •■<
., ._, -y^ [.■^•y.v'.;,j&a ■>■'
als brauchbar Vrachtet. Andere A f?ü,^t.ngs^^^^
entstanden auf polnischem ß^^^^^-; /^Z^^^.^'
Maidanek, Robibor, Chelmno und viele kleinere.
Für fihif Jahre wukle das 1939 von den Deutschen
eroberte Polen ein Land, in dem die Todes-
maschinrn arbeiteten und straflos die Unmensch-
liebsten (ireuel verübt wurden, auf Befehl lene.
Mannes, der den Krieg entfesselt hatte und der
auch die Verantwortung dafür trägt, daß er von
Anfang an in so barbarischer Weise gefiihrt wurde.
Kinder im Ghetto
Wehrlose jüdische Bevölkerung an der Ghettomauer
'i
)
&:>*:
y
> *■■
*:'!«!?"^w'^''
^
**■' 1^ '#^
^
I "-;
p. -f;;
% "^^m
u- *
■:-^i^
I
...-*'
*:|:^ ;yii(t« ^*
1
•fe--tefc««fti.
:ft»-»*»S^;
"'^f.ät'
Französische Truppen im Winter 1939
■^y..
-* *. w'mBroWEt-'-''
• i^ifttttwWt ■> ^tflMtO^MWB ■ gtfiftatfi^^.
Im rückwärtigen Frontgebiet
#*^a
'»«W»''«^
^V/V^**^*^'* '
. .A^.<.^Kr^^rir4<
. -■\n.f-
Britische Journalisten hei einer Besichtigung der Stelhmgen an der deutsch-alliierten Front
in den ersten Monaten der Drulc de guerre
Premierminister Chnmherlain (Mitte), hegleitet vom Chef des hriti.schen Expeditionskorps,
Lord Gort (links), hei einer Inspektionsfahrt nach Frankreich
\
)
txuppin f)äbin fofort hjiebet einautücfcn.
8. Stellung bct ?Pf€tbe unb SD^uIttete. <— ÄÜe
©emctnbcn f)dben bic Stellung bon ^Jfctbcn unb
3JlöuIttcten gcmä^ ben JBcfttmmnngen beS ^fctbeftel-
Iung§b€fef)I8 au§3ufüf)t€n. ©omett bic 3ctt tetc^t,
füt)ten bie Oemcinben bie SSonnuftcrung butd^ unb
ia||en baS Scfc^Idg in Dtbnung bringen,
4. Stellung bcr JDlototfaFitaeugc:
a) Sine !Dlotorfa5t3eufle (^pcrfonenrtJögen, J?afl«
hJögen, Jtraftoten, 3lnF)dngct, SJlotortübcr ufw.),
beten {JafiraeugauSmciS mit einem njci^en Slufgebot-
^ettcl betfe^en n?utben, ftnb gcmä^ bcn Seftimmun-
gen bicfeS 3cttel 3U ftcüen;
b) oHc JDlototfa^tacuge, beten {yöfit^eunöuShJCtS
mit einem grünen Stufgcbot^ettel bcrfcl^cn finb, ftnb
gemä^ bem bcm {Jaf)r3eugf)alt€r augefjcnben S^^ttel
3u fteUcn.
XL
STCfgemelnt SefHmmtmgem
1. 2)utd^ btefen Sefd^Iu^ öuffjebotene Offi^tete,
l!ntcroffi3ierc unb Solbaten, bic ftd^ in Äaberfdf)ulen,
Äabcrfutfen unb 9^eftutenfc^ulcn bcfinben, fmb fofort
3u entlaffen; [xe fyiben [\ä) gemä^ ben Seftimmunnen
beS aJlobtlmacf)ung§3etteI§ im 2)ienftbüd^rein auf bcn
Äor^jsfammclpla^ i^tc§ <Biabt^ otci if)rer (iinf)eit 3U
begeben.
2. a) 3>a§ eibgenöfftfc^c 37lilitarbej?öttement, bic
fantonalen 5JltIitärbcf)örbcn, bie Äommönbönten bcr
Stabe, Xru^^cnförpcr unb (5inl)citcn, bic Common-
bauten b^t Sdjulen unb .Rurjc, bic ^pia^fommanban«
tcn, bic ^Pferbcfteüungsoffiaierc unb bic aHotorfalir«
^eug'StcQungSoffi^icrc führen bie ÜJlobilmad^ung ge«
mäft bcn Seftimmungen bet ^rtcg«mobilmacf)ung3.
borfd^rift 1938 unb ben bcfonbcrn Söcifungcn bcr ©e«
ncralftab§abtcilung burd^.
b) S)ic öbetaä^rigen bicnfttaugltd^n !pfcrbc unb
ÜJlauItiere ftnb i^ren Sefi^ern aurücf angeben; fic
bleiben auf !pifctt gcftcOt.
IIT.
Ärtcg§betrieb bcr Jrana^ortanftalten:
2)er ^ricgsbetrieb bcr (Sifenbaljnen unb önbern
öffentlichen Xransportanftaltcn beginnt mit bem crften
3}tobiImacf|ungstag 00.01 Uf)t.
IV..
^ifcttftcHung.
(f§ n"l> fl"! ^ifs^t gcfteHt:
a) nllc nicf)t bereits aufgebotenen ^ilfsbienftpfti^»
tigen;
b) aüc nid^t bon bcr ?trmcc tn !^icnft genomme-
nen ifcrbc, 3}laultierc, Jörieftaubcn unb i^ricgöf)unbc;
c) aUe nid^t bon bet ^Irmec in SDienft genomme-
nen 0^ut)rrt)erfc, Harren, 3Jlotorfaf)r3eugc aOct Slrt
unb £uftfat)r3cuge.
V.
23crbot bon 2}crniif{cruitg unb ?tu§fur)r:
3cbc iicräuöcrung unb ^fu^furir bon ^fcrben,
SJlauUiercn, 93ric{tauben, Äricgö^unben, SDlütorfafjr.
Ttuxijcta/i ,^» TjT |£7 4üeu vun iöiuiiu ji
2)on acf)t Uf)r an rücftcn bic Kolonnen
fcßtt-
gut
er-
unb S.A. Unter ben ßinben unb tnJ^t"
F)clmftragc an, um baS ©palter gu biuoen,
fid^ bon bet 9^eidf)§fön3lct lüdfenfol bi§
ÄroHoper, bem 5togung§ort bc§ Dieid)8tag<
ftredfte. ^er ©tra^enaug Unter tm ßinbcn
feilten be'mal)e beröbet, n?ett bic O^a^rjeugc nid)t
girfulicren burften unb ^u^gänger nur j^ätlid)
gu feigen tvaxen, 23iellctrf)t be§f)alb, »eil bic
3lad)xid)t bon ber ©inbcrufunö beS
9lctd^§tag§ nod^ fnnm bcfannt tüör, fom-
mcttc fidf) auf bcm ßinfaf)rt§tt)cg be§ 9^eid^§tanj-
lerd in ber ©egenb be§ Sranbenburgcr %ox^
nur eine bünnc cRci^c bon 3iifd}«"ern. (ginigc
^cifaüSfunbgcbungen hJaren gu l)örcn, nl§
^itlcr in felbgraucr Uniform, bic
er gum erftcnmal feit 1938 tragt, in einem ?lu-
tomobil borbeifu^r. SJlc^rcrc mit ©encrälen,
Slbjubantcn unb anbcrn Cfftgicren gcfüHtc
Söagcn folgten. 3(n großer ^ö'tjt frciftc unter-
bßffen eine giuggcugftaffcl.
S)ie Söcrfammfung in ber Ä r 0 Ho b et bot
ba^ gen:)of)ntc SBilb, nur bafi bie§mal betfd^icbene
Surfen in ben Dieilicn bcr ^ilbgcorbnctcn flafften.
Ritter njurbe f)ier bon feinen ^^jarteifreunben mit
einer braufenbcn Cbation empfangen, bic fid)
im ßaufc feiner 3vebe mcf)rmal§ n)ieberl)oltc. ?(uf
ber ßftrabc f)tnter bcn 9}Zinifterbdnfcn l)atten
fid^ u. a. bic (Scncralc Zettel, 23raud^itfd), TIM)
unb ©rofeabmirat 9?aebcr cingefunben. ^n ber
S^iplomatenlogc njaren bic brttifrf)C unb bic
frangöfif(^e Sotfd^aft übert)aupt nidjt bcrtretcn;
bcr ttalienifdic unb bcr iapantfdjc Sot[d)aftct
tooF)ntett öer 8i^ung bei.
5ru§ bcr mcid^§trtg§rcbc ^ttlcrS f\r\h bie fol-
gcnben q3unfte öon cntfd)Ctbcnbcr Sebcutung
Ijcrbor3ui)eben:
1. S)a§ SBcftrebcn nad) bcrSofaltftcrung
bc§ b c u t f d^ - p 0 I n i f d) c n Ä r t c g ä. ^itler
forbcrtc O^ranfrcic^ unb önglnnb gu einem 2:c^-
intcrcfjement an bcm in Cjtcuropa entbrannten
stampfe auf. ;;\m gteidjen ^ufammenl^ang teilte
er mit, ba^ ;3 t a li c n im beutfd^=polnifd]cn
Kriege neutral bleibe. 3:cr (Sntfd)Iu| 2)eutfd)«
lanb§ gur 31 c f p e f t i c r u n g bcr t r a b i t i 0-
nell neutralen Staaten murbc in bcr
Uicbe nod)maI§ fetcrtid) befräftigt.
2. X\e {^rcunbfdiaft unb 3ufammenatbcit
mit g^u^lanb toirb gu einem edpfeilcr bcr
beutfdjen ^Jhi^cnpolitif gemacht.
3. ®ie ffragc bc§ innern ?Rcgtmc§ in
^ 0 l c n ift bom beut]d)pn 8taat§obcrr)aupt
fd)on mcnige Stunben nadj ^ricg§au§brud) gc»
ftcllt n^orbcn. 5)ic I)eutige 2[öarfd)auer JHcciie«
rung mirb atS ^Partner für einen ^vicbcn§idilu^
unter bcn bon 5}eut[d)lanb fi'ftgcict?ton ilk^bni^
nungcn angenommen. :,Vu ill^cigciunggfoll brol)t
2)cutjc^lanb mit bcr 8dja[[ung ^ciner anbcrn
g 1 1' fuj
Idjcn ©taat§fül)rung tft baburd) geregelt mor-
ben, ba^ ® ö r i n g in bcr ©ufgcffion an crfter,
Stubolf C) * ^ an gmcitcr Stelle ftcllt, unb an
britter Stelle ba% 2Bat)Ired)t an einen ad hoc
3U bilbcnbcn Senat übergcl)t.
(a5en Serid^t über bte DRcbc ^tttcrS ^mbet bcr
Ccfcr ouf bet anjciten Seite.)
©ie erften wWUSdfc^cn
£)|)eta<ionen
JSam^fe in (en ®tcn)ge&!e<en
Söötff^öu, 1. Scph ag OffiäicH toirb über
ßonbon mitgeteilt:
S^ie SDcutfc^cn begannen mit bem ^Tngriff
gegen Stobte be§ polnif djcn Äorri»
borg. $Die S)cutfdjcn griffen oud^ Obct-
f d^ I e f i c n an,
2Bötfcf»ou, 1. Sept. (2cr. bet „tinitcb ^Ptcg^O
^Tmtttd) mirb mitgeteilt, ba^ bnii\d]e O^Iicger bie
93a]^nftation ß^gcm unb bic gcgcnüberlicgcnbc
Stabt Sf^pbniE fomie bk nat^clicgenbc Stabt
^hicg mit 99 0 m b c n belegt haben. Hin-
fdjcincnb finbcn, mic in militärifdjcn Greifen
erftärt mirb, in bcn ©rcnggcbieten bc*
reit§ kämpfe \iatt.
6§ f)ei^t, ba^ bic Söcfterpfattc f)d 2)angig,
too fid) ba^ polnifd^c 5Tlunition9bepot bcfinbct,
Signale au§fenbc, au^ bcncn Ijcrborgcrje, * ba^
ein Eingriff bcborftcF)e. S^ic§ fann jcboc^ gur-
geit nic^t beftätigt mcrbcn.
Cufiangriffc
SBötf^öu, 1. Sept. (XcT. bet „Unitcb ^tcß")
.^eutc morgen um 4 Ut)r 30 mürben an fünf ber-
fdjicbenen fünften ^^ofenS flcincrc
b eut\ci)e Sombcngefdjmabcr gcfid}tet,
bic 23ombcn ab^oarfcn. Xie ^inmen ber betrof=
fencn Crtfc^aftcn finb nodj nidjt bcfannt, ebcn=
fomenig ob Sd^abcn angcridjtet miirbc.
Xn erfte f^licgcralarm in 2fÖarfd)au
begann um 8 Uf)r 45. 2^ie S3oIf§mcngc ouf bcn
Strafen flüdjtetc fofort in bie !ßn^nd)i^tcllev.
29äf)renb id) bom ^cnftcr meinet A3otcI§ im
im erften Stocf über bcn großen ^^ilfitbffiplat?
fd)aue, an bem ba^ '?rii§märtigc ?(mt unb bai
(Äcbäube bc-S polnifd)cn Gcncralftab§ liegen,
fann id) gat)rrctd)c ;53auernfamiricn fcljcn, bie
ir)rc Darren unb SBagcn im Stid; laffcn, um fid)
in irgcnbcincm nahe liegcnben Coobanbe in
Sid)erl)eit gu bringen. Xic Sirenen bcljcrrfd^en
icbe§ anbere ©eräufd) in ber Stabt.
5Dlan f)attc I)ier marirfdieinlid) gc!)offt, ba^
bie nicbrig F)ängenben 2BoIfcn unb bcr bünnc
3^cgcn bic beutfd)en fVIieger aufhalten mürben.
Um 9 Ut)r begannen f)cftige ^Detonationen
aufjerr)alb bcr Stabt, bie oifenfid)tlid) gum
gvü&tcn 2^ci( auf bie 'iJtbiüeOraftion bcr O^licger»
abmcr)vtrnppcn gurücf^ufüliicn marcn. ÜJiög»
IidE)crmei(e [inb aber audj ciniflc ^iöombcn fleJaUcn.
§immel, obmof)! bic niebcr l)ängenbert SCÖpUen
bie Sidjt bef(^ränfen. S)ic Strafen fclbct ftnb
faft böEig bcriaffen. ^nx ^ie unb ba ftej^t man
ein 5luto irgenbciner 93pr)örbe. §lllmäf)lic^ lä&t
bcr Särm ber Sirenen nac^. 3)er SRegen fäHt nad^
mic bor. (?inc ^Imbulang raft über ben ^la^,
fonft ift bcr Scrfebr böttig eingeftellt; 2;rom-
magcn unb ^^(iitobnffe ftet)en bcriaffen ba, Uebcr
ben 2:ÖoIfcn l)ört man ic|?t ba^ leifc Summen bet
polnifd)en .Kampfflieger. Um 9 üt}x 40 ertönte
ba^ S d) l u ^ f i g n a l ber Sirenen. Sof^Hofc
3Jtenfd)cn taud)ten au^ .Rellcrrt unb Käufern
mieber auf. Xie Btxa^e belebt fid^ im Stugcnblicf,
ba^ täglidjc 2eben beginnt mieber.
SBötfc^ou, 1. ^ept (2cr. bet „Unitcb ^teg'O
(?§ mirb gcmclbet, ba^ bcutfdic f}lng3euge ben
polnifdjcn (^Ingljafen bon ß a 1 1 0 m i | be*
fd)offcn unb brei 23omben auf ©bin gen ab»
gemorfen r)aben, bie in§ 5Jleer fielen. STud) -R r a -
tau tourbe befd)offen. 3)cr Umfang be§ S"d^abcn§
ift nod) nid)t bcfannt. 3n 2Darfc^au l)at man ben
(finbrucf, ba^ bic 5?uftangriffe bcr]^ättni§mo^ig
lcid)tcr %xt unb bielleidit in crfter 2inie barauf
bercd}net maren, einen ömbrucf auf bie polnifd;c
i^cböUerung gu machen.
®cr 2Infd^Iu§ ©anstg^
2^eXc^vamm ^ov^ttvd an Eitler
!5angtg, 1. Sept. ag (^5^99) ©auleitcr B'orfter
r)at bcm bcutfd)cn JJlcidjsfangler jolgenbe§ Tele-
gramm gcfanbt:
^^sd) l}abe focben folgcnbci StaötS-
g r u n b g c f e I?, bie 31Mcberpercinigung J'an^igS
mit bem Teutfd)en 9Reid) bctreffcnb, untergeic^net
unb bamit in Ä^raft gefegt:
StcQt^orunbgcfe^ bcr ^Treten Stnbt S^ongig. 3*^^
S3c[ic&ung bcr bringcnben iT^ot )?Dn 93oI£ unb Staat
erlaffc icij foIgcnbcS Staat'3c]runbgcfe^:
?(rt. 1. 3)ic Söerfnffimg bcr fiFrcicn Stnbt Jran;^ig
ift mit fofrrtigcr SBirfiing aufgcboben. ?lTt. 2. 3tÜc
(5)cfcfic>3gcJ0fi[t iinb boll^iclicnbc @cmalt h)trö ou*»
fdjlic^lidj bom 2taat3obcrf}rtupt auegcübt. ?lrt. 3, 3>ic
[yreic Stabt 2)an3tg bilbct mit fofortigct Söirfung
mit if)rcm (5iclnct unb itjtem i^off einen Srftanbtcil
bc^j 5rcutfd)cn 3fictd)c-^. ?lrt. 4. 3?i5 3ur cnbgültigcn
aBcftimmiing über bic ®in|rif)rung bes bcutjd)fn 3Rci^i«
rccijt'i bleiben bic gcfamtcn ®cfrt>c§bcftimmnngcn au§
ber IDcrfaffnng, roic fic im ?lnQcnbIirf be^* ijrlaffeS
biefe«! Stnat^ii^i'J'f^gcfpi^cS galten," in Äraft. — JJanjig,
1. September 1939. ge^. Jorfter, (Snuleiter.
^d) bitte Sic im ??anicn STan.^ig? unb feiner 9?e»
bölfcrung, bicfcm etaat^grunbgcfcii^hre 3ufiimmung
3u ^cbcn unb burd) ))?ciciiogc]et? bie aBtcbercinglicbc-
rung in ha^ ^eutfdje 3ietd) 311 boIl3ic{)cu.''
^roffamcitfon
ölt b!c ^cnölfcrung :Sana{0$
©aurciter »"^ 0 r ft e r bat an bie Scüölferung
bon 2)an3ig folgcnbe ^Proflamation erlaffen:
^ÜTulnner unb ^rnnen nrn Tan^ig? Tic (ctunbe,
bic it)r feit 20 ^nt)rcn erirljnt babt, ift nun nngc»-
broj^cn. S^an^ig i/t mit bem be"tiflcn 2ojc tjcim»
Faksimüe-Wiedcrgahe der ersten Seite des Ahendblattcs der «Neuen Zürcher Zeitung» vom Tag des Kriegsausbruches
^
f
Der neugewählte General grüßt die Bevölkerung heim VerUssen des Bundeshauses.
^^^^■■■',■-t^,.*'■>>>;,^l
V. S. Am 30. August 1939 wählte die Vereinigte
Bundesversammlung den Kommandanten des
I.Armeekorps, Henri Guisan, zum General. Wären
nicht von den 229 Stimmen deren 21 dem Oberst-
korpskomraandantcn Borel zugewandt worden,
hätte man von einer einstimmigen Wahl sprechen
können. Aber auch so war der Entscheid des Parla-
ments eine einzigartige Kundgebung der Vertrauens.
Sobald der General vor die Truppe trat, sobald
er mit dem Schweizervolk in Berührung kam —-
und er suchte die Begegnung vom Tage seiner
AVahl an — , gewann er überall das gleiche un-
bedingte Vertrauen. Die schlichte und zugleich
stolze Persönlichkeit dieses, Waadtländers, der die
besten Eigenschaften der bäuerlichen und bürger-
lichen Traditionen dieses von uralter Kultur ge-
prägten Landes verkörperte, gewann die Herzen
aller Schweizer, ob sie französischer, deutscher,
italienischer oder romanischer Zunge waren. Gene-
ral Guisan blieb bis zu seinem Rücktritt das Sym-
bol sowohl der Einheit von Volk und Armee wie
der Einigkeit des Volkes.
Obwohl in den dem Kriegsausbruch vorher-
gehenden fünf Jahren viel für die Verbesserung
der militärischen Bereitschaft getan worden war —
unvergessen ist das großartige Plebiszit der Wehr-
onleihe von 1936 — , war es zu wenig und zu spat
gewesen. Der General trat an die Spitze emer
Armee ohne jede moderne Artillerie, ohne Panzer,
ohne Vorbereitung zum Bau von Feldbefestigun-
gen, ohne nennenswerte Fliegerabwehr, ohne Ope-
rationspläne, ohne genügende Munitionsreserven.
Ihre Stärke bestand in einer zahlreichen, gut be-
waffneten Infanterie und in dem Geist der Hm-
gebung, der Offiziere und Mannschaften aller
Truppengattungen erfüllte. Vieles war nachzu-
holen. Unter der begeisternden Führung des Gene-
rals wurden die Lücken der Ausbildung geschlos-
sen. Eine realistische Vorstellung des Krieges, wie
er wirklich ist, wurde Führern und Geführten ver-
mittelt. Die körperliche Leistungsfähigkeit, der
Kampfgeist wurden gefördert. Mit Energie wurde
die Befestigung der Grenzen und einer Armee-
stellung im Innern des Landes an die Hand ge-
nommen. Es kamen Geschütze, neue Flugzeuge und
— nach einigen Anfangsschwierigkeiten — Tau-
sende von Tonnen Munition zur Truppe. Es war
diesem entschlossenen Willen, alles zu tun, um die
Armee in höchste Kampfbereitschaft zu versetzen,
zu verdanken, daß die Monate der Drole de guerre,
die anderen Armeen zum Verhängnis ^^'urden, im
schweizerischen Heer keine Spuren hinterließen.
Als die Verwicklung in den Weltkrieg fast
unvermeidlich schien, berief am 26. März 1940 der
General anstelle von Oberstkorpskommandant Lab-
hardt den bisherigen Unterstabschef Jakol) Huber
als Generalstabschef an seine Seite. Dieser ver-
wirklichte die vom General geplante und vom
Bundesrat gutgeheißene Zentralstellung in den
Alpen, das Reduit, eine strategische Konzeption,
der die Schweiz wahrscheinlich verdankt, daß sie
nicht schließlich in den Krieg gerissen wurde. Un-
vergessen ist, wie General Guisan am 25. Juli 1940
in seinem Rapport auf dem Rütli, wenige Wochen
nach der vollständigen Einschließung der Schweiz
durch die Achsenmächte, seinen Tnippenführem
bis hinunter zum Bataillons- und Abteilungskom-
mandanten die neue Parole ausgab: «Wille zum
Widerstand gegen jeden Angriff von außen und
gegen die verschiedenen Gefahren im Innern, wie
Erschlaffung und Defaitismus, Vertrauen in die
Kraft dieses Widerstandes.»
In den folgenden fünf Jahren, in denen sich
die Lage des Landes oft gefährlich zuzuspitzen
schien, verstand es der General, im Sinne dieses
Leitsatzes die Wehrbereitschaft von Land und
Armee nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern zu
steigern. Schwere Stimmungsschwankungen blieben
zwar nicht aus, aber sie wurden überwunden. Nie
beanspruchte der General die ihm durch die Ver-
fassung zuerkannten Volhnachten in ihrem ganzen
Umfang, lieber die Frage des Aufgebots von
Truppen in kritischen Lagen entstand denn auch
ein Konflikt mit dem Bundesrat, der sich wieder-
holt weigerte, die vom General als nötig betrachte-
ien Truppenaufgebote vorzunehmen. Unbegreiflich
erscheint es uns heute, daß der Bundesrat es vom
l\Iai 1941 bis Juni 1945 nie für nötig fand, den
General zu einer Besprechung einzuladen.
Am 19. August 1945 nahm General Guisan vor
dem Bundeshaus in Bern, am gleichen Ort, wo ihm
am 30. August 1939 das Volk nach seiner Wahl
zugejubelt hatte, in Gegenwart aller Fahnen von
der Armee Abschied. Seine Schlußworte waren:
«Euer General tritt zurück ins Glied; doch die
Armee bleibt in Bereitschaft. Gott behüte euch,
erhabene Banner! Ich übergebe euch heute unver-
sehrt den Behörden des Landes. Von denen aber,
die während dieser sechs Jahre hinter mir standen,
erwarte ich, daß sie euch auch in der Zukunft
unerschütterlich dienen, mit immer neuem Mut und
mit immer neuer Kraft!»
^(üM&cn ^onflagration aiiöiüeiten.
güc imfer ßanb ift ber ^luGeublicf gefom=
meu roo P«^ IRcQierunG unb ^Irmeefül)»
ruilg ni(f)t mef)r mit einer erften üorforglidicn
g}^a^na^me tüte bem ^lufgcbot bcr Gorenjfd)!!!^
trappen begnügen fönnen, um bie bcmaffncte
9fieutralttät' bcr ©d^meiaer i\\ bofumentieren,
fonbern tro e§ gilt, ha% ganje @emtd)t ber
|d)met5ertfd)cn SBel)rfraft für bcn (Sd)ufe be§
acfamten (Staatsgebietes ber ©ibgenoffen-
itl)aft ein=iufet?en. 3« ^i^f«^^ (grfenntniS fiat
bcr ^öunbeSrat am grettagmorgen bte 9Jl o b i l »
m a d) u n g ber ganzen fd)tüei3erifd)en ^ r m e e
befdjtoflen. llnferc 2Sel)rmänner I)aben auf ben
Ühif gemartct; fie finb bereit, bie 5}iobtlmad)ung
ift im ®ange, unb nod) biefe 91ad)t, morgen unb
übermorgen merben Saufenbe unb 5lbertau«
fcnbe bon ©olbaten ju ber ^a\)x\t eilen, unb
taiifenbfad) mtrb fi^ im i£d)mei3erl)au§ gu
etabt unb Sanb bie ©ebärbe mieberfiolen, bie
bor (Sd^öpfer be§ 5[Jlal)nmal§ „aöelirmtne" in
unferer ßanbe§au§fteaung unbergepd) unb er=
grctfenb feftgel)alten \)at 3)ie f d) m e i 3 e r i f d) e
C^^ r c n 3 m a d& t tütrb bamtt in ber umfaffenb=
[ten Sebeutung beS 2Cßorte§ gur üatfadje; ein
ganjeS 33orf in SBaffen ftel)t bereit, um bie Un=
bcrle^ltd)fett feiner ©renken gegen jebcn @tn=
bringling, mof)er er auc^ fommen möge, ju
Armeebefehl von General Guisan
General Guisan hat am 2. September 1939 folgen-
den Armeebefehl an die Offiziere, Unteroffiziere und
Soldaten der schweizerischen Armee gerichtet:
«Die Bundesversammlung hat mir den Ober-
befehl über die Armee anvertraut. Ich bin mir
meiner schMcren Verantwortlichkeit bewußt, aber
ich übernehme sie mit Vertrauen und Stolz, Aveil
ich den Geist kenne, der die Armee belebt. Ich
unfere 5)Zad)barftaaten I)aben in ber mran%f\ä)i
be§ gegenmärtigen ßonftiftS ober nöd^ ber
Ueberreid)ung ber ft^raetjerifc^en 9fleutrarttät§-
erflärung burc^ bcn 2?unbeSrat bie SSerftdie-
rung erneuert, ta^ fie bie S^eutralität unb Un-
berle^Iidifeit ber Sdimei^ refpeftieren merbcn.
Xie Iet?te biefcr ©rflärungen, bie ber franjö-
fifd)e ^lu^enminifter Sonnet unferm ©efanbten
in i^ari'o abgegeben I)at, fam jur 3ett, um eine
ftörenbe (^)erü(^temad)eret über bie Haltung un=
fercs mcftlidien ^ad)bat^ im ßeime ^u erfticfen.
Xie fdiipcijerifdje ^fleutralität ift garan-
tiert burd) unfern eigenen aBiften unb burdi
unfere eigene »ereitfd)aft unb 5äf)igfeit jur
35crteibtgung biefer D^eutralität mit ber SBaffe.
3)e§I)aIb finb unfere ®ren3fd)ut?truppen fett
bem 3)ienötag aufgeboten: beSbalb mirb mor=i
gen unb übermorgen bte ganje fd)meiaerifd)e
krmce auf ©ren^madit ftef)en. 2)a^
;Sd)mei5crooIf begleitet feine eöl)ne unb SBrüber
mit gmpfinbungen, bereu brennenbe ^nnigfcit
2öorte ntd)t aus^ubrüdcn oermögen. 2)ie SD^obil-
mad)ung ber Sdimci^, bte totale imobilmat^ung
ber 3öefir, be§ SöillenS uub be§ (Seifte§, ift im
©ange. Sin aSiermiUiouenootf ftef)t auf ©reng»
madjt uitb liarrt gefaxt m\t> entfd)loffen bcr
^^rüfungcn biefer bunfeln, blutigen, morbenben
Seit.
Duser im Uoroenllatt der <Neuen Zürcher Zeitung^ vom 2. Septemher 1959 erschienene Leitartikel stammt aus
^ der Feder von Chefredaktor Willy Breischer.
weiß, daß in dieser ernsten Stunde jeder von euch
bereit ist und auf dem ihm angewiesenen Posten
seine Pflicht tun wird.»
Der Wortlaut
der schweizerischen Neutralitätserklärung
Die vom Bundesrat am 2. September 1939 er-
lassene Neutralitätserklärung hat folgenden Wort-
laut:
«Die internationale Spannung, welche die
Schweizerische Eidgenossenschaft zur Ergreifung
militärischer Maßnahmen genötigt hat, gibt ihr
neuen Anlaß, den unerschütterlichen Willen kund-
zutun, von den Grundsätzen der Neutralität, die
seit Jahrhunderten ihrer Politik als Richtschnur
dienen, in keiner Weise abzuweichen, indem diese
Gnmdsätze den Bestrebungen des Schweizervolkes,
seinen staatsrechtlichen Verhältnissen sowie seiner
Stellung gegenüber anderen Staaten entsprechen
und ihm deshalb besonders teuer sind.
■ Einem von der Bundesversammlung erteilten
Auftrage nachkommend, erklärt der Bundesrat
ausdrücklich, daß die Schweizerische Eidgenossen-
schaft mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln
die Unverletzlichkeit ihres Gebietes und die Neu-
tralität, welche durch die Verträge von 1815 und
die sie ergänzenden Abmachungen als im wahren
Interesse der gesamten europäischen Politik lie-
gend angesehen -s^^irde, aufrechterhalten und
wahren werde.
Die Eidgenossenschaft wird, wie sie es bereits
in den letzten Kriegen getan hat, ihre Ehre darein
setzen, den Werken der Menschlichkeit, welche all-
seitig die infolge eines Konfliktes entstehenden
Leiden zu mildem beabsichtigen, jede Förderung
angedeihen lassen.
Indem sich der Bundesrat auf die wiederholten,
feierlich gegebenen Zusicherungen stützt, gibt
er der Ueberzeugung Ausdruck, daß die bevor-
stehende Erklänmg als gewissenhafte Bekräfti-
gung von Umständen, wie sie sich zwangsläufig
für die Schweizerische Eidgenossenschaft aus den
sie berührenden internationalen Verträgen imd
Abmachungen ergeben, betrachtet wird.»
I
M
"'.sV.
^:.*'
.::;>■;
*^ - ,
.' '■'"
< •> s.'
^;iv-
•"-
^«xy'-y-^
rV.Ar"
«**•
h
4^-''
ft
J-?i
^^^
n.
■*
i-'.r5«>:|>«iK. ,
Kl^Ä '"**-
■i€>mm^&^^^v- ^i
Tenen TagTa die \Mitrmlleure in Erinnerung, hatten
diese doch seit Jahren bereits einen scharten
Waffendrill gepflegt und waren sie dazu mit ihren
schwereren WalTen auch physisch besser tTainiert
als die Füsiliere, so daß sie im Oktober 3939 mit
berechtigtem Stolz singen konnten:
«Gage Tageiswange hi
Sind d' Mitraillcure SicM-hc gsi —
'S halb Regiment ischt fascht umghcit,
Yo eus häts au niid eine gleit.»
Das Vorhalten und der Kampf unserer Infan-
terie des Jahres 1939 gcfjcn Flieger und Panzer
steckte noch in den Av fangen, wurde doch erst in
den Wiederholungskursen des Jahres zuvor aut
ein systematisches Ausnützen der Fliegerdeckungen
bei jeder Bewegung gedrängt und mit dem
InfanteriekampC al)seit.s der Hauptstraßen Ernst
rremacht Wa.s in den Jahren vorher an Manövern
durchgetiihrt worden war, hatte schon dannzumal
weit eher bei innerschweizerischen Bürgerkriegen
denkbare Episoden zum Gegenstand als die sich
beim Kampf gegen einen mit Fliegern und Panzern
wohlgorüstetcn Angreifer stellenden Autgaben
Dabei war bei uns bereits damals das vorab auf
deutscher Seife zu erwartende Kampfverfahren
durchaus bekannt, enthielt etwa ein Dokument
«Die Streitkräfte unserer Nachbarstaaten» eine
kannt^Jeinc Äxi,. recht spontan ein- und ^lurcli-
zugrcifen, wo es um Dinge der militärischen Ord-
nung ging, wußte voa seiner genauen Kenntnis
auch der kleinen und kleinsten Dinge, welche im
Kampf so oft die entscheidenden werden können.
So hat Obcrstdivisionär Constam in jenen Mona-
ten nicht bloß für die erste Etappc des Aktiv-
dienstes, sondern auf Jahre hinaus der 6. Division
den Stempel seiner Einsicht in das Wesen und die
Fordeningen des Krieges aufgedrückt. Seine tem-
peramentvolle, entschiedene Persönlichkeit ertullt
noch heute in aller Frische viele unserer Erinne-
rungen an die Zeit vor 25 Jahren, wie eben in
diesen Tagen der Rückschau manches Gespräch
unter Soldaten sehr bald um den Divisionskomman-
danten kreisen wird, unter dessen Kommando wir
Zürcher einst zum Aktivdienst eingerückt sind.
Oberstdivisionär Constam wußte aber ni<'ht nur
davon, wie sich der bevorstehende Krieg aller
Erwartung nach abspielen werde und was dann
von uns allenfalls zu leisten wäre; er wußte
ebenso genau und ließ sich darüber nichts vor-
machen, wjis uns dazu noch iehlte. Demgeniaß
vv-urde unmittelbar nach der Mobilmachung den
bestehenden I^längeln und Lücken entschieden zu
Leibe gerückt. Die volle Beherrschung der Waßen
und der Gefechtstechnik wie die Hebung der kör-
perlichen Leistungsfäh igkeit, insbesondere der
Oberstdivisionär Constam, Konnnandant der 6. ^^'r'^" ^
konimanfinnt (o. Annechorps).
V 1038 bis Ende 1943, danach Oberstkorps-
'7A\ SMIfl - --- --.:■
ihnenj zugleich den Ansporn gegeben, ihr Können
weiter zu Verbessern und zu vertiefen.
( N *
Nie konntfe und durfte sich jedoch der Einheits-
kommandant nach vollendeter Mobilmachung auf
die Ausbildung seiner 'Kompagnie, deren Führung
in den Uebungen im hohem Verband und darnach
auf ihre Organisation für die Arbeiten zur
Geländeverstärkung beschränken. Gewiß war m
jenen Wochen und Monaten von geistiger Be-
treuung, von Aussprachen mit der Einheit und
well politischer Aut^klärung kaum die Rede. Den
(iKtrn Geist in seiner Kompagnie schaffen und
diesen auch in heikein Lagen — so etwa, wenn ein
Urlaub abgesagt werden mußte — erhalten, war
jedoch schon damals, ohne darüi)er viel W^irte zu
Verlieren, die entscheidende Obliegenheit des Ein-
heit >kommandanten. Wir empfanden sie als ebenso
wichtig wie selbstverständlich, machten davon
aber kein Aufhebens, sondern taten auch hierin
nichis anderes, als wa.s wir von jeher als die
besondere Verpflichtung und den einzigartigen
Aufiiag des Chefs einer Kompagnie betrachtet
hatten. Noch stand das Hauptverlesen als «Höhe-
punkt das Tages» in seinem vollen Glänze. Hier
wurde inspiziert, wurde gelobt und ausgezeichnet,
getadelt und zurechtgewiesen; hier wurden die
Tagesbefehle des Generals verlesen, dazu auch die
seltenen, dafür aber um so eindrücklicheren des
Divisionskommandanten. Nicht im Gespräch und
mit Vorträgen wurde in jener Zeit vom Kom-
pagniekommandanten da-s Vertrauen seiner Ein-
heit erworben, sondern es beruhte dieses auf der
Gewiliheit einas jeden, daß sein Hauptmann
immer und überall gerade und gerecht urteilen
und handeln werde, wie darauf, daß dieser an
Disziplin vorlebte und selber bewies, was er von
seinen Untergebenen verlangte. Auch wußte jeder,
es werde sein Kommandant ein Gesuch um per-
sönlichen Urlaub sicher streng, aber doch wohl-
wollend prüfen, er werde ihm bei materieller Not
oder bei Schwierigkeiten mit dem Arbeitgeber em
guter Anwalt sein, aber selbst bei einem Ver-
schulden sich auch die «bekannten Umstiinde>>,
welche dazu geführt hätten, anliören, bevor er die
Strafe verfüge. Im übrigen lehrte eigene Er-
fahrung die Truppe sehr bald, daß sich auf die
Dauer in einer Kompagnie, in der Ordnung
herrscht, weit basser leben läßt als in «unklaren
Verhiiltnissen», weil allein Ordnung auf allen
Stufen, zwischen den Kameraden und vom Unter-
gebenen zum Vorgesetzten, jene echte innere Vcr-^
bundenheit einer FAnheit erschaffen kann, aut
welche es jetzt so sehr ankam. Zu alledem gab da.s
damalioe Dienstreglement die gute Anleitung.
Seine Gnmdsätze bewährten sich auch im nun-
mehr nach Monaten und nicht mehr bloß nach
Tagen zählenden Dienst, was zu Ende das Aktiv-
diensles «oiTiziell» festzustellen merkwürdiger-
weise niemand für nötig fand. Daneben setzte
allerdings sehr bald jene Flut von Papieren aller
Art, Keglementen, Formularen, Informationen und
Tnvenlitren ein, die seither bis auf den heutigen
Tag uuht mehr abklingen will. Immerhin waren
i)er l>unüesfäl~serzr^aie~l nstrui
Genemi fest und wählt Oberstkorpskommaudanfc
T^bhardt zum Chef des Generalstabes.
Der Bundesrat teilt den ausländischen Staaten
die Neutralität der Schweiz für den Kriegsfall
mit.
Einrichtung einer Zentralstelle für Kriegswirt-
schaft beim Eidgenössischen VolksAxirtschafts-
departement.
Freitag,!. September: Der Bundesrat beschließt
die Mobilmachung der Armee.
Verschärfung der Ausländerkontrolle.
Schließung der Landesausstellung in Zürich.
Samstag, 2. September: Erster Mobil raachungstag.
Die Bundesbahnen setzen den Kriegsfahrplan
in Kraft.
Der Bundesrat erläßt eine Verordnung über die
Handhabung der Neutralität.
Kriegswirtschaftliche Maßnahmen:
TTnterstellung der gesamten Warenausfuhr unter
die Bewilligungspflicht;
Preiskontrolle für sämtliche Preise inklusive
Mieten.
Einschränkung des Telephon- und Telegraphen-
vcrkchrs.
Sonntag, 3. September: Vorbereitung der Verdun-
kelung. Einstellung der Wetterprognosen.
Zehn Minuten vor der Kriegserklärung Groß-
britanniens an Deutschland steht die gesamte
Armee in ihren Operationsräumen bereit.
(IVfitteilung des Anneestabes über den Vollzug
der Mobilmachung.)
Dienstag, 5. September: Wiedereröffnung der Lan-
desausstellung in Zürich.
Freitag, 8. September: Der Bundesrat beauftragt
das Armeekornmamlo mit der Uebenvachung der
Presse und des Radios.
wir in der 6. Division olTenbar noch gut daran,
ging doch immer wieder davon die Rede, es ver-
s«-hwinde etliches Papier «von oben» direkt im
Papierkorb des Divisionskommandanten . . .
Wie der einzelne Kompagniechef seine Einheit
im Aktivdienst geführt, wie er sie auf seine Weise
ausgebildet und erzogen hat — der eine macht« es
mehr so, der andere eher anders — , das wesent-
liche Ziel war für uns alle das gleiche. Es war
noch immer «der echte Soldatengeist, der Miihsalo
gleichmütig erträgt, dem gewissenhafte Pflicht-
(•rfüUung in allen Lagen selbstverständlich ist und
dessen Willensenergie durch Hindemisse und
Gefahren nur gestählt und gekräftigt wird» —
jenes Ziel, das Ulrich Wille einst in den ۀUS'
bildnngszielew» des Jaiires 1908 gesetzt hatte und
seither auch im Dienstrcglement unserer Armee
enthaltx^n war, bis Epigonen des Schöpfers unseres
Milizheeres venueintcn, es besser zu wissen.
\f
V
l
wm^^mm
Vii^2ik^^
€m^pm^
^■-■'
im^^
Markiermig der Schu-ei.:cr Grenze in offenem Gehinde
Der Grenzsehyt- rihUl hefehlsprwäß mit MnhriaJ ans. II ur nerden Shn heldrahtrollen für
.^Indöenfiperren hereHuesUlU
Wni Ixit'ncr Sorar rrfiiHt, Idicl.rn Miiltir, I-Kimn n>'d Knnir,- ,1. ,, Mimncrn nnth,
die in eine unytuif^t>e ZtiLnnjt an'^rii(l:< n
'^
Seite 72
. , y-T
■im.:
■■^■\'J
30. Januar 1933
Die Mne fte
Vor dreißig Jaliren : Das Ende der Weimarer Republil^
und Hitlers „Machtergreifung" l
Ein Dokumentarbericht von ALBERT WUCHER
Oie Wiederwahl Hi«denbur«s .«m «^'^-«^P'^f ^'-J- f/X^^fp' '^^if dc^t'^^t^Br «
Parteien .0 -.'^;-''«-t« "if i,^"-;;^;;:*; ?nue Zedent "^n TRechtsn,*.', «,as .u BrUnin,.
PositJOT. zu starken. ''"^'"''Ot^f'^'^ZweiZrer Republik am Ende. Die jetzt folgende Ze.t fras.r,<r-
^d::;:?xpTrirnr-;7«;-!^rf.n?plTare;7aH:S,e Menrneit. n Ohne Parlament zn regiere. -
«nterorub S!/siematiseh die Fundamente der Verfassung.
Die heutige Fortsetzung beleuchtet das ^onaer^alS^^;^^^^:^j:Z:^:^:ZrUk
sträflichen Fehlgriffe der «^"«" «"""vfftn^" derweo ebne°en Weitere Einzelheiten .sou,ie die
ZZ;-:^m'S:1^ri:^r^'r:S;:^:Z P d^B^ausgabe enthalten, die zum 3«. .anuar
im Süddeutschen Verlag, München, erscheint.
Süddeutsche Zeitung Nr. 17
gebung des Reichspräsidenten sind dabei. Alles
geht gut . . . Brüning soll in den nächsten Tagen
schon fallen. Der Heidispräsident wird ihm sein
Vertrauen entziehen. Der Plan geht dahin, ein
Präsidialkabinett zu installieren; der Reichstag
wird aufgelöst, alle Zwangsgesetze (SA-Verhot)
sollen fallen . . . Beglückend das Gefühl, daß noch
kein Mensch etwas ahnt, am wenigsten Brüning
selbst." (8. Mai)
General von Schl-^iicher spielt ein gewagtes Spiel.
Schleicher, der Kanzlerstürzcr, der Kanzlermacher,
wer war er überhaupt? In Offizierskreisen nannte
man ihn den „Herrn in Filzschuhen", Groener
meinen Kardinal in politicis'-; Brüning sah in
erster Linie die „sprunghalte Beweglichkeit"; der
bayerische Ministerpräsident Held sprach von dem
.Dilettanten, der deri Ernst der Lage nicht er-
fasse und meine, Politik so aus dem Handgelenk
machen zu können". Beliebt war er wenig, ge-
fürchtet da und dort, durclischauc nirgends. Alle
sahen sie in Schleicher einen Intriganten; Fran-
'^ois-Poncet schließlich beförderte ihn zum „Mei-
ster der politischen Intrige".
Nur eines hat niemand von Schleicher behaup-
tet daß er Politiker, VollblutpoHtikei' gar, gewe-
sen wäre. Er war Generalstäbler, dem es Spaß
machte, die Karten zu mischen, die Fäden in Hän-
den zu halten, sich an .schwierigsten taktischen und
strategischen Problem(!n zu erproben. Er war em
Tausendsasa, der es riskierte, mit vielen und all-
zu vielen Bällen zu jonglieren, ein Spieler, der
hinterher, als das Kunststück mißglückte, gelas-
sen nach Hause ging, vm sich hinzusetzen und an
Groener in ungekünstelter Frivolität zu schreiben:
Die Rückkehr zur Natur ist schon etwas ganz
Herrliches, und das haben mir die ersten acht Tage
bereits klar vor Augen geführt, daß Gartenarbeit
bekömmlicher, lohnender und dankbarer ist als
Regieren oder gar Politisieren..." (Neubabels-
berg 17. April 1933). "Uad nochmals: „Man lebt
doch' hier draußen so herrlich und so abgesetzt
von den Geschehnissen" (9. April 1934).
Samstag/Sonntag, 19./20. Januar 1963
3 Kaum, daß das SA-Verbot ergangen war
forderte Hindenburg — über den Kopf
des Reichskanzlers hinweg — in emem kom-
promittierenden Brief an Groener (unter
Informierung der Presse), nun müsse aber
auch gegen links Front gemacht werden. Ge-
meint war das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold ,
die gegen die Radikalinski gegründete Freiwilligen-
Organisation zum Schutz der Republik, die sich
hauptsächlich auf die SPD stützte. Hindenburg
lieferte gleichzeitig Unterlagen mit, die aus dem
Reichswehrministerium stammten und ihm unter
Umgehung des Ministers zur Verfügung gestellt
worden waren (Unterlagen übrigens, die Groener
bekannt waren und keinesfalls gegen das Reichs-
banner sprachen). Ich übersende , Ihnen anbei das
mir zugeqangene Material mit dem Ersuchen, es
mit dem gleichen Ernst zu prüfen, den ich Ihrem
Antrage entgegengebracht habe, und mir alsbald
das Ergebnis Ihrer Prüfung und einen entsprechen-
den Vorschlag vorzulegen.
Der Schlag saß. Schleichers Handschrift. Hinter
ihm stand eine Reichswehrführung, die mit ihrem
Minister nicht mehr zufrieden war. Siehe die
Ausführungen des Generals von Hammerstein auf
einer Führerreise am 21. Mai - wiedergegeben
nach Telegrammstilaufzeichnungen des Generals
Liebmann:
Groener wurde seinerzeit mit Unterstützung der
Heeresleitung Innen- und Reichswehrminister,
weil schon dpmals klar war, daß der Abbau der
militörischen Organisationen (gemeint: SA) nötig.
mlLllOriSCIiett \.^f j/u,n.i.ou,iiv^...^.v xe.-' — -- ' „ ..
N"üf"mögTich. wenn etwas andere» *« bieten. Seit
Jahren Verhandlungen mit Innenministerium we-
gen überparteilicher (Wehr-)Sportorganisation. Da
sie nicht vorwärts kamen, dafür eingesetzt, daß,
Groener Reichsinnenmvnisterium übernahm und
(den Plan) vorwärts trieb ... Groener ist von
freundlichen Leuten . . . eingewickelt worden. For-
derung der militärischen Belange kam nicht
voran ... „ . , ^ i ^
Unglückliches Verbot der SA . . . Zeitpunkt kom-
promittiert Feldmarschall, mußte als Bezahlung
nach links aussehen (wegen Wahlhilfe)! ...
Am 10. Mai versuchte der Minister seine Ent-
scheidung im Reichstag zu vertreten und das
Reichsbanner zu verteidigen. Es wurde keine gute
Aufführung.
Ich mxiß feststellen, sagte er, daß bis ziim,
Herbst 1930 die SA eine verhältnismäßig — ich
sage- verhältnismäßig - harmlose Sache war. Das
hat sich aber geändert ... und zwar ist es gar
kein Zweifel, daß das Verdienst daran einerseits
Herrn Hitler, vor allem aber dem Hauptmann
Röhm zukommt ... mehr und mehr ein absolutes
Privatheer mit allen Anzeichen einer solchen Or-
ganisation . . . Damit wurde die Gefahr für den
Staat außerordentlich groß, denn trotz aller Erklä-
rungen von Legalität, die Sie mir ja in großen
Mengen zugesandt haben, muß man immer fest-
halten: eine solche Organisation hat ihre Dynamik
in sich und kann nicht einfach bald legal, bald il-
legal erklärt werden. .
Groener traf den Nagel auf den Kopf. Die Nazis
schrien, beschimpften ihn mit Zwischenrufen;
Groener ließ sich reizen, antwortete ihnen. Er kam
aus dem Konzept. Die Rede ging im Tumult unter
Polizei mußte eingreifen. Die eigenen Kabinetts-
kollegen waren entsetzt und distanzierten sich.
Der konservative Graf Westarp war sich mit Hin-
denburg einig: Groener nicht mehr „f eiddienst-
fähig". , ^ ,
Groener kapitulierte — er behielt aber noch das
Innenministerium. Für wie lange? .,Daß an mei-
nem Sturz mit allen Mittela. gearbeitet v/ird, ist
klar." Er sah aber auch, daß der Schuß Schleichers
nicht nur ihm galt, sondern genauso und mehr
noch Brüning. „Hindenburg hat sein altes kon-
servatives Herz entded^t und wünscht sich eine
noch mehr nach rechts* orientierte Regierung . • -
Aber man hat noch keinen Kanzler ... Er (Hin-
denburg) möchte nach seiner religiösen Einstellung
auch wieder mal einen evangelischen Mann zum
Kanzler ..."
Hindenburg läßt Brüning fallen
Schleicher als der Vertreter der Reichswehr-
Interessen hatte bei Hindenburg leichtes Spiel ge-
funden. Schleichers Bedenken trafen sich mit den
Reserven, die der Reichspräsident seit langem ge-
gen Brüning stapelte.
Ausschlaggebend war dabei, sagt Theodor
Eschenburg, daß Brüning mit dem alten Herrn nicht
umzugehen verstand. „Vielfach konnte Hindenburg
Brünings Gedankengängen, die er in einer schwer
verständlichen wissenschaftlichen Terminologie
vortrug, kaum folgen. Für Hindenburg war jeder
Besuch Brünings eine große Anstrengung ... t-r
versuchte, den alten Reichspräsidenten sachlich zu
überzeugen, aber es wäre vielleicht darauf ange-
kommen, ihn persönlich zu gewinnen. Das aber
lag Brüning nicht ... Er erwartete von Hinden-
burg Verständnis für seine Pläne . . . Vertrauen
zu seiner Politik ... es fehlte ihm sowohl die
psychologische Fähigkeit, das Staatsoberhaupt
einerseits, das Volk andererseits für semr Politik
trag hat stattgefunden. Das Spiel ist aus . . . Nach
dreiviertel Stunden kam Reichskanzler Brüning
zurück und berichtete das Ergebnis sofort . . .
Offiziell wird morgen mittag um 12 Uhr die Be-
sprechung beim Reichspräsidenten fortgesetzt. In
Wirklichkeit ist aber die Trennung heute schon
vollzogen. Das Gespräch scheint sich ungefähr fol-
gendermaßen entwickelt zu haben: Zunächst be-
richtete der Reichskanzler . . . über die gesamte
politische Lage . . . Auf Einzelheiten des Vortrags
ging der alte Herr anscheinend überhaupt nicht
ein, sondern zog unvermittelt ein Blatt Papier aus
der Tasche, auf dem (anscheinend von seiner eige-
nen Hand) zwei Punkte notiert waren . . Zunächst
solle dieses Kabinett überhaupt keine Notverord-
nungen mehr vorlegen und zweitens sollte an der
personellen Zusammcnsetung dieses Kabinetts
nichts mehr geändert werden (das ging auf Groe-
vcr). Als der Reichskanzler darauf erklärte, daß
damit also ganz deutlich die von ihm für nötig ge-
hnltenen Garantien (Brüning hatte^ Garantien für
„Die zukunftsvollen Kräfte"
Aber was immer man 6chlf icher vorwerfen will,
eines stand nicht in seiiem Konzept: den Nazis
den Weg an die Macht zu ebnon. Groener, mit dem
er lange genug zusammen war, hatte das sogleidi
erkannt und - trotz des Torts, der ihm von „mei-
nem alten Freund, Schder, Wahlsohn, meiner
Hoffnung für Volk und ViUerland" (Groener brief-
lich) angetan worden war - klipp "'^d,!'^^'l,^".^;
gesprochen: „...Es sind aber nicht die Nazis
denen er zur Macht verhelfen will, er selbst
strebt zur Macht, und zwar durch Hindenburg...
(Schleicher) will jetzt nichi Reichskanzler werden,
vorläufig (der Brief Groeners an Schleicher ist am
22 Mai 1932 geschrieben) auch nidit Reichswehr-
minister . . . Für die Reichswehr ist eine neue Idee
im Werden. Man will sie aich mit ihrem Etat vom
Reichstag ganz abhängen. Schleicher sdiwebte
längst vor, mit Hilfe der Reichswehr auch ohne
den Reichstag zu regieren."'
Was Brüning nicht konntr - Schleicher traute es
sich zu: Ich werde . . . dafür sorgen, daß diejenigen
geistigen und physischen Kräfte unseres Volkcs
gestärkt werden, welche di" unentbehrliche
Grundlage der Landesverf'idwnng bilden. Oder.
Eine dauerhafte und procukUve Regierung ist
vielmehr nur möglich, wen- sU-' sich nicht gegen
die Ströme wendet, welche de Massen des VoiKes
erfüllen, sondern wenn sie es versteht, sich aus
dvn lebendigen und zukun) vollen Kräften des
Volkes einf breite Verrpuensgrundlage zu
aduijL/cn. •
Schleicher dünkte sich sci#J genug/^n Staat
aus der Sackgasse herauszifihren, sich mit den
Nazis zu arrangieren und sifdoch zu überspielen.
Als ,, graue Eminenz" hint»! den Kulissen (Chef
des Ministeramts im Reichsf'elirministerium — an
der Stelle also, wo die Rtichswehrinteressen in
Politik umgesetzt werden Ibußten) leitete er seit
geraumer Zeit das große Manöver. Nur, daß Brü-
ning — und wohl auch Groener — nicht ganz so
tanzte, wie es erwünscht gewesen wäre. Darum
mußten sie fallen und durch eine fügsamere Re-
gierung ersetzt werden, durch eine Kanzler-
Attrappe, die Schleicher in Franz von Papen ge-
funden zu haben glaubte
nationalen Konzentration" inszenierte.
Papens Kabinett der Vorleistungen
Mit großen Worten begann Papen zujegieren --
hinter sich Reichswehrminister Schleicher, der als
SnirUus rector das Kabinett zu lenken und Papen
als sprechminister" zu benützen gedachte. Regie-
^IV'ist'guf gesagt - 3etzt hieß es -rst Ve^spr^
chungen erfüllen, Vorleistungen erbringen. Gleich
fm 3' Juni beschloß das „Kabinett der nationalen
Konzentration", den Reichstag nadi Hause zu
schicken und Neuwahlen auszuschreiben. Die par-
iZfZrische Konzentration, die damals zu errei-
chen war. tilgte Papen durch einen Federstrich.
Die Auflösung des 1930 gewählten Reichstags-
erläutert Brünik „zerstörte die grundlegende
v™etzung //l'gknzen Politik der früheren
Regterung, nlmlich daß im Reichstag eine delho-
kratrscSe Mehrheit vorhanden x^äre" bis zum Ab-
Am 28. Mai — noch war Brüning im Amt, das
Zerwürfnis mit Hindenburg noch nicht eingetre-
ten — erschien Papen in Schleichers Büro.
Papen. über das Vorhaben ins Bild gesetzt: „Ich
bin auf die Übernahme einer solchen schweren Ver-
antwortung nicht vorbereitet und zweifle auch, ob
ich der richtige Mann dafür bin . . ."
Schleicher: „Aber ich habe Sie bereits dem alten
Herrn vorgeschlagen, und er wünscht sehr Ihre
Berufung."
Bei Hindenburg hatte Schleicher leichtes Spiel
gehabt: Als Qualifikation für Papen legte er
ihm — nach Meißncrs Bericht — einen Zeitungs-
artikel Papens vor, den dieser soeben im Ring, der
Zeitschrift des Deutschen Herrenklubs, veröffent-
licht hatte.
..Oft habe ich", stand hier zu lesen, „in den letz-
ten Monaten öffentlich darauf hingewiesen, daß
mir die gcvuenvvärtiS größte innrnpolitischo Auf-
fachen St
erhofften Ende der Wirt'^rhaftsktise.
Schleicher und Papen störte fas nicht daß es
.rioir mit der SPD-UnterstüV/*ing zu Ende, daß
nun ke^ne parlamentarische Grundlage mehr vor-
u Hon war Sie freuten sich ohnehin, den Reichs-
handen war. Sie irem Reichswehrführung
tag los^-^^^'^^J^"- ,?;fft Tat der Herren Zehrer,
w?r:irFn:d'S
fw^Sp der Armee, von Überwindung bisheriger
"slvL^änt^tsb^rchränkungen", von „Autoritäts-
bildung ohne Demokratie".
Wi4hrend sich Schleicher schlau genug dünkte die
Wahrena sicn ou^^^, schrieb Goebbels bereits in
man bleibt in Opposition (5. Juni).
Oft und oft hatte Hitler mit den Seinen in
. 1 V^fon Jahren das Thema besprochen: ob
T MÖ.I chke' t mUzumachen, mitzuregieren, der
Bcwfgu1."eile brächte. Und es gab genug
N Jiführer die seit langem und jetzt immer hef-
Ug" darauf drängten, die Gelegenheit -" ergrei-
lif und sei es auch nur in einer Koalition mit
indeTen Parteien. Postenjäger wollten Posten,
u ^fhPrnflichc SA-Kumpane gierten nach den
Früd^ten de? Kampfes, die Parteiarithmetiker
wurden nervös: Vielleicht werde die Chance ver-
«^^u Aber Hitler blieb hart und setzte seinen
^nnf durch- .Sollen sie (die Repräsentanten des
Sem.s") ruhig jetzt ganz zu Ende kommen,
nann sind sie auch endgültig überstanden ...Ich
Hin daß wir die Macht total bekommen werderf,
dralle anderen total versagen" (zu Hans Frank.
dende Vorschriften für alle Verbände solcher Art
erlassen werden müßten . . .
Wie wenig die Verordnung in die politische
Landschaft paßte, konnte der Zeitungsleser dar-
aus erschließen, daß, in der Zeitung direkt neben
die Maßnahme der Reichsregierung geselz.,
Bayern am selben Tage politisd^e Versammlungen
unter freiem Himmel sowie Akifzüge erneut zu
verbieten und unter Strafe zu sVellen für geraten
hielt- daß Baden sein Uniform-\und Demonstra-
tionsverbot erneuerte; daß endlich auch die
preußische und die württembertische Regierung
bei ihren Verboten verblieben. \
„Das valte System sabotiert HJndenburgs SA-
VerordnVng", tobte Alfred Ro.ejberg im Völki-
schen Beobachter (Bayernausgafee "^'^J^ .}^f^'
,^nm). T.-^n Siurm von Protesten ergott_sidi_ a\
Inhenmii^ister' \on Gäyl; Smarinmenvi .>uv....
ihn aufztihetzen gegen die Zentrumsregxerurigen in
den Lärldern; sehe Hindenburg nicht diese „Reidis-
feindschaft '? Prompt ließ Gayl im Kabinett das
böse Wort von „separatistischen Umtrieben in
Süddeutschland" fallen. Schleicher \vurde nervös:
Mit äul^erster Energie müßte die Reichsregierung
jetzt die Länder dazu bringen, ihre Separatver-
bote der VO vom 16. Juni anzupassen.
Und als die demokratisch regierten Länder nicht
wollten, kam die Papenregierung am 28.6. mit einer
neuen Notverordnung heraus, welche sämtliche
Sonderregelungen in den Ländern für ungültig
erklärte Den Innenministern blieb nichts anderes
übrig, als den kurzsichtigen Eingriff in ihre Pohzei-
hoheit hinzunehmen. Schleicher hatte sich durch-
gesetzt; besser gesagt: Hitler.
Die Folgen waren ganz danach. Wieder ging das
Theater los, schlimmer als je zuvor: Kommunisten
dringen in ein Berliner SA-Lokal ein, Schlägerei,
Festnahmen. - In Charlottenburg zwei Passanten,
die den Hitlergruß nicht erwiderten, von umfor-
mierten Nazis niedergeschlagen. - Ausschreitun-
gen und Zusammenstöße in Hamburg, im An-
schluß an eine NSDAP-Versammlung. - Schla-
gerei und Schießerei zwischen SA- und KPD-
Leuten. Alles das steht in einer einzigen Num-
mer der Münchner Neuesten (am 18. 6.).
Vergeblich richtete Preußens Innenminister Se-
vcring einen Appell an die Öffentlichkeit: Alle po-
litischen Parteien überschütten die Behörden mit
Klagen über mangelhaften Schutz und mit Be-
schwerden über den Terror der - "''^^'f^'^ -;
die größte Sicherheit der Staatsburger beruht auf
dem. Verzicht, dir Sicherheit der anderen zu De-
hir ali Slffi flic dcmoJ:rn?isj
\Weit davon entfernt. Brilii
^.Rechtsruck", was zu Brii»]
|ie jetzt folgende Zeit fragt
}hne Parlament zu regiere}
untergrub systematisch die Fundumente der Verjassung.
Die heutige Fortsetzung l^eleuchtet das von General Schleicher inszenierte Papen-Katymet^
neuen Herren, die eine
und die
^"nationale' Konzentration" anstrebten und dai>ei.
Sträflichen Fehlgriffe der neuen tt er ren, a.e '^^rwl'rwpTebtt^tcn' Weitere Einzelheiten sowie die
im Süddeutschen Verlag, München, erscheint.
bereits klöi- vu: •"'- . '-'^i-, uai. uaiicuaiuui..
bekömmlicher, lohnender und dankbarer ist als
nSen oder gar P;'Utisieren . . ." (Neubabels-
hoiß 17 April 1933). t'^d nochmals: „Man lebt
doch' hier draußen so herrlich und so abgesetzt
von den Geschehnissen (9, April 1934).
,m
'^i^
M
3 Kaum, daß das SA-Verbot ergangen war,
forderte Hindenburg — über den Kopf
des Reichskanzlers hinweg — in einem kom-
promittierenden Brief an Groener (unter
Informierung der Presse), nun müsse aber
auch gegen links Front gemacht werden. Ge-
meint war das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold",
die gegen die Radikalinski gegründete Freiwilligen-
Organisation zum Schutz der Republik, die sich
hauptsächlich auf die SPD stützte. Hindenburg
lieferte gleichzeitig Unterlagen mit. die aus dem
Reichswehrministerium stammten und ihm unter
Umgehung des Ministers zur Verfügung gestellt
worden waren (Unterlagen übrigens, die Groener
bekannt waren und keinesfalls gegen das Reic±is-
banner sprachen). Ich übersende Jhnen anbei das
mir zugegangene Material mit dem Ersuchen, es
mit dem gleichen Ernst zu prüfen, den ich Ihrem
Antrage entgegengebracht habe, und mir alsbald
das Ergebnis Ihrer Prüfung und einen entsprechen-
den Vorschlag vorzulegen.
Der Schlag saß. Schleichers Handschrift. Hinter
ihm stand eine Reichswehrführung, die mit ihrem
Minister nicht mehr zufrieden war. Siehe die
Ausführungen des Generals von Hammerstein auf
einer Führerreise am 21. Mai - wiedergegeben
nach Telegrammstilaufzeichnungen des Generals
Liebmann: ..^ ,^^
Groener wurde seinerzeit mit Unterstützung der
Heeresleitung Innen- und Reichswehrminister,
weil schon damals klar war, daß der Abbau der
militörischen Organisationen (gemeint: SA) nötig.
' mir^mogtmV'l&enn etwas anderen '^u bieUn. hctt
Jahren Verhandlungen mit Innenministerium we-
gen überparteilicher (Wehr-)Sportorganisation
sie nicht vorwärts kamen, dafür eingesetzt,
Groener Reichsinnenministerium übernahm
(den Plan) vorwärts trieb ... Groener ist
freundlichen Leuten . . . eingewickelt worden. For-
der militärischen Belange kam
promittiert Feldmarschall, mußte als Bezahlung
nach links aussehen (wegen Wahlhilfe)! ...
Mai versuchte der Minister seine Ent-
vertreten und das
„Die zukunftsvolleii Kräfte"
sage
hat sich
■mm
Am 10.
Scheidung im Reichstag zu , , • . .„
Reichsbanner zu verteidigen. Es wurde keine gute
Aufführung. ^
Ich muß feststellen, sagte er, daß bis zum,
Herbst 1930 die SA eine verhältnismäßig — J^h
■ verhältnismäßig - harmlose Sache war. Das
aber geändert ... und zwar ist es gar
kein Zweifel, daß das Verdienst daran einerseits gesprochen: „
Herrn Hitler, vor allem aber dem Hauptmann ^^^^^ ^j. ^uv
Röhm zukommt ... mehr und mehr ein absolutes
Privatheer mit allen Anzeichen einer solchen Or-
ganisation ... Damit wurde die Gefahr für den
Staat außerordentlich groß, denn trotz aller Erklä-
rungen von Legalität, die Sie mir ja in großen
Mengen zugesandt haben, muß man immer fest-
halten: eine solche Organisation hat ihre Dijnamik
sich und kann nicht einfach bald legal, bald il-
Aber was immer man •SdiU.jcher vorwerfen will,
eines stand nicht in seii.em Konzept: den Nazis
den Weg an die Macht zu ebnen, Groener, mit dem
er lange genug zusammci war, hatte das sogleich
erkannt und — trotz des Torts, der ihm von „mei-
nem alten Freund, Schuler, Wahlsohn, meiner
Hoffnung für Volk und Vaterland" (Groener brief-
lich) angetan worden war - klipp und klar aus
^efxsfff*.*r^{i^
derung
voran . . .
Unglückliches Verbot der SA
Da
daß
und
von
nicht
Zeitpunkt kom-
in
legal erklärt werden. _. ^t •
Groener traf den Nagel auf den Kopf. Die Nazis
schrien, beschimpften ihn mit Zwischenrufen;
Groener ließ sich reizen, antwortete ihnen. Er kam
aus dem Konzept. Die Rede ging im Tumult unter.
Polizei mußte eingreifen. Die eigenen Kabinetts-
kollegen waren entsetzt und distanzierten sich.
Der konservative Graf Westarp war sich mit Hin-
denburg einig: Groener nicht mehr „f eiddienst-
fähig". , ^ . , ^
Groener kapitulierte - er behielt aber noch das
Innenministerium. Für wie lange? „Daß an mei-
nem Sturz mit allen Mittein., gearbeitet wird, ist
klar" Er sah aber auch, daß der Schuß Schleichers
nicht nur ihm galt, sondern genauso und mehr
noch Brüning. „Hindenburg hat sein altes kon-
servatives Herz entdeckt und wünscht sich eine
noch mehr nach rechts» orientierte Regierung ...
Aber man hat noch keinen Kanzler ... Er (Hin-
denburg) möchte nach seiner religiösen Einstellung
auch wieder mal einen evangelischen Mann zum
Kanzler ..."
.Es sind aber nicht die Nazis,
Macht verheilen will, er selbst
strebt zur Macht, und zwar durch Hindenburg . . .
(Schleicher) will jetzt nichi Reichskanzler werden,
vorläufig (rier Brief Green ers an Schleicher ist am
22 Mai 1932 geschrieben) auch nicht Reichswehr-
minister . . . Für die Reichswetir ist eine neue Idee
im Werden. Man will sie auch mit. ihrem Etat vom
Reichstag ganz abhängen. Schleicher schwebte
längst vor, mit Hilfe der Reichswehr auch ohne ^{5 „Sprechminister
den Reichstag zu regieren." - — — «^ -
Was Brüning nicht konntf - Schleicher traute es
sich zu- Ich werde . . . dafür sorgiKn, daß diejenigen
geistigen und physischen Kräfte unseres Volkes
gestärkt loerden, welche di- unentbehrliche
Grundlage der Landesvertniigmig bilden. Oder:
Eine dauerhafte und protuktive Regierung ist
vielmehr nur möglich, wen .sie sich nicht gegen
die Ströme wendet, welche ne Massen des Volkes
erfüllen, sondern wenn sie .^ rersteht. sich aus
den lebendigen und zukun) rollen Kräften
Volkes eine hrcile Ver, ^ensqrunrnaqc
GENERAL VON SCHACHER rUn-I^T^de» St.« BrUnina. betrie. «rui ^'^^'^^^l^^^^'^^^^j:
nationalen Konzentration" inszenierte.
Papens Kabinett der Vorleistungen
hinter sich Reichswehrminister Schleicher, aer dib vorordnun^ in die politische
ren ist gut gesagt - jetzt hieß es zuerst, Verspre- aus
chungen erfüllen, Vorleistungen erbringen Gleich -^-^
am 3 Juni beschloß das „Kabinett der nationalen
Konzentration", den Reichstag nadi Hause zu
Chicken und Neuwahlen auszuschreiben. Die par-
geselzt.
^r-
r^!e
des
zu
Umentarische Konzentration, die damals zu errei-
äTn war, tilgte Papen durch einen Federstrich.
Die Auflösung des 1930 gewählten Reichstags'',
erläutert Brüning, „zerstörte die f "^dlegende
Voraussetzung der ganzen Politik der früheren
Regierung^^imlich daß im Reichstag eine delho-
1telhrh«U vorhanden ^^'äre" bis zum Ab-
den
Hindenburg läßt Brüning fallen
Schleicher als der Vertreter der Rcichswehi-
interessen hatte bei Hindenburg leichtes Spiel ge-
funden. Schleichers Bedenken trafen sich mit den
Reserven, die der Reichspräsident seit langem ge-
gen Brüning stapelte.
Ausschlaggebend war dabei, sagt Theodor
Eschenburg, daß Brüning mit dem alten Herrn nicht
umzugehen verstand. „Vielfach konnte Hindenburg
trag hat stattgefunden. Das Spiel ist aus . . . Nach
dreiviertel Stunden kam Reichskanzler Brüning
zurück und berichtete das Ergebnis sofort . . .
Offiziell wird morgen mittag um 12 Uhr die Be-
sprechung beim Reichspräsidenten fortgesetzt. In
Wirklichkeit ist aber die Trennung heute schon
vollzogen. Das 'Gespräch scheint sich ungefähr fol-
gendermaßen entwickelt zu haben: Zunächst be-
richtete der Reichskanzler ... über die gesamte
Brünings Gedankengängen, die er in einer schwer , .^.g^j^^ Lage ... Auf Einzelheiten des Vortrags
verständlichen wissenschaftlichen Terminoiogiie ^.^^ ^^^ ^^^^ ^^^^ anscheinend überhaupt nicht
vortrug, kaum folgen. Für Hindenburg war ]edei
Besuch Brünings eine große Anstrengung ... br
versuchte, den alten Reichspräsidenten sachlich zu
überzeugen, aber es wäre vielleicht darauf ange-
kommen, ihn persönlich zu gewinnen. Das aber
lag Brüning nicht ... Er erwartete von Hinden-
burg Verständnis für seine Pläne ... Vertrauen
zu seiner Politik ... es fehlte ihm sowohl die
psychologische Fähigkeit, das Staatsoberhaupt
einerseits, das Volk andererseits für seine Politik
zu gewinnen, als auch die taktische
seine politische Position zu sichern .
nicht jeden Tag seine Position ... und er unter-
nahm nichts, diese Position zurechtzurücken, wenn
sie sich nachteilig verändert hatte, sie zu verteidi-
gen wenn sie angegriffen wurde. Mit einem Wort:
Brüning fehlte ... die Leidenschaft zur Macht . . .
El war ein unpolitischer Politiker."
So konnte es den Gegnern nicht schwerfal-
len, das nie recht gefestigte Verhältnis zwischen
Begabung,
Er lotete
Reichspräsidenten und Kanzler vollends zu er-
schüttern. Ort der Handlung: Gut Neudeck, wohin
sich Hindenburg in den entscheidenden Wochen
nach der Groener-Krise zurückzog. Am 25. Mai er-
reichte ihn dort ein Brief des (späteren Innen-
ministers) Freiherrn von Gayl, des ihm persönlich
vertrauten Direktors der Ostpreußischen Landge-
sellschaft; der Brief haltte es in sich.
Das Reichskabinett berät zur Zeit den Ent-
wurf einer Verordnung des Reichspräsidenten
über die Förderung der landwirtschaftlichen Sied-
lungen . . . deren § 2 eine Bestimmung enthalt,
welche der Oststelle (Ostkommissar Schlango-
Schöningen) das Recht gibt, in die nicht mehr um-
schuldungsfähigen Grundstücke, ohne Antrag der
Gläubiger, von sich aus die Zwangsversteigerung zu
betreiben ...
In Gayls Brief war von den positiven Seiten mit
keinem Wort die Rede; er malte in düsteren Far-
ben' Besitzer von Haus und Hof vertreiben . . .
Nach vielen sditueren Eingriffen der früheren Not-
verordnungen in das Privateigentum . . . Abgleiten
in Staatssozialismus . . . weite Kreise des Ostens
in Landwirtschaft und städtischem Mittelstand
schwer beunruhigt . . . Zermürbung der Seelen . . .
bisher Träger des nationalen Wehrwillens gegen-
über Polen . . .
Als Hindenburg Ende Mai aus Neudeck zurück-
kam, waren die Würfel bereits gefallen Brünings
Staatssekretär, Hermann Pünder, hie^t die ent-
scheidenden Szenen der Unterredung Hindenburg-
Brüning in seinem Tagebuch fest:
„Sonntag, den 29. Mai 1932 ... 4 Uhr Der Vor-
ein, sondern zog unvermittelt ein Blatt Papier aus
der Tasche, auf dem (anscheinend von seiner eige-
nen Hand) zwei Punkte notiert waren . . . Zunächst
solle dieses Kabinett überhaupt keine Notverord-
nungen mehr vorlegen und zweitens sollte an der
personellen Zusammcnsetung dieses Kabinetts
nichts mehr geändert werden (das ging auf Groe-
ner). Als der Reichskanzler darauf erklärte, daß
damit also ganz deutlich die von ihm für nötig ge-
haltenen Garantien (BrTi7iing hatte Garantien für
ungehinderte Weiterarbeit der Regierung, also
Vollmachten für neue Notverordnungen verlangt
— angesichts der ständigen Quertreibereien) ver-
weigert seien, soll der Reichspräsident wohl den
Kopf in die Hand gestützt und mit Tränen in den
Augen gesagt haben: ,Ich muß jetzt endlich nach
rechts gehen, die Zeitungen und das ganze Volk
verlangen es. Aber Sie haben es ja immer abge-
lehnt.'"
Hermann Pünders Kommentar: „Der Reichsprä-
sident denkt sich ein Kabinett ohne Nazis mit star-
kem Reclitseinschlag. das von den Nazis toleriert
wird. Meines Erachtens eine unmögliche Lösung
ohne jede Erfolgsaussicht!"
Noch schärfer Brüning: „ . . . Sein Geist war nicht
klar am Morgen des 30. Mai 1932. als er in mich
drang, ein Kabinett aus der Rechten zu bilden . . ."
Einer fragwürdigen Lösung, einer Marotte zuliebe,
die ihm besserwissende und alleskönnende Berater
sdia.ljcn-
Schleicher dünkte sich sd# genug/
aus der Sackgasse herauszf hren, sich mit
Nazis zu arrangieren und sfloch zu überspielen^
Als ,.graue Eminenz" hintl den Kulissen (Chei
des Ministeramts im Reich Jehrministerium-- an
der Stelle also, wo die R^'^rt'r- ?te er seit
ußten) leitete er seit
geraumer Zeit das große Manöver. Nur daß Brü-
ning - und wohl auch C^oener - nicht ganz so
tanzte, wie es erwünschlj gewesen wäre. Darum
mußten sie fallen und d^rdi eine ^^^^^^"V^^^ .^^^
gierung ersetzt werden; durch eine Kanzlei-
Attrappe, die Schleicher Hn Franz von Papen ge-
funden zu haben glaubte.
Am 28. Mai — noch war Brüning im Amt. das
Zerwürfnis mit Hindenburg noch nicht eingetre-
ten — erschien Papen in Sdileichers Büro.
Papen, über das Vorhaben ins Bild gesetzt: „Ich
bin auf die Übernahme einer solchen schweren Ver-
antwortung nicht vorbereitet und zweifle auch, ob
ich der richtige Mann dafür bin . . ."
Schleiclier: .,Aber ich habe Sie bereits dem alten
Herrn vorgeschlagen, und er wünscht sehr Ihre
Berufung."
Bei Hindenburg hatte Schleicher leichtes Spiel
gehabt: Als Qualifikation für Papen legte er
ihm - nach Meißncrs Bericht - einen Zeitungs-
artikel Papens vor, den dieser soeben im Ring der
Zeitschrift des Deutschen Herrenklubs, veröffent-
licht hatte.
Oft habe ich", stand hier zu lesen, „in den letz-
ten Monaten öffenllidi darauf hingewiesen, daß
mir die gegenwärtig größte innenpolitische Auf-
gabe des deutschen Staatschefs die Heranziehung
der wertvollen Elemente an den Staat zu sein
scheint, die sich in dem großen Sammelbecken der
Rechten befindet"; das Zentrum habe doch oft
genug mit Stolz auf seine Leistung verwiesen, die
Sozialdemokratie ..in den Staat hereinzubrin-
gen" — „sollte nicht die gleiche historische Ver-
pflichtung gegenüber der Bewegung vorliegen, die
her das deutsche Land über-
irrntische meiirneu vorn» ,
en Staat erhofften Ende d*^r Wirtschaftskrise.
Schleicher und Papen störte fias nicht, daß
es
die Maßnahme der Reichsregierung
Bayern am selben Tage politische Versammlungen
unt'er freiem Himmel sowie Aufzüge erneut zu
verbieten und unter Strafe zu stellen «ur geraten
hielt- daß Baden sein Uniiorm- und Demonstia
t^ns'verbot erneuerte, daß endlich auch die
preußische und die württembergische Regieiung
bei ihren Verboten verblieben. \^
Das alte System sabotiert 11 ndenburgs SA-
Ve'rordn mg", tobte Alfred Ro.elberg im Volki^
sehen Beobachter (Bayernausgabe J.'^"\.^^- *-"'
J.mi). Ein §turm von Protest rergqö sich
Innenmmister von CTäyi, öuia) 1I
ihn aufziihetzen gegen die Zentrumsregierungen m
den Läidern; sehe Hindenburg nicht diese, .Reit^s-
nunmehr mit der SPD-Unterstüfe^ng zu Ende, daß fgindsdfaft"?' Prompt ließ Gayl im Kabinett das
nun keine parlamentarische Gruridlage mehr vor- ^„^^ ^^^^ ^^^ „separatistischen Umtrieben in
banden war. Sie freuten sich ohnehin, den Reichs-
tag loszuwerden. Die der Reichswehrfuhrung
nahestehende Zeitschrift Tat der Herren Zehrer,
W^irsing Fried sprach zufrieden von „Neuaufbau
mit Hilfe der Armee, von Überwindung bisheriger
„Souveränitätsbeschränkungen", von „Autoritats-
bildung ohne Demokratie".
Während sich Schleicher schlau genug dünkte, die
Nazis ..einzufangen", schrieb Goebbels bereits in
sein Tagebuch: „Wir müssen uns von dem bürger-
lichen Übergangskabinett so schnell wie möglich
absentieren . . . Entweder hat man die Macht, oder
man bleibt in Opposition" (5. Juni).
Oft und oft hatte Hitler mit den Seinen in
den letzten Jahren das Thema besprochen:
die Möglichkeit, mitzumachen, mitzuregieren,
Bewegung Vorteile brächte. Und es gab genug
Naziführcr, die seit langem und jetzt immer hef-
tiger darauf drängten, die Gelegenheit zu ergrei-
ten - und sei es auch nur in einer Koalition mit
anderen Parteien. Postenjäger wollten Posten,
hauptberufliche SA-Kumpane gierten nach den
Früchten des Kampfes, die Parteiarithmetiker
wurden nervös: Vielleicht werde die Chance ver-
spielt Aber Hitler blieb hart und setzte seinen ^eri
ob
der
Süddeulschland" fallen. Schleicher wurde nervös:
Mit äußerster Energie müßte die Reichsregierung
jetzt die Länder dazu bringen, ihre Separatver-
bote der VO vom 16. Juni anzupassen.
Und als die demokratisch regierten Länder nidit
wollten, kam die Papenregierung am 28. 6. mit einer
neuen Notverordnung heraus, welche sämtliche
Sonderregelungen in den Ländern für ungültig
erklärte Den Innenministern blieb nichts anderes
übrig, als den kurzsiclitigen Eingriff in ihre Polizei-
hoheit hinzunehmen. Schleicher hatte sich durch-
gesetzt; besser gesagt: Hitler.
Die Folgen waren ganz danach. Wieder ging das
Theater los, schlimmer als je zuvor: Kommunisten
dringen in ein Berliner SA-Lokal ein, Schlägerei,
Festnahmen. — In Charlottenburg zwei Passanten,
die den Hitlergruß nicht erwiderten, von unifor-
mierten Nazis niedergeschlagen. - Ausschreitun-
gen und Zusammenstöße in Hamburg, im An-
schluß an eine NSDAP-Versammlung. - Schla-
gerei und Schießerei zwischen SA- und KPD-
Leuten. Alles das steht in einer einzigen Num-
mer der Münchner Neuesten (am 18. 6.).
Vergeblich richtete Preußens Innenminister Se-
ng einen Appell an die Öffentlichkeit: Alle po-
mit Hitler zu Bilanz am
wieder-
eingeredet hatten und die seiner eigenen Vorliebe ^^^^^^ während die Reclite. meine eigenen
entspracli, ließ Hindenburg seinen Kanzler Bru- * ^ „ .. ._:.,. „,,frrocfoiit
ning fallen und brachte damit den Bergrutsch in
Bewegung, der vor dem 30. Januar 1933 nicht mehr
zum Halten gebracht werden sollte.
Politik aus dem Handgelenk
Der Mann, der dieses Kunststück fertigbrachte —
nun wir bekommen ihn gleich zu sehen. Er hatte
Brünings Sturz manipuliert, er fingerte das neue
Kabinett zusammen, er verhandelte hier und dort,
ging im Reichspräsidentenpalais aus und ein . . .
In Goebbels' Tagebuch liest es sich so: „Helldorf
war bei Sclileicher. Der will eine Kursänderung
vollziehen" (26. April. 14 Tage nach dem SA-Ver-
bot) — „Der Führer ist bei Schleicher gewesen.
Das" Gespräch verlief gut" (28. April). — „Berliner
Juden schimpfen über die Intrigen der .OfEiziers-
kamarilla' gegen Brüning und Groener. Es fängt
also schon an. Als erster muß Groener und nach
Ihm Brüning fallen" (4. Mai). — „Der Führer hat
eine entscheidende Unterredung mit General
Schleicher; einige Herren aus der nächsten Um-
heute von rechts
flutet?"
Wie vertraut das dem Präsidenten in den Ohren
klang! Und überdies war Papen gedienter Soldat,
Kavallerieofiizier a. D., ein Mann, der sich — wie
man gleich merkte - ans „Portepee fassen" ließ.
Hindenburg wußte ihn zu nehmen.
Im Präsidentcnpalais am 31. Mai: „Wie immer",
erzählt Papen, „empfing er mich mit vätcrhcher
Güte", und als Papen nicht gleich parierte:
„. . . in welche Lage hat er (Brüning) mich doch
gebracht! Nun bin ich von der Linken
, meint
Leute, diesen Gefreiten gegen mich aufgestellt
haben . . . Wie können Sie einen alten Mann, der
trotz der Bürde seiner Jahre die Verantwortung
für das Reich noch einmal übernommen hat, jetzt
in. Stiche lassen wollen, wo er Sie berufen will,
eine für die Zukunft des Reiches entscheidende
Frage zu lösen? . . . Ich v.äll endlich von den Par-
teien unabhängige Männer um mich sehen, die
nach bestem Wissen und Gewissen versuchen, das
Land aus der entssetzlichen Krise zu befreien . . •
Sie waren Soldat und haben im Kriege Ihre
Pflicht t,etan. In Preußen kennen wir nur Gehor-
sam, wenn das Vaterland ruft!"
Hindenburs reichte Papen die Hund — und
Papen schlug ein. Schleichers ..Taschenspieler-
kunststück" - wie sich Theodor E.schenburg aus-
drückt — Mk^rzerhand den Brillantring, der nicht
mehr genehm war. gegen eine minderwertige
Imitation aus Glas und Blech" auszutauschen, war
gelungen. Zwei Tage darauf, am 2. Juni, stand
das neue Kabinett — attackiert sogleich von schier
allen Seiten.
Knn/'durdi'- ' SoTlen^sre" fdie Repräsentanten des mischen Parteien überschütten die Behörden mit
sfsteZf vn^g^i^ ganz zu Ende kommen. Klagen über mangelhaften Schutz und mit Be-
gann sind sie auch endgültig überstanden . , .Ich
weiß daß wir die Macht total bekommen werden,
la alle anderen total versagen" (zu Hans Frank,
dem Parteijuristen und späteren Generalgouver-
neur in Polen).
Schleicher aber war und blieb selbstsicher ge-
nug, um sogleich an die Reichstagsauflösung die
zweite Vorleistung anzuhängen, die zweite Bedin-
gung seines fragwürdigen Paktes mi Hitler zu
erfüllen: Aufhebung des SA-Verbots (16. Juni 1932).
In den amtlichen Erläuterungen entblödete man
sich nicht, als Absicht der Regierung auszugeben:
Wiederherstellung der politischen Freiheiten^ Der
Herr Reichspräsident habe schon gleidi nach Er-
iaP des SA-Verbots seinerzeit den Wunsch ge-
äußert^ daß allgemeine und gleichmäßig anzuwen-
Der Anschlag auf Preußen
Regierung einen der letzten Aktivposten der Re-
rubUk ?ageradezu das Bollwerk der Demokratie.
^ Man aselte davon, daß offenbar Braun-Seve-
nicht mehr in der Lage seien,
Preußen aufreclitzuerhal-
schioerden über den Terror der - anderen...,
die größte Sicherheit der Staatsbürger beruht auf
dem Verzicht, die Sicherheit der anderen zu be-
drohen ... , . . ,no.> 1,0
Allein in den Monaten Juli und August IBiZ Ka-
men über 300 MensÄien durch politischen Terror
ums Leben, über 1200 Verletzte wurden gezahlt.
Einen traurigen Rekord erreichte die Preuß^^die
10. Juli: 10 ■ Tote und an die 200
Schwerverletzte. Am Sonntag darauf, 17. Juli, ein
neuer Rekord, erzielt durch eine Massendemon-
stration von 7000 Nazis in Altona: 17 Tote. 64 Ver-
letzte. , , . ,. „11
Man hätte meinen sollen, daß es Schleicher all-
mählich angst und bange geworden wäre vor sei-
ner eigenen Schneid.
ring— Hirtsiefer
Ruhe und Ordnung in
fcn Man erklärte die preußische Koalitionsregie
rung die dort lange bewährte Weimarer Koali-
lung (oie u Zentrum plus Demokraten) sei
General Schleicher war
zur nämlichen ..Koalition" der Extremisten von
rechts und links gekommen! Solange die Kommu-
nistische Partei den Kampf gegen das Kabinett
Braun fortsetzen will, hatte der Sprecher der
NSDAP-Fraktion erklärt, . . . meine Herren Kom-
munisten, wenn es Ihnen mit diesem Kampf gegen
das sogenannte System ernst ist, dann müssen Sie
>rhandenen Machtmittel anwenden, die Ihnen
- die vo)
tion: SPD plus
nifht mehr sicher genug.
wirMoißner bezeugt, „der auf Grund vertrau-
Meldungen sowohl dem Reichskanzler als
es,
lieber
uch dem Reichspräsidenten von einem besorgnis-
erregenden Zusammenarbeiten der Sozialdemo-
kraten mi" den Kommunisten und Plänen einer
Auflehnung gegen die Reichsregierung berichtete .
DU lieber Gott - es war der reine Wahnwitz,
den S^leicher selbst nicht ernsthaft glauben
konnte Ausgerechnet Sozialdemokraten und Kom-
munisten! Da hätte er schon eher von Zusammen-
.^■be der Nazis mit der Kommune sprechen kon-
fih- die e. genug Beispiele gab. Und war es
n^ät eben jetzt'im preußischen Landtag wieder
der Staat und die Ihnen Ihre Stärke in diesem
Parlament bieten . . . Stellen Sie den Antrag (ge-
meint war ein Mißtrauensantrag gegen die Regie-
rung) und wir stimmen sofort zu! Genauso ge-
schah es - und der Nazisprecher konnte so-
gleich frech aufbegehren: ...verlangen wir
mit den Kommunisten und Deutschnationalen zu-
sammen: Kabinett Braun, antreten zur letzten
Musterung! c^ v., • u
Für die Öffentlichkeit war denn also Schleichers
interne Begründung kaum zu gebrauchen; sie war
zu durchsichtig und fadenscheinig. Aber was kam
es schon auf die Begründung an! Man hatte ja die
Macht: den Notstandsartikel 48.
(Fortsetzung folgt) *
© Süddeutscher Verlag, München.
^
mss!^
^ a^ W-
■ ''^'■'■li'J-lr;!
Das
Neue Zürcher Zeifuvp
Sonntag, :,'. Augiut 1964
WOCHEN-
ENDE
-'
lT''f>r hrnf n df 33 — 35
Fernaiisgabe Xr.211 Blatt I — 6
'V. /
/'
V
J'< rkütidHUfj ({< .s (lioJitiiih n Kl icfjttziiafandes in Berlin am ol.JvIi injd.
1. Ar«FST 1014
in
x..
/*
B855<^P«!WW?R?*«S^^
■7 , .W.V'/O^-V
(o)g
^MDE
i:vgli^ch(S Wrrbrplak-at für firv Beitritt zw Armee. Grof.ihrilonnirn hafte tnii Irine aUfinridiir JVehrppirht.
ZBjt Ist hatt^Q
r St^te st Sic
Ilindcnburgs Kopf uirbt in Dfufsthfnnd für Krieij.sanh Ihm
«
/
>*.*
fe
'n
'^,-
^.
^r^
' TjiiWWJÜIf i^
•5J^,'«^
;**%
'• /
♦.♦»
^
tärisr}i-}»olitijrl) beunruliigtc, ^oiiderii au«h zu l^o^ll^t(•n finanziellen
Ansstreiigungen zwang. Die englische Politik, in tien Jahren 1905 bis
1906 war erst recht von dieser Spannung mit Deutsrhland bestimmt.
Währen«! Rußland in den Krieg mit Japan verwickelt und gleichzeitig
durch die Revolution von 1905 in seinen Grundfesten erschüttert war,
begann Deutschland, auf Frankreich den gröfiten Drtick auszuüben, um
an der Erwerbung Marokkos teilzunehmen oder anderwärts entschädigt
zu \^ erden. Auch wollte c> Krankreich den l nwert seines Bündnisses
mit Rußland und noch mehr der Kntenle mit England vor Augen
fidiren. Die neue liberale englische Regierung ent^chied sich jedoch,
Frankreich bis zum Aeufiersten zu unterstützen. Damals war zum
ersten Male die Rede von der Entsen<lung englischer Truppen auf den
Kontinent zur Verteidigung Frankreichs und Belgiens, wie anderseits
der deutsche Generalstabschef Gra^ Schlieffen seinem militärischen
Plan für den Blitzkrieg gegen Frankreich endgültige Form verlieh.
Die von Wilhelm Tl. in so arroganter Weise üffentlich propagierte
«Weltpolitik.> zielte neben dem Floltenbau uml der Erwerbung neuer
Kolonien vor allem auf die Ausdehnung des «hutsehen Einflusses auf
die Türkei, «leren Lebensfäj^igkeit «lurch «len Bau «1er BninlulhnUn uu«I
«lie Entsendung deufs«her Ll)ffiziere erhalt«n \N«r«len sollte. Insofern
xV
J
Aber keine von ihnen war an den Vorgängen direkt beteiligt; viel-
mehr war ihnen vor allem daran gelegen, das Gleichgewicht der Macht
zwischen den beiden großen Staatengruppen zu erhalten und sich
selber den Weg zur Verfolgung ihrer Interessen in diesem Bereich
nicht zu verschließen. Die Liebereinkunft der Großmächte konnte dann
ohne allzu große Schu ierigkiiten den khineren Staaten aufoktroyiert
werden. Aber sowie einniul eine oder mehrere (Großmächte da«
(Gleichgewicht der Ma«htaM>prJiche zu ändern entschlossen waren, gab
es kein Mittel mehr, den europäischen Frieden zu bewahren.
Berlins Blaiikoclivtk für Oeslerreich
Diese Situation trat l')11 nach der Ermordune, dea österrpichischcn
Thronfolgers viu. ()b\\<»hl e^ genug Kräfte in Wien gab, die in dem
Ereignis eine Hechlferligung fi'ir den Krieg gegen Serbien sahen, schlug
die ö>l«'rreicliisclie Hegi«'ruiig den >cluuTen Kiws gegen Serbien er^t
ein, nachdem sie von Deutschland am 5. Jidi die \ ersicherung crbaltt-n
hatte, daß sie sein«>r riickhiilllo^en Unterstützung im Falle <ler Inter-
vention Rußlancls gewiß sein könne. Aber die deutsche Regierung
gab OesierreicN-L'ngarn nicht nui diesen Blankocheck, sondern trieb
es in den folgenden drei Wochen auch zur Eile und Härte gegen
Serbien an. Es machte wenig aus, daß die Serben beinahe alle Bedin-
gungen des österreichischen Ultimatums vom 23. Juli annahmen und
damit selbst in den Augen Wilhelms II. der Augenblick für Verhand-
lungen gekonuneii war. Auch waren der Kanzler und das Auswärtige
Amt nicht damit zufrieden, daß die Wiener Regierimg nur die diploma-
tischen B«'ziehungen mit Belgrad abgebrochen hatte. Auf Drängen
Deutschlands erklärte die>e früher, als sie beabsichtigt hatte, am 28. Juli
Serbien den Krieg. Am folgenden Tag beschossen österreichische
Batterien Belgrad. Die russische Regierung deutete diese Ereignisse
als den Beginn einer Invasion Serbiens und ordnete die allgemeine
Mobilmachung an.
Die deutsche Regimnig sah in der serbischen Krise nicht mir die
Gelegenheit, das Prestige Oesterreich-Ungarns als einer Ciroßmachl
wiederherzustelifn, >ondern auch die erwünschte (^.hance für die Mittel-
mächte, die Verhältnisse auf dem Balkan im Einklang nnt ihr<'n eigenen
Wünschen zu regeln. Daß Rußland und Frankreich zugunsten .Serbiens
eingreifen würden, wurde früh für wahrscheinlich gehalten, aber die
deutschen Militärs vertraten die Ansicht, die russische Armee sei noch
unfertig und die franzö>i>che im Augenblick nicht voll ausgebildet. Das
Risiko einps KonlinPnlalkricgps glaubten die Deutschen eingehen zu
können. Sie waren der Meimmg, England werde neutral bleiben, vor-
ausgesetzt daß Rußland die Schuld zugeschoben werden könne, den
«lc)kalen» ö>t«'rr«-ichi>ch->erbischen Konflikt in einen kontinentalen er-
^\ eitert zu haben. Die politi>che \hnung.>lo>igkeit des deutschen Reichs-
kanzlers, der ernsthaft erwartet«-, daß England ruhig zusehen würde,
wie Deutschland Frankreich niederwerfen und sich damit zum Herr-
scher de> KcHitinents machen würde, ist unbegreiflich. Trotz allen
zeitigen Warnungen des deutschen Bot>chafters in London hielt Beth-
niarui-Hollweg an seinem (j-laid)en bis zum frühen Morgen des 30. Juli
fc>t. Zwar übte er dami einen ge\^issen Druck auf Wien zu diploma-
tischer untl militärischer Mäßigimg aus, aber die>e Aktion erschien vcjn
Wien aus gesehen im Lichte des Vorangegangenen wenig glaubwürdig.
Vor allem aber kam sie zu spät. Der 30. Jtdi, der lag der russi-
schen und österreichi>c-hen (»eneralmobilmachung, setzte den Aulo-
malismus der militäri.'^chen Aufmar>rhpläne in (Gang, der der Zivil-
regierung kaum noch irgendwelche Bewegungsfreiheit ließ, (iraf
Schlieffen hatte gelehrt, daß Deutschland in einem Zweifrontenkrieg
nur dann siegen könne, wenn es die Langsamkeit der russischen
Mobilmachung dazu ausnutze, die französische Armee in den ersten
Wochen entscheidend zu schlagen. Deshalb sollten im Osten nur
schwache Kräfte aufgestellt wer«len, während das Gros der deutschen
Armee die Franzosen, durch da« neutrale Belgien marschierend, in
einem blitzschnellen Umfassungsfeldzugi vernichten sollte. Dies hatte
jedoch zur Voraussetzimg, daß die Deuffchen den Russen keine Zeit
•■ <y I '.'!*» I "^ff ■'"T"??^^-'" "-"— '^■"^'T^V^^T'^ ■■jwws
■ ^■■p ■ I ■■■■mwww.ytvy--
/>> »tschrs Krirgsflvgzcug von 1914.
(
...»^»»-■^.i L 1. Hill mm. ii.iTi!>w.y^.«'iv."»-".''">?''W'""''-'^-^^"' ""^
.MW-«.. 1111111., ' ' ' .>-~>--^>T>yaiw^B<ji;y>».w^>w?!»'V'»^<^'^'
-■»y<'B>-«ri»^'!!y-""^''''' '
yftf
■■■■■■■■■ ■' %
Da.t brennende Ycrdvn während des deutschen Angriffs 19 IG.
Luftl-rkg 1914—18,
■W A- ^.•/'/••* /• '
AV v^^V
HF
^l^j^ÄSigifew.««*^-'
■•^::^^^m
i*Jr:.>'
Lf ** *'
..>... ^
#^
•^ v-4i^|
i^
%f'4
X 4 ■^
«s
»M
^^w^
*nr?N^
■*^^
#T
» ,
clor Kries Hn K>r>M:rM^' für die Dcmnkratio u.ul ilie HerrMliaft des
nvv\n- der freili.h erst ii.iternomnien wur.le, na( lidem I)eut>chlana
durch die Eröffnung des unheschräuklon U-Boot-Kriege, demonstriert
hatte, daß es das geltende Völkerrecht von sich aus bestimmen wurde.
Auch fehlte es innerhalb mi.l außerhalb der Regierung keineswegs
an Vmerikanern. die mit Besorgnis das Absinken der russisciun Kampt-
kraft beobachteten. Sie erkannten, daß ein sie4sreiches Deutschland,
das id)er den eura<ischen kontinent und den Nahen O-ten (,ewalt
au.idMe. kein Partner fi.r Annrika sein uürde, und sahen u, dem
Krie-eintrilt Amerikas wesentlich <las Mittel, ein weltweites Machte-
Gleichgewicht /u schaffen. Und hierin lag auch unmittelbar die tat-
sächliche Wirkung der amerikanischen Intervention, was immer der
ein/eine Amerikaner gedacht haben mag. Das «europäische» Jahr-
hundert wurde von einem «globalen» Zeitalter abgelöst.
Nach.lem der Sieg errungen worden war, wurden die Frfahrungen
des Krieges rasch vergessen, und .las Verlangen nach dem was die
Amerikaner normnlc. nannten, das heißt die glücklichen N orkriegs-
zu.lande, .urde idurmächtig. In n ieler Hinsicht schienen nach der
Be.iegung Deutschland, selbsj .lie Schalten, die i.ber dem Kuropa ihr
Vorkrieg./.eit gelegen hatten, j^erstreut /u sein. Ks existierte kein (.rund,
die englisch-fran/...sische Enlente weiterzufiihren, und Frankreich er-
setzte die Allianz mit KußlWul durch BüudnUsc mit eleu .^iwach^
^
/
Deutsche Oifensiven
#Ä::w:«sää^i Allneitc Offensiven
0
L.
Ungefähre Frontlinie des Stellungskrieges 1914-1918
Front tiei Abschluß des Waticnstillstdndes am 11, November 1918
Landesgrenzen
bn
ino
m km
I
Der Krieffsverlatir 1»14 - 1018
A C. Der Erste Weltkrieg war ein Krieg, an den. siel, zwar alle
Großmä.hte der Erde heleiligten, dessen entseheidende Kampfe al.er
allein in Europa ausgefochten wurden. Die außereuropa.sehen Kr.egs-
Schauplätze - die deutsehen Kolonien in Afr.ka und m As.en, die
Fronten in Palästina, Me.M.potan.ien und im Kaukasus - hatten nur
periphere Bedeutung. Sueht man den gesanUen Kriegsverlauf auf emen
Nenner zu hringen, so .Irängt si.h das Bihl .Xn.r h.a,ert.,.h esUu^,
Zi- die vier Mittehnä<hte Deu.schla.ui, Oesterreieh-Üngarn, Bulgarien
und Türkei waren von den in der Entente zusammengeschlossenen
Aüiierten Großhritannien, Frankreich und Kußlan, un.ste It und ver-
suchten vier Jahre lang, den King zu sprengen, w^ahrend d.e d.e bec
wege kontrollierenden Aliierten ihre Gegner hloek.erten und n. kon-
zentrischen Angriffen von West und Ost her die femdi.chen Lünen
zum Einsturz zu hringen trachteten.
Erstarrte Westfront
Hauptkriegsschauplatz des Ersten Weltkrieges war Franhreich. IW.jc
hatten die Deutschen 1914 in ihrem Ueherrasehungsangnff durch
BelgTen eine hlitzartige Entscheidi^g gesucht. Schon en.en Monat nach
russischer OherhefehMud.er ahgesetzt; Zar Nikolaus H. ühernahm
seihst die Fidnung des russischen Heeres.
Im Herhst 1915 gelang den Deutschen und Oesterreichern e,n
weierer Erfolg auf dem Halkan. Gemeinsam mit den Bulgaren he-
Tetzten sie in. Oktoher und Novemher ganz Serhien und zwangen d.e
Re e des schischen Heeres zur Flucht nach Korfu. D.e AI h.erte.,
^ den hedrohten Serhe.. zu Hilfe und landeten unter Verleg,
der griechischen Neutralität Truppen .n ^^echenlnnd. \^yc uu'^^
fra../ÖMscl.en. Ohcko.nn.ando stehende Or.entarn.ee dra,.g n.s ^a.dar-
.l v^r wurde aher von de.. Mittel...ächlen ..ach Sahm.k. zurnck-
: wo. -..Ende 19l.> s.ahilisierte sich a..ch hier, auf nonlgr.ech.schem
Ge " die Fro..t vu.. der adriati.chen Küste his zun. Aegä.schen Meer.
Jerdun
■■*.
n„r.l. diese Erfolge bestärkt, beschloß Falkenlmyn, nn Jahre 1 M6
de,. K « durch ei,>eV"ß« OßcnsUe „„ der re„/ro,.. ,,« -'-'"•;;-
AU A,..r1fTsp,.„k. «aldte er .He Festung . erdu« --'- f '-;;" -
Eckpfeiler der franzüsischen Verteidigungslinien. Wiir le hur ein
Durchb uch erreich,, so war der Weg in» Innere !• rankreichs frei. Am
-1 F^vruar begann der deutsche Angriff. Er erziehe .*ar einige
'Anfangserfolge, blieb aber bald in. bügeligen und schwer befestigten
G lande vor Verd..,., stecken. Die Franzosen uj;.er_deni *Coininan,lo
«aushungern* sollte. Trol. den Warnungen, daß eine solche Kr eg-
rar die letzte neutrale (Großmacht, die bereinigte,. S.««.™ Jon
l„ L L-,..er <ler Ogner Deutschlands treiben wiirde, entschloß
Amerika, ins l^ager utr VTt^n^i u-,* 11:« Vrrpini«»-
.ich üeu.s,hla„d am 1. Februar 1917 zu diesem Sehnt,. »'« ^"«"'^
teil Staaten brachen wenige Tage darauf ihre Beziehimgcn z« De.,tsch.
, d ab «nd am 6. April 1917 erklarte Washington Berlin den Krieg,
zählreiche latcinamerLiiische Länder schlössen sieh den Vere.n.g.en
Staaten an. ,
Deutschland in der Defensive
Der Kriegscintritt der Vereinigten Staaten spornte die Alllh-rten
an der We-tlront zu neuen Kraftanstrengungen an. Die Deutschen
käme" den Eiglämlern «n,l Franzosen zuvor und räiimteu im März
19 len Frontvorsprung zwischen ^rr«.s und S,...«on.S «m 40 K ».
Itcr rackwärts eine f -■"--;;':- J rtS.t ^O^n^rD
fast eleicize t g eine franzosische un<t eint engii. . j
Briten -riffen bei Arras an; die Franzosen unter .hreni neuen Obl
Te hlsha " General NUelle, der im Dezember 1916 de.. S.ege
Marneschlacbt, Marschall M/re, abgeh.st hatte, au der ^.n« un
ihr CAomn„g- e. Beide Vorstöße blieben nach wenigen Wochen
ke„ NiveZ Truppen erlitten s« »ehwere Verluste, d^ er am 1 j
':: '.einem V^J. entfern. ..n/ durch den Sieg« vjg^rdun I^
ersetz, wurd<| Die allner,e qjfensiv;ej^"rde ...^
.ect.:_End«^ Juli grifiV
1
<i>««ff»'i>^-^if«m^'iff.l>II.V!f*f<-i^Kf^^^^
Britische Katniifaoi/<a im Einsatz.
>
if> ^
>
r/k. ^
Si^,
%c
f" "^IK.
= ■*<■
nisrlien Divisionen, denen die Deutstlien keine Reserven mehr ent-
gegenzustellen hatten, srhwoll \on Tag zu Tag an. Die deutsche Front
wieh zurüek, srhriU\veise und htngsam zunäeh-t, aher der Zeitpunkt
ließ sieh voraussehen, an welchem «lie Alliierten die Deutschen an die
(rren/r d<> I^'i<hs /urückgrw orfen hahen würden. Di«- deutsche
Ohcrsle Heere-Ieituriji hatte ilie Initiativ «• endgidlig verloren.
Das Ktiilp.
Der Zusanunenhrueh der Millelmäclile hefiaiin jedoch nicht im
\Ve>t«Mi, sondern auf d<'ni liulhaii. Am lö. Septeinl»»r ]<)18 durch-
fließen die Alliierten die Krönt der Bulgaren nindlich Sulniiilii. Zehn
Tage später hat IJidgarien um Waffen>lill>tand. Die AIIii<'rten mar-
schierten nord\värl> zur Donau: auch hier war e> nur eine Frage der
Zeit, wann sie an der (irenze «les erschöpften Oesterreich-Ungaru
erscheinen winden, wo die inneren Aul lösungserscheinungeii hereits
eingesetzt hatten.
Vier Tage na<li «hin Ahfall lJnlgari«'ns, am 20. S«'pt«nd»«r l'M8,
erklärte f^iiclrndorff im (hulr.«hen Haupt«piarli«r de/i Krip^ für n'r-
loren uii«l r«u-d«'rl«' d«'n -^olortigi-n \h.-clilu(.» eiiM> W arien-tilUtandes.
Kilig wur«h' in |)«ul-(hhm«l «lie Demokrati>i«'rung pr«»klamiert, der
als Demokrat hekannte l'iinz Max mn liailcn /um H«ichskanzler er-
nannt und \«ranlal.»l, an «hii amerikanis«hen l*räsident«'n tt ilsim «mu
(»esuch um \\ affenstilir-tan«! zu ri« ht«n. \\ iUon. «h'r im Januar l'Mo
in \ ierz«'hn Punkten «lie n««lingungen l'in- ein«n kind"tig«n l'ri«<len
aufg«>t«'Ilt halt«-, f<n<l«'rte (.araiiti«ii für eim- «'chle D«nnd<ratisierung
l)<uts<hlan<l^. I)«r ihiit-« h-ann i ikani.-« he Nolenw«« lisel z«»g si« h üher
«h'U ganzen ()kl«d>er 1*>]H hin. Inzwischen hra« h die Türkei zusannnen
inul verlangte VC affen-till>tan«l : in 0«st«rreich-l!ngarn >agt«'n sich «lie
«•inzelnen B«'\ölkerung,->grupp«-n \«in «ler hahshurgif« hen Kr«)ne los
und proklamierten mjahhängige K«puhlik«n. In D«iils<hlan«l kam es
anfangs l\ovend)er zu Meutvreieii auf der IIochs«efh)tte in Ivi«l, «li«-
sieh rasch id)er «la> ganz«' Lan«l au>hr«it«'ten. \m 0. No\«'mh«r wurd«*
«lie Abfhnikun'fi des drutsclwii Kaisers \erkim«let und D«utschlaml zur
liepiihlih «rklärt. Am ll.No\end>er unt«rzeichn«'ten «lie deuts<hen
Bevollmächtigt«!! im .Sal«»nwagen «h- alliiert«!! (»eneralissimus K«>< h
im Vi'ahle v(ni dtmpieano «hu \\aff«'!!>tillsla!!«l->\ ertrag, «hr d«i! D«iit-
s<hen flie kiu'zfristige Häiimung aller Ije^etzt«'!! (»ehiel«- un«l «len Hü«-k-
zug des deut>«-h«'i! I h'cro l!ii!t«r di«- Bh«'inlini«' anf«'i'l«'gt«'. Nach «Mn«'i-
Dau«'r \on m«'hr aU fünfzig "Nhniat«'!! ging «laniil «h'r \\ «•ltkri«'g mit «I«'r
militärix-hen I\ie«lerlage D«ut>«iiian«l> uini sein«r \ eihündeten zu
En«le.
i^üiiiiiiiiiis'^
siWkH fleiii Kl
e
\
Stefan Zu'pig i'ihrr dm Kriegsausbruch 1014
Aus: «.Die \Wlt von gostei'n», UiTiiiann Fischer- V'ei'Iag, Stoi klioiiii, 1944
^ a^ wüßt«'!! l'MI. nach fast ein«-!!! halhen Jaln liumh-rt d«-> Frie-
«h-ns. «lie gr«dj«'n Massen v«un Kriege'/ Sie kannten ihn nicht, hatten
kaum je an ihn ge«la«-ht. Kr war eine Legende, uml g«'ra«le die Ferne
hatte ihn her«>is(-l! und i-oinanti>«-h g«-n!acht. Sie saht-n ihn imnuM- no(-h
aus der Persp«'ktive «ler S<-hidl«'sehücher uml «ler Bilder in «len
(iah-rien: hiemlende Heiteratta(-ken in hlitzhianken Uniformen, der
t()«lliclie Schuß jeweils großmütig mitten durchs Herz, der ganze Feld-
zug ein schm«'tt<'rn<l«T Si«'g«'smars«-h — „Weihnachten sind wir wie«ler
zu Hause", riefen im August 191 1 «li«« Rekruten lacheiul den Müttern
zu. Wer in Dorf uiul Sta«lt erinnerte sich imcli an den „wirklichen"
kriegy Bestenfalls ein paar Gretcie. «li«- 1866 gegen Freuß«'n, den
Bun«lesgenossen von «liesmal, gekäilipft, un«l was für «'in ges«-hwin«ler.
unhiutiger, ferner Krieg war das) gewesen, ein Fehlzug von «Irei
Wochen un«! ohne \iel Opfer zu Eijde, ehe man er-t Atem gt-holll Ein
rascher .Ausflug ins Ronumtische. efti wildes und männlichem Ahenteuer
\
\
/
■■■ -■■-;■'.-
V, ■, •'. ■!
ii.'y,-.ra;i:.-^;i... l^iT^^■y.vJ^^;.wl■ir^^^^^^?> y^yyX'V.W'w -!■l^!^-'^■
JJ.^,■^ll.lL.l.l,«^.l .J.'.i.J.-.'>.;.U.MJ.i..yyw^'
.:'*■■■ ■-"•' *
aiulcre Wei^^lieit, als den Kiiej? zti eiiinn „Stalilbad" zu erklären, das
wohhälig <lie Kräfte tler Völker vor Erselilaffnnp bewahre. Ihnen zur
Seite traten die Aerzte, die ihre Prothesen derart ühersehwenglieh priesen,
daß man beinahe Ln>t hatte, ?i<h «-in Bein anipntieren zu lassen, um
das {;e.->un<h^ <hn« h sohh ein kiiiotliehes Gestrlj zu ersetzen. Dir
Prievtrr aHer Konfe>>.ioneii woHtcn ^hijhfall* nirlit znrii<kbleihen inid
stinnnten ein in drn (ibor: manchmal war es, al^ hörte man eine Horde
Beses>ener toben, und all diese Männer waren doch die>elben, drren
Vernunft, drren formend«- kraft, drnn meiKsehli<he Haltung wir \or
einer W oche, vt)r einrm Monat no<h bewundert.
Jjondon am 4. iugnsl 1014
Au.s den «Daily News» vuiii 1. August 1914
Die Ben;ei>lerun}i; erreirhle \<n- dem Burkinpham-Pala-t ihren
Höheimnkl, als bekaimt wurde, dali d»r Krieg erklärt winden sei. Die
Poli/ei gab «lir Vi «i-^nng ans, man möge sieh »tili verhaltrn, um so
m«hr al> der König eine Beratung abhi«ll, um die notwendigen
egs-
^•y.-y'y'.^iVf^'-^
Proklamalionni zu unttrzrichnen
Die Naibricbt \on <ler
1er Kri
erklärung wurdr mit >t«h-misehen Hochrufen aufgenomnn-n, die sieh
zu einem beläubendiii (,«s.hrri steigerten, als König (ieing, Kiniigin
Mary und der Prinz von \Vale.> atif dem Balkon er^ehienrn . . .
\^ e>tminster, Cbaring (^ro>s und «lir Haupt>tra(.»<-n in der Um-
gi'bung von \\ «•-tmin>ter waren die ganze vorige ^a(llt g«'drängt voll
\on erregten Men><lnnma>>en, die sichtlich zu K\ze>>en neigten. Sie
iU)erlrafen ^owobl an Zahl wie an lärmendem Bcncinnen bei weitem
«lie Massen vom \ <ntag. l «berall >ah man die briti>ehen Farben, und
die Luft war \oii den Tinun patriotis« her Lieder erfidit. Der Trafalgar
Sijuare war fa>t unpa>>icrbar.
Vor der deutschen Bot.M haft versammelte sich eine feind>elige
Menge uml warf die Fenster ein. Es wurde sofort »ine bcMniderc Mit-
teilung nach Cannon-row ge>chickt, und eine Poli/.eitruppc zu Fuß und
zu Pferd erschun >chm-ll auf dem Schauplatz, hatte- cs aber re< lil
schwer, die Ordiumg w ieclerherzu>tellen.
Offener Brief Rowain Hollands an Gerhart Hauptmann
Kiscliic'iuMi im «.loiinial de (Jenevt» vom JV). Aii'4:\ist J'.»lt
vidi habe nnine Stinnnc- . . . nicht «rlndjen, aU ich Ihre Arnncii die
Neutralität des edlen bcIgi.Mhen Volkes verletzen sah. Dieser Gewalt-
streieh gegen die Line, der jedes rechtlich liddcnde (;ewis>en zur Ver-
achtung herau>forclert, liegt zu sehr in der Tradition der Pcditik Ihrer
Kimige \on Preid.>en : er hat mich nicht id)errasclit. Wa> aber zu \ ul
ist, das ist die Wut, wc.mit Ihr diese hochherzige Nation behandelt,
deren einzige^ Verbrechen darin besteht, bis zur Verzweiflung ihre
Unabhängigkeit zu verteidigen und das Recht, so wie Ihr, Deutsche, es
seihst gehalten habt im Jahre IBH . . . Ich wende mich an Sie selb>t,
Hauptmann. Im Nanun Europas, zu dessen beridnnte>ten Wcntfidircrn
Sie bisher gehört haben, in> Namen der Zi\ ilisation. fiir welche die-
größten Mäimer ^eit Jaln humhrten kämpfen, im Namen der eigenen
Ehre Ihrer clcul>chen Ha»e ln>chwcnc- ich Sie und die- ganze- geistige
Elite Dcutsc blancis, unter der ich >o viele Freunde zähle, mit alh r Kraft
die Stinnne gegen dieses Verbrechen zu erheben, das auf Sie zurück-
fällt..^
Hauptmanns Antwort an Romain Rolland
Erschienen in der «Vossischen Zeitung» vom 10. September 1014
«Krieg ist Krieg; Sie mögen sieh id»er den Krieg beklagen, aber
nicht über Dinge wundern, die von die>em Elemenlarereigni, unzer-
trennlich sind... Mag uns ein müßiger Engländer ..Hunnen" nennen,
mögen Sie meinethalben die Krieger un>erer herrlichen Landwehr als
„Attilas Söhne" bezeichnen; es ist uns genug, wenn diese Landwehr
den Ring unserer unbarmherzigen Feinde zerschmettert. Weit be?ser,
Sic nennen luis Söhne Attilas, macheiVdrei Kreuze über uns und bleiben
/
iScit 1917 aetzlcn die Alliurlt^i an der Westfront ran~cncooin cu», vm dir drutschcn Stellungen zu erstürmen.
"^^ ^
>^ j
f
•yiKjlf^iffjiftl^jS^j:^;?;!»;^
Ein VcrlcizXcv wird aus dem Morast hinter der Westfront geborgen.
;^^x
;.:^?;:-«'<!>al||J|
^.^>*-
M^
S^' >:>;•- <
w-?«?.
i...
«i^.ä»^
■^eJSss.™^ ;•■>;??
■-:'^>fti':^^Si^' ".-'^''^ ■-
Gefansenrn siiifl mit einem Lederstreifen zusanmiengebunden. So mit
,lor Linken (U> Fran/.«»sen Arm parkend, mit der Rechten krampfhaft
einen /erschohsenen Fahnenmast mit der Trikohire vor sich haltend
steht der Verwundete stramm vor seinem Kaiser. «Du hast gute Beute
gemacht, mein Junge! Wie heißt du?» «Emil Richter, Majestät», kommt
die etwas zitternde Antwort. Der Kaiser reicht ihm die Hand mit
festem Druck, dann wendet er sich zu seiner Begleitung und bittet,
Hilfe zu holen, der Mann sei anscheinend schwer verletzt. Ein Adjutant
sprengt davon — und scImmi ist der Brave in die /itternden Knie ge-
sunken, «hen neigt si< h <ler Oherkörper, und mit dem Gesicht auf der
erbeuteten Fahne liegt er regungslos. Der gefangene französische
Offizier starrt vor sich hin. Ein Automobil jagt heran, ein Arzt und
^ein Gehilfe siiringen heraus. Man hebt den Bewuütlosen hinein, setzt
den Franzosen zum Chauffeur, der Kaiser legt grüßend die Finger an
Avn Helm — dann i^t er in einer Staubwolke mit seinem Stabe vet-
schv<unden.
Aus dem Tagebuch
des Chefs des deutschen Marinekahinetts, Admiral v. Müller
Aus: «Regierte der Kaiser?» Musterschmidt-Verlag Göttingen 1959.
4. September 1914
Der Kaiser hat befohlen, daß die Kabinetlchefs jeden Abend bei
ihm essen sollen. Ehrenvoll, aber kein Gewinn. Das Gespräch ist immer
sehr wenig auf der Hohe. Blutrimstige Einzelheiten von der Front,
wenig Verständnis für den Ernst der Gesamtlage, der in der Frage
gipfelt: Wie sollen wir zu einem der gebrachten Opfer würdigen
Frieden mit England gelangen? Wie unsere Welt^tellung uns erhalten?
13. September V)14
Beim Gottesdienst Taktlosigkeit und Byzantinismus von Pfarrer
(;üns: Wir kämpften für den rrotestantismus und wir seien das aus-
erwählte Kulturvolk, Erzengel Michael usw. Ganz im Kaiserstil . . .
Der Reichskanzler und der Staatssekretär des Auswärtigen v. Jagow
ergeben ein trauriges Bild von Unentschlossenheit und Pessimismus.
Sie sind sehr schlecht über die allgemeine Kriegslage orientiert ... Es
fehlt alles Zusammenarbeiten. Der Kaiser versagt völlig in dieser Be-
"•^'•'""- M.September 1914
Ein sehr dramatischer Abend. Der Kanzler war mit beim Kaiser,
trat aber gar nicht in Erscheinung, dafür hatte der Kaiser den Kopf
voll wegen des gänzlichen Versagens von Moltke. Anscheinend ist aus
dem Generalstab die Meldung gekommen, daß es mit Moltke nicht mehr
ginge, während Moltke selbst anderer Ansicht ist... Endresultat:
Moltke bleibt formell Chef des Generalstabes, Falkenhayn führt unter
Belassung in seiner Stellung als Kriegsminisler nun als General-
quartiermeister die Geschäfte . . . Der Kaiser sehr deprimiert . . .
16. September 1914
Bessere Nachrichten von der Front. Die L Armee soll Angriffe
abgewiesen, die T.Armee (Heeringen) sogar offensiv vorgegangen sein.
Der Kaiser war am Abend besser gestimmt. Er schimpfte weidlich über
Lichnowsky (Botsrhafter in Lon<lon bei Kriegsausbruch), der noch
immer sich eiid)ilde, wieder mit den Engländern auf guten Fuß kom-
men zu können. Er, der Kaiser, würde keinen Engländer grüßen und
in seinem ganzen Leben würde nie wieder ein englischer Orden seine
Brust verunzieren. «Die Kerle sollen auf die Knie!» Der Kaiser sagte
aber nicht wie.
Tagebuch und Briefe eines französischen Soldaten
13. September 1914 (Tagebuch)
Hier ist Krieg; hier betreten v^ir den Ort des Entsetzens. Wir haben
die Dörfer Frankreichs, in deneti der Friede schlummerte, verlassen.
Jetzt ist alles nur noch gewaltsame/Bewegung. Hier sieht man die ersten
"m
/
gich vom Schlachtfeld his hieher geschleppt. Wie sie gefallen, 50 liegen
sie da — jetzt schon stinkend. Die einbrechende Nacht läßt uns nur
mit Mühe ihre Landeszugehörigkeit unterscheiden, aher dasselbe große
Mitleid umfängt sie. Es gibt nur ein Wort für alle: armer Junge! Die
ganze Nacht unter diesen Greueln, dann den Morgen wieder. Der Tag
bricht an über angeschwollenen Pferdeleibern! An einer Waldecke
ein erkaltetes Gemetzel. Sie liegen da, ausgestreckt und starr, schon
schwarz von Verwesung — und ausgeplündert: überall sieht man
offene Taschen, aufgerissene Brotsäcke. Nichts von dem, was ihre Per-
sönlichkeit ausmachte, ist ihnen verblieben. Unter ihnen Zivilisten,
deren Gegenwart sich aus dem deutschen Verfahren erklärt, franzö-
sische Geiseln unter unserm Feuer marsdiieren zu lassen. Wenn diese
Aufzeichnungen jemandem in die Hände fallen, mögen sie in einem
ehrlichen Herzen Schauer erwecken vor <U*r scheußlichen Missetat
derer, die an diesem Kriege verantworllich sind. Nie wird es Ruhm
genug geben, um all diesen Schnmtz, all dieses Blut zu verdecken.
22. Februar 1915
Brief an die Mutter, s;<'srhrieben am ersten Tag nach der Rückkehr von einem
Angriff auf die feindlichen Stellungen
Teure, vielgeliebte Mutter, ich will Dir die Güte Gottes und das
Entsetzen auf Erden erzälilcn. Die Seelenlast, welche ich seit andert-
halb Monaten mitschleppte, war der qualvolle Gedanke an das, was
uns in den letzten zwanzig Tagen erwartete. Wir sind den 17. auf den
Kampfplatz gekommen; die umgebende Landschaft hatte keinen Reiz
mehr für mich; ich war ganz in der Erwartung des Ereignisses. Um
3 Uhr morgens wurde der Sturm entfesselt: Sprengen von sieben
Minengängen unter den Schützengräben des Feindes; es war wie ein
fernes Donnern. Dann machten die fünfhundert Geschütze einen Höllen-
lärm, währenddessen wir losgestürmt sind ... Die Nacht brach an, als
wir uns in den eroberten SteUungen festsetzten. Die ganze Nacht war
ieh tälig, um für die Sicherheit unserer Truppen, die bis dahin wenig
gelitten hatten, Vorkehrungen zu trelTen.
Morgens wurden wir mit ernstlichen Verlusten bis zu unseren frühe-
ren Stellungen zurückgetrieben; aber am Abend haben wir wieder
angefangen: wir haben von unsern eroberten Stellungen wieder alles
zurückgewonnen, und auch hierbei habe ich meine Pflicht getan. Ich
bin vorgedrungen und habe den Säbel eines Offiziers, der sich ergab,
in Empfang genommen; dabei habe ich die zu besetzenden Stellungen
befestigt. Der Hauptmann hat mich bei sich behalten, und ich habe
ihm den Plan unserer Stellung entworfen. Er teilte mir mit, daß er
entschlossen sei, mich im Armeebefehl nennen zu lassen, als er vor
meinen Augen fiel.
Dann habe ich während der dreitägigen fürchterlichen Beschießung
auch den Dienst der Versorgung mit Patronen eingerichtet und auf-
rechterhalten, wobei ich fünf Mann verloren habe. Unsere Verluste
sind entsetzlich, die des Feindes noch schlinmier. Du kannst Dir nicht
vorstellen, geliebte Mutter, was der Mensch dem Menschen anzutun
vermag. Seit fünf Tagen sind meine Schuhe von Menschengehirn fettig,
zertrete ich Leichen, stoße auf Eingeweide. Die Sohlaten verzehren ihr
kümmerliches Essen an Leichname gelehnt. Das Regiment hat sich
heldenhaft benommen, wir haben keine Offiziere mehr. Alle sind als
tapfere Soldaten gefallen. Zwei gute Freunde, von denen der eine für
eines meiner letzten Porträts ein liebenswürdiges Modell war, sind
tot . . .
Endlich, nach fünf Tagen des Entsetzens, die uns 1200 Opfer ge-
kostet haben, sind wir aus diesem Ort <ler Greuel zurückgezogen
worden. Das Regiment ist im Armeebefehl genannt. Liebe Mutter, wer
wird das Unerhörte der Dinge, die ich gesehen habe, erzählen, wer
aber wird von den sicheren Wahrheiten reden, die ein solcher Sturm
entdecken läßt? '
Verdun
m m.i ^ mimmrm^.. v. w.i.i.i wi >'m nv
w
Am 11
. Novcmher 1918 wird der Wo ffcnstül stand geschlossen. In Großbritannien werden heimkehrende Truppen freudig begrüßt.
Et pourlaiU notre artillerie nous montre bleu sa terrible puissance
par son fracas ininterrompu. Nous ne resterons point langtemps ici,
car c'est le coin le plus terrible du secteur de Verdun. Tons les regi-
nients qui s'y succedent n'y fönt souvent pas plus de huit jours; a ce
moment, si je suis encore debout, je vous enverrai une carte . . .
Soyez persuades que ma facon de vous ecrire ne mVsl pas inspiree
par un sentiment de crainle, niais bien parce «pie je suis logi(iue a\ec
nu)i-meme, mais paict« tpie dans cette fournai>e rimporlance de mon
devoir m'apparait precise et cpie tous nies efforts tendront ä Taccomplir
pour notre chere France, jusqu'ä mon dernier soupir.
Chers amis, je vous embrasse, permettezmoi ce bonheur. A bien-
töt, et vive la France.
Brief eines deutschen Studenten vom 1. Juli 1918
Am 20., abends 9 Uhr, geht's in die Stellung vor. Ra>endes Granat-
feuer. In v'unw früheren Hohlweg hinein. Dort hatten zwei Züge Stellung.
Der dritte Zug kam links davon einen Hang entlang, ihr dürft Euch da
nicht etwas Grünes darunter vorstellen. Es gibt keine Farbe außer
Braun, Grau und Schwarz, es gibt keine Form außer Granatlöchern. Die
Leute werden in Löcher verteilt, immer zwei oder firei, ein Lochvorfi
Tnnner ernster ist's geworden, immer schwerer lastet trotz allen Siegen
der Druck auf unserem Land. Und die ungeduldige Erwartung auf den
Kampf, die ungestüme Freude, noch mit dabei zu sein, wenn's gelte,
dem Feinde den Rest zu geben, die kann man wohl von niemandem
mehr verlangen, der das Schützengrabendasein kennt und am eigenen
Leib den vollen Ernst gespürt hat. Finde ich sie bei unseren Jungen,
so freut's mich von Herzen; und sie ihnen mit kaltherzigem Spott zu
entreißen, halte ich für Frevel. Bei uns, die den Ernst geschmeckt
haben, nniß an ihre Stelle die tief gegründete Entschlossenheit treten,
solange das \aterland in Not ist, für es einzutreten mit allem. Der
Tod ist das Härteste nicht, was einen treffen kaim.
Churchill über den Ifaffenstillstandstag 1918 in London
Aus: Die Weltkrisis 1916/18. Amalthea- Verlag, Wien.
Es war wenige Minuten vor 11 Uhr am elften Taj? des elften
M<mats. Ich stand am Fenster meines Zimmers und blickte die
Northumberland Avenue hinab zum Trafalgar Square und wartete
darauf, daß Big Ben das Ende des Kri/ges verkünden würde ... Da,
plötzlich der erste Glockenschlag. Ich /%ah auf die breite 9iraßc zu
meinen Füßen hinab. iSie waiLleeiü^AuL^cm Pj)rlt
i
\
Der General: Ulrich Wille.
Der Gtntralsiahschcf: Thcophit Sprecher von Bcrncgfj.
«■«i^O
Die Bedroliuiigreo der «cliw
während des Krsteu Weltkriegres
ät
Ton O b e r R t k o r p s k o rn ni a
n d a n t H . F r i c k
Im Augenblick, da .irli rier Br<rhluß rlr- Bu.Mlfsiatrs zur Kru?«-
mobilmachung un,ern- A.mrc /um fin.f/ig.trn Male jähr. rrMhr.nt
e. angebrarl.t, >irh darüber IVrbeuM baft /u ?:.bon. u ebben he.boluui-
?en unsere Neutralität und damit un^ere Unabhängigkeit uabren.l de,.
Ersten Weltkrieges au^ge^etzl waren. '
Die mililarpolitischo Lago in der Jorkricgszvit
Die militärpoliti^ebe Lage der Sehwei/ uar /.n jenrr Ztü <•*"•'
wesentlieh an<lere al> beute. Wir waren umgeben ><n. Mer (moU-
mächten. dtm deutseben Kaiserreirb, (br n>terreiebi>eb-ungan>eben
Donaumonarebie, Krankreieh und Italien. Wir hatten aller, w.gs kaum
einen Krieg, der direkt gegen unser Land gerichtet war, zu befurehten,
da abgesehen von gewissen irredentistiseben Tendenzen Itabens ,he
.ich allerdings damals mehr auf die italienisehspreehenden (,ebiete
Oe.terreiehs richteten, keiner unserer Nachbarn (;ebiet>anspruche an
nn. stellte und auch ..oMst keinerlei Anlaß /u scbwerwu genden Kon-
flikten vorbanden war. \\v\u wir mußten mit der Möglichkeit rech-
nen, daß in einem zentrabV'Päiscben Krieg eine der kriegfuhren.len
Parteien unser Land zum lArcbmarseh benützen wollte, wie dies im
Winter 1813/14 und noehmall 1813 .seitens der lOesterreieher und der
[nsvn \ ihren üeld/ügen g%en Napoleon >b^cbg„efübrt ^^nr.le■ Der
,bM. Vrn.een DeutM-bbrnd. imd llalien^ herzu-teUen. In der Tat ^^u^de
^on italienischer .Seite >cbon kurz narb Abschluß des Dreibundes vor-
«e^chlagen, italieni>cbe Truppen dureh die Schweiz an den buken
ileutsehen Flügel zu lran>portieren, u a> je.bM b vom dent>chen Aus-
wärtigen \mt abuelebnt wurde. Trotzdem kam der itabenoebe
(;eneral>tabsebef Sale.ta im .Jahre 1H9H und noehmaU l'MI2 aul du-^en
Vorschlag zurüek, der aber beide Male vom deutsrhen Ceneral-
stal.Hbef unter lliuNNci. auf un>ere Armee, ,lie <ein sehr beacl,ten>-
werter Faktor* ni. zurückgewiesen wurde, lebrigens hatte auel,
künig Viktor Kn.anuel 111. diesen Plan al> «NÜlligen •'>"!"- I'c
zei.bnel. Im Falle eines krieges zuiMlun OeMerreieh uml Italnn war
,lie <,efahr einer Verletz.mg unserer Nentraliläl gering. (>e>terre.<h
hesaß zwischen Süd.irol und dem (^df von Triest genügend
leistungsfähige Operationslinien, um nicht in Versuchung zu kommen
,|en mübsa.nen l n.ueg über unsere Bündner Pässe einzuschlagen und
auch für Italien hätte eine Operalii.n über nn>er Gebiet zu emer dur< h-
aus exzentrischen Aktion geführt. Inunerbin >sar in «beser l ins,, h.
Vorsieht -eboten, .b. die irre.lentistisebe Forderung nach Lnnerle.bung
mindestens von Teilen (Manbündens vielleicht doeb zu einer, strate-
gisch gesehen, unrentablen Unlernebmung fidiren konnte.
Die größte (;efahr für unser LanW bedeiMete jedorh die scharfe
iV. ...rU.d ,,,i.J..-n_l).uis«bh.,ul UM.L l:i:iLUav.eirb. Toter «bn T.an
voraussichtlich seine verhältnismäßig sebwache Armee n, sen.e Festun-
.en zurückziehen würde.» Zweifellos bat also die hohe Ln.schatzung
unserer Armee bei «lieser Fntseheidung eine große Rolle gespielt.
Heim Besuche Kaiser Wilhelms IL bei un.sern Manövern im Jahre
V)V> mochte sicher der Wunsch des deutschen Monareben, sich per-
sönlich von der Leistungsfähigkeit unserer Armee zu überzeugen, von
wesentlichem Einfluß gewesen sein.
Auch Frankreich bat sieh intensiv mit unsern Vork.bren für dcT,
Sehutz unserer Neutralität befaßt, wie besonders tier seinen, im
(ieneralstabswerk veröffentli. hten Aufnnux hplan beiliegende INach-
,i,.|,„.„plan beweist. Folgende wichtige Fragen hatte der Nacbricblen-
Wienst im Mobilmachungsfalle zu beantworten: «Welche 1 ruppen über-
wachen direkt die französische (irenze? Welche Truppen besetzen das
Basler (iebiet? Welche Truppen stehen auf der Linie Neuenburgersee-
Aaretal insbesondere in der (;egend von Yverdon und sn.llicb davon,
von Oben, Brupg, Winterthur uml Zürich? Deuten Anzeieben darauf-
hin daß sieh der sebweizerisebe Aufmarseh einseitig .neu- gegen
Deutschland oder gegen Frankreieb richtet? Wo errichten die
Schweizer Befestigungen'.''»
lieber Italiens Studien betnffend unsere Neutralität orientiert ein
Buch des italieniseben Dberbefehlshabers im Kriege, des Marsehalls
Cadorna. In einem besonderen Kapitel über diese.s Problem fuhrt er
aus daß eine Operation dureh die Schweiz für die Italiener wemg
Vorteile bringen könne. Hingegen wurde italieniselurseits mit der
Mö.nicbkeit einer deutsehen Operation durch die Schweiz gegen den
P.üeken der eigenen Armee gerechnet, (.adorna bemerkt dazu : .Die
(;ewißheit, daß die eidgeuössisehe Regierung und das Schwe.zervolk
die Aufreebterhallung ihrer Neutralität um jeden Preis durchsetzen,
i.t für Italien die absolut notwendige Voraussetzung der w-iMteren
/'
i■|jX^^^lHly.Tl^^a^■:<^^!Ww^Ma^^<l»li^
iyMMi»qT.ty,»y»'*,^»y,y/j.>/ft5»«'/v^<y»j_yi*w !JW>^
I>?« von. Hanns In der Gand im Lud hcsuntjcnc «Gilberte de Courgenay»
Der Bundesrat brl dtr Trupin
Ullis in /iril lluiuhsrol Scji iijtln ss. roro' in <l' r MHIr in l-niform drr ]\n-öt> In r <li s il ilHiirdi imrl' wrnt.'f,
ßundcurat Dciopi» (. H'i ih r KcIiL-idit Hundib-rätc Mölln, Jlojj'ntann xrid Forr( r.
/
Avierler vorkommen, ^^io^^ol^l dir Staat>manner der IumJcii !i;rc;np-
rischcn Blörkr mit Riirk>irlit auf die uiij^rluMirrn (»ofahren tlo Ein-
^atzcs von ISuklear>\ äffen >i<lMT einen Krieg /u vermeiden wiln^<•h^n.
Schon bei Kriegsau>hrii<li waren wir, ohne e^ 7,u wis.son, \on finer
>>ehueren (/»'fahr hedroht. Dir fran/ö>i>(lir irrrr<'>leitnn? hattf offni-
bar wrnij: \rrtraurn in nii^rrn Wilb'n oder un.»ere l'ähi;j;keil, auch
eine ränndieh unbedcntrndf \ erh'tzung unserer Neulraliltit /.urin-k-
zuwei^en. iJi«' \Vei>nn}ien, nach denen der fran/ösi.>rhe Aufmarseli
des Jahres 1914 dnrrhfieführt wurde (^ogenannter Plan XVII), ent-
halten nämlieh eiiu-n Auftrag, der eine Verletzung unseres Terri-
toriums in sieh sehlof3. Die «In.struetion {larticuliere pour la l'"^ armee»,
der Armee, deren Operati«nisraum im Siuh'n an «lie Sehweizer (»renze
stieß, legte fest, dali eine Armeeabteilung so bald wie möglich in das
Oberelsaß einzu<lringfn habe. Aufgabe dieser Armeeabteilung vsar es,
deutsche Truppen anzugreifen, die versuchen scdllen, aus den West-
atisgängen der Vogesen zu debouchieren. Daini heißt es >\örtlich >Nei-
ter: «'Daneben wird sie sich Ix'nüihen, «h'n deutschen (badis<-hen, d<'r
Verfasser) Bahnhof von Ua>el, die Briieke \on INeueidmrg am Hheiri
und alle andern bestehenden oiler in Krriehtnng befindlirhen Hheiri-
ül)ergänge zu zerstören.» Diese Weisung schrieb also einen Hand-
streich auf den auf Schweizer (iebiet gelegenen Badisehen Bahidiof in
Kleinbasel vor. Freilich sollte die Auslösung erst auf Befehl der
Obersten Heeresleitung erfolgen, aber immerhin bestand der Auftrag
ohne jede Einschränkung und wurde im selben Satz mit Zerstörungs-
aufgaben auf deutsrhem Obiet genannt. Zweifellos befürchteten die
Franzosen, daß die Deutsrhen im Badisriien Bahnhof Truppen-
ausladungen vornehmen könnten, und dies, oliJfclei«!! außt'rbalb unserer
Grenze die Unigehungslinie Weil-Leopoldsh«^he bestand. Dabei rech-
neten sie offenbar mit der Möglichkeit, daß Vir gegenüber einer sol-
Mgebot der Divisionen,
•»kSlMRÜNM
Kriegs-
Mobilmachuiig«
Sf^ßmM
MobaisaUoii de guerre*
Ise snr pied des divisions.
j„ BM*«ii««t* A» f©rtWk}«««»« •» 40m troufttm «r«rt»»*» Indlqu*««
S ft'«»e ft» wtfnft »^>rArm *> mtsrltf ^»«iin«!»
f^ ^mvWbr' 4*» ♦*»«■>«** -KW* w> '*^'*M^< •«(♦♦» «Ht«» >|i»<'i»»i
»«nü IM .»«OM* ««M4t t« IrtlMlÜiii «t
rDivtiiOn
.?J;:
4» ^.<. <VM**>«
JLDimton
9« D«yMon
•.V.. -X.«« ■
4k OlVt9IOft
w
J»
Mobttitaztofie <ß ^uerra«
ii I ««Mto IM«
Ghiamata deUe divisioni
f .»Mi>»» >W »wut'W^ff «l*M* •• «« »<«•• •* ««r-ii «ifc» 1« #«» < ** ««M^ V «MM* • «M»»
&Oivisk>n
6* OfVfaion
- V. > ..y.,^ ->
' : .V.. ^.w 'K, ■ V
/.,, . . A* .■■■ :.« i i'^ww
y« *. »« - »*:, .A^
MWcsiM» i a>— — iW
JWMtt
WM »yMXi i «JSSU *>**•«•
■i^t-
t^-H^^fX- tM ■* ■ " •■■■
»^^
r- *>t' *■ i^< : *- •
-^^ !■■ ■tP
^N
Trotzdem sei die Anneeleitiing zeitweise unter das Minimum an Trup-
pen, die das O^vissen als notwendig erklärte, herahjjepangen. Dann
sagt d«'r (.eneral : «Der vollen Verantwortlirhkeit, wenn eine Katastrophe
eintrete, ^\ar i< h mir dabei Inwnßl, ir|i tal es trotzrlrm. awü nur
dadurch weiterer <;efährdun5: der Armee und ihrer v^rhlajikraft «lurrh
die allgemeine Unzufriedenheit ührr die lange Dauer dr> (,renz-
dienstes und seine Folgen für da.> wirt;diaftliehe Leben zu be-
gegnen war.»
Ende 1916 nahm die Gefahr einer fremden Intrr-, ention \\ie«ler ein
sehr drohende> Ausmaß an. Im franzö^i^^•||en (»roßen Haupt<|U{irfier
tauchte die Befiinhlung auf, Deutschland wolle durch die Schweiz
hindurch Italien in den Kücken faihn. An der l\<iriferenz zu C^hantillv
(15./ 16. >o\end.er l')]6) wurden Maßnahmen dagegen luruten. Dabei
wurde angenonunen, daß, nenn der deut.-^che Ueberfall gelinge, binnen
24 Stunuoi (!) drei bis vier «leutM-he Divisionen im \u>lad«iaum ^ü<l-
lich der Al|>en eintreffen kömUen. So die Schweiz zu benützen, sei
möglich, denn >ic sei ohne jegliche \ erteidigung. Zwar werde ihre
Armee -oforl mobilisiert werden. Aber konnte diese Mobilmachung
rasch genug geschehen'.'' Uebrigen^ g.he es bei so folgenschweren
Lnternehmungen nicht an, in die eigene Rechnung fremde Vierte ein-
zusetzen, «leren Gewicht noch nie auf der Vt aage des Ge?cheliens ge-
legen habe.
In der Tat standen im Dezember 1916 an der ganzen Nordwe-tfroni
nur II Bataillone. Die Folgen duser schwachen Grenzbesetzung und
der daraus ent-pringeiiden französischen Befürchtungen blieben nicht
aus: /uniichst gingen Meldungen über deutsche Truppetumsanunlungen
im F^lsaß imcl über französische in der (hegend von Montbeliard-
Be.sancon ein. In der französischen Pre-se erschienen zahlreiche Arti-
kel über einen be\ orstehenden Einmarsch der Millelmächte in die-
Schweiz. Französische Kapitalien wurden aus deutsc h>cliweizeris< hen
Banken nach Genf und Frankreich zurückgezogen. Deutschlaml blieb
die Antwort auf die französischen Verdächtigungen nicht schuldig und
ließ durch seine Presse mitteilen, die ganze Art des Pressefeldzuges
der Entente deute auf eigene schlinune Absichten hin. So begann jede
der beiden Kriegsparteien mit der \ «rletznng unserer Neutralität
durc-li den (Gegner zu rec-hnen.
Französischerseits wurde ein umfassender Plan zur Miwebr einer
deutschen .Neutralitäls\ erlelzung ausgearbeitet. Drei Armeen, nämlich
die Armee de Belfcnt, die Ärmere du Jura und die Armee de (ienexe.
die zusannnen die «(rronpe d'armees d'Helvetie» bildeten, sollten nach
detu sogenainitcn ^Plan H. an die Schweizer Grenze transportiert
werden. Als Oberbefehlshaber war loch \orgesehen, cles-en Stab
die Dperationen in allen Einzelheiten vorzubereitcfi hatte-, /uar scdite
Schweizer (iebiet erst bei \ erletzung unserer .Neniriilität durch die
Deutschen betreten werden; inunerhin wurde der Auslad nou Truppen
auf Schweizer (»ebiet geprüft.
Die Armeeleitung gab sich Reebensc hafl über die drohende O-
fahr und war sich darüber klar, daß die zurzeit im Dienst steheiulen
Trupjjen zu deren Abwehr durchaus nicht genügten. So wurden elenn
am 17. .Januar 1917 elie nicht bereits im Dienste stehenden Truppen
«ler I. Divi-ien» sowie die ganze 2. urni .'). Division aufgebctien. 'Das
Aufgebot machte im In- und Ausland den besten Einebnek. weil e-
sehr richtig als Beweis tlv,. entschlossenen Vi illeiis der Schweiz auf-
gefaßt wurde-, ihre Neutralität unter alle-n linslänclen zu \ crteieli<;en.
Mit dem Bekanntwerden des Aufgebotsbe-Nchlusses legte- sich alsbald
auch die Aufregung im Lande; eler Feldzng der französischen Presse
hörte sehr bald auf» (Bericht des Generalstabschefs).
Damit war diese große (/cfabr abgewendet; in der Fedge trat eiiu«
Bedrohimg elie scs Ausmaßes nicht mehr ein. Inunerhin wurde der
französische Plan H n«< h bis in das Jahr 1918 weiter bearbeitet und
ver\ollkonuunet. '"v^
LchrCfi für die Zukunjt
Die intensive Bcschäftiamg der (»eneraUtäbe unserer Nachbarn
mÄi dpi\ «rhwc-i/rris» In ri \e\itralität schon iti den .lahren \or «lern
'ö
v
\
Zur i ( bi ra-üihtinu d' r tSchti tu iiiti //* inal :iir Jhi'-, i,,- ron Snhuh.uri n irurdi n dir JltilDitniu, sli llt, it }i, u-oft m t.
^^H
^^^g
B
^z
2^^^^^
^^^^^^^ra
•<*:
*
SoMmHMOöuböOC^ .
^^^^Evt'*'''
■
<■-•? ^ •««»S>Sv
■■■■«»9ji«v^>
■''"■**'•"'"'•'•" »WlH.i«»»«':
■ ■"•'MWluiWOMft.
■'•**A*.iUMi*eoy»^:.
^^T^
i^ i.-.-i ei- iv-v^viEfosassiBri ivi
^ --:iiisi. ^
' r,|gB^
> -: -«.>ft--\ ■! ■«>*---t>^: -
r,tg;iit*r vri u I
m-en f^^l>l>'-^- "^J^ÄJ:^ .hTfälu. oder «iUen,
„erde und dali w,r zu -f ; .'^^ „.^f;,,:,^.» Of.!"- -'«'" "'"
„ien, «.wie d.e •»-»"ji ^«'^^X" le ""-re. Volkes und die Kriegs-
voller Deull..l.Ue,l, daß .Ur Wehr ,.,,,„„ „.„erer Neu-
türhligkei, unserer Arm-e für -^^ J^ ,^^ Bedeutung .inJ. W.e
.r.lUä, und ^'»'■^»;,^:;:\r ,:::.':;' La,,de.ver.eUn,un, aueh in.
scliun im Lr^len »•1"^"''" ^ , ■ j;, „|J,. Kalaslr«|.l>e Innein-
gerissen >Nurden, die alle \oiKtr u,„wW-.m liunr
M«,e der 1. Au.... der d.e.e. Jahr nie U ;;;;;;';,;"^ «::;:,■:,.;,'' U...
der alten Kid,en.,..en. sondern -■;',;;,;",,..„, ,.,.,.ren, Noik
„ahruns.,.rol.en unserer ".<■•"•"•"':." ^'J, f ; , „„J, Vaterland ein
.ieder leld.af, .un, Be.ußt.e.n »> '^'- :;,,,,. ,. „„, „,.„,,.,„ au,-
„„gelnoehener * -1'- '•' 7'' ..,',:, Ua f ige Arnux he-
Wahlspruch: Wehrhaft und frei.
■oftff^
SS^^isSHSäSEiäE^^^
s
41
/-
1 unser feiges Ausweichen damit b^ründ.n Hura.n, daß d.r
-^.^enunn der deutschen Bahnverwaltung se.. Welch schwere
;»rch diese Weisung für uns heraufbeschworen wurde hegt
hand. Eine einzige falsche Nachricht konnte zur Auslosung
llstreichs füliren, der wold sogleich auch deutsche Verbände
Lreifen veranlaßt hätte. Unter diesen Umstän<len wurde s.ch
Ju.f w<dd bald über das Kleinbasler Gebiet hinau. ausgedehnt
r.Md wir hätten den Krieg im Lande gehabt W ebbe Bedeutung
fn/ösische Heeresleitung dem Badischen Bahnhof »»«ma«^ -•-
,ch aus dem Bericht «b's fran/.ösiMben Militärattaches .n Bern
i„e Unterredung n.it .lern Chef des Eidgenössischen M. Uar-
Iments und den. (;eneralslabschef v. hprechcr am 28. Jul. 1914.
flilitärattache teilte n.it, Frankreich wer<le d,e schweizerische
dität respektieren, hingegen mmbte er wissen, w.e s.ch d.e
l'iz im Falle der \ erlet/u..g ihres (;ebiets durch deutsche rrup-
Lu Prunfuler Zipfel oder bein. Badiscben Bahnbof stelle. Ls
l dan.. in de.n Bcrid.t: .Der Chef des Militärdepa.tements und
(;eneralstab.cbef haben in aller Forn. erklärt, die ^^^T^^l
■r. mit allen Mitteln einer Benüt/ung des Bad.schen Bahnhofs, und
Fre es auch ..nr /u.n Abstellen von Transportzügen, sow.e der Ne.--
Jt/ung des IVu..truter Zipfels durch Deutscblan«! w.der.et/en. \h
liesbe:ügli.he„ Erkläru..gen waren ab.olut kategor..ch.> Aber au, 1.
'las senile ..id.t, um die f.a,./.«siscbe lleeresle.tung zu heruh.gen.
Erlt eü^ Woche später, am 4. August, widerrief Joffre den Auftrag
zur Zerstüru..g de.. Badischen Bahnl..»fs.
Der Umstand, daß sich die cnt>cbeide.ulen Opcationen in Belgien
und Nordf.ankreicb abspielten, brachte uns eine geuisse Erle.cl.terung;
die (;efabr, in .Un Krieg hineingezogen zu werden, ver.n.nderte sn I .
Auch der k,ieg.eint. iU Italiens ä..derte die.e Lage ...cht wesentl.ch
da sich die wichtigsten Kän.pfe gegen ücterrcch an. Im.uzo, al-o ue.t
von unsern (irenzen, abspielten.
Allein, nun drohte eine neue Gefahr, und zwar in un>enn eigenen
Lande. Sehr bald griff in unserer B-'»»»^-""?^ -^ S"^'-*' ^"/.f;
losigkeit, ia sogar eine < igentlicbe Mil.tärmud.gke.t u.n s.ch. Mehr
:„ , mehr lurd: die a..geblicl. allzu g.oße Zahl der .m !>•--- -;•-
den Truppen kritisiert, und n.an hürte sage,, daß <aler \ ater an
,ler G.enze „Bockli gun.pet", währc.d die Fan.il.e zu Ilause hungert..
Diese Stimn.ung w..rde weitgehcd durch die wi.tschaftl.chen Seh. e-
ri^keiten zahhe.cber Webrmänner infolge des la..gen Akt.vd.enstes
u.:d des entsprechcnlen Lohnausfalles hervorgerufen, ^^er Verfasse
hatte sich als Kompag..iekom...andant mit einer ganzen R-«;;-^^«{^^^^^^
Fälle zu befassen. Zu.n Glück haben sich wahre..<l des Zweiten Welt-
kriege, diese ErscheinuMge,. da..k der zu dessen Beginn eingeführten
Lohn- u..d Verdienstersatzordnu..g nicht mehr w.ederbolt.
Die Arn.eeleilung trug diesen Verhältnissen na^h Möglichkeit Rech-
nung und schritt zu starken Hednkli.men <ler aufgebotenen I rnppen.
n:..eral Wille sagt .n sei..em Bericht i.ber den Akt.v,he.,st, er habe
aU Leitpru.zip gehabt, nicbt .nel.r Truppen unter •»;" ^^ f ;'' j;' ^ j
ten, als du.ch die Kriegslage geböte,, ersch.en. Sehr bald habe er a.. I
die Ueherzeugnng ge.o.n.en, daß es ...<ht im l.>.eresse -gende.nes de
kriegführenden Nachbarn gelegen sei, ()perat,o..en über unser Geb.e
zu unternehmen. «Aber diese Ansicht», fährt er fort, .d.e wahrend der
ganzeTKriegs<lauer in.n.er gleich bei mir vorhanden war, berechtigte
ni ht die Mr.glicbkeit des einen wie des andern - J-f"-;^ --«'
d^ mehrere Male die Kriegslage derart war, daß die Mogl.chke.t sehr
den (Jiarakter drohemler Wahrscheinlichk.it a,.nahm un. da d.e
MiUtärat.aches der miteina..der kriegfül..en<len Nachbarn bestand.g
uns auf die von ihrem (.gner .m. drohende Gefahr aufmcksan.
machten, sich ..ach un^er.. \ orkebien dagege.. erkund.gten d.e
Bereitwilligkeil uns zu helfen e.klärten, ja sogar sehr deutl.ch an-
deuteten, daß, we..n v^ir nicht imstande .ären, u.isere '«- ^';;^;
deckende Grenze zu schützen, sie gezwu..ge,. ^^aren, emzun.ar.ch.eren..
Xvv^ ■ ■- <
•V-
><-^<-
^.%^ >^ :. fr >w
/■<.-v*.
fv.---j
.■--*^--. fr A>,
•■•.•.•>•■
. .>*f-: <%■*.<' f^f
''xy*
>^_ ■■■■ ■•>■'*
.^>^
NX-*^'- *-^
•^«»«•ft •./.- v^
^^V^-Xw ■ >-'■-■>
■f.-.-.-r-
■.ri:'^
> ■ ,■.- V — -■' ■■ . vy-
i» .y um •■•*■/ <->^:^
*. v«^ >Mr
(Mf^ W •OMOiXm '
■■■'f.. Ol^i.y^
■.•.■.•".v.--S> X 1- .*"♦"'*'
,-■. ■'■.<■ <s •<<>'. *"^
f^^.:- V- -.■- .■;■ .-.
■i'^
• >M
\ f»y^
,-« *^>w>. «:'
'■3Ük«*Mt *»S Mitttm *■ vi»m'- *» fc ='»»f
.... o< ''
i >, •: :* ■-
J-
>^'.>4r 4( 'i ■■■>■•■
oov.
**■ i<*i4 .■. ,«- ■ V>>MN<
.> 4> v>-->-v->*'
. *^ v.^ 4 */•/> '^ ^»^ -X^ *
UMTIWC ** V»«»»a»rt1t» «»4 ^ tMM«flli&
r .V. ^"«» <-.- ^^ifJif/»y.f
t«N>^ « <4»^ » j»f>MfW 4^ *«Mt # ^
A-<. «il-A C'V«*< •>Ms,>A' -.^ -■•■'*. .,,
.S-- ^ .
, .,„ .... Af,. <. )»i*(l>. A- ■■-- <■•■'-»' X-<v
;.*XV^ *, <.^ vC» V >■ .,..-«• <- .y*W-— >A;* *A ^ ■.■ ■- ■■
VAA *•*:■ S* <>A V
'.k AM-av>>'.
f f^Mtf^i^ <■ ♦.w.v
^4^v nr sA-.'o ♦.%■ >A- '.JA> V ■i^.-.fjy.
.y^ >■..•:•>« •*< W<A-W»» t-V^ ^rf-V^- -,
WA ■>» kv 4».AV., <^ ü, Ay»^A-*y->
1. A' <•■•.■ >.vyv^ <».■ •% !V'*
ifilMaJHr Mfp in«<^ > #c«m«I ^ >
;■<* /. >>*i*f» A» V- .j»AN>AliAV< » <■.■«• A^»A*/ .A 'A;««^^. *J& A-/ »W»
i *i ■ »at •» »»<»x :<
>. V*>. sf-v^ -«V fr -/*.■ v^^* --v^^rtffV Ä
■ -MMt^ A VA««> «>•./ ** >* ■ "V.<.> *>r^ "*■ -OS, : >A^^ * *'^'^^
«auCyt >A «.>w><*>.
fr< -V»«^- ' «* '^- **•«••■ ** "■''»*» '.-»»M».- -Km^V
< .„AV. '^ViÄ^ < '^»A« >>->K «fr»«' < *A »S«)«*: . f'Ay «AHMT- >«•>-• >w *">*< *
^ ^-<.«(X f«^ ■ *A*/^
V«frW» 0».-k%^ A wy-- 'A* >*' •<*4«». . , _ ^
^s'* («..«^'A )v»A ' i««*'. OX" V,f.* V a:a
, . «. A w». » ■V/iy- ' »*■ Mfc*» WC» VfrMT J^''.'
^ .)»k.A.<.v~v '.'*;. ^ < A'X^'.*y»v VW ♦wy t»i«<Ba<K<»>.w v«fy4»A
, «VAV>. . y />-«;*>. aw. ' >Av !■> yi." <■>■ v>»>: <•'
' ^AAM ■»
..**■' -yt> ;'»o »i ■^t'**-
■*^«*: '
/;o.s Aiifflchot zur Kriegsmohilmoeliung.
Roi.rudnUtioiHMi : Scliw ei/orixhe Lan(le>bil)liothok
Aufruf
an das
frijmeljeruoUt.
'•••>
Getreue, Hebe CidgenoFfen!
X« t!««kA
ti<>tr»K tf»*i(f «i*«i«i« ««(«et t'ptitit n«ttt» uiiwr«
iMtvfttofl»» Mi m iaat »et iKttfihUieMlt» iUntii« «*«•
tutkx ttn^ !Ki4rr ••<tll<lit»i«t Uratta(t«4« «ti»«)|<-tK.
»»t»m <l»»«itT<tai«t «t'.c «tili« finittfjJioi HU» «Uc tVftt S»
««(«if» >>«tf «fcri M «>r sftitlKr.t ■gut««!» <ivi««ti(!i.
«r. «PSKii«, i»i «t «t 1 »"''it. «ifärt}»»*ll«<
«v! CKtKWtiii «1'« tt«*, «SttorrÄi««. >«!( Kit' *^ üfi«
h-tl» t<tt!*( tiK, V(»it. !»■»« ■i>i(!vft,n*r *U;1 i>i>t> V.'t6ni
ijKsi»!, ««Wut! «litc» Uelmjrtt«« m kKilHcnV.« '•f^iit'W
>li!*cr;>ffti,tt« »«(■■ Jofttt»'! «»rk«», »It eitfc« «». tnir* W«
Rilltet»« Wit (mwlit «iBf -«uit liiti^ l'eiuRSO'.fwU. 'fkr-
naac »tf tri* -^tOMiX«. >1t t!l »Mi-« tllOKttflt l;)^!; »«*
l»ftt:> HmK*« ii>tlS Itllltfi »Nil!«« »l:i> ««rt *f:f »i< ?>«(•
^^t>t, flV. 5i>» »1« «i*» «IP.(»«ft tl' iT'':<l!<'«i>Ci"« U> «IvStr
rv'«t 6r<uWffi un>'4at »a-; ^a »«( *V*t (teil *iä
«löVttlc:! irs <» (w W<l*t!ÖlH! S« «ii.-tb:»*»»'!
.% SSBifS Oft iltBfii. |i»«f;.Hlf...
i>d)ft<iittat)ii
/>
( I
Aiifrtif d<s lhinilt.sial< ■-< i<hii ■',. .In/jusl 191 f.
Schweizerische Eidgenossenschaft
Conf^deration Suis»« Conf«d«faztone Svlzzera
Brotkairte
V
Carte de Patii - Tessera dei Paiie
^0f.
*wj^V^
^c-^^MMWk
fittitia 99m 1. htf 30. im\ tsts
VaUbie dtf f«' an 30 fain n\$ Vtlf ye(e 4ai f« si 39 GiWPS 1519
R«Hoa; Br«t 180 K pr« T«x. tol«l ♦ kt ^ .*^ „
IHchl SIS f mr« M»s«t: «ettftfe 746 f «a Steile vq« iMf f i}r«t
Ratid« Paln 3W jr fWf i««r. •« »ot«l « k| , ^
Ptriwe 515 I p«r «ahi; 7^0 *«tr<$ rr«at«e» p««ve«i Ifire okte»« «h
He« d« 19«4 f ds 0«i«
|{«rtoa«: .^00 f dl WiB« «f 8'or«9, t»t«l« ♦ kj
51$ 1 <Ji tart«« a» me««: «ttH 74« f d» Url»« «uetriW« i» lö*«« dl
IWO f dt M«e
S'arng unit Vornamt
Sem et /^tenam \
Wahnsttg i ^ .
DomieH« i
t^v^
l»«rsi>nr»fle et {twMtlbr«. tn ufertÜBtt Ia $«}«•» W«p«»W It» «tt« »u«»»» d»» 0««^««,
c«rf«».j«»fl»nt» Mt ftttfwn» lf«»rtJ*f», I«* .»«ndf* »»«c r- ~-- ■■"■^' ■■■■ ^'i' ;"■"
««» * l'wrtrt« w «emlcf mHiaJr«. V V V V
Peftwaf» « MR trasIftrJWI». - *»' uic«» da»« |,
Svtzz«ni dMOcitir« I« t«B$*r« a*unito d««fl MUMttrml
o«rr««jp*Mteo8 JtftM« »'»ffitio dJ c«rt|tM, prtndart«
•«c« «H tntrats tn MrvUi» »M)««r». U. <<<»J
V V V V V V V v^ y V
Iti fj Si S|l ij Ij 1^1 *J.lJ/||l
5^^ «i ei ^^ rs 5« «*^ r?-i^,«?5
. ^'-.^
1 KMgÄto- E»^lU»t«««««*S*- "T*
V«T«Ci»Tift«V
(«ddrtkt <i* !*ÄüiÄ«nlMltlWu
__„ )cr\- v»8;fo«»«i«l»tt,
jjjunütii • »■ ly» '"*
irted« dMHletl«, »uiYAnt
l'tioll.di-h lom
.Iiini 19HK PaiKnirr Unhatl-schcin filr icrhilliatr Mihli.
.1^
[
.1
^^
V'-^
;'!??;■':
T^.j;
■t*Ll.>4*;>
^:^--.
•';^
i'.iV; ■
vV/i^
.■..AI
J'-:>V'.
■vA-.'
■.■•<•, ^. .
JV#
^;^i
Her Ilirics:'«»ift!»«brii€rli
in lii«tori!«cli-i>oliti«cher ^»ielit
\'on Hajo Holborn
Der «Cauchomar des Coalilions»
AU am Narlimillas fies l.Aujiust lOM «Irr .I."ut>.li(' liol-rliaftrr in
St. Potersburtr «Irin rn>si>r|ini AuI.m innini«!«r «li«- «ItulMlu- krnjis-
erkläiuns iilMir.icIiti-, ♦mhKu- «las .ji.hihinMitrl «Ur li.Mh>lfn ruropü-
i,(hen kialt.-ntfullnnji nn.l Marlil>lrllnM}i. Dm alUrnninrn Kri.j.'. «I«r
jclzl befiann. Iiallr Kniopa >.il «Im. Wi«n«T Kiie«l.n «iliicklich x.r-
niieilm, oI.xnoIiI »li«' M«lli«MlrM .Irr FritMlfnssirluMuns Ni«l /n xviniMl.rn
ijbris li«'ü«n. Di«- Jiröülr \ rriin.lrrun? «I«'r .'nropäi>rl.m h ii.-.l«M.>.
onlnnn^ xon 1813 uar «l«r \nf>li«";i |»nul.Wn-D«'nt>.hlan«ls unttr
BiMnan'ls. Die Giinnlun? «I«'s D.ntsciun Kei.ln^ Nxnr«!.- /.nni Anfans
riniT }in.l.;.rtn un<l <lantrn.l<'n iMaclitvrixIiiel.unii. D« iil>«l«lan«l lialto
um dir MilU- «l«'r s»m li/.is«r Jahr»- ^tia«l«' I lankn i« li an BtNolk.iuns
ül»erflüs«ll u.ul uuflis iM> 1011 um nw-hr aU limf/is Pro/t-nt an. Nor
all« in .•ntuicUelli- es >ieli noel. xor «l«r Jahrl.nn«lertu«Mule /nm -roBlen
l.Hlu>triestaat Kuro|.a>. Diese melemi>rhe Entwi<klnnji unr.le nalnrlnl,
N,„n \nslanW ..ielil ohne Sn^ie Weoharhtet. und Bisnun. k lilt unl«r
dem «liaurliennn- «les (:oalili«n.>.>, fih- «leren Bild,nm er enu-n >leti^«-n
\n^at/punkt in der hleihen.len FeindMi.alt !• rankrewli> xMlUrle Kr
hielt es d«-hall. Inr Motuen«liu, weni^isten^ /^^'i «l«'" fin.f Cr.d.'nnaelMe
dauern.l an Denln hian«! /n knien. Da er idn-r/fust xxar, «laB «la»
DeutMhe Kei.l. saturiert ssav un«l In-M.n.ler. in .l«ni d.n-n.üen Celande
,|rr eur«M>äisehen P«ditik. «I«m Orient, keimrlei e.j^ene lntere>M-n zu
^^rtreten halle, xernu.ehte er ni. ht nur «lie «lent.ehe I r.eden>l.ehe
unter Bevxei. /u >l«llen, s«,n.lern au« I. «lie lähi^keil d«.. neuen Kenhes,
zu v«-nni»teln und u^/iTS^üle.. heu., tr luunile geki^entlich sein J^Yli
««lie Bleigarnilur am Steh.iufmäinielien Eu!«)|ia».
Bismanks I<leal war das liiindnis der drei Kaiser, das ihm aiuh
.leren innenn Interes-en am besten zu ent-preelieu schien. Zwar er-
reielite er sein Ziel 1873, aber der alte, aus «lern Krimkrieg stammemle
(;e?;ensatz zwischen Oesterreieh und RuBlan«! brach scbon 1876 wieder
aus" un«! der russisch-linkische Krieg von 1877 bis 1878 führte trotz
Bi>inarcks Maklers.lialt auf dem Berliner K«)ngreß im Jahr 1870 zu
fl.r ersten ernsten deutsch-russischen Kriegsgefahr. Bi^nunck begegn.te
ihr «Inrcb «len Abschluß «l«> Bin.«lnisses mit Oe.^terrei.h-l Ingarn. «las
beinahe vierzig Jaln-e, bis zum /n-amme.dirn« h der l.eid. n Monarchien,
fortbestehen sollte. Aber wa^ immer au. di«>.-.n Binnlni.> spiiter ge-
n.acht xNU.<le. für Bi>n.arck iM'deulete es keine Opti.m zwischen «len
h.i.lcn KaiMM-reicben, MH..Ie,-n ein hamlfesto Mittel, um Hußland
uir.ler bündnisb«reit zu mach«... Hierin war er «Inrchau. erlolgrenh.
Das Drei-Kaiser-Bünilnis XNur«h 1881 erneuert, n.n «la.m freilich 1886,
diesmal über «ler bulgariMhen Krise, endgültig S«hilfbru«h zu erlenlcn.
Doch gelang es Bismaick, «len Draht zwisclun B.-rlin und St. Peters-
burg «iurch den Bü.kx er>ichernngsvei trag von 1887 aufrechtzuerhalt« ..,
der"«le.. Ku-en «li«- T«.l«ri.'rung einer aktiven Politik an den Meer-
».Igen nn«l im ö>tli«h«-.i Balkan zusagt«*.
\..ih-.e Slaat«n x.ur«len eb«'.dalU in Bixnar.ks Bümh.issy-lem
hi., eingezogen. Be>«mder> nichtig x>ar «lie Erweiterung «le, Zwei-
|,unde> «Im« h «len Dreibund mit Italien im .labr 1882, obwohl Bismar«k
ihn, nur eine.. b««lingl«-n W «rt bei.naü. K..lg«ge., «ler häufige.. B«-
hauptu.,g. Engla.nl habe nnmer «lana.li gct.achtet. «len Ko..tn..-nt gr-
-palt.-n /<! -h«... Ncrdienl c folgehalten zu xN.nlen, «laU Lo..d.M,
k.ine.. \.-rsU(h ma« hf, «las Bi>mar, ks«h.- Bü.i.lnissyste.n zu ers<hul-
„rn, son.ler.. im Gegenteil dieses öfter, in kritiMhen Aug«nbl.«-k«-.i
.tülzte Die Teibn.g «les Ko..tinents in zwei Lager xsar «la> Erg.bn.^
<h'. fr.i... E.itschlnsses «l«r .Na«hf«»lger Bi>marck>, «I«.. BückverMche-
\b«rh
!»
.uii.;;,-sertia^!^«||»H«i7t /n erneuern,
zosischeii BüiiXusaes war «lie umniltelbMe l'oig«
Englands Absage an die «Splendid Isolation:
Da «lieses Bün«lnis auf längere Zeit hinaus hauplsächli« h die
cur«»päische Rückendeckung für KuBhuuls expansionistische Politik im
Fernen Osten war, die seit Beginn des Baues der Transsibirischen Bahn
seine Kräfte in Anspruch nahm, war es für Deutschlan«! noch ni«ht un-
mittelbar be«h«)hlich. England jedoch schien durch die Teilung des Kon-
li.ient. no«h gr«iBere Freiheit zu gewi.inen, sich seinen kolonialen und
iinp.rial.il l.itere>seu zu wi.lmen. Aber gera.le in «ler überseeischen
weit häidt.n >ich um die Jahrhunderlwen.le die Widerstände. Gegen
,li.r Veruallung «hs seit 1882 besetzten Aegyptens erhob besonders
Frankreich schaife Opposition, während im Mittleren Osten und
Fernen Osten Engla.ul allein sich gegen den russischen Ausdehnungsdrang
stemmte, der lei« ht über China hätte hinwegrollen küiinen. England
begrüBte es, daß «lie Vereinigten Staaten mit der Besitznahme «ler
IMiMippimn im F.r.ieu Osten auftrat... mnl eine aktiveie Chinapolitik
riilirt«.! E- >«hl«)ß 1002 ein Biindnis mit Japan ab, «las direkt zum
rn>>iscl.-japanischen Krieg von 1905 bis 1906 führte, der Rußlands
Expansion ein Ende setzte. Hier im Fern«'n Osten deuteten sieh zwi-
>chen 1898 und 1906, «lem Jahr, in dem «lie Ru>se.i uml Ja|.aiier auf
a.nerikanisclum B«»«!«.. Frieden schb.ssen, ganz neue xxeltucite Mächte-
k«)nstellation«-n an.
En-land zog es >or, >eine k..loniale.. Konflikte mit F.ankreich ab-
zubauen, selbst um «l.-n Preis ei.ies Ver>pr.'. hens auf .liplomat.s. he
Hilf«- für die franzü.isehe B.herrM hung Mar«>kkos. Der AbM-hluß der
P,v'lisili-iranzösischen Entente v«m 1901 -laml bereits unt« r dem Em-
,hu.k de^ deutschen Flollenbau>, der die Engländer nicht nur mili-
'/rt . .<-. 'W^^vA-ir •*'>^ .■.•..•.■.■^.:.
Jhitisfhi Vi Iri'h „ imf (h m Marsch in dir Kasmic.
\
/
»ffia«-.'ii.s
Diiilschrr Jormarsch im Haifin im iSurnmer 19Ji.
WX'>'^-^-^'''
//
]u<inrlurn (am. Sehen „frrnrohr) noin: ,ul d< r Sehloeht von Tannrnhero. Im HinUrgrund in der Mitte Ludendorff.
^>»-.'S>-xM5?' •'•>
'*t#!^
V -> •.%■.•
^': »i
««■.-.W.'JVjf*«-:--' ■A'.■.^vw■.■*
Secgrfceht einsehen Iritisehen und deutschen Liniensehiff-en.
laiid für die Verbindung Mit Indien für straieginch l>»deul>am liiell,
schuf sie neue Keihims**"» V»^"''^ t*'*'^*" "'^■*^* eriihthaft genug waren,
als daß die englische und die deutsche Regierung nicht noch im Frühjahr
1914 darüher zu einer Verständigung hätten kommen können. Die
offiziell gefürilerle Schaffung deutscher Interessen im Orient war
jrdoch eine prinzipielle Ahwendung von einem der Hanptgrundsätze
"der liismarckschen Außenpolitik, die in dem deutschen Desinteresse-
nieiit im Orient das entscheidende Argument für die Möglichkeit
dt.ut>ch.russis(her Freundschaft un.l sogar einer Vermittlerstellung
Drutschlands zwischen Oe.sterreich-t'ngarn und Rußland ^ah. Die neue
Türkenpolitik ließ Deutschland als einen ent^chiedenen Gegner aller
ru^-ischen Hoffnungen auf dem Balkan und in der Türkei erscheinen
und veranlaßte die Deutschen, ihre Hilfe noch nachdrücklicher dem
Hahsburgerreich zu leihen.
Dculschhtnds Isolierung
Diop Tendenz \pr>tärkte sich in dem Maße, in dem die deut>che
Reaierung ihre ztnuhmende internationale iMdierung realisierte. Eng-
land und Rußland fanden 1007 einen l erbleich ihrer Konflikte im
Mittleren Osten. Dieses Ahkcnnmen war noch weniger als die englisch-
französische Entente ein Bündnis. Englan<l verlor nicht die Freiheit,
seine Politik von Fall zu Fall seiher zu hestinnnen, wie auch um-
cekehrt Rußland und Deutschland in den Jahren vor dem Weltkrieg
noch gelegentlich zu>ammenarheiteten. Aber das Ahkommen Englands
mit dem ö>tlichen Verhündeten Frankreichs zeigte, daß es nicht un-
möglich war, eine Brücke zwischen den beiden europäischen Flügel-
märiiten zu schlagen, wie die deut>chen I)iF»loinaten immer angenom-
men hatten. Daher erhob die deutsche Regierung auch sof(»rt die An-
klage, daß die englische Politik die «Einkreisung D.ulscblan.ls» er-
strc^be. Die Erhaltung der östeneichiscb-UMgarischen Bundogenossen-
^.chaft wurde noch not%^ endiger als zuvor, nm so mein als Italien seine
expansionistischen Wünsche im Mitlelmeer nur mit .ler Duhlung Eng-
lands und Frankreichs zu befriedigen hoffen k<mnle und infolge-
dessen ein immer weniger zuverlässiges Mitglied des Dreibnmies wurde.
Der Zwang, Oesterreich-Ungarn um beinahe jeden Preis zu unler-
slülzen, machte sieh schon im Jahr 1908 geltend. Während der jung-
liirki>chen Revolution annektierte Oesterreich-Ungarn Bosnien und
Herzegowina, die es seil dem Berliner Kongreß besetzt gehalten hatte.
Die bo.snische Krise von 1908 führte hart an den Krieg mit Ruß-
land und Serbien heran, der wahrscheinlich sclnm damals nicht hätte
lokalisiert werden können. Die demonstrative Kriegsbereitschaft und
4;Nibelungentreue> Deutschlands Heß Rußland zurückweichen. Seine
\rmee war nach dem japanischen Krieg noch in einem Zustand außer-
ordentlicher Schwäche. Aber die Demütigung durch Oesterreich und
Deutschland fiihrte zu dem rasehen Aufbau einer liiesenarmee, die
freilich erst 1917 voll ausgebildet und ausgerüstet gevve>en uäre. Die
neue MarokkohrisP. die Deutschland 1911 heraufbeschwiM-, und das
Scheitern eines deutsch-engliscben Flottenabkonnnens 1912, .lem eine
,Hue deutsche Flottennovelle auf «lem Fuße folgte, veranlaßte die eng-
lixbe Regierung, noch näher an Frankreich heranzurücken. \\> Nvar
in den Jahren nach 1909, daß die beiden Lager der (;roßmächte sich end-
gültig verfestigten und es zur Gewißheit wurde, <laß das Eintreten
zweier von ihnen in den Krieg alle andern mit hineinziehen würde.
Zugleich waren dies die Jahre, in denen der (dl gemeine Kiistungstvett-
lauf eine unerwartete Steigerung erfuhr, die vielen Menschen das
Nahen eines großen Krieges wahrscheinlich machte. Besonders die
deutschen und französiM-ben Heeresverstärkungen des Jahres 191 .J er-
weckten solche Befürditungen.
Die Balkankriege von 1912 bis 19i;i hätten leicht zu einem großen
Krieg führen können, doch der gesamtenropäisehe Friede wurde nicht
gebrochen, hauptsächlich dank der diplomalisrhen Zusammenarbeit
Englands und Deutschlands. Es war das letzte Mal, daß eine ernste
Krise gemeinsam von allen europäischen Großmächlen gelöst wurde.
fühlten si«h die deutschen (ieneräle ge|iwungen, w)fort den krieg im
Westen zu eröffnen. Auf (;rund dieses für unahänderlirh erklarten
kriejjsplans erzwangen die deutschen Armeechefs am 3. August 1914
die Kriegserklärung an Rußland, der diejenige an Prankreich am
3. August folgte. Das lltiniatum an Belgien war schon am Ahend des
2. August ühergel)en worden, und deutsche Truppen waren in Luxem-
hurg eingedrungen.
Vom europäischen Konflikt zum Weltkrieg
So nahm das Vcrhät.gnis seinen Lauf. Der Krieg, der in seinen Vr-
Sprüngen ein europäischer Krieg war und auch his 1917 im wesentlichen
hlich und den .lie Generäle in Aruilogie zu den Kriegen von 1866 und
1870/71 ra>ch durchzukänM.fen hofften, dehnte sich in die Länge
„nd wurde nc»«h dem Eintritt der \ ereinigten Staaten im vollen Sim.e
ein W'pllkrieii. Die militärischen Ereignisse erwiesen rasch, daß ein mili-
tärisches Gleichupuicht existierte, das keine Seite, trotz dem immer ver-
schwenderischeren Verhrauch von Waffen und Munition und trotz den
crausamsten Verlusten von Milli<.nen von Menschenlehen, zu hrechen
x'ermochte. War der Krieg schon auf (;rund seiner Massenanneen und
Malerialsdilachlen üherdinien-ional, so wurde er es erst recht durch
.eine Wirkung auf die Zivilhevülkerung. Die Notwendigkeit der Kriegs-
Produktion, oft unter Be«lingungen akuter Rohstoffknappheit, fidirte
zur Regierung>koMlrolle der gesamten Produktion, des Arheitsmarktes,
der Löhne, «1er Prei>e und der Lehensmittelverteilung. Am weitesten
-ing die>e KerJementierung in Doutschlnml. das «Jen Krieg unter eng-
Fischer Blockade führen mnßle. Der deutsche ■ Krieg.soziali^mu.* hat
.päler den ru»iMhen Bol^^ll^^s i>ten zum \ <.rhild gedient, denn Karl
Marx hatte keine Anweisungen hinterlassen, welche Form eine sozia-
lisli.Hhe Wirts, hilft nach der Machtergreifung annehmen sollte.
\ber erst durdi <lie Ornnmsienmg der Meinungen und Ideen wurde
die totale Mohilmachung v.dlkon.men. Um all die Opfer an Lehen, (,ut
und persönlichen Freiheiten zu rechtfertigen, die Einheit der Nation zu
rrhalten. die Neutralen zu gewinnen und womöglich die (,eschlossen-
heit der F. ind.taaten zu sprengen. xMirden Ideologien entwickelt und
propagiert. Die deutschen Ideen von I9H., die hauptsächlich den Sieg
.1er deutschen Kultur forderten, hedeuteten im ideologischen Konflikt
„irht viel und ^^areM s,|hsl innerhalh Deutschlands nicht allgemem
ülK-r/eugen.l. Die krieg>ziele der Alliierten, «/o mnke the u^orld safe
jor democracyy>. ^the uar to end all uy,rs^ und die nationale Seihst-
ix-tinunung, halten eine unverglci. hlich größere Wirkung. Sowohl m
der Auflösung des lürkiMhen wie des Hahshurgerreiches erwiesen sie
ihre gewaltige Sprengkraft.
Die lieiolunonirrun^ seiner Gegner durch die Unterstützung
oppositioneller Nationalitäten Nsnr<le von Deutschland vom ersten lag
,U.' Krieges an mit großem \uf^^and versucht. Vor allem versprach man
si.h viel ^on der \nfuiegelung der Moslems gegen die englische und
französische Ihrrschaft von Marokko his Indien. Die Resultate waren
;,,lo,.h -ering, ebenso wie die der Anstrengungen, die Nationalitäten
Südrußlands gegen <len Zaren zu kehren, von Irlan.l ganz zu schweigen.
Erst als das kaiserliche Deutschland sich mit der sozialen Revolution
verband, .elang es ihm, einen llauptgegner emigültig zum Ausscheiden
aus dem Kriege zu bewegen. Der Transport Lenins nach Rußland und
,lie finanzielle Hilfe, die <lentscbc Stellen ihm für ,l.e kritische Anfangs-
„,,.iode gewährten, ^^ar ein großer Erfolg politischer Kriegführung, der
aber dazu angetan war, eine ganze Welt ins (;rah zu legen.
Trotz der gewnltiiren Mobilisierung, die besonders .MndrncksNoll im
Falle Englamls vsar, das zum ersten Male in s.;iner ['r; '"^ l'^- J,;;;!'
Hesic^e Landaimee auf (;nnHl der natnn.alen Dienstpflicht aulslt lt.,
.elang es keiner .1er beiden Mä. bt. v.rbin.lungen, den Cegner enlM-hc.-
dend zu schla..n. Erst das Eingreifen Amerikas besiegelte das Schick-
sal der Mitt.lmächte. Für die überwältigemle Masse .1er Amerikaner war
fti^i^-
tr M-
"^^ '
/
-•*— /^
0 -ß-k
Im Westen erstarrt im TIcrhst 19 If die Front im Stillung.sl-rieg. Deutscher Truppe
nuntcrstond in der Nähe von Bony.
AUiit r/i Tnii>p< u Un><l< r, im
iinll 191.' (in <h II IhirJ'iih !!• i>. l>i< <lnmlf , in f/t tritt Ir Offrnsirr
d< iH i:iick:>i<j ans GaUipoli ahijchrochtn.
ffcffrn Konstantinopel uird im Januar 1316 mit
hTf- •_%>■■
.tif
\
/
Schlachlfdd in der Cffmpagne.
StcllungslczKg an der Isonzofront.
um mit ihnen im Kriegsfall Izusanmienwirken zu können. Der denk-
würdige Versuch Wilsons, die allen Mächlerivalitäten und das aus-
srhließlirhe Denken in Begriffen des reinen Selhstinteresses und
Mürhtegleichgewichts durch einen Völkerbun«! zu id)erwinden, er-
reichte sein Ziel nicht. Die Bindungen der Mächte Ovaren zu locker,
um eine Wan<lkmg herheizuführen. So wurde es am Ende nochmalh
möglich, daß Eur(.pa Mch in einen finchterli«hen zweifii Wrhkrug
stürzen ließ, der durch das Eingreifen zweier außereuropäischer Mächte
entschieden wurde.
Erst dieser Zweite Weltkrieg hat die Iiiterdependcnz der Well über
jeden Zweifel erhohen. Sie hat freilich die Welt nicht geeinigt, son-
«lern in neue (;egensätze verwickelt, hat aber wohl doch gelehrt, ni
weiteren Zusanunenhängen zu denken und zu handeln. Fünfzig Jahre
nach <leni Beginn des Ersten Wellkrieges, der den Uehertreihungen des
nationalen MachtMaates entsprang und <len Totaiilarismus gehar, ilurfen
>>ir hoffen, daß die Staaten der freien Welt, die die totalitären Herr-
schaftssysteme überwunden haben, auch ihr nationales Leben nur als
einen Wurf nach menschheitlicher Erfüllung zu verstehen bereit .-nul.
Nur in solcher Gesininmg wird es möglich sein, die Freiheit in der
W elt g.meinsam zu erhalten und zu verbreiten.
\
\
J
■ ''tei>mivy,j:fi-;^frr^'''<e^9f<^y^'-*
»•-T^l
.'.-*■* ■ • ■ -AV *-■■■
■■.•y.«'. .v^->-7*N''^*''^''''
. - .vr."*.**^^-*»^** ■•
^,** :
Stclhmgshrzug hritisrhcr Artillerie bei Pozirres.
Londoner Busse für dtn Truppe nrmchschub bei Jrra-s 1917.
W
anfangs September 1914 gelano; tf^ flen verl)und»f«~n Kn-^Tändern und
Franzosen, den deutsehen VormaiJLrh aufzuhalten und die gegneribchen
Armeen bis zur Aisne zurückzudrängen. Im Oktober und November
1914 suchten die beiden Gegner nordwärts ausgreifend sich gegenseitig
zu überflügehi. Dieser «Wetthmf zum Meer» endete unentschieden;
Ende 1914 erstarrte die ganze Westfront von der Nordsee bis zur
Schweizer Grenze in einem Gewirr von Schützengräben, Unterständen
und befestigten Stellungen. Ueber drei Jahre lang, vom l)ezend)er 1914
bis zum März 1918, gelang es trotz ungeheurem Materialaufwand und
Truppeneinsatz keinem der beiden ITeere, die feindliche Front zu
durchbrechen. Die Materialschlachten der Jahre 1915, 1916 und 1917
an der Westfront brachten den Angreifern nur geringe (;elände.
gewinne ein; trotz monatelangen Kämpfen verschoben sich die Fron-
ten jeweils nur um einige Kilometer.
Die russische Dampfwalze
Anders als im Westen entwickelten sich die Kämpfe im O.sten
Europas zu einem Beivegimfiskrieg. Die grofie Ueberraschung für die
Deutschen war die rasche Mobilisierung der russischen Armee, die
schon Mitte August 1914 in Ostpreußen einbrach. Wenige Tage später
war die Wucht der russischen Offensive jedoch gebro« lien. Bei Tannen-
berg wurden die Russen von <ler unter dem Befehl Iliiulcnhurgs und
Liidendorffs stehenden deutschen 8. vXrnue vernichtend j^es« hlaiicn und
über die Grenze zurückgeworfen. Erfolgreicher kämpften <lie Russen
im Süden der Ostfront. Die üsterreichis< hungarischen Heere wurden
unter schweren Verlu>ten aus (ializien vertrieben, und es gelang ihnen
nur mit Mühe, sich auf den Karpatenkännnen zu behaupten und rlcn
russischen Durchstoß in die ungarische Tiefebene zu verhindern. r)ie
Ausfälle, die die Oesterreicher in den Herbstkämpfen von 1914 erlitten
hatten, waren jedoch so groß, daß Oesterreich si< h während des ganzen
Krieges nicht mehr von dieser schweren Niederlage erholte.
Die Dardanellen-Offensive
In den ersten Monaten des Jahres 1915 suchten die westlichen
Alliierten durch einen kühnen Vorstoß nach Konstantinopel über das
Schwarze Meer eine Verbindung mit den Russen herzustellen und die
Mittelmächte enger ci^zu^chn^^ren
Initiator dieses Angriffs war
Winston Churchill, damals Erster Lord der Admiralität, und es lag nicht
an ihm, daß das Unternehmen s(hließli<h scheiterte. Nach gründlicher
Artillerievorbereitung gingen Englämler und Franzosen Ende April
1915 auf der Südspitze der Halbinsel Gallipoli am Eingang der
Dardanellen an Land. Es gelang den Verbündeten zwar, zwei Brücken-
köpfe zu bilden und diese während Monaten zu halten. Die von den
Deutschen verstärkte türkische Abwehr vermochten sie jedoch nicht zu
durchstoßen. Im Januar 1916 brachen Engländer und Franzosen den
ohnehin nur mit halbem Herzen geführten Kampf um die Dardanellen
ab und zogen ihre Truppen aus Gallipoli zurück.
Deutsche Vorstöße in Rußland und auf dem Balkan
In der deutschen Obersten Heeresleitung, deren Führung anstelle
des nach der verlorenen Marneschlacht nervlich zusammengebrochenen
Generaloberst Moltke der Kriegsminister General Falkenhayn über-
nommen hatte, war man unterdessen zum Entschluß gelangt, im
Jahre 1915 an der Westfront defensiv zu bleiben und einen Entschei<l
im Osten zu suchen. Am I.Mai wurde die russische Front bei Tarnou-
Gorlice durchbrochen, uml «lie geschlagenen russis« hen Heere fluteten
durch Galizien zurück. Die Offensive der Mittelmächte griff auch auf
die nördlichen Abschnitte der Ostfront über; die deutschen Truppen
drangen in Polen und Litauen vor, Warschau wurde im August, Wilna
im Sepetmber erobert. Im Oktober stabilisierte sich die Front tief
auf russischem Gebiet. Großfürst Nikolai Nikolajewitsch wurde als
um jeden FufiflMcit/ Boden. Auf beiden Seiten waren d?e Verluste
ungewöhnlich hoch. Verdun wurde zur «Hölle» des KVieges, zur
großen Mater ialschl acht, in der monatelang um ein paar Kilometer
gekämpft wurde. Falkenhayn hielt zäh an seinem Zielö fest, das
französische Heer «ausbluten» zu lassen, au« h als es klar wurde, dafJ
die deutschen Mittel nicht ausreichen würden, Verdun zu erobern.
Erst im Juli 1916 brach er die Schlacht ab, jedoch noch bis in den
August und die ersten Septend)ertage hinein wurden einzelne deutsche
Vorstöße gegen die Forts um Verdun geführt.
Zerreißprobe für die Mittelmächte im Sommer 1916
Die verlorene Schlacht von Verdun führte die Mitlelmächlc im
Sonmier 1916 an den Rand des Zusannnenbruches. Damals auch
wurde es deutlich, daß trotz gewaltigen Einzelerfolgen die Kräfte
Deutschlands und seiner Verhinideten nicht ausreichen würden, die
Entente zu bezwingen. Die Alliierten holten zum Gegenschlag aus.
Im Juni begann an der Somme eine Offensive der Engländer und
Franzosen, die an artilleristischem Einsatz alles überbot, was in diesem
Kriege bereits erlebt worden war. Am Südabschnitt der Ostfront
eröffnete der russische General linissilotv einen Angriff, der tief in
die Stellungen der Oesterreicher eindrang. Mitten in diese schwere
Krise, in der die Kräfte der MitK'lmächte im Westen wie im 0.>tcn
aufs äußerste angespannt waren, erklärte liiimdnien am 27. August 1916
an Deutschland und Österreich den Krieg. Italien, das sich bereits
seit Mai 19ir) mit Oesterreich im Kriegszustand befand und in zahl-
reichen Sehlachten am Isinizo vergeblieh die österreichischen Linien
zu durchstoßen gesucht hatte, schickte am 28. August 1916 auch
Deutschland seine Kriegserklärung. Da die Rumänen sofort mit ihrem
Angriff auf Siebeid>ürgen begannen, schien der Zusannnenbruch
Oesterreichs und damit auch Deutschlands unmittelbar bevorzustehen.
In dieser Situation berief der deutsche Kaiser Hindenburg und
Ludendorff an die Spitze der Obersten Heeresleitung. Die beiden
Generäle waren vom Nimbus der Siege im Osten umgeben; sie
schienen die einzigen zu sein, denen es noch gelingen könnte, die
Heere der Mittelmächte aus der hoffiumgslosen Lage zu neuen Erfol-
gen zu führen. Tatsächlich gelang es der neuen Obersten Heeres-
leilung zunächst, die verzweifelte militärische Situation zu meistern.
Die russische Offensive wurde durch Gegenangriffe im nördlichen
Teil der Ostfront abgewehrt, und die Sonnne-Se hlac hl endete wie die
Kämpfe um Verdun nach monatelangem erbittertem Ringen mit gering-
fügigen Geländegewinnen der Alliierten. Der neue Kriegsgegner
Rumänien wurde im November und Dezend)er 1916 in einem raschen
Feldzug unterworfen, Bukarest erobert und die Erdölcpiellen von
Ploesti unter deutsche Kontrolle gebracht.
Amerika auf der Seite der Alliierten
Die Berufung Hindenburgs und Ludendorffs hatte jedoch für
Deutschland Folgen, die weit über den militärischen Bereich hinaus-
gingen. Ludendorff, die treibende Kraft des Zweigespanns, vertrat die
Auffassung, nur durch ein Zusammenfassen aller Kräfte, nur durch
eine «totale Mobilmachung» könne Deutschland den Krieg gewinnen.
Um diese Mobilisation durchzuführen, begann Ludendorff in den
Zuständigkeitsbereich der zivilen Instanzen hineinzureden, und es
gelang ihm mehr und mehr, politische Kompetenzen an sich zu
reißen und widerstrebende Einflüsse auszuschalten, so daß er in den
letzten anderthalb Kriegsjahren praktisch unumschränkter Diktator
Deutschlands war.
Als eines der wichtigsten Mittel zur Erringung des Sieges be-
trachtete die Oberste Heeresleitung die Führung eines unbeschränkten
U-Rootkrieges, der dem durch die Blockade wirtschaftlich schwer an-
geschlagenen Deutschland Luft verschaffen und gleichzeitig England
uie rranzo^t-ri un — i \ lea.niwM ' n/. ertiPT
Menschen, Raffen und Matei*d — 1917 \Mirden e^tnial-
eingesetzt — liefen auch dies! Offensiven s^ich im Herbst und
wieder fest, ohne den erhoff\n Durchbrach durch die gegnerij
Front erzielt zu haben.
./
Die russische\Revolution
Für Deutschland war seit der Beteiligung der Vereinigten Staai
der Krieg zu einem Wettlauf mit der Zeit geworden. Die Mittelmäcl
mußten den Kampf zu einem erfolgreichen Abschluß bringen, ehe
frischen Kräfte Amerikas in den Krieg eingriffen. Die Hoffnun]
durch den verschärften U-Bootkrieg England innert weniger Monat!
zur Kapitulation zu zwingen, verflüchtigte sich bald. Dagegen er
öffnete sich Deutschland und seinen Verbündeten im Laufe des Jahres!
1917 eine neue Chance durch den Zusmnmenbriich Rußlands. Die
Kräfte des Zarenreiches waren im Krieg bis zur Erschöpfung an-
gespannt worden. Das Heer hatte Niederlagen über Niederlagen er-
litten, eine unfähige militärische Führung und eine korrupte Ver-
waltung hatten das Land an den Rand des Verderbens gebracht. Im
März 1917 wurde Zar Nikolaus IL abgesetzt. Eine neue Regierung
unter Keronski suchte den Kampf an der Seite der Alliierten fort-
zuführen. Im Sennmer 1917 unternahmen die Russen nochmals eine
Offensive am Mittelabschnitt der Ostfront. Der Vorstoß scheiterte je-
doch, und die Deutschen traten zimi (Gegenangriff an. Das russische
Heer begann auseinaTiderzufallen. Es kam zu schweren inneren Un-
ruhen. Im November eroberten die von Lenin geführten Rolschewisten
die Macht. Sie riefen sc>fe»rt die Sowjetrepublik aus, schlössen mit den
Deutschen Waffenstillstand und unterzeichneten im März 1918 in Rrest-
Litowsk einen Friedensvertrag, in welchem Rußland den Mittel-
mächten von Finnland bis zur Ukraine alle Randgebiete des alten
Zarenreiches abtreten mußte.
Die Schlacht in Frankreich 1918
Deutsehland glaubte, damit den Rücken freizuhaben für einen letz-
ten, entscheidenden Schlag an der Westfront. Die Offensive begann am
21. März 1918 östlich von Amiens an der Nahtstelle zwischen britischen
und französischen Truppen. Der deutsche Vorstoß traf jedoch einen
zum äußersten Widerstand entschlossenen Gegner. Neue Politiker und '
Militärs hatten bei den Alliierten die Führung übernommen. Seit'
Dezend)er 1916 war der Waliser Datid Lltryd George britischer
Premierminister; in Frankreich war im November 1917 Georges
Clemenceau, der «Tiger», der die Unversöhnlichkeit und den Kampf
bis zur letzten Viertelstunde proklamiert hatte, zum Ministerpräsidenten
ernannt worden. Auch die militärische Führung wurde reorganisiert:
der französische (ieneral Foch übernahm als Generalissimus den Ober-
befehl über sämtliche britischen und französischen Truppen an der
Westfront.
Der deutsche Angriff vom Frühjahr 1918 erzielte, gemessen an den
geringen Geländegewinnen der Materialschlachten, zunächst große Er-
folge. Die Deutschen stießen etwa sechzig Kilometer tief vor, doch
dann erlahmte ihr Vormarsch. Im April begannen sie die zweite
Offensive südlich Ypern, Ende Mai und anfangs Juni die dritte bei
Soissons, die die deutschen Truppen nochmals wie 1914 bis zur Marne
brachte. Aber damit war ihre Kraft erschöpft. Eine vierte Offensive
beiderseits Reims brach Mitte Juli nach zwei Tagen zusammen. Im
Gegenstoß durchbra« h Foch am 18. Juli die deutschen Linien bei Sois-
sons. Die durch die Offensivvorstöße weit ausgebuchtete deutsche Front
des Sonuners 1918 bot den Alliierten günstige Angriffspunkte. Am
8. August erzielten die Engländer östlich Amiens einen tiefen Ein-
bruch in die deutsche Front Inzwischen waren auch die ersten ame-
rikanischen Einheilen auf dem westlichen Kriegsschauplatz erschienen, j
und der Zustrom an unverbrauchten, frisch ausgerüsteten amerika-
S
*a>
TPT^
^Ui.
'<*-.
■^
\ "'
^■^i:>
m
j,jd6''>S '^ ' **
Britmher Soldat im Morast hinter drr Front.
Teliunp iffs FTiTfäTTn
MaiiiK.s uimI «lie jmi|i»'n MeiischeA halten sogar «lulirli Angst, sie
könnten das Wnndervoll-Erregende in ihrem Lelien versäumen; des-
halb drängten sie ungestüm zu den Fahnen, de^halh jubelten und
sangen sie in den Zügen, die sie zur Schlachthank fidnten, uild und
fiebernd strömte die rote lilutuelle durrh die Adern des ganzen
Reiches.
...die meisten unserer Dichter meinten ihr Teil am besten zu tun,
indem sie die Begeisterung der Massen stärkten und die angebliche
Schönheit des Krieges mit dichterischem Appell o«ler Wissenschaft-
liehen Ideologien unterbauten. Fast alle deutschen Dichter, Haupt-
mann und Dehmel voran, glaul)ten sich verpflichtet, wie in urgerma-
ni^chen Zeiten als Barden die vorrückenden Kämpfer fuil Liedern
und Runen zur Stn bebegei^ternng anzufeuern. S< hock\vei>e regneten
(;edichte, die Krieg auf Sieg, iN..t auf Tod reimten. Feierlich ver-
schworen r^ich flie S(hrifl-telbr. nie nuhr mit eiii.in Franzo>en, nie
mehr mit einem Enjiländer Kultnru;enieiii>cliaft halMii zu wollen, ja
mehr noch: sie leugneten über Nacht, da« es je eine englische, eine
französische Kultur gegeben habe. All das sei gering und wertlos gegen-
über deutschem Wesen, deutscher Kunst und deutscher Art. Moch
ärger trieben es die Gelehrten. Die Philosophen wußten plötzlich keine
ß . ..-v ••.••.••.•.•«*••-
*••■■-*:•■.■ ßf^,\. --.»-vy-
1*.. .••v»*^^-.
. «M,«'* *-v*-."--'"**'WV ' "•!''■
* -
\
GraVcnkampf schottischer Truppen hei Arra.f.
Kanadier nach einem Anririff.
fi-'
y
i,üctlit> eine empfindsame Inscluif auf da»
Namens setzen!»
C/iai) uii.-iere& deulscheii
Beruht oitipr KranJ^onschtvcstpr über vhw Brficgnun^
mit dem Kaiser auf einem Schlaclitjeld bei Metz
Die Sonne, die id,er Tags so heiß pel.rannt, geht mit hhd.irolem
letztem Leuehten im Westen zur kurzen Rast; von ferne drmgt ein
Trompetensignal herid»er - wie Appell «n«l Ahendfrieden kl.ngt es.
Da taueht seitwärts ein Reitertrupp auf, einfarh, fehlgrau, ermu. el und
bestauht, die hlitzenden Sehärpen <ler (ienerah- s.n<l verhüllt, ab-
geblendet. Kaiser Vi ilhen. 11. i>t e^, inmitten seines Stabes, n«'«; •jj"'-^»'''
hebt sieh in. Sattel und id.erMhaut mit großem, traurigem HlnU .la^
uiiste Feld, dann legt er die Han.l idur die Augen, als ob iUv letzten
Strahlen der Som.e ihn ge.>rhmerzt hätten - muh uiH kern ^.ege>.,uhel
aufkonnnen, noeh bluten die Wunden zu fri^rh. Dorh .la - ha t . An.
We-M-ande erhebt sieh mid.^am ein Verwundeter, hlul.g (,esirht und
Hall Die Uniform besehnu.tzt - - mit der Hand rüttelt er einen neben
ihm hoekemlen Franzosen am Ann, de»en ßeinklei<ler (;eneralstre.fen
zieren, und deutlich hürl man ihn .>agen: Auf, auf! Die Hände des
K^
In-
^S^i
V
■;->:«50<yi>.
*^
.**
'*«' ; '^ ^^ JW ** *
mmmr^y''^
L*,*^ '^l
''•ä>
:*i
^'\
^i-^-^^
%kW^
'^:■ ■■ :**■
Die JhutsrJirn vcnrrndclcn an der Westfront :I9I6 erstmals Gas gegen die aUiierten Truppen.
i
juiv bricht iv J^i>ßhu,d die 7!,iul>it,oH an.s. Im Mor: v<,d d. , /.o, otnj, s. t.j, u,i i\o,
K
^^•^:v;;
n ^m
■
m
' ' ' t
V
■ '
: Wk
■P
* • f-^
■^•.;ir:w^-
^^
^»»
^^^1
■E^ ^'
' *"^-Bj
■
blB
^B>^
■
■
^■■^w.-^.m..Ji0i.
;r.-.::^4»
^::*^«^
?^ "./^^^
■^■^-^'^SJ^^^^
i\ *. »».■;■•'.. ...'»«iik-- • *
w
>:*:::: '• »
d^ääi
y 1^
Ä. -^
Britische Truppen heim :Morsrh in rückwärtige Stellnngen.
j»^
?s^
Die Soldaten: Blut, Schmutz unf Schlamm. Verwmidete. Diejenigen,
denen wir zuerst begegneten, sind am leichtesten verwundet: Wunden
an Armen und Händen. Bei den meisten bemerkt man deutlich neben
der Müdigkeit und den Schmerzen ein Gefühl wahrer Erleichterung,
weil sie noch leidlich gut davongekommen sind.
Weiler in der Gegend: Verhandstellen, Verscharren von Toten;
sechs sind es, auf zwei Karren ausgestreckt. Flach daliegend, verloren
in ihren zerrissenen Kleidern, führt man sie an eine am Fuß eines
Kruzifixes offene Gruft. Priester tun eher Kriegsdienst als Gottesdienst,
denn a»ich sie sind als Soldaten eingezogen. Etwas Stroh und Weih-
wasser darüber, und wir ziehen weiter. Im Grunde sind diese Toten
noch zu beneiden. Sie sind gepflegt gestorben. Was soll man von denen
sagen, die weiter vorn liegen und verschieden sind nach Nächten von
Todeskampf und Verlassenheit...
16. September 1914 (Tagebuch)
In dem Kreise des Entsetzens. Die regnerische Dämmerung läßt die
Straße erbleichen; plötzlich, in einem Graben — die Toten I Sie haben
Das
Bild der WestfroiU im Ersten Weltkrieg: Schützengrähen, Triclitcrfehhr, ronkformaUoncn, In.fanteriestofStrupps.
Bereit stelhmq gepanzerter fransösischer Fahrzeuge und hritischer
Artillerie wahrend der deutschen Frühjahrsoffensive 1918.
'V
y
r^l-y^ .♦■-r?
Lettre, ecrite par un sergoant frantaiä, lombe le 7 mai 1916
^ . ' 4 mai 1916
Cner amis,
ma lettre, aiijourd'liui, a un caraclt-re special; je vous l'ecris du
fort de S . . . oü 9e et lOe somiiies (sie!) arrives cette nuit. Menie vue
ä 10 kilometres, riinpression colossale de la lulte qui sc deehaine
devant Verdun ne peut etre coinparee ä Teffroyahle realite. Pauvrc
123e, d'ici a huit jours, il sera bieii maigre. Hier soir seulenienl, pour
faire la releve sur les pentes de Douauinont, au cours de la traversee
du bois de la Caillette, ou plutöt de ce qui le fut, le lOo hataillon a
beaucoup souffert; qu'il nie suffise de vous dire i\ue le Lieutenant
Verron a ete tue, le capitaine Missaut blesse de nouveau rtr. etc. . . .
Nous-memes avons eu a traverser pour nous rendre ici a 1800 nielres
de la preniiere ligne des rafales de lenr j^ros ohus et une «liance reelle
nous a seule permis d'en sortir indenuies.
Ce soir nous allons renforccr le bataillnn «K'ja en ligne et, inalfire
tout mon courage, qui n'est pas anioindri, j'apprehende cette galopade
ä la niort. II faut les vivre, ces ininutes, pour en coniprendre tonte la
tragique angoisse; tout senl le carnage: par ici, l'air est empeste d'une
odeur de charnier.
Der Sturm. Vorbereitung. lUm 4 Ulir 15 Minuten begann mit kleinAi
Kalibern die Beschießung der feindlichen Linien. Gasgranaten. GroüFe
Wolken. Einige zu kurz gegangene zwingen uns zur Benützung der GaV
niasken. Das Kaliber unserer Artillerie wird größer. Die feindlichen
Batterien beschießen unsere rückwärtigen Linien: Sperrfeuer! Wir er-
halten fast keinen Schuß. 7 Uiir 30 Minuten. Gas mit den größten
Kalibern. 7 Uhr 30 Miiuiten bis 8 Uhr. 38,5- bis 42-em-Granaten. Ein
furchtbares, ^ewaltigcf, S<hauspi«'l. Er<le bis zum Himmel. Die Schhicht
eine riesige Dampfwoike, turndioch flogen die Trümmer. Dorf El. auf
der Höhe 3 Kilometer entfernt, ist eine Rauchwolke. Gegenüber unserer
Stellung scheint die Welt unterzugehen. Und wir? Wir stehen mit be-
geisterten Augen und schauen und schauen ! . . ,
Brief eines jungen Deutschen aus Sanrlouis
vom 22. Juli 1917
Die Wartezeit ist um. Heute erhielt ich den Marschbefehl, morgen
geht's hinaus. Wie anders ist dieser Abschied doch wieder als der
damals und wie anders wieder als der erste im Dezember 19111
Hotels, in denen Kegi,erungs^eTTönjen ™iergri»rarnt w<
schlanke Gestalt eine^ SchreibfräuleinsTauf. Das junge Mädclien wies
mit einer hastigen Handbewegung in die Höhe, aus der soeben der
zweite Glockenschlag erscholl. Mit einwn Male stürzten von allen
Seiten Frauen und Männer auf die Straßf Ein Menschenstrom ergoß
sich aus allen Häusern. Die Glocken von London erhoben ihre Stimme.
Die Northumbcrland Avenue war angefüllt von hundert, nein tausend
Menschen, die hin und her wogten und vor Jubel und Freude weinten
inid lachten. Ich blickte zum Trafalgar S<piare hinüber, der schon von
Menschen überfhitet war . . . Kaum war der letzte Glockenschlag ver-
liallt, da hatten sich die korrekten, an die Kriegsordnung gewöhnten
Straßen Londons in ein «Pandämonium des Triumphes» verwandelt.
Niemand wollte heute mehr arbeiten. Die Ketten, welche die Welt
gefesselt hatten, waren zerbrochen. Bittere Not, Mannszucht, brutale
(»ewalt, Aufopferung, Schrecken und Ehre, alles, was unser Volk, nein,
was der größte Teil der Menschheit bis zur Erschöpfung getragen
hatte, versank bei diesen wenigen Glockenschlägen. Jetzt wieder
Sicherheit, Freiheit, Häuslichkeit, der liebe Platz am Kamin — nach
52 Monaten der Entbehrungen! Nach 52 Monaten schwerer Mühen und
kaum erträglicher Anstrengungen — Befreiung von allen Lasten!
So schien e« wenigstens im Augenblick.
'. -A .
''rl ' ''.
-'. Ä-C,^-. -■•ffJ
Die €Pcaecmaker^ des Jahres 1919 in Versailles (von links nach rechts): der französische Ministerpräsident Clemenceau, der amcrilüvisclie Präsident Wilson und der hritische Trcmicrminisier Lloyd Gem-gc.
s,
^' TT '-■
"TOaiuLTluiul .tm "'"'X.„ Kanzlers M.ller.li<l. aiisf.fül.rt wur-
;l::; :::':;:.::::« 3e,.^w.n„en. w^ «0.,.^». ...eg,..,.. e^.
wägungen dagegen sprechen.
U. ..ie )a..U«n..e«w.„ae ..e..and en, ..wi«
lieh lo,ker.r; .«.l-m n-.g.o j JJ ^ ,„ ,,.., Kol.„.ialHn>,.,i„ l,.-
He,„ e. sich am A»fa„, ''-J •''"•■;:;'; „„,;ä,,|i.h.n Ahk.hr hauen,
in Nordafrika f.em,»l hatu-. /." •*';'" "'.|„, ,rr..,h»ti-Mn.. M.«i.-
hei. Tro>«U.m wurde de r 1«. d _ „..,..„ Krank-
Jahre *o?ar fe.li^eleft. da« '"•"".,'■' |i„Wen ll..=el 'ler deul-ehen
reich drei ilalienlMhe \rn,eek..r,., an ''< ' y^' " ' ,,j,..„ „■„ „,,„ ,„.
, an. '''-•■^;-:;;, -:*■- -;'':;:.:;:;;::;en°.);l.:on ».. rei
wohl mit der Mogli< hk» il «'"♦ "^ " . ,l^,.i,.„i!i.n eines talie-
„reihundn,ä.h.e se.en Krank h "- "■"^,. ;';;',, ,.„„„
ni,eh.ö,.erreiehi.ehen Krieges rechnen. .' " ?';'"7 „,,„ ,,;,,,,,„
VerM.elnn,S he.lehen. i.her nn>er (.eh.et e,ne \ . rhnnU. „
>S
,,,. .rr.h,c ei hr Marke «f ^1;^;;-" ^ ;,,, .Ji' t
L„.eh, die Nie.h.rla.e "" ^;^^,;^J^^^,2, „.rück.n.e.in.
,|„„,als verh-renen ^.; " -'^ ^ f ^ . h, n. _^^ _^^_^ _ ,.,„„.U,..ri.ch
uirkeiKle Aeuiv i iin^» n u„ «.»J^r.« die Kntsen« nng eine>
■'- •'•-;-• 't' tid ; ::"n^: ' :"!^«.^^ ''- «^--«"■■
kanonenh.M.te, nach A?.d„ Im . n ,lr,„.eh.fran«isi-clur
.„i,chen den heiden l.an.hrn ''•'•'•'" '"|,.„.„ y.^ ,„„,5,en wir
Krieg konnte al.o iedcr.e,. ""^''-^'^^^'J^^l^Lor. eine der
,.,, „..,. M,,..ichkci, rc, ,nen a,.^ «.e ■ ^J; "l-';',. \,,,,., ,,, ,,,„.
Kriei;„,art,..cn. ode, J"'"' .;„,„.,., .,„ |,,„i„,..n heah>ichti«ten.
"""■'■"""" T" ;■(, ;'. ;. ..-id r " ..,.era.i danen keine der-
Wir v,i..en heute, da« ... ''"' '" ' ' ' ,, ,.(,„, .„|,,„, M,i?lichkei.
„,.,i,e Ak.i.... v..rs,.,ehen wa,. "'•/'".,,„.,„ ,;,.,, „„. ,|eu, offi-
v.,n deutscher S.-ite ,e„rur. > ;'.,;.;,,.,:'"„,., A„|..|., .h-r Schil-
,.,,,.„ K,ie.>wc,.k .,- •■-:'7;;, , ; . :; ut-,-.
,,.,„„,„, ■";";;:;•■;,,,,,;,,,,..',,,,„ ...afe.. Scl.lieffe.. der
(ien.'ral-.ahsch.f .hr J;'" ">" ,„.,„,„|,. H,|»i,.n K„r-ah. wir.l f.-
,,..„ wuch.i«.-.. \,..M.dJ .h.r.i, .la- ■ ■•^" • ,,, |..,,„„. ,;,„r
..„,, ,Ki..e "'"■■■--,./;;;;^;;\: ,, .' Lr h.r.u,chla.en »n..
^-■l'l"" ''•• "',' ''"." „ .;» i...... «are... ««hre.,d I.uxen.hnr,
ü-^rr"..^:«";;::; ,M.::.:t.,^a>h. hewarr..c...n w..h.r.a.,de.
■■^^STwe^fairrvvle kon.Ue eine Groümaeht v.\c Italir,,
Kanton Te.in ;;„,^-V,"Kit.trF:,tf. '.',.:„, v...,' ,.er U..nhar.r.»ehe„
r;:,.; ::;:dt t ....:fr <:ehie. .h houchiere« ka..,,, ..a., n.,ch in e,ne,n
lffe„en »..d an Verteidisun^.linien arnten Gelände .'>
Die v.,r,.eh..nden Zitate hewei.en welch hohe ^ ^^^f^J^::;,
Xa.hhar..aat... ....»erer Nentralitä. henn.Ben. J- " -';.;'^" ^^„^
■""' '^''i^irt;'^™:. ::;.::::'.: el:T,;t;!;r. z^z
r,;;!,:;:.;:,: L»; d.;'Uwei. ■,. d t,e.haren V..rkrie,-«..,.
Im SdiriTi i/m Kricfisgi-schchrns
Ucr A,.ra,„ Au.»-. 1-.,, au,hrc.h..n.h. Krie. M.dlte un> ,nu, vor
:';;:;z;:i.,^-'tt.-:i:r:i.^'";p:-..:-;-^
SrhiHzenfjrohrn hei Kh inhiminfJ' n <i»< Uhnv.
.Shihiiinshau am llatKuMein,
■ 7 --i'^^
^
i.
r
T^EVE ZÜRCHER ZEITUNG
LITERATUR UND KUNST
I
Fem^ausgabe ^r. 51
Samstag, 21. Februar 1953 Blatt 4
«Die Unabhängigkeit der Schweiz
von jedem frennden Einfluß
»
Charles Pictet de Rochemont, der schweizerische
Bevollmächtigte an der Zweiten Pariser Friedens-
konferenz, war ganz besonders stolz darauf, daß es
ihm gelungen war, in die Akte betreffend die Aner-
kennung der immcrwährendf'u Neutralität der
Schwcir vom 20. November 1815 den Satz einzu-
fügen: „Les Puissances . . . reconnaissent . . . quc la
neutralite de la Suisse et son indcpendance dc^toute
influence etraiigere sont dans les vrals interets de
la politique de l'Europc entiere." Daß die fiijircn-
den Staatsmänner der europäischen Großmächte
diesen Satz unterschrieben, war allerdings erstaun-
lich. GpM-iß hatten die Alliierten schon Ende 1813
die Wiederherstellung der Unabliängigkeit der
Schweiz in Aussieht gestellt; da aber die Eidgenos-
senschaft seit 15 Jahren unter franzö^i^chem Ein-
fluß gestanden und Frankreich Tribut bezahlt und
Truppen geliefert hatte, hielten sich nun die Sieger
nicht für^ verpflichtet, ihre Neutralität und ihr
Territorium zu respektieren. Sie ließen um das
Neujahr 1814 mehr als hunderttausend Mann durch
die "Schweiz marschieren, und die allerhöchsten
Herrschaften beehrten Basel mit ihrem Besuch.
Am Wiener Kongreß schien es jedoch mit den
Anliegen der Schweiz nicht schlecht bestellt zu sein.
Das kleine Land hatte einen großen Gönner, den
Zaren Alexander I., der sich der Heimat seines Leh-
i^rs Laharpe erkenntlich zeigen wollte. Sein Be-
auftragter im Komitee für die Schweiz, der Graf
Capo d'Istria, aus Korfu stammend, entwarf eine
Erklärung, worin die Mächte versprachen, die
Unabhängigkeit und Neutralität der Schweiz aner-
kennen zu wollen, ohne jede für die Schweiz später
lästige Erwähnung irgendeiner Garantie, ganz so,
wie es die Tagsatzung in ihrer Instruktion vom
15. Septembei 1814 gewünscht hatte. Dementspre-
chend verabschiedete das Komitee am 16. Januar
1815 seinen Schlußbericht und erklärte darin aus-
drücklich, die Schweiz selbst biete die l)cste Garantie
für ihre Neutralität durch die richtige Ordnung
ihrer Innern Verhältnisse und durch die Bereit-
schaft „ä faire respecter la neutralite de son terri-
' i:*ire". Als aber dieser Schlußbericht in der Sitzung
fc: acht Kongreßmächte — es waren die fünf Groß-
^^ Rußland, Oesterreich, England, Preußen
^.nkreich, und Spanien, Portugal und Schwe-
ü^prochen wurde, erklärte Metternich in
iJfien, „er habe ein Gegenprojekt anfer-
i;clas einige Aenderungen enthalte". An
^ie Schweiz günstigen russischen
iser Land unbequeme östcr-
die „Garantie", aus der dann Metternich bis zur
Zeit von 1848 immer wieder das Recht ableiten
wollte, sich in die schweizerischen Angelegenheiten
einmischen zu dürfen. Zwei Monate später blieb der
Scliweiz sogar nichts anderes übrig, als an der
Seite der Alliiertem gegen den von Elba zurück-
gekehrten Napoleon zu Felde zu ziehen. Sie ge-
horchte im Sommer 1815 jedem Wink der Sieger-
mä eilte — am 20. November 1815 erklärten die-
selben Mächte, daß die Unabhängigkeit der Schweiz
von jedem fremden Einfluß im wahren Interesse
der ganzen europäischen Politik liege. Wie war das
möglich?
Die Tagsatzung hatte Pictet de Rochemont nach
Paris delegiert, weil er gute persönliche Beziehungen
zu den maßgebenden Staatsmännern besaß (vgl.
„NZZ" vom 19. Mai 1945, Nr. 808). Entscheidend
aber war, daß Pictet die europäische Gesamtlage
überblickte, die für die Schweiz günstige Konstella-
tion durchschaute und die große Stunde zu nutzen
verstand. Capo d'Istria und Castlereagh traten von
vorneherein für die Unabhängigkeit und Neutralität
der Schweiz ein. Sic baten Pictet, die von den
:Mächten am 20. März angekündigte Akte zu redi-
gieren. Schon das war ein Glücksfall; der Genfer
konnte nun alles so sagen, wie es für die Schweiz
am vorteilhaftesten war. Zwar mußte er an die in
Wien geprägte Formel der ,, Anerkennung und Ga-
rantie der Neutralität" anknüpfen; im „maßgeben-
den Dispositivteil", wie Paul Schweizer erkannt
hat, trennt er die Begriffe und läßt die Mächte
sagen: „les Puissances . . . fönt, par le prcsent acte,
une reconnaissance formelle et authentique de la
neutralite perpotuelle de la Suisse, et elles hu
garantissont Tintegritc et l'inviolabilitc de son terri-
toire dans ses nouvelles limites." Indem Capo
d'Istria den Entwurf für sein Werk ausgab, ahnten
die österreichischen und französischen Diplomaten
nicht, was geschehen war, und flüsterten Pictet im
größten Vertrauen zu, es werde etwfus sehr Schönes
für die Schweiz vorbereitet. Da mit dem Abschluß
der Heiligen Allianz vom 26. September 1815 wieder
eine enge Fühlung zwischen den konservativen
Großmächten der IMitte und des Ostens entstanden
und dadurch der Einfluß Oesterreichs noch ver-
stärkt worden war, taten die Franzosen alles, um
wenigstens die Schweiz dem Zugriff Mettemichs
zu entziehen. Pictet schrieb am 18. November 1815:
,, Richelieu y est entre on ne peut pas mieux . . .
Cela pi-ouvcmi'il n'a pas Ic Systeme de son pre^o-
* ' "eu b^tte na'^'h dem
eine Tiefe des Denkens, die ihn in die Reihe der
ersten Sprecher des eidgenössischen Selbstbewußt-
seins stellen: ,,Le lien du Pact/C fcderal s'en est
resserree. Lc memo esprit helvetique a soudainement
aiiime tous les cantons, et toutes les cours ont appris
a estimer une puissance qui, par son union, a su
prendrc sa place dans le Systeme europeen, une
puissance qui ne vcut etre redoutable que chez eile.
Les grands Etats qui avoisinent la Suis.-,e recherchent
son amitic. Tous s'accordent aujourd'hui, non seuie-
ment pour recoimaitrc et garantir l'inviolabilite du
territoirc helvetique dans ses nouvelles fronticres,
mais encore pour proclamer cette verite, que notre
indcpendance absoluc, libre de toutc influence du
dehoVs, est dans les vrais interets de l'Europe
enticre."
Pictet eriiebt den nüchternen Satz des völker-
rechtlichen Dokumentes weit über den geschicht-
lichen Auo-enblick hinaus zu einer Wahrheit, die
üi)er die Zeiten hinansragt. Dem Bürger des jüng-
sten Gliedes der vielgestaltigen Eidgenossenschaft
ist ei> gegeben, die europäische Sendung der Schweiz
auszusprechen. In ihrer Unabhängigkeit und Neu-
tralität schützt sie nicht bloß sich selbst, sie dient
(Vm allgemeinen Interessen, sie bildet eine sichere
Insel de,s Friedens, die unentbehrliclie Brücke zwi-
schen den Völkern. Fällt ihr damit nicht ein uner-
hörtes Privileg zu? Pictet weiß es: „Elle a besoin,
plus que Jamals peut-etre, de la sagesse de ses chefs
pour se faire pardonner l'avantage de se retrouver
apres la tempete plus forte qu'auparavant, et seulc
nation libre sur le continent, au milieu du naufrage
des republiques." In solcher Lage muß die Schweiz
so wachsam und so einig sein, „pour opposer chez
eile a l'inquietudc des autres peuples une barriere
insurmontable".
Also tut die Schweiz alles, um ihre Widerstands-
kraft zu erhöhen. Ihre militärische Bereitschaft und
ihre innere Einigkeit sind eine solidere Grundlage
ihrer Unabhängigkeit als diejenige, welche die Er-
kläi-unu:en aller Höfe von ganz Europa versprechen.
xVllerdings haben die Jahre unter fremder Be-
setzung, die inneren Spaltungen und die äußeren
Einllüs>e den Geist der heranwachsenden Gene-
ration gefährdet. ,,L'cducation bien dirigee va rame-
ner, parmi nous, les mtcurs pieuses et pures; elles
rctrempera les caractcres; eile leur rendra cette fort«
teinte d'indcpendance helvetique que la Suisse etait
menacee de ne retrouver que dans son histoire." So
spricht Charles Pictet de Rochemont gleichsam im
Namen des Präsidenten der Tagsatzung, wenn er
schließt: „La protection speciale de la Providence
et la faveur des Puissances ont sauve la Suisse et
etabti son nouveau Systeme politique. Elle achevera
l'ceuvrc de son salut, en fondant, sur l'esprit reli-
gieux, sur les principes et les habitudes d'une edu-
cation vraiment rcpublicaine, les vertus et le devoue-
ment des citoyens qui feront sa gloire et sa force, en
la replacant,"en la maintenant a la hauteur de son
antique renormnee." Uonhard von Muralt
Abraham Ruchat
Ein Kapitel zum Thema des gesamtschweizerischen Patriotismus
Wo heute des französischen Professors Andre
Siegfried „Suisse — democratie tcmoin" auf dem
Bücherbrett steht, gab einst ein waadtländischer
Professor, der sich in seiner Jugend „Gottlieb
Kypseier" nannte, in seinen ,,Dclices de la Suisse"
Auskunft über die Alte Eidgenossenschaft. Damals
bestand noch kein Bedürfnis nach einem „Who's
who in Switzerland?" Die Frage stellte sich all-
gemeiner, aber nicht auf englisch. Stanian, groß
brit^uinischer Gesandter in der p]idgenossenschaft,
hatte in einem „Account of Switzerland" seinen
I^andsleutcn bereites dargelegt, was von der Schweiz
zu halten war. Franzosen waren es vielmehr, die
mit hartnäckiger Bosheit vorgaben, beim besten
Willen nicht zu wissen, woher die 40 000 Söldner
ihres Königs kamen. Gottlieb Kypseier wollte es
ihnen zeigen. Aber damals, 1714, hielt es schwer,
Franzosen zu belehren. Schon La Rochefoucauld
hatte ihnen gesigt, quc „c'cst une gran^e folie de
geschrieben wurde, immerhin selber ein Werk
geschrieben hat, das sich hundert Jahre nach
seinem Erscheinen, von Louis VuUiemin, dem
Uebersetzer und Fortsetzer Johannes von IMüllers,
mit Gewinn neu herausgeben ließ, die „Histoire
de la Reformation de la Suisse". Virgile Rössel
nennt ihn einen „Vater der schweizerischen Ge-
schichtssfihreibung". Und dieser Titel ist nicht zu
hoch gegri.'Ien, wenn auch im Todesjahr Ruchats,
1750, die erste Schweizcrgcschichte französischer
Zunge aus dlpr Feder eines andern, des Freiburger
Schultheißen» Nicolas d'Alt, ei-^chienen ist. Ruchats
Schuld war ^ nicht, daß seine „Histoire generale
de la Suisse'', erst durch den Auszug bekannt
wurde, mit di'^m Gottlieb Emanuel von Haller in
seiner „Bibliothek der Schweizergeschichte" dem
Untertanen Bterns späte Gerechtigkeit widerfahren
ließ. Es war nicht leicht, zu jener Zeit, Theologie-g
Professor, Historiker und bernischer K^-tertan in/
n
:. \)
JCcliii nicht zurücke rstatten zu
Kr dieser unangenehme "Wechsel möglich
Die Schweizer Fragen schwammen am
Kongreß wie ein kleines Stück Holz auf
n Bergbach daher und wurden von den Wellen
fr ge.schichtlichcn Strömung hin und her geworfen.
r)ie Russen und die Preußen hatten ihre Ansprüche
zu hoch geschraubt, die Russen wollten ganz Polen,
die Preußen ganz Sachsen haben. Um vor allem
den russischen Vorstoß abzuwehren, schloß Mrtt^r-
nich am 3. Januar 1815 mit den Vertretern Eng-
lands und Frankreichs, Castlereagh und Talleyrand,
eine geheime Defcnsivallianz. Von nun an hatte der
österreichi.-che Staatskanzler die Fäden des Kon-
gresses fest in der Hand, die beiden Großmächte,
die Nachbarn der Schweiz waren, machten gemein-
sames Spiel, die Schweiz war in die Zange geraten.
Sie mußte froh sein, wenigstens noch die F^rklä-
rung vom 20. März 1815 entgegennehmen zu dürfen,
worin ihr angekürdigt wurde, die flächte würden
eine Akte ausstellen „portant la reconnaissance et
la garantie, de la part de toutes Ic Puissances, de
la neutralite perpctuelle de la Suissc dans sCvS nou-
velles frontieres", sofern die Tagsatzung die ihr
von den Mächten gestellten Bedingungen angenom-
men haben werde. Neben die „Anerkennung" der
Neutralität, die besagt hätte, daß die Mächte den
souveränen Willen der Schweiz respektieren wollten,
schob sich, wenig betont, aber doch ausgesprochen,
RücktriK"^^7^n^i*and3 die I^eitung der Jranzösischen
Außen po'ft'wf/,, übernommen — ou plutot que le cabi-
net de Versailles n'ayant plus Tespoir de dominer
la Confederation, veut aussi Toter au cabinet de
Vienne. Taut mieux, pour nous! La Suisse profit«
pleinement de cette rivalite." Das war es — Pietät
hatte es gewagt, die beiden großen Nachbarn der
Schweiz gegeneinander auszuspielen und so seinem
Vaterland die volle Unabhängigkeit zurückzugewin-
nen. Edgar Bonjour hat uns gezeigt, wie sich das
europäische Gleichgewicht in den Zeiten, da es wirk-
lich ausgewoiren war, günstig für die Neutralität
der Schweiz ausgewirkt hat.
Konnte sich die Schweiz Virklich auf dieses
labile Spiel und auf die schönen Erklärungen der
I\l ächte verlassen? So stolz Pictet de Rochemont
selbst mit Recht darauf war, daß er jenen Satz über
die „Unabhäiurigkeit von jedem fremden Einfluß"
in die Neutralitätsakte einzufügen vermocht hatte,
war er docli Realpolitiker genug, um sein eigenes
Werk und das Dokument der Diplomatie nicht zu
überschätzen. Auf der Heimreise, zuletzt über die
verschneiten Jura])ässe, entwarf er seinen Schluß-
bericht an den Präsidenten der Tagsatzung, Büi-ger-
mcister David von Wyß in Zürich. Am Schluß gibt
ei einen Ueberblick über die Lage der Schweiz; ein
gi-oßartiges Dokument politischer Weisheit und
vaterländischer Ge.>innung, viel zu wenig bekannt
und gewürdigt; es k"önnte für 1945 geschrieben
worden sein! Pictet führt eine Sprache und vertritt
Tmwig
vouloir etre sage tont seul". Doch als üea
von Muralt^ „Lcttres sur les Anglais et les Fran-
?a.is" erschienen, in denen umgekehrt ein Schweizer
den Franzosen zeigte, daß er sie gut genug
kannte, um ihnen die Engländer vorzuziehen, da
zuckte der Abbe Des Fontaines bekanntlich mit
keiner Wimper. Er sei angenehm überra^icht, sagte
er, „de voir un Suisse penser". Es dauerte immer-
hin etwiis über zweihundert Jahre, bis ein Franzose
die Maxime La Rochefoucaulds an den Anfang
seines Buches über die schweizerische Demokratie
setzte.
Der Mann, der so mit seinen „Delices de la
Suisse" dazu beitrug, daß wir heute die Bes«hrei-
Inmg unseres Landes getrost einem Ausländer
überlassen und uns dafür in einem Nachschlage-
werk ausschließlich dessen Einwohnern zuwenden
können, wäre — lebte er heute — schwerlich im
„Who's who?" zu finden. Jedoch, nach 200 Jahren
noch der Erwähnung wert zu sein, sind die Chan-
cen trotzdem größer, wenn man — selbst hinter
dem Pseudon^TU „Gottlieb Kypseler" versteckt —
wie Abraham Euchat lediglich im Gelehrtenlexikon
steht.
Abraham Ruchat gehört zu jenen „illustres
inconuus" des 18. Jahrhunderts, über die man —
Gonzaguo de Rcynold hat es mit seinem „Doyen
Bridel" bewiasen — ebenso umfangreiche wie wert-
volle Bücher schreiben kann. Dabei ist zu sagen,
daß Ruchat, über den ein solches Buch noch nicht
eTner i'ci.it'fci ^i* .-vm. . .-u. ^.nv ,,,,
hatte Johai|nes von Müller nur das eiHe mit ihra^
gemeinsam, BFistoriker zu sein; und auch er mußte,
nach bitteren Erfahrungen, „Boston" statt Bern
auf das Titel'Dlatt seiner „Geschichte der Schwei-
zer" setzen. \n seinen Freund Bonstetten vschrieb
er über die Perner: „. . .et j'en conclus qu'ils sont
peu dignes d'avoir des historiens". Ruchat, dem
man nach dem Erscheinen der Reformations-
geschichte die Herausgabo weiterer Bände ver-
boten hattf , baschwerte sich nicht. Er versucht-e,
was auch Johannes von Müller nicht vermochte:
seine Schweizergeschichte trotzdem zu Ende zu
schreiben. Auf der öffentlichen Büchersammlung
zu Bern war es dann, wo Haller die fünf fertig-
gestellten Manuskriptbände eingesehen hat.
Alan muß sich das vor Augen halten: ein
Waadtländer, bernischer Untertan, schreibt neben
den Mühen eines emsigen Gelehrtendaseins in aller
Stille die Geschicht-e der Eidgenossenschaft, ob-
wohl er weiß, daß er sie nie wird veröffentlichen
dürfen. Das konnte nur einer, der schon als junger
jMann im Vorwort zu den „Delii^^es de la Suisse"
auf die Frage: „Et depuis quand trouve-t-on des
Delices en Suisse?" mit Ueberzeugung geantwortet
h atte : man f i nd et !
Ruchats Publikationen sind Legion. Die Viel-
falt seiner Themen verrät den Universalgelehrten
des enzyklopädischen Zeitalters. Von allen seinen
Werken erscheint uns jedoch — neben den „De-
N
I
Heinrich von Treitschke
Zu einer Monor/raphie von Walter Buihnann
So vielfältig die Verflechtung des schweizerischen
Geisteslebens mit dem deutschen seit der Aufklärung
auch gewesen sein mag, so beispielhaft die Schöpfiui-
gen der großen Historiker von Johannes von Müller
über Ranke zu Burckhardt und Meinecke für die
Geschichtsbetrachtung in den beiden Ländern ge-
worden sind — die Werke Heinrich von Treitschkes
haben bei uns stets nur geringen Widerhall gefun-
den. Aber auch in Deutschland beginnt der Ruhm
des noch vom Dritten Reich so tendenziös geprie-
senen VorkämpJei-s der nationalen Einigung, des
Staats- und machtfreudigen Historikers und form-
kundigen Essayisten rasch zu verblassen.
Nun legt Walter Bußmann, Dozent d(>r neueren
Geschichte an der Universität Gcittingen, eine ^lono-
graphie vor, in welclier er es unternimmt, die Per-
sönlichkeit Treitschkes in der Mannigfaltigkeit ihrer
„Bekundungen" — eines Lieblingsausdrucks des
Tutors — in der Auseinandersetzung mit der dama-
ligen Gegenwart, aber au -h in ihrer ganzen inneren
Gebrechlichkeit zu erfassen.* Dies geschieht mit einer
an französische „impassibilite" gemahnenden Ge-
lassenheit der Diktion und zugleich mit jener Behut-
samkeit der Untersuchung, die seit Friedrich Mei-
necke ein Erbteil deutscher geistesgeschichtlicher Be-
trachtungsweise geworden ist.
i* Walter Bußmann: Treitschke. Sein Welt- und
Geschichtsbild. Göttingcr Bausteine zur Geschichtswis-
ßenschaft, Heft 3/4. 479 Seiten. „Musterschmidt" Wis-
ßenschaftlicher Verlag, Göttingen.
Der robustesten Vorurteile gegen Treitschke wird
man sich entschlagen müssen. So darf man z. B. nie
vergessen, daß lici ihm, der die Freiheit einmal mit
einem sdiönen Wort als „das Werden des Charak-
ters aus sich selbst heraus" umschreiben konnte, ein
liberal-individualistischer Grundtrm stets vorherr-
schend geblieben ist. Die Bedeutung des geschicht-
lich werthaltigen Kleinstaates hat er nie verkannt,
wie sein wohlgeformter Essay „Die Republik der
Vereinigten Niederlande", der eine gelegentliche
Neubeachtung verdiente, am eindrücklichsten zeigt.
Und die Schweiz erschien ihm in den sechziger Jahren
als das fast einzige Beispiel — Amerika befand sich
damals im Unionskrieg — des gelungenen Bundes-
staates, wie er sich denn Bluntschli gegenüber ein-
mal brieflich dahin äußerte: „Ich halte das Land
(die Schweiz) für eine europäische Notwendigkeit
— wenigstens in der Epoche, welche wir ü})erschauen
l^iinnen — und hal)e die Träume der absoluten Natio-
nalitätsfanatiker nie geteilt." Gegen den Vorwurf
der politischen Anpassungsfähigkeit aber hat un-
längst in der „Historischen Zeitschrift" ein deutscher
HiSoriker der älteren Schicht Treitschke mit den
AVorten verteidigt: „Als Angeliöriger einer Gene-
ration, welcher nach 1018 das ,UmIernen', nach 1933
die ,Gleichschaltung' und nach 1945 die ,re-education*
auferlegt wurde als schicksalhafte Zumutung, unter
dem Eindruck solcher Erlebnisse wird man die lang-
same und ringende Wendung Treitschkes vom Ver-
ächter Bismarcks zum Verteidiger seiner Politik
nicht leichthin abtun als opportunistische Erfolgs-
anbetung . . ."
Dennoch — die Problematik des Treitschkeschen
Wesens wird an anderer, wurzelhafterer Stelle offen-
bar. Als achtjähriges Kind erkrankte Treitschke an
Pocken; eine Komplikation führte fast völlige Taub-
heit herbei. Dieses Geschick hat nun auf Treitschkes
innere Haltung — wie Bußmann im einzelnen sehr
sorgfältig nachweisen kann — sehr bestimmend ein-
gewirkt. Die menschliche Einsamkeit, welcher schon
der junge Treitschke verfiel, hat er selbst in einem
längeren Gedicht geschildert, worin es eingangs
heißt:
Ich lehne trüb im lichterhelUen Saal
und mühe mich aus stummen Angesichten,
Dem LJppcnzucken und der Augen Strahl
Ein schv:eigend€s Gespräch mir zu erdichten.
Es folgt darauf die Ausmalung einer an Wahn-
sinn grenzenden Verzweiflung, die indessen jäh
unterbrochen wird und in den Entschluß ausmündet:
Nein, nein, ich vifl den harten Kampf hesfchen,
denn kampfcsvjurdig ist des Lehens Schöne.
Zwei Momente heben sich in diesem Aufruf ab.
Zunächst ein herrisches Trotzdem, ein Wille zur Be-
hauptung des eigenen Ich, der Treitschke in seinem
Wirken begleiten und bedingen, ihm die Form jener
„oftmals forcierten Selbstsichcrheit" aufnfitigon
wird und ihn „in Imperativen" denken und Ge-
schichte schreiben läßt. — Dann aber „des Lebens
Schöne", das eigentliche Ziel seiner Sehnsucht. Hier
weist die Untersuchung Bußmanns erstmals all die
ästhetischen, ja ästhetizistischen Züge auf, die so
vielen Formulierungen Treitschkes eignen und die
man bis dahin als beiläufig zu betrachten geneigt
war. Der „edle Stoff", der „schöne Augenblick", der
„schöne Inhalt", die „geschichtliche Schönheit" ver-
richten in seinem Geschichts])ild zusehends eine nor-
mative Funktion und geben demselben die beispiel-
hafte Form, Die Lektüre der „Aesthetik" Friedrich
Theodor Vischers wird ihm zum großen Erlebnis;
ein erfolgloses Ringen um die Gunst des IVIünchener
Dichterkreises setzt ein; dem geschichtlichen Stoff
versuchte er zu verschiedenen Malen die dramatische
Gestalt zu verleihen. Seine berufliche Wissenschaft
war ja zunächst noch die Staatslehre und nicht die
Historie; das Gefühl, eigentlich „schaffend auf den
Markt des Lebens zu gehören", blieb in seinem
Innern wirksam.
So bereichert sich das Bild und verdunkelt sieh
zugleich. Die scheinbar so feste Geschlossenheit und
Einheitlichkeit der AVeltanschauung Treitschkes be-
ginnt sich mehr und mehr in eine Fülle von Ab-
hängigkeiten und Beziehungen aufzulösen. Manches
an Gedankengut der späteren Romantik ist von
Treitschke übernommen, dabei aber merklich säku-
larisiert und veräiißerlicht worden. Die Ausdrücke
,,Idee" oder „Volksgeist" sind ihrer ursprünglichen
klassisch-romantischen Bedeutung völlig entfremdet,
der Begriff der ,, Sünde" findet bei ihm in allen mög-
lichen Zusammensetzungen eine ebenso häufige als
gedankenlose Anwendung. Da zeigt es sich, daß
Treitschke in hohem ]\Iaße auf fixierten Begriffen
aufzubauen pflegte — in völligem Gegensatz zu dem
ganz in der Anschauung des Geschichtlichen auf-
gehenden Ranke. Deshalb sind es auch die großen
Systematiker und Zusammenfasser, die Treitschke
(dem es in der Auseinandersetzung mit dem histo-
rischen Rohstoff nie geheuer war) als die eigent-
lichen Vorbilder empfand. Die konstitutive Bedei^T
tung der sogenannten historischen Nationalökonomj^
insbesondere Wilhelm i^oschers, wird von^ i^^
überzeugend herausgea beitet. Die ^^^"^4^^^-^ >
bewunderte wertende Cegenüberstellun^. ^^-^
nen", d. h. der großräumigen und einhei'
!.
J
\
/
">
/
■Miim!^.
s NEUE ZÜRCHER ZEITUNG
mm
LITERATUR UND KUNS
Samstag, 1. August 1953 Blatt
L
Die Tragödie des deutschen Liberalismus
)
Präludium: Prohlernatik der Sprache
Bth. Die Philosophie der Politik und die Ge-
echichte der politischen Ideen haben mit ebenso
mächtigen als unvermeidlichen Schwieri^-kciten zu
kämpfen. Sie besitzen — wie nicht anders zu er-
warten ist — ihren Ursprunj^ in der Sache selbst.
Denn diese Sache bleibt mm einmal dadurch ge-
kennzeichnet, daß in ihr die Probleme der Wirt-
schaft und des Recht«, der Religion und der Ethik
zusammentreffen, um vereinigt die Frage, was Ge-
rechtigkeit sei, zu stellen. Zu diesen Schwierigkei-
ten tritt — scheinbar von außen und scheinbar zu-
fällig — aber auch die Sprache hinzu. Und zwar
aus drei Gründen. Die Worte nämlich, in denen
Erkenntnis und begründete Forderung zum Aus-
druck gebracht werden soll, erweisen sich als
durchaus widerspenstig und spröde gegenüber der
Zumutung, das reine Medium der wissenschalt-
lichen Deskription und einer philosophischen Be-
stimmung der Idee der Gereclitigkeit zu sein. Der
Wortschatz, über den die Philosophie der Politik
verfügt, ist eine geschichtlich gewordene Größe, in
der sidh nicht nur der Mythus unrl die l>^g(>iulen
der Herkunft eines Volkes verdichteten, sondern
auch das Bewußt.>ein seiner Bestimmung und Auf-
gabe einen gültigen Niederschlag gefunden hat. Die
Erfahrungen und Einsichten, die Leiden und Lei-
denschaften, die Ziele und Sehnsüchte einer Ge-
meinschaft prägen den Sinn und die Bedeutung
der Worte, mit denen wir zugleich die Struktur-
gesetzlichkeiten des sozialen Gebildes zu erfassen
versuchen. Die Worte sind Kraftspeichem zu ver-
gleichen, deren Wirkung unenneßlich ist. Die Spra-
che der politischen Philosophie ruft Gefühle auf
und wendet sich an den Willen. Es gibt Worte, die
ein Hort der Pietät und wie durch einen Bann ge-
schützt sind. Es ist nicht rätlich, sich an ihnen zu
vergehen. Denn sie verfügen über eine religiöse
Sanktion. Erschwerend tritt ein zweiter Umstand
hinzu. Weil die Politik die Welt des Konfliktes
und des Kampfes ist, wird auch die politische
Sprache von diesem Schicksal ergriffen. Das Wort
dient als Waffe. Es denunziert Gegner und Sachen.
Und da die Menschen — nicht nur die Politiker,
sondern auch die Geisteswissenschaftler und Theo-
logen— allzu bereit sind, das Wort an die Stelle der
Sache treten zu lassen und das Wort für die Sache
selbst zu nehmen, so verhindert das Wort die sorg-
fältige Prüfung, ob es zutreffend sei mler nicht.
Und schließlich muß man daran erinnern, daß ein
und dasselbe Wort bloß ähnliche oder gar verschie-
dene Dinge und Geschehnisse bezeichnen kann.
Dann täuscht die Gleichheit dp,s Wortes die Gleich-
heit des Bezeichneten oder \V;.'^ Uni. andel barkeit
_v»BS^A\ liWtmit dieser i<'''^tii§jJi^.%^.Mt die poli-
außen. Er spricht nicht als Fi^emder und seinem
Lande Entfremdeter, wohl aber als einer, der mit
einem anderen Volke zusammengelebt hat und sich
über ,,die eigenen Voraussetzungen, Gewohnheiten
und Vorurteile" klar geworden ist. Die kritische
Besmnung auf hundei-tundfünfzig Jahre deutscher
Geschichte geschieht aus der Distanz, die „Zwang
und Gunst der Verhältnisse" mit sich gebracht
haben; aber die kritische Besinnimg ist innerlich
gerechtfertigt durch die ungebrochene Zujrehörijr-
keit zur Homiat, die aufzuklären und im besten
Sinne zu beraten das vornehmste Anliegen des Ver-
fassers bleibt. Und zweitens: Seil ist als Histori-
ker keiner Einseitigkeit zum Opfer gefallen. Er
hat sich weder einer reinen politischen Geschichte
noch einer bloßen Ideengeschichle verschrieben.
Die Vermeidung der Einseitigkeit erreicht Seil da-
durch, daß er das wechselseitige Bedingtsein der
Theorie durch die Praxis und der Praxis durch die
Theorie, wo immer es in Erscheinung tritt, siclit-
bar macht. Auf diese Weise — durch eine kluge
Verbindung der beiden möglichen Aspekte, dem
der politi^chen Geschichte und dem der Ideenge-
schichte — verwirklicht er auf glückliche WeTse
einen erzieherischen Zweck, den er offensichtlich
mit seinem Werk verfolgt: er schildert eindrücklich
den Zusammenhang zwischen TJieorie und Praxis.
Dadurch wird sein Buch zu einer unmißverständli-
chen und scharfen Kritik jener Vertreter der
deutschen Intelligenz der dreißiger Jahre, welche
die liberalen Institutionen durch die hemmungslose
Propagierung des Cäsarismus und des Führer-
und Reichsmythus zu nichts anderem benutzten
als für die Zerstörung eben dieser Institutionen,
die ihnen ihr eigenes Reden und Schreiben möglich
machten. Und endlich fkittens: Seil übt als Ge-
schichtsschreiber die ILiltung, für die er eintritt.
Er ist im guten Sinne liberal. Das heißt: er verab-
scheut die tendenziöse Entstellung des geschicht-
lichen Prozesses und seiner Träger; er hütet sich
vor einsichtslosen gewalttätigen Urteilen, die Jii
Bausch und Bogen willküriiche Zensuren ausset-
zen; er unterwirft sich dem Gebot der Wahrheit,
weil er hofft und glaubt, daß auch im Zeitalter der
Massen und ihrer durch die Mittel der Technik
ez-möglichten Beeinflussung die um Wahrheit be-
miihte Erkenntnis noch immer eine Wirkung aus-
zuüben berufen ist und noch immer als das wür-
digste Mittel der Ueberzeugung zu gelten hat.
Es ist gewiß kein Zufall, daß das bei der Deut-
schen Verlagsanstalt in Stuttgart erschienene Buch
Seils den Titel „Die Tragödie des deutschen Liberalis-
mus" trägt. Denn „der Liberalismus hat in Deutsch-
land keinen Erfolg gehabt, und zu seiner Glorifi-
z.erung liegt kein Grund vor". Die Erfolglosinvcit
sen, die darauf hinauslaufen, daß an die Stelle der
geforderten Freiheiten und Rechte der Individuen
im Staate die Freiheiten und Rechte des Staates
und des Volkes treten. Auf diese Weise wird der
liberale Gedanke in eine außenpolitische Ideologie
verkehrt, die auf eine liberale Verfassung des Staa-
tes keine Rücksicht zu nehmen braucht. Auch war
die Romantik, die politisch auf die Wiedergeburt
des mittelalterlichen Kaiserreiches und die unver-
wechselbare PJigenart und Selbstgesetzlichkeit der
Volksgeister gerichtet war, dem liberalen Gedan-
ken nicht günstig. Denn es ließ sich nun einmal
nicht aus der Welt schaffen, daß die liberale Kon-
zeptir>n des Staates in England entstanden war,
daß die Bill of Rights in Amerika und die Dekla-
ration der Menschenrechte in Frankreich liberale
Forderungen darstellten. Und so mußte sich immer
ein Vorwurf Geltung verschaffen, der in der Ge-
-chichte des deutschen Geistes seit Herder — aber
bezeichnenderweise unter Ausschluß Goethes —
immer wieder auftaucht: der Vorwurf der geisti-
gen Ueberfremdung und des Verlusts der Eigen-
ständigkeit. Schon bei den süddeutschen Liberalen
des Vormärz trat die Idee der P^'eiheit mit der
Iflee der nationalen Einheit in Wettbewerb. Der
Badenser Karl von Rotteck zog die Freiheit der
Einheit vor: „Ich will lieber Freiheit ohne Feinheit
als Einheit ohne Freiheit." Der Wiirttemberser
Paul A<'hatius Pfizer, den Seil ni<'ht erwähnt,
schrieb dagegen in seinen „Gedanken über das Ziel
und die Aufgabe des deutschen Liberalismus'*
(1832): ,,Aber man kann ein aufrichtiger Freund
der Freiheit sein und zwar nicht es wünschen, doch
sich darüber zu trösten wissen, wenn ein intelliffen-
ter Despotismus die deutschen Völker zwänge, statt
politischer Theorien, deren Verwirklichung sie
ohne fremde Hilfe nicht gewachsen sind, für die
künftige freiei^ und geistigere Entwicklung einst-
weilen nur den festen körperlichen Boden zu er-
kämpfen. Ob größere persönliche Freiheit in den
konstitutionellen Staaten uns zur Einheit führen
werde, ist immerhin zweifelhaft. Nicht zu bezwei-
feln ist dagegen, daß, wenn einmal die Einheit vor-
handen ist, die Freiheit, dieses heiligste Besitztum
der Völker, das aber ohne die Kraft der Einigkeit
niemals Bestand hat, nicht ausbleiben kann." Ein-
heit bedeutet ALicht. Das hatte Friedrich Christoph
Dahlmann nüchtern in Frankfurt ausgesprochen:
,.Die Bahn der Macht ist die einzige, die den gären-
den Freiheitstrieb befriedigen und sättigen wird,
der sich bis dahin nicht erkannt hat, denn es ist
nicht bloß die Freiheit, die er meint, es ist zur
größeren Hälfte die Macht, die ihm bisher ver-
sagte, nach der es ihn gelüstet." Einheit bedeutete
auch — was frühzeitig von Wilhelm von Humboldt
und dem Anhänger des Naturrechts Anton Thibaut
eikannt wurde — Verzicht auf das Grundgesetz
der deutschen Staatlichkeit und Geschichte, Preis-
?d)e der toderali>t.i>clien Struktur, die Vielheit und
wie eine solche Richtung auch in dieser Richtung
wirken würde."
Seil nimmt — wie man leicht erkennt — eine
Ehrenrettung des Deutschen Bundes vor, an dem
Treitschke, das Urteil der Nachfahren bestimmend,
keinen guten Faden gefunden hatte. Und von hier
aus wird auch die außenpolitische These verständ-
lich, die Seil seiner Darstellung des deutschen Libe-
ralismus zugrundelegt. „Ausschlaggebend ist die
Tatsache, daß der dezentralisierte und mannigfache
Bund die Deutschen gegen Gefahren schützte, die
aus ihrer eigentümlichen tragischen Lage in der
Glitte Europas erwuchsen. Tragisch ist die Lage,
nicht weil die Deutschen Angriffen von mehreren
Seilen ausgesetzt waren, sondern weil sie ein völlig
natürliches, jedem Volke zustehendes Recht zur
Geiahr uns zum Verhängnis werden läßt. Dieses
Iiecht ist die freie £]ntfaltung und Ausnutzung aller
:n^ dem Volke liegenden Kräfte und Möglichkeiten.
Wenn es benutzt wurde mit dem Ziel der politi-
schen P:inigung unter straffer Führung und dieser
Zenlralstnat eine Militärmacht bildete, die seiner
Kraft entsprach, dann lag darin eine größere Be-
drohung für die Nachbarstaaten, als irgendein an-
deres europäisches Land mit den gleichen Hilfs-
kräften ausüben konnte. Ein starkes, zum Angriff
bereites Reich in der Mitte zwischen Ost und West
konnte sich mit jeder dieser Seiten verbünden und
blieb doch als Verbündeter gleichzeitig eine Be-
drohung." Hitlers Politik war die Probe aufs
Exempel.
Als Deutschland nach 1870 seine hegemoniale
Stellung in Europa auszubauen, zu befestigen und
zu genießen sich anschickte, gewann der Imperia-
lismus, wie überall, Anhänger im Bürgertum. Und
die ökonomische Prosperität bewirkte eine kräftige
Abwendung der geistigen Energien von der ver-
antwortlichen politischen Aktivität. Der geniale
revolutionäre Staatsmann, der die Prinzipien des
konservativen Legitimismus zerschlug und gleich-
wohl einen feudalen Staat mit seinem Dreiklas?en-
wahlrecht beibehielt, Oesterreich gegen den Balkan
abdrängte, der Preußens Vormachtstellung in
Deutschland vollendete, das Reich schuf und ihm
und p]uropa während seiner Regierungszeit mit
Hilfe eines raffinierten und komplizierten Bündnis-
systems den Frieden erhielt, war durchaus anti-
liberal, und es lag ihm alles daran, die Parteien zu
diskreditieren, damit er seine „Regierung über den
Parteien" — wie Johannes Ziekursch in der „Politi-
schen Geschichte des neuen deutschen Kaiserreiches"
(1925) sagt — durchführen konnte.
Seils Buch ist ein Werk nationaler Selbstkritik.
Es leistet etwas, was nur ein Deutscher zu leisten
sich vornehmen konnte. Es ist — wohltuender-
vveise — ebenso frei von jener seltsamen Mischung
von Selbstbezichtigung und Selbstüberhebung, ,^ie
>eit den Propheten Israels das Kennzeichen äII\^
/J
nTSuTr
IM i\ l«Tf;
i
l
rechnen. DcK ständigen VtMiiPmg durch die
Sprache, die Ungleiches gleich benennt, entgeht
man nur durch ein resolut nominalistisches Verfah-
ren, das den Gang zu den Dingen nicht nur nicht
scheut, sondern gei'adezu aufsucht. Dann zeigt sich
mit überwältigender Klarheit sehr oft, daß die als
bequeme Etiketten benutzten und abgenutzten
Worte wie Zunder zerfallen.
Dieser Sachverhalt begünstigt eine tiefe Skep-
sis gegenüber den politischen Allgemeinhegriffen.
Er zwingt dazu, daß war — wie Maurice Cranston
sich in einem ausgezeichneten Essay „Frcedom. A
new Amhjsis" (Verlag Longmans, London 1953)
ausdrückt — nicht von Liberalismus, sondern von
Liberalismen sprechen. Er selbst gibt ein lehrrei-
ches Beispiel seines Verfahrens, wenn er engli-
schen und amerikanischen Liberalismus von den
französischen und deutschen Versionen abhebt.
Die Geschichte des deutschen Liberalismus
Der Geschichte des deutschen Liberalismus hat
Friedrich C. Seil eine aufschlußreiche Untersu-
chung gewidmet. Ihre unbestreitbar großen Vor-
züge lassen sich auf drei Ursachen zurückführen.
Seil kennt Deutschland von innen und — weil er
1937 zwangsmäßig seinen Lehrstuhl für Geschiclite
an der Pädagogischen Akademie in Kassel verlor
und dann als Professor für deutsche Sprache und
Literatur in den Vereinigten Staaten wirkte — von
fach gleicl'/^)edeatend mit dem Versagen irgend-
einer belie!)igen politisch-geistigen Bewegung. Er
ist vielmehr der Ansicht, daß die Gegenwart aus
dem Mißerfolg des deutschen Liberalismus lernen
könne, „gleichgültig, wie sich die politische Zu-
kunft gestalten" werde. „Hat doch recht eigentlich
die Außerachtlassung der moralischen Hemmun-
<7;cn, welche der Liberalismus dem totalen Maclit-
sirehen entgegensetzt, zu der Katastrophe Deutsch-
lands im Jahre 1945 geführt."
Mit diesem Satze ist bereits auch angedeutet,
in welcher Riirhtung die begriffliche Festlegung des
Ijiberalismus durch Seil zu suchen ist. Liberal ist
— so muß man sagen — , was die Vermenschli-
chung der Politik befördert. „Die liberalen For-
derungen, Rechte und Freiheit des Lidividuums,
Toleranz, gleiclibercchtigte Zusanunenarbeit durch
Ausgleich und Komi>romiß, galten vor allem den
Methoden der Regierung. Man könnte ihre Tendenz
eine llumani^ierung des politischen Prozesses nen-
nen." Dieses Buch befaßt sich mit einem Gegen-
stand, dessen genaue politische und geistig-mora-
lisdie Bestimmung gerade in Deutschland bemer-
kenswerten Komplikatiotien begegnet. Denn der
deutsche Liberalismus hatte schon in der Zeit, da
er im Entslehen begriffen war, mit mächtigen Strö-
mungen zu reclmen, die ihrer Natur nach illiberal
sind — mit dem Nationalismus und dem Sozialis-
mus. Die Konkurrenz mit den nationalen Parolen
wird den Liberalismus zu Konzessionen veranlas-
^uTeitxTrbTndet, ohne das eine dem andern aut-
zuopfern. Einheit und Macht — auch das hat Hum-
boldt mit aller wünschenswerten Klarheit gesehen
— lasstm in der Mitte Europas einen Staat ent-
stehen, der zu einer Bedrohung werden kann. Ernst
]\Ioritz Arndt etwa ließ 1813 in der Schrift „Der
Rhein, Deutschlands Strom, aber nicht Deutsch-
lands Gix-nze" die Staatsgrenze mit der Sprach-
grenze als historisch und ,,natuThistorisch" begrün-
dete Forderung zusammenfallen. Im gleichen Jahre
entstand Humboldts Denkschrift, in welcher der
künftige Zustand Deutschlands erwogen wurde.
,, Nicht gleich gewichtig als politische Macht, ist es
von dem wohltätigsten Einfluß durch seine Spra-
che, Literatur, Sitten und Denkung>art geworden,
und man muß jetzt diesen letzteren Vorzug nicht
aufopfern . . . Man dankt ihn vorzüglich der Man-
nigfaltigkeit der Bildung, welche durch die große
Zerstückelung entstand, und würde ihn, wenn sie
ganz aufh(>rte, größtenteils einbüßen... Die Natio-
nen haben, wie die Individuen, ihre durch keine
Politik abzuändernden Richtungen. Die Richtung
Deutschlands ist, ein Staatenverein zu sein." Hum-
boldt Avollte keine neue kollektive Macht. „Niemand
könnte dann hindern, daß Deut>chland als DeutsMi-
land ein erobernder Staat würde, was kein echter
Deutscher wollen kann; da man bis jetzt wohl
weiß, welche bedeutenden Vorzüge in geistiger und
wissenschaftlicher Bildung die deutsche Nation be-
sitzt, solange sie keine politische Richtung nach
außen erreicht hat, aber es no<;'h unausgemacht ist.
ilfi LI '-'liCl 1 1 o L»
■^ / ' 1'
«Orell Füßlis Weltgeschichte»
Der Verlag Grell Füßli (Zürich) läßt es sich
schon seit einer Reihe von Jahren angelegen sein,
die Geistesgeschichte der Menschheit in allgemein-
verständlichen, aber gediegenen Zusammenfassungen
einem breiten Publikum zu vergegenwärtigen. So
gelangten die ,, Kunstgeschichte c
„Literaturgeschichte der Welt"
1er Welt", die
J
die ,, Musik-
geschichte der Welt" und die „Geschichte der
Kultur" zur Darstellung; das letztgenannte Werk
des dänischen Ethnologen Birket-Smith darf dabcn
ohne Zweifel den ersten Rang beanspruchen; ihm
kommt klassische Geltung zu. Nun ist ein neuer,
dem noch ausstehenden Thema der vorwiegend po-
litischen „Weltgeschichte" g(>widmeter Band er-
schienen. In seine Bearbeitung teilen sich sechs
deutsche, österreichische und schweizerisclie Histori-
ker: W. Kirfel und Hans Hein („Die altorientalische
Staatenw^elt"), Hermann Baumhauer („Die Welt
der Antike"), Peter Welti („Das Mittelalter"), Karl
Pivec („Die neuere Zeit") und W^ilhelm Mommsen
(„Die neueste Zeit").
Geschichtsschreibung, als die jeweilige An-
schauungsform, die sich eine Gegenwart von der
Vergangenheit bildet, ist immer standpunktbedingt.
Auch dann, wenn es sich, wie im vorliegenden Fall,
darum handelt, die ganze Weltgeschichte auf höch-
stens fünfhundert Seiten in ihren wesentli<'hen I\lo-
menten und Brennininkten gleichsam abrißartig
auszubreiten und vor aller spekulativen Ausschwei-
fung dem im Labyrinth der Geschichte Orientierung
suchenden Leser die nötigen Realien zu geben, auch
und gerade bei solchen Prämissen kann das Unter-
nehmen eines Sinnhorizontes nicht entraten, auf den
hin das weltgeschichtliche Geschehen zum Verständ-
nis zu bringen ist — soll nicht lediglich eine Häu-
fung von Daten, eine Art ,,Ploetz" resultieren. Solche
Beliii-chtuiigen aber sind fehl am Platz; ,, Orell
Füßlis Weltgeschichte" hat sich, im „UNO-Zeit-
altcr", einem sehr aktuellen und höchst fruchtbaren
Prinzip überantwortet, das fähig ist, die sinnvolle
Einheit zu verbürgen: Der Gedanke nämlich, dem
die Sicht gehorcht, kristallisiert sich um die Idee
des gemeinschaftlichen Lebens der Menschheit. Der
ujiübersehharen Klut historischen Geschehens steht
(>in Si>i(gel der Bedeutsamkeit gegenüber, der nicht
das, was der Perspektive einer reinen National-
geschichte oder gar Ortsgeschichte wichtig erscheint,
widerspiegelnd <ler Vergessenheit entreißt, sondern
denjenigen Ereignissen wirkende Macht zuerkennt,
die im Zusammenhang und in der Verilechtung dc^s
gesamten Geschichtsablaufs Knot<Mipunkte bilden,
indem sie nach vorwärts und nach rückwärts ge-
waltige Blickfelder zu eröffnen imstande sind, histo-
rische Kontinuität eben weltgeschichtlichen Aus-
maßes schaffen. „Aus der Geschichte aller Völker
gilt es, das lebendig zu verdichten, was aufeinander
durch die Zeiten gewirkt hat und letzten Endes auf
ein Zusammenwachsen aller menschlichen Organi-
sation zur geistigen und praktischen Einheit ^l\\;\^
strebt. Mag dies erreicht werden odg^tg-^^" «.-j^y^j
Vorstellung einer den mens<J^(,-q^i,o|OTds oSuiq
spannenden und Jlj,^)tiB|BqsnB sgaMSoiiioJi i{dou
gehörigkeit ^jj^uBidS siu^|bl|joa Sdnüu uia ui ue|
für die fortgeschrittensten Geister der ^Menschheit
als schinistes Ziel am Ende der Weltgeschichte."
Diese Sätzt» der (soweit ersichtlich von W. Kirfel
stammenden) Einh-itung verdeutlichen, daß hier aus
einem planetarischen Geschichtsbewußtsein, aus
dem Wissen um die schicksalhafte Einheit der heu-
tigen Welt heraus Geschichte geschrieben wird —
praktisch-populäre Realisierung jener Thesen etwa,
die ein Alfred Weber kurz nach dem Krieg in seiner
programmatischen Abhandlung ,, Abschied von der
bisherigen Geschichte" philosophisch-begrifflich
umrissen hat.
Die derart konzipierte Weltgeschichte setzt also
erwartungsgemäß dort mit ihrer geschlossenen Be-
trachtung ein, wo Fragen von unmittelbar universal-
historischer Qualität auftauchen, und dafür gibt
weniger die Unterscheidung von schriftlichen und
andern Quellen das Kriterium ab als der Zeitpunkt
des Auftretens der ältesten Reiche, der Staatswer-
dungen in Aegypten, im Zweistromland und am
Indus, Machtgebilde, die bereits in komplizierten,
vielschichtigen politischen Prozessen entstanden
sind; mit ihnen beginnt recht eigentlich ,,die in
lebensvoller Kontinuität überschaubare Welt-
geschichte".
Die Bearbeiter des ßandas ^^«runter der junge
•z" u TT- ^ ^r Peter W elti, dessen gewandter
^^™^^ A?-J^i9pf isreiche Schilderung des Mittel-
.%a^MsT|BJ4uaz aodhj^t^ entledigen sich auf souveräne
puu Suupuu.igsqoilrsbewußte Weise ihrer Aufgabe,
-duuqoa jop ui aVhaft, sondern, dem. v!urchschnitt-
ui) uaipspiiod aap ntpres^i^'-j^'''^ i^K *(\t.. ^^^i^^Yplt
-lOAiun qois ui) uaSi^siaS aap aS^lJtJ J»P ni geiv"
[
Fülle von AVahrheiÄen über Personen und Gescheh-
nisse aus, die nicht eitel Freude auslösen werden.
Den Nicht-Deutschen überzeugt es durch die Un-
bestechlichkeit des Urteils imd die politische Ver-
nunft und Haltung, der es sich verpflichtet weiß.
Postludium: Georg Gottfried Gervinus
Man darf in diesem Zusammenhang an einen
deutsehen Literaturhistoriker des 19. Jahrhunderts
erinnern, der nach großen Erfolgen mit vonviegend
zurückhaltenden und abschätzigen Nachrufen be-
dacht wurde. Man nannte ihn einen „liberalen Ra-
tionalisten", was nicht ein Lob war, sondern den
Tadel der Beschränktheit enthielt. Treitschkc —
draufgängerisch wie oft und blendend formulie-
ivnd wie immer — rühmte ihm zwar patriotische
Leidenschaft nach, sprach ihm aber das politische
Talent rundweg ab, ähnlich wie Karl Hillebrand,
der Gervinus einen Schriftsteller ohne Stil, einen
Gelehrten ohne Methode, einen Denker ohne Tiefe,
einen ]\Ienschen ohne Zauber und einen Politiker
ohne Voraussicht nannte. Seil, der dieses schneidige
Verdikt anführt, widmet Gervinus eine schöne Seite.
Indessen: die Akten über sein Werk bleiben ge-
schlossen. Max Rychners gerechte und sympathische
Würdigung von 1922, die alles, was zur Aesthetik,
das heißt eben zur Politik der Geschichtsschreibung
von Gervinus zu sagen ist, vorbildlich zum Aus-
druck gebracht hat, braucht keiner Revision unter-
zojren zu werden. Ob er aber nicht manche Zeit-
und doch lebendig zu vennitteln, wobei die poli-
tische Geschichte stets in wesenhafter Verbindung
geschaut ist mit den jeweiligen geographischen, ras-
sisc'hen, soziologischen, wirtschaftlichen Gegeben-
heiten der pjpochen; die unerhört vielschichtige,
kaum je rekonstruierbare Komplexität, aus der
heraus sich ^ViIle und politische Tat einer Gemein-
schaft, eines grofien Einzelnen richtungweisend
lösen, erfährt jedesmal behutsame mögliche Klä-
rung. Nicht das Schlagwort, reifes Differenzierungs-
vermögen regiert; den Eindruck ruft der fesselnde
Beitrag des Marburger Geschichtsprofessors Wil-
helm Mommsen in besonders hohcTU Maß hei-vor. Die
Untersuchung führt in unsere direkteste Gegenwart.
Aber nicht pessimistische Sintflutstimmung und
düstere Prophe/.eiungen stehen n?n Unde, sondern
aus geschichtlicher Einsicht erwachsene Hoffnung:
,,Aus der Geschichte des Zeitraums, die wir hier
verfolgten, steht trotz allen Katastro})hen zu hof^^
daß die aufbauenden und gesunden^^'^P'he abzu-
genug sind, um eine ernp"*
wenden." ^^^^^^^^^ pi^le von Illustrationen
,-a»r^t
..rfrihMuoh diesem Band, ähnlioli den vorangrgaii-
-ipn Reiz einer Büderelironik der Jalir-
faTnde Von'^dTr Kömgsstatue des C^^f -'^f -
Ze lichkeit enthoben, zu den Ruinen der bombar-
dierten Stadt wölbt sich ein ungeheurer Bogen welt-
geschichtlichen Geschehens.
Kein Zweifel, daß ,.r»rell Füßlis Weltgeschichte"
allen ein unentbehrlichf r, reicher Cicerone durch die
^^Jahrhunderte werden wird. Edmrd Hüttinger
\''^-Z
final
Times
H 21/-.
secutive
'AR. I
»ecutive
^TmTiTs and paiii- iiUcrcst did not collapsc. -«v.. ..... ^^^^^ ^ DTil^^eT
phlets'. inlo a ünancally d.sast.ous '^^^^.^''^^ ^V^'^ ^'^Jl'''^ J-'J^^v^^^^^ August Wilhelm Schlegel becamrT?
L^hool,andan.exped.t.ontoPalesmK ^^^^^ ^^,'^JZ^r^ ^ C aLlic : and the German m>st.cal
r.^Ä'vJh^.^^^n^d w.;;. ;• '1^; Z'^n^^^^J'csLusU^r. which phi.osophe. . Baader, not Baeder.
GERMAN VIEWS OF HISTORY
Hans Kohn (Editor): Ccrman
Hisiory. Some New German
Views. German Texts Translaled
by Dr. Herbert H. Rowen. Allen
and Unwin. 18s.
In this book Professor Hans Kohn
has colieetcd the conlessions ol" taith
of a number ol" Cjerman historians in
relation to the history ol' Germany
roughly in the past hundred years.
Professor Kohn believes. only too
righlly, that the historical illusions m
which the Gcrmans have hccn
nurtured have made an alarmmg con-
tribution to the destructive part their
country has played. He is anxious.
therefore. to encourage ihe atlempls
which have been made since \')4> to
revise and criticize traditional
doctrine in Germany by the transla-
tion of the essays in this colieclion.
The list of authors contams names so
distinguished as those ol 1 riedrich
Meinecke, I ranz Schnabel. Ludwig
Dehio and Alfred von Marlm: to
Gerhard Rilter's Diimonic der Maclii
Professor Kohn relers, not without
considerable misgivmg, in his pre-
liminary chapter.
The Cardinal problem of Bismarck
is discussed by Professor Schnabe
and more briefly, m a republished
book review, by Professor von
Martin. Professor Schnabel is lam y
disappointing. He is proloundly
aware of the holes in Bismarck s
armour: indeed he pronounces his
own judgment upon huii when he
blames ihe form of German State
which Bismarck chose lor the ulti-
mate destruction of a n^^^^'^"/
federalism in central Europe. lo Ur.
Erich Evck's cogent criticism ot Bis-
marck Vor forcing Germany mto
illiberal paths and for brooking no
rival and training no successor 1 ro-
fessor Schnabel has but lame replies.
He believes that Bismarck s authori-
tarianism blocked a more dangerous
revolutionary nationalism and that
there was a paucity of persons to
deserve the Chancellor's esteem. But,
as Professor von Martin suggests, this
paucity was the ellect rather than the
cause of Bismarck's contempt lor
men.
Professor Dehio's contribution is
in many ways the mi)st suggestive ol
these studies and cerlainly the most
courageous.
\i hcavv indiisuy aiul ihc large landed
estaies had Ivcn >plii up mto smaller
iinits. would ihc linal disasicr have pcr-
liap> hccn avcriccl. as prescnl-day cnlics
Ol ihe Gcrmanv of ihal limc lihc Weimar
Kcpuhlicl >o oiicn bclicvc ? in any case
[Ikm-c would ha VC bccn a corrcsponding
iiKTcasc in tho luimbjr ol declasses, wliilc
Lvonomic coiuliiions would have becomc
cvl-mi niorc co^^u^cd.
This question is not put as
an\ kind o{ subterfuge. Professor
Dehio condemns Germany squarely
for unleashing ihe second great war:
•• rhe lirst war was only a contused
initial encounlcr. ihe second was a
well-directed counter-altack from the
deep rear." The forces which Ger-
manv thus released " destroyed as
never before the lives and work of
men ^t ihe same time they
spilled a corrosive poison into the
soul of Western man. ihanks to the
terror and Propaganda which our
civilization made reach everywhere.
"Great wars in the past." Prolessor
Dehio continues, •" had all been fruit-
ful as well as frightful." But the
Nazi war was sterile; it merely
opened Europe's doors to Com-
munism. It is signilicant that Pro-
fes-sor Dehio's indictment is of
Cjermanv, not of Hitler or his
followers, whom he menlions only on
one page.
The final contribution, from Pro-
fessor Holborn, is clear and simple
and by far the easiest to read. He
makes several important points.
Among these is his insistence that the
path chosen by the rulers of
Germany led to such patent disaster
that that alone is enough to disqualify
the arguments used by their Cham-
pions. Above all he condemns the
essentially Lutheran division of life
accepted by German historians—
including Meinecke — in the past. the
distinction between the vvorld of
politics as the world of tragic
necessity. and that of philosophy and
the arls'as that of true freedom. Pro-
fessor Holborn concludes ihat the
regeneration of Germany requires
Ihe recognilion of the unily of life.
Prolessor Holborn has had the
advantage of escaping iranslalion
since he writes in English. Ihe olher
contributions have sulVered to a
greaier or less degree. Jn Professor
Schnabers essay he is allowed to
refer to the vonstitutiomil monarchy
established by Bismarck. That
phrasc. in ihis counlry at least,
implics a monarch who accepts
the sovereignty o{ Parliamcnt, a
constitutional ' form persistently
rejected by Bismarck. In spite
of such faults students will be
stimulaled by this volume to read
these Cjerman historians in their own
language. and indeed lo exp^re
further the works listed in the bibiiö-'
graph\ with which the volume
concludes.
During her lifetime Angelica
Kaulfmann, the eighteenth-century
painter, was as well known in Hurope
as any artist of her time. including
Reynolds, through whose inlUience
she became one of the original mem-
bers of the Royal Academy on its
foundation in 1768. Her success was
perhaps due as much to her personal
attractions and attainments as to her
artistic talents. Charming and intel-
ligent, industrious and enlcrprisiiig,
she won the interest and friendship of
many distinguished people— among
them Winckelmann, who called her
" a rare creature," Herder, and
Goethe, who (though she was then
married and eight years his senior)
•• wished he could bind himself by
closer ties to this fascinating person."
Aiiiiclka, a new biography of the
artist written by Mrs. Adeline Hart-
cup, is Coming from Heinema,'nn on
April 20.
."y^}
264
THE TIMES LITERARY SUPPLEMENT FRIPAY APRIL 28 1950
\
\
GERMAN SOCIALISM
GWENDA HOLLANDER
Lucia
Lucia was such a good friend.
Just how good, Mrs. Hollander
demonstrates somewhat unex-
pectedly in this shrewdiy devised
first novel. 8s. 6d.
A. Joseph Berlau : The German Social Democratic Party, 1914-1921. Oxford University Press.
Cumberlege. 38s.
Dr. Berlau's study of German Socialistssuddenlybecameeligible for
Socialism, one of the ablest and most employment on the State railways.
fully documented yet written in These domcstic dcvelopments were
English, labours under two dis- paralleled by attempts to use the pres-
advantages. Its title gives it a rank tigc of German Socialism among the
below its merits, and its price is Socialists of other countries to gain
London :
ROSALIND WADE
The Raft
The Story of a waek in a great London
HospitaL "The best and most mature
novel Miss Wade has written."—
PAMFLA MANSfORD JOHNSON (Daily
Telegraph). ICs. 6d.
DOROTHY MACKINDER
A Forest of Feathers
"A beautifui and moving book . . .
has a rare quality of mingied sweet-
ness and penetration, and is worthy
to be savoured slowly.'*— kathleen
hREEMAN (Western Mail). 8s. 6d.
ROBERT K. MARSHALL
Little Squire Jim
"Has conjured enchantnnent from his
own remoce hill country." — eric
GiLLETT (Sunday Chronicie). "A
strangely attractive novel." — rosaleen
WHATELY (Liverpool Daily Post).
8s. 6d.
almost prohibiüve. The devaluation
of the pound may, as Mr. Geoffrey
Cumberlege states, be accountable for
the price, but the number of readers
likely to pay it for The German Social
Democratic Party, 1914-1921, will
hardly be large. Yet this is a book
that deserves wide attention. As a
footnote to modern German history
it has lasting value. Dr. Berlau
handles his subject so comprehen-
sively, and suggests reflections so
apposite to present circumstances, not
in Germany alone, as to make his
work especially enlightening.
The choice of 1914 as his nominal
starting-point is explained by the
decision of the German Social Demo-
cratic Party in the Reichstag to vote
the war credits on August 4 that year.
Until then the official doctrine of the
pariy had repudiated " revisionist "
tendencies.
Marxism, like Eduard Bernstein,
might prove that Marx deduced hasty
Support for the German cause.
Changes of doctrine followed
changes of behaviour. Before long
the class struggle, with its assump-
tion of an irreconcilable cor>flict of
interests in capitalist communities,
was abandoned in favour of
nationalisrn. So glaring was this de-
fection from Marxism that it led to a
split in the party, and to the forma-
tion of an Independent Socialist Party
from which an extremist group broke
away under Karl Liebknecht and
9th. Prince Max vainly sought to
persuade the Kaiser to abdicate ; and
at noon on the 9th he actually pro-
claimed the abdication without wait-
ing for the Emperor's authorization.
Simultaneously he handed over the
Chancellorship to Ebert, who began
to negotiate with the Independent
Socialists and with the bourgeois
parties. Ebert's idea was to reserve
for a National Assembly the decision
on the f uture form of government ;
and he was furiously angry when
Scheidemann prociaimed a republic
in Order to forestall the proclamation
of a Socialist dictatorship by Karl
Liebknecht.
Dr. Berlau recounts in detail, with
ample extracts from contemporary
sources, the further course of the
Rosa Luxemburg. By the end of the Q^rman revolution, its phases of civil
war, and the hght ot the Ebert
Government against the Councils of
Soldiers and Workers. During this
war the Social Democratic Party was
transformed. Dr. Berlau says: —
Gone were the belief in the iheory of
crisis, the theory of ihe pai^iJerization of
the masses, the theory of the imminencc
of a great social-economic catastrophe ;
gone were tiie belief in the conceniration
need for violcnt class-
of capital, the
Prominent revisionists of struggle, and the etücacy of the socializa-
lion of the mcans of production. AU
political and economic group> were con-
sidered vital to the common weal by the
period the Social Democrats nioved
steadily to the Right, and kept in
touch with Hindenburg and the irre-
gulär Free Corps ostensibly creatcd
for the protection of the castern
frontier. Indeed, on Dccember 12,'
1918, Ebert signed a dccree giving
the Free Corps unrestricted power of
generalizations from incomplete data ; Sociaf Democratic Party in 1919; capi-
that neither the overwhelming con- talism was no longer viewed as the bane ^ommand wdl knowing that repub
Centration of capital nor the progres- of the Proletariat ; and the international
sive pauperization of the masses nor solidarity of Pf^^^if/,'^" .'".^^^,^f ^^ ^.?,^
, .^ • , X 1 c w 1 .. • eiven way to the pre-emmence or mc
the inevitable cycle of capitalist crises ^.^tjo^^l interests of the workers and to
had actually occurred ; and that „larked chauvinistic tendencies. The
workers had something more valuable examination of the policies and objectives
IRIS VINTON
Flying Ebony
Forolder children, a stirringtale
of a boy and a horse set in the
days when Long Island was a
haunt of wreckers, by the
Director of Publications Service
for Boys' Clubs of America.
Illustrated. 6s.
MACDONALD
& Co (Publishers) Ltd.
of the party during the years 1914-21
leads to the main conckision that, by
1921, the Social Democratic Party had,
in all essentials, repudiated Marxism and
embraced in its stead many of the liberal
and democratic views of older, bour-
geois parties.
The crucial stage was reached in
October, 1918, when the Social
Democratic leaders had to decide
whether or not to join a coalition
out leading to positive apostasy or to cabinet under Prince Max von Baden,
an open avowal that the nationalism ^^e last of the Imperial Chancellors.
of Lassalle had got the better of the Negotiations to this end had begun
internationalism of Marx. As Dr. " i^ complete ignorance of the
Berlau says, " the choice of the decision of the
German Socialist Party between its Command that the first act of the new
rival historical antecedents fiepended Government was to be an appeal to
on the introduction of a new, incisive (President) Wilson for an armistice."
factor. Such a factor was provided When this decision became known
than their chains to lose by revolution.
The Bavarian Socialist leader, von
VoUmar, might convince a party con-
gress, as he did in 1894 at Frankfurt,
that Marx's agrarian notions were
superficial and inadequate, and should
be discarded in favour of a practical
Programme. These iconoclastic ideas
might be shared, as they were, by the
rank and file of party members with-
^'
Bookscllcrs and Publishers hv Apfwintment
to U.M. Queen Mary
BATSFORI) BOOKS
PUBLIC ATION DATE: 2 8t/i APRIL
SPAIN
By SACH1:VERIZLL SITWELL
The best account of .Spain by an
EnoliNhman since the day ot
Richard lord and George Borrow.
Over iooillustrdticns,4incolour,
and special maps. i6s. net
CANTERBURY
By Wll 11 AM TOWNSEND
A personal record of the archi-
tecture, institutions and lifc of
the citv. 50 illustrations, a map,
and a plan of the cathcdral.
ITALY ^'•''^•"'^
A " Countries in Colour " Book
Photographs by K. P. KARFELD.
46 superl) colour photographs
and an introduction by Harold
Acton. 275. 6c/. nct
THE ISLANDS OF IRELAND
By nlOMAS IL MASON
Ihird Impression
" This is a flrst-rate examplc of
the topojrraphical book." The
Scotsman. i6s. nct
TIIE ENGIJSII GARDEN
By KAI PH DÜTTON
TbirJ Edition
" It is Mirprisinglv chcap, an<l the
by the outbreak of war in 1914.
Nevertheless, one of the most inter-
esting features of his book is the proof
it affords that the nationalist, non-
Marxist tendencies, derived from
Lassalle and from his successor, von
Schweitzer, had persisted with un-
diminished strength beneath the
Marxist surface of German Socialism.
Under pressure of public enthusiasm
for the war, and out of fear of re-
pressive action by the Government,
these tendencies triumphed in 1914
and inspired the declaration of the
party chairman to the Reichstag on
August 4:
We nced to secure the culture and the
indcpendence of cur country. . . . We
shall not abandon our Faiherland in its
hour of peril. ... As soon as the
purpose of security is fulfiKed and the
enemy inclined to peace, the war shall be
brought to an end by a peace wiiich will
make possible the amity of neighbouring
peopics. . . . Guided by these principles
we agrce to ihc proposed ioan.
The Social Democratic Party soon
reaped the benefit of its non-Marxist
behaviour. In the gcncral elation
caused by the rapid advance of
German troops through Bcigium,
Socialist publications were admitted
to military establishmentF. troops
were allowed to visit Socialist restau-
rants, prosecutions of trade unions
and their leaders were suspended, and
Scheidemann was aversc from
"entering a totally bankrupt con-
cern at the moment of its absolutely
certain collapse," but Ebert over-
rulcd him. Ebert abhorred the
thought of revolution, As Noske,
another party leader, presently
wrote : " The German Social EXemo-
crats had always rejected the idea of
a revolution by force. The Social
lican and democratic inlluenccs would
thus be excluded from thcm.
Yet, from the standpoint of Socialist
doctrine, the most significant develop-
ment was the repudiation of nationali-
zation of the means of production and
distribution. Not only Ebert, Scheide-
mann and the other leaders of ortho-
dox Social Democracy, but Kaulsky
and Eisner, as representatives of
the Independent Socialists, treated
nationalization, or socialization, as
undesirable in a country impoverished
by war. Before the end of the war
Kautsky had written that Socialism
would be handicapped if it should
gain power in a period of transition,
because it would lack its fundamental
Supreme ^^ Army requiremer>t— abundance of capital.
Many Social Democrafic leaders
went farther. They argued that
Socialism, being more beneticial to the
worker than cupitalism, 'vus too c,\
pensive a form of production. One
of the party writers said : " Whcre
production for world markeis begins,
the possibility to socialize economic
life ends. . . . The unavoidable need
to produce goods for the world
markets (to pay) for our imports from
abroad sets limits to the Socialist
mode of production, which no power
Democrat proudly called himself a on earth, not even the dictatorship ot
revolutionary ... but the idea of ihe Proletariat, could remove." Most
the use of force had been rejected striking of all was a specch by the
and, as a means of achieving political
and economic progress, the revolu-
tionizing of minds alone had been
desired." So strong was Ebert's
horror of revolution that he came to
look upon the abdication of the
Socialist Minister, Dr. Braun, in the
National Assembly at Weimar. '" Karl
Marx," he said, " had assumed that at
the timc of the socialization of the
means of production. capitalist
economy would have attained its
Kaiser as the onlv means of prevent- highest level, whereas we havc to liqui-
ing it, although' he. like Scheide- date an economy which has been
mann,' had piomised the Chancellor, brought to the rim of the abyss by an
Prince Max, to oppose demands for unholy war. . . . Karl Marx never
an abdication.
The Situation was fast gctting out
of band. Mutinics at Kiel and move-
ments in many other cities threatened
to bring about a real revolution
unless something drastic were done.
On November 7 the Social Demo-
cratic Party gave Prince Max an
Ultimatum demanding the abdication
of the Kaiser by noon next day, and
callcd the masses into the streets at
nine o'clock on the morning of the
thotight that his party would be forced
to realize Socialism after a war which
cven the most fertile mind could not
have imagined as possible."
Dr. Braun was speaking of the war
of 1914-18. Dr. Berlau is carefui not
to point a moral or to put forward
views of his own. He prefers to let
documents speak. Still, his work
raises the question whether his docu-
ments speak less cogently after the
warof 1939-45.
THE DOMINION OF CEYLON
Sir Ivor Jennings: The Constitn- ing to dcfence, external relations and mcn but for whom, as he justly re-
tion of Cevlon. Oxford University public servants. marks, Ceylon would still bea coony.
n f j i- u 1 1/- c- 1 1 „ :. «^r«:^..iorKr The book is thus valuable from
Press. London : Cumberlege. lös. .Sir Ivor Jennmgs is part.cularly ^,^„,, p^j^ts of vicw. It should find
The book under review falls into two well placed to write this authoritative .^ ^^,^^^ .^^ ^^^ jjj^j.^^.^, ^f ^^^,^^, ^(uj^nt
p:irt^, The first dcals with the manncr ^"'^^' indispensable to cveryonc. ^^ rommonwcalth afiairs who is con-
BOOKS TO COME
In The Roman tic I ma^ination, commg
shortly from the Oxford University
Press, Dr. C. M. Bowra, Professor of
Poetry in the University of Oxford,
attempts to strike a balance between
the earlier insufficiently critical atti-
tude towards the poetry of the
Romantics and the more recent
tendency to denigrate their works.
Blake, Wordsworth, Coleridge, Keats,
Shelley, Byron, Poe and the Pre-
Raphaelites serve as examples in
Dr. Bowra's analysis of the Imagina-
tion as a prime motive in Romantic
Creative activity, and he indicates how
these poets worked, what material
they uscd and how they transformed
it to their special needs, and what
their ideas of poetry were.
* ♦ *
Some impressions of Lord North-
clitTe were given by Mr, Tom Clarke,
who was closely associated with him
from 1911 until the time of his death
in 1922, in My Sorthcliße Diary,
published in 1931. Mr. Clarke has
now written a new study of the great
Journalist and newspaper proprietor,
Northclifje in History, which will be
published by Hutchinson on May 11.
In writing his book, which he
describes as " an intimate study of
Press power," Mr. Clarke received
considerable help, before their deaths,
from NorthclifTes brothers Cecil (the
first Lord Harmsworth) and Leicester
(Sir R. L. Harmsworth, Bt.). The
former made available to Mr. Clarke
his Northclifie memorials — " facts
about Northcliffe and the family that
have not been known to biographers
who came later on the scene ; and
put on record for later geüfrations
of the family he and Rolhermere
founded " — and extracts from these
have been incorporated in Mr.
Clarke's work.
* * *
William Johnson (1823-1892),
Scholar and teacher. who took the
surname of Cory in middle life, is now
chiefly remembered as the author
of the " Eton Boating Song," and
of lonica, his collection of poems
which appeared in 1858 and con-
tained the wcll-known lament " Hera-
«.'li^is " ("The\ told me. Hcraclitu«,
ihcy toid me you were dead "). He
was a genuine cccentric, though he
once wrote plaintively to a friend " 1
have been trying all my life to avoid
eccentricity."" He was also an invetci •
ate lettcr-writcr, whose Leiter.^ and
Journals were printed for private
subscribers five years after his death.
His great-niece, Miss Faith Compton
Mackenzie.has written a biography of
William Cory, which gives due atten-
tion to his days at Eton, where Cory
was educated and was for some time
an assistant master. The book, pro-
mised for next month by Constable,
ends with a selection of Cory's poetry,
some of it never before published,
and a check-Iist of Cory's printed
works compiled by Mr. John Carter.
* * *
For some 25 years Mr. Earl Parker
Hanson. who is now chairman of the
Department of Geography in the Uni-
versity of Delaware, worked inter-
mittently in the tropics and the sub-
Arctic. in deserts, mountains, tundras
and jungles, as engineer. geographer,
geophysicist, economist and govern-
ment planner. He does not share the
pessimism and forebodings of some
scholars and scientists. and has written
what he calls " an optimist's bid for a
hcaring." His book, New WorUis
Emcri^nni^. Coming next month from
Gollancz. is largely autobiographical
and reflects his personal expericnce in
the ficids of exploration and planning,
and the reading which was promptcd
by that experience. It cmphasizes
Mr. Hanson's belief that the world is
now entering upon the greatest age of
exploration and rcsearch in history ;
that new fronticrs are waiting to be
opcncd up : and that undeveloped
Mittwoch, 17. Februar 1954 Blatt 3
Gleite 3ürd)er Leitung
Fernausgahe Nr. 47
\
/
Zum Gedenken an Friedrich Meinecke
Der deutsche Historiker Friedrich Meinecke ist
am 6. Februar im Alter von 92 Jahren in Berlin
gestorben (vgl. «NZZ» Nr. 38).
Friedrich Meineckes Leben ist begrenzt von
zwei politischen Ereignissen ersten Ranges: es be-
gann mit der gewaltsamen Aufrollung der deut-
schen Frage durch das Ministeriiun Bismarck, es
erlosch während der ViermäehtekontVrenz, deren
bisher ungelöste Aufgabe wiederum das Problem
Deutschland ist. Er erlebte als Kind die Einigungs-
kriege, als Knabe die Reichsgründung, als Mann den
glanzvollen Aufstieg seines Vaterlandes, der in die
Katastrophe von 1918 mündete, dann die Bildung
und mühevolle Konsolidierung der Republik wie
den moralischen, kulturellen und politischen Zu-
sammenbruch von 1933, schließlich die Auslöschung
des deutschen Staates im Jahre 1945 und den teil-
weisen Neubeginn auf dünnem, zerbrechlichem
Boden, überschattet von der ständigen Droliung
eines Weltkonflikts.
Diese Entwicklung müssen wir im Auge behal-
ten, wenn wir Lebensweg und Lebenswerk dieses
großen abendländischen Denkers, der zugleich uni-
versaler politischer Historiker und leidenschaft-
licher Patriot war, recht verstehen wollen. In ihm
spiegelt sich ein Jahrhundert deutscher Geschichte.
Geboren wurde er am 30. Oktober 1862 zu Salz-
wedel in der brandenburgischen Altmark als Sohn
eines Postmeisters, kam aber schon 1871 mit seiner
Familie in das Berlin der Gründer.] ahre. Von
Jugend an war er verträumt und grüblerisch, «ein
unharmonisch und mit Ilrmmungen sich ent-
wickelndes Menschenkind». Ein Sprachlcidcn, das
sich bei dem Quartaner einstellte, hat ihn nie mehr
ganz verlassen und oft schwer bedrückt. Dem tief
religiösen, pietistischen Vater stand er bald in gei-
stiger Opposition gegenüber.
Er übenvand schwere Rückschläge in seinem
Ausbildungsgang und nahm, seinen ansocprägten
Neigungen entsprechend, in Berlin das Studium der
Germanistik, Geschichte und Philosophie auf. Er
hatte das Glück, noch den alten Droysen in dem
berühmten Kolleg über Historik zu hör^n, erhielt
bei einem kurzen Z wisch ensjjiel in Bonn außer-
ordentliche Anregungen von Moriz Ritter und Karl
Lamprecht und wurde schließlich, wieder in Ber-
lin, vom jungen Rcinhold Koser recht eigentlich
zum Historiker erzogen. 1886 wurde er zum
Dr. phil. promoviert; Treitschke, Wattenbach,
Scherer und Dilthey waren seine Examinatoren.
Heinrich von Sybel war es, der ihn ins Preu-
ßische Geheime Staatsarchiv in Berlin übernahm
und ihm 1893 die Redaktion der «Historischen
Zeitschrift» anvertraute, die Meinecke dann bis
1935 führen sollte. So kam er in die engste Ver-
bindunÄmit allen seinen Faehkollegen. Das zweite
cfÄ-chcTviri.dc Ereignis dieser Jahre war seine
Heirat mit der Berliner Arzttochter Antonie Del-
haes, die ihm 60 Jahre hindurch Lebensgefährtin
sein durfte. Und schließlich veranlaßte Treitschke
1896 seine Habilitation an der Universität Berlin.
Bange Jahre hindurch fürchtete der jetzt bereits
ausgewiesene Gelehrte, sein nie ganz zu übenvin-
dendes Stottern werde ihn im akademischen Lehr-
beruf nicht vorankommen lassen, bis er 1901 einen
Ruf als ordentlicher Professor der neueren Ge-
schichte in Straßburg erhielt. 1906 ging er von dort
nach Freiburg im Breisgau, 1914 nach Berlin und
hatte damit die angesehenste Stellung eriangt, die
ein deutscher Gelehrter erreichen konnte, zumal er
gleichzeitig in die Akademie der Wissenschaften
aufgenommen wurde.
Um diese Zeit war Meinecke bereits berühmt.
Sein wissenschaftlicher Werdegang hatte mit der
Untersuchung brandenburgischer, dann preußi-
scher Probleme begonnen. Er stand ursprünglich
der «borussischen» Richtung der Historiographie
nahe. «Wir lebten ja so naiv, überzeugt und stolz
im neuen Reiche Kaiser Wilhelms und Bismarcks,
daß alle Weltgeschichte nur den Stufenbau zu ihm
für uns bedeutete», so hat Meinecke selbst seine
Einstellung für das Ende seiner Schulzeit charak-
terisiert. Der bedeutendste Vertreter dieser Schule,
Droysen, war sein verehrter Lehrer gewesen, wäh-
rend die gewaltsamere Art Treitschkes, den er
menschlich dennoch schätzte, ihn eher abstieß.
Schon bald wurde er einer der Kritiker der
«preußischen Legende», so sehr er selbst sich doch
noch von den Bestrebungen Max Lenz', Hans Del-
briicks oder gar Max Lehmanns, die ihm über-
scharf, wohl auch unsachlich und ungerecht er-
schienen, distanzierte. Erst seine große Boyen-
Bingraphie (1896—99) führte ihn tief in die wirk-
liche Problematik der preußischen Geschichte hin-
ein. Bei der Arbeit am zweiten Band dieses Werkes,
so hat er später bekannt, sei ihm anläßlich der
Untersuchung der Kämpfe der Reformer um all-
gemeine Wehrpflicht, Landwehr und Verfassung
in den Jahren 1815 bis 1819 das Auge für die
Sünden des preußischen Junkertums hell aufge-
gangen.
Wichtiger noch war es, daß ihn von nun an der
Drang zur Ideengeschichte nicht mehr verließ. Sein
Ruf als Denker und Historiker gründet sich vor-
nehmlich auf drei geistesgeschichtliche Unter-
suchungen, die, jede in ihrer Art, bahnbrechend
waren. Weltbürgertum und Nationalstaat, mit dem
Verlagsjahr 1908 erschienen, begründet mit einem
Schlage seinen Ruhm. Methodisch bedeutet es die
Abkehr vom zünftlerischen Positivismus mit der
diesem immer innewohnenden Tendenz, den Gel-
tungsbereich der Wissenschaft auf die handwerk-
lich exakte Tatsachenermittlung zu beschränken.
Es kam ihm vielmehr darauf an, Zusammenhänge
zu verstehen, ohne doch in die Spekulation zurück-
zufallen. Dieser Durchbruch, den wir als Beginn
der modernen Ideengeschichtsschreibung ansehen
müssen (wenngleich Meinecke natürlich Vorläufer
hatte), ist von ihm mit den Worten charakterisiert
worden: «Mein Buch beruht auf der Meinung, daß
die deutsche Geschichtsforschung, ohne auf die
wertvollen Ueberlieferungen ihres methodischen
Betriebes zu verzichten, doch wiederum zu freierer
Regung und Fühlung mit den großen Mächten
des Staats- und Kulturlebens sich erheben müsse,
daß sie sich, ohne Schaden zu nehmen an ihrem
eigensten Wesen und Zwecke, mutiger baden dürfe
in Philosophie wie in Politik, ja daß sie erst da-
durch ihr eigenstes Wesen entwickeln könne, uni-
versal und national zugleich zu sein.»
Universal und national zugleich! Damit ist
Meineckes Ziel in knappste Form gebracht, die
Abgrenzung gegen engen Nationalismus wie ufer-
losen Internationalismus vollzogen und ein politi-
sches Programm ausgesprochen, dem er zeitlebens
treu blieb. Richtig ist, daß Meineckc die Problema-
tik dieses Programmes ebenso wie dem klassischen
deutschen Idealimus, der es zuerst aufgestellt hatte,
zu dieser Zeit noch nicht aufgegangen war. Noch
ist Meinecke getragen von einem ruhigen Optimis-
mus, der die Synthese von Geist und Macht für
möglich und erreichbar hält. Der Erste Weltkrieg
und sein Ausgang erschüttern seinen Glauben. Erst
jetzt bricht die Erkenntnis des tatsächlichen
Dualismus von Geist und Macht bei Meinecke
durch, das Mißtrauen vor dem Staat und seinem
stets möglichen Machtmißbrauch, da dieser itie
durch Recht, sondern nur durch ihm entgegen-
gesetzte Macht aufgehalten werden kann. Diese
Erkenntnis ist es, die in der Idee der Stantsräson
in der neueren Geschichte (1924) zum Ausdruck
kommt. War Weltbürgertum und Nationalstaat auf
die preußisch-deutsche Entwicklung beschränkt,
griff Meinecke nun die Entstehung gesamteuro-
päischer Ideen über das Verhältnis von Macht und
Recht auf. Das -Ergebnis war tief beunruhigend:
«Der Staat muß, so scheint es, sündigen.» Hier
ist echte Tragik, weil eine unauflösliche Anti-
nomie besteht zwischen Lebensbedürfnis des Staates
und sittlicher Verpflichtung. «Das ist die furcht-
barste und erschütterndste Tatsache der Welt-
geschichte, daß es nicht gelingen will, gerade die-
jenige menschliche Gemeinschaft radikal zu ver-
sittlichen, die alle übrigen Gemeinschaften schüt-
zend und fördernd umschließt . . .»
Diese tragische Geschichtsauffassung hat Mei-
necke bis zum Tode nicht mehr aufgegeben. Das
«letzte latente Ziel» der Geistesgeschichte, «ein
innerlich beruhigendes und beglückendes Gott-
weltbild dabei zu gewinnen», blieb unerreicht.
Hand in Hand mit dieser fortschreitenden Er-
kenntnis vollzog sich bei Meinecke eine Verschie-
bung im Verhältnis zu seinen Leitbildern: Ranke
und Burckhardt. In ihnen sah er «die beiden größ-
ten historischen Denker, die das 19. Jahrhundert
innerhalb der deutschen Kultumation hervor-
gebracht hat»; Berlin und Basel waren ihm die
Gipfel geisteswissenschaftlicher Leistung. Ohne je
ganz von Ranke, seinem ersten «Leit- und Polar-
stem» zu lassen, vollzog er in steigendem Maße
eine Schwenkung auf die Seite des Schweizers, und
nach der Katastrophe von 1945 konnte er fragen:
«Wird uns und den nach uns historisch Forsdien-
den nicht Burckhardt am Ende wichtiger werden
als Ranke?» Die klassische Staatsauf fassung der
Zeit vor 1914 scheint damit endgültig aufgegeben.
Das dritte gewaltige Werk Die Entstehung des
Historismus (1936) blieb unvollendet, da die
Kräfte des 74jährigen nicht mehr ausreichten, um
das angestreÄe Totalbild des frühen 19. Jahr-
hunderts zu zeichnen. Dieses Budi war zugleich
eine Tat politischer Opposition. Meinecke selbst
meinte, «eine in bejahender Gesinnung gehaltene
Entstehungsgeschichte des Historismus zu schrei-
ben, könnte als Wagnis erscheinen, da nun schon
seit Jahren der Ruf erschallt, daß der Historis-
mus überwunden werden müsse». In diesoni Uisto
rismus sah er «eine der größten geistigen Revo-
lutionen, die das abendländische Denken erlebt
hat», nicht nur eine wissenschaftliche Methode:
«Welt und Leben sehen anders aus und offenbaren
tiefere Hintergründe, wenn man sich gewöhnt hat,
sie mit seinen Augen anzuschauen.» Sein Wesen
ist die Ersetzung der generalisierenden Betrach-
tung geschichtlich-menschlicher Kräfte durch die
indh-iclualisierende. Damit ist jedoch kein Verzicht
auf Wertung verbunden, wie Meinecke es denn
stets abgelehnt hat, als Relativist zu gelten. Aber
eine zutreffende Wertung und Beurteilung ist nur
vom Individuum in seiner Entwicklung, wenn man
will, von seiner historischen Situation aus möglich.
Es war Meinecke nicht vergönnt, diese Unter-
suchung zu einem organischen Abschluß zu füh-
ren. Ihr letzter in sich geschlossener Teil gibt «n
einem glänzenden Gemälde die Position Goethes,
dem sich der greise Gelehrte überhaupt immer
inniger verbunden fühlte. So werden wir in den
letzten geschichtsphilosophischcn Aufsätzen Mei-
neckes geistiges Vermächtnis zu selien haben. Die
nicht sehr umfangreichen Sammelbändchen, etwa
Aphorismen und Skizzen zur Geschichte oder
Vom geschichtlichen Sinn und vom Sinn der Ge-
schichte, sind so von allerhö<;hstem Wert.
Mit dieser geistigen Entwicklung Meineckes ist
seine politische aufs engste verbunden. Von Haus
aus stockkonservativ, war ihm diese Partei seit
den neunziger Jahren verdächtig geworden, ins-
besondere in der Frage der Sozialpolitik. Seine
wissenschaftlichen Erkenntnisse hatten ihn dazu
geführt, das junkerliche Element ohne Glorien-
schein zu sehen. Dazu kam ein stets wachsendes
Mißtrauen gegen die Person des Kaisers, dessen
unheilvolle Rolle er früh ahnte. Gleichwohl blieb
er bis zum Tode im Grund seines Herzens Mon-
archist und hat seine eigene Stellung seit 1918
wohl auch als die eines «Vemunftrepublikaners»
bezeichnet. Diese gefühlsmäßige Einstellung hat
aber seih politisches Urteil nie irregeführt. Zu klar
hatte er erkannt, daß es die Dynastie selbst in
erster Linie war, die die Monarchie verspielt hatte,
so daß die Frage ihrer Wiedereinsetzung nicht
Gegenstand ernsthafter Erörterung sein konnte.
Schon während des Weltkrieges war er gezAvungen
gewesen, Front zu machen gegen den wachsenden
Einfluß der Alldeutschen und ihre unsinnigen
Kriegsziele, war auch, zusammen mit Kollegen,
mit Vertretern der Gewerkschaften in Fühlung ge-
kommen und muß wegen seiner Bemühungen,
Bürgertum und Arbeiterschaft zusammenzuführen,
als "einer der Wegbereiter des Weimarer Staats-
gedankens angesehen werden. Die Zeit der Repu-
blik selbst sah ihn als überzeugten und mutigen
Verteidiger der neuen Staatsform, weil er sie als
die beste mögliche Lösung ansah. «Nur auf dem
Boden der nationalen Demokratie kann die natio-
nale Gesundung fortan erfolgen.»
Mit der Gefährdung der Republik wuchs seine
politische Aktivität. Mit unerschütterlicher Kon-
sequenz kämpfte er gegen Bolschewismus und
Nationalsozialismus und brachte es noch Ende
Februar 1933 fertig, in einem Zeitungsartikel
öffentlich vor Hitler zu warnen. Dann fand er
kein Organ mehr, das seine Ansichten verbreitet
hätte. M^t gleicher Kompromißlosigkeit wandte er
sich nach 1945 gegen die Bolschewisierungsbestre-
bungen im besetzten Deutschland und scheute sich
nicht, 1948 an die Spitze der Freien Universität
Berlin zu treten, als er erkannte, daß die alte Uni-
versität Berlin im Sowjetsektor zur Parteihoch-
schule umgebaut wurde. Wer kann ermessen,
welche inneren Kämpfe der damals 86jährige zu
bestehen hatte, als er seiner alten, ruhmreichen
Universität den Rücken kehren mußt^! Bis zum
letzten Atemzug hat der Greis mit bewegtem
Herzen die politischen Ereignisse verfolgt, immer
in der Hoffnung, ein freies Deutschland in einem
versöhnten Europa werde doch einmal möglich
sein, das Zeitalter des klassischen Nationalstaates
überwunden werden können.
Unser Bild wäre unvollständig, würden wir
nicht wenigstens in einigen Worten des Lehrers
Meinecke gedenken. Denn er war ein herrÜcher
Lehrer, der seine Schüler, auch die jüngsten, wenn
er nur wissenschaftlichen Drang und anständige
(iesinnung bei ihnen fand, als Persönlichkeiten
achtete und ihnen sich ohne Herablassung mit wah-
rer Zuneigung zuwandte. Seine Herzensgüte und
*eine Charakterfestigkeit banden die Menschen
mehr noch an ihn als die Verehrung seiner wissen-
schaftlichen Leistung. q^^^^ Kotowski
Kleine Chronik
«Volkshochschule», -e- Das erste Heft im
23. Jahro-ang der in Zürich erscheinenden Zeit-
schrift «Volkshochschule» läßt bereites erkennen,
welche Themen in den zehn Heften dieses Jahres
besonders einfrehend behandelt werden sollen.
H. Reinhardt bietet eine eingehende, sorsrfältig
illnstrierte Charakteristik der Algen und eröffnet
damit seine Artikelreihe «Pflanzenbilder». Sodann
wird Emma Steiger die mannigfaltigen «Formen
der sozialen Arbeit» zur Darstellung: bringen. Zu
diesen Beiträsren gehören die jeweils in der Mitte
der Hefte erscheinenden Bilderseiten. Sie zeigren
im ersten Heft Beispiele der «Hilfe für das täs:-
liche Brot», deren heutie:e, vielseitig ausgebaute
Möglichkeiten Emma Steiffer zuverlässig schildert..
Mit Ed. Hüttingers Ueberblick über die einzig-
artige Stellung und Beileutung der venezianischen
Malerei und Rudolf W. Meyers «Ausblick auf die
französische Philosophie», der die Entwickluns: von
Descartes bis zu Bergson und einigen wenisrer all-
gemein bekannten Denkern der letzten Jahrzehnte
aufzeigt, sind auch die Geisteswissenschaften in
dem äußerlich anspruchslosen, aber für die viel-
gestaltigen Lehrgrebiete der Volkshochschule des
Kantons Zürich charakteristischen Heft vertreten.
— Die zehn von Hermann Weilenmaiin abwechs-
lungsreich gestalteten Hefte des Jahrsransrs 1953
brachten zusammenhängende Darstellungen zur
Vogelkunde und eine von Fritz Hermann kommen-
tierte Bilderauswahl aus dem Zürcher Kunsthaus,
sowie Einzelstudien aus den verschiedensten Wis-
sensgebieten. Als Herausgeber zeichnet der Verein
zur Förderung der Volkshochschule.
Musik in Wien. R. T. Der in Schottland tätige
österreichische Dirigent Karl Rankl brachte während
eines kurzen Aufenthalts in seiner Heimat seine
Vierte Symphonie zur Uraufführung:. Ein Sdlö)er
Arnold Schönbergs, und von diesem zur Ei^än-
zung des unvollendet hinterlassenen Oratoriums
„Die Jacobsleiter" autorisiert, folgt, er in seinem
eigenen Werke seinem Meister nicht auf das Ge-
biet der Zwölftönemusik und der Atonalität. Ent-
scheidend wurde für ihn eher der späte Gustav
Mahler, dessen großen Orchesterapparat er auch
übernimmt und in ähnlichem Sinne nützt. Sein
reich polyphonierender Tonsatz splittert die Motive
gerne immer wieder von neuem auf und findet
daher nur selten zu breiter ausladenden Melodie-
bogen. Als gewiegter Praktiker am Dirigentenpult
beherrscht er die Orchesterpalette vorzüglich. Die
ungemein differenzierte Arbeit gipfelt in einer
stetigen Variabilität der verwendeten musikalischen
Mittel, so daß die wenigen Ruhepunkte als Kon-
trast besonders willkonimen erscheinen. Das drei-
sätzige Werk beginnt mit einem Sonatensatz, dem
Variationen a.if ein deutsches Volkslied aus dem
15. Jahrhundert folgen. Der dritte, letzte Satz trägt
in seiner Charakteristik dem Scherzo, in seiner
Rondoform einem geläufigen Finaletyp Rech-
nung. Rankl war seiner Komposition ein aus-
gezeichneter Interpret und fand in den Wiener
Symphonikern einen ungemein geschmeidigen
Orchesterapparat vor, den er auch in den Beifall
dankbar immer \rieder mit einbezog.
Akademische Noiizen. Alnn Grant Ogilvie,
Professor für Geographie an der Universität von
Edinbnrqh, ist im Alter von t>6 Jahren gestorben.
Ogilvie war ein international bekannter Vertreter
seines Faches.
uns spielen wird, und in Agnes Fink hat Horwitz
zwei Ehemalige mitgebracht, die jüngst seiner
natur der verlogenen Gesellschaft seiner Zeit an.
Alcest^, eher ein Menschenfreund als ein Men-
Komisch-Lächerliche ausgleitet, aus dem in die
Rolle des ernstzunehmenden Gesellschaftskritikers
ivünstler sehr schwer hat. Daß
';t'.
THE
TIMES
/
/^
LITERARY SUPPLEMENT
No. 2,710 53 rd Year
CONTENTS
FRIDA Y JANUAR Y 8 1954
POSTAGE : INLAND ÄND ABROAD IJO
PRICE 6d
Leading Articie : page
The Range of English Studies . . 25
Front :
The German General Staff .. 16
Middle :
Jules Laforgue . . . . . . 24
Poem :
Patric Dickinson : On the Point 17
Architecture :
J. A. Godfrey and R. C. Cleary :
Sciniol Design and Constrtiction. . 20
P. Shcpheard : Modern Gardens . . 20
Biography and Memoirs :
I. Bruce : Lavullette Bruce . . . . 22
K. T. Gielgud : An Aiitohiography . . 21
R. Gore-Browne : Chancellor Thiirlow 22
A. Johnston : The Inaedible Mizners 20
R. Stehens : Lwg^trwrf/ . . .. ..21
C inema :
U. C lair : R ßectiuns on the C inema . . 20
Essa>s and Beiles Lettres :
W. Girvan (Editor): Eden Phillpotts 21
C. E. M. Joad (Editor) : Shaw and
Society . . . . . . 23
W. Ranisey : Jnfes Laforgue and the
Ironie Inheritance . . . . . . 24
Fiction . . . . . . ..21
History :
J. Bardoux : La Defaite de Bismarck 22
\V. W. Crosskey : Politics and the
Cons(ituti<tn in the History of the
United States . . . . . . 27
J. E. Shaw : Ayrshire. 1745-1950 .. 22
C. Sinclair : The Thatched Houses of
the Old Hi'^'hlands 22
J. W. Wheeler-Bennett : The Nemesis
of Power . . . . 16
E. WinyHeld-Stratford : The Unfold-
ini( Paffern of British Life . . . . 27
Natural History :
J. G. Dony : Flora of Bedfordshire . . 26
P. Scott and J. Fisher : A Thousand
Geese . . . . . . . . . . 26
Philosophy :
G. J. Warnock : Berkeley . . . . 28
J. O. VVisdom : The Unconscious
Origin of Berkeley' s Philosophy .. 28
■ oecry .. .. -.-'
Religion and Theology :
J. M. Oester reicher : IValls are
Crumhiinii . . . . 28
H. H. Price : Some Aspects of the Con-
f/ict Befween Science and Relivion 28
U. t. Rasen : i\iitnrcit Kcligttßti und
Ctuisfian Tliealitj^y . . . . 28
J. S. Revnolds : the Evangelicals at
Oxford 1735-1871 28
Sk>cial Sciences :
L. Kuper (Editor) : Living in Towns 23
Travel :
P. Mayne : The Alleys of Afarrakesh 26
H. B. Morrison (Editor) : The Golden
Age of Travel . . . . . . 26
E. M. Richardson : iVe Bought an
Ishind ... . . . . 26
I. Stephens : Horned Xfoon . . . . 26
War and W orld Affairs :
N. Bentwich : The Rescue and
Achievement of Refugee Scholar s. . 23
F. Le Gros C lark and Others : The
New West Africa . . . . 19
R. Fräser : Lati/i America . . 19
A. Maurois : Aly Latin-American
D'ury 19
The Memoirs of Field - Marshai
Kewelrim; . . . . . . . . 19
D. Richards : The Fight at Odds . . 19
BOOK TOKEN SHOPPING
T5s7
LELI A : The Life of George Sand
Andre Maurois
LETTERS OF CHARLES
Die KENS TO ANGELA
BIRDETT-COLTTS
edited by Edgar Johnson
ALWAYS THE YOUNG
STRANGERS Carl Sandburg
18s.
BORN TO BEL! EVE
Lord Pakenhain
LOST SPLENDOLR
Prince Felix Youssoupoff
15s. i
ANNAPL RNA Maurice Herzog
LOXE'S APPRENTICE
Tom Hopkinson
BLACK MAN 'S TOWN
Isobcl Ryan '
12s.6d7l
LA lONTAlNE
Monica ^utherianU
THE HONEY SIEGE Gil Buhet
A SINGLE PILGRIM
— Norman Lenis
' 10s. 6d. I
TOO LA IE THE PHALAROPE
Abn Paton
THE HOtSE OF GAIR
F>ic Linklater
A DOG AT ALL THINGS
An Anthology Agnes Lauchlan
All price s are nei
JONATHAN CAPE
^V*-»!r--".F'J'«»^*»'"^F«^--^-'TV -
--J
Two photographs of Thalochis, the indigenous Thal peasantry, from Horned Moorij by lan Stephens,
which is reviewed on page 26.
THE GERMAN GENERAL STAFF
IN his introduction to The Nemesis
of Power, Mr. Wheeler- Bennett
makes no bones about the moral
which he seeks to draw from his
study of " the German army in
politics " between the debacle of 1918
and the catastrophe of 1945. He
begins with the famous quotation
from Mirabeau: "La Prusse n'est
pas un pays qui a une armee, c'est
une armee qui a un pays." He recalls
ihiil, since ihesc words were wriltcn,
German armies have sustained three
crushing defeats in war, after each
of which " the victors were outwitted
to their subsequent detriment," and
concludes that " no country has dis-
played a more phenomenal capacity
for military resilience or for beating
ploughshares into swords." After
these trenchant judgments, he
pronounces the rather lame and
impotent verdict that the policy of
encouraging the rebirth and re-
armament of the German army " is
essenlially the only one to follow
under the exigencies of present
conditions," hoping rather than
believing that " the infection of the
virus of the furor Teutonicus may at
last be eradicated from the body
polilic of Germany." The book, in
Short, does not prescribe what we
should do, but wams us what to
expect on the rather despairing hypo-
thesis that the warning may help us
to avert it.
* * *
This introductory plugging of a
political moral, especially since the
author seems to feel so uncertain of
his own conclusion, does something
less than justice to the book. The
Nemesis of Power is not a populär
tract for the times; nor, on the other
hand, is it a profound political or
social analysis of the forces which
have given the German army its
pcculiar position in Germany, and
which may or may not continue to
dominale the German future as they
have dominated the past for the best
part of 100 years. Mr. Wheeler-
Bennelt's most outslanding qualilies
are not Ihose of a historian. Hut of
he has given us is a brilliant portrait-
gallery of the German generals who
strutted across the stage in the quarter
of a Century after the downfall of
1918, and a vivid and lucid account
of the successive episodes — many of
them crucial episodes in German, or
even in European, history — in which
they appeared. Mr. Wheeler-Bennett
has known personally many of the
generals of whom he writes and many
of the leading figures in German poli-
tical life during the Weimar republic.
He has his strong personal feelings
about them, which colour the narra-
tive and give life tö it ; there is no
nonsense about being fair to those
whom he dislikes (most of all,
Schleicher) or seeing the warts on
the faces of those whom he likcs (for
exampk, Brüning and Groener). The
constant emotional tension, com-
bined with a crisp and pungent style,
makes the whole story not merely
readable, but fascinating. This is a
noteworthy book.
* * *■
Much of the story has betome
familiär, but even those parts which
have been told most often were worth
telling again. The lirst task of the
German General Staff after Novem-
ber, 1918, was to restore order and to
restore its own authority. The two
Operations were indistinguishable in
the minds of the German military
leaders, notably in that of General
Hans von Seeckt: and, since it was
the generals who carried them out.
their mterpretation prevailed. The
hapless and innocent leaders of the
German Social-Democratic Party
were caught in a dilemma which they
realized in practice without fully
understanding it. If they were to
resist the Communists, they must obey
the soldiers: instinctively they chose
this alternative as the lesser evil. The
far-sighted genius of General von
Seeckt was proved by a Single bril-
liant intuition which made him the
arbiter of the foreign policy, as well
as of the domestic policy, of the
Weimar republic. Almost alone at
first, he rejected the grandiloquent
absurdities of the " anti-Bolshevist
Crusade." and perceived that it was
perfectly possible at one^üd.lh£^saffiÄ.
tinic lo rcpicss C oniniuiiisls ai hoifiC
and to establish a working alliance
with the Soviel Russian Government
vi,'<\ii'.,i nivc ihc wav lor a
,u;,.i.
JoHN Whffler-Bennftt: The Nemesis
of Power. The German Army in
Politics, 19l"8-l945. Macmillan. 50s.
restoratlon of Germany s miniary
power. Though Mr. Wheeler-Bennett
sometimes seems to go rather far in
praising Seeckt in order the more
elfectively to damn Schleicher, and
exaggerates the change in the role of
the Reichswehr after Seeckt's resig-
nation in the autumn of 1926, it must
be admitted that few men of the
pcriod saw so clearly, and acted so
consistently within the limits of the
goal that they had set themselves, as
Hans von Seeckt,
After depicting the rise of the
Reichswehr to power under Seeckt,
Mr. Wheeler-Bennett turns back to
examine the early years of National
Socialism and its first relations with
the military power, succeeding best
where the dramatis personae — as with
Hitler and Ludendortf — stand out in
highest reüef : nothing coi'ld he hetter
than the descriplion of the " Bier-
keller " Putscli and its sequel. He
traces, rather than explains, the
gradual strengthening of the hold of
the Nazis on ihe Reichswehr at the
end of the 1920s — which was, after
all, a reflection of rising Nazi influ-
ence in almost every field of German
life. It is at the end of the " Schleicher
period '" that the process of demorali-
zation is completed, and that the
army can be sufficiently softened up
to accept Hitler's political supremacy
and, eventually, its own Gleiclisciudi-
iirig into the coils of the all-mastering
Nazi machine.
Mr. Wheeler-Bennett's long last
chapter is devoted to the conspiracy
of July 20, 1944— that feeble and ill-
starred plot to assassinate Hitler when
the war was already lost, which has
been so much over-exploited in the
interests of the mylh of German
resistance. The author has taken im-
mense pains to collect every available
scrap of evidence, written or oral, and
provides by far the best account of
the aftair yet published in English —
or probably in any other language. It
is a record of timidity, bungling and
almost incredible inefficiency — with
the two principal conspirators dash-
ing in their car to the aerodrome and
flying to Berlin without wailing to
verify that Hitler had in fact been
killed when the bombexploded. Even
the hideous tortures afterwards
surtered by some of the participants
almost r:in in adH a npte ^*" ' — '"'"
lo so essenlially sordit/ an advenlare.
But this should pcchaps have made
another book. FOr what clearly tran-
o^>..wo .-♦ — -.,^ original begcltcrs
of the conspiracy anö n^ c^^ ^^,,
cere enemies of the regime — the oniy
men whose fate really moves us to
pity and terror— were the civilians.
The soldiers were concerned only to
avenge themselves on Hitler for
having brought the army to defeat,
and to save what could still be saved
— their hopes were probably much
exaggerated — from the wreck. This
I
1
I
I
HUTCHINSON
Books for Spring
Translated from the Frendi by
ARNOLD HASKELL
Lifar's book is a vcry com-
plctc history of Russian ballet,
which is the parcnt of all ballet
to-day. This makes it tar more
than a book of historic
intcrcst ; it is a practical guide
to much that is going on to^
day. It dcals at grcat length,
for instancc, with the era ot
Petipa which gavc us such
ballcts as Tlic Shrpin^ Ecatity,
Swati Lake and Cassc Noisctte.
Thcre is also a lon<> account o£.
the Diacrhilcft Ballet written
from Lifar's personal cxperi-
ence and with cxccrpts troni
Diaghilcft's letters, never
beforc published. The book
cnds with a chapter on Soviet
ballet.
This is a very personal work
by an artist who has never
been afraid of cxprcssing his
opinions with vigour.
55 illustrations. 215. net
l]\SOI.VED
Viilaititie Dyall
The Flying Monk of Coper-
tino, The Wizard of the
t^iiaiitock Jlills and Pctcr
M'Quhac's Monster are
among the quaint and bizarre
bcings trcatcd of in this
collcction of vvcird problenis
by Tlie Man in Black. Jan. i8.
lOs. 6d.
VI VIA]\ CO]\]\ELI.
Corinna Laii^, Goodbye
Hcre is the Vivian Cotintll
who scandaliscd with The
Cliinesc Room and charmcd
with Scptcnihcr in Quinzc ; he
prcsents in his new story
a Portrait of a hyper-sexed
Hollywood actrcss who finds
the first romantic and satisty-
ing love of her Ute iii the
South of France. Jan. i8.
los. öd.
IXKTTA
^■INüETT
Philip pa
Philipp a is born rieh, withno
social background, and
niarries for a title ; when she
nieets Fcrgus W)nton she
rcalises she loves two men.
By the author of Living with
Adam. Jan. i8. los. 6d.
atiii tJic folJou'ing
ucw iioi'cls
EOl IS €.;oriii]\€i
To tili' Qnaysiik
25th Jan. I2s. 6d.
Kcbcl Heircss
litb Jan. I2S. 6d.
I%AO>ll JACOB
*Tis Folly to bc IVise
l8th Jan. 15s. od.
•
HIJTClll]\NOrV
\1
.■'-^i'iiifii
OMOWWVH J§ QMOIVIMVH
•p9 'SOI dd 9\f ^J9 '^^P]\\^H
SuipnpU! 'OUI BD!J3lUVJOSJ3JjJy^Xj3JSX|^
öqi jo sJoL|inB snoLUBj Xq sbiiois yoqs
SQNaoHaooia oz ^ t^
ganoD hhi mi hsj^od v
uoppej pjojaj^
xva xsnw s>i3ni:»
. ^11 i€J r\ Sfiii«iit»»4.T
•SJBSSiuiiuoD aqi jo S]bj3U3S aqi —
AjuoqiriB |^3J ui stjm oqM uiBjjaDun
auiooaq peq ji ainij siq; Ag sjBssiUi
-LÜ03 s^9fdo3d JO jpuno3 sqj jo jno
sjuspuadspui aqj paSpa p??q Aaqj JpaX
aqi JO pu3 sqj Xg Aiqujossi? j^uor^t^u
B o} suoipap p[oq puB sjaiAO^ aqi
>IB3jq oj 'japjo 3JOJS3J Ol st;m auiiuBjS
-ojd Jiaqj t XjuoqinB J'^Ml SupjassB
Xn^npBjg ajSM 'puHiuiuoD Xuiay
9q; JO JJ3I SBM }i?qAv jo jjoddns —
ipBi OS jou JO — jiDBj aqj qjiM 'sjapnai
oijBJOOUiaai^POS aqi 'uqjaa jo
aqi UI ,. uisiuiAnBqa „ jo luaur
-ap 3q; qSnou^ Xi>fJB)S jno jqSnojq
^161 UI JBM jo 5iB3jqino aqx
^/)IB3M Xj3a sn n;iM si saaXoiduis puu
i;j3^jOM p3S3[iAud jö uinjBJis aq; „
icqi }3Hj aqi öj \^ uisiunijoddo „ puB
,^ lusiuiAn^qo „ uiojj sjs-^ijom UBissn^
aqi jo Xiiuniuuii sqj pajnqun^
X[iD3JJOD uiiiaq pSpnq jbm ]buoi;bu
9m jsuibSb 3;oa — uoijBpidojj auios
qiiM qSnoq] — BUinQ ^Ml JO sjaqoisui
DpBJDOui3p-[Bpos 9qi pip pUE 'juauj
•sgt
T» »^ » /^^
Hd VD N VHX VNOf
U9JBqDj\ uJ^iIIfM ^q sSuiAVBjp qi|A\
S10H3IN A31M3A3H /Co imir X"iTaT/T
"'■W'^-yi
THE
/
TIMES
^
/
LITERARY SUPPLEMENT
No. 2,597 50th Year
CONTENTS
PAGE
.. 711
.. 711
Leading Articies :
RcvSponsibility .. ••
Island and Time
Front :
Rosa Luxemburg
Middle :
A Period of Criticism . .
Poem :
Sir Osbert Sitwell : Municipal
Idyll
Specials :
Roman Satire .. .. ..715
An Early Eighteenth-century
Correspondence — I
.. 701
.. 710
il
. 709^
720
Biography and Memoirs :
Arthur Calder - Marshall : T/te
Magic of Mv Youth
Kenneth Neill Cameron : The
Young Shelley
Andre Gide : Oscar Wilde. .
Drama and Theatre :
Caryl Brahms : A Seat at the Ballet 706
Dan Mannix : Memoirs of a Sword-
S na IIa »er . .
Emest Stern : Mv Life, My Steige. .
Henry de Montherlant : The
Master of Santiago
J. C. Trewin : The Theatre since
1900 . .
Audrey Williamson : Theatre of Two
Decades
A. E. Wilson : Edwardian Theatre. .
703
709
706
706
706
715
706
706
706
Essays and Beiles Lettres :
J. W. H. Atkins : English Literary
Criticism : Seventeenth and
Eighteenth Centuries .. ..710
The Saturday Book. Edited by
FRIDAY NOVEMBER 9 1951
POSTAGE : INLAND AND ABROAD 1 iD
PRICE 6d
•;>;*:s>::::-M:;v>;;W*-v-
5.,°°j-v-.2ÄÄ<5:r;'Ä:!:^^^^^^
Leonard Russell
709
Artist: front Vincent van Gogh
J^ Read
THE MAN WHO
KILLED THE KING
Tlüs new, long novel of the
advcntures of Roger Brook is
sct against the vast and terrible
background of the Frcnch Revo-
lution. History and romance are
conibined in a richly
entcrtaining book.
Puhlishcd Ycstcrday
568 p(i}^cs
13s.
-^^^-oev
COMING
NEXT THURSDAY
and now reissued. (Constable, 20s.)
JUNGLE
PATHFINDER
Katlialooii Nteieiu«*
UriiAVIlVA
An authentic biography of Chirupula
Stcphcnson, Africa's niost fabulous
advcnturcr. No fiction book could
be niore excitinir. niore romantic,
i
>^
.. 703
History :
Adrian Coales : Prelucie to History. . 708
Rene Grousset : The Siim of History 708
Anson Phelps Stokes : Church ""d
State in the United States. . . . 712
W. H. Tapp : The Sunbury Charter 708
Poetry :
The Oxford Dictionarv of Nursery
Rhvmes: Edited by lona and Peter
Opl. 704
Religion :
Diana Leatham : Celtic Sunrise ..712
Science :
Kenneth Heuer : Men of Other
Planets
Travels and Topography :
Thomas R. Henry : The White Con-
tinent . • • • • • , • •
John Irwin and Jocelyn Herbert
(Editors) : Sweete Themmes . . 704
Dunstan Thompson: The Phoenix
in the Desert •• •• ..713
War and World Affairs :
Paul Brickhill : 77;^ Dam Busters . . 714
W. S. Churchill : In the Balance .. 717
Captain Russell Grenfell : Main
Fleet to Singapore . . •• ..714
Rosa Luxemburg : The Accitmula-
tion of Capital ' . . •• •• '"»
R. T. Paget: Manstein .. •• 714
Books to Come .. .. ..715
Books Received .. .. 718, 719
ROSA LUXEMBURG
^ A new JALNA '^
novel out today
RENNY'S
DA UGHTER
by
Mtiizo
de Um^ Roche
The twelfth book in the chronicles of
the famous Whiteoak family teils the
Story of Renny's fight to preserve
Jalna, and of his daughter Adeline's
Coming of age.
In the twenty-four years since the
first Jalna book was published, the
chronicles of the Whiteoaks have
become the most populär of all fiction
stories about a Single family.
ROSA Luxemburg, whose main
theoreticäl treatise, The Accu-
mulatiofi of Capital, has just
appeared for the first time in an
Engl'sh translation, is by common
consent an outsianding hgure in ll.-
history of revolutionary socialism.
Her Position is, however, difficult to
classify. No single country can
Claim her; no party— not even the
German Communist Party which she
helped to found— pays unqualified
homage to her memory ; her Status in
the corpus of socialist writers as a
Marxist who challenged Marx on a
point of economic theory is
anomalous. Yet the strength of the
Impression which she made on her
contemporaries and fellow-workers is
universally attested. Her unique
success lay perhaps in her capacity to
combine the spirit of compassion, of
Indignation at the unmerited suflfer-
ings inflicted by a callous social
System, which was the ultimate force
behind socialism as a crusading
doctrine, with a cool and rigorous
intellectual analysis of the conditions
in which that system flourished and
through which it would eventually
perish.
The fundamental humanitarianism
of Rosa Luxemburg's outlook was the
source of her strength. In one sense,
too, it may have been a source of
weakness. For while Rosa Luxem-
burg reached early in life an intellec-
tual conviction that revolution was
necessary and justifiable, and acted
on that conviction throughout her
career, she never fully faced the
Clement of ruthlessness which seem^»
to enter into every revolution in
action. It is at any rate arguable that
the German revolution failed because
its leaders were less ruthless than those
who set out to strangle and crush it.
Except in respect of this intellectual in-
dependence, it is difficult to agree with
the comment in a prefatory note by
the editor of the series in which this
translation appears that Rosa Luxem-
burg was " a type not unlike Trotsky."
Rosa Luxemburg was the child of a
middle-class Jewish family in a small
Polish town, where she was born in
1871. She was never physically
strong, and some hip disease in child-
hood left her slightly lame. Her assets,
apart from her quick and powerful
intelligence, were a beautiful voice and
capacity to hold and sway a large
aadlcnic. ^^'" had her schooling in
Warsaw— naturally in Russian : ar^d,
having become early involved in revo-
lutionary activities, she was smuggled
out of Poland at the age of 18 to con-
tinue her studies in the university of
Zürich. For the next 10 years she led
the life of the young international
revolutionary in exile. She played a
prominent part in 1893 in Splitting the
Polish Socialist Party (P.P.S.)— the
party which was one day to provide an
ideological platform for Pilsudski's
Fascist State, and which was already
guilty of the heresy of rating
Polish national claims to independence
higher than the international solidarity
of the workers. She was one of the
leaders of the new party which,
flaunting its indifference to Polish
national unity, confined its activities
to Russian Poland, called itself " the
Social-Democracy of the Kingdom of
Poland," and was later, in defiance of
traditional Polish hatred of Russia, to
affiliate itself to the Russian Social-
Democratic Party. Rosa Luxemburg,
by way of reaction against extravagant-
Polish nationalism, remained a
thorough-going internationalist and
enemy of all national pretensions. She
afterwards crossed swords with Lenin
on the issue of national self-determina-
tion, sharing the same point of view
with Radek and several leading Bol-
shevists, and after the Russian revolu-
tion severely criticized the toleration
shown by Lenin to Ukrainian
separatism.
^
12s. 6d.
MACMDLLAN
(lÄ
Rosa Luxemburg: The Accumulation of
Capital, Translated from the German
by Agnes Schwarzschild. With an
Introduction by Joan Robinson.
Rouiledge and Kegan Paul. 35s.
So long as the Tsar reigned,
Poland was a harren and dangerous
ground for revolutionaries ; and from
1898 onwards Rosa Luxemburg was
active in Germany, going through a
formal marriage ceremony with a
German in order to avoid the risk of
expulsion. It was the moment when
the German Social-Democratic Party
was being torn by the controversy
over " revisionism " — the campaign
of Bernstein and others to " revise "
Marxism in the sense of admitting
that the aims of the workers could be
achieved by reform more effectively
than by revolution, by using the
machinery of the bourgeois State
rather than by seeking to destroy it.
Rosa threw herseif heart and soul
into the defence of Marxism, whole
and undefiled by compromise ; no
other path but revolution could lead
the Proletariat to its goal. Bourgeois
democracy could never become the
msiruiuciit Tor the a-iiievement of
socialism. Rosa Luxemburg's first
important book. Social Reform or
Revolution ? which originally
appeared as articles in the party Press,
was the outcome of this controversy.
♦ * *
This uncompromising advocacy of
revolution led her into a hotly con-
tested argument with the trade unions.
The attitude of Marx and his disciples
to trade unionism always had in it a
streak of ambivalence. Trade unions,
Said Marx, were necessary and vital
" so long as capitalism exists." But
their primary preoccupation was to
make the best of things for the
workers under capitalism, and this
always carried with it the risk of being
diverted from the essential aim and
purpose of overthrowing capitalism.
;rhe trade unions were always tempted
to treat the issue as an economic
struggle between workers and employ-
ers and neglect its political aspects:
Lenin often used the English word
" trade-unionism " contemptuously in
this sense. In the early 1900s this
controversy became acute in Germany
where the trade unions and the Social-
Democratic Party were always to
some extent rivals for the allegiance
of the workers. For Rosa Luxemburg,
as for Lenin, the party always came
first. In 1906 she wrote a famous
Pamphlet under the title The Mass
Strike, the Party and the Trade
Unions, in which, influenced in part
by the events of the Russian revolu-
tion of 1905, she defended the general
strike as a revolutionary weapon
against the attitude of the trade
unions who wished to reserve the
strike as a weapon in the economic
struggle against the employers. The
German trade unions were, in her
view, deeply imbued with the heresy
of revisionism ; and her bitter taunts
and strictures at this time won her
the deep-seated animosity of the trade
Union hierarchy.
The Accumulation of Capital,
originally published in 1913, needs
to be read as a broadside in Rosa
Luxemburg's long campaign in the
defence of the cause of revolution
than this whoUy truc story of a white
man who wcnt to the Cape Colony
in the 1890s and has lived for years
among the African pcople, by whorn
he is held in dcep respect. 15s.
FROM THE ANGLE
OF 88
PIIIM.POTTS
Eden Phillpotts's life has been rieh in
friendships, experience and achicve-
mcnu aiiJ „, 1.; -^ ''•"^'"i.'^hf^
past with wit, huniour and niature
discernment even the present takes on
ä rosy hue. , lOs. 6d.
The
CO^tlPTOI«
iriAiKEMZii:
Birthday Book
Edited by
MARGERY WEINER
This channing book printed through-
out in two colours has quotati^ns
froni Compton Mackenzie's works for
every day in the year and ample space
for recording birth dates. 12s. 6d.
(ine. P.T.)
PEARL
WEDDING
jmEPiiEiv
HeKKirafA
A captivanng family saga that spans
hfty years of a man's life and givcs
vivid impressions of public figures
between the wars, of the great his-
torical events of the period and of the
changing values since the begmning of
this Century. IS*-
THE
CORSAIR
J. U. NARASIM
A dashing period romance set in
Portugal and North Africa in the
sixteenth Century. The author has
created characters that seem to live
and breathe, and her story holds
interest from Start to finish. lOs. 6d.
Availahle Now
MAKE HASTE,
MY LOVE
Kill AliilCR
" A very good book indeed " — The
Times Literary Supplement. 9s- 6d.
WINSTON CHURCHILL
By Lewis Broad ^^^
Hutchinson
702
THE TIMES LITERARY SUPPLEMENT FRIDAY NOVEMBER 9 1951
against the ** revisionists." Its edge
and purpose cannot indeed be fully
appreciated except in this context ;
and, while the present English trans-
lation seems excellent, it is perhaps
a pity that the introduction should
have been entrusted, not to someone
familiär with the international
socialist movement who could have
filled in the historical background of
the work, but to a distinguished
economist who embarks on the un-
rewarding task of examining its rele-
vance to current academic economic
theory. In writing it the author never
strayed far from her main preoccupa-
tion, which was to refute the
" revisionists " who wanted to do a
deal with the capitalist State, and to
reassure the faint-hearted who were
tempted to believe that, after all,
capitalism had within it powers of
survival which would enable it to last
for ever.
With this end in view Rosa Luxem-
burg sought not merely to reinforce
the verdict of Marx that capitalism
was doomed to perish through its
own inherent contradictions, but to
close a loophole which Marx seemed
inadvertently to have left open. The
second volume of Capital had been
written up by Engels after Marx's
death from the master's notes and
drafts, which on certain points had
been notoriously incomplete. Rosa
Luxemburg argued that Marx had
failed to demonstrate beyond all
manner of doubt why capitalism, by
process of progressive accumulation,
could not go on expanding for ever ;
and, so long as expansion was pos-
sible, there was no reason why capital-
ism should not go on. Rosa thought
she had found the answer to this un-
answered question in the fact that
capitalism could continue to expand
only for so long as it could find non-
capitalist — Le., colonial — markets,
and that, as these markets were gradu-
ally used up and absorbed into the
all-conquering and all-pervading
capitalist System, capitalism itself
was bound to decline and ultimately
collapse.
Rosa. Luxemburg's argument was
found convincing by some German
economists; but The Accumulation
of Capital has clearly owed its
appeal less to its economic analysis
than to the fervour of the poli-
tical faith that shone through it
and to the vigour and brilliance of its
indictment of imperialism. The
theory which Lenin developed a few
years later in Imperialism as the
Highest Stage of Capitalism had some
analogies with that of Rosa Luxem-
burg, though according to this theory,
which Lenin derived mainly from
Hilferding and Hobson, what capital-
ism sought in the colonial and " semi-
colonial " countries was not so much
markets a^ fields for lucrative invest-
ment.
But Lenin had the advantage over
Rosa Luxemburg, in the eyes of
Marxists, of merely carrying on
Marx's analysis and not challenging
it as inadequate ;. nor did Lenin ever
commit himself so far to the doctrine
of the inevitable collapse. It was this
point on which, paradoxically enough,
later Bolshevists (though not Lenin
and " Bukharin in their polemics
against her economic theories)
fastened in their criticisms of The
Accumulation of Capital. It was
the Menshevists who dwelt on the
Clement of " inevitability " in
the Marxist doctrine in order to
Support their condemnation of the
Bolshevists for seeming to move
farther and faster than was justified
by the development of the historical
process. Rosa Luxemburg's critic-
isms of Bolshevism in the last year of
her life clearly proved her Menshevist
affiliations ; The Accumulation of
Capital clearly provided a foretaste
of her Menshevism, The whole
pattern seemed to fit together. A work
which was written as a passionate plea
for revolutionary action was con-
demned in later Bolshevist literature
for its supposed justification of a
policy of inaction.
« ♦ *
It was not, however, Rosa Luxem-
burg's economic theories which gave
her her outstanding place in the
socialist movement or accounted for
the veneration in which her name was
held by a whole generation of Ger-
man workers. These things she owed
to her fervent Opposition to war —
and, in particular, to the war of 1914.
Before Rosa Luxemburg appeared on
the scene, the Second International
and the parties forming it had never
seriously had to face the question of
war. But as the Century ended clouds
could be discerned in the international
firmament — the Fashoda crisis,
the Spanish-American war, the South
African war. At the Paris congress
of the International in 1900, Rosa
Luxemburg moved a resolution con-
demning militarism, which was
carried unanimously perhaps with-
out much realization of its
importance. This was the resolution
which firstcommitted " socialist mem-
bers of parliament " to vote against
budgets "for military or naval pur-
poses or for colonial expeditions."
It was at that time directed mainly
against the French, and was
prompted in fact by the recent scan-
dal of Millerand's entry into a
bourgeois government. It was, how-
ever, already clear that, sooner or
later, social-democratic parties would
be compelled to define their attitude to
wars in which their countries were
engaged.
It still seemed unth inkable to Rosa
Luxemburg and tomostconsistent and
sincere social ists that that attitude
could be other than negative. But by
the year 1907, when the Second Inter-
national held its congress in Stuttgart,
and war in Europe was already more
than a theoretical possibility, the
embarrassments of the question had
become piain enough. At that time
the " Social Democracy of the King-
dom of Poland," whose mandate Rosa
Luxemburg held, was affiliated to the
Russian Social-Democratic Party,
which was enjoying a short-lived inter-
lude of unity and truce between
Bolshevists and Menshevists. The
Russian party's delegation at the Stutt-
gart congress consisted of Lenin,
Martov and Rosa Luxemburg — a
unique occasion.
Lenin and Martov apparently
allowed Rosa Luxemburg to make
the running on a subject which was
peculiarly her own, but gave her their
solid Support. The resolution on the
struggle against militarism presented
by the Veteran German leader Bebel
on behalf of the bureau repeated the
usual pledge to vote against war
budgets, but was otherwise colourless.
Rosa Luxemburg on behalf of the
Russian delegation offered an amend-
ment which, after some rather shame-
faced Opposition from the Germans,
was accepted in a slightly attenuated
form by the congress, and thus became
the accepted doctrine of the Inter-
national. Under this resolution social-
democrats were not only to employ
every means to prevent war but,
should war none the less occur, they
were to do their utmost to " utilize the
economic and political crisis caused
by the war " in order to bring about
the overthrow of the capitalist order —
vn everythii
German socialist movement — an
element which had been firmly
planted there by Lassalle, and which
lip-service to Marxist doctrine had
never eradicated. By a large majority
the Social-Democratic group in the
Reichstag decided to abandon the
party principles and vote in favour
of the war credits demanded by the
Imperial Government. For Germans,
and for socialists all over the Con-
tinent, the date August 4, 1914, was
the date not of the outbreak of war
(war had already been in progress
with Russia for three days>, but of
the rallying öf the German Social-
Democratic Party to the national
cause, of its betrayal of the creed of
international socialism. This was the
starting-point of the last and most
vital phase in Rosa Luxemburg's
career. Her Opposition to war in
general now became a specific
mission ; and, though she spent mosj^
of the war years in and out of'prison,
she became the voice and the symbol
of the campaign against it. Her pam-
phlet The Crisis of Social Democracy
published in 1916 over the signature
Junius (and offen referred to as " the
Junius brochure") was the most
stirring and eloquent denunciation of
the war to appear in Germany
between 1914 and 1918.
In December, 1914, a Single
member of the Social-Democratic
group in the Reichstag, Karl Lieb-
knecht, registered the first solitary
vote against the war budget, and
courageously repeated his gesture of
protest on several occasions down to
1917 when he was arrested and
imprisoned. In 1915 Rosa Luxem-
burg, Karl Liebknecht and a handful
of Left-wing intellectuals began io
issue a series of occasional and iliicit
anti-war pamphlets which they called
" the Spartacus letters," ^nd from this
the group came to be known as the
Spartakusbund. The success of these
leaflets revealed the strength of the
latent Opposition to the war, which
increased as the slaughter dragged on
without prospect of end or result. In
1916 there was a breakaway within
the Social-Democratic Party and the
Independent Social-Democratic Party
was formed with a programme of
bringing the war to an end. The
Spartakusbund was a group within
the Independent party. But the real
difference was that the Spartakists
were revolutionaries who, like Lenin,
wished to use the war as a means to
social revolution. whereas the
D
Q N
A
LAUGHTER
*" The wise man thinks
once before he speaks
twice/
Although we read The Times
Literary Supplement and are
reasonably merry, the picture we
have formed of its average reader
is of a solemn individual with a
scholarly turn of mind. He has
now discarded his pince-nez for
heavy horn-rimmed spectacles, but
he still has the habit of being
rather pontifical, especially in the
presence of defenceiess clicnts.
It is for this reason that we feel
slightly daring when we advertise
a humorous book in The Times
Literary Supplement. Do you
laugh? Yes, yes, of course you
are the exception, but what about
the man in the other pew ?
We think that THE DECLINE
AND FALL OF PRACTfCALLY
EVERYBODY (10s. 6d.) is just
your cup of tea. Will Cuppy was a
Scholar who had to earn his hving
by writing and found he could do
so by making mock of his own
learning. In this book he is so
resoundingly funny that we believe
that it will become a classic ot its
kind together with 1066 And All
That.
We still pursue our dogged course
of Publishing British editions of all
Robert Benchley's works. MY
TEN YEARS IN A QL ANDARY
AND HOW THEY GREW (9s. 6d.)
is the best of all his books and has
gone through innumerablc editions
in the U.S. The word funny'
has been used so often that its
meaning has been rubbed down to
a nub. But it is the only word
we have to use. Funny ? Funny !
fö*^*"
jciine ana ultimately
collapse.
Rosa Luxemburg's argument was
found convincing by some German
economists; but The Accumidation
of Capital has clearly owed its
appeal less to its economic analysis
than to the fervour of the poli-
tical faith that shone through it
and to the vigour and brilliance of its
Before Rosa Luxemburg appeared on
the scene, the Second International
and the parties forming it had never
seriously had to face the question of
war. But as the century ended clouds
could be discerned in the international
firmament — the Fashoda crisis,
the Spanish-American war, the South
African war. At the Paris congress
of the International in 1900, Rosa
V
A
SET FOR SUCCESS
GooD news for readers who agree with Mr. Somerset
Maugham that the novel's business is toentertain :
the new Linklater, Laxdale Hall, is the author's
wittiest and most hilarious work. Nothing is here for
tears, though the laughter is sometimes on the other
side of the face. If the title has a Peacockian flavour,
so have some of the characters, but they move. They
have to. Laxdale Hall has as much action and variety
as Juan in America and Private Angela. It will delight
all whom those picaresque romances delighted, and
will make fresh enthusiasts for the Linklater line of
critical comedy.
Mary Treadgold's noveJ, The Running Childs has
different qualities, but is as beguiling in its own way.
Its concern is with a small girl who tried to regain a
paradise— the farm in Corriwall to which she had been
*evacuated' in wartime. The story of her three-day
flight is told with a delicacy which sacrifices nothing
to suspense.
From Beverley Nichols what next ? Merry Hall.
Fact or fiction? Let the author answer : ' Merry Hall
is a real house, Merry Hall is its proper name, and the
stories of the garden and the dramas it has witnessed
are as I have described them, though I may at times
have dabbed a little paint on one of the lilies ... *
The book, which teils the story of the rescue of a
deserted garden and its transformation, is in the same
happy vein as Down the Garden Path and may easily
rival the success of that perennial favourite.
^^%*
TO BE PUBLISHED ON MONDAY *
Laxdale Hall by eric linklater 12s. 6d.
The Running Child by mary treadgold 12s. 6d.
Merry Hall by beverley nichols
With drawings by William McLaren 15s.
aü prices are tiet
JONATHAN CAPE
^^
V
A
^^^^.
TÖm the ijermans,
was accepted in a slightly attenuated
form by the congress, and thus became
the accepted doctrine of the Inter-
national. Under this resolution social-
democrats were not only to employ
every means to prevent war but,
should war none the less occur, they
were to do their utmost to " utilize the
economic and political crisis caused
by the war " in order to bring about
the overthrow of the capitalist order —
in everything but name a call to civil
war. This drastic resolution was
re-voted by each subsequent congress
of the Second International down to
1914. Rosa Luxemburg continued to
conduct an active campaign on the
platform and in the party Press tili,
early in 1914, she was sentenced to a
year's imprisonment for incitement to
mutiny.
Behind this picture of the workers
of the World united under the banner
of the vSecond International in resist-
ance to war, the reality was far
different. In a world of uniform
economic development and oppor-
tunities national differences might, as
the Communist Manifesto had pre-
dicted, have progressively dis-
appeared. But, in a world where
development had been highly unequal
and Privileges unequally shared,
divergences were bound to occur in
the attitude of workers of different
countries. In the advanced countries,
notably in Great Britain and Ger-
many, where the workers had attained
a relatively high Standard of living
and a recognized place in the national
polity, the pull of national allegiance
was strong enough in the first decade
of the twentieth Century to outweigh
class allegiance. In the western Euro-
pean countries pronouncements of
leaders of the workers against miU-
tarism and war were more and more
apt to carry an explicit or implied
reservation of the right of national
self-defence ; and this meant not a
return to Marx's own criterion of sup-
porting in any war the side whose
victory seemed more likely to further
the socialist cause, but a tacit accept-
ance of the bourgeois liberal distmc-
tion, which Marx had always derided,
between aggressive and defensive
wars. Only in backward Russia,
where the workers enjoyed fewest
advantages, was the social-democratic
movement largely impervious to the
call of loyalty to a national govern-
ment, and did the social-democratic
members of the Duma — though with
some trepidation — vote against the
national war budget. Lenin correctly
attributed the immunity of the
Russian workers from " chauvinism "
and " opportunism " to the fact that
"the Stratum of privileged workers
and employees is with us very weak."
The outbreak of war in 1914
brought out starkly enough the de-
ment of " chauvinism " in the
without prospect of end or result. In
1916 there was a breakaway within
the Social-Democratic Party and the
Independent Social-Democratic Party
was formed with a programme of
bringing the war to an end. The
Spartakusbund was a group within
the Independent party. But the real
difference was that the Spartakists
were revolutionaries who, like Lenin,
wished to use the war as a means to
social revolution, whereas the
majority of the Independents were
merely opposed to the war, some
through revolutionary conviction,
some through pacifism, and some
through sheer war-weariness — a
variety of moods similar to that which
inspired the Independent Labour
Party in Great Britain. The distinc-
tion between Spartakists and Inde-
pendents mattered little so long as
the war continued, but became vital
immediately after the armistice.
Karl Liebknecht was released in
October, 1918, when the armistice
negotiations began. Rosa Luxemburg
remained in prison tili the armistice
was actually signed. By that time
Germany was in the füll flood of re-
volution. Soviets of Workers' and
Soldiers' Deputies sprang up in all
the large centres ; and the supreme
authority was a Council of People's
Commissars, consisting of three
Social-Democrats and three In-
dependent wSocial-Democrats. The
creation of a German Communist
Party to clinch the proletarian revolu-
tion in Germany and join hands with
the Russian revolution at once became
a burning question. In the mind of
that ardent and uncritical tribune of
the people, Liebknecht, no shadow of
doubt on this question could arise.
Rosa Luxemburg seems to have hesi-
tated and wondered whether the mass
of the German workers were yet ripe
for revolution. But she, too, was
carried along with the tide, drafted
the Programme for the new German
Communist Party (which retained the
title Spartakushund in parentheses
after its name), and was the principal
orator at its founding congress in
Berlin on the last day of the year 1918.
By this time other forces had begun
to assert themselves. In the anarchy
of the first weeks after the armistice,
when rival groups of armed men were
constantly clashing and sometimes
fighting pitched battles in the streets
of Berlin, the Social-Democratic
leaders, with the tacit— or not so tacit
— Support of what was left of the
Army command, were gradually
asserting their authority ; their Pro-
gramme was to restore order, to break
the Soviets and hold elections to a
national assembly. By the end of the
year they had edged the Independents
out of the Council of People's Com-
missars. By this time it had become
uncertain who was in real authority
— the generals or the commissars.
;si or all his books aiid has
gone through innumerablc editions
in the U.S. The word funny'
has been used so often that its
meaning has been rubbed down to
a nub. But it is the only word
we have to use. Funny ? Funny !
DR. MARTIN GUMPERT
rrhe Aiuf lotMÜ
Dr. Gumpert (author of You are Younger
Than You Think) describes in everyday
language what contributes to happy and
successful living and how to secure and
preserve happiness.
". . . the reader will find valuahle In-
formation, comfort and guidance, and
may learn the rare art of savoir v/vr^." —
New York Times Book Review. 15s.
BENNETT CERF
A new collection of humorous stories and
anecdotes. An ideal gift for the after-
dinner Speaker. lllus. 10s. 6d.
Shake Weir before Using
Now in its third edition. lilus. 10s. 6d.
HUMOLR
Hildegarde Dolson
THE FORM DIVINE
Betty MacDonaid
ANYBODY CAN DO
ANYTHING
THE PLAGUE AND I
THE EGG AND I
THRILLERS •
Frances Crane
THE DAFFODIL BLONDE
George Harmon Coxe
THE HOLLOW NEEDLE
Craig Rice
THE FOURTH POSTMAN
Manning O'Brine
KILLERS MUST FAT
Wreford Paddon
A CORPSE IN THE COUPfi
4 & 20 BLOODHOUNDS
Short stories by famous authors of the
MysteryWritersof America Inc., including
Ellery Queen, John Dickson Carr, Brett
Halliday, etc. 416 pp. 10s. 6d.
H\MMOND fffif HAMMOND
THE TIMES LITERARY SUPPLEMENT FRIDAY NOVEMBER 9 1951
703
Published
jth November
Edith
PARGETER
Fallen into the Pit
A new novcl, on English
villagc lifc in difficult post-
war days, by the author of
Lost ChiUren, etc.
I2S. 6d.
Percy
COLSON
White's ; 1693-19^0
The history of a famous
club and its membcrs during
two and a half ccnturies.
32 pp. of illustrations
25s.
Coming on
I2th November
Johan
FABRICIUS
The Great Ordeal
A Story of Asia that is a
pcrf(?ct gift book. lUustra-
tcd by the author.
7s. 6d.
Walter
BAXTER
Look Down in Mercy
A first novel of startling
rcaUty, sct in wartime
Burma, relating a man's
Spiritual agony.
After the cnd of the year the street
fighting grew more intense and con-
centrated, and gradually changed its
character. The Army and the police
had regained their confidence ; the
initiative was in their hands, no
longer in that of the revolutionaries ;
they were out not merely to restore
Order bat to crush their enemies.
Among these the Communists were
the first, though not the only, victims.
On January 15, 1919, Rosa Luxem-
burg and Karl Liebknecht were
arrested and murdered a few hours
later by their captors in circum-
stances of the utmost brutality. Their
memory was long celebrated by re-
volutionaries of many countries as
martyrs of the revolution.
The tragedy of Rosa Luxemburg's
death was more than personal: it
marked the defeat of the ideals for
which she had lived. Much contro-
versy has raged round her attitude to
the Bolshevist revolution. When the
split between Bolshevists and Men-
shevists divided the Russian Social-
Democratic Party in 1903 on the issue
of Lenin's insistence on a closely
organized and rigidly disciplined
party, it was Rosa Luxemburg who
penned the most detailed and con-
sidered attack on Lenin's " ultra-
centralism," which she described as
bureaucratic rather than democratic,
and pointing inevitably towards an
absolutism of the party leadership.
Throughout the year which elapsed
between the Bolshevist and the Ger-
man revolutions — from one " Novem-
ber " to another — she was behind
prison bars, and her opportunities
of studying events in Petrograd
and Moscow were correspondingly
hmited. But she followed them with
intense excitement and anxiety; and
some time after Brest-Litovsk she
wrote an essay (there is no sign that it
was revised, or even intended at all,
for publication) which expressed her
criticisms and her fears. This essay
was published in an abridged form in
1922 by Paul Levi, who succeeded to
the leadership of the German party
after her death but broke with it and
with Moscow in 1921. The Intention
of the publication was to discredit
Bolshevism ; and when the füll text
was eventually published five years
later the effect was somewhat miti-
gated. Nevertheless, the fact remained
that Rosa Luxemburg, the revolution-
ary and the martyr, had expressed
strong disapprobation of certain
aspects of the victorious proletarian
revolution.
* * *
Rosa Luxemburg's most pertinent
criticisms turned on two points.
Writing under the influence of the
acceptance of the Brest-Litovsk treaty,
she feared an aliiance between Russian
Bolshevism and German imperialism ;
Lenin, she feit, was preparing to sacri-
fice the interests of the international
Proletariat, and of the German revolu-
tion, to those of the Russian State.
The apprehension was, for the
moment, unjust and ill-founded,
though it might be thought that Rosa
Luxemburg showed remarkable pre-
science of tendencies which revealed
themselves later at Rapallo, and
eventually in the Nazi-Soviet pact of
1939. The other criticism was a
return to her strictures of 1904 ; Lenin
had realized a dictatorship not of the
majority, but of the minority, imposed
by rigid discipline and methods of
terror incompatible with the true
nature of socialism.
This was the ultimate point on
which Rosa Luxemburg took her
stand. Unlike Marx and Engels, who
never renounced the heritage of the
French revolution with its tradition of
terror, Rosa Luxemburg believed that
the socialist revolution. could be
achieved only when it was willed by
an overwhelming majority of the
workers and that this majority would
make the use of violent methods un-
necessary. The essence of her faith
was most clearly and briefly expressed
in the programme which she drafted
for the German Communis! Party.
The essence of socialist society consists
in the fact that the great working mass
ceases to be a regimented mass, and itseif
lives and directs in free conscious self-
determination the whole political and
economic life. . . .
The proletarian revolution needs for its
purposes no terror, it hates and abomi-
nates murder. ... It is no desperate
attempt of a minority to fashion the world
after its own ideal, but the action of the
great mass of the millions of the people
which is called to carry out the mission
of history, to transform historical neces-
sity into reality.
How much there was of the utopian
in these noble ideals in the Germany
of 1918-1919 was shown by Rosa
Luxemburg's murder just two weeks
after they had been formally adopted
by the young Communist Party as
articles of its programme. The mili-
tary and police officers who killed
Luxemburg and Liebknecht — and not
only they, but the hooligans of more
than one party who had clamoured
for the blood of the Communist
leaders — were the forerunners of the
thugs who found the final fulfilment of
their mission in Hitler's Germany.
YOUTH IN THE TWENTIES
Arthur Calder-Marshall: The
Magic of My Youth. Rupert Hart-
Davis. 12s. 6d.
The essence of autobiography is
selection of incident. This may
sound a somewhat obvious statement,
but it is surprising how many persons,
sitting down to write their life-story,
devote time and energy to recording
facts and anecdotes, perfectly true so
far as they go, but having no bearing
whatever on what is of interest in the
writer himself. In the autobio-
graphical fragment under review Mr.
Arthur Calder-Marshall has most
World ; the latter, described with dis-
taste, tempered with relief at escape
from his clutches. To their pre-
occupation with the occult, the title
owes its play upon words.
The picture of the writer's own
home life is drawn— almost always
the most successful manner where
intimate relations are concerned^ —
chiefly by implication. His family
seems to have been a happy one. He
was on excellent terms with his eider
brother, while his father was good-
natured and broad-minded. The
book brings out the point that — to
biographical writing. Happily his
strong sense of character, when
writing of individuals, prevents this
failing from 'ever becoming more
than a threat ; and when, for
example, he seems inclined to blame
"Auntie Helen's " relations for the
treatment of her — and to moralize on
the injustice of everyone notybeing
able to live their own life in exactiy
their own way — his honesty prevents
him from presenting her, most
entertainingly, as anything but a
thorough nuisance to everyone
within her orbit. Some may even
The Origins of
European Thought
R. B. ONIANS
By reference to many early
literaturesj to ritual and customs,
to myth and ancientart, Professor
Onians is able to reconstruct the
fundamental beliefs about man,
the soul, the universe, which lie
behind Greek philosophy and
science, and so, ultimately, behind
the main stream of European
thought. In the light of his
discoveries many meaningless or
obscure passages in Homer, many
curious customs and idioms
which linger on into present-day
life, many beliefs which are an
integral part of our intellectual
inheritance take on a new and
unsuspected significance.
Published today, 455. net
HITLER'S
STRATEGY
F. H. HINSLEY
Here for the first time is
the truth about Hitler's
military intentions : what
he thought he was achiev-
ing in invading Norway,
in preparing for (and in
putting off) the Invasion
of Britain, in attacking
Russia. Mr Hinsley bases
his book mainly on the
German NavaJ Archives,
JBS^ff^;^
< c
I
538
THE TIMES LTTERARY SUPPLEMENT FRIDAY AUGUST 15 1952
GERM AN HISTORICAL WRITING, 1939-1945-n
Gcrman history during the Middle Ages
has always atiractcd ihe energies of many
of the ablest German hislorians, some-
limcs for far-reaching research into
sequenccs and caiiscs, someiinies for
exhaiislivc special siiidies, sometimes for
exposiiion of a more or less populär
characlcr serving various purposss of
inslruction. Inspiration, or warning. The
leasons for such an outpouring of his-
lorical eflort are obvious. for il was in
this period that great abililies and mighty
deeds (irsi crcated German political
iinily and gave the German empire a
commanding posiiion in Western
Chrisiendom vvhich laier errors and
follies desiroyed : ihat the princely
povvers and particularisms emerged which
for many generaiions kepi Germany
politically divided and f jeble : and that
a ceniuries-lona political impoience wem
hand in hand wiih a brilliant develop-
ment of city life and the remarkable pre-
Reformaiion German culture. Under the
Na/i regime, however, a füll and frank
ireatment of German medieval hisiory
became constantly more difficult ; «"« '^
is therefore not surprising that the books
dealing wiih it published durmg the war
and available for this survey do noi
include ouislanding major works—
ihough one or iwo have quite exceptional
intelleclual and moral qualiiy.
Only one of ihese books deals wiih
the entire period— Professor Hemrich
Günter-s Das Deutsche Mittelalter (Vol.
I Das Reich (llochniitteUüter). Vol. M.
Das Volk (Spciimittelalter). ^''^''^^V'^o'-Il^
Breisgau, Herder Verlag, 1936 and 1939
respectively). The tirst volume Covers
the period from the Carolingian hcntage
and Henrv ihe Fowler ihrough Hredenck
II the second volume coniams ihe
langled siory which Streiches from ihc
eleclion of Rudolph of Hapsburg as
emperor ihrough the rcign of Maximilian
I and gives a very brief survey of German
social and cultural life during the four-
teenth Century. More ihan 50 years
earlier Professor Günter began his career
as a universiiy leacher wiih lectures on
the subjecl-matier of his second volume :
he wrius as a scholar long eslablished
in his lield : and ihough he treads his paih
wiih great (and at the lime very neces-
sary) care. he does noi hesilate lo say
calcgorically that " the [medieval) ruier
is uo absolute monarch. His power ovei
those below him is limited by natural ancl
chartered rights "—words scarcely m
tune wiih the arrogance ol Hitler s
heyday.
In Der Eintritt der Germanen in der
Geschichte and Von den Karolm^ern :ii
den Staltfern : Die alldeutsche Ka,ser:eii
t9(}(i-ny)i (Sammlung Göschen. Berlin,
\9^^ Waller de Gruyier) Professor
Johannes Haller covers an immense
ground wiih masterly clanly and c'om-
pression. His tirst volume goes back
to the origins of ihe Germanic peoples
in the ivmote shadows of pre-hisiory ancl
carrics the story ihrough the break-up ot
"iinire^arvl ihe foundinK ot
By Jules Menken
acknowledge how much German mis-
deeds have contributed lo the piesent
plight both of Germany and of the whole
of Western civilization, and seeks for
means of healing and recovery in which
the Germans may play a pari, as in the
besl periods of the past, not by dominal-
ing but by giving.
Robert Holtzmann's Geschichte
der sächsischen Kaiser zeit (900-1024)
(Munich, 1943. Callwey) is a substantial
volumt covering the entire period from
Charlemagne to Henry II, which treats
both internal and exiernal policy in much
detail, depicts vividly the leading Person-
alities ol the lime, and describes German
economic and social development and the
early growth of German culture under the
Saxon emperors. Hiroughoui this period,
Herr Holtzmann wriies. the entire stream
of German political and spiriiual life was
a unily — a view vvhich challenged loudly
asserted Nazi claims : while his final sen-
tence — " the emperor who fulfils ihe lask
divinely entrusted to him and imdertakes
the leadership of Christendom in the Ser-
vice of God may be certain of God's help
and of his blessing for Reich and people
— barely conceals iis criiicism of tiie Na/i
regime and of Hiller himself. Ihe per-
manence of geogiaphy and of funda-
mental political forces makes Herr
Holtzmann's story relevant to our own
Problems also. The central figure of this
age of German hisiory was Otto the
Great. Olto's defeat of the invading
Hungarians in the battle of the Lechfeld
(August 10, 955) was one o,f the decisive
conflicts of the early Middle Ages and
among the deeds which explain and
justify Professor Tellenbach's view of the
medieval Empire as " ihe proiecior of
the European order." The same battle
and the long slruggle wiih the Hungarians
vvhich preceded it should remind our own
generation, which also lives under a threat
from the east. of the vital pari that a
strong Germany, whose policy is based
on the right principles, can and should
play in helping to proiecl ihe whole of
Western civilization and in safeguarding
iis very exisience as well as its growth.
Four other books deal wiih
fürt her aspects and periods of
German medieval history. In Das
Geschlecht der S tauf er (Munich.
1943, I-. Bruckmann) Erich Maschke's
subjecl is the House of Hohenstaufen,
whose leading ligures were the ardent
and aitractive Friedrich Barbarossa
and the brilliant, many-sided. and
subtie Frederick II. Herr Maschke
bowjd to Nazi prejudice by distin-
guishing the Jewish authorities whom
he ciies wiih an asterisk. Professor Karl
Hampes G,eschichte Konradins von
Hohenstaufen (Leipzig, 1942, K. F.
Koehler) is a reprini of the greai German
medievalisl's vivid and sympathetic study
(first published in 1894) of the last, tragic
Hohenstaufen and his lime, to which Dr.
Hellmut Kämpi has added an SO-page his-
torical and bibliographical appendix sum-
tive of the political, social, military. and
international background in which they
lived and wrought.
The sympathy which Benno Hilligcr
displays in his Joanne d' Are : Das
Giheiinnis ihrer Sendun^i (Leipzig, 1940,
Koehler und Amelang ; tburth edition:
Freiburg im Breisgau, 1949, Zähringer
Verlag) musl have made his work on this
small but beautil\illy wriiten book a
labour of love. The care. scholarship and
mastery of sources vvhich have gone inio
its making are concealed by an easy, vivid
style and great compression of matter.
It is a fault, and not a trivial one, that
Hiiliger too oflen iises the novelist's
privilege, and atiribules to his subjecl
ideas, feelings, and reflections in parti-
cular situations which conform, it is true.
to the picture of her that devoted study
has created for him, but which of course
cannot be documented or even historically
knovvn. If his book is regarded as belong-
ing as to nine-lenihs to history but as
stepping as to the other lenth over the
border into historical fiction, no injuslice
is done eiiher to writer or lo subjecl. Cer-
tainly the picture as a whole portrays an
auihenlic person ; this may indeed have
beon the Maid who wroughi great deeds
and sulTered terrible anguish — but who
brought France salvation in one of her
darkest hours. Though Herr Hilliger
writes wiih unusual lenderness, he is far
from sentimental. A man who can quote
Kam's Observation: " Der Mensch hat
Charakter nicht von vornherein, sondern
muss ihn erwerben. Die Gründung eines
Charakters ist eine innere Umwandlung,
die dem schwankenden Zustande der
Triebe und Begehrungen ein Ende macht,
sie is eine Art Wiedergeburt " has more
than the root of a true biographer's
Standards in him.
Two books by eminent scholars have
lialy as iheir subjecl. In Die Entstehunfi
der italienischen Konununen im frühen
Mittelalter (Sitzungsbericht der Bay-
rischen Akademie der Wissenschaften,
Munich. 1944, C. H. Beck) Waller Goeiz
uses his great knovvledge ol sources and
authorities (excepl the latest Italian
siudies, vvhich were unobtainable because
of the war) to review the early com-
munal developmenis out of vvhich the rieh
laier city life of llaly grew. On the con-
tentious question of origins Dr. Goetz
comes down on the side of novelty ; the
Italian communes, he says expressly, are
•• not a reavvakening of pasl insiilutions
hm something new in essence : a pheno-
menon which, it is true, touches ancient
memories, but is in fact the outcome of
its own creaiive power." A highly in-
teresiing study of a little-known subject,
the mo7e valuable because concise and
compact.
Karl Julius Beloch's Revölkerunga-
fieschichie Italiens (Band I. Grundla^'en.
Die Bevölkerunii Siziliens und des König-
reichs Neapel. Band IL Die Bevölkerung
de<. Kir:',unsl{tat('\ T'>'!.i;uis. un.i die
BOOKS RECEIVED
[The inclusion ofa book in this list does not preclude its subsequent review]
Archaeology
Pi'occcclin^s of iJtc Pan-Africait Con-
gress on Prehistory, 1947. Edited
by L. S. B. Leakey. Assisted by
Sonia Cole. 10 6. 239pp.
Oxford: Blackwell. 35s.
The volume contains. in a shortened
form made necessary by piiblication
difficulties, papers read at the Pan-
African Congress on Prehistory
which took place at Nairobi in Janii-
ary, 1947. Papers are groiiped in
three sections: geology, generaJ
palaeontoiogy, and chmatology;
human palaeontology : and prehis-
toric archaeology. Several are accom-
panied by maps and iilustrations.
Arts and Grafts
Bemrose. Geoffri V. Nineleenlli
Century Eniilisli Pollery and
Porcelain. 10 64. 57pp. Illus-
trated. Faber and Faber. 30s.
T/te Blake Colleclion of W. Graham
Robertson : Desvriheil hy the
Collector. Edited with an Introduc-
tion by Kerri.son Preston. 10 1\.
263pp. Faber and Faber, for the
William Blake Trust. 63s.
FoscA. Fran(,'OIS. Watteau to
Tiepolo. Translated bv Stuart
Gilbert. 111 10. 147pp. Jllus-
trated. (The Great Centuries of
Painting: The Eighteenth Century.)
Geneva: Albert Skira. London
Distributors: Zwemmer. 84s.
These three books are reviewcd on
page 540.
RiCKERT. Margaret. The Recon-
striated Carnielite Missal. An
English Manuscriptof the LatcXIV
Century in the British Museum,
(Additional 29704-44892). I 1 74.
I5lpp. lilustrated. Faber and
Faber. 70s.
Rcviewed on page 540.
Biography and Memoirs
Brasset, Edmund A. /i Doctor's
Pili>ritnage. 8 ■ 5. 223pp. Harrap.
12s. 6d. ' t
When, having newly qualilled, Dr.
Brasset agreed to go as general prac-
titioner to the remote township of
Canso in Nova Scotia, it was with
the idea of earning enough moncv
for ihe rcaiization of his great ambi-
tion — to study brain surgery. Ihe
Tlie Teaclüng of English. Issued by
the Incorporated Association of
Assistant Masters in Secondary
Schools. 8|x5i. 186pp. Cam-
bridge University Press. J2s. 6d.
Prepared by a committee of teachers,
this book discusses the teaching of
English in secondary schools. The
series of essays are grouped in three
sections. The first is concerned with
such questions as the place of English
in the curriculum. the results to be
aimed at, and the appreciation of
prose and poetry. The second part
is devoted to practical problems con-
nected with the English syllabus, and
the third mainly to examinations.
Entertainment
GoRHAM, Maurice. Broadcasting
and Tele Vision since 1900. 84 < 5^.
274pp. Andrew Dakers. 18s.
A history of broadcasting and tele-
vision in this country from its begin-
nings until the publication of the
Beveridge Report last year. Thö
author, associated with the B.B.C. for
many years and a former editor of
the Radio Times, has combined
documentary research with first-hand
experience, and has concentrated
upon what is important and signifi-
cant in the story. There is a good
index.
Essays and Beiles Lettres
Hatzfeld. Helmut A. Literatnre
through Art. 94x6. 247pp.
lilustrated. New York: Oxford
University Press. London :
Cumberlege. 45s
Mr Hatzfeld follows French iitera-
ture through its various phases. in
relation to painting and sculpture, and
points out the spirit of the age at one
time and another with the assistance
ofa hundred half-tone reproductions.
The demonstration is weal^ened by
the small size and dimness of these
pictures.
Jordan. E. Essays in Criticism. With
an Inlroduclion and Synopses by
Robert D. Mack. 9^6. 384pp.
University of Chicago Press.
London : Cambridge University
Press. 52s. 6d.
Rcviewed on page 534.
Food and Dr/nk
/
(
■}
■■:j_V ^ ■
:■::;#
hümliiMriiHruilh a bnniant clcvclop-
nicni Ol ciiy lilc and thc remarkab c pre-
Rcformalion Gcrman cullurc Undcr Uk
Na/i regime, howcvcr, a tull and Irank
iicainicni of German mcdieval hisiory
bocanic constanily morc diniciilt : and ii
is thcrdorc noi sinprising iliai ihe books
dcalini» wiih ii published dining the war
and available for ihis siuvcy do noi
includc ouisianding major woiks -
iliough onj Ol- iwo have quiie exccplional
inielleciual and moral qiialiiy.
Onlv onc of ihesc books deals wiih
the cniirc pciiod^ Professor Henrich
Cünicrs Das Deutsche y'/''' "''^j; <^;|
I Das Reich {llochnuiielülter). Vol. II.
Das Volk ^S>.V//M//;Wa//rr) Frc.bm.g ,m
Brcisuau. Herder Verlag, 1936 and W-W
resiecively). Thc tlrsi voliime coveis
he per od from ihe Caroling.an heniage
and Henry the Fowler ihrough hreder.ek
M Ihe second volume conia.ns e
nuled Story which Streiches Irom ihe
Son of Kudolph of Hapsburg as
cm MO. Ihrough ihe reign of Max.m.han
1 and «'ives a very bnef survey of German
Lailand culiurallife dur.ng the fou.-
i.'LMiih ceniury. More ihan 5" ycais
enVvl Professor Günter began h.s career
!s ä un vetsity leacher wiih leclures on
die suK-malier of his second vo ume
he w ius as a scholar long esiabhshed
h'hrs cid and ihough he treads h.s pa h
iih äeai (and al ihe i.me very neces-
sa.-v) cie he does noi hes.laie lo say
^Hl^lc^ically ihal -ihe [--i^val rider
is no absolute monarch. H.s P«^^.^,«;^;^^
Ihose below him is hm.ied by natural a. d
dariced rights --wo.ds ^ca.cely m
tune wiih Ihe a.TOgance ol H.ilcr s
hevday.
In Der EinIrin der Germanen in der
r.i'schichie and Von den Karohn^ern .u
denS h'>^: Die alldeutsche Kaiserzen
(i O-r^O» (Sammlung Göschen^ Berlin
lÄ Waller de Gruyier) Professo.
Johannes Haller covers an ^^^^'^^'^^
im nd wiih masierly clariiy and coi^^i-
p ession. His firsi volume goes back
t*! Ihe origins of ihe Germanic peoples
n the remoie shadows ol P'^-hisiory and
c u Tics Ihe sioiy ihrough ihe b.eak:up of
ÜK- Roman Empire and ihe ^oundirig o
Ihe Frankish empire lo ils apogee undc.
ChMrlcma-'n- and it subicqaent Uib.->olu-
TTffn Hu. "second volume afier a br.e
skeich of Ihe pre-hisiory of the med.eva
German Reich, surveys the P^r'od from
Ihe predecessors of Otto 1 ihrough he
Invesiilure Contest to the lall of die
Hohensiaufen. Professor Ht\'7. ^
central iheme in the hrst volume is the
nrocess by which the Germanic peoples
is a whole (using the lerm in ils largest
sense) achieved the fusion with class.cal
culture as .epresented by the Roman
Empire, the immense and fecund influencc
of vNhich has enriched all subsequent
historv : the central thcme of the second
volume is the unihcation and growlh ot
ihe First German Empire, the most
imporianl polilical creation of the
ceniuries from 900 to 1250 and the seed
liom which all later idcas of Germany
as a nation and of German unity spring.
These iwo small, compact, but admirably
clear volumes are not inultnm in parva
bui maxi in n in in parvissimo.
Gerd Tellenbachs Die Entstehung des
deutschen Reiches (Munich, .1940,
Callwey) is a notable volume, in ils
piesenl form not least for a postscnpt
added in 1946. Slrong and elevated in
spirit Ihough modest in scale and
compass, ihe very fact that the body ot
Ihe text as published in the freedom of
post-war conditions is unchanged from
the (inal vvar-time recension testifies to
Professor Tellenbach's unshakable in-
legriiy. No hisiorian could write with a
loflier sense of moral purpose. His sub-
jecl is ihe process by which a German
nation lirst emerged from the earlier
polilical groupings of the Franks, the
ordering and Organization of the new
German empire, and -ils relation to the
imperial crown. One of his main themes
is ihat the State itself, besides including
polilical forces and forms, is in large
measure the creation of an entire culture.
Piofessor rellcnbach's quite unusual sense
of the living coniinuily of past, present,
and fuiure is sirongly reminiscent of
Burke. '• Whal gives States a long
lue, ■ he says in his introduction,
•• is iheir capacily for living rencwal. . . .
Whal seems most of all to make
States long-lived is a past filled
with grcal and crcative deeds. . . .
Heie also the elernal law applies that life
cieales new life." Tellenbach goes on,
in a passage whose criticism of Nazi
rapacity, arrogance, and boastfulness is
barely concealed. to point out that the
German Reich, in ils early centuries the
most powerful polilical Organization in
thc West, was " above all others the pro-
teclor of the Eu.opean order {der Hüter
der Ordnung Europas). It fullilled this
lask mosi honourably because ii used ils
sirength for the service of human
civilizution and elernal values. For
this reason ils form (Erscheinung)
rciained cieative power even after its
sirengih had failed. For the spirit lives
longer ihan power." And in his post-
scripl, whose honcsty and courage appcar
in the admonilion ihat " for the sake of
the truth one must not be afraid to bc
haid with oneself," he faces the post-war
responsibilities borne by Germans who
anu descnPes uerman
;ial development and the
icrman culture under the
Ihroughoui this period.
wriies. the eniiie stream
ical and spiriiual life was
a unily a view which challenged loudly
asseried Nazi claims ; while his tinal sen-
lence — *' ihe emperor who fullils ihe lask
ilivinely enlrusied to him and underiakes
ihe leadership ol Christendom in the Ser-
vice of God may be certain of God's help
and of his blessing for Reich and people ""
- -barely conceals its criticism of ihe Na/i
regime and of Hitler himself. Ihe per-
manence of geography and of funda-
mental polilical loices makes Herr
Holtzmann's siory relevant lo our own
Problems also. The central hguie of this
age of German hisiory was Olio the
Greal. Oiios defeal of the invading
Hungarians in ihe batile of the Lechfeld
(August 10, 955) was one o.f the decisive
conflicis of the early Middle Ages and
among the deeds which explain and
justify Professor Tellenbach's view of ihe
medieval Empire; as " the protecior of
ihe European order." The same batile
and the long struggle with the Hungarians
which pieceded it should remind our own
gcneration, which also lives under a ihreat
from ihe easi. of the vital pari that a
slrong Germany, whose policy is based
on the right principles, can and should
play in helping lo proiecl the whole of
Western civilizalion and in safeguarding
ils very existence as well as its growlh.
Four oiher books deal with
furiher aspecls and periods of
German medieval hisiory. In Das
Geschlecht der S tauf er (Munich,
1943. F. Bruckmann) Erich Maschke's
subjeci is the House of Hohensiaufen,
whose leading ligures were the ardent
and ailiactive Friedrich Barbarossa
and the brilliani, many-sided, and
subile Frederick M. Herr Maschke
bowjd lo Nazi prejudice by disiin-
guishing the Jewish aiithoriiies whom
he cites wiih an asterisk. Professor Karl
Hampe's G,eschichte Konradins von
Hohensiaufen (Leipzig, 1942, K. F.
Koehler) is a reprint of the greai German
medievalisTs vivid and sympathetic study
(lirst published in 1894) of the last, liagic
Hohensiaufen and his time, to which Dr.
Hellmut Kämpt has added an 80-page his-
torical and bibliographical appendix ^uni-
marizing or making approurioic uiblio-
^ -'.pLiicai .elerence to ihe extensive
reseaich inio the period since Professor
Hampe's book was wriiten. Friedrich
Bock's theme in his interesiing Reichsidee
und Nationalstaaten (Munich, 1943, Call-
wey) is the conllicl of leal forces — France,
England, and ihe Papacy outstanding
among ihem — and the influence of polili-
cal ideas and Propaganda on the develop-
ment and international position of Ger-
many belween the accession of Rudolf of
Hapsbuig to the imperial throne and the
termination of the Anglo-German alliance
in 1341. Adel und Bauern im deutschen
Staat des Mittelalters, edited by Profes-
sor Theodor Mayer (LeijSzig, 1943, Koeh-
ler und Amelang ; now Stuttgart, K. F.
Koehler). comprises 12 in formal ive es.says
which deal mainly with the social and
administrative struciuie of the medieval
empire.
The last book on medieval German
hisioiy available for this survey— Willy
Andreas's Deutschland vor der Reforma-
tion (Sluttgart, Deutsche Verlags-Anslalt)
— was lirst published in 1932, bui a
thoroughly revised edilion (ihe third)
incorporating thc new lilerature appeared
in 1941. ils picture of the central place
occupied by the Church and religion on
the eve of the Reformation, its account
of social and economic developments and
its analysis of the .social slresses ihai were
shortly to break out in the Peasanis' War,
ils revievv of German inielleciual and
artistic life under ihe influence of the
Renaissance, all bear witness to the
mighty forces which were presently to
play a major and formativc pari in the
new epoch that lay immediately ahead.
Germany at the close of the Middle Ages
was a land of ferment and t4:ansition.
Herr Andreas's study, a work of high and
sensitive scholarship, imparis undersiand-
ing of the institutions and ideas thal were
dying, and of those that stood on the
ihreshold of birih and growth,
The remaining books considered here
are concerned wholly or largely with nön-
German subjects. The f.rst (Otto Vehse,
Nordische Staatengründer. Hamburg,
1943, Hanseatische Verlags-anslalt) deals
with a small gioup of men than whom
none have ever carved a deeper mark in
hisiory — the great Viking and Norman
strains whose genius in the arts of war and
rule has rarely been equalled and never
surpassed. A first wave of these mighty
adventurers conquered and ruled in
Russia and Normandy and England, and
sped far across uncharted seas to Iceland,
Greenland, and America : a laier wave
conquered England again. took Sicily, and
played a leading pari in the First Crusade.
Rurik and Rollo, Canute the Great and
Eric the Red, Robert Guiscard and
William thc Conqueror. Bohcmund and
Roge«' II of Sicily — Iheir names ring out
likc trumpet-fanfares amid ihe dreary
anliphons and responses of miich of
medieval hisiory ; nor bave the lessons of
statecraft which the greatest of thcm teach
been by any means exhausted. Professor
Vehse's l>ook is addiessed to a populär
audicnce: but it treats its thcmc with
insight and proportion, and sets the
personal achievements of the great
Viking and Norman leaders in the perspec-
iiaTTTcaroi
cannoi bc docuinenicd oievcn hisloncally
known. If his book is regaided as belong-
ing as to nine-tenths to hisiory but as
siJpping as to the other tenih ovcr the
bordcr inlo historical liciion. no injusiice
is done eil her to w riter or to subjeci. Cer-
lainly the picture as a whole porirays an
aulh'enlic person ; this may indced have
been the Maid who wroughi greut deeds
and sutVered terrible anguish — but who
broughi France salvation in one of her
darkesi hours. Though Herr Hilliger
writes with unusual lenderness, he is lar
from sentimental. A man who can quote
Kam's Observation: "Der Mensch hat
Charakter nicht von vornheiein, sondern
muss ihn erwerben. Die Gründung eines
Charakters ist eine innere Umwandlung,
die dem schwankenden Zustande der
Triebe und Begehrungen ein Ende macht,
sie is eine Art Wiedergeburl " has more
than the rool of a true biographer's
slandaids in him.
Two books by eminent scholars have
lialy as iheir subjeci. In Die Entstehung
der italienischen Kommunen im frühen
Miiieiaiier (Sitzungsbericht der Bay-
rischen Akademie der Wissenschallen,
Munich, 1944, C. H. Beck) Walter Goeiz
uses his great knowledgc of sources and
auihoriiies (except the latest llalian
siudies, which were unoblainable because
of ihe war) to review the early com-
munal developments out of which ihe rieh
later ciiy life of llaly grew. On the con-
tentious question of origins Dr. Goetz
comes down on ihc side of noveliy ; ihe
llalian communes, he says expressly. are
" not a reawakening of past institutions
bin something new in essence : a pheno-
menon which, ii is true, touches ancient
memories. but is in facl ihe oulcome ol
its own crcative power." A highly in-
teiesiing study of a litiic-known subjeci,
the more valuable because concise and
compact.
Karl Julius Beloch's Bevölkerungs-
geschichte Italiens (Band I. Grundlagen.
Die Bevölkerung Siziliens und des König-
reichs-Neapel. Band 11. Die Bevölkerung
de< Kirchenstaates, Tnsl.'itias. un:t aie
Herzogtümer am Po. Berlin, Waller de
Gruyier. 1937 and 1939 lespectively) is
an auihorilative monograph in ils held.
Professor Beloch unfortunaiely died m
1929 before compleling his final revision,
and both the present volumes have iheie-
fore been prepared for the press by I ro-
fessor Gaeiano de Sanciis. Beloch con-
ceived his populalion hisiory ol llaly as
the hrst inslalmeni of a populalion
hisiory of Europe for which more or less
compleied manuscripls covering
Germany. France and England are
exianl. All these works are based on
investigations^of the relevant national
archives exiending over many years. In
the present volumes the period coyeied
varies wiih the aiea : in the main, it ex-
tends from the ihirleenih lo the end of
the eighteenih ceniuries, the data being
naiurally füllest for the sevenLeenth and
eighteenih ceniuries. Much of ihe basic
informalion comes from laxaiion reiurns ;
Beloch's eslimales from ihese have been
made with süperb skill. Wheie possible.
age struciure and the raiio of the sexes
have been compuled. The resulls are
given in great detail, and former admini-
strative areas have been linked lo the pro-
vinciai areas of the modern kingdom ot
llaly down to 1925, when a re-allocaiion
took place. Among many fascinaiing
facls il appears thal ihe populaiton ol
Florence in Danle's time was only about
50,000— an illustraiion, like Athens and
Elizabethan England, of ihe taci that
numbers and achievemeni are noi neces-
sarily correlaied. The sub-iiiles given
above indicaie the giound covered in
these two volumes; the seclions still in
manuscript comprise Venice, the Duchy
of Milan, Picdmont, Genoa and Corsica.
Sardinia, and the total populalion. L'n-
favourable economic condiiions have so
far delayed their appearance : il is greally
to be hoped that they will soon be
published.
One earlier work which came to nolice
during the course of this survey, though
a chronological infruder, must neverthe-
less be mentioned liecause of surpassing
excellence within its assigned limits.
Wilhelm Erben's Kriegsgeschichte des
Mittelalters (Beiheft 16 of the Historische
Zeitung. Munich, 1929. R. Oldenbourg)
concenliates the cream of 30 years of
medieval and miliiaiy studies (including
many vears al the Heeiesmuseum in
Vienna) inlo fewer than 150 pages. The
ränge covered within this small compass
is exiraordinary. It includes a survey
of the main helds of war-making during
the Middle Ages, the development of
modern studies of medieval mililary
hisiory, the criteria required in using the
medieval sources ihemselves, the aititude
of the Church to war and its systemalic
study, and major aspecls of strategy and
taclics. Two appendices give exact refer-
ences to the leading auihorities for 16
long medieval wars and for some 320
batiles and major actions ; the period
covered langes from the sixth to the
fifteenth Century. For any studeni of the
hisiory of war Erben's small monograph is
invaKiaWe ; a most worihy shelf-nuue of
Delbrück and Jahns, of Oman and
Ferdinand Lot.
(To be continued)
Arts and C rafts
BtMROSH. Ghoiiriv. Nlm'H'cnih
Cenliirv tn^'li.s/i Policry and
Porcelain. 10 6!. 57pp. Illus-
trated. Faber and Faber. 30s.
The Blake Collection of W. Graham
Robertson : Described by thc
CoUeclor. Edited with an Introduc-
tion by Kerrison Preston. 10 7}.
263pp. Faber and Faber, lor the
Williani Blake Trust. 63s.
FosCA. Fran(,ois. Watteau to
Tiepolo. Translated by Stuart
Gilbert. 1 1 l 10. I47pp. lllus-
trated. (The Great Centuries of
Painting: The Eighteenth Century.)
Geneva: Albert Skira. London
Distributors: Zwemmer. 84s.
These three books are reviewed on
page 540.
RicKERT. Margaret. TIw Rccon-
stracted Carnielite Missal. An
English Manuscript of the Laie XIV
Century in the British Museum,
(Additional 29704-44892). 11 7^.
I51pp. Illustrated. Faber and
Faber. 70s.
Reviewed on page 540.
Biography and Memoirs
Bra.sse^t, Edmund A. M Doctor's
Pili^riinage. 8 • 5. 223pp. Harrap.
12s. 6d. ' il
When, having newiy qualified, Dr.
Brasset agreed to go as general prac-
titioner to the remote township of
Canso in Nova Scotia, it was with
the idea of earning enough monev
for the reaüzation of his great ambi-
tion — to study brain surgery. The
explanation of what made hini
change his mind at the very moment
of achieving his wish and return to
the once despised general practice is
to be found in this record of the
everyday failures and achievements,
disappointments and fuHilments of
a doctor's life in a poor and-backward
neighbourhood. Dr. Brasset's ex-
periences were not, perhaps. unusual
in themselves but his own reaction
and the unfamiiiar setting justify their
teiiing.
Chase. Richard. Eniily Dickinson.
8; 54. ' 328pp. (American Men
of Letters .Series.) Methuen. 16s.
H ANSON. Lawrence and Elisabeth.
Marian Evans and Georiic Eliot. A
Biography. 8ix5J,. 402pp. Illus-
trated. Oxford Ünivcrsity Press.
London : Cumbcriege. 25s.
Lady Charlotte Schreiber : Extracts
frotn her .ton mal, l(S5J-l<S9/.
Edited by the Earl of Bessborough.
In Continuation of The Diaries of
Lady Charlotte Gnest. 8^x54.
212pp. lllustTated. John Murray.
21s.
These three books are reviewed on
page 528.
NicOLSON. Haroi D. Kini» Geori^e
the Fiflh. His Life and Reign.
9 6. 570pp. Illustrated. Con-
stable. 42s.
Discussed in the front-page articie.
O'CoNNOR. Joseph. Hostai>e to
Fortune. 81x51. 29|pp. .Michael
F. Moynihan (2, Capel Street,
Dublin). 18s.
Reviewed on page 528.
Sherrard, O. A. Lord Chathani. A
War Minister in the Making.
81-54. 323pp. The Bodley Head.
25s.
Reviewed on page 526.
Education
Pierson, George Wilson. Yale
ColU'iie. An Educational History,
1871-1921. Volume I. 91 61.
773pp. Yale University Press.
London : Cumberlege. 40s.
The first volume of a history of Yale
from the close of the Civil War" to
1937, intended to show not only
Yale's development but its signifi-
cance and influence in the wider field
of American education. The work
appears to mark the 250th anniver-
sary of the university and the author
is, appropriately, Larned Professor
of History there.
Entertainment
GoRHAM. Maurice. Broadva\iin\i
am! Television since 1900. 8] 5^.
274pp. Andrew Dakers. 18s.
A history of broadcasting and tele-
vision in this coimtry from its begin-
nings until the publication of the
Beveridge Report last year. Thö
author, associated with the B.B.C. for
many years and a former editor of
the Radio Ti/nes, has combined
documentary research with first-hand
experience, and has concentrated
upon what is important and signifi-
cant in the story. There is a good
index.
Essays and Beiles Lettres
Hatzfeld. Helmut A. Literature
throuiih Art. 94x6. 247pp.
Illustrated. New York : Oxford
University Press. London:
Cumberlege. 45s
Mr Hatzfeld follows French litera-
ture through its various phases, in
relation to painting and sculpture, and
points out the spirit of the age at one
time and another with thc assistance
of a hundred half-tone reproductions.
The demonstration is weakened by
the small size and ditriness of these
pictures.
Jordan. E. Essays in Criticism. With
an Introduction and Synopses by
Robert D. Mack. 9x6. 384pp.
University of Chicago Press.
London : Cambridge University
Press. 52s. 6d.
Reviewed on page 534.
Food and Drink
Dale. Frances and Cradock, John.
A round Brilain witli Bon Viveur.
8 5. 208pp. Illustrated. John
Lehmann. 12s. 6d.
Frances Dale has compiied a book
about her week-end trips with her
husband to country inns throughout
England and in Scotiand in search of
material, for their weekly " Bon
Viveur ' column in the Daily Tele-
graph. This is a useful publication
for tourists ; there are details of one
hotel or more in 120-odd towns and
villages. there are a number of photo-
graphs, and an index lists the
tclephone number of the hotel and
the proprietor's name : prices, since
they are subject to alteration, are not
given.
Postgate. Raymond. The Good
Food Guide, 1952-53. 5 4. 298pp.
Limp cloth. Cassell. 5s.
The Guide was first published last
year and has now been revised, en-
larged and generally brought up to
date. It is an enterprising little book-
let which lists more than 700 places in
Great Britain where, claims Mr. Post-
gate, " you can rely on a good meai
at a reasonable price." Fach hotel or
restaurant named has been recom-
mended by at least two members of
the Good Food Club (among whom.
to name but three, are to be found
Sir -Adrian Boult, Mr. Philip Harben
and Mr. John Arlott), membership of
which is honorary and open to all
who buy the book.
Gardening
Chase. J. L. H. Commercicd Cloche
Gardening. 9>54. 208pp. Illus-
trated. Faber and Faber. 16s.
An author who in a former book
wrote about gardening with cloches
for the amateur now, in the present
one, treats the subject from the point
of view of the commercial grower.
Together with much general guidancc
he devotes a number of chapters to
the growing of particular crops
under cloches. A sowing and planting
table is included.
Hyams. Edward. Melons under
Cloches. 8p 54. 80pp. Illustrated.
Faber and Faber. 12s. 6d.
Mr. Hyams here describes his own
and other successful experiments in
the growing of melons, such as cante-
loupe and honeydew, under continu-
ous cloches in the English climate,
and gives clear instructions, helped
by diagrams and photographs, to ex-
plain each stage of the process. He
{
i\
J
THE TIMES LITERARY SUPPLEMENT FRIDAY! JUNE 11 1954
371
I
ÄÄ Madame de
f/j}, Pompadour
NANCY MITFORD
The most discussed biography
of recent years.
4/// inipression Illtts. 15s. twt
The CoUected Plays of
Terence
Rattigan
' His mastery of exposition is
COmpIcte.' KENNETH TYNAN
{Ohserver)
2,iicl imp. J5s. tiet each voIume
The Second
Tree from
the Corner
E. B. WHITE
' A humorist "of ^the'' highest
quality, civilized, erudite, pre-
cise, economical, self-mocking,
honest, poetic with a strong
but restrained inclination to the
lyrical.' — Truth 12s. 6d. twt
The New American
Nation Series
The American
Revolution 1775-1783
J. R. ALDEN
and
Woodrow Wilson
omi the Progressive Era 1910-17
A. S. LINK
' Professors Alden and Link
lave achieved the difficult syn-
ihcsis of producing books that
will excite the interest of the
schol ir, while also serving the
serioLiscuriosityof the intelligent
•av rca^^er.' — The Times Literary
Siipph'm 'nt. Each with mups
iiiici cliiigranis 30s. net
Encyclopaedia
of American
History
Ediieö by R. B. MORRIS
* An adniirable reference book
. . . American historians havc
given the volume a warm wel-
THE WEIMAR REPUBLIC
Erich Eyck : Geschichte der Weimarer Republik. Erster Band.
Erlenbach-Zurich : Eugen Rentsch Verlag. DM. 13.50.
OUTLOOK IN MALAYA
Victor Purcell : Malaya : Communist or Free ? Issued under the
auspices of the Institute of Pacific Relations. Gollancz. 15s.
The Weimar republic has already had
its historians, mainly drawii from the
ranks of the Left, the most distiii-
guished of them still being. perhaps,
the late Arthur Rosenberg, who
was also the earliest, Now that
we are slowly moving out of
the shadöw of the Nazi night-
mare, it is natural that attention
should once more be given to the
regime which Hitler overthrew and on
whose shortcomings he built so much
of his Prestige and influence. It is a
fascinating period, which is still sub-
ject to a wide diversity of interpreta-
tions. Did the Weimar republic fail
to w in the lasting loyalty and affection
^ of the German people because it was
born out of the shame of defeat and
at the promptings of a victorious '
enemy ? Or was there some basic
reason, in the German political or
economic set-up, or in the German
national tradition, which made Ger-
many a barren soil in which to plant
democracy conceived on liberal
western lines ? Or was the fate of the
Weimar republic strictiy comparable
with thal of other democracies
planted in central and eastern Europe
after 1918, artihcial creations born
out of due time, when the flood tide
of the western tradition had long
ebbed away from European shores ?
Dr. Erich Eyck, who is known
primarily for his works on Bismarck
and on Wilhelm II, though he has also
made excarsions into English history,
is the first liberal historian in the füll
sense of the words who has taken the
Weimar republic as his theme ; and
his is — if wQ.except some fugitive frag-
ments of earlier years — the most
sympathetic history of it yet
attempted. His deep-seated liberal
beliefs, as well, perhaps, as his
present residence in this country,
have indeed made possible a
degree of detachment from national
prejudices rarely achieved by German,
or perhaps by any other national,
historians. He is thus moved to
deplore, even to exaggerate, the
unfortunate influences of Keynes's
i ^ Economic Conscqidences of the Peace
in stimulating German resentment
against the iniquities of the Versailles
treaty, now confessed from within the
enemy camp. He roundly condemns
the mildness of the sentences pro-
and no historian should accept with-
out question Sevcring's version of
events in the Ruhr at the time of the
Kapp putsch. At the other end of
the spectrum, Dr. Eyck's evident
lack of sympathy for Seeckt leads him
to do much less than justice to that
key figure of the early Weimar period.
Seeckt's crucial decision to bring
to an end the Von der Goltz advcnture
in the Baltic in 1919 and his skill
in carrying out this delicate Operation
are not mentioned ; and the Charge of
"dilettantism," brought against him
on the occasion of his controversy
with Brockdorff-Rantzau over the
merits of Rapallo, is surely the last
that should be preferred against this
thorough and far-sighted, though
wholly unscrupulous, military leadcr.
These are minor shortcomings,
such as are inseparable from all
historical writing, and especially from
all writing on contemporary history.
But the work raises queslions of a
more general and more important
character. The first is not strictiy
relevant to Dr. Eyck's work as an
historian, but will inevitably be
asked. How far is Dr. Eyck typical
of a ncw German approach to the
recent past ? And how widely is his
view of the Weimar republic shared
in Germany to-day ? On these points,
doubts must still be feit. In the'
1920s a handfui of German liberal
publicists celebrated the virtues
of the republic, waxed enthusiastic
over the League of Nations and the
prospects of a united Europe, and
criticized in retrospect the aggressive
policies of imperial Germany. They
were widely quoted in western
countries. But they are neither
honoured nor remembered by the
nexl generation. To-day the case of
Ithe Weimar republic seems still more
'desperate. It is infected by the dis-
grace not only of its origin but of its
ignominious surrender to Hitler.
The other question is what inter-
pretation Dr. Eyck puts on the down-
fall of the Weimar republic, and how
he analyses the forces which were
ultimately responsible for its downfall.
Formally speaking, it may be too
early to ask the question, since this is
only the hrst of two vplumes. It
stops at the election of Hindenburg in
1?'
Dr. Purcell has written a book which
is caiculated to disturb the com-
placency of those who feel that things
are on the whole going not too badly
in Malaya ; and, as is so often the
case in such circumstances, he has
not entirely resisted the temptation to
paint Ihe colours of his picture over-
luridly. This is particularly noticeable
when he is dealing with the person-
ality and methods of General
Templer, both of which he dislikes
extremely. But since the book was
written General Templer has gone
away; and a good deal of what Dr.
Purcell considered vital to underline
his own arguments has lost all but
historical interest. The body of
doctrine which Dr. Purcell Champions
can be simply summarized. He
believes that the present federal Con-
stitution is working against Malayan
unity by fostering excessive
parochialism in nine State and two
Settlement Governments ; that
Min Yuen Organization will be so
weakened that the taproot of terrorist
activities will wither. But if this is
to happen, the Chinese must be
assured of a Square deal, particularly
in the States; they must be accepted
as füll Citizens, given the vote, and
accorded security and protection.
Dr. Purcell gives strong reason for
thinking that '* emergency ruie " in
Malaya has already lasted too long,
and that purely military measures
against the Communist terrorists
have begun to show diminishing
returns. What is now wanted is io
rally the political leaders in an effort
to build up Malayan national
consciousness, always bearing in
mind that they will inevitably oppose
the Government until they are in a
Position to take over elfective
responsibility for themselves. Unless
they are given the opportunity to do
this with reasonable speed they are
Britain is clinging too tenaciously to likely to seek satisfaction for their
the substance of power while parting
only with its shadow ; that if this
process continues, the peoples of the
country, and especially the Chinese,
will be driven into the arms of
Communism.
■The author justifies these conten-
tions to the hilt with a wealth of
knowledge based on his own long
experience of the country and his
national aspirations in Communism
rather than in the British connexion.
Dr. Purcell faces frankly the awk-
ward Problems which arise from
Malaya's value to the Sterling area as
a dollar-earner ; and he advises
Britain to follow his example. This
is a courageous book. Dr. Purcell
has always been a hard hitter in
defence of his beliefs, and there are
many passages here which will cause
Wide grasp of the development of ^eep ofTence. But he is too good a
nationalist movemenls in other south- friend of Malaya to mind risking
east Asian lands. In so doing, he deals this. if only he can rouse the policy-
shrewd blows at the higher levels of makers in Whitehall and Kuala
the present administrative System for Lumpur to do what is necessary
its general failure to view Malayan before the opportunity has gone.
Problems against their appropriate ==================
Asian background. This defect he
attributes to lack of expert advice,
particularly in the handling of the
Chinese Community. Here the author
is on his own ground ; he has devoted
In World History from 1914 to
1950. an addition to the *' Home
University Library " Coming shortly
from the Oxford University Press,
much of his life to the problem of Dr. David Thomson, by concentrat
the Malayan Chinese ; and he has
every reason to be horrified when he
thinks that this problem is being
gravely mishandled. Moreover, he is
right in holding that the Chinese have
the key to any satisfactory resolution
of the present Situation. If they can_
ing upon world events of the period
and by breaking free from the unreal
distinction between national and
international history, seeks to put into
a fresh perspective the two world
wars and the economic crisis, the rise
of revolutionarv nii
-;Si
'W^.
'^m^
poctk' Wim a siiong
Inii rcsiiuined inclination to thc
l>rical.' 7/7//// I2.\. öd. tiet
The New American
Nation Series
The AmcMiean
1775-1783
Itevolulion
J. R. ALDEN
and
Woodiow Wilson
anJ thc Proi^ressive Era 1910-17
A. S. LINK
" l*ioressors Alden and Link
I avc achieved the difticult syn-
thcsis of producing books that
will cxcitc ihc intercst of the
schol ir, while also serving the
scrioLis curiosity of the intelligent
'av rca ^er.' — The Times Literat y
Siipplem'nt. Euch wiih maps
iiiiii ihdii/ams JOs. net
Encyclopaedia
of American
History
Edlted by R. B. MORRIS
'An admirable refercnce bock
. . . American historians have
gixcn the volume a warm wcl-
'■^r^'-. -.hich should bc cchocd
in thiscountry.' — History Today
35s. net
Fi et Jon
Mrs. Betsey
Or Widowed and Wed
FRANCESCA MARTON
" AnneJ with wit, intelligence
and a clearly cncyclopaedic
knowledge of the period, she
has niade an imaginative return
to the I850's.' — mk hafl swan
{Sioiday Times) 12s. 6d. net
Horseman,
Pass By
DENNIS PARRY
' An exciting story, garnished
with wit.' — Suiiday Times.
10s. öd. net
The Long
Beat Home
PETER GLADWIN
'A wonderful picture of Aus-
tralian life.' — Ohserver
'Circat narrative tension.' —
Siinduy Times 12s. öd. net
The Night
of the Hunter
DAVIS GRUBB
'Wonderlülly written; it has a
ballad-like quality and olTers a
greal experience for the stronger-
nerved grown-up.' — LUZABbTH
HOW'EN {Tatler)
jrd impression lös. 6d. net
The Content
Assignment
HOLLY ROTH
' Spastically tense thriller . . .
Dcfmitely exciting.' — Maurice
RK MAKDsoN {Ohservcr)
9s. 6d. net
The Sword
of God
RENE HARDY
• hxtrcmely dramatic . . . A con-
vincing picture of muddle and
fanaticism, couragc and corrup-
tion among the French Iroops,
nalive communists, descrters
and assorted crooks at grips in
a steaming inferno.' — J. w. lam-
iiFKT (Sunday Times) 12s. 6d. net
HAMISH HAMILTON
was tnere
the Gernian political
set-up, or in the Gerni
radition, which made Cil
Kirren soil in which to plal
dcniociacy conceived on libeial
western hnes ? Or was the fate of the
Weimar republic strictiy comparable
with that of olher democracies
planted in central and eastcrn Fiirope
after \9\H, artiliciai creations born
Olli of due tinie, when the Hood tide
of the western tradilion had long
ebbed away from European shores ?
Dr. Erich Eyck, who is known
priniarily for his works on Bismarck
and on Wiihehii II, thoiigh he has also
niade excursions into Imglish history,
is the lirst liberal historian in the füll
sense of the words who has taken the
Weimar republic as his theme ; and
his is — if woexcept some fugitive frag-
ments of earlier years— the most
sympathetic history of it yet
attempted. His deep-seated liberal
beliefs, as well, perhaps, as his
present residence in this country,
have indeed made possible a
degree of detachment from national
prejudices rarely achieved by German,
or perhaps by any other national,
historians. He is thus moved to
deplore, even to exaggerate, the
unibrtunate influences of Keynes's
Economic Consequences of the Peace
in stimulating German resentment
against the iniquities of the Versailles
treaty, now confessed from within the
enemy camp. He roundly condemns
the mildness of the sentences pro-
noaiiced by German courts on the
handfui of war criminals who were
eventually brought to trial and con-
victed. He is ready to suspend judg-
ment on the final verdict of the allies
on the result of the Upper Silesian
plebiscite — ^the injustice of which was
assumed and denounced at the time by
almost every German of whatever
political complexion, as well as by a
good many British and American
writers. All this leaves the impression
of an exceptionally candid and open
mind and of an unusiially fair book on
a controversial subjcct.
This is not to say that Dr. Eyck's
judgments are all acceptable, or even
impaitial. Desire not to beat the
characteristic German big drum
against Versailles leads him to the
bi/arre conclusion that the " funda-
mental error " of the peace treaties
was "' the destruction of the Austro-
Hungarian State." The alternative
policy of detaching Austria-Hungary
from the German alliance was tried
by the allies — rather half-heartedly,
it is true— during the war. But, when
it faiied, the fate of the Hapsburg
monarchy was sealed. It feil to pieces
when the German armies met defeat.
When the peace-makers met in Paris,
as Dr. Eyck appears to admit by way
of after-thought. nothing was left to
" destroy '" and not all their efforts
and influence would have sufficed
to put Ausiria-Hungarylog,ilher again,
even had they iTcen so minded.
History, not the peace Conference,
had pronounced the verdict. Inci-
dentally, Dr. Eyck's scorn for the
nationalist '' agitation " of the con-
stituent peoples of the Hapsburg
empire raises a momentary question
whether his liberalism — like that of
German liberals of an earlier day — ■
does not stop short at the frontiers
of the lesser Slav peoples of central
and eastern Europe.
In the same critical vein it may be
feil that Dr. Eyck is sometimes fairer
to the former enetnies of his country
than to his German political oppo-
nents. Both the extreme Right and
the extreme Left, powerfui forces in
every period of the Weimar republic,
are treated with scant considcration
of their importance and of their
policies and aspirations. One does
not expect at the present time much
indulgence for the German C ommunist
Party, whose record has little to
commend it from any point of view.
But Dr. Eyck does not seem to have
examined any of the vast mass of
Communist literalure of the i^eriod ;
moic gcncial and morc imporiant
character. The first is not strictiy
relevant to Dr. Eyck's work as an
historian. but will inevitably be
asked. How far is Dr. Eyck typical
of a new German approach to the
recent past ? And how vvidely is his
view of the Weimar republic shared
in Germany to-day ? On these points,
doubts must still be feit. In the'
1920s a handfui of German liberal
publicists celebrated the virtues
of the republic, waxed enthusiasiic
over the League of Nations and the
prospects of a united Europe, and
criticized in retrospect the aggressive
policies of imperial Germany. They
were widely quoted in western
countries. But they are neither
honoured nor remembered by the
next generalion. To-day the case of
jthe Weimar republic seems still more
desperate. It is infecled by the dis-
grace not only of its origin but of its
ignominious surrender to Hitler.
The other question is what inter-
pretation Dr. Eyck puts on the down-
iall of the Weimar republic, and how
he analyses the forces which were
ultimately responsible for its downfall.
Eormally speaking, it may be too
early to ask the question, since this is
only the first of two vplumes. It
stops at the election of Hindenburg in
1925. and its last words d«*srrihe th's
event as " a triumph oT nationa/ism
and militarism and a severe defeat
of the republic and of parlia-
mentarianism." This perhaps suggests
that though Dr. Eyck recently wrote
in these columns to point out a
number of factual errors in Mr.
Wheeler-Bennett's Nemesis of Power
he may accept Mr. Wheeler-Bennett's
main thesis of the predominant role
of the German military leadership in
the destruction of Weimar and of all
that it stood for. Elsewhere Dr.
Eyck cites the early and unopposed
abandonment of the jury System as a
Symptom of the wcakness of the
democratic spirit in Germany. He
in no way glosses over the adverse
Clements in German society or the
many-sided threats to the survival of
the republic. But he undertakes no
general investigation of the source
and character of these phenomena.
It is this failure to attempt any
serious analysis of the nature and
causes of the tensions and fratricidal
divisions in the German polity which
constitutes— at any rate in the present
volume — a weakness of Dr. Eyck's
work. Occasionally, though rarely,
economic motives are thrown into
relief, as when he remarks. among
the factors favouring the conclusion
of the Rapallo treaty, that '* German
economic circles desired the re-
sumption of business relations with
Russia. which before the war had been
one of the best customers for German
products." But he otfers no general
examination or assessment of the
economic factor. Stinnes appears in
his pages merely as an ultra-con-
servative and a boor, not as the most
powerfui and influential figurö in
German industry — and probably \\\
German economic policy — in the first
years of the republic. Rathenau is
sympathetically treated, but without
much regard for the complexities of
his character, and none for the com-
plexities of the economic interests of
which he was the spokesman. The
dilemma of the German workers,
divided between the hopes of revolu-
tion otfered by the Communists and
the equafly illusory prospects of
social reform in a republican trame-
work held out by the Social-Demo-
crats, is not taken into account at all.
In short, like most histories, this has
its notable gaps. Perhaps some of
them will be made good in the next
volume, in which the fundamental
issues of the decline and fall of the
Weimar republic will clamour still
more insistently for attention.
paiociwaiisin in ninc Male and iwo
.Settlement CJovernments ; that
Brilain is clinging too tenaciously to
the substance of power while parting
only with its shadow ; that if this
process continues, the peoples of the
country, and especially the C hinese,
will be driven into the arms of
Communism.
•The author juslifies these conten-
tions to the hilt with a wealth of
knowledge based on his own long
experience of the country and his
wide grasp of the development of
nationalist movemenls in other soulh-
easl Asian lands. In so doing, he deals
shrewd blows at the higher levels of
the present administrative System for
its general failure to view Malayan
Problems against their appropriate
Asian background. This defect he
atlributes to lack of expert advice,
particularly in the handling of the
Chinese Community. Here the aulhor
is on his own ground ; he has devoted
much of his life to the problem of
the Malayan Chinese ; and he has
every reason to be horrified when he
thinks that this problem is bcing
gravely mishandled. Moreover, he is
right in holding that the Chinese have
the key to any satisfactory resolulion
of the present Situation. If they can
be won to the dovernment side, Ihe
iiies-.
ihey are given ihe opportunily to do
this with reasonable speed they are
likely to seek salisfaction for their
national aspirations in ( ommunism
rather than in the British connexion.
Dr. Purcell faces frankly the awk-
ward Problems which arise from
Malaya's value to ihe Sterling area as
a dollar-earner ; and he advises
Britain to follow his example. This
is a courageous book. Dr. Purcell
has always been a hard hilter \n
defence of his beliefs, and thcre are
many passages here which will cause
deep offence. But he is too good a
friend of Malaya to mind risking
this. if only he can rouse the policy-
makers in Whitehall and Kuala
Lumpur lo do what is necessary
before the opportunily has gone.
In World History from 1914 tn
1950, an addilion to the " Home
University Library " coming shortly
from the Oxford University Press,
Dr. David Thomson, by concentrat-
ing upon world events of the period
and by breaking free from the unreal
distinction between national and
international history, seeks to put inlo
a fresh perspective Ihe two world
wars and the economic crisis, the rise
jof revoUitionarv movement^ und tb«*
'spread o£ democratic sociulism.
A Book Society Recommendation
THE DANCING BEES
KARL VON FRISCH
*Many will be inclincd to place thc story of von Frisch's discover-
ies, now availablc in this Engiish traiislation, beside Maeterlinck's
The Life of the Bee as oiie of tlic most notable books on thc
subjcct to appear in our time. His simply and very lucidly written
narrative thrills by the shcer wondcr and novelty of what hc has
to teil.* Birrninghani Post.
With 30 plates and 61 line illustrationa* 16$.
THE DESERTERS
HONOR TRACY
Author of Mintl Youy Vve Said JSothing !
• Continuously interesting and extreiiicly funny into the bargain.
In its close study of women 'Ted-caps", it is at the same time out-
rageous and persuasive/ DERLK HUDSON (Time and Tide)
8s. 6d.
THE ARDEN SHAKESPEARE
General Editor: Professor Lfna Ellis-Fermor
Advisory Editor: Harold F. Brooks
Alreatly pnblished
ANTONY AND CLEOPATRA
KING HENRY V.
TITUS ANDRONICUS
KING LEAR
LOVE'S LABOUR'S LOST
MACBETH
THE TEMPEST
CYMBELINE
KING JOHN
OTHELLO
Ed. by M. R. RTDLEY 18s.
by J. H. WALTER 15s.
byJ. C. MAXWELL I8s.
by KENNETH MUIR l^S.
by RICHARD DAVID 15s.
by KENNETH MLIR I2s. 6d.
To apprar shortly
6y FRANK KERMODE 16s.
byJ. M. NOSWORTHY I8s.
by E. HONIGMANN 18s.
in the presa
byIVf. R. RIDLEY abt. 18s.
METHUEN i
//i? loiH
51^
BrnS'f- l^a^Uyer ^//ecH'fin
w
VJSmat IfepolJfc
^ '^//
ä 7SY
'Je,
2m i; f' l^^'' '^
]ßeimf depc^licj
m's- iw's
I
/.u^//- .i^y.i^^'
/^y^ ^f'iC^>^
^/^^^ At-f^^^
4f>^
J^^s^
j 7^— — ^--7^ -^ . — — ^- '^.r;^ T-y ;
/
4^-^^^/ j^iJ, 4a.^ i/d^^^ ^{^^4^^^ cJ^
«•/ •
>/v/?^"
/*•
'-4.^
4^ /Ci^/~
i
1100
S^ -^
REFERENCE.
iv
/
Dieter Petzina, Materialien zum sozialen und wiroschaf t^
liehen V;andel in ^Deutschland seit d:m Knae des 1^. Jahrnunder Cs
intVierteljahshefte fuer v^eitgeschichte 1^69, S.Heft , Juli,
SU8-;3S8
o •
Aus den otatisjiken geht hervpr ,dass bis 18SC die Versciuebuii^ n m
der iJi:'ferenzierung des reFionalen ;vachstunistei:ipos mit Ausnah.e des
Ostens" gegenueber Berlin relativ bescheiden v.aror. , die Nahvanderung
uebervio» ...rst seit den SOiher Jahren erg-.ben sich durch die jetzt
doninierende Ost-westwa-nTerung die spaktakulaeren regionalen Veraende-
iuagen! 'evoelkerungsschv-erpunkt Preussens una d.s ^^^^ °^^ "^°^',,"^tchon
verlegt. Soziales und wirtschaftliches Fa^^tuia, aber signalisiert schon ^
vor Jahrhundertwende das -.nde d- s traditionellen ostelbiscnen '^"-
preussentur.i(ü.S12/13) 19Ü7 hatte jeder sechste i:u Osten ^,e. orene -an-
Lrung nach Berlin und Uesten vollzogen.hauptstadt bestand zu 2u/o aus _
2,uzue|lern von d.m Osten.Par allel lueuft der Vrozess aer ^^^ff t^osse *
Um Liitte des Jahrhunderts Deutschland laendlich gepraegt, ItlO erost^e
U: terschiede.je groesser der .anderungsgewinn, je ^t-erKer Industria-
lisierung und ürad aer Verstaeaterung.Osten.öueaen ueber oOjiJ ^anabevoel-
kerungibis 5000 ^inv..ohne-r y ,oachsen ,..esten, Berlin Brandenburg Mf.\^&v
60. St. eatische BevoelkeruAg. 1871 .weniger als ein Viertel aer Bevoel-
kerunp'in stae tischer Umgebung, staerkste Verschiebung vor c.em 1.
wSl?Jfieg;1910 etwa die haelfte staedtischlöOGO-ueber IlO OOO.ueber
1/5 von ea tanzen m ot-odten ueber 100 000) . (S. 514, 517).
I
Von Erwerbspersonen 1882 42.i,ie07 34y. in Landwirtschaft; 56?ö:42'^ in
produzierendem Gewerbe; 22,.:26>. in tertiaerem^^Seltor .davon m Handel
und Verkehr allein steigend von 8.470 auf 13,6!;'3.
Nach sozialer otellungsinken oelbstaendigevon 13^5-1907 von 27,5 auf
22/.; steigen Angestellte und Beamte von 5,2 auf 7,5'/.; sinken Arbeiter
von 50 4 luf 4sT2/i und Hausangestellte von 7,3 auf b,7!;b. otarke otei-
lemng d.? mithkfendoi Familienangehoerigen .teilweise nur scheinbar,
forhel nicht voellig erfasst. (3.319,321 JAngestellxe. gehoeren dann
zum 20. Jahrhundert, ßrgebnis der Bureaukratisierung J^^;^^^^°J^Ji°f ^er
und der wachsenden Bedeutung der Distribution. 1895 kamen 2u .-irDeiter
aS? einen !ngSs teilten, 1925 Verhaeltnis 6:1. ^3.322) .Wachstum ces realen
^oziaiprodukfs am staerksten vor dem 1. •"elti^ries...ntei. aer Lanuwxrt-
schaft an volkswirtschaf tl. werlschoepfung sanK in den letzten 100
!ahren von 40,'. auf 5/o. Bis 1888 war Landwirtschaft ^^^^ Jeaeuten^ste
Wirtschaftszweig. Symbol wilhelminischer ..eltmachtspolitik, aas lööv
^elt'eif orientierte Industrie die Lanawirtschaft in oekonomiscaem Ge-
wicht ueberfluegelte. (0.330)
S.337:Jirgebnisse:Bevoelkerungsentwicklung,^rwerbsstruktur,oozialpi'oäukt
zeigati^dass die Perioden schnellen ».achstums una starken v.'ande]s mit den
beiden Jahrsehnten vor 1. ^-eltkrieg zusammenfallen. In Zwischem.riegszeit
"^^i^"}
nur bescheidenes artschaf tswachstum. Sozialer um wirtschaftlicher
beaeutete ^n e 19. Jahrhunderts -/andel von Agrar-zur Industrielle-
Seilschaft, beherrschende Sozialfigur , selbstaendi ger Bauer und hand-
werker, dann Industriearbeiter, spaeter Angf-stellter.
-andel
REPERENCE:
" '5i, *
/
/
^M ^(^ 444a 04^ /^B*^^ f/U4^
^ Jfi44!^^<^ ^^ /^^-i-^ ^^-^^ '^^^^-^
U^^^Z/rP44^ Ui 4^^^' P^Wi^^<W*.4^
P,
^
^i<V^
^^/ß^f^
■.^ *f .6*^4 04^
AkS4i^r- /-^f^^
/^'^^tt44t^ 4^ ^Uu /^, /tk44i^^ JV^.4^0^, 4..^^4^ 4^
^^^^'^^(1^444^
4i
^^ OiC^' ^ /&/4t;^t^ A^^^M>4^
us^ , A^s^ ^^^^it^^^ ^^p/ ^ ^, ^
v^^-^^Z €4^/ y&/ ^ /^V^
4<e/
^A 'J
/f<^ f *♦ ^
^'^'^^ / "^^^J^ ' /Ä*^ *^ ^€>4iAc
/^/^
11.10.91
Lieber Dr .Hamburger, \
> '^ V
Ihr Brief in der •Süddeutschen Zeitung*(7»UD»),mit dessenV^ihalt
ich natürlich lebhaft sympat](isiere,hat mir eine Absicht in ErinS
gerufen, die ich hatte, als mir Schwelb im Sommer hier von Ihren lit€
rarischen -^länen erzählte. Ohne zu wissen, ob Sie die ^eistulcig deut-
scher Juden in der CSR einbeziehen wollen, will ich ^hnen doch meine
Biographie Ludwig Czechs schicken -Sie finden darin auch einiges über
Stampfer und reichsdeutsche Binge. Da die Gegenspieler Czechs usw.
sich in Deutschland heute, meist unliebsam, bemerkbar uachen, scheint
mir an sich eine solche territoriale Ausdehnung Ihrer Arbeit nicht
unbegründet • Pur diesen Fall will ich ^hnen sagen, dass noch folgende
Funktionäre der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der
Tschedioslowakischen Republik den Anforderungen von Hitlers Rassenge^
setzen nicht entsprachen, wiewohl kaum eieer von ihnen jüdischer Reli-
gion gewesen sein dürfte(die Seitenzahlen beziehen sich auf Hinweise
in meinem Buch, das Ihnen mit ordinary mail zugeht):
Siegfried a?aub(S*42) Arnold Holitscher(S*70)
Johann Polach(S.53) Fanni Blatny (" ^ )
Emil Strauss(S*68) Irene Kirpal f »• •• )
Victor Haas(S*690 Oskar Simon CS*155)
Carl Helleres. 69> Alfred Kleinberg (S.15i>)
Nixht erwägt habe ich in meinem Buch die ( kleine )Deut seh demokra-
tische Freiheitspartei, die etwa der Demokratischen Partei in der
Weimarer Republik vergleichbar war* In die erwähnte Kategi)rie(wahr-
scheinlich auch mit Nachsicht der religiösen ^gehörigkeit) fielen
folgende Funktionäre:
Professor Dr.Brjno Kafka,AbgeordnetelJ,gest.l9$2(Sphn Alexander
ist UN-Beamter) ^
Professor -^riLudwig %)iegel,Senator,gest»etwa 1927-8
• Dr.Joseph Eckstein, Stadtrat in Prag, gest. etwa 1950
Dr* Johann ffardkim, Stadtrat in Brunn und Vorsitzender des Deut-
schen Juristentages in der CSR bis 1938,gest*1938»
Im übrigen dürfte Schwelb über die letztgenannte Gruppe besser
priantiert sein als ich.
Bitte lassen Sie mich wissen, falls Sie mehr wissen wollen»
«^ ^ Mit besten Grüssen bib ich Ihr
rhi
/
/
\
■o
i
^
l»
' \
• o
I
i
\
ajsq jno uado ox
J.W.Bruegel
Sender s name and address: .TT.
21 Connaught Drive
London ^.W.ll
■ ^!^Z..l LlL,^::.-.-^ ....L..±^A
' "" - *- ■ .
, ■ .' >-'.,-
' " »'— '
■':' ^ -''•:■:••.• . ^- ':'
• -)
vo . '■•' . ' . j . ., . : '
Lj ' ^ '■ _ '• *'•:•,',
> — , \ . * ' * '' '■ .
- .' • ■ f- .
' ^ . AN AIR LETTER SHOULD NOT CONTAIN *ANY
' ^ ENCLOSURE ; IF IT DOES IT WILL BE SURCHARGED
OR SENT BY ORDINARY MAIL.
^ Second föld here ►
swkiü:.'-
• L
^ AIR LETTER J^V-v:PhV\ ' fW8»»ili J>>'
Dr.lrnest Hamburf^er
o
67 Riicersid« Drive
New Yark 24
•/••"v:
X m..
Nr. 22
MB — 29. Mai 1964
Seite 3
KURT
M
PINCHAS ROSEN
Beim Lesen in Briefen
eines Freundes
Kurt Blumenfeld wurde uns an
der Schwelle des 80. Lebensjahres
entrissen, das er heute, am 29. Mai
1964, vollendet hätte. Ein Jahr ist
verflossen, seitdem Weggenossen,
Schüler, Freunde, Verehrer versucht
hatten, seine Persönlichkeit und sei-
ne Leistung in Wort und Schrift zu
würdigen, — so wie es auch, nicht
lange vorher, anlässlich seines 75.
Geburtstages geschehen war. Wie
kann man sein Andenken heute
ehren, wie ihm danken? Dr. Foerder
hatte in einer Trauerversammlung
die Einführung von „Kurt Blumen-
feld-Vorträgen" vorgeschlagen, —
Vorträgen über Themen aus dem
weitschichtigen Gebiete seiner Inter-
essen: Zionismus, Judentum, Welt-
politik, Kunst, Literatur, Geschichte.
Auch andere Pläne werden erwo-
gen. Seit langem denkt man an die
Veröffentlichung einer Auswahl sei-
ner Briefe. Jeder Leser dieser Zei-
len, der solche (zur Publikation ge-
eigneten) Briefe besitzt, sollte sie
im Original oder in Abschrift, ganz
oder auszugsweise, dem Irgun Olej
Merkas Europa übergeben. Ein ziem-
lich umfangreiches Archiv von
Durchschlägen solcher Briefe wird
von Blumenfelds Mitarbeiterin,
Frau Hedi Strauss, gesichtet. Das
Material ist, wie gesagt, reichhaltig,
sollte aber vervollständigt werden.
Mittlerweile besitzen wir ausge-
wählte Gedenkreden in hebräischer
Sprache, und vor allem Blumenfelds
autobiographische Schrift „Erlebte
Judenfrage", die auch in hebräischer
Fassung vorliegt. Manche von uns
— mögen in diesen Tagen aus ihr
vorlesen. Zu erwähnen ist auch die
erste gründliche Darstellung von
Blumenfelds Ideologie in hebräi-
scher Sprache aus der Feder von
Schaul Esh, die vor einigen Mona-
ten im „Molad" erschienen ist. Ein
Gesamtbild von Blumenfelds Per-
sönlichkeit hat Salman Schasar in
der Festschrift zum 75. Geburtstag
von Pinchas Rosen mit eindringen-
dem Verständnis liebevoll umrissen.
II.
Die Briefe: jeder, der Proben von
ihnen besitzt, weiss, dass in ihnen
Blumenfelds Persönlichkeit in sel-
tener Klarheit und Reinheit zum
Ausdruck gelangt ist. Waren seine
Reden hinreissend, so waren seine
Briefe prägnanter. Reden und Brie-
fe waren in gleicher Weise in ihrer
Echtheit pathetische Dokumente ei-
nes unbestechlichen Geistes, in dem
kein Falsch war. Gegner mochten
glauben, dass er irrte. Aber sie
fühlten, dass sein Pathos echt war.
Eine der vielfältigen Kraftquel-
len von Blumenfelds grosser Wir-
kung, in der innerzionistischen Aus-
sprache noch mehr als in der Pro-
paganda, war ein unverfälschtes
Pathos, das zu tief fundiert war,
als dass seine Begabung für kriti-
sche Analyse ihm etwas hätte an-
haben können, — ebensowenig wie
auch seine Neigung zu sarkastisch-
aggressiven Formulierungen. Und
am allerwenigsten gab es einen Wi-
derspruch zwischen diesem Pathos
und seinem Zorn. Beide entspran-
gen eher der gleichen Wurzel.
Als ich Blumenfeld vor 59 Jahren
in Freiburg begegnete, verband uns
bald eine Freundschaft, deren Wär-
me nie erkaltete. Ich sah in ihm
anfänglich eher den Analytiker und
Kritiker als den Meister denkeri-
scher Wegweisung. Er war damals
in Freiburg 21 Jahre alt und, nach
einem kritischen persönlichen Er-
lebnis, oft in einer skeptischen und
pessimistischen seelischen Verfas-
simg. Anwandlungen von Skepsis
bin ich auch später bei ihm begeg-
net, aber sie gingen nie tief genug,
um einen noch tiefer liegenden Op-
timismus zu verschütten. Aber da-
mals im Jahre 1905 in Freiburg war
seine Welt in graue Farben getaucht.
In dieser Stirnrnuiig versuchte er
einem gläubigen Jüngling von 18
Jahren den Schleier zionistischer
Heldenverehrung von den Augen zu
reissen. Ich glaubte nicht, dass es
ihm zur Gänze gelang. Aber ich
spürte die Echtheit seiner menschli-
chen Bedenken, und er schärfte
wohl meinen Blick für prüfende
Beobachtung.
An diese Freiburger Zeit musste
ich oft denken. Er nannte sich da-
mals anfangs einen Nichtzionisten.
und ich glaubte lange, dass sich
sein Zionismus an meiner Begeiste-
rung für das Erbe Theodor Herzls
und an unserer Freundschaft ent-
zündet hätte. Heute meine ich, dass
er mich in einem Irrtum gefangen
hielt, obschon er in seinem Buch
selber schreibt, es sei ihm durch
die Freiburger Unterhaltungen mit
mir klar geworden, dass er „nur
als Zionist Jude sein könne" Wenn
er sich damals einen Nichtzionisten
nannte, so mag es an seiner skep-
tischen Verfassung gelegen haben,
vielleicht auch an seiner Enttäu-
schung über zionistische Führer, die
er, der ältere, in Berlin kennenge-
lernt hatte. Vielleicht aber täuschte
er mich durch tastende Bemerkun-
gen, bei denen es ihm eher darauf
ankam, die Reaktion des Gesprächs-
partners zu erproben, ein später
von ihm. auch in persönlichen Din-
gen, angewandter Kunstgriff, wenn
er die Seele eines anderen erfor-
schen wollte. Heute suche ich die
wahren Wurzeln seines Zionismus
dort, wo er sie selber oftmals in
rückschauenden Betrachtungen pla-
zierte, — und so auch in einem Brief
an E. L. vom 16.5.1946. in dem es
heisst: ich verstehe alles, wa-s
Du sagst, sehr gut, weil ich doch
selbst aus Kreisen stamme, in de-
nen man immer einen Ausgleich zwi-
schen höheren Interessen und ge-
schäftlichen Erfordernissen suchte.
Die leidenschaftliche Ablehnung die-
ser im bürgerlichen Sinne hochan-
ständigen Atmosphäre hat mich, der
ich keinen Zusammenhang mit dem
Judentum hatte, zum Zionismus ge-
bracht. Juden waren für mich da-
mals Menschen, deren ganzes Leben
der Befriedigung ihres Securitätsbe-
dürfnisses dient. Ich stand zu ihnen
so wie etwa Karl Marx in der Dir
bekannten Abhandlung, in der er
vor allem. ?eine Familie treffen wül.
Der Zionismus war dann für mich
die erlösende Antwort; er bedeutete
Ablehnung der jüdischen Welt so,
wie sie ist, und den Versuch ihrer
Umwimdlung".
Sein Zorn? Den zürnenden Freund
lernte ich erst in späteren Jahren
kennen. Es gibt wohl niemanden
unter seinen Freunden, der nicht
zuweilen, und gerade in seinen Brie-
fen, von diesem Zorn einen Hauch,
und mehr als nur einen Hauch
verspürt hätte. Man hat hiervon vor
einem Jahr in Trauerversammlun-
gen zu wenig gesprochen. Zu wenig,
— denn seine leidenschaftlichen Aus-
brüche waren Anklagen, die manch-
mal vielleicht ungerecht, aber im-
mer von echtem Schmerz über Un-
vollkommenheiten gezeugt waren.
Ich will hier von einem schriftlichen
Zwiegespräch Mitteilung machen, in
dem übrigens Blumenfelds Antwort,
über den thematischen Anlass hin-
aus, für seinen Stil bezeichnend und
daher bemerkenswert ist. Ich
schrieb an ihn im Sommer 1947:
„ , . .und ich möchte Dich daher
bitten, mir möglichst bald einen Ar-
tikel für unsere Zeitschrift zu lie-
fern. Der Kritik und Aggression sind
keine Schranken gesetzt. Sie irritie-
ren mich zwar in der persönlichen
Unterhaltung; aber ich nehme sie
au fond nicht übel. Wenn möglich,
halte Dich im Rahmen einer Seite.
Jeder Satz ein Granitblock. Wenn
Du es vorziehst, könntest Du dem
Artikel auch die Form eines Inter-
views mit Dir geben". — Blumen-
feld antwortete: „Du forderst mich
auf, einen Artikel in Form eines
Interview zu schreiben. Jeder Satz
ein Granitblock. Solche Sätze möch-
te ich gerne schreiben. Alle zehn
Jahre fällt mir etwas ein, was. wie
29. MAI 1884 -
21. MAI 1963
jeder geprägte Satz, allmählich an
Bedeutung verliert und schliesslich
am besten vergessen wird. Ich habe
zu viel gelesen, um den Tonfall ei-
genen Gefüges angenehm zu empfin-
den".
Über „Aggressionen " sagte er
übrigens in einem Brief (an eine
andere Adresse) sie sei „meist eine
verhüllte Form von Liebe".
Wie gesagt, es gibt wohl wenige
von seinen Freunden, die nicht zu-
weilen von dieser Aggression be-
troffen wurden, ohne dass sie aber
jemals trennend wirkte. Seine Bezie-
hung zu manchen seiner Freunde
war zweifellos ambivalent. Ein et-
was abseitiges Beispiel ist seine
Beziehung zu Hannah Arendt, mit
der ihn durch Jahrzehnte Freund-
schaft verbunden hatte. Sie war als
junge Studentin in den zwanziger
Jahren ein häufiger Gast im Blu-
menfeldschen Familienkreise in Ber-
lin, und Blumenfeld pflegte die Un-
terhaltung und Diskussion mit ihr
dort und später in Amerika. Es gab
wohl eine Zeit, in der Hannah
Arendt sich zum Zionismus bekannt
und als Schülerin Blumenfelds de-
klariert hatte. Dann erschien im
Jahre 1946 in Amerika ihr Artikel
im „Menorah- Journal" mit der
tJberschrift „Zionism reconsidered".
In einem Brief aus dem Jahre 1946
an meinen Bruder Martin, der also
nicht an Hannah Arendt gerichtet
ist, in dem es aber heisst: „dieser
Brief ist natürlich auch für Hannah
bestimmt", verdammt Blumenfeld
in einem seiner überdimensionalen
Ausbrüche den Artikel und die Ver-
fasserin mit gleicher Heftigkeit.
(Kenner wissen, dass nicht alles,
was in solchen Briefen ausbrach,
zur öffentlichen Wiedergabe geeig-
net ist). Blumenfeld bleibt aber
alten Freunden treu und kann sich
nur schwer von ihnen trennen. Es
hat später wieder briefliche Ver-
bindungen gegeben, und sicher hat
Blumenfeld, wie auch ich bezeu-
gen kann. Hannah Arendts Aufstieg
im Reich der Wissenschaft mit ei-
ner Art väterlichen Stolzes verfolgt.
In „Erlebte Judenfrage" nennt er sie
„die Verfasserin bedeutender philo-
sophischer und politischer Werke",
und Dr. Tramer fügt als Herausge-
ber in einer Anmerkung hinzu: „das
grosse Kapitel Antisemitismus in
dem grundlegenden Werke von Han-
nah Arendt ,Elemente und Ursprün-
ge totaler Herrschaft' ist Kurt Blu-
menfeld zum 70. Geburtstag gewid-
met". Aber Blumenfeld bleibt kri-
tisch. Kritisch auch der wissen-
schaftlichen Leistung gegenüber.
Von sich selber hat er ja oft ge-
sagt, was er in einem Brief an
T. B. vom 23.3.1953 folgendermassen
formulierte: „ . . .in einer Welt, die
alles beweisen wollte und logische
Kategorien überschätzte, begnügt«
ich mich mit dem Beschreiben, (ge-
schichtliches Denken wurde wichti-
ger als philosophische Begriffsbil-
dung". Aber seine Kritik galt jetzt
vor allem der Haltung Hannah
Arendts im Jüdischen. In einem
Brief an sie vom 2.7.1951 heisst es:
„Wenn man Dein Buch liest, er-
fährt man, wogegen Du bist, und
manchmal, wenn ich Atem hole,
scheint es mir, dass Du immer mehr
die Fähigkeit entwickelt hast, das
Negative zu sehen. Jedes Ding hat
seine zwei Schattenseiten, sagte ein
alter Grossonkel von mir. Bei Dir
ist es schwer herauszubekommen,
was Dir eigentlich gefällt. Ganz
schlecht kommen natürlich die Ju-
den weg. Ein bösartiger Kritiker
könnte Selbsthass konstatieren".
Und weiter in dem gleichen Brie-
fe: „Es gibt aber Völker, und die
(Schluss S. 4)
,ite 4
MB — 29. Mal 1964
Nr. 22
ff.-«, ;.-iV
BEIM LESEN IN BRIEFEN EINES FREUNDES
(Schluss von S. 3)
Juden sind eins. Dir ist es wahr-
scheinlich schwer, Dir vorzustellen,
dass man dieses Jüdische Volk liebt.
Man liebt nicht das Sein, sondern
die Wiedergeburt, die man sieht,
weil man an ihr beteiligt ist. Dir
liegt das Bodenlose, mir liegt es,
Boden unter den Füssen zu haben.
Ich halte etwas vom Ort der Ver-
wirklichung. So gibt es Selbstkon-
trolle, so kann man sehen, ob
Menschlichkeit nicht nur eine Vo-
kabel ist, sondern geübt wird".
Und dann schlug zwölf Jahre
später Hannah Arendts Buch „Eich-
mann in Jerusalem" bei Blumenfeld
wie eine Bombe ein. Es ist schwer,
seine Empörung zu beschreiben.
Das Buch enthüllte so manches,
was er schon 1951 gesehen und kri-
tisiert hatte. So war er jetzt wieder
bei der absoluten Verurteilung an-
gelangt, die in dem bereits erwähn-
ten Brief vom Jahre 1946 in dem
Satz gipfelte: „Ich habe Hannah
ihren Zionismus nie geglaubt. Als
ich ihr einmal in einer Versamm-
lung .sagte: zwischen uns gibt es
einen Kampf auf Tod und Leben, da
war zwar die Ausdrucksweise der
Erregung zuzuschreiben, was ich.
aber fühlte, war richtig".
Blumenfeld hatte in den letzten
Jahren, in denen er oft an den Tod
dachte, das Bedürfnis empfunden,
alten von ihm ehemals bitter, wie
er jetzt meinte, allzu bitter bekämpf-
ten Gegnern die Hand zur Versöh-
nung zu reichen. Dafür legen min-
destens zwei Briefe Zeugnis ab,
Briefe der Reue, bemerkenswert
aber auch, weil sie kunstvoll so
angelegt sind, dass er bereut, ohne
sich eigentlich zu desavouieren. Man
kann sich ihn geradezu vorstellen,
wie er einen solchen, nicht gerade
einfachen Brief diktiert, in guter
Stimmimg, mit einem Glase Wein
nahe bei der Hand, nachdenklich
mit geschlossenen Augen das tref-
fende Wort suchend, und dann die
Augen öffnet, um mit einem halb
verlegenen, halb verschmitzten Lä-
cheln der Sekretärin das Diktat zu
übermitteln.
So mag es wohl sein — ich
konnte es nicht erkunden — , dass
er von seiner alten Freundin in
Frieden geschieden ist, als Hannah
Arendt ihn zwei Wochen vor sei-
nem Tode in Tel-Aviv, bei einem
ganz kurzen, fast unbemerkt geblie-
benen Aufenthalt in Israel, im Kran-
kenhaus aufsuchte, — als übrigens
seine Kraft für Auseinandersetzun-
gen bereits erloschen war.
Mit alldem soll nicht gesagt sein,
dass sein Zorn in ernsten Fällen sich
leicht in ein Nichts auflöste. Er
hielt nichts von der Maxime: „Alles
verstehen, heisst alles verzeihen".
In seinen verabsolutierenden Über-
forderungen an andere, wenn es um
die Sache des Zionismus ging, oder
um seinen oft verkündeten Satz:
„Zionismus ist ausschliesslich eine
Frage des Charakters, nicht die
Angelegenheit einer bestimmten Ge-
sinnung", war er unnachgiebig.
Zum Schluss ausführlichere Aus-
züge aus einem langen Brief vom
Dezember 1948, der Blumenfelds
Stellung zum Staat kurz nach seiner
Gründung beleuchtet und daher von
biographischem Interesse ist. Er
ist nicht an mich, sondern an einen
anderen Freund gerichtet. Aber Blu-
menfeld übersandte mir gleichzeitig
eine Abschrift. Auch hier sind in
der Wiedergabe Bemerkungen per-
sönlicher Art ausgelassen worden.
Es heisst in diesem Briefe: Ich
hätte Dir viel zu antworten: Ant-
worten, mit denen man einen Band
füllen könnte, und wo ich immer
wieder stockte, weU Dir so viel be-
wusst ist. Den Konflikt, den
Meinecke in seiner „Idee der Staats-
raison" behandelt, hat ja unter
meinen Bekannten niemand deutli-
cher erfahren als Du: Ich denke da
an den Kampf zwischen politischer
Intuition und Erkenntnis und dem
Gott in der eigenen Brust. Es ist
kein Trost, dass da noch niemand
ein Rezept erfunden hat.
Auch der Genius des jüdischen
Volkes, den Du im israelitischen
Prophetismus bewunderst, findet
für den jeweiligen Augenblick kei-
ne befriedigende Lösung. Ob man
mit Babel geht oder mit Mizrajim,
wirkt auf uns nicht überzeugend.
Heiliges liegt neben Unheiligem
dicht beieinander, und grosser
Ethos wird manchmal auch bei den
Gewaltigen zu moralischem Verhal-
ten für praktischen Gebrauch. Deine
Haltung zur Tagespolitik war mir
bekannt, und ebenso, dass Du Dich
nicht genierst, einen Irrtum einzuge-
stehen...
...Zweimal sagst Du: „Er (Ben
Gurion) hat recht für den Augen-
blick". Dem möchte ich schon des-
halb nicht widersprechen, weü man,
wie mir scheint, in den kleinen
Verhältnissen, in denen wir leben,
und in der ganz unübersehbaren
Verschlungenheit der Geschehnisse
bestenfalls für einen verlängerten
Augenblick recht haben kann...
...Ich lebe jetzt drei Jahre im
Lande [er war aus Amerika zurück-
gekehrt] und fühle das, wenn ich
Ereignisse betrachte. Ich sehe na-
türlich oft aus der Froschperspekti-
ve, wo Du die Möglichkeit hastj aus
der Stratosphäre die Welt zu be-
gucken... Gewiss sind die Kriege
in dieser Welt des mittleren Ostens
nur Miniaturangelegenheiten, ge-
messen an Zusammenstössen euro-
päischer Heere. Aber gerade wenn
man das weiss, soll man nicht
übersehen, wie Erstaunliches auf
müitärischem Gebiet geleistet wur-
de. Experten von Rang sind zu
Urteilen gekommen, die sehr be-
merkenswert sind. Es ist zwar noch
nicht gelungen, eine Armee zu schaf-
fen, bei der grosse Verbände in
geschulter Form manövrieren kön-
nen. Es sind aber Gruppen ausge-
bildet worden, deren Kampffähig-
keit so stark ist, dass auch eine
modern ausgerüstete Armee einen
Gegner finden würde, der ihr ernst-
lich zu schaffen macht.
Wir sind beide keine Strategen.
Aber da ich ein alter Delbrück-Schü-
1er bin, der sich einmal mit der
Geschichte der Kriegskunst be-
schäftigt hat, habe ich manches
verstehen können. Es gibt Leistun-
gen, die ich am Tage der Staats-
gründimg für unmöglich gehalten
habe...
...Ob ein nationalistischer Staat
ein Rechtsstaat sein kann, ist die
Frage. Es ist auch die Frage, ob ein
kapitalistischer Staat ein Rechts-
staat sein kann und ob das in einem
sozialistischen oder kommunisti-
schen Staat möglich ist. Iherings
Wort Recht ist die Politik der
Macht, das er im Kampf ums Recht
bekämpft, aber praktisch immer
wieder anerkennt, ist eine erschüt-
ternde Mahnung.
Uns bleibt immer nur der Kampf
ums Recht, und ich behaupte, dass
in dem Staat Israel dieser Kampf
ums Recht viel wirksamer und mit
viel grösserem Mut geführt wird,
als jeweils von den wenigen Pfar-
rern der Bekenntniskirche, die wag-
ten, gegen den Strom zu schwim-
men. Bei dem Untergang von Sodom
hätten zehn Gerechte die Stadt
retten können. Mir scheint, dass
unter den 120 Millionen Grossdeut-
schen nicht genug Gerechte zu fin-
den waren, um die Schale der Ge-
rechtigkeit höher steigen zu lassen.
Thomas Manns Roman Dr. Fausti
Wehklag, obwohl im sicheren Port
geschrieben, ist ein besserer Anwalt
für das deutsche Volk als Deine
Zeugen.
Es entspricht meinem Wesen,
dass ich auch in den Zeiten, in
denen ich dem deutschen Volk Nie-
derlage und Untergang wünschte,
den Hass gegen das deutsche Volk
niemals aufzubringen imstande war.
Ich habe mich in jenen Jahren nicht
geniert, öffentlich zu fragen, ob
Gott den Juden oder den Menschen
geschaffen hat.
Oft genug habe ich mich mit der
Frage des Nationalismus herumge-
schlagen, und immer wieder emp-
fand ich Nationalismus als eine
Krankheit der Nation. Aber es er-
scheint mir sonderbar, wenn je-
mand vom Genius des jüdischen
Volkes in ferner Vergangenheit
überwältigt wird und gar nicht
merkt, wieviel wichtiger es ist,
dieses Volk in seiner Not, in seiner
Un Vollkommenheit zu lieben...
...Klopstock sagt: Sei nicht allzu
gerecht, mein Volk. Ich weiss sehr
gut wie ungeheuer die Aufgabe ist,
vor der wir stehen, und wie furcht-
bar es für uns sein wird, die neue
Volk werdung zu erleben. Da kom-
men Landstreicher wie in der Zeit
des dreissigjährigen Krieges, Figu-
ren, wie wir sie niemals unter Juden
gekannt haben, und stellen sich als
gleichberechtigte Mitglieder des jü-
dischen Volkes ein; ein Gesindel,
kaum zu beschreiben.
Und gleichzeitig höre ich und
sehe ich, was in wenigen Monaten
aus eingewanderten Kindern wird.
Es steckt etwas im jüdischen Men-
schen; und es gibt da Menschen,
junge und alte, mit denen keiner
von uns sich messen kann. Wir wer-
den jeden Tag neu geboren. Es ist
die Frage, ob ich z. B. die Kraft
habe, diesen Prozess mitzuerleben.
Man wird müde, und es ist jeden-
falls eine grosse Anstrengung, im
Herbst der Zeit zu leben, in der wir
gebildet worden sind..."
Soweit Auszüge aus diesem Brief
vom Dezember 1948. Ich habe in
vielen Briefen geblättert und bestä-
tigt gefunden, was ich vor einem
Jahre bei einer Askara sagte. In
den letzten zwanzig Jahren vor sei-
nem Tode behinderten ihn, den
grossen Redner, Krankheiten in tra-
gischer Weise. So war er auf Briefe
und Gespräche beschränkt, — jene
Gespräche, die den anderen in ihren
Bann schlugen, denn sie sprachen
mit einem Manne, der berufen war
und sich berufen fühlte, Führer und
Lehrer zu sein. Und viele seiner
Briefe mit ihrem so persönlichen
Stil sind ein manchmal düsterer, oft
aber ein leuchtender Ausdruck die-
ses seines Bewusstseins, dass es
seine Aufgabe war, Wege zu weisen.
PUBLIKATIONEN
DES LEO BAECK INSTITUTS
KURT BLUMENFELD
ERLEBTE JuDENFRAGE
Ein Vierteljahrhundert deutscher Zionismus
Herausgegeben und mit einer Einführung versehen von
Hans Tramer
IL 12.60
FRITZ HEYMANN
DER CHEVALIER VON GELDERN
Eine Chronik der Abenteuer der Juden
Mit einem Vorwort von
Hermann Kesten
IL 18.60
DEUTSCHES JUDENTUM — AUFSTIEG
UND KRISE
Gestalten, Ideen, Werke — Vierzehn Monographien
Herausgegeben von
Robert Weltsch
IL 15.—
RAHEL STRAUS
WIR LEBTEN IN DEUTSCHLAND
Erinnerungen einer deutschen Jüdin
2. Auflage
GERMANIA JUDAICA
Band I
Von den ältesten Zeiten bis 1238
IL 14.50
IL 32.20
MONATSSCHRIFT FÜR GESCHICHTE
UND WISSENSCHAFT DES JUDENTUMS
83. Jahrgang
Neue Folge 4 7. Jahrgang
IL 85.—
BITAON PUBLISHING CO. LTD.
F.O.B. 1480, Rambamstr. 15, Tel-Aviv
«ftf^
,-, Ä"
W^'/^-fi^
^^-<y
Ui
^ //^z;^^^
/y^^U/^i^^f^
/ /o H/r
'iu^A/- 0 -^-^^^^^
/^/^
-X
/
T'^^
ttt-c^^"^^
/^
i^/'
^/ ^^>/^ .^^^^-^ ' ^.^^ C-^*
7/'^ {}ti-i^"t/
/•
/?^ /Ä-^' • M<4^l^,//^ . Jzg-^^ ^ ^^^1-
,/Ö
TTT^i^MrW^^
e 'uc^Z/t /r? ^^t^f<f^
/^
y*'^
T'
A^
yr-i^fCi-^v
/
i?
/^(^
,/^/<5'/
:i
>/2^^'2^
;^^ z
/^
zi/^
.<> z ^ ^^
/
'^/^H^U^-^i /^
//^
//i.
^^
(/,
/^.
^ /c/^ /^/, j - >^v>
/^
/
f^Z/^r^
^Z^^, /ä^/^^
'4^^
/'^
:^
tt6^/
'id^y'^n-*^ wi
y^^
li^^A /l^^^^L^*/^ a^Ci^ /'
"1-Jt
Tr{t
^
?^
Zi^d-'t^
i^/€^^,^r4^
^^S-^
iWä ^ f^ •^' t^m.*€4^^*^ sf^tft*^
fy>^ »i^ J.*^ A»^- "^^ ^ ^'^ ^'
M/iX-fZ^ %^ ^^^^ ^^ (^^'- ^i^
I
Jt^ . / /prij(
z.
i
c^ 4t^4^'^
CCi^
/H^)i^^^ ^^ P , ^/^>) V^ \/^^^^^^
0
7Ü ^
d
(^
J
'/^ /^iö' «^^,£4<f>■^^'{/ ^^f^
^«f/^
^^^
z:-
dAU^
/--^-*^^
/4^>«^ w
,^^,>^ *^ *^ ^*4fc» -Ci^
^^^y*i
/^)^ w4l^^hr^ ^ ^4^'ig/fc^^y^
»Ufilcrf)
/^ i4^ *M€^ ^ /f^r
,4<<?.^»^Ar '^^ ^. '^^^^^
4^ '^
'^ f IV-Mä/^»^ ' /^**^ '^^
/^j^Ärr
^/u^^^-^e^^*
^
y
ii^ ^
/7,
•V'-O'c^.'
fef^:
■^^^i'm^«--
Z^.;«^ -ii^sA' /^^i«? ^S^^ .^^ii*iH4^t^^^f^'**^^^^'^
i-^^v
A^l^
f'^^Fnday, Februä
'^-
1965
/
^rrr.
Ci^Uler arische Weit |
Str^emann— Licht und Schatten
Lebensbild eines grossen Berliners — Von Carl NTisch
Mein Landsmann und Mit-
schüler Gustav Stresemann war-
tet, 35 Jahre nach seinem Hin-
scheiden, noch auf seinen Plu-
tarch. Doch halt! Landsmann?
Mitschüler? Der preussisch-deut-
schen Staatsangehörigkeit hat
mich ein robustes Schicksal be-
raubt, aber wir stammen beide
Siegfriedens-Fanatiker. um dann
zum Träger des Nobel-Friedens-
preises und zum Schmied
deutsch-französischer Verständi-
gung aufzusteigen. Eine Welt im
Wandel — wer wollte den tadeln,
der sich da nicht wandelt?
Hirsch zögert nicht, Kritik an
/seinem Helden zu üben, mit Vor-
sicht und Zurückhaltung, wie sie
tiert^
te
Vol
im
zehij
stre'J
einiv'
sent
StÜ'j
bici
aus dem harten und nüchternen Lder enge Rahmen des Buches
Berlin, wo es am härtesten und ^hm auferlegt, aber unmissver
nüchternsten war: aus der Lui
senstadt. Auch ich bin in der
Köpenickerstrasse aufgewachsen,
einen knappen Steinwurf ent-
fernt von Stresemanns Geburts-
haus, und auch ich wurde auf
das Andreas-Realgymnasimu ge-
schickt, dessen grösster Alumnus
ständlich. Er tadelt Stresemanns
Irrwege im Weltkrieg"; lehnt
as "ganz unzeitgemässe Tele-
ramm" an Wilhelm II. zu dessen
0. Geburtstag (1919) als "Ge-
chmackverwirrung" ab; stösst
^ich an Stresemanns "sonderba-
rer Neutralität" im Kapp-Putsch,
T i
Stresemann war. Gewiss, ich 4 seinem "letzten grossen innen-
kam zwanzig Jahre danach, aber politischen Irrtum"; vermerkt
der gleiche Lehrer, der "einen er- ] stresemanns "romantische",
heblichen Einfluss" auf Strese-
mann ausgeübt hatte, Professor
Wolff, war mein Geschichtsleh-
rer, und von dem so erfolgrei-
chen jungen Politiker, der bereits
in den Reichstag eingezogen war,
sprachen die Lehrer häufig zu
uns.
All das kommt mir in den
Sinn, da ich ein Büchlein durch-
blättere, das mein Kollege Felix
Hirsch soeben (im Muster-
schmidt-Verlag, Göttingen) über
"Gustav Stresemann — Patriot
und Europäer" veröffentlicht, in
der Reihe "Politik und Ge-
schichte" (Band 36), ein gediege-
ner "Paperback" von 112 Seiten.
Es ist der Vorbote einer "end-
^Itigen" Biographie, die Hirsch
seit Jahrzehnten plant, und zu
der er wie kaum ein anderer be-
rufen ist.
Hirsch verehrt seinen Helden,
das ist nur recht und billig, er
fo^gt ihm mit Nachsicht und
Verständnis, und das muss so
sein. Auf die Grossen der Wei-
marer Republik hat die Welt im
Wandel, mit der sie sich wandeln
mussten, dunkle Schatten gewor-
fen. Der alte Burschenschafter
Stresemann, der dem Freisinni-
gen Eugen Richter den Zoll der
Ehrerbietung entrichtete, wurde
zum Tirpitzjünger und AUdeut-
söhen, aum Annekition isiten und
wirklichkeitsferne Einstellung
zum Kronprinzen.
Der Mann der Tat, der prak-
tische Politiker, muss sich wan-
deln dürfen. Aber war der Wan-
del echt? Viele haben daran ge-
zweifelt. Hirsch geht dem Pro-
blem nicht aus dem Wege, wird
wohl in der grossen Biographie
tiefer in es eindringen. Heute
nennt er den Brief, den Strese-
mann 19i25 an den Kronprinzen
richtete, und in dem er die Not-
wendigkeit ausspricht, vorerst au
"finassieren", ein "vielumstritte-
hes Dokument", das Stresemanns
."Nachruhm sehr geschadet" ha-
be. Der resignierten Feststellung,
"es wäre besser gewesen, wenn
dieser Brief nicht veröffentlicht
worden wäre", fügt er, als Nach-
gedanken gleichsam, hinzu:
"noch besser, wenn er nicht ge-
schrieben worden wäre."
Die grossen Männer der
schichte geben Rätsel auf. S
semann macht da keine Ausn
me. Trotz allem bleibe ich stol
dass er mein Landsmann un
mein Mitschüler war. Die Luisen-
stadt ist in Asche, das Andreas-
Realgymnasium, vom Volksmund
als "Stralauer Akademie" bespöt-
telt, ist dahin. Geblieben ist das
Andenken an einen grossen Sohn
und diesem Andenken dient Felix
Hirsch in treuer Bescheidenheit.
reiJ
Sta]^
gibi|
ber'
das
ha
"De^
Hör'
alle
dies'^
saoh
Prok'
des
ger
Oper'
sohli;
ten
das
Schaf)
Anschj
"Hoc'
Siegfi'
de int
ster F'
verganij:!
Arbeit
schule
Eine]
ist von
ter dem
he der
graphien
ohen)
ind Landschaft
Heine ("halb Nachtigal
heoq
inne^
ei-nst'
zu Füi
Leben
grosser
einem ei
i/>'-^
■<
/^"^C^
^ f/tpe-'C^
1^f^^^-l(y
;2v-
.^4^4^
■1^
^ -
k^'li/i
^'^'^ ^.i^ £,^ri^ /^6,^ v^^^^
iÄÜs*^
-r+-
I I
-cue^
^i^^t/'
issc-^ <
^i(::Wi-/±4.Ai -A^y^M-i^ ^^/
1
iC/J &i^ Al
^
:?
■V **i
<^^A^f^
T
/
LS^^
ßyl^A.'^^^it.^^
!i
— n/^ir^ ^c^ rJk^^iX-yX >^ ^^y/^^^'^^^ ; ^Y^^^ ^ ^^^^^l^^^^^^^
^^A^^.^^^-/^^^^ ^^^^^ ^ ^^^L
.=Z-.^x:^_-^^r^/^ w^
€
r
/
^wV,
fe^
•Ä%'^/;?a
Y^ ^eacu/t^Jciui
^^^
vM?
/
^ ^Avt '^i^ ^i^u^ ^ ^(u^ t^ ^,4i^ ^
^iSc^t^/A.
^*^ / '/ ^t^
ft> V
.-^^•^ r-J^'
>'-'
J,„v
,vV^
v;ys
',•'1 '"«;-*
>,j>;fvJ-A V '>\,
^^^ife^ 'r
r< '.
- ■n ■>
->,
th''
i't>
'Ä-' <«
'>
H.'.
'-'~ gi^
».■^'"V
:^-«
i*r**;
''t',^,^^
/,.-'■
^ t7 ■^
•^ *<'Vj
k^:
^A,A-f^^
^*^4f^ 4t, ^4> <r3^*<^ -e**«' ^-»^- /"f/^J
/l
l - -^
6
S 7 r t
Ok.
^^J' ^^ 6i> ^l yy
^^/*
^/
// /^
3'^:^
T'
(py^*^^ ^^"- ^ic*^-»*^'
/^/^.^
/
Page 6
fF. Rosenstock
IS PUR RECORD REALLY BAD?
The " Ostjuden " in Germany
One of the legends. which tend to develop into
uncontested Statements, is that of the alleged
antagonism with which the Jews from Eastern
Europe were received in Germany by their
German-born fellow Jews. The legend is some-
times even given a shint in the light of the events
after 1933, when the German Jews themselves,
who had regarded Germany as their homeland,
became uprooted refugees and it was their turn
to depend on the solidarity and hospitality of
Jews in other countries. Many of these Jews in
America, Palestine and England were themselves
descendants of East European immigrants.
What are the actual facts ? For the first time
they have been systematically recounted and
analvsed in a comprehensive book published under
the äuspjces of the Leo Baeck Institute, covering
the whole period from 1880 to 1940.*
Nobodv could be better qualified for writing
the Story' than is Mr. Adler-Rudel. Born in an
eastern outskirt of the former Austro-Hungarian
monarchy, he held an important position in the
Organisation of constructive work for the Eastern
Jews under the Weimar Republic. He also
acquired an intimate knowledge of the mentality
of the German Jews. If he js now the director
of the Jerusalem oflfice of the Leo Baeck Institute,
it is certainly not only due to the fact that the
differences between " Jeckes " and other Jews
have become unimportant in the light of the
tragic past. but also because he has become one
of US. Before he went to Israel, Adler-Rudel
lived in this country for several years. and took
a responsible part in the rescue work of German
Jews.
An Objective Work
The particular value of his book arises out of
the fact that it is based not only on existmg
written material, but also on personal experiences.
This gives the story colour and recreates the
atniosphere of the events. At the same time.
though the author's emotions are involved, it is
an objective work of historiography. However.
inasmuch as ihe historian is to some extent also the
judge of the period he reviews, otherwise history
books would be only compilations of documents,
the latter Statement calls for some qualification.
The contention that. to some extent, all
indigenous Jewish populations have their reserva-
tions against an influx of foreign Jews, is hardly
contestable. It particularly applied to a country
such as Germany, where the Jews were always
in a somewhat precarious Situation. Additional
difficulties may have arisen from both the simi-
larities and differences between Yiddish and
German. A Yiddish-speaking Jew in an English-
speaking country is. in the eyes of the man m
the Street, just a foreigner like a Swede or a
Frenchman. In Germany he is considered as a
man who speaks a " corrupt " German. This lays
him open to contempt or to mockery on the part
of the Gentiles and to embarrassment on the part
of German-born Jews. All this explams that.
while there was every readiness to help finimcially.
Ihere was in some quarters reluctance to regard
the immierants as pofitical and social equals. The
most illuminating example of this attitude given
in the book is the speech of the representative
of the Chemnitz Jewish Community at the Con-
ference of the " Deutsch-Israelitische Gemeinde-
tag" in 1921. Referring to the fact that in his
communitv of 4.000 Jews the vast majority (3 100)
were of 'foreign origin. he said : " We have
sacrificed hundreds of thousands of marks for
them to prevent their being put into concentra-
tion camps. . . • We are prepared to grant them
everythine yet we cannot grant them franchise.
We cannot admit that the foreigners rule ovcr us
German Jews."
The author does not sneer at this attitude yet.
to some extent. he records it in a reproachful
way. Having gone through a catastrophe which
did not differentiate between German and Eastern
Jews, it scems doubtful whether anyone would
express views of this nature today. Yet we have
to judce them in context with the circumstances
of those days and. much as one may have dis-
acreed with them, one cannot easily dismiss them.
^Things are different as regards the utterances of
the "Verband nationaldeutscher Juden". In an
article quoted in the book, its founder and Chair-
man, Dr. Max Naumann, goes out of his way
to explain how alien the "Ostjude" is to the
" National-German " Jew. A pogrom, he says,
provokes in him general humun sympathy with
the victims. yet the sufferings of German prisoners-
of-war in Africa burn his own skin. Mr. Adler-
Rudel States, rightly, that the groiip was small.
He is also correct in describing them as " extreme
assimilationists". Their political Propaganda in
German public life certainly lacked dignity and
sclf-respect, to put it mildly. Yet does it not go
a little too far to suggest, as the author does.
that the group " negated everything Jewish " ?
Like the majority of the German Jews. the present
writer dete&ted the views and activities of the
" Nuumann Group ". Yet the historian must
beware of Slogans and unjustified exaggerations,
and we cannot get away from the fact that, by
its very name, the group proclaimed its Jewish
identitv, and that there were active Jewish com-
munal'workers amongst its leading members.
Having dealt with such minor reservations
which come to mind when reading the book. it
can be stated that, both in the factual account
and in the analysis. Mr. Adler-Rudel has suc-
ceeded in doing outstanding spade work. Also,
those amongst us who have been active in German-
Jewish life. will learn many details hitherto
unknown to them. The author records that.
alreadv in 1910. the number of Jews of foreign
nation'alitv amounted to 79,000. i.e. 13% of the
total Jewish population of 615.000. It may be
mentioned, in passing, that Jews of non-German
nationalitv were not necessarily foreign-born as.
contrarv ' to the British System, German-born
children of foreigners did not automatically acquire
German nationality. Anyhow, the number was
higher than manv of us may have assumed. and
it grew to 90,000 by the outbreak of the First
World War. There was an influx during the war
yet paradoxically. not by sufferance on the part
of the German authorities but at their express
desire- to relieve the shortage of labour m Ger-
manv tens of thousands were hired for the
German war industrv. At the end of the war.
in addition to the '90.000 pre-war imm'grants
there were 35,000 war labourers and 35.000
prisoners-of-war and civil internees, altogether
160.000.
Statistical Facts
• S Adler-Rudel : Ostjuden In Deutschland 1880-1940.
Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo Baeck
instinite of Jews from Germany. Foreword by Siegfried
Moses Published by J. C. B. Mohr (Paul Siebeck). Tübmgen.
DM 21 for members of the Society of Friends of the Leo
Baeck Institute, 21/-. pIus 1/6 postagc.
At the time of the first German census after
the war (1925). which showed a total Jewish
Population of 564.000. the number of foreign
Jews amounted to 107,000 (19%). The proportion
was the same in the 1933 census, but the absolute
figures had decreased to 499.000 and 98.000 respec-
tively On both occasions the percentage was
hiebest in Saxonv (65% and 66% respectively).
and the cities with the highest percentage of foreign
Jews in 1925 were Leipzig (80%), Dresden (60%),
Munich (27%) and Berlin (25%). The order was
the same in 1933. except that the percentage in
Berlin (30%) surpassed that of Munich (26%).
As Adler-Rudel rightly points out. it is a
reflection of the political climate of Germany at
that period that an element of 100,000 foreign
Jews in a total population of 63 million people,
sufficed to serve as an important political weapon
for the German right-wing parties. The author
places on record the efforts of the Central-Verein
as the major Jewish Organisation in Charge of
the combating of anti-Semitism in trying to dispel
unfounded attacks and prejudices against the
Eastern Jews. . . . ,. . . *u
The major part of the book is dedicated to the
work of the Jewish " Arbeiterfuersorgeamt , which
AJR INFORMATION December, 1959
was set up jolntly by the leading German-Jewish
organisations and the representative bodies of the
immigrants from Eastern Europe. The "Arbeiter-
fuersorgeamt " was in charge of the protection of
the immigrants' political and legal Status, their
economic absorption and their welfare needs. By
its verv nature, this work went beyond the Jewish
Philanthropie activities in pre-war Germany. At
the same time, it served as a Stimulus by means
of which the entire System of German-Jewish
welfare work was eventually revolutionised.^^ To
no lesser degree. the meeting between " East " and
•' West " also made its impact on Jewish cultural
work. The " Volksheim " in the Dragonerstrasse,
which was opened in 1916 with an address by
Gustav Landauer and which was meant as a kind
of settlement for Eastern Jews in the district.
attracted many younc German Jews who. for the
first time. cot ' an intimate knowledge of the
unbroken Jewishness of the newcomers. Directly
or indirectly, the Jewish youth movement (not
only its Zionist section). bcnefited from this
experience.
Position of Intellectuals
Perhaps the most interesting chapter in the^
book is that dealing with the position of me
intellectuals, if only because very little has been
written about them before. It is noteworthy that
the Historical and the Economic Statistical
Departments of the Juedische Wissenschaftliche
Institut in Wilna (Yivo) had their seats in Berlin,
including among their members .Simon Dubnow
and Jacob Lestschinsky. Also, the journalists
Berl Locker and H. Swet Hved in Berlin, as did
the Yiddish authors A. N. Stenzl and the brothers
J and A. Steinberg, the Hebrew poets S. Schneur
and S. Tschernichowski, and the philosophers
J. Klatzkin and M. Soloweitschik, to quoto only
some names at random. Periodicals (though some
of them short-lived) and Publishing enterpnses
were founded and, during the first post-war years.
Germany was second in the world in the produc-
tion of Yiddish books. All these ventures were
also supported by the leading Jewish organisations
Of the great amount of rngiäii^Mlg^oi^ifd in
the book. some items ci^i rbr special rele ^
There was the decree of the Prussian Minist.^r
the Interior, Wolfgang Heine, of November ,9! . _ .^
instructing the regional authorities of his Min.str>,.r^<
not to expel foreign Jews as a rule, in spite of the
economic crisis. The decree also gave he
"Arbeiterfuersorgeamt" an olficial Status as a
consultative body in the policy towards forein
Jews. There is a description of the atrocities coi.
mitted by the guards in the Cottbus and Stargai
internment camps. into which foreign Jews wer
thrown as " undesirable aliens " when the politica
Situation started to deteriorate in 1921.
One of the aspects rightly referred to by Adler-
Rudel is the fact that the experience gathered
in the constructive work on behalf of the Eastern
Jews in Germany was of the greatest value to the ^
German Jews when, in 1933. they were upror>t€:i^ ^
and required support and vocational training.
Apart from its practical relevance. it is
impossible to read this book without being con-
stantly tempted to compare the similarities and
differences between the fate of the Eastern Jevs
in Germany and that of the German Jews at the
time of the catastrophe. The book also excels in
clarity and conciseness.
iP
f I
Your House For ;-
CURTAINS, CARPETS, LINO
UPHOLSTERY
SPECIAUTY ^
CONTINENTAL DOWN
QUILTS !
ALSO RE-MAKES AND RE-COVERS
ESTIMATE5 FREE
DAWSON-LANE LIMITED
17, BRIDGE ROAD, WEMBLEY PARK
Telephone : ARN. 6671
Peraonal attention of Mr. W. Schachmonn
^
AJR INFORMATION December, 1959
THE MARTIN HEIDEGGER GASE
\\
i
How was it possible that Professor Martin
Heidegger, a scholar of international repute and a
philosopher of great merit, accepted the Rectorate
of Freiburg University from Hitlef s hands in 1933
and took over the chair held until then by his
friend, Edmund Husserl, the great Jewish thinker,
who had recommended him as his successor ? In
his inaugural speech he hailed the new regime in
glowing terms, but in all later editions of his princi-
pal work, " Sein und Zeit ", he omitted the original
dedication to Husserl, whom he never mentioned
again. Paul Hühnerfeld gives us the answer, not
only to this case but also to many similar short-
comings on German thinking in recent years.* This
critical and unbiased book points out some of the
dangers inherent in certain aspects of German
scholarship and character.
" The Man without a Life Story "
Hühnerfeld tries to piece together biographical
facts about Heidegger which the philosopher
deliberately keeps in the dark in order to Surround
himself with my&tery — " the man without a life
^.o-o' " as he likes to call himself. However, he
has a biography and it explains many of his actions
and ideas. He was born in Messkirch, in the Black
Forest, a Roman Catholic, but he gave up his theo-
logical studies and became a philosopher. When
he was 34 he was made a lecturer at Marburg
University, and his main work was published at
that time. After he had been appointed Rector at
Freiburg University and after his speech on the
" self-preservation of the German University " his
enthusiasm for the Führer soon faded, and from
about 1936 he made biting remarks about Nazism.
Later on Heidegger became " undesirable " as an
author, and the publication of some of his works
was forbidden. The Nazis probably feared that the
intellectual force of this strong mind might blow
their shallow ideology to pieces. The philosopher,
on the other band, feit that Hitler would not lead
the nation into the nothingness worked out by his
speculation but into a different kind of chaos.
rr*iafter-the^"iTb«ifvtion, the French occupied
lern Germany, they suspended him from his
Jtureship. He is now Emeritus Professor but is
j,iill holding a private seminar to which, according
to Hühnerfeld, only some chosen disciples are
adrriitted. • . ,, -j
Üühnerfeld does not underestimate Heideggers
gejius, his penetrating mind and originality. He
('.»CS not deny that the philosopher has given us a
ttep insight into the problems of existence, making
• Paul Hühncrfeld. In Sachen Heidegger. Versuch über ein
eotsches Genie. Hoffmann und Campe Verlag. 1959.
IP
f
GEORGE WULFF
PHOTOGRAPHY
FASHION
ADVERTISING
PORTRAITURE
i
CLARGE8 ST., LONDON, W.1
CROs^rnor 4746
man and his being-in-the-world the starting-point
of his thinking. He has created a language of his
own, difficult to understand but capable of express-
ing intangible ideas. (His concern with language
and his effort to go back to the roots of words in
Order to reach the origins of the " collective soul "
brought him dangerously near to Hitler's idea of
language as a means of " clarifying " facts beyond
the limits of what can be proved logically, as
expressed in " Mein Kampf ".) Together with
Jaspers. Heidegger brought about the revival of
great names like that of Kierkegaard and Bergson.
What accounts for the philosopher's stränge atti-
tudc under Nazi rule? He was probably serious in
his plea for the preservation of the universities,
which were in danger of being swallowed up by the
party-machine because they were considered as
too exclusive and " reactionary ". He very subtly
compared the students' Service for learning with
that of the labour corps and the army. But the
author thinks Heidegger's temporary conversion to
Nazi&m was no " ephemeral error ", as one of his
apologists has called it.
One of the reasons for his attitude is his enig-
matic Personality. He is a typical Black Forester ;
subtle, Stubborn, and gloomy, an enemy of life
" when it is not heavy and sombre ". His
" barbaric " provincialism, as Hühnerfeld terms it,
went so far that he declined two offers of a chair
in Berlin at a time when everybody would have
been glad to teach at that centre of European
intellectual life. There is a certain narrow-minded-
ness about his sticking to his native soil, which he
symbolises by sometimes wearing a fancy peasant's
costume. Apart from his vanity and authori-
tarianism where his ideas are concerned, he is a
lonely man : the Nazis deprived him of his friend-
ship with Husserl, Jaspers lost his post because he
did not comply with the Nazi doctrine, and one of
his few pupils, Karl Löwith, emigrated.
Affinity to Nazism
Heidegger and the Nazis had several things in
common : there was a difference of level but not of
kind. Nazism cannot be called a philosophy, it
is true : " National Socialism is neither a philo-
sophy nor a way of life ; it originated from the
German middle-class conception of the world,
hatched out on plush sqfas and practised in the
gas Chambers of Auschwitz. It is a horrifying
tangle of the romanticism, nationalism, and the
anti-Semitism in the mind of the German ordinary
man between 1890 and 1933." (Hühnerfeld.)
Both the Nazis and Heidegger hated the 19th
Century to which they owed so much, and wanted
education to be a preparation for "the destiny
of the nation", for self-sacrifice. Reason was to
be replaced by the irrational ; academic freedom by
Service. The philosopher was temporarily on
Hitler's side because the dictator seemed to him to
be a "Werkzeug des Seins". Heidegger's philo-
sophy of existence, published some years before
Hitler's Coming to power, denied the achievements
of civilisation and scientific discovery and called
man back to the inevitability of his fate. Man
must face nothingness and death with resignation
and courage. Death and nothingness! " Jwo
poles which are dangerous for the German spirit!
. . . A few years afterwards the most terrible
despisers of life were to take German fate into their
own hands. Is it really surprising that Heidegger
stQod in their camp?" The author goes deep into
the German's preoccupation with the idea of death
and quotes Clemenceau's words about the lack of
realism in the German soul and their love of self-
destruction.
It is Paul Hühnerfeld's aim to show his com-
patriots how necessary it is to face facts, and to
lead them away from the dangers of romantic
irrationalism. Friedrich Wilhelm Foerster, the
octogenarian pedagogue who, during a Jifetime,
fought for ethical principles and religious tolerance
sometimes against great odds, says in his recent
book on " Die Hauptaufgaben der Erziehung
(Herder, Freiburg 1959): " We need pedagogues
and youth leaders today . . . who have trained
themselves realistically . . . and know that every
idealism which has not gone through a realistic
discipline leads to every kind of swindle and
escapism." These simple words express most aptly
the lesson taught by the Heidegger case.
ERNST KAHN.
Page 5
Old Acquaintances
Home ISetcs: Lucie Mannheim has received the
Great Gross of Merit for her post-war Services
for tiie German theatre. — Oskar Kokoschka came
to London to execute a portrait of the publisher,
Sir Stanley Unwin. — ^Gustav Regler's auto-
biography, "The Ovvl of Minerva", has been
published by Heinemann. — Otto Heller is shoot-
ing Michael PowclTs " Peeping Tom ", starring
Moira Shearer and the Continental actor Karl-
heinz Boehm, a son of the wcll-known Viennese
conductor.- -German actress Erika Remberg will
appear in " Cjrcus of Horror", starring Anton
Diffring. — Bernard Grün dedicated the German
edition of his book, " The Private Livcs of the
Great Composers ", published jn Vienna under
the title "Durchs Notenschluesselloch betrachtet",
to O. M. Fontana. — Herbert Lom. Gerard Heinz
and Karel Stepanek visited Munich to appear in
the Wernher von Braun film Lee-Thompson is
directing for Columbia. — Martin Miller, who made
a successful appearance in Anthony Asquith's
" Libel ", appeared with Marianne Decming-
Kupfer in Rice's " Street Scene " on l.T.V. lately.
Milcstones: Rudolf Förster is 75 years old.
The last " first gentleman " of the German theatre
made a name for himself when he appeared in
Zuckmayer's " Pankraz erwacht " in Bcrlin's
Junge Buehne. and became Elisabeth Bergner's
screen partner. — Dance comedian Egon Brosig is
70 years old.
The Iffland Ring: Three days after Werner
Krauss's death in Vienna last month. his widow
published a letter by the actor in which he gave
the Iffland Ring to Josef Meinrad. 46-year-old
member of the Burg, unknown outside Austria.
Albert Bassermann, the last rightful owner of
that highest honour of a German actor. wanted
to name Girardi. Pallenberg and Moissi as his
successors but they died before him. So the
Ring went to the Viennese theatre museum for
the duration of the Third Reich. Krauss received
it only in 1954 — from whom it is not known.
U.S.A.: Maria Fein. Uta Hagen. Lotte Lenya,
Renate Mannhardt, Grete Mosheim. Herbert Berg-
hoff, Martin Kosleck, Ludwig Roth, and Maxi-
milian Slater-Schulz took part in a Schiller
recital at the New York City Hall. — German
actor Horst Buchholtz and Franz Molnar's widow,
Lilli Darvas, appeared on Broadway in " Cheri ".
— Arnold Marie of London appeared in Paddy
Chavefeskv's "The Tenth Man ".— Henrv Koster
(n6 Kosteflitz) will direct " The Story of Ruth ",
with Israeli actress Elana Eden, a member of
Habimah, in the lead. — Rolf Gerard arrived in
New York to do the d^cors for Anouilh's " Fight-
ing Cock ", starring Rex Harrison and directed
bv Peter Brook. — Oscar Homolka received an
offer to Star in William Dieterle's first German
post-war film, " Herrin der Welt ". — Franz Schulz-
Spencer's play, "The Villa of Madame Vidac ",
had a run of thirteen Performances off Broadvyay.
— Kitty Mattern returned from German ^ to join
her husband Sigi Arno, who is working in TV.
Obituary: Liesel Martin, ex-wife ol the late
Karl Heinz Martin, died in London. — 64-year old
Arnolit Bronnen died in Fast Berlin ; the author of
" Vatermord ", in which Elisabeth Bergner got
her first chance in Berlin, was an ardcnt Nazi and
became a Communist after the war. The actor
Theodor Danegger died in Vienna at the age of
68.— Henny Porten's husband. Dr. Wilhelm von
Kaufmann, died in Berlin ; for a time he ran
*' Wigger's " in Garmisch. — 50-year old actress,]
Margarete Melzer, died in Munich.
Israel: Hans Jaray of Vienna directed Georf
Kaiser's "Tanka, the Soldier " at the Ohel Theatre.{
—Joseph Milo produced F. Duerrenmatt's "Visit
of an Old Lady" for Habimah, with decor by
Theo Otto.— Otto Seiberg, former conductor of
Danzig's Opera House, who was earning his living
by teaching music, died at the age of 81 in Haifa.
Vienna: Hans Thimig was elected director of
Reinhardt's school for actors.— Lyda Baarova, the
Czech actress who was connected with the late
Dr. Goebbels, will star in "Ein klarer Fall" at
the Renaissance-Theater.— Daisy Spiess, former
choreographer of the Berlin Opera, will produce
Egk's "L'oiseau" in Linz.— Kurt Horwitz received
the Kainz Medal.— Hans Albers will perform
Spolianski's musical version of Zuckmayer's
"Katharina Knie" at the Raimund-Theater.
PEM
l
T
Page 4
¥ril% Frietilander (Melbourne)
y
\
\\
V
rl
,
(1
FRIEDRICH MEINECKE
Centenary of His Birth
" Sein Geist ist zweier Zeiten Schiacht-
gebiet " (Conrad Ferdinand Meyer : " Haltens
teilte Tage'')
In M^, 1917, when Germany's fate was at
stake durifiR thc First World War, Friedrich
Meinecke lectured publicly on the idea of German
liberty. The large hall of the Prussian Diet in
Berlin where the lecture took place was crowded,
for the eminent historian commanded the attention
of t^e educated German.
As an accomplished philosopher. Meinecke
sut3*jected the various changes in the German idea
of liberty to a close psychological analysis. finally
dlawing two remarkable conclusions.
' On the one hand he protested — though not
unreservedly — against the rigid hegemony of the
Prussian Junkercaste and demanded equal fran-
chise for Prussia. Although he conceded that the
Junkercaste had " rcndercd unforgettable Service
to the construction of our military potential and
has given us a Bismarck ", he nevertheless
exclaimed : " We in Prussia no longer want to be
governed by Junkers and students corps!"
On the other hand, he said : " Shall we look
upon the System of parliamentary democracy as
something which has to be claimed for the liberty
of the German nation ? I answer emphatically :
No!"
Conservative Background
Thus we see the deep-rooted cbntradiction in
Friedrich Meinecke*s political thinking. His
reason told him that a thorough political and
social reform of Imperial Germany was necessary,
but his sentiment prevented his ridding himself
of the impact of the past and, while pursuing the
path of modern evolution, he failed to reconcile
the past with the present.
Meinecke, born on October 30th, 1862, in the
small town of Salzwedel (Altmark), came from a
cultured family of Prussian State oflficials, and the
atmosphere in which he grew up was imbued with
a strictly Prussian-Conservative and a more
eiilightened Protestant spirit. The young
Meinecke received a high-school education in
Berlin, and afterwards studied history and philo-
sophy at the universities of Berlin and Bonn. He
then served as an assistant at the Prussian State
Archives, where he acquired his considerable skill
in research. His first comprehensive work was a
masterly biography of. the Prussian Field-Marshal
von Boyen (1896-98), which gave him an opening
for an academic career. After a short time as a
Privatdozent in Berlin, he was successively
appointed Professor at the universities of Stras-
bourg (1901), Freiburg (1906) and Berlin (4914),
where he taught until his retirement in 1928.
According to his own testimony, he was, as a
young man, temporarily impressed by the anti-
semitic movement of the Stoeckef period, but in
the main he was thrilled by the glory of the newly
founded Bismarckian Reich ; under its spell he
wrote his first magnum opus, which made his
reputation: "Weltbürgertum und Nationalstaat-
Studien zur Genesis des deutschen National-
staates" (1907). This was not only a brilliant
analysis of the forces that ultimately led to the
foundation of the Reich, but was also an equally
brilliant interpretation of the tensions between
Prussia and tho other parts of Germany.
But this masterpiece also revealed the extent of
the author's dependency on his Conservative back-
gj-ound for, apart from occasional glances at
cf(ampions of the Liberal or Democratic ideology,
th^ author's attention was mainly focused on
chpnges in the Conservative ideology from the
en^ of the eighteenth Century up to modern
tintes.
pespite his leanings to Conservatism and his
loyalty towards the Hohenzollern dynasty.
Memecke increasingly became a prey to doubt
as We experienced the blunders of Kaiser Wilhelm
ir^ \amateurish. arbitrary and autocratic policy.
\
His doubts were shared by another eminent his-
torian of the Berlin üniversity who had also
abandoned his former Conservative point of view,
Hans Delbrück. Both men were convinced that a
grave domestic crisis was looming in Germany,
unless the excessive Privileges of policy-making
exercised by the ruling classes were curtailed. In
Berlin, during the First World War, a group of
like-minded progressive intellectuals gathered
around both historians. This circle was in sym-
pathy with Chancellor von Bethmann Hollweg and
supported his policy, striving for a reasonable
peace and a moderate domestic reform.
Weimar Repubiic
When the unfortunate Weimar Repubiic was
forced to fill the vacuum left by the disintegration
of the Hohenzollern empire, Meinecke, although a
monarchist at bottom, backed the German Demo-
cratic Party. Addressing the Berlin students in
1 925, he warned them of the danger of a politically
reactionary romanticism and exhorted them to
accept the new form of German State. But his
Speech radiated a cool and rational spirit that
disillusioned academic youth.
The product of this period was another
magnum opus: "Die Idee der Staatsräson in der
neueren Geschichte " (1924), a profound and
striking account of the wicked developments of
the idea of power-politics in modern times.
Meinecke depicts the age-old struggle between
morals and politics ; how Machiavelli, a true son
of the Renaissance, first formulated the doctrine
of the use of power regardless of morals ; how
his doctrine was attacked in theory, but put nith-
lessly into practice in the history of modern
Europe, , and ultimately expanded by German
thinkers from Hegel to Treitschke into a system
which morally vindicated power-politics.
And Meinecke's personal stand ? On the one
hand he wamed against the principles of Machia-
vellism, but on the other hand he regretted that
there was no German statesman during the First
World War capable of unscrupulously applying
Machiavelli's recipes for Germany's sake.
For this reason Friedrich Wilhelm Foerster, the
apostle of a truly Christian idea of peace, took
exception to Meinecke's attitude.
Defylng Hitler
Nevertheless. Meinecke stood the test after
Hitler's seizure of power, Under the heading
" Von Schleicher zu Hitler " he wrote a leader in
the "Berliner Volkszeitung", in which he described
Hindenburg's action in dismissing Reich Chan-
cellor von Schleicher and appointing Hitler as a
fatal mistake. Although the Nazis consequently
forced him to give up the editorship of the
" Historische Zeitschrift " and dissolved the
" Historische Reichskommission " headeij by him,
one of their leadine historians, Professor Walter
Frank, conceded that, as a scholar and as a
Personality, Meinecke was worthy of the highe&t
respect, but was out of touch with his time.
This Nazi scholar said the right thing for the
wrong reasons. Despite his rational concessions
to democracy. Meinecke was a conservative-
minded aristocrat who failed to advocate the vital
co-operation of the middle and the working classes
in the Weimar era. It was on the same grounds
that he also rejected the Third Reich, afraid of a
possible mob rule by S.S. thugs. While the
Weimar democracy promised to embody the
potcntiality of the mass era, and the Nazi dictator-
ship expressed its evil spirit, Meinecke's hereditary
Prussianism reacted to both with a sense of dis-
comfort.
How, in his opinion, did Hitler get to the
heim ? In his book " Die deutsche Katastrophe "
(1946) Meinecke stated that Hitler succeeded
through the support of a strong youth movement
AJR INFORMATION November. 1961
which, though idealistic, was entireh inimature^
politically. In this work Meinecke made this
concession: "But it is also a political and his-
torical duty of conscience to pass judgment on
one 's own seif and on one 's own former ideals
and to test as far as possible without prejudice thc
new ideals offered to us Germans " (p. 71 ;
English edition).
But unfortunately he did not raise the question
of whether the teachers at the prc-Hitler German
schools and universities might not be held respon-
sible for this political immaturity of the Hitler
youth.
The Jewish Question
While the fury of Jew-hatred was ra^ging in
Germany, Meinecke was not oblivious of the fact
that quite a few of his trusted pupils were Jewish,
or of Jewish origin. Among them was a man of
genius held by him in the highest esteem, Fraaz
Rosenzweig, whose classical monograph, ''Hegel
und der Staat ", was dedicated to Meinecke and
gave him powerful Stimulus for his own research.
It is certainly to Meinecke's credit that he
remained loyal to his Jewish friends and pupils.
All the more is his Statement on the Jewish ques- '
tion in "Die deutsche Katastrophe" open
doubt:
"The antisemitic movement at the beginni
of the 'eighties brought the first flash of ligl
ning. The Jews, who were inclined indiscree
to use the favourable economic Situation i
smiling upon them, had since their füll ema
pation aroused resentment of various sorts
contributed much to that gradual depreciatil
and discrediting of the liberal world of id
that set in after the end of the nineteet
Century. The fact that besides their negative ai
disintegrating influence they aho achieved
great deal that was positive in the cultural
economic life of Germany, was forgetM. ,
the mass of those who now attacked the dama
done by the Jewish character" (p. 15; Engl
edition).
It is perfectly true that thc antisemitic movemci
of the Stoecker era harbingered the catastrophe
European Jewry in the Hitler era, but thc cc^
clusion drawn by Meinecke does not take into,
account that (1) there had not been a füll eman*'
cipation of the Jews in Imperial Germany ;
(2) Jewish business men, e.g., Carl Fürstenberg*
James Simon, Eduard Amhold, in retum for the
favour of an "economic Situation smiling upon^,
them", donated vast sums of money to charityv
and most valuable art treasures to the public art
galleries ; (3) the bulk of the Jews in Germany
were hard-working and absolutely honest middle-
clas« people ; (4) it was unfair to bürden these
people with the responsibility for misdeeds of a
limited number of wrongdoers ; (5) no Jewish
writer has "contributed to that depreciation and
discrediting of the liberal world of ideas " as
much as Nietzsche did with his merciless attack F ^x _
on David Friedrich Strauss ; (6) On the contrary, ^ ■ T ^
the Berliner Tageblatt and the Frankfurter j -/
Zeitung were considered strongholds of " the rT*
liberal world of ideas " ; and (7) that not the > i
Jews, but the Nazis tried to denigrate this world, } '
coining the term " liberalistic decay ".
West Berlin Üniversity
However, we have to balance Meinecke's view
of the Jews in Germany against his no less critical
view of his fellow-Germans, whom he charged
with unfaithfulness to the ideals of Goethe, and
whom he could not trust unless they respiected
those ideals again.
The octogenarian, weighed down with melan-
cholia through the dreadful experience of the
Hitler era, declared that he no longer shared
Ranke's pious belief in the righteousness of his-
tory. and associated himself with Jacob Burck-
hardt's pessimistic outlook on human affairs.
But deprived of his credo, he still stuck to his
principle of personal freedom ; therefore in 1948
he left the Berlin Üniversity for the new West
Berlin Üniversity ; he became the first rector of
this " Free Üniversity ", where an institute for
the study of history was named after him.
When he died on February 6th, 1954, at the age
of 91, he was acknowledged to be one of the
greatest historians and thinkers in the field of
history of this Century.
i
x.
-. L _.
\.
/
Seite 68
Das po
aieJ
Büch
■^^^.,
Samstag/Sonntag, 6./7. Juli 1963
Znm Thema Berlin
KU«i-Pet«T BChnl«: Berlin zwischen Freiheit und
Dtktatur. Ernst SUneck Verlag. Berlin. 570 Selten,
Leinen 24,80 DM.
Wolfgang Paul: Kampf um Berlin. Albert Langen/
Georg Müller Verlag. München. 360 Seiten, Lernen
12,80 DM.
Dokumente zur Berlinfrage 1944-1962. Herausgegeben
vom Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft
für Auswärtige Politik e. V., Bonn, in Zusammen-
arbeit mit dem Senat von Berlin. R. Oldenbourg Ver-
lag, München. 620 Seiten, Leinen 40,— DM.
Kurt Prttzkoleit: Berlin — Ein Kampf ums Leben.
Karl Rauch Verlag. Düsseldorf. 180 Seiten, Paperback
9,80 DM.
Arno Scholz: Berlin ist eine freie Stadt — Beiträge
zum politischen Geschehen der Gegenwart. Arani-
Verlags-GmbH., Berlin. 760 Seiten, Leinen 18.90 DM.
Berlin — Neun Kapitel seiner Geschichte. Walter de
Gruyter, Berlin. 270 Seiten, Leinen 14.— DM.
Gespalten wie Jerusalem, nur mit dem Flug-
zeug in Freiheit zu erreidien wie keine andere
Stadt der Welt, eine Stadt, die innerhalb weniger
Tage die beiden mächtigsten Männer der Erde,
Kennedy und Chruschtschow, an ihrer Mauer
sah ~ ja, Berlin ist viele Bücher wert. Nun liegen
endlich auch zwei historische Darstellungen für
den gesamten Zeitraum von 1945 bis 1962 vor.
Das Budi von Klaus-Peter Schulz packt das
große Thema mit kühler Leidenschaft an; es ist
flüssig, teilweise brillant gesdirieben und verbin-
det umfassende Information mit einem klaicn Ur-
teil, das westdeutsche Leser freilich mitunter
durch seine Härte ein wenig erschrecken mag.
Schulz schont seine Landsleute so wenig wie die
westlichen Verbündeten. So heißt es über die
Gründe, die bis 1961 die Intellektuellen der So-
wjetzone zur Flucht in den Westen veranlaßten:
„Der sprichwörtliche deutsche Professor, vor-
nehmlich in den nichtgeisteswissenschaftlichen
Disziplinen, registriert einen Mangel an Freiheit
im öffentlichen Leben kaum, solange er sich in sei-
nem Hörsaal oder in seinem Laboratorium relativ
ungehindert bewegen kann. Als ihm aber in der
Sowjetzone immer massiver zugemutet wurde, ob-
jektive Forschungsergebnisse, die ihrer Natur nach
mit dem dialeVitischen Materialismus nicht das
geringste zu tun hatten, durch eine sozialistische
Brille zu korrigieren . . . gelangte auch er unwei-
gerlich an die Grenzen seiner Toleranz und for-
malen politischen Anpassungsbereitschaft. Des-
wegen war die Flucht der Intelligenzschicht der
vielleicht eindrucksvollste und erschütterndste Be-
weis dafür, wie sehr der Freiheitsentzug in der
Sowjetzone auch für diejenigen, die sich am lieb-
sten vor ieder politischen Auseinandersetzung
verkrochen hätten, im wörtlichsten Sinne zu einem
.Sauerstoffproblem' geworden war . . . Viele such-
ten das Weite, nicht weil sie primär das Regime
verabscheuten, sondern weil sie ganz einfach unter
ihm nicht mehr atmen konnten."
Die Vorgeschichte und die Umstände des Mauer-
baus am 18. August 1961 werden mit souveräner
Rücksichtslosigkeit geschildert, die sie zu einer fas-
Tjnierenden Lektüre macht. „Alle selbsthypnoti-
schen Hinweise des Westens, der Kommunismus
habe sich doch eigentlich durch eine so einzigartige
Quarantäne geradezu tödlich blamiert, ändern
nichts an der Tatsache, daß an dem schwarzen
Sonntag im Spätsommer 1961 die nackte Gewalt in
einem Umfang triumphierte, wie das seit 1945 min-
destens in europäischen Bereichen niemals mehr
zu verzeichnen war. Heute wissen wir bereits aus
den glaubwürdigen Aussagen von nach dem
13. August noch übergelaufenen VolkspoIiziste|i,
daß hinter dem Gewaltstreich keine reale Macht
Stand, sondern lediglidi der Wille, die andere Seite
zu bluffen. Die eingesetzten Mannschaften der
Volkspolizei und der anderen bewaffneten Ver-
bände verfügten nach diesen Aussagen über kei-
len Stihuß scharfer Munition. Nur an die Offiziere
;aren
^cbe
darum den Bogen nicht überspannen und den Bo-
den nicht vollends unter den Füßen verlieren. Sie
gönnten Ulbricht daher eine eklatante Blamage,
die ihm künftig mehr Zurückhaltung aufeYlegt,
wenn ihn nicht sogar zum Rücktritt genötigt
hätte . . . Natürlich operierte er am 13. August im
Schutze Moskaus, konnte er nur im Schutze Mos-
kaus operieren, aber die entsprechenden Befehle
trugen seine Unterschrift, die letzte Initiative ging
auf ihn zurück. So ergibt sich das tragikomische
und peinliche Bild, daß ein kleiner, anmaßender,
insgeheim auch im Kreise seiner Gesinnungs-
genossen nicht gerade populärer oder gar beliebter
kommunistischer Satellit drei Weltmächte, dar-
unter eine vom Range der Vereinigten Staaten, in
seinem Machtbereich ausmanövrierte und aus ihrer
Rechtsstellung verdrängte, ohne daß der Westen
unmittelbar oder später mehr als moralische
Gegenmaßnahmen traf . . . Kein Zweifel, die freie
Welt hat am 13. August 1961 ein neues München
erlitten und hingenommen — es fehlt bis zur
Stunde, da diese Zeilen geschrieben werden, nur
noch an einer formellen Unterschrift unter die
analoge Kapitulationsurkunde."
Während Schulz die anspruchsvolle, glasklare
Analyse liefert, ist die zweite Darstellung der Ber-
liner Nachkriegsentwicklung — von Wclfgang
Paul — als „eine wahre Geschichte" angelegt. Paul
gibt ebenfalls eine brauchbare Übersicht, bedient
sich jedoch einer teils schlichten, teils schnoddrigen
Sprache („Als Regierungszentrale war Berlin mit
Hitlers Tod erledigt") und überschreitet nur selten
ein gehobenes Illustriertenniveau. Die Stärke des
Buches liegt in den vielen liebevoll ausgebreiteten
Details — bis zu den Brotkarten und den Theater-
programmen — , die besonders der Darstellung der
Zeit von 1945 bis zum Ende der Blockade 1949 viel
Farbe geben.
Die Dokumente zur Berlinfrage, die man als
Nachschlagewerk für Fachleute zur Hand nimmt,
erweisen sich überraschend als eine Lektüre, in
die man sich über viele Seiten hin vertieft findet.
Es ist höchst informativ und alles andere als trok-
ken, die Stationen der Teilung Berlins in Original-
texten zu verfolgen, beginnend mit den Abkom-
men der Alliierten von 1944, fortgesetzt mit Be-
satzungsbefehlen in Berlin, Weisungen Eisen-
howers, Proklamationen und Communiques des
Alliierten Kontrollrats, Appellen Berlins an
die Vereinten Nationen und dem schier endlosen
Notenkrieg zwischen Ost und West. Das Buch ist
vorzüglich ediert, mit umfangreichen Quellen-
angaben, Registern, Tabellen und Karten, teilweise
in Faksimiledruck. Kommentare enthält es nicht.
Da nicht jede Entwicklung ihren Niederschlag in
Dokumenten gefunden hat, handelt es sidi also
nicht um eine lückenlose Geschichte des Berlin-
problems.
Seltsam mutet der Beitrag des vielbeschäftigten
Ktirt Pritzkoleit zur Berlinfrage an. Mit einer
Fülle von Wirtschafts- und Bevölkerungstabellen,
jedoch ohne Kapiteleinteilung, Inhaltsverzeichnis
oder gar Register unternimmt or mit mancherlei
Sprüngen den Versuch, die Entwicklung i erlins
seit dem Ersten Weltkrieg vor allem an Hand der
Berliner Wirtschaft zu erklären.
Sehr viel Papier für sein Geld erhält jeder, der
sich für 44 Mark eine Kassette mit fünf Bänden,
2286 Seiten und sämtlichen Leitartikeln kauft, die
Arno Sdiolz,, Chefredakteur des. Westberlmer
JTelegta^, s«t ^Kriegsende irt «einer Leitung ge-
schrieben hat. Der fünfte Band — die Zeit von
1956 bis 1980 umfassend — ist jetzt erschienen. Der
Versuch, aus der Fülle der Artikel eine Auswahl
der besten oder beständigsten vorzunehmen, wurde
ebensowenig gemacht wie der, die Leitartikel
ann icweilsjn. den zeit
TÖTEN UND GETÖTET WrDEN (oben) und
Schachspiel (unten): Zwd Arbeiten von jungen
Gefängnisinsassen. Aus dzm nebenstehend behan-
delten Buch „Die vierte Kaste" von Birgitta Wolf.
Ansimi vor der
Die vierte Kaste - Junge Menschen Im «^efängni.s
literarische Dokumente). Herausgegeben von Bir-
gUtf Woff Bütten & Loenlng Verlag. Hamburg.
288 Seiten, Paperback 12,80 DM.
Birgitta Wolf, gebürtige Schwedin, human un-
sentimental, vorurteilslos, energisch, hat sich zur
Lebensaufgabe gemacht, Strafgefangenen, vor
allem jugendlichen und halbwüchsigen Stral-
gefangenen. beizustehen, auf daß sie in der Straf-
haft, vor allem aber nach Verbüßung ihrer S1.rafe
beim Wiedereintritt in unsere leider viel zu selbst-
gerecht-gleichgültige, oft mehr noch voreingenom-
men-feindselige Gesellschaft nicht vor die Hunde
gehen. Es gibt von Fallada bis Fritz Bauer eine
Fülle neuerer Literatur über die weithin noch vor-
herrschende Trost- und Sinnlosigkeit unseres
Strafvollzugs. Das Buch von Birgitta Wolf nin^mt
insofern eine Sonderstellung ein, als^ die Verfas-
serin, der im Laufe ihrer Tätigkeit 6000 Briefe
von Gefangenen zugingen, zwar in einem Vorwort
klar und kompakt den beklagenswerten Zustand
aufzeigt und Reformvorschläge unterbreitet, im
übrigen aber junge Gefangene - die meisten
zwischen zwanzig und zweiundzwanzig -- über
ihre Erlebniswelt selbst sprechen laßt: in Gestalt
einer von der Verfasserin völlig unretuschierten
Selbstdarstellung, in Form von tagebuchartigen
Aufzeichnungen, Briefen, Zeichnungen, Gedichfen
und Hörspielen. Das ist ein eindrucksvolles, sehr
authentisches Verfahren.
Was sich trotz der verschiedenartigsten Formen
der Selbstmitteilung wie ein roter Faden durch
die gesamten Beiträge zieht, oft gewiß dem einzel-
nen Gefangenen gar nicht einmal recht bewußt,
das ist die Klage, nicht so sehr über äußere Un-
bill wie etwa über die muffigen, düsteren Zellen,
den ekelerregenden Kübel, und was derlei Widrig-
keiten mehr sind, sondern die Angst vor der Frei-
heit Einer Freiheit, für deren künftige Bewälti-
gung vor allem bei länger währendem Freiheits-
entzug zunehmend jede Fähigkeit schwindet. Ver-
antwortung zu tragen oder gar erst zu erlernen —
und zwar in einer eintönigen grauen „Ordnung ,
die dem Gefangenen zwar weithin alle Hoffnung
raubt, ihm aber auch mit dem tristen Einerlei
gesicherter Kleidung, Nahrung, Unterkunft jede
Selbstverantwortung abnimmt und jederlei In-
itiative tötet. Dabei wäre es nicht nur zwingend no-
tig, sondern (gerade im Zeitalter der Vollbeschafti-
fHing) auch ohne weiteres möglich, durch nach indi-
vidueller Fähigkeit qualifiziertcvoUwertig entlohnte
Arbeit — wo hur irgend verantwortbar auch außer-
halb der Anstalten - Sorge für die Familie, Wie-
dergutmachung für die Opfer und Grundlagen für
die eigene Existenz nach der Entlassung zu schaf-
fen.
Der Strafrechtslehrer Professor Maurach hat tm-
längst sehr zu Recht das Schlagwort, Zuchthäuser
seien ..keine Sanatorien" und eine milde Behand-
lung v/ährend der Haft könne „besonders straf-
tatfördernd" wirken, als „Unsinn" bezeichnet. Tat-
sächlich ist schon der Freiheitsentzug als solcher
für einen im Kern noch erziehbaren und noch
nicht völlig abgestumpften Menschen ein ungemein
schwerer und harter Eingriff. Wem aber dieser
Freiheitsentzug durch entwürdigende Form, die
Niederwalzung jeden Restes von Persönlichkeit,
gleichgültig geworden ist. oder in wem gar die
Angst vor dem Wagnis der Freiheit großgezogen
wird, der ist ja dann ohnehin weder mehr „abzu-
schrecken" noch, was das Ziel jedes modernen Straf-
vollzugs zu sein hätte, zu „erziehen" und zu „reso-
zialisieren". Das A und O bleibt also eine grund-
legende Wandlung des Strafvollzugs.
Da mit der Bevölkerungsdichte in der Bundes-
republik leider auch die Kriminalität, vor allem
auch jugendlicher Täter, wächst und wächst, wäre
es sehr zu begrüßen — mag das Ganze auch nicht
mehr als ein Mosaiksteinchen im notwendigen Er-
neuerungswerk sein — wenn möglichst viele Men-
schen diese ungeschminkten Dokumente der Ver-
lassenheit und Verlorenheit zur Kenntnis nehmen
würden. In gewissem Maße, nämlich durch sein
Lebensalter (Ende dreißig), fällt nur ein einziger
Autor aus dem Rahmen. Bei ihm mag es dem Kr -
tiker wohl gestattet sein, die von Birgitta Wolf
gewahrte Anonymität der Beiträge, die nur mit
den Anfangsbuchstaben von Vor- und Nachnamen
signiert sind, zu durchbrechen. Bei W. G. (Wolf-
gang Graetz), der, heute 38jährig, vor ein paar
Jahren in der hessischen Strafanstalt Butzbach
dank einem fortschrittlich gesonnenen Anstalts-
psvchologen nicht nur die Erlaubnis erhielt, son-
dern sogar angeregt wurde, sich literarisch zu be-
tätigen, und der inzwischen, nunmehr im bayeri-
schen Zuchthaus Kaisheim „einsitzend", mit seiner
-suchenden, selbstquälerischen, schwierigen Art sich
einen Namen als Hörspielautor gemacht hat. Seme
Beiträge passen durchaus in Birgitta Wolfs Budi,
deren besonderes Sorgenkind er ist, weil hier im
Zusammenhang und Rückblick die gewisse Aus-
weglosigkeit sichtbar wird, mit der aus jungen
Straffälligen erwachsene Straffällige werden, wenn
unsere Gesellschaft sich — nichts einfallen laßt.
Graetz' letzter Gerichtsvorsitzender sagte in der
Hauptverhandlung: „Auf psychologische Tiefen-
.schürferei können wir uns hier nicht einlassen.
Wir werden uns darauf einlassen müssen, wir
werden neue Wege suchen müssen, wie es etwa
in Schweden schon geschieht, dem Land, aus dem
Birgitta Wolf stammt. Ernst Müller-Meiningen jr.
Die schutzlose Republik von Weimar
Gotthard Jasper: Der Schutz der Republik - Studien
Tm staatlichen Sicherung der ^^"^^^'•^^le in der
Weimarer Republik 192.?-mo. J. C. B- Mohr (Paul
Siebeck), Tübingen. 340 Seiten, Leinen 39 DM.
Kann ja darf sich d)H Demokratie gegen Ideen
schützen, die ihren Best md bedrohen? Zerstört sie
nicht ihre Grundlagen, x ergeht sie sich nicht gegen
die Grundsätze der Freiheit, wenn sie Anders-
denkende von der polfischen Wirksamkeit aus-
schließt? Solche liberajli Überlegungen standen
am Anfang der WeimjPrer Republik einem wir-
kungsvollen Republikstjiutz im Wege. Dazu kam,
daß es verständlicherwtise die Linke war, die be-
sonderes Interesse anj solchen Gesetzen bekun-
dete, mit deren Hilfe Jan reaktionäre Kräfte aus-
schalten konnte. Dieujfäederum erzeugte auf der
Rechten und im Bürff/«um, das ja die beherrschen-
nicht zu ändern vermochte, war in einer schwien-
geh Lage. Aus eigener Erfahrung mit dem Sozia-
listengesetz wußte sie, wie wirkungslos Verbote
gegen politische Ideen sind; die Regierungspraxis
aber lehrte ihre verantwortlichen Männer ebenso,
wie notwendig ein Eingreifen des Staates war. Da-
bei durften die Sozialdemokraten ihren Sympa-
thien für die Linke ebenso wenig nachgeben wie
den Antipathien gegen die Rechte, wenn sie den
Kontakt zu ihren bürgerlichen Koalitionspartnern
behalten wollten. Nach dem Kapp-Putsch, den
Morden an Erzberger und Rathenau sahen aller-
dings auch die bürgerlichen Parteien, daß ein Ge-
setz zum Schutz der Republik unumgänglich war.
Die Entstehungsgeschichte dieses Republik-
schutzgesetzes, seine parlamentarische Behandlung,
seine geistigen Grundlagen und praktischen Fol-
anzulasten wagten, weil sie es im Chaos von In-
flation, Ruhrbesetzung, in den sächsischen und
bayerischen Bedrohungen der Reichseinheit als
letzten Rettungsanker zu betrachten gelernt hat-
ten war zu eng mit den Terrororganisationen der
Rechten verfilzt, als daß es öffentliche Verhand-
lungen über Waffenlager, geheime Ausbildungs-
stätten usw. hätte dulden können. So brachte es
die Republik nicht fertig, die Hintergründe der
Morde an zwei ihrer führenden Männer aufzuhel-
len, weil sich am Ende herausgestellt hätte, daß
die* Mörder Erzbergers aus Quellen des Reiches
finanziert worden waren. Die Reichswehr entzog
— teils mittel-, teils t^nmittelbar — die Angehöri-
gen der „Organisation Consul" strenger Bestra-
fung, während der Münchner Polizeipräsident da-
für sorgte, daß Haftbefehle gegen die Chefs wir-
■^y--^
;..- .'/.>:'..*■ ■,'1-' V«*']
/
;
i >
rqajdL«. ^ -
_j^A .Uiworden. Dai^nit,drängt^sich die Frinn^rung
den 7?. März 1936, als Hitler ein paar BataiHone
iner mt im Aufbau befindlichen Wehrmacht mit
i'apptainks und anderen Attrappen über die Rhein-
brücJcen marscliieren ließ und damit wie ein leicht-
fertiger, aber erfolgreicher Pokerspieler möglicher-
weise das Schicksal des Dritten Reiches verwür-
felte, geradezu gebieterisch auf,"
Schulz sclireibt weiter: „Aus zuverlässigen Quel-
len verlautete, daß maßgebende Funktionäre der
sowjetzonalen Staatspartei bis in die Umgebung
Ulbridits hinein das Ergebnis seines Husarenritts
vom 13. August mit Bangen, aber auch mit Scha-
denfreude abgewartet hätten: ganz einfach, weil
sie sich nicht vorstellen konnten, der Westen
würde sich auch diesen ungeheuerlichen Schlag
tatenlos bieten lassen. Diese Kreise wollten wohl
das kommunistische Regime in einem Teil Deutsch-
lands, wenn auch wahrscheinlich in wesentlich ge-
wandelter Form, konservieren, aber auch gerade
^eschirb^^irhpn Zusärnrnenhar^^TTTeT:»^. jjen
jenigen Studenten der Zeitungswissenschaft, die in
kommenden Jahrzehnten etwa sämtliche Leit-
artikel des Telegraf nachträglich zu lesen wün-
schen, wird die Arbeit durch die preiswerte Kas-
sette jedoch außerordentlich erleichtert.
Eine anschaulich geschriebene, hübsch ausgestat-
tete Gesdiichte Berlins von der Urzeit an ist beim
Verlag Walter de Gruyter erschienen. Es handelt
sich um die Wiedergabe einer Vortragsreihe, die
die Historische Gesellschaft zu Berlin in den Jah-
ren 1959/1960 veranstaltete. In neun Kapiteln ver-
schiedener Autoren, die jeweils ein Schlaglicht auf
einen bestimmten Zeitabschnitt werfen, entsteht
ein liebevoll ausgemaltes Bild vom Werdegang
einer Stadt, die sich in den ersten sieben Jahrhun-
derten ihrer Geschichte nicht hätte träumen las-
sen, wieviel Zerstörung, Haß und Unvernunft im
achten Jahrhundert über sie hereinbrechen würden.
wel,lerhin besetzt hie^ die Furcht, die Ordnung
mü$se verteidigt werden. Ordnung aber hieß be-
stehende Ordnung, keine weiteren revolutionären
Aktionen, keine Säubeirung des Richterstandes,
keine Entfernung von fjegnern der Republik aus
Schlüsselstellungen, deir: das wäre ja Gesinnungs-
schnüffelei gewesen, a}^ dies war nur denen er-
laubt, die die rechte X im doppelten Sinn des
Wortes — Gesinnung besaßen, den „Vaterländi-
schen", die, wie sie behaupteten, keine Schuld an
der Niederlage trugen wie die „Novemberverbre-
cher"!
Zwischen der revolutionären, auf den Sozialis-
mus hinarbeitenden Kräften in den Gewerkschaf-
ten, der USPD und der KPD auf der einen und
den reaktionären Deutschnationalcn und Völki-
schen auf der anderen Seite war die SPD zum
Taktieren gezwungen. Die einzige Partei, die die
„, ,^ ^ ^ . , Republik, so wie sie war, bejahte und sie nicht
Wolf Schneider nur als eine gegebene Tatsache hinnahm, die man
xkommniiisteii - keine Antikommunisten
Das Ende einer Utopie — Hingabe und Selbstbefreiung
früherer Kommunisten. Herausgegeben von Horst
Krüger. Walter Verlag, Ölten und Freiburg im Breis-
gau. 234 Selten, Paperback 8,80 DM.
Bilden die Exkommunisten in der bundesdeut-
schen Gesellschaft eine „ungemein heterogene und
komplexe Gruppe"? Der Herausgeber des Sammel-
bandes stellt diese Behauptung auf. Die Berichte
von neun ehemaligen deutschen Kommunisten
darüber, was sie am Kommunismus faszinierte
und warum sie mit ihm brachen, sowie eine Bilanz
von Carola Stern sollen helfen, die Soziologie die-
ser „Bevölkerungsgruppe" zu verstehen.
Die Berichte gleiclien öffentlichen Beichten über
intimste Gewissenskonflikte. Ihre Autoren wur-
den unter denjenigen ausgesucht, die sich heute
noch zu ihrer einstigen Wah-1 bekennen — nicht
sie fühlen sich als Verräter, sondern die anderen
haben sich als Betrüger erwiesen. Sie alle bleiben
der sozialistischen Idee — mit einem mehr oder
minder großen Schuß Resignation — verhaftet und
empfinden auch gegenüber der neuen geistigen
Heimat, der Bundesrepublik, Unbehagen.
Herausgeber Horst Krüger war sich im klaren
darüber, daß diese Berichte im wesentlichen eine
weniger literarische Wiederholung der Abrech-
nung ergeben würden, die seinerzeit die promi-
nenten Autoren, Ignazio Silone und Arthur Köst-
ler, mit „dem Gott, der keiner war" gehalten
haben. Seither sind über zehn Jahre verstrichen,
ohne daß das Thema seine Aktualität verloren
hätte. Wie kommt das?
Die Tragödie sei heute für die BetrolTenen nicht
mehr so groß, wie für die Renegaten der dreißiger
Jahre, meint Horst Krüger; die Leuchtkraft der
kommunistischen Utopie habe inzwisclien nachge-
lassen. Liest man indes die Beiträge, so wundert
man sich, wie groß ihr Glanz (trotz stalinistischen
Terrors, trotz Ulbrichtregime usw.) immer noch ist.
Die Erklärung dafür ist denkbar einfach: Es ist
nicht der kommunistische Staat, von dem die Fa-
szination ausgeht, nicht die Sowjetunion und nicht
die DDR, sondern es sind eben immer noch die
Schriften des kommunistischen Altmeisters Karl
Marx, in dessen Bann die Menschen geraten. ,,Die
Faszination kam einzig und allein aus der Theorie
und der großen gewaltigen Utopie einer klassen-
losen Gesellschaft, der Vision einer absoluten Ge-
rechtigkeit auf Erden', der wir bei aller Skepsis
verfielen", schreibt Gerhard Zwerenz. Die Skepsis
verflog; hatte ihnen nicht Karl Marx den Schlüssel
zur Verwirklichung der Utopie in die Hand ge-
drückt?
Es klang alles so gut, so überzeugend! Der 1934
geborene Günther Zehm gibt sich gefangen, kaum
daß er sich mit der Welt geistig auseinanderzuset-
zen begonnen hat; das Versagen der Kirche fördert
seine Entscheidung: „Die Salbadereien vom lieben
Gott, aus denen unser JConfirmationsunterricht be-
stand — wie schemenhaft, wie absolut unwirklich
nahmen sie sich aus im Vergleich zur klar über-
schaubaren Mehrwerttheorie und gemessen an
dem, was uns die Not und Unerbittlichkeit der
Kriegs- und Nachkriegsjahre täglich auszukosten
gab." Bei dem um zehn Jahre älteren Manfred
Hertwig lesen wir es noch präziser. Mit einund-
zwanzig kam Hertwig aus dem Krieg zurück und
litt fortan an geistiger, weltanschaulicher Leere.
„Manchmal", so schreibt er, „gab ich mir Mühe,
die christliche Lehre für wahr zu halten, sie zu
glauben. Aber glauben ist keine Frage des Wis-
sens oder Erkennens, glauben ist eine Sache der
Emotion. Ich suchte, wie die meisten jungen Men-
schen unserer Epoche das rationale, der Vernunft,
dem Verstand zugär>glidie Weltbild. Ich fand es
für einige Jahre im Marxismus, bis man sich zwang
auch hier zu glauben, statt zu forschen."
Es ist der Bruch zwischen der Marxschen Theo-
rie und der kommunistischen Praxis, die fast alle
der zunächst Faszinierten aus der Partei fortge-
trieben hat. Der Prozeß der Lösung allerdings war
verschieden, bei einigen ging ein erbittertes Rin-
gen um die Revision des Dogmas und die Erneue-
rung der Partei voraus, wie Carola Stern in ihrem
Schlußwort beriditet. Vier von den zehn Autoren
kamen deswegen ins kommunistische Gefängnis
die anderen entzogen sich in letzter Minute der
Verfolgung. (Schwer einzusehen, warum Horst
Kruger das Schicksal dieser Generation für weni-
ger dramatisch hält als das der Silone und Köstler,
die den Terror nicht am eigenen Leibe erfuhren!)
Nicht bei allen war es das Bedürfnis nach einem
rationalen Weltbild. Ralph Giordano wurde Kom-
munist, well er „Sohn einer Jüdischen Mutter Im
Mai 1945 aus dem Inferno der Illegalität hervor-
kriechend, im Kommunismus den Hauptfeind des
Faschismus und daher die Heimat" sah. Für Leo
Bauer war der Kommunismus nicht nur „Idee und
Ideologie, sondern Politik und politischer Kampf".
Bauers motorische Aktivität suchte und fand hier
Befriedigung; sie war es aber auch, die ihn, als
er sich mit der Parteiführung nicht mehr einver-
standen fühlte, den Kampf von innen aufnehmen
ließ. Im sibirischen Gefängnis hörte Leo Bauer
dann von einem alten Bolschewiken den Satz: „So-
zialismus, das ist ein modernes Wort für die ewige
Sehnsucht des Menschen nach einer besseren Welt,
nach menschlicher Würde, nach Überwindung der
Entfremdung des Menschen von sich selbst, nach
Heimkehr. Vielleicht und wahrscheinlich wird diese
Sehnsucht morgen nicht mehr Sozialismus heißen,
aber Menschen wie du und ich werden Außenseiter
bleiben in der Sowjetunion wie im Westen, weil
wir nicht nur von dieser Welt der Hoffnung träu-
men, sondern dafür eintreten."
Wie sie dafür künftig eintreten wollen, darüber
gibt das Buch keine Auskunft. Gerhard Zwerenz
meint, die zweite Generation der Exkommunisten
dürfe im Gegensatz zur ersten nicht zu harten
Antikommunisten werden. Und Carola Stern
schreibt: „Antikommunismus als Weltanschauung
ist eine besonders geeignete Ersatzreligion." Ob
aber die Exkommunisten von heute, wie Zwerenz
vorschlägt, die Aufgabe auf sich nehmen wollen,
,, ausgleichend zwischen beiden Lagern zu wirken"?
Nicht einmal die zehn Autoren des Sammelbandes
dürften sich da einig sein.
Schon aus diesem Grund — aber auch aus vielen
anderen — kann man kaum von einer „heteroge-
nen und komplexen Gruppe" sprechen. Es ist eher
eine Anzahl von gänzlich verschiedenen Menschen
die zufällig ähnliche Erfahrungen hinter sich
haben. Sie deswegen für alle Zeiten als zusammen-
gehörig, als eine „Bevölkerungsgruppe" betrach-
ten? Ihre Erfahrungen mit dem Kommunismus
sind nicht . als soziologisclies Phänomen interes-
sant, sondern weil es in der. Bundesrepublik (hier
vielleicht mehr als in der O.Hzone!) immer wieder
eine echte Faszination — nicht des Kommunismus,
aber des Marxismus gibt.
Wanda Bronska-Pamjmch
gen schildert Jasper in seiner verdienstvollen,
sehr nachden|;lich stimmenden Dissertation, die
von Professor Rothfels angeregt wurde. Der Ver-
such, die Republik zu schützen, aber ihre Gegner
in Amt und Würden zu belassen, wenn sie sich nicht
zur glatten Illoyalität und zu Gewalttätigkeiten
hinreißen ließen, mußte scheitern. Das Bestreben,
über den Staatsgerichtshof den Demokraten grö-
ßeren Einfluß auf die Rechtsprechung in Sachen
Verfassungsschutz einzuräumen — zu dem der Re-
publikschutz reduziert worden war — , endete nach
vier Jahren ohne nachhaltigen Erfolg. Das Verbot
der NSDAP zum Beispiel konnte nicht viel aus-
richten, wenn die Zentrale in Bayern tätig blieb.
Die Münchner Regierung aber hatte sich gewei-
gert, das Republikschutzgesetz zu vollziehen.
Hier kreuzten und vermengten sich föderalisti-
sche Bedenken, Aversionen gegen eine zentralisti-
sche Polizeiorganisation wie zentrale Instanzen
für die Aburteilung von Delikten gegen die Ver-
fassung mit den Vorstellungen von der „Ordnungs-
zelle Bayern". Man gefiel sich in München damals
im Geschwätz von den überparteilichen Kräften
der Ordnung, die sich gegen die Parteienwirtschaft
als ein Übergeordnetes, Besseres, weil Unpoliti-
sches durchsetzen mußte.
Viele sahen solche Werte repräsentiert in der
Reichswehr, der zweiten großen Kraft, die ver-
hinderte, daß das Republikschutzgesetz gegen die
Rechte wirksam wurde. Denn dieses Machtinstru-
ment des Staates, das die Sozialdemokraten nicht
Versuche, gegen den Rotfrontkämpferbund vorzu-
gehen, als wenig erfolgreich. Gleichzeitig hätte
man auch gegen den Stalhelm vorgehen müssen,
was seines Ehrenvorsitzenden Hindenburg wegen
unmöglich war.
Ein Staat aber, der zu liberal war, um illegale
Parteien und „Bewegungen" zu verbieten, zu
schwach, um mit den verschiedenen Privatarmeen
fertigzuwerden, ungeliebt, wenn nicht gar ver-
achtet von maßgeblichen Schichten, ohne allge-
mein anerkanntes Symbol, unfähig seine Flagge
gegen Beleidigungen zu verteidigen, mit einer Ju-
stiz geschlagen, die ihre überholten Wertvorstel-
lungen beibehalten durfte — ein solcher Staat war
weder mit Paragraphen noch mit Polizeimaßnah-
men zu retten. Er starb an der Freiheit, die er ge-
wahrte und die seine Bürger weder zu schätzen
noch zu gebrauchen wußten.
Das Verdienst des Autors ist es, das vielfältige
Material an öffentlichen Verhandlungen, Urteilen,
Überlegungen im Schöße der Reichs- und der Län-
derregierungen zusammengefaßt und übersichtlich
dargestellt zu haben. So werden die bürokrati-
schen Bedenken der Württemberger ebenso be-
rücksichtigt, wie die Bedeutung deutschnationaler
Kabinettsmitglieder in den einzelnen Kabinetten
und Ihre Rolle bei der Ausführung der Republik-
schutzgesetze. Ein bemerkenswertes Buch, das
auch im Anhang (mit einer Zusammenstellung über
die Tätigkeit der Gerichte und ungedruckten Do-
kumente) wertvolle Hinweise gibt. ^ert
I>er KPI> auf der Spur
Der deutsche Kommunismus — Dokumente. Heraus-
gegeben und kommentiert von Hermann Weber Ver-
lag Kiepenheuer & Witsch, Köln-Berlin. 679 Seiten
Leinen 38,— DM. ^<^iic.i,
Der deutsche Kommunismus ist rund ein halbes
Jahrhundert alt. Ebenso lange dauert die Ausein-
andersetzung mit ihm, und heute ist sie brennen-
der und notwendiger denn je. Die historische Ent-
wicklung der kommunistischen Bewegung ist über-
dies von der Gegenwart nicht zu trennen; das Re-
gime in Mitteldeutschland ist ein Teil dieser Ent-
wicklung. Bei einem derart weitläufigen und zu-
gleich hautnahen Fragenkomplex, dessen Beurtei-
lung naturgemäß vom politischen Geschehen der
Gegenwart abhängt und abhängen muß, ist es un-
erläßlich, authentisches Material an der Hand zu
haben.
Webers einbändige Sammlung ist zwar keines-
wegs eine allen wissenschaftlichen Erfordernissen
genügende Quelle, nichtsdestoweniger umreißt sie
alle wichtigen Aspekte des deutschen Kommunis-
mus bis in die Gegenwart. Das war nur möglich
durch Beschränkung auf offizielle Dokumente, auf
Erklärungen und Beschlüsse der Führungsgrernien,
Artikel und Reden von Parteiführern, Beiträge
aus der kommunistischen Presse und wichtige Er-
klärungen kommunistischer Oppositionsgruppen.
Der größere Teil der Dokumente wurde aufs we-
sentliche gekürzt, manches Herausragende dage-
gen wie etwa das Programm des Spartakus-Bun-
des oder die „Grundsätze und Ziele" der SED von
1946 oder Radeks Schlageter-Rede im vollen Wort-
laut wiedergegeben. Angesichts der weitschweifi-
gen Diktion kommunistischer Rhetorik kommen
die Kürzungen der Lesbarkeit und Übersichtlich-
keit zugute. Trotz Straffung Objektivität zu wah-
ren, ist Weber durcfaeuj gelungen.
Die Hälfte der Dokumente stammt aus der Wei-
marer Zeit. Angefangen von Rosa Luxemburgs
.^Leitsätzen über die Aufgaben der Internationalen
Sozialdemokratie" aus dem Jahre 1916, die die
Loslösung des späteren Spartakus-Bundes von den
Sozialdemokraten markieren, bis zu den letzten
Aufrufen vor Hitlers Machtübernahme, läßt sich
ein gründlicher Einblick gewinnen sowohl in das
Verhältnis der KPD zur Republik und zur Nation
wie auch zur SPD und zu den Gewerkschaften,
nicht zuletzt zur Komintern und zur Sowjetunion'
Die Einstellung zu Fragen der Tagespolitik fand
ebenso ihren dokumentarischen Niederschlag wie
die Schwankungen in der Parteiführung und die
links- oder rechts-„abweichlerischen" Oppositions-
gruppen. Entsprechend sind die Dokumente auch
gegliedert, so daß es keine Mühe bereitet, sie rasdi
zu finden — ein erwähnenswerter Vorzug dieses
Buches, dem man überhaupt im Gegensatz zu man-
chen Dokumentensammlungen unseres dokumen-
tierfreudigen Büchermarktes die solide Arbeit
rasch anmerkt.
Ähnlich dem Weimarer Teil sind auch die beiden
anderen angelegt: die KPD in der Illegalität und
Emigration; die KPD SED nach 1945. Daß hierbei
die Zeugnisse der westdeutschen Nachkriegs-KPD
etwas gering ausfallen, mag an der Farblosigkeit
und politischen Unbedarftheit dieser Partei ge-
legen haben; indessen ist das Typische an der SED
sehr wohl aufgezeigt, wenngleich eine Erweiterung
dieses Teils nicht geschadet hätte. — Es war nicht
des Herausgebers Absicht, eine Geschichte der
KPD zu schreiben, doch sind seine knappen, un-
polemischen Einführungen und Anmerkungen her-
vorzuheben, die die Benützung der Sammlung sehr
erleichtern. j^^^ sillner
Verantwortlich für diese Seite: Dr. Albert Wucher
c
^9 9;ps
i--T
.V
r T'-T-;-^! --/v\
TOfJN^ui
i
oiTds;n9ppns
8961 Tinr 'L/9 'Sh;uuos/Sb;suibs
\
Mm
se^
PLEASE PRINT
Atu/ior or
Periodical:
/ r v^^
/
Book Title:
Date or Volume:
BOOKS MUST NOT BE TAKEN PROM THE ROOM /V
r(<-4.'flt lu 4*^ 4^ -'''
CLASS MARK
( In Upper right
coiuer of card)
C"^
/L
^
H
CoBKECT Name and Füll Legible Address Required
^
/ ^
INDICATOR
NUMBER
"Name i_^J_I.'*_C____-_'_ .
Address
City
Firm "Name.
iK*
üf
_^Z»p Code-S^i
.-«»»» .
form S9e
^^ ^ife^^e^^ i^^
^tl^j P. M^c^ /^^^ TT^A^/^'^
y^oitC//i^ ^ Aiua^'
fA'C^eUt^
(
^ ^
-<
% ■ M
.<
i-^.,
>-T^-J
Wr^
t
%
/
*4^ x/^i^i/^Ut^
^
^^4'
^irU^i
t/i HY'
/4c
^ijUm^ lAf AiU^^s^ *^ ^^€Z^^ £^ ^^^'^^ >4^^^;pÄt-
* , >
^
^^€^t^^
/j!,af^, ^z^^«'^/**«^
i'Ci*
^i:^
/
ßu^ '^^^^■^^_, ^^^
izr>
P%i d.L
a^^
^
^/c
C^^/Z ^fiyyH^ ^^Mii'c^,^ /t/^^i/~ ^^ :^V--> -^/
Ic ce^i^f
^
^^ ^< /c ^ U^^<^(cU< .'L O^'/^/?
*^ '^'^ C^.^Ä
^^^c^y
l^hl^ .
^4^-^e
^ /^^Cr^.4,i:<:
^^ <? - €^a^^/^
/ h<r Ju
^c
(^Cf
H
v^-^^ ^ 4 ;(,
C£<
^n
-6
^t^C^f ^>/
/^l
/^
^>,
^/^
/^^
*^
$ >^r
^^<r
/^>^.
'^ >^
^
^-C
i/«^ ^
^^u.
A^^,.
Cf^tf^n/
'^V.wt^
it^\ ^,
^<^i^,^^^ ^c^^^ y i^^/l
i<L.i^<r^
^^<^<i^
i/ ^<,^
Vi; ./.J ^^ y,^ ^^^^
-^-^^ .'^ ^,^^^ ^,
^<, A^ i^^^
> ^'^^^./ ^' ^^^v. €c^^^.-^
w>
<^
£
i*'ifr>
^£^^^,
3
/^ ^ /^i.1. <^^ y^d/^ ry^
?;^
^.^j
i*i^^
:y^74<^
t/
^/^^1
<^/vi%
t^l^^i^^.Jy ^^
/
^<^ /^irt^^ir? /4^V itl^a/ /.
•V
//"
^i:,C-<.^
€^^
V
7--
^/ -^^
/,
Vt^
/^>^^r-
/«^V
C
%=>-!
^
7^
(>^^^!C^f^^^<^^>^*:> ^ i
m^^^^mmmm
Author or
Periodical:
PLEASE PRINT
ix:
/fl
A
Book Title:
V
Dateor Volume: /g /
J5
..1 / /,» .
BOOKS MUST NOT BE TAKEN FROM THE ROOM
CoRRECT Name and ^ull Legible ^dress Required
Name.
Address.
City Zip Code.
Firm Name —
CLASS MARK
( In Upper right
comer of card)
/
INDICATOR
NUMBER
form 29c
Author or
Periodical:
PLEASE PRINT
"©I
/
^
^ ^;ynt£c44
Book Title: ^ / ^^
Date or Volume: /"'^ l^^^"" (J^)^. '
j -
BOOKS MUST NOT BE TAKEN FROM THE ROOM
CLASS MARK
( In Upper zight
comer of Card)
CoRRECT Name and Füll Legible Address Requibed
Name.
V Z.
/<€/
INDICATOR
NUMBER
Address A-^—- «£-^—'1— xS.
r
City
Firm "Name—
-Zip Code J.
KJ
form S9e
^^ "^ ^
The Times Literary Supplement, May -ig-^- -1-972 — Ncrv3.^64" '"-psT^e 58I
SucM is thc nian«J;irin style.
/Just one cabinet after another
f
1 ^
HAGEN SCHULZE (Editor):
Das Kabinett Schcidcmaim
Ixvii plus 554pp. DM 60.
MARTIN VOGT (Hditor) :
Da$ Kabinett Müller 1
L\xi plus 375pp. DM 60.
Das Kabinett Müller H
In two parts. Ixxwiii plus I.682pp.
DM 180.
Die Entstchunu des Young-Plans
39()pp. DM 30.
ISt^ppard am Rhein : Harald Büldt.
The rcasons for Ihe weakncss of
pariiamcntary ^ovcrnment in intcr-
vvar Gcrmany have not lackcd inves-
tij^alor^. Some havc cmphasized thc
Icgacy of historical expericncc that
.Gcrmany inhcrited in 1918 : a highly
devclopcd administrative machine
ajj;ainst which thc claims of cicctcd
rcprcscntativcs could make littlc
hcadway ; thc stunting of pariiamcn-
tary institutions by thc authoritarian
mcthods of unilication undcr Bis-
marck ; thc failure of partics to irans-
cend do^matic factionalism and
scctional jobbcry. Othcrs have
cmphasi/cd the anti-parliamcntary
political culture that arosc out of thcse
cxpericnccs — the prcfercnce for
" honest "' governmcnt over " dis-
honcst " politics, thc low public status
of polilicians, thc casc with which par-
liamcntarians Ict thcmscivcs bc typc-
casl as aj^itators rathcr than statcs-
mcn. Othcrs still havc blamcd thc
institutional dcfccts of thc Weimar
Constitution proportional rcprcscnt-
atioa, thc Subordination of cabincts
lo pariiamcntary volcs, the ambigu-
oüs positii>n of the President.
These are good and fruitfui
approaches. No one has yet attacked
the Problem, by starting from the
cabinet, the organ that inhcrited exe-
cutive responsibility from the
Imperial Reklisrat, that curious amal-
gam of Upper house, federal congress
and ministcrial Council. The twenty-
onc Weimar cabincts were a micro-
cosm of thc Rcpublic's impcrfec-
tions. All of ihcm werc coalitions,
Gontaining up to six parties. One
third of thc chanccllors and one ihird
of the ministers werc non-partisan
" experts " recruitcd from outside the
rank's of parliament. For almost
three-fifths of thc Rcpublic's dura-
tion the cabincts rcstcd on minority
pariiamcntary support, or go\crncd
through prcsidcntial dccrcc. Thc
average lifc of a cabinet was littlc
over eight months.
The documcnts ,slorcd by the
Reich C hanccilcry, though by no
means compictc. givc dctaiied in-
sights into thc workings of what
should havc bccn a ccntrc of intcgra-
tive and coordinating power. Thc
first thrcc volumcs undcr rcview
bring thc publishcd total in thc scrics
to four. and at Icast one furthcr
volumc is closc to compiction. All
cabinet minutcs are printcd in
extenso ; only those of the Scheide-
mann cabinet show scrious gaps.
They are suppicmcntcd by mcctings
with party and intcrcst-group dclc-
gations, corrcspondcncc with slatc
governments, study papcrs and drafts
of prociamations.
The Schcidcniann cabinet (Tcb-
ruary to June 19} 9), though not
falling formally within thc pcriod of
thc Weimar Constitution, was Gcr-
.-7
many's first proper pariiamcntary
ßovernment : it comprised the
*' Weimar coalition " of Social Demo-
crats. Democrats and Catholic
Centre who constituted a majority
in the Constituent Assembly, and
sirpplanted the revolutionary pro-
visional governmcnt that had con-
sisted of the SPD alone. Like most
Weimar governments it was primariiy
concerned to sur\ ive. to maintain the
authority of the legal governmcnt
against constant challenges by revo-
lutionary strikers, Separatist State
governments and the forces of order
who werc frcqucntly a law to them-
selves. At least the constitutional
question did not divide thc cabinet
seriously. Economic qucstions. how-
ever, showcd that a go\crnment rcst-
ing on a broad pariiamcntary basc
is not neccssarily a governmcnt of
national unity. Thc eloquent mcm-
forandum by thc Socialist Economics
Minister, Rudolf Wisscil. of May 7.
highlights the unbridgcablc gulf be-
twecn the dirii^iste and free-cntcr-
prise wings of thc cabinet. As for
foreign policy, the Allicd pcacc terms
so fragmcntcd ministcrial opinion
that thc cabinet rcsigncd ralhcr than
decide whether to sign.
Thc Hrst Müller cabinet. which
lastcd only ten wecks (March to
June \*')1()) was nevcr intended to
bc morc than a carctakcr govern-
mcnt. It, too. was a Weimar coali-
tion ; its task nas to repair the
damage done by thc Kapp putsch
and to prepare thc Iirst regulär par-
iiamcntary clcctions. Thc vcry pro-
cess of forming thc governmcnt. how-
cver, showcd lunv ncar-imptissible
werc its tasks. The trade unions.
whosc strike had bccn instrumental
in defeating thc putsch, now dcm:tn-
ded a permanent right of con?.ulta-
tion by the governmcnt ; the propo-
/sal to make the Socialist Otto Wels
^Minister of Defence had to be
/ dropped lest it lead to mass resigna-
' lions by Reichswehr oflicers ; Gen-
eral von Secckt was willing to accept
the sensitive army command of the
Berlin arca provided he could ncmin-
ate his superiors, veto collcague> and
be relie\ed from contact with the
State secretary of the Chancellery.
The elections of June 1920, with
their crushing defeat of the N^'eimar
partics. brought the coalition o an '
cnd.
Müllcr's second cabinet began lifc •
undcr prospccts as hopcfui as any
in thc \\ cimar Rcpublic. A " grcat
coalition " of the moderate partics.
it was formed after their May 1928
election victory and lastcd until
March 1930. It came in on the
wave oi economic recovery anJ dis-
integrated undcr the impact o{ the
dcpression. Its end was the end of
thc attempt to govcrn Gcrmany
through pariiamcntary majorities.
As was usual in thc late 1920s thc
coalition partners were most agrecd
on foreign policy, which mcant in
this casc the elaboration of thc
\ oung Plan for thc rc-phasing of re-
parations. (Its pre-history is docu-
mcnted in Die Entsteluifi!^ des Youn\^-
Plans by Martin N'ogt.) On
constitutional issues, too. there was
the customary patchcd-up conscnsus,
though this iuNolvcd equating the
\er> uncqual thrcats to thc Rcpublic
from right and left. It was over the
cconomy, howe^er, where there was
no common cause to defcnJ agamst a
common enem>. that the coalition
broke up, demonstrating that the Ger-
man party struclurc was not adapted
to prescnting policics und.making
choices.
All the cabincts here examined
süfTered from personal di:iloyahics.
Hjalmar Schacht, the PrcMdenl of the
Reichsbank. abiised his pri\ilcge of
attending cabinet meelings by inime-
diately broadcasting tendeniious \er-
sions of them. The industrial-
ists of the national-liberal People's
Party hounded their ablest colleague,
the Socialist Finance .Minister Hiifer-
ding, into resignation in 1929.
At the time of the peace negoli.i-
tions the Finance Minister Er/berger
publicly called for tiie dismissal of
Brockdorff-Rnntzau. the Foreign
Minister. But such ihings happen
even in well-ordered democracies.
More damaging was a !cgac> from
the Imperial regime : a prcfercnce
for Opposition to responsibility. The
difficulty of persuading parties to
join coalitions. the e\en greater dif-
ficulty of persuaJing them to stay in.
are a constant theme o\ these papers.
To condemn is easy. and thc edi-
tors rightly stress the odds against
these sometimcs mediocre. generally
honest and almost uni^ersally con-
scientious mcn. From the day it
took Office. e\ery cabinet was on the
defensive ; to launch an initiative,
even to claborate contingency plans,
seemed almost utopian. In this the
wcaknes.scs of cibinets werc merely
symptomatic oi wider human and
structural weaknesscs whose causes
must be traced back long beforc 1918.
'^'
Cc
4
/
^ '^"^'"^^-^>^/^.,
>^
^^^. • ^ 4^ ^.^^ ^^^
V
^^ -^-^ f...f ^\ ^^a:,/
^ /i^^:t-t€^..t. Ac^
^/C-
"^'A^^ fd^^, ^^*^
-^e^^.^« /^
Ä^^_
^^e^'ie/^
/^ ^^, ^.. ^^^ 4:^, „^^^
^^4^^^ ' ^^ ^.^^; .X.
4,
^^4^^
1^'
'r*r
fl.
'^^
^^=^^^
^
^^ ^
^<^ ^i^.
i^^'
'V.
i*^>^^
ß^r /C^jc^,/:^
? ^ ^Y ^^^ ^
y^^^^..^ ^..^.
^y /^^^
:^^>^
^.^- -^^^ ^.^ ^Wvw:.^,
— "^s^^ • r-'--''::;-y ' r-'''HA^-'-^'''?:''f--«^- ;''.:-V-.'-;A'^;fty^v-' <ikr '^r'M ^.^•■'■■"'r:
W^-
^^^.:
^
1^
^«^^^^ y^A^x^ ^
C ^' V ^^^^^^^ K/^^^
PXAXf
*«■
/tV^
t
'J-M
Oi-;.^.-- ^<i>;ifX
■:l»5;'•■'■•''^•■^»-^;Ä'>*■-
m^i
■imm
'^M/y;
-5.- '-^r-^^
UM-
«W^^
X
iUc44^fff^
w
\jt<i A_,y*V'^^tv ^ü^^'*^ ^hi^e^ ^z^^^/^^4^€^ . ^<r
/^
J^y u^t^Cr^U. ^'^< ^^^
^^t^-^t
^^
c^
-^^ ^^t'^t',/^^, /?« ^^^
#<^
^>
^
/^
x^
i/-« t ^ < ' a^^<y^
*«-!,
^.
^
)i
/4/ ^ /ßi /nc
V
/fc*^ /ifSv 4-
Cc,
f^' c ^<^ ,
X^J 7
M^
fo%Q.
L.Cyt^f^ t^ " -vU^
*A-^ — /C^c^c^/^'/'C^«^' c S^ft:^^^^
A
W }^L
f ' v-^v^<^^»-. t/ ' ^6A^ 2_4 ^'-e^
/
■'"r^
\/^<-t.^c«-^-
'^ ^
-9 . ih^-^^
< » f r \ P ■ L . ' ^^ K 'VM^V'^^Ci' C^^^«^*-^^ xC^^C«^
i^ ,v.*/c-^.c ^.Vc^.. ^.^.-; ^^^c^ ''^'^^-'
^«-7 . '>^
<-\t^Jk<^<<r •^-^
/
-7^
. ,. , , y 0^lMuP<' ^^'^^'^ ^^^ '^■^
t/du
I
rt 'H^V^tt^t/t t^^i,^ J.^:"«-4 <iW^^ •>^^i^ ; £-c-c-«-e<^ 6^i^c-<-^-^^^ '^^^^4 /^ ~
'^^^tx^ ^K^jLc^ V C'*^<:'(^<^^ A^^^'C>t>ti:>^^ <.\'^i'cA*U
L^
Msaa^
.AMBURG
NABHÄMGtG ÜBERPAinCiUCH
elü. Hamburg. 17. Februar
Hamburg bangt um dio Gesundheit der
groBen alten Dame dieser, Stadt: Frau Or. Els-
beth Welehmann (74), seit 49 Jahren mit Alt-
BUrgermeister Prof. Herbert Weichmann ver-
heiratet, ist gestern mittag auf dem Weg xu
einem Senatsempfang In der Rathausdiele
schwer gestürzt.
Sie erlitt einen sehr schmerrhaften Oberschen-
kelbruch. Freitag morgen wird sie im Krankenhaua
St. Georg von Prof. Franz Mörl (44) und seinem Ärz-
teteam operiert.
Stundenlang wachte Herbert Weichmann ge-
stern am Krankenbett seiner Frau in Zimmer 910
des Chirurgie-Hochhauses.
Lesen Sie den großen Bericht auf Seite 8.
niiniiimiiiiiiiiiiiiii
IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIHIIIIIIIIHIIIIHIIIIilllll»lll*lll><>><<l>"l""l"l"""""""""""'"*<i
>ifji£i2fe
j th<i4m frouria int Krankenhous: H«rb«rt Welehmann brachte
Anschlag und
Drohbriefe
gegen Anwalt
ms. Düsseldorf,
17. 2.
Terroristen ha-
ben gestern
nacht dos Auto
des Düsseldor-
fer Anwalts
Heinz Peters in
Brand gesteckt!
Der Pflichtver-
teidiger im Pro-
zeß gegen die
Attentäter in un-
serer Stockhol-
mer Botschaft
bekam außer-
dem einen Droh-
brief; „Sie sind
ein Zwangsan-
walt 1 Wenn Sie
nicht zurücktre-
ten, werden Sie
liquidiert!"
BM-Anwalt
schmuggelt
Elektronik
dpa. Stuttgart,
17. 2.
Ein Anwalt der
BM-Anorchistin
Ingrid Schubert
(32) hat in Stutt-
gari-Stommheim
versucht, seiner
Mandantin elek-
tronische Bautei-
le In die Zelle zu
schmuggeln. Sie
wurden zwi-
schen seinen
Akten entdeckt.
In der Zelle
fand man ein
weiteres Bau-
teil. Ingrid Schu-
bert verbüßt
eine 13jährige
Freiheitsstrafe.
.•■-:\'\y
$«il9 I • BILD • Hamburg, 17. Februar 1977
Bl LD-Hamburg
Im Krankenwagen wischte Herbert Weichmann
seiner Frau die Tränen ab
f
Für beide - sie sind 49 Jahre verheiratet - ist der Unfall ein schwerer Schock
Von E. LUTCKE, V. AUBELE, W. GROSSER und M. THOMAS
Hamburg, 17. Februar
Sie hatten es eilig — Hamburgs großer, alter Bürgermeister
Herbert Weichmann (80) und seine Frau Elsbeth (74). Die Turm-
uhr am Rathaus leigte 12.29 Uhr — eine Minute später sollte
das SenatsfrUhstUck zu Ehren des neuen amerikanischen Bot-
schafters in Bonn. Walter }. Stoessel, beginnen.
Hastig ging Frau. Dr. Els-
beth Weichmann in ihrem hel-
len Wantel hinter ihrem Mann
in die Rathausdiele. Da ge-
schah es: Auf den glatten Ter-
razzofliesen rutschte Elsbeth
Weichmann aus — ihre schwar-
zen Schuhe mit den acht Zenti-
meter hohen Keilabsätzen und
Gummisohlen waren feucht
vom Schneematsch.
Ratsdiener Helmuth Wirr-
mann (59) hörte zuerst den
unterdrückten Schmerzens-
schrei.
Vor (der Treppe
„Frau Weichmann war nur
noch sechs Meter vom Trep-
penaufgang ins Senatsgehe-
ge entfernt. Ihr rechtes Bein
lag verkrümmt unter dem lin-
ken. Die schwane Handta-
sche war drei, vier Meter
weiteraeschleudert worden."
Wirrmann und ein Rotsfah-
^ . ^ ... . . .. rer truaen Elsbeth Weichmann
.Di* Weichmannii" in ihrer Wohnung am Feenteich. Vor den hohen Bucherwanden ordnen sie ihre ^^^ ^j^^ Rundbank aus Sand-
Schätze: Urlaubs-Dias, die sie aus aller Welt mitbrachten stein. Vier Minuten später ho-
ben zwei Feuerwehrmänner
vom Rettungswagen 11 B Frau
Weichmann auf ihre weiße
Trage.
„Eine unglaublich tapfere
Frau: Die tränen rollten ihr
übers Gesicht, aber sie biß
die Zähne zusammen, um den
unheimlichen Schmerz zu un-
terdrücken", sagt Brandmei-
ster Sieber.
Während der Fahrt ins Kran-
kenhaus St. Georg hielt Her-
bert Weichmann die Hand
seiner Frau. Zärtlich streichel-
te er ihr das Gesicht, wischte
die Tränen fort.
Nach der ersten Untersu-
chung durch Prof. Franz Mörl
(44) fuhr der Alt-Bürgermeister
nach Hause, um für seine Frau
Morgenmantel, Nachthemd
und Waschzeug einzupacken.
Dabei sagte er bedrückt zu
BILD:
„Ach, es ist doch ein
schrecklicher Schock für bei-
de. 49 Dahre verheiratet, und
kaum einen Tag voneinander
getrennt. Immer kerngesund
— und auf einmal ist sie im
Krankenhaus Können Sie sich
vorstellen, wie einsam man
dann plötzlich ist,"
Am Freitagvormittaq soll
Elsbeth Weichmann operiert
werden. Prof Mörl: „Diese
Oberschenkel-Operation ist
für UPS ein ziemlich alltägli-
cher Einoriff — auch bei älte-
Zum Antrittsbesuch
des amerikanischen
Botschafters
Walter J. Stössel jr.
(Mitte) und seiner
Frau wollte das
Ehepaar Weichmann.
Nun hief)
Bürgermeister
Klose (r.), der im
April nach Amerika
reisen will,
die Gäste allein
willkommen.
ren Menschen. Wir legen die
gebrochenen Knochen frei
und schrauben eine Pohl'sche
Laschenschraube ein. Damit
werden die Knochen verbun-
den. Behinderungen bleiben
im allgemeinen nicht zurück."
//
„Ich habe Angst
Herbert Weichmann; „Das
ist ja alles sehr tröstlich —
aber ich hob' doch große
Angst vor der Operation." Er
wird im Vorzimmer sitzen, und
er wird seine Frau aus dem
Operationssaal hinaus in ihr
Einzelzimmer 910 im 9. Stock
im Hochhaus der Chirurgie
begleiten, wenn olles vorbei
ist. Seinen 81. Geburtstag am
23. Februar wird Professor
Weichmann am Krankenbett
seiner Frau feiern.
Mit Bestürzung hörten die
Teilnehmer am Senatsfrüh-
stück von dem Unfall der in
ganz Hamburg verehrten Els-
beth Weichmann. Bürgermei-
ster Klose und seine Gäste —
außer Botschafter Stoessel
und Generalkonsul Kiselvak
waren Alfred C. Toepfer, die
Bankiers Eric M. Warburg und
Freiherr von Schröder, Esso-
Chef Wolfgang Oehme, Han-
delskammerpräsident Schlen-
ker und weitere Prominenz da-
bei — übermittelten sofort
ihre herzlichsten Genesungs-
wünsche.
Immer für andere da: Elsbeth Weichmann
und Heidi Kabel sammeln für Sorgenkinder
So knipste Herbert Weichmann seine Frau —
vor den geliebten Gipfeln in den Alpen
■■;: T.^
Vi
BILD - Hamburg
Homburg, 17. Februar 1977 • BIID •%ttm T
füttert
Milchkühe
Funk
Ein Knopfdruck, und er weiß, ob die Tiere sott sind
Von PETER AUER
Heide (Schleswig-Holstein), 17. Februar
Bauer Peter Franzen (41) aus Bargen
an der Eider drückt in der gemütlichen
Wohnküche auf den Knopf an einem
Kästchen, das so groß wie ein kleines
Radio Ist. Und schon erfährt er an der
elektronischen Sichttafel alles über sei-
ne 80 Milchkühe.
Die Nr. 44 wollte heute nicht fressen,
die Nr. 16 hat ihre Portion sofort wegge-
futtert, die Nr. 9 fraß nur zögernd.
Peter aus dem 200-Einwohner-Ort hat
seinen Boden noch Anfang der sechziger
Jahre mit schweren Sehleswiger Pferden
bestellt; heute ist er der erste Bauer in
Deutschland, der seine Kühe elektro-
nisch füttert.
Dede Kuh trägt deshalb an einem Hals-
band ein zigarettenschachtelgroßes
-•v
J -n
mr •
HVP
tg. ■:■
HB
iiipp^Hp^
gg
il Imi
HHiP'-''
^
^^
1
Wk
%^«^JL
t
■^H
■ '^^<''" ■■-^
^^'- ■-':,
Jede Kuh trägt om Hols einen Sender- 0«mit
werden alle Futterdalen drohtlos ins Hous
übertragen
Am Kontrollgerät in der Wohnküdi« kann
Bauer Franzen ablesen, ob seine Tiere richtig
fressen
Sendegerät. Mit ihrn trottet sie zum Trog,
an dem auch der Empfänger montiert ist.
So erfährt das Elektronengehirn draht-
los: Dos ist die „Else", vier Dohre alt, vor
acht Wochen kalbte sie. Sie braucht des-
halb noch 5,2 Kilo Kraftfutter am Tag.
Nebenan frißt die „Viola". Weil sie so
kräftig ist, wird bei ihr an Kraftfutter ge-
spart. Sie bekommt nur 2,4 Kilo.
Diese Rationen können sich die Kühe
auf einmal holen oder in Raten fressen.
Nur: Mehr als die vorgesehene Menge
gibt's nicht.
Abends wirft der Kontrollschirm in der
Küche alle Daten aus. Das Wichtigste:
Das Gerät zeigt an, welche Kuh über-
haupt nicht fressen wollte. Ein Zeichen,
daß sie krank ist.
Das elektronisch« Fütterungssystem
(es wird aus Holland durch den Hambur-
ger Melkmaschinenhersteller Helmut
Riecken importiert) hat SO 000 Mark ge-
kostet. Insgesamt aber hat Bauer Fran-
zen in seinen 1969 gebauten Hof rund
eine Million Mark investieren müssen.
Er hatte seinen alten, unwirtschaftli-
chen Hof aufgegeben und außerhalb
des Dorfes neu gebaut. Deshalb wurde
er vom Staat unterstützt.
Hamburg - ein Paradies für Männer?
>
/ Hamburg Ist ein „Paradies für
Männer". Auf 100 männliche Ein
gr Hamburg, 17. Februar
Mädchen als junge Männer das
Abitur, aber die Industrie-Arbeite-
rinnen verdienen ein Drittel weni-
ger als ihre männlichen Kollegen.
Kein
Staats-
Angriff
auf
liberal
freier
/
fite 6 — ZEIT Nr. 37
V
DAS POLITISCHE BUCH
Dienstag, den 19. September 19(
ismus
Tlicorieii über ein /oilgiMiiälios llioiiia
Otto Bauer, Herbert Marcuse, Arthur Rosen-
herg u. a.: I ascliismus und K.ipitalismus.
Tiieorien über die sozialen Ursprünge und
die 1 unktion des Faschismus. Herausgegeben
von Woltgang Abendroth. Eingeleitet von
Kurt KHeni, Jörg Kammler und Rüdiger Grie-
penburg. (Politische Texte. Herausgegeben
Aon Wolfgang Abendroth, Ossip K. Mecht-
heim und Iring letscher.) Europäische Ver-
lagsanstalt, Franklurt a. M., Europa Verlag,
Wien; 188 Seiten, kartoniert 12,— DM.
^ m ' er könnte nach dem Putsch in Griechenland
▼ \ noch, länger behaupten, daß der h'aschis-
nuis nur noch ein Gegenstand des historischen
Interesses sei? Allein die Emotionen, die das
Wort „l-aschismus" in der aktuellen welt-
politischen Auseinandersetzung hervorruft,
zwingt da/u, den Aussagewert dieses Begrirts zu
prüfen. Diesem Zweck dient in vorzüglicher
Weise die hier angezeigte Sammlung von un-
orthodox-marxistischen Beiträgen zu einer Theo-
rie des Faschismus,
Alle Aufsätze stammen aus den zwanziger und
dreißiger Jahren. Alle Autoren geben sich mit
der offiziösen Dehnition des Faschismus durch
die Komintern nicht zufrieden, für die der
J-aschismus nichts anderes ist als die „offene
terroristische Diktatur der am meisten reaktionä-
ren und chauvinistischen imperialistischen Ele-
mente des F'manzkapitals". Alle Autoren jedoch
schließen sich der Einsicht IVIax Florkheimers an,
die dem Buch als Motto vorangestellt ist: „Wer
aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte
auch vom f'aschismus schweigen " Der grund-
lei;ende Unterschied zwischen den Methoden die-
ser Theoretiker und denen der meisten konserva-
tiven und liberalen Kritiker des F'aschismus ist
ilamit bezeichnet: er leitet sich ab aus den geisti-
gen 'Fraditionen der europäischen Arbeiter-
hev\ egung, \i,C)i,cn die der Faschismus den Haupt-
stoß seines Angriffs richtete.
Mächli<>;e ^ erhüiulolc
U^BuHj;, Wesen und Fut^ktion der faschisti-
.\\v^^^ÄLweuun^en des iwanzJjgstcn Jahrhundertii
'*"■'' ^''•■■■'piTcschreibung c]
'I'oialitarisnuisbegrill, der eine „v\enigstens thei)-
retische Bevvalt!i;ung des Faschismus blockiert".
Dieser Begriff soll die wesentlichen Struktur-
merkmale der kommunistischen wie der fasclii-
stischen Herrschattsordnung zusammenfassen, die
gleichermaßen als Abweichungen vom Modell
einer westlich-parlamentarisch \ erfalsten Gesell-
schaft angesehen weiden. So sehr man die Er-
gebnisse dieser Betrachtungsweise tür die k.r-
kenntnis von I lerrsclialtsapparaten würdigen
muis — zur 1 insicht in div' Verschiedenheit der
sozialen Ausgangslat;e, der Ziele und der ge-
schichtlichen Entv/icklung von Kommunismus und
Faschismus hat die Tot<iliiarismiistorschung wenig
beigetragen Sie ist, mit einem Wort, zu statisch.
Von der konmumistischen Faschismustheorie
entfernt sich in der vorliegenden Sammlung der
Historiker Arthur Rosenberg noch verhältnis-
mäßig wenig. Für ihn verkörpert sich der Fa-
schisnuis im „gegenrevolutionären Kapitalisten,
dem geborenen Feind der klassenbewußten Ar-
beiterschaft". Die Mittelschichten, in denen auch
er die entscheidende soziale Basis aller faschi-
stischen Bewegungen sieht, wären seinem Urteil
zufolge in Deutschland und Italien um 1918/19
durchaus bereit gewesen, eine sozialistische Um-
wälzung zu unterstützen. Erst als sich in beiden
Fällen die Sozialisten unfähig zeigten, ganze
Arbeit zu machen, hätten sich diese Schichten
wieder \on ihnen abgewandt. Wer die lange
antidemokratische Tradition im deutschen Mit-
telstand verfolgt, wird dieser These zumindest
nicht pauschal zustimmen können und auch die
Wahlergebnisse von 1919 anders deuten als
Rosenberg. Aber es trifft sicherlich zu, dai^ die
bürgerliche Demokratie von den Mittelschichten
i'icht aus eigener Kraft zerstört werden konnte.
Sie bedurften dazu mächtigerer Verbündeter.
Die Rolle von Mittelschichten und Groß-
bürgertum bei den faschistischen Machtergreifun-
gen ist auch das Thema des führenden öster-
reichischen Sozialdemokraten Otto Bauer. Der
F'aschismus ist für ihn das Resultat dreier eng
miteinander vcrschluni;ener sozialer Prozesse:
Krstois hat der Krieg Massen von Kriegs-
teilnehmern aus dem bürgerlichen l eben hinaus-
geschleudert und deklassiert. Unfähig, in die
bürgerlichen Erwerbs- und Eebensformen zurück-
zuimden, bilden sie nach dem Krieg Milizen und
Wehrverbände mit <mrt.^ iiiilitari.stij>clH*^ anii-,
deniokratiscben iinJ nat
teien ab und scharen sich um die völkischen,
radikal antidemokratischen Bewegungen.
Drittens haben die Wirtschaftskrisen der Nach-
kriegszeit die Profite der Kapitalist'.-nklasse ge-
senkt. „Die Kapitalistenklasse, an ilven Profiten
bedroht, will die Profite durch Steigerung des
Grades der Ausbeutung wiederherstellen. Sie will
den Widerstand, den die Arbeite klasse dem
entiieiiensetzt, brechen. Sie verzw.-ifelt daran,
dies unter denu)kratischer Flerrschait zu können.
Sie bedient sich der um die fasch'stischen und
völkischen Milizen i;escharten rebc lischen Mas-
senbewegungen der Kleinbürger unJ Bauern zu-
erst, um die Arbeiterklasse einzuschüchtern und
in die Defensive zu drängen, si äter um die
I^emokratie zu zerschlagen." Baue^ hebt hervor,
daß die Furcht des Kapitals weiiiger dem re-
volutionären als dem reformistischen Marxismus
gilt, den Sozialdemokraten und Gewerkschaften.
Die Staatsmacht wird dem Fascliismus nicht in
einem Augenblick überantworter. in dem das
Bürgertum von der proletarisci'en Revolution
bedroht ist. F.r siegt, als die Arbeiterschaft schon
längst geschwächt und in die Defensive gedrängt,
die re\ olutionäre Mut bereits ai i;eebbt ist. Die
Machtübernahme des Faschisnris wird durch
Kapitalistenklasse und Großgrundbesitz geför-
dert, „um die Föhne zu drücken, die sozialen
E,rrungenschaften der Arbeitei klasse zu zer-
trümmern".
Siclierheil slall Deniokralic
Soweit sich die neuere historisdie Forschung
kritisch mit den gesellschaftlichen Bedingungen
iür den italienischen Faschismus und den deut-
schen Nationalsozialismus auseinandersetzt, hat
sie diese Analyse Bauers in großem Umfang
bestätigt.
Durch zahlreiche Untersucluingen ist seit lan-
gem erwiesen, daß die Gewiime der National-
sozialisten besonder-: zu Fasten jener bürgerlich-
liberalen Parteien gingen, deOen früher die mei-
sten Stimmen des Mittelstand^ zugefallen waren.
Die Wendung vom I iberalisijuis /um Faschismus
ist so erstaunlich nicht: Sol.iJge sich das Bürger-
tum als .fallgemeiner Staill" fühlen konnte,
solange es keine Majorlsieru/g durch die Arbeit-
nehmerschaft zu fürch/en Äiatte, war es un-
bestritten, d.xil die Sicherhei Jdes Privateigentums
am besten in einem parl.»nen tarischen Rcj;ie-
systc^i /u erreichen Ar. In Jer Situation
■"' her, .»»f«>T \^c,-iiimii*ii^^*^ri Bedrohung
■ </•••■**•►:*.?'■
Aufnahme; Rudolf Dietnch
Die DDR-Fahne — Wird sie 1972 bei Olympischen Spielen in München wehen?
Kapitalismus", der Entwicklung vom freien
Wettbewerb hin zum Monopol.
Man mag bemängeln, dais die gesellschaftliche
Konstellation, in der der Faschismus die Macht
ergreifen kann, auch bei Thalheimer nicht noch
genauer bestimmt wird. Offensichtlich ^teht, was
Bauer zumindest kurz andeutet, die Ghance einer
Herrschaftsübernahme durch den I aschismus m
direkter Beziehung zur Stärke der demokratischen
Traditionen in einem l and. Wo sich das Bürger-
tum politisch oder wirtschaftlich nur teilweise
emanzipiert hat, wo sich starke vorindustrielle
Herrschaftsgruppen wie Adel, Kirche. Beamten-
tum und Militär in ihren Machtpositionen be-
haupten — überall da harten und haben faschi-
stische Bewegungen ErfoJgs.uissichten. Daß i^icr
r-aschismus „die dorn manapc^UstiscIieii StaJumj
des KapitaJtsmuJ eotsp rächen de Q'>'^^\il-Ü^^;^_^ii|^
Für die demokratischen Kräfte kommt es,
folgert der italienische Sozialist Angelo l:
aus einer ähnlichen Einsicht heraus, in sol
Situationen darauf an, „den Faschismus
Staat zu isolieren, die Einflüsse und Komplizei'
die den Staat dem Faschismus dienstbar /u
machen bcabsicluigen, zu neutralisieren und zu
bekämpfen. Der haschlsmus vermag nidits ohne
den Staat uiul weniger als niclits gegen ili.'i."
Die Entwürfe zu einer Theorie des Faschisnius,
wie sie uns liier v
orl
leuen, si
nd
vor ciC
lern Zweiten
Weltkrieg entstanden, zu einer Zeit also, \\2 dt-'^
das volle Ausmaß der narionalsoziah^lchen
Fferrschaft noch nidit bekannt war. Hifi
Wirkiiclikeit bleiben sie daher zurück, ifit.
nieinsamkeiten der radikal gcgenrevohi
Iic\\regungen, die niAn seit der ^.wisdicnk
iinrcT dem Trumen ihrer ersten. <lcr jt.i/rV'i
rseine deniokrarischen
DDR oder Mitteltleutsdiland?
\C'cllcs Hangen: DDR. Der unbequeme Nach-
bar. Aus dem Amerikanischen von Helmut
Degner. Piper Verlag, München. 219 Seiten,
n,80 DM.
laudier, die ein sachliches Verständnis tür die
.15 DDR bowirkc.i sollen, j;ibi c^ mirilcrwcik"
c"iic :;an/.c Vlcni;c. Schade um jedes nou innen,
das erst jet/t erscheint, zu einer Zeit, da man
s;ch reihst in Lkinn dem ,i;esamuieut>chcn Problem
mit rationaleren KatCi;orien /.u nähern bei;innt!
Das vorliegende Buch des langiährii;en deut-
schen Korrespondenten \ou NBC, Welles H^^n-
i;en, ist für Amerikaner ^geschrieben. Es enthalt
zahlreiche aufklärende Passagen, die dem deut-
schen Zeitungsle.ser nichts Neues bringen. Nütz-
lich sind jcduch icne Informationen, die der Ver-
fasser auf seinen DDR-Reisen aus erster Hand
erhielt. Was er z. B. über die Erfolge und Pro-
bleme der Industriereform mitzuteilen hat, ist
lesenswert. Nicht weniger informativ ist das
Kapitel über die Situation der Landwirtschaft.
Erfrischend ist das nach beiden Seiten hin
kritische, von Apologie und stereotypen Vorwür-
fen freie Urteil des Autors. Beachtung verdient
auch seine Anti-Neutralisierungs-These: „Die
Viertelmillion amerikanischer Soldaten, die heute
in Westdeutschland stehen, scheinen zur Neutrali-
sierung dieses Landes noch eher beizutragen als
irgendwelche vertraglichen Vereinbarungen zwi-
schen den Großmächten . . . Den Russen ist eine
von den Amerikanern im Zaum gehaltene Bun-
desrepublik wesentlich lieber als ein sich gegen
eine aufgezwungene illusorische , Neutralität' aut-
lehnendes Gesamtdeutschland."
Mängel weist der Bericht Hangens da auf, wo
er Informationen aus zweiter Hand weitergibt.
So war es wohl kaum das „neue ökonomische
System, für das Erich Apel sein Leben hingab".
(An anderer Stelle heilst es statt dessen, dals das
langfristige Handelsabkommen mit Sowjetruls-
land den Planungschef zum Selbstmord trieb.)
Auch die Spekulationen über Apels „Testament"
sind durch die angeführten vagen westLchen In-
formationen k.uim gerechtfertigt. Unrichtig ist,
d.iil Lotte Ulbricht Mitglied des ZK sei. Audi
kann Erich Honecker 1V66 nicht stellvertretend
für Ulbricht „die Leitung der Regierung" über-
nommen haben, da er ihr nicht angehörte.
Verwundern müssen die kritischen Bemerkun-
gen des Autors über die Nichtanerkennung der
bder-Neilse-Grcnze und die terminologische
Verkrampfung bei der Bezeidmung des anderen
Landesteils, wenn er selbst bis zu achtmal auf
einer Seite (!) das Wort „mitteldeutsch" ge-
braucht. („Die Mitteldeutschen haben inzwischen
eine Allergie gegen die Bezeichnung ,Zone' ent-
wickelt.") Da dieser Ausdruck in Amerika nahe-
zu unbekannt ist und der Verfasser das dort ge-
bräuchliche Wort „Ostdeutschland" nie verwen-
det — DDR sagt er selbst im 'l'itel — , muis der
Verdacht aufkommen, der Übersetzer oder
welche Verlagsinstanz auch immer, habe dem
Autor hier eine Art deutscher Verbal-„Politik"
vorexerziert, die er als Ausländer mit Recht
komisch findet. Martin Jänicke
berat,
i;'rrvVn^eiischaUcn auf/ugeH|,Ti und seine Zuflucht
in einem Herrschaf tssystertj zu suchen, das d.\s
Privateigentum oder die pi'llvatc Verfügung über
die Produktionsmittel durch die gewaltsame
Unterdrückung der Arbeiterbewegung sichert.
Herbert Marcuse, der in seinem Aufsatz „Der
Kampf gegen den Liberalismus in der totalitären
Staatsauffassung" vor allem geistesgeschichtlichc
Belege für diese These aufführt, nennt als einen
seiner Zeugen den Liberalen .Ludwig von Mises,
der 1927 dem „Paschismus und allen ähnlidien
Diktaturbestrebungen" bestätigen zu müssen
glaubte, daß sie „für den Augenblick die europä-
ische Gesittung gerettet" und sich ein Verdienst
erworben hätten, das in der Geschichte ewig
fortleben werde.
Die Preisgabe der parlamentarischen Regie-
rungsform um der Rettung der bürgerlidieii
(k'sellschaftsordnung willen ist nun freilich keine
L.rhndung des zwanzigsten Jahrhunderts. In dem
vielleidn scharfsinnigsten Beitrag des Bandes ver-
weist August Thalheimer — der führende The-
oretiker der „rednen" KPD-Oppostion, der 1929
aus Partei und Komintern ausgcsdilossen wurde
— auf die Parallelen zwisdien Bonapartismus
und l-asdiisnuis, ohne auch nur im geringsten
einer Gleichsetzung das Wort zu reden. Er be-
dient sich dabei der Analyse des Regimes Napo-
leons IIL, die Karl Marx im „Achtzehnten
Brumaire des Louis Bonaparte" vorgelegt hat.
Hier wie dort, im faschistischen wie im bona-
partistischcn Herrschaftssystem, verzichtet che
herrschende Klasse, die industrielle Bourgeoisie,
auf die unmittelbare Ausübung der politischen
Macht. Sie stimmt einer „Verselbständigung der
Exekutivgewalt" zu, um wirtschaftlich die herr-
schende Klasse zu bleiben. In beiden I-ällen ist
ein proletarischer Revolutionsversuch voraus-
gegangen, der mit der Niederlage der Arbeiter
endete. Beide Systeme sind offene Diktaturen,
in denen sich die bürgerliche Staatsmacht gegen-
über der Arbeiterschaft verteidigt, verschanzt
und neu befestigt. Die Unterschiede zwischen
beiden Regimes ergeben sich vor allem aus der
a
schreibt, ist jedenfalls eine um.iilässi^e Ver-
a/JgenieineruMg.
Richtig ist hingegen Thalbcimcrs Bemerkung,
daß die Tendenz zur Aushöhlung des parlamen-
tarischen Systems in den „vollent wickelten kapi-
talistischen Ländern" allgemein ist und ddß die
„Verselbständigung der Exekutivgewalt" auch
andere als faschistische l'ormen annehmen kann.
i^.iTtunte, zusatnineiizufaAatfii pflegt, mnd ^
\Vi>hl ofi'enkundi^. Die pmkci'sche Bede^
dieser Theorien liegt meines Eracbtens in
Erkenntnis, daß eine Gesellschaft vor dcr^
sehismus oder verwandten Bewegungcif-^
dem Maße sicher ist, wie sie alle ihre Lint
iicn — und nicht nur die des Staates — ^ l
demokratischen Grundsätzen gestaltet.
Hcinriih A. Winklcr
Kein Wort von Ausdiwitz
.Veränderung des
gemeinen Charakters des
Juristen-Jahrbuch. Unter Mitarbeit des Deut-
schen Juristentages, des Deutschen Richter-
bundes, des Deutschen Anualtvereins, der
Bundesnotarkammer und der Angehörigen
der juristisdien Eakulläten und der Justiz-
ministerien, hrsg. von Ministerialdirektor i. R.
Prof. Dr. Gerhard Erdsiek. 7. Band 1966/67.
312 Seiten. 32,— DM, für Studenten und
Referendare 19,— DM. NVrlag Dr. Otto
Schmidt, Köln.
Das Jahrbuch erfüllt nach wie \ov den einen
seiner Zwecke: es intormiert den speziali-
sierten Juristen über Entwicklungen auf ande-
ren Rednsgebieten. Von Band zu Band aber stellt
sich deutlicher heraus, dals ein anderes Ziel ver-
nachlässigt wird: nach außen zu wirken, den
|uristen-„Stand" gegenüber anderen Gruppen zu
„repräsentieren". Mandie Beiträge verdienten
durchaus eine Diskussion in breiterem Kreise,
aber der Stil, in dem die meisten von ihnen ge-
schrieben sind, vermag Nichtjuristen nicht zu
fesseln.
In dem diesjährigen Band schreibt der Celler
Oberlandesgerichtsrat Dr. Dieter Brüggemann
über die „geistige Orientierung des Richterstan-
des"; die Bonner Staatsanwältin Dr. Maria Gras-
nick stellt dar, was für und vor allem was gegen
ein r.rlnccln der nnchclicho: K/mdr spricht; der
l eitende Ministerialrat Hirschmann aus Kiel plä-
diert mit überzeugenden Gründen tür die Zusam-
mentassuiiL! der \ erschiedenen Gerichtsverwaltun-
gen in einem Rcchtspflc^crninistcniini, und Pro-
fessor I.arenz (München) trägt „Grundsätzlidies"
zur Sitteniüidrigkeit von Rechtsgeschäften bei.
Redusanwalt Professor Möhring (Karlsruhe) be-
handelt eine wichtige Erage des (jesellscbajts-
rcchts, Professor Neumann-Duesberg ((jöttingen)
beschreibt das Recht am eigenen Bild als Beispiel
eines umfassenden „Rechts auf Anonvmität". Der
beste Beitrag aber steht am Schhilv. unter dem
Titel „ Untemehtnensverjassinigsrecht'' räumt
Professor Rudolf Wiethölter (Erankfurt a. M.)
mit falschen 'Lhesen pro und contra Ausdehnung
der Mitbestimmung auf. Sein Beitrag zeidinet
sich nicht nur durch bestechende Knappheit aus,
sondern auch durch politischen Scharfblick.
Leider fehlt auch in diesem Band eine Abhand-
lung über die NS-Prozesse. Sollten Auschwitz-
Prozeiis und Euthanasie- Verfahren in eine Chro-
nik der Rechtsentwicklung nicht hineingehören?
Auf die Biographie von Benedict Carpzov —
Jenes sädisischen Juristen des 17. Jahrhunderts,
der nodi die Todesstrafe für Ehebruch, Meineid,
Ketzerei, Zauberei und Gotteslästerung vertei-
digte — hätte man zugunsten eines aktuellen
\^
Artikels gern verzichtet.
//. P. B.
S
Die Zahl der
Kaffee HAG
Freunde
hat sich
verdoppelj
i
^Vi
x>
# • • und das in einem Jahr ! — •
Aus guten Gründen:
Kaffee HAG wurde in der
Qualität entscheidend verhessci t.
•So bietet er noch mehr Genuß
und verbindet reiches, volles Aroma mit
doppelter Bekömmlichkeit, nämlich für
• Nerven, Herz, Kreislauf und für
m Magea Leber^ Galle.
Das ist ^
kuffee hüb
#_
t
Freitag, den 3. April 1964
Die schutzlose RepuB
Warum der Staat von \Acimar sdieiterte / Von Ridiard Sthm
„Ich möchte laas darum gehen, genau 7ai 'bis-
sen, für wen eigentlich die Taten getan worden
sind, von denen man öffentlith sagt, sie seien
jlür das Vaterland getan worden.*'
Georg Christoph Lichtenberg
„F.s ist nicht wahr, daß ich Er/herger jemals
die Hand gegeben hahe."
Generaljeldmarschall von Hindenhurg nach der
Ermordung Er7hergers
Der zweite deutsche Anlauf zur Demokratie
mißlang, weil ein großer Teil des deutschen
Bürger- und Beamtentums sich mit der Kata-
strophe von 1918 und ihren Folgen nicht abgefun-
den und mit dem Gang der Geschichte nicht Tritt
gefaßt hat. Daß die preußisch-deutsche Mon-
archie und ihr letzter Vertreter abzutreten hatten,
leuchtete, so klar es war, nicht ein. Der Konkurs
wurde dem Konkursverwalter zur Last gelegt.
Das monarchistische Motiv trat im Lauf der Jahre
zurück. Später wurde mit nationalistischen, völ-
kischen, rassischen Vorstellungen die Niederlage,
der Verlust der Großmachtstellung, die Armut
und Teilentwaffnung verdrängt und kompensiert.
Es war Flucht vor der Realität und Selbstbespie-
gelung. Der Anschluß an die Umwelt ging, schon
vor dem Dritten Reich, für viele Deutsche ver-
loren. Statt dessen tat man sich groß in Verach-
tung des \X^eimarer Staats und der Weimarer
Politiker.
Was fehlte, war der Glanz und der Schimmer;
was haben sich allein soldi wackere und gescheite
Männer wie Ebert und Erzberger, beides nicht
„Akademiker", an hochnäsiger Verachtung gefal-
len lassen müssen. Die Republik mußte sich Tag
für Tag mit der Realität herumschlagen, unter der
aktiven oder passiven, heimlichen oder offenen
Mißachtung eines Teils des Volkes, und beson-
ders jenes Teils, der die gesellschaftliche, admini-
strative, justizmächrige und militärische Macht
noch oder wieder in den Händen hatte. Die Repu-
blik hat sich zur Wehr gesetzt. Über die Unter-
nehmen, Versuche, Kompromisse, Erfolge und
Mißerfolge dieser Abwehr gibt es jetzt die gründ-
liche, überau=; verdienstvolle Arbeit des jungen
Historikers Gotthard Jasper: „Der Schutz der
Republik", Studien zur staatlichen Sicherung der
Demokratie in der Weimarer Republik 1922 bis
1930, J. G. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen 1963
337 Seiten, 35 DM.
Diese Arbeit stellt dar, was der Reichstag, der
Reichsrat, die Reichsregierung, die Verwaltung,
die Justiz, unternahmen, unterließen oder ver-
eitelten, um Angriffe auf die Verfassung oder
Repräsentanten der Republik abzuwehren, ihnen
zuvorzukommen, sie zu bestrafen. Sie schildert,
was die Republik an Widerstand und Sabotage
dabei aus allen Ecken, von den Parteien, von den
Ländern, von Beamten, der Justiz und dem Offi-
zierskorps erfuhr.
Drei F^eignisse hnbcn hintereinarH^" die Ver-
gliche, die Hc^ jilil
blieb. Jasper dazu: „Die wenigen republikani-
schen Offiziere, die es in der Reichswehr gab,
wurden im Zuge der Entpolitisierung entlassen.**
Die Reichswehr blieb weiterhin Förderer und
Schild vieler republikfeindlicher Verbände und
Kräfte. Begriffe wie „Entpolitisierung" und „Ver-
sachlichung" waren Tarnworte für die Tendenzen
und Maßnahmen, die der Republik feindlich
waren. Die unpolitische Maske diente dazu, um
so v/irksamerc Politik gegen die Republik zu
betreiben.
Der Mord an Erzberger hat eine Verordnung
zum Schutze der Republik ausgelöst, die sofort
in Bayern, wohin sich die Mörder begeben hatten
und wo ihnen mit Hilfe des Münchner Polizei-
präsidenten weitergeholfen wurde, als „schwere
Verletzung der bayerischen Hoheitsrechte" be-
zeichnet wurde. Schon hatte sich Bayern zur Zu-
vom November 1923 zwei
Senat des Staatsgerichtsh-
wäre, setzte es der bayer
von Knilling durch, daß
gerichtshof, sondern vor d<\
ner Volksgericht angekl.»
dafür gesorgt, daß die M
davonkommen. Bei HitlJ
wahrscheinlich, wenn mai
müsse.** Die Reichsregieru
tere Verlauf ist bekam i
minister war damals Giv
Reichsjustizminister.
Auch anderwärts hat d'J
Schutzes ihren Zweck nichti
eitclt. Das Gesetz, veran:
Rechts, wurde vorwiege
yüf^'s»
Berlin, 1930: Polizisten durchsuchen Nationalsozialisten nJ
flucht zahlreicher „nationaler** Verbände und
Organisationen entwickelt; von hier aus ist durdi
Regierungspolitik, Justiz, Verwaltung und Presse
der wirksamste und hartnäckigste Widerstand
gegen den Republikschutz entfaltet worden.
Nach dem Mord an Rathenau erging wieder
eine V^erordnung des Reidispräsidenten; kurz
darauf, am 21. 7. 1922, nadi Verhandlungen und
Kompromissen mit Parteien und Ländern, das auf
fünf jähre befri-^tete „Gesetz^zum Schutze der
I inks. Dort wurden selb«
Plakatkleber verfolgt, hiel
sieht und Milde vorgegangc
Diese für das ftecht und
dokumentiert. Ihi
war ein Trick, eiij
Begriff ,,iviLi
wai
L.
^ y;esc'iZl
I
toirz 1920, der Mord an Matthia^m^^hergcr im
gust 1921 und der Mord an Wu/7^ Rathenau
in. luni 1922. Der erste Anlauf ist, wenn auch der
Putsch erfolglos war, im Sinne des Republik-
schutzes mißglückt. Insbesondere ist die von
Links geforderte Säuberung der Reichswehr, die
beim Kapp-Putsch Gewehr bei Fuß gestanden
hatte und abwartete, wie er verläuft, nicht emmal
versudit worden. Nach Noskes Rücktritt ist Ccß-
1er Reichswehrminister geworden, die verhäng-
nisvollste Ernennung Eberts.
Geßler, der gefühlsmäßig Monarchist war, hat
die „Entpolitisierung-' der Reichswehr^ in Gang
gesetzt, was daraufhin hinauslief, daß das der
Republik feindliche Offizierskorps maßgebend
ßesonJere Sdiwierigkeitei^Kichte parlamenta-
risch eine Ergänzung des Beamtengesetzes über
die Verpflichtungen der Beamten gegenüber der
Republik. Die Widerstände waren groß und das
Gesetz entsprechend vage. Die Zusammensetzung
und Zuständigkeit des vom Gesetz für die Delikte
gegen die Republik eingesetzten Staatsgerichts-
hofs waren nichi weniger strittig. Auch hier hat
ßayern heftigen Widerstand geleistet. Nachdem
ein besonderer süddeutscher Staat bestellt worden
war, hat Bayern das Gesetz am Tag nach seiner
Verkündung „für das rechtsrheinische Bayern"
nufgehübcn und erst nach weiteren Verhandlun-
gen und Konzessionen wieder akzeptiert.
Jasper hat folgende pikante Einzelheit ermit-
telt: Obwohl für Elitler und seine Putschisten
trieb. 3
Politik und Ju^
gegen die Leute J\
sul (O. C.), die polf' ^^^
und die Täter begünstige
reichsanwalt Ebermayer in
„größtes Verständnis für|
kampferprobten Truppe
hard . . .", er unterstrich ,,dij
der Angeklagten". Über jcl
die O. C. sagt Jasper weiter]
„Im Laufe der Prozesse
stände zutage getreten, die
daß hier nicht mit der nbi
gangen wurde, um die l.r
n
Home so homel
Sir Alec in Nigeria: Was wird aus dem Commonweallh?
London, im März
Sir Alecs Reise nach Nigerien erinnert an jene
britischen Piakate während des Krieges, die
zum Zwecke der Entlastung der Eisenbahnen an
jeden die strenge Frage richteten: Js your join-
ncy rcally necessaryf'' (Ist Ihre Reise wirklich
notwendig?) Niemand hat diese Frage in bezug
auf Sir Alecs Reise befriedigend beantworten
können, am allerwenigsten Beobachter in Lagos
selbst. In London verstieg sich eine maßgebende
konservative Stimme (in der „Snnäay Times") zu
der Behauptung, der britische Premierminister
habe die Reise unternommen, um das Common-
wealth zu retten.
Allerdings: Im Commonwealth geht es derart
drunter und drüber, daß es stündlich schwerer
wird zu sagen, was das Commonwealth eigentlich
noch ist. Es war vielleicht kein Zufall, daß sich
Sir Roy Wehnsky zu seiner ersten großen politi-
schen Rede seit dem Zusammenbruch der rhodesi-
schen Föderation just in dem Zeitpunkt an-
schickte, als der britische Premierminister in Ni-
gerien war; und daß er in dieser Rede das ge-
samte Konzept des Commonwealth einer vernich-
tenden Analyse unterzog. Er schlug vor, die
„volle Mitgliedschaft" im Commonwealth (mit
einem Verteidigungsbündnis) nur auf die alten,
weißen L^ominions zu erstrecken, sowie auf Paki-
stan (nicht aber auf Indien), und auf Süd-Rhode-
sien (das noch gar nicht unabhängig ist).
„Wäre Südafrika noch im Commonwealth",
fügte Sir Roy hinzu, „dann hätte ich auch Süd-
afrika eingeschlossen." Alle anderen Länder aber
dürften nur „assoziierte Mitglieder" sein und
auch dies nur, falls sie das Prinzip der Nichtein-
mischung in des anderen Angelegenheiten akzep-
tierten. „Was", so fragte Sir Roy, „haben wir mit
dem neuen Regime in Sansibar zu schaffen, wel-
ches von Kommunisten inspiriert, wenn nicht gar
kontrolliert ist? ... was mit Dr. Jagans Regime in
Britisch-Guayana? . . . was mit Präsident Nkru-
mahs Diktatur in Ghana?"
Man braucht den Vorschlag eines Zwei-Klassen-
Commonwcalth nicht ernst zu nehmen; man
braucht nicht zu glauben, daß afrikanische Staa-
ten „das Prinzip akzeptleren" würden, zu Ver-
woerds Apartheidpolitik ja und amen zu sagen
oder stillschweigend zuzusehen, wie Winston
Fields weiße Minderheitsregierung in Süd-Rho-
desien die Mehrheit der Eingeborenen auf die
Dauer entrechtet; aber die Kritik Welenskys an
der Realität des Commonwealth ist dennodi zu-
treffend. Es gibt Commonwealth-Länder, die dem
Ideal marxistischer „Volksdemokratien" nach-
streben. Dort regieren militärische Cliquen, hier
Diktatoren. Zwischen Indien und Pakistan
herrscht bittere Feindschaft. In Britisch-Afrika
ist die weiße Hautfarbe unbeliebt, auf Zypern
verbot Makarios den Einsatz britisdier Ncger-
einhelten.
Welche Gemeinsamkeit gibt es da noch, außer
der historischen Tatsache, daß alle diese Länder
einmal britische Kolonien waren? Kann sich an-
gesichts eines solchen Bildes Sir Alec Douglas-
Home wirklich viel davon versprechen, eine Som-
merkonferenz der Premierminister des Common-
wealth nach London einzuberufen? Und doch
scheint er mit seinem Flug nach Lagos vor allem
bezweckt zu haben, die Zustimmung des imposan-
ten Premierministers von Nigeria, Sir Ahubakar
l'afawa Baleiva, dafür zu gewinnen.
In seinen Gesprächen mit Sir Abubakar, in sei-
ner Ansprache an die beiden Fiäuser des nigeri-
schen Parlaments, und in seinen Pressekonferen-
zen, befaßte er sich mit drei Hauptthemen: mit
der finanziellen Hilfe, um die Kluft zwischen indu-
striell entwickelten und Entwicklungsländern zu
schließen, nun, da der Kalte Krieg zwischen Ost
und West abflaue; mit Süd-Rhodesien; mit Süd-
afrika. Zum ersten Punkt konnte er wenig Über-
zeugendes sagen, da sich Großbritannien bisher
nur zu einem Beitrag von 15 Millionen Pfund
zum nigeris^hen Sechsjahresplan verpflichtet hat
— (die Bundesrepublik leistet nicht weniger, und
die USA das Sechsfache). Zum zweiten Punkt er-
klärte Sir Alec in einer Pressekonferenz, daß
zwischen Großbritannien und Süd-Rhodesien
„eine direkte Beziehung" bestehe — mit anderen
Worten, daß Commonwealth-Länder wie Nigerien
in der Frage der Unabhängigkeit Süd-Rhodesiens
nicht mitzusprechen hätten. Zum dritten Punkt
setzte er nur auseinander, daß die britische Re-
gierung wirtschaftliche Sanktionen gegen die Re-
gierung Verwoerds für unpraktisdi halte und nicht
billige.
Allgemein wird befürchtet, daß London der
Regierung Winston Fields in Salisbury Unab-
hängigkeit gewähren will. Nigerische Studenten
waren es, die mit Transpar
stierten: „Home go homeT'
Äußerungen zerstreute de]
solche Befürchtungen nicht,
mit Sir Abubakar allerdings
daß London noch nie einer
kelt gewährt habe, ohne v(
rung zu sichern — und dal
Rhodesiens nicht daran gedal
Abubakar überzeugte, meldej
Aus Indien?" rief ich üb
rascht, als mir H
Heinzelmann d ; Herkunf
land seines neuen ELu
besorgers mitteilte.
„Sogar aus Südndlci
sagte er mit echt wirkcnc
Bescheidenheit.
„War wohl schwer zu b
kommen?", fragte ich.
„In dieser Qualität? Ei
Heldcnarbeit", bestätig,
Herr Heinzelmann, „es hl
mich drei Reisen gekost
Aber bitte — sprechen !
etwas leiser. Unser Krishi
hat einen leichten Schlaf."
„Er schläft am hellicht
Tage?", sagte Ich.
„Er braudit viel Schlaf|
bedeutete er mir, „das hän
mit seiner Religion zusai
men".
„Eine fabelhafte riei]
gion", rief ich, „wo gib
denn die?"
„In seiner Gegend. Eii
Sekte. Fragen Sie ihn nad
her selbst. Jedenfalls gi)t b
ihr ELmdarbeit als eine^\
Sünde."
„Und wie ist es bei denel
mit der Erotik?", erkundigf
ich mich interessiert, „hat
.■zwei-
_^c zum OpÜM-,
IT nicht mehr hin-
ft werden.
V'.ese breite Linfi^j^'in die Stellung de. (poli-
t-.seh verantwortlichen) Menschen im Atomzcit-
altcr mit Respekt und Gewinn lesen.
Lutz Kollner
^ i'
eht hinter deG
raiikieidi ist in Bewesuug geraten
|)Ic Fünfte Republik. Was
Icudle? Piper Paperback,
]cn, 10,80 DM.
einer der hcsien Kenner
[ins. Er hat sich als journa-
Lftler einen Namen ^^emacht.
nimmt man daher scni
feile des Budies, den Grund-
]xkurscn, hat der Journalist
IV-il kommt der — päd-
, Wissenschaftler zu Wort.
Lchaulichc Zeittafeln und
n Leser die französischen
lenso deutlich werden lassen
It von der Vierten zur Fünf-
bisherige Geschichte und
tiier kann man sich in cme
]ie (nicht nur zur 1^'ünlten
[r 'gesamten politischen Wirk-
Frankreich) vertiefen: eu\
,; eisen mit beinahe tausend
Inan ein höchst amüsantes
Ikabular der Fünften Repu-
znamen der Deutschen (von
enen „bodies" über „es
js" während des Krieges „Ics
l" und „les Konrad" heute)
L'den wie die Spitznamen
[s schön „GrancVdiose") oder
zum Beispiel Anspielungen
[n Adel des Finanzministers
taing („Valery Giscard qui
[oder auch »Valery Giscard
■■■' '■*,;'/.•?*
■ und Belege sind unentbehr-
[ch im unübersichtlichen Ge-
then Innenpolitik zu orien-
]frai;t man sich, ob ein der-
nicht eher in ein Handbudi
L "ehört, ob der vcrschwen-
fs dritten Teils schlichte Leser
Jen als anlocken wird. Kli
[i mit großem Gewinn.
px Teils geht Mohler davon
[den herkömmlichen Iranzö-
etationen Vorsicht geboten
Iführendc Pariser Politologe
Iheint ihm verdächtig. Finc
langenheit" mache ihn be-
1 ein Festhalten an gewissen
ken zu kompensieren suche.
|t vor allem in der traduuv
keit der Linken, die, blmd
L-hen, in der Vcrlassungs-
Rcpubük etwas besonders
L-heidendes sehe. , , . . .
fn, daß Mohler mich kunltig
fiifcternationalen Linksmtelli-
I ieh überzeugt, daß er seiner-
llie umgekehrte Einseitigkeit
^euen Institutionen entschie-
itung beizumessen. Wie wdl
■^, Republik schreiben, ohne
darzulegen, was sie Verfassung rhthchvo^
ihren Vorgängerinnen ^'^^f ^^^^^^^'^^^- v^;}\^, , .
..nüut die Interpretation der neuen Veilassun
für iich allein ebensowenig wie eine GhaiaUtc
Sil der Person ihres Schöplers, um die gegen-
vä i.-e Republik zu verstehen; selbstyerstand-
"i muß hmter dem Verfassungswortlaut und
er iM^nir des Generals die Verfassungswirklid.-
e t in'^ibrer ganzen Breite hervortreten, müssen
l ; "esellschrftlichen Kräfte sichtbar werden
die diese Wirklichkeit mitbestimmen. D^vergeis
Suirke liegt gerade in der Verbindung von Wirk-
lichkeitssinn und Verfassungskenntnis.
Mohler kennzeichnet die maßgebenden Krattc
der französischen Politik mit dem englischen
Be-riff des Establishment als „Etablissement Er
versteht darunter das Zusammenwirken der t.a-
dtionellen, seit anderthalb Jahrhunderten nid
erschütterten Führungsschicht l^rankreicls nu
\\^n breiten Mittelschichten - Herrschatt der
Komitees, classes moyennes Franca-s moyen,
Mtuations'acquises sind J-;St.d.worte Die Ko -
munisten, ein Gegen-Etablissenient sind n^^^^
Scheinopposition. Die eigentliche Bediohung des
Ltablisseiuents kommt von rechts, von d n Ul-
tras vom französischen Faschismus. Als siüi
w-ahrend des algerisdien Krieges \eraussaellte
a,ß die nordafrikanische Bastion ^^^;^^J>^^^ f^ ^.
Umwandlung Frankreichs in ein stia f o gani
siertes Gebilde zu halten war, entschlob sieh das
Ftlblissement, das Mohler mit dem Immobihs-
4s gleichsetzt, zum Abstoßen des algerisch^a
Ballasts. De Gaulle ist in dieser Sicht ein Glucks-
;il des Etablissements, aber als einzelner und
samer Mann, als Schöpfer eines Regimes ohne
Infrastruktur nur ein Authalter der ^^ui-i^e, d e
nach ihm xon Ivommunisten wie Fasdiisten ent
fesselt werden können. • i ■ ^ t
Diese These ist eigenwillig. Ist sie richtig? la
Mohlers Buch nimmt die Deutung des :;ls^nsd;en
Krieges und seiner Akteure einen breiten Raum
^n Mir scheint, als habe Mohler den Blick
;Ü stark rückwärts gewandt, als habe er über
tr. Gestern das Heute (und erst recht ein mog-
i;dics Morgen) zu sehr vernachlässigt. Gibt es
w klidi ein Etablissement in Frankreidi, mui>te
diese Frage nicht Gegenstand - statt Vorausset-
, :, ' L 3cr Untersuchung sein? Frankreich ist m
Bew"e>>ung geraten, in einem tiefen Wandlungs-
pr^ begriffen, von ^^agnation, von mrnobi-
ismus kann keine Rede mehr sein. Alleidings
"X Wandel nidu auf allen Gebieten, mdit
in allen Regionen gleichmäßig; diese Ungle.di-
niälsigkcit birgt Geiahren.
Aus dem sorgfältig •^nalys.encn Material das
amerikanische und Iranzosisdic >V^^^senscha k
jüngst in einem sehr lesenswerten Sammelband
,ln search of France" (franzosisdi: „A la
•echerdic de la France") ausgebreitet haben, hat
Francois Goguel gefolgert, daß d- sozialen ^-
cresellschaftlichen Veränderungen in Frankreicn
hinter den wirtschaftlichen Umwälzungen zuruck-
'iblieben sind; erst recht läßt die Anpassung
des Regierungssystems und vor allem der Par
ÜTkurrT^Komue und daß zu^ärzlidi
gÄ uflgbaren Wirkungen m Betracht
^^t^hnUd;er Weise vorsid^tig abwägend wird
audi die Frage der Verzinsung des individucl-
1 n Bidungsaufwandes im Lebenseinkonmicn
behandelt. Der Verfasser referiert ^J^^
sich auf eigene Forschungsergebnisse stutzen z
können. D^s gilt auch von manchen andeien
Tpilcn des Buches. , .
E gene Forschu.gsaAeitea de, Vertassers er-
strecken slA vor allem auf das Gcb.e der
ScÜ und HochschuU-.nanzen und aut d>c
Von'usbcrcchnung des Bodar e. von 1> aucu u
Schulen und Hocl.scluden. l.r hat ^"^^ -^,'
Mühe verwandt aut uuernauonalc Vc.^lc.chc.
Seine erste grölk-re Verülleml.chung ga du,
Vergleich internationaler lendcn«, m cur
Fnt^Ulung der Ausgaben tür ^^^^
Hod,scln,lcn. Die Ergebnisse -■'•'••'Y'^"", .j^, !
beute nicht scbmcichclhalt lur die buiulo
rcnüblil lk-1 allen Vorbehalten gegenüber
dem Aussagewerte der vorhandenen Statisti-
ken komntt^ulding doch zu ^^^:^
unsere Bildungsanstrengungen seit lan^eur
Zeit zurückfallen im Vergleich zu denen in
den meisten Nadibarlandern.
Das hat ihm bei einem Icil dei Intcr
cs^rtei. den Ruf des enlant ternble cn -
..ebracht. Ihm wird vorgewor en, d.i er mt
7ih ei operiere, die nidtt solche ScWusse be-
f;ü In konntet „Aber dieselben Personen
rj "eibt Edding, „die alle aut 'l-;ar,.ge -
deiche gestützte Argumente als /"" •"''.•"'
bezeichnen, tun in der Regel nichts dalui um
Sta ik und Forschung so zu unterstützen,
dal's die Mangel behoben werden ^:^^-
Kddings Buch und das grolse licho, das seine
Schi^t-tei hervorgerufen haben, werden hof-
fen chdalu führen, daß diesem jungen
Zweig der Wissenseiraft alle Mitte-1 zugewandt
werden, die er braucht, um zu gedeihen.
tcienstruktur an die wirtschaftlichs-n und soziale.»
Neuerscheinungen zu wünschen übrig.
Die Fra>'e, die der Untertitel des Buches stel t,
bleibt o?f?n .Aber der Leser sieht sich nicb
eitt'usd t, weil ihm viele (glänzend tonnu lie c)
B öb."chtungcn und Einsichten "-^S.f ,■[,':; 'f^:
1 . ; .1-, /Mi-i p u'ones Urteil biklen son.
an«; lUMieii cr s cli ein cigLu^.^ k^v^
Nthls [beschreibt Starke und ^f^^^^:^^^,
wärti"en Systems besser als die SJiileleiun., ues
G 1 ra ,utsches vom 22. April ' "" ' • '";-S--l] '
sonst ist der eigc.uHche Grund des .ScUcilcins dsi
ü t'a: so bündig ehugestellt worden wie ue,
vf,n niemandem n Deutschland dci Gau iisnuis
,r drWetpolitik und die atißenpolitisehe
Grundidee de Gaulies so treffend charakterisiert
worden wie von Mohler. xv; ,u" -/nr
Er hat sid. jüngst in Christ uiul \Vcl .ui
Grundre-'cl allen Sdireibcns" gcaube.i. l.s „e
;£ " :!cfe. dals das, was man sag. dcganr _nnd
Eiteratur gedacht, .aber lur die 1'^ ^ -^ ^u . . ,
lur mülste es eigentlich erst recht Sj^'^«-"" 1;;,^ , ,'.
Anspruch nicht zu hoch, geht diese oilcnn
„ich't zu weit? Ich bin mehr ^^^-{^f-^'^^
Analyse rieluig ist, ob sie im Lo '^t JJoc
»erade wo er einseitig ist, wird sein Es ay an
Send und interessant. Wer dieses vieldeutige
und verwirrende Frankreich deuten will, w, d
C^ohlers gescheite und c.e...- ^tud.
bar sein.
H..
Jt
y
/
^.■' '\
\
\
X
'^-.J .
ZEIT Nr. 13 — Seite 5
k
I
Ifellos der süddcutsclie
-s zuständig gewesen
che Ministerpräsident
licht vor dem Staats-
berüchtigten Münch-
;i wurde; „es werde
[sjtäter nicht zu milde
sei ein Todesurteil
ihn auch be^nadioen
• gab nach; der wei-
Bayerischer Justiz-
hner, Hitlers späterer
Praxis des Republik-
.Treicht oder gar ver-
ßt durch Morde von
d eine Waffe gegen
.^ , '^^^^
^i'
,, h Waffen
" ;.h '
la
ufn.: IJIlstoin-Archiv
igsverkäufer und
äußerster Nach-
"^"»ats^^efühl so ver-
.iLLlJgisper vorzüglich
|[lcchtfertigung
tm Wort und
eine Seite
jden
positiven Ende zu führen. Dieser Verdacht wird
geradezu provoziert durch die große Milde der
Anklage im O. C- Prozeß des Jahres 1924, von
der sich sogar der Staatsgerichtshof so auffällig
distanzierte. Der Schlüssel zu diesem merkwiir-
digen Verhalten des Oberreichsanwaltes liegt
höchstwahrscheinlich in der engen Beziehung zwi-
schen Reichswehr und O. C. Beweisen läßt sich
heute natürlich kaum noch etwas, es spricht aber
vieles dafür, daß Hberrnayers Bestreben, nicht
allzusehr in die Tätigkeit der O. C. hineinzu-
leuchten, hier seinen Grund hat. Ein zu hartes
Zupacken mußte das ganze Verhältnis zwischen
der Reichswehr und den Verbänden aufdecken.
Das war polirisch jedoch höchst unerwünscht."
Daß der strafrechtliche Schutz einer Republik
mit Strafverfolgungen, mit Verboten von Zei-
tungen und Vereinigungen, fragwürdig ist, drängt
sich auf. Gegen ein Volk oder eine breite Schicht
des Volkes, das aus Trägheit, aus Verblendung
oder Verhetzung dem Staat und seiner Verfas-
sung feindlich ist, ist damit wenig auszurichten —
erst recht nicht, wenn die akademische Ober-
schicht und die Geschichtslehrer jede Gelegenhe-t
benutzten, zwar, wne sie sagten, den Staat zu be-
jahen, aber diesen Staat abzulehnen.
Die Ablehnung der Republik wurde verstärkt
durch die im Jahre 1930 eintretende Wirtschafts-
krise. Die antirepublikanischen Kräfte links und
rechts radikalisierten sich gleichzeitig. Die kom-
munistische Partei schlug auf Geheiß Moskaus
den neuen, von Stalin diktierten Kurs ein, wo-
nach jetzt die SPD ihr Hauptfeind zu sein hatte.
In der Deutschnationalen Volkspartei gewann
Hugenberg die Führung, der in der Harzburger
Front eine Allianz mit der NSDAP einging.
So verschlechterten sich die Chancen einer Ent-
wicklung im republikanischen Sinn weiterhin,
bis zur Katastrophe.
Am Beginn dieser Entwicklung steht aber, daß
dem deutschen Volk das Bewußtsein einer histo-
rischen Zäsur, eines geschichtlichen Rucks nach
vorwärts gefehlt hat. Der Krieg war ohne Be-
Setzung deutschen Gebietes zu Ende gegangen;
die Niederlage war ein fernes F>eignis, das bis
kurz vor dem Schluß mit Frfolg verheimlicht
und schließlich nicht einmal geglaubt wurde.
Der den Staatsapparat tragenden Schicht wurde
jenes Bewußtsein eines historischen Abschnitts
von Anfang an nicht verschafft. Das war der
Geburtsfehler der Republik. Geschichte ist aber
jiicht nur Tradition, sondern auch Veränderung.
Hier drängen sich Überlegungen zu unserem
neuen demokratischen Anlauf auf. Diesmal haben
das Volk und die ßeamtcnschicht eher jenes Be-
wußtsein einer historischen Zäsur. Die moralische
und militärische Niederlasse de? Regimes ist uns
dc'urlich xorgeführt worden; die Okkupation
blieb uns nicht erspart. xMan kann gegen die
Entnazifizierung einiges vorbringen. Sie hat aber
doch dazu gedient, dem deutschen Volk jenes
Bewußtsein /u verschafien, dals im Staat und
im Staatsapparat etwas historisch Bedeutsames
vorgegangen war. Die Beamten wurden durch
Befehl der .\lliiertcn entlas^^en und bedurften der
^'iedereinstellung.
Preis sei auch hier unserem Bundesverfassungs-
gericlu, das durch seine Entscheidungen über die
Beendigung der Beamtenverhältnisse am 8. Mai
1945 (Urteil vom 17. Dezember 1953 und Be-
schluß vom 19 Februar 1957) die rechtliche
Formel für jene historische Zäsur gefunden hat.
Zwar tadelt der Bundesgerichtshof gerade diese
historische b-insicht, indem er beanstandet, dai^
„eine so ungeheuer weittragende Recht<^folge wie
das Erlöschen aller Beamten Verhältnisse auf die
unsichere Grundlage eines geschichtlichen Wert-
urteils, einer historischen Rückschau gestützt
werde". Wogegen ich auf jene Einsicht die FlofT-
nung stützen möchte, daß wir dieses Mal im lach
Cu^scliichte nicht sitzenbleiben. Manchmal wankt
die HotTnung allerdings.
Spritze für die Lira
Italien am Rande einer Wirtschaltskrise
D
Rom, im März
ie Italien eingeräumten Kredite amerika-
nischer und internationaler Währungsbcht'»r-
dcn in Höhe von 1225 Millionen Dollar sind —
nach den vielen Hiobsbotschaften der letzten Zeit
— die erste gute Nachricht für die Wirtschaft des
Eandes. Es läßt sich nicht länger leugnen: Italien
steckt in einer Krise. Ministerpräsident Aldo
Moro hat im Fernsehen die Nation zu Opfer und
Verzicht aufgefordert: innerhalb eines einzigen
[ahres ist die Handelsbilanz von einem beschei-
denen Überschuß zu einem Passivum von 780
Milliarden Lire gelangt.
Die Mailänder und Turiner, die von der Kon-
junkturbremse am meisten betroffen sind, be-
durften solcher Mahnung indessen nicht: Als Ant-
wort auf die von der Regierung beschlossene
Erhöhung des Benzinpreises, auf die Einführung
einer Steuer beim Kauf neuer Kraftwagen und
Motorjachten und vor allem auf die Einschrän-
kung des Ratenkauf ens haben die Fiat-Werke für
50 000 Arbeiter die Reduzierung der Arbeitszeit
pnration (250 Millionen), dazu Anleihen der
OECD (300 Millionen Dollar) der Lira auf die
Beine helfen. Die 1225 Millionen Dollar ent-
sprechen fast dem Defr/ir der Zahlunr,sbilan7 \on
1963 und stellen somit den Reservenbestand An
Valuten von der Jahreswende 1962/63 wieder her.
Die Kreditgewährung wird nach der allgemei-
nen Sprachregelung als ,, Beweis des Vertrauens"
in die italienische Wirtschaft bezeichnet, aber
vielleicht auch nur in dem Sinne, wie die Brand-
wache Vertrauen in die Wirkuni^ des Wasser-
Strahls hat. Allgemein heißt es, daß heute zwar
eine mehr oder weniger ausgeprägte Rezession,
aber keine wirkliche Inflation mehr zu fürchten
vSei; der moderne Staat wisse, wie er die Weichen
zu stellen habe, um ihr begegnen zu können. Außer-
dem gäbe es im Notfall noch die Freunde in der
EWG und die Solidarität der westlichen Zentral-
banken, die 1962 auf Grund ihres Baseler Ab-
kommens Englami i'n einem kritischen Augen-
blidt hilfreich |^ .«r Uie Arme gegriffen haben,
f^' ^' . . .
Litsche
Verfahren
lisatlon Cofi-
Liite, anordnet
"zeigte der Ober-
seiner Anklageschrift
das Bestreben der
des Kapitäns V.r-
l nationale Gesinnunir
Ines Verfahren gegen
waren einige Um-
llen Schluß nahelegen,
Itigcn I-'nergie vorge-
init; jungen /u eineni
V t.>li
vv uuicTTsiuncten i^cKaiiii igL-^cbLi i :
Mucn dagegen prote-
i[n seinen öffentlichen
ir britische Premier
In seinen Gesprächen
.süli er erklärt haben,
volonie Unabhän<:ijr-
rher Mehrheitsregie-
j^ auch im Fall Süd-
jcht werde. Ob er Sir
i die Fama nicht.
' Martin Wieland
die Lancia-Werke und die Innocenti-W erkc wer-
den folgen. Auch Olivetti will die Arbeitszeit der
10 000 Arbeiter von 44 auf 26 Wochenstunden
verkürzen; und Magnaäync, eine angesehene
Firma der Flektronengeräteindustric, will 2000
ihrer 6000 Arbeiter entlassen.
Noch bedrohlicher ist die Krise bei den mitt-
leren und kleineren Betrieben. Hier sind Fnt-
lassungen an der Tagesordnung. Auch im Bau-
sektor ist die Zeit des ßoofns vorbei; Hunderte
von Bauhrmen haben ihre Tärigkeit eingestellt.
Auffallend ist auch, dafs der Strom neuer Zu-
wanderer aus dein Süden seit einigen Wochen
i;achgelassen hat. -Auf dem Mailänder Zentral-
bahnhof kommen jetzt täglich nur noch etwa
hundert „Terroni'' aus Sizilien, Kalabrien, Apu-
lien und Kampanien an, und in achtzig von
hundert Fällen können sie nicht sofort eine
Arbeitsstelle finden.
Auch den Optimisten Ist es nun klargeworden:
Die Jahre der großen Konjunktur sind vorbei.
Natürlich hat der rapide Übergang zur Krise die
Italiener völlig verwirrt. Da er mit der „Links-
Öflnung" der Regierung Ammtore Fanfanis zu-
sammenfiel, liegt es nahe, daß die Rechte dieser
allein die Schuld zuschiebt. Das ändert aber nichts
an der Tatsache, daß unter Fanfani verhängnis-
volle Fehler begangen worden sind. La Malfa,
der frühere Budgetminister, führt die rasche Ver-
schlechterung darauf zurück, daß die Regierung
damals zu schwach gewesen sei, um sich gegen die
Lohnforderungen energisch zur Wehr zu setzen.
Nun sollen die Kredite aus dem amerikanischen
Staatsschatz (550 Millionen Dollar), des Inter-
nationalen Währungsfonds (255 Millionen), die
langfristigen Anleihen der Export-Import-Bank
(200 Millionen) und der Commodity Credit Cor-
Carli, jeden fal^,^; alt die bereits beschlossenen
Aiistcrity-MailuS'imcri für ausreichend, um die
Bilanzkurve wiedei- nach oben zu führen. Den-
noch würde die Regierung die Ventile noch
weiter zudrehen, wenn dies notwendig sein sollte,
um „das Vertrauen der westlichen Freunde zu
erhalten".
Es sind weniger wirtschaftliche Gründe, die die
Lira gefährden, als politische. Der kommunistisch-
linkssozialistische Gewerkschaftshund CGIL
weigert sich, den Appell Moros für einen Lohn-
frieden zu akzeptieren — nn Gegenteil, er will
die augenblickliche Situation nützen, um ,,eine
wirkliche Links{)rfnung", nämlich die Volksfront,
herbeizuführen Die Gewerkschaften kommuni-
stischer Observanz haben das zwar nicht so kraß
gesagt, aber für sie hat Togliatti auf der kom-
munistischen Organisationskonferenz in Neapel
gesprochen. Dort v/ar viel vun ,, Erpressungen des
Industriellenverbandes", von „geschickt maskier-
ter Ausbeutung der Arbeiterklasse" und von der
Krise ,, nicht im kapitalistischen System, sondern
des kapitalistischen Systems" die Rede, aber nicht
von den schwmdenden Mitgliederzahlen.
Noch nehmen die kommunistischen Gewerk-
schaftsführer Rücksicht auf ihre sozialistischen
Partner, die — sofern sie nicht der neuen soziali-
stischen Dissidentenpartei PSIUP angehören —
ihren Parteifreonden in der Regierung nicht in
den Rücken fallen können. Mäßigung ist auch
ratsam, weil die italienischen Arbeiter genau
wissen, was ihnen guttut und was nicht. Darum
hat auch Togliatti die amerikanischen Kredite
und Anleihen akzeptiert, obwohl sie seine Strate-
gie durchkreuzen müssen. Er hat lediglich ver-
langt, daß die KP an der „demokratischen Kon-
trolle" beteiligt werden muß. Hans Bauer
r-
1 i
|r-
Irr
^s-
!S-
«
er
e-
le
le
-11
iz.
ic
la
\\
h
'n
rs
IC
t —
I''
1 1
n
('
T
W oJf^ono Eberf :
Diener zum Dinner
es mit der F^nthaltsamkeit
und Askese?"
„Im Gegenteil. Erotik gilt
als sehr gottgefällig. Krishna
hat großen Erfolg bei den
Damen unserer Bekannt-
schafl, die sich schon unmcr
für den Fernen Osten inter-
essiert haben. Sie fesselt sein
asiatisches Schweigen."
„Fühlt er sich nicht manch-
mal einsam?" wollte ich
wissen.
„Aber gewiß. Darum ge-
hen wir kaum mehr zusam-
men aus dem Flaus. Immer
muß sich einer um ihn küm-
mern. Wir sitzen ganze
Abende beisammen."
„Und was machen Sic
da?**
„Wir meditieren. Wir ver-
senken uns in unser Brah-
ma.**
„Sicher sehr lustig", sagte
ich, „n)achen Sie das öfters?"
„Dreimal täglich eine
Viertetstunde. Vor den Mahl-
zeiten. Man soll am Anlang
nicht übertreiben", meinte
Herr Heinzclmann.
„Krishna meditiert natür-
lich mit", sagte icli.
„O nein. Ein Inder
braucht das nidit. Der hat es
schon. Krishna sdilätl dann
in seinem Bett."
„So eins mit Nägeln?"
„Haben wir ihm natürlich
von einem alten Fakir be-
sorgt. Ob er es benutzt, wis-
sen wir nicht."
„Sichon Sic auch manch-
mal Kopf?", erkundigte ich
midi
„Mriiu" Frau. Sie ist eine
Siule weiter als ich", sagte
Efen I ic inzelmann, „danadie
sie sich gleich wie neu-
fühlt
geboren".
„Neugeboren? Und wie
steht es ,HM Ihnen mit der
Wiedergeburt?"
„D.mke, es geht", '^.-'gte
er, „meine I rau würde im
nächsten Leben gern ein
Perlhuhn sein."
„Was hat sich bei Ihnen
verändert, seit Sie einen in-
disdien Diener haben?"
„Vor allem unsere Ernäh-
rung. Durch Krishna wissen
wir um die Bedeutung von
Sauermilch. Bei uns kommt
nichts mehr aut den Tisch
ohne Sauermilch. Möducn
Sic mal was probieren?"
„Nein, danke", sagte ich
tief erschrocken.
„Es schmeckt sdirccklich",
gestand er, „aber wenn man
iiien indischen Diener hat,
muß man gew^isse Opfer
bringen. ?vleine Lieblings-
spei.<>e: Kalbsrouladen kann
ich nur noch heimlich außer-
halb essen. Kalbfleisch ist. bei
uns neuerdings tabu. .Manch-
mal schaut mir Krishna tief
in die Augen. D:.nn fühle ich
mich ertappt und beichte "
„Wozu brauchen Sie über-
haupt einen indischen Die-
ner?"
„Zum Tee. Er hat eine
echt indische Art, Tee zu ser-
vieren", erklärte Herr Hein-
^.elmann, „dann natürlich zu
Empfängen. Mandimal
kommt zu uns auch der
Oberbürgermeister. \V'/) kön-
nen ihm etwas bieten, w.'.s
er selten hat: einen indischen
Diener. Eloffentlich gewöhnt
er sidi an uns. Diese Leute
aus dem Osten sind doch so
unergründlich."
„Und wenn er Sie verläßt
— was dann?"
„Darüber grübeln meine
Frau und idi 'lag und Nadu.
Viellcidn fahre idi dann mal
rasdi nach Neu-Guinea. Wa>
meinen Sie, wäre das nichts
— ein Papua zum Essen?"
1
L
Seite 6
ZEIT Nr. 13
DAS PO LI
Zwei deutsdie Staaten
Der Aiischlul? Oslencichs war keine IjCuuluni» der Nazis
liirj:cii Cichl: Ausiri.i, Gcrmany aiul tlic An-
"sclilul> 1931 — P)3S. Oxlorcl Univcisily Press,
london. 212 Seilen.
V>r t'ast clreilsit; Jahren, am 23. Juli \')}-\.
Jiwiii; eine (jruppe \ou Naiionalso/.iAlisieii
in Jas ösUM-reichiselie Ikuulcskan/lcranu am Wie-
ner Ballhausplat/ ein. I-^s kam /ai einem Hand-
gemenge. Schüsse Helen. Der österreichische Bun-
cle>kan/ler l-aigelberi Doli Fuß wurde tödlich ver-
ler/t. Mussolini schickte italienische Truppen an
{.Icn lirenner, um einen deutschen l^inmarsch zu
verhindern. Aber Hitler hielt still. Lr sah zu, wie
in Wien der Putsch seiner Parteigenossen langsam
zusammenbrach. Österreich blieb selbständig, we-
nigstens vorerst. Das Vor- und das Nachspiel die-
ser dramatischen Lpisode der österreichischen Ge-
schichte schildert das Buch eines Deutschen, das
in li,ngland erschienen ist.
Gehl beschreibt acht Jahre deutsch-österreichi-
scher Beziehungen, von den Planen einer Zoll-
union im Jahre I^>3I bis zu Hitlers Einzug in
Wien im März 1938. Was von der Donaumonar-
chie noch übrigblieb, nachdem 1919 Ungarn, die
Tschechoslowakei und Jugoslawien selbständig
geworden waren, machten die Sieger des Lrsten
Weltkrieues zu einem Staat und nannten es öster-
• ••11 1
reich. Gegen den Willen der Österreicher bestand
\or allem I'rankreich darauf, dal.s das Land un-
abhän-riii blieb. Der Anschlul^ an das Deutsche
Reich wurde im l-riedensvertrag \ erboten. \ on
einer Wirtschaftskrise in die andere taumelnd,
bemühte man sich in Wien wenigstens um eine
w irtschaftlichc Zusannnenarbeit mit Deutschland.
Im Plan einer Zollunion, die 1931 zwischen dem
österreichischen Vizekanzler Schober und dem
deut>chen Außenminister Curtius vereinbart
wurde, fanden die I'.inigungsbemühungen der
Weimarer Zeit ihren Höhepunkt. Doch auch ge-
gen eine wirtschaftliche Zusammenarbeit erhob
Paris Widerspruch. Der l^lan der Zollunion
wurde geopfert.
Der erste österreichische Politiker, der aus der
Not der Unabhängigkeit eine Tugend zu machen
wußte, war Dollfuß. l.r gewann damit vor allem
die Sympathien Mussolinis, dessen faschistisches
Herrschaftssystem er in Österreich bereitwillig
kopierte, (iehl charakterisiert die Person von
Dollfuß — sehr zurückhaltend, wohltuend fern
von Hais und ik'wunderung, die auch m der wis-
senschat tlichen Literatur leider olt noch nachwir-
ken: ,.D()llluß was neither the courageous de-
tender ot Austria's iiuiependence, the imaginative
Creator ot ihe authoritarian siate, nor the ruili-
less suppressor ol the Social isis ^.n^.\ parliamenlary
Jcniocracy. He ['»la\eJ the part ol a skillul tactic-
ian, who embodied the unsieatly equilibrium ot
Austnan poliiic^'." Die Anlehnung >\\\ Italien
zahlte sich lür Dolltuls um so mehr aus, als Hit-
ler, inzwischen «.leuischer Reichskanzler, tlen An-
schluß Österreichs zu seinem ersten aui.senpoliii-
si'-eii Uniernehmen wählte.
Die Nationalsozialisten setzten Dollfuß unter
Druck. G^flizielle Zurückhalm^^ Terror und Ver-
h.nullungsoereitschatt gini'X'^^and in Hand
o.ler Kv<,ten einander ab, / . ' AI tu
r>
Hitler das Steuer fester in die Hand, l'.r hielt \on
nun .\n einen Kurs, der das Ausland nicht mehr
b.eunruhigen sollte. Ahnlich wie 1923 in der In-
nenpolitik ging Hitler nun zu einer ,, legalen"
Aiilsenpoliiik über. Der Schock, den der miß-
glückte Juli-I^itsch bei ihm hinterließ, wirkte so
nachhaltig, dais Hitler noch 1938 skeptisch war,
ob Österreich, inzwischen ohne internationale
Rückendeckung, schon für den Anschlui^ reif sei.
Die treibende Kraft wurde Göring. Kr löste ziem-
lich eigenmächtig den Linmarsch der deutschen
Truppen nach Österreich aus und hat sich noch in
Nürnberg stolz zu seinen 'Laien bekannt. Den-
noch ist Gelds 'Lhese, die Annexion Österreichs
sei Hitler förmlich durch die Ereignisse aufgc-
zvK'ungen worden, reichlich überspitzt.
Der grolise behandelte Zeitraum gestattet Gehl
nicht immer eine ausführliche Analyse. Die Stärke
des Buches liegt ohnehin nicht in der lückenlosen
I/mzelforsehung, sondern in einem fundierten
L'bcrblick, der auch die weitere Vergangenheit mit
eirschließt. Die Anschlulsfrage geht im Grunde
zurück auf die Auseinandersetzungen um die
,,grolsdeutsche" oder die ,, kleindeutsche" Lösung
im neunzehnten Jahrhundert. Nach der Meinung
des Verfassers fand mit Hitlers Einzug in Wien
ein langes historisches Kapitel seinen Abschluß.
Alan Bullock ergänzt ini Vorwort diese These
mir der berechtigten L'eststellung, daß der An-
schluls Österreichs an Deutschland keine Erfin-
dung der Nationalsozialisten gewesen ist.
Dieter Roß
i.j'f'"''
;*»
„War es Berechnunj
weil hier angeblich]
Vitalität, die das
Unser Bild zeigt Hii
Im Sdh recken
Neue Möglichkeit(
Der erste Teil beschäftigt sich mit den
A na Ivse des .\ionizeiialters, der
I s'
Ludwig Freund: Frclliclt und Unfreiheit im
Alomzcitaltcr; Gütersloher Vcrlagshaus Gerd
Mohn; 398 S., 28,— DM.
Nach seinem vielbeachteten Buch über Politik
und Lthik legt Ludwig Lrcund mit seinem
neuen Werk eine stark differenzierte Kultur-
analyse vor, die einen weilen Rundblick bietet
auf die großen weltpolitischen Lreignisse. Eigent-
hdi sind es gleich zwei Bücher, die Lreund an-
bietet,
Umrissen emei
i- weite beschäftigt sich mit realpoliiischen l'ages-
f tagen, wie etwa der Stellung der Vereinten
Nationen oder den Möglichkeiten der Außen-
pvlitik im Atoni/eitaltcr.
Gibt es das überhaupt, das Atom/eiialter?
1 iiniiern wir uns: Präsident Truman ertuhr von
der l'Aisten/ der Bombe erst nach seinem Amis-
antriti n.\eU dem '\\>dc Roosevelis im .\pril 1943,
der Krieg in l uropa war damals praktisch bereits
/u Lnde. Im Juli unterzeichnete er den Betehl tür
den .\bwurf der Bombe auf Japan „lür die Zeit
nach dem 3. August". Damals fiel die erste und
W\'A\cv letzte i'.ntscheidung, die dem iraditionel-
' i sehe n Ci ei>i n n u n iL u n d ^ \i^'
anzieht, um den e>;
und beharrlich vor;
Weber, Martin H>
werden ebenso bem
säcker, Theodor Lit
die Randhguren feh
sie zum Teil gern
iierät Freund in die
nungsfeldcs zwisdic
deren Verhältnis zu i
her richtungsweisend i
Buch ist eine Kritik'
schal ilichkeit unsere
den Verlust der Fa
vor einem wissensch i
menschlicher Substa'tu
Aber bedeutet fü' i
Kritik .\n der akiu'-
Grundsätzen nicht
tuni: überholter W'*s
.schaAl icher Linsicht 'd
Fragen mit dj|g|
der gcopolitij
sechzig Jahi
den i
■<«ii
umordet wurde. GcW icl.;"^ Jcials Hitler vu.i
dieser Gewalttat ortenbar nic.4^4^wuist hat. Die
Ahniin-sloslgkeit Hitlers ist bezeichnender hir
den Stil der deutschen Auik'npolitik der Jahre
19 )3 bis 1934, als der Verfasser glaubt. \'or allem
die nationalsozialistische Österreich-Politik htt in
dieser Phase unter persönlichen und institutionel-
len Rivalitäten, unter Widersprüchen zwischen
dcu expansiven Gelüsten der Partei und dem
Stillhaltebedürfnis des Auswärtigen Amtes, das
noch nicht gleichgeschaltet war. Leider hat es
Gehl versäumt, das Doppelgesicht der national-
sozialistischen Außenpolitik, das Bracher mit der
rormel von „T'\pansion und Abschirmung" ange-
deutet hat, /u enthüllen, obwohl 'ji^cwnlc die
Usierreich-Poliiik ein Musterbeispiel dalür isi.
Nach dem Desaster vom 25. Juli 1V34 nahm
Kric^i im
Nord
orucii
Karl l.cnnarl Ocsch: linnlands Lnlschci-
dungskampf l'>44. Verlag Huber, Fraucnleld;
180 S., mil Bildern und Karlen 21,70 DM
D.i> Buch wendet sich nach seiner Themen-
stellung nicht an breitere Kreise, wird aber
die militärischen Fachleute fesseln durch die Ge-
nauigkeit der Untersuchung von L-'.reignissen, die
bisluM- sehen durch Sachverständige dargestellt
worden sind. Der Verfasser war 1944 Ober-
befehlshaber aller finnischen Truppen aut der
Karelischen Landenge und kennt daher die ent-
scheidenden Ij-eigniVse aus eigener Anschauung
Vx le-t auch die Schwächen der binnen blols und
verschweigt nicht Mannerheims Irrtümer. Sem
Bestreben ist deutlich, es geht ihm nicht um
S.-hulmeisierei, sondern um die Möglichkeit, aus
beuanccnen l'ehlern /u lernen. Am l'iule aber
V, n-d \on neuem r)ewuiKierung erweckt lür die
Tapferkeit und die militärische Tüchtigkeit des
iinnischen Heeres. G". G.
Begegnungen
Lritz Hodcigc, Carl Rothc (Herausgeber):
Atlantische Begegnungen. Eine I-rcundcsgabe
für Arnold Bergstracsscr. Verlag Rombadi,
Lreiburg; 222 Seiten, 23,— DM.
Arnold Bergstraesser ist tot, sein Andenken
lebt auch 'in diesem Buche weiter, das Schü-
ler und hreunde /u Autoren hat: Carl J. Lned-
neh, l lelena M. Gamer, l'.duard Heimann, Ro-
bert XL 1 luichins, NLitthüs Jolles, W'ilbur K. Jor-
d.m, llellmul Kämpfe NLirgaret McKenzie, Ar-
nold \\\)lters, c;. Wvu^ \\'o(h\\\\u\\. Das sind viele
Namen, viele \\ l>sensehaftliche Neigungen, viele
Temperamenie Der Bogen ist weit gespannt:
vom „\'ei-hin-nis der totalen Ideologie" über
„Politik und Leidenschaft im mittelalterlichen
Schachspier' und dcv „Sprache des jungen Schl-
ier" bis zu Hofmannsthals Opermexien. Man so 1
nicht künstlich eine geistige Gemeinsamkeit bei al-
len zwischen diesen (und noch einigen anderen)
Themen suchen. Sic besieht nicht; es sei, dals
man die gleiche helle Wachheit des Autspürens
und der Sprache schon als ausreichend hndei, das
.•cistige Band herzustellen. Vaitscheidend ist wohl
die gleiche herzliche Anhänglichkeit an einen be-
deutt-nden Forscher und Menschen. Darum sollte
auch der Leser die Mannigfaltigkeit der Themen
unbefangen auf sich wirken lassen. Keiner der
behandelten Gegenstände ist ohne Reiz, und jeder
wird mit einer erstaunlichen Fülle an Gedanken
und Einfällen vorgestellt. Paul Sethe
wonung des Politikers der Gegenwart eine gan.-
lich neue Dimension verlieh. Erst Präsident Ken-
nedy stand während der kubanischen Krise vom
Herbst 1962 unmittelbar vor einer ähnlichen
Entscheidung. . , , .
Aber für Freund ist das Atomzeitalier keine
rein militärstrategische Angelegenheit, zumal die
Wirkungen der Bombe in Wahrheit den Ent-
scheiduiigsspielraum der Verantworthchen ein-
engen, statt neue Möglichkeiten des Kriegsspiels
zu bieten. Es geht ihm auch nicht allein um die
ökonomischen Möglichkeiten, die die Atomenergie
anbietet, zumal da selbst die meisten professio-
nellen Nationalökonomen es ablehnen, von einer
/ weiten industriellen Revolution zu sprechen, da
sich die Einführung der Aiomkratt, ähnlich wie
die anderer technischer 1 rhndungen, nur sehr
langsam vollzieht. Tatsächlich geht es Iretmd bei
de/ Definition des Atomzeitalters um die Detini-
tion des Menschen und seiner schöpterischen und
/ersiörenden Möglichkeiten.
Sem Buch ist ein Beitrag zur Sozialanthropo-
lo-ie i.\cn man nicht übersehen kann. Seme
ülvrraschenden auikMipolitlschen Emptehlungen
ergeben sich nicht nach der überlieferten macht-
politischen Arithmetik, sondern als ferne Konse-
quenzen seines Menschenbildes. Nur so kann
man seinen praktischen Vorsehlag nach Abzug
der amerikanischen Truppen aus Europa ver-
stehen, mit dem er sich betont in die Nahe von
Lord Rüssel stellt. Man kann solche, Wider-
spruch herausfordernde, Empfehlungen nur
be-relfen, wenn man sich sorgfältig in Freunds
Gellanken einliest, sonst milsversteht man den
Autor und bereitet sich selbst übertlüssigen Ärger.
Freund holt weit aus. Er beginnt mit der Ent-
fremdung des Menschen \ou sich selbst und er
me'.in da'^nit mehr als Karl Marx im Auge hatte,
ninnlieh nielit nur die Trennung des einzelnen in
Produzenten und Konsumenten, in Privatmann
und Arbeltstier. Die Entfremdung des Mensehen
beginnt für den religiösen Denker Freund bereits
in^ hohen Mittelalter. Entfremdung ist ihm kein
Begriff der Ökonomie, sondern der Entsäkularic-
sierung. Er läik keinen Zweifel darüber, daß der
Mensch weder durch eine nur intellektuelle Na-
turwissenschaft bestimmt werden kann (als deren
Exponent er Julian Huxley sieht) noch allem
durch ökonomische oder soziologische Analysen
dcfinierbar ist. Ihm kommt es darauf an, den
Menschen wieder in eine „kosmische Ordnung"
einzufügen und neben dem politischen Men-
schen den religiösen Menschen neu zu entdecken
und „mit dem\'\ll zu vereinigen".
Alle Selbstdeulungen des Menschen bleiben
Stückwerk, wenn man nicht auch in seine religiö-
sen Bereiche eintritt. Seine Ablehnung der mate-
rialistischen Geschichtsauffassung ist daher nur
konsequent, seine Stellungnahme gegen die
i,x)derne Psychoanalyse sieht in der Religion
keineswegs mehr (wie es Siegmund Freud aller-
dings taf) einen ausschließlich psychischen Pro-
zeß! sondern sie betrachtet sich heute» bestenialls
als eine Vorstufe zu einer neugefühlten Reli-
sle.lltr
fein es. F'r^
indem Wisset
reichend vonc
w
ers
1
giosiiat
l'reunds Kritik an den Intellektuellen, die das
„Ai^citsschicksal" nicht teilen wollen, aber den-
lioch nicht schöpferisch sind, bekäme gewiß proli-
lieriere Züge, folgte er der Unterscheidung m
technokratische und schöpferische Intelligenz.
Aber Freunds Stärke liegt zunächst in der Kritik
der bisherigen Kulturkritiker, aus der sich dann
die eigenen, zum Teil überraschenden, Thesen
entwickeln. Kaum einer fehlt in der langen Reihe
der Ökonomen, Soziologen, Zeickritiker, Theo-
logen oder Sozialanthropologen, die Freund her-
Armin Mohlcr: l|
Sicht hinter de
München; 331 Sci|
Arnim Mohler isi
Frankreichs bei
list wie als Wissensell
Mit groi^T Spamu|
neues Buch zur Han»
Die beiden ersten
rils mitsamt seinen
verfaßt, im dritten
agogisch begabte
Liier finden sich
Übersichten, die del
Regimes seit 1789 eb|
wie die Übergangsze
ten Republik, derei
politisches Personal,
kritische Bibliograph
Republik, sondern ziij
lichkeit des heutigen
Schatzhaus an Hinvi
Titeln. Hier liest
Kapitel über das Vc
blik, in dem die Spit|
den längst verges-
Schlcuhs", „Ics Teutcj
Fritz", „les Fridolin
ebenso erläutert wJ
de GauUes (besonder'
die seiner Minister,
auf den zweifelhaftLi
Valery Giscard d'E
sc croit d'Estaing"
prcsque dT:^staing").
Mohlcrs Hinweise,
lieh für jeden, der s'
lande der französisv|
tiefen sucht. Freilich
art reicher Apparat
als in ein Paperback
derische Reichtum de'
nicht eher abschreci
jedenfalls benutze ili
Im Essay des er,>,!
aus, daß gegenüber
sischen Selbstinterpi
sei. Vor allem der
Maurice Duverger s
„unbewältigte Verg
fangen, die er durcl'|
Vorurteilen der Lin>
Ein Vorurteil sieht .|
Hellen Wortgläubigl
iieiienüber den Tat:
reform der Fünliei'
Bedeutendes, ja Enis
Auf die Gefahr h
dem „Bündnis der
genz" zurechnet, binl
selts jedenfalls in i
verfallen ist: den i|
den zu wenig Bede
man über die Füni
a
WttV'lK-
/
i^,r ^
, /• -
r \
/
rxannan ^
rrendt, -he origins of to talitaria^iisni, L^ew
York, arcourt,
brace c
^r
1951
■''A'/^i-S
I
!■
tf
P. 4 .i-en Hitler came to po .er, ^n« ^-^man oanks ^'-^^e alreadj^
almo^ judenrein... ana üerman jewry as a v^hcle... was aeclinine, ^o
rapidly that statisticlans predicted its disappearaiice m . .ew
decades.
p.5. ..Hat makes men obey or colerate real power and °^.^^°'-^''^
Hand hate people wLo have vvealth without POV-er,isthe rational
instinct t et pov,er has a certain function '• nd i.^. o. oO.Tfc sen^r-a x
use.
T).7 The scapegoat explanation rer.iains oae or the principal atj^mpts
to escape the seriou:.ness of a. and the sisnificance oi t.-- fact
that thG Jevvs werej^ ariven inte the stormcenter °\^''l^^^' ^^S^f^,;^
vadespread is the opposite doctrine of an ^^r''^^'^''':-]^^^^^..
hatred is a normal ana natural r^-act- on co v.hicn hibtoi/ ^avcb onx.
nc^-e or lass opportunlty.
p.8. lenorance or niisunGerstaiiding of their o'f ^^^J;^^ fnf S-
Lsponsible for their fatal underestx ation of tn. -^-^^^^^
precedented dangers \iiich lay ahea
;at also "bear in mind that
l^c. ofYolitical abilcty and juc nt">:cv. been caused y the
Verv natu ^ c, Jewis v.ostor., , .tnout a |Overnnient .athout a
oountry/.an:. .ithont .an ua,e . ^^-^jf-^^roj an^i ä-st
began histon' '•'^--•- - "^^-^ .efined concepi ui n -^_ a- ^ ^^ ^^ ^„r^th
conscious r
Solution' to achieve a v;ell circumscrio
arin on ea
an., thaa, v.dthou c givin^^ up thie ccncc^.t , -J^i^ a axx po
actions. Hesult: History o^' Jewish Peopxe oecame evcn moie iepu^
u,on unforeseen accidental r .ctors t an tne history o. otncr na
r, c. ;oö^rn a. raust be seen in the raore general framewox-- o- the
I;;;io?rxnt of the nation state.and -^^fT^J'l^;:,,-^^^:''
be found in csrtuin aspects of isn his.o.y .in^ .pt,CL .icaj.xy
functions durin- th- i rt centuries.
^V
T..1-. £uu..lity or condltion as unHor^rood b".
becanB
lit^r or;
o »
• • • • •
nsuriaouucable inequali^^
1- -
the Jat^obin
-pi pp T-n v^^^^r^ ' , iity befO':^: tj,e L
o' scci. 1 e^ udition,th<. et t.i^t
olass rpenibersbip n L^ continent v.as bcstov.ed upon ^e individu:.!
and up to .: \. ilmost guaranteed t' - -> couxu
b\^ siele v.lth political equality.
p.15. i'he ft-ealth of the Jews seeiaes to '^^^ .^f^ ^"t^^ ^^^ ^arctly
Lass.but they d.. not share ..n its --P^;-^^J^^/^^^iJ^^^3onnel "^d
in industrial entenrise an. «i^iployers of hite ooxlar p.r.on
not ..orkers. vheir Status v.-as defined .^rou.. ..^^^^'^ °^i'-,i ^^'Z^; m
throuch their relationshx>to.anotherclass...^^^^^
•,Veltv<irtschafts-Archiv 19a?, vcl .'0.,.X.-.o. KX,.s.enex.ia
p.ic „ithout territory and £overnnent th. - 'f „^^ J..f ^J^'f^^tlLte
inter-^uropean eler.ent. his i^,*^^^ *^°"^^^/,!^*^J 'e^fce' "«^ted on
necessarily pr rved because tne Jev.s' iinancial oervice..
it .
/
Seite 6 Süddeutsche Zeitung Nr. 289
§nA\ nnh ^tli
Donnerstag, 3. Dezember 1970
der ihn von der Welt trennt, statt ihn in sie zu integrieren.
Wo immer Christen sich heute fragen - und viele fragen
PC, sich — ob Christsein ohne organisierende Institution
möglich sJi, wird man Davis' Theorie in Erwägung ziehen
müssen. Eins ist sicher: Das Sicheinlassen auf eine solche
MögUdikeit setzt eine Initiative, Kraft und Spontaneität
vorauf zu der die im Schutz und unter den Direktiven ihrer
Kirchek sicher lebenden Priester nicht erzogen sind. Des-
S[b gehört die Entscheidung des Charles Davis heute noch
zu den großen Ausnahmen.
Sehr viel häufiger führt sie einen Priester dazu, sein Amt,
nidit aber seine Zugehörigkeit zur Kirche aufzugeben^Der
Amerikaneriames Kavanaugh spricht das in seinem Buch
Trotest aus Liebe" mit deutlicher Beziehung auf Davis
fnz klar aus: „Wir übrigen sind nicht so begabt und so
faDfer Wir können ohne die Kirche, die uns zur Abhangig-
ke^ erzogen hat, nicht auf eigenen Füßen stehen« - ein
wahrhaft erschütterndes Bekenntnis, das alles was von
Printern u"d Laien gegen ihre Kirche vorgebracht wdm
einem einzigen zusammenfaßt. Doch eines hielt auch der
Frieder Kavanaugh nicht mehr aus: Weiter als Instrument
Ti^er Gesetzlichkeit zu fungieren, die mit Hilfe des Sunden-
bewußtseins Unabhängigkeit verhindert -n^ immer^ noch
unendlich viel Leid über gläubige Menschen bringt. Für den
Theofog^^^^^^ .wm-de die Rolle, die die Kirchen m den
weUweien Kämpfen um eine gerechtere und mensxhhchere
Welt spielen oder nicht spielen, zum Anstoß des Nachden
kens. Bei Kavanaugh sind es „nur" die unmittelbar erleb-
ten Erfahrungen eines kleinen Seelsorgers, dem der Lega-
lismus seiner Kirche verbietet, im Umgang mit Menschen,
die etwa am Versuch, den nichtkatholischen Ehepartner zu
bekehren, oder am Pillenverbot oder an sexuel er Bedräng-
nis irgendwelcher Art zu zerbrechen drohen, Vernunft und
Liebe walten zu lassen. Kavanaughs Bericht klingt wie em
Katalog mittelalterlicher Folterqualen, denen sich diejeni-
gen, die nicht in der Lage sind, die Autorität derer, die sie
fhnen auferlegen, in Frage zu stellen, immer noch unter-
werfen. Die Sünden dieses Katalogs haben übrigens fast
alle etwas mit der Geschlechtlichkeit zu tun Auch das
müßte bedacht werden, wenn man über Zölibat diskutiert
der Zusammenhang liegt auf der Hand. Daß Kavanaugh
später heiratete, dürfte deshalb richtiger als notwendige
Konsequenz aus seinen Erfahrungen als Priester, denn als
Tribut an die Natur und Verstoß wider den Geist zu deuten
^^Der - vorläufige - Schluß aus dem allen? Christliche
Kirchen, die den Menschen um seines Heils willen unter das
Joch ihrer Gesetze zwingen, unterscheiden sich von moder-
nen Institutionen, die auf ihre Weise das gleiche - und
manchmal mit besseren Argumenten - versuchen, nur da-
durch daß sie die protestierenden Stimmen zu Wort kom-
men lassen. Das ist auf die Dauer nicht genug. Aber es be-
rechtigt zu der Hoffnung, die viele Christen noch zogern
läßt dem Beispiel Charles Davis' zu folgen.
laut, aem ceu p _ GISELA UELLENBERG
Die durchschauten Junker
Hugo Balls „Kritik der deutschen Intelligenz"
«Ttr-r» RAT T • Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Herausge-
& Bernhard, München, 1970. 326 Seiten, 14 DM.
Die historisch-politische Essayistik der deutschen im er-
sten Drittel dieses Jahrhunderts ist auch heute noch aktu-
ell aIs de Historiographie im Konformismus des eigensm-
nigen Bismarckreiches erstarrt war, soweit sie nicht in der
MedLevisTik oder der Orientalistik weiterhin Glanzleistun-
gen "oUb^^^^^^^^^^^ als im Zusammenhang damit auch da,,
lamentarische Beredsamkeit kaum mehr Lesbares hergab,
™n^ Essayistik ihre Ersatzfunktion. Sie wurde zu
ffn^m deutschen Komplementärphänomen, wahrend in
?^^nTernv^e Frankreich und Italien der Geist nicht von der
Tribüne des Parlaments, nicht von den Lehrstuhlen ver-
bannt wan Die deutsche Historiographie mit ihrer h^^^^^^
iährisen Anologie jenes verhängnisvollen LehrstucKS, oäi
ntmar* dem Lunenden Europa vorexerzierte d.e deut-
frHl'toHographle, nach dem Ende von 15 — h
von dem Nebel lebend, den die von ihr verschv«egenen
Fakten erzeugen, verschwiegen, weil dw deutscn
preumsche Fehlentwicklung unsichtbar b^^b- -II.
hieT:nd^^r-Xw"aVtrw'es^e'"u?^^^^^^
N^rderlage im Ersten Weltkrieg einsichtig machten und
Tefne sch^^^^^ Reprise von 1933, die freilich nur noch m
gerne scna g_ .^erfolgen konnte, voraussahen.
schillernd, noch Bebel in seinem Gegensatz zu Jaures), auf
preußischer Seite. Hugo Ball muß dies, aus der Korrespon-
denz zwischen Marx und Engels, gewußt haben; denn er er-
wähnt Liebknecht, der die von dem borussifizierten Reich
ausgehende Gefahr noch klarer erkannt hat als die marxi-
stischen Dioskuren, an keiner Stelle. Liebknecht paßte Ball
nicht ins Konzept. Daß mit Lassalle hingegen „ein streberi-
scher Aventurier", ..ein Pseudorebell", einer der frühesten
Führer der deutschen Arbeiterbewegung gewesen ist,
kann unwidersprochen bleiben. Doch auch Marx, entschie-
den weitergegangen in der Negation des preußischen Jun-
kerstaats, hat für Hugo Ball nicht genug an kritischer
Macht aufgerufen, um an den „Schlaf der Welt ' zu rühren^
Dies vermag für den von der deutschen Realität zu strenger
Geistigkeit Erzogenen nur noch die Religion der Anarchie.
Hugo Ball wirft denn auch Marx vor, er mache die ^grob-
materielle" Produktion zur Geburtsstätte aller Geschichte.
Das rein intellektuelle Interesse steht im Vordergrund,
nicht die Liebe." Da ist Ball längst auf den klügeln von An-
archie und Mystik auf und davon. Aber gleichzeitig bleibt
er mag er noch so viele Schwächen bieten, ein eminent
politischer Geist. Man nehme ihn als Korrektiv zum Mar-
xismus, als eine heilsame Medizin, und man verstehe nicht
als letztes Wort dieses Gedankens die Konsequenz, mit der
Hugo Ball sich gerade gegen diejenigen wandte die emzig
noch die Emanzipation, nicht anders mehr denn als Emanzi-
nntion des deutschen Proletariats möglich, zu erkämpfen
ZcZn.HuTB.ll von allzu unvermittelter Konkretion
irregeführt, mißversteht die Marxsche Rationalität als Ab-
strakt on, als ein Hindernis für emanzipatonsche Politik.
Fin Proßös politische Talent wendet sich gegen die von Marx
Em gioüos poiuisuiL - ^oine Orientierung in den kon-
r
z
n
4o l)iH iKHite* C liroiiik (MiK^H XiilHi j(^L>;j-;
s
l
»Das.vorl!egende Buch ruft läörr Weg.id^n M%i^ V'f^'"
jahFlijhdeif Äückgelööt tt j|i|Cr kT|Qhaulie^ Weise
in uiTöäf Gedächtnis. Ich h0ie,daßtb^^^ beiträgt, unsere innere
ßindUniart MündieFiÄ(v^|tä^^ vertiefen; daß es uns damit
zufielet! ney%!l<^raft gÄ (lifCWeg in eine bessere und größere Zukunft
weiterhin mit Erfolg zu gehen.«
Aus demVorWort von Oberbürgermeister Dr. HansrJochen Vogel
Ein gültiges Dokument über die Nad^kri^szeitin^ erl^rifs-
starken Öfldern und etW^mlteillbteh:p^^
iie Seiten miiüberÄl^tos, Leinei^^^
A3 Seit'ieutp in jäder Butihlla^
Bitte besuchen Sie die züciifesem Buch gehörende Ausstellung irri;
W^ :jr-'>.>;\» ^'i .A'.
liinärier^y tmuseäE^^t-Jakbßs^latz^^^^^^^ ISltfii
Ein solcher Autor war Hugo Ball. „Die Frage nacl
Gründen unserer Isolation beschäftigte mich vorzüglich
seit Herbst 1914. Ich bemühte mich, die Prinzipien ausfindig
zu machen, mit denen das Deutschtum der ganzen Welt sich
entgegensetzte." Hugo Ball war überzeugt, daß „der Sturz
der preußisch-deutschen Willkürherrschaft", das von aller
Welt herbeigesehnte Kriegsziel, nicht genügen würde, die
Welt vor „einem ferneren deutschen Attentat" zu schützen.
Das war am Ende des Ersten Weltkriegs ein Gemeinplatz
auch der Volksmassen in Deutschland. „Die deutsche Staats-
idee hat den deutschen Gedanken vernichtet. Die deutsche
Staatsidee ist es, die ich mit diesem Buch treffen will. Um
sie in all ihrer Macht und volkswidrigen Tradition darzu-
tun, mußte ich sie historisch entwickeln und Gesichts-
punkte aufstellen für die Kritik ihrer hervorragendsten
Repräsentanten."
Im Mai 1915 war Hugo Ball mit Emmy Hennings in die
Schweiz entwichen, im Januar 1919 erschien seine „Kritik
der deutschen Intelligenz", wenige Monate nach Thomas
Manns „Betrachtungen eines Unpolitischen", der verführe-
rischsten Apologie deutscher Reaktion. Hugo Ball erhoffte
sich Befreiung und Umsturz, eine Revolution für die Deut-
schen, wie sie „sich nur mit der französischen Befreiung
1789 vergleichen läßt". Sein Buch erschien im Freien Verlag
zu Bern, wo zu gleicher Zeit Ernst Bloch seine leidenschaft-
liche Befürwortung der Niederlage der deutschen Militärs
veröffentlichte. Gerd-Klaus Kaltenbrunner hat zur Neu-
herausgabe die biographischen Daten über Hugo Ball zu-
sammengetragen, worauf hier verwiesen werden darf. (Nur
ein einziger Irrtum sei angemerkt: Karl Kraus habe den
Krieg als „große Zeit" gefeiert — Karl Kraus hat im Gegen-
teil die Feier des Krieges als einer „großen Zeit" mit ver-
nichtender Kritik bedacht.)
Hugo Ball war anarchistischer Sozialist, und er war von
christlicher, von täuferischer und östlich-orthodoxer
Mj'stik inspiriert, auch darin, von Charles Peguy und Leon
Bloy wie von den Slawophilen herkommend, den Wider-
spruch zum aktuellen Deutschtum bekennend. Denn es
kennzeichnet Hugo Balls Kritik, daß sie, von der Negation
des deutschen Kaiserreichs ausgehend, eine einzige Projek-
tion negativer Wertung auf die gesamte deutsche Ge-
schichte wirft, soweit sie Geschichte der Herrschenden war.
Deren Konturen werden brüsk verdeutlicht. Aber es sollte
dem Leser bewußt sein, daß daraus die Vehemenz spricht,
mit der Hugo Ball von der Wirklichkeit des verpreußten
Reiches abgestoßen wurde. Dieses Reich erfaßt er reali-
stisch und präzis, mag über die Auslegung der vorbis-
marckschen deutschen Geschichte auch zu streiten sein.
Zwanghaft geradezu mußte er vor Marx, weil dieser ein
Deutscher war, zurückweichen. Begierig griff er zu Baku-
nin, und in der Tat sah dieser klarer, was Preußens funeste
Konsequenzen betraf. Wenn er Thomas Münzer und Franz
von Baader gelten ließ, so betraf dies nicht seinen Sozia-
lismus, sondern das mystische Märtyrertum, in welchem er
seine Zuflucht gefunden hatte. Erst recht Lassalle, der Deut-
sche und Jude, mußte für ihn ein Antipode sein, jener Las-
salle, der mit Bismarck verhandelte und Pläne hegte, „in
denen das Ptoletariat nur die Rolle eines von ihm benutzten
Instrumentes spielte, die Rolle einer Waffe, mit der er die
persönliche Kraftprobe zu liefern gedachte". Nicht zu Unt-
recht nutzt er die von Bernstein beigebrachten Details der
Biographie Lassalles gegen ihn aus, und er zitiert, was Bis-
marck, großzügig lobend, über ihn erinnert. Scharf ent-
scheidet er die Frage, wer wen betrog, gegen Franz Mehr-
ings Deutung, Bismarck habe bei diesem gemeinsamen Kir-
schenessen nur die Steine bekommen. Allein das Kapitel
über Lassalle erweist den großen Publizisten. Nach Heines
Wort hat die preußische Regierung sogar von ihren Revolu-
tionären Vorteil zu ziehen gewußt. Aber Marx? Und, dies
eine Klimax, Bebel und Liebknecht? Wilhelm Liebknecht
stand dem Ausland gegenüber niemals, wie J. B. von
Schweitzer, Lassalles Nachfolger (und wie merkwürdig
kreten Kämpfen der Zeit aus dem rneoreiiK.er eres
lismus zu gewinnen vermag. Seine Flucht suchte zwei
Wege. Er entwich in die Religion, aber er blieb hienieden;
vor dem Deutschland seiner Zeit floh er nur, um mit der
Revolution zurückzukehren. Er behielt seinen Standpunkt
im irdischen Streit. Politisch entschieden hat er sich für die
alliierten Gegner des am 18. Januar 1871 im besiegten
Frankreich ausgerufenen Deutschen Reiches. Ihnen gab er
recht, daß sie mit einem Anachronismus Schluß zu machen
suchten, der Europa in eine Kaserne verwandelt hatte.
Hugo Ball hielt Marx für einen unbrüderlichen, abstrakt
subordinierenden Gelehrten. Das Wissen, von dem er be-
hauptet, es trete bei Marx als höchstes Prinzip auf, töte den
lebendigen Geist, so meint er. Daß „Das Kapital" ohne
Gymnasialbildung nicht zu lesen ist, verführt seinen auf
praktische Befreiung versessenen Geist, über die Schwere
der Konflikte hinwegzuspringen, zu Bakunin und Weitling:
als ob für Marx das Studium seiner Schriften die Möglich-
keit proletarischer Revolution erst schüfe. Schwerwiegend
der Vorwurf, Marx habe hinter dem Bourgeois den Junker
nicht gesehen: auch dies eine Projektion von Erfahrungen
des späteren Kaiserreichs, als die unselige Allianz von
preußischem Junkertum und Industrie für die ganze Welt
offensichtlich war. Von späterer Erfahrung her also ist die
Kritik an Marx verständlich. Doch offensichtlich vernach-
lässigt Hugo Ball die Periodisierung historischer Tatsachen
und Ideen. Sein Historikertum ist politisch, auf die Kon-
flikte des Tags bezogen, in falscher Unmittelbarkeit dann
eben doch wieder der Reflex jener Ohnmacht, von der er
die deutschen Massen befreit sehen wollte.
Doch wird durch Balls Spiegelung hindurch nur um so
klarer, was der Marxismus ist. Der Mystizismus, in dem die
kritische Theorie der Gesellschaft unterzugehen scheint,
legt es dem Leser nur noch näher, intellektuell, und nichts
als das, zu verfahren. Liegt hierin bereits ein eminentes In-
teresse an den Balischen Marx-Passagen, so wird es für uns
Heutige noch gesteigert, wo Hugo Ball seiner Zeitgenossen-
schaft sich zuwendet. Denn die deutschnationale Phrase
von 1914, mit Philosophemen verbrämt, mit Emotionen auf-
geladen, geht immer noch um; sogar der Philosoph Her-
mann Cohen, der berühmte Lehrer Franz Rosenzweigs,
feierte im Kriege die Vormacht Deutschlands und die
deutsch-jüdische Allianz. Walter Rathenau pries noch 1917
das „Pflichtbewußtsein" des deutschen Volkes, das „bis an
die äußerste Grenze der Kraft jede geforderte Leistung
hergibt", und er sprach von dem „hingebungsvollen Unter-
schichten- und Untertanenbewußtsein", das in Preußen
„Millionen von Seelen" erfülle und „die disziplinierbarste
und organisierbarste Masse, die wir kennen", erschaffe —
fürwahr ein furchtbares Wort. Hugo Balls hellwaches Buch
bietet dem Leser öine Fülle dergleichen historischer Dicta,
die unvergessen zu bleiben verdienen und die uns erkennen
lassen, zu was unsere Herren uns gemacht haben. Es ist dies
ein Stück jener Geschichtsschreibung, die aus der Sicht der
Unterworfenen kommt, ein Desiderat noch der Gegenwart.
Mit sicherem Spürsinn bringt Hugo Ball genau die Zitate
aus Bismarcks Mund, die über ihn aufklären. Die Zunei-
gung vieler Deutscher zu romanischem Wesen hat vielfach
in ein Verhältnis nur zu Kunst und Lebensart sich verflüch-
tigt, auch dies Folge des politischen Drucks. Bei Hugo Ball
bleibt diese Affinität politisch. Indem er im Ersten Welt-
krieg bereits die Sache der gegen Deutschland gerichteten
Allianz sich zu eigen machte, ergriff er das einzige Mittel,
das — außer der Revolution — die deutschen Massen hätte
retten können vor dem, was sie unter dem Faschismus erlei-
den sollten. Mehr noch als im Jahr seines Erscheinens sagt
Hugo Ball uns Heutigen, was wir nicht wissen. Sein Buch
vermag als eine ebenso feierliche wie dezidierte Präambel
zu unserer künftigen Historiographie zu gelten.
WILHELM ALFF
.V
J
^■^■^^Bf ^r
^
1
1
w
1
^^^^ y^^^y- -\^-^
■'■■■■" ^t;
|H|
1
ij|
1
i
1
^^^Kj^^
Wmm
^^^^^^^^H
■
--'T.y...
"
^U
^m^-A-. --w
'od
1/2
O
,<:
<
Handel und Wirtschaff
iiMiininiitiuiiiiiiiiiiiiiiiiiHuininiuiiMiHiiMiiuiiiiiiiiiiiiiiiiiMUliiiiiiuiiiiiiiiiiiiiiiiiuiiiuuliiiiiiiiiiuiiiiiiiuiiiiii
Eine Festschrift der
Deutschen Bank
Es ist nicht nur das Foto von
Oscar Wassermann, des "Spre-
chers des Vorstands ab 1923", das
die von Fritz Seidenzahl, Frank-
furt/M., dem Leiter des Histori-
schen Archivs der Deutschen
Bank A.G., höchst sachkundig
verfassten, besonders schön auf-
gemachten Geschichte die-S€s In-
stituts ("100 Jahre Deutsche
Bank 1870-1970") ziert.
Mit Wassermann < 1869-1934)
stand in dem schweren und
schwierigen Jahrzehnt 1923/33
ein hervorragender' Experte für
Fragen der Geldp>ohtik, ein wirtr
schaftspolitischer Denker, ein po-
litischer Kopf an der Spitze
dieser Bank. (Er war einer der
wenigen Grossbankdirektoren,
die auch im jüdischen Leben
Deutschlands eine nennenswerte
Rolle spielten — man denke nur
an den Keren Hajessod, die Er-
weiterte Jewish Agency, die Aka-
demie für die Wissenschaft des
Judentums). In der Jubiläums-
schrift finden sich auch die Por-
träts des Reichstagsabgeordne-
ten Dr. Ludwig Bamberger ( 1823-
1»99), der Ratgeber bei der Grün-
dung und später Mitglied des
Aufsichtsrats war, des Selfmade-
man Paul Mankiewicz <1857-
1924K des langjährigen Vor-
standsmitglieds, und von Max
Steinthal < 1850-1940), der von
1873 an im Vorstand und von
1906 bis 1932 im Aufsdcht&rat der
Bank sass.
Diese neue Grossbankgeschich-
te bietet, obwohl der unmittel-
bare Anteil von Juden
direktoren » an AM^ — , ..^-
de« 4fimschei\ iAl£Uenh«ax)s^e9i^
bei weitem nicht j^li^j^" '^
hAtMcat^rtse^^i ' \ gaiiz ^.^^
;^ pe^, iStlm Püih%ri)ppe von Mate-
rialien für die Betrachtung des
r I agenkomplexes Juden im deut-
schen Bankwesen von einst. Sei-
denzahl macht häufig Abschwei-
fungen, die, über den Gegen-
stand des Buches hinausgehend,
das ünternehmung.s- und Perso-
nengeschichtliche streifen. Und
so kurz diese Exkursionen auch
sein mögen — sie sind informa-
tiv und trotz ihrer Gedrängtheit
von Nutzen. So erfährt man, dass
bei der Gründung der Deutschen
Bank der Privatbankier J. H.
Cohn (Dessau), der nachmalige
Freiherr, und Firmen wie Gebrü-
der Sulzbach in Frankfurt/M., Bi-
schoffsheim & Goldschmidt in
London, Friedenthal & Co. «Bres-
lau) und E. J. Meyer ^Berlin 1816-
1938) eine Rolle spielten.
Früh sassen im Aufsichtsrat
der D.B. Louis Eltzbacher, der
(1875 gestorbene) leitende Kopf
des 1844 gegründeten Kölner
Bankhauses J. L. Eltzbacher &
Co., und bis 1873 Henry Bischof fs-
heim. Ausserdem gab es zu An-
fang und später naturgemä.ss
Banknoten-Kurse
26. August 1970
Quotation of the Week
uiiiiiiiiitiiiiiitiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiimiiiiiiv
East Germany is no longer
the economic "Wunderkind" of
eastern Euroi>e. It is not ex-
porting enough, and it is not
producing as much ajs it
should. Herr Günter Mittag,
the Politbüro member in
Charge of economic policy, ad-
mitted last month that the
1970 industrial plan was being
fulfilled at only half the target
rate while productivity was in-
creasing only one third as last
as planned.
The Economlst (London)
Pcritit
$
3.00 Be1r)«n
13.50 Dänemark
27 3a DM
340 EngUnchps Pfund
27.70 Holland
Israel
Mexiko
Norwegen
5>i-hweden .
Schweiz
1 Dollar kauft
Argentinien
Brasilien N
Fr. Franc
Italien
Japan Yen
Oesterreicb 23.70 —25.»0
Spanien 73
Jugof>1awien
38.80
8.00
14.00
19.35
3287
frei
4.38
S.50
278
<#••••<
IM
Einhaltan
$ (Cents)
1.90— 2 00
13.30—13.40
27 r>0- 27.70
2.^9— 2.40
27. !>0- 27.70
23 Cents
7.90— 8.10
14.30—14.40
19.20—19.40
23.20- 2.^.30
12.50
4 00- 4.05
5.30— 5.40
5.7.5
660-670
360—370
1300
Der kanadische Dollar ist über-
aus fest; noch vor wenigen Mo-
naten kostete er 92 US cents, heu-
te 99<^ Jugoslawien hat sich dank
einer guten Fremdensaison von
1400 auf 1300 per Dollar gebes
Kanadas "gute Erde"—
sehr begehrt
Immer mehr Amerikaner be-
trachten den Grundstückskauf in
Kanada als sehr gute Kapitals-
anlage. Schon besitzen Bürger
der USA, beispielsweise, mehr als
achtzig Prozent des Cottage-
geländes am Nordosten des Lake
Erie, einem bevorzugten Sommer-
frischengebiet. Im riesigen Nord-
westen der Kernprovinz Ontario
— ein Gebiet, das grösser ala
Frankreich und Österreich ist —
wurden 85 Prozent der Grund-
stücke, die von öffentlichen Stel-
len verkauft wurden, von Ameri-
kanern erworben. Ontarios Nord-
westen, mit den endlosen Wäldern
und zahllosen Seen, ist auch ein
Paradies der Fischer und Jäger.
Kanadi.sche Firmen, die ihre
sert. Indien schwach, 13 Rupies . Dienste bei dem Kauf von Grund-
per Dollar, Pakistan besser, der stücken anbieten, finden in den
Dollar kostet 11.5 Rupies.
USA interessierte Klienten. Inse-
• •
WIE V/IR HÖREN
nmiiiiiimiiiiiimiiiiiiiiiiiiniiiiiniiitiiiiiiiiiiMiiiiiiiiiiiiMiiiiiiiiMniiiiiiininiiiiminiiiiiiMiiiiin
Johannes Urzidil wird in den j beitet. Mit Berthold Viertel und
Monaten Oktober bis Dezember Heinz Hilpert arbeitete er an Max
Reinhardts Deutschem Theater
in Berlin. In der Nachkriegszeit
25 Vorlesungen eigener neuer
Werke und Vorträge über ver-
schiedene Themen der Literatur , „ . ^ a ^
an Universitäten und Kultur- schuf er als Regisseur und Autor
Institutionen in der Bundesrepu- 1 sechs DEFA-Filme, darunter "Die
zahllose Kontakte zu Privatban-
kiers und Industriellen, die ent-
weder Juden oder mindestens
jüdischer Abstammung waren
(Bleichröder, Me-ndelssohn, War-
schauer Si Co.. Sir Erne§t Ca^^el
Dannie HeijijeJpaöHSo
fcsitäl
litten El ektri-
der 1923 aus
örstand der DB. austrat,
und über Jacob Goldschmidt
(DANAT-Bank). Gestützt auf
etwa 160 erhalten gebliebenene
Briefe, wird ziemlich ausführlich
über Alfred Kaulla < Stuttgart)
berichtet, und zwar im Zusam-
menhang mit der Frage der ana-
tolischen Eisenbahnkonzession,
die Ende der achtziger Jahre
akut war.
Zur skizzierten Rekonstruktion
der "Bankkrise" vom Juli 1931
greift Seidenzahl auch auf die
Aufzeichnungen des 1967 verstor-
benen Staatssekretärs Dr. Hans
Schaeffer, zurück.
E. G. L.owenthal
blik, der Schweiz, in Österreich,
Italien und England halten.
• • *
Küralich beging in London
Rosa Meyer-Levine ihren 80. Ge-
burtstag, die W^itwe des 1883 in
Petersburg (Leiiiugrad) gebore-
nen Sozigii^M^n Eugen Levin6,
Ji^r^ q>^ilnahme an
'^"tebewegung —
f- r des voiizugs-
. Räteregierung
1— zum Tode verurteilt und am
Unbesiegbaren", "Keine Hüsung"
und 'Pole Poppenspäler".
J. S.
« • •
Den ersten Spatenstich zur
Grundsteinlegung für ein jüdi-
sches Gemeindezentrum In Aix-
en-Provence tat der dort vor 77
Jahren, geborene Komponist Da-
rlus Milhaud. Die Gemeinde in
dieser südfranzösischen Universi-
tätsstadt zählt gegenwärtig 1500
CDaMrumdsüdksitL.
FUUimg la weisse europäische Gänsedaunen
NEUBEZIEHEN von DAUNENDECKEN
ZANELLA — importierte Indanthren farbige Stoffe
AUFARBEITEN und NEUE FEDERKISSEN
MATRATZEN— KEILKISSEN
Store: 412S BROADWAY, 174-175 St«., New York City - WA 8-4237
Office: »02 WEST 190th STREET, N.Y.C. 10040 - Eves.: 568-5677
«. Mal 1919 in München wegen | Mifg];pr!p- t>^ o^meindezen-
Widerstandes gegen die «!<■;;-*- iirum' ist die sechzigste seit
ger^ait lü.iK^ncnfet wurde^ Rosa kj.^ j^^g .^^ Frankreich gebau-
Meyer-Le^^ne hat eme Biogra- ^ Einrichtung dieser Art. Die
Kosten »180,000 Dollar) werden
i phie des Revolutionärs geschrie
ben, deren Veröffentlichung be-
vorsteht.
e. g. 1.
• • •
Wenige Wochen nach seinem 70.
Geburtstag am 14. Juni ist der
Regisseur Artur Pohl gestorben.
Er war 1923 bis 1927 als Bühnen-
bildner am Landestheater Darm-
stadt tätig und hat dort mit Gu-
stav Härtung, Ernst Legal und
Josef Rosenstock zusammengear-
DAUNENDECKEN
AUSSTEUERN
Auch Umarbeitungen # Impoitierte
Seide und Oaunendichfer Satin
DIKEKT VOM HER.STELLER
SOL'S QUILT
4616 New Utrecht Avenue
Brooklyn, N. Y. Tel. 853-*>6€.3
^__^^^ Sonntags geöffnet ^_____^_
vom American Joint Distribution
CJommittee, dem Fonds Social
Unifie, von der örtlichen Gemein-
de und kleineren Organisationen
getragen. egl.
• * •
Dr. Arnold Maria Goldberg
wird mit Beginn des Winterseme-
sters seine Tätigkeit als Profes-
sor für Wissenschaft des Juden-
tums und als Leiter des Instituts
für Judai.stik an der Goethe-Uni-
versität »Frankfurt a.M.) auf-
nehmen. Er war bisher an der
Unlvensität Krelburgr tätig, -wo er
Vorlesungen üiber das Alte Testa-
ment sowie über hebrä-ische und
aramäische Philologie gehalten 1 Amerika wieder
hat. egl. Igung zugesagt
rate, die für "tausendf/
Grundstücken bei dei
direkt von kanadisch^
den erhältlich" wer
sich kaum über manj
teresse im südlichen Ni
zu beklagen. Die von d|
sehen Gemeinden vi
Grundstücke werden in]
sten Fällen wegen Ni^
lung der Steuern veräusserl
Nicht .selten stösst der Ausver-
kauf von "Kanadas guter Erde'
an Amerikaner auf Widerstand.
Ein Vorschlag regt an, Land im
Staatsbesitz «crown land) p^c-
zu verkaufen, sondern ^A
pachten. Eine andere "St
um die Landspekulatic
halten, wäre ein Geseta
Elrrichtung von Häusern'
von Ausländern er
Land notwendig mr^
Mittlerweile hält der Zustrom
von Amerikanern nach Kanada
an. Im Vorjahr suchten 22.785
Amerikaner in Kanada eine neue
Heimat; wieviele Krieg.sdienst-
verweigerer unter ihnen waren,
meldet keine Statistik. Doch die
Zahl der Amerikaner, die im Vor-
jahr nach Kanada kamen, um
hier au bleiben, ist zweifellos
grösser; Schätzungen erwähnen,
dass die Zahl der illegalen Ein-
wanderer bereits 200.000 überstei-
gen mag.
Während anti-amerikanische
Demonstrationen keine Selten-
heit sind, betrachten anderer-
seits viele Kanadier die Vereinig-
ten Staaten als einen grosszügi-
gen und freundlichen Nachbarn.
Besonders gross ist, beispiels-
weise, Mario Beaulieus Enthusias-
mus. Der Frankokanadier,
wenigen Wochen noch
minister von Quebec, trjt.p
Axiiiexation von La Belle Pro-
vince durch die USA ein: Beau-
lieu ist der Ansicht. Quebec
könnte derart ein "zweites Puerto
Rico" werden. Sarkastisch der
Kommentar des liberalen To-
ronto Daily Star über da^s von
separatistischen Terroristen und
Wirtschaftsproblemen heimge-
suchte Que'bec: "Wenn Mon.sieur
Beaulieu mit diesem Vorschlag
nach Washington zieht, mag er
dort empfangen werden, wie ein
Botschafter aus Südofta.sien. der
Uncle Sam einladet, an einem
weiteren Bürgerkrieg teilzu-
nehmen."
Walter Jelen, Toronto
Zu der am 17. September bc-
g-iniienden 20. Deutschen Indu-
strie-AusstelIun<gr in Berlin hat
seine BeteiJJ-
DAUNENDECKEN vom Spezialisten FELD
507 WEST 159th ST., NEW YORK, N. Y. 10032 - WA 3-0159
Garantiert daunendichter Ballonstoff in jeder Decke.
Import. Satin, gebliimte Stoffe und Baumwollsatin.
Kopfkissen werden aufgearbeitet.
DEUTSCHE rMSCHLAG-LAKEN mit Knopflöchern.
e««ffn*t t»slich von 9 M* S ühr; $am«t«ss nur nach Vcrabrtdun«.
LEICHTE DAUNENDECKEN
AUS IMPORTIERTEM SATIN, EINFARBIG UND GEMUSTERT
OKFOLLT MIT ^RIMA KUROFAlSCHEN DAUNEN
AiMh Umarb«i«*n und N«ui>Mi«h«n • Kop«lii*««n m r«iehl.ch«r Auswahl
HERMANN KAUFMANN
1253 ST. NICHOLAS AVENUE
(xwitchcn 172. und 173. »tr.|
N. Y., N. Y. 10032 - WA 8-5368
LEON
VEISSID
kauft
au höchsten Prsistn für Europa.
Alte, auch reparaturbedürftlfe
Orient, Perser Teppiche
sowie TAPESTRIEN jeder Art.
Anrufe erbeten: TR 7-7519
Trun Die 9 UDd abends nach 8 Uhr.
Neues von der BÜCHERGILDE
THOJMAS MANN / HEINRICH
Briefwechsel 1900—1949
JMANN
Ganzleinenband — 374 Seiten
$4.30
— ERSTKLASSIGE QUALITÄTEN —
PERSER-TEPPICHE
PERSERBROCKEN
Wand-zu-Wand Bodenbelag
Alle bekannten Marken.
TEPPICHE in allen Gr<>ssen
Hof mann Carpet
fr. WILLY HOFMANN
S461 CORLEAR AVE. (236 St.)
2 Blocks West of Broadway
Bronx. N. Y. 10463 - Tel. 546-8817
Anne Golon:
An£:elique. die Rebellin
520 Seiten $.5.60
Ota Filip:
Das Cafe an der Strasse
zum Friedhof
455 Seiten $310
John Cleland:
Die Memoiren
der Fanny Hill
400 Seiten $4.30
Ursula von Kardorff:
Berliner Aufzeichnungen
aus den Jahren 1942-194.'»
317 Seiten $3.40
Gerhard Heberer:
Homo — unsere Ab-
und Zukunft
120 Seiten mit vielen
Abbildungen $4.30
Peter Bamm:
An den Küsten des Lichts
336 Seiteai $3.1«
FUSSBALLWELTMEISTERSCHAFT 1970
Das offizielle Buch des Deutschen Fussbailbundes
160 Seiten mit 120 Schwarzweiss- und 8 Färbfotos. . . $4.90
Alle BiicJier in Ganzleinen. Pieise einschl .Porto und VeiT>ackunt? ab
Frankfurt M. GRATIS und unverbindlich senden wir Ihnen gwne
unsere Zeitschrift "Bt'CHERGILDE", in der über 500 Bücher für
Jung und Alt angezeigt sind.
BÜCHERGILDE GUTENBERG
Besteilun|;en mit Scheck oder Money Order an:
AUFBAU BOOKS, Dept. GT
2121 Broadway New York, N. Y. 10023
Seite 4
MB
Juli 1970
Nr. 28
Jüdische Privatbankiers inljeutschland
Im Spiegel neuer historischer Literatur J
^. . . ,^ i_:^uf^ ^oT. ^^^. «r»hpn Privafhnnk ( 1920) r
Die Wirtschaftsgeschichte der Ju-
den, vor allem die neuzeitliche in
Deutschland, ist noch weitgehend
unerschlossen. Dabei ist der wirt-
schaf ts- und sozialhistorische Aspekt
für zeitgeschichtliche Gesamtbe-
trachtungen sehr wichtig. Um diese
Lücke ein wenig zu verringern, er-
scheint es unerlässlich, auch dieje-
nige Literatur zu beobachten und
auszuwerten, die nur beiläufig und
sehen Privatbank (1920)
deutschen Kreditbank
dem Barmer Bank^
Fischer & Co
^;elbst aus Pri
der Mittel-
'( 1929 ) und
_ W?rein Hinsberg.
\T932), ursprünglich
oegangen .^'atbankfirmen hervor
mutlichy'^"^^ mindestens 30, ver-
, . ^^ber mehr jüdische Privat-
.jy?eschäfte „geschluckt" worden.
-!^ im Wege der Angliederung
mer Übernahme, teils durch Umge-
auszuwerten, die nur beilautig ^"^^''gtaltung zu einer Grossbankfiliale.
zufällig, d.h. mehr mdirekt zu die^^r ^.^^^ miteingerechnet sind hier die
ser Thematik beiträgt. ,*
In einer soziologischen Unt^^^^
chung über „Die wirtscbr^j.^j.^j^^
Krise des deutschen Ji^gn" (1931)
hatte sich der 1962^^»'^ jg^.^^! ^gj..
storbene Alfj^^lJJ^uj, ^.a. auch
mit dem J-h windenden Phänomen
^ßs 4VÖ&chen Privatbankiers be-
^^^?c. Auf diese seinerzeit vielbe-
' achtete Analyse greift Helmut Gen-
schel in seiner 1966 mit Hilfe des
Leo Baeck Instituts erschienenen
Studie über „Die Verdrängung der
Juden aus der Wirtschaft im Drit-
ten Reich" zurück. Nach Marcus
war die Zahl der in jüdischem Be-
sitz befindlichen Privatbanken, auf
deren Entstehungsgrundlagen hier
nicht eingegangen werden kann, im
Zeitraum von 1923 bis 1928 von
1.239 auf 614 gesunken, imd in den
Jahren bis 1930 nochmals um wei-
tere hundertunddreissig. Von den
verbleibenden knapp 500 befanden
sich 150 in Berlin, 71 in Hamburg
und 47 in Frankfurt/M. Die übri-
gen verteilten sich auf zahlreiche
andere deutsche Städte aller Grös-
senklassen. wo nicht selten jüdi-
sche Privatbanken mindestens seit
der Mitte des vorigen Jahrhunderts
existierten. Die Gründe für die
rückläufige Entwicklung, wie sie
Marcus feststellte, waren entweder
wirtschaftlich notwendige Geschäfts-
auflösung, freiwillige Liquidation,
Fusion mit anderen Firmen oder
Aufgehen in Grossbanken.
Expansion und Konzentration im
Bereich der Aktienbanken (in de-
nen übrigens das jüdische Element
zahlenmässig keine entscheidende
Rolle spielte) hatten in den drei
Dekaden vor 1930 ständig zugenom-
men. Das geschah vielfach auf Ko-
sten der Privatbanken. Einen inter-
essanten Einblick in diese Bewe-
gung vermittelt die soeben heraus-
gekommene Geschichte der 100 Jah-
re alt gewordenen Commerzbank
A. G. Unter dem Namen Commerz-
und Discontobank in Hamburg ge-
gründet, hat sie jetzt ihren Sitz in
Frankfurt/ a.M. Allein von der
Commerzbank und. mittelbar, von
den inzwischen mit ihr vereinigten
Unternehmen wie der Mitteldeut-
durch Beteiligung entstandenen Ver
bindungen. In den Kreis der Ge-
schäftsinhaber des Barmer Bank-
vereins war 1920 Albert Bendix,
Köln, eingetreten. Nach der Ver-
schmelzimg mit der Commerzbank
(1932) wurde er der Leiter der nun-
mehr erweiterten Kölner Niederlas-
sung (Konsul Bendix. langjähriges
liberales Mitglied der Repräsentan-
tenversammlung, war bis 1939 der
ehrenamtliche Vorsitzende des Vor-
standes der Synagogengemeinde
Köln).
Wenn man die Expansionsbewe-
gunj.^ der Commerzbank verfolgt,
aber von den Ueberleitungen in
Zentren wie Berlin, Frankfurt/a.M.
Hamburg und München absieht, so
findet man. die Orte alphabetisch
geordnet. jüdische Privatbankge-
schäfte in Augsburg ((Gebrüder Gut-
mann, selbständig bis 1921). Biele-
feld (H. W. Dreyer Wwe., 1905),
Cottbus und Forst/Lausitz (W. Lö-
wenstein & Co., 1917, Erfurt Uli-
mann & Co., 1907. Fürth i. B. (S.
Pflaum & Co.. 1899. sowie Hirsch-
mann & Kitzinger, 1918). Giessen
Nach Ablauf des ersten Drittels
unseres Jahrhunderts, als die Nazis
bereits am Ruder waren und ihrer
Politik, jüdische Unternehmen aus
der freien gewerblichen Wirtschaft
auszuschalten, stärker Geltung ver-
schafften, ging die Zahl der in jü-
dischem Besitz befindlichen Privat-
bankhäuser weiter rapide zurück.
Soweit feststellbar, mochten Anfang
1938 kaum mehr als 20 Firmen die-
ser Art übriggeblieben sein, grosse
imd kleine, durchweg aber alte und
angesehene. Die ,, Arisierung" erfolg-
te im Weg der Uebemahme durch
andere Firmen, das Ausscheiden des
oder der jüdischen Inhaber oder
durch Liquidation. Aus den bisher
spärlichen Unterlagen ergibt sich
für das Jahr 1938 folgendes Bild:
In Berlin wurde die (1937 durch
Verschmelzung entstandene) Firma
S. Bleichröder & Gebr. Amhold
teils von Gebr. Hardy & Co., teils
von der Dresdner Bank übernom-
men. Bleichröder (Berlin) bestand
seif 1803, Amhold (Dresden) seit
1864. Fast zur gleichen Zeit schied
als letzter jüdischer Teilhaber Al-
fred Panofsky aus der 1818 gegrün-
deten Firma Jacquier & Securius
aus. und J. Dreyfus & Co. wurde
vom Bankhaus Merck. Finck & Co..
München, übernommen. Im April
1938 folgte die Liquidierung der
1806 ins Leben getretenen Firma
Cretar. Arons. Ein halbes Jahr spä-
ter, kurz vor der sogenannten Kri-
stallnacht, wurde das Ausscheiden
von Dr. Sigmund Wassermann, des
letzten Mitglieds der Familie, aus
(Aron Heichelheim. 1906). li-'^^n , Aem gleichnamigen Berlmer Haus
i.W. (Leffmann Stern, 1858—1900),
Hanau (Gebr. Fürth & Co., 1909,
und J. Benjamin, ;917) uiid Ilanno
ver (B. Magnus, 1826—1907, Mendel
(1782 in Bamberg begründet) be-
kanntgegeben. Bis in das Jahr 1939
hat das Bankhaus, Mendel&.sohn &
Co. (1805) ausgeharrt. Es ist weder
Rosenthal, ' 1869-1919. und „ „arisiert" noch von aussen liqui
Adolph- M. Wertheimer's Nftichf..
1914). Femer stösst man auf: Iser-
lohn (Wallach & Emmanuel, 1838—
1905). Karlsruhe (Alfred SeeHgman
& Co., 1916), Köln (Albert Simon
& Co., 1869—1907, und L. Hess &
Söhne. 1917), Lübeck (Sal. L. Cohn.
1918), Mainz (Kronenberger & Co.,
1889—1928. Weis, Herz & Co.. 1914,
und Simon & Co., 1921), Marburg'
Laiin (Hermann Wertheim, 1906),
Oldenburg (C. & G. Ballin, 1921),
Osnabrück (N. Blumenfeld, 1810—
1905), Peine (H. Sonnenberg, 1921),
Stettin (Joel Hirschberg, 1917),
Stuttgart, Hermann Gutmarm. 1919).
Schliesslich entdeckt man: Potsdam
(A. Horrwitz, 1921), Tübingen 'He-
chingen (Sigmund Weil, 1910), Wei-
mar' (Julius Elkan, 1906; die Vor-
fahren waren Goethes Bankiers)
und Wiesbaden (B. Berle, 1897).
diert" worden; dass es sich auf
Beschluss der Inhaber selbst auf-
gelöst hat, wird deshalb betont,
weil diese Zusammenhänge in man-
chen Informationsschriften zuwei-
len nicht zutreffend dargestellt sind.
In Hamburg existierten Anfang
1938 noch die Bankhäuser M. M.
Warburg & Co. (1797), L. Behrens
& Söhne und J. Goldschmidt Sohn
(1815). Bei Warburgs schieden im
Mai die Mitglieder der Familie aus.
und die Bank wurde von dem lang-
jährigen Bevollmächtigten Dr. Ru-
dolf Brinckmann und dem Ham-
burger Kaufmann Paul Wirtz über-
nommen. Fast zur gleichen Zeit
ging die alte Firma Behrens auf die
Norddeutsche Kreditbank A.-G.
über, während Goldschmidt ihr lau-
fendes Geschäft auf die neue War-
burg K.-G. übertrug. In Frankfurt
Dr. Moritz Spitzer — zum 70. Geburtstage
Ein Stiller im Lande, ein Gelehr-
ter und Künstler, ein Mann mit
eminenten Kenntnissen und einem
erstaunlichen Gefühl für das Wort
in deutscher und hebräischer Spra-
che beging am 8. Juli seinen 70.
Geburtstag. Dr. Moritz Spitzer, dem
diese Zeilen als Glückwunsch gel-
ten, stammt aus der Ischechoslo-
wakei imd ist seinem Studium nach
Judologe. Von 1929—1932 war er
der Leiter der Schule der Jüdischen
Jugend in Berlin, darm ging er auf
zwei Jahre nach Heppenheim, imi
Martin Buber bei seinen zahlrei-
chen literarischen Unternehmungen
zu helfen. Schon in dieser Zeit
wirkte er nebenbei auch als Lektor
und Berater des Schocken Verlages.
19.34 wurde er wieder nach Berlin
berufen und war von diesem Zeit-
punkt an der verantwortliche Leiter
der „Bücherei des Schocken Ver-
lages", in der nahezu 100 Bände
erschienen sind. Der vor wenigen
Wochen verstorbene Verleger Lam-
bert Schneider hat in seinem 1965
herausgekommenen Almanach „Re-
chenschaft über vierzig Jahre Ver-
lagsarbeit" Dr. Spitzer als den
„idealen Lektor" gepriesen, dessen
„künstlerische Einfühlungsgabe"
auch das mühsame Werk der Her-
ausgabe von Büchern erleichterte.
1939 kam Spitzer nach Jerusalem
und setzte im Grunde fort, was
ihm Lebensberufung geworden war.
Er pflegte das Wort, als Kenner
der hebräischen Sprache, als Ueber-
setzer, als Hersteller kostbarer
Drucke, als Herausgeber seiner T^
schich-Bücherei. als Anreger
Verlagswesens im Lande. In I?
sagte Lambert Schneider, ,X.
sich als Verleger imd Typograph
ein grosses Ansehen erworben. Die
moderne hebräische Schrift, die un-
ter seiner Anleitung neu geschaffen
wurde, wird allerorts angewandt."
Wir wünschen Dr. Spitzer, der
Sivdtndtizen.
Auskunft über nachstehende Per-
sonen erbittet unter Angabe der
Aktennummer die Verwandten-
Suchaktion der Jewish Agency.
P.O.B. 92. Jerusalem :
Braun. Helene geb. Jacob aus
Gross-Wartenberg (101635); Finkel-
stein. Max, geboren 1923, aus Ber-
lin; 1945 aus dem Lager Monowitz
befreit (152865); Greidinger, Haim-
.Jacob und Shve. Eltern: Josef und
a.M. verschwanden seit dem März
1938 noch: Emst Wertheimer & Co.,
weitergeführt als Cüppers & Co.,
Lincoln Menny Oppenheimer (1883)
und J. A. Schwarzschild Söhne
(1847), die beide ihre Tätigkeit ein-
stellten. Im benachbarten Offen-
bach/M. schieden aus dem seit 1832
in dieser Stadt beheimateten Bank-
haus S. Merzbach die jüdischen In-
haber und Kommanditisten aus,
und die Firma heisst seitdem
Friedrich Hengst & Co. In Dresden
wurde S. Mattersdorf (1849) von
der Allgemeinen Deutschen Credit-
Anstalt übernommen. Das 1841 in
Essen Ruhr gegründete Bankhaus
Simon Hirschland wurde Burck-
hardt & Co. In Karlsruhe über-
nahm die Badische Bank die Firma
Straus & Co., 1870 gegründet und
zuletzt von Dr. Moritz Straus und
Friedrich Straus geleitet. In Köln
verschwand das Bankhaus August
Stern.
In Pforzheim wurde die Firma
Robert Bloch (1867) 1939 von der
Landesbank für Haus- und Grund-
besitz übernommen. Bloch war, wie
aus den kürzlich erschienenen um-
fangreichen , .Beiträgen zur Wirt-
schaftsgeschichte der Stadt Pforz-
heim" (1967) hervorgeht, von der
Mitte des vorigen Jahrhunderts an
einer von sechs in dieser Stadt tä-
tigen jüdischen Privatbankiers. Aus
dieser für eine jüdische Wirtschafts-
geschichte ,, indirekten" (^elle er-
fährt man, dass die übrigen fünf
waren: Nathan Wolf (1842—1875),
Julius Kahn & Co. (1867—1874,
dann auf die Rheinische Creditbank
übergegangen), Isak Joseph (1880 —
1914, zuletzt unter dem Namen
Greb und Frühauf firmierend) und
Fiüd & Co. (1897—1933, alsdann
vom Pforzheimer Bankverein über-
nommen). Die Firma Jos. Schlesin-
ger & Comp, existierte nur von
1868 bis 1875, die Wirtschaftskrise
der 70er Jahre hatte sich da geltend
gemacht! Erst von 1900 an traten
in Pforzheim die Grossbanken mehr
in Erscheinung, während die be-
rufsständischen Geldinstitute als
Produkte der Zeit nach dem Ersten
und nach dem Zweiten Weltkrieg
angesehen werden können. So lässt
sich retrospektiv am Beispiel einer
aufblühenden Industriestadt der
Trend verfolgen, den Alfred Marcus
vor 40 Jahren, damals schon ernst-
lich in Sorge um die Weiterexistenz
einer ganzen jüdischen Mittelstands-
gruppe und, gleichzeitig, um eine
entsprechende Berufslenkung der
Berufswahl der jüdischen Jugend,
entwickelt hat.
E. G. LOWENTHAL
auch uns ein stets bereitwilliger
Berater ist, dass er noch lange in
Gesundheit und Frische seine ge-
lehrte Bücherarbeit fortsetzen und
sein Lebenswerk vergrössem möge.
Ad mea weessrim !
H. T.
Frida, aus Gera (152830); Lindberg,
Dr. Hans-Theodor (152922); Pinto,
Anna (Johanna) geb. Deger, gebo-
ren 1902 aus Leoben (Oesterreich,
Eltern: Franz und Maria (152859);
Rosenbaum-Lassmann, Regina, gebo-
ren 1924, aus Leipzig, Eltern: Ahron
und Miriam (119972); Rotkopf, Cilly,
geboren 1924, aus Berlin (119972):
Stück, Isy, geboren 1923, aus Berlin
(119972).
i^;4._=_4f_3^^
M^uc^Ä
ILj<-'<^^'0^c
T-^
\^f/?'
fAiJ^_ukc^^
^.
fj^j pJ ' 'W..UIl(.:
hj^A<^<A^^^^'^-^
\(\ I ^ ^\.,yL^X^iyCyi^^ , J^ny\^1<^ ; ^^U^-^^Ä^
-^tc^^
(IM^_
tJiS^') Jj'yie.
^
-t
^^>^^-c.-^^^<^/^^^ / . h^ ^jf^tl^
JVyi^lli "^A^ ^U^ [K..
jJjJ2^:z__'t^^ lu-^'^Ut^.
Wtk
. ^
^
^^U. >^^' "-^''^^-
Y
^iU/^s A - >^^g^^4
^
«»i-Y
WJU.^ t<-.jH^A^ [im ioi^_ v^ _/jiiA:^)4^:ilji-7 -/i ^^^^ - ^ f ;) ^ hi^L^^^td^
t
l^V^-
?i.v.^ ^i-^^u^^^.L K<?y- inc-'hlju^u
a^^gj, Odz^ 1, ^p f^^i iH f j^- H.\^L^,.}t^. Ull^^±JM^^ (^g/7'A-x^
^
Vi . Cu.^^i' i^^^-^rui.^^. Jj I
^^1^^^.^^^
fUnii^J!
, (/ C c-iJ^A^^
i fs^H-c^^-t^^^"*-^
W(Jit.cA lu
i^(U 6 /^v^_J !^\^-
lAkMz^'^-^-' i/:^__. ^_'^_^-^
<^L^'hnLA.
A^i^' I- ^i^ t
Q Ic'M .^^' ^
Mj^LAj^^h^
^,... i^_'_/'^rr<^'l^r^
xzi7?7y77--- z^'^- ^^
-fcc^^t- ^^. V'/f
"^LeAt/- -^^^ftc^t^t.
/^
7
f--CtA
'^/ ? Ax^ /OA^'^ . > '^--C'^
z
i'i A / ^^' e^W
^ (^ ^-^//'J^v^vA^
"Ltx/ü-i 7 Aä>V
J,?, i -_V_2-..
/i<^
v^
/ ' /U-i' L^/^v^ ,Ay^^^_
^t^
^M
V. /
v^- 1^ ^ ^^:\.h^^'. f
tc^^^^
Z'V ^ cjoc..--*^^
-t^
„ /t:)r
/^(
^/
3 X y^-' ■ er/.
/ ^l^rr4>:6«>i^<fc^
^
to^-,.. fA-^eCß^ /^ 7^- -_Jf^^^
^(a f^^^o, . /i
'/V'»-' '^ f>' ' f'^*-'
1
Tl
^Le^M-x^
o^cAu// f-^*<^.
l/^X--^-^^ — r'
6uw^ «i^ ■ h
^'pU^-^ lk^<A^-^ ^^-vu^
1^1^ //-^o^^^c.^t>^ic.^^J~
L
w s
I'
s i /r6(? - i<^ n )
hA^JÜx^ Shoiifu^ [^f^f l^ts^^'-A'l^.äJtl — LIM-:^ of
-^ i^iut'Uii^'~/^~'^l^ //^^ - ''^'■S
JjA^iu. \dU^' IJa^^ (I(^^ Ih^-^JiL.
-f/n-M
KP 'U.^.-.^i^vVud^iA.i^^^A.^^^ B^:.ßA^i.i:^A^^^..^^^:^^
J^W
^
Ttv^
AAß-J^^
2'?*-s-t--t
_3u^ tn^'He^-LX^
AA^^-kd'M^^ (i^S-^ -^iMLjk^^J
■La y^.^^T!.<<^lC^'^'^ _^2r?^^?^^^
^ /6
^'k-^/xA^
A
d^
\C'
lO-«c/
-t^A^ /?/ - ,<'^'/7 '^'^C^p^^^J^'Ccc^i/^'^^
Jd-iU
._f..f . J_^ >^^X/ /^^^ pL^\^^J3^''.l-^4^<£-^
^hc^
^'
^'1^
S^t^V /^ i^-^-^^
S, . /'(a-i.^c^ iLc-f—,
lUt-ji lisll
(-i-^j
-JiA^ucf Ih'Cft^u^ lini'/i'fl j f- ^^H
ll:^ P
h^^fi^
f
1^'i
't'hUf.
Jy\ ^
^^-^5^v-3u^'K( >ju^w.g^ '^ ApU^^tJufyt'
Pi^tv^
Po^c-C^ lUuyC^^--- ^hi^i\
U^'^^i A^tUö
^.
L<L<:^,^.A^^ l^/'(ff^ /u.-^^^.^-ti^^ / ^/^. y^^^
ui^4l,LUJf-A^:z^
(ILZ |4^^_ i^ |6«aI T !^//f li'^ ' -i^x^^,.Mt-^^C\^..^L<
V>(c^<A_i
f/f_rv ^.-^ .-_^ifi:7 '?v^y ^.j±.^Jl
koc^ i^ /t<^cA<„<^^^ [/frf -ti' ^6^^^ Xy £^1^^ 7f7 iy/ yü. ^' ^ ^ />,.^7^-
{ß-LA^^tttLCk auA,-<^:^c:Ci^
>7^
s<'
Vi-'<-/-M
^^h^^^^^y^^^nÄU.^ // .O'lio^'/L^L^' iy 0(A-j' 4-^U-t^^^^.yt'r-<.\<^
■'-.'Tl>jh'.^ig5^'»g
/
t
^JLjn:^^^
4(^t
A
/^ y oCMi'i^i />
j f ^ t § ^ *
«^/^
^
'^V /^/^^^..Cti
/; /
ii.
^^^J^
/-v**^
.r>/i
'-"^^tn^Öä^ ^»^iüu-^
f^ /f' ''>>* — (/^^^ j^
d^£^^^
r ^
.jMjyL.U^^iA\
4fA /j^/c y4 ^ ,_jAi^ /L^
^f^^^^r^ j^
/7>
^/ - A^ ^. /^ ^v^-'/JV c%
y///rV -*^ -
14^1(^.4/^
^ / /,', . X^ #^ X-^ '4r *.< r
//^/
Y'U'^v^
\7
\
(^
\'
T
/^•^
.^
/.
\
I| fuL-^^c ^ ftr^^i'ln ' > ^^-'
/
».•• ^
f ', .
Ij J.w^.
:-< e.
A^ ^lA-^'«^
';
[^-'■i
C^CO l» rt-
^-v^CA^i ^-c^i^-«^ ^•
C-^-e^
Pv
3 ) fV-«'^ (hL-'i^^c^
/U^w^V-^ ^J^c^^-'^.^ l^J^cL^
-C^(
fv
^
//^^^~j
4J
V-t-'-'''^'^^"'''^'^
t^.
5
UJapü:--^ l>f
C^^A
'OVvX'V^//^^^
d)
A^A^'-A ^-o. ./^^^/^ ^^c-^^- ^'^ r ^ ^^ ^ r j
/
. '•■ r-^;. v'^A
m
^>-Mv>.
mm
^n!^>f5zcI^ie^Gemeinschättsbildung>> ' trägt den
paradoxen Untertitel: «Eine empirische Theorie».
Friedrich löst das Paradox übrigens schon in der
Einleitung auf mit dem Satz: «Theorie ist, im
Gegensatz zu Philosophie und bloßer Meinung,
ein mehr oder weniger systematisiertes Ganzes
beweisbarer oder wenigstens zusammenhängend
vertretbarer Verallgemeinerungen, die auf einer
strengen Analyse feststellbarer Talsachen be-
ruhen.» Dergleichen klingt allerdings eine Spur
zu vernünftig, um bei dem Gros der Gesellschafts-
theoretiker heutigentags «anzukommen». Ueber-
haupt scheint sich Friedrich an Leser zu wenden,
die das Bedürfnis nach Aufklärung über «Macht,
Autorität und Gerechtigkeit», über «Gleichheit
und Freiheit», über (reale) «Herrschaftsprozesse»
und «Ebenen der Herrschaft», über die künftige
Bedeutung von «Tradition, Revolution und Re-
form» empfinden. Und all das aus dem Blick-
winkel einer Erfahrungswissenschaft: geschichts-
gesättigt, das Begriffliche immerfort aus bcobach-
Teter Wirklichkeit altmodisch-schulgerecht dedu-
zierend. Man erfährt immer noch merkwürdig
viel auf diesem Weg; wenn nicht das, was man
denken soll, so doch das, was man wissen muß.
«Es ist immer klug, vorauszublicken; aber
schwierig, weiterzublicken, als man sehen kann.»
So Churchill; und Fred. L. Polak zitiert ihn - zu-
stimmend, wie es scheint — in seinem Buch «Pro-
gnostics»^ ist sich also der Problematik seines
Unternehmens offenkundig bewußt. Auch histo-
rische Vertiefung wird man an seiner Methoden-
lehre zur «Futurologie» nicht vermissen: mittel-
alterliche Eschatologie ist ihr so wenig fremd
wie die Fortschrittsideen des 19. Jahrhunderts,
denen Thematik sowohl als auch Dynamik der
Z.ukunftsforschung entstammt. Und nicht nur
Eschatologie — ein scholastisches Denken geistert
in den «Quaestiones» der Diagnostik und der Pro-
gnostik wohl gleichfalls mit: Rationalisierung des
Irrationalen durch schiere Zerkleinerung der Pro-
bleme, auf die der Amerikaner einstweilen stolz
zu sein scheint, da er von den «freischwebenden
Gedankenmodellen» der Europäer mit freilich ver-
ständlicher Skepsis redet. Worauf zielt aber seine
kasuistische Prophetie? Sie soll Normen schaffen
«for a future-crcative course of action»: Zukunft-
VN issenschaft soll Zukunft hervorbringen — auf
geregelte Weise; aber wer regelt die Regelung,
wer setzt die Normen? Man schafft sich beim
Lesen in Polaks Buch den Verdacht nicht erst an,
daß die Futurologie eine Methode auf der Suche
nach einer Philosophie sei; aber man wird ihn
dabei auch nicht los.
Seilschaft für die Einheit Italiens (Francesco De
Sanctis, der berühmte spätere Literaturprofessor.
war u. a. deren Mitglied) zum Tode durch den
Strang verurteilt, dann zu Kerker und Zuchthaus
begnadigt. Zehn Jahre (1849-1859) verbrachte
er^so im Gefängnis zu Neapel und im Zuchthaus
auf der Insel Santo Stefano. Dieses «ergastoK) ^
gehörte zu den berüchtigtsten Europas. Als d |.s
Schlimmste empfanden Silvio und seine Freun-Je
(darunter Luigi Scttembrini, der Literarhistoriker)
* Elena Croce: Silvio Spavenla. Adelphi, Mailand 1%9.
lijHe^!TtTe^cwesen^unstfern, von allzu star-
rem logischem Formalismus und ohne vertiefte
historische und soziale Studien. Elena Croce rückt
diese Urteile in ein richtigeres Maß. Ihr Spaventa-
Bildnis wird die Nachwelt gerechter und gemäßer
finden als Labriolas allzu harte, von Parteivor-
urteil gefärbte Worte.
«Voglio vivere per essere un uomo. o morire,
se fa d'uopo Iwenn es nötig wird], per restare
uguale a me stesso». schrieb Silvio aus dem Kerker
an seinen Bruder. Diesem Ideal hat er mit besten
Kräften nachgelebt. Werner Günther
Di(
"autobiographischen und kleineren Sehri
fien Paul Tillichs
1 Handlexikon zur Politikwissenschaft. Herausgegeben
von Axel Görlitz. Ehrcnwirth, München 1970.
2 Günter Rohrmoser: Emanzipation und Freiheit. Gold-
mann, München 1970.
3 Carl J. Friedrich: Politik als Prozeß der Gemein-
schaftsbildung. Westdeutscher Verlag, Köln und Opladen
1970.
•« Fred. L. Polak: Prognoslics. A Science in the Making
surveys and creates the Future. Elsevier, Amsterdam 1971.
Paul Tillich schrieb über sich selbst, indem er
.eine innere Entwicklung charakterisierte: «Schwie-
rigkeiten in der Bewältigung der Wirklichkeit bc-
fwTrkten früh eine Abdrängung in die Phantasie.
Einis?e Jahre lang waren bestimmte Phantasiewel-
lten für mich die eigentliche Wirklichkeit, in die
ch so oft als möglich aus der nicht ernst genom-
.enen äußeren W^irklichkeit übertrat. Es war etwa
ie Zeit vom 14. bis zum 17. Lebensjahr. Am
■nde dieser Periode entwickelte sich automatisch
„US der romanhaften die philosophische Phantysie,
die mir seitdem zum Nutzen oder Schaden treu
geblieben ist: zum Nutzen, sofern ich ihr die
Fähigkeit verdanke. Fernliegendes zu kombinieren,
Abstraktestes anschaulich, ja farbig ineinander zu
sehen, Möglichkeiten des Gedankens zu experi-
mentieren; ^zum Schaden, sofern diese Fähigkeit
in die Gefahr führt, Schöpfungen der Denkphan-
tasie für Wirklichkeiten zu nehmen. Erfahrung
nd rationale Kritik zu vernachlässigen, monolo-
,isch statt dialogisch zu denken, sich aus der
emeinsamen Arbeit der Wissenschaft heraus/u-
Jtellen. Ob die Nachteile oder Vorteile dieser Ver-
anlagung überwogen, sie hinderte mich (neben
zeitg'eschichtlichen Ursachen), das zu werden, was
man im typischen Sinn einen „Gelehrten" nennt
\— übrigens eine verbreitete Erscheinung in der
[Generation des Uebergangs, zu der ich gehöre.»
In diesem Urteil über sich selbst hat der deut-
sche Theologe, der als Auswanderer von 1933 dem
nordamerikanischen Protestantismus nach dem
letzten Weltkrieg sichtlich die Wege zu einem
undoematischen, philosophisch durchdrungenen
Gemcindeleben wies, seine besondere Begabung
beschrieben. Auch was ihm hier als Beschränkung
oder Einseitigkeit bewußt ist, hat er einesteils
fruchtbar gemacht, eine gewisse Unbekümmert-
heit umdie übrige theologische Wissenschaft als ein
Sichfreihalten tlir neue Gedanken andernteils an
sich bekämpft. Das beweist gerade der Band der
«Gesammelten Werke», der unter dem Titel «Be-
gegnungen» erschienen ist. ''
Was daiin an Aufsätzen, Rezensionen, Reden
und Kontroversen veröffentlicht wird, zeigt ihn
* Paul Tillich: Begegnungen. Gesammelte Werke,
Band 12, Evangelisches Verlagswerk, Stuttgart 1971.
als Denker, der sich mit den Gedanken anderer
auseinandergesetzt hat. Er erfaßt jene dabei immer
im Gesamten ihrer geistigen Erscheinung, an ihren
wesentlichen Anliegen, auf die er die Stellung-
nahmen im einzelnen zurückführt. Es sind die
Großen der Vergangenheit darunter, deren Erbe
er bespricht, und manche Zeitgenossen, mit denen
er sich in vielem trifft, in anderem im Gegensatz
weiß. Er äußert sich bedeutsam über Lessing und
in diesem Zusammenhang über das pädagogische
Denken der Aufklärung, oder über Goethe und
dabei über die Klassik, wo das Göttliche als ein
Nicht-Fremdes, sondern das dem Menschen Eigene
eesehen wird. Hegel, Marx und Nietzsche werden
besprochen. Immer wieder beschäftigen ihn die
zeitgenössischen Theologen und Philosophen, die
das^Personhafte an Gott unterstreichen, auch Al-
bert Einstein, der dieses vehement verwirft. Ihm
^ilt Gott für überpersönlich, niemals aber für
unterpersönlich. Die Person Gottes hält er für ein
notwendiges Symbol, aber doch nur ein Symbol.
Die menschliche Sprache gebietet, daß vom Gött-
lichen in Analogien geredel werden muß.
Der Band enthält als Wichtigstes Tillichs auto-
biographische Schrift «Auf der Grenze». Die
Grenze ist nicht als Scheidung veistanden, sondern
als das Verbindende, wo Verschiedenes sich trifft
und in einen Austausch eintritt. Bei ihm ist die
Grenze ein Mittleres, das Gegensätzen gleicher-
weise angehört und sie in einer unauflösbaren
Spannung vereinigt. Tillich charakterisiert seine
eigene menschliche, existentielle und theoretische
Position. Er sucht nach dem tieferen Grund, der
das vereinigt, was oberflächlich betrachtet wie
unvereinbar scheint: Stadt und Land, Heimat und
Fremde, Wirklichkeit und Phantasie, Autonomie
und Heteronomie, Theologie und Philosophie,
Luthertum und Sozialismus. Damit sind nur einige
Themen genannt, um deren spannungsgeladene
Zusammengehörigkeit er ringt.
In allem geht es, spreche er mit vergangenen
Geistern oder mit Zeitgenossen, um den Sinn der
gegenwärtigen Lage. Sie aufzudecken und in ihr
Wege in dfe Zukunft zu weisen, ist sein aktuelles
und^ praktisches Anliegen. Ihm stellt er sein Wis-
sen und seine systematische Kraft zur Verfügung.
Max Schock
ben und bedient sich einer äußerst klaren linearen
Schreibweise, die sich von einfachem vierstimmi-
gem, frei chromatischem Satz zu dichter Viel-
stimmigkeit entwickelt und melodisch sowohl wie
harmonisch durchwegs ausdrucksvoll bleibt. Im
Hall der neunhundert Jahre alten Pieterskerk von
Utrecht ging manches feine kontrapunktische
Detail der Partitur verloren, obwohl sich der
vorzügliche NCRV-Rundfunkchor und der «Can-
tasona«-Knabenchor unter Leitung von Marinus
Voorberg um klare Linienführung bemühten.
Im gleichen Konzert kamen die frühen «Psal-
men Davids» (\95H) und das in die «Lukas-
Passion» aufgegangene «Stabat Mater» (1963)
von Krzysztof Penderecki zur Aufführung, da
Pendereckis neues Chorwerk «Canticum Canli-
corum Salomonis» vom Komponisten als noch
nicht aufführungsreif betrachtet wurde. Von Kurt
Weill brachte das Holland-Festival auch zwei
Bühnenwerke: «Der Silbersee» (Libretto: Georg
Kaiser) und «Royal Palace» (Libretto: Ivan Goll);
beide Werke wurden von Gary Bertini dirigiert,
und im «Silbersee» wirkte die anscheinend ewig-
jugendliche Lotte Lenya mit.
Debütantin im Holland-Festival war die junge
israelische Geigerin Miriam Fried, die im Con-
cours der Königin Elisabeth von Belgien den
ersten Preis gewonnen hatte. Leider war die
Preisträgerin nur im Mendelssohn-Konzert zu
hören: sie bewies eine makellose Technik, die
auch der Kantilene gebührenden Raum ließ, doch
überhetzte sie das Finale, so daß die spritzige
«Sommernachtstraum»-Atmosphäre des Satzes
nicht realisiert wurde.
Peter Gradenwitz
Kaniivf lim das Wittgeiisileiii-üaus in Wien
K. O. Das Wiener Wittgenstein-Haus, ein in den
Jahren 1926 bis 1928 von dem österreichischen
Philosophen bis ins letzte selbst konzipierter und
nach seinen Plänen erstellter dreigeschossiger Bau,
ist vom Landeskonservator des Denkmalamtes für
Wien offiziell zur Demolierung freigegeben worden.
Im Zuge einer Flurbereinigung im dritten Wiener
Gemeindebezirk sollte an seiner Stelle ein sechzehn-
stöekigcs Hotel errichtet werden. Unmittelbar vor
dem Abbruch haben sieh nun jedoch der in New
York lebende österreichische Arehitekturkritiker und
Architekt Bernhard Leitner und mit ihm der öster-
reichische PEN-Klub, die Wittgenstein-Gesellschaft
in England sowie eine Gruppe von Wiener Archi-
tekten für die Erhaltung des nicht nur architektonisch
interessanten, sondern vor allem auch geistes-
geschichtlich bedeutsamen Baus eingesetzt. Es ist
ihnen gelungen, zu erreichen, daß der Abbruch so
lange hinausgezögert wird, bis das Gutachten einer
Expertenkommission vorliegt. Es steht zu hoffen,
daß der Wert des Bauwerks, das gleichsam als Form
gewordener Ausdruck von Wittgensteins philosophi-
scher Aesthetik ein Denkmal ersten Ranges dar-
stellt, in letzter Minute doch noch erkannt wird und
das Haus an der Kundmanngasse 19 gerettet werden
kann.
.^i&i
-■■^i
-■'T^f- I
1
/
/
Page 50
J&J^
CONSERVATIVE NATIONALISTS
under the Weimar Regime
by Professor Lewis Hertzman, University of Alberta
A Paper read at the annual meeting of the American Historical Association. Washington, D.C.. on December 29. 1958
THE political forces that supported the old
Order in Priissia and Germany at large were
stunned and taken aback by the Revolution
of November 9, 1918, but they were not com-
pletely disorganized. Like the bureaucratic struc-
ture of the State which continued by and large to
function, the old party offices remained in exist-
ence, and bank accounts were available to assist the
re-grouping and consolidation of only briefly dis-
organized elements. Only leaders of the German
Conservative Party (which included in its mem-
bership most of the Prussian land-owning ans-
tocracy) had feit their lives to be in danger in
Berlin, and had precipitately left the capital. On
their return, within days they found to their dis-
may political discussions already in progress on
the Right. They were faced with an accomplished
fact that they accepted finally, though with graye
reservations : a new formation of Right-wing poli-
tical groups that saw no future for themselyes
isolated in the hostile atmosphere of a Socialist
Republic. A new party emerged with the name
of German National Peoplc's Party (Deutsch-
nationale Volkspartei; Z)N KP) that included many
second-stringers from the old German Con-.erva-
tives most so-called Free Conservatives (predomi-
nantly high civil servants), Christian Socialists
(representing large organizations of white-collar
workers in the North and West), professional party
antisemits, and even a few individuals froni the
camp of National Liberais and democratic or
Left-wing Progressives {Fortschrittliche). A similar
combination of interests had had some lifc dunng
the war in Admiral Tirpitz' ultra-nationalist supra-
parliamentary Propaganda Organization, the Ger-
man Fatherland Party. There had been, moreover,
before November 9 much discussion among these
groups of the basic question of self-preservation in
face of the democratic wave of the future. Most
were convinced of the need to consolidate their
organizations and to revise their campaigning
methods for the anticipated democratic elections
of a more genuine parliamentary State. • y
"People*s" Parties
The challenge of November 9 was therefore met
by the Right-wing political forces of Germany with
little delay. The old parties, with few exceptions,
were scrapped and in less than two weeks the
public was presented with the first of two major
Right-wing successor parties. The German Nat-
ional People's Party in an innocuous and ambigu-
ous Programme expressed particular conccrn for
the interests of the middle class and the rights of
private property, and even tacitly accepted the new
regime. In another fortnight emerged the second
Right-wing party, also a Volks purtei (DVP). This
was tont court the German People's Party, and its
Programme was as close to that of the Nationalists
as its name. Of its membership it was observed
that this was the remnant of the National Liberal
Party that was not absorbed by the new German
Democratic Party. Its leader was the notable
Young Turk of the National Liberais, Gustav
Stresemann. and prominent members were either
themselves industrialists, or in one way or another
associated with German big business.^
Unfortunately for our understanding of the poli-
tical history and problems of the Weimar Republic
many of the polemical tags and characterizations
that were immediately applied to the parties have
stuck. And so the Nationalists, the DNVP, are
still oftcn labelled the party of Junkers, while
the DVP are merelv the party of heavy industry
and big business.^ Both are often seen simply as
monarchists who, by their ideological disloyalty
and doctrinaire Opposition to the Republic, helped
to make normal government in Germany impos-
sible and theiebv paved the way for Hitler.^
What truth there is in such Statements must how-
ever be seen in the light of more information.
The time is ripe for historians to balance their
knowledee of the Left, and of Left- and Right-
wing radical movements, by objcctive study of
the Centre and the Conservative Right that were
at least of equal importance to the life and ex-
perience of the Weimar Republic.
Although the documcntation for the study of
these groups is by no means overwhelming nor
complete, important new sources have become
available to scholarship in the last decade which
make the task of synthesis and re-interpretation
feasible and imperative. Most notable among the
captured German documents for this purpose have
been, of course, the Stresemann Papers, which have
added a vast Supplement to the three volumes of
the still valuable Vermächtnis published a genera-
tion ago by Stresemann's secretary, Henry Bern-
hard.-*^ But while these papers are currently being
subjected to close scrutiny, little attention has as
yet been attracted by a lesser mine of information
among the captured documents that ncvertheless
merits careful examinalion by students of domestic
and foreign policy, the protocols of all Cabinet
meetings held during the Republic.^ Although very
little of the memoir material published in Ger-
many in recent years has come from Weimar poli-
ticians of the Right, a documentary source of equal
importance with the Stresemann Papers, just as
voluminous and disorderly, has come to light. This
is the collection of the papers of Count Kuno von
Westarp. which for the time being remains in the
hands of his familv and literary executors.^ The
German Federal Archives in Coblenz, which con-
tain the Nachlass of Kurt von Schleicher, also
possess the papers of.-Stresemann's successor. the
head of the Germari' People's Party through its
liquidation in 1933, Eduard Dingeldey. and an
impressive manu^cript collection regarding recent
history, including a considerable bulk of party
I Footnotes ^=^^=!==
1. Lewi» Hertzman, " The founding of the German
National People's Party (DNVP). November 1918— January
1919," in Journal of Modern History, March 1958, pp.24-3b.
2. Annelise Thimme. Gustav Stresemann. Hanovcr-Frank-
turl/M 1957. pp.34ff.-. Lewis Hertzman. " Gustav Strese-
mann: The Problem of political leadership in the Weimar
Republic." paper read at the annual meetm« of the Cana-
dian Historical A,ssocialion, Edmonton. June 6. ly.^K.
3. E g S. William Halperin, Germany Tncd Democracy.
New York 1946 pp. 127-128. These distortions are mostly
absent in the brief surveys of Sigmund Neumann Oer-
many: Changing patterns and lasting problems m Sigrnund
Neumann ed., Modern Political Parties. Chicago. 195b.
pp 354-192. and the still useful handbook of Ludwig Berg-
strässer, Geschichte der politischen Parteien m Deutsch-
land. 7th ed.. Munich. 1952. pp.202ff. , ... vl- • „,
4. Walter H. Kaufmann, Monarchism m the Weimar
Republic. New York. 1953. pp.229-239_ , ' ^i .• i ^rrh
5 Gustav Stresemann Papers (microfilm), National A/cn-
ives', Washington, D.C.: cf. Gustav Stre-semann. Vermächt-
nis.' cd. Henrv Bernhard, 3 vols., Berlin, 1932-33.
6. Cabinet Minutes, in Records of the German Foreign
Omcc (microfilm). National Archives. Washington. U.C.
7. .Studies that make use of the Westarp Papers are.
Kuno Graf v. Westarp, Das Ende der Monarchie am^.
November 1918. Berlin, 1952. Karl Dietrich Bracher Die
Auflösung der Weimarer Republik. Stuttgart-Dusseldorf.
19^5 Werner Liebe. Die Dcutschnationale Volkspartei 191»-
1924." Düsseldorf. 1956: Lewis Hertzman. The German Na-
tional People's Party (DNVP). 1918-1924. Harvard Univer-
sity diss 1955. and articles citcd in footnotes 2 and J:
also Elisabeth Friedenthal. Volksbegehren und Volksent-
scheid über den Young-Plan und die dcutschnationale
Sezession. Tübingen, diss., 1957. u..„„„u^r„
8. Recent works making some u.se "^ /j^e Hugenbcrg
Papers are: Alfred Kruck. Geschichte des Alldeutschen Ver-
bandes 1890-1939, Wiesbaden. 1954; Otto Schmidt-Hannover s
unpublished biography of Alfred Hugenberg. Hugenbe^s
Ringen in deutschen Schicksalsstunden, ed. Dr. Borch-
'"V.'"'count'westarp" drew attention to the fact that Philipp
Scheidemann as earlv as 1919 had used the slogan Der
Feind Ttch" rechts" which Joseph Wirth . as Chancellor
some vears later popularized: National Constituent Assembly
Debates Oct. 7^ 1919. vol. 330, p.2888. co . 2. cKed in
Kuno Graf v. Westarp. Konservative Politik in der Repub-
lik 1918-1932. Erstes Buch: Neue Aufgaben und /'e'«-
Bis /um 6.6.1920 (hereafter cited as: Westarp MS), chapter
^'" lO.'^wilhelm Dittmann. Das politische Deutschland vor
HltlPr Zürich New York. 1945. Statistical tahlcs.
"l We t 5p MS ch 2. p.80: Minutes. DVP ExecvUive
rnnVmittee March 13. 1920. in Stresemann Papers con-
tainTÄ. serial 6932. frames 139543-53 (hereafter c.ted:
cp 3090/6932/ 139543-53V . , ,„__ r-n
12 Stresemann to Karl Hclfferich. Aup^ 3 1922, SP
3096/70 6/^44 154-5: Walther Graef. "Der Werdegange der
Sschnationalen Volkspartei 1918-1928.". in Der nnt.onale
Wiüe: Weiien und Wirken der Deutsehnationalen Vo'kspare^
Jf Se,mann to ,?- ^^[3^43^07^ tl'^t VrS.T; S^n^I
Z DVP En.'juW 16. 1922 SP 3096/7014 ■,4396 2^ St rese
mann to Crown Prince, July 21. 1922, ^>P .suvo//ui'»/
143999-144004. ^, ...
13. Bracher, p.78: Neumann, p.354^ rp^rt^rhrlttUrhe
14. E.g.. Progressive People's Party (Fortschnttlicne
VotU- spart ri). . r . . 1 ., TT
15. Hertzman. as under footnote •• P-^^u 3, ,3/7129/
16. Stresemann's Diary. May 25 1925 f^ ^'^^//zv
147826: Stresemann to Berckmeyer. Dec. 28. 1926. SP 31UU/
7137/149410^1 Hohenlohe an 1 Stresemantn.
Geschichle der Weimarer Republik. Zürich-Stuttgart. 1954.
1, pp.339ff.
records, is to be found at the East German Central
Archives in Potsdam. One further collection re-
mains essentially a mystery, the papers of the grey
eminence of German Nationalists, Alfred Hugen-
berg, which are now at his family estate in Roh-
braken. Though a few selected documents from
these papers have been made available by his
literary cxecutors from time to time, it is not
generally known how extensive or important the
collection is.«. But it is not surprising that even
our information on the records left by Hugenberg
is as indefinite and elusive as his personality,
activity, and motivation were, in his lifctime,
obscure.
Our difficulty in judging the man is carried over
to our difficulty in judging the group with which
he was associated in the Weimar Republic, the
group he ultimately led. If from the outside the
political Right appeared to many contemporaries
to be a bloc,*^ in command of 30 per cent. of the
electorate by 1924,i" a conspiracy against the Re-
public that produced the Kapp Putsch of March,
1920, in fact the political parties were only peri-
pherally implicated in the Putsch, and their
leadership stroncly disapproved of this kind of
Opposition. >' Ncvertheless in the public mind they
were blamed for the intellectual authorship of the
coup and of the assassinations of such notables as
Matthias Erzberger and Walther Rathenau.'-
Spokesmen for the Right were hard put to defend
themselves. Most of them had been, as many
continued to be, vocal, and indecd strident, m con-
demnation of the " November criminals " who had
" stabbed Germany in the back "' in time of war.
They arrogated to themselves the name of patriots
and 'nationalists, and saw on the Left the degen-
erate forces of cosmopolitanism and treason.
But that is not to say that these politicians
attacked and counter-attacked on the basis of
coherent, consistent ideology. Far from that, the
verbal battles were fought with slogans. not philos-
ophy. It is hardly possible to accept without
qualifications the distinction frequently made be-
iween the German and the American political
party, in which the German party is seen as a
product of Weltanschauung in contrast to the
American party that Stands on a platform offer-
ing somcthing to everybody.^^ The distinction
is clearly not applicable to those two major parties
of the Right. Only their platforms and practical
leadership held them together and the realization
that as isolated interest groups they were without
influence and impotent. As political parties the
German National and German People s Parties
represented a collective will to power that had
little to do with ideology alone: platform and
Weltanschauung (in the sense of attitude rather
than philosophy) went inseparably together.
No Longer " Conservative "
Unable to call themselves either Conservatives
or Liberais, and unwilling to test the public tem-
per with old party names, the new groups hid
behind the over-all description of " people s party,
which until then had had a somewhat Left-wing
connotation.>4 Some old Conservatives at least
feit the new name to be dishonest, but they now
had little say in such matters. '5 They were out-
numbered by those who, although not especially
anxious to be known as Liberais. no longer had
any use for the discredited label of Conservative.
For the DNVP it appears that the term National
was a Substitute, and even an attempt to create
something of a political concept. On tne other
hand Stresemann who resisted that approach him-
self attempted, with indifferent success, to keep
National Liberalism alive in the DVPi\ Although
it may be a commentary on the political condi-
tion of Gcrmanv that a man as inhcrently conser-
vative as Stresemann was consistently idcntihed as
a l iberal, we ignore at our peril the designatiori
that men in public life choose for themselves. and
by comparison with other men in his camp Strese-
mann was a Liberal indeed.i^ Therefore before
we are in a position to make useful generaliza-
tions concerning the Right, we must survey the
spcctrum of values which were there represented.
The lowest common denominator that gave men
of the political Rieht a sense of identity is easier
to find in their attitude to the past than m ^heir
Programme for the present and future. Though
divided on miny issues of the war years. for the
most part they looked back with reverence and
admiration at the political structure of the Bis-
marckiin Reich. For this reason they regarded
the antithesis of that structure the Republic. with
varying degrces of fear and hostility. But, it should
Continued on page 5 1
CONSERVATIVE NATIONALISTS
under the Weimar Regime
-^. " W"' -^ '
be emphasized, only a sma l corps retained an
attitude of unrelieved hostihly through fouiteen
vears of he regime. The same parties that re-
LctedtWenew Constitution as a whole in the
Natlona Assembly did not withhold the practical
c:^)operation of their experienced statesmen in the
parliamentary committees that helped wnte he
Constitution.!« And relatively soon they started
to kok tor political alUes in the Centre and even
on he Left, with a view to taking a hand in
government.i'^ Monarchism, - /he coro^la^^^^^^^^
their attachment to the vaUies of the Bisr^^'^^'^»^^^^
Reich, was a strong sentiment ^^^[^^ by pohti
cians of the Right, but one must not mistake
scnüment on this subject. or the attendant demago-
g"of campaign Propaganda, for a guidmg pnn-
aple Sentimental monarchism reflected the more
important and abiding belief in strong, personal
government. That type of government as many
Rinhtists tacitly admitted, could be prov ded bette
in the twentieih Century by a masterful President
than bv a vain and incompetent EmP^^,«;-'' „^^^^^
as confirmed a monarchist as the Old Prussian
Count Westarp had no desire to see a genera
restoration of the multifanous ruling houses of
Germany, and saw no suitable candidate for the
restoration of the Hohenzollerns in that genera-
don ?f ''^Monarchism, dislike of the. democratic
Republic, reverence for the ß^^"?-^^^^'f" J^^^^rh-
these attitudes were not monopolies of the Kigm,
but in combination with such other Factors as the
defence of private property, and the related bias ot
fnti-socialism. the? provided the characteristic
base from which emcrged the widely va^ying tac-
tics and Solutions of Right-wing party and faclional
leadership.
Divergence of Tactics
The divergence of tactics on the Right could be
astonishing. On the Treaty of Versailles, the ränge
extended from the bitter-end Opposition of Hugen-
berg to the modified fulfilment policy of Strese-
mann ?2 on the Dawes Plan, from Karl Helffer-
kh's cry of a " second Versailles "^3 to the actual
split vote of the DNVP,^'* and acceptancc by most
in the DVP2? On the question of participation
in government, the positive attitude of leadership
and the special interest groups of big estate own-
ers (A maricr), industrialists, and unions that need-
ed a place in the State provoked eonstant factiona
dissensions in both parties. Rarely did the RigtU
speak with a single or consistent voice. The Law
for the Defence of the Republic, that men on the
Right attacked in 1922, was accepted by them for
tactical reasons when time eame for renewal in
]9->7 26 Pure Opposition was modihed by tne prac-
tical'direction of leaders who were fo^ced to learn
how to live in a political coahtion. But the task
of leadership could prove to be too much for any
man who was not up to the Job of .Meeting not
only the demands of political life m coalition
but also the demands of the many interests that
made cach party a struggling coalition in itsell.
In fact, no Icader of the Right ever fuUy mas-
tercd the Situation. The internal struggles of both
DNVP and DVP were not so much the clash oi
Personalities as the collision of special, usua lly
class interests, of white-collar workers, for example
industrialists large and small, vintncrs, produccrs
of crain, or small savers wiped out in the grcat
inflation. Economic interests appearcd to inter-
vcnc most frcqucntly in the formation of policy,
but they were not always the decisiye factors
The military voice was oftcn unmistakable, anci
Ihc role of the Pan-Germans is a chaptcr in itscll
which some day must comc to hght.27 indccd the
small group of Pan-Germans, \z6, ^Y ""8^"^f ^ in
the DNVP, was rcsurgcnt in the latc l9-t's to a
ctartling degree. It was largcly their work that
split the DNVP by 1930 into the components vir-
tually which originally had formcd it.-
But in the circumstanccs of 1930 Conscrvat.ves
and I ibcrals of the Right hardly had a chance to
make good their shortcomings of 1918 and ol the
past twclvc vcars. The old Conscryativcs of pre-
war vintagehad too long broodcd in their tcnts;
they had eithcr held aloof from the Republic. or
likc the Merrcnhausiyruppc supportcd the atlvcn-
tiircs of Kapp and his associates, or drifted into
the circlc around Hindcnburg.2'> Count Westarp
Continued from page 50
tried as leader of the DNVP for four years
to make the best of both worlds and to find t c
way to a modern Conservatism. But for the taste
of his old associates he was too ready to work in
and with government; for the new generation he
was too much a symbol of Hohenzollern Prussia ^o
When he ioined the Conservative People s Pa ty,
which his younger colleagues formed in protest
against Hugenberg s leadership of the Nationalists
Westarps effective political career had already
endcd^i He had alreadv parted Company wih
the Kreuzzeitung which, on the verge of bank-
ruptcy, was made by its editor to all practical in-
tents a dependency of the Hugenberg chain. Some
few Old Conservatives who had learned nothing
since 1918 saw in Hugenberg at least the implac-
able foe of the Republic that Westarp had proved
not to be.32
— Footnotes
18 Albrecht v. Graefe. Damals in >\eiinar 1919. Berlin.
1929 DP 12-13; Walther Graef, loc. cit., p.2b.
19 Oskar Hergfs position early 1919 d.scussed in
ß/rW T^^U/"' May 2. 1924 (p.m.); Hergfs - Ordnungs-
nrogiamm.-' Prussian Constituent Asscmbly Debates. Scpt
?r 19^9 vol. 4. col. 4391-4408; Stresemann Mmutes o
the DVP Executive Committee. Oct. 3 1921 ^P 309^^
6996/ 14P '^8-69- Stresemann lo Pauli, heb. 14, iyz.>. ar
3097/7113/145099-102. ., „p
20. Stresemann to Eduard Dingeldey Aug. 12, .1922. SP
3096 7016/144197-200; Axel Frhr. .v. Freyt^«h'^°"^ n ISo!
•'Verfassungstragen." in »" n?t'«°'''%^'"l,,%- sV ^37^/
Stresemann to Walter v. Keudell. Nov. 27, 1925. SP 3113/
'? 31^/148340-2 sVrc emann's Secretary (Fritz Rauch) to Julius
Curtius. Apr 16, 1920, SP 3089/6928/138854-7; Westarp MS.
'^'21'' «/''esta'r?''MS. eh. 8 pp.568. .571. 612-613
22. Otto Kricgk. HugenbcrR. Leipzig, 1932 p.67. Alfred
Hugenberg. Streiflichter aus Vergangenheit und Gegenwart.
•^ w"str'eima'n?,''vermächtnis. I. p.254; Neue Preussische
IKriu?.^ Zeitims April 18, 1924 (a.m.); article ' Repara-
fonspö itik/' ?n PoUtisches Handwörterbuch (Führer-ABC)
ed Max Weiss (Berlin, 1928), 679; Hans Hilpert. Meuiunsen
ind Kämpfe. Meine politische Erinnerungen (unpub. MS).
^'i^^Hert/mann, dissertation, pp.407ff.; Liebe, pp 86f.
25 Ti^imme. p.66; Walter Görlitz. Gustav Stresemann.
«'i'ö'.^'on^ihfcontCriy stirred up in Conservative drcles.
WP- Westarp to v. Dommes, June 4, 1927; Axel Frhr. v.
Maltzahnto Westarp, June 2, 1927; Westarp to v. Maltzahn.
'"2V'Harold'j. Gordon. Jr The Re-h-^hr and the^ Ger-
man Republic 1919-1926. Princeton, 1957. p. 356, Kruck,
pp.l25f. ,^^„
28. Bracher, pp. 309fT. ms rh -> d 79-
29 On the Herrenhausi^ruppe, Westarp MS eh. ^, p. /v,
Gottfried Traub, Erinnerungen, mimeog.. Munich, n.d ,
p'"219 on HindJnburg's visitors, '=""v^^"^^r"l9\T'nöted t
Koch-Weser and Otto Meissner. Aug. 14. 1926. "oted in
Koch-Wesef's Diary of that date. Erich Koch-Weser Papers
rh rpaüer cited as- KWP) Bundesarchiv, Coblenz
^ 30 Desnite hitwork n the Konservative Volkspartie,
wJ'XVpT.t not a " Young Conservative ^as he - m.s-
f^ii^;;'>iJÄ^JiL^mi-Ä'^tu^rtf?5?r^
Seü^n ^9s!^'^S^^^ve?T^hr^finSr wS^w^
hc remn'.n Deutschknnservative Partei Westarp wrote to
kis head. Ernst Julius Graf. v. .S'-^'^lUz-Sandreczk. Aprd 1
19->X WP " Als w r nach Gründung der pNVl a"cn a s
deren M tgliedcr an unserer alten konservativen Partei fes -
hielten haben wir dadurch erwiesen, wie stark und sitt-
lid le'bcnsvoH das Alte war. So haben wir dazu beige-
rauendass der unveräusserliche Inhalt konservativer Staats-
rdlccuials in Ulrich v. Hassell's short-iived Staa^spoUt.che
Ar^eit^einscMt: e.,.^ "^^^.^ ,:^^f{^J^n
dem 18. Üi und IS' ()ktober 1930. WP; Bracher, pp
3- %t ^tzrhn^^'Ärl^l?^^r^rp-9;?f^V^i;
Stsc^'o PaU.a,m March 6 19M WP. Fr.e r.ch^Graf
^v^'- ^"''"Sw m %8 WP Bacher P.36S. footnote 4.
I')r,rv iviiv 31 1932. KWP; Trcviranus to Wilhelm R
Rc .'-ndanz in Kurt v. Schleicher Papers (hercafter cited as:
Kv'^Tp" «HmKsrlrr/i/v. Coblenz. folder 17-IV. documcnt 22-23
^* M 'p^r Werner v. Alvenslebcn to Schleicher Julv 25
1930 kVsP 65/20-3: Kurt Frhr. v. I ersner to Schlc|chcr,
niv -4 931 KvSP 67/103. The Icader of the DVP
rdnirdDinucUlev was also an admirer of Schleicher; KvSP
17/1V/55. 17/IV/61-3, 66/13.
Jr.: R-mmän. ' ''o-tav Stresemann..."; as under
foo'no'c 2.
37. P.vck. I. p. 398.
;;• ?,?/.emnnS'.o 'Alber, Zapf. Oct. 23. 1928. SP 3163/
'^ro.''H'mv A. Turner (Yale University). MS on DVP. based
:.,.„r n'hi ov the Dinpeldcv Pnpcrs.
Page 51
As for the Free Conservatives, this group, mori-
bund even in the Empire, was "o^^t;;"ly ^^.^^^_
What life there was among Young Conservatives
went into the Conservative People's Party which,
Hke its brightest light. Gottfried Treviranus,
appreciated the conservative facets of the Bruning
rigime and supported it with all its strength^^
Some who were no longer wiUing to align theni-
selves with parties drifted to the shadow-world
siinnort of Franz von Papen and Kurt von
Schfe^cher 34 Other splits from the DNVP saw the
ereation on the anaLgy. of the Economic Party
that grew out of the inflation experience, of parties
to represent the special interests oi Agrarier and of
Christian Socialists,35 sphnters that f^om heir
ereation were curiosities rather than poUticai
powers. . , ,. ^
If the German People's Party did not splinter
to the extent the Nationalists did, this is be-
cause it was not composed of as many disparate
uroups. However, even the briefest examinat on
of Stresemann's experience with the party he led
untü his death in 1929 will show the extent to
which his most cherished policies were under hre
by his colleagues, whethcr the question was ful-
filment of peace treaty obligations, the Dawes and
Young Plans, or indeed the very policy of posi-
tive participation in government,36 On this score
a Croup of dissident National Liberals left Strese-
mann s party in 1924, and went over to the
Sitionali^stsy^ there to 'strengthen the Hugenberg
wing that stood for unqualified Opposition to the
Republic and its works.
Demagoguery
Reasons for the increase of influence and
strength of the intransigent know-nothing elements
of the Right can be briefly stated Their role
was the easier one to play. Devoid of responsr-
bility in the State their function was to criticize
rousc resentment, and undermine the hated
recime with every trick of demagoguery. hör tnis
they had ample funds from Rhenjsh-Westphalian
industry, and access to public opinion through the
mass media of press and film largely controlled by
the Hugenberg Organization. Where the Cover n
ment appeared to fumble, they attacked; where
their own moderate party leadership compromisd
with Government, they ridiculed; and as the bour-
eeois parties lost steadily at the polls after 1924,
they raged, and heads rolled. Hugenberg was push-
cd to the headship of the Nationalist Party,3«while
Stresemann gloomily surveyed the field and pre-
dicted civil war in Germany.3'^ ^^^"^""5"?!, . Jj^
have been despondent had he suspected that hs
ultimate successor as party leader, Eduard Dingel-
dey, would have a hand in allying the E)VP with
Hugenberg and eventually share responsibihty
with Hugenberg for an unworthy and humiUating
surrender to Nazism.40
In this Condensed discussion of a complicated
subject in a troubled period of history it has not
becn possible to include needed details on Per-
sonalities and events. nor to do more than suggest
in broadest terms the nature of problenis at issue.
Mv plea is that adequate notice be taken ot the
plurality of interests and groups that comprised
the political Right in Weimar Germany, in order
that more pcrceptive study be made of the Prob-
lems of its leadership. It is important to look
searchinulv at their interpretation of the idea ot
responsibiiity to the Republican State, and in par-
ticular of responsibiiity as partners in the day-to-
day busincss of government. The other side «t
the coin will show the meaning of irresponsibility
and uncompromising Opposition that was the
character of a Rightist minority. We must hope for
closer examination of the virulent strain ot Pan-
Germanism and National Liberalism that erupted
in the Hucenberg phase of politics. At the same
time it wo\ild be foolish to neglect the less spec-
tacular moderate conservatism of such leaders as
Oskar Herct, Gustav Stresemann, and Count
Westarp. While it is hardly necessary to argue the
dosirabilitv for the political health of a nation of
consolidatina its splinter groups and special interests
into bic parties, in the case ot ine Right the wrong
combinations were made. The parties had too little
to hold them topether; the internal struggles of
the parties undulv sharpened their attitudes on
public issucs, and in the long run weakened their
chanccs with the voting public. Eventually the
accumulated tensions and bitterness shattered the
Ripht into small bits. leavmg it inefFective and
up^vailahlc as an alternative Government in the
crisis of the 1930s.
ms9mm
"* Aus
Hofmannsthal Blaetter - Sonderdruck
aus Heft 5 - Herbst 1970
rTi ß^
919
11
[F4]
Sehr geehrter Herr von Hof mannsthal, ^
Ich lasse Ihnen mit gleicher Post das e7ste Buch unserer Reihe >Bücher des
Neuen Merkur«: Das Geschlecht Habsburg von Erich von Kahler, das soeben
erschienen ist, zugehen. " Das Werk ist so ungewöhnliA in jeder Beziehung:
gestaltet und historisch fundiert zugleich, ein wirklich künstlerisches Ge-
bilde. Idi bin sicher, daß es Ihr Interesse erregen wird. Vielleicht nehmen Sie
Gelegenheit, ein Wort darüber zu sagen. Mit besten Grüßen
Ihr sehr ergebener
Efraim Frisch.
[H2]
Rodaun, am lo. VI. 1919
13
Mein lieber Efraim Frisdi!
Ihren freundlichen Brief vom 22. V. habe ich vor einer Woche erhalten
und seitdem über die Sache ernstlich nachgedacht.
Das zweite Heft des »Neuen Merkur« ist offenbar verloren gegangen. Da
idi aber an der Zeitschrift wirklich Anteil nehme, so wäre es mir recht lieb,
wenn Sie so freundlich sein wollten, es mir nochmals schicken zu lassen. Da-
gegen habe ich die Arbeit von Kahler erhalten, und danke vielmals dafür,
dass Sie so gut waren, mir dieses interessante Buch zu schicken. Zunächst
war ich durch die Manieriertheit der Darstellung etwas erkältet, doch bei
tieferem Eindringen verfliegt dies, und es ergibt sich, dass das Buch eben so
sehr für den gegenwärtigen Zeitmoment in einer interessanten Weise sym-
ptomatisch ist, als es auch erstaunlich viel Geistreiches, Wahres und Giltiges
enthält. Gewissermassen betroffen war ich davon, gewisse eigene Reflexio-
nen über den österreidiischen Volkscharakter mir hier so schlagend ausge-
drückt entgegentreten zu sehen, die mir selbst, mitten in den Dingen mich
bewegend, mir eigentlich erst in dieser letzten Krise erkennbar geworden
waren. Es liegt hier gewiss eine sehr bedeutende Begabung für eine neue
Art von Gesdiichtsschreibung vor. Darf ich Sie anknüpfend auf ein Buch
hinweisen, das Sie vermutlich kennen, - wenngleich der Name Oswald
Spengler beinahe zu meiner Überraschung mir unter Ihren Mitarbeitern
fehlt. Es heisst: »Untergang des Abendlandes« Umrisse einer Morphologie
der Weltgeschichte und ist 1918 bei Braumüller erschienen.
361
Wenn ich nun, gegenüber dem wiederholt von verschiedenen Seiten ge-
äusserten Wunsch, mich über das Problem des »Anschlusses« zu äussern,
mein innerlich ablehnendes Verhalten begründen und rechtfertigen will, so
bin ich in Verlegenheit.
Zunächst einmal ist mir die ganze Schreib- und Denkform des Essayismus,
dieser zusammenhängenden, mehr oder minder gewandten Hinspinnung
von Gedanken die immer nur eine so zu sagen formale Denkwahrheit, aller-
höchstens eine augenblickliche Temperamentswahrheit haben, in einer Weise
fragwürdig geworden, die Sie freilich als Herausgeber einer solchen Zeit-
schrift in sich keineswegs aufkommen lassen dürften. Jedenfalls für mich
steht es so: Etwas in mir, das stärker ist, als ich selbst, mahnt mich, mehr
und mehr, von diesem Beginnen ab, je öfter der Umstand es mir nahelegt.
Ferner aber fällt es mir ungeheuer schwer, zu dem Problem selbst Stellung
zu nehmen. Alles was an Agitation für den »Anschluss« vorgebracht wird,
erscheint mir ganz flach und in Figuren wie L. H.^4 sehe ich recht eigentlich
flache Köpfe, richtige Politiker im Zeitungssinn des Wortes, alle Dinge nur
zweidimensional erfassend, denen das eigentlich Cörper- und Schicksalshafte
der Probleme völlig entgeht.
Den Wust der ökonomischen Erwägungen, in denen ja keiner bis ans Ende
sieht, wollen wir beiseit lassen. Desgleichen den öden Materialismus des
Machtzuwachses durch das Hinzutreten von Millionen, ferner das national
allzu Eindeutige, das angeblich Selbstverständliche, und so fort.
Mir erscheim, wie gesagt, nichts an und in diesen Dingen selbstverständ-
lich. Die Frage steht für mich so: Nützt es dem deutschen Gesamtwesen wenn
wir in seine körperliche gegenwärtige Form einschmelzen oder frommt ihm
nicht mehr, wenn wir bei Seite bleiben? Sind ihm die deutschen Schweizer
X nicht eben als deutsche Schweizer ein beständiger Gewinn, ergibt sich nicht
^ für die Zukunft Böhmens - und dieses Land aus der deutschen Zukunftsent-
wicklung auszuschalten erscheint mir geographisch wie historisch gleich un-
möglich - eine möglichere, schwebendere Situation, wenn wir nebst den
Schweizern, zwischen der Schweiz und Böhmen gelegen - aussen bleiben?
Nähern uns diese, wenn auch noch so prekären Zwischenformen, möge un-
sere Generation noch so sehr darunter leiden, nicht einigermassen einer
hoffnungsvollen, die festen Grenzen des Maditstaates überfliessenden Zu-
kunftsform, als sie uns zugleich einer ehrwürdigen Form der Vergangenheit,
1 dem alten Reich mit seinen fliessenden Grenzen, in dem alles auf geistiger
\ Macht und Autorität, nichts auf dem MateriaUsmus der Ziffer und des Ver-
362
■ -4'' :.■''■"• r- ■',■•
träges gebaut war, näher bringen? Letztlich scheint mir dies zu bedenken: Ist
nicht die ungeheure Zahl sind nicht diese sechzig MilUonen, oder gar siebzig
und etwa bald achtzig, sind diese nicht schon ein furchtbares Problem sobald
wir aus dem Kreise der despotisch oder patriarchalisch fundierten Kultur
(China) heraustreten? Denkt man nicht viel zu wenig an die furchtbare
Rückwirkung, die es auf das Ethos des Einzelnen übt, dass er einer so for-
midablen Masse angehört? Handelt es sich nicht darum, neue Spannungen
zu schaffen und ist nicht die Sorge um ein ausserhalb des Reichsverbandes
verbleibendes Österreich vielleicht eine fruchtbare Spannung?
Ich hatte gestern, als der größte Teil dieses Briefes schon geschrieben war,
die neueste Broschüre von Rathenau (der Staat) in der Hand, und sah, dass
Einiges von mir hier Gestreifte, dort auch angerührt wird. ^^ Aber die Zu-
sammenhänge sind dort anders. Immerhin ergibt sich aus dem Lesen dieser
Broschüre, wie auch aus dem Gespräch mit jedem tiefer denkenden Deut-
schen, das Dilemma: An wen, im geistigen Sinn, haben wir uns anzu-
schliessen? An ein Gebilde welcher Struktur, welchen Willens, welchen
Geistes, welchen Pathos - und hiemit habe ich mich vielleicht auch zum
springenden Punkt hindurch gewunden. Ein neues völlig reines Pathos, sei
es auch das einer Minorität, aber einer wirklich geistigen, würde uns ver-
mutlich einsaugen wie ein Wirbel, alles andere ist Agitation, zweidimensio-
nale Welt, »Politik«. Davon mich fernzuhalten, scheint mir das einzig Mög-
liche, wenngleich esdazu beiträgt, einen unbeliebt zu machen, oder in der
Unbeliebtheit zu erhalten.
Aufrichtig der Ihre
Hofmannsthal
11
[F5]
14. Nov. 1919.^^
Sehr verehrter Herr Hof mannsthal,
Gerade als ich im Begriff war, auf Ihre Veranlassung hin an Pannwitz zu
schreiben, kam sein Brief, in welchem er mir den Vorschlag machte, für den
>Neuen Merkur< über die Erzählung >Die Frau ohneSchatten< etwas zu sagen.
Ich habe ihm sofort geantwortet, daß es mir sehr willkommen wäre. ^7 Das
Buch habe ich in den letzten Tagen bekommen und freue mich auf die Lektüre.
Ich persönlich habe es jedesmal beklagt, wie sehr Sie mit Ihren Texten für
Strauss in der Beurteilung der Zeitungsmusikschreiber zu leiden haben und
^^^
4y (yt^-^^ ^^
4r' ^Yr"6^
/
/
/,
r . II f '
^'C^L-ü
r
/P
^iJuM. Uf'»^
1 (iL,
r
//'
<;
/ r
T ^i^^iu. f ■ C
C-c^«
'^■U-'-^' //
y/
^ . I
<7r
(r^<'
ff
(M
s . V/^
^(Jt-iU*
^
/x
vr
3 rf
jt^C^^^l'^i^^^^
•^<
v'^. »i* <.<:• W
^,f.«^n^^v^^ >Vv^
.!i-r /
♦ . '^X» ' ' ■!
^ > ^ >l " J
> -c 1,
^•^
■" ' ■JsC"' ?^'''*" * '* 1" ^ •i \ i-*^ '^*
'v V. • ' r ' »-^> X
♦■ V \ ^ t Ji'-^
M
^.'' •:>■> '
W^.. .^» 5- t., ^ ^s,^^
V -1 .i».*!»,' r-^
t 1t
.9'' X '<t
> ß
-i " .V
■< ^ r
^^ T^LLcm^/Q^
'^^
.» ■- ^»■--•v . •rf.'^t ^y.te'v -'■jTtrgv^.-'^yT^igtj ■ utmmem^^^m^t^^
I
■;'s^:
Srite 12 — ZEIT Nr.
, /
y
J
DAS POLTISCHE BUCH
Dienstag, den 21. Februar 1967
»
Abschied von der Zeitgesdiidite
Die \\elniarer Republik wird zum liistoiisdienSlolT / Von Waldemar iMsson
Rudolf Morsey: Die deutsche Zentrumspartei
1917 _ 1923. Droste Verlag, Düsseldorf; 651
Seiten, 48,— DM
Wer Zeitgeschichte als Epoche der Mitlcben-
dcn begreift, sieht sich zuweilen in einer
merkwürdigen Situation. Binnen weniger Jahre
wandert oft das, was eben noch wie selbstver-
ständlich zur (k-genwart gehörte und auf das
heftigste in ihr umkämpft war, aus dem Blick-
feld der jetzigen Generation und lagert sich der
Ck'schichte an. Als Brachers „Auflösung der Wei-
marer Republik" in der Mitte der fünfziger Jahre
die intensive wissenschaftliche Beschäftigung mit
der Weimarer Republik einleitete, schien es so, als
tue man nichts anderes, als ein Stück der eigenen
Zeit ZLl untersuchen und zu deuten. Nach zehn
Jahren ist diese Phase zu Ende. Rudolf Morseys
Buch über das Zentrum beweist es.
la der Zeitgeschichte des Weimarer Deutsch-
land gab es großartig-erregende Kontroversen
und Themen. Anfang und Ende der Republik
waren ebenso umstritten wie die Rolle ihrer
Militärs und Stresemanns außenpolitisc-lie Strate-
gie. Als Beispielsammlung wurde die Weimarer
Republik den Politologen und Soziologen unent-
behrlich, wie sie auch eine unerschöpfliche Fund-
grube für Apologeten, Ankläger und Memoiren-
schreiber darstellte. Das politische Temperament
des Historikers, die eine Seite seiner Natur, be-
herrsdite ganz die Szene.
Bei Rudolf Morsey spürt man von alledem
nur noch den Nac^iklang. Das ist kein Einwand
gegen sein Buch, ganz im Gegenteil. Wenn man
alle Zeichen trügen, leitet es nämlicb eine neue
Phase der Weimarer Geschic4nsschreibung ein, in
der der unmittelbare Bezug zur Gegenwart feh-
len wird, der Historiker gleichsam wieder in sei-
nem eigenen Rechte wirkt. Er handelt nun wieder
von den res gestae, nidit mehr von den res
gerendae. Wer Bracher mit Morsey vergleicht,
spürt, wie sidi das wissenschaftliche Klima ge-
wandelt hat. Damit wird nicht behauptet, daß
eine politisch inspirierte Zeitgeschichte nicht wis-
senschaftlidi gewesen sei. Aber die Distanz des
gelehrten Historikers ist anderer Art, wobei der
Wedisel von der einen Perspektive zur anderen
mit neuem Gewinn natürlich auch manchen Ver-
lust beklagen läßt.
Der Verfasser besaß für sein Vorhaben die
besten Voraussetzungen. F.r i'^t seit langem auf
diesem Felde tätig; bereits früher hatte er das
Kapitel Zentrum im Sammelband über das Ende
der Parteien 1933 gesdirieben. Aber jetzt moti-
viert ihn nicht mehr in erster Linie die politische
Streitfrage, sondern der Wille, wenigstens in
einem Teilbereich die Vergangenheit möglichst
vollständig in ihrem zeitlidien Ablauf zu rekon-
struieren. Als langjähriger Mitarbeiter der Kom-
mission für die Geschichte des Parlamentarismus
«rehört Morsev zu den besten Kennern der deut-
sehen Parteigeschichte in diesem Jahrhundert, hr
iiinü zwar von keinem geschlossenen Aktenbe-
stand aus, aber konnte dennoch aus vielen Quel-
len schöpfen, und er hat dabei reiche Funde ge-
macht. Mit hoher Achtung blättert man im Quel-
len- und Literaturverzeichnis des Verfassers.
Nennen wir also getrost als erstes Verdienst
dieses wichtigen Buches die Erschließung neuer
Quellen. Das bleibt immer die erste Aufgabe der
historischen Zunft. Von neuen Quellen fallen auf
eine Reihe wichtiger Ereignisse und Personen in
der FVühzeit der Weimarer Republik neue Lich-
ter, überall dort, wo das Zentrum oder seine
Fülircr maßgeblich an der Politik des Reiches be-
teiligt waren. Naturgemäß stehen die wechseln-
den Koalitionen des Zentrums im Vorder-
grund des Interesses, seine taktisch-prag-
matisdie Fähigkeit, sich mit recht verschiedenarti-
gen Partnern zusammenzutun, um dadurch erst
parlamentarisches Regieren in Deutschland mög-
lich zu machen. Ein zweiter Themenkreis zielt
auf die Verfassungsberatungen, vor allem auf das
Verhältnis zwischen dem Reich und den Ländern
Vielfältiges Europa
Nationale Besonderheit noch im Zusammenschluß
Hendrik Brugmans: Im Schmelz tiegel der Ge-
sdiichte. Vierzehn Stationen europäischer Ent-
widmung. C. Bertelsmann Verlag, Gütersloh;
158 Seiten, 16,80 DM
a<5 ist
^ Keine ge< graphisdie Re-
Welt den Beweis, daß Vielförmigkelt fruchtbar
und dem Kommunismus überlegen sein kann; es
kann seinen Charakter nur bewahren, wenn es
sich seiner selbst bewußt wird, eigene Vorstellun-
gen entwidielt, sich bei Bewahrun^ der nationa-
ler Besonderheiten zusammenschließt, (:v
und die Zukunft Prußens. Das rheinische Zen-
trum, eine der Säule des katholischen Deutsch-
land, wird Schwerpvvkt der Darstellung, die so
delikate Fragen wie Jic der rheinisc^ien Autono-
mie oder Separation iiit einschließt.
Viel ist auch von jen Personen die Rede, die
bei alledem am Wer!*' waren, von ihren Vorzü-
gen und Grenzen, voi ihren Freunden und Fein-
den, ihren Erfolgen i;id Niederlagen. Eine ganze
Galerie der Zentrum führet (Ufnet sich dem Be-
trachter. Er lernt dit Spahn, Gröber, Trimborn,
Marx, die Erzberg.r, Stegerwald und Wirth
kennen, und sorgsan ditTerenziert Morsey zwi-
schen denen, die die Partei führten und zusam-
menhielten, und denen, die ihr politischesTempe-
rament in die Arena der großen Politik trieb.
Man erfährt, daß bcicios nicht selten auf verschie-
dener Ebene gesdiah. Erzberger und Wirth, de-
nen das Reich die stärksten Impulse verdankte,
waren in der Partei eher die Außenseiter. Vor-
sichtig und diskret 1-clcuchtet Morsey auch die
Rolle Konrad Adenauers, die keineswegs unbe-
deutend war. Das kcionte sie auch gar nicht sein,
denn der Oberbürgermeister von Köln war nun
einmal einer der PfeiU-r der Zentrumsmacht. Kein
Zweifel, daß Adenauer seine Schlüsselstellung
nutzte, auch wenn l\v)^ damals offenbar der grö-
ßere Ehrgeiz noch fremd gewesen ist.
Wer sich freilich r.,uh soldien Hinwelsen nun
frisch-fröhlich an die Lektüre machen will, wird
schnell enttäuscht werien, wenn er sich nicht aut
hartes Brot gefaßt r.iacht. Denn die Detailliert-
heit der LOarstellung und ihre Quellennähe sind
kein einfaches Pensuri. Wir können durchaus die
geschickte Gliederung rlihmen, die Fülle der An-
merkungen und Belege bewundern, dennoch ist
ein leises Unbebagen nicht ganz zu verdrängen.
War diese Breite "xVhkixu nötig? Verlieren sidi
nicht zuweilen die großen Linien in der Masse
iks Details und werci:n erst wieder in der klaren
Schlußbetrachtung aufgenommen? Wenn Morsey,
wie in der Einleitun.; angedeutet,^ vorgeschwebt
hat, eine Parteiblogn^phie zu schreiben, dann hat
er den Weg nur halb zurüdgelegt. Denn der
Biograph des Zentrums kann nicht elnfadi nur
erzählen. Er muß niidi werten. Das geschieht
zwar durchaus, aber Joch vorwiegend In Neben-
sätzen oder in fast verstec^vten Hinweisen. Der
ruhig dahinfließende Strom der historischen De-
skription läßt eben} die Unterströmungen nur
schwer erkennen. j-
Und gerade hier jiätte man sich von unserem
Autor mehr erhofft.'! Es ist kein Zweifel, daß er
die tiefe innere undKiußere Krise des Zentrums
nach 1918 kennt, llr deutet auch an, wo die
UrsacFien liegen. Elrfc pluralistische Industriege-
sellsdiaft macht el^Jlkonfessionelle Partei frag-
würdig, wenn r^jÄSrH-- der religiösen Minder-
heit nldit j^lf^^Kochien sind. Auf dem Zen-
trum L^^^^^^^^Llradition, die den Kultur-
1 .ij 1"
sein will, vorwerfen kann, wird vielen zweitel-
haft sein. Vor allen Dingen dann, wenn sie es
für das Charakteristikum des Historikers halten,
daß er in der Nähe seiner Quellen bleibt und
auch kritische Akzente nur setzt, insolcrn sie mit
der Selbstkritik der handelnden Personen kor-
respondieren. Morseys Buch ist in der Tat eine
grandlose Paraphrase zeitgenössischer Quellen
und Haltungen. Aber sieht der nachzeichnende
Historiker nicht eben doch mehr als der Zeit-
genosse, zumindest deswegen, weil er weiß, wie
die Sache weitergegangen ist? Die Akribie und
die Behutsamkeit, mit der Morsey seine Quellen
interpretiert hat, kann man kaum übertreften.
Aber könnte man nicht noch einen Schritt weiter-
gehen, indem man die Begriffe und Motive der
Zeitgenossen in die politische Sprache unserer
Zeit übersetzt? Freilich, dazu müßte der Flistori-
ker dann seine Maßstäbe und seine Vorurteile
vor dem Leser ausbreiten, damit er ihm ae.f sei-
nen wissenschaftlichen Pfaden folgen kann. So-
lange die Weimarer Republik ein Teil der Zeit-
geschichte war, drängte die Notwendigkeit der
Übersetzung weniger. Wenn aber nun die erste
deutsche Republik zum historischen Stot^ wird,
dann stellt sich audi hier das alte Problem des
Historikers, wie er nämlich Zeitgenosse und
Nachlebender zugleich sein könne.
Keimidi Iliininler
Heinrich Fraenkel und Roger Manvcll:
Himmler. Kleinbürger und Massenmörder.
Aus dem Englischen übersei/t von NX'ilm
W. Elwenspoek. Ullsieln X'erlag, Berlin;
2b0 Seiten, 18,50 DM
Aus der Besprechung de« englischen Originals
dieses Buches, das Waldemar Besson m die-
sen Spalten angezeigt h.u, wiederholen wir die
folgenden Sät7e:
Nach der Materlalscite hin bleibt kaum ein
Wunsch orten. Die Darstellung liest sich leidit.
Nur droht zuweilen angesichts der Fülle der
Intrigen und Machtkämpfe um den Reich^führer
SS und angesichts der komplizierten Details der
Verwaltungsorgamsation der Faden der Erzäh-
lung verlorenzugehen.
Man erfährt nldit klar genug, was denn nun
eigentlich die Himmler und Göring ^o faszinierte,
drTß sie sich so bedingungslos einem Mann wie
Hitler anvertrauten, dem sie sozial und bildungs-
mäßig überlegen waren. Man muß sich da man-
ches erst zusammenreimen; bei Himmler das
Pedantische und Bürokratische, das nun einmal
das Leben in der Marschkolonne über das einer
freiheitlichen Gesellschaft stellte und das die
klaren Weisungen den ständigen Konflikten und
Kompromissen vorzog.
Wir erfahren manche Einzelheit^, auch vieles
Neue, das wir bislang nicht gewußt haben. An
Lesern wird es nicht fehlen Gerade das aber, was
den Biographen, der sich die totalitäre Herrschaft
zu seinem Gegenstand wählt, besonders reizen
muß, das Ineinander von Person und Apparat,
das hohe Maß an Mitgestaltung bei gleichzeitig
tiefster Sklaverei auch für den Akteur selbst, ist
als darstellerische Aufgabe noch nicht gelöst.
Wirklidi ein Kommentar?
Ein nützliches Buch mit falschem Anspruch / Von Du ter Grimm
G. Leibholz und H. J. Rinde: Grundgesetz.
Kommentar an Hand der Rechtsprediung des
Bundesverfassungsgerichts. Verlag Dr. Otto
Schmidt KG, Köln; 627 Seiten, 58,— DM
Mißtrauen gegen die Macht absoluter Regie-
rungen hatte im neunzehnten Jahrhundert
die Legis^lative stark gemacht. Ohne ihr Ein-
verständnis durfte die E.xekutive nicht mehr in
Freiheit und Eigentum der Bürger eingreifen. Das
allgemeine Gesetz erschien als die Sicherung gegen
staatliche Willkür schlechthin. Unser Jahrhundert
brachte die ernüchternde Erfahrung, daß das
Gesetz selbst zum Vehikel des Unrechts werden
kann. Diese Erkenntnis kostete audi die Zweite
Gewalt das Vertrauen der Gesellschaft, und die
Väter des Grundgesetzes sahen sich nach einem
neuen Hüter von Recht und Freiheit um. Sic enr-
schleden sirh für den Ri^i^jvjl Hnre er^nt^.M^s
well sie viel mehr unterschiedliche Meinungen
über die richtige Anwendung einladen. Doc4i nur
eine erklärt das Grundgesetz für verbindlidi: die
des Bundesverfas.sungsgerichts. Wer daher wKsen
möchte, was Sätze wie „Alle Mensdien sind v-or
dem Gesetz gleich" oder „Jeder hat das Recht,
seine Meinung in Wort, Sdirifi und Bild frei zu
äußern und zu verbreiten" oder „Die Bundes-
republik Deutschland ist ein demokratischer und
sozialer Rechtsstaat" heute tatsächlich gelteii,
kann sich nicht auf sein privates Textver.standnis
und nidit auf ein Lehrbuch des Staatsrechts ver-
lassen. Er muß die Rechtsprechung dieses Geridits
kennen. i • • c •
Das wird freilich zunehmend schwieriger. Seit
es im Herbst 1951 sein erstes Vrjd^J'^he, ist es^
rund siebzehntausendmal an
vcröfTentlichten Entscheldii^
weile neunzehn Bände, vg|
.'^-o.
^aufe der (^^B|?Vständig vjrschoben, seine
Zentren verlr^^^ ^beherbergt die verschieden-
artigsten Land^ 'jin und Klimata, Rassen und
Kulturen.
Durch seine Geschichte ist Europa jedoch eine
Schicksalsgemeinschaft. Seinen spezifischen Cha-
rakter erhält es einmal durch die Tradition des
römischen Rechts, zum andern durch die kul-
turelle Überlieferung des antiken Griechenland.
Schließlich basiert europäischer Geist auf dem
Christentum; die Normannen und Hunnen wur-
den erst zu Europäern, als sie sich angesiedelt
und zum Christentum bekehrt hatten. So weit
Europa eine Moral anerkennt, ist sie dhristlichen
Ursprungs. Diese gemeinsame Wurzel des
Christentums ist zum erstenmal durch den Kom-
munismus in Frage gestellt worden; insofern
endet die eigentliche europäische Geschichte mit
dem Eisernen Vorhang.
Der holländische Geschichtsprofessor Hendrik
Brugmans, heute Rektor des Europa-College in
Brügge, setzt sich in diesem Buch für eine europä-
ische Föderation ein, in der die „Vaterländer"
bestehen bleiben. Um europäisches Bewußtsein
Zu wecken, beschreibt er einzelne Stationen
europäisclicr Geschichte, die für die weitere Ent-
wicklung dieses Kontinents bedeutsam geworden
sind.
So hat die Gründung von Byzanz (330) das
Schicksal Europas bis heute geprägt, weil die
Teilung des Römischen Reiches zum Untergang
Westroms und zur Spaltung der christlichen
Kirche in den römisch-kailioiischen und griechiscli-
orthodoxen Zweig lührtc Pipin der Knr/e be-
gründete die erste europ.iischo D\ tM-^tic. inJcni
er seine Krone vom Papst wcih^'n lic!s Im «Irci-
zchnten Jahrhundert gelangten Ji«.- Sr.ultc' /u
Macht und Bedeutung; das Bürgertum wie Auch
die Universitäten sind eine spezifisch europäische
Erscheinung.
Karl V. dankte 1555 ab, weil sein Plan einer
christlichen Union an der religiösen Spaltung und
an der Entwicklung souveräner Nationalstaaten
scheiterte; die Zeit der Weltreiche war dahin. In
den Verhandlungen zum Westfälisdien Frieden
(1648) sprach man zum erstenmal in der Ge-
schichte über alle wesentlichen europäischen Pro-
bleme; der Grundsatz der absoluten Souveräni-
tät der Staaten setzte sich durch.
Andere Stationen, an denen Weichen für die
Zukunft gestellt wurden, sind die amerikanische
und Französische Revolution, der Wiener Kon-
greß, das Revolutionsjahr 1848. Der Beginn des
zwanzigsten Jahrhunderts war bestimmt durch
den Zerfall des osmanischen Reiches und die
Einigung Deutschlands, woraus spätere Konflikte
erwuchsen. Der Eintritt Amerikas in den Ersten
Weltkrieg ließ europäische Geschichte zur Welt-
geschichte werden; als Folge des Marshallplans
entstand 1947 die erste Organisation für europä-
ische Zusammenarbeit (OECD).
Heute ist europäische Geschidite unlösbar mit
der Weltgeschichte verknüpft. Der Westen be-
findet sidi nach Ansicht des Autors dem Kommu-
nismus gegenüber in einer ungünstigen Lage. Das
liegt nicht etwa am Mangel an einer „Ideologie",
die der des Kommunismus entgegenzuhalten
wäre, sondern an einem Gefühl der „Leere" und
des „Unbehagens", das aus mangelnder Initiative
entspringt. Europa im besonderen schuldet der
m5i eu\Qn Dt^wimr^eifftacheiPMii.
um emeil breiten Leserkreis anzusprechen. Hin
und wieder unterläuft ihm ein Lapsus: der
Dreißigjährige Krieg war kein „totaler" Krieg,
und Bemerkungen wie '„. . . denn in England
wird nichts abgeschafft** klingen etwas läppisch.
Die Arbeit ist auch nicht frei von Klischees und
Gemeinplätzen — der Begriff „Masse** taucht
allzu häufig auf; die Übersetzung ist nicht immer
sorgfältig.
Diese Mängel sind jedoch geringfügig gegen-
über dem Vorzug des Budies, wichtige Zusam-
menhänge in einfacher und klarer Form zu ver-
deutlichen, ohne sie zu verwässern.
Urte V. Kortzfleisch
yrc zu emem massivcni
rodej:«c Demokratie aus-^
über l!
Vorbehalt
weitete. PraktTS^Jtii^Kes Verhalten war mei
lenweit von eigene« Selbstverständnis und der
eigenen Programmalik entfernt. Hier taucht im
Zentrum jene allgetfieine Problematik des Wei-
marer Deutschlands auf, in dem die Realität der
Politik und das Nachdenken über sie in keinem
Verhältnis mehr zueinander standen. Was immer
Morseys milde Kritil^ andeutet, theoretisch fun-
diert ist sie nicht, und systematisch wird sie nicht
gehandhabt.
Ob man das einem Verfasser, der Historiker
nur Bürger vor Bürgern, dalsm auch Bürger vor
der Verwaltung geschützt, ^o sollte er sie nun
noch gegen den Gesetzgeber sichern. Auch dessen
Akte wie die aller anderen Organe und Behörden
des Staates kann die Dritte Gewalt jetzt auf ihre
Vereinbarkeit mit der Verfassung prüfen.
Welc-lies Gewicht ihr damit verliehen ist, wird
erst sichtbar, wenn man sich die Eigenart von
Verfassungssätzen vor Augen führt. Einmal sind
sie viel anfälliger für Ideologien, zam anderen
viel unbestimmt-allgemeiner als etwa die Para-
graphen einer Prozeßordnung. Deswegen bedür-
fen sie weit mehr der Deutung und Konkretisie-
rung, ehe sie im Einzelfall als Maßstab taugen.
Deswe,;;en erschweren sie aber auch die Deutung,
erste leii erscnicnen. le
Scheidungen
steigt, aesto not
Wenn China Atommadit wird
Spekulationen über Alsrsichten und Folgen / Von Hans Kluih
Morton H. Halperin: China und die Bombe.
Verlag Wissenschaft und Politik, Köln. Ins
Deutsche übertragen von Wilhelm Duden;
127 Seiten, Broschur 12.50 DM
F^as kommunistische China ist auf dem Wege,
*~^ Atommacht zu werden. Zwar wird der
Weg noch lang und dornig sein, ehe China
über eine größere Zahl atomarer Sprengsätze
und ein wirksames Trägersystem verfügen wird.
Jedoch stellt sich heute schon die Frage, wie
die Führer in Peking in einigen Jahren oder
Jahrzehnten ihre Nuklearwaffen handhaben
werden. Und auch die Entscheidung, wie die
westlichen Mächte, insbesondere die Vereinigten
Staaten, auf diese Entwicklung reagieren sollen,
ist schon heute — zumindest in ihren Grund-
linien — zu treffen. Morton H. Halperin, einer
der führenden amerikanischen Strategie-Theo-
retiker der Vereinigten Staaten, befaßt sich in
einer knappen Studie mit diesen Fragen. Die
chinesischen Atomexplosionen, so erläutert er,
haben das Verhältnis zwischen den Vereinigten
Staaten und dem kommunistischen China noch
erheblich verschlechtert. Amerika hat klar zu
erkennen gegeben, daß es jede neue nationale
Atomstreitmacht als Belastung der internatio-
nalen Beziehungen ansieht. Um wieviel stärker
wird die ablehnende Haltung sein, wenn es sich
bei der jüngsten Atommacht gerade um den
Staat handelt, der die Vereinigten Staaten als
seinen erbittertsten Feind betrachtet?
Die Aussichten, daß in absehbarer Zeit eine
Verständigung, etwa Rüstungskontrollmaßnah-
men, im Bereich der Nuklearwaff'en möglich
sein werden, sind gering. Jedoch rechnet Hal-
perin auch nicht damit, daß es unausweichlich
zu einem nuklearen Zusammenstoß zwischen
Amerika und China kommen müsse. Zunächst
wird das durch die Tatsache verhindert, daß
China wahrscheinlich bis in die achtziger Jahre
hinein über kein Trägersystem verfügen wird,
mit dem es einen Schlag gegen Amerika führen
könnte.
Fraglich ist auch, ob die Chinesen zu einem
solchen Schlag ausholen würden, wenn sie tedi-
nisch dazu in der Lage sind. Sicherlich sind die
Reden chinesischer Politiker mit daran schuld,
wenn ihr Staat heute weitgehend als kriegerisch
und verantwortungslos beurteilt wird. Aber für
einen Nuklearkrieg haben sie sich bis heute
nicht ausgesprochen (auch wenn ihre sowjeti-
schen „Freunde" das verschiedentlich behauptet
haben). Allerdings schätzen die Chinesen die
Wahrscheinlichkeit eines atomaren Krieges und
die Gefahr einer Eskalation geringer ein als die
Sowjetunion.
Wenn also voraussichtlich nicht für einen
„großen" Krieg, zu welchen Zwecken wird
China dann seine Atomwaffen einsetzen? Hal-
perin legt dar, daß diese Waffen in der Kal-
kulation der Chine,>en einerseits defensiven
Zwecken dienen. Sie sollen einen amerikanischen
Angriff auf das chinesische Festland abschrecken.
Offensichtlich ist das aber nicht ihre einzige
Aufgabe. Audi die Chinesen wissen, <\\'ls einer
Atommacht ein besonderer Status zukommt.
China ist das einzige asiatische Land, das ein-
zige „Entwicklungsland", der einzige kommuni-
stische Staat außer der Sowjetunion, der im
Begriff ist, Atommacht zu werden. Zwangs-
läufig wird diese Entwicklung dazu führen —
teilweise hat sie schon dazu geführt — , daß
China im kommunistischen „Lager", aber auch
in der internationalen Politik überhaupt ge-
stärkt wird.
Schließlich wird auch sein Verhältnis zu den
Nachbarstaaten einen anderen Charakter anneh-
men, wenn diese sich einer Atommacht gegen-
übersehen So sieht Halperin die wesentlichen
Ziele der chinesischen Atomrüstung darin, seine
internationale Position — auch die innerhalb
des Sowjetblocks — zu heben und Nachbar-
staaten durch offene oder versteckte Drohungen
einer chinesischen Hegemonie zu unterwerfen.
Was können die Vereinigten Staaten an-
gesichts dieser Entwicklung tun? Sie könnten
durch eine präventive Aktion die chinesisdicn
Produktionsstätten für nukleare Waffen zerstö-
ren und damit den Aufbau einer Atomstreit-
madit um Jahre oder Jahrzehnte zurück-
werfen — eine Möglichkeit, die Halperin aus
moralischen und politischen Cj runden ablehnt.
Um jedoch chinesischen atomaren Drohungen
entgegenzutreten, empfiehlt Halperin, die V'er-
sicheruni; der Vereinigten Staaten, jeden Einsatz
chinesischer Atomwaffen mit einem Gegenschlag
zu vergelten, stärker als bisher herauszustellen,
um den asiatischen Staaten Schutz vor Erpes-
sungen durch China zu bieten. Eine solche Ver-
sicherung würde auch nicht die Zweifel an der
Glaubwürdigkeit der Absdireckung hervorrufen,
wie sie in Europa auf Grund des sowjetischen
Atompotentials entstanden sind, da China in
absehbarer Zeit nicht in der Lage ist, in Ame-
rika selbst große Zerstörungen zu verursachen,
wie es die Sowjetunion könnte.
Außerdem sollten die Vereinigten Staaten
ihre Überzeugung zu erkennen geben, daß sie
nicht damit rechnen, die Sowjetunion lasse sich
durch China in eine atomare Konfrontation mit
<\cn Vereinigten Staaten hineinziehen. Dadurch
würde auch der Rückhalt der Nachbarstaaten
gegenüber China gestärkt.
Halperin untersucht, welche Wirkungen ein
beschränktes und ein großes chinesisches Atom-
potential auf das Verhalten der Vereinigten
Staaten und die Situation der anderen asiati-
schen Staaten haben würde. Schließlich erörtert
er die Implikarionen, die sich aus dem so-
wjetisch-chinesischen Konflikt ergchen, und die
Möglichkeiten, die für Rüstungskontroll-
maßnahmen unter Linschluß Chinas bestehen.
Halperin hält diese jedoch lür äußerst gering,
obwohl — oder weil — die chinesischen Kom-
munisten daran festhalten, daß alle Atomwaffen
vernichtet werden müßten.
Halperin stützt sich bei seiner Studie weit-
gehend auf chinesische Quellen, offizielle Erklä-
rungen und Presseveröffentlichungen (leider hat
der Übersetzer es bei der Am^abe der englisch-
^z» räch igen Quelle belassen, auch wenn sie in
üci'ischer Sprache zugänglich ist). LLilperins Un-
tersuchung ist leicht verständlich, sie lietert
umfangreiche Information und bietet ein aus-
gewogenes, sachkundiges Urteil.
Überblick nicht zu verlieren. Da ist dus ..r.^
Gerhard Leibholz, seit Anbeginn Richte?
Bundesverfassungsgericht, gemeinsam mit seinem
Mitarbeiter Rmck anbietet, ein willkommenes
Hilfsmittel. Handlich von Format, faßt es die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bis
zum I-rühjahr 1965, nach Grundgesetzartikeln
systematisch geordnet, zusanmien. Liegen Ent-
scheidungen zu einer Verfassungsbestimmung noch
nicht vor, so wird lediglich dieser Umstand ver-
merkt. Auf eigene Erläuterungen der Verfassung
oder Kritik der Urteile haben die Autoren ver-
zichtet. Ebensowenig sind Hinweise auf die leb-
hafte Auseinandersetzung der Wissenschaft mit
der Rechtsprechung des Gerichts in das Buch
aufgenommen worden. Aber auch die Entschei-
dungen selbst können nur besdiränkt zu Wort
kommen. Sollte das Wesentlidie aus den rund
8000 Seiten der verwerteten Bände auf 600 Sei-
ten wiederkehren, so mußten die Verfasser nach
den Ergebnissen der richterlichen Tätigkeit grei-
fen und diese darstellen. Die Tatsachen, die das
Gericht zu beurteilen hatte, und die Gründe, die
seine Urteile tragen, haben, wenn überhaupt, nur
knappen Raum gefunden. So erweist das Werk
die guten Orientierungsdienste einer Landkarte.
Aber es ersetzt nicht die Wanderung durch die
verfassungsgerichtlichen Entscheidungen und die
staatsrechtliche Literatur selbst.
Die Absicht der Autoren, dem auf rasche
Information und Übersicht Angewiesenen zu hel-
fen, rechtfertigt ihre Einschränkungen. Aber die
Linschränkungen rechtfertigen kaum das Etikett
„Kommentar", das sie auf ihr Budi geklebt
haben. Unter „Kommentar" verstehen die Ju-
risten ein Werk, das das ganze Bild eines Ge-
setzes zeigt. Zum ganzen Bilde gehört, daß der
Sinn jeder einzelnen Norm beschrieben, ihr An-
wendungsbereich bestimmt, ihr Verhältnis zu an-
deren Normen geklärt, ihre Problematik vor-
denkend gelöst wird. Dabei berücksichtigt der
Kommentar die Regeln der Sprache und der
Logik ebenso wie die Entstehungsgeschichte und
den Zweck der Vorschriften und die Deutung,
die ihnen Gerichte und Gelehrte bereits gegeben
haben. Ein Werk indes, das seine Erläuterungen
nur Stück für Stück aus den komprimierten Ent-
scheidungen eines einzigen Gerichts — die ja ein
Gesetz immer nur punktuell und lückenhaft er-
fassen können — zusammensetzt, läßt zu viel
unbemalte Flecken auf seinem Bild vom Gesetz,
als daß es noch „Kommentar" heißen dürfte.
Wer es dennoch so nennt und damit den An-
spruch erhebt, das ganze Bild des Gesetzes vor-
zustellen, weckt den Verdacht, er halte es mit
dem amerikanischen Chief justice Hughes, der
gesagt hat: „The Constitution is what the judges
say it is." Gewiß, die Verfassungsrichter haben
das letzte Wort, wenn es um die Auslegung des
Grundgesetzes geht. Dodi macht sie das nicht zu
Herren des Grundge>etzes. Verfassungen sind
gerade geschrieben worden, damit ein „govern-
ment of laws and not of men" garantiert werde.
Auch die obersten Wächter der Verfassung blei-
ben ihre Diener, und schon der Ansdiein, das
Verfassungsgericht identifiziere sich mit der Ver-
fassung, schadet dem Ansehen beider. Darum
hätte es den Autoren, zumal da sie selbst in
Karlsruhe wirken, besser angestanden, ihr nütz-
liches Buch bescheiden „Das Grundgesetz in der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts"
zu überschreiben. Dieter Grimm
""1
^^f^"^
*. i»'«""
/Hm. /^^ca^^^^m^^'C^^^^^
A^S^^
£i^'€^'f4u/: ^*f4^Ac^ 4-r-;^^e;4<r Ä*^ (^^^AeJM i^u^ ^^^cy^^^^ms, ^
//
C««. ^r^M^ 2/^^^^€^i^/. «^Si.'^S^^^ ^;^?^Ä^::^ A^^f^u^^nf^^ ^
^
^^
J^^
r. 15/16
MB — 9. April 1971
Seite 7
Schönes und Nachdenkliches aus Afrika
i
Es mag äusserst interessant, ja
verlockend erscheinen, anlässlich
einer beruflichen Mission ini Auf-
trage der Vereinten Nationen
nach Afrika zu kommen und durch
diesen Erdteil reisen zu köimen.
Erwartungsgemäss begibt sich un-
geheuer viel Neues und Reizvolles,
man trifft neue Menschen und
auch unbekannten Tieren begegnet
man.
Es war nicht die erste Mission,
die mich nach Afrika führte, so
dass ich eigentlich hätte wissen
können, was mir in diesen wirklich
fremden Ländern bevorstehen wür-
de. Doch haben sich in den letzten
zehn Jahren die Verhältnisse in
Afrika nicht imwesentlich verän-
dert, eine Tatsache, deren sich der
Weisse voll bewusst sein sollte;
denn mehr und mehr wird er auf
dem schwarzen Kontinent als
Fremder betrachtet und nicht im-
mer als willkommener Besucher.
Doch zunächst einmal erlebten
wir wieder viel Beglückendes. Er-
lebnisse stürzen auf einen ein^ die
man meinte, nur aus Wunschträu-
men zu kennen. Durch weite, un-
übersehbare Hochebenen kommt
man, mit bizarren Felsketten in
flimmernder Feme, das Bild reiz-
voll akzentuiert durch charakteri-
stische Schirmakazien und kande-
laberförmige Euphorbien. Oder
plötzlich tut sich vor uns ein un-
angetastetes Seeufer in vollkom-
mener Einsamkeit und Ruhe auf,
wo rosige Schwärme von Flamin-
gos in ungezählter Schar wie tan-
zende, duftige Farbwolken lautlos
aufsteigen, schweben, um dann
ebenso still und geräuschlos wie-
der zur Ruhe zu kommen. Man
trifft auf gewaltige, dormemde
Wasserfälle in imberührter Felsna-
' tur, eingebettet inmitten einer tro-
pischen Pflanzenwelt; ein mysti-
scher Regenbogen steht unwirklich
▼or der steten, glänzenden Gischt
des wildbewegten Wasserschau-
spiels. Völlig ungebändigte Vegeta-
tion umgibt den Beschauer von al-
len Seiten. Es ist nicht leicht, da-
hin zu gelangen. Zu den Fällen des
Blauen Nils im Norden Aethiopiens
führen keine Fahrwege, imd auch
der Weg zu Fuss ist recht be-
ÄChwerlich. Umso mehr aber über-
rascht dann die makellose Pracht .
eines reinen Naturschauspieles, wo
nichts Fremdes, von Menschenhand
Creschaffenes stört.
Oder man kann von einem Flug
im einmotorigen Flugzeug hinau«
auf den Indischen Ozean zu einer
Trauminsel erzählen, die von un-
eähligen Kokospalmen bedeckt ist.
Aus diesem Palmenwald hat man
eine Art Landungspiste herausge-
schlagen, die dem Besucher beim
Anfluge zuerst als viel zu schmal
imd kurz erscheint, die sich dann
mber doch als gerade ausreichend
für eine knappe, geschickt manöv-
rierte Landimg erweist. Mit etwas
Herzklopfen klettert er aus dem
kleinen Flugzeug, steht auf der un-
wahrscheinlichen Insel und ist so-
fort umgeben von einer Schar
freundlicher, bimt gekleideter In-
seikinder. Hier leben nur Fischer,
die in ihren altertümlichen Ein-
toäumen, ganz schmalen, aus einem
Baumstamme handgehauenen Boo-
ten, von dem schneeweissen Koral-
lenstrand hinausfahren auf den
Ozean. In den Gewässern um die-
se Insel soll es die grössten Tief-
seefische weit und breit geben.
Aber auch auf dieser tropischen
Trauminsel mit ihren herrlichen
von Palmen elngefassten Stränden
und stillen Buchten wird gerade
ein erstes Sportfischer-Hotel ge-
baut, eine Art rural-luxuriöser
Klub füc Naturfreunde aus aller
Welt. Der Bau ist von einer in
Afrika sehr erfahrenen und ebenso
angesehenen israelischen Architek-
ten-Firma entworfen, deren häufig
sehr reizvolle und geglückte Pro-
jekte in manchen Städten Ost- und
West-Afrikas einen Ehrenplatz ein-
nehmen. Wir sahen Bauten, die
sich der oft phantastischen afrika-
nischen Landschaft mit grossem
Feingefühl anpassen, vor allem in
den verschiedenen Wildschutzgebie-
ten und Nationalparks.
Hier auf der Fischerinsel ist der
Entwurf mit Recht in möglichstem
Gleichklang mit der unberührten
Umgebimg gehalten, wobei nur bo-
denständiges Material für Wände,
Dächer und Terrassenmauern ver-
wandt wird. So gelingt es, eine
quasi unauffällige, dem Boden und
der Natur wie selbstverständlich
angeglichene Baugruppe zu schaf-
fen, die bei alledem doch reizvoll
bewegte Formen aufweist. Ein an-
derer Flug in einer Sondermaschi-
ne — der junge Pilot ist übrigens
auch ein Israeli mit bemerkens-
werter Erfahrung, die aus weniger
friedlichen Zeiten stammt — führt
von der ostafrikanischen Küstenre-
gion aus Dar es-Salam ins Innere
des Landes über die weite Massai-
Steppe in die Gegend des majestä-
tischen Kilimandscharo, des höch-
sten Berges Afrikas. Der schneebe-
deckte Gipfel ist weit, weit sicht-
bar, wenn er sich nicht gerade
überheblich stolz in seine Wolken
Schleier hüllt.
Nach der Landung auf einem
ebenfalls nur von der Ve-^etation
- freigehaltenen Streifen befinden
wir uns in einem der berühmtesten
Wildschutzgebiete Afrikas. Der
rings von einem vulkanischen
Bergkranz umgebene Krater stellt
eine in sich abgschlossene, ja ab-
gerundete Landschaft dar, die so
weitläufig ist, dass die recht zahl-
reichen Safari-Fahrzeuge mit ihren,
mit Kameras und FUmapparaten
behängten Touristen glücklicherwei-
se nicht allzu sehr auffallen. Das
grossartige Bild beherrschen die
ungeheuren Mengen von freien Tie-
ren, die meistens von den neugie-
rigen, stets knipsenden Eindring-
lingen so gxit wie keine Notiz neh-
men. Dies gilt vor allem für die
eher gelangweilt anmutenden Lö-
wen. Für sie scheint der Mensch
in seinen nach Benzin stinkenden
Maschinen überhaupt nicht zu exi-
stieren. Lediglich die Löwinnen
zeigten zuweilen eine gewisse —
wohl eben weibliche — Neugierde
imd kamen hin und wieder mit
ihren grossen Schnauzen beängsti-
gend nahe ans Wagenfenster heran.
Die freien Tiere grasen anschei-
nend friedlich uhd in schöner Ge-
lassenheit unweit den Wasserplät-
zen. Plötzlich jedoch geht ein jeher
Alarm durch die eben noch so ru-
hig weidende Menge, und Hunder-
te von flinken Tieren brechen in
einen wilden Galopp aus. Zebras,
Gazellen, Antilopen, Wildebeest; ein
herrliches Bild für den Beschauer,
Tiere in ungehemmter Bewegung
auf weiter unbegrenzter Fläche.
Doch im Grunde geht es hier um
Leben und Tod. Schwächlinge,
Nachzügler werden Opfer der wü-
den Jagd. Einer Jagd, bei der ein-
mal der Mensch nur als Zuschauer
auftritt.
Doch Afrika bietet starke Ein-
drücke nicht nur in seiner Natur:
Ein Gang durch die äusserst be-
scheidenen Wohngebiete am Gross-
stadtrand führt zu den öffentlichen
Wasser zapf stellen, zu den lokalen
Verkaufsständen und Märkten. Hier
treffen sich die Frauen, ihre klei-
nen Kinder mittels eines bunten
Tuches auf den Rücken gebunden.
Es sind stolze Gestalten, diese
Alrikanerinnen in üirem eigenen,
so dürftigen Milieu. Sie halten sich
in ihrer farbenprächtigen Kleidung
mit einer natürlichen Eleganz und
bewegen sich in einem Rhythmus,
den wir auf europäischem Boden
kaum finden. Die Haare, zunächst
zu dünnsten, drahtartigen Zöpfen
geflochten, sind auf einfallsreiche
Art in vielen Variationen wie lok-
kere, durchsichtige Kronen über
den schmalen Kopf gebaut.
Schwarze Kinder sind von ganz
besonderem Liebreiz. In abgelege-
nen Gebieten betrachten die gros-
sen Augen die unbekannte Erschei-
nung des Weissen mit offenem Er-
staunen. Doch ist wohl kaum ein
Ausdruck der Angst dabei, der in
den Augen eines schwarzen Kindes
zu lesen wäre. Anscheinend gibt es
in Afrika keine Ammenmärchen
vom „Weissen Mann", mit dem
Mütter ihre Kinder schrecken wol-
len.
Ein besonderer Genuss erwartet
den Freund guter, echter Jazzmu-
sik in Ghana und Nigeria. Sonntag
nachmittags trifft sich in den grös-
seren Städten die junge und (wirk-
lich) elegante Welt im gerade po-
pulären Hotel, zunächst „zum An-
wärmen" an der Bar und danach
im Ballsaal zum Tanz bis zum
Morgengrauen. Es wird hier gern
und viel getrunken. Die schwer zu
beschreibende Festlaune und Hoch-
stimmung offenbart sich freudig
imd imgebändigt in einer Lautstär-
ke, die für unsereinen imgewohnt
ist. Die Jazzband ist urwüchsig
rhythmisch und dabei bezaubernd
melodiös. Man spürt, dass diese
hinreissende, ansteckend schwin-
gende Musik hier zu Hause ist. Die
tanzenden Paare bewegen sich mit
einer aufgelockerten Sicherheit und
selbstverständlichen Eleganz, und
man erkennt, dass die Afrikaner
offensichtlich den Quellen des ur-
wüchsigen Genusses von Musik und
Tanz viel näher sind als wir.
Doch nicht nur in dieser Bezie-
hung fühlt man sich heute £ils
Weisser nicht wirklich wohl auf
diesem schönen Kontinent. Ueber-
all spürt man das selbstbewusste
Erwachen der neuen und nun un-
abhängig gewordenen afrikanischen
Nationen. Ein nationales Selbstge-
fühl macht sich breit, das wir Is-
raelis durchaus verstehen können,
vielleicht besser als die meisten
anderen Weissen aus Europa oder
Amerika. Was wir mit diesen Frem-
den gemein haben, ist die weisse
Hautfarbe. Wir wollen und dürfen
uns nichts vormachen: Es mag
durchaus wahr sein, dass in man-
chen Gegenden des schwarzen Kon-
tinents der Israeli willkommener
ist als ein anderer Weisser, vor
allem als der heutzutage wirklich
recht unbeliebte Amerikaner. So
manches Mal hörten wir die
freundliche Meinung gebildeter
Afrikaner: „Ihr Israelis versteht
uns im Grunde doch viel besser
als die andern Leute aus dem We-
sten." Deimoch muss ich nach mei-
nen verschiedenen Reisen durch
Afrika und nach teUweise recht
ausgedehnten 'Arbeitsperioden in
engem Kontakt mit afrikanischen
Kollegen feststellen, dass es für ei-
nen Weissen immer schwieriger
wird, sich unter Afrikanern selbst-
verständlich und imbefangen wohl
zu fühlen. Die uns aus Europa nur
allzu gut bekannten Rassenvorur-
teile treten heute fast überall in
Afrika mit umgekehrtem Vorzei-
chen auf. Nicht zu Unrecht haben
die erwachenden oder schon voll
erwachten neuen Nationen ein aus-
gesprochenes Vorurteil gegen alle«
Nicht-Schwarze entwickelt, eine
Einstellung, die längst zu erwarten
war, die aber nun dem Nicht-Afri-
kaner häufig in unangenehmer
Weise entgegentritt. Dies wirkt
sich manchmal recht peinlich aus,
wenn einem plötzlich im Restau-
rant klar wird, dass ein gänzlich
harmlos gemeinter Blick auf den
Nebentisch verübelt wird und nicht
selten sogar eine unfreundliche Be-
merkung verursacht. All das be-
weist, dass man in Wirklichkeit
nicht' gar so gern gesehen ist.
'' .-O ■
■fy^T:jp/^^}-iffp^P^V<^-7c>r')'T^:
Seite 8
MB — 9. April 1971
i
'je-
.,;'>-■ M
ehört der Chamsin zu den zehn Plagen ?
Häufig gab und gibt es gerade
um die Pessachzeit in Israel unan-
genehme Chamsin-Winde. So man-
cher Klimaempfindliche mag dann
die Frage gestellt haben, ob dieses
ihm so lästige Naturphänomen
nicht auch zu den „Zehn Plagen
gehörte die einst den Auszug aus
Aegypten erzwangen. Eine Menge
Theorien sind über diese Plagen
entwickelt worden. Es gibt ausser
ihrer Erwähnung in den Psalmen 78
und 105 drei überlieferte Fassungen
der Bibeldarstellimg.
Elias Auerbach, der in seinem
interessanten Buch über „Moses''
eine kritische Analyse dazu gibt,
ist der Meinung, dass der älteste
Bericht überhaupt nur eme einzige
Plage erwähnt habe, die ihm als
Mediziner offenbar besonders ein-
leuchtend erscheint, nämlich die
Pest die das Sterben des Viehs,
und 'später auch das der Erstgebo-
renen, verursachte.
Frühere jüdische Interpreten ha-
ben geglaubt, dass 10 Plagen nicht
ausreichend gewesen seien. RabDi
Jose, der Galiläer, meinte, dass die
Aegypter ausserdem noch am Schüf-
meer von 50 weiteren Plagen be-
troffen worden seien. Rabbi Akiba
glaubte sogar, diese Zahl der Pla-
gen auf 250 erhöhen zu müssen. Un-
ter ihnen wäre fraglos auch für
die Plage des Chamsins genügend
Raum gewesen. Aber auch unter
die 10 überlieferten Plagen, die in
die Haggadah übernommen wor-
den sind, lässt sich der Chamsin
einreihen.
Die neunte Plage war die Ver-
hängung einer dichten Finsternis
im Lande Aegypten. die drei Tage
andauerte. Diese Plage ist als
..ägyptische Finsternis" sprichwört-
lich geworden und sogar üi Büch-
manns „Geflügelten Worten" er-
wähnt. Man hat sie als einen kos-
mischen Vorgang verstehen wollen,
als Sonnenfinsternis. In gleiche
Richtung weist auch eine recht an-
fechtbare Deutung von Prof . Eduard
Mahler, der diese Naturerscheinung
auf den 13. März 1335 datieren
wollte. Gegen diese Theorie spricht
vor allem, dass eine Sonnenfinster-
nis kaimi drei Tage gedauert ha-
ben kann.
Schönes und Nachdenkliches auf Afrika
(Schluss von S. 7)
In Tanzania. wo wir für einige
Monate tätig waren, trafen wir zu
unserer Ueberraschung amerikani-
sche Berater, die in einer Art von
Selbsthass den verkrampften Ver-
such machten, als ausgesprochene
Vorkämpfer gegen den so unbelieb-
ten amerikanischen und anderen
Kapitalismus aufzutreten, wobei sie
sich darüber gar nicht krass genug
äussern konnten. Diese Demonstran-
ten eines tiefsitzenden Eigenhass-
Komplexes drücken ihre pro-afnka-
nische und anti-westliche Weltan-
schauung durch ihre betont unkon-
ventionelle Kleidung und Haar-
tracht aus, wobei wir an emen
amerikanischen Finanzberater m
iDar es^alam in allerhöchster Posi-
tion denken, der stets und über-
eil mit einer typisch afrikanischen
Kopfbedeckung herumläuft. Solche
Leute glauben Eindruck zu ma-
chen, wenn sie auch bei Bespre-
chungen an öffentlicher Stelle die
gehässigsten Tiraden gegen andere
weisse Fachleute loslassen.
Ein besonders trauriges Kapitel
stellt das Los der Inder und Pa-
kistaner in Ostafrika dar, die m
den letzzten Jahren, zuerst in Ken-
Führend In
HERREN-
BEKLEIDUNQ
Tel-Aviv
Haifa
Jerusalem
Kfar Saba
ya, nun aber auch in anderen
Ländern, immer mehr und zuwei-
len auf nicht gerade sanfte Weise
um ihre Existenz gebracht werden.
Es mag zutreffen, dass diese aus
Asien stammenden Kaufleute einen
imverhältnismässig hohen Anteil an
Grund- und Bodenbesitz aufweisen.
Sicher stünmt es auch, dass sie
fast alle Zweige des Handels be-
herrschen, wobei sie, wie immer
wieder behauptet wird, nicht ge-
rade ein besonderes Mass von so-
zialem Verständnis für üire afrika-
nischen Mieter, Angestellten und
Arbeiter aufbringen. Was auch im-
mer der Grund für den ausgespro-
chenen Hass und die ihnen gezeig-
te Verachtimg sein mag, wir Ju-
den sehen hier leider nur allzu
deutlich eine Wiederholung der in-
famen Nazi-Massnahmen gegen die
Juden in den ersten Jahren nach
der Machtübernahme. Schon heute
sind Nicht-AfrUcaner: sprich: Asia-
ten,, vor allem Inder, als Geschäfts-
inhaber aus den meisten zentralen
Strassen in vielen Städten ver-
bannt. Dies geschieht auf einfach-
ste, administrative Weise, indem
da und dort Nicht- Afrikanern nicht
mehr erlaubt ist, ihre Geschäfts-
Lizenz zu erneuern. Diese Vor-
schriften führen natürlich zu den
uns allzu gut bekannten Zwangs-
verkäufen, wobei von afrikanischer
Seite entschuldigend angeführt
wird, dass die Betroffenen seit
Jahren recht bedeutende Vermögen
auf Kosten der 'Afrikaner zusam-
mengescheffelt hätten. Uebrigens
mag es nicht uninteressant sein,
dem hinzuzufügen, dass im soge-
nannten Volksmunde die Inder als
die „Juden Ostafrikas" bezeichnet
werden.
Bei einem anschliessenden Be-
such in Westafrika, in Nigeria und
Ghana, erfuhr ich, dass die trauri-
ge Rolle der Inder Ostafrikas dort
die Libanesen und Syrer spielen
müssen, die in diesen Ländern dem
gleichen, anscheinend imaufhaltba-
ren Prozess einer geplanten und
recht rücksichtslosen Verdrängung
der Fremden aus dem Wirtschafts-
leben unterworfen sind.
GemütUch ist es eben nicht
mehr in AfrUca.
CHANAN PAVELL
Wesentlich überzeugender er-
scheint die Erklärung, die Prof.
Ernest Wright in seinem Buche
„Biblische Archäologie" gibt. Er
gehreibt : „Die dichte Finsternis (9.
Plage) kann leicht als ein schreck-
licher Sand- und Staubsturm ge-
deutet werden, wie ihn der Cham-
sin, der heisse Wüstenwind, der zu
den unangenehmsten Eigenschaften
des ägyptischen Frühlings gehört,
hervorruft. Der Chamsin dauert je-
weUs 2 bis 4 Tage hintereinander,
imd die „dichte Finsternis" soll
laut Exodus 10,22 drei Tage ge-
dauert haben".
Die gleiche Meinung vertritt der
Schweizer Professor Haag in seinem
Bibellexikon und der frühere bri-
tische Oberrabbiner Dr. Joseph
Hertz in seinem Bibelkommentar,
der sich .seinerseits auf den Autor
Rawlinson bezieht. Er hält diese
Plage für eine besonders schlimme
Form des Wüstenwindes „Cham-
sin" und widerlegt die Theorie von
der Sonnenfinsternis.
Der New Yorker Gelehrte Dr.
Immanuel Velikovsky, Spezialist
für kosmisch-geschichtliche Zusam-
menhänge, fasst in seinem Buche
Zeitalter im Chaos" die zehn Pla-
gen als einen „heftigen Aufruhr
der Natur" auf imd die Staubwol-
ken des Chamsin als Verursacher
der Verdunkelung. Diese Auffas-
sung wird jedem glaubhaft erschei-
nen" der einmal in der Wüste ei-
nen' solchen tagelagen chamsinigen
Sandsturm erlebt hat, den selbst
der Scheinwerfer eines Autos nicht
zu durchdringen vermag.
Die Bibel weiss von dem mäch-
tigen Einfluss der Wüstenwinde zu
berichten. In den Sprüchen Salo-
mos 25,23 lautet es: „Der ^ Nord-
wind bringt Unge Witter". Jesaja 27,
8 spricht von dem „rauhen Sturm
am Tage des Ostwinds".
Im Psalm 78,26 steht : „Er liess
den Ostwind unter dem Hünmel
wehen und erregte durch seine
Stärke den Südwind". Hesekiel 27,
26 sagt: „Ein Ostwind wird dich
mitten auf dem Meer zerbrechen .
In der Erzählung der von Joseph
gedeuteten Träume des ägyptischen
Pharao heisst es (1. Buch Mose 41,
6) • ,panach sah er sieben dün-
ne Aehren aufgehen, die waren
vom Ostwind versengt".
Während hier die versengende
Kraft des trockenen Wüstenwindes
betont wird, wird im 1. Buch der
Könige 19,11 die gewaltige Ver-
nichtungskraft eines starken Wm-
des geschildert, der Berge zerreisst
und Felsen zerbricht. Die ermüden-
de und deprünierende Wirkung des
Chamsin ist im Buche des P/oph^
ten Jona 4,8 beschrieben : „Als die
Sonne aufgegangen war, brachte
Gott einen dürren Ostwind herbei
Erich HwrwÄz zum 10. Todestag
und die Sonne stach Jona auf den
Kopf, dass er matt ward. Da
wünschte er seiner Seele den Tod
und sprach: „Ich wollte lieber tot
sein als leben".
Auch die Gemara (Jebamoth72a>
weiss um die gefährliche Kraft des
Chamsin und warnt davor, bei
Ostwind zu beschneiden oder zur
Ader zu lassen. Manche moderne
Krankenhäuser beherzigen diese Re-
gel in ihren chirurgischen Abtei-
lungen. Eine ganze medizinische
Literatur beschäftigt sich heute mit
den Wirkungen des Chamsin, nach-
dem Dr. Theodor Zlocisti das The-
ma vor Jahrzehnten in seinem Bu-
che „Klimatologie und Pathologie
Palästinas" intoniert hat.
Besonders eindringlich, offenbar
sogar übertrieben, schilderte schon
im Jahre 1814 der damalige Berli-
ner imd später Basler Universitäts-
professor de Wette in seinem
„Lehrbuch der hebräisch- jüdischen
Archäologie" die „Landplagen" :
„Der tödliche Glutwind" (arab. Sa-
mum, hebr. Ruach salafa, Ps. XI,6)
weht zwar nicht in Palästina selbst,
sondern in den benachbarten Wü-
sten ; aber der heisse Ostwind
(hebr. Kadim, 1 Mos. XLI,6) mag
ihm nahe kommen. Er führt Schwe-
feldünste mit sich, und man kann
sich nur durch Niederwerfen vor
dem Ersticken retten". In der jü-
dischen Tradition wird der Ost-
wind mit einem Dämon verglichen.
Der palästinensische Midrasch cha-
rakterisiert den Ostwind damit,
dass er den Himmel schwarz macht
und Dunst verbreitet.
Prof. Dalman, ein bedeutender
Palästmaforscher, weist darauf hin,
dass es sich offenbar auch bei der
Darstellimg der dreistündigen Fm-
rtemis während der Kreuzigung Je-
su um einen Chamsinsandsturm
um die Pessachzeit gehandelt habe.
Metereologische Forschungen aus
neuerer Zeit bestätigen die jetzt
auch „Scharaw" genannten Cham-
sine mit hochgradiger mehrtägiger
Trübung oder Verdunkelung des
Himmels als ein Phänomen, daa
man speziell in der südlichen Wü-
ste in den Monaten Aprü und Mai
wiederholt erlebt hat.
Im Prediger Salomo heisst es :
Der Wind geht gen Mittag und
• kommt herum zur Mittemacht und
wiederum an den Ort, da er an-
fing" Hier wird der Lauf des Win-
des zum Symbol der menschlichen
Grunderkenntnis, dass nichts Neues
unter der Sonne geschieht. Zu al-
len Zeiten wusste man um die Aus-
wirkungen der Wüstenwinde. Wir
können getrost den Schluss ziehen,
dass ein besonders starker Ch^-
sinsturm als eine der „zehn Pia-
gen" anzusehen ist, von denen die
Pessachgeschichte berichtet.
FRITZ BERGER
In diesen Tagen sind es zehn
Jahre, dass unser Freund Erich
Hurwitz yx, Mitglied des Präsi-
diums des Irgun Olej Merkas Eu-
ropa, langjähriger Vorsitzender sei-
ner Ortsgruppe Tel-Aviv und einer
der Mitbegründer des Solidaritäts-
werkes, von uns gegangen ist. Der
grosse Kreis seiner persönhchen
Freimde, die vielen, die ihm nahe-
standen im KJV, in seinem Be-
rufsleben als Arzt, die mit ihm
verbunden waren in seiner Liebe
zur Musik oder die in der allgemei-
nen zionistischen imd sozialen Ar-
beit mit ihm zusammengewirkt ha-
ben, und schliesslich die Unzalüi-
gen denen er geholfen hat durch
ieiile menschliche Güte - sie aUe
bedürfen nicht des besonderen An-
lasses seines 10. Todestages, um
sich seiner zu erinnern Sein An-
denken lebt in uns fort, weil er
uns allen, seinen Nächsten ebenso
wie jedem, der auch nur für eine
kurze Stunde mit ihm in Beruh-
nmg kam, durch seine Aufgeschlos-
senheit, seine Treue, seine stete
Hilfsbereitschaft und seine warme,
echte Menschlichkeit unvergessUch
bleibt und bleiben wird.
H.G.
(
Nr. 15/16
MB — 9. April 1971
Seite 5
Arthur Biram und Richard Lkhtheim - ein Vergleich
In seinen „Lebenserinnerungen
aus der Frühzeit des deutschen
Zionismus", die, nach der hebräi-
schen Uebersetzung von 1953, nun
auch in der etwas verkürzten deut-
schen Originalausgabe unter dem
Titel „Rückkehr" (Veröffentlichung
des Leo Baeck Instituts, Deutsche
Verlags- Anstalt, Stuttgart 1970) vor-
liegen, erwähnt Richard Lichtheim
(1885—1963) Arthur Biram (1878—
1967) nur ein einziges Mal, imd
zwar zusammen mit Elias Auer-
bach, Wilhelm Brunn und Oskar
Treidel als einen der wenigen deut-
schen Zionisten, welche schon vor
1914 nach Palästina gingen. Hinge-
gen kommt Lichtheim in Birams
sehr ausführlicher höbräischer Bio-
graphie von Sara Halperin '■' über
haupt nicht vor. Das dürfte kein
Zufall sein, da das Buch weitge-
hend auf schriftlichen und mündli-
chen Mitteilungp-- und Archivma-
terialien beruht, die Birams treue
Schülerin von ihrem verehrten Leh-
rer erhielt. Er hat sie auch zu
ihrem Werk angeregt imd dessen
Fortgang bis zu seinem Tode eben-
so tatkräftig gefördert wie, nicht
immer zrum Nutzen der Arbeit und
ihres wissenschaftlichen Charak-
ters, sehr sorgfältig überwacht.
Lichtheim hat er offenbar niemals
genannt.
Die beiden Männer, obwohl Bun-
desbrüder im K.J.V., hatten also
persönlich nicht viel miteinander
zu tun imd waren recht verschie-
dener Art. Biram stammte aus ur-
sprünglich kleinbürgerlichen Ver-
hältnissen, der Vater aus Liegnitz
und die Mutter aus der Provinz
Posen. Kurz nach der Verheiratung
übersiedelten die Eltern in ein
Städtchen bei Dresden, wo sie die
einzige jüdische Familie waren.
Dem überaus tatkräftigen Mann ge-
lang es, seinen kleinen Konfektions-
laden zu einem blühenden Geschäft
zu entwickeln, das er später nach
Berlin verpflanzen und noch er-
weitem konnte. Dort lebte man
endlich in einer jüdischen Gemein-
de, aber auch vorher wurden die
traditionellen Bräuche, besonders
zu Pessach, mit wachsender Ge-
nauigkeit beobachtet.
Das war keineswegs selbstver-
ständlich. Beide Eltern waren zu-
nächst weitgehend assimiliert, die
Mutter noch radikaler als Adolf,
der Vater. Dieser erlebte im Man-
nesalter eine Art national-religiö-
ser Bekehrung, wobei, soweit man
urteilen darf, das nationale Motiv
das religiöse zwar überwog, nicht
aber, wie bei Lichtheim, gar nicht
erst aufkommen liess. Eine Berli-
ner Rede Theodor Herzls i.J. 1897
wurde entscheidend für Adolf Bi-
rams jüdischen Weg. Von nun an
war er Zionist und beschloss, in
seiner autoritativen Art, den Sohn
nach Abschluss des klassischen
Gymnasiums „Zum Grauen Klo-
ster" auf die liberale „Hochschule
für die Wissenschaft des Juden-
tums" zu schicken. Arthurs Onkel,
in dessen Hause er einige schwere
Jugendjahre verbringen musste,
war liberaler Rabbiner in Hirsch-
berg. Arthur beendete die Hoch-
schule und stand dort, zusammen
mit seinem Lebensfreund J. L. Mag-
nes und anderen, in scharfer zio-
nistischer Opposition gegen die
Mehrheit der Dozenten. Nach sei-
nem Examen wurde er nicht Rab-
b'mer, sondern setzte seine klassi-
schen imd orientalistischen Studien
mit grossem Erfolge fort und er-
hielt bald eine Oberlehrerstellung
an einer höheren Schule Berlins.
1913 ging er als Leiter der neu er-
richteten , .Hebräischen Realschule"
nach Haifa, wo er, nur durch den
Heeresdienst im Ersten Weltkriege
unterbrochen, bis zu seinem Tode,
als fast Neunzigjähriger, wohnte.
Seine Schule hat sich aus kleinsten
Anfängen und gegen erhebliche Wi-
väterliche Fürsorge: Dr. Johann
Jacoby (1805—1877), Arzt. Philo-
soph und Politiker, derselbe, der
F-riedrich Wühelm IV. am 2.11.1848
eine Pflaume zu einem Apfel wer-
den kann", oder den anderen: „Der
moderne Jude hat keine Religion,
keinen Charakter, keine Heimat,
als Mitglied einer parllnmmitarT^'^ ^®i"^ Kinder. Er ist ein Stück
(Dr. A. Biram und .b'^VT) .o^b^wn»
seine Realschule. Verlag Rubin
Mass, Jerusalem 1970).
derstände zu einem ganzen Netz
pädagogischer Anstalten entwickelt,
von der Vorschule bis zum Leh-
rerseminar reichend und ausgestat-
tet mit einem Internat für auswär-
tige Schüler und für Offiziersan-
wärter. Auch in der näheren und
weiteren Umgebung Haifas wa-
ren ihr einige Schulen angeschlos-
sen, z.B. die höhere Landwirt-
schaftsschule in Pardess Chana. Ent-
scheidende pädagogische und didak-
tische Anregungen sind von der
Realschule auf das ganze Land aus-
gegangen.
Trotz Birams Abwendimg von
der Theologie blieb die Hebräische
Bibel bis in die letzten Tage höch-
sten Alters sein unterrichtliches
und, später, wissenschaftliches
Hauptanliegen.
Wie anders waren Lichtheims
Herktmft und Entwicklung! Mit der
ihm eigenen Selbstironie, die Bi-
ram völlig abging, charakterisierte
er sich als einen „hoffnungsvol-
len jungen Mann aus Berlin W".
Erst in Herzls Todesjahr, 1904, hör-
te der Neunzehnjährige, damals
noch Student der Medizin, zum er-
sten Mal vom Zionismus. Schon im
selben Jahre trat er in die ,,Has-
-monäa" ein, die auch programma-
tisch zionistisch war und nicht nur
,, national jüdisch" wie der Berliner
„Verein jüdischer Studenten", zu
dem Biram gehörte. Lichtheim
v/urde das erste aus Berlin stam-
mende Mitglied der schlagenden
Verbindung „Hasmonäa".
Wieder ist ein Vergleich mit der
Entwicklung Birams angebracht.
Obwohl nur sieben Jahre vor Licht-
heim geboren, repräsentiert er, so-
ziologisch und psychologisch eine
frühere jüdische Generation. Wirt-
schaftlich ist er der erste noch
. bescheidene ,,Erbe" in seiner Fa-
milie; geistig v/ird er. durch die
ihm vom Vater schon vorgegebene
Rückkehr zum Judentum, die er
weiter vorantreibt, zum Typus des
Fortsetzers, also zum ,, Konservati-
ven". So hat er sich selbst wieder-
holt charakterisiert.
Lichtheim hingegen gehört zur
vierten Generation der Assimilation
und zur dritten des gesicherten
wirtschaftlichen Wohlergehens. Er
hat nie Geldsorgen gekannt, bevor
er in den vierziger Jahren sich mit
seiner vornehmen Frau dauernd in
Israel niederliess. Hier kam er
nicht gebührend zur Geltung, auch
wohl deswegen nicht, wie Ludwig
Pinner in einem Brief an Felix Ro-
senblüth wahrscheinlich macht, weil
er stärker der werdenden jüdi-
schen Nation verbunden war als
dem schon vorhandenen jüdischen
Volke, mit seinen Vorzügen und
Nachteilen. Lichtheim trug die
schwere Enttäuschung zwar nicht
ohne Bitterkeit, aber ohne Ressen-
timent, jenes nach innen fressende
Gift; er behielt seine Würde.
Schon sein Urgrossvater war
um 1830 nach Amerika gereist, wo
er freilich verschollen ist; vier Kin-
der blieben bei ihrer Mutter in Kö-
nigsberg zurück. Ein berühmter
Onkel übernahm stellvertretend die
sehen Deputation, von deren Anlie-
gen der König sich unwillig ab-
wandte, die revolutionären Worte
zurief: ,,Das eben ist das Unglück
der Könige, dass sie die Wahrheit
nicht hören wollen!" Er zeigte
auch .später grosse Zivilcourage als
scharfer Gegner Bismarcks und sei-
ner Kriege von 1866 und 1870. Nach
der Reichsgründimg wurde er So-
zialdemokrat. Statt gemässigter
vmrde er im Alter immer radika-
ler.
In seinem Hause, einem geisti-
gen und liberal- jüdischen Zentrum
Königsbergs, wuchs Lichtheims
Grossvater Heinrich auf. Er wird
ein gesuchter Arzt in Stettin, der ;
sich zwar nicht taufen lässt, aber
seine Kinder in den christlichen i
Religionsunterricht schickt. Licht-
heims Vater wurde, statt Akademi-
ker, Banquier, und zwar unter
dem Einfluss von Gustav Freytags
Roman ,,Soll und Haben", der das
deutsche Bürgertum bei der Arbeit
zeigen wollte, auch bei der des
rechtschaffenen Kaufmanns, wobei
missgünstige Vergleiche mit der Fi-
gur eines jüdischen Händlers nicht
fehlen. Während des deutschen
Wirtschaftsaufschwungs zwischen
1870 und 1900 hatte „die Makler-
firma George Lichtheim gute Ta-
ge". Die meisten Verwandten wa-
ren bereits getauft; so konnte ein
Onkel Ordinarius der inneren Me-
dizin in Königsberg werden. In
Richards eigener Generation, unter
seinen Vettern und Cousinen, gab
es kaum mehr Gemeinde- Juden.
Das störte den Familienzusammen-
hang nicht; die jungen« Leute hiel-
ten herzliche Beziehungen auch zu
Richard aufrecht, dessen Eltern
nicht ganz so weit gingen wie die
ihren. Bei ihm zu Hause wurde
zwar Weihnachten unter dem Tan-
nenbaum gefeiert, aber die christ-
lichen Lieder durften nicht gesun-
gen werden. Andererseits wurde
Richard ,, selbstverständlich" nicht
Bar-Mizwa. Als Vierzehnjähriger
fragt ihn der Vater einmal ganz
nebenbei, ob er sich nicht viel-
leicht taufen lassen wolle. Der Jun-
ge sagt ruhig: Nein, und damit war
die Sache erledigt.
Eine älmliche Szene wäre im
Hause Biram undenkbar gev/escn.
Richards negative Ant v/ort ist er-
staunlich, war doch die Taufe bei
Lichtheüns „zu einer Familienein-
richtung" geworden, allerdings nicht
bei den Pollacks, der noch reiche-
ren, aber weniger „feinen" Familie
der Mutter. Deren ,, urwüchsigere,
vielleicht naivere" Haltung zur Ju-
denfrage mag, zunächst imbewusst,
für das vorläufig rein formale Fest-
halten des Sohnes am Judentum
mit entscheidend gewesen sein. Ein
paar Jahre später, als Primaner,
beginnt er das Brüchige der jüdi-
schen Situation in Deutschland
theoretisch zu durchschauen. Pin-
chas F. Rosen sagt dazu in seinem
sehr bemerkenswerten „Vorwort" :
..Das gelang ihm vor allem dank
kritischem mtrospektiven Bemühen
seines ungewöhnlich klarsichtigen
und redlichen Intellekts."
Lichtheims ,, Rückkehr" war dem-
nach innerlich vorbereitet, aber der
erste Anstoss kam von aussen; als
Primaner macht ihn im Jahre 1903
ein christlicher Schulkamerad auf
Julius Langbehns weitverbreitetes
Buch ..Rembrandt als Erzieher"
aufmerksam. Er fand dort z.B. den
Satz: ..Ein Jude kann so wenig
zu einem Deutschen werden, wie
Menschheit, das sauer geworden
ist." Nun beginnt ihm aufzufallen,
dass mit Ausnahme der Künstler
und Literaten Juden und Christen
zwar geschäftliche, aber keine ge-
sellschaftlichen Beziehungen haben.
Trotzdem hatte er selbst kaum je
unter antisemitischen Äusserungen,
geschweige denn Handlungen zu
leiden. Viel später, zur Zeit der
Abfassung des Buches von Okto-
ber 1948 bis Dezember 1949 in Je-
rusalem, erklärt er diesen Sach-
verhalt so: Deutschland war zwar
damals ein ,, Rechtsstaat", aber
'^., besser noch als das Gesetz schütz-
te die Juden die strenge Gliede-
rung des Klassenstaates . . . Die
Macht des Junkertums war der
; Schutz des Judentums".
Man ist versucht, an Bismarcks
positive Würdigung der Persönlich-
keit des damals schon seit 15 Jah-
ren toten Lassalle zu denken, den
er in seiner Reichstagsrede vom
17.9.187^ wegen dessen antibourgeoi-
sen Verständnisses für Monarchie
und Adel gegen die lebenden Geg-
ner des Kanzlers, den Sozialisten
August Bebei und den radikalen
Freisinnigen Eduard Lasker, pole-
misch ausspielte.
Obwohl Lichtheim in seiner zio-
nistischen Schrift von 1919 „Der
Aufbau des jüdischen Palästina"
die Vergesellschaftung der Produk-
tionsmittel als Grundidee des So-
zialismus bejaht hatte, und ihr,
unter schari'er Ablehnung des rus-
sischen Kommunismus, den End-
sieg voraussagte, gelangte er mit
jenen späteren Formulierungen zu
einer Haltung, die ihn. gleich Bi-^
ram, dem rechten Flügel der zio-
nistischen Bewegung eingliederte.
Für eine gewisse Zeit (1926—1932)
war er sogar ein Anhänger und
Parteigenosse Jabotinskys gewesen,
dessen Legionsplänen er im ersten
Weltkriege, als glänzender zionisti-
scher Diplomat in Konstantinopel,
noch entschieden entgegengetreten
war.
So weit nach rechts war Biram,
trotz gleichfalls nationalistischer
Einstellung, nie gegangen. Er sym-
pathisierte mit dem konservativen
Flügel der „Allgemeinen Zionisten",
während Lichtheim später der op-
positionellen, aber in der zionisti-
schen Weltorganisation verbliebenen
„Staatspartei" angehörte. Was bei
Biram eine organische Fortsetzung
der väterlichen Einstellung war,
stammte bei Lichtheim aus der
Ueberwindung der elterlichen Assi-
milation, doch ohne Verzicht auf
ihre kapitalistische Grundlage, die
er sogar zu einer Art jüdisch-
pragmatischer Klassenideologie ent-
wickelte. Auch Biram radikalisier-
te seine Ausgangsposition und
machte die häusliche und preussi-
sche Disziplin zu einer nationalen
Erziehungsforderung. Ihre strUcte
Erfüllung, einerseits im ausschliess-
lichen Au'toritätsanspruch der Schu-
le gegenüber der Jugendbewegung
und in seiner relativen Priorität
gegenüber dem Elternhaus, und
andererseits als Dienst an der Ge-
meinschaft unter dem Zeichen der
Treue zum Kleinen", galt Biram
als unerlässliche Voraussetzung für
den Erfolg des zionistischen Auf-
baus in feindlicher Umgebung. So
führte die Realschule die obliga-
torische vormilitärische Ausbildung
der Jugend vor allen anderen An-
stalten durch; die Tatsache, dass
drei unter den vier ersten cneis
l
HQffi
:mivi>y^''
Seite 6
MB
9. April 11)71
»
0
Arthur Biram und Richard Lichtheim - ein Vergleich
^■<r^&
i''4',rr^
(Schluss von S. 5>
des israelischen Generalstabs ihre
Absolventen waren, ist keineswegs
ein Zufall.
In der politisch-militärischen
Stellungnahme zur Araberfrage gab
es zwischen Biram und Lichtheim
keine Differenzen, auch persönlich
hegten beide keine fremdenfeindli-
chen Hassgefühle gegen den ein-
zelnen Araber und pflegten gute
persönliche Beziehungen zu anders-
denkenden Zionisten.
- Biram blieb mit Magnes gut be-
freundet, und dessen Gesinnungs-
genosse. Professor Leon Roth, war
viele Jahre lang der Kuratoriums-
vorsitzende der Realschule. Es gab
manchmal Meinungsverschiedenhei-
ten zwischen ihm und dem Direk-
tor, gerade über politische Fragen
und deren pädagogische Konse-
quenzen, aber niemals eine Unter-
brechung der gemeinsamen Arbeit.
Lichtheim wiederum findet
freundliche Worte der Anerkennung
für den unermüdlichen Kolonisator
und Friedenskämpfer Chaim Mar-
galioth-Kalvaryski. In seinem an
fesselnden Charakterskizzen reichen
Buche ist die ausführlichste und
wärmste Arthur Ruppin s^ewidmet.
Der Verfasser nennt ihn ,,ein Ge-
nie des Arbeitswillens"; seine Be-
deutung für die jüdische Palästina-
siedlung zwischen 1908 und 1943
wird als beispiellos in der gesam-
ten Geschichte der Kolonisation
gewertet. Politik aber „habe ihn
nie interessiert".
Das nun ist eine seltsame Be-
hauptung, wenn von dem Mitbe-
gründer des ,,Brith Schalom" und
dessen Vorsitzenden von 1925 bis
1928 die Rede ist, der auf dem
XIV. Zionistenkongress für ein bi-
nationales Palästina unter völliger
Gleichberechtigung seiner beiden
Völker eintrat, obwohl er später
diesen Plan aufgeben musste. Aber
warf denn die von Ruppin in der
Tat erstrebte und weitgehend er-
reichte „Schaffung einer jüdischen
Landwirtschaft, die die arabischen
Arbeiter in den jüdischen Dörfern
ablösenC.)" sollte, kein politisches
Problem erster Ordnung auf?
Ruppin konnte zwar auch keine
Lösung dafür anbieten, aber er hat
den Widerstreit der Pflichten zwi-
schen nationalen Notwendigkeiten
und menschlicher Rücksichtnahme
nicht einfach ausgeklammert, son-
dern unter ihm gelitten. Weil er
kein ideologischer Nationalist war,
blieb er frei vom Gebrechen par-
tieller moralischer Blindheit.
An anderer Stelle seines Buches
wirft Lichtheim, mit einiger In-
konsequenz, Ruppin mangelndes
, »politisches Verständnis" vor, im-
merhin in gemässigt/em und ach-
tungsvollem Ton. Wenn er aber
keine Rücksicht auf einen von ihm
verehrten Menschen nehmen muss,
.sondern im Allgemeinen bleiben
kann, .spricht er weit schroffer, von
den ,, ideologischen Verrannth(Mten"
all der Zionist/en, die im Juden
Staat nicht das echte Endziel der
Bewegung sahen. Nur aus takti-
schen Erwägungen mochte es vor
läufig verhüllt blcib(!ri. Lirhthoims
Bojaüiung der V<!rhan(ilung(:n zwi
sehen Weizmann und Emir Pnisal
galt nur einer diploinatischfu ZwI
schenlösung. Grunrlsut/.lich ahci
war er si(;h libcr ..die llnvrr«'in
barkeit des Zionismus mit d(5n na
tionalen A.spirationen der palästi-
nensischen Araber schon damals
im Klaren" und konnte deshalb
,,den Lehren gewi.sser zionisti.scher
Doktrinäre" auch später nicht zu-
stimmen.
Als einer von den so Gekenn-
zeichneten hatte ich, etwa 1930,
während eines kurzen Besuches in
Berlin, im überfüllten Logensaal
in der Kleiststrasse, eine politische
Diskussion mit Lichtheim zu füh-
ren. Der sonst meist ruhige Spre
eher und elegante Fechter schrie
seine Losungen: „das Volk!, das
Land!" mit solchem Pathos in den
Saal, dass mir vor dessen unbe-
streitbaren Ehrlichkeit bange wur-
de. Diese Bangigkeit ist in den
letzten 40 Jahren nicht geringer
geworden. Es stimmt zwar, dass
ohne den Appell an die elementa-
ren Kräfte des Urspnmgs der Zio-
nismus sein Ziel rücht erreicht hät-
te, aber es ist nicht minder wahr,
dass er ohne ständige Selbstbe-
schränkung und ohne scharfe Kon-
trolle der herbeigerufenen Geister
den Bestand seines, unseres Wer-
kes in immer steigendem Masse
gefährdet.
Lichtheim war genug Intellek-
tueller, um diese, vielleicht unlös-
bar tragische Dialektik wenigstens
theoretisch zu verstehen, wenn ihm
daran gelegen gewesen wäre. Biram
aber war zwar ein sehr kluger
Mann, aber gerade nicht das, was
man einen Intellektuellen nennt ;
er wollte es gar nicht sein. Dafür
kann ich einen tragikomischen Be-
weis erbringen. Während meiner
dreijährigen Tätigkeit an der Real
schule (1930—1933) gingen wir ein-
mal gemeinsam in einen der vor-
läufig letzten antifaschistischen
deutschen Filme. Die Hauptperson
war ein radikaler, in einen politi-
schen Prozess verwickelter Uni-
versitätslehrer, den der Staats-
anwalt einen ,, wurzellosen Intellek-
tuellen" nannte. Der Prozess ging
gegen ihn aus, und er wurde ohne
zulängliche -Beweise aus seiner Stel-
lung gejagt.
Biram war von diesem guten
Ende hochbefriedigt und setzte die
Anklagerede gegen den unsympa
thischen Intellektuellen auf un-
serem Nachhausewege unentwegt
fort. Ich versuchte gar nicht erst,
ihn von seiner Meinung abzubrin-
gen, hielt mich aber für verpflich-
tet, ihn wenigstens davon zu über-
zeugen, dass sie der Tendenz des
Films widerspreche. Auch das war
verlorene Li^ebesmüh: seine Reak-
tion auf den Streifen und dessen
eigene Absicht seien vollkommen
identisch !
Zehn Jahre vorher war ich hart
mit den persönlichen Begrenzun
gen Lichtheims zusammengestossen,
wenn auch auf einem anderen Ge-
biet, dem religiösen. Franz Rosen-
zweig wollte ihn für eine Vortrags-
reihe über Zionismus in seinem
,, Freien Jüdischen Lehrhaus" in
Frankfurt a.M. gewinnen. Lichtheim
lebte damals vorübergehend in
Cronberg im Taunus, und Rosen-
zweig, der Lichtheim nicht kannte,
bat mich, ihn bei diesem Besuch
zu begleiten. Die Rede kam auf
Rabbiner Nobel, bei dem wir bei-
de damals jeden Morgen Talmud
lernten, und Rosenzweig riet Licht-
heim, sich den grossen Redner
doch einmal anzuhören. Seine Ant-
wort hat sich mir tief eingeprägt:
,, Nobel kann man doch wohl nur
in der Synagoge hören, und solche
Lokale besuche ich nicht."
Die ,, Lebenserinnerungen" aller-
dings bestätigen diese schroffe Hal-
tung nur teilweise. Zwar ist ein-
mal, in scheinbar schnoddrigem
Tone, von „Gottesdienstlichen Ver-
richtungen" die Rede, aber es stellt
sich sofort heraus, dass es nicht
böse gemeint ist. Die Worte ste-
hen in der Schilderung eines Be-
suches bei Felix Rosenblüths from-
men Eltern im ,, Messingwerk" bei
Halberstadt. Trotz anfänglicher
Fremdheit fühlte sich Lichtheim
bald „vertraut" in der einfachen
Bet Stube, in welcher ,, nichts von
der erzwungenen Feierlichkeit einer
Kirche oder einer grossen Synagoge
mit Orgel und Predigt zu spüren
war". Er meint sogar, dass er
damals ,,die altjüdische Frömmig-
keit verstehen" gelernt habe. Das
war eine voreilige Schlussfolge-
rung, so schnell geht das nicht.
In diesem Hauptpunkte musste,
wie Felix Rosenblüth zu Beginn
seines Vorwortes vorsichtig . andeu- '
tet, Lichtheims ,, Rückkehr" unvoll-
ständig bleiben. Anders als der
Vers in Jesajas (10, 21), welcher
der hebräischen Uebersetzung des
Buches ,,den biblischen und ro-
mantischen" Titel „Schear Ja-
schuw" (ein Rest wird zurückkeh-
ren) geliefert hat, führte Licht-
heims Rückkehr zwar bis zum
Volk und Land der Väter, aber
gerade nicht zu deren Gott. Seine
intellektuelle Rechtschaffenheit hat
sich darüber auf die Dauer weder
täuschen wollen noch können.
«
Birams Stellung zu den Glau-
bensfragen war kompliziert. Auch
dafür liefert meine Erinnerung ei-
nen merkwürdigen Beleg. Er war
um 1925 in Frankfurt, und lud
mich ein, als Lehrer an seine
Schule zu kommen. Ich wunderte
mich: „Soviel ich weiss, ist die
Realschule durchaus weltlich ein-
gestellt; was willst Du da mit ei-
nem Juden wie mir anfangen ?"
Seine Antwort lautete : ,, Gerade
drum! Es ist für die Entwickelung
junger Menschen wichtig, welcher
Art der Ballast ist, den sie gegen
Ende der Schulzeit gewöhnlich ab-
werfen. Meine Primaner haben all-
zuwenig Wertvolles zu verlieren.
So fürchte ich, sie werden bei ih-
rer unvermeidlichen Emanzipation
den ganzen Zionismus über Bord
gehen lassen. Du sollst ihnen et-
was anderes geben, gegen das sie
rebelheren können, ohne damit ihr
Judentum aufzugeben." Dieses eine
Mal war mir Arthur Biram allzu
dialektisch imd ich lehnte die Be-
rufung ab.
Erst nach meinem Konflikt mit
dem orthodoxen Misrachi-Schul-
werk in Jerusalem (1929) folgte
ich seiner erneuerten Anfrage. Sehr
gut ging es zwischen uns beiden
allerdings nicht, zwar keineswegs
aus religiösen oder politischen
Gründen, sondern aus pädagogi-
schen. So war er recht froh, mich
nach drei Jahren wieder loszuwer-
den, als ich 1934 beschloss, dem
Rufe von Baeck, Hirsch und Buber
zu folgen und für ein Jahr jüdi-
scher Arbeit nach Nazideutschland
zu gehen.
Die totale Säkularisierung des
Judentums bei Lichtheim und die
zwar nicht absolute, aber sehr
weitgehende bei Biram änderten
nichts an beider Eingliederung in
das rechte zionistische Lager. Im
Gegenteil: gerade durch die — um-
fassende oder teilweise — Isolie-
rung des politischen Moments
konnte es umso ,, reiner" heraus-
präpariert werden. Vielleicht ist
das eine relativ sauberere Lösung
als der chauvinistische Klerikalis-
mus, der uns heute beschert ist.
Der deutsche Zionismus ist auf
kein» einfache Formel zu bringen,
auch nicht auf die der Progressi-
vität und der Arbeiterfreundschaft;
darauf hat Walther Gross neulich
in einer Veranstaltung des K.J.V.
mit Recht hingewiesen, dennoch
war er trotz seiner, vor 1933, ge-
ringen Mitgliederzahl reich an ei-
genartigen Persönlichkeiten. In ei-
ner Gruppe von aus Deutschland
stammenden Pädagogen stand Bi-
ram am weitesten rechts, der ent-
scheidend von Buber beeinflusste
Siegfried Lehman am weitesten
links, und Moses Calvary zwischen
beiden. In einem ähnlichen Sche-
ma von Politikern würde, um wie-
der nur von Verstorbenen zu spre-
chen, Lichtheim die äusserste Rech-
te und Georg Landauer die äus-
serste Linke repräsentieren, Kurt
Blumenfeld aber die zentrale Po-
sition einnehmen.
Solche Einschachtelimgen tim
den Individuen unrecht, die man
unter die groben Orientierungs-
signale der, noch dazu heute frag-
lich gewordenen, Schlagworte wie
..Recht«" imd „Links" zwingen will.
"Ewig wahr hingegen bleibt di«
aristotelische und wieder maimo-
nidische Erkenntnis, die in unse-
ren Tagen Moritz Heiman neu for-
muliert hat: „Die Wahrheit liegt
zwischen den Extremen, aber nicht
in der Mitte." Welchem Extrem
sich der Einzelne näher fühlt, ist
von seiner Charakterstruktur her
bestimmt.
ERNST SIMON
■mm^
Nr. 15/16
MB — 9. April 1971
Seite 13
DIE NEUESTE HEINE-FORSCHUNG
^n
Im letzten Jahrzehnt ist für die
Heineforschung eine unerwartete
Wendung eingetreten: in Deutsch-
land haben sich zwei Zentren ein-
dringlicher Studien entwickelt, in
Düsseldorf und Weimar, d.h. in
West- und in Ostdeutschland. Das
hat auch im Ausland anregend imd
belebend gewirkt. Allein zwischen
1969 imd 1970 erschienen vier Bü-
cher über Heines Leben imd Werk,
die hier angezeigt werden sollen.
Darüber hinaus sind zwei kritische
Gesamtausgaben, eine in Düssel-
dorf und eine in Weimar, in Vor-
bereitung.
In Düsseldorf betreut Dr. Eber-
hard Galley seit Jahrzehnten die
grosse Heine-Sammlung. Er hat sie
vor dem Zugriff der Machthaber
im Dritten Reich gerettet, indem
er sie unter dem Namen „Samm-
lung Meyer" führte, die ja einen
kleinen Bestandteil des Heine-Ar-
chivs ausmachte. 1962 schuf er ein
neues Forum für die internationa-
le Heineforschung im Heine-Jahr-
buch, das 1971 zum zehnten Mal
herauskommt. Schon im Vorwort
des ersten Bandes setzte er sich
dafür ein, vom Streit um Heine
ziim unvoreingenommenen Studium
seines Lebens und vor allem sei-
ner literarischen Leistung und Nach
Wirkung überzugehen.
Manfred Windfuhr, der zugleich
leitender Herausgeber der Düssel-
dorfer Heine -Ausgabe ist, hat 1969
ein Buch herausgebracht, das er
„Heinrich Heine. Revolution und
Reflexion" nennt (J. B. Metzler-
sche Verlagsbuchhandlung, Stutt-
gart). Der Untertitel ist eigenwülig
imd überraschend, aber charakte-
ristisch für die gesamte Anlage des
Buches, das Heines Leben und
Werk in die politische Geschichte
einfügt und seine Zeit- imd Um-
weltbeziehungen stark betont. Wind-
fuhr verfolgt bis ins Detail den
Lebensweg des Dichters, die Wand-
lung seiner Meinungen, die Entste-
htmg seiner Werke und macht
mehrfach auf weniger beachtete
Teile seines Schaffens aufmerksam.
Er betont Heines eigentümliche
Anwendung des Begriffs Revolu-
tion, der die Reformation die erste
Revolution nennt, die deutsche Phi-
losophie die zweite, imd als drit-
te die politische in Deutschland
fordert. Dem Kampf gegen die Re-
aktion der Mettemich-Zeit ist er
treu geblieben. Durch den Unter-
titel seines Werkes will Windfuhr
hervorheben, dass Heine seine Be-
rufsarbeit völlig revolutioniert. Sein
Ziel ist nicht mehr, eine ideale
Welt zu gestalten, hoch über der
Alltagswirklichkeit wie die Klassi-
ker und Romantiker, sondern jetzt
will er unmittelbar auf Zeit und
Umwelt einwirken. Das ist der
wichtigste neue Gesichtspimkt. Al-
les, was man Heine bisher vor-
warf, wird hier als neuer Sinn sei-
ner Lebensarbeit aufgedeckt, die
sich grundsätzlich und entscheidend
von dem literarischen Ideal der
Vergangenheit abwendet. Heine ist
der erste Schriftsteller, der seine
geniale Begabung zu einem gros-
sen Teü journalistisch verwendet,
aus dem Tag für den Tag schreibt,
allgemein verständlich, witzig, geist-
voll, immer fliessend und fesselnd.
Darauf beruht seine weltweite Wir-
kung bis auf den heutigen Tag.
Windfuhr vernachlässigt in sei-
ner Untersuchung aber keineswegs
die künstlerische Leistung. Er be-
obachtet in allen Werken den Auf-
bau, die Struktur und die wech-
selnden Tonarten. Aber unvermeid-
lich kommt in seiner Darstellung
die Poesie etwas zu kurz. Vom
„Buch der Lieder", den politischen
Verssatiren „Atta Troll. Ein Som-
memachtstraum" und „Deutsch-
land, ein Wintermärchen" gibt er
eine Vorstellung vom Gehalt, kaum
aber vom Reichtum der Formge-
bung und Sprachgestaltung.
Man halte neben Windfuhrs Aus-
führungen zu den entsprechenden
Dichtungen die Sätze des Dänen
Johannes V. Jensen in meinem Bu-
che „Der lebendige Heine im ger-
manischen Norden" (Kopenhagen
1935): „Juwelen von Phantasie, Witz
und Bilderpracht, in einer gesät-
tigten, sprichwörtlichen Form, sind
die beiden erzählenden Gedichte
»Atta Troll« und »Deutschland«, ei-
ne merkwürdige souveräne Mi-
schung voi lyrischer und politi-
scher Phantasie, in ihrer Art ein-
zig dastehend, und blendende Lek-
türe noch heutigen Tages. Von Sei-
ten der Form haben sie Eigen-
schaften, die niemals erreicht wor-
den sind, weder vorher noch nach-
her. Grazie und Energie im Aus-
druck, jede Strophe ein Edelstein.
He'ines Fähigkeit für Kürze im
Ausdruck und Weite der Gedanken
hat ihr Seitenstück nur in der Bi-
bel und in der altnordischen ver-
dichteten Kunstform, den Liedern,
die hervorgegangen sind aus einer
Mnemotechnik, sprachlicher Oeko-
nomie in Verbindung mit Visions-
kraft der Gedanken. Die beiden
sprudelnden, gegossenen und schwer
armierten Dichtungen sind die ein-
zigen Verse, die ich auswendig ge-
lernt habe, ich, der ich nicht ein-
mal meine eigenen behalten kann."
Die Lebendigkeit der Dichtung
Heines kommt bei Windfuhr nicht
recht zur Geltung, wie er auch zu
erwähnen versäumt, dass Heines
Lieder weit öfter vertont wurden
als die Goethes. Diese Vertonun-
gen sichern Heines Gedichten das
Fortleben in der Weltliteratur, ob-
wohl viele von ihnen dem moder-
nen Lebensgefühl eigentlich nicht
mehr entsprechen.
Während aber die meisten Kri-
tiker nur auf die Widersprüche
Heines in seinem Gesamtwerk hin-
weisen, zeigt Windfuhr in seinem
Schlusskapitel „Bewegliche Struk-
turen", dass Heine „seine Haupt-
Orient Shipping Agency Ltd
wünscht allen Freunden
Unsere neue Adresse:
5 KEREN HAYESSOD ST. 5
JERUSALEM TEL. 23004
themen in allen Phasen" durchge-
halten hat. Innerhalb „eines weit-
gesteckten Rahmens" setzt er le-
diglich „die Akzente im Verlauf
seines Lebens verschieden". Kein
Forscher, der künftig Heine stu-
diert, wird daher diese gründliche
und ergebnisreiche Arbeit überge-
hen dürfen.
Ebenso unentbehrlich für die
künftige Forschung ist das Buch
von Fritz Mende: „Heinrich Heine.
Chronik seines Lebens und Wer-
kes", (Akademie - Verlag, Berlin,
1970). In der Einleitung heisst es:
„Die vorliegende Chronik ist eine
wichtige Frucht der Vorarbeiten
verschiedenster Art für die ... in
Weimar veranstaltete wissenschaft-
liche Gesamtausgabe . . .", an der
also der Verfasser verantwortlich
mitarbeitet. Mende hat durchge-
hend in das Leben Heines die po-
litischen Ereignisse eingefügt, sehr
ausführlich über seine Einkünfte
berichtet, sämtliche zu seinen Leb-
zeiten erschienenen Uebersetzungen
aufgenommen und alle zugängli-
chen Quellen benutzt, um seinen
erlebten Weltruhm anschaulich zu
machen. Es scheint mir bei Heine
besonders sinnvoll, die Zeitge-
schichte einzubeziehen. Dem Buch
sind zahlreiche Anhänge beigege-
ben, wie eine Stammtafel der Fa-
milien Heine und van Geldern, ein
Verzeichnis von Heines Gedicht-
zyklen, sowie eines mit seinen
Wohnanschriften. Ausserdem ent-
hält es allerhand wertvolle Register.
Dieses Werk lässt zwar den gei-
stigen Zusammenhang, sowie jegli-
che persönliche Charakterisierung
und Wertung unberücksichtigt, ist
aber dennoch in seiner gehaltvollen
Sachlichkeit unzweifelhaft von gros-
sem Nutzen.
Das dritte hier zu behandelnde
Heine-Buch von Helge Hultberg
mit dem Titel „Heine. Levned, Me-
ninger. Boger" (Lebenslauf, Mei-
nungen, Bücher — Kopenhagen 1969)
ist in dänischer Sprache geschrie-
ben. Es ist nach Anlage und Ge-
halt durchaus fesselnd, wenn es
auch oft zum Widerspruch heraus-
fordert. Es folgt nicht der Tradi-
tion, die Werke Heines seiner Bio-
graphie und der Zeitgeschichte ein-
zufügen, sondern verteUt d^n Stoff
auf die drei im Titel genannten "
Abschnitte. Einleitend behauptet er,
dass „kaum ein anderer Dichter
im Ausland so bekannt und beliebt
ist wie Heine". Goethe und Schil-
ler seien „zu deutsch, zu abstrakt".
Beide Urteile sind in dieser Ver-
allgemeinerung unhaltbar. Er be-
grlindet sie damit, dass Heine
..europäischer" sei als die Mehr-
heit der Literatur vor 1870 in der
Enge und Abgeschlossenheit des
politischen und sozialen Lebens in
Deutschland. Heine dagegen hat ein
Viertel.] ahrhundert in Paris gelebt.
Im Cesensatz zu Goethe und Höl-
derlin, fügt er hinzu, schreibt Hei-
ne verständlich. Ausserdem bringt
die Welt dem verfolgten Juden
Sympathie entgegen. Von seinem
politischen Kampf mit dem Wort
als geistiger Waffe ist hier nicht
die Rede. Dagegen werden die Ur-
teile von Georg Brandes, Friedrich
Gundolf und Karl Kraus angeführt,
die sich alle gegen Heines allzu
„leichtfertige" Sprache richten.
Hultberg stimmt Kraus in ausführ-
licher Darstellung zu, nur Heines
Witz verteidigt er gegen ihn. Er
setzt sich auch mit anderen Ur-
teUen gegen und für Heine aus-
einander, um schliesslich zu be-
kennen, dass er selbst ausserstan-
de ist, ein einheitliches BUd von
Heines menschlicher und literari-
scher Persönlichkeit zu geben.
In seinem Kapitel ,, Heines Zeit-
alter" meint Hultberg, dass eine
Schilderung des zeitgeschichtlichen
Hintergrundes zum Verständnis
nicht notwendig sei. Das ist unbe-
dingt falsch. Wenn irgend etwas
dauerhaft und echt ist bei Heine,
so sein leidenschaftlicher, zorniger
Kampf gegen die Reaktion der
Mettemich-Zeit in Deutschland,
der seinen Höhepunkt 1844 in
„Deutschland, ein Wintermärchen"
erreicht.
Der Abschnitt „Meinungen" be-
handelt Heines Zwiespalt völlig zu-
treffend. Absr man muss deshalb
nicht wie er zu dem Schluss kom-
men, dass Heine in allen seinen
Schriften „Masken" trägt und nie
sich selbst offenbart. Durch diese
„Maskierung" und das beständige
Spiel Heines mit der Sprache wird
Hultberg zu der Auffassung ver-
leitet, dass man das innerste We-
sen keines Dichters aus seinen
Schriften und am wenigsten aus
seinen Dichtungen erfassen kann.
Durch sorgfältige Stilanalyse kann
man doch oft die echte leiden-
schaftliche Anteilnahme des Dich-
ters an seinen Motiven erfassen.
Aber es ist richtig, dass Literatur-
wissenschaft in erster Linie Werk-
forschung sein muss, nicht Cha-
rakterforschung, weil man sich
sonst auf schwankenden Grund be-
gibt.
Hultberg lehnt es entschieden
ab, Heine als „charakterlos, un-
dichterisch, unwahr" zu kennzeich-
nen (S. 199). Er widmet den Wer-
ken den grössten Teil seines Bu-
ches. Dies ist der ergiebigste, wert-
vollste Teil der Abhandlung für die
Internationale Heine-Forschung.
Wenn das dänische Buch die
Unmöglichkeit, das Wesen Heines
zu erfassen, in den Mittelpunkt
stellt, so bestimmt gerade das den
Titel eines neuen amerikanischen
Werkes. Jeffrey L. Sammons nennt
sein Buch Heinrich Heine, The
Elusive Poet (Yale University
Press, New Haven and London
1969). „Elusive" bedeutet „auswei-
chend, flüchtend, sich entziehend,
auch dem Verständnis, also schwer
fassbar, undurchsichtig". Sammons
geht aus von den widerspruchs-
vollen Aeusserungen Heines über
seinen CJeburtstag, zeigt, dass wir
über weite Strecken im Leben Hei-
nes wenig wissen, weU der Dich-
ter über sie schweigt. Er zweifelt
seine Wahrheitsliebe an und be-
hauptet, dass er Unvereinbares
vereinigen wollte. Die Darstellung
wirkt wie eine Verurteilung von
Heines moralischem Charakter.
Doch weist gerade Sammons die
Vorwürfe von reaktionärer Seite
gegen Heines Charakter und Moral
entschieden zurück. Er leitet sein
labiles Wesen von den Schwächen
seiner natürlichen Anlage her und
von seiner sozialen Stellung als
Jude.
Die „negativ" wirkende Schil-
derung von Heines Wesen dient
hier nur als Grundlage der posi-
tiven These, dass Heine in seinem
gesamten Werk eme fiktive Person
aufbaut, die zu beweisen und an-
schaulich zu machen die Aufgabe
der Arbeit ist. Sammons ist sich
der Tatsache bewusst, dass die Be-
ziehimg des Dichters zur Gesell-
schaft einen unentbehrlichen Teil
der Literaturwissenschaft darstellt,
wül sich aber nicht mit ihr be-
schäftigen. Ebenso bezweifelt er
nicht die geniale künstlerische Be-
gabung Heines, beschränkt sich
aber auf die Lösung der gewählten
Aufgabe, weil er meint, dass er so
das Verständnis für Heines Werk
Seite 14
MB — 9. April 1971
Nr. 15/ia
WSSw
Zum Problem der Menorah und Synagogenbaulen in Europa
x.„..^.^ a«r,.. Wichtiger kulturgeschichtli- bzw. Unreinheit
Im Kösel- Verlag, München er-
schien in den Jahren 1962—69, so-
gar teilweise schon in 2. Aiiflage,
„Der jüdische Krieg" von Flavius
Josephuß auf griechisch und
deutsch. Die Einleitung und An-
merkungen, die den gegenwärtigen
Stand der Text- und Geschichtsfor-
schung auf diesem Gebiet erschöp-
fend wiedergeben, stammen von
den Tübinger Professoren Otto Mi-
chel und Otto Bauernfeind.
Der Leser mag vielleicht ein we-
nig verwundert fragen: Gbt es
nicht schon genug Uebersetzungen
von Flavius Josephus, und zu was
nützt der griechische Urtext? Wer
von uns beherrscht noch genug
Griechisch aus seiner Schulzeit,
um den griechischen Text wirklich
verstehen zu können?
Erinnert sei in diesem Zusam-
menhan? an die Shakespeare-'Aus-
gäbe der Tempel-Klassiker, bei der
sich die Gegenüberstellung des eng-
lischen und deutschen Textes sehr
Gewährt hat. Auch bei dieser Jose-
phus-Ausgabe wird nicht erwartet,
dass die Leser mühselig den ge-
samten griechischen Text durchar-
beiten sondern dass sie bei Lek-
türe der deutschen Uebersetzung
den Originaltext und die Anmer-
kungen in Zweifelsfällen gleich zur
Hand haben.
Ferner wurden die Berichte des
Josephus von den Historikern sehr
skeptisch betrachtet. Nachdem
aber die Ausgrabungen in Massada,
Herodium und der Jerusalemer
Altstadt — um nur einige Beispie-
le zu nennen — seine Angaben in
geradezu überraschendem Umfange
bestätigt haben, gilt er heute als
eine der wichtigsten Geschichtsquel-
len für die Zeit des zweiten Tem-
pels.
In der vorliegenden Ausgabe
stellen die Herausgeber in der Ein-
leitung zunächst eine Biographie
dieses viel umstrittenen antiken Hi-
storüters auf Grund der Quellen
zusammen, wobei sie vor allem sei-
ne eigenen Ausführungen in den
verschiedenen Werken benutzen,
darm aber eine wissenschaftliche
Analyse von Komposition, Quellen
und Text folgen lassen. Band I
und Band 11 (geteilt in Teil 1 und
2) enthalten den Text auf grie-
chisch und deutsch mit den sehr
ausführlichen Anmerkungen, wah-
rend in Band III die Ergänzungen
imd verschiedenen Register, die
die Benutzung des Werks sehr er-
leichtem, zusammengefasst sind.
Es kann nicht die Aufgabe einer
allgemeinen Besprechung sein, im
Einzelnen zu von den Herausge-
bern aufgeworfenen Fragen Stel-
lung zu nehmen. Nur an einem Bei-
spiel aus dem Arbeitsgebiete des
Rezensenten sei gezeigt, welche
Bedeutimg für das Verständnis
Heine- Jahrbuch 1971
Mit dem soeben im Verlag Hoff-
mann und Campe, Hamburg, er-
schienenen und vom Heine- Archiv,
rmsseldorf herausgegebenen neuen
Heine-Jahrbuch 1971, ist diese Reihe
in ihren 10. Jahrgang getreten. Die-
se seit 1962 veröffentlichten Jahr-
Ijücher stellen stets ganz besonders
interessante Beiträge zur niemals
endenden Heine-Forschung dar. Von
den Essays dieser (126 Seiten star-
ken) Ausgabe seien hier hervorge-
hoben LudTwig Rosenthal: ,, Glossen
zum Notizblatt Heines für den Rab-
bi von Bacherach" mit der Ueber-
schrift ,Vita Abarbanelis' im Heine-
Archiv Düsseldorf, ferner B. Cheru-
bini: „Heine und die Kirchen von
Lucca'', W. Baum: „Ein Heine-Ma-
nuskript im Besitz von Ludwig von
PRStor" sowie Heinz Fischer: „Hein-
rich Heine und Georg Büchner".
Der verdienstvolle Herausgeber und
Schriftsteller des Jahrbuchs, Dr.
Eberhard Galley, schreibt über
„Harry Heine als Benutzer der Lan-
desbibliothek Düsseldorf", schon
deshalb bedeutsam, weil der Ver-
fasser, neben seiner Tätigkeit als
Leiter des Heine-Archivs, auch der
gegenwärtige Direktor der Düssel-
dorfer Landes- und Stadtbibliothek
ist.
Wie in allen früheren Ausgaben,
so enthält auch die vorliegende eine
Anzahl bisher selten bekannter Ab-
bildimgen, darunter z.B. eine Wie-
• dergabe' des lange verschollenen
und erst vor kurzem aufgefimdenen
Oelgemäldes von J. Popper (1844),
eine Neuerwerbung des Heine-Ar-
chivs.
S. RAPHAEL
Die neueste Heine-Forschung
(Schlusfi Ton Seite 13)
mehrt. Der Titel des Buches müss-
te eigentlich heissen „Die fiktive
Person in Heines Werk".
Es ist unmöglich, obwohl es
lohnend wäre, die einzelnen Kapi-
tel dieses Werkes ausführlich zu
•behandeln, deshalb soll nur noch
gesagt sem, dass Sammons über
eine genaue Kenntnis der Werke
Heines Terfügt, ihrer Entstehungs-
geschichte, der maniügfaltigen Ein-
flüsse, eines grossen Teils der
Heine-Literatur, und eine bewun-
dernswerte Belesenheit offenbart.
Er analysiert Rhythmen und Metren
und wägt die Bedeutimg vieler
Worte \md Wendungen, sodass je-
der Heine-Forscher viel von ihm
lernen kann. Mit Recht allerdings
nennt er seine Abhandlimg nur ei-
nen Beitrag. Er ist sich selbst
klar darüber, dass sein Gegenstand
nicht das Gesamt werk ist, sondern
lediglich eine Abstraktion, eben die
fiktive Person. Daher sind manche
Ergebnisse seiner Methode, die vom
schwer fassbaren Wesen des Dich-
ters ausgeht und die von ihm ge-
schaffene fiktive Person schildert,
unarmehmbar. Sie führt oft zu sehr
seltsamen Folgerungen imd Deutun-
gen. Sammons übersieht, dass in
der älteren Dichtung die Wirklich-
keit, die innere und äussere, im-
mer nur Rohstoff ist für eine fik-
tive künstlerische Welt, und dass
zum Wesen des phantasiebegabten
künstlerischen Menschen die Wand-
lungsfähigkeit gehört, die es ihm
möglich macht, sich in andere Per-
sonen einzufühlen und sie zu ver-
wandeln. Daher wirken Sammons
Untersuchungen stellenweise kimst-
fremd.
Im Gegensatz zu diesen beiden
ausländischen Werken, bemühen
sich die beiden deutschen, das ge-
samte Werk in seiner Zeit- und
Umwelt zu erfassen und vermitteln
den Eindruck einer weltgehenden
Sachlichkeit.
WALTER A. BERENDSOHN
ganz wichtiger kulturgeschichtli-
cher Fragen unserer Vergangenheit
einer genauen Analyse des Origi-
naltextes zukommt. Bei der Be-
handlung der Tempelgeräte ist oft
die Frage aufgetaucht, ob es Er-
satzgeräte gegeben hat, wenn die
im Gebrauch befindlichen unrein
wurden. Für die gewöhnlichen Ge-
räte war das sicher der Fall, wie
sich aus Mischna und Talmud
(Chagiga 26b, 27) ergibt. Galt dies
aber auch für die berühmten histo-
risch geheiligten und auf die Stifts-
hütte zurückgeführten Inventarstük-
ke wie Schaubrot-Tisch und Leuch-
ter? Beim Schaubrot-Tisch ist das
Gegenteil durch die an der zitier-
ten Mischna-Stelle ausgesprochene
Warnung vor Verunreinigung aus-
drücklich bezeugt. Bei der Meno-
rah beruft man sich jedoch zum
Beweise, dass mehrere Leuchter
vorhanden waren, immer wieder
auf eine Stelle aus Josephus' Jüdi-
schem Kriege, in der er erzählt,
dass nach der Zerstörung des
Tempels, als die Juden sich in die
höher gelegene Oberstadt zurück-
gezogen hatten, ein Priester mit
Namen Jesus, Sohn des Thibuti,
hervorkam und gegen Schonung sei-
nes Lebens neben anderen Geräten
zwei goldene Leuchter auslieferte,
die den im Tempel befindlichen
ähnlich waren". (Jüd. Krieg 6.
Buch, 8. Kapitel, Absatz 3, 387;
Michel -Bauernfeind Band II, Teil 2,
Seite 66/67; vgl. u.a. Hans Jocha-
nan Lewy in Olamot nifgaschim
1960, Seite 258, Anm. 11).
Nun bezeichnet unglücklicher-
weise das griechische Wort „Lych-
na", ebenso wie das hebräische
„Menorah", sowohl den Leuchter,
d.h. den berühmten Tempelleuch-
ter, als auch andere gewöhnliche
Kandelaber. Für „Tempel" benutzt
Josephus das Wort „Naos", das im
Griechischen zunächst für die Cel-
la, d.h. den Platz des GötterbUdes,
gebraucht wird. Da im AUerheilig-
sten des zweiten Tempels bestimmt
kein Leuchter, vielmehr im Hechal
der berühmte siebenarmige Leuch-
ter stand, hat man das griechische
Wort „Naos" auf ihn bezogen und
daher aus der Josephus-Stelle ge-
schlossen, dass es mehrere solche
siebenarmige Leuchter im Tempel
gegeben habe. Man hat dabei aber
übersehen, dass „Naos" als pars
pro toto auch allgemein „Tem.pel"
bedeuten kann (wie auch von Mi-
chel-Bauemfeind übersetzt, aber
leider in ihrer Anmerkung zu Buch
6 No. 223, Band II 2, Seite 20Ö
nicht konsequent durchgehalten).
Somit lässt sich diese Josephus-
Stelle, wo ja noch dazu von
Leuchtern in der Mehrzahl ge-
sprochen wird, viel natürlicher auf
gewöhnliche Kandelaber statt auf
den berühmten Tempelleuchter be-
ziehen. Sie stellt also keinen Be-
weis für die Existenz mehrerer
Exemplare dieses berühmten sie-
benarmigen Leuchters dar.
Wir haben oben bemerkt, dass
das hebräische Wort „Menorah"
sowohl den Leuchter, also den be-
rühmten Tempelleuchter bezeich-
net, wie es auch allgemein für
Lampe oder Leuchter verwandt
wird Obwohl das nichts mehr mit
Josephus zu tun hat. sei darauf
hingewiesen, dass durch diese
Tücke der Wortbedeutung Profes-
sor Haran in seinem Artikel über
die Menorah in der kürzlich er-
schienenen Encyclopedia Mikrait
(Band 4, Seite 19) der Fehler un-
terlaufen ist, für die strittige Form
des Menorah-Fusses die Mischna
(Kelim 11.7) ru zitieren, obwohl
da ausdrücklich von der Reinheit
bzw. Unreinheit aller Art von Ge-
brauchsgegenständen und ferner
von zusammengesetzten Menorot
die Rede ist (,bischeat chiburan')»
während der beiühmte Tempel-
leuchter nach der Tradition des
Leuchters der Stiftshütte aus ei-
nem Stück gearbeitet war (,,mik-
scha achat" Ex. 25, 36; 37. 22).
Dass in einer erst kürzlich erschie-
nenen bedeutenden Publikation
solch ein Fehler vorkommen koim-
te, zeigt die Schwierigkeit des
Menorah-Problems, über das, wie
oben ausgeführt, auch manche Jo-
sephus-Forscher gestrauchelt sind.
Das Buch von Rachel Wisehnit-
zer: „The Architecture of the Euro4
pean Synagogue (Jewish Publica-
tion Society of America, Philadel-
phia), ermöglicht einen guten
Ueberblick über die bauliche Ent-
wicklung der Diaspora-Synagoge
von den ältesten Zeiten bis zur
Gegenwart. Das Buch enthält 246
Photos und Grundrisse; durch den
guten Text und die fundierten An-
merkungen besitzt es für einen
weiteren Kreis den gleichen Wert
wie für den Fachgelehrten. Seit
den Arbeiten des früh verstorbe- '
nen Yaakow Pinkerfeld ist es die
wichtigste Publikation auf diesem
Gebiete.
Durch die Beschränkung der
Darstellung auf die europäischen
Synagogen entstehen in der Schil-
derung der spätantiken Epoche ge-
wisse Schwierigkeiten, da die Syn-
agogen Palästinas, vor allem die ga-
liläischen, und ihr Einfluss auf die
Diaspora nicht behandelt werden.
Ueberhaupt ist schwer verständlich,,
warum die Autorin sich so strikt
an die Grenzen Europas gehalten
hat. Ein entwicklungsgeschichtli-
cher Abriss hätte in der Spätantike
an den Synagogen des Mittelmeer-
raums lücht vorübergehen dürfen,
dh es hätten ausser den palästi-
nensischen auch die Kleinasiens
imd NordafrUcas zusammen mit
den europäischen behandelt wer-
den müssen.
Der Fehler der geographischen
Beschränkung lediglich auf Euro-
pa macht sich in der letzten Epo-
che genauso bemerkbar wie in der
ersten. Rachel Wischnitzer betont
(Seite 251) selber, die Art des Wie^
deraufbaus der europäischen Syn-
agogen nach der Nazizeit sei ent-
scheidend beeinflusst durch den
Synagogenbau in den Vereinigterk
Staaten gegen Ende der vierziger
Jahre, nämlich durch die Entwick-
lung der Synagoge als (gemeinde-
Haus nicht nur als reine Betstätte.
Hierbei drückt sich die Rückkehr
zum antiken Versammlungshausv
den Beth Haknesset in der eigent-
lichen Bedeutung des Wortes aus^
das nicht nur religiösen Zwecken
diente. Die Tatsache hat dann beim
Wiederaufbau der Synagogen Eu-
ropas unter dem Einfluss der mo-
dernen Synagogen Amerikas Schu^
le gemacht.
Aber trotz dieser störenden Be-
grenzung ftuf Europa vermittelt
das Buch durch die klare Hervor-
hebung der verschiedenen architek-
tonischen Typen wichtige Erkennt-
nisse: Bau-Richtung, Platz des To-
ra-Schreins und der Bimah, der
Sitzbänke und der Galerie, ferner
die Konstruktion als Zentralbau
oder zwei- bzw. dreischiff ige Basili-
ka werden m ihrer architektoni-
schen Bedeutung gewürdigt. Aus
diesem anspruchslosen Buche lernt
der Leser mehr als aus den üppi-
gen Prachtbänden, die jetzt in
Amerika bei Behandlung von Fra-
gen jüdischer Kunst üblich sind.
HEINRICH STRAUSS
.^
Seite 12
MB — 9. April 1971
Nr. 15/16
MILCH UND HONIG
Eine Pessachbetrachtung
In der grandiosen Erzählung des
zweiten Buches der Bibel von der
Vision Moses am Dornbusch (Ka-
pitel 3) ist das Land, in das Mose
sein Volk aus Aegypten führen soll,
in dreifacher Weise charakterisiert:
in seiner Qualität als „ein treffli-
ches und ausgedehntes Land", po-
litisch als „das Land der Kanaani-
ter, Hethiter, Amoriter, Pheresiter,
Heviter und Jebüsiter", und in be-
sonders empfehlender Weise als
„ein Land, das von Milch imd Ho-
nig überfliesst". Eine vierte Be-
zeichnung: „ein Land, das von Gott
den Erzvätern Abraham, Isaak und
Jakob zugesprochen ist", findet sich
in Kap. VI, 4 u. 8. Von diesen
Bezeichnungen ist die preisende
von „MUch und Honig" die am
meisten gebrauchte, sie kommt 19
mal in der Bibel vor. Mose wur-
de am Hofe des Pharao aufgezo-
gen imd, wie noch Flavius Josephus
zu wissen meint, ,,aufs sorgfältig-
ste". Bei den Priestern und Schrei-
bern der Schulen, die zur Zeit der
Pharaonen (Ramses II. war der
Pharao des Auszugs) in Blüte stan-
den, insbesondere auch aufgrund
der Verbindungen der Aegypter mit
den Völkern der Umwelt, erlernte
Mose zweifellos die zahlreichen Ge-
scliichten über die Entstehung der
Welt, die lange vor seiner Zeit
schon in Papyrusrollen verzeichnet
worden waren.
So waren ihm gewiss die Be-
richte vertraut aus altorientalischen
Mythen, die uns erhalten sind, über
fruchtbare Oasen in der Wüste
oder herrliche Gärten in fernen
Ländern oder im Himmel, Gärten
mit prächtigen Bäumen „lieblich
anzusehen und mit wohlschmecken-
den Früchten", Früchten eines Le-
bensbaumes, die ewiges Leben ge-
währen und ein „Baum der Er-
kenntnis des Guten und Bösen" ;
eine Quelle des Lebenswassers, de-
ren Wasser weisser ist als Milch
und süsser als Honig und Ströme,
die kein Wasser führen, sondern
Milch und Honig. Im Paradies
herrscht ewiger Friede; die Men-
schen bedürfen keiner Anstrengung,
den Garten zu pflegen. Schon eine
alte sumerische Beschreibung eines
paradiesischen Ortes weiss zu er-
zählen : „Dilmun ist ein schöner
Platz; der Wolf zerreisst nicht das
Lamm; es gibt keine Krankheit,
kein Alter". (Später Jesaja Kap.
XI, 6 ff: „Der Wolf wohnt neben
dem Lamm".)
Die biblische Darstellung des
Paradieses hat von den älteren
Beschreibungen zwar den Lebens-
baum und den Baum der Erkennt-
nis, wie auch die Ströme übernom-
men, aber nicht solche, die von
Milch und Honig fliessen ; wohl
aber finden sich diese Paradies-
ströme in der nachbiblischen Li-
teratur bei den Apokalyptikern,
die die Zukunft offenbaren, z.B.
im Buch Henoch (ca. 100 v.d.gew.Z.).
Und in den etwa gleichaltrigen
,,Sybillinischen Orakeln" heisst es:
,,vom Himmel fliesst lieblicher
Trank süssen Honigs, und die Er-
de lässt süsse Quellen weisser
Milch hervorbrechen". Der klassi-
sche deutsche Sammler der „Ge-
flügelte Worte", Büchmann, sagt
zu „Milch und Honig", dass die-
ser Begriff auch in anderen Spra-
chen vorkommt. So ist beispiels-
weise bei Plato in ,,Jon" die Rede
von den Bacchen, die begeistert
aus den Strömen ,, Milch und Ho-
nig" schöpfen; oder bei Homer
(Odyssee, XI. Gesang), wo Odys-
seus für alle Toten in der Unter-
welt ,, Milch und Honig" opfert.
Ein Anklang an die alte Vorstel-
lung findet sich auch darin, dass
die beiden Hauptquellen des Hun-
deflusses in Syrien „die Milchquel-
le" und „die Honigquelle" heissen.
Die Zusammenstellung der offen-
bar sehr beliebten Lebensmittel
bedeutet von ältester Zeit an
Fruchtbarkeit und Fülle, so z.B.
bei. Hiob, Kap. 20, Vers 17 „die
flutenden Ströme von Honig und
Sahne". In einem weit älteren Lied
aus dem kanaanitischen Ugarit (ca.
1400 v.d.gew.Z.) heisst es : „die
Bachtäler sind voll von Honig".
Später finden wir bei dem Pro-
pheten Joel : ,,die Hügel fliessen
von Milch" (IV, 18). Im „Hohen
Lied" heisst es: ,, Honig und Milch
birgt Deine Zunge" (IV, 11). Der
Ausdruck kommt auch in der ara-
bischen Literatur vor.
Seit alter Zeit haben die Men-
schen von dem, was sie selbst
schätzten, den Göttern Opfer ge-
FUR PERSOIMLICHEIM
VERSICHERUNGS - SCHUTZ
>0mmiicmunor'
T A
N Z M
A N
19
BEN YEHUDA ST.
JERUSALEM
Grosse Auswahl in
19
UMSTANDSKLEIDUNG
BLUSEN ^ STRICKWAREN - ROECKE
nov; >n
1
ALLEN VORAN
I
bracht. Opfergaben erjagter Tiere
sind bei Ausgrabungen aus prä-
historischer Zeit gefunden worden.
Schon in den ältesten auf uns ge-
kommenen Schriftdokumenten sind
Opfer erwähnt, wie z.B. im sume-
rischen Gilgamesch Epos. Utna-
pischtim, der sumerische Ueber-
lebende der Sintflut, opfert nach
Aufhören der Flut den Göttern wie
in der Bibel dann Noah (I. Buch
Moses, 8, 20 f.). In der biblischen
Erzählung opfert Kain von seiner
Herde, Abel von seinen Feldfrüch-
ten (I. Buch Moses, 4, 1 ff.). In
den Vorschriften über die Opfer
im dritten Buch Moses, Kap. 2,
ist der Honig als Erstlingsopfer,
die Milch jedoch nicht erwähnt.
Wohl aber ist auch an sie zu er-
innern, denn der Opfernde, der die
Erstlinge darbringt, hat bei der
Uebergabe an den Priester zu sa-
gen: ,,Gott gab uns dieses Land,
das von Milch und Honig über-
fliesst" (Buch V, Kap. 26, 9 u. 15).
Der für die Griechen erwähnte
Brauch, Milch und Honig zu op-
fern, galt auch bei den Römern.
Als die Völker anfingen, den
Boden zu bearbeiten und Vieh zu
züchten, konnten sie die ihnen not-
wendigen und bei ihnen beliebten
Nahrungsmittel nur unter grossen
Mühen erlangen. Sie stellten sich
daher vor, dass es einen Ueber-
fluss von diesen Erzeugnissen nur
bei den Göttern oder an besonde-
ren Plätzen geben könne. Sie ver-
5 / i T t R S
66, ALLENBY Rd.
TEL-AVIV
DAS HAUS FÜR
EXKLUSIVE
DAMENMODEN
legten die Fülle von Milch und
Honig in den Himmel oder ins
Paradies. Mose hat die Glücksgüter
vom Himmel auf die Erde geholt.
Das Land, in das er sein Volk
bringen wollte, bezeichnete er ihm
als ein realisierbares Paradies und
schuf damit, in klarer Erkenntnis
der Notwendigkeit, eine anfeuern-
de Parole. Diese seine Leistung ist
deshalb nicht weniger grossartig,
weil er ein uraltes Motiv benutzt
hat. Um beim Thema ,, Auszug aus
Ägypten" zu bleiben — auch die lite-
rarische Leistung von Thomas Mann
wird dadurch nicht geringer, dass
er in seiner Novelle: ,,Das Gesetz"
Motive benutzt, die er von Goethe
aus ,, Bemerkungen zum West-Oest-
lichen Divan" übernommen hat.
ALBERT BAER
Hans Kohn zum Gedächtnis
Der deutschen Ausgabe seiner
Autobiographie hat der am 16. März
1971 in Philadelphia verstorbene
Historiker Professor Hans Kohn
den Titel , .Bürger vieler Welten"
((1965) gegeben. Sein Lebensgang
und sein Lebenswerk rechtfertigen
diese Ueberschrift, denn Hans
Kohn, am 15. September 1891 in
Prag geboren, hat an vielen Orten
gelebt und ist in viele Welten
kraft seines analytischen Geistes
eingedrungen. Prag, die Dreivölker-
stadt, war sein Ausgangspunkt, wo
er schon als Einundzwanzigjähriger
das so berühmt gewordene Sam-
melbuch des Vereins jüdischer
Hochschüler Bar Kochba „Vom Ju-
dentum" herausgab. Dann aber
kam nach gerade abgeschlossenem
Studium der Erste Weltkrieg, der
Niedergang der Habsburg-Monar-
chie, Kampf an der Front, vier
Jahre Gefangenschaft in Sibirien,
die bolschewistische Revolution
und schliesslich eine verwegene
Flucht über Charbin und Japan zu-
rück nach Europa. Die Jahre zwi-
schen 1920 und 1931 verbrachte
Hans Kohn in Paris, London und
Jerusalem und in dieser Zeit wurde
er zum Historiker. Seine Erlebnisse
hatten die Richtung gewiesen, die
ihn nach gründlichsten wissen-
schaftlichen Studien zur Untersu-
chung und zur Darlegung des Pro-
blems des Nationalismus veranlass-
te. Bücher brachte er heraus über
,,Sinn imd Schicksal der Revolu-
tion" (1923), die ..Geschichte der
nationalen Bewegung im Orient"
(1928). den ..Nationalismus in der
Sowjetunion" (1932). die in zahlrei-
che Sprachen übersetzt wurden und
die Grundlage für Kohns reiches
wissenschaftliches Werk wurden.
1933 nahm Hans Kohn seinen
Wohnsitz endgültig in den Vereinig-
ten Staaten. Hier wurde er nach
einer nicht ganz leichten Ueber-
gangszeit zu einem der beliebtesten
und anerkanntesten Hochschulleh-
rer. 1944 veröffentlichte er sein
grosses Werk „Die Idee des Natio-
nalismus", das dann auch in spa-
nischer, italienischer und deutscher
Uebersetzung erschien. Die Zahl sei-
ner Bücher, die im Laufe dieser
drei Jahrzehnte seinen Namen tru-
gen, beträgt mehr als zwei dut-
zend. Viel zitiert und viel geprie-
sen wurde ein Werk der letzten
Jahre ..Wege und Irrwege. Vom
Geist des deutschen Bürgertums"
(1962), das die deutsche Geistesge-
schichte seit Goethes Tagen schil-
dert.
Schon 1930 hatte Hans Kohn die
Entwicklung Martin Bubers und
seine Wirkung auf das westeuro-
päische Judentum dargestellt. Die-
ses Werk, von Robert Weltsch bis
1960 fortgeführt, erschien 1961 als
Veröffentlichung des Leo Baeck In-
stituts in 2. Auflage. Unmittelbar
für das Leo Baeck Institut schrieb
er 1962 das Buch ..Karl Kraus. Ar-
thur Schnitzler. Otto Weininger.
Aus dem jüdischen Wien der Jahr-
hundertwende".
Hans Kohn war ein Gelehrter
und zugleich ein eminent begabter
Schriftsteller. Er war ein Huma-
nist und als solcher zutiefst der
abendländischen Kultur verhaftet.
Das Jahr 1914 bedeutete für ihn die
grosse Zäsur, mit der das Zeitalter
der noch lange nicht abgeschlosse-
nen Weltrevolution einsetzte. Er
wusste, dass wir noch mittendrin
stehen, und in persönlichen Gresprä-
chen hat er das immer wieder
zum Ausdruck gebracht. Sein Tod
trifft viele Freunde in aller Welt
schwer, die nun die Verbindung
mit ihm, seinen Rat und seinen Zu-
spruch vermissen werden. Dass es
neben seinen zahlreichen Schülern
diese Freunde gibt, mag seiner
verehrten Gattin Jetty, geb. Wahl
zum Trost gereichen!
H.T.
ISfr. 15/16
MB — 9. April 1971
Seite 11
PESSACH IN JERUSALEM
Von jüdischer Wallfahrt im antiken Staate
.-.••^-w
:^-%r'
Der Gesetzesvorschrift der Bibel
(5. Buch Mose, 16, 16) getreu zo-
gen vor 3000 Jahren die ersten jü-
dischen Wallfahrer zu den ,,scha-
losch regalim" zum Heiligtum, ihre
Opfer darzubringen imd ihre Sche-
kelzahlung zu entrichten. Schilo
war das ursprüngliche Ziel, seit
den Tagen Salomos aber der Tem-
pel in Jerusalem. Auch wiederholte
Versuche der Könige des Nord-
reichs, andere Heiligtümer wie
Bethel populär zu machen, schei-
terten schliesslich an der überwäl-
tigenden Anziehungskraft der Heili-
gen Stadt. Fast tausend Jahre lang,
iDis zur Zerstörung der Stadt durch
die Römer, zogen dreimal jährlich
die Massen der Juden hinauf, um
ihre frommen Pflichten in Jerusa-
lem zu erfüllen. Wir erfahren recht
wenig über Durchführung und
Form der Wallfahrten aus bibli-
schen Quellen. Gewiss ist jeden-
falls, dass bis zum Ende des 2.
Jahrhunderts vor der gewöhnl.
Zeitrechnung ganz vorwiegend die
Landesbevölkerung der Juden an
diesen Fahrten teilnahm. Erst als
die pax Romana auch die Mehrheit
der Diaspora-Länder in einen poli-
tisch gemeinsamen Rahmen gesi-
cherter Verbindungswege einbezog,
änderte sich das Bild, um imter
Herodes Jerusalem zu begehrtem
Wallfahrtsziel auch der weit ver-
streuten Diaspora zu verwandeln.
Zugleich aber nalim damit die
einstmals aus rein religiösen Moti-
ven unternommene Fahrt der Ein-
heimischen den Charakter eines jü-
dischen Gemeinschaftserlebnisses
an, das Erez Israel imd die Dia-
spora eng miteinander verband.
Denn all die Juden von weither
konnten durch diese Festbegegnung
an Gottes HeUigtum zugleich auch
ihre Volksverbundenheit vertiefen.
Für dieses Jahrhundert des an-
tiken Höhepunktes der Wallfahrts-
züge unter den Herodianern bieten
reiches Anschauungsmaterial PhUo,
Flavius Josephus, die Mischna, die
Tossafot, aber auch die römischen
Schriftsteller. Nim kamen die
„Olej-regel" aus Italien, Griechen-
land, Kyrene, Kleinasien, Aegyp-
ten, Syrien und selbst aus dem —
jenseits römischer Herrschaft lie-
genden — Babylonien. Philo schrieb
schon vor Josephus, es kämen
jährlich „Zehntausende aus tausend
Städten" zum Fest nach Jerusa-
lem. Die von Herodes mit so gros-
sem Aufwand durch Paläste, Bur-
gen und Gärten gezierte Stadt, vor
allem aber der um seiner Pracht
willen weitberühmte Tempel imd
die mächtige Festung lun ihn, bil-
deten eine zusätzliche Attraktion
für die Besucher. Und wenn auch
durchaus nicht alle Juden zu Pes-
sach nach Jerusalem ziehen konn-
ten, manche wohl schon aus fi-
nanziellen Gründen nicht, so füll-
ten dennoch tausende ausländischer
Juden, gemeinsam mit ihren Brü-
dern aus ganz Erez Israel, die
Stadt bis zum Bersten mit Fest-
gästen. Selbst wenn die Schätzun-
gen zutreffen, nach denen Jerusa-
lem imter den Herodianern an die
hunderttausend Einwohner zählte,
bedeutete der Zustrom der Pilger-
Massen eine geradezu revolutionie-
rende Veränderung des Stadtle-
bens für die Festdauer.
Im „Jüdischen Krieg" (VI, 9)
erklärt Josephus die auffallend
hohe Zahl der jüdischen Todesop-
fer durch die Belagerung des Titus
vor allem damit, dass „aus dem
ganzen Lande das Volk zimi Pest
der Mazzot in die Hauptstadt zu-
sammengeströmt war... und so
fügte es das Schicksal damals,
dass das ganze Volk wie in ein
Gefängnis eingeschlossen war". Es
müssen also wohl Hunderttausende
gewesen sein, die sich zu Pessach
in Jerusalem zusammenfanden. Ge-
wiss kamen bei ihrem Besuch in
der schönen Stadt, und nicht nur
durch das Erlebnis des Tempeldien-
stes, die Gäste reichlich auf ihre
Kosten. Andererseits bedeutete der
Massenbesuch für die Stadtbewoh-
ner eine ungewöhnliche Förderung
der Wirtschaft in allen Zweigen.
Allein die Erfordernisse der Unter-
bringung beflügelten die städtische
Bautätigkeit. Selbst die Steinmet-
zen profitierten nicht wenig, wie
die vielen Beschriftungen aufge-
fundener Grabanlagen der Zeit be-
weisen. Da die Sitte, Tote nach
Erez Israel zu überführen, erst der
nach-staatlichen Epoche angehört,
handelt es sich dabei also um die
letzten Ruhestätten von Pilgern, die
in Jerusalem während ihrer Wall-
fahrt verstorben sind, wie z.B. das
Grab des Nikanor von Alexandrien
auf dem Skopus, des von der
Mischna belobten Stifters der
Bronze-Tore für das Hechal, zeigt.
Die Gepflogenheit der Diaspora-
Juden, jährlich durch Sendboten
'Abgaben für den Tempel ins alte
Heimatland zu schicken, wird z.B.
aus dem Prozess in Rom des Jah-
res 63 vor der gew. Zeitrechnung
deutlich, in dem Cicero den römi-
schen Gouverneur von Asia Minor
gegen die jüdische Anzeige zu ver-
teidigen suchte, die für den Tem-
pel bestimmten Gelder unterschla-
gen zu haben. Seit Augustus war
es verbrieftes Recht der Juden
Roms, von Ephesus, Kyrene und
Sardes, diese „Israel-Steuer" zu
entsenden, wie auch aus dem 16.
Buch der „Altertümer" von Flavius
Josephus hervorgeht. In welchem
Ausmass allein schon die Landes-
bevölkerung an den Pessach-Wall-
fahrten beteiligt war, illustriert ei-
ne Notiz von Josephus, die erzählt,
dass der im Jahre 66 durch Lod
reitende Prokurator Cestius Gallus
die Stadt menschenleer fand: sie
waren alle zum Fest nach Jerusa-
lem gezogen! Dass neben den Be-
wohnern von Judäa auch die Gali-
läer in Scharen kamen, beweist die
von Josephus erwähnte Zahl von
2000 Tiberianem, die von der Be-
lagerung in Jerusalem überrascht
wurden.
Noch der Talmud bringt viele
Hinweise darauf, dass zu Zeiten
der Herodianer die Diaspora-Ge-
meinden Synagogen und Pilger-
Hospize in Jerusalem besassen. Am
Ophel fanden sich die Baureste
mit der folgenden griechischen Vo-
tiv-Inschrift eines solchen „Touri-
sten-Hotels": „Theodotos der Vet-
tener, Priester und Synagogenober-
haupt... baute diese Synagoge zum
Lernen der Thora und der Vor-
schriften, sowie das Hospiz, die
Zimmer und Wasseranlagen zur
Beherbergung derer, die ihrer be-
dürfen die aus der ^ emde kom-
BÜCHER
in sorgsamer und reichar
Auswahl, hebrtUacdi, eng-
lisch u. deutsch, neu und
antiquarisch.
LANDSBERGEB
Inh. I. S. Farnes
T.A., BEN JEHUDA STR. 9
TEL. 563S0
men." Ins Hebräische übersetzt
hiess dieser Parnes wohl Jonathan
und war ein Kohen. Die Tatsache,
dass sein Vater „Vettener" war,
lässt die Vermutung zu, dieser sei
durch Pompe jus als Sklave nach
Rom mitgenommen, dort der be-
kannten römischen Adelsfamilie der
Vettier verkauft und später freige-
lassen worden. Die Theodotos-Syn-
agoge wurde anscheinend für Gäste
aus Rom erbaut. Dass es mehrere
derartiger Diaspora-Hospize gab,
zeigt an, mit welcher Regelmässig-
keit die Juden des Auslands zu
den Wallfahrtsfesten nach Jerusa-
lem kamen.
Die Pilgerzüge waren innerhalb
Erez Israels nach Landesbezirken
organisiert und erschienen in Jeru-
salem zu Fuss, auf Wagen oder auf
Eseln in Kolonnen. Sie zogen,
gleich ihren Brüdern aus dem Aus-
lande, unter Führung ihrer Parnas-
sim und Chasanim singend hinauf.
Es wird angenommen, dass etwa
die .,schirej hama'alot" auf diesen
Wallfahrten nach Jerusalem gesun-
gen wurden. Für den Psalm 122
(„Ich freute mich, als man zu mir
sprach: zu Seinem Haus wollen
wir gehen") gilt als sicher, dass er
beim Anmarsch auf die Heilige
Stadt angestimmt wurde. Die Dia-
spora-Wailfahrer sammelten sich
(nach Josephus) an bestimmten
Sammelplätzen, wie z.B. Nehardea,
und zogen geschlossen — die Ab-
gaben ihrer Gemeinden mit sich
führend — nach Erez Israel. Aus
Westasien dauerte die Fahrt etwa
zwei Wochen. Die Gäste aus Ita-
lien und Griechenland benutzten
Schiffe, deren Ländeplätze Akko
und Caesarea genannt werden.
Die Jerusalemer Stadtväter tra-
fen jeweils schon Wochen vorher
die erforderlichen praktischen
Vorbereitungen für die Ankunft
der Auslandsgäste. Vor allem muss-
ten die Zufahrtsstrassen nach der
Regenzeit in Stand gesetzt und die
Brunnen repariert werden. Sehr
wichtig war auch, die Mikwot nah
dem Tempelplatz zu säubern, denn
für Pilger bestand die Vorschrift,
etwa eine Woche lang vor Betreten
des Tempelplatzes mehrfach zu ba-
den. Diese Mikwot waren zumeist
aus dem Felsen gehauen und mit
Einstieg-Treppen versehen, wie
man sie in dem erhaltenen
„Bethesda "-Teich nördlich des Tem-
pelplatzes erkennen kann.
Bei der Ankunft in Jerusalem
wurden alle Pilger von städtischen
Repräsentanten und Leviten be-
grüsst. Vermutlich stellt der Psalm
118 einen der Begrüssimgs-Dialoge
vor Jerusalems Toren dar. Der er-
ste Besuch jedes Ankömmlings galt
natürlich immer den Vorhallen des
Tempels. Erst danach kümmerte
man sich um sein Quartier. Zwar
besassen PatrizierfamUien Som-
merhäuser und Paläste für den
Pessach-Besuch, so etwa Herodes
Antipas, Agrippa II. und die be-
rühmte Proselyten-Fürstin Helena
von Adiabene. Aber die Menge war,
soweit nicht in einem Gemeinde-
Hospiz versorgt, auf Nachtquartie-
re angewiesen. Ganze Zeltstädte
scheinen zur Festzeit auf den Hö-
hen imd in den Tälern um Jerusa-
lem entstanden zu sein. Nach ei-
nem Midrasch durfte den Pilgern
kein Geld für ihr Nachtquartier
abgefordert werden, doch heisst es
dort auch: ,,Nie sagte einer, ich
fand kein Bett in Jerusalem." Die
Gäste entschädigten ihre Wirte
durch Ueberlassung der Felle der
Opfertiere. Neben dem Tempel-Be-
such stellte zweifellos der mit Je-
rusalemer Gastgebern gemeinsam
verbrachte Seder-Abend das gröss-
te Erlebnis für die Besucher dar.
Josephus bemerkt hierzu in den
„Altertümern" (IV, 8.7) sehr hübsch:
,,Es ist schicklich, dass die, die
dem gleichen Volk angehören und
nach gleichem Gesetz leben, einan-
der persönlich kennen lernen."
Die Leviten übten strengste Kon-
trolle darüber, dass die PUger zum
PessachOpfer am Tempel rein ge-
waschen und in weisser Kleidung
erscliienen. Das Emährungspro-
blem für die Besuchermassen löste
sich wohl dadurch, dass sie ja alle
Opfertiere und Früchte mitbrach-
ten. Die Trinkwasserversorgung
hingegen muss oft Sorgen bereitet
haben. Aber auch sie hat sicher
die Freude der WaUfahrt nach Je-
rusalem nicht beeinträchtigt.
ELI ROTHSCHILD
Dl I4COI&OHN AOV.
!
/
huf '¥' / -ii^-^* V'''^
^^.^T^iÄ^^^rTf//
/hC^t^
7
-T^f ' :t7
j^/i^Jm^ A^ii^tl-M-^?^-^^'^ A»^*Ä
v^
IIA.
4,*«4^^ uU^^c^^^ ^_^^*^^
'^ ^
eiAM'i^
^^-i^iT '_ne^ci_^__(^*4/£>ü^
/^i^^^y^^ «^ eu^i^t^ 4uu^
^ OyOt't^a^ ^^ '^^'"
^-»^J^—^
''CUf^fCC^
^__«i<^^^<4s*«^
_>^ ^A^^J^Ats^A _v^-^^>^' ^^'^
^«f
2!i'**>Af^t^
,^^^_^W^*z*:X-^
_Ä^
^^_A^^W^ _4^^/*< _^-^> «^ , ^. „44?^^
>c:^
^/./^ ^^JM^Ui^
y^#*^!_^^^*^-
A
i
yi^ /*t XiAU^t^ j^tii^
CiiAA^^^^' '^
_^,^. Mu^^^^ ,(^^
i:.c^.
L
Cf
A v^
/^^i -^o
Sf
WH^ V€A>iA'<"t
Kjäm^a^
iM^^^TMlIMm
/
Nr. 34
MB — 1. September 1967
Seite 3
HANS TRAMER
Ismar Elbogens letzte Werke In Neubearbeitung
Dass jüdische Geschichte nicht
isoliert gesehen und dargestellt wer-
den kann, diese Tatsache gehört
zu den Grundwahrheiten histori-
schen Forschens. Überall wo Juden
sich aufgehalten haben, waren be-
sondere Zeitmotive, politische oder
religiöse Zustände, die jeweilige in-
nere und äussere Situation, mate-
rielle Bedingungen massgebend für
die Verhaltungsweisen der verschie-
denen Bevölkerungsschichten, ihrer
wechselnden Herrscher oder Regie-
rungen den Juden gegenüber. Das
gilt für alle Zeiten der Diaspora-
geschichte und natürlich auch für
die Geschichte der Juden in Deutsch-
land. „Wer sich einmal näher mit
ihr beschäftigt hat, weiss, wie stark
sie die allgemeine deutsche Ge-
schichte widerspiegelt. Die Lage
der jüdischen Minderheit erhellt
die Widersprüche und Mängel der
jev/eiligen Gesamtgesellschaft. Wo
immer die Juden in Deutschland
zum Grund aller Übel erklärt und
zum Ventil für Unzufriedenheit imd
Erbitterung gemacht worden sind,
müsste es auch möglich sein, um-
gekehrt, also ausgehend von der
Situation der Verfolgten, die den
Judenhetzen jeweils zugrundeliegen-
den allgemeinen Misstände zu un-
tersuchen."
Diese Sätze sind dem Vorwort
entnommen, das Eleonore Sterling
ihrer Neubearbeitung eines Werkes
von Ismar Elbogen vorangestellt,
das Elbogen 1935 unter dem Titel
„Die Geschichte der Juden in
Deutschland" geschrieben und her-
ausgegeben hatte. Mit Recht hebt
Eleonore Sterling hervor, dass die-
ses Buch Elbogens „zu den Doku-
menten des geistigen Widerstandes
der Juden gegen die Gewalt gehört".
Als Elbogen an die Abfassung die-
ses Buches ging, verband er eine
ausgesprochen pädagogische Absicht
damit, er wollte den Juden im da-
maligen Deutschland, zu Beginn der
Nazizeit zeigen, dass ihr Schicksal
selbst im Rahmen ihrer eigenen
Geschichte nicht einmalig ist. Es
ging ihm darum, ihr jüdisches Ge-
schichtsbewusstsein zu stärken und
ihren Lebens- imd Durchhaltewillen
anzulachen. Das Buch v;ar geschrie-
ben worden imter den Bedingimgen
und den Voraussetzungen jener Zeit.
Es musste die Zensur des national-
sozialistischen Propagandaministeri-
ums passieren und konnte daher
manches nur zwischen den Zeilen
deutlich machen, was unter anderen
Verhältnissen eine klarere Spra-
che erhalten hätte. Auch führte er
Toewusst seine Dar.stellimg nur bis
zum Ausbruch des er-sten Weltkrie-
ges, weiter wollte — oder durfte
er wohl nicht gehen. Wie hätte er
auch die Wirren der Nachkriegs-
zeit mit den vielen nationalistischen
Verbänden und ihren verschiedenen.
Putschen beschreiben sollen!
Nun hat Eleonore Sterling eine
■umfassende Neubearbeitung dieses
Werkes vorgenommen, die im ver-
gangenen Jahre in der Europäi-
schen Verlagsanstalt, Frankfurt a.M.
herausgekommen ist. Wir glauben.
Professor Elbogen hätte dieser Neu-
fassung seines Buches voll zuge-
stimmt. Nun liegt eifie zwar kurz-
gefasste, aber die entscheidenden
Ereignisse klar wiedergebende „Ge-
schichte der Juden in Deutschland"
vor, die als Lehr- und Hilfsbuch
sicher hervorragende Dienste lei-
sten wird. Mit Recht hat es Frau
Sterlmg für vertretbar gehalten,
Elbogens „zuweilen recht apologe-
tische Ausführungen fallen zu las-
sen", wobei bestimmend war ,,die
Überzeugung, dass dieser einsichts-
"volle, weltoffene Gelehrte wohl sel-
ber mit der jüngeren Generation
Schritt gehalten hätte". Gewiss hat
Professor Elbogen, wie wir unse-
ren Lehrer kannten, das „jüdische
Los" auch in dem Originalmanu-
skript nicht resigniert hingenom-
men, aber damals musste er wohl,
um überhaupt sprechen zu körmen,
so manches in eine noch gerade
haltbare Form bringen, die unter
anderen Umständen eine veränderte
Gestalt erhalten hätte.
Ismar Elbogen konnte seiner in
der Nazizeit geschriebenen und her-
ausgekommenen ,, Geschichte" we-
jder Quellenangaben noch ein Lite-
h-aturverzeichnis beifügen. Beides
jist jetzt von Eleonore Sterling dem
»Buche angeschlossen worden. Vor
allem aber hat sie das nunmehr
gemeinsame Werk um zwei Kapitel
bereichert, von denen das eine in
einem kurzen übeblick „Die Wei-
marer Republik" behandelt, wäh-
rend das andere als Abschluss die-
ser Geschichtsepoche unter Ver-
wendung von verlässlichem stati-
^stischem Material „Die Vernichtung
Vies deutschen Judentums" skizziert.
Es sind gut geschriebene, sich an
Elbogens Stil anlehnende, tatsachen-
reiche Absätze, die das Buch in
jeder Hinsicht abrunden und zu
einer Einheit bringen, die ihm in
seiner Originalgestalt notgedrungen
fehlen mussten. Wir begrüssen die-
se Neuherausgabe, die eine sehr
willkommene und bisher fehlende
Einführung in die Geschichte der
Juden in Deutschland darstellt. Dass
sie nur als eine Einführung ge-
dacht war, hebt auch das Titel-
blatt ausdrücklich hervor.
Diese ,, Geschichte" wa" in einer
Zeit ausserordentlicher wissenschaft-
licher, allgemein öffentlicher und
natürlich auch seelischer Anspan-
nung des Autors verfasst worden.
Elbogen hatte ein umfangreiches
wissenschaftliches V/erk hinter sich,
ihn zeichnete eine ungewöhnlich er-
folgreiche Lehrtätigkeit aus, die ihn
dank seiner Hilfsbereitschaft, sei-
ner steten Sorge für seine Schüler
und seines grossen Organisations-
talentes zum eigentlichen Haupt
der Hochschule für die Wissen-
schaft des Judentums machte. Sei-
ne Geltung als füiirender jüdischer
Historiker stand ausser Frage. 1913
hatte er sein grundlegendes Werk
„Der jüdische (iottesdiensl in sei-
ner geschichtlichen Entwicklung"
herausgebracht, das 1924 und 1931
in zweiter und dritter Auflage er-
schien und von dem ein photome-
chanischer Neudruck 19f)6 vom Ver-
lag Georg Olms, Heidelberg ver-
öffentlicht wurde. 1919 entstand sei-
ne „Geschichte der Juden seit dem
Untergang des jüdischen Staates",
die mehrere Autlagen in deutscher
und je eine in schwedischer und
englischer Sprache erlebte. Aber
man kann seine wissenschaftlichen
Arbeiten nicht alle aufzählen: die
Bibliographie seiner Schriften bis
zum Jahre 1934 allein umfasst mehr
als 300 Veröffentlichungen. Ausser-
dem war er Mitglied der Redaktion
des ,, Jüdischen Lexikons", einer der
drei Herausgeber der ,, Germania
Judaica" und mit Jakob Klatzkin
zusammen zeichnete er verantwort-
lich für die neue grosse „Encyclo-
paedia Judaica", die leider nur bis
zum Buchstaben "L" fortgeführt
werden konnte. Hinzu kam noch
seine Herausgebertätigkeit für die
von ihm wieder ins Leben geru-
fene „Zeitschrift für die Geschich-
te der Juden in Deutschland".
Wahrlich eine ungeheuerliche Ar-
beitsleistung für einen vielbeschäf-
tigten Hochschullehrer und einen
aktiv am jüdischen Leben teilneh-
menden Gelehrten!
1938, im Alter von 64 Jahren,
musste Professor Elbogen seine
Lehrtätigkeit in Berlin aufgeben
und nach Amerika auswandern.
Kurz nach seiner Ankunft in New
York trat Prof. Alexander Marx
vom Jewish Theological Seminary
mit dem Vorschlag an ihn heran,
,,der 'Geschichte der Juden' von
Heinrich Graetz einen Band hin-
zuzufügen, um sie bis zur Zeit der
Gegenwart fortzufüliren". Elbogen
nahm diese Anregung auf und
schrieb ein wissenschaftlich fun-
diertes, aber in seiner Darstellung
populär gehaltenes Buch, das 1944
— leider erst nach seinem am 1.
August 1943 erfolgten Tode — in
englischer Sprache unter dem Titel
,,A Century of Jewish Life" er-
schien. Das Werk fand in USA
einen solchen Anklang, dass 1946
eine zweite Auflage herauskam.
Von diesem Buch lag ein voll-
ständiges deutsches Manuskript vor.
Ellen Littman, eine Schülerin El-
bocens, die jetzt am Leo Baeck
Xüollege in London lehrt, hat es
sorgfältig bearbeitet, von Anglizis-
men gereinigt, insbesondere deut-
sche Quellen eingefügt, die das für
ein englisch sprechendes Publikum
vorbereitete Original nicht enthielt,
und es nun unter dem Titel „Ein
Jahrhundert jüdischen Lebens. Die
Geschichte des neuzeitlichen Juden-
tums" publiziert (Europäische Ver-
langsanstal, Frankfurt a.M. 1967).
» Gewiss, auch dieses Buch ist
noch während des zweiten Weltkrie-
ges geschrieben. Aber welche Wei-
te der Auffassung besitzt es, und
wie weiss Elbogen seinen Stoff zu
gliedern! Allein schon die Untertei-
lung vermag dem Leser einen Be-
griff- von, dem Gebotenen zu ver-
mitteln. Das über 750 Seiten starke
Werk ist in fünf grosse, von El-
bogen „Bücher" genannte Ein-
schnitte zerlegt, die er ,,Das Zeit-
alter des Liberalismus 1848—1880",
,.Die Internationale des Hasses",
,,Die jüdische Renaissance", „Die
Welt in Unruhe" und „Der erste
Weltkrieg imd seine Folgen" nennt.
Interessant ist, dass er in dieses
fünfte Buch „Hitlers totalen Krieg
gegen die Juden" nur als letztes
Kapitel, vor einem Kapitel „Die
nationale Heimstätte für das jü-
dische Volk in Palästina" einreiht.
Einen Nachteil des Buches kann man
darin sehen, dass es fast völlig,
bis auf ganze vier Seiten, das Ju-
dentum in den orientalischen Län-
dern unberücksichtigt lässt und
sich demnach beinahe ausschliess-
lich mit den Juden in Europa und
in der Neuen Welt beschäftigt. Viel-
leicht ist die Hervorhebung des
,,ncuzeitlichen" im Untertitel als
ein Hinweis auf diese Beschrän-
kung zu deuten. Aber wie dem
auch sei, dieses ja besonders be-
wegte Jahrhundert jüdischen Le-
bens findet in diesem Werke, das
über fast 100 Seiten Anmerkungen
und 20 Seiten Bibliographie vei-
fügt, eine ganz hervorragende Dar-
stellung. Sie wird zu einer leben-
digen, ja spannenden Lektüre.
Für den, der Professor Elbogen
noch aus eigener Schülerschaft
kennt, enthält gerade dieses Buch
einige sehr reizvolle Partien, die die
Aufgeschlossenheit imd Wandlungs-
fähigkeit dieses grossen Gelehrten
und Forscners beweisen. Schon das
Kapitel über die Emanzipation in
Mittel- und Westeuropa hat für den
aufmerksamen Leser eine etwas an-
dere Nuancierung, als wir das frü-
her an ihm gewohnt waren. Ganz be-
sonders tritt das aber in der Dar-
stellvmg der Lehre Achad Haams
hervor. Andererseits hat sich sein
Bekenntnis zum Aufbau in Erez Is-
rael nur gefestigt, er war immer
für das Palästinawerk eingetreten,
jetzt aber fliessen ihm folgende
Sätze in die Feder: „Palästina ist
das einzige Land der Welt, wo Ju-
den als Juden ein normales Leben
führen und normale Leistungen
vollbringen können. Die allmähliche
Herausbildimg eines selbstbewuss-
ten jüdischen Typus und einer
neuen jüdischen Kidtur wird einen
wohltuenden Eüifluss auf die Dias-
pora haben."
Bewimdernswert in diesem Bu-
che, dessen Niederschrift in den
Jahren 1942 und 43, also zur Zeit
der grössten Nazisiege erfolgte, ist
der Glaube Elbogens an die Ueber-
wüidimg der Barbarei, wenngleich
er sich auch keiner Täuschung über
das Schicksal der Juden in Europa
hingibt. „Hitlers Untergang ist über
jeden Zweifel erhaben", ruft er
aus. Er weiss aber auch, welch
schwere Probleme die Nachkriegs-
zeit aufgeben wird, soweit es sich
um die Juden handelt. Er weiss,
wie schwer es für die, die die Höl-
le überlebt haben werden, sein
v/ird, ..das innere Gleichgewicht
v;iederzutinden, um zu normaler
Betätigung zuiiickzixkehren". Eins
aber steht für ihn fest: „Antizionis-
mus gehört einer vergangenen Pha-
i^e der Geschichte an"!
Wir sind Ellen Littman allen
Dank schuldig, dass sie dieses letzr
le grosse Werk Elbogens bearbeitet
imd in deutscher Sprache herausge-
Jieben hat. Es ist eine Fortsetzung
der grossen Leistimg von Heinrich
Grätz, dessen 150. Geburtstag übri-
gens in dieses Jahr fällt, das ein
grosses Stück jüdischer Geschichte
des 19 imd 20. Jahrhundert erhellt.
Ellen Littmann hat eine Aufgabe
erfüllt und glänzend durchgeführt,
die wir unserem veiehrten Lehrer
schuldig waren.
^y^i^5 ^it€f^t%.^v^ JCtA^&t 1^t♦^^ Wuser^sch^h
Ais Auftakt zur internationalen
Theaterwoche in Frankfurt brachte
das Scala-Theater aus Stockholm
das neue Drama von Peter Weiss
,,Der Gesang vom Lusitanischen
Popanz". Es handelt sich bei dem
mit enthusiastischem Beifall auf-
genommenen Werk um „elf Gesän-
ge", die eine Mischung aus Kaba-
rett, Pantomime, Spiel, Tanz., Pa-
rodie, Protestsong und Musical dar-
steilen.
In der Berliner Akademie der
Künsje waren Werke des Bild-
hauers Alexander Calder zu sehen.
Die über 200 Arbeiten umfassende
Ausstellung wird später auch im
Israel-Museum gezeigt werden. Cal-
der, 1898 in Pennsylvania geboren,
schuf hauptsächlich Mobiles, Metall-
plastiken imd Drahtplastiken. Auch
eine Reihe von „Stabiles", bis zu
sieben Metern hohe, lackierte
Stahlplatten, sowie Holzskulpturen,
Gouachen, Teppiche imd Schmuck
waren in die Sammlung aufgenom-
men worden und sind Beweise für
die Vielseitigkeit des Künstlers, der
souverän die verschiedensten Ma-
terialien beherrscht.
Seite 4
MB — l. September 19G7
Nr. 34
FRITZ HAUENSTEIN
• ■•":'• -Vi;' - '\f '1
DER GESCHMÄHTE LUXUS
Luxus ist IJebermut, sagte einer
der Wortführer der deutschen Auf-
klärung. Luxus ist der Wegbereiter
des wirtschaftlichen Fortschritts, er-
klärte ein liberaler Nationalöko-
nom. Zwischen diesen extremen
Meinimgen gibt es eine Unzahl von
Ansichten und Definitionen. Es gibt
so viele, weil es sich um eine
höchst relative und veränderliche
Erscheinimg handelt, bestimmt von
der geschichtlichen, kultmellen,
wirtschaftlichen, politischen, sozia-
len und auch von der geographi-
schen Lage, von religiösen, morali-
cschen und weltanschaulichen Vor-
stellungen. Darum lässt sich der
Luxus nicht präzise definieren,
nicht einmal für eine bestimmte
Zeit und nationale Situation. Von
Goethe, der einem guten Leben
nicht abgeneigt war, ist der Aus-
spruch überliefert: „Ich hasse den
Luxus, weil er die Phantasie zer-
stört."' Richard Wagner dagegen
fragte: „Ist es denn eine so uner-
hörte Fordenmg, w^enn ich meine,
das bisschen Luxus, das ich leiden
mag, komme mir zu?" Wagner ver-
stand unter Luxus wohl etwas an-
deres als Goethe, beide hatten
vom Luxus eine andere Vorstel-
lung als der moderne Oekonom,
der nüchtern feststellte: Luxus ist
alles, was weder zum psysiologi-
schen noch zum sozialen Existenz-
bedarf gehört. Alle drei, der Geg-
ner des Luxus, der Liebhaber und
der Realist in der Mitte dachten
an den individuellen Luxus, kaum
an den öffentlichen, den staatlichen
und kommunalen, den gesetzgeberi-
schen, der sich im letzten Jahr-
zehnt' mit dem Wohlstand breitge-
macht hat.
Professor Emil Staiger. der be-
kannte Schweizer Literaturgelehrte,
erklärte vor kurzem in einem auf-
sehenerregenden Vortrag gegen ei-
ne extreme Richtung der modernen
Literatur: „Es sind — nicht aus-
nahmslos, aber meistens — Zeiten
des Wohlstands und der Ruhe, in
denen der demon eimuni, die dä-
monische Langweile, die Verzweif-
limg an allem Leben, gedeiht. Der
Nihilismus ist, in erstaunlich vielen
Fällen ein Luxusartikel." (Siehe
MB Nr. 3 vom 20.1.1967) Es gibt
eben nicht nur einen materiellen,
es gibt auch einen geistigen Luxus.
Die Langeweile wurde auch früher
schon als Quelle des Luxus ange-
sehen. Vielleicht kennt Staiger den
dem französischen Philosophen Hel-
vetius zugeschriebenen Ausspruch:
„Wenn die Affen sich langweilen
könnten, würden sie Menschen."
Natürlich kann die Langeweile, wenn
sie reichlich mit Existenzmitteln
ausgestattet ist, zur Differenzierung
und Verfeinerung der Bedürfnisse
und der Produktion führen, zu bes-
serer Lebensführung materiellerund
geistiger Art. Die Langeweile soll für
das, was die Eigenart der Menschen
ausmacht und für seine Fortent-
wicklung wichtig ist, nicht unter-
schätzt werden. Sie kann produk-
tiv sein. Aber die leiblichen und
geistigen Genüsse, die der Reich-
tum bietet, scheinen so wenig wie
die LangeweUe die dominierenden
Kräfte zu sein, die den Luxus
schaffen und für den Fortschritt
sorgen. Das wäre ebenso eine Über-
schätzung wie dio Behauptung,
dass der Krieg der Vater aller Dm-
ge sei.
ES GIBT KEIN EINDEUTIGES
MASS FÜR DAS NORMALE
Sobald sich Kultur bildete, ge-
sellte sich dazu auch der Luxus,
das heisst ein Konsum, der das
durch Bedürfnis oder Lebensnot-
wendigkeit gegebene Mass an Auf-
AUFWANDSTEUERN UND VERBOTE DURCH DIE OBRIGKEIT
wand übersteigt. Wer aber will die
Subjektivität der Bedürfnisse er-
gründen und die Grenzen bestim-
men, wo ein Gut, das an sich nicht
Luxus zu sein braucht. Luxus wird?
Zwischen Notwendigem und Nicht-
notwendigem wird die Grenze oft
und weit verwischt Als die Kartof-
fel nach Europa kam, galt sie als
Luxus. Der Genuss von Kaffee und
Tabak war einmal als Verschwen-
dung verpönt; Auto und Flugzeug
waren in ihren Anfängen übermü-
tige, gefährliche, verschwenderische
Spielerei. Was in einem reichen
Land als notwendig gilt, kann in
einem armen Land als Luxus ver-
dächtig sein. Dem Nichtraucher
kann der Tabak, dem Gegner des
Koffein der Kaffee, dem enragier-
ten Fussgänger das Auto heute noch
ein Luxus sein. Der Berufstätige,
für den das Auto notwendiges Ver-
kehrsmittel ist, wird den mit allen
komfortablen Schikanen ausgestat-
teten Strassenkreuzer für heraus-
fordernde Verschwendung halten.
Die Grenzen zwischen normalem
Konsum, Luxus und Verschwen-
dung ändern sich mit der Zeit, sie
ändern sich von Land zu Land, von
Generation zu Generation und von
Mensch zu Mensch. Es gibt m kei-
ner Kultur ein emdeutiges Mass für
das normale, für das luxuriöse und
für das verschwenderische Leben.
DIE VERSCHWENDUNG
IST NICHT AUSZUROTTEN
So ist es das Schicksal der Aui^
wand- und Luxusgesetze, dass sie
nicht lange leben. Es lohnte sich
nicht. Die alten Aegypter kannten
schon Gesetze gegen den Luxus,
die alten Inder auch. Sie konnten
weder den Luxus noch die Ver-
schwendung ausrotten. Die römv^
sehen Gesetze gegen den Aufwand
bei Festen, Hochzeiten, bei Leichen-
begängnissen wurden alle mehr
oder weniger offen umgangen. An-
tius Restius hatte ein Tischgesetz
erlassen. Danach wagte er nicht
mehr auswärts zu essen, um nicht
Zeuge der Uebertretungen seines
Gesetzes zu sein. Cäsar richtete da-
her zur Durchführung seiner lex
Julia, eines Gesetzes gegen allen
möglichen Luxus, eine Spionage der
Tafelfreuden ein.
Das Schicksal der Aufwandsge-
setze, auch der modernen Rationie-
rung, ist nicht nur ihre kurze Dau-
er, sind nicht nur ihre vielen Aen-
derungen und Verschärfungen, son-
dern vor allem die Umgehung und
damit der Verlust der Staatsautori-
tät. Darum v/aren alle Aufwandsbe-
schränkimgen erfolglos. Den schwar-
zen, den grauen, den heimlichen
Markt gab es überall, wo kontin-
gentiert wurde. Kontingentierung
und Rationierung schaffen wie Sub-
ventionen Begünstigte und provo-
zieren geradezu den verbotenen
Aufwand, die ärgerliche Verschwen-
dung.
HÜFTWEITE AUF ZWEI ELLEN
BESCHRÄNKT
In der frühen Renaissance verbot
ein absolutistischer Landesherr die
damals bei den Frauen sehr belieb-
ten Hinterpolster. Zum Ausgleich
erlaubte er die Hüftpolster unter
dem Kleid. Diese wuchsen so ra-
pid, dass dann die ganze Hüftwei-
10 uul zwei Ellen beschränkt
wurde.
Das scheint die Wirkung jeden
Eingriffes zu sem, wenn Fürsten
oder Staaten, ganz gleich aus wel-
chen Gründen, aufwendiger Lebens-
führung zu Leibe gehen wollten:
Wird Luxus oder verschwenderi-
scher Aufwand an einer Stelle em-
^edämmt. bricht er an anderer her-
vor Vieles was uns heute bei der
Betrachtung alter Bilder entzückt
oder kurios dünkt, war zu der Zeit,
da es Mode war, Objekt obrigkeit-
licher Reglementierung. In den
.Schockfarben" kehrt die mittelal-
terliche Mode zurück, sich in leuch-
tenden Farben möglichst bunt imd
auffallend zu kleiden. Die unmässig
langen, zum Teil ausgestopften
Schnabelschuhe durften nach einer
Verordnung Philipps IV. bei Adli-
cren zwei Fuss, bei Bürgern einen
FUSS (etwa dreissig Zentimeter),
sonst sechs Zoll (rund fünfzehn
Zentimeter) nicht überschreiten. So
war alles, was den Menschen zur
Dekoration imd zur Differenzierung
diente, Halskrause. Schmuck,
Schleppe, Reif rock, Hochzeiten,
Tauten und Begräbnisse Objekte
mittelalterlicher Gebote und Verbo-
te die sogar den Reichstag im 15.
Jahrhundert beschäftigten. Diese
und die absolutistischen Anordnun-
gen waren Nachfahren der abend-
ländischen Aufwandsbeschränkun-
gen Karls des Grossen, Vorfahren
der modernen Aufwandsteuern.
Die Aufwandgesetze des Mittel-
alters und der Renaissance wollten
nicht nur den Luxus treffen, sie
wollten vor allem die ständischen
Unterschiede bei der äusseren Le-
bensführung wahren. „Der Luxus
im Sinne der Ablehnung zweckra-
tionaler Orientierung des Ver-
brauchs ist für feudale Herren-
schichten nichts .Überflüssiges', son-
dern eines der Mittel üirer sozialen
Selbstbehauptung" (Max Weber).
Die Luxussteuem der bürgerlichen
Zeit hatten (und haben) vor allem
ein fiskalisches Ziel: Sie sollen
dem Staat Emnahmen aus gehobe-
ner luxuriöser, verschwenderischer
Lebensführung verschaffen, zumal
da extravaganter Konsum nicht nur
auf eine leichte Hand, sondern auch
auf höheres Einkommen schliessen
lässt. Die Einkommensteuer, dieses
steuerpolitische Klavier, das, rich-
tig gespielt alle Steuern ersetzen
könnte, weil jede Steuer doch aus
dem Einkommen bezahlt werden
muss. hat die Luxus- und Aufwand-
steuern zurückgedrängt. Wo es eme
wirksame Einkommensteuer gibt,
rücken die Finanzmüiister dem Fei-
ern üppiger Feste und der Freige-
bigkeit bei der Bewirtung mit Steu-
erprogression und Spesenordnun-
gen zuleib, nicht aus ständischen
Rücksichten wie das Frankfurter
Hochzeitsgesetz von 1350, das aus-
ser den Hausgenossen noch zwan-
zig Gäste einzuladen erlaubte.
Der Liberalismus machte den
Aufwandgesetzen den Garaus, neigte
aber aus fiskalischen Gründen zu
Aufwand- und Luxussteuern, wie sie
England noch in der Purchase-Tax,
einer Aufwandsteuer auf Luxusarti-
kel imd nicht lebenswichtige Wa-
ren hat. Adam Smith beschäftigt
sich in seinem berühmten Buch
über die Ursachen des Reichtums
ausführlich mit den Luxussteuem,
aber er hielt nichts davon: „Solche
Steuern nehmen im Verhältnis zu
dem was sie in die öffentlichen
Staatskassen bringen, mehr aus der
Tasche des Volkes heraus als ir-
rendeine andere Steuer." Damals
hatte die Aufwandsbesteuerung ih-
ren Höhepimkt erreicht. In der Mit-
te des 19. Jahrhunderts rühmte
Friedrich List den Luxus als An-
trieb zur Produktion, zur Steige-
rung der Produktivität, zur Meh-
rung des Nationalreichtums; Auf-
wandbeschränkung käme dagegen
I
nur der Trägheit und dem Schlen-
drian zugut.
FÜRSTLICHE MANUFAKTUREN
ALS WEGBEREITER
Mommsen pries die soziale Funk-
tion des Luxus, der nicht reine Ver-
schwendung ist: „Der grosstadti-
sche Luxus macht manche fleissige
Hand reich und ernährt mehr Ar-
me als die almosenspendende Men-
schenliebe." Inzwischen war mit
der Industrie die Massenproduktion
herangewachsen. Werner Sombart
führte viele Fortschritte der freien
Marktwirtschaft auf den Luxus zu-
rück. Die fürstlichen Manufakturen
bereiteten der Industrie den Weg.
Die Luxusindustrie war von Anfang
an rationell und förderte durch bü-
lige Massenprodukte den sozialen
Ausgleich. Die kommunistischen
Staaten bestätigen ungewollt die
produktive Leistung des Luxus,
wenn sie den Austausch mit den
„kapitalistischen" Völkern suchen
und ihren Bürgern Güter und Lei-
stungen gestatten, die über das Le-
bensnotwendige hinausgehen. Sie
fördern in ihrer eigenen Wirtschaft
die Produktion der Güter des ge-
hobenen Konsums, um den grauen
Alltag bunter zu machen.
Von August Thyssen, dem Grün-
der des grossen Konzerns, wird er-
zählt, er habe, gefragt, warum er
vierter Klasse fahre — bei der
Reichsbahn gab es damals vier
Klassen — , geantwortet: Weil es
kerne fünfte gibt. Das mag eme
Legende sein, aber sie erinnert an
die bürgerliche Tugend der Spar-
samkeit und Bescheidenheit, im an-
gelsächsischen Puritanismus zur
Weltanschauung erhoben. In unse-
rer Zeit gibt es gewiss auch noch
Bescheidenheit, aber ebenso häufig
den „demonstrativen Konsum", der
gern über die Verhältnisse lebt,
mehr ausgibt, als ihm zur Verfü-
gung steht.
VOM INDIVIDUELLEN ZUM
KOLLEKTIVEN LUXUS
Der Luxus, weniger sozial an-
stössig imd ökonomisch verdächtig,
heute gehobener Aufwand genannt,
hat sich ausgebreitet. Er ist m alle
Poren des Volkes emgedrungen. Wie
arm lebten die mittelalterlichen Her-
ren auf ihren Burgen im Vergleich
zu den technischen Mitteln eines
normalen Haushalts unserer Zeit!
Wie gering war dort die Hygiene,
wie mühselig Licht, Feuer, Heizung
und Wasser zu besorgen, die wir
mit einem schnellen Griff herbei-
zaubern. Welche Hausfrau möchte
heute noch in der Küche Mozarts
wirtschaften? Das Utility-System
wurde rasch vom Wohlstand über-
holt. Was in der Utility-Zeit
noch imerwünschter Luxus war, ist
zum grössten Teil Massenkonsum
und Massenluxus geworden, Zeuge
des Wohlstandes. Der Luxus ist
nicht mehr einem Stand oder ei-
ner Schicht vorbehalten. Es gibt
dafür nur noch eine Voraussetzung:
das nötige Geld. Die Konjunktur
dirigiert wirkungsvoller als ständi-
sche Aufwandgesetze und sozial ge-
meinte Luxussteuem den Aufwand.
Sogar mmitten einer Konjunktur-
dämpfung wird ausser den Investi-
tionen vor allem der Luxusbedarf
eingeschränkt, der in den Jahren
zuvor sich breitgemacht hatte, in-
dividuell und kollektiv.
Gibt es im Wohlstand überhaupt
noch individuellen Luxus? Natürlich
gibt es ihn noch, am lebensnot-
wendigen Bedarf gemessen mehr
denn je. Es gibt ihn bei solchem
Vergleich in der Wohnung und im
Garten, bei der Kleidung und beim
(Schluss S. 5)
^'^^
67
*'>'
^\
Beginnt
Posch Haschanah
\
mit einer
guten Tat!
4^
Gebt
•K* f-,,' ^V<»;=i/j
' ■ t <
14
'&ä
für d
en
■i«! ^fa
#-l
Emergency Fund des
United Jewish Appeal
>
— Bitte ausschneiden und sofort einsenden —
AUFBAU U.J.A.
2121 Broadway, New York, N. Y. 10023
Hier ist meine Rosch-Haschanah Spende für
den Israel Emergency Fund in Hohe von $
Name
Street
City
Stau Zip Cod«
Bit!« Schecks ausstellen auf: •*UJ.A. Emerfeney Fund".
I
I
^^
Eine aufsei
ö.tsr^^KUch* — aus einer Dls-
ation an der Universität Zü-
hervorgegangen — ist ausser-
lentlich interessant. Der Ver-
^^er räumt mit der Legende
f, dass es keine jüdische Ju-
Ind in Deutschland gebe und
SS man sich daher über die
[akunft der jüdischen Gemein-
haft in der Bundesrepublik
ine Gedanken zu machen
auche. Laut der Mitglieder-
atistik der Zentralwohlfahrts-
Ue der Juden in Deutschland
es am 1. Oktober 1963 bei-
r^ 23,000 registrierte Juden in
Bundesrepublik, unter denen
<li ungefähr 4000 Personen im
er bis zu 20 Jahren befanden.
;n diesen waren etwa 40-45'.'
aelis, 30-35% DP-Kinder, und
\25% Kinder ehemals deutscher
.ein (abzüglich der in Lsrael
)orenen und aufgewachsenen
Igendlichen). Die Kinder deut-
her Eltern sind im wesent-
J^Y'i^ in Norddeutschland, die
Li'^i^^cier hauptsächlich in Süd-
K5chland konzentriert, wäh-
die Israelis überall stark
'TuPeten sind. Die Israelis neh-
\\vn sowohl absolut v;ie relativ
st' ndig zu und sind heute be-
te .s als die dominante Gruppe
usehen.
im Verlauf der eingenenden
|Ui tersuchung des Verfassers, die
lai . eine wohlausgewählte Gruppe
Vo!i 274 Knaben und Mädchen
je:^ rundet ist, erscheinen die Is-
ra lisi und die Deutschen als kon-
tL.-tierende Typen. Das typische
Jild der DP-Kinder ist dagegen
cliarf gezeichnet. Auf Grund
;ner eigenen Erfahrung in der
nchner Schulstudie, sowie auf
;nd der Untersuchung von
Zippora Pryjs (welche beide
Druck vorliegen) muss ich
er annehmen, dass die DP-
I Kinder den Israelis ähnlicher
sind als den "Deutschen", wo-
durch die Dominanz des Israeli-
|lyps zusätzlicli verstärkt werden
irde.
Durchgehend stellt es sid^ Jier-
dass der IsraeU-Tj^i^er
er den Gegensatz zwischen
1 israelischen Idealbild und
deutschen Wirklichkeit am
:sten empfindet. Die in Is-
. aufgewachsenen Jugond-
[liciirn verübeln es ihren Eltern,
da sie aus einer einheitlichen
Gt : ahl&welt herausgerissen und
j zu: Anpassung an eine befremd-
und häufig als verächtlich
^nalyse
«
erscheinende Umwelt ge2jwun'gen
wurden. Bei den DP-Kindern
wirkt die anti-deutsch^ Einstel-
lung des Elternhauses in der
gleichen Richtung, aber ohne die
Rückgratstärkung durch das Is-
rael-Ideal stellt die darin bekun-
dete ghettoistische Tendenz, wie
der Verfasser richtig bemerkt,
lediglich ein Rückzugsgefecht
dar. Im Gegensatz hierzu sind
die "deutschen" Kinder ausge-
glichener, aber eben deslialb der
grösseren Gefährdung durch As-
similation ausgesetzt.
Es bleibt übrig, etwas zur Me-
thode der Untersuchung, sowie
zu den aus den Methoden gewon-
nenen Schlussfolgerujigen zu sa-
gen. Die schrlftliphe Gruppen-
befragung, die derUntersuchung
zugrunde ^^vvj>^jp^»fwras
sige Auskuu^BlWsoziaLstatisti-
sche Gegebenheiten, Familie n-
und Berufssituation der Eltern,
jüdische Praxis, jüdisches Ler-
nen, allgemeines Schulwissen, In-
tegrierung in die nichtjüdische
Umwelt, Berufswünsche und der-
gleichen, während die projekti-
ven Techniken (Zeichnungen
der Eltern und dergl.) sowie
"Attitude"'-Fragen, wie nach dem
"wichtigsten" und "hebsten"
Land, fragv,'ürdiger erscheinen.
Ich fand das letzte Kapitel, in
welchem die jungen Menschen
mit ihren eigenen Worten zitiert
werden, am aufschlussreichsten.
Da zeigte es sich, dass in der
Fragebogenerhebung eine we-
sentliche Komponente des ju-
festst^llungen und Erkenntnisse
Hans.''tiebeschüfz: Das Judentum im deutschen Geschichtsbild
/ von Hegel bis Max Weber
oeiiriftenreihe wissenschaftlicher mittelalterliche
Geschichte an
rue.
de
isii.
Ira*
Abhandlungen des Leo Baeck-
Instituts, Band 17. Tübingen:
J. C. B. Mohr 1967.
Im Jahre 1830 schrieb Jakob
Burckhardt, dass das Ende der
Epoche des liberalen Optimis-
mus durch eine kulturfremde
JVLilitärdiktatur abgelöst werden
würde; das Judentum werde
-feeine weiüiin sichtbare Stellung
fm Zeltalter des ruchlosen Opti-
inismus mit der Wiederentzie-
hung seiner bürgerlichen Rechte
bezahlen müssen.
Obgleich Burckhardts Äusse-
rung nur eine private Mitt-eilung
war, stand doch dahinter eine
sehr bestimmte Anschauung von
der geschichtlichen Stellung des
Judentums als des ewigen Aus-
senseiters der abendländischen
Kultur. Burckhardt sah in den
Juden der Gründer jähre die
typischen Vertreter und Förde-
rer des "ruchlosen Optimismus".
Vierzig Jahre früher bereits hatte
er erklärt, dass er auf den Thea-
terbesuch in Berlin lieber ganz
verzichte als den Anblick ües
jüdischen Publikums mit in Kauf
zu nehmen. — Solche Äusserun-
gen werden viele jüdische Ver-
ehrer der Werke des berühmten
Basler Historikers befremden
und erschrecken. Leider ist dies
nicht die einzige schmerzliche
Erkenntnis, die die Lektüre die-
ses Buches vermittelt.
Der Verfasser, Professor für
der Universität Liverpool, früher
an der Universität Hamburg. |
nach 1933 an der Hochschule für
die Wissenschaft dos Judentums
Berlin, untersucht die welt-
anschaulichen und politischen
Beweggründe, die der Darstellung
des Judentums in der deut-
schen Geschichtsschreibung —
von Hegel. Ranke, Droysen, über
Mommsen, Treltschke, SylDel bis
zu Eduard Meyer und Max We-
ber — zu Grunde liegen. In ein-
zelnen Monographien wird jeder
dieser His'.toriker in seiner gei-
stigen Entwicklung geschildert;
belebt durch die Einflechtung
menschlicher Begegnungen, wer-
den Idee und Person zu einer
organischen Einheit verbunden.
Ihre individuellen Unterschiede
zeigen sich In ihrer Stellung zum
Alten Testament. So wird auch
für Hegel das Judentum eine
Religion des Unglücks, da die
Unfreiheit und unbedingte Ab-
hängigkeit des Menschen auf der
Gottesidee des Alten Testaments
basiert. Für Ranke ist das Alte
i'estament" die klassische Quelle
für das Verhältnis vom Men-
schenschicksal und Weltsinn.
Die kritische Beurteilung der
Bibel als literarisches V/erk un-
ter Anwendung wissenschaft-
licher Methoden, wie sie die
Philologen damals entwickelten,
wird nun selber ein Teil der Ge-
schichtsschreibung. Die Wissen-
schaft des Judentums, die da-
f^eukeiLs iiiv-ht gcnü
gehoben "^iirde, näm-
^dürfnis der Jugend,
^ Zt Enge des Scwiderdaseins
herauszutreten und an der all-
gemeinen Geschichtsfbewegung
tätig Anteil zu nehmen.
In diesem Zusammenhang
wäre es wichtig, Berichte über
den Eindruck zur Verfügung zu
haben, den die Sympathiebekun-
dung der deutscnen Jugend für
Israel anlässllch des Israelischen
Sechstagekrieges im Juni 1967
auf die jüdische Jugend in
Deutschland gemacht hat. Die
Erfahrung, dass Deutschland
nicht mehr "Feind", sondern ein
neugewonnener Verbündeter ist,
muss neue Fragestellungen und
neue Antworten hervorbringen.
Ich bin nicht der Meinung
des Verfassers, dass Psycho-
analyse das Problem lösen wird.
Die Lösung wifd geschichtlich
sein. Manche jüdische Jugend-
liche werden nach Israel gehen,
andere werden in Deutschland
bleiben — "vorübergehend" — .
aber für eine lange Zeit. Hitlers
Absicht, das deutsche Judentum
ganz und gar zu vernichten, wird
die Erfüllung versagt bleiben.
Werner J. Cahnman.
FOREST HILLS, N. Y.
QUEENS
CANDY SHOP
113-26 QUEENS BOULEVARD
at 76th Road
•
Der kleine Laden
mit der grossen
Auswahl
im III I
Allen Kunden und Freunden wünschen
Mr. und Mrs. VICTOR ADLER
Mr. und Mrs. CHARLES H. ADLER
WIE IMMER DIE BEKANNTEN FABRIKATE
IN DER UNÜBERTROFFENEN QUALITÄT
OO 8-7191
Postversand
ALLEN KUNDEN
UND FREUNDEN
DIE HERZLICHSTEN
GLÜCKWÜNSCHE
ZUM NEUEN JAHR!
MAX u. HILDE BACHARACH
U
N
D
Chante
PRALINEN UND SCHOKOLADEN
Fabrik und Grosshandel:
ESTEE CAUDY CO., Inc. i 35 West Central BIvd.
PAUSADES PARK, N. J. 07650 Tel. (201) ?47-8400
UNIVERSAL
CHOCOLATES
2149 BROADWAY (76 Street)
aonntags geöffnet Tel. 8J4;.0«30
Postvertand und Zu9tellung«d.en»t
WÜNSCHT ALLEN
KUNDEN UND FREUNDEN
EIN GLÜCKLICHES
UND SÜSSES NEUES JAHR!
Ilse und Erich Schwager
Eagle Cliocolate €©•
714 WEST 181st STREET WA 3-5140
BIETET IHNEN WIE IMMER DIE GRÖSSTE AUSWAHL IMPORT.
SCHOKOLADEN, PRALINEN und COOKIES
Gcschcnkartikel von Israel; ebenso unsere ''Home Made Chocolatr^s"
sowie ASTOR SCHOKOLADEN & PR.\LINEN
GROSSE AUSWAHL IN DIABETIKER SCHOKOLADEN ETC.
POSTVERSAND — SONNTAGS GEÖFFNET
Allen unseren Kunden und Freunden wünschen wir ein Blückllches Neu^s Jahr
NEW HEALTH FOOD CENTER IN QUEENS!
m NATURAL VITAMINS • SALTFREE Si BUGARPREE POOD8 •
• WORLD OVER KNOWN» PATHER KNEIPP PRODUCTS •
HERBTEAS — HONEY - DRIED FRÜIT8 — COSMETICS
Kew Gardens Imports & Health Food Center, Inc.
81-19A LEFFERTS BLVD KEW GARDENS. N. Y 11415
Open Monday-Ssturday (rom 10 AM. -6 P.M. T^l- §47 2233
♦ Walter W. Jacob Oppenheimer:
Jüdische Jugend in Deutschland.
München, Juventa Verlag, 1967.
maLs begann, ist dieser deut-
schen Methodologie verpflichtet,
daher untersucht Liebeschütz
die Geschichtswerke von Geiger
und Graetz in ihrer Abhängig-
keit von den deutschen Histori-
kern des frühen 19. Jahrhun-
derts. Bewunderungwürdig die
Präzision und Gedrängtüieit mit
der hier Geigers "Urschrift" zu-
sammengefasst und seine Bedeu-
tung für die Wissenschaft einst
und jetzt abgewogen wird.
Zusammenfassend bleibt die
Erkenntnis, dass trotz vieler
freundschaftlicher Beziehungen
der Historiker zu einzelnen jüdi-
schen Persönlichkeiten dem Ju-
dentum die Anerkennung als
gleichiberechtigte Religion fast
immer versagt und dem unge-
taufte# Juden die Zulassung
zum Staatsdienst ausnahmslos
verweigert wird. Dieser Verwei-
gerung schliesst sich selbst der
sonst den Juden so wohlgesinnte
Kirchenhistoriker Gfrörer an, un-
geachtet seines Ausrufs: "Wann
wird die Gesetzgebung anfliören,
die Juden als weisse Neger zu
behandeln!"
Der Verfasser ist der Auffas-
sung, dass erst seit Treitschke
Ideen undBew^egungen der histo-
rischen Schule entstanden, die
zu treibenden Kräften der Hit-
ler-Epoche wurden. Aber gehen
die Wurzeln dieses Übels nicht
doch bis auf Hegel und Ranke,
selbst auf Humboldt zurück? Die
Überzeugung von der Notwendig-
keit der Vormachtsstellung des
Staates gegenüber dem Indivi-
duum ist allen diesen Historikern
— mit der Ausnahme von Burck-
hardt — gemeinsaan. Es ist die
preussisch - deutsche Machttradi-
tion, die im Historismus ihre mo-
ralische Rechtfertigung fand.
Helmut Galliner.
A. BER6ERI
4089 BROADWAY
' 172-173 St. WA 81939
SoEmt. geöffnet; Prompter Postversand
Koppers Rosch Haschonoh
Luxus-Packungen
Astor Pralinen
Srictiy "i ti? 3 und Parve
Tobler-Lindt-Feodorä
COTE D'OR, PERUGIN.^
MEDEREGGER MARZIPAN
PISCHINGER TORTEN
Geschenpackungen
.\i'ch aus Israel und aller Welt
Unseren Kunden
und Freunden
Mf. & Mrs. M. SEIDfWAN
{
J"
Die Odyssee einer Mesusa
Eine 25 Zentimeter lange und
fünf Zentimeter breite Silber-
Mesusa, die ein russischer ö"""'-
zier bei der Eroberung Bj
in einem Museum fand
seine Heimat mitnahn
nach langjährigen Berti
gen, einen würdigen/
sie zu finden, deK
Museum in Jerusalem h
ben worden. Die prächt*
mentierte Mesusa, derer
mentrolle und Schrij
sehrt blieben, ist vor f
in Russland angcfff
den.
bücher'über die \üdhl
Gemeinden Deutsch!ani.|
Über die zahlreichen Veröff ,
lichungen der letzten Ja<
über die Geschichte jüdisc^j
Gemeinden und Gemeinde\
bände Deutschlands bis zur Ii\j
ler-Ära, hat der "Aufbau" mel '
fach ausführlich berichtet; di
meisten dieser Bücher und Dai
Stellungen, an denen im allge '^
meinen die Stadtverwaltungen
und Stadtarchive aktiv mitwir-
ken, wurden im "Aufbau" aus-
führlich rezensiert, und kürzlich
konnte auch eine freilich unvoll-
ständige Gesamtliste dieser Bu-
cher abgedruckt werden.
Nunmehr legte unser Mitarbcl
ter E. G. Lowenthal im XI. Jahr-
buch des Leo Baeck Instituts.
London 1966, in englischer Spra
che eine detaillierte Würdigung;
dieser Flut historischer Vei
öffentlichungen vor, unter deir
Titel "In the Shadow of Doom
Post-War Publications on JewLsh
Communal History in Germany".
die allen unseren Lesern an-
gelegentlich empfohlen sei.
WIE WIR HÖREN
Moshe Favor, der frühere lang
jährige Pressechef der Israel'
Mission in Köln, hat David Ben-
Gurions soeben in hel^r-- ^ler
Sprache erschiep^^ '*^e
mit arabi^L— • ^ '■■ -^
Deutsch(
scheii
Wuni
Vn
un
ei?i glück!
Besuchen Sie
ELK
240 East 86
• Krokant, No-udAt uu
Tecoebäck täglij
Wir haban auch cinj
IMPORTIERTER^
Täglich «eöffij
Sonntags 1j
\
■BT ' VI.' ?-'^*'5' J
2<f/
^iZ/
^t^^^^^i^c^ .^^^> ^:^^5-^ ^^^^^^^^i^^
/0<^^
^ tlj
/ y -^^^ «i^^/W ^"^^ ^^d..*^ ^
>€^ >^4^*^
&^xp4^ — /^ t^e^^i»^ — "^^i-^^-^^
liJh/^ji^^ir - y^^^/c^A^^"^' ^
y
^;^,
z'
fc?;,22:z^^^^^
^^/^>ft^
>^ xy >^ •^'^
^^(^£^^:^<^C^ z^^e^
V^^ . ^^C-^^^i ^ ^c^t^,^^ ^«^^-fr-^C^^
>fö^.
^
I^^-c^"
^
^.£^^^^<Y
^c^^^^^^^^^^^^ ^^^^^^^^ ^"^^^^
^tf^^:-r
>L^^Ä^^ /^»^^^i^:^^
«>»^
U^4},:_A
■ — --»^ -
£^
^ ?f^^^ ^ "^^^
Z'Ai^
#
^^^<^z:.^^
^7 '^ /^
[/fUi
■äUCiJiXt^
^9^7 ^'^"^
\/ "^t^ , ^U^i'^(-f ^ ^) /y^-zj^^^ i // • ^ ^ ^ "^
/
^ ^ tUzM^-<^A^y ^ L/aUc^
I ,IU^
^-doM
ic^
,C^cJU*
-Wv
"i -'V-
04 '^
o ^
Pj"
M4^ i^'S'^-e^^^
'i^t^^^
^i_^^i<^^ ^Jf^'^^^
/^^/^■^rf dd^m^^i^^'^^^i^t'} y^ " /^ - /^l£> (^c, /^A^ /^ J-/-
/
/du
(&i^
cH^yT^
^
^ ^^'^/^C^^^'^^
^
/^ ^^Jt-/- p /^^.
^?^^' /^/F /^'^- -^ / ^^
^^/f7^^ 3/^^- y, />-j-'
/
' «,<>•
.>^/^
V
/
S-tung Nr. 143/144
r-
l
\
■(
/
f.
V
k
-4-
Der klassenbewußte Proletarier /
Ein Porträt
in memoriam
?I>>1^-^
In der Zeit zwischen dem Ersten Weltkrieg und heute
sind charakteristische Gestalten unseres gesellschaftlichen
Lebens verschwunden. Der bisher letzte in der Reihe ist
der klassenbewußte Arbeiter oder, wie er sich nannte, der
Proletarier. Dichter haben den Paria der aufkommenden
Industriegesellschaft besungen, die Karl Henckell, Ludwig
Scharf und Bruno Schönlank, Gerrit Engelke und Richard
Dehmel vor dem Ersten Weltkrieg, später die Johannes R.
Becher, Heinrich Lersch, Paul Zech und Ludwig Rubiner.
Hauptmann hat ihn für die Bühne entdeckt, die Reihe der
Erzähler von Max Kretzer bis Anna Seghers für den deut-
schen Roman. Und die Expressionisten um Heinrich Vogeler
aus Worpswede predigten nach dem November-Umsturz von
1918 den „Prolet-Kult" als Versuch eines pathetisch-eksta-
tischen — und wohl auch verkrampften — Kunst- und
Theaterstils im Zeichen einer visionären Menschheitsdäm-
merung, den am wenigsten der Prolet begreifen wollte,
begreifen konnte.
Worüber sich Vater und Großvater lustig machten, über
die bürgerliche Welt, ihr, der freilich gleichfalls veränder-
ten, sucht die jüngere Generation sich anzugleichen. Das
Geld ist ihr nicht mehr lockender Feind, den es zu über-
winden gilt, sondern willkommener Helfer, um zu den sicht-
baren Attributen gehobener Stände zu gelangen, gesehen
aus dem Blickwinkel des Bild- und Anzeigenteils der illu-
strierten Blätter. Was Großvater und Vater in Harnisch
brachte, die politisch-geistige Lethargie, hat wieder um sich
gegriffen. Politik, Parteipolitik ist vielen Spiegelfechterei,
dahinter erst Entscheidungen fallen. Man besitzt weder Idol
noch Glauben, man hält sich an den Ecklohn.
Von Tatsache und Ursache dieses Wandels, an dem die
im Vergleich zu Kaiserreich und Weimarer Republik weit-
aus besseren Lebensverhältnisse, auch die Erfüllung lang-
jähriger sozialpolitischer Forderungen einen erheblichen,
aber keinesfalls ausschließlichen Anteil haben, ist wiederholt
die Rede gewesen. Hier interessiert etwas anderes: Mit dem
klassenbewußten Proletarier ist von uns — so paradox es
sich anhören mag — ein Romantiker geschieden, ein gläu-
biger Mensch, den die Epoche der Maschine geboren hat.
Es lohnt sich deshalb, sein Bild, sein Idealbild, nachzu-
zeichnen, die Uhr noch einmal zurückzudrehen! Im Äußeren,
in der dürftiglässigen Kleidung glich der deutsche Arbeiter
etwa dem nordfranzösischen, dem norditalienischen von
heute; Kragen, Krawatte und Aktentasche mit Thermos-
flasche waren Kennzeichen der Leute vom Büro. Sein Klas-
senbewußtsein ist als Antwort auf das der anderen Schich-
ten zu verstehen, die auf Hand- und Lohnarbeit gering-
schätzig herabsahen. Was er zu bieten hatte, seiner Hände
Fertigkeit, seiner Muskel Kraft — diese Ware wurde auf
dem „Arbeitsmarkt" zu niedrigsten Preisen gehandelt. Stets
überwog das Angebot die Nachfrage. Die gesellschaftliche
Rangordnung hatte sich längst eingespielt, als der Indu-
striearbeiter sie störte, als er die schwarzen Fabriken und
schwarzen Vorstädte zu füllen begann. Für ihn gab es
außerhalb der Fabrik keinen Platz, nicht in der Bürger-
stadt, nicht in der Schule, nicht in einer Liedertafel; selbst
in der Kirche sah man ihn lieber vor oder nach dem feier-
lichen Hochamt, zu dem sich die Honoratioren einfanden.
*
Lo formte sidi in ihm unter dem Druck der Negation
Dsitives Selbstbewußtsein, ent2t?ind um ihn herum eine
geschlossene Welt mit eigenem Sittenkodex, eigener
vfl-.-.
'prnnflif"if>rT^ —
ein Stück des jungen Brecht oder das Klassenkampf-Thea-
ter Erwin Piscators, das der elegante Berliner Westen der
Weimarer Zeit als prickelnde Abwechslung empfand. Und
Karl Marx? Er wurde — ähnlich wie Freud oder Spengler
— von Freund und Feind mehr zitiert als gelesen.
•
In der Küche mit der Bettstelle in der Ecke, den Win-
deln überm Herd und dem Zank um Wochengeld und Un-
termieter finden wir ihn über ein Buch des Fürsten Kro-
potkin gebeugt von der gegenseitigen Hilfe im Tier- und
Menschenreich, der den Staat durch freie Gemeinschaften
ersetzen wollte; über die popularphilosophischen „Welträt-
sel", einos Buchschlagers aus der Feder des monistischen
Naturforschers Ernst Häckel; über die Schrift von Friedrich
Engels vom Sozialismus als Wissenschaft; über Franz Meh-
rings antidynastischer Geschichte der Befreiungskriege oder
die Volksausgabe des damals so aufsehenerregenden Werkes
von Dr. August Forel über Geschlechtsleben, Ehe und
Sexualmoral „Die sexuelle Frage". Ebenso bevorzugte er
die naturwissenschaftlichen Schilderungen Wilhelm Bölsches
und Bruno H. Bürgeis, die Reisereportagen des Egon Erwin
Kisch oder Erinnerungen wie die der Zaren-Attentäterin
Wera Eigner, dann Romane etwa von Heinrich Mann, Emile
Zola, A. N. Tolstoi, Upton Sinclair und Blasco Ibafiez, und
die Dramen Schillers. Etwas bunt durcheinander füllten
diese und andere Autoren sein schmales Bücherbrett — und
seinen Kopf. Nicht zu vergessen die zahllosen Flugschriften,
deren Verfasser ihn über Darwinismus, Freidenker, Straf-
rechtsreform, Papsttum, religiösen Sozialismus, Emanzipa-
tion der Frau und Friedrich Nietzsche aufklären wollten!
Wissen ist Macht, hatte man ihm in den Versammlungen
eingehämmert, und mit dem Eifer des von den Gütern der
Bildung Ausgeschlossenen suchte er sich all der Schätze zu
bemächtigen.
Wieviel Zeit blieb trotz der langen Arbeitswoche! Sie
reichte zum Beiträge-Kassieren. Spenden-Sammeln, Flug-
blätter-Verteilen und zum Niederschreiben von Sitzungs-
protokollen mit ungelenker Hand. Zwischendurch berauschte
man sich mit anderen Tausenden bei einer Kundgebung,
wenn auf dem rotdrapierten Rednerpodium der sozialdemo-
kratische Parteidiktator August Bebel stand oder Gustav Lan-
dauer, der Prediger des sozialistischen Anarchismus, oder
die leidenschaftliche Kommunistin Klara Zetkin, das Feuer
der Liebe und des Hasses schürend mit gewaltiger Beschwö-
rergabe. In solchen Glutöfen der Hochstimmung schmolzen
die Individuen zur brodelnden Masse zusammen und gin-
gen neu geformt und gebrannt daraus hervor.
In der Regel gehörte er einer Arbeiterpartei an, deren
es mehrere gab und die sich mit dem Haß feindlicher Brü-
der befehdeten, oder einem revolutionären, einem freigei-
stigen Bunde. Eifervoll diente er „der Partei", ihr weltan-
schauliches und ökonomisches Programm war ihm Kate-
chismus. Ihretwegen verbrachte er halbe Nächte in General-
versammlungen und Ausschußsitzungen, wo es keineswegs
so ritterlich, so edel zuging, wie es die hehren Menschheits-
thesen in den Aufrufen zum Ersten Mai hätten vermuten
lassen. Mitunter kam er zornig nach Hause, ergrimmt über
die Politik seines Bezirksvorstandes, enttäuscht über irgend-
einen von ihm Gewählten, dessen innere Verfassung und
äußeres Gehabe sich mit dem bezahlten Amt zu ändern
begannen. Mehr als einmal mußte er der Einsicht wehrej
daß Menschen auch der eigenen, der auserwählten Kit
Nehmen seliger machte ?4s Geben. I'i seiner Treuo zu Pf
In
andei
also,
Manr.
913
, »s nl
passe: g
und v!; I
zufan£> .; ■
Funkt *
Wie d^
Leitw *^^^
9;|
war. g^
Verarg
nebeig,
Kun?
Natu
wirt
nich
Ban
rück
Her
gew
berr.
•iH|
nzj
je
D:
han.5j'
lege
eincj^
sen,j
Ihre
kau
zwe.
psy<|
half
In
\-&l
m-mi-
fner politischen Philosophie ies Vierten Standes, er-
von abtrünnigen Geistern dar Aristokratie und des
?gertums, die den dumpf Dahinlebenden aufrüttelten
!md ihm die Botschaft vom besseren Leben in einer klas-
' senlosen Gesellschaft der Gleichheit und Brüderlichkeit ver-
kündeten. Die Kameraden, die Kumpels wurden aus den
Schankstuben geholt und die Halbwüchsigen aus den Kinos,
rasch vermehrten sich Arbeitervereine für Turnen und
Wandern, Singen und Theaterspiel; in den abendlichen Bil-
dungskursen der Gewerkschaft trafen sich im doppelten
Sinne des Wortes Aufgeweckte. Der Spottname Prolet wurde
Ehrentitel, der Gemiedene begann seinerseits alles Bürger-
liche und Modische zu meiden, ja zu verachten. Er fühlte
sich Künder eines neuen Geschlechts, er hörte die Signale
zum letzten Gefecht. . .
Wer aufwuchs wie er, mußte mißtrauen. Er glaubte an
Christus und mißtraute den Priestern; er glaubte an die
Maschine und mißtraute ihren Herren; er glaubte an Wis-
senschaft und Menschenrechte und mißtraute Professoren
und Richtern; er glaubte an das geschriebene Wort und
mißtraute den Journalisten; er glaubte an den Geist und
mißtraute den Intellektuellen. Allüberall witterte er die
Macht des Kapitals und den zerstörerischen Einfluß des
Geldes.
Obgleich er sich für materielle Forderungen schlug, für
höheren Lohn, Achtstundentag, Sozialisierung von Banken
und Industrie, Altersversorgung, Enteignung des Groß-
grundbesitzers, Recht auf Arbeit, war er Idealist, wenn
auch kein friedfertiger. Er neigte mitunter durchaus zur
Gewalttätigkeit. Er ging auf die Straße, um zu bekennen,
zu drohen, zu streiken; er beherrschte sie sdiließlich, und
nur die Polizei machte sie ihm gelegentlich streitig, und
in den letzten Jahren der Weimarer Republik taten dies
außerdem die Formationen der SA und des Stahlhelms.
Wörter aus dem Sprachschatz des Manifests flössen in sein
Umgangsdeutsch ein: Menschheit, Volk, Opfer, Solidarität,
Morgenröte, Knechtschaft, Freiheit, Verrat, Genosse, Ge-
meinschaft — unschwer läßt sich mit diesem Vokabularium
der Festartikel seines Blattes schreiben. Erfüllt von der
Sendung des Vierten Standes, trieb ihn die Überzeugung,
von der Geschichte dazu bestimmt zu sein, der Mensdiheit
das verlorene Paradies zurückzugeben. Für ihn war der
Mensch gut und nur durch die sozialen Verhältnisse zeit-
weilig schlecht.
Nicht gleiches Recht bei gleicher Leistung, sondern „Glei-
ches Recht für alle" hieß eine der Parolen. Zwar sind die
Dummen und Dumpfen, die Flachköpfe, Saumseligen und
Trägen über den ganzen gesellschaftlichen Fächer hinweg
ziemlich gerecht verteilt; zwar läßt sich nicht die Ungleich-
heit der Menschen, wohl aber die der Startbedingungen des
einzelnen korrigieren — doch Parolen sollten Massen ent-
flammen. Und die von der Gleichheit zündete.
Dieser Proletarier holte sich sein Wissen nicht nur aus
Versammlungen und Vorträgen — er las auch. Allein, was
las er? Eine mannigfaltige Literatur steht vor uns, eine
Literatur teils volkstümlich aufklärender, teils wissen-
schaftlich doktrinärer Art, aggressiv gegen Schulwissen-
schaft, Schulphilosophie und Schulmoral. Auch unterein-
ander fochten die Führer und Theoretiker hitzige Geistes-
duelle durch, um Geschichtsdeutung und Entwicklungspro-
gnosen, um Zukunftsstaat, Parteiprogramme und Wirtschafts-
systeme. Ausgehend von Friedrich Engels und Karl Marx
einerseits und deren anarchosyndikalistischem Gegenspieler
Michael Bakunin andererseits, hatten sich Fronten und
Gruppen gebildet. Doch der Federkrieg um Theorien wurde
mehr über seinen Kopf hinweg ausgetragen, erreichte ihn
in der Rejel ebensowenig wie Hauptmanns „Weber" oder
•.iiiä j? ui*ruiig^ opraCii eiWTriü ivi>.3Li^aj^sTiT^7^nu^c7T^?r
oh und oft schöner Worte hohlen Klang.
Der namenlose kleine ehrenamtlidie Funktionär hatte s1
der „Sadie" verschrieben. In deren Dienste ging er auf7
Besessenheit, Beschränktheit und Intoleranz sind Merkmale
einer jeden Glaubensgemeinsdiaft, die sich durchsetzen will.
Vernunft, besser gesagt Vernünftigkeit, die Bereitschaft,
eigene Glaubenssätze anzutasten, hemmt den Schwung,
schmälert die Überzeugungskraft, bedroht die Symbole in
ihrer suggestiven Wirkung.
„Brüder zur Sonne, zur Freiheit, Brüder zum Lidite
empor. . ." Wie sollte ein solcher Menschentypus Dichter
nicht faszinieren! Er marschierte in wogenden Kolonnen für
eine Idee und wußte sidi Millionen über Grenzen hinweg
verbunden. Er war bereit, für die nächste Generation, für
die neue Welt, für seine neue Welt zu opfern. Und mancher
verdarb in Gefängnissen und Zuchthäusern, und mancher
starb für Glauben und Fahne. Wilhelm L. Kristl
bn
sine]
in il
Es
Munc
berer
phalerj
ausmv
habexi
Nie]
über!
Die»
Zeitei
1
S
\..
«
. ■ V
^1 ••-
. ■*. -- — ^-
<^e>«v. ^i
7>,
.>•"-
K
r^--'
p-.
■f^'-
0^
■ •
>■■■■•'
m- ■
mi^'i^
"Sl^
/
^■-:~'tfj'S - -Y ■'. -..-■-.•■.■'
(/'/■■
/J
A
v'^
//
Süddeutsche Zeitung Nr. 246
Das polifcche tf/
I»er «Icutsclie Ifleiiseli und seine erste Repnb
Kurt Sontheimcr: Antidemokratisches Denken In der
Weimarer Republik — Die politischen Ideen des
deutschen Nationalismus zwischenl918 und 1933. Nym-
phenburger Verlagshandlung. München. 408 Seiten,
Leinen 40 DM.
Als unlängst das geschmacklose Buch „Ich war
Tucholskys Lottchen" erschien, entging den meisten
Kritikern die eigentliche Pointe dieser Neuerschei-
nung. Sie liegt in einem Satz Tucholskys, ' ^r am
30. 8. 1927 in der Weltbühne stand. Er lautet: „Und
es' kann einer etwas für den, der ihn ausschlachtet."
Wie für Tucholsky ist dieser Satz aucli in bezug
auf die Menschengruppe wahr, auf die der streit-
lustige Publizist ihn ursprünglich gemünzt hatte:
die Innenkünstler, die Jungkonservativen, die Bun-
dischen und neukatholischen Mystiker der zwan-
ziger Jahre, kurz jene Veranstalter von „Seelen-
lärm" (Brocli), die sich dann plötzlich im Magen der
Hitlerei und ihres Reidies wiederfanden.
Der Aufsatz ist überschrieben „Der deutsche
Mensch", und enthält außer der Feststellung, daß
Hermann Hesse der Humor abgeht, eine Auseinan-
dersetzung mit dem nationalen-völkischen-jugend-
bewegten Innenrummel, die in wenigen Sätzen
vorwegnimmt, was eine lange Reihe von Autoren
seitdem in wissenschaftlicher oder publizistisdicr
Absicht auch herausgefunden hat: „Nie zuckt der
deutsche Mensch' so zusammen, wie wenn man ihn
fragt weldiem Zweck denn der vielzitierte Spek-
takel' in seiner Seele eigentlich diene . . . Dies aber
ist deutsch: Daß dieser unendliche Innenrummel
Selbstzweck ist; Selbstzweck jene Wandlungen und
Verkündigungen der Wandlung: Selbstzweck die
Bünde undSpaltungen;Selbstzweck dieBckenntnisse
und die Ableugnungen — Selbstzweck das Prunken
mit Neurosen, das Verstecken von Neurosen,
Selbstzweck Leidenschaften, innere Stürme, neue
Romantik." Tucholsky fügt hinzu, daß dieser deut-
sche Mensch fast immer reaktionär oder von Re-
aktionären mißbraucht sei. Das stimmt, gilt aber
entsprechend auch für die ästhetisch-genüßlichcn
\ Blähungen, die linke Autoren, zum Beispiel Tu-
tcholsky in manchem schauderhaften Gedicht, von
«ich geben und gaben.
Das jüngste Buch, das diesen Komplex, der sich
selbstbefriedigenden Deutschheit darstellt, ist, um
das gleich vorwegzunehmen, die gründlichste und
ausführlichste von allen vergleichbaren Abhand-
lungen. Kurt Sontheimer, Professor an der Freien
Universität Berlin, hat das Phänomen in drei
Hauptabteilungen gegliedert: 1. Politischer Irratio-
nalismus, 2. Antidemokratische Ideen, 3. Verstrik-
kung in die Politik.
Im ersten Hauptteil wird nach allgemeiner Cha-
rakterisierung des Anti-Intellektualismus und sei-
nes „neuen Denkens", das zum erheblichen Teil als
Ausfluß popularisierter Lebensphilosophie erscheint,
die deutsche Staatsrechtslehre der V/eimarer Zeit
speziell untersucht. Das Kapitel geht von der all-
gemeinen Verfassungsskepsis aus, schüdert den
Kampf um das richterliche Prüfungsrecht und zeigt
dann, wie der' inhärente Nationalismus zu einer
neuen Staatsrechtslehre drängt und dabei die Ver-
fassung schwäclit. Carl Schmitt und Rudolf Smend
erhalten Sonderabschnitte. Das haben sie auch ver-
dient. Als weiteres
genannte „Kriegserl
schung von feudale
Erstaunen, die sich
ließ. Hier scheint mi
Beurteilung des E
Masochistische, das i
lebnis" zutage trat, e
Die antidemokrati
Hauptteil gewidmet
aus, was antidcmokr
trifft die verständi
kratisch heißen soll,
fassungsstaat von
demokratische Link
tracht. So wird zu
Selbstverständnis, d
Kritik und schließl
analysiert.
Das Selbstverstänl
enorme Leistung, w
geht. Selten hat jem
sich gehabt, und no
aussetzungen. Nicht,
nalbolschewisten, De
lutionäre lauter Höh'
was Sie sidi unterschi
trifft genau den Pu
Linie waren sie alle i
teles sagen würde, mi
Kernstück des Uberze
der Bildung von Geda
mcnt erscheint
", jene merkwij
nncrung und f
ut literarisch v
der Autor, wi
Jünger, das
ikettieren mit di
unterschätzt.
Ideen, denen de
etzen eine Definit
heißen soll. Sonl
ntscheidung, daß
dem repräsentativ
ar entspricht. Die^
ibt absichtlich außi
it das antidcmokr
die antidemokra
die positive Zielse
erweist sich als
ic Selbsteinschätzungj
ine so hohe Meinung'
lltener auf so fladien
diese Vöikisdien, N;
rationalen, Nationalrt
13 gewesen wären; al
1^(1 gegenseitig vorv^eri
; VV^iditigtuer ohne !.Ii
I tendcr, und wie Ar ist
^sGcfühlen, die nicht
;;(S sind, stärker als n1
:ctten.
Die Schweiz im Welticries
Ton Kimche: General Guisans Zweifrontenkrieg. Ver-
lag UllsJem, Berlin-Frankfurt-Wien. 231 Seiten, 22 Ab-
bildungen und 2 Karten, Leinen 12,50 DM.
Die schweizerische Verfassung erlaubt nur im
Falle eines nationalen Notstandes, einen Ober-
befehlshaber für die gesamte Armee aufzustellen.
Dieser Fall trat zum zweiten Male in der Sdiweizer
Geschichte ein, als das Parlament am 30. August 1939,
zwei Tage vor dem deutschen Einmarsch in Polen,
Henri Guisan, den Kommandanten eines Armee-
korps zum General wählte. Das kleine Land doku-
mentierte mit dieser Wahl und der darauffolgen-
den Mobilisierung, daß es ihm ernst war mit der
Verteidigung seiner Neutralität und Souveränität.
Hitlers Wut darüber war nur die Bestätigung, daß
Anlaß bestand, gewappnet zu sein.
Freilich war damit die Gefahr nicht gebannt.
Während die vergleichsweise nur geringe und vage
Bedrohung der schweizerischen Souveränität durch
französische Truppen zumindest nach dem Frank-
reichfeldzug nicht mehr bestand, schwebte das
Damoklesschwert einer deutschen Aggression buch-
stäblich bis in die letzten Kriegstage über dem
Land. Als die Wehrmacht an allen Fronten bereits
geschlagen war, drohte noch die Gefahr, daß
deutsche Truppen und eine Anzahl Naziführer in
den Alpen einen letzten Verzweiflungskampf füh-
ren und die Schweiz in diese „Festung" einbeziehen
könnten.
Auch General Guisans widitigster Verteidigungs-
gesiditspunkt betraf eine Alpenfestung. Als die
Sdiweiz nadi Frankreidis Niederlage von ,den
^disenmächten umschlossen war und es sa^uss.-^^J=»-
einem Reduit, einer Schanze, auszubauen, hinter
der er die Souveränität schlimmstenfalls verteidi-
gen wollte. Der demonstrative Akt des „Rütli-
Rapports", zu dem der General seine Offiziere am
25. Juni 1940 auf der berühmten Waldwiese über
dem Urner See versammelte, wurde zum äußeren
Zeichen für die innere Entschlossenheit.
Guisan war sich im klaren, daß er nicht nur
Deutschland die Zähne zeigen, sondern daß er
gleichzeitig auch manchen vorsiditigen Gemütern
unter den eigenen Landsleuten Mut einflößen
müsse. Daß ihm dies durch so lange Kriegsjahre
hindurch gelungen ist — keineswegs immer in
vollem Einverständnis mit den Bundesräten — , ist
sein großes Verdienst und trug ihm jene legendäre
Verehrung ein, die die Schweiz noch heute für ihn
hegt. Guisans Name, schreibt der Verfasser,
„wurde mit dem gleichen Ton von Stolz, Vertrauen
und eigenartiger Zuversicht ausgesprochen, den die
Engländer nur für Winston Churchill gebrauchten".
Als „der General, der Adolf Hitler überlistete", ist
Guisan (gest. 1960) in die Geschichte eingegangen.
Breiten Raum in Kimches Buch nimmt das Spiel
der Nachrichtendienste in der Schweiz und die mit
ihnen verquickten obskuren Bemühungen um
Kapitulationsverhandlungen gegen Kriegsende zwi-
schen SS-General Wolff und Allan Dulles ein. Ob-
wohl Kimche diese Affäre und die damit verbun-
dene Verhinderung einer Zerstörungsaktion in
Norditalien beinahe in Form einer spannenden
Story niedersdireibt, ist er auch hier um Sachlich-
keit fesmüht. Verdienstvoller ist, daß es Kimche
^, an Hand eines Porträts von General
Das macht der leseil\rteste Teil des Budi
vollkommen klar. Wediier antiliberale Staats
gedanke, noch der Ruf |\i dem Führer, noch di
Reichsvisionen und dasyede von Volk, Gemein
Schaft, Entscheidung, Ohismus, nationalem So
zialismus kamen über i Zustand der Selbst-
berauschung hinaus. Sonimer schließt, daß diese
Los-von-Weimar-Beweg; eigentlich politisch
„verstridU" worden sei. der Tat hat sie nichts
als sich selber geleistet, is war ein bißdien zu-
wenig fürs 20. Jahrhundc
Das antidemokratischeenken war aber nicht,
wie Sontheimer am Encneint, „ein verhängnis-
volles Mißverständnis ü die wahren Erforder-
nisse der deutschen Situin". Es war schon eher,
wie Tucholsky formulierein „Gesellschaftsspiel"
Ein Spiel, angeführt vorner verlotterten Klass
von Intellektuellen, ein iel, bei dem man nich
sein darf, was man ist: Ti muß das Vaterland in
Munde führen und zugli sein Recht mit Füßei
treten. Man muß die airen heimatlosen Intel
lektuellen schimpfen uidarf sich unter keine/
Umständen im politisn Alltag die Hand
schmutzig machen. Kur
Verständnis bescheiniger
sich selber verstehen wo
Der Denktyp, den dies
heute noch nidit ausges
Analyse kann helfen, ih
wenn er nicht kurierbar
muß der Welt Un^^^
f selber doch bk\osS^J
docn DU\os=;is'
t, '.t au^ifvCl
prs klu: A. '
schreibt
theimers klu :/!^^.
^erkennen, au \\^
Harry Prc
Alle*^
i'
Afrika — heute. Jahrl
Gesellschaft. Verlag
Köln. 468 Seiten; geheft«^
tvV.
^^1
Seite 10
Das pq
Franz Jostcf Ntrauß - «^iii T^iius« iiiiüivrci' Zeit?
Erich Kuby /Eugen Kogon/Otto von Loewenstern/Jür-
gen Seifert: Franz Josef Strauß — Ein Typus unserer
Zeit. Verlag Kurt Desch, München. 381 Seiten, Lei-
nen 16,80 DM.
Das ist ein Sammelband mit interessantem, in
einem Fall sogar hervorragend lesenswertem In-
halt — aber ein Buch ist es nicht. Nun erleben wir
das ja immer häufiger: Daß aus einem aktuellen
stofflichen Anreiz und dem Bedürfnis der Drucker-
presse soldie librunculi gezeugt werden, mehr zu-
sammengestellt als geschrieben, wofür im vorlie-
genden Fall der artige Euphemismus steht, daß
das Werk „von" Erich Kuby „mit" den drei ande-
ren verfaßt sei. Das merkwürdig Instrumentale
dieses „mit" findet seine Ergänzung darin, daß
zwei starke Absdinitte — knapp ein Drittel des
Ganzen — überhaupt verfasserlos sind: Auszüge
aus Reden von Strauß und aus Zeitungsäußerun-
gen über ihn. Überdies stellt sich der Beitrag von
Seifert gleichfalls als dokumentarisch heraus: als
eine äußerst prägnante und intelligente Chrono-
logie der Spiegfel-Affäre, und der von Loewen-
stern als eine Neuredigierung der seinerzeit in der
Zeit erschienenen Strauß-Reportagen. Steht und
fällt also alles mit Kubys einleitendem Essay,
denn Kogon — aber davon später.
Wie so oft bei Kuby ist sein Versuch, in Strauß
einen „Typus unserer Zeit" darzustellen, aus einer
persönlidien Haßliebe also ein Stück Geschichts-
sdireibung und die Attitüde des Historikers her-
zuleiten, ein wunderliches Gemisch aus glänzend
formulierten Beobachtungen und breit ausgewalz-
ten und verschnörkelten Binsenwahrheiten; aus
blitzartiger Erleuchtung und langnachgrollendem
Vorgefaßtem-Meinungs-Donner; aus keckem pole-
mischen AperQu und vollkommener Konfusion.
Man muß allen Ernstes annehmen, daß dieser
hochbegabte Mann den unerläßlichen Schlußstein
seiner Begabung entweder nie empfangen oder zu
erwerben verschmäht hat: die Selbstkontrolle und
Selbsterkenntnis, daß keiner von uns nur gute
Stunden hat. Er schreibt auch, so scheint es, wenn
ihm nichts einfällt, und hält es für gleich gut und
gleich wirksam, weil er auch beim geschriebenen
Wort an die Macht der Improvisation und des rhe-
torischen Elans glaubt. Es macht ihm nichts aus,
sich mit früheren eigenen Meinungsäußerungen in
Widerspruch zu setzen — siehe das positive mit-
unter schier sehnsüchtige Bild, das er jetzt, mit
Strauß kontrastierend, vom einst so verketzerten
Adenauer entwirft. Er findet aber auch nichts da-
bei, sich im gegenwärtigen Essay von einer Seite
zur anderen zu widersprechen, Behauptungen mit
Argumenten zu belegen, die mit der Behauptung
eher windschief laufen, oder (S. 54) treuherzig zu
schreiben: „Die Behauptung wird in zweifacher
Hinsicht Verwunderung und Widerspruch wecken",
die damit in Aussicht gestellte Erläuterung aber
schuldig zu bleiben.
Das ist oft amüsant und immer sympathisch un-
befangen, aber eine übei'zeugende Abhandlung —
und nun gar über ein so singuläres, wieselflinkes
Zoon Politikon wie Strauß — bringt man so nicht
zustande. Das kann man nur klassifizieren, wenn
man es zunächst einmal mit eiskalter Objektivi-
tät als Geschöpf eigener Art beobachtet und re-
spektiert, und nur zu fassen bekommen, wenn man
ihm als jenem Wesen anderer Art fremd und
gleichsam ei'staunt gegenübersteht; wenn man es
nicht einmal im Haß in sich hat. Kuby sagt völlig
richtig, Straußens zwei tödliche Mängel (bei höch-
ster Intelligenz und vollendet dosiertem Charme)
seien seine Verdammnis, die Welt nur unterm
'Freund-Feind-Gesichtspunkt sehen zu können, und
seine „sdUechte Menschenkenntnis gegenüber ihm
fremden Vy
Mangel V«' M^n
„die spezii^— ::.
meisten entsprechen, „unmittelbar Macht über
Menschen auszuüben" — wenn wir ergänzen dür-
fen: Mit der Unmittelbarkeit einer derzeit auf dem
parlamentarischen Mehrheitswege allein zu errei-
chenden Machtposition in der Regierung. Dem
allen zum Trotz aber schießt Kuby kurz vorher
einen Purzelbaum und behauptet schlankweg, folg-
lich sei Strauß der Typus des Managers und Funk-
tionärs. Aus der richtigen Beobachtung, daß Strauß
in der „Liftsituation" von 1946 sofort erkannt habe,
es gelte, gleichgültig auf welchem Felde, etwas
,, aufzubauen", weil die öffentliche Meinung , .prak-
tischer Arbeit" eher zustimmen werde als dem-
jenigen, „von dem man annimmt, er denke nach"
— aus dieser trefflichen Beobachtung zieht Kuby,
von soziologischen Modebegriffen verwirrt, den
Schluß, Strauß sei ein mit delegierter Macht zu-
friedener, seinen Auftraggebern ergebener Funk-
tionärstyp. Und da ihn das doch selber stutzen
macht, fügt er als Gegengewicht den Demagogen
hinzu und glaubt, ohne überhaupt zu merken, wie
sehr die beiden Begriffe auseinanderstreben, mit
solcher Amalgamierungskunst einen Typus be-
zeichnet zu haben.
Das Demagogische bei Strauß glaubt jeder un-
besehen. Aber ist es wirklich demagogisch? Ver-
wechselt Kuby nicht Demagogie mit Opportunis-
mus, wenn er die sattsam bekannten Ausrutscher
und Unstimmigkeiten in Straußens Reden über die
Jahre hinweg anführt? Es handelt sich fast aus-
schließlich um Zweckerklärungen vor in- und aus-
ländischen politischen und parlamentarischen In-
stanzen eines engeren Zirkels, nicht aber um die
Strauß von Kuby nachgesagte Kontaktaufnahme
mit „der Straße", mit dem plebiszitär einzuspan-
nenden Volk. Hätte Strauß die gesucht, so hätte
er Bücher geschrieben und, wie Hitler, einen lite-
rarischen Appeal in sein Auftreten gebracht. Das
aber kann Strauß sein ärgster Feind nicht vorwer-
fen. Wahr ist vielmehr, daß sein Gradus ad Par-
nassum auf der Klaviatur der Mehrheits- und In-
teressendemokratie vonstatten geht, wenn auch
nicht, wie bei Adenauer, streng nach der Klavier-
schule Bisping-Rose, sondern mehr mit dem tita-
nischen Tastenanschlag eines d'Albert. Dies ist so-
gar, was besorgte Gemüter an Strauß am gefähr-
lichsten finden könnten: Daß er nicht etwa als Ge-
salbter des Volks, sondern streng pragmatisch-
legal, von Hausmacht über Koalitionsmacht zu
Allmacht aufsteigen möchte.
Und nun noch Kogon. Sein Beiti^ag „Verteidigung
unserer Möglichkeiten" ist hervorragend. Nur: Er
hat zum angeblichen Gegenstand des Buchs, zur
Person und typischen Geltung von Strauß, schlech-
terdings nicht die geringste Beziehung. Es sei denn.
man suchte diese
Kogon seinen Bej
Buch geschrieben
jeder in Betracht
entgegengesetzter
ganzen ebenso sei
Das wäre wieden
sich auseinander]
rückblickende wie
weltpolitischen La^
könnte aber eben;^(
liebigen anderen B^
seine Zuversicht,
auf dem deutschen]
Feuersgefahr besteh!
gen. Vor allem auf \
rung" Deutschlands!
kleineren Ländern!
Sprünge verbiete. So|
zwischen den USA u|
aus folgende Agreen\
ßendem Bedürfnis nJ
sehen beiden Blöcken!
gon in einem Rüdclj
Waffenstillstand von
auch die Ungarnkrise]
sogar die Berliner M]
haltepolitik ein, mit
tor. Auch vom deuts^
de Gaulles Einzelgäng(
erwartet sich Kogon
da die Bonner Kanzle]
zösische Präsidialstaat
seien, keine Systeme.
Da ist nichts von Kul
vergleichlich mehr Lc
Schluß auch SofortvorsI
unserer Möglichkeiten".
Autorität und Qualitäts\l
lamente. Ein zweiter die]
einer politischen Bastion
wirksame Hochburg irJ
Ein dritter die entschlosl
von Sonder-, etwa von
An der Analyse wie an d«
ches allzu forciert-optimij
tung, es gebe nach dem 1<
stoßlegende; das blinde VJ
sehen Angaben über diel
Rechtsradikalismus; das et
Freiheitlichkeit und intere
keit der Gewerkschaften.
Optimismus dieses Mannes!
ein offizieller Begütiger, i|
Der Verlag sollte, wenn]
ist, den Beitrag von Seifd
und den von Kogon als Soil
läge herausbringen, das übri
'all
in der 11
". „Man kann diesen partiellen
LSChenkenotnl«". i-tth,t K^f ^f:„ *^?^
Gerhard Schulz: Zwischen Demokratie und Diktatur —
Verfassungspolitik und Reichsreform in der Weimarer
Republik (Band 1: Die Periode von der Revision des
Bismarckschen Reichsaufbaus 1919—1930). Walter de
Gruyter und Co., Berlin. 678 Seiten. Leinen 56 DM.
Hinter dem nichtssagenden Titel verbirgt sich
eine der interessantesten Studien über die Wei-
marer Republik, die in den letzten Jahren erschie-
nen ist. Gerhard Schulz, bekannt geworden durcli
seinen Anteil an den großen Standardwerken „Die
Auflösung der Weimarer Republik" und „Die
nationalsozialistische Machtergreifung", untersucht
hier das Verhältnis von Reidi und Ländern in den
Jahren 1919 bis 1930. Ein zweiter Band soll dann
Hi#» rjlslcussion um die Reichsrefor-m In <i«:n letattt-x»
Interessen in der Nationalvcj
hindert gewesen war. Die aj
keit Bayerns eingeschworene
tei zog daraus die Begründuni
der Weimarer Verfassung uj
feindliche Politik, die von
Reiches in München mit sta'J
striert wurde. ^Iq
Im ersten Anlauf gelangen
die Zukunft sehr wiciitige \\
Ausbau der Reic^sfinanzverw^
winnung der Wehrtioh^it» ^ürl
das eine dl^ ' • •'«f'fiii'cTt^ ^^^^^
•-\^il
'•■■'■ ■y.-".■-,.^
, .:■■■,■>'■ 1.'
Ictien
't." Ein vortrei*ll<*i|^s Bild. Wie
Jy . wenn er daran glatt'Jt, seinerseits
kann Kutlt den Mitteln des Affekts, mit einer un-
»hoffen mljpn beinahe wieder glorifizierenden Vor-
cin«enomiJl^""6Jt gerade diesem Objekt gegenüber
ftwas auszurichten? Ebenso: Wie kann er, nach-
dem er köstlich auseinandergesetzt hat, was beim
Bayern Strauß die Beziehung zu „dem" Recht und
zu „seinem" Recht unterscheidet, so unkundig bay-
rischer Psychologie sein, daß er meint, man könne
den Typus Strauß bei .seinen habituellen Anhän-
gern durch einen Hinweis auf rechtsstaatliche Ver-
stöße entwerten? Macht, tatsächlich innegehabte
^ Macht ist der Nährboden dieses Typus; auch die
Macht, massive Angriffe auf sich zu ziehen. Wer
Urauß ausschalten will, muß ihn austrocknen: Ihn
öglichst wenig ins Gespräch ziehen, weder am
sgernsee noch zwischen den Deckeln eines aggres-
vcn Buchs. .
An den Kopf greift man sich vollends angesiclits
^r Marotte, daß Kuby ausgerechnet aus dem Erz-
ymdividualisten Strauß, dem hemmungslos und bei-
nahe glücksspielerhaft auf eigene Rechnung setzen-
den Machtmenschen, einen „Typus unserer Zeit"
herauspressen will, und daß er diesen unglück-
-ichen Einfall noch weiter strapaziert durch die
'ehauptung, Strauß verkörpere den Typus des
emagogischen Funktionärs". Das klingt span-
md, steht aber in vollendetem Widerspruch nicht
lein mit dem allbekannten charakterlichen Be-
and, sondern auch mit allem, was Kuby vorher
elbst zu Straußens Charakterisierung gesagt hat.
Sr nennt ihn (was sicher falsch ist) einen katho-
lischen Reaktionär. Er sagt (was sicher richtig ist),
Strauß meine als Ziel seiner Mühe niemals den
Staat, immer nur sich selbst — oder, wenn wir
qualifizieren dürfen, seine Funktion im Staat.
Kuby geht so weit zu behaupten (was bestürzend
wahr sein könnte), da Strauß außer der Maciit selbst
nichts wolle, sei nichts darüber auszusagen, welche
politische Form und welches politische Programm
ein von Strauß geführter Staat hätte. Er sagt nocli
auf Seite 57, einer Natur wie Strauß müsse es am
rlf*. das Insbesondere tn Bayern großes Interesse
finden dürfte.-
Schulz unterscheidet im Verhältnis Reidi— Län-
der drei Phasen. Die erste, die von starken Ten-
denzen zum Einheitsstaat gekennzeichnet war, wie
sie, von dem Preußschen Entwurf zur Reichsverfas-
sung ausgehend, in den Plänen des Reichsinnen-
ministers Koch-Weser ebenso wie in der Erzber-
gerschen Finanzreform zum Ausdruck kamen. Eine
zweite Phase charakterisiert den wiedererstar-
kenden Föderalismus, der zu einer Reihe von Kon-
flikten zwischen dem Reich und einzelnen Ländern
führte. Schließlich eine Phase der Verfassungsdis-
kussion, in der eine organische Umgestaltung der
zum Einheitsstaat tendierenden Weimarer Verfas-
sung im föderalistischen Sinn vei'sucht wurde.
Die Zusammenfassung zeigt bereits, daß die
Entwicklung einen anderen Verlauf genommen hat,
als das Jahr 1919 und die Weimarer Verfassung
erwarten ließen. Die Tendenz zum Einheitsstaat
entsprach ja nicht nur einer im Ersten Weltkrieg
und sclion vorher erkennbaren Strömung. Sie ge-
hörte auch zum Arsenal der Forderungen der
deutschen demokratischen Parteien, insbesondere
der SPD und der liberalen Parteien. Die demokra-
tische Republik sollte endlich die dynastische Zer-
rissenheit Deutschlands beseitigen. Die Daseins-
berechtigung der deutschen Länder schien in einer
Republik zumindest zweifelhaft.
Daß die Entwicklung einen anderen Weg gegan-
gen ist, führt Schulz auf drei Ursachen zurück. Ein-
mal erwies sich das Beamtentum der deutschen
Staaten als ein sehr viel stärkerer Rückhalt der
einzelstaatlichen Interessen, als man angenommen
hatte. Ebenso entwickelte Preußen ein sehr selbst-
, bewußtes Eigenleben, nachdem einmal entschieden
fwar. daß Deutschland nicht in Preußen aufgehen
würde. Die stärksten föderalistischen Strömungen
aber kamen aus Bayern, das von vornherein an
eine Revision der Weimarer Verfassung dachte.
Preußen wie Bayern galt dabei das Bismarcksche
/Reidi als Ideal. Es rächte sich, daß Bayern durch
/die Wirren der Rätezeit an der Vertretung seiner
Der farliisre \atioiialijiiiiiiiiM
Peter Coulmas: Der Fluch der Freiheit — Wohin
,^ * - -4^ ar schiert die farbige Welt? Gerhard Stalling Verlag,
Oldenburg. 319 Seiten, Leinen 19,80 DM.
„Der farbige Nationalismus entspringt anderen
Wurzeln als der europäische, er zielt auf ein ande-
res Ziel und besteht aus anderen Elementen." Mit
dieser Feststellung charakterisiert Coulmas ein-
deutig den Fehler, der zumeist bei Beurteilung des
Geschehens in Afrika vor allem, aber auch in
Asien gemacht wird, wenn man die wichtigste Vor-
aussetzung der neuen Staatsgründungen übersieht:
Daß die afrikanische Revolution auf keinerlei
Ideologie beruht wie die europäischen, von der
französischen bis zur bolrchewistischen. Die afri-
kanischen Revolutionäre versprechen kein Him-
melreich auf Erden, sondern einfach und nüchtern
Verfügungsrecht und Verfügungsmöglichkeit im
eigenen Haus. Ihr Auftreten ist nicht nur Reak-
tion auf die Überheblichkeit der weißen Rasse,
ich für die Kontrollinstanz der Menschheit zu
'lalten, .«»ondern vor allem Ergebnis eines histori-
chen Prozesses: Der Dekolonisation, vor allem der
Dekolonisation des British Empire, ohne das die
Weiterexistenz auch der anderen Kolonialreiche
unmöglich wird.
Die Revolution des »»frikanischen Kontinents
>«
stellt daher eine völlig neue Kategorie der gesell-
scliaftlichen Umwälzung dar, die vielleicht nur in
der jüdischen Revolution des Jahres 1948 einen
Vorläufer hat, wenn es auch dort — in Israel —
anders als in Afrika nicht nur um Befreiung von
Fremdherrschaft, sondern mehr noch um die Er-
hallung der Volkssubstanz ging.
Das Originelle an der Arbeit Coulmas* — der es
verstanden hat, die überaus komplizierte Materie
sehr übersichtlich zu ordnen — ist vor allem das
klare Herausarbeiten der Gründe, warum die De-
kolonisation als Voraussetzung der Revolution
eintreten mußte und warum die neuen Staaten
Afrikas, im Gegensatz zu den europäischen, auch
nicht annähernd Nationalstaaten sein können. Vor
allem deshalb nicht, weil die" Nationalitäten noch
gar nicht existieren, sondern erst geschaffen wer-
den müssen — unter schweren Geburtswehen wie
z. B. im Kongo — und weil die farbigen Revolu-
tionen, anders als die europäischen, die „einen
dramatischen Abschluß langjährigen Umformungs-
prozesses" bilden, erst den Auftakt dazu darstel-
len. Ein lesenswertes und, wie mir scheint, zum
Studium der afroasiatischen Unabhängigkeitsbewe-
gungen auch essentiell wichtiges Buch.
M. Y. Ben-gavriel
Die föde/alistis<±ie Offensive,
Bayern eröffnet. Die Konflikiel
dem, wie etwa mit Sachsen, s|
sätzlicher Ebene ausgefocht^n
rischen Regierung ging es' ityj
Sonderrechte zu erkämpfen,
daß die durchaus im Berei«
gende föderalistische Front
der nicht zustande kam. Die a|
in anerkennenswerter Weise
über den nicht immer leidit^)
gangen in Bayern bemüht. Int)
sönlichkeit des Ministerpräsidej
feld wird von ihm herausgestel/
Bemerkenswert ist die bishi
Folge der Wirren von 1923:
wurde zu einer Abkehr von
tralistischen Politik gegenübei
anlaßt, die nur deshalb für
greifbaren Ergebnissen führte,
zur Einigung unter den Länt
besonders die Reidiswehrfühl
Seeckt) Gedanken entwickelte,)
auch die Idee des Föderalismi
ging von der notwendigen Eii
Preußen aus. Eine Verfassung]
zwischen beiden überhaupt ij
Möglichen bringe, war seiner j
konstruiert. Seeckt ließ den a|
eine untergeordnete Rolle. In«
die in der bayerischen Denkschi
entwickelten Ideen einer födl
staltung des Reiches ab.
Bei der preußischen Regil
nachdem die in der Reichsverj
Aufteilung Preußens endgültij
unter Otto Braun bald die ei
denz bemerkbar: Der Anschh
deutschen Länder, aber auch
schweig oder Mecklenburg w\
wägung gezogen. Eine UmgesI
im Sinne des Aufgehens in Pi
verfolgte Ideal der preußisclj
beiden größten Länder warej
Sonderinteressen gehindert, df
hatte um den Föderalismus zu]
Eine letzte Bedrohung für
Länder kam mit der Wirtschi
Reihe finanzschwacher Ländej
ließ, den Schwierigkeiten di
Reichsländer aus dem Wege
Hessen-Darmstadt mit dem
handlungen aufgenommen,
übersieht) ein interessanter
sehe Solidarität anzustreben
aufzunehmen, gescheitert war!
Es ist sicher richtig, wenn '^
ses ersten Bandes betont,
Reichskabinette noch die d(
weniger die Beamtenschaft
Weimarer Republik über das!
sehen Reiches erhoben hättej
Schwebezustand der Diskussf
I reform in diesen Jahren erl
jaus der Diskrepanz, die zwisj
? realisierbaren Ideal und der
' keit bestand. Schulz sieht hij
' der Weimarer Republik, wobj
Verwaltungsapparate und dt
mente in die Debatte um dij
ein von ihm mit Recht hervoi
ist. Jedoch scheint mir Schul]
litische Buch
Samstag/Sonntag, 30./31.Mai 1964
IMiithi^er liit*
Beziehung und den Glauben, daß
itrag wirklich expreß für dieses
habe, in dem Umstand, daß er in
kommenden Einzelheit diametral
Ansicht ist wie Kuby, und im
r Optimist wie Kuby Pessimist.
im förderlich, wenn die beiden
setzten. Kogons meisterhafte
vorausschauende Analyse der
i?e und der deutschen Situation
igut separat oder in einem be-
ich erschienen sein. Er gründet , , ., . , ^ ,..., .,. , , . . ,.
aß die Lage stabil bleibt und ^^^ amerikanischen Politik gegenüber den gegenkam. Auch die westliche Entwicklungshilfe
Hans Henle: Chinas Schatten tiber Südostasien. Hol- nesien sieht Henle in dem gleichzeitigen Appell
nrso'DM.*^^' "^"'^"'■^- ^•'^ ^^^*^"' ^ ^^'^^' ^^^"^" an Nationalismus und soziales Reformstreben. Die
Marxisten haben sich schon früh an die Unter-
Es gibt wenige Neuerscheinungen über Südost- drückten und Enterbten gewandt, das heißt an
asien, die faszinierender zu lesen sind als dieses die überwiegende Mehrheit der Einwohnerschaft.
Buch. Man kann sich vorstellen, daß es mit vielen Dadurch gewannen sie einen Vorsprung vor den
seiner Thesen Anstoß erregen wird, denn es ist Westmächten, deren mehr liberale Ordnungsvor-
von stärkster Kritik an der westlichen, insbeson- Stellungen nur einer schmalen Minderheit ent-
Krisenherd immer weniger
neuen Staaten Südostasiens getragen. Sein haupt- konnte hier keine nachhaltigen, politisch relevan-
nationalpolitische Seiten-
ann auf das militärische Patt
nd der Sowjetunion, das dar-
fent to disagree mit anschlie-
|jch vorsichtiger Detente zwi-
Diese Entwicklung läßt Ko-
lick mit dem koreanischen
953 beginnen und ordnet ihr
die Eisenhower-Doktrin, ja
auer und die dortige Still-
uba als einzigem Störfak-
-französisch.en Pakt, von
rei und den EWG-Mühsalen
eine Konfliktsmöglichkeit,
demokratie und der fran-
einstweilen nur Zustände
Auf diesem Hintergrund schildert der Autor die
Entwicklung in den einzelnen Ländern nach 1945.
Ein besonders eindrückliches und dabei tief pessi-
mistisches Bild ergibt sich für Laos und Vietnam.
Der Rezensent kann ihm kaum widersprechen,
nachdem er 1954 während der Kämpfe um Dien-
bienphu in Hanoi und Haiphong Gelegenheit hatte,
Zustände zu beobachten, wie sie jetzt allem An-
schein nach auch in Südvietnam herrschen. Die
Herrschaft Frankreichs endete damals 100 Meter
rechts und links der mit Mühe offen gehaltenen
Verkehrswege. Es stellt sich die Frage, warum es
bisher dem Westen nirgendwo gelungen ist, eine
Guerillabewegung aufzuziehen, während die kom-
munistischen Kräfte dazu anscheinend mühelos in
der Lage sind. So ist es nur natürlich, wenn der
Autor auch den SEATO-Pakt als einen Fehlschlag
bezeichnet, einen Pakt, der ursprünglich als Ge-
t. auf verschiedene Überlegun- sächlichster Vorwurf besteht darin, daß manche ten Erfolge erzielen, da die Verlockung zu Ver-
lie internationale Einbetonie westlichen Kreise, vor allem aber die den Thesen schwendung und Korruption hemmend wirkte.
' die ihm wie allen anderen ''°" "^«^^ ^«^^^"^ ^""^^ verhafteten Politiker, die
Situation ausschließlich unter dem Vorzeiciien des
simplifizierenden Gegensatzes Kommunismus-
Antikommunismus gesehen hätten. Demgegenüber
betont der Autor, daß man die Entwicklung nur
verstehen kann, wenn man berücksichtigt, daß mit
Ausnahme von Thailand alle Staaten Südostasiens
früher Kolonialgebiete waren und daß man keine
plötzliche Kehrtwendung erwarten kann. Nach
kaum erlangter, oft blutig erkämpfter Unabhän-
gigkeit drängen sich, so etwa formuliert Henle die
früheren Kolonialherren als Bündnispartner ge-
gen die kommunistische Gefahr auf und versuchen
die gerade gewonnene politische Handlungsfreiheit
der jungen Staaten für ihre eigenen Zwecke ein-
zuspannen.
Es ist — und hier muß man dem Verfasser sicher-
lich recht geben — eine psychologische Realität,
)ys Brillanz, aber halt un- daß man sich in den Staaten, die früher Kolonien genmaßnahme gegen einen erwart^ten"kommu^nl-
»gik. Kogon macht zum waren, den Herren von einst nicht verpflichtet stischen Großangriff gedacht war der aber Ge-
chläge zur „Verteidigung fühlt, auch dort nicht, wo unzweifelhafte Leistun- fahr läuft, als „Instrument zur Stützung bedroh-
Der erste verlangt größere gen der Kolonialmächte für die betreffenden Ge- ter Oligarchien" benutzt zu werden,
erbesserung unserer Par- biete zu verzeichnen waren. Überhaupt sieht
Umwandlung Berlins aus Henle die wirtschaftlichen und politisch-sozialen I" jüngster Zeit scheint sich aber durch die ri-
i in eine politisch ebenso Auswirkungen des Kolonialismus höchst negativ, gorose Schwenkung der französischen Ostasien-
ternationaler Forschung. Man kann sich sogar fragen, ob das Bild nicht Politik eine Änderung abzuzeichnen, ein Element,
sene Absage an jede Art überzeichnet ist im Sinne einer allzu krassen welches zur Zeit der Abfassung des Buches noch
Notstands-Gesetzgebung. Schwarzmalerei. Aber die These von der Abnei- "i^h^ vorauszusehen war. Der französische Außen-
n Vorschlägen mag man- gung, sich wiederum an westliche Mächte zu bin-
^stisch sein: Die Behaup- den, besteht unabhängig davon sicher zu Recht,
[tzten Krieg keine Dolch- Ebenso ist es eine Realität, daß sich die südost-
rtrauen auf die statisti- asiatischen Staaten von der Sowjetunion nicht be-
Unbeträchtlichkeit des droht fühlen, ja nicht einmal von China, ungeach-
■>enso hymnische auf die tet aller Anzeichen eines Wiederauflebens chinesi-
jssenfreie Fortschrittlich- scher Aktivität in diesem Raum. Viel eher ist man ''^ich im Grunde zum Fürsprecher einer Politik
Aber was madit's? Der geneigt, in China eine Art Seniorpartner im der Nichteinmischung und des Neutralismus,
der alles andere ist als Kampf gegen die Überbleibsel des Kolonialismus schwenkt also ein auf die chinesisch-sowjetische
. lacht froh und wach. und gegen die Einmischung des Westens in Südost- Linie. Wohin das führen kann, ist einstweilen
. das Buch ausverkauft asien zu sehen. Nur wenn man dies berücksichtigt, "^ch nicht abzusehen.
,rt als Archivbroschüre ist die Haltung etwa eines Sukarno zu verstehen. Wenn wir dem Buch eine ausführlichere Bespre-
jderheft in Massenauf- Die Grundlage für den Erfolg kommunistischer chung widmen, so ist dies gerechtfertigt nicht so
ge aber beiseite legen. Propaganda auf dem Festland, aber auch für die sehr durch seine unbezweifelbare Aktualität, son-
j W. E. Süskind Popularität der Kommunistischen Partei in Indo- dern vielmehr durch die Tatsache, daß hier der
nicht häufig anzutreffende Versuch gemacht wird,
j einmal die dem „freien Westen" entgegenstehen-
^'^■■•»•MBtgikB» ICtfi^iiiililil^ ^^^ Kräfte des Neutralismus und bodenständigen
r^*"*"***^* Mmi^|FlMR»lll^ Kommunismus verständlich zu machen. Auch wer
dem Verfasser nicht in allen Punkten zustimmt,
^ «rnmlung stark be- stehende Element des in verschiedenen Ländern wird sich nur schwer dem Eindruck seines Plä-
^ndie Eigenstaatlich- noch vorhandenen Staatsgefühls zu sehr aus dem doyers entziehen können,
ayerische Volkspar- Auge zu verlieren.
für ihre Ablehnung ^^ kann angesichts des komplexen, viele Völker
„Is^'^Y i^'*^ reiciis- ^^^s liegt gewiß auch an den benützten Quellen, und Kulturen umfassenden Gegenstandes nicht
"^^v^f^ysandten des Schulz zieht ausschließlich die Akten der Reichs- ausbleiben, daß hier und da sachliche Unrichtig-
^^^jX)^^orgnis regi- kanzlei und des preußischen Ministeriums heran, keiten stehengeblieben sind. So heißt der Bei-
^^^*\\VM Es ergibt sich von selbst, daß in diesen Akten jifli- name Itof^hi-minhs nicht „der das Volk er-
minister hat es in diesen Tagen (Mitte April 1964)
auf einer SEATO-Tagung abgelehnt, eine Erklä-
rung zu billigen, die die Niederlage der Kommu-
nisten als wesentlich nicht nur für die Sicherheit
Vietnams, sondern auch Südostasiens insgesamt
bezeichnet. Mit dieser Haltung macht sich Frank-
"l^eich zwei für
dieidungen: der
\tung u^d die G«
Machl
t
ein?. B.ei^
stische Argumente vorherrschen. Das eigens^pii-
dige Element in den Ländern hätte sich^i/jx^W«
aus den Akten der Landesarc*iiyj
lassen, die SSchulz nirfit v«rw«:i-f^
d*.u««-ii<*»«»- i«t. «1" "Vin Wo/U „i
'JPJ^ Jcoor,,
i-minh ist sinovietnamesi
Piirhffifpr Wi;.?'-",V^,
labhäl
:-fit>.
l/AtitU*^ dann von ^
ppao/ auf grund-
ifii,ac-.i. Der baye-
ibesondere darum,
IS zur Folge hatte,
[des Möglichen lie-
-süddeutschen Län-
l^beit von Schulz ist
im Fairneß gegen-
ferständlidien Vor-
)esondere die Per-
lten Graf Lerchen-
ii.
(er nichtbeobachtete
)as Kabinett Marx
1er bisherigen zen-
den Ländern ver-
lie Länder nicht zu
[weil es einmal nicht
lern kam und weil
rung (General von
die nicht zuletzt
Is tangierten. Seeckt
iheit von Reich und
die einen Konflikt
11 den Bereich des
[einung nach falsch
ideren Ländern nur
^besondere lehnte er
*ift vom Januar 1924
jralistischen Ausge-
lerung madite sich,
Ifassung vorgesehene
|g überwunden war,
itgegengesetzte Ten-
tß der kleinen nord-
jrößerer wie Braun-
trde ernsthaft in Er-
[altung Deutschlands
*eußen blieb das zäh
len Regierung. Die
\n daher durch ihre
jle grundsätzliche De-
erzwingen.
Ilas Fortbestehen der
fftskrise, die in einer
die Idee entstehen
jrch Umwandlung in
zu gehen. So hat
[Reich darüber Ver-
(achdem (was Schulz
[Versuch, föderalisti-
lind in Bayern Gelder
»chulz am Schluß die-
laß sich weder die
l^r Länder und noch
in den Jahren der
Ideal des Bismarck-
1. Der eigentümlidie
ton um die Reichs-
[.lärt sich daraus und
fchen dem nicht mehr
Verfassungswirklich-
;r ein Grundproblem
|2i das Vordringen der
IT juristischen Argu-
h Reidisreform sicher
gehobenes Phänomen
dabei das dahinter-
andeTn n»r
Beispiel D^rtrg
»^- -^^^vcrn v.'icl
tige Diskussion unter del
So wird es nicht ausbleiben, daß einz^Xii«,„jcvaj
Stellungen des im ganzen abgewogenen und ütu^
zeugenden Buches später durch die Landes-
geschichtsforschung Korrekturen erfahren wird,
die im Trubel der historischen Produktion unter-
gehen. Karl Otjfiar Frhr. von Aretin
^«ve^
li
bare ^C
:eirgion.
Literatur sind
und Gallizismen
Ol
einige voifcpiQau
steheng^i.
ben. Aber'\^«- ^'samt verdient das Werk weite Vei-
breitung uncSsei es auch nur, um aufrüttelnd zu
wirken und zu einer Überprüfung der westlichen
Politik gegenüber Südostasien anzuregen.
Herbert Franke
Polin.^rlii^ llilfliiiizr iiiiil
^■•e Neil nie
Hans-Hermann Harlwich (Herausgeber): Sozialkunde
und Sozialwisbenschaflen — Zur Diskussion um das
neue Fach Gemeinschaftskunde. Colloquium-Veriay.
Berlin. 112 Seiten, brosch. 4,80 DM.
Manchen Unterrichtsverwaltungen westdeutscher
Bundesländer scheint noch nicht ganz bewußt ge-
worden zu sein, daß ein demokratisches Regime
politisch vollaktualisierter Bürger bedarf, um gut
funktionieren zu können. Wie wäre es sonst zu
erklären, daß die politische Unterrichtung und die
demokratische Erziehung an den Volks-, Mittel-
und höheren Schulen, an den pädagogischen und
tedinischen Hochschulen sowie an den Universitä-
ten von den zuständigen Referenten weitgehend
vernachlässigt wird? Diese handeln kaum initiativ,
sondern bedürfen fast stets des Anstoßes von
außen, ohne dann immer auf einen solchen zu rea-
gieren. Ein derartiger Anstoß ist die vorliegende
Broschüre, die die Beiträge einer Berliner Ar-
beitstagung am Otto-Suhr-Institut der Freien
Universität Berlin und die Berliner Erfahrungen
der politischen Lehrerweiterbildung enthält.
Professor Sontheimer von der Freien Universi-
tät spricht sich in seinem Beitrag über ,, Gemein-
schaftskunde und Politik" für den Primat der po-
litischen Wissenscäiaft als einer Ordnungswissen-
schaft bei der Gestaltung des Faches „Gemein-
schaftskunde" aus. Ihm gegenüber beanspruchen
die Professoren Bolte und Ortlieh (Akademie für
Wirtschaft und Politik, Hamburg) für die Fächer
Soziologie und Nationalökonomie mehr Raum im
Gemeinschaftskundeunterricht und eine intensive
Beteiligung an der Ausbildung des Lehrpersonal.s.
Professor Stern vom Otto-Suhr-Institut erhebt als
Jurist keine ähnlich hochgespannten Forderungen
sondern begnügt sich damit, den Schülern Grund-
vorstellungen und Grundbegriffe der Rechtsord-
nung zu vermitteln. Mit dem wichtigsten Fragen-
komplex, dem der akademischen Ausbildung der
Sozialkundelehrer, befaßt sich das Referat des Or-
dinarius für politische Wissenschaft an der Uni-
versität München, Hans Maier. Ausgehend von der
derzeitigen Gegebenheit, daß Gemeinschaftskunde
an den höheren Schulen ein Fach ohne Lehrer —
mindestens ohne ausgebildete Lehrer — ist, zeigt
er die Notwendigkeit des wissenschaftlichen Fun-
damentes des neuen Faches und fordert, daß die-
ses auf einer von der Universität verliehenen
Fakultas beruhen muß. Er regt an, „Sozialkunde"
als Haupt- oder Nebenfach in verschiedenen Kom-
binationen mit alt- oder neuphilologischen Fächern
zu schaffen. Als legitime Ausbildungsstätte be-
zeichnet Professor Maier die Disziplin der politi-
schen Wissenschaft, die in Zusammenarbeit mit
anderen sozialwissenschaftlichen Disziplinen ins-
besondere die Gegenstände der politischen Theo-
rie, der vergleichenden Regimelehre und der inter-
nationalen Politik lehren sollte.
Die genannten Referate und die anschließenden
Diskussionen der Arbeitstagung können für die
Unterrichtsverwaltungen der Länder zu einem
entscheidenden Anstoß werden. Haben hier doch
verantwortungsbewußte Universitätslehrer einmal
die Initiative ergriffen, um die vagen und forma-
len Vorstellungen der Kultusministerkonferenz
über die politische Bildung in den höheren Schu-
len kritisch zu analysieren und durchführbare
Konzeptionen zu entwickeln. Heinz Laufer
]flit Xapoleoii in Kiißlaucl
Eckart Kleßmann (Herausgeber): Napoleons Rußland-
ffldzug in Augenzeugenberichten. Karl Rauch Ver-
lag, Düsseldorf. 414 Seiten, Leinen 19.80 DM.
Hans Jessen (Herausgeber): Der Dreißigjährige
Krieg in Augenzeugenberichten. Karl Rauch Verlag,
Düsseldorf. 440 Seiten, Leinen 19.80 DM.
Der Rauch Verlag legt zwei neue Bücher seiner
Reihe „Geschichte in Augenzeugenberichten" vor,
und es gilt für sie das gleiche, was zu früheren
Bänden schon gesagt wurde: Sie bieten eine nütz-
liche Ergänzung für jeden, der seine Geschichts-
kenntnisse mit lebendigen Eindrücken anreichern
will. Daß soldie Eindrücke ein intensiveres Ver-
ständnis des Gesamtvorgangs vermitteln, zeigt ge-
rade Kleßmanns Sammlung über den Rußland-
feldzug der Großen Armee. Hier tritt in der Tat
der gewaltige Vorgang in vielen Einzelbildern
plastisch zutage; die verschiedensten Momente,
angefangen von Napoleons schwankender Haltung
in diesem Feldzug bis zu den eigentlichen Ui'-
sachen der Niederlage, werden überaus deutlich.
Das ist der geschickten Auswahl der Dokumente
zu danken, die historische Proklamationen ebenso
einbezog wie höchst persönliche Stimmungsbilder.
Von nicht geringer Bedeutung für das Verständ-
nis der Zusammenhänge erweist sich dabei der
verbindende Text, der die Details einordnet. Hier
sollte man nicht befürchten, dem Leser zuviel zu-
zumuten. Langatmige Kommentare wären gewiß
fehl am Platz, andererseits läßt sich eine solide
Basis für den interessierten Laien nicht durchweg
mit wenigen Worten schaffen.
Ähnliches gilt auch von Jessens Dokumentation
über den Dreißigjährigen Krieg. Auch hier finden
sich eine Fülle interessanter Eindrücke und so
reizvolle Dokumente wie etwa des Grafen Slavata
Bericht über seinen eigenen Fenstersturz zu Prag.
Leider wird die Lesbarkeit des Bandes — unver- -
meidbarerweise — häufig durch die schwülstige/;
Sprache der Zeit etwas beeinträchtigt, worüber ;
der wahrhaft Interessierte jedoch hinwegkommen
sollte. Bei künftigen Plänen für diese nützliche '
Reihe wäre es gut zu bedenken, daß die Brauch- ^
barkeit um so größer wird, je enger man den Rah-
men des Themas zieht. - Leo Sillner
I
im^
s-*^
^^'}ißm
Seite 24 / Frcitaff. 10. Juli 1970 / Nr. 158
FRANK FURT EK ALLGEMEINE ZEITUNQ
Deutsche Juden
erforschen ihre Vergangenheit
Die Ta^'ung des Baeck-Instituts in Jerusalem
■ L bALEM, 9. Juli
^ • tsxn ng des Leo-
-,,,..,. >.^ zu . Am Abend
wir in einem großen Vortrags-
«;aHl der Hebraisdien Universität und
hörten eiricr v- ■■'=■'" r-n, streckenweise
fröhlich kank -, im Endellekt
durchaus pessimistischgn und, wie der
KefGrcnt selber zu^ab, ' '''^^'
non r • " ""■'"' ^' • ^^
^cUgv- ^^'' Literatur
/u. Wir waren eingekeilt zwischen Hun-
derten junger " ' n. die. meist Ein-
wanderer aus c .. ^^ A. mit sichthchem
Spaß und mit der Anteiinahme wissen-
der Auguren rten\ "" loigten,
und selbst seine In i>.v.... wo.tizen einge-
wickeltf'U An«pielunj:cn wurden mit
verständnisvoller Heiterkeit quittiert.
Der Kontrast zwisdien beiden Veran-
stfilt^jn^en, der des Leo-Baeck-lnstituts
und d«T Vorlesung Bellows. war auf-
fallend. Dort olles schon im Dunkel el-
ner Ve' nhoit, die erforscht und
dadurch , /.„ehalten werden soll; hier
pralle, greifbare Gegenwart. Dort, ini
iniblikum der Leo-Baeck-Tagimg, vor-
wiegend Menschen, die endgültig darauf
gekommen sind, soweit sie es nicht
schon immer begriffen hatten, daß ihre
Präsenz in den deutschen Landen von
manr!iem Wenn und Aber schon lange
vt^r Beginn des teuflischen Millenniums
bogleitet und bedingt war. Zu Füßen
des wellxnännischen ^v^^''''--v— Bei-
low aber saß ein Au. -^ aus
freien Stücken einer augenscheinllcji
von Lebenskraft strotzenden, möglicher-
weise dcnnO(' -'^.on skeptisch ange-
krön kellen j. n Gememsc+^aft den
Tlückon gekehrt hat und in Israel einge-
. wandert ist. Im Leo-T' ' Institut wa-
ren die Alten in der ... ..;rheit, emge-
pprengt unter ihnen Studenten, denen
die Thematik in ihren historischen
Asr ' ' *^"^*^ '^^''" 'liaftliche Her-
austu. ...ung sein e. In der Uni-
versität waren die ErA^achsenen ein re-
lativ kleir.es Fahnlein. Bellow .^pra(^
amerikanisch wie die Mehrheit seines
Publikums. Bei den Sitzungen des
Baeck-lnstitutÄ verwandte man das
Hebräi.';<-he und das Englisdio. Spracijen,
die die Mehrzahl der Anwesenden nicht
vom Elternhau.s mitbekommen, sondern
später erlernt hatten. Die Absicht war,
den jungen Leuten entijegenzukomm.en,
ihr Interc*sse für die vielfältige Proble-
matik der jüdlsdien Geschichte im
deutsiiisprachigen Europa zu erwecken
und den (inen oder anderen zum Stu-
dium und zu originären historischen
Untersud-iungen anzuregen.
I
Mit bitterer Ironie
Dle:4e Gcgenüberstelhmg der durdi
einen bedeutenden Schrift.-teller reprä-
sentierten Hmerikanisi-h-jüdisdien Ge-
• genwart und der deutsch- jüdischen
Vergs-ngcnheit, vom Zufall in Szene ge-
setzt, gab zum Nachdenken Anlaß.
Hellöw durfte plaudern, natürlich nicht
völlig unbelcümmert und stets mit dem
unüberliörboren Appell des „mca res
agitur", und was er n\it mno^innal bit-
Vrr.T T »••.•:<» vHi sagen hotti ^i'-te »1«
j.^,,. .„: . . o den Leib zu nicken und in
t , '.er Form eui Psychog.'*amm
des deut5<dien Judentums, das der Welt
im letzten Jphrhundert drei Genies
(Miirx, Freud und Einstein) gegeben
hatte, zu erarbeiten. Die Strecke gehl
von den zentrifugalen Figuren eines
Heine, einer I^adiel Varnhagen oder,
sehr viel spater, eines Otto Weiiuger
i;bcr das aus jüdischer Sicht Zwie-
lichtige der gescheiterten Flucht eines
Karl Kr? US. über den uns:cheren-un-
glucklichon Theodoi Lessing an vielen
Marksteinen vorbei bis zu Franz Rosen-
zweig, „der nichit Jude blieb, sondern
Jude wurde", über den zuerst für die
Massentaufe jugendlich entflammten
Schöpfer des politischen Zionismus
Theodor Herzl bis zu Buber und Sciio-
lem, die den Weg zunv-^udentum aus
der Enge dös Glaubens wiesen. Die
Straße führt von der Öffnung derGotto-
tore bis zum tragischen Fmale, da sich
die Tore des Geltos von Auschwitz
wieder sdilossen. Simon meinte in Zu-
sammenfassung »einer Analyse, daß die
Juden In Deutschland sich sctilielilidi
dodi für ihren eigenen Stamm ent-
schieden, während die Ostjuden nie-
mals vor eine ähnliche Alternative ge-
stellt waren. Dies stimmt zwar, doch
offen bleibt, ob und wieweit die.ie
Wi\hl aus freien Stücken getroffen wur-
de oder ob aie, jedenfal]:^ im letzlen
Stadium und für die Mehrzahl, durch
die unheilvollen Ei-eignisse aufgezwun-
gen war.
Das Vergessen ist schwer
Daß die Jangen,, dunklen Sdiatten
der NS-Zeit r'.ahezu ohne Unterlaß
über der Tagung lar.cn, ist verständ-
lich. Für eine
werden ^-'
und Polt'
ten in ein helleres Licht der Unbe-
schwertheit treten können. Hitler war,
so sagte einer, eine »ingulrire Erschei-
nung, da aber die Mmsdien ein histo-
ri.-idnes Gedöchtnis haben und da Hitler
der Geschichte eine neue Dimehs'on
verliehen, ist eine Wiederholung des
Grauenvollen niemals mehr ausge-
schlossen. Die PrognofiC ist ues.simif,ti.scli.
doch die Diagnose der Vergangenheit
war nach der Auffiv.sung eines ande-
ren Referenten no<:Ji deprimierender.
Die Katastrophe wer unansw^^idiüch,
denn sie war sdion durch" die Emanzi-
pation per se von^usbestimmt. Eine
Flucht »US dieser r»etermination war
unmöglidi. Prof. Friedländer (.lemsa-
lenv'Genf) führte in einem .sowohl in-
haltlich als rhetorisch vollendeten Vor-
trag den Nn<hweis. daß Zufall und
konsequente Lntwid'lung in mutwilli-
gem Zusammenspiel die nazisLisciie Fnd-
lösung heraufbe5d)w »ron. Konkret und
faßbar sind die Wurzeln des Bösen
.schon im Ersten Welttcrleg zu entdecken,
als deutsdie Solda^oi zum ersten Mai
auf die kompakte IvTasse . eines Iradi-
llon'jllen Judentums Im besetzten Kuß-
land stießen und i-Icii der Abgrund
einrr Fremdh^nt oi ftat. der nachher
nidit überbrückt weiden konnte. Jt,<v»i?4,
unabsehbare Zukunft
iche jüdischer Historiker
i nidit Dus diesem Schat-
nelx-nbci bemerkt, eino
,n|
•I»
■ 0
,9
f
' ir.
\
r
y \
'- -^u
^» ■,^
y^'^1.
■ : l in N<!W York.
,'v,.i ', ni in der Hauptsache
tiuich bislan- otwa ?^0 her%'or o
Wissens. ■ WrüClenlK,..^^. n
befaßt ...: :: ■-' unsorcr \troffont-
i>clun>.^«^n sind Mosaiki^toine. die aut
ihre 4'slematisch duvch>l:>chlc Erg^ln-
zunß durch anrlcrc- Mosaik.sU^aie und
auf die Zasammenfü.t^unj.', in einem pro-
ßf^ron Mo-^aik warten . . . Krst djc Co-
v/innunr, omor größeren Air/.ahl von
MüarbeitcnT — insbesondere aus der
lunRen Generation — wird e;ne noch
svstcmalischer zontralisiorto Aroeit ße-
«;i'^11on" erklärte der talkrafti^ie Iih-
cidenl des In-tituts. Dr. S. Moses m
seiner FrürCnuni'Siinspracho. Danun also
Voht e.s. Jiin'J.ere Wisen.smaftle-. von
denen keiner mol\r Zeit«cnosse der zu
b^^schrcibenden Kroisni-:^e «ein w^rd
s'nl heron/.uziehen, dnmit nacn folgende
■ Gencr:;'ionen sicti ein n-ngiichsl bjk-
« kenT(^^cs rüld vom dculsd'.sprechenden
Ju-lentum nipchcn können.
]Aic Ta"unt,* selber, die vor Kurzem in
Jev^usalem stoUiand. VerdeutUehte die
s:fj."lion der .,T^.Tos^l'kstelne•' und dei
Pavtikolchen und zu.aieich auch oic Oc-
juden
einen\
ASF'
bot!
notti
f.
mr,
dad die zuverläs<',v;e und wis>;en-
.srh-'tl'ch fundierte Schilderung eines
der v.'ichtirsten Absclmitie der ?<esa--
t-n1Üdi?cben piaspora-Geschiehle trotz
aller Mühe für eine unabsehbare Zu-
kunft Stückwerk und Tors^. bloiben
wild. '.VicvdiK ist diese Periode, de naj
Mer^delssohn beginnt, ohne HucksK-ht
darauf, ob man sio je nach Gesdmmek
und Nei?.unp[ als deutsch-]ud.sd\e bytn-
bin-^e (^dcr deutsch-jüdischen Dialog be-
zeichnet. Da.s Beiwort „wichtig" genugi
objekliv. alles v.'citere sind bereits De-
duktionen, b-i denen heute noch bei-
nahe /.wanpslauflß viek» emotional oe-
tonte Wertunjfen unuberhörbar md-
sehv'inpen. Man konnte sie auch aur
der Tar;unR verne)>n;cn. Aber die Zu-
sammenkunft yab Zeu-nis uuel^ von der
Zufälligkeit, die die Thcmeiiv/ahl nach
Faible und Wissen der gelehrten Rc-
f'ucnten beidimm^e. Es war ein reiches
Prouramin.das vieles und dadurdi man-
chen etwas brachte. Kme nüchste la-
runr: könnte, da.s ist cvn Vorschlag, der
rnor.or,raphi.schen DurchleurhtunR eines
bestimmten Se^'.ments von unter.srhjcd-
lichen '^ -knvmkten ans t;ewidine>.
werden iVei der sonst sehr RcijUickten
.Jerusalrnnor VersamndunR. die em An-
ti^ny. U!.d ein KxiHTiment wir. kamen,
um ein li^isplel /u nennen, Kutvst, IJte-
raiur. Malerei zu kurz. Sie wurd-n
kaum am Pande erwi.lml. Das V-m -
.^immte la(U Kidi nad>holen. und dasln-
einanden^reltcn der deutschen und jü-
dischen Zahnrfider d'-. Grlrieb-s ^:eh(u-.
aur!^ hier zu den Sachfra^'.m, die inten-
siver EK'.rteruriK im I^ahmen tles l^;o-
BaeHk-ln^litut.«? wetl sin<l, «las darviher
Übiircns sdion manches nublr/uMt hat
Die Frage wurde nestellt Wu? jiidisdi
war das deutsc+ie .Tud.-ntum'' hme
:*ehlüsMpe Antwort, die InvcTÜur Mm
llllanz 7.ur1*-l'b /u sein hatü . knnn t>iChl
oder nodv rudit «er.et><«n x/erden. I'rot.
Krnst .Simon (Jene.alem) ma. hie d-'n
|.indna:ksvollcn V.taich. das Probhia
7,u jdied«*rn, Ihm dnnh viele Ca: «-
tu 's
•(?r Nivhe sahen, . i •> ;•>''-
unvcrf.'ilsdi'-M,
nahe/n übeih.. ;
•\ ifidischen Kolle!'liv /M'.>m-
mentrafen. I^IC. als <^or WeltUiv ,'. r.r\
einem Wendepunkt cnlancl-*, r«ls ina
nadislen .lahv durch den F.m'ritt Arne- ;
rikas die Isolierung Deut^-d^^ands «m- 1
mer spürbarer wurde, als die ^P'^*»". I
du' dem deutschen Volk abcjefordert |
wurden sidi mehrten — entvt-.nd all-
miahlich der Mythos von der „judl.'^ehen
Weltherrschaft". Rathenaii war nach
der Niederlegte ein personifl/iertes Sym-
bol der Erfüllungsnolitik, Rapallo das
Zeidien für den Ausverkauf .-m den
Kommup.isirus. Die KPD ihrerseiVs .--ah
aber, so Prof. George L. Mosse (Madi-
son Univcr^^ity, Wisconi-in), lon.^e Zeit
Mn Nationalsozialismus von.vießend den
}Beschülzer der jüdische:^ Karit-disten.
D-^ Ir'-v.cfie der allgemeinen Verben-
r-miU die sich um das jüdische Problem
schlänj;elien. wurden immer unulx'r-
«cv-auba'cr. und linksstehende Pubhii-
;.U.n jüdischer Herkunft vernied^.dium^
roch k'.^'rn vor dt-r ..Machlcri-eifunp.
deM A.nt:..emitlsmus Hitlers und seiner
Kumpane. Die ktmimunislisdne Pre.s.->e
('.-.^ Woimarer Republik übe.-?i'nR die
rohiate Judenfcind.sd^.a^t d<^c Tlaken-
kreu?.partei mit Stdl .chwei^^n. Die Im-
• t
» 4
ken '.üdischen Inrelkktuellen •^'\^\^^
jene Beziehuni .'.nr politischen Iv<"ii!.a-
verl.^ren. f^eiierten sidi nicht al.s Judei\
cif, Meiern als Vorhut des U;iuturzes.
Jai der Naticniallsmus strk<:r'^
Lib-ralismus und Nationali.smus wa-
»•en sich sdion eini.i^c Jahrrehnie davor
in d;e Haare geraten. Das verbis.sene
DueM der bis zur personlidien Animosi-
tät erhit/ten Fehde zweier prommenter
deutsehcr Juden in der Bismarck-.Ara
war U;r Prof. W. E. Dosse (Glasgow-
Norwidi) dciS Schulbei.sp'.el seu^er j -le-
s«' da^^ der Nationalisn^us die stärkere
Madil und ..right or wi-on>: my co-nt-y"
de Devise auch vieler Enumr.ipierler
blieb bis sie unter die R;ider kamen. Im
Deuts.hen Reit+istaR standen einander
zwei .luden K«v:onüber. LudwiK BauA-
l>erjTcr. ein Rebivitiger Mainzer, und
Fe(»pold Sonnemann, der seine-r Fraiut- f
lurler Wahlhrm\at er^:cbene Zedmvr.s-
pnmdcr. ie!>er als N alionnl liberaler
treue) Gefol«KrT»unn und 1870,71 sogar
Spredier Uismardt«. dieser als Libera-
ler ohne Beiwo't und Bindestrich, ein
harter Kritiker des Kanv.iers ;m Parla-
ment und in der „Frankfurter Zoltunß''.
Der KultOrkampf. die mit Nachdruck
b,-1ricb<me Germant>'icrun): vi>n ^..sal^-
I,(^Ulr'nRen und das Sozialistonv.cseU
.sah die beiden auf verHrhl»Klenen .Sel-
ten d« r Barrikade. IMsmank konnte kei-
nen ;esehm.Hck an Sonru-manns \a-
rianli de» humanen Ul>erabsmus lin-
den )''.r hnlite ihn und tvuj: dn/u bei.
dm V ni der Trtbime des Ucichstajis ;'U
etd feinen. ,
T>ir Arnnlttit rwinehen deutschrm und
)iidl«)(hem Geist war r.rolt und k.mn jm-
d,.rsvo nldd. nadu'oll/.ojien weidru.
sajilo Prof. T.lebeadüHz (Liv^MpooD In
)
r-^ «• ,1. M
-•-"»
seinem Vortrag über ,.Die Bodcutung
cid- Icl«'ongoschichte für das Vc ' • inis
d«*r jüdischen Situation in Deui ..d".
Auch er hatte zwei gegensätzlich vi Poj-
sönlichkeil.on gewählt, um seine An-
schauung zu untorbauen' den Neu-
Kcmtianer und Begründiir der Marbur-
ger Schule Hermann Cohen .(1842 bis
19U>), der bewußt \md mit zunehmen-
dem Alter immer mehr aus seiner jü-
dischen Substanz schöpfte, und den
..nichtjüdischen Juden** Georg Simniel
(!;C)S l>is 101 aj. Die Posiiion und Wir-
kung Cohens in der Geistesgesdiichtc
der deutschen .]ud(»n ist unangef ödsten,
aber' Liebeschüt/ wollte in der Kon-
trasticrung eine Lanze für Sn-nmel ein-
legen und auch ihm einen Platz in der
Ehrenhalle des deutsciien Judentums
sid-iCrn, obwohl er und seine Eltern nicht
mehr der iüdischien Religionsgemein-
schaft an^eht^rtcn.
Ursaciie und Wirkung deutsch-jüdi-
sdicr oder, in diesem Palie, ciiristlici;-
jüdischcr Verflcditungcn in Deutschland
wurden auch in einem Vortrag Dr. Uri
Tals (J.erusalcm) über die Auseinander-
setzung dcmon.striert. die vor rund 70
Jahren die Gemüter erregt hatte. \Der
\0'
prole; tantisciie Theologe Adolf Harnack
veröfi entlichte }\M) seine Vorlesungen
über das „Wescm des Christentum.j",
in d< nen er, fern aller Christologie,
Chrjs'us als die zentraic, doch im Laufe
der Zeit immer wieder aus den Auj^en
\frioiene Figur des dem modernen
Mens«±ien gegebenen Glaubens zeich-
nete und d^n historischen Jesus und
seine Botschaf* mit der starren Dogma-
tik der frömmelnden Phari.säer verglich.
War nach Ifamack . der Weg zu Gott
nur möglich und zulassig dur<±i die
Rückkehr zu dczi Ev^mjclien be-
hauptete Leo Bacck, damals noch ein
junger liabbiner in Oppeln, in semem
Erwutei-ungsbuch „Vom Wesen des Ju-
dentums", daß die Verbindung zwischen
Gott und dem einzelnen im Judentum
von Generation zu Generation treulich
bewahrt wurde. Um die Büdier Har-
nacks und Baecks rankte sich zwisclion
1900 und 1910 eine ganze theologische
Literatur, in der von jüdischer Seile
nicht abstrakte, sondern existentielle
Antworten auf die GVundf ragen des
Glaubens gegeben wurden.
Die überreichte Fülle d«s Tagungs-
programmes, dessen Protokoll publiziert
werden .sollte, ' " H eine aucii nur
annähernd vollsi — ;.t,e Aufzählung dos
Gebotenen aus. Es warft z. B. auf das
SympC).sium über die ,.Wissen.sciiaft des
Judentums" au.'=<führlich einzugeiien, bei
dem Staatspräsident Schafcjir vmter den
Zuhörern war. Er und einer der Refe-
renten des Abej-ids. Prof. G. Schoiem
(Jerusalem), befassen sich .seit ihrer Ju-
gendzeit mit der vielschichtigen Pro-
blematik dieser ..Wissen.schaft". die von
ihren widertprüchliclien. idealisierend-
aiX)lof:eti.schen Anfängen im vergange-
nen Jahrhundert nur schwer loskom-
men k'*nnte. Man müßte ferner auf eine
von souveräner Kenntnis getragene
Studie des Herausgebers der Jahrbücher
des Baecl<-In.stituts, Dr. R. Weltsch
(London), zurückkommen, der die Wand-
lung in der bis dahin üblichen Einstel-
lung zu dem Problem der jüdisciienMiri-
derheiten seit 1918 behandelte. Die Ge-
währung von Minoritätsrechten an Ju-
den in den Ländern ihrer Massensied-
lung hatten bei Kriegsende- die Zio-
n: " im ..Kopenhagener Manifest"
i, r.t. Die Juden in Dciitsdiland'
5 , keinen soiciien Ansi)ruch.
MOSHE TA VOR
rst
^/^
, «
i
♦ 't
•»
\*
»
] t
%
i
•
• '■
»*
1
u
• /
•
1
•
•
\
*
•
•i!
«
•.•-
1 '
i
»..
V ^
^ ^
V
'{ '
*
.Vi.
' 1
/^
/
£)!e jübiföjen 11öet)rpfl!*t!gen in Oldenburg üon 1867-1918
unb it)ce Dorfat)ren
Von Harald S c h i e c k e 1
Die Geschichte der jüdischen Familien in Oldenburg läßt sich für die ersten beiden
Drittel des 19. Jahrhunderts quellenmäßig recht gut bearbeiten. Bis zur hman-
zipation. die den Juden im Großherzogtum die Verfassung von 1849 brachte, geben
seit dem 18. Jahrhundert die Akten des Kabinetts und des Stadtmagistrats von
Oldenburg über den Judenschutz Auskunft über die ansässigen und zuziehenden
Juden ' Für die einzelnen jüdischen Gemeinden oder auch für das ganze Land waren
Personenstandsregister über Geburten. Heiraten und Todesfälle vorhanden, die vom
Beginn des 19. Jahrhunderts bis etwa 1870 geführt waren. Diese alteren Register
wurden nach 19 3 3 in das Staatsarchiv Oldenburg überführt und nach 1945 nach
Israel abgegeben. Jüngere Register haben sich wohl nach 194 5 noch im Besitz der
jüdischen Gemeinde Oldenburg befunden. Für die älteren Register wurde um 1942/
194 3 eine Namenskartei angelegt, die im Staatsarchiv verwahrt wird, aber leider nie
die Angaben über die Eltern enthält \ Einen guten Überblick über den jeweihgen
Bestand der jüdischen Gemeinden gewähren schließlich auch die Listen über die
Veranlagungen zur Rabbinatskasse, die für die Zeit von 1861-1923 vorhanden
sind' Eine vorzügliche Ergänzung zu diesen Quellen bilden die Rekrutierungs-
stammrollen für die Stadt Oldenburg sowie für die später eingemeindeten Orte
Eversten und Osternburg \ Diese Register verzeichnen Geburtstag und -ort, Namen
und Beruf der Eltern und des Wehrpflichtigen sowie die Religionszugehörigkeit,
ferner etwaige Musterungen an anderen Orten und oft auch den Zielort oder den
Ort der zuständigen Verwaltungsbehörde, wenn der Wehrpflichtige wieder weiter-
gezogen war. So ist es möglich, sämtliche in Oldenburg 20 Jahre vor der Musterung
geborenen oder zur Zeit der Musterung in Oldenburg wohnhaften, zwanzigjährigen
Männer jüdisdien Glaubens zu erfassen. In dem nachstehenden Verzeichnis sind diese
in alphabetischer Folge aufgeführt. Aufgenommen wurden auch diejenigen Wehr-
pflichtigen, die aus bekannten jüdischen Familien stammten, aber getauft waren,
sowie einige Wehrpflichtige, bei denen auf Grund des Namens und zweifelhafter
Religionszugehörigkeit Herkunft aus jüdisdien Familien vermutet wurde. Die Stamm-
rollen beginnen mit der Gründung des Norddeutschen Bundes und enden 1918.
Erfaßt wurden die Geburtsjahrgänge 1847-1900, da in den letzten Kriegsjahren
audi jüngere Männer gemustert wurden. Es sind also die Angehörigen von 2 Gene-
rationen allein in den Stammrollen enthalten, wozu noch die Elterngeneration tritt.
Durdi die erwähnten Quellen für die frühere Zeit lassen sich einige Familien bis
in die Zeit vor 1800 zurückverfolgen.
Die Herkunftsangaben ermöglichen zunächst einen Überblick über die in Olden-
burg ansässigen Familien und über den vorübergehenden Aufenthalt oder die
dauernde Niederlassung zuwandernder Juden. Bis zur Emanzipation war infolge der
Handhabung des Judenschutzes ihre Zahl nicht groß, obwohl Regierung und Ein-
wohnersdiaft den Juden offenbar nicht unfreundlich gegenüber standen'. Spater
1 Niedersädis. Staatsardiiv Oldenburg (künftig abgekürzt St. A. Old.). Best. 31 Um 1935/1938
hat der damalige Ardiivdirektor. Dr. H. Lübbing, ein Verzeidinis über die in diesen Akten genannten
Juden mit ausführlidien Angaben über Herkunft und Familienverhältnisse angefertigt (ebd Best.
210 Y 7) - Die Akten des Magistrats s. ebd.. Best. 262 - 1. A III 3. 1 und 5. Auszuge hieraus
wurden im Stadtardiiv angefertigt (um 1935/1937?) (ebd.. Best. 261 - 1, Samml.).
2 Ebd., Best. 254. — ^ Ebd.. Best. 70, Nr. 3017; Best. 134. Nr. 755-777.
* Ebd.. Best. 262 - 1, Kämm. 1 y 1 bis 11; 1 z 1.17. . ,, r t- t^-
* Joseph Mendelssohn. Eine Ed<e Deutsdilands, Oldenburg 1845, S. 93 ff.; Leo Trepp. Die
<' Landesgemeinde der Juden in Oldenburg (Old. Balkensdiild, H. 25—28. 1965).
428
Die jüdischen Wehrpflichtigen in Oldenburg von 1867-1918 und ihre Vorfahren
nahm die Zahl dann durch die Vermehrung der sehr kinderreichen Familien und
durch weitere Zuwanderung zu. 184 5 wurden die jüdischen Familien in der Stadt
auf 14 geschätzt ^ Das entspricht genau der Zahl der Schutzjuden von 1814. 1855
betrug die Zahl der Juden in der Stadtgemeinde Oldenburg 104, 1895: 191, 1913:
219'.
Zu den ältesten und kinderreichsten Familien zählten die Nachkommen des schon
im Oldenburgischen geborenen Heinemann Selig Wallkeimer (1773-1843). Er lebte
vor 1812 in Eckwarden und seit etwa 1812 in Oldenburg, wo er Schlächter und
zugleich Vorsteher der jüdischen Gemeinde war. 1815 erhielt er den Schutz. Ob ein
Zusammenhang besteht mit dem ebenfalls angeblich im Oldenburgischen gebürtigen
Levy Elias Ballkeimer (1758-1841), der in Halstrup Ackerbau betrieb (Schutz 1831),
bedürfte noch der Klärung. Letzterer war ein Sohn des Elias Salomon aus dem
Würzburgischen. Heinemann Selig Wallkeimer, verheiratet mit Minchen Cokn (*
1784), hatte 7 Söhne und 1 Tochter, die zwischen 1809 und 1824 geboren wurden,
darunter Benjamin, gen. Bernhard (Vater von Nr. 186 und 189 und Großvater von
184, 187 und 190 der folgenden Liste), und Victor (Vater von Nr. 188 und Groß-
vater von 185, 191—193). Seit 1806 wohnte in Oldenburg Herz Jacob SteindaUl
dessen Nachkommen sich später Stemtkal schrieben. Er war 1783 in „Admerode"
(Großallmerode?) im Fuldaische/i eeboren und heiratete in 1. Ehe Feilchen, die
Toditer des wohl 6Ä- 1815 ge^^^^^^ Benjamin Selig und der Jette (^ um 175 8
Elsfleth). Die Schwiegermutter betrieb die Schlachterei des Mannes weiter, die dann
der Schwiegersohn übernahm. Benjamin Selig lebte seit 1784 auf dem Äußeren Damm
vor Oldenburg und war der Sohn des vermutlich um 1788 gestorbenen SeHg Salomopi,
da er in diesem Jahre den Schutzbrief erhielt. Möglicherweise war Selig Salomon ein
Sohn des Salomon Seelig (Schutz 1722). der mit der Tochter des Schlachters Meyer
Goltsdipnit (Schutz 1703) verheiratet war. Zu den 7 Kindern des Herz Jacob Stein-
äakl gehörte Levi (Louis) Herz Steintkal (Vater von Nr. 169 und 170. Großvater
von 168). Sehr verbreitet war die Familie Reyershack. Auch ihre Herkunft läßt sich
redit genau ermitteln. Stammvater war Moses Levi, der noch 1811 in Reyersbach
(Unterfranken) lebte. Seine Söhne wanderten nach Oldenburg ab und nahmen dann
dort seit etwa 1815 den Namen ihres Herkunftsortes als Familiennamen an. Levi
Moses Reiersbadt (1779-1848), ab 1809 Händler in Jever, ab 1812 in Oldenburg
(Sdiutz 1815), heiratete Jette (gen. Jente) (1776—1836), die Tochter des seit 1758
in Oldenburg lebenden Alexander Abraham Süßkind. Zu den 5 Kindern, geboren
zwischen 1813 und 1818, gehörten Moses Levy (* 1813, Vater von Nr. 142 und 144.
Großvater von 145, 141. 143. 146 und vermutlich 147) und Friederike (* 1815).
die Frau des oben genannten Victor Wallkeimer. Der Bruder des Levi Moses
Reiershadi, Israel Moses Reiersbadt (* 1781). lebte schon seit 1810 in Oldenburg
(Sdiutz 1815) als Sdilachter und war mit Friederike Meyer verheiratet. 9 Kinder
gingen in den Jahren 1812—18 32 aus der Ehe hervor, darunter (Meyer) Moses
Reyersbadi (* 1825, vermutlich Vater von Nr. 148). Ein weiterer Bruder des Levi
Moses, Mendel Moses, lebte vor und dann wieder ab 1817 bei seinen Brüdern in
Oldenburg.
Aus der seit 1668 in Aurich, vorher in Hamburg und Altona angesessenen Familie
« Mendelssohn, a. a. O.. S. 94. Joseph Mendelssohn war der Bruder des unten genannten Salomon
Mendelssohn.
' Paul Kollmann. Statistisdie Besdireibung der Gemeinden des Herzogtums Oldenburg, Oldenburg
1897, S. 245; Meyers Orts- und Verkehrslexikon des Deutschen Reiches, 5. Aufl., hrsg. v. E. Uetrecht,
Leipzig/Wien 1913.
429
.■.■■v;-i
Die jüdisdien Wehrpflichtigen in Oldenburg von 1867-1918 und ihre Vorfahren
Balliu " wanderten um dieselbe Zeit ebenfalls 3 Brüder nach Oldenburg aus. Söhne
des Joseph Meyer Ballin. Der älteste. Samuel Joseph Ballipt (1778-1870), betätigte
sich seit etwa 1812 als Lichtfabrikant in Oldenburg und war mit seiner Base Bella
BalliH (* 1785) verheiratet. 7 Kinder hatte das Paar, geboren zwischen 1806 und
1826. Meyer (später Moritz) Samuel Ballm wurde Maler (Vater von Nr. 10, 5, 4, und
14), August Samuel (* 1826) war für eine Zeit nach Hamburg gezogen, ließ sich
aber später wieder in Oldenburg als Kaufmann nieder (Vater von 6, 7, 9, 12).
Gottschalk Joseph Ballin (1789-1876) der Bruder Samuel Josephs, lebte ebenfalls
seit 1812 in Oldenburg (Schutz 1815) und heiratete 1820 Bräunchen (1798-1883),
die Tochter des Joseph Barudi Goltsdtmidt. Zu ihren 6 Kindern, geboren zwischen
1821 und 1841, gehörten Carl (Vater von Nr. IIa und 13, Großvater von IIb und
4a) und Georg Bernhard (Vater von Nr. 8). Der dritte Bruder von Samuel Joseph,
Coßmann Joseph ßa//fM (1788—1820) lebte gleichfalls in Oldenburg seit 1812 (Sdiutz
1815) und starb unverheiratet. Aus dem Fürstentum Münster stammte der in Olde
geborene Levy Jacob (um 1758-1823), der seit 1783 in Oldenburg als Trödler
lebte und sich später lläau nannte (Schutz 1816). Sein Sohn Jacob Levy (* 1805)
war Feldwebel, Oberappellationsgerichtskopist, zuletzt Kaufmann in Jever (Vater
von Nr. 87). Die Familie Hahlo aus Hannoversch-Münden faßte 1841 in Oldenburg
Fuß mit Siegfried Hermann Haklo (1826-1908). Sein Vater, Herz Heinemann HaUlo,
war der Sohn des Heinemann Salomon, der 1808 den Namen Haklo (nach dem
Vornamen seiner Frau Chale Müller) angenommen hatte. Herz Heinemann heiratete
Röschen Ballw, eine Schwester des Samuel Joseph Ballm. Bei dessen Bruder Gott-
schalk Joseph wohnte Siegfried Haklo, der sich 18 57 mit Wilhelmine LöwcHsteiti
vermählte, der Tochter des noch zu erwähnenden Kaiphas Levi LöweHstein. 5 Söhne
(Nr. 60, 61, 63, 64 und 66) und 2 Enkel (Nr. 63a, 62) sind in den Stammrollen
verzeidinet. Siegfrieds Schwester Johanna heiratete 1848 Moritz Ballm. Eine andere
Sdiwester, Bertha (18 32—1915), war mit dem aus Varel stammenden Simon Gersott
(1816—1893) verheiratet (Vater von Nr. 47 und 46). Der in Jever geborene
Salomon Mendelssohn (1813—1892) war der Sohn des in „Horb" am Rhein ge-
borenen Moses Mendelssohn (* 1781), der seit 1809 in Jever lebte (Schutz 1830)
und 1823—182^ vorübergehend nach Hamburg gezogen war. Die erste Frau des
Moses. Gole Schwabe (Schutz 1806 und 1807), starb 1826. Er heiratete dann 1833
Rosette Philippsohn, geb. Feilmann. Salomon, auf dessen Bedeutung später noch
eingegangen werden soll, wurde 1843 als Turnlehrer nach Oldenburg berufen (Vater
von Nr. 122, 123, Großvater von 121). Aus Lübeck stammte Simon Levi Landsberg
(^ 1804), der zunädist als Lehrer tätig war. 1822—18 30 in Harburg und Diepholz
und ab 18 30 in Delmenhorst, ab 18 38 in Oldenburg lebte, wo er Vorbeter und
Schächter war (Schutz 1838). Seine Frau Caroline Reyersback (=f 1812) war eine
Toditer des oben genannten Israel Moses Reiersback. Ihre Söhne (Nr. 96. 97) und
Enkel (Nr. 94, 95) sind unten verzeichnet. Die Familie Löwenstein ist seit der Mitte
des 18. Jahrhunderts im Oldenburger Land ansässig. Stammvater war Kaiphas Levi,
der in Oldenburg, seit 1759 in Ovelgönne lebte (Schutz 1765, 1788). Die Söhne
waren Salomon Kaiphas (Sdiutz 178 8), Levy Caiphas (1797 Sdiutz abgelehnt) und
Leib Levy, der in Ovelgönne 1810 Land gepachtet hatte. Seine Witwe (Schutz 18 37)
wohnte später in Jever. Den Namen Löwenstein nahmen wohl erst er oder seine
8 Über diese Familien sowie die Familien Hahlo. Weinberg und Goldsdimidt hat Herr Dr. Dr. Ernst
August Ballin. Bad Godesberg, Stammtafeln bearbeitet. Idi danke ihm, daß er mir die Einsiditnahme
gestattet hat, sowie Herrn Dr. Walter Sdiaub. Oldenburg, der mir Absdiriften hiervon zur Verfügung
stellte.
430
•V:-^
;^^
Die jüdischen Wehrpflichtigen in Oldenburg von 1867-1918 und ihre Vorfahren
Söhne an. von denen David Levy (♦ 1804) Viehhändler in Burhave wurde (Schutz
18 37). Kaiphas Levi {* 1806) begründete in Jever eine Baumwollweberei (Vater
von Nr. 110). Moritz (* 1816) lebte als Arzt in Jever.
Der Braudi der Namengebung nach dem Herkunftsort, der schon bei der Familie
Reyershack, vielleicht audi bei der Familie lldau (nach Ölde?) begegnete, ist auch bei
der Familie Hattendorf zu beobachten, die in Hatten ansässig war und sich entweder
nach diesem Dorf oder nach Hattendorf (Kr. Grafsch. Schaumburg) genannt hat.
Salomon Elias, der 1804 heiratete, lebte in Hatten als Händler und Tagelöhner
(Schutz 1814, 1815, 1831). 1842 lebten noch 7 Kinder von ihm. Bekannt sind
hiervon der mit Jette, einer Tochter von Moses Weinberg in Wildeshausen verlobte
Insel Salomon Hattendorf, der eine Brinksitzerei in Hatten kaufte, wo er seit 1824
die väterliche Handlung betrieb (Schutz 18 34). Sein Sohn war Salomon, gen. Eduard
Hattendorf (Vater von Nr. 68 und 74), vielleicht auch Heinrich (Vater von Nr. 69,
70, 72). Sein Bruder Levy Hattendorf hatte vergeblich 1842 um Schutz in Ostern-
burg nachgesucht. Ein Bruder von beiden könnte der in Hatten geborene Elias
Hattendorf (1819—1872) gewesen sein (Vater von Nr. 71 und 73).
Die letzte von auswärts zuwandernde Familie von bedeutenderer Mitgliederzahl
war die Familie Weinberg. Levi Salomon Weinberg (1825-1905), in Schwerte als
Sohn des dortigen Handelsmanns Salomon Jacob Weinberg geboren, hatte 185 5 in
Oldenburg Therese Ballin (1820-1913) geheiratet, die Tochter des Samuel Joseph
Ballin, und lebte wohl seit mindestens dieser Zeit hier (Vater von Nr. 197, 198,
202, 204, 205). Sidier verwandt mit ihm waren der in Leer gebürtige Hermann
Weinberg (* 1848), der seit mindestens 1880 in Oldenburg lebte (Vater von Nr. 195.
200, 203), Levi Weinberg, zuvor in Detern bzw. Deternerlehe, seit etwa 1902 in
Oldenburg (Vater von Nr. 196 und 201), und Jacob Weinberg in Sdiwerte (Vater
von Nr. 202).
Soweit sie nicht schon in der Stadt oder im Lande Oldenburg ansässig waren,
kamen die Vorfahren der sdion vor der Mitte des 19. Jahrhunderts in der Stadt
Oldenburg wohnhaften Juden also aus Ostfriesland (Ballin), Westfalen (lldau, Wein-
berg), dem Rheinland (Mendelssohn), dem Raum Fulda (Steintkal), aus Franken
(Reyersbadi, Wallkeimer?), aus Lübeck (Landsberg) und aus dem Hannoversdien
(Hahlo), vielleicht auch aus Schaumburg-Lippe (Hattendorf?). Es erfolgte dagegen
keinerlei Zuzug aus Mittel-, Ost- und Süddeutsdiland südlidi der Mainlinie. Soweit
die Geburts- oder Herkunftsorte der meist in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
geborenen Väter der Wehrpflichtigen ermittelt werden konnten, ergibt sich ein ähn-
lidies Bild. Neben der Stadt Oldenburg sind es vor allem kleinere Orte der weiteren
Umgebung (Neuenbrok, Hatten, Wardenburg, Berne) und die Kleinstädte Jever,
Wildeshausen, Cloppenburg und Veciita. Auffällig ist dabei, daß aus dem bis 1803
zu Münster gehörigen Gebiet nur Cloppenburg und Vechta vertreten sind. Aus Ost-
friesland erscheinen Leer (Weinberg), aus den Niederlanden Winsdioten und Gro-
ningen (Leuwarden, de Wries), aus der Rheingegend Frankfurt (Strauf^), aus Mittel-
deutsdiland Naumburg (Bamberger), aus Franken Schwabach (Wedisler).
Wesentlidi anders sieht die Zusammensetzung aller Wehrpfliditigen ab 1867 nach
ihrer landschaftlichen Herkunft aus '. Natürlich überwiegen nodi die gebürtigen
Oldenburger (Stadt Oldenburg mit Osternburg und Eversten 111, übrigens Olden-
burg 11). Auch hier ist das Münsterland kaum vertreten. Dann folgen die Preußen
mit 80. Die Zahl ist nicht nur so hodi wegen der Größe Preußens, sondern auch
wegen der Nachbarschaft, denn an Oldenburg grenzten allein 3 Regierungsbezirke
• Vgl. die Zusammenstellung am Sdiiuß.
431
m
Die jüdischen Wehrpflichtigen in Oldenburg von 1867-1918 und ihre Vorfahren
der Provinz Hannover: Aurich. der am stärksten in Erscheinung tritt (14), Stade
und Osnabrück. Auch die Provinzen Westfalen (8) und Rheinland (5) sind noch
stärker beteiligt. Einschließlich eines Schleswig-Holsteiners und zweier Hessen-
Nassauer stellten die westlichen Provinzen Preußens, also etwa das westlich der
Elbe gelegene Gebiet, 48 Wehrpflichtige, die sich während der Musterung in Olden-
burg aufhielten. Den mittleren Provinzen (Sachsen 5, Brandenburg 5) entstammten
nur 10 Weitaus stärker ist dann wieder der Anteil aus den östlichen Provinzen.
So kamen aus Schlesien 9, Posen 6, Westpreußen 3. Pommern und Ostpreußen je 2,
insgesamt 22 Pflichtige. Inwieweit dieser Zuzug aus dem Osten sich im Rahmen der
Zuwanderung nach den übrigen deutschen Ländern hielt, das bedürfte noch näherer
Feststellungen. Wahrscheinlich dürften auch einige weitere Familien ursprünglich aus
östlicheren Gegenden gestammt haben, wie aus den Namen zu schließen ist. so etwa
die landsherg, Qutentag, Tkomer, Willner '\ Aus den übrigen deutschen Ländern
waren wiederum mit Ausnahme eines Ortes im bayrischen Franken jüdische Ein- oder
Auswanderer nur aus den nördlich des Mains gelegenen Territorien gekommen, je 2
aus Lippe, dem Großherzogtum Hessen, Anhalt, Hamburg, Bremen und Lübeck und
4 aus Mecklenburg-Schwerin. Eigentliche Ausländer waren 2 gebürtige Niederländer
und 2 in Rußland geborene Juden, wozu noch ein in Bremen geborener russischer
Staatsangehöriger kommt (Hirscktick) und der ungarische Staatsangehörige Fried-
mann. Die Religionszugehörigkeit eines Österreichers (Nr. 49) ist zweifelhaft. Mog-
licherweise war er kein Jude.
So vielfältig wie die Herkunftsorte waren die Berufe der gemusterten Juden
keineswegs Das liegt daran, daß bei den bekannten Beschränkungen die Juden vor
der Emanzipation großenteils nur Handel treiben durften. Es dauerte dann meistens
mehrere Generationen, bis sie die ihnen bisher vorenthaltenen Berufe und Stellungen
in der Gesellschaft in größerem Umfang ausüben konnten. Die Berufe der wehr-
pflichtigen Juden und ihrer Väter spiegeln diese Entwicklung wieder. So waren zwei
Drittel der Väter im Handel und als Unternehmer tätig. 56 wurden als l*^autleutc
bezeichnet, 37 als Händler. Die Grenzen zwischen diesen Gruppen dürften fließend
gewesen sein. Wahrscheinlich nannten sich die angeseheneren und wohlhabenderen
Kaufleute, doch dürften unter den Händlern auch einige nicht unvermögend gewesen
sein, etwa die 7 Viehhändler und 1 Getreidehändler. Zu den oberen Schichten ist
ein Apotheker und 1 Bankier zu zählen, beide aus der Familie Ballin, deren Mit-
glieder seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, mehrfach in akademischen Berufen,
in führende Stellungen aufrücken konnten. Erleichtert wurde dies durch den Übertritt
zur evangelischen Kirche und die Eheschließung mit nichtjüdischen Frauen. An
nächster Stelle folgen unter den Berufen der Väter die Handwerker, die mit 31 noch
ein Fünftel ausmachen. Die hohe Zahl der Schlachter (14) erklärt sich daraus, daß
für die Gemeinde zur Lieferung koscheren Fleisches die Anwesenheit jüdischer Schlach-
ter erforderlich war. Auffällig ist dann noch die Zahl der Maler (5), während die
Gerber (3) offenbar durch den gern von Juden betriebenen Fell- und Pelzhandel
herbeigezogen wurden. Die übrigen Handwerker sind meist nur einmal vertreten
(Glaser, Buchbinder, Schneider, Goldarbeiter, Fotograf, Kürschner, Bäcker, Klemp-
»0 Der Reichstagsabgeordnete Otto landsherg (186^-1-557) stammte aus Breslau (Ernest Harn- i^
burger. Juden im öffentlichen Leben Deutschlands. Tübingen 1968. S 509 f). Eine >chles.sche Familie *
Guttentag, genannt offenbar nadi Guttentag. Reg.bez. Oppeln lebte in Breslau (Stefi Wenrel.
jüdisdie Bürger und kommunale Selbstverwaltung in preußisdien Städten 1805-1848 Berlin 19o7.
S 84. 88). Der Familienname VJillner soll auf Herkunft aus Wilna hinweisen (frdl. Miti. von Frau
Frieda Meiners. geb. Willner. Hundsmühlen. Vgl. audi Anm. 81 ff.).
432
Die jüdisAenWejupfljdnigenJ^^ 1867-1918 und ihre Vorfahre^
„er), beweisen aber eine gewisse Vielseitigkeit, wie -^" ^'y»"". ""2" Zahl tr
MA,L Pmvinzen des Reiches vermuten wurde. Ebenso auHallig ist die z-am aer
3 Arbeiter Au" dem Be eich von Schule und Synagoge sind vor allem die beiden
T .nSinef zu nennen (Wechsler. MannUeimer). die ja innerhalb der Gemeinde
t Ifuni: die" Sti Stelle in der Kultverwaltung einnahmen^ ferner 4 Lehrer.
T Professor. 1 Kantor und 1 Kirchen- (d. h. wohl Synagogen-) Diener.
Stg-on^lt^eV da sie als Z-nzigjahrige^ im Kne.e a"^;" -* .n^e.n
iSeb^ SeTertgi tri:rtl':are:'Ll%'In vttorben oder mit den Eltern
:C gewandert 7 waren noch Schüler. 4 Studenten. 1 Seminarist. Den Haup tant i
stellen immer noch die im Handel tätigen Pflichtigen, insgesamt 118. darunter 32
Kau leutT^der Händler, 78 Handlungsgehilfen (oder Ha"dlungscomm.s Hand ung -
lehdinge) und 7 Bankangestellte. Es folgt die Gruppe der Handwerker (34). »n der
wiederum die Schlachter (6) und die Maler (4) an der Spitze stehen. 6 waren ,n ver-
TchiedenTn untergeordneten Stellungen beschäftigt. 6 als Arbeiter eine wieder ver-
htltniSig hohe Zahl. Unter den 4 Künstlern sind 2 SAauspie er hervorzuheben
(Nr iTo 156). von denen aber offenbar nur Gustav oseph Sa/omo« am Olden-
hur^rTheate engagiert war. wo er in mehreren Spielzeiten als geschätzter Dar-
steller auftrit" "m Ganzen ergibt sich eine größere Vielfalt und eine Zunahme
der akademLlen Berufe, die auch' einige der nodi als Sdiüler oder o ne Berufsangabe
eingetragenen Wehrpflichtigen ergriffen haben (z. B. Nr 4a. IIa, IIb. 63a^ Neben
der bereits erwähnten Familie BaWm. die u. a. einen Bf^direktor. einen Apotheker
einen Oberkreisdirektor und einen Musikwissenschaftler g«^«"', l^«'' "^!^". f .!°'
allem die Familien MendeUsohyi und Weinberg, aus ''^"^^"^Jrhate Person idike.ten
hervorgegangen sind. Salomon MendehsoUu hatte siA als Turnlehrer >" ^]" """^
Oldenburg nicht nur um das oldenburgische, sondern überhaupt um das deutsdie
furnwesen sehr verdient gemacht ^ eine vielleicht '" D-ts*land e.„„ hge E -
scheinung. Es spricht auch für die Unvoreingenommenheit der »'^^"^"■^«'f*^" ;*,"'
behörden' daß sie einen Juden Turnunterri At am Gymnasium ■h'"« R">denz "-J^"
ließen, das die Söhne der bekanntesten ami.en besuj ten Se " Soh L"dwi|/^N.
123) war von 1876 bis zu seinem Tode (1896; l-rotessor aer diicn <--
DorDat" Ludwigs in Dorpat geborener Sohn Eridi studierte in Leipzig, doch
Snd Fakultät und späterer Beruf unbekannt. Von 1919-1924 leitete das
LndgeS a" Pi^sident Emil Weinberg (Nr. 197)^ Er bekleidete damit die hoA^e
Stelle die ein nicht konvertierter Jude jemals in Oldenburg erreicht hat. Offenbar
war dies wie im übrigen Reichsgebiet, auch erst nach dem Ende der Monarchie
m"glfÄ '• Daß man auch hieran offenbar keinen Anstoß nahm, beweist der positive
Nadiruf. den der weitverbreitete Oldenburgische Hauskalender (1926) gebracht hat.
"~^R"TTalwiek Chronik des alten Theaters in Oldenburg. Oldenburg 1881, S 172. IJ»- J;*'-
" KarV Peters, Salomon Mendelssohn. Ein Beitrag zur Geschichte des Turnwesens (Old. Jahrb. 58.
'".'■vgl. künftig Deutsdr-Baltisches Biographisdres Lexikon, hrsg. v. Wilhelm Lenz. Köln-Graz 1.70
oder 1971 (nach frdl. Mitt. d. Hrsg.). u^„,u„ra^r Der seit X'^Oi als Minister in
beim Reich amtierende Hermann Schecr (185 5-1928) war in Jever , j„^^ „j^it-
Moritz Löwenstein geboren, wurde 1856 getaut und nahm 1885 den »"^"^"^""^"^^
Jüdischen Mutter an Er war ein Vetter des Carl August Lowenstem ( ^^ Nr. 110).
43?
Die iüdischen WehrpfliAtigen in Oldenburg von 1S67-1918 und ihre Vorfahren,
auch die physischen Existenzmöglichkeiten raubte Nur enTe.lde^^n^
stehenden Liste verzeichneten Juden, die das J^l^/ l^.^' "lebt '^^^'="' ^° ,
äüdi zum Schidcsal der Juden in Oldenburg ab 193 3. für diesem Gedenkbuch nach
dem Vorbild anderer Länder und Städte in Vorbereitung ist . ^p^^,^^,^„„^ ,„,^)
-Tr^li;7hierfür sind dne Zusammenstellung ''"S.ad.ve^al.ung Oldenburg^ „^^^^^
=£'gl.^^?t?. rda^ BÄÄ^ BS.naHJe in dieses Ma.erial.
'•Die Bearbeitung durch Herrn Dr. Enno Meyer wird vorbereitet.
iSxz iü5ifcl)en Hleljupflidnigen in Oldenburg t)on 1867-1918
unb il)ue T)ocfal)cen
Von Harald Schieckel (I. Fortsetzung)
Verzeichnis der wehrpflichtigen Juden in Oldenburg
von 1867—1918
Vorbemerkungen: In alphabetischer Reihenfolge werden nachstehend alle Wehr-
pfhchtigen aufgeführt, die nach der Religionsangabe in den Rekrutierungsstammrollen
als jüdisch (israelitisch, mosaisch) bezeichnet wurden oder bei denen eine Abkunh
aus einer jüdischen Familie zu vermuten ist. In letzterem Fall wird ein Fragezeichen
vorgesetzt. In eckigen Klammern werden die Namen der Eltern angegeben. Als
Quellen dienten neben den Rekrutierungsstammrollen hauptsächlich die Kartei über
die jüdischen Personenstandsregister des Herzogtums Oldenburg, die Kirchenbuch-
zweitschriften sowie Auskünfte der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammen-
arbeit, Oldenburg.
1 kUron, Paul [David kUron, Maler, und Pauline S^pamer, in Erle], 1908 Schau-
fensterdekorateur in Oldenburg. * Wunstorf (Kr. Neustadt a. Rbg.) 5. 6. 1888.
2 ksdxer, Moritz Moses [unehel. Mutter: Witwe Hirsch kscUer, jetzt Witwe
Konneher%\, 1888 Maler in Oldenburg, 1890 nach Bremen überw., * Olden-
burg; 29. 4. 1869.
3 ßa/er. Alexander [Levi ^axer, Schlachter (t). und Rebecka Nord/ie/mer|, 1897
Handlungsgehilfe in Oldenburg, 1898 abgem. nach Hagenburg, -^ Papenburg
31. 10. 1877.
4 ^aWin, Bernhard (Baruch) |Meyer, später Moritz (Samuel) MWxn, Maler, * Ol-
denburg (?) 10. 1. 1816, t Oldenburg 10. 6. 1869, oo 1. Hannover 8. 7. 1845
Rosalie Yrank'\ * Hannover (?) 1. 3. 1823, t Oldenburg 24. 3. 1849, oo II.
Hannoversch-Münden 13. 11. 1849 Johanna HaU\o'\ * Hannoversch-Mun-
den (?) 20. 3. (oder 5.) 1829, f Niederlande (Amsterdam?) in hohem Alterl,
1877 Einj. Freiw. in Oldenburg, + Oldenburg 29. 9. 18 59.
4aBfl///M, Ernst August [= 13], 1917 Schüler in Oldenburg, 1918 Soldat, * Ol-
denburg; 5. 6. 1899'". ^^ , ^,,1 ^1
5 Ba//iH,^Ernst Benjamin Wolf [wie bei Nr. 4], 1874 Maler in Oldenburg. * Ol-
denburg 22. 8. 1854.
6 Ba//iM, Carl Moritz August [August %a\\m, Kaufmann, * Oldenburg^ 27. 8.
1826, oo Varrelgraben 21. 11. 1855 Rosette WallUeim(er) aus Verden'". * 23.
2. 18'35l, * Oldenburg 8. 8. 1861, t ebd. (?) 2. 12. 1865.
7 Ballin, Friedrich August (Samuel) [wie bei Nr. 6], 1877 Student an einem
Polytechnikum, * Oldenburg 31. 8. 1857.
8 Ballm Gottfried Ludwig Otto [Dr. Bernhard Georg Ballin, Apotheker, * Olden-
burg 15. 12. 1841, - um 1900. t Oldenburg 2. 7. 1925. OO Oldenburg 22. 5.
17 Tochter von Louis Bernhard Frank, Hoflackierer. Fabrikant in Hannover.
1« Tochter von Herz Heinemann Hahh ( Großvater von Nr. bO). Em weiterer Sohn aus dieser
Ehe war Paul Hermann Julius Ballw, * Oldenburg 23. b. 1864. t ebd. 26. 3. 1865 (nicht in der
Stammrolle). . r. i a i • • d
'« Später Dr med dent.. Dr. phil., Musikwissenschaftler. Assistent am Beethoven-Archiv in Bonn.
•^» Tochter von Rüben WallUcim in Verden und der Henriette Wolf. Sie wird mehrfach auch Wall-
Ueimcr genannt, vielleicht irrtümlich in Verwechslung mit der in Oldenburg wohnhaften Famihe
WallUewter. - Ein weiterer Sohn aus dieser Ehe war Otto August Ballin, + Oldenburg 16. 9. 1862.
t ebd. 29. 1. 1866 (nicht in der Stammrolle).
464
%
Die jüdischen Wehrpflichtigen in Oldenburg von 1867-1918 und ihre Vorfahren
'SÄ^
1877 Clara Laura Hoffimnn, ev., * Stargard 7. 11. 1845. t Oldenburg 7. J.
1910], 1900 in Oldenburg, Berecht. -schein "'.
9 Ballm, Johannes (- Juda) [wie bei Nr. 6]. 1880 nach Amerika ausgewandert.
* Oldenburg 31. 12. 1863. ^,, .
10 Balliyi, Julius [wie bei Nr. 4|. 1867 Kaufmann in Oldenburg. * Oldenburg 18.
7 1 847.
11 Balliyi, Ernst Johann [Carl Joseph Ballin, Bankier. * Oldenburg 2S. ^-^^J^-
-^ 4. 11. 1901, t Oldenburg 25. 5. 1918. ^ Osternburg 2S. 5. 1918, oo Olden-
burg 18. 6. 1867 (Ziviltrauung) Hermanna Wilhelmine Caroline Sophie Will.
ev., * Osternburg 14. 9. 1841, t Rostock 26. 6. 1906, ^ Osternburg 29. 6.
1906 "^1, 1893 Landmann in Oldenburg, dann Einjähr.-Freiwill., * Oldenburg
28. 10. 1873 ".
llaßa//iH, Gustav Johann Bernhard [wie bei Nr. 1 l], 1888 Primaner in Oldenburg.
1890 Einjähr.-Freiwill. in München. * Oldenburg 29.4.. - 4.6.1868".
llbß^//fH, Karl Wilhelm Gustav [= Nr. 13|, 1914 Kriegsfreiwilliger, * Oldenburg
18. 8., - 3. 10. 1896''. .
12 Ballin, Rudolf August (- Rüben) [wie bei Nr. 6|. 1878 Handlungscommis, soll
nach Amerika ausgewandert sein. + Oldenburg 16. 11. 18 59
13 Ballin Wilhelm Georg [wie bei Nr. ll], 1889 Banklehrling in Oldenburg,
1890 Einjährig-Freiwill. ^•\ * Oldenburg 4. 10., - 15. 12. 1869, oo Hannover
15. 11. 1895 Marie Justine Auguste Med^e, * Norden 19. 6. 1869.
14 Ballin, Wilhelm Heimann [wie bei Nr. 4], 19. 2. 1867 ausgewandert, * Olden-
burg 28. 6. 1852.
15 Bamberger, Adolf Abraham [Jacob Bamherger, Schlachter. seit 18 56 in Olden-
burg, aus Naumburg, * 20. 6. 1829, oo Oldenburg 16. 8. 1864 Theodora
Helene Wilhelmine (Eva) Sdneiber aus Dangast, wohl ev.], 1886 Handlungs-
lehrling in Oldenburg, * Oldenburg 15. 5. 1866.
16 Bamherger, Bernhard [wie bei Nr. 15], 1897 Kaufmann in Oldenburg, 1898
abg. nach Höven. 1899 Soldat, * Oldenburg 16. 3. 1876, nach eigener Angabe
ev.
17 Bamherger, Elimar (oder Elias) [wie bei Nr. 15], 1894 Viehhändler in Olden-
burg, 1895 Soldat, * Eversten 1. 5. 1874, 1894 als ev. bezeichnet'".
18 Bamberger, Wilhelm [wie bei Nr. 15], 1900 Kellner in Oldenburg, abg. nach
Bremen, * Oldenburg 1. 3. 18 80.
19 de Beer, Daniel [Julius Daniel de Beer, Viehhändler, und Elise Abrakapnson,
2» Später Dr jur . Obeilandcseeriditsrat in Oldenburg, t Berlin 21. 10. l>^3o, oo Oldenburg
21. 5. IPIO Louise Elisabeth Sdmüdt, * Oldenburg 3. 11. 1887 (4 Kinder. * zwischen 1^13 und
1919 in Oldenburg). i ■ a c u-
2>a Toditer des Georg Conrad Wi//. Auktionsverwalter, t vor 18. o. 18o7. und der Anna bophie
Bernhardine Sickermamt. Das Protokoll und die Unterlagen über die Ziviltrauung in: St. A. Old.. Best.
144_1 Acc 7/69 (Eheschließungen vor Inkrafttreten des Personenstandsgesetzes).
" Später Gutsbesitzer in Büttelkow (Kr. Wismar), t Büttelkow 2S. s. 1925. oo Cassebohm
Frieda Beitha Johanna Okrt, * Wedendorf b. Rehna 11. 4. 1874. f Lübeck 18. 12. 194t> (co U.
N N.). (2 Söhne * Büttelkow 1900 und 1902). ^ , , .x
■'■' Später Dr med.. Augenarzt in Oldenburg, t Aiexandria 14. 11. 1911. oo Cassebohm Mar-
garethe Käthe Frieda Wilhclmine OUrt, ♦ Langenbrütz Med<l. 2c.. 7. 1881 (Schwester von Frieda O..
s Anm 22) (oo II N. N.. oo 111. N. N.). 4 Kinder (* Oldenburg zwischen 1902 und 191 1).
24 Später Oberkreisdirektor in Oldenburg. CO BirkenfcldNahe Else Brcmicr. * Saarbrücken 27. 1.
1908 (3 Kinder, * Kiel und Oldenburg zwischen 193 1 und 1938).
" Später Filialleittr (einer Bank?) in Oldenburg.
2« Lebt noch 1934 als Landmann in Oldenburg, dann im KZ. als ..Mischling .
465
Die jüdischen Wehrpflichtigen in Oldenburg von 1867-1918 und ihre Vorfahren
27
rA ■Jv.^.''-^>ViS<iü^J
t], 1915 Kaufmann in Oldenburg, dann Soldat, * Emden 4. 5. 1896
20 Bemstein, Julius [Max Bemsteipi, Schuhwarenhändler, und Julie Willpier, 1911
in Düsseldorf], 1911 Zapfer in Oldenburg, dann Soldat, * Dülken 10. 10. 1891.
21 Bick, Georg [Louis Bick, Buchbinder, und Friederike Hauff], 1892 Schriftsetzer
in Oldenburg, 1893 üb. nach Pinneberg, * Schwerin (Kr. Birnbaum) 30. 12.
1872.
22 Bijur, Louis [Salomon Bijur, Handelsmann, und Jette Hirschfeld\, 1885 hoto-
grafenlehrling in Oldenburg, 1887 üb. nach Bromberg, * lisch (Kr. Colmar,
Prov. Posen) 16. 7. 1865.
23 Blayik, Hans Joseph [Otto Blaitk, Kaufmann, * Coppenbrügge 25.8. 1866,
und Anna Boryistein, * Liegnitz 27. 1. 1870], 1918 Kaufmannslehrling in Köln,
* Oldenburg 4. l. 1900'".
24 Blupuenherg, Berthold [Markus Bhimenberg, Arbeiter, und Emma LeUmann\,
1902 Handlungsgehilfe in Oldenburg, * Hannover 25. 1. 1882.
25 Cohen, Friedrich [Victor Cohen, Schladner, ■\, und Minchen Breslauer], 1908
Bäcker in Oldenburg, * Neustadt-Gödens 7. 12. 1888.
26 Cohn, Adolf (Abraham) [Robert Cohn, und Ernestine Wolfsohn], \2>9>6 Hand-
lungsgehilfe in Oldenburg (b. V^olfsohnl), Ber. seh. f. Einj., 1887 nach Halle/S.
verzogen, * Lautenburg (Kr. Strasburg, Westpr.) 5. 11. 1867.
27 Cohn, Rudolf [Moritz Colin, Kaufmann, und Sara Cohn], 1908 Handlungs-
gehilfe in Oldenburg, * Lübeck 16. 1. 1888.
28 Cohn, Salomon [Hermann Cohn, Kaufmann, und Auguste Neumann], 1911
Handlungsgehilfe in Oldenburg, + Miloslaw (Kr. Wreschen, Prov. Posen) 12. 1.
1891.
29 Deichmann, Iwan [Julius Deickmann, Produktenhändler, und Bertha Baumgarn],
1898 Handlungsgehilfe in Oldenburg, 1899 üb. nach Barmen, 1900 Soldat,
* Dörverden 20. 11. 1878.
30 Driels, Hartwig [Moses Driels, Schlachter, und Jette Wohl], 1908 Handlungs-
gehilfe in Oldenburg, 1909 abg. nach Emden, + Emden 21. 4. 1888.
31 Drucker, Naphtali [Jakob Drud^er, Kaufmann, und Recha Grünehaum], 1917
Schüler in Oldenburg (wohnt bei dem jüdischen Lehrer), dann Soldat, + Ham-
burg 20. 4. 1899.
32 Eichwald, Meier [Heinemann Eichwald, f, und Eva Eidtwald, 1876 in Hof-
geismar], 1876 Komiker in Oldenburg, gemustert 1876 Hannover, abg. nach
Schwerin, + Bühne (Kr. Warburg) 15.^12. 1856.
33 Ehrmann, Adolf [Gustav Ehrmann, Glaser, und Pauline Goldfisch, f]. 1895
Glaser in Oldenburg, abg. auf Wanderschaft, 1897 üb. nach Hamburg, * Öls
15. 4. 1875.
34 Eisenherg, Eugen [Bernhard Eisenherg, Restaurateur, f, und Fanny Krebs, ■\],
1898 Handlungsgehilfe in Oldenburg, 1899 abg. nach Bielefeld, * Gleiwitz
14. 3. 1878.
3 5 Engländer, Semmi [Wolf Engländer, Schlachtermeister, und Eva Polack, tl-
1903 Kommis in Oldenburg, 1904 Einj., * Delmenhorst 14. 9. 188 3.
27 Lebte in Rheine, t mit Frau und 2 Töchtern KZ. Buchenwald 16. 4. 1*945 (Gedenkstein auf dem
jüdischen Friedhof in Oldenburg-Osternburg). Mehrere weitere Träger des Namens, die z. T. im KZ.
umgebracht wurden, z. T. emigrieren konnten, verzeichnen die Unterlagen der Ges. f. Christi. -Jüd.
Zusammenarbeit.
-" Später Inhaber der väterlichen Firma Leo Steinberg in Oldenburg, emigriert nach Palästina.
lebt jetzt in Frankfurt^Main.
466
Die jüdischen Wehrpflichtigen in Oldenburg von 1867-1918 und ihre Vorfahren
36 Feder, Hermann [Samuel Feder, Schneider, und Rosalie RapUael], 1889 Hand-
lungsgehilfe, dann Arbeiter in Oldenburg, * Berlin 26. 9. 1869.
37 Flatow, Arthur [Salomon Flatow, Fabrikarbeiter, und Pauline Neugarteyi], 1906
Polsterer in Oldenburg, abg. nach Wilhelmshaven, 1907 üb. nach Magdeburg,
* Dortmund 5. 7. 1886.
38 Fleischer, Harry [Wilhelm Fleisdier, Kaufmann, und Lina Pimcms], 1909 Hand-
lungsgehilfe in Oldenburg, abg. nach Bitterfeld, * Göritz a. O. 9. 8. 1889.
39 Frapik, Hermann [Elias Fra^k, Kaufmann, 1904 in Oldenburg, und Regina
Stein, * Jever 11. 11. 1863], 1904 Schüler, dann Einj. in Oldenburg, + Jever
20. 4. 1884.
40 Frank, Ismael (oder Israel) Abraham, gen. August [Isaak Philipp Frank, Maler
in Neuenbrok, f Neuenbrok 11. 2. 1867, und Jeanette Goldmann], 1870 Maler
in Oldenburg, * Neuenbrok-Oberhörne 6. 2. 18 50.
41 Freund, Arthur [David Freund, Kaufmann, und Marie Pick], 1906 Schneider
in Oldenburg, 1908 üb. nach Aachen, * Kattowitz 25. 3. 1886.
42 Friedkeim, Otto [A. L. F. Friedkeim, Goldarbeiter, f, und Therese ladewig],
1888 Handlungsgehilfe in Oldenburg, 1889 verzogen nach Horde b. Dortmund,
* Malchow (Kr. Waren) 27. 9. 1868.
43 Friedland, Bernhard [Moses Emanuel Friedland, Eisenbahnhilfsarbeiter, und
Dora van der Rkoer], 1911—191 3 im Gefängnis Düsseldorf, * Oldenburg 12. 9.
1 891
44 Friedland, Julius [wie bei Nr. 43], 1913 Reisender, 1914 Soldat, * Oldenburg
29. 7. 1893.
45 Friedmann, Pinkus [Naphtaly Friedmann, Kaufmann, 1912 in Brüssel, und
Bertha Pionkowski], 1912 in Brüssel, ist ungarischer Staatsangehöriger * Olden-
burg 20. 12. 1892.
46 Cerson, Georg (Israel) [Simon Gerson, Bürstenfabrikant, in Oldenburg"", ^ 3.
11.1816, t 5.9.1893, ^ Osternburg, 00 Bertha HaUlo'", + 3. oder 30.4.
1832, t 30.6.1915, ^ Osternburg], 1881 Einj. in Oldenburg, * Oldenburg
11.4. 1861 ''\
47 Gerson, Hermann [wie bei Nr. 46], 1878 Handlungsgehilfe in Oldenburg,
* Oldenburg 5. 2. 185 8 ''.
48 Goldkette, Francois [Hermann Kalmann Goldkette, f, und Elise Gudsmit,
00 11. M. Blumenfeld, Kunstreiter in Soest], 1877 Kunstreiter in Oldenburg,
Wohnsitz ist Soest, * Stolp 22. 2. 1857'".
497 Goldsckmidt, Eugen [Christian Robert Eduard Goldsckmidt, Versicherungs-
beamter, und Anna Herzog, beide 1901 in Wien], 1901 Kaufmann in Olden-
burg, ist dort heimatberechtigt, * Wien 14. 9. 1881. Religionszugehörigkeit
ist 1901 zweifelhaft.
2« Sohn von Herz Gerson, Kaufmann in Varel, und der Männchen Selig, * Juli 178<9. t 20. 1.
1865.
•'" Tochter von Herz Heinemann HaUlo (s. o.. Anm. 18).
3» 00 Helene Löwenbcn^ 0 Kinder). — Ein Georg Cerson, der 1934 noch in Oldenburg wohnte,
dann aus Holland mit Frau und den Söhnen Peter und Paul nach Auschwitz verschleppt wurde,
ist vielleicht ein Sohn von ihm gewesen. Mehrere Träger dieses Namens leben jetzt in Israel,
stammen aber möglicherweise aus anderen Familien und anderen oldenburgischen Orten.
=»2 Seit 1878 bei der Vereinsbank in Hamburg, 1902-1907 ordentliches Voistandsmitglied.
t Hamburg 15. 10. 1937 (St. A. Old., Az 981/663).
^^ Vielleicht verwandt mit Hartwig GoUkettc. oo Vechta 21. 4. 18 30 Mina Goldsteiti aus Hildes-
heim.
467
.1 'T'i
Die jüdischen Wehrpflichtigen in Oldenburg von 1867-1918 und ihre Vorfahren
50 Coldsckmidt, Kurt [Josef Goldsckmidt, Kaufmann, und Henriette Gerson], 1908
Handlungslehrling in Oldenburg, * Nordhausen 30. 4. 1888.
51 Goldschftidt, Meyer [Isaak Goldschmidt, Kaufmann, und Friederike Meyer,
1876 in Nordhausenl, 1876 Handlungsgehilfe in Oldenburg, gemustert in
Aschersleben, 1877 in Nordhausen, * Werna 9. 12. 18 56.
52 Goldsckntidt, Otto [Adolf Goldsckmidt, f. und Frida ¥riedmann, \\, 1881 Kauf-
mann in Oldenburg, 1882 üb. nach Harburg, * Harburg 24. 6. 1861.
53 Goldstein, Salomon [unehel. Mutter: Helene Goldstein], 1896 Handlungsgehilfe
in Oldenburg:, * Anrath 6. 6. 1876.
54 GrüHebflMw, ^Theodor [Joseph Grünehaum, Lehrer, f. und Fanny Acl^erland],
1894 Handlungsgehilfe in Oldenburg, 1895 abg. nach Esens, * Obbach 27. 10.
1874.
5 5 Grünenklee, Hermann [Hesekiel Grünenklee, Kaufmann, f. und Henriette
Sdieurenherg], 1909 Handlungsgehilfe in Oldenburg, * Ovenstädt 24. 8. 1889.
56 Grünewald, Adolf Abraham [Bendix Grünewald, Manufakturwarenhändler, und
Pauline Pokly], 1900 Handlungsgehilfe in Oldenburg, 1901 üb. nach Hamburg,
* Hamburg 3. 5. 1880.
57 Gmnpel, Ludwig [Jacob Gumpel, Kaufmann, und Fanny Fließ], 1880 Bank-
lehrling in Oldenburg, * Bernburg 27. 6. 1860.
58 Gumpert, Joseph [Moses Gumpert, Handelsmann, und Minna Midtaelis], 1881
Banklehrling in Oldenburg, abg. nach Niedenstein, * Niedenstein 17. 11. 1861.
59 Gutentag, Julius Israel [Jacob Gutentag, Handelsmann, oo Jever 17. 9. 1851
Marianne Sdkwahe, * um 1813], 18 74 Kaufmann in Oldenburg, * Jever 2. 5.
1854
••»••!:
60 HaUlo, Bernhard [Siegfried (Salomon) HaUlo, Kaufmann ''\ seit 1841 in Olden-
burg, * Hannoversch-Münden (?) 27. 3. 1826, t Oldenburg (?) 7. 1. 1908,
i:^ Östernburg, oo Jever 1.6.1857 Wilhelmine löwenstein''\ * um 1837],
1891 Einjähr.-Freiwill. in Oldenburg, * Oldenburg 21. 6. 1871 ■"'.
61 HaUlo, Ernst Hermann [wie bei Nr. 60], 1878 ausgewandert, * Oldenburg 15.
8. 1862 ".
62 HaUlo, Friedrich Wilhelm Max [=- Nr. 66], 1911 Berecht, als Ein]., + Olden-
burg 1. 1. 1891 ''.
63 HaUlo, Carl Julius [wie bei Nr. 60], 1883 Einjähr.-Freiwill. in Oldenburg. 1884
Commis ebd.. * Oldenburg 26. 3. 1864 •'".
63a HaUlo, George Richard Siegfried [= Nr. 66], 1914 Kriegsfreiwill. in Olden-
burg. Berecht.schein. * Oldenburg 1.11.1895, - 9.1.1896'".
••»3a Vermutlich später in Jever, Inhaber der Fa. J. Gutentag u. Sohn. Kohlen- und Werkzeughandel
(Inh. 1929: Rudolf Gutentag).
•»•* Sohn des Herz Heinemann HaUlo (s. o., Anm. 18).
^^ Toditer des Kaufmanns Kaiphas Levy löwensiem in Jever (= Vater von Nr. 110).
•■'« Später Kaufmann in Mandiester. t 23. 4. 1908, □ Osternburg
3' Nachkommen leben in Amerika.
»8 Später getauft, Kartonagenfabrikant in Hamburg, t ebd. (KZ?) 13. 5. 1944. co Kassel 30. 1.
1917 Eva Katharina Wief/uisc gen. Bunge. * Kassel 29. 7. 1893 (2 Kinder. 1 Sohn 1940 gefallen).
3» Später getauft. Fabrikant in Manchester, nennt sich seit 1915 Charles Uarlow, t Manchester
Mai 1942. oo Zürich 14. 10. 1902 Hermine Sussiuanyi, ^ Zürich (?) 14. 10. 1874, -^ 1902.
t Manchester 29. 8. 1944 (3 Kinder, 4 Enkel).
^" Später Dr. jur., Rechtsanwalt, 1939 ausgewandert nach La Paz. CO 1. Grabow b. Blumenthal
(Mark) 2. 9. 1921 Ella Luise Pauline Drcwin, ev.. * Berlin 10. 1. 1893, oio 1940. oo 11. La Paz
20. 12. 1940 Margot Pincus, jüd.. * Berlin 18. 10. 1902.
468
dB
_ i: ■■■»'.>
64 HaUlo. Leopold Max [w.e be, N. 60], , S8S B.nkgehilfe in Oldenburg. E.njähr.-
6, S"p:U.rHtrn ,:.;;:: N. ^O, .. Hand.ng.eb..e ,n Cden.
bürg. Berecht.schein als Einjähr.. * Oldenburg 27. 10. 1872 ^
66 H.L, W..beln. iwie bei N. .Ol. 1S7S .Oldenburg, ^O.denburg^^ .^ISS.
_ 1892 oo Muhlhausen 1. 3. 1890 :>opnie ocituc
1869 Bürstenmacher in Oldenburg. ♦ Emden 10. 1. isi-^- (p„„,,,,„„^ m,,,.)
-ir^;;;:;;^ später KauNa„n m Oldenb^r, .^,.nn* London cn,i,n.^
CO 1. Anna Karla Augus.a Röwefe.m.p, --f ^ ^'^''^^^-r^^h.cr' i^. ). 2 Enkel (S.Im,, leben in U.S.A.
«n? s\r K':itr:n,:n^°ro;^S ;:-^ar.!^I: dann . New York, CO En,.v Me,e,. H-
* llT.';ij^;cb\rdL<l-'i;M:[;,\'etd''r:f- .4. (. Kinde. * .wischen .... und ,.0. in
Oldenburg).
4-» t London 1. 8. \^^0.
£)ie jübiWen OTet)cpfli*tigen in Olbenbuug üon 1857-1918
unh it)ue T)ocfat)uen
Von Harald S c h i e c k e 1
(2. Fortsetzung)
68 Hattendorf, Edmund Wilhelm Sophus [Salomon, gen. Eduard Hattendorf,
Schlachter, * Hatten 8. 10. 18 50, oo Oldenburg (Ziviltrauung) 2 7. 1875
Alethine Sophie Harms * Wichtens 11. 2., - Tettens 24. 3. 1844 =>], 1896
Handlungsgehilfe in Oldenburg, abgem. nach Langwarden, * Oldenburg 20. 3.,
-- 30. 4. 1876''.
69 Hattendorf, Georg [Heinrich Hattendorf, Handelsmann, Schlachtermeister, Vieh-
händler, zeitweise in Huntlosen, f vor 1904, und EHse Sophie Rinderhagen, ev.j,
* Osternburg 14. 3. 1884-*'.
70 Hattendorf, Heinrich [wie bei Nr. 69], 1914 Schiffer in Osternburg, * Ostern-
burg 10. 4., - 8. 6. 1894''.
71 Hattendorf, Carl Calonimus [(Elijahu gen.) Elias Hattendorf, Schlachter, * Hat-
ten 19.2.1819, t (Osternburg?) 19.3.1872, 00 Osternburg 26.10.1858
Julie Leffmann aus Varel], 1890 Schlachtergeselle in Osternburg, * Ostern-
burg 25. 2. 1870.
72 Hattendorf, Moritz [wie bei Nr. 69], 1900 Fabrikarbeiter in Osternburg,
* Huntlosen 24. 7. 1880, - Huntlosen 3. 10. 1880.
73 Hattendorf, Siegfried (Salomo) [wie bei Nr. 71], * Osternburg 29. 1. 1861,
t Osternburg 24. 10. 1866.
44a Tochter d. Johann Wilms Harms, Arbeiter bei Widitens, und der Engel Sophie Janssen (Unter-
lagen über die Ziviltrauung wie in Anm. 21-'').
45 Bei der Taufe wird der Vater im Kirchenbuch als Israelit bezeichnet.
4« In der Stammrolle war die Bezeichnung israelitisch gestrichen und in evangelisch verbessert.
Zu prüfen wäre, ob hier nicht eine nichtjüdische Familie vom Schreiber der Stammrolle mit der
jüdischen Familie H. verwechselt wurde. Jedenfalls ist die Familie Rinderhageu nidit jüdisch gewesen.
47 In der Stammrolle 1914 als jüdisch bezeichnet, lebt in Oldenburg. — Eine Frau Hattendorf mit
2Töchtern verzog von Oldenburg nach Hamburg und wurde dann nach Theresienstadt verschleppt.
Eine Toditer Hattendorf emigrierte nach England.
495
Die j
üdischen Wehrpflichtigen in Oldenburg von 1867-1918 und ihre Vorfahren
74 HattCHdorf, Wilhelm August Heinrich [wie bei ^^^- ^^Jl, l^^.^^/^^^^^"
Oldenburg, 1900 in Varel 1901 Soldat in Oldenburg, * Oldenburg 17. 10.,
75 Hefnemam^sscr [Hermann Heinemann, Sattler iind Händler, * Esens la 7.
1850- OD Oldenburg (Ziviltrauung) 4. 12. 1875 Helene Rotksduld * s Her-
togenbosch 8. 5. 1859-''], 1898 Kaufmann in Oldenburg, * Oldenburg 18.9.
76 HeZemann, Isaak [wie bei Nr. 75], 1895 Handlungsgehilfe in Oldenburg 18, ^
abg. nach Düsseldorf, 1897 in Oldenburg, dann auf Reisen, * Oldenburg 2. 8.
1875 (unehelich). , ,, , ,^-.,, , . tt, ,/n
77 Heyma^n, Wilhelm [Karl Heymann, Lederhändler, und Wilhelmine Wo(/f|
1912 Handlungsgehilfe in Oldenburg, abg. nach Köln, * Kerpen (Kr. Bergheim)
17 5 1 892
78 HmzehnaHH, Hans [Max Hmzelmann, Fotograf in Cottbus, und F"^d Sc/im^-
ler] 1909 Fotograf in Oldenburg, abg. nach Hannover, * Lübeck 3. 4. 1889.
79 Hirsch Gustav [Carl Hirsdi, Kaufmann, und Sophie JosepUson], 1900 Hand-
lungsgehilfe in Oldenburg, 1901 abg. nach Nörten * Worten 3. 8. 1880
80 Hirsch, Nathan [Moses Hirsch, Künstler in Bremerlehe, und Hannchen Natkanl,
* Oldenburg 13. 5. 1853, t Oldenburg 2. 6. 1853.
81 Hirsckfeld, Eduard [Louis Hirschfeld. Kaufmann, 1898 in Gelsenkirdien, 1904
in Hamburg, und Dora Burdiard (oder Burgkard)], 1898 Commis m Oldenburg,
1900 Soldat in Oldenburg, * Teterow 12 1. 1878.
82 Hirsdifeld, Walter [wie bei Nr. 81], 1904 Handlungsgehilfe m Oldenburg, 1905
abg. nadi Hamburg, * Swinemünde 9. 12. 18 84. -^ j , , .. ii
83 Hirsditid^, Samuel [Herschel (Hirsdi) Hirsditidz 1915 Produktenhandler in
Oldenburg, und Faigtia (Fanny) Wesc^a], 1915 Kaufmann in Oldenburg, hat
russisdie Staatsangehörigkeit, * Bremen 16 11. 1 895 ^".
84 Hoffmann, Xaver [Joseph Hoffmann, Viehhändler, und Sara van der Reis\,
1884 Kaufmann in Oldenburg, abg, nach Bremen, * Rheine 1. 3 1864
85 ]acohi, Alexander [Isaak Jacobi, Bäd<er, und Johanna Sciie/ge], 1909 Hand-
lungsgehilfe in Oldenburg, 1910 Soldat in Oldenburg, * Sdionlanke 12. 3.
-1 Q Q Q
S67)acohowsky, Robert Max [August Jacohowsky, Maler, t. und Emilie Reisdiel],
1873 Porzellandreher in Oldenburg, üb. nadi Berlin, Dissident, * Berhn 1. 4.
87 }um, Lob Ludwig [Jacob (Levi) lldau, 1871 Kaufmann in Jever, * 1805, oo
Oldenburg 14. 6. 1831 Marianne Ritter aus Varel, * 5. 11. 1809], 1871 Hand-
lungsgehilfe in Jever, Beredit. z. Ein]., * Oldenburg 11. 2. 1851.
SS Joseph, Karl [Julius Joseph, Fleisdiermeister, f, und Johanna H,rsc/ife/^, 1886
Goldarbeiter in Oldenburg, 1887 nadi München abg., * Glogau 9 8. 1866.
89 Israels, Louis [Isaac F. Israels, Kaufmann, und Helene Weinberg], 1874 Kauf-
mann in Oldenburg, * Weener 24. 4. 18 54 '\
48 Eltern: Isaac Hemcmami (audi Heynctiiann), Sattler in Esens^ und Sophie H^'"^'"''"";^
48a Tochter des Asser RotsdUU, Schirmmadier, seit 1872 in Oldenburg. 00 W.nschoten 15. 1.
1863 Sara Coopmann (Unterlagen über die Ziviltrauung wie J" Anm 2la).
4« Später in der väterlidien Firma H. Hirsdüid^., Eisen- und Metallwarengroßhandlung in Olden-
Viurff 193 8 nadi Washington ausgewandert. _,. , .
"'o' Von ih;,%i„d folgende plattdeutsche Gedichte in Oldenburg --l^'-.^" p^^^^j^'l^^'^J^fr^
Geburtsdag. 1895; Wat de Kiewit sprok, Döntjes un Riemels in Ostfrys k Plattdutsch, 1889 (trdl.
Hinweis von Herrn Dr. Enno Meyer).
496
Die jüdischen Wehrpfliditigen in Oldenburg von 1867-1918 und ihre Vorfahren
90 Kahn, Max [Simon Kahn, Handelsmann, und Henriette Strauß], 1905 Hand-
lungsgehilfe in Oldenburg, * Bonbaden 12. 12. 1885.
91 Kleißner, Alfred [Philipp Kleißner, 1909 Kaufmann in Berlin, und Berta Rosept-
tal], 1909 Handlungsgehilfe in Oldenburg, abg. nach Berlin, * Forst/Lausitz
26. 11. 1889. ,, ^ _, _ , ,,
92 Kockmann, Heinrich [Jacob Kodtmann, Fischhändler, und Berta Rosentkal\,
1883 Barbier in Oldenburg, üb. nach Köln, 18 84 üb. nach Kreuznadi, * Katto-
witz 19. 6. 1863. i w t i .. ji .
93 Kugelmann, Hugo [Semmi Kugelmann, Schlachtermeister und Viehhändler m
Oldenburg, * Wardenburg 19. 9. 1867 '\ und Rosa Wiesenfeld], 1913 Schreiber
in Osternburg, 1914 Soldat in Oldenburg, * Oldenburg 18. 12. 1893, X 20. 5.
1915 als KriegsfreiwilUger. ^, i , ^u
94 landsberg, Kurt [= Nr. 97], 1915 Handlungslehrling in Oldenburg, * Olden-
burg 5. 5. 1896 "'^ ^, ^ ,
95 Landsherg, Ludwig [= Nr. 97], 1911 Einj. in Oldenburg, * Oldenburg 14. 11.
1893 ^^^
96 landsberg, Ludwig Simon [Simon Landsherg, Kaufmann '', * Lübeck Dezember
1804, 00 Oldenburg 26. 8. 1846 Carohne Reyersbadi aus Oldenburg, * 12. 4.
1812,' t vor 1876], 1871 Handlungslehrling in Oldenburg, Berecht, z. Einj.,
* Oldenburg 11. 11. 1851. .
97 Landsberg, Moritz (Israel) [wie bei Nr. 96], 1876 Handlungsgehilfe in Olden-
burg, 1876 und 1877 in Bielefeld gemustert, später Kaufmann, * Oldenburg
13. 2. 18 56 '^ 00 Flora Coltw.
98 landsberg, Walter [= Nr.97], 1914 Soldat, * Oldenburg 13.9. 1892 .
99 Lange, Emil [Louis Lange, Getreide- und Victualienhändler, und Magda tried-
länder], 1896 Commis in Oldenburg, üb. an Kreis Niederbarnim II, * Ujest 16.
3. 1876. 1 n Af
100 Leiditentritt, Hermann [Philipp Leiditentritt, Kürschner, f, und Flora Alex-
ander, 1905 in Miloslaw], 1905 Buchbinder in Oldenburg, * Zerkow 1. 10.
1885. ^ ^ __.. ,
101 Leuwarden, Nathan [Levi Nathan Leuwarden, Handelsmann, aus Winschoten,
1886 wohl in Oldenburg, und Rosette Polak oder Pape% 1886 Handelsmann
in Oldenburg, * Bookhorn 27. 9. 1866.
102 Levi, Dagobert [Moses, gen. Moritz Levi, Schlachtermeister, * Delmenhorst
13. 5. 1870, 1912 in Wangerooge, und Rosalie Leuwarden], 1912 kaufmänn.
Lehrling, Berecht. z. Einj. (ausgestellt in Köln), * Oldenburg 18. 11. 1892''.
51 Wohnt noch 1934 als Viehhändler in Oldenburg, 1936 verzogen nach Berlin, wo seine Frau
starb. 1.11.1941 deportiert. Töchter: Gertrud, oo . . . lewy, lebt in Australien; Liesel, 00 . . .
Alhers, 1942 mit Sohn Hugo von Berlin aus deportiert.
5'a Lebte im Saarland ,19 3 7 emigriert nach Nizza, t im KZ.
51b Lebte in Frankfurt, t im KZ.
52 Gründer der Firma S. landsherg, Buch- und Kunsthandlung. Antiquitäten.
53 Noch 19 34 in Oldenburg, Verbleib unbekannt.
54 Noch 1934 in Oldenburg, emigrierte 193/ nach Nizza, von dort 1944 deportiert. 00 babine
(eigentl. Serafine) Scii/es/Hger, die nadi Palästina auswanderte. , ta i l ^ i^
55 Tochter des Levi Wulf PoWak aus Oldcrsum, Handelsmann in Urneburg bei Delmenhorst. * 12
6 1818 oder 1819 00 27 5 1864 (Zivilehe vor dem Amt Delmenhorst) und 13. 4. 1866 (nach
jüdisdiem Ritus in Oldenburg) Lca Beke Margarethe Pnpe. * 15. 9. 1813, t Delmenhorst 21 6.
1874 Sie wird vor der Trauung in den mosaisdien Religionsverband aufgenommen, war also olten-
bar niditjüdisdier Religion. Das Paar lebte vorher in wilder Ehe, aus der sdion 3 Söhne und 2 Tochter
hervorgegangen waren.
5« Bruder Willy Levy, lebt in Israel.
497
■■■'■ "^^pl
*
,03 Lev., Siegfried ,Si.o„ LeWe, t, ""/S^Sf:'/]' fo^aS^sf ""^^^^''"^
in Oldenburg, abg. nach Hamm, «"'rTynd Auguste Gertrud Cold-
''' iu;;:;^'^'^^"^^^'^^^^'^ °''-'-'''''" ''--''-
,0. refy'SS [RSotry,"auUZ:nd Bertba GoMbe.gi IS« Schlächter
mann in Oldenburg, * Diepenau 14. 4. l^JJ^;^ , ^ ^5^,^^], 1901
109 Lmdenberg, Julius [Isi^dor Limie^berg, Kaufma"", und Anna .
Handlungsgehilfe in Oldenburg, abg. nach Kastrup (?), 1902 ud.
no LSit?Carl"Aui:st [Caiphas Levy Lawe.«.,-., Rentier, und Charlotte
,,, eS^Cs^arf ÄS^ Schla.ter in
a„ [Le^t^l^Max Samuel Meyer IWaldemarLöw^^^^^^^^
l^^^:l':ii^S^:t^l^^^'^^^^^^ ausgewandert, * Olden-
fee.V«i.'pIui [Samuel Loe.eM. ^^^^^^ oTi^rltr^ol^^^^^^
1873 Kaufmann in Oldenburg (bei Loewenthal), * Osterburg (Kv. yjs ■&,
foiJe " ;:;g"chS nXf r= Nr. ITSb], 1907 Seminarist in Oldenburg,
n.al^Je:Hrri*Ma;t;nV;ie^;i*".il t^ Nr^ n.b], 1904 Handlungsgehilfe
S*neider in Oldenburg * fj-J^f^?« Hei n Sd,.i;.berg, ev', * Ostern-
Turjiri- 30 >lsVs [Johann Hermann Sd.ulenher,. Zimmermann, und
n^cSlX' RuS% e o r g [^ Nr.ll.b], 1903^Schneider in Oldenburg, 1905
Soldat ebd., * Oldenburg 3. 3., - 22. 4. 1S83 .
(* '■ "• "°%t 1: 1^? S"e ^cr D4ob 1 1 i:":lSt/an der Pennsylvania S.a.e Un-
^tärs^e^ÄSCÄÄS^^^^
Lenne verbracht. Brüder von ihm die nicht m ^^^ Stammiolk reg.s^^^^ ^^^^^^ ^^^^^^^ g^^^.
Johannes loUdc, * Oldenburg 7 10.. ^ 2. U 1890. t eDa. .
hard Karl loUde, * Oldenburg 9. 5.. ^ 2. b. 1889.
114
115
498
Die jüdischen Wehrpflichtigen in Oldenburg von 1867-1918 und ihre Vorfahren
116 MannUeimer, Immanuel [Dr. David ManUeimer, Landrabbiner 'S und Mathilde
Jaffe], 1917 Schüler in Oldenburg, * Oldenburg 11. 3. 1899.
117 MannUeimer, Louis [wie bei Nr. 116], 1915 Kaufmann, dann Soldat in Olden-
burg, * Oldenburg 30. 3. 1895.
118 Mannheimer, Max [wie bei Nr. 116], 1911 Bankbeamter, 1913 Einjähriger m
Oldenburg, * Oldenburg 30. 10. 1891. (Fortsetzung folgt.)
61 Zur Charakteristik s. Trepp, a. a. O., S. 30.
l\\t jübifttjcn HJEljrpflJdftigm in Olbcnbuug oon 1867
unb il)cc Docfal)cm
Von Harald S c h i e c k e 1
(3. Fortsetzung)
-1918
119 Mayer, Adalbert [Elias Mayer, Kaufmann, und Johanna Oß\, 1917 Schüler,
dann Soldat in Oldenburg. * Oldenburg 16. 3. 1899"'.
120 Meiherg, Julius [Meyer Meiberg, Lehrer und Fanni Stiefel], 1917 Kauhnann,
dann Soldat in Oldenburg, + Aumund 4. 4. 1897 "l
121 von Meiidelssokpi, Erich Wilhelm \= Nr. 12^1, 1911 in Drontheun. ist ni
Oldenburg heimatberechtigt. * Dorpat 19. 7. 1887"\
122 MepidelssoU^, Julius Albert [Salomon MendelssokH, Turnlehrer"', * Jever 4 3.
1813. t Braunschweig 11.5. 1892. 00 Jever 15. 7. 1840 Johanna PliihppsokH\,
1 88 l' Apothekengehilfe in Oldenburg, ^ Oldenburg 28. 3.. - 19. 5. >861.
123 MendelssoUu, Ludwig Johann August Peter [wie bei Nr. 122]. 1872 stud. in
Leipzig. * Oldenburg 6. 6. 1852, seit mindestens J_87^2 lutherisch "", 00 Dorpat
30.4.1877 Alexandra von Gramer.
124 Mepigers (vormals löwenstein), Siegfried [Adolf (Mepigers?), Kaufmann, f. und
Mathilde Löwenstem. 1895 in Wiesbaden], 1895 stud. Jur. (in München?).
* Oldenburg 24. 10. 1875 (noch als Löwenstein), seit mindestens 189«^
lutherisch.
125 Meyer, Siegfried Josua [Moses Meyer, Handelsmann, * Berne 6. 6. 1814, f vor
1893, 00 30. 5. 1855 Oldenburg Helene Frank aus Neuenbrok, f vor 1893],
1893 Tapezierer in Oldenburg. + Osternburg 3. 5. 1873.
125a Michels, Otto [Hermann Nathan Michels, Produktenhändler, und Doris Asdier],
1882, Handlungsgehilfe in Oldenburg, + Stavenhagen 26. 1 1 . 1862.
126 Moses, Fritz Arnold [Leopold Moses, * Vechta 14. 9. 1845, Kaufmann und
Anna Boas], 1909 Einjähriger in Oldenburg, * Oldenburg 9. 4. 1890. f Cerny
14 9. 1914.
127 Müller, Simon Mendel [Mendel Müller, Schlachter in Leer, f, und Friederike
Goldsdimidt], 1868 Uhrmacher in Oldenburg. * Loga 7. 7. 1848.
128 Natkapi, Erich [Sally NatUavi und Klara HeypuapiH; Pflegeeltern: Franz Ruhept-
soUn und Frieda Mendel Diese oder die Eltern leben in Hamburg], 1912 La-
geristin Oldenburg, 191 3 nach Hamburg üb., + Königsberg i. Pr. 3. 12. 1892.
129 NeupnaPiH, Sali [Sali Neupuamt, Kaufmann in Robilizen, und Johanna Blupa],
1905 Handlungsgehilfe in Oldenburg, * Neuklunkwitz 7. 3. 188 5.
130 NotkmaHH, Oscar [Joseph NotkpnatiPi, Klempner, f, und Louise Rosepibaupa, t-
Vormund: Carl Pleßpier in Beuthen], 1878 Schauspieler in Oldenburg, 1881 üb.
nach Beuthen, * Beuthen 17. 6. 1858.
1317 NußbauPü, Julius Karl Ernst [Julius Nußbaum, Maler, und Marie Burdtardt],
1915 Malergehilfe in Oldenburg, üb. an das Amt Oldenburg, 1916 zugezogen
von Wehnen, abg. nach Varel. * Magdeburg 8. 5. 1895. Dissident.
«- 1939 nach Kuba abgemeldet, lebte in Chicago, t 1*'<^0.
»3 Emigrierte nach Palästina. Bruder Gustav Mdbfrg lebt in New York.
«4 Wohl verwandt mit Dr. jur. Erich Meiidelssolm (* Jever 10. 3. 1887). Landgerichtsrat in Olden-
burg, 1939 nach Bremen verzogen. . . ^ , , T^. II I , ^ ,033
«5 Sohn des Moses Mendelssohn und der Gohla (Golda) Sdiwahe. Dieser 00 11. Jever 2b. 9. 183 3
Rosette Philippsohn, geb. FciUumni. S. o.. Anm. 12.
e« Später Professor in Dorpat, t Doipat 16. 9. 1896. S. o.. Anm. 13.
526
Die jüdischen Wehrpflichtigen in Oldenburg von 18b7-1918 und ihre Vorfahren
ni^OvpcHkeimer. Hermann [Moses Gabriel OppcPiUemer, Kaufmann in Heiligen-
stadt, und Sara OppenUeimer\, 1 877 Handlungsgehilfe in Oldenburg. * Heiligen-
132 Paratiies. Simon' [Salomon Jacob Paradies, Produktenhändler f, und Bertha
Heinemann, t- Vormund: Jacob Paradies in Lage], 1884 Handlungsgehilfe m
Oldenburg, 1886 abg. nach Lage, * Lage (Lippe) 10. 8 1864 , ,^,^
133 Perlstein, Arthur [Moses Perlstein, Viehhändler, und Veilchen bimon\, 1<?17
Viehhändler, in Oldenburg, dann Soldat, * Quakenbrück 5. 1. 1899
134 Pinkiert, Samuel Jakob [Siegmund Pinkiert, Glaser, und Rosahe Sobotkier\,
1906 Reisender in Oldenburg, * Oldenburg 30. 11. 1886.
135 Pionkowsky, Wulf Schleemann [Simon Pionkowsky, Kantor, und Freye \Nein-
herg\ 1874 Lehrer in Oldenburg, Wohnort Schwerin, in Aurich gemustert, 1875
in Schwerin, 1876 dorthin üb., * 1. II. 1854 Baklarzewo (bei Grajewo, russ.
Polen). TT 1 j n ' L
136 Piza, JuHus [Dr. Joseph Piza, Sprachlehrer, 1875 in Hamburg, und Ros chen
Hirsdi], 1875 in Hamburg heimatberechtigt, * Oldenburg 26. 3. 1855.
137 P/awt, Bernheim [Simon Plant, f. und Elise ^allUeimer], 1874 Kaufmann in
Oldenburg, gemustert in Ülzen, 1875 abg. nach Oldenstedt, * Bodenteich 15.
4 18 54.
138 Pollack, Friedrich [Eugen Pollack, Kaufmann, f. und Fanny Kober\, 1915 Hand-
lungsgehilfe, dann Soldat in Oldenburg, * Gleiwitz 30. 7. 1895.
139 Reinsherg, Robert [Susmann Reinsherg, Kaufmann, und Jettchen BshacU], 1900
Handlungsgehilfe in Oldenburg, üb. nach Kassel, + Niedermarsberg 17. 8. 1880.
140 Ren{n)berg, Semmie [Jonas Rennherg, Händler, * Wildeshausen 10. 7. 1831,
t vor 1907, und Julie GoldscUmidt, 1907 in 01denburg|, 1907 Viehhändler in
Oldenburg, * Wildeshausen 24. 7. 1887.
141 Reyershack, Franz [= Nr. 144], 1900 gemustert. Berecht.schein, + Oldenburg
12 7 1 8 80 "'
142 Reyershadi, Georg Michael [Moses Levy Reyershack, Kaufmann, * um 1813.
00 Oldenburg 30. 8. 1837 Johanna (gen. Hannchen) Goldsdimidt aus Olden-
burg], 1870 Gerberlehrling in Ahlden, gemeldet in Neustadt/Aisch, * Olden-
burg 28. 10. 1850, Berecht.schein, oo Rosalie hAeyer.
J43 Reyershack, Hugo [= Nr. 144], 1898 Handlungslehrling in Oldenburg, 1899
Einjähriger in Oldenburg, + Oldenburg 14. 10. 1878.
144 Reyershack, Louis Max [wie bei Nr. 142], 1868 Kaufmann in Oldenburg. 1867
Einjähriger in Oldenburg, * Oldenburg 12. 5. 1848, oo Clara MatUan (f v.
1 897)
145 Reyershack, Otto [--- Nr. 142], 1908 gemustert, Berecht.schein, + Oldenburg
8 1 1888
146 Reyershack, Paul [= Nr. 144], 1897 Kaufmann in Oldenburg, 1898 Einjähriger
in Oldenburg. + Oldenburg 25. 1. 1877''.
147 Reyershack, Siegfried [Bernhard Ludwig Reyershadi, Lohgerber, + Oldenburg
13^ 8. 1843, und Selma Cumpel], 1897 Handlungsgehilfe in Oldenburg, Be-
recht.-schein. 1898 in Weißenfels gemustert, * Oldenburg 22. 12. 1877.
»7 Später Kaufmann in Oldenburg. Mitinhaber der großväterlichen Firma M. L. Reyersbadi.
Damm 4, Handlung und Fabrik von Fahrrädern und Musikinstrumenten, t im KZ Oranienburg
14 12 l*5?e. Sein Haus auf der Beethovenstr. 17 wurde 1*5^6 verkauft auf Veranlassung von Dr jur.
Ernst Reyershadi, USA (lebt jetzt nodi dort). Weitere Angehörige dieser Familie leben in England.
Südafrika und Chile. n .. i.j t-- /
«« Später Kaufmann in Oldenburg, t 1^-2. 1934. Mitinhaber der großvaterlidien Firma (s. vorige
Anm.).
527
r-'^^M
Die jüdischen Wehrpflichtigen in Oldenburg von 18b7-1918 und ihre Vorfahren
148 Reyershack, Waldemar Benjamin [Moses Reyershack, Produktenhändler, f.
und Laura Benscker, in Cöthen?], 1881 Commis in Oldenburg, dann Leipzig?,
+ Oldenburg 26. 1. 1861.
149 RoPiPieberg, Heimann [Hartog Ascher, \, und Witwe Johanna Ronheberg, tj.
1895 Schlachter in Oldenburg, dann Soldat, * Oldenburg 29. 12. 1875.
150 Rosenstem, Fritz Richard [Siegmund Roseiistem, Pferdehändler, und Therese
Rewhard], 1906 Handlungsgehilfe in Oldenburg, 1908 üb. nach Hannover,
* Hannover 21. 11. 1886.
151 Rosemhal David [Abraham Roseyitkal, Handelsmann in Neuenhaus, und
Grietie Polack, f\, 1874 Arbeiter in Oldenburg. * Veldhausen 12. 7. 18 54.
152 Rosentkal, Julius [Hermann RoseHtkal, Kaufmann, und Catharine Moses], 1900
Handlungsgehilfe in Oldenburg, abg. nach Neuruppin, * Altenkirchen (Kr.
Altenkirchen) 14. 4. 1880.
153 Rotsdiild, Asser [Hartong Rotsckild, Kaufmann, und Sara Frank, 1*^11^^^"
Bremenl, 1911 Handlungsgehilfe (in Bremen?), * Oldenburg 24. 9. 1891 ''\
154 Rotsckild, Assur James [Lazarus Rotsdiild. Kaufmann. 1915 in Berlin, und
Gertrud Gompertz], 1915 Kaufmann (in Berlin?), Soldat in Döberitz, * Olden-
burg 9. 5. 1897.
155 Salomopi, Emil [Samuel Salomon, Handelsmann, und Friederike Walhiicmn\.
1876 Handlungsgehilfe in Oldenburg, abg. nach Dessau. * Stendal 1. 10. 1856.
156 Salomon, Gustav Joseph [Nathan Salomoit, Kaufmann, f. und Caroline Frat^k],
1874 Schauspieler in Oldenburg, 1875 gemustert in Calbe, 1876 üb. nach
Magdeburg, * Dessau 4. 3. 18 54 "".
157 SalomoHS, Ari Coße [Gottfried Coße Salomopis, Kaufmann, f. und Therese
Hamburger], 1900 Handlungslehrling, dann Soldat in Oldenburg. * Weener
18. 11. 1880.
158 Samsoti, Adolph [Mutter: Doris Salomon, Stiefvater: Abraham Samson, Mützen-
fabrikant in Hamburgl, 1876 Handlungsgehilfe in Oldenburg, * Rendsburg
12. 3. 1856.
159 Sckarnitzki, Adolf [Ascher Sckarnitzki, Handelsmann, und Josefine Ckon],
1892 Commis in Oldenburg, * Wormditt 25. 5. 1872.
160 ScköPifeld, Joseph [Wolf ScköPifeld, Handelsmann, und Bertha Strauß], 1884
Sattler in Oldenburg, 1885 abg. nach Borkum, * Vilbel 25. 3. 1864.
161 Sed^el, Hugo [Hermann Seckel, Eisenwarenhändler, und Auguste Heilbroptn],
1886 Handlungslehrling in Oldenburg. 1887 Soldat in Oldenburg, * Groß-
munzel 1 1. 12. 1866.
162 Silberberg, Bernhard [Hermann Silberberg, Kaufmann, t Oldenburg 6. 10. 193 3,
und Henni Heynemann, * 18.10.1857'"!, 1903 Einjähriger in Oldenburg,
+ Oldenburg 16. 6. 1883.
163 Silberberg, Friedrich (Fritz) Maximilian [wie bei Nr. 162], 1908 Handlungs-
gehilfe in Oldenburg. 1909 Soldat in Oldenburg, 1911 nach New York aus-
gewandert, * Oldenburg 5.7. 1888.
164 Silberberg, Hermann [Salomon Silberberg. Kirchendiener, und Regine Wesfp^n/].
1885 Buchbinder in Oldenburg, üb. nach Bremen. * Bassum 6. 2. 1865.
165 Silberberg, Richard [wie bei Nr. 162], 1904 Banklehrling in Oldenburg, dann
Einjähriger, + Oldenburg 25. 8. 1884'*.
«**a Vermutlidi ein Verwandter (als Enkel?) des in Anm. 48a) erwähnten Asser Rotsdiild.
«» S. o.. Anm. 11.
'" 1940 nadi Hamburg (dann in das KZ Theresienstadt?) deportiert.
'' Später Teilhaber seines Vaters (Agenturgeschäft in Oldenburg).
528
Die jüdischen Wehrpflichtigen in Oldenburg von 1867-1918 und ihre Vorfahren
166 Simon, Isaak [Gerson Simon, aus Hamburg. Kaufmann, f. ^ Oldenburg 11. 4.
1872 Eva Stein aus Varel, 1882 in Hamburg], 1902 Werftarbeiter (in Ham-
burg?), * Oldenburg 10. 7. 1882.
167 Sondermann, Julius [Aron Sondermann, Schiachtermeister, und Henny Lolm\,
1912 Handlungsgehilfe in Oldenburg, 1913 abg. nach Ravensburg, * Hörn
(Lippe) 15. 10. 1892.
167aSre/H, Levi (gen. Leopold) [Salomon Stein, Händler, und Fanny Reii<\, 1894
Handlungsgehilfe in Oldenburg, abg. nach Hamburg, * Storndorf 4. 9. 1874.
168 SteintUal, Herbert [ -= Nr. 169], 1905 Handlungsgehilfe, dann Einjähriger in
Oldenburg, * Oldenburg 20. 3. 1 885 ^'^ , , , n r^u
169 SteintUal, Iwan Jacob [Louis SteintUal, Kaufmann, Produktenhandler, * Olden-
burg 4. 7. 1824, oo Georgine Menke], 1875 Einjähriger in Oldenburg, später
Kaufmann, * Oldenburg 22. 1. 1856'"', 00 Cäcilie Bernstein, * Halberstadt
170 SteintUal, Siegfried (Selig) [wie bei Nr. 169], 18 80 Handlungslehrling in Olden-
burg, 1881 Einjähriger in Oldenburg, * Oldenburg 15. 10. 1860"''.
171 SteintUal, Wilhelm [- Nr. 169], 1914 Handlungsgehilfe in Oldenburg, Be-
recht.schein, 1915 Soldat in Oldenburg, * Oldenburg 20. 12. 1894 ".
172 Stern, Alfred [Siegfried Stern, Kaufmann, 1903 in Erfurt, und Jettchen Neu-
garten], 1903 Handlungsgehilfe in Oldenburg, üb. nach Bremen, * Munster/W.
6. 6. 1883.
173 Sfern, Sigismund [Abraham Stern, Handelsmann, und Regina Midtel\, 1884
Zigarrenmacher in Oldenburg, * Oberbrechen 17. 9. 1864.
174 Stoppelmann, Daniel [Moses Stoppelmann, Kaufmann, f. und Geertje van
Sand], 1898 Viehhändler in Oldenburg, 1912 oldenburgisdier Staatsangehöriger,
* Winschoten 14. 1. 1878.
175 Strauß, Hartwig [Carl Strauß, Kaufmann, * 7. 4. 1873 Frankfurt, und Helena
Rot(U)sckild, beide am 2. 4. 1901 mit 2 Kindern nach Amerika ausgewandert],
* Oldenburg 10. 9. 1899.
176 Strauß, Jakob [wie bei Nr. 175], * Oldenburg 11. 11. 1900.
177 TUorner, Max [Jacob Isomer, Sparkassenrendant, in Geestemünde?, und Bertha
Valentin, t]. 1879 Primaner in Oldenburg, * Geestemünde 2. 4. 1859.
178 Tworoger, Ernst [nicht genannt, leben 1917 noch], 1917 Handlungsgehilfe in
Oldenburg, gemeldet in Oels, abg. nach Suhl, * Oels 3. 5. 1899.
179 de Vries, Albert [Isaak (Izaak) de Vries, Handelsmann in Oldenburg seit min-
destens 1884, dann in Osternburg, * Groningen 23. 12. 1849, t Oldenburg
oder Osternburg 28. 9. 1929, ^ i. lo., oldenburgischer Staatsangehöriger seit
3. 6. 1898, oo Fockje Heinemann, * Winschoten 1. 5. 1852], 1907 Handlungs-
gehilfe in Oldenburg, * Oldenburg 22. 9. 1887.
180 de Vries, Benjamin [wie bei Nr. 179], 1898 Tischler in Osternburg, + Emden
6. 9. 1878. t 12. 6. 1898.
181 de Vries, Jakob [wie bei Nr. 179], 1902 Bäckergeselle in Osternburg. * Emden
18. 1. 1882. (Sdiluß folgt.)
7'a t Indien 10. 3. 1<514.
71b t Oldenburg 26. 3. 1925.
'•c -f Johannesburg 30.9.1940.
'•d f Mit Familie nach 193 3 umgebracht.
72 Wanderte mit der Mutter 193ti nach Südafrika aus und lebt noch dort in Johannesburg mit
den Schwestern Dr. Hanna Seehoff und Ina Seehoff.
529
ÄiK*i
v.j-,;;'v;;
Dk jübifcUen 2ÄJet)upflid|tigen in Oldenburg üon 1867-1918
unb il)ce Docfatjren
Von Harald S c h i e c k e 1
(Schluß)
182 de Vries, Markus (gen. Max) [wie bei Nr. 179], 1900 Schlachtergeselle in Ostern-
burg, * Emden 23. 3. 1880 "^ oo Bremerhaven 27. 9. 1904 Luise (Anna biise)
Sfa^ft'er, * Rostruperfeld 8. 2. 1884, evang.
183 cie Vr/es, Rudolf [wie bei Nr. 179], 1904 Schlachter in Oldenburg, * Olden-
burg 3. 5. 1884, X 1914/18. i c i f ^
184 WallUeimer, Bruno [= Nr. 186], KaufmannslehrUng, 1916 nach Frankfurt
abe , 1917 Soldat in Oldenburg, * Oldenburg 4. 10. 1899 ' .
185 Wal/(teimer, Erich [Hermann V/allkeimer, * Oldenburg 6. 2- 184 5, Kaufmann,
und Bertha Cokn, * 8. 11. 1856], 1907 Handlungsgehilfe in Oldenburg, * Ol-
denburg 16. 10. 1887 ''^ T. 1 j u/ 111 ■
186 WallUeimer, Hermann Hei(ne)mann [Benjamin, gen Bernhard Wa///ieimer.
Schlächter, * 1817, oo 26. 11. 1856 Lea, gen. Laura Sdiwabe, ^ Varel 19. 9.
1828 "'^, 18 81 Handlungsgehilfe in Oldenburg, später Kaufmann, * Oldenburg
3. 5. 1861, oo PauHne Marxso^H. i i i- d u^
187 WallUeimer, Julius Max [wie bei Nr. 184], 1913 Handlungslehrhng Bereüit.-
schein, * Oldenburg 31. 12. 1893 "'^
188 WallUeimer, Louis [Victor (Friedrich) WallUeimer, * 5. 6. 1811, Handelsmann,
00 I Oldenburg 13. 5. 1838 Friederike Reyershadt, oo IL Oldenburg 27 2.
185 3 Betty Hattendorf aus Hatten], 1872 Kaufmann in Oldenburg, * Olden-
burg 13. 5. 1852. , , ,. ^111 DU.
189 WallUeimer, Max [wie bei Nr. 186], 1890 Bankgehilfe in Oldenburg, Berecht.-
schein, * Oldenburg 14. 3. 1870. c u . •
190 WallUeimer, Max Bruno [wie bei Nr. 184], 1915 Kaufmann, dann Soldat in
Oldenburg, * Oldenburg 21. 6. 1896, f an der Somme 24. 10. 1916.
191 WallUeimer, Max Victor [wie bei Nr. 18 5], 1901 Handlungsgehilfe in Olden-
burg, * Oldenburg 1. 5. 1881 ''^. • n • u
192 WallUeimer, Paul [wie bei Nr. 18 5], 1906 Handlungslehrling in Duisburg,
* Oldenburg 24. 5. 1886.
193 WallUeimer, Siegfried [wie bei Nr. 185], 1909 Handlungsgehilfe in Oldenburg,
* Oldenburg 1. 11. 18 89 ''s.
194 Wedisler, David Theodor Alfred [Bernhard Wedisler, Landrabbiner, * 1807
oder 1808. aus Schwabach/Bayern, t Oldenburg 18. 11. 1874 '•\ und Adelheid
Auh, * 1. 7. 1810, aus Baiersdorf/Bayern], 1869 Kaufmann in Hannover, 1871
Einjähr.-Freiwill. in Oldenburg, * Oldenburg 4. 5. 1849.
195 Weinberg, Alfred [Hermann (Moses) Weinberg, Kaufmann, * Leer 21. 5. 1848,
oo Gehrde 27. 10. 1875 Dina Dammann aus Gehrde, t v. 1913], 1913 Hand-
lungsgehilfe in Oldenburg, * Oldenburg 24. 10. 1893.
72a Sohn- Max, * Lehe 18. 1. 1905, Sdiladitermeister in Sandhatten.
72b 1^38 nadi London, dann nadi Amsterdam emigriert, t KZ Mauthausen 19. 3. 1942, oo liily
(Ottilie) N.N.. ev., lebt in Oldenburg.
72c Lebt in Amsterdam. .i , n nr
72d Tochter des Moses Levin Sdiwahe (t vor 18 56) und der Min(n)a tllon.
72c Später Kaufmann in Bonn, t Port Elizabeth (Südafrika) 1968.
72f Inhaber der Papierfabrik V. F. Wallheimer in Bremen, t Amsterdam 1939.
'2g Lebt in Bremen.
'•*' Trepp, a. a. O., S. 26 ff.
569
.laRSssp^
Die jüdischen Wehrpflichtigen in Oldenburg von 1867-1918 und ihre Vorfahren
196
197
198
199
200
201
202
203
204
205
206
207
208
Weinberg, Alfred [Leib, gen. Levie Weinberg, Kaufmann in Oldenburg, und
Amalie lenneberg], um 1915 Lehrling in Oldenburg, 1916 Soldat in Olden-
burg, * Deternerlehe 29. 4. 1897, t 1. 5. 1917''.
Weinberg, Emil [Levi Salomon Weinberg. Kaufmann und Zichorienfabrikant
in Jever und Oldenburg'', * Schwerte 26. 10. 1825, t Oldenburg 22. 9. 1905.
00 Oldenburg 1. 7. 1855 Therese Ballin'', * Oldenburg (?) 6. 10. 1820,
t Oldenburg (?) 28. 7. 1913], 1877 stud. jur., * Oldenburg 24. 10. 1857 ' .
Weinberg, Hermann (Naphtali) [wie bei Nr. 197], 1880 in Oldenburg, 1881
Einjähr.-Freiwill. ebd., später Fabrikant, * Oldenburg 19. 6. 1860, f 1927,
■=1 Oldenburg, oo Mathilde Felsentkai, f Oldenburg 8. 1. 1937 "^
Weinberg, Karl Ludwig [=-- Nr. 198], 1911 Berecht.schein, * Oldenburg 23. 3.
1891 ^'^
Weinberg, Ludwig [wie bei Nr. 195], 1901 Handlungsgehilfe in Oldenburg,
* Oldenburg 4. 11. 1881.
Weinberg, Max Heinrich [wie bei Nr. 196], 1916 Lehrling in Oldenburg,
dann Soldat, * Detern 15. 6. 1898 "^
Weinberg, Moritz [Jacob Weinberg, Handelsmann, f. und Emma Sternberg],
1885 Kaufmann in Oldenburg, 1886 üb. nach Münster, * Schwerte 30. 1. 1865.
Weinberg, Moritz [wie bei Nr. 195], * Oldenburg 14. 5. 1880, t Oldenburg
25. 12. 1880.
Weinberg, Siegfried [wie bei Nr. 197], 1877 Einjähriger in Oldenburg, * Olden-
burg 7. 3. 1859''.
Weinberg, Wilhelm [wie bei Nr. 197], 188 3 Einjähriger in Oldenburg. * Olden-
burg 20. 3. 1862''.
Weinstein, Alfred [Bernhard Weinstein, Viehhändler, und Martha Coldsckmidt],
1918 Kaufmann in Oldenburg, dann Soldat, in Minden, 1919 entl. nach Jever,
* Jever 10. 7. 1900'".
van Wien, David [Hartog van Wien, Handelsmann, und Rebecka Markreick, in
Groning(en?)]. 1904 Handlungsgehilfe in Oldenburg, 1906 Soldat in Olden-
burg, *^Leer 9. 9. 18 84 '"^
Wiesenfeld, Julius [Joseph Wiesenfeld, Händler in Oldenburg, und Henrika
Sacks], 1899 Schneidergeselle in Oldenburg, ^ Hengstforde 5. 6. 1879.
74 Vermutlich verwandt mit Ernst Wcmberg. * Detern 29. 1. 1809, Produktenhändler in Varel,
1942 in das KZ. Theresienstadt deportiert.
'5 Sohn des Salomon Jacob Weinberg, Handelsmann in Schwerte, und der Caroline KletPt.
'" Tochter des Samuel Joseph Ballin und der BeHa Balliii.
77 Später Landgerichtspräsident -n Oldenburg, t ebd. 30. 3. 1925 (Oldenburger Hauskalender
1926, S. 61 f.).
'7a Inhaberin der Waschanstalt „Edelweiß" in Oldenburg.
77b Emigriert nach Südafrika. , o. tu
78 Später Inhaber der Firma S. J. Ballin. 1939 nach Amsterdam ausgewandert, dort t. 00 Johanna
van ßtLcM, * Amsterdam 25. 2. 1863. t 7. oder 17. 11. 1927. 2 Töchter (oo- . . . liptuan und 00
Meyer) und ein Sohn, der den Namen van Buren annahm, leben in USA.
7» 00 Maria Cohn (?) aus Brake, f lt.. I. 191 1.
«» nach England emigriert, dort f- Verwandte vermutlidi Louis Vfeinstein, * Jever 20. ^- 1 «''5
Sohn des Julius Levie Weinstein, Viehhändler, und der Helene Josephs, lebt seit mindestens 1941 in
Lima, und Lieselotte Weinstein, 00 . . . Spitzer, lebt jetzt in London. •
80a Vermutlich Schwager von Nr. 104.
570
.;'i?*'/
Die jüdischen Wehrpflichtigen in Oldenburg von 1867-1918 und ihre Vorfahren
209 Willner, Gustav Jacob [Jacob (Gerson) Willner, Lederhändler in Oldenburg ,
* Cloppenburg (?) 21. 11. 1820, t Cloppenburg 18. 11. 1^12, und Fanni
Hirsch '", * Friedrichstadt 22. 7. 1827], 1882 Handelsmann in Oldenburg, 1884
gemustert in New York, * Cloppenburg 21. 3. 1862 ''. . ka- i i
210 Wolff Siegfried [Jacob Wolff, Kaufmann in Bremerhaven, und Fanni Mickel-
soIih],' 1884 Kaufmann in Oldenburg, Berecht.schein, * Hausberge 19. 9. 1864.
211 Wolfenstein, Julius Jacob (Israel) [Julius Jacob Wolfenstein aus Bremen, Kaut-
mann * 1 6. 1837, t um 1873, oo Oldenburg 12. 5. 1868 Flora Steinthal,
^ Oldenburg 23. 3. 1849], 1895 in Oldenburg, 1896 üb. nach Leer. Berecht.-
schein, * Oldenburg 24. 6. 1874. . ^i j u
212 Wolff enstein, Richard Moses (wie bei Nr. 211], 1889 Kaufmann m Oldenburg,
Berecht.schein, * Bremen 2. 5. 1869. , r i i n
213 Wolfson, Franz Alfred Joseph [Fduard Wolfson und Franziska luhasck{Lu-
borsch), * 26. 4. 1848, f Oldenburg 20. 1. 1872], 1890 Einjähriger in Olden-
burg, * Oldenburg 1. 1. 1872. /t i x r *i
214 Ziegel, Michaelis [David Ziegel, Kaufmann, und Helene (Lenchen) Lewy, tl>
187^1 Handlungslehrling in Oldenburg, abg. nach Berlin, üb. nach Gnesen,
* Wongrowitz 27. 10. 18 51.
»^.1
Verzeichnis der Herkunftsorte
(nach Ländern und Verwaltungsbezirken; die laufende Nr. bezieht sich auf das vorstehende
Verzeichnis)
Oldenburg:
Stadt Oldenburg 2, 4-16, 18,
23, 43-47, 60-66, 68, 74
bis 76, 80, 87, 93-98,
102, 107, 112 f., 115,
115^ 115S 116-119, 122
bis 124, 126, 134, 136,
141_149, 153 f., 162 f., Jever 39, 59, 110, 206
165 f., 168—171, 175 f., Neuenbrok40
179^ lg3_195, 197-200, Huntlosen 72
203-205, 211—213
Osternburg 69-71, 73, 125
Eversten 17
Delmenhorst 35
Bookhorn 101
Wildeshausen 140
Hengstforde 208
Cloppenburg 209
«1 Sohn des Rabbi Gerson in Cloppenburg und der Hertha Schiff. Dieser ist vielleicht identisch mit
Gerson Samuel in Cloppenburg, dem Schwiegersohn des sdion vor 1817 verstorbenen Heyman Meyer
(Sdiutz 1762). Gerson Samuel erhielt 1814 Aufenthaltsgenehmigung für Cloppenburg und wird 1817
dort als Vater von 2 Kindern genannt. Seine Frau könnte die am 14. 3. 1867 in Cloppenburg
verstorbene Witwe Bertha WiUticr sein. Verv/andte (als Söhne des Gerson?) sind sicher Levi Wülncr,
t Crapendorf bei Cloppenburg 30. 11. 1828. und Nachman Willner, * Crapendorf 6. 4. 1828. Uer
Name Willner könnte dann zwischen 1817 und 1828 angenommen worden sein.
«2 Tochter des Fsaias }^irsdi in Friedrichstadt und der Betti Salonwn.
83 Die Auswanderung nach AmcHkn bcwahf ihn und seine Schwester Rosa (* Cloppenburg
13 1 1864) sowie seinen nach England auseewandertcn Bnider Sigmund (* Cloppenburg 28. 8.
1865)' vor dem Schid<sal der jüngsten Schwester Betty (* Cloppenburg «9. 5. 1873) Sie hatte am
24 12 18*59 ihren Vetter Friedrich Willner geheiratet (* Cloppenburg 22. 10. 1870). den Sohn des
Emanuel Willner, eines Bruders ihies Vaters. Das Ehepaar wanderte 1938 nach Holland a>^>s ""d
wurde 1943 in das KZ. Sobibor verschleppt, wo es umkam. 1943 wurde auch eine nach Holland
ausgewanderte weitere Tochter mit zv/ei kleinen Kindern von 3 wnd lV_' Jahren in ein KZ. verbracht.
Sie'übe-lrbtm ebensowenig wie der 1938 nach Buchenwald und l'Ml nach Riga deportierte Bruder.
Nur eine 1937 nach Amerika entkommene Tochter sowie die seit 1931 mit einem nichtjudischen
Ehemann (Heinrich Meiners) verheiratete Tochter Frieda, die 194 5 nodi nadi Thcresienstadt ver-
sdileppt wurde, blieben übrig. Frau Frieda Meiners habe ich für die meisten Angaben zur Familie
Willner zu danken. Das Poes'iealbum ihrer Mutler Betty mit Eintragungen aus den Jahren 1886/1887
und 1890 hat sie dem Staatsarchiv Oldenburg überlassen (Best. 285, 116). Es enthalt außer den
Eltern und der Schwester Rosa nur Eintragungen von nichtjüdischen Freundinnen und Bekannten,
ein Beweis für das damals praktizierte freundschaftliche Miteinanderlebcn von Juden und NichtJuden.
571
Die jüdischen Wehrpflichtigen in Oldenburg von 1867—1918 und ihre Vorfahren
Preußen :
Prov. Hannover:
Reg. Bez. Auridi:
Emden 19, 30, 67,
180—182
Neustadt-Gödens 2 5
Weener 89, 157
Wilhelmshaven 163
Loga 127
Deternerlehe 196
Detern 201
Leer 207
Reg.Bez. Osnabrück:
Papenburg 3
Quakenbrück 133
Veldhausen 151
Reg.Bez. Stade:
Dörverden 29
Aumund 120
Geestemünde 177
Reg.Bez. Hannover:
Wunstorf 1
Hannover 24, 150
Diepenau 108
Rehburg 111
Großmunzel 161
Bassum 164
Reg.Bez. Lüneburg:
Harburg 52
Walsrode 105
Bodenteich 137
Reg.Bez. Hildesheim:
Werna 51
Nörten 79
Prov. Westfalen:
Reg.Bez. Münster:
Rheine 84
Münster 172
Reg.Bez. Minden:
Bühne 32
Ovenstädt 5 5
Hausberge 210
Reg.Bez. Arnsberg:
Dortmund 37
Niedermarsberg 139
Sdiwerte 202
Prov. Rheinland:
Reg.Bez. Düsseldorf:
Dülken 20
Anrath 5 3
Reg.Bez. Köln:
Kerpen 77
Reg.Bez. Koblenz:
Bonbaden 90
Altenkirchen 152
Prov. Schleswig-Holstein
Rendsburg 158
Prov. Hessen-Nassau:
Reg.Bez. Kassel:
Niedenstein 5 8
Reg.Bez. Wiesbaden:
Oberbrechen 173
Prov. Sachsen:
Reg.Bez. Magdeburg:
Osterburg 114
Magdeburg 131
Stendal 155
Reg.Bez. Erfurt:
Nordhausen 50
Heiligenstadt 131^
Prov. Brandenburg:
Berlin 36, 86
Reg.Bez. Frankfurt/O.:
Göritz 3 8
Forst 91
Seelow 106
Prov. Pommern:
Reg.Bez. Stettin:
Swinemünde 82
Reg.Bez. Köslin:
Stolp 48
Prov. Westpreußen:
Reg.Bez. Danzig:
Pr. Stargard 115^
Reg.Bez. Marienwerder:
Lautenburg 26
Neuklunkwitz 129
Prov. Ostpreußen:
Reg.Bez. Königsberg:
Königsberg 128
Wormditt 159
Prov. Posen:
Reg.Bez. Posen:
Schwerin 21
Miloslaw 28
Zerkow 100
Reg.Bez. Bromberg:
lisch 22
Schönlanke 8 5
Wongrowitz 214
Prov. Schlesien:
Reg.Bez. Breslau:
Öls 33, 178
Reg.Bez. Liegnitz:
Glogau 8 8
Reg.Bez. Oppeln:
Gleiwitz 34, 138
Kattowitz 41, 92
Ujest 99
Beuthen 130
Lippe:
Lage 132
Hörn 167
Hessen-Darm Stadt
Vilbel 160
Storndorf 167^
Anhalt:
Bernburg 57
Dessau 156
Mecklenburg-
Schwerin:
Malchow 42
Teterow 81
Gadebusdi 109
Bayern:
Obbach (Ufr.) 54
Hansestädte :
Lübeck 27, 78
Hamburg 31, 56
Bremen 83, 212
Niederlande :
Groningen 104
Winschoten 174
Österreich :
Wien 49
Rußland :
Dorpat 121
Baklarzewo
(Gouv. Suwalki) 135
(vgl. auch 8 3)
572
iDonaerJriich aud iTTcpt
GENEALOGIE HjX . ^ö.Aßi'^-i
h^^Z'i'^x
M'y
r.
A
A^ ^^^^:^ /Ä^/ 36^ ^^^^^ ^^^/^^^^' ^^
^>^^^ /^ /cU/
a
y^/' /i^y>yy^^i^^i7^^ /<- ^^-<
li/^
X.
/W
/^
/
Juden im oeffentldbchen Leben Deutschlands
in der Weimarer Zerit
I.
Der Zusammenhang mit dem Ersizheinen von Juden im oeffent-
liehen Leben Deutschlands und dem Schicksal der
Weimarer Republik.
Vergleich zwischen der Behandlung der Juden im Obrigkeitsstaat
und in der Weimarer Republik. Vergleich zwischen der Volks-
stimmung zu den Juden im allgemeinen und zu ihrem Erscheinen
in oeff entlichen Funktionen zur Zeit Wilhekms II. und
waehrend der Revolution sowie in der Weimarer Republik.
Vielfache Ueberschaetzung der Bedeutung ihres Erscheinens
und ihres Wirkens im oeffentlichen Dienst fuer das Schicksal
der Juden und der Weimarer Republik . Beispieles Walter
Gross ( In Zwei Welten, zitiert Yearbook XIV, S 66) und Rahel
Strauss, Wir lebtem in Deutschland. Unterscheidung zwischen
propagandistischer Ausnutzung dieser Erscheinung und den
tiefliegenden historischen Faktoren, ohne die die Propaganda
nicht wirksam gewesen waere. Kurze Skizzierung der histori-
schen Faktoren. Die nicht akzeptierte Niederlage. Das Fehlen
einer demokratischen Bewegung im Buergertum. Der demokrati-
sche Gedanke nur mit der Arbeiterbewegung verknuepft. Fehl-
schlag demokratischer Stroemungeni Sonnemanh, Frankfurt/Main;
Jacob^^r, im Preuss sehen Abgeordnetenhaus, geht schliesslich
zur Sozialdemokratie ueber. Wuettembergs Sueddeutsche Volks-
partei, auf gehend in der liberalen, aber nichts demokratischen
Fortschrittlichen V(blkspartei. Mangelnde Vorbereitung der
Sozialdemokratie fuer , staatspolitische Aufgaben. Gruende
dafuer. Clemenceaut d^ franzoesische Revolution war ge-
schrieben, bevor sie unternommen wurde. Vergleich mit der
intellektuellen und faktischen Situation in Deutschland./^'^l^-^ ^^/^ /^v.
Beginn einer neuen Aera. Das vom Humanismus erfuellte 19. ^U^r^.^^^f^^^^^*^^
Jahrhundert abgeloest durch ein Jahrhundert, das gewaltige
Kriege, Umstuerze in der Wirtschaft und /soziale Bewegungen
sah. 1918 eine Revolution, von sozialistischen Kraeften
unternommen, die sich bewusst waren, dass aus aussen- und
innerpolitmschen Gruenden sozialistische Ziele nicht erreich-
ba r waren. Der Pazifismus, ein wichtiges Motiv fuer die
Revolution. Die Revolution von keiner Schicht des Volkes be-
hindert, weil sie nach Eingestaendnis der Niederlage und dem
verstaendnislosen Verhalten der bis dahin// fuehrenden
Schichten zur Erreichung des Friedens unerlaesslich erschien.
Die Revolution von Sozialisten fuer buergerlich-demokra tische
Ziele durchgefuehrt,ohne dass Deutschland ein buergerl ich-
demokratisches Potential besass. Diese Widerspruechlichkeiten-
die tiefste Ursache der Schwaeche und des Niedergangs des
demokratisch-republikanischen Gedankens im Augenblick von
politischen und wirtschaftlichen Krisen.Unmittelbare ziele
der Traeger der Weimarer Republik i Erhaltung der deutschen
Einheit, Verwirklichung freiheitlicher Bestrebungen, groessere
soziale Gerechtigkeit. Ziele decken sich mit Bestrebungen
a\^
-mm.^'^i
-2-
/
und Interessen des juedischen Buergertums, Gruende dafuer,
Beschimpfung der Republ:ik als Judenrepublik • 2 buerger liehe
Bertreter, Hugo Preuss und Walther Rathenau als ihre Reprae-
sentanten erscheinend, Charakterisierung des Begriffs "Juden-
republik" durch deutsche Richter als Repraesentanten der
republikfeindlichen Stimmung des deutschen Buergertums.
Beipiele(aus Die Justiz; Kempner),
II.
Die Rolle von juedischen Politikern in der
Revolution
Begriff und Zeitdauer der Revolution . Zeitliche Ueberschnei-
dung von Revolution und konstituierter demokratischer Re-
publik. Beispieles die Bayerische RaeterepubÄiki Verhaeltnisse
in Braunschweig; Frankfurt am Main. Rolle der Marine, des
Heeres und der Arbeiter beim Aysbruch und bei der Durch-
fuehrung der Resolution. Revolutionaere Ereignisse und der
Ordnungssinn des deutschen Volkes.
Keine Juden in der Marine und unter den Arbeitern der Gross-
betriebe, auch nicht unter ihren revolutionaeren Fuehrern.
Revolutionaere Obleute in Berlin. Geringe Anzahl von Juden, ent-
sprechend dem Anteil an der Bevoelkerung,im Feldheer und in
den Garnisonen. Einige Juden prominent unter den Soldatenrae-
ten. Gruende I Verfuegbarkeit von Juden £uar ohte Rollo als
Sprecher beim Vorbringen von WueUSchen und Beschwerden.
Folgen ihrer Zuruecksetzung bei Befoerderungen, Verbleiben
in Manns chafts-und Unteroffizierstand. Einfluss der Judenzaehlung,
Wirkung vor allem auf besonders verletzliche Naturen. Be-
griffe und Wesen des Soldatenrats; politische und Kontroll-
funktionen. Juedische Soldatenraete politisch vorher selten
hervorgetreten.
Rolle der Juden in politischen und parlamentarischen Fueh-
rerstellungen. Funktionen bei den Liberalen. Funktionen bei
den Sozialdemokraten. Bei den letzteren ueberdurchschnitt-
liche Zahl von akademisch gebildeten Fuehrerkraeften unter
den Juden, Mangel an akademisch gebildeten Kraeften unter
Nicht Juden innerhalb der SPD. Beispiele! Zusammensetzung der
Fraktionen. Entsprechende Konsequenzen. Uebernahme von Aemtern
ducch Juden, die vorher in parteipolitischen Fuehrergrem/ien
waren, auf Grund der revolutionaeren Bewegung.
Innerhalb der gemeinsamen revolutionaeren Gesamterscheinung
grosse Verschiedenheiten. Zutreffend auch fuer die juedische
Beteiligung. Politische Differenzen lÄadikale/f und CK emaessigte.
Regionale Differenzen! Nord-und Sueddeutschland. Verschieden-
heit der Einfluesse fuehrender Persoenlichkeiten auf die
Willensbildung! Haase und Landsberg. Sonderfaelle, bedingt
zum Teil durch Zufaelligkeiten.Kurt Eisner, USPD, Gabe der
individuellen Initiative, die Fuehrung in Bayern uebernehmend,
wo die USPD am schwaechsten war. Gesamtsicht! Kombination von
revolutionaeren Gesamt-und Einzelaktionen, gefolgt von nicht
vorherzusehenden Entwicklungejf;J'irS!t geplanten Zielen, verfolgt
von den alten Parteien der Linken, der frueheren Opposition. ^^W^^,
„■iÄäi^Ääfes'
-3-
Diese teils herangezogen von den sich bedroht fuehl^enden
alten Fuehrungsmaechten, teils gedraengt von den Revolu-
tionaeren,sie Regierungsgewalt zxxjti uebernehmen. Zurueck-
draengung der Revolution und Gegenrevolution in den ersten
Jahren. Niederschlagung des Januaraufstandes 1919; Nieder-
werfung des Kapp-Putsches 1920. Ziel; Zusammenwirken gemaessig=
ter Kraefte der Arbeiterschaft und des Buergertums in Koa-
litionen. Dauernder Erfolg zu sichern nur durch Erhaltung
der Staerke der gemaessigten Fluegel auf beiden Seiten.
Ominoese Signalei bei den Reichstagswahlen von 1920 nach dem
Kapp-Putsch empfindliche Schwaechung der gemaes igten, Staerkung
der radikaleren Gruppen in der Arbeiterschaft und im Buerger-
tum Bedeutung dieser Entwicklung fuer das juedisbhe Buerger-
tum,dJ'as gerade in der DDP und SPD seine staerkste Stuetze^
fand.^
III.
Juedische Gestallten in der Revolution.
n*'/'
Die von der Opposition in die Verantwortung hinueberwechseln-
den Personen. Zuweilen fast automatisch in die leitende Stelle
gebracht. Unter Fuehrerpersoenlichkeiten im Reich Hugo Haasejrf,
vermittelnd zwischen SPD und USPD und zwischen dem rechten
und linken Fluegel der USPD. Seine Zwangslage. Seine legal
gleichrangige, faktisch zweitrangige Stellung hinter Ebert.
Haases Festhalten an der in der monarchischen Zeit ueblichen
Dosierung^^" In den Sitzungen der Volksbeauftragten ein schwacher
Gegenspieler Eberts. Landsberg, ein Revolutionaer lünterxM±U»H
wider Willen. Staerker als Jurist als als Politiker hervor-
tretend. Weil artikuliert, falsch beurteilt und ueberschaetzt,
Protokolle der Sitzungen der Volksbeauftragten aufklaerend.
Irrige Beurteilung durch Oehme, Damals in der Reichskanzlei.
In den LaENDERN i Paul Hirsch, preussischer Ministerpraesiden f
in den e?sten Monaten auch Innenminister. Gradnauer saechsi-
scher Minis terpraesident. Hugo Heimann und Hermann Weyl,
Volksbeauftragte in Berlin. Skizzierung ihrer frueheren
Stellung. Vergleich mit einer Regierungsabloesuna in einem -i^ife^
demokratischen System. 4U,^^^^>a^ ^^ /^j, /^ ^.>^Si^ ^^ Ziu^ ^^^.r.^^ ^^^
Regierungsmitglieder (unter verschiedenen Bezeichnungen)«
Hugo Preuss; Eugen Schiffer j Emanuel Wurm; in den Laenderns
Kurt Rosenfeld, Justiz, PreussenjMarum, Justiz Baden;Haas,
Inneres, Baden 5 Regensburger und Kantor, hervortretend in
Braunschweig .
Regierungsmitglieder als Fachleute herangezogen i Hugo Simon
Finanzen, Preussen;Jaff 6, Finanzen, Bayern; in der kurzlebigen
ersten Raeterepublik in Bayern Gustav Landauer, Kultur; Neurath
Raeteorganisat ion .
In Kontrollfunktionen iBeiraete/. Ihre geringe Bedeutung. Oskar
Cohn, Reichs justizministerium;Herzfeld, Inneres; Bernstein,
Schatzamt.
-4-
^^ fpt'ou /^uZ
tA/i-C^i
fO^**
Aktive Revolutionaere. Eisner i" Muenchenkuehn und selbstaendig
voraehend. Gegen Zurueckhaltung der organisierten Arbeiter
I^hflt Cnterluehrung Auers zahlenmaessig geringe Kraefte zu-
schaft unter tuenrung vorbereitend. Vorherige Fest-
^«■^^^n« S D;tuis ?iilipp LoSwenf eld^ Darstellung (Memoiren jC^n '
Llir^rg!eiSvSnEisiers Haltung mit der Haases( Vorsichtiges .J^^
Vorg£Sn?,lcSeidemanns (Ausruf ung der Republik.als unerlaes|lich) ,j
„nH Flirts (keine sofortige Entscheidung wuenschend ) . Levine
Ss läSerdi? zweiten (kommunistischen) Raeterepublik.von KPD
naSh ßSern gesandt. Bewusstsein der hoffnungslosen Lage.Gruende
CeSer SlSh?ung der ersten und der "-^^"f "V^J^^^S?! und
zweiten Raeterepublik. Toller als Fuehrer des A.und S.Eats und
der Roten Armee. Landauer und Toller in Rolle tamijnjBBinh^iBBm hin-
eingestossen.fuer die sie unvorbereitet waren, verbleibend teils
aus Ehrgefuehl, teils aus mangelnder Einsicht m die Lage.
Gesamtschau iBeteiligung bezw. Mitarbeit von Vertretern aller
PaBtBlBN ausser den Konservativen .teils um vorwaerts au t
treiben, teils um zu zuegeln.Juden in allen Parteien -Levine
KPD; Landauer, Muehsam Anarchisten;Haase E.sner ToHer USPD,
LandsKrg , Hirsch, ^radnauer.Marum SPD? Haas-Baden, Hermann Cohn
-Inhalt Fortschrittler bezw.DDP; Schiffer nationalliberal-
DDP. Verschiedene Auffassung der Funktionen jUeberleitung in
das Sowjetsystem, KPD,Levine'. Weitertreiben der Revolution
mit Kombination vom Parlamentarischen und Raetesystem als End-
ziel.USP. Demokrati^h-parlamentarisches System durch baldige
Wahl der Nationalversammlung/SPDj gleichfalls baldige Wahl
der Nationalversammlung und Verhinderung sozialistischer Mehr-
heit.DDP; gleichfalls Wahl der Nationalversammlung, starkes Ein-
setz4n fuer Erhaltung traditioneller Werte im parlamentamsch-
demokratischen System. Richtung in DDP^von Schiffer vertreten.
Relativ starke Beteiligung der Juden in Fuehrerstellungen.Gruende.
Bruenings Urteil in seinen Memoiren. Voel liger Mangel am Verteidig
gungswillen des alten Regimes durch die frueheren herrschenden
Schichten. Machtfreier Raum. in den frueher an der Macht nicht
beteiligte;! Schichten, darunter Juden einstroemen. Mangel an
Vorbereitung der Juden in den sozialistischen Parteien f"er
Uebernahme der Regierungsverantwortung. Rechtsanwaelte. Schrift-
steller.Journalisten typische Berufe juedischer Intellektueller^
Ausschluss von Staatsverwaltung. Hervortretend messianischer und
philosophischer Zug. Haase-Koenigsberg kantmanisch. Eisner
von Hermann Cohen stark neukantianisch beeinflusst^. Starke
Neigung der juedischen Intellektuellen bei den Sozialisten fuer
USPD vornehmlich durch Friedensgedanken bedingt. Kants Ewiger
Friede.
-5-
d/l^^f^-
^
'i/(/^4^
IV
Haltung der juedischen Gemeinschaft zur Revolution.
Sehr verschieden von sozialistischien juedischen Fuehrern.
Eine vorwiegend buergerliche Gruppe. Oppositionell zur alten
r^^c /^^c^ Regierung durch juedische Schicksal/aber nicht revolutionaer
'^ bestimmt. Bevoelkerungs-und Beruf sstruktur.Verstaedterung im
Laufe des 19. Jahrhunderts. Massierung vor allem in Berlin, ver-
staerkt durch Abwanderung aus den dem erneuerten polnischen Staat
zugeschlagenen Gebieten. Unterschied von der Zusammensetzung der
Gesamtbevoelkerung. Stadt und Land. Selbstaendige.Handel-und
Bankwesen. Schnelles Anwachsen der Akademiker. Kaum Juden in
Landwirtschaft, Handwerk und Handarbe iterschaft.Gruende dafuer.
Tendenz zur wirtschaftlichen und sozialen Angleichung statistisch
nachweisbar, aber nicht in das Volksbewusstsein eingedrungen.
Eine Äozioloöisch fuer den Liberalismus praedestinierte Gruppe,
soW^^der Liberalismus seine frueh^^ere antisemitische Haltung
vor allem in Sued-und Suedwestdeutschland aufgab. Eine weder
republikanische, noch sozialistische noch revolutionaere Be-
voelkerungsschicht.Uebereinstimmung mit der Haltung des Berliner
Buergertums in den letzten dreissig Jahren. Ausgang der Reichs-
tagswahlen, voelliges Verschwinden der antisemitischen und kon-
servativen Parteien in Berlin. Die Wahl Maximilian Kempners in
Berlin I,zwei Wochen vor der Revolution. Interesse der Juden
an der Aufrechterhaltung der Reichseinheit, gegen separatisti-
sche Stroemungen,fuer Ausbau freiheitlicher Institutionen sehr
ausgepraegt. Gruende dafuer. Haltung in den polnischen Landes-
teilen,im Rheinland und in Bayern. Tendenz zum Einksliberalismus,
doch auch bei den Nationalliberalen in Bayern, Hannover und Rhein-
land vertreten. In der DDP die meisten Juden vereinigt, bei der
D eutschen Volkspartei, Nachfolgerin der Nationalliberalen, wegen
ihrer der Republik feindlichen Haltung eine geringere Zahl als
vor dem Kriege bei den nach rechts neigenden Liberalen. Juden
als Mitglieder des Establishment vertreten durch Beteiligung an
der Wirtschaftsfuehrung, Mitgliedschaft in Stadtparlamenten, Ehren -
stellen in der Kommurv^lpolitik, Titel, Orden und Ehrenzeichen.
Daneben dosierte Zulassung zu wissenschaftlichen Positionen und
Befoerderungsstellen in der Justiz. In einer solchen Gruppe kein
Draengen zur Revolution, aber ihre ^^^gP^gf;^^^ leichter als bei
der Rechten und dem Zentrum. TypischnscSKTTters Eingestaendnis^
dass er sich im Kaiserreich zu Hause fuehlte und dies seine ei-
gentliche politische Heimat war . Tendenzen der Kontinuitaet in
der parteipolitischen Loyalitaet und Gegenstroemungen dagegen.
Starker Gegensatzx zwischen der Haltung der Masse der juedischen
Bevoelkerung und der Einstellung der juedischen Intellektuellen
in den sozialistischen Parteien. Stellung der Juden in Fuehrerstel
lungen der DDP.
^/"i-«'.*i
■Af
-6-
V.
Der Antisemitismus in der Revolutionszeit
'ivr
\^'
,1"?' ' .
These, dass Antisemitismus durch starke Beteiligung der Juden
an der Revolution erweckt sei, unhaltbar. Sie trug dazu bei,
die vorhandene Stroemung zu verstaerken. Beweis, dass die wirklich
revolutionaere Stimmung nur einen geringen Teil der Bevoelkerung
erfasst hat. Kurze Darstellung des Obrigkeitlichen und des aus
dem Volk aufsteigenden Antisemitismus vor 1918. Stawrkster
Gegensatz zwischen beiden in Bayern. Groesste Gemeinsamkeit in
Sachsen und Wuerttemberg. Situation in Preuasen. Rolle der kon-
servativen Partei, fast nur in Preussen und Sachsen vertreten,
Bindeglied zwischen beiden Spielarten des Antisemitismus. Tivoli-
Programm, Antisemitenparagraph, Differenzen zwischen Bismarck und
preussischem Innenminister von Putkamer.Im Kriege Antisemitismus
zunaechst zuruecktretend, Idee der umfassenden Volksgemeinschaft
Burgfrieden, dann wieder hervorbrechend. Kriegsverlauf. Schluessel-
figuren Ludendorf f, Wrisberg. Agitation der Vaterlandspartei. Zu Be-
ginn der Devolution wieder kurze Zeit zuruecktretend, dann wieder
hervorbrechend. Pogromluft in Berlin,Muenchen, Ablenkungsmanoever.
Starke Abschwaechung, zum Teil Verschwinden des Obrigkeitsstaat-
lichen Antisemitismus noch waehrend des Krieges. Die ersten Juden
in Preussen in Dirigentenstellen der Justiz, der erste juedische
Verwaltungsbeamte, Reserveoffiziere ernannt. In den Monaten nach
der Revolution populaerer Antisemitismus aufsteigend, nicht mehr
gehemmt durch starke Obrigkeit. Unsicherheit der Parteien, Zu-
rueckhaltung der Deutschnationalen, doch voelkisvhe Gruppe bei ihnen
bereits aktiv. Deutschnationaler Wahlaufruf 1918. Sonderlage in
Bayern. Georg Heim. Bekaempfung Eisners, spaeter der Raeterepublik
mit antisemitischen Vorzeichen. Beurteilung in Bosl,s Buch.Re-
vanchegefuehle des Buergertums. Juden in der Revolution in Bayern
fast durchweg eines nicht natuerlichen Todes gestorben. Eisner
Gustav Landauer, Toi 1er, Muehsam,Fechenba eh. Jaffe Zusammenbruch
Levines Hinrichtung.floegner's Urteil ueber Mangel an politischem
Sinn in Bayern. - Die Berliner Versammlung der Jugendverbaende gegen
den Antisemitismus. Alf red Apfel, Cora Berliner. Auftreten Kurt
Blumenfelds.
-7-
VI.
e/A>
iAM>ihAf
/
ah
Juedische Kegierungsmitglieder
a.Die Reichsregierung
Gesamtzahl unter etwa 200 Regierungsmitgliedern 7 Juden,
davon 2, die einer juedischen Gemeinde angehoerten(Preuss,Rathenau)
3 Konfessionslose (Gradnauer, Landsberg, Hilferding ) einer, der
sich um seiner Laufbahn im Kaiserreich willen hatte taufen
lassen (Schiffer) und einer, dessen Eltern sich vor ihrer
Hochzeit haben taufen lassen (Joel) und der also als evange-
lischer Christ (reformierte Kirche) geboren ist./Preuss und
Landsberg nur bis Juni 1919, traten wegen Versailler Vertrag
zurueck. Unter Regierung Wirth ( 1921/22 ) Gradnauer, Rathenau
und Schiff er, i'te^l^gle.i-rhf all. s i"^ t^^"'' iQiQ ^n^ dorn rflp4-r?h<¥n—
fTrunde mrurrM-rrTf", Pip zwei verbleibenden juedischen Minister
Hilferding, wenige Monate 1923 im Kabinett Stresemann und
18 Monate im zweiten Kabinett Mueller) und Joel (2. Kabinett
Bruening, neun Monate). Geringfuegigkeit der Xahl. Die be-
deutendsten Hilferding, Schiffer, Joel, nicht nur wegen ihrer
Amt^taetigkeit als Minister. Tiefe Spuren hinterlassen Preuss
und Rathena u,unbedeutedd als Minister Gradnauer und Landsberg.
Vergleich mit Kaiserzeit. 2 ungetaufte Juden, Friedberg, Frieden-
thal,kein Praezedenzfall unter der Monarchie. Kein Konfessions-
loser waere ministrabel gewesen, Sozialdemokraten kamen ohnehin
nicht in Betracht. Schiffer und Joel in hohen Verwaltungsstellen
schon vor 1914, Auf ruecken fast automatisch. Beherrschung des
Reichs Justizministeriums durch Joel als Staatssekretaer, letzter
Minister juedischer Abstammung mit Bruening Mai 1932 ausgeschieden.
Schiffer seit 1923 nicht mehr Ministerposten und Parlamentarier
aber noch wichtige Funktionen. Alle Richtungen vertreten von USPD
(Hilferding von der Kriegszeit bis 1922) , -Joel, rechtsstehend, sich
als Beamten altpreussi scher Praegung bezeichnend. Schlussfolgerung,
die beiden getauften Juden mit Tendenz nach rechts, auch bei
Schiffer nachweisbar/lDie beiden im Judentum verbliebenen aus dem
juedischen Buergertum hervorgegangen und parteipolitisch seine
Repraesentanten geblieben. Die Sozialdemokraten auch aus dem jue-
dischen Buergertum hervorgegangen, aber anderen Idealen und poli-
tischen Zielen gefolgt.
Bereits behandelt in Band I Gradnauer, Landsberg, Rathenau (dieser
ra^A ^^ damals /pe<A nicht Parlamentarier) Schiffer. Alle vier Laufbahn
fortge^setzt, daher weiter zu untersuchen. Neu hinzutretend Hilfer-
ding, Joel, Preuss. Lauf bahnen erklaerlich als fruehere hohe Beamte
Joel, Schiff er. Berufen von Ebert Landsberg (bereits als Volksbe-
auftragter) Preuss zur Vorbereitung der Verfassung, Schiffer,
nachrueckend zum Staatssekretaer im Reichsschatzamt (seine Be-
dingungen) .Als fuehrende Parlamentarier in SPD. Gradnauer, Hilf er-
ding(nach Vereinigung mit USPD). Von Wirth herangezogen Rathenau
(Wiederaufbau, Aeusseres;RKJöuöiÄK Ebert ablehnend gegen ihn).
Amt erstrebt nur von Rathenau, die anderen teils in Revolutions-
zeit als beboetigt herangezogen, teile von Parteien vorgeschlagen
(Kampf in DDP Fraktion zwischen Preuss und Koch-Weser).
-8-
rtci/^^
r6^
Die Sozialdemokraten
Otto Landsberg. In Vorkriegszeit Parlamentarier seit 1912.
In Nachkriegszeit vier Funktionen i Volksbeauftragter, Parlamen-
tarier, Reichs justizminister, Diplomat (Gesandter in Bruessel).
Als Volksbeauftragter Aufgaben, die ihm nicht lagen t Finanzen,
Pressewesen. Auch sonst nach Protokollen ausserhalb juristischer
Fragen nicht hervorgetreten/Verhaftung durch Linksradikale. Oft
provokatorisches Verhalten gegen USP Unabhaengige.Sein Einfluss
ueberschaetzt,da sehr artikuliert. Auch im Kabinett Scheidemann
nicht besonders einflussreich. Ruecktritt wegen Versailles.
Patriot. Mangel an Auge n^iass, wenn es sich um nationale Fragen
handelte, aber standhaft waehrend des Krieges in Ablehnung jeder
Annexion. Wuerdigung durch Sinzheimer als geistige Gestalt
(Sinzheimer-Fraenkel,Die Justiz in der Republik,S. 224/5) Zum
Gesandten in Bruessel ernannt in Zusammenhang mit Bestreben, aus
politischen und wirtschaftlichen Kreisen dem A.A. frisches Blut
zuzufuehren. Andere Beispiele dafuer.Rede Hermann Muellers Herbst
19l9./^ueckberufung bei Ausbruch des Ruhrkampfes zusammen mit
Vertreter in Paris. Schwierigkeiten in der Amts ausuebung mit bel=
gischer Regierung, oft durch fuehrende katholische Partei beein-
flusst. Bei Wiederbesetzung des Postens nicht beruecksichtigt,
Berufsdiplomat ernannt. Landsberg verbittert,
Parlamentarier seine eigentliche Brufung. Politische und juristiscche,
besonders auch verfassungsrechtliche Probleme. Eine der wichtig-
sten Reden Ablehnung der Brueningschen Notverordnung 1930 als
verfassungswidrig , zur Aufloesung des Reichstags fuehrend.Sein
Verhalten strittig. Aufsaetze u.a. in Gesellschaft und Justiz.
Kritk an Fehlurteilen, Klassenjustiz , Beurteilung Paul Levis nach
dessen Tode. Verkennung der besonderen Spielart des Nazi-Antise-
mitismus im Vergleich mit frueheren antisemitischen Wellen.
Stark historisch bestimmte Denk-und Beurteilungsweise. 1933 so-
fort Emigration nach Holland, verborgen, nicht nach Deutschland
zurueckgekehrt .
Georg Gradnauer. Minister des Innern, Ministerpraesident des
Landes Sachsen. Saechsischer /Radikalismus, kritisiert durch linken
Fluegel unter Fuehrung Fleissners und Lipinskis. Verteidigung durch
Noske. Ende der saechsischen Periode der Poliltik, Eintritt in
Reichsministerium des Innern im ersten Kabinett Wirth. Zum 2. Ka-
binett Wirth nicht wieder zugezogen. Wirken im ersten T^abinett.
Nach Ausscheiden Trostpreis, Vertreter Sachsens im Reichsrat
bis 1932. In Verbindung mit anderen SPD Loebe,Keil u.s.w. in
der Nazizeit, 1943 nach Theresienstadt deportiert, zurueckgekehrt,
ein Jahr darauf gestorben. Zusammen mit Robert Schmidt Buch
ueber deutsche Volkswirtschaft, historisch und zeitgegebene
Aufgaben.
■■l!i
-'i^m
-9-
Rudolf Hilferding. Der bedeutendste Theoretiker der SPD nach
Sskv.Zum Sozillismus durch Beobachtung des Massenelends als
Armenarzt in Wien getrieben. Kurze Darstellung seiner Theorieen.
5^ ?inanziapitals:der Beurteilung durch Gottschalch. In Deutsch-
lind als Auslaender Zulassung der^chriftstellerischen.Behinde-
i^ng de? rednerischen Tfeetigkeit.fiirKsamkeit am Voryaerts beendet
durch Eliminii^erung der USPD aus der Redaktxon 1916. Chefre-
dakteur der Freiheit Zentralorgan der USPD in Berlin.Beurteilung
seiSs journalistischen Wirkens .1920 beim grossen Wahlsieg der
USPD in den Reichstag zusammen mit »fi«*««,^5f ^^" J^^l^^^^^^^^ck-
nc;p Leuten die bei der Wiedervereinigung 1922 in die SPD zueucK
kamei^unr^ieff^S zum rechten Fluegel der ^^f j, ^^^^Sln
Hilferdings Reden auf Parteitag - Anpassung der "«a^xistischen
S^eSrik In die Nachkriegssituation.Bedeutung des Einflusses des
«Staates auf Lohngestaltung und andere fuer die Arbeiterklasse
JicStige soziale Fortschritte- auf dem Weg zum Sozialismus. Theorie
liSr s?Lk tei ihm im Vordergrund, Gelehrtennaturyleitung der
-Ssel?schaft(l925-1933). Charakterisierung dieser zfeitschrift.
K^aehnSng Albert Salomons. Als Gelehrter und menschlich geschaetzt .
lS^?Silung durch Bruening,Groener, Schwerin-Krosiglj. Enge Zusam-
menarS^i? Sit Bruening 1930-1932 Bruenings "^i^^^-J^ "jf ^,f Jf^H^^^ .
dina Absorechende Urteile ueber Hilferdmgs Faehigkeit als Minister
ziea4rn langes Abwaegen, Mangel an Entschlusskraft. besonders bei
SchSfSAg Sir Rentenmark. Stresemann, Braun, Stampfer absprechend.
Sex Moellers Broschuere. Zweimal Ruecktritt vor dem Sturz des _
ri^Ltkabinetts.Ende 1929 Einbruch der Wirtschaftskrise, Schwier ig-
ketxde?'Ai?IteliSng eines ausgeglichenen f e^l^-^S^^är^ReSsJLr
als Teilmanoever des Kampfes Hindenburgs,der Rechten, der Reichswehr
nnri Rrueninas oeaen Kabinett der grossen Koalition. Nach Ruecljtritt
und SaifLIS^mit 107 Nazis , Ablehnung als erster Redner fuer die
SPD aStreten,Hinweis auf juedische Abstammung (Hoegners Memoiren).
Emigration sofort l933,Schweiz,Prag, Paris. Leitung eines sozia-
iSstilchen Wochenblatts .Hilferdings Verbleiben in Frankreich,
i^ngerSn Entschlusskraft.Unrichtigkeit der Darstellung von Brei t-
Sid5 Verantwortung fuer sein Verbleiben in Gottschalschs Buch.
Ermordung in Paris,
-10-
Die Demokratien.
Sehr verschieden untereinander. Kaum Zusammenhaenge unter ihnen.
Reflex der alten Honoratiorenparteien Fortschrittler und National-
liberale, nicht gestuetzt auf breite wirtschaftlich aehnliche
Interessen, nur noch Freikonservative aehnlich.
Hugo Preuss . Als Politiker nicht im Vordergrunde, aber stets sehr
interessiert, Berliner Stadtverordneter, dann unbesoldeter Stadtrat.
Aufmerksamkeit ueber Kommunalpiz^litik hinaus erregt, Reichstagskan-
didat 1912 in Dessau (Hesses Erinnerungen) .Als Agitator nicht besonders
Qut.Gruende des Scheiterns der Kandidatur. Auf rechter Liberaler.
Sto4sst an wegen Sarkasmus. Aufrechter Jude, Beschreibung durch Heuss
und Feder. Betrachtet Judenfrage als Barometer der Entwicklung zum
nationalen Einheitsstaat. Artikel in C.V.Zeitung kurze Zeit vor sei-
nem Tode(Nr.27,1925) Wissenschaftlich Schueler von Gneist und Gierke,
englisches Vorbild und Genossenschaftsprinzip auch inhaltlich ms
demokratische uebersetzt. Waehrend des Krieges an kuenftigen Ver-
fassungsproblemen arbeitend. Dezentralisierter Einheitsstaat. Carl
Schmitt verehrt ihn als Lehrer noch 1930. "Das deutsche Volk und^
die Politik" wichtigstesf^ch. Artikel in B.T. Grundlage fuer seine
Berufung durch Ebert. Kennzeichnend fuer Charakter der Revolution,
Gegen Aufrechterhaltung Preussens und Bayerns, Abneigung gegen Einar-
beitung der Grundrechte, Beispiel der Pa^ulskirche. Ebert setzt seine
Auffassung gegen Preuss durch, auch Wahl von Weimar gegen Preuss »s
Willen. Schnelle und gruendliche Arbeit bei der Vorbereitung des
Verfassungsentwurfs. Max Weber gutes Urteil ueber ihn. Preuss betont
parlamentarische Elemente staerker als plebiszitaere,auch in dieser
Hinsicht ueberstimmt,vor allem auch bei Beratung. Gegensaetze zwi=:
sehen Preuss «s Ideal und gegebener Lage .Preuss versteht sich klug
anzupassen. Bei Vorarbeit nicht klar ueber Situation, Zeit, Volk.
Nur bedingt Vater der Weimarer Verfassung. Bleibt beim Ausscheiden der
demokratschen Minister Kommissar bis zur Annahme der Verfassung.
Niemals Mitglied der Nationalversammlung und des Reichs tags, aber
Kandidat in Hessen. Im preussischen Landtag Vorkaempfer der Verwaltungs
reform. Sein Urteil ueber Wort von der undeutschen Verfassung.
Rathenau . Geistige Gestalt in Band I behandelt. Schriften Ende
1918 und 1919. Viel gelesen, ohne Wirkung.Unpofbulaer wegen Aufruf zur
levee en masse. Ebert hat Abneigung gegen ihn. Wird nicht zugezogen.
.stung
ueber franzoesischen Wiederauf bau, konstruktiver Gedanke, an franzoe-
sischer Industrie gescheitert. Aus Regierung mit anderen Demokraten
wegen Oberschlesienteilung ausgeschieden, wenn auch nur/( nomineller
Demoljrat.1922 vier Monate Aussenminister .Helfferichs Angriffe^
Konferenz in Genua, Abschluss des Rapallo- Vertrages. Im Amt und in
Genua vorbereitet von Maltza>ln,der Behrend ersetzt hat. Rathenau
zoegernd zustimmend. Wel:tpolin:ische Bedeutung des Vertrages trotz
unbedeutenden Inhalts. Ermordung ,die irrationalste Tat irrationaler
Kraefte. Die Situation Polen. Gesamturteilj Ideenreich, kenntnisreich,
/y^WJj^ p»«tetTSTsh als Wirtschaftspolitiker, als Staatsmann in entscheidenden
' Momenten falsche Entscheidungen.
l
-11-
Euaen Schiffer Als Parlamentarier und Beamter im vorigen Band
gewuerdigt. Fuehlt sich in Republik nicht zu Hause. Wichtige
Rolle in^Fraktion. Beurteilung durcl^Hesse. Rede zum Friedens=
vertrag r^J^litische Mitarbeit nur A Jahre. Eingliederung in DDP
wie bei Friedberg durch fruehere aussenpolitisch massvollere
Haltung im Vergleich zu Stresemann zu erklaeren. Daher Kampf
Stresemanns und Schiffers im Inneren ihrer respektiven Partei
gegen deren Richtung. Von Ebert wegen fachmaenni scher Leistun-
gen herangezogen. Bernstein als Beigeordneter-Beispiel fuer deren
Bedeutungslosigkeit. Ruecktritt Schiffers April 1919 wegen Nebens
saechlichkeit,dann wieder mit Demokraten wegen Oberschlesiens
1921 zurueckgetreten.1919 Kampf gegen Sozialisierung, 1920 in
Berlin beim Kapp-Putsch zurueckbleibend, bedenkliche Verhandlung l*-
Versuch 1924, Liberalismus zu einigen, Gruendung der liberalen
Vereinigung missgflueckt.Von da ab vom parteipolitischen Leben
zurueckge zogen, kein Mandat mehr. Herangezogen als Mitglied der
Kommission ueber Ober Schlesien. Als Justizminister bedeutend,
aber zurueckhaltend gegen Schonung der politischen Verbrechen
von rechts. Stets interessiert an Organisation der Hustizverwal-
tung und an Justizreform. Teilweise gute Vorschlaege Ende der
20iger Jahre, doch personelle Anregungen anti-demokratisch. 1932
"Sturm ueber Deutschland ".Einer der wenigen bedeutenden Politiker
juedischer Herkunft, die sich in Deutschland durch die ganze Nazi=
zeit verborgen halten konnten. Auch NazisKhrift ueber Juden in
der Justiz unrichtig ueber ihn informiert. Lebenserinnerungen luef-
ten Geheimnis nicht, lassen ueberhaupt vieles im Dunljeln.
Ein Minister konservativer Tehdenz
Gurt Walter Joel. Herkunft. Schon Vater Jurist. In juristischer
Laufbahn zuerst Staatsanwaltschaft, zeitweise auch Reichsanwalt-
schaft,Hilfsarbeiter, daan Vortragender Rat im Reichs justizamt,
J.917 dort Direktor und stellvertretender Bevo limaecht ig ter
^eussens im Bundesrat. Offizier im Kriege, seit Ende 1914 Haupt-
mann im stellvertr. Generalstab, Spionageabteilung. 53 Jahre alt
beim Ausbruch der Revolution. SeirV^He im das Kaiserreich. Januar
1923 Unters taatssekretaer, dann Staatssekretaer im Reichs Justiz-
ministerium .Ueber Altersgrenze hinaus verlaengert. Krön Jurist
r^!jUC':f ^taM( hervorragender Fachmann ./Reichsminister der Justiz im 2. Kabinett
Bruening. Berufen, als Nationalsozialisten bereits auf dem Wege
zur staerksten Partei. Gute persoenliche Beziehungen zu Bruening.
Im Plenum nur eine Rede. Nennt sich Beamter altpreussischer Prae-
gung. Seine Stellung auf der Rechten schuetzt ihn weitgehend vor
antisemitischen Angriffen. Angriffe von links wegen Personal-
politik, besonders Ernennung Bumkes zum Reichsgerichtspraesiden-
ten.In zwei entscheidenden Momenten Verfassungstreue gezeigt,
Streik der Beamten beim Kapp-Putsch, Ablehnung des Eintritts
in das Kabinett Papen.Aber Festigung der Republik durch seine
Politik nicht erfolgt. Bemuehen Radbruchs, Gesetz zum Schutz der
Republik nach Kapp-Putsch allein gegen die R echte zu richten,
von Joel bekaempft. Tendenz der Rieh ter, einseitig gegen Kommu-
nisten scharfe Sprueche zu faellen, durch seine Beamtentaetigkeit
nicht behindert. Personalpolitik nur auf fachliche Voraussetzungen
gestuetzt, keine Demokratisierung der Justizverwaltung. Bruenings
Bemuehungen,Joel zum preussischen Justizminister zu machen, und
diese Aemter in Reich uund Preussen unter ihm zu vereinigen, be-
deutungsvoll fuer seine Einstellung. Sein Wirken Tuechtigkeit,aber
^^^
^^
A^
f^;d ^^u/ /^ 4^^^^4^ Vj/jj
./
A^-t ^ ^ V^
•* //^ 1-4 /«t^ y 4^W*v, C^ia/^^d ,^*-J*>f (Zc*:'^y^4'^
I ./
v/ i/^e4Af(^i^^ -^^ Ä-r^iV^-^ t^^^£*'4^^f'^
ic^/ Jcd.
//x? ^4^^
</ />
/^
y
Die buergerlichen Parteien in i-'eutschland» Handbuch aer ueschichte "". ^
der buergerlichen Parteien und anderer buergerlichen Interessen-
organisationen vom Vormaerz bis zum Jahre 1945. Ed. Dieter Fricke.
wurde bearbeitet von der Forschungsgemeinschaft Geschichte der
buergerlichen Parteien in Deutschland. Besprochen von ii^rnst
Schraepler H.Z. Oktober 1969, Bd. 209, o. 447 ff. Der erste Band
Alldeutscher Verband bis Fortschrittliche Volkspartei ist erschie-
nen.
Werner Conze und Hans Haupach(ed) Die Staats-und Wirtschaftskrise
des deutschen Reichs 1929/33. Stuttgart, Klett 1967.Haupach kommt
zur These, dass nationalsozialistische Provokation des 2. Weltkriegs
auch als Ausdruck aus einer aussichtslosen Lage, linloesbarkeit des
Problems des interre^ionalen v*irt Schaftsausgleichs anzusehen sei. Dies
auf viel breiterer Grundlage von »»olfgang Sauer vertreten. Mitar-
beiter Dietmar keese sagt, dass zur bankenkrise 1931 deutsche Ka-
pitalflucht etv^a ebenso viel beigetragen haette , als Abzug a~usTa en-
discher Kredite. V;ilhelm Treue sagt in seinem Beitrag, dass Unternehmer
blind vvaren als sie sich gegen Bruening,den in gegebener Lage besten
Kanzler vvandten. Kritik an Bruenings VJirtschaftspolitik beachtet zu
wenig seinen engen Spielraum. Conze vorzuegliche Darstellung unter-
streicht stark Hindenburgs Verantwortung v.eil er Bruening und dann
Schleicher das x^egieren uhmoeglich gemacht habe (Besprechunng von
Gerhard Granier in HZ Bd 209, Oktober 1969, S. 462 ff.
Arno J. Ivlayer ,Politics anci Diplomacy of peacemaking. London 1968.
Mayer zeigt dass massgebliche innerpolitische Tendenz aller Teilnehmer
an Pariser Konferenz Huec. nach rechts vvar infolge .zahlen bei angel
saechsischen toechten und parlamentarische Umgruppierungen bei
Kontinentalen. Gegenschlag egen scheinbare oder tatsaechliche Er-
folge der Linken in .mssland , vor allem Bela Kuhn in Un^rn.)?? Ge-
maessigte linke erscheint im Zwielicht jj^influss reformfreundlicher
Kraefte im europaei sehen Sozialismus die raison von unten her haetten
stuetzen koennen untergraben. Linke auch zu zerstritten, Hof fnung auf
2. Internationale Illusion, iibert nur moralisch unterstuetzt ,bi s
iiinde Maerz 1919 Blockade gelockert, weg bahnend dabei Amerikaner,
Brillen s hliessen sich an,Fiankre ch bleibt bei Vorbehalten.
\
DEUTSCHLAND
fiC
die Ketzerei
übertreffen versucht. Un-
[hgiebigen Landesbischofs
l'otz des jüngsten Debakels
^sitzender dienen will, ge-
henen Konfliktbereich, den
Milde als „ein bedenkliches
jhen Teilen der Pfarrer-
md der Mehrheit der Syn-
I Seite*' charakterisiert hat.
penleitung hinnehmen, daß
le Haushaltsmittel für eine
^rzeitschrift strich, deren
[nd und ohne stürmische
[liehen Angebot kirchlicher
Auch krempelte die Syn-
linien für den Konfirman-
Maße um, daß 214 Pfar-
5rief mitteilten: „Wir kön-
orten, unseren Unterricht
[eitung zu gestalten." Aus-
sie, daß die Weigerung als
lerstehen sei.
Öffentlichkeit war um so
sonst die Resignation be-
Jeser pietistisch geprägten
|:iworden ist, in der ihre be-
?rantwortung mehr über-
|kann nicht glauben, es sei
len eigenen Glaubensver-
|ft schwer genug mit sich
lie es offenbar leichter ha-
Ipfen und beschmutzen zu
[ch der Meinung, es sei ein
irlich, daß so viele von uns
[inahe schweigend hinneh-
beschränken, traurig zu
*ten hatte sich schon 1968
|)dalpräsident Klumpp von
liedet, nachdem ihm die
lersetzungen zum spekta-
[egt hatten.
Samstag/Sonntag, 21 ./22. Februar 1976
Herbert Weichmann wird 80
Patriarch in Hamburg
Von unserem Redaktionsmitglied I. Birnbaum
Es gibt zwei fast gegensätzliche Motive, die
junge Idealisten in die sozialistische Bewegung
führen können. Das eine ist politischer Frei-
heitsdrang, der marxistische Utopisten in der
letzten Konsequenz auf das „Absterben des
Staates" hoffen ließ. Das andere Motiv hat einer
der Mitarbeiter des jungen Karl Ma'rx, der Dich-
ter Freiligrath, um 1848 in den Versen formu-
liert: „Wir sind die Kraft, / Wir hämmern jung /
Das alte morsche Ding / Den Staat." Der Jurist
Herbert Weichmann, der am kommenden Mon-
tag 80 Jahre alt wird, hoffte als junger Mann auf
eine solche Staatserneuerung.
Ehe er selbst in den Staatsdienst trat, sah er
sich indes auch in anderen Bereichen um. Er
wurde Zeitungsmann im Dienst des demokrati-
schen Ullstein-Verlages und zeitweise sogar
Chefredakteur einer deutschen Zeitung im pol-
nisch gewordenen Teil Oberschlesiens. Dann in
die preußische Verwaltung übernommen, stieg
er zum nächsten Mitarbeiter des kraftvoll um
die Verteidigung der Republik kämpfenden so-
zialdemokratischen Ministerpräsidenten Otto
Braun empor, der ihm in seiner undoktrinären
Politik immer ein Vorbild geblieben ist.
Als die Nationalsozialisten den preußischen
Ministerialrat Weichmann ins Ausland trieben,
wurde er zunächst in Frankreich wieder Wirt-
schaftsjournalist, dann, nach Amerika verschla-
gen, erlernte er dort kaufmännische Betriebs-
technik und wurde Steuerberater. So war er,
nach dem Kriege von dem früheren Altonaer
Bürgermeister Max Brauer nach Hamburg ge-
holt, einer der wenigen Beamten, die sowohl die
staatliche kameralistische Buchführung als auch
die amerikanische Geschäftsbuchhaltung be-
herrschten. Brauer machte den sozialdemokrati-
schen Parteifreund zum Hamburger Finanzprä-
sidenten. In diesem Amt bewährte er sich, auch
nach Meinung bürgerlicher Wirtschaftskreise, so
glänzend, daß er nach einiger Zeit als Regie-
rungsmitglied Finanzsenator der Hansestadt
werden konnte.
Als 1965 der Posten des ersten Bürgermeisters
in Hamburg neu besetzt werden mußte, wandten
sich die Sozialdemokraten an Weichmann, der
das arbeitsreiche Amt übernahm und bis Ende
1971 mit großer Autorität führte. Auch parteipo-
litische Gegner erkannten an, daß dieser welt-
läufige schlesische Jurist an der Spitze der Frei-
en und Hansestadt eine ebenso gute Figur mach-
te wie einst die Vorgänger aus den patrizischen
„senatsfähigen" Familien. Es gab neben ihm
auch andere „starke Männer" im Hamburger Se-
nat und in der Bürgerschaft, dem Parlament der
Hansestadt. Helmut Schmidt, der heutige Bun-
deskanzler, gehörte als Innensenator dazu. Ging
es aber um die von ihm gesetzten Schwerpunkte
der Stadt- und Landespolitik, so setzte sich
Weichmann am Ende stets durch, notfalls mit
dem Angebot seines Rücktritts.
Als er, 75jährig, sein Amt verlassen hatte, trat
er in der Öffentlichkeit noch energisch für die
Verteidigung der demokratischen Ordnung ge-
gen Staatsfeinde ein. In die Hamburger Verwal-
tungsfragen mischte er sich öffentlich nicht
mehr ein; aber die Nachfolger, die einer viel jün-
geren Generation angehören, suchen in schwie-
rigen Lagen noch seinen erfahrenen Rat. Weich-
mann kennt seine Grenzen. Als ein großer Zei-
tungsverleger ihn vor einigen Jahren für das
Amt des Bundespräsidenten vorschlagen wollte,
winkte er still ab. Unter den „älteren Staatsmän-
nern" der Bundesrepublik bleibt Herbert Weich-
mann einer der angesehensten.
rung wirbt, der Staat bezahlt
(chnungshof verweist l\/linisterpräsident Heinz Kühn auf die Sünden der anderen
unserem Redaktionsmitglied Dirk Bavendamm
iten „wegen vorsätzlicher
ir Verletzung der Verfas-
;n Gesetzes", wie es in Ar-
»rfassung heißt, mit einer
^desverfassungsgerichtshof
I Kritik steht eine Broschü-
lel .»Gelragt:
Zwar konnte die Staatskanzlei die meisten mit
diesen Rügen verbundenen „Erinnerungen" zu-
mindest entkräften — mit einer peinlichen Aus-
nahme freilich. Finanzminister Halstenberg
mußte seine ursprünglichen Angaben zurück-
nehmen, 300 000 von insgesamt 1,2 Millionen
Mark, welche sich die Landesregierung an der
Jahreswende 1974/75 im Wao» ^«r^rnianm^
gandamaterial mit einer Stückzahl von 40 Mil-
lionen verteilt, die sogar einen Gegenwert von
14 Millionen Mark repräsentierten. Und wäh-
rend die Öffentlichkeitsmittel des Ministerpräsi-
denten in Nordrhein-Westfalen 13 Pfennig pro
Kopf der Bevölkerung betragen, sind es in den
CDU/CSU-regierten Ländern Bayern 28, Schles-
lii
*t^.i
%'t'
„ „ ■Vi .' ^
; ^rif^
/
^// 4f ^-^
u-u^^c^ /ia^.
'■^■^^i^^c€fC/:/z-
A
'StJ' j^p.^^ ^:^^ ^^/^<<.
^^-(^-c^ ^
/^
>Kf
^^
,- : losH
shi
BT
Wtimaf ^»/»-Mi, im-/t7r
^'V
t
AI? 7öiV ^
aMPt^'^'^er
Ci>if^C//0/;
N
s,
H^f/war ^e»A nfV-l?7S-
rf
r^
13. August 1976
Lieber und Verehrter,
Rückfrage bei Prof. Bosl, der inzwischen wieder vorhanden
ist, ergab eine Bestätigung meiner Vermutung über den
geringen Einfluß der katholischen Patriotenpartei und
die ständige Gegenwirkung des Hofes, insbesondere in
der Prinzregentenzeit. Er empfiehlt das ^Sr etwa 197o
erschienene Buch ß Karl Möckl, die Prinzregentenzeit,
Oldenbourg, München. Die treibende Kraft bei dieser
Konfessionspolitik sei der Präsident des Geheimen Rates,
Wiedenmann, gewesen und an dessen Grundsätze hätten sich
die Ministerpräsidenten Lutz, Kreilsheim und Podewills
gehalten. Statistische Unterlagen für die Beamtenpolitik
hat Bosl nicht, aber erjglaubt, daß Ihre Beobachtungen
zutreffen und erklärt das wie ich aus dem Kampf der
hohen Bürokratie gegen die Patrioten.
Herzlichen Gruß, Ihr
Nachpruefen ob Jude
^
Y
■/ /.^f / -/
U ' •
1.
2.
;.^.
,.'>
4.
6.
/
l^^n^«^^■>.riun. f^r»- T■^nHw^rtschaft.Domaenen und Forsten (Preussen)
Cl!J^2l::iT4*^;^V.L:;:ria^ripferentenDy.Uppm^nn
( staatsdomaenenbesitz, Fischerexen, Baader und Weunbaubetriebe )
Ministerium fn^r Wi asenschaft. Kunst npdVo;k^bj,3,dunq
Tr 'K«-^»7»ngri genannt Gruenbaum. Abteilung beschaeftigt sich
mit christlichen Kirchen, Juden und Sekten.
In Abteilung II am Rprliner po\^ ;7.:>inraesidium leitet ein
RR. Dr. Bloch die Beschwerdestelle bei Handelsuntersagungen.
Reichsfinanzministerium ^ ^ -^^^
In der AlDtemlung IV(fuer gemeinsame Friedensvertrags und Rechts-
angelegenheiten) ein Qberreaierunasrat Lazarus taetig
a^eichsvirtschaftaministerium
ORR Dr. Nathan ^/y
Reichsarbeitsministerium , ^ , .^ i.
In Abteilung IV A) (ArbeitsmarXt, Arbeitsvermittlung , Arbeitsbe-
schaffung,Arbeitslosenversicherung, allgemeine Fragen der Sozial-
politik, internationale Sozialpolitik) Ministerialrat Dy, Lehfe^dt
^/ ,< -CUi
/
\
/■'■
€ '
,?/,
r— -
/i^
,* -'
V
/^
/
\
ü
^yl^/f^^/*^-^ • ^/ /£^^
7
^^v' >^v^, ^^^f^ , ^"^ '*^ >^:?^^ ^^2a^^/-
.^S^ ,4^ ^
4^^^ _
Das Religionsbekenntnis
der Beamten in Preußen
Band I
Die höheren staatlichen Beamten
Von
Dr. A. Grunenberg
Puttkammer k Mühlbrecht
Buchhandlung für Staats- und Rechtswissenschaft
1914 / Berlin W 56 / Französische Strasse 2»
J
''t/' ^ Sß.
.:-"»"3
— 4 —
!)
t^
H i
I
Klarheit zu verschaffen. Aus diesem Gesichtspunkte heraus
veröffentlicht auch wohl das Königl. Statistische Landes-
amt allgemeine Untersuchungen auf diesem Gebiete; so pub-
lizierte ein Mitglied des genannten Amtes, Herr Geheimer
Regierungsrat Professor Dr. Petersilie in Heft 12 der
volkswirtschaftlich-statistischen Monatsschrift „Verwaltung und
Statistik'* vom Jahre IQll die Ergebnisse einer Unter-
suchung über das „Religionsbekenntnis der Be-
amtenschaft im Reiche und in Preußen" auf
Grund der Berufsstatistik von 1Q07. In diese Unter-
suchung sind einbezogen die Beamten der Hof-, Reichs-,
Staats-, Kommunalverwaltung, der Standes- und grundherrlichen
Verwaltung, der Rechtspflege, der Gefängnisse und Straf-
anstaltsverwaltungen, der Verwaltung von Besserungs-, Armen-
und Wohltätigkeitsanstaiten, also der größte Teil der öffent-
Hchen Beamtenschaft. — Für Preußen verteilen sich diese Per-
sonen 1907 auf Evangelische mit 73,10 o/o (1905 = 73,82 o/o), auf
Katholische mit 25,36 o/o (24,84 o/o), andere Christen mit 0,30 o/o
(0,24 o/o), Juden mit* 1,20 5/6 (1,08 », sonstige mit 0,04 o/o
(0,02 o/o). Nach der Berufsstatistik ist das Verhältnis der Er-
werbstätigen der Berufsabteilung E. (Beamte) bei den Evange-
lischen 69,64 o/o, bei den Kathohschen 28,67 o/o , bei den anderen
Christen 0,36 o/o, bei den Juden 1,27 o/o, bei den Sonstigen 0,06 o/o
sowie das Verhältnis der Personen der Berufszählungsbevölke-
rung bei den Evangelischen 62,77 o/o*, bei den Katholischen
35,82 0/0, bei den anderen Christen 0,38 o/o, bei den Juden
0,99 o/o und bei den Sonstigen 0,04 o/o. Von je hundert Per-
sonen in der Berufszählungsbevölkerung kommen in Preußen
auf:
höhere Reichs- und Staatsbeamten
Richter und Staatsanwälte
Rechtsanwälte, Notare
Höhere Kommunalbeamte
Mittlere Staatsbeamte
Mittlere Kommunalbeamte *)
Evgl.
77,18
71,05
57,53
83,93
76,59
70,84
Kath.
18,92
23,27
24,04
15,00
22,76
28,64
lud.
2,85
5,39
17,78
0,41
0,17
•) Die übrigen in der Untersuchung erwähnten Beamten bieten
hier keine Interesse).
(
I
'« -_- 360 —
während die evangelischen bedeutend weniger Bedürftige unter
sich haben. — Auch durch andere Wahrnehmungen wird
diese Annahme unterstützt; jedenfalls ist soviel sicher, daß
unter den jüdischen, und noch mehr unter den kath. Studie-
renden verhältnismäßig mehr Unterstützungsbedürftige sind,
als unter den Evangelischen" (1. c. 217). Es ist die An-
nahme berechtigt, daß sich die stärkere Betei-
ligung der evangelischen Studierenden am Uni-
versitätsstudium zum Teil aus dem Unterstüt-
zungswesen erklärt.
Hinsichtlich der absoluten Beteiligungsziffer der Katho-
liken am Universitätsstudium ist noch zu erwähnen, daß ihre
Differenz hierbei im allgemeinen zwar keine große ist, in-
dessen wird sie wieder vermehrt durch die Theologen.
Von den Gymnasialabiturienten studierten im Jahre 1909
nur 5,6 o/o evangelische, dagegen 21,1 o/o katholische Theolo-
gie. Letztere absorbieren relativ mehr Studierende, wodurch
die Anteilziffer an den weltlichen Studien erheblich verringert
wird.
Die starke Beteiligung an theologischen Studien geht auch
aus den Mitgliederverzeichnissen der katholischen Studenten-
verbände für 1910 hervor; die Zahl der fertigen Theologen
beträgt für Preußen bei den farbetragenden Verbänden 29 o/o
der Gesamtheit ihrer Mitglieder (absolut 735), bei den nicht
farbetragenden 28,6 o/o, bei der Unitas 57,6 o/o (absolut 347).
Bemerkenswert sind endlich noch, wie die oben ange-
führten Zahlen erkennen lassen, „die Verschiedenheiten, welche
die nicht theologischen Fakultäten bezüglich ihrer
Zusammensetzung nach dem Religionsbekenntnisse aufweisen.
Es befanden sich unter je 100 reichsinländischen Studie-
renden:
1902 1905
bis bis 1908/09
a) Evangelische \ . 1902/03 1905/06
in der juristischen Fakultät ....... 69.51 65,01 66,24
„ „ medizinischen Fakultät 62,17 61,20 60,62
„ „ philosophischen Fakultät 67,08 67,41 67,03
in den drei nicht theologischen Fakultäten . 67,12 65,86 65,90
r
361 —
1902 1905
bis bis 1908/09
b) Katholische*) 1902/03 1905/06
in der juristischen Fakultät 21,36 25,24 23,31
„ medizinischen Fakultät 22,30 21,55 24,37
" „ philosophischen Fakultät 26,71 27.08 28,05
in den drei nicht theologischen Fakultäten . 24,05 25,80 26,13
c) luden*)
in der juristischen Fakultät 8,91 9,35 ' 10,12
„ „ medizinischen Fakultät 15,04 16,14 14,31
„ philosophischen Fakultät 5,77 4,88 4,41
in den drei nicht theologischen Fakultäten . 8,46 7,73 7,49
Auch hier findet sich ein Anwachsen des Anteiles der Ka-
tholiken und ein Zurückgehen des Anteiles der EvangeHschen
und noch mehr der Juden. Im Durchschnitte der Studienhalb-
jahre 1Q02 und 1902/03 betrug der der Katholiken 24,05, 3
Jahre später 25,80 und wiederum nach 3 Jahren 26,13 v. H.''
Was die „Anteilsziffern innerhalb der einzel-
nen Fakultäten angeht, so treten, soweit sie sich auf den
evangehschen und katholischen Teil der Studierenden beziehen,
verhältnismäßig nur geringe Unterschiede hervor. Bei den
Evangelischen finden sich die niedrigsten Verhältniszahlen im-
mer in der Medizin. Die Katholiken wiederum sind in
allen drei Zeitabschnitten in der Philosophie
nur um einen mäßigen Bruchteil stärker ver-
treten, als in der Jurisprudenz und in der Medizm.
Dagegen ist die Verteilung innerhalb des jüdischen Teiles der
Studentenschaft viel ungleichmäßiger. Der Anteil der jüdi-
schen Studierenden am philosophischen Studium ist verhältnis-
mäßig am geringsten, am medizinischen dagegen ungefähr so
groß wie an den beiden übrigen Studienzweigen zusammen.
Im letzten der hier besprochenen Studienjahre setzt sich
die reichsländische Studentenschaft der preußischen Univer-
sitäten nach ihrer Religionszugehörigkeit in den drei Fakul-
täten ungefähr folgendermaßen zusammen. Von den Studie-
renden der Philosophie sind zwei Drittel evangelisch, über ein
Viertel katholisch und nur gegen ein Zwanzigstel jüdisch. In
*) Die Beteiligungsziffer der Katholiken und Juden am Studium der-
jenigen Fächer, welche für den öffentlichen Dienst qualifizieren, ist von
besonderem Interesse.
?
h
J^A^r^*M
^■mm-
m. - ,
dt. '' . ii{// (uA ^
/
. • .,<. Fakultät- 12 Ordentl. u. 11 Außer-
r Medizinische Fakultät ^ ^ ^„ß,,.
OrdentL P^^^'J.^^"^ Snt'il^hrt 2 Außerordentliche,
ordenüiche. jud 2 Ord~e ^^^^^ ^^ Außer-
philosoph is che Fakultät. ^ ^
ordentl., davor, kati. 2 ^^^y^f^^^M = Außer
10 Außerordentl., l-'l-^^^^'J^ssoren (Ordentl. u. Außer-
den Theologen zusammen 82 Pro essoren ^ ^
ordcnU.), davon evgl. 70 = 8d,6 o/o, jud. 8 J.v / ,
"*'S der Studierenden: 1Q09 = 1126 davon evgl. 892 =
792«^*. jüd. 132 = ll,?"/". kath. = Q-lo/o- •
b) Schuüehrerseminare.
SchuUehrerseminare: 11 Dir., 9 evgl., 1 kath.
(l Stelle unbesetzt.)
Der Charakter der höheren Lehranstalten im
Allgemeinen.
Der Charakter der höheren Lehranstalten ist im Laufe der
letzten 40 Jahre zum größten Teil und zwar ausgesprochener
Scn ven^-ischt worden. Nach Wiese, „Das höhere Schul-
wesen in Preußen" {1902)*) war bis zum Begmn der /Oer
Jahre jeder höheren Schule ein bestimmter konfessioneller Cha-
rakter dauernd aufgeprägt, indem sie entweder als evangehsch
katholisch oder simultan bezeichnet wurde.^^ „Bis zum Jahre
W:>1> \vjrde auch in der dem Staatshaushalt beigegebenen Uber-
üdit über die höheren Lehranstalten bei jeder derselben der
konIcttioncUc Charakter angegeben." In diesem Jahre nahm
das Abgeordnetenhaus einen Antrag an, bei den h a n n o v e r -
seh CD Anstalten die Bezeichnung der Konfession „als nicht
zurrcht bestehend und nicht zutreffend" fortzulassen. Die
Stcat^cgicrung erklärte darauf, daß sie künftighin bei all en
Anstalten die unterscheidende Bezeichnung im Staatshaus-
halte fehlen lassen werde.
Seit dieser Zeit kommt der Charakter der Anstalten auch
auf den jalirlich erscheinenden Programmen nicht mehr un-
ru'eifelhaft zum Alpdruck.
•) Hcrxussegcbsn im Auftrag des Kultusministeriums.
/
««.H— • •»•"-
i!
■ f - •{
/
— 22 —
Die Königliche Staatsregierung ^^J^^J'^TTZ t
der Einführung des Allgemeinen Landrechtes und
nisterialerlassen aus den ersten Dezennien d^s vor^g J
hunderts den Standpunkt eingenommen daß ^^^ ^me g^^.^
der Unterricht von christlichen Grundsätzen du nar 8
müsse, und „daB die Aufgabe ^^^Jr;^-^:^:::^ ^on
giösen Gesichtspunkt zu fassen se., (cf^- Oese ^.^ ^^^^_
l817 und Zirkularverfügung vom 28. J"" °^° . ^Is Pro-
,„„g des Reii^onsunt^rrich^ ;m ^l-^^^^^rL.r...ies
fessor Dr. Gneis t auf 0/"'^°. '';,. ^^„^ <;..^„,e„ in Preußen
Sr "rdrirSisIlTe Se:r s^: Ausführungen
'"^'SriTh der Große selbst hatte seiner Zeit für konfessio
„eile anstauen gesorgt, so für »^ath^ O^^-J-J^fB^S::
und Preußen, und für ein ^^*°/.™^';^r °J^';,"^^rß reformierte
und er. wie seine Nachfolger hjndre„ ".cht „daß ^^^^ _
:aLr::rpr:;Lru:rdS^^^^^^^^^^^^
zu den unterscheidenden Merkmalen der
und wurde für ^^^7 nlT SnV^^^ Zusammensetzung
gehalten; ihn zu fordern und ihn tur Q
Lr Lehrerkollegien entscheidend sem u la sen w g_
Zeit V e r w a 1 1 u n g s p r 1 n z ' P- . (^'^^'^jj^t, ,,,\ ,6er mehr
Unter der Einwirkung der kirchlichen KontliKte "ai
unter aer u. & Konfessionalitat. .,^u
und mehr die Pantat an Stelle aer ^ . „„hauunffen der
Beginn der 70er Jahre vollzog sich ^J^J'^^^'^^^^Zlcmen
Staatsregierung über die Notwendigke ^ den ^o^^^
einen bestimmten konfessionellen Charakter beizuie^
wesentliche Wandlung." _ , „ .j unter-
„Die Entwicklung führte zunächst d^hi ; f ß J' ^^^ ^^_
richtsverwaltung bei n«"g^g.™"''<=*:\^"f ^ daß bei be-
stimmte konfessionelle Bezeichnung v"^'^Wete
stehenden Anstalten der ^«"iessioneUe C^^^^^^^ ^^^^
rrt -V- alltr;t jrVorderung der
i
^
— 23
Einheitlichkeit in der Zusammensetzung des
Lehrerkollegiums in stärkerem Maße als bisher
abgegangen wurde/* (Wiese Bd. 4, S. 41.)
„In einzelnen Fällen ist zwar auch Neugründungen noch
ein bestimmter konfessioneller Charakter gegeben worden, z. B.
dem auf Staatskosten errichteten Gymnasium zu Wongrowitz
der katholische, (im Jahre 1872; seitdem aber ist in der
Regel für die Gewährung von Zuschüssen aus allgemeinen
Staatsfonds das Aufgebeneines exklusivkonfessio-
neilen Charakters zur Bedingung gemacht wor-
den. Demgemäß sind zum Beispiel die städtischen Patronate
der Prog>'mnasien zu Attendorn und Warburg i. W. bei deren
Ausbildung zu Gymnasien auf die Bedingung der Parität im
Lehrerkollegium eingegangen, während andererseits z. B. in
derselben Provinz dem ausschließlich evangeUschen Gymnasien
zu Gütersloh und dem ausschließlich katholischen zu Brilon
eine Staatsbeihülfc zu ihren Unterhaltungskosten nicht gewährt
worden ist. — Bei der Mehrzahl der in letzten Jahren von
Städten neugegründeten Anstalten ist von vornherein die
Parität beantragt und in die Statuten aufgenommen worden."
„Nach den veränderten Rechtsanschauungen der Zeit schien
es ferner, namentlich bei Kommunalanstalten, zulässig, die
früher in dieser (konfessioneller) Hinsicht gefaßten und sta-
tuarisch gewordenen Beschlüsse später zurückzunehmen."
(Wiese Bd. 3, S. 18/19.) Ein Beispiel dafür ist die Realschule
zu Lippstadt
„Die Errichtung einer Simultananstalt mit strikter Durch-
führung der äußerlichen Festsetzung, daß, wie z. B. am Gym-
nasium zu Essen, die Lehrer zur einen Hälfte der evangelischen,
zur anderen der kathohschen Konfession angehören, in der
Dircktorstelie aber beide Konfessionen alternieren sollen, ist
im Jahre 1871 in einem Falle noch genehmigt worden; seitdem
ist statt eines derartigen Simultaneums nur die „Parität" in
dtm Sinne zugelassen worden, daß niemand um seiner Kon-
fession willen vom Kuratorium oder Lehrerkollegium der be-
licirenden Anstalt ausgcsdilossen v/erden darf, und daß bei der
l^rnfung der Lehrer lediglich das voriiegende Unterrichts-
ocuöiinis und die Tüchtigkeit der Kandidaten, nicht deren reli-
vmm'
I
%
i. l
I
I
i I
— 24 —
giöses Bekenntnis oder das numerische Verhältnis der Kon-
fessionen im Lehrerkollegium maßgebend sein soll/' (Wiese
Bd. 3, S. 19 u. Ministerialerl. vom 15. 12. 1870.) —
Ob diese Auffassung der Staatsregierung und ihr Vor-
gehen das Richtige gewesen ist, bezw. ob und inwieweit die
einzelnen Konfessionen dadurch gefördert oder benachteiligt
worden sind, wird die weitere Untersuchung ergeben. Sei*
1870 sind fast nur Anstalten mit paritätischem bezw. simultanen
Charakter gegründet worden.
. *■ . ■ '
Höhere Lehranstalten.
In die nachfolgende Untersuchung sind sowohl die Königl.
als die Stadt. Anstalten einbezogen worden. Eine rein sche-
matische Trennung nach Königl. und Stadt. Anstalten würde
kein vollständiges Bild über das höhere Schulwesen in Preußen
ergeben haben, weil ein Teil der Schulen Königlich und Städtisch
zugleich ist, viele Anstalten mit Staatshilfe errichtet sind und
Staatszuschüsse erhalten, die Besetzung der Direktorstellen ver-
schiedener Stadt. Anstalten seitens der Staatsregierung erfolgt
und somit eine Einwirkung der Staatsregierung in sehr vielen
Fällen vorliegt.
Königlidie Anstalten.*)
I. Humanistische Anstalten.
1
Hs cntf. ScliiJlcr |
^ o
ßci Zugrunde!, der
h.
O
kM
auf 1 Lehrkraft |
Durclischnitts-
x:
Schüler
enO
rKo
labe
scliülcrzalil d. be-
treff. Lchranst.
5
X)
^ c
ij
'71 ^
zu WC'IIR
O
Q-tJ
xz
iu
^^
zu viel Lchi Kräfte
k. c.
k. ( e. Sa. k. j c. a.
e"
"S-
k. ! a.
k. 1 c. 1 n.
Alienstein
1
4
9
l|d.
326
110
189
27
21.7
27,5
19.6
-1,0
+ 1,3
-0,3
Bartenstein
1
1
6
181
13
160
8
22,6
13,0
23,4
8
4-0,4
-0.1
-0,3
Braunsberg
1
11
3
366
271
90
5
29.4
22,6
31.6
i-0,9
-0,/
-0,2
Gumbinnen
1
16 462
17
427
18
27.2
26.2
17
18
-0,7
+ 1.4
0,/
Insterburß**)
1
20 bis 16
610
22
3(\8
30,1
16
22 -0.5
f1.2j-0,7
(Fortsetzung Seite 25j.
•) Alle Anstalten nach den Programmen von Ostern 1910.
*♦) Verbunden mit Realgymnasium.
['/
'?1
l
UPh
Tod, ^^^t^^
— 355 —
zur Erklärung dieses Mißverhältnisses nicht genügen, da durch
eine Einbeziehung der Zöglinge dieser Seminare in die Zahl
der katholischen Studierenden jener Unterschied zwar gemil-
dert, aber bei Weitem nicht behoben würde. (?) — Offenbar
liegen besondere Gründe für den geringeren Anteil der katho-
lischen Bevölkerung am Universitätsstudium vor, die vielleicht
in den -wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen
sowie in der geographischen Lage weiter, vornehmlich
von Katholiken bewohnter Bezirke des preußischen Staates
zu suchen sind. Ohnehin wird der Anteil der katholischen Stu-
denten vielleicht noch um ein Geringes durch den Zuzug sol-
cher aus Süddeutschland erhöht.
Die Zahlen, welche obiger Berechnung zu Grunde liegen,
sind folgende: Von Reichsinländern studierten auf preußischen
Universitäten in den hier in Betracht kommenden Studienjahren:
I
Im Durchschnitte
der Studienjahre
In der
evang.
theol.
Fakul'
tat
In der
kathol.
theol.
Fakul'
tat
l
In der
juristi-
schen
Fakul'
tat
In der
medizi-
nischen
Fakul-
tät
In der
philoso-
phisch.
Fakul-
tät
Evangelische
Katholiken
luden
Überhaupt
1899-1900
1902-1903
1905—1906
1908-1909
1899-1900
1902-1903
1905—1906
1908-1909
1899-1900
1902-1903
1905-1906
1908-1909
1899—1900
1902—1903
1905—1906
1908 1909
1309
1 129
991
1016
889
921
856
877
-
1310
1 130
991
1019
889
921
856
877
3126
3 580
3 748
3 772
898
1 100
1455
1 327*)
383
459
539
576
4418
5150
5765
5694
1931
1525
1210
1639
698
547
426
659
453
369
319
387
3099
2453
1977
/
3 520
4 571
6 120
7 252
1 166
1821
2 458
3 035
364
393
443
477
5 082
6814
9 078
♦) Im Studienjahr 1908/9 ist
studierenden etwas gefallen.
2704 110819
die absolute Zahl der kathol. Jurisprudenz-
23*
— 356 —
Von 16 468 Studierenden im Durchschnitte des Studien-
jahres 1902/03 waren 10 805 Evangehsche, 4389 KathoUken
und 1221 Juden, von 18667 Studierenden im Durchschnitte
des Studienjahres 1905/06 12 069 Evangehsche, 5195 Katho-
liken und 1301 Juden und von 21 113 Studierenden im Durch-
schnitt des Studienjahres 1908/09 13 679 Evangehsche, 5 898
Kathohken und 1 440 Juden. Würden die Studierenden sich
nach Maßgabe der männhchen Bevölkerung auf die einzelnen
, Rdigionsbekenntnisse*' bezvv. „Rdigionsgemeinschaften" ver-
teilen so müßten die Zahlen lauten für den Durchschnitt des
Studienjahres 1902/03: 10 341 Evangelische, 5 879 Katholiken
und 181 Juden, für den Durchschnitt des Studienjahres 190d/06
11635 Evangelische, 6730 KathoHsche und 205 Juden, und
für den Durchschnitt des Studienjahres 1908/09: 13 090 Evan-
gelische, 7675 Katholiken und 228 Juden/^
Nach dieser amtlichen Statistik hätten also mehr bezw.
weniger Studierende haben müssen:
die Evangelischen , ' .^«„,^ cor»
weniger ungefähr 1902/3 = 464. 1905^6 = 434. 1903 9 = 5 9.
die luden „ • ^ 1902/3 , 1040, 1905/6 „ 1096. 1908/9 ., 1212.
die Katholiken «. .««o,^ aitj
mehr „ 1902/3 „ 1490, 1905/6 ., 1535. 1908/9 . 1777.
Hierbei sind die nichtpreußischen Universitäten nicht be-
rücksichtigt. Dieses muß aber geschehen, weil anders die
Zahlen erhebliche Lücken aufweisen.
Von preußischen Studierenden befanden sich auf an-
deren deutschen Universitäten im Wintersemester 1908/09 =
6702*), darunter 1794 Juristen, 514 Philologen, 445 Mathema-
tiker und Naturwissenschaftler, 1699 Mediziner. Man darf im
allgemeinen wohl annehmen, daß diese sich zu gleichen Pro-
zentsätzen auf die einzelnen Konfessionen verteilen. Es kamen
demnach hierzu: Bei den Evangelischen etwa 4142, den Ka-
tholiken etwa 2433 und den Juden etwa 127. Bringt man hiervon
die nichtpreußischen Studierenden aus deutschen Bundesstaaten,
welche preußische Universitäten besuchen, in Abzug, so er-
gibt sich, daß 1908/09 etwa 25 245*) Preußen den Hochschul-
studien oblagen und zwar 16233 = 64,4 o> Evangelische, 7398
" *) Ohne die Studierenden der technischen Hochschulen.
— 357
= 29,4 o/o Katholiken und 1578 Juden und Andersgläubige ==
6,2 o/o. Vergleicht man hiermit die rechnungsmäßigen (Soll)
Zahlen, so ergibt sich, daß dann der Unterschied der Kon-
fessionen noch zuviel (-}-) zuwenig ( — ) an Hochschulstudie-
renden beträgt:
bei den Evangelischen -f- 2,6 o/o oder absolut etwa -f- 3143
bei den Katholiken — 6,9 o/o oder absolut — 277(?)
bei den Juden und
Andersgläubigen -f" 4,3 o/o oder absolut etwa -\- 1290
Hierzu kommen noch die Theologiestudierenden der hier
nicht gezählten theologischen Anstalten Trier und Braunsberg,
ferner die Studierenden auf den technischen etc. Hochschulen.
Auffallend ist bei vorstehenden Zahlen die Verschiebung
der Konfessionen. Während bei den Gymnasial-Abiturienten
(vgl. S. 346) die Evangelischen noch einen Fehlbetrag von 3,19 o/o
gegenüber ihrer Bevölkerungsziffer hatten, weisen sie bei den
Universitäten ein Plus von 2,6 o/o an Studierenden auf; die
Verhältniszahl der Katholiken sinkt dagegen von — 1,54 o/o auf
6,9 o/o, also noch um 5,36 o/o, die der Juden von -j- 5,02 o/o
auf -f- 4,3 o/o, mithin um 0,72 o/o. Es verschwindet somit bei
den Katholiken und Juden eine Reihe von Gymnasialabitu-
rienten, welche sich anscheinend nicht dem Hochschulstudium
widmen. Dazu kommt noch der Prozentsatz, den beide Kon-
fessionen an Realschulabiturienten liefern, wodurch die Ver-
hältniszahl noch verschärft wird. Die Evangelischen erhalten
dagegen ein erhebliches Mehr, teils bedingt durch das Zu-
rückweichen der beiden anderen Konfessionen, teils durch den
Zugang der Abiturienten von den Realanstalten und über-
schreiten damit ihre Verhältniszahl gegenüber der Bevölkerungs-
ziffer erheblich.
Die Ursachen für diese Erscheinung sind verschiedener
Art. Einmal beruhen sie darin, daß eine Reihe Abiturienten
die technischen, tierärztlichen und landwirt-
schaftlichen Hochschulen und die Berg- und Forst-
akademien besucht. Diese sind nicht zu erfassen, weil die preu-
ßische Statistik hier vollständig versagt; sie gibt darüber über-
haupt keine Auskunft. Es steht aber fest, daß eine große
Anzahl katholischer Abiturienten ßferade diese Hochschulen
\
— 317
4^y^^t
Gesamtresultat aller gezählten Beamten,
112
I
Ostpreußen
Westpreußen
Stadt Berlin
Brandenburg
Pommern
Posen
Schlesien
Sachsen
Schleswig-Holstein
Hannover
Westfalen
Hessen-Nassau
Rheinprovinz
Hohenzollern
Ministerien
(einschl Kriegs-
ministerium)
Sa.
1378
1091
ev.
1 199
928
3 995
1175
1232
2 669
2 043
996
1672
2 226
2 033
4 231
69
2 365
3 609
1 122
1009
1887
1917
935
1478
1288
1 646
2131
46
2116
135
215
47
192
748
94
42
181
883
373
2 015
23
195
adgl.
33
16
unbek. unbes.
34
12
140
3
14
7
8
12
14
47
53
31
3
17
34
25
11
1
41
17
32
52
/
(^
27 228
= 100^
21314
78,2 ^
5 255
19,31
349
1,31
310
l,2o/o
61,8°/o 36,3\ 1,91
Bevölkerungsziffer
Preußens "_____ _—
= -f- 16,41 -17,01 +0,61
Scheidet man die
Lehrer aus, so er-
gibt sich Folgendes =17956 14177 3 217 252
= 1001 78.81 17,91 1,51
310
1.8''/o
Das Verhältnis für die Katholiken verschlechtert sich dann
noch um 1,5 o/o und steigt auf Minus 18,8 o/o.
Scheidet man auch noch die Kreisschulinspektoren aus,
so bleiben übrig 16 694 Beamte, davon sind
ev. kath. adgl. unbek.
13182 = 791 2959 = 17,81 243 = 1,41 310 = 1,8 /o
Verglichen mit
Bevolkerungsz- . ^^
Ziffer ergibt: + 61,81, 36.31 _J:li
4-
17,21
- 18.51
-f- 2,3 /c
Will man selbst noch das Kriegsministerium mit Rücksicht
^uf Wie darin gezählten Offiziere ausscheiden, so bleiben übrig
=; 15845 Beamte, davon sind:
• ?
— 318 —
* ev. kath.
12438 2881
•■■"■• = 78,5% 18,4^
Bevölkerungsziffer Preußens; 61,8*^/0 36,3%
*•
adgl. unbek.
242 284
1,5% 1,6%
1.9%
1,8% Restunbk.
+ 16,7% - 17,9% - 1,2%
Bei jeder Art der Aufmachung ergibt sich, daö auf die
Kathohken 16,9 0/0 bis 18,8 0/0 weniger Beamte entfallen wie auf
die Evangelischen. Sie müßten unter den gezählten Kategorien
nach ihrer Bevölkerungsziffer absolut haben 9 847 statt 5 235
= also mehr 3 592; die Evangelischen dagegen nur 16 765
statt 21 214, also weniger = 4 449.
(Siehe graphische Darstellung).
Gesamtergebnisse in Verhältniszahlen.
Vergleicht man die relative Bevölkerungsziffer mit den Er-
gebnissen der Untersuchung, so haben zuviel (+) zuwenig (— )
Beamte
Evgl. Kath. ' Andersgl.
1. Ministerien
insgesamt: +27,7% -28,1%
2. Justizverwaltung
i. d. Provinzen -I- 11,07% - 12,47% + 2,16% Jud. - 0,07%
3. Verwaltungen
des Innern in den
Provinzen +24,2% -22,9%
4 Kreisärzte:
'in Nr. 3 schon
mitgezählt) -fl6,l% -16,6%
5. Schuiverwaltung
a) Kgl. höh. Lehr'
anst (gegen-
über relat.
Schülerzahl): +11,6% —10,0%
b) Städtische:(do.)+ 6,1% - 1,4%
c) Universitäten
gegenüber
Hörerzahl): +21,7% -15,2%
d) Kreisschul'
Inspektoren
(im Haupt- und , • '
Nebenamte): +16.9% —15,9% >
1,3%
- 0,5%
-1,6%
- 4,7%
- 6.5%
- 1,0%
In sämtlichen Verwaltungen zeigen die evan-
— 432 —
Löhnen Stammenden mögen es vorziehen, nach Ablegimg der
gesetzlichen Dienstpflicht in die besser bezahlte Berufsarbeit
zurückzukehren, statt sich durch eine lange Dienstzeit die
Militäranwärter-Versorgung zu erdienen.
Betrachtet man im besonderen die Klasse der Oberbeamten
(a), so kommen auf die Evangelischen nur 61,9 mehr, auf die
Katholiken 125,1 weniger Oberbeamte, als ihnen nach dem
Anteil an der Gesamtbevölkerung zukommt. Dieses verringerte
Mehr und vergrößerte Weniger stellt sich zum Vorteil der
Juden, deren Beteiligung 61,6 mehr ausmacht, als ihre Ge-
samtzahl erwarten läßt. Es entspricht dies ungefähr dem schon
a. a. O. nachgewiesenen Verhältnis der Beteiligung am Uni-
versitätsstudium. Hierfür kann das Überwiegen der evange-
lischen und der jüdischen Bevölkerung in den mit höheren
Schulen reichlicher ausgestatteten Städten bestimmend sein;
dort ist es leichter, die höhere Schulbildung zu erlangen.
Die Klasse der mittleren Beamten (b) zeigt dagegen ein
Weniger bei den Juden um 6,7 und bei den Katholiken um
108,8, ein Mehr bei den Evangehschen um 116,9. Auch bei
den Unterbeamten (c) stehen die Juden mit ihrer Anteilzahl
um 8,0 zurück, die Katholiken nur um 75,6; die Evangehschen
gleichen den Verlust durch ein Mehr von 83,8 aus.
Beamte sind seltener in ihrer Geburtsprovinz tätig als die
meisten anderen Berufsklassen der Bevölkerung, was nicht
weiter auseinandergesetzt werden muß. Aus den Provinz-
tabellen ist daher nicht zu^ ersehen, wie die in einer Provinz
Geborenen sich am öffentlichen Dienst beteiligen. Dagegen
sind manche der sich zeigenden Unterschiede zwischen den
Provinzen immerhin beachtenswert. Die Unterschiede kenn-
zeichnen nur die Zusammensetzung der in jeder Provinz er-
mittelten Beamtenschaft nach dem Bekenntnis, nicht aber
nach der Gebürtigkeit. So mag z. B. darauf aufmerksam ge-
macht werden, daß in der fast rein evangelischen Provinz
Schleswig-Holstein 26,9 mehr katholische Beamte tätig sind,
als der Anteil der Katholiken an der Gesamtbevölkerung dieser
Provinz voraussetzen läßt. Dies ist indessen die einzige Pro-
vinz, die eine Abweichung in dieser Richtung zeigt, was sich
leicht aus Wanderungen erklärt.
C/3
0)
CG
Oh
N
Ö
o
CO
•g
CO
Cd
o3i;suos
c
(8 O
> u
tu
1>
>
o
c
n
33!)suo9
3
so -s; u "^
\ —
cq o
> hfl
tu
c
«
"o
r
i
CO
4)
(j
00
'U\UU3i{0Q
33i;suo9
c
o
•a
s
w "5 u ^
« o
ttJ "
C
o
C/3
c «^
eo C
J! >
^ DO
C C
n «
« c
03 ;d
10
CO
E
CS
XI
rj
C/3
c
3
4>
s:
iO
— 433 —
CO
I I I I I t
I I I
r^
■^
rt
C^
CM
->*
CO
10
00
n
1
1
'"'
CO
1
r^
CO
.
CM
"«t
CVJ
CV4
1
1
1
1
1
1
1
'*
00
nO
0
0
CVI
CNJ
*-^
LO'
10
<o
1
h^
0
^^
10
0
CN
a^
0
0
CO
1
CM
0
CM
^-"
'^ *
■•— •
■'—
^"
^
C3^
00
0
CM
0
00
ir>
•^
n£>
0
^
0
^
t-~
0
r^
\n
vO
vO
u-)
r>-
'^
Q
CM
ON
t^
CO
00
t^
00
'*
t>.
2
CM
00
00
1
•^
cm"
1
1
1
1
1
1
0
00
1
1
'«f
0
0
00
1
1
1
1
1
»0
»n
•^
CM
1
1
1
1
1
1
--
r^
1
1
CO
CO
CM
CM
O CO
h*
Tf
o
CO
o
CO
CM
On o
0^ CO
C?>
CM
3
00
c^
CO
cvf 00
O CM
C^^
vO
e
o
o
3
o
o
o
o
o
o
O
«-<
tcs
c
es
M
n
V
CM
CS
c
4>
CL
O
4>
♦-•
C
«X
M
«-•
.n
o
V
CO
ci
E
o
r
V
JZ
iO
E
V
CS
c
E
E
o
x:
o
E
CS
>
t
a
«>
CO
c
nS
CO
E
CS
o
03
4>
sz
lO
r
«s
Dr. A. Gruncnbcrg: Das Religionsbekenntnis der Beamten in Preußen.
o
o
CM
O
1
1
1
1
1
1
1
1
1
CO
00
00
^„
r^
CM
0
CO
CO
0
CO
1
1
,_
tT
»-<
in
■w^
CO
«0
1
CO
IPM
«,
1
1
CM
CM
"*
«C
1
1
1
1
1
1
t^
00
•*
0
CO
1^
0
0
C^J
uo
r>.
00
^■4
0
0
«_i
«.^
in
CM
v©
vO
CM
•«*
0
'«l'
CO
0
CO
r>.
0
0
nO
Ä
CO
00
in
CO
r^
0
^^
^^
•^-t
-t
vO
00
vO
>£>
v£>
G^
0
^>
CO
0
CM
CM
CO
O^
00
0^
'+
00
0
CM
0
<3N
o
o
28
Die Beamtenschaft in den Provinzen Preußen
Beamtenklassen
(Unterteilung von E- 2)
al. Höhere Reichs- und Staatsbeamte
a 2. Richter, Staatsanwälte
^
00
V
00
a3. Rechtsanwälte, Motare, Patentanwälte .
Voo
a4. Höhere Hofbeamte aller Art
V
00
a5. Höhere Kommunalbeamte
V^
00
6. Höhere Beamte standesherrl. usw. Verw.
^00
Vü
Son-
Evan-
Ka-
stige
gel.
thol.
Chri-
sten
Ostpreußen
Westpreußen
Stadtkreis Berlin
280
883,3
595
853,7
190
766,1
28
88,3
62
88,9
24
96,8
6
18,9
131
903,4
4
800,0
14
96,6
1
200,0 -
3 -
9.5
40
57,4
34
137,1
242
916,7
357
805,9
111
587,3
19
71,9
53
119,6
39
206,3
- 3
11,4
2
4.5
116
828,6
1
1000,0
21
150,0
31
70,0
39
206,4
2
14,3
1
7,1
748
821,1
898
753,4
309
386,7
15
133
146.0
134
2
2.2
1
112,4 0,8
53 12
66,3 15,0
882.4 117,6
47
783,3
1
1000,0
3
50,0
21
23,0
158
132,6
420
525.7
7
7.7
1
0,8
5
6.3
10
166,7
4^
CO
4^
jniij«;)l»iiii, Hl«» iwywu^n
"f*-T^-'-»'>tmmmtmmmK
* •/»■ *• 1
Die Beamtenschaft in den Provinzen Preußen^
745,11196,1
— 296
Verhältniszahl: = 100 o/o
Bevölkerungsziffer
evgl. kath. andersgl. unbek.
89,5 oo 8,2 0/0 0,1 o/o 2,2 o/o
61,8 36,3 1,9
Mithin zuviel, zuwenig Beamte
+ 27,70/0-28,10/0 - 1,8 o/o
. Scheidet man alle Professoren, Hochschullehrer, ferner
Oberlehrer, Kommandeure, Pfarrer usw. von den militärischen
Erziehungsanstalten aus (im Ganzen 718, davon 708 evgl,
7 kath., 3 unbek.), so bleiben an eigenthchen Beamten übrig
1647, davon 1458 evgl, 138 kath., 2 andersgl, 49 unbek.
Verhältniszahl: 88,5 o/o 8,4 o/o 0,1 o/o 3,0 o/o
(Siehe graphische Darstellung Nr. 11).
Wie immer man die Gruppierung vornimmt, stets bleiben
die Ergebnisse fast die gleichen.
Gesamt-Resultate
Religionsbekenntnis der Landrichter
und Amtsrichter
nach dem Stande vom 1. Januar 1910.
Bezirk des
Oberlandesgerichts
in
Zahl der
vor-
handenen
Beamten
Summe;
4778
ev.
Berlin
852
729
Breslau
601
374
Kassel
142
120
Celle
319
281
Köln
411
115
Düsseldorf
305
127
Frankfurt/Main
224
152
Hamm
469
206
Kiel
179
168
Königsberg /F'r.
275
23 i
Marienwerder
199
176
Naumburg/ S.
3.50
326
Posen
261
219
Stettin
191
178
3405
71,27
Davon waren:
I kath. I jüd. I andersgl
62
192
20
36
287
161
59
251
7
25
12
18
35
10
59
2
34
1
2
2
9
15
2
13
12
4
16
11
6
7
3
1175
24,.59
19:j
4,03
0,1 r/o
— 297 —
Religionsbekenntnis der höheren Justizbeamten (überhaupt)
nach dem Stande vom 1. Januar 1910.
Bezirk des
Oberlandesgerichts
in
Gesamt-
zahl der
vor-
handei-en
Beamten
1>
5
Von" den vorhandenen
Beamten sind
>
ic
"^
C -
T^ ^ c "^ '^
1.
Berlin
1207
6
2.
Breslau
767
7
3
Kassel
169
2
4.
Celle
401
5
5.
Köln
543
3
6
Düsseldorf
416
2
7.
Frankfurt /M.
2S5
6
8
Hamm
621
5
9.
Kiel
226
2
10.
Königsberg
353
4
11.
Marienwerder
252
2
12
Naumburg S.
444
3
13.
Posen
337
4
14.
Stettin
244
2
Summe:
Gerichtsassessoren
103S
501
141
355
172
\^2
2O0|
304
210
207
224
410
2S5
227
loe
231
25
44
3:0
20Ö
72
304
12
30
17
2S
45
14
6:
34
3
2
11
17
13
13
4
Ir
11
6
^J
s,s
30,1
14.S
10,9
66,3
49,3
25.2
4S,9
5,3
S.5
6.7
6.3
13,3
5.7
62co
53
72.5^
14>33
23,S3
2cV
3.P
:.o-
2934
I
1
2111
71,9
23,6
123
4,2
0.3
KVi
Vorhandene Assessoren:
evgl. -- 71,9 Oo, Bevölkerung - 61,S2 o/o — Ibcranocbot 10,1 ^o
kath. -- -23,6 ^o, Bevölkerung - 33,6 ^^.o — Unterangebot 0,7 ^o
Angestellte richterliche Beamte:
evgl. -- 72,50 Oo mehr angestellt 0,37^0
kath. r 23,S3 o/o weniger angestellt 12,47 Oo
Vergleicht man das Unterangebot bei den Katholiken mit
der Minderanstellung, so stehen die Katholiken trotzdem immer
noch um 2,77 > im Nachteil.
(Siehe graphische Darstellung Mr. Ill\
— 298 —
Summarische Übersicht über die Direktoren
und Oberlehrer sowie die Schüler der höheren
Lehranstalten der Monarchie und Vergleichungf
derselben miteinander.
a) Direktoren und Oberlehrer:
Königl. Anstalten
Stadt. Anstalten
Direktoren
Oberlehrer
Direktoren |
Oberlehrer
kath. ev.
kath. ev. jüd.
kath.
ev. jGd.|
kath. ev.
jüd.
Pommern
13
145
20
3
211
Brandenburg
16
1
202
1
73
10
456
4
Westpreußen
6
19
58
151
2
8
6
99
l
Westfalen
8
5
100
67
16
38
231
395
Rheinprovinz
21
14
307
171
47
45
648
597
Hessen-
Nassau
2
12
38
150
2
27
2
78
335
21
Hannover
4
18
36
223
2
31
21
361
Sachsen
1
16
14
200
38
2
431
1
Schlesien
15
18
202
193
2
7
29
96
312
6
Schleswig-
Holstein
13
1
154
15
2
200
Berlin
6
116
1
35
27
529
53
Posen
4
20
87
187
2
3
2
15
Ostpreußen
2
17 1 26
177
1
11
5
97
Summa:
63
187
770
2136
9
74
373
2
1131
4438
86
25,2"o
74,8"/o
26,4''/o
73,3'/o
0,3^0
16,5"'/o
82,9"lo
0,6''/o
20,0'/o
78,5lu
l,5°/o
b) Schüler.
Eine Gesamtvergicichung der Vcrhältniszahlcn der Lehrer und
Schüler, sowie der BcvöIkerung^ ergibt folgendes:
Zahl der Schüler
Königl. Anstalten
Sa I kath. | evßl. |adgl.
754861 2.01691 46362 |39:>5
Stadt. Anstalten*)
Sa. I kath | evgl. [ad^l.
15I450| 31942 |n01 18(9390
Verhältniszahlen (in llundcrttcilcn)
Schüler =
Vergleicht man hier-
mit die relative Bc-
völkerung.sziffer
80 ergibt 7\\ viel |
Schülcrzii wcnig'^- )
33,3
61,5
5,2
21,1
72.8
36,3
61,8
1.9
36,3
61.8
- 3.0
0,3
3.3
- 15,2
11,0
6.1
1,9
4 >
>) Mit der oben gemachten l^nschrilnkung. (I'ortsct/ung Seite 299).
— 299 —
Verhältniszahlen (in Hundcrtteilen)
Vergleicht man die kath. ev. ad2l.ll kath. ev. adgl.
Verhältniszahl der
Schüler mit der der
Oberlehrer etc. 26.3 73.4 0.311 19.7 78.9 1,4
so haben Lehrkräfte
im Durchschnitt der
Monarchie zu viel-r
zu wenig:-) -11,0 -fll,4 -1.6l| -1,4 -f6.1 -4,7
c) Eine Gruppierung der Lehrer und Schüler nach
humanistischen und Realanstalten ergibt:
kath.
ev.
adgl.
kath.
ev.
26,3
73.4
0.3
19,7
78,9
-11,0
-fll,4
-1.6
-1,4
-fe.i
Humanist. Anstalten
Realist. Anstalten
Sa. kath. j cvgl. | adgl.
Sa.
kath. 1 evgl.
adgl.
Schüler
115531
40373
6S279 6S79
1U405,
1673S
SSI99:
6463
Verhältniszahl
34,9^^0
59,2o
5.9^.
i
1
15,>o
79.a\^ 5,S^»
j
Lehrerzahl
5178
1553
36(W
25 4091
4S5
3534
72
Verhältniszahl der
Lehrer
30,0^«
69,5^0
0,5»;.
ll,<yo
SÖ,4^ e
i.r:.
Die Verhältnis-
'
zahlen mit denen
der Schüler ver-
glichen, ergibt Lehr-
kräfte zu viel (-h)
zu wenig (— )
- 4,^' 0
10,3\^
5.>.
- 3,3' ^
-7.4.
4.r.
Schüler mit der rela-
tiven Bevölkerungs-
zifferverglichen, er-
1
gibt an Schülern zu-
viel ( t ) zu wenig ( )
-1.4^
-- 2,6'^ .
+4*:.
2Ü'»
<*-
i7.ro
d) Cicsamtverglcich aller höheren Lehranstalten.
Sa.
kath.
57111
25,21
203S
22%
evgl.
15647S
6S.91
7134
76.9^
+ s.oi
adgl.
13349
*^»^ ,0
97
- 4,S1
Scluilor überhaupt — 226936
Verhältniszahl —-
Lehrer =. 9269
Verhältniszahl =
zu viel (1 ) zu wenig (-) Oberlehrer — 3.2^/^
Wie immer man die Schüler und Lehrer vergleicht, stets
cr^nbt sich, daß die Zahl der cvgl. Oberlehrer gegen die
Schüler/ahl überwiegt und die der katholischen und anders-
gläubigen zu gering ist. iSiche graphische Darstellung \\\\
(I-ortsctzung Seite 302).
V(»Jj
— 431
•'''''V.Ä-», <^^i
vj
Anhang.
(Abdruck aus der „Statistischen Korrespondenz" Nr. 62 von 1912).
Die Beamten in Preußen nach dem Religionsbekenntnis
1Q07. — „In der Nummer 39 der „Statistischen Korrespondenz^'
vom 21. Oktober 1911 ist in Verhältniszahlen angegeben,
welchen Religionsbekenntnissen nach den Ergebnissen der Be-
rufszählung von 1907 die unter der Bezeichnung E 2i) zu-
sammengefaßten Beamten angehören, und zwar mit Unter-
scheidung der einzelnen Schichten. Es hat sich inzwischen das
Bedürfnis herausgestellt, das Gleiche auch für die P rovinzen
zu erfahren, aber nicht nur nach Verhältnis-, sondern auch
nach Grundzahlen. Die letzteren müssen überall, nament-
lich wo es sich um hohe Verhältniszahlen handelt, beachtet
werden; kleine Grundzahlen bedingen oft hohe Verhältnis-
zahlen. Dem angedeuteten Bedürfnis trägt die Tabelle auf
den beiden folgenden Seiten Rechnung für die Provinzen und
nachstehende Zusammenstellung für den Staat.
An
Evan' Ka-
gelische thol.
Bcamtenklassen.
dere
Chri-
sten
luden
Son-
stige
Bek
a 1. Höhere Reichs-
beamte . . . .
und Staats-
a 2. Richter, Staatsanwälte
Vi
/go
a 3. Rechtsanwälte, Notare, F*a-
tcntanwälte
•I
00
a 4. Höhere Hofbeamte aller Art
lU)
a5.
a6
Höhere Kommunalbcamtc
00
Höhcrc fJcamte standcsh.
usv/. Verwaltungen
loa
Zusammen a 1 - a 6 .
%
00
5 524
771,8
8916
710,5
4315
575,3
235
839.3
2 569
693,4
149
515.5
21708
689,0
1354
189,2
2 920
232,7
1803
240,4
42
150,0
1082
292,0
136
470,6
7 337
233,1
36
5,0
27
2,1
39
5,2
3
10,7
15
4,0
1
3,5
121
3.8
204
28,5
676
53,9
1333
177,8
38
10,3
1
3,5
2 252
71.5
39
5,5
10
0,8
10
1,3
I
0,3
2
6.9
62
2.0
Ev.
b 1. Reichs- u. Staatsbeamte mittl.
Ranges 76 950
b 2. Hofbeamte mittleren Ranges
b 3. Kommunalbeamte mittl. Ran^.
•im
b 4. Beamte standesh. usw. Ver-
waltungen mittl. Ranges . .
*/«
Zusammen b 1 — b 4 . .
•Im
c 1. rSied. Reichs- U.Staatsbeamte
•[m
c 2. Niedere Hofbeamte ....
■ 00
c 3. Niedere Kommunalbeamte
c 4. Nied. standesh. usw. Beamte
00
0'
loa
Zusammen c 1 — c 4 .
Überhaupt £ 2 (a -f b -f c) . .
•/oo
Im Tausend der Gesamtbevöike-
.rung Preußens sind die Be-
kenntnisse vertreten mit . . .
765,9
807
696,3
40 161
70S.4
941
7IS,9
118 859
744.6
13 746
764,4
1 46S
786.7
16 151
667,0
895
707,0
32 260
711,5
172 827
730,9
Kath.
22 871
227,6
347
299,4
16 237
286,4
363
277.3
39 818
249,4
4 148
230,6
394
211.2
7 900
326.2
370
292.2
12 812
282,6
59 9o7
253.6
And.
Chr.
219
2.2
2
1.7
185
3,3
4
3.1
410
2,6
56
3.1
3
1.6
114
4,7
173
3.8
704
3.0
|ud. Sonst.
Bek.
408
4.1
3
2,6
93
1,7
I
0.7
510
3,2
38
2.1
45
1.9
1
0,8
8^1
1.9
2 84G
12.1
23
0.2
9
0.2
32
0.2
4
0.2
1
0,5
5
0.2
10
0.2
104
0.4
627,7 358,2 3.8 9,9 0,4
Hiernach sind von 1000 Beamten 103,^ mehr evangelischen
Bekenntnisses und 2,., mehr jüdischen Glaubens, daireeen 104,.
weniger Katholiken, als nach den konfessionellen Verhältnissen
der gesamten F^cvölkernug zu erwarten wäre.
Der große Unterschied in der Beteiliorunir der Evansie-
lisclicn und Katiiolikon wird zwanglos dadurch zu erklären
sein, daß ein bedeutender Teil der Katholiken aus
Polen besteht, die weniger Neigung für den Staats- usw.
Dienst zeigen (?), daß ferner die Katlioliken vorzugsweise in
den Industrie g e g e ii d e n zu \ lause sind, deren Bewohnern
die Verwertung ihrer Arbeitskraft in der Industrie lohnender
erscheint als im öffentlichen Dienst. (?) Dies wird der Menge
nach besonders ausschlaggebend sein bei den mittleren und den
unteren fU\amten, an denen die iWilitäranwärter einen großen
Anteil haben. Die aus den Industriegegenden mit hohen
. ^@^!^l^^:
1 1 i s^
C/3
c
c
N
c
o
•3llBdsjOy\ Jap Ul
3unuq3i3Z3ti Jap
3un|04J3po!A\
•u;uuo>iog
o •- x: Ü
c/3 "5) O •>
o c
x: o
tJJ
c
CS
1>
u
Vi
c
"o
N
c
o
r
■u;uu3){3g
c
o
T3
3
o ~ ^ i:
o c
x: o
> fU)
c
>
o
c
93IJSU0S
c
u
3
«Mi;«
o .— XI •*-•
c^ "S O •"
o c
> hg
UJ
3
c3
CA
z:
c
e«
CO
C3
lO
CVJ
CO
1^
CQ
CM
436
CM
PS
CS
CS
I I I
I I I I ( I
I I 1
o
o
CM
I I I i
I I I I I
i i i
CO
CM
CO
o
o"
CM
O
cT
CO
o
o"
8
CO
00
CM
o
8 "
CM
o
o
o
I I
CO
"^J ^"
CO
o
CVl
CO
CM^
I I
CO
CO
CO
CO
- i2
00
o
CO
co"
I I
CM
cm"
lO ^
i2 ^
"^^ ^ ^
CO
o
cm"
CO
O
CO
00
o ^
CO
CO
CM
CM ^
C3^
r CO
CO
-^" I I
-- I
o
2 I
CM
CO
00
nO"
CO
CO
nO
CO
CM ^-
ON --jC CO rn "^
'" E - § °°
CO
Ov"
CO
o
00
CD
CO
CM
vO
CO 2
^ CM
33!;suos
c
TJ
3
o ~ x: iJ
2 =
x: o
ic: -
c
cj
C/J
>
CO
CO
lO
CO
CO
o
00*
CO
00
CO
CM
lO"
CO
CO
I I I I
CM
cm"
cm"
CO
CM
co"
CO
CM
lO"
c •
2 «
> tu)
OJ
I I
00
CM „- -^
CM
cm"
I I
CM
CVJ
o"
O fC «^
Ci CM «
'^ CO "^
cm"
CVJ
CM
uo
o
- g §
uo
uo
CO
in — r CO fvC
'*■ S «^
c^4 :g ^
o
CM
UO
co"
o
o"
o
o
in
CO ^
vO"
CO
CO
CO
CO
I i I ) i I I i
I 1
CO
o
CM
C3^
-^ I I
CJ^
-"^ I I
in
CM
?5
uo
00
I 1 I t I I
I I I I I I
I I
CO
^ CO
CO _ t^
CO ^- -♦ vo"
'^ uo CM
~ 437 —
Anlage II.
Anstellungsfähige Kandidaten nach ihren
Hauptfächern.
Zum 1. Mai 1909.
Insgesamt kath. evgl. jGd.
Deutsch, Geschichte, Erdkunde 55 39 16 —
Zum 1. Mai 1910.
Deutsch, etc 91 64 25 —
Rest aus 1909 25 20 5 —
Zum 1. Mai 1911.
Deutsch, etc 187 128 58 1
Rest aus 1910 45 11
davon aus 1909 20 4
Zum 1. Mai 1912.
Deutsch, etc 294 198 93 1
2 altkathol.)
Rest aus 1911 ^0* 24
davon aus 1910 20 2
davon aus 1909 ^6 3
Nimmt man das Resultat von 1912, so ergibt sich: In
den 198 katholischen Kandidaten steckt ein Rest aus 1911 von
101, sodaß also nur 17 angestellt worden sind; von den 93
Evangelischen dagegen sind nur 24 aus 1911, sodaß also
hier 58 — 24 = 34 zur Anstellung kamen, also doppelt so-
viel wie bei den Katholiken.*)
Daß die Kathohken sich keineswegs einseitig auf die ethi-
schen Fächer werfen sieht man an ihrem Anteil in Mathe-
matik und Physik. (Vergleiche die Rubrik). Hier hatten sie
1910 einen relativ richtigen Prozentsatz erreicht; wenn sie
1912 sogar überwiegen, so kommt das eben daher, daß sie
bei der Anstellung nicht genügend berücksichtigt worden sind.
1. Mai 1909.
Religion und Hebr 27 12 15
' •) Die Zahl der jüdischen Kandidaten ist so gering, daß sie hier
nicht in Rechnung gezogen werden kann.
fi
/^^ •V*^ ^^ysg^c.^ 4^^t^^/U
^- ^^^^ i/4-^ r^/^\
i^^ €^^t^ ^^^
^
^lul /•
■¥
/fj
/%LL^
//^ ^^ ^^.-^^j^ ^ ^///^/C^/ d'U^^^j /C^
7?~ ^ Th^j^yC A^'^/ \^'^^UJ4
^_.
^
fu^^f^4^
ppi^tiM^^
— ^^i
/^ // j^^^'
/
z*-^
■\.¥-
Jh)A
«fcv ■ .l^-^:;
Sf
^ >
/i^'' y^y
>"' •-
li*^^^?^^^><5i^^ j ^ ^i^^^m^^f^
^ »
w ^y^^' ^H^i^fiJi^
I ^
<»^^~^^
^ *^. ^/^ ^z' /5^ ^^ yr,- ^
^Zie^ ^^if¥^ ^ 4^ ^*t 4 -*» -^«^ y^Z^££ei^
/A/_
'.y<^
^/*<^¥lit
!(f,A^^' ^^ ^^ r/>^^^^^
^fTT^.
» m
- -• •-■■^**4i^pr\J'-i'_f«^
^^^Pi
^-:^^$^??
i»^''
«^i^ (;Q£ui^ i^U^,,/^,^^ '^■'^^'^„
/. /tt^ 1... ^ 1
^
A« Grunenberg, Das Religionsbeivenntni s der Beamten in Preu sen.
band 1. Die hieheren staatlichen i^eaniten. beriin/Puttkammer &
Liuehlbre ch t , 1 ^14 .
Das Buch, 439 öeiten,v;ill feststellen, ob Katholiken auf irgend
einem Gebiete als Beamte ge^enueber i."Uaggeli sehen zurueckgestellt
;. erden, ^s versucht dies fuer jeae einzelne Sparte .er i^eamten
zu errechnen una bezieht dabei auch aen Anteil aer Juden mit
ein. Verschiedene Photokopieen bestimmter öeiten sind gemacht
worden. 6. 296 - 218 enthalten die Gesamt resultute fuer die
Richter, überlehrer,Areisschulinsi ektoren, roste und Telegraphen
direkteren, -^egi erungs-und i^edizinaibeamten ,r rof eszoren an Hoch
schulen/aller Art, Ver^.altungsbeamten und verschiedenen anaeren
kategorieen una endet mit der Jeststellung der Gesamtrtsultate
auf o. 517 und 318.
interessant ist, dass die ^-atholiken in i^egierun.^: und Yerv.altung
stark benachteiligt sind, weniger in aer Justiz und n:ich der Dar
stellune. des Buches seix etwa 1870 an den hoeheren ochulen.Dies
fuehrt aer Verfasser aarauf zurueck, d':jss die noeher^n oci.ulen
bis daiAn als konfessionell galten, daim abe^r, besonders ii.: Ver-
folg des iulturx.ampf es alle neu, e^,ruendeten .instalten als siLiaul^fen
und paritaetisoh -..ngeseh n wurden.
Vf. erwaehnt auch die kemianisse von innen heraus, die aas ^ui^ieck
bleiben aer katholiken erklaeren.so die -u^urueckhaltun^h cies katho-
lischen Adels von den V erv.altungsstellen, das -^'ehlen des evangelisch
Pfarrhauses und andere Hindernisse, die ih e i-enachteiligung erklae-
ren,aber er v.eist wiederholt daraufhin, dass genuegend katholische Be-
werber vorhand:in sind. Das Vorwiegen der katholischen bevoelkerung
au^ dem J-ande und in den Kleinstaeaten, in denen hothere schulen
fe len ist in aiesem ZiUsammenhani. wichtig, interessant ist auch,
dass -^^atholiken ui.ter den technischen -i-^eamtenberuf en , so bei den
Baubeamten, kreis-una ..asserba meistern ,^isenbahnbaubeamten istark
zurueckgesettt werden, ^uch bei .en ^ewerbeinspexvtoren fehlt -s
an Katholiken, waehrend sie im ber^fach besser vertreten, bei aen
Oberfoerstern '..iec.er geringer vertreten sind.
yj^ /(jt4U ^^ t.^X ^yy- /"/y^p
^A
'^ /^\^ccr^^^ ^ /^v^^, ^^^^ <äty^ /^^-^^^^^
^ 4t^^ yCi^
/
/^^4r^ :<y^^ /7^o ^^ ^ .//^^^ c^>M '/7^r a:^^. -^^>^
A^ ^/ <f /^
Yfi
>u^
Ä.<a&^
/
,f,^^ii7^ <7 ^^-^J» "^'^ -^«^e^, ^* /t^X ^Lt^^^
/*
f (jC^^^^-^nFH
j;u4^9
//y^ . /^
^ •'J - /^ /^ /^:C> /t:u^^/^i^
y
^y'r
^'^Z /y^P
-l/'i^Xr^^
Ar^^^.
--»»««^ ^ ^ i/^
^ ^tJL /^ *Acif^^^:^4^'J^
^^^ ^ C^^^^^C^y ^ß^ ^^ ^^t
y^^fir^ ^9. /t.
^^z/ /z^7
(p^ ^^
fe!>
**f
4*K.~
■^
z^^
•y^
_ß^ : .^ cif^'^tU.
'^ A (^^4J^ 0 ^^ ^^ ^y^^ "^ ■'^ ^i
^
^y3
/^y
/^t^^
//f f/f^^^^j<jt.c*y^
\
^^u^
iy,:;y,V-%'.-
' M',
'>^„i
'■■J^^/l
/&^^^ -^ ^J'^^^^i^^^^^^^^^^
<*«<-?'
u^ (^^if*^ f^ ^^
^ /<
f^ <^2$4^^/^yÄuyp, /-e^^^^t/^^
-TriN^^-y^^^^^/.
^,:^Z
-f
tt/^^
^^-l^^/r^ ^^'f'^rM
^'fFG- — -^;rr7:^^^^^^r4^ ^^^. 4v^/X^^2^ 4f-^..aa^/^^^^^
y^4. Ä_2 'A'^'^
i/^t^ •?? >^^
'*V
:^m!$^
.-" ' -y.
^^i'P^''^S^''^-r^'P'^M'^'^-'
»UJ^*. ,)-
/
iiäi-
LM^^
.-«r.krr
:^.-.5»;:
:-i^i>';'*:>>i
--<:?>;''
'>>.fk^.i
Et7?<e?;:'.i
r.iv;^
Q^
ir
(f
^
M4-
-■ i. ^
v^<^
^^jMVi
tut*
^^^^itlti^f^
►^«sr ^
'f^^
^ -4? 2i- ^^ .// .d^
>/^.
«*•
zz
J^ A*^
J /i^
J
JA**
^yt..-**^'^'''
^^le-^-Jw^
4<^^^ ri": ^-^;^'^'t;^
^>^Z3"
j^^^
^j?y^y^
i^^£—J^^^A=:^
/• ^ (^^^e;* t/^'^A^
'^J!>
■ tt/^
■^^.
«•— i/-r AK-
t^atJSBPatiwywBUM'Fa«»'«».'
//5/ (Zmji^^^^ /-^ . j^/i^ r f/^M^
^.
/5K^^.
/Ä^/e
j
f^jA/^'^tJ^
#4*'^W ^hi^ n!/t^ ^'Mr-- \ /^^<.y^Ay^
^-t^^
Z7r~~
/^ 1^ i^%A.^''^^/ / t.//^^/'.
£
^
' »^-/Ji^ ^^''^"^^
^
-^lP=i^:^^cL^^/^^^/'^^^i^ A^, J ^4^*,^^»^ ^,H-4fy.^-* /^*v^^.^<4^
'-tU^
/ ^^^ U- ^/y^-'^ . y^^r^-tyl ^^if<^ ^ <^^<-
/* - ^^■^4tihc*^-' ^<>V
/f^^-y . ^>V^^— A^^^t/^"^
A./^u^6 ./- ^ '^^--^^ ^"^"^ ^^'^'^ ^ '^^
^ Ä
^ Ar^C^M ^^*i^/^ /^/^i'^fe^^- >^/^— ^ ^^
V
^^
,/
'^ * "^^ ~-^- ^ y
^ V ^^^^ ^^^
'^^^
'^
/^^
if^r^:^ l~^ ^ ^/^^v.^ /fit^ß'
u
^ /X
/^- /^ ^^ui^^^trii, / ^4 i-J^-^^J^^^J^-^-^,-.^^^'^-/-^— ^
f^^ ^
/ü^^C.
/^
-<x
^^^ ^ ^./^ ^V^ "^^^
/€
^e^
y
/^>/.4' ^ ^^"o^c^^i
V
/^- A <^^^^ 4>- »^- -^^y ^^V^/-«' '^iJ<:/'f/^ ^r"
/^
/
<4^
y>^ ^^
/'^
7
^^^ ^
/^^^-_z y^^^^$:-<^-
^^^ iL
/^u^
^^ y^ ^l^^r/^^
<-/
Att^v
>
-M.
? ^./^ e-^^r^/.
^'
,^
^^ ^ — /l^^ /^ /^>$^:
'/^^ ^rr/^ '^
/^'
i?V
^V ^
J ^^ ^
Z^
^^^/^ " : " i^> ^ ^^ c- / /^/i^ V^^
^ ^/ /^^n^^4^ y^ ^.~ ^^U^y-/^^-.i^P^
V
'//i -/^^ t^V/^^i
-Z
-/t^Z^Zif'^^^^ 7^
-^«^r^
^
^^
4^ /^?^ ä^^^ Ä^
}-
i!^^^^^:4
^^ A^^^
^^rl^/^^'^
^.
'^ 4^
/-i-/^ /^y , ^.^-^Z. '^.
/^'t^-^*
3
^/a/^ '^'^r^
// y^a^y4^ / L ^^ "" /^^^S^i^i-T^^
^^
4r^
^
^^>f
//^ ^.
Aii^_^
£3h!-
i^j4^^.
S^T
^ .^ ^ -y ü^^,A>//^^,_^^^_Ä&^-^^^-^^^^
f^^i44.i^Y
l^^^a^y '~^^ (^/-wfy^J^f^^^--^
<^ * '^'^'^■^ <j^*r4^4i~e^ t^ r^ \//:Ir-ti^/<r/ /^'
,^^:-fet2^=;^2^&f-=>^2i-^^>«^
/
/^y^c^'i
'--.-iiA
Beamte (Einteilung)
«TTOL zusammeir »A-tÄÄagn.
Folge nae Gruppen «rini
1 Beamte di - Vertrauensmaenner ihrer Behoerdenchef s lAaren,
^•^'^elm?e 'die das politische .eferat oder Dezernat innehatten
und Beamte in Pressestellen. Hierzu gehoeren: ..eichmann,
Srschfeld, Kamburger Goslar ,Peiser,Scherek.Landg.karcus
Eilde Oppenheimer.
2.
Beamte, die mit Arbeitsrechtlichen. sozialpolitischen und Wohl-
fahrtsfraRen betraut waren.Hierai gehoerai: Flatow,.-ittelshoef
er
Brahn.Kurt Friedlaender,Joaohim,Herrnstadt
S.Beamte, die mit Wirtschaf ts-und Finanzfragen betraut ^^ren^.ierzu
gehoer^ Schaef f er,Dorn ,Zarden, Neufeld, lernst btern, Behrens
4. Beamte. die verschiedene Gebiete bearbeiteten, ohne dass sie
in eS bestimmtes Fachgebiet gehoerm .Hierzu gehoeren :Rathenau
(Minderheiten) Kempner(Polizei) Corsing.Masur Abramowitz,
Martha Mo sse (Polizeiraetin) , Arian (Poli ?ei)^dt (Verfassungsrecht ) .
Ludwig Siraon(Sparkas3en) Mvu-v<.-iU.,| ^ :xi -^(■^'^ '^ ^ '
5. Beamte in Spitzenstellungoi um Stellvertreter von Behoerden-
chefs; Hierzu gehoeraa : Corneel, Weissmann, Julius Hirsch,
ochaeff er, zeitweise iuasur , weiss, /c?-*^-
6. ...inister -.Hierzu gehoerm :Landsberg,Hilferding, Gradnauer^ .
Joel.Hugo Preuss.Hathenau, Schiffer, W/Pa^l Hirsch^ ,f^^^^ [ jy
7. Juden, die Spitzenstellungen nur in der revolutionaeren ^eit
bekleideten. Dazu gehoerten: ^isner,Landauer.Levine ..u^sam,
Toller,lClheimer,Kurt Rosenfeld, Barbasch, ^^«^^^^^^^^^^C^^^
flUi^ttt4UC'
Oscar" CohnVHerzfeid, Ed. Bernstein. C<A.^^ -^^.^-^ - ^*c*>y
8. Justiz.In Ministerium waren: Siegfried i}°?fnf «l^'^^^^^^^f™;
Unter den Richtern sind die in Spiteenst ellungen befindlichen
zu erwaehnen wie Lewin (Braunsch^eig) «Alheim Eroner (.Freimuth/^
?Grossmanr^Eisner,ooellin^ferner -^-^^eitsrichter als Direktoren
wie Rüben, und Jade söhn, unter den leitenden Richtern in l^ayern
Neumayer und andere.Nathan -f^l^'^'J^^a^^/-^;,^^^^
^iH'i^^ ,„ _ *^we,iNleissfr, Lederer
f el s , Nawiasky/c7<i;i^^ii<„^
RosenthaKauch Abg. ) ^ /JyVMw^
/I
f.M.'r.- ,^^5^^^^
.3
Dr. E. G. Lowenthal
Dr •E.^larv burger ,
L, B , I, ,
iNiew y^rk:
1 Berlin 37, .Po-l-?^
Kaunstrasse 33
Tel. 84 05 22
Betr. Ihr Buch, 2. Teil
Ihr Schreiben vom 17-12-7^
illl._2 ö l2 .!l£ILl ._5 H/ c h _;
Lieber Herr Hamburger:
Wegen Bruno -^orchar^d^t^er La uoe ich
zu verweioen, 'y^ u^p istsT" für 1935 enthält d
tiiir , auf die tiier bei>;efLi7;te Fotol^opie
^^^egen Felix Loewenthal, mir unbekannt (i
ie -'leicFien Pi
n9:d' oen
■ 1—1
nur "-tichworte, auf die Manus.<ripte
meine ^"^ortei enthält üv-erdi^s
reizendes Selef ong'-^spräch mit der 'i'och
on mir Bezug nehmen) habe ich
62
Dr
u
iesbaden, Klopstoc^cstr . 32, Wit
cer der
(ab
ein Ranz
w e s '-^ n
den)
rau Else Barbaach
"i^udwig Baurbaach
ba.-ch schreibe
geführt. l*iir sind
we des Ihnen bekannten, 1967 versterbe
n
kann - vielleicht. Ich gla
die entweder b^elost
so verbliebe
nen
n, dajjs -Sie
an
Mann (schon) in
ich es -ersuchen
'ch
übe all^rdm =;s nicht
er durch Dritte eine Info
'rau Bar-
ramtion geben
er m
191-8/
, dass Frau Barbaoch mit Ihre
19, verheiratet war, ^^b-^r an Ihrer ""teile
m
w ür d e
Meiner ^' a
de
^rudsen und achliesjt sich
^au gei':ts es miui, 1er weile zuseh'^nd
eis besser
meinen verspäteten herzliche
las st oie
oe 1-
^ nlage
Stets Jh:
•^ I
AT^^'t^i' ^ 7^-t
r
\
o
n Neujahrswünschen an»
mm
i?^S^
W.rU«>t /?^^^.«^/5f
V
I »
I
1'
.V,
11"
\-f t-
i
k f
r
' "' :iil'(1'M< hnfi'(il«'(ltHlt'»Ut I «V|«|il;
Vi»«-iK'"i.im 0 u,|i,i<"»M .jv l^♦l»l(l•.0^'^</^|•'•^^L1-
• I »t »Ml. Im f.W. V, DiMitunim. Molilcinf-r
hMi« Hi'iy. iiliiflh u. r«l»ir U( tnih
ji, (I IV M. W I» A IlMMiB.I«
I» I, Hcl»! «I Itit ^» ^ .
.. .,, litii Ofi i.iiii.. «• " • •^yf; ?;
M Ml ^. >K t'Mlv. IloMHhPrd. - • f>| lH 77
li,ri,,»t n . vi iiii-ij»v iV, l»r niHi , (ir^ut
I \\ pr AniiMtl'l fiU .MiiilittHii-
,i„ „ V: Knvl IV, StA.Hf- tt ValnU.
Autf tJlT^pr, Kolorit ^u^flnRc»rln,
a vi." Kn'. llofopCT Ptnttsart, Jotzt
-u Opo.rrrinp'^rln, Wlpn. — Cj-mn.
ir " KoV,<'.crvatnr. Lrlp-U? u. Mimrhcn;
' • • n b. Emil Paur; «lann Dir. d.
-urg !. P.; folgt e. Rui als Solo-
vcpit. a. d. Oprrnh. Fri^nlcfurt a. M.; d. Motu
}■ Ui9.-llcf.d.N.Md.Ln-.a< nn-
1, . tVolvalqunrtett 1. Lrah . \» • •
; a Paris (RocU^td philharin.) cm; 09
KM Prof • 07 Dir. d. Konserv. N\ipn; jetzt k. k.
A'-l « ilusik. - Stcllvortr. Vor», d. ßtnall.
r "' *. f. d. KompoRitlonsi-StAatsrreis. M. d.
' -KoU. f. d. lioreioh. d. ToukunBt.NV len.
n. k. k- A'iad. f. Müwk.
- -^r 3, V., I>r., DUch. Iion». —
t r I AiaVr. nruno. SrhrirtM., l>r.
i l?of im Min. f. Wis«., K^t. u. Volkr^biM -
Tc/in • M- 0!\dUe .Mnrkuw. ~ \crh: 3. II HÜ
m liolor«. T d. f.i«h. Hrhni.«ri«imr. Ed. lu.r-
rch tu Marl« St.nt^ v. 1^''^>-';';VI"- ."i, ^c
• 0 IX 03, Arzt. - Oymn.; /t> Rfil«;
Univ l^orlin Math., Phys., Pl'i|"S' ***
tt.|i|i<M. l*«iUt. I»i.'«I»'m; I «M. Vt'll"
) Vt'Hiirt »lKMi|J ft|t|llt«t, Mniti ii"h, ■'. \V''
iMllllf. "«
MiirtltiMU»; \\
ftrfuj, 'U»i»''rln V. - •
«11.. /if...iit/rti. «U.. Ml(r:HiMi';n •
Mm.. hMi, I.' .»t^'.ir, n, . -
n-iirtMtitiin.».'U(«K *t. ?H'Wi ppritt' V ;'
,m, - W: HpIHMnd. OT; M<"lHle «/; 1». r-
|t„ld»-frnh. P«; A. d. Nf'f. / » '^ "".M'" ' ' ' '
int h» Jftlifli, »Hj '
f»||ll(.(|nn..H. l
|..( it.rtnn Ul,
«IcIp'iUmi u. "
(t
I
\
fii.liu-r
r
)
W
.vt,af.c-x. Obcrl.-P.«f.; Ost 85-88 P[;,^ej
I rrivail. «. Schrittst.; 85 Dr. l'^j» •>*;„' \^
II ÜO u. IX-^O Präs. d. braiKlo.b. J/f,^'"f- 1^-
VI -0 Pta.ltverordn. d. ihmuu «;'^"V,.'^"V w I«""
l4lin); II 10 a. ^^'^^iinif.arb. ujs ^ jn- ^ ^Visb ,
Grundr. d. Vhy«.. 2. A 00; • 1;"*; ^.^J.k 1' f^,;
10. .Jahrb. <H>; Kni^trlr d, »'f '''/'-..i': -^'}^'J.
dcn^okr. u. d. Wahl ^ l>t~'^<,h. l*;;^^/;;,"'- '_
lIlrucM 07: Aufs. physIk. Inb In /J^« nr.
loj- Dt^oh. Phy-lk. lies. l'l.arlo1t.-nhurs,
Hi>ldf»rn-Htr, _ ,. ,. «„*i, % M
£;Klt.-M.I.-. M: i.;iiH,.l>.'th V. Hos«. - V..,i
ft l.ob. löiPHniH '
1UI|(MI%UI>A. ICO. »'f</'« ■•'.»*
Do?, f. bin, ^i ' ' r,,u7t f. i;'«». Kr •■
• OO; Kurt • lv>. - Hytan.: h\^^^. Mol.
Busluu; Ass. b. A.l. Vol^r-
koNv..ki-Küln; \Vtiutrand-\w^i»b.id«:n. .1.
,.i?r-bcrg; Lichthrl:n-lC.-,rlg.b/ Sohlt -
W: Veröffentl. üb. 3 i. d Azcro,
Kiweißresorpt., Hyp- , », ''i, T>r'üa •
Funkt, d. Ilyiwph., [ '^^rauk d »rüa
«u^Wr Kochs;-. l- IV =^!^fh. !>• Mf^renkr., »
Mitarb d Lelub. d. UrRanoth^r. v. ynK'^'*
Äga «. Bayer. - hpo.: «^r^«^^^^^^^^^^^^^^^^^
Sokn>t., Hypoph.; typ > :;' f ,- \*
BOIlCIlAnDT, I'Urtw- V;.t J f^B
Prof Dr. h. c, Dr. d. D:!UtJ!cb. Inr.tit. f. »
n-iiuTcsch — * ö. X 18C3 Berbn. — \-}r\ "
I . K?m M: B^rtha Levin. r-^\^^V;
0>'mn BeiUn. Tfchn. Hochsch. B^rm 87 1
arb. ftgvpt. Abt. KRl. »'"^p"™^^^""'^!,^.!
Dir d. Dtich. In.t. f. ll?ypt. Altprtumskdo.^t.
Kairo — Sler: Nnr dianstl. f. Deutsche *
- Verb. -- W: Die Ä^Ttisrho Pflnnjcr
07; Text •• LorJns Deakm. 07ff.; B^-h
tnm des Könifis Kc-unrr-ro, Bd. 1 05, .
Grabdenkmal des Krm^^s N^"'";J^ v'iV
gcsrh. d. Arann^trmpfls lu Karnnk, I^U
7i. Nilatandsmarl^Rn; Kunstw. a- <!• -J^^-J; .
8 D. Orabdenkm. des Königs Ncfpr-ir-kc.
??.' Grabdcnkm. des fr-nl«« Sahn-re Bd^ 1, »
Bd. 2. 13; Btatupn d?9 Kalr. Mjs. (i'cn
Bl 1 11; Portratkopf d.Kgin.leJe 11;
lun u. ztl. Fctloff. d. alt, llcicli. 1«. ~ ^
iirrlln W. 6-2. Koithstr. 3
a. o. Prof.. dlrla. Aj.t an der <^\^\^^^-^;,^
VlrcbowKrankfnb. - • 0- U.ih nvirn '
IJn: Univ. Berlin. Zürich, I>«'P^'B' "^ 1
D2Dr. med. Leipzig u. «PPIO^- ^"l'^h ,
A««ist. an d. Inn. Abt. d- "^iidt. Krankcnh^;
Urban-Berlln u. 05/96 an der chlrur. Abt f
d. an d. chlr. Univ..Klln. nnt. v. Bergmann.
1 a" HlHt obd. u. Lclt. d. cWr. P" •«' ? '
^rlv l>oi. u. 05 a. o. Prof. l'ntv. Hprllo.
s^-/
J^U^
V
^
'>
/^y'^^
/-
hoL
i<t^ 0. J*-^-^
^6iJ^ A^
<
^Ä, >fe/i^,
/Vl^4^/^ >' '/t-U,y4 ^'^^i-'^'^^^o
■yt^-ce^ ^ (^XC ^7V2^^ ^ajf^'^^^f^^ Z^'
/y€.c^A^
^t*1^^^^
^/-Ut.Ji^Ufi^t^^i . ( ^^U^^ P/^^' /^cx.i./LUi^'^ CU^e^^*^> yUT/C^
7^'^^^^aU^ ^
i> <' .--
^aw'*'V
/
t^c^h^
'V^^^ . ^'^^uc^^ui^' . ^4 .^;^^ //^/2A '^^- t>4^*^--^ /^v-/^^., <^
^C'JCV.'^/, Z
^. 'J C^^./.^^<l'/^
V
r'-^/S-«
/t^-
/
.Jg|v^;^j
/•>?2'-*< ■? ii
■^-f >sv-.'. V'^^.iv,'.. 'f-, >riv'^ *l
< /V'*»
■* Vv,
V 1
'fFV^n.-
xia 4-^ t'^lccJi
-t^
^'
^^'.'>^^^ "^'t/.fS /^^^'^^^^.rV ■ eiS/ 4/^ ^i^
^
Ay^. ^V^:/^ ^h^i^U^y • ^^.
^f^r,*:
l/J^
/fi-^^/-^ ^ </^a/.J^c1,^ua^ jai^4 ^^J^^(_ ^^^
•«v^--
x^-
'-^^<:,
.4
4,
/
^Ä-
7^^.
/Q^^^u^
/
/^'
/^^.
^e^^^vi^j^:
i^^^LU,
/Lt JL
-i^cr
A^^~
r-
"tc-t^
/^.
^^ d
/^ c^ ^< ir^2_ ^:^Z
'>^<
-?C f^^w^
'^ms
'■^^^y^l'^ e^4^ A^.^. /.
'-^
./^c;.
/^
O
b
/t^< </'
/^
,«^
j^<r>'p'
y^*^<
'^. ^ £^tr^
v^
S*-, t/^^j^AfC^ ,/W/^^^^;^ ^^
p^'^^^e^
fA-.'
^CdAU/^
3
,X
tu
^^•^^
^^rt.
vi^e«^
C/^U^^
/
/<PS2.J
/
i
Ciy
c/.
'ku^^
M
^
v>«f
C^'f^^
i^
4>it^
f
/9 9^ ^v^.«^ 4^^^^
^^^^
u^
^f^<^t<
<, if.,^^/e*/^v '^■■^
h\rx^\\' ^ /tO^^
V<^/
u
v>^
n-^j'
1^ •
/!y
0 }xl^-^^U>t^^-^ ( ^'L^pCc^m. , ''t^.J
t/'r^J:. ^kft<
'; i
^^<-c^
<^k
Ä/7
Ä_-0^
(>A
£a,'C't<
44i )A
x^^
o-u c^><^ ^
,] /'V-^v-c^f ./<^V^---^. XsA^^'^^^ ^^-^-^ ^^^^^
a^^^^
<--c/-M
'L.K^^ /^ i <-y^'<^ /O^-y^^' i^^^^_r_ A^-r^^
Kü/f^-M
L
-r'
'/L^4^
:^J/;t^^^^^^ t.W^^<.c^
/U-C^'^
^T-^ '-l
^t^^^ ^^ . K^^ /
S h (?c^>^^ Aii^c^^iP (^ Uj2 Ao.
C-^i d-
Uhu
^^ ^
ti^ lu^A^-^--^-^
l ^,L<J^(^ ('^^^^ '^^
/C
Hi-^HS'
^ ^ €0^ yf ^^^h4€^
'^^^^nO '^^5^*'*^*'^ ^'^
/<s
q/
.^«^;
**^
^^ÜfMt^
^. ^^^i^>9U^ y^:)^/^ ^,.^:,^vsd«, P^^
U'.^^
^
^1i^^
^k^4-4*^
y^*t^/^^
i^X^/-^ ' /^>v ^/i^^h^ ..^^W:/*^
/y. ^
V / «^.<::</ /•W'^^
-^^^ /^^^ ^.l^^^ri^ i^^.,^ /^^^J
^4^,
^u
'■^M
/
^ ^^^^^^^^4 /f/JJ^
W- //// ^-^^^J^
U//,
r^'^
-^V-^^
?■
iit^ji^fC^
/
^
//^: <^-<^
^
^/y
a^
V ' -.A tr-.
^i-i^- ?■ "? ^ •v'f'.v "<-»' j*'*^ <*JX^
^^s«
<->^^';-vv/:;-7,*S,:
■ V ,j - 1 v^< * f_ - r. -^
V s
/^' -^..' >
v ^;,' iA>-'& ''^j'
^ /^/y^^^/ /-7 J a.
^ «x>lfir
e*^-<*<
"^ /^.^
e^
^ «-, CJi*U-.(lg,_
PhA/<- ^i
'<e-c<«
«/. ^:<i«'W
-f^
■'■''."l'?v'v-.v;>-^
^^^^^-^.^^^3^^:^^^^ : iL'^:w^':^..-->^ : .
/««*«♦ ^. <<U-
<^_
Hs^f'l^*'
/
^ÄH-.«*6
/#a/
Ai»Ä2<^«r«W^
(^^4^4»;^
^tUt
Ji4U4t^d-^
f
4yt4^4^
^^ ^t4£ü€az^ '^y^
iiMiiii'riiiiiiiiiiiiiiiii
/ß^jOAA^
IH^^tAA^/t
^tufic^ iu*/^^^^€a^ / UuAj^ ^^ ^.
3 a
V^ /fu^U4£:^ 't)^CJi4^ i/c^X^-c/ ^Z-«*^
//f,
V^«M/^^ ^Ä.- /^
5^
stPSiM^
-BüäS^
c7a
/
\
^4u4t4^^
^^^
^
^^M-^f^
n^/^ ^/' <^' ^v^ ^ «4^ g /^^^^ A^<^4^«^^
^ 4U it« «. /*^ ^^^ <f/h^*-*r^
"^5^
/ I^Ät^u /^ ^/T^r^feiÄ"^ ^ .*^(^f^.
9 % ^ ] 4MB^/fi,^ i^-^^cs^^ ^
^/if^
c/i#^
4^
^M^^^äÜ:,^^ ^^4U€^ "^/^f^^^^y ^ -^^!**<a^ "^^^
TTt^J^O '^^•**^ /^ '«Ä**^^**
2 ^ '/j^-ra^i**^ii2^-/>^>^
^a.-i^y.
^
/
;»' >'^
/
^^ / >^ /^^^. <^bti4^
2^17^
^
^ ««
!•••»«"• ... ..^ ^^- -" "* . », ,1,1 ,
<^ ^^ A, ;5L'^
iC^l^^^y, ^-3f*/JLt-
V^
^
^^»<^ ^ JiAtt6t44m^iLA^»^^t,'*4^J ui^ t>*^4ur. J^t^^^ . ^ .4^ ^
*V*^>*-^ ^ ^9^^s^
y^y
Vi
A;>
f^4^
^.hJlA^ «^ wÄ-Ä^ /j #4. ;;^ 4^*^/ i^^/4^ v^fc^^^ ^
I
ja-
• Vi v*--H.-4:'-.' ' -"^^n
*(T^^^v
j;- ■■,'l'-'- ••.^*3-r>'-'-'--f ■: --■•■■
^iu ^/u^^^hAt*^ <? (/*^- 4^'04u^:^-^
rrvvvra
':^..vi'^'''
3
c.
■^^^
/^7>^<^^irT^^^^'^^^"^^^^'^'=^
-/
wp ^
-f
^^;. ^^^
^ /^^
^"
7-
VZ^ ^/'«^ ^ ^
^&^^^
lü
ityX ^;^r7^i^ ^^»<T^ '^~'^^-
^^i^^^iäSuEW
<j;^^ ,^itl*^ /^^ y^^i*^y^'*ii^^
'/
>// --t^
„r
^^^
^^t .ÄtT /J^/-
t>Arf^<^ Z*^^ y^/^'*'^ '«V /V^
Z'. /{^ y X,>»r«^
/
^.
^
Jttt^ux, i^l*c^ ^ /^i-^ ^ ^^^^'^^^
J
\
Vi -3
U^
■y
<<]
'^^,\^<AaA'*^'''^
Hol K.^
<*-^»-t
'-An
,3) ^Y-^-^"^" ^" ^^''^-—f^'^'^ i^-i^^i
,L^' O/L^U*^
^<^'-9
-9 A.-'Xji.
0 ^
/
r
3j
r
/^/ . ^^
■Ud^i^
-tCiJt^]
G
Y
HOTEL RITTER
GRAND HOTEL VICTORIA
CH-5718 KA>f D E R S TE G
,aOO M^ SCHWEIZ SU.SSE SW.TZERLAND -.OOO FT
„ TT, o,3 7514 44M5 TELEX -VICKA 32 921
1?.
yX
^^
-t^
ÄRicf^^-w.'/x^ i'.oi. li'u^h^^ T^c^i-^'.
I Ai<-y^*-^i^'^ * /'
«^^
u xu^u.,^ d. ihp^u.-H . ^ ^-^^ •'■ '^-'^-^'^ ; 7r^
fj
y . r^.d•T* ET DHIVER SUMMER- AND WINTER - RESORT
SOMMER- UNO W.NTERKURORT STATION D feTi ET D H.VER
K^ii^
^^Tf""i'^^^(!^.^^}!^'¥j
•-il
V -S
-ri-
'.'■.-..iV'.',-' :"^*^. ■''"■,''i>'-".-^-, '
-r^^ff'-vK-iC'^fii'Jt-'^::/;'
|(5ir j'^Sn'^S.^tt ',1' t kA ^v^
(th^<^
J c-o^'-'^U.'^d-^ ^U-^c^^^ioiyC ^t<.,.c^yc^
tc-c.iw'^K'^
Ypita
\\lJt<,^<^.(J^'^
3
Caj
YitHM"^-^
<fl^'^'^ ^ ^^' ^
^^^U.U1^/^
*<*4 y*W^ ^ ^/i. ^/. ^xrtU^^y' ^^it/UZ^ ,/f:^^ ^'XU^ ^^^
/^ J^7f ßt^ ^. ^ ^vü;,^^ »4^/^0^ ZJPa^ ^^Ä*-:^
4
i.^j
ff /?/> * /^ ^^<^uM^
t^ot^t/^
'^^^-^^**^ /t^U^ ^^^ ^y^^-^^^*^!^^^^-^ /^ ^-^1^^^^^^^
3(a/
I
tCC^C4C^
/^ *Ä^-M^
/^4i^ 4c<;^ , ^^c^4 A^^^ ''^W/
^.V '^>c.^ .ii^,^^^ ^^
J A*MY4p;^ yi^ Ue^^ <!^/^^ >^
■)
/" y:> c/.4u«.44*/(f
/^^^
/i.^U^^s.& - ,0^^,t4i»^- ^t^i^in^^^^"'^
f
'e^ y. 79 A Mß^-/ccot^ ^
/jiA*^ ,<5*
«^^-^ ?/*
/^i^
/y, ^-
^0«^
^
M
>^^^f^^^
>^
jiu£>\^ .t^cjt^ " /«^A^?^
.{^ ^f .4^4^ ^^^i/^>U^^ /fC^Jf^^-^^
4^.^J ^>^^ t> ^^7^ ^
^ ^><^-^
€5t^>^«c-».
^
:7 /^^,
/^€.^^^^
Af /d^t^d^r ^(^4(^4. -^^
*^4^
^£cif ^^^ /v>-^c^i^^
^.fV'^ /<?
f^^^^
V{/m^1^
/i,
w^.
€
fUcC'
^^^rn<
Jc4>. M(uc,
M^*
ihyt
/^. /&<i/w^ jUrM <^^V*^ /^<^.
1 !w i-vki^y iVu^ h
4
ihrdf
^>
//^
/^^i:
z
^
cty
/^;^>*'>/^>^
^
V^^
/^^Ä,
-/
^/ptU^U^
>^^^/
^^^/g^/>(^
/
^i^^
^>
'>J7
^fc/c^^M^ "^ '^%^
>i'
i^
/^^^
\^^
^^^^
^
^/i^^^^^
;
y^M^
m^yk:
^/^
-M^/cfÄ^
Y^
^t.
^
Jc/Jt^/A {^.^jt^i^"^ {^t<^U ^^^
t/7^,^^///^
^^^iLii^^^^-^- ^ ^^-
PciA^/'^ '/i.u/^'/; 7f^/^^'. /^/av^?s^.7^
PU^J€^C^^
/cAf:Air<^
yt(\^^^
y>
^/
X^fe^^ /-^ ^^/ . ) 4^ '^
7^ ^ '^^'^'^ '
"^
L^i^u^J^^^
^^(Urz^
//
z
^5£^
A-' ^^^
(R4 ^
f-^
^
ÖQ
At^^:^ >i^<
2
,>^^
/,^t^^^^ *** St*^ / €ut^ * '<^^-¥' e^-««^ tt^'^
''9*«*#^*»'— u> /<^
-tfv--^
^1^1^.
J0 , p
/^Jfi
•4 /^i«^IH^ ?i A>/t(^^^44f4^ / ^J^'^^t**^ ♦ M^i^*U--,HS*;^j ^
M^u*€X0t***W^ tfF^^' ^t^'^ ^ 1^1 4U^ / -<^-^ /Lr'*^3£_
rt^ ^, /^y-*^
«^ /W:x ;> ^^.4^^^^^,^
Asm/>^
>M<A^^
^t^ut/^^^
/^^
^.^„.^^ -. ^4^4:;^
^»^ ^^4^/ A^^^**^ py^V
^
**>*A e^^ut^
^ ^<^>»w >^, t^^'iA^^^- -;«^**jj ^w«»^ ^i^^/t^4i,0t,^:
j Uf^ ^^
/
4^ /^
M«**_i^^^
^1^
X
-75tr;
•^•*:'V'#>^ ■>•*-:■':'.,•■"• ■t.-*;^^',-:'^
v^-n^^^m
i?3
BUNDESARCHIV
Kilitärarchiv
Az.:
6992/Hamburger
78 Freibürg,
60601972
Tele 42006
{bitte bei Antwort anzugeben] _ „ 4.
Luftpost
67^^ R.vemde Drive .,,,,,,3d u. xeidA e:HA .nad^^A^
Npw York, N.Y. 10024 *=• , f/i-
USA
/•/
# .«•
#4
/A-'
./
gnuirioßriDoH isdoli^U^iiov ixM
9-
fil
\
Sehr ^geehrter Herr Dr. Hamburger !
Wi^Hini'ierp Ltd.Archiv.Dir„Dr. Stahl in seinem Schreiben
vom 23. 3.1972 bereits mitteilte, bestehen im Militär arcri-v
kaum Möglichkeiten, Material oder Personalunterlagen für Ihre
Arbeit zu ermitteln. Die Feststellungen bei den Referenten
haben nur einige Stücke ergeben, die vielleicht gewisse Hin-
weise geben und Ihnen bei einem Besuch im Bundesarc:.:.v-Mxlxtan-
archiv gerne vorgelegt verden könnten. Es handelt sxcih um
folgende Stücke:
1.) dKW/AWA/Inl., Gesetz zur Wiederherstellung des Beruf s-
heamtentums - Nichtarische Frontkämpfe. - Mai 1933 - Aprxl 1936,
Angelegenheit Oberstlt. a.D. Benary. (Sign. WOl-5/173)
2.) Handakten Passe, Behandlung jüdischer Mischlinge 1542/44
(Sign. OKW 2379)
3„) Ermordung Rathenau, Gnadengesuch f.G. Brandt mit Gerichts-
urteil (Sign II M 65/3),
Darüber hinaus mag es möglich sein, daß eine Einsichtnahme
in Dienstalterslisten von Offizieren und Angestellten gewisse
Anhaltspunkte liefern. Sie müßten dazu die Bestände selbst
durchsehen-, ich darf allerdings darauf hinweisen, daß Sxe
unter Umständen nichts für Ihre Arbeit einschlägiges fxnden
werden.
zu Ihrem Schreiben v.m 5.4.1972 darf ich noch >=--''-' ^^"
unterlagen über Beamte im Reichswehrministerium hxer nicht
vorliegen, es lassen sich daher auch über den von Ihnen ge-
nannten Ministerialrat Dr. Benda keine Feststellungen treffen.
DoW»
^^^^^^S^s±^:^^^^^^^^^^
I
V.
fR losi
sjir
i
\:Zrnst l-lamlciyer (^a/Zti^^Ha
1Z2L
"^msh ^ffi/t£t/s
yi 1?//
60:
# 103h'
urns^ Hanilt
i^-r^er ^//ec^/h^
ß^^ SJ Fe^jjen /S^
ei^isl ^f/^'^/J^ in Weimr J?e/>Jk,
117^ 's
\Cl
'^'*<'}SKai
MMimtiHiii r III i'mn—iai
II Uli I II li %A ffchUM
/
i
/
f
/
') / '
/
Abschrift (gedieht, wurde vermutlich von Bru.hn an Si + zler gesd
/i
Der Deutsche Bevollmächtigte für
Arbeitsfragen in Oberschlesien
Beuthen 0/3,5.11.1923
Als ich am 5. Februar noch immer kein Geld hatte
und vor hntkaäftung umfiel, nachdem ich 6 ^vlonate
kein Gehalt hatte:
Mir fehlt für den Kunger die Wurst,
Mir feh^it der Sprit für den Durst,
Ich nag nur an Hungertüchern
Und tröst mich mit fromrüen Büchern.
Mir entgleitet wie Me am Schwanz
Der Minister der deutschen Finanz,
Das Ministerium der Arbeit
Ist auch nicht besser ein Haarbreit.
0 saiTxrnelt im üppigen Kasino,
Sitzt ihr bei Essen und Vino,
Damit ich doch etwas habe,
Einen Kranz für die Leiche am Grabe.
Es begleite mich trauernd und düster
Dr. Brauns, der liebe iv.inister.
Es wein' wie ein liebanles v^eib
Fürnehm Staatssekretär Geib.
Und der feinsten Gedanken Schnitzler
Halt' mir die Rede, der Sitzler,
Uni wftiter folg mit Gelach ihm
Stets ernst und doch heiter Joachim.
Zu meiner Deich' Konservator
Ernenn ich den Herrn Kalkulator,
Ihr helfe als Konservierer,
Der nie etwas zahlt, der Kassierer,
Und aus meinem l'otenschlaf ,
Beamter und zwar sehr brav,
St'='h auf ich in strammer Haltung
Und ruf: Hoch die deutsche
Verwaltung!
-/
^^4^/f
? ^^/<€U^HUc.^)
>C-./
i/'i'C/{:C/^Ji
-^
u^o ^
V
>^^ ^
^£C
•/
'■■'■■'^■fk<a
^^SPMÄlM0»13Ä^^MteS
IHM« III ^bimumm ^ ^ ' ,. t '■'' s^ f
PLEASE PRINT
Book Title: f^^^^ /-^ ^ AjC^ 4 - /^C) '^ C
Date or Volume: ^f'/3U^^^'/ . /;U^ ^t-cjcc<. '^^JLy^
BOOKS MUST NOT RP ta^üxt T^r> '^ ^'^ ^'
— ^ I ^"^ "^ TAKEN FROM THE ROOM
SEAT NUMBER (rvl TT ^
Co««KCT Nam. a.dFu.lLec^x.eAi,x,rbssReqÜ
IRED
FORM 29JI
Name
Address
City
Firm Name.
Zone.
CLASS MARK
(In upperright
comer of Card)
^1
INDICATOR
NUMBER
^c^^
■'%PK
iO. iJkxooer i97ü
Cebr geehrte ij^reu L^^Uf^rcher,
.Lie vi>n ii:nc;ri vt 1 3proohonrn Do: uineiite sina nun vorgestern
angt^koriiar.n,una icn hübe sie sogIe:uCh e;eli?;jeri. wie iivir öcl^oii in
uaaeier tci-tifouiöcJten Untt rht lt.un^ fv.-s.n,t:t:stellt. .baben,ist der von
ihnen auGamuange-^atelit f:; Lebenslauf inr' c» Vaters i:n Leo Baeok
Inatitut voi'a«iiCien# ich -verd;: die :.opie, die icb jetzt in aen i^-aenden
hal:c?, luer die i-arBbeliung cies ^^^bens wn^l Virkens Llir^^ Vaters
in a -rri Laacl ueoer einr-r benutiTen« T'al3.ri cic: sie büia zurueor.-
wuüQS'. uen,la v:sen :iie -s mlcn bit'^e vi-.üeii,danit 1
Arbeit 'äofort 'r./iche-
ui!.j..i -Ui ültr^e
iseu ist fuer mich der oonder^.baruoV. aua der licutüCJicn id3vue
von li'i.u, ü. r so yrieles uebc.r dn.«--' Lenr>ri voa ili'ela ..ann t-nc-
hae^t« ochride, dass icn vUis nicht schon gehabt h'-bc:, als Ion
den ieil,der sich auf dif^ t;u . "^ im oo"f rntlicaen L^iJt:ii der
nionarchlschen />it bezieht, f- :S?..>irlf^.ben habe. 'J.s h :.et-i.e öich vieles
noch in aen Ku-zen AbBchnltt ein^'uc/rn laoscn, l r darin ..xiheiiu
Gähn ge-i^idraet \^ar#
'ü(i:n ii.riiin^^ran,^i;i!art*';el von .i^lt:?! ?: ueb^r Ihren Vater, werde
ich den ^.ei ULm£^3rju:^schaitt- irohi Y 'V.s I eo i-^'-<iC:. xncJti.'öaiü ueotr-
geben und vrraal säen, d:i33 dy^)ei oin : inv.e.us *\u.f das unter u' n -^^enoiren
vorivanuene i-^aaaakri^t gemacht wirdt Nochüial*, heri:li.cncn üank fuer
Alle 3 1
iiine i?x'a?="e aioichte ich noch au ."Jie richten, /.uf J« ö des
•Lebenslaufs -i.hres Vaters schreiben ^.-ie . -J^isis ':^r -nae 1^5^ au;' der
Kabinettöliste ociileichers fuer GeAn l-abinett der Fachleute figu-
riert naetifc und cias bild dei5 Icucn^ti.'^'en Arbeilrjriiuiot'^ra s-^^hon i.n
der ireüse tirachienen waero, daü.i c?ileioher abf^jr vo:] seiner .:-r-
nennun^ auf Jrobunfseu d r nationalS'.?ziali ^t^rn hin r^b^^esehen haötte.
Dies ist h:.ötorii5Ch besondere interc^orrant «haben ^Ae. ir^^eaa welche
dox^uaientariüche hel-.^re dai'uer od-'^r beruht dieser rell des Lebenb-
laufs auf ^^rzaehlunc^-en ihres V?ter.'??
kit bestem DanK und Violen Crruee-3ei: and ir der aochi: alic:.;en
Hoi'fiiUnf^ ,oxe exnmal persoenlioh keiaien 7u lcrpc;n, bleib*:- ich
Ihr
'1
.1^
V
ßemerkungeh
W^3
J*S£1
•:'■ ■-■-,<J" '
m
1 *
Wenn* wir der Männer gedenken, denen das d^raokra-
^^ tü^ Deutschland ein ehrenvolles und dankbares Er-
In^irn schuldet, darf Max Brahn nicht vergessen werden.
Er wfirde In diesen Tagen »einen 75. Geburtstag feiern,
wenn er nicht dem Sadismu» der Judenverfolgung zum
Opfer gefallen wäre.
Die ersten Jahrzehnte von Bralms reicher Lebensarbeit
% wven der Wissenschaft gewidmet. Als Schüler Wundts
habilitierte er sich 1901 in Leipzig für Philosophie, Psy-
chologie und Pädagogik und wurde schnell ein beliebter
'■ft^l* und angeschener Professor. Er gründete ein lastitut für
ffi^ experimentelle Pädagogik und Psychologie und veröffent-
4^^J,'^lidite xahhreiche wertvolle Arbeiten, vor allem auf dem
^ Je, Gebiet der Jugendpsychologie. Während de« ersten Welt-
kriegs widmete er sich auch der Vervollkommnung der
Eignungsprüfung der Flieger. Daneben laa er an der
sozialen Frauensdiule und gab Nletzscbe'i „Willen zur
Macht" in der Krönerschen Ausgabe heraus.
Kurz nach dem Krieg wurde Brahn in das Reichs-
arbeitsministerium berufen. Er sollte die Geschäftsfüh-
nmg eines Instituts übcmeiimen, das die an Hochsdmlen
und sonstigen Stellen vorgenommenen arbeitswissen-
schaftlichen Untersuchungen zusammenfassen und Ihre
Verbindung mit der Praxis des Arbeitslebens herstollen
sollte. Leider sdi-itcrte dieser Plan nach aussichtsreichen
Vorarbeiten an den Greldschwierigkelten der Inflationiszeit.
Brahn blieb aber im Uciciisdienst und übamahm als Re-
iiierangsrat das Amt eines BevollmÄchtigten für Arb^ts-
fragen In Obersdilesicn, dessen wirt«chaJC|liaie uüd cn...U5€
Verhältnisse er als geborener Oberschlesier genau kannte.
Er verwaltete dieses in den Verhandlungen über die Tei-
lung Oberschlesiens geschaffene undankbare Amt bli 1933
mit höchstem politischen Takt und diplomatischem Gc-
adiick Und trug damit viel zur (Überwindung der aus der
Zerrclfiuog dieses Wirhichafwgebiet* erwachsenden
Schwierigkeiten bei. Wie unentbehrlich er geworden war,
ergibt sich daraus, daß ihn Reiduirbeltsmlnister Seldte
noch 1935 bitten mußte, seinen Nachfolger bei der Lösung
gewisser Fragen zu unterstützen und damit „seinen Volks-
genossen in Oberschlesien zu helfen". Das Dankschreiben
des Minister« hat ihn nicht vor seinem Schicksal bewahrt.
Neben seiner Tätigkeit als Bevollmächtigter war Brahn
zugleich Schlichter füi' Oberschleslen. Auch hier befUilgte
ihn sein soziales Gerechtigkeitsgefühl, sein ÜiÄfÄW«^J|h
die Auffas.sungen der Partelen und sein Blick fÜ^ dat
praktisch Erreichbare zu vorbildlichen Leistungen. Seine
Vcrmittlungserfoige In vielen gtoäen Arbeitsstreitigkeiten
führten dazu, daß ihm ein p«ar Jahre später, als der
Schlichter für da« Ruhrgebiet, Reichskommtssar Mehllch,
bei einem Elsenbohnungiück um« Lebe.i gekommen war,
dessen Nachfolge fn diesem wichttgiten deut5chen Indu-
striegebiet übertragen wurde. Da0 er daneben seCne
oberschletischen Ämter beibehielt und in ständigen an-
strengenden Reisen allen Anftjcdeningen Im Osten und
Westen garecht wurde, zeigt seine unbegrenzte geistige
und. körperliche Eaa«tlzit&t und Einsatzfreudigkeit In hell-
stem Ucht Ja, ^ Jaad wimx ieto^ aratüdien Tätigkeit
no<?i Zeit l*f tailtureUe Art>e», inden» er sich am Veida«
für KulturpoöÖlr und spiter -iqBiBtückenverläg verlege-
risch beteülgte.
Da» Ungjücksiahr 1M3 setzte dieser vielseitigen Tätig-
keit ein jähes Ende. AI« die -Judenverfolgungen einset/--
ten, ging Brahn nach Amsterdam, wo er sich sdinell ein
neues Betätigungsfeld schuf. Aber die Schergen des Nazi-
regimes erreichten ihn audi dort. Trotz schnfilic or Zu-
sage, dad er als Mitglied de« Präsidiums des Judenrats
nicht deportiert werden solle, wurde er am Weimiachts-
abehd 1043 mit seiner Frau festgenommen und nach
Thereaienstadt transportiert. Die letzte Leidenstation war
Auschwitz,- wohin er mit dem allerletzten Transport ver-
schleppt wurde, um vergast zu w^den. Brahn hat auch
dieses Schicksal mit der ihm eigenen überlegenen Fassung
auf sich genommen. Auch im KZ dachte er weni^r an
«icn ai» Au f-einc Leidpnsgfffc'.rtcn. die er durch philo-
iophlKhe Vorträge und durch seinen unvenvüiUiehen
Pumor über ihr schwere« Leid hlnwegzutr<y«ten euchte.
W«r Örahn persönlich nahestatfA weiß, daß mit dlescT
Sdiilderung «eines äußeren Lebens^ws seiner vornehmen
und reichen Per««nücnkit nicht OeAßg« «etan IM. Was
ihn so anziehend und überall bellebl machte, wöi* seine
umfassende Bildung, über deren SchäUe er jederzeit sou-
verän Verfügte. Aber was wichtiger iat; er w»r ein
»diliditer, selbstloser, gütiger Mensch, dem es ein Be-
dürfnis war, anderen zu helfen- Sein Büd «nd die
schmerzliche Scham über sein bitteres En^ werdeit stetf
in uns lcl)endig bleiben.
1^ . Dr. Ff. Sitzler
•'^,-
i
Budib«si9re€hung
Synthetische« Fett als Nahrungsmittel. Von A. Kraut-
wald, Dae Deutsche Gesundheitswesen. Berlin, 3, Jg.
1948, Heft 12, S. 354 ff.
' Aufgrund von Versuchen von 1^8/44 konnte der Ver-
tmMt IJber die Verwertbarkelt und Vertr^llchkett synthe-
tischen Fettes Erfahnmgeh sanmieln. Nach »einen Fest-
gteUunf;t»n hat da« — auch geschmacklich einwandfreie
— synthetische Fett bei einem Ta»esvarbrauch bis «« 101 g
^etx» «törcnden Nebenwirkxingen oder die Gesundheit
schädigenden Folgen. Ks eignet sich zur Spelsstizuberel-
tung wl« als Brotaufstrich. Selbst bei Leber- und Magen-
kranken wurden Mengen bis zu 50 g täglich beschwerdc-
hMi vertragen. CUelch gute Ärgiebnlsse hatten Tier- und
fbenso jAhMlaing durchgeführte Flgenversuche. Verf hebt
SeTatsadie henww, daß in Texas (USA) die Errlchtunjg
«h^U* Großanlage geplant sei, während die Besät zun ^s-
ijrtiiittr In Deutschland unter Hinweis auf den Brennstofl-
l^rttxraueh dem dringenden Wunsch auf Wiederaufnahme
von Kunstfett -Produktion Widerstand leisten.
Schon mit seiner Ansicht über die gesundheitliche un-
bedenkliche Verwendung von Kunstfett steht Krautwald
m gewissem Widerspruch zu anderen Sacnverstandigen,
wie Prof. Karl Thomas, Prof. Armin Süssenguth. Dipl.
Chemiker Dr. GusUv Geist u. a., die bei regelmäßigem
Oenuß selbst nur geringer Mengen von Kunstfett zumin-
dest in den Abbauprodukten Gefahrenquellen sehen. Für
den menschlichen Genuß wertvoUe Fette müssen nich
Süssepguth ungesättigte Fettsäui-eglyceride wie Lmolsäure
und Wpolsäuretfiyeerlde. sowie niedere Fettyäureglyceride
nach* Art der BuUer enthalten. Kunstfette verwirft er als
tüeijlere und schlechte Lebensmittel.
Trotz der Fettnotlage muß man bei den weit ausein-
ander gehenden Ansichten der Sachverstand igen, bevor
synthetische Fette als Volksnahrungsmittel freigegeben
werden, einerseits die Bekömmlichkeit ohne jede nachr
teiligen gesundheitlichen Folgen feststellen, andererseits
aber auch die Wirtschaftlichkeit ihrer Verwendung prüfen.
TP
nawiCM
i«te
I ■ ■■ ■■■ %m*\<9
'ssm^Btm
/ff^€^
^>
/jp»*.-'
,fl"
a X B r a h n
'X
Lebenslauf, nach' den spärlichen übriggebliebenen Quellen
zusammengestellt von seiner Tochter.
Max Brahn ist am 15. Juni 1875 als zweites von sechs Geschwistern in
Laurahütte in Oberschlesien geboren. Sein Vater war Besitzer
eines Kaufladens, daneben ein hoohangesehenes Mitglied der Gemeinde, nicht
nur der jüdischen, sondern auch seiner Wohngemeinde , z.B. der Schulbehörde.
Oft wurde das gesunde Urteil des Kaufmanns, der das Gymnasium absolviert,
aber nicht studiert hatte, zur Schlichtung von Streitfällen angerufen.
Sein heiteres, aufgeschlossenes Wesen und die sparsame Sorglichkeit seiner
Frau gewährleisteten ein geordnetes j harmonisches Familienleben. Die ein-
fache Umgebung, in der Max Brahn aufwuchs , verlieh ihm materielle Bedürfnis-
losigkeit für sein ganzes Lebens das typisch oberschlesische , stark pol-
nisch durchsetzte Bergmcnnsdorf und die waldreiche Landschaft flössten ihm
Bewusstsein seines Deutschtums, sozialen Sinn und Heimatliebe ein, und die
sprachliche Eigenart der Gegend blieb auci an se:nem korrekten und reinen
Deutsch immer hörbar.
Von den sechs Kindern der Familie besuchten die vier Söhne das Gym-
nasium in Beuthen«, Max kam neunjährig dorthin in Pension, war ein vorzüg-
licher Schüler und bestand mit knapp 18 Jahren die Reifeprüfung. Er las
schon seit Jahren sehr viel, legte seinen Nachhilfestunden-Verdienst plan-
mässig in Reclamhef ten an und lernte bereits als Gymnasiast nicht nur die
deutsche Literatur, sondern auch die Philosophie, sogar eine so verhältnis-
mässig moderne wie die Sohopenhauerr , gründlich kennen. Als Medizinstudent
bezog er die Universitäten Erlangen und Kiel, wo er schon nach vier Semef.
Stern bei August Bier mit den klinischen Fächern begann. Später arbeitete
er in Heidelberg pralitisch bei dem berühmten Irrenarzt Kraepelin, hörte
aber daneben Heidelbergs "Philosophiepapst" Kuno Fischer, und schliesslich
überwog das Interesse für Psychologie, Pädagogik und Philosophie, so dass
er auf diese Fächer umsattelte. Da ihm seine Eltern nur wenig geben konn-
ten, bestritt er die Studienkosten weitgehend mit Privat stunden, kleinen,
z.T. humoristischen Beiträgen für Zeitschriften und Gelegenheitsaufträgen.
Seine letzten Semester verbrachte er in L -g i p z i g bei Wilhelm Wundt,
dem bedeutenden Psychologen, und doktorierte IS96 mit einer Dissertation
über den "Seelenbegriff bei Kant". Er wurde V,'undts Assistent und habili-
tierte sich bei ihm I9OI mit einem Band "Experimentelle Beiträge zur
Gefühlslehre".
Brahn muss nach übereinstimmenden Zeugnissen mit ausserordentlicher
Klarheit und Gewandtheit, meist frei sprechend und in einem an den besten
Vorbildern geschulten Deutsch seine Vorlesungen gehalten haben. Er war
bald einer der beliebtesten Dozenten der Universität, wozu seine umfassen-
de Bildung und sein Scharfsinn, aber auch die Liebenswürdigkeit und Natür-
lichkeit seines Auftretens, sein Humor, seine Toleranz und stete Selbst-
beherrschung das Ihre beitrugen. Sein wissenschaftliches Interesse er-
streckte sich auf die verschiedensten Bereiche-, mit Wundt arbeitete er im
Institut für experimentelle Psychologie und Pädagogik, dessen Leiter er
1911 wurden seine Vorlesungen umfassten die verschiedensten Gebiete auch
der Philosophie von den griechischen Naturphilosophen bis zu Schopenhauer
und Nietzsche. Er arbeitete auch auf soziologischem Gebiet, an der
sozialen Prauenschule , bemühte sich besonders um die Portbildung der
Volksschullehrer, die er in zahlreichen Kursen förderte, und nahm lebhaft
Anteil an den Problemen des Schulwesens und den verschiedenen Versuchen,
es zu reformieren, sei es durch die Landschulheime der Lietz und Wyneken,
sei es innerhalb der traditionellen Volksschule, wie es Gaudig in Leipzig
unternahm. Er war Mitarbeiter am Leipziger Schulmuseum, und an der gros-
sen buchgraphischen Ausstellung in Leipzig kurz vor dem 1. Weltkrieg
richtete er die Abteilung "Kind und Buch" ein.
In den 19 Jahren seiner Dozentur wurden zahlreiche Dissertationen
bei ihm verf asst , z.T. von ehemaligen Volksschullehrern, denen er zum
Hochschulstudium verhalf. Er selbst veröffentlichte niemals ein grösseres,
zusammenhängendes wissenschaftliches Werk, und man muss zugestehen, dass
sein Geist mehr zum Ueberblick, Erfassen und Koordinieren der Zusammen-
hänge geeignet war als zur jahrlangen, mühseligen Beschäftigung mit einem
bestimmten Problem, wie es dem Typus des Wissenschaftlers entspricht.
Doch schützten ihn sein durchdringender Verstand und seine Selbstkritik
vor jeder Oberflächlichkeit in den zahlreichen Aufsätzen, Vorträgen,
Kommentaren und Ausgaben, die von ihm stammen. Eine Uebersetzung von La
Mettries "Homme machine", einem Hauptwerk des Sensualismus im 18. Jahr-
hundert, mit entsprechend kritischer Einleitung, verfasste er zusammen mit
seiner Frau, mit der er seit I905 verheiratet war. (Sie war eine Tochter
des Geheimen Legationsrates Dr. Cahn, des einzigen Juden, der zu Bismarks
Zeit im Auswärtigen Amt tätig war.) Brahns Liebe zu Schopenhauer dokumen-
tierte sich in der Herausgabe der Aphorismen zur Lebensweisheit, der kleinen
H
Schriften und der Briefe (im Inselverlag, mit dessen bedeutendem Leiter
Kippenberg er freundschaftlich verkehrte); noch vorher, vielleicht angeregt
durch seinen Freund Raoul Richter, den Nietzschebiographen, der früh starb,
veröffentlichte er Aufsätze über Nietzsche und übernahm die Herausgabe des
letzten Bandes der Krönersohen Nietzsche-Ausgabe, - eine besonders schwieri-
ge Arbeit, da der "Wille zur Macht" und die übrigen in diesem Bande vereinig-
ten Schriften nur aus Bruchstücken und vereinzelten Aufzeichnungen zusammen-
zusuchen waren. Diese Arbeit brachte Brahn in Verbindung mit dem Nietzsche-
Archiv in Weimar, dessen unbeschränkte Fürstin damals noch Nietzsches
Schwester, Elisabeth Förster-Nietzsche, war. Die alte Dame fasste lebhafte
Zuneigung zu dem vorzüglichen Nietzschekenner und geistvollen Gesprächs-
partner, und in den Jahren 1911-1918 war er gern gesehener Gast in ihrem
Hause. Eine Entfremdung trat nach Gründung der deutschen Republik ein, die
Brahn begrüsste und unterstützte, während Frau Förster sich scharf ablehnend
gegen jegliche demokratische Strömung in Deutschland verhielt.
Bei Ausbruch des 1. Weltkrieges war Brahn 4I Jahre alt und nicht
dienstpflichtig (vermutlich nur seiner einstigen schmalen Jünglings statur
wegen^ denn nachdem er IJjährig eine schwere Genickstarre ohne Folgen über-
standen hatte, war er sein Leben lang von beneidenswerter Gesundheit, wozu
sein massiges Leben und die Gewohnheit langer Spaziergänge beitrug). Später
wurde er vom Oberkommando der Luftstreitkräfte zu besonderen Diensten auf-
geboten: Er führte Eignungsprüfungen für Flieger durch und baute diese
Tests bis I9I9 mehr und mehr aus, flog auch selbst häufig mit. Für ihn
brachte die Kriegszeit ausser den allgemeinen Sorgen eine Reihe persönlicher
Schicksalssohlägej Er verlor seine drei jüngsten Geschwister (der jüngste
Bruder, ein besonders begabter Jurist, dessen Studium er finanziert hatte,
fiel in den Karpathen) und durch einen Unfall seinen einzigen sechsjährigen
Sohn. Dazu belastete ihn der Zwiespalt zwischen der patriotischen Hoffnung
auf Sieg und dem Wunsch, Deutschland anders und freiheitlicher als bisher
regiert zu sehen. Auch für das Judentum waren natürlich Aenderungen
wünschbar; ohne die Zugehörigkeit zur jüdischen Religionsgemeinschaft, die
Brahn nur aus Loyalität entgegen mancher Empfehlung beibehielt, wäre er
gewiss längst Ordinarius gewesen. Obgleich oder vielleicht gerade weil
man dem blonden, blauäugigen Mann die jüdische Herkunft nicht ansah und er
kaum je antisemitische Anpöbeleien erfuhr, bekannte er sich jederzeit zu
seiner Herkunft und ehrte die religiösen Traditionen seines Elternhauses,
auch wenn er sie längst nicht mehr hielt und jedem Glauben entfremdet war.-
Als bei Kriegsende die neuen Aufgaben einer republikanischen Staatsform
Sich abzuzeichnen begannen, gehörte Brahn zu den Gründern der demokratischen
Partei in Sachsen (war jedoch später weder Mitglied dieser noch einer ande-
i ren Partei, wohl aus Abneigung gegen die Verpflichtung auf ein Dogma). Zu-
gleich bekümmerte ihn aufs tiefste die aussenpolitische Lage Deutschlands,
die alliierte Besetzung seiner Heimat Oberschlesien, und in den Jahren
1920 - 22 war er einer der führenden Mitarbeiter im "Verein heimattreuer
Oberschlesier". Vor der oberschlesischen Abstiamung ging er oft auf Propa-
gandareisen und forderte in Reden und Artikeln die Oberschlesier zur Option
für Deutschland auf, und eine bittere Enttäuschung schuf ihm die Missachtung
des eindeutigen Resultats, d.h. die Teilung Oberschlesiens 1922.
Inzwischen waren in seinem beruflichen Leben wesentliche Aenderungen
eingetreten. Durch die erfolgreichen Jliegerprüfungen und seine Leitung
des Instituts für experimentelle Psycholo-ie war das neue Reichsarbeits-
ministerium auf ihn aufmerksam geworden und wünschte ihn 1919 zum Leiter
eines geplanten Instit^.ts für Arbeitcwissenschaft zu machen. Es scheint
Brahn nicht allzu schwer geworden zu sein, die Universität nach langjähriger
Tätigkeit zu verlassen-, diesen beweglichen vid aufgeschlossenen Geist
reizte nichts mehr als neue Aufgaben und Arbeitsgebiete. Er nahm an und
bereitete seine Uebersiedlung nach Berlin vor-, aber während ihn das
Reichsarbeitsministerium (-^.A?.') schon als Re^ierungfrat übernommen hatte,
wollte der Institutsplan nicht recht gedeihen und scheiterte schliesslich
an den Finanzierungsschwierigkeiten der Inflationszeit. In den unruhigen
Jahren 1920 / 21 stand nun Brahn zunächst zur Verfügung des RAM mit wechseln,
den Aufgaben. Versuchsweise wurde der ruhige, konziliante Mann bei einem
der zahllosen Streiks dieser Zeit als Verhandlungsleiter eingesetzt und ent-
ledigte sich dieser Aufgabe cit solchem Erfolg, dass er in den folgenden
Jahren regelmässig für Schlichtunc von Tarif konflikten verwendet wurde,
sich überhaupt in die soziale Praxis einlebte.
Anfang 1922 nach der Teilung Oberschlesiens musste die deutsche
Regierung laut einem Schreiben des Arbeitsministers "einen Bevollmächtigten
für Arbeitsfragen in Cberschlesion orncrnen, der ... sowohl eigene Aufgaben
zu erfüllen ... wie eis Saohtorr.tor des Staatsvortreters in allen vor die
gomiochto Kommission kommenden Ar 'joi-^.sf ragen zu wirken hat. ...Als Bevoll-
mächtigten für Arbeitsfragen habe ich den früheren Regiorungsrat im RAM
Dr. Max Brahn ... in Aussicht genommen. Er ist im ehemaligen Abstimmungs-
gebiet geboren und im RAM längere Zeit mit Erfolg tätig gewesen, besitzt
auch das ... nötige Vertrauen der Arbeitgeber und Aibeitnehmeri er ist mit
der Hebung des RAIil im Goworkschaf ts- , Tarifvertrags- und Schlichtungswesen
durchaus vertraut."
Häufig zwischen Berlin und Beuthen hin und her reisend, verwaltete
Brahn dies "undankbare Amt", - wie sein Vorgesetzter und Freund Ministerial-
direktor Dr. Sitzler in einem Nachruf 1948 schrieb - "mit höchstem politi-
schem Takt und diplomatischem Geschick und trug damit viel zur Ueberwindung
der aus der Zerreissung dieses Wirtschaftsgebiets erwachsenden Schwierig-
keiten bei." Er hatte den Posten mit kurzer Unterbrechung bis 1955 inne.
Zudem wurde er, vermutlich in Bestätigung einer schon bestehenden Ausübung,
1927 zum Schlichter für den Bezirk Oberschlesien ernannt, einen der wichtig-
sten der 12 Schlichterbezirke Deutschlands. Er weilte n\in fast 2/5 des
Jahres in Oberschlesien und erfreute sich nicht nur bei den Mitgliedern
der Gemischten Kommission, den ausländischen Auf Sichtsorganen, den Arbeit-
gebern und -nehmern grösster Achtung, sondern sogar bei den polnischen
Verhandlungspartnern, denen er beständig im Interesse der deutschen Arbei-
ter des abgetretenen Gebiets Widerpart halten musste.
Ende 1928 wurde der Posten des Schlichters für den Bezirk Westfalen
frei, worüber sich der Reichsarbeitsminister an das Auswärtige Amt folgen-
dermassen äusserte-. "Da dies Amt eine der wichtigsten Schlichterstellen des
Reichs darstellt, musste ich mich ... um eine besonders geeignete und
befähigte Persönlichkeit bemühen, die auch der Arbeitgeber- und Arbeitneh-
merseite genehm ist. Herr Dr. Brahn hat in mehrjähriger Tätigkeit seine
besondere Eignung auch als Schlichter bewiesen; einen gleich geeigneten
Herrn habe ich trotz grösster Bemühung nicht finden können. Ich habe mich
deshalb genötigt gesehen, ihn, so wenig ich die Bedeutung seiner ober-
schlesischen Tätigkeit unterschätze, für das wichtigere Amt des westfäli-
schen Schlichters in Aussicht zu nehmen." Da jedoch Brahn sein ober-
schlesisches Bevollmächtigten-Amt am Herzen lag, so behielt er es zunächst
nebenamtlich bei und übernahm hauptamtlich den wichtigsten Schlichter-
bezirk Deutschlands. I929 wurden die Jahre des Aufstiegs in Deutschland
von der neuen Wirtschaftskrise abgelöst, so dass seine Aufgabe nichts weni-
ger als einfach war. Die Konflikte häuften sich, und es bedurfte oft all
seiner Diplomatie und Ausdauer, um Streiks oder Aussperrungen zu verhüten.
Nicht selten verhandelte der fast Sechzigjährige die ganze Nacht hindurch,
Zigarren rauchend und in seiner gelassenen, humorvollen Art Kompromissvor-
schläge machend, bis die müden Parteien sich zu einer Einigung bequemten.
Nach der Tage und Nächte erfordernden Beilegung eines schweren Lohnstreits
im Ruhrkohlenbergbau dankte ihm Arbeitsminister Stegerwald 1950 in einem
Schreiben dafür, dass er "die deutsche Volkswirtschaft vor schweren Er-
schütterungen bewahrt" habe. Ueber seine Schlichtertätigkeit schreibt
Dr. Sitzler im erwähnten Nachruf: "Auch hier befähigte ihn sein soziales
Gerechtigkeitsgefühl, sein Einfühlen in die Auffassungen der Parteien und
sein Blick für das praktisch Erreichbare zu vorbildlichen Leistungen
Dass er •...in anstrengenden Reisen allen Anforderungen im Osten und
Westen gerecht wurde, zeigt seine unbegrenzte geistige und körperliche
Elastizität und Einsatzfreudigkeit in hellstem Licht." Sein Ruf als Verband-
1er und sein Ansehen bei Unternehmern und Gewerkschaften war nun so verbrei-
tet, dass auch die meisten gesamtdeutschen Arbeitsverträge für bestimmte
Gruppen (z.B. Textilarbeiter, Metallarbeiter .und seine Lieblinge, die Buch-
drucker) unter seiner Leitung abgeschlossen oder erneuert wurden, - wobei
die Parteien sich oft gedulden mussten, bis er für ihre Verhandlungen Zeit
fand. Das besondere Augenmerk des einstigen Pädagogen galt übrigens bei
Abschluss neuer Verträge stets den Lehrlingen, deren Arbeitsbedingungen er,
nicht so sehr durch Lohnerhöhungen als durch günstigere Gestaltung ihrer
Arbeitszeit und vor allem durch längere Ferien, zu verbessern suchte.
Bei Brahn als Vertrauensperson beider Parteien suchte Reichskanzler
Brüning Unterstützung seiner Deflationspolitik, die die Wirtschaftskrise
bekämpfen sollte: Als erster Schlichter seit Jahren wagte Brahn 1951 in
dem vieldiskutierten Schiedsspruch von Oeynhausen, die Löhne zu senken, in
der wohl allzu optimistischen Annahme, die Preise würden folgen-, diese un-
populäre Massnahme brachte ihm Presseangriffe ein, kostete ihn aber trotz-
dem keineswegs die gute Meinung der Gewerkschaften. Eben dieses unerschüt-
terten Vertrauens wegen figurierte er Ende 1932 auf der Kabinettsliste, die
General Schleicher für sein "Kabinett der Fachleute" entworfen hatte. Das
Bild des zukünftigen Arbeitsministers erschien schon in der Presse, als
Schleicher auf Drohungen der Nationalsozialisten hin den jüdischen Kandi-
daten fallen lassen musste.
Trotz der umfassenden Schlichtertätigkeit von 1929 ab blieb Brahn auf
ausdrücklichen Wunsch des Ministeriums weiterhin Bevollmächtigter für
Arbeitsfragen in Oberschlesien. Er hielt sich kaum ein Drittel des Monats
an seinem Wohnsitz Berlin auf, brachte es aber fertig, dort noch in priva-
ten Unternehmungen mitzuarbeiten. Schon seit den frühen Zwanziger jähren
leitete er zunächst zusammen mit dem österreichischen Schriftsteller K.F.
Nowak den Verlag für Kulturpolitik, später mit einem andern Compagnon den
Brücken-Verlag, der historische, politische und biographische Werke heraus-
gab, und übersetzte zu seinem Vergnügen für diesen Verlag eine Anatole-
Prance-Biographie und andere französische Bücher ins Beutsche. Er sass in
'.'." Vi. Sit
den Auf Sichtsräten mehrer geschäftlicher Betriebe, hauptsächlich von Ver-
wandten, die seinen Rat wie ein Orakel suchten. Wie er all den Anforderun-
gen zugleich gerecht wurde, ist kaum hegreiflich. Dabei war er nichts weni-
ger als ein gehetzter, ewig beschäftigter Manager-Typs Stets ruhig, ja
gemütlich im Umgang, jederzeit pünktlich, mit offenem Ohr für jede Bitte um
Rat und Hilfe, war er im engsten Familienkreis ein aufmerksamer Gatte und
ein geradezu vorbildlich liebevoller und duldsamer Vater seiner einzigen
Tochter. Die ruhigen Sonntagvormittage mit Vorlesung oder Spaziergang, die
behaglichen Abende zuhaus , seine frühmorgendliche Begleitung zur Schule
gehören für sie zu den teuersten Erinnerungen. Er präsidierte jahrelang
den Elternbeirat ihres Gymnasiums und hielt eine seiner schönen, frei ge-
sprochenen Reden am hundertjährigen Jubiläum der Schule. Die Harmonie
seines Wesens, dessen heitere Menschenfreundlichkeit die in jedem Gespräch
hervortretende geistige Ueberlegenheit und umfassende Bildung so liebens-
würdig machte, erwarb ihm überall Freunde und Bewunderer», sein Bekannten-
kreis war riesig und erstreckte sich auf zahlreiche bedeutende Zeitgenossen.
Ganz nahe allerdings standen ihm nach dem Verlust seiner Jugendfreunde
kaum noch einige Menschen ausserhalb der Familie; am nächsten wohl der
schon erwähnte Ministerialdirektor (nach 1945 Professor) Dr. Friedrich
Sitzler und der seinerzeitige Oberpräsident von Oberschlesien, Dr. Hans
Lukaschek, später Widerstandskämpfer im Kreisauer Kreis und erster Flücht-
lingsminister des Kabinetts Adenauer. Dass er seine Freunde nicht nur
unter Juden suchte, obschon er sein Judentum nie verleugnete, hängt zweifel-
los damit zusammen, dass er sich in erster Linie als Deutscher fühlte und
auch für sich persönlich den Zionismus ablehnte.
Um dem beständigen Hin- und Herreisen Beuthen -Berlin-Dortmund ein Ende
zu machen, nahm er gerne 1932 den Schlichterposton für die Bezirke Berlin-
Brandenburg und Schlesien an, den ihm das Ministerium anbot. Sein Amtssitz
wurde ab 1. Januar 1935 Berlin - für kurze Zeit. Schon auf 1. Juli 1935
wurden sämtliche Schlichterdienststellen aufgelöst, da ein nationalsozia-
listisches "Gesetz über die Treuhänder der Arbeit" sie überflüssig machte:
Von da ab waren Tarifkonflikte Landesverrat. Brahn vmrde aber auf Grund
des antisemitischen "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums"
die Pension um ein Viertel gekürzt. Was sein Amt als Deutscher Bevoll-
mächtigter in Oberschlesien betraf, so war es sichtlich sehr schwer, Er-
satz zu finden, denn man belle ss Brahn weiterhin im Amt, bis er es Ende
1934 nicht mehr erträglich fand, der Hitler-Hugcnberg-Regierung zu dienen,
und um seine Pensionierung einkam. Diese wurde auf 1. Januar 1935 ange-
setzt. Ende Dezember 34 aber zeigte sich, dass für gewisse Aufgaben - in
8
diesem Fall ein Gutachten, das einen wichtigen Entscheid der Gemischten
Kommission zugunsten Deutschlands beeinflussen sollte - einfach niemand
anders die nötigen Voraussetzungen besass. Der damalige Reichsarbeits-
minister Seldte liess Brahn brieflich bitten, trotz seinem bevorstehenden
Ausscheiden aus dem Amt dies wichtige Gutachten zu erstatten im Hinblick
auf die Hilfe, die er damit den "Volksgenossen" seiner oberschlesischen
Heimat bringen könne. Obschon der Ausdruck "Volksgenossen" zu dieser Zeit,
wo bereits jede politische Rede, jede Zeitung, jedes Wahlplakat die Juden
als Fremde, Schmarotzer und Schädlinge bezeichnete, ein Hohn in den Ohren
eines jüdischen Beamten sein musste, fand Brahn sich bereit, das Gutachten
auszuarbeiten und beriet auch später noch mehrfach seinen Nachfolger. Er
erhielt dafür ein Dankschreiben Seldtcs, in dem wieder von der Arbeit "zum
Wohle der deutschen Volksgenossen" die Rede war. Nur 8 Jahre später wurde
er von seinen Volksgenossen in die Gaskammern von Ausohv/itz geschickt.
Immer nahm Brahn lebhaften Anteil an der politischen Entwicklung, die
ihn von 1952 an mit waohcündcr Sorge erfüllte. Als in Kreisen der Mittel-
parteien die Frage erv^ogon vmrde . ob nicht eine Wiederherstellung der im
Bürgertum immer noch populären Monarchie das kleinste üebel in der deutschen
Existenzkrise sei, trat auch Brahn durch Vermittlung eines guten Bekannten,
des Barons Hartmann v. Richthof en, in Beziehung zu diesen Kreisen. An dem
berüchtigten JO. Juni 1931- waren offenbar auch diese Bestrebungen zur
Kenntnis der Machthaber gelangte da sie al-er noch wenig konkrete Form ange-
nommen hatten, stürzten sie v/ohl keinen der Beteiligten völlig ins Ver-
derben. Immerhin gab es Verhaftungen und Angriffe in Reden führender
Nationalsozialisten, was auch Männern, die wie Brahn nur am Rande des Unter-
nehmens standen, sorgenvolle Tage bereitete.
Trotz der Einsicht, dass seines Bleibens in Deutschland nicht war,
konnte sich Brahn nur äusscr^^t schwer entschliessen, sein Vaterland, dem
er so ganz angehörte, zu verlassen. Sein Bruder hatte schon 1954 seinen
Posten als Leiter der chemischen Abteilung eines grossen Berliner Kranken-
hauses aufgegeben und Wc?.r nach Holland emigriert. Da Brahn nicht englisch
sprach und somit das sichere Amerika ausgeschlossen war, da zudem Holland,
im Gegensatz etwa zur Schv^eiz, wo seine Tochter verheiratet lebte, in der
Aufnahme von Fremden sehr grosszügig war und kaum einen Antisemitismus kann-
te, so entschloss sich der 62 Jährige, in Amsterdam die kaufmännischen Ar-
beiten für eine pharmazeutische Erfindung seines Bruders zu übernehmen. Er
schuf sich unter den aufgeschlossenen Holländern bald Freunde und hatte
1958 seine Existenz soweit gesichert, dass er das Hin- und Herreisen
-'rf,*^
zwischen Berlin und Amsterdam (mit dem Diplomatenpass , den er noch von der
oberschlesischen Amtstätigkeit her hesass) schliesslich aufgab und offiziell
nach Holland auswanderte. Er beachtete peinlich genau alle Gesetze und
schikanösen Vorschriften, die für solche Fälle bestanden, und nahm keinen
Pfennig seines Barvermögens mit, sondern veranlasste seine Frau, den Rest
davon in Berlin aufzuzehren und ihm erst im Sommer 1939 nach Amsterdam zu
folgen, wo sie eine bescheidene Dreizimmerwohnung nahmen und in leidlicher
Ruhe lebten.
WKi^fe; J
So ungern Brahn im Exil war und so wenig weit er es in der Sprache
des Gastlandes brachte, so leicht wurde ihm andrerseits die Anpassung an
neue V/irksamkeit und neue Verhältnisse. Im Zeitpunkt des deutschen Ueber-
falls auf Holland hatte ihm seine Amsterdamer Tätigkeit schon nicht unbe-
trächtliche Ersparnisse ermöglicht, von denen er in den Kriegsjahren
leben, ja sogar seiner Tochter auf ümv/egcn etwas zukommen lassen konnte.
Biese besuchte ihre Eltern 1940 > unmittelbar vor der Invasion, erlebte mit
ihnen den fünftägigen Krieg und die Besetzung und kehrte im Juni wieder in
die Schweiz zurück, ihre Eltern {jefasst und mutig in einer Lage zurück-
lassend, die beängstigend erschien, alle drei aber nicht entfernt ahnen
liess, was in Wahrheit drohte o Als die bnkannten Massnahmen gegen Juden
(sterntragen, Verbote aller Art) in ICra:?t traten, erwirkte die Tochter
ihren Eltern ein Einreisevisum für die Schweiz, zu dem noch der einstige
Präsident der Gemischten Kommission in Oberschlosien, Alt-Bundesrat
Calonder, eine Empfehlung schrieb; aber die Ausreiseerlaubnis aus Holland
war auf keine Weise zu erlangen. Bekanntlich musste sich dort der
♦•Joodsche Raad" , ein jüdisches Komitee, konstituieren, und eines seiner
Mitglieder sollte die ausländischen Juden vertreten. Hierzu wurde Brahn
als der geeignetste Mann von seinen Leidensgenossen gewählt', ob er irgend-
eine der Schreckensmassnahmen verhindern oder auch nur hinausschieben
konnte, bleibt zweifelhaft. Er aber glaubte in dieser Körperschaft noch
helfen zu können; obschon er von 1955 an überzeugt war, dass eine furcht-
bare Zeit bevorstehe, obschon er von da an sein frisches, jugendliches
Aussehen verlor, so scheint er doch einfach unfähig gewesen zu sein, sich
die systematische Grausamkeit und Erbarmungslosigkeit der Nationalsoziali-
sten in ihrem ganzen Ausmass vorzustellen. Nicht nur, dass er sich nie-
mals verzweifelt oder nur ängstlich g3bärdete,Gr blieb auch rührend zuver-
sichtlich. Vorschläge zur Flucht ins unbesetzte Frankreich lehnte er ab,
nicht nur der Gefahren halber, sondern auch aus VYiderwillen gegen ein
"illegales" Dasein nach einem Leben der V/ürde und des Dienstes an seinem
10
Volk. Er hoffte wohl, sein grosses Ansehen und seine Verdienste um Deutsch-
land würden ihn vor dem Schlimmsten bewahren. Obwohl man den Mitgliedern
des Joodschen Raad das Versprechen gegeben hatte, sie nicht zu deportieren,
erschienen die SS-Polizisten am Weihnachtsabend I943 und brachten das Ehe-
paar Brahn ins Lager Westerbork, von wo sie nach Theresienstadt deportiert
inoirden. Kit vorbildlicher Ruhe und Entsagung ertrugen die 70 und 63 Jahre
alten Eheleute das Dasein in Kälte und Hunger, immerhin mit einem Rest an
Bewegungsfreiheit und kulturellen Möglichkeiten. Brahn hielt ohne .jegliche
Gedächtnisstütze Vorträge über Philosophie und soll vielen Leidensgenossen
durch seine Ruhe und seinen Humor ihr Los erleichtert haben. Ende Oktober
1944 > als sich die Russen schon Theresienstadt näherten, wurde noch ein
allerletzter Transport alter Leute nach Auschwitz zusammengestellt, unter
ihnen Brahn mit seiner Frau. Zeugen ihrer Abreise betonen beider Passung
und Zuversicht; es ist nicht sicher, ob sie vrussten, was ihnen bevorstand.
Die beiden Enkel, die ihnen in der Schv;eiz geboren worden waren, haben sie
nie gesehen,.
HANS E. IIIRSCHFELD
/^
Preußens
Ausklang
Im kaiserlichen Deutschland vor 1914 war Preußen, das Preußen
des Dreiklassenwahlrechts, das Preußen der Großgrundbesitzer
und des Landadels, die im Heer und in der Verwaltung die maß-
gebende Rolle spielten, angesehen als der Hort der Reaktion, als
das Hindernis jeden vernünftigen Fortschritts. Das preußische
Heer, die preußische Verwaltung und der aus dem Dreiklassen-
wahlrecht hervorgegangene Preußische Landtag mit dem privile-
gierten Herrenhaus galten als Garantien des halbabsoluten Sy-
stems der preußischen Könige. Das wilhelminische Preußen als
ausschlaggebene Macht im Deutschen Reich versperrte mit sei-
nem Übergewicht jedem Ansatz einer Entwicklung zum parla-
mentarsch-demokratsichen Regierungssystem erfolgreich den Weg.
Die stärkste politische Partei im königlichen Preußen, de Sozial-
demokrate, war bis 1918 im Preußischen Landtag nur mit 10
Abgeordneten vertreten, die 1913 bei den Wahlen zum Abgeord-
netenhaus Preußens gewählt worden waren. Zu diesen 10 Ab-
geordneten gehörten u. a. Paul Hirsch — nach 1918 der erste
preußische Ministerpräsident — , Konrad Haenisch — nach dem
November 1918 erster Kultusminister Preußens — , Otto Braun
— von 1920 bis 1932 Preußens Ministerpräsident — und Dr. Karl
Liebknecht.
Zehn Abgeordnete in Preußen, während bei den Wahlen zum
Reichstage im Jahre 1912 die Sozialdemokratie mit 110 Mandaten
die stärkste Fraktion des Reichstages wurde! Diese Ungereimtheit
war die Folge der verschiedenen Wahlrechte, die bis zum Novem-
ber 1918 für die Parlamente des Reiches und Preußens galten.
Während zum Reichstag nach dem von Bismarck eingeführten all-
gemeinen, geheimen, gleichen und direkten Wahlrecht gewählt
wurde, bestand in Preußen nach wie vor das 1849 eingeführte
Dreiklassenwahlrecht. Das war ein System der indirekten Wahl,
das die Urwähler jeder Gemeinde nach dem Steueraufkommen in
drei Abteilungen einteilte. Jede Abteilung entsprach einem Drit-
tel des Steueraufkommens insgesamt; jede Abteilung dieser Steu-
erzahler-Wähler wählte eine gleiche Zahl von Wahlmännern. Die
wenigen Angehörigen der ersten Klasse wählten genau so viele
Wahlmänn|X wie die weitaus zahlreicheren Wähler der zweiten
Klasse und öWiisV viele wie die &foß6 Masse der gering besteuer-
ten Wähler der dritten Klasse. HäLffig- wählte in kleineren Städten
oder ländlichen Bezirken ein Wähler der ersten Klasse allein die-
selbe Zahl von Wahlmännern wie die beiden anderen Klassen der
75
HANS E. HIRSCHIELD
PREÜSSENS AUSKLANG
76
Wähler. Der Abgeordnete wurde dann von den Wahlmännern aller
Klassen mit Mehrheit gewählt. Das Dreiklassenwahlrcdit war
also ein indirektes, ungleiches Wahlsystem, das bewußt den Be-
güterten bevorrechtigte. Es wurde als „Schutzwall der Reaktion"
von allen Politikern des Fortschritts als volksfeindlich heftig be-
kämpft.
Ähnliche Drei- oder gar noch Mehr-Klassen-Wahlsystcmc bestan-
den bis zum November 1918 in den Gemeinden Preußens. Da dort
vielfach Arbeiter oder kleine Bauern keine Steuern zahlten, wa-
ren sie nicht einmal wahlberechtigt. Deshalb galt das Preußen
vor dem November 1918 als der politisch festgefügte reaktionäre
Block, der jede Entwicklung zu einer zeitgemäßen Form parlamen-
tarisch verantwortlicher Regierung versperrte, zumal der Mini-
sterpräsident Preußens auch der Reichskanzler in einer Person
war! .
Wie sehr die ausschlaggebende Macht Preußens von der Sozialde-
mokratisdien Partei erkannt war, davon zeugten die Debatten der
führenden sozialdemokratischen Politiker in den Zeitungen, den
Zeitschriften der Partei, zeugten auch die Debatten auf den
Parteitagen, die Massendemonstrationen zur Beseitigung dieses,
jede parlamentarische Tätigkeit hemmenden Dreiklassenwahl-
rechts.
Zwei Preußen-Parteitage beschäftigten sich mit der Frage, was
zu tun möglich und zweckmäßig wäre, um das gleiche, direkte, all-
gemeine und geheime Wahlrecht in Preußen zu erringen. Auf dem
Preußen-Parteitag der Sozialdemokratie Preußens vom 3. bis 5.
Januar 1910 hielt der preußisdie Landtagsabgeordnete Dr. Karl
Liebknecht ein sehr ausführliches, mehrstündiges Referat über
die Wichtigkeit und Bedeutung Preußens, das audi heute noch —
nach fast 60 Jahren — aufschlußreich ist. In diesem Referat führte
Karl Liebknecht unter anderem aus:
„Wir müssen den Kampf gegen die Bürokratie, gegen die Verwal-
tung als einen Machtkampf verstehen und betraditen. Die Forde-
rung der Demokratisierung darf nicht haltmachen beim Wahlredit,
wir müssen sie verallgemeinern. Ein demokratisches Wahlredit
ohne Verbindung mit der Demokratisierung der Verwaltung wäre
eine Attrappe ohne Inhalt, ja eine Tonne für den Walfisch. Das
demokratisdie Wahlrecht ist wirkungslos, so lange draußen, außer-
halb des Parlamentes die Machtverhältnisse nicht verschoben sind.
Ein Parlament wird nie und nimmer imstande sein, seinen Willen
in ernsten Angelegenheiten durchzusetzen, so lange die Verwal-
tung keine demokratische ist. Deshalb ist der Kampf um die de-
mokratische Verwaltung das Herz- und Hauptstüd^ des Wahl-
rechtskampfes um ein gerechtes Wahlrecht in Preußen. In Preu-
ßen wird der Wahlkampf um dieses Wahlredit, der Kampf um
eine Reform der Verwaltung sehr rasch zu einem Kampf um die
Staatsgewalt werden, der auf Biegen oder Brechen geht. Es wäre
gewiß eine Illusion zu glauben, daß man die preußische Verwal-
tung in absehbarer Zeit in unserem Sinne reformieren könne . . .
Wir wissen, daß der Kampf gegen und um die Verwaltung der
wichtigste Teil des Kampfes um die außerparlamentarische Macht
ist; und Sie wissen, daß der Kampf um die außerparlamentarische
Macht das wichtigste Stück des Kampfes um eine wirkliche Demo-
kratisierung unseres Staatswesens ist. Sie wissen, daß die Errin-
gung der Demokratie in Preußen die Voraussetzung ist für jeden
ernsten Fortschritt im Deutschen Reich.
Es ist nicht wahr, daß in Preußen die Souveränität der Fürsten,
wohl aber ist es wahr, daß die Souveränität der Verwaltung stabi-
lisiert ist wie ein rocher de bronce! . . ."
Karl Liebknecht schloß damals seine Ausführungen mit dem Hin-
weis, daß es nur mit dem Fall des ehernen Blod^es der Reaktion
Preußen möglich sein werde, auch Deutschland für die Demokratie
zu erobern.
Erst der Zusammenbruch des kaiserlidien Deutschlands, des alten,
reaktionären Königreiches Preußen ließ audi das Dreiklassen-
wahlrecht verschwinden, ließ den Freistaat Preußen entstehen,
der als das größte Land der Weimarer Republik seit dem Novem-
ber 1918 ein Flort demokratischen und politisdien Lebens ge-
worden war. Der Freistaat Preußen umfaßte zwei Drittel der Be-
völkerung und des Gebietes des Deutschlands von Weimar. Preu-
ßen war auch das Band, das nach 1918 die Teile Deutschlands zu-
sammenhielt. In diesem Freistaat Preußen mit dem freien Wahl-
recht war mit einer kurzen Unterbrechung im Jahre 1921 seit
dem November 1918 die Sozialdemokratische Partei führend an
der Regierung beteiligt. Der demokratische Freistaat Preußen er-
schien damals allen, die Freiheit, Einheit, politische und soziale
Gercditigkeit erstrebten, als der ruhende Pol in der Erscheinungen
Flucht — im rasdien Wechsel der Regierungen des Reidies wie
auch der versdiiedenen anderen deutschen Länder. Seit 1920 war
— mit der Unterbrediung von sieben Monaten im Jahre 1921 —
Otto Braun Ministerpräsident von Preußen. Mit ihm zusammen
waren die Innenminister Carl Severing und Albert Grzeslnski, die
77
2;,-j.
HANS E. HIRSCHFELD
PREUSSENS AlTSKLANG
78
Kultusminister Carl Becker und Adolf Grimme, der Fmanzmmi-
ster Hermann Hoepker-Aschoff, der Wohlfahrtsmmister Hemrich
Hirtsiefer die markantesten, nach außen sichtbar in Erscheniung
tretenden Baumeister eines neuen, eines Volksstaates Preußen.
Es wurde aufgeräumt mit den polizeistaatlichen Begriffen des
Obrigkeitsstaates, mit dem zum Gehorsam verpflichteten Unter-
tanenbegriff. In Politik — wie in Schule, Polizei und Verwaltung
— sollte der Staatsbürger herangebildet, in bewußter Verantwor-
tung gegenüber der Gemeinschaft geformt werden. Em neues
Preußen war im Wachsen, ein Preußen, in dem Staat und Verwal-
tung, in dem vor allem auch die Polizei unter dem Aufruf an die
Staatsbürger standen: „Bitte, treten Sie näher!" Jeder Denkende,
politisch Denkende und Handelnde sollte sich in diesem Volksstaat
Preußen seiner Verantwortung am staatlichen Geschehen bewußt
werden. . ..
So schien es wenigstens uns, der damals jungen Generation die
nach dem Zusammenbruch der Heere des kaiserlichen Deutschlands
aus dem Felde in die Heimat zurückkehrte. Wir ergaben uns mit
Leidenschaft der Politik, wir fühlten die Berufung und die Ver-
pflichtung, ein Haus der Menschlichkeit, des Friedens, der echten
Demokratie mit errichten zu helfen. Zu der Generation, die schon
vor 1914 politisch aktiv tätig war, stießen die jungen Menschen,
die, meist erst im Kriegserlebnis geweckt und gereift, sich der Po-
litik zuwandten. Für meine Freunde und mich war die Sozialde-
mokratische Partei — die Partei der sozialen Demokratie — der
Hauptpfeiler dieser neuen sozialen, demokratischen Republik, die
wir helfen wollten zu festigen und auszubauen zu einem tätigen
Mitglied der friedlich miteinander wetteifernden Familie freier
Völker.
Berlin, die Hauptstadt der Republik von Weimar, war damals
mehr als je zuvor die geistige und politische Zentrale Deutsch-
lands, eine Weltstadt zugleich, in der ein unerhörtes Leben pulste.
Hier schien das Wort Ulrich von Huttens Wahrheit geworden:
Es ist eine Lust zu leben! In diesem Berlin wurde ich Ende 1921
vom Redaktionsstuhl in das preußische Innenministerium berufen,
von Carl Severing — dem Innenminister, von Otto Braun, der
mit Hermann Müller, dem damaligen Vorsitzenden der Sozialde-
mokratischen Partei, mein Widerstreben gegen ein Eintreten in
die „Bürokratie", den Staatsdienst, überwand. Ich war damals fest
entschlossen, die Tätigkeit mit Severing im Innenministerium nur
zu einem kurzen Übergang zu machen. Dieser Übergang dauerte
fast 12 Jahre, bis zu dem Staatsstreich der von Papen/Bracht, der
nicht nur das Ende Preußens, sondern auch das Ende der deut-
schen Demokratie einleitete, nein, eigentlich schon besiegelte!
Schon vorher hatte die nationalsozialistische Welle die Veste Preu-
ßen unterspült. Fast 12 Jahre hatte der Freistaat Preußen, unter
des Ministerpräsidenten Otto Braun und seiner Minister Leitung,
in Deutschland, in der Welt sogar als das Beispiel einer vorbildlich
arbeitenden Landesregierung und Verwaltung gegolten. Eine ge-
ordnete und fundierte Finanzwirtschaft ermöglichte eine systema-
tische Wohnungsbauwirtschaft, eine landwirtschaftliche Siedlungs-
politik großen Ausmaßes. Die von Otto Braun als Landwirt-
schaftsminister Preußens schon 1919 begonnene Politik der Schaf-
fung neuer Bauernstellen wurde auch von seinen Nachfolgern im
Amte des Landwirtschaftsministers während seiner Ministerprä-
sidentenschaft fortgeführt. Durch planmäßige Schaffung von Bau-
erngütern und Siedlungsstellen wurde so in jeder Woche ein neues
Dorf geschaffen. Eine Leistung im stillen, ohne viel Aufhebens, die
erst spät in der Dämmerung der Weimarer Periode von dem Guts-
besitzer und Reichskommissar für die Ostpreußenhilfe, dem
Reichstagsabgeordneten Hans Schlange-Schöningen, als einzigar-
tig gewürdigt wurde.
Die kommunale Selbstverwaltung wurde gestärkt, der Staatsbür-
ger zur Mitverantwortung herangezogen. In den Städten, den
Stadt- und Landkreisen sollte das allgemeine, geheime, gleiche und
direkte Wahlrecht für Männer und Frauen die Teilnahme an den
kommunalen Angelegenheiten fördern. Die Landräte, früher von
der Staatsregierung ohne Befragung der Bevölkerung ernannt,
bedurften nunmehr der Zustimmung der gewählten Kreistage
zur Bestätigung im Amte. Die mehr als 7000 ländlichen Gutsbe-
zirke vor allem in den östlichen Provinzen Preußens, in denen der
Gutsbesitzer kraft seiner Eigenschaft als Gutsherr die Verwaltung
ausübte, sogar Polizeirechte besaß, wurden vom Innenminister
Grzesinski als Relikt feudaler Herrschaft aufgelöst.
Das Schulwesen wurde neu geordnet. Der erste Kultusminister
Preußens nach dem November 1918 — Konrad Haenisch — suchte
und fand die Verbindung zu den Lehrerverbänden, berief neue
Männer und Frauen an Schulen und Universitäten. Pläne der Schul-
reformer wurden mit Staatsmitteln gefördert, in die Tat umge-
setzt. Die „Akademie der Arbeit", die „Hochschule für Politik"
in Berlin wurden geschaffen, die neu entstandene Volkshochschul-
bewegung tatkräftig gefördert. Die geistliche Sdiulaufsicht wurde
79
1
HANS E. HIRSCHFELD
1
80
beseitigt, der Religionsunterricht zum Wahlfadi erklärt. Die Schaf-
fung der Elternbeiräte, der Ausbau der kollegialen Schulleitung
in den höheren Schulen, die Schaffung des Begabtenabiturs wie
der Abendgymnasien fielen in diese ersten Jahre des Freistaates
Preußens.
Konrad Haenisch berief zum Leiter des staatlidien Schauspielhau-
ses in Berlin den der modernen Kunst aufgeschlossenen Regisseur
Leopold Jeßner, mit dem eine neue Blüte der staatlichen Theater
in Berlin und Preußen einsetzte. Die Befreiung der staatlichen
Kunstinstitute von verstaubten Traditionen, von Fesseln einen-
gender enger Moralanschauungcn brachten Bühnen, Orchester
und Museen des Staates zu großen, vorbildlidien Leistungen.
Jede Zensur, die noch im Königlichen Preußen einengend geübt
war, wurde schon im November 1918 beseitigt. Berlin — Reichs-
hauptstadt und Preußens Hauptstadt zugleidi — erwarb sich den
Ruf und die Geltung einer europäischen Kunst-Metropole.
Auch in dem Freistaat Preußen wahrte die Beamtenschaft ihren
Ruf als integer und der Sache des Staates, des Ganzen hingegeben.
Die nadi dem Friedensvertrag von Versailles im republikanischen
Preußen aufgebaute neue Polizei — die Schutzpolizei — war im
demokratischen Geiste erzogen, als Ganzes besonders in der Mann-
schaft dem Staat von Weimar, der Republik ergeben, ein zuver-
lässiges Organ des parlamentarisdi-dcmokratischen Staates und
seiner Minister. Otto Braun und die preußische Landesregierung
waren so bis zum Jahre 1932 ein Faktor der Stabilität in Deutsch-
land. Die Parteien der Weimarer Koalition — die Sozialdemo-
kraten, das Zentrum und die Demokraten — hatten bis zu den
Wahlen im April 1932 eine sidiere Mehrheit im Landtag. Diese
Stabilität und Stärke haben Otto Braun und seine Kabinette stets
zur Stütze und Stärkung des Reiches genutzt, niemals die häufig
wechselnden Regierungen des Reiches als einen Vorwand zu Allein-
gängen genommen. Im Gegenteil: Otto Braun und seine Minister
suchten wieder und wieder, die Reichsgewalt zu stärken — unbe-
schadet, welche politischen Parteien in den Jahren der Weimarer
Republik an den wcdiselndcn Regierungskoalitionen des Reidies
beteiligt waren. Denn im Reiche hatten seit 1920 die drei Par-
teien der sogenannten Weimarer Koalition — die in Preußen re-
gierte — niemals mehr die Mehrheit.
Aber unbeirrt von den wediselnden Sdiattierungen der Reidis-
kabinette haben Otto Braun und seine Kabincttskollegen an einer
Neuordnung des Verhältnisses Kc-idi-Preußon gearbeitet. Dabei
*^ (»«(«t««««« I
./u'^
«"X.-.-"
:i^''i*-«;
. jff.
A' .nniii*... nam . . '
'..£-.
15
PREUSSENS AUSKLANG
16
15 Max Licbcrmann, Bildnis
des Prcuß. Ministorpräsidenten
Otto Braun. Nationalgalerie
16 Abgeordnetenhaus i. J. 1925
haben sie das Interesse der Erhaltung Preußens bewußt zurückge-
stellt, die Stärkung der Reichsgewalt, die Zusammenlegung preu-
ßischer und Reichskompetenzen nodi unter Brüning als Teillösung
vorgeschlagen. An Versuchen, zu konstruktiven, neuen Formen
im Verhältnis Preußen — Reidi zu kommen, hat es von Seiten
des Freistaates Preußen während der Ministerpräsidentensdiaft
Otto Brauns nidit gefehlt. Nur war auf der Reichsseite nie der
Partner so bereit oder fähig zu schnellen Entschlüssen oder auch
nur Versuchen. Selbst Brüning, dessen Kanzlerschaft zwei Jahre
dauerte, der die Arbeiten und Vorschläge aus eigener Mitwirkung
kannte, verschob die Inangriffnahme wieder und wieder wegen
anderer vordringlicher Aufgaben.
Wie stark Otto Brauns Wille war, das Reich zu stärken, bewies
er noch am Ende des Jahres 1932, als nach dem Sturz von Papens
der General Kurt von Schleicher Reichskanzler war. Otto Braun
suchte von Schleicher von der drohenden tödlichen Gefahr einer
Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten zu überzeugen. Er
mahnte zur Zusammenfassung aller Kräfte und bot von Schleicher
an, das Amt und die Befugnisse des preußischen Ministerpräsiden-
ten zu übernehmen. Er, Otto Braun, war bereit, in das Kabinett
von Schleidier einzutreten. Er wollte so deutlich machen, daß die
Kraft und die Macht Preußens und des Reiches zusammengefaßt
jeden Versuch der Gewalt und des Terrors zunichte machen wür-
den, um Demokratie und Freiheit zu retten. Auch dieser Versuch
Otto Brauns, das von ihm erkannte kommende Unheil abzuwen-
den, blieb vergeblich. Von Schleicher vertraute auf sein Glück,
seine Geschicklichkeit — und das Vertrauen des Reidispräsiden-
ten von Hindenburgü
Als nun die große Wirtschaftskrise über Deutsdiland in voller
Schärfe hereinbrach, 1929/30 das politische Gefüge im Reiche ins
Wanken geriet, wurde natürlich auch Preußen davon betroffen.
Die Millionenzahl der Arbeitslosen trieb verzweifelte Massen in
die radikalen Parteien der extremen Rediten wie Linken. Preu-
ßens Regierung unterstützte das Bemühen des Reichskanzlers Brü-
ning, gegen den Ansturm der Rechten Außen- und Finanzpolitik
fortzuführen. Deshalb richtete sich schon seit dem Jahre 1929
der Kampf der vereinigten Reaktion — Hugenbergs und all sei-
ner Freunde, der Vaterländisdien Verbände — gegen das demokra-
tische Preußen. Denn Polizei- und Justizhoheit lagen nach der
Verfassung von Weimar bei den Ländern. Das demokratische Preu-
ßen war der große Block, der allen Machtplänen Hugenbergs und
I
81
HANS E. HIRSCHFKLD
82
seiner mit Hitler und Stahlhelm geschlossenen Harzburger Front
— nach einer Tagung in Bad Harzburg Oktober 1931 genannt —
im Wege war. Auf dieser Harzburger Tagung hatten sich Hugen-
berg mit Hitler, Papen und Schacht, durch gemeinsamen Haß
gegen die Demokratie zusammengetrieben, zu einer societas leo-
nina verbunden.
Das Jahr 1932 wurde das Schicksalsjahr der Republik von Weimar.
Die Amtsperiode des Reichspräsidenten von Hindenburg lief ab,
Wahlen zu verschiedenen Länderparlamenten standen an — auch
die Wahlen zum Preußischen Landtag. Die durch die wirtschaft-
liche Notlage mehr und mehr sich verschärfende politische Mas-
senabwanderung in die Lager der extremen Parteien erheischte
gebieterisch gemeinsames Planen und Handeln aller auf dem Bo-
den der Verfassung stehenden Parteien und Organisationen. Ich
lud im Einvernehmen mit Braun und Severing Vertreter der de-
mokratischen Parteien, der demokratischen Presse und verfas-
sungstreuer Organisationen zu Besprechungen ein, um ein gemein-
sames Handeln zu erzielen. Es sollte versucht werden, Kräfte und
Mittel zu koordinieren für einen gemeinsamen Kandidaten bei
der Reichspräsidentenwahl und bei der im April vorgesehenen
Wahl zum Preußischen Parlament. Diese Zusammenkünfte fan-
den regelmäßig wöchentlich statt, um die Zusammenarbeit in
Presse, Propaganda, Versammlungen usw. abzustimmen. Hinden-
burg wurde im Februar zur Wiederwahl von den verfassungs-
treuen Parteien aufgestellt — gegen die Kandidaten Hitler, Dü-
sterberg (Stahlhelm) und Thälmann (Kommunisten). Die Wahler-
gebnisse sind bekannt, es gehört nicht hierher, diese Zahlen zu
wiederholen. Nach dem ersten Wahlgang am 13. März 1932, der
Hindenburg 49,6, Hitler 30 und Thälmann 13 Prozent der Stim-
men eintrug, wurde Hindenburg im zweiten Wahlgang am 10.
April 1932 mit 53 Prozent aller gültigen Stimmen gewählt — ge-
wählt von den verfassungstreuen Wählern, Parteien und C^rganisa-
tionen gegen alle Kräfte der Rediten und der Kommunisten, die
auch im zweiten Wahlgang nidu auf ihren Kandidaten verzich-
teten. Die Mittel zu der überparteiliclien Propaganda zur Wahl
des Reichspräsidenten wurden auf Betreiben der preiil^ischen Mini-
ster — Braun, Severing, Hirtslefer, Klepper — vom Poli/eietat
abgezweigt. Dieses Mittel wurden von mir verwaltet. I'ln Kt>niü
auf der Preußischen Seehandlung — der Preußisdu-n Staatsbank —
wurde eingerichtet, über das idi verfügte — nidu für parteipoÜ-
tisdie Zwecke und Propaganda, sondern für im Sia.Usinteressc
PREUSSENS AUSKLANG
liegende Ziele und Zwecke, auch für besondere Maßnahmen zur
Aufrechterhaltung der Sicherheit des Staates oder des Reiches.
Zusagen des Reiches vor und während der Wahlkampagne zur
Wiederwahl des Reichspräsidenten, diese Gelder dem Staate Preu-
ßen zurückzuerstatten, sind meines Wissens dann später auf dem
Verrechnungswege nur teilweise erfüllt worden.
Nach der Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten am 10. April
1932 erfolgten am 24. April 1932 die Wahlen zum Preußisdien
Landtag. Trotz der Leistungen der preußischen Regierung, die in
Rede und Schrift und Film den Wählern dargelegt wurden, erran-
gen die nationalsozialistische und die kommunistische Partei zu-
sammen die Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Die beiden antipar-
lamentarischen Flügel (NSDAP 162 Sitze, Kommunisten 57 Sitze)
konnten jede Parlamentsarbeit sabotieren — wärend die Parteien
der Weimarer Koalition zusammen nur 162 Sitze errangen (SPD 93,
Zentrum 67, Staatspartei 2). Dieses Ergebnis traf Otto Braun und
sein Kabinett tief und sd^imerzlich. Sie hatten sich an die Einsicht
und Vernunft der Wähler gewandt und ein besseres, gerediteres
Urteil über ihre Arbeit erhofft. Ihr Glaube an die Demokratie
war empfindlich getroffen dadurdi, daß das Volk sie verworfen
hatte. Diese bittere Enttäusduing und Erfahrung lähmte sie für-
dcr in künftigen Entsddüssen und Entsdieidungen.
So besdiloß das preußisdie Staatsministerium in seiner ersten Sit-
zuni; nadi den Wahlen, dem Landtag seinen Rüdvtritt zu erklären.
Nacii Artikel 59 der preußisdien Verfassung mußte aber eine
zurüdvgetretcne Regierung bis zur Bildung einer neuen Regierung
die Geschäfte weiterführen. Eine Regierungsbildung war bei den
Mehrheitsverhältnissen im neuen Landtag nur möglidi, wenn sich
die Parteien der extremen Rediten bis einschließlidi des Zentrums
zu einer Koalition /usammengefunden oder die Kommunisten
sich entschlossen hätten, eine Politik der Weimarer Koalition zu
unterstützen. Dazu aber waren die Kommunisten unter dem Dik-
tat der Moskauer Zentrale nidu fähig und bereit, wie sehr audi
ein/eine der deutsdien konmumistisdien Abgeordneten dazu in
klarer l'rkenntnis des drohend heranziehenden Verhängnisses neig-
ten, l's war die kommunistisdie 1 andtagsfraktion, die gemäß der
von der kommui\istisdien Zentrale erklärten Linie „Die Sozial-
demi>kratie ist der Mauptfeind" einen Antrag im Landtag ein-
bradite, dem geschäftsführenden Ministerium das Mißtrauen aus-
•/uspredien. Dieser Antrag wurde natürlich mit den Stimmen der
im Negativen übereinstimmenden Opposition von redus und links
83
84
HANS F- HIRSCHFEI.D
angenommen, ohne an dem bestehenden Zustand etwas zu än-
dern. Das Kabinett war ja bereits zurückgetreten als Konsequenz
des Wahlergebnisses, mußte gemäß der Verfassung aber weiter die
Geschäfte führen bis zur Ablösung durch ein anderes gewähltes
Kabinett — das schrieb die Verfassung zwingend vor.
Aber die Führung der Geschäfte, die Stellung der Minister und ihr
Einfluß in ihren Bereichen wurde durch diese Zwischenstellung
natürlich nicht erleichtert. Hinzu kam, daß Otto Braun ganz un-
mißverständlich dartat, daß er sich nach diesem Wahlergebnis, das
er als eine schwere persönliche Enttäuschung empfand, von Politik
und Amt zurückziehen wolle. Otto Brauns Frau war schwer krank,
ihretwegen hatte er seit längerer Zeit den Plan gefaßt, sich Im
Tcssin ein Refuglum zu schaffen. Diesem Gedanken trat er jetzt
näher, befaßte sich mehr mit seinen persönlichen Angelegenheiten
als mit den Dienstgeschäften. In jenen ersten Wochen und Mona-
ten nach den von ihm als pcrsönlldie Niederlage empfundenen
Wahlen Im April überließ er die Führung der Gesdiäfte dem Mmi-
ster Heinrich HIrtsIefcr als seinem Stellvertreter.
Audi Heinrich Brünings Kabinett war In seiner Stellung stark
durdi das Ergebnis der Preußcnwahlen getroffen. In der Weima-
rer Republik lag das Fundament und das Schwergew Idit des Ge-
sdichcns In der Exekutive naturgemäß in Preußen, das durch seine
(jrößc und Ausdehnung die Klammer von Westen nach Osten
darstellte. Die Wahl Hindenburgs zum Reldispräsidenten hatte
das Gcwidit der F-xekutIve langsam aber allniählldi mehr und
mehr /um Reich verlagert. Die Notverordnungen waren dafür
nur ein Beispiel, ein aus dem Zwange der X'erhältnlsse heraus
mehr und mehr gebraudues Mittel des Regierens. Nadi dem Wahl-
sieg über Preulk'u berannie die Reaktion mit bereitwillig gewähr-
ter Dniersiüt/ung der Nationalsozialisten das Kabinett Brünlng.
Nach einer tunuiltuosrn Keidistagssit/ung im Mai, In der der
Innen- untl Keidiswehrniinisier Groetier wegen der gegen SA und
SS ergrillenen Sdiritte heftig angegriffen wurde, trat Groener als
Keidiswchrnntnster /uriick. Dann wurde der Reidiskommlssar für
die Osthilfe, Sdilangc-Sdiöningen, als Angriffsziel heftig berannt.
Seine Siedlungsinaßnahmen und Neuordnungspiano für die großen
iaiulgiitrr gingen ilrn Großagrariern wjder den Stridi. Der
„ Agratbolsdicwist" Schlange Sdiöningeti war audil lindenburg ver-
(ladmg, der die C^sthilfc als eine legitime Stützung und Hilfe für
(hr (»silichrn ( .rnß,ij;t ,\iirr betraditete. Von Papen und von Sdilei-
dur .irhnfrtcn an I Inntuli Brünings Sturz, der am 30. Mai 1932
PREUSSENS AUSKLANG
vom Reichspräsidenten ungnädig endassen wurde. Nach Brünlng
kamen Franz von Papen als Kanzler, Kurt von Schleicher als
Reichswehrminister. Der Herrenclub — die „Harzburger Front"
— hatte mit Hilfe der Nationalsozialisten die erste Etappe des
Weges erreicht. Nun galt es als nächsten Schritt, Preußen zu er-
obern, die „Reidisexekutlon" gegen Preußen, unter weldiem Vor-
wand auch immer, durchzuführen, um sich mit Reichswehr und
Polizei gegen jede Gefahr abzusichern. Daß dies das Konzept der
Herren der Harzburger Front war, die nur mit Hilfe der Reichs-
wehr — sprich Herrn von Schleicher — an die Macht gekommen
waren, das war nach Brünings Sturz allen, die politisch In Berlin
tätig waren, hören und beobachten konnten, unzweifelhaft.
Es handelte sidi nur um das „Wann" und „Wie". Die Regierung
Papen/Schlelcher hatte als erste Tat den Reichstag aufgelöst und
Neuwahlen auf den 31. Juli 1932 anberaumt. Die Aufhebung des
vor wenigen Monaten erlassenen Verbots der SA und SS war eme
beschlossene, den Nationalsozialisten versprochene Sache. Sie wur-
de gegen alle von den Ländern und ihren Innenministern erhobe-
nen Bedenken durchgeführt. Auch die Aufhebung des generellen
Verbots von Versammlungen unter freiem Himmel und von Um-
zügen sowie des Uniformverbots wurde gegen die ernsten Warnun-
gen der Länderinnenminister verordnet. Damit wurde dem Terror
im Wahlkampf, den Straßenschladiten der gegnerischen unifor-
mierten „Sdiutztruppen" Tür und Tor geöffnet. Ob das planmä-
ßig einkalkuliert worden war, um mit den steigenden Unruhen
und Zusammenstößen ein Eingreifen der Reldisreglerung in die
Länderkompetenzen — vor allem Preußens — scheinbar begrün-
den zu können? In den Kreisen um die preußische Regierung
hielt man das durchaus für möglich. Bei dieser Sachlage war es
vielleicht nicht falsdi, daß die preußische Regierung bei allen ihren
Maßnahmen und Anordnungen geradezu peinlich darauf bedacht
war, der „feindlichen" Reichsregierung audi nicht den Schatten
eines Vorwandes zum Eingreifen zu gewähren. Die „Eroberung"
der Maditstellung Preußens war ja nach den Plänen und Wünschen
der Herren der „Harzburger Front" der widitige zweite Sdirltt
nadi der gelungenen Verdrängung Brünings aus der Gunst des
Reidispräsidenten — somit aus der Stellung des Reichskanzlers.
Die Gerüchte von der geplanten Einsetzung eines Relchskommis-
sars In Preußen waren so alt wie die Regierung von Papen/von
Sdileidier und wollten trotz gelegentlldier Leugnung von selten
der Reichsregierung nldit verschwinden. Die preußlsdie Regie-
85
^irxS|v;
86
HANS E. HIRSCHFELD
rung erklärte den Gerüchten und Nachrichten gegenüber, die na-
türlich auch in der Beamtenschaft Unruhe und Unsicherheit her-
vorriefen, daß die verfassungsmäßige Voraussetzung für eine sol-
che Maßnahme in Preußen fehle. Ein Reichskommissar konnte
nad:i der Meinung der preußischen Regierung nur bei einer Ge-
fährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bestellt wer-
den. In Preußen war diese Sicherheit nicht mehr und nicht minder
gestört als in den anderen deutschen Ländern. Die Ministerprä-
sidenten der anderen deutschen Länder — vor allem der süddeut-
schen Länder — teilten diesen Standpunkt, brachten ihn auch bei
Besprechungen mit der Reichsregierung — wie beim Reichspräsi-
denten zum Ausdruck. In vertraulichen Besprechungen mit dem
bayerischen Ministerpräsidenten Held und dem Minister Stützel
erklärten diese als ihre feste Überzeugung, daß ein Vorgehen ge-
gen Preußen von allen verfassungstreuen Ländern und deren Re-
gierungen als ein schwerer Angriff gegen die Länder selbst ange-
sehen werden würde, daß sie alle zur Verfügung stehenden Mittel
und Wege nutzen würden, um der preußischen Regierung beizu-
stehen. Jeder Widerstand müßte aber auf der Grundlage der Ge-
setze im Rahmen der Möglichkeiten der Verfassung bleiben. Ge-
legentlich einer solchen Ministerpräsidentenkonferenz fanden im
kleineren Kreis vertrauliche Lagebesprechungen statt. Bei einer
solchen wurde unter anderem vom hessischen Innenminister Leusch-
ner die Frage eines Widerstandes mit den Kräften der Polizei ge-
gen ein solches Vorgehen der Reichsregierung aufgeworfen. Natür-
lich könne ein solcher bewaffneter Widerstand nur geleistet wer-
den, wenn er gleichzeitig von den Massen der organisierten demo-
kratischen Parteien, den Sozialdemokraten, dem Zentrum, den
Gewerkschaften, dem Reichsbanner, kurz, der Eisernen Front, un-
terstützt werden würde. Carl Scvering bezweifelte die Erfolgsaus-
sicht eines solchen Versudis, dessen einziges Ergebnis sein würde,
daß Tausende von Arbeitern und Polizeibeamten ohne jeden Nut-
zen in den Straßen verbluten würden. Widerstand ja, aber nur auf
der Rechtsgrundlage der Verfassung, sonst würde man sich selbst
ins Unrecht setzen! In diesem Kreise ging die Diskussion über die
Möglichkeiten hin und her, wobei das Wort Lassalles „Verfassungs-
fragen sind Maditfragen" als bitteres Argument gegen Severing
eingeworfen wurde.
Auch die Frage nach der Möglichkeit einer Fühlungnahme mit
den Kommunisten wurde gestellt, ohne daß eingehend darüber
gesprodien wurde. Carl Severing war jedem, auch dem behutsam-
PREUSSENS AUSKLANG
sten Versuch einer solchen Richtung gegenüber entschieden, ja,
schroff ablehnend eingestellt. Auch Anregungen ähnlicher Art,
die gesprächsweise der Staatssekretär Dr. Wilhelm Abegg anzu-
deuten versuchte, hat Carl Severing kurz und bündig als welt-
fremd und utopisch zurückgewiesen, sie sich verbeten. Trotzdem
sind solche Fühler und Erkundigungen von verschiedener Seite
unternommen worden. Dr. Abegg hatte bei verschiedenen Gele-
genheiten früher mit Abgeordneten der Kommunistischen Partei
zu verhandeln gehabt. Eine solche Besprechung benutzte er, um
mit den Abgeordneten Torgier und Kasper auf die allen drohende
Gefahr einer nationalsozialistischen Schreckensherrschaft hinzu-
weisen. Dr. Abegg wollte herausfinden — so seine mir später
in der Schweiz 1933 gegebene Darstellung — , ob es nicht mög-
lich sein würde, die Kommunisten in eine Einheitsfront gegen die
Nationalsozialisten einzugliedern. Er dachte zumindest an die
Möglichkeit, daß die Kommunisten im preußischen Landtage die
geschäftsführende Regierung „tolerieren" könnten.
Auch von anderer Seite ist eine solche „Verständigung" zumindest
als theoretisch möglich erörtert worden. Seit Jahren trafen sich
einige sozialdemokratische Reichs- und Landtagsabgeordnete in
mehr oder weniger unregelmäßigen Abständen zu zwanglosen Ge-
sprächen und Meinungsaustausch in einem Cafe-Restaurant Un-
ter den Linden/Ecke Friedrichstraße. Dorthin kam häufig auch
der kommunistische Reichstagsabgeordnete Willi Münzenberg, ein
Mann mit eigenen Ideen und großen Gaben, der keineswegs immer
die ausgetretenen Pfade der von den jeweiligen Parteizentralen
befohlenen Politik beging. Willi Münzenberg hatte mit sicherem
Instinkt für Propaganda und Anziehungskraft die „Internationale
Arbeiter-Hilfe" in Europa aufgebaut, eine Organisation, der sehr
viele Nicht-Kommunisten aus anderen politischen Lagern ange-
hörten, ihr zumindest tatkräftige Hilfe angedeihen ließen. Zei-
tungen, Buchverlage, unabhängig von dem Parteiapparat der
Kommunisten, hatte er geschaffen — „Die Welt am Abend", eine
vielgelesene Abendzeitung in Berlin, war sein Werk, eine Zeitung,
die nicht sofort als linientreu zu erkennen war. Willi Münzenberg
hatte auch die „Arbeiter-Illustrierte" ins Leben gerufen, an der
zum Beispiel Frau Katharina von Oheimb, Abgeordnete der Deut-
schen Volkspartei, redaktionell tätig war. Künstler aller Sparten,
Intellektuelle und Wissenschaftlicher, die nicht Kommunisten wa-
ren, waren in vielen der von ihm geschaffenen Organisationen und
Ausschüssen tätig.
87
-, -i W- n"
88
HANS E. HIRSCHFELD
Willi Münzenberg und meine Freunde Dr. Carl Mierendorff und
Emil Kirschmann, beide sozialdemokratische Reichstagsabgeord-
nete, kannten sich natürlidi aus ihrer gemeinsamen Tätigkeit im
Parlament. Bei einem jener oben erwähnten zufälligen Treffen in
diesem Cafe in den Wodien nach den Wahlen zum preußischen
Landtag im April 1932 kam es zu Gesprächen, zu Erörterungen
der drohenden politischen Gefahren durch das Anwachsen der
nationalsozialistischen Gefahr. Dabei brachte Münzenberg schein-
bar spielerisch, nebensächlich die hypothetische Möglichkeit auf,
daß die zusammengefaßte Kraft der Arbeiterparteien stark genug
sein würde, die „bürgerlidie" Republik zu retten. Beim näheren
Eingehen auf diese Hypothese wich Münzenberg aus, hörte sich
aber die Erörterung der Lage in Preußen nachdenklich an. Es
kam zu einigen weiteren Treffen der Partner dieses unverbind-
lichen Gespräches, wobei Münzenberg deutlidi erkennen ließ, daß
er sidi zumindest für einen Waffenstillstand der Kommunisten
gegenüber der preußischen Regierung „interessieren" würde. Doch
im Monat Juni, während des Wahlkampfes zum Reichstag, ließ er
wissen, daß seine Erwägungen kein Edio bei seinen Instanzen ge-
funden hätten. „Moskau war der Überzeugung", so Münzenberg,
„daß die Erben der sehr schnell Bankrott madienden Nationalso-
zialisten allein die Kommunisten sein würden." Und Moskaus
Meinung war bindende Riditsdinur für die Zentrale der deutschen
Kommunisten und ihr politisches Handeln.
Das Gespräch, das Staatssekretär Dr. Wilhelm Abegg mit kommu-
nistischen Abgeordneten geführt hatte, blieb durdi seine eigene
Vertrauensseligkeit nicht geheim. Ein Regierungsrat Dr. Diels,
der durch Abegg ins Ministerium berufen worden war und sich
als überzeugter, eifriger Demokrat ausgab, war nicht nur Zeuge
der Unterhaltung gewesen, er war wohl auch schon vorher als
Vermittler zwischen seinem Staatssekretär und den kommunisti-
sdien Abgeordneten tätig. Denn Abegg vertraute ihm als einem
ihm besonders ergebenen Mann, der ihm in seinen Gedankengän-
gen nahestand, ihn auch zum Handeln drängte. Diese Unterredung
nun berichtete Diels nidit nur vcrfälsdit einigen Ministerialräten
im Ministerium, die politische Polizei und Verfassungsfragen als
ihre Sachgebiete zu bearbeiten hatten, er ließ es zumindest zu —-
wenn er es nicht selbst tat — , daß diese „Verhandlungen" mit
Kommunisten an von Papcn berichtet wurden. Daß Diels damit
seinen Beamteneid, der ihn zur Verschwiegenheit verpfliditete,
brach, war beinahe noch geringer zu bewerten als die gemeine
PREUSSENS AUSKLANG
Hintergehung seines ihm vertrauenden Vorgesetzten Abegg, der
ihn stets gefördert hatte. Wilhelm Abegg hatte mir selbst Diels
nadi dessen Einberufung ins Ministerium zugeführt — „als einen
völlig zuverlässigen Mann". Er rühmte ihn mir gegenüber als
einen begabten Beamten, dessen Hingabe an den demokratischen
Staat innerster Überzeugung entspränge. Idi habe Diels dann
während der gemeinsamen Zeit im Ministerium öfter gesehen und
gesprochen. Er wurde Mitglied im „Liberalen Klub", führte über-
all das Wort als Anhänger der Republik von Weimar und konnte
sich nicht genug tun im Herausstellen seines Bekenntnisses zur
Linken. Er versudite nidit nur bei mir, sondern auch bei anderen
Beamten des Ministeriums, politisdie Bekenntnisse und Kritik an
der „viel zu schlappen Politik" der preußischen Staatsregierung
gegenüber den „Vernunftsrepublikanern" in der Beamtenschaft,
in der Personalpolitik vorzubringen. Das alles geschah zu einer
Zeit, wo Diels sich mit einigen anderen hohen Beamten zweifellos
schon im geheimen Einverständnis mit Kreisen um den „Herren-
klub", zu dem Herr von Papen gehörte, befand. Zugleich ver-
suchte er im Ministerium laut scharfzumachen gegen die „verbre-
cherischen" Nationalsozialisten, während er insgeheim schon mit
Göring Verbindung suchte und fand. Auch das Verhalten von
Diels und anderer Beamten des Ministeriums, die sich in den Jah-
ren der demokratischen Staatsregierungen in Preußen in Loyali-
tätsbeteuerungen nur so überschlugen, waren Zeichen des Ver-
falls, des nahenden Untergangs Preußens.
Der Wahlkampf zum Reichstag nahm 1932 im Juni/Juli immer
schärfere, unheilvolle Formen an. Die nachsichtige, bevorzugte
Behandlung der Nationalsozialisten durch die Reichsregierung
Papen-Schleidier trug unheilvolle, blutige Früchte. Täglich kam es
zu Gewalttaten; jede Demonstration, jede Kundgebung forderte
Opfer. Alle Bemühungen, die Leidenschaften zu dämpfen, politi-
sche Auseinandersetzungen nicht mit Gewalttaten, mit Messer und
Revolver auszutragen, die die Länder als Hoheitsträger der Polizei
unternahmen, scheiterten, mußten sdieitern. Denn die Reichsre-
gierung bevorzugte ganz eindeutig Stahlhelm und Nationalsozia-
listen, die nunmehr freie Bahn zu haben glaubten — und audi
hatten. In Preußen war die Polizei noch fest in der Hand der
preußisdien Regierung. Aber in den höheren Polizeichargen, bei
den Polizeioffizieren, machte sich genau wie in der höheren Be-
amtenschi^ft, schon hier und da ein Zögern, ein Hinneigen zur
89
'• •- ■ ^'f 'i • i
i^-^^^^"^'"
90
HANS E. HIRSCHFELD
Rechten bemerkbar, die sidi da so siegesgewiß als die „Kommen-
den" aufführte.
Es kam zum blutigen Sonntag in Altona am 17. Juli 1932, wo
den Nationalsozialisten vom Polizeipräsidenten ein Demonstra-
tionszug genehmigt worden war. Die Kommunisten verlangten
das Verbot dieser „Provokation der arbeitenden Bevölkerung"
und drohten mit Vergeltungsmaßnahmen für den Fall des Statt-
findens. Am 17. Juli marschierten die Nationalsozialisten zu meh-
reren Tausend in ihren Uniformen durch die Arbeiterviertel Al-
tonas. Es fielen Schüsse, die Polizei griff ein — es kam zu bluti-
gen Auseinandersetzungen. Das Ergebnis des Blutsonntags waren
17 Tote und Hunderte von Verletzten!
Noch in der Nacht des Sonntags (17. Juli 1932) zum Montag
wurde ich aus der Umgebung des Reichskanzlers mit dem Hin-
weis angerufen: Jetzt kommt der Reichskommissar. Ich benach-
richtigte Carl Severing, der sich in Kiel zu einer Wahlversammlung
aufhielt. Severing kehrte am Montag, dem 18. Juli, über Altona
nach Berlin zurück. Ich holte ihn ab und gab ihm die mir bekannt
gewordenen Informationen weiter. Den Vorstand der Sozialde-
mokratischen Partei hatte ich bereits unterrichtet, ebenso den
Berliner Polizeipräsidenten Albert Grzesinski. Die Frage, die in
allen Gremien — Ministerium, Partei, Gewerkschaften, Reichs-
banner — aber auch in der Beamtenschaft erörtert wurde, war:
Was tun? Hinnehmen? Protestieren? Sich zur Wehr setzen mit
allen Mitteln? Die Entscheidung, die schon am Montag, dem
18. Juli 1932, gefällt wurde — ehe es zur Einsetzung des Reichskom-
missars kam — , lautete: Keinen bewaffneten Widerstand, die
Rechtsgrundlage — die Verfassung dürfe nicht verlassen und ver-
letzt werden. In den Ministerien war es spürbar, wie die Dienst-
und Pflichtauffassung sich wandelte. Dasselbe bei den Beamten
der nachgeordneten Behörden im Lande. Man fühlte, man wußte:
die Stunden der Regierung, der demokratischen Regierung Otto
Braun — dieses Kabinetts — waren gezählt.
So kam es, wie es kommen mußte — Tag und Stunde, die Bege-
benheiten, die Folge der Ereignisse sind bekannt. Der Vormittag
des 20. Juli 1932 — 10.00 Uhr — setzte das Beginnen in Bewe-
gung, das das Ende Preußens bedeutete. Den zu einer Besprechung
geladenen preußisdien Ministern Hirtsiefer, Severing und Klep-
per eröffnete der Reichskanzler von Papen in Gegenwart des
Reichsinnenministers Freiherr von Gayl, daß sich der Reichspräsi-
dent auf Vorschlag der Reichsregierung auf Grund der Absätze
PREUSSENS AUSKLANG
1 und 2 des Artikels 48 der Reichsverfassung entschlossen habe,
durch eine Verordnung den Reichskanzler zum Reichskommissar
für das Land Preußen zu bestellen. Er, der Reichskanzler von Pa-
pen, enthebe auf Grund dieser ihm verliehenen Vollmacht den
preußischen Ministerpräsidenten Braun und den preußischen Mi-
nister des Innern Severing ihrer Ämter. Er betraue mit der Füh-
rung des Innenministeriums den Oberbürgermeister von Essen,
Bracht. . . .
Die preußischen Minister verwahrten sich gegen Inhalt und Form
dieser Mitteilung, lehnten weitere Verhandlungen ab — und ver-
ließen die Reichskanzlei.
Das Ende Preußens hatte begonnen, nein, es war bereits gekom-
men . . .! Alles andere, was folgte, war nur ein Satyrspiel. Belage-
rungszustand für Berlin und die Provinz Brandenburg wurde un-
mittelbar nach dieser Besprechung verhängt — der General von
Rundstedt wurde dadurch der Inhaber der vollziehenden Gewalt,
dem damit auch die Polizei unterstellt war. Konferenzen über
Konferenzen folgten im Ministerium des Innern, die Staatsmini-
ster berieten über zu ergreifende Schritte, Vertreter des Sozial-
demokratischen Parteivorstandes, des Allgemeinen Deutschen Ge-
werkschaftsbundes — all das erschien als ein emsiges Erwägen
der vorhandenen Möglichkeiten und Wege — wobei doch längst
feststand: „Bewaffneter Widerstand wird, kann nicht geleistet
werden". Nur der legale Weg, das Anrufen des Staatsgerichtsho-
fes — 4. Senat des Reichsgerichts in Leipzig — sollte eingeschla-
gen werden. Ich höre noch die verschiedenen Stimmen der Mitglie-
der der Reichstagsfraktion der Sozialdemokraten, die mit Ernst
und Nachdruck vor jeder nicht der Verfassung und den Gesetzen
entsprechenden Maßnahme warnten: „Sie — damit waren von
Papen/von Schleicher und ihre politischen Hintermänner gemeint
— wollen uns provozieren! Sie erhoffen sich, einen Vorwand zu
finden, um die Reichstagswahlen vom 31. Juli auf den St. Nim-
merleinstag zu vertagen — wegen innerer Unruhen, Bürger-
kriegszustände etc. Dann hätten sie freien Weg, sidi mit Not-
verordnungen am Ruder zu erhalten, wären des unbequemen Par-
laments ledig — somit wäre die Demokratie beseitigt." Otto Wels
und Rudolf Breitscheid vertraten mit großer Beredtsamkeit diese
Ansichten, die ja denen Carl Severings voll entsprachen. „Man
darf sich das Gesetz des Handelns nicht vom Gegner vorschreiben
lassen!" So Peter Grassmann, Vorsitzender des Allgemeinen Deut-
schen Gewerkschaftsbundes, für den damals erkrankten Theodor
91
v^
92
HANS E. HIRSCHFELD
Leipart. Ein Generalstreik sei bei über sechs Millionen Arbeits-
losen eine gefährliche Illusion, ein Aufruf dazu unmöglich. Die
kommunistische Presse zeigte in der ersten Reaktion auf den
Staatsstreich von Papens/von Sdileichers nichts als Genugtuung
darüber, daß das „verhaßte, sozial-faschistische Preußenregime
Braun-Severing" eine schwere Abfuhr erlitten hatte. Nach wie
vor waren damals für die Kommunisten die „roten Bonzen" der
Hauptfeind, den es zu schlagen, zu vernichten galt.
So rollten die Dinge am 20. Juli 1932 wie auf einer Bühne ab!
Carl Severing erklärte Herrn Bradit, Reichskommissar für das
preußische Innenministerium, er dädite nicht an eine „ordnungs-
gemäße Übergabe" der Geschäfte, er würde nur der Gewalt wei-
chen! Die Gewalt erschien am Abend des 20. Juli 1932 um 20 Uhr
im Amtszimmer Carl Severings in Gestalt des nunmehr in Berlin
anstelle von Albert Grzesinski eingesetzten Polizeipräsidenten
Melcher (früher Essen) mit zwei Polizeioffizieren, die ihrem bis-
herigen Chef die weitere Amtsausübung verboten. Darauf verließ
der nunmehr „suspendierte" Staatsminister Severing sein Amts-
zimmer. Als einer der ersten Beamten des preußischen Mini-
steriums des Innern erhielt idi von Herrn Bracht einen „Ab-
schiedsbrief" auf Amtsbogen:
Der Preußisdie Minister des Innern
H. B. Raete 225
An Herrn Ministerialrat Dr. Hirsdifeld
Preußisches Ministerium des Innern .
Berlin, den 20. Juli 1932
Hiermit beurlaube ich Sie bis auf weiteres und ersuche Sie, Herr
Ministerialrat, von der weiteren Ausübung Ihrer Amtsgeschäfte
abzusehen. Ich darf wohl erwarten, daß Sie meiner Weisung ent-
sprechen und mich der Notwendigkeit eines Zwanges entheben.
Ihrer alsbaldigen Äußerung sehe ich entgegen.
Mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragt:
Bracht
(eigenhändige Unterschrift)
Nach der Entfernung Severings aus seinem Amtszimmer saß ich
lange mit ihm in seiner Wohnung zusammen. Immer wieder be-
tonte er auf meine Zweifel, ob das Verhalten richtig gewesen wä-
PREUSSENS AUSKLANG
re: Es wäre sinnlos und aussichtslos gewesen, zum Volksaufstand,
zum bewaffneten Widerstand auch die Polizei aufzurufen. Gegen
die mit schweren Waffen ausgerüstete Reidiswehr, die zweifellos
zu ihrer Unterstützung die uniformierten Nazi-Verbände und
den Stahlhelm herangezogen hätte, wäre jeder Versuch des Wider-
standes in einem Meer von Blut erstickt worden. Er blieb dabei,
daß nur die Ausschöpfung aller Rechtsmittel dazu beitragen wür-
de, das Regime des Unrechts zu entlarven. Die eigentliche Schlacht
sei am 24. April 1932 — Wahlen in Preußen — geschlagen wor-
den und von der Republik verloren.
Diese Auffassung konnte ich in ihrer Folgerichtigkeit nicht bestrei-
ten, ihr nur entgegenhalten, daß Taten und Handeln auch auslö-
send und befreiend wirken, Beispiele setzen. Geschehen veranlas-
sen könnten, die nicht im voraus zu berechnen seien. Selbst ver-
lorene Schlachten könnten im Kampf um Freiheit und Recht be-
weisen, daß man in großen Dingen mit allen Kräften gewollt
hatte! Nun aber sei Preußen verloren!
Was nach dem 20. Juli 1932 weiter geschah, beinahe zwangsläufig
abrollte, gehört der Zeitgeschichte an. Die rechtmäßige, aber nicht
amtierende preußisdie Regierung, das preußische Staatsministe-
rium, strengte den Prozeß gegen von Papen an, der dann im Ok-
tober stattfand, wobei sich Bayern und Baden den Anträgen Preu-
ßens angeschlossen hatten. Eine große Zahl hervorragender Staats-
rechtsprofessoren, staatsrechtlich geschulte hohe Beamte vertraten
die Sache der Länder gegen das Reich. Die damals in den zwei
Wochen dauernden Verhandlungen vorgelegten Schriftsätze und
Ausführungen waren zweifellos staatsrechtlich hervorragend und
sind wohl auch heute noch eine geeignete wissenschaftliche Lek-
türe. Die Entscheidung des Staatsgerichtshofes war salomonisch:
die Verordnung des Reichspräsidenten vom 20. Juli 1932 wurde
als mit der Reichsverfassung für vereinbar erklärt — einerseits,
sprach andererseits dem preußischen Staatsministerium noch Rech-
te zu — Vertretung Preußens im Reichsrat, im Reichstag, im
Landtag oder anderen Ländern gegenüber.
Es blieb, wie vorauszusehen war, alles beim alten. Denn die Staats-
streich-Reichsregierung dachte nicht daran, von den eroberten
Machtpositionen etwas aufzugeben. In dem politischen Macht-
kampf gab es keine rechtlichen Zwirnsfäden oder Fallstricke, die
von Papen und seine Kommissare beirren konnten.
Der Schlußpunkt hinter der Weimarer Zeit in Preußen war am
24. April 1932 gesetzt, dem wenig mehr als einen Monat später
93
•\X1
94
HANS E. HIRSCHFELD
der Sturz Brünings durch von Papen/von Schleicher folgte. Die
ultrakonservative Reaktion Hugenbergscher Observanz im Bunde
mit den Nationalsozialisten — offen bekundet in der Harzburger
Front — führte zum Staatsstreich vom 20. Juli 1932.
Das Ende Preußens war gekommen, als die Parteien des Rechts,
der Freiheit und der Demokratie von ihren Anhängern verlassen
wurden und der hemmungslosen Demagogie, der Lüge und der
Verleumdung zum Opfer fielen. Die Wirtschaftskrise mit ihren
sechs bis sieben Millionen Arbeitslosen trieb verzweifelnde Massen
in die Lager der Extreme, die allen alles versprachen. So war die
Arbeitersdiaft, die 1918 die bürgerliche Republik geschaffen hatte,
gegenüber den Angriffen der zusammengeballten Reaktion ge-
schwächt und resigniert.
Schon vor 1930 hatte das deutsche Bürgertum die Republik be-
stenfalls lau toleriert, gab es „Vernunftsrepublikaner". Daß die
Republik von Weimar eine bürgerliche Republik war, die die Ideen
des liberalen Bürgertums des 19. Jahrhunderts zu verwirklichen
sich mühte, das war völlig vergessen. Mit dem wuchtigen Einset-
zen der Weltwirtschaftskrise schmolzen die bürgerlichen Vernunft-
republikaner dahin — es blieben bestenfalls Offiziere ohne Mann-
schaften in den gemäßigten bürgerlichen Parteien. Die bürgerlichen
Wählermassen schlössen sich mehr und mehr der extremen Rech-
ten an. Allein die Anhänger des Zentrums und die in der Sozial-
demokratischen Partei organisierten Arbeitermassen standen fest
zu der Republik von Weimar. Aber ihr Schicksal wurde besiegelt,
als die Gegenrevolution der Nationalsozialisten zusammen mit
den Kommunisten die Republik berannte, Gewalt gegen Recht setz-
te, Reichswehr und Reichsinstanzen zumindest dabei zusahen!
Das preußische Staatsministerium unter Otto Brauns Führung
hielt sich gebunden an Recht und Gesetz, unterwarf sich der Ent-
scheidung der Wähler, wollte selbst bei Mißbrauch des Gesetzes
durch das Reich nidit das Gefüge des Ganzen gefährden. So mußte
das preußische Staatsministerium nach selbst auferlegten Gesetzen
weichen: Die Wähler hatten am 24. April 1932 entschieden. Ge-
gen Gewalt und Staatsstreich entschloß sich der Freistaat Preußen,
nur mit Anrufung des Gerichtshofes zu antworten.
Preußische Adlige, Offiziere und Beamte wurden zu Totengräbern
Preußens, als sie am 20. Juli 1932 die letzte demokratische Regie-
rung Preußens entmachteten. Hugenberg und seine Gefolgsleute
triumphierten. Sie glaubten, Preußens Gloria schimmernd wieder
aufriditen zu können. Sie wollten sich mit den dunklen Kräften
PREUSSENS AUSKLANG
der verblendeten und verhetzten Massen, die ungezügelt gegen
das Bestehende anrannten, wieder in den Sattel setzen, ihre ein-
stige Macht zurückerlangen. Sie glaubten, am 20. Juli 1932 das
Rad der Geschichte zurückgedreht zu haben.
Sie haben das Unheil heraufbeschworen, gefördert — dann wurden
sie die Geister nicht mehr los, die sie selbst gerufen, eifrig ge-
fördert hatten. Sie gaubten, des Werkzeuges sicher zu sein; es
wurde Herr und Meister über sie. Am 20. Juli 1932 schrieb man
FINIS BORUSSIAE, dem sehr bald in schrecklich zwanghafter
Folge das Verbrechen der Zerstörung Deutschlands, ja Europas,
folgte.
95
Author or
Periodical:
-^M
PLEASE PRINT
^r'^L^ CiJ^< ^»^
'jt
Dafc or Volume:
BOOKS MUST
r>
JL<A^\^
NOT BE TAKEN ^ROM THE ROQM
SEAT NUMBER
CüBRECT
Name and Füll Legidle Address Required
"Same
Address
City
Firm Harne.
Zone.
CLASS MARK
(In Upper right
comer of card )
p
n^x^
X^
INDICATOR
NUMBER
FORM 20A
'r>-:rj;wii»4TnniiHTnTit;'»:<MWHPfc^
X
i/^A-t^j.p^f^^^^^
Lebmislauf in Kuorse «- i^.Hans Jü» HlrscJafeld
f-^
la Jahr© l69if ,26. November , wurde IcJi als Sohn des Arates Emil üirsc>ij
feld mid seiner ßfctefrau Sophie, geborenen IievT in Harburg-Haiaour ;
rr«hr>T*«fi ♦ Mein V«t«T» wÄr In dü^T» Tndiist:T»1e- & ArhaitßT^atadt uls Ar^it
und fuehrender Sozialdemokrat von der Arbeitersc laft geliebt ULnd
verehrt, bei dem Buergertiua .-©fuerc itet, aber widerwillig goaCitet,
Mein Vater war wegen seiner sozialistisehen Gesinnung und xietaetlgung
awhon %..X. des Sozialistengesetzes bestraft, verfolgt- s.B, von
a«a eigenen Vater , / einem angesehenen Kaufmann in Berlin lange
Jahre Verstössen, iieben seiner ausgedelinten aerztlichen Praxis,
seiner politischer Taetigkelt- Parteivorstand im I^^sirk, Vorsitzender
der Fredsekom-iiission »Gruendor des larbur^^er Volksblattes etc. ,
Vertrauensarzt der ÖBG-^Iambxxrg, war mein Vater • der als junger '
kann in Berlin dra Friedricristogener Kreis angehoorte , im Bildungs*
wesen der ^ewerksclxaften taetig, war Gruender und laVirelanpes Vor*
dtandstnitglied der HA.MBUiiGlj:!v LIT}CRARI3Gm:N GESELKSOHAPT. So Wbe
ich im iiause meines Vators in frue ^er Jiif',end als aeltester oohn
ruem-ende auonstler und ^cliriftsteller Hamburgs - darunter Detlev v,
iilliencron,iiichard Jeh^ael, u)r. Carl imeller-hastatt et tutti W siuanti
nicht nur kennen gelernt, sondern die fuehrender >oz4Alde lokraten
\ms.^cl4i^^ W^^ • "^f^ Kambur-er , zu denen als ^^eictistagsabgeordneter
W^^^A^J^^^'^'^^^v^,^ auch August -»ebel gehoerte- titelten, Kiolkenbuhr »Kmil Krause
|/y>A<^>^^ ; »^chiiaann • un nur einige zu nennen, wie i:.auard -^ornstein, Arthur
^'^''Syäjf^^^**** fPaul Singer. Lily Braun ,Hosa Luxenourg, i,ulse Zietz -
.X/>>i«''irich Ebort, iJ^r. Adolf Braun — etc. etc. Als ici nun nach
dem i^eauca deiJ ^ ealgpanasl.ims autn Studium nach Berlin ,spaeter
uoettingen ging- Soziolocie,Philosophie,ilesc lichte etc waren meine
rascher • wurde ic^i durch Hugo Ilaase in seinem iause einem kleinen
Kreis sozialistisc -er Studenten zu -efue-irt. "ibL Dieser Kreis wurde
rolls im lause laases, teils bei r.autsk- marxistisch geschult, im
I^sen theoretischer Schriften ar geleitet. 7u den iett«i«tw Vorti^a-
genden und Leitern der Diskussion geKioerte u.a. auc i ..o»a LuxMiburR^
An den Akademischen Arbeiterunterrichtskar sen der Unlversltaet ,
die von einem sozial einf-estellten Kreis von ^>tudenten und otudonibin-
in den Abendstunden in Berliner Schulen i\r weitem und Arbelterinnen
linterricit erteilten ,boteilir.te ich mich ebenfalls eifrig. Ich
aroeiteto ebenfalls als elf er in dor Zentrale fuer Private Puersorr-e
die von Dr* Albert Levy geleitet aichi eines grossen Hufes in Berlin"
und weit darue bor ^ilnaus erfreute. Die ^ort r^ewonnenen Einblicke
bes taerkten meinen EntscalusB , mich nach den Studium «anz der Politik
zu v/ldtaen. ^
u^A^ v ."^^ ^^legsausbruch August 19H4. jM«hte allen PlMnan ein
imdm. Von August igil^- Dezember I918 Soldat, Pionior,dann Minen •
werfor- Leutnmt bei dieser neuen Truppe ,Teilnauie an twaerapfen
?J^-i wn '^^ vVestfront. Dezember I9I8 krank nach Harburg entlassen..
1919/19-^0 Vollendung des Studiums Jn Hamburg - iiirnst Cassirer und
Albort Goerland, -Sc lueler von flermann Cohen , daneben politische ä:
journalistlscie Taetigkeit .19^1 Journalistische Taeti^^keit,
i^o v®^ PVaenkiscie Tagespost'^-rmornberg, S.P.i ressedienst-Berlin,
i^dd Januar ins Pr..aln.des xnnern von Severing und Otto Braun geholt,
naca lan-em ötraeuben von mir und Adolf braun, das dann lerüiann Muel«
1er entscliied zugunsten -evorings.'M'js muesr.ten in der v/olle gefaerote
Sozialisten in die i.inisterien .^ Bis zum .20. Juli 32 dauerte die
T^oo^f ^}^ Uebergang JOigWMJmnan genommene Taetigkeit. Vom 20.Jull
1932 bis Januar I933 dann als Presseo laf der Vechtmaessipen "
^p^usaenro^^ierung ^Paun/Severing e/a StaatastreicriregierunÄ
Fagpan/Bracht.
M. on , w ^^^™^^ ^933 ^ Maerz 33 von S.A. verfolgt, la
fr?^^ 33j^Jeberfall und Pluenderunp. meiner r/ohnuxig in Tampalhof ,
fiartoefehl. Ic 1 war schon vorher verborrjen erst in Lelp7.ig, dann
Illegal in die Tschechoslowakei, von dort in die Schwalz-
im Au.'^ust dann naca Frankreich, itmoer politisch in Verbindung alt
meinen Freunden in & ausserhalb das III.Relc les. Tr ffen mit
Carlo ülorendor!- ui.i T ooior ijixyxoi In Zaorici - (Joaopii ..ilperln
ala .inlaufaipeüüe ), up.^et /ll^ioL.i Loaafj . o -Jaüol^naorici c!c
Genf, .dt JJüill l.irscUniann cc üaric Juohaohz in aaarbruocken, - . (ix
Braun^SP. Zeltunr»; '^Deiktocio Frei leit ' besc ilosaen. Uls 1935 stark
An aaarfeajApf Mt-ewirkt von ot. Louis (nt.^hln) ..ütarbeit an acaweizor
und iranz.oeslschen '^.oitunr^^en, lach ba-,.rabsti:a.aUii/- 1Q35 durc'i Sondorerlaa
der Aa2iror;iorunc a.iscebuor:;ert.- I939 -i^rlepisausbruca ) alt iJovoel-orui
^^L;^*"*!^^'' 1^'. ""Vi^ ^^^^ Suedfrankroich evakuiert .Dienst alsxjCMtx
orestataire- { Aro. itssol lat -) bis zui^i ^asa laouruci Prankroicas In
oinor en-lisc len i-brmtion, i.ac^i dorn 7usaia.iGn^ruch Frankreic'is auf
aoont. uerlichen ^/er-en ueber Spanion ,rortu-al l'jl'l nach den USA auf
vjrrund eines Speclalviaums ( Prosldonts Special Visa ). Von lolil - 1)!,
t^i^i^t^ '^' ^^l^ .ear:>eitet als Vesearcber ', - besondere Ferne lun-s-"
auftraege,Leartaetic^^ Vortrae^^^, Arbelt fuer die He lorunr; der USA
r 1 1t * ; f.^^ Special Service ,als '^c oriftsteller fuer 7eitun-eii : •
Ai-bGiten in Fabriken als ..etalldruecker .
„,, ,^ . ^ ^2*'-'^ Hueckke ir n*iC'i Oeutscbland von -vurt Scliu lac lor
und ..rnst neuter angefordert. Von Anfan- I950 bis mi AprU 1Q6o
Leiter des .rosse- .^c Inx^oriationsa ites Berlin ' ^
mit ;.rnst i acuter bis /zu seaineni jae len Tode
v^alt ler ^^c ireloer, Otto Suir und ^illv Brandt.
Luiestand .. * '
Seitdem als Minis torialdirektor i.R
Lar>onae..itern in >erlin taeti--, u.a. Vorstand der ßuc.r »ur lointor -
heuter-otiftunc, Vorsitzender den rres^ezontrunis .^orlin,' de» ■orliner
Si -^S^:^''?ff ^-^^^^ ^^' Hundfunkratos etc. .litarbcit an Zeitungen
and Zeitsc irifton ,i3uc loosproc lun-en . etc. t^-tuun.^o.i
- in en-:;:er '^usain. lenarboit
S op t . 1 95 3 , . Danac ! 1 i± t
Am I.April 1 60 in den
weiter in vielen
^^
Leb :n;ilauf
1919/^ Ö
1 ^
Jc^iK
1;' '■■
> " .
achulbr:^ ucn, Li^';yiüiiu.:iuu
(bozJLOxügxu,uu^.ci.xcute, i hiio ophle, LI tcratui; .
boicia t-03 t-r>ci»e h üi. r •w.'ii c
Berufung in -^^ Preu-.iücne ^inistoriua g CiH td
1
Febru^r/M<.rz 1^ : v^rlüXgt v.xi ..•a. ,J^bürraxx -.na clui:io.irax)4i .einer
1* 2. X
i^'iuCul/ VXa 'w»!^»-^» -
ri^fcich- Uihvi'-'lz
ptt^i^o. nacn i«raxücr«xcu v .iiocii>.. ; utt^.wu^.^ v,i-t, :\rilJQ;
l'ti'";- ■-^-
t)
-t j.
o
^cXJ
194.1
iriaarbrucis:eii(bxb Jl^^vü; .
iü i;uut^ciilunu
AUiibOüurb rt uurcn uiidorer-^- '-
(Keichb-uno •\.aatiic«.Jizuigt:«r)
3pecxal vxj^a >
xitcXi^t uit xiicgglen
ux -. .Jiilittatur
k^
'UXlg
^i X- iu -iJt ' 3
1941 -lii4Ö
l^^k^
Sonder.urtr. ge (rt;Sc..rcn; , .-ohrtaLit^Kuxt: unu Voi trage
i^lecture:;), Aruc'j-t fux- uiw üoA rie^x-ruiig
Kurt ..chuü,.ich^'r3 urid i.rn:.t Reuters
enger ^iK :^>^^^t ült ..ra.t Keutex- nach un loa
üit dön - I'»-.^'i ^ - i'n M iUiv^r ochri^ibvi'^v.t^o * unr,
V\/ixl'^'' bran'ic. .n<'.lj;^i = ir jk tor mxt d... .v...:ul vi ji;
« «(^ *■ ^ r 4 S
^V-:y<if«'*
L4«i/ ,, , >i.,^
/
%
r
^A^f
u<<xC^/L^O,
X
t^1
/(
5-<w". -(^'^ - ^^
"txi
'/td '^'l^V 0^ "/x^c-t^
(/o^^i
/H^ -- '^ ? ^ -f^M'
^•'^/
//j^^' t.u/(<As "Ct^'Au-oc- ^' S
^^ ^jL^^<^-<^^te^'
Ol
Ycid^i^ k^U^ ^ /^^^^-^-al^-cx^
/?/
1
u
nj
\vA^^ tt<y I
m
Bücher aus und über Berlin
„„„,„„ uiiiiiiiimuiiiiiiiimiiiiiiiuiiiuiiiiiiiiiiiiiüiiii HiiiiuiiiHUHiiMimuiimmiimiiHiimm i i
CO
P
I—«
et;
<
Hans Hirschfeld
blickt zurück
AL? Dr. phil Hans E. Hirschfeld,
bis 1932 als Ministerialrat Presse-
referent im preusslschen Innen-
ministerium und von 1950 bis
1^60 als Senat&direktor Leiter des
Pre*>eamts des Landes Berlin,
im November 1969 sein 75. Le-
bensjalir vollendete, erschien
i eine Arbeit aus seiner Feder mit
I dem Titel "Preussens Ausklang"
aahrbuch Preussischer Kultur-
besitz 1968, Grote'sche Verlags-
buchhandlung K.G., Köln und
BerUn 1969). Damit ist im we-
sentlichen das Schicksals] ahr
1932 gemeint. Der Beitrag erin-
nert an Geschehnisse, Zusam-
menhänge, Entwicklungen und
Personen, die wohl kaum ein an-
derer hätte sachkundiger und
sachlicher hätte darstellen und
beurteilen können als Hirschfeld,
weil er unmittelbarer Zeuge der
Vorgänge war.
Er schliesst mit diesen Sätzen:
•*Hugenberg und seine Gefolgs-
leute triumphierten. Sie glaub-
ten, Preussens Gloria schim-
mernd wieder aufrichten zu kön-
nen. Sie wollten sich mit den
dunklen Kräften der verblende-
ten und verhetzten Massen, die
ungezügelt gegen das Beste-
hende anrannten, wieder in den
Sattel setzen, ihre einstige
Macht zurück erlangen. Sie
glaubten, am 20. Juli 1932 das
Rad der Geschichte zurückge-
di^eht zu haben. Sie haben das
Unheil heraufbeschworen, geför-
dert — dann wurden sie die Gei-
ster nicht mehr los, die sfie selbst
gerufen, eifrig gefördert hatten."
Dem Aufsatz ist eine Reproduk-
tion des Otto-Braun-Porträts von
Max Liebermann beigegeben.
E.G.Ii.
800 Jahre Berlin
Hans Erman: "Berliner Ge-
schichten, Geschichte Berlins"
Horst Erdmann Verlag, Tübin-
gen, Basel.
Das Buch beginnt mit Albrecht
von Askanien, einem Geschlecht,
das von 1134 bis 1319 in Branden-
burg regierte, wo damals schon
Berliner lebten, die sich mit
Schiffahrt, Handel und Fischerei
beschäftigten. Die letzte Eintra-
gung in diesem Buch ist "Welt-
stadt West" überschrieben. Der
Verfasser sagt, dass er diese Be-
zeichnung für das heutige Ber-
lin gewählt hat, um in knappe-
ster Form auszudrücken, dass
westliche Freiheit und Demokra-
tie das Leben lebenswert machen.
Die Arbeit Ermans im Tele-
grammstil ist ein Führer durch
Berlin, aber ohne Strassenver-
zeichnis, es Ist eher ein Führer
durch das geistige Leben der
Stadt. Die beigegebenen Photos
zeigen unter vielen anderen eine
Demonstration rer Studenten
nach dem Attentat auf Rudi
Dutschke, aber auch Präsident
Nixon bei seiner Eintragung in
das Goldene Buch von Berlin.
Sachlichkeit wird von Erman
gelegentlich durch Anekdoten
akzentuiert. Ein Beispiel dafür
Ist der Ausspruch eines Berli-
ners: "Einen dritten Krieg wür-
den wir vielleicht allenfalls über-
stehen. Aber noch eine Be-
freiung?" w
Das Bild
Im AuftrJ
nats stellte^
gewandte
GmbH" E
ma des Bej
desrepublj
jetzt vercj
heisst e?
"WerJ
rühru]
GrosstJ
der pcj
Stadi
lins.
Name]
mit
Aspek.^
"Die'
und wol
I essenlaj
'Auf dii
i westde
geben
Mauer
zent di
samt
städti.^
empfq
(Kurj
kircr
und
nen
wäh
Stae
rer
Prc(
am
di
et^
urj
Berliner Auszeichnung
Photoalbum
^^Berlin is dufte"
Arani Verlags- G. m. b. H.,
Wer den Buchtitel versteht,
kann auch Hans-Dirk Albus in
Berliner Mundart gehaltene, ge-
reimte Begleitworte zu den von
Winfried Zellmann photogra-
phierten Szenen aus und um Ber-
lin ungeschmälert geniessen. Er
erkenn^, dann auch, was es heisst,
UllsJ
der
Im Ral^
xika (Frei
weit, Kunst^
ein weiterer
ein neuartiges
Das Lexikon uj
gebiel
je
le
H^ns Hirschfeld gestorben
jm.. BERLIN, 12. April. Hans E.
ITirschfeld, der zehn Jahre lang das
Presse- und Informationsamt des Berli-
ner Senats geleitet hat und politischer
Berater der Regierenden Bürgermeister
Ernst Reuter, Otto Suhr und Willy-
Brandt war, ist in der Nacht zum 10.
April in Bern, wo er die Familie seines
Schwiegersohnes, des Literaturwissen-
schaftlers Killy, besuchte, einem Herz-
schlag erlegen. Hirschfeld war nach dem
Studium von Soziologie, Geschichte,
Philosophie und Literatur bis 1932 als
„jüngster Ministerialrat Preußens" im
Innenministerium tätig. Die Herrschaft
der Nationalsozialisten zwang den un-
bestechlichen Demokraten zur Emigra-
tion. 1949 rief Ernst Reuter seinen ehe-
maligen Mitarbeiter aus Amerika nach
Berlin zurück, wo er bis zum 31. März
1960 die Politik entscheidend mitbe-
stimmt hat. Auch im Ruhestand blieb
Hirschfeld aktiv, als Vorsitzender des
Berliner Presse-Clubs und des Vereins
Berliner Pressezentrum, als stellvertre-
tender Vorsitzender der Deutsch-Engli-
schen Gesellschaft, als Mitglied des
Rundfunk- und Verwaltungsrates des
Senders Freies Berlin, und als Vor-
standsmitglied der Bürgermeister-Reu-
ter-Stiftung. Dem Andenken des einsti-
gen politischen Weggefährten galt auch
Hirschfelds letzte Tätigkeit: Bis vor we-
nigen Tagen arbeitete er an der Edi-
tion des ersten Bandes einer Sammlung
von Reden und Schriften Ernst Reuters.
l
i^*l^ ■•;--■;'■■
•;\a^f^
\ ,' -jT- _■ ■ 'Vir- .i.'-.'3
m,-Y^
^^4^-< /^,
^■c^^^t^
^Vr-
/^/7
y -^ '^ mc^:^u^<^:^i>^ c///i^/^ z^*^:^ ^,
/!>^7-^-
^^e-x^
«-'»V
^(^^^^M^
^^f^!(^4f^
*^^-
^^
^/
/f^/cu.
U^t^n
'.^^^^<^^
'^ 1?
cZ >9^fr/;^ >^^ ^/ic^^y^-^ ^v /^
p^^f^.
-^i>fe^
i^
^i^iA
/^^
^!^/2:^^^i:/i^
-, ^
^^v:? -^^/^^
y/^^^<~-.
4
y^^a^^^
i^y^j
m "'*• ;S '
- i»". V
"1 . ' J
b(i.l
\jL^^iJ<^(^ /f^^^
/Ic^/, ^f ^'//a-^^
c r.
'/t
^
Olli fl -*r-. f — %^f f r »^ ' w^ t »
'«i-c/-/.
/^V^^ V <?/J
^
tr- ^ «:-
-/>.
Werner Perser
75 Jahre alt
Professor Dr. Werner Peiser,
der ehemalige Botschafter der
Bundesrepublik E>eutsch]an)d in
Nikaragua, feierte kürzlich, am
20. August in Nervi (Italien) in
grosser Frische seinen 75. Ge-
burtstag. Der in Berlin geborene
Jurist und Romanist begann sei-
ne Tätigkeit im Staatsdienst als
stellvertretender Pressechef des
Preussischen Ministerpräjsidenten
Dr. Otto Braun, betreute sodann
preussische Kultureinrichtungen
in Italien, bis er als Gegner des
Nationalsozialismus 1933 entlas-
sen wurde, und in Florenz ein
HBNRY ROSNER
HIS ViOLIN
and ORCHESTRA
for any
OCCASION
•
CALL: (212) 426-1139
weit bekannt gewordenes inter-
nationales Internat gründete.
Nach dem Anwachsen von Hit-
lers Einfluss in Italien wanderte
Dr. Peiser nach den USA aus, wo
er einen Ruf als Professor für
romanische Sprachen an die Lo-
yola-Universität in New Orleans
erhielt. Nach dem Kriege war er
Berater der Nürnberger Richter
für historische Fragen und spä-
ter bei den amerikanischen Hilfs-
organisationen für jüdische
Flüchtlinge in Frankfurt und
Prag tätig.
Der damalige Bundespräsident
Theodor Heuss und sozialdemo-
kratische deutsche Freunde bewo-
gen Professor Peiser zur Rück-
kehr in den deutschen Staate-
dienst, wo er als Botschaftsrat in
Rio de Janeiro und Madrid die
kulturellen Beziehungen der Bun-
desrepublik mit grossem Erfolg
förderte, bis er Botschafter in
Nikaragua wurde. Auch nach Er-
reichung der Altersgrenze hat er
sich viele Jahre als Leiter der
Goethe-Institute in Palermo und
Genua um die deutschen Kultur-
beziehungen verdient gemacht.
R. K.
/
■4,
W^^M^m
^ ^ik^A l^Ä?v^^'/(^%j
^ (^U^ ^^^;
"^y^y^JC^-^^j
^^c^
-^ ^?t>__*^_.2 i^Y-a^Uü4^
^
'^.^.
> V*
m
~r'-c^r^-
,^
v.
Vv
*^-
SffF V - /' :«>-,
.'f'.'S
i.j»J,W*yv
«4::^ü
i' .i.*ÄW-xi- :,.i.\
■rf it-
:-s?
Ä;^V,ijV
s- r-'y
>^/-
'>^^^^^?.^;
^i
Wvi^/f^^>^ ^ ^^J^^/' ^ f^^^'-^
/h4. J' /^U iUU^^Ay,^ ^^ y
A^/^.»^
d^
t4<
>» /
-4^
^ /
/^
/
d •
i^0^t' '^^■
4
f e \ ^
A
[/i/i/^^C^l^-trU^
0
'Jo7Z /c/ ys'^y- i^!=c.^^
^>4^*^/''
^^ /^^/^^/ ^^^^%^"^i
«^
<^ /
'/Sirt,'
^
/^W^ *L ^'^^ ' ^^^^'
ii
/
1^^ « ' ^^ .^' »7. ^/4r^ /^i^^e^^>'i^
o^ö^
^ ^<^/ - /f^p ^ /^^^ , /^y^'
s
'(^ a^tJ-c-T^i
/^
;
/iZa^i^^^ ^ ¥4€J^^X^f^^^
/
/^^T^^Wi/^", ^
;
^U4^^
/W dt^^ M^/4U^^>*<^^ )
^*/ :iy'^-i^' ■^i^)i>^y%r^:::.-i':hM<l:-ii
J
>!fet\ ':
4 y
/
^--■?^^^;;Sfi,^^^^y^iS^^fe':^^l'^t^
'^^^^^^%?>^^?M''i-t^^''
'■-^y^ii^fHiS^j^'iSCf^^t^a^^^^
^j^ijS^ttv-y^^^J
f^r?i
v/j<
'.• .1-
' ?*.'*,!• ^f^'^^er behauptet, dass Theodor Haubach in der Republik ..
jy IUI «f<iakteur,dann Pressechef bei der preussisohen Regierung war. 4^W
*■ Mierendorff, auch aus Darmstadt, Pressereferent bei Leuschner
'' d"^-^^ hessischen Regierung, beide Haft-und Zv-angsarbeit. Adolf
-s «exchwein m ciPD Jugendbewegung, Volkshochschulen, Arbeitslagern
vif.v.' ^^?S ^^°'^sf?r f>:ier Geschichte und Staatsbueggerkunde in Halle.
''•^ 1953 in emklassige Dorfschule versetzt. ^j
S-^
H
Z^-'i^-^^^.'
w^;m^mf^^s^^m^m<^^^c:m-:^Bm-;rit^mmi^mk
i^M^^^MM^^^MMiS^^IME^^^EKMMMM^E^^^^^M^^^MM
r?5?s^^^^^^>«
^^M^&M'^^'^M^ST^fiiMMi
A
Jt4^ Ud€4 ^t4^iß^^^ji4^ /^^^m^/^^
S^ k/t^^<
/<Y*'**^
i'ut^i
.^^^w^< ,,1^^^^ x^^^^u ^^
/^.
^e^^
- ^^ ^€A^t^
*^^
/
i^ U^^^*<^
^t^^-C4 HJU/i
^:^ ^^ e^ ^. ^.i.,^,
/^*^ ^«»^
<Z'4C^
^ ^^
/
t:"' ^' W^ .^^ .^S^i^ . A,^ r
"/^
Kd^
1^' ^$7*i<^ ^. ^^ ^ .i*^
-iUjf
«^««' ^<-*tr
/
.■^g^Aife^^:/:-;":^::::;;^'^.. :''v;^iSii^^^^i'^::^i'g!v'^^g^^
><
'r v-'i "
Is.
'Th-
^^.u -^///y/n/so
P
'LU^U
*^"^-<> c^i^
^A.^
4^ »^W/ ^^^^ '^ ./üc^iCU ^^5j^<z^*^ (iiC<^ ^e,^^^^^ ^^^-^. -^Ä,
Atf^
/^/
/
/Ä
Äi
i'Ut,
/>a^>^ U^^if^^y^ ^ ^ iTj ^^ ^^^
^ .C
C^^ /^/^ ^^A€UA^ C^/^X<^i^ ^
<^*-*— <
^■c^%^'
/
^X,/"
o^ / ^»(^i^ /^/^^ 4c^i>4-?fi<^ yC^ 4^ ^^^ -44^
/» /^^
-^^
^«-^-^ ^^
■ ^^t ^"^ /*■ T^-i^*^
>/^^^
-V
;.
y.
We?
^«> cts.^y^^^i4^^ d^^^ 4e^^^ <^^(,^^^y4^ c^/(^^.^*>^^^tC^^^
ö^ftU^- ^ ^.^ 4^/ ^^ /<S.<- /^^y/
^€.
T^^ ^^^&^x, ; ^ ^^
c
i^r-i
^i.y^4^ /^ ^^^Z^ ^^4^
^^^'^^ .. ^^
r
«rf >** /
^; i^*i^ '
^
t/^.
^
^Z^" »^ '^^C
t) '^^
^'-^/O
*4
^^ ^r/j /^/^, ^^.^ ^ ^ - t^ ^
^ •^i^i^^.y^ t,/^> ^ /^<^4> ^ /7r
^Cl^t^^ ^^^i
^^.
4: ^/<_ :^X^ ^ ^ _
^
44-^
^3J
Z /'V
^cti^A , '^u<ui\ /uJ/>;^ ^^</ itti/Y^^v^/4/
/^/
r if
€^U^U C^
\j)f'^<-^^^(^C^^
TA^^^-^^^^ö^"^^
v^^
/
ly
CijLhi^^<^ ;Q^Ji_C<^-C--<l-<^
M
i^-O
42^^
'u-t^^
~ ^'^-f
■ ?H?i^,'f„- i?*i?'^^, ¥?!*-iä
kif
\
ERJ^IEdT HAI.IHJRGER, born 139C in Berlin. Ph.D. ^Jniversity of lerlin.
history and Political ocience. in GemixnYy Officer in various £:overn-
niental a^. encies, last in the Prussian Iviinistry or the intericr until
19o3« kenber of the Prussian Die"c from 1^24 to 1953. Left Germany in
Ivlarcl: 1935,became eciitor of the ^axxsr quarterly Cahiers de la Presse
and lecturer at the Institute of Comparative Lavv of tiie Jniversity
of Paris« Left France in 1940. in i^'"ew xork r.-search worker and
lecturer at the New ochool for docial x^esearch. Beca:.ie Professor
in the Faculty of Law and Political öcience of the Lcole Libre des
Lautes 'iLtudes, founded by French Lmigree scholars.
From 1946 to 1958, Consultant anci First Off icer,U nited llations Secretariat
Member of the Division of human Rights,- Mitor, UN Yearbook on human
Rights. 1959, taught at the ACc:deLiy of international Law ac the Hasue
on human Hights and International Relations.
Meinber of the Executive Gommittee and the Board of the Leo Baeck
Institute in New York, xv^ember of the Comniittee on international Organiza-
tions of the American Jewish Comniittee.
fü*««»^
Hamburger, Dr. phil Ernest, New York#
geb. 30.12#1890 in Berlin; 1915 Promotion in Berlin. Ministerialrat
im Preussischen lÄnisterium des Innern und preussischer Landtags-
abgeordneter ( 1924-1933); Lehrbeauftragter fuer Verfassungsrecht
an der Staatlichen Fachschule fuer Wirtschafts und Verwaltung Berlin.
1933 Uebersiedlung nach Frankreidi, Mitarbeit am Institut fuer
vergleichendes Recht, Paris, 1936 Mit begru ender des Institutes
fuer Publizistik an der Universitaet Paris und dessen stellver-
tretender Gene ralsekr etaer, Redakteur der Zeitschnift dieses
Institutes, '^Cahiers de la Presse". 1940 Auswanderung in die
USA, , amerikanischer Staatsbuerger, Lehrbeauftragter fuer Sozial
Wissenschaften an der New School for Social Research in New York,
, Forschungsarbeiten wirt schaf ts-und sozialpolitischen Gebiet
im Aufttage des •» Institute of World Affairs". Seit 1942 Lehr-
beauftragter, seit 1946 Professor an der Kcole Libre/^ des Hautes
Etudes , New York. 1946 - 1950 Redakteur des Jahrbuchs fuer
Menschenrechte der Vereinten Nationen, zusammen mit Professor
B. Mirkine-Guetzevitch, 1950 - 1955 alleiniger Redakteur;
1948 - 1955 Internationaler Beamter im Sekretariat der Vereinten
Nationen, 1957 - 1958 Fachberater in deren Abteilung fuer Men-
schenrechte; seitdem schriftstellerische und Vortragstaetigkeit»
«jr^&e-c^
OM^
in
[XuA-cn ^ ■ "5^
(} . lUti,«K)r, , . ,;, 4^/-,'
")
^^
1^-
(j . H-ttt, r-ir, ^^^ (tf-, (t,^ (1
'^^••«,c^.,Y>^L>^^' -^^vif^/' i.u^>'l^ iy.<L^^^ ivu^^.-^. U ^-w^V.i, uc<^ ^•^^^,
I I
CS T^^-tC^
\ VvC^ltCv.' ,
VW.'aiUKc_f./ w^^/V.f «--^./r^.l.^ ..c:..^.'./ ^^.'^-^c ..^v4 -r'.-.^
^
V - ^uf>
/
l/'U^
<y
4< ^.
/(^C^ /f /f/^ü
A
/f/^UA (/
r) ^A - /^'^^ I(m.<xj^Jj^^
/4-x
^
a
Z
^
^ f2^
ZocaM^<^'
u<^ ^ /y^"^- ^u^-^
c <-
^^^^ -L^f^^l-- ^^^^ ^'^^ ^- ^^
/x;^
^ /W-<>-t-^^,>^ -
/
Anuß^
11014
lU f
/?/v
l'^hl
f. ?■ ly^^ j2r-
,^-^
'^
'iAA-'^^
fc'^^.sr^N^gli/ b '-^"K ' '. v5*v* - ^^*- ^■''" f!"
h*<W^
i»-i.l -':M'-^yi V'
■■^ft^i
i^/Ä^^%^t■,■•v:■:^«■
^^iMM
/7
A
fä
/^-^^v^>
^
^/■üiTc^
4^ /f^'^
/
/ /^
V^
vy^it-'-^tijVi :*Ki'j
ü
^rt»S"
\S:^
<»..
^^
■:-v>i^"^(>^«i.
:Sa
"%
\
L*(
ifX*
fl
y?.//.
t
kjfl
L
*'i,i
t-i
..'-^'
:M-'
A
i
^*
f ■■
k^'
(
h-
:P.
f*
tt,
/,
/• *
10
U~
^ • . . • « »
1 > ■*
6-" ^
■-•> ."
B«r fr«ttssl0ete »r««s««)Mf 1919*1932 • IIa Uo-Hibliosrftplil«
aoli«r Ilnv^ls ««f Maas aoslar (Imi PakllsUitUt, l^.JaJurgf««
1969f H«ft 2, S. 223«229)*
wlnfrUd B. Urgt
Klaua lialMttt Rah^aldtt DU pr«tt««ioM VarvaltUAf das Regia» uagabaiirta Bro«barg
""1848-1871 .Ji^ota, Ml» u. Barlla, 1968, 4l2 S. 4 Abb.,^
f^^'^.^^y^. ^^^^<^ jv JCi^'^^^fi^'i ^/ ^^t^^^/Cka/ ^^m^^*^ ^^rc/
3^1 /h¥^,
U' £ ^.f-*^*^^^^ (/^"r^^f^ j^^^t,/rT 'y^At^.,A,^^ ^y /^v ^ >/^ :^4^ ^^^ >^, .^^ ^^^^jT^^*^^
'■".•> V -V -w >*>>:
fe;«4-<Ä?^
'■^t,'-^>M\M--'
' 'ifti::^^--:- f
^&'S:.K?
:^Ä
SiSi*i
•^'> '■■%i£.-/.'':V-
t^:^
a* y(f
/•<U iJ^f^^iU ,;r^^ «.,\__
■'4c4'
^
/7ii^<♦ /fvy
u^
A^if^^ tvÄ^s*««^^
*/Uv
c^*
W
f^it- \
j'^^mHl
A'
I/.
/^
U^C^^j? (Lju^c^
^
I
^' f^s y /p?^.c.^,cw>-^->, L^u- / f V r / /kv^ - -C^-
v^. ^,
II
/9-Si) Ä-e-.
V f
-^ ? ' /^^ . (/«^t^
/
M^^
.a>-t^-l_.
^\/ — -^
*? t/V^A^<;.
I' I '
f fi^ /K
<^<^^-C^C
?
^h-f^ L^u3^^i^_^C^^ Ä
^
^.e-.
'^ -
^v^-^<,
^:i"üi^y
,i^ik
^^ ^
y^^t^^c^/p //•
l4;^{A^ <fff^'€^'^^jg9^€yÜi^' r^*€4^^gi0$c^
U/ iu
(0^^^ff^A^^ i^ ^yt^ J^ß^M^i^^^^ffi.^ ^^^
€</i^ ^/^ , ^Oha
/i^ei,^».^^^ /f^j^
/ /teyUi -
->• 1 ' rV
» r*'5
■>/.?:- nf,>^^
'•"■S.Vl '"^
'^,^^.%
?. ■"• ►.,<=♦ ^= . " f
^^^u^ ^«''
'^t^i:*'
(\ -""T -» ■^r"' ' ^§frr ,'j^ ',
OM^^A^^jf^. ye^^^^ ^
REFERENCE.
JCCESS, NEW YORK • FIELDSTONE 7-1100
r
Hans üoslar ^ ^^ .^ , „ , ,. , -. c^c^
Kinfried 13. Lerg.Der preussiscüeTresseci.ef Itlfe-i^^d-.
..in Bio-bibliographischer Hinv.eis auf f-ans aoslar.'.
Publizistik, Konstanz, Heft £,ie6t,o. ^22>-2.ä9
Von ia£-19C2 Leiter der Pressestelle des preussischen^ otuatsmnisterium£
zuletzt llinisterialrat seit 1926. Geboren Hannover 4. 11.188S, ge-
storben bergen-Belsen 25.2.1t45. ..b Dezember iei^5 m i^msterdani
1943 iS das Scer .esterbork gebracht, von dort nach Bergen-belsen.
icic seine erste groessere Veroe ff entlich ung gegen den deutschnationulen
IntrsemUismus, B?ochuere in /lugschriftenreihe, in der aucn Beitrae^e
von ^uren '^'uchs, Alfred IViener.x^'elix Holi^ enaer, Berthola Jacob.
Jtto Kn in Bknnerungen ueber "Verjudung aes -^^^^^^^l^]^" '
Goslar baut amtlichen preussischen Presseoienst auf, d r taeeücn
SschLn. Otco Joeh.ini;.r(163£- 19.4; Freund ■^^^'^^^^i^^^.
spaetcr Linisterialrat i... r'inanzrainist eiaura,dfcr 19lv erst«.n i-eh.atf
trag fuer ZettTnTrs-aT:de--äirOh-l-Ter3-i ta-e1r^ierlin erh.elt una aucn an
Handelshochschule.nochschule fuer Politikun. Verv.alt ungsakad.niie
leSrte. Go.lar schreibt Nachruf auf Joehling^r in .raru.furtcr^..tung
1C.C.1024 o.lff.ürv.aehnt .loehling. r auch ii. Vortrag m VerT.ala.vngs-
akadeiaie ueber Neugestaltung des staatlichen Presse^vesens in Der
ütrxm
neisebucl
3nbund, Berlin, 25. 2. 1930, dazu auch Deutsche Beanitenzeitung,
1 22'.2!l^30. Heist i.nae Dezeiriber -19al-J.n-.Ui^, schre.i.bt.. ein
■.^resse,
1 c ' - "^
b
.arueber. Goslar i Aufsichtsrat der AG fuer aucü una ^
üer Oeffentlichkeltsarbeit voia Heien und Preussen inspiriert,
.p'.etcr uiugewandelx in Nachrichtenagentur 'i^r Reichsrundfunkgesell-
schaft mit aemlJaraen Drahtloser Dienst AG,v-o Goslar f-^^rf^lfHl^'^^^'''
stellvertr. Aufsichtsratsvorsitzender v.ird. aerf.<iie hntsuenung de^
■Rundfunks in Deutschlfmd ,i^^rankfurt 1965, S. 145 ff una iioo. l.^d
Sieb Gosl:.r Brosc..uer4 "Politik: und Parlament". verlangt aufrechte
republikanische St atsbuergerkunde,.aiteiin^niiie -uexüestex i.reise xuer
Publizitaet in politischen D.ngen.Gab diese ocnriit als heft 1 einer
Reihe heraus unter i'itel "Du un>i der Staat ",gegruenaet von i;.^ni und
Hirschfeid. Beklagt dass zahllose Zeit .ngsleser m Gegnerschaft
gegen die Republik gedraengt v.erden,dass Presse .urcn Inflation
in finanzielle Abhaengigkeit von aer inuustrie Straten sei. 1.-^2
Vortraege fUer die deutsche V.elle, -n 2 i^roschueren unt.r uaa xitel
V.eimar-trotz alledeml publiziert.
1932 zus mmen rait braun Urlaub angetreten,aia 7.9.19«:2 z,eitangsmel-
dungen.dass er i . Urlaub bis l.lc dann zur f ;^y°^^.^^°"-;f,,f ^^.^^
schieden die meisten .atar.eitcr aus,.arunter ORR ';"f„^^^^;^°" .^_
RR hans Heinrich Bormann, ^.alther t-s^^f'^^^^^f^^J/^^^^'J^^f stelle
Wissenschaft das ausscheiden Goslars (15_^_9^1932^o:^£21...n oem.r Stelle
Adolf von Carlov,itz(lS58-1928j ,seit 1927 im ueichs.. ehrmini sterium
dann Presseabteilung der Reichsreei^ rung,dann preuss. P
ab oepteKiber 1£^2, tritt ir.. Februar l9Ea zurueck
ressechef
'^'•^^'C^icC^.,'/'/:X^> ^- ^-— /^^i-c- WUcv ' ^ /^-
Pci S <^'"f <• <- ex. o«: Ut V <l.c> '^*-^<--c o
C'
1/ ,la,i(<,-Jici.^ H-Uf-lftijli ■'io'.Jl-L^^
V
^vcv^
^, 111
f\vctc^. r^r^f^^^ 3i ^ Hai-
c/^
/J"'l£ <^^/7 • 'j
' Sc t^ h^Z U\ c^<^^e^
/
Jhit^U^TXA' ^^ . W( A'-^^c^uVt oc/vi^ ^i . ^''c^^'^^ L c.-<-^ ^^^C^ct,^cL^-('t^^c^a.x^i Cct^^
q\
1'^ /
'-^ .^ " 4-^7 /U^lÄA'W<-W7 '^U'^-L L-^^fux^ U ä {i^Lf '^I^V \
^^h^^t^fi^^
v • *J|
z
}!]UjAyiKt
i]/lA^(UA^^
S f^^'
<j • r' ' "^
OC.(.C^ U 4^'^^i. , h^ ^^ ^^^^ U-^*- '^'^^ ^^<^^o-^'Jhi'-
i
^f<--yv^,.^ 1 V^o'-Z^-i^^^Va' /1<-<-06-^
•^ A C Cc^Cfi ti C^<^o /^
V
fc
BOTHO BAUCH
MINISTEHIAI.DIHEKTOR I. R.
' t K V-
1
Herrn
Dr. Ernest Hamburger
New York
KAD «ODESBEHG 1. DEN -(y^j Sept. 197o
53 liONN
HONNEFEH STRASSE »
TELEFON 1.^40»»
y/Ul/^^Tr^
u
Sehr geehrter Herr Dr. Hamburger!
*^:
/
Ihre Anschrift habe ich von Bürgermeister Dr. Weichmann
erhalten. Sie werden wahrscheinlich meinen Namen nicht mehr
kennen. Von 1929 bis 1953 war ich als Junger ßegierungsrat
Hitarbeiter von !^essy in der Polizeiabteilung des Preußi-
schen Ministeriums des Innern. Im April 1935 wurde ich in
die Provinz versetzt. Von 19^9 bis 1962 war ich im Bundes-
ffiinisterium des Innern tätig, zuletzt als Leiter der Abtei-
lung für Beamtenrecht.
Vor drei Jahren habe ich vom Bundesminister des Innern den
Auftrag erhalten, den Personenkreis der Mnister, Beamten,
Angestellten und Arbeiter der inneren Verwaltung, die Todes-
opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geworden
sind, festzustellen und über ihr Schicksal zu berichten.
Diese Arbeit habe ich inzwischen beendet. Ich will Jetzt
meine Forschungsarbeit auf die ß;esamte deutsche Verwaltung
ausdehnen und das Ergebnis in einem Buch veröffentlichen.
In diesem Buch will ich auch das tragische Schicksal von
Ministerialrat Hans Goslar schildern. Dr. Weichmann hat mir
mitgeteilt, daß Sie mit Hans Goslar eng befreundet waren.
Ich wäre Ihnen daher sehr dankbar, wenn Sie mir über seine
Persönlichkeit und seine politische Wirksamkeit einige
persönliche Mitteilungen machen würden. Senatsdirektor a.D.
Dr. Hirschfeld, mit dem ich in persönlicher Verbindung stehe,
hat sich hierzu bereits bereit erklärt.
Zu den Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft
gehört auch der Postassistent Eduard Zachert, der von 192^
bis 1932 als Abgeordneter der sozialdemokratischen Fraktion
dem Preußischen Landtag angehörte. Eduard Zachert ist wegen
- 2 -
- 2 -
angeblicher Wehrkraftzersetzung vom Volksgerichtshof
durch Urteil vom 3o.4.19''4-3 zum Tode verurteilt und am
22.7.194-5 hingerichtet worden. Ich will in dem Buch auch
sein tragisches Schicksal schildern. Da Sie ebenfalls Mit-
glied des Preußischen Landtags waren, wäre ich Ihnen dank-
bar, wenn Sie mir auch über Eduard Zachert einige persön-
liche riitteilungen machen würden.
Der Kreis der noch lebenden Beamten des alten Preußischen
Ministeriums des Imern, die beim Aufbau der Bundesrepublik
mitgewirkt haben, ist immer kleiner geworden. Vor 9 Monaten
ist Staatssekretär a.D. Bleek und vor 2 Monaten Ministerial-
dirigent a.D. Dr. Mosheim gestorben.
Ich hoffe, daß es Urnen gesundheitlich gut geht. \Jenn Sie
Dr. Simons in New York sehen, bestellen Sie bitte viele Grüße
von mir.
Mit fre^ondlichen Grüßen
Ihr
•«««>MstJ»("-" '
/ J»
y
L
i'-p
rr-^^ft/
7
■f s
/
^'/
-» ¥
'kj^ C*Ü^^
1^ y
Dr.HU^nest Hamburger
67 Riverside Drive
New York, N^Y. 10024
26. Oktober 1970
u/r 19- EH/IS
X
/
Herrn Minlsterialdir^ektor a.D. Botho lauch
Honnefer Strasse 9
53 Bonn-Bad Godesberg 1 -
sehr geehrter Herr Bauch,
vTAien Dank fuer Ihr freundliches Schreiben vom
26 V M das gestern eintraf. Es hat mich Interessiert,
£;« si4 sich niit dem Thema "Todesopfer der natlonal-
sozla?ist?schen Gewaltherrschaft " befassen Das Ist
l?ne sehr verSenstvolle Aufgabe. Leider erinnere ich
mich Ihrer nicht mehr. Es sind zu viele Menschen an mir
in den letzten 40 Jahren vorbeigezogen. Sind Sic iden
tisch mit dem Regierungsrat Bauch, der 1936 Buerger
meister in Tangerhuette geworden Ist?
Puer die Biogi-aphle von Eduard Zachert ziehen Sie
hUte^dL Handbuch des preussischen Landtags heran,
5ahr 1928. !932 Surde Zachert nicht «iedergewaehlu.
Ob er 1924 in den Landtag kam oder bereits 1920, wie
Salter Hamme?, "Hohes Haus In Henkers Hand", Prankfurt
a Main, Buropaeische Verlagsanstalt 19^6, S.lOl, behauptet,
muss aus dem Landtagshandbuch hervorgehen.
7ftchert war ein hochanstaendlger, der sozialdemokea-
tischef lachfergebener Mann, -dlkal in der Gesinnung
Tef^nfe^fn ^^rfanS^nfe? ^^1 V
angehoert .
r— ueber Hans Goslar unterrichtet nef^j^^ss ?J" ^J^f^i
des Privatdozenten Winfried B. Lerg, Institut fuer Publl
Jistlk Domplatz 23, Muenster/Westfalen, in der Zeit-
schrift ^bl?zlstlk" Heft 2/1969. Er ^nthaelt Jedoch
manche LuSken, auf die ich in einem Brief an den Redakteur
-2-
'M'
• 2 -
26. Oktober 1970
U/719-MI/IS
-*;-;!
I
Herrn Ministerialdirektor a.D. Botho Bauch. Bonn-Bad Oodesberg.
der Zeitschrift aufnierksam gamacht habe. Herr Lerg, riera
mein Brief zUi^eleitet worden ist, hat sich dafuer bei mir
bedankt, und daraus hat sich ein weiterer Schriftwechsel
entwickelt Photokopis meines Briefes liegt anbei. Er
publiziert; viel auf allge^aein politischeu Gebiet und ueber
juedische Problsne.
Goslar war Sozialdeiaokrat . In Juedischen Fragen gehoerte
er dem Misrachi, der orthodoxen Gruppe der Zlonisten.an. Er
war ein claeublger Jude und verbarg seine Zugehoerigkel ^ zum
ZionlSuf uiS zur Orthodoxie r.ieumls, auch nicht ini Amt. Von
1923 Ss 1933 gehoerte er alä /dtglied der Juedischen Volks-
iartei der pipraesenta, tenverf<a,-an.lung der Berliner Juedischen
aSSde an. k- mr von 1919 tia 1532 ?x;esseehef der preussi-
schen Staatsregierung und hatte .isines VJusaens nxe einen
Zusamnienstosa wie Herren dor Presse in Pressekoni erenzen,
cleichviel welcher politischer Ueberzeugun;:^ sie waren, jir
war als ein liebenswuerdiger, froehlicher, ja uebei-nuetlger
Mensch, das Gegenteil elne^ Buäx'okraten, -ll^^e-.'ein beliebt.
Er heiratete die Juengere Tochter aas x-veGUi-s<*nwai-ca ui . aj-libu
Klee in Berlin.
Ich bin eiche.-, duüi> j-iiniüLerlulrat Otto Hirsch und aegie-
runissraetin Cora berliner in Ihren Buechern erscheinen.
Von Bleeks und MooheimP Tode habe ich nichts gewusst.
Ich erinnere Jdca beiuer sehr wolil.
Ich stehe Ihnen luar vefcere Auekuenfte gern zur Ver-
fuegung. Zur Deschleunlgung des BrlefKSChsels etaiifehle ich
Luftpost .
Mit freundlichen Gruessen
Ihr
tirnest Hamburger
Anlage: Photokopie meines Briefes an Herrn Walter J.Sohuetz,
S "Publizistik", Duiseldrf ueber Bonn, vom 23.1.19/0.
>'^-
12» Maerz 19ö6
' ''St¥-M
[
3ehr geehrte o'vm Urimme ,
-ich sehj/lL^en ^ -tiSn'l^Sti'^'^ ich c-rhal.en, und ich freu.
grosse Preude -.nf .n o-, < aau.-.eii, denn es ist lair eine
LlJren 'Gatten iüexVcif! «ri«ft^' '^"7 Buche, aas die .riancruii^.
gemac.c 2,/hac".. ^ erüaiten «xrd. einen beacr.eiaeaen Beitrag
.c*s iiat öiir sehr leid i;*p»t«n /^looa les >^ *, . i. ^
Heise naci) Oeutschland niont ^ied^-rsenen ^rv,rnr^« .
nei
•'AI In rem TSreiteren F
ra^ea
Kann ic/i Ihnen folgenaes .^ac^en :
Peiser wurde 18^5 in Berlin gebore ,Dr^phil
•erner
die Pressest eii."'derPreu'tsnnhPr,'"^t'"tt f'f ^f-^f" .{-^^'Phil- , trat in
Ob. rre,.ir:run.4rat ;v-!rde tei nu^^> -t atsniini.t;.riu.is eia.wurde Uort
Sprachen an die l.o7ST^ntl^^J;:l''t'1^^''^'''^ a,.r ro:nana^ chan
"JSA)
und 1958 Gesandter In ..icara^^Ja: r lebt t'Jt »^'^f /"'' '" ^'^'^'^'^
a.b. in Palerrao. -^^^^-u^. -^r xeot Jci,/.t als dotsonafter
Kurt Rlezler, ^cb.l3e;i in iiuenchen,, hiloso.hia otudien, tr.t
en Olenat Deu tacnlands ic.6 ein, v.:rbli6b dort
ßetiiraann i.ollwegs dessen
in üen ai^.lomatisonen Dlenat D« t-ärril^r-iR c.. .
bis Iiat, war unter der -anzlersoiiart ßethraami •.oH;«.-'- n^:'.««"'
-^^"■^n-rcfc^^ una das daher, wenn
an der
i-ehrte 19ö<i
war verheiratet"r.iir(I r Tochter at:;. ..aitrs
seine üoiigratlon erfolgte i:Wahre ii-;5a .e,
ssor
c
n
seiner jue. ißchen Frau.
im pre!ssi sehen üUerrfchtsndnt't "''^ ««»««".^'ss er . ini. ieria.r.t
di. bleiche oteninr^if d?e mfjrr"!^^' ^"^^f ^"'^^^'^ ''^^" ^'
I.U j-unue n.'jich UüA eiai^Tlerte und meintr lt-
/
Innerun^ nach ini Brooklyn College eine Zeit lint: b schief tigt vvar,
;o sollte il'ielm Gae c viel besser i;. der Lage sexn,ueber ihn
Auskunft za erteilen odlwr von der ^t ette seines fruoheren . j.
Auskunft zu £rifiaiten,aXs iaU ta bin» icii schreibe mit gleicher
rost an Gaede»
rkens
Als 192€>noch zur Zeit Beckers, das Konkordat mit dem Heilit*en
otuhl abgeschlossen v/arde, :.anm der Landtag lait den Stimaen der
Hechten uncl das Zentru:;is eine Resolution an, die einen entsprechenden
Vertrag auch mit den evangelischen ivirchon Preussens verlangte« Die
ser Vertrag"* wurde Lnde 1929 vom StaatsrainiHt eriuia vorbereitc?t -
eine '\/'orbereitun^: ,die sich in aas Jahr 1950 hinzor •* und der jnt*
nuff wirde de :a Landtag 1930 voxgelegtt Er v»urde in diesem Jahr «lon
den oben genannt 'iin Pai'teien ge^i^en die Koraniunlsten bei i- timmenthal-
tuni^, der Sozialdemokratie angenocLnen« ijass die sozialdt mokratische
i'raktion dea honkordat zuf/cstiiamt ,ßich aber bei dem evangelischen
Vertrag der Stimme enthalten hst, hatte eine .-teine vor; Gruenoen,
die auseinanderzusetzen hier zu kompliziert v^aereBl«
3*
Ich
r
Ueber las Gesetz Gross-Lerlin Äeiss ich kauca noch etv.a_
/7/Z^Af^ erinnere mich dunkel, dasa i . Jahx^L/l95w Grzesinski und ich uebe
d^u l-ntwurf i Freien ^Vort, der 30zialdeiaoKx*atiac aen wioclien-
«ichrift disKUtiert haben« Ich emprehle Innen sicn ueber dieses
Oesetz und auch ueber den Kix^chenvertrag^ wenn Sie eingehendrres
darueber v^issen isollefn, mit Herrn Paul kaier, xabliothek,oozialde-
mokratischer Parteivorstand, -;,rich Cllenhauer Strasse Bonn in Ver-
musa das «Janrbuch der deutaci;en
Litten v^ie Herrn ^^aier, unter
binuung zu setzen« Die bibliothel:
oo zial demoKr at ie f ue r 193») ha ben ♦
Ein^^eis auf ihr Vorhaben und unt.r Bezu^nahnic auf niici:,üic oeiten
des Jaiirbuches fucr bie 2U photokopteren oder sbscnreiben zu lassen,
aur denen vorn Kirch envertrrir und von dem Gesetz die Rede ist« Lie
einzelnen Linge werden dort sehr konzentriert behandelt, es harrielt
ich also um eine kleine Arbeit,uni das abzuschreiben«
s
Geber den Deutseben ^tudentenverband v.ei3s ich nichts« Da 3ie
meine Lebensdaten haben wollen, 30 gebe ich sie Ihnen hier mi i: f4r*
cnueer^en* öie moegen infol{X d r vielen Stationen meines Lebenswe-
ges etv/as auc-fue rlich ersehe inen, ab er oie v.erden ja nur das auf-
neiiiacn v^as irülich interessiert. Am v»iac. tigsten v*ar ineine Taeti.^eit
im Lan^itag und in der Ui-'O.
\
Lrnst Ha^burrer, eeb«1890 in Berlin, Dr«phil. ,liniversitaet Berlin«
Von 1920 - 1953 in drr preussi neben Verwaltung, Ivlini^terialrat a«D«
19£4 - 1933//pi-ut^:liej. dcs Preussischen Landtags; iütglied des Vor-
stands der sozialdemokratischen rva^tion« 1933 - 1940 in Paris, or-
schung/-und ünterrichtstaeti^<keit am reohtsvergleichenden und am
i^eitungswiasenachsif tliohen Institut der uorti::^-en univeröitiiet . oeit
1940 in üüA, Lehr-und P'orschun^staetigkei t i:i Verbinaune lai l aer New
School for Socfial itesearch, 2'rofessor in der von franzoesischen eni-
grierten Gelehrten fi;e>/rucndeten i->cole Libre des Hautes Ltudes in
New loil« 1946 - li59 internationaler Beamter in der >.enschenj^recht3-
abteilun^' des ^-ekretai.^iats dcrU*\0« Seit 196ü i 1 Board, seit 1965 im
r^xekutiv Komit^ des Leo Baeck Instituts in New \ork taetif, und mit
Forschun^sauf^^aben von dem iniititut betraut«
Viele/herzliche Gruesse und beste Wuenscbe fuer d n Brfolg des
Buches v%
14. Tobraur 1070
Herrn Dr» dians lilrächrfiXcl
Linden illee'~"S^^' ^^^»--v^,
'■"»«»HH«» JWHWW* 4*
V:^-
_^!J^iüL
nel :iv?ei üel£r;enht^iti;u uciltt icii iiucr:::iicli ri.nl' ss, an oxe
zu ut;iik'^i,aüemlich als Dorlo unis »^-Inon frrnndlxohvvi J^cujabrs-»
^uni^ivii v'^ricit^jJ n ^^^.r inz\,lsohtn ervvidcr'C iiBf^en, mu;. alt: ich
ira A.ufbuj, laa, do.3b »^i^ einen Aufsati, ''Pxi.\}hiiexii> \i\tiklar.f{/'
xra Jahrbuch .Preussischv^r Kuitu). • ;-'öi c--. x90c veiOfffentlicht
^ioii-:!' i:it.}rei:.^.iv.rt Lcxch ndlu: i-li.cri beson^. r
v> •
*-?j'
habe
'iiii? ]-.'-• o iJaec.
1 nöti tut je-
st^ilirn j/: äsen, aber yenx. -ie eiuea . onderciruoh ut^brir-, haben,
80 wuorde loh: ^iicn Trcaitu, iveni. oie loa r^ir yMccvyien v^uecden«
v>ie haben jncixK -»icaärhui oen Di.t t«^::ni ^uji letzten -ut.al
.uat:aulx.--h ,üii^ i.ct"^ ^:ie xa xi.rcr- «»ohnun,;.; ^j:'3U;;h^i^ und v.ied r-
seiieii nicht nj.r üii t ihrer ''rt:u, >?ondeiU aucn lu i> Ihrer locht t-r
jiva nad uer^n 3ohn ft i^.rUf ^biorn.r nxcht c-rfuellt: es h^^i.■v•A Ite
j?ich u «^ruinj J.':5f^i' ..ie rni:.-/- ciiu n i.ebi-ü^jj.uui voü öic:i sohle, en
: of::ch-l6'n,':eri ich fa-r mein Hucb "Jud n ii\ oef f ontlictien Leben
Deatncnl' ndt»** '-le ..ei t 1er ricivrer ut.^^ul.lih''v^ rwenc^ei) koet^nte»
oX€ herben ciicherlicu gcihüert od r f:el sen, ci'ias das Buci.,j.as
sich "lit ier jn^n'-rc^-ißch «a ^ei w bt scauef ti^^t (1B4^^-1M'- } in-
z^ftigchen <^roCh.ient-n .l^t»
j-ch haut nicht uit üboicht, je on ei
Beamten auf r^ fut-h rr:;;, r.enau so tvenig v.'ie.
reitr. f-rschicnen Benae geiian h^be.Iiur fwc
fer;jl;rebe Ic); '^/ollüte.eniiii^s.^it* '^bt'V :,'ie v,
xn dt p. Buch erGCheirien anu aeshaib v-aere
frnben zu orhaltcn, da-iit IrrtueL:^ev v< r'XLo
preusa» innenniiniateriuin beabßichti^re ich
Jbadt zu ervif^cYinen^dcT Ja der rLiie:i>ü^'ßi"Aßt^
i"«ai • l)ie ^Anderen wie AbraiüovicZji.empner, a
der in New York lebt,v.ill ich nui* niit ein
zeichnen« Uoba ici. bei Ihnen d^ütieber hin
dareuf zurueCb.zuf\^.ehren>doss 3iz bei -^ev
ja eine b^ sondere Vertrauenöstell«) einten
iiianche jue; Is-'he i^e'-icute lacu cei anderen
v?elr\(^n ! in:l: tr^r od.r
ich diefi ir c,eia be-
r cli«' •b.^eor dnot cii
erdc^n auf ^oden Fall
es mir lieb,, hre . .n-
,8\i.'se-^'' ihr^M-t :}och
jufuische i^eoxite dort
en v-per} ??fi^er'~i Icion,
psar .orten keiin-
eus f^.^"" l'fTt :r.o 6' c- h t e , i i; t
ring un^^ (rrzensins.wi
omraen haben, d.ie fuer
.uinistera typisch ^ar ,
\
;^j'^.
) i'^
^ ^ v.if rn hf^arbrä-Cf^t h' ben» vvaö ebenfalls
inncrungen auage aproci.en nat.
^^r ,-••" aiicl- eiiiij't-s uebtr ihre
Dankbar ^^aerc ici.. '-hnenrAeuu .-..e ux- ^^^.^-^^^^^^^^ achrLuben,
Lcrn.elt bei adolj "^;^^'^.. J^.f^J.^Tue äa2?ten,d.t'ss noch ein anderer
werden aolile. ^ch <if ''■ 7\,^-^'- '.'^^n 'soiner rn«ti,.r^i t ^^ur u«u
Also bitte: iu:ber'.^i.u.'€!n .i.. J-ui ..o^o^i" -•"
red er -n dit r.ar;.-l
„ .- ---f =- irncp Lu^;' Ibrer Fu.uix.'B «ut. Bei >-''^ =
l;.oi.TtnT,Xi^r. e.<ru{. ^-.c t^",,,,.., ic>. •.! .■ i "^.ai -i'-'^- -^-i- i.= . '.■■ner^-
ist -üic« ix. ürc..-iune".,-iU3»Hr dB.3 Ic-- -^ ^,^p^^,^,, .;eu ri. .riceü.
urit. r .c-.iMV- iC:i aeiif. " xt-i t-,
Sprnch,-'-u,.pe,dmm - ■fi«^«'^" °' ;;,';:' . v,.jt.;irc ..nd6 a s .otatb
heeurer and ^^«^-i^^S, ■■«^-'^^»'■'^^%,:.;tj;:'' ' ^,,c)>c-:u soll.. LsriiBV-'-r'-o
Ausruf naoii -^^^, "^V V^^^i V ^^abrer ^j- v^oröen^als v^iv- .-3 iu-v.-^
noch ^a:-i^ ^;rlet-iil x^u sri..! ^^^x^x ^.^
UeiTzilcne arue8:;e an >ic
2. \X
r ^
.ivi
jir-i v'rau ?o.i vi>^^ bvu
. : er
ibr
y
■fM^
16* Juni 1970
Lieber Freund Hirschfeld,
Herzlichen Danü fuer ihren Brief von) 7. Juni. Ich haette
bexti mt nicht so ge raengt, v^enn ich gewusst haette, dass Jie
so grosse oor^en hatten, dass Ihre Frau kranK wurde und operiert
werden musste* r,ir beide lÄuenschen von ganzem Herzen, dass sich die
gute iiTholungjVjn der öie schreiben, weiter fortsetzt, und wir sind
beruhigt durch die Zuversicht der üerzte« . ir hoifen sehr, dass die
Untersuchung im August ein volles Keiiungsergebnis zeigen wird.
Auf jeden Fall gebe ich Ihnen unsere Adresse i i iUigust,hotel Beatus,
J*ierlisen,I'anton Bern« bitte lassen Sie uns doch dahin wissen, v.ie
es geht. Fuer vorherige Nachrichten schreiben oie an die iNiew Yorker
Adresse, wir fahren i^nde Juni ab, aber unsere lochter v.ird uns
alles nBC schicken«
Ich glaube schon, dass ie zu Inrem 7ö. Geburtstag sehr gefeiert
worden sind, sicherlich nicht ueb:r Gebuehr,denn nicht nur Ihre x*.r-
iönerungen, sondern auch Ihre Leistungen reichen ja weit in den Be-
ginn des Jahrhunderts zurueck. Bs gibt nicht mehr viele, die:; aus
dieser Zeit uebrir geblieben sind, mer laemen ..eimar-Bana sind die
.r-
in
fuer
Reihe
Uitteilunren in Ihrem Brief sehr vächtig, noch saerden es die
innerun^ven sein, an den^^n Sie arbeiten. Diese /erden Ja sicner
diesem oder im naeohsten Jahr herausi.OxUiaen und daher von mir
den Band noch benutzt werd- n koennen .D' nn der vard noch eine
von Jahren beanspruchen.
An den Mitteilungen ueber .-idolf Braun lag mir, weil ich ihn
stets sehr geschaetzt habe, rir kommt nicht so zur Geltung wie es
sein sollte, weil er in der nachfolgenden Literatur i.. Schatten
von Heinrich Braun steht, der in gan^i. anderer vveise seine Bedeutung
hatte . Julie Braun-Vogelstein, die: hier mit S7 Jahren nod. sehr
ruestit- und auch geistig frisch ist, hat Adolf Braun weuer in aem
kuerziich neu aufgelegten Buch uebc r ihren lann und auch nicht
in ihrem ..rinncrungswerk "Was nie als stirbt'' gebuehrend gevvuerdigt.
So moechte ich dazu beitragen, d' ss er in seiner Bedeutung als iäensch,
fuer die Partei und fuer die Heranbildung eines qualifizierten jour
nalistischen I^lachwuchses fuer die ja im allgemeinen sonst recht
wenig bereuten e Parteipresse de richtige viuerdii^^ng erhaelt und
in der i^rinnerung weiter lebt. Dazu weraai ihre Brinneiungen natuer
lieh noch mehr beitragen, da oie ja durch seine Schule gegangen sind.
nie Sie aus dem i^rieie sehen, wollen wir im Juli und August
in der Schweiz sein, ^»enn es sicli einrici.ten laesst, wuerden
wir uns sehr freuen, wenn wir uns alle vier \.iedersehen koennten.
vielleicht und ho rf entlieh erlaubt der >ustand Ihrer Frau, dass
Sie auch einen Aufenthalt in der Schv,eiz nehraen koennen.^it i eiser
stehe ich in Korrespondenz, und wir wllen auch versuchen, uns
v.ie er zu sehen«
Bezueßlich Adolf Brauns habe ich natuerlich die stellen ^^ .
Stampfers ;:rinneninßen gelesen, die ihn ja aehnlich schildern, «xe
oie es tun. Vor kurzem habe ich das zweibaendige , er . Die i'.egie-
runc- der Volksbeauftragton zugesandt erhallen, und eine kurze Be-
sprechunp darueber geschrieben. üOY.ohl ürich Matthias» Kinleitung
hat mich^bei allen Vorbehalten, die ich zu r,-chen habe, sehr inter
essiert, ebenso ousanne fciller's grupndl icher Komi;ientar. Llt xhr
■ctehr ich in re^elmaessigt r 1 orresponden;.. 1.
Kochmals alle guten wuensche von uas bei _:<3i ,voi- allem fuer
die Gesundheit Ihrer xTau und herzliche Craesse von haus zu haus
» -
ihr
:-vfe^i^"y..
I^'^;^?^^^?^!
DR.-WANS E. HIRSCHfflD
Lieber Freund Hamburger,
BERLIN^CHARLOTTENBURG J 19 j 7 • 6 • 70
UNDEWfAUEE 3-
302/
34
8
Es wird hohe Zeit, dass ich Ihnen schreibe, Ihnen fuer die ^«rspaeteten
Wuensche und Gruesse danke . Sie wundern sich , dass Sie so lange
nichts von mif gehoert haben: Das mit Fug und Recht, aber ich war schreib.
?aS ! Einfach leil ich eine ganze Menge anderer ^/^^^t'lfZll''ll,nen
m„^=!tP Da ich keine Setretaerin habe , muss ich das alles mit meinen
SfendJn ?;n"--l "as faellt schwer, -nn , man Jahrzehnte daran gewoehnt
ist zu diktieren. Ich habe mich iijzwischen auf ^^"^J-^^f^^^Jg^^^^S?^®
Tmm^-n tA -in meiner Besleitune-- dazu Haushalt etc . , nun, es iDiieu
IZll Zei? und ndch Sniger'sinn fuer. Schreiben .-^^.JJ'^J^^l!- ^J^^Sine
c^Pht es wieder besser, meine Frau hat sich erstaunlich gut erholt, l^eine
iSchrerleJ ! die Aerzte sind sehr zuversichtlich ^^nd las.en uns hoffen,
dass die Konttolluntersuchung i"^ August po,sitiv verlaufen d.h ein
guenstlges Heilungsergebnis zeigen wird., ^uod dei bene vertant I.
— . ^
Hierhaben Sie einen Grund fuer mein langes Schweigen , das zumindest
mild^rSde Umstaendfe fuer mich ergeben wird. ^^^^^^^^^^^^^Xorten
mag, ich haette auf Ihren Brief vom ll^..Februar 7Ü_ sofort antworten
muessen. — - Peccavi. , '-^
Im November vorigen Jahres hat mkn mich hier aus Anlass der
Vollendung von 75 Lebensjahren ueber Gebuehr gefeiert. Mit war das
A^i«^. efnlle der mich drueckenden Ehrenaemter niederzulegen,um mehr
Zeir?ue?'Sifh und-Se^ne^Fr^u , zum ^i^ti— ,-«l^ ^i^J ""iTlXfelt
zur Verfuegung zu haben . Und dabei wird auch "^«^S|.^?^^- ^J^^^^f ^^^"^
als Jourhallst eine Rolle spielen, die sich nach 1920 ^^ ^uernberg
bei der "Fraenkischen Tagespost" - Chefredakteur Dr,. Adolf Braun,
Feuilletonredakteur Karl Broeger abspielte. . •
Sie- wollten dazu auch etwas wissen ersehe icn aus It^^em
Februarbrief. Hier ist es in wenigen Worten. Doch erst mus-sich kurz
noch elnirtal luf meine Jugend im Elternhaus kommen. Ich schrieb schon^
dass ich im Hause meines Vaters ,- der in Harourg das Harburger Volks
bStt " gruendete , eigentlich rank and file der g^^l^f^^^/^^-^tha-en,
kennen lernte, sie .erlebte als Junge schon. August Bebel,Artur btadtha,,en,
PaSl Singer , Eduard -Bernstein, Klara Zetkln, Lu^se Zietz, Lily Bi'a.un
Rosa LSSburg— von Karl Prohme,Stolten,Emil Krause , Louis Gruenwaldt,
S! LaS?enbefg , Heinrich Kauffmann (G.E.G. ) als ?^?^^S^^,^^°!!^^^er
glAz zu schweileA. Da mein Vater in der Bü^iungskommission ders Hamburger
Gewerkschaftsktrtells fuehrend taetig war, selbst ^^^^, .^^^^'^^^^^*®
und verstand- sah und sprach im Hause meiner Eltern Liliencron &
Dehmel.Otto Ernst ,Gustav Falke et tutti quanti. Ebenfalls eine Menge
Redakt;ure der "buergerlichen " Hamburger Z^^tungen etc, meist des
Feuilletons. So kam es ,dass ich als junger unreifer Bursche "»i^ «^^
Mldete , ich sei zu "Hoeherem" als Mediziner geboren--- ich fing heim
lieh an zu schreiben- i Das waere noch gegangen , wer ^^^l^^ftlfUn
Das Schlimme war , meine Sachen wurden in Z^i.tungen und Zeitsc^iften^
Sedruckt,obwohl ich sie unter falschem Namen «^f ^^f 1^^^^^^^^'^^^'*
i±KktK*x auch so die Korrespondenz fuehrte. In 5,?^^^^^^"^^^.^^^!, otto
•>-'fc^^
SfLr'?oi;rha?ter^''Sns."-fr--.'^^^"- von- diesen JugandsuendenJ , "
r^^lv.1 fiJ^° f Hatten , dass ich entgegen meiner frueheren Absicht
nicht Medizin -sondern alles andere mit Wissen und Einwilligung rn^.'n«
• lliriUlti'T'' T S'^hriftsteller , d.h. Sedakteuer eines ' "'
5ters'!°3o uV!^vor i9lk"%r^iäo'?i^ t.t auch alten PreunlL meines
Adolf Braun war ungefaehr so alt wie mein Vater, aus Idealismus und
üeberzeugung Sozialist, mit Friedrich Adler vers^hwäe^^t- e?n L^
lol^f^^. f/"^ unwahrscheinlicher Bildung und Wissen rmit einem
unendlich .ielÄÄ
•ausriVf etc. bracS^mir''i?L^w'?r°^' '^^^ ^^^*^^ ""^"^^ *en Generalstreik!
werden sollte. — Waehrend der erften S^^iT^f^M^ ! , zur Seite gesetz-
ler,mir aus Nuernber«. mit h^vL^r ^ ^^ff Mmate kam Hermann Muel-
ihn draengten^befaehifS V^h?S ^^^. «^^^^hlte, dass Braun und ^everin;
sozialistfn" : fuer den DI on^?^ ^ozialdemoktaaten- keine "November-
an mich gedachte aL?^ 5 '""' ?^^^t® ^u benennen . Er habe' dabei
her rer^braucSl* usw mif Lob.f'rf h^'"^' Keinesfalls gkebe er mich
,chSr:^s^--..ä-£s~^
S?^r-Ä?;r^«L i£ : "?--F^F ^' ^-"^nXller
,-.- schliesslSSschW JiJes ^Se's'bf. '^fn° ""^""^ 'P""°^"" "" ^^^
mit H.Mueller.Severln^ nti^ L ^ ^ ®^.®^''®"' Gespraech zu Dritt
Genossen uebt'l^era^ler Personalpo?itilT^?J.2""°^= ^^^ J^^S«" -^
Bearaten wenn msn »hfr^ ^e^sonalpolitik Kritik, an den reaktionaeren
'Ich willigte y^s? e?n ha?Lf T v,^""^"" """^ ^"""^ ^°^®^ will,kneift Ihr"
-sprechen, nicSL der BuerokJatr.^'^;"''^'^ ^^"^ tobenden Adolf B.ver^
einem Jahr wiederzu seiner £^ verloren zu gehen , mich in
f.r bot- rr,.-+, "-^^^s^zu seiner Verfuegung zu halten
Wie ß-Pht «!°Tv,^^° ist hoffenitlich fuer Sie ausreicliend - ja' "
li ,f^^lt"L?:to^'ZLTilS.ir :.^°r^-/i- ^--^ ^ald el^Iaf nach Euro-
schrumpft im^e? meh^°°us!Sn . "'''' "^^ '^"'°^'- ^"^^^ Haeuflein
o^ Ti,' ^^^ allen guten Wuenschen lind Gruessen
< an Ihre Frau und Sie in alter Verbundenheit K
Ihr -•' ' -^ -^ • ■ 1^
./^^--r
WESTFÄLISCHE WILHELMS-UNIVERSITÄT
INSTITUT FÜR PUBLIZISTIK
Priv.-Doz. Dr. Vinfried B. Lerg
44 MÜNSTER
D O M P LATZ 23
RUF 4902224
31-1-70
/■
•i'jap' •
TIerrn
Dr. lernest Hamburger
67 Uiverside Drive
New York, N.Y, 10024
U.S.A.
v^ S^^^i*/'
>
?5ehr geehrter Herr Dr. ^^amburger,
von der Redaktion der Zeitschrift "Publizistik" erhielt ich eine Fopie
Jhref Li^fe^^^^^^ 23. d.M. ..it Ihren ergänzenden Informationen zu meiner
biogranhi sehen Skizze ^iber Hans Goslar.
Tr^h hin Tlinen außerordentlich dankbar f^r Ihre TTinveipe, besonders f-r
die .^itteUung über Sie aournalistischen Anfänge Goslars als Wirt.chalts-
^ublizist beim ".mtus" und sexne Tätigkeit im ersten Weltkrieg, .^exm Yer-
Hitungschef Ober-Ost. Auch die Kenntnis seines Pseudonyms wird aem T^iblio-
graphen sehr n-itzlich sein.
MPino \bsicht war es vorderhand, mit dem kleinen Reitrag cauf die Persönlich-
keirn'tms Goslar aufmerksam zu machen, biographisches Interesse z« wec.cen
und - Äußerungen seiner Freunde und/Hekannten herauszufordern.
Inz'.vi.= chen sind mir eine Mborraschond große Zahl von ^riefen zu meinen Ver-
such zugegangen, doch Ihre Nachricht brachte erstmals etwas >^eues.
Da ich Urnen heute schreibe, interessiert es Sie vielleicht zu erfahren,
daß wir f:ir unsere Institutnbibliothek vor einiger 7,oit einen vollstr-ndigen
«?«tz der Zeitschrift -Cahicrs de la i'rosse" (iaris) antiquarisch erworben
haben ^ir eine größere Arbeit über das Gerücht als publizistisches Ph.nonen
konnte ich daraus dann kürzlich Ihren Beitrag über -i.'ausses nouvelles et nou-
velles exactes interdites' (3: 3/.Tuillet-Septembre 1938, 417-427) anziehen.
Womöglich haben Sie für diese Erinnerung noch ein Incheln übrig.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr ergebener
/
,,r.t.f*fall
? >• ♦» ■■' .
f /
mj
f/l-v'l
//
!!• ^ebruar I97G
Herrn 'Xr* , infried .b# Lerg
Institut Tixer iubliziatik
kuenster
>^
i^estr- . ^nr.': fu«^'* *hr •»chr^iben vorn ,51»J'munr. n hat mich.
interessiert jdMsr? ^-ie die OalUere de la ^ resse ajitiquarisch
eiv^erben irimxter,. Da dlf^ luflM^^e ni<^ht gross v^er,r;ntte ich
geglaubt» dB S3 ujceraplare nicht mehr erbrieitlicn viaren« ich
aolber baDe eln^n voilstrencU.^/^n 3etr,,d'j r?.cln i^reund üans .vtaudini^'cr,
der bereits in Hevi York war, als icn nocb lx\ '^iri5> arbeitete,
die <:.ei:3c'altv oDouni-ict nntte »inci sie ^lir nach neincr inkunrt
in .-»ew tort: i'.ndo I94C uebc rreichte.
>>iit der Arbeit uetv r aas GeruecLt v^erden oie, wie ich annehme,
dev >iroschu^rt> von ^e^O€re,die i^.-- d r i.azizeit erschic:^en i^^t,
endgueltig 6eu Garaus mecuen*
ti.
is Theiaa fucr eine DoktoitirK-^ se einet; ibrer <-chU€lfr kann
r/^^^i^^ic
ich Ihaon -iiiS o*..uic>f3il d^s inatitui. oe ^ci^ncp^ de la rrr3^:c
eiripfeblen* 'jer f ranzoesi^CLe 1) niversi tuetsuntcrricht v^ar dariisls
noc^ stjirrer ^\\^i iu di»^ r^fi-isten i.ontinentoler; Leend rn,ddie Ulf-
lockerung criO^i^te niels'^ens durcf) «migrenxen aas uw^'.land,
.De'Jt.soh .aj.fl u.s*v« 'i?n wnA^ d s Q'-.aaei iBch^rD Lebei-Sf oft. ni.t
"'vamerij^.enißcneu Oeid-xaüt<:In# oo ist cuiö insiituo de Droit ^ouipare
:;;ntst'iir:e/i, bf vor voti t^? c^ : at'is kam unu so üc>be Icl' dem i/rofessor
B. ':iri:ine-*>uet2.evitch,der virspruengiich in retersburt' väriite
und des;??en »irkfin die .\;chRffunp dieser: institux in.i wesentlichen
zu verdani.e; V;^r,äie ochaituni- eines •zeitun^.svvie&enschaftlichen
Inst.itits und d-r .:ei tsehrt f t ^uf Grmad meiner L„r ohrunf;en aus
ueutschlana erapfohien« Vui' 0. lese ~ eii.e ist es denn dar-U ge:;oia:.ien ,
unver ..Ui:urai:3t^narbf'it von Gelehrten uiiu «.•ournall.stcn, Tuer yrar.kreich
damals eine .irt von i: evoiution-ierer i'at,una ich Liu-iA-««:« mit
drr He üKtion 'l^^v ^♦:ji^sc]trif t hcitraut vvoraen. ^uf dif^ser Grund-
lage iiabc ich auch eine iieiiie von vortracptn bei i-.o/ijf^'re.sfien der
Bederut-uon In t...r.uationalt.' d<^s ."ournnlistes u.. b'r -res ^erocht,
Pressefreiheit u.s^w« in HelsinKi,Bern und i aris ßchalteti«
./■ '
n,'
/
^
i^4
--'.V. 1 .-■
Dadurch dass der -^«^';'f ^.^'^^^t^ternehtaen ein i^rfoig.
^enn auch ei- ^^l^^'t^^'^l^^^ini^ einginC'X.^« t^^^^^"
Paris m
du
^Zeitschrift in ^ ^-^^r,^^' ^T^/l^ ,er^ 3 ^^"^-^^ ^^' Cah.ers
basoroclv^« -vorder- i-^v. ;.:^^^ ■,^^^;4 g,^,« t.er.r.cr. f ranzoeaxsca.n
.eitschrin ein 5^t3pr.:.^<--I)u«^. J«^' ^^. ^^^ ^j,„,.j, „ua. .noch
!V^»'^i -.p f'lt>'-fc — = TÄiicUo '•■^^^'5^' •■:;;,;-, ich en potltikwissen-
,torf x-ur jearüoiturw: -u..c.i --i--!- --* '-
bei,:, Grueiibca
ihr crgehoncr
)
WESTFÄLISCHE WILHELMS-UNIVERSITÄT
INSTITUT FÜR PUBLIZISTIK
- LEK DIREKTOR -
(A-ci^^i/^
44 MÜNSTER
D O M P LATZ 23
RUF 4902224
13. März 1970
Herrn
Drc Ernest Hamburger
ftV Riverside Drive
USA - New York, N.Y. 10024
/:
A
I
w^
Senr geehrter Herr Dr. Hamburger,
besten Dank für Ihre Anregung einer v/issenecl.af tlichen Untersu-
chung über das Institut de S.ience de la Presse in Paris. Teh hal-
te eine solche Studie für sehr nützlich, -.umal da an diesem In-
stitut wahrscheinlich der einzige Versuch gerächt wurde, in.vd^r
Emigration die Traditionen der alten Zeitungswissenschaft fortzu-
führen. Ich nehme an, daß sich ein Kandidat oder eine Kandidatin
gegebenenfalls auch an Sie mit der Bitte um weitere Auskünfte
wenden darf.
v:ie Sie vermuten, habe ich in meiner Arbeit über das Gerücht tat-
sächlich die politische ..uftragsarbeit von Walther Schoene kritisah
abgehandelt. Wie der sonst sehr verdiente Pressehistoriker Schoene
- er ist gegen Ende des Krieges gestorben - zu einem solchen
Pamphlet kam, läßt sich heute nitht mehr rekonstruieren. Jeden-
falls gab es im ersten und zweiten Weltkrieg eine ganze Reihe
solcher Schriften über Gerüchte und Presselügen, wobei immer^der
Gegner Gerüchte ausstreute, - bezeichnänderv/eise.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr ergebener
/
^-' /
!-</ C
/
/
Dr. Ernest Hamburger
67 Riverside Drive
New Yorl^, N.Y. 10024
8. April 1970
\]/2jh - EII/IS
Herrn BOoSChafter a.D.
Via Capolun£,o 11
Genua- Nervi
Italien
Dr. Werner Peiser
■l .V:
Lieber Herr Peiser,
Sie werden erstaunt sein, von uiir nach ao
langer Zeit einen Eriei zu erhalten.
Es sind jetzt 38 Jahre her, dass Sie dank
unseres Ireundes GrLv.e, der Ja leider nicht -nehr
uSIr una weilt, von Berlir. nach Rom gegangen sind,
Snd inzwiscl^en haben wir beide eine bev|e£.e Laul-
bann hinter uns. Zeitwelse waren oie in U.o.A.
taetig, dann nach dem Ende des Ki-ieges, wie ICh
eriuhr als Gesandter in Nicaragua, und jetzt vei-
bringen Sie Ihre auhezeiu in dem schoenen von Ihnen
geliebuen Italien.
Meine Lau.bahn hat mich f^^wischen ueber die
New School ior Social Research ^"^ die j-coleLiore
3es Hautes Btudes in New York, wo ^^n eine Professur
innehabe, zu den United Nations f ''i^«^^^' ""^." ''^
12 jaehriger Taetigkeit dort bin ich nun £uer das
Leo Baeck Institut taetig. Hieran aoechce Ich in
diesem Briefe anknuepfen.
Im Jchre 1968 habe ich ein Buch "Juden im
Oeff entlichen Leben Deutschlanas im Verlag
J.C.B. Mohr, Tuebinf?en, ^eroei i entlicht. x.o be^ieno
sich auf die monarchwehe Zeit (l3J&-19l3^ Ich
beschaeftlge ralch hauptsaechlicn ';;i^^„ .Pf^^^^lS^!
riern. Regleruni,smitgliedern und I^ö;^'^«^^J^fJ^
scher Herkunft, unabhaengig favon ol. sie der
Juedischeii Religionsgemeinschaft noch angehoeren.
Jetzt bereite ich das en*«l^^'«°^^«f ^Jl^^^^bltte
die wel-narer Zelt (1919-1933) vor. und ^azu erbit.e
ich Ihre Hilfe, soweit Ihre Person und die P^^J^e
stelle des Preusslschen Staatsministeriums in Pra^e
-2-
. 2 .
8. April 1970
U/274-EH/IS
Herrn Botschafter a.D. Dr. Werner Peiser, Genua-Nervl.
^'fzS:?^^^\
kommen. Mir laege daran, einen kurr.:en Lebenslauf
(etv/a 12-15 Zellen) von Ihnen zu erhalten und ferner
eine Information ueber die PresseBtelle. Sie v/issen
natuerlich, dass kuer^lich ein Ai^tikel ueber Hans
Goslar von Winfried B, Lerg in der Zeitschrift "Publi-
zistik" erschienen ist, der eine Reihe vjlchuiger Daten
ueber Goslar 7:msamraens teilt, und andere nicht weniger
wichtige Din^e weglaesst. Ich liabe an Lerg geschrieben,
und diese Ejueckeri fuer eine etwaige kueni'tige Veroeffent-
lichiung ausgefuellt. Sie kennen auch die Stelle in Otto
Brauns [Erinnerungen, in denen ex erv/aehnt, dass Hoepker»
Aschoff ihn daraui' aufmerksam ge.Miacht habe, dass in der
Pressestelle nur juedische Beamten arbeiten. Bitte
seien Sie so freundlich, lair in Erinnerung zu rufen,
wer diese Beamten v;aren.
Ich erinnere mich an Goslar, ferner an Scherek, der
wohl vor Ihnen Goslars Vertreter war, danach sind Sie
v;ohl anstelle von Scherek als stellvertretender Presse-
chex^ getreten, und dann waren noch Max Harteck und Hans
Heinrich Bormann dort. Der letztere war wohl nicht juedisch.
V/ie stand es mit Harteck?
Schliesslich erinnere Ich 'ilch noch, dass auf Hirt--^^ ^ ^^^^
siefers Draengen eine dem-dOTterrt^Rsr angehoerige Beamtin 2.^" ''*^''
eingestellt vmrde, Ist diese Liste vollstaendig, und
koennen Sie etwas K'arheit in sie bringen?
Schliesslich wuerde es mich interessleren, ein paar
Zeilen ueber das Wirken der Pressestelle und das Ver-
haeltnis zu den Journalisten der versciiiedenen politi-
schen Richtungen zu erfahren. Waren die Beziehungen zu
allen gut, oder waren sie gespannt zu einem Teil von
ihnen, zeigten sich antisemitische Hegungen, usw.?
Fuer Informationen ueber alles dies waere ich Ihnen
sehr verbunden.
Ich hoffe, dass es Ihnen >,'esund}ieitllch gut geht,
und dass Sie Ihr'otium cum dignitate »genlessen.
Mit herzlichen Gruessen und in der Hoffnun^i, auf
eine baliige Antwort bin ich in alter guter Erinnerung
Ihr
Dr.Ernest Hamburger
J^^i^/j on-at/^»**' f. >- ^.
Oj
%i r Ate^ r
J
*^
r"
^»/, J^ S^ pJ
Herrn
Dr. Ernest Hamburger
67 ir^iverside Drive
N ew York, N,Y, 1002^
Mein lieber Herr Hafaburgerl
Freude und Uberrascliunc v/aren gleich gross, als heute
Ihre Zeilen vom 8. d.M. U/27^-EH/IS hier einbralen.
Icn bewundere Ihr gutes Gedächtnis, das noch im Stande
ist, sogar über mich, der ich v;irKlich nicht zur "Promi-
nenz" gehörte, einen nahezu lückenlosen Steckbrief zu-
sammen zu suellen»
In der Anlage mache ich Ihnen einige Angaben der von
Ihnen gewünschten Art. Natürlich könnte ich Ihnen sehr
vieles, auch Anekdotisches, aus den Jahren der Weimarer
Republik berichten; aber das ist schriftlich schlecht
zu machen.
Vor einiger Zeit drängten mich die Gewerkschaften,
eigenulich gegen meinen .villen, etwas zu schreiben, was
kein imch der ii^rinnerungen sein sollte - dazu scheint
mir mein Leben nicht bedeutungsvoll genug - das sich auf
eine ochilaerung führenaer Sozialdemokraten ab iyi2
beschrc:inken sollte. Ich begann die Arbeit, vollendete
sie aber nicht, da ich den ^inaruck hatte, dass das
Ganze nur initiiert v/ar, um einem loeamten eine lienst-
reise nach Nervi zu ermöglichen.
Hätte ich nur gewusst, dass Sie in New York leben -
wir hätten ein fröhliches Wiedersehen gefeiert. Bei meinem
letzten Aufenthalt sah ich Sidny Mendel (Ihnen kaum
bekannt), Else Pick (alte treue beele aus dem Staats-
ministerium), Moritz Goldstein (einst Inquit), beim Be-
such zuvor den unglücKlichen Korsing.
- 2 -
. ^:\i^~?^
Nach der i-ensionierung 1960 übernahm ich noch acht
Jahre hindurch die Leitung des uoethe-Instituts in
Palermo und Genua. Jetzt leben v/ir hier - ich habe
nach dem verlust meiner .jrau v;ieder geheiracet - in
einem entzückenden Haus am Park und Heer, glücklicher-
v/eise nicht zu viel otium, und ob cum dignitate mögen
andere entscheiden.
Auch bie hatten interessante una sicherlich sehr
i'ruchubare Jahre innerhalb der Emigration. Die Einzel-
heiten, die oie mir schreiben, waren mir unbekannt.
Preundliche ji^rinnerungen erweckt Ihre Adresse in mir:
am Riverside Drive, ich glaube Nr. 212, wohnte viele
Jahre Herbert harcuse, den ich dort oft besucht habe.
Kürzlich kamen wir wieder in kurzem Austausch, einmal
telefonisch von Venedig aus.
Nichüs v/ürde mich mehr freuen, als oie, der Sie mir
immer nahe standen, hier wiederzusehen. Kihren Sie nichu
einmal ji'erien an die uiviera? Und nur, damit nichts
schief geht, mochte ich Ihnen mit'ceilen, dass wir ab
9. r^iai zwei uonate verreist sind (Afrika-Vahrt mit
der "HArjBURG")« I^ Hamburg werde ich unsern alten ivolle-
gen weichmann wiedersehen.
Alle guten ;;ünsche mit der Versicherung, dass ich Ihnen
stets besonders gern zur Verfügung bin,
in alter Verbundenheit
Ihr
'yCyi'i^/ ^<^/'/v^
/ii&4^//»**- f. - '^.
M^ t ^t-e^ t' ' y^^
c<f^/;t
n
^fN^Ui^0^
Sl/. J^ ^ ^^
12. 4.70
at personam
20.8.1895
1902-191^^
1914-1919
1921
1931-1955
geboren in Berlin
Luisenstädtisches Gymnasium
juristisches und volkswirtschaftliches otudium an
der Universität Berlin
Eintritt ins ..taatsministerium, Kegierunursrat , über-
regierun-srat, Stellv. Pressechef
Versetzung nach x.om, attachiert an die ueutsche Bot-
schaft, Leihsi:elle vom rreussischen-uistorischen-
Institut
Entlassung
Gründung und Leitung des Landschulheims Blorenz für
die Opfer des Dritten Reichs
im oeptember nach Verhaftung Elucht nach x''rankreich
irofessor für romanische Sprachen an der Loyola-üni-
versität in Nev/ Orleans, La.
OWI Washington
Legal Senior Export in irnrnberg
mit Joint in Prag
Rückkehr in die Bundesrepublik
Kultur-Attache' an der deutschen
Janeiro
Botschaftsrat bei der ijeutschen Botschaft in wadrid
Gesandter und Botschafter in r,icaragua
Leiüer der ^_.oethe-lnstitute in Palermo und uenua.
1955
1955-1958
1958
iy59-.19A-2
^942-194-5
^^z^5-1947
19^8
1951
1951-195^
195^-1959
1959-1960
1961-1969
Wenn es Ihnen zu lang erscheint, bitue kürzen oie ungeniert.
Ich habe keinerlei .jhrgeiz.
//
u
otschaft in x^io de
/
Yjon^t'/if^e'*^ f> » ■^-
c>// c//* .
-/y
at rem
In die Pressestelle des otaatsministeriums (Ministerpräsident
Otto :uraun) trat ich im Uezember 1921 ein. Pressechef:
Hans v.oslar, Stellvertreter ocherek. Kurze Z-eit später trat
M. Hartek hinzu. iJic-se drei _ueamten waren jüdisch. Nach dem
lode von ocherek wurde jr. Katzenberger btellv. rressechef (kath
Nach dessen .ausscheiden in den xceichsdienst wurde ich zum
otellv. i-ressechef ernannt. VJeitere ..itglieder Kans Heinrich
Bormann (kath.), Prau ^urtmann (kath.), Dr. Kern (kath.)
Die Tätigkeit der Pressestelle ist, natürlich in entsprecnend
kleinerem umfang, mit der der heutigen .üundespresse-..bteilung
vergleichbar, lägliche Konferenzen, in denen wir der iresse
Auskünfte über alle möglichen ..ragen erteilten. (Der Keichs-
pressestelle gehörte damals .rnst Lemmer an).
Die Beziehungen zur i-resse waren gut. von irgend welchen anti-
semitischen .vegungen ware^ auch in der .Rechtspresse nicht das
Greringste zu spüren, uass Höpker-Aschof f nicht frei von anti-
semitischen /|/egungen war, soll er im abritten Reich bei der
Verwaltung jüdischen Eigentums bewiesen haben. Aber darüber
weiss ich nichts Käheres.
über die ümfunktionierung der Pressestelle unter Herrn von
Papen und später Staatssekretär i.örner kann ich nichts sagen,
da ich damals schon im Ausland war.
/'
■:^-ur'rvr-sifm:':f-:in^iZ-mtvi:rmK)Si:fa
^^«j|j2|^^2iSa
4
;
%
f/
.I.V.
Dr. Ernest Hamburger
67 Riverside Drive
New York, N.Y. 1002^
r
24, April 1970
U/ill-KH/lS
Herrn Professor Dr. Werner Peiser
Via Capolungo 11 ^-
16167 Genua-Nervi
Italien
Lieber Herr Peiser,
es v/ar eine grosse Freude fuer aich, Ihr Schreiben
VO-. 12. d.M. mit all den wertvollen Infor.iationen zu
erhalten. Die Riplizitaet der Ereignisse wollte es,
dass ich am gleichen Tage ein Schreiben von Weichmann
erhielt, in dem er ndr u.a. miLteilte, dass er von
Ihnen ■];ehoert habe.
Wissen Sie noch den Vornamen von Scherek? Erinnere
ich .aich richtic> darjs er Jakob hiess?
In Ihrem Lebenslauf ist eine Luecke zwischen 1919
und 1921. Diese moechte ich gern ausfuellen. Vfaren Sie
nicht waehrend dieser Zelt Redakteur oder Mitarbeiter
am »Vorv/aerts*? Das waere wichtig zu erwaehnen, da dies
die Berufung in die Pressestelle gut begruenden wuerde
und gleichzeitig eine H^staetigung der Tendenz der Demo-
kratisierung der Verwaltung, die unter Braun und Severlng
im Jahre 1921 einsetzte. Nur der Kuriositaet hal er erwaehne
ich, dass ich mich zu erinnern glaube, dass Sie etwa 1919
eine antikonmunis tische Broschuere rüt dem gerade dieser
Tendenz dienenden Titel ''Mein Ziel ist die Weltrevolution"
geschrieben haben. Dieses Ziel ist wirklich in damals
ungeahnter Weise erreicht worden»
Ihr Leben and Ihre T etigkeit war#n ungewoehnlicli reich
und fruchtbar. Nichts wuerde mich mehr freuen, als Sie
wiederzusehen. Vom 21. Juli ab beabsichtigen wir in Kan-
derste/r, Hotel Victoria, fuer etwa zwei Wochen zu sein.
Lasserrsie mich doch bitte dahin wissen, ob »ich ein
Treffen ermoeglichen laesst. Wir wuerden uns beide sehr
freuen, Sie und Ihre Frau bei dieser Gelegenh.it zu sehen.
-2-
;fg8',T,gl'3!-BgKiWfaWi
\
- 2 -
24. April 1970
U/311 -EH/IS
Herrn Professor Dr. V^erner Peiser, Genua- Nervi.
wenn es mir gut genug geht - ich habe die Folgen einer
Guertelrose vom Mai letzten Jahres noch nicht ganz
ueberstanden - denken wir an einen Ausflug an einen
der oberitalienischen Seen. Vielleicht koennten wir
uns dort treffen,
Fuer Ihre Afrika-Fahrt wuenschen wir Ihnen beiden
viel Genuss und Freude und ein gutes Wiedersehen nit
Wei chmannsfin Hamburg .
Mit herzlichen und freundschaftlichen Gruessen
Ihr
■r f 1 1. 1
Herrn
Dr. iiJrnest i.Lambur[,';e;
67 itiversido Urive
i\ evj
York, i..Y. 10024
Sl/. J;r 6'y p:5
Lieber Herr .lamburgeiM
Nehmen Sie vielen ajank für ±hre erfreulic.ien i^eilen
vom 24. d.M. U/511 -EH/IS.
Es ist wirivlich ein v;ahres v_.lück, dass icn ein verhält-
nismässig gutes Gewissen habe , sonsc v/ürde aie oenauig-
keit, mit der .^ie über mein Vorleben unuerrichtet sind,
mich in Verle^^enheit setzen können. Ja, in den etv/as tur-
bulenten oahren zwischen -i919 und i921 arüeioeüe ich kurze
Zeit bei einer ant imi 1 i t ar i s u i ü c nen losuzensur, als .-.it-
arbeiter beim VORV/aRTS ^ f ür ^lUgo haase usw., aaneben Vor-
lesun..:en über romanische sprachen in der universits^t
berlin. Richtig ist, dass ich in Jener Zeit irgend eine
Broschüre geschrieben habe, aber der litel lautet: "Hat
das Proletariat den Klassenkampf gewonnen?" All meine zahl-
reichen linguistischen, pädagogischen und poli-..ischen Publi-
kationen sind in den Staaten (etwa 40) habe ich in völliger
Pietätlosigkeit weggeworfen, übrig geblieben sind ein
paar Übertragungen aus dem Hittelspanischen und ein Buch
über die 'Ischechoslowakei 1^48.
Tatsäsctilich hiess Licherek Jakob. Er war - Friede seiner
Asche - ein r;anz grosses i^kel. Sehr viel netter war irau
Vdrtmann, die als Verhältnis von Hirtsiefer Regierungsrä-
tin wurde und sich jahrelmg auf Zeitungslektüre be-
schränkte. Ich könnte llinen manch lustige Anekdote aus
jenen Jaliren beri.cnten.
2
\nm^\
Nichts wurde mich mehr freuen^^ als ein wiedersehen mit
Ihnen. Mit Weichmanns isu e s gerade scnief gegangen; in
den Tagen, in denen wir in Hamburg sind, ist er beim Partei-
tag der SPD in Saarbrücken. Ihre Reise nach Kanders.eg
billige ich sehr. Aber gehen Sie um Himmels willen nicht
an einen der oberitalienischen Seen. Vor 50 Jahren war
das einmal sehr scnön, aber heute ist es unerträglich: ge-
stopft voll, meist mit wenig appetitlichen Gampingleuten,
mit brüllenden Heutschen (Warum ist es denn am xihem sc
schön?), die Seen verschmutzt, die Zugänge versperrt - kurz:
warum fahren Sie nichc ein paar Kilometer weiter und lassen
sich von uns ruhig und angenehmi in einem neüten Hotel in
Nervi oder Camogli unc erbringen? Wir gehören nicht zu
den Gastgebern, die ihren G-ästen auf die Nerven fallen,
indeiii sie ständig um sie herum sind. Wir v/ürden uns in
unserm sciiönen Haus ' cnen sehen und gelegeni;lich einen :.us-
flug miteinander machen. Wäre das nicht sehr viel angenehmer
Damit keine Panne entsteht: bis zum 20. Juni können Sie
uns nicht erreichen. Von da ab bis zum 1. Juli sind wir
un-üer foli,:ender Adresse zu erreichen:
Peiser bei .i/Tau Hlly Schaette
5868 Letmathe-Sauerland
Postfach 13o
Von da aus müs^n wir für Sie ein Hotel mieten^ und alles
andere könnten bie uns getrost überlassen.
In der noffnung, Sie wiederzusehen und Ihre -lattin kennenzu-
lernen, begrusse ich oie
in alter freundschaftlicher Ver-
bundenheit
Ihr
Publizistik
^
r
Zeitschrift für die Wissenschaft von Presse, Rundfunk, Film.
Rhetorik, Öffentlichkeitsarbeit, Werbung und Meinungsbildung
REDAKTION
/.-'
53 Duisdorf über Bonn 2^. 3- iX>
Goerdelerstraße 2/75
^^ (02221)624310
/
{ha^
/c,(U^ 0qA*uß<L -^ cJwA^ ^/^ 'Va^^ ZZ.^^
7/wvKM f^ OAv^u:ok>^ oO/ L^v^uvv^h^
c^
c^A^
■mm^^^^^
f- X
Ou^c^ /vooev /4-^2^r^^u*^ (4>«>€<2h:.
Au As
rVww
£vc4XAi?C^^Q^v>^
^^ (T^v-^^-v-. /ie-Cy ^ ct^-«-«^>-j«u
OJ^fx^
/^
\
\
ff ?^
^
^'*
y.A
Dr. Ernest Hsunburger
67 Rlverslde Drive
New York, N.Y. 10024
/
23. Januar 1970
U/54 - Fö/lS
Herrn Walter J. Schuetz
Redakteui* der Zeitschrift ' ?ubli*:istik»
Goerdeler Str. 2/75
D-53 Duisw-orf ueber Bonn -
/
'js.^ ^'.-i
Sehr geehrter Herr Schuetz,
ich habe Heft 2/1969 Ihrer Zeitschrift gelesen
und 7iich gefreut, darin <^Qn Artikel von Winfried B»
Lerg ueber meinen alten Freund, de::i einstigen Presse-
chef der Preussischen Staatsregierung, Hans Goslar,
zu finden.
Der Artikel stelle interessante biographische
und bibliographische Daten ueber Hans Goslar zu-
samraen, '.eigt aber, dass, wie begreif lieh, '^manche
Dinge dem Autor nicht bekannt oder nicht wieder
bekanni. gev^orden sind.
Ich vmerde daher e. ipf ehlen ,Herrn Lerg ralL^r^--^^^ zJL^' ^
teilen, dasa Goslar seine Laui'balm als \ä=*«^^&ehafts-
Journalist beira Plutus, der von Georg Bernhard geleitet
wurde, begonnen hat. Ver^nutllch ist er entweder dui'Ch
die äupfehlung Bernhards oder durch diejenige Joehlingers,
wie Herr Lerg vermutet, in die Pressestelle des Staats-
ministeriums gekommen.
Waehrcnd des Krieges war Goslar bei der Verwaltung
"Oberost", ^^iTi die Administration der Baltischen Staaten,
Litauens und des noerdliclien Polens uebertragen war.
Seine Funktion war die Bearbeitung der Presse in diesen
Etappengebiet, insbesondere mit Hinsicht auf die I^ein-
flussung der dort ansaeesigen zahlreichen Juedischen ^
Bevoelkerung. Herr Lerg weiss verötaen^licherweisey^ichts,^^!!^^;
er findet einige Angaben in dem Buch von Sammy Gronemann:
Hawdoloh und Zapfenstreich, wichtigei^es Material WTierde
wahrscheinlich bei den alten Ki1:^geakten der deutschen
Regierung zu finden sein.
-2-
- 2 -
23. Januar 1970
U/54 - 2li/lS
\
Herrn Walter J. Schuetz, Goerdeler Str. 2/75, Dulselorf ueber Bonn,
Ai?
Bezueglich der Bibliographie sollte Hans Ooslars
Artikel de:; Juedischen Gemeinde Jahrbuch 1913/14,
Berlin 1913* hiazxigefuegt werden, ebenso das Buch
von Hans Steffen ; Otto Braun, erschlenan in Berlin
im Historisch-Politischen Verlag, 1932. Hans Steffen
war das Pseudonym von Hans Goslar,
Ich hoffe, Ihnen und dem Autor mil diesen Hin-
weisen fuer eine etwaige spaetere Biographie ueber
Hans Goslar, die Herr Lerg andeutet, behilflich zu
sein.
Darf ich Sie bei dieser Gelegenheit noch darauf
hAnv/eisen, dass in der üebersiciit ueber den Inhalt des
Heftes in frOiTiden Sprac^ien auf den gelben Blaettern vor
Beginn des eigentlichen Textes hn franzoesischen Sonmiaire
recht schwere Fehler im Fran2:oesi3Chen enthalten sind -
falsche Artikel, falsche Orthographie, und in der Ueber-
Sicht ueber den Artikel des Herrn Lerg selbst eine so
irrige Ponn wie "11 est mouini" anstatt: il est mort.
Darf ich anregen, dass diese Uebersichten, die doch
fuer auslaendische Leser ausserordentlich wichtig sind,
vor Veroeffentl4.chung von einem Kenner des Fran^^ioesischen
gepinaeft werden?
Mit besten :^npf eh langen
Ihr ergebener
Dr. Srnest Hamburger
[.f^m
"}-
23. Muer-'. 1971
Sehr geehrte Frau Zatrcher,
besten Daru. fuer ihr Schreiben voa 11. Maerz. ;;:\\;^^«'' «'"• ?^, „
eilen r.icnt. dei'.:n bie so freundlicx-., s^f "^^^^'V^^y '■?'';'*^7,ut
noctig and ich nocchte 'lui: vein.u Fall Tuer ein. aolchc. v..r-
an twoi" tl i or: rein«
ivlit ör* ueiCiiOitnn steh'' ici:.
In btaenäis--'^ bri-Jt'vveori^el.
loh i'lHube r.x.^ht, dass er in dieser Saone ne..ien ii-nn,.r -■o-
in i"n.= r ''-it sehen iur de? ^cniaesäeiatrilurK? im .^tan-..-
IrmLrain.^cn verds in meine, nuecr.sten Brief un i na darauf
se"bs^ h^ keMic ^irianorua,: dai-au,oo«ohi ich v:,a nieinor oüelle
.ra vaabe riielit,, aftaa Lar aeuaecaUä:; ochlec-, to.r funKt lO-
ni.r-r. ;i.^;tine.. .ch'bVu.. nur .uien VortcU oa r z.e. ■ e.'^..;.en.
f>rinn<-rt .iich mexnc Frau at'.sndig au ulicS /.ab icu v:j.rg,es^.- ,
Jni J.teaa benutze ich .i.an ..Rleaier,un da. nnoax^is^end- oe-
luit rrtiiunuliv,*ien uru^^s.^eu
•hr
\
•v»?
//? loii
s//(,
CtnH^ ^fi/t>tl^rafr C>//ecfia/i
HetUn hkkl
'»fOr^^
4 ^7//
M 103^
^^
nerpt
We
er-f- ^e/cf^/yfa^/?
/
/f/7' mi
,.1
J
\
./
p^ (^l- Co€//b ^^^ '-v^^<^ U^-^
/S, Cly'Uy^l\
/
[0
f 1 1^
i. ''^'
d
ii
i
j
.jfe#-
f ■
vrf
./
-' *•
w
/(4
f ^/•///
1k- I"
>"
/'
*»",■;*■ ,-<«'
iie^ö^
...f
Dr. HERBERT WEICHMAribU
SENATOR DER FINANZEN
y
VJ
/^•^^^"^
HAMBURG 36, DEN 5 . Juni 1961
GÄNSEMARKT 36. FERNRUF 341016
Herrn
Ernest Hamburger
67 Riverside Drive
New York 2^, N,Y.
^^^^■€.^^^^^ l^^)
Lieber Freund Hamburger!
Recht herzlichen Dank für Ihre freundschaftlichen Glück^;mnsche
zu meinem 65. Geburtstage. Sie machen mir bewusst, dass ich nach Ihren
Angaben offenbar den 7o. Geburtstag bei Ihnen versäumt habe. Nun, umso
mehr freue ich mich, Ihren Zeilen zu entnehmen, dass auch bei Ihnen
der siebzigste keine Altersgrenze war, soweit es auf die geistige Akti-
vität ankommt. Ich bewundere sehr, wie unentwegt Sie immer an der
Arbeit bleiben, und das imponiert mir übrigens auch bei unserer Freun-
din Hedwig sehr. Ich wäre übrigens auch ohne Senator noch nicht an der
Altersgrenze, denn für richterliche Beam.te wird sie erst mit 68 Jahren
erreicht. Aber dafür wäre mir wohl die geistige Aktivität noch vor
Erreichung der Altersgrenze in meiner Rechnungshofpräsidenten-Beschai-
tigung allmählich ausgegangen, denn dort gab es für mich nicht mehr
viel Fruchtbares zu entdecken. i ^-, • v. ^
Zu Ihrer neuen Arbeit möchte ich Ihnen zunächst hinsichtlich der
Fragen zu meiner Person sagen, dass ich meines Y/issens im Dezember 1927
in das Preuss. Staatsministerium gekommen bin, nachdem ich vorher in
Kattowitz in der Minderheitenfrage tätig war. Sie haben mich ja selbst
sozusagen ins Staatsministerium geholt. Unmittelbar nach dem Staats- _
streich am 2o.Juli 1932 wurde ich von Brt2.cht in das Preuss. Handelsmini-
sterium versetzt und konnte mich dort dann als Enteignungsinstanz oder
Referent für die Getreidelagerhäuser etc. am Rande des Geschehens be-
tätigen. Am 13. April 1933 fand dann meine Entlassung auf Grund des
Berufsbeamtengesetzes statt. Gegenstand von Angriffen gegen mich person-
lich bin ich merkwürdigerweise niemals gewesen.
Was unsere anderen Freunde anbetrifft, so möchte ich noch
erinnern an die Namen ^orsiii^_( der in New York lebt), Flatow,. den Vater
unseres Betriebsverf as'sungsgesetzes (der versorben ist), Behrens aus
dem Finanzministerium, Arian aus dem Innenministerium (der jetzt in
Israel ist), Schindler, der mit der Jewish Trust Co. in Hamburg war
jetzt in London lebt und schliesslich Abramowitz, der in London ge-
storben ist. .
Mit Material aus dem Nachlass Otto Braun kann ich Ihnen leider
nicht dienen. Ich habe die Sitzungsberichte des Preuss. St aatsministeri"
die ich allerdings nur aus den Jahren 1915 - 192^ habe, soweit sie
Braun für bedeutsam hielt, durchgesehen, ohne jedoch bei der Kurzfassung
auf etwas Einschlägliches zu stossen; sie sehr gründlich durchzusehen,
hatte ich allerdings nicht die Zeit.
Schliesslich möchte ich Sie noch auf einen früheren nicht preussi-
schen Beamten aufmerksam machen, Herrn j/e issmann, der bei der "Seif
help" in Nev/ York tätig war.
Ich werde sicherlich mit Spannung diesem Ihrem neuen Werk entgegen-
sehen und hoffe, dass Sie es mir zugänglich machen.
Nun, herzliche Grüsse an Sie und Ihre Frau
Ihr
und
^^ /y^/
V / WUA^^/r^
gigggjjjjijj
Dr. HERBERT WEICHMANN
SENATOR DER FINANZEN
■'^- -'^^4f/'^
HAMBURG 36. DEN ^ O . Juni 1961
GANSEMARKT 36. FERNRUF 341016
Herrn
Ernest Hamburger
67 Riverside Drive
New York 2^-, 11. Y.
^>4-^P^i
1^
(jl.
4H'-f ^
Lieber i^reund Hamburger!
Meine Tätigkeit in Kattowitz ist schnell erklärt. Sie wissen,
dass ich in der Abstimm.ungszeit Korrespondent der 1^'rankfurter
Zeitung für Oberschlesien war und dann während meiner Referendar-
zeit dieselbe Tätigkeit für die Vossische Zeitung übernahm.. Als
ich den Assessor machte, war Eeamtensperre. Ich v/echselte meine
Korrespondenten-Tätigkeit für die Vossische Zeitung von Breslau
nach dessen und v/urde dann als Aufwertungsrichter in den Justiz-
dienst zurückberufen. Ich v/ar erst ein paar Monate iiichter in
Liegnitz und dann in Breslau. Dann meinte man, dass man den Ohef-
redakteurposten der Kattowitzer Zeitung (in Kattowitz das führende
Organ der deutschen Minderheit) neu besetzen müsse. Ich schied aus
dem Justizdienst aus, wurde in den Verwaltungsdienst übernomm.en
und aus diesem zur V/ahrnehmung meiner Tätigkeit in Kattowitz beur-
laubt. Dort war ich also dann ein Jahr als Chefredakteur tätig
und tat, was man also tut, um eine Zeitung in ochwung zu bringen.
Dabei stand naturgemäss im Vordergrund, in einer verständigen,
d.h. nicht hetzerischen V/eise die Rechte der deutschen Minderheit,
deren Führer damals Ulitz v/ar, publizistisch zu vertreten, und ich
galt infolgedessen bei aller ii^ntschiedenheit in der Verfechtung
djß ser Rechte als eine Art Versöhnungspolitiker. Auf G-rund dieser
Tätigkeit bekam ich dann auch bei Otto Braun das Minderheiten-
Referat. Hier habe ich ja mit Rathenau - und zuweilen ein bißchen
gegen ihn - das Minderneitengesetz verfasst unter der Devise:
Minderheit ist, wer will. Das galt damals als die grosse neue Formel
eines gerechten Liberalismus^ Soweit ich mich erinnere^ -al-so— i«i
Zusammenhang init dem internationalen Minderheitenabkommen darin, dass
dieses einen uchutz der Minderheiten gewährleistete diesseits wie
jenseits der Grenze, und dass wir durch die deutsche Gesetzgebung
auf diese /'/eise auch für unsere polnischen Minderheiten in Deutsch-
Oberschlesien eine mustt-^rhai'te Regelung treffen wollten, über diese
Frage habe ich damals schrecklich viel in der Zeitschrift der
b.w.
= r-Wl
r-m
..Beutschen Zentrale für Heimatdienst" , die Breuer herausgab,
geschrieben, aber ich weiss nicht, ob Ihnen dieses Material
noch zugänglich, ist.
Herzliche Grüsse von Haus zu Haus
Ihr
^/;;/ V7^^
'M?^m
:tnarc sio« '.«^'J
^
S
'^^«i
^
^
^
^
■V •'• * - "^ '- ^ -_ II 1 ■■■■ ■ I ^
• — . - . . 0 y^
Wir müssen Erinnerungsdefizit füllen ^^
GERNOT FAC:iUS, Stuttgart
Z--A zwnitcEmal mnorhalb von fünf
Taten hat fonr: •spra.ideiit, Waltor
bcneel ejrdiinpji'-ii zur N^ . esmni.ai:
aut ^i^ Crunduer^e <^er vcrfasst:n^
aaf-pruf^n. B^.l der /erlf:ih'..ng der
Theodor-. Yolü-Piolse tilr , cr^usrag^i-
dp joutuahstlschö Arbojten gc^t^m in
ätuttsart vGfbaad c>checl dicken AppeU
mit der Warnung vor riut-j Verwiiae-
rung dfT -.ülitischen Sprache. Bcrf'itü
dtr Stamniheimer Prozeß hab-^ gezeig.,
aaß »^vei völlig verschie<I :>e Srrachen
gesprochen wurden'*. Das s^n X'^^r ein
ExUeinfall rewe^en, v'^^e ^cncei.
M)fcr wenn ich mir best\..-mte KeairtiO-
nen und V^rö-t^entUchur.jien ^on Stu-
denten und Professoren antehÄae. dann
kpnn ich die Gefahren nicht von der
^din unserer Gesellschalt .od d^
auch die Sprache aTiseitvanriefcntwüc-
krUi, so daß es immer schwerer ^-^
einander lu verstehen-* .
Ä^hnlich wie Scheei forderte ?'Tch .
baden-^^ürttccr.bergißci^e Minis., rpr^.i-
dent Hans l^iibinger dlt. Rr.ck^>^5.anon«
riuf den Staai, .wie da» GruudÄei'.^tx .hn
meint: ein Staat, der nicht in ^^^f^^
und schon -lar nicht in eu^en Negativu,-
mos verfallen darf-. FUbinjer mahate
.chrfinken, dem Borger Krltiltwurd «es
vorzuführen. Die "^^^^l^f^^^ '^^
auch immei- 'vieder ern>ö&Uchen ^^.h
rr.it seJnera Staat und mit deu P^^o-
wcrtpn seiner Verfaf?ung zu iaentmiie-
"^Der Stuttgarter ^«^^^^'^^^Jif . ^'
k.nnt« sich zur P^'^f^^^^^^^^^^t ^^I
u-.r>i<;i*^rtf'n Pr^ssestruktc. m de- Bun
aesrepubrik. Er w.ndte sich ^^^^^^^
)iüh g^^en Von<chlage der IG DrucK uno
P^ili-, die „Alternativen- .«ir vorhan-
;;^ttel sollten nach ^^^^en Wort.^^
de- priv-ten Ptesse z'ix \ arfugung *t..
^D-r (nihore Homburger Burporn^fi-
ster-Hcrbert Welcmtiann SPD, geiü* tö
tpr Wa. raff bt-^ der ßU^D-Z-iti^^.
1 wo blieb odei- bleibt eig.^ntlicn d.e
\ ^Z^Zmg in-. Blattcrwalde gegen die-
1 ses System der Übu: .var hung h» u.» r^;
ratsphftrc hinein, pem.ssen ^^« f
I lautstarken Auireguug über den P-ll
Woichmann wandt« sic^,«*^".?^
ä'e KlriÜIs, die ta Teilen da« A^"** j^
an der Pnnde^r^-ublik D«ut&on and fe-
übt .iKirc^n ist: .Ich war ^^'^^J'' J^^
nen Tagen in Pari: . da von Grnet uuö
ändert Schriftstellern das Bild vom
M. ;♦-'<! natlo-
an ^^^'■^'•
eich M:n-
dl 2 !ran2ö8i-
häßlichen D^ut^xhc^n «n^v.^.-n wi^J^^
der unveräivierhch auch m w. r A^>^ J|^
tnsvv.,5«. erkennen liil'^. I-'« möchte
bier '^ur, eis ab«»rle^ nd- •
r a i ^oiiai<»t! i'chei^ Vt ' : 0
5e . \' orkon : ii) ij.u >•• • -^ '
:S;. Ke^^erun^ bei der F^^^nahin^o^^
Deutschen nicht zwi-r - ^^J/.^^^^f^^
scheiden. M:c-i .o.rrtv ^e ^-Jt-H^r-
..n. Männer ^vie Breitsch-^a --f »^^^^'^ .
.iing wurden Opfer dieser ioiitiK, ai
nicht zu unt?rvneid«'n verstan.-..
in d-ser un^er-t TJb*-'^a:u.ig über
.^oiTmaliVtlsche AroHt -^^^e -r^/^^;
vtÄn Praxis €ini*5i-r ;j%icinaisrn«»*
treibet vielleicht au- -^s. Enrne
Sapzösischer Hand in die .t-valt o«r
Gest^^po Überführt v.-urde»-
?:■?:,:' / Scheel: Wer
kritisiert bei uns die Kritik?
■. XJ' *f M 1.^.
B^l 6f Ver»«i:-»i>ftg <*«r Th<K>dor-Wolff
Preise an Journcillstan •m\zf steh Bun
d*spräsldent W«l1ar Sch#«r «r^^*^
In Stuttgcf^ aweh mit Aufgeben und
VerpfflchtungÄ» d«r M«»s»rm^l«n
Gus«lrKJnc!©f. Dl# WPLT v»rdff«nt«d*t
Auszüge salner Rede:
Ich benutie hier und ^püter da»
Wx>rt .Preise'' t^.^' alle Massenme«-
«i . . . Es ist Aidgabe der Bifesse, tln
krftisvii**? Aug* auf den Sla»t nr ea-
ben. Zu diese- ÄrltUc ist der JWU-
list, «oh«a au/gnjiid d<?r »Ui«m«n«n
MtinUr|St«iheit, befuft Der Jouma-
li»t 13t der Büigi^r. der yon seiner »gl>
ntngKfniheit fto«u»gen beruf sni«Bif
Gebrauch macht .. . ^
Uli Se<'J:t /«rteidigen dl^ Joufaen«
•ten ihre Unabhängigkeit gag«t jeden
Versuch, sie ein? 'lichr unken. Droht ei-
nem JoumaUsten ao etwa», fäjjian alle
politischen und weltaift^i -^üB«^ Ge-
gensät« tort - all« *' '"'^-^^^^rT
hS^^ander Seite doe Kollege^ w^^«
wissen, x^^ Sache Ist au^^^,»jjj. f*'
che. Und sc batoe kb un. die Unibhän-
cigkelt der Prewe vem ataat in die-
" \ L%nd wenig Anfi^r. Dean w vcr-
„;.>cht€. ptwa» gegen di. geecgowene
Phalanx ... ^er Prees^r livJem ich
fteüKSat^^&tdont Sche«»t enr*
i*ter Heitert Wekkw«-^^- (Mt«^
^•*
*^^.,._ . » f— .^wC^^
TTO» r
-?9A
iii.i arzlUch^ K^.nitfchlr^...HchR'-w^e>
gr-r werden »oli. Steuer, hm ur^-Jf^*-*'
der kara man in c^iem ^^'^J^.^^'^Jf;'-
ma^azia Kritik ;^n einenv Million«^-
b^aU lesen -- und um^^.keo.' Abir
das ist simzlich u^ seC^lhrvich. da die
I eser des einen IJ:. ne: ^-v rilirh
des andere mcht les-e^i - and umg*.-
kebrt. Im- übrigen Ist fnun mit "1^.^^-
triedeo ur^d klopft s^ch auf die ^chu.-
Wean man selbst nicht j^ritisiert
wird, vl»rflachtig^ sich leicht der knl -
sehe Zweliel nit ü^r lUcatigV.*»it der ci-
'i^^^dige U. . ^^^^-t ^r.^^^^
die Oödaükea or . ^^i^^ aaöerer
•twc^ieftoMieB. selbst v.mo sie d«i ei-
Mne^ Cbeuiftiiungen
v«r da«, w«i mar sw^ - - ,
S^tbCüiV Die ^r.deten. di^ Pc H
eS. b*i>*n ofrenrtc .t. :'^h wao^ger wei>
ae Gedecken.
-4 wtri «war .^-^^^♦^^'«ElfL^äSL
- ^ ehe- • Ae^.• ^ "^"^^1* ÄLif^
•H di«^ führtöde d. =v^ ^
^gM. Au- ' - l^:**^"^
te»
f
Ia. q. /<?>'f
Seite 12 - Nr. 220
» I
« I
^
IFERNSEHEN HEUTE^
Auszugsweise aus „HORZU'
1. PROGRAMM
16.15 Tagesschau
16.20 (SW) Die Witzakade-
mie
17.05 1000 und eine Meile
Film von Jan Brede.
Heute: „Komm mit
nach Holland"
17.55 Tagesschau
18.00 Menschlicli gesehen.
Herbert Weichmann
im Gespräch
18.30 Berichte vom Tage
18.45 Sandmännchen
18.55 Nordsctiau-Magazin
aus Kiel
19.26 Wer einmal in Ver-
dacht gerät: „Die
Dame mit dem Ge-
wehr"
20.00 Tagesschau
20.15 Schatten einer Stadt
oder Spuren einer
Krankheit. Reporta-
ge von Dagobert
Lindlau. Gedreht in
New York
21.00 Wenn Sie gestatten.
Peter Horton und
seine Lieder
21.45 Sore — Gestohlenes
aus der Wirklich-
keit. Ein satirisches
Unterhaltungspro-
gramm
22.10 Tagesschau .
22.30 Aus Stuttgart: Welt-
und Europameister-
schaften im Ge-
wichtheben bis 75 kg
aus Glasgow/ Fuß-
ball: Weltmeister-
schafts-Qualifika-
tionsspiel Schottland
— CSSR
23.30 Tagesschau
Vorschau auf morgen
10.25 Der Schachzug. Kri-
minalkomödie 16.20 Das
Jahr danach. Kind ja —
Mann? Filmbericht 17.05
Ruf mich an. Neu im Pro-
gramm. Talk-Show für
Kinder 17.30 Die Wikin-
ger 18.00 und 19.26 Ein
Haus für uns 20.15 Pro
und Contra 21.00 Toma.
Krimi-Serie 21.45 Auf der
Suche nach der Welt von
morgen. Film von Rüdi-
ger Proske 22.50 Welt-
und Europameisterschaf-
ten im Gewichtheben
Unter den Ersten Bürgermeistern, von Hamburg ge-
hörte er zu den Großen. Und heute, im Alter von 81
Dohren, gehört Professor Herbert Weichmann zu den
Mqhnern. Weil er als persönlicher Referent des letzten
preußischen Ministerpräsidenten Otto Broun den Un-
tergang der Weimarer Republik erlebt hat, sorgt er
sich heute über so manche Symptome und Tendenzen
In der Bundesrepublik. Seine Gedanken und Erinne-
' rungen stehen im Mittelpunkt des Studiogesprächs mit
Hans Wilhelm Vohlefeld, das um 18 Uhr im Regional-
programm (ARD) ausgestrahlt wird.
i
MENSCHLICH GESEHEN
Prof. Herbert Weichmann
Sendung: 21. September 1977
18.00 - 18.25 Uhr
1. Programm
«. <V i'.*^,;,St»«
Vahlefeld
■-.#,:>.
'i''U>^'~'
»S-fAf;
Den Hamburgern
ist er ein Begriff. Unter den Spitzen-
pol i ti kern
deutscher Grossstädte gehört er zu den Grosse
n
Herbert Weichmann, Professor Dr. jur. Jahrgang 1896,
heute 81 Jahre alt.
Gebore'n in Landsberg, Oberschlesien. Studium der Jurisprudenz
Korrespondent deutscher Zeitungen in seiner Heimat. Mitte
2o-er Jahre Richter in Breslau
der
Staatsministerium nach Berlin
Berufen ins preussische
Persönlicher Referent des
letzten preussis
chen Ministerpräsidenten Otto Braun
Als Jude und Sozialdemo
krat nach 1933 emigriert. Zunächst
nach Frankreich, dann in die USA. Rückkehr nach Hamburg
1948. Zuerst Präsident des Rechnungshofes, dann Finanz-
senator und ab 1965 Erster Bürgermeister und damit
Ministerpräsident des Landes Hamburg.
1971 trat Professor Weichmann freiwillig aus Altersgründen
zuruc
k. Er hat mehrere Bücher geschrieben und viele
Aufsätze. Prof. Weichmann ist verheiratet und hat einen
Sohn
Herr Prof. Weichmann, das waren Stichworte eines gelebten,
aber auch erlittenen Lebens. Ein Schicksalsjahr hiess 1948.
Da erging der Ruf an Sie: Kommen Sie zurück nach Deutschland
Als Jude zurück - haben Sie da gezögert ?
Wei chrnann
Das war natürlich eine schwere Entscheidung, die auch mit
meiner Frau reichlich erörtert habe, aber die Entscheidung
war doch - die für andere so unlösbar schien - für mich
ht 90 sehr schwierig. Mir war der american way of life,
m c
\ die ganze amerikanische Denkungsart doch fremd geblieben
1 c
h möchte nicht grosssprecheri seh erscheinen, aber ich
hatte ein gewisses preussi
sches Erbe von Pf 1 i chtbewusstsei n
^n mir
un
d als mein guter Freund Max Brauer das Amt des
Ersten Bürgermeisters übernahm und mir eine Aufgabe stellte
ar. dem Aufbau der Demokratie in Deutschland mitzuwirken.
da glaubte ich, dass ich mic
h nicht versagen dürfe. Denn
VI
er sollte dann noch einem Rufe folgen leisten wenn nicht
a i e j e n i j e n ,
die wirklich an die Demokratie glaubten
- 2 -
- 0 _
Vahlefeld
Es v/ar also nie
ht nur Persönliches, was bei Ihricn eine
Rolle spielte - finanzie
lies Auskommen, beruflicher ly
folc
son
dern Sie hatten auch das
Gefühl: ei'n 1933 darf sich nicht
noch einma
1 wiederholen und dabei will ich mithelfen
"lei chmann
Es war überhaupt nichts Person
1 iches , es war wi rkli ch
einfach der Ruf, aus meinen
Leben das zu gestalten, was
mi r
eine gewisse Pflicht gebot, nä
m
1 i ch an Wi ederauf bau
einer vernünftigen, demokratisch
-freihei tl ichen und
rec
htsstaatlichen Gesellschaft mitzuwirken
Vahlefeld
Nun
in der Endphase, hat es das Leben ja noch ein
mal
^ t mit Ihnen gemeint. Schwinden dann aus der Erinnerung
die schweren Zeiten und bleiben dann zurück nur noch die
gu
glückl i chen
Wei chmann
Ja, das mag na
türlich sehr stark vom Individuum selbst
Natürlich verdrängen sich mit der Zeit aus dem
d auch aus dem Erlebnisgehalt heraus schwere
abhängen,
Gedächtnis un
Zeiten. Ob das nun die Kriegsze
it im Ersten Weltkrieg war,
ob das die Inflationszeit nach dem Zweiten Weltkrieg war,
ob das die Emigrationszeit war - das verdrängt sich natür-
lich, kann aber unter Umständen auch jederzeit aufgerisse
n
w
erden. Ich kann m
ir noch heute keinen
Film aus der Hitler-
zeit oder keinen
Film über Judenverfolgung oder sowas
ansehen, anhören, ohne mich der Gefahr auszusetzen, dass
alles, was verheilt schien, auf einmal wieder zu kratzen
anfängt, wund zu werden anfängt. Aber im grossen und ganze
kann ich meinem Schicksal ja eben nur dankbar sein, dass
hmal 25 Jahre Gelegenheit gegeben hat, wirklich
n
es mir noc
ner
fruchtbar - oder jedenfalls bemüht fruchtbar an ei
wichtigen Stelle zu wirken und etwas zum Wiederaufbau unserer
Gesellschaft beizutragen, wie ich meine.
- 3 -
Vahlefeld
'.i&:
- 3 -
Als Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg
da sind Sie Herr Prof. Weichmann, auch sechs Jahre nach
Ihrem freiwilligen Rücktritt den Hamburgern immer noch ein
Begriff. Man achtet Sie als einen der grossen alten Manner
Kann ein grosser alter Mann noch bewegen und beeinflussen.
Oder sinkt auch er ab in die schweigende Mehrheit ?
i'*5\Li
Wei chmann
Persönlich bin ich erstaunt, wie sehr lebendig ich im
Gedächtnis der Hamburger und übrigens nicht nur einer
alten Generation gegenüber bin. Und es passieren so 1
komische Dinge - selbst auf dem Wege hierher spricht mich
vor dem Cafe Kröpcke eine Frau an und begrüsst mich. Sie sei
so glücklich, dass sie mich mal - ich sei ein so lieber
Mensch - dass sie mich mal persönlich kennenlernen wolle.
Ich bin also erstaunt, aber ich möchte auch das eine sagen:
ein Wort, dass ich ausgesprochen ungern habe, ist das vom
Lebensabend. Selbst mit 75 Jahren habe ich das Gefühl
gehabt, nicht in einen Lebensabend, sondern^ei nen neuen
Lebensabschnitt, der auch ges tal teri scherArt ist, einzu-
dringen. Und ich bin zwar nicht berufsmässig tätig, aber
ein bisschen habe ich so den Beruf eines Wanderpredigers
bekommen. Ich spreche viel, ich schreibe viel, ich habe
eine ganze Reihe von Ehrenämtern, un
d dass ich damit
n
och gefragt bin und sogar
Gehör finde, dass also auch Sie
es beispielsweise - und das ist ja symptomatisch noch -
für relevant erfinden, mich hier zum Verhör zu bitten -
das zeigt doch eigentlich, dass ich auf diesen Abschnitt,
in dem ich jetzt lebe, auch mit sehr grosser Befriedigung
gucken kann - schon auch, weil man bei manchen Hingen in
der Welt, die, man mit grosser Unruhe betrachtet, sich nicht
^jf
selber Schulde^ sprechen mu
zu gehören.
ss, zur schweigenden Mehrheit
Vahlefeld Als Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg
6er Weltstadt Hamburg: Haben Sie da n
icht mal mit dem
Gedanken gespielt, den Ausflug in die grosse Politik zu
wagen
- 4 -
-:'mi
- 4 -
VJeichmann
\
Nei n
m
it diesem Gedanken ha
be ich eigentlich nie gespielt
Mit der grossen Politik wurde ich ja dadurch zwangsläufig
in Berührung gebracht, dass wir Ministerpräsidenten unsere
Konferenzen hatten, dass ich Bundesratsmitglied war. dass
Jahr Bundesratspräsident und als solcher auch mal
Stellvertreter des Bundespräsidenten war.
ich ein
Aber erstens fand ich eine
Arbeit im kommunalen Raum
fruchtbarer. Man sieht
V »
as man hat. man sieht, was man
t, was vollendet ist, es gestaltet
gebaut hat. was angeregt,
sich alles in Wasser, Stein, Beton, Bäume oder so was
d das ist doch sehr viel dankenswerter als
gesetzgeberische Arbeit oder auch eine aussen-
litische Arbeit, die man in anderen Sphären vornimmt.
Und dann - ich will das offen gestehen - ich wollte ja
vor einem, un
eine rem
po
ht in die Politik zurückkehren
n
als Jude überhaupt nie
ich wollte das bleiben, was ich berufsmässig bin. ei
Verwaltungsbeamter. Und aus diesem Grunde bin ich auch
damals in den Posten des Rechnungshofs eingetreten. Na.
das sich die Dinge anders gestaltet haben, das war nicht
vorprogrammiert, und es war ja auch mehr durch Zufall als
durch Absicht bestimmt.
Vahlefeld Bürgermeister, Erster Bürgermeister, Oberbürgermeister -
Weichmann
die Titel der kommun
alen Spitzenpolitiker sind in unsere
n
um ei n grosser
Städten unterschiedlich. Was muss man
Kommunalpolitiker zu werden, eigentlich mitbringen? Was
ist das Besondere daran ?
alpolitiker oder Politiker überhaupt, das macht
keinen so grossen Unterschi ed . i n gewissen Fällen, was man
Ob Kommun
haben muss. Sie müssen in
der heutigen Zeit ganz bestimmt
jedenfalls davon absehen, sagen wir, eine beherrschende
len. So gross ein Bürgermeister wie Brauer
Rolle zu spie
er wurde nachher
war
- das sagt man - zum Barockfürsten
hab versucht, den Antipoden zu spielen, kooperativ.
Ich
e a m g e
ist, mich nur als einer in ein
er in eineir» Team
zu fühlen. Das ist das eine. Und dann müssen Sie als
- 5 -
- 5 -
-y
ri
Kommunalpolitiker a
Iso doch sehr stark auch das Ohr an
der Entwicklung haben. Sollen Autostrassen gebaut werden
sol Ten nie
liehe Lebens
ht Autostrassen gebaut worden; ist die wirtschaft-
fähiqkeit der Stadt vorra-ngig vor der kulturellen
Lebenswi c
steigen, so
htigkeit und wi eviel ;sol 1 die Einwohnerzahl
11 man in Megalomanie ausarten oder soll man
vielmehr sagen: Nein, bis hierher genug, die Slums der
Grossstädte, o
usw. werden un
der die Grosss
ta'dte wie New York und Paris
regierbar, du musst an einem Punkte haltmachen
Es gehört - wie s
0
11 ich sagen - es gehört ein gewisser
Instinkt, eine gewisse Erfahrung
es?fiört eine Kenntnis
Administration und dessen, was Sie mit der Bürokratie
der
machen können, dazu. Nun
ja, eben eine gewisse intim^^
Kenntnisnahme auch
des Auslandes, die einer, Lehren vermittel
wa
s für das eigene Land gut oder nicht gut ist. Und die
habe ich allerdings dank Hitler iritbekomm
en
Vahlefcld
Kommen w
ir einmal auf Ihre Partei zu sprechen.
auf die SPD!
Sie haben Ihrer Partei sehr männliche, sehr mutige Worte
Zum Beispiel: Sie wären nicht
1 n
so
s Stammbuch geschrieben,
tolerant, um Intoleranz zu
ol eri eren
6er Sie traten
als es ganz un
Weiter: eines
eine kämpf eri sc
heutigen SPD noch s
d gar unpopulär war. fUr law-and-order ein
Ihrer Bücher nannten Sie
im Untertitel : Für
he Demokratie. Kann ein Mann wie Sie in der
eine geistige Heimat haben ?
Wei chmann
r
Nun. diese heutige SPD unterliegt natürlich einen gewissen
Wandel des Zeitgeistes, wie alle Parteien auch - das ist
ja bei den sogenannten bürgerlichen Parteien auch der Fall
die immer/zwi sehen einem mehr konservativen oder einem mehr
progressi v
en Flügel sich zu bewegen haben
Das ist also in der SPD nicht anders und durchaus tole-
bel. Die Untoleranz fängt da an
wo
für mein Gefühl unser
System entscheidend verfremdet werden soll. Wo man also
aus einem konstitutionellen System parlamentarischer
Regi erungs
führung etwa herauswill in Richtung einer
i; Plebiszitären Demokratie. Oder wo man soviele Staats-
aufgaben auf eigene autonome Körperschaften abgibt, dass
man g
a schon beinahe eine rätestaa
tliche Verfassung bekommt.
- 6 -
- 6 -
Vahlefeld
oder wo gar junge Leute, denen als solche ich das nicht
übelnehme, mit Vorstellungen von Systemüberwindung in die
Partei eintreten und wo ich dann allerdings - nicht gegen die
jungen Leute, ich bin auch revolutionär gewesen - aber wo
ich dann allerdings der Auffassung bin: da müssen die
erfahrenen, die alten, die gestandenen SPD-Politiker die
Toleranzgrenze setzen und sehen.
r
Heute sind Sie ein Mahner, einer, den - so habe ich den
Eindruck - die Sorge um
treibt: Bonn könnte zu einem Weimar
werden. Ihre vielen Aufsätze und Reden lesen sich wie
j politische Testamente. Trifft auf Sie das Heine-Wort zu
Denk ich an Deutschland in der Nach, so bin ich um den
Schlaf gebracht ?
Wei chmann
Nun
das ist eine sehr poetisch emotionale Formulierung
j und so ängstlich bin ich auch nicht. Im Gegenteil, in
manchen Fällen sage ich, es wird manches sehr viel schlechter
gemacht als es in Wirklichkeit ist. Die Tatsache, dass
wir auch unter der Regierung Helmut Schmidt die geringste
Inflationsrate im Vergleich zu anderen Ländern, die geringste
Rate an Arbeitslosigkeit - im Vergleich zu anderen Ländern -
die gesundeste Währung - im Vergleich zu anderen Ländern -
haben; dass wir, wenn Sie so wollen, auch eine Klassen-
schichtung überwunden haben: wir haben ja trot
^^K
rbei tsl osen
keine soziale Unruhe im Lande. Das ist doch an sich ein
grossartiger Zustand, den eigentlich noch kein anderes
Land - vielleicht Schweden ausgenommen - in dieser Art
und Weise erreicht hat. Insofern bin ich nicht beunruhigt.
Beunruhigt bin ich über eine gewisse Tendenz, dass Leute
nicht sehen, was gut ist. Und nun aus einer Kritik an
gewiss kritikwürdigen Zuständen anfangen, an dieser
Demokratie alles schlecht zu finden. Staatsverdrossen zu
werden. Oder gar - und da ist auch der Toleranzpunkt - oder
gar meinen, ihr Recht sei allgemeines Recht und sie hätten
das Recht, das dann auch mit Gewalt durchzusetzen.
Da hört es auf mit meiner Toleranzgrenze.
Vahlefeld
Sie haben mir im Vorgespräch erzählt, Herr Prof. Weichmann
- 7 -
- 7 -
Wei chmann
Si e sei en Wan
dervogel gewesen. Diese Jugendbewegung hat ja
ei ne
Elite bei uns sehr stark geprägt. Was w
ar das besondere
des Wandervo
gels, jetzt nicht abstrakt-akademisch» sondern
ganz persönlich auf Ihr Leben bezogen ?
Ja, das waren wohl zwei Dinge. Es war einmal die Freude
zur Natur als ein Regenerationsfaktor des städtischen
Lebens. Wissen Sie
ich bin imme
r dabei erinnert worden
an die mythologische Figur vom alten Anteus, der wieder
wenn
er mi t der Gea
m
it der Erde in Verbindung kam, neue
Kräfte schöpfte. Das ist mit mir heute so, deswegen gehe I
ich auf meine Allgäuer Hütte, die f^atur frischt mich auf.
bt einem so doch etwas die Dekadenz 6er Gesellschaft
Und stau
oder der Grossstadt ab
Wandervoge
Das zweite ist aber an dieser
lbeweguTTg7''das ist eigentlich noch bedeutsamer.
Dass sie auf einmal in uns Jugend das Gefühl einer Selbst-
verantwortlichkeit, einer Selbstverantwortlichkeit für
sich und auch für die Umwelt hervorgerufen hat. Der Wander-
vogel war in solchem Sinne doch ein gewisser moralischer
Aufbruch - wie soll ich sagen - aus einer sonst - und jetzt
m u s s IC
h mich progressiv ausdrücken
- sonst in erstarrten
Form behüteten und bevormundeten Jugend.
Vahlefeld Sie erwähnten schon Ihre Hütte im Allgäu. Da leben Sie
so ganz ohne elektrisches
ohne Telefon, ohne alles ?
Licht, ohne fliessendes Wasser
W G i c h rn a n n
Nun, soweit ich nicht mein eigenes Licht strahlen lassen
kann, tut es eben meine Petromaxl ampe , für die ich das
Petroleum selber rauf schl eppe . Da ist eine direkt an der
Hütte enspringende Quelle in einem Brunnen, den ich dann
auch selber einzementiere und fasse, da müssen wir uns
eben unsere Nahrungsmittel im Rucksack rauf schl eppen und
auch für einige Tage immer versorgen , weil man nie weiss,
ob man n
icht im Sturm oder Regen womö
glich nicht runter kann
ins Tal. Aber es ist doch wirklich eine
immer wiederkehrende
rneuerun g
q der Kräfte, man erstarrt nicht in Bequemlichkeit
od
C 1
körperlicher Une
I o
sti zi t
\ c
- 8 -
- 8 -
Vahlefeld Sie waren auch in der Emigration verheiratet, Herr Prof.
Weichmann. Wie hält unter einer solch schweren Belastung
eine Ehe eigentlich stand ?
Wei chmann
I Meine Ehe wird im nächsten Jahre 5o Jahre Bestand haben.
Und meine Frau ist eine geistig so lebendige, politisch
so interessierte Person, ausserdem ist sie noch gebi Ideter
als ich bin. dass wir eigentlich ständig sind wie zwei
Hochspannungsmasten - da^
rrfmier
fort ein Funke zum anderen
gegenüber, gebärt wieder einen neuen Funken. Und wir haben
also eine
beiderseitig harmonische Reaktionsfähigkeit
Ibst immer wieder erneuern, kritisch
i n der wi r uns se
prüfen und zu der eben das Phänomen hinzutritt, dass wir
uns schlicht liebhaben.
Vahlefeld Und dann gab es nach Ihrer Rückkehr hier nach Deutschland
den 22. Juni 1973. Da wurden Sie, der aus Deutschland
Wei chmann
te und nach Deutschland wieder zurückgekehrte, erneut
verjag
ausgepfiffen u
n
d ausgebuht von Studenten der Universität
Kiel . Sie konnten
Ihren Vortrag damals nicht halten
Tauchten da an jenem Abend spontan unter dem ersten
Eindruck des Geschehens bei Ihnen nicht wieder die
Gespenster der Vergangenheit auf.
Ja, ganz sicherlich. In dem Sinne, dass ich wieder erlebt
habe, wie sich auf einmal in einer Jugend eine gewisse
untolerante , nicht ansprechbare Massenhysterie ausbreitete,
es war der Geist: die Strasse frei, die braunen Bataillone
marschieren, der vor meinen Augen wieder lebendig wurde.
Und deswegen: die Demonstration hat sich nicht gegen
meine Person, sie hat sich glaube ich mehr gegen den
Rektor der Universität Kiel und einige Vorkommnisse dort
gerichtet, nicht gegen meine Person. Und in der Person
fühlte ich mich nicht getroffen, aber als Zeitgeschicht-
liches Moment war ich sehr beunruhigt, weil das in der Tat
eine Renaissance eben dieses Geistes einer Ausschaltung
der kritischen Vernunft gewesen ist. Bei dem ich also den.
Schritt der Batai 1 lone und die Uniformierung des Gedankens
- 9 -
- 9 -
in einer
Protestbewegung wieder erschütternd erlebt
habe und meine Besorgnisse sind ja wohl bis heute durch
manche Vorkommnisse an den Universitäten jeden Tag
neu gerechtfertigt.
Vahlefeld
Wenn
Sie jetzt so Ihr politisches - Vermächtnis, will
ich einmal so sagen - schreiben, ich könnte mir vorstellen
dass Sie an der Arbeit daran sitzen
was geben Sie jetzt
zum
Abschluss unseres Gesprächs an Stichworten mit
Weichmann
Also: ich schreibe kein politisches Vermächtnis. Ich bin
noch zu sehr der Gegenwart und der Zukunft zugewandt, als
dass ich den Blick nur zurück wenden möchte. Und ich bin
auch nicht eitel genug und nicht interessiert genug, ich
habe auch keine Aufzeichnungen. Also das nicht, nein, ein
politisches Vermächtnis schreiben möchte ich nicht. Ohne
dass ich damit denen, die das tun, irgend etwas Schlechtes
anhängen will - ich nicht.
Aber, der Kampf, in dem sich doch ein Politiker jeden Tag
befindet und in dem ich mich jedenfalls befinde, ist diese
grosse Frage: Können wir auf die Vernunft der Menschen
bauen oder müssen wir immer wieder mit der Unvernunft der
Menschen rechnen ?Friedrich der Grosse schrieb als junger
Mann den Anti-Macc
hiavelli - im Alter liess er das Anti
weg
• . .
Vahlefeld
Herzlichen Dank, Herr Professor Weichmann
m^
Begen Italien
177 - 35 Pf
C 1784 AX
Unser Knliz wundeiliar - ober Volkert Gehünerschiittening
• In einem der besten Spiele seit Gewinn 1 deutsche Elf Italien 2:1. Überragend der 1 Pedi: Georg Volkerts Gehirnersdiutterung.
der Fußboll-Weltmeistersdiaft besiegte die | Hamburger Kaltz. Er bleibt HSV-Libero! i (S. 17— 19)
Homburg: Brachte der
Stture-Aflentiiter sei
# Hat der geisteskranke Hamburger, der
Deutschlands wertvollste Gemälde mit Säure
zerstörte, im Wohn auch seine Frau aus dem
Femster gestoßen? Die Kripo, die den 40jährl-
gen HansOeachim Bahlmonn faßte, prüft es.
Die Fpou war zehn Tage n>aich dem Sturz ge-
storben. Sechs Tage später b(
mit den Gemälde-Zerstörungc
Minuten nach dem FensterstuI
•
>sen erschüttern-
Jin der Hoffnung,
|nd Mut gibt:
»rgen machen. Wir
durch in dem Ge-
/
S«lt*
2 • BILD • Hamburg. 10. Oktober 1977
iHtenwationen LebenshiWe Dwtew
'Anxelge
*■■. = V^i^Y^'^S/ ^ri
Es gibt nur «in . . .
das seit 1882 bewährte gute alte
Hausmittel zum Einreiben, Ein-
nehmen und Inhalieren.
Nervenerfrischend und belebend.
Erhältlich in Apotheken, Drogerien
und Reformhäusern.
Po-Ho Sanitäts-Werk Hamburg
Otto Joh. Jul. Witt & Söhne
Eiffestraße 598 • 2000 Hamburg 26
Nachrichten
Hinterhalt
ap. Bangkok, 10. Oktober
An der Grenze zu Kam-
bodscha geriet eine thai-
ländische Patrouille In
einen kambodschanischen
Hinterhalt: Ein Soldat tot,
vier Verwundete.
Im Bett erschossen
dpa. London, 10. Oktober
IRA-Terroristen haben eine
24jährige Frau in Ihrem Bett
erschossen.
Tolles Tempo
sad. Workshop, 10. Oktober
Auf allen „vieren" kroch
ein 14jähriger Engländer In
9 Stunden und 52 Minuten
17 Kilometer weit. Weltre-
kordl
Amerika liefert
ap. Brüssel. 10. Oktober
„Amerika bleibt für die
Europäsiche Gemeinschaft
ein verläßlicher Lieferant
von Kernbrennstoff", ver-
sprach US-Energieminister
Schlesinger in Brüssel.
Genscher reist
wieder
ap. Bonn, 10. Oktober
Außenminister Genscher
ist gestern mit 87 Beglei-
tern zu achttägigen Wirt-
schaftsgesprächen nach
Japan und China geflogen.
Sie sterben
nicht aus • • .
dpa. Berlin, 10. Oktober
Eine Hakenkreuzfahne
hoben Unbekannte gestern
auf der Berliner Siegessäu-
e gehißt.
■*s
m
?k-
t
Die Siegessäule im Berlii
garten
Hier spricht ein weiser alter Mann, der den Untergang von Weimar erlebt liat
PROF. H. WEICHMANN
(81) ist einer der großen
alten Männer der SPD.
Sechs Jahre lang war er
Erster Bürgermeister in
Harnburg. In der "Weima-
rer Republik war er enger
Mitarbeiter des preußi-
schen Ministerpräsidenten
Otto Braun. Als Jude
mußte er 1933 aus Deutsch-
land fliehen.
Von Professor Dr. HERBERT WEICHMANN
Verwirrung, Unsicherheit, Staatsverdrossen-
heil — so heißen die offenbar unvermeidii-
chen Begleiterscheinungen des sogenann-
ten Fortschritts, der die BUrger mit seiner Vielfolt
an Informationen und Widersprüchen überflutet.
Diejenigen Bürger, die nach Recht und Ordnung
rufen, stehen unsereml Ordnungssystem mit Miß-
mut gegenüber. Sl* tragen ebenso zu Zweifeln
am rechten Weg der Politik bei wie die Verblen-
dung der sogenannten Systemgegner.
Deshalb möge es einem noch überlebenden
Zeitgenossen von Weimar auf Grund seiner
schmerzlichen Erfohrungen erlaubt sein, einer
Aufforderung der BILD-Zeitung zu folgen und ein
Wort der Besinnung zu versuchen.
Die heile Welt hat es niemals gegeben und
vf'\rd es niemals geben. Die Welt ist von
Konflikten zwischen arm und reich, zwi-
schen Weltanschauungen und politischen Mei-
nungen vorprogrammiert. In totalitären Staaten,
in denen die Freiheit unterdrückt wird, werden
diese Konflikte gus der Öffentlichen Diskussion
fortgezaubert. In freiheitlichen Staaten dagegen
gehören sie gerade zum Wesen unserer Gesell-
schaft. Konflikte auszutragen und sie auf den
Weg eines Kompromisses zu lösen versuchen ist
also kein Zeichen dafür, daß etwas faul ist im
Staate.
Naturgemäß muß es aber In der freiheitlichen
Gesellschaft ein System von Recht und Ord-
nung geben, das die Rechte des einzelnen
gegenüber dem Staat ebenso abgrenzt wie die
Rechte des Staates gegenüber seinen Bürgern.
Gerade die Terrorakte beweisen diese Notwen-
digkeit.
Ich habe seit Jahren und meist allein auf welter
Hur dazu aufaefordert. rechtieltig Illegaler Ge-
waltanwendung •ntgegeniutreten. Heute muß
Ich vielleieht meine Stimme dagegen erheben,
die wachsende Hinwendung lum Ordnungsstaat
nicht mit einer Abwendung vom Freiheitsstaat xu
bezahlen.
Auf dem Gebiet der Wirtschaft werden eben-
falls häufig Klagelieder angestimmt, die
nicht berechtigt sind. Wer geschichtlich be-
wußt denkt, wer die Wirtschaftskrise der Epoche
von Weimar vor Augen hat, muß auf die immer
noch gute wirtschaftliche Lage der Bundesrepu-
blik im Vergleich zu onderen Ländern hinweisen.
Staatsitrise - ein Wort,
mit dem man vorsiciitig
umgelien muß . . .
Selbstverständlich Ist die hohe Arbeitslosig-
keit ein schweres Problem, dessen Lösung
Vorrang haben muß. Aber auch hier muß
man mit dem Wort von der angeblichen Staats-
krise vorsichtig umgehen. Die Regierung Ist auf
dem Weg, gezielte Maßnahmen zu ergreifen.
So wie man eine Währung durch Zweifel zu
Tode reden kann, trägt auch ein übersspitztes
Krisengeschret nicht zur Ermutigung, sondern zur
Entmutigung wirtschaftlicher Initiative bei.
Ich möchte auch ein kritisches Wort zur Presse
und den Medien sagen. Es ist Gewohnheit ge-
worden, das Gute als selbstverständlich an-
zusehen und darüber nur wenig zu berichten, da-
für aber um so lautstärker vermeintlich bedenkli-
chen Erscheinungen nachzugehen. Damit werden
die Gewichte verschoben und der Bürger verun-
sichert. Ein besonders schlimmes Beispiel von un-
fairem Journalismus ist die neue Wallraff-Spiona-
ge und deren Publizität trotz früherer Verurtei
lung durch den Presserat.
Eine 2000 Jahre
alte Lettre, die
aucli lieute nocli gilt
Auch hier drängen sich leidvolle Erfahrungen
aus der Weimarer Zeit auf. Sie geben Anlaß, da-
vor zu warnen, daß die kritischen Stimmen der
Publizistik um Ausgewogenheit bemüht und nicht
darouf oütgerichtet sein sollten, Massaker an
Menschen und Institutionen zu veranstalten.
Wohl abgewogenen Sinn euch in schwierigen
Zeiten bewahren — das lehrte ein römischer
Dichter schon vor 2000 3ahren. Diese Lehre gilt
auch heute noch.
DR. HERBERT WEICHMANN
4/ ^, >^;^> ^., /f/.Vy^c//
^^/a
^ji'y ^-/i^
i^/' 4^/^///-^/
^
i^/A
^//
H ^ff
Nr. 138 - Seite 13
Professor Dr. Herbert
Weichmonn
Aus
meiner
Sicht
In Exklusiv-Belträgen für
das Hamburger Abend-
blatt äußern sich Persön-
lichkeiten aus dem In- und
Ausland zu Fragen unserer
Zelt. Ir> der Artikelreihe
„Aus meiner Sicht", die wir
in zwangloser Folge veröf-
fentlichen, schreibt heute
der frühere langjährige Er-
ste Bürgermeister Ham-
burgs, Professor Herbert
Weichmann, über die häu-
fig bedrückende Art, wie
wir — auch Politiker unter-
einander — miteinander
umgehen, und ob «s richtig
Ist, alle Probleme so un-
endlich zu komplizieren,
wie es heute vielfach ge-
schieht.
Zurück zur
einfachen
Wahrheit
Politologen, Staatsrecht-
ler, Pädagogen und auch
sonst renommierte Per-
sönlichkeiten befasset!
sich immer mehr in besorgter
Weise mit Problemen, die in
Begriffen vom überfremdeten
oder überforderten Staat, von
Legitimitätskrise und Staats-
verdrossenheit, von Konsens-
problemen oder Gefahr der
Unregierbarkeit ihren Aus-
druck gefunden haben.
Diese relativ neu aufgekom-
mene Welle einer politischen
Besorgnis hat ihren Grund
darin, daß die Ära der Aufbau-
periode und mit ihr der weit-
gehende politische Konsens
der Bürger in Richtung auf die
Staatsziele ein Ende genom-
men hat. Das gesellschaftliche
BewuBts'iir» hat sich in eine
Füll-tf von Widersprüchen ver-
itj-kt. Die Wohlstandsgesell-
schaft Ist zur Anspruchagesell-
schaft ausgeartet, und der An-
spruchsgesellschaft tritt jetzt
der Umweltschutzgedanke mit
der Vorstellung von emer
idyllischen „Zurück-zur-Ns«-
Dasein freundlich begegneten,
hilfswillig wären, Rücksicht
aufeinander nähmen und bei-
spielsweise das Defizit an Re-
spekt gegnüber dem Alter be-
seitigten. Anders ausgedrückt,
muß die Freiheit in Permissi-
vität ausarten, in der alles er-
laubt ist, oder sollten wir nicht
schUcht das wieder bewußt
pflegen, was man als guten
Ton bezeichnet, um so wenig-
stens einige Mißtöne im Kon-
zept der Dissonanzen abzubau-
en?
Zum zweiten wage ich auch,
auf gewisse ästhetische Le-
benswerte hinzuweisen. Im
Aufruhr gegen das sogenannte
Establishment ist seit Jahren
die Jugend, aber nicht nur die
Jugend, dazu übergegangen,
das äußere Erscheinungsbild
in der Kleidung demonstrativ
zu verschlechtern. M£S> rr.aj
für eine gewisse ^.^i" Ver-
ständnis für die ^'l'wendung
vom Hergebrechtf-n reigen.
Aber hat der modern ge^ worde-
ne „Gammel-Look" nicht
KWUl
icin
lai 5irn in eine
Fülle von Widersprüchen ver-
stickt. Die Wohlstandsgesell-
schaft ist zur Anspruchsgesell-
schaft ausgeartet, und der An-
spruchsgesellschaft tritt jetzt
der Unnweltschutzgedanke mit
der Vorstellung von einer
idyllischen „Zurück-zur-Na-
tur"-Auffassung entgegen.
Jungen Idealisten andererseits
gaben die unvernneidlichen
Unzulänglichkeiten unserer
pluralistischen Welt Anlaß
zum Rufe nach einer System-
veränderung unserer staatli-
chen Verfassung. Aber auch
auf der Basis unserer freien
GesöJlschaft mit der in ihr
verbürgten Freiheit und Ver-
antwortlichkeit des Individu-
ums entwickelte sich immer
stärker der Trend, dem Staate
eine totale Verantwortung für
die Lebensgestaltung des Indi-
viduums und der Gesellschaf ts-
struktur anzulasten.
Ist es'unser Schicksal, uns als
Individuum und als Gesell-
schaft in Widersprüchen aus-
einanderzuleben und die be-
stehende Ordnung durch einen
Zustand zu gefährden, in dem
jede gemeinsame Orientierung
verloren geht?
Nun — eben über. diese Pro-
bleme wird wachsend nachzu-
denken sein. Ich möchte sie
hier aber nicht vertiefen, son-
dern nur versuchen, ein paar
kleine Brötchen zu backen, die
dafür aber etwas verdaulicher
sind als der Inhalt der großen
Problempakete. Hierbei ent-
decke ich, daß auch ich offen-
bar zu einer Art Systemverän-
derer im Hinblick auf gewisse
Erscheinungen der Gegenwart
geworden bin.
Spielregelndes
Zusammenlebens
Sollten wir uns nicht, so
möchte ich fragen, zu der ganz
einfachen Wahrheit bekennen,
daß das unvermeidliche Zu-
sammenleben der Menschen
gewisse, sehr einfache Spielre-
geln des Zusammenlebens be-
dingt, ohne die wir eben nicht
gut zusammenleben können?
Eine erste solche Spielregel
möchte ich in jenem Appellse-
hen, den gerade das Hambur-
ger Abendblatt bereits vor
Jahren an die Bürger gerichtet
hat, der aber zunehmend ver-
hallt ist: „Seid nett zueinan-
der". D^r Streß des Tages, die
Nichterfüllung vermeintlich
gerechtfertigter Wünsche, die
verwirrende Vielfalt der Ein-
drücke und Ereignisse hat die
Menschen reizbar gemacht. Sie
sind vielfach unfreundlich,
mürrisch, unfroh geworden,
obgleich es gewiß der lebenden
Generation sehr viel besser als
den vorangegangenen Genera-
tionen geht.
Es würde zweifellos unser
Leben erleichtern, wenn wir
uns im einfachen tätlichen
das äußere Erscheinungsbilc
in der Kleidung demonstrativ
zu verschlechtern. Metx maf
für eine gewisse Zeit Ver-
ständnis für die Abwendung
vom Hergebrachten zeigen.
Aber hat der modern geworde-
ne „Gammel-Look" nicht
seinerseits zu einem Konfor-
mismus geführt, der keines-
wegs dem Individuum mehr
Individualität verleiht? Ent-
sprechen fifjckige und ausge-
franste Hosen wirklich der
Wesensart von Mädchen, wel-
che die Natur doch mit einer
gewissen Kategorie ausgestat-
tet hat, und müssen bei den
Männern Härte zugleich das
Merkmal des Verschlampt-
seins tragen?
Polemisieren
statt diskutieren
Ein drittes: Wi? haben weit-
gehend die Weisheit der alten
Griechen verlernt, daß näm-
lich gerade der Wissende weiß,
wie unvollkommen sein Wis-
sen ist. Wir haben darum auch
das Diskutieren verlernt und
an seine Stelle das Polemisie-
ren gesetzt. Die politischen
Parteien haben hierbei leider
ein schlechtes Beispiel gege-
ben und sind nach der Periode
des Bemühens um Konsens in
den Aufbaujahren rückfällig
in einer Weise geworden, die
an Konflikte in der Weimarer
Republik mit bekanntem töd-
lichem Ausgang für unsere
Demokratie erinnert. Wir
müssen uns bemühen, wieder
mehr zuzuhören, den anderen
zu verstehen, sich selbst zu
überprüfen und Konflikte zu
minimieren statt zu maximie-
ren.
Ich möchte noch eine kitzli-
ge Frage wagen. Die Frauen
haben sich weitgehend eman-
zipiert und damit auch sicher-
lich eigene, schöpferische
Kräfte nutzvoll ausgelöst. Die
Gleichheit der Rechte bedeu-
tet aber nicht auch die Gleich-
artigkeit der Geschlechter. So
wenig wie ein Mann weiblich,
so wenig sollten Frauen männ-
lich werden. Die Natur hat ih-
nen mehr als den Männern den
Vorzug verschafft, Elemente
eigenen Charmes zu besitzen.
Sie sollten bewußter gepflegt
werden zum Nutzen der
Frauen, zur Freude der Män-
ner und der Frauen, zum Woh-
le der Gesellschaft.
Mit diesen wenigen Gedan-
ken habe ich gewiß keinen
neuen Moralkodex entworfen
oder entwerfen wollen. Ich
meine aber, daß es für die le-
benswerte Gestaltung unseres
Daseins nicht unerläßlich ist,
die Probleme zu komplizieren.
Seid nett zu euch selbst, seid
nett zueinander — wenn wir
diesen Satz beherzigen, wird
auch die Welt und unser Leben
in ihr freundlicher sein.
serer Gesellschaft und vor diicr^^Bashdcmok
re_2räsematW^nD^^
Handlungsfreiheit
für schöpferische
Persönlichkeiten !
Dl« Entwicklung unserer Groß-
städte aanci und steht im Zeichen
?ines ständigen Wechsels von Be-
dürfnissen und Ansprüchen, die
häufig das Projekt von gestern am
nächsten Morgen aurch die Perspekti-
ven von übermorgen als dementiert er-
weisen. Man erinnere sich an gewisse
markante Vorgänge solcher Art m
Hamburg. Bei den Beratungen, über den
Aufbauplan lOtiO zeigte man noch Furcht
vor emem zu großen Wachstum der Be-
völkerung und bcmaß die Emwohner-
zahl auf „nur" 2 Millionen statt ur-
sprünglich veranschlagte 2,1 Millionen.
Heute besteht die Furcht vor emem zu
großen Schrumpfungsprozeß.
Das Überseezentrum im Hafen, sei-
nerzeit als das Nonplusultra im Stuck-
cutverkehr konzipiert, wurde plötzlich
durch ein bis dahin völlig unbekanntes
Wesen rämlich durch den Container-
verkehr, überrollt, der die Struktur des
Hafens wie des Schiffbaus entscheidend
veränderte.
Di« Dynamik der Neubautätigkeit auf
der grünen Wiese bis 1971 fand mit der
Beendigung des P^rojektes Allermohe
ihr Ende. Die mehr konsei-vative la*-«
der ßtadtteilemeuerung und Restau-
ration des alten Bestandes loste sie ab.
Das in den 'Aufbaujahren unbestritte-
ne System zentraler Planungen und
Be'^chlußfa. sungen wurde durch ein Sy-
stem sogenannter bürgernaher Verwal-
tung mit vielen Mitwirkungsinstanzen
abgelöst und ließ vielfach die Entschei-
dungsprozesse im Gewirr unüberbrück-
barer Interessengegensätze einfrieren:
Bürgermeister KIo.se warf stöhnend und
zweifelnd auf einer Tagung in Tiitzing
die Frage nach der Regierbarkeit der
Städte auf.
Der Reformeifer sprudelt
als Quelle der Verwirrun^^
Die These von der individuellen För-
derung des Standortes Hamburg gencl
fn das Feuer der Umweltschützer, und
fehnhch wurde der Bau von Kernkraft-
werken ja sogar von Kohlokraftwer-
ken vorher unbe^trittea und gerausch-
loT'vollL^gr,). zu einem ges.llschaftspo-
litischen Problem.
Dci. sind nur einige Beispiele für den
Vcraritworthch für das ^Jfj^^^/^^^^^^^^
Karl-Heinz Rucke. Hamburg
Wechsel in der Planung von Entwick-
lungsmaßnahmen und dl-» Veränderung
im gesellschaftlichen Prozeß der Mei-
nungsbildung.
Kon.stant geblieben ist eigentlich nur
der Reformeifer. At)er damit sprudelt
auch konstant die Quelle der Verwir-
rung weiter. Die Bildungsreform und
ihrf> Konsequenzen haben im Schul-
und Universitätsbereich alle früheren
Planungen kompromittiert. Der Ausbau
des Sozialstaates, oder wenigstens die
soziale Sicherung des Bestands, stoUt
sich an der f man/iellen Enge. Die finan-
ziellf- Enge ist eine Folge weltwirt-
schaftlicher Veränderungen clie uns
treffen aber von uns kaum beeinfluß-
bar sind. Die durch die Imanzielle Enge
bewirkten Unzulänglichkeiten lassen
dafür ein Wachstum höchst unliebsanrier
Art Platz greifen nämlich ein Wachs-
tum an StaatsviTUrossenheit, an Ideolo-
gien mit dem Ziel von Systemverande-
rungen, ja sogar an Anwendung oder
zumindest Andeutung von Gewalt tur
oder gegen die.ses iind jenes, wenn es
der Durchsetzung des eigenen Interes-
ses dient.
Im rapiden Wetn.el der objektiven
und sublektiven Bedürfnisse Ist auch &c
Sonne Irüherer Gläubigkeit an Voraus-
sicht und Planung in der Dämnierung
des Zweifels versunken. Gewi b gibt es
noch weiter Vorstellungen, wie qua i-
tät.^mäßig oder der Quantität nach die
Vitalität und der Eebenswert der Stadi
>;psichert werden sollen. Da> gestiegene
Anspruchsbewußtsein der Burger
gleicht sogar einer Hydra — ein An-
spruch ist erfüllt, zwei neue erwachsen.
Projekte und Ansprüche sind keine
Mangelware, und sie werden auch im-
mer einem Für und Wider unterliegen
So möchte ich meinerseits darauf
ver/ichtcn, fias Füllhorn konkreter oder
abstrakter Ideen anzureichern, datur
aber einen m der Massengnscllscaatt
iet7t zu kiir/. gel:ommen<^n Gedanken
hervorheben. Im Zuge der Kodierung
nach melu- Demokratie und im Respekt
vor dem mündigen Bürger hat diese all-
romeine m.d z^r Mit.^prache drangende
MundigkiMl der Ma.^.se Men.'.ch dazu bei-
gpiragen, die besondere Holle des schöp-
ferischen Individiums gerade auch in
der Massengesellsc-liaft zu übersehen.
Mit dorn begriff der gewiß erforderli-
chin Herbei fül'.run.i; von Chancengleich-
heit hat sich die Vorstellun- von einer
Bpgabungspleichheit und ^^^ Anspruchs
von Schicksaisgkichheit entwickelt, die
dazu diängt, unserer Gesellschaft im-
mer mehr egalitäre Züge aufzuprägen.
Der Mensch ist aber nicht In jedem
Individuum em gleichgeart -tes Wesen.
Gev^dß hängt seine Entwicklung aucn
von den jeweiligen gesellschaftlichea
Umständen ab, aber noch immer haben
in der Geschichte hervorragende Per-
sonMchkeiten entscheidend den Verlauf
der gesellschaftlichen Gestaltung beein-
flußt Die Persönlichkeit wieder zu rc-
sntktieren und ihr auch Handlungs-
spielraum /u verschaffen, das erscheint
mir ein Gebot der Stunde.
Das gilt allgemein im Bereich der Poli-
tik und besonders auch für die Stadt-
politik.
Parteidelegierte haben
faktisch zu viel Gewalt
Wer die Geschichte der deutschen
Städte vor oder nach den tausend Jah-
ren der Nazi-Zeit im Auge hat, der erin-
nert sich an die große Zahl der Bürger-
meister, die d ach das Wesen ihrer Per-
sönlichkeit das Gesicht der Stadt
fruchtbar geprägt haben. Bürg.u-mei-
vter mit oder ohne verfassung.-maßige
Richtlinienkompetenz, Senate oder Ma-
gistrate, jeder einzelne an den Schalthe-
beln der Macht sollte die Essenz einer
schöpferischen Persönlichkeit besitzen
und dazu den Freiheitsraum erhalten,
sie wirksam einzu.setzen und sie nicht m
den niederen Niederungen des Padei-
iebens zu verbrauchen. Eben das aber
scheint nach Ablauf der Aufbaujahre
schwieriger geworden zu sein.
Es ist schwieriger geworden wegen
des wachsenden Anspruchsbewußtsems
drr Büigi-r u:id öer au-ufernden Vielfalt
der Ansprüche nach der Erfüllung der
^plb.tverständlichen Aufgaben, welche
■<lje Aufbauperiode stellte E. ist aber
auch schwieriger geworden, weil das aa
= .ch i-rfreulicherweise gestiegene demo-
ki itische Bcwußt.sem den Bürger zu
Forderungen an einer Mitbeteihgung an
Entsclieidungsprozessen innerhalb und
außerhalb von Exekutive und Legislati-
ve führt, die die verfassungsrechUiche
Vollzugsgewalt nicht immer stärkt, son-
dern häufig auch schwächt
Erscheinungen wie die Mitwirkung
von Parteitagen bis ms Detail oder gar
r\o mehr o<lcr minder faktische Aus-
übung eines imperativen Mandat.s, der
Druck einseitig orientierter Bürger-
initiativen und spezifischer Verbands-
':'''i''i^W
ls>
. .-, rl. r lia-
\r'f- pn, '^ a Wähler
"''^"''^- -0 (%.s»p'.wi.it durch rincn
^--^^"^\r^;sca^;m Huf nach
etdschieden. : .^ u^^' ^^.....run;;. sondern
tcr Kreise I)i.>.^-J^^^^_^^^^
rncn Bereich Oi . I"" ^ u^ter dem
eine Erosion aes ^fj.^^^^^^^^^^ mit sei-
maivhe eine u ^^.^^^^^^
aber es ist eiae w ^ ^ Q,^^,r^.
^ontroUe^st. ^^:. -,,,,.. .^h
einen «"^'^^^"^^"^nUt jeweils; vo. -.1 -
räum besitzen ^^^^^'^''^j,« auf soienann-
rer eigenen ^"^^'^^^^^''aLewiesen sein
^ BLis/ustimmunj: ange ^^^^^ ^
und damit J?^7^^l!l^"rcr Elem«^^« als
Hintertür P^^'^'^"^' ,5^^^ zu betraditen.
Gewählte Vertie^r m ^^^,^,.ndcn
Legislative "^"^^^^^^^"'erhallen. solange
"^^^1i^n^:^vSwc^tung tra.en.
üiC eben u.V. > . ^« tjr
.„, .>.,,t.ib Teich zumMit-
i^or im <i-^« " ^ ^uch zum
w ...„^-.;a4 und damit ;»ueu /-
kanfl dazu, ^V , We-m nun mit einem
•"^ "::;"d'rf tonrlen dura. Vepraue^
deu vvi rat n a . , .^g an dn ^ ivonnt.u
,.,,,ai Hcrau.r'-K.ung i^oordmie-
uud d;e ^ntelliReaZ'^^^%^^,rk53mer
: ung uad T^^"^,f ^'^.rroUtikcr u. d.e
^,.,cicn dann f ^^^^ ^l^, Projekte zu er-
Lage versetzt, ^'^"^^^^^^[dung vu stel-
arbeiten und ^^^^^^"^^ ^ren Vollzug
len sowie im ,.'«^'=^^
zu realisieren-
Der eigentliche mU
für Rürger-lnlüatlven
f
r
i
f
na. I-Ut IreiUch noch «-<> ^ndere
unser demoKnU «hi, .> ^ ^^^^ p^^.
wnlichkeiiwi, d» - ^„.pruch nehmen
dann ''b^/^^.Vn soSdar.sch von den
P^"-'^'^hfb"'> ""d n-...-t sland>g von
2ur Mhopfer..eh-poal..chcn ^^^^^.^,^^^..
gehövt =.Hh ^■'"«_f='^°f''dH. unerläßlich-
Instrumont i^^/^^^^In resrektierc.,-
den ÖPielnu:-' an l~ten „„d Be-
nichl in »'■'■"''" M.t^beiUT durch em
•Coermaß an Mi'.besumi ^^^^i^^^^.
runß.i,n^'^iy^^^^^,rnÄ efamui.St v-crdca
balb der Vcrwaiiuute
'''^^'''' hl*. -uichh.-rpm offenem Wort
Ich mochte aucn
^„ und Ermutigung
U.e Mobdisierung und ^ ^^^e-
schopferischcr rer^on^^^^^^^^
tct sich natargo^maß aucn ^^^^.^^^^^g.
Bereichs von J'^^^^^^'', daß die Mana-
K5 gibt Anzeichen dafür oa ^^^^^
'.e/mude ßi:^^^^.^,^^^^^::^; Leistung und
^^ung von Begriffen ^^«^ Mach-
Profit, A^^^tif4,f t^Shwu^ erzeugt,
uirkun-on ^*^"'?^^^Lt:y^icher, als neue
Das ist um so ^^^f^.^^^^^^ und die
technologische Entw^iun^ Wirtschaft
Verflechtung der heimis^^^^^^^^ ^
ma der ^>^1^",;^';^ "in erforderlich ma-
und schnelle. Handeln ^^^ ^^^
chen. Das gdt ^^^^^'^^^Z\ore zur Welt
Hamburger Kaum, des.cn ^^^^^_
.offenbleiben m^^JJf^X ra^ch ändern
ortqualitaten sich scnr
konneu. „;^uweise schon zur
Wer hat ^^^^P^^^^'^^^'ß die multina-
Kenntnis ß^^^^°"^;^r^;,fen sich vom öl
t.onalen 01geselU;ch.if^en ^^^^.^^,,,,,^
abwenden und ^^^^^f ^'T.^ährdung der
,^,t einer ^^^f^^^.e^^l^X^t'^ Keine
bestehenden ,R^^^^^"^^'^d keine Tätigkeit
ctaatliche ^^^^^'^Il^^^i vermögen ausrei-
der öffentlichen H^!^^^^^p7erische Spiel
chond fruchtbar das schop ^^^^^^
der freien ^rafte^u ers .^^^^^^^^.^
r.!!^.tTJTrdi^^^^^^^^^^^
'^?Ur die For.chung und Lehre, für das
1 wn 'ür die Verbesserung von
Kulturleben, xUi mv- . ^ ,:iensch-
V> -ken Beziehungen _, ^.^^
^^^"^^,TVMch^'s.ruklur, der H:Ue
für iHidire. fi< r J*; i^wt/ für Burgerm-
-M» rirr ciuentliche riaiz lui „,,.4-
^;':,':rrn.chi''Ä',;,t.u....:.stu..
v,n pflichtet halten.
der erhöhte .A^'^7,^,^-'^7,^^-und naehf oi^
1),. Generation oKnog^^^ ^^^^^^ ^,^,
;;endes Leid ^^^ f^^''V:'\'^äb^ entwickelt
f'ahrungen ^^/'^^^^^f ^ ,'vSn der Bühne
hat, tritt immer ^^ /^^ 7^^,d verdrangt
des poUtischen ^^'-^^^?,^;' ^''eschichtsuner-
oder labt sich von ^ '^"^^^ .^. pas mag
lahrrnen Jugend ^l^^^,, auch die
eme t:bergan.;.pt riode >c n ^^ ^^^^
,euc Generation^h^e ;-^ gesammelt
fruchtbaren Er^nhrug^ ^^^ ^^^,
hat- Diese ;^^^/f^f^^-'^i;,e sie s.ch be.i-
auch Ihre <^.^f^'^"' ^Ihsenden Polari-
.p.elsweise ;," ^^f ^„"tm Au-^br.iten ra-
s,erung der Par.^ en, m verken-
^ntrsÄrd-ÄordneUn Zu-
sammenhangs ergeben.
^" Problem der Ken.ert.arke^ der
Städte fällt h"^^^^'pi^u,Siiti.chen Gc-
ReRierbaiKUt der P'" Problem m
,eUs*aIt --^^-■^£7i°'?ozu^.gen vor-
unserer auf .^""(ii'^t^ujchaft ist nur zu
programmierten Oeseuscn^^^^^ ^^
l„sen- wenn di<^ aMn ^^^,j,on nicht
vor Geselkchatt «iej' ^„„rtern ^n
„, gecenseiuse 1 cmo i^^.,,. «„o .n
rrTon»rennguna eibUcKon.
Am nächsten Montag:
Behalten wir Anschluß
an den Weltverkehr?
Kuno Mohr, Ende -«Yt.S.den"
u .r« «ötzt sich kritisch m»^ a«
*'''^-!hnn der Verkehrswege
Entwicklung aer v^
,nd der VerkehrspoUtik -ni Ham
butger Raum ouse.nander
■^
^■», ■ .^»_
:%
iss^:hi.
■■t
■\
i
I
• i
«si
lrr,,c/i ■^'''"'''"' *-^''" ^^'^- ;.'^osa;Titc Juden!) ei t
den Ml^, ";';„';.";,? ':''\''^ '•="" •-■"" -^■«v.n
'>, tto.mann Vt" " sX/ > n ^ '^'V '' " ^'•■^"■
niission "> omonnVn , V"!*'""-" '"•«"<i^Te Kon-
Antiscnii.'isciu'r VolJsiag in Wien
^ '^ ^ C.1 ,1 .1 t i t> 11 a 1 c r Volk t t - ;„. w ^,
• * • ' uiiu I <) L^ r o in f M <-, r u I
«icr AK,...-.,. _^^i«incri ^ u.tcn Fn^ »e«:^;
Ah:;rorcJnc(e K i, n s r h n I. u:
«KT
sicli
rcii.iMH- des dcut.du-n Wwu d
ie,m!rns.i;^c rieniento. inshc.oiia.
m/usnuimenlinnnr damit find .r. '
y'ciicr Universität eine \ v
^icutschnationalen .„t d.; Kathol
Studentenschaft, die sich .m..ner au^. '.Ve e ' .f i
hatten, statt, wobei ^.)eid,falls ^^1:^ die Cn^ m
des dexitschen Chnrakters der ^'len^^L^ '^
U^::cn alle „Ueber^rriffe ö<t sich bnlt i J
^•i Aiislär: ''T
<he Juden li<t|
'" der A i I.i
'»rudcr 5 ^i
k a t h o I f V c '"
it
I r
jüdischen Ucbertra^'^jno' v^„ 1 n
Lebersrtzar^r von P T u^k ^ ^^ '" "cbr.uscher
\Uochensdir,ft ,,H a 2 e fi ra*'.
gefü^. ^ "^'^ .' rotcstkuncin^ebung bei-
.nÄofgfndV L'/rL^J^^'^'^u^"'' "Der Jude"
frat-e i:-. l^uen- Amr^chT H^^?^ '**^'^'^ „Hie Juden-
•n der Welt|>^miic- Hans Sail'c"","; '■'i''" i"^''''
derBourgeois'^ lernet El^ht,,, 0'^''*= "^" •'"''« ""d
Volk", M. J- B™de„i;'7n,^'P''';''°'*^ -G"""
das jüdische TlieHir'- i,Li, J.*" "}"<^b Ooidiii und
Cohe'n"; ^aTsK.f.'cJ.es ^Z^h''I^T;^']V"'-'"
actzky ond F Fr^. «l- i u ^- A. lioro-
ßZc, <s^'.-r Raffaef SH g ii a r' ""° 7^' W-"" ' V ^
frÄr""^ '^- '^-««'X'a„e'^^[,.n'2-'%,t!
una ?i^e "^hrc'' '(/ur/:^!!; "^-i- ""^'"^ I-ttausc!u.ng
frajic) ; A r. t a i • (Vol^r '^ ,f ' """'"'ädion Juden-
tnva,.uncc u,k r KcL^ion";'' s:,„u"V"k- a p'p, p"o' 71
I 4, ... " h«*«!- ^.i-j alt II ort-
'U.r,'enl,l.,„.n, ist der «roßte Teil des fv i, ' , c
Volk?(ai,' konfisziert. i.r.(,.>,s
Der Jüdische Nationalrat in cl.'r U' ,i,i
f^drstLr^'L;-?;^:- ::••-• '--■.. '^
i<cKonstrui erun^ des F ü d i «? ^ ii ^%, '
ratesinderU.rai„e^„,,i^'V^^:^-^-/V,; 'i',s"u,
^Aus dem reH,.7«e„ Leben d^^
v.'cstrussisdien Juden". " Vo,' si),.,;.-r j
..JüU.sch leben" (II)" M | h'''^>- .Man.n . .bc
nt T,";, ^:--' "i,%'"KVrp'epo'r",''"'7!:;
^t.dt: jä:d;;;e"; "Äwr'vi'Tn ;■',."'=',•,'■" ^T
Zionismus"; Robert Em I W ei s- W.f.i^h-^ "'%'''
semitjsmus erlebte"- H,-, n-,.,„ r^ ' "7"- ;™ de: Ann
R.cl.ard . K r a m e r' U^arZ ' " ^ "M"'" '*'*^S"
RuJolfine Menzcl-U''Vl?, 1 "'/ , "'"''^'^ '■'<'>'<•""
! P:
JU(j,
ituni-
F r e j
^ ie internationale W i rLa mk . ,♦ f ' ' .
^entums in der V e rcr ^r^l u ^ ^^^ ^^^ j "-
Zukunft^' ^ ^rg^angenheit und i n <{e r
marPn'isf.n Vin^r^VW.'^'"'' von Hugo ZucVer-
_ Soeben erschien der 10 Benrli« Hac v i
jüdischer Fnu^n fr^'rJ, ^^ ,.V e r b a n •: ■ s
niitj'"i'r"M''"''.''l '''V <■■''« Nummer der I T \
iJiatter, .Vlinaiinhe AVjiieilun.'fn ,i,.. i.- i-*' .•
rurn verein, E ra n k f urt '"I.V ■'"''' '^ "er
1
c-o
} '»:t\ cn W ,• t rh m a n n
O i) (i .1 s i ü .1 i s v.S c V o \ k n o lii lehr ?
Wii uiucrs<.iici'itn da drei Cjudc der Dciiiüti\;ung, die u ir erleiden
müssen.
i:s dcmiiti;<t un-^ (!er)iTK,»;e, <i.T d.e r:Mv:e steiit. Ilr deinütier uns
Suirker, u'enn er dem jüdisdun \ oli\C entsr.ur.nu.
Am st.irksieii demüiiii^r er uws, venu tr sie be;,i!ur,d imrer I ler.m-
ziehun^^ von klii,<en Arsunienten und gesdiciten Gründen, von »wcnn^c
und »aber« i)eantwortet.
Wir hekfagen uns, daß uns die \\'e!r nidu aduer.
Wenn w ir uns selbst ::u aduen be^^innen, \xi.d man uns aduen. Es ist
bei Einzelpersonen uie bei X'ölkern. Das W'^errurtei! über jemanden
spricht niiiit der andere, sonclern er selbst. Selbstaditung bringr Aduung.
Die Judenheit alier Länder zeir.ü't in zwei Gru[)pen:
Die einen, die in der M.nderzahl sind, gehen mit i\K:r starken vSadie.
Sic schwinmien <.nA der Oberliadic, werden bcaditet und sind die
Nehmenden.
Die andern, die Mclirzahl, geiien mit t!er geredifen Sadie — sie taudien
unter, werden ignoriert und sind viie Cjebenden.
Der Ncidd.'iuier der anderi n bedeutet viel dem jüdisdier^ Volke.
i\i j>daiekäuler wird üa zui:. rührer.
Unsere *I'iihrer« sind umgekdnte Bileams. Sie waren berufen, uns zu
segnen und sie verliudicn uns. Adolf Stand.
Das Dilemma.
Das Dilemma ist (\.\s Problem lier jüdisdien vSeeie ^ om ^V"eg iiner
Sehnsucht nadi einer glüd^lidlen, Sdubeier. Weitordnung. Die IVav.' der
Flrfüllung ist die Elntsdu-nlungsirage ^iir den aktiven jüdisdien b!e<n..^mus.
und die Methode der Irih.ilt (Lt l\irtei. Harmonisdi \n der 7'endenz und
im Hilde des Zielziistandes handeit es sich für &ic jüdische Politik —
wenn Politik Verbuch der Wrveirküthung bedeutet — darum: Vv^ie wiid
am gereduesten, sduieilsten und sidiersten Sauberkeit im Welttanzsaal?
Ih Will diese Frage hier nicht entschf^iden. Aber WuS ie}> will, ist:
Autklärung, dai^ aucii im Gegensalz Verbindendes ruiu und zu gemein-
samer Arbeit verpiiidi(et.
Die Anschauungszeniren sind brkannt. Idi wiederhole nur:
V.
-:^'i'S^,'id-\
; *c '•.
u.\r, Diiriiif,].).
•il
:).'!• A
'^';i!ii
tf loi,
•' i ' ■ •' I
IlS« M»'(l
\\
i »»•>!. n
:von. UU
•»!' Il
Jjc
Jh'l
{).
i;i4 OS
\
iti
i • I • Ti
.'t I ; ( s I
■ilfi «.,;r
Ml
l:r I
lU'
.11. (
!•'
A;
'*i'"', n.cfn jiii, in cj.is
ii'
leid
W
O
>ii
"" I i\iiii iii ,'1,1
cirs
>
iin
ii-l\-r; I
dl'
(in
' ' K
WC
Arl
iUn,»; isr t-ii^^ dopiJoLsrii
^■•^i'n lies L:il
*''iii n:-iiiiiij>. li V i
ii.h
w>
C i i . J i I s
^' " ^^uiu:>noj:;or.,, lüjd
> t
l'OJiiiSu'., lifid iiic Kirc dor W
<',{.'
)ca in (K
ücinikoitsclcincju iur du- S
H^'lactirlicir .lul iüc \inkm .ils <'
li
i .ir
<iir
^'i:'^-c.nun,< iTalisicrt sid
n
ic rwcitc Mtthod
auocMjn^ dor W
oni jun.'idisti
i'":.snu4.s Wild
u
tnn
i':<').ihoii.iic
0 isi die z
Cm
i^'i;cjidrn \v
i vi.n i-hcnso, wie es in der assiinil
oiiisrisdic oder
i.)
ifivon
O;
ocsscv <
di
narionj.'iiidlsc^
>(;
polinsd).' un<i in
«lir
>. i
HC 1
liOiu;
iiC
krypioiiidividiia,
NMvaion nicr nur vom lüdir^chon Ideal
nnjs iir<t die üar.infio d.-r \V
VUC
— lonis
iSIi
''fj^ nnc rem r.;ois:isd
_ ^•\>' '(in in eine kosrao-
-Nxe.K^cnTTieisd»afr, \\
S<li<uf
un
lid)cr Ciod.ad
^ eines .sei.sfigen i\<iiirI,o
'f oeii laav
et:se
il Ui
eiiwende .ms l'rcud in Leid
r ■
ir
eai;>risaien
liei)enden C.
der Cjeredn
i\ii0)j;cir (und eedan!
tiens, (ior in emrr i\onzcni
nil
dier X
TiSl
HMSies ui.er die vcrl.eerfe i^rd
^^Kcir.sidee, eine leLcndiv^c Maf
iilid
in der
ivition niensdi^
i'.eii) ra.M.os neiie Wel!
ausseiwä-r, eine Krar'rn
en
ianircst Oüidi Cilauhen und I
(ier r
CiSiMC
I:
iora'sfLsdie Sr.hif die Keinirrll
1.
uei.e
• n
"iu^,^; uiKl Hesinnun^^^ ein e
der kosniopolitisdien I.i
w
'»:e
^^^^^n. Lind G
Die dl
ou isi die Liel
'C,
e ces \x erdenden Reidics G
^'aii^ar isr
'Ott CS auf
Mtfe Kuhrun.s- ^<^vn\w sid) d
der Alijudcn. Eine J
Kcsdiali. Alljiid
^o\vc dA^'s (^^e Gel
*'r iü<iisdie Iife.i!
remienz, wohl aber a
^(^i<n iMi.ssion. jjio O
enfum, nidit als der Bejrriif
A
is fier Aijsdriai< hir
"iir dieses \\
einer mad
i^'ealisfnus in der Phalanx
orres im
AI
ivie
iitsd
len
M
'ipoütistnen i^xpansions^
sondern Glüdv die Sendung der '^l^^
jenem i-aiidum der Mens
laspora des judisdien V
her. Welt,
en .iiane;i<.aiji(;i, n C
'v\Sl
i'fid Grcnz{)iulilc lanw
^liidil-
Kei
heiß
og, ,<otllidieii At
• , das <uiein iiLer df
er )ü.,;*
^ nian Un^IuKK,
^nsdiauimv:^ veri)iHvt sd
Oii.es
d
1
j
»'I» i'oinien
iKun der v>eeie der Juden. N ' ' -
yoii, :;inii:)ersdi\vini:r
Cine
vermittelt! I^ie Sendun.s^ <h's Jud
niiertum zwisdien den Staat
M
Gnad
S
^^'^^ mehr die Sd
entums zur Voilenduns^ der^^X
ent\\'o^end aus den
er Teleeraphendralit
env;^es(
henl
cn und Vol
K
ern. Die D
^'it ist dds
iaspora ist ein
^o_ treten in .,;:leidK-r Ziefstrehi/keir 1
^^^"^ in den Mitteln dif}
L
■CDen.
\i,
sozialistisdie wie
(-fitMeht, die Kraft
obiek
s ist wie mir flem Sozial
erent, i\\c jüdis(hen I',
lannoniMk in k\cv Ahsid
irle
jüdische Tia^^-ik: Miß
e* zersj)liffern. I ).ls C
ismiis, dl.- Technik
U, und
on in d.-^ örfeiitlidie
frau'en l)reirer
variiert, lind
sidi, Brud
'S i<r
Ol
jcktiven Urteil ersd.emr das Redit'alier! Die "l
K-isti^e cerar ins D
er IM .e
X'ims.itorisdie Ge.^ehenheit für die' durd
aemma,
D
em
ins[>ora, die
\.
glänzendste
setzun);^ der Welt mir dem C
X'n<i,v; sdirankenfosc Dur^ii*
ist zux'leidi A\<i
I,
kraft des \V
X^rößte Gefafir dieses C
meiste uer Ueredui<keir und Versöhnlidik
luern den Vereinzelfen H
rafr des Willens. Und der
ideahsdier ünerv-ien. rin I)
er<»;e von
Wid
leistes
Biod
Äe \o\\
Gefal
eir
aomsmus,
erstanden hedrohen dw S
uvn be-
"»Tx^K-n, ein Dynamo dcv hirnlid
<»ie li.ieriiorteste V'erdidi
[>aim-r
len i
iC
bkräl
tUHi
te, iect ßresd
le
<«'J
I l.'ri».'!
t \V
e I ui in .i M n
I)..
>i'.-
i,.:fiiiii.i.
zuyjt'itli in (!••!; Cjcclir-kon J.-i- V/i'!lu:ru.iSsnn^, sjx'zi.ilisiiTt si.i;t v.'rcir.!<;.
VoiivT.'is crsi ^iii- /\ri'ri( (\k-\' .is.siiU(lit.»li\ t'ii 1 »Ti'lrnzcn. i.im* Viollicif
vo;i vSv Vmvmi ui.'i CIku \'!)«; ii, i >ic* juciisiiio Si«'if stv-'-r S'ii\v'»'hr \\\ Gotaiir.
Wo Ai)>^K*iiiiUii,i; isi, s;-iir V't'iuMiviii;!., i, , . i>.'i, <ifr wS:,oiii urs|>riiiiv^«f
liJuT. Zn'Ics vcr>;ioitcr \nw zw icniu in. brci.'oti lirire (i«.*r Gc\x\'>lir.Iiilila»ir.
Z.i<t'ml iiiniai^r (\w ,v;o\x'issi'r.ii-i;r vx'.iXiMiilo Sl-cIc d.is uiisuiicrc Ldiul, Wo
wo!l)t suh die l^rdc zii:n Aiiiwr^ iiis i\jr,uliv-s? Liciri und vScii«ittcn sind
,«;[lriiiuiicißiy; v».*iTc*ilr, (\c[ rrkcniitiiisl;ritisdic vSiini ciLilu «Lis Rocht imd
Uiircciit jeder Riduuiivj. Was cnts(tK'i<Iei, ist die iiidividuaiifat. Das Urteil
fällt in die Koinpctcnz des Psydioio^j^cn.
Dodi aus der GeScuntsmnine d«"r M 3,^Iidikoiten zieiit der Rationalist die
Konsequenz.
Die Auf<ai)e des Judentunis iuj Zeii.iiter des I ieuTe ist kein Kult und
ist aucii keine rclijijionsphilosoi^hi.sihe S^>ekulation, — sie iüt eine provident
politische Ai.reduuin.v:. ^ .-».i-JL^U. *- f?'
Das ist das Verbindemie, das Prinzip der Konuivanizifar z^x'isdien (ien
einzelnen Kanälen: Die Identität der {)oatis(iien Verpiii(iitun,y;;en ! Das Sua*
strat aller Sehnsudit, das Do^^^na aller I endenzen ist <iie pro,^ranimatisd.e
Forderung;: Reformation der Brdjjoliiik nadi dem Rcijulativ der Ge*
reduigkeit.
Das idealistisc-hc Judentum hat eine politische Partei zu'isdien den
Formen der Staaten zu werden. »Die Elemente i\cr Wirksamkeitsweit
sind die politischen Parteien« <Brod/ — hodi das all^^emeine, internationale,
politisdie Judentum! Ich bitte ni^ht falsdi zu verstehen, ^ die Bindung
soll keine or.^anisatorische sein, ni^ht die Zahl, in vliesem Falle entscheidet
alles Aqv welrpolit:- he Geist. Weltordnun^ nach dem Grundsarz (ier
Gerechti^^keiL und ßilii^^keit duuii die s u ^»; v;ei>r i ve Kratr des Gedankens
selbst. Aus den Beschränkungen der staatlichen Bindung hinau; zur
Erkenntnis der allgemeinen Aufgal>engrundlagc im W\'sen der Volker*
Versöhnung und gegenseitigen Verptlichtung,
Und der jüchsthe Kopf als die motorische Kraft dieser Propaganda
der Anständigkeit und Mensciilidikeit. Ob Zionist, Assimilant oder Welt^
bürger, diese eine höchste Basis sittlicher Arbe.t bleibt gemeinsam. Die
soziologische Bestimmimg der jiidisdien Seele ist die Hnttaltung zwischen-
staatlidier politischer Bncrgie, Solange *Sdireie durc+i das menschliche
Chaos gellten, so oft in heiber Seimsucht der Glaulum und der Wille
vom alleinigen Imi>eralismus der Vernunft sich zu Wort oder Fat criormte,
— geht auf ^\(:\\ letzten Ursprung zurüe(\ un^d Ihr findet cier» -uden! Der
Weltkrieg ist die grellste Malinung der Zeit ^n die Zeitlosigkeit der Idee.
Noch lierrscht das Mittelaller. Öa\S So\m<:n.\v\{^cin^ werde, Vereinigung
der Mensdien zur VersÖ!\nung u\u\ Anerkennung, i\:i<. Juden, ist eure
politische y\ufgabc. Frfabt sie, formt sie zu zeitlidier und räumlicher
-Lweckm.ißiid\eit und arbeitet daran, eme Brudeigemcinsdiatt von real-
politischen Idealisten. Wo jeder steht, (\a ist Anfang. Treibt eud\ hi.u'm
in das Leben, ein ewiger, ungestüm drängender Keil, ein zeitloser epi--
demischcr Aufbrmh von Vernunft und Liebe! Leibt zwisduMistaatlidie
vStaatspolitik! Herbert Weiciimann.
-• —II 11^11
IIP- 1 ■ ■mm'
THE NEW YORK TIMES. FRID^'_^l^Jl> ^969^
TODAY... OPEN LAIE FRIDAY NICHTS
4^_^
>
:y'
%;.
p^
^^
w^^
^m
^S^'
.■'■■''■»
1^
T?
,»
#
/
>
^
r
tK»f9t/
V.. V
Jewish Mayor Says He Refused Bonn Presidency
Hamburg Leader Declares
Two Principal Parties
OfUred Post to Hirn
By RALPH BLUMENTHAL
Special to The New York Tim««
BONN, April 24 — Dr. Her-
bert Weichmanü. the Mayor of
Hamburg and the highest gov-
ernment official in West Ger-
many who is Jewish, turned
down a chance last year to
become federal President be-
cause he feit that a Jew should
not be the coimtry's head of
State.
"I never hesitated a second,"
the genial, 73-year-old Social
Democrat said in an interview
here last week. He disclosed
how he had rejected an offer
by his party and the dominant
Christian Democrats to be a bi-
partisan candidate for the pres-
tigious but largely ceremonial
post of President, to which
Dr. Gustav Heinemann has
since been elected.
Germany's problem of Com-
ing to terms with her past
is not something in which a
Jew should lead the way, Dr.
Weichmann said. It is, he said,
a moral problem for non-Jewish
Germans.
Aloof From Debate
For the same reason, he add-
ed, he was deliberately not
taking part in the country's
debate over lifting the 20-year
Statute of limitations for the
punishment of Nazi war crim-
inals.
Furthermore, he reflected, as
he drew on a long cigar, a
Jewish President could raise
serious complications in West
Germany's delicate relations
with the Arab countries and
Israel.
Both political parties then
nominated different candidates,
resulting in the election by the
Federal Assembly March 5 in
West Berlin of the Social Dem-
ocratic Justice Minister, Dr.
Heinemann.
Dr. Weichmann, in addition
to being Mayor of the largest
city in West Germany, is this
year's President of the Bundes-
rat, or Upper house of Parlia-
ment. He concedes that he
shares some of the sensitivities
of many of the 30,000 other
people who had escaped or
survived Hitler's policy of^ex-
terminating Jews and then de-
cided to make their postier
homes in West Germany. V
"There are limits," he süd
softly in English. "I'm restrin-
ing myself. I have no ambW^n
to have my fingers in Äry
pie. ~
"I think it is more tacfa!
to hold back. I didn't cne
back as a German or ffi^ew
but as a Social Democrat Aer-
jA.Ä-:-*'
The New York Times
Dr. Herbert Weichmann, Hamburg's Mayor, in Bonn recently
reason for Coming back, Dr.
Weichmann said.
After he and his wife es-
caped to France in 1933 and to
the United States when France
feil to the Nazis in 1940, he
said "I realized I could never
do anvthing like I wanted m
municfpal government else-
where. I didn't have roots there
and besides I wasn't young
enough to start over."
As for Israel, he said, "I
have never been a Zionist —
although I recognize the neces-
sity of the State— and I didn't
have the feeling I could do
there what I wanted to do."
In New York from 1940 to
1948 Dr. Weichmann worked
as an accountant— he had been
a State judge in the Prussian
State government before the
Nazi iake-over— but, as he re-
called, "It was not my ideal
just 'to help people evade
taxes."
Took Over as Mayor
Retuming to the new Fed-
eral Republic of Germany, he
became a civil service Con-
troller general in the city-state
of Hamburg while still yowing
to keep aloof from politics. But
during a government change-
over he was persuaded to take
over terr.porarily as Mayor. He
ha^^ld the post ever since
3^^p ready to run for election
ear
has never been subjected to
mistreatment or slights in post-
war Germany because he is
Jewish.
According to one of his min-
isters, Dr. Weichmann is some-
times too quick to see current
parallels to the violence of the
Weimar Republic era and has,
with the other State leaders,
taken a hard line against Stu-
dent demonstrators. But at the
same time he has been angered
by those who have raised a
false issue of anti-Semitism In
postwar Germany. For example,
in party circles he has assailed
the West German Ambassador
to Yugoslavia, Peter Blachstein,
for having charged in a party
squabble that anti-Semitism
would keep him from running
for Parliament in the election
Sept. 28.
As Mayor, Dr. Weichmann
has concentrated on construct-
ing traffic by-passes and re-
building a port city of 1.8-mil-
lion innabitants that lost 250,-
000 apartments in the war.
With a grin, he defended Ham-
burg's tolerant approach to
Prostitution in specially de-
signed public "Eros centers."
"You can't suppress it, but we
are Controlling it," he said.
He will remain in Germany,
the Mayor said. "Do I feel
guilty? No. absolutely not. I
don't owe anything to anybody.
Uicts on this.
losmopolitan
s p i r i t
to spectators now that
theyWe slimmed down and
wear lizard-grain. As if that
oual-LL-Corfam*
,1 ^ -J , l
*■- ' . •. ."^*
itj^^^Jt^ ^. ^.V 'J^l-S^^jVf
A^J^r-
/■'
X
rr c^^i^^-,^^^
^4
4€^€^C0^€^s^
z^/^-ec/' ^^ife^iJ^Ä #>vt^
v^/^
/j^
/^.
g;^^^ ^ ^^i^^^i.4^i€^^^^^
'v^-'r" "' ^i'^'^i^Wv"'$V^
Herbert Weichmann tritt ab
jeweils:
[, Größe,
[ig es im
Icssorts.
Ip]). doch
litz Lau-
Jnd, der
liert ha-
jsregie-
brreihen
ler Dom
reichen,
»rt sta-
[ntwort,
emesse-
— es
immelt
|u Stro-
\n Blu-
)otfah-
I Musik,
Ein Weltmann und Selfmademan
Die Autorität des scheidenden Hamburger Bürgermeisters war auch bei der Opposition unbestritten
Von unserem Redaktionsmitglied Immanuel Birnbaum
Hamburg ist eine weltoffene Stadt, die schon
in der Vergangenheit mehr als einmal auch
Männer aus anderen Teilen Deutschlands an ih-
re Spitze gestellt hat. Den Oberschlesier Herbert
Weichmann importierte die Hansestadt erst
nach dem letzten Krieg aus den Vereinigten
Staaten, wo der ehemalige Verwaltungsjurist
und nächste Mitarbeiter eines der bedeutendsten
Staatsmänner der Weimarer Republik, des preu-
ßischen Ministerpräsidenten Otto Braun, sich als
Emigrant auf eine rein wirtschaftliche Tätigkeit
umgestellt und nach dem Studium der amerika-
nischen Buchführung Betriebsberater geworden
lanischer Sachver-
Idie Bonner Politik
len Anschauungs-
krge Ball, stellver-
lenminister ' unter
)hnson, ist als vor-
1er und erfahrener
IS Kontinents be-
igelte ihm gewiß
lichem Respekt für
(skeptische Fragen
Ts in Bonn stellte,
erst in der Aus-
mit Arthur Gold-
?ren Minister und
der USA, als die-
|n der Bonner Re-
unter Hinweis auf
|ve des deutschen
zurückwies.
lik moralisch ver-
|il ihr Erfolg um-
?rbirgt sich hierin
Ihr der Schwäche
Außerdem leidet
losphäre der öf-
[seinandersetzung.
vor allem mora-
limmt, sieht sich
ie moralische Ba-
\t Positionen in
1. Selbst der Kri-
Ifolg der heutigen
laber nicht sieht,
[dacht, daß er die
lere.
jfrikas zeigt, daß
Ittbewerb mit der
bändnis der Welt
die erwarteten
I herbeiführt. Ge-
In direkten Um-
luch selbst Feh-
Idadurch die Be-
llet. Wichtigste
i Schwierigkeiten
Die tragische
folgenschwere
ist ein Ergebnis
[plomatie. In Ge-
Generalsekre-
)n für Afrikani-
feinen Mitarbei-
^mer wieder auf
losphäre. Waf-
|ach Südafrika
jützung der Por-
tugiesen werden uns ohne Rück-
sicht auf die Wahrheit vorgehal-
ten. Fragt man nach den Bewei-
sen, so stößt man immer von neu-
em auf verleumderische Nach-
richten aus der DDR. Planmäßig
und beinahe täglich führt Ulbricht
im Neuen Deutschland und in den
afrikanischen Hauptstädten die
Kampagne der guten gegen die
schlechten Deutschen. Seine
Schwäche im eigenen Land
scheint ihn zu nötigen, nicht nur
zu Hause, sondern auch in Afrika
seine Politik vor allem auf den
Gegensatz zur Bundesrepublik zu
gründen.
Wie sollen wir reagieren? Wehr-
lose Fairneß ist so unbrauchbar
wie Anpassung an die Unlauter-
keit der anderen Seite. Sollen wir
nur ein Interesse der Bundesrepu-
blik verteidigen und die DDR wie
eine feindliche fremde Macht di-
plomatisch bekämpfen? Oder gibt
es eine Aufgabe und Aussicht, den
Namen aller Deutschen vor einem
unsauberen Staatsklassenkampf
auf internationalem Parkett zu
schützen?
Es geht für uns nicht um ge-
samtdeutsche Vertretungsmacht
oder um nationale Ansprüche.
Aber wenn unsere Regierung sich
auf den friedliche Wettbewerb mit
der DDR einläßt, dann muß sie zur
Wahrung des Namens der Deut-
schen wie des Lebens ihrer eige-
nen Bürger die Herausforderung
annehmen, vor die sie die DDR zur
Zeit stellt. Das geht nicht mit
Prinzipien und Doktrinen, sondern
nur mit einer deutschen Interes-
senvertretung, die den rüden Me-
thoden Ostberlins wirkungsvoll
begegnet. Das Thema hat seinen
Platz nicht nur auf afrikanischem
Boden, sondern auch dort, wo zu
Hause von innerdeutschen Bezie-
hungen die Rede ist. Die Regie-
rung kommt hier wie dort um ei-
nen Schutz von Recht und Namen
aller Deutschen nicht herum.
Auch das ist ein Stück Lage der
Nation im Jahre 1971.
© Süddeutsche Zeitung
war. Sein Schicksalsgefährte und sozialdemo-
kratischer Parteifreund Max Brauer brachte ihn
nach Hamburg mit, als er, Brauer, als Bürger-
meister in die Heihiat zurückgeholt wurde.
Weichmann wurde auf Grund seiner ungewöhn-
lichen Verbindung von Verwaltungskunde und
privatwirtschaftlicher Erfahrung Präsident des
Hamburger Rechnungshofes und, in diesem Amt
bewährt, 1957 Finanzsenator.
Die Hamburger wußten es zu würdigen, daß er
sich den Wind draußen in der Welt tüchtig hatte
um die Nase wehen lassen. Als junger Richter in
Breslau, als Journalist im Ruhrgebiet und in
Oberschlesien, später, nach der Entfernung aus
dem Staatsdienst, auch noch einmal in Paris,
dann als Selfmademan, der sich mit 44 noch ein-
mal auf Schulbänke setzte, drüben in den Staa-
ten. Als Kontrolleur und dann als Leiter der
Hamburger Finanzen erwarb er sich Respekt
über alle Parteigrenzen hinweg. Als er von der
SPD 1965 zum Ersten Bürgermeister vorgeschla-
gen wurde, war er schon beinahe 70. Aber als da-
mals eine Zeitung in Frankfurt kommentierte, in
diesem Alter könne er wohl nur noch ein „Über-
gangsbürgermeister" werden, meinte er lä-
chelnd: ,,Das wollen wir erst einmal sehen "
Jetzt, fünf Jahre später, hat er angekündigt, daß
„Unser Weichinann'
Photo: SZ-Archiv
er im Juni seinen Platz dem von ihm empfohle-
nen Nachfolger Peter Schulz räumen wolle, der
sich in seiner Senatsmannschaft zuerst als Leiter
des Justizwesens und dann als Chef der Schulbe-
hörde bewährt hat.
Damals kam er gerade, braungebrannt und
straff wie ein Fünfziger, zu Fuß von seiner klei-
nen Berghütte im Allgäu herunter, neben ihm
seine aus mährisch-deutscher Familie stammen-
de Frau Elsbeth, die den Gatten an politischem
Temperament immer noch um einige Schwünge
übertraf. Als Hausfrau ist sie Vertreterin der
Verbraucherinteressen, aber als tätiges Mitglied
der Hamburger Bürgerschaft auch in Bildungs-
ausschüssen und -verbänden aktiv. Sie war eine
der letzten, die am Strand eines großen Ostsee-
bades, als ringsum fast nur noch schwarzweiß-
rote oder Hakenkreuzfahnen von den Sandbur-
gen wehten, täglich eine große schwarzrotgol-
dene Fahne aufzog.
Als Hamburger Finanzsenator und Bürger-
meister hat Weichmann eine undoktrinäre Wirt-
schaftspolitik betrieben, die neue Industrie und
Arbeitsplätze ins Stadtgebiet zu bringen ver-
stand, zäh um Ausgleich der Finanzlasten auch
mit Bonn kämpfte und die Beziehungen des
größten deutschen Hafens mit den Überseelän-
dern systematisch ausbaute. Von seinen Aus-
landsreisen nach der Sowjetunion, den Vereinig-
ten Staaten, nach Israel und nach einer ganzen
Reihe von afrikanischen Ländern hat er immer
wieder Erfahrungen über Verwaltungsaufbau
und Finanzpolitik, aber auch über die soziale La-
ge der wirtschaftlich schwächeren Schichten
mitgebracht und einiges davon in nüchternen,
aber gründlichen Studien veröffentlicht. Die
Hamburger Universität hat ihm einen Lehrauf-
trag als Professor für öffentliches Finanzrecht
gegeben. Mit solchen und anderen Nebentätig-
keiten wird der fleißige und persönlich an-
spruchslose Mann ohne viel Aufhebens fertig.
Seine Freunde wissen, daß sie zum kurzen Mit-
tagessen in dem altmodischen Raum neben sei-
nem Büro eigentlich nie etwas anders erwarten
dürfen als Bockwurst mit Kartoffelsalat, gefolgt
von einer Orange und etwas schwarzem Kaffee.
Aber wenn er der alljährlichen Ratsmahlzeit für
Ehrengäste im großen Saal des Rathauses präsi-
diert, bei der das schwere alte Stadtsilber auf
den Tischen glänzt, vermag er auch so würdig zu
repräsentieren wie nur irgendeiner seiner groß-
bürgerlichen Vorgänger, deren Porträts von
Meisterhand in der Hamburger Kunsthalle hän-
gen. Hinterher fragt einen der sparsame Finanz-
politiker höchstens ganz leise und vertraulich:
„Ich hoffe, es war nicht zu protzig?"
Weichmanns Autorität in seiner letzten Wahl-
heimat war seit Jahren so unbestritten, daß der
Hamburger Pressezar Axel Springer ihn, halb
aus Bewunderung, halb wohl aber auch aus Be-
rechnung, auf den Posten des Bundespräsiden-
ten fortloben wollte. Der Bürgermeister winkte
freundlich ab. Er hatte unter Beweis gestellt,
daß ein Mann seiner Herkunft auf verantwortli-
chem Platz etwas leisten konnte, aber er kannte
auch seine Grenzen. Als Präsident des Bundesra-
tes hatte er in der zweithöchsten Stellung der
Republik seinen Mann gestellt und die Zustim-
mung aller seiner Kollegen von der SPD bis zur
CSU für seine Amtsführung gefunden. In der
Bundespolitik hatte er beispielsweise den fi-
nanzpolitischen Teil der Vorschläge des Wissen-
schaftsrates für die Hochschulreform ins Gleich-
gewicht gebracht. In der Hansestadt selbst ver-
trauten ihm die Arbeiter und ihre Gewerkschaf-
ten; aber auch die Wirtschaftsführer waren ein
wenig stolz auf „unseren Weichmann". Dabei
nahm er kein Blatt vor den Mund, wenn er sich
mit eigennützigen Sonderinteressen oder mit il-
lusionären Schwärmereien auseinanderzusetzen
hatte.
Sein Lehrmeister Otto Braun, dem er nach
dem Krieg die Grabrede gehalten hatte, blieb
ihm in dieser Haltung Vorbild auf Lebenszeit.
Ich traf sie vor 40 Jahren einmal beide zusam-
men am Ostseestrand, als Braun gerade eine Re-
de auf der Königsberger Messe für eine Politik
des Ausgleichs mit Polen gehalten hatte, und er-
zählte ihnen, die anwesenden polnischen Gäste
hätten sich anschließend sehr zufrieden und
hoffnungsvoll geäußert. Otto Braun lachte: „Ich
hab ja immer gesagt, man kann auch mit ein
bißchen Vernunft regieren." Als ich Weichmann
kürzlich daran erinnerte, fragte er nur zurück:
„Hat er nicht recht gehabt?"
\
/*,T ^"^
r'M-A
en, 5./6./7. Juni 1965 Seite 7
■i/..
X
-/
^
•*i^.ii-
Süddeutsche Zeitung Nr. 134/135
Weichmann hat sich das Leben nie leicht gemacht
Hamburgs künftiger Bürgermeister ist ein welterfahrener Jurist und Politiker
Von unserem Redaktionsmitqli<^d 1. Birnbaum
München, 4. Juni
Es ist jetzt rund 45 Jahre her, da gründete der
junge Rechtsreferendar Herbert Weichmann in
Breslau einen „Republikanischen Führerbund".
Er hatte bei der Arbeit in Verwaltung und
Justiz feststellen müssen, daß es da überall an
überzeugten Republikanern von fachlicher Qua-
lifikation fehlte, die den Programmen der Wei-
marer Parteien zur Verwirklichung verhelfen
konnten. Die meisten der jugendlichen Mitglie-
der von Weichmanns Organisation haben es
später im Leben ziemlich weit gebracht, in der
staatlichen und in der privaten Industrie, im
öffentlichen Dienst oder auch in der Presse.
Um sich mit Wirtschaft und Politik besser
vertraut zu machen, als es durch juristisches
Aktenstudium möglich war, ging Weichmann
nach dem Assessor-Examen in den Zeitungs-
dienst. .Er war ein -paar Jahre Korrespondent
der Vossischen Zeitung für das Industriegebiet
an Rhein und Ruhr und dann kürzere Zeit
Chefredakteur der Kattoivitzer Zeitung in sei-
ner oberschlesischen Heimat, und zwar in deren
nach der Abstimmung von 1920 an Polen gefal-
lenen Teil. Von dort holte ihn ein Politiker, der
sich seine Mitarbeiter mit gutem Blick aus-
zuwählen wußLe, Ministerpräsident Otto Braun,
nach Berlin. Lange Jahre war Weichmann der
nächste Mitarbeiter dieses letzten bedeutenden
preußischen Staatsmanns.
Es war eine Szene von symbolischem Sinn,
als eines Tages in Weichmanns Arbeitszimmer
ein alter unbenutzer Aktenschrank ausein-
anderplatzte und dabei der geheime Briefwech-
sel zwischen Bismarck und Lassalle zum Vor-
schein kam, mit dem der große Arbeiterführer
des 19. Jahrhunderts Vorschläge für die Um-
gestaltung des preußischen Staates gemacht
hatte. Otto Braun eilte herbei und ließ sich von
dem Schreiber dieser Zeilen erklären, was diese
alten Papiere bedeuteten. Sein Kommentar lau-
tete: „Gerade das wollen wir ja aus Preußen
machen."
Das Jahr 1933 vertrieb sowohl Otto Braun
wie seinen Ministerialrat Weichmann aus
Deutschland. Der frühere preußische Regie-
rungschef mußte in die Schweiz flüchten, Weich-
mann ging nach Amerika. Seine tapfere Frau,
eine Deutschmährerin, die im letzten Sommer
der Weimarer Republik in einem großen Ost-
seebad noch die einzige schwarzrotgoldene Fahne
auf einer Strandburg gehißt hatte, begleitete
ihn und verstand es, ihm den Abschied von der
Heimat zu erleichtern. „Du wirst einen Anzug
weniger im Kasten haben und ich nur die nötig-
sten Kleider, aber wir werden schon durchkom-
men."
Das war dann drüben nicht leicht, denn deut-
sche Rechtswissenschaft und Verwaltungskunde
waren in den Vereinigten Staaten nicht beson-
ders gefragt. Aber Herbert Weichmann stellte
sich rasch um. Er erlernte die Kunst der ame-
Herbert Weichmann
Zahl der offenen Stellen steigt weiter
683 500 freie Plätze / Bericht der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung
s. Nürnberg (.Eigener Bericht)
Nach Feststellungen der Bundesanstalt für Ar-
beitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in
Nürnberg ist der Bedarf an Arbeitskräften in der
Bundesrepublik und Westberlin zur Zeit größer
als je zuvor.
Wie der Präsident der Anstalt, Säbel, mit-
teilte, hat die Zahl der offenen Stellen einen
neuen Naclikriegsrekord erreicht, Sie erhöhte
sich im Mai um 22 500 auf 683 500 (373 000 für
Männer, 310500 für Frauen) und liegt um 56 400
offene Stellen höher als vor einem Jahr. Gleich-
zeitig ging die Arbeitslos|MÄj|L um 20 300 auf
'Ä^O ^^Mück ^jiifl^H^^^^HHfikkZi^^uen).
Bauhauptgewerbe hatte sich die Zahl der Be-
schäftigten saisonbedingt zwar kräftig erhöht,
erreichte aber bis Ende April den vergleich-
baren Vorjahrcsstand noch niclit ganz. Die Nach-
frage nach zusätzlichen Bauarbeitern war rege,
aber nicht so stark wie bisher.
Die Absatzentwicklung im Steinkohlenbergbau
verursachte in einigen Zechen Fördereinschrän-
kungen. T4otz nachlassender Fördertätigkeit
wuchsen die Kohlenhalden weiter an. Der Bedarf
an Bergleuten verringerte sich, während die
Nachfrage nach Grubenhandwerkern weiter zu-
nahm.
Da die einheimischen Arbeitskraftreserven
weitgehend ausgeschöpft Jm^, gingen weitere
rikanisclicn Buchführung und brachte es nach
kurzer Zeit zum fachkundigen Bücherrevisor.
Als Max Brauer 1945 den Leidensgefährten der
Emigrationszeit veranlaßte, mit ihm nach Ham-
burg zurückzufahren, hatte er in dem ehemali-
gen preußischen Ministerialrat einen Helfer, der
nicht nur kameralistische Staatsrechnung büro-
kratisclier Tradition beherrschte, sondern aucli
moderne amerikanische Buchführung, wie sie
die großen Privatkonzerne jenseits des Meeres
anwandten.
So war Herbert Weichmann der gegebene
Mann für die Leitung des Hamburger Finanz-
rechnungshofs. Als Präsident dieser Behörde
gewann er bald einen begründeten Ruf in ganz
Deutschland. Seine sozialdemokratischen Partei-
freunde hätten ihn gern zum Leiter der für
diese Fragen zuständigen höchsten Bundes-
behörde gemacht, drangen aber damit nidit
durch. Dafür wählten ihn die Hamburger vor
acht Jahren zum Finanzsenator, also zum Re-
gierungsmitglied und Leiter ihrer staatlichen
Finanzpolitik.
Auch in dieser Eigenschaft hat Weichmann
sich wieder bewährt, und zwar nicht nur im
Hamburger Rahmen. Er hatte maßgeblichen
Anteil an den Empfehlungen des Deutschen
Wissenschaftsrats für die Neugründung von
Hochschulen, deren finanzpolitischen Teil er
ausarbeitete. Er knüpfte Verbindungen von
Hamburg zu Entwicklungsländern in Übersee
und führte eine Delegation der Hansestadt nach
Afrika, die dort praktische Zusammenarbeit in
vielen Einzelfragen anbahnte. Er war führend
an der Auseinandersetzung zwischen den Län-
dern und dem Bund über die Verteilung von
Steueraufkommen und Leistungen beteiligt. So
gewann der gebürtige Schlesier in Hamburg
festen Fuß und auch in Bonn immer Gehör,
wenn er mit seinen ünanzpolitisch und juristisch
klar durchdachten Vorschlägen kam.
Im vorigen Jahr machte die Hamburger Uni-
versität den Senator nebenher noch zum Hono
rarprofessor für Finanzreclit. vSeither sprach c.
davon, sich in absehbarer Zeit auf diese aka
demische Tätigkeit zurückzuziehen. Weichmann
ist zwar jünger und spannkräftiger gebliebcj|i\
als viele seiner Altersgenossen. Wenn er vJon.
seiner klei/ien, nur auf Fußwegen zugänglichen J
Alpenhütte im AUgäu braungebrannt abstcjigt,
könnte man ihn für einen Endfünfziger halten.
Tatsächlich wird er aber die Siebzig vollenden,
ehe es im nächsten Jahr neue Bürgerschafts-
wahlen in Hamburg gibt. Wenn bis dahin ein
jüngerer Kandidat für den Bürgermeisterposten
gefunden ist, der sich nach Sachkunde, Charak-
ter und An.schen zum Nachfolger eignet, würde
ihm der Senior der Regierung der Freien und
Hansestadt sicherlich gern das Ruder in die
Hand drücken.
Seydoux: Frankreich
bleibt in der NATO
Köln (UPI)
B'rankreich habe nidit die Absicht, aus der
atlantischen Verteidigungsgemeinschaft auszu-
scheiden, erklärte der französische Botscln^aftcr
n der Bunjlim i iiiihlili 'Jiii 'iiiiiüni<^
3iE?ei5ar.
1
}
un« 30, 1967
ER WOCHE:
Herbert
"Mr
Weichmann
Hamburg
Es ist niin bald zwei Jahrzehn-
te her, seit der Emigrant Her-
bert Weichmann in New York
seine Koffer packte, um nach
Deutschland zurückzukehren.
Im Anfang war seine amerika-
nische Existenz hart gewesen.
Weichmann hatte 1940 von sei-
ner verhältnismässig komforta-
blen Pariser Wegstation nach
Marseilles fliehen und,
da er kein französTisches Aus-
reisevisum besass, illegal die
spanische Grenze zu Fuss über-
queren müssen; dann kam er,
wie viele andere, über Lissabon
nach Amerika.
Er hatte nur einen Dollar in
der Tasche, besass aber einen
unbezähmbaren Willen zur
Selbstbehauptung. Der erfahre-
ne Jurist entschloss sich, noch
einmal die Schulbank zu dxük-
ken. Akadwnische Papiere führ-
te er nicht mit sich, aber die
Nazis hatten Ihm nicht nur d^e
Bürgerschaft, sondern auch die
Doktorwürde entzogen -i^ das
genügte der amerikanischen
Universität als Auswels. Weich-
mann studierte Finan2swissen-
schaft und wurde Wirtschafts-
prüfer. Sehie Frau bewies ihre
Anpassungsfähigkeit, indem sie
eine Werk.stätte für Stoffpup-
pen betrieb. ^.,^1.1
Rückblickend schilderte
Weichmann seTm Erlebnis in ei-
nem 1949 erschienenen Buch
♦'Alltag in USA". Die meisten
seiner Schlussfolgerungen fielen
positiv für Amerika aus. Er pries
das "echte demokratisclie Ge-
fühl" des amerikanischen Bür-
gers die "Abwesenheit einer
Rentnermentalität", die "Weis-
heit des politischen und wirt-
schaftlichen Kompromisses",
den "grosszügigen Zugang zu
den Bildungsmöglichkeiten für
jedermann" und "die sfich tag-
lich immer neu vollziehende EU-
m'^lc^ir^ Piner Klassenschich-
tung" Atoer Im Verliäatnls Ameri-
kas zur Kultur sah er ein gros-
ses Manko; für den Amerikaner,
sagte er, sei "der Wert der Bil-
dung reiatüv und der Wert des
Geldes absolut".
In der vergangenen Woche
kam Weichmann nach langer
Pause wieder nach Amerika.
Aus dem früheren Emigranten
war inzwischen der Präsident
des Senats und Erster Bürger-
meister der Freien und Hanse^
Stadt Hamburg geworden. Und
nicht nur der Gast, sondern
auch das Gastland hatte sich
gewandelt. .
"Von einem amerikanischen
Kulturmanko kann man heute
nicht mehr sprechen", bekannte
Weichmann, der stolze Begleiter
seines gegenwärtigen "Exports ,
der im New Yorker Lincoln Cen-
ter gastierenden Hamburger
Oper. "Die Welt sieht heute we-
sentlich anders aus als unmit-
telbar nach dem Zweiten Welt-
krieg Buropa hat sich amerika-
nisiert, gleTichzeitlg aber hat
sich Amerika europäisiert. Der
Ausgleich und Austausch wirkt
für beide Teile befruchtend. Wir
luden zum Beispiel das Balan-
chine-Ballett zu uns em und
brachten dafür unsere Oper
nach Amerika." , , ^ . .....
Der heute eTmundsiebzigjahrl-
ge Bürgermeister ist ein ausge-
zeichneter Werber für den
Stadtstaat, den er verkörpert.
Dass er in spätem Lebensalter
plötzlich zu einer führenden
Rolle in der deutschen Bundes-
republik aufstieg, hat die er-
fahrensten politischen Beobach-
ter In Erstaunen versetzt. Denn
Wtfichmann Ist das genaue Oe-
-USED CARS-
r^atonabU & reliabU
j. V. AUTO 8AIJU
JUSTIN VOLLWEILER
65-M <|Meiu Blv4^ Woodild«. KT
gentell des "Hall-Fellow-Well-
Met"-Typs. Er ist im Grunde
scheu, bedächtig, introvertiert.
Auch ist er kein Mann des poli-
tischen Massenapparats. Er trat
der Sozialdemokratischen Partei
in den Jahren der Weimarer
Republik bei, suchte und erhielt
aber nie eine Funktlonärstelle.
Weichmann wurde In Lands-
berg in Oberschlesien als Sohn
eines jüdischen Arztes geboren,
studierte Jus, wurde 1926 Land-
richter in Breslau und später als
Referent in das preussische
Staatsmlnristerlum berufen. Der
sozialdemokratische Minister-
präsident Otto Braun machte
Ihn zu seinem engsten Mitarbei-
ter. Aber Weichmann trat nie
öffentlich hervor, abgesehen von
den Beiträgen, die er für dae
"Vossische Zeitung" und andere
Blätter schrieb. (Seine journall-
!
I
1965 bestimmten die Sozialdemo-
kraten Ihn als Bürgermeister-
kandidaten, nachdem Paul Ne-
vermann wegen seiner Eheschei-
dungsaffäre von der Leitung des
Stadtstaates verdrängt worden
war.
Da gab es erhebliches Stirn-
runzeln: Weichmann, der ab-
seitige Intellektuelle, der zudem
nicht einmal mit Elbewasser ge-
tauft ist, als Nachfolger zweier
der populärsten Bürgermeister
Hamburgs? Konnte man sich
vorstellen, dass die Hamburger,
für die Brauer "Max" und Never-
mann "Paul" gewesen war, Her-
bert Weichmann beim Vorna-
men nennen würden? Konnte
der "Zugereiste" eine andere
^^^^^^^^^___^ ^_ R^lle spielen als die des Statt-
sUschTBegabung half ihm dann halters?
(
Zitat der Woche
"Nasser ist ein Verbrecher»
wenn er die Araber aufhetzt,
die Juden niederzumetzeln.
Nasser ist nur dann ein rich-
tiger Führer der arabischen
Welt, wenn er in Frieden mit
den Israelis lebt, statt gegen
sie sinnlose Kriege au führen.
"Die Araber könnten und
sollten von den Israelis lernen,
wie man aus Wüste frucht-
bares Land macht."
''Bildzeitung" Hamburg,
gfösste deutsche Tageszeitung»
Auflage täglich vier Millionen.
während seiner Emigrationsjah-
re in Frankreich).
1948 holte der damalige Ham-
burger Bürgermeister Max
Brauer, der selbst Emigrant in
New York gewesen war, Weich-
mann als Präsident des Rech-
nungshofes zurück. 1957 wurde
Weichmann Finanzsenator. Und
Weichmann überraschte das
Heer der Skeptiker, Bei der
Neuwahl des Hamburger Parla-
ments im Frühjahr 1966 erhielt
er eine Majorität von 60 Prozent
aller Stimmen. Sein Fleiss (er
arbeitet in seinem Amt täglich
bis au zwölf Stunden) und seTme
haushälterische Finanzpolitik
(den Ausgleich des Hamburger
Etats bewirkend) machten auf
die Öffentlichkeit einen ebenso
tiefen Eindruck wie die Straf-
fung des Verkehrsnetzes und cRe
Fortschritte im Wohnimgsbau
unter seiner Leitung.
Schon lange spricht niemand
mehr vom "Statthalter"; die
Hamburger wissen, dass die Zü-
gel der Regierung einer festen
und zuverlässigen Hand anver-
traut sind. Will Schaber
^^^>^t
(>^^
fOR
sptaw
RfURirAon
fOR
CO« bortov. y^"' ,„,e», con-
«»ic locorne *ot ^ ^ free
CentroV» «'
^ -r-.rr..'i rir '^-
booklet.
au
}\rxed
u- wer edo.o«oo, »^^7J:i:, l>e o««"«*"
STUOO*^^.
^•^ .V\nqoire o» «•■>'' ^'
••"« """^ ^ vor toW\ rof
. ^A OW'td«^^ 3 '^ ^w\aenö
toiesi Oec\orea D ^
CENTRAL SAVINOS BANK
(Mail to any offle»)
, , ^ to open 0 »avlna$ a€€Oünt of ch«ck«d below.
A-3
OPEN YOÜR ACCOUNT
AND BANK BY MAIt
WePay Postage Bofh Ways
□ Individual Account
□ Joint Account with
□ Trü»t Account for
Nam«. ...
AddreM — —
City
.Statt
(H y»M ••nd e«1i, «•• »••^•rtd M«ll)
JEtp Cod«.
- ^1 ■>i-",';'j";';-
Amtswechsel in Hamburg
Der bisherige Hamburger Finanzsenator Prof.
-Dr. Herbert Weichmann hat in der vergangenen
Woche das Amt des Ersten Bürgermeisters, der
Hansestadt offiziell von seinem Vorgänger Dr.
Paul Nevermann übernommen. Weichmann war
unmittelbar zuvor auf einer Sitzung des Senats
aus der Mitte der Senatoren einstimmig zum
Ersten Bürgermeister gewählt worden.
Der Amtsvorgänger Weichmanns war aus per-
sönlichen Gründen zurückgetreten. Der SPD-Lan-
desvorstand hatte daraufhin Weichmann als neuen
Ersten Bürgermeister vorgeschlagen. Als neuen
Finanzsenator wählte der Vorstand den Vorsit-
zenden der SPD-Fraktion in der Hamburger Bür-
gerschaft, Gerhafä Brandes. Zweiter Hamburger
Bürgermeister bleibt wie bisher der Landesvorsit-
zende der Hamburger FDP, Edgar Engelhard. Die
Freien Demokraten bilden in der Hansestadt zu-
sammen mit der SPD die Regierungskoalition.
Bürgermeister Prof. Herbert Weichmann erklär-
te nach der Amtsübernahme, er kenne die schwere
Last, die ihm durch dieses Amt auferlegt werde.
Er bat seinen Vorgänger, ihm auch in Zukunft,
wenn es notwendig sein sollte, mit Rat und Tat
zur Seite zu stehen. Außerdem hoffe er, daß er
Nevermann weiterhin als Freund behalten könne.
Weichmdnn sagte, es sei ein beklagenswertes
Mißgeschick, das diesen Wechsel im Amt des Er-
sten Hamburger Bürgermeisters heraufbeschworen
habe. Prof. Weichmann versicherte, daß er in sei-
nem neuen Amt „fest auf beiden Beinen stehen"
und auch die Regierungsgeschäfte immer fest in
der Hand hallen werde. Er werde bemüht sein, das
Amt so zu führen, daß Konsequenzen seiner Amts-
führung von seinen späteren Nachfolgern nicht
getadelt werden müßten. Es fehle ihm dazu weder
an Willen noch an Erfahrung. Selbstkritisch müsse
er jedoch zugeben, daß es ihm an einer starken
persönlichen Ausstrahlung fehle, wie sie viele
seiner Vorgänger gehabt hätten. Er werde sich
aber in Zukunft auch darum bemüheio.
;■>•!.
Nr. 9
MB — 4. März 1966
MARLENE DIETRICH
Da kam sie also wieder, nach
einer Pause von fast sechs Jahren.
Damals besuchte sie ims — ganz
plötzlich und überraschend — di-
rekt nach ihrem ersten Wieder-
auftreten in West-Berlin, beinahe
so als wollte sie sich von dem
Schock erholen, den ihr dort eini-
ge demonstrativ-feindliche Äusse-
rungen verursacht hatten. Diesmal
ist die Reise-Route umgekehrt. Mar-
lene Dietrich fährt von hier aus
wieder nach Berlin, aber nur —
nach Ost-Berlin! Wir wünschen ihr
von Herzen, dass die Erschütterung
für sie nicht zu gross sein möge,
wemi sie dort, wo vor 1930 ihre
Karriere begann, wieder auf den
Brettern der gleichen Bühne steht,
wieder durch die Strassen der zer-
stückelten Stadt geht, die mit dem
BfTlin von einst wenig mehr ge-
meinsam haben dürfte, als ungefähr
noch die Sprache.
Sprache und Stadt sind als Sti
mulation freilich höchst bedeutsam
für eine Meisterin des Wortes, des
Tons, der Nuance und des Aus-
drucks, deren Kunst bis heute in
der hochklassigen Theaterschulung
der zwanziger Jahre wurzelt, die
gerade im Berlin Reinhardts imd
Jessners, Robitschecks und Friedrich
Holländers, Rosa Valettis und Mar-
ge Lions, fast automatisch ilu-e
Strahlen auf die für die Schaubüh-
ne wirklich Geborenen aussandte.
Bei uns hier semg Marlene dies-
mal weit weniger in deutscher
Sprache als vor sechs Jahren; v/ie
uns schien, weil ihr selbst die Spra-
che noch fremder gev/orden ist,
als sie es damals schon war. Selbst
ihre berühmten Glanzstücke „Ich
bin die fesche Lola" und „Von
Kopf bis Fuss auf Liebe emge-
steilt" brmgt sie halb englisch,
halb deutsch, eine Zweiteilung, die
der Wirkung übrigens nicht gerade
förderlich ist. Dagegen kam „Jonny"
un.d das dem Andenken Richard
Taubers gewidmete „Frag nicht,
warum ich gehe" im Originaltext
zu voller Austrahlung.
Sonst kam es kaum zu Wieder-
holungen alter Repertoirestücke,
was von Marlenes Fleiss zeugt, viel-
leicht aber von einigen alten Ver-
ehrern bedauert wurde, die ihr
gern statt einer Stunde zwei zuge-
hört hätten, um eine kom.plette
Rückschau zu halten, in die etwa
Songs gehörten wie „Wenn ich mir
was wünschen könnte", „Peter",
„Ich weiss nicht, zu wem ich ge-
höre", „Man lebt in einer grossen
Stadt", das Hobellied, „Leise zieht
durch mein Gemüt", die wir bis
heute in ihrer sehr spezifischen In-
terpretation nicht vergessen haben.
Dafür aber hatten wir Gelegen-
heit, Marlene neu zu entdecken.
Mit Stücken vne dem grossartigen
,,Where have all the flowers gone?"
(von Pete Seegeis), mit „I'm the
laziest girl in town", ,.Go away
from my window", einem hebräi-
schen Lied „Mah Hakoloth schäm
ba-Lajla", dem französischen , .Ma-
rie" und ,,Remember Darling, don't
de* smoke in bed!" (Verfasser und
seht Komponisten jeider nicht genannt)
eii^ 'bt sie neue Muster ihrer grossen
s^y mst, die alle Register umfasst.
2.wa^^^.p Abend mag vielleicht unse-
^^•l Theaterleitern demonstriert ha-
^^ yi. v/elcher Dilettantismus in den
setzb zahlreichen „Musicals" produ-
^^^^^^wird, die auf hebräischen Cüh-
^^^^•^♦ezeigt werden.
einzeliivi.^t nicht nur die Musikali-
Staatsverbr- .7^l^j^g|.g Diktion, über
der Verbreiu-- ^^^^^^^^ sprachen ver-
XjnwaUrheiten,^ ^Yii^^^ende Tech.i.k.
sehe staaiu^ ^^^ ^^^ ^^^ tausen-
Ordnung ^^^^-pign, sowi^m Augen-
denselben Ziei ,^^ ^^
"Wirkung
Vi
zu erzielen. Es ist vor allem die
Autorität ihrer Persönlichkeit, die
noch bei der Vermittlung des klein-
sten Chansons voll eingesetzt wird,
es ist die absolute Identifizierung
mit ihrem Text, auch mit den ge-
legentlichen Banalitäten des Textes,
die uns ja im Alltag auch begegnen;
es ist die hohe Intelligenz, die
Klugheit der Weitbürgerin, die nicht
nur in ihrer Kunst spürbar ist,
sondern z.B. in der Pressekonfe-
renz und Interviews ganz deutlich
wurde, in der sie mancher Takt-
losigkeit und Borniertheit die über-
legene und kühle Abfuhr erteilte.
Obwohl Marlene ihr Programm,
unverändert schlank, elegant und
hochgewachsen, im kostbaren Her-
melin und dann im raffinierten
Abendkleid, pausenlos darbietet, ab
und zu eine ganz „private" Confe-
rence einschaltend, ist sie nicht
„ganz unverändert". Gerade da-
durch aber, dass sie nichts kokett
verniedlicht, dass alles was sie
bringt so genau zu ihr passt, wird
die Stärke und Echtheit üirer Wir-
kung bestimmt. Sie bewegt sich et-
was vorsichtiger als wir es von ihr
gewöhnt waren, erscheint auch
nicht mehr im Frack und Zylinder,
wie sie es früher im zweiten Pro-
grammteil zu tun pflegte, ihr Blick
scheint mehr nach innen gerichtet
und sucht den Zuhörer nicht mehr
so oft. Aber ihre Ausstrahlung ist
unvermindert stark, wenn sie (be-
gleitet von einem 20-Mann starken
Orchester, das William Blezard di-
rigierte) mit ,,I can't give you any-
thing but love, Baby" auftritt und
hält an, bis sie schliesslich dem
stürmischen Applaus mit ein paar
warmen Dankesworten und vielen
Händedrücken ein Ende setzt, ver-
sprechend, bald wieder zu komm.en
und nicht wieder sechs Jahre bis
zum nächsten Besuch verstreichen
zu lassen.
Wenn Marlene den Abend nicht
allein bestreiten wollte, so hätte
man ihn z.B. durch ein ausgezeich-
netes Konzert von „Jazz an zwei
Klavieren" einleiten können, was
natürlich hätte angezeigt werden
müssen. Hier aber wurde die Ver-
anstaltung leider durch das ge-
schmacklose „Entree" getrübt und
gefährdet, das einem Publikum zu-
gemutet wurde, das Maximalpreise
für die Eintrittskarten bezahlte und
seine Indignation darüber kaum
verbarg, dass ihm von den Ver-
anstaltern eine halbe Stunde lang
— unter Führung von Jizchak Gra-
ziani — ein Männergesangsverein
vorgesetzt wurde, dessen zelin Mit-
glieder sich bei jedem Lied in je-
weils anderer, neckischer Weise in
Positur setzten und umgruppier-
ten. Die gewiss ehrenwerten und
sehr kräftigen Herren v/irkten in
ihren schwarzen Hemden durchaus
wie die Mitglieder einer Transport-
Kooperative, die hier zur falschen
Zeit auf dem Podium des Mann-
Auditoriums erschienen, um den
Flügel von der Bühne zu holen.
Das letzte Lied, das sie sehr ani-
miert „hinlegten", trug etwa den
Titel ,,Wir werden es überstehen!"
Marlene verhalf uns dann dazu!
MANFRED GEIS
Glückwunsch für Prof. Weichmann
Die Glückwünsche, die wir Pro-
fessor Dr. Herbert Weichmann, Er-
ster Bürgermeister der Freien und
Hansestadt Hamburg, anlässiich
seines 70. Geburtstages entsenden,
entspringen freundschaftlichen und
verehrenden Gefühlen. Prof. Weich-
mann ist auch vielen in unserem
Lande kein Unbekannter. Er wurde
am 23. Februar 1896 in Landsberg
in Oberschlesien geboren und war
bis 1933 Ministerialrat im Preussi-
schen Innenministerium. Ueber
Frankreich gelangte er dann nach
Kriegsausbruch in die Vereinigten
Staaten, von wo ihn 1948 Max
Brauer, der damalige Bürgermeister
Hamburgs, mit dem ihn eine enge
Freundschaft verbindet, in die Han-
sestadt berief, um als Präsident des
Hamburgischen Rechnungshofes am
Wiederaufbau der Verwaltung teil-
zunehmen. Seit 1957 war er dann
Finanzsenator des Stadtstaates und
seit Juni 1965 bekleidet er das höch-
ste Amt Hamburgs.
Wer Prof. Weichmann kennt,
weiss, welche Gaben den hochge-
bildeten und im tiefsten Sinne kul-
tivierten Mann auszeichnen. Seine
weitgehenden Kenntnisse, seine viel-
fachen Erfahnmgen und vor allem
seine wissenschaftliche Bedeutung
haben ihre Würdigung durcli die
Berufung auf den Lehrstuhl für öf-
fentliches Verwaltungswesen der
Hamburger Universität erfahren.
Das Vertrauen, das sich Prof.
Weichmann erworben hat, und die
ungewöhnliche Anerkennung, die
ihm zuteü geworden ist, liegen aber
nicht zuletzt in seinem Wesen be-
gründet. Welches Amt er auch im-
mer bekleidet, nie ist es ihm ledig-
lich Verwaltung, immer fasst er es
als Dienst am Menschen auf. Welt-
offen und allem Echten und Rech-
ten zugewandt, ist er zugleich und
an jeder Stelle ein aufrechter Jude,
der am Schicksal seines Volkes zu-
tiefst beteiligt ist. 1957 konnten wir
ihn und seine Gattin als Gäste un-
seres Staates in Israel begrüssen.
Sein 70. Geburtstag ist uns ein will-
kommener Anlass, Professor Weich-
mann sehr herzlich noch viele Jah-
re fruchtbaren Wirkens zu wün-
schen.
HANS TRAMER
Emem Neunzigjährigen zum Gruss !
In Tel-Aviv beging kürzlich Dr.
Leo Isaak, einer der zionistischen
Veteranen um die Jahrhundertwen-
de, seinen 90. Geburtstag. Er ent-
stammt einer religiösen deutschjüdi-
schen Kaufmannsfamilie aus Pfung-
stadt, wo er zur gleichen Zeit wie
unser erster Staatspräsident, Chaim
Weizmann t>"t, das sogen. ,, Israel-
Institut" besuchte. Nach einer m
Worms und Darmstadt erfolgten
Gymnasialausbildung kam Leo Isaak
nach Halberstadt, v/o er die Je-
schiwah „Die Klaus" absolvierte,
damals zusammen mit seinem
Freund Sammy Gronemann s.A.
Nach seinem Medizin-Studium in
Würzburg, Berlin und Strassburg
assistierte Dr. Isaak in London und
Paris, um sich dann als Hautarzt
in Dai-mstadt niederzulassen, wo er
bald neben vielen anderen auch
Referate vor den Studenten der
Technischen Hochschule hielt und
ausserdem auch die ärztliche Be-
tremmg dieser Studenten auszuüben
hatte. Er erfüllte diese Pflicht von
1906—24. Im ersten Weltkrieg war
Leo Isaak Stabsarzt bei der Deut-
schen Armee.
S€!ine besondere Fürsorge, die er
ostjüdischen Flüchtlingen zuteil
werden liess, brachte ihn zum Zio-
nismus, weil auch er in der Ver-
wirklichung der „Heimstätte" den
einzig möglichen Ausweg sah. Er
war schon früh Delegierter bei den
Zionistenkongressen imd u.a. Mit-
Seite 9
gründer des Weltverbandes jüdi-
scher Aerzte auf dem Kongress in
Karlsbad im Jahre 1921. Bald war
er mitführend im Keren-Hajessod,
Initiator des Südwestdeutsclien Lan-
desverbandes der Zionisten und rief
vor allem in Darm.stadt die Zioni-
stische Ortsgruppe des K.J.V. ins
Leben, war aber später auch Bera-
ter des Darmstädter Blau-Weiss
und J.J.W.B.
1935 wanderte Dr. Isaak mit sei-
ner FamUie hier ein, stellte der Tel-
Aviver „Hadas.sah" noch lange Jah-
re hindurch seine Dienste als Spe-
zialist für Hautkrankheiten zur Ver-
fügung und verfolgte im übrigen
auch hierzulande seine geistigen In-
teressen. Er schrieb und publizierte
— erst 1964 erschien bei Samson
in Tel-Aviv sein Band ,, Gedichte" —
und plant gegenwärtig die Heraus-
gabe eines ,,Gronemann-Bandes",
der Aufzeichnungen und Briefe einer
lebenslangen Freimdschaft enthalten
soll. Sein echt jüdisches Haus steht
wie einst in Darmstadt auch heute
und hier all jenen Freunden offen,
denen Judentum und humanitäres
Geistesleben auch in unseren Ta
gen noch etwas zu sagen haben!
Ad mea w'esrimü
-a. 1.
Suchnotizett
Gesucht wird
Scheuch, Dr. Augenarzt, vormals
Trautenau, CSS, Staats-Str. 18. An-
gaben erbeten an lOME, P.O.B.
1480, Rambamstrasse 15, Tel-Aviv.
Nachstehende Personen werden
gsbeten, sich unter Angabe der Ak-
tennummern mit dem Suchdienst
der Jewish Agency, P.O.B. 92, Jeru-
salem in Verbindung zu setzen:
Futtermann, Bernhard aus Wien,
Schönburger ga^'se (145830); Gold-
stein, Moshe- Jehuda, Vater: Joshua
aus Berlin (130963); Grabov/ski An-
na geborene Kromolowski, geb. 1900
in Berlin, Turnlehrerin (145797);
Kremer, Martin aus Berlin, Joa-
chimstr. IIa ca 35 Jahre alt (145829);
Zwiebel, Norbert, geboren 1921 aus
Wien. Vater: Moritz (145844).
BÜROMÖBEL
BÜROMASCHINEN
PHOTO-COPIERAPPARATE
V E R V I E LFÄ LTIGUNGS-
MASCHINEN
if
DUKTA V
Tel-Aviv, Rothschild Blvd. 12
Telephone: 57080
., , ,'
^^-..■-
|'.-..,.,j.f ■.-,
rd
ier
^sch,
ijeres
rdens
id in
Irund-
der
rseines
war
fehmen,
heute
^r phiioso-
fnd damit hof-
rf aktischen Poli-
flich gemacht zu
H.T.
SECOND INTENTIONAL EXPOSURE
Nr. 9
MB — 4. März 1966
T
MARLENE DIETRICH
Da kam sie also wieder, nach
einer Pause von fast sechs Jahren.
Damals besuchte sie uns — ganz
plötzlich und überraschend — di-
rekt nach ihrem ersten Wieder-
auftreten in West-Berlin, beinahe
so als wollte sie sich von dem
Schock erholen, den ihr dort eini-
ge demonstrativ-feindliche Äusse-
rungen verursacht hatten. Diesmal
ist die Reise-Route umgekehrt. Mar-
lene Dietrich fährt von hier aus
wieder nach Berlin, aber nur —
nach Ost-Berlin! Wir wünschen ihr
von Herzen, dass die Erschütterung
für sie nicht zu gross sein möge,
wenn sie dort, wo vor 1930 ihre
Karriere begann, wieder auf den
Brettern der gleichen Bühne steht,
wieder durch die Strassen der zer-
stückelten Stadt geht, die mit dem
Berlin von einst wenig mehr ge-
meinsam haben dürfte, als ungefähr
noch die Sprache.
Sprache und Stadt sind als Sti-
mulation freilich höchst bedeutsam
für eine Meisterin des Wortes, des
Tons, der Nuance und des Aus-
drucks, deren Kunst bis heute in
der hochklassigen Theaterschuiung
der zwanziger Jahre v/urzelt, die
gerade im Berlin Reinhardts und
Jessners, Robitschecks und Friedrich
Holländers, Rosa Valettis und Mar-
ge Lions, fast automatisch ilu-e
Strahlen auf die für die Schaubüh-
ne wirklich Geborenen aussandte.
Bei uns hier sang Marlene dies-
mal weit weniger in deutscher
Sprache als vor sechs Jahren; vne
uns schien, weil ihr selbst die Spra-
che noch fremder geworden ist,
als sie es damals schon war. Selbst
ihre berühmten Glanzstücke „Ich
bin die fesche Lola" und „Von
Kopf bis Puss auf Liebe eüige-
steilt" bringt sie halb englisch,
halb deutsch, eine Zweiteilimg, die
der Wirkung übrigens nicht gerade
förderlich ist. Dagegen kam „Jonny"
un.d das dem Andenken Richard
Taubers gewidmete „Frag nicht,
v/arum ich gehe" im Originaltext
zu voller Austrahlung.
Sonst kam es kaum zu Wieder-
holungen alter Repertoirestücke,
was von Marlenes Fleiss zeugt, viel-
leicht aber von einigen alten Ver-
ehrern bedauert wurde, die ihr
gern statt einer Stunde zwei zuge-
hört hätten, um eine kom.plette
Rückschau zu halten, in die etwa
Songs gehörten wie „Vr/enn ich mir
was wünschen könnte", „Peter",
„Ich weiss nicht, zu wem ich ge-
höre", „Man lebt in einer grossen
Stadt", das Hobellied, „Leise zieht
durch mein Gemüt", die wir bis
heute in ihrer sehr spezifischen In-
terpretation nicht vergessen haben.
Dafür aber hatten wir Gelegen-
heit, Marlene neu zu entdecken.
Mit Stücken v/ie dem grossartigen
„Where have all the flowers gone?"
(von Pete Seegers), mit „I'm the
laziest girl in town", ,.Go away
from my window", einem hebräi-
schen Lied „Mah Hakoloth schäm
ba-Lajla", dem französischen , .Ma-
rie" und ,,Remember Darling, don't
smoke in bed!" (Verfasser und
Komponisten leider nicht genannt)
gibt sie neue Muster ihrer grossen
Kunst, die alle Register umfasst.
Dieser Abend mag vielleicht unse-
ren Theaterleitern demonstriert ha-
ben, v/elcher Dilettontismus in den
so zahlreichen „Musicals" produ-
ziert wird, die auf hebräischen Büh-
nen gezeigt werden.
Es ist rücht nur die Musikali-
tät, die ausgezeichnete Diktion, über
die Marlene in allen Sprachen ver-
fügt, die hervorragende Tecmiik,
die es ihr ermöglicht, vor tausen-
den von Zuhörern in einem Augen-
blick, ohne zu forcieren, jede ge-
wünschte Stimmung und Wirkung
zu erzielen. Es ist vor allem die
Autorität ihrer Persönlichkeit, die
noch bei der Vermittlung des klein-
sten Chansons voll eingesetzt wird,
es ist die absolute Identifizierung
mit ihrem Text, auch mit den ge-
legentlichen Banalitäten des Textes,
die uns ja im Alltag auch begegnen;
es ist die hohe Intelligenz, die
Klugheit der Weitbürgerin, die nicht
nur in ihrer Kunst spürbar ist,
sondern z.B. in der Pressekonfe-
renz und Interviews ganz deutlich
wurde, in der sie mancher Takt-
losigkeit und Borniertheit die über-
legene und kühle Abfuhr erteilte.
Obwohl Marlene ihr Programm,
unverändert schlank, elegant und
hochgewachsen, im kostbaren Her-
melin und dann im raffinierten
Abendkleid, pausenlos darbietet, ab
und zu eine ganz „private" Confe-
rence einschaltend, ist sie nicht
„ganz unverändert". Gerade da-
durch aber, dass sie nichts kokett
verniedlicht, dass alles was sie
bringt so genau zu ihr passt, wird
die Stärke' und Echtheit üirer Wir-
kung bestimmt. Sie bewegt sich et-
was vorsichtiger als wir es von ihr
gewöhnt waren, erscheint auch
nicht mehr im Frack und Zylinder,
wie sie es früher im zweiten Pro-
grammteil zu tun pflegte, ihr Blick
scheint mehr nach innen gerichtet
und sucht den Zuhörer nicht mehr
so oft. Aber ihre Ausstrahlung ist
unvermindert stark, wenn sie (be-
gleitet von einem 20-Mann starken
Orchester, das William Blezard di-
rigierte) mit „I can't give you any-
thing but love, Baby" auftritt und
hält an, bis sie schliesslich dem
stürmischen Applaus mit ein paar
warmen Dankesworten und vielen
Händedrücken ein Ende setzt, ver-
sprechend, bald wieder zu kommen
und nicht wieder sechs Jahre bis
zum nächsten Besuch verstreichen
zu lassen.
Wenn Marlene den Abend nicht
alleüi bestreiten wohte, so hätte
man ihn z.B. durch ein ausgezeich-
netes Konzert von ,,Jazz an zwei
Klavieren" einleiten körmen, was
natürlich hätte angezeigt werden
müssen. Hier aber wurde die Ver-
anstaltung leider durch das ge-
schmacklose „Entree" getrübt und
gefährdet, das einem Publikum zu-
gemutet wurde, das Maximalpreise
für die Eintrittskarten bezahlte imd
seine Indignation darüber kaum
verbarg, dass ihm von den Ver-
anstaltern eme halbe Stunde lang
— unter Führung von Jizchak Gra-
ziani — ein Männergesangsverein
vorgesetzt wurde, dessen zelm Mit-
glieder sich bei jedem Lied in je-
weils anderer, neckischer Weise in
Positur setzten und umgruppier-
ten. Die gewiss ehrenwerten und
sehr kräftigen Herren wirkten in
ihren schwarzen Hemden durchaus
wie die Mitglieder einer Transport-
Kooperative, die hier zur falschen
Zeit auf dem Podium des Mann-
Auditoriums erschienen, um den
Flügel von der Bühne zu holen.
Das letzte Lied, das sie sehr ani-
miert „hinlegten", trug etwa den
Titel ,,Wir werden es überstehen!"
Marlene verhalf uns dann dazu!
IVIANFRED GEIS
Glückwunsch für Prof. Weichmann
Die Glückwünsche, die wir Pro-
fessor Dr. Herbert Weichmann, Er-
ster Bürgermeister der Freien und
Hansestadt Hamburg, anlässiich
seines 70. Geburtstages entsenden,
entspringen freundschaftlichen und
verehrenden Gefühlen. Prof. Weich-
mann ist auch vielen in unserem
Lande kein Unbekannter. Er wurde
am 23. Februar 1896 in Landsberg
in Oberschlesien geboren und war
bis 1933 Ministerialrat im Preussi-
schen Irmenministerium. Ueber
Frankreich gelangte er dann nach
Kriegsausbruch in die Vereinigten
Staaten, von wo ihn 1948 Max
Brauer, der damalige Bürgermeister
Hamburgs, mit dem ihn eine enge
Freundschaft verbindet, in die Han-
sestadt berief, um als Präsident des
Hamburgischen Rechnungshofes am
Wiederaufbau der Verwaltung teil-
zunehmen. Seit 1957 war er dann
Finanzsenator des Stadtstaates und
seit Juni 1965 bekleidet er das höch-
ste Amt Hamburgs.
Wer Prof. Weichmann kennt,
weiss, welche Gaben den hochge-
bildeten und im tiefsten Sinne kul-
tivierten Mann auszeichnen. Seine
weitgehenden Kenntnisse, seine viel-
fachen Erfahrungen und vor allem
seine wissenschaftliche Bedeutung
haben ihre Würdigung durcli die
Berufung auf den Lehrstuhl für öf-
fentliches Verwaltungswesen der
Hamburger Universität erfahren.
Das Vertrauen, das sich Prof.
Weichmann erworben hat, und die
ungewöhnliche Anerkennung, die
ihm zuteil geworden ist, liegen aber
nicht zuletzt in seinem Wesen be-
gründet. Welches Amt er auch im-
mer bekleidet, nie ist es ihm ledig-
lich Verwaltung, immer fasst er es
als Dienst am Menschen auf. Welt-
offen und allem Echten und Rech-
ten zugewandt, ist er zugleich und
an jeder Stelle ein aufrechter Jude,
der am Schicksal seines Volkes zu-
tiefst beteiligt ist. 1957 konnten wir
ihn und seine Gattin als Gäste un-
seres Staates in Israel begrüssen.
Sein 70. Geburtstag ist uns ein will-
kommener Anlass, Professor Weich-
mann sehr herzlich noch viele Jah-
re fruchtbaren Wirkens zu wün-
schen.
HANS TRAMER
Einem Neunzigjährigen zum Gruss !
Seite 9
gründer des Weltverbandes jüdi-
scher Aerzte auf dem Kongress in
Karlsbad im Jahre 1921. Bald war
er mitführend im Keren-Hajessod,
Initiator des Südwestdeutschen Lan-
desverbandes der Zionisten und rief
vor allem in Darmstadt die Zioni-
stische Ortsgruppe des K.J.V. ms
Leben, war aber später auch Bera-
ter des Darmstädter Blau-Weiss
und J.J.W.B.
1935 wanderte Dr. Isaak mit sei-
ner Familie hier ein, stellte der Tel-
Aviver ,,Hadas5ah" noch lange Jah-
re hindurch seine Dienste als Spe-
zialist für Hautkrankheiten zur Ver-
fügung und verfolgte im übrigen
auch hierzulande seine geistigen In-
teressen. Er schrieb und publizierte
— erst 1964 erschien bei Samson
in Tel-Aviv sein Band ,, Gedichte" —
und plant gegenwärtig die Heraus-
gabe eines ,,Gronemann-Bandes",
der Aufzeichnungen und Briefe einer
lebenslangen Freimdschaft enthalten
soll. Sein echt jüdisches Haus steht
wie einst in Darmstadt auch heute
und hier all jenen Freunden offen,
denen Judentum und humanitäres
Geistesleben auch in unseren Ta-
gen noch etwas zu sagen haben!
Ad mea w'esrimü
— a. — I.
Sudinotizett
Gesucht wird
Scheuch, Dr. Augenarzt, vormals
Trautenau, CSS, Staats-Str. 18. An-
gaben erbeten an lOME, P.O.B.
1480, Rambamstrasse 15, Tel-Aviv.
Nachstehende Personen werden
gebeten, sich unter Angabe der Ak-
tennummern mit dem Suchdienst
der Jewish Agency, P.O.B. 92, Jeru-
salem in Verbindung zu setzen:
Futtermann, Bernhard aus Wien,
Schönburger ga^Tse (145830); Gold-
stein, Moshe- Jehuda, Vater: Joshua
aus Berlin (130953); Grabov/ski An-
na geborene Kromolowski, geb. 1900
in Berlin, Turnlehrerin (145797);
Kremer, Martin aus Berlin, Joa-
chimstr. IIa ca 35 Jahre alt (145829);
Zwiebel, Norbert, geboren 1921 aus
Wien. Vater: Moritz (145844).
In Tel-Aviv beging kürzlich Dr.
Leo Isaak, einer der zionistischen
Veteranen um die Jahrhundertwen-
de, seinen 90. Geburtstag. Er ent-
stammt einer religiösen deutschjüdi-
schen Kaufmarmsfamilie aus Pfung-
stadt, wo er zur gleichen Zeit wie
miser erster Staatspräsident, Chaim
Weizmann y>x, das sogen. „Israel-
Institut" besuchte. Nach einer in
Worms und Darmstadt erfolgten
Gymnasialausbildung kam Leo Isaak
nach Halberstadt, v/o er die Je-
schiwah „Die Klaus" absolvierte,
damals zusammen mit seinem
Freund Sammy Gronemann s.A.
Nach seinem Medizin-Studium in
Würzburg, Berlin und Strassburg
assistierte Dr. Isaak üi London und
Paris, um sich dann als Hautarzt
in Darmstadt niederzulassen, wo er
bald neben vielen anderen auch
Referate vor den Studenten der
Technischen Hochschule hielt und
ausserdem auch die ärztliche Be-
treuung dieser Studenten auszuüben
hatte. Er erfüllte diese Pflicht von
1906—24. Im ersten Weltkrieg war
Leo Isaak Stabsarzt bei der Deut-
schen Armee.
Seme besondere Fürsorge, die er
ostjüdischen Flüchtlingen zuteil
werden Hess, brachte ihn zum Zio-
nismus, weil auch er in der Ver-
wirklichung der „Heimstätte" den
einzig möglichen Ausweg sah. Er
war schon früh Delegierter bei den
Zionistenkongressen imd u.a. Mit-
BÜROMÖBEL
BÜROMASCHINEN
FHOTO-COPI ER-AFP AR ATE
VERVIELFÄLTIGUNGS-
MASCHINEN
DUKTA V
Tel-Aviv, Rothschild Blvd. 12
Telephone: 57080
7
\
f
i
V
i
Pfingsten, 5./6./7. Juni 1965 Seite 7
Süddeutsche Zeitlang Nr. 134/135
1
Weichmann hat sich das Leben nie leicht gemacht
Hamburgs künftiger Bürgermeister ist ein wetterfahrener Jurist und Politil<er
Von unserem Redaktionsmitglied 1. Birnbaum
München, 4. Juni
Es ist jetzt rund 45 Jahre her, da gründete der
junge Rechtsreferendar Herbert Weichmann in
Breslau einen „Republikanischen Führerbund".
Er hatte bei der Arbeit in Verwaltung und
Justiz feststellen müssen, daß es da überall an
überzeugten Republikanern von fachlicher Qua-
lifikation fehlte, die den Programmen der Wei-
marer Parteien zur Verwirklichung verhelfen
konnten. Die meisten der jugendlichen Mitglie-
der von Weichmanns Organisation haben es
später im Leben ziemlich weit gebracht, in der
staatlichen und in der privaten Industrie, im
öffentlichen Dienst oder auch in der Presse.
Um sich mit Wirtschaft und Politik besser
vertraut zu machen, als es durch juristisches
Aktenstudium möglich war, ging Weichmann
nach dem Assessor-Examen in den Zeitungs-
dienst. Er war ein paar Jahre Korrespondent
ier Vossischen Zeitung für das Industriegebiet
-■> Rhein und Ruhr und dann kürzere Zeit
ui^fredakteur der Kattowitzer Zeitung in sei-
-uijOberschlesischen Heimat, und zwar in deren
uuä der Abstimmung von 1920 an Polen gefal-
ajqli Teil. Von dort holte ihn ein Politiker, der
-ad seine Mitarbeiter mit gutem Blick aus-
jn? lilen wußte, Ministerpräsident Otto Braun,
«i'Ja Berlin. Lange Jahre war Weiclimann der
Viistc Mitarbeiter dieses letzten bedeutenden
^cußischen Staatsmanns.
Es war eine Szene von symbolischem Sinn,
als eines Tages in Weichmanns Arbeitszimmer
ein alter unbenutzer Aktenschrank ausein-
anderplatzte und dabei der geheime Briefwech-
sel zwischen Bismarck und Lassalle zum Vor-
schein kam, mit dem der große Arbeiterführer
des 19. Jahrhunderts Vorschläge für die Um-
gestaltung des preußischen Staates gemacht
hatte. Otto Braun eilte herbei und ließ sich von
dem Schreiber dieser Zeilen erklären, was diese
alten Papiere bedeuteten. Sein Kommentar lau-
tete: „Gerade das wollen wir ja aus Preußen
machen."
Das Jahr 1933 vertrieb sowohl Otto Braun
wie seinen Ministerialrat Weichmann aus
Deutschland. Der frühere preußische Regie-
rungschef mußte in die Schweiz flüchten, Weich-
;
mann ging nach Amerika. Seine tapfere Frau,
eine Deutschmährerin, die im letzten Sommer
der Weimarer Republik in einem großen Ost-
seebad noch die einzige schwarzrotgoldene Fahne
auf einer Strandburg gehißt hatte, begleitete
ihn und verstand es, ihm den Abschied von der
Heimat zu erleichtern. „Du wirst einen Anzug
weniger im Kasten haben und ich nur die nötig-
sten Kleider, aber wir werden schon durchkom-
men."
Das war dann drüben nicht leicht, denn deut-
sche Rechtswissenschaft und Verwaltungskunde
waren in den Vereinigten Staaten nicht beson-
ders gefragt. Aber Herbert Weichmann stellte
sich rasch um. Er erlernte die Kunst der ame-
Herbert Weichmann
Zahl der offenen Stellen steigt weiter
683 500 freie Plätze / Bericht der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung
s. Nürnberg (.Eigener Bericht)
Nach Feststellungen der Bundesanstalt für Ar-
beitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in
Nürnberg ist der Bedarf an Arbeitskräften in der
Bundesrepublik und Westberlin zur Zeit größer
als je zuvor.
Wie der Präsident der Anstalt, Säbel, mit-
teilte, hat die Zahl der offenen Stellen einen
neuen Nachkriegsrekord erreicht. Sie erhöhte
sirh im Mai um 22 500 auf 683 500 (373 000 für
A.innei', 310 500 für Frauen) und liegt um 56 400
Bauhauptgewerbe hatte sich die Zahl der Be-
schäftigten saisonbedingt zwar kräftig erhöht,
erreichte aber bis Ende April den vergleich-
baren Vor.iahresstand noch nicht ganz. Die Nach-
frage nach zusätzlichen Bauarbeitern war rege,
aber nicht so stark wie bisher.
Die Absatzentwicklung im Steinkohlenbergbau
verursachte in einigen Zechen Fördereinschrän-
kungen. Trotz nachlassender Fördertätigkeit
wuchsen die Kohlenhalden weiter an. Der Bedarf
an Bergleuten verringerte sich, während die
Nachfrage naidi Qrubenhandwerkern weiter zu-
rikanischen Buchführung und brachte es nach
kurzer Zeit zum fachkundigen Bücherrevisor.
Als Max Brauer 1945 den Leidensgefährten der
Emigrationszeit veranlaßte, mit ihm nach Ham-
burg zurückzufahren, hatte er in dem ehemali-
gen preußischen Ministerialrat einen Helfer, der
nicht nur kameralistische Staatsrechnung büro-
kratischer Tradition beherrschte, sondern auch
moderne amerikanische Buchführung, wie sie
die großen Privatkonzerne jenseits des Meeres
anwandten.
So war Herbert Weichmann der gegebene
Mann für die Leitung des Hamburger Finanz-
rechnungshofs. Als Präsident dieser Behörde
gewann er bald einen begründeten Ruf in ganz
Deutschland. Seine sozialdemokratischen Partei-
freunde hätten ihn gern zum Leiter der für
diese Fragen zuständigen höchsten Bundes-
behörde gemacht, drangen aber damit niclit
durch. Dafür wählten ihn die Hamburger vor
acht Jahren zum Finanzsenator, also zum Re-
gierungsmitglied und Leiter ihrer staatlichen
Finanzpolitik.
Auch in dieser Eigenschaft hat Weichmann
sich wieder bewährt, unci zwar nicht nur im
Hamburger Rahmen. Er hatte maßgeblichen
Anteil an den Empfehlungen des Deutschen
Wissenschaftsrats für die Neugründung von
Hochschulen, deren finanzpolitischen Teil er
^ausarbeitete. Er knüpfte Verbindungen von
Hamburg zu Entwicklungsländern in Übersee
und führte eine Delegation der Hansestadt nach
Afrika, die dort praktische Zusammenarbeit in
vielen Einzelfragen anbahnte. Er war führend
an der Auseinandersetzung zwischen den Län-
dern und dem Bund über die Verteilung von
Steueraufkommen und Leistungen beteiligt. So
gewann der gebürtige Schlesier in Hamburg
festen Fuß und auch in Bonn immer Gehör,
wenn er mit seinen finanzpolitisch und juristisch
klar durclidachten Vorsclilägen kam.
Im vorigen Jahr machte die Hamburger Uni-
versität den Senator nebenher noch zum Hono-
rarprofessor für Finanzrecht. Seither sprach er
davon, sich in absehbarer Zeit auf diese aka-
demische Tätigkeit zurückzuziehen. Weichmann
ist zwar jünger und spannkräftiger geblieben
als viele seiner Altersgenossen. Wenn er von
seiner kleinen, nur auf Fußwegen zugänglichen
Alpenhütte im Allgäu braungebrannt absteigt,
könnte man ihn für einen Endfünfziger halten.
Tatsächlich wird er aber die Siebzig vollenden,
ehe es im nächsten Jahr neue Bürgerschafts-
wahlen in Hamburg gibt. Wenn bis dahin ein
jüngerer Kandidat für den Bürgermeisterposten
gefunden ist, der sich nach Sachkunde. Charak-
ter und Ansehen zum Nachfolger eignet, würde
ihm der Senior der Regierung der Freien und
Hansestadt sicherlich gern das Ruder in die
Hand drücken.
Seydoux: Frankreich
bleibt in der NATO
Köln (UPI)
Frankreich habe nicht die Absicht, aus der
Wir geben uns sehr viel Mühe, das Sortiment so abzustimmen, daß Sie zu jedem Oberbett,
zu jeder Daunendecke oder zu jedem Flachbett auch den passenden Überzug finden. Ein
leichtes mit Daunen oder fedriger Daune gefülltes Flachbett sollte nämlich auch mit einem
leichten Mako-Damast bezogen werden, damit es seine Schmiegsamkeit behält. Jede unserer
Spezialistinnen bedient und berät Sie im übrigen durch alle Abteilungen und hilft Ihnen so,
alles genau aufeinander abzustimmen.
1. Flache Zudecken für ganze Bezüge
(wobei Sie tagsüber Ihre Betten mit einer hübschen Tagesdecke abdecken sollten)
Anti-Rheuma-Decke, beidseitig naturfarbiger Trikot mit 100°/o reiner Schaf- |-|- ^^
Schurwolle gefüllt DO»
Dazu passend ein weißer Streifdamastbezug aus reiner Baumwolle, wasch- und 4 ^ fzt\
kochecht ' ■ /*JV
Die komplett gebrauchsfertige Decke und Wäsche 70 RQ
Wolldecke pastellfarbig in fraise, bleu, gold, grün, kameloder kupfer, reine
Schurwolle, in heißen Sommernächten ideal als einzige Zudecke, im Winter ^ - |.|i|
als zusätzliche Decke gut verwendbar 04*0U
Als Bezug dazu einen kräftigen Fantasie-Streifdamast, fix und fertig mit ^ _
Knöpfen und Knopflöchern | 0*dU
Flachbett in der Form der Karo-Stepp-Betten gearbeitet, bei dem die Karo-
nähte nicht ganz durchlaufen, sondern nur etwa 10 cm lang sind, wodurch das
Bett seine Schmiegsamkeit erhält, ringsum mit weißer Biese, in rotem, grünem
oder blauem Inlett, gefüllt mit grauer Original-Feder
Dazu passend ein weißer Damastbezug in nettem Röschenmuster, zu dem Sie
auch den passenden Kissenbezug (7.50) fmden
Einziehdaunendecke, oben und unten aus naturfarbiger Moko-Einschütte ge-
arbeitet, in Karos abgesteppt, mit dreiseitigem Knopfrand, jede Naht mit Naht-
dichtung unterlegt, leichte Daunenfüllung, in der Größe ca. 130,200 cm, also
für Ihre Oberbettbezüge passend
Hierfür werden gerne bunte Bezüge verwendet, insbesondere wenn Sie diese
Decke für Ihre Jugend verwenden oder in einem Fremdenzimmer auflegen
wollen; ein Irisettebezug in kleinem Karo, grün, fraise, blau oder gold kostet
Die Einziehdaunendecke komplett mit Irisette-Bezug
83.—
75.—
22.50
97.50
89.—
22.75
111.75
...oder so:
. . . ob so
und be
vor 9©
\
\
Jahren "/eboienT ist'dre" -fochier' des' aus Weg", ;bgeschlo5sen 1944)11
" Reichtum der Persönlichkeit
Bürgermeister Professor Weichmann siebzig lahre
In (tor (hwitfch.prnchigen jüdischen Presse des
Auslands war dieser Tage folS^n^^er Aufruf de^
Senats der Freien und Hansestadt Hamburg zu
lesen- Am 25. Oktober 1965, dem 24. Jahrestag
dTerAe^ Deportation jüdischer Mitbürger aus
Hamburg"über^gab der Senat der Freien und Han-
sestadt Hamburg in einer Feierstunde der Judi-
schen Gemeinde ein Gedenkbuch für die judisdien
Oofer der Stadt. ,,
Das Buch enthält 6012 Namen, die stell-
v«tretend stehen für alle Jüdischen Opfer des
nationalsozialistischen Terrors, deren Namen n d^
mehr festzustellen sind." Dieses Budi so le nidit
nur ein Zeichen des Gedenkens an die Toten sein,
sondern auch die innere Verbundenheit mit den
Lebenden bekunden, „die wir nie verloren haben
— Wir würden gern Gelegenheit nehmen , heißt
es weiter, „unsere früheren Mitbürger über die
politische, kulturelle und wirtschaftliche Ent^id.-
hinq ihrer alten Heimatstadt zu unterrichten. Wir
werden uns^ freuen, Ihre Zuschrift und Anschrift
2U erhalten". ^ ... ^.^^
Dieser Aufruf trägt die Unterschrift von Pro-
fessor Dr. Herbert Weichmann, dem Ersten Bür-
germeister der Stadt. Kurz danach hatte Weich-
mann in einem Vortrag vor der Hamburger Ju-
dischen Gemeinde „Zeitlose Gedanken zur Zeit
entwickelt; dabei hatte er unser Leben m der
automatisierten, pluralistischen G^^^^l^^^p^^^, "^
allgemeinen betrachtet, aber auch an die Proble
matik der Existenz und des Standorts der Juden
in Deutsdiland gerührt. Er tat das in einer wür-
digen, menschlich freimütigen, eindrucksvollen
Wo immer Bürgermeister Weichmann in der
Oeffentlichkeit autlrilt, wie erst kürzlich in einer
Konferenz von Gewerkschaftlern oder im Kreis
von Vertretern des Hamburgischen Kulturlebens,
in einer Sitzung der Synode der evangelischen
Kirche im hamburgischen Staat, vor Journalisten
oder bei der Einweihung des Gedenksteins auf
dem Gelände des bei Hamburg gelegenen ehema-
ligen Konzentrationslagers Neuengamme — stets
findet er das richtige, kultivierte Wort und den
bestimmten, gemessenen, Vertrauen erweckenden
Ton Die dem geschulten Politiker und erfahrenen
Verwaltungspraktiker so eigene Mischung von
solider Nüchternheit und menschlicher Offenheit
im Umgang mit Mitbürgern und Besuchern, dazu
das humorvolle Eingehen nicht allein auf bis-
weilen spöttisch-beißende Kritik haben Dr.Weidi-
mann in seiner erst kurzen Amtszeit als Burger-
meister der zweitgrößten Stadt der Bundesrepu-
blik (»nausgesprochen als Ministerpräsident des
Bundeslandes Hamburg) viel Vertrauen und An-
erkennung eingebracht.
Erst hn Juni 1965 war er, der 69jähnge Senior
des Senats {der Regierung des Stadtstaates), in das
Amt des Ersten Bürgermeisters berufen worden.
Vorher, von 1948 bis 1957 war er, vom damaligen
Bürgermeister Max Brauer nach Hamburg geholt,
zunächst Präsident des Hamburgischen Rech-
Bungshote i»d dann Finaiwsenator und als solcher
Mitglied des Bundesrats. Seit 1956 in der Wirt-
schafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der
Universität Hamburg Lehrbeauftragter für das Ge-
biet des öffentlichen Haushalts- und Rechnungs-
wesens, ist er seit dem Frühjahr 1964 Honorar-
professor für dieses Fach. 1957, nach Abschluß
einer-Reise durch Israel, legte er seine Eindrucke
in einer von der Informationsabteilung der Israel-
Mission (Köln) herausgegebenen Broschüre „Das
Werden eines neuen Staates" nieder.
Herbert Weichmann wurde am 23. Februar
1896 als Sohn eines Arztes in Landsberg (Ober-
schlesien) geboren. Er studierte Rechtswissen-
schaften in 'Breslau, Frankfurt am Main und Hei-
delberg, war 1926 Landrichter in Breslau und
stand von 1927 bis 1933 im preußischen Staats-
dienst in Berlin, zuletzt als Ministerialrat und en-
ger Mitarbeiter des Ministerpräsidenten Otto
Braun. Schon vorher war er Mitarbeiter u. a. der
„Vossisdien Zeitung" gewesen. Fünfzehn Emigra-
tionsjahre verbrachte Weichmann in Frankreich
und (von 1941 an) in den USA.
Sein Geburtsdatum verrät, daß er jetzt sein sie-
bentes Lebensjahrzehnt vollendet. Die Zahl der
aufrichtig guten Wünsche, die dem Wohlergehen
dieser dynamischen Persönlichkeit gelten, wird,
unabhängig davon, wie die im März fällige Ham-
buraer Bürqermeisterwahl ausgeht, nicht gering
sein E- ^- Lowenthal
Menj
weiLi
Idi
ManI
hat,
keitd
Mit
und
sdiicj
mun«
verfci
ihr s,
barm*j
... \M
fahre
geriet!
Herr,
ich z^l
habe".!
Kriminj
senkt,
schwisi
vielsagv
der Kan]
dem In
13:12 —
NACH ISRAEL
mit S/S GALILEE
10 000 t
Repräsentant französischer Lebensfreude
Buchungen über Ihr Reisebüro
Nähere Auskünfte bei der Generalvertre-
tung in der Bundesrepublik
Regf
ab 4.
Nöchs']
3. 3., V/l
Marseil
Haifa-i:.|
3rupper|
EinheitsH
Auf Wu'
sieht des
OCEANIA GmbHI
Frankfurt a. M., Am Hauptbahnhof 12, Telefon: 2519 91 / 1
Fernschreiber: 041 1424
i.
:v-,
(
Ein preußischer Hanseat
Herbert Weicliiiicinn: Poleinische Begabung und wissenschaftliche Präzision / Von Kai Hemmnn
Hamburgs neuer Erster Bürgermeister, Profes-
sor Herbert Weichmann, prostete seiner
Frau mit einem Glas Wasser zu — für den
„Bilcl"-Photographen. Er lachte so fröhlich, wie
es eben ging. Auch seine erste Amtshandlung in
der Öffentlichkeit hatte mit Wasser zu tun. Er
weihte ein Wasserwerk ein. Hier also begann
der 69jährige Weichmann mit dem, was er selbst
einen „Häutungsprozeß" nennt. Der — von Amts
wegen — wahrscheinlich unbeliebteste Senator,
Ressort Finanzen, soll sich zum populären Stadt-
vater häuten.
Sein Vorgänger, Paul Nevermann, hat — was
die Popularität betrifft — das Fußballidol Uwe
Seeler innerhalb der Stadtstaatgrenzen um Län-
gen geschlagen. Von Herbert Weichmann wußten
eigentlich nur diejenigen etwas, bei denen sich der
Finanzsenator unbeliebt gemacht hatte. Das frei-
lich waren nicht wenige. Einmal verdarb cr's mit
den Journalisten, dann mit den Anwälten, ein
anderesmal mit den Sportfreunden und schließ-
lich mit den Schrebergärtnern.
Weichmanns Leidenschaft und Stärke hat ihn
in der Hansestadt eben nicht populär gemacht:
es ist die Kunst geschliffener Rhetorik, die Freude
an der Polemik, eine bisweilen beißende Ironie,
die seine eigene Person übrigens nicht ausschließt.
Sein Amtsvorgänger bemerkte eines Tages re-
signierend, als sich wieder einmal ein hanseati-
scher Stand von einer Weichmann-Attacke ver-
letzt fühlte: „Jeder hat das Recht, sich soviel
Ärger einzubringen, wie er will." Und Weich-
mann erklärte jetzt bei seiner Amtsübernahme
den Journalisten: „Es mangelt mir wohl an der
persönlichen Ausstrahlung eines Petersen, Schön-
felder, Brauer und Nevermann, die Vertrauen
einflößt."
Den ehemaligen Glasbläser Brauer nannten
viele Hamburger liebevoll „Max", der Arbeiter-
sohn Nevermann war für sie „Paul", der „Bour-
geois" und Intellektuelle, der jetzt an die Spitze
des Senats trat, wird bei ihnen wohl immer
„Professor Weichman" heißen.
Mangelt es Weichmann vielleicht an der Fähig-
keit, Volksgunst zu erwerben, so hat er kaum
ehr Geschick darin bewiesen, das Wohlwollen
des Parteiapparates zu gewinnen. In 45 Jahren
SPD-Mitgliedschaft hat er es nie /u I'unktioiiärs-
würden gebracht. I'.rst als die Genossen ihn zum
Bürgermeister gemacht hatten, erinnerten sie sich
daran, daß ihr erster Mann weder im Vorstand
noch im Parteirat Stimme hat. Nicht einmal dem
SPD-Bezirk seines Wohnviertels war es je ein-
gefallen, den unbequemen Mann in den Bezirks-
vorstand zu wählen.
Die Eigenschaften, die Herbert Weichmann
dennoch zum Amt des Regierungschefs in einem
Bundesland qualifizierten, sind sein scharfer Ir -
tellekt, Fachwissen und ein bedingungsloses En-
gagement an den demokratisdien Staat. Er meint:
„Ich fühle mich für die Gesellschaft verantwort-
lich und finde, jeder sollte etwas dazu tun, daß
die Welt besser wird." Und wenn er das sagt,
klingt es nicht phrasenhaft; man glaubt es ihm.
Mitverantwortlich für den Aufbau der Demo-
kratie von Weimar hat sich schon der Jura-
Student Weichmann gefühlt. Als in Berlin Kapp
Conti
lleiheil W richinanii
Kein populärer Volkstribun
putschte, drohte dem leidenschaftlichen Republi-
kaner wie vielen seiner politisch engagierten
Kommilitonen in Berlin die Verhaftung. Arbei-
ter versteckten ihn. Als der Spuk des Staats-
streichs vorüber war, zog Weichmann, Sohn eines
jüdischen Ar/.tes aus Oberschlesien, für sich die
Konsequenzen: Er trat in die SPD ein. Sein Stu-
dium verdiente er sich als Korrespondent cier
angesehensten liberalen Zeitungen — der „l'rar)<-
furter" und der „Vossisdien". j
Den Referendar erschreckte der antl-denlo-
kratische Geist in Verwaltung und Justiz. Mit
einigen Gesinnungsgenossen gründete er ein;en
„Republikanischen lührerhund"'.
Der fertige Jurist stand vor der Chance, im
preußischen Staatsdienst eine gute Karriere zu
machen. Aber er glaubte, die deutsche Minder-
heit in seiner Heimat, die inzwischen polnisches
Staatsgebiet geworden war, brauche ihn not-
wendiger. So wurde er Chefredakteur der klei-
nen „Kattowitzer Zeitung". 1928 holte ihn Mi-
nisterpräsident Otto Braun dann als Referenten
ins preußische Staatsministerium. Er wurde dann
schon nach kurzer Zeit zum engsten Mitarbeiter
Brauns.
Die preußische Regierung stürzte, Hitler über-
nahm die Macht. Und Weichmann floh vor dro-
hender Verfolgung mit seiner Frau ins Ausland.
Über die Schweiz und Frankreich kam er in die
Vereinigten Staaten. Die deutsche Staatsbürger-
schaft gab er nicht auf — wie so viele seiner
Leidensgenossen. Er, den die braunen Unmen-
schen als „Untermenschen" vertrieben hatten,
wollte für den Augenblick bereit sein, da er noch
einmal in einem demokratischen Deutschland
gebraucht würde.
Zunächst mußte er von vorn beginnen. Er
wurde Wirtschaftsprüfer in Amerika, ohne sich
in diesem Beruf sehr wohl zu fühlen. Er war und
blieb halt der durch und durch ,, preußische
Beamte". „Ich konnte einfach niemandem raten,
wie er den Staat um Geld bringt, obgleidi ich
damit sehr viel Geld hätte verdienen können",
meint er heute.
Als Brauer ihn 1948 nach Hamburg holte,
übernahm er es, sich wieder um das Geld des
Staates zu kümmern. Er wurde Präsident des
Rechnungshofes. Von neuen fühlte er sich lei-
dcnsdiaftlich politisdi engagiert. Aber es zog ihn
nicht „in die Politik". Er fühlte sich als Beam-
ter, als Staatsdiener. In die politische Funktion
drängten ihn seine Parteifreunde. Sie brauchten
ihn als Chef der Finanzbehörde.
Weichmann wurde 1957 Senator und vier
Jahre später audi Abgeordneter der Hamburger
Bürgerschaft. Das Florett — und manchmal auch
der Degen — seiner Rhetorik waren bald bei
dem politisdien Gegner gefürc^uet. Aber nie
stand er im Vordergrund der politischen Bühne.
Schlagzellen machten nur seine polemischen Aus-
fälle, von seinem Wirken als finanzpolitischer
l'xperte der Länder in Bonn, den Kontakten, die
er für den hanseatischen Außenhandel knüptte
oder von seiner Mitarbeit an den Empfehlungen
des Deutschen Wissenschaftsrates für die Neu-
gründung von Universitäten nahm die ötTent-
lidikeit kaum Notiz.
Neben seiner politischen Tätigkeit arbeitete
W^cichmann wissenschaftlich. Er hielt Vorlesun-
gen an der Hamburger Universität und wurde
I
im vergangenen Jahr Honorarprofessor für
Finanzrecht. Mandie glaubten bereits, der Sena-
tor werde sich mit Ablauf der Legislaturperlode
ganz der Wissenschaft widmen. Doch da geschah
es, daß man wieder einmal von ihm erwartete,
er möge sidi „zur Verfügung stellen".
Über der Hansestadt hatte sich der Nebel
einer „Affäre" zusammengezogen. Die sozialde-
mokratische Führung, in ihren Bekundungen
gerade hierorts sonst so liberal, orientierte sich
an Normen, die sie für bürgerlidie Wohlanstän-
digkeit hielt. Paul Nevermann mußte das Rathaus
verlassen, weil er sich von seiner Ehefrau ge-
trennt hatte. Sein Kronprinz Helmut Schmidt
wollte erst nach einer sozialdemokratischen Wahl-
niederlage im Bund nach dem höchsten Amt im
Stadtstaat streben. Der zweite Kandidat, Schul-
senator Dr. Drexellus, war sidi — dem Verneh-
men nach — zu schade als „Übergangs-Bürger-
meister". Professor Weichmann, der keinen Hehl
gemacht hatte aus seinem Abscheu über die Be-
handlung des „Falles Nevermann", sprang In die
Bresche. So verhalf er seiner Partei zum kaum
verdienten „würdigen Abschluß" der Affäre.
Der Senat wählte einen Mann zu seinem Prä-
sidenten, der die halbe Welt kennt. Der Fach-
mann für Finanzen und Kommunalpolitik sieht
seine Aufgaben nicht nur in den Grenzen der
Stadt. Schon In der ersten Woche seiner Amtszeit
bereitete er eine Reise vor. Der Sdilesier Weich-
mann fährt zur Posener Messe, um die traditio-
nellen Kontakte der Hansestadt zu den osteuro-
päischen Staaten auszubauen.
In Hamburg schießen indes schon die Hin-
weise ins Kraut, die den neuen Reglerungschef
„liebenswert" machen sollen. So wird berichtet,
er sei ein leidenschaftlicher Koch und Gourmet.
Weichmann zerstört derlei wohlgemeinte Publi-
city-Versuche mit einer ironischen Bemerkung:
„Ja, Idi weiß, wie lange Eier kodien müssen."
Wenn Weichmann trotz allem hoffen kann,|
noch populär zu werden — auf eine andere
Welse freilich als seine Vorgänger — dann nicht]
zuletzt im Vertrauen auf seine Ehefrau. Um die
intelligente und charmante First Lady Dr. Els-
beth \\'eichmann, die selbst seit dem achtzehn-
ten Lebensjahr „in der Politik steht", Mitglied
der Bürgerschaft und Präsidentin des Brüsseler
EWG-Büros der Verbraucherverbände ist, wird
man Hamburg beneiden.
Ist Professor Weichmann eine Übergangslösung?
Wenn einige der Bürgermeister-Macher bei sei-
ner Wahl eine solche Vorstellung hegten, dann
werden sie vermutlich von der Dickköpfigkcit
überrasdit werden, mit der der hanseatische
Preuße wieder einmal seiner Parole folgt: „Was
idi tue, tue ich ganz."
/
'^M
\
h (J^
V
20. Liai 1961
Lieber Freund iVeichmann,
Hedvag liat mir Ih:re Grue.^i'se uebcrmittelt und dabo!
habe ich n-chtraeglich arfahrsn^dr^ss ..ie Ihren 65. Ge-
burtstag in Afrika gefeiert hafeiert haben. 3ie sind
mehr als fuenf J-ihre hinter mir zurueck, vas beneidens-
wert ist ; jedenfalls sende ich Ihnen noine hersiichcten
Olueekv-uensch.,. .^ur Grund xhrer jetzigen Stellung h:- ben
öie das Kap der Altersgrenze slu^cklioh umschifft, and
ich wuenscbo I::nen^dvss di :S nocii auf viele Jahre n^naus
der Fall sein moege.
Ich moechte IlmeL bei dieser Gelegenheit noch aebcr
eine Angelegenheit schreiben, die mich gegenv/aertig inter-
essiert. Das IQO-Baacii Institut hisr h-at mch aufge-
ford.,rt,eine kleine oonrift ueber die ju^niisciien Beamten
in der ..eiinarer -'.eit zu veri'aysen^dcr ^?!\yz noch eine
andere bchrift ueber die juedisohen Abgeordneten folgen
soll. Es komnit natuoriich nicht auf eine ITaiiienozusarnnen-
stellung an, sondern auf die Eriruttlung bestim-ater so-
ziologischer Zu3rini.,.enh:..enge ueber die r.olle und iaetig-
keit der Juden im Rahaien der deutschen Verv^altung und '
Politik; d^fupr ist aber selbstverstaendlich die Kennt-
nis einer liuelle von Personalien wichti^^.
Ich hribe mir einen bcsti latai PI ..n fuer die Arbeit
gemacht, rlen hier auseinanderzusetzen zu tvej t fu ehren
v/uerae. v.in Abschnitt v;uerde der Eignung juedischer Be-
amter fuf.r die Verbindung: init anderen iintc stellen, dea
Pariament und der Oeffentlichkeit gewianiet sein,?,obei
auch ihre h-eufige 7eri;rauens^tellunf; hervorzuheben vsaere.
LH diesem hapitel T,aierden bie einen hervorragenden Platz
haben. Otto Braun hat j.: in seinen Erinnerungen die
Gruende,'/.es;vegen er Sie herangezogen hat, und Ihre beson-
dere iLignunf: fuer den Posten cargestellt.
Vielleicht koennen Sie mir no h mit einigen bio-
graphischen Daten u ber sich unter die Arme greifen.
Ich 1/^eiss nicht mehr das Jahr in de. Sie in d s ' taats-
ministerium gekom'^ien sind, ich glaube es v;ar das Jahr
1926 oder 1^j27. Sie sind dann meiner Erinnerung n-ich
unmi::telbar nach dem 20. Juli 1^52 an weiterer" /\iats-
taetigkeit gehindert worden und 1933 im /,uge der Mat.soz.
Bea-nteng^^ -etzgebung ausgeschieJen.
//
^ A-^r -' r der p/'eu33isclien
Ueber hündische Bea.^t.^die.n . ^^ .^ aligemeinen
Zentralregie ruuetuetti^ar^-.,, i, li^^^^^en^-'
unterrichtet. AnUsemix ^.^^ ^^^^ ^ ^ ^f^T^^
•M o-r erer Beamte im l^^V^'^'ft yn^ä'-enhang mit dem
•u^/1-t- nud) Ref^eXi tili .i^n-»-^--*^ , ~T.r'o ' ch m'j: se^-uer ^(.-1-^ =
^^^^^'''uM V^rdle^'i-aensetmng .er Pres.estel^
im Staatsiainif- teriuu..
ao-veit oie sixr '^'^^,: J^.Qemten, '.■■aere ich Innen
Äb< i" Dl^^ ■^^i-«i'^^'-^^^^?='^'-:;:vf sine hier im .eaentlichen
^,^^-r rden. auch die -'«^^''•;,r+';> Pr^un sind und auch wohl
voii-^naeu, , .^ . n„ yon Otto brc^un oinu „., ^^c^piatos
besitz ci-s ■■'^^■'fl^t.tX^.vv'^l'^Ti.orAe des ■'^■."^,"^ -r^^^t
Durchschl^-ere 'i^;^^-'^,^fSf fauch hieraus viellelcnt
äp! -^ Sf-ten ':n chcn , soviel t s.c^t.^..^^^^^^^^3_^,^^
bindun stehen, und ^oveit sie sx u-
ei;;rier
X •
:eht
Ichnoile? a-<sö -o ,. ^^^,«, y. elter n rvoii-v~^
una b.U. 3l«-r d.ss ^IJ ^-^-tSSSo .ra.sse, aacn von
meiner Frau
Inr
UvV
;-c;: - •
.\^t^:3iL'.--\ ■'Z'S' .".■
• '<»■ •f-T/l ^ -HTJ-'-' ' r_ ■■g7r- r3'- ■-
.■A>^-<».y*Pr,K»-
friday, June 11, 1965
AUFBAU
&IMB^^
\
Die brennendste Frage
Warum mehr Truppen nach Vietnam
Von Heinz Pol
Die amerikanische Aussenpolitik befindet sich in einer Krise,
und Präsident Johnson, der die Aiisseni>olitik in höchster Instanz
entscheidet und für sie die Verantwortung: tragt, ist das Objekl
einer Vertrauenskrise von einem Ausmass. wie man sie »n aer
modernen Geschichte der USA kaum erlebt hat Das sind starke
Worte, aber sie sind einer Situation gemäss, in der nicht nur für
Amerika, sondern für die ganze Welt ein Mangel an Offenheit und
Klarheit zu höchst gefährlichen Resultaten fuhren konnte.
Der Krieg in Vietnam wird in
Europa noch immer in der
Hauptsache als eine Angelegen-
heit angesehen, die nur die USA
angeht. Als ein hedauernswerter
lokaler Konflikt, der glückliolier-
weise sehr weit entfernt von all
den anderen Krisen liegt, die die
übrige Welt beschäftigt. Aber
diese Auffassuntg ist durch die
Ereignisse längst ad absurdum
geführt. Der Vietnam-Krieg ist
schon längst keine lokale Ange-
legenheit mehr. Er ist zju einem
Problem geworden, dessen Fol-
gen allein deshalb unübensehbar
sind, weil es mittlei-weile ganz
andere Dimensionen angenom-
men hat.
Die Frage erhebt sich — und
sie wird seit einigen Wochen
in verantwortlichen amerikani-
soiien Kreisen offen genug dis-
kutiert!! — oib der Vietnam-
Konflikt, falls er sich in dersel-
ben Richtung weiter entwickelt
wie bisher, zum Dritten Welt-
krieg führen könne. Allein die
Fragestellung enthüllt, wie ernst
die Situation geworden ist. Es
ist möglich, ja wahrscheinlich,
daÄS man hie und da in Paris,
London oder Bonn, ähnlich bange
Fragen stellt. Aber die Sorge um
die Entwicklung in Südostasien.
die Tag zju Tag explosiver wird,
bleibt doch woihl auif sehr enge
Kreise beschränkt. Man beschäf-
tigt sich mit überliegenden Prob-
lemen an denen Europa ja kei-
nen Mangel hat. Aber alle Zu-
ropa. über eine neue NATO
oder über ein wiedervereinigtes
Deutschland können von dem
Feuerregen eines Krieges ver-
nichtet werden, der von Südosft-
asien au« wie ein Krebsgeschwür
den Erdball überwuchert.
Man spricht davon — und glaubt
damit sdhon den Höhepunkt
einer pessimistischen Beurtei-
Kuiig erreicht zu haben — dass
der Vietnam^Konflikt in eine
Art Korea-Krieg sich ausweiten
könne. In der Tat sind die er-
sten australischen Kontingente
in Saigon eingetroffen, um mit
den Marinetruppen der USA die
Vietkong in Schach zu halten.
June 1965
Truppenkontingente aus Süd-
Korea sind angekündigt, und der
unermüdliche Chiang-Kai-Shek,
der noch immer auf seine Stunde
hofft, hat seine militärisch nicht
zu unterschätzende Formosa-
Armee angeboten. Aber der Ver-
gleich mit Korea hinkt, denn da-
mals waren nur die USA (zusam-
men mit Kontingenten der freien
Welt» und ein noch in den Kin-
derschuhen steckendes China in
den Konflikt hineingezogen wor-
den, während Moskau beiseite
stand. Diesmal aber steht die
Sowjetunion ganz und garnicht
abseits.
Diplomatisch und militärisch
konzentrieren sich die drei Welt-
mächte in immer stärkerem und
gefährlicherem. Mass auf den
Vietnam -Schauplatz. Wenn diese
Konzentrierung nicht in verhält-
nismäjssig kurzer Zeit, nämlich
vor Erreichung des sogeannten
"ipoint of no return" zu einer
friedlichen Lösung führt, so muss
sie unvermeidlioherweise zu-
nächst alle unmittelbar Beteilig-
ten und dann die ganze Welt in
die dritte und voraussichtlich
letzte Katastrophe hineinreissen.
Angesichts dieser Perspektive
ist es nur allzu verständlich,
da^ in den Vereinigten Staaten
Unruhe. Verwirrung und Oppo-
sition Im Wachsen sind. Die
USA befindet sich in einem offe-
nen und blutigen Krieg mit Nord-
Vietnam. Täglicih werden neue
Truppenkontingente. Flugeeuge,
Ji:ricgr«chiffe. Boxrj'ber un<^ .«on-
stigea Kriegsmaterial iüber den
Pazifischen Ozean gesandt. Wäh-
rend der 18 Monate der Präsi-
( Fortsetzung: auf Seite 4)
r. '
DER "AUFBAU " BEGINNT AM 25. JUNI MIT DEM ABDRUCK DES BUCHES:
Geschichte einer Familie und
ihrer Warenhäuser j , ^
Hermann Tietz ^^
ein Name, aus dem später "HERTIE" wurde.
Der Autor. Sohn des genialen Geschäftsmannes Oscar Tietz, begann 1941 nach seiner
Ankunft in den Vereinigten Staaten mit der Aufzeichnung dieser Erinnerung, die er bei sei-
nem Tode im Jahre 1953 unvollendet hinterliess. — Georg Tietz sieht das Deutschland vor dem
ersten Weltkrieg, die Revolution und die Republik mit den Augen eines klug beobachtenden
Zeitgenossen. Ereignisse, Menschen und Dinge werden von ihm farbig und spannend geschil-
dert. Georg Tietz weiss jedem seiner Kapitel die ihm gemässe Atmosphäre zu geben.
Eine Fortsetzungsserie, die zu lesen
sich lohnen wird
Hamburgs neuer
Bürgermeister
Dr. Herbert Weichmanii -
Wer hat Hausenstein-Material?
Frau Margot Hiau®enß»tein und
Frau Renee-Marie Parry, die
Witwe und die Tochter von Pro-
fessor Wilhelm Hausenstein, bit-
ten u>m die zeitweilige Ueberlas-
9ung von Photographien. Brie-
fen und Karten sowie Zeätungs-
aufsätzen von umd über Wilhelm
Hausenstein an folgende Adres-
se: München 27, Lamomtetrasse
1/in.
«■••MM* «0.
Our new "Monthly Review" discusse* ihre« companic?
whose earnings are responding favorably to
streng demand and improving prices for their
products. These companies are —
nfg ALUMINUM CO. OF AMERICA
B. F. GOODRICH
ST. REGIS PAPER
A copy is yours for the asking. Mail the coupon below.
Address Mr. Ernest Jellinek of our 655 Madison Ave. Office.
PIcase send me yoiir June "Review" which discusses ALUMINUM
CO. OF AMERICA. B. F. GOODRICH and ST. REGIS PAPER.
Name - A-
le Freie- und Hansestadt
Hamburg hat einen neuen Bür-
germeister. Prof. Dr. Hei-bert
Weichmann, bisher Finanzsena-
tcir Hamburgs. Vorsitzender des
Finanzausschusses des Bundes-
rates u-nd prominentes Mitglied
des Wissenschaftsrates.
Diese Wahl Weichmanns hat
eine weltweite politische Bedeu-
tung. Weichmann, der Erste
Bürgermeister der grössten Ha-
fenstadt und der zweitgrössten
Stadt der Bundesrepublilc. ist
kein Hamburger, wie dies sonst
Tradition in der Hansestadt ist,
sondern ein "Preusse" aus Ober-
schlesien, 69 Jahre alt, ehemals
persönlicher Mitarbeiter des so-
zialistischen preussischen Mini-
sterpräsidenien Dr. Otto Braun
im Preussischen Staatsministe-
rium, ein politisch und rassisch
Verfolgter, ein Maim. der wäh-
rend der B^nig-ratloY in den USA
Finan/iWissenschaft studierte, in
jüdischen Organisationen wie
dem "New World Club'" tätig
war, bis er vor ca. 15 Jahren
von Max Brauer, dem ebenfalls
ONCEAYEARSPEaAl!
Extra Strong
\ oniy q^%
At Your Favorite Drugstore
Piodu<t of H H. Masip, Toüptries
15ft Fifth A\'e . New York, N.Y. 10010
von USA nach Deutschland zu-
rückgekehrten Ersten Bürger-
meiste:' von Hamburg dorthin
berufen wurde.
Weichmann ist einer der ge-
scheitesten und tüchtigsten Ver-
waltupgs- und Finanzbeamten,
eine allgemein hoch anerkannte
und geschätzte Persönlichkeit,
ein Weltmann und kein Lokal-
poliiiker. Diese Eigenschaften
waren auch der Grund, warum
Weichmann von der SPD zum
Nachfolger des aus persönlichen
Gründen zurückgetretenen Bür-
germeisters Dr. Paul Nevermann
vorgeschlagen wurde. Die Amts-
zeit läuft bis zur Neuwahl des
Hamburger Parlaments im März
1966.
Weichmann. Aratsohn. ist ver
heiratet: seine Frau ist Mitglied
der Hamburger Bürgerschaft
und pflegt wichtige deutsch-
em ^M'ikqnlsrh,« Be7iphn»""?^*n, IVr
neue Bürgermeister ist nicht nur
als Beamter, Finanzmann und
Jurist hervorgetreten, sondern
war er vor 1&33 Mitarbeiter der
Vossischen Zeitung, ehe er beim
preussischen Ministerpräsiden-
ten tätig war. Von dienstlichen
Reisen nach Israel und USA ver-
öffentlichte er interessante und
sachliche Berichte. Neben der
SPD. die Weichmann zur Wahl
vorschlug, haben auch die Freien
Demokraten, die Koalitionspart-
ner sind, seine Ernennuiig b**-
grüsst. Hamburg kann sich zu
dieser Wahl beglückwünschen.
Sie ist e:-n Symbol.
RM.W.K.
'Aufbau' Offers Spending Power
"Aufbau" readers comprise the
upper-middle income bracket.
They can afford the extra ex-
pense involved for their vacation
pleasure.
5^ä^^''v';«K<K-«-V*.
Bl\ YOLR
TR O P IC ALS
^ o w
auch literarisch.
Längere
Zeit
FOREST HILLS $41,000
Freistehendes Colonialhaus
8 Zimmer in tadellosem Zustand.
l'j "stall shower"' Bad, Toilette
im Parterre. Studierzimmer, aus-
gebautes Basement. Dotpi>elgar-
age. nahe zur Subway et^.
LANE REALTY
The Real Estat^ Department Stör»
112-45 QUEENS BOULEVARD
FOREST HILLS, L. I., N. Y.
Express 75th Ave. Station. INO Subway
Phone BO 8-3500
Addieas.
City State . . .
Listen to our News Report dally at noon on WQXR
Radio; 1560 on your AM dial and 96.3 on your FM d'al.
HIRSCH 8e CO.
Mambtr« hi»w Voric Stock Exchang«
25 BROAO STRCEr HA 2 0600
♦99 SFVENTH AVE. OX 5 7100
1182 BROADWAY MU 3 5900
ZIGARREN
von Holland, Schweiz,
DEUTSCHLAND
Alle bekannten Marken
VERLANGEN SIE PREISLI.STE
S. BRANDT
ZIOARREX-IIMPORTER
55« WEST 181 STREET, N.Y.C.
zw. Sl. Nicholas Ave. u. Audubon Ave.
— - Tel.: WA 7-1090,
-USED CARS-
reasonable & reliable
J. V. AUTO SALES
JUSTIN VOLLWEILER
65-20 Queens Blvd.. Woodside, NY
Tel.: TW 9-1985
WHILE OUR
SELECTION
IS BIG
We oa-n-y
GROSHIRE
GRIFPON
CLXDTHS
and other
famous brands
OUR
UPSTAtRa
STORE
SAVE6 YOÜ
MONEY
•
AUeratioiiÄ free
G. & M. Clothiers
1 UNION SQ. W. (14th St.)
1 night up. - Tel. AL 5-7453
Opc-n daily 'lii 6 Thur.sday "tll
7 pm - Owner; S OUTMAN
„ :.:,,..,. iXONSERV ATI VEi,,,;i|iijj|.|i;r''!::r'':M^^^^^
Real Estate Investments |
e. K, /Heied Si Ca., 9hc.
If 250 WEST 57th ST.. NEW YORK 19, N. Y. - CT 5-5900 ^
..|,i;,,a.i...#l!!l'i!li'!lli«liii|li:it!lli!i<irti' INQriRIES IP^^ITED ■.■ • _:''i" ^:i;toiiiililiHiHMiti'!ili'llillii'rtli
5
ii
'jO TOTAL-
VER/INSrNG
Bottiin Biltmof» W»"!h'ngtr)n
1 ...1,1. tn P«i il
655 MADISON AVE. TE 8 4730
30 W47th STREET JU 2 5353
NEWARK: PRUDENTIAL MALL 6230850
Mi»mi Beach P«m B«ach f»rt Pi«'c« l»k« Wottb
f^awai/» Ani^faiiJftl Hugni^ Altai
p. a. auf Basis
■■ von
Kttin« Verni....unfftg«bülir.
VERSICHERT
durch eine U. S. Govt. Agency
Steuerfrei für Ausländer
die au.vserhalb l'.S.A, leben
RNST I. CAHN
170 BROADWAY, SUITE 505
ee
UNSERE SPEZIALITÄT
EIN-und ZWEI-FAMILIEN HÄUSER
IN FOREST HILLS, KEW GARDENS, RECO PARK UND
ANDEREN BELIEBTEN WOHNLAGEN IN QUEENS
TRYLON REALTY
9869 Queens Blvd. (Cor. 66 Ave.), Forest Hills. IL 9-2600
V
n
Stichworte: 1. SPD-Landesorganisation Hamburg
2. "Stamokap"
3. Extremisten im Staatsdienst
y
4^ ^^'40
f
\.
MORGENPOST flhi^s U-r\ I 2 > Jl . 'H
■ I !■■— um ■ Ml ir-|~ii '~ • • "»* .«.iw.inpwi T
VMV- '»i^^.y ■*->-* ■^'*"'
jlJUiCMiM.f
"ir^
-■ i ' ? ,-;
^^ 0
CUl li
Vv^as ist ios mit Klose?
Die einen vertreten die Auffassun^j, nun sei er völlig
übergeschnappt. Die anderen jubeln und sind sich
jetzt sicher, daß sie ihn nanz und ^^ar auf ihre Seite gezo-
gen hatten. Der ßundeskan/Jor schließlich fühlt sich
nach dern Streit um den Radikalenerlaß und dem Inter-
view in „ konkret'* in seinem kritischen Urteil über
Hans-Ulrich Klose voll und ganz bestätigt.
In der Tat muß man sich jet:!t ernsthaft frac^en, was
oder wer den Hamburger Bürgermeister da/.u treibt,
sich in einer unaufhörlichen Abfolge von öffentlichen
Äußerungen nach links zu profilieren und ganz bewußt
die Konfrontation mit dem konservativen Flügel der
SPD und vor allem mit Helmut Schmidt zu suchen. Hat
ihn nach dem großen Wahlsieg im Frühsommer ein poh-
tisclicr Höhenrausch befallen? Sieht sich Klose schon
als Nachfolger für höchste Ämter? Kommt jetzt plötzlich
seine wahre Natur zutage, die er lange Zeit getarnt hat?
Oder was sonst?
Auf jeden Fall hat Hans-Ulrich Klose Anspruch auf
. den Versuch eines gerechten Urteils. So könnte es
durchaus sein, daß er meinr, gerade gegenüber der jun-
gen Generation ein Beispiel politischer Ehrlichkeit ge-
ben zu sollen, daß er sich deshalb entschlossen hat, mit
den Mitteln des Freimuts und der Vernunft heiße Eisen
anzupacken. Seine Bemühungen, neue Antworten auf
alte Fragestellungen zu finden, sind zu begrüßen. Und
wir glauben auch, daß Kloses gegenwartige Strategie
kein opportunistischer Trick ist.
Doch müßte der Bür<>errneister, dem es an Intelligenz
nicht mangelt, langsam einsehen, daß jedes Ding mehr
Seiten hal.als die, von dLaen er spricht. Zwar ist es rich-
tig, gegen den Radikalenerlaß in seiner gegenwärtigen
Form und li^^vlbabung zu sein. Aber man muß dann
auch den Mut zu der Feststeilung haben, daß solche po-
litischen SchUigertypcn, wie sie dieser Tage bei den Kra-
wallen in Frankfurt auch aus den Hansestädten kom-
mend und durch Bafög-Gelder alimentiert, gewß nicht
in den öffentlichen Dienst gehören. Und der Bürgermei-
ster müßte uns auch sagen können, wie er diesen Leuten
den Zugang sperren v/ill
I
"^
^TTas unsere Wirtschaftsordnung angeht, so ist es ge-
VVwiß keine Offenbarung, sondern eine Binsenweis-
heit, daß wir bereits in einer Art gelenkter Marktwirt-
schaft leben. Die SPD und die Gewerkschaften minde-
stens haben dies immer gewollt. Denn ein solches Kon-
zept entspricht durchaus den Anfordenmgen unserer
Zeit. Aber Klose m^^cht dei^ Fehler, daß er den Eindruck
erweckt, als wolle er die Marktwirtschaft am liebsten ab-
schaffen imd uns mit der Wirtschaftsordnung der DDR
beglücken.
Natürlich ist es erfrischend, wenn ein Politiker wie
Klose Tabus zu brechen sucht. Aber er muß aufpassen,
daß er nicht zu einem Außenseiter v/ird, \w'ni es Jochen
Steffen bedauerlicherweise nach langen Jahren aufrei-
benden Kampfes geworden war. Donn auf die Dauer
wirken solche Vor:-löße nicht belebend, sondern unse-
riös. Conrad Ahlers
'<;^"-;"^'tj
Donnerstag, 26. September 1968
Rote Macht-Expansion
Weichmann warnt vor Fehleinschätzung der Lage
Eigener Bericht
Hamburg, 26. September
In seiner gewichtigen politischen Rede anläßlich des Antrittsbesuchs
von US-Botschafter Cabot Lodge warnte Bürgermeister Weichmann
nachdrücklich vor Sorglosigkeit, vor einer Fehleinschätzung der Lage
nach dem Sowjet-Überfall auf die Tschechoslowakei. Fast beschwörend
erinnerte er an die Lehren der Vergangenheit.
„Heute vor fünf Wochen haben die
politischen Aspekte Europas und der
Welt eine erschreckende Wandlung er-
fahren", sagte er, „eine Wandlung zu-
rück zu den Methoden der Gewalt und
der Verachtung menschlicher Werte, wie
sie vor 30 Jahren schließlich zum Aus-
bruch des Weltkrieges geführt haben.
Ich erinnere mich, daß ich vor 30 Jahren
in einem Aufsatz auf die innere Affi-
nität des Regimes in Berlin und in Mos-
kau hingewiesen und vor Illusionen
über beide gewarnt habe. Die natio-
nalsozialistischen Machthaber gehören
jetzt der Geschichte an; aber der rote
Faschismus ist geblieben und droht neue
tragische Entwicklungen an.
„Der Ermordete hat schuld . . /'
Die Ereignisse des 21. August haben
die verantwortlichen Politiker dieses
Landes und die Masse unserer Bürger
besonders aufgeschreckt und aufge-
wühlt. Die Menschen in der Bundesrepu-
blik, in Hamburg stellen Fragen an die
Regierenden hierzulande, in den verbün-
deten Staaten und vor allem in Ihrem
Lande, in den USA. Es sind Fragen, in
denen sich Sorge und, wer wollte das
leugnen, auch Zweifel widerspiegeln. Ich
selbst, ein gebranntes Kind und Zeitge-
nosse ähnlicher Vorgänge vor 30, ja 35
Jahren, frage mich — ich gestehe es offen
— , ob die Welt sich erneut auf den Weg
begibt, sich aus der unbequemen Wirk-
lichkeit in den Wahn, in die Illusion ret-
ten zu wollen und damit einer erneuten
Katastrophe den Weg zu ebnen . . .
. . . damals vor 35 Jahren fiel unser
Nachbarland Frankreich durch die
Schuld der Machthaber des Dritten Rei-
ches, aber auch durch eigene Verken-
nung der machtpolitischen Mentalität
der Gewalt zum Opfer. Wir fürchten,
daß die gleiche Mentalität mit der glei-
chen ihr immanenten Gefahr der Ge-
waltanwendung offenbar wieder ver-
kannt wird . . .
Der rubtalen Invasion in die CSSR
ist eine Brutale der Verbalpolemik ge-
folgt, die nicht den Mördern, sondern
den Ermordeten zum Schuldigen stem-
pelt und uns sogar jener gewalttätigen
Absiditen verdächtigt, die aus heiterem
Himmel von den Machthabern im
Kreml ihrerseits, und nur ihrerseits als
ein Mittel der Politik mitten im Frie-
den demonstriert wurden. Es erhellt
daraus: Es kann der Frömmste nicht im
Frieden leben, wenn es dem bösen Nach-
barn nicht gefällt . . ."
Nach einem Bekenntnis zum unver-
brüchlichen Bund mit den USA, zur euro-
päischen Einigung und zur Auf rechterhal-
tung einer angemessenen Verteidigungs-
stärke „auch unter Opfern" erklärte der
Bürgermeister:
„Wir wünsditen nichts sehnsüditiger als
Frieden, wir wollen eine Fortsetzung der
Friedenspolitik, aber die Faktoren,
welche den machtpolitischen Expansio-
nismus in Sdiach halten, müssen neu
überdacht werden — hüben und drüben
des Atlantiks."
Wir müssen nachdenken, wie es mit
dem überaus komplexen Problem des
Atomsperrvertrages in einem Au-
genblick weitergehen soll, in dem eine
Weltmacht die Prinzipien der Rechtstreue
so mißachtet hat. Dabei handelt es sich
nicht nur um den Atomsperrvertrag.
Wir stehen wiederum, ganz ähnlich wie
im Dritten Reich, vor der Tatsache, daß
in den Vertragstexten oder sonstigen
Dokumenten zwar die Worte oder Be-
griffe von den Vertragsstaaten gemein-
sam formuliert wurden, daß aber eben
diesen Worten und Be^-iriffen die eine
Seite jeweils einen anderen Sinn bei-
mißt oder in späterer Zeit eine Sinn-
umkehrung vornimmt, die sie als Ver-
tragsrecht interpretiert und zur Grund-
lage ihrer Handlungen macht. Am Ende
steht dann nicht das Recht, sondern die
Macht als entscheidender Faktor.
Das Gesetz der Macht
Wir müssen auch voller Sorge die
Konsequenzen überlegen, wenn nur ein
Land in Europa, wenn nur die Bundes-
republik, auf die sich ohnehin das
Trommelfeuer einer nicht immer durch-
schauten Ansdiwärzung als Aggressor
richtet, als einziges Land in Europa dem
Ruf nach Stärkung der NATO folgen
SamtiutictiftbcntHülatt i_
Nr. 225 - Seite 15
Bürgermeister Weichmann
würde. Ich begrüße darum die jünissten
Beschlüsse der niederländisdien Regie-
rung.
Mit dem Blick auf den morgigen Be-
such Präsident de Gaulies in Bonn
nahm der Bürgermeister auch Stellung
zu der klemmenden EWG-Politik: „Es
ist keine Frage, daß die großartige
S'taatspolitische Idee der europäischeu
Zusammenarbeit in letzter Zeit viel vou
ihrer Schwungkraft verloren hat, und
es mehren sich Stimmen, die kritisch
fragen, ob es überhaupt noch Sinn habe^
den Prinzipien der Verträge von Rom
zu folgen, wenn die Wirkung dieser Ver-
träge auf den wirtschaftlichen Bereich
beschränkt bleibt, wenn der eigentliche
Kern der europäischen Idee — die wirt-.
schaftliche Integration als Vorstufe zum
politischen Zusammenschluß — bis
zur Unkenntlichkeit verwässert wird,
und wenn ein Land weiterhin hart-
näckig anderen europäischen Nationen
den Zugang zur EWG verwehrt.
Wir glauben aber, daß diese Idee nicht
im Lichte zeitgebundener Umstände und
Persönlichkeiten betrachtet werden soll-
te. Wir hoffen und wünschen, daß Ge-
duld und der feste Wille, die Ansätze
für das Gedeihen einer europäischen
Gemeinschaft zu fördern, auf die Dauer
über gegenwärtige Schwierigkeiten hin-
weghelfen. Ihr Land kann dazu einen
Beitrag liefern, indem es jene ermutigt,
die von einer Rückkehr zu betont natio-
naler Betrachtungsweise der europäi.-i
sehen Probleme nicht viel haiten.
Der „Dritte Mann
George C. WaUace, Amerikas großes Unbehagen
Von unserem Redaktionsmitglied Hans-Jürgen Müller
Hamburg, 26. September
Das Unbehagen Amerikas ist 1,70 Meter groß. George C. Wallace
heißt dieser untersetzte 49jährige Mann, den die „New York Times" als
„Abenteurer" und „Krankheit" bezeichnet. Diese Verurteilung ist von
Sorge diktiert, denn der „Dritte Mann" des amerikanischen Wahlkamp-
fes hat mit seiner rattenfängerhaften Demagogie eine Popularität er-
reicht, die ihm bei den Präsidentschaftswahlen im November unter
Umständen 20 Prozent der Stimmen einbringen könnte. So sehen es je-
denfalls die gegenwärtigen Meinungsumfragen.
Landauf, landab reist der drahtige
Ex-Boxer mit dem bulligen Gesicht und
sät den Rassenhaß unter Amerikas
Kleinbürgertum. Blütenweiß sind seine
Wahlversammlungen, auf denen er über
die „Anarchisten, Kommunisten, Eier-
köpfe, Abenteurer, Feiglinge und Ver-
räter" in Washington herzieht. Hier
empfiehlt er sein Rezept für die Behand-
lungen von farbigen Demonstranten
(„Einfach erschießen. Mitten in den
Kopf. Bumm!"), dort der Ruf nach poli-
zeistaatlich aufrechterhaltener Ruhe
und Ordnung („Laßt die Polizei ein oder
zwei Jahre lang das Land regieren, dann
gibt es keine Unruhen mehr.").
Der Zulauf für den radikalen Tromm-
ler ist enorm. Seine Versammlungen
sind überfüllt. Seine Zuhörer lieben die
Vereinfachungen und Halbwahrheiten,
auf denen sein Paradies der weißen
Rasse aufgebaut ist. Der Vietnam-Krieg
ist Sache der Generäle — wie einleuch-
tend klingt das. Kein Geld für die täg-
liche Busfahrt der Negerkinder in bes-
sere aber weiter entfernte Schulen. Da
hören seine Anhänger förmlich schon
die so gesparten Summen in der eigenen
Kasse klingeln.
Seine Vormarschkui-ve steigt täglich.
Schon hat Wallace in 32 der 50 Bundes-
staaten die Sperrklauseln übersprungen,
die der Zulassung einer dritten Partei
im Wege standen. Im tief reaktionären
Süden ist ihm die Stimmenmehrheit von
mindestens fünf Staaten sicher (Alaba-
ma, Mississippi, Louisiana, Nord- und
Südcarolina).
Vielleicht ist diese Flucht in den Ra-
dikalismus das deutlichste Indiz dafür,
wie schwer das Gefüge der amerikani-
schen Demokratie durch die Gewalt-
taten an Dr. Martin Luther King und
Robert Kennedy erschüttert wurde. Ord-
nungssehnsucht und der „white back-
lash". der weiße Rückschlag, als Ant-
wort' auf die Rassenkrawalle, haben
jetzt die gefährliche Strömung erzeugt,
auf der Wallace geschickt naviigiert.
Wallace, der kleine Mann, der ganz
groß werden will, ist das typische Kind
des Südens. Er selbst bezeichnet sich als
„professioneller Südstaatler". Sein
Großvater war ein Landarzt, seine El-
tern Farmersleute in Alabama, der
Hochburg des Rassenfanatismus, die
nicht leben und nicht sterben konnten.
In diesen Kreisen hat man schon immer
die Schuld an der wirtschaftlichen Mi-
sere des Südens der Sklavenbefreiung
durch den Norden zugeschoben.
In dieser Atmosphäre wuchs George
Wallace auf. Er war hart im Nehmen
und hart im Geben. Zweimal errang er
die höchste Trophäe des amerikanischen
Jugendboxens im Bantamgewicht, den
goldenen Handschuh. 1937 bezog er die
juristische Fakultät der Universität von
Alabama.
Im diesem Jahr, 1937, starb jedoch
sein Vater, und er mußte sein Studium
als Kellner, Taxichauffeur, Berufsboxer
und Tellerwäscher verdienen. Zu dieser
Zeit deutete noch nichts darauf hin. daß
sein Ehrgeiz einmal politische Bahnen
einschlagen würde.
1946 wurde er dann stellvertretender
Staatsanwalt in Alabama. Zwangsläufig
mußte ihn dieser Posten bei dem in
Amerika gültigen System der Ämter-
patronage der Politik näherbringen.
Seine Redegewandtheit tat ein übriges.
Gestützt auf die Kräfte, die mit äußer-
ster Entschlossenheit die Rassenintegra-
tion bekämpften, avancierte er 1953 zum
Richter des dritten Bezirks von Alaba-
ma.
Makabre Konsequenz
1958 versuchte er, Gouverneur zu
werden. Aber dieser erste Anlauf miß-
lang. Er mußte sich einem noch größeren
Rassenfanatiker beugen. Wallace zog
für sich eine makabre Konsequenz: „Das
war das letzte Mal, daß man mich aus-
geniggert hat."
1962 wurde er dann wirklich Gouver-
neur von Alabama. Schnell war er in
ganz Amerika bekannt als die zentrale
Figur des Rassenstreits in seinem Staat.
Er wurde der Mann aller jener finsteren
Kräfte, die für eine uneingeschränkte
Vorherrschaft der Weißen in Amerika
kämpfen.
Er klammerte sich an die Macht, mit
allen möglichen Tricks und Mitteln. Als
die Verfassung ihm eine Wiederwahl
verbot, ließ er seine Frau zur Gouver-
neurin wählen. Sie stellte ihn für 1
Dollar Gehalt als „Berater" ein. Dafür
regierte er weiter das Land. In diesem
Jahr starb Lurleen Wallaoe an Krebs.
Dieser Mann wird sicher nicht genug
Stimmen bekommen, um Präsident der
Vereinigten Staaten zu werden. Aber die
Ereignisse dieses Jahres und die damit
zusammenhängende Stimmung im Lan-
de spielen ihm eine fatal wichtige Rolle
zu: Er könnte das Zünglein an der
Waage werden, wenn die beiden Kan-
didaten der großen Parteien, Nixon und
Humphrey, nicht die für die Präsiden-
tenwahl nötigen 270 Stimmen im Wahl-
männerkollegium erreichen.
Verkauf an den Meistbietenden
Der ehrgeizige Demagoge aus Alaba-
ma macht keinen Hehl daraus, daß er
mit dieser Möglichkeit rechnet. Er wolle
sich dann an den Präsidentschaftskan-
didaten verkaufen, der ihm die meisten
#!oV^f
>z:^<^:
e
politischen Zugeständnisse macht. Für
die Demokratie in Amerika wäre ein
solcher Vorgang eine Katastrophe. Dem
antiquierten System der indirekten
Präsidentenwahl durch ein Wahlmän-
nerkollegium würde diese Versteige-
rung von Stimmen allerdings den Gar-
aus machen.
So bildet Wallace für die amerikani-
sche Demokratie eine echte Gefahr. Ge-
rade, weil er dem führenden Nixon
mehr Stimmen fortnimmt als dem De-
mokraten Humphrey, wird die Mög-
lichkeit eines toten Rennens größer.
Dann würde ein Erzreaktionär zum
Königsmacher.
m^^m
'■. U"
() PQOTIK
r
DIE ZEIT — Nr. 34 — 25. August 1972
KoAtroverse um den Papen-Putsch
I
4
Als Preußen ohne Schwertstreich fiel
Erinnerungen eines Sozialdemokraten / Von Herbert Weichmann
Die These von Jürgen Bay (ZEIT Nr. 29/72):
die amtsmüden preußisclien Minister unter Otto
Braun iiätten sicli am 20. Juli 1932 von Reichs-
kanzler von Papen ohne Widerstand aus dem
Amt jagen lassen, weil ihnen ihre Amtsenthe-
bung gar nicht so unwillkommen gewesen sei,
ist auf Widerspruch gestoßen. Ein Zeitgenosse
und unmittelbarer Zeuge dieser Vorgänge, der
ehemalige Hamburger Bürgermeister^Meich-
mann, seinerzeit persönlicher Referent von Mini*^
" "'blWßasJdent Braun, meldet sich zu Wort.
Es Ist richtig, daß Otto Braun in den letzten
Jahren seiner Regierungszeit danach trach-
tete, den Dualismus Reich — Preußen zu
beseitigen. Er hat auch aktive Schritte unternom-
men, um durch eine Personalunion, bei der dem
Reichskanzler Brüning die Funktion eines preu-
ßischen Ministerpräsidenten zugedacht war und
bei der auch einem Vorschlag Brünings entspre-
chend gleichzeitig die Ämter der Finanzminister
durch eine Person besetzt werden sollten, einen
wesentlichen Sciiritt in Richtung auf Versciimel-
zung der personellen Spitzen zu maciien.
Es ist aber nicht richtig, oder zumindest ist es
mißverständlich ausgedrückt, diesen Vorgang da-
hin auszudeuten, daß „gegen diese parallele .
Rechtsschwenkung in Preußen und im Reich der
sozialdemokratische preußische Ministerpräsident
und auch große Teile der SPD nichts einzuwen-
den hätten..." Die Hahung Brauns war im
Gegenteil von dem Gesichtspunkt bestimmt, hier-
durch den Kurs der Konservativen und Natio-
nalsozialisten in eine immer radikaler redits-
orientierte Politik aufzuhalten.
Otto Braun sah voraus, daß er die preußisc:he
Position auf die Dauer und speziell im Hinblick
auf die preußischen Wahlen am 24. April 1932
niciit mehr werde halten können. Er hatte schon
bei der Wahl Hermann Müllers zum Reichskanz-
ler im Jahre 1928 die Überzeugung, daß hier
eine einmalige Chance zur Erhaltung der sozial-
demokratisciien Machtposition versäumt worden
war, und zwar dadurcii, daß nicht ihm das Arnt
des Kanzlers zugleich mit dem Amt des preußi-
schen Minrsterpräsidenten von seiner Partei an-
getragen worden war.
Der Vorwurf, den man Otto Braun in diesem
Zusammenhang machen kann, ist nur, daß er
nicht genügend persönlichen Ehrgeiz entfaltete,
um diese seine Vorstellung durchzusetzen, wobei es
freilich höchst fraglich ist, ob ihm die Partei ge-
folgt wäre.
Eine zweite verhängnisvolle Fehlleistung so-
zialdemokratischer Politik sah Otto Braun in
dem Rücktritt der Regierung Hermann Müller.
Er äußerte sich mir gegenüber damals: „Man be-
einflußt den Weg der Regierung nicht, indem man
neben dem Wagen herläuft; man muß auf dem
Bock sitzenbleiben und die Zügel halten." Auch
die Auflösung des Reichstags hielt Braun später
für einen großen Fehler. Sie braciite ja dann auch
die Nationalsozialisten in großer Stärke in das
Parlament. Nach den Landtagswahlen 1932 sah
Braun schließlich überhaupt keine Möglichkeit
mehr, ohne eine gewisse Stützung Brünings der
Machtergreifung durch die Rechte, also durch die
Konservativen und die Nationalsozialisten, zu
steuern. Nach dem Ausgang der Preußenwahlen
betrachtete er sich, wie er selbst schrieb, als erledig-
ten Mann (Braun, „Von Weimar zu Hitler",
S. 393).
Aber keinesfalls hat er sich nach den Preußen-
wahlen 1932 jene „Abnützungstheorie" zu
eigen gemacht, wonach man sich auf das Experi-
ment einer parlamentarischen Regierung mit den
Nationalsozialisten einlassen müßte. Jürgen Bay
stützt sich bei seiner Auffassung auf Äußerungen
Stampfers, die gewiß seine Haltung erklärlich
machen. In dem in meinen Händen befindlichen
Handexemplar Otto Brauns des Stampferschen
Buches (Erstausgabe) hat Braun die Stelle auf
Seite 566 angestrichen und daneben handschrift-
lich lapidar vermerkt „Unsinn".
Braun hatte sehr viel früher, nämlich 1930
nach dem Ausgang der Reichstagswahl, gegenüber
Brüning die Meinung vertreten, daß entweder
das Reich sidi ebenso wie Preußen entschieden
ircsen die Nationalsozialisten einstellen müßte,
oder man müsse sie zur Regierungsverantwortung
zulassen, „solange sie noch zu sciiwach sind, ihre
totalitären Machtansprüche durchzusetzen" (aao.
S. 309). Diese Abnutzungsthese hatte, aber einen
anderen Akzent.
An mehreren Stellen deutet Jürgen Bay die
Haltung Brauns und der preußischen Regierung
dahin, claß ihr die Einsetzung eines Reiciiskom-
missars als ein nicht unwillkommener Ausweg aus
einer hoffnungslosen Situation erschien. Mit die-
ser Auslegung steht freilich im Widerspruch, daß
auch nach Jürgen Bay der Staatsstreich vom
20. Juli 1932 als völlige Überraschung kam.
Er kam zwar im Zeitpunkt überraschend, aber
doch nicht völlig unvorhergesehen. Der damalige
Finanzminister Klepper rechnete sogar fest mit
einer solciien Möglichkeit und erzählte mir von
seinem Gedanken, den Sitz der preußischen Regie-
rung nach Köln in die damals noch entmilitari-
sierte Zone zu verlegen, um sie damit dem Zugriff
der Militärs zu entziehen. Er hat allerdings mit
Braun nicht darüber gesprochen, sondern mit
Hirtsiefer, dem zur Zentrumspartei gehörigen
Stellvertreter Otto Brauns, fand aber keinen An-
klang. Man kann wohl bezweifeln, daß diese
„Exilregierung" ein Ausweg gewesen wäre.
Auf den Nenner einer geheimen Wunschvor-
stcllung der sozialdemokratischen Minister oder
ihrer Kabinettskollegen ist aber jedenfalls das
Problem der politischen Wirklichkeit der damali-
gen Zeit nicht reduzierbar. Die Wirklichkeit war,
daß die preußische Regierung ihre Mehrheit und
damit nach Brauns Auffassung ihre demokratische
Legitimation verloren hatte und daß der Land-
tag nicht in der Lage war, einen neuen Minister-
präsidenten zu ernennen.
Die Einsetzung eines Staatskommissars und die
Enthebung von den Ämtern stand auch nicht ins-
geheim als wünschenswerter Ausweg im Kalkül,
freilich auch keine andere konstruktive Lösung,
sondern nur die unbefriedii^ende Tätigkeit einer
geschäftsführenden Regierung, wie sie die Verfas-
sung vorsah.
Aus dieser Lage konnte auch nicht der gewalt-
same Wicierstand gegen die Einsetzung eines
Reichskommissars herausführen. Der Verzicht auf
zumindest eine versuchte CJegenwehr, über den
wir damals jungen sozialdemokratischen Beam-
ten — die angebliche „Kamarilla", von der Brü-
ning in seinen Memoiren spricht — uns verzwei-
felt den Kopf zerbrachen, als schwerwiegenden
psychologischen Fehler zu bezeichnen, erhellt ciie
Schwierigkeit, von heute aus die damaligen Zeit-
umstände richtig zu beurteilen.
Zugegeben, auch wir waren damals verzweifelt
über unsere Minister, die sich nicht rnehr zum
Regieren legitimiert fühlten und nicht einmal zur
Geste eines Widerstandes entschlossen waren. Ich
erinnere mich, wie ein Leutnant und drei Mann
im Gebäude des preußiscJicn Staatsministeriums
erschienen und ich bei Otto Braun anrief, um ihm
hiervon Mitteilung zu machen uncl ihm nahe-
zulegen, uns wenigstens demonstrativ verhaften
zu lassen. Aber auch eine solche Demonstration
hätte am tatsächlichen Lauf der Dinge nichts ge-
ändert.
Das Reichsbanner war unbewaffnet, die sozial-
demokratischen Arbeiter waren unbewaffnet und
bangten wie alle um den Arbeitsplatz, von der
preußisciien Polizei besaß zufolge eines Einspruciis
der Franzosen nur jeder achte Mann einen Kara-
biner — auch hätte sie sich gegen eine vom Reichs-
präsidenten erlassene Verordnung nicht auf-
gelehnt. Zudem war Berlin von Reichswehr zer-
niert, und die militanten Verbände der Reaktion
warteten nur auf das Zeichen zum Losschlagen.
Man konnte nicht einmal mit den Kommuni-
sten als Teilnehmern am Widerstand rechnen, da
sie den Untergang der Weimarer Demokratie
nicht anders wollten als die Nazis und im übri-
gen aucii wacker dazu beitrugen.
Daß es sinnlos war, bsi 6 Millionen Arbeits-
losen einen Generalstreik auszurufen, sagt Jürgen
Bay selbst. So sprechen also die Tatsachen eher
für die richtige realpolitische Einschätzung der
Sachlage durch das preußische Kabinett als dafür,
daß die Behauptung vom aussichtslosen Wider-
stand nur dazu diente, Jen Ausweg der Einset-
Bei einer Sitzung des preußischen Staatsnninisteriunns: ganz rechts am Tisch Ministerpräsident
Otto Braun, links neben der Tür stehend Herbert Weichmann Aufnahme: Ullstein
zung eines Kommissars und der Enthebung der
preußischen Minister von ihren Ämtern zu ver-
decken. Im übrigen weiß ich nicht, woher Jürgen
Bay im Zusammenhang mit dieser Ausdeutung
die Auffassung ableitet, daß der Wille der Regie-
rung Braun zur Gegenwehr nicht bezweifelt
wurde, wenn er damit eine Gegenwehr durch
Gewaltmaßnahmen im Auge hatte.
Dieser Wille war nicht vorhanden, weil sidi
ihm keine erfolgversprechenden Möglichkeiten
boten. Selbst wenn aber dieser Wille vorhanden
gewesen wäre, so bleibt es mir unverständlich,
wieso gerade hieraus gefolgert werden kann, daß
die sozialdemokratischen Minister und der Mini-
sterpräsident die Enthebung von ihren Ämtern
als einen nicJit unwillkommenen politischen Aus-
weg betrachtet haben sollen. Hier fehlt es der
Ausdeutung am logischen Zusammenhang.
Man kann natürlich im nachhinein sagen, daß
gleichwohl die preußische Regierung, das Reichs-
banner, die Partei oder die Gewerkschaften zum
Widerstand hätten aufrufen sollen. Aber dann
muß man auch sehen, daß der Widerstand das
Fanal zum Bürgerkrieg und zu einem Blutbad
gewesen wäre, über das dann die Geschichts-
schreiber vielleicht hätten sagen können: es war
ein ehrenvoller Untergang.
Ich gestehe, daß ich selbst, preußisdi erzogen,
wie ich war, damals mit derartigen Gedanken
umgegangen bin. Der Untergang selbst war aber
nicht zu vermeiden. Und gerade aus heutiger
Sicht ist wohl auch zu fragen, ob es wirklich so
ehrenvoll ist, andere einen Blutzoll entrichten zu
lassen, der den Ablauf der Ereignisse nicht ändert,
und ob dieser Ehrenkodex nicht einer vergange-
nen Epoche oder sogar zum Vokabular jener Ge-
stalten gehört, die eben auch Stalingrad verschul-
det haben?
Vieles ist auch nach meiner Ansicht an der Hal-
tung jener Männer zu kritisieren, die in der Wei-
marer Demokratie die Macht hatten, dem staat-
lidien Machtbegrift* überkommener Perioden aber
innerlich und aus anerkennenswerten, wenn auch
realpolitisch bedauerlichen Gründen entfremdet
gegenüberstanden. Aber soll man den Männern,
die zeitlebens für die Demokratie und den Rechts-
staat gekämpft hatten, einen Vorwurf daraus
machen, daß sie ihre Macht nicht in verfassungs-
widriger und unhumaner Weise mißbrauciit ha-
ben und daß sie vor der gewaltsamen Ausein-
andersetzung ohne demokratische Legitimierung
zurückschreciiten? Schaltet man den Gedanken
des Widerstandes aus, gab es tatsächlich keine
Alternative zur Anrufung des Staatsgerichts-
hofes.
Zum Schluß darf ich noch anfügen, daß ein an-
derer Zeuge der Zeit, der damalige preußisdie
Ministerialdirektor Arnold Brecht, mit dem ich
vor wenigen Tagen über den Artikel von Jürgen
Bay sprach, im Grunde meine Auffassung und
Vorbehalte gegenüber dem Aufsatz teilt, daß wir
beide jedoch aucdi die Schwierigkeiten eines
„Nachfahren" bei der Urteilsbildung nicht ver-
kennen.
^4^-
m^*
i
v/Mr/^jf .^;^^r ,
/
Seite 6
POLITIK
DIE WELT - Nr. 66 - Montag, 19. März 1973
Argumente gegen den Vorschlag der Ernst-Kommission für die Neugliederung im Norden
Der Rang Hamburgs und Bremens im Bundesstaat
Von PROFESSOR HERBERT WEICHMANN
Der Bericht der Sachverstän-
digenkommission zur Neu-
gliederung des Bundesgebie-
tes enthält, wie bei der Qua-
lität der Sachverständigen zu
erwarten war, eine Fülle beachtlicher
Gesichtspunkte, Problemkennzeichnun-
gen und sachlicher Feststellungen oder
Berechnungen, die allen Anspruch ha-
ben, gründlich überdacht und nachge-
prüft zu werden. Sie berücksichtigen
dankenswerterweise die im Verlauf der
Ermittlungen der Kommission erhobe-
nen Einwendungen und heben damit die
zu erwartenden Auseinandersetzungen
auf eine qualifizierte Ausgangslage,
welche eben die Möglichkeit einer emo-
tionsfreien und sachbezogenen weiteren
Prüfung und Diskussion eröffnet, zu
welcher der Bericht auch selbst auffor-
dert.
Hier Ist aber zugleich zu bemerken:
Diese Aufforderung gilt nur für die
Fragen, welche die Kommission offen-
hält oder für welche Alternativvor-
schläge gemacht werden. Zu den nicht
offengehaltenen Fragen gehört die
Neugliederung im norddeutschen Raum.
Die Kommission kommt hier uneinge-
schränkt zu der Auffassung, daß eine
Neugliederung im Raum der bisherigen
Länder Niedersachsen, Schleswig-Hol-
stein, Hamburg und Bremen unter Auf-
gabe der Stadtstaatlichkeit der beiden
Hansestädte notwendig ist.
Ebendiese These ist aber nicht als
unbestreitbar zu akzeptieren; denn sie
ist trotz einer Menge beachtenswerter
Erwägungen und einer quantitativen
Fülle rechnerischen Materials keines-
wegs zwingend nachgewiesen.
Hier sind noch Gesichtspunkte zu
diskutieren, die in dem Gutachten nicht
genügend bedacht oder zu Ende gedacht
wurden, und hier bleibt ein Raum für
Gegenrechnungen im Sinne einer Ko-
sten-Nutzen-Analyse offen, ohne dessen
Ausfüllung eine verantwortliche Ent-
scheidung nicht getroffen werden kann.
Im Rahmen der föderalen Ordnung
der Bundesrepublik glaubt die Kom-
mission sich zu der Auffassung berech-
tigt, daß die Funktionsfähigkeit und po-
litische Überzeugungskraft der bundes-
staatlichen Ordnung durch eine Ver-
minderung der Zahl der Länder auf
sechs oder fünf Länder einheitlicher
Struktur und eben damit unter Aus-
ßliederung der Stadtstaaten gehoben
wird. Nach den Ausführungen der
Kommission selbst und der wahrschein-
lichen politischen Ausrichtung der
Länder muß das durchaus fraglich er-
scheinen.
Bei sechs Ländern würde stimmen-
mit nur 14 Stimmen verbleibenden an-
deren drei Länder, einschließlich der
nur vier Stimmen Nordwestdeutsch-
lands, in der Minderheit blieben.
Das sechste Land hätte also quasi
bundesstaatlich nur eine Eunuchenstel-
le, zur Unfruchtbarkeit bei der bundes-
staatlichen Entscheidungsbildung ver-
urteilt. Die Kommission sieht selbst
diese Bedenken und neigt unter diesem
Gesichtspunkt nicht der Bildung von
zwei, sondern nur von einem norddeut-
schen Staat zu.
Es bleibt aber zu fragen, ob fünf
Staaten ohne die Stadtstaaten jene
bundesstaatliche Vielfalt der Interessen
repräsentieren, die der föderale Aufbau
voraussetzt, und ob durch eine solche
drastische Verminderung von elf auf
fünf Länder die politische Überzeu-
gungskraft der bundesstaatlichen Ord-
nung gesichert bleibt, wie es die Kom-
mission will. Selbst wenn man die These
von der Einheitlichkeit der Lebensver-
hältnisse in den Ländern akzeptiert, so
ist doch die politisch-soziale Struktur
der staatlichen Lebensräume auch ein
Faktor, der im Bundesrat seine Reprä-
sentation finden muß und eine wohl
größere Repräsentationsbreite braucht
als nur fünf Länder, um sich relevant
darzustellen.
Die Differenziertheit der räumlichen
Struktur und der sich daraus herleiten-
den politisch-sozialen Verschiedenheit
der Interessenlage wird nun gerade
durch das Element der Stadtstaaten in
das föderale Gefüge eingegliedert.
Gewiß ist ihre räumliche Be-
schränktheit und die Integrationsfähig-
keit mit dem Umland von Unzuträg-
lichkeiten belastet. Raumordnungspro-
bleme entstehen aber auch zufolge der
notwendig übergreifenden Raumord-
nung an den Grenzen der Flächenstaa-
ten und sind überhaupt ein Preis, der
für ein bundesstaatliches Gefüge in
Kauf genommen werden muß. Hier
kommt es eben auf die Abwägung dieser
Belastung mit dem Gesichtspunkt der
typischen Probleme der städtischen
Ballungsräume an, in denen sich die
Probleme der modernen Industriege-
sellschaft und des kulturellen Fort-
schritts konzentrieren.
Nach dieser Riditung hin waren die
Stadtstaaten in der Vergangenheit im-
mer mehr als nur ihre eigenen Reprä-
sentanten. Sie haben dynamisch wie
kritisch im Bundesrat als Wortführer
der Ballungsräume fruchtbar gewirkt.
Oft haben sie viel dazu beigetragen,
daß die im Flächenstaat zu kurz ge-
kommene Berücksichtigimg der Erfor-
dernisse in den Ballungsräumen gesetz-
Die Ernst-Kommission vertritt in ihrem Gutachten über die
Neugliederung der Bundesländer die Auffassung, daß die Eigen-
staatlichkeit der Hansestädte Hamburg und Bremen aufgegeben
werden müsse. Sie hält das für unvermeidbar, wenn in Nord-
deutschland das Gefälle zwischen den leistungsstarken Stadt-
staaten Hamburg und Bremen und den finanzschwachen Flächen-
staaten Schleswig-Holstein und Niedersachsen beseitigt werden
solle. Die Kommission schlägt vor, die vier Länder zu zwei neuen
oder besser noch zu einem großen Nordstaat zusammenzulegen.
Eine Preisgabe der Hansestadtstaaten würde nicht nur von den
Hamburgern und Bremern als Verlust empfunden werden.
Gleichwohl ist es notwendig, sich mit den Sachargumenten der
Kommission auseinanderzusetzen. Dieser Aufgabe unterzieht
sich Professor Herbert Weichmann. Er urteilt aus profunder
Sachkenntnis; denn bis Juni 1971 war er Erster Bürgermeister
von Hamburg. Er kennt die Probleme Norddeutschlands aus
der langjährigen Erfahrung eines verantwortüchen Politikers.
»IWW^«.15WW^
Der Altemativ-Vorschlag der Kommission für Norddeutschland
^ Zeichnung: Werner Schmidt
tionskraft auslösen. Es gilt, was die
Kommission selbst aussagt, daß nämlich
die Zentralisienmg der Hoheitsgewalt
nicht mit größerer Effizienz gleichzu-
setzen ist. Der Pluralismus der ver-
schiedenen und verschieden orientierten
Kräfte hat eigene schöpferische Im-
pulse.
Eine andere und sicherlich bedeutsa-
Ländergrenzen keine RoHe spielt. Aber
das Problem wird natürlich noch ge-
wichtiger im Einzugsgebiet der Stadt-
staaten. Damit gewmnt am Rande des
Gutachtens die Problematik der kom-
munalen Grenzen ein entscheidendes
Gewicht. Was könnte hier die Hemm-
nisse beseitigen?
Herbert Weichmann
roto: Conti-Press
setzt. Wir dürfen ganz bestimmt in der
Bundesrepublik nicht jene fehlerhafte
Entwicklung anderer Großstädte nach-
vollziehen, die schließlich durch ihre
Größe mehr oder minder unregierbar
geworden sind.
In jedem FaUe wäre aber eine Kom-
munalreform die unabdingbare Folge
einer staatlidien Gebietsreform, wenn
selbst sagt, also das Ergebnis eines rei-
nen Additionsverfahrens, bei welchem
dem Gesamtgebiet nicht ein Pfennig
mehr an Finanzkraft zuwächst.
Das Argument, daß trotzdem damit
ein Land geschaffen würde, welches an
Finanzkraft den andern Ländern gleicht,
ist nicht durchschlagend; denn die An-
sicht, daß damit quasi automatisch eine
bessere Erfüllung der Aufgaben möglich
würde, ermangelt der Schlüssigkeit.
Dieselbe Finanzmasse im größeren
staatlichen Raum, nur anders verteilt,
mag teilweise zum Vorteil, muß teilwei-
se aber auch zum Nachteil der räumlich
und sachlich differenzierten Aufgaben
wirken. Zu unterstreichen bleibt dabei
noch, daß die Zusammenlegung der vier
Länder sogar die statistische Rechnung
widerlegt; denn infolge des geltenden
Mechanismus des horizontalen Finanz-
ausgleichs würde der neue staatliche
Raum einen Verlust an Ausgleichsmitteln
in Höhe von 500 Mill. bis 600 Mill. DM
erleiden, der also zeigt, daß im Ergebnis
durch die Zusammenlegung die fakti-
sche Finanzkraft geschwächt wird.
Das Gutachten sieht deswegen auch
eine Änderung im System des Finanz-
ausgleichs vor, die diesen Verlust wett-
macht, sowie die Fortsetzung der Zu-
schußgewährung aus Mitteln des Bun-
des. Es muß doch wohl etwas grotesk
erscheinen, daß auf diese Weise finan-
zielle Sondermaßnahmen nur zur Be-
sitzstandwahrung getroffen werden sol-
len, obwohl die Neugliederung ihren
Sinn doch in einer Stärkung der Fi-
nanzkraft finden sollte.
Wunsch und Wirklichkeit
Damit spitzt sich die Problematik auf
die Frage zu, ob auf längere Sicht die
Zusammenlegung solche Vorteile im
Wachstum der wirtschaftlichen und
administrativen Potenz erwarten läßt,
daß eines Tages die Finanzkraft als aus-
reichend angesehen werden kann. Die
Kommission sagt ja dazu und rechnet
mit einer Übergangsperiode von etwa 15
Jahren. Aber eben hier bleibt zu fragen:
Was ist berechenbare Wirklichkeit oder
nur ein Wunschbild?
Die Kommission denkt daran, daß
durch bessere und reibungslosere
Raumplanung und besser abgewogene
Infrastrukturmaßnahmen von der ad-
ministrativen Seite her fruchtbare Er-
gebnisse ausgelöst werden können, wel-
che die ökonomische Standortlage über
das bisherige Maß hinaus verbessern.
Hier mögen gewisse Möglichkeiten lie-
gen. Denn welche Verwaltung, Planung
und Infrastrukturausstattung wäre
nicht verbesserungsfähig?
Im großen und sogar bis ins Detail
liegen aber die Pläne für Raumordnung
und Erschließung bereits vor, werden
ifflSÜTT^Tv
7JfJ"S^?ber5eugungskraft der ^unaes-
staatlichen Ordnung durch eine Ver-
minderung der Zahl der Länder auf
sechs oder fünf Länder emheithcher
Struktur und eben damit unter Aus-
ßliederung der Stadtstaaten gehoben
wird. Nach den Ausführungen der
Kommission selbst und der wahrschein-
lichen politischen Ausrichtung der
Länder muß das durchaus fraglich er-
scheinen.
Btti »echs Ländern würde stimmen-
mäßig das Votum des tiur mit vier
Stimmen zu versehenden Landes Nord-
Westdeutschland im B^^-^^^^J^^ .P,Sl
von Bedeutung für die Mehrheitsbil-
düng sein, da bei insgesamt 29 Stimmen
jeweüs drei mit fünf Stimmen versehe-
ne Länder die erforderliche Mehrheit
von 15 Stimmen aufbringen und die also
i
k
i
#
Schritts konzentrieren.
Nach dieser Rlditun« hin waren die
Stadtstaaten in der Vergangenheit im-
mer mehr als nur ihre eigenen Reprä-
sentanten. Sie haben dynamis^ wie
kritisch im Bundesrat als Wortführer
der Ballungsräume fruchtbar gewirkt.
Oft haben sie viel dazu beigetragen,
daß die im Flächenstaat zu kurz ge-
kommene Berücksichtigimg der Erfor-
dernisse in den Ballimgsräumen gesetz-
geberisch oder admlnlstretlv und auch
finanziell zum Tragen kam. In den USA
büßen gfetade die großen Städte, daß
sie in der föderalen Gliederung keinen
Platz haben, und für New York und
Umland ist die Frage der Verleihung
. einer Eigenstaatlichkeit ernsthaft zur
1 Diskussion gestellt.
Verfassungsrechtliche Zweifel
Auch verfassungsrechtlich begegnet
die Auslegung des Auftrages zur Neu-
gliederung in Artikel 29 (1) des Grund-
gesetzes Zweifeln. Die Kommission
weicht ausdrücklich von der Auffassung
des früheren Luther-Gutachtens ab,
nach der die im Satz 1 vorgesehene Be-
rücksichtigung der landsmannschaftli-
chen Verbundenheit, der geschichtli-
chen und kulturellen Zusammenhange
der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit
und des sozialen Gefüges gleichrangig
mit der Sollvorschrift in Satz 2 ist,
nämlich Länder zu schaffen, die nach
Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen
obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen
können. Sie gibt diesem zweiten Satz
einen Mußcharakter und dem ersten nur
eine Sollqualität.
Von dieser Auslegung ist dann auch
die ganze weitere Argumentation der
Kommission bestimmt, die hauptsach-
lich auf die Quantität des Gebietsum-
fanges und seine Lebensfähigkeit ab-
stellt, ohne den anderen Richtbegriffen
ein bemerkenswertes Gewicht beizule-
gen Nur so ist auch die weitere Ausle-
gung zu begreifen, daß es überhaupt
nicht auf die Frage der Lebensfähigkeit
der Stadtstaaten als bundesstaatliche
Glieder ankommt, sondern nur darauf,
ob im gesamtstaatlichen Rahmen le-
bensfähige Länder geschaffen werden
können, die bestimmte Größen nicht
unterschreiten.
Die Kommission geht bei Ihren Vor-
schlägen weiter von dem „sozialstaatli-
chen Postulat" aus, gleichwertige Le-
bensverhältnisse in allen Landesteilen
zu schaffen. Diese Ausrichtung ist nicht
im Artikel 29 vorgesehen, ebensowenig
wie der nur im Zusammenhang mit dem
Steuerverteilungsaspekt in Artikel 105
(3) erwähnte Begriff der Einheithchkeit
der Lebensverhältnisse. Er wäre auch
eine Verfassungsfiktion oder ein unrea-
les und unrealisierbares Dogma.
Es kann bei der durch Standortfakto-
ren ausgelösten Differenzierung der
ökonomischen, sozialen und kulturellen
Struktur der Bundesrepublik oder jedes
anderen Landes und auch innerhalb
eines Gliedstaates keine Gleichwertig-
keit und Einheitlichkeit der Lebensver-
hältnisse geben.
Der Unterschied zwischen Stadt und
Land, Gewerbegebiet und Agrargebiet,
kultureller oder sozialer Infrastruktur
wird immer Differenzierungen der Le-
bensweisen mit sich bringen, die durch
eine Versetzung von Grenzsteinen nicht
verändert werden.
Ländergrenzen kein Hindernis
Es ist nicht zu bestreiten, daß die
ökonomische Potenz und Dynamik und
damit die finanzielle Leistungskraft im
norddeutschen Raum, sehr unterschied-
lich ist und die Stadtstaaten einen er-
heblichen Vorsprung haben. Es ist aber
ebenso eine Tatsache, daß die Flachen-
staaten in der Nachkriegsperiode ganz
beträchtliche Fortschritte erzielt haben,
ohne Veränderung der Ländergrenzen.
Die Kommission legt selbst ein diese
Tatsache bestätigendes Zahlenmaterial
über die Entwicklimg der wirtschaftli-
chen Leistungsfähigkeit, die Verteilung
der Investitionen und Fördermittel und
das Wachstimi im Industriebesatz vor,
mit der Schlußfolgerung, daß zwischen
1961 und 1971 der Rückstand im Indu-
striebesatz zunehmend beseitigt wurde
und so auch im speziellen Bereich der
Flächenstaaten.
Die Ländergrenzen waren also offen-
bar kein Hindernisgrund, ja, man darf
aus der Kenntnis der Entwicklung im
einzelnen wohl sogar ableiten, daß der
ursprüngliche Rückstand der Flächen-
staaten eigene, besonders beachtliche
Anstrengungen ausgelöst und ihren dy-
namischen Wettbewerb angeregt hat.
Ebenso haben die Ländergrenzen aber
auch nicht übergreifende Projekte ver-
hindert.
Der von Hamburg glücklich initiierte
und von der Kommission nicht erwähn-
te Elbe-Seiten-Kanal, der gemeinsame
Flughafen Kaltenkirchen, die fruchtba-
re Zusammenarbeit auf den Gebieten
der Energieversorgung und der Ausbau
der Nahverkehrslinien sind Beispiele
hierfür. Wenn Schwierigkeiten bestan-
den oder noch bestehen, so lagen sie bei
Gemeinden oder örtlichen Interessen-
ten, nicht bei den Hoheitsverwaltungen.
Vor allem ist aber zu betonen, daß sich
die ökonomischen Produktivkräfte nicht
nach Grenzen, sondern nach den ver-
schiedenen Standortfaktoren — also na-
türliche Lage, Bodenpreise, Arbeits-
markt, Verkehrswege — richten, die
durch die Ländergrenzen als solche
nicht wesentlich außer Kraft gesetzt
wurden. Die Stadtstaaten haben prinzi-
piell sogar bewußt eine Förderung des
Hinterlandes begrüßt und dazu beige-
tragen.
So konnte auch, ohne Neugliederung,
der verhängnisvolle Trend der Nord-
Süd-Orientierung wichtiger Industrie-
zweige, der auch nicht durch Länder-
grenzen, sondern Standortfaktoren be-
dingt war, gestoppt und durch frucht-
bare Industrieansiedlungspolitik an
attraktiven oder verheißungsvollen
Standorten umgekehrt werden.
Man mag nun natürlich die Auffas-
sung vertreten, daß in einem einheitli-
chen norddeutschen Raum mit nur einer
Regierung die ökonomische Anreiche-
rung noch besser bewirkt werden kann.
Hierbei wird aber die Tatsache einer
neuen zentralen Regierung in einer
neuen Hauptstadt nicht größere Ak-
tionskraft auslösen. Es gut, was die
Kommission selbst aussagt, daß namUdi
die Zentralisiening der Hoheitsgewalt
nicht mit größerer Effizienz gleichzu-
setzen ist. Der Pluralismus der ver-
schiedenen und verschieden orientierten
Kräfte hat eigene schöpferische Im-
pulse.
Eine andere und sicherlich bedeutsa-
me Frage ist, ob nicht im Rahmen eines
norddeutschen Staates eine wirksamere
RaumordnungspoUtik und damit auch
noch bessere Standortbedingungen und
bessere Lebensverhältnisse geschaffen
werden können.
Die Kommission legt mit Recht ein
Schwergewicht ihrer Untersuchungen
auf diesen Aspekt einer erleichterten
und wirksameren Raumordnung. Sie
verkennt nicht die fruchtbaren Resulta-
te grenzüberschreitender Kooperation
auf dem Gebiet von Raumordnung und
Landesplanung, unterstreicht aber die
dabei in Kauf zu nehmenden Reibungs-
verluste und die große wie umständliche
administrative Struktur. Alle diese
Ausführungen haben zweifellos ein
ernstes Gewicht.
Ebenso hebt die Kommission zu Recht
hervor, daß die grenzüberschreitende
administrative Kooperation sich an den
Länderparlamenten vorbeimanövriert,
1 Fakten schafft, die sich im Ergebnis der
parlamentarischen Beeinflussung ent-
ziehen und die auch nicht durch Ersatz-
institutionen wie den Norddeutschen
Parlamentsrat effektiv wahrgenommen
werden können.
Die politische Mitwirkung der Parla-
mente ist nicht nur im Bereich der vier
norddeutschen Staaten begrenzt. Die
Raumplanung und Raumordnung greift
auch allgemein über die Ländergrenzen
hinaus und bedingt einen Mitwirkungs-
bereich des Bundes. Solches gilt auch
von den Gemeinschaftsaufgaben, und
die Länderparlamente haben auch in
dieser Beziehung verständlicherweise
die Gefahr einer Präjudizierung im ad-
ministrativen Prozeß hervorgehoben.
Das führt zu der grundsätzlichen
Frage, wieweit nicht überhaupt der
Handlungsrahmen von Exekutive und
Legislative durch die Erfordernisse
einer grenzüberschreitenden Raumord-
nung eingeengt ist und bleiben muß.
Das Gutachten verweist sodann und
ebenfalls zu Recht darauf, daß es vor
allem darauf ankommt, Entwicklungs-
gebiete nicht entlang der Längsachse zu
durchschneiden. Ein Schnitt quer durch
die Längsachse wird für unvermeidlich
gehalten. Eben eine solche Grenzzie-
hung entlang der Längsachse liegt aber
im Gebiet des norddeutschen Raumes
und im Bereich der Stadtstaaten nicht
vor, imd damit vermindert sich auch das
Gewicht der Setzung neuer Grenzen.
Nach den praktischen Erfahnmgen
wie nach der Rechtslage liegen die
Hemmnisse für die Durchführung einer
Raumordnung weniger bei den Landes-
grenzen als bei den kommunalen Gren-
zen. Es ist absolut richtig, wenn das
Gutachten darauf hinweist, daß die
Durchtrennung funktional integrierter
Räume besonders in den Stadtstaaten
deutlich wird und daß durch diese
Trennung Nachteile entstehen.
Ihre Ursachen sind aber weniger die
Landesgrenzen als die kommunalen
Grenzen, und sie blieben ein Hindernis
auch nach Beseitigung der Landesgren-
zen.
Wie sehr selbst im Einzelfalle kom-
munale Interessen gerade die durch die
Ländergrenzen angeblich behinderte
Verkehrsplanung behindern, liefert der
Streit um die Anlage des Flughafens
Kaltenkirchen, bei denen der Faktor der
Ländergrenzen keine Rolle spielt. Aber
das Problem wird natürlich noch ge-
wichtiger im Einzugsgebiet der Stadt-
staaten. Damit gewinnt am Rande des
Gutachtens die Problematik der kom-
mimalen Grenzen ein entscheidendes
Gewicht. Was könnte hier die Hemm-
nisse beseitigen?
In erster Linie drängt F^'^b darnit na-
türlich die Frage auf, ob die Umlandge-
meinden in die Großstadt eingegliedert
werden sollen. Das wirft die Frage nach
der optimalen Größe einer Großstadt
auf. Hamburg hat aus wohlerwogenen
Erwägungen in seinem Entwicklungs-
modell und dem Flächennutzungsplan
der Größe der Bevölkerungszahl und
der Nutzung der Flächen Grenzen ge- I
setzt. Wir dürfen ganz bestimmt in der
Bundesrepublik nicht jene fehlerhafte
Entwicklung anderer Großstädte nach-
vollziehen, die schließlich durch ihre
Größe mehr oder minder unregierbar
geworden sind.
In jedem Falle wäre aber eine Kom-
munalreform die unabdingbare Folge
einer staatlichen GebietsrcCorm« wenn
man wirklich die Kaumordnung vom
Faktor der die Entwicklungsgebiete
durchschneidenden Grenzen unabhän-
gig machen will.
Im Rahmen dieses Artikels kann kei-
ne Antwort gegeben werden, aber das
Gutachten geht auf dieses Problem auch
nicht näher ein. Es streift es nur mit
zwei Hinweisen.
Die Häfen brauchen die Stadtstaaten
Ein weiteres Problem erster Ordnung
stellt die von der Kommission vorge-
schlagene Struktur der künftigen See-
häfen dar.
Folgerichtig in ihrem Ziel, die vier
norddeutschen Länder in ein oder zwei
Länder umzugliedern und die Stadt-
staatlichkeit der Hansestädte zu besei-
tigen, schlägt sie die Herauslösung der
Seehäfen aus dem stadtstaatlichen Be-
reich vor. Sie verkennt aber auch nicht
die raumübergreifende Funktion der
beiden Universalhäfen Hamburg und
Bremen, der auch die Einbringung in
einen Nordstaat nicht angemessen wäre.
Sie hat daher die Bildung einer öffent-
lich-rechtlichen Hafenkörperschaft
konzipiert, auf welche die bisher von
den Stadtstaaten wahrgenommenen
Funktionen übertragen werden sollen,
und sieht eine Beteiligung von Bund,
Ländern und Gemeinden an ihr vor.
Hierzu ist manches kritisch zu bemer-
ken.
Wenn man, wie die Kommission
meint, die Konkurrenz der Seehäfen für
nachteilig und eine zentral geleitete
Seehäfenpolitik für richtig hält, wäre
ihr Vorschlag erörterungswert. Ist aber
nicht ebendieser Wettbewerb gerade
ein entscheidender Faktor für jene Ent-
faltung einer Hafenproduktivität ge-
worden, die aus Trümmern den Häfen
wieder universale Bedeutung gab? Bei-
de Häfen haben es verstanden, sich den
geradezu revolutionären Veränderun-
gen in Umschlagmechanismus und
Schiffbau anzupassen, im Wettbewerb
mit den Auslandshäfen zu bestehen und
einen ständig wachsenden Umschlag zu
erzielen.
Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür,
daß Konkurrenz oder die stadtstaatliche
Hoheit den Hafenerfordernissen ge-
schadet hätte; die Bilanz ist im Gegen-
teil positiv. Die Seehäfen, wie die Kom-
mission richtig sagt, sind ein wichtiges
Instrument großräumiger Struktur und
Entwicklungspolitik geworden, aber sie
verstanden auch, dieser Aufgabe zu ge-
nügen.
Die Wechselwirkung zwischen Hafen,
Industrieansiedlung, Schwerpunkten
des Außenhandels, Auswirkungen des
Elbe-Seiten-Kanals werden Produktivi-
tätssteigerungen mit sich bringen, wel-
che zumindest die Anleihekraft für pro-
duktive Investitionen anheben werden.
Weiter ist die Frage zu stellen, ob von
der Managementseite her sich eine
eigene Seehafenorganisation als Mittel
zu besserer Effizienz anbietet. Die Er-
fahrungen mit der New Yorker Port
Authority können hier nur schrecken.
Das vitale Interesse der Hansestädte an
„ihren" Häfen als Quelle ihrer Kraft
und ihres Werdens würde administrativ
wegamputiert werden. So bedarf es si-
cherlich noch eingehender Überlegun-
gen, ob der angebotene Ersatz ein glei-
ches dynamisches Interesse und Durch-
setzungsvermögen verbürgt.
Gegen eine autonome Hafenkörper-
srhaft läßt sich, politisch betrachtet;
schließlich eben das Bedenken erheben,
das die Kommission selbst gegenüber
den eingerichteten kooperativen Insti-
tutionen der Raumordnung und Lan-
desplanung erhoben hat. Die neue Kör-
perschaft wäre der parlamentarischen
Kontrolle weitgehend entzogen.
Vielleicht darf als historische Remi-
niszenz daran erinnert werden, daß vor
v/enigen Jahren — wie auch schon frü-
her zu Bismarcks Zeit bei den Zollan-
schlußverhandlungen — einmal die Frei-
hafenprivilegien in Frage gestellt wur-
den. In beiden Fällen hing es von der
Autorität und dem Einfluß des Staats-
oberhauptes ab, daß ihm die Türen zu
den entscheidenden Stellen, vor weni-
gen Jahren zu den Kommissaren der
EWG, offenstanden, um die Gefahr ab-
zuwenden.
Ist der Nutzen größer als die Kosten?
Im politischen, im ökonomischen und
im administrativen Raum läßt sich, wie
bisher dargelegt, neben ein Pro auch
jeweils ein Kontra setzen. So kommt es
im Endergebnis auf eine genaue Rech-
nung an, die Kosten und Nutzen, soweit
irgend meßbar, nebeneinanderstellt.
Hier liegt die eigentliche Schwäche des
Gutachtens.
Eine solche Gesamtrechnung liegt
nicht vor. Angestellte Teilrechnungen
sind unvollständig, und die in pauscha-
len Begriffen zwar nachdenkenswerten,
aber doch nicht zahlenmäßig kalkulier-
ten Ergebnisse des Rationalisierungser-
folgs geben Anlaß zu Zweifeln an Ihrem
Aussagewert, an der richtigen Grenz-
ziehung zwischen Illusion und Wirk-
lichkeit.
Das gilt zunächst für die Frage, ob die
Neugliederung ein ausreichend finanz-
kräftiges Land schafft. Das Gutachten
enthält hierzu eine Reihe von statisti-
schen Berechnungen, die selbstver-
ständlich zu dem Ergebnis führen, daß
mit der Mitgift der Hansestädte bei der
vier- oder zweiköpfigen Hochzeit die
Steuereinnnahmen der Länder sowie der
Länder und Gemeinden zusammenge-
rechnet eine bessere Durchschnittsquote
für das oder die neuzubildenden Länder
erreichen als die bisherigen Flächen -
Staaten. Das ist aber ein rechnerisches
Ergebnis, wie auch die Kommission
Infrästmktunnaßnabmen von der ad-
ministrativen Seite her fruchtbare Er-
gebnisse ausgelöst werden können, wel-
' che die ökonomische Standortlage über
das bisherige Maß hinaus verbessern.
Hier mögen gewisse Möglichkeiten lie-
gen. Denn welche Verwaltung, Planung
und Infrastrukturausstattung wäre
nicht verbesserungsfähig?
Im großen und sogar bis ins Detail
liegen aber die Pläne für Raumordnung
und Erschließung bereits vor, werden
auch ausgefüJul, so daß senaatlonelle
Veränderungen in der Ausrichtung
nicht zu erwarten sind.
Es erscheint am Platze, in diesem Zu-
sammenhang darauf hinzuweisen, daß
selbst im großen Flächenstaat Preußen
das Gefälle von Ost und West und von
Region zu Region auch nicht annähernd
im Sinne einer Einheitlichkeit der Le-
bensverhältnisse ausgeglichen werden
konnte.
Weiter ist noch zu bedenken, daß mit
einer zu erwartenden und möglichen
Verbesserung der administrativen
Struktur Kosten entstehen, die in der
Kosten-Nutzungs-Rechnung berück-
sichtigt werden müssen, im Gutachten
aber nur gestreift oder überhaupt nicht
kalkuliert sind.
Ein Problem in dieser Hinsicht, und
kein kleines, stellt der mit der Neuglie-
derung vorzunehmende Aufbau einer
neuen Landesverwaltung dar. Das Gut-
achten äußert sich nur zum erforderli-
chen Mindestumfang, den es mit sechs
Ministerien und rund 1500 Bediensteten
veranschlagt. Diese Schätzung wird in
der Wirklichkeit weit überschritten
werden.
Im Anschluß an die in den bisherigen
Ländern vorhandenen Ministerialorga-
nisationen ist mit mindestens neun Mi-
nisterien plus Staatskanzlei zu rechnen,
eine Zahl, die übrigens auch im Hinblick
auf eventuelle Koalitionsregierungen
als unvermeidlich erscheint. Ebenso ist
die Zahl von nur 1500 Bediensteten be-
stimmt zu niedrig gegriffen.
Hoher Personalaufwand
Nach in Hamburg angestellten Be-
rechnungen ist wohl eine Mindestzahl
von rund 4000 bis 5000 Bediensteten an-
zunehmen, ohne eine nach dem Trend
und dem ständigen Aufgabenzuwachs
noch zu erwartende Wachstumsrate von
fünf Prozent. Zieht man hiervon, sollte
Hamburg die Hauptstadt des größeren
Landes werden, die hier in der bisheri-
gen Ministerialverwaltung beschäftig-
ten rund 700 Bediensteten ab, so hätte
man für alle Fälle mit einer Zahl von
4000 Beschäftigten in der neueii Mini-
sterialverwaltung zu rechnen. Mit den
Familien würde das einen Zuwachs von
mindestens 12 000 Personen bedeuten.
Das bedingt neue Verwaltungsgebäude,
neue Wohnungen, neue Schulen und
Folgeeinrichtungen.
Alles in allem wird man mit einem
Aufwand von mindestens 1,5 Milliarden
DM rechnen müssen. Verglichen mit den
in den Förderungsfonds der gemeinsa-
men Landesplanungsräte Hamburgs
mit Schleswig-Holstein einerseits und
Niedersachsen andererseits veran-
schlagten Kassenausgaben von 41 Mil-
lionen DM in 1973, wird auf drastische
Weise das Problem dieses zunächst
unproduktiven Verwaltungsaufwandes
siditbar.
Es gibt noch eine Fülle von Ausfüh-
rungen im Gutachten, die kritisch an-
zusprechen wären. Abschließend bleibt
zu bemerken, daß die hier versuchte
kritische Bewertung des Gutachtens
nicht erschöpfend, aber auch nicht mit
dem Anspruch der Endgültigkeit des
Urteils vorgebracht wird. Sie soll zei-
gen, daß das Gutachten eine wertvolle
Ausgangsbasis für weitere Diskussionen
und Prüfungen darstellt — aber eben
nur eine Ausgangsbasis.
^
7ij\
li^€^ui4Pl d-i^''
STIFTUNG F.V.S. ZU HAMBURG
.^^-^
HANSISCHER
GOETHE-PREIS 1975
STIFTUNG F.V.S. ZU HAMBURG
Verleihung des
HANSISCHEN GOETHE-PREISES 1975
an
Herrn Bundesminister a. D.
Professor Dr. jur. Dr. h.c. Carlo Schmid
Bonn
Hamburg, am 29. April 1975
. f-^ ' 1^; :
; ^),'??-» ^Vi
Vorderse
ite der (ioldinrdaill«' /uiri llaiisis
[•lun (ioctho-Preis
von
Hans M. KiiwoMl. Mamlmrg
Am 29. April 1975 rrfolfi
Igtr die feierliche Überreichung des
mit
ÜM 2o.0()(),
dotierten Hansisc
hen Goethe-Preises im GrolWn Fest-
saa
1 der Patriotischen Uest
dlschaft von
1765 zu Hamhurg.
Die Stiftung
hatte den Preis ers
tmalig 1950 zur Auszeichnung
iil)ernationa
1er G
esinnung
uml hnmani
tärer Bestrebungen
und I
ei-
stnngen zu
r Verfügung gestellt.
Die bisherigen Preisträger waren
1950 Professor
Dr. Carl .Jacob Burckhardl. Schw
eiz
Professor Dr. Martin Buber. Israt
1951
1952 Professor
1
Dr. Eduard Spranger. Tübingen
lOSii Bischof Eivind Bcrggrav. Norwegen
1954 'Ihomas Stearns
55 Gabriel Marcel. Frankreich
195
1956 Walter Gropius
1957 Professor
1958 Professor
1959 Allbundespräsic
1961 Benjamin
1963 Professor
Eliot. Großbritannien
h
USA
Dr. Alfred Weber. Heidelberg
D. Dr. Paul Tillich. USA
lenl
Professor Dr. Theodor Heuss.
B
onn
Britten. England
Dr. Wilhelm Flitner, Hamburg
|9(
>.>
H
ms /
\rp. Frankreich
7 Salvador de Madariaga. Spanien
1 967
1<)()9 l'rofessor
|<)71 Dr. (Jiorgi
1972 i*rofessor
England
Dr. Hoben Minder. Frankr
eich
o
Strehler. Italien
Dr. Dr. h. c. m
11
l<)7:i ManesSper
her. Frankreich
ll. Albiii
h
Eeskv. Österreich
Das <'iiropäi><<
he Kiiratorinii
1 halle linier
ors
ilz des ehemaligen
Ersten Bürgermeisters
liM- I' reit'ii um
1 H
111S«'S
Prof
sor
Dr. Herben
Wei.l
iinaiin. /i
tun Preisträger
ladt Hamburg,
für das Jahr 1975
es-
Hiindesminisler a.
D.
uewa
Professor Dr
hll. Her Preislriig«
Dr. h. c. Carlo Schmi«l. Bonn.
•hi«dl die Auszeit
hiiuiig für sei
ni
Eel
)ens-
VV«M
k als Schriflslcllcr. Gclehrler um
1 Polilik«M-
r
In den bis auf den letzten Platz gefüllten Käunien der Patrio-
tischen Gesellschaft befanden sich zahlreiche Ehrengäste aus Politik,
Wirtschaft. Wissenschaft und Kunst, darunter die Mitglieder des
Senats der Freien und Hansestadt Hamburg Professor Dr. jur. Klug
und Dr. med. Nölling, die ehemaligen Ersten Bürgermeister Dr. Kurt
Sfeveking und Peter Schulz, der Vizepräsident der Hamburgischen
Bürgerschaft. Herr de Chapeaurouge, der Botschafter der Bundes-
republik Deutschland in Paris. Sigismund Freiherr von Braun, der
Doyen und mehrere Mitglieder des Hamburger Konsularkorps.
Der Vorsitzende des Preiskuratoriums, Erster Bürgermeister i. R.
Professor Dr. Herbert Weichmann. Hamburg, hielt die Begrül.Uings-
iMisprache. Die Würdigung des Preisträgers hatte der Schriftsteller
Siegfried Lenz. Hamburg, übernommen. Frau Enimele Toepfer,
Gattin des Stifters und Vorsitzenden des Stiftungsrates, überreichte
Urkunde und Medaille dem Preisträger, der mit einer eindrucksvol-
len Rede dankte.
Der Monteverdi-Chor Hand)urg unter Leitung von Universitäts-
musikdirektor Professor Jürgen .lürgens umrahmte die Feier mit
Liedern von Johannes Brahms nach einem Text von Goethe und zwei
Goetheliedern von Moritz Hauptmann.
Anschließend gab die Stiftung zu Ehren des Preisträgers ein Essen
im Atlantic Hotel.
Die Stiftung dankt dem Preiskuratorium, seinem Vorsitzenden
insbesondere für die Begrüßung. Herrn Siegfried Lenz für die Lau-
datio, dem Preisträger für seine Festrede, dem Monteverdi-Chor
Hand)urg für seine musikalischen Darbietungen, der Patriotischen
Gesellschaft von 176S für die tiberlassung ihrer Räume und allen,
die zu dem Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben.
Im Folgeiulen werden die Begrüßungsansprache von Professor Dr.
H. Weichmann, die Laudatio von Siegfried Lenz und die Rede des
Preisträgers im Wortlaut wiedergegeben.
Begrüßungsansprache des Kuratoriumsvorsitzenden,
Bürgermeister i. R. Professor Dr. Herbert Weichmann, Hamburg
Meine Damen und Herren!
Ks is, „arh .l,n, Progra.nn, .Heser Veranstaltung ,lie Aufgal.e des
Vorsitzenden des Kuratorinms für den Hansischen Goethe-Pre.s S.e
in, NanuM. diese., Gren.iun.s wie des Stifters zu l,egrül.!en. Was aber
lieil.it ISegriiliung heute und hier?
Ansehnli.1. ist die Zahl der Preisverleihungen u,ul gewilJ noeh an-
sehnlieher das Gewieht der Persönliehkeiteu. denen ^^'^' ^'"Y"'
liehen wurde. So ist liegriitinng ein,. Houline und ist es doeh gleuh-
zeitig ganz und gar nicht.
Das Kenn.eiAen unserer Zeit ist wohl, dall si.l. u.n uns. in, natio-
„alen „ie i,u iil.ernationaleu Rah.nen. die gesellsehafthchen Bed.n-
gungen. unter denen wir lehen. ständig und i,n,ner sehne 1er vera,,-
der,'. Neue M.gliehUeiten in Teehnologie und WissensAaft. d.e ke.-
„eswegs i,„,ner als Forts.l.ritt auf de,n Weg in e.ne bessere Welt zu
verzeichnen sind, setzen dauernd neue Vorze.ehen für d.e s ruku.-
relle Gestaltung unserer IJn.welt. Neue ökono.u.sehe und pol.t.s 1 e
Machtpositionen sind entstanden und werden ausge.u.tzt. we . I e
bisherige Struktur der i.konon.ischeu internatu.naleu V"«- > '•' ^
und die bisherigen Spielregeln des politischen U.ngangs der V Ur
einschneidend verändert haben. Mit neuen Monopolen auf de .neu
nnd neuen Abhängigkeiten auf der anderen Se.te '■•;'•-;'
Positionen auf den Feldern des P"'i'-^'-'^: -'■'''"""', " '''';;
.„.., aie n.al.lgebli.l.en Figuren sind zun, Ted "-^--^ ^'^ ^^ *
<-> rr:t''::r";'' ;:;:: iiir^r^g ■ .
:;— rrv:;i:,:t.; ---r'" "::;:i
Chile und in Portugal o. n einen late,.ten K-P — " «-^
Positionen durch V,.rän.lerung .ler gesells.lu.ftspobt.s.l.en V.rhalt
,: er der bisher gege Machtsspbi, ^ '" :;;^'Z.
, .„„spannungspoli.ik. Kassen Sie h. .u nudestens zun.
Nacluleiiken. ein Wort aus gewiß nicht als reaktionär zu veraüehti-
{^ender Quelle zitieren, eine Äußerung von George Meany, des Füh-
rers der American Federation of Lahor, eine Schlußfolgerung aus
einer Betrachtung üher den Zusammenhruch von Kissingers Nah-Ost-
Politik. die er kürzlich im Organ seiner Gewerkschaft veröffent-
lichte: Er sagte: „Üherall ist der Kommunismus auf dem Marsch,
üherall hefindet sich der Westen im Rückzug". Und er sagt ferner
zu diesem Machtverfalle, daß er zusammenhänge mit dem in der
Welt weitverhreiteten Glauhen. daß die Rhetorik der Entspannung
einen Mangel an Mut maskiert, einen Mangel an Willen, die mit der
Verteidigung der Freiheit verhundenen Bürden noch länger zu
tragen.
Das sind gewiß üherlegenswerte Worte grade auch hei einer Feier,
die dem Gedanken der Humanität und seinen Vertretern gilt und
wir sollten, im heimatlichen Rahmen, auch unseren Verteidigungs-
minister nicht allein mit seinen Leherschmerzen lassen.
Mit diesen Bemerkungen will ich nicht dem Prinzip der Entspan-
nungspolitik eine Ahsage erteilen, aher sie muß sein und werden,
was zu sein sie vorgiht. und nicht ein Prozeß, wo einer spinnt und
der andere spannt. Das ist natürlich in weltweitem Rahmen und
nicht nur als Hausrezept zu verstehen. Offeidiar hat die Periode
eines gesicherten Friedens, deren wir uns 25 Jahre nach dem zweiten
Weltkrieg erfreuen durften, ein Ende genommen, und auch diese
Tatsache ist ein Ausdruck veränderter Machtpositionen, verstärkter
Aggressivität auf der einen und verminderten Widerstandswillens
auf der anderen Seite. Schließlich muß die einst so hoffnungsvolle
Mission der Vereinten Nationen als Sachwalter des Friedens in
Zweifel gezogen werden.
Mit dieser Veränderung ohjektiver Gegehenheiten unterliegt auch
das Bewußtsein der Menschen dauernden Veränderungen. Verwir-
rung üher eine verwirrte Welt hreitet sich in den Köpfen aus. die
Ansprüche weehseln, vermehren und steigern sich in ihren Wider-
sprüchen. Die gesellschaftliche Gegenwart ist durch Prohleme ge-
kennzeichnet, deren Fülle in genauem Gegensatz zu dem Mangel an
Antworten steht, welche di<' Zeit erfordert und mangels Voraus-
schauharkeit doch nicht gehen kann.
« Die Folge davon ist. daß gerade auch in demokratischen Staaten,
in denen die Freiheit den gesellschaftlichen Kräften Bewegungsrautn
hietet, Unsicherheit üher den rechten Weg aufkommt, politische
Gegensätze sich üher Gehühr verschärfen und die unerläßlichen
Spielregeln für ein friedliches Lehen in humaner Gemeinschaft an
Geltungskraft verlieren.
War es aher wirklich, so darf man wohl gerade hei der Verleihung
des Hansischen Goethe-Preises fragen, zu Goethes Zeiten, in denen
er uns ehen die ethischen Spielregeln für die Gattung Mensch vermit-
telte, anders?
Blick auf das Aiulitoriuin
• 1 11 .l«r Vpräiiderungskoeffizient der heu-
Nun gewiß hat sich wohl der Verduaerung
,i,l WeT. i.n Verhal.-i. ... »ei,.er Zei, po.e..ziert f"- "" l""-';
' Bew..,.i,..-i..s.....a.... .ler Me„.*e,. war aber - -^'-J ' T,"
. • u. ■ <1.-lnn„e seilen. Iieillos d..r.-he...a...ler. W.llk..r der
a..d. ...At ... Ord......g. so. .. Klei,.s.aaterei, Kriege u..d
Staatsgewalt >'"' ""•'"''*"^ ' 1 „^ ^'^es .la...alige„ Zeittl.eaters
Revolu.ione,. «5«''-'-' "7,f ^t ,. .u.,,«,, fehlte ei.. allge.„ein
a.if .ler Welte..l.iil...e. Ami. der \* eil v«.. ,uA»f.s..olitischen
«•^ ^"'"^ "■'.--'-" ^^;;::r.:r:;:r:tii:: w.t:.e:C.w^
Verl.al.e..s. Ja sogar, .n AI ■"«««"■ « ' « ^^
vo,. da,..als ....d heute <'-'-;;;..••;;., ::^ i„ aer Bejah....g des
Slaalsgefiige we..igste..s der Uherei..st.......u g
r:Ä<..
^ vi
^•^
*:» f?*^!
freiheitlichen und sozialen Rechtsstaates erfreuen, so sehr auch Mei-
nungsversdiiedenheiten iiher seine Anpassung an die Zeit und seine
progressive Fortgestaltung bestehen mögen. So hatte Goethe sicher-
lidi nicht unter geringeren Schwierigkeiten seinen Weg zu suchen,
dem Menschen eine würdige Bestimmung zu weisen, dem Geist ver-
pflichtende Haltung aufzuerlegen, der Gemeinschaft sittliche Ziele zu
setzen. Er tat dies, in Wort und Schrift, aber nicht zuletzt auch im
Gebrauch seiner Gaben zu der Persönlichkeit, die er wurde und die
ein Vorbild setzte. Solches geschieht, wie er in „Dichtung und Wahr-
heit" sagt, durcli einen Prozeß des sich selbst Findens dadurch. ..daß
wir von einer Seite uns zu verselbsten genötigt sind, von der andern
in regelmäßigen Pulsen uns zu entselbstigen nicht versäumen".
Heute feiern wir nun einen Mann, der sicherlich in der Zahl der
.Tahre und der Masse der Erfahrung sein Leben wie Goethe in einer
ihm eben eigenen Weise ausleben durfte und es auch tat. als homme
de lettres, als Staatsmann, als Parlamentarier, als typus sui generis
und doch als Mensch wie wir und als unser Zeitgenosse.
Aber es ist nicht meine Aufgabe, hier die Laudatio zu halten.
Vielleicht darf ich aber einige Worte zur Wahl des Laudators sagen.
Vielleicht hätte es nahegelegen, für die Laudatio eine Persönlichkeit
zu suchen, die in etwa gleichaltrig und aus gleicher Lebenserfahrung
das Wesen und Wirken unseres Preisträgers zu würdigen vermocht
hätte. Gerade ein solclier Gesichtspunkt erschien jedoch dem Kura-
torium nicht dem Sinn des Preises als eine Botschaft an breite Kreise
angemessen. Es sollten nicht Rej)räsentanten derselben Generation
gleichsam Zwiesprache mit sich selber führen oder Alterserkennt-
nisse vermitteln, welche möglicherweise über die Generationsgrenze
hinaus nicht rezeptiert würden. Uns schwebte vor. einen Laudator
und Interpreten zu finden, der eben einer anderen, jüngeren Genera-
tion angehörte und eben damit in der Lage war, den Sinn, den Carlo
Sclimid seinem Leben gab, in der fortlebenden Wirkung als Heraus-
forderung. Vorbild oder vererbtes Gedankengut darzustellen.
In Siegfried Lenz glauben wir diesen re(4iten Interpreten gefunden
zu haben. Als Schriftsteller von großer Begabung, dessen Kunst Mil-
lionen Leser faszinierte, als ungewöhnlich einfühlsamer Mensch für
menschliche Dinge, als kritischer Geist, der nicht negiert, sondern in
seiner Handschrift von positiven ethischen Postulaten motiviert ist,
— so richteten sich unsere Blicke auf ihn. und wir danken ihm be-
sonders, daß er freudig diese Herausforderung annahm.
Er bat freilich, so darf ich vermerken, es sich zuvor schwer gemacht
abzuliefern das. was man eben eine Laudatio nennt, die ja schließ-
lich nur für eine Persönlichkeit in Frage kommt, an der etwas vor-
bildlich ist. Siegfried Lenz hat in seinem Roman ..Das Vorbild" eben
das Problem solcher Mustergestalten mit harter Schraffierung ge-
kennzeichnet. „Vorbilder", so schreibt er dort, „sind doch nur eine
Art pädagogischer Lebertran, den jeder mit Widerwillen schluckt,
zumindestens mit geschlossenen Augen. Die erdrücken doch den jun-
gen Menschen, machen ihn unsicher und fordern ihn auf ungezie-
mende Weise heraus. Alles was sich von den Thermopylen bis Lam-
barene überlebensgroß empfiehlt, ist doch nur ein strahlendes Arger-
nis. das nichts mit dem Alltag zu tun hat". Ist es so? Nun. wir sind
gespannt.
Ihnen allen aber, die Sie hier erschienen sind, danke ich. daß Sie
selbst durch Ihr Erscheinen unsere Wahl von Preisträger und Lauda-
tor billigen und damit auch dem Preis selbst und dem Gedanken sei-
nes Stifters erneute Bedeutung als bleibende Anregung zu guten
Werken und Gedanken verleihen, die humanem Wirken in unserer
verwirrten Gesellschaft dienen und damit ihren Wegen fruchtbare
Zeichen setzen oder zumindestens ein fruchtbares Argerms liefern.
8
A ./?.
Laudatio auf Carlo Sdimid
von Siegfried Lenz
Die SlraBe — als Ort der Demokratie betraditet
Au,l, wenn es naheliegt, i.1. mö-l.te erst gar „iA. den Versud.
,..a.4,en. Goethe nnd Carlo Sd.n.i.l Arm in Arm Ul.er d>e Kohlhrand-
hrü.ke daherkonunen .u lassen. Id. «ill n.ir .las ""^■' -'''•"■'^■..^';^
versagen, das die frappierende oder gar noeh nnentdeekte Nahe des
Diehterfürsten zn den. Ma..n l.eweisen soll, den w.r '-" " "'^ fm "
fä..ger des Hansische,. Goethe-Preises ehren, l nd nh n.oeh.e s.l l.eß-
lieh aneh nieh. n.it .ler Ahsidu im Zi.a.enwald holzen, nn. l.e.de -
.le,. Geheimen Rath n,.d de,. Sozial.le,.,«kraten - als .nnere X^ ahl-
!::.andte präsentieren .n k.nnen. als traute Brüder, die gen.e„,sam
vo,. der V„r,,ngs,nilel. des Anßerordentliel.e.. ge..ossen hahe...
Was hei dieser Gelegenheit nnd gleid. zu A..fang vielmehr e,n-
, , ,,,„1 .las ist die a«fsel.lnl.!reid,e Ferne, die den
gesta..dei. werden sollte, ilas isi u.e j;.,.,«
Preisträger von dem hiirgerliehe.. Genius trennt. ''"/' -■" «»^»^ "
l reisiragir , , , n-.^ ist — trotz <.arlo Seh,n,<ls
Preis seine.. Nan.en gegel.e., hat. Das ,st,
hekenntnishafter Hede ..Goethe als W egwetser zn ,n,r seihst -Kr
fist Imerzlieh berührende C.tersd.ied in heider t3 e-™-
wo das Allgemeinwohl eines Volkes zu ,. nie., se. . . -
I • W.Ot ,]\o ohne die XV ahrheit der Aktion nuht vor
.u.,.al ,„ e„,er W t du h ^__^ ^^^^^^^^^^ ^, ,^^.,_^_^,,
ändert werd<Mi kann - "« • "?.
zwis.hen einer vita eo.,te.npla.iva u..d einer v„a acttva.
LI, gehe zu: mit SehUhr hütte,. wir es leichter.
Der ha. nicht nur das Hochpo.ittsd.e in .lie Did.t....g ei,,gehr..d>t
1 i c^kr viel von der P ivsik der Macht. nnd ..iviacni
er versta..,l and- -'^ J .^^ S,^,,,,,, ,,, ,i„e seiner wesentlid.sten
zn vern.ensd.l.ehe,. sah (.arlo S.». K«..ve„t der
Anfgahen in der Politik an. Ks war "''';•;';,,,, ..„.„e.
,.>anzosis..he„ Hevoln.,o„ -■•; J -f J . " ,, ,'... ^V...fül,rer
Und „ich. zuletzt war es anch ^ '"""■•*' ,,„„,|„„, |,is Paris
revolutionärer Veriin.lernng her.e e„ d von ' " ^
die Selhsthefreiung des Volkes herhe.zufuhre,, versnd..e„.
11
, .--.■w^■■.'.^^B
•ff <• j
Goethe dagegen, der ..gesetzte Dichter", wie man ihn in Karlshad
genannt hat. schloß die Politik als Gegenstand der Poesie nachdrück-
lich aus, — Eckermann hat es uns üherliefert. Des großen Weimara-
ners Verhältnis zur Französischen Revolution war gekennzeichnet
durch Fassungslosigkeit und Feindseligkeit; nacli seinen eigenen
Worten zehrte diese Revolution an ihm wie eine Krankheit. Volks-
herrschaft schließlich: die wollte ihm tatsächlich nur als Pfuscherei
vorkommen, denn .,Das Volk ist zum Schlagen, nicht gut zum Katen";
zum Herrschen müsse man gehören sein.
So sehr diese Gelegenheit verlangt, daß man sich das Trennende
eingesteht, so entschieden wehre ich mich allerdings gegen den wohl-
feilen Wunsch. Goethes politischen Üherzeugungen, seinen Anti-
demokratismus. nur mit Nachsicht oder Aggressivität zu hegegnen,
— in der Art. wie es manche Sozialisten des vergangenen Jahrhun-
derts taten. (Frinnern wir uns. in weiterem Zusammenhang, heiläufig
daran, daß an Goethes 150. Gehurtstag. 1899. in der Hauptstadt des
Deutscheu Reiches nur zwei öffentlidie Feiern stattfanden, und die
wurden von der freireligiösen Gemeinde und den Anarchisten ver-
anstaltet.) Mehr als zu verurteilen, kommt es hier darauf an. zu ver-
stehen, und wie vorurteilslos und einträglich dies gesclu'hcn kann,
das hat. gerade am Beispiel Goethes. (]arlo Schmid seihst hewiesen.
und zwar: mit all dem Vorsprung seines zeitgemäßen politischen Wis-
sens, mit der sozialen Resorgtheit und ReizempfindlichkiMt unserer
Zeit. (Ich persönlich kann mich nicht mit der verwunderten Herah-
lassung hefreunden. mit der so mancher hei der lJher])rüfung d<'r
Alten feststellt: Sieh einer an. das hat der auch schon gewußt, oder
eher: Dem war es halt nicht gi'gehen, erkenntnislheoretisch so auf
der Höhe zu sein wie wir seihst.)
W ir ehren heute einen Mann. d«'r das. was er in der Stunde der
deutschen Niederlage von sich seihst glauhte erwarten zu müssen,
nicht uid)edingt uiul keineswegs automatisch auch von anderen er-
wartet. So hat er. der Soziahlemokrat. den Olympier mit einem Ar-
gument in Schutz genommen, das dieser — wie wir wissen: alles
andere als glü<kli(lie Mann seihst für sich in Anspruch nahm:
..Wenn ein Dichter lehenslang hemüht war. Vorurteile zu hekänip-
fen. engherzige Ansichten zu heseitigen. den (reist eines \ Olkes auf-
zuklären, dessen (Jeschma<k zu reinigen und dessen Gesinnung und
Denkweise zu veredeln, was soll er denn Resser«*« tun?"
12
Aher ich möchte nicht den Eindruck entstehen lassen, als hereitete
ich nun. nach der Feststellung einiger fundamentaler Gegensatze,
aoch noch eine spirituelle Verlohung vor. Goethes stupende Spruch-
weisheit zuhilf e nehn.end, die u. a. auch vorsieht, daß -lie mmgsten
Verhindungen eigentlich nur aus dem Entgegengesetzten folgen. Ich
kann mir hein. hesten Willen nicht vorstelle., daß dies auch m pohtj-
cis gelten könnte und ganz hesonders für einen hedeutenden Sozial-
demokraten, der sich als Hochschullehrer dafür entschied au s
Forum zu gehen, auf den Markt, auf die Straße. - em mehr als
..„,..,.a,licher Ort für Goethe - um seine polmschen Hoffnungen
zu hef ordern.
Denk ich a„ dies. Kn.s.4.ei,lu„g. .lie der Professor '«' .J "«■"'''; -
Ke.h. Carlo SAnud i». Jahre 1945 für sich traf dann fühle .ch « J
zu den. Hckcnn.nis gezwungen, dal.! es mitunter M gut -«' -rl dd-
haf, und nützlich, wenn ein Wegweiser den Weg. den er anzeigt aud
einn,al seihst geh.. S.a.. des Katheders also die „oht.scl.e Are,, „n
diese Wahl fiel nicht in einen, Angenhlick. der '-"lende Geuu
, „,.„ verhieß, trompetenhafte Steigerung des eigenen Ex,s,en.
gefühls. Kine Entscheidung ,n«ß ja auA an der Konstellat,on e-
n sen werden, und es erscheint mir „„erläülicl.. daran zu er,„ner„.
Ic :: S.,n:id zu einer Zeit Vonüs^':^:^^u..on..^n^,
als die Meister der Gewalt gerade ihre ^'^'^^^"^^''"^^^^'2
aufgehen n.nssen. als DeutsAland. auch morahsd,. - ^ ;;^^;-'^
,1..,, (Iherlehenden nichts anderes gehliehen war als v,elfal..ge Not.
Der Gelehrte wurde l.andesvorsitzender seiner P»"^; ;'|:;; -^ ;
teu,herg. Er wur.le Hegiernngs.l.ef in de,n •^'""''''^'■"}^^^ 2„.
herg-HohenzoUern. Er wirkte als •'-'-■"''"'^•"; ^ Ra lo, s i-
,le, Staatspräsident. Und als si<1, der ^ -'-;-";"^ J „^ „i' .
t-r.e. 1.18. wurde Carlo S.l.n.i.. ;-—';;;- .f^rr^euem
ses und Fraktionsvorsitzender der S.r i^.
Geständnis hewogen hatte, .o^^^^^^Z ZZ^Z......
vermenschlichen naml.ch. jene Macht, lie •• ,,:^L,,it am här-
^•■'--■"t'rr"r::t^:"^^=----
;r: ^rtr Ir ;:nerorde,.i.. G.ege.d,e. d^^^
,,.,f,i,sten Tohsnch.sanfall der ^'•^^"•^^f^^^^,^^ Würde, ver-
1 1- l-e"'-' ■'- «'7"^-n"Trn Ige euT Bu,.desrep..hlik
fassn,,gsrech,licl,ahzusi.4,ern.De,nG mlgst^ ^^_^^^^^^^^^^^
Deutschland wurden die unaufhehharen Oruuclre
13
-- eine Mahnung für alle Liebhaber der Staatsallmacht und der
Staatsräson. Mit dem freiheitlichen Geist dieser Verfassung wird der
Name Carlo Schmids immer verbunden sein.
Doch eine Verfassung, auch wenn sie Recht geworden ist, braucht
zusätzlich ein Verfassungsbewußtsein, ein begleitendes Verfassungs-
verständnis. Das mag so weit gehen, daß wir zu fürchten lernen,
diese Verfassung könnte verloren gehen. Anders gesagt: was man in
diesen Zeiten dauerhaft zu besitzen wünsdit. das mul.) man sich im-
mer von neuem aneignen — selbst eine in Kraft getretene Verfas-
sung. Carlo Schniid hat beispielhaft gezeigt, wie der Prozeß der
immer neuen Aneignung, wie der Versuch verlaufen könnte, den
Geist der Verfassung zum Maßstab für politisches Handeln zu ma-
chen. — und nach einem berühmten Wort Gottfried Kellers hängt
mit Politik ja alles zusammen, „von dem Leder an unserer Schuh-
sohle bis zum obersten Ziegel am Dach". Er hat es als Minister ge-
zeigt, als Koordinator für die deutsch-französische Zusammenarbeit
und mit staunenswerter Aufklärergeduld in den Reden und Aufsät-
zen, die heute sein gesammeltes Werk ausmachen.
Welch ein illusionsloses, unentmutigtes Handeln; welch ein verfüg-
bares Panorama europäischen Wissens!
In dem Beitrag „Vaterländische Verantwortung" (1946) riet Carlo
Schmid dem Politiker, sich bei seiner Arbeit auf folgendes gefaßt zu
machen: „Es wird ein Werk sein ohne Pathos, ein Sichmühen um
kleinste Dinge ohne Glanz, ein Gang durch tauseml Erniedrigungen,
ein tägliches Stöhnen unter Nackenschlägen. ein Sichwinden <lurch
Mißerfolge, ein Keuchen unter «lem Würgegriff der Verzweiflung
über Torheit und Unverstand der Menschen hüben und drüben, und
es wird ein Werk sein, bei dem jede Stunde ihn lehren wird, wie
veräclitlich die Menschen sein können." Derselbe Mann, der sich dies
unter einem l^rkenntniszwang eingesteht, der an Dostojewski erin-
nert, macht sich glcMchwohl ans WCrk. er ergreift, angesichts von
Mutlosigkeit und Lethargie. Partei, er stellt sich, und er tritt öffent-
Tuh für scMue politischen tlberzeugungen ein. — mit den l^rfahrun-
gen. mit den l'jnsichten und <len Mitteln. üImm- die er verfügt.
Sie reichen weit, seine Einsichten und l'irfahrungen: sie geben
Zeugnis von der Geschichtsbevvußtheit eiin*s europäischen Humani-
sten und werben zugleich für die Konkretisierung politischer l'topie;
14
ir::'fP
sie demonstrieren die mühelose Bewirtschaftung eines erheblichen
Wissens und lassen uns erkennen, wie und unter welchen Bedingun-
gen sich Politik und Geist wünschenswert verbinden können. Groß
ist die Spannweite dieses erkundenden Denkens, vielfältig sind die
Themen, die mit selbstverständlicher Zuständigkeit ausgefragt wer-
den: sie reichen von „Politik im Atomzeitalter" bis zu ..Dürer und
die Renaissance'^ von den „Grenzen rechtlicher Regelung innerhalb
der modernen Gesellschaft" bis zu „Dante und Pierre Dubois\ von
Laiidator SicfsfricMl bniz
der ..Außenpolitik des Machtlosen" bis zu ..Theater und Gese 1-
schaft • In einer Sprachhaltung, die die klassische Periode n.cht
scheut das Ornament nicht unterdrückt, die anrufhafte Kurze n.cht
versclnnäht. stellt Carlo Sclnnid die Merkmale des Europäischen vor
„.Hl begründet, warum in einer Zeit, in der gelenkige Teainokraten
die Szene verdecken. Politik als geistige Aufgabe verstanden werden
muß.
15
">
^1l •
Das klingt herausfordernd und appellhaft zugleich, wenn man be-
denkt, wie sich die Gebildeten hierzuland der Politik gegenüber ver-
hielten, traditionsgemäß, kann man sagen. Carlo Sclimids immer wie-
derkehrendes Plädoyer: geh auf das Forum, wenn Du Einfluß auf
das Kapitol nehmen willst: — die gebildeten Stände Deutschlands
hielten nichts oder nicht viel von dieser Devise. Im Gegensatz zu
andern Ländern fürchtete man hier für seinen weltanschaulichen
Teint; man zeigte hochmütige Verweigerung oder bange Abstinenz.
I'>schre<kt schon bei dem Gedanken, sich der Zugluft der Straße aus-
zusetzen, hielt man sich an das Ideal der Zimmerlinde: reglos, nach
innen blühend.
Die Verpflichtungen, die eine „Zeitbürgerschaft'' im schillerschen
Sinne nalielegten, wurden als Zumutung empfunden. Der entschei-
dende (Jruiid lag wohl fast immer darin, daß das Erlebnis der Straße
s()ziale Konse<|uenzen nahelegte, überhaupt, das „Soziale*' erst ent-
deck<Mi ließ, (^bildete waren es, die im März 48, als die revolutionä-
ren Knospen knallten, in ihrem frühen Katzenjammer von der
„Straßendemokratie" sprachen.
Wenn es mir dies wäre, was wir Carlo Schmid verdanken, oder
«bxh mit verdanken: die Wiederentdeckung der Straße als schönstem
demokratischen Ort, wir müßten bereits von eiiu^r achtbaren Lei-
stung spreclien.
Nein. hi<>r/uland zog es die (»ebildeten niihl aufs Forum: unser
Hedarf an (H'mülli<hkeil war zu groß, wir entwickelten uns zn Vir-
tuosen der Veriniierliihung. und mit Max Scluder hielten wir den
Slaal für ein .,s(>lbständiges, unsichtbares Willenswesen**. Wer aufs
l<\)rnni geht, muß etwas auf sich nehmen, d<'r kann intellektuellen
Schiffbruch erleiden, der riskiert, wider Willen, überzeugt zu werdiMi
von den AiigelM»leii des Meinungsmarkts. Hier gellen Pfiffe, hi«"r
wirft liolingelätbler srin EcIh). Wurfgeschosse können niilunler eine
Antwort darstellen. Au<h wer in die Schule Quintilians oder Ciceros
gegangen ist. nnil.i mit Zwisjln'iirnfen rechnen ninl verstummen,
wenn IVolesIgesang aufkommt. Auf (b'ni i*ornm mehlel dii« Not sich
zu W«»rt. die Verzweiflung sucht hier ihr«» Verbündelen, aber auch
die Panegyriker des Heslrhenden finden ihre Chance sowie die blen-
denden l{helorik(>r. die auf keinen Inhalt angewiesen siiul. denen
der groß«" l'allenu urf ausreicht. Heiß ist «>s hier; das kommt von
16
der Backofenhitze der Gedanken und all den freigesetzten Hoffnun-
gen. Und authentisch geht's hier zu; man empfängt die Ideen aus
erster Hand, direkt vom Erzeuger.
Forum: das ist aber auch der Ort lebensentscheidener politischer
Hygiene. Man kann den Problemdruck überprüfen, den Emotions-
stau, — den eigenen, aber audi den der anderen. Man wird zu der
Einsicht gezwungen, daß ein Kennzeichen freier Menschen ihre
unterschiedliche Interessenlage ist. Und das Absolute, das unheil-
volle Absolute wird hier in Zweifel gezogen und als Maßstab verwor-
fen. Eine der segensreichsten Einrichtungen, die zum Haushalt de-
mokratischer Verfahrenspraxis gehören: der Kompromiß — er kann
nur auf dem Forum entstanden sein. Aber diesen lehrreichen Ort —
von dem Carlo Schmid übrigens bei Gelegenheit sagte, daß man ihn
auch verlegen kann: auf die Bühne, in den Hörsaal, in die dunst-
geschwängerte Kneipe — der Ort, den wir zum Forum machen,
zwingt zu einer weiteren Feststellung: wir sind auf permanente Er-
mittlung angewiesen, auf die Ermittlung bedrohter Freiheit ebenso
wie auf eine Ermittlung der allgemeinen Lage.
Wir sind aber auch auf permanente Auseinandersetzung angewie-
sen; zu begründet ist unser Mißtrauen gegenüber allen, die dem Pro-
zeß der Geschichte ein definiertes Ziel geben, ihr womöglich ein
happy-end voraussagen. Auf dem Forum können die Stiefkinder der
Geschichte und in dieser Rolle haben sich viele unserer Gebildeten
oft verstanden — auf der Straße, wollte ich sagen, können die Stief-
kinder lernen, wie reinigend Auseinandersetzungen sein können.
Und reinigend heißt hier: es wird vorgebeugt, es wird eine größere,
eine schlimmere Gewalt verhindert. Und delegierte Macht wird hier,
wenn nicht kontrolliert, so doch zur Rede gestellt. Es lohnt sieb, mit
Konflikten zu leben. In diesem Zusammenhang bringt sich wie von
selbst der „Aufruf zur streitbaren Demokratie*' in Erinnerung, den
Herbert W eichmann an jeden Mitbürger geriditet hat. er entspricht
i„ „lancher Hinsicht der beispielhaften Entscheidung Carlo Schmids
anf den Markt zu gehen, mit dem Mut, andere zu überzeugen, und
der Bereitschaft, sich selbst in Frage stellen zu lassen.
Lange hat man den Intellektuellen bezichtigt, daß sein gesells(4iaft.
lieher Beitrag allein darin bestehe, vom ungefährdeten Hochs.tz aus
die llntauglichkeil der Welt zu kommentieren; ein Neinsager aus
Profession. Daß die Gescboltenen, die Verdäcliligten, die Gehaßten
17
cn uf
iderpm fdhie >in<i: her^ orracende IniMle4tnj*41e
rs iM-wic««i- Ihr Beij^piel wurHe aiiteenoramen. atocf^ anoeit.
m r.Wr«i»>nniroun« «ehrarht mit den ^icenen M(»cn<Äiw^tm- Dir
^sAAer- ni»a inannicfarh*»n Bürsennitiativen n m***reni L^aimi. ier
■ iiniiiT --"- ^iin><^ nach Teilhabe an politi5<iier "JT-ilensMiami« 3«-
)ecm rt*. IwMner hanücfr -etzen \*ir iins<-re Hoff nunc an! tir rrralie
ais iirm«krati>Ti»eT» < »rt und uberla>-.t^n <\'\e Zimmminrte« -«r V^ie
}ckt sri*e zn: mirti erfiiilt »»in '.pontanf> .^ui
Ziwrr nrti'rrr-r Mitbürjrer m den >traÜen -«^W
MtrremMi. pr^tr^rtierfTKl. oder nur um VufmeriL*a«ik«t ytrrwhmmtL. l<n
t'-nrmrrr mi«* an «Im herHici» zivilen Siintt tter Vto«t'w«*if
-ehe norfe die jaw^iii Eltem. «iie ihn^ Kimier ami liw» N«ciürti
an! (^T Hiifte reiten ließen: ich entMune nu-ft t<^ "^aaaBJ^iaintts. ai
«lern Uas-tarbeirer Mch im 7.\if. ihrer «ieuIxiitMi Kv^lenT-n : r' ***- '^ <-sten-
flTie für «tie SirberhetJ »ier VrheitsplaiÄt» »iem*>n>irTT-nr<i. .^«
tlte>fM*en. verrecneten. \«>n lanjft^r Merntailrt «
rtrenke trh. riie anf oftentlu^em riatr ihren
rierten. trh ^^ebe noch rlen Pr»>te>t»ujt ^«>« Si-nwjem
tm. «#ewi -iirb forde rn<ier Krnsl unti t^att«ii »iu^ ^ jmi^
f^oftm wyeder rtie in e»ner ^ ;<hler«nUi«tive t
lue vnr ibrem Theater wehr S^m^hIi *l* t
nx»iitT*<t»en l. her«e»iftM»ijj:en ^arh«Hi U^rfpw
aik«« eeliori. Die Mr«t>e htetet vu-l* »1?^ iSs «Mk
^ knrr^feren können.
jN .>n>4>
or
inc^m «»>irb «ieinok.ralis^'her i>e4Kt d*^!«. V«><"<
f omn> «ien Getst der lX"w«>kr«tK^ ii«i>H«'k4t>'lC<e^''«»^ ^ ^ c»*?»«*!*-
re-»T»»irtir» dev MeHs«^oi< ».( »nl k<Nn\>« Kn«i»^^>4««Ni i^mi
ntmmr ihr»»ii \ erUnt unter I.Vh\4- nnd i^i»'^«^«'«**^
wn.. uptionen. nn^ ^«s ^»v nn^ »n Kes««««««« jLnilJ'Kriwrtnwi. »*
frwi^il* mir vorbi>iH«rer od*^r «Kh'K Kt^^N^wK^s Hf
<«•* bereit fand. «Um Ooht«k wn dHMFi«>nx >^A n«»N ..»** .»4.?«e*»*
4lr««t dem f»obt»^«>hen Kr«1>et^-M >h«<v,^H^.
\ber ^aiMi n»mev s^'h de« i-e»M d«s P/sKtW > tH*^*«#^
' '■■••• n. VerantMortium tu übe« •»• Kf*. ..> W»^ 4^ im<
memani^tisfbei« iharnktev <H\v l\.„.,.,^^, :««irt i**^
I>»r »,e»*l hol der Pobt«k nent "»^ — n*>n nn^i
*►»* 1 arU> Nrhmid st'hneb.
tti
Nin»rx , .n»*> s*rti **•!» ^
rp
Drr Montrvcrdi-Chor vvälireiul seiner Darbietung
des Menschen um seine Bestimmung, um seinen Ort in der Weltzeit,
in die er geboren ist. in politische Taten, zumindest in politischen
Gestaltungswillen umsetzt." Wo bemerkenswerte geistige Täter-
schaft am Werk war. da linderte sich das Selbstverständnis und das
Verhältnis zur Welt. Ein neues Problembewul.Usein entstand. Eine
Realität wurde neu bestimmt. Der Geist lehnte es ab. die Welt als
vollendete Tatsache anzusehen. jener Geist, der die Macht an
der Ethik mil.U und der darauf beharrt, dem utopischen Entwurf die
Wirklichkeit entgegenzusetzen. Die Aufgabe, die der Geist in der
Politik findet, bleibt sich immer gleich in der Geschichte: Carlo
Schmid bat das gezeigt und begründet. ..Wer Politik vom Geist her
begreifen will", bilanzierte er. ..sollte sich klarmachen, daß es zum
Wesen des l>olitischen gehört, dal.^ einmal aufgeworfene Eragen und
.i.nnal gestellte Themen für immer auf der Tagesordnung bleiben.
,„ci.l unter neuen Namen, aber doch mit identischem Gebalt. Denn
das Politische führt nie das vom Geist Aufgeworfene zu Ende: Es
reichert sich damit an, es konsumiert es iiidit."'
Unnütig, zu erwähnen, daü der Geist, von dem hier gehandelt
wird, als universaler, als wellbürgerlicher Geist verstanden werden
„n.l^ Und mit dieser Eeststellung bringt sich, gewollt und ungewollt,
19
i
"^
sehr wohl muh zu anderem fähig sind: hervorragende Intellektuelle
haben es bewiesen. Ihr Beispiel wurde aufgenommen, abgewandelt,
in Übereinstimmung gebracht mit den eigenen Möglichkeiten. Die
Wähler- und mannigfachen Bürgerinitiativen in unserem Land, der
zunehmende Wunsch nach Teilhabe an politischer Willensbildung be-
legen es. Immer häufiger setzen wir unsere Hoffnung auf die Straße
als demokratischen Ort und überlassen die Zimmerlinden eine Weile
sich selbst.
Ich gebe zu: mich erfüllt ein spontanes Zutrauen, wenn ich die
Züge unserer Mitbürger in den Straßen sehe, appellierend, demon-
strierend, protestierend, oder nur um Aufmerksamkeit werbend. Ich
erinnere mich an den herrlich zivilen Schritt der Atomwaffengegner,
sehe noch die jungen Eltern, die ihre Kinder auf dem Nacken oder
auf der Hüfte reiten ließen; ich entsinne mich des Tanzschritts, in
dem Gastarbeiter sich im Zug ihrer deutschen Kollegen fortbewegten,
die für die Sicherheit der Arbeitsplätze demonstrierten; an die frö-
stelnden, verregneten, von langer Sternfahrt erschöpften Bauern
denke ich. die auf öffentlichem Platz ihren Sorgenkatalog präsen-
tierten; ich sehe noch den Protestzug von Schülern und Lehrlingen,
in dem sich fordernder Ernst und Gaudi die Waage hielten, und mir
fallen wieder die in einer Wählerinitiative tätigen Schauspieler ein,
die vor ihrem Theater — mehr beredt als faktenreich — für ihre
politischen Überzeugungen warben: Bürger auf einer Bühne, die
allen gehört. Die Straße bietet sich als Ort an. an dem wir ein Schick-
sal korrigieren können.
Indem sich demokratischer Geist des Forums entsann, hat er dem
Forum den Geist der Demokratie zurückgegeben. Wie gesagt, die
Geschidite des Menschen ist auf keinen Endzustand hin angelegt, sie
nimmt ihren Verlauf unter Druck und Gegendruck, unter Schlägen
und Eruptionen, und was wir uns an Resultaten gutschreiben, ist
jeweils nur vorläufiger oder doch bedrohter Besitz. Der Geist, der
sich bereit fand, der Politik zu dienen, hat uns die Gesetze gezeigt,
die auf dem politischen Kräftefeld herrschen.
Aber wann immer sidi der Geist der Politik verband — einver-
standen. Verantwortung zu übernehmen, — hat er außerdem den
mechanistischen Charakter des Politischen erweitert und ergänzt.
Der Geist hat der Politik neue Formen und Inhalte verschafft, und
zwar, wie Carlo Schmid schrieb, „in dem Sinne, daß sich das Wissen
18
Der Moiitcvcr(li-(^hor während stMiier Darbietung
des Menschen um seine Bestimmung, um seinen Ort in der Weltzeit,
in die er geboren ist, in politische Taten, zumindest in politischen
Gestaltungswillen umsetzt." Wo bemerkenswerte geistige Täter-
schaft am Werk war, da änderte sich das Selbstverständnis und das
Verhältnis zur Welt. Ein neues Problembewußtsein entstand. Eine
Realität wurde neu bestimmt. Der Geist lehnte es ab, die Welt als
vollendete Tatsache anzusehen, — jener Geist, der die Macht an
der Ethik mißt und der darauf beharrt, dem utopischen Entwurf die
Wirklichkeit entgegenzusetzen. Die Aufgabe, die der Geist in der
Politik findet, bleibt sich immer gleich in der Geschichte: Carlo
Schmid hat das gezeigt und begründet. „Wer Politik vom Geist her
begreifen will", bilanzierte er, ,.sollte sich klarmachen, daß es zum
Wesen des Politischen gehört, daß einmal aufgeworfene Fragen und
einmal gestellte Themen für immer auf der Tagesordnung bleiben,
meist unter neuen Namen, aber doch mit idenlisdiem Gehalt. Denn
das Politische führt nie das vom Geist Aufgeworfene zu Ende: Es
reichert sich damit an, es konsumiert es nicht."
Unnötig, zu erwähnen, daß der Geist, von dem hier gehandelt
wird, als universaler, als weltbürgerlicher Geist verstanden werden
muß. Und mit dieser Feststellung bringt sich, gewollt und ungewollt.
19
■« st:'
der geistige Weltbürger Goethe nacharücklich in Erinnerung, der
url.ane Verfechter eines „Freihandels der Begriffe und Gefühle-\
der Verkiinder einer Weltliteratur. Niemand kommt daran vorbei,
daß er es war, der uns ins Stammbuch schrieb: „Anstatt sich in sich
selbst zu beschränken, muß der Deutsche die Welt in sich aufnehmen,
um auf die Welt zu wirken." Keine Sorge, ich möchte immer noch
keine Hängebrücke flechten, auf der der Proteus und der Sozial-
demokrat auf einander zugehen, um bei schwierigem Stand zu fest-
licher Umarmung zu finden. Da Goethe ja keineswegs nur für
„Goetheaner" schrieb — ebenso wenig wie Marx nur für heutige
Marxisten — steht es jedem frei, bei dem Dichter das zu finden, was
er für sich selbst braucht. Und es erscheint mir hier nur angebracht,
daran zu erinnern, was Carlo Schmid selbst nach eigenem Zeugnis bei
dem großen Weimaraner fand. Bei aller Trennung im Politischen: es
war vor allem Goethes Menschenbild, das er als Maß erkannte, es
war die Bemühung um die Einzelpersönlichkeit, um ihr Recht, sich
im Zeichen der Humanität zu entfalten. Und in einem durchaus nicht
vagen Sinne erkannte unser Preisträger in dieser Bemühung eine das
Politische befördernde Qualität. Bekenntnishaft sagte er: „Das Werk
eines Dichters wirkt nicht nur in dem Sinne und in der Richtung, die
der Dichter wollte. Wir können es uns zu eigen macben. auch wenn
wir nicht gemeint waren . . .'
Falls sich also aber witzig jemand fragt, ob ein Sozialdemokrat
einen Goethepreis annehmen sollte, — bei Carlo Schmid kann er die
überzeugendste, die nobelste Antwort finden.
Ich beglückwünsche unseren Preisträger.
Ansprache von Professor Dr. jur. Dr. h. e. Carlo Sdunid
Meine Danicii und Herren.
,I„rcl> die Verleihung des Hansischen Goethe-Preises fühle ich mich
hochgeehrt, weit «her Gehiihr. denn id. hahe nicht viel anf.nwe.sen,
das unser Wissen von dem Werk des Großmeisters der n.us.schen
l'rüvin. innerhalh der Gefilde unseres geistigen Vaterlandes gemehrt
l,ä,le Der große Name ist indes sclion dem Knahen begegnet, den
.1er Vater früh, doch behutsam, in die Welt der großen Dichter der
Nation einführte. Als erstes las i,h den -Got.-' - wie n.an eute
gehein,nisvolle Ritterges.hichte liest. Was n.ir davon Id.eb. war n.cht
'o sehr das bunte Spiel der Figuren als viehnehr das Wort. n„. dem
das Stü.t schließt, das Wort ..Freiheit", das der sterbende R.tter
spricht. Ich glaubte zu spüren, daß der DidUer mit d.esem Worte,
das den Helden des Stückes dnrch das Todestor führte , hm das S.e-
gel aufdrüAte. das den höchsten Wert verbürg, und das Sesam-
Öffne-Dicl. an der Pforte des ewigen Friedens spricht. Se^de.n ist
für n,ich die Freiheit jene Lebensma.ht geblieben, die dem Mensc .en
Wesensbejabung ermöglicht und ihm Würde »i'»^^-";'*' ''' ^
dieses Jugenderlebnis gewesen, das später in den. Ma,... de,. Wunsch
weckte. eLges dazu beizutragen, daß - und sei es au maanc r.schen
Pfaden - allen, die Menschenantlitz tragen, das Gl«.^ znte, werde,
ihr Leben an die Freiheit wagen zu können, ohne durd. d.e ble.ernen
Sohlen widriger Lebensumstände im Sd.ritt behindert zu se.n.
Zu gleici.er Zeit etwa las der Knabe Schillers ..Räuber" jenes s.ür-
,„..nde und drängende Stück, darin einer, der sid. v- dem tn, en-
kle.4.senden Säkulum ekelt, mit einer Schar guter und böser Gefahr-
, . die Freiheit i,. der Gesetzlosigkeit der Wälder s.n^l.t. w. d.U. as
L seines Herzsd.lages zuruft: ..In tyrannos!" M.r sd..en. daß
Tyrannei nid.t nur dnrd. schlimme übrigkeiten geübt w.rd. sondern
. d. durd. Melanismen, i,. die wir das Leben einzwängen müssen.
Lbe ich dies damals wohl nid., ausgedrückt. .'»*.<"";;;_---
bewußt, daß Freiheit und n.ed.anisiertes Dase.u s.d. eben o aus
Iddießen wie Freiheit u..d die Gesetzlosigkeit des Dschungels, und
21
20
ciiil iir'f Su:
A35i«mjiti^
»irr
teb*«
fvite. «idi
f*
rf'
• -i freien
tax] --*.
'l^4»k}*^l -.-UHU
B^ä^ Hr!«dinicf fit»- (^--i'
-^laitKnti; -**iii^*i mr tiui fr-
'jMa«*r »«iiEtu-?Tii?4v-i. -inmi' "T
Idarft1ii»^iutr*i '*-tr-iüitTiih^f : t
V ilk;ir ««mr It^^<^ li«t«"'V'f!ri.
»rT»ni**«tl»*^Ktliwi J,nrirlif '^r»r"rbf>.. ^irnw^tt*^
iiurTi] ler jni -itir'niviin- ^^ HwArt* »>«itrteoene
i»<»*fti jiiui. Litt; -tv »iij- iu> fi~ . ..}. vemvc *w l i«?be ju>faiui»^ ii^r.
-An^-^t' IHK T.^»MHrr^ft«r Y4ur>Qtf<»i- .mm Binat^irfa
•»*:r La«; ;.uitt. •it-ii ■ :- -i ,. : v . > .ttf. itrr <tiÄ hsr
imt -*Kn uUmi m^'h ^.nnat- tii.Vf xf^><«iik<^ Jk<r cöe« >%tiI. n.r^.
*»*"♦ inuf Ulli X- • !..).-, V ,^ ^ii^M^mkJbrs^ittdt« ^^J-
'««^«^-T^nn»^t•. Vi tr 1IU4 J.Jui^ |N^^yd|>iW«l^ iM^ \^ir^mt\h>( tttr
-karr i^^^cn^tirruiis^iU^t; iHr A-wt» iil«Nt |j««*Äliv^^ «j^v^ Vv*^>»>4lt«,^^H» ub^M-
..mit^ »t^ Slam» t»t«l«« tr..ma,-fi»^ >«^<«^4(% S¥^4m >k^, >.,»*^ 4*^ V4I*)^
i»«a arrt^tu ja» H%i» itti^n%i -4^»^»,.,.». v
«nrmi .JÄH !u>i»iinu V^l^iUi^ U»»!.,«», v
- <'. .
- V^
Auf diesem Weg ging Faust zu den Müttern.
,.den Herrinnen von Gestaltung, Umgestaltung.
des ewigen Sinnes ewige Unterhaltung,
umweht vom Bildnis jeder Kreatur",
um Helena zu suchen. Doch die Göttin, die er dank Mephistos Schlüs-
sel findet, zerfließt ihm unter der Hand und er wird sie erst finden,
Frstvortrati »h's PrtMsträfjers
nadidcn im Tale des Peneios die Römerin Manto ihm den Weg in
Persephones Reich zeigt, darin Helena ein mystisdies Griechenland
aufgerichtet hat. Vorher hat ihn sein Weg an den Pharsalischen 1< ei-
dern vorheigeführt und Chiron, der Kentaur, helehrt dm:
..Hier trotzen Rom und Griechenland im Streite,
Peneios rechts, links den Olymp zur Seite.
Das größte Reidi. das sich im Saiul verliert;
Der König flieht, der Bürger triumphiert"
23
:■■■■ <'-M:'-^rt£'^i^
und Erichto:
„Jeder, der sein innres Selbst
Nicht zu regieren weiß, regierte gar zu gern
Des Nachbars Willen, eignem Stolz gemäß . . .
Hier aber ward ein großes Beis|)iel durchgekämpft,
Wie sidi Gewalt Gewaltigerem entgegenstellt.
Der Freiheit holder tausendblumiger Kranz zerreißt.
Der starre Lorbeer sich ums Haupt des Herrschers biegt".
Faust holt die Griechin heim. Nachdem er an seine Gefährten die
Gaue Griei-henlands ausgeteilt hat, zieht er mit ihr in ein schicksal-
loses Arkadien, ein Reich der Mitte, ,.gelegen in Spartas Nachbar-
schaft" . . . Hier lebt der Mann aus dem Norden, dem die Sonne nun
wunderbar im Süden aufgegangen ist. mit Helena dem Gestalt ge-
wordenen Geist des schönen Lebens — ,.arkadistli frei sei unser
Glück" — doch die Frucht ihrer Liebe. Hyperion, zerschellt am Bo-
den, weil er — wie Ikarus — der Erdensdiwere entdieben will.
Helena verläßt Faust und zurück bleiben nur ihre Gewänder — alles,
was wir von Hellas noch in Besitz zu nehmen vermögen.
Phorkias zu Faust:
„Halte fest, was Dir von allem übrig blieb
Das Kleid, laß es nicht los . . .
Halte fest!
Die Göttin ist's nicht mehr, die Du verlorst.
Doch göttlich ist's. Bediene Dich der hohen
Unschätzbaren Gunst und hebe Dich empor:
Es trägt Dich über alles Gemeine rasch
Am Aether hin, so lang Du dauern kannst . . .'*
So hat mir Goethe den Weg nach Griechenland gewiesen und mit
ihm jener Friedrich Hölderlin, der von dem Göttlichen sagte, — wie
Goethe in seinem Bild vom farbigen Abglanz - daß der Mensch
ni(4it imstande ist. die Fülle des Göttlichen in eine m zu fassen.
Doch das Bild der Hellenen vom Göttlichen stehe in stetiger Wedi-
selwirkung mit ihrer Vorstellung des Menschlichen; Natur und Über-
natur fielen bei ihnen nicht auseinander. So hat auch Goethe deren
Wediselverhältnis gesehen: die Natur nährt, was die Übernatur be-
seelt, mit ihren Stoffen und das Kreatürlidie bleibt im Göttlichen
aufgehoben.
24
„So war Apoll den Hirten zugestaltet
Daß ihm der Schönsten Einer glich;
Denn wo Natur im reinen Kreise waltet
Ergreifen alle Welten sich."
Die Lebensmacht, die dieses wirkt, ist Eros, den Piaton einmal
einen häßlichen Gott nennt, obwohl sich durch ihn dem Menschen
alles Schöne und Gute erschließt und sich in ihm verleibt.
Der Preisträger mit Frau Eminele Toepfer
Eros ist leidenschaftliche Hingabe an das Ding, das uns in seinem
Ergriffensein durch uns seinen Wesenskern öffnet und damit fähig
macht, durch die Hingabe an die eine konkrete Verkörperung des
Allgemeinen, des Schönen und Guten teilhaftig zu werden, l iaton
hat diese Lebensmacht gepriesen als den Weg zur Erkenntnis alles
Beseelten, und Euklid hat in die Welt der Erscheinungen seme geo-
metrischen Axiome projiziert, die voraussetzungsloser Vernunft ent-
stammen, und damit das Erleben des Schönen und Guten ergänzt
25
■^.
-J^.',.A
■ ■■7^
/lUF BESCHL-USS DES EUROPÄESCHElSr KUIV^IOBIUMS
Yvt:kd der
HANSISCHE GOETHE-PREIS
IDER 6nFTUISrG EVS- ^XJ üAMBUl^iJ
FURrHß JAHR 197^
PRpFESSOR
Dr.jur.Dr.h.c.CARljO SCHMID
BONisr
VEKUEHElSr.
IMß KUR-^riOKIUM WÜRDIGTT r^AMTF r>AS LEBE1SJ5WERE<;
PES PREISTRAGEP^:
-At^ 5CHKrFTSTELX-ER,
DER DIE DEUTSCHE SPR'^CHE IN MEIÖTEKHAFTER
VOT .T .EISTDUNG Al>lWAl<CCrrE
- AL>S tJBEPßEXZER,
DERDETSr ZUGAISTG ^URPOEvSIE UND vSCE^ÖNHETT
DERFRf^lSieOSISCHElSr IXIELV^XUREF^CHLOSS
-/4Ii6 GELEHRTER,
DER DIE GEISrnGEH FUNDAMENTE FUREINE FPErHETTLICHE
ORDNUNG IN STAAT UND GESELLSCHAFT I^AUEN HALF
-ALS POLITIKER,
DER AM AUEBAU UNSERER FREIHEITLICHEN
ORDNUNG AKTIV MITWIRKTE
-ALS EUPOPAER,
DER AUSTAUSCH UND GEGENSEmGES VERSTÄNDNIS
UNTER DEN VÖLKERN" EUPOB4S FORDERTE
-ALS HUMANIST,
DER SELBSTVElVJSITWORrUNG UND TOLEPANS
IN IHRER GANZEN MENSCHLICHEN BPEITE VERTPAT
UND SO IN GOETHESGHEM SINNE WIRKTE.
DIESE URKUNDE IST AUSGESTELLT AM TAGE
I3ERFEIERUCHEN UBEPOABE DES PREISES.-
VUBIBITZKNDH«. r>E3 KURATOBJUMS
durch die Erkenntnis des Wahren allein aufgrund der gemäß ihrer
immanenten Gesetzlichkeit handelnden Vernunft.
Dies brachte ich zusammen mit der Erkenntnis der ionischen Na-
lurphilosophen. daß es Wirklichkeit in zwei Dimensionen gehe. Die
eine bestehe durch Setzung (thcsei) und sei daher in ihrem Bestand
und in ihren Werten auf den Menschen bezogen, der sie schuf; die
andere bestehe physei — das heißt von sich aus. wesenhaft also
durch sich selbst und sei darum unabhängig davon, ob der Mensch
sie erfaßt. Damit konnte man anfangen, die INalur und selbst das
Göttliche nicht nur zu beschreiben und zu erleben, sondern auch zu
denken, und unser Verhältnis zu beiden von allem zu befreien, was
nur Subjektivität, Zweckopj)ortunismus und Stillung von Gemüts-
bedürfnissen ist.
So habe ich Sokrates verstehen und lieben gelernt, nachdem ich
aus Hesiods Gedicht erfahren hatte, daß der Mensch sich von den
anderen Lebewesen dadurch unterscheidet, daß ihm der ..nomos"
zuteil geworden ist, das Recht, das abgrenzende Zumaß, das allein
ihm erlaubt, unter Freien frei zu sein. Ein Volk müsse um seinen
nomos kämpfen wie um seine Mauer hatte schon Heraklit gesagt.
Nun zeigt uns die Geschichte Griechenlands, daß die Hellenen jener
klassischen Zeit voll begriffen hatten, welche den Menschen prägende
Kraft dem Staate zu eignen vermag. Auf der einen Seite stand ein
Staatswesen, innerhalb dessen alles darauf abgestellt war. je und je
einen Leonidas für die immer wieder zu verteidigenden Thermo-
pylen zu ermöglichen. Sparta — auf der anderen Seite Athen, als
Muster eines Staates, der sich als Raum und Reseeler des Lebens
begreift. Ist es nicht die Darstellung des Musterbildes einer Ver-
menschlichung des Staates, wenn Tukydides den Perikles in seiner
großen Leichenrede sagen läßt:
„Die Verfassung die wir haben, richtet sich nach keinerlei frem-
den Gesetzen; vielmehr sind wir für andere ein Vorbild und
von niemandem abhängig. Mit Namen heißt diese Verfassung
„Demokratie", weil der Staat nicht auf wenige Bürger, sondern
auf deren Mehrheit gestellt ist; so begreifen wir Volksherr-
schaft. Es haben aber nach deren Gesetz an dem. was das Leben
des Einzelnen betrifft, alle gleidien Teil, und was das öffentliche
Wesen anlangt, so ragt der hervor, der sich durch sein Tun
Ansehen erwarb, nicht weil er irgend einer Gruppe zugehört,
28
sondern kraft seiner Leistungen. Ebenso wird keiner aus Armut
oder wegen Unsdieinbarkeit seines Namens daran gehindert,
für den Staat zu leisten, was in seinen Kräften steht. Wir leben
miteinander im Staate als Freie und jeder läßt im Getriebe des
Alltags einen jeden gelten, ohne dem Nachbarn zu grollen, wenn
er nach seiner Laune lebt, und ohne jenes Ärgernis zu nehmen,
das ohne Strafe zu sein, doch kränkt. Bei so viel nachsichtigem
Umgang von Mensch zu Mensch erlauben wir uns doch keine
Rechtsverletzung gegen den Staat, schon weil wir seine Gesetze
fürchten. So gehorchen wir den alljährlich gewählten Amts-
trägern und den Gesetzen, vor allem aber jenen, die zu Nutz
und Frommen der Verfolgten ergangen sind; auch den unge-
schriebenen Gesetzen, deren Verletzung nach allgemeinem Ur-
teil Schande bringt.
Unserer Art zu denken entspricht es, daß wir uns viele Gelegen-
heiten zur Erholung von der Arbeit schufen: Wettspiele und
Opferfeste, die jahraus, jahrein gefeiert werden, und dazu die
schönste Ordnung des häuslichen Lebens, darin tägliche Lust das
Bittere verscheucht. Unsere Stadt ist so groß, daß alle Welt bei
uns hereinschaut; so können wir von uns sagen, daß wir zu dem
Genuß der Güter, die wir selber schaffen, noch jene genießen,
die den Menschen außerhalb unserer Stadt zu verdanken sind.
Wir lieben das Schöne und bleiben doch schlicht; wir lieben den
Geist und lassen uns durch ihn nicht erschlaffen. Reichtum dient
uns zu großer Leistung und nicht zu Großsprecherei. Die eigene
Armut einzugestehen ist bei uns nicht verächtlich; als verächtlich
empfinden wir es, wenn einer nichts tut. um sie zu überwinden.
Unsere Sorge gilt unserem Hause und unserer Stadt, und wir
kümmern uns um das öffentliche Leben des Staates, denn auch
in dem, was den Staat angeht, hat jeder von uns ein Urteil. Wer
sich um den Staat nicht kümmert, gilt uns nicht als ein stiller
Bürger, sondern als ein schlechter. Die Bürger haben in den
Staatsgeschäften das Recht der Entscheidung und darum be-
schäftigen sie sich sorgfältig mit ihm in ihrem Denken.
Ich fasse zusammen: Unsere Stadt ist in allem, was sie tut und
hat, die Schule Griechenlands. Bei uns sind die Menschen von
größter Vielseitigkeit; jeder für sich tut das Notwendige mit
Anmut und nicht ohne seine Fähigkeit zu scherzen zu vergessen.
29
Daß dies nicht ein Gepränge mit Worten ist, das dem Angen-
hlieke gilt, sondern Darstellung dessen, was bei uns gilt, zeigt
die Macht unseres Staates, den wir kraft dieser Eigenschaften
zu schaffen vermochten.*^
War dem Römer die Welt ein Acker, den er vermal.), einzäunte
und so in Besitz nahm, um ihn im frommen Vertrauen auf die Ge-
rechtigkeit der Erde — justissima tellus — zu bestellen, so war die
Welt dem Griechen ein Wunder, das er in seiner Grenzenlosigkeit
auslotete, das Senkblei in die innere und in die äuüere Welt werfend,
in das Helle und das Dunkle. Seine Krönung fand das hellenische
Weltgefühl in der attischen Tragödie. In ihr ist der ganze Weg, den
der Mensch von seinem Aufbruch aus der dunklen llrnacht bis zur
Ankunft in der Helle des lichten Bewußtseins zurücklegte, aufge-
zeichnet. Aeschylos zeigt uns die Welt als ein Schlachtfeld der Oberen
und der Unteren, der Gottheiten des Lichts und der Ratio und der
Gottheiten des Dunkels, des Blutes und der Erde, wobei der Mensch,
der einen Gottheit folgend, am Gesetz der anderen schuldig wird.
Sophokles stellt dem nomos der Polis das individuelle Gewissen ge-
genüber. Mensdisein heißt freies, sittliches Handeln im Bewußtsein
des tragischen Untergangs in einer Tat. darin der Mensch die Norm
seiner Individualität bestätigt. Euripides liefert den Menschen den
Mächten wieder aus, jedoch stehen diese nicht mehr außerhalb und
oberhalb des Menschen, sondern toben in seiner Brust und reißen
sich um sein Ich; oft zerreißen sie es.
Aus dieser Vorstellung von der Ausweglosigkeit des Schicksals
bricht Herodot aus, mit seiner Erkenntnis, daß es neben der Welt
der Naturgewalten und der übermenschlichen Gewalten eine andere
gibt: ta genomena ex anthropon. jene Welt, die aus den Werken der
Menschen entstanden ist. So wird begriffen, daß unsere Welt auch
ist, was wir selber aus dem Seinkönnen machen — wie nach dem
Worte Goethes die Farben die Taten und Leiden des Lichtes sind.
Der Mensch kann die Welt verändern, er braucht sich nicht damit zu
begnügen, sie zu erleiden und zu deuten.
In Wilhelm Meisters Lehrjahren fand ich die Summe und Eindeut-
schung dieses hellenischen Welt- und Menschenbildes zu einer Lehre
von der Erziehung des Menschen verarbeitet. In der pädagogischen
Provinz findet er in rodender und gestaltender Auseinandersetzung
mit dem, was ihm entgegensteht, das Bewußtsein seiner Berufung.
30
So wird er fähig für die Arbeit an einer vorgestellten Neuen Welt
die Elemente und Visionen zu entbinden, die Bildung ihm vermittelt
bat.
Von dieser goetheschen Einsicht ging ich aus, als ich erkannt hatte,
daß ich und meinesgleichen durch unseren Rückzug in den Elfenbein-
turm schuldig waren, daß die Bestialität den Weg zum Kapitol finden
konnte. Ich meinte, im Sinne Goethes zu handeln, indem ich auf das
Forum ging, um von dort aus den Konsuln zuzurufen, acht zu geben,
daß der Staat nicht Schaden nehme, und daß sie sich mühen sollten,
ihn zu vermenschlichen.
Ich habe für die große Freude des heutigen Tages der Stiftung zu
danken, dem Stifter der Stiftung und den Damen und Herren des
Preisgerichts, das mich der hohen Auszeichnung für würdig hielt, die
mir zuteil wurde. Und ich schulde Ihnen, lieber Siegfried Lenz. Dank
für die Worte, mit denen Sie darlegten, warum man mich dieser
Auszeichnung für würdig gehalten hat. Sie ist eine von denen, die
man nidit schlicht hinnimmt, weil man altershalber „dran" ist, son-
dern gehört zu den seltenen, durch die man sich in einigem bestätigt
weiß.
Aufnahmen von Foto-Kranicr, Hainhnrg
31
jj/Cffh^^'^^^
/
^^IdjJ.
/
^'^ ~^y^
Ui
■^'^J .
f
STIFTUNG F.V.S. ZU HAMBURG
JOHANN -WOLFGANG -VON - GOETHE
MEDAILLE IN GOLD
1973
I
STIFTUNG F.V.S. ZU HAMBURG
Verleihung der
JOHANN-WOLFGANG-VON-GOETHE
MEDAILLE IN GOLD
an
Maitre Rene Cassin
Paris
und der
ROBERT-SCHUMAN-MEDAILLE IN SILBER
an
Herrn R. V. Wagner
Metz
Montigny-les-Metz
1. Juli 1973
1
Johann-Wolfgans-von-Goethe-Medaille in Gold
nach einem Entwurf des Bildhauers Hans M. Ruwoldt, Hamburg
Medaille d'or Goethe
d'apres une maquette du sculpteur Hans M. Ruwoldt, Hambourg
Die Johann-Wolfgang-von-Goethe-Medaille in Gold wurde von der
Stiftung F.V.S. zur Verfügung gestellt. Sie wird in unregelmäßiger
Folge an Persönlichkeiten verliehen, die im Geiste des Namensge-
hers außergewöhnliche, von übernationaler Gesinnung und huma-
nitärem Bestreben getragene Leistungen erbracht haben.
Der Stiftungsrat der Stiftung F.V.S. hat diese hohe Auszeichnung
im Benehmen mit dem Vorsitzenden des Kuratoriums für den Han-
sischen Goethe-Preis durch einstimmigen Beschluß vom Mai 1973 dem
langjährigen Präsidenten des Europäischen Gerichtshofs für die Men-
schenrechte und Ehrenpräsidenten des Conseil d'Etat, Professor Dr.
jur. Rene C a s s i n , Paris, Träger des Friedensnobelpreises 1968.
zuerkannt.
Damit wurde ein um Geltung und Entwicklung des internationalen
Rechtes, insbesondere der Menschenrechte, hochverdienter Gelehrter,
Universitätsprofessor und Richter geehrt, der sich sdion an der Seite
von Aristide Briand für eine Einigung Europas eingesetzt hat. Die
Ehrung gilt nicht nur für seine jahrzehntelangen Dienste am Recht
sowie bei den Vereinten Nationen und in hohen europäischen Äm-
tern, sondern auch für seine unbeirrbare Förderung gegenseitigen
Verständnisses unter den Kriegsteilnehmer-Organisationen der ehe-
maligen Feindstaaten. Maitre Cassin ist Ehrenvorsitzender des fran-
zösischen Verbandes der Kriegsteilnehmer und Kriegsopfer.
t
Mit der feierlichen Überreichung der Johann-Wolfgang-von-
Goethe-Goldmedaille an M*^ Cassin wurde auf Vorschlag der Vereini-
gung der Freunde Robert Schumans die Auszeichnung von Dipl-Ing.
R.-V. Wagner mit der Robert-Schuman-Medaille in Silber verbun-
den. Herr Wagner war vier Jahrzehnte lang Vorsitzender der Vereini-
gung der ehemaligen Frontkämpfer und Kriegsopfer von Elsaß und
Lothringen. Er hat sich in dieser Eigenschaft große Verdienste nicht
nur um diesen Personenkreis, sondern ebenso auch um die Verständi-
gung zwischen Franzosen und Deutschen über die durch die Kriegs-
ereignisse aufgeworfenen Gräben hinweg erworben und sich ah
Vorkämpfer für die europäische Einigung bewährt.
4 ; ^r
Die Feierlichkeiten begannen am 1. Juli 1973 morgens m.t e.nem
Be^ch im Hause Robert Schumans und der Niederlegung emes
Kranzes an dessen Grabstätte in Scy-Chazelles.
Zn Mittag gab der Vorsitzende der Vereinigung der F-""<1; «-
bert Schumans, Bürgermeister Joseph Schaff, e„. Essen n
Relais du Parc zu Montignyles-Metz für die Laureaten und den Lau
dato den Stifter, die Vertreter der europäisAen, franzos.schen und
t::L Behürden, der Stiftung, der FrcuUmpfer^ un Kr.gs
„pfer- sowie der Europa-Organisationen von b rankre.A, ''" B""«»-
rlpublik und deren Nachbarländer, von Presse nnd Rundfunk aus
Fri ei<b, der Bundesrepublik und Luxemburg T.sd^reden von
W Cassin und Dr. Weitersbach namens der deutschen Front-
kämpfer und Kriegsopfer trugen eine herzliche Note.
Die anschließende Feier im festlich gesAmückten Saal „Europa"
wurde durd. eine Ansprache des Präsidenten des Verbandes der
französischen Frontkämpfer- und Kriegsopferverenngunge^ Pro-
fessor Gerard P i e r r e t , eröffnet. Der ehemahge Ers e Bürge
meister der Freien und Hansestadt Hamburg und ehemalige Pras-
Zt des Deutschen Bundesrates, Prof essor Dr. Herbert W e ic h ma n n,
hielt die Laudatio auf Maitre Cassin, der mit einer Dankrede antwor-
tete. Abschließend riAtete Dr. b.c. Alfred Toepf er, Vorsitzender
des Stiftungsrates der Stiftung F.V.S. zu Hamburg als ehemaliger
Frontkämpfer beider Weltkriege, das Wort an die Versammlung.
Die inusikalisdie Umrahmung der Feier hatten der Chor des
Metzer Konservatoriums, die Petits Chanteurs Lorrains und der Ma-
drigalchor der Straßburger Universitäten übernommen. Ihre Vor-
träge waren von hohem Niveau.
Die Ehrungen fanden nidit nur bei den Teilnehmern an der
Feier, sondern audi in Presse und Rundfunk Frankreichs, der Bun-
desrepublik, Luxemburgs und anderer europäisier Lander unge-
teilte Zustimmung.
Der Veranstalter, die Vereinigung der Freunde Robert Schumans,
und alle, die zum Gelingen der Feier beigetragen haben, verdienen
Dank und Anerkennung, insbesondere Herr Präsident Gerard Pier-
ret, Herr Bürgermeister i. R. Professor Dr. Herber. WeiAmann
als Laudator und die drei Chöre für ihre eindrucksvollen Darb.e-
tungen.
Im folgenden werden die Reden von Professor Gerard Pierret.
Professor Dr. Herbert Weiehmann. M' Cassin und Dr. h. c. Alfred
Toepfer wiedergegeben.
I
4
Discours de M. Gerard P i e r r e t
La Medaille Goethe a ete attribuee cette aiinee au President
Cassin pour le travail inlassable et efficace qu'il a fourni depuis plus
de 50 ans en faveur de l'Europe. II appartiendra tout ä l'heure ä M.
le Professeur Herbert Weichmann, ancien President du Gouverne-
ment de la Ville-Etat de Hambourg et du Bundesrat allemand de
vous exposer les differentes phases de Factivite du President Cassin
dans ce domaine, et l'importance de son ceuvre.
Je voudrais seulement vous rappeler quavant de rejoindre le
General de Gaulle ä Londres en 1940 et d'entreprendre ce magnifi-
que travail sur la Declaration des Droits de l'Homme qui lui a valu
le Prix Nobel de la Paix, le President Cassin avait dejä travaille
pendant plus de 20 ans au sein du monde combattant frangais, par-
ticulierement de TUnion Federale taut sur le plan national que sur
le plan international, et c'est ce travail qui determina Torientation
de son action contre la guerre et pour la Paix.
En 1914, il faut le rappeler, Rene Cassin avait ete mobilise dans
l'infanterie, blesse grievement, reforme en 1915, decore de la Legion
d'Honneur, de la Medaille Militaire, de la Croix de Guerre, il avait
connu ä la fois les miseres du fantassin et l'amitie nee dans les tran-
chees entre les hommes du front.
C'est pourquoi, des son retour ä la vie civile, il n'a pas hesite,
malgre la poursuite de ses etudes de droit, ä apporter ä ses camara-
des de combat Tappui de ses hautes connaissances juridiques et de
son intelligence, ce qui lui valut en 1922 d'etre elu President de
rUnion Federale.
Le Probleme de l'emploi des mutiles de guerre s'etant alors pose
sur le plan international, Cassin fut delegue par l'Union Federale
en 1921, 22, 23 pour prendre contact avec les Services du Bureau
International du Jraival dirige ä cette epoque ä Geneve par Albert
Thomas. Ce fut ainsi qu'en septembre 1921, et je tiens ä rappe-
ler cette date, l'Union Federale put organiser ä Geneve la premiere
reunion internationale d'anciens combattants a laquelle assistaient
d'une part des delegues des pays Allies, Anglais, Fran^ais, Italiens,
Polonais, d'autre part des delegues des pays ex-ennemis, Allemands,
Autrichiens, Bulgares.
Au cours de cette seance meniorable, le delegue allemand avait
declare: «Les mutiles allemands sont convaineus (lue la Paix durable
que tous desirent voir regner en Europe, n'est possible (jue si les
l)euples fran^ais et allemand arrivent de nouveau ä se comprendre
mutuellement en vue d'une Cooperation vraiment loyale.»
N*etait-ce pas la une des idees-forces de l'Europe unie qui de-
vait renaitre 25 ans plus tard, apres une nouvelle guerre, avec le plan
Scbuman. Cette idee, Cassin l'a ardemment defendue au cours de sa
carriere internationale qui venait justement de s'ouvrir ä Geneve
en 1921 et qui continua jusqu'en 1940 soit ä la Federation Inter-
alliee des anciens combattants soit ä la Conference Internationale
des Mutiles anciens combattants, soit aussi ä la Societe des Nations
oü il fut delegue des anciens combattants avec Leon Bourgeois,
Aristide Briand, Paul Boncour.
Cette idee elargie d'abord aux membres du Marche Commun,
nous l'avons reprise ä l'Union Federale et defendue apres la seconde
guerre mondiale selon l'esprit du plan Scbuman. Aujourd'hui devant
les difficultes qui surgissent chaciue jour lors des conversations entre
les grands qui n'aiment pas tous l'Europe, il faut bien s'en rendre
compte, il ne faudrait pas qu'il y ait un nouveau Yalta. Si l'on veut
que l'Europe joue dans la politique mondiale le röle qu'on attend
d'elle et qu'elle peut jouer en raison de sa puissance, il faut qu'elle
puisse former un bloc solide, uni, dote d'institutions supra-nationales
süffisantes et que chaque nation y entre avec un veritable esprit eu-
ropeen, et meme je dirais un esprit civitjue europeen, faisant com-
prendre ä tous que l'interet de l'Europe n'est pas toujours la somme
des interets nationaux des Etats qui la composent. C'est un domaine
oü les anciens combattants peuvent jouer un grand röle en y don-
nant l'exemple de l'union et de la foi dans l'avenir, ainsi nous contri-
buerons, tous, anciens combattants, selon l'expression employee par
les Amis de Robert Scbuman a forger cette Europe unie qui seule
pourra assurer aux hommes la prosperite. garantir aux peuples la
liberte et offrir au monde la Paix.
I
Blick in das Auditorium
Vue de rassistance
Maintenant je crois (ju'il appartient ä M. le Professeur Weichmann
de prendre ma place et de faire l'eloge de celui qui va recevoir la
Medaille Goethe.
8
Le Professeur Herbert Weiehmann
fait Feloge du Laureat
Avoir ete charge, Maitre Cassin, — avec votre accord — de
prendre la parole eii votre honneur et de faire aujourd'hui votre
eloge est tout d'abord un privilege qui m'honore moi-meme. Aussi
aimerais-je, pour commencer, remercier ceux qui m'ont juge digne
d'interpreter la maniere de penser, l'oeuvre et l'activite d'une per-
sonnalite qui a vecu l'histoire de trois generations, qui en a subi
les souffrances et qui a reussi en outre ä modeler l'Histoire.
En meme temps je me sens tres embarrasse devant la lache qui
m'incombe. Maitre Cassin, vous avez dejä ete comble d'houneurs et,
au summum, le prix supreme vous a ete decerne, celui (jui peut
etre acquis et merite dans le sens d'une societe humaine, le Prix
Nobel. Pour preparer mon allocution j'ai lu une quantite de ces
discours qui depuis votre installation ä la Vice-Presidence du Con-
seil d'Etat jusqu'ä aujourd'hui ont ete prononces, en diverses occa-
sions, pour exalter le travail du savant et du serviteur de l'Etat. du
juge, et de l'avocat de tous ceux qui vivent ä Tombre de la vie. Ces
discours soulignent en outre le rayonnement tres personnel que vous
exercez, l'esprit du collegue, et pourtant du chef, dans vos rapports
avec vos coUaborateurs, le zele qui anime le reformateur, associe au
sens des realites pratiques, votre sagesse eclairee et, en meme temps,
la concentration de vos efforts vers un but precis, de vos efforts in-
ebranlablement diriges vers le droit de l'homme dans toutes les
spheres de votre action. Comment pourrais-je donc, ä mon tour. four-
nir un complement ä votre biographie, ajouter encore des touches
de couleur ä un portrait aux traits si marques, ajouter quelque
chose qui, ä Foccasion de cette ceremonie, apporte ä un auditoire
aussi distingue, et au-delä ä Topinion publique, une note particu-
liere qui soit dans le sens du message que votre vie et votre oeuvre
nous ont livre?
Je vous prie donc, avant de commencer, de bien vouloir etre in-
dulgent et j'en demande pardon en meme temps ä ceux qui m'ecou-
tent.
11
Permettcmoi de rechercher cr«..e maniere tres persom.elle les
,„ar„ues .le volre destin ,,ui, au-dela de l'accent perso.inel, caracte-
risent tout de meine Thistoire de notre temps, votre enseignement
e, les täches -lue les hommes et les Etats ont toujours eneore a ac-
complir.
Nos chemins ne nous ont conduits qu'uiie seule fois, Maitre Gas-
sin, ä une rencontre directe. Vous etes President honoraire de In-
stitut International des Sciences Administratives et j'en suis Vice-
President, assumant la Presidence de la Section allemande de cet
Institut. Lors de la reunion de la Section fran^aise a Paris en 197^
jVus rhonneur et la joie de vous rencontrer et, nie trouvant a cote
de vous ä table, j^ai pu jouir de la vivacite de votre esprit. La ren-
contre helas! ne fut pas longue et sans aucun doute eile ne suffit pas
ä justifier le choix de Torateur d'aujourd'hui. Mais il y a autre chose
qui m'a pousse ä accepter la Suggestion de M. Toepfer, cjui a bien du
instinctivement s'en apercevoir et vous aussi peut-etre. Cest ceci:
Si je ne vous ai effectivement rencontre qu'une fois, je crois
quand meme pouvoir dire que nous avons parcouru bien des trajets
ensemble, trajets d'une vie semblable oü nous avons souffert et agi
d'une maniere semblable. De meme que sur une carte geographniue
les distances et les etapes sont visibles, de meme je crois que sur les
evenements que vous avez connus je suis en mesure de prelever les
espoirs et les deceptions, les souffrances et la resistance dont vous
avez fait preuve, les itineraires et les evasions d'une vie psychique
que je suis, par ma propre experience, ä meme d'eprouver et de re-
tracer ici en quelques traits. Ces experiences vecues meritent d'etre
rappelees parce qu'elles representent beaucoup plus que des destins
individuels, eile representent un fragment d'histoire pleine d'ensei-
gnement, ou plus exactement qui doit etre pleine d'enseignement, et
la source de ce message que vous avez inlassablement proclame et
qui possede, aujourd'hui eneore, toute sa valeur.
Vous appartenez depuis votre naissance, comme moi, Maitre
Cassin, ä une minorite religieuse dont le destin et les manieres de
penser ont ete marques par une histoire millenaire faite de souf-
frances et de persecution. Partout oü ont vecu et vivent des juifs,
bien qu'ils se soient toujours efforces de s'integrer au pays oü ils ont
grandi, jamais ils n'oublient les stigmates de leur bistoire qui s'est
12
f^
' >
L
Überreichung der Goethe-Goldmedaille an Maitre Cassin
durch Frau Toepfer in Anwesenheit von Bürgermeister Schaff
Remise de la Medaille d*or Goethe ä Maitre Cassin
par Madame Toepfer, en presence de M. le Maire Schaff
repetee si affreusement sous le Troisieme Reich et dans des propor-
tions inimaginables jusqu'alors. Nous avons Tun et Tautre sauve
nos vies, mais la douleur et le chagrin (|u'a causes la disparition des
membres de nos familles nous accompagneront jusqu'ä la fin de nos
jours, et, positivement parlant. devront etre un avertissement pour
la formation de la vie politicjue en general.
Nous soinmes aussi Tun et Tautre combattants de la Pre-
miere Guerre Mondiale oü la France et rAllemagne s'af-
fronterent en ennemis, en soi-disant ennemis hereditaires
meme. Et pourtant ici aussi, nous avons (piebjue chose en
commun. Dans les premiers jours d'aoüt 1914 j'ai couru me
mettre sous les drapeaux parce que j'estimais ne pas pouvoir rester
13
1
4
DIE SnFTUNG FVS- ZU HAMBURG H^*G7/LUF
EINSTIMMIGEN' BESCHLUSS IHRES «gTTFTUNGSRATES EüE
JOHAIsTN- V/OLFGANG-VON- GOETHE-MEDAILLE
IN GOLD
DEM I,ANGJAHBlGElSr PlV^IDETTTEISr DES
EUPOB^SCHEN" GEKfCHTSHDFS EUR MENSCHEISrKECHrE,
EHPENnPEASIDENTElSr DES CONSEIL D^ETTO:
EHKENVDRSrrZENDEN DES EIV^STZÖSISCHEISr KPIEGSTEILNEHMEPr
UND KKEEGSOPFEKyEKBANDES
Maitre RENE CASSIN
PARIS
TFAGER DES FRIEDENSlSrOBEIJPREISES IpÖö
2XJER[<AN]Srr
DIE STIFTUNG EHRT DAMTT EINEN UM GELTUNG
UND ENTWICKLUNG DES INTERN/OTIDNÄLEIsr KECHEES,
INSBESONDERE DER MENSCHENRECHTE,
HOCHVERDIENTEN GELEHRTER AKADEMISCHEN
LEHRER UND RICHTER, EINEN GROSSEN lATKECTEH
DER, SELBST SCHWER KRIEGSBESCHADIGT, SICH JAHP-
2EHNTEIANG FÜR DIE RECHTE VON KRIEQSTF.n .NEHMEKTg"
UND KREEGSHINTERBLIEBENEISr EINGESETZT HAT
ALS STREITER FÜR EUROPA SCHON AN DER SEITE
VON .AKLSnDE BPXAND UND ALS GRÜNDER DES
INTERNATONAT ,FN INSTITUTS FÜR MENSCHENRECHTE
I^ÜAT ER ZUM AUFBAU EINES FREEDUCHEN EUROPAS
GROSSMERZIG UND TATIQ^AFTTG BEIGETRAGEN.
DIESE URKUNDE IST AUSGESTELLT AM TAGE
DER FEIERLICHEN ÜBERGABE DER. GQLDMEEAILLE
S. ^ ('^<h-^
( PROrESSOl». Vr a ^ IVEIN )
VD1«.SXAND PEK STlFTUKa r V 3
:''||:c|m
■
1
''4
,.''\
rfyf^s,}}-
/ gromes. Vous ave. lu.te pour le „ays „ue le S ede des
^ L Revolution fran.aise avaient ,nar.,ue e ,.u ava. de^ .
U,,er,e republicaine e. den.ocra.u.ue, c es.-a^.rc g ^,^
„ue e. iuridi.,«e dont s'inspirera plus ta 1 ^^^l^ ^^ ^,,,,
Weimar et <,ui m'a amene a serv.r un Etat l'"- "^" ;.
se vouer ä la defense du droit et en part.cuher a celle de.
ses.
Espoir« et deceptiou. caracterisent cet.e >'^"'»';."";;;:i;;:X
rer la paix et dont la fin fut pourtant h.e» amere l"' — '"-^ '^ 'j
,rand Fran.ais „ui incarua „ne politi.,ue f-^»- <';";- f,^^:
voL avez pris part, ä Geneve men.e, aux travaux de la S«- y^«
Nation, olrectement ou indirecte.nent vous avez. e.. <.- "« J^^ «^
|e.ue de la France, mis votre taleut de jur.ste et vo. e autor.te
r le 1 Service de l'eu.eute et de la Cooperation en.rejes nat.o s
vous effor^an. dejä d'introdnirc dans le -«-""""'7"!' ';"; . ^
IL les relations en.re les Etats. Pidee des droits de 1 nuhv.du. A . „
„ildrl degr., mais .ga.en.ent dans le silla.e f ■- ^7;-fj-;:: ;;;
„alite, Celle de Stresemann. Minis.re alle.nand des ^f --^« "«J
res, j'ai re,u en „uali.e de fouctionnaire e, d'hon.n.e de «-f - ' "
Ministrc-Prcsiden, de Prusse, Otto «-»''", '""^'T 'ucoTcer-
droit de l'individu dans un do.naine spec.al dans celu, '>••-'«;
„ait le droit des minorites nationales en Pologne d nne part, et en
A 11 magne d'autre part, droit au.,uel les modifications terr^na -
conse.,uence de la gnerre, avaien, donne une grande -"< «' «J""
nous onnaitrc „ous avons du nous croiser a Geneve vers 1928 et
„uand ie Jette un coup d'<.il en arriere. ie ne peux „. ^"^J^
egretter personnellement que le jcnne fonct.onna.re <>.««««.
n-ait pas eu Poccasion de vous rencontrer en 1>— - J« "^ * "J
pu s-enrichir davantage de votre scienee, et de ce que vous por
tiez en vous.
Mais a„rait.ce pn etre, c'es, la question qu'il faut se r>o^"^j^^°;
spectivement, aurait-ce pu etre plus qu'une can.arader.e »P- -"-
Tres tö. deiä vous avez reconnu l'echec des eiforts «"'-pr.s et ou
avez iete Talarme. Les grands honunes d'Etat -nme B an< e
Stresemann nous ont quittes trop tot et apres la chute de la Repu
Mique de Weimar il nous a fallu ensevelir l'espo.r que »" -
sions d'un monde fonde sur l'ordrc moral et sur le dro.t de 1 nuhv.du.
L'ASSOCIATION DES AMIS DE ROBERT SCHÜMAN
ET
LA .STIFTUNG F.V.S. ZU HAMBURG«
conf£rent
LA
MEDAILLE EN ARGENT
ROBERT SCHUMAN
X
MONSIEUR
R..V. WAGNER
DE METZ
PRESIDENT REGIONAL DE L'UNION DES INVALIDES,
ANCIEN3 COMBATTANTS ET VICTIMES DE LA GUERRE.
CUEVALIER DE LA LEGION D'HONNEUR.
ANIMf DES PLUS NOBLES SENTIMENTS DE COEUR ET D'ESPRIT
N'A CESSf DEPUIS PLUS DE 50 ANS DE SE DEVOUER
INLASSADLEMENT AU SORT DE SES CAMARADES ET DE LEURS
FAMILLES; CONSCIENT DE LA NECESSITE DE SERVIR L'IDEAL
EUROPL^EN, OEUVRE AVEC SUCCtS ET SANS RELÄCHE EN FAVEUR
DE L'ENTENTE ET DE LA FRATERNIT^ DE TOUS LES ANCIENS
COMBATTANTS EÜROPEENS.
MONTIGNY.LfeSMETZ, LE 1er JUILLET 1973
L'ASSOCIATION DES AMIS
DE ROBERT SCHÜMAN
STIFTUNG F. V. S. ZU HAMBURG
y^^^.*^^ PRESIDENT/'
VORSITZENDER DES
STIFTUNGSRATES
16
1933 marnua le debu, d'un long calvaire, ä „ouveau parallele pour
vou et roi'ce fu. en France, ce f„t . Paris .ue .„a fem^e e^ »o.-
„eme trouvämes jus.,« en 1940 u„ refuge e, «„e P»«"!. ^ ^ 'J,;;^
jo„r.rhui n«e vous ave. jadis je.e l'alarn.e, ma.s - ■ eUM^.u"-
voix, ä tou. eomp.er, parn.i ..«elques au.res cpu surent "'«- ^ "
acte^en, le danger. En pareouran. la liste -P«---"!;. '^;:„*
• ^nit*.nt ramuleur de votre activite, J ai constaie
et travaux qui reiletent i ampicui y^^
nue vous aussi avez collabore ä la Revue "L'Europe Nouvelle Ce
?üt eene revue-lä qui d'abord sous la direetion de Pertinax, pu.s de
L „ loub iable li. Pierre Brossolette, .„'offrit ses colonnes pour
Ts ar^icles r.guliers dans le.p.els je pus laneer ^es avert.sse„.en^^
Puisque je sais ä quel poin. vous etes attache a la v, le de S^" ' °-«
„ü vLs L. contribue ä la fonda.ion de Plnstitu. '— ;'«-^'';
Droits de rHou,n.e, qu'U n.e soit per.is ^j:^^r';:ZZ
Jean Knittel, aneien redaeteur en chef des Dern.eres l>o
de Strasbourg". Une ami.ie profonde nous a lies ,„sq„ a sa »ort -
femme et moi, alors que nous etions eorrespondants -guhers d^^on
Journal. Puis-je evoquer egalement le „om <»« "">" ,"'"' '^ r"!
Grumbaeh. depute d-Alsace, dont l'esprit de sohdarUe ave s re
fugies allemands a redonne eourage ä eeux qu. sont <^^:''""^^J'2.
des. Ainsi avons-nons pu du n.oins faire entendre la vo.x d 1 eons
cience alors que nous partagions la meme inqu.e.ude, et , a, .c. na «
rellemen, le sentiment de .n'acquitter d'une de.te de — -^ ^
en faisant ressortir et revivre ce qui nous unissa.t sans <■«« no"Ue
saehions. Survivant de ce. episode historique fa.t de P-/' J/j;;
et de desespoir, je suis heureux de pouvoir a.ns, met.re 1 accent sur
l'honneur qui revient ä votre ligne de conduite et de v.e.
En 1940, apres l'invasion allemande, commence la per.ode <ie
rexil. Comme il aura l'air facile et anodi« cet exode quand, parlant
sans „eehancete, il y sera fai, allusion. eomme si es trams de a
gare voisine ou les ba.eaux du port voisin eta.ent la a «' - J^ ^
voyageur. Quelle fuite sur les routes semees de fug.t.fs e, que les
Ins allemands arrosaient dejä de leurs bon.bes! Quelle m.sere
amassee dans ce qu'on appelai, par euphemisme des centres d ac
cueil"! Quelle aventure et quelle lutte pour obten.r des pap.ers, des
visas et quelles angoisses pour .rouver un ba.eau et avo.r une place
ou passer la frontiere dans la nuit et le brouillard! Seulement oser
franchir les etapes de cette aventure exigeait du eourage et de
force; il en est tant qui ne reussirent pas.
II ne suffisait pas alors de risquer sa vie comme ä la guerre, ou le
fait d'etre un eleraent d'une grande communaute d'hommes vous raet
en mesure de combattre. Seule la force de caractere. la foi, le sent,-
ment de devoir resister en depit de toutes les circonstances host.les
pouvaient contribuer ä deployer l'energie necessaire pour fa.re
renoncer ä la vie <,u'on avait connue jus.,u'alors, et ä tout ce qu eile
prome.tait, pour faire accep.er le poin. zero de l'exis.ence et ensmte
de le depasser enrecommengant une vie toute nouvelle. comme unetre
sans ombre et sans racines, et de chercher sur un sei nouveau ou se
fixer et comment croitre. Je puis, partant de ma propre exper.ence,
revivre les etapes de votre exode. alors que. pour comble de mal-
heur, vous etiez abandonne par un gouvernemen. qui se refusa.t a
une resis.ance meme morale. Mais perme.tez ä quelqu un qu. a e„
la Chance de s'enfuir quelques mois plus tard. en novembre 1940.
de vous dire .,uel singulier rayon d'espoir ce fut pour nous au.res
la diaspora de l'autre AUemagne. que d'en.endre la v„,x du General
de Gaulle et de voir son atti.ude. Vous-meme, a cö.e de In., avez
ete un de ses compagnons de la premiere beure. Le des.in de 1 buma-
nite es, fai. d'innombrables des.ins individuels; permet.ez donc
„u'en cette beure solenneile un de ces individus, au nom de beau-
eoup d-autres, vous dise merci pour ce que vous avez fa.t, car au bou
du compte, cette fois, ce ne fut pas la decep.ion et le de-jo- ma.s
la victoire. une vic.oire oü il ne s'agissait pas seulement de la cau e
d'une nation, mais bei et bien du retablissemen, du dro.t e. de la
morale par-deU les fron.ieres qui separent les peuples.
Une nouvelle periode d'histoire suivi. la vic.oire. e. auss. de
nouvelles .äches pour ceux qui avaien. reussi ä sauver du chaos et
leur Corps et leur äme. On e„, d'abord limpress.on d une cesure
dans le temps. mais c'e.ai. bien plus. Les villes cer.es e. les orga,..sa.
tions sociales e.aien. detruites, il fallait eliminer la ..usere pbys.que,
la faim, creer des logements e, remedier ä la dure.e du sor, desrefu-
gies, mais il s'agissait aussi de .rouver «n debu. de co,.s...u,.on
d'e.ablir un nouveau droit et de trouver a remplacer le groupe de
direc.ion disparu. Vous. Mai.re Cassin. avez e.e de ces hommes de
la premiere heure qui se .„irent au Service de cet.e .ache-la. occu-
pan. bien.ö. une des plus hau.es fouc.ions d'Eta,. Celle de v.ce-Pre-
siden. du Conseil d'Eta,. fonc.ion ä laquelle vous avez su en reforma-
teur insuffler un nouveau dynanisme e. donner un nouveau con-
.e..u. La aussi je puis. en par.an. de ma propre experience. eprouver
19
18
i
ce que fut votre decision bien <,ue pour moi la question cl'un retour
dans le pays qui avait ä repondre de Auschwitz, de Trehlinka et de
bien d'autres mefaits, se presentät sous un jour encore plus ditti-
cultueux. Pourtant j'ai l'impression que nous avions les memes rai-
son«, qu'il s'agisse d'un retour en France ou d'un retour en Alle-
magne.Cetait le sentiment de la responsabilite morale, c etait 1 appel
d'un devoir moral, qui consistait ä ne pas refuser de contnbuer a
retablissement d'un nouvel ordre etatique sur la base de la republi-
que, de la democratie et du droit, dont les anciens representants
avaient en majorite succombe. victimes de la guerre et de la violence.
Mais en ce qui vous concerne permettez-moi de dire encore un
mot. Le rayonnement et rinfluence de votre pensee ne se sont pas
etendus seulement ä la France ou aux taches que vous avez assumees
dans les Conimissions internationales oü vous representiez votre
pays. Le postulat ethique, qui a determine vos pensees et vos actes
durant toute votre vie, patronna en quehjue sorte aussi la creation
de la nouvelle loi fondamentale (lue la nouvelle Repubhque t ede-
rale AUemande s'est donnee ä Bonn le 23 mai 1949 et dont l'article
I stipule:
(1) La dignite de rhomme est inviolable. Tont pouvoir d'Etat a le
devoir de la respecter et de la proteger.
(2) Le peuple allemand reconnait inviolables et inalienables les
droits de rhomme, base de toute communaute humaine, de la paix
et de la justice dans le monde.
La oü il est question du droit de l'homme on trouve le nom de
Rene Cassin. Ainsi ce prix allemand a aujourd'hui aussi sa justifi-
cation, une justification particuliere.
Mais il a encore une deuxieme racine. Par le nom Goethe se trouve
creee une association avec l'homme ([ui, ä la fois penseur et homme
d'Etat, sut reconnaitre les aspects humains de la Revolution fran-
^aise et promit la redemption ä "celui qui aspire toujours en s'effor-
qant'* „der immer strebend sich bemüht^. Toujours s^ef forcer en ten-
dant vers un but, c'est ä la verite la marque de votre personne, et
une autre raison qui legitime la remise justement de la Medaille
Goethe.
20
Permettez-moi de signaler que cette ceremonie a une troisieme
signification. Elle symbolise la suppression de l'inimitie hereditaire
entre nos deux pays et la reconciliation vraiment reussie de nos
peuples realisee par deux grands hommes dTtat, Adenauer et de
Gaulle, et qu'a continuee Willy Brandt. Prix T^obel corame vous.
Certes Toeuvre que vous avez accomplie, Maitre Cassin, est, comme
nos efforts ä tous, inachevee, dans un monde inacheve.
Je ne vais pas jus(iu-ä croire que Thomme reussira un jour a creer
un monde parfait ou qu'on puisse attendre un Messie ante portas.
Mais deux objectifs qui paraissent realisables, et ne relevent pa. de
l'utopie, n'ont pas ete atteints.
Un de ces objectifs est une Europe unie. qui ne soit pas seulement
un instrument ä des fins economicpies ou une sonime de nations re-
stant souveraines, mais une communaute d'hommes .lui malgre tout
ce qui les differencie sur le plan national, marques par une meme
civilisation et une meme conception de la civilisation. vivent dans un
meme Systeme juridique et social, qui f ait f i des f rontieres nationales
et possede au moins partiellemenl une souverainete propre. Meme
apres Telargissement de la Communaute europeenne cet objectif n a
pas ete atteint. 11 demeure donc une tache ä accomplir. Le gemus loci
qui repond au nom de Robert Schuman et Tesprit cosmopohte de
Goethe peuvent nous stimuler et nous aider ä faire un pas de plus
vers une Europe unie.
11 y a autre chose encore que Ton voit dans le paysage
spirituel: ce sont d'autres taches blanches ou meme des eruptions
dangereusement aigues. Nous n'avons pas encore partout cette com-
munaute et ces Constitution« dTtat oü la dignite de Ihomme est in-
violable et oü les droits inalienables sont reconnus. Et ceci ne s ap-
plique pas seulement aux Etats totalitaires. Meme dans les pays de-
mocrati<,ues, meme en France et en Republic.ue Federale nous nous
trouvons aujourd'hui devant une generation de jeunes qui. sans
avoir connu la souffrance ni re<^u l'enseignement de THistoire, s at-
tache ä des utopies ou des ideologies qui recelent des dangers pour
nos libertes et nos droits si cherement conquis (si jamais ces idees
devaient se realiser et prendre des formes aigues). Une confus.on
des esprits et une falsification des notions etablies se developpent
surtout parmi une minorite tres active d'intellectuels qui pretendent
21
que nos libertes democratiques ne sont que des libertes repressives,
veulent renverser le Systeme social de notre monde libre et mettre a
la place un avenir indefini, ou bien ils essaient de transformer la de-
mocratie parlementaire en uiie soi-disant democratie populaire, ou
de nouveau l'esprit de la dictature serait declare religion d'Etat et
ses fonctioiinaires etablis en un groupe qui dominerait. De paisibles
nations sont traitees d'imperialistes et les vrais politiciens du pou-
voir Portes aux nues comme des archanges de la paix. Que les signes
precurseurs soient rouges ou bruns cela revient au ineme. La chanson
dela realisation des droits del'homme,on la cbante faux aujourd'hui.
Partout aussi rode l'esprit de violence. L'affranchissement du colo-
nialisme n'a pas libere de la force, de la haine, de la violence les
peuples soi-disant liberes, la liberation du Systeme capitaliste a, dans
les pays totalitaires, pris la liberte de l'esprit ä ceux qu'on avait
delivres de ce fleau et, meme dans les Etats democratiques, chaque
jour apporte de nouveaux temoignages de violence contre des choses
ou contre des hommes.
Cest precisement pour cela que votre oeuvre, Maitre Cassin, non
seulement se trouve inachevee mais ä nouveau menacee. l^ est preci-
sement pour cela que votre oeuvre, et le modele que vous avez don-
ne, revetent une signification supra-lemporelle. II faut les revivifier,
il faut continuer avec cet elan et ce zele infatigable dont vous avez
donne la preuve. Qu'ainsi la gratitude que nous vous temoignons au-
jourd'hui soit aussi profession de foi et avertissement pour l'avenir!
Laudatio auf Maitre Rene Cassin
von Professor Dr. Herbert Weichmann, Hamburg
(Übersetzung)
Die Aufgabe erhalten .u haben - mit Ihrer Zustimmung Maitre
Cassin-, ^u Ihren Ehren heute und hier die Laudatio zu formuhere,.,
bedeutet zunüchst einmal eine Ehre für den V--a.enden se.b.^
So möge am Anfang meiner Ansprache der Dank J"'- ;<;»"•; f"/
«ürdig befunden .u sein, die Denkweise, das ^ erk und d,e ^n^k-
samkeit einer großen Persönli*keit zu vernnt.e In. <'--**-
von drei Generationen erlebt und erlitten und zudem (,eseh,cl,.e zu
formen vermocht hat.
Gleichzeitig befällt mich bei dieser Aufgabe auC eine große Ver-
legenheit. Sie, Mattre Cassin haben bereits e.ne Fülle von Ehrungen
erfahren und an der Spitze wohl den höchsten ^'^"-f^'^!"^^
einer humanen Gesellsel.aft erdient und verdient werden kann, den
Prix Nobel. I.*. habe, bei der Vorbereitung dieser Auspräge, e.ne
Fül jener Reden gelesen, die seit Ihrer Installation als V ..epras.-
Sr^tcUsC nsei.d-EltimDezemberl944bisin«nsere^Gegenwar he
verschiedenen Anlässen Ihre Arbeit als Gelehrter und D-- «J';-
tes. als Richter und Fürsprecher aller ''=""■''''' ^'^ ^''^^^ iZl
Lebens standen, gewürdigt haben. Ebenso haben d.ese Re^en Ihre
besondere persönliche Ausstrahlung, den ';<'"«^"''7 "■"•^;;*J^";.
renden Geist im Umgang mit Ihren Mitarbe,.ern. I»-;- -f°;; "
sdten Eifer, verbunden mit dem Sinn für '^'^ ^f'^^^^^^^
Ihre abgeklärte Weisheit und zugleich konzentr.erte ^-'^ ^f;«!;? ;
„nersd.ütterli.1. auf die Mens.i,enre.l,.e genutet, .n allen Ihr n ^ r
kungsbereichen zum Ausdruck gebracht. W.e also soll d, f ah^g se n,
Ihre Biographie zu ergänzen und einem geprägten B.ld -* Färb,
tupfer hinzuzufügen, dieser distinguierten -<i';'- "■>;• "'';; J
hinaus der weiteren Öffentlichkeit eine besondere Note be. der
heutigen Preisverleihung zu vermitteln. wel<i,e .m S.nne der Bo,
sehaft liegt, die Ihr Leben und Werk uns zu verkünden hat.
23
>2
So bitte ich von vornherein um Ihre Nachsicht und den Pardon
der Zuhörersdiaft.
Lassen Sie midi bitte den Merkmalen Ihres Geschicks auf eine
sehr persönliche Weise nachgehen, die gleichwohl über den persön-
lichen Akzent hinaus auch die Geschichte unserer Zeit, ihre Lehre und
die noch immer vor Menschen und Staaten liegende Aufgabe charak-
terisieren.
Auf unserer beider Lebensweg sind wir uns, Maitre Cassin, nur
einmal unmittelbar begegnet. Sie sind President honoraire de Tln-
stitut International des Sciences Administratives, und ich bin Vize-
präsident dieser Organisation wie Präsident ihrer deutschen Sektion.
Bei der Sitzung der französischen Section im Jahre 1972 in Paris
hatte ich die Ehre und Freude, Ihnen zu begegnen und auch als
Tischnachbar von der Regsamkeit Ihres Geistes zu profitieren. Aber
die Begegnung war, helas, nur kurz und sicherlich nicht ausreichend,
um midi für diese laudatio zu legitimieren. Aber es ist etwas anderes,
was mich ermutigte, der Anregung von Herrn Toepfer Folge zu
leisten, und er muß das wohl auch instinktiv gespürt haben. Ihnen
ist es vielleicht ebenso ergangen. Es ist dieses:
Wenn ich Ihnen auch nur einmal von Person zu Person begegnete,
so glaube ich dodi sagen zu dürfen, daß wir viele Strecken eines ge-
meinsamen Weges, eines gemeinsamen Lebens, Leidens und Wirkens
zurückgelegt haben. Wie auf einer Landkarte die geographischen Di-
stanzen und Stationen sichtbar sind, so glaube ich, Ihren Erlebnissen
die Hoffnungen und Enttäusdiungen, die Leiden und den Wider-
stand gegen sie, die Wege und Fluchtwege eines seelisdien Daseins
entnehmen zu können, das ich aus eigenem Erleben nachzuempfinden
und ein wenig hier nachzuzeichnen vermag. Diese Erlebnisse dürfen,
ja sollen sogar erinnert werden, weil sie keineswegs nur individuelle
Schicksale darstellen, sondern ein Stück lehrreicher oder genauer
lehrreidi sollender Geschidite sind und die Quelle jener Botschaft,
die Sie unablässig verkündet haben und die auch heute noch unver-
mindert Geltung besitzt.
Sie sind, wie idi, Maitre Cassin, als Angehöriger einer religiösen
Minderheit auf diese Welt gekommen, deren Sdiicksal und Denk-
weise durdi eine jahrtausendalte Geschidite des Leidens und der
Verfolgung geprägt worden ist. Wo immer Juden lebten und leben,
wie sehr audi immer sie sidi in das Land zu integrieren bemühten,
24
1
in dem sie aufwudisen, sie vergessen nie das Stigma ihrer Gesdiichte,
die sich im Dritten Reich so entsetzlich und in diesem Ausmaß bisher
unvorstellbar wiederholte. Wir sind persönlich mit dem Leben davon-
gekommen, aber Schmerz und Trauer um den Verlust unserer An-
gehörigen wird uns bis zum Ende unserer Tage begleiten und, in
positivem Sinn, Mahnung für die Gestaltung des politischen Lebens
sein.
Wir sind auch beide Teilnehmer des ersten Weltkrieges, in dem
sich Frankreich und Deutschland als Feinde, als sogenannte Erb-
feinde sogar, gegenüberstanden. Und doch sehe ich audi hier eine
Gemeinsamkeit zwischen uns. Ich eilte in den ersten Tagen des Au-
gust zu den Fahnen, weil es für mich galt, im Kampfe gegen das
zaristische Rußland, das Land der Progrome, nidit abseits zu stehen;
Sie foditen für das Land, das von der Periode der Aufklärung und
der Geschichte der Revolution geprägt seine republikanisdie und de-
mokratische Freiheit zu verteidigen halte, ein Staats- und Redits-
system also, das im Jahre 1919 auch die Republik von Weimar in-
spirierte und mich in den Dienst dieses Staates führte, der fortan
dem Recht und insbesondere auch den unterprivilegierten Menschen
dienen sollte.
Hoffnungen wie Enttäuschungen sind die Kennzeiciien dieser Pe-
riode, die den Frieden sidiern sollte und dodi so bitter endete. Im
Gefolge jenes großen Franzosen, in dem sidi eine aufriditige fran-
zösisdie Friedenspolitik verkörperte, nämlidi von Aristide Briand,
nahmen Sie an den Arbeiten am Sitze und im Sdioße der Societ^s des
Nations teil. Mittelbar oder unmittelbar haben Sie als Delegierter
Frankreidis Ihr juristisches Talent und Ihre inoralisdie Autorität In
den Dienst des Einvernehmens und der Zusammenarbeit zwisdien
den Nationen gestellt; dabei haben Sie sidi schon damals bemüht, in
einem völkerrechtlichen Text, eingebettet in die Beziehungen zwi-
schen den Staaten, die Idee der Mensdienredite zu verankern. In
einem besdieideneren Grade, aber gleidifalls im Gefolge einer großen
Persönlidikeit, des deutsdien Außenministers Stresemann. hatte idi als
Beamter und Vertrauensmann des Preußischen Ministerpräsidenten
Otto Braun den Auftrag, dem Redit des Individuums in einem spezi-
ellen Bereidi zu dienen, nämlidi im Bereich des respektiven Redits
der nationalen Minderheiten in Polen und in Deutsdiland. das durdi
die Gebietsveränderung in der Folge des Krieges besondere Aktuali-
tät gewonnen hatte. Ohne uns zu kennen, müssen sidi unsere Wege
25
■.i^^-'>.«s;.
in Genf um das Jahr 1928 herum gekreuzt haben, und ich muß es
rückblickend als einen persönlidien Verlust betrachten, daß der junge
Beamte von damals nicht Gelegenheit hatte, Ihnen auch persönlich
zu begegnen und von Ihrem Wissen und Können weitere Bereiche-
rung zu erhalten.
Hätte aber, so müssen wir rückblickend fragen, etwas mehr als
eine Kameradsdiaft im Geiste erreidit werden können? Sie haben
frühzeitig bereits den Fehlschlag der Bemühungen erkannt und Ihre
warnende Stimme erhoben. Die großen Staatsmänner wie Briand
und Stresemann sind zu frühzeitig von uns gegangen, und mit dem
Zusammenbruch der Republik von Weimar mußten wir die Hoff-
nung auf eine Welt der sittlichen Ordnung und des Rechts des Indivi-
duums zu Grabe tragen.
1933 begann die Periode eines langen Leidensganges, der wieder-
um für uns in paralleler Richtung verlief. Es war Frankreich, es war
Paris, in dem meine Frau und ich bis 1940 Zufludit und Heimat
fanden. Ich weiß heute, daß Sie damals Ihre warnende Stimme erho-
ben, aber es war, alles in allem, nur eine Stimme unter wenigen,
welche die Gefahr einzuschätzen wußte. Ich habe beim Nachlesen der
eindrucksvollen Liste der titres et travaux, welche die Fülle Ihrer
Arbeit widerspiegelt, festgestellt, daß auch Sie zeitweilig zu den
Mitarbeitern der Zeitschrift "L'Europe Nouvelle" gehörten, und es
war diese Zeitschrift, zuerst unter Pertinax und sodann unter Lei-
tung meines unvergeßlichen Freundes Pierre Brossolette, die mir
ihre Spalten für regelmäßige Beiträge öffnete, in denen ich auch
meine warnende Stimme erheben konnte.
Da ich weiß, wie sehr Sie der Stadt Straßburg verbunden sind, wo
Sie an der Gründung des Institut International des droits de Thomme
mitgewirkt haben, darf ich hier den Namen Jean Knittel in Erinne-
rung rufen, der in jener Zeit Chefredakteur der ''Dernieres Nouvel-
les de Strasbourg" war. Meine Frau und ich waren ihm bis zu seinem
Tode in herzlicher Freundschaft verbunden, die aus unserer regel-
mäßigen Mitarbeit an seiner Zeitung erwachsen war. Auch möchte
ich nicht verfehlen, hier meines Freundes Salomon Grumbach, des
damaligen elsässischen Depute, zu gedenken, der seine Verbunden-
heit mit den politischen Flüditlingen aus dem Deutschen Reich he-
kündete und dadurch den aus ihrem Vaterland Vertriebenen neuen
Mut gab.
So haben wir wenigstens auch der Stimme des Gewissens in ge-
meinsamer Besorgnis Ausdruck geben können, und es ist mir eine
selbstverständliche Pflicht der Dankbarkeit, wenn ich jetzt diese
unbekannte gemeinsame Verbundenheit hervorhebe und wieder-
belebe. Als ein Überbleibsel jenes geschichtlichen Abschnitts von
Furcht, Hoffnung und Verzweiflung bin ich glücklich, auf diese Weise
die ihren Lebensweg gebührende F^hre zu akzentuieren.
1940, nadi dem Einmarsch der Deutsdien, beginnt die Periode des
Exils. Wie glatt, wie unverfänglich nimmt sich auch in wohlmeinen-
den Reden der Hinweis auf diesen Exodus aus. als ol) die Züge im
nächsten Bahnhof oder das Schiff im nächsten Hafen nur auf den
Wanderer gewartet hätten. Welche Flucht auf den von Flüchtigen
besäten Landstraßen, über welche schon die deutschen Flugzeuge
ihre Bomben abwarfen, welches massierte Elend in den euphemistisdi
benannten centres d'accueil, welcher abenteuerliche Kampf um Pa-
piere und Visen, und welche Ängste um ein Schiff niul einen Platz
auf ihm oder bei der Uberquerung der Grenze in Nacht und Nebel
kennzeichnen die Etappen jenes Abenteuers, das sdion zu wagen
Mut und Kraft erfordert und das so viele nicht bestanden. Hier ge-
nügte nicht nur Gefahr für das eigene Leben, wie sie allgemein dem
Kriege zu eigen ist, in dem man als Glied einer großen Gemeinschaft
zu kämpfen in der Lage ist, hier vermochte nur Charakterstärke, der
Glaube, das Gefühl der Pflidit zum Widerstand allen feindlichen
Umständen zum Trotz jene Kraft zu entfalten, die im Stande war,
einem bisherigen Leben mit allen früher gegebenen Vorzeichen zu
entsagen, einen Nullpunkt des Daseins zu akzeptieren, um ihn dann
zu überwinden und ein völlig neues Leben zu beginnen, als Wesen
ohne Schatten oder ohne Wurzeln, um in einem neuen Boden Halt
und Wachstumsmöglichkeiten zu finden. Ich vermag aus eigenem Er-
leben die Etappen Ihres Exodus nachzuerleben, bei dem Sie nodi
dazu von einer Regierung verlassen waren, die sich dem audi nur mo-
ralischen Widerstand verschloß. Aber lassen Sie mich, dem erst einige
Monate später, im November 1940, die Fludit über die Pyrenäen
glückte, zum Ausdruck bringen, welcher einzigartige Lichtblick für
uns, die Diaspora des anderen Deutsdiland, die Stimme des an<leren
Frankreidi und insbesondere die Haltung des Generals de Gaulle
war. Sie, an seiner Seite, gehörten von der ersten Stunde an zu den
Männern um ihn. Da sidi das Sdiicksal der Menschen in unzähligen
Einzelschicksalen vollzieht, darf zu dieser Stunde ein solcher Einzel-
26
27
' -'■)■
und Moral über die Grenzen der Völker hinau. ging.
Nad. dem Sieg kam eine nene ges^iehtliAe Periode nnd dami.
eine neue Aufgabe zu den Menschen, denen es gelungen war, korper
LTund seeUsL den. Untergang zu entgehen. Das bort s..b^una*s.
wie die Feststellung einer zeitlidten Cäsnr an. aber es war we t mehn
E waren nicht nur die Städte und gesellschaftlichen L,nr,.b.ungen
zerstört, es war ni<bt nur die physische Not. Hunger. Wohnu..gs^
losigkeit und das harte Los der FlüAtlinge zu bese.t.gen, sondern
es galt auch, einen neuen konstitutionellen Anfang zu f-'^en, -n
neues Recht zu etablieren und Ersatz für eine uicb. n.ehr vorhandene
Führungsgruppe zu finden. Sie, Maitre Cassin. gehorten "• d«» M-»"
nern der ersle', Stunde, die siA für diese Aufgabe z..r Verfngu.^
stellten, und alsbald als Vicepresiden, des Conse.l d Etat e.nes der
höchsten Staatsärater bekleideten, dem Sie reformator.sch neue Dy-
namik und neuen Gehalt zu inspirieren vermoAlen. Auch hier ver-
mag id, Ihren Entsdiluß aus eigenem Erleben nacl.zuempfuulen
wenngleidi sich für miA die Frage na.1, einer Rückkehr in das Land,
das Ausdiwitz, Treblinka und andere Missetaten zu verantworten
hatte, nod. etwas sdiwieriger darstellte. Gleidtwohl. so me.ne .ch
war das Motiv gemeinsam, ob es sich nun um eine R"''^^kehr >.ach
Frankreich oder nach Deutsdiland handelte. Es war das Gefuh «ler
sittlichen Verantwortung, es war der Ruf einer moralisAen Pf .At,
sid. nidit der Mitwirkung einer neuen staatlitben Ordnung aut Her
Gnmdlage der Republik, der Demokratie und des Rechts zu ent-
ziehen, deren frühere Vertreter in der Mehrzahl zu Opfern des Krie-
ges oder der Gewalt geworden waren.
Aber von Ihnen besonders lassen Sie miA noch sagen: Die Aus-
strahlung und Wirkung Ihres Denkens erstreckte sieb nidit nur auf
Frankreich oder auf Aufgaben als Vertreter Ihres Landes in inter-
nationalen Gremien. Das ethische Postulat, das Ihr Denken und
Handeln Ihr ganze.s Leben hindurdi bestimmte, stand auch bei der
Schaffung des neuen Grundgesetzes Pate, das sich die neue Deutsdie
Bundesrepublik am 23. Mai 1949 in Bonn gab und in dessen Artikel
1 es heißt:
,1) Die Würde des Menschen is, unantastbar. Sie zu achten und
.diUtzen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsdie Volk bekennt sid. J""';- ^ ^-^ ^isl len
sehe Preis seine besondere Legitimierung.
Er hat aber nod. eine zweite Wurzel. Mit '•- ^-^ ^ ^l der
bunden, wird damit die Assoziation zu ^-- 'X;.. . .,, „„„„„en
.leichzeitig ein Denker und ^^^^-^ZI"'!^ .neu. Mensdien
Aspekte der f— ;*'=",;•';: ".„ebend sich bemühf. Immer
die Erlösung versprach, „der mn M„k,„al Ihres Vvesens
drehend sidi zu bemühen, das ist urw h d Me^^^_^ __ _^ ^^^^_,^ ^,^^
und eine weitere legitime Grundlage tur
Goethe-Medaille. . ^.^^^ p^^.^^,„.
Lassen Sie mi<h hier aber -*;''"'"'^'^,,,i,,„,. „ämlich die Be-
leibung wohl noch ein DritUS ;"'" f " ."^^^ . .„.,eren Ländern
seitigung der bistorisAen Ff '-"' *;„;;; Völker, von den bei-
und die wirklich geglückte y--»""" f ' ' ;Ganlle zus.andegchradi.
den grolJenStaatsmännern Adenauer und deOa
„,/vo„ Will. Brandt. ------ -;,.... L„.„. ... wie
Das Werk freiliA. Maitre C--' ;; f ;^^.„,,,,,ae.en ^ elt. Nun
unser aller Bemühen, unvollendet, in el e ^^_^^^^ _ .^_^^,^
habe iA niAt die Illusion zu ^'^ '-• '; f^,. „.,„ ,Uß ein Messias
gelingen wird, eine vollendete Welt zu sAfr^^^ ^.^ ^^^^ ^^. ^„^^
ante portas zu erwarten wäre. Abe ,i„d „.At er-
NüA.ernhei, des Geistes als erreiAbar er. A
reiAt worden. ökonomi-
Das eine Ziel ist ein vereintes ^"X;:»::^ ^Meibender Na-
sAes ZweAinstrument oder eine ^^; ";;;;-^,.,^,,.. die bei aller
Uonen ist, sondern eine G«-"'-*;' ^.„„ ..„einsamen Kultnrge-
na.ioualer Differenzierung doA ^<" " . %„j, ;„ einem gemein-
sAiAtc und Kulturauffassung ^^"fJ'X,^ j,, die nationalen
samen ReAts- und Gesel.sAaftssystein lebe",^^^^^^^^ ^^^.^^^^__^_
Grenzen überspring, und eine ihm e^ge ^ ,^^^ ,^^ j^^es Ziel
uaA der Erweiterung der LuropaisAen
29
28
■'."i';*'|
7' iC-;
nKh, erreich, worden - und also eine Aufgabe, die noA .« erful en
", Seh stark, wenn nicht vielleicht entsAeideud, w.rd h.erhe. der
S Amssel in der Haltung Frankrei^s liegen. Der genius loc. .„. e^^^
Namen Rober, Sehuman angesprochen, und der kosmopol. .sehe
Geist Goethes mögen uns anspornen, den. Ziel eines vere.nten Luro-
pa erneut näher zu kommen.
Ein weiterer Umstand läßt uns nod. andere weiße Flecken ocler
sogar akut gefährliche Eruptionen in der geistigen Landsc*.aft erke^
„el Wir haben noch nicht überall jene Gemeinschaft und ne
Staatsverfassung, in denen die Würde des Mensche,, unverletzthd.
ist und die unveräußerlichen Menschenredite anerkannt sind. Uas
gilt nicht nur für die totalitären Staaten. Aud. in den demokratischen
Ländern, aud. in Frankreich und der Bundesrepublik stehen w.r
heute einer jungen Generation gegenüber, die nicht vom Leid ge-
prägt, nicht von der Geschichte belehrt, Utopien oder Ideolog en
anhängt, die Gefahren für unsere so leidvoll erkämpften Freiheiten
und Redite in sidi bergen, wenn je das Stadium der Verwirklichung
dieser Vorstellungen akute Formen annehmen sollte. Eine geistige
Verwirrung und eine geistige Verfälschung von Begriffen breitet sich
besonders unter einer sehr aktiven Minorität von Intellektuellen aus,
weldie unsere demokratischen Freiheiten als repressive Freiheiten
verstehen, das gesellschaftliche System unserer freien Welt um-
stürzen und an seine Stelle eine Undefinierte Zukunft setzen wollen,
— oder die parlamentarische Demokratie in eine sogenannte Volks-
demokratie umzufunktionieren trachten, in der erneut nur der
Geist der Diktatur zur Staatsreligion erklärt und ihre Funktionare
als eine herrschende Gruppe etabliert werden würden. Friedlidie
Nationen werden als Imperialisten diffamiert und wirkliche Madit-
politiker als Friedensengel glorifiziert. Ob mit rotem oder braunem
Vorzeichen, es kommt auf dasselbe heraus. Das Lied von derVerwirk-
lidmng derMensdienredite wird heute mit falsdien Noten gesungen.
Und audi sonst in der Welt geht der Geist der Gewalt wieder um.
Die Befreiung vom Kolonialismus hat die befreiten Völker nidit
vor Macht und Haß und Gewalt untereinander befreit, die Befrei-
ung vom kapitalistisdien System hat in den totalitären Staaten den
von dieser Geißel befreiten Mensdien die geistige Freiheit genom-
men, und audi in den demokratischen Staaten bringt jeder Tag neue
Zeugnisse von Gewalt gegen Sadien oder Menschen.
Eben darum is, Ihr Werk, Maitre Cassin n... m -<'-
.ondern erneut bedroht. Eben «>-- J^"'- f / ' . ,,, Bedeu-
und dem Vorbild, das Sie f -;^« '■'''*^";ß^":, ' fuhr, werden mit
,„„, .u. Es muß neu ver ebend.gt, es muß oMge ^ __^ ^^__ ^^^
jenem Elan und »"— "f '*«- .^^; ; ^ D„.Ubarkel,. die wir
.piel gegeben haben. In -^*-^;; ^^fund Mahnung für die Zu-
Ihnen beute bezeugen, auch Bekenntn
kunft.
31
30
'I'
I
j
Reponse de Monsieur Rene Cassin
Monsieur le Fondateur, Monsieur le President, Monsieur le ßourg-
mestre, Mesdames, Messieurs et Chers Camarades,
A Tissue de cette ceremonie ([ui m'a profondenient touche. vous
permettrez au reeipiendaire de la Medaille Goethe de remercier ceux
qui me Font decernee, ainsi que Teminent Professeur ^ eichmami
(jui a fait mon eloge.
Le jour oü riionneur m'a ete fait de recevoir le Prix Nobel de la
Paix. j'ai eu conscience d'etre le representant de tous les hommes
de droit et de paix doiit Teffort, concerte avec le mien. a perrais
d'avancer un peu sur la longue route des Droits de rHomme.
Aujourd'hui, nies sentinients sont differents. Nous somnies sur
une terre qui, depuis des siecles, a ete le siege de disputes luunaines.
tont pres de la tonibe d'un homnie ({ui a tenu a employer sa vie. ä re-
concilier entre eux les Lorrains et leurs voisins, les pays de ITurope
Occidentale, Robert Schuman, qui etait justement Ministre des Affai-
res Etrangeres de France a ce moment-la. Avec une ecjuipe de Fran-
qais de toutes opinions politi(pies et de toutes origines, nous avons
prepare et vote la Declaration Universelle des Droits de THomme.
Bien que TEtat allemand ne fnt pas encore niembre des Nations-
Unies, ce qui va arriver incessamment. j'ai tenu a la tribune le 10 de-
cembre 1948 ä proclamer (|ue les honimes alleniands etaient de plein
droit compris dans les beneficiaires de la Declaration. sur le meine
pied que les membres de tous les aütres peuples.
Mais nous somnies reunis ici sous les auspice d'un autre grand
homme que Robert Schuman. Je veux parier de Goethe lui-meme,
dont la medaiUe domine de haut tous les facteurs de cette journee.
Aucune rencontre ne pouvait etre plus symboli(iue et plus saisis-
sante que celle-lä. Goethe qui vivait au dehnt du XIXe siecle a ete un
modele incomparable pour les hommes d'elite de tous les temps,
Lorsque le 2 octobre 1808, il rencontra rEmpereur Napoleon, il
lui parla en homme de paix, saus temoigner aucune haine pour la
S3
t
France. Andre Suarez a dit que Goethe a ete le grand conciliateur
entre le monde germanique et la France.
Mais il a eu un autre merite: sur le champ de bataille de Valmy en
1792, il a discerne que la Revolution Francaise etait le point dedepart
d'un monde nouveau. (pie desormais ä cote des princes. des conduc-
teurs de nation. de Telite. il faudrait faire une place aux uidividus
de la masse. ä rhomme du commun. (lue celui-ci aurait desormais des
droits et des responsahilites. <iu il aurait aussi sa part dans le gou-
vernement de son pays. Goethe a donc compris ä Tavance le monde
moderne.
Et nous pouvons, nous devons mainlenanl confronter. comme an-
ciens comhattants de deux guerres, ce monde ancien (pii ne veut pas
mourir. oü les conducteurs ont par tradition ou foUe amhition lance
leurs masses dans des guerres meurtrieres, et ce que doit etre le
monde moderne oü les citoyens responsahles ont leur mot h dire, sur
le sort des leurs et de leurs semhlahles des autres peuples.
Inculquer ä ces citoyens le sens de ces responsahilites pour main-
tenir la paix, voilä donc le premier devoir des hommes d'elite, ca-
pahles d'examiner les choses sans demagogie. avec le sens de leurs
vrais devoirs vis-ä-vis de leur patrie et de Thumanite.
Ces devoirs, les chefs anciens comhattants ont es^aye de les rem-
plir en France et en AUemagne, des la fin de la premiere guerre. En
1921, ainsi que le President Gerard Pierret Ta rappele, j'ai eu Thon-
neur de rencontrer, comme Vice-President de TUnion Federale des
Anciens Comhattants frangais ä Geneve au Bureau International du
Travail sous les auspices d'Alhert Thomas, les representants du
Reichshund, et ceux de prescjue tous les Anciens Comhattants de
l'Europe Occidentale et Centrale. Ce jour-la a ete un point de depart.
Un peu plus tard, nous avons fonde la Conference Internationale des
Associations deMutiles Anciens Comhattants. En verite, on peut l'af-
firmer hautement en face des scepti(|ue8 et des negatifs, ces groupe-
ments ont soutenu de tont leur ca'ur, les efforts pour la paix des
Rriand. des Stresemann, des Austin Chand)erlain evo([ues tont ä
rheure par le Dr. Weichmann. Si le monstre de la guerre est revenu
sur la terre, c'est le fait de conducteurs demagogues de foules en-
flammees et contre le gre des citoyens <pn avaient deja connu les
horreurs de la guerre.
34
"^
Depuis 194.'^. sur les ruines de TEurope. de nouvelles formation«
d'anciens comhattants ont recommence ä travailler pour la paix. Ici
meme mon ami Gerard Pierret preside. Cest lui (lui. apre, avo.r
fait deux fois la guerre. a preside plus de 15 ans le Conseil General
de la Federation Mondiale des Anciens Comhattants.
Mais ce vaste effort general n'est pas süffisant.
Je tiens ici ä saluer les rencontres fre(pientes organisees plus spe-
cialement entre anciens comhattants franrais y compris les Lorrains
et les Alsaciens et les groupements de l'autre cote. les V. D. K. nora-
hreux et actifs. et notre ancien et fidele Reichshund.
Cependant, il faut (|ue les rencontres aient un sens. II faut au
moins qu'en dehors des contacts directs et amicaux. dies tendent a
former la jeunesse, les enfants des comhattants dans une education
d'entente et meme plus, dans le respect des patries respect.ves et
dans le respect des droits et devoirs de rilomme. Tel est le hut de
rinstitut International que j'ai fonde ä Strashourg en 1969 et dont
le succes serait encore plus grand si j'avais plus de moyens.
J'ai touche ici un point sensihle. Les anciens comhattants. san^
jouer aux moniteurs de morale doivent dans la cite. exercer «ne ,n-
fluence sur la cite tout entiere, c'est-ä-dire prendre de I autorite.
mais avec eux aussi ceux qui n'ont pas comhaltu ä cause de leur age.
et particulierement les jeunes de tout rang social.
Les Droits de FHomme avaient ete inscrits comme principe poli-
tique par la revolution fran.aise et par la suite dans un tres gran,
nomhre de pays du monde. Mais c'est leur violation massive avant
et pendant la deuxieme guerre. ce sont les massacres et persecutions
inaugures en 1933 en AUemagne c,ui ont provoque 1 mscrq>t.on de
ces principes dans la Charte des Nations-Dnies.
Mais les droits de THomme interessent tous les peuples. notam-
ment ceux de caractere colonial (,ui se sont emancipes recemment.
Mais alors que les individus avaient ete souvent exploites et qu une
Convention internationale veille specialement ä leur protection un
autre danger se presente, c'est qu'au nom du patriotisme les btat.
en voie de developpement ne demandent trop a leur tour a leurs
memhres et ne violent leurs droits elementaires individuels. Cette
35
.-iji^.
%0m
evolution des droits de l'Homme ä proteger tantöt contre les ex-
ploiteurs et tantöt contre nn Etat tyranni(iue est la grande preoccu-
pation de l'heure pour les sociologues.
Ce n'est pas tont encore. II faut exercer, par les representants
eins, une surveillance constante, sur la maniere dont sont gerees les
affaires etrangeres.
Sans doiite, etre ancien combattant n'est pas, par lä nieme. etre
un technicien des affaires etrangeres. Quelcjues-uns cependant peu-
vent le devenir et le montrer.
Au lendemain des guerres, les dirigeants et administrateurs des
differents pays sont obliges nioralement de snjjporter (lue les cito-
yens s'occupent des suites immediates de la guerre et proposent des
declarations de principe pacifique.
Mais au bout de (pielques temps, la routine reprend ses droits,
les citoyens reviennent ä leurs affaires et s'occupent nioins des rela-
tions internationales.
Bientot on considere dans les bureaux des cbancelleries comme
des intrus, ceux qui posent des questions. Le berger que la guerre ap-
pelle, au fond des alpages, vient-il en ville pour demander ce qu on
fait de la jiaix? On lui ferme la porte au nez en lui disant qu'il veut
s'occuper de questions qui ne le regardent pas. De ces questions on
fait des secrets, inaccessibles aux homnies du conimun dont le seul
droit est celui de se faire tuer.
Eh bien, non. On ne peut tolerer cela. Les citoyens ont le droit
et le devoir de s'inquieter ä bon escient. Dans une deinocratie ordon-
nee, ils doivent exiger que leurs representants aux Assemblees politi-
ques, non seulement provoquent de temps ä autre de grands debats
qui comportent de la part des gouvernants des conipte-rendus veri-
fiables.Ils doivent, comme en Angleterre, cela se fait, profiter de leurs
prerogatives pour questioniier les dirigeants chacpie semaine sur
les evenements recents, ceux sur lesquels on peut avoir une cer-
taine prise, afin de montrer sa vigilance d'une part, d'eviter d'autre
part des faits accomplis emanant de gens interesses ä teile ou teile
attitude qui peut mener ä des litiges. et meme ä des conflits par-
fois irreductibles. Ce droit de question existe dans plusieurs pays,
mais lorsque certains l'exercent, 11 est deplorable de constater le
desinteressement de beaucoup d'autres qui manquent la ä leur de-
voir le plus sacre et les autorites profitent de cette indifference.
C'est ä nos hommes qu incombe le devoir de prevenir les parle-
mentaires qui ne fönt pas le leur et qui manquent gravement ä Tun
des Clements fondamentaux de la democratie.
II n'y a pas de meilleur remede preventif que la vigilance des ci-
toyens, la surveillance frequente. quotidienne de leur part. C'est
cela le civisme qui peut empecber mainte grande et terrible surpnse
au detriment de la liberte et de la paix.
Vigilance et civisme sont aussi les remedes les plus efficaces contre
les dangers emanant de l'abus des libertes civiques par des mmontes
intolerantes, des dangers dont le professeur Weiclunann yient de
parier et qui - eux aussi - menacent le libre exercice des droits m-
dividuels.
Je souhaite que la ceremonie cranjour.l'hui. la remise de la Me-
daille Goethe ä un ancien coml.a.taut de deux guerres n.ond,ale»
revete aux yeux de tous. un caractere simple et construet.f. (e do.t
etre une manifestatiou commune des geuerations qn, out fa.t ces
guerres, avertir les hommes politiques et les dir.geauts de
tous les pavs, qu'ils eutcndent travailler A la Paix generale et exercer
leurs devoi'rs de citoyens avec vigilance. afiu que chacun respectan.
la patrie de l'autre, les causes inevitahles de desaccord creees
par la vie, soient traitees dans un esprit pacifique.
Que l'esprit de Goethe inspire lougtemps tous uos actes entre Frau-
?ais et Allemands!
Ich wünsche, daß der Geist von Goethe in den französisch-deut-
schen Beziehungen herrscht in der Gegenwart wie in der Zukunft.
Qu'il me soit permis en terminant de remercier une derniere fois le
President et les Amis de Robert Schuman pour avoir perm.s c,up la
remise de la Medaille Goethe ait Heu ä Montigny-les-Metz non lo.n
de ce Heu sacre que constitue la Maison de Robert bchuman.
37
36
Schlußwort von Dr. h. c. Alfred Toepfer
1
'^'
M. Alfred Toepfer, President de la Fondation F.V.S. de Hambourg,
conclut en ces termes:
Kameraden zweier Weltkriege!
Camarades de deux guerres mondiales!
C'est pour rendre les honneurs ä un vieiix soldat. au tres respec-
table President Honoraire de la Cour Europeenue des Droits de
rHomme, que nons nous sommes reunis aujourd'hui. Nous avons
ecoute avec beaueoup d'attention etd'emotiou les allocutions detrois
personnalites (lui, toutes les trois, ont counu THistoire de cette Eu-
rope et en ont souffert.
A deux reprises les jeunes d'Europe ont ete appeles avec nous
sous les drapeaux. Tons ont repondu pour acconiplir un devoir (lu.
allait de soi, souvent avec un enthousiasme sincere. par pur devoue-
ment envers la Patrie et ceci durant des annees pleines de privations
et de souffrances.
Je n'ai pas besoin d'evoquer ä nouveau devant vous les chaufje-
ments successifs de destin qu'apporterent les guerres avec I angoissc
des jours, des nuits ou des semaines de batailles ou de bonibarde-
ments. Des miUions d'entre nous sont revenus portant les n.arques
de leurs blessures ou de leurs maladies. Des millions de nos cama-
rades sont morts. Des millions de meres, de fiancees et d enfants ont
perdu leurs affections. Des villes et des villages. qui const.tuaient
notre vieux et noble patrimoine europeen. sont tombes en cendres.
Jamals dans l'Histoire ne furent consentis de plus grands sacritices.
Jamals on ne vit courage plus exemplaire accompli par des hommes
et des femmes au service d'une communaute, au service d une idee.
ndee de la Nation. Jamals, on ne vit plus grand renoncement n.
plus grand devouement acceptes volontairement.
Avoir connu ces deux guerres mondiales nous a. nous autres vieux
soldats, profondement marques. Lors(,ue nous nous sommes retrou-
ves pour la premiere fois devant nos anciens adversaires. nous nou.
39
m
»ommes regarcJe* les uns. les autrei.. le* yeux dans le? yeux. san? rien
dire. graveinent et nou» interrogeant.
Ce que uous avons mauife^tement fini par gagner ä ce? graude?
guerre* fratricide», ce»t que no? farouche? adversaire? d hier ?out
(\*i\fiuuh de francfe camarades.
Mair?. lefe maux et le» «ouffrance* «lu'oiit cau*es ce* grandes guer-
r< -. hrülent eneore dan« no& coeur*. De* milliou? de croix *ileucieu-
ses en i.urojj».- et <|ui se dre^&ent ei» toute «implicite *ur les tomhe?
des boldati». demeurent pour nou- un averti**enient peniianeiit. com-
me pour nos enfantg et nos petits-enfants. c|ue nous voyons aujourd
hui representes iri j)armi nou- avec leur« chorales.
Apres tant de •^acrifice-. de *ouffrance« et de de*truction?. com-
ment ne serions-nous pas haute» par la que-tion de notre re«ponsa-
Ijilite, teile de notre mission et aussi, celle du sens de THistoire?
Quelle Lurope avons-nous trouvee autrefois?
Quelle Lurope avons-nous laissee derriere nous?
Que signifie pour la jeunesse d'aujourd'hui l'idee de nations inde-
pendantes, moyennes ou petites? Cette idee pour la(juelle nou» nous
sonimes hattus autrefois jusqu'au dernier? Apres toutes ces catastro-
phe». toutes les experiences que nous avons faites et l'evolution ge-
nerale, pouvons-nous continuer ä aspirer ä l'independance et ä la
grandeur dans le cadre limite des Etats, alors que les possibilites de
conflits nous sont connues. ou hien, la Solution ne doit-elle pas etre
le plus d'unite possible par Tassociation de tous? .
Cette terre de Lorraine, amicale et pai>il)!e. a ete le theätre d'une
quantite de conflits entre les Fran^ais et les Alleniands. Tout au-
tour de nous, nous en voyons les Souvenirs. Mais, apres un ultime
combat, cette terre de Lorraine a offert ä TEurope un de ses plus
grands fils, porteur de la plus vaste Sympathie humaine: Robert
Schuman.
Und jetzt gestatten Sie mir, bitte, weiter auf deutsch zu sprechen.
Robert Sriiuman hat DeutstJie und Franzosen erfolgreich auf den
Weg gest4iichtliclier Aussöhnung geführt und danach den Europäern
das Tour zur europäischen Einheit aufgestoßen. Das war sein staats-
niännisc-hes Werk, sein Vermäditnis an uns, an die Jugend I Es harrt
der umfassenden friedlidien Erfüllung in Freiheit, sozialer Gerecli-
tigkeit und Bindung.
Wir alten Soldaten vieler Länder sind einst in jugendlichem
Schwung selbstlos für die Idee der Nation angetreten.
Die Jugend von heute und morgen ist aufgerufen, sicli in gleit4ier
Selbstlosigkeit. Kameradsdiaft und Einsatzfreudigkeit im friedlidien
Wetteifer einem größeren Ideal zu stellen: der euro|)äis('lien Einheit
als sichere Grundlage für die freie Entfaltung der vielen \ ölker
und Kulturen des Erdteils und damit für den mensdilidien Eort-
sdiritt und eine neue Hodiblüte europäisdier Kultur und Zivilisa-
tion.
So mögen die unendlidien Opfer. Leiden uiul Zerstörungen, die
wir erlebten, vielleidit nodi eine späte Reditfertigung vor der Ge-
sdiidite finden.
Die Hamburger Stiftung hat soeben eine der würdigsten und zu-
gleich leidgeprüften und hodigestellten Persönlidikeiten unserer al-
ten Generation geehrt, einen Mann, der ungebeugt und unverzagt
nach den Weltkriegen als großer Humanist weiterkänipfte für die
allgemeinen Mensdienredite.
Die Stiftung möchte bei dieser Gelegenheit zugleidi einen der um
die ehemaligen Frontkämpfer und Kriegsopfer besonders verdien-
ten sdiliditen alten Soldaten ehren.
Die Stiftung F.V.S. zu Hamburg verleiht daher gemeinsam mit der
Association des Amis de Robert Schuman Ihnen, Herr
Wagner aus Metz, die Robert Schuman-Medaille.
Wir anerkennen damit Ihren selbstlosen, opferreichen Einsatz im
ersten Weltkrieg und Ihr unermüdlidies Eintreten, über Jahrzehnte
hinweg bis auf den heutigen Tag. für Ihre alten Kameratlen aus
Elsaß und Lothringen.
Sie, lieber und verehrter Herr Wagner, geben durch Ihr Leben
un<l Wirken, wie Maitre Rene Cassin, unseren Kindern und Enkeln
ein leu(4itendes und, wie idi glaube, verpfliditendes Beispiel.
In dieser Zuversicht senken wir im Geiste die Fahnen und ge-
denken der toten Kameraden, ihrer Mütter. Witwen und Vt aisen.
40
41
(T'
z'
Vt'4
'S»--
I
Montag, S.Februar 1973 - Nr. 30 - DIE WELT
REPORTAGE
Altbürgermeister Herbert Weichmann würdigt seinen verstorbenen Kollegen Max Brauer
Schöpferisch,
ungeduldig und
kompromißlos
Max Brauer, der am 2. Februar im
Alter von 85 Jahren starb, mußte vor
40 Jahren Deutschland verlassen.
Nach seiner Rückkehr aus der Emi-
gration war er von 1946 bis 1953 und
von 1957 bis 1960 Erster Bürgermei-
ster der Freien und Hansestadt
Hamburg. Herbert Weichmann stand
von 1965 bis 1971 an der Spitze der
Hansestadt.
Max Brauers Verdienste und Lei-
stungen sind bekannt oder gerade zur
Stunde seines Heimganges wieder aus-
führlich ins Gedächtnis gerufen worden.
Trotzdem: einer andern Zeit und Gene-
ration muß jenes zusätzliche Element
des Verstehens fehlen, mit dem ein
Weggenosse aus eigenem Erleben das
Wesen und die Ausstrahlung, das Be-
dingte und Unbedingte, das zeitlich Ge-
bundene oder das zeitlich Unbeschränk-
te seines Wirkens erfühlen konnte.
In den Jahren der Weimarer Republik
standen zwei Persönlichkeiten für mich
sozusagen als Prototypen jener politi-
schen Persönlichkeiten im Vordergrund,
die berufen waren, der mit dem Ende
des Kaiserreiches begonnenen neuen
Zeit ihre Akzente zu geben.
Die eine Persönlichkeit war Otto
Braun, der bereits gereifte und in vielen
politischen Schlachten geprägte Staats-
mann, der in seinem Leben die lange
und leidvolle Geschichte der Arbeiter-
Herbert Weichmann
Foto: Fritz Kempe
klasse und der sozialdemokratischen
Bewegung verkörperte und mit tiefem
Verantwortungsgefühl, aber nicht mehr
mit tiefer Gläubigkeit, sondern eher
skeptisch desillusioniert seiner Pflicht
nachging.
Die andere Persönlichkeit war eben
Max Brauer. Kein Veteran der Ar-
beiterbewegung, sondern sozusagen
noch ihr Kind, kein Politiker mit der
Aureole der Abgeklärtheit, sondern ein
brennendes Temperament, mit keiner
durch eine lange politische Vergangen-
heit geprägten Laufbahn, sondern ganz
mit einem auf die Prägung der Zukunft
ausgerichteten Impuls, gläubig und op-
timistisch. Alles war jung an ihm: mit 16
Jahren der SPD beigetreten, mit 32
Jahren Stadtkämmerer und Bürgermei-
ster von Altona, mit 36 Jahren Ober-
bürgermeister und Mitglied des Preußi-
schen Staatsrats, dem Adenauer damals
präsidierte, und jüngster Kommunalpo-
litiker im Deutschen Städtetag. So in-
karnierte Max Brauer für uns jüngere
Lehrlinge des Staatshandwerks die
Hoffnung, daß es einer neuen Genera-
tion gelingen möge, eine neue Zeit her-
beizuführen".
Ich weiß nicht, ob zu jener Zeit schon
der Begriff der Profilneurose bestand.
In jedem Falle, Max Brauer hatte keine
Profilneurose, aber er hatte Profil. Er
hatte es, gleichsam als Naturtalent, weil
seine Natur es ihm gab, jene Natur
eben, die heißen Herzens sich berufen
fühlte, dem Menschen zu dienen und
seine Welt nach sittlichen Regeln und
mit sozialer Zielstellung lebenswürdig
einzurichten.
Ein Schicksal, größer als seine Kräfte,
unterbrach im Jahre 1933 die Geschichte
oder setzte sie, genauer gesagt, mit völ-
lig veränderten Vorzeichen fort. Wer
seine Vorzeichen freilich nicht änderte,
war Max Brauer. Er ging mit leeren
Händen, aber mit dem vollen Reichtum
seines ungebrochenen Willens und sei-
ner ungebrochenen Überzeugungen in
die Emigration, aber er betrachtete sie
immer als eine Periode des Überganges.
Sein unerschütterlicher Wille zu einem
„Comeback" manifestierten sich in einer
vielachen Art. Max Brauer wollte und
erreichte — anders als viele andere
Emigranten — seinen Ansatzpunkt, die
Notwendigkeit der Existenzsicherung
mit seinen vital ungeschwächten Sen-
dungsbewußtsein zu verknüpfen. In
einer reichen Vortragstätigkeit vor
Universitäten und Colleges war er aus-
schließlich darum bemüht, „to preach
the gospel".
Er war der Vorkämpfer des anderen
Deutschlands, dem es darum ging und
dem es auch glückte, die Existenz eines
anderen Deutschlands glaubhaft zu ma-
chen. Er hat für Deutschland gekämpft,
indem er gegen das Dritte Reich auftrat,
und er hat ebenso unbeirrt für Deutsch-
land gekämpft, als er nach dem Zusam-
menbruch des Reiches den Gedanken
Morgenthaus entgegentrat und sich für
die Lebensrechte eines freiheitlich
orientierten neuen Deutschlands ein-
setzte.
Unverwüstlicher Optimist
Die ganze Gläubigkeit des jungen
Brauer blieb auch dem nunmehr vom
Schicksal reicher gekennzeichneten
Brauer zu eigen. Er konnte sich eigent-
lich nicht vorstellen, daß die Zustände
in Deutschland von Bestand sein könn-
ten, er glaubte an den Wandel der Din-
ge, weil er an die Sehnsucht des Men-
schen nach Freiheit glaubte und weil
alle inneren Kräfte in ihm danach
strebten, an der Gestaltung eines neuen
freiheitlichen Deutschlands teilzuneh-
men. So war Max Brauer ein Mann,
dessen gläubige und schöpferische In-
stinkte keiner schöpferischen Pause be-
durften, sondern im Gegenteil gerade
in der schweren Zeit immer strebend
sich bemühten. Er war ein Freund seiner
Freunde, denen er Halt und Mut gab,
und schließlich ein unverwüstlicher
Optimist. Wann immer man „drüben"
mit Max Brauer sprach — sein Schiff
zurück ging jeweils montags um 4 Uhr
nachmittags, wobei nur Jahr und Woche
als gleichsam unwesentliches Detail of-
fen blieben. Und im Ergebnis: Sein
Schiff ging zurück!
Am 3. September 1946 hat Max Brauer
nach 13 Jahren außer Landes seinen
Geburtstag wieder in Hamburg began-
&>
Max Brauer: L'etat c'est moi
Foto: Sven Simon
gen. Seine Wahl zum Ersten Bürger-
meister der neuen nun auch um Altona
bereicherten Freien und Hansestadt
Hamburg stand bevor und erfolgte im
November 1946. Ich weiß nicht mehr, ob
es zu diesem oder zu dem nächsten Ge-
burtstag war, daß ich Max Brauer von
New York aus einen Geburtstagsbrief
schrieb, der in der Form der Erzählung
eines wunderbaren Märchens gekleidet
war.
Es war die Geschichte von einem gu-
ten König, der mit Eifer sein Reich re-
gierte und mit edlem Bemühen das Be-
ste für sein Volk anstrebte. Aber da gab
es böse Mächte, die jäh aufkamen, in
sein Reich eindrangen und den König
vertrieben. Sie richteten große Verwir-
rung an und brachten Unheil über das
ganze Volk. Dann aber, nach vielen
Jahren, kamen andere Mächte, stürzten
die Usurpatoren und gaben dem Volk
die Freiheit wieder, sich einen neuen
König zu wählen. Und siehe da, das Volk
erinnerte sich des guten alten Königs
und wählte ihn bei der ersten Gelegen-
heit erneut zu seinem König. Es war
einmal, so fing diese Geschichte wie eine
richtige Märchenerzählung an, aber es
wurde so, denn so schrieb die wirkliche
Geschichte die Ereignisse dann nieder.
Und es war, wie ich meine, eine nicht oft
in der Wirklichkeit sich realisierende
Geschichte der ausgleichenden Gerech-
tigkeit. Von der ersten Stunde an ging er
auch an sein neues Werk, den Wiederauf-
bau einer zertrümmerten Stadt, die Wie-
derbelebung von Handel, Industrie und
Schiffahrt, die Beseitigung der Not.
Er war eine einmalige Persönlichkeit,
die in der Härte ihrer Überzeugungen
und ihres Willens auch Reibungen und
Spannungen auslöste. „Seine" Stadt,
„sein" Regierungsapparat, die schöpfe-
rische Ungeduld seines Temperaments
gaben ihm zuweilen auch etwas von der
Haltung des Sonnenkönigs und dessen
Auffassung L'6tat c'est moi, eine Hal-
tung, die in der ersten Zeit der Nieder-
geschlagenheit, der Unerfahrenheit
mancher aufbauwilliger Kräfte, die Ge-
wohnheit, geführt zu werden, wohl
nützlich und verständlich war, aber auf
die Dauer sich schlecht mit dem kolle-
gialen Prinzip vereinbaren ließ. Wo
aber, so ist in geschichtlicher Betrach-
tungsweise zu fragen, gab oder gäbe es
geprägte und eigenwillige Persönlich-
keiten, die nicht Reibungen auslösen?
Das Wesentliche an Max Brauer ist eben
das Wesen seiner Persönlichkeit, auch
wenn es nicht leicht war, mit ihm zu
arbeiten.
Max Brauer war von seiner Aufgabe
restlos erfüllt. Hierbei mag es zuweilen
geschienen haben, als seien die Men-
schen für ihn die Figuren auf dem gro-
ßen Schachbrett, die gesetzt wurden,
aber sich nicht selbst setzen sollten.
Aber war es wirklich so? Ich glaube,
Max Brauer war vielm.ehr von der Vor-
stellung beseelt — als Folge der ihm
eigenen Gläubigkeit an das gute Werk,
das er im Sinne hatte — , daß alle Men-
schen guten Willens die Züge eigentlich
gar nicht anders setzen konnten, als er
sie für richtig hielt.
Max Brauer, nüchtern in der Tatsa-
chenbetrachtung, war gleichzeitig von
einem leidenschaftlichen sittlichen Pa-
thos erfüllt, das ihn keine Kompromisse
machen ließ, auch in Fragen, in denen
gleichwohl von anderer Warte her eine
andere Beurteilung möglich war. Max
Brauer war schließlich der Mann, des-
sen ganzes Denken von dem Gefühl der
Verantwortung beherrscht wird, kein
Hamlet, erschreckt vor der Aufgabe, die
aus den Fugen geratene Welt einzuren-
ken, sondern vielmehr von jenem fau-^
stischen Geist, der immer strebend sich
bemühte und nicht der Versuchung un-
terlag, zum Augenblick zu sagen: „Ver-
weile doch, du bist so schön!"
June 16, 1973
To: Dr. Fred Grubel
From: Ernest Hamburger
,£ ?
Pleaai find enclosed copies of letters written in January
1947 by Heinrich Bruening to Gustav Stolper. Mrs. Tom Stolper
sent the Originals to Professor Hans Booms, President of the
Bundesarchiv in Koblenz vhere the literary estate of Gustav
Stolper is located. She agreed to send these copies to the
Leo Baeck Institute with no proviso as regards their use.
The letters may be added to those letters v;ritten by
Bruening which v^ere previously donated by Mrs. Stolper to the
Leo Beack Institute.
Part of the enclosed letters deal with events which have
been analysed by me in my article on the Bruening Memoirs in
the Internationale wissenschaftliche Korrespondenz fuer die
Arbeiterbewegung of 1972. A reference could be made to this
article as well as in my article to these letters.
No letter of thanks is necessary since I did everything
which seems appropiVate in this r4spect.
Thank you.
P.S. Please find also enclosed a paper written by A. Herbert
Weichmann after his first trip to Israel in March 1957 "Das
Werden eines neuen Staates". It might be interesting to include
this paper in our archives not only because of its contents but
also because of the relationship betweeen Dr. Moses and Dr.Weichmann^
gy^<2S^ which arose from their identical work as State
comptrollers in Israel and Hamburg, respec±tively.
VlIiIiiliLj/i.nriijmji lii x u.j.i
Zeitgefchichte
HERAUSGEGEBEN VON HANS ROTHFELS
THEODOR ESCHENBURG UND HELMUT KRAUSNICK
Sonderdruck
aus Heft 4/1974
DOKUMENTATION
KRITISCHE BEMERKUNGEN HERBERT WEICHMANNS
ZU DEN BRIEFEN BRÜNINGS AN SOLLMANN
//
/
/
^^'z'/^/^''* //^/^
^/;//a
DEUTSCHE VERLAGS-ANSTALT STUTTGART
Kritische Bemerkungen Herbert tVeichmanns
+59
Dokumentation
KRITISCHE BEMERKUNGEN HERBERT AVEICHMANNS
ZU DEN BRIEFEN BRÜNINGS AN SOLLMANN
Brünings Brief an mihelm SoUmann vorn 29. September 1940, der im Rahmen
der DokLnJon „Heinrich Brüning im E^U" in Heft 111974 dteser Zeitschrft ver-
öffentlicht wurde, enthält verschiedene sehr dezidierte Benterkungen über Herbert
Weichmann, den ehemaligen persönlichen Referenten des preußischen Mmtsterprast-
denten Otto Braim. Nantentlich die Version von der „zionislhchen Cliq,^ im 1 reus-
sischen Staatsministerium - es sei dahingestellt, imviavcU sie auf Anunosttaten au.
der Zeit vor 19)) oder auf spätere Gegensätze zwischen den Baugruppen zurückgeht
- bedarf der Berichtigung. Der Bearbeiter der Dokumentation urul die Redaktion der
nerteljahrshefte haben es imterlassen, vor der Veröffentlichung der Brünmg-Bru-fe
Herrn Professor Wcichmanns Stellungnahme zu erbitten. Umso mehr hegrußt du
Redaktion die Möglichkeit, mit den folgenden Ausfülinmgen, die einern Brief Herbert
Weichmanns an die Schrftleitung der Vierteljahrshefte vom 12. Mai 1974 entnommen
sind, Anlialtspunktefür eine kritische Eimchäizwig der Brief -Äußerungen Brunings
nachzutragen. ^^^^ ^^^^^^^
Nach dem Erscheinen von Brünhigs Memoiren sind zahlreiche Stimmen laut-
geworden, die auf z. T. schwerwiegende Fehler, sowohl in Rrünings Sachdarstel-
lungen als auch m seinen Interpretationen, hingewiesen haben. Im gleichen Maüe,
scheint mir, bedürfen auch die in den „Vierteljahrsheften" abgedruckten Briete
Brunings mancher Korrektur, die der Bearbeiter leider unterlassen hat, vor allem
bei solchen Passagen, die Brunings Kanzlerzeit zum Gegenstand haben.
Lassen Sie mich drei Fälle herausgreifen, in denen Brüning unter anderem
auch mich namentUch erwähnt.
1. In seinem Schreiben vom 29. September 1940 (Dok. Nr. 3), S. 107, betoup-
tet Brünhig, ich hätte „Brauns Aufzeichnungen und Erinnerungen memer Weise
zurechtgestutzt..., die allem widersprechen, was Braun mir selbst gesagt ha .
Das ist eine schwerwiegende Beschuldigung, und sie ist nachweislich unwahr. Au
Vorschlag von meiner Frau und mir — und nicht etwa Brunings, wie dieser ei-
nige Zeilen weiter unten behauptet — hat Braun nach dem Tode seiner 'rau
1934 begonnen, seine Erinnerungen niederzuschreiben. Das Anfang 1939 fertigge-
stellte Manuskript erschien dem Verleger zu umfangreich. Braun sandte mir ei-
ne Liste mit Abschnitten, die er für entbehrlich hielt, und fragte nach meme^
Zustimmung. Ich riet ihm in meinem Antwortschreiben vom 7. Januar
den meisten Streichungen ab, lediglich das im ursprünglichen Manuskript stehen-
de Kapitel über die Ordenfrage, lange Berichte über seine Jagdleidenschaft, d^
volle Wiedergabe eines Zeitungsartikels über die Erfolge der preuKschen Politik
und ein paar weitere Nebensächlichkeiten bezeichnete ich als überfhissig. Damit
war meine Rolle als Berater in dieser Sache beendet. Wie ich später gesehen
habe hat Braun selbst noch hier und da gekürzt, aber nirgendwo wesentliche Aus-
sagen geändert. Das ursprüngliche Manuskript Brauns findet sich in seinem Nach-
laß, die Behauptung Brunings ist also ohne weiteres widerlegbar.
2 Im gleichen Brief, ebenfalls S. 107, berichtet Brüning von einem Vorschlag
Otto Brauns im Winter 1930 und dann wieder im Herbst 1931 der dahmging,
daß Braun zurücktreten wolle, und daß Brüning gleichzeitig Preußischer Minister-
präsident werden solle. Der Tatbestand ist richtig und auch in den Memoiren Bru-
nings und Brauns übereinstimmend wiedergegeben. Dann aber schreibt Bruning:
Herr Weichmann kommt in einer Pariser Zeitschrift mit der falschen Darstellung
heraus, daß Braun mir die Stelle des Vizepräsidenten im Preuß. Staatsmrnisterium
angeboten habe und daß ich der Welt Aufklärung schuldig sei, weshalb ich dass.
Angebot nie beantwortet habe." . .
Mir ist unverständlich, wie Brüning zu dieser Meinung gekommen ist. In emem
Artikel in der „Zukunft" (und nicht, wie der Bearbeiter glaubt, in der „L Europe
Nouvelle") vom 22. Dezember 1939, unter der Überschrift „Otto ^^^^^^P'^^'^-'
habe ich vielmehr geschrieben: „Am Tage nach jenen verhängnisvollen ^^.Uen
im Jahre 1930, die den Nazionalsozialisten 110 Mandate brachten, bot Braim dem
Reichskanzler Brüning an, als Vizekanzler in sein Knbinett einzutreten^ "™ S'^---
sam mit ihm dem nationalsozialistischen Vordringen ein Ende zu setzen. Die An -
wort steht bis zum heutigen Tage aus. " Also : Braun wollte Vizekanzler im Reichskabi-
nettwerden,dasdirekteGegenteilvondem, wasBrüningin meineAusfuhrungen, V e -
leicht nur aus Flüchtigkeit, hineingelesen hat. Im übrigen ist Bruning auch m sei-
nen Memoiren die Antwort auf Brauns Angebot einer Personalunion zwischen dem
Preußischen Ministerpräsidenten und dem Reichsvizokanzler schuldig g^-bieben^
3. Im gleichen Schreiben, S. 108, behauptet Brüning, wenn Braun nicht in Ber-
lin gewesen sei, hätten „Staatssekretär Weismann und die zionistische Clique, Badt,
GosUr und Weichmann", regiert. Brüning spricht von -"- ".^^^^-''^.f "^r '
lastet ihr „übelste" und „folgenschwerste" Intrigen an und fug dunkle Bemei-
kungen üb r skandalöse finanzielle Transaktionen hinzu, ohne freilich die angedeu-
tete Verantwortung jener „Clique" näher zu benennen. Auch - — .^I^-'^
finden sich verschiedentlich Insinuationen und Unterstellungen, die in dieselbe un-
klare Richtung weisen, wie auf S. 67, wo von einer „preußischen Ka„,an la die
Rede ist,die dazu noch „leidenschaftlich antichristlich" gewesen sei, oder auf S. 582,
wo eine ,gewisse Clique" auftaucht, die im Preußischen Innen- und Staatsmmiste-
1 Hervorhebung durch Herbert fVeichmann
460
Dokumentation
rium die guten Beziehungen zwischen Preußen und dem Reich hintertriebe.
Gemeint ist offensichtlich immer wieder derselbe Personenkreis.
Diese vagen, aber immer wiederkehrenden Erzählungen sind reiner Unsinn. Ei-
ne Kamarilla, eine Clique verschworener preußischer Beamter mit all den geheim-
bundartigen Attributen, die ihnen beigelegt werden, hat es nur inBrünings Einbil-
duncrskraft gegeben. Keine der angeführten Personen, abgesehen vielleicht von
Staatssekretär Weismann, der aber gänzlich in der Furcht des Herrn lebt(>, befand
sich in einer Position, die ihr irgendeine wesentliche Einflußanahme auf die preu-
ßische Politik gestattet hätte. Davon abgesehen hatte Braun die Zügel bis zuletzt,
d. h. bis zu seiner lieurlaubung Anfang Juni 1952, fest in seinen Händen. Schon
Ernst Hamburger, bis 1935 stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion mi
Preußischen Landtag, hat in seiner kenntnisreichen Rezension der Brüning-Me-
moiren (Wissenschaftliche Korrespondenz^ H. 15/1972/, S. 35 f.) diese Passagc^n
als ,, grotesk" charakterisiert.
Dennoch sind dergleichen Behauptungen für Brüning nicht untypisch. In ihnen
manifestiert sich, neben einem latenten Antiscaiiitismus, Brünings in der Emigra-
tion zunehmend sichtbar werdender, fast paranoider Verfolgungswahn, der ihn
Mißerfolge und Schwierigkeiten seiner Regierungszeit in der Regel als Machen-
schaften dunkler Mächte und Verschwörungen sehen ließ, auch ein Grund dafür,
daß er sich nach seiner Ankunft in den Vereinigten Staaten so sehr zurückzog. Auch
Arnold Brecht hat diesen Zug in Brünings Wesen beobachtet und bestätigt (Gedan-
ken über Brünings Memoiren, in: Pohtische Vierteljahrt'sschrift, 12. Jg. (1971),
H4, S. 608, 624ff.).
Ich möchte mich auf diese Beispiele, denen sich unschwer weitere anlugen las-
sen, beschränken, um aufzuzeigen, wie kritisch die Erinnerungen Brünings an die
Weimarer Zeit, sowohl in seinen Memoiren als auch in seinen letzten Briefen, be-
urteilt werden müssen.
i
^Vollständiger Titel: Internationale Wissenschaftliche Korrespondenz für Geschichte der Deutschen
Arbeiterbewegung, Berlin.
Seite 12
Süddeutsche Zeitung Nr. 253
Samstag/Sonntag, 2./3. November 1974
Nach dem Sturz des Senkrechtstarters Peter Schulz:
Der Bürgermeister wechselt
- die Probleme bleiben
Ohne Ausstrahlung und Härte war Hamburgs Reglerungschef weder den
Koalitlonskrisen noch den Führungszirkeln seiner Partei gewachsen
Von unserem Redaktionsmitglied Gert Kistenmacher
Hamburg, 1. November
Der zweite Bür;?ermeistcr der Hansestadt
Hamburg, Dieter Biallas (FDP), der bis zur Wahl
eines neuen ersten Bürgermeisters die Geschäfte
führen wird, bekundete seine „hohe Achtung vor
der Persönlichkeit von Peter Schulz". Die
FDP-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft
erklärte, sie habe^zum Präsidenten des Senats,
Schulz, nicht nur großes Vertrauen gehabt, son-
dern ihm, seinem Engagement und seinen Lei-
stungen auch ein hohes Maß an Achtung entge-
gengebracht. Selbst CDU-Oppositionsführer
Jürgen Echternach sparte nicht mit Anerken-
nung: „Wir hatten immer Respekt vor seinem
persönlichen Einsatz für Hamburg." Und die
SPD-Fraktion verkündete gar, unter der Lei-
tung von Bürgermeister Peter Schulz habe der
Hamburger Senat eine erfolgreiche Politik für
die Stadt verwirklicht und wesentliche Fort-
schritte erreicht.
Angesichts solcher respektvoller, nach Demis-
sionen aber wohl üblichen Bekundungen von al-
len Seiten ist es für die meisten Hamburger
schwer verständlich, daß ein als verdient geprie-
sener Regierimgschef, gerade 44 Jahre alt, der
seit Sommer 1971 als 'Primus inter pares, als er-
ster unter gleichen, an der Spitze des Hambur-
ger Senates stand, über Nacht seinen Rücktritt
ankündigte. Zwar hatte es in den letzten Mona-
ten nach der verheerenden Wahlniederlage für
die Hamburger SPD bei der Bürgerschaftswahi
am 3. Mär^ in der sozialliberalen Koalition der
Hansestadt zahlreiche Krisen gegeben. Auch die
Finanzlage der Stadt steht nicht zum besten.
burgs Sozialdemokraten — ausgenommen ein
kleiner Führungszirkel — hatten erwartet, daß
Peter Schulz so schwerwiegende Konsequenzen
ziehen würde, *■ v "
Seine EAlärung zur Demission, weder sei ein
für die Bewältigung der kommenden schwieri-
gen Aufgaben unerläßliches Einvernehmen zwi-
schen den verantwortlichen Spitzen innerhalb
der SPD und ihm weiterhin gegeben, noch gebe
es für ihn Wege, den Hamburger Senat ange-
sichts dieser Lage unter Bedingungen zu führen,
die eine vorbehalüose Zusammenarbeit aller
verantwortlich Beteiligten erforderlich mache,
ist der abrupte Schlußpunkt einer privaten und
politischen Krise, die im nachhinein von „Einge-
weihten", wie sie sich selbst apostrophieren, jetzt
ul« „vorhersehbar", beschrieben wird, die sich
aber' nur nachträglich aus der Entwicklung der
politischen Verhältnisse in Hamburg ablesen
läßt. Der Vorgänger von Schulz, der Patriarch
Herbert Weichmann, meinte: „Ich habe ihn für
einen sehr klugen Menschen gehalten, der sehr
gradlinig in seiner politischen Richtung war, der
sich aber nidit die Mitarbeit der Fraktion und
der in der SPD führenden Personen zu sichern
verstand. Dabei gab es Schwierigkeiten auf bei-
den Seiten."
Erfolge als Justizsenator
Der in Rostock als Sohn eines Oberbürgermei-
sters und Sozialdemokraten geborene Peter
Schulz war nach dem Kriege gerade rechtzeitig
über Westberlin nach Hamburg geflüchtet, um
hier noch auf Helmut Schmidt, Oswald Paulig,
Wilhelm Berkhahn, Ralf Dahrendorf und andere
zu treffen, die zum Gründerkreis des SDS gehör-
ten, in dem sich damals sozialdemokratische
Studenten mit der politischen Situation in der
Bundesrepublik befaßten.
1959 wurde Peter Schulz Rechtsanwalt in
Hamburg und 1961 Mitglied der Hamburger
Bürgerschaft, des Parlaments des Stadtstaates.
Jäh hatte für ihn ein politischer Senkrechtstart
begonnen, als er Anfang 1966 dazu ausersehen
wurde, den Vorsitz in einem Parlamentarischen
Untersuchungsausschuß zu übernehmen, der die
Umstände des gewaltsamen Todes eines Unter-
suchungshäftlings zu überprüfen hatte. Er mei-
sterte diese Aufgabe mit Energie und Sachver-
stand. Wenige Monate später wurde er Justizse-
nator. Er versuchte, den Strafvollzug umzu-
krempeln und kappte alte Zöpfe in den Haftan-
stalten. Die Errichtung der ersten Sonderstraf-
anstalt für Triebtäter in der Bundesrepublik ist
ihm zuzuschreiben. Seine bundesweit beachteten
Reformen empfahlen ihn pach der Bürger-.
Schaftswahl von 1970 für das schwerste Amt, das
es in Hamburg zu vergeben gab: die Schulbehör-
de. Es gelang ihm innerhalb kurzer Zeit, die Bil-
dungspolitik aus dem Feld der Kritik zu bringen.'
Als er am 9. Juni 1971 die Nachfolge von Her-
bert Weichmann antrat, zu der er sich nicht ge-
drängt hatte, war er Hamburgs jüngster Bürger-
meister seit 1678 und — nach Helmut Kohl, der
21 Tage jünger ist — zweitjüngster deutscher
Regierungschef. Aber er war in der „sozialisti-
schen Hauptstadt des Reiches", wie Altgenosse
August Bebel Hamburg einst beschrieben hatte,
von Anfang an — jedenfalls nach Meinung der
Basis — mit einem Makel behaftet: Mit seinem
Senkrechtstart in die Politik hat er, was in der
Sozialdemokratie nicht eben häufig vorkommt,
ohne Kampf und Auseinandersetzungen alle
Sprossen der Karrierelciter glatt übersprungen,
ohne „von der Pike auf" in der Sozialdemokratie
groß geworden zu sein. Und der zum „rechten"
Parteiestablishment zählende Schulz war we-
der eine so kantige Figur wie der einstige Lokal-
held Max Brauer, noch eine so väterliche Gestalt
wie Herbert Weichmann, deren Popularität in
Hamburg allemal für die absolute Mehrheit der
SPD bürgten.
Weder massiv noch farblos
Schulz wurde sogleich auch an seinen Vorgän-
gern und deren Patriarchentum, das in der Han-
sestadt unverständlicherweise noch immer als
notwendige Bürgermeistergabe erachtet wird,
gemessen. Dabei konnte es nicht ausbleiben, daß
diese Vergleiche nicht zu seinen Gunsten ausfie-
len. Meist ohne Widersprucl^ und ohne nennens-
werte Diskussion schaltet und verwaltet ein
kleiner Zirkel unter Führung des „starken Man-
nes'
der Hamburger SPD de«; mstikalpn
SPD-Landesvorsitzenden Oswald Paulig, im Se-
nat, in der Partei und in der Parlamentsfraktion.
Peter Schulz fehlte die Überlegenheit und Weis-
heit eines Herbert Weichmann, der sich zornig
auch gegen Parteivorstand und Fraktion durch-
zusetzen verstand und der nicht selten — zum
Wohle der Stadt — einen anderen Standpunkt
bezog, als es die Parteilinie vorschrieb. Es fehlte
Schulz die Kaltschnäuzigkeit und Härte seiner
Hamburger Genossen , Wehner und Schmidt —
Eigenschaften, die Schulz niemals auszeichne-
ten, über deren Fehlen jedoch die Führungsgre-
mien der Hamburger SPD unterrichtet waren,
als sie Peter Schulz auf den Bürgermeistersessel
hievten.
Als ein Mann, der nie massiv werden konnte,
der die Lautlosigkeit schätzte und eine realisti-
sche Betrachtung, eine kritische Analyse des ei-
genen Standortes und des angestrebten Ziels
stets für den wirksamsten Hebel hielt, um die
Welt zu verbessern, verlor Schulz immer mehr
Autorität. Im persönlichen Gespräch im kleinen
Kreis wirkte er überzeugend, intelligent, ge-
wann Sympathien und offenbarte manchmal
jungenhaften Frische. Doch auf breiterer Basis,
in Wahlveranstaltungen, auf Parteitagen oder im
Parlament fehlte ihm — und allenfalls er weiß,
warum — die nötige Ausstrahlungskraft, die für
einen Spitzenpolitiker nun einmal unerläßlich
ist. Er besitzt nicht die Fähigkeit zum großen
Auftritt, zu Pathos, gezieltem Charme, einstu-
dierten Gesten und Landcsvaterhabitus. Aber all
das wußte man vorher. Dennoch machte alsbald
die kritische Bewertung die Runde, er sei ein
„farbloser" Bürgermeister.
Peter Schulz war indessen nie farblos. Es wi-
derstrebte diesem nüchternen Technokraten le-
diglich, sich wirkungsvoll zu „verkaufen"; es ge-
lang ihm nicht, jene Partei, der Bundeskanzler
Helmut Schmidt unwi'dersprochen einen „Hauch
von Provinzialismus" attestierte, mitzureißen
und es fehlte ihm überdies die Basis. „Ein Politi-
ker sollte keine Rolle übernehmen. Er sollte so
sein, wie er ist", sagte Schulz einmal — und so ist
er eben. Wen wundert es da noch, daß er nicht
aus dem Schatten seines großen Vorgängers her-
austreten konnte? Wurden ihm zunächst noch all
diese „Mängel" verziehen, weil man noch immer
an durchgreifendes Handeln glaubte, so
schwand auch diese Hoffnung nach der letzten
Bürgerschaftswahl im März, als die seit mehr als
20 Jahren an absolute Mehrheit gewohnte Ham-
burger SPD mit dem Verlust von 14 Mandaten
und 10,4 Prozent der Wählerstimmen eine ver-
nichtende Niederlage einstecken mußte.
Das war zweifellos kein Votum gegen den als
Spitzenpolitiker aufgestellten Schulz, sondern —
wie inzwischen ersichtlich — Ausdruck einer
allgemeineren Entwicklung. Aber die gleichen
politischen Freunde innerhalb des Senats und
der SPD-Fraktion, die Schulz auf die oberste
Sprosse der Erfblgsleiter verhelfen hatten, war-
fen ihm nun ^Führungsschwäche" vor. Diese
Einschätzung der Parteioberen, immer nur hin-
ter der vorgehaltenen Hand verkündet, macht
sich auch beim Parteivolk breit. Auf zwei Lan-
desparteiUgen widersetzte sich die Basis gegen
die von Schulz und dem Landesvorstand erar-
beiteten Vorschläge für Kandidaten des Senats
und brachte mit dem Senator Wilhelm Eckström
einen Mann ins Kabinett, den Schulz bereits aus-
gemustert hatte. Der erste Bürgermeister mußte
mit einer ungewöhnlich bunt sortierten Mann-
schaft regieren, deren Struktur in der Nach-
kriegsgeschichte Hamburgs einmalig ist und die
weniger von fachlichen, als von politischen
Überlegungen bestimmt wurde. Ein Mediziner
steht der BauiDehörde vor, ein Volkswirtschaftler
ist für die Gesundheit zuständig, ein Mathema-
tikprofessor ohne parlamentarische Erfahrung
für Wissenschaft und Kunst, ein unbekannter
Amtsleiter wurde als Hamburger Repräsentant
nach Bonn beordert und ein ehemaliger Schlos-
ser ist für das Vermögen zuständig. Die Politik
des Stadtstaates wurde mehr und mehr von Par-
teitagen bestimmt. Die neue Koalition litt von
vornherein an schwindender Bereitschaft zur
gegenseitigen Toleranz.
Die ersten sieben Monate der neuen Legisla-
turperiode waren gekennzeichnet von Eifersüch-
teleien, Nadelstichen, offenen Rempeleien, Kri-
sen über die Auslegung des Extremistenbe-
schlusses, Unstimmigkeiten über dringend not-
wendige Sparmaßnahmen angesichts einer Dek-
kungslücke von rund 1,4 Milliarden Mark bis
1978 und Mißhelligkeiten über sogenannte Posi-
tionspapiere der Partei. Aus allen Diskussionen
hielt sich* Peter Schulz heraus. Er griff weder in
Flügelkämpfe ein, muckte nicht auf, als Bundes-
kanzler Schmidt den Hamburger Genossen
jüngst die Leviten las und bezog keine Stellung.
Nicht der erste Bürgermeister informierte die
Öffentlichkeit über die aus den Sparmaßnahmen
resultierenden schwerwiegenden Konsequenzen
für die Landespolitik, die mit erheblichen Ab-
strichen auch an Wahlversprechungen verbun-
den sind, sondern — Senator Eckström im Al-
leingang und ohne Rücksprache mit Schulz.
Hinzu kam, daß auch das Verhältnis zwischen
Schulz, Paulig und der Fraktion immer eisiger
wurde.
Am Montag schließlich war der „Autoritäts-
verfall" des Hamburger Birgermeisters so weit
vorangeschritten, daß se-ie Parteifreunde im
Senat zu der Ansicm geiarlgteh: „Peter, es geht
nicht mehr mit Dir." Geschickt von den Wahler-
gebnissen in Bayern und Itssen wollten Oswald
Paulig und seine Gefolclchaft offensichtlich
nicht das Risiko eingehen, mit der Formel „PS
für Hamburg" noch einmal eine Wahl antreten
zu müssen und sie einigten sich auf die Lösung:
„Je eher, desto besser." Was danach kam. war
nur die logische Konsequenz aus der Vorge-
schichte. Peter Schulz stellte im Senat die Ver-
trauensfrage und ließ den sieben SPD-Senatoren
bis' Mittwochnachmittag Zeit, sich zu äußern.
Einstimmig kündigten sie Peter Schulz ihre Ge-
folgschaft auf, woraufhin sich der erste Bürger-
in SCIiAiii.x\ x>i.^ i.üKIARCHEN GESCHEITERT: Peter Schulz, der seinen Rücktntt als
erster Bürgermeister der Hansestadt Hamburg ankündigte, im Gespräch mit seinem Vorgänger
Professor Dr. Herbert Weichmann — nach der Amtsübergabe am 9. Juni 1971. Photo: SZ-Archiv
meister, getreu seinem Grundsatz der „Zweck-
mäßigkeit" ebenso konsequent an den Schreib-
tisch setzte und seine Demissionserklärung for-
mulierte. Die zweite, etwas geänderte Fassung
trug er am späten Abend dem ältesten Senats-
mitglied, Senator Ernst Weiß, dem SPD-Chef
Oswald Paulig und dem Fraktionsvorsitzenden
Hartmann vor. Erst gegen Mitternacht wurde
die Rücktrittsabsicht dann auch öffentlich be-
kanntgegeben. Die drei FDP-Senatoren hielten
sich aus allem heraus, bekundeten jedoch, daß
ihre Partei die sozial-liberale Koalition fortset-
zen und den neuen Kandidaten akzeptieren wür-
de.
Nach diesem „Königsmord", der schlechten
Stil oiienbarte, weil man, wie ein Chronist ver-
merkte, einen Hamburger Bürgermeister nicht
aus dem Amt „prügele", wenn man ihn nicht
mehr zu akzeptieren bereit sei, drehte sich das
Kandidatenkarussell und in Hamburg wucherten
die Spekulationen. Bei der ungewöhnlichen Eile,
mit der Landesvorstand, Fraktion und Kreisvor-
stände in pausenlosen Konferenzen am Donners-
tag nach dem neuen starken Mann suchten, der
nun alles besser machen soll, mag eine Rolle ge-
spielt haben, daß sich Bundeskanzler Helmut
Schmidt, dessen Anwürfe den Hamburger Ge-
nossen noch immer unangenehm im Ohr klin-
gen, auf dem Rückweg von Moskau nach Ham-
1+^ -
bürg befand, wo er in der Jacobikirche zum Re-
formationsfest sprach. Noch bevor Schmidt, der
sich bei Hamburger Belangen immer angespro-
chen fühlt, in die Kandidatenauslese eingreifen
konnte — er war noch in Kiew von Paulig telefo-
nisch über den Rücktritt von Schulz informiert
worden — präsentierte Oswald Paulig bereits
den Hamburger Innensenator Hans-Ulrich Klo-
se als künftigen neuen Bürgermeister: „Wir
konnten dem Bundeskanzler schon frühzeitig
mitteilen, ,daß das Rennen gelaufen war. Kanz-
lerworte waren nicht nötig." Helmut Schmidt
blieb der entscheidenden Sitzung des er^^eiter-
ten Landesvorstandes auch prom ^ern
Hans-Ulrich Klose — „ich glaube, ifeh bm ein
bißchen jung, um mich in die Attitüde eine
Landesvaters zu werfen" — muß am S.Novem-
ber noch von einem außerordentlichen Landes-
parteitag als Kandidat bestätigt werden, ehe t
in das Amt gewählt werden kann. Dann aber
gleichen sich die Bilder: mit 37 Jahren wäre er
der jüngste Hamburger Bürgermeister seit 1678
und der jüngste deutsche Regierungschef. Seine
Karriere war nicht minder steil und spektakulär
als die von Schulz und auch er, gebürtiger Bres-
lauer, war Jurist. Man darf ihm glauben, wenn
er sagt: „Ich werde ein bißchen Glück brau-
chen." Der Bürgermeister wechselt, aber die
l' Probleme ändern sich nicht.
%
ritten b:
i * > *n
• "•.y
lt.
ür oj
rt
r ]
or. o,
. jr «, -r-
tir£,OT
or
Tfi'r
c^
tiv
w
n
i.
».b
**-;
)i8
vo^
4 1047
1^75
f • ' •
'^^^•
Das Werden eines neuen Staates
Eindrücke von einer Reise durch Israel im März 1957
■>- 1
«/
/'\u^:
/:
'c.
I i • i. L I
>:-. -
w t c
/
Die Einladung /
Zwischen dem Rechnungshof der Freien und Hansestadt y^^ »c^u/i^J^i
Hamburg und dem Amt des "State Comptroller" des neuen Landes
Israel hatten sich in den letzten Jahren fachliche und
freundschaftliche Beziehungen angebahnt. Zwei leitende Herren
im Amt des State Comptroller hatten G-elegenheit genommen, in
Hamburg selbst die Organisati..n und Arbeitsweise des Rech-
nungshofs zu studieren und beide Ämter haben laufend ihre
Jahresberichte ausgetauscht. Der Rechnungshof war auch in
der Lage gewesen, dem State Comptroller eine Reihe von Un-
terlagen für die Durchführung der Rechnungsprüfung und die
Kontrolle von Verwaltungseinrichtungen oder öffentlichen
Unternehmen zur Verfügung zu stellen, die für das Amt in
Jerusalem von praktischem Interesse waren und die teilweise
sogar in die hebräische Sprache übersetzt wurden. Anlässlich
der Internationalen Tagung der obersten Prüfungsbehörden in
Brüssel im September 1956 fand sodann eine Begegnung zwi-
schen dem State Comptroller Dr. Moses, einem früheren Wirt-
schaftsprüfer aus Berlin, und mir statt. Sie zeigte, dass
die junge Organisation der Rechnungsprüfung in Israel vor
vielen ähnlichen Problemen stand wie sie auch in Hamburg
seit der Gründung des hiesigen Rechnungshofs akut geworden
sind. Als Folge dieser Besprechung erging im Februar dieses
Jahres eine Einladung an mich und meine Frau, die gemeinsam
von dem State Comptroller und der Israel Mission in Köln
durch den Chef der Israel Mission, Minister Dr. Shinnar,
übermittelt wurde.
Mit Genehmigung des Herrn Ersten Bürgermeisters der
Freien und Hansestadt Hamburg und unter Benachrichtigung
des Auswärtigen Amtes trat ich am 14. März die Reise mit
einem Flugzeug der israelischen Fluggesellschaft El AI an
und traf in der Nacht vom 14. zum 15. März auf dem Flugplatz
in Lod bei Tel Aviv ein, auf dem sich trotz der frühen Mor-
genstunde 'Vertreter des State 'comptroller, des Ministeriums
des Äusseren und der Israel Mission zum Empfang eingefunden
hatten.
i
- 2 -
Dauer und Umfang der Reise
Die Einladung erstreckte sich ursprünglich auf einen
Aufenthalt von 14- Tagen und wurde später um zwei weitere
Tage ausgedehnt. Vier Tage dienten eingehenden fachlichen
Besprechungen im Amt des State Comptroller mit den leiten-
den Beamten und Sachbearbeitern für die jeweiligen Fragen
unter dem Vorsitz von Dr. Moses ,. darunter auch einem in
englischer Sprache gehaltenen Vortrag von mir vor einem
erweiterten Kreis der Angehörigen des Amtes über die Aufga-
ben der Rechnungsprüfung und ihre Durchführung. Über diesen
fachlichen Teil wird für die interessierten Kreise gesondert
berichtet. Zehn Tage dei Reise waren umfangreichen Besich-
tigungsfahrten nach Massgabe eines sorgfältig vorbereiteten
Programms unter, sachkundiger Führung vorbehalten. Für die
zwei letzten Tage des offiziellen Aufenthalts wurden wir
in Rücksicht auf das sehr intensive Arbeits- und Besichti-
gungsprogramm und die Fülle des vermittelten Materials zu
zwei Ruhetagen am Strande des Mittelmeers eingeladen, die
der Sichtung des Materials und der ersten Ordnung der Ein-
drücke dienten.
Eingefügt in das Programm waren mehrere gesellschaft-
liche Begegnungen zur Mittags- oder Abendzeit, die zu sehr
intensiven Gesprächen Gelegenheit gaben. An ihnen nahmen von
Regierungsseite die Herren Justizminister P.Rosen und Mini-
ster ohne Portefeuille P. Naftali, Vertreter des Minist eriams
für Auswärtige Angelegenheiten, des State Comptroller Office,
der Israel Mission und der zionistischen Bewegung mit ihren
durchweg ebenfalls aktiv beim Aufbau des Landes tätigen Damen
teil. Ihnen folgte noch eine Reihe von privaten Einladungen
wie beispielsweise durch Minister Naftali, den früheren Lei-
ter des Porschimgsbüros der deutschen Gewerkschaften, durch.
Herrn Rosolio, den Chef der Civil Service Commission, einen
früheren deutschen Wirtschaftsprüfer, durch Herrn Dr.Arian,
den stellv. Chef der Civil Service Commission, einen früheren
preussischen Beamten und seine\ Gattin, der stellv. General-
direktorin im Arbeitsministerium, abgesehen von der überaus
herzlichen Gastfreundschaft, die der State Comptroller selbst
und seine Gattin uns bezeugten.
\
- 5 -
Die überwältigende Fülle der Eindrücke, die ungewöhn-
liche Mannigfaltigkeit des Geschehens und die Einmaligkeit
der Gelegenheit veranlassten uns schliesslich, unseren
Aufenthalt noch privat um eine weitere Y/oche auszudehnen,
um die gewonnenen Eindrücke zu festigen oder zu vertiefen.
Drei Tage hiervon verbrachten wir in einer landwirtschaft-
lichen Siedlung deutscher Zionisten älteren Datums, d.h.
aus den dreissiger Jahren; ein Tag diente erneuten Besich-
tigungen, besonders sozialer Einrichtungen im Lande, zu
denen meine Frau von den dortigen Irauenorganisationen ein-
geladen worden war und drei Tage dem Aufenthalt im groß-
städtischen Zentrum des Landes, in Tel Aviv, wo ich auch
auf Wunsch einer deutschen Einwandererorganisation einen
Vortrag über das Thema hielt: "Befindet sich Deutschland,
auf dem Wege zu einer Demokratie?" der. in der Presse eine
sehr anerkennende Aufnahme fand. Auch in diese Tage fiel
eine Fülle privater Einladungen mit instruktiven Gesprä-
chen. .. •
Der^ Abflug erfolgte unter offizieller Verabschiedung
am 7 .April. ,^ .
Ihrem ^eo,^raphischen Umfang nach erstreckte sich die
Reise auf alle Teile Israels mit Ausnahme des südlichen
Teils der Negev Wüste und der Stadt Eilath am Roten Meer.
Sie begann in Tel Aviv und führte von dort nach Jerusalem.
Nach den ersten Arbeitstagen in Jerusalem und Besichti-
gungsfahrten in der Umgebung, der sogenannten von allen
Seiten von Grenzen umgebenen Jerusalem Tasche, ging der
Weg unter Führung eines Beamten der Israel Mission in den
Süden über Rechowo nach Ascalon und von dort über die
Hauptstadt des Negevgebietes , Bersheba, nach Sodom am
Toten Meer. Die Rückfahrt führte zu einem Grenzkibbutzim
tief in der Negev Wüste, dann an der neuen Pipeline ent-
lang, wiederum nach Bersheba und von dort über einen Grenz
kibbutzim direkt am Gazastreifen nach Ascalon zurück. Von
hier aus führte der Weg zu bemerkenswerten grossen Neu-
siedlungen nach Osten bis nahe an die jordanische Grenze
heran, um dort wieder die Richtung nach Süden aufzunehmen
«'"Ml
- 4 -
I
-^i
und in Herzlija unmittelbar in der Naohbarschaft von
Tel Aviv an der Küste des Mittelraeers diesen Teil der
Reise durch Mittelisrael abzuschliessen. - Im zweiten
Teil stand die Reise unter den Auspicien des State
Comptrollcr, der uns in der Person seines leitenden .
Mitarbeiters Dr. Gerson, des ersten Herrn, der den
Hamburger Rechnungshof besucht hatte, einen besonders
kenntnisreichen und mit allen Aspekten der Geschichte
und Geschehnisse des Landes vertrauten Führer zur Ver-
fügung stellte. Der Weg ging jetzt in den Norden Israels,
zuerst in den fruchtbaren Küstenstreifen, dann in das
Karmelgebirge und von dort herab nach Haifa. Von Haifa
aus begann ein geograpiiisch neuer Abschnitt, der uns zu-
nächst am Karmelgebirge und den Bergen Gilboas entlang
in südwestlicher Richtung durch die fruchtbare Landschaft
des Emek (Tal) Israel nach Nazareth, dann auf den Eerg
Tabor hinauf und in das Jcrdantal hinabführte. Von hier
nahm der Weg wieder die nördliche Richtung auf, um am
Jordan, dem Tiberiassee und dem Hulasee entlang hoch in
den Norden in das Quellgebiet des Jordan und in 'die schma-
le Ebene des Hulabeckens zwischen der libanesischen und
der syrischen Grenze bis zum nördlichsten Punkt des Lan-
des vorzustossen. Der Rückweg führte hart an der libane-
sischen Grenze in vielfach über tausend Meter Höhe durch
die Berge Galiläas, um alsdann über Naharyia und Akkon
wieder an der Küste entlang in das Haifa nördlich vorge-
lagerte Industriegebiet zu führen und von Haifa über Tel
Aviv in Jerusalem abzuschliessen. Auf diese Weise ver-
mittelte die Reise also die Bekanntschaft mit den wesent-
lichen landwirtschaftlichen, industriellen und städti-
schen Siedlungsgebieten des neuen Staates in Nord- und
Südisrael, wie zudem einen anschaulichen Eindruck des
Wüstengebietes und des Siedlungsvorstosses in dieses noch
nicht 'erschlossene Gebiet. ,
{
- 5 -
Der sachliche Umkreis der besichtigten Plätze, Ein-
richtungen, Sehenswürdigkeiten oder Gegenstände von Inte-
resse für das Geschehen in dem neuen Staat übertraf in
seiner Fülle noch die Reichhaltigkeit der " geographischen
Wanderung. Ohne die Raümgrenzen eines Reiseberichts zu ver-
letzen, ist es nicht möglich, äie vielen Einzelheiten wie-
derzugeben, 3ie am Wege aufgenommen wurden und die gleich-
wohl alle zusammengehören, um ein Bild von der Erschliessung
des Landes und der Formung eines Staates sowie der Bildung
einer Nation zu gewinnen. Um aber wenigstens eine ungefähre
Übersicht der auf der Reise eingehender besichtigten Stätten
und Einrichtungen zu geben, wird in der Anlage eine Aufstel-
lung beigefügt, die bei aller Unvollständigkeit einen gewis-
sen Eindruck über das Anschauungsmaterial vermitteln mag, das
auf der Reise anfiel und neben vielen Gesprächen, sonstigen
visuellen Erlebnissen oder Erfahrungen des täglichen Lebens
zur Formung bestimmter Vorstellungen führte. Label lag der
Schwerpunkt der Betrachtungsweise immer auf dem zeitlichen
Geschehen, das die gestaltenden Kräfte des Landes wider-
spiegelte und bei dem auch die historischen Stätten als
fortv^irkende geistige Überlieferung oder geschichtliche Im-
pulse zur Gegenwart wurden.
Ler Bildun/2:sprQzess einer Nation
• Ler Staat Israel wurde am 29.November 1947 durch den
Teilungsplan der Vereinten Nationen ins Leben gerufen,
faktisch erst durch die siegreichen Kämpfe Israels gegen
die Araber im Jahre 1948 zur Wirklichkeit. Ler eigentliche
Aufbau Israels als Staat und Nation begann nach Unter-
zeichnung des Waffenstillstands im Februar 1949, durch den
etwa Bo^o der früher palästinensischen Mandatsfläche unter
jüdische Verwaltung kamen. Lie für die innere Zukunft
Israels entscheidende Bestimmung liegt in der Unabhängig-
keitserklärung vom 14. Mai 1948, in der es heisst:
_ 6 -
)
, -i«..
"Der Staat Israel steht aer Ein»and«rung der Juden aus
allL Läuderu der Diaspora offen." .elt der Staats.run u„g
derten etwa 8.0 o.o Juden in das .and ein und vor« -
ton die Be,51Xerung u» das Doppelte. Gegenwartrg trogen
etwa 8000 Ein.anderer pro iUnat neu in das Land and e„
»ird für 1957 »it einer Gesa»t.ahl von 1.. oo. Heuernwan-
derern gereohnet. Diese kurze Zeit des Bestehens -1"-
selhstä^digoh Staates und die geschiohtlloh kerne Parall,U
iet nde ,!r.ehrung der Binwanderer.ahl ^^ ^^"-«J^^^^
8 Jahren sind der Hintergrund auf de» sre ^^^l^^^
für die Zukunft Israels entscheidende Frage
„: es de» jungen Staat gelingen wird, -^^^l ^^^ J^^^^
„isatorisohes Staatsgefdge sondern eine »aio»rden.^^
Di- Antwort auf diese Frage ist ein unDCoX
soweit is sich u. die Haltung der Regierung und der an aen
::Zl des Landes mitwirkenden verantwortlichen _ Organ.sa- •
tionen handelt. Bio Einwanderungspoliti. dxe -^^^^ _
3ede. Juden das Recht giht, nach Israel -n.uwandern on
ern plan.ässig diese Einwanderung ermutigt und fordert, .
ist der entscheidende Wesensteil der Staatspolxtxlc In
u -^ ^o^=,p-ii-chen Parlament (Knesset) vom
seiner Ansprache im israelischen ^ar ruri^n
26 April 1949 erklärte der Ministerpräsident Ben Gurion
ü Ir die Bedeutung der Einwanderungspolitik: "Der S.aat
...ae mit dem Zweck einer Masseneinwanderung ^^grund^t
um die im E.il Iahenden Juden -^^^^^^-^''^'^^;^^.
riioqer Ide<:^ ist er lebonslahig. JJiosc. vui , . ,
X ; laxime der Staatspolitik gilt auch heute und wird
_ .ie die Einwanderungszahlen .eigen - dahei auch m .u.
.erordentlichor Entschiedenheit fortgesetzt, ireilich au.h
. H +r-^.ai.oh refördert durch den in einigen
unplanmässig und tragibch geiorut. . ...,.,,,,,^ Revölke-
Ländern erzwungenen Exodus der dortigen ^^'^^^'2^^^-
rung. Der Einwanderungsstrom Uo.a.nt .-■^^-— ^J^ f^^ ,,
lieh aus Ägypten und Marokko, zu einem geringen l.il auc .
.it stillschweigender Duldung der Regierung -- ^^^^
genährt durch eine dort stattfindende Repntriiexung au.
Russland,
i
- 7 - '
So eindeutig diese Einwanderungspolitik als Staatsprin-
zip' verkündet und so dynamisch sie gefördert wird, so kom-
pliziert stellt sich jedoch die Aufgabe, die erfolgte und
die noch kommende Einwanderung, die Menschen, aus denen sie
sich zusammensetzt, zu einer nationalen Gemeinschaft und
nicht zu einer Notgemeinschaft tragischer Schicksale zusam-
menzuschweissen. Die Menschen, die das Land aufzunehmen hat,
sind ihrem Wesen nach denkbar heterogen. Kulturstufen des
Mittelalters, ja der vorchristlichen Zeit, treffen hier mit
hochgebildeten und modernen Elementen zusammen; die nationa-
len Einflüsse der ursprünglichen Heimatländer sind ohne Be-
rührungspunkte miteinander und selbst die Verbindung mit dem
Glauben ist sehr differenzierter und manchmal nur von sehr
lockerer Natur. Gewisse streng orthodoxe Kreise verneinen
zudem aus religiösen Gründen die Idee eines jüdischen Staates
überhaupt, solange nicht der in der Bibel verheissene Messias
erschienen ist. Paktisch handelt es sich also um ein ausser-
ordentlich buntes Völkergemisch der Juden aus den verschiede-
nen europäischen Nationalstaaten, aus dem Yemen, aus dem
IraJc* AUS P^rsien und Indien, den nordafrikanischen Ländern
und auch aus Nord- und Südamerika. Dieses Völkermosaik in
ständig wechselnder Zusammensetzung soll also ein Volk mit
bestimmter Kulturstufe, sozialer Lebenshaltung und staats-
politischem Bewusstsein auf demokratischer Basis werden.
Die Gefahr eines Levantinismus , eines mehr durch den Zufall
der Not als durch echte Gemeinschaft bedingten Zusammenlebens
ist damit nicht von der Hand zu weisen. Ihr Vorhandensein
oder ihr Ausmass zu ergründen, war eines der Hauptanliegen
unter den auf dieser Reise angestellten Beobachtungen. Es
soll nicht verschwiegen werden, da es sich hier um einen
subjektiven Bericht handelt, dass die Befürchtung, ja sogar
die Wahrscheinlichkeit, dieser Gefahr des Levantinismus in
starkem Maasse zu begegnen, unsere Vorstellungen vor der
Reise beherrschten.
- 8 -
>
'k'f^-ki
Die Eindrücke, welche sodann der Aufenthalt im Lande
vermittelte, haben diese Vorstellungen in einer unerwarte-
ten und überraschend kräftigen Weise durch die Gewissheit
ersetzt, dass unter der Bevölkerung der Bildungsprozess
einer Nation ungemein erfolgreich im Gange ist. Eine Reihe
von Paktoren üben offenbar eine gemeinschaftsbildende Punk-
tion von stärkster Dynamik aus.
Israel ist kein neues Babel. Hebräisch, vor wenigen
Jahren nur die Sprache der Heiligen Schrift, ist eine leben-
dige Umgangssprache geworden. Hebräisch wird in den Schulen ■
unterrichtet und an den Universitäten gelehrt. Hebräisch
sprechen die Kinder und die Arbeiter in den Fabriken, Hebrä-
isch sind die Aufschriften und die Literatur aller Sparten. •
Selbstverständlich gibt es noch Sprachen und Idiome aller
Länder unter den Menschen, selbstverständlich 'haben die älte-
ren Menschen noch nicht die Bindung zu ihrer Muttersprache ■
gelöst, aber als Sprache des Berufs- und Geschäftslebens im
Lande, als Sprache der Jugend, die sie ihre Eltern lehrt,
als Sprache der Ämter und des Parlaments, der Theater und
sozialen Einrichtungen und vor allem als Brücke des Neuein-
wanderers in sein zukünftiges Leben ist sie lebendige Wi^rk--
lichkeit geworden. Der Beobachter kann sich dem Eindruck
nicht entziehen, dass die Rückkehr zu der Sprache, in der
die Geschichte des jüdischen Volkes" geschrieben wurde, ein
entscheidendes gemeinschaftsbildendes Band geschaffen hat,
weil sie das Gefühl neuer schöpferischer Leistung aus altem
Geschichts- und Kulturgut, vermittelt und damit zugleich die
Legitimität der Rückkehr zu den Stätten der alten jüdischen
Geschichte symbolisiert- Die Urschrift der Bibel und der
Sprache der Propheten zugleich al.s Schrift der Gegenwart und
der Zukunft stellen eine Symbiose des Heiligen mit dem Pro-
fanen dar, die eben darum von der streng orthodoxen Richtung
abgelehnt wird, sich aber bereits offenbar ihre eigengesetz-
liche Dynamik geschaffen hat und mit der Deklarierung als
Landessprache auch zur Sprache des Landes geworden ist. Sie
wird noch von wenigen vollständig korrekt und von sehr vielen
.-:y.-/^-*^.i
■■■ -■.:.'7Al
- 9 -
unkorrekt gesprochen, aber sie lebt und bildet sich und den
Geist des Landes lebend weiter. Unter einem ganz anderen
Aspekt bleibt freilich zu fragen und zu besorgen, inwieweit
die entschiedene Hinwendung zur eigenen Sprache die vielen
Zugänge zu schliessen droht, die heute noch der Sprachreich-
tum der älteren Generation zu dem Kulturgut anderer Länder
und damit zu den fruchtbaren Impulsen der äusseren Welt be-
sitzt . .
Der zweite gemeinschaftsbildende Paktor im Werden des
neuen Landes ist die Armee. Wir sind ihr nicht, wie erwartet,
in der Gestalt von Marschkolonnen, Patrouillen oder Posten be-
gegnet, nicht einmal an den Grenzen, wohl aber in der Form,
wie sie in das Leben der Menschen dringt. Zweiundeinhalb Jahre
hat der junge Israeli im Heer au dienen, zwei Jahre die junge
Israelitin, abgesehen von der vormilitärischen Erziehung und
den jährlichen Übungen nach Ablauf der Djenstzeit. Sie sind
allgegenwärtig, die jungen Soldaten und Soldatinnen, stramm,
aber auch jugendlich unbefangen und unbekümmert, zusammenge-
mischt aus allen den. vielen hier nun vereinten Bestandteilen
der jüdischen Diaspora. Die Wüste des Yemen und die Bazare
des nahen Ostens, die Marktplätze Marokkos und die Ghettos
Osteuropas, die Kulturzentren Deutschlands, Frankreichs und
Amerikas sind hier mit jenen Zügen vertreten, -wie sie die
jeweilige alte Heimstätte geformt hat und die gleichwohl nun
in einer gemeinsamen aufgäbe amalgamisiert oder mit der Uniform
uniform geworden sind. Die Armee ist eine harte Schule des
kriegerischen Handwerks mit der Spannung, die von der Tatsache
ausgeht, dass jeder Tag das Kriegsspiel zur fürchterlichen
Wirklichkeit machen kann. Aber die Armee ist zugleich mehr als
eine Schule des Krieges. Sie ist zur grossen Lehrstätte der
Jugend der Nation geworden und übt diese Funktion auch bewusst
aus. Sie vermittelt über die Schulen hinaus und neben der Schu-
le die Kenntnis der Sprache, sie formt die Kader für den Aufbau
des Landes in Wirtschaft und Industrie, sie gestaltet aus dem
Einwanderer aus fernen Ländern den Israeli. Wenn irgendwo von
im
- 10 ^
■* *<* *^ e
'.^^P-
dem Bürger in Uniform gesprochen werden kann, so scheint
es hier der Fall zu sein, wo die tägliche Bedrohung der Si-
cherheit des Landes den Typ des Wehrbauern geschaffen hat,
wo sich die S^^iützengräben durch die Kibbutzim und um die
Dörfer ziehen, wo das Sten gun über dem Rucksack die jungen
Menschen auf ihren Wanderungen über das Land begleitet und
wo also die Armee nur die organisierte Form einer notwendig
auf Schutz bedachten Lebenshaltung ist. Sieht man von der
Tragik der Notwendigkeit ab, auch die Mädchen in Uniform zu
stecken und einem harten Drill mit der Waffe, wenn auch nur
•kurzfristig, zu unterziehen, so dient die Armee ferner auch
der Assimilation der Geschlechter in der allgemein gefühlton
Berufung, gleichbereöhtirt und zu gleichen Teilen am Aufbau
des Landes mitzuwirken. Sie ist für viele Einwanderer die
erste Berührung mit einer gehobenen kulturellen und sozialen
Lebensstufe und für die noch unter patriarchalischen Umstän-
den aufgewachsenen Mädchen die Schule der Hygiene, der haus-
wirtschaftlichen Fertigkeiten und moderner Technik. Der
Zwang zu dieser Armee wird nicht geliebt, der militärische
Geist als solcher nicht gepriesen und in den Stolz über die
Armee mischt sich in Gesprächen auch sogleich immer der
Wunsch, von der Zwangssrtuation einer Nation in V/affen be-
freit zu f/erden. Zugleich mit dieser Zwangssituation ist die
Armee aber zweifellos über das Instrument einer militärischen
Bereitschaft hinaus zu einem Kraft Zentrum für die Umformung
heterogener Eevölkerungselemente in eine nationale Gemein- .
Schaft geworden.
Es ist selbstverständlich, dass auch die Sohule und die
vorschulischen Einrichtungen am Prozess der Gemeinschaftsbil-
dung einen grossen Anteil haben. Moderne Schulen mit wachsen-
den Klassen, Kinderdörfer und Lehrer, die mit unendlicher Ge-
duld und Liebe zu V/erke gehen, um die jungen und zunächst in
babylonischer Sprachverwirrung einströmenden und von den ver-
schiedenen Herkunftsländern verschieden geprägten Menschen-
kinder zu formen, sind für den Besucher immer wieder ein
- 11 -
eindrucksvolles Erlebnis. Entwurzelt, vielfach %hxie Eltern
oder thne Eltern, die zu ihrer Erziehung materiell oder kul-
turell beitragen können, müssen diese Kinder wie junge Setz-
linge erst fruchtbaren Boden und Pflege finden. Die Grösse
dieses Problems ist w^hl auch für den Aussenstehenden ohne
Schwierigkeit vorstellbar, nicht aber die Gelöstheit, die Zu-
traulichkeit und die frohe und freie Haltung, in der die Kin-
der sich bewegen, oder die Begabung, die in ihren Arbeiten
zu Tage tritt. Die pädagogische Fortschrittlichkeit der Schule,
der Gedanke der Toleranz, den sie pflegen und der Geist der
gemeinschaftlichen Aufgabe am Aufbau Israels, der sie trägt,
formt bereits eine neue Generation als :feigengewächs des Lan-
des.
Sprache, Wehrdienst und Schule allein gemigen aber noch
nicht, um das starke Zusammengehörigkeitsgefühl, das einem
überall entgegenschlägt, zu begründen. Ist es die gemeinsame
Religion, von der gleichzeitig nationale Impulse ausgehen?
Diese Präge kann, so scheint es, keineswegs eindeutig mit Ja
beantwortet werden. Die streng orthodoxen Kreise, die aller-
dings nur auf 6/ader Bevölkerung geschätzt werden, stehen
- wie bereits erwähnt - dem neuen Staat dieser Welt ablehnend
gegenüber. Sie sind auch vom Wehrdienst befreit. Andere und
zahlenmässig bedeutende Kreise haben nur ein lockeres Verhält-
nis zur Religion und sind bei dem Gedanken der Aufbauarbeit
mehr von modernen ötzialen als religiösen Vorstellungen getra-
gen. Besonders die gewerkschaftlichen Organisationen und Ar-
beiterparteien, aber auch die Mitglieder intellektueller
Schichten sind in ihren konstruktiven Bemühungen um den Aufbau
des Landes eher von .westlichen Vorbildern und modernen sozialen
Theorien angeregt, als durch die Inhalte des überlieferten
Glaubens. Die religiöse Vorstellungswelt steht darum nur in
einem entfernten Zusammenhang mit den hervorstehhenden dyna-
mischen Impulsen der Gegenwart. Sie wirkt sich auf das Staats-
bewusstsein hauptsächlich insofern aus, als die Aufrechterhal-
tung des Glaubens dupth die Not der Jahrtausende hindurch die
- 12 -
Gemeinschaft (fer Juden als solche überhaupt aufrecht erhal-
ten hat und die religiösen Lehren, Feiertage und Feste in
ihrer Anknüpfung an die Ges%hichte der Juden das für das V/er-
den einer Nation notwendige Element einer geschichtlichen
Gemeinschaft beitragen. Die eigentlich formenden Kräfte schei-
nen, jedenfalls dem Beobachter ,• mehr der Gegenwart zu entsprin-
gen, die mit ihren dringenden Anforderungen an den neuen Staat
zugleich die Kräfte und die Gemeinsamkeit der Anstrengungen
hervorruft, diesen Anforderungen zu genügen. Die Wüste muss
in fruchtbaren Acker umgewandelt werden, die Berge müssen be-
waldet, eine Industrie aus dem Boden gest-^r^pft werden und die
eingeströmten Menschenmassen sind zu bilden, zu versorgen und
mit Arbeit zu versehen. Tino solche Gemeinschaft auf einepi
neuen Lebensraum zusammengeführter Massen s teht vor dem Nichts,
wenn sie versagt und verlangt den Einsatz aller schöpferischen
Kräfte, wenn sie einen neuen lebensfähigen Gesellschaft skörper
hervorbringen soll. Die gemeinschaftlichen Kräfte wachsen so
aus den Notwendigkeiten der Gemeinschaft selbst. Der Lebens-
wille ruft auch die Kräfte des Lebens hervor und ihre den Ge-
gebenheiten- angepassten Gestaltungsformen, Ein entscheidender
dritter Faktor der nationalen Zusammengehörigkeit ist so in
der gesellschaftlichen Aufgabe zu sehen, vor der es. kein Aus-
weichen mehr gibt.
Schliesslich bilden den vierten Hauptfaktor die Marken
idealistischen Impulse, die dem zionistigichen Gedankengut
zugrundeliegen und die darauf gerichtet sind, denverfolgten
Juden eine legitime Heimstätte zu schaffen, in der sie bei
sich zu Hause sind und mit oderohne religiöse Bindung als •
Juden erhobenen Hauptes umhergehen können. Lieser Idealism.us,
der die geistigen Führer des Zionismus und .die Pioniersi^xiler
beseelte, mag durch den Zustrom grosser Menschenmengen, die
einfach die Not in das Land getragen hat, an zahlenmässiger
Breite verhältnismässig verloren habtm, er ist aber noch
immer lebendig, er lebt fort in den Kibbutzim, in denen mit
dem Pflug in der Hand und dem Gew-hr ülf?-^r dem Rücken der Wüste
•der dem steinigen Bergland tragender Ackerboden abgerungen
- 13 -
C
Wird, in den Pionierleistungen der Wasser- und Stromversor-
gung, in dem Werk der neuen Ölleitung vom Roten Meer nach
der Mittelmeerkuste.in dem Bewusstsein der Sabres, der be-
reits in Israel geborenen jungen Menschen, die mit ruhiger
Selbstverständlichkeit dieses Land als ihre Heimat betrach-
ten, von den Pionieren hat sich der Idealismus auch auf die
Einwanderer der letzten Jahre verlagert, die an dem Aufbau-
werk teilgenommen haben und in Erinnerung an die frühere
zeit der Erniedrigung bewusst die Vergangenheit abstreifen
und sich ihrer Leistung als Bauern, Arbeiter, Handwerker
rühmen, nicht um damit ihre individuelle Tüchtigkeit,
sond-rn die in den Juden geweckten konstruktiven Kräfte
darzutun. Sie fühlen sich nicht mehr als Randexistenzen und
finden selbst in Berufen, die ihrem früheren intellektuellen
Standard nicht entsprechen, die Befriedigung eines schöpferi-
schen Mitwirkens am Werden eines neuen Staates an dem Pxatze,
an dem das Schicksal ihnaieine solche Mitwirkung erlaubt.
Idealismus, Selbstb .wusstsein aus der Leistung heraus und
das Heimatgefühl, in einem Staate, der den Juden erlaubt,
"sie selbst zu sein und darum der ihre ist, .sind also die
weiteren Kraftquellen des sich heranbildenden echten Natio-
nalgefühls gegenüber einem Land, das nach ihrem Willen ein
Land des friedlichen Aufbaus und der Verständigung mit den
Nachbarn werden soll.
■ Bei dieser positiven Beurteilung der nationbildenden
Paktoren ist nicht übersehen worden, dass die Portsetzung
und Konsolidierung dieser Tendenzen Schwierigkeiten bereitet.
Pie Fülle des Einwandererstroms wie seine Zusammensetzung
bringt - wie bereits angedeutet - ihre besonderen Probleme
Mt sich, zum Teil, besonders in Marokko, wurde die Aufnahme-
bereitschaft Israels dazu benutzt, vorwiegend Elemente zur
Auswanderung zu veranlassen, die nicht mehr arbeitsfähig
waren und als soziale Last zu Buche standen. Aus Ägypten
wiederum kommen Juden, die einen hohen kulturellen und so-
zialen Lebensstandard besassen und zunächst noch keine
- 14 -
innere Beziehung zum Lande haben. Unter den Einwandere j:n
der letzten Jahre befinden sich noch Elemente, die nach
Alter, religiöser Einstellung und Lebensgewohnheiten schwt;r
den Anforderungen des Landes angepasst werden können. Es
wird darüber geklagt, dass mit der Ausweitung der Bevölke-
rung und der wirtschaftlichen Aktivität der idealistische
Pioniergeist der ersten Siedler und der Gründerzeit nach-
lässt* Die Kibbutzim, die Siedlungen mit Gütergemeinschaft
begegnen Schwierigkeiten bei der Sicherung ihres Nachwuchses
und sind teilweise zu einer Auflockerung ihrer auf Lebens-
zeit gedachten Gemeinschaftsform gezwungen. Auch andere Er-
werbsgenossenschaften zeigen Tendenzen, das strenge Prinzip
der kollektiven Schicksais- und Erwerbsgemeinschaft zu mil-
dern und dem individuellen Erwerbs- und Besitztrieb Konzessio-
nen zu machen. Es gibt also in einigen Bezirken des gesell-
schaftlichen Lebens Merkmale einer Abflachung der idealisti-
schen Hochspannung. Eine jede dynamische Entwicklung zeigt
aber schliesslich auch Schattenseiten und wechselnde Tenden-
zen, die alte Impulse schwächen, jedoch auch neue Impulse
auslösen können. Zu entscheidenden Abstrichen an der Gesamt-
beurteilung des nationalen Bildungsvorgangs dürfte z.Zt. noch
kein Anlass bestehen. Im Gegenteil, sobald sich die Augen an
das zunächst fremde Bild der verschiedenartigen landschaftli-
chen Herkunft gewähnt haben, die gerade unter den Neueinwan-
derern oder den orthodoxen Gruppen in Kleidung, Haltung und
Prägung der Gesichtszüge noch hervortritt, treten diese Ein-
drücke der Fremdartigkeit als Übergangserscheinungen oder
Sondortatbestände von nicht typischer Bedeutung in den Hin-
tergrund. Der Mensch in der Arbeit und die Masse, die in der
Geschäftszeit in südlicher Gelockerthcit die Strassen belebt
oder am Sabbath die Cafes in den grossen Boulevards füllt,
vor allem aber die Jugend, die. in der Stadt ihren Flirts
nachgeht oder wandernd das Land, ihr Land durchstreift, sie
alle sind offenbar schon zu i:ini. r homogenen Gemeinschaft zu-
sammengewachsen. Sie bilden ein Volk, das seinen verschiede-
nen Beschäftigungen nachgeht unrj sind bereits mehr durch die
,m
-f. ■
- 15 -
Art ihrer Beschäftigung als durch die ursprüngliche Her-
kunft geprägt. Sie tragen sich aufrecht und selbstverständ-
lich als freie Bürger eines Staates, dessen Anforderungen
nicht gering, Da nahezu unormesslich sind, dessen Gestal-
tung aber in ihre Hände gelegt ist. Der intensive ökoncmx-
sche Aufbauprozess bewirkt zugleich einen rapiden Em-
schmelzungsprozess. Israel, .so wie es in der unmittelbaren
Gegenwart seiner Menschen erscheint, wäre nur ungenügend mit
dem Begriff verglichen, mit dem Amerika seine Absorptions-
und Assimilationsleistung beschreibt, dem Begriff des
"melting pots". Israel von heute ist ein "pressure cooker".
Der wirtschaftliche Aufbau
Es war für uns ein zweites Hauptanliegen der Reise,
einen Eindruck über den Stand und die Methode des wirtschaft-
lichen Aufbaus des Landes zu gewinnen. Als vor über 5«- Jah-
ren die zionistische Bewegung ins Leben trat und an Breite
gewann, konzentrierte sich die Diskussion wachsend auf die .
Präge, ob es überhaupt möglich sei, auf dem Wüstenb«den, m
der malariaverseuchten Sumpflandschaft oder in den ver-
karsteten Bergen Palästinas eine Heimstätte für eine gros-
sere Anzahl von Juden zu schaffen, die auch in der Lage
ist, sie zu ernähren oder ihnen wenigstens eine hinläng-
liche Existenzgrundlage zu gewähren. Die Optimisten 'sagten
■ Ja, die Zweifler sagten Nein, aber niemals haben selbst aie
eifrigsten Zionisten an eine Einwohnerzahl gedacht, wie si-
heute das Land Israel aufweist, geschweige denn von der Su-
kunftszahl von 3 Millionen Einwohnern, mit der in der Gegen-
wart bereits gerechnet wird. Was ist aus den von Sand zuge-
deckten Landstreifcn der Küstenebene, den versteinten Talern,
den kahlen Stoingebirgen und d er breiten Wüstonlandschalt im
Süden geworden? Konnte der Wassermangel, die UnerbittlichKeit
der heissen Sonne des Orients, der Sehaden der Jahrtausende
von Erosion überwunden und das Land wieder zu einer
''■-W%
- 16 -
--■'•,^ .
biblischen Fruchtbarkeit als Land von Milch und Honig zurudx-
geführt werden?
Der erste Eindruck, den die Reise aufdrängte, war, dass
die Voraussetzung für eine systematische Erschliessung des
Landes überhaupt, der Ausbau eines Verkehrsnetzes, nahezu
restlos geschaffen worden ist. Ein weitverzweigtes Netz von
asphaltierten Strassen überdeckt die Mitte und den Norden
des Landes und zweigt bereits in die Negevwüste ab. Diese
Strassen sind zum Teil ein dankenswertes Erbteil der Man-
•datszeit, in der von den Engländern aus strategisdhen Erwä-
gungen grosse Durchgangsstrassen angelegt worden sind. Ein
anderer Teil verdankt gegenwärtigen strategischen Überlegun-
gen seine Entstehung. Darüber hinaus sind aber bereits alle
Ortschaften von irgendwelcher Bedeutung und zudem eine Fülle
noch im Entstehen begriffener oder geplanter Siedlungen durch
das Strassennetz erfässt. Der Strassenbau geht vielfach der
Siedlung oder Industriegründung voran. Das hat seine Ursache
nicht nur in landesplanerischen Erwägungen, sondern in der
Notwendigkeit, den eingeströmten Menschenmassen durch den
Strassenbau Arbeit und tunlichst Arbeit an den ihnen zuge-
dachten Siedlungsplätzen zu beschaffen. Die Strassen sind
gepflegt und werden auch laufend unterhalten. Eukalyptus-
bäume, die in einer grossen, von dem Ministerpräsidenten
Ben Gurion angeregten Aktion zu Millionen gepflanzt wurden,
rahmen die Überlandstrassen ein und werden fortlaufend wei-
ter eingesetzt. Die Erstellung dieses Strassennetzes ist
umso eindrucksvoller, als es zu einem grossen Teil Gebirgs-
Btrassen umschliesst, die Höhen von über tausend Metern zu
überwinden haben und die Bewegung grosser Erdmassen sowie
die Entsteinung langer Strecken erforderten. In anderen Be-
zirken wiederum, besonders im Küstenstreifen, mussten die
Wege durch Dünen, Sand und Sumpf gelegt werden, abgesehen
von den Problemen, die dem Wegebauingenieur in der Weite
der Wüste Negcv und in der zerklüfteten Höllenlandschaft
- 17 -
des Toten Meeres gestellt wurden und noch gestellt sind.
Wer etwa in einer teilweise ähnlichen Landschaft wie in dem
Karstgebirge oder in den Flächen Jugoslaviens die Unzuläng-
lichkeit des Strassennetzes kennt, vermag nur mit Bewunde-
rung seine Dichte in Israel festzustellen und dabei gleich-
zeitig in seinem Inneren mit Verwunderung die Frage nach der
Lösung des Finanzierungsproblems stellen. Aber hierüber wird
noch gesondert zu sprechen sein.
In Verbindung mit dem Strassennetz überrascht der starke
Verkehr und die ausserordentliche Motorisierung des Lande s_._
Bei den nur wenigen Eisenbahnverbindungen, die erst in jüng-
ster Zeit mit Signalanlagen und Lieselzügen aus Wiedergut-
machungslieferungen Deutschlands modernisiert wurden, ergab
sich die Notwendigkeit des Verkehrs mit Kraftfahrzeugen
zwangsläufig. Der lokale und ihterlokale Personenverkehr
wird vorwiegend von der Autobusgesellschaft "Eged" , einem
kooperativen Unternehmen monopolartigen Charakters getragen.
Liese Gesellschaft hat ein dichtmaschiges Verbindungsnetz
ausgebaut, das auch in die entlegensten Gebiete führt. Überall
tauchen an den Wegen im Lande Wartehallen aus Beton auf, die
in der Regen- und Sonnenperiode Schutz vor der Gewaltsamkeit
des Klimas bieten und überall di^v grauen Autos, meistens
voll besetzt, die der Bewältigung des Massenverkehrs dienen.
Daneben bestehen genossenschaftlich organisierte Taxiunt.:r-
nehmen, die in grossen amerikanischen Wagen eine Art Klein-
busverkehr, teils nach Fahrplan, teils nach den Bedürfnissen
der Stunde unterhalten, den Stadtverkehr der Busse entlasten,
aber ebenso zu verhältnismässig billigen Preisen in das Land
hinausfahren. Auch an gewöhnlichen Stadttaxis ist kein Mangel,
sodass sich der Personenverkehr reibungslos abwickelt, abge-
sehen von den Stauungen, die die Hauptverkehrszeiten in den
Großstädten in Israel wie in jedem anderen Lande hervorrufen.
Der Besitz an privaten Kraftwagen ist dagegen gering und finan-
ziell nur tragbar, -soweit er Foruf szwecken dient. Die Personen-
wagen sind fast ausschliesslich amerikanischer Herkunft. Sie
sind teils Kaiser-Frazer-Wagen, die in Israel in dem dortigen
- 18 -
Montagewerk zusammengestellt werden oder Produkte der son-
stigen grossen Automobilwerke der Vereinigten Staaten. Klein-
autos sieht man nur in seltenen Fällen und keine Wagen deut-
scher Herkunft. Die starke Einfuhr amerikanischer Wagen be-
ruht auf einer Finanzierungshilfe der Export-Importbank und
der einfachen Notwendigkeit, die Käufe da zu tätigen, wo der
Devisenanfall es erlaubt. Es wird aber auch behauptet, da?-
der grosse amerikanische ¥/agen in seiner einfachen Konstruk-
tion den Bedingungen des Landes besser entspricht und in der
Unterhaltung einfacher 'Ust als die überzüchteten europäischen
Wagen, die sich preismässig auch nicht günstiger stellen als
die gängigen amerikanischen roadster. Der Güterverkehr ist
naturgemäss ebenso wie der Personenverkehr mangels Eisenbahn-
Toferbindungen auf das Kraftfahrzeug angewiesen und zeigt eine
erhebliche Typenfülle und Jahresklassenunterschiede, was
seine Problome bei der Wagenpflege mit sich bringt, wie über-
haupt die Wagenpflege eine stärkere Berüeksichtigung of**nl)ar
vertragen kann. So stark der Wagenverkehr in der WoChe ist,
so stark breitet sich von Freitag abend bis übej^onnabeud
eine eindrucksvolle Verkehrsruhe über dem Lande aus, die
fast schon einer ferkehrsstille gleicht. Die Autobusgesell-
schaft stellt auch in der Stadt zur Heiligung des Sabbaths
■ den Verkehr völlig ein, die Lastwagen bleiben in der Garage
und nur wenige Personenautos sind für den Vorkehr verfügbar
zu sehen.
■ Wohl am eindrucksvollsten wirkte auf uns die intensive
Besiedlung des Landes, von den unerschlossenen Gebieten der
Negevwüste abgesehen. Neue Städte, Giedlungszentren und
Siedlungsdörfer schiessen geradezu pilzartig aus dem Bodon.
Überall, im Küstenstreifen, in d..n Tälern, auf den Bergen,
wachsen Reihen standardisierter Siedlungshäuser empor, die
einem ständigen Aufenthalt dienen und die Periode der provi-
sorischen Lager abgelöst haben. Neben den alten Wellblech-
baracken stehen nahezu überall jetzt die rohen oder fertigen
neuen Siedlungshäuser. Die ganze Weite des Küstengebietes
bis zum Judäagebirge ist mit neuen Siedlungsstätten übersät,
' *-l^^ »("^
- 15 -
aber ebenso füllen sich die Flächen im Emek Israel, im
Jordantal und in der entsumpften Hulaebene mit Heim- und
Arbeitsstätten in dichter Nachbarschaft. Hier entstehen
überall Dörfer, deren Bewohner Landvvirtschaft treiben oder
treiben sollen und grössere Plätze, in denen neben der Land-
wirtschaft auch Industriebetriebe für eine Streuung der
Beschäftigungsmöglichkeiten, den Fähigkeiten der Einwanderer
entsprechend, Sorge tragen. Einen Eindruck von beklemmender
Wirklichkeit vermitteln darüber hinaus die Siedlungen auf
den Höhen der Berge Galiläas oder Judäas, Grenz- und Wehr-
siedlungen, die aus politischen Gründen zur Auffüllung der
leeren Gebiete und zur Sicherung der Grenze dort v#ran-
und vorgetrieben werden. Schütz engräbe^n und Stacheldraht
sind vielfach ihre Landzeichen wie Wachttürme in den Sied-
lungen der Ebene die Grenzstellung anzeigen.
Die Einweisung der Bevölkerung und die Erschliessung
des Landes geht gegenwärtig nach einer neuen Methode vor ,
sich. Die Einwanderer werden nicht mehr zuerst in Übergangs-
lager gebracht, sondern unmittelbar vom Schiff aus ihren
neuen -Heimstätten zugeführt. Sie erhalt.m ihr Siedlungshaus,
b-«e ^i-r-dLiir^jH, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt ein
Stück Land in Dauerpacht und zur Eigenbewirtschaftung zuge-
teilt bekommen sollen, wenn sie sich bewähren. Die Erschlies'
sung der zur Siedlung gehörenden Flächen erfolgt aber zu-
nächst in Lohnarbeit unter Anleitung landwirtschaftlicher
Sachverständiger, bis aus dem marokkanischen Händler oder
den sonstigen, landwirtschaftlich unerfahrenen Einwanderern
gelernte Bauern geworden sind. In der Ebene wird dabei die
Ausgleichsmöglichkeit durch gleichzeitige Begründung v#n
Kleinindustriezweigen od^r Handwerksstätten geschaffen, in
den Bergen wird nicht nur das Land entsteint, der fruchtbare
Boden zusammengetragen und die Bewässerungsanlage montiert,
es werden auch die Berge aufgeforstet und immer neue Wege an-
gelegt. Die Probleme, auch r..in menschlicher Natur, die hier
zu bewältigen sind, sind kaum in ihrer Grösse vorstellbar.
- 2
fr" «"^ It
S
Männer, 'die an patriarchalische Lebensweise gewöhnt waren
und in Anpassung an die Sitten ihres Herkunftslandes Frauen
und Kinder arbeiten Hessen, fromne Juden, die der Auffassung
sind, dass nur ein Leben im Studium der heiligen Schriften und
des Talmuds ein gottgefälliges Leben ist und auch sozial ent-
wurzelte Elemente sollen gleichzeitig den Erfordernissen des
Landes nutzbar gemacht werden. Frauen, deren hauswirtschaf t •
liehe Kenntnisse gering und deren hygienische Kenntnisse
überhaupt nicht vorhanden sind, müssen umerzogen werden. Für
die Kinder sind Schulen und Kindergärten zu schaffen, für den
jeweiligen örtlichen Siedlungskrcis sind Gesundheitsberatungs-
stellen einzurichten, Verwaltungsämter, genossenschaftliche
Einkaufs- und Absatz»rganisationen' und Stätten für die Pflege
des Gemeinschaftslebens und die Förderung des kulturellen und
sozialen Niveaus. Die Arbeitslast und die Kunst der Menschen-
behandlung, die von den für die Entwicklung der neuen Dörfer
und Siedlungszentren verantwortlichen Kräften abgefordert -
wird, verlangt eine ungewöhnliche Hingabe an den Gedanken de
Gemeinwohls. Es ist eines der Wunder dieses Landes, dass es
die Menschen für diese Aufgabe- findet und produziert. In der
Begegnung mit ihnen keimt manche nachdenkliche vergleichende
Vorstellung auf.
Die intensive Siedlungstätigkeit war und ist nur möglich
auf der Grundlage der Lösung des Problems der Wasserversor-
gung. Der Augenschein erzählt, wie ein dichtes Bewässerungs-
system über das ganze Land in Kord- und Mittelisrael gele^i^t
ist und ähnlich wie das Verkehrsnetz bereits in die Wüste v-r-
stösst. Überall in der Landschaft, im ebenen Gelände oder in
den Bergen, sind die grossen runden Wasserreservoire sichtbar,
soweit sie nicht aus Sicherheitsgründen unterirdisch angelegt
sind. Pumpstationen führen das V/asser von ihnen auf die Fel-
der und Gärten sowie in die Siedlungen selbst. Das Netz der
Bewässerungsröhren gehört zum Bild der unter Kultur genamme-
nen Flächen und die ursprüngliche Dürre des Landes hat einer
reichen Fruchtbarkeit platz gemacht, w« immer das lebenspen-
dende Nass hingeleitet wurde. Wenn es nicht in den Bergen
':'m
- 21 -
oder in der Wüste ist, hält der Heisonde vergebens nach un-
bestellter Erde Ausschau. Des Wasser fliesst und der Bod.n
wirft r.icho Ernte ab. Aber das Wasser mus. von v.eit her
aus dem Norden über das ganze Gebiet abgeleitet und verteil.,
malariaverseuchte Sumpfflächen mussten ausgetrocknet und
drainiert werden. Auch dem Boden waren erst von den teiis
landwirtschaftlich unkundigen Einwanderern und von der f,is-
senschaft seine besonderen Eigenheiten abzulauschen. Vxeh,
Gemüse und Früchte mussten unt.r den Wachstumsbedingun.en
del Klimas auf ihre Auf Zuchtmöglichkeiten erforscht werden,
um die intensive Bewirtschaftungsform, die der Zahl und
Eig^^nart der neuen jüdischen Bevölkerung entspricht una w.,1-
che die extensive Bewirtschaf tungsw.ise der Araber abgelost
hat, über viele Rückschla.ge und missglückte Versuche zum
Erfolg zu bringen. Israel ist auf dem Y.'ege, wieder das i.and
au werden, in dem üilch und Honig fliesst, aber auf diesem
Wege fliesst auch viel Schweiss und er ist mit Mühsal ge-
pflastert. Der Boden verlangt alle Kräfte unter Hintansetzung
der persönlichen Bedürfnisse, der Schönheitspflege an H.^us
und Hof im einzelnen, wie sie der jahrhundertealte Besitz
in den europäischen Kulturländern ermöglicht hat.
Die Erschliessung des Bodens ist für die Zukunft Israels
entscheidend, wenn es das Ziel erreichen soll, die Bevölke-
rung aus eigener Kraft zu ernähren, aber die Städte ■
- Jerusalem, Haifa, Tel Aviv - bilden die grossen geistigen
Kraftzentren des Landes, die Plätze des Handels, der Indusxrie,
der Verwaltungen und der Zusammenballung der intellektue^Llen
Kräfte. Über das erstaunliche Wachstum dieser Städte in kur-
zer Zeit und aus dem Nichts heraus ist viel gesagt inid ge-
schrieben worden und unsere Erwartungen waren dementsprechend
hochgespannt; sie wurden trotzdem durch die Wirklichkeit uc.r-
Das Jerusalem Israels ist eine Stadt, die - ausgenommen
die durch die Grenze durchschnittene Altstadt - nichts mit
dem alten Jerusalem .u tun hat und ihre Entwicklung auch an
anderen Plätzen nimmt. Mitteln aus d. n steinigen Hochland
- 22 -
heraus erwächst eine völlig neue Stadt auf der Grundlage
einer gr.sszügigen modernen Städteplanung, mit einem Univer-
sitätsviertel, das in seiner prächtigen Anlage und mit den
bereits errichteten Fakultäten und Forschungsstätten ver-
gleichsweise nur wehmütige Gedanken auszulösen vermag, mit
seinem Zentrum für die Regierungsgebäude, das sich im Bau d. s
Finanzministeriums bereits in seinem repräsentativen Charak-
ter abzeichnet, «nit fertigen Wohnvierteln an bereits bewalde-
ten Abhängen und mit einer Fülle neuer, in Entwicklung begrif-
fener städtebaulicher Anlagen. Die Bautätigkeit ist en.rm und
die Bauten sind schön, frei und luftig mit Flachdächern, wie
sie dem Stil des Landes entsprechen, mit grossen Balk.nen un.
aus dem schönen Stein des Gebirges erbaut, der allem als feau-
material zugelassen ist und die Stadt in die Landschaft hinein-
wachsen lässt. Es ist eine unwirkliche Wirlclichkeit demgegen-
über, mitten im alten Stadtgebiet an den Zementmauern una d.m
Stacheldraht zu stehen, die Israel von Transjordanien trenr.cn,
in wenigen Schritten Entfernung von den Wachen der jordani-
schen Legionäre bei ihren Sandsäcken, und auf diese ^'eis. zu
realisieren, dass die neue Hauptstadt des Landes Grenzstadt
ist an einer feindlichen Grenze. Eben aus diesem Grunde wurae
Jerusalem aber auch zur Hauptstadt des Landes gemacht - und
nicht nur auf dem Papier - weil für den frommen Juden wie den
freigeistigen Israeli eben Jerusalem seine geschichtliche
Hauptstadt ist und also wieder werd.n musste. Die Gefahr, m
der sich dieses Land befindet, aber auch der'Mut, mit dem es
ihr begegnet, wird durch diese Wahl und den unbeirrten Ausbau
der Stadt symbolisiert.
Haifa, an den Höhen des Karraelgebirges sich heraufzie-
hend und das blaue Ilittelmeer überblickend, ist die land-
schaftlich schönste Stadt Israels. Sie ist Hafen- und Garten-
stadt zugleich, so unwahrscheinlich diese K.mbination klingen
mag. Von den grossen Geschäftsstrassen abgesehen, die sich pa-
rallel in dreifacher Stufenfolge am Berg entlangziehen, ist
die Bauweise aufgelockert. Keine Häuserzeilen und geschlosse-
nen Baublocks drücken der Stadt den Stempel der Massivität
- 23 -
einer Grosstadt auf, di', sie mit 15« ooo Einwohnern gloich-
w«hl ist. Nach Art v»n Villenk«lonion, voii Grün durchsetzt,
umkränzen die Plachhäuser in hellen V/eiss die Bergabhänge und
wirken nicht als Fremdkörper, sondern als architektonische
Portgestaltung der Landschaft. Viel schöpferisches Können der
Architekten ist in ihnen zu Stein, Glas und Farbe geworden.
Haifa ist eine heite-re Stadt und die Menschen in ihr wirken
heiter und gelöst. Die Geschäfte zeigen reichhaltige und ge-
schmackv.lle Auslagen, das Leben pulst an ihnen in Menschen-
strömen v.rbei und schwingt weit in die Hafenanlagen und das
beliebte Bild der Schiffe auf d^-m kla2A3n V/asser des Mittelmce-
res aus.
Tel Aviv, ebenfalls am Mittelmeer gelegen, und aus einem
Vorstadtgarten entstanden, ist eine seinem Charakter nach s.iir
andersartige Stadt. Es ist die Stadt, in die der Haupteinwan-
derunp-sstrom einlief, der seine Bevölkerung auf über 4o» «ac
Einwohner anschwellen liess. Nachdem Befreiungskrieg und dem
Ex«du3 der arabischen Bevölkerung wurde es mit Jaffa zu einer
Gemeinde verbunden, ohne dass jedoch Jafia damit in den Charak-
ter Tel Avivs einbezogen wurde. Der j-etzige Ortsteil Jaffa
trägt noch ifnmer starke Zeichen der Zerstörung und arabischer
Herkunft, soweit nicht die sWitivierte^» aus» hygienischen Gr-Ön-
den gesprengt wurden. Der Neuaufbau geht hier offenbar etwas
zög'brnd vor sich. Tel Aviv aber wächst lind wächst in einv,r
Weise, die auch im Wiederaufbau der deutschen Städte kein
vergleichbares Gegenstück zu finden erlaubt. An der hier fla-
chen und sandigen Meeresküste gelegen, greift sie immer wcitv^r
der Küste entlang und immer tiefer in das Hinterland aus. V/ie
in den Großstädten ..merikas wachsen neue Geschäfts- und \"ohn-
■ viertel dem alten Kern pn, entstehen neue riesige Verwaltungs-
gebäude und Kulturstätten, formen sich neue Plätze unä breite
Alleen. Die Bauweise ist auch hier aufgelockert in Einzelhaus-
form in den ausgedehnten neuen Vierteln mit Grünstreifen da-
zwischen, aber die Häuser sind aus Zement »der verputzt und
entbehren damit einer eigentlichen landscViaf tlichen Prägung.
- 24 -
»s
f.*
Tel Aviv is*t die Gesc^äf tsstadt des Landes, das Zentrum d^^
Handels und des Verkehrs. *In den Ausklagen der grossen flbule-
vards stellt die Industrie und b esonders die I.lode- und Textil-
industrie ihre Erzeugnisse zur Schau, die in grossem Umfange
das Können und den Geschmack der Herkunftsländer der Produ-
zenten oder Kaufleute wiederspiegeln. Die grossen Boulevards
mit modernen Strassencaf es erinnern an die Boulevards Paris
und der moderne eigentlich europäische Charakter der Stadt
überwuchert die Viertel der kleinen Gewerbetreilfenden und
Strassenmärkte mit •rientalischem Einschlag in •den n#ch an
arabische Zeiten erinnernden Nebenstrassen mit ihren niedri-
gen Plachbauten. Am Strand zieht sich ein grosser Korso ent-
lang, auf dem sich am Sabbath eine unübersehbare Menschenm: n-
ge ergeht und an ihm liegun auch die z.Zt, auf den amerikani-
schen Touristenverkehr wartenden Hotels. An sich erscheint
d*ie Stadt unverhältnismässig gross bei der Kleinheit des Lan-
des, und auch hier stellt sich dem Beobachter unwillkürlich
die Präge, aus weichen Mitteln diese Stadt ihr immensifs
Wachstum finanziert, aus welchen Mitteln die sich auf 2o bis
4o 090 Mark belaufenden Kauf summen für die Wohnungen und die
hohen Mieten v«n 3t« bis 5«« ?iark monatlich aufgebracht wer-
den. Tel Aviv ist an sich eine Unwahrschuinlichkeit , ein Ver-
stoss gegen die L^gik, aber freilich nur gegen jene L©gik,
welche auch die Möglichkeit der Erschliessung der Wüste go--
leugnet hat, welche die Eignung ihrer Menschen zur Staat-
gründung und "Staatsverteidigung anzweifelte und mit dem Ke-
chensystem einer konservativen Pcnkweise die rechnerisch
nicht erfassbare Dynamik des Lebens zu kalkulieren versuchte.
Neben der Entwicklung der Großstädte ist aber auch die
Por^t- und N'cuentwicklung kleiner Städte bem^erkenswert , welche
die Massierung städtischer Einwohner in den Groiistädten ab-
leiten oder den regionalen Bedürfnissen der sich auf füllend..n
Bezirke einen ^eigenen Mittelpunkt für die weitere Entwicklung
des Landes geben sollen. Wir haben einige Beispiele davon ge-
sehen, die zugleich für die Planmässigkeit der Gestaltung wie
für die Dynamik des Geschehens symptomatisch sind. Ein Beispiel
— C-
05 _
'' W "^l
davon ist Bersheba. Bersheba war eine kleine, wenn auch leb-
hafte arabische Stadt am Eingang zur V/üste Negev, und sie ist
in ihrem Kern auch erhalten geblieben, von den Arabern frei-
lich zum grossen Teil verlassen. In der alten Moschee ist jetzt
das örtliche Gericht untergebracht, vor dessen Eingang wir
rechtsuchende Araber kauernd sitzen sahen und ausserdem ein l;.:u-
seum, das die Fundstücke von Ausgrabungen enthält. Der -:^ilte
Charakter der Stadt ist also gewahrt. Um sie herum ist aber
eine völlig neue Stadt entwick^jlt worden, in verschiedenen
Teilen nach dem Prinzip des Nachbarschaf tsstadtteils , mit einem
übermodernen Hotel, das als Hnuijt quartier der die V7üste er-
schliessenden Ingenieure, aber auch als Unterkunft für di^.. R -ei-
senden dient, mit Verwaltungsgebäuden, einem Hospital, Kino,
Gemeinschaftssälen und Grünanlagen. Mitten aus der Wüste heraus,
deren Trostlosigkeit noch von allen Seiten eindringt, erwächst
hier so eine moderne Stadt, die Hauptstadt des Negev, welche
eindrucksvoll die Eroberung der Wüste charakterisiert. Ein Bei-
spiel anderer Art in bereits fruchtbar gemachtem Land ist cias
moderne Ascalon, in dem nach genauen Plänen um das alte Städt-
chen Ascalon arabischen Charakters vier neue Trabantenstadtf 1-
le erwachsen, die durch ein gemeinsames Shopping- und c^mmamity-
center mit Ladenstrassen, Handwerksbetrieben, Postamt, Kino und
Gaststätten miteinander zu einer Einheit verbunden sind und .in
Musterbeispiel moderner aufgelockerter Bebauungsweise in länd-
licher Gegend bilden. Dabei ist nichts vergessen worden, nicht
der gesonderte Weg für di.. Lastwagen zur Rückseite der Geschäfte
und Betriebe, nicht die Tankstelle gleich an ihnen oder die al-
ten römischen Säulen in einer vorgelagerten Grünfläche, die
Altertum und Neuzeit an diesem historischen Platze zusammenbrin-
gen. Wir habrn auch an and.-ren Stellen bis hoch oben im N-irden
Galiläas - wenn auch in kl.:inerem Ma(3stab - noch solche Groi3-
siedlungen gesehen, in d.men in Mischung von Industrie, Hand-
werk und Landwirtschaft d-r Bevölkerung gleichzeitig eine Le-
bensgrundlage und eine gesullschaf tsbildende Heimstätte gege-
ben w erden soll.
26 -
Stadt und Land -bedürfen beide zu ihrer Lebensfähigkeit
einer industriellen Grundlage. Die Erzeugnisse des Bodens deckon
noch nicht den Bedarf der Bevölkerung und der Export an Gütern
bringt nur einen noch sehr geringen Teil des Devisenbedarfs für
die Einfuhr auf. Vor allem müsr-en aber auch die einströmenden
Menschen Beschäftigung finden und ausser in den Entwicklungsar-
beiten zur- Auf Schliessung des Landes unmittelbar produktive Ver-
wendung bei der Erzeugung von Investitions- und Konsumgütern
finden. Las Lf.nd steht also vor der Notwendigkeit, seine Grund-
stoffe auszunutzen, eine weiterverarbeitende Industrie aufzu-
bauen und Investitions- oder Konsumgüter selbst zu erzeugen. Lie
Reise gab auch Gelegenheit, solche Produktionsstätten zu besicn-
tigen, aber es wäre unangebracht, aus diesen gelegentlichen 1 .1-
produkten des Augenscheins begründete Schlüsse zu ziehen. Etwa
folgende streiflichtartige Eindrücke drängten sich auf:
Ler Reichtum des Landes an Rohstoffen ist gering. Die
Pottascheproduktion aus den Wassern des Toten Meeres ist für
den Export wichtig geworden und über einige Rückschläge jetzt
wohl technisch durchgebildet. In ihr sind etwa 4oo Arbeiter
unter ungewöhnlich harten klimatischen Bedingungen beschäftigt.
Sie'sesshaft zu machen, erforderte die Anlage eines besonderen
Arbeiterdorfes in grosser Entfcrmxng auf einer über dem Me.,-reL-
spiegel gelegenen Fläche des Negevwüstendorf es, das eben fortig
gestellt wurde. Die Erdölförderung steht .rst am Anfang und ist
in ihren Chancen noch nicht abzuschätzen. Die bisher fündig ge-
wordenen Stellen decken nur 5^% des Bedarfs. Das Weizmann-
Institut in Rechowo studiert die Eigenschaften dieses Öls. Da
der Staat die Ölförderung nicht fremden Händen übertragen woll-
te, und da auch die grossen ülgesellschaften aus politischen
Gründen Zurückhaltung zeigten, wurde eine besondere Gesellschaft
mit Einschuss staatlichen Kapitals und Heranziehung anderer Fi-
nanzierungsquellen ohne Beteiligung privatwirtschaf tlichor Inte-
ressenten gegr+ndet. Die Präge, ob weitere Ölbohrungen erfolg-
reich werden, ist naturgemäss von entscheidender Bedeutung für
das Land, da der Zufluss arabischen Öls durch die Pipeline nach
Haifa gestoppt ist und die Russen beim Ausbruch des Sinaifeld-
zuges ihre Lieferungen eingestellt haben. Das Lund ist also auf
- 27 -
"Z -V^ "*■
die Lieferungen eus Übersee angewiesen, die in einer grossen
und modernen Raffinerie am Rande Haifas verarbeitet werden. Dii
durch den Sinaikonflikt ausgelöste Verknappung an Treibstof r.„n
scheint sich jedoch nicht übermässig bemerkbar gemacht zu h-,b .n.
Die Kraftfahrztmge dürfen nur an sechs Tagen der V;oche f-^hr-n,
w-s angesichts der allgemein gehaltenen Sabbathruhe keine sehr
fühlbare Einschränkung bedeutet.
Im Bezirk der weiterverarbeitenden Industrie wurde das
Vulkanwerk, ein modernes Walzwerk, vor den Toren von Haifa be-
sichtigt, das neuen Datums ist und «ine moderne .Valzenstrasse
für Stabeisen sowie Siemens Martinsöfen besitzt. Es gehört der
Histadruht, der grossen Gewerkschaft des Landes. In der Ijachbar-
• Schaft dieses Werkes besichtigten wir weiter eine hochmechani-
sierte und ausgedehnte Fabrikanlage für die Herstellung von Fla-
schen und Flachglas, die ursprünglich eine private Gründung war,
aber nach eingetretenen Schwierigkeiten ebenfalls in die Hände
der Histadruht überging und etwa A^fc für den Export arbeitet.
Gewisse erste Fehlplanungen scheinen überwunden zu sein. Das
anfangs -schwierige Problem, ungelernte und mit dem Wesen eines
Industriebetriebes nicht vertraute Arbeiter an empfindlich. Ma-
. schinen zu setzen und zu einem Arbeitsteam zusammenwachsen zu
lassen, wurde nach den Erklärungen der leitenden Herren g.lost
und der Augenschein bestätigte die besondere Lernfähigkeit der
yemenitlschen Juden, die als Glasbläser ausserordentliche Flink-
heit und Geschicklichkeit zeigten. Einen ausgezeichneten Ein-
druck vermittelte eine grosse Röhr.enfabrik, die Youvalgat Co.
Ltd., in der Mähe von Ascalon, welche nach eigenen neu oi:t-
widkelten Verfahren und mit modernen Großanlagen Röhren gröss-
ter wie kleinerer Durchschnitte für die Wasserversorgung d.,s
Landes herstellt. Auch hier sind etwa 490 Arbeiter beschäftigt
und es wird in drei Schichten gearbeitet. Der Platz wurde aus
standortmässigen Gründen in der Mitte des Landes und an der Ei-
senbahn gewählt. Auch dieses Unternehmen gehört zum Industrie-
konzern d'er Histadruht. Im übrigen sind die Betriebe mit den
auch bei uns üblichen sozialen Einrichtungen versehen. Die Be-
zahlung erfolgt nach Massgabe eines Grundgehaltes und von
- 28 -
Arbeitsprämien, die von der Produktionsleistung abhängen sol-
len. Das System der Arbeitsprämien in den der Histadruht ge-
hörenden Betrieben bereitet aber offenbar noch Schwierigkei-
ten und hat auch gerade kurz nach unserer Besichtigung zu Ar-
beitskonflikten und Arbeitsniederlegungen geführt. Zur Erklä-
rung dieses eigentlich innergewerkschaftlichen Streits bei der
Einheit von Eigentum und gewerkschaftlicher Vertretung in d'^r
Hand der Histadruht sei darauf hingewiesen, dass die der Hista-
druht gehörenden Unternehmen einmal ihre eigene Rechtspersön-
lichkeit besitzen und zum anderen in einer Holdinggesellschaft,
der Solei Boneh Ltd. (Wegbahner) zusammengef asst sind und dass
sich also die Konflikte auf verschiedenen Ebenen abspielen.
An industrialisierten Arbeitsstätten im genossenschaftli-
chen Sektor der Landwirtschaft besichtigten wir als typisch für
die fortschrittliche Stosskraft' eine eben in Botrieb genc]nrn..ne
grosse Orangenpackerei. Die Orangen w erden vom Baum in genorm-
ten Kisten gesammelt, dfese in bestimmter Zahl auf Lastwagen
geladen und dann im Eliessbandverf ahren gewogen, sortiert, ore-
waschen, gewachst, verpackt und -in die Eisenbahnwaggons Verla-
dern, soweit nicht die minderen Qualitäten über andere Trans-
portbänder auf Lastautos für den Verbrauch des Landes selbst
oder die Eruchtsaf tfabriken abgeleitet werden. Bei dieser An-
lage handelt es sich um eine aenossenschaf t , der die Landwirte
mit eigenem Grund und Boden angehören und die mit ihren eigenen
Mitteln finanziert wurde. Es gibt ähnliche Anlagen für die
kollektiv bewirtschafteten Betriebe.
Schliesslich ergab sich Gelegenheit, einen Betrieb vm
für Israel besonderer Ar.t zu besichtigen, nämlich ein riesiges
und völlig durchrationalisiertes Getreidelagerhaus im Hafen von
Haifa, das unmittelbar aus den Schiffen mit Elevatoren und über
grosse Transportbänder das Getreide einlagert, dann sortiert,
wiegt, verpackt und zum Versand bringt. Dieses Unternehmen, die
Dagon Ltd., ist ein reines Privatunternehmen mit Schweizer Ka-
pital und verdankt seine Entstehung einer mit einer grossen
süddeutschen Lagerhausgesellschaft verbundenen initiativreichen
- 29-1 -
Persönlichkeit, die den Beweis erbringen will, dass auch die
private Wirtschaft neben dem Bezirk der staatlich, genoss. n-
schaftlich oder gewerkschaftlich dirigierten Wirtschaft einen
legitimen Piatz beanspruchen und ausfüllen kann.
: ;'V
-Der Dualismus des Y/irtschaftssvstems
Damit ist die Frage angeschnitten, die wirtschaftspoli-
tisch ein noch nicht entschiedenes Problem des Landes dar-
stellt, nämlich die Frage nach der Tendenz des Wirtschafts-
systems. Auf dorn Gebiet der Industrialisierung zwischen den
beiden Polen einer vom Staat oder ihm nahestehender Organisa-
tienen getragenen Wirts'chaft mit gemeinwirtschaftlicher und
planwirtschaftlich.r Note und der freien Unternehmerinitiative
auf marktwirtschaftlicher Grundlage. Die Reisebeobachtungen
konnten dabei selbstverständlich diese Fragestellung als ein
Problem des Landes nur h..rvortreten lassen, nicht aber sie be-
antworten. In ihrem speziellen Rahmen in Israel lässt sie 3icn
etwa folgendernassen abzeichnen:
Es hat einmal zunächst historische Gründe, wenn sich in
.•rossem Umfange Wirtschaftsformen entwickelt haben, die nicht
privat- und marktwirtschaftlich ausgerichtet sind. Die KibDutzi^i,
jene Israel eigentümliche Form des Zusammenlebens und der L-rnd-
erschliessung, in denen allen alles und dem Einzelnen nichts
gehört, sind die von idealistischen Motiven bestimmten Gemein-
schaften der Dungon Pioniere, di. in einer fremden Umwelt sich
eine neue Heimstätte schaffen wollten und hierbei in der Form
der kollektiven Schicksalsgemeinschaft zu Werke gingen und wonl
auch gehen mussten. Mit d.r wachsenden Besiedlung des Landes
prägten sich dann auch arä ere Formen dörflicher Siedlung auf
eigenem Grund und Boden aus, aber für zweckentsprechende Auf-
schliessung des Bodens, die Einkaufs- und Absatzregelung sowie
die Preisgestaltung erwies sich fast immer die genoseenschatt-
lich.- Verknüpfung mit den ihr eigenen plan- und zentralwirt-
schaftlichen Elementen als gegeben. Die Histadruht wiederum
stand schon in den frühen Jahren der Einwanderung vor der
- 3o -
< \i^ <
Tatsache, dass sie sich nicht mit den Bemühungen um die ge-
werkschaftliche Erfassung und Betreuung der Arb-^iter begnü-
gen konnte, sondern dass ihr mangels Initiative von anderer
Seite auch die Aufgabe zufiel, für die einwandernden Arbeits-
kräfte - damals vorwiegend aus Polen und Russland - erst einmal
Arbeitsplätze zu schaffen und zu diesem Zweck als Unternehmtr
tätig zu werden. Vorbestimmt durch die Ideen der sozialisti-
schen Kreise ihrer Herkunftsländer, aus denen sie Druck des
Zarismus oder der Antisemitismus vertrieb, wirkten die sozia-
listischen Vorstellungen bei der Inangriffnahme ihrer Planung
und Gründertätigkeit naturgemäss mit und blieben auch bis heute
lebendig. Die Koalition, die zwischen den Arbeiterparteien und
den Orthodoxen die Regierung trägt, beruht auf dem Umstand,
dass die Orthodoxen sich nicht an den wirtschaftlichen Kon-
zeptionen der Arbeiterparteien reiben, im Gegensatz zu den
anderen politischen Richtungen mehr bürgerlicher Prägung. Ent-
scheidend ist aber wohl in Rechnung zu stellen, dass ein
Staats- und Wirtschaftsaufbau unter dem Vorzeichen einer Aus-
sergewöhnlichkeit in jedem Sinne überhaupt nicht unter dem
Aspekt privatwirtschaftlicher Rentabilität durchzuführen ist.
Die Bodenbeschaffung für die mittellosen Einwanderer, die Ur-
barmachung des Landes, die Investitionen in die Versorgungs-
wirtschaft, der Strassen- und Siedlungsbau, die Arbeitsplatz-
beschaffung in einer erst zu erstellenden Industrie, das sind
gesamtökonomische Notwendigkeiten, die über einen kurzen Zeit-
raum nicht privatwirtschaftlich finanziert und ertragbringend
gemacht werden können. Hier handelt es sich also um volkswirt-
schaftliche Lasten und nationalwirtschaftliche Aufgaben, deren
Bewältigung in kurzen Zeiträumen die Kräfte der Privatwirt-
schaft überfordert und damit das Schwergewicht der wirtschait-
lichen Aktivität im Bezirk der industriellen Produktion zwangs-
läufig in die öffentliche Hand oder ihr assimilierte Organisa-
tionen legt.
- 31 -
^ni-
Ein anderer Gesichtspunkt tritt hinzu. Es liegt in d^r
Natur der Sache, dass die Arbeitsleistung der Neueinwanderer
noch nicht der Produktionsleistung angepasst ist, die nach
Lohnhöhe oder der Kapazität des Y/erlces erstellt werden mur:st--.
Das Lohnniveau, die sozialen und kulturellen Einrichtungen
sowie die Lebensbedürfnisse sind auf einen Standard au^g rich-
tet, der den Auffassungen eines modernen Kultur- und Sozi=-l-
staates entspricht. Israel lebt, wie auch von massgeblicher
Seite bekannt wird, eigentlich über s.:.ine Verhältnisse, d.h.
über seine Produktionskapazität und seine tatsächliche Produk-
tionsleistung hinaus. Liese sozialen und kulturellen Lasten
eines Staates, der nicht die Mittel dazu im eigenen Lande auf-
zubringen vermag, aber nach dem Gesetz, nach dem er angetreten
ist, ein progressiver und moderner Staat sein soll, diesc- Hy-
pothc^k also einer Entwicklung s einer Struktur von der Wüste
rhne Übergangsstationen in einen modernen • Gesellschaf tskörper,
schafft Produktionsbedingungen, die nach dem Maßstab der pri-
vatwirtschaftlichen Rentabilität nicht oder jedenfalls noch
nicht die Voraussetzungen für eine Initiative der privatwirt-
schaftlichen Aktivität bieten, welche dem Staa-t oder den para-
statalcn Einrichtungen ihre Pionierleistung abzunehmen in d:r
Lage wäre. Es besteht kein Kapitalmarkt, keine genügende Yer-
mögensbildung, kein Verhältnis zwischen den politisch vorbe-
stimmten Kosten, der Leistung und dem Ertrag für grossindu-
strielle Vorhaben, der die Aufbringung der Mittel für die In-
vestitionen und einen mit nicht zu grossem Risiko belastet^.n
Betrieb erlaubt. Unter diesen Gt-sichtspunkten ist auch die Be-
teiligung von privatem Ausl-mdskapital, an die gedacht wird,
und die auch mancht: Blicke nach Deutschland geh-en lässt, dessen
Wiedergutmachungsleistungen den deutschen Produkten wieder hohe
Anerkennung verschafft haben, eine noch sehr offene Frage.
Der wirtschaftliche Aufbau des Landes, im ganzen gesehen,
ist ein Phänomen, das sich jedem gewohnten oder dogmatischem
Maßstab entzieht. Es ist vollrr Widersprüche und voller Wund-jr,
voller UnWahrscheinlichkeiten, die zum Ereignis und voller Er-
eignisse, die zum pulsierenden Leben werden, das seine
■,--'^-;-^V'!V"i'''
- 32 -
Rechtfertigung in seinem Dasein findet.
Das ginanzierun^sproblem
Wo aber, bei aller Bewunderung für dieses Leben und die
Lpistung, die hinter ihm steht, kommt das Geld her? Welcher
Stab\ fand einen Stein, der mit der Berührung zur Quelle der
Finanzierung wurde? Nun, Wunder der Finanzierung gibt es in
Israel sowenig wie in einen anderen Lande und es kann sicher
nicht behauptet werden, dass die Finanzen dieses Landes in
klassischer Weise geordnet sind. Das Volkseinkommen und damit
auch das Einkommen der öffentlichen Hand reichen bei weitem
nicht aus, die Finanzierungslast zu tragen. Es gibt aber eine
Reihe von anderen Quellen mit mehr oder weniger klarem Wasser,
die sich wunderbarerweise immer wieder erschliessen, wenn an-
dere zu versiegen drohten.
Eine Quelle, deren Wasser trübe ist, ist der im Laufe der
letzten lo Jahre eingetretene Währungsverfall. Bei diesem^none-
tären Prozess gibt es immer Leidtragende, aber auch Gewinne,
welche die reale Schuldenlast vermindorn oder Investition.:n
finanzieren. Der State Comptroller hat im Wege einer Indexbe-
rechnung herausgefunden, dass Ausgaben in Höhe von israeli-
sche. £ 100.-.- im Jahre 1947/48 heute etwa den fünffachen Bo-
trag erfordern.
Die normale Quelle der öffentlichen Finanzen, also die
Steuern, sind zumindest bis an die Grenze der Kapazität ausge-
nutzt. Wahrscheinlich ist das Optimum überschritten. Bis "u
gewissen, jetzt vorgenommenen, aber i-nmer noch bescheidenen
Steuererleichterungen wurde die Höchstgrenze der Besteuerung,
nämlich 7«»/. bereits bei einem Nominaleinkommen von umgerechnet
ca. 12.000 DM erreicht, das kaufkraftmässig jedoch nur einem
Einkommen von ca. 6 - 7ooo DM entsprechen dürfte. Damit sind
die Realbezüge der Bezieher von fest.m Einkommen ausserordent-
lich niedrig. Das gilt besonders auch für die Bezüge der höhe-
ren Beamten, bei denen die Spanne zwischen d«i unteren und
oberen Einkommen noch unter loo/o liegt. Sie sind entweder auf
Nebentätigkeit oder die Verdienste der Ehefrau angewiesen.
- 53 -
Es finden auch gewisse Manipulationen statt, die auf einem
Zusammenhang des Lohn- und Gehaltsniveaus mit dem Preismacx
beruhen und welche den Pinanzminister veranlassen, um die
Stichtage herum durch gewisse Subventionen den Preisindex .u
regulieren. Der Einanzm.inister Israels ist darum allem An.c.uin
nach heftiger angegriffen als es das durchschnittliche Lo. s.i-^
ner Kollegen' ist und sicherlich nicht der Mann, der als Le..i..-.
angesehen wird. ^
Im übrigen reichen die inländischen Pinanzquellen, otcuern
und Anleihen, überhaupt nicht aus, um die Entwicklungsauegab.n
zu decken, ebenso wonig wie die Exporterträge für den Devisen-
bedarf ausreichen. In groben Daten ausgedrückt, erzeugt Israel
heute etwa 7o/o seines Bedarfs an Konsumgütern, was schon eine
ausserordentliche Leistung ist, muss aber die Produktionslucke
und seine Investitionen in Entwicklungsprojekte in vollem Lmlang
:nit Auslandskapital finanzieren. Dieses Kapital kommt aus mehre-
ren ausländischen Quellen. Ls umfasst Hilfsgelder verschiecen.r
Kategorien aus den Voreinigten Staaten und zu einem sehr wesent-
lichen Teil auch die deutschen Reparationsleistungen, die be-
■ sonders nach Sperrung der amerikanischen Hilfe die Durchführung
des Entwicklungsbudgets ermöglichten. Sie haben auch entscno.-
dend dazu beigetragen, die noch vor einigen Jahren bestehenden
Knappheitserscheinungen in der Warenversorgung zu beseitigen,
auch wenn sich noch nicht alle Kreise darüber Rechenschaft ge-
'''''* Schliesslich wird die finanzielle Anstrengung Israels und
sein Rückgriff auf Auslandshilfe überhaupt nicht aus den Bua-
■ g.tziffern sichtbar. Aus den jüdischen Hilfsaktionen in aller
■ielt, besonders aber wiederum in Amerika, f Hessen dem L.:nae
die Spenden oder - zu geringerem Teil - die Darlehen zu, die
nach den Aufbauplänen .der für einzelne Projekte benötigt wer-
den. Diese Gelder kommen nicht in die Staatskasse, sondern
. schon aus Gründen der steuerlichen Abzugsfähigkeit an besondere
gemeinnützige Organisationen, die schon lange vor der Staats-
gründung die Träger der Aufbauaufgaben auf dem Gebiete der
Landbeschaffung, Urbarmachung und Aufforstung waren oder die
V
'>'••' 1
- 34 -
Ausrüstung der Landwirtschaft und die Begründung von Indu-
strien zum Gegenstand haben oder schliesslich die kulturel-
len, sozialen und hygienischen Einrichtungen des Landes fi-
nanzieren und durchführen. Die in die öffentlichen Haushalte
eingestellten Entwickluhgsvorhaben sind mit den Plänen dieser
anderen Entwicklungsorganisationen abgestimmt, was durch Per-
sonenidentität oder Wechselbeziehungen zwischen den Mitglie-
dern der Regierung und den verantwortlichen Persönlichkeiten
dieser Organisationen erleichtert wird - freilich manchmal
aber auch Interessenkonflikte hervorruft. Im ganzen dürften
die aus diesen Spenden finanzierten Ausgaben sich in Höhe des
staatlichen Entwicklungsbudgets bewegen. Lass sie nicht in
laufenden Ausgaben aufgehen, zeigen ihre steinernen Transfor-
mationen in Gestalt von Universitätsbauten, Krankenhäusern,
Kinderheimen, Schulen, sozialen Anstalten u.a.m., die alle
Dokumente des letzten neuzeitlichen Denkens und zugleich der
grosszügigen Opferwilligkeit sind.
So ist das Spiel der finanziellen Instrumente ausseror-
dentlich vielseitig, mit Missklängen und erhebenden Tönen, im
Widerspruch zu den gev;ohnten Aspekten, in der Planung zuweilen
unwahrscheinlich, in der Realisierung der Pläne aber immer
wieder entgegen allen konservativen Rechnungsregeln vom Glück
des Wagemutigen begünstigt.
' Das Land der Einheit und der Gep:ensätze
Israel präsentiert sich so dem Reisenden als ein faszi-
nierendes Land. Diese Faszination, die den Besucher packt,
beruht nicht etwa auf dem Reiz des Fremdartigen eines fernen
Landes oder schlechthin einer dynamischen Entwicklung, die
einen lebendigen Menschen anziehen muss. Es ist vielmehr der
Prozess der Bildung eines neuen Gesellschaftskörpers in einem
neuen staatlichen Gewände unter völlig verschiedenartigen Vor-
zeichen, der mit solcher Spannung erfüllt. In dieses Land sind
mit seinen Einwanderern geistige Kräfte eingeströmt, welche
ebensowohl den Besitz und die Spannweite modernsten Denkens
- 35 -
♦. t' •'1
verkörptrn wie d.m in altbiblischen Vorstellungen denkenden
und in transzendentaler Entwicklung von dieser Y/elt lebenden
Glaubensfanatismus. Hier liegt eine polare Sr,annung vor, aie
in merkwürdiger Waise trennt und doch auch, mit der Bibel als
gemeinsamer Geschichte, die sich bestätigt und fortsetzt,
zu einer Kraftquelle wird. Diese Polarität zwischen dum
Freigeist und dem religiösen Dynamismus hat bisher die Annahme
einer Verfassung verhindert und es ist damit rechtlich und
tatsächlich noch offen, welche endgültige Prägung die
"Verfassung" des gesellschaftlichen Lebens annehmen wird.
Gleichzeitig arbeiten die Menschen aber, von den wenigen
extremen Fanatikern des Glaubens abgesehen, unerschüttert
durch diese Spannung auf der Grundlage der ihr dxirch di*. Ge-
schichte immanent gewordenen Idee der Toleranz am Aufbau
eines modernen und von sozialem Geist getragenen dera.kra-
tischen Staates. Welch ein Gegensatz weiter zwischen den
Lebensgewohnheiten und Ansprüchen der verschiedenen Einw;,n-
dcrerströme je nach dem Ilertanf tsland, bei dem die einen
noch in den Wellblechbaracken der Aufnahmelager bessere Be-
dingungen vorfanden, als in ihrem Ursprungsland, und b.i d.,.r
die anderen sich mit allen Errungenschaften der Kultur und
Technik umgeben. Der verbindende Paktor liegt hier in der
f ortreissenden Tendenz zur Formung einer modernen Gesell-
schaftsstruktur iti ganzen, auch wenn manche wertvollen in-
tellektuellen Kräfte Beschäftigungen nachgehen, die nicht
zu den geistigen Berufen gehören und ihren Standard her:.b-
gedrückt haben. Aber selbst und gerade von diesen Menschen
gehen, so etwa in der Landwirtschaft, auch Impulse aus, die
befruchtend wirken und der Landwirtschaft neue moderne For-
men in Bewirtschaftung und Marktg.-staltung aufdrängen. Welch
ein weiterer Gegensatz r.wisnhen der Struktur der grossen
Städte und dem L;mde, sowie wiederum im Lande zwischen d.n
einzelnen und durch keine g emeinsamen Züge verbundenen Land-
schaften, in denen Wüste, Berge, Land und Sümpfe zu bibli-
scher Fruchtbarkeit zurückgebracht w.;rden sollen. Noch eine
andere Verschiedenlieit drängt sich auf, nämlich die Differenz
- 36 -
? ^1 f'^t ■
der Stämme und Typen, die sich nunmehr vermischen, einer alten
Inzucht ein Ende setzen und einen vielleicht neuen Menschentypus
eigener Prägung hervorbringen werden. Welche Spannung weiter-
hin, welche die Menschen nach Herkunft und Erfahrung veranlasst,
in der Staatsgewalt ihren Feind zu sehen und die nun berui<un
sind, einen Staat aus dem nichts zu formen, der ihnen Schutz
und Heimat sichert. Welche täglich sich erneuernde Polar-it-^t
schliesslich zwischen dem ^Vunsch der Menschen, ihr Leben in
Frieden am Rande des grossen Geschehens zu führen, und gleich-
wohl in die Frontstellung der grossen Auseinandersetzungen um
die Macht geraten zu sein, die aus ihnen eine Schicksalsgemein-
Schaft formt, in der es im wahrsten Sinne des Wortes um Sein
oder Nichtsein geht. Von dem Gefühl für diese unerhörten Span-
nungen des Lebensbereichs und das Werden eines Gesellschaf +3-
kör^ers unter ihnen, der in seiner Lebensrichtung bei allem
von der Kultur und Zivilisation der westlichen Demokratien
inspiriert und auf sie ausgerichtet ist, geht ein unvergleich-
liches Erlebnis aus. Ihm konnte sich bisher noch kein Besucher
entziehen und diese Tatsache hat letztlich wohl auch in dem
Empfinden ihre Ursache, dass Israel kein abseitiges, unserem
unmittelbaren Interessenkreis entferntes Experiment durchführt,
sondern den Versuch einer Staatsgestaltung und Gesellschafts-
bildung demonstriert, der eben auch seinerseits den Ländern;
die ihn inspiriert haben, und der mit Menschen ihres Kultur-
kreises und ihrer Sprache durchgeführt wird, Anregungen und
aktuellen Stoff zum Nachdenken vermitteln kann.
Dr. Herbert Weichmann
■v;;;*i
M WH
S/l7
Brust Humiuyer <i>/Jfcff^
VCf/fi"
Ectmm'e aJ Fi/mt»
/tnintirs
AI?//
r
1, /^//er 17
>J hr,
l^conom ctfid nr}a/fce. /f/t^istrfes
/^}/)istrk
\%0's-\Ws
( t
-\
af:-,^}5''-''''^"'/-^^~v'5.
?l>§:^?i|g^|f^,^|^:|g^
(
c
Kurt Jakob Ball-
Personen
Kaduri, geb. Berlin 1891, Regierungsrat in der Reichs
finanjzfzverwaltung. 1926 - 1933 Dozent fuer oef-
fentliches Recht an der Handelshochschule Berlin,
lebt in Tel Aviv (D. Stern,S, 64)
?'>'^>-
t-
Ci
PQ
Jurist und Zeithistoriker
Kurt Ball-Kaduri achtzigjährig
y
Am 20. Januar begeht der Ju-
rist und Schriftsteller Dr. Kurt
Jakob Ball-Kaduri in Tel Aviv
seinen 80. Geburtstag. Zwei Tage
später feiert er mit seiner Gat-
tin, der bekannten Musikkritike-
rin Lotte Ball-Senger, goldene
Hochzeit.
Der gebürtige Berliner war vor
ider Hitlerzeit als Spezialist für
teuerrecht bekannt. Er wirkte
jahrelang als Regierungsrat im
eichsfinanzministerium, dann
Is Anwalt und (1926-1933) als
Dozent für öffentliches Recht an
der Berliner Handelshochschule.
Durch das nationalsozialistische
Regime seiner Stellen beraubt,
konzentrierte er seine Tätigkeit
auf die jüdischen Organisatio-
nen Deutschlands; von 1936 bis
1938 war er Finanz- und Steuer-
referent der Reichsvertretung
der Juden in Deutschland. Er
wurde vorübergehend in das
Konzentrationslager Sachsen-
hausen geschafft, erhielt aber
dann die Ausreiseerlaubnis und
kam Ende 1938 in Palästina an.
In seiner neuen Heimat fand
Ball-Kaduri einen neuen Beruf:
er wurde zum Historiker des Ho-
locausts. Von 1944 an sammelte
er systematisch Dokumente und
Augenzeugenberichte über das
Schicksal der deutschen Juden.
Ball-Kaduris Spürgabe ist es zu
danken, dass zum Beispiel die
Hintergründe der Kristallnacht
heute in sehr klaren Umrissen
erscheinen. Er hielt Aussagen
fest, die beweisen, dass die grau-
envolle Aktion von den Nazis
sorgfältig geplant war; im beson-
deren gilt das für die Massenver-
haftungen und die Zerstörung
der jüdischen Büros.
Was zunächst eine Privat-
sammlung war, wurde im Staate
Israel zur Grundlage des Regie-
rungsinstituts Yad-Waschem in
Jerusalem, das als Zentralstelle
die I>okumexite über die Verfol-
gung der Juden aufbewahrt. Vier
Jahre lang < 1956-1960) diente
Ball-Kaduri als wissenschaftli-
cher Mitarbeiter des Instituts.
Er selbst hat in einer Reihe
von Studien Teile des von ihm
zusammengetragenen Materials
ausgewertet. Ball-Kaduri schrieb
drei Bücher: "Jüdisches Leben —
einst und jetzt" (1961), "Das Le-
ben der Juden in Deutschland
im Jahre 1933" (1963) und 'Vor
der Katastrophe — Juden in
Deutschland 1934-1939" (1967).
Daneben publizierte er zahlrei-
che Zeitschriftenaufsätze. Sie
warfen ein neues Licht auf die
Kristallnacht, die illegale Alijah
aus Hitlerdeutschland nach Erez
Israel, die Rolle der jüdischen
Organisationen und der deut-
schen Wehrmacht und die Frage
des jüdischen Widerstandes.
Auch im "Aufbau" hat er eine
Reihe interessanter Aufsätze
veröffentlicht. Wir schliessen
uns der Reihe der Gratulanten
mit besonderer Herzlichkeit an.-
R. A.
Alfred-Adler-Ehrung
Die kürzlich vorgenommene
Enthüllung einer Gedenktafel
am Wiener Geburtshaus Alfred
Adlers (Mariahilferstra&se 208)
beschloss die Reihe der weltwei-
ten Ehrungen, die dem Begrün-
der der Individualpsychologie
zur 100. Wiederkehr seines Ge-
burtst.ages zugekommen sind.
Professor Adlers wissenschaftli-
che Erkenntnisse wurden bei der
Einweihung der von der öster-
reichischen Literarischen Gesell-
schaft gestifteten Erinnerungsta.
fei von Prof. Dr. Erwin Ringel,
einem seiner ehemaligen Schü-
ler, gewürdigt. Die Stadtverwal-
tung Wien war durch Vizebürger-
meister Gertrude Sandner ver-
treten.
Prof. Dr. Emanuel Klaffen
gestorben
Im Alter von 78 Jahren starb
nach langer Krankheit im Kran-
kenhaus von New Rochelle Pro-
fessor Dr. med. Emanuel M.
Klaften, der 1939 aus seiner
österreichischen Heimat nach
Amerika gekommen war und in
Larchmont, N. Y. lebte. Er hatte
in Wien Medizin studiert, dort
auch promoviert und war dann
als Professor für Gynäkologie,
Geburtshilfe und allgemeine
Chirurgie an der Universität tä-
tig; zugleich amtierte er als
Chefarzt für Gynäkologie und
Geburtshilfe an der Frauenkli-
nik der Universität und am Ma-
riahilferspital. In den Vereinig-
ten Staaten praktizierte er als
Frauenarzt und entfaltete eine
reiche Tätigkeit auf medizinisch-
wissenschaftlichem Gebiet, wo-
von mehr als zweihundert Ver-
öffentlichungen in Fachzeit-
schriften und Handbüchern
Zeugnis ablegen. Er war der Er-
finder des Kolpolaparoskops, das
heisst eines Hilfsgeräts zur Licht-
diagnose und Direktbetrachtung
des Beckenbauchraumes.
Im vorigen Jahre hatte Dr.
Klaften sein goldenes Promo-
tionsjubiläum feiern können; zu
diesem Anlass wurde er zum Eh-
renmitglied der Wiener Ärzte-
gesellschaft ernannt, — eine Eh-
rung, die vor ihm nur Siegmund
Freud widerfahren war.
<i
Hannah Weber-Sachs
gestorben
In Chicago verschied die aus
Berlin gebürtige Malerin und
Bildhauerin Hannah Weber-
Sachs, deren Arbeiten bereits
während der Studienjahre der
Künstlerin in Berlin und später
auch in führenden amerikani-
schen Kunstinstituten gezeigt
wurden. Zu den Lehrern der Ma-
lerin an der Preussischen Kunst-
hochscliule zählten Grossmann
Lotte Stein wurde
Staatsschauspielerin"
Lotte Stein, seit sechzehn Jah-
ren Mitglied des Städtischen En-
sembles von Westberlin (Schil-
lertheater, Schlossparktheater
und Werkstatt), wurde zur
Staatsschauspielerin ernannt.
Sie spielte während der golde-
nen zwanziger Jahre bei Viktor
Barnowsky, bei Heinz Hilpert
und bei Max Reinhardt. Der
deutsche Stummfilm trug ihren
Namen auch ins Ausland, wo sie
in "Zuflucht" mit Henny Porten
und Franz Lederer bekannt ge-
worden ist.
Als der Leiter der Berliner
Festspiele 1932 die Direktion des
Prager Deutschen Theaters über-
nahm, holte er Lotte Stein für
sein Ensemble. Dank ihrer Viel-
seitigkeit zwischen Humor und
Tragik, ihrer zündenden Schlag-
kraft der Charakterisierung
wurde sie ein Liebling des Pu-
blikums und der Kritik. In Prag
heiratete sie den Maler Maxim
Kopf, der wie Gauguin dreimal
auf Tahiti gewesen und zum
Porträtisten der dortigen Einge-
borenen und Landschaften ge-
worden war. Von Kopf, der mit
ihr im Kriege nach den USA emi-
grierte, gibt es zwei grossartige
Gemälde von Lotte Stein.
In New York spielte Lotte
Stein unter der Regie Berthold
Viertels in Brecht-Einaktern; in
Hollywood-Filmen sah man sie
als Partnerin von Gary Cooper,
Ehjuglas Fairbanks jr., Betty
Grable und Barbara Stanwyck.
Lotte Stein
Nach dem Gemälde ihres Gatten
Maxim Kopf
Nach ihrer Heimkehr nach Ber-
lin, spielte sie unter anderem in
Hasenclevers: "Ein besserer
Herr" und als Klatschkolumni-
stin in "Der beste Mann" von
Gore Vidal. Erwähnt sei noch,
dass sie an den Ruhrfestspielen
in "Nathan dem Weisen" mit
Ernst Deutsch als Da ja zu sehen
war und dass sie, nachdem sie
in der Fritz Kortner-Tournee mit
Strindbergs "Vater" auch das
Schweizer Publikum begeistert
hatte, von Leopold Lindtberg
für seine Inszenierung von Go-
gols "Revisor" als Frau Stadt-
hauptmann ans Schauspielhaus
Zürich geholt worden ist.
Franz Glaser
Sind Sie schon
ein Lufthansa
Selbstfahrer?
Selbstfahrer sind keine Gruppenreisenden. Das sind
Urlauber, die nach der Landung drüben das Steuer in die
Hand nehmen und ihren eigenen Kurs festlegen.
Wenn Sie ein Selbstfahrer sind, dann sollten Sie die
Lufthansa bitten, für Sie bei der Ankunft einen Mietwagen
abfahrtbereitzuhalten.
Und Lufthansa bietet bei jedem Flug eine Verbindung
von hervorragendem Kundendienst und günstigen Preisen—
fürSelbstfahrerwiegeschaffen.DerFachmann in Ihrem
Reisebüro wird es Ihnen bestätigen. Fragen Sie ihn auch nach
den beliebten "EUROPACAR Holiday Tours" der Lufthansa.
Hin- und Rückflugpreise Economy Klasse
New York-Frankfurt
und Sandkohl, im Modellieren
Kolbe und Hauschild. Grö.sste
Anregung verdankte sie Profes-
sor Walter Campmann von der
Textilfachschule in Berlin, vor
allem auf dem Gebiet von Ent-
würfen, die abstrakte Ideen für
Werbung verblendeten.
Hannali Weber-Sachs, eigene
und eigenwillige Meinungen und
Ideen rückhaltJas vertretend,
war eine Künstlerin mit stark
ausgesprochenen Zu- und Abnei-
gungen. In ihrem Heim war man
von Gemälden umgeben, die den
allmählichen Übergang der Ma-
lerin vom Realismus zum Ab-
strakten veranschaulichten. Auf
Regalen standen ihre prächtigen
Keramikvasen und -gefässe,
Sie war mit dem früher in Ber-
lin tätigen Internisten Dr. Erich
Sachs verheiratet und hinter-
lä^sst eine Tochter und einen
Sohn, die als Professoren an
amerikanischen Hochschulen un-
terrichten.
Gertrude D. Schwerin
29-45 Tage $290
14-28 Tage $360*
Da In Kürze eine Tariferhöhung geplant Ist,
empfiehlt Ihnen Lufthansa Ihre Reisepläne
schnellstens zu verwirklichen.
Lufthansa
German Airlines
Europas No.1 mit Boeing 747
Mf Fifth Av«.. 51 B'way, E«st Sid« Airlin«s Terminal, New York, N. V. rJU) 357 •4««
*ft30 Woch«n«ndzutchlag In )«d*r Richtung)
Uri Thema! von Berlin
nach London
Nach zweijähriger Tätigkeit
als Rabbiner bei der Berliner Jü-
dischen Gemeinde verabschie-
dete sich Uri Themal vom Regie-
renden Bürgermeister, um in
England künftig als Senior-Rab-
biner vier Gemeinden zu be-
treuen.
Der gebürtige Berliner, dreissig
Jahre alt, erfreute sich während
seiner Amtszeit grosser Beliebt-
SEND FÜR YOUR FREE
$7.50 TUBE OF
''WRINKLES
AWAY"
MEN AND WOMEN
Look 10 Years Younger
IN JUST 10 DAYS
Send for your free tiial offer of
■ FACIAL-GLOW" Rf<^tarder Cream
today. Value $7.50. This is a lim
■led free introductory offer. cur
i?lft to you for trying our wonderful
"FACIAL GI.OW Facial Cream.
Take 10 years off your face and
neck in ju.st 10 DAYS. Goodby to
facial wrinkles :ind crows fpct.
Obtained by scndinc only $1.00 lo
Cover mailing and handline. Mail
Sl.OO to:
FACIALGLOW
«022 West Piro Blvd.
Los Angeles. Cal. 9O03.'>
heit, vor allem bei jungen Men-
schen. Ihm war es zu verdan-
ken, dass wieder ein speziel-
les Gebetbuch für Jugend-
Gottesdienste in den deutschen
jüdischen Gemeinden erscheinen
konnte. Seine Kurse innerhalb
der Jüdischen Volkshochschule
Berlin waren aus.se rord entlieh
stark besucht. Er legte Wert dar-
auf, jüdisches Gedankengut auch
ausserhalb der Gemeindearbeit
zu popularisieren, und förderte
die christlich-jüdische Verstän-
|digung durch zahlreiche Ge-
spräche.
Themal war eine sehr kontakt-
freudige Persönlichkeit, so dass
weite Kreise seinen Weggang be-
dauern, über die Nachfolge-
schaft ist noch keine Entschei-
dung gefallen. Bevor Themal
seine neue Aufgabe in England
übernimmt, wird er in Israel
seine Reservedienstplhcht in der
Armee erfüllen. H.E.
2121 Broadway. New York, .N'.V. 10023
Phone: (212) TR 3-7400
Cable Address: Aufbau New York
Hans Steinitz, Editor
Ludvfig Wronkow. Executive Editor
John M. Haroid, Advtrtising Manogor
Walter Isaoc, Circulation Manager
Werner D. Wohl, Promotion Manager
^ard of Directors
Dr. Norbert Goldenberg,
Prmnident and Publisher
Hellmuth Kohn, Chairman
Michael Schnaittccher, Treosurw
Jerry Brunei!, Elsie Frank,
Of'recfors
Manfred George, Editor 1939-1965
Ludwig Lowenstein, President 1952 196B
Re«. U.S. Pat. Off No 422, CTl.
PublisheO <*eekly by N«w World Club Inc.
Copyright 1971 by New World Club, Inc.
Type set by West End Prinling Corp.
$10.50 fof Of» year; $19.00 for iwo iem%:
$27.00 for ihree years; J6 00 for 'j »e».
'Postage included). — Single copy 35c
Europe Israel and South America-
$12.50 for one year; $2r 00 for iwo rears;
$7.00 for Va rear.
Member of Audit Bureau of Circulation
ADVERTISING RATES ON APPLICATION
Vol. XXXVII— No. 3
17 ABC
Jan. 15. 1971
ABC
"VMATIOR
SUGGESTIONS"
Resort hoteis a\
agents offer m«
lent vacqtion suj
in "Aufbai
Pages 16-1'
Nr. 4
MB
■'■■ '-^^C'S.
&5:?^ßr-'"
BLICK in die WELT
RÜSSLAND IN DER „DRITTIN WELT"
Januar 1966
An dieser Stelle wurde vor kur-
zem (MB Nr. 2 vom 14.1.1966) in
einem Aufsatz über „Abdul Nassers
Ägypten" auf die Behauptung des
englischen Journalisten Peter Mans«
field hingewiesen, Chruschtschow
habe den Ägyptern bei seinem Be-
such im Jahre 1964 deutlich ge-
macht, er wünsche nicht eine Li-
quidation Israels. Ehese Bemerkimg
fügt sich in die allgemeine Proble-
matik ein, die Russlands Stellung
in der sogenannten „Dritten Welt"
charakterisiert. Am 31. Dezember
1963 sandte die russische Regienmg
an über 100 Regienmgen eine Bot-
schaft, in welcher vorgeschlagen
wurde, dass ein weltweites Abkom-
men zur Verurteilung der Anwen-
dung von Gewalt bei der Lösung
territorialer Konflikte abgeschlos-
sen werden solle. In der Botschaft
Chruschtschows wurden jedoch so-
genannte „nationale Befreiungs-
kämpfe" ausgenommen, d.h. Auf-
ruhr oder Infiltration in kolonialen
oder prowestlichen Gebieten. Diese
Aktion war von der Sorge be-
stimmt, dass durch einen Ueber-
fall seitens eines mit sowjetischen
Waffen ausgerüsteten Staates auf
ein prowestliches Land ein Konflikt
grossen Ausmasses ausgelöst wer-
den könnte, der für Russland un-
erwünscht wäre. Solche Waffen wa-
ren seitens Russlands an verschie-
dene Länder auf Kredit geliefert
worden, so in das südostasiatische
Inselgebiet, nach Afrika und in den
Nahen Osten.
Die Botschaft Moskaus hatte je-
doch nicht den gewünschten Erfolg.
Bereits im Februar 1964 erklärten
Präsident Nasser und der syrische
Ministerpräsident Hafez, dass der
arabisch-israelische Konflikt nicht
zu der Gruppe gehöre, die auf
friedlichem Wege zu lösen seien.
Als dann Chruschtschow im Mai
Kairo besuchte, hielt er eine Rede,
In der er in versteckter Form vor
einer solchen Auffassimg warnte,
worauf Mansfield anspielte. Er sag-
te damals, Russland „gäbe Waffen
zur Verteidigung der Freiheit und
nicht für einen Angriff auf andere
Länder". Bei einer anderen Gele-
genheit jedoch schwächte er, im-
provisiert, diese Warnung ab, indem
er sagte: „Mit den Waffen wird es
keine Schwierigkeiten geben, wenn
sie benötigt werden. Es ist besser,
gute Waffen zu haben, damit unse-
re Feinde davon wissen und uns
nicht zwingen, sie zu gebrauchen."
Diese auf Popularität bei den ägyp-
tischen Zuhörern berechneten Wor-
te wurden jedoch binnen 24 Stun-
den von Radio Moskau durch einen
hinzugefügten Satz eingeschränkt,
der Chruschtschow in den Mund
gelegt wurde: ,,Mit den Waffen wird
es keine Verzögerung geben, falls
es notwendig werden sollte, Aggres-
soren zurückzuschlagen." Das ist
Ü£«and(Pres, es^^iet die
müssen. Darüber äusserte sich dann
einen guten Monat später, am 15.
Juni, das Moskauer Radio in einer
arabischen Sendung, in welcher
Chruschtschows Rede in Port Said
in revidierter Form enthalten war.
Dort hiess es: „Premierminister
Chruschtschow sagte ... in Port
Said . . ., eine vernünftige Lösung
mit friedlichen Mitteln müsse für
diese Konflikte einschliesslich der-
jenigen zwischen Israel und den
benachbarten Ländern gefunden wer-
den." Das war also eine völlig ein-
deutige Zurückweisung des ägypti-
schen bzw. arabischen Standpunk-
tes, dass der Konflikt mit Israel
zu jener Gruppe „nationaler Befrei-
ungskämpfe" zu zählen ist, bei de-
nen seitens Russlands die Möglich-
keit der Anwendung von Gewalt
gebilligt wird. Die ägyptische Re-
gierung reagierte denn auch mit
einer Erklärung, die sich gegen die
russische Haltung wandte. Sie sag-
te nach einem Bericht der „New
York Times" hierüber, manche
Mächte — nämlich der Westen —
„besitzen Flotten auf dem Meer in
unserer Nähe und Stützpunkte, die
eine unmittelbare Auswirkung auf
Kämpfe haben und in kritischen
Augenblicken den Ausschlag geben
können". Demgegenüber sei es eine
andere Macht — d.h. Russland — ,
die „das Zeitalter, in dem wir le-
ben", widerspiegelt, das ,, unter dem
Druck des atomaren Schreckens
steht und viele den Frieden herbei-
wünschen lässt, auch wenn er nicht
auf Gerechtigkeit beruht".
Diese Auseinandersetzung zwij
sehen Russland und Ägypten is
naturgemäss für uns von ganz u'
mittelbarem, ja lebenswichtigem In-
teresse. Darüber hinaus aber zeigt,
sie in beispielhafter Form die Pro-
blematik der russischen Politik in-
nerhalb der „Dritten Welt". Ihre
Grundtendenz geht dahin. In einem
Zustand des atomaren Gleichge-
wichts sich allmählich in der Welt
dadurch ein Uebergewicht zu ver-
schaffen, dass Russland seinen Ein-
fluss auf den Teil des Erdballs
ausdehnt, wo sich die bewaffneten
Kräfte von Ost und West nicht un-
mittelbar nahe gegenüberstehen; das
sind vor allem die südlichen Teile
des Erdballs. Die Schwierigkeit da-
bei liegt darin, dass zwischen den
Ländern dieser „Dritten We.t" selbst
Gegensätze bestehen, die zu Kriegen
führen können, deren Ausweitung
zu einem grossen Kriege von Russ-
land gefürchtet wird. So besteht die
Aufgabe, die radikalen Elemente
im Zaum zu halten, obwohl gleich-
zeitig durch das Einströmen nissi-
scher Waffen in die „Dritte Welt"
eine Zurückdrängung des westli-
chen Einflusses erstrebt wird.
Hinzu kommt, dass in diesem
Teil der Welt der chinesische Kotl
»"«»lt. 12
darauf abzielt,
haupt abzuhaltejj
reagieren, bei cj
le Befreiungsgel
der „Dritten WeJ
schreitet. Dies
den Versuch zu
sechste bzw. siel
Vereinigten Staat.j
bzw. im PazifiscJJ
Ozean nicht einj
fem in einemi
lokaler Konfli^
w jetischen I^
mühen sich,
wecken, Rusfj
se Risiken
sten in a
eingreift.
Ausweitui]
mehr füi
nur no'i
der V^
Westfi
jekt^
übei
den
seeis^
den
sehe
flikt
würde.
gangene^
InfanterJ
Sl
VI
nr
n
G'
I
MB — 28. Jan ^iL 1966
(.
/^-^
Nr. 4
^JÄ
^g|fej
it" bei ihrer
^nkten prakti-
für ihr Amt
auf den Vor-
die Ernen-
^eaver zum
rtts der Ver-
zeigt sich
;hickte tak-
Präsident
ient Ken-
lung zu-
,Wider-
lieder
)hn-
im
Re-
Tchaf-
Zeit
Teger-
fAngeb-
andere
{sen Po-
[gezogen.
lann für
md die
?teht be-
Spitze
'inan-
■ Kern
diesem Gebiete wird sich die
grösste Schwierigkeit für das
neue Amt und seinen Leiter
ergeben. Dabei kann nicht
daran vergessen werden, dass
gegen ihn vor allem von selten
der weissen Bürgermeister auch
weiterhin opponiert wird, so-
wohl weil diese zum grossen
Teil gegen die Uebertragung
des Amtes an einen Neger ein-
gestellt sind, wie auch da sie
gewünscht hatten, dass eine
Persönlichkeit aus der Munizi-
palverwaltung damit betraut
worden wäre, die nicht eine so
'■■'■"U'.-.-- '■(■''
^^'•V
spezielle Beziehung zum Woh-
nungsproblem besitzt. In jedem
Falle ist der Schritt des Präsi-
denten von weittragender Be-
deutung, sowohl was die Stel-
lung der amerikanischen Neger
anbelangt, wie auch im Zusam-
menhang mit der Tatsache,
dass eine umfassende Planung
und entsprechende Finanzie-
rung in der Entwicklung der
amerikanischen Grosstädte der
Hebel zur Bekämpfung der tief-
gehenden sozialen Misstände
ist, die die reiche amerikani-
sche Gesellschaft verunzieren.
-t. -n.
Dr. KURT BALi-KADURI 75 JAHRE ALT
)r-
ih-
)tei-
soge-
ictions
sollen,
iie Ar-
id bis-
jrungs-
pan de-
'Shriver
jem auch
len Frie-
fnt John-
Frage
itschei-
jhsten
;ue
Dr. Kurt Ball-Kaduri, der in die-
sen Tagen von Freunden im In-
iind Ausland zu seinem 75. Ge-
burtstag beglückwünscht wurde, ent-
stammt einer alten, in Deutschland
verwurzelten Famüie. Im Gegensatz
zu jenen, die als Ergebnis des As-
similationsprozesses die jüdische
Selbstauflösung erstrebten, war das
jüdische Bewusstsein bei der Fa-
müie Balls immer lebendig geblie-
ben. Symbol und zugleich sichtba-
res Zentrum dieses Bewusstseins
war das „Calauer Judenhaus", das
der Grossvater, Meyer Ball, im
Jahre 1825 im Städtchen Calau in
der Niederlausitz erworben hatte
und das, später nicht mehr ständig
bewohnt, bis 1938 drei Generatio-
nen der Familie Ball als Treffpunkt
diente. Hierüber hat Dr. Ball-Kaduri
im ersten Teil seines Buches „Jü-
disches Leben — ernst und jetzt"
^vnschaulich, mit Humor \md Wär-
le berichtet. (Ner Tamid Ver-
Ig, 1961.)
Aus solch deutsch-jüdischem Mi-
• lieu stammend, hatte er wohl we-
nig Berührung mit dem Zionismus.
Aber schon vor 1933 erkannte er
die Problematik der jüdischen Si-
»tuation in Deutschland. Der ehe-
5 malige Regierungsrat im Reichs-
1 finanzministerium, spätere Privat-
dozent und Rechtsanwalt war be-
reit, aus seinen Einsichten die Kon-
sequenzen zu ziehen. Seit 1933 stand
es bei ihm fest, dass als Auswan-
denmgsland für ihn, seine Frau und
seine beiden Söhne nur Erez Israel
in Frage kam. Ueber seinen Weg
zimi Zionismus erzählt er in seinem
1963 erschienenen Buch: „Das Le-
ben der Juden m Deutschland im
Jahre 1933 — ein Zeitbericht" (Eu-
ropäische Verlagsanstalt Frankfurt
am Main).
Bis 1938, dem Jahr seiner Aus-
wanderung, stellte er sich ganz in
den Dienst der jüdischen Sache. Er
wurde einer der aktiven Mitarbei-
ter der Berliner Zionistischen Ver-
einigung und stellte seine bemer-
kenswerten steuerrechtlichen Keimt-
nisse der „Reichsvertretung der Ju-
den in Deutschland" zur Verfügimg.
Geduldig fügte sich Dr. Ball-
Kaduri in die für ihn wie an-
fangs für die meisten nach ihrer
Auswanderung schweren Bedingun-
gen der neuen Heimat. Trotz har-
ten Existenzkampfes und mancher
Sorgen trieb ihn sein reger Geist,
sich mit einem „Hobby" zu beschäf-
tigen, das bald zimi bestimmenden
Inhalt seines Schaffens wurde. —
Der Jurist entwickelte eine Neigung
zur Erforschung der Zeitgeschichte
imd sammelte aus eigener Initia-
tive von 1944 ab über 100 Augen-
zeugenberichte von Persönlichkeiten,
die in der Nazizeit eine Funktion
im öffentlich-jüdischen Leben aus-
geübt hatten. Mit dieser Sammlimg
„Was nicht in den Archiven steht"
die später, 1953, von Yad Wäschern
als fester Bestandteil übernommen
wurde, versuchte Dr. Ball-Keidurl
die grossen Ereignisse der Verfol-
gungszeit aus der Perspektive des
einzelnen Opfers zu rekonstruieren.
Die persörüichen Erfahrungen des
Einzelnen sind zweifellos dazu an-
getan, der Zeitgeschichte eine be-
sondere, private imd menschliche
Note zu geben. Die Gelehrten mö-
gen sich darüber streiten, welcher
geschichtlich-wissenchaftliche Wert
solchen Berichten zukommt. Tatsa-
che ist, dass ohne die unermüdli-
che Energie Ball-Kaduris diese in-
teressanten und aufschlussreichen.
Berichte wohl nie verfasst wordea
wären.
Der noch jugendliche Fünfund-
siebzig jährige setzt seine Arbeit mit
imgebrochener Energie fort. Alle,
die ihn kennen, wünschen ihm noch
viele Jahre erfolgreichen Schaffens,
aber auch wohlverdiente Ruhe und
glückliche Entspannung im Kreise
seiner Familie.
Dr. ANN! SAMUELSDORFF
RUSSLAND IN DER ,,DRITTiN WELT"
:l^
<
<
O
9*.
P
PQ
Zum Tode von Maurice Feldman
Professor Maurice Feldman, der
aus Wien gebürtige Wirtschaftsjour-
nalist und Public Relations-Berater,
ist nach langer Krankheit in New
York im Alter von 66 Jahren ver-
storben. Feldman, Sohn eines Wie-
ner Industriellen, interessierte sich
schon in seiner Jugend für Journa-
lismus; er war erst 15, als er für die
Feldman war Träger vieler Aus-
zeichnungen: im Jahr 1974 wurde
ihm vom österreichischen Prüsiden-
ten der Ehrentitel eines Professors
verliehen, und er war auch Träger
-Washington Post", "Business
Week". "Time*'. "Newsweek" und,
nicht zuletzt. -Aufbau", mit dem
er viele Jahre lang herzliche und
ungetrübte persi>nliche Beziehungen
unterhielt. Als Gastprofessor unter-
richtete er auch regelmässig an der
Alois Melichar gestorben
verliehen, und er war auch " rager | ^^^^^j^,,^j^^^^,j^^^,|^^,,^. ^, Gallen
des Grossen Goldenen threnzei- 1 . •. ♦• i,
chens des l.andes Wien und der | Bei der Trauert eier im "hertui -
Burgenländischen Landesregierung. ; tcn Tempel bmanu-hl sprachen d.
Seine Beiträge sind in vielen ame- 1 Rabbiner des Tc-^^P-;^^^^./^^^'^" ^l''
iismus, ci wai t.3i .^, ^.-> -..>-■ -- ril'.nk-h.Mi Zeiluncen und Zeit- österreichische Botschafter Janko-
zum volkswirtschaftlichen Redak-
teur des "Tag" ernannt, seinerzeit
der jüngste volkswirtschaftliche Re-
dakteur Österreichs
Im Jahre 1938 musste Feldmafl
Österreich verlassen und fand zu-
nächst Unterschlupf in Schweden.
Im Herbst 1939 kam er nach Ame
-^
kurt Ball-Kaduri gestorben
Zu Beginn dieses Jahres hatte
-Aufbau" noch den 85. Geburtstag
von Dr. Kurt Jacob Ball-Kaduri in
Tel Aviv mitgeteilt und dem Jubilar
rika. wurde Mitarbeiter von King : Glückwünsche ausgedruckt: jeizi
Features Syndicate und Sonderbe- 1 erreichte uns die Nachricht von sei-
richterstatter für den -Christian j ncm Ableben. Der gebürtige Berli-
Science Monitor". 1942 trat er in ^ ner hat in sein arbeitsreiches ausge-
die amerikanische Luftwaffe ein: fülltes Dasein zwei komplett ver-
die Kriegszeit verbrachte er in Pa- schiedene Karrieren emschliessen
nama. Drei Tage nach seiner Ent- können: zuerst als Jurist, Speziahst
lassung aus der Luftwaffe, eröff- 1 für Steuerrecht. Referent im
nete Feldman sein eigenes Public ^ Reichsfinanzministerium. Rechtsan-
Relations-Büro auf der New Yorker iwalt und Professor an der Berliner
Fifth Avenue. In kürzester Zeit be
treute er viele wichtige Klienten,
darunter Industriefirmen. Impor-
teure, kalifornische Winzer und
Künstler.
Sehr bald etablierte er auch sei-
nen Ruf als überzeugender Anwalt, ^^ _...... -. -
der österreichischen Interessen in ' riker des deutschen Judentums und
der amerikanischen Öffentlichkeit. , später zum Historiker des Holo-
Er trug massgeblich zur Festigung causts: Yad Washem, die emzigar-
des Vertrauensverhältnisses zwi- tige Gedenkstatte in Jerusalem tur
sehen Amerika und Österreich bei. | die jüdischen Opfer der Hitlerjahre,
Feldman nahm auch die Interessen geht auf eine Anregung (und pri-
der Gemeinde Wien in Amerika jvate Dokumentensammlung) von
wahr Eine weitere grosse Liebe galt Ball-Kaduri zurück,
der Kunst. Zu den vielen Künstlern, , Sorgsam zusammengetragene Do-
die von ihm publizistisch betreut , kumente, Briefe, amtliche Todeser-
wurden, zählten neben Irmgard See- , klärungen. Zeugenaussagen usw.
fried und Wolfgang Schneiderhan wurden von ihm verarbeitet und in
Handelshochschule, und nach 1933,
seines Lehrstuhls beraubt, als Fi-
nanzexperte der Reichsvertretung
der Juden in Deutschland. Nach
seiner Auswanderung begann er
bald eine neue Berufung in sich ^^. _ . , , , ^1,4^,1
zu entdecken: er wurde zum Histo Mit 94 Jahren nOCh aktlV!
gekommen, die illegale Alijah aus
Hitlerdeutschland nach Palästina
wurde von ihm beschrieben, er ver-
öffentlichte Dokumente über die
zwiespältige Hallung der deutschen
Reichswehr zur Judenfrage und
legte vor allem auch zahlreiche ge-
schichtliche Darstellungen zur Ge-
schichte des Judentums vor und
während der Katastrophe vor. Bü-
cher und Zeitschriftenaufsätze in
grosser Zahl, auch viele Beiträge im
-Aufbau", bezeugten seine hohen
beruflichen Qualifikationen. J;ihre-
lang Assistent im Yad Washem, un-
ermüdlich als Forscher und Autor,
hat ihm der Tod nunmehr die Feder
aus der Hand genommen.
H. St.
In München verschied ganz
plötzlich Alois Melichar. Professor
der Musikwissenschaft, Komponist,
ehemaliger Dirigent der Berliner
Philharmoniker, des . Salzburger
Mozarteum Orchesters und des
Deutschen Grammophonorchesters
und Autor mehrerer vielgelesener
Bücher (-Musik in der Zwangs-
jacke". -Schönberg und die Fol-
gen", -Die unteilbare Musik" u.v.a).
Alois Melichar ist den Lesern des
-Aufbau" kein Unbekannter. 1953
widmete der -Aufbau" unter dem
Titel "Ein mutiger Kämpfer" dem
damals Fünfzigjährigen einen län-
geren Artikel, aus dem folgende
Stelle wiederholt zu werden ver-
dient: -Am Tage nach der Macht-
ergreifung Hitlers, die Berlin mit ei-
nem Schlag in ein tVindliches Heer- ^it...wMv..w ."-o --
lagTrverwtndelte, betrat Alois Me-Ichen Kultur- und Musiklebens zu
lichar. Dirigent der Berliner Phil- ' fordern.
harmoniker. das Studio der Deut- j 1953 vollendete Melichar seine
sehen Grammophongesellschaft. | ^.antäte für vier Solostimmen,
Chor- und Orchestermitglieder, y/ow
denen manche zum ersten Mal im
Braunhemd erschienen waren. Der
Zufall wollte es, dass das Aufnah-
meprogramm an diesem Tage fol-
gende Musikstücke vorsah: die Arie
des Eleazar aus Halevys "Jüdin"
und die akkompagnierende Chor-
musik -Jehova, rette Israel!", mit
Franz Völker. Parteiabzeichen im
Knopfloch, als Solist. Melichar
klopfte mit dem Taktstock ans Pult
und sagte mit provozierendem Un-
terton: -Darf ich bitten, meine Her-
ren, wir fangen an. Als erstes "Je-
hova. rette Israel!"
Nach Liquidierung der Hitlerei
zögerte Melichar keinen Augen-
blick, den Kampf wieder aufzuneh-
men und in Wort und Schrift eine
gründliche Säuberung des öffentli-
Seine übliche Begrüssung: "Guten
Morgen, meine Herren!" wurde teils
mit eisigem Schweigen, teils mit
Verwunderung aufgenommen, -je
nach der Parteizugehörigkeit der
auch Paul Hindemith, Karl Böhm.
Christa Ludwig, Walter Berry, Jan
Peerce und viele andere.
Veröffentlichungen zusammenge-
stellt: die Hintergründe der "Kri-
stallnacht" sind durch ihn ans Licht
"l'--;- v- :?
"T»''
'^^".:-~.-"Jilr£H^"
HSS^i "S^ ' "*T-»^ ■ >!!.'.*'-•
^=-c:-.^.
1^: ...
i<\L ,
Europe?
Pick a pass and pack it>
The spectacular sights and real people of Germany
-you can't enjoy them from 25.000 feet. But you
can by train. Germans love riding trains and talking
with Americans. ,. •» ^
Eurailpass gives you first class unlinnited
rail Service through Germany and 12 other coun-
tries Travel 15 days for $145; 21 days. $180; one
month. $220; two months. $300; three months
$360. Student-Railpass offers two nnonths of
second class travel for $ 1 95.
You must get your pass in the U.S.. not in
Europe See your travel agent or use this coupon.
German Fedefdl Railroad
Dipl AI 1-
630hihhAve.NY.NY 10020
Send inlormation on
(212)977 9300
Eurailpass Student Railpass
AfJdfe>s
City
S«<Jle
?.P
Geimanrail
GtBMW F€DIRAi RMPO^D
Mit 94 Jahren, die sie am 22. Mai
in London vollendet, jugendlich le-
bensvoll "dabei" und für andere
-Ja" — das ist Margarete Jacoby.
Einst in Deutschland war sie, ur-
sprüns^lich Kindergärtnerin in Po-
sen, ehrenamtliche Bezirksvorstehe-
rin in Berlin sowie Zweite Vorsit-
zende des Berliner Verbandes des
Jüdischen Frauenbundes und stand
in schwerster Zeit auch in der für
Frauen und Mädchen speziell ein-
gerichteten Auswanderungsbera-
tung des Hilfsvereins der deutschen
Juden. Jetzt ist sie unermüdlich
seit Jahren die Vorsitzende des im
Hannah-iKarminski-Haus in Lon-
don untergebrachten AJR-Klubs
für jüdische Flüchtlinge. Seit ihrer
Einwanderung nach England (mit
ihrem Mann, dem inzwischen in
Manchester verstorbenen Physiolo-
gen Professor Martin Jacoby, frü-
her am Krankenhaus Moabit in
Berlin) ist Margarete Jacoby immer
sozial tätig gewesen. E.G.L.
}N\ssen Ste schon
. . . dass die Bundesrepublik
Deutschland angestrengt versucht,
ihren neuen "Leopard Zwei"-Tank,
mit dem die deutsche Bundeswehr
ausgerüstet ist und der allen ame-
rikanischen Modellen überlegen
sein soll, an die Vereinigtne Staa-
ten zu verkaufen — und vielleicht
auch damit Erfolg haben wird?
Erfreuen Sie sich
an einem NACH MASS
Ehrung von
Rudolph Bloch
Rudolph Bloch, ein gebürtiger
Frankfurter, der in Teaneck (New
Jersey) lebt und vor kurzem seinen
65. Geburtstag feiern konnte, wur-
de von der Ortsgruppe New Jersey
der American Physical Therapy
Association durch Ernennung zum
"outstanding physical therapist of
Chor. Orgel und Orchester "In ty-
rannos", das als seine musikalische
und ideologische Abrechnung mit
dem Dutzendjährigen Reich, wie er
es nannte, anzusehen ist. Leonard
Bernstein schrieb damals über das
Werk: "Faszinierend; es verfehlt
nicht, uns zutiefst aufzuwühlen."
Der NichtJude Melichar hat damit
den jüdischen Hitleropfern ein un-
zerstörbares Denkmal gesetzt, von
gewaltigem Pathos, eindrucksvoll
und unvergesslich.
Für die Münchner Olympiade
schrieb er einen Festmarsch, in den
er sämtliche Nationalhymnen ver-
arbeitete, darunter auch die Hatik-
wah, von ihm neu instrumentiert.
New Jersey" geehrt. Rudolph Bloch jg^jj^^ muskalische Bearbeitung des
diente jahrelang dem Mount Sinai | jQj^^j^,^.strauss-Films "Der Walzer-
Hospital in New York als Chef- 1 j, j.jgg- ^j^s Chopin-Films "Ab-
Therapist und wurde dann nach Is- 1 ^chiedswalzer" und des Richard-
rael berufen, um (1955) das erste | Wagner-Films "Bayreuth" war ent-
Rehabilitierungszentrum für israeli- L^^^^i^^n^ f^r den fulminanten Pu-
sche Kriegsverwundete ins Leben | ^nj^^pn^erfolg dieser Filme. Seme
zu rufen. Er ist jetzt in privater 1,50 Lieder, die Bühnenmusik zu
Praxis tätig und behandelt Patien- ) ^e^chvlos' "Die Perser", und vor
ten im Teaneck Nursing Hooie. alJem seine von ihm an Ort una
ler. IUI israiit^ ^ j.^ ct^ii^ aufgezeichneten fo klonsti-
i
■
■
■
9
f
i
i
a
1
9
«
I
i
GEARBEITETEN
ANZUG
von einem
MEISTER-.
FACHMANN
• SorsfMItiflc Handarbelt
• Importierte Stoffe
• Besonders learbeitet fUr Ihre
Figur
• Aussergewtthnllch preiswert
BRINGEN SIE UNS IHRE
KOMPLIZIERTE
MODERNISIERUNGEN
ODER REPARATUREN
WIR ANDERN IHREN
SCHMALEN
ROCKAUFSCHLAG
NACH JEDER ■
GEWÜNSCHTEN GRÖSSE J
Frederic Greenhut %
-,03 FIFTH AVENUE J
(Entrance 4Jnd Street) ■
ROOM 401 a
T«l. 661-3706 ■
seiner Jugend in Frankfurt war er
als einziger Jude in der Rennmann-
schaft des Frankfurter Ruderver-
eins, gehörte der deutschen prä-
olympischen Auswahlmannschaft
im Eishockey 1936 an (wurde aber
natürlich nicht genommen!), wurde
einmal Zweiter in der deutschen
Eis-Schnellaufmeisterschaft und
war Ski-Champion des deutschen
Maccabi. Ein echter all-around
Sportler, vertrat er Deutschland aut
der Maccabiade von 1936 in fünf
Sportarten: Eishockey. Eisschnell-
lauf. Abfahrt- und Slalom-Ski und
Ski-Langlauf, und wurde mit einem
zweiten und einem dritten Platz be-
lohnt. Nach seiner Auswanderung
nach Amerika diente er im Zweiten
Weltkrieg in den amerikanischen
Skitruppen und war 25 Jahre lang
freiwillig in den Ski-Rettungspa-
trouillen seiner Wahlheimat tatig.
Noch heute beteiligt er sich gerne
an Ski-Wettbewerben.
menien, Georgien, Turkestan und
dem Kaukasus sind von bleibendem
Wert. „ , ,^
Siegfried Bcrnfeld
A Divifion of the New World Clwb, l«c.
2121 Iroadway, New York, N.Y. lOOJ»
Phono: (2H) 173-7400
Cablo Addrett: Aufbau New York
Hons Steiniti Edi/or
Ludwig Wronkow fxecuffve Fdi/or
Tino Von Eekordt Asiociofe Editor
Robert Breuer
Karin Czerny
Richard Yoffe
Howard Wi»la
Walter Uaac
Ai«i»fanf id'i^ort
Ac/verfiiing Monoger
Circu/ofion Monoger
Erhöhung der deutschen
Sozialrenten
Die deutschen Sozialrenten, also
die Altersrenten (aus der Angestell-
tenvcrsicherung etc.) in der Bundes-
republik Deutschland, werden, wie
in Bonn amtlich mitgeteilt wurde,
ab 1. Juli um 11.4 Prozent erhobt^
Diese Erhöhung bezieht sich jedoch
nicht (oder jedenfalls vorläufig
noch nicht) auf die Wiedergutma-
chungs - Entschädigungsrenten für
Berufsschaden, Gesundheitsschaden
I usw.
Jerry A. Brunell
Werner A. Stein
Prefic/enf and Pub/ifher
Treofvrer A C\\oiTmmn,
"Aufbou" Commiffee
EUie Frank
Warner M. Goldimith
Werner Wohl Comwi»tee Memberf
Manfred George, Edifor '939-1965
Ludwig Loewenstein, Presic/enf 1952J9d8
Michael Schnaittocher, Irea^urer I934^'^72
Hellmuth Kohn, Choirman 1968-1972
Norbert Goldenberg, Prei\deni I968-J974
Enlered as second-cl.is matler J«nuary 30 1J40
.1 N.Y. Post Office under Act »^ W»^} '' ^»^^
Reg. U.S. Pat. Off. No 422,891.
Copyright 1976 by New World Clyb, Inc.
One year subserlption:
USA, Canada, Mexico $20.00, Israe $«.00
South America Reg. $23.00; A.rma.l $55.00
E.rope and ott^er foreign coun r.e» $15.00
Six monttt subscription (only USA) $13.00
SInflIe copy S«c
New rales al rencwal of currenl Mibscript.ons
ADVERTISING RATES ON APPLICATION
Vol. XLII— No. 20
May 14. 1976
W/R KAUFEN
I *j
und zahlen die HÖCHSTEN PREISE für
ANTIKE UHREN, BRILLANTEN
UND GOLDSCHMUCK
Ebenso VEIIKAUFEN wir obengenannte Artikel
JAN SKALA, JETZT 1 WEST 47. ST., N Y. ioy
Tel. Cl 6-2«14 - Ol 6-2942 Wir «prm^hen deuttdi -
^"^
^ ^^^4*"*^
^ -^-
/y^ /.^^i^
*£lU<"-
d^
Jh «^i^««< ^'Ul, fk4
\ 2eäu^'Uc ^-Ä; /^<^ /^^-^
mM <^
^XhL /^19-JJ
-^
^'4;??/' 4
'J^^
lU ^'<(e. •«^'«^ 4^.^ifu*t, JfeuuAM^ A^t/^
^ ^4^-^<^
4.
t
U/ffgL (^a^uddV
H
^^/#«^/«eÄ'' >^«6^*» /«^>^
•, /aw* ^ J4C* "^«^
4n^<^
V
^l^^^^l^"^ 'Ut^'^^'^ '-%>^4^Wi'^'^ t'^^^^'^^'^-^i *'
5
Berliner, Cora, 181)0-1942?
Pupers, ll)()()-5:3. 40 items.
In Leo Bueck Institute (.'oUections (New \oik L^ity)
(^.erman economist, teacher, and Jewish communal leader.
U^ter (19;U) written })y iSIiss Berliner, hterary ms. (U6b),
articles, reports, newspaper clippings, and photos. In Ger-
man and En^lish.
(lift of Mrs. Anna Berliner, 1962.
Library of Con^'ress
MS 70-1568
tii
-' ^ 1 f -^ r 4<.^ 1» ) i
'(-^'V-P
1' - 1i ' < / K
V^
-^ f ^
I
^ c
- 35 -
/^<>^
i^^^v
M-
/Wider- ^^^-^'J
er eine Üintlausunissanstait. eine ßeschärtlguu«, die etwas in
Spruch XU seiner glitzernden ünirorn stand. Statt dec ex>wartoten
Brief •• von ihn nach der neu angeknüpften Freundschaft ertiiolt ich
von meiner Tante die Nachricht, dad er nn einer /--nöoiie, die Folge
seiner Verwundung, gestorben \mr. Als Ich meiner Tante von den unga-
rischen Würsten in den S hauferiatem vor-schwärmte und ihr sagte, daS
loh sohcn lange nicht mehr ßoviol Fleiahii ;:ussnirnen gesehen hatte,
versprach ßie mir, mir wöchentlich ein v iertel Pfund, die erlaubte
Sendung, nach Bei'lin zu schicken. Von uh ^\ wai^en meine Ürnährunga-
aorgen verflogen. Doch brach V)\<^ auch meine Koi^ai, wie die vieler
anderer, zusammen und ich verschaffte Mir geleß^entlioh /;urst und
Fletsfah von einem (ommeröchen Rittergutsbesitzer. jAls ich nach Ber-
lin zurtiokkom, hatte sich die Milchsituaiion weiter verschlechtert.
Wir mußten die Milchrationen kUr^en, Wermuth hielt jetzt regelmäßig
c* «^^.^..^Ä- ?-«♦- A^v. n.'^ri inr^r* r.k5werk:::ichartGn ab, in denen er si« tibsr
Ol vSbUni^««« i-4jk V uwi« ^U4AX^*%.>iL w
den Stand der Lebensnittelversor^ung, die Ursachen der Verabhlech-
terurgund seine Demühunfijen ^sfe üu verbessern, infomiierte. Wir raußten
1ha das neue Material zusaiüfiienstellen und ilrin über den Stand der
Lebensmittelversorgung regelmäßig infor:i;le.en.
In 'l^v Milchsteile lernte ich einen der feinsten und p^Utigsten Men-
schen kennen, die mir Im Leben be^e^^net sind: Cora Berliner. Sie
arbeitete in der Schönober^i^er Lebensmittelversorgung und ihr Stadt-
rat brachte sie häufle; in unsere Voretandssitr/angen niit. Sie stammte
aus Hannover, wo ihre Kitern eine Handeleschule mit Pension hatten.
Sie hatte in üoldelberf^ mit einer Arbeit über dm Verband Jüdischer
Jugendvereine prorpfcviert, bei de«^ sie, ehe sie nnich Sohöneberg kam,
als nelchssekret^rin gearbeitet hatte. Als ich sie kennenlernte,
stand sie unter Anklage wep:en tfberschreitung von Höchstpreisen. Sie
- 56
«■« »w«»« •*.>••« -
j?nr vv-.
■Untßi-
i'
n
^^
• j56 -
h&tta im AuftrRR aefe Heglstrats eine Veroranuug unter schrieben,
nach d«r einige üb«t- und CertiUaeeorten einschließlich Orangen ku
eine« Mischprtii» verkuuft werden sollttn, um die Orangen zm einem
erträglichen Pi^iß aar aen Markt zu bringen, wohrscheinllch v/ollte
d#r Staatsanwalt der üevolkorung 2eiiz;en, daJ er ihre Intereeaen ^
wahrt« und er glauDi;e, duJ ^Ine Aniilap;e Plagen eine Frau ihm weniger
Schwierigkeiten bereiten würue alb ein Prozeß gegen ein verantwort-
liohea Masl6tratsTiilt>5ilea, er rauate auer dau Verfatiren nach ^^^ler
Zelt hiederachlaf^en. I9I6 war Cora Berliner ein blühender, achöner^
»hr Manaoh.Sie konnte aber woh; die Krie^seiTxährunp; nicht vertragen^/
und veralchtete auf viele I^Yeuien des Lebens, auch in späterer Zeit,
um laistungaföiiig äu bleiben. Ich hielt sie aanala nicht für «inen
ohariamat Ischen Menschen. Sie war kein i^euerorami aoer auch kein
Organlsatlonamenach, sie oesa3 .iedoca Klugheit und vor allem GUte,
die sich In ihrer Geduld ihren Witjuenachen ge^enü^er und in Ihrer
"Leldenafähigkelt ueißte, Sie ver-wandte viel Zeit; darauf, geistige
und' eeel lache Wirren anuei^ex» Henachen d.\x iüaon und zu ordnen. Nie
hat «le öloh la die Beziehunij;en anderer Menschen ein J^ed rängt und
diese au aprenfjen versucht, sie verzichtete ohne Klati^e. Ich habe
llir oft geaalt, daB sie »nioh an Fdret Myöchkln in Doatojewakla
••idl^t" erinnox^, der die Lasten onawrer Menschen zu veratehen
• auoht und erträgt, aoer aeibst Dornen und Spott auf aich nimmt und
' die Probleme anderer Henachen durch individuelle Güte 2U iöaen
' ^ersueht. Da Cora kein örganiaation8^1enBch war, paate «le nicht In
die Sozialdemokrat le* Sie Intereaaierte SiCh wenig für sozlallati-
^ acn« Ideeiimd die Arbeiterbewegung. Ihr politiacheb Intereaae he-
i'^aohrÄcicte «ich auf die Ldsung wlrtachaftlicher Fragen. Äln paar
Jahre nach der Revolution von lyiö 8chlo3 ale sich dennoch der SPD
an, wohl aua dem aefühl heraus, daß raan sich in jener Zelt beken-
♦ • • ♦■
nen und auch irgendwo axiiehnen müsde.
- yi
rika
Seite 4 - Nr. XXV/I"
ALLGEMEINE
Vorrang des Menschlichen
Dankbare Erinnerung m Cora Berliner
.Man ist im Augenblick: so beschäftigt, daß man
keine Zeit 7\i viel Gedanken hat. Morgen gehe ich
mit einer Reihe von guten Freunden ... aul die
Reise. Der Entsdiluß kdm sehr plotzhdi, so daß
sich die Vorbereitungen sehr drängen." So hieß es
in einem Briet, den Prot. Cora Berliner am 21..kim
1942 an einen guten Freund in Sdiweden schrieb,
einen Tag vor ihrer Deportation aus Berlin. Seit-
dem ist sie verscholllen geblieben; auch von den
«outen Freunden", gemeint sind damit andere
führende Mitarbeiter der Reichsvereinigung der
Juden m Deutschland, fehlt jede Spur.
Cora Berliner ist im Alter von mir 52 Jahren
umgekommen. Am 23. Januar hätte sie ihr 80. Le-
bensjahr vollendet. So wird dieses Datuni zu
einem Tag verehrungsvoller, dankerfüllter Erin-
nerung. Das Bild dieser tüchtigen und tapferen
Frau ihre Erscheinung, ihr Wesen stehen vor un-
serem geistigen Auge. Man sieht sie in ihrem
kleinen" Büro in der Kantstraße 158, jenem Haus,
das in schweren Zeiten immer mehr judisctie Or-
ganisationen beherbergte. Man erinnert sidi ihres
kleinen, hübschen Heims in der Emser Straße un-
weit der Post, man denkt an manc+ie Sitzungen in
denen es oft um wichtige Entsdilüsse und Ent-
Nir David
Einer der srtiönsten und reizvollsten Orte m
Israel ist der Naturschutzpark an den Ufern der
Sadinc zu Füßen des Berges Gilboa. Nicht jeder
Tsraclbesudier findet ohne weiteres den Weg in
dieses kleine Paradies, denn auch der angren-
zende Kibbulz Nir David ist nur Freunden be-
kannt.
Dieses Naturparadies bietet nicht nur ein ent-
spannendes Bad im 27 Grad warmen Thermal-
wasser der Sachne. das über Felsenstufen herab-
fJießt und die Natursteinbecken füllt. Es bietet
femer einen Rundgang auf weichem Raseri zwi-
Rctien Palmen, seltenen alten Bäumen, Buschwerk
und Blumen; es bietet eine Siesta unter Dattel-
palmen, die mit ihren sperrigen Blattern em bi-
zarres Filigran in das Blau des Himmels zeichnen,
und e« bietet Erfrischungen in einem kleinen
Restaurant.
Wenn man den schmalen Uferpfad entlang geht,
aelanqt man auf einen Hügel zwischen Kibbutz
;,nd Natursdiutzpark — und erlebt eine weitere
Ueberrascfaunq. Dort nämlich stehen der Frank -
.dietungen ging. Ohne )e ihre Konzil, anzihrer^
^veilKhen Charme im Umgang mit Mifarbeitern
und Ratsuchenden zu verlieren, war Cora stets
klar n der Betrachtung der Dinge, ertahren-abwa-
qendin der Analyse von Situationen fest in der
zu b.schließenden Sache und zielbewußt-energisch
äuf \ktion bedacht. Und dies fand man sdinel
heiöis- Für sie standen das menschlidie Schicksal
des inzelnen oder der Gruppe, die Not und deren
Beh-bung stets im Vordergrund. ^
Üie Stimme war ein wenig hoch und hatte /u-
wei-n etwas Heiseres. Ihr Deutsch ließ den Ak-
zen ihrer Vaterstadt Hannover und der nord-
deutschen Ebene erkennen. Aus dem leinen,
sdtndlen Ge.sidil sprachen dunkle, kluge, lebhafte,
be(haditende Augen. In jungen .lahren durfte
Ca-, hödist attraktiv gewesen sein. In ihrem
iWtus wirkte sie, wie so manche ihrer Alters-
unc Zeitgenos.sen ähnlidier Berufs- und Interes-
senuhtung: wie eine Mischung von So/ialarbei-
tem und Sdiuldirektorin, aber frei von beamlen-
hal-MU Gepräge. Genau genommen, hat sie keinen
die^ei Berufe ausgeübt, aber sie war nicht weif
danm entfernt, jedenfalls in der Zeit vor 19.i^
Die Frau Professor", als die sie dann bekannt und
geschätzt war, kam, ausbildungsmäßig gesehen,
voi^der Mathematik, mehr noch von den wiri-
sdiilüidien Staatswissenschatlen her; heute win-
de nan sie eher der Soziologie und der Politologie
zuordnen. Toditer des Gründers und Leiters einer
nri^ateu Handelssdiule in Hannover, promovierte
Cg.a im Jahre 1916 in Heidelberg mit einer heute
no<h lesenswerten Dissertation über „Die Organi-
sation der jüdisdien Jugend in Deutschland (Em
Beitrag zur Systematik der Jugendpflege und Ju-
qrndbewegung)". Das war ein Gebiet, auf dem
Corel Berliner zu Hause war. Als Mädchen war sie
in der jüdischen Jugendbewegung aktiv gewesen,
sodter wurde sie Geschäftsführerin des Verbandes
dei jüdisdien Jugendvereine Deutsdilands, des
Neutralen Verbandes, wie er hieß, dessen Auf-
gaben und Ziele sie in Wort und Schrift vertrat,
auch im außerjüdischen Bereich. Zeit ihres Lebens
ist sie nie einseitig jüdisdi ausgeriditet gewesen.
Ihr Mensdienkreis war dementsprechend weit und
nocii ansehnlich bis in die düstere Zeit hinein, in
der Selbstabsonderung und Ausgeschlossenwerden
711 üblichen Lebenserscheinungen wurden.
23. Jannar 1970
Während des ersten Weltkrieges fand sie m der
Nahrungsmittelversorgung des Stadtbeziiks Ber-
lin-Sdiöneberg ein großes, verantwortli« Ues Ar-
beitsfeld 1919 sieht man sie bereits als Reterentm
für "Verbraudierlragen im Reidiswirtsdi- ttsmini-
steriura; die neue junge Mitarbeiterin mi>ß durdi
Ihre Kenntnis wirtsdiattlidier Zusammonhange
und die dnregend-kritische Form, mit dei .le gute
Vorschläge anbradite, audi bei namhailei; Vertre-
tern des deutsdien Wirtsdiaftslebens auiciefallen
sein- denn bald erhielt sie zusätzlidie Aufgaben,
solche im Zusammenhang mit dem Autbau von
Wirtschaftsräten, andere, die durdi Inflation ur^
Marktsfabilisierung hervorgerufen waren --auch
die Statistik spielte dabei eine Rolle. 192/. als sie
längst Regierungsrätin im Statistischen Re.disamt
gewc.rdei^war, wurde sie für mehrere Monate dei
deutsdien Botschaft in London zugeleil , für da-
malicie Verhältnisse Ausdruck besonderer An-
c^rkennunq. Indes, uumer wieder zog es i^ora Bei-
Uner zurück zur Arbeit an Menschen unC für Men-
schen im sozialpolitischen oder pädagogischen
Sinn Als für die Ausbildung von Gewerljelehrern
und -lehreiinnen neue Berufspädagogisdie Semi-
nare entstanden, gehörte sie zu den ersten, ebenen
eine Professur an der Berliner Lehrstafte dieser
Art angetragen wurden. Doch, bedingt durdi die
politisdien Ereignisse, blieb sie in diesei Tätigkeit
nur knapp drei Jahre.
Anfang 193:^ fand sie den Weg zuruci^ in die ju-
dische Arbeit, in der sie einst begonneri hatte.
Durch die Leitung des Central-Vereins. dem sie
lange nahestand kam sie im Laufe Jes Jahres
19'n in den ausgewählten, kleinen Mitarbeitei^tab
der Reidisvertrefung der deutschen Jaden hielt
aber den day-to-day-Kontakt mit dem C V au frech .
Diese LiaLsonarbeit (auch mit anderen Stel-
len) lag ihr. Was Cora Berliner als enge Mitarbei-
terin von Persönlidikeiten wie Dr. Leo Baedc und
Dr Otto Hirsch, als Kollegin und Freundin von
Hannah Karminski und Paula Fürst_ u a. für die
Reidisvertrefung und. später, für die Re.chsver-
einiqung der Juden in Deutsdiland war und was
sie nicht allein durdi diese Organisationen, für
die bedrängten, verfolgten, verzweiiellen jüdi-
sdien Mensdien bis zu jenem schicksalsschweren
22 luni 1942 bedeutet hat, das harrt noch einer
eingehenden Würdigung. Einer der wenigen in
der freien Welt, die bis zuletzt mit Prof, Cora Ber-
liner in briellicher Verbindung standen, war der
frühere Staatssekretär im Reichstinanzministerium.
Dr Hans Schaetfer, der 1967 in Sdiweden gestor-
ben ist Vor längerer Zeit hatte er den eingangs
zitierten Abschiedsbrief von Cora Berliner dem
Baedc-lnstitut zur Verfugung 9estellt^^ ^^^^^^^^^
Zum Tode
von
Carl Busch
Carl Busdi, lange Jahre Vorsitzender der Mo-
nistischen Organisation in Deutsdiland, ist in der
vergangenen^ Woche in Berlm gestc^rben. Am
B.Februar wäre er 66 Jahre alt geworden,
1,1 dem kleinen nordbukowinisdien Ort Banila
qeboren, kam Carl Busch ^^^^"" ^"V"^^^''^ J^^,
n.ch Berlin, wo er nach se.ner ^^^^^l'^-«'/ ui de
llolzbranche tätig wurde. Aber schon vorher war
rr ein begeisterter Anhänger des Zionisjnus ge-
.vorden, der er ein Leben lang blieb und dessen
Ziele er mit viel Energie und W illensk att vei-
lodit, Zionismus, so hat Carl Busch o t betont^
h.Mße nicht Propaganda, sondern judische Werte
„n Hinblick aul Israel zu pflegen. So ging er so-
lort nach der Niederwertung des Nationalsozia-
lismus, den er mit Hilfe „unbesungener Helden
nn Untergrund überleben konnte, mit schöpfen^
srher Energie an die zionist.isdie Arbe, und heß
sich auch dann nidit davon abbringen, als 1^44 de
.fewish Agency m Jerusalem erklarte, daß m
Deutschland zionistische Arbeit nicht weiter er^
.anseht sei. Im Gegenteil, Cad Busdi vers At^
„un mit allen Mitteln, Jerusalem davon 7m uber-
y.Migen, daß zionistisdie Arbeit m der B^Jides-
republik doch notwendig sei — was ihm sc^hrti-
lifh auch gelang.
\ls dann 1956 in Jerusalem ein »»onist^t^r
Kongreß abgehalten wurde gehörte Carl Bu«^
selbstverständlich ebenso zu der deutschen Dele-
''■>^,Jr
Verfjleiche in Entschädijiungsverfalireii
\
/
(
o
r
/
d-i^-iZt
ß/t -C<.y^
JUA
y
AUFBAU
►n;
h;
lliilili!!tlt!!!lll!lllll!ll(lt!l!ll!llilll!i!!l!tl!;!ll!l!ltH!l!i!l!!!tit!ll!!^
::i;;iiiilii;:;iiiiiiii!!lli:i;;llii;;ri!;;;:iii;iiili . worl
Letters to the Editor
iiiiiiiii
!llll!!l!!ll!tilli!li!!l!ll!!l!i|l!!!fl!!!i!'i!illi!r!l'!l|l|i!!f
Vergessene Namen
Wir haben mit grösstem Interes-
se die Besprechung des Buches
Der Nationalsozialismus imd die
jüdischen Juristen" im "Aufbau"
gelesen. . . . Leider haben wir viele
Namen hi dem an sich verdienst-
vollen Wei-k vergeblich gesucht. Um
nur einige der Prominenten 201 nen-
nen, die inzwischen dahingegangen
.smd, ei'wähnen wir die Folgenden;
iFrcf. Herbert Dorn, weiland Prä-
-jil ■■ill» IM- .1.-.
0:2; Boca Juniors — Uhriks 3;0, Uk-
rainian Nationais — Newaik Ukrain-
ku Sitch 3:0, American League All
^New Jersey League All Stars
^■li!;!!!;f!!i!!'"!''!1!lill!lll!;i!!il!:;!li!lllll!lilllli!llllltli!l!'l!li!!iy^
Ifident des Reichsfmanzhofes, zu-
etzt Prof. der Rechte an der Uni-
•ersität Delaware; Robert Perlen,
n der Nazizeit jüdischer Konsnlent
nd später Präsident des Oberlan-
e.sgerichts Stuttgart; Dr. Julius B.
eigen, Rechtsanwalt am Kammer-
Bericht und Bruno Weil, prominen-
ter Politiker und Verfasser vieler
Bücher und Schriften.
Louis C. Bial
As.sn. of Former European Juri.sts
Zu Ossip Kalenters Heine-
Rede in Bagni di Lucca, und zur
Ehre der Stadt Frankfurt q.
möchte ich Ihnen mitteilen
chequ:
•'Aufbau^
bau" a.s
nion".
Johaj
22 /vi
In
gibt (A
neu '4
Kpa
>v'.
l
Vv"
•1
f i
lA
4
/.
Cc/tx-^--
L
/W'V-A^' f*^^*^ ^f^^"^*- ^'*'^ ^"^^''^
^
.*<^^ - -^'^'^ • /^^^ ^. /2^^
-•-'*,
r. Richard Fuchs Vt
-^^
/
'1-f
J
/•
Die bemerkenswerte Karriere des
hohen juristischen Regierungsbeam-
ten und Finanzsachverständigen Dr.
H. Richard Fuchs, der nach länge-
rem Leiden am 4. Februar 1970
über 83-jährig in London gestorben
ist, erfuhr durch Verfolgung und
Krieg eine erhebliche Unterbre-
chung. Nachdem er längere Zeit
Richter gewesen war, wurde er in
^-den zwanziger Jahren als Ministe-
rialrat ins Reichsfinanzministerium
in Berlin berufen. Nach 1933 bis
zu seiner 1939 erfolgten Auswan-
derung nach England stellte er der
y ri;
I in
ReichsvertFetüng der deutschen Ju-
den seinen wertvollen Rat zur Ver-
fügung und war auch eine Zeitlang
Kuratoriumsmitglied der „Hoch-
schule für die Wissenschaft des
Judentums" und Vorsitzender des
Ausschusses für die an ihr zusätz-
lich eingerichteten allgemein-wissen-
schaftlichen Vorlesungen. Während
des Krieges übte er Lehrerfunktio-
nen an einer angesehenen Schule
in der englischen Provinz aus, wo
er u.a. Unterricht in Kunstgeschich-
te gab. Von 1945 an weit über 15
Jahre stand er an führender Stelle
/
f/^
c7^
t*S I»cv
;
5CMCVI
Wcl
in der Rechtsabteilung der briti-
schen „Control Commission for
Germany" (CCG) in London, Her-
ford, Berlin und Wahnerheide und
später in der Britischen Botschaft
in Bonn. Leider hat wohl Fuchs
nicht die Zeit gefunden, .sein ge-
samtes berufliches Leben in Me-
moiren festzuhalten. Es war recht
ungewöhnlich, wenn man bedenkt,
dass Fuchs auch Dingen der Wis-
senschaft und der schönen Künste
zugetan war.
Immerhin ist es Fuchs erfreu-
licherweise noch gelungen, seine Er-
innerimgen wenigstens an seine Mit-
wirkung und Teilnahme am geisti-
gen Leben und Ausbau der ,, Hoch-
schule" in den letzten Vorkriegs-
jahren niederzulegen, die gründlich
und materialreich erarbeitet im
Jahrbuch XII des Leo Baeck Insti-
tuts (London 1967) veröffentlicht
wurden. Diese Studie bleibt eine
schöne Erinnerung an Richard
Fuchs' Wesen und Haltung. Viele
Jahre war er auch Mitglied des
Boards des Leo Baeck-Instituts in
London, dem er sich besonders eng
verbunden fühlte.
E. G. LOWENTHAL
4r^^^
0
-^
^
w^.<^
<^
y^
M4
yi4'C(y<^e^^^''/ jA /^i'^U/^^.y/''^^
^
J .4
'f^
/^
,.^-
c/
/
/
Hc
u(^'^ ^ Uvc V ^^A I h /^^> y^
/]jL^<^ 'i./'^ s ^ - ^
u
c /i1 1 tll'^'^
O-c-c
cAi.,'<-^
y i
04J-rU^
Av
VW ^n
/y^/ft'^^
C^i-n
h4'^^
¥''^
■^ r ?'
Carl t.elchlor o. S44(Tre,ira™ sj
lebte in der weit, verstand nft', r Gekehrter? Gruendlich aber
Mn, Beamtentyp? PflichuJeu'ind Shncht'^r^"'""' ^^^ doktriLer.
I^aruebtr hinau
aum ein 2v;eiter,abe
(Fu
1^67
3 vvar er ein
ssnote 27, o. 411, Gedenk bu
chlauheit v.ac- ihm fread.
eiser, guetiger una versteh
i4i
cn "Carl I^^elchior - ,:.ohr
en er Llensch
ue Dingen
|^;^>S^;-jj§^^^^^^
•MJT
Seite 4
MB — 17. März 1967
Nr. 11
Dichtung als politische Aufgabe
■v^r»t»^sT?ri
(Schluss von S. 3)
arbeitung. Rom auf der Bühne
und Ost-Berlin in Wirklichkeit
stehen gegeneinander, Plebejer
und eine Delegation aufständi-
scher Arbeiter. Plutarch und Li-
vius werden mit Marx und Le-
nin konfrontiert. Der Theater-
mann will den Aufstand seiner
Bühne zunutze machen. Die Ar-
beiter aber fordern Einlösung
seiner politischen Deklaration.
Der ,Chef' ist Modell des Dich-
ters und Intellektuellen, der die
politische Wirklichkeit, die er
so oft angerufen hat, nicht er-
fasst. Wo er unverzüglich han-
deln sollte, zögert er. Ehe er
sich, zu spät, beteiligt, bricht
der führungslose Arbeiterauf-
stand zusammen."
Mit geradezu abgründigem, beis-
sendem Witz lässt Grass seinen
„Chef" an emer Stelle, als man
ihm vorwirft „Du kennst das Volk
nicht mehr, / und siehst es durch-
einander laufen / wie anno acht-
zehn, als du zwanzig warst", sagen:
„Es werden die Revolutionäre
gebeten, den städtischen Rasen
nicht zu betreten." (S. 28/29)
„Die Plebejer" lesen sich mit
einer hinreissenden Spannimg. Was
das Stück auszeichnet, ist nicht
etwa seine leichte anti-Brecht-Hal-
tung, sondern seine Verurteilung
der Entschlusslosigkeit der Intellek-
tuellen in der deutschen Geschich-
te. Brecht gibt dafür in der Tat
in einer bestimmten Stunde (sein
Brief- imd Telegrammwechsel mit
Ulbricht ist bekannt) nur das Mo-
dell ab. Allerdings zeigt Grass: ein
wirkungsvolles und lehrreiches Mo-
dell! Resignierend bekennt der
„Chef": „Ich, wissend, listig, külil,
allem, / war em Gedicht lang fast
dabei." (S. 91)
Günter Grass ist gegenwärtig
Gast unseres Staates. Sein Werk
hat auch uns viel zu sagen, und
über den künstlerischen Genuss
hinaus vermittelt es uns eine gan-
ze Reihe von Erkenntnissen. Er-
kenntnisse, die wichtig sind imd
die einen deutschen Dichter der
Nachkriegsgeneration auszeichnen.
Sein letzter, eben erst erschienener
Gedichtband trägt den Titel „Aus-
gefragt". Vielleicht ist auch er be-
zeichnend, denn hier befragt ein
Dichter sein Volk auf Herz und
Nieren, er verlangt Antworten und
Stellungnahmen, denn er hält es für
die Aufgabe des Dichters, seine Zeit
zu befragen, und er wUl aufdecken
und biossiegen, was falsch imd ver-
logen ist. Und in Wahrheit: das ist
der Auftrag und die Berufung des
Dichters!
CARL MELCH lOR
Erinnerungen auch an seine jüdische Arbeit
„Verfehmte Kultur Nr. 10"
Von Anatol France stammt eine
Bemerkung, dass er wenig Interes-
santeres kenne als die Lektüre von
Antiquariats-Katalogen.
Wie hätte sich der alte Herr erst
böini Empfang heutiger Kataloge
gefreut, die Über eine Kurze Be-
schreibung der Titel hinaus kriti-
sche und persönliche Dokumentatio-
nen ihres Erzeugers einfliessen las-
sen, deren Inhalt einen oft überra-
schenden Quellenwerk-Charakter be-
sitzt!
Im Vorjahr hatten wir im MB
einmal auf die schlicht vervielfäl-
tigten Blätter über „Verfehmte Kul-
tur" (während des III. Reiches) ei-
nes Theater-Antiquariats ,PROSZE-
NIUM' in einem für uns obskuren
Ort, Kemnath-Stadt, irgendwo in
Süddeutschland hingewiesen. Der
Herausgeber muss die Welt der
Bretter nicht nur vom Zuschauer-
raum her angesehen haben, son-
dern selbst vom Bühnenfach sein.
Und da er die Nazizeit nicht ,, aus-
zuklammern" vermochte, kann er
Bemerkungen einstreuen, die Blut-
zeugnis ablegen imd Materialien un-
terbreiten, welche selbst in Buch-
veröffentlichungen noch nicht zu
finden sind.
Er fängt die — bereits — zehn-
te Liste der „Verfehmten Kultur"
mit einer Provokation an. Wer sie
aus dem Umschlag zieht, hält ein
als „Streng vertraulich! Nur für
den Dienstgebrauch!" bezeichnetes
Deckblatt einer „Liste 1 des schäd-
lichen und unerwünschten Schrift-
tums" in der Hand. Bearbeitet von
der Reichsschrifttumskammer im
Oktober 1935. Und am Rand noch
gestempelt: „Geheim! Dies ist ein
Staatsgeheimnis... Weitergabe nur
REISEN
nach allen Ländern der Welt
Zuverlässige Beratung, Auskünfte
und prompte Erledigung aller
Formalitäten
durch
Dr. HUR WITZ Ltd.
Travel Agency
Tel- Aviv. Yehuda Halevi Str. 43
T?1. 621351, 614025
verschlossen... Empfänger haftet für
sichere Aufbewahrung". Dadurch
wollte man wohl vermeiden, dem
Ausland zu verraten, dass Thomas
Mann und andere gar keine deut-
schen Schriftsteller seien.
Unsere Beklemmung beim uner-
warteten Anblick dieses Sekrets der
Unterwelt löst sich etwas beim
Ueberfliegen der aufgeführten Pro-
grammzettel, Schauspielerfotos und
Bücher meist jüdischer Menschen,
hinter deren Namen oft „er kehrte
aus der Emigration zurück" steht.
Aber zuweilen auch „schied im
Ausland freiwülig aus dem Leben",
„in Auschwitz ermordet" oder „im
KZ zu Tode exerziert".
Nicht deswegen jedoch ist dies
Verzeichnis für uns Laien erwäh-
nenswert. Sondern wegen der pri-
vaten Mitteilungen des Kommenta-
tors. Er geht zurück bis ins vori-
ge Jahrhundert und erzählt z. B.
vom Wiener Domprediger Johann
Emanuel Veith, der aus einer jü-
disch-orthodoxen Familie stammte
und von der katholischen Kanzel
herunter gegen die Verleumdimg
des Judentums auftrat.
Dann springt er in unsere mord-
reiche Gegenwart über: Mirjam Hör-
witz entging den Verfolgungen der
Nazis nur durch ihre Ehe mit Emil
Ziegel. Der (heutige) Antiquar hät-
te sie während des Krieges im Zu-
schauerraum des Görlitzer Stadt-
theaters gesehen und sie „in stum-
mer Verehrung gegrüsst".
Beim Konvolut-Angebot des gros-
sen Dirigenten Otto Klemperer liegt
u. a. ein Steuer-Steckbrief der brau-
nen Behörde ,ihn, „falls im Inland
betroffen, festzunehmen..." — dane-
ben die Vermögensbeschlagnahme.
Ein für unser Land nicht so un-
gewöhnliches Emigrantenschicksal
ereilte die „erste Koloratur Soprani-
stin vieler grosser Opernhäuser"
Melitta Heim, die 1938 mit üu-er
Mutter nach London floh. „Sie ge-
riet in grosse Not und musste zeit-
weilig als Putzfrau ihren Lebens-
imterhalt verdienen" (sie war be-
reits über 50).
Wie man Goebbels beschummel-
te, finden wir bei dem Dramatiker
Es war Ende 1933. In dem
Augenblick, als Juden in Deutsch-
land und in der westlichen Welt
auf seine Mitarbeit am Werk für
die Hilfe und Rettung rechneten,
starb Dr. Carl Melchior, am 29. De-
zember, 62 Jahre alt. Der im Früh-
ling gebildete „Zentralausschuss für
Hilfe und Aufbau", in dessen Mit-
leitung der Hamburger Bankier
und Wirtschaftsexperte berufen wor-
den war, noch bevor die Reichsver-
tretung der deutschen Juden mit
ihrer eigentlichen Arbeit begann,
wäre wahrscheinlich für ihn nur
eine neue Ausgangsposition gewe-
sen. Seine souveräne Beherrschung
komplizierter Zusammenhänge, sei-
ne Integrität und Vertrauensvnirdig-
keit, seine persönliche Bescheiden-
heit und seine weitreichenden Ver-
bindungen hätten Melchior ziemlich
sicher zu noch wichtigeren Aufga-
ben im jüdischen Gemeinschaftsle-
ben bestimmt. Dabei war er weni-
ger durch das Jüdische geprägt als,
in erster Linie, geformt durch die
Wirtschafts- und Kultursphäre
Deutschlands und seiner engeren
Heimat.
Vom berühmten Johanneum hat-
te sein Weg über die Universitäten
Bonn und Berlin zunächst in die
Gerichtsstuben zurück nach Ham-
burg geführt — bis das Bankhaus
M. M. Warburg & Co. den jungen,
begabten Juristen als Syndikus zu
sich holte. Das war 1902. Fünfzehn
Jahre später sass Carl Melchior als
Teilhaber in dieser Firma. Als Fi-
nanzsachverständiger begleitete er
deutsche Delegationen auf schwieri-
gen Missionen, zu den Waffenstill-
standsverhandhmgen des Jahres 1918
und, 1919, zum Versailler Friedens-
schluss. In der Dekade 1920/30 sah
man ihn als Experten bei allen grös-
seren internationalen Konferenzen,
in Brüssel, in Genua und in Paris,
im Haag. Diese sich aus dem Ersten
Weltkrieg ergebenden, entscheiden-
den Verhandlimgen mündeten dann
in die Schaffung der Bank für In-
ternationalen Zahlungsausgleich ein,
deren Verwaltungsrat Melchior an-
gehört hat.
In diesen Wochen, fast auf den
Tag 33 Jahre nach Melchiors Able-
ben, ist (bei J. C. B. Mohr [Paul
Siebeck], Tübingen 1967) ein klei-
nes gehaltvolles, würdiges Werk er-
schienen, betitelt „Carl Melchior —
Ein Buch des Gedenkens und der
Freundschaft". Wie Bürgermeister
a. D. Dr. Kurt Sieveking, Hamburg,
einst Melchiors Sekretär im Finanz-
ausschuss des Völkerbundes, in ei-
nem kurzen Vorwort betont, soll
diese Veröffentlichung „auch ein
Ausdruck der Dankbarkeit" sein,
„die insbesondere eine Stadt wie
Hamburg ihren jüdischen Mitbür-
gern, die ein Teil ihrer selbst wa-
ren, und ihrem Wirken für das ge-
meine Wohl schuldig ist".
Das Kernstück der insgesamt neun
,,Aufzeiclinungen", das die Hälfte
des Buches füllt, bilden Hans Schaf -
fers Erinnerungen an seine Zusam-
menarbeit mit Carl Melchior, im-
mer auf dem Hintergrund deut-
scher und internationaler Finanzpo-
litik. Am Schluss schildert der jetzt
81jährige, seit langem in Schweden
lebende ehemalige Staatssekretär
im Reichsfinanzministerium an
Hand seiner Tagebücher, was Mel-
chior für die plötzlich stark be-
drängte, nach Selbsthilfemöglichkei-
ten suchende Gemeinschaft, zu der
er gehörte, in der Zeit von Anfang
April bis Mitte Juni 1933 (als er
schwer erkrankte) getan hat, orga-
nisatorisch-planend, beratend, Ver-
bindungen herstellend, Rückspra-
chen führend. Damals hies es, die
Auswanderung in erster Linie für
die Jugend vorzubereiten und durch-
zuführen, Arbeitsplätze für ausge-
schaltete Menschen zu finden und
Ausbildungs- und Berufsumschich-
tungsstätten im Inland wie im
Ausland zu schaffen. Es galt auch,
die für alle diese Aufgaben und
Pläne notwendigen finanziellen Mit-
tel aufzubringen und, soweit erfor-
derlich, zu transferieren. Während
dieser drei, vier Monate, es war ein
aufregendes, hektisches, die Mög-
lichkeiten für Hilfe und Aufbau ab-
tastendes Vorspiel, entwickelte sich
das, was im Frühherbst 1933 als
Reichsvertretung der deutschen Ju-
den vor die Oeffentlichkeit trat.
Melchiors Anteil an der Schaffung
dieser jüdischen Gesamtvertretung
ist unbestritten; das haben sowohl
Leo Baeck als auch Hugo Hahn
(,J)ie Gründung der Reichsvertre-
tun" - in Zwei Welten, Tel-Aviv,
1962) immer wieder betont.
Aus den übrigen Beiträgen zu
dem Melchior-Buch ragt die (von
Dr. Eduard Rosenbaum, London,
früher Hamburg, besorgte) Ueber-
setzung des Vortrags „Dr. Melchior:
Ein besiegter Feind" des grossen
englischen Cteldtheoretikers John
Maynard Keynes (1883-1946) her-
aus. Keynes gehörte zur englischen
Delegation zu den Waffenstillstands-
verhandlungen. „Dr. Melchior", so
erinnert er sich, „war der Sprecher,
in ergreifendem, fast vollkommenem
Englisch..., immer sehr überlegt,
aber ohne Pause, in einer Weise,
die einem einen ausserordentlichen
Eindruck von seiner Wahrhaftigkeit
gab... Dieser Jude - denn das war
er, wie ich nicht aus seinem Aus-
sehen entnahm, sondern später er-
fuhr - und nur er, hielt die Würde
des Besiegten aufrecht".
Sonst werden in diesem ein-
drucksvollen Band Melchiors Ei-
genart und Leistungen sowie die un-
gewöhrüiche Wirkung seiner Persön-
lichkeit — unter sachlich und zeitlich
verschiedensten Gesichtspunkten —
kurz gewürdigt, so von Professor
Dr. Otto H. von der Gablentz (Ber-
lin), dem 88jährigen Geheimrat Dr.
Ludwig Kastl, früherem Geschäfts-
führenden Präsidenten des Reichs-
verbandes der deutschen Industrie,
und den Bankiers Walter Frisch,
Ferdinand Eberstadt, Siegmund
Warburg (London), Erich M. War-
burg (Hamburg/New York) und
Dr. Hans Meyer (New York).
E. G. LOWENTHAL
Hans Jose Rehfisch vermerkt: ,,Dem
Verlag gelang es, das Stück „Was-
ser für Canitoga" des naziverfolg-
ten Autors unter dessen Pseudonym
Georg Turner in Nazideutschland
von vielen Bühnen aufführen und
von Hans Albers verfilmen zu las-
sen."
Die hübscheste Anekdote aber
steht bei einer NichtJüdin, und
zwar ausgerechnet bei Frau Hed-
wig Courths-Mahler. Ihre Tochter
Margarete Elzer schrieb dem Buch-
händler im Herbst 1966, die Reichs-
schrifttumskammer hätte seinerzeit
ihre Mutter ersucht, „doch etwas
mehr von Hitler in ihre Werke
hinein zu bringen". Darauf schrieb
die Betreuerin so vieler Tränendrü-
sen zurück: „Das tut mir leid. Dies
kann ich nicht. Da müssen Sie sich
geeignetere Autoren suchen!". Wer
hätte ihr das zugetraut!?!
— gamba —
■ ■.■..1»'J
Sa"^v
/
i-^sis.1^
1
Halbmonats-Beilage des "Aufbau" für Unterhalt ung und Wissen
No. 323
Bankier, Patriot, Moralist
Zum Gedenken an Dr. Carl Melchior
i
\
Von ADOLF LESCHNITZER
I.
Am 11. November 1918 wurde
der Waffenstillstand geschlos-
sen. Im Januar 1919 trafen sich
die Finanzexperten beider Sel-
ten das erste Mal in Trier. Eine
Schilderung der deutschen
Bankleute bei dieser ersten Be-
gegnung ist viele Jahre später
von dem englischen Experten
gegeben worden:
"Sie waren ein trauriger Hau-
fen . . ., mit heraijgezogenen nie-
dergeschlagenen Mienen und mü-
de starrenden Augen, wie Män-
ner, die an der Börse als banke-
rott angeschlagen worden waren.
Aus ihnen absr kam ein sehr klei-
ner Mann auf den mittleren Platz
vorwärts, makellos sauber, sehr
gut und sorgfältig gekleidet, mit
einem hohen steifen Kragen, der
sauberer und weisser als ein ge-
wöhnlicher Kragen erschien. Sein
runder Kopf war mit ergrautem
Haar bedeckt, so kurz geschnit-
ten, dass es wie die Paser eines
dicht geknüpften Teppichs wirk-
te. Die Grenzlinie des Haares um-
zog das Gesicht in einer scharf
bestimmten und eigentlich edlen
linie. Seine Augen schimmerten
uns gerade entgegen, mit einem
Ausdruck ausserordentlichen
Kiunmers und doch der Ehrlich-
keit eines gestellten Tieres. Er
war es, mit dem ich in den fol-
genden Monaten eine der seltsam-
sten und engsten Beziehungen in
der Welt und eine sehr sonder-
bare Abfolge von Erfahrungen
haben sollte: Dr. Melchior . . .
Melchior sprach immer sehr
tiberlegt, ... in einer Weise, die
einen ausserordentlichen Ein-
druck von seiner Wahrhaftigkeit
gab. Bei dieser Gelegenheit, wie
bei späteren, war seine schwerste ?
Aufgabe, seine Kollegen in »
Schach zu halten, die immer mit
kleinen, un-würdigen und unange-
brachten Einwänden einzusprin-
gen bereit waren . . . Dieser Jude
— denn das war er, wie ich nicht
aus seinem Aussehen entnahm,
sondern später erfuhr — und nur
er, hielt die Würde des Besiegten
aufrecht."
Der englische Experte, von
dem diese Schilderung stammt,
Ist kein Geringerer als John
Maynard Keynes.
Es mag gelegentlich vorkom-
men, dass sich zwischen Män-
nern, die einander zuerst als
Vertreter feindlicher Mächte
am Verhandlungstisch begegnet
sind, später enger freundschaft-
licher Kontakt entwickelt. Dass
jedoch der eine der ehemaligen
Feinde, der Jüngere, dem Ein-
druck der imponierenden Per-
sönlichkeit des Älteren erliegt
— Keynes war im Januar 1919
35, Melchior 47 Jahre alt — und
die höchste Verehrung für ihn
empfindet, ist kein alltägliches
Ereignis. Und dass er, einer der
führenden Nationalökonomen
unseres Jahrhunderts, zugleich
ein Schriftsteller von hohen
Graden ist und seine künstleri-
sche Begabung in den Dienst
der offenbar als Verpflichtung
empfundenen Aufgabe stellt,
ein lebenswahres Porträt des
lum Freund gewordenen ver-
storbenen Feindes zu vollenden
— das gehört zu den glückli-
chen Zufällen, für die wir dem
Schicksal dankbar sein müssen.
Im Anschluss an den Bericht
über das einzige private Ge-
spräch, das die beiden je ge-
führt haben, legt Keynes
schliesslich seine Deutung der
Persönlichkeit Melchiors dar:
"Für uns beide, die wir uns so
oft als Gegner, unter Etikette und
Zwang gegenüber gestanden hat-
t^, war es etwas Ausserordentli-
ches, sich so ohne Schranken zu
treffen. Jene Pariser Verhand-
lungen erschienen als widersin-
nig und einem Tiaum zugehörig,
und nach einem Augenblick ver-
legener Gefühle verfielen wir in
ein langes und lose schweifendes
Gespräch . . . Melchiors Erregung
war weniger gegen uns gerichtet,
als gegen I>eutschland, gegen die
Falschheit und Demütigung, die
sein eigenes Volk auf sich herab-
gezogen hatte . . . Und besser ais
bisher verstand ich, wie streng-
gläubig er war, ein unbedingter
und aufrechter Moralist, ein An-
beter der Gesetzestafeln, ein Rab-
bi. Der Bruch eines Versprechens,
das Zerbrechen der Zucht, der
Verfall ehrenhaften Verhaltens,
der Verrat von Verpflichtungen
durch die eine Partei, imd die
unaufrichtige Annahme unmög-
licher BedingTingen durch die an-
dere Partei ohne die Absicht, sie
auszufüllen, Deutschland fast
ebenso schuldig. Unerfüllbares
anzunehmen, wie die Alliierten,
aufzuzwingen, was sie zu verlan-
gen kein Recht hatten — diese
Versündigung gegen das Wort
war es, die ihn so sehr verwun-
dete."
Die hier zitierten Absätze sind
dem Aufsatz "Dr. Melchior, ein
besiegter Feind" entnommen,
der bald nach dem Tode Mel-
chiors (1933) als einer jener
Vorträge entstanden ist, die
sich Keynes und seine nächsten
Freunde in einem kleinen und
vertrauten Kreise zu halten
pflegten. Der Aufsatz ist wieder
abgedruckt als erstes Kapitel
des Buches "Carl Melchior: ein
[Buch des Gedenkens und der
^Freundschaft" (Vorträge und
Aufsätze. Herausgegeben vom
Verein für hamburgische Ge-
schichte. Bd. 15. Tübingen 1967).
II.
Carl Melchior wurde 1871 in
Hamburg geboren. Nach Gym-
nasialbesuch, Militärdienst und
juristischem Studium wurde er
Amtsrichter in seiner Vater-
stadt. Um die Jahrhundertwen-
de trat er als Syndikus in das
Bankhaus seines Freundes Max
M. Warburg ein. Als Landwehr-
Hauptmann 1914 schwer ver-
wundet, wurde er in die Zentral-
einkaufsgesellschaft berufen,
deren Aufgabe es war, durch
Importe aus dem Ausland die
Ernährung Deutschlands und
Österreich-Ungarns sicherzu-
stellen. Seit dem Waffenstill-
stand nahm Melchior an den
wirtschaftlichen und finanziel-
len Verhandlungen der Waffen-
stillstandskommission teil, wur-
de 1919 Mitglied der deutschen
Friedensdelegation, arbeitete
dann, nachdem der Versailler
Vertrag gegen seinen Rat un-
terzeichnet war, jahrelang zäh
an der Lösung des Reparations-
problems. Ihm in erster Linie
hatte Deutschland es zu verdan-
ken, dass die Reparationen auf
den Konferenzen von Basel 1931
und Lausanne 1932 endgültig
eingestellt wurden. (Vgl. Hans
Meyer, Ge*denkbuch a. a. O. ,S.
139).
Am Anfang dieser Arbeit
steht der Steinwurf des Ver-
sailler Pöbels, der ihn bei der
Abfahrt der deutschen Delega-
tion am Hals verletzte, am Ende
der Undank des Dritten Reiches
(O. E. V. d. Gablentz, S. 109-110).
"Am 30. Dezember 1933 erlag
Melchior, der sich buchstäblich
im Dienst seines Landes ver-
zehrt hatte, einem Herzschlag.
Wenige Tage vorher hatte er
mir noch Vollmacht gegeben,
ihn zu vertreten, falls er verhaf-
tet werden sollte." So berichtet
im Vorwort Kurt Sieveking,
Hamburger Bürgermeister a. D,.
der 1929, als Melchior den Vor-
sitz im Finanzkomitee des Völ-
kerbundes führte, .sein Sekre-
tär war (S. VII).
Alle Autoren, ob sie ihm an
Jahren nahestanden wie die
Geheimräte Ludwig Kastl und
Walter Frisch, .sowie Hans
Schäffer, zuletzt Staatssekretär
im Reichswirtschaftsministe-
rium, und der amerikanische
Bankier Ferdinand Eberstadt,
oder ob sie, Vertreter einer jün-
geren Generation, ihn m den
zwanziger Jahren als Vorgesetz-
ten kennen lernten wie Sieve-
king, von der Gablentz und
Siegmund Warburg oder als
"väterlichen Freund" wie Eric
Warburg, sind sich einig in der
Verehrung für seine Person.
Eric M. Warburgs Darlegun-
gen gehen davon aus, das.s sein
Vater Max Warburg
"ein ebenso temperamentvoller
wie wagemutiger und ideenrei-
cher Mann . . .früh erkannt ha-
ben muss, dass er für die väter-
liche Bankfirma ... in seinem ei-
genen Interesse der Ergänzung
bedurfte. Er muss auch von An-
fang an gewusst haben, dass nur
(Fortsetzung auf Seite 18)
Waldbrand am Mittelmeer
Von DAVID LUSCHNAT
Abendgelächter — vom Mond übersilbert —
schwebt höher — verstummt —
was hört der waldfremde Lauscher?
Berge, schwankend im knatternden Waldbrana,
Rauch, aufquellend gewaltig zum Mond auf
breit bis ans Meer hin nach Süden,
rotes Heulen der Feuerwehr
heran sich heulend
von Ost und West, um zu löschen
den Waldbrand, den knatternden,
graurotes Abendgeschweige — Wolken —
kahl starrendes Hügelgetön
Hügel, starr tönend mondaufwärts,
Abendgelächter, verblätternd im Raimi,
vergehend, verwehend hinein in die Nacht.
Mond sollte scheinen,
ist nicht da, noch nicht da, Finsternis
schweigt den Unsichtbaren,
den milden Gedanken-Erwecker,
hinein ins erschrockene Herz,
Und er silbert sich ein
in unser Abendgelächter,
das lautlose — fern und noch fernere —
leise Gelächter des Zukunftbeschauers.
wird Mond noch scheinen —
schflnale hauchzarte Sichel —
wird Wald noch brennen —
wird rote Feuerwehr löschen
über blauleuchtendem Meer —
wird graues Wolkengewühl sich gewitternd bewegen
oder Hügel zum Meer hin weit überschweigen —
wenn wohl präparierte Atom-Bomben
uns überfallen — uns Menschen —
Berge und Meer überfallen
mit gellendem heulendem Abendgelächter ?
>
üd
>
u
>
w
00
o
Die Lust der Lustlosen
Erotisches Theafer a la mode
Von CLAUS-HENNING BACHMANN
Das "erotische" Theater leidet
an seinem Image: nichts als ei-
ne Voyeursschau zu sein. Listig,
aber durohschaubar sucht es
seinem eigentlichen Publikum,
den Magazin-Liebhabern aller
Altersklassen, zu entgehen.
Gleich den Sonnenfreunden be-
sinnt es sich auf Ideologie und
gibt sich "progressiv", mit hef-
tigem Schaumschlagen bemän-
telt es die gefälligen Blossen li-
terarisch. Die Filmleute haben
sich niemals so gerlert, aber am
Theater hat man den alten B41-
dungskomplex. So musste in
München der Mitbegründer des
"Theatron eroticon", Arthur
Maria Rabenalt, dem durchaus
renommierten Regisseur Paul
Vasil welchen. Selchte Unterhal-
tung, so hless es in einer Presse-
verlautbarung, solle künftig
ausgeschlossen bleiben. Die Wie-
ner Lustbarkelt gleichen Na-
mens hat sich unklugerweise in
einem einschlägigen Kabarett
etabliert. Der Dramatiker Ho-
rold Pinter soll, als er das her-
ausfand, Aufführungsrechte zu-
rückgezogen haben . . .
Aber damit nicht genug: auch
die andere Seite, das sogenann-
te literarische Theater, will auf
den gut verkäuflichen Gag
nicht verzichten. Klassiker rei-
zen neu zur Lust mit einem
entblössten Busen. Lieb ohne
Zweifel imd viel weniger sym-
bolhaltlg, als einige Kritiker
meinten, ist die in Kassel prak-
tizlerte Idee, das traumspre-
chende Kleist'sche Käthchen
nackt und beim Erwachen
schamhaft einen Hut sich auf-
setzen zu lassen; weniger ein-
sichtig war, warum ausgerech-
net die verleumdete Unschuld
Hero — in Shakespeares "Viel
Lärm um nichts" — auf einer
Berliner Bühne barbusig in ei-
nen Badebottich musste.
Aus Paris, wo man weniger
schizophren In solchen Dingen
ist, kommt bessere Kunde: in
Oskar Panizzas etwas ange-
staubtem "Liebeskonzil" ver-
schmelzen Lust und Literatur,
Inszenator Jorge Lavelli brauch-
te nicht zu heucheln. Doch
selbst bei Ihm gerät eine Orgie
auf der Bühne in den unfreiwil-
ligen Humor von schwedischem
Gruppensex. Günter Herburger
nennt die Vorstellung ein End-
produkt des lukullischen Thea-
ters; nie habe er so schöne,
langsam und kostbar sich ent-
faltende Schweinereien gese-
hen. Das Ist eine klare Spra-
che, die einen hier intellekt-
verbrämt sich entfaltenden
Sachverhalt vorwegnimmt.
Denn was da seit kurzem
durchs Theater geistert: die
"sexuelle Befreiung", gar erst
die "sexuelle Revolution", ist —
was immer darunter verstanden
wird — nur ein Phantom. Die
Phantasmagorie gelebten Eros,
an der das Theater, professio-
nell Trugbilder produzierend,
sich neuerdings beteiligt, gau-
kelt arglistig Fortschritt vor —
einem Imaginären Paradies ent-
gegen; ja sie gefällt sich darin,
als Vorbotin gesellschaftlicher
Befreiung zu gelten. Nichts ist
stärker Trug als das, weil erst
die doppelzüngige Moral der Ge-
sellschaft die Weichen stellt für
die kommerziell erfolgreichen
Ersatz-Befriedigungen aller Art.
Zu vermuten steht, dass die
sogenannte "Sexualisierung"
das Gegenteil verdeckt. Solange
es sich um blosse Schaustellun-
gen mit einem Minimum an
künstlerischer Aktion handelt,
liegen die Dinge einfach. Das
*'Sich - zur - Schau - Stellen",
schreibt Arno Plack in seinem
Buch "Die Gesellschaft und das
Böse", sei die Lust der Lust-
losen. Für dergleichen einzutre-
ten helsst nur der alten Trieb-
Verketzerung einen modischen
Anstrich verleihen. Denn das
schmatzende Bürgertum, das Im
"Theatron eroticon" liberale
"Gesinnung" vortäuscht, und
die alt-neue Linke auf dem
Theater sind Brüder im Geiste,
Anwälte der Triebunterdrük-
kung beide, mag sich das auf
Seiten der "Revolutionäre" auch
manchmal hinter sektiereri-
schen, durchaus nicht funk-
tionsfähigen Gemeinschaften
verbergen. Wie sich Frömmelei
und wütender Atheismus in der
emotional betonten, triebhaft
intendierten Geste zuweilen
gleichen, so führen auch ästhe-
tische Kaschur und moralisti-
sche Verhüllung, umstürzleri-
scher Rigorismus und kultähn-
liche Kopulations-Show auf den
gleichen Kern: die Ohnmacht
der Impotenz.
In der Volksmeinung und im
banal journalistischen Sprachge-
brauch ist "erotisches Theater"
einem Theater mehr oder min-
der "gewagter" Nacktheit
gleichgesetzt. Das gab Unter-
nehmungen wie der von Ra-
benalt oder auch der glänzend
gemachten Lüge der deutschen
"Hair"-Adaption in München
verständlichen Auftrieb. Für die
Ge&chäftsbosse des Hippie-Mu-
sicals rührten Public-Relations_
Leute die Werbetrommel mit
der Ankündigung einer Nackt-
szene, von Mund zu Mund ge-
raunt; einer Szene im Stil des
Living-Theatre, an das auch
Beschwörungen anklangen wie
"Frieden jetzt! Freiheit jetzt!"
Doch was an dem besessen agie-
renden Living-Ensemble noch
sich rechtfertigen mag durch
den aussertheatralischen Eifer,
durch den gegen das Scheinhaf-
te des Theaters gerichteten Ver-
such, die Realität unmittelbar
in Bilder zu zwingen, geriet in
"Halr" zur Sentimentalislerung.
Was mit Körperbewusstheit
gemeint Ist, lässt sich weniger
am Sujet abhandeln als In prak-
tischer Arbeit erproben. Ich
werde mich hüten, neue Theo-
--4
I
U '^^■)
0
1r^^^
V o<-*C
(v-^
A'
^^y^Vt^-t/
'ui^Ltv^^
7
Mr. £♦ Hamburger,
67 Riverside Drive,
New York 24.
23,Hollycroft Avenue,
London N.W, 3,
England
6 &iarch 1863
•*^.
.•w-
Dear Sir,
I hear you are preparing » book on German Parlamentarians and Civil
Servants of Jewish extraction.As I «ts Oberregierungsrat in the German Min-
istry of Finance and later Ministerialrat in the ^russian Ministry for Trade
and Industry and Staatskommissar bei der ''erliner Boerse and I am now Mini-
' Jevish
sterialdirektor a.D..I have known most of the/higher civil servants in Germ-
any. I wdnld be pleased to put my knowledge and experience at your disposal.
Yours faithfully,
(H. Neufeld)
!
x:
I
i
>>.
, ajaq'ino usdo ox
Sender's name and address: ||.^.J(J^^x.f e 1 d
23. HjQllyeroft Avenue,
London N.W» 3,
England;
AN AIR LETTER SHOULD NOT CONTAIN ANY ^
ENCLOSURE ; IE IT DOES IT WILL BE SURCHARGED
OR SENT BY ORDINARV .\L\IL.
X
-Sccond fold here ■
\
AIROG
VVw
j^^j.^ E. Hamburger ,
67,RiTerside Drivei
New York 24,
N.Y..
Ü.S.A.
f
5. April 1971
Dr» Hans taudinger
453uttoii P'lace South
New yorl:,i:.Y. 10CC2
Lieber Freund,
In der Anlage ucbirsenc^e
hreibens an iVandel vom 2» 4*
an Born hatte ich Dir bereits
in>iv.i^chan die hcto\opie des
in dem. Curtius tjeint*' .Itellungn
hat. .Solltest Du noch .u ansehe
raeineni Briefe an Wand 1 haben,
\\ i 3 s en , i c Ti ■•: e r d e i h n i an i i i ir.,
vichriftv.echsels derauf hin^'^eis
ich Dir .tschrift {^eines
Lie Abschrift des Briefes
gesandt, ebenso wirst Du
Briefes erhalten haben,
ahme zum Ausdruck gebracht
oder lem-r-.ungen zu
so lass sie micr. bitte
7errol(- des '..eiter2n
en»
^c'-" arbeite jetzt an meinem ..eimar-ßand uebcr Juden
iia Qe:f^:itllch:;n
.».. r
e
.1.x •
j-is". iler.t :ai r ein Jru-jherer
Bri-f von lieufeld aus Dexnera : iniyt&riuia vor. ^rinners».
■ju ntoh .iQlncn Vorn--.. -.ons? Der ernte Buchstubi.' v.ar n.
Vielleicht auch liana'-'
FeufGld schreibt u.a.,äass im Kandeisuinisterlum
ein ■^reinvnic'-.r mW vo -urteilaf reier C>ßlö^ unter ücm-eiber
vind btaudinge-r herrschte, und daas die/fruehcren r.ollegen I '/^t^u^p,
3lch in der Iiasi7,eit aufrecht und rautig verhalten haben
und dafurr leiden ^'U^^sten, wie z.B. ISrnst, Jporl.connlewriaa
und '^chalfrjc'r. Da oo viel zu tF-del.. ist.moecnt- ich
die 303 Leb bringer! .'':^rmst Du mir ueber einen oder vi^^►.'i
von diesen etv;as pm.eziseres 3at:-fin,uar:j.t ich zv.ei uut.-i.
ärei oaetze uebcr sie einfuei-en kann?
h
y.eir-'^
Ileu-reld er^aehnt Flatoi^,von de:-, ich genu£: v.ej.:ir>,
sonst v;ar ens^^i^eirend i.c^in jue.ascL.r i^eamter im Handels-
niinisterium. ^lines juedischen beam^en im Lauuv^ir .aohali^s-
ini-isteriüii erinnert er sich nicht, /.eitst Ou darueber
etVaa? Ueber das otaatstaiuisterium und daö Ivaiayteriuci
de-- rnncrn,r.OY;ie d^s Juetizrair^isttr iun iKeiss icL cenu£;,
iiTi'^ /ohlfahrtsministeriULi v.ar ..i ttelshof f er,ueDer uessen
It^ufbuhn und T^-ctit^eit ich ^urch seine .at^^e cint^ehend
inforaiert worden bin« »4, ^^-«'^^y^/^*»*. ^'^'> c^Z/^/^z/f^ M> ^r ^J^
r
/):^\^s^ d^/\ /^cr ^'-^^^
kit herzl
ichen Gfrue^sen
Dein
•^ 4ir^ i
/
O' .
1 y
/U //
23, HOLLYCROFT AVENUE,
LONDON, N.W. 3.
HAMPSTEAD 7088.
3
13.Juli 1963
n
L
Dr,£. Hamburger,
New York 24,N.Y.
USA,
Sehr geehrter Herr Hamburger,
A// /// /4/ i^^//-'////^^^'-^
/
ich danite Ihnen fuer Ihre Briefe vom 15 Maerz und
5, Juli d.J. Leider komme ich aus verschiedenen Gruenden erst heute dazu, Ihnen zu
antworten. Ich fuege eine Notiz ueber meine Arbeit etc. bei.
Meine Erfahrungen ueber die Zusammenarbeit mit meinen
Kollegen waren sehr angenehm, besonders im Preussischen Handelsministerium, wo ein
freundlicher und vorurteilsfreier Geist unter Mirister Schreiber und Staatssekretaer
Staudinger herrschte. Die meisten meiner frueheren l^llegen im H.M. haben sich in
der Nazizeit aufrecht und mutig verhalten, einige haben dafuer schwer leiden mue-
ssen,wie z.B. Ernst, Sperljtf.Schniewindilcii persoenlich habe waehrend meiner ganzen
Karriere nie unter Antisemitismus zu leiden gshabtmeine Befoerderungen imrden nie
aus Vorurteilen aufgehalten. IM R. F. Min. fielen gelegentlich antisemitische Bemer-
kungen, aber nie mit einer persoenli^hen Spitze. Ich erinnere mich z.B. einer Be-
merkung des fruehereh Reichsfinanzministers Reinhold ueber Popitz^^er umgibt sich
ja mit lauter Juden"ein Hinweis auf seine Freundschaft mit Dorn u.Zarden.
i ^Dorn war getauft. Er war^Hilfs^rbeiter bei der berliner Industi?^u. Handelskammer,
ging von dort auf ünpfehlung des Syndikus Br.Dove in das Reichs Justizministerium,
.wo er mit Fragen des Internationalen Rechts befasst war. Er wurde nach wenigen
Jahren als Ministerialrat in das -^ichsfinanzministerium uebernomiuen. Er arbeitete
dort erst als Hilfsarbeiter von gecker beim Entmirf der ^eichsabgabenordnung,
spaeter Referent fuer internationale finanzrechtli he Fragen und nahui an zahlrei-
chen internationale Konferenzen, bes. ueber Keparationsfragen (Dawes und Young plan)«.
Als im R. F.M, eine Abteilung fuer internationale Finanzfragen eingerictet wurde, irui
de er Kderen Ministerialdirektor. Ein wichtiges Arbeitsgebiet von ihm war ias inter-
nationale Doppelbesteuerungsrecht, Hier entwickelte er manche neue Ideen, die von
nach seinem Tode,
denR^egierungen anderer Laender angenommen wurder. Er ist noch heute Jals einer der
fuehrendenSchoepfer auf diesem ßebiet des internationalen Finanzrechts angesehn.
Um 1930 wurde er Praesident des Reichsfinanzhofes in Muenchen.Nach 1933 ging er
nach US und wurde Professor an einer der kleineren Universitaeten.Vor wenigen Jah-
ren starb er in Muenchen auf einer Reise.
( J Arthur Zarden stami.te aus {lamburg,wo er nach dem ersten Kxiege im Finanzamt
oder Landes finanzamt t^etig war. Von dort wurde er in die Steuerabteilung des
R.F.M. berufen, wo er sehr bald grossen Einfluss gewann. Soweit ich mich erinnere,
hatte er das Einliomiuensteuerref erat. Nach Popitz's Ernennung zum Staatssekretaer
wurde er dessen Nachfolger als Direktor der Steuerabteilung, und nach Schaeffer's
Ausscheiden dessen Nachfolger als Sta tssekretaer.Er aahm sich das Leben im
Konzentrationslager, nachdem er im Zusammenhang mit den Zusamnienkuenften des Solf-
krei8es,dem er angehoerte, festgenommen war. Er war getauft.
y
Arthur Norden, auch getauft, stammte aus dem Journalistenberuf .Er war Chefredak-
teur des Handelsteiles des Berliner Tageblattes. Kurz vor oder nach dem ^^nde des
ersten Krieges kam er in das R.F.M. wurde dort Ministerialrat und Anfang der 20er
ahre Ministerialiirigent einer Unterabteilung fuer Waehrngs--,Bank-u. Anleihefragen,
Franz Koebner,auch getauft, war Mitglied des Sekretariats der Deutschen Bank
und spaeter direktor deren Filiale in Konstantinppel. Waehrend des Krieges war
— p —
er Finanzberater der deutschen Botschaft in Konstantinopel. Er trat nach dem Krie-
ge in das R.F.M.ein und arbeitete dort als Ministerialrat als Finanzsachverstaendi
ger in Reparations-u. Anleihefragen, In der zweiten ^aelfte der 20iger Öahre ging
als Sta itsfinanzrat in das Direktorium der Preussischen Staatsbank, wo er s«hr
bald eine fuehrende Stellung einnahm.
Richard Fuchs war zunaechst Gerichtsassessor in Berlin. Kurz nach dem ICriege
wurde er Referent fuer die Ausfuerung der AusgleichsfMgx^bestimmungen des Vers-
aaier Vertrages(Art.296),die die Abwicklung der internationalen privaten Vor-
kriegsschulden bahandeln,im Reichsministerium fuer Wiederaufbau, zunaechst als
Überregierungsrat und bald als Ministerialrat. Als solcher war er auch "eferent des
Ri«chsausgleichsgesetzes,das die interne Ausfuehrung der Vorschriften des Art, 296
regelte. Auf Grund seiner juristischen Begabung und Sprachkenntnisse war er ein
geachtetes un« einflussreiches Mitglied seiner Abteilung.Er veroeffentlichte in
der Leske-Loewenfeld»s^hen Sammlung ueber Die Rec^sverfolgung im Internationalen
Verkehrein Buch mit dem Titel" Di eG^rundsaetze des Versailler Vertrages ueber die
Liquidation und Beschlagnahme deutschen Privatvermoegens im Auslande", im Verlag
Carl Heymann.Nach Aufloesung des Reichsministeriums fuer Wiederaufbau wurde er
in das R.F.M.als i^eferent in Dorn's Abtei lung^uebern*mmen. Nach dem Kriege war er
zunaechst als Sachverstaendiger fuer deutsches Recht fuer das britische Auswaer-
tige Amt taetig und wurde spaeter Sekretaer bei der Britischen Botschaft in Bonn
in gleicher Taetigkeit,wo er ungefaehr zehn Jahre wirkte. Ludwig Simon war sein
Hilfsarbeiter im Wiederaufbauministerium, er kann Ihnen wohl noch weitere Angaben
ueber Fuchs'« Wirksamiceit dort machen.^ fl^'\u^'i, u^pC
Im Reichswirtschaftsministerium war^ Schaef f er , ueber d^^^Sie wohl genug
wissen. Ferner ^var dort Dr. Ernst Stern, ein kluger und gruendlicher Nationaloeko ^
■ff/.v-'-l-
nom.Er ging spaeter in das Statistische «ieichsamt und sodann zur reichseignen
Reichskreditgesellschaft. Er war Regierungsrat, hatte aber weit ueber seine Stel-
lung hinaus Einfluss und Qeltung in den Ministerien. Er starb im !?^ebruar d. J.Ich
habe ihm einen Nachruf gewidmet, in dem ich seine Laufbahn und seine .irksamiceit
dargestellt habe. Er ist in der Aprilnummer der AJR INformation der Assiciation
of Jewish ilefugees in Great Britain veroef fentlicht,die Ihnen wohl in N.Y. zu-
gaenglich ist(Beim Aufbau?) . Dort finden Sie die .Einzelheiten ueber ihn.
Georg Flato.v imr Eeferent fuer Arbeitsrecht im Preussischen ^^andelsminsteri-
um.Er war dort nach meiner eignen feenntnis sehr angesehensowohl wegen seiner Lei-
stungen als wegen seiner sachlichen und anspruchslosen iersoenlichkeit. Er hat
einen Kommentar zum Arbeitsgerichtsgesetz (ich glaube, das war der Gegenstand )
bei Bensheimer zusammen mit seinem Freunde Otto Kahn«-Freund, der Richter an einem
Arbeitsgericht war,veroeffentlicht.K.-F. ,der Professor of Laws an der London
School of Economics and Social Sciences ist, wird Ihnen noch mehr ueber F. ♦ s Wirk-
samkeit sagen koenneU.Er ist haeufig als Visiting Professor in Yale. Seine Privat-
addresse hier ist Roundabouts,Penrith Drive, Shottermill,Haslemere,Surrey.
Ich erinnere mich keines juedischen Beamten in ÄxmKxxden Landwirtschafts-
minsteriB»,oder im Reichs Justizministerium, abgesehen voi. Dorn* verhaeltnissmaessig
kurzer Virksamkeit dort. Im Auswaertigen Amt war Sobernheim als Referent fuer jue-
dische Fragen. Ich weiss nichts ueber ihn.
Das ist Alles, was mir bisher eingefallen ist. Ich hoffe, manches davon wird
Ihnen nuetzlich sein. Aber fragen Sie mich nur weiter.
Ich verbleibe mit freundlichen Gr^essen Ihr sehr ergebener
}\'
II. Neufeld
1 ,■■»/; X^j..
y )
4^
,-.''
7
y
Geb 2a jtli 189?rBerUn,v.n 1896-1909 Friedrich G^na«lu« in BerUn, ^
1909 .1912 Studiu. der Recht.- Staats.i.senschaften an der Universitaet erUn.
mit Praedikat. Referendar von 1912 - 1920. Doktor 1913.
L912 Referendarexamen mit iraeaiKaT..
^.^1. lon Kia l>Member 1918, zweimal an der
Einjaehriger und Kriegsteilnehmer von Oktober 1913 bxs ezember ^
front(Frankreich und Russland) verwundet.
mit rraedikat. 1920 Gerichtsassessor bei Gerichten im TCam -
1920 Assessor Examen mit iraediKax,.
' ' A V-.,-«n^iler Vertrages u.die Entschaedigung
Au.gleichs-u.Liquidationsbestimn.ungen des V^rsailer g
a.r davon l.^.««« in Beutschland Betroff enen,Ver.ertung auslaendischer Wertga, .
1922 Regierungsrat ,1923 .rbeitsgebiet:Waehrungsrefor.,.ertbestaendiges Kotgeld,
Keform des Bankgesetzes.Auf.ertung der oeffentlichen Anleihen. Referent fuer den
.... des Gesetzes ueber die Abloesung oeffentlicher Anleihen u.dessen Ausfuehrun,
^............rf«,«^«.^. ^^^^r personliches Dankschreiben vom Reichs-
.raesidenten vulndenburg. 1925 Oberregierungsrat. Weiteres Arbeitsgebiet, neben
.eiterer Ausfuehrung der frueheren Aufgaben, ..Subventionskredite.
1..9 .ebertritt zum Preussischen Miuisterium fuer Handel u. Gewerbe. Arbeitsgebiet:
S.b:;^ntrn:rr:di;f/auS^S .inisterialr.*..«Sx...x.Anfang 1930 Staatskommissar
bei der Berliner Boerse (Stellung im Range eines Ministerialdirigenten), gleich-
zeitig Referent fuer Bank-u.Boers«.esen im Ministerium f.H.&G.
„ • i„« fuer die Reform des Aktienrechtes ,neb en
1930 Mitglied der Mni.terialkommission fuer die Be
den anderen Aufgaben.
Februar 1933 ^^ Ausscheiden aus dem Staatsdienste mit voller Pension.
Teilnahme an internationalen Ve-^ndlunge^ueber ^^ ^^J^^ ^^^
^er Anleiheaufwertung und Verstaendigung mit Frankreich ueber die Saarfrage,
Veroeffentlichungen:
Kommentar zum Bankgesetz u. Privatnotenbankgesetz 1925, Berlin, Carl Heymann» s Verla]
Kommentar zum Gesetz ueber die Abloesung oeffentlicher Anleihen, 1926, Mannheim, J.
•^ensheimer
Die Abloesung der Markanleihen der Laender, öeimnden u. Gemindeverbaende, 1926, Berlin,
Verlag Spaeth & Linde
Die Reichsbank nach dem Neuen Plan 1931, Berlin, Carl Ileymann's Verlag
Die Aktienrechtsnovelle vom 19. September 1931, 1932, Berlin, Carl Heymann«s Verlag
u.a.
Ausserdem zahlreiche Ykksk Aufsaetze/in der Juristischen Wochenschrifti^dem Bank-
archiv vzax ueber Fragen des Geld-, Bank-Bo er seit
Anleihe-u.Aktienvesens.
• 4 «
IfXf'wr ^/TT ^ "■ x>""«r
i:v:i;i'^:ia:i:i::
^7
wW ^ 19 ^7 SXI7 #
LXXXXXl
Seit 1933 in England, dort Beratung von englischen Bank- Finanzfirmen. Veroeffent-
lichungen ueber Fragen der Friedensvertraege von 1947.
C^^/^ //'^<- V" '
//./.
.-/■'
/.
, " ...
^4:
UiMf^'- fV''}i^-
,1 i.
%ffA JA^^^^'
23, HOLLYCROFT AVENUE,
LONDON, N.W. 3.
HAMPSTBAD 7088.
f^V^^r? -^ßV>"' ''•'''''' '^'^
•-■rfv. j
Dr. E.Hamburger,
Nev York 24,N.Y.
USA,
'^.^*>/ r>/r'^'''
^.^i^
V.'^/ ^"^
3
^ r^.uM
4<yyi, (^</c^
\^^f c^>/^-
/%/^-«^i
e?
Sehr geehrter Herr Hamburger,
ich danke Ihnen fuer Ihre Briefe vom 15 Maer2 und
5,Juli d.J. Leider komme ich aus rerschiedenen Ciruenden erst heute da»u,Ihnea zu
antvorten.Ich fuege eine Notiz ueber meine Arbeit etc. bei.
Meine Erfahrungen ueber die Zusammenarbeit mit meinen
Kollegen waren «ehr angenehm, besonders im Preussischen Handelsministerium, wo ein
' freundlicher und rorurteilsfreier Geist unter Miiister Schreiber und Staats.ekretaer
Staudinger herrschte.Die meisten meiner frueheren Kollegen im H.M. haben »ich in
' ier Nazizeit auf f echt und mutig verhalten, einige haben dafuer schwer leiden mie-
ssen,wie z.B. Ernst, Sperljtf.Schniewind^ Ich persoenlich habe waehrend meiner ganzen
Karriere nie unter Antisemitismus zu leiden gshabtmeine Befoerderungen wurden nie
aus Vorurteilen aufgehalten. IM R. F. Min. fielen gelegentlich antisemitische Bamer-
kungen,aber ni» mit einer persoenliwhen Spitze.Ich erinnere mich z.B. einer Be-
merkung des fruehereh Reichsfinanzministers Reinhold ueber Popitz^Jer umgibt sich
ja mit lauter Juden"ein Hinweis auf seine Freundschaft mit Dorn u.Zarden,
^Dorn war getauft.Er war/Hilfs^rbeiter bei der i^erliner IndustJ?j>-tt. Handelskammer,
^^ging Ton dort auf linpfehlung des Syndikus Är.Dore in das Reichs Justizministerium,
wo er mit Fragen des Internationalen Rechts befasst war .Er wurde nach wenigen
^
AAA'i-//'^'"- ^^/^4
^
n
^1
V
V
dort erst als Hilfsarbeiter von ßecker beim JJntwurf der Beichsabgabenordnung, ^
spaeter Referent fuer internationale finanzrechtli he Fragen und nahm an """^"5^.^
eben internationale Konferenzen, bes. „eber Iteparationsfragen (Dawe. und Young plan)^
Als im R.F.M. eine Abteilung fuer internationale Finanzfragen eingerictet wurde.wur
de er .deren Ministerialdirektor.Ein nichtiges Arbeitsgebiet Ton ihm war *a. inter-
nationale Doppelbesteuerungsrecht.Hier ent^ckelte er — ^^--^^J^^^Jt; ^'"^
denR.egierungen anderer Laender angenommen wurd^.Er ist noch heute^al. einer der
fuehrendenSchoepf er auf diesem gebiet des internationalen Finanzrechts ange.ehn.
Um 1930 wurde er Praesident des Reichsfinanzhofes in ihienchen. Nach 1933 ging er
nach US und wurde Professor an einer der kleineren Unirersitaeten.Vor wenigen Jah-
ren «iarb er in Muenchen auf einer Beise. . ,
^y ArthurJSarden^tammte aus ^amburg,wo er nach dem ersten Kriege im Finanzamt
odC Landls^inanxamt fetig war.Von dort wurde er in die Steuerabteilung de.
R.F.M. berufen, wo er sehr bald gros.en Einfluss gewann.Soweit ich mich erinnere,
hatte er da* Einkommensteuerreferat. Nach I'opitz's Ernennung zum Staat.sekretaer
wurde er dessen gachfolger als Direktor der Steuerabtei lung.und nach Schaeffer«.
Ausscheiden dessen Nachfolger als Sta.tssekretaer.Er «ihm sich das Leben im
Konzentrationslager, nachdem er im Zusammenhang mit den Zusammenkuenften des Solf-
kreises,dem er angehoerte, festgenommen war. Er war getauft.
/
Arthur Norden, auch getauf t, stamn.te aus dem Journalistenberuf .Er war Chefredak-
teur des' Handelsteiles de« Berliner Tageblattes.Kurz Tor oder nach dem Ende des
ersten Kriege, kam er in das R.F.M. wurde dort Ministerialrat und Anfang der 20er
Jahr. Mini.terialiirigent einer Unterabteilung fuer Waehrng.-,Bank-«.Anleihefrag.n.
. Fran, Ko.bn..ia«ch getauft, war Mitglied de. Sekretariat, der Deut.chen Bank
und «paeter direkter deren Filiale in IConstantinppel.Waehrend de« Kriege« war
>
r
^
V
3
^^/tAi^ Äy^f/f/W /V/^^/ X^W -1 /^i:^u/A^///iryMf 4r^/^^^ y /4/^^v ^3^^-^
er Finanzbcrater der deutschen Botschaft in IConstantinopel.Er trat nach dem Krie-
ge in das R.F.M.ein und arbeitete dort als Ministerialrat als Finanzsachverstaend^
ger in Reparations-u, Anleihefragen. In der zweiten ^aelfte der 20iger ä^ahre ging
alfl Staatsfinanzrat in das Direktorium der Preussischen Staatsbank, wo er sehr
bald eine fuehrende Stellung einnahm.
\ Richard Fuchs war zunaechst Gerichtsassessor in Berlin.Kurz nach dem Kriege
wurde er Referent fuer die Ausfuerung der Ausgleichsjtatgx-'bestimniungen des Vers-
aüler Vertrages (Art. 296), die die Abwicklung der internationalen priraten Vor-
kriegsschulden bahandeln,im Reichsministerium fuer Wiederaufbau, zunaechst als
Ober regierungs rat und bald als Ministerialrat. Ale solcher war er auch ^'eferent des 1
Reichsausgleichsgesetzes, das die interne Ausfuehrung der Vorschriften des Art. 296
regelte.Auf Grund seiner juristischsn Begabung und Sprachkenntnisse war er ein
\^ geachtetes uni einflussreiches Mitglied seiner Abteilung. Er reroeffentlichte in
der Leske-Loewenfeld'swhen Sammlung ueber Die Recjsverfolgung im Internationalen
Verkehrein Buch mit dem Titel^'DieG rundsaetze des Versailler Vertrages ueber die
Liquidation und Beschlagnahme deutschen Privatrermoegens im Auslande", im Verlag
Carl HeTOann.Nach Aufloesung des Reichsministcriums fuer Wiederaufbau wurde er
in das R.F.II.als Referent in Dorn's Abtei lungjuebernemmen.Nach dem Kriege war er
zunaechst als Sachverstaendiger fuer deutsches Recht fuer das britische Auswaer-
tige Amt taetig und wurde spaeter Sekretaer bei der Britischen Botschaft in Bonn
in gleicher Taeti^eit,wo er ungefaehr zehn Jahre wirkte. Ludwig Simon war sein
Hilfsarbeiter im WiederaufbauminÄsterium,er kann Ihnen wohl noch weitere Angaben
ueber Fuchses Wirksamkeit dort machen. ^^^ Aavi^ i**%^
Im Reichswirtschaftsministerium war^ Schaef f er , ueber d^^Sie wohl genug
wissen.Ferner war dort Dr. Ernst Stern, ein kl^uger und gruendlicher Nationaloeko
A ^^ai/^/ ^A'^
''^^f ^//< ^^/yv;
Reichskreditgesellschaft. Er var Regierungsrat, hatte aber weit ueber seine Stel-
lung hinaus Einfluss und geltung in den Ministerien. Er starb im Februar d. J.Ich
habe ihm einen Nachruf gewidmet, in dem ich seine Laufbahn und seine uirksamkeit
n
dargestellt habe. Er ist in der Aprilnummer der AJR INformation der Assiciation
of Jewish Refugees in Great Britain vefoeff entlicht, die Ihnen wohl in N.Y. zu-
gaenglich ist(Bei« Auf bau?). Dort finden Sie die Einzelheiten ueber ihn.
Georg Platow war Eeferent fuer Arbeitsrecht im Preussischen ^andelsminsteri-
um.Er war dort nach meiner eignen Kenntnis sehr angesehensowohl wegen seiner Lei-
stungen als wegen seiner sachlichen und anspruchslosen Persoenlichkeit.Er hat
einen Komnentar zum Arbeitsgerichtsgesetz (ich glaube, das war der Gegenstand )
bei Bensheimer zusammen mit seinem Freunde Otto Kahn«.Freund, der Richter an einem
Arbeitsgericht war,veroeffentlicht.K.-F. ,der Professor of Laws an der London
School of Economics and Social Sciences ist, wird Ihnen noch mehr ueber F. 's Wirk-
samkeit sagen koenneu.Er ist haeufig als Visiting Professor in Yale. Seine Prirat-
addresse hier ist Roundabouts,Penrith Drive, Shottermill,Haslemere,Surrey.
Ich erinnere mich keines juedischen Beamten in KxmÄOixden Landwirtschafts-
minsteriMi,oder im Reichsjustizministerium,abgesehen von Dorn* verhaeltnissuiaessig
kurzer Wirksamkeit dort. Im Auswaertigen Amt war Sobernheim als R^f^rent fuer jue-
dische Fragen. Ich weiss nichts ueber ihn.
Das ist Alles, was mir bisher eingefallen ist. Ich hoffe, manches davon wird
Ihnen nuetzlich sein. Aber fragen Sie mich nur weiter.
Ich verbleibe mit freundlichen ^ruesaen Ihr sehr «»gebener
V
II. Neufeld
/.■
,Ai' A'>^
M,/^-^A^^
/-/^^-t' // Z.^ /^^3
- '-^^
f ■■ •-
^tflsX
dv^cc
^
/t<;(?c^ 'k^^
(Iy'<'
^,^v/>
,f^
</ /^<$"/
^ /vy^
/f^i IH.'lCu'cU
^L fe
<-'t.
r,
6.<:^
^-^ • ^' , V'^ S^ ^^^' ^'
6
/ f /? - / f; j- .4-./'^^ , /. jLc-t-^c^,^« c^-jn^ ^<^c/>'' ^/ '^'" '' « ^^-7 '^'*-*^
l^U
p-u^^
0^<ik /'/'• /2^V^4v//^<i
T'^
v^ ^O^ /^j'^..
////
^5~V
4^>v^ ;;fc<
'^C^^
3
IUp .-J P^
New
the
olicönjepartment. ^
Mr. Murphy was born
New York and began news- Church,
paper work as an office boy|Bayside.
J. MEYER, 77
1 ■ "1
F E, M. WARBÜRG
./—^ —
Investment Banker Dead —
Active in Charfties
. 1 11 *
toi
an Hans J. Meyer, chairman of
g^ the New York Investment bank-
ing firm of E. M. Warburg &
Co., 60 Broad Street, and a
former diplomat, died Wednes-
day at Lenox Hill Hospital after
a Short illness. He was 77
years old and üved at Delabar
House on the former Warburg
estate in White Plains.
Mr. Meyer was a cousin of
edi-
rd in
ig an
the
andi-
pub-
until
)lumn.l
ature.'the late financiers Max War-
s, in- [bürg, Paul Warburg, Felix War-
ritten,! bürg and Fritz M. Warburg.
sum-JHe was born in Berlin, the
n inison of Dr. Paul Meyer and
Johanna Schiff Meyer and
idercdiearned a law degree in 1914
pecial-iat the University of Heidel-
hubarbiberg.
i In 1919, Mr. Meyer served
, sons, as a member of the German
'e, Brian [peace delegation at Versailles.
fand the I France, and from 1920 to 1925
enzonia, v^ras vice President of the Ger-
s. Maiy i-v.n Reparations Commission
and 12|in paris.
F .,, , i Later, he was associated
o^' . ?f iwith Max M. Warburg and Eric
4',^^- M. Warburg in M. M. Warburg
•'''^"!& Co., in Hamburg, Germany.
Hg was also managing partner
of its Dutch affiliate, Warburg
8c Co.. of Amsterdam, the
Netherlands.
Mr. Meyer came to this
country in 1941 and became
prominent in Jewish philan-
thropy. For more than two dec-
ades he served as a committee
ho'.^d or board member of the
Unitc ■ Jowish Appeal, the
American Jewish Joint Distri-
bution-Committce, the PEG Is-
rael Economic Corporation and
the New York Foundation for
Nursing Homes.
He was also first vice Presi-
dent of the American Federa-
.Icnm r --Ition of Jews from Central Eu-
m Corpora- rope. a director of Help and
t conccrnj President of the Jewish Philan-
II hc was thropic Fund of 1933.
the Pclro-| From 1942 to 1946. Mr.
for War I Meyer was with the Office of
Strategie Services. He was un-
married.
A funeral service will be
held at 4 P.M. today at Camp-
bell's, Madison Avenue and
81 st Street. Interment will be
private.
:30
Dies;
lOil Aide
Mce pres-
titions of
Oil Com-
Jy in Peter
fal. Boston.
and livcd
[■abia.
born in
attended
|c and the
p nnd City
/orkcd in
rompanies
MADE^
EX-L
Madel»
literai-y £|
at the g]
ical Cenli
after a U
years o'
Bridgemi^
Md.
As a
Brennan
agency
with her
Mrs. Eli;
New Yo:i
careers ff
well-knov;
Nelson /'
man and
In rece.^
was an in:
Goucher ^
munity C
Miss Bl
ated fron(
1934, att
School, w
recting. Sh
degree in
Johns Ho;,
1961.
Survivir
Molly Mar
est Hills, Q
Peter Jam-
ville, N. ^
Other O
Istant man-
ic depart-
Inc. He
Irican here
lomist.
Mdow, the
^^wo daugh-
ioet A. El-
James.
RREN
GLENN W. DRESBACH,
LYRICP0ETJ8, DEAD
EUREKA SPRINGS, Ark.,
17 (AP)--Glenn W
ADLER— Eätellii
of the late
A. Routh an
cf Pamela A !
M. and Frer
Ralph Bloorr, '
and 7-9 PAA
Ave. at fil'sti
of flowcrs,
pilal, N. Y.
ehester, N.
ARON— Mix, t
the late Alfi
Jennie, devoj
9:45 A.M.,
91st St. and
BEGGS— Morris
25tb Husbandi
of Mrs. Leonf
R I. Brother
N ) Resident
River Park,
Saturdav mor
Sons Memorif
Mass , at 1 1
and Friday
BENDER.>Edw
drvoied fathp
ished grandfc
and Matthew
at "The Riv
dam Ave.
BENDER— Edw>
and empjoyef
the loss of
a devoted c
extend our tu
and family.
JC
BERNARD^Dr.
of the Alumr
Ical School
untimely pa? ,
and feilow e
MARCEL
BERNARD— Dr^
of the Chicas
deep sorrow ,
estecmed cc,
'/^i- i'TtifiC
Z^^.
/^4
i-^^^ i
fi
^
^
h' — •
6
^•f»*^
c
^^ ^>^ / H/%^*<C/i/ y^ /^' ^^'-^iccy ^'^(hjüt'
A ^'.
.L
^^u) ^^ '-^/i^ie.^/i^^ a^/fc^-^y ^^i/^1 ^ /Z/,
v^^
^<-
/
/^/
/
4
/
l/<
/■'AÄ'i.
> v<
i^<:?>^ ^':> ^^fc-^-iV
r^}^ ^ V^'c ^fK>^iA
/
/^
n
/^=
<^-
'^-'^i
^ //
U^^r
y
^Uc^ u^A ^^
^//
//
M\ i. /^
7 /^^
^
>t^-^^*a^
/j
^i//.
:^^'/ ^h^c£ i/^u^^{^^
::5
;<^<^- ^4^^/: v< /^ dr"
^^
/■
'^^/^^^ /^^4/ /^^^^-- y"^'^
/:
<^ «r^
//^'-^ yp ^^ ^
/
c/
/;;
^e:'^^
/ ^, ^^ /^x^ : /^üir/ . ^jt^y^,, ^ '/jT.
;y
*^
^< -^i^
z:^
'/*
>Z<:
r
«.o*^*
4*?
t itt^^niv-Vi* Vsit^'iA/nUJA
( (
/
I
Hl
/e
fn
/
[J^^'t
i f
H0
''m
0 ri/\KAyw C^ w^-«^"^' Ur^'(^^-<^'^ ^--v.^ ., ^^^i-ix^^^
Z.'
//
A^^ cÄ>t^^ ^ew^b^^^Ä-^^'jT ;^^
^-
^H\>-jt
OL^tLt.
"•v^
U*.-i a^ £4r>u, W-^i^
IL
^^^<<->^ , .'ß-'^ >cq^
-yr^^'c^L-
^r
U Ä/>
&Li^y^-C^ r^\/^4^
k
o~y^w
4t ^ oLa^y^\£-^<^^ k o^^
/i- /"Vh-XJ C^k "^V-i iXl
"yi et ^k(jX Utk c^t ' ^^e^' rin y.^
-ß^ K-t
■Ay{^
ß
2^/
-^/Uc^ c^-a^ .:;^^^' ^
>'*''^/^^V-tt tf X ^'>7_*^7u»A_«»Vv,
^'^J{ ^ ^W~
^
«-c-
^ic^ tCt. Z^'/
.^<
''>>i e^'
7 a'A'q /-i'evA
^ C<^ O C
,.-^^^ , '^c^
^-^
^»^ >^x. h^-L^'^
^^ /^»V-Hx^
7-v ^^
iU-Ujl-
/<A''Vt>^/^
^
>c^ ^^^^^-1^'
>>
->>H^V ^^. .>0 t)wt-
li.
^v^ ^-^ Z^U ^^.^ i^Ac->. 4t/xc^ ,
^
Dr. Hrnest Ha' 'i burger
67 xHlverslde Dilve
New York, N.i. 10024
,r
13. Maerz 1970
U/228- EH/IS
'"*^'e*y~'^-^S^,m-^y
Herrn Dr, Fritz Schoenbeck
33 Barn Rise«..^...
Wembley
Middlesex -
England
•■;='^f' .
Lieber Herr Dr. Schoenbeck,
vielen Dank fuer Ihr Schreiben vom 7. d.M.
und Ihre freundliche Zusage, mir bei meiner
Ai'bei.> 2U halfen.
Wie ich Ihnen schrieb, kommt es mir haupt-
so,echlich o.uf dar- Prou3r.i5:>che Finanzministerium
, in den Sie taelii, ^'aren.
etil
Aus dem 'Handbuch faer den Proussischen Staat»
vor IQ'^1 ersehe icr , dass ausserdem noch ein Ober-
finanzrat Rosenthal im Finanzmini st eriu-m arbeitete.
^^vx\(^v v/ar dort Dr. Ing. Behrendt taetiß, den ich
ßl^^ichfalls gekannt habe. Sonst wuesste ich von
keinem Juedischen Beamten in Ihre-Ti einstigen Haus.
Ich erinnere daran, dass iiu Finanzministeriuni
folgende Abteilungen bestanden:
I, Zentral abteiluxig
II. Haushaltsabteilung
III Perconal- und Besoldungsabteilung
IV. Steuer- Kommunal- unu Virtschaftsabteilung
V. Hochbauabteilung.
Ich lege innen auch die Phouokopie einer Uebersicht
ueber die Referenden und Hilfsarbeiter in diesen
Abteilungen bei. Diese Liste stamnt allerdings aus
dem'Taschenkalender luer Verwaltungsüeamte • 19 O,
also aus der Nazizeit und duerf.e zu Ihrer Zelt
etwas anders gewesen sein. Aber als £rinncr\,t.ig
koennte es Ihnen helfen. Im Jahre 1935 war aer
Leiter der Zentralabteilung der Staatssekretaer
-2-
(
BPH—
- 2 -
18, Maerz 1970
U/228- SH/IS
Herrn
Dr* Fritz Schoenbeck, Wembley, Middlesex, England
fzu Ihrer Zelc Dr. Schleusener), der Haushaltsabteilung
Min -Dir Dr. Meyer, der Personalabteilung: Mln.-Dlr.We://)?,
der * S?eu;x.ab-:eilir.g' Min. -Dir . Dr . Hog und ^.r Hochoau-
abtellung Geh. Baurat Eggert . Dies allea im Jax.re 1^5^,
ich weiss aicAt, wie weit nach 1933 Aenderungen vorge-
kommen sind.
Ich schreibe dies nur als f daechtnishiire Ss
ko-mat >nir nich. darauf sondern If ^fj^f ' ^^J ^^^ ^f^
dischen ßeaaitea und vor allem aui .Sie selus. an, una
Senn Sie uuch ueber schlechtes GeQaecntnxs kl.^en.
ein Leiden, dass uns in unseren Jahren ^H«. ^^'i" t,
lo wenden Sie sich sicher an Ihre eigene Arbel. und
Leistung erinnern.
Viie vjeit das Leo Baeck Institut in London eine
M-mdbibiioth-k hat, aus der Sie Genaueres ersehen
Snenf und v,ie v;kt die Wiener l^^^^'^^ ^Je
Frape kon.rat, kann icn nicht sagen, J^äoch koenne.. Sie
dies le?cht' durch ein Telephon^espraech mit Herrn
Arnold Paucker feststellen, der mit Ihnen geopioch.n
Sat! um äie Verbindunjv niu Ihnen herz.ustexlen.
Tch -rwidere Ihren Wunsch, dass wir uns bald
einmal trefi'en und bleibe .-ult besten Gi-uessen
Ihr
Srnest Haraburger
/
'•\ '.
' f
Dr.Ernest HaTibur^er
67 Rlversids Drive
New York, N-Y. 10024
2H. Feoruar 19 TO
U/li)3 - 'Sil/ IS
Herrn Dr. Fritz Schoenbeck
3'3 ßarn Bise
Wenibley
MldcilG'
England
^.ex
\
Lieber Herr SchoenbecK,
Q^: freut n i ch sehr, dass ich Sie nach fast
vierzig Jahren dank der Erinnerungen von Leo Kestenberg
und der Hilfe des Londoner Leo Baeck Instituts v^ieder
aufgefunden habe.
Ich weiss nicht , wie es Ihnen waehrend dieser
7eit erganr;en ist. Ich selbst habe nach sieben Jahren
Frankreich^nunnehr dreissig Jahre iViierika hinter mir,
mit^Unterricht an Univeraitaeten und zehn Jahre Arbeit
als Beanter der United Uations. Im Augenblick befasse
ich "lieh mit einer Arbeit ''Juden im Oeff entlichen
Leben Deutschlands". Der fcnd, der die Zeit der Monar-
chie von 18^8-1918 umfasst, ist im Verlag J. C.B.Mohr
in Tuebinfen unter den Auspizien des Leo Baeck Insti-
tuts erschienen. \lenx\ er Sie interessiert, so Koennen
Sie ihn in fanden einsehen. Im Augenblick bereite ich
den Band vor, der bich tait aev Zelt der Weimarer
Republik befasst, und dazu wollte ich Ihre Hilfe
erbitten.
Soviel ich weiss, waren Sie Oberfinanzrat und
dann Ministerialrat im Preussischen Finanzministerium
und wohl der Kan^hoechste Beamte jueuischer Abstammung,
der i^p Preussischen Finanzministerium taetig war. Ich
moechte Sie daher gern in den Band mitaufnehaen und
wa^re Ihnen dankbar, wenn Sie mir eine kurze Biogx aphJ e
schickten sowie einige Charakteristika ueber Ihre "^U^nst
taetigkeit .
Ich lege das Buch so an, dass das Wirken der jue-
dischen Beamten und Parlamentarier^ eingegliedert indie
allgemeine devit che und deutsch- juedische Geschiente
erzaehlt wird, und bei jedem der behandelnden Beamten
eine kurze Darstellung des Lebenslaufs gegeben vsctoiiX
-2-
- 2 -
24. Februar 1970
\J/I'j8
- mi/is
Herrn ftr. FriLz Schoenbeck, 35 Barn Rise, Wembley, Middlesex.
/w
wird
und im Text das Wesentliche seines Wirkens hervor-
gehobenT Bei aen juedisciien Beamten ist oft charak-
teristisch, dass sie Vertrauenö<:\aenner ihrei» Minister
oder ihrer sonstigen Behoerdencheis waren - v/ie z.B.
Weichi^ann und Hirschfeld - mit Presseangelegenheiten
befasst waren, XiXü^ etwa wie Goslar, Peiser und gleich-
falls Hirsclifela - sicii fuer Arbeitsrecht besonders
interessierten, weit liiehx' sclirif ustellerisch hervor-
getreten sina als ihx'e nicht- Juedischen Kollegen, etc.
Auch die Ar^, wie ihr Dienst i.i Ministerium verlaufen
ist, ihr VerhaeluniB zu den Kollegen, ist oft wichtig
und charakteristiscn.
Wuerdeb Sie 30 iraundlich sein und lair die Bitte
erfuellen und vielleicht auch noch auf etwaige anaere
juedische Beamte hinweisen, dl^^ Ihnen waehrend Ihrer
Laufbahn befregnet sind? Fuer das Staatsministerium,
das Ministerium des Innern, da^ Unte'-'richts Ministerium,
das Wohlfahrtsministerium, das Justizministerium und das
Handelsministerium habe ich das Material zusammen. Ob
ein juedischer Beamter im Freussischen Landwirtschafts-
ministerium taetig war, weiss ich nicht; vielleicht
koennen Sie auch dabei helfen. Fuer die Parlamentarier
habe icn das gesaute Matei-ial an Hanci der Landtags-
hand bue eher.
Ich wuerde mich sehr freuen, von Ihnen zu hoeren
unö bleibe mit besten Gruessen
Ihr
Dr.Ernest Hamburger
^^
Fragebogen
\
Fritz SchoenbecK
. ,ü^^'
Oeborent n. u m'.
weiche L.uf«hn nach de« «.ee,or,.a™=n, V.J^.Wai^^^^^j
.geschieden? W 1^ (^^\^^^ 1^"^'^
Warn aus _
Besondere Bemerkunsen: ^ , / , , . , ^
U-Awi ^/-^ ^^^ j^aJU. \le..Uc ua oA^e.Aei. ^
.\'
V
^•
tu^ W*
\»><
l
V
^^-<^4.t ^-/
'j k
^-x^lci^^
^^
\. *
^<3/tX^x^ ^^A^^C^l^-V^
ly 6
^J^ /^§^ li^LoUL4.A^
XCc-c-<-/ 'o^ /^Vr
/^
/^A^ MxAjl^' iA..<^^xyUA " ^V<^ S^^'^'^t.^A-i^ /6-^
/Uw'
<-c^Vi'/Ä^t>vt.
L/^y-^
-^
L^L^
/
//' ti.*
,^f
i^ i C-h ^
4r
p<^»^
.-ft^
Ijti! f fl
''i ^k 1'
^^t, f ^^'■S' ■
^ S'
4'-'^ i
i-f-'
s )
■P
lio.^ oU^^ f\U
W^00ii!^'i^^c'-v;'
I
i^-CK.-^
"Pr
/
^t<JX.^<^,0-f
•/e^-^tw:.
^ ^^8'^
-h/99^
Wy: iVl-i' ■fici'cUo^
—7-t C(i..<.^-^ A-'-t-y' C-
CcJi
r
j^
^
C^
C^^ Uf^
/
/■)
^4$'^ '
<^
Garden o.l45 ,^J
vvurde von Eruening als kuenftiger ötaatsbekretaer ini Finanz-
^ miriisteriura ins AUge gefasst , Vveil er dienstaeltester ilinisterial
,^ direkter, seit 1923 Leiter a^v dteutralteilung und mit allen
Sparten des Hinisteriuins vertraut v.ar. Dies als Hilferding
und Popitz im Dezeiaber 1929 zurueck traten . Zarden auch f'-.ehig
im Umgang mit den o-i-hreferenten. Geboren 1874. Bruening jedoch
z\ eifelhaft,ob V/echsel nach nur 3 ilonaten d.m Dienstbetrieb
nuetzlich sein Vvuerde.
.^>
l^^
'.0lUH
imJzJ^tr^ oh^- fludc^M^ - iW^V-^ij^^
,,^,//#^^/^
"UtJ. JmjU/i yimMiUm
1
4i9a^/cvuJe "^^^i^ii^
f
PAR AVION
AIR LETTER
AEROGRAMMB
f
J{iy^ hfpa^t... %(ämlä^l^-
"ZJjlI.. feMk...fcÄ.
&^..:. ..^oä- ^-^^^
/
.r
Second fold here ■
Sender' s name and
address:....^.^.
L
J 7/ V
/
i<^mt
iii^M^ue-
AN AIR LETTER SHOULD NOT CONTAIN ANY
ENCLOSURE ; iE IT DOES IT WILL BE SLIRCHARGED
OR SENT BY ORDINARY MAIL.
ojsq 3n3a3doox
y c
L
A'^'^ac? ^/^'^
c
tu
\^
c
M i.
c//*
i^-U^)
/.
(■l-^ /^^i^
'n %■
T, 7-/ ^ ,
■<_1 !k,
#
■ ^ f^^
SA -/
';^5 i/ vV
J- 1
',^
n
,i.«<
?^ i v^.^, r'?v>3fV<'' v-^i?
5,^
<W^
^^
/
/
i^*^ ""^^.^f A^
4
J
\^
Mh
HCil^
/f-t&'
näw'As f^/^^,^
itj^Ja/ //^i^ /^i£l
/■^
V
C^-0 i-
/^'
«./rV'Tw/- S^i
^
^^/V«*v'i^^>'^»-#y^
**'- ^tß».
<^<^^i:cc ^^
^»s.-
Die V^ertreter PreuKens in Leipzig
j j' ..ffl"
ililMi!lM;^, fe^ "
*n^s««>«a)<K.9X
Originallitbojjraphie von E. Stumpp.
Obere Reibe von links: Der Staatsrechtler Professor Dr. Heller, Frankfurt a. M..
Ministerialdirektor \^r. Badt, Ministerialdirektor Dr. Bredit. — ['ntere Reihe: Reg.-
Assessor Dr. Arian am Polizeipräsidium Berlin, der Staatsrechtler Prof. Dr. Peters,
Berlin, der Staatsrechtler Prof. Vir. Giese, Frankfurt a. M. — Ganz rechts außen der
berühmte Staatsreditslehrer, Interpret der Weimarer Verfassung, Prof. Dr. Au-
schwitz, Heidelberg.
\\
fXVjVKNv^
\
,\^;^.^.:-.-.
fi /^/ ^^^ ^^^^
1
^/.a04^ '^^; /fi^Hß^f^ 4|. A^-
dBü
•*»\ •'*-^*« '«.T*- *
^Ww^ ^^//'^^-^
y^
^5s
'S
^^5^ AOa;^ ^i^'^^^i^ '^^ ^ ^^^ ^^^-^ '^^^ '
,^ z;^ >./ 4^-c..-- ^''tr^^ '.^^^ ^ ^
^, i/€jl ^Uf . >J?i^^-SM*^i-^ ^
»^