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Full text of "Euphorion"

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B so7.e23 














Euphorion 


105596 


Zeitſchrift für Sitteraturgelcdichte 


herausgegeben 
von 


Auguft Sauer 


Siedbenter Band 
Jahrgang 1900. 





Xeipjig und Wien 
k. u. k. Hof⸗Buchdruckerei und Hof-Derlags-Budhandlung 
Sarl Fronme 
1900. 


@ 000000 0 0 cc 200 °cCH 9) 


oo Förderer oo 


Die Zeitschrift für Litteraturgeschichte 


„Eupborion” 
wird in hbochberziger Weise unterstützt durd: 


Das k. k. Ministerium Tür Eultus und Unterricht in Wien 
Die Gesellschaft Tür deutsche Eitteratur in Berlin 

+ Excellenz Nicolaus Dumba in Wien 

Herrenhaus: Mitglied Eudwig Eobmeyr in Wien 

Excellenz Markgraf Alexander von Pallavicini In Wien 
Herrenhaus- Mitglied Philipp Ritter von Schoeller in Wien. 


oO oO 








Inhalt. 


Anterfuchungen und Neue Mitteilungen. 


Philologiſche Betrachtungen im Anſchluß an Goethes Werther. Von Bern⸗ 
hard Seuffert... .. 
Neues über Georg Rudolph Wecherlin Von Hermann Side 
Zu Goethes Sonetten. Bon Otto Pniower 
Lean Pauls litterarifcher Nachlaß. Bon Joſef Müller. 
C. Faszitel Nr. 13 a und b: Selbftändige größere Auffäge. II. Die 
Schriftftellerthätigfeit in der Univerfitätszeit (Fortſetzung) 


D. Faszikel 14—23. Studienhefte z zu inzelnen Werlen. . . „71. 


E. Korrefponden; . 
Nachtrag 
NRefume . 
über die Quellen zu Immermanns Trauerſpiel in 1 Torof. Bon Sein 
Röttinger . 
Hebbels Briefwechſel mit Abolf Pichler. Mitgeteiit v von Abolf Piste. 
Otto Fudwigs „Maria“. Bon Richard M. Meyer . . . .. 
Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. Von Heinrich Kraeger. 


I. II. IM... .. 112. 564. 


Beiträge zur Kenntnis des Puppentheaters. Bon 5. Arnoid Mayer 

Die Quelle von Ayrers Ehrlicher Beckin. Von Johannes Bolte 

Aus den „Litterariſchen Monaten“ 1776,7. Mitgeteilt von Erich Schmidt 
Der Berfaffer der „Gedichte eines polniſchen Juden“. Bon Daniel Jacoby. 
Der Schuhu in Goethes Vögeln. Bon Mar Morris nn 
Zu den Briefen Hubers an Schiller (1786— 1796). Mineilung von Ludwig 


Geiger . . nn 268. 


Johann Jakob Engels „Herr Lorenz Start“. Ein Beitrag zur Geſchichte des 


deutſchen Familienromans. Bon Robert Riemann . . . . . 266. 


Grillparzerreliquien. Mitgeteilt von Anton E. Schönbad) . 

Aſthetik, Soziatpofitit und Entwicklungslehre. Bon Hugo Spiter. 1. 

Ein Borläufer von Paul Gerharbts Lied: „Befiehl du deine Wege“, aus dem 
Jahre 1629. Bon Heinrich Borlorsti . 

Monsieur Nicola in @oethes Tagebuch Zuni und Juli 1798 und Nic. 
Edme Retif de la Bretonne. Bon Heinrich Dintr . . : . .» 


291 


312 
313 


139 
225 


238 
246 


688 
482 
314 
449 
478 


614 


IV Inhalt. 


Benjamin Conſtants Geſprach mit Goethe 1804. Mitgeteilt von Albert 
Haas. . en 

Uhlands Tichterwertftatt. Son Harn Panne . . 

Über das Fünftlerifche Problem in Grillparzerg „Em treuer Tiener feines 
Herrn“. Bon Mar Speier. 

Aus dem Nachlaſſe Chr. T. Grabbes. Mitteilungen von Robert daugerin 
1. Kosziuszko, dramatiſches Fragment. .. 
2. Goethes Briefwechſel mit einem Rinde. Recenfion . . 

Des Trinters fünf Gründe. Von Rohannes Bolte 

Zu den Quellen der „Geſichte Philanders von Sittewald“ von Moſcheroſch. 
Bon Adolf Hauffen . . en 

Ein Gedicht von Pyra. Mitgeteilt von Ernſt Sonfentius . 

Ein Brief Wielands an Pavater. Mitgeteilt von Paul Yeverkühn 


Ein Fauſtſchema. Dlitgeteilt von Mar Morris . 
Ublands „Speerwurf“. Bon Oswald von Zingerle . . 2 20. 
Ein Schauerroman als Quelle der „Ahnfrau“. Ein Beitrag zur Entftchungs- 
geichichte dev Tragödie. Bon Yudwig Ayplell . . 2 2.2. 
Miscellen. 


Aus dem Tagebuch eines wirtteinbergiichen Regimentsarztes im fteben: 
jährigen Nrieg. Mitgeteilt von J. J. Baebler 
Zur Charakteriſtik von Schillers Bater. 
2. Ein württembergiiche8 Kriegslied. 
Zu Nr. 50 und 51 von Goethes „Bier Zahreszeiten“. Ron Hugo Holften . 
Zum Briefiwechfel Kart Augufts mit Goethe. Bon Reinhold Zteig 
Notizen zu Tom Adamberger. Bon Reinhold Steig 
Allerlei Kleinigkeiten. Yon Arthur Kopp. 


1. Wedeltind, der Nrambambulift . > 2: 2 2 0 2 en 
2. Marlbovougb . © 2 2 00 
3. Annchen von Tharau . . . . . 


Ein Neues Tolument zur Urgeichichte des Werther. Von Hans Hofmann 
Zur Geſchichte des Fauſtſtoffes. 
1. Ein Fauſt Drama auf der Wiener Pojfenbühne. Bon Egon von 
Komormnäli ©. 2 2 0 en .. 
2. Eine Fauſt Aufführung in Komorn. Von Emit Horner 
3u der Entſtehung der Redensart: „Keinen Knopf!“ Von P. Wechk 
Zu dem Ausdrud: „Schwören“ in Grimms deutſchem Wörterbuch. Von 
P. Beck.. en 
Benierlungen zu Matheſius! reichen⸗ und Dochztitspredigien. Von Narl 


Reuſchel... .. . 


Zur Datierung des Disputationsplaues im Fauſ. Ron War Noris. . 
Nachtrag zu Zcite 259. Bon Ludwig Geiger. oo 2 2 0 


Seite 


621 
526 


541 
647 
549 
758 


695 


699 
102 
708 
113 
716 


725 


150 


Anhalt. V 


Seite 

Nachträge zu Matheſius. Bon Karl Reuſcheee.. 791 
Zu Herder. Bon Bernhard Suphan . . . 791 
Nadıträgliches zum Mariamotiv: le „motif de Maria” dans le romantisme 

francais. Bon %. Baldenſperge . . . 22202. :792 
Leiefrüchte (1. Ludim. 2. Buppe. 3. Rats-Herr. 4. Roman) . .... {:}; 

Becenfionen und Beferate, 

(Dit Einſchluß der in der Pibliographie kurz befprochenen Werfe.) 
Ayrer, fiche Krofer 
oh, Kleine Schriften . . . rennen. 402 
Bet, La litterature comparee (R. A. Meyer) ...796 
Bergmann, ſiehe Schwärzler. 
Bismarck, ſiehe Rogge. 
Bienenſtein, Die Dialektdichtung der deutſch-öſterreichiſchen Alpen ... 3898 
Bieſe, Pädagogik und Poeſie. . . . 402 
Bömer, Die lateiniſchen Schlilergefpräche ber Humaniften (®. Loiſchey 336 
Börnes Geſammelte Schriften (Michael Holzmann) . . 358 
Brenner, Grundzüge der geſchichtichen 6 Grammatik der deuten Sidi 

(Friedrich Meidling). . . . . .. .. . 331 
Breul, fiehe Goethe. 
Brodhaus, Zum 28. Auguft 1899 . . . .. en. 436 
Bulthaupt, Dramaturgie des Schaufpiels. 5. Auflage 2 399 


Bulthaupt, Dramaturgie des Schaufpiel®. II. Band. 6. Auflage (a. Zei) 190 
Conjentius, „Freigeiſter, Natnraliſen, Atheiſten —“, ein Aufſa Leſſings 


im Wahrfager. . . » on . 200.439 
GSonfentius, Der Wahrſager. - . 689 
Cross, The Development of the English. Novel (John 6. Robertson) 193 
Daffıs, Johann Yacob Engel als Dramatiker (Robert Riemann) . . . 433 


Ehrhard, Le theätre en Autriche. Franz Grillparzer (Charles Senil). 814 
Eggert, fiehe Goethe. 
Eichendorff, fiehe Krüger. 
Engel, fiehe Daffis. 
Falk, Geheimes Tagebuch oder Mein Leben vor Gott. 2. Teil (Karl Zeiß) 687 
Fiſcher Hermann, Beiträge zur Litteraturgeſchichte Schwabens. Zweite Reihe. 

(W. Lang). . . 185 
Fiſcher, Kuno, Goethes Iphigenie. Feſivortrag. 3. Auflage (Bitter Michels) 170 
Flat, fiche Schwärzler. 


Franzos 8. E., Konrad Ferdinand Meyer (Richard M. Dieyer) . . . . 189 
Freiligrath, fiehe Richter. 
Freytag G. und H. von Treitjchte im Briefwehfell . . . 413 


Garnier, Zur Entwidlungsgeſchichten der Novellendichtung aidrig Tieds 
(8. Zeiß) ... 182 


VI Inhalt. 


Gebhardt, Wilhelm von Humboldt als Staatsmann (Eugen Guglia) . 

Genoveva, fiehe Golz. 

Genoveva, ſiehe Ranftl. 

Gleim, fiehe Schüddekopf. 

Goedeke, Grundriß zur Geſchichte der deutſchen Dichtung. 2. Auflage. 21. Heft 

Golz, Pfalzgräfin Genoveva in der deutſchen Dichtung Wolſgang von 
Aurzbadh) . . nn 

Goethe, fiehe Yrodhaus. 

Goethe, fiehe Fiſcher K. 

Goethe, fiehe Zojeph. 

Goethe, fiehe Junk. 

Goethe, ſiehe Wickerhauſer. 

ber Goethes Iphigenie (Victor Michels) ne 

Goethe, Iphigenie auf Tauris. Edited with introduction, "notes and 
appendicex by Karl Breul (Bictor Michels) . 

Goethe’s Iphigenie auf Tauris with introduction and notes by Charl. 
A. Eggert (®ictor Michels) . 

Goethe, Die Mitſchuldigen. Herausgegeben von Wittkowsti 

Gotthelf, Volksausgabe feiner Werke im Urtert. Band VI und Srgänynge 
band Richard M. Mener). en 

Grillparzer, fiche Ehrbard. 

Harnad, Eſſays und Studien zur Pitteraturgefchichte . 

Hebbel, ſiehe Krumm. 

Heidenröslein, fiche Joſeph. 

Hod Theobald, Schönes Vhumenfeld. Herausgegeben von Mar Koch Franz 
Zpina 

Hoffmann von Faliersleben, Unfe volfätiimlichen giebder. 1. Auflage 
von Frahl . . 

Humboldt WW. von, fiebe Gebhardt. 

Jacobowski, Aus deutſcher Seele Adalbert Jeitteles. 

Joſeph Eug., Tas Heidenröslein (Victor Michels) 

Junk, Goethes Fortſerung der Mozartiſchen Zauberflöte Egon von Romeo: 
rzmmelı . . 

Junker, Ter Verein der öferreid ungariſchen Auchhändter 1850 _ır98 

Keller &., fiebe Köfter. 

Kleiſt H. von, fiebe Warkentin. 

Knors, Was iſt Volkskunde und wie ſtudiert man dieſelbe? 

Koch, ſiehe Hock. 

Köſter, Gottfried Keller Otto Pniower). 

Krauß, Schwäbiſche Litteraturgeſchichte. 2. Band (W. vang 

Kreuchaufs Schriften zur Leipziger Kunſt . 

Kroker, Die Ayreriſche Silhouettenſammlung 

Krumm , Friedrich Hebbel (Richard I. Werner) 


Seite 
356 


Inhalt. vi 


Seite 

Krüger, Der junge Eichendorff (DO. F. Walze) . . 0. 801 
Laubmann und Scheffler, Die Tagebuicher des ö Grefen —* von Platen 

(Erich Petzet).... 589 


Leſſing, ſiehe Conſentius. 

Lejjing, ſiehe Schmidt Erich. 

Luthers Werke. 15. und 16. Band. 424186 
Meyer ©. %., fiehe Franzos. 

Meyer R. M., Die deutſche Fitteratur des 19. Jahrhunderts (Auguft Sauer) 374 
Miet, fiehe Schmidtmager. 

Mummenboff, Das Hans Sachs: Felt in Nürnberg . » . 2.2... 432 
Platen, fiehe Laubmann. 

Prahl, fiehe Hoffmann von Fallersleben. 

Ranftl, Ludwig Tiecks Genoveva als romantiſche Dichtung betrachtet “lt 


gang von Wurzbach) . . . 161 
Richter, Yerd. Freiligrath als überſetzer (Robert Franz Amot) . 20.866 
Robert der Teufel, fiehe Tarbdel. 

Rogge, Bismard als Redner (Ridhard M. Meyer) . - . » 129880 
Sachs Hans, fiehe Mummenhoff. 

Salomon, Gejhhichte des deutfchen Zeitungswefens. 1. Band. . . . . 419 
ESchillerlitteratur der Jahre 1898 und 1899 (Albert Leigmann) . . . 337 


Scheffler, fiehe Laubmann. 
Schmidlong, Unterfuchungen über deutjche Ortsnamen (Friedrich Weidling) 333 


Schmidt Erich, Leſſing. 2. Auflage. . . . 439 

Schmidtmayer, Ein lateiniſches Preisgedicht auf die Gaupfab Bag bon 
2.4 Mickl (Adolf Haufen) . . . 690 
Schnedermann, Die deutjche Htationallitteratur nenn. 398 
Schönbach, Gefammelte Auffäge zuc neueren Litteratur. . . . 2... 404 
Schönherrs Sefammelte Schriften. 1. Band .» . 2. 2 2 nn ne 423 
Schüddelopf, Briefimechfel zwiichen Gleim und 3 . . . 434 

Schwab, Der Dialog in ben Schaufpielen des verzogs Sein Julius 
von Braunſchweig (Franz Spina) . . . 432 

Echmärzler, Dr. Joſef Ritter von "Bergmann und fein Brit an Gehe 
Hab. .. . en 406 


Shalefpeare, fiehe Viſcher. 
Tardel, Die Sage von Robert dem Teufel in neueren deutſchen Bearbei— 


tungen und in Meyerbeer8 Oper (Karl Reufchel) . . . 684 
Thomas, Die lebten 20 Jehre deutſcher britteraturgeſchichte Gigen M. 
Meyer).... 666 


Tieck, ſiehe Garnier. 
Tied, ſiehe Ranftl. 
Tobias, ſiehe Wick. 
Treitſchke, fiehe Freytag. 
Uz, fiehe Schüddekopf. 


VIII Inhalt. 


Bermeylen, Leven en werken von Jonker Jan van der Noot 

Bisher Fr. Th., Shalefpeare- Vorträge. 1. Band (Phil. Aronftein) . 

Walter, Ardiv und Bibliothek des großhergoglicen vor und National- 
theater in Dlannheim . . ren 

Warfentin, Heinrih von Kleiſt ın feinen Briefen. . 

Weilen A. von, Geſchichte des Wiener Theaterwefens. Lieferung 4-7 7. 

Wick, Tobias in der dramatiſchen Litteratur Deutſchlands (Arthur L. Jellinek) 

Wickerhauſer, Eine methodiſch-äſthetiſche Studie im Auſchtuß an Goethes 
Iphigenie (Vietor Michels) rn 2. .. 

Witkowski, ſiehe Goethe. 

Bericht Über die während der Jahre 1898—1899 in Amerika veröfient: 
lichten Auffäte über deutfche Yitteratur. Yon Dar Pol. 

Bibliographie. 

1. Beitfchriften. Unter Mitwirlung von Julius Jung nnd Auguft Zauer 
bearbeitet von Adolf Hauffen - - 2 2 .. 203. 383. 639. 

Anhang. Schweizerische Zeitichriften. Bearbeitet von E. Hoffinann-Krayer 661. 

Frauzöſiſche Zeitichriften. Bearbeitet von Charles Zenil . . 221. 

2. Bücher. Unter Minvirfung von Arnold Berger, Adolf Hauffen, Julius 
Zung, Richard WM. Meyer, Karl Reufchel, Robert Riemann und Narl 
Zeiß bearbeitet von Auguft Zauer . 2 2 22 437. 

Nahrihten > 2 nn 222. 442. 698. 

Nikolaus Dumba. Nekrolog. 

Entgegnung. Von Paul Nerrlich 

Antitritit. Bon Joſef Müller 

Schlußwort der Redattıon 

Ermwiderung. Yon Robert F. Arnold 

Regiſter. Von Franz Spina 


Alle Rechte vorbehalten. 


Eeite 
038 
102 


420 
441 
+21 
708 


170 


195 


N20 
831 
4333 


665 


x34— 


Vhilologiſche Betrachtungen im Anſchluß 
an Goethes Werther. 


Bon Bernhard Seuffert in Graz. 





Goethe jchreibt in den Leiden des jungen Werther, anfnüpfend an 
die Beobachtung, daß Die Kinder feine Märchen immer unverändert, 
jelbit in den Incidentpunkten glei) erzählt haben wollten (Weimarer 
Ausgabe 19, 73,5 ff.): „Ich habe daraus gelernt, wie ein Autor 
durd) eine zweite veränderte Ausgabe feiner Gefchichte, und wenn 
jie poetifch noch jo beifer geworden wäre, nothmwendig feinem Bude 
ichaden muß. Der erjte Eindrud findet uns willig, und der Menſch 
ift gemad)t, daß man ihn das Abenteuerlichjte überreden kann; das 
haftet aber auch gleich jo feit, und wehe dem, der e3 wieder aus: 
fragen und austilgen will!" Tiefe Auslaffung findet ſich ohne jad)- 
liche Berjchiedenheit von der erften bis zur legten Ausgabe. Und 
doch hat bekanntlich Goethe im jchroffen Gegenjage zu ihr eine nicht 
geringfügige Neugejtaltung des Romans vorgenommen, in der, um 
nur eine Neuerung anzuführen, die Hebung der Perjon Alberts 
gewiß ein veränderter Incidentpunkt ijt, ja für den Dichter mehr 
als Nebenjahe war. Beachtet man dazu, daß Werther jene Äuße— 
rung nicht über das Buch eines anderen thut, jondern über jeine 
eigenen Geihichten, daß jie aljo zweifellos nicht eine rajche, zufällig 
nebenher entichlüpfte Meinung, jondern ein Befenntnis Goethes 
enthält, ſo hat man hier ein Beijpiel für die Befangenheit des 
Autors in jeinem Texte: jelbit bei jahrelanger Beichäftigung mit der 
tief eingreifenden Umgejtaltung iſt jie nicht gewichen, jonjt wäre 
die Stelle getilgt worden. 

Tie Sache greift, dünft mid), beträchtlich über die Uneben- 
heiten und Widerjprüche hinaus, die man in diejem Roman umd 
in andern größeren Dichtungen findet. Und id) frage: wenn wir 
nicht urkundlich wüßten, dag auc die Neubearbeitung des Werther 

Euphorion. VI. 


2 Bernhard Zeuffert, Philologiſche Betrachtungen. 


von Goethe jtammt, würde jene Stelle nidyt für unbedingt beweis— 
fräftig gehalten werden müſſen, jie ihm abzufprechen? und wiirde 
nicht der andere Bearbeiter als oberflächlicher Herr gefennzeichnet 
werden, weil er die Ztelle überiah, die ſeine unberufene Thätigfeit 
verrät? Ich denke an mittelalterliche Überlieferung: welcher Philo⸗ 
loge würde es wagen, daraufhin den Autor der erſten Faſſung auch 
für den der zweiten zu halten? zumal er die Beobachtung durch 
den Nachweis bekräftigen lann, daß der Stil des ganzen Werkes 
ſtark verändert iſt, daß neue Teile hinzutraten, die empfindlicher vom 
Alten abſtechen als die ungleichen Stücke der Yehrjahre W. Meiſters von 
einander. 

Wer im Gebiete der neueren Yitteratur zu arbeiten gewohnt 
ift, wird oft geneigt jet, jolcdhe Kombinationen, die mangels äußerer 
zZeugniſſe für alte Yitteratur aufgejtellt werden müſſen, nicht immer 
für jo zwingend zu halten, wie jie einem Erforſcher mittelalterlicher 
‚Zeit jein dürfen. Es iſt jelbitverftändfich, daß man das abjtrafte 
Geſetz der jtetigen Entwidlung da zum Mapitabe nimmt, wo andere 
Daten fehlen. Nun zeigt aber allerdings die Yitteratur der Zeit, 
die im jicheren und veichlicheren Zengniſſen verfolgt werden kann, 
daß die Ztetigfeit der Entwicklung keine N dotwendigkeit iſt. Man 
braucht dabei gar nicht jo komplicierte Naturen wie Herder heraus— 
zugreifen, man erinnere ſich an Schiller und ſogar nur an den 
Schiller der Reife! Wer würde die letzten großen Dramen in ihre 
hiſtoriſche Folge ordnen und nicht Maria Stuart und die Branut 
von Meſſina, nicht die Jungfrau von Orleans und Wilhelm Tell 
koppeln, wer die Stücke zeitlich jo nahe zuſammenlegen, wenn er die 
Entſtehungsdaten nicht weiß? oder, falls die Hiſtorie ibm die 
Taten tiberlieferte, wiirde der Forſcher troX Sprache und Wietrum 
die Einheit des Veriaſſers anfechten wollen und anfechten dürfen 
umd um jener willen einen landichaftlichen Dichterkreis konſtruieren. 
Und gar bei gröneren Zeitläufen! Niemand würde im Verfaſſer der 
Natur der Dinge den Sänger des Oberon erkennen, fein äußeres, 
fein inneres Arriterinm würde die Identität überzeugend beweiſen. 
Und ans anderem (runde würde niemand dem Kritiker der Tran: 
zöjtichen Tramatit den Nathan zuichreiben. Und jo weiter. 

Freilich, man berubigt ſich dabei, dan Die litterariichen Ver— 
bältnifje des Mittelalters einfacher lagen, und gewiß iſt einwurisirei, 
dan die Produftion gebunden war, genauer gelagt, noch mehr ge- 
bunden war, ala die neuzeitliche iſt. Immerhin Stellt ſich, wie ich 
nicht zum wenigſten aus Geſprächen mit A. E Schönbach lerne, 
bet wachiender Kenntnis heraus, daR auch die damaligen PBıldımas- 
und Lebenszuſtände mannigraltiger und verwidelter waren, als man 
früher meinen zu dürfen glaubte. Und was ſieht der Annabme im 


Bernhard Seuffert, Philologifche Betrachtungen. 3 


Wege, daß ein Dichter auch damals verjchiedene Geſchmacksperioden 
in ſich und an ſeiner Umgebung erlebte! Perioden, die mit abſolutem 
Maße gemeſſen, ſich als Vervollkommnungen. keineswegs erkennen 
laſſen müſſen. Ein einziges ſtarkes Erlebnis, ein Wechſel des Ortes 
konnte ſelbſt beim Verbleiben innerhalb derſelben Geſellſchaftsſchichte 
Anregung zu anderer Geſinnung, anderer Ausdrucksform geben in 
Sprache, Stil und Metrum, die dann wieder verfliegen und einer 
neuen oder der alten weichen können. War doch ein Walther von 
der Vogelweide gewiß weniger ſeßhaft, als ein Wieland und Schiller 
und Goethe. 

Wo immer wir tiefer ins Wiſſen eindringen, wird der Irrtum 
des Satzes klar, die einfachſte Erklärung ſei die richtigſte. Menſch— 
liche Produkte wenigſtens ſind unter allen Umſtänden vielfältig 
ausgelöſt und darum weder in glatter pſychologiſcher Rubricierung 
noch mit dem Maße der abjtraften BPerfeftionstheorie völlig zu 
erfafjen. Dean unterſchätzt die Energie der Individualität, man unters 
ſchätzt auch die von außen wirkenden Kräfte, wenn man die Er- 
\heinungen der lebenden Natur nad abjoluten Normen beurteilt, 
jeien fie gleich) aus dem Wefen der Dinge abgeläutert. Ich verfenne 
nicht, dag man diefen Maßſtab nicht entbehren kann, für große 
Entwidlungsperioden nirgends, für Heine Entfaltungen da nicht, 
wo andere zureichende Hilfsmittel der Erfenntnis fehlen. Aber man 
jollte fich mindejtens bei den letteren Beobadjytungen und Schlüſſen 
immer flar bewußt bleiben, daß die jchematifche Prüfung nur ein 
Notbehelf it, der bei aller Stringenz der ftatijtiichen Zahlen feinen 
untrüglichen Beweis erbringen muß. Perſonen gegenüber, die mehr 
Künftler als Dichter, mehr Kormbildner als poetiiſch fühlende 
Naturen find, die das äußerlich Korrefte weit vor dem innerlid) 
Charafterijierenden gelten laſſen, das Normale der Geſtaltung vor 
dem Normlojen der Bejeelung, Jolchen gegenüber wird man mit 
jener Betrachtungsweije feltener ins Unrecht verfallen. Aber eine 
Poetik, die vom vollkommenſten Kunjthandwerfer ihre Beijpiele 
nimmt und nicht von dem freilich jchiwerer zu aualyfierenden poe- 
tiichen Poeten, kann den Höhen der Xitteratur, den bleibenden Wahr- 
zeichen nicht gerecht werden. 

Es ift nun jelbjtverftändfich, daß, wo über das äußere und 
innere Leben eines Poeten und feiner zeitlichen und räumlichen 
Umgebung reichliche und zuverläſſige Nachrichten überliefert find, 
das Erfafien des Weſens feiner Dichtung leichter und ficherer gelingt; 
auch das Unerwartete, eine Umfehr oder Abjchwenfung ijt bezeugt 
und kann begriffen werden, man braucht nicht die Dinge dem an 
ſich glaubhaften Normalen zu beugen, noch jie durch das von vorn— 
herein nicht überzeugende Anomale zu erflären. Es baut das Studium 

1* 


4 Bernhard Seuffert, Philologiſche Betrachtungen. 


der neueren Litteratur auf feiterem Grunde. Und dod) giebt es aud) 
bier der Nätfel und Unficherheiten genug, felbjt wenn man in eine 
Periode fich vertieft, in der die Quellen der Kenntnis ungewöhnlid) 
reich fliegen. Ich will an die Hiftorijche und jadhliche Erklärung 
des Don Carlos, Taſſo, Fauft, der Wanderjahre Meijters und 
anderes gar nicht rühren; ich will nicht die Frage der biographiichen 
Ausbeute der Dichtungen aufwerfen: wenn ein einziges Tatum ung 
verfchloffen bleibt, würden wir z. B. die Epijode zwijchen Werther 
und dem Fürſten auf Goethe und Karl Auguft deuten; ich will 
mid) lediglich auf Textüberlieferung beichränten. Ich erinnere an 
Goethes Heine Erzählung von den guten Weibern: wie fonnte man 
verjtehen, dag Goethe 1800 eine beiler ausgeitaltete Faſſung ver: 
öffentlicht Hat als 1817? Das Auffinden der Handſchrift und erit 
dieſes gab die Erklärung; er hatte jeinen Entwurf für 1800 gut 
überarbeitet, alö er nody im Zuge der Abfaſſung war; er vergaß 
dieſe Überarbeitung und griff auf die ältere Niederſchrift zurüd, 
die er für den jüngeren Trud verjtändnislojer durchfeilte. Wer 
würde ſich unterfangen, ein derartiges Verhältnis zu fombinieren? 

Beionders Ichrreidh aber find Werthers Yeiden und mit 
dieſem Werke joll ji) dag Folgende allein beichäftigen. Wie üppig 
ift gerade hier die Llberlieferung und wie vieles bleibt trogdem un: 
fiher! Wir bejigen vom Tert zwei handichriftliche Fragmente, eine 
vollitändige Handſchrift und bis zum Todesjahr Goethes über 
fünfzig Drude, und dod) fönnen wir wohl von der erjten ‚yallung 
des Romans, nicht aber von der Umarbeitung einen völlig beglau: 
bigten Zert geitalten. 

Die handjchriftlihen Fragmente jind für jetzt nur durch 
Schölls Veröffentlichung zugänglich, das eine fakſimiliert. Es iſt ein 
Entwurf des Vorwortes tn zweierlei ‚yallungen, beide unvollitändig, 
beide anders als das fürzere gedruckte Vorwort, das von der erjien 
bis zur legten echten Ausgabe unverändert geblieben iſt. Ter Inhalt 
giebt feinen Anhalt zur Beſtimmung der Abjaffungszeit. Der Aufbe: 
wahrungsort, das Zteinidhe Archiv, erlaubt aud feinen Schluß 
darauf: es birgt Blätter aus Goethes Vorweimarer Zeit, wie aus 
der Periode der Freundſchaft mit Charlotte. Höchſt wahricheinlid 
it der Entwurf eine Vorſtufe für die erite Drudhaudichrift. Und 
ebenjo das zweite ‚yragment. Es bietet aus dem Abichlug „Der 
Herausgeber an den Yejer“ die Stelle, ala Werthers Bediente die 
Pijtolen Alberts bringt. Werther jpricht in der eriten Perjon, von 
Kotte in der dritten; das Ztit iſt alfo weder Bericht des Heraus— 
gebers nod) Brief an Lotte. Aber die Rede jpringt zur Anrede an 
Lotte um: am Schluſſe des eriten Abjares heißt es: „das Yebewohl 
blieb ihr am Gaumen fleben. Yeb wohl, lcb wohl!“ und nad) dem 


Bernhard Seuffert, Philologiſche Betrachtungen. 5 


zweiten Abfage: „Ich bitte did), fei ruhig." Die letztere Wendung 
fönnte eine Selbjtmahnung des erregten Schreibers fein; fie könnte 
allenfalls, obgleich) weniger wahrſcheinlich, an Wilhelm gerichtet fein, 
wodurch das Bruditüd zum Briefe an den Adreſſaten faft aller 
Wertherbriefe gejtempelt würde; zujammengehalten aber mit dem 
Ende des vorigen Abjates erjcheint fie al3 Anrede an Lotte und fo 
jteht fie auch im gedrudten Texte in einem Briefe an Lotte (189,36). 
Sonach wäre die ganze Stelle als Reſt eines Tagebuches zu fafjen, 
das Lotte zum Leſen beftimmt war. Nun fällt auf, daß erſt in der 
zweiten Faſſung des Romanes ein Tagebuch Werther3 erwähnt 
wird (62,,,) und daß hier auch die Weitteilung eines Gelbitge- 
ſpräches Werthers ſich findet (144,,), daS der Herausgeber lediglich 
aus einem ſolchen erfahren haben fönnte, da Werther es ohne Heugen 
ſpricht. Hiernach wäre die Zugehörigfeit des Bruchjtüdes zur zweiten 
Faſſung zu vermuten. Dagegen jpricht aber der entjchiedene Jugend— 
jtil mit voller Bejtimmtheit. Es bleibt aljo die merfwürdige That— 
jadhe, daß Goethe bei der Neubearbeitung des Romanes auf eine 
Stilform zurüdfam, die er im Entwurf der erften Faſſung einmal 
gewählt, aber dann verlafjen Hatte. Ich glaube jedoch nicht an ein 
bewußtes Burüdgreifen: jonft hätte der konſequent jtilifierende 
Dichter der achtziger SKahre die Tagebuchform häufiger und deutlicher 
verwendet. Ich erkläre vielmehr die einmalige Erwähnung des Tage- 
buches in einem Zuſatze der zweiten Faſſung daraus, daß Gocthe, 
während er an ihr arbeitete, „Briefe und viele Papiere” (darunter 
doch aud) Tagebücher gemeint find) der Zeit feit 1772 vornahm; 
er erzählt es in einem Briefe vom 21. November 1782 unmittelbar 
nah der Mitteilung über jeine neue Bejchäftigung mit Werther 
und fügt bei: „Welch ein Anblid! mir wirds doch manchmal heis 
dabey. Aber ich laſſe nicht ab, ic, will diefe zehn „Jahre vor mir 
liegen jehen wie ein langes durchwandertes Thal vom Hügel ge- 


jehn wird... . . Auf alle Weife machts Epoche in mir.“ (Briefe 
6, 96,15.) Man vergleiche hiermit den Zuſatz im Werther: „Mein 
Tagebuch ... fiel mir heut wieder in die Hände, und ich bin 


erftaunt, wie ich ſo wiſſentlich in das alles Schritt vor Schritt 
hinein gegangen bin! Wie ich über meinen Zuſtand immer ſo klar 
geſehen und doch gehandelt habe wie ein Kind, jetzt noch ſo klar 
ſehe, und es noch keinen Anſchein zur Beſſerung hat.“ Das dünkt 
mich die Umſetzung des eigenen Erlebniſſes in Werthers Lage zu 
ſein. Ein äußeres Erlebnis alſo, ein Zufall des Tages, nicht künſt— 
feriiche Uberlegung, nicht die Abjicht, den Briefroman durch Tages 
bücher zu erweitern, hat den Zufaß der neuen Faſſung veranlaßt. 
Nach meiner Meinung wenigjtens: ficheren Beweis geben alle Nach— 
richten nicht. 


6 Bernhard Seuffert, Philologische Betrachtungen. 


Die vollftändige Handichrift der erften Geſtalt des Wertes ift 
nicht in des Dichters Beſitz geblieben (Geipräche, herausgegeben von 
Biedermann 7, 195). Das Drudmanujfript der zweiten Faſ— 
fung ift aber im Goethearchiv erhalten. Seine Vorgeſchichte ift 
nicht ganz durchſichtig. 

Goethe „ging“ einen Drud „durh“ und ließ den Roman 
wieder ins Manuſlript fchreiben (Briefe 6, 96,5). Bei der 
großen Zahl der Veränderungen erjcheint c$ nun ausgeichlojjen, 
daß auch nur ihre Mehrheit in ein Druderemplar eingetragen 
worden wäre; die Zuſätze allerdings konnten auf eigenen Blättern 
beigelegt werden. Und da Goethe in jenem Briefe vom 21. No: 
vember 1782 fortfährt: „Werther fehre in feiner Mutter Leib zurüd, 
Knebel jolle ihn nach jeiner Wiedergeburt jehen; da er ſehr geſammelt 
jet, jo fühle er fich zu fo einer delicaten umd gefährlichen Arbeit 
geſchickt“, jo erhellt, Daß die Hauptarbeit noch bevorftand, nachdem 
der Drud durchgegangen war. Sie wird beim Tiftieren der Dand: 
Ichrift geleiftet worden fein. Tagebücher, die dies bezeugen könnten, 
find aus der Zeit nicht erhalten. 

Anfang Mai 1783 hat Goethe Werther „wieder” vorgenommen, 
um „ihn noch einige Stufen höher zu Ichrauben“. Dabei war „unter 
andern feine Intention, Alberten jo zu stellen, daß ihn wohl der 
leidenichaftliche Jüngling, aber doch der Leſer nicht verfenne” (Briefe 
6, 157,121. Dies wird am diftierten Danuffript geichehen ein, 
das nun Goethes Diener Seidel zur Neinjchrift erhielt. Ende Juni 
wurde fie Frau von Stein vorgelegt, und jie ift bis auf den Schluß— 
bericht in Zeidel8 Hand im Trudmanujfript erhalten, das jeinem 
Ausjehen nach beitimmt fein Diktat it. 

Tiefe Seidelſche Kopie enthält noch nicht die Bauernburſch— 
epijode: jie it von Vogels Hand gejchrieben dem TDrudmanujfript 
eingelegt. Tiefe Zeile dürften etwa im Sommer 1785 binzugedidtet 
jein, weit damals Goethe jchreibt, er habe von den Xeiden des 
jungen Werther manche Yeiden und ‚zreuden gehabt : Briefe 7, 76,5. 

Im Juni 1786 „forrigierte” er wieder am Werther (Briefe 
7, 231,15. Wie viele der zahlreichen eigenhändigen Beſſerungen des 
Deanuifriptes erit jetzt eingetragen wurden, jteht dahin. Ebenjo, ob 
erjt jett Goethes eigenhändige Zuſätze ı der mißvergnügte, menjchen 
veracdhtende Brief vom 8. ‚yebruar 1772 und der furze tagebuch— 
artige Erguß vom 16. Juni 1772) dazu gekommen jind; jie ent 
jprehen der düſteren Ztimmung diejer Zeit, im der er fand, er 
hätte jich nach geendigter Schrift erichienen jollen: aber auch jie jind 
durchforrigiert und können aljo früber entitanden fein. Endlich wurde 
im Juli und Auguſt des gleichen Jahres die „Erzählung am Schluſſe“ 
verändert, weil Derder ihre Komposition mipbilligt hatte. Die erſte 


Bernhard Seuffert, Philologiſche Betrachtungen. 7 


Faſſung dieſes Herausgeberberichtes war ja durch die neue Einlage 
zur Endigung der Bauernburfchepifode zerjtört; fie ließ ſich nicht jo 
leicht einhängen, wie die brieflichen Berichte über deren Anfang fich 
zwiichen andere Briefe hatten einjcdjieben laffen. So wurden die 
Seideljhen Blätter und die auch hier vorauszufegende Vogelſche 
Einlage weggenommen (fie jind nicht erhalten) und durd eine Neu- 
bearbeitung erfeßt, die Vogel ins Reine fchrieb; nur die Oſſian— 
übertragung und die fech legten Drudjeiten blieben in: Seidels 
Abſchrift beitehen. 

In diejen vier Phajen mag der neue Tert gebildet worden 
jein. Ein ticherer Beweis ijt nicht zu gewinnen und ohne die brief- 
lihen Nachrichten könnte man überhaupt nur feftitellen, daß der 
Grundſtock von einem Schreiber, Nachträge und Erjagblätter von 
einem zweiten, Zufäge und Korrefturen von einem dritten, einige 
Beilerungen von einen vierten (Herder) herrühren; nichts weiter. 
Die Zuverläjjigfeit der Schreiber des Drudmanuffriptes fann um 
deswillen nicht eingejchätt werden, weil ihre Vorlage, die vermutete 
diftierte Handſchrift, nicht erhalten ift. Sie jcheint undeutlic) oder 
lüdenhaft geweſen zu jein, da Seidel in jeiner Kopie neunmal kleine 
Lücken laſſen mußte Oder nahm er an den Tertitellen Anjtoß? 
Einmal läßt er das Schimpfwort Hund aus (122,,), vielleicht 
weil es furz vorher (121,13, auch 52,,) umgangen worden war; 
Goethe hat es nachgetragen, kann es aber auch beim Diktat zum 
Erjegen ausgejpart und dann doch auf Erjaß verzichtet Haben. 
Und ebenfo kann Seidel zweimal „all” und viermal „ſo“ ausge- 
lafien haben, weil er bemerfte, daß Goethe die Wörtchen fonjt oft 
getilgt hatte (was ein Zurüdgehen der Reinjchrift auf den forrigierten 
Drud oder foldhe Korrekturen in dem Diktat vorausjegen würde), 
oder Goethe griff bei der Nachbeilerung der Seidelſchen Abjchrift 
auf die ältere, früher beleitigte Lesart zurüd. 

Beide Schreiber, Seidel mehr al3 Vogel, der allerdings 
weniger geichrieben hat, neigen zu vollen Formen. Bejonders die erite 
Perſon des Präſens und der Dativ Singular werden mit dem 
Schluß-e verjehen; aber auch der Genitiv Singular und die dritte 
Perſon des Präſens erhalten ihr e, und ebenjo: erinnere, Lebewohl, 
Bindewörthen u. a. m. Dazu treten dann Indikativformen, wie 
hielte, fochte, der Imperativ ſiehe, Nominative wie Stirne, Gehirne, 
Geſchöpfe, Gelichte, Adverbien gerne, zurücke, drinne; das enflitifche 
's wird zu es vervollftändigt. Daß dies Eigenheiten der Schreiber 
jind, darf vermutet werden, weil Goethe diete Abweichungen von 
den älteren Druden zumeijt wieder bejeitigte. Auch in der Laut: 
ihreibung gehen jie ihre Wege: Gebäth, heurathen, ſchröcklich, Ge— 
bürge, wie fie häufiger fchreiben als die jchwanfenden älteren Drude. 


8 Bernhard Seuffert, Philologiſche Betrachtungen. 


Man ſieht, auch Goethes Schreiber haben ihre eigenſinnige Sprach— 
neigung, wie mittelalterliche Kopiſten. Und ſie haben auch deren 
Mängel. In der Flexion ſchlüpfen einige Unrichtigkeiten unter, ohne 
day eine beſtimmte Richtung zu erkennen wäre Die Orthographie 
ift ungleich. Auslafjungen gejchehen zum Zeile durch Abirrung, zum 
Teile ohne erjichtlichen Anlap. Ein paar Toppelichreibungen fallen 
nicht ins Gewicht. Starke Beteiligung des Chres bemweilen Schrei: 
bungen wie: „ausgeltichen” für „ausgeftiegen“, „verjenkt” fiir „ver- 
ſengt“, „Hiſtorikusſchreiber“ für „Hiſtorienſchreiber“, falls die Irr 
tümer nicht aus dem älteren Diktat vererbt ſind. 

Goethe ſelbſt hat die Handſchrift in ſehr umfaſſender Weiſe 
durchforrigiert, von der Interpunktion und Orthographie an bis 
zur AUmgejtaltung von Wendungen, wobei auch foldye betroffen 
werden, die jchon nen gebildet waren. Ein hübſches Beiſpiel findet 
id) 52,5. „Der alte De. iſt ein geiziger rangiger Dund“ wurde 
urſprünglich gelefen; „Bund“ wurde bei der Nenbearbeitung erſetzt 
durch die Wendung: „Krämer, den Nahmen Dandelsmann verdient 
er nicht”: die Derabwürdigung des Standes der Krämer wurde 
beim Uberleſen anſtößig, die Phraſe aejtrichen und durdy das furze 
„Filz“ erſetzt. Ferner 92,.,: Werther ergrimmt fid), day ſein Ge— 
jandter jeinen Grafen befrittelt: „Darüber bätt ich ihn gern aus: 
geprügelt, denn weiter iſt mit den Kerls nicht zu raijonniren, da 
das aber nun nicht angieng, jo focht ich mit ziemlicher Heftigkeit, 
und jagt ihm, der Graf jey ein Wann“ u. ſ. w. Die Dandgreif: 
lichkeit jollte fallen und wurde bei der Umarbeitung erjegt durch 
folgende Süße: „Dazu machte er eine Miene, als ob er jagen 
wollte: Fühlſt du den Stich? Aber es that bey mir nicht die Wirkung, 
ich verachtete den Menſchen, der jo denfen und fich jo betragen 
konnte. Ein Norgelezter, der ohne Noth jeinem Untergebenen im 
Dienſte was bartes jagt, it ungeichift, und außer dem hat er gar 
kein echt, er vergint wer er it, und es wäre fein Wunder wenn 
man es auch vergäße. Ich bielte ihm Stand, und fochte mit ziem- 
licher Heftigkeit und fagte, der Graf jey en Mann“ u. ſ. f. Der 
Zar: „Ein Vorgeſetzter“ bis „vergäße”, der den Sinn des alten 
eriten Eates verſteckt enthält, wird in der Dandichrift geitrichen: er 
paßte nicht gut, da er austchlieglich das Nerhältnis des Geſandten 
zu Werther betraf, während das Geſpräch bei dem Urteil des Ge— 
jandten Liber den Grafen verweilt, von den Werther nur mittelbar 
getroffen wird. 

An einigen Ztellen muß Goethe für jeine Norreftur der Hand 
ichrift eine vor ihr liegende Faſſung benützt haben. Yon den Yüden, 
Die Seidel gelaſſen, füllt er fünf jo aus, wie die älteren Drucke ſie 
füllten und einmal wenigitens 174,1 „der ſanfte Fluß“ iſt ein 


Bernhard Seuffert, Philologische Betrachtungen. 9 


zufällige Zuſammentreffen ausgejchloffen. Und aud) da, mo der 
Kopift etwas überjprungen hatte, ohne eine Lücke in der Zeile zu 
lajjen, jegt Goethe zumeilen das ein, was vordem zu lejen war; jo 
fügt er 24,95 dee fehlenden neun Worte genau nad den älteren 
Druden ein, 39,,1 das unnötige Wort „große“ u. |. f. Danach ift 
ein Vergleichen der Handjchrift mit einem älteren Texte bewiefen. 

Goethes Aufmerfjamteit war aber beim Collationieren nicht 
immer gleich. Sonft hätte er in der Oſſianüberſetzung den unbe- 
gründeten Wegfall eines Relativſatzes (173,,5) beachtet; vielleicht hat 
er bier, wo er den fremden Text nur felten und leife hatte modeln 
fünnen, den Vergleich mit der Vorlage unterlaffen. Ebenſo wenig 
merkwürdig wie diefe und andere Fleine Überjehen und Verſehen im 
NRomanterte ſelbſt — die erjtaunlichjte ift vielleicht, daß er 190,95 
dem grauen Wertherfrad nicht feine ſchon typiich gewordene Farbe 
gab — tt, daß der vom erften Drude an vererbte Fehler „Stimme“ 
ftatt „Stirne” 170,5; nicht gefunden wurde, denn aud) er gab feinen 
Widerſinn; die Stelle, die zu Goethes Lebzeiten nie gebefjert wurde, 
ijt nur injofern interejfant, als fie beweift, daß Goethe weder den Ori— 
ginaltert („brow”), noch feine alte Übertragung der Geſänge von 
Selma („Stirne”) aufgefchlagen haben kann: hiernach find alfo jeine 
Anderungen an der Dffianeinlage nicht Berichtigungen, fondern 
freie ſtiliſtiſche Glättungen. 

Auffälliger iſt, daß Goethe trotz der wiederholten Reviſion 
Unebenheiten ſtehen ließ, nicht nur den geringfügigen Wechſel der 
Anrede: Er und Sie, Du und Sie, ſondern ſachliche. So ſchreibt 
Werther 52,3, er ſehe Lotte bei feiner Freundin; wir hören aber 
nirgends, daß er eine ſolche habe, jie würde fich aud) ſchwer in den 
Verfehrsfreis und in die poetiichen Verhältniſſe Werthers fügen; 
bier liegt offenbar ein alter Yrrtum vor: Werther ſieht Xotte bei 
einer Freundin, einer ihrer Freundinnen. Eine andere Bemerfung 
(129,,5) weift über die Creignijfe des Nomanes hinaus: „Heute 
(8. November 1772) faß id; an dem Flecke,“ fchreibt Werther, „wo 
Sie neulih aus der Kutſche jtiegen.” Eine derartige Situation wird 
im Romane nit erzählt; nur genau ein Jahr und vier Monate 
früher, eine andere bei der Kutiche: hier jtieg Lotte nicht aus, fie 
jtieg ein und „lehnte fich heraus“. Weil die Anfnüpfung fehlt, wurde 
jowohl in einigen älteren Druden als in der Handfchrift das Pro— 
nomen Hein geichrieben, alfo nicht auf Lotte, fondern auf eine Ge— 
jellfchaft bezogen. Und ebenfo erfährt man erſt 179,,8 davon, daß 
Lotte einmal mit Werther in einer fatalen Gejellichaft war und ihm 
danach Blumen geſchickt habe zum Erjak für den Händedruck, den 
jie ihm nicht reichen konnte. Der erfte Zeil diefer Scene erinnert 
an Werthers Zujammentreffen mit Fräulein von B. im Hauſe des 


10 Bernhard Seuffert, Philologijche Betrachtungen. 


Grafen, vielleicht wurde um deswillen, damit feine Wiederholung 
einer ähnlichen Lage jtattfinde, die Scene mit Lotte ausgeſchaltet; 
fie mag allenfalls auch mit jener vom 8. Juli 1771, deren Ende 
bei der Kutiche Werther erzählt, zujammengehangen haben. Der 
andere Zeil, die Blumenjendung, mag darum an früherer Stelle 
weggeftrichen worden fein, weil er ein zu ftarfes Entgegenfommen 
Lottes vorausjekt; daß aber einmal diefe Situation erzählt werden 
jolite, ift bei der erichöpfenden Genauigfeit, mit der jonft alles vor- 
bereitet ift (jo fehrt 3. B. die blaßrote Scjleife dreimal wieder), 
vorauszujeßen; darum wirft die Stelle in den Entwurf des Ro— 
manes ein Licht. 

Dünger und andere find ſchon darauf aufmerkſam geweien, daß 
die Daten in den Briefen vom 15. und 16. März 1772 nicht 
jtimmen. Da Werther erft am 16. Fräulein von DB. begegnet 
(104,,,), fann er ſich nicht Schon am 15. auf ihr Geipräd berufen 
(102,5,); und jie kann nicht jagen, daß fie gejtern (den 15.) abends 
und heute (den 16.) früh über ihren Umgang mit Werther habe 
Vorwürfe hören müſſen (105,,5), dies muß am 14. abends und 
15. früh gejichehen jein; danad) war der Brief vom 16. vielleicht 
urſprünglich ein zweites Schreiben vom 15. oder feine „Forts 
ſetzung und cs wurde die wirkſame Verſchiebung oder Abtrennung 
— wirkſam weil Werther jo nad) und nad) in jeinem Verdruße 
bejtärft wird — nur im Datum und an einer Terxrtitelle (105,, 
ehegejtern, d. i. richtig der 14., vorgenommen: denn daß Goethe 
es von vornherein verjehen hätte, dünft mich gerade wegen der 
genauen Zeitangaben unwahrſcheinlich. Bei den Nevifionen war 
Goethe anf die Daten überhaupt wenig achtſam; er lien Juny 
für July, May für März ftehen (48,10, 101,1: er bemerfte 
112,,; das falihe Darum Puly für Juny jo wenig, dan er 
davor ein Blatt vom 16. July neu einſchiebt, und nicht bedachte, 
dan Werther am 18. Juli nicht mehr jehreiben fönne, er müſſe 
doch noch vierzehn Tage bei dem Fürſten bleiben, „doch“ d. h. ob: 
gleih er am 11. Juni ſchon ſeine nahe Abreite geplant hatte, und 
dan Werther nicht mehr vierzehn Tage vom 18. ab bei dem Fürjten 
bleiben fan, wenn er am 29. desjelben Monats den Trt, dem 
ganzen Inhalte des Briefes nad), jeit längerer Zeit gewechſelt hat. 

Tas ſtärkſte Beitpiel für die umgenügende Achtiamfeit Goethes 
bietet der Brief vom 15. Auguſt 1771. 72,15 heißt es: „Beute war 
ich binausgegangen, Yottens Glavier zu ſtimmen: denn die Kleinen 
verfolgten mid) um ein Mährchen.“ Dieſen ſinnloſen Cauſalſatz liegen 
der Schreiber, Goethe, Charlotte v. Stein, Herder (auch dieſe haben 
ja die Handſchrift durchgeſehen und alle die wohlgeſchulten Setzer 
und Korrektoren einſchließlich des genauen Profeſſors Göttling un— 


Bernhard Seuffert, Philologiſche Betrachtungen. il 


beanftandet. Man müßte ein wunderliches Verwechſeln von denn 
und aber annehmen, wenn die älteren Drude nicht den ausgefallenen 
Zwiſchenſatz darreichten: „ich konnte aber nicht dazu kommen“, der 
den Zujammenhang logijch herftellt. Ich bemerfe zu diefer von M. 
Bernays aufgededten Berichtigung, daß in demjelben Briefe jene 
Berurteilung einer zweiten Ausgabe eines Buches fteht, über deren 
Ungeeignetheit in der neuen Bearbeitung eingangs gejprochen worden 
ijt. Bei diefem Stüde fehlte es Goethe aljo durchaus an Sammlung. 

Leichter erflärlich als die Mißachtung diefer Störungen find 
feine Ungenauigfeiten, die beim Einflechten eines neuen Briefes 
in die Umarbeitung unterlaufen; jo: daß Werther am 26. Mai auf 
dem Pflug jigend zeichnet, aud) am 27. noch diejer Stellung Er- 
wähnung thut, während er in dem hinzugedichteten nächjten Briefe 
vom 30. jchreibt, er habe den Pflug gezeichnet. Ein Beugnis, daß 
Goethe bei der Überarbeitung ſich die alten Situationen nicht ganz 
lebendig vor den Sinn hielt. 

Bei der unzureihenden Sorgfalt Goethe wird natürlich 
manchmal die Richtigfeit einer neuen Lesart unficher. 3. B. (121,50) 
Werther bedauert das Fällen der Nupbäume im Pfarrhofe: „Wie 
vertraulich jie den Pfarrhof machten, wie fühl! und wie herrlid) 
die Ajte waren!" Früher ftand: „wie fühl und wie herrlich die 
Alte waren.“ Durd) die neue Interpunktion wurde das Epitheton 
von den Aften auf den Pfarrhof übertragen; war das Goethes 
Willen oder Klugheit des Schreibers, der die (bei Grimm für 
Leiling und Goethe ähnlich belegte) Verbindung „Fühler Ajt“ nicht 
verftand? Es hatte ſchon einmal ein Seger daran Anjtoß, genommen 
und darum fonjiciert: wie fühn und wie herrlich die Ajte waren; 
und da diejer Seger die denkbar beſte Vorlage hatte, jo wäre nicht 
ausgejchlojjen, daß er das echte Wort lieft, zumal fühn und herrlich 
zufammen paßt; wer aber das vorhergehende „vertraulich“ beachtet, 
wird dieje Wirlung wohl von fühlen, aber nicht von fühnen Ajten 
ausgehen lafjen wollen; und überdies ijt an früherer Stelle (42,13. 
43,,) vom „Lieblichen Beſchatten“ derjelben Bäume die Rede, wozu 
dody nur „kühl“ taugt. 

Ein ähnliches Bedenken drängt ſich 43,57 auf: die Jungfer 
Pfarrerin gefällt Werther nicht übel; „eine raſche wohlgewachjene 
Brünette, die einen die Kurzeit über auf dem Lande wohl unter: 
halten hätte“; jo ftand zuerft; in der Dandfchrift heißt eg: die furze 
Beir über. gt das überlegte Änderung oder Hör- oder Schreib- 
schler? oder in den älteren Druden Irrtum? Nachdem eine Seite 
früher vom Plane des Pfarrers, das Karlsbad aufzujucjen, die 
Rede war, konnte fich beim Autor wie beim Seger der Ausdrud „Kur- 
zeit“ durch Affociation einftellen, obwohl er auf die frühere Stelle 


12 Bernhard Seuffert, Philologiſche Betrachtungen. 


feinen Bezug hat und obwohl an dem Orte des Pfarrhofes auf dem 
Yande ein Kuraufenthalt unwahrſcheinlich ift.!) Es ift alfo zu ver- 
muten, daß die alten Drude gefehlt haben und daß es von Anfang 
an heißen jollte: einem, der wie Werther für furze Zeit aufs Land 
fam, war die Pfarrerstochter eine angenehme Gejellichaft. Verwandt 
find die in Drucken vorliegenden Fälle 151,, und 152,35, die darum 
gleich Hier erörtert werden follen. Werther ficht das Thal, in dem 
er mit Lotte gewandelt, durch daS er zu ihr gegangen ift, über- 
ſchwemmt; „Liebesthal“ nennen e3 die zwei älteften Drude; der dritte 
Weygandiſche fchreibt „Liebes Thal” und hat wohl richtiger die 
Hand crift geleſen. In der anderen Stelle träumt Werther, Lottes 
und zu küſſen, den „lieben lispelnden“ Mund leſen die erſten 
Drucke und ſo noch einmal aus Verſehen oder Abſicht der ſechſte 
Weygandiſche; vom dritten an aber heißt es richtig: „Liebeliſpelnden“, 
wie Goethe auch in einem Exemplar der erſten Ausgabe verbeſſert 
hat. Es erhellt aus den drei Fällen, daß die Handſchrift des erſten 
Werther undeutlich geſchrieben war und verſchiedene Leſung zuließ. — 
Alle dieſe Beiſpiele zeigen, daß auch bei einem zeitlich ſo nahen, 
in authentiſcher Handſchrift und authentiſchen Drucken vorliegenden 
Texte ſich Schwierigkeiten über Lesarten ergeben. Der Philologe hat 
es hier nicht leichter als bei mittelalterlichen Handſchriften, eher 
ſchwerer, weil nun Autor, Abſchreiber, Setzer, Korrektor und die 
Mechanik der Druckmaſchine zuſammenwirken, ein komplicierterer 
Apparat. Auch Goethes bei der Neugeſtaltung des Werther durch 
Jahre hindurch bethätigter Eifer konnte, wie die Handſchrift lehrt, 
weder ſeine eigene Läſſigkeit noch die Willkür der Schreiber und der 
ihnen vorangegangenen Drucker überwinden. 
Und der Entwicklung der Drucke wende ich mid) num zu. 
Aus Briefen wiffen wir, daß die erjte Ausgabe der Leiden 
Wertbers Michaelis 1774 erichienen tft. In alle Eremplare, die ic) 
davon gejehen habe, jind an den gleichen Stellen jechs Blätter ein- 
geflebt, im erjten, dritten, vierten, fünften und elften Bogen. Der 
Druck begann vermutlich im Mai (Weimarer Ausgabe 19, 434). 
Schon am 16. Juni hoffte Goethe das Bud „ehitens” an Char- 
flotte Keſtner schicken zu können (Briefe 2, 168,13). Zwiſchen dem 
23. und 28. Juni las der Tichter Yavater aus dem Romane vor, 
am 30. las Yapater den eriten, am 15. Juli den zweiten Teil. 
Ta es ſehr ummwahricheinlich tft, dan Goethe zwei vollitändige Ma— 
nuifripte vom Werther beſaß, deren eines in der Druckerei war, 


!. Emmen Erbolungsaufentbalt auf dem Yande nannte man damals gewiß 
noch weniger als beute Kurzeit, es ſei denn, daß, wie wir aus dem Bodmerſchen 
Kreiſe wiſſen, eine Molkentur damit verbunden war. 


Bernhard Seuffert, Philologifche Betrachtungen. 13 


deren anderes in Lavater8 Hände gegeben werden konnte, wird man 
lieber annehmen, Goethe, habe dem Freunde Korreftur- oder Aus- 
hängebogen vorgelegt. Außerte nun etwa Lavater Bedenken, die zu 
beheben die Gartons eingelegt wurden? Auf dem erjten ift von 
„der patriarchaliſchen Idee“ die Rede, wie die Altväter am Brunnen 
Belanntichaft machen; auf dem zweiten wieder vom patriardhaliichen 
Leben; auf dem dritten vom Worte Chrifti: wenn ihr nicht werdet 
wie die Kinder; auf dem fünften vom Geiſte des Ewigichaffenden, 
auf dem jechiten von fremden Mächten, die in den Träumen wirfen, 
und davon, ob es vor Gott jtrafbar fei, daß Werther die Traum— 
freude an Lortes Umarmung als Seligfeit empfinde. Es find alfo 
auf fünf von den ſechs Kartons Themata angeichlagen, bei deren 
Behandlung es einem KLavater auf ein einziges Wort ankommen 
fonnte: darf man ihm deswegen Einfluß auf die Cartons zufchreiben? 
Seinen Rat zu hören, war Goethe damals ja geneigt. Diefe Cartons 
find wohl die Urjache, warum die TFertigftellung des Buches zum 
Berfandt jich bis in die zweite Hälfte des Septembers verzögert hat. 
Ihr Vorhandenjein beweilt, daß die erjte Ausgabe nicht ohne Sorg- 
falt hergejtellt worden ijt. 

Die Drude diefer 1774er Michaelisausgabe find nicht ganz 
gleich. Daß bei einem Zeil der Eremplare in der legten Zeile einer 
Seite ein Buchſtabe ausfiel, wie Bernays beobadjtet hat, ift an ſich 
nicht auffällig: der Seitenfchluß ift wie das Zeilenende in älteren 
und neueren Druden oft Verjtümmlungen ausgejett; allerdings 
fönnte aber auch abjihtlid) nad) dem Abzug einer Anzahl Bogen 
„härine” in „härne“ verändert worden fein, zumal ich fein Exemplar 
zu Geſicht befam, in welchem für das ausgefallene i noch die Lücke 
ihtbar war. Ebenjo wurde wohl in der Mitte einer Zeile der Mitte 
der 16. Seite „durgeſehen“ zu „durchgeſehen“ verbefjert. Schwieriger 
ift zu erflären, warum die Bierjtriche auf dem erjten Titelblatt in 
verjchiedenen Exemplaren verfchieden lang jind: jollte der Geſchmack 
des Faktors dieje Keinliche Anderung vor dem Abziehen des Reſtes 
verlangt haben? oder wurden die Linien fo ſchnell abgenükt, daß 
fie erjett werden mußten während des Abziehens der Auflage? Wir 
wiljen zu wenig von der Einrichtung der Drudercien, um die me: 
chaniſchen Urjachen und Möglicyfeiten von Anderungen beim Ab- 
ziehen desjelben Sates — jeine Identität läßt ſich hier wie jonjt 
an defekten Xettern u. dgl. erkennen — in Anjchlag zu bringen. 
Was wir heute beim Korrigieren unſerer Schriften lernen, veicht 
nicht zu und darf vielleicht bei dem veränderten Majchinenwejen jehr 
oft gar nicht in Vergleich gezogen werden. Die Vorgänge bei Her: 
ftellung einer mittelalterlihen Handjchrift feitzuitellen, bemühen ſich 
die Philologen angelegentlich; denen, die ſich mit der jüngeren Zeit 


14 Bernhard Seuffert, Philologische Betrachtungen. 


beichäftigen, fehlt es nicht minder an brauchbaren Nachrichten über 
Drudereieinrichtungen und Seßergewohnheiten. Ich Habe Diele 
Kenntnis ſchon öfter entbehrt und nicht zum wenigſten bei Beur- 
teilung der Wertherdrude; denn folche Verjchiedenheiten wie bei 
Eremplaren der erjten Ausgabe kommen auch bei anderen Druden vor. 

Nocd im gleichen Jahre 1774 oder doc, mit der gleichen Jahr—⸗ 
zahl erſchien bei demſelben Verleger Weygand eine zweite Ausgabe, 
die die hinter der erſten verzeichneten Druckfehler und andere 
beſeitigte, zugleich einige neue Lesarten ohne Gewähr brachte. Der 
Verleger zählte ſie nicht mit, als er 1775 ſeine „zweyte ächte Auf— 
lage“ ausgab. Soll der Zuſatz „ächt“ den zweiten 1774er Druck 
als unecht brandmarken? Es iſt wenig wahrſcheinlich, daß ein Nach— 
drucker, ſelbſt wenn er den Mut gehabt hat, Weygands Firma zu 
mißbrauchen, ſich die Koſten einer zum Verwechſeln ähnlichen Aus— 
ſtattung auferlegt habe (nur zwei Zeilen ſind anders gebrochen); 
das Küpferchen auf dem Titel iſt allerdings neu geſtochen oder 
wenigſtens überarbeitet, aber die Platte war vielleicht durch die Ab- 
züge der erjten Ausgabe zu ftarf abgenützt worden. Ich finde feinen 
triftigen Grund, daran zu zweifeln, dag die zweite 74er Ausgabe 
wirflid von Weygand verlegt wurde, der fie ja auch) jeiner dritten 
zu Grunde legte. 

Der Ausdrud „zweyte ächte Auflage” auf diejer dritten fann 
anders erflärt werden. Weygand trat den inzwijchen auftauchenden 
Nachdruden mit der Bezeichnung echt entgegen; und um etwas vor 
ihnen voraus zu haben, hatte er ſich vom Tichter einen Zufag an 
auffälliger Stelle erbeten: die Strophen auf beiden Titeln; um diefer 
Vermehrung willen mag er die Ausgabe als zweite Auflage gezählt 
haben; er behielt dieje Zählung auf jeinen weiteren Abdrüden bei, 
ebenjo die Kupfer, mit denen er beide Titel zur Überflügelung der 
Nachdrucke neu geziert hat. 

Anßer den Titelitrophen weiſt die nene Auflage einen einzigen 
Zuſatz auf: vier Zeilen im Texte 153,21, deren Inhalt ſo gleich: 
giltig iſt, daß man jich wicht erflären fann, warum Goethe jie hin— 
zugedichtet haben jollte. Bernays hat deshalb angenommen (Uber 
Kritik und Geſchichte des Goetheſchen Textes, S. 19, Anmerkung, 
dan jie durch Abirrung in den 74er Ausgaben weggefallen find: der 
neue Abjag ſchließt wie der vorhergehende mit den drei Worten: 
„Ste mich liebt“. 1775 endigt der erſte Abjag mit Rufzeichen, der 
nee zweite mit Punkt; der Aberratio entiprechend endigt 1774 der 
allein stehende erite mie Punkt. Die Erklärung it einfach und 
leuchtet ein. Es erhebt jid) dagegen mur das Bedenken, daß in einer 
Ausgabe, die jo jorgfältig hergeitellt iſt, daß jechs Gartons eingelegt 
und außerdem jelbjt geringfügige Druckfehler verzeichnet worden 


Bernhard Seuffert, Philologijche Betrachtungen. 15 


jind, eine Auslaffung diefes Umfanges überjehen worden fein müßte. 
Sit es nicht auch möglich, daß Goethe bei der Korrektur jene Stelle 
gejtrichen habe? Wirklich ift der Drudjag an jener Stelle fo weit- 
läufig, daß durch die Einfchiebung nur eine Zeile von der zweiten 
Blattjeite auf die nächſte hinüberzurüden war. Und vielleicht vermag 
man den Ausdrud zu erraten, der Goethe Anlaß zur Tilgung des 
Abſätzchens bieten konnte. Werther jchreibt: 


„ic, fühle, und darin darf ich meinem Herzen trauen, daß fie — D darf id, 
fann ic) den Himmel in diefen Worten ausſprechen? — daß fie mid) liebt! 

Mid) Tiebt! Und wie werth ich mir jelbft werde! Wie id) — dir darf ich's 
wohl Sagen, du haft Sinn für fo etwas — wie ich mich felbjt anbete, ſeitdem fie 
mid) liebt 

“ Und ob das Berimefjenheit ift oder Gefühl des wahren Verhältniſſes: Ich 
kenne den Menden nicht, von dem ich etwas in Lottens Herzens fürchtete. Und 
doch — wenn fie von ihrem Bräutigam ſpricht mit all der Wärme, all der Liebe, 
da iſt mir's wie einem, der all feiner Ehren und Würden entjezt, und dem der 
Degen abgenommen wird.” 


Ich vermute nun, daß Goethe (oder Zavater?) der Ausdrud: 
„ich bete mich jelbjt an” zu ftarf war; vielleicht :mißfiel ihm zudem 
die Anjpielung, daß Werther ſich wert werde. So murde der 
Abſatz geftrihen, da ein Zujammenhang aud) ohne ihn vorhanden 
war. Ich ftelle nicht in Abrede, daß der frühere Gedanfengang mir 
etwas fejter gefügt zu fein fcheint als der zweite. Zur Atheteje fehlt 
für einen neueren Herausgeber des Romanes die Sicherheit. 

Jedesfalls aber fteht jo viel feit: der Seker der „zwehten 
ächten Auflage“ muß außer feiner Vorlage, dem zweiten 1774er 
Drud, nod das Manuffript des erjten benüßt haben. Daher er- 
flären ſich einige berichtigende Lesarten im einzelnen, ſowohl gegen- 
über dem erjten als gegenüber Neuerungen des zweiten Drudes 
von 1774. Goethes perjönliche Beteiligung an diefer Nevifion darf 
darum verneint werden, weil einige der von ihm in einem (uns er- 
haltenen) Exemplare des erjten Drudes vorgenommenen Verbeffe- 
rungen bier nicht berüdfichtigt find; der Dichter lieferte alſo nur 
die zwei Strophen für die Zitel, deren erfte er auch in jenes 
Eremplar am Schluß des erjten Teiles eingetragen hat. Trotzdem 
ift diefe ältejte Ausgabe von 1775 fehr wertvoll, weil fie neuerdings 
auf die Handfchrift zurüdgeht. 

Solder Weygandiſcher Drude von 1775 giebt es mindejtens 
vier, wahrſcheinlich mehr; Bernays Hat ſchon drei unterjchieden. 
Es zeigt fich hier, dag wir nicht einmal um fünf Vierteljahrhunderte 
zurüd die Zahl der vorhandenen Drude, noch dazu eines jo hervor- 
ragenden Werfes, bejtimmen fönnen; in den Weidmannijchen Meß— 
tatalogen ijt zwilchen den SKahren 1774 und 1780 nad) Mitteilung 
des inzwiſchen verftorbenen, allzeit gefälligen W. Pertſch in Gotha 


16 Bernhard Seuffert, Philologifche Betrachtungen. 


lediglich eine Ausgabe von 1774 verzeichnet. Daß die Weygandiſchen 
Drude unter einander zujammenhängen, ergiebt daS “Durchlaufen 
eines falſchen Cuſtos am Ende des Bogens %, der überall „ihm“ 
lautet, obwohl der nächſte Bogen überall richtig mit „ihn“ anfängt: 
eine Starrheit, die nur durd) die Vererbung falfcher Paginierung 
in mehreren Nachdrucken von Karlsruhe, Reuttlingen und Frankfurt 
und Leipzig nod) überboten wird. Die Reihenfolge der Drucke 
gleihen Titels läßt fich ſchon daraus erjchliegen, day nad) und nad) 
immer mehr neue Zeilenumbrechungen jtattfinden und jich fort» 
pflanzen. Dazu tritt die Beobachtung, wo neue Lesarten zuerit auf: 
treten, die fich vererben. Bei jedem Drude jchleichen ſich mehr der- 
artige ein, aber es bleibt natürlid) auch ein Reit neuer Lesarten, 
die nur dem einzigen Drude eigen find, aljo als feine Kriterien 
dienen fünnen. Die Neuerungen jind durchaus nicht immer Ver— 
derbniſſe. Uberlegung und Zufall brachten manches Verfehlte wieder 
auf den alten richtigen Stand zurüd, fo dar alfo in einzelnem ein 
jüngerer Druck über das Mittelglied hinweg zum älteren ftimmt. 

Die fcheinbare Gleichheit der Wertherdrude Weygands von 
1775 ift ein neucs warnendes Beijpiel, wie vorfihtig man in Bi: 
bliotheten felbft nod für diefe Zeit mit der Bezeichnung Dublette 
umgehen jollte; Zitelübereinftimmung, Gleichheit von Seitenzahl 
und Ausjtattung genügen zur Feſtſtellung durdyaus nicht. Ich habe 
die gleiche Erfahrung bei mehr Wielanddruden gemacht als Milch— 
jad. Die Bibliographie will mit der Afribie der Münzſammler be: 
handelt fein. Hierzu mahnt noch bejonders ein Werthereremplar im 
Beiig der Jenaer Univerfitätsbibliothef: nur bei genauer Prüfung 
kann man erfennen, daß es aus ſechs ganzen Bogen des erjten 1774er 
und drei ganzen Bogen des zweiten 1775er Trudes Weygands ge: 
miſcht ift, dan ferner die Bogen CGINCO aus einzelnen Blättern 
und Lagen der beiden Drude gemijcht jind, und zwar fo, daß im 
dritten Bogen cin Blatt aus beiden Ausgaben vorhanden iſt. Die 
nächjtliegende Erklärung biefür dürfte jein, dar ein Händler oder 
Sammler aus zwei defekten Exemplaren, vielleicht beiten Glaubens, 
ein volljtändiges herjtellte, wenn nicht gar Weygand jelbit Yager: 
rejte zuſammengelegt haben Yollte. Es bedarf wohl nicht eigens der 
Benterfung, daß ſolche Feſtſtellungen nicht lediglich für Biblio» 
graphen oder gar mur für Raritätenſammler unter den Bibliophilen 
Wert haben: für die Vererbung der Yesarten, für das Auffinden 
der Ausgaben, von denen die fir die Textgeſchichte wichtigen Nach— 
drucke abjtammen, und durch all das für die Deritellung des echten 
Tertes jind fie durchaus unentbehrlich. 

Tie Beteiligung des Verfaſſers an den Weygandiſchen Druden 
des Jahres 1775 iſt ausgeſchloſſen: keinerlei Anhaltspunft iſt dafür 


Bernhard Seuffert, Philologiſche Betradhtungen. 17 


erfennbar. Wir müfjen jeiner Angabe glauben, daß er am 30. April 
1780 feinen Werther, jeit er gedrudt jei, das erjtemal ganz las. 
Ob fie wirklich alle in dem Jahre, das die Titel nennen, erjchienen 
jind, ſteht dahin; es iſt Doch recht fraglich, ob neben mindeltens 
neun Nachdrucken mit dem Titeljahr 1775 innerhalb fünf Vierteljahren 
mindejtens ſechs Drude des erjten Verlegers auf Abſatz rechnen 
tonnten. Wir wifjen ja von anderen Druden her, 3. B. von Goethes 
Fauſt, daß auch die beredhtigten Verleger die Kahreszahlen ihrer 
Werke nicht immer zuverläfjig nennen. Ihre Gründe find allerdings 
nicht überall durchſichtig. Am nächften Tiegt.ja die Annahme, daß 
dadurch) vor dem Autor die Höhe des Abjates verborgen bleiben 
fonnte und jo etwa neue Honoraranfprüche vermieden wurden. Es 
ift aber auch nicht befannt, daß die Stärfe der Auflage vertrags- 
mäßig feitgeitellt zu werden pflegte. Der Verleger ward Eigentümer 
des einmal erworbenen Werkes. Dagegen hielt fi) der Autor für 
befugt, einen neu bearbeiteten Tert einem anderen Buchhändler zu 
verfaufen, jedenfall3 diefen Text in eine Sammelausgabe anderen 
Berlagsortes aufzunehmen. So wiſſen wir aus Wielandifchen Unter- 
nehmungen, fo hat Goethe aud) den Werther an Göfchen und Cotta 
geliefert und dann dod) einer neuen Einzelausgabe Weygands wieder 
feine Zuftimmung gegeben. Man muß deshalb vorfichtig fein, die 
wahrjcheinlid;) vor dem Autor verheimlichten Neudrude der Verleger 
der eriten Ausgaben als unrechtmäßige Drude zu brandmarfen: 
in den Zeiten des Kampfes mit den Nachdruckern herrichten im 
vornehmiten PVerlagshandel andere Anjichten, Gewohnheiten und 
Rechte als heute. 

ALS Werthers Leiden zuerft erjchienen, war der Nahdrud in 
Blüte. Später wußten die Verleger durd) Titelausgaben verjchiedener 
Ausftattungsqualität und durch Verbindung mit Firmen an anderen 
Orten ihm zu jteuern. Aus den Jahren 1775—1779 fenne id) 
jtebzehn, von 1784—1810 nur ſechs (oder fieben, wenn einer, der 
Göſchens Firma trägt, diefem nicht zugehört) unechte Drude, wobei 
ih die Weygandiichen Drude von 1787 und 1790, ferner einen auf 
1787 zurüdbdatierten Göſchenſchen, der aber jchon wegen der Zählung 
der Bogen mit Ziffern ftatt mit den Alphabet jünger ift, nicht 
mitrechnete, da fie als Nachdrude im jtrengen Sinne nicht gelten 
föünnen. Es wird mir ein und der andere entgangen jein (in 
Bibliographien finde ich noch vier verzeichnet, die ich nicht zu 
Geſicht befommen Habe), aber viel anders werden ſich die Zahlen 
nicht ftellen. Es ift ja jelbjt bei Umfragen in Bibliotheken nicht 
leicht, alle zu unterjcheiden; tragen doch die Drude manchmal 
dieſelben Orts- und Xahresbezeichnungen, jo daß erjt ein Neben- 
einanderlegen ihre Verjchiedenheit zeigt. Mit dem fingierten Verlags— 

Euphorion. VIE. 2 


18 Bernbard Zeuffert, Philologiſche Betrachtungen. 


ort Freyſtadt 3. B. jind 1775 drei Drude erichienen ganz 
ungleicher Ausftattung. Ein andermal verbirgt ein Nahdrud unter 
veränderten Titel oder Verlagsort Ddiejelben Zertblätter, was die 
berechtigten Verleger dann den Waubverlegern nachahınten. Der 
gleiche Sat liegt 3. B. dem Texte eines Druckes unter, der auf dem 
Titel einmal Frankfurt und Leipzig, das anderemal Neuttlingen als 
Verlagsort nennt; ebenjo hat Göjchen von jeiner Ausgabe in den 
Schriften 1787 drei Titelauflagen der Schriften und vier (oder fünf) 
Einzelabzüge Wertherg veranitaltet. 

Die Nachdrucke ftehen teils in Abhängigfeit zu einer echten 
Ausgabe, teils zu einem anderen Naddrud. So iſt 3. B. der 
zweite Dimburgiiche von einem Weygandiſchen abgezweigt, und 
wächſt weiter im einer unter Sich verwachienen Gruppe von adıt 
zu Karlsruhe, Meuttlingen und mit dem fiktiven VBerlagsort 
‚Frankfurt und Leipzig zwiſchen 1778 umd 1790 erſchienenen Nach— 
drucken. Der legte diefer und manche andere Drude benügen nicht 
Ein Eremplar als Vorlage, jondern zweierlei, worauf ich noch zu 
iprechen fomme. Manchmal rücken Nachdrucke mit verjchiedenem 
Titel durch ähnliche Ausjtattung zujammen und verraten jo Einen 
Unternehmer. So hat ein Wahlheim 1777 erichienener zum Teile 
diejelben YPolzitöde verwendet wie der cine Freyſtädter von 1775, 
und da er auch ſprachliche Eigentümlichkeiten mit ihm teilt, darf 
man annchmen, daß er in derjelben Druderei hergeitellt ijt. Ebenſo 
hat aber ein Druck Frankfurt und Xeipzig 1775 mit Ausnahme des 
Nupfers diejelben Xerzierungen wie der ältefte Weygandiihe Trud 
und ahmt diefen and) in der Ceiten und Beilenbrehung nad; 
jollte diejelbe Truderei, die für Weygand arbeitete — id) weiß nicht, 
ob je Eigentum der Lerlagsfirma war — ihn unternommen haben? 
es iſt ja möglich, Falls dieſe Art Geichäftsbetrieb nicht zu modern 
iſt, daß mehrere Trudereien von einem Holzſchneider die gleichen 
Gliches bezogen oder dan Diele raich weiter verfauft wurden. 

Im ganzen jrebte der Nachdrucker gewin möglichſt billige Der: 
jtellung an, damit er den Preis der echten Ausgabe erheblich unters 
bieten fonnte. Einzelne haben aber doch durch Bildſchmuck und zier— 
liche Ausſtattung ihrem Raube den Vorzug vor den echten und den 
anderen unechten Truden zu verichaffen geiucht. Walthard 3. DB. in 
Bern gab jeinem Werther ein geitochenes Titelblatt und noch zwei 
Nupfer, von denen allerdings eines feinen Bezug zum Romane hat, 
aljo anderswoher entlehnt It wie die Wilder mancher Volksbücher;. 
Ter Berliner Nacddruder Himburg bat jogar Chodowiecki ange: 
worben, als er, wie im gleichen Jahre 1775 Deilmann in Bid, 
vor dem Veriaſſer eine Sammltung von Goethes Schriften zu Markt 
brachte. Er lien ſie auf Papier verichiedener Güte druden und fein 


Bernhard Seuffert, Philologiſche Betrachtungen. 19 


Erfolg war jo groß, daß er vom erften Bande gewiß viererlei Ab- 
züge nehmen ließ. Der darin enthaltene Werthertert ſpielt feine 
Rolle in der Überlieferungsgeichichte. Denn Himburg war fo um- 
Jichtig, für feine zweite Auflage von 1777, die um ein Kupfer 
bereichert wurde, aljo nun fünf zählt, nicht feine erite, fondern wieder 
einen echten Drud Weygands ald Vorlage zu wählen. Und fo kann 
auch dte durch die Lesarten aufgezwungene Annahme nicht über» 
rajchen, er habe einer dritten mit ſechs zur Hälfte neuen Kupfern 
geſchmückten Auflage von 1779 zwar feine zweite zu Grunde gelegt, 
fie aber nach einem neueren Drude Weygands revidieren laſſen. 
Diefe Ausgabe war jo gefällig, daß jie Goethe fpäter Göſchen als 
Mufter für feine erjte 'echte Sammelausgabe empfahl, wie ihn noch 
jpäter aud) die hübjche Ausftattung der Wiener, bei Strauß und 
Geiſtinger verlegten Sammlung veranlaßte, diefe zu den guten Auf- 
fagen zu redjnen. 

Aus den Beobachtungen über die Vorlagen der Himburgiichen 
und anderer Nacdrude könnte es gelingen, die Datierung der 
1775er Ausgaben Weygands zu finden. ‘Die erfte derjelben muß fo 
zeitig erfchienen fein, dag noch im gleichen Jahre vier Nachdrucke 
fich ihrer bemächtigen fonnten. Die zweite ijt noch 1775 ausgegeben 
worden, weil ein Exemplar den alten handjchriftlichen Eintrag diejer 
Jahreszahl aufweijt. Und vielleicht liegt zwiſchen beiden noch eine 
Ausgabe Weygands, denn der Himburgifche Druck diejes Jahres 
vereinigt auffallende Eigentümtlichfeiten beider, die auf eine Zwiſchen⸗ 
ſtufe als ſeine Vorlage ſchließen laſſen. Während er nämlich in allen 
Haupteigenheiten mit der erſten Weygandausgabe von 1775 geht, 

104,,, fein Komma nach „ihr“, 125,20 nach ——6 
Juntt ſtatt Komma ſetzt; 112,, „gemeinen“ ſtatt „gemeinem“, 
121,20 „kühn“ ſtatt „kühl“ druckt, hat er wie die zweite: 6,11 „Ih 
Habe” ftatt „habe“, 10,14 „Feines“ ſtatt „krankes“, 30,26 „weg⸗ 
gelaſſen“ ftatt „ausgelaſſen“, 48,2 „erbärmlichſten“ ſtatt „erbärm— 
lichen“, 83,,; „wenn's“ ſtatt „pwann's“. Zufälliges Zuſammentreffen 
mit einer der beiden Ausgaben iſt ſonach ausgeſchloſſen. Möglich wäre 
allerdings, daß der erſte Teil nach der zweiten, der zweite nach der 
erſten geſetzt wäre; warum ſollte aber Himburg zweierlei Exemplare 
Weygands als Vorlage benützt haben? Er konnte ja zur raſcheren 
Drucklegung auch Ein Exemplar unter zwei Setzer verteilen. Es iſt 
ferner unglaubhaft, daß er auf die Abweichungen der äußerlich 
gleichen Weyganddrucke aufmerkſam geworden wäre und alſo den 
eriten Teil nach dem jüngeren hätte revidieren laſſen. Da bleibt die 
Vermutung einer mir entgangenen Zwiſchenſtufe zwijchen den zwei 
Weygandiſchen Ausgaben als jeiner Vorlage wahrſcheinlicher. Dancben 
befteht freilich die andere Möglichkeit, daß diefer Himburgiſche Drud 

2* 


20 Bernhard Seuffert, Philologifhe Betrachtungen. 


nad) einem Nachdruck des älteren Weygandiſchen Zertes gejegt und 
nad dem jüngeren Weygands zuerjt aufmerfjamer, dann flüchtiger 
forrigiert jei. An fic hat es wenig liberzeugendes, daß ein Nach⸗ 
drucker ſich doppelte Mühe machte; aber nachdem Himburg ſie für 
ſeinen dritten Druck aufgewendet haben muß, mag er ſie auch an 
den erſten geſetzt haben. Und wirklich habe ich, nach Abſchluß der 
Weimarer Ausgabe, einen Nachdruck erworben, der deſſen urſprüng⸗ 
liche Vorlage geweſen jein dürfte: Freyſtadt 1775, 224 SS. Dieſer 
geht von der erjten Wengandiichen Ausgabe des Jahres 1775 aus, 
kann wegen ſeiner Lesarten und weil er jener ſeitengleich folgt, nicht 
von Himburgs Druck abſtammen, beſitzt aber ein paar Eigentümlid)- 
feiten, die diejer von ihm geerbt haben fünnte; vor allem die Ver⸗ 
derbnis des Datums (124,,) 10. Oktober ftatt 12. Oftober. Dadurch 
wird die Annahme, die erſte Himburgiſche Ausgabe ſei einem mir 
unbekannten Mitteldrucke Weygands gefolgt, nahezu entkräftet, und 
es zeigt ſich aufs neue, wie der zufällige Fund eines neuen Textes 
das Unwahrſcheinliche wahrſcheinlich machen kann. 

1776 war dann der Markt durch die echten und neun Nach— 
drucke geſättigt, es iſt mir fein Nachdruck dieſes Jahres befannt ge⸗ 
worden. In dieſem oder erſt im Jahre 1777 wird die nächſte 
Weygandausgabe erſchienen ſein, die von Himburg für ſeine zweite, 
und 1778 die letzte mir bekannte, die von dem Berliner für eine 
ſelbſtändige Wertherausgabe von 1778 unter dem fingierten Druckort 
Frankfurt und Leipzig ohne Verlagsangabe erſchienen, vielleicht zurück— 
datiert) und die damit im Satze identiſche dritte Auflage der Schriften 
1779 benugt worden ift. 

1777 hatten jich zwei Nachdrucke eingeſtellt, 1778 fünf, 1779 
einer: danach tritt eine größere Pauſe ein; nur 1784 wird einer 
verlegt. Erſt mit dem Hervortreten der neuen Bearbeitung regt ſich 
wieder der Wettbewerb: 1787 erſcheinen zwei oder drei (wobei ich 
die Einzelausgaben Weygands, die ſich des neuen Textes bemäch— 
tigten, mitzählei, 178%, 1790, 1795, 1801, 1810, 1825, 1832 
je einer. Aus dieſer Uberſicht, die freilich bei allem Bemühen 
feinen Anſpruch auf Bolljtändigfeit erheben darf, mag man den 
Grad der jeweiligen Beliebtheit des Romanes und jeine Fortwirkung 
ablejen. Allerdings willen wir nichts über die Höhe der Auflagen 
und wir dürfen tie mit heutigem Maßſtabe nicht meilen; denn das 
Papier war teurer, das Drucken fojtipieliger und beides fiel aljo 
bei dem Kalkul verhältnismärig ſtärker ins Gewicht als die jegt 
geitiegenen Zagtoften: cs konnten jich kleinere Auflagen lohnen ale 
heute. 

Aber nicht nur um die Nerbreitung eines Wertes annähernd 
zu jchären, it der Ali auf die Nachdrucke zu richten. Sie find 


Bernhard Seuffert, Philologiiche Betrachtungen. 21 


allgemein intereffant für den Philologen, weil fie, die den Hand» 
Ichriftenfopien der Berufsichreiber des Mittelalter am nädjiten ver- 
gleichbar find, Lehren, wie viel an fcheinbaren oder wirklichen Beſſe— 
rungen einem Seter zuzutrauen ift und welches die gemöhnlidyen 
Geßfehler find, und weil fie dadurch ein Urteil über die Verände- 
rungen der echten Drude ermöglichen; fie find für Goethes Werke 
von bejonderem Wert, weil er für echte Ausgaben feiner Schriften 
wiederholt Nachdrucke benugt hat, fie alfo unmittelbar in die Text— 
geihichte eingreifen. So iſt ung 3. B. ein Eremplar von Erwin und 
Elmire, Frankfurt und Leipzig 1775, und ein 4. Band der Himburgi- 
ſchen dritten Auflage im Goethe-National-Mufeum erhalten, in die 
Goethe Korrefturen eingetragen hat. Und für Werthers Leiden hat 
Bernays nachgewieſen, daß der dritte Himburgiſche Nachdruck eine 
weſentliche Fehlerquelle geworden ſei. Wenn wir aber ſo für Goethes 
Text Nachdrucke verwertet ſehen, dürfen wir die Beachtung der un- 
echten Drude bei keinem Scriftiteller verfäumen, außer wo urfund- 
liche Zeugniffe fie überflüffig machen. Wiffen wir doch überdies, 
dag ein unechter Drud noch im 18. Jahrhundert wie Inkunabeln 
codieis instar gelten fann; man erinnere jich der befannten Beifpiele 
der Ausgaben von Abſchriften Hallerſcher und Klopſtockiſcher Ge— 
dichte. Es muß alfo die Stellung der Nachdrude zu einander und 
zu den echten Druden geprüft werden, als ob fie echte Drude wären; 
gerade wie bei nur handichriftlicher Überlieferung junge und alte 
Kopie, muß jedes Stüd beurteilt werden, wenigſtens nach zuver- 
läjfigen Kriterien. Es fcheidet erjt dann aus dem Stamme der für 
die Zertgeichichte und Zertlonftitution wertvollen Überlieferungen 
aus, wenn feine Vorlage und genügend fichere Merkmale, die fich 
nicht vererben, gefunden find. Ein Sat, der ebenjo für echte 
Drude gilt. 

Verfolgt man num die Nachdrucke Werthers nad) diefen Gefichts- 
punften — und ich habe es in Stichproben gethan, bis ich hinreichend 
fihere Kennzeichen für ihre Einreihung gefunden zu haben glaubte 
— fo ergiebt fi, daß fie erſt vom zweiten Himburgiſchen an in 
die Textgeſchichte eingreifen, einem Drucke, der aus der dritten mir 
bekannten Ausgabe Weygands von 1775 ſtammt. Er iſt reich an 
groben Verſtößen, läßt viele Worte aus, ſetzt ein paar zu, vertauſcht 
Datumszahlen und Wörter nicht jelten. Von feinen Bejonderheiten 
gehen nun gut zwei Drittel in die dritte Auflage desjelben Verlegers 
über; das übrige Drittel ändert dieſe eigenmächtig oder mit Be— 
nügung der letzten Weygandiichen Ausgabe des Ziteljahres 1775. 
Das letttere erhellt daraus, daß fie mehrere der Auglaffungen der 
Borlage richtig ausgefüllt und Änderungen richtig geftellt hat, was 
ohne Einficht eines volllommeneren Textes unmöglich war, und daß 


22 Bernhard Zcuffert, Philologiſche Betrachtungen. 


fie Eigentüimlichfeiten, die der legte Weyganddrud allein bejigt, auf- 
nimmt. So groß war das Xertrauen zu diejem, daß aud) leicht 
erfennbare und gar bei der Vergleichung der Dimburgiichen Vorlage 
unverfennbare Trudfehler, wie 3. B. 173,, „Freude“ für „Freunde“ 
mit übernommen wurden. Und andererfeits geſchah die Reviſion 
doch fo oberflächlich, dal noch eine Menge von Fehlern der Vorlage 
ungebejfert blieben. Dieje dritte Himburgiſche Auflage hat aljo 
thatſächlich den willkürlichſten aller Nachdrucke (dev durd) die von 
ihm jtammenden in Karläruhe und Neuttlingen nicht viel übertroffen 
wurde an Unzuverläfligfeit) und den mindeitwertigen aller echten 
Drucke benugt, den, der fid) am weitelten von den nad) der erjten 
Handichrift gejeßten Texten entfernte. Dazu kommt nun nod), daß 
jie jelbjt zwar wicht nad) der immerhin das Hundert weit über: 
jteigenden Zahl der Eigenmäcdhtigfeiten, wohl aber nad) dem Gewicht 
ihrer Ungenauigfeiten dem zweiten Druck desjelben Berliner Ver- 
legers nichts nachgiebt: ſie läßt jeltener einzelne Wörter, häufiger 
aber Komplexe aus. 

Und dieſen Druck nun legt Goethe der Neugeſtaltung ſeines 
Romanes 1782 zu Grunde! Er beſaß fein Exemplar des Werther 
mehr; er mußte von Frau von Stein, an die er vor drei „jahren 
feine Schriften, wohl gerade die ihm von Himburg geichenfte Ausgabe 
abgegeben hat, fie erbitten. Es iſt doppelt bezeugt, daß Dimburgijche 
Ausgaben in Goethes Beſitz waren, es iſt aber nicht urkundlich 
bezeugt, daß er jie für die Werther-Erneuerung bemügte Wenn man 
jedoch jieht, day vier Fünftel der nur dem dritten Himburgdruck 
eigenen Yesarten ſich in der neuen Handſchrift erhalten haben, jo 
icheint ein Z3Zweifel ausgeichlojfen. Es jet denn, daß ein bisher ums 
entderfter Druck beiteht, der dem Himburgiſchen zum Verwechſeln 
ähnlich iſt und doch au einer Stelle wenigitens beifer iſt ale er. Alle 
Exemplare der Himburgiſchen Auflage, die ich durch Umfragen er: 
reichen tonmte, auch die Kinzelausgabe daraus, laſſen 98,,, die 
Züke ausfallen: „Adien! Iſt Albert bei Ihnen? Und wie — ?* und 
machen aucd durch feine Berichtigung das Verſehen qut. Trotzdem 
enthält die Dandichrift dieſe Züke, deren Wortlaut der Dichter un: 
möglid aus dem Gedächtnis ergänzen fonnte: woher aber? Bernays 
hat auf dicjes ſtarke Bedenfen gegen feinen Nachweis nicht aufmerkſam 
gemacht: Tollte er ein Eremplar der dritten Dimburgausgabe benukt 
haben, Das jene Zeile enthält? Ich babe ja aus dem Zuſtande der 
Dandichrift erichloiien, dan Goethe fie nach einem zuvor liegenden 
Text durcgenangen bat; welder cs war, laljen die Norrefturen 
leider nicht ertennen. Aber wenn er nun an dieier Stelle der Kopie 
Seidels einen volitändigeren Text unterlegen fonnte, warum nicht an 
anderen? Tie Wahrnehmung einer ſolchen Verderbnis mußte ihn 


Bernhard Seuffert, Philologische Betrachtungen. 23 


doc) gegen die Vorlage mißtrauifc) machen und er fonnte dann 
faum mehr über andere ſchwere Lücken hinwegleſen. Hier bleibt ein 
Duntel unaufgehelit. Es muß ein Druck gejucht werden, der zwilchen 
der zweiten und dritten Himburgauflage fteht, dieſer näher liegt als 
jener, aber an der angeführten Stelle und einigen anderen, wo die 
Handſchrift, allerdings vielleicht zufällig, mit der zweiten geht, deren 
Lesarten bewahrt hat. In ein Stemma für ältere Zeit würden wir 
das X ohne Bedenken eintragen. Wenn man aber viele Bibliothefen 
nad) einem nur 120 Jahre alten Drud umſonſt abgejucht hat, 
fehlt der Mut dazu. Der glüdlichere Finder freilid wird dann, 
durch) den Erfolg überlegen, den bequemen Bormwurf erheben: man 
habe eben nicht an der richtigen Stelle geſucht. 

Die Handichrift jelbit, ihre Vorzüge, ihre Mängel Habe ich 
charafterijiert. Aus ihr find beide erften Drude Göſchens unmittel- 
bar erfloffen. Dies ergiebt ji) daraus, daß in der Handfchrift die 
Bogenzählung beider Drude vom Metteur en pages angemerft 
jind; ergiebt fi) auch daraus, daß jeder Drud Lesarteı mit der 
Handſchrift teilt, die der andere verändert hat. Autoriſiert waren 
beide Ausgaben, der Vertrag Goethes mit Göſchen fpricht von 
zweien, und wenn Goethe jpäterhin die geringere Ausgabe verleug- 
net, fo fann das nur daher rühren, daß er fich die Edition größeren 
Formats als eine noch bejfer auSgeftattete erwartet hatte, al3 die 
kleinere gut ausgejtattete. Beide Drude find in Abwejenheit Goethes 
hergejtellt worden; ob Herders Nat, wie Goethe vor der Abreije 
nach Italien dem Verleger freijtellte, eingeholt wurde, iſt unbekannt. 
Sie haben alfo, weil die Handſchrift zugänglich geworden ift, 
an jich feinen Wert. Sie bejiten aber hiſtoriſchen Wert als Ver— 
mittler für die folgenden Ausgaben, und fie haben überdies aud) 
den Wert, daß fie die Unebenheiten der Handſchrift in Schreibung, 
Amterpunftion u. |. w. ausgleichen. Man fieht an ihnen, wie viel 
den Segern auch an diefem Drucdmanujfript, das Goethe „mit viel 
Mühe recht ausgeputzt hat“, zu thun übrig blieb; „ein uger 
Korrektor muß, am Ende doch das beite thun“ hatte der Dichter 
felbft bei der Überfendung an den Verleger geichrieben (Briefe 8, 
11,9. 1550). Und er hat des Guten viel gethan, manchmal, befonders 
in der Bereicherung der Anterpunftionen zu viel. Das Merfwürdige 
ift aber, daß die beiden Drude, obwohl jeder jelbftändig aus der 
Handfchrift abgejegt worden ijt, doc in den Regelungen eine er- 
ftaunlich große Übereinftimmung zeigen. In rund 1250 Fällen, 
wobei Formen der Nechtichreibung, die beim Sprechen nicht zur Ge— 
hör fommen, nicht einbezogen find, gehen fie mit einander gegen die 
Handichrift. Das überjteigt die Folgen gemeinjamer Erziehung und 
Anweiſung von Seter oder Faktor derjelben Druckerei. lberdies 


24 Bernhard Seufiert, Philologiſche Betrachtungen. 


weichen ſie ſogar in orthographiſchen Grundſätzen von einander ab: 
der größere Druck ſchreibt „ein Mahl“ u. dgl., der kleinere „ein— 
nal“; jener trennt Kompoſita viel häufiger u. ſ. w. Und es iſt 
feineswegs ausgemadjt, daß die Trude überhaupt aus einer Officin 
hervorgegangen jeten. Göſchen lieg nod) jpäter an verjchiedenen Orten 
druden, z. B. Wielands Werke teils in Yeipzig, teils in Bajel. 
Jedenfalls aber muß ein Bezug zwiſchen den beiden Wertherdruden 
beitehen. Ta ſie vom gleichen Jahre 1787 datiert find, ift die 
Priorität der einen jchwer feſtzuſtellen: aud) das zwiſchen anderen 
Bänden derielben Ausgaben etwa bejtehende Verhältnis muß nicht 
für diefen Band gelten; find dod) and) von Wielands Ausgaben 
letzter Hand Bünde bald dieter, bald jener zuerjt von Göſchen in 
Zap gegeben. Mus den Texten jelbjt it ebenjo wenig ein zwingender 
Aufichlug zu gewinnen. Wäre der Heinere Trud genau nad) dem 
größeren verglichen, jo wäre manche Ubereinſtimmung zwiſchen 
dDiejem und der Dandjchrift in den Heineren Drud gekommen: 3.8. 
„cs toftet mic) Mühe“ ftatt „mir Mühe“, „was hilft mich's“ ftatt 
„mir's“ u. a. m. Bewahrt doch der größere Trud etwa achtzigmal 
die Yesart der Handſchrift gegen den Fleineren. Umgekehrt: wäre der 
grögere genau nad) den kleineren follationiert worden, jo könnten 
in dieſem nicht Auslafjungen und Entitellungen jich finden. Es muß 
aljo zwar eine Verbindung beider Trude vorhanden ſein, aber die 
Vergleichung der Texte geichah nicht forgfältig, oder der Korrektor 
des Heineren Druckes hielt ſich auch da für beredhtigt, abzumeidyen, 
wo er zwijchen dem größeren und der Pandſchrift Gleichheit be- 
wahrt jah. 

Der fleinere Druck bat fic nicht viel jeltener allein von dem 
Manuſfkripte entfernt als der größere; aber diejer hat bedeutend 
ſchlimmere ſelbſtändige Fehler, Auslaſſungen, die jich jener überhaupt 
nicht bat zu Ichulden kommen laſſen, Aenderungen, die bei jenem 
höchitens unnütze Regelungen, bei dieſem teilweiſe tiefer zerjtörende 
Eniſtellungen find. Und das Verhängnis wollte, daß dieje Ausgabe, 
wie meines Wiſſens Düntzer zuerſt beobachtet hat, für die folgenden 
(Geſammtausgaben benutzt wurde, während der forreftere Drud nur 
auf unechte und halbechte Einzelausgaben wirkte: fo wurde zum 
zweitenmale am wichtiger Ztelle der fehlerhafteite der vorliegenden 
Terte Die Grundlage Für die zukunft. Und das kam jo. Goethe be: 
nützte einen Göſchendruck feiner Werke, vermutlich den befferen, da 
er die Exiſtenz der geringeren Ansgabe ſpäter wie eine Überraichung 
anſah, um darın „alle Druckiehler, Anslaſſungen und was ihm jonft 
vorfam” zu forrigieren und zu notieren für eine künftige Edition. 
Tas war 1788 und 1701. Nachmals aber, mehrere Jahre vor 1797 
war ihm das Gremplar abhanden gekommen, und damit find alfo 


Bernhard Seuffert, Philologijche Betrachtungen. 25 


dieje Verbefjerungen verloren, bis es etwa einmal irgendwo auftaucht. 
Damit war Goethe ferner gezwungen, fich vor der Umarbeitung der 
Werke für die Cottaſche Sammlung ein Exemplar neu zu er: 
werben und er eritand offenbar die billigere Ausgabe Göſchens. 

Diefe hat er num durdhgegangen und „jeder einzelnen Produktion 
die gehörige Aufmerkſamkeit“ gewidmet. Hiermit iſt erwiejen, daß, 
entgegen der Auffafjung von Bernays, der Werthertert von 1787 
nicht die letzte Recenſio des Verfaffers darreicht, daß er alſo auch 
nicht unangetaftet beibehalten werden darf, wo jüngere echte Drude 
Anderungen bieten. Denn wenn wir auch nur für den eriten 
von 1808 das eigene Zeugnis bejigen: „Werther abfolviert“, fo 
haben wir doc, für die zweite Cottaausgabe von 1817 die allgemeiner 
gehaltene Nachricht, daß fie vorbereitet wurde: möglicherweije hat 
aud) am Werther wie an anderen Bänden Niemer Beihilfe geleijtet; 
jedenfalls iſt dem Berleger ein forrigierte8 Exemplar der erften vor- 
gelegt worden, das für den Stuttgarter wie für den Wiener 
Baralleldrud Verwendung fand. Die Ausgaben letter Hand mag 
dann nur Göttling zweimal revidiert haben: er genoß aber die 
Autorifation Goethes und hat über eine Leſung ihn befragt. 

Bon dem äfteften Abdrude Cottas fenne ich zweierlei Exemplare, 
die ſich ähnlich verhalten wie die Doppeldrude der erjten und vierten 
Weygandiichen Ausgabe, geringere verſchiedenheiten haben als die 
Abzüge der erſten Himburgiſchen. Im ganzen iſt der Druck recht 
treu; er regelt Orthographie, Interpunktion, Flexion u. dgl. Das 
Auffälligfte find zwei Kürzungen von „ward“ zu „war“ vor an— 
lautendem d („dieß, die“), wobei das für den Titel von Dichtung 
und Wahrheit maßgebende euphonijche Gefühl die Erklärung abgeben 
fann, warum das jachlich NRichtigere beieitigt wurde. Aber es iſt auch 
möglich, daß es fih um einen Drudfehle, um den Abfall des d 
handelt, der aud) fonjt vorfommt; jo hat der zweite Himburgiſche 
Drud 82,, „ward“ in „war“ verderbt ohne nachfolgendes d; fo iſt 
in Wilhelm Meifters Lehrjahre gewiß achtmal das Wort entitellt 
worden, darunter nur dreimal vor d; und einmal finde ich auch 
das Umgelehrte: „war“ zu „ward“ verdrudt (21, 112,4, 199,25. 
22, 101,34. 146,95. 221,19. 232,1. 239,5. 242,6. 328,11). 

Bedenklich iſt auch, daß drei Briefdaten verändert wurden, von 
denen das eine im verbeſſerten Zwillingsdruck mit der alten über— 
lieferung wieder in Einklang gebracht iſt; das andere erkennt ſich 
leicht als Druckfehler (Juni für Juli); fol darum und weil aud) 
anderwärts, bejonders im zweiten Himburgifchen Drude, Datum: 
verderbniffe vorfommen, dag dritte neue Datum auch faljch fein? 
Es ift ja fein zwingender Grund für die Änderung erfichtlich, es ift 
gleichgiltig, ob der zweite Brief des zweiten Buches vom 10., wie 


26 Bernhard Seuffert, Philologijche Betrachtungen. 


früher, oder vom 26. November datiert ift, er ijt der einzige bes 
Monats; er rüdt durch die neue Tageszahl mehr in die Mitte der 
umgebenden Briefe vom 20. Oktober und 24. Dezember und dem 
feßteren näher, mit dem er inhaltlich das Verhältnis Werthers zum 
Grafen C. gemein hat. Yedenfalls ift auch für die Datumsverände- 
rungen in der Handichrift, die als von Goethe angeordnet gelten 
müſſen, fein triftiger Grund da, im Gegenteil fie verderben mehr 
als fie beffern; die Briefe vom 8. und 17. Dezember jollten ver 
veränderten Kompoſition des Ichten Teiles zuliebe nahe zuſammen— 
fallen, darum werden jie auf den 12. und 14. Dezember gerüdt; 
troßdenm behält der zweite Brief die Friſt von acht Tagen, die vor- 
dem genau die ‚Zeit zwijchen beiden Schreiben traf, bei und weiſt 
damit unnötig auf einen beſtimmten Tag, für den nun fein Zeugnis 
der Stimmung mehr vorhanden ift. Das ijt alſo übler als die.im 
Gottadruc vorgenommene Veränderung, deren Unechtheit mindeſtens 
nicht bewiefen werden kann. 

liberfegte Anderungen finden ſich 111,,, und 189,,. Es ſtand 
bis dahin: „Wir ı Werther und der Fürft) haben... . nichts Ge— 
meines mit einander”, dafür tritt mu „gemein” ein; und bis dahin: 
„es ward nur wenig Edlen gegeben, ihr Blut . . . zu vergiegen“, 
dafür jteht mun: „wenigen“; Lbeidemal vermeidet die grammatiſch 
jtrengere Form die Minverjtändlichkeit. Es iſt feine Frage, daß alle 
Anderungen, die in der erjten Gottaausgabe Werthers jich einitellen, 
einem aufmerfjamen und veritändigen Seker und Korrektor zujallen 
fünnen, 3. 9. auch „mir verſichern“ für „mich verfichern“, „mich 
wurmt es” für „mir wurmt es“ — derlei findet ſich ja auch ſchon 
in dem befjeren Göſchendrucke —, dar anderes ſich als Druckfehler 
erklären läßt, an denen es ja auch im dielem jorafältigen Drucke 
nicht ganz fehlt. Nachdem aber Goethes Nevilion feititcht, muß alles, 
was nicht offenbarer Zerfehler iſt, als vom Dichter herrührend ge: 
achtet werden. 

Und nice anders gebieter es der gleihe Grund gegenüber dem 
zweiten Cottaſchen Drucke. An einer Ztelle geht aud) die Anderung 
über das von einer Druckerei zu Erwartende etwas hinaus. Am 
Antange des Briefes vom 27. Mai ftand: „Ich bin, wie ic) ſehe, 
in Derzuttung, Gleichniſſe und DVetlamation verfallen“; aus „Ber: 
zückung“ war in der Handſchrift eritaunlicherweile „YZüdungen“ 
geworden: jekt wird die alte Yesart, wohl ohne Kenntnis, daß Nie 
Die alte it, wieder aufgenommen. 

Im ganzen entfernt jich der Druck weiter vom erjten Cottajchen, 
als dieier von jeiner Vorlage abaing. Ein Teil der Neuerungen mag 
auf den mir unanffindbaren Neudruck der eriten Gottaausgabe zurüd:» 
geben, der ton für den zweiten die Xorlage gebildet hat. Gemäß 


Bernhard Seuffert, Philologifche Betrachtungen. 27 


Goethes Auftrag find nun viele Kommata geſtrichen worden, dem- 
ungeachtet aber, was dann überflüfjig war, eine Anzahl zu Strich— 
punkten verſtärkt; der Setzer neigt zu großen Anfangsbuchſtaben 
nach Ruf⸗ und Fragezeichen und trennt auch damit die Süße weiter 
von einander. Andere Neuerungen liegen durchaus in der Bahn der 
bisherigen Entwicdlung. Nur eine gewiffe Bedanterie macht fich breit, 
die ich eher Riemer als Goethe zutrauen möchte. 3. B. 29,15: „Da 
ich jo jelten an ein Buch fomme, jo müffen jie aud) recht nad) meinem 
Geichmaffe ſeyn“, wird grammatiſch genau zu „muß e3 aud) recht“ 
verändert. Oder 57,3: „Noch nie war id) glüdlicher, noch nie meine 
Empfindung ... . voller“; vor „meine“ wird „war“ eingejchultet, 
wohl wegen des Wechſels der erſten und dritten Berfon des Subjeft$. 
Ahnlich liegt es 180,5: „Diefer Arm hat fie umfaßt, dieſe Lippen 
auf ihren Lippen gezittert, diefer Mund an dem ihrigen gejtammelt“ ; 
es wird nad „Lippen“ und „Mund“ „haben“ und „hat“ eingefügt 
wegen des Numerusmwechjels. 187,,, fehlt in dem Sate: „nachdem 
er Feuer nachlegen und ſich ... Wein geben laſſen“ das Hilfs- 
zeitwort; „hatte” wird vor „nachlegen“ eingeflit. Auch die Anderung 
100, ,7 ift grammatifch pedantiſch; es jtand: „Lottens Schattenriß 
von der Wand zu nehmen und fie unter andere Papiere zu be- 
graben”; für „ſie“ wird nun forreft „ihn” gejeßt. In anderen 
Teilen beider Cottadrude, dem erjten und dem zweiten kommen 
ähnliche Dinge vor, 3. B. 19, 226,95 und 21, 219,15. Ich glaube, 
dag jie überall die Befugnis, die fi) Setzer und Faktor zu erteilen 
pflegten, überjchreiten, habe auch in nicht autorisierten Druden feine 
jo häufigen Beiſpiele für derlei beobachtet. 

Überdies find die Lesarten dadurch geſchützt, daß auch der 
Wiener Drud des gleichen Jahres, der ja auf diejelbe Vorlage zu: 
rüdgeht und darum als Kontrole dient, fie jo bietet. Diefer Drud 
ift in anderen Bänden zuverläffiger befunden worden als der Stutt- 
garter, für den Werther verdient er daS Lob jo wenig wie für 
Band 45 der Weimarer Ausgabe; aud) hier darf man aljo von 
einem Bande nur vorjichtig auf den anderen ſchließen. Und überhaupt 
erregt das enge Verhältnis zwijchen den beiden Göſchenausgaben, 
die auch aus derjelben Vorlage erfliegen und doch jo häufig unter 
einander gegen jie übereinjtimmen, Bedenfen über den Kontrolwert 
des Wiener Drudes, den man darum nicht preisgeben darf, aber 
doch vielleicht beſchränkter gelten laffen muß, als id) früher meinte. 

Die drei Ausgaben legter Hand, die Kleinoftav, deren Neudrud 
und die Großoftav, haben zur Vervollfommmung und DVerderbnis 
de8 Textes wenig beigetragen. Göttling fand nicht viel zu thun. Auf- 
fällig ift, daß die erfte 6,, für „eine gleichgültige Gegenwart er- 
tragen” wieder „tragen“ einjeßt, wie in den Druden vor der zweiten 


28 Bernhard Scuffert, Philologiſche Betrachtungen. 


Handichrift gelefen worden war; daß die Anderung ein Drudfehler 
it, ergiebt 188,,, wo die durdygängig überlieferte und befjere Les— 
art: das Geftirn „anfehen“ ebenio zu „ſehen“ vereinfadht ijt. Solche 
Andernngen pflegte meines Wiffens Göttling nicht anzuordnen, 
wenigitens nicht ohne Goethes Billigung einzuholen, was hierfür 
nicht geichah. Auch ift zu vergleichen, daß 45, 204,, das richtige 
„anerfennen” des Einzeldruces ebenjo von zweiten Cottajchen Drude 
zu „erfennen“ verderbt ijt. Die zweite Auflage des Kleinoftavdrudes 
legter Hand hat zwar falt die Hälfte ihrer Abweichungen von ihm mit 
der Großoftavausgabe gemein, fann aljo, wie bei anderen Bänden 
zuweilen, aus der gleichen von Göttling abermals überlefenen Vorlage 
wie diefe entitammen, aber nicht deren Norlage fein, weil fie zu 
vicle Eigentiimlichfeiten in Formen allein bejikt. Der legte Drud 
jteht näher zum erjten legter Hand, Drudverjehen finden fi) auch 
hier wie überall, daneben ein paar Beſſerungen im Stile der Gött: 
lingichen Reviſion. 


Uberblicken wir die lange Reihe der Drude, fo fällt das Haupt: 
intereffe auf die Entwidlung des Textes bis zur Umarbeitung und dem 
billigeren Göſchenſchen Drucke. Was danach anı Tert geichah, ift ver: 
hältnismäpig wenig und ändert ſeinen Charakter nicht erheblich. Für die 
Zertgeichichte jind unmittelbar wichtig: die erite und dritte Weygand- 
iiche Ausgabe, weil fie die erite Handſchrift repräjentieren; die dritte 
Himburgiiche Auflage als die bisher wahrfcheinlichite Vorlage für 
die zweite Dandichrift; der geringere Druck Göſchens als Norlage 
für die ſpäteren Ausgaben; der erite, zweite, dritte und fünfte Drud 
Cottas als Medaftionen Goethes und jeiner antorilierten Helfer. 
Tazu fügen sich als (lieder der Kette die übrigen Editionen 
Wenygands bis 1775, deren jiingjte auf Himburgs Terte wirkte; 
die zweite Himburgiſche als Norlage der dritten; der bejfere Göſchenſche 
Druck wegen temer Verbindung mit dem geringeren; der Wiener 
Druck, weil er dieſelbe Vorlage bat wie der zweite Gottafche; der 
vierte Cottaſche, weil er vielleicht dasielbe Verhältnis zum fünften 
befigt. Alle übrigen Drucke, deren ich noch 33, einſchließlich der 
Titelauilagen, aber ausjchlienlich dreier von Dirzel verzeichneter und 
ausichlieglich der mir befannten ZToppeldrude, gejchen habe, und 
zwar die meiſten in mehreren Gxremplaren, fommen für den Text 
nicht in Betracht. 

Tie Verbindung der Trude ohne die vermuteten) wird in 
dem nebenjtebenden Stemma überjichtlich. 

An dieſer Zuſammenſtelung wird beionders auffallen, daß 
mehrmals eim neuer Druck von zwei älteren abgeleitet it. Ich war 
velbjt von deren wiederholtem Vorkommen, gar unter den Nachdrucken, 


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Tr. qui 
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nal Hhaplauu 2042 AK 


30 Bernhard Seuffert, Philologiſche Betrachtungen. 


die man ſich auf die bequemſte Weiſe hergeſtellt denkt, überraſcht. 
Dieſe Miſchdrucke bieten die Parallele zu den alten Miſchhand— 
Ichriften und ihr Erjcheinen unter den Nachdruden giebt die will: 
kommene Erlaubnis, mit der Annahme von Mifchhandjchriften nicht 
zu jparen in der bei mir wenigiteng früher ſehr lebhaften Befürch— 
tung, fie jei nichts als ein Erflärungsnotbehelf. 

Miſchungen verjchiedenjten Grades begegnen in den Werther: 
texten. Ich habe gejagt, daß der dritte Weygandiſche Drud aus dem 
zweiten jtammt und die handichriftliche Vorlage des erften daneben 
benußt hat; ebenfo, daß der erſte Himburgiſche wahrſcheinlich aus zwei 
Vorlagen erwachſen ſei. Ein Nachdruck Hanau und Düſſeldorf 1775 
fußt auf einem Nachdruck Freyftadt 1775, 232 S S. eignet ſich aber die 
Zufäge der dritten Ausgabe Weygands an. Die dritte Himburgijche 
Auflage wurde nad) der zweiten abgejekt, jedoch nach dem ſechſten 
Weygandiſchen Trude forrigiert. Die Handſchrift der zweiten Faſſung 
muß, falls ſie auf d dem dritten Himburgiſchen Text beruht, wegen 
der Ergänzung einer Lücke noch einen andern Druck benutzt haben. 
Handelt es ſich bis dahin nur um die Verbindung von Varianten 
einer Faſſung, jo tft von unn an die Milchung der zwei Gejtalten 
des Romans möglich. Wunderlich iſt ein fo äußerliches Anlehnen 
an beider Titel, wie es im Nachdruck Frankfurt und Yeipzig 1795 
geſchieht: er folgt nad) Stichproben nur dem Texte der befferen 
(Böjchenausgabe, hat aber im Titel die Bezeichnung: „Erfter Theil. 
Erſtes Buch”, „Zweyter Theil. Zweytes Bud)“ neben einander; 
Teit werden die Hälften in der eriten Faſſung, Buch in der zweiten 
benannt ich habe dieſe geringfügige Miſchung im Stemma nidht 
zum Ausdrucke gebracht. Ein Nachdruck Frankfurt und Leipzig 
1790 acht anf einen Nachdruck der erjten Faſſung Frankfurt md 
veipzig 1789 zurück, nimmt aber dazu für jenen eriten Teil noch 
Yesarten und Stücke ans dent unechten Miſchdruck Weygands von 
1357, wahrend er Tür den zweiten Zeil fih an dem alten Terte 
genug ein laßt, Jo dan alfo z. B. die Epiſode vom Banernburjchen 
war anfangt, aber nicht abichliert. So blender diefe „neue ver- 
beſſerte Auflage“ den Käufer auf die ſchamloſeſte Weite. 

Der Miſchdruck Weygands, den dieſer Baſtard benutzt, hat eine 
lange Währung. Er wurde 1587 hergeſiellt, als Göſchen die neue 
Faſſung des Romans zuerfi veröffentlichte. Weygand, bis dahin der 
hberechtigte Verleger, wollte weder ſeinen Nerlagsartifel aufgeben, 
noch wagte er einen vollftändigen Nachdruck der neuen Faſſung; fo 
unternahm er eine Miſchung aus beiden in der Abſicht, damit feine 
Kinzelausgabe konkurrenziähig zu erhalten. Er Ichaltete nicht nur 
Die neuen Brieie ein, er übernahm auch die Neufompofition des 
Schlußberichtes und Jogar in die alten Briefe jtiliftische Neuerungen. 


Bernhard Seuffert, Philologiſche Betrachtungen. 31 


Ich rüde als Probe die beachtenswerten Stellen des Briefe vom 
23. Mai (14,,) ein, jo, daß in der Mitte der Tert des Weygand- 
iihen Miſchdruckes fteht, darüber die Abweichungen des lebten 
Wepganddrudes von 1775 (E), darunter die Varianten. der beijeren 
Göſchenausgabe (S). 


E| manchem 
Daß das Leben des Menſchen nur ein Traum fey, iſt manchen ſchon fo vor⸗ 


s | 


E jo 
gelommen, .... Wenn ich die Einſchränkung anſehe, in welche die thätigen 
S welcher 
E find, Würk⸗ 
und forſchenden Kräfte des Menſchen eingeſperrt find: ..... wie alle Wirk—⸗ 
E J ſamkeit Zwek bemahlt. 
ſamkeit dahinaus läuft, .. Zweck ... Punkte .... Ausſichten bemahlt — 
s| Buncte 
E | zurüf Wieder einig. Daß 
Das... zurück .... Welt! wieder...... darınn.... einig; daß . . herum— 
S \ darin 
E f gleichwie jene nicht fommen und Zwekken 
taumeln, und wie jene, nicht wiſſen ... kommen, und... Zwecken ... regiert 
8 und, regieret 
E ( werden, fann’3 weis diejenige glüflichiten 
werden: da3.... man kann e8... weiß... diejenigen die glücklichſten find, 
8 
Ef die Kindern in Tag Buppe Reſpekte 
die, ... Kindern, in den Tag ... ihre Puppen... mit großem Reſpecte ..... 
S Reſpect 
E ( berumfchleichen ufferbrod Gewünſchte 
umherſchleichen .... Zuckerbrot hinein verſchloſſen hat, ... gewünſchte ... 
8 geſchloſſen 
E9 Ballen Mehr! das glükliche Geſchöpfe! iſts an⸗ 
— Baden ... Mehr! — das find Sfüciche Geſchöpfe ... iſt's ..... an⸗ 
8 Das 
E | fchreiben. Wohl der fo dem's Gärtgen 
| jchreiben. — Wohl .... wer da ſieht .... dem es wohl ift, fein Gärtchen ... 
S 
E f zuzuftuzzen weis dann doch Unglükliche 
zuzuſtutzen weiß ... unverdroſſen auch der Unglückliche ... 
8 
E | intereffirt jehn, ja! jtill glüklich dann ſo 
intereßirt ..... ſehn; — Ja der iſt ſtill, ... glücklich . . dann, jo... ſüſſe 
8 | intereffirt ...  fehen; — füge 


E J von 
Gefühl der Freyheit ... . 


sl 


32 Bernhard Seuffert, Philologifche Betrachtungen. 


Ich denfe, die eine kurze Probe genügt, die Miichung Har zu 
machen. Nad) Gründen, warum der Miichdrud doch mande alte 
Lesart noch behält, obwohl er zumeijt die neuere vorzieht, wird 
man im einzelnen nicht fragen dürfen. In gleicher Weije wählt 
auch der erite Teil des erwähnten Frankfurt-Leipziger Drudes von 
1790 aus feinen zwei Vorlagen willfürlid) aus. 

Der Weygandiiche Miſchdruck fand nad, Jahren eine Art An: 
erfennung durch Goethe. Ter Verleger wünichte fünfzig Jahre 
nach der bei ihm verlegten eriten Wertherausgabe eine Jubiläums— 
edition zu veranjtalten; für fie gab Goethe auf fein Erſuchen etwas 
Neues: die Einleitungsverfe „Noch einmal wagjt du, vielbeweinter 
Schatten” u. ſ. w. Als Tertvorlage benutte Weygand feinen Miſch— 
drud. Riemer hat die vier erjten Bogen mit Goethe revidiert (es 
find wohl nur zwei in die Druderei gefommen, da man fich über 
das Honorar für Riemer nicht verftändigte,, nahm aber feinen An- 
jtoß an dem Mijchtert, den er ja nur bei einer Vergleichung hätte 
erfennen können. Es ift aljo wohl die Ausgabe diejes im Oftober 1824 
pünktlich erjchienenen, vor der Korreftur aud) auf dem Titel mit 
diejem Jahr bezeichneten, dann aber, neuerer Berlagsgepflogenheit 
gemäß von 1825 datierten Druckes von Goethe autorijiert, Damit aber 
nod) nicht der Tert (den Weygand 1832 nochmals und nad) Bernays 
Ipäter wiederum zu Markte trug:. Daß der Weygandiſche Miſchdruck 
von den Fehlern Pimburgiſcher Tradition und denen der billigeren 
Söjchenausgabe ungefährdet blieb, verſchafft ihm feine tertgejchicht: 
liche Bedeutung; diefe würde er erft dann gewinnen, wenn alle vor 
dem Dimburgiichen Drude liegenden Einzelausgaben Wengands ver: 
loren wären. Auch eine Beitätigung fir die Yesarten der beileren 
Göſchenausgabe, die Bernays daraus gewinnen wollte (S. 17 feiner 
Schrift, Anmerkung , kann er nicht leiten: denn Göſchens Tert tit 
eben seine Norlage, die er weder beitätigen noch nicht bejtätigen 
fann, jo wenig wie eine Miſchhandſchrift die Yesarten ihrer Vor— 
lagen durch die Derübernahme bekräftigt: hätte Weygand zufällig 
den geringeren Text Göſchens gewählt, jo würde er ebenjo gut diejen 
beftätigen, d. h. auch dieſen nicht beitätigen. 

Nicht immer iſt es To leicht wie bei der Weygandiſchen Aus: 
gabe des „Jahres 1357, die ſich auf dem Titel als „ächte vermehrte 
Ausgabe” ausichreit und die alten Titelverie jomie die eingebürgerten 
Titelmedaillons beibehält, bier aljo ſchon Altes bewahrt und Neues 
veripricht, einen Miſchdruck feitzuitellen. Dean muß fich hüten, bei 
dem Auffinden von einzelnen gleichen Yesarten in Drucken, die jonjt 
feine Berwandtichaft haben, Meiichungen anzunehmen. Zufälliges Zu: 
ſammentreifen ſpielt recht oft. Zo haben von dem tm älteften Drud 
zur Verbeſſerung angemerften ‚schlern nicht korrigiert 24,, „ſchwerer“: 


Bernhard Seuffert, Philologiiche Betrachtungen. 33 


die Trude Freyjtadt 1775 143 SS. und 232 SS. und Biel 1775; 
27,24 und 36 „Better,“ „jeyn.“: diejelben und Frankfurt und Leipzig 
1775, während diefe Texte bei der Korrektur der anderen angeordneten 
Beilerungen auseinander gehen. 38, 15 ſteht „habe allerlei”, dafür hat 
der Nachdruck Freyitadt 1775 143 SS. ebenfo wie der jüngere 
Weygandiſche Drud, der dritte von 1775, „hab“. 48, 17 ſteht „drüber“; 
trogdem lejen beide „darüber“. 59,95 fteht „andre“; troßdem beide 
„andere“. 123,14 „wollt“; trogdem beide „wollte“. 138,, „Ange: 
ſichte“; trogdem beide „Angejicht". Eine Verbindung beider Drude 
bejteht aber dennoch nicht. 6,, wird bis zum dritten Himburgiſchen 
Drud einſchließlich gelefen „tragen“; die Handfchrift ordnet „ertragen“ 
an, aber die Kleinoftavausgabe legter Hand verfällt in die erjte 
Lesart zufällig zurüd. 58,, lieft ſchon der Himburgiſche erſte Drud 
„ſehen“ wie der dritte Weygandiſche von 1775 ftatt des ihnen über- 
lieferten „jehn“; ebenjo 105,,4 „angejehen“ für „angejehn”; 62,24 
(ejen beide und Freyſtadt 1775 224 SS. „liebenswürdigften“ für 
„Liebenswürdigen" u. |. w. Unbegreiflicher ijt, daß 10,,, der zweite 
Himburgiſche Text wie die älteren Weygandausgaben „krankes“ Lieft, 
während jeine Vorlage das auch nicht finnwidrige „kleines“ ihm bot. 
Auch die Handichrift, die dod aus dem dritten Himburgijchen 
Drude oder einem nahen Verwandten abgeleitet ift, trifft etwa 
jiebzehnmal mit Selbftändigfeiten des zweiten zujammen, wobei 
freilid) nur ein Fall 95,18 „Angelegenheit“ für „Angelegenheiten“ 
einiges Gewicht hat. 

Solch zufälliges Zufammentreffen hat alfo nicht felten jtatt — 
ih könnte leicht eine größere Ausleje vorlegen, die aber jeder aus 
den Lesarten zur Weimarer Ausgabe finden kann —, es darf ihm 
gegenüber den entjcheidenden Kriterien der fonftigen Abſtammung 
feine Bedeutung beigelegt werden; aud hier Miſchdrucke zu Fonfta- 
tieren wäre abjurd. Vor- und Rüdiprünge in den Lesarten gehören 
durchaus zur normalen Entwidlung. Beachtenswert ift das Zuſammen— 
treffen höcdhfteng darum, weil man daran Proben von beliebten Ande- 
rungen findet. Dafür aber bietet die Wandlung des Werthertertes 
überhaupt reiche Beijpiele und es dünft mich allgemein lehrreid), da= 
bei zu beobadyten, was bei der Vererbung eines Textes zu- 
fällig und abfichtlidy entjtellt zu werden pflegt. Ich ordne 
die Beifpiele in Gruppen, wie fie mir dienlich fchienen. 

Gleich der Titel, der uns Philologen befonders gefeit ift, ge- 
nießt nit nur im Munde der Leer, wie man täglich beobachten 
fann, und bei citierluftigen eiligen Schriftftellern feine Achtung: auch 
die Druder mißhandeln ihn. Er lautet zuerft: „Die Leiden des 
jungen Werther.“ Troß dieſes Plurals fteht gleich) im Wormorte 
der Singular: „Schöpfe Troft aus feinem Leiden”; an einem un— 

Euphorion. VII. 3 


34 Bernhard Seuffert, Philologifche Betrachtungen. 


zuverläffiger überlieferten Werke würden wir UÜbereinftimmung ber: 
ftellen. Und in der That Hat der Korreltor des Neudrudes der 
Kleinoktavausgabe letzter Hand gefett: „aus feinen Leiden“; aber 
für ihn war das faum eine Ausgleichung, denn er fonnte dem Titel, 
den er vor fich Hatte, nicht anjehen, ob er pluralifch oder fingularifch 
war, der Artikel war weggefallen. Daran find Himburgs Nachdrude 
ſchuld. Der erfte läßt dem Romane vor dem erjten Zeile überhaupt 
feinen Zitel (er hat auch die Verje auf beiden Titeln übergangen) 
und fürzt ihn vor dem zweiten zu „Leiden Werthers”. Die zweite 
und dritte Auflage Himburgs bewahrt den Titel bis auf den Artikel 
„Die“, und darum fehlt diefer auch in der neuen Handſchrift und 
allen daraus fließenden echten Drucken der zweiten Faſſung. Man 
braudt nur an die Titel: Die Laune des Verliebten, Der Triumph 
der Empfindfamteit, oder an Die Novelle (wie Goethe wollte), Die 
guten Weiber, Die MWahlverwandtjchaften jich zu erinnern, um zu 
jehen, daß Goethes Handichrift nicht abjichtlich, jondern gedantenlos 
der willfürlichen Vorlage gefolgt ift.!) Die Sorglofigfeit für den 
Titel fommt auch im Schwanken der Flexion des Eigennamens zur 
Geltung. In dem von Goethe durchgegangenen älteiten Cottadrucde 
jteht im Vorwort: „Die Geichichte des armen Werther“; früher war 
auch hier fleftiert: Werther. Die jüngere Form ebenjo für den 
Titel anzuordnen überjah der Dichter; aber auf dem von ihm auf: 
merkſam forrigierten Titelblatte der Jubiläumsausgabe akzeptierte er 
fie. Der Druder der Zafchenausgabe letter Hand dagegen führte die 
fleftierte Form des Titels, die ihm vorlag, fonjequent wieder im das 
Vorwort ein. 

Die Tatierung der Briefe unterliegt anfangs geringer Am 
fehtung. Der dritte echte Drud läßt beim erjten Briefe die Jahres— 
zahl weg, obwohl er fie beim Beginne des zweiten Teiles, wo das 
Jahr bald wechielt, beibehält: das ändert jachlic nichts. Der vierte 
verdruct einmal Juni für Juli (112,175) und der Irrtum wurde nur 
vom Reuttlinger Nachdrude 1784, jonjt in der echten und unedhten 
lberlieferung nicht mehr berichtigt, obwohl er aus den chronolo- 
giichen Angaben der umftehenden Briefe ohne bejondere Mühe zu 
verbejfern war. Goethe jchob bei der Nenbearbeitung davor ein 
Priefhen ein, das nın von Anfang an das falfhe Datum Juli 
befam: es muß Dies von Goethes eigener Band gejchriebene 
originale Datum geändert werden, weil es auf falicher Voraus— 
jegung ruht. 


) Ter Titel „Reife der Zöhne Megaprazons“ iſt nicht fo autbentifch über 
liefert, daß er als Gegengewicht auf die Schale gelegt werden dürfte. Im Zitel 
„Unterbaltungen deuticher Ausgewanderter“ ift auch der Genetiv ohne beflimmten 
Artılel. 


Bernhard Seuffert, Philologifche Betrachtungen. 35 


Im Nachdrucke Freyitadt 1775 224 SS. und danad) im erften 
Himburgiſchen Drude it der 12. Oktober (1772) in den 10. ver- 
derbt worden, obwohl in Folge defjen zwei Briefe vom gleichen 
Tage ftammen. Im zweiten wird 26. Mai (1771) für 16. uni, 
15. Juli für 16., 28. Juli für 18, 6. Juli für 26., 24. De- 
zember (1772) für 21. Auguft, 26. Oktober für 19. und glei) 
danad) 19. für 26. gedrudt; einige von diefen Verderbniſſen find 
erflärlich, andere aber, befonders die, mwelhe Tag und Monat 
ergreifen, jpotten vernünftiger Erwartung. Die in Karlsruhe, Reutt⸗ 
lingen, Frankfurt und Leipzig erjchienenen Nachdrucde dieſes Nad)- 
drucdes vefiern drei davon aus; bei zweien war es aus den um- 
gebenden Briefen leicht (18. und 26. Juli), das richtige Datum für 
den dritten (19. Dftober) konnte nicht gefunden werden, weil aud) 
das nächſte Datum in ihrer Vorlage verderbt war: es wurde aljo 
hier auf einen 16. Dftober geraten. 

Daß auch in der Handihrift Yuly für Yuny, May für März 
verjchrieben wurde, ift erwähnt; der zweite Fehler blieb bis zum 
eriten Cottaifhen Drude einjchlieglid in Geltung; ebenjo jind die 
Datumsveränderungen in dieſem Drude befprochen. In der zweiten 
Auflage Cottas jprang beim ‘Drude 131,10 die erfte Ziffer 2 aus 
(man fieht den Raum für fie im Exemplare noch), fo daß ſtatt des 
21. November der 1. zu lefen ftand und auch von den Taſchenaus— 
gaben legter om gelejen wird. 

An den Einichnitten und Abſätzen des Romanes ift nicht viel 
gerückt worden. Am fühnften verfuhr der Berner Drud von 1775: 
er bejeitigt die SZmeiteilung ganz und gar. Die unter fid) ver- 
wandten älteren Nachdrucke von Freyftadt 1775, Hanau und Düffel- 
dorf 1775 und Wahlheim 1777 laſſen 66,, mit „Doch“ einen neuen 
Abjag beginnen, der das Zwiegeſpräch AlbertS und Werthers deut- 
licher abhebt, aber nicht nötig ift. Umgekehrt hat der Wiener Drud 
von 1817 95,54 einen Abjat angeſchloſſen, deilen Abtrennung dod) 
wünjchenswert war. Auch der Schreiber der Handſchrift hat mehr- 
mals angejchlofien (was, nebenbei, die oben vorgetragene Vermutung 
ftügt, daß er eine handfchriftliche Vorlage hatte; einer gedrudten 
gegenüber war das Verjehen jchwerer), ein paarmal hat Goethe ihn 
verbefiert, 118,, hat er überfjehen, 153,,, fann der gute Anjchluß 
beablichtigt fein: in dem jtarf überarbeiteten Schlußberichte mupten 
ja auch neue Abtrennungen vorgenommen werden. Unter den neuen 
gulägen der zweiten Faſſung fticht bejonders der Brief über Lottens 

anarienvogel (120,5) durch häufigeres Abſetzen heraus, als jie 
irgend ein anderes Stück aufzeigt: eine mehr dramatische Schreibart 
zur Verſtärkung des Hinüber- und Herüberſpielens der Handlung 
und des Geſpräches zwifchen Lotte und Werther. 

3*. 


36 Bernhard Seuffert, Philologifche Betrachtungen. 


Auslajjiungen haben jich viele Nachdrude, jelten echte Ausg: 
gaben zu jchulden kommen laffen. Gleid) der von Strapburg und 
Hanau 1775 und der damit nicht zujammmenhängende Wahlheim 
1777 haben 6,,, in dem Satze: „Ich habe meine Tante geiprochen 
und habe bei weitem das böje Weib nicht gefunden“ 2c. das zweite 
„habe“ getilgt; auch anderen Segern war die Konjtruftion ohne 
Grund anjtögig: vom zweiten Weygandiichen Drude des Jahres 
1775 an wird dafür wiederholt „ich habe“ und fo fteht noch in 
der Handfchrift, wo die Worte gejtrichen werden, jo dan aljo jene 
Nachdrucke den berichtigten Text Goethes vorweggenommen haben! — 
Der Wahlheimer Drud läßt dann 48,, den ſyntaktiſch entbehrlichen 
Sat aus: „und fie nun da liegt in dem erbärmlichen Ermatten“, 
wozu die Abirrung von „und“ zu „und“ verleiten konnte. Von allen 
mir befannten Weygandiſchen Texten läßt nur der legte des “Jahres 
1775 ein paar Heine Lüden: 33,,,7 fällt das entbehrliche „viel“ 
(„mit viel Bedeutung“), 42, „wie“; es hieß: „Du hättet jie jehen 
jollen, wie fie... beichäftigte, wie fie... erhob, ... wie fie... er- 
zählte, ... umd mie fie... lobte... und wie fie fand ....“ Die 
legte Konjunftion wird bejeitigt, dadurd) der foordinierte Nebenſatz 
zum tjolierten Hauptſatz; ich glaube aber nicht an die Abjicht, die 
lange Periode um ein Glied zu verkürzen, id) glaube an ein Abirren 
von „wie“ zu dem nächiten Worte „fie“. 

Biel Teichtjinniger jind die Himburgijchen Seßer verfahren. Der 
der zweiten Ausgabe läpt nicht weniger als 24 einzelne Wörter aug, 
zumeijt ſachlich entbehrliche Einjilbler, einmal zwei Wörter; der des 
dritten fügt zwar einige derjelben wieder ein, läßt aber 41 andere 
Wörter aus, und zwar bis zu Komplexen von jieben Wörtern. Es 
fehlen: „die «viermal, des, einem, '3, ihr, drum, her, auf, zu, jo 
(viermal, jehr, gar, je, nun, dann, den, und (zweintalı, fajt, vielleicht, 
alle, fleinen, junges, unerträgliche”: durd) Abirrung: „ich fürdhte; 
über mein Elend, und jpottete; Poſſen viel; die eure Dörfer weg: 
jpulen; wie ein Meer; die ich höre, es tit Alpius Stimme; id) konnte 
aber nicht dazıı fonımen -aberratio von: ftimmen,; Adieu! ft Albert 
bei Ihnen? und wie — 7?” Nur die beiden legten Fälle jtören em- 
pfindlid) den Sinn. 

Mit Ausnahme der legten Yüde, deren Füllung dem Schreiber, 
ich wein nicht woher, vorlag, blieben alle des dritten Himburg— 
drudes in der neuen Dandichrift und ihren Nachkommen offen. Ja, 
der Schreiber vermehrt die Zahl. Davon trägt Goethe einiges nad); 
anderes fann in des Schreibers Vorlage von ihm geitrichen geweſen 
jein, er fann cs aber auch überjehen haben. Wenn in der Oſſian— 
Überjegung der Zar: „wo die rothe Frucht von Baume herblinkt“ 
ohne jeden erdenfbaren Anlap und Grund ausgefallen it, jo kann 


Bernhard Seuffert, Bhilologifche Betrachtungen. 37 


ebenfo zufällig 10,,, der Sat in Berluft geraten jein: „Eine traurige 
Bemerkung hab ich gemacht“ und 126,5 das Satzglied: „hier ihre 
Ohrringe auf dem Tiſchgen“ u. a. m. Es war gewiß der Zuftand des 
Zimmers ſchärfer gezeichnet, wenn es urjprünglich hieß: Werther jah 
„rings um fich Lottens Kleider, hier ihre Ohrringe auf dem Tiſchgen, 
und Alberts Skripturen, und diefe Meubels“ zc., al3 nad) dem Weg- 
fall des Ywiichengliedes; immerhin mochten die Ohrringe allzuviel 
feines Detail zu fein jcheinen. So mag aud) 44,5; die Speije „ge: 
brodtes Brot in Milh“ zur „Milch“ vereinfacht jein. Und das 
Wort „heimlich“ in dem Sage: „ob er jie nicht manchmal heimlich 
mit feiner Eiferfüchtelei peinigt“ 59,5; fann dem Tonfall geopfert 
jein; das verjtärfende „in der Welt“ im Sage: „fein Argument in 
der Welt bringt mich jo aus der Faſſung“ 67,,, fann als über- 
flüifig getilgt worden ſein; „thränenreich” in der Wendung „nicht 
Eine jelige thränenreihe Stunde” 96,55 mag von nüdjterner Er- 
wägung als unverftändlich befeitigt fein: die Zeit der Thränenjeligfeit 
war in den achtziger Jahren erlojchen. Doch alles Nachdenken zur 
Erklärung der Lüden iſt vielleicht Afterweisheit, der Zufall, die 
Unaufmerffamfeit, zu viel und zu wenig Schreiberflugheit fann alles 
verurjacht haben. Sicherheit ift nicht zu erreichen; und jo mag fehlen, 
was &oethe fehlen ließ außer dem Satze, auf den Oſſian fein 
Recht hat. 

Die billige Göſchenſche Ausgabe ließ dann noch vier einjilbige 
Wörter aus („itieg, jelbit, was, die“), einmal ein attributives Par: 
tizipadjektiv („bedrängten”) und einmal durch Abirrung einen Sag 
(83,17). Wenn im ältejten Drude Cottas 78,; „um die ich fie feither 
etlichemal gebeten hatte” das entbehrliche „ſie“ fehlt, jo kann dag 
dur) den Zuſammenſtoß der mit } anlautenden Wörter verjchuldet, 
aber aud) von Goethe forrigiert jein. Auch der Wiener Drud, der 
neben der zweiten Cottaausgabe hergeht und aus der gleichen Vor— 
lage zu ftammen pflegt, hat zwei Einſilbler ausgelaffen („nun, 
ſtark“), einmal auch zwei id) folgende Wörter „mit einander”. In 
dem Göſchenſchen Einzeldrud, der von 1787 datiert, aber ficher 
wegen der Bogenzählung mit Ziffern jtatt mit Buchitaben, wegen 
des Fehlens des Cuſtos u. |. w. erheblid, jüngeren Alters tjt, fehlt 
„0, und, habe“ und wohl noch anderes. 

Aus den angeführten Beijpielen ergiebt jich, dag in einem Proſa— 
tert die einfilbigen Wörter am wenigſten gejchüßt jind und daß 
jolde, die zum Sinne entbehrlich, wenn aud für die jtiliftijche 
Färbung wichtig jind, leicht in Werlujt geraten, befonders in der 
Nachbarſchaft anderer einjilbiger Wörter. Es zeigt fich ferner, daß 
auch attributive Adjeftive wiederholt verloren gehen. In diejen 
Fällen Hat aljo der Seger einen Teil der Vorlage überlejen und 


38 Bernhard Zeufjert, Philologiſche Betradytungen. 


bis er ihn zu Ende jette, die entbehrlichen Wörter aus dem Ge: 
dächtnis fallen lafjen. Ein anderes iſt es, wenn er von einen 
gelegten Wort zum andern, vom Gejekten zur Vorlage zurüdfehrend 
durd) die Gleichheit der an: oder auslautenden Budjjtaben und 
Silben abirrt: dies iſt zumeijt die Urſache des Wegfalls von Sägen 
oder größeren Satgliedern, wenn auch nicht immer. Für eine 
Reihe von Auslaffungen ift überhaupt fein Anlaß zu erfennen: der 
Zufall waltet. 

Seltener natürlid” als Auslajjungen kommen Zujäke vor. 
42,16 folgen ſich drei parallele Süße, der dritte mit „und“ ange: 
hängt; der dritte Himburgiſche Druck giebt aud) dem zweiten ſchon 
em „und“. 54,5, jchreibt der zweite dieſes Verlegers: „alle ihre 
Unſchuld“, obwohl in der Lorlage „alle“ fehlt und er an anderer 
Stelle dieg Wort tilgt. Ter geringere Göſchendruck fügt zu „rings 
um mid)“ ein unnützes „herum“ 126,,5 der Wiener Trudf von 
1817 vor „oft“ 131,1, „ſo“ ein. Die zweite Ausgabe Himburgs 
verjtärkt den Parallelisnus der Süße 153,;: „Ich wünjche nichts, 
ich verlange nichts“ durch das Einfchalten des zweiten „id“. Der 
legte 75er Weygandiiche Druck ſetzt 188,,, das „dir“ Hinzu in dem 
are: „Tauſend Küſſe Hab id) dir drauf gedrückt“: doc) wohl ein 
Doppeljchen des „dr“ in „drauf“, vielleicht aud) aus „dardrauf“ 
oder dergleichen entjtanden: auch 75,,, hat dieſer Druck ein „in“ 
aus dem kurz WVorbergehenden wiederholt, diesmal jinnlos. Alle 
Zuſätze, mit Ausnahme des letzten, zeigen, wie ftarf die Setzer von 
dem Stile des Werfes beherricht waren: jie müßten als authentiſch 
angeiehen werden, wenn jie im eriten Drucke jtänden! 

Vertauſchungen von Wörtern jind häufiger. Sm Datum 
wird „den“ und „am“ wiederholt vor der Lageszahl vertaujcht, ohne 
dan Nomequenz erzielt Wird. 15,0, „der da“ für „der jo”; 18,90 
„oder“ für „und“; 66,15 „die“ Für „dieſe“: 69,1% „eines“ für „des“ 
ohne Recht: 72, „zwar“ für „aber“ (unmögliche: 94,25 „hernach“ 
für „nachher“: 101,15 „nicht“ für „nie“; 101,20 „Zimmer“ für 
„Saal“; 105,- „vorber” für „vorhin“: 109,- „vorjtellen“ für „dar: 
ſtellen“ dadurch wird zweifelhaft, ob die gleiche Vertanſchung in der 
Pandſchriit 111,, beabiichtigt iſt: 137,2: „einſt“ für „ſonſt“; 
191,. „ſchien“ jür „bon“. Auch bier find, wie man fieht, zumeift 
einſilbige Wörter von der Verderbnis getroffen und der Erjag iſt jo 
geartet, dag er den Sinn nur einmal ftört; dieſe Störung, Die 
Vertauſchung der logiichen Korrelata „zwar“ und „aber“ ift befonders 
merkwürdig für die pinchologiiche Arbeit des Setzers. (Cine andere 
Reihe zeigt deutlicher als das bisher Werzeichnete den Urjprung in 
Zikichlern: 108,15 „hen“ für „hieß“, 150,, „Mühſeligkeit“ für 
„Mäüdjeligkeit“', 131,13 „aller“ für „voller”, 132,5 „himmliſche“ 


Bernhard Seuffert, Philologifche Betrachtungen. 39 


für „heimliche“, 186,; „auch“ für „ach“; alle neuen Lefungen find 
möglich. „Mühſeligkeit“ ijt vielleicht nicht zufällig entjtanden, ſondern 
ſoll Verbefferung des ungewöhnlichen „Meüdfeligfeit” fein, wie 128,38 
„verlechzter“ für „verlechter“ eingejegt wurde. Zweifellos Drud- 
fehler ijt jedoch 11,,, „mein“ für „nein” in der Brunnenfcene (das 
befannte „o mein Herr”). In diefem Zuſammenhang muß die 
Stelle 30,, erörtert werden. Die zwei älteften Drude Weygands 
lejen: „als Werther Lotte über ihre Lektüre urteilen hörte, fam er 
ganz außer fich, fagte ihr alles, was er mußte”; vom dritten an 
jteht „wußte; wo liegt nun der Leſe- oder Satzfehler? 97,10 hat 
die zweite Auflage Himburgs „müſte“ ſtatt „wüßte“, wo letzteres 
unbedingt notwendig iſt; an der erſteren Stelle kann es aber ebenſo 
gut heißen: ſagte ihr alles, was es ihn zu jagen drängte, als: fagte 
ihr alles, was ihm befannt war; und nur die im ganzen überlegene 
Authenticität des jüngeren Drudes zwingt zum Tletteren, obwohl 
es auch hier Fehler oder Konjektur fein kann. 

An den Bertaufchungen iſt am meijten der nadjläffige Setzer 
der zweiten Himburgiichen Auflage beteiligt, und die dritte folgte 
ihm hier, unbeirrt durch die verglichene beffere zweite Vorlage. 
Aber aud) andere Nachdrude, echte Weygandifche Drucde, der Wiener 
Druck von 1817 haben vereinzelt vertaufcht; der legte „Zimmer“ 
für „Saal”, obwohl er an anderer Stelle dies Wort in Bezug auf 
den gleichen Raum bewahrt, fonjt würde man einen abfichtlichen 
Wechſel annehmen müffen. 

Daß Setzer und Korreftoren aud) mit Überlegung änderten, 
vor allem nad ihrer Gewohnheit regulierten, auch richtig ältere 
Terjehen befjerten, ift vielfach in allen Druden zu fehen. Die 
Ihmwanfende Orthographie und Interpunktion der erjten Aus⸗ 
gabe wurde immerfort geregelt, ohne je zu einem ſtarr konſequenten 
Abſchluß zu kommen. Die Drucke nach der zweiten Handſchrift 
haben damit neu anfangen müſſen, zumeiſt Adelungs Vorſchriften 
haben ihnen und den Nachfolgern nach Goethes Willen geholfen, es 
bleiben aber doch Sonderneigungen beſtehen. Die Göſchenſchen Drucke 
haben der Handſchrift gegenüber die Interpunktion rund tau— 
ſendmal vermehrt und normiert. Die Schreiber zeigen ſich viel 
nachläſſiger in der Interpunktion, ſie ſparen ſie auch da, wo ſie er— 
wünſcht, ja notwendig iſt; ſie ſetzen nach Strichpunkt großen An- 
fangsbuchjtaben, fie laffen anderes halb. Überall greifen die Setzer 
normierend ein und fie thun jchon damals, wie, nad) meiner Erfahrung 
wenigſtens, auch heute, gerne zu viel. Die Bermehrung der Kommata 
zieht die Verjtärfung anderer zu Strichpunkten nad) fih. Ein fpä- 
terer Seßer oder Faktor liebt die Sätze überhaupt durch ftärfere 
Sapzeichen zu zerfchlagen und durd) große Anfangsbuchjtaben nad) 


40 Bernhard Seuffert, Philologiſche Betrachtungen. 


Frage- und Nufzeichen weiter zu trennen. Sein nädjjter Nadjfolger 
dagegen hat wieder abgeſchwächt. Und doch iſt die Anterpunttion, 
jelbft das VBermehren oder Vermindern der Kommata, feineswegs 
gleichgültig: es verändert den Vortrag erheblich, macht ihn jtoden 
oder fließen, erregt oder gelajien. Und daß jtärfere Veränderungen 
den Sinn ergreifen, ift jo felbftverjtändlich, daß kein Beiſpiel (etwa 
55,,) beijprochen zu werden braudıt. 

Auch die Neigung zu vollen oder gefürzten Endungen und 
Mortformen mirft auf den Stil, drängt ihn zur gehobenen 
Scriftipradhe oder zur familiären Umgangsrede. Auch darın 
ſchwanken die Drucke alle. Der dritte bis fünfte Weygandiſche Trud 
vermehrt die vollen Formen; andere apofopieren wenigſtens, um 
den Hiatus zu vermeiden. Im ganzen ijt ein Zug für dag fchul: 
grammatiſch Korrefte erfennbar. Die apojtrophierten Formen 
ſchwinden mehr und mehr; und auch im Inlaut fiegen die Formen: 
Deren, jtehen (beſonders jeit Göjchen), darauf (für drauf) u. dgl. m. 

ezeichnend iſt der Fall 135,.0, wo aus dem alten „aufgelegt“ durd) 
Drudfehler in der vierten Weygandiſchen Ausgabe „aufgelget” wird 
und daraus dann „aufgeleget”, das allerdings von der dritten Auf: 
lage Himburgs an wieder der eriten Form weicht. Und es Ichren 
auch diefe Trude, daß der Zert des Autors in Sekerhänden jo 
wenig vor dem ſprachlichen Individualgeſchmack und der gramme: 
tiſchen Mode geichütt ijt wie in Schreiberhänden. Dieſe haben die 
Formen „darinne,“ „zurüde” vermehrt; die nad der Bandfchrift 
gefegten Drude bevorzugen „darin“ u. j. w. Ferner: bis zum jechjten 
Drude Weygands und zum dritten Himburgs fteigt die Schreibung 
„gen“ fiir die NVerkleinerungsfilbe an: von der Handſchrift an tritt 
jie zumeift zurüd: haben die Echreiber auf Goethes Anordnung 
oder aus eigenem geändert? wächſt die Neigung für „gen“ bis 1779, 
dringt von der Witte der Achtzigerjahre an „chen“ vor? Welche 
Grammatiker ftehen ſich hier als ‚Führer gegemüber?1: Die Schreiber 
haben die Endfilbenform ren, len vermehrt, danach weicht fie vor 
ern, eln allmählich zurück. „Ergepen“ und „ergögen” ſchwankt 
durchaus, noch der Neudrud der Ktleinoftavansgabe letter Band 
bevorzugt die letztere Schreibung, nachdem zuvor die eritere das 
Übergewicht befommen hatte. „Schreden” korrigiert Goethe in der 
Dandichrift wiederholt aus „Schröcken“, „heirathen“ aus „heurathen“; 
und dod) treten die friiher beliebteren Laute aud) jpäter wieder in 
Truden auf. „Ahnden“ weicht 1807 dem „ahnen”, „vor“ den „für“. 
„Ohn-“ steht noch häufig unforrigiert in der Handſchrift, Die 
Drucke danach jegen zumeiit „un⸗“. „Denn“ und „dann“ ſchwankt 


) Im Wörterbuch tritt Adelung für chen gegen Bödicker Wippels gen ein. 


Bernhard Seuffert, Bhilologifche Betrachtungen. 41 


nach Segerwilltür, das leßtere gewinnt an Ublichkeit. „Gäh“ und 
„zeither“ werden im beiten &öjchendrude gegen die Handjchrift zu 
„zäh“ und „either“. Und ebenjo hier „druden, Hub, ſtund“ u. a. zu 
„drüden, hob, ftand“. Ein Nachdruck vom Jahre 1787, der wohl 
fälſchlich Göſchens Firma trägt, fest zumeilen „uiber, uibel“ für 
„über, übel“. Anderwärts ſchwankt „einzele" und „einzelne“. 

Gerade weil die Nadydrude diefelben Wandlungen zeigen wie die 
echten Ausgaben, wird man deren Anderungen nicht alle durd) Goethes 
oder feiner DVertrauensmänner Geheiß erklären dürfen. Die Seker 
und Korreftoren jind konſequenter al3 wenigſtens die neueren Schreiber 
oder gar der Autor. Der Dichter erfcheint fonfervativer, der 
Schreiber jogar reaftionärer, die Seger und Faktoren folgen den 
jtegreichen Neuerungen der Grammatifer. Die Schreiber find viel- 
leicht durchs Altendeutich, den Kurialftil verdorben; anderes mag 
ihrer Mundart angehören. Die Druderei dagegen arbeitet auf die 
Schriftfpradhe hin, wenn aud) die verjchiedenen Drudorte in ver- 
ihiedener Weife; es wird aljo bier nicht wie im Mittelalter die 
etwa gewollte Gemeinſprache des Verfaſſers in Dialekt umgejekt, 
jondern umgefehrt, dialeftifche Bejonderheiten de8 Autors (3. 3. 
„Treppen“ für „Zreppe”, „mich weis machen” ftatt „mir weis machen“) 
müffen der Gemeinjpradye weichen. Aus gedrudten Spradyformen 
wird man nie fichere Schlüffe auf Gewohnheiten der Verfaſſer ziehen 
dürfen; ſolche Schriftbilder gar, wie es noch immer gefchieht, für 
Kennzeichen der Autoren anzufehen, daran die Verfafjerfchaft eines 
Werkes erraten zu wollen, jollte man ganz vermeiden. Damals wie 
heute fann ein eigenwilliges Lautbild nur durd) hartnädigen Eigen: 
iinn des Verfaſſers der Druckerei abgerungen werden. Die Ortho- 
graphie der Dichter ift lediglich aus ihren Niederfchriften zu erfehen, 
die Geſchichte der Schriftipradhe iſt auch zu Ende des 18. Jahr— 
hundert3, und ich glaube nod) länger, zupörderft eine Gejchichte der 
Sprache der Grammatifer und Drucdereien, hinter denen man erft 
den Schriftiteller vorziehen muß. 

Die Selbftändigfeit der Druder greift ja bis in die Flexion 
und NReftion, in Genus und Wortfolge ein. 

Der Blural „Sinnen, Schelmen, Bhantomen“ weicht vor „Sinne, 
Schelme, Phantome” ſchon an einigen Stellen der Handichrift, häu— 
figer von den Cottadruden an zurüd. Der Genetiv Singular „Frauen“ 
wird in der zweiten Ausgabe Cottas befeitigt, vielleicht unter Goethes 
Billigung, weil auch an anderer Stelle „der Frau“ jteht, obwohl 
no in den Wahlverwandtichaften die alte Form gebraudt wird. 
Ebenjo ift der Genetiv Singular „Piſtolen“ im vierten Weygandifchen 
Trude geändert worden. Der Akkuſativ „Wilhelmen“ 153,17 ijt jeit 
dem fünften flexionslos geworden, Albert dagegen bleibt ſchwankend 


42 Bernhard Seuffert, Philologiſche Betrachtungen. 


fleftiert. Der Genetiv des Perſonalpronomens heißt urjprünglich 
„unferer“ (90,,; und 164,,8); nur an leßter Stelle tritt in der 
Bandiärit „unſer“ ein („um unfer beider Ruhe“), wofür aber der 

eter des billigeren Göſchendruckes wieder die frühere Form giebt. 

Das attributive Adjektiv nach ftarf fleftiertem Worte wird immer 
häufiger ſchwach gebeugt, wenn aud) Reſte der ftarfen Flexion fid) 
noch bis in die Ausgaben legter Hand erhalten haben. — „Wegen“ 
mit Dativ 34,,, wird vom dritten Drude Himburgs an mit Ge 
netiv verbunden. 

Urfprünglich hieß e8: „die Kinder nichts weis machen“ 50,11; 
vom jechiten Weygandifchen und dritten Himburgiſchen Terte an tritt 
der Dativ der Berfon ein, wie er 112,,, von Anfang fteht, wo 
jedoch ftatt des Akkujativ der Sadje ein Daß-Satz folgt. — „Heißen“ 
wird bald mit Dativ, bald mit Afkujativ der Perfon verbunden. — 
Tom Anfang bis zur PHandſchrift einſchließlich fteht „mich koſtet 
es, mir rufen, mir wurmt e8, mid) helfen, mid) verjichern“; dafür 
tritt jeit Göſchens beſſerer Ausgabe und der erften Cottas ein: 
„mir foftet es, mich rufen, mich wurmt cs, mir helfen, mir ver- 
ſichern“. 

Bis zur fünften Ausgabe Weygands iſt „Mayenkäfer“ auf- 
fallender Weiſe Femininum; von der ſechſten und von Himburgs 
zweiter an Maskulinum. — Das grammatiſche Geſchlecht bei Bezug 
auf Frauenzimmer und auf den Titel Fräulein gewinnt allmählich 
den Vorzug vor dem ſachlichen. 

Im Numerus wechſelt „manche“ und „mancher“ ohne Ver: 
änderung des Sinnes. — „Wurzel ſchlagen“ und „Wurzeln ſchlagen“, 
jo der Wiener Trud 1817, der aber aud) 179,14 „Blume“ ftatt 
„Blumen“ jegt, jo dar aud) jene Neränderung zufällig ſein fann 
und nicht dem Sprachgebrauch entjtammen mug. So wird aud 
95, 14 „Angelegenheiten“ in der vierten Weygandiihen Ausgabe ge- 
leien jtatt des Zingulars, und umgefchrt 21, „Seltenheit“ vom 
jungen Göſchendruck und 107,7, „Yamentation” vom zweiten Him— 
burgiichen für den Plural ihrer Xorlagen. Anders zu beurteilen als 
dDieje aus Verſehen geänderten Numeri iſt 26,17. Goethe gebraucht 
nach heimischer Weite „Treppen“ — Stufen, jein Schreiber Tchrieb 
„die vorliegende Treppen“ ftatt des früheren „vorliegenden“; die 
nachfolgenden Drucke mupten alſo ji für Singular oder Plural 
entfcheiden umd fie wählten den Zingular, der ihrem Sprachgebrauch 
näher lag. 

„Wollten Sie mir wohl Ihre Piltolen leihen“ 181,, wird vom 
geringeren Söfchendrude an zu „Wollen“ ꝛc. Außerlich ähnlich ift 
48,,, die indirekte Rede „wollten“ in die direfte „wollen“ verändert. 
‚serner wird 60,,, im zweiten Himburgiſchen Text fir „ich fpotte 


Bernhard Seuffert, Philologifche Betrachtungen. 43 


über mein Elend und jpottete derer, die jagen könnten” u. f. w. 
gelejen: „und fpotte derer”. 32,,, hieß es „die wenigiten fünnen 
walzen“; der junge Göſchendruck ſchränkt das auf die damals Tan- 
zenden ein: „konnten“. 133,9, jteht „ſeh' “in genauer Beziehung zu 
133, 21 „gehe“, dazwifchen aber jteht ein Präteritum, und fo wurde 
vom dritten Himburgijchen Zert an „jah” gelefen. 169,,, wird „war“ 
von der vierten Ausgabe Weygands dur „it“ erjegt, obwohl das 
Borhergehende und Nachfolgende im Präteritum vorgetragen iſt, 
allerdings fo, daß einzelne Formen („fehrt” ftatt des deutlichen 
„kehrt'“) für Präfentia gehalten werden fonnten. Und fo ilt in der 
Oſſianüberſetzung wiederholt ein Schwanfen in der Auffaffung des 
Verbs als Präteritum oder Präjens bemerkbar, weil die alten Drude 
in der Derwendung des Apoftrophs unpünftlih waren: 3. 8. 
174,; „drückt“: richtig „drückt'“ im zweiten Himburg; 174,5 „er: 
reicht“ : richtig „erreichte“ im dritten Himburg; 174,13 aber „zer- 
ihmettern” mit Umfpringen ins lebhaftere Präjens: trogdem „zer: 
ſchmetterten“ vom fünften Drude Weygands an u.a. m. Nad) und 
nach ging jo die urjprüngliche Ruhe und Beweglichkeit der gleichen 
und ungleichen Zeitwahl verloren. 

Dieje Fälle jind fchon deutliche Angleichungen und jtiliftiiche 
Slättungen. Solcher find mehr zu verzeichnen. 27,15 ſtand: „ihre 
Handſchuh und Fächer zu. nehmen”; das wird vom Seker der 
ſechſten Weygandiſchen Ausgabe gebeffert zu: „ihren Handſchuh“, in 
der zweiten Cottaiichen Auflage (aljo vielleicht von Goethe) zu: 
„ihre Handſchuhe und den Fächer“ 2c. 19,5 fteht: „Gleichniffe und 
Teclamation”, der Wiener Drud von 1817 gleidt an: „Decla- 
mationen“. 51,, hieß es: „jie (Lotte) jah mid) nicht”; nachdem 
aber vorher zweimal Lottens Augen Subjekt find („fie gingen von 
einem zum anderen, auf mich fielen jie nicht“), bezieht der zweite 
Trud Himburgs aud) dies Pronomen auf die Augen und jegt: „fie 
jahen mich nicht“. 151,7 iſt von einem Abgrund die Rede, in den 
Werther ſeine Qualen und jein Leiden hinabſtürmen will; die dritte 
Dimburgiihe Auflage bildet die Vorſtellung finnlicher fort und 
druckt alſo: „hinabſtürzen“. Nur der erſte der hier angeführten Fälle 
beweiſt Überlegung, die anderen konnten durch Befangenſein im 
Textverlauf unwillkürlich eintreten. 

Und ſo ſcheint mir an anderen Stellen das dem jeweiligen 
Drucker Gewöhnlichere bevorzugt. Vom vierten Druck Weygands an 
wird geleſen „ein Herz, wie das meinige 5,5 für „das meine“; 
30,95 „weggelaſſen“ für „ausgelaſſen“; 60,, Prätenjion an einen 
machen (wie 123,,, von Anfang an jteht: Prätenfion an etwas 
haben) für das vorherige „auf einen”; 94,97 „Mangel an“ für 
„Mangel von”; 77,15 Albert in Aften vergraben“ für „begraben“ 


44 Bernhard Seuffert, Philologiſche Betrachtungen. 


(wie 100,,,, vielleicht tiefer gemeint, fteht: den Schattenrig Lottens 
unter andere Papiere begraben). „ 

Hierher ordne ich aud) den Übergang aus dem Pofitiv in dem 
Komparativ und Superlativ: 38,,, „meine weiten Wanderungen“; 
feit dem zweiten Drude Himburgs und dem ſechſten Weygands: 
„meitern“. 50,, „immer eifrig fortwuſch“; ſeit dem dritten Him— 
burgs: „eifriger“, wobei der Ausgang des vorherjtehenden „immer“ 
eingewirft haben kann. (Umgekehrt wird 63,, „nichts Lächerlichers 
als“ lediglich durch Drudfehler in der zweiten Auflage Himburgs 
verderbt zu: „Lächerliches“.) Häufiger tritt der Superlativ ein für 
den Pofitiv: 33,,; ihre liebenswürdigite Miene (der junge Drud 
Göſchens; es gehen drei Superlative vorher); 36,,, der herrlichite 
Negen (Weygands Inbelausgabe); 48,, in den erbärmlichiten Er- 
matten (jeit dem vierten Drud Weygands); 62,:, der liebenswür: 
digiten Familie (jeit dem fünften und jchon vorher Freyſtadt 1775 
224 SE. und danach im erften Dimburg); 90,,; der Glücklichſte 
(jeit der zweiten Auflage Cottas); 176,, in der volliten Qerzweiflung 
(jeit den vierten Drude Weygands). Nur zweimal fand ich umgefehrt 
den Pofitiv für den Superlativ: 36,,, der erquidende Wohlgerud) 
(Wien 1810); 127,,, der natürliche Trieb (jechite Ausgabe Weygandsi. 
Ich bemerfe übrigens ausdrüdlih, daß ich nur die für die Text: 
geichichte wichtigen Drude volljtändig follationiert habe, von anderen 
nur drei Bogen oder irgend eine Summe von Stichproben. Es 
fönnen alſo dieje Zujammenjtellungen nicht als ſtatiſtiſch erjchöpfendes 
Diaterial betrachtet werden; immerhin glaube ich genug gejammelt 
zu haben, um die charafteriftiichen Erjcheinungen zu faſſen. 

Endlich fei noch auf ein paar Störungen der Wortfolge hin- 
gewieien. 20,, „daß er auf der Wieſe ſich mit ein paar Gänſen 
herumjage“; dafür jeit dem fünften Druck Weygands: „er fi auf 
der Wieſe“ u. ſ. f. 21, „viel Mühe hat mich's gefoftet”; dafür 
im Wiener Druck von 1817 „hat's mich“. 105,, „Was hat midh’s 
(daraus Dandjchrift: mich es jchon gekoſtet!“ dafiir „es mich” u. ſ. w. 
in der bejferen Söfchenichen Ausgabe. 93,,, „io will ich zehn Jahre 
nocd mid anf der Guleere abarbeiten“; dafür „noch zehn Jahre 
mich“ in der zweiten und „zehn Jahre mich noch“ in der dritten 
Auflage Himburgs. In allen diejen Fällen handelt e8 ſich um 
veflerive Wendungen. Es fommt aber auch jonjt Qeränderung der 
Wortfolge vor. 188,50 Stand in der erjten Faſſung: „als du's viel- 
leicht lieſeſt“; dafür jekte der Nachdruck Freyſtadt 1775 (143 SE.) 
„Du es“ und dann jein Nachfolger Wahlheim 1777: „du viel: 
leicht es“. , 

Gewiß ift ein Zeil der Anderungen, die ih in all dielen 
Gruppen verzeichnete, als Leſe-, Schreib- oder Setzfehler zu beur- 


Bernhard Seuffert, Philologische Betrachtungen. 45 


teilen, ich habe gelegentlich jchon darauf aufmerffam gemacht; aber 
doch nur der Tleinere. Die meijten müſſen abfichtliche Änderungen 
jein, wozu doch auch die gezählt werden dürfen, die das Neue als 
das Gelbftverjtändliche unmillfürlih, d. h. ohne das überlegende 
Suchen nad) einer Beilerung bringen. Es wird fid) die Grenze nicht 
Iharf ziehen lafien. Daneben giebt es eine Fülle einfacher Bud): 
itabenfehler, die feine Beachtung verdienen, weil fie fein neues 
Lautbild geben. Allerdings ijt aber nicht ausgeſchloſſen, daß ſolche 
Fehler auch manchen Änderungen vorausgingen, die dann der Kor- 
reftor vornahm, ohne Rüdficht auf die Vorlage. Daß auch Drud: 
fehler im engften Sinne, Fehler beim Abzug des Sates Verwirrung 
anrichten fünnen, ift bei Beſprechung der Datierungen (Wegfall einer 
Ziffer von zweien) berührt. Ein bemerfenswertes Beiſpiel aus dem 
Texte ift der Ausfall des E in „herumfrabbein“ 134,, in der Zajchen- 
ausgabe letter Hand; die beiden fo jorgfältigen Nachfolgerinnen, 
der Neudrud und bie Großokladausgabe, leſen dann wirklich: „herum 
rabbeln“, das nun einen unverdienten Platz im Grimmſchen Wörter— 
buch gefunden hat. An anderer Stelle wird der Sinn durch das Ab— 
fallen eines t im erſten Drucke Cottas — in einigen Exemplaren 
ſieht man noch die Lücke dafür — verdunkelt. „Was braucht's 
Nahmen! Erzählt die Sache an ſich! ..“ ſteht 60,6 und von der 
neuen Handſchrift an ijt mit beutlicherer Hervorhebung des kon— 
ditionalen Zujammenhanges der Säte „erzählt” Klein gejchrieben. 
Nachdem aber das t an dieſem Verbum abgefallen war, wurde der 
neue Satz jelbftändig und darum hat ihn der zweite Cottadrud 
wieder mit großem Budjjtaben eingeleitet. Wie jonderbar ijt doc) 
dieje8 imperative: die Sache foll erzählen! und doch haben es die 
folgenden echten Druce bewahrt und den Weg Hinter die kleine und 
doch bösartige Verftümmelung nicht zurücgefunden. 

Im großen und ganzen wird man nicht verfennen, daß etliche 
der an den älteren Druden vorgenommenen Anderungen Vorberei- 
tungen zur Umarbeitung Goethes bilden. Die Formen unterwerfen 
jih der fortfchreitenden Grammatik des Schriftjtiles, einzeln und in 
Bezug auf die Verbindung „druden, Schröden, verdrüßlich” u. |. w. 
weicht der heute üblichen Schreibung; „findt, ältfte, ehgejtern” wird 
zum fchriftlichen „findet, ältejte, ehegeitern”; „diejenige“ wird num 
„diejenigen“ fleftiert u. dgl. m. Ich vermag es im einzelnen nicht 
weiter zu belegen, als es in obigen Ausführungen niedergelegt iſt. 
Auch die Interpunktionswandlungen verhelfen zu dem Gejamtein- 
drud, daß ſchon vor der handfchriftlicyen Umarbeitung des Romanes 
eine Fortbildung des Textes im Sinne der Neujtilifierung begonnen 
war. Selbft der der Neugeftaltung charafterijtifche Wegfall des „jo“ 
und „all” war fchon in Anfägen vollzogen. Ermägt man nun, daß 


46 ‚Bernhard Seuffert, Philologifche Betrachtungen. 


die Handjchrift aus den am weiteften abgeleiteten Druden jtammt, 
daß ferner der Schreiber jo gut wie die Seker nod) weiter änderte, 
teil in deren Sinn, 3. B. durch Ausfaflungen, teils nach feinem 
reaktionären Sprachgefühl, jo erhellt, daß der ftiliftiiche Abjtand 
zwifchen dem erften ‘Drud und der Umarbeitung feinesmegs aus- 
Schließlich Goethes jtiliftifche Entwidlung bedeutet. Ya, e8 muß die 
Möglichkeit eingeräumt werden, daß Goethe durch jene ungewollte 
Meodelung für die eigene formale Durchbildung des Werkes beein: 
flußt worden ift. 

Aus diefer Sadjlage ergiebt ſich, daß nicht alles, was als Ver⸗ 
derbnis der Vorlage der neuen Handjchrift erfannt werden fann, in 
der urjprünglichen Faſſung hergejtellt werden darf, e8 muß davon 
beibehalten werden, was der Gejammtart der Gocthiſchen Stilijierung 
nad) auch er geändert haben würde, wenn er es nicht fchon jo ge: 
ändert vorgefunden hätte. AndererjeitS verjteht jich von felbft, dag 
Goethe manchmal durd) Verderbniffe zu Beſſerungen veranlaßt wurde, 
die er ohne jene nicht oder nicht fo vorgenommen hätte. So jtand 
im alten Text 15,2, „der jo Sieht“; daraus bildet die zweite Auf: 
lage Himburgs: „der da ficht“ und dies nimmt der Schreiber in 
die Handſchrift auf: Goethe beffert: „wer da ſieht“; die urfprüngliche 
Lesart hätte er nach anderen Vorgängen wohl geändert in: „wer 
jieht*. Oder 15,96: „mie unverdrojfen dann doch auch der Unglüd: 
liche .. fortleicht*; die dritte Himburgiſche Ausgabe verdirbt zu 
„dann noch“ und dies jinnftörende „noch“ veranlagt wohl den 
Wegfall beider Wörter in der Handſchrift, der ohne den Druckfehler 
faum eingetreten wäre. Oder 59,.5: „das iſt die Sünde, die id) 
ärger hafje am Menſchen als alle andre“: dafür jegt derjelbe Nach— 
drucker thöricht: „als alles andre“ und der Fehler bleibt aufrecht; 
der erjte Tert wiirde wohl zu „als jede andere” nmgebildet worden 
jein. Hier iſt aljo ein Beiſpiel, wo (Hoethe durch die Textentſtellung 
an der Anwendung feiner ſonſt geitbten Stilifierung vielleicht ges 
hindert wurde. 

Dean fieht hieraus, wie unſicher einzelne Tertjtellen geworden 
find. Und überhaupt: der Derausgeber des Werther fteht vor der 
Notwendigkeit einen Text zu bilden, der jo niemals eriftiert hat. 
Tenn er kann nicht bei der erhaltenen Handſchrift ftehen bleiben, 
ob fie gleich durd) Goethes Norreftur die jtärfite Gewähr für ſich 
hat, fünnte es nicht, and wenn den Schreibern feine Irrtümer und 
Eigenheiten nachgewieſen wären, nicht, anch wenn fie ganz drudreif 
wäre: er muß die ‚Fehler beieitigen, die (Hoethe unabjichtlich aus jeiner 
Vorlage übernommen hat. Niemand wird behaupten, fie jeien durd) 
Goethes Handſchrift anerfanıt, denn es ılt Zinnentftellendes darunter, 
dejien Beachtung ſich dem Autor trog aller Sorgfalt verbarg; und 


Bernhard Seuffert, Philologifche Betrachtungen. 47 


ift dies zu bejjern gegen die Handfchrift, fo ift auch alles andere 
zu befiern, was vor der Handichrift gefehlt worden war. Alles 
andere, dod) mit der Einfchränfung, jo weit es nicht im Sinne der 
neuen Redaktion liegt. Und auch die aus den übernommenen Fehlern 
entjpringenden Irrtümer, wie dad Datum 112,,,, find zu ändern, 
obwohl Goethe es jo und nie anders gejegt hat. Endlich iſt ja nad) 
der Handſchrift auch die Redaktion der jüngeren echten Drude zu 
berüdjichtigen. Thatſächlich alſo muß ein Idealtert fonftruiert werden, 
der in diefem Wortlaute niemal® vom Autor gegeben worden ilt; 
eine Aufgabe, die man bei aller Bevorzugung des irgendwie autori- 
tativ übermittelten Wortbejtandes, bei aller Folgeſtrenge im Ein- 
ihägen und Abwägen der Überlieferung nicht ohne willfürliche 
Entſcheidungen des Sprachgefühls leiſten kann. 


Dieje Notwendigkeit darf Philologen, die ſich mit Zerten alter 
Zeit befafjen, eine gewilje Befriedigung gewähren. Obgleich die 
Beglaubigung durch den Verfaffer, die ihren Handichriften fait aus- 
nahmslos fehlt, in neuer Zeit zumeift vorhanden ift: aud) modernen 
Zerten gegenüber bleibt ultima ratio da8 Spracdgefühl, das bei 
der gründlichiten Schulung und reizbarften Feinheit ſich irren kann 
und irrt. 

Überhaupt wünfchte ich, daß diefe Erörterungen nicht eimjeitig 
als Darlegung über den Text der Leiden des jungen Werther ange- 
jehen werden möchten. Sie wollen durchaus allgemeinen Zwecken 
dienen. Der Drud der Neuzeit erhellt Probleme, vor die ung die Hand- 
ſchrift des Mittelalters ftellt. Der Seger hat jeine Individualität 
wie der einjtige Berufsfchreiber die feinige. Und der Autor wird 
durch fie umhüllt. Hinwieder: die Arbeit, die wir Zerten von viel- 
hundertjähriger Vergangenheit fchulden, bedürfen die um ein Jahr— 
hundert zurüdliegenden Schriften nicht minder. Und war die 
Sorgfalt, die ein Goethe bei feiner ererbten und wenigſtens feit der 
italienischen Reife mehr und mehr bethätigten Sammel- und Ord— 
nunggliebe und bei dem Willen, alles Nötige zu thun, auf die 
Reinheit der Überlieferung feiner Werke wendete, zu Klein, jollten 
alle andern Schriftfteller vor ihm und nad) ihm bis heute wad)- 
famer fein? Der Philologe muß es für jie fein. Denn die Grund: 
lage aller Litterarhiftorie, aller Poetif alter und neueſter Zeit bildet 
nur: das echte Wort. Soweit. möglich es zu finden, iſt erfte Pflicht. 


48 Hermann Fiſcher, Neues über Georg Rudolph Wechherlin. 


leues über Georg Rudolph Weckherlin. 


Bon Hermann Filcher in Tübingen. 


Der kleinen Mitteilung, die ich unlängft über Wedherlin gegeben 
habe, fann id) gleich eine größere nachfolgen laflen, die mir durch 
einen Zufall Jahre lang verborgen geblieben ift. Ich habe 1888 im 
der Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 163, einige Nachrichten 
über den Tichter gegeben aus den reichhaltigen Sammlungen in den 
Reports of the Commission on historical manuscripts. Seit dem 
jechjten Report ift nun nod) eine ganze Reihe weiterer erfchienen, 
von denen jreilih nur in einem einzigen, hier aber an mehreren 
Stellen, Wedherlins Name vorkommt: in Band 1, 2, 3, 9 des Appendir 
zum zwölften Report. Es find hier nicht weniger als 31 Nummern, 
die feinen Namen enthalten: aus den Jahren 1627, 1632, 1684 und 
1640 je eine, 1637 und 1638 je zwei, 1633 und 1635 je drei, 
1636 und 1639 je adıt; eine ift ohne Datum. Die meiften ftammen 
aus dem Nachlaß von Sir Kohn Eofe, der 1682 big 1640 Staats: 
jefretär war und in deijen Dienjte Wedherlin als Unterſekretär ftand; 
auch da8 Dofument von 1627 jtammt dorther, obwohl Weckherlin 
damals noch unter Cokes Vorgänger Dorcheſter diente; das jpätefte 
it ein Schreiben von Cokes Nachfolger Sir Harry Vane an Gofe 
vom 4. Februar 1640, worin er fich bereit erklärt, Cokes „servants’’ 
Poole und Wedherlin („Waferlein”) in jeinen Dienft zu übernehmen: 
den erjteren most willingly, den letteren ohne ſolchen Zuſatz. Ob 
vielleicht Weckherlin jchon damals ſuſpekt war? Friedrich Althaus hat 
(Allgemeine Zeitung 1888, Beilage Nr. 145) einige Mitteilungen aus 
dem Jahre 1640 gemacht; wenn aud die Bemerkung vom 7. Te 
bruar über ſchlechte Einnahmen wenig bejagen will — denn welcher 
Beamte wird je behauptet haben, er ſei zu gut gejtellt? — jo fällt 
in das Jahr 1640 das Spottgedidht auf den Höfling Abraham van 
Dort, in das folgende die durch Reiffericheid aufbewahrten Berfuche, 
eine ſchwediſche Agentenjtelle zu befommen,!; und Anderes werde id) 
nachher anzufiihren haben. Althaus weilt darauf hin, daß Wedherlin 
nicht unter den königlichen Beamten war, die durch das lange Parla- 
ment in Anklagejtand verjekt wurden. Er wird alſo ſchon vor dem 
Februar 1644,75 in welchem er Secretary for foreign tongues bei 





', Tuellen zur Geichichte des geiſtigen Lebens 1, 589 ff. 
°®: Nicht 1643, wie Altbaus angiebt; er bat die damals noch in Gngland 
allgemeine Gewohnheit überſehen, die neue Jahreszahl erft an Oſtern zu beginnen. 


Hermann Fiſcher, Neues über Georg Rudolph Wechherlin. 4) 


dem neugegründeten Kommittee beider Königreiche wurde, nicht zu 
den engeren Anhängern des Königs gezählt haben. 

Natürlich ift das meifte in diefen Dokumenten für Wedherlins 
Perjönlichfeit ohne Bedeutung. Aber aus einigen ift doch etwas zu 
erfahren. In zwölf Schreiben, welche wohl alle, die meiſten aus- 
drüdlich, an Coke gerichtet find, ift er nur als dritte Perſon erwähnt; 
darunter iſt das oben erwähnte undatierte und das vom 4. Februar 
1640.) Bon diefen find wieder fünf ganz belanglos.?) Vom 12. No- 
veniber 1632 ift ein Schreiben von Robert Sparfe an Cofe,3) das von 
Streitigfeiten des Schreiber8 mit dem Lord von Bangor handelt; es 
heißt da: Sir, I am weary in opposing greatness, and may no 
longer resist my Ordinary. All that I desire of Mr. Weckerlin is, 
that he continue to me as I have proved to him. I wish the 
great Judge to reveal the truth and to give every one his due. 
Wenn hier Widerwärtigfeiten angedeutet find, fo heißt es im nächſten 
Jahre in dem Schreiben von Thomas Witherings an Cofe vom 3. Juli 
1633*): Mr. Weckherlin hath from time to time writ me, yet 
never advised me of the receipt of any. I do not write this 
for that I doubt the miscarrying of any, but that I think it 
my duty to give your Honour a punctual account of this His 
Majesty’s service. Am 12. Januar 1637 fchreibt John Williams, 
Biſchof von London, an Cokes) in einer ınir nicht befannten, wie 
e3 jcheint, jfandalöjen Sadje: Be pleased to let my good friend 
Mr. Weckherlin keep these frivolous papers until the 3rd of 
February. Aus zwei Briefen geht etwas über Weckherlins Aufenthalt 
hervor: am 9. September 1636 berichtet‘) aus Weſtminſter Peter 
Demand über SicherheitSmaßregeln gegen Plünderung von Häufern: 

shall not be lacking in my uttermost care for my neighbour 
“Mr. Weckherlin’s house in Gardener’s Lane; und am 12. Auguft 
1639 fchreibt Richard Boole:”) Mr. Weckherlin is now in the 
Forest with his family. 

Drei Briefe find an Wedherlin gerichet. An 22. September 1636 
\chreibt ihn Nathaniel Smith) unter anderm über Inſtruktionen für 
den Grafen Leicejter über einen Vertrag: Your Lordship must take 


1) Das unbatierte, 12. Rep., App. 3, S. 154, ift bedeutungslos; das bon 
18410 fiehe 12. Rep., App. 2, 251. 

2) 1627, 4. Auguft: 12. Rep., App. 1, 312; 1633, 22. Mai: 12, 2, 12, 
5. Auguft: 12, 2, 27; 1535, 15. Oktober: 12, 2, 98; 1639, 2. Mai: 12, 2, 224. 

3) 12. Rep., App. 1, 480. 

9) 12. Rep., App. 2, 25. 

>) 12. Rep., App. 2, 152. 

5) 12. Rep., App. 2, 140. 

’, 12. Rep., App. 2, 240. 

s) 12. Rep., App. 2, 141 f. 

Euphorion. VI. 4 


50 Hermann Fiicher, Neues über Georg Rudolph Wedherlin. 


care of two points in your instructions, first not to engage His 
Majesty into any direct war on contravention of his treaties; 
and secondly, that all the assistance to be given on His Ma- 
jesty's part be tied and restrained to the general peace, tlıe 
liberty of Germany, and the restitution of the Princes.!) Am 
23. Juni fchreibt ihm?) aus Mitham ein mir jonft unbekannter 
Richard Daye, offenbar ein Projektenmacher, wie fie jid) an unter- 
nehmungsluftige und geldbedürftige Fürſten gerne heranmadhen 
(Wedherlin konnte das von jeinem württembergijchen Herzog Friedrich 
her fehr gut wifjen): er habe feit langen zwei Dinge verfolgt: the 
planting and propagating of the word of God by redeeming 
impropriations to the Church. and the planting and increasing 
of wood and timber. Er will in a lawful way justifiable at a 
Parliament dem Könige jo viel Geld verjchaffen, als diefer nur 
brauche. Mr. Secretary Coke will be pleased to let me know 
what reward his Honour may judge me worthy of.... The 
King's portion will be so great and the way so easy. that 
Mr. Secretary may lıave a goud matter out of it, and so like- 
wise yourself, who are now grown ancient in the Court of 
England and have taken good pains under divers of this Ma- 
jesty's Secretarys. Mau weiß nicht, ob und was Wedherlin ge: 
antwortet hat; aber auf Trinfgelder, zu deutich gejagt, waren Leute 
feiner Stellung nur zu jehr angewielen; deutlicher fteht das in dem 
Brief, den Sir Francis Wiatt am 11. Juli 1639 an ihn gejchrieben 
hat:s) My suit is that my instructions may be signed by His 
Majesty and returned to me; being on the point to begin my 
voyage l have deposited with Mr. Lucas six pieces for Mr. 
Secretary and four for yourself which T desire you to accept. 

Die ganze Hälfte aber bilden fiinfzehn von Weckherlin ſelbſt 
geſchriebene Briefe, worunter vierzehn an Coke; ich ordne ſie der 
Zeit nach.“ 


Den 11. September 1634, The Exchange, London. — Thanks I here 
most humbly yield unto your Honour for your favour in my Warrant. ft 
mit dem franzöttichen Gejandien, a very free gentleman, as I found him at 
this first <ıeht I have had of him, zuiammen geweien.>) 


‘ı Weiterbin iſt auf eine Zwiſtigkeit Weckherlins mit Yord Zcudamore Bezug 
genommen. Ich verjiche aber den Zuiammenhang nicht recht. Weder MWedberlin 
noch ſein Borgeiebter Cole hatte den Titel your Lord-hip; ſollte der eigentliche 
Adreſſat gar nicht Weckherlin ſelbſt fein? 

=: 12. Rep.. App. 2, 186. Adreiic: to Mr. Ralph Weckherlin; man weiß, 
daß Rudolf Weckherlins Rufname war 

12. Rep.. App. 2, 236. 

u 380 nichts bemerkt sit, iſt Dev Mdreiiat Cole. 

"12. Rep. App. 2, e=. 


Hermann Fiſcher, Neues über Georg Rudolph Wedherlin. 51 


Den 15. Juli 1635, Whitehall. — I have delivered His Majesty's letter 
for the Cardinal of Savoy unto the Resident ... Much more earnestly am 
| prayed by a particular letter of Mr. Morice, the Queen of Bohemia’s 
Secretary, to crave all possible furtherance for the effectual relief of the 
Palatine cause: the letter seems to be written with sighs and tears. The 
third request concerns the bearer, Mr. Hannibal Vivian, a worthy gentleman 
and ancient friend of mine, who hath done many services to the King and 
Kingdom.!) | 

Den 8. Oltober 1635, Westminster. — Weberfendet ein Schreiben des außer- 
ordentlichen franzöfiichen Gejandten an den König.?) 

Den 24. Mai 1636, Hampton Court. — Hofnadhrichten; Epidemie in 
Yondon.?) 

Den 30. Mai 1636, Hampton Court. — Hat dem König einen Erlaß zur 
Unterſchrift vorgelegt. In der fetten Seuche find faft alle Zimmer erbrocdhen und 
beftohlen worden; der König macht den Keeper of the house verantwortlich.*) 

Den 4. Juli 1636, Oatlands. — Diplomatijche Korrefpondenz. The King 
hath now commanded me to prepare a letter from him to a Marquis of 
Brandenburg for the Elks, which are to be brought from Prussia hither; 
and another letter to the Prince of Orange for his favour and countenance 
to a merchant that goes hence to redeem some of His Majesty’s jewels. 
Einpfieblt eine Bittihrift von Sir Peter Wentworth.>) 

Den 8. Auguft 1636, Rufford Abbey. — Coke foll zu einer Audienz er- 
jcheinen, die der niederländifche Geſandte am Mittwoch bei dem König haben joll.®) 

Den 7. November 1636, Windsor Castle; Adreffat unbefannt.”) — Scidt 
einen rief des Königs. Mr. Secretarie would have written withall himself, 
but that multitude of affaires hinder him. As myself at this time am by 
the same reason forced to use all haste and forbeare much newes. How- 
soever if hereafter your Lordship shall command me anything, either in 
that or in any other kinde, I shall endeavour to fullfill your pleasure, if 
not according to your expectation yet according to my small knowledge. 
And for this I can say no more, but that it seemes that all the concern 
of the Electoral Dyet — as if they had forgotten for what they met at 
Ratisbonne — standeth gazing towards Bavaria, longing to see what will 
be brought into this world by the Dutchesse of Bavaria, begotten in her 
by her Oncle. I know who wisheth Parturiunt montes. Weiter über die 
Creigniffe und Ausfichten in Deutichland. The French ... have made an inrode 
and are gone as farre as to the gates of Cambray, laying in ashes 42 vil- 
lages, that were very well furnished with corne and other necessaries. May 
it not be said with reason and without treason, Delirant reges.... 

Den 28 Januar 1637, Hampton Court. — This inclosed Protest coming 
but now from London, and the King being earlier gone to his new park, 
I have well perused and considered the same, and find it wholly agreeable 
and concordant with the Latin, being in a German language anıl in such 


1) 12. Rep.. App. 2, 85. 

2, 12. Rep., App. 2, 9%. 

3, 12. Rep., App. 2, 117 f. 
ı, 12. Rep., App. 2, 118. 
5) 12. Rep., App. 2, 123. 
6) 12. Rep., App. 2, 132. 


“© 


*) 12. Rep., App. 9, 9. Der Brief ift aus den Handichriften des Herzogs 
von Beaufort, Der Anrede mit your Lordship zu Folge fann der Brief nicht an 
Cote fein, der außerdem im Briefe jelbft als „Mr. Secretarie” erwähnt ift. 

4* 


52 Hermann Fiicher, Neues über Georg Rudolph Wechherlin. 


terms as are usual in the said language, which your Honour knoweth well 
is very copious ...) 

Den 7. Oftober 1638, Ditton. — Diplomatiſche Korrefpondenz. If I can 
possibly find myself able to come over, I will come this afternoon 
to entreat your Honour's leave to absent myself till Wednesday or 
Thursday.) 

Den 8. Auguft 1639, Westminster. — Hofnadhrichten. Present from the 
City of London to the King of 10.000 pounds refused by hin. The most 
gracious inclination of Her Majesty towards the Archbishop is so increased 
that a most frequent correspondence and conference hath been observed 
betwixt them, and is not secretly spoken of. Coke foll raſch kommen; es 
werden Jntriguen gegen ihn gefponnen. His Majesty goes to Oatlands. I intend 
according to the Earl of.Holland's will to follow his Majesty, and will for 
so small a journey use your bay horse. We did daily bait your horses so 
well that they were fresher at their journey’s end here than when they 
came out of Melbourne. Auswärtiges.?) 

Ten 15. Auguji 1639, Westminster. — Hofgeihichten und Berwandtes. 
The Elector Palatine is here at leisure to wait on the Queen the Queen 
Mother anıl the Duchess of (;hevreuse. He had twenty dishes a meal (being 
served in pewter: which have now been reducted to twelve.*) 

Zen 19. Augujt 1639, Westminster. — Hofſachen. I know not in what 
terms to express sufficiently how much your Honour's return is desired 
and without any doubt very necessary and requisite, though | forbear to 
write the causes. Sometimes accidit in puncto quod non speratur 
in anno. The Lord Feilding. Sir William Boswell, and Sir Oliver Flenin 
wish all to see your Honour here to receive their instructions renew 
from you before their going over.) 

Zen 25. Auguft 16304, Whitehall. — Tuesday I went following His 
Majesty to Oatlands in a continual rain so tlıat nobody except His Majesty 
and such as prefer hunting to all other recreations did like that journey 
and abode. And though we did no great business for I wrote but two or 
three French letters of rerommandation for and from His Majesty to the 
Prince of Orange yet | understood that His Majesty will still be waited on 
were it but for the foreign news and for pens and paper whereof he twice 
did make some use to write..... Tomorrow His Majesty shall go early 
from hence, his dinner being appointed at eight in the morning at Egham, 
and so thence to Bagshot I will follow and wait close. God willing, though 
I tind myself much wearied. I shall now from Bagshot have occasion to 
see my wife and family sometimes, they being but three sınall miles from 


— — oe 


‘ı 12. Rep.. App. 2, 153 

"12. Rep.. App. 2, 106. 

“412, Rep. App. 2, 230 Melbourne füdlih von Terbn war Cofles Yandfit, 
wohin jedenfalls die meriten dieſer Briefe gerichtet Mind. 

ı 12. Rep... App 2, 240. 

12. Rep.. App. 2, 241. Sir Olwer Fleming iſt derielbe, an den Wedberlin 
das Gedicht Ar. 283 meiner Ausgabe gerichtet bat. Er fommt ın dem rief vom 
4. Zepteimber 1630 wieder vor, außerdem Report 12,2, 37: 13, 1, 554. 640. 667. 
tandere Ztellen babe ıch nicht zur Hande, und zwar ın den Jahren 1633, 1651 f. 
Er muß diplomatischen Zerlebr ınıt dem Ausland gehabt haben: 1633 war er Agent 
for His Maj. in Switzerland und reifte nach Zürich und Chur, 1652 fchreibt die 
Stadt Zürih ım Namen der cvangeliihen Sache an ibn. 


Hermann Fifcher, Neues über Georg Rudolph Wedherlin. 53 


thence at Easthampstead. .... I am in good hope shortly to fit my Lady 
Coke with some good Gerinan servant for her son...) 

Den 4. September 1639, Whitehall. — Your Honour’s return is so much 
desired and expected that His Majesty doth now daily inquire after your 
coming, and hath again this morning commanded me to desire you from 
him to come unto him from Tottenham hither as soon as possibly you 
can, and shall be arrived there. Sir Oliver Fleming is to go away with 
speed, and bis instructions are drawing by Sir Frances Windebank, but I 
believe it is desired that your Honour should add ultimam manum. I hourly 
will expect your coming.?) 

Der Ton einiger gerade unter den lesten Briefen Weckherlins 
an Coke ift ziemlich vertraulich; auch ift deutlich, daß Weckherlin in 
jenem Jahre nody immer um den König war, wenn fein Vorgejekter 
abweiend war. Fünf Monate fpäter fand die Wendung durd) Vanes 
Amtsantritt ftatt, die ich oben vermutet habe. 

Uber Wedherlins Sohn Rudolf (1617 —1667) habe ich in den 
Reports nur eine Stelle finden fünnen. Sir Francis Windebant 
ſchreibt am 2. März 1636:°) There was a note delivered to 
your servant, young Weckherlin, for a letter to be written 
from His Majesty to the Emperor in favour of the Duchess of 
Brunswick. Auf eine beftimmte Stellung des damals noch nicht 
Neunzehnjährigen kann man daraus nicht fchließen; der Vater, 
53 Jahre alt, konnte doch nicht mehr „jung“ heißen. 

Ein paar andere Notizen kann id) den Sanımlungen eines 
srühperftorbenen entnehmen. Ernjt Martins Schüler Ferdinand 
Bicard (1866—1890) hat mit großem Fleiß und Verftändnis für 
Wecherlin gefammelt und ich habe feine Sammlung auch für die 
Anmerkungen meiner Ausgabe öfters mit Frucht benugen können. 
Folgendes ift daraus geichöpft, da mir die Originalquellen un- 
zugänglich waren. 

Bom 19./29. März 1641 ift ein Brief aus Paris von Robert 
Reade an Thomas Windebanf, in dem es heißt: Mr. Weckherlin 
and Mr. Witherings have sufficiently shown their malicious 
barbarousness; God reward them for it. Und am 30. April/ 
1) 12. Rep., App. 2, 241 f. Weckherlins Frau bat nod am 21.;31. Januar 
1641 gelebt, wenn auch jein Ausdrud (Reifferſcheid, S. 589) in dem Brief an 
Irenftierna von jenem Tage, daß er „Weib und Kinder“ babe, nicht fo ganz 
zweifellos ift, wie unfere Stelle. Seine einzige Tochter Elifabeth war an William 
Trumbull, Esq. of Easthamstead, Berkshire, verheiratet; da fie am 7. November 
1618 geboren war, jo könnte fie 1639 fchon verheiratet geweſen fein und ihre 
Mutter bei ihr gewohnt haben (über Wedherlins Sohn fiehe nachher). Das Gedidit, 
in dem Redherlin fie fhon als Frau Trumbull anredet, Nr. 397 meiner Ausgabe, 
ſteht aber erft in der Ausgabe von 1648. 

7?) 12. Rep., App. 2, 242. J 

7) 12. Rep., App. 2, 108. Der Adreſſat ift nicht genannt, iſt aber gewiß 
wieder Coke, aus defien Sammlung der Brief ift. 


54 Otto Prriower, Zu Goethes Sonetten. 


10. Mai 1641 ſchreibt derfelbe an denjelben: Since I began this 
I have spoken with Mr. Battiere, and he tells me that about 
three weeks since he wrote to Mr. Weckherlin not to trouble 
my Lord’s packet with letters to merchants and other people 
here in Paris which my Lord knew not, Mr. Weckherlin having 
of late sent many such letters under his Lordship’s cover.!) 
Aus Picards Papieren habe id) auch die Notiz, daß Wedherlin, der 
feit 1644 als Secretary for foreign tongues den hohen Gehalt von 
288 Pfund bezog, im Nahre 1645 den Genuß der für das jeweils 
ältefte Mitglied der Familie Wecdherlin bejtimmten Ulmer Stiftung 
jeiner einzigen noch lebenden Schweiter durdy ein Schreiben aus 
London abgetreten hat, daß 1651 die faliche Nachricht von jeinem 
Tode nah Ulm fam und daß er am 26. September 1651 an feine 
Schwefter und an den Bürgermeifter Baldinger in Ulm gejchrieben 
hat, der ihn auf einer Neife nach England kennen gelernt hatte. 


Bu Goethes Sonetten. 


Bon Ttto Prriower in Berlin. 


— — 


Seit dem Erjcheinen von Bettinens Buch „Goethes Briefwechjel 
mit einem Kind” hat man vielfach darüber gejtritten, ob die in den 
Werfen des Dichters zum erjten Deal im Jahre 1815 veröffentlichten, 
zu einem Cyklus „Sonette” vereinigten Gedichte Beziehungen zu ber 
glühendjten Derehrerin feines Genius enthalten und in welden 
Dape Bettina jelbft betrachtet in dem Briefwechſel fid) als den 
eigentlichen Mittelpunkt der Sammlung. Dazu hatte jie jedoch nur 
in einem poetiihen Zinne ein Recht. In Wirklichkeit Ipiegelt nahezu 
die Hälfte der Sonette — das jteht jetzt jicher feſt — Goethes 
Neigung zu Minna Derzlieb wider. Andererjeits iſt aber die nod) 
fürzlich von Kuno Fiſcher Goethes Sonettenfranz, Heidelberg 1896) 
verfochtene Anjicht, dag Wettinen fein Anteil an den Gedichten ge: 
bühre umd fie einzig und allein aus Goethes Beziehungen zu Minna 
peralich gefloſſen jeien, and) nicht ftichhaltig. Als Kuno Fiſcher dieje 
Behauptung aufjtellte, fannte er noch nicht den in demjelben Jahre, 
in dem jeine Schrift erichien, zum erjten Mal in der Weimarer 
Ausgabe veröffentlichten, nach dem uns vorliegenden Material erften 
Brief Goethes an Bettine. Ans ihm ergiebt ſich, daR die Worte des 


, Calendar of State Papers. Dom. Ser. 1640/41. p. 505 und 562. 


Otto Pniower, Zu Goethes Sonetten. DD 


Dichter in dem Brief vom 5. September 1807 (de3 Briefwechſels 
mit dem Kind): „Mein artig Kind! fchreibe bald, daß ich wieder 
was zu überjegen habe,” abgejehen von für uns hier unmejentlichen 
Anderungen, authentisch find. Denn jener wirkliche, vom 9. Januar 
1808 datierte ſchließt mit den Worten: „Schreiben Sie bald, daf 
id) wieder was zu überjegen habe.” Wie fie zu verftehen find, lehrt 
eine fchon vor dem Erfcheinen des Briefwechjels mit einem Kind 
gethane Außerung Wilhelm Grimms (Reifferfcheid, Freundesbriefe 
von W. und %. Grimm 1878, ©. 140 f.), daß Goethe mehrere 
Briefe Bettinens in Gedichte überfegt habe. Geſtützt darauf 
juchte ich im Anzeiger der Zeitjchrift für deutfches Altertum von 1898 
42, 179 ff. den Beweis zu führen, daß Goethe in der That aus 
Bettinens Herzensergießungen die ftofflihe Anregung zu einigen 
Sonetten empfing und Motive daraus fchöpfte. Die Argumentation 
war dadurch erichwert, daß mir damals nicht mehr als ein einziger 
Driginalbrief Bettinens vorlag, der erjte, den fie an den Dichter 
ichrieb. Ihn hatte Xoeper in feiner Publikation „Briefe Goethes an 
Sophie Laroche und Bettina Brentano” (Berlin 1879) veröffentlicht. 
Doch war es mit Hilfe einiger von Loeper nod) nicht gefannter 
Goethijcher Briefe an Bettina und auf Grund innerer Indicien 
möglich, für wenigftens drei Sonette die Benutzung von Stellen 
aus den Epijteln der Freundin an den Dichter nachzumeijen. Leider 
war mir unbefannt geblieben, daß noch ein zweiter Originalbrief 
Bettinend an Goethe ſchon feit dem Jahre 1850 gedrudt vorlag. 
Auch Xoeper und allen Anderen, die fid) mit der Frage beſchäftigten, 
war er entgangen. Jetzt liegt er in dem 14. Band der Schriften 
der Goethe-Gefellichaft (Goethe und die Romantik, 2. Teil 1899, 
©. 162 f.) vor, und jo wenig umfangreich wie er ijt, liefert er für 
die drei von Anderen und mir den Beziehungen Goethes zu Bettinen 
zugewiejenen Sonette den unmiderleglichen Beweis des genetiichen Zu— 
fammenhanges. So haben, wie Schüddelopf in den Anmerkungen zu 
der erwähnten Publikation bemerkt, feine Schlußworte „und wenn 
Dein Sinn wäre von Stein wie Dein Bildniß, jo müßte 
ih doc rufen umarme mid, weißer Karrarifher Stein!“ 
das vierte Sonett veranlagt. In der That braucht man nur den 
Anfang des Gedichtes 


Du fiehft fo ernft, Geliebter! Deinem Bilde 
Bon Marmor bier möcht’ ih Dich wohl vergleichen 


neben die citierten Worte zu halten, um den inneren Zufammenhang 
der Proja mit den Verſen zu erfennen. 

In meiner Unterſuchung (a. a. D., ©. 183 f.) hatte ich ver- 
mutungsweiſe geäußert, daß eine zu diefem felben Gedicht in un: 


56 Otto Pniower, Zu Goethes Sonetten. 


verkennbarer Beziehung ſtehende Stelle aus dem „Briefwechſel Goethes 
mit einem Kind" im weſentlichen aus dem Original ſtamme, das 
dem betreffenden Brief zu Grunde lag. Die Vermutung wird jekt, 
wo die citierten Worte vorliegen, wahrjcheinlid) hinfällig. Indes 
fann erft die erfreulicherweije bevorjtehende Veröffentlichung aller 
authentiichen Briefe Bettinens an Goethe die endgiltige Entjcheidung 
bringen. 

Wie für das vierte Sonett, jo hatte id) für das neunte an- 
genommen, daß Goethe die Anregung zu ihm aus Bettinens Briefen 
empfing. Auf Ubereinjtimmungen mit Wendungen, die im erjten 
Schreiben an den Dichter begegnen, hatte ſchon Loeper hingewieien. 
Ihnen fonnte id) weitere von ihm nicht bemerfte hinzufügen. Sept 
zeigt ſich, daß aud) der wieder entdedte Brief Motive ſpendete. Er 
beginnt mit den Worten: „Warum mnuß id denn wieder 
ſchreiben? ..... zu fagen hab ich nichts.” Das Gedicht aber 
hebt an: 

Warum ich wieder zum Papier mid wende? 
Zas mußt Tu, Yiebfter, fo beftinimt nicht fragen: 
Teun eigentlih bab ıh Tir nichts au fagen; 


Das ſiebente Sonett wies ich, ohne daß wörtliche Anflänge 
vorlagen, aus innern Gründen den Beziehungen Goethes zu Bettinen 
zu. Daß die Annahme nicht fehlgeht, lehrt ebenfalls der ans Yicht 
gezogene Brief, indem er zu dem innern Moment in Tchlagender 
Weiſe äußere Ubereinſtimmung fügt. Das „Abichied” betitelte Gedicht 
ſchildert die Trennung des Liebenden von der Geliebten. 


War umeriättlich nach viel tausend Küſſen 
Und mußt' mit einem Kuß am Ende ſcheiden. 
Nach berber Trennung tief empfunden Yerden 
War mir dag Ufer, dem ich mich entriffen, 


Dit W zohnungen, mit Bergen, Hügeln, Flüſſen, 

So laug ich's deutlich ſah, ein Schaß der Freuden: 
Bulebt im Blauen blieb ein Augenweiden 

An fernentwichnen lichten Finſterniſſen. 


Hier haben Worte Bettinens nicht nur das Grundmotiv: Abſchied 
zweier ſich nahe Stehender, nicht nur bezeichnende Einzelheiten der 
Ausführung geliefert, ſondern auch die innere Form des Sonetts 
beſtimmt. Ja, ſein geiſtiger Gehalt, furz das ganze Gedicht hat in 
wenigen Zeilen des Briefes feinen äupern Uriprung. Bettina fchreibt: 
„So wie der Freund Anler löſt nad) langer Zögerung und endlid) 
jheiden muß: ihm wird die lezte Umarmung was ihm hundert 
Küße und Worte waren, ja mehr noc), ihm werden die Ufer, die 
er in der Entfernung anfieht, was ihm der lezte Anblid war. Und 


Otto Brriower, Zu Goethes Sonetten. 57 


wenn nun endlich aud das blaue Gebirg verjchwindet, fo wird ihm 
jeine Einſamkeit jeine Erinnerung alles.“ 

Jeder jieht, um mit den äußeren Ankflängen zu beginnen, wie 
die Hundert Küſſe in dem Brief die taujend des Gedichtes ver- 
anlaßten, wie die Ufer, von denen die Schreiberin fpricht, dem 
Dichter das Motiv an die Hand geben, den Sceidenden fid) an 
dem Ufer erfreuen zu lafjen, auf das er gefühlvoll blickt und das 
er nad) und nad) mit allem, was es jchmüdt: den Wohnungen, 
Bergen, Hügeln und. Flüffen aus dem Geficht verliert, wie die 
Augenweide, die zulett im Blauen bleibt, eine Neminiscenz an 
das verjchwindende blaue Gebirge ift, von dem Bettina ſpricht. 
Und wenn der Dichter weiterhin vom Meere fingt, das den Blid 
des Wandernden umgrenzt, fo ift auch daS vielleicht von dem Beginn 
der Stelle angeregt, wo vom Löſen des Ankers die Rede iſt. 

Ich Eenne fein interejjanteres Beijpiel für die Art, wie die Phan- 
tajie eines Dichter8 von fremden Worten erregt wird und den 
empfangenen Eindrud vertieft und umbildet, wie dasjenige, das fid) 
uns bier bietet. Und nur auf das empfänglihe Gemüt eincs 
Dichters können folhe Worte dieje eindringliche Wirfung üben. 
Ein poetijches, tief aber doch unflar empfundenes Bild zaubert 
ihm eine Situation vor, die er, der erprobte Plaftifer, ſcharf in 
der Fülle ihrer Einzelheiten jieht und ftufenmäßig mit vollendeter 
Kunſt vor unferen Augen enthüllt. Wo die Schreiberin vom Ufer 
ipricht, jieht er zugleich die ganze Landſchaft, die zu ihm gehört: 
die Häufer und Berge, die Hügel und Flüſſe. Wo fie des ver: 
ihwindenden blauen Gebirges gedenkt, fieht er zugleid) die vom 
Abendrot beleuchteten Woltenmafjen. Denn das jind wohl die lichten 
Finſterniſſe. Wo fie ahnungsvoll fpricht, bezeichnet er Kar umd 
deutlich die erregten Gefühle Sie läßt die Art der Empfindung, 
von der der Scheidende bewegt wird, unbeftimmt. Wenn fie jagt: 
„ihm wird die lezte Umarmung, was ihm hundert Küße und Worte 
waren, ja mehr noch, ihın werden die Ufer, die er in der Entfernung 
anfieht, was ihm der lezte Anblid war u. |. w.“, jo erwedt fie in uns 
die Vorftellung einer gleichmäßigen Gewalt einer, wir wiſſen nicht, 
ob mehr aus Freud oder aus Leid gemijchten Empfindung, die der 
Abjchied in dem Scheidenden aufwühlte. Goethe hingegen läßt ihr 
Weſen ungzmweidentig bervortreten. Um aber der Darftellung eine 
fünftlerifche Wirkung zu fichern, ftellt er fie in einen wechjelreichen, 
höchſt kunſtvoll abgeftimmten, bald zart vermittelten, bald jäh fontra- 
jtierenden Gegenſatz. Er ſpricht von den tief empfundenen Leiden, 
die die herbe Trennung ſchuf. ES wird der Schmerz gelindert und 
nah und nad) wird das Ufer mit feiner das Auge erquidenden 
Umgebung ein Schag der Freude. Sacht mindert ſich jedoch die 


58 Dtto Pniower, Zu Goethes Eonetten. 


Ruft, je weiter er dem Ufer rückt; noch bietet aber der Blick auf 
das Blau der fernen Berge eine Augenweide. Der Freude Flutſtrom 
ebbet nad) und nad), und als der Wandernde das Meer erreicht, da 
ift die Stimmung wieder umgefchlagen. Heißes Verlangen wird in 
jeinem Herzen lebendig und verdrofjen ſehnt er ſich nach dem Ver— 
lorenen. Da tritt ein neuer Umſchwung ein. Ihm iſt, als öffnete 
ſich der Himmel. Nichts, nichts ſcheint ihm entgangen. Was ihm 
verſchwand, wird ihm zu Wirklichkeiten. Alles, was er je genoſſen, 
er glaubt es zu beſitzen. 


Und endlich, als das Meer den Blick umgränzte, 
Fiel mir zuriid in's Herz mein heiß Verlangen; 
Ich fuchte mein Verlornes gar verdroffen. 


Ta war c8 gleich, als ob der Himmel glänzte; 
Dir jchien, als wäre nichts mir, nichts entgangen, 
Als hätt’ ich alles, was ich ie genoffen. 


Dan weiß, daß Goethe anfangs eine Abneigung gegen die 
Form des Sonetts zu überwinden hatte. Erſt die Anmejenheit des 
Sonettenfabrifanten par excellence,. Zacharias Werners, im Winter 
1807 auf 1808, deſſen abftrujes, aus jeltfjamen Gegenjägen gemijchtes, 
genialifches Weſen das Intereſſe des Weenichenbeobadhters umd 
Menſchendarſtellers Goethe wedte, erft der häufige Verkehr mit ihm 
trieb ihn im die „Sonettenwut”. Die Abneigung beruhte gewiß aud) 
darauf, daß ihm die Xorbilder, die U. W. Schlegel, Werner und 
Andere geliefert hatten, nicht zujagten. Die Art, wie jie die Dicht— 
form hauptſächlich für didaktiſch philoſophiſche Stoffe verwendeten, 
konnte nicht ſeinen Beifall finden, noch ihn zur Nachahmung er— 
muntern. Er vermißte das, was ſeiner Lyrik eigen war: lebendiges 
Gefühl, Handlung, fortſchreitende Bewegung. Den Mangel dieſer 
ihm unentbehrlich ſcheinenden Eigenſchaften mochte er aus dem Yan 
der Strophen herleiten, und ſo faßte er Widerwillen gegen ſie. Dieſer 
Widerwille ſchwand dem Dichter freilich früh nach dem eigenen Be— 
kenntnis, das wir in dem dem Vorſpiel „Was wir bringen“ von 
Jahre 1802 zugewieſenen, ſpäter auch einzeln unter dem Titel 
„Natur und Kunſt“ bekannt gewordenen Sonett finden. Denn gewiß 
hat Schipper recht mit der Annahme Goethe-Jahrbuch 17, 162), 
daß die Äußerung im dritten Vers des Gedichtes „Der Widerwille 
ift auch mir verſchwunden“ zunächſt der Zonettenform gilt. Nach 
der jorglojen Art, mit der Goethe bei (selegenheitsdichtungen, aber 
auch jonit in Fragen der Kompoſition verfuhr, legte er dies dem 
Charakter der Tichtform gewidmete Gedicht der „Nymphe“ in den 
Mund, wodurch cs einen andern Sinn erhält, als es uriprünglid) 
hatte. Berechtigte war er wiederum dazu, als fich in ihm in echt 


Otto Pniower, Zu Goethes Sonetten. 59 


Goethiſcher Weile das enge, zum Anlaß genommene Thema zu einer 
tieffinnigen Betrachtung von allgemeinfter Bedeutung erweitert. Die 
Beihränfung, die dem Dichter die Forın auferlegt, der künſtliche 
Bau der Strophen wird ihm zum Symbol aller Bildung, die nur, 
wenn fie ſich dem bejchränfenden Geſetz unterwirft, zur Vollendung 
reiner Höhe aufzufteigen vermag. Wenn der Dichter fich mit Geijt 
und Fleiß von den Feſſeln der Kunjt hat binden lafjen, mag frei 
Natur im Herzen wieder glühn! Alfo: der Widerwille gegen die 
einengende Form des Sonett3 war dem Dichter früh verſchwunden. 
Gleichwohl vergehen Jahre, ehe er ſich der erft gefcholtenen, dann 
gepriefenen Dichtform maſſenweiſe bedient. Offenbar hatte er noch 
nicht die der Architektur des Sonetts entiprechende und zugleich ihm 
gemäße Behandlung der Strophengruppen gefunden. Auf einmal 
aber, als jich zur äußern Anregung ein inneres Erlebnis gejellt, als 
der Verkehr mit Zacharias Werner ihm die Form wieder nahelegt, 
die erwachte Leidenjchaft zu Minna Herzlieb und die phantafievollen 
Ergüſſe der ſtürmiſchen Bettina feinem Gefühlsleben friiche Nahrung 
zuführen, ijt fie da. Man vergleiche einmal die bis zum Jahre 1802 
entitandenen felbjtändigen Sonette Goethes — außer dem eben er: 
wähnten das „Sonett“ betitelten, dasjenige aus der „Natürlichen 
Tochter” und die beiden Böttiger, Kotzebue und Garlieb Merkel 
gewidmeten sonetti codati (Werfe 5, 171 f.) — mit den zum 
Cyklus vereinigten und man wird einen wejentlichen Unterfchied in 
der innern Struftur wahrnehmen. Dort begegnet im ganzen eine 
glatte, ebenmäßige, durch alle Strophen unterſchiedslos verteilte 
Entwidlung der Gedanken; hier treffen wir auf jcharfe, oft durch 
Gegenjäge gehobene Gliederung der einzelnen zufammengehörigen 
Versgruppen, die uns jebt der Natur des Sonetts fo gemäß er- 
iheint. Nimmt man etwa die drei erjten Gedichte und das fünfte, 
jo fieht man, wie jeder Strophe ein prägnanter Abjchnitt der Hand- 
lung zugewiejen iſt. Die Darftellung fteigt ftufenweije, in jcharfen 
Abjägen, zu einem Gipfel auf und öfters läuft das Gedicht in eine 
epigrammatiiche Spite aus (vgl. 6. 11. 13). Bon der Art ijt nun 
auch unſer fiebentes Sonett. Jede Strophe bezeichnet einen ent- 
Icheidenden Moment der Handlung. Die erfte |pricht von den Leiden 
der Trennung. Die zweite bietet troß dem Enjambement einen 
fonträren Gegenſatz dazu, inden ſie den Empfindungen der Freude 
Ausdrud giebt. Das erſte Terzett hingegen bejchreibt wieder die tiefe 
Niedergeichlagenheit des Wandernden, während das zweite von einer 
himmliſch befriedigten Stimmung zu berichten weiß. Das tiefe Weh, 
mit dem das Sonett anhebt, ijt zum Schluß in höchſte Glückſeligkeit 
verwandelt. „Mir ſchien ..... als hätt’ ich alles, was ich je ge- 
noffen.” Nun heißt e8 in jener Briefftelle zulegt: „jo wird ihm feine 


60 Otto Priower, Zu Goethes Sonetten. 


Einſamkeit jeine Erinnerung alles". Wer jieht nicht, daß aud) dieſer 
Schluß dem Dichter von Bettinens Worten eingegeben ift? Ja, wie 
ung eine poetiiche Schöpfung öfters erjt dann recht deutlich wird, 
wenn wir die Anregung zu ihr bis ins einzelne fennen, weil der 
Dichter unter dem Zwange der Form nicht wie der Profaift alles 
plan und Kar zu jagen im Stande ift, jo liefert die Briefjtelle zu=- 
gleich einen Kommentar zu den Verſen. Gewiß: feinem, der das 
Sonett mit ernjter Hingabe lieit, kann es zweifelhaft jein, daß es die 
bejeligende Erinnerung an das Genofjene ift, was dem Wandernden 
den Himmel öffnet, allein unmittelbar ausgeſprochen ift das ent- 
ſcheidende Wort nicht. In dem Brief aber heißt es: „feine Einſamkeit 
feine Erinnerung wird ihm alles”. 

So aljo hat Goethe Worte Bettinens „überjegt“. Man verzeihe 
die umftändliche Art, mit der ich den Nachweis zu führen verjucht 
habe. Nicht oft ift die Gelegenheit das Geheimnis der dichteriichen 
Konception zu lüften und der Fünftlerifchen Verarbeitung eines em- 
pfangenen Eindruds nachzugehen fo günjtig wie in dieſem Falle, wo 
der geringe Umfang des Erzeugnifjes die Beobachtung fo jehr er- 
feichtert. Und noch in einem andern, jpeciellen Sinne ift die Kenntnis 
des Anlajies diejes Sonetts lehrreich. Man hat ſich allzujehr gewöhnt, 
Goethes oft citiertes Wort, daß „was von ihm befannt gemorden, 
nur Brudhjtüde einer großen Konfeifion”, dag jeine poetifchen Werte 
Gelegenheitsgedichte find, zu buchjtäblid) zu nehmen und aud) das 
nebenjächlichjte Motiv als Realität anfzufaffen. Nun widerjpricht 
ja auch unjer Gedicht nicht jenem Bekenntnis. Wie es ein echtes 
Selegenheitsgedicht ift, jo beruht es auch auf einem Erlebnis. Gleich— 
wohl aber — daS lehrt ung jein Urſprung — wäre es fall an: 
zunehmen, daR der Tichter, ob er gleih von fich im der erjten 
Perſon redet, jeine Trennung von einem geliebten Wejen darftellt, 
eine beſtimmte Yofalität, etwa Xena, im Ange hat und von einer 
Reiſe, die er an die See unternahm, Ipricht. Tan dieles letzte Moment 
nicht richtig iſt, wußten wir freilich ohnehin. Tas Sonett ift viel- 
mehr ein echtes Mollengedicht. Soweit man hier überhaupt Die 
Wirklichkeit beranziehen fann, werden Bettinens Empfindungen 
geichildert. 

Zwar jo wie es uns jegt innerhalb des Cyklus vorliegt, hat es 
die Bedeutung, day es die Gefühle des liebenden Mannes darftellt. 
Ich hatte jedoch ſchon in meiner Untertuchung 19. 184 ff.ı die Ver- 
mutung ausgefproden und dafür eine Reihe von Gründen geltend 
gemacht, daß es urjprünglid Bettinens Abichied von Goethe zum 
Hegenitand hat. Jetzt wird die Vermutung durch die VBezichungen 
des Sonetts zu der Briefitelle aufs winjchenswertefte betätigt. Und 
noch beſſer ale früher begreifen wir nun, warum er gerade dieſes 


Joſef Müller, Jean Pauls litterarifcher Nachlaß. 61 


Gedicht der jungen Freundin zufandte, aus deren Nachlaß Hermann 
Grimm 1890 eine eigenhändige Niederfchrift Goethes veröffentlicht hat. 
Er wollte ihr, deren Worte es hervorriefen, huldigend danfen und er 
wollte zugleich — was ich damals als Möglichkeit ausſprach, wird 
jeßt zur Gewißheit — mit der Gewalt feiner Poefie die Entjagung 
preijend ihr ftürmifches Gemüt befänftigen. 

Dan könnte erwarten, daß der Zujammenhang der drei Sonette 
mit dem Brief Bettinens für ihre genauere Datierung eine Hand— 
habe lieferte. Das ift jedoch nicht der Fall. Wir find ja aud) darüber 
ziemlich gut unterrichtet. Die Zeit der „Sonettenwut” erftredt jid) 
etwa über die beiden erften Drittel Dezembers 1807. Am 16. dürfte 
das jiebzehnte „Charade“ betitelte gedichtet jein. Weihnachten des 
Jahres ift das zwölfte „Chriftgeichenf” verfaßt. Von einem, dem 
vierten, ijt das Datum des 6. Dezembers handjchriftlich überfiefert. 
Da dies nah Schüddefopf auf der Einwirkung des beiprochenen, 
Ende Novembers geichriebenen Briefes Bettinens beruht, fo wird 
das fiebente, „Abſchied“, wenn nicht demjelben Tag, jo einem der 
nächften angehören. Ebenfo das neunte, zu dem der Brief, wie wir 
wiſſen, ebenfalls Motive gefpendet hat. Zugleich weit das Gedicht, 
wie wir fahen, Anflänge an die erfte, am 15. uni 1807 verfaßte 
Epiftel Bettinens auf. So ergiebt fich die Folgerung, daß der Dichter, 
was an fi ſchon wahrjcheinlich ift, nicht jedesmal nach Empfang 
eines Briefes zum „UÜberjegen“ angeregt wurde, fondern daß ihm erit 
die Anjammlung mehrerer den Gedanken der Nachdichtung eingab. 


Jean Yauls litterarifcher Uachlaß.) 
Von Joſef Müller in München. | 


C. Dritter Hauptteil. 
Faszikel Nr. 13 a und b: GSelbftändige größere Aufjäge. 


1I. Die Schriftkellerthätigkeit in der Univerfitätszeit. 
(Fortſetzung.) 

Das nächſte größere Werk iſt die „Auswahl aus des Teu— 
fels Papieren nebſt einem nötigen Aviſo vom Juden 
Mendel“. Es erſchien 1789 bei Beckmann in Gera, nachdem Autor 
und Verleger noch zwei Jahre wegen Format und Titel ſich herum— 


1) Bgl. Euphorion 6, 648 ff.; 721 fi. 


62 Joſef Müller, Jean Pauls litterariſcher Nachlaß. 


gejtritten. Jean Paul wollte, da nod) immer die Marotte in ihm 
ipufte, durch Seltſamkeit aufzufallen, da8 Werf als „Scherze in 
Quart“ gedrudt haben, was der Verleger ein Begräbnis vor der 
Geburt nannte; auch wünſchte diejer als Titel „Fauſtins philo- 
Sophifcher und kosmopolitiſcher Nachlaß“, dann „Auswahl aus Sir 
Ruzifers Papieren”; man einigte fich endlich auf den gedrudten Titel, 
Das Bud, obwohl voll der feinſten Satire und von Tied für das 
beite Wert Jean Pauls erklärt (Spazier 2, 192), blieb unbelannt 
und wurde Maknlatur, jo daß, als die Buchhandlung nad) den 
Erfolgen der jpäteren Werfe eine Rejurreftion erbat, Jean Paul fein 
lettes Ereimplar hergeben mußte. Der Dichter erklärt es im „Kometen“, 
13. Kapitel, für „eine erfrorene Scheinleiche, die erjt durch das Er- 
wären der jpäteren lebendigen Geſchwiſter wieder die Augen auf: 
hing. . | 

Sch bin in der Lage, aus dem ungedrudten Nachlaſſe eine 
noch völlig unbefannte Arbeit, die mit dem prädhtigiten Jean Paul- 
hen Humor gejchrieben ijt und deren Werborgenbleiben mir ges 
radezu unerklärlich ijt, an diefer Stelle mitzuteilen. Es ift „Das 
Umreiten der voigtländiſchen Ritterichaft“. Die Dumoresfe 
war urſprünglich als Epijode in die „Unjichtbare Loge“ eingeflodhten, 
wurde aber auf den Rat Ottos, der die Manuſkripte des Freundes 
zu prüfen hatte, von „Jean Paul geitrihen. Otto jagt darüber im 
Brief vom 22. März 1792 6GBriefwechſel 1, 108): 

„Ih komme nun auf das Wurftreiten zurüd, welches, wie ich oben ſchon 
geſagt, hineingedrängt ſcheint, um auf einmal zwei Schläge zu thun, den Röper 
und Oefel zu charakteriſieren und beſonders lepteren dem Leſer befannt zu machen. 
Dieſe Abficht jcheint zu fehr durch. Die andere Rüdfidyt, warum ich es ganz und 
gar berauswiniche, habe ich Schon neulich geiagt, als ich Dir fchrieb, daß ıch 
Anachronismen der Zitten nicht für erlaubt bielte. 

Sobald Tu die Sitten der wirklichen Welt, die Zitten trgendeines Zeit: 
alter8 Deinen Perſonen eigen gemadt bait, jo bait Tu, wie ich glaube, die Geſetze 
derjelben angenommen und darfit Die Sitten aus feinem anderen Zeitalter hinein: 
ziehen und zuiammenpaaren, zumal wenn dieſe Durch das „Zeitalter abgefonderten 
Zitten nicht bloß durch die Zonderung der Zeit, fondern durch einen abweichenden 
Geiſt dieſer Zeitalter vonemander verschieden find. Tu paarteit Ten Unreiten aus 
dem vorigen Jahrhundert mit einem vaffinierten Dof, an dem man Schauſpiele 
auffübre Tie Schuderung dieses Umreitens, cine Zitte eines fehr roben Yeit- 
alters, die nur noch in manchen Gegenden Trutichlands bis zu Anfang dieſes 
Jahrhunderts gedauert hat, macht daber einen zu freimdartigen Nontraft, al® daß 
man nicht wünſchen Sollte, fte ganz und gar aus Teinem Buche vertilgt zu ſehen, 
wenn man noch dazu ficht, daß ſie der zu durchſichtige, bie und da zerrifiene Schleier 
tft, hinter dem es dem Autor nicht gelungen iſt, feine liſtige Miene zu verbergen.“ 


Diejes Umreiten, das in einigen Kreiſen Deutſchlands einft 
üblich war, bejtand darin, dan ein Edelmann mit einem Faß Bier 
zum zweiten führt, beide, nachdem das Faß geleert ift, zum dritten 
1. ). w. „Das Zanfen war damals Adelsuniform; der Weg von 


Kofef Müller, Jean Pauls litterariſcher Nachlaß. 63 


der Wiege bis zum Grabe bohrte ſich durd lauter Bierfäfler durd), 
die hinter ihren Füßen leer und vor ihreni Kopfe voll waren; ich 
höre fie noch, dieje lebendigen oder vielmehr todten Bierheber, indem 
fie aus einer Tonne in die andere Schwimmen, von einem Jahrhundert 
herüber in ihren vertrodneten Fiſchhältern ſchmatzen und poltern. 
Zweiunddreigig Ahnen haben heißt oft zweiunddreißig Trinker haben.“ 
(Nun folgt die Schilderung einer ſolchen Biererpedition.) 


„Ritter Nr. 1 zog mit jeiner fühlen Faßfuhr — der tragbaren Bierardhe — 
jamt zwei Bedienten, wovon einer JInformator, aus; ſechzehn Köpfe ftark drehte 
fih die flüffige Lawine weiter, ballte jich den Herrn Nr. 2 an und feinen Mentor 
und Sohn, und frody um bie allgemeine Bundeslade d. h. einen Eimer Doppelbier. 
Zwanzig Köpfe ſtark ging die Faßverbrüderung unter dem Schloßthor von Nr. 3 
ein. Die Bieraorte oder Hohlader ſprang auf den Tiſch Wars aber bei einem 
verftändigen Edelmann wie Nr. 3 nötig, deifen Zimmer folgendermaßen waren? 
In den Fußboden war eine Thür zu einer Treppe gebrochen, die in den Keller 
langte: der Stammbaum von Nr. 3 drängte feine Wurzeln in die unterirdischen 
Fäſſer hinein und holte wie alle Gewächſe mit feinen Saftröhren fein Leben aus 
der Tiefe. Das Zimmer hatte außer der horizontalen Thür noch zwei vertifale; 
durch die eine konnte man hinein und heraus — wir haben alle ſolche — durch 
die andere konnte man beides nicht, ſondern bloß in eine Seitenloge, worin jener 
moraliſche Lehr⸗ und Beichtſtuhl war, auf dem man in wenig Minuten ſeine eigne 
Schönheit vergißt; ich bin für Hundert verſtändlicher, nenn ich jage, ich meine 
den — Abtritt. Sechgundzwanzig Köpfe ftarf wurde von Nr. 3 zu Nr. 4 geritten; 
eine Handwerkslade, in der vier Eimer ſchäumten, fchleifte nad). Der Kollator und 
Altmeister der Lade Nr. 3 ritt gar auf feinem Gefchent, aber mehr zum Spaß 
als zum Ernft, daher wir fämtlich lachten. Dreißig Köpfe ftark rüdte dieſe Ritter: 
haft unter das Schloßthor von 5, auf dein Geier wie Schmetterlinge angenagelt 
waren. Das Opfergefäß und der Altar fam in eine Stube, die ftatt veloutierter 
Zapeten mit Hafenfellen, deren Eigner der Edelmann felber gejchoffen hatte, in- 
truftiert und behaart war. ‚Noch zweiundvierzig Hafen,’ fagte die Nummer, ‚brauche 
ih zu ſchießen, ſo wäre auch die Erferftube ausgefüttert” und wir folltens bejehen 
und beriechen .. Der Temperenzorden kam nun ind Freie nad) Mauſſenbach 
und fah dort ein zappelndes Ding wie eine Rakete herumfchießen . . den Kommerzien- 
agent von Röper. Im achtzehnten Jahrhundert find viele Menſchen erſchrocken, 
z. B. die Jeſuiten, die Ariſtokraten, Voltaire und andere große Autoren — aber 
im ganzen aufgeklärten Säkul erſchrak keiner ſo als der Kommerzienagent, da er 
ſah, was kam, da er ſiebenunddreißig Menſchenköpfe und ſiebenunddreißig Roßköpfe 
und einen Artillerietrain von Hunden ober den Berg heranziehen ſah, die ſämtlich 
in ſeinem Schloß nichts zu ſuchen hatten, aber genug zu finden, denen ein 
ſchwaches Pulverfäßchen nachfuhr, das für dieſes Volk ſo viel war wie nichts. 
Da aber niemand in dem achtzehnten Jahrhundert ſeltener zu Hauſe war als er — 
er wars wohl, verbarg ſich aber; denn er poftierte ſich hinter Fenſter von Spiegel- 
glas wie hinter Brandmauer und Schanzförbe, weil fie ihm wie ein Gygesring 
die Sichtbarkeit benahmen — jo war er diesmal für fo gar viele Säugetiere iiber 
eıne Meile entfernt. Sie ritten aber zu und ftiegen ab, bohrten das Fäßchen auf 
und leertens aus, holten dann ein Röperiches hervor und ftahhens an. Dieſe Töne 
lodten ihn endlich wie einen Iltis das Wetzen aus feinem Souterrain hervor; ich) 
will aber einen genauen Abriß unſeres damaligen hydraulischen Syſtems geben, 
al3 er eintrat und eingriff. Sein fauer eriworbenes und ſauer ſchmeckendes Ber- 
mögen oder Faß lag auf dem Tiſch (unter dem Tiſch lag noch nichts), um die 
‚sacade des Faſſes hielten fich Leute von Adel auf umd fchienen nahe die Grenze 
zu beftreifen, die den Philofophen vom Süffling ſcheidet — das Schredliche aber 


64 Joſef Miller, Jean Pauls litterariicher Nachlaß. 


waren die Informatores. Denn da aus dem einzigen Introitus und Loch des 
Faſſes für jo viele bloß ein dürrer Strich» und Staubregen flatterte, jo hatten 
die Pädagogen gejhidt eine Hinterthüre oder foramen ovale hineingebohrt und 
vier Hofmeifter ſaßen als Hinterräder und Zuffire binter dem Faß und führten 
ab. Es war blos Eitelkeit des jetsigen Biographen, daß er feinen Tropfen verfuchte, 
weils fein Wein war; denn in Wein beobachtete er die entgegengeiette Enthalt⸗ 
ſamkeit aus der nämlichen Eitelkeit. Röper predigte Mäßigleit, er stellte Die 
Mäßigkeit in mannigfahem Yıchte wie cin Gewiſſensrat dar: in diätetiichen — in 
moraliihem — in rıtterichaftlichenm — ın fameraliftiichem, aber ſie liegen ihn reden 
und dürften, und da er fab, daß man ihn und feine Fäſſer wie Waſſerſfüchtige 
— und fie warens — abzapfte, wurde er endlich toll, fehrte der Mäpigleit und 
ihrem Richter felber den Rüden und ſoff für zehn Die geiamte Bierhoſe oder 
Saufkompanie fuhr, Seitdem dieſer Faſelhans wie ein Mälbermagen in fie 
gefallen war, zerrinnend zujammen und gerann.“ 


Der nächſtfolgende Aufſatz, 1790 gejchrieben, iſt eine philo- 
jophiiche Theſe und führt im erften Manuſkript den Titel: „Es 
giebt feine eigennügige Liebe, jondern nur cigennükige 
Dandlungen.” In den gedrudten Ausgaben iſt nach Yiebe „noch 
eine Selbitliebe* eingejchaltet. Tie urtprüngliche Faſſung, die von 
der jpäteren bedeutend abweicht, lautet in den Dauptteilen jo: 


„Ich will erweiien, daR die Yırbe, die ein Geiziger fir einen bat, der ihm 
etwas teftiert, ebenio uneigennügig ſei wie die, welche ich für den göttlichen Dlöndh ') 
hege, der für einen andern ſich auf die Galeere ſchmieden ließ: das Wort uneigen- 
nützig definiert fich nachher von jelbjt 

Geld iſt bei unſerm Geizigen fein Gegenſtand der Yıcbe, sondern der Gier 
und des Gefallens — eine Erzgrube, eine Ztatue, in der er Held anträfe, ıft wieder 
b108 ein Gegenſtand feiner Begierde umd mehr nicht Bekommt er aber dies nämliche 
Geld von dem Zeitator, To hat er Yırbe für dieien. Was fann er nun an dieſem 
leben? Das (Held unmöqlich, weil das blos gefällt. Auch müßte dann, wenn Diele 
unmögliche Yıcbe dem Geld zugebörte, Ne ſchon vor dem Teſtieren da geweſen fein, 
weil das Held vorber da war. Alio blos die Geſinnung des Teſtators, d. b. deſſen 
Yiebe für ihn, d. h. deilen volllommmen Seelenzuſtand liebt der Geizige. Freilich 
war das Teitat notwendig, wenn jene Geſinnung Des Geizigen aufgededt werden 
jollte, aber er liebt doch nicht das Vittel Des Yeugens, sondern das Gereugte. 
Hätte er, wie oft der Fall vit, gar feine Yırbe, ſo baste ev auch feine eigennützige) 
Worin iſt nun der Geizige . von dem beiferen Diewichen verichieden? Darin find 
ſie eins, daß der volllommne Zuſtand oder die Liebe beider Yırbe erregt, aber darın 
trennen Ste ſich, daß der Geizige einen iolchen Zuſtand nur fühlt, wenn er felbit 
GBegenſtand davon iſt, der Veſſere dagegen nur andere ala Gegenſtand davon zu 
warn braucht Warum macht die Yıebe, Die gegen mich bang it, einen tieferen 
Eindruck auf much als die, welche gegen andere tbatıg it? Tarum: von werner 
Würdigkeit babe sch einen tauſendmal vollſtändigeren und lebhafteren Begriff als 
von fremder, und Die Empfindung des gewirlten Wohlſeins it bei mir ftärler; 
abo muß auch die Fremde Yırbe darnach um so bober geichägt und dadurch ineme 
rigne deſto höher getrieben werden. Nur im Grad art Unterichted. Iſt aber dann 
das Gefallen an fremder Volllommenheit Eigennußs? Was wollen wır denn für 
eine Uneigennüßigkeit? Tie, daß uch den andern qanz wie mein Ach liebe? Tann 


m fpäteren Text lt fir Vinzenz von Bau, der unter dieſem Moönch zu 
versteben iſt, der gute aber etwas narriiche Onkel Tobn gereet — licher feine 
glücdliche Vertauſchung. 


Joſef Müller, Jean Pauls litterarifcher Nachlaß. 65 


wäre fein Ich ja meins und es bliebe fein Unterichied; die Liebe wäre verpflanzt- 
nicht veredelt, und ich hätte blos die Ichs getauft. Die uneigennütige befteht 
vielmehr darin, daß meine Natur fähig ift, vom Anblid einer fremden gerührt zu 
werden und von ihren Bolllommenheiten ſolche Eindrüde zu befommen. Genau 
genommen giebt8 gar feine Selbftliebe, ſowie ich mich weder eigennügig noch un- 
eigennüßig liebe. Wir können unjer Bild im Kopf, d. h. nicht unfer Sch, fondern 
eine ihm ähnliche Perjon lieben; eine Wirkung kann nie in fich feibft zurückkehren, 
jo kann das Sehen nicht ſehen — Eigenfgaften werden geliebt, aber Subftanzen 
lieben. Meine Selbfiliebe richtet fi) aber jchlechterdings nicht nad) meinen Eigen- 
haften; fie ift ebenjo groß, wenn ich mid) aus der tiefften lafterhafteften Ber- 
tommenbheit herausreiße, ala wenn ich die ätherifche Höhe der Tugend weiter hinan- 
fliege. Noch etwas: Yiebe wird jchlechterdings nur durch Liebe erregt. Liebte ich 
mich felbit, io hieße das: ich hätte Liebe für meine Liebe. Alle anderen Eigen— 
ihaften enthalten blos Achtung, Bewunderung ... der Punkt über die Selbitliebe 
des Ichs ıft ein trüber, unabjehbarer Abgrund, in den viele Kantiiche Sonnen 
fallen müffen, um ihn licht zu machen.“ 

An dieje ziemlich paradore Theje jpann fich eine längere Kritik 
ſeitens der Freunde Vogel, Völkel und Wernlein, der Jean Paul 
mit Antifritifen begegnete, wie bei Reimer 63, S. 54—75 nad) 
gelefen werden Tann. Sean Paul Hatte recht darin, daß er die 
ichroffe Gegenüberjtellung von Selbftliebe und Uneigennütigfeit, wie 
jie bei vielen neueren Moraliſten gebräuchlid) ift, milderte, die wohl- 
wollenden Züge im Eigennuß, die des eigenen Intereſſes in der 
Selbjtaufopferung hervorftellte, vor allem in dem Nachweis, daß die 
Liebe gegen ein geiftiges Weſen, und wäre fie noch fo jehr von 
jelbftfüichtigen Motiven verurjacht, doch immer eine höhere Färbung 
gewinne, als fie ein totes Metall erregt, daher man nur im un- 
eigentlichen Sinn von Liebe zu Geld, zu Pferden ſpräche — er 
iehlte aber durch die ziemlich willfürliche Behandlung des Themas, 
durch die Aufftellung unbewieſener Süße, 3. B. daß Liebe nur Liebe 
zum Gegenjtand habe, immer auf die Gejinnung des anderen ge- 
richtet jei, daß es alſo nur einen Gradunterſchied derjelben gebe, daß 
Selbftliebe nur auf ein ideales Bild des Ich gehe, im Grunde aljo 
feine jei, oder gar gleich groß bleibe, ob man in tiefjter Verkommen— 
heit oder in Zugendhöhe ſich befände u. f. wm. Daß die gejchilderte 
Liebe des Geizigen eine andere der Art und nicht dem Grad nad) 
als die chriſtliche des Mönchs ift, bemweift die Thatfache, daß die 
erftere Ti) auch dem Grad nad) durch ein fehr großes Gejchent 
außerordentlich fteigern läßt, ohne im mindeſten tugendhafter und 
weniger anmwidernd zu werden. Sie geht eben auf etwas ganz 
anderes als diefe, auf die Selbitbefriedigung, und danach nimmt jie 
ihren Maßſtab. Sean Paul muß fonjequent die Selbftliebe leugnen 
und für eine fchattenhafte Näcdhjtenliebe ausgeben; er hilft ſich mit 
der Duntelheit der Selbftliebe; aber nicht die Selbitliebe ilt dunfel — 
fie ift vielmehr jehr Mar und helljichtig — jondern das Selbſt oder 
Ich. In dem erweiterten Tert geht Jean Paul nod) weiter. Es ilt 

Euphorion. VII. 5 


66 Joſef Miller, Jean Pauls litterarifcher Nachlaß. 


doch unerhört, Säge zu lejen wie: „Der Grund benimmt der Xiebe 
des (eigennügigen) Erben von ihrer Reinheit nichts“, oder „die Liebe 
gegen weibliche Schönheit iſt ... nichts als die Liebe gegen die... 
moraliihe Schönheit.” Licht auf Jean Pauls Auffaffung wirft der 
Aphorismus Band 63, ©. 107: „Wenn wir einen Mord anhören, 
jteht in uns die mweinende DBruderliebe auf und wir fallen nicht, 
wie der Mörder die feinige überwand, oder wir leugnen, daß er fie 
hatte. Aber er fonnte fie haben, und jo jtarf wie wir, und doc 
den Mord begehen, weil Rache oder Geld nod) jtärfer reizten.“ 
Das moraliiche Feingefühl des Dichters und jein Optimismus läßt 
ihn Gelinnungen in den Zajterhaften hineininterpretieren, die diefem 
fremd oder die nur höchſt primitiv in ihm find. 

Das Nächite, was wir von den Produktionen des Dichters haben, 
ift vom Anfang des Jahres 1791 daS „Neujahrswünſchhütlein für 
jeine Gönner von Fortunatus Karl Hofmann“. (Siehe Reimer 
64,217) nebjt dem „Ungereimten Schüßenfarmen in freiem 
Metrum von Karl Hofmann, zeitigem Pulcinello“ (ebenda, 219). 
Tiefer Bulcinello oder „Kommun-Sancho-Panſa“, wie er ſich im 
erjteren Aufjag nennt, iſt der Dichter felber, der in der Schwarzen: 
bacher Hofmeiterluft zu ausgelaffeniter Fröhlichkeit herangereift ift. 
Davon zeugt aud) die „Birfenpredigt“ für die neugegründete 
„Birkenunion“, die beginnt: „Selig find die Schwarzenbacher; denn 
fie haben den Birken-Prater und -Vaurhall, in den fie gehen können, 
wenn jie wollen, und in dem alles grün iſt, das Breche geitoßene 
Billard ausgenommen.” Ciche Wahrheit 4, 248— 252. Hier find 
einige Fehler: Der „Birkentraiteur“ heißt Depler, nicht Repler, wie 
dajelbft ©. 24%, 3. 12 fteht, und die Antwort Clöters S. 250, 251 
ijt verſtümmelt. 

An Karoline Derold von Hof jchricb Jean Paul am 3. Januar 
desjelben Kahres „Etatt eines Neujahrswunſches“ die ſchwung— 
volle Phantasie, die unter dem Titel „Mondsfiniternis" dem 
„Fixlein“ vorgedrudt iſt. Die uriprünglicie Faſſung mit den 
einleitenden und Schlußworten jiche Wahrheit 4, 279—283. Da— 
jelbit auch im unmittelbarem Anſchluß die Erörterung der Preis- 
frage der erotiichen Akademie: „Wie weit darf die Freundſchaft 
gegen das weibliche Geſchlecht gehen und welder Unter- 
ſchied ift zwiſchen ihr umd der Liebe?“ Gin im Diefelbe 
Zeit fallendes „PDoczeitgediht an eine Freundin“ ift in 
den eriten Band der „Herbitblumine” aufgenommen worden. 
An eine jeiner Freundinnen it auh „Der Mond, eine phanta- 
jierende Geſchichte“ gerichtet "gleichialls dem Tyirlein vorgedrudt) 
und obiger Karoline, iſt endlicd) eine Begründung der Unfterblichfeit 
unter dem Titel: „Über die Fortdauer der Seele und ihres 


Joſef Müller, Jean Pauls litterarifcher Nachlaß. 67 


Bewußtſeins“ 1792 gewidmet. Förfter führt in Wahrheit 4, 
298 nur den Anfang an. Den Aufjag Hat Nerrlich in die wiljen- 
Ichaftliche Beilage der Leipziger Zeitung Nr. 24 und 25, 1881 ein- 
gerüct, aber mit wejentlichen Auslaffungen. Ein Vergleich mit dem 
„Kampanerthal* ift nicht uninterefjant. Jean Paul weiſt zuerft un: 
genügende Beweije zurüd, jo die von Meendelsjohn, Käftner und 
Serujalem. Da Nerrlid) diejen Paſſus weggelajjen hat unter der- 
Motivierung, er fei ohne Intereſſe, fo joll er hier folgen: 


1. Zweifel und falſche Beweiſe für fie. 


1. Mendelsjohn jagt für die Fortdauer des Bemußtjeins: „Alle Verände- 
zungen gefchehen durch Übergang. Der Weg von Tag und Nadıt geht durch 
Dämmerung. In der Natur giebt e8 keinen Sprung. Dauert aber die Seele, fo 
muß fie aud) wirken und leiden. Wenn das, jo muß fie denken.” Dagegen wendet 
Jean Paul ein: Das wäre erftend nur ein Analogiebeweis (Jean Paul fagt 
fälſchlich „Induktionsbeweis“). Dann fei der Oberſatz: In der Natur gejchehe 
alles durch Übergänge — fraglich. Wo fei der Übergang zwifchen der Ruhe des 
Scießpulvers und deſſen Aufflammen? Übergänge feien überhaupt nicht zu 
beweilen; wir wollten nur durd) eingefchobene Zwiſchenglieder der Schwierigfeit des 
Begriffs entwishen, wie Veränderung und Wirkung überhaupt auseinander folgen, 
da doch eime Veränderung mit Mitteltinten jo undenklich bleibe al8 eine ohne. 
(Es ift Übrigens im Mendelsjohnichen Beweis die Yortdauer der Seele iiberhaupt 
vorausgeietzt.) 2. Käftner und Jeruſalem jagen: „Ohne Unfterblichfeit macht ein 
Ruchloſer fi) unabhängig von Gott durd einen Dolch oder ein Pot Arjenif.” 
Aber der Fataliſt jagt ohnehin, dag ihm der Schöpfer diefen Dolch gereicht; und 
auch der Freie kann jagen, daß dem Schöpfer zur Beherrſchung diefes Nudjlofen 
die ganze Welt (die zukünftige ausgenommen) zu Gebote ftebt, und kann ihm den 
Doldy nehmen. Wer hat die Unabhängigkeit von mir, dem id; felbft die Erlaubnis 
dazu gegeben? n 

Auch den dritten (von Nerrlich mitgeteilten) aus der Vervoll— 
tommnungsidee geführten Beweis, der im Kampanerthal und in der 
Selina eine jo große Rolle fpielt, läßt Jean Paul hier nicht gelten. 
Er fagt: Wenn eine Ephemere aus der Entwidlung, die ihr Ein- 
tagsleben bringe, auf eine fünftige ungemefjene fchlöffe, da foviel 
Seelenträfte unmöglid) der Raub des ewigen Moders fein könnten, 
jo könnten wir fie widerlegen. Ebenfo ſchwach jei der aprioriiche Be- 
weis aus der UnjterblichkeitShoffnung. Ganz anders denkt Sean Paul 
im Kampanerthal. Dort läßt er nicht einmal Unijterblichfeit der 
Gattung als Erja der perfönlichen gelten. Denn dann fände der 
ewig fäende und nie erntende Weltgeift im Univerjum und Geijter- 
al nirgends Ziel und Zweck, „weil der in ein Univerfum aus 
fuccedierenden Ephemeren, in eine unfterbliche Legion aus Sterbenden 
zerteilte Zweck der Entwidlung Feiner für die verjchiedenen Ephe— 
meren wäre, höchſtens für die lette, die nie fommen Tann.“ Dort 
betont er ſcharf die Veränderung unferer fittlichen Begriffe, der 
Kiebe, der Freundſchaft, wenn die Unfterblichfeit aus der Be— 

5* 


68 Kofef Miller, Jean Pauls litterarifcher Nachlaß. 


trachtung verjchwände „Was wäre ein Sittengefeg für Ephemere? 
Denkt euch eine Statue auf zwei Tage bejeelt! Fragt ech, ob ihr 
es für einen Mord erklärt, fie einen Tag früher zu zerichlagen, als 
fie ohnehin zu leben aufhört? Was unterjcheidet fonft den Tier- 
mörder vom Menſchenmörder? .. Auch die Liebe fordert Leben. 
Wir fprechen von ewiger Liebe, unendlicher Treue; ohne Unfterb- 
fichfeit kann niemand fagen: ich liebte; du fannjt nur jeufzen und 
lagen: ich wollte lieben!“ 

4, „„Tugend und Lajter müſſen ihrem Lohne entgegenfterben.“ 
„Für unfere Minute Arbeit fordern wir eine Ewigfeit voll Lohn?“ 
Diefes Poftulat hat Sean Paul auch im Kampanerthal 
als unzureichend erflärt — ſehr bezeichnend für die Neinheit 
feines Qugendbegriffs, die feine Beimiſchung unreiner, lohnfüdhtiger 
Motive gejtattete. „Die Tugend ift ihr eigener Lohn, fie braucht 
feinen anderen. Für dieje weißglänzende Statue wäre die Zuthat 
irgendeiner anderen &lüdfeligfeit nichts weiter als das Farben—⸗ 
anjtreichen einer Götterſtatue.“ Auffallend ift, daß Jean Paul aud 
dem Sinten der Seelenfräfte im Greijenalter bier noch jo großes 
Gewicht beilegt, während er cs im Kampanerthal und in der Selina 
zu bejtreiten oder abzuſchwächen ſucht. Die Abhängigkeit der Seele 
vom Körper und der Parallelismus zwifchen beiden ift in der erjten 
Schrift noch jehr jtarf betont, ein Wunder jei das zweite Seelen: 
organ, das der „entlaubten und herausgeborenen" Seele wie „das 
Ammonshäutchen ankleben ſoll“ Merrlich hat den Text hier nicht 
leſen können und deutet das ausgefallene durch . .. an) „ein Wunder 
iſt die ganze Exportation der Seele an einen andern Ort“. 

II. „Vermutungen“ (man beachte das Wort!) „und Beweiſe für 
Fortdauer”. Nerrlich hat den Eingang weggelafjen, er hätte aber lieber 
die mitgeteilte Widerlegung des Materialismus auslaffen jollen; 
denn jie ift nahezu wörtlich mit dem 9. Schalttag des Hesperus 
identisch. Ich laſſe das Ausgelafjene hier folgen, da es charafteriftiich 
für den philojophiichen Vildungegang Jean Pauls ift, der fi, wie 
wir auch aus anderen Produftionen jener Zeit willen, eng an 
Leibnitz anſchließt. 

„Wenn die Fortdauer der Seele, nicht ihres Bewußtſeins, metaphufifch 
bewiefen werden Toll, fo muß ıbre Immaterialität dargetban fein. Die Materie 
felbit ıft immateriell. Denn cıne YZufanneniegung aus nichts ıft unmöglich, eine 
aus etwas Zufammengeiegten verſchiebt nur die Antivort . . . Dieſes Etwas, diejes 
Unzufanimengeiegte (legte Seinsprinziß — man nenne cd, wie man will — id 
will c8 Dlonade nennen — dieſe Monade trennt ſich von meiner geiftigen vielleicht 
nur im Grad. . . Unnötig ıft die Leibniziſche Annahme von Ideen bei niederen 
Monaden; jelbit bei uns höberen Wonaden find Ideen nur zurldgeipiegelte 
Wirkungen einer ganz anderen Thätigkeit oder Kraft, nämlıch der, womit ich 
meinen Körper bewege, womit ıh will und wodurch ıd für Yeidenfchaften, 
Freuden . . empfänglih bin.“ «Tiefe frlibe Überwindung des Yeibnikichen Intellet: 


Joſef Müller, Zean Pauls litterarifcher Nachlaß. 69 


tmefismus durch den PVoluntarismus ift höchſt intereffant.) „Vielleicht ftellen dieſe 
unfere geiftigen Thätigfeiten höheren dazu organifierten Wejen den finnlichen Schein 
der Bewegung, Ausdehnung dar.” (Höchft phantaftifch, aber Leibnitifh! So fchon 
im Aufjatg über den Influxus und die präftabilierte Harmonie. Dem Materialismus, 
der dur die Leibnitziſche Annäherung des Geiftes an die Materie und durd) 
die Zean Pauliche Abſchwächung des Intellektuellen zum Boluntariftifhen droht, 
weicht der Dichterphilojoph durch die notwendige Annahme der Teleologie des 
Weltalls aus. Keine Mifchung, kein Zuſammenwirken von niederen Monaden kann 
das bewußte Sch Fonftituieren.) „ES ift unmöglich, daß eine Monade eine ganz 
neue Kraft, die fie jelbft nicht bat, einer anderen anerfchaffe, der fie auf eine 
unbegreifliche Weiſe inofuliert wiirde. Auch ift unmöglich, daß diefe Kraft unter dem 
Ganzen fo verteilt wäre, daß fein einzelner Teil fie befäße, wie etiwa die Ver⸗ 
mengung aller Farben das Weiße gebiert; denn ein Ganzes eriftiert nirgends als 
in der Borftellung eines Geiftes, der die Theile unter cinen Begriff befakt; in der 
Natur ift jeder Theil nur fein eignes Ganze. Nur ein philojophifcher Hermaphrobdit 
wie Wedherlin konnte jagen: Die Uhr befommt erjt dur) Zufammenjegung die neue 
Kraft, die Zeit zu zeigen; denn die gezeigte Zeit wohnt nicht in der Uhr, fondern 
im Kopf ihres Befigers. Nur ein jolcher philofophifcher Kaftrat wie Wechkherlin, 
deiien Name ich niemals fchreiben lerne, konnte jagen: Die Theile des Auges jehen 
nicht, aber doch das ganze Auge. Denn auch dieſes fieht nicht, wie das tote oder 
ein tiefer nichtfehender Denker beweijen, fondern die Seele hinter dem Auge. Fir 
die Einfachheit des dentenden Subjelts if, wenn nit Demonftration, doch 
Wahrſcheinlichkeitsgrund die Einheit unjeres Selbftbemußtjeins, die als ein 
Reſultat mehrerer Monaden 1. nicht jo rein und 2. nicht jo unverändert bleiben 
fönnte. (Platners Beweis aus der Weflerion; die Schnelle der Seelenwirkung.) 
Iſt aber unjer Ich eine Monade, fo tft nicht nur die Gewißheit feiner Fortdauer 
dargethban — weil Vernichtung das größte und unbegreiflichfte Wunder wäre — 
fondern auch die Möglichkeit feines Bewußtſeins“ (diefe Trennung von Seele 
und Bewußtjein bat Jean Paul fpäter verworfen, fieh mein Hauptwerf, ©. 171— 
175) „weil die Monade fo gut wie vor der Geburt — aud) nad) dem Atheismus 
— durd) die ewigen Wogen und Stürme des Monadenozeans in einen neuen 
Menſchenkörper — und wenn diejer Erdball der Sonne zuftürzt, auch wohl in 
einen befferen Körper ausgejetst werden kann. Sie kann c8 aber aud nicht (d. 5. 
es ift möglich, daß Obiges auch nicht eintrifft); denn der Zufall kann fie ewig 
unter ihrem Scutthaufen laffen. Der Geift verdankt der Organifation viel weniger 
als es jcheint. Das Gehirn ift nur der Markbrei, das eleltriiche Kiffen unjerer 
geiftigen Eleltrifiermafchine ..“ 

Das Folgende fteht bei Nerrlih a. a. D. und im Kern wie 
ihon bemerkt im Hesperus. Weiter führt Jean Paul moraliſche 
Beweise ins Feld. „Wozu die edlen Kräfte des Kopfes und Herzens 
in einem Leben, das fie jelten braucht?" Das vom Standpunkt des 
Todes „Widernatürliche” unferer Anlagen namentlich bei den „hohen 
Menſchen“ ift für Jean Paul Bürge der Unfterblichkeit. Die Wahrheit 
werde öfter vom Herzen al$ vom Kopf gefunden. Es gebe “Dinge, die 
nur gute Menfchen finden und fafjen; noch andere gehörten nur für 
edle Menichen. Der Kantſche Beweis (den Jean Paul im Kam: 
panerthal mit Hohn übergießt) Teuchte und wärme nur im Verein 
mit den Grundfägen der praftifchen reinen Vernunft mit ganzer 
Stärke. Kant ſchließe nicht: weil Tugend und Laſter ihren Lohn 
hienieden nicht finden, finden fie ihn anderswo, fondern weil völlige 


70 Joſef Müller, Jean Pauls litterarifcher Nachlaß. 


Angemeſſenheit des Willens zum moraliſchen Geſetz nötig, darum 
Unſterblichkeit. Schön poetiſch, aber weniger beweisſkräftig ſchließt 
die Abhandlung: 

„Sollte das Grab nicht der rettende Hafen, ſondern der letzte ſchluckende 
Strudel ſein und der Tod zerträte die leßten Thränen zugleich mit ihrem Auge, 
und aus der fliegenden Aſche des beſten und unglücklichſten Herzens würde vom 
Schickſal etwa ein neues böſes und glückliches gebacken? Wäre der Tod keine 
totale Sonnenfinſternis, unter welcher zwar der Thau ſinkt und der Horizont dämmert 
und die Blume zufällt, die aber bald mit einem nachblitzenden Tag ſchließt, ſondern 
eine ewige Nacht — was hält uns dann, wenn die Wernichtung vor unſeren Augen 
den Freund zerfniricht, noch ab, auch uns ıhr in den Rachen zu werfen? Nimm 
die tröftende Stimme des Prediger vom Gottesader, jo ſehen die Grüber gräßlich 
aus: wie fäuende Rachen, die Väter, Freunde, Brüder vor euch zermalmen, und 
über die Weltgefchichte herriht ein Tämon, der feind allen Menſchen, die ſich um— 
ihlingen, allemal die eine Hälfte einäſchert und an die heiße Bruſt nichts legt als 
einen falten Toten .. Ad) es ift ohnehin bei aller Unſterblichkeit jo wenig Troſt, 
wenn dir ım Gewühl fremder, ftoßender, fortilatternder Menschen der einzig 
befannte, mit div aufgewachiene aus dein Arm gezogen wird und du alleın fort 
ihleihft? ... Möge mir diefe Hoffnung immer 10 lebendig bleiben, als jett, da 
ih endige! Möge ih und jeder am Tag des Yebeng, mie der Srönländer am 
längften Tag in der Todesmitternacht, noch die Aniterblichleitsionne ſehen!“ 


Humoriſtiſch jchliegt Jean Paul: „Aber Leſer wollen jo gut 
hienieden leben als Autores; allein ich jchreibe fie tot und dann 
brauchten jie meinen Erweis ohnehin nicht, wenn ich jo fortichreite.“ 

Im inmeren und zeitlichen Zuſammenhang mit den AUnjterblid)- 
feitsgedanfen des Tichters ſteht die 1794 entitandene, erit aus dem 
Nachlaß veröffentlichte Erzählung „Tas Yeben nad dem Tod“. 
(Reimer 65, 220- -224., Grundgedanke: „Tas Leben iſt ein Traum; 
der Tod iſt ein Traum; aus den Träumen werden wir im Hinimel 
wach.“ Dechalla wurde durd einen Genius über den Tod ihres 
gelichten Hylo getröftet. 

Aus den Jahre 1794 ftammt noch „Des Amtsvogts Jojuah 
Freudel Klaglibeli gegen jeinen verfſuchten Dämon“. Im 
Nachlaß finder ſich die urſprüngliche Faſſung unter dem Titel „Schil— 
derung eines Zerſtreuten“. Sie iſt noch ſehr primitiv, weiſt aber 
einige Erlebniſſe Freudels auf, die in der ſpäteren Bearbeitung weg 
blieben; jo: dan er von einem Lieutenant verhauen wurde, ohne des 
Abends beim Ausziehen zu willen, warnm der Rücken auflier. Als 
er bei der Taufe im Namen des Pathen dem Tenfel widerjagen 
jollte und all jenen Werken, ſagte er das (Segentheil: „ich war aber 
mehr zerjtreut als gottlos“. 

Tem nächſten Jahre 1795 entſtammt die herrliche Satire 
„zes Meftors Florian Fälbels und feiner Brimaner NReije 
nad dem ‚sichtelgebirg*“. 

Sonſt befinden Jich im Nachlaß noc die Brouillons mehrerer in 
diejer Zeit entitandener Anfſätze, die in jpätere Werfe verflochten 


Joſef Müller, Jean Pauls litterariicher Nachlaß. 7: 


wurden, fo: „Die Bettler find neue Barden“. — „Mein Lei— 
henjermon beim Grab eines Bettlers" (beide Aufjäge bilden 
den Schluß der „Biographifchen Beluftigungen unter der Gehirn- 
ihale einer Riefin” al8 „Appendir") — „Meine Bittfhrift an 
den Klub, der den Hut nidht rührt” (als „Bittjchrift an die 
deutiche Hutunion“ in die „Briefe und bevorjtehenden Lebenslauf”, 
3. Brief, aufgenommen). — „Über die Titularräte im Konzert 
zu Saturnopolis” (fteht als „Schwanzſtück“ Vults int 25. Ka- 
pitel der „Flegeljahre“) — die Humoresfe von dem „Bader 
Kunz”, der zum Arger des Kantors immer im Chor erjcheint, 
wenn diefer auf dem Wurftichlitten des Orgeljtuhls fitt, und mit- 
fingt, wenn aber der legte Ton verflungen, eilendS vor der Rache 
des Kantors verduftet. Bader Kunz und Sohn waren eine Woche 
lang verfeindet und teilten fid) die GejchäftSverrichtungen auf 
Zetteln mit, da fie einander fein Wort gönnten. (Teilweiſe in den 
Hesperus aufgenommen.) — E$ findet ſich noch ein Aufjag über 
ein Mädchen, das feinen Liebhaber liebte und alle fympathiichen 
Regungen für Freundinnen opferte. Sean Paul trägt ihr feine Liebe 
an, wird aber zurüdgemwiejen; alle ihre Liebe gehöre ihren Freun— 
dinnen. Der Auffag ift für die Hochftellung der Freundſchaft bei 
Lean Paul bezeichnend, findet fi) aber nirgends wiedergegeben. 
Reiche Anklänge daran befitt der Brief Jean Pauls an Adam 
Lorenz von Derthel vom 13. Februar 1785 (Wahrheit 4, 390 — 
394). Beiderſeits dient gewiſſermaßen al3 Leitmotiv die Sitte der 
Morladen, Freunde zu Topulieren und feierlid) einzuſegnen. — 
Der ganze Pak Aufſätze ift Otto dediziert. „Argere Dich nicht,“ 
fteht darüber, „wenn ich ein Narr bin und mit meinen DBlattläuje- 
Generationen dir nadjlaufe, damit Du fie ftundenlang beſiehſt!“ 

Damit ift der dritte Hauptteil der „jelbftändigen Aufjäge‘ erichöpft; 
denn die nädjitfolgenden Produktionen: „Neben des vergnügten 
Sculmeifterleins Wuz“ und, Die unſichtbare Loge“ gehören un- 
verändert dem Druck an und finden ſich im Manuſkript nicht mehr vor. 


D. Dierter Hauptteil. Faszikel 14—23: Studienhefte zu ein- 
zelnen Werfen. 

Hier foll blos das durchaus Neue und Intereſſante publiziert 
werden. Daher übergehen wir den ganzen Faszikel Nr.14, „Fibliana“ 
und Studien zu den „Biographiichen Beluftigungen“ enthaltend, 
und wenden uns jofort zu Nr. 15, den Studien zu den 


„Slegeljahren“. 


Es iſt befannt, mit welch ungemeiner Sorgfalt Jean Paul dic 
Gejtalten und Szenen feiner Romane ausarbeitete. Bis er an die 


72 Joſef Miller, Jean Pauls litterariiher Nachlaß. 


Niederichreibung eines Werkes ging, mußten erſt die darin auftre- 
tenden Charaftere bis ins kleinfte Detail ihrer Eigenart ausgeführt 
und bis ins Innerſte ihres Seelenlebens beleuchtet fein; immer 
neue und neue Züge, den mannigjadjjten Situationen und Per: 
ipeftiven entipredyend, entwidelten fid) aus der angenommenen 
Grundform und häuften fih in den Sammelbüchern derart an, 
daß der Dichter Mühe hatte, auch nur einen Zeil im Buche zur 
Darjtellung zu bringen. Desgleichen erwuchs die Fabel des Stüdes 
aus unfcheinbaren: Keim oft zu breiter und mächtiger Ausführung, 
verichlang jid; mit anderen Gedankenkreiſen, die den Geift Jean 
Pauls gleichzeitig beichäftigten, und machte im Fortgang der Ent- 
wiclung oft die jeltjamften Wandlungen durd, die den Ausgangs 
punkt faum mehr erfennen liegen. Darum ift das Studium der 
Notizenbücher Jean Pauls jo lohnend und intereffant: nicht nur 
das Verſtändnis der Werfe gewinnt überrafchendes Licht, wir finden 
aud) eine Deenge Neues und im Roman gar nicht Ausgeführtes 
über Wejen und Werden der Charaftere, Sinn und Pedentung der 
Fabel, Antention des Verfaſſers bei Ginzeldarftellungen wie bes 
züglich der Geſamtdichtung, Plan allenfalljiger yortjekung und 
Umgeitaltung u. |. w. 

In den „Flegeljahren“ iſt natürlic) das Brüderpaar Walt und 
Vult, ihre Sondereigenichaften, Kontrafte und jecliichen Berührungs— 
punfte Zentrum und Seele des Ganzen. Jr diejer lieblichiten aller 
Schöpfungen des Dichters wollte Jean Paul die beiden Pole feines 

hs, die ihm gleichberedjtigt und zur harmoniſchen Geſtaltung des 

emütslebens unzertrennlich dünften: den naid-jentimentalen und 
den fritiich-humoresfen in ihrer Iſolierung, Aufeinanderwirkung 
und den daraus entipringenden Konflikten zeichnen. 

Das Studienheit beginnt mit zahlreichen Regeln und Angaben 
über den Gharafter der Dauptperjon. Nur das Hervorragendſte joll 
hier folgen. 

Salt. 

Zchr werde fein Vetragen in Leid und Beleidigung feitgeiebt! Stets eines 
zu Suchen und zu entwickeln, das andere nur deſſen Grundierung! Fantaſie zeige 
fich recht, ſtets komſcher Zorn! Allmahlicher Gewinn, Verarmung nur Grundierung. 
Wuziſche Grundierung nur anfangs. Jede lange Schilderung fir zu einem Faltum! 
Sterniſche Yan. Eine einzige große Begebenheit werde an vielen kleineren fortgeführt, 
die aber wieder ın eine große übergeben als Water oder Kind. Die Grbichaft ıft nur 
Rad, nicht Ziffjerblatt. Rults Charalter jo allegoriih wıe Walts. Einmal die treue 
Yiebe nach langer Trennung. Nie emzelne Heime Züge vergeuden, jondern gieb viele 
auf einmal! Die Nebenperionen zeigen die rechten Zeiten feiner übertriebenen gegen- 
über. Mebr pbantaitiicher Charakter wıe Theim (aus Ztemer und Zchoppe! Walts 
Zprahe in der Begeiſterung Rein menschlich intereſſante Yagen! Tie Nontrafte 
fteigern jemen Charakter blos: Rult ſchneidend gegen ıbm - reale Proia, Berftand, 
Strenge Zen Streben, nicht blos Genießen der Voeſie ım Yeben und Schreiben 


Joſef Müller, Zean Pauls litterarifcher Nachlaß. 73 


ſei Hauptſache, Liebe Nebenfigur! In Szenen, wo er über M. (beißt bei Sean 
Paul immer „Menfchen”) irrt, vergeude fein Feuer! Kontraft feiner Claftizität und 
des Aufbraujens, feiner Milde, Großmut, Lächerlichkeit, etourdi. Er veredelt das 
Kleine und kämpft dagegen. Komifches des Widerfpruhs des Handelns, d. h. 
Vollens mit der Außenwelt. Das Schlimme gebe Gutes und umgefehrt! Yoriks 
Mirtur des Geiftigen und Leiblichen. Immer nur das jpannende Streben nad 
Sachen und Berjonen! Nebenfcenen feien nur Mäder der Gedichte, nicht ber 
Empfindung, Gefinnung! Nicht Handlungen, die den Charakter begleiten, fondern 
vorausjegen, nur aus ihm kommen. Reden, die einen Charalter gegen unfere 
Meinung malen, find Thaten. Thümmels Epifode geht in Gejchichte über. Ein Zug 
rag’ im Charakter hervor! Male alles aus einem Geſichtspunkt rein, der zweite 
mildernde komm' erſt nach! Auch das Heine und Edle, nicht blos Poetiſche zeige 
ih! Seine Fehler müſſen nicht als blos wahre menfchlihe Fehler z. B. Ber- 
ftreuung aus ihm kommen, jondern als Außerungen des Edlen in ihm. Dale Ge- 
Ralten wie Homer vollfinnlid, Nebenumftände wie Goethe! Weder Walt nod) 
Bult muß unbedingt oder ſtets Recht oder Unrecht gegeben werden. Stets nur 
eine Sade werde fang durchgeführt, dann trete in dieje eine zweite längere, 
dann jene wieder! Wie ım Titan fchreibe Schilderungen und Ergießungen voraus! 
Gerate nicht in wilde Laune wie Rabelais! Dale lange Einleitungen jeiner Erb- 
feinde! Wechfele zwischen Wuzſcher Weitläufigfeit und galliicher Kürze, Spaß, Ent- 
züdung, Liebe, Intereſſe für das Höchſte! Schwäche nicht ſchwer errungene Dis- 
pofitionen durch Abgleitung auf Nebengemälde! Wit, wie in Thümmel, kann bie 
unbedeutendften Gefühle bedeutend erzählen, wenn er fie nur nicht hemmt oder 
vergißt, fondern blos forteilt, koloriert. Walt ſage jelber ftetS, wie er die 
Bornehmen achte! Überall bringe beim Korrigieren jene Humoradverbien nad! 
NB. Hauptregel: Bor jeder Nummer dente dem romantifchen Geift wieder nad)! 
Bults Liebe Bat mehr Beftimmtheit. Sieh’ nody einmal Stredverje durch! Freund: 
ihaft, wie Polarjonne, berührt nur das Meer, geht folglich wieder auf. Er hört 
fie, wie der Ohnmächtige die nahe Stimme als eine ferne. Walts Demut: der 
erhabne Spiegel zerftreut die Strahlen, der vertiefte fammelt fie in einen Brenn- 
puntt; Vertiefung gegen außen ift in guten und böſen Sinn Erhöhung gegen 
innen. Die Kälte des Egoiften und des großen Mannes: An den Polen fängt das 
Eis auf der Meeresflähe an, an den Alpen auf den höchften Gipfeln. Liebe kennt 
weder fremde, noch eigne Armut. Morgenfleid des Mars. Ehrenpforte der Mild;- 
ftraße, wodurch die hohen Geifter hinter das Weltall und die Welt ziehen. Alle 
Barteien treten auf Sprungfedern, die fie auseinanderfprengen. 

(Nun folgen Notizen über andere Charaktere des Romans, die wir zurüd: 
ftellen, dann heißt es weiter über Walt:) 

Walt Hat an den Armen ein Paar Flügel, an den Füßen ftatt der Stiefel 
nur dünne Schuhe aus Hühnerleder. Daß er Mittags nicht aß, macht ihn ſehr 
romantisch. Walt — Herder — ein poetifches Kind — ein heftiges Kind voller Liebe — 
oder aud) ein —ã— Weſen voll weiblichen Verſtandes, (weiblicher) Beſonnenheit, 
Einwendung und Naivität — Herder — ſogleich auffahrend bei nur heftigem Geräuſch 
— nur poetiſche Heftigkeit, nicht leidenſchaftliche, daher mild — zuweilen hat er 
die räſonnierende Laune und kann nicht heraus. Mangel an Selbſtbewußtſein, 
ſogar der Poefie, die er für recht hielt — indeß er von ſich geſondert das Bewußt—⸗ 
ſein der Welt hat — ohne es zu wiſſen kriecht er in alle Charaftere ein; er ge— 
fällt ihnen und hält fie für gut — fein Zorn über kauende, fingende Nachtwächter. 
Auch feine Liebe und Elternliebe ſei eigentlich poetiſch; er ficht das nicht, was er 
liebt. Er hält fi für Goethes Dichter Taffo — fein Geficht wohlgebildet — fein 
Körper edig und vorfchnell. Sein Auge ruhig, nidht die Hand. Worüber er richtig 
urteilt ohne Poefte, das find die Tandleute, worunter er aufgewachjen, und gerade 
über dieſe urteilt Bult falfh. Seine Liebe aud) gegen Egoiften. Er made 
Tiedifhe Schilderungen über große Menfchen. Da er ſich mehr dachte und fid) 


74 Joſef Müller, Jean Pauls litterarifcher Nachlaß. 


noch dazu jo ausgezeichnet vor Bauern fand, und fein eigne® zarted Chr und 
Gemüt kannte, jo glaubte er, Lebensart zu haben. Leichtes Augenbliten — jchnelles 
Wangenrot — er hält fi für pfiffig im Gefchäft, weil er einen Pfifftgen ſchildern 
tonnte — hat fein eignes Komiſches wie Goethe oder Theophraſt. Seine Frei— 
mütigfeit, da er an aller Güte und an Piebe aller Dienichen für Wahrheit glaubt. 
Sein Lob alles Guten bei jedem Feind. Er war leicht zu bewegen zu allem, traf 
man den rechten Punkt und ebenio hartnädig im andern al. (Ein echt Jean 
Paulſcher Charakterzug.) Im Leben ijt er gerade fo religiös ernft wie Tied oder 
ih. Vult aber ift da jo fpielend, wie er in Gedichten. Seine heilige Unſchuld und 
Scham. Am Geſang der Kindermädchen findet er Entzüden. Walt wundert fich 
über das Anfahren der Geichäftsleute, das dody am Ende nötig ıft. Hängt wie 
Novalis an der Natur. (Spätere Blätter!) Mangel an Geihmad. Träumerei. 
Wie Wieland nur ım Feben von einer Idee eingenommen, niht im Schreiben. 
Zeigt nie Stolz, weil im' Bewußtſein zufrieden. Unfähig, Hartes ins Geſicht zu jagen. 
Elaſtiſch bei Milde. Unbefonnen ın der Gegenwart, verlegen aus Feuer. Worin: 
a) hart? b) fcherzend? e) unmutig? d) unwahr? (Zchifderung feines Glücks im 
Leben). Auch heftige vortifhe Trauer hab’ er. Wäre ihm die Uhr geftohlen worden, 
er hätte fie nicht beichreiben fönnen. Ihn ſchmerzt moraliiche Nälte des Freundes, 
er glaubt fich weniger geachtet. Vergiebt hundert Tinge andern, nicht fich. Yiebt die 
roten Blumen im Korn. Jft lächerlich in der Freude. Er pißte, da er die Nadıtigall 
börte. Er fer auch läherlih tm Enthuſiasmus! Abergläubiſch wie Herder wegen 
des poetiichen Bedürfniſſes. Zein ſchöner Yeichtfinn, außer in der Ehre. Komiſches 
Sternifches Wachſen des Redefeuers. Er liebt alle Meiber, fo wie man die Roman: 
heidin fiebt, ohne ihr ungerreu zu werden, in der Fantaſie. Wie Trampler aus- 
ichend. Liebesdieneriſche Verwicklung. Bei gemeinen Yenten bab’ cr Betragen! 
Zobald er einmal aus Wuziſchem Heanemieın hinaus ft, defto mehr Thätigkeit. 
Wirft ch vor, er fer zu ſtark zornig oder zu selten. Ztellt alle ‚saltoren zu einem 
Geſpenſt Roufjeaus zujammen. Yiebt Ttabeiti zum Träumen, indiiche Nichtsphilo— 
ſophie. Tefto ftärkeres Gefühl fir Erhabnes. Ihut alles im Feuer. Sehnt fih ın 
drei Vergangenheiten auf einmal, nicht ın Zukunft, nur nach Italien. Zen warmes 
und dadurch verdädtiges Yob eines Fürſten. Durch öfteres Schmollen nügen fich 
feine Gefühle ab, ſchmollt länger. Malt fürchtet wie Schlegel das Gewitter, nicht 
als Natur. Male Walts ftarfe Abneigung vor einer bäßlichen Phuſiognomie jchr! 
Um mehr lächerlich zu werden, glaube er feſt, er babe Welt, ſei ungezwungen, 
hatte fich für einen Helden aus dev Ritterzeit! Er fürchtet ich, cınem Hund fange 
Werle zu machen. Auch Walt iſt etwas bart -- Yafontame — Walt griechiich 
fromm und ſtolz Vult philoſophiſch verdrießlich, ernaben-melaucholiſch. Glaubt 
an Träume. Walts Fehler: Narttatur - zu wenig ſtolz — cin wenig menfchen- 
feindlich, hälts aber nicht aus er fonnte fh die Krügel von einem Menfchen 
io feit denfen, daß ihm der Kopf ichmerste am wmildeiten aus Menichentiebe 
gegen Grauiame: in der Liebe ſeiſer wie © ‚Karoline? Walt öſchrieb ſich Vults gute 
Seiten auf, um ſich bei Zank daran zu erinnern, zeigt ihm das Verzeichnis. Vult 
kann Walts Liebe gegen ma mit erraten, da dreier beſtändig für alle Mädchen 
begeistert it. 

I. Intellektneller Grundzug:  doctiche Kantate. as Tugenden 
daraus: moraltiche unpolierte Yartbeit, Weiberliebe, griechiſche Lebensfreiheit, 
Gottvertrauen, ferne Yedenichaft Romantiſcher Sinn, große Freuden. Liebe Älterer 
Zerten und höherer Stände, Bewunderung des Vergangenen und Unbekannten, 
naiv, unſchuldig, beweglich und feit Achtung Glaube des Uberirdiſchen, Liebe 
der Freude, Ehrgefühl, Vdut Keckheit der Fantaſie 
b Fehler Lächerlichkeiten?‘ daraus: Boll lächerlichen Jähzorns, Aberglaube, 
Ubertreibung Der erzaählten Freuden, Furcht der ZJulunft, romantiſche Träumercı, 
eingebildete Lebensart und Wenichenfennties, Ronſiſeauiche Verlegenheit aus Feuer, 
heftiges "ind und Weib, Schlechter Anſtand, beweglich und hartnäckig, Kedheit, 


Kojef Müller, Jean Pauls litterarifcher Nachlaß. 75 


Liebe zum Bergnügen, verliebt, lächerlih in der Freude, Empfindlichkeit, zu großes 
?ob, oft ebenjo Hug als dumm. 

2. Moralifher Grundzug: Menjchenliebe. a) Tugenden daraus: Sehen 
in andere (kommt von Poefie), Ehen des egoiftifhen Scheins, bewegliche Stille; 
diejelbe fommt von Poefie. 

b) Lächerlichkeiten: bewundert Unbekannte, wild gegen Menjchenfeinde, 
ſchwach, nachgebend. 

3. Zufälfigfeiten des Standes: Walt — Kind, Weib, Herder, Wieland, 
Buri. Sein Kampf gegen Schomakers Lebensenge. Walt kann niemand vertheidigen, 
weil er feine Falta behält. Thuts nur im Allgemeinen und beſchwörts. Vults 
Jammer und Staunen. Walt auffahrend ohne alle Leidenjchaft, nimmt Gründe 
nicht an. Bult wirft ihm vor, daß er Dichtkunft in die Wirklichkeit vermenge. 
Walt beftreitetS; gerade der Dichter könne fein Ideal nicht mit der Wirklichkeit 
vermengen. Seine Fehler müſſen ſowohl aus feiner Erziehung als Seele abge: 
leitet werden. Freude an fremden Tanz. Walts Streit gegen Pflichten, die man 
dem Recht fchuldig if, auf Koften der Menfchenliebe. Eine Menge vomantijcher 
Züge (teilmeife Jean Paul entnommen) find im Detail aufgezählt, 3. B. die Liebe 
zum Rapunzeljalat, weil er den fommenden Frühling vormale u. ſ. w. 


Vult. 


Bult iſt eigentlich weniger kunſtmäßig als Walt, aber mehr Kritiker und 
ſchärfer und bewußter im Fordern. Aus Vults Liebe kommt Härte, ſobald ſein 
Ehrgeiz leidet. Zeigt von der Liebe äußerlich nur das Zürnen, innerlich blos die 
Liebe. Zankt fich innerlich den ganzen Tag über die Menſchen, als Walt ſie lobt. 
Seine Wut über einen Nachtwächter unter ſeinem Fenſter, dann über einen Vogel, 
der immer dasſelbe und nichts hinaus ſingt. Sein moraliſches Geſetz mehr 
Neigung als bedacht und erworben. Bult = Hermann in Hof. Seine Kälte gegen 
Abſchiednehmen und letzte Orte. Walt ſymboliſiert den Menſchen (die rau), der 
fih von dem fremden Zuftand aus betrachtet, alſo alle Tugenden gegen außen, 
d. h. die Liebenden; Bult umgefehrt den Mann, der andere aus fich betrachtet, 
alſo alle Tugenden gegen innen, d. 5. die ehrgeizigen. Jener ift Liebe, Ddiejer 
Ehre. Indes müfjen beide in ihrem Syftem ausfchweifen, infofern ihnen der ſyn— 
thefierende Dichter fehlt. Kraft und Liebe bedürfen einer höheren Synthefis und 
Einigkeit. Bult = der Berlepſch, Kosmeli (Bumorift, den Jean Paul in Weimar 
tennen gelernt hatte), Hermann, Knebel, Chamfort. Bult hat ftetS eine Schlafmütze 
in der Hand, um fi) krank auszulegen. Sagt ?ob über Gelehriamfeit nur ironisch. 
Wirkung des Lauſewenzels und Tabakſchwamms in Rom. Vults Kern: Freiheitd- 
geift in Moral und allem, Haß alles Kieinfichen und Freuderaubenden — wild, 
bieder und uneigennügig. Sonnenferne: heftig, zornig, veränderlich wie Kosmelt, 
ftebeseiferfüchtig, dann genialiich-araufam, eigennütig aus Stolz und Liebe, Haß 
gegen Ecdomaler, nur zum Zorn aufmwallend, Malt nur zur Liebe. Vult dachte 
Zatiren bei Adagio und vice versa — flagt ftetS über Einladungen und ſchlägt 
keine aus — nennt gern den Teufel — englijcher Humorift. Malt denft griechiſch 
über dern Tod, Bult phyſiſch; Vult lobt ftarke, Walt zarte Empfindungen. Gegen 
niemand großmütig al3 gegen Arme - wird wie Kosmeli nie überwältigt — ſtill, 
talt, anſpruchslos — weltlicher Anftand, der nicht nachzumachen, — erträgt feinen 
fremden Stolz, füngt Händel an. Sei der Philofoph itberall, wie Wieland dringe 
in die Fehler! Bult ſage wie Tied wilde, hin und her philofophirrende Süße! 
Wie Tieck ernft ım Leben, leicht in Tichtung. Fürchte fih, Empfindungen zu ver: 
raten — frage wenig nad) Stand. Bult macht aus einen weltklugen Gedicht Walts 
falſche Schlüffe. Ih — Bult bringe tolle Möglichkeiten vor. Arger über Mode— 
tollbeiten. Sprit gern im Bett. Mehr Sterniſch als Schoppifh. Ich — meine 
wahre Aildungsgeichichte, Skeptizismus, Vielleſerei. Mein erfter Lehrer war eine 
Flöte von Baucanjon (berühmter Uhrmacher). Menfchenhaß. Ich habe ein Talent, 


76 Joſef Müller, Jean Pauls Titterariicher Nachlaß. 


Tiere zu zähınen. Bult verachtet Geiftliche, Walt liebt fie romantiſch. Walt in der 
Freude poetiſch⸗ſchwärmend, Bult melancholiſch, in der Trübſal falt. Bult laufe 
davon (am Schluß des Romans). 

Bult fchrieb epistolae virorum obscurorum. Sein Haß gegen bie Augn- 
mente a tuto. Auf Stil erpicht; fein Billet ohne en. 

Sein Grundſatz: Recht der Bermmft gelte über Empfindung. Hilft ſich 
damit, daß Menfchenliebe nur poetiſch ſei. Vult flucht fchreibend, nicht redend. 
Bults Diffonanzen müſſen fih höher löſen, wenigftens bei mir, wenn auch nidt 
bei ihm (ein eigentümliches Ineinanderſpielen von Selbftreflerion und Dichtung). 
Vult disputiert Über Delikateſſe. Walt fagt zulett, er ſehe wohl die Möglichkeit, 
dag man ihn betrüge und die Feinheit, nur aber babe er nicht den Glauben an 
die Wirklichkeit. Vult wollte fi) oft umbringen, weil ihm alle Menfchen fo ge- 
mein geworden. 

1. Intelleftueller Grundzug: Berftand. a) Tugenden: Liebe zur 
Kunft, zu Satire, gerecht, Borzug des Verſtandes vor der Empfindung, Gegenwart 
des Geiſtes — feine Kunft mehr Berftand, bei Walt mehr Gefühl. Haß gegen 
übermäßige Delikateſſe — philoſophiſch — höflich. 

b) Fehler daraus: Weiberhaß — philojfophiich-cyniihd — Geredhtigleits- 
fucht — Neid — verdedte Melancholie — Syſtem = Ode und Skepfis — intri- 
guenhaft, Eigennut bios aus Verſtand. 

2. Moralifher Grundzug: Selbftahtung oder Kraft. a) Tugenden: 
Nechtlichkeit, freied Dafein, Uneigennützigkeit, höhere freie Moral, Kühnheit, mehr 
Freundſchaft als Liebe, gerecht, Liebe der Armen, der Eltern, Verſchämtheit der 
Liebe, Haß der Eitelkeit, Worthalten, Haß der Heucelei, des Stolzes und der 
Demut, Wagen für Freunde, Haß alles defien, was Freude raubt, Achtung für 
jugendliche Lebensfreude und feines Gefühl für fremde Tugend. 

b) Febler: Egoismus, Haß der Ebe, fatirifche Unwahrhaftigkeit aus Ver- 
achtung, heftig, Rache, genial-graufam, Weltſucht und Weltſcheu, Kälte, grob, 
cyniſch, Schmollgeift, unfähig, einen Schmerz zu unterdrüden. Ein fpäterer Nach⸗ 
trag: Bult jagt Schuldniern, er fterbe bald, dann erjcheine er ihnen gräßlich. 


Wir geben nun die Charafterijtifen der übrigen Berjonen. 


Scomaler (Lehrer der Zwillingsföhne). 


Schomaker giebt ſich trunfen aus, um fein Dieb zu fein. Unbehilflichkeiten: 
fannte einen geichorenen Spig nicht mehr — fchneidet ein Journal auf, muß e8 
behalten — ging ins Wadsfigurenfabinet, um mutig zu werden — bält eine 
Altricenfürftin für eine wahre; diefe will ihn an fid) ziehen — Tölpelei — macht 
ſogleich die zweite, dritte — mo er dumm, jei er gutmütig — gebogene, zufammen- 
fintende Schildingslniee und zuſammenſchlagende Dände — bielt Brüffeler Spitzen 
für ſchmusig — jchreiendes Sprehen — bildet fidh beim Ausgang aus Häufern 
die umgelchrte Gaſſenſeite ein und kann fich nicht helfen — gebt auf verbotenen 
Böſchungen — führt Mädchen um eifigen Schlitten — lauft ftatt eines neuen 
einen alten Kalender und richtet ſich darnach — konnte nie erraten, ob es ein 
Knabe oder Mädchen ſei — korrigiert Trudfebler in Jeitungsmalulatur. Schomaler 
iſt Vults Gegenſtück — Beweis feines Muts, daß cr das Kriegsfach gelejen, 
wundert ſich bei Kınderprügeln, daft fie (die Ninder nicht Mut genug baben — lie 
den Zalmıud - einer fagte zu ihm aus Scherz, die Mondfteine könnten ibn erft 
ſchießen: er glaubt es im Ernft: „So fann man nicht fidher auf der Erde gehen, 
ohne aus Dondbombenmörjern befchoffen zu werden.” Drei Punkte: hypochondriſche 
‚sucht, Moralıtät, orthographiſcher Neologismus — ein breiter, ftarler Mann — 
gebt ſtets die Seitenwege — wünſcht, dag man jene Zchule zu einem vyzeum 
erbebe — feine Furcht wegen Deſerteure — Aberglaube — Schomater lieſt in 
cınem Park zuerft die Befeblstafeln, Jammer, da er einen Hund dabei hatte — 


Joſef Müller, Jean Pauls litterarifcher Nachlaß. 77 


wiederholt die nämlihen Sachen — Pferd im Schritt (es ift wohl die nicht in 
diefem Bud, fondern im „Attila Schmelzle“ erzählte komiſche Geſchichte von dem 
im Schritt durchgehenden Pferd gemeint) — Ehebruch im Traum (ebenfalls erft 
im Schmelzle ausgeführt) — ftatt Badenftreich fagt er Wangenftreih — Beilager 
dünkt ihm unedel ſtatt Hochzeit — Dual der Verdoppelung 3. B. Herrgott — 
Balt jehe in Schomaler fein vergröbertes Urbild — Schomafer fer etwas 
bejonnener, hindert Einfrieren des Glaſes (im Glas?), weiß überall einen Vorteil. 
Schomalers Erfindung einer Einjchläferungsorgel für Kinder an die Wiege gejchraubt 
— darf man in einem Brief an den Landesherrn Gedantenftriche maden® — man 
follte ftatt Mondviertel Mondhälfte jagen wegen des „Bollmonds“. 


Wine. 


(Der Dichter ſchwankte fang über die Benennung der abdeligen Geliebten 
Walts: im Anfang taucht immer daneben die Variante „Wiarda” auf). Wina 
(Wiarda), eine zarte Mädchenfeele, noch dazu in der Lebenszeit, wo ihr die Ideale 
deutlicher glänzen als die Wirklichkeit. Mag nod die Liebe dazu kommen, fie 
vollends zu entzünden. Etwas Katholijches, fie halte ein fernes Bild für eine Ma- 
donna. Ein nahes Nonnentllofter. 


Der General. 


Laßt Walt lange warten — hart gegen ihn wegen des Haufes — er fei 
fein Unterthan — lebt verjchwenderifh — gereifter Weltmann wie Krüdener, 
Alvensleben — Dede — feine Miihung von Höflichkeit und Grobheit, Feinheit 
und Härte — desgleihen von Schulden und Dulaten — wird vom Hof beleidigt 
und verlauft das Gut. Ezamalina — Noyoll — Wlocha — Mosqua — Zablodi 
(diefer Rame wurde gewählt) — Zynda — Rafalski — Minki — Luba — Goledi — 
Rowidi — Kurwocki. Er ſei höflich, gebe Verſicherungen — Gerichtshere — habe 
Be Prozeſſe, worauf fein Vermögen fteht, in Warſchau — er verjpred)’ ihm die 
farrei! — er will die Tochter nur durch die Mutter von ber Religion abmwendig 
machen laffen. Haß des Zablodi gegen Lukas (Vater Walts und Vults) — Zablodi 
macht Wechſel nach — macht zuletzt Bankrott — durch weichherzigen Egoismus 
beſchenkt er — macht andere unglücklich — Prozeß feiner Frau; er iſt ein 
Schlabrend. (Nämlich Schlabrendorf, ſiehe meine „Sean Paul-Studien“ S. 665—-68.) 

C. (Rivale Walters) hieß zuerſt „der vornehme Freund“, erſt ſpäter Clothar. 


Flitte. 


Franzos — Plauderer — höflich — ein prahlender Lügner — am beſten 
gemalt (dadurch), dag er an zwei Orten zwei verſchiedene Dinge ſagt — Projeft- 
macher — fängt hundert Dinge an — Luftigleit — Schmarotzer und nomadiſche 
Bölker halten fich oft länger an einem Ort auf, als fie Weide haben — galant 
gegen Damen und uneigennüßig — meint8 gut — punctum saliens: leichtſinnig 
— ÜEhrliebe als Eitelleit — Flitte fiebt Wina ernſtlich — will ein geliehenes 
Bud) zurüd, um es weiter zu leihen — konnte nie allein leben — zeigt ein 
geerbtes falſches Geldftüd vor bei Meinen Ausgaben — Flittes Freude, daß ihn Wina 
für gelehrt hält — eigentlid) jollte Flitte ein apanagıerter Prinz fein, fein regie- 
render — wohnt mehr in der Stadt al3 zu Haufe. 


Pasvogel. 


Holländer, hält Dichter, wie Türken die Schweine, nur zum Berlaufen — 
Berleger des Glanz — Vieweg — graue, bligende Augen — Geiz — Schwanken 
zwifhen Kaufmann und Gelehrten. 


18 H. NRöttinger, Über die Cuellen zu Immermanns Trauerfpiel in Tyrol. 


Glanz (Kirdhenrat). 


Glanz nimmt etwas zwijchen die Finger, damit dieſe im Schlaf nicht 
wedten — Furcht, daß ıhm der Arger im Traum ſchade, nimmt dagegen ein — 
Delikateſſe aus Eitelfeit — gelehrte Citate — hält feiner Frau vor, fie müſſe mehr 
für fein Vergnügen forgen, da er helleres Bewußtſein dabeı habe, als für der Kinder 
ihres. — Kogebue, eitel, Autor, hat berühmte Predigten geſchrieben — tronifcher 
Schmeidjler, Heuchler — der furditfame Egoift — Sammlung feiner genialen 
Billets — Freude, daß man ıhm Langweile macht, weil er dadurdh vom Denken ab- 
gebalten wird. — Bult macht Glanz weis, er fterbe in von Todten abgenommenen 
Kleidern. — Glanz ift geizig gegen andere, nicht gegen fih; in ihm werde der vor- 
nehme Geiz gemalt! — Furcht, daß Yichtjleden auf dem Bud ihn blind machen. — 
Wird iiber verbotene Liebe ertappt, gegen die er geichrieben. — Glaubt ftets, wenn 
man von einem großen Manne jpricht, er werde gemeint. 


Flache. 


Flachs iſt freigebig, Tiebt Yahrdt, Militär, die allgemeine deutfche Bibliothek, 
ihm ift alles deutlich auf der Erde — ediert eine Katechetit — Marrzolls, Zolli- 
koffers Predigten — wenn er etwas Neues in der Philofophie fieht, bringt er es in 
Fredigten an — Argernis, wenn nene Bände eines Buches von anno 1750 heraus- 
famen (ficbe unten) — begt gewifie päpftlihe Aberglauben in Eberhards „Zonn- 
tagen“ — Achtung für Bücher, die viel Gedankenſtriche hatten — bat lateinische 
Wörter — Löwel — konnte nicht glauben, daß vor 1770 etwas Kluges gedrudt 
wurde — TFreiheitsftürmer bei aller ‚zurht — im Waifenhaus Lehrer — bat feine 
eigenen Geſchwiſter drinnen — Flachs fer der Furchtſame, dem das Pferd im 
Schritt durchging (cf. Schomafer); Glanz iſt nur egoiſtiſch-furchtſam. — Tom 
Jones — der Direltor ım Titan (nämlich Nchmaier, Titan, 17. Kapitel. 


E3 find noch Notizen über einen „Savoyarden“ vorhanden 
(deſſen Perſon aber fallen gelajjen wurde): 
Siebt fih fir den Verfafter eines Buches aus durch Aufdrud des Namens — 


it männliche Pbiline — Stumpfnaſe — fucht einen Kompagnon mit 2000 Dulaten. 
Schluß folgt.) 


Über die Quellen 
m Immermanns Trauerfpiel in Tyrol. 
Ton Heinrich Röttinger in Wien. 


Über den Umfang der Studien, welche Immermann 1826 den 
Quellen ſeines Zrauerjpieles in Tyrol gewidmet hatte, berichtet 
Putligt): „Dit allen nur erreihbaren Mitteln erforjchte er zunächft 


1 G. zu Burlig, Karl Immermann. Berlin 1870. 1, 149. — Der bei 
Boedele! 3, 508 angeführte Aufiat von Julius Willborn, ©. zu Butlig und 
Jumermanns Andreas Hofer, im Jahrgang 1864 der Hamburger Jahreszeiten 
blieb dem Verfaffer unzugänglic. 


H- Röttinger, Über die Quellen zu Immermanns Trauerfpiel in Tyrol. 79 


die Geſchichte des Tiyrolerkrieges von 1809. Sein Bruder: Hermann, 
der damals in Göttingen ftudierte, ward beauftragt, ihm Alles und 
Jedes zu fenden, was darüber aufzutreiben fei;. Reijebejchreibungen, 
hiſtoriſche Schriften, Anfichten des Landes, Portraits, furz was nur 
das in dem Dichter reifende Bild vervollftändigen konnte.“ 

Nady einer brieflichen Mitteilung Beers an Schenk!) hatte 
Immermann das Drama in drei Wochen gedichte. Immermann 
jelbft giebt, allerdings jieben Jahre nach dem Erjcheinen des Trauer- 
jpieles, in der Borrede zu den „Schriften“2) vier Wocen als 
Arbeitäzeit an. Jedenfalls war fie bei dem Umfange des Dramas 
eine überaus kurze. ES iſt von vorneherein unmahrjcheinlich, daß ein 
Dichter von jo mächtigem Schaffensdrange ſich der Mühe unterzieht, 
alles und jedes durchzuftudieren, was über den hiftoriichen Stoff 
jener Wahl in einer Univerfitätsftadt wie Göttingen aufzutreiben 
ift. Vielmehr wird er zuerjt nad) jenen Büchern greifen, welche ein 
Gefammtbild der in Betracht fommenden Gefchichtsabjchnitte zu 
geben verjuchen.?) 

Deren gab es, als fid) Immermann zur Behandlung des Hofer- 
ftoffes entichloß, für die Geſchichte des Jahres 1809 zwei: die 1814 
in Berlin erjdyienene Arbeit Jakob 2. Salomon Bartholdys: Der 
Krieg der Tyroler Landleute im Jahre 1809 und die ano- 
nyme Geſchichte Andreas Hofers, Sandwirths aus Paſſeyr 
von Joſeph Freiherrn von Hormayr, Leipzig 1817. Daß Immer— 
mann da8 Werf Bartholdyg für feine Dichtung benuste, ift durch 
eine gelegentliche Bemerkung Putlitz' (1, 157) ausdrüdlich bezeugt. 

Bartholdy, der Oheim Felix Mendelsſohn-Bartholdys, wagte 
als erjter eine Hiftorifche Behandlung des Aufitandes der Tyroler. 
1809 hatte er al3 DOfficier der Wiener Freimwilligen-Abtheilung mit 
dem Degen gegen Napoleon gekämpft, nad) dem unglüdlichen Ende 
des Feldzuges griff er zur Feder. Im Februar 1812 mar fein 
Geſchichtswerk fertiggeitellt. Am 24. Oktober 1813, fünf Tage nad) 
der Leipziger Schlacht, fchrieb er die Vorrede, und 1814 erjchien das 


1) Michael Beer und Eduard von Schent. (Ungedrudte Briefe Beers.) Mit- 
geteilt von G. Manz in „Nord und Süd“, Oktober 1897, Band 94, ©. 46. Brief 
vom 29. DOftober 1827. — Nach Putlitz 1, 149 wurde das Stüd in „kaum ſechs 
Wochen“ vollendet. 

2) Immermanns Werke, Berlin (Hempel) o. 3. 16, 471. Auf diefe Ausgabe 
wird im Folgenden verwiefen. 

2) Bon einer Beeinflufjung Immermanns durch ältere Dramatifierungen des 
Hoferftoffes kann feine Rede fein. Drei Dichter haben vor dem unfern Hofer zum 
Deiben einer Tragödie gemacht: der Heffe Paul Wigand und die Tiroler Johann 

fpar Wörndle und Benitius Mayr. Die Arbeiten der zulegt Genannten blieben 
bi8 heute Handichrift. Sie befinden ſich im Befitze des Tiroler Landesmuſeums 
Ferbinandeum in Innsbrud und haben mit Immermanns Trauerfpiel ebenſowenig 
gemein, wie Migands 1816 in Frankfurt a. M. anonym erjdhienener Andreas Hofer. 


20 . Röttinger, Über die Quellen zu Immermanns Trauerfpiel in Tyrol. 


Bud im Handel. Schon feine Entitehungsgeidhichte jagt ung, was 
wir von ihm erwarten dürfen. Eine bedädtig abwägende Arbeit 
fann es nicht jein. Selbſt bei politiicher Winditille hätte in der 
Spanne Zeit, die den Ausgang der Erhebung von ihrer Beichreibung 
durch Bartholdy trennt, eine Klärung der vermorrenen Greignifie 
nicht eintreten fönnen. An Bemühungen ließ es Bartholdy nicht 
fehlen. Neben der Benugung der Hormayrſchen Intendantursberichte 
gingen Erkundigungen bei einer ganzen Reihe von Führern der Er: 
hebung. Aufgewühlt bis auf den Grund, konnten diefe Quellen nur 
trübe fliegen. Darunter leidet Bartholdys Bud. Zu einer Haren 
Tarlegung de8 Ganges der Ereignifle dringt der Erzähler nirgends 
durd. Das michtigite wird nur beiläufig niitgeteilt, die Anekdote 
überwuchert alles. Tas Buch sollte wohl aud feine objektive 
Taritellung geben. Sein Zwed iſt die Xerberrlihung der Tiroler 
und ihrer Kämpfe gegen den Erbieind. Gegen ihn fehrt es jeine 
Spitze. Bartholdy bemerkt jelbit, dag es ihm jchwer gefallen jei, „von 
Mitleiden und Unmuth bewegt, einen einfachen und leidenichaftslojen 
Ton beizubehalten“. Bor allem jtand er im Banne der Erzählungen 
Spedbaders. Er erklärt geradezu XIV), urjprünglid) babe er im 
Sinne gehabt, Yeben und Thaten Speckbachers allein zu beichreiben. 
Tieie erite Abjicht verrät das Puch auf jeder Seite: bei Bartholdy 
it der Mann von Kinn der Held der gunzen Erhebung. 

Drei Jahre ipäter erſchien Hormayrs Tarjtellung. Nacdheiferer 
Kohannes’ von Müller von Kindesbeinen an, geht er mit der Schulung 
des Dijtorifers an tein Wert. Manches mag ich in diejen drei 
Jahren geflärt huben in der Geſchichte des Aufitandes, gründlichite 
Sachkenntnis ſteht ihm zu Gebote. Und doc, entipricht auch feine 
Arbeit nicht den Anforderungen, die man an ein verläßliches Geidhichts: 
werf zu itellen berechtigt iſt. Nor allem iſt auch Dormayr nidht un» 
befangen: er war als Intendant von Tirol mitbeteiligt geweien an 
der Erhebung, mwentgitens an jenem Teile, der mit dem Abzuge 
der öfterreidhiihen Zruppen im Auguſt ichliert. Auf die Ereigniſſe 
diejer Zeit vereinigt er eine ganze Teilnahme. Die folgende, und 
das ift die Zeit der Blüte Hofiers, behandelt er zwar Nar und 
überjichtlidy aber ohne die Fülle von Einzelheiten, die ihm für den 
früheren Abſchnitt teime eigene Anſchauung gelichert hatte. Dann 
aber verfennt wie Bartholdy aud er den Helden der Erhebung. War 
cs bei Barıholdn irrtümlich Spedbader, jo ift cs bei Hormayr 
irrtümlich er ſelbſt. Geſtützt auf die unleugbare Unſelbſtändigkeit 
Hofers, will er glauben machen, dar ſeine Dand alle die Fäden 
gehalten habe, an denen ſich Pofer bemegte. Er nennt ihn geradezu 
ſein Werkzeug und beaniprudt für ſich die Ehre, fein Entdecker 
zu je. 


H. Röttinger, Über die Quellen zu Immermanns Trauerfpiel in Tyrol. 81 


Damit tritt Hormayr in jcharfen Gegenfat zu Bartholdy. Auch 
perfönfich. Hatte Bartholdy, getreu der Stimmung in ZTirol, die 
Thätigfeit Hormayrs mit halbem Mißtrauen verfolgt, fo beichuldigt 
ihn diejer, „nad; Mauſchelweiſe“ (262) entitellt und verdreht zu haben. 
Der hoch geipannten Bewunderung des Berliner Romantifers fekt 
Hormayr die tieferen Einblide des Realpolitifers entgegen; bei Bart- 
holdy war es das Volk, das die Geſchichte des Jahres 1809 ſich 
ſchuf, nad) Hormayr haben ein paar Staatsmänner in Wien den 
Trank gemiſcht, er giebt ſich als Vertreter der diplomatiſchen Hiſtorik 
gegenüber dem Geſchichtsſchreiber im Sinne eines Juſtus Möſer. 

Das Trauerſpiel in Tyrol zerfällt in zwei Teile. Der eine, 
vom 8. Auftritte des 3. Aufzuges bis zum Ende des Stückes reichend, 
begreift ein regelrechtes klaſſiſches Drama vom erregenden Momente 
bis zur Kataſtrophe in ſich, die eigentliche Tragödie Hofer. Ihr 
voraus geht eine zwei Aufzüge füllende Schilderung der Iſelberg— 
ſchlacht, einige die Regierungsthätigkeit Hofers behandelnde, in Inns— 
bruck ſpielende Scenen verbinden die beiden Teile. 

Das geſchichtliche Gerippe des erſten Teiles des Dramas iſt das 
folgende: Nach Hofers Worten: „Morgen, Freunde! heißt's: die dritte 
Rettungsſchlacht am Berge Iſel!“ (17, 43) ſpielen ſich die Vorgänge 
des 1. Aufzuges am 12. Auguſt ab. Lefebre bricht an demſelben Tage 
von Innsbruck nad) Sterzing auf. Bon der Vernichtung feiner 
Avantgarde bei der Kaditicher Brüde und des Oberinnthaler Detache- 
ments bei Prutz hat er noch nicht erfahren. Spedbadjer, Hafpinger 
und andere Führer haben ſich mit ihren Aufgeboten auf dem Berge 
Stiel verjammelt. Hofer, der auf dem Schönberge lagert, wählen jie zu 
ihrem Oberkommandanten. Eben verfündigen fie ihm ihren Beichluß, 
als ein Bote mit der Nachricht einlangt, die Poſten, „die bei Tichilfes 
jtehen”, jeien mit Zefebre bereits „im vollen Feuern“. Die Morgen: 
dämmerung, in der ung der Dichter in das franzöfifche Lager (vor 
Innsbruck) geleitet, ijt die des 14. Auguſt (2. Aufzug). Dahin hat 
jich Lefebre nach der Niederlage, die fid) an dag vergebliche Stürmen 
auf „Tſchilfes und Tſchöfes“ knüpfte, zurücigezogen. Die Tiroler 
halten den Berg Iſel beſetzt. Donay, den Hofer al3 Unterhändler 
jandte, wird von Lefebre abgewiejen. Die Schlaht entbrennt aufs 
neue und bringt den Franzoſen die völlige Niederlage. Hofer jagt 
für den nächjten Tag, den 14. Auguft, jeinen Einzug in Innsbruck an. 

Bartholdy und Hormayr jchildern die Kämpfe übereinjtimmend 
in diejer Weile: Nachdem Lefebre einen Bortrab über den Brenner 
und ein Streifforps durch das Oberinnthal abgeordnet hat, läßt er 
die Hauptmacht am 2. Auguft von Innsbruck aus den Marſch nad) 
Sterzing antreten. Der Vortrab wird am 4. bei der Laditſcher Brüde, 
das Tberinnthaler Korps am 8. und 9. bei Pruß aufgerieben. Am 

Eupbhorion. VII. 6 


82 8. Röttinger, Über die Cuellen zu Immermanns Trauerfpiel in Tyrol. 


6. trifft Lefebre ſelbſt in Sterzing ein. Speckbacher und Haſpinger, 
feit dem 7. durch Hofer verftärkt, verftellen ihm mit Erfolg den Weg. 
Am 10. beginnt Lefebre, von den Zirolern beitändig gefolgt, den 
Rückmarſch über den Brenner, am 11. trifft er vor Innsbruck ein. 
Der 12. vergeht mit Vorbereitungen zu der Schlacht, welche er den 
auf dem Berg Iſel Stellung nehmenden Tirolern liefern will. Sie 
findet am 13. ftatt und endet mit dem Abzuge Yefebres. Am 15. betritt 
Hofer die Landeshauptitadt. 

Bor allem ift deutlich, daß Immermann die Begebenheiten zeitlid) 
und räumlich konzentriert. Bom Aufbruche Lefebres bis zu feinem 
ichlieglichen Abzuge von Innsbruck vergehen thatjächlich acht Tage. 
Immermann genügen zwei zur Vernichtung der Franzoſen. Von 
diefen acht Tagen brauchen jie jech8 zum Marſche von Innsbruck 
nah Sterzing und wieder zurüd. Der Voritog, den Immermanns 
Lefebre gegen Briren unternimmt, beanjprucht einen Tag. Bis Sterzing 
gelangt der Xefebre des Dramas überhaupt nicht. Nach Immermanns 
Borftellung gehen die gejamten Kämpfe zwijchen Innsbruck und dem 
Scönberge vor ſich. Bei diefer aus Gründen der Technik vorgenom- 
menen Konzentrierung war jich der Dichter des Widerſpruches, in 
den jein Drama zu den Quellen geriet, ſicher bewußt. Sie gewährt 
alfo feinen Anhalt zur Ermittlung der Vorlage. Dingegen gibt das 
Motiv von der Unterredung, um welche Donay in Hofers Auftrag 
bei Lefebre anjucht, einen Fingerzeig. Bartholdy blieb dieſe Thatfache 
unbefannt. Hormayr hingegen berichtet, am x. Auguit habe ſich Le— 
febre zu einer Unterredung mit fünf Smiurgentenhäuptern herab- 
gelafjen (3651. 

Ebendahin meiten die Details, mit denen Immermann das 
Gerüſte der hiftoriichen Thatſachen dieſes erjten Teiles umfpinnt. 
Zahlreiche Züge bringen Bartholdy und Hormayr übereinftimmend, 
viele ftammen aus Dormayr allein, feiner notwendig aus Bartholdy. 
Wie Speckbacher und die Brirener Verſchwörer ihre Vorbereitungen 
zum Aufſtande treffen, die Schilderung des Kampfes bei der Laditſcher 
und Rontlager Brücke jind Hormayr entnommen. Daß Hofer in 
einer Höhle den Beginn der Feindſeligkeiten abwartet, weiß nur 
Hormayr. Zein Buch bot die Angaben über die beiderjeitigen Streit: 
fräfte, ihm allein waren die Einzelheiten über das Verhalten Hofers 
während der Schlacht zu entlehnen. 

Schlagende Beweiie für Hormayr als Vorlage bieten jene Stellen, 
wo der fliichtige Tichter ſeinen Gewährsmann minverfteht. Einige 
diejer Minveritändnifie haben Jmmermann die Nonzentrierung der 
Selbergichlacht mweientlich erleichtert. Zo erwähnt Hormayr (364), 
General Stengel habe am 8. Auguſt „vergebliche Verſuche gegen 
Stilies und Tichötes anf die fehr zweckmäßig gewählte Aufitellung 


9. Röttinger, Über die Cuellen zu Immermanns Trauerfpiel in Tyrol. 83 


Speckbachers“ unternommen. Stilfes liegt oberhalb, Tichöfes unterhalb 
Sterzings an der Brennerftraße. Was fih um dieje beiden Orte 
abipielte, find zeitlich und räumlid) getrennte, untergeordnete Epiſoden 
aus den Kämpfen im Eijadthale. Unter der hajtenden Feder Immer— 
manns verwandelt fi) „Stilfes und Tichöfes“ in „Zichilfes und 
Tichöfes". Bei ihm knüpft jich unmittebar an daS vergebliche Stürmen 
gegen dieje Orte, die er fich etwa als ein Doppeldorf in der Nähe 
des Iſelberges denkt, die Niederlage Lefebres vom 12. Auguft.!) 
Ein zweiter Fall: Die Iſelbergſchlacht vom 14. jchildernd, erzählt 
Hormayr (376): „Am ... blutigſten war das Raufen an der Silf- 
brüde, am Wiltauer Wafferfall,.... der Verſuch, den Kapuziner 
bey der Gallwieje zu umgehen, daS Handgemenge auf dem Kirchhof 
ob dem Schloffe Ambras.” Er führt alfo am Schluffe einer Reihe 
blutiger Epifoden den -Rampf auf der Gallwiefe am linten Flügel 
der Tiroler und den Kampf bei Ambras an ihrem rechten auf. 
Immermann faßt die beiden Epifoden als zwei Momente einer ein- 
zigen Epijode und verlegt die Gallwieſe vor das Schloß Ambras 
Sein Lefebre befiehlt fomit (17, 60): 


Ein Regiment kann durd) den Sumpf bei Gallwies 
Den Feinden in die linke Flanke gehn 
Und fie am Schloſſe Ambras rückwäris fafjen. 


Auf einem Irrtume beruht es ferner, wenn Smmermann den Grafen 
von Mohr, den Anführer der Vintichgauer, auf dem Schlachtfelde 
bleiben läßt. Hormayr ſchreibt (376): „Einer vom Adel, Graf Kojeph 
Mohr, Schwager des eben hier fürs Vaterland gefallenen Grafen 
Stadhelburg, zeichnete ſich mit den Vintjchgauern vorzüglich aus.“ 
Ahnliche Fälle finden ſich noch einige. 

Mehr als in irgendeiner andern dramatiihen Schöpfung 
Immermanns macht ji) im Trauerjpiele in Tyrol jeine Neigung 
geltend, als Schüler der Klaſſiker jich ihre Formeln für jeine Zwecke 
zunuge zu machen. So ift die Mahl Hofers zum Oberfommandanten 
der Wahl Karl Moors zum Räuberhauptmann nachgebildet. Die 
Rolle Spiegelberg8 hat bei Immermann Kolb. Der mit funjtvollen 
Scildereien aus der tiroliichen Gejchichte gezierte Pokal des Schupfen- 
wirtes ijt eine fchwächere Wiederholung des Ichönen Prachtſtückes 
aus der Prager Beute, das die Runde um Terzfys Tafel mad)t. 
Das Bild: Hofer beim Weine jitend, indeß die Anderen die Be— 
freiungsichlacht Schlagen, ijt nad) Hormayrs Angaben entworfen. Die 
Gebrüder Rainer, durch deren Auftreten in Magdeburg 1826 Immer— 


1) Im erſten Drude des Trauerjpieles heißt der eine dev beiden Orte 
Tihitfes. Im „Hofer“ findet fid) die in den „Werken“ durchwegs beibehaltene 
Form ZTichilfes. 


6* 


34 9. Röttinger, Über die Quellen zu Immermanns Trauerfpiel in Tyrol. 


mann der SHoferjtoff näher gerüdt worden war (Putlit 1, 143), 
auf die Bühne zu bringen, Ichien ihm offenbar Dankespflicht, mit 
Hinblid auf Schillers „glaubenswerten Dann Johannes Müller“ 
und ähnliche Stellen erlaubt. Für die ‚yorm der Epijode aber — 
Hofer gibt zwijchen den einzelnen Abjchnitten des Gejanges feine 
Sclachtbefehle — war der 14. Auftritt des 5. Aftes von Kleiſts 
Hermannsſchlacht maßgebend. 

Die Vorgänge des 4. bis 7. Auftritted des 3. Aufzuges, das 
Räntelpiel Tonays gegen Hafpinger und Spedbadyer und der ſich 
daranjchliegende Streit der Führer, find Immermannſches Gut. Die 
Botichaft Kolbs als Flörs von Odenhauſen hingegen ift bereits 
wieder Anleihe bei den Räubern, 2. Akt, 1. Scene. Mit dem fol: 
genden 5. Auftritte des 3. Aufzuges ſetzt die eigentliche Tragödie 
Hofer ein. 

Eijenjteden, den Dofer vom Schlachtfelde weg zum Kaijer gefandt 
hatte, trifft wieder in „Innsbrud ein. Den Kaiſer hatte er gar nicht 
geiprocdyen. Er war umtgefehrt, als ihm das Gerücht von Friedens— 
ſchluſſe zu Chren gefommen war. Auf ein bloßes Gerücht hin die 
Waffen niederzulegen, weiſt Hofer zurüd: er ftellt die Forderung 
nad) des Kaiſers, ſeines Kaiſers Dand und Siegel (17, 101). Und 
darauf beharrt er auch im der Unterredung, die er mit dem Vicekönige 
Eugen zu Villach hat, als General Barraguay mit der Meldung 
eintritt, im Vorgemache ſtünde ein Kourier des Marſchalls Yefebre, 
der fragen laſſe, wohin er einen von ihm aufgefangenen, die Auf 
forderung die Waffen abzulegen enthaltenden Brief des Hauſes 
Dabsburg an die Inſurgenten jenden Tolle. Zum zweitenmale trägt 
alio Hofer das Gericht die Kunde vom ‚yriedensichluffe zu; und 
außerdem erfährt er, dan cin Fatferlicher Brief, wie er ihn ſich wünſcht, 
irgendiwo eriitiere. Zofort jteht er von ſeinem Verlangen nad) des 
Kaiſers Hand und Ziegel ab, erftärt Eugen feine Unterwerfung und 
fordert fie in einem Aufrufe auch von feinen Bauern. Kaum haben 
fie den Widerſtand aufgegeben, Yo fälle ihm wieder jeine ‚yorderung 
ein. Er eilt nach Zteinad), wohin Eugen den Brief zu jenden verjpradh, 
finder ihn micht vor und nimmt jeine Mahnung zur Ruhe zurüd. 
Ta tritt noch einmal Barraguay vor ihn und überreicht ihın das 
gedrudte Friedensinſtrument. Non des Natiera Dand und Siegel ift 
natiirlich feine Zpur daran. Aber Hofer jcheint vor Gedrudtem 
Reipett zu haben, er giebt den Gedanken an ferneren Kampf auf 
und flieht. Nun bridt die Kataſtrophe herein. Tonay läßt fich 
berbei, Mofers Angeber zu machen. Ans den Händen des Offiziers, 
der ihn aefangen nimmt, erbält er den gewünſchten fatierlichen Brief. 
Fugen harte die Wahrheit geiprochen: nur „granſe Frevel“ hatten 
Hofer den Brief vorenthalten. 


H. Röttinger, Über die Quellen zu Immermanns Trauerjpiel in Tyrol. 85 


Die beiden Biftorifer jtellen das Ende des Aufftandes ungefähr 
folgendermaßen dar: Am 14. Oftober wurde zwiſchen Ofterreich und 
Frankreich der Friede geichloffen, der Tirol aufgab. Die feindlichen 
Heere jchiden ji) zur Beletung des Landes an. Am 21. Oftober 
zieht ji Hofer von Innsbruck nad) Steinach zurüd, in der Nacht 
von 29. auf den 30. erhält er hier in einem Handſchreiben des 
Erzherzogs Johann den Rat, fi) dem neuen Negimente zu fügen. 
Hofer jtellt die zFeindfeligfeiten ein und fordert, nachdem die Gejandten, 
die er zu Eugen nad Villach geſchickt hatte, zurückgekehrt find, am 
8. November die Yandesverteidiger auf, ſich Napoleon zu unterwerfen. 
Acht Tage ſpäter erläßt er, von jeiner Umgebung irregeleitet, von 
jeinem Heimatsthale aus einen neuerlichen Ruf zu den Waffen. Bon 
nun an ift er Rebell. Trotzdem verfucht Barraguay, jih in Güte 
mit ihm auseinanderzufegen. Statt zu antworten verjchwindet Hofer. 
Hier trennen ſich Bartholdys und Hormayrs Darjtellungen. Bart: 
boldy berichtet Lediglich, daR Hofer Ende Jänner 1810 gefangen 
genommen worden fei. Hormayr nennt auch den Verräter: Donay. 
Er hatte Barraguay auf den Bauern Staffel verwiejen, dem der 
Zufludtsort Hofers befannt gewejen war. 

Immermanns Darfjtellung hat mit den gejchichtlichen Begeben- 
heiten faum den allgemeinen Gang gemein. Er giebt geradezu eine 
unter gelegentlicher Anlehnung an die Geſchichte frei erfundene Ab- 
folge von Ereigniſſen, deren lektes die jtandesrechtliche Nerurteilung 
jeines Helden ift. Die Motive, welche jid) in diefen Teile de Dramas 
als Abänderungen der in den Quellen erzählten Thatjachen nachweiſen 
laffen, geben zugleid) die Stellen des engjten Anſchluſſes. So der 
Erſatz der hiftorifchen Verhandlung Donays und Sieberers durch 
die Unterredung Hofer mit Eugen. In der Scilderung der Kata— 
jtrophe hält ſich Immermann mit einigen durch die Dfonomie des 
Dramas bedingten Abweichungen an den Bericht Hormayıs. Wenn 
jih der Staffel des Trauerſpieles nad) dem Verrate erjchiept, was 
der geſchichtliche unterläßt, ſo will Immermann, der Niedertracht des 
Prieſters das Ehrgefühl des Bauern entgegenſetzend, die Führerrolle 
motivieren, die er Donay bei der Verhaftung Hofers übernehmen 
läßt. Durch die Gegenüberſtellung des Angebers und ſeines Opfers 
gewinnt er eine gute Scene, deren Wirkung geſteigert wird durch 
die Haltung des Tirolers gegenüber der des franzöſiſchen Offiziers, 
dem die Aufgabe zugefallen iſt, Hofer einzubringen. Den Widerſtreit 
in der Bruſt Raynouards hat der Dichter, anknüpfend an eine Be— 
merkung Hormayrs (450), im 12. Auftritte des 2. Aufzuges ſorgſam 
vorbereitet. Bei Bartholdy kommt der Name Raynouard gar nicht vor. 

Durch jene tiefgreifenden Abänderungen der geſchichtlichen Wahr— 
heit im 4. Aufzuge des Dramas war allein die Tragödie möglich 


86 H. Röttinger, Über die Tuellen zu Jmmermanns Traueripiel in Tyrol. 


geworden. Im Gegenjagezum hijtoriichen Hofer, der die Friedensnachricht 
jeines Katjers erhält und trogdenm wieder zu den Waffen greift, mußte 
Immermanns Hofer die abermalige Erhebung im guten Glauben, 
von den Franzoſen getäujcht worden zu jein, anordnen. Hofer das 
faijerlihe BDandjchreiben vorzuenthalten und ihn fo zu neuer Er: 
hebung zu jpornen, iſt aljo die erſte Serge Immermanns. Tazu 
bedient er jich ziveier weit ausgejponnener Motive: des Schwert: 
und Engelmotives und der Elfiepijode. Keines jteht zu Hormayr oder 
Bartholdy in irgendwelchen Bezuge. 
Nachdem die auf dem Berge el verſammelten Führer Hofer 

zu ihrem Oberhaupte gewählt haben, jagt Spedbacdher i17, 381: 

Der Wirtb am Iſel hat ein alte® Schwert 

Bon einem Herricher aus dem Hauſe Görz, 

Tag bier gewaltet hat vor grauen Jabren. 

Holt es! Wir wollen Dofern damit gürten. 

Der Feldherr führe dieſes Ehrenſchwert! 


Und als er es Hofer überreicht, bemerkt er (17, 44: 


Es rühret von den alten Yandesherrn, 
Zo wie man sagt, din Grafen ber von Görz. 
Wir geben’s Dir als Zeichen Teiner Würde. 

Er betont alto die ſagenhafte Proventenz der Waffe. 

Die Ahnlichkeit diejes Miorives mit dem Motive vom Schwerte 
Karls des Gropen in den Tberhoffapiteln des Nomanes Münchhauſen 
fällt jofort ins Auge. Dier wie dort handelt es jih um ein jeit langen 
Zeiten in einem Bauernhauſe aufbewahrtes Schwert, das angeblid 
von einem um das Yand verdienten Fürſten des Mittelalters ſtammt 
und jeinem Beſitzer oder Träger eine gewilie Gewalt über jeine 
Umgebung verschafft. Tiroliich IE diefe Zage — denn mit einem 
Sagenmotive haben wir es zu thun — nicht; vielmehr iſt Wejtfalen 
ihre Deimat, und im weittältichen Bauernromane hat jie elf Jahre 
jpäter ihre richtige Ztelle gefunden. Eine ſchritliche Fixierung der 
Zuge nachzuweiſen, mißlang dem Verfaſſer. Möglicherweiſe hatte 
Jumermann gar feine gedruckte Vorlage. Das Motiv kann ihm 
während ſeiner dreijährigen Dienſtzeit in Weſtfalen durch mündliche 
Mitteilung bekannt geworden ſein.!: 


‘ 
“ 


Die namliche Sage verwertet Samerling ın feinem „König von 

Ston“ Ter Rıeie Tylan befter ein „wuchtaes Schwert, jeltſamlich geſtaltet und 

uralt“ 8Auflage, S. 145, das er Jan von Leiden mit den Worten überreicht: 
.Nimm hin dies Schwert, du Erlorener! 

Denn dies Schwert nur vermag dir Gewalt zu verleihn auf deutſchem 

Voden: es ruht im Gekluft Jahrhunderte lang ſchon, und immer 

Giebt es der Wiſſenden einer um Sterben zu büten dem andern, 

Taf es verichone der Woit, bis gnädig der Hummel den deutichen 

Helden erweckt, 08 zu führen. 


H. Röttinger, Über die Quellen zu Xmmermanns Trauerfpiel in Tyrol. 87 


Maßgebend für die Verwendbarkeit des Schwertmotives und 
für die Form feiner Verwertung war Immermann Schillers Vorgang 
in der Jungfrau von Orleand. Auch Johanna führt ein Schwert, 
das in unfcheinbarer Umgebung jeines auserwählten Trägers geharrt 
hatte. Nur gelangt das Schwert Hofers auf natürlichem Wege in 
jeinen Befig, während Johanna „der Geiſt“ auf das ihre vermeift. 

Dieſes Schwert wirft nun Hofer, durch die Unterredung mit 
Eugen an feiner Sendung irre geworden, auf dem Wege von Villach 
nad) Steinadh in einen Felsſpalt. Da erfcheint dem Schlafenden ein 
Engel, das eben mweggeworfene Schwert in der Hand, und legt es 
mit den Worten: „Du jollit da8 Schwert, das Du geführt, behalten“ 
an feiner Seite nieder. Auf diefe Aufforderung des Himmels ruft 
Hofer feine Bauern aufs neue unter die Waffen. 

Niemand Hat je bezweifelt, daß diejes Motiv eine Erfindung 
Immermanns ſei. Begreiflic) genug, da Immermann trotz des ein- 
mütigen Tadels, den es gefunden, ſich öffentlich nie zur Berichtigung 
des Irrtums herbeiließ. Thatſächlich entlehnte der Dichter die Ge— 
ſchichte von der Wiederkehr des Schwertes demſelben Vorſtellungskreiſe, 
dem die Geſchichte vom Schwerte ſelbſt entſtammt. Tradition hat ihm 
dieſe Sage, die tiroliſchen Urſprunges iſt, keinesfalls vermittelt. Wahr- 
ſcheinlich entnahm er ſie dem 18:10 in München erſchienenen Buche 
„Andreas Hofer und die Tiroler Inſurrection im Jahre 
1809. Ein hiſtoriſch-biographiſches Gemälde aus ächten Quellen ... 
Bon dem Verfaſſer der Beobachtungen aus dem Kriege von 1809.“ 

Nachdem der unbelannte Autor der im bairifchen Sinne gehal- 
tenen Flugſchrift bemerkt hat, man könnte glauben, daß das Auf- 
wiegelungsproflam vom 15. November von Kolb erlaflen worden 
jet, fährt er S. 111 folgendermaßen fort: „Aber wir wiſſen bereits, 
dag Andreas Hofer ein fchwacher, unruhiger und abergläubijcher 
Mann war; denn nachdem er wirklich ernſtlich abzutreten gefonnen 
war, legte er in der Nähe feiner Heimath dreimal feine Waffen zu 


Später erzählt Tylan von Wittefind und berichtet (269): 


... nun werd’ er hervor bald zieh'n mit gewaltiger Heerjchaar, 
Selber zu ſchau'n was geworden aus jenem geheiligten Schwerte. 


Hier ift alfo Wittelind der urfprüngliche Befitter des Schmwertes. In den 
Wittekindsſagen ift nah W. Diekamp (Widulind, der Sadjjenführer, nach Ge- 
(Hichte und Sage. Münſter 1877. 1, 60) mandes mit Karlsjagen identiſch. In 
einer Anmerkung zu der erft citierten Stelle jagt Hamerling, er fei für diefes 
Detail den vortrefflihen Werten Levin Schüdings über meitfälifches Land und 
Volk verpflichtet. Der Verfaſſer hat in Schüdings Büchern „Eine Eifenbahnfahrt 
durch Weftfalen” (Leipzig 1855), „Bon Minden nad) Köln“ (Leipzig 1856), „Bilder 
aus Weftfalen“ (Elberfeld 1860) und in dem mit Sreifigratb herausgegebenen 
„Waleriſchen und romantiſchen Weftphalen“ (Leipzig 1841) nad) der Sage gefucht, 
ohne fie zu finden. 


88 8. Röttinger, Über die Cuellen zu Jmmermanng Trauerfpiel in Tyrol. 


den Füßen der Mutter Gottes in einer Kapelle nieder, und fand ſolche 
jedesmal den anderen Morgen wieder vor jeinem Bette; er hat darum 
vielleicht geglaubt, dem Winfe des Himmels folgen zu müjjen und 
hat nicht bedacht: daß die jetzigen Gelee, vom Geijte der Zeit diktiert, 
dergleichen Handlungen nicht mehr durch Wunder entjchuldigen. »1) 

Immermann ſuchte natürlich bei den Klaſſikern nach einem 
Muſter für die Einkleidung des Motives und fand es abermals in 
der Jungfrau. Im 10. Auftritte des erſten Aufzuges erzählt bekanntlich 
Johanna dem Erzbiſchofe, dreimal ſei ihr, als ſie unter der „heil'gen 
Eiche“ geſchlafen, Maria mit Fahne und Schwert erſchienen und 
habe ſie zum Kampfe gegen die Engländer aufgefordert. Mit Zugrunde— 
legung ſeiner Sage ſtellt Immermann der Erzählung Johannas von 
ihrem Traume eine Erzählung Hofers von einem ähnlichen Traume 
gegenüber. „Ich hatte einen wunderſamen Traum,“ teilt er Haſpinger 
knapp vor der Schlacht auf dem Berge Iſel mit 117, 52), 


Ireimal warf ich das Schwert, das hr mir gabt, 
Hinweg von muır in einen tiefen Abgrund, 

Und dreimal bracht‘ cs mir ein Engel wieder 

Und legt” es sache zu meinen Füßen mieder. 

»RPlaten läßt im Romantiihen Odipus feinen Nüunmermann auf 
die Bitte des Publikums, Hofer nicht erichießen zu laffen, antworten (Geſammelte 
Werke. Ztuttgart 18531854. 4, 180 : 

Nicht last’ ich ſelbſt erſchießen ihn, ein Engel thut's; 
Schon warf u cine Felſenſchlucht das Mordgewehr, 
Rom Kriege matt, dev Bauerngeneral Tyrols: 

Ein Engel holt es aber aus der Schlucht zurück, 
Und legt's dem Helden wiederum zur Zeite bin, 
Um ihn zu rund zu vıchten. Vom hiſtoriſchen 
Abweichen darf uch nimmermehr! 


Es iſt von vorneherem nicht unwahröicheinlich, dag Platen, welcher von 1806 
bis 1810 ın der koniglichen Radettenichule ın München erzogen wurde, bei feiner 
Teilnahme an der Erbebung der Tiroler vgl. Die Tagebücher des Grafen Auguſt 
von Platen. Stuttgart 1290 ff. 1, 30 das in München evichıenene Zchriftchen, aus 
dem Immermann das Engelmotiw choͤrfte, feinen gelernt babe. Die angezogen 
Stelle erbringt den Beweis dafiir. Wie muß man fie erflären, nimmt man an, 
da auch Platen Die "Sigeieiiheiung hir eine Eriindung Immermanns gehalten 
babe? Er würde dann Nammermann veripatten, weil er, von ferner fonftigen, von 
Platen So Schr z. B. in dem ipäteren Berien: „Ich folge treu den reipeftiven 
Zeitungen damaliger Zeit..." getadelten Bewohnbeit abweichend, die Handlung 
ſeines Tramas einmal durch con frei eriundenes Wottiv zu beleben ſucht. Nimmt 
man jedoch a, ‘laten babe die Quüelle der Engelericheinung gelannt, io bırgt der 
Vers erne beiweitem \charfere Spibe. Blaten stellt dann Immermann als To geili 
103 bin, daß er jedem Zug, den er in ieiner Borlage findet, ohne Kritik filr hiſtoriſch 
hält und unbekümmert, ob cr Dramatıich verwendbar ıft oder nicht, in feine Dar— 
tellung binübernimmt Uberdies stelle Blaten in den Worten des Publitums: „Tod 
werden dann behaupten unſere Kritiker . . ” a. a. O, Int: die durdhgebedhelte 
„hiſtoriiche“ Geſchichte voin Engel eben in Begenlag zu Der nun vorgenommenen 
eriundenen Elſtepnode. 


H. Röttinger, Über die Quellen zu Immermanns Trauerfpiel in Tyrol. 89 


‘mmermann geht aber nod) weiter und verwendet das Motiv 
ein zmweitesmal, und zwar an der Stelle, auf welche es feine 
Quelle verweilt. Nun iſt der Engel nicht wie das erjtemal 
ein Zraumbild Hofers, von welchem er uns erzählt, fondern er 
betritt die Bühne, es gejchieht vor unferen leiblichen Augen ein 
Wunder. 

Zrog der Einmiſchung des Engels fünnte Hofer noch gerettet 
werden, wenn der Brief des Kaiſers Franz rechtzeitig in feine Hände 
gelangte. Das zu verhindern ijt der Zweck der Elſiepiſode. 

Elfi, die Gattin des Schupfenwirtes Wildmann, hat mit La 
Coſte, dem Adjutanten Lefebres, die Ehe gebrochen. Ihr Gatte weiſt 
ſie aus dem Hauſe, La Coſte, bei dem ſie Hilfe ſucht, verleugnet ſie. 
Nun beſchließt sie fi) zu rächen. Offenbar hat jie erfahren, daß 
La Coſte als Träger des an Zofer gerichteten kaiſerlichen Briefes 
den Berg Iſel berühren werde. Darauf baut ſie ihren Plan. Während 
La Coſte nachts in ihrem Hauſe ſchläft, ſteckt ſie die eigene Heim— 
ſtätte über dem ungetreuen Liebhaber in Brand. Dann ſtürzt ſie 
ſich in den nahen Abgrund. Der Brief aber wird erſt lange nachher 
unter dem Schutte des Hauſes unverſehrt aufgefunden. 

Auf die Ähnlichkeit welche dieſes Motiv mit der Rache Thus⸗ 
neldas an Ventidius in Kleiſts Hermannsſchlacht hat, wurde wieder— 
holt hingewieſen. In beiden Fällen haben wir die Frau vor uns, 
welche, von dem feinen Weltton eines Vertreters des Feindes berückt, 
mehr oder minder die Sache ihres Volkes an ihn verrät. Da und dort 
entdeckt die Frau, daß der Mann eigentlich nur ſein Spiel mit ihr 
getrieben hat, und ſchreitet zu fürchterlicher Rache. Die Äühnlichkeit 
wächſt, beachtet man, wohin Kleiſt mit dieſem Zuge Thusneldas zielte. 
Sie iſt nach ſeinen eigenen Worten „im Grunde eine recht brave 
Frau, aber ein wenig einfältig, wie die Weiberchen ſind, die ſich 
von den franzöſiſchen Manieren fangen laſſen“!). Immermann greift 
alſo gewiſſermaßen auf die Kleiſtiſche Quelle zurück und führt uns 
in ſeiner Elſi das Urbild der Thusnelda vor. Weiter erſtreckt ſich 
die Ähnlichkeit nicht. Die Kotzebueſche Rührſeligkeit, die in der Epiſode 
vorwaltet, ein Zugeſtändnis an den Geſchmack des Theaterpublikums, 
ift der Anichauungsweife Kleifts nicht Fremder als der feiten Männ- 
lichleit Immermanns. 

So frei der Dichter beim Aufbau der Handlung ſeine Quellen 
benutzt, ſo enge iſt ſein Anſchluß an ſie bei der Zeichnung ſeiner 
Charaktere. Er erlaubt ſich und verſagt ſich, was der Hamburger 
Dramaturg geſtattet und verbietet. 


1) Kleiſts geſammelte Schriften. Herausgegeben von Tieck. Berlin 1874. 
S. XCV. 


1, S. + 


90 9. Nöttinger, Über die Onellen zu Immermanns Trauerfpiel in Tyrol. 


Für die Figuren der franzöſiſchen Arnıce liegen ihn allerdings 
feine Quellen im Stiche. Er benötigte deren aud) wohl feine. Den 
„Gegenjag zwiſchen dem rohen Heldenthume der Tyroler ... und 
dem feinen Heldenthume der Franzoſen“ herauszuarbeiten, jtand ihm 
von vorneherein als Ziel vor Augen (17, 11). Ein Jahr vor dem 
Trauerjpiele in Tyrol war Heines Bud; Ye Grand entitanden. Nun 
zollt auch Immermann der litterarifchen Mode des Napoleontults 
feinen Tribut. „Nachdem der Haß und Abjchen ji) an ihm erfättigt 
hatte, begann eine kindiſche Vergötterung vor ihm zu feimen,” kenn— 
zeichnet er 1839 jelbjt die Zeit jeiner Arbeit am Hoferdrama 
(18, 213:. 

Maſſen auf die Bühne zu ftellen, hat Immermann nie verjtanden. 
Die einzige Scene, in der wir die Bekanntſchaft der franzöfiichen 
Soldatesfa machen, ift eine Kopie der 5. Scene des 2. Aufzuges 
der Jungfrau von Orleans. Aud) dag tiroliiche Volk tritt in der 
1. Faſſung des Dramas eigentlid) nur in einer einzigen Scene, der 
s. dea 1. Aufzuges, auf, und da jpricht es im Chorus. 

Des Dichters ganze Sorge ijt auf die getreue Zeichnung der 
Banernführer gerichtet. Auch hiefür iſt Dormayr die Quelle. Schon 
day diejer S. 52 eine zujammenhängende Charakterijtif Hofers giebt, 
während die wenigen Angaben Bartholdys über Hofer in feinem 
Buche zeritreut jind, macht es wahricheinlich, daß Dormayr Immer—⸗ 
manns nächſte Quelle war. Ein oberflächlicher Vergleich erhärtet die 
Annahme zur Thatſache. Tie Auffaſſung, die Lefebre Dofer entgegen: 
bringt 17, 26 deckt ſich ſtellenweiſe wörtlich mit der Hormayrs (59). 

Mit der gleichen Sorgfalt zeichnet Immermann die Figuren 
Haſpingers, Donays und Kolvbs nad) Hormayr. Die Perſon des 
Schupfenwirtes war Bartholdy unbekannt geblieben. Ubrigens giebt 
auch Hormayr nicht viel mehr als ſeinen Namen: Etſchmann — 
und den durfte Immermann der ſchandbaren Gattin wegen, die er 
dem Wirte angedichtet hatte, nicht verwenden. So nennt er ihn denn 
Wildmann. In der 2. Faſſung, wo mit Elſis Ehebruch auch dieſes 
Bedenken weggefallen war, heißt er dann richtig Etſchmann. 

Was für die Zeichnung Speckbachers bei Hormayr zu holen 
war, verichwinder neben dem eingehenden Berichte, den Bartholdy 
tiber diejen jeinen Liebling bringt. Auf ihn weijen die Sefamtauffaffung 
wie gewiſſe Einzelheiten ſeines Gharafters. Für jeine Ihatkraft, Un— 
ermüdlichkeit, Umſicht, die ihn im erften Iheile des Dramas weit 
über Hofer erheben, wie für feine außerordentliche Schlauheit, die 
Immermann in der großen Wirtshausicene des 1. Aufzuges illuftriert, 
stetet Bartholdy Beiſpiele in Hülle und Fülle Der Bartholdyiche 
Speckbacher tit geradezu die Norausjegung für, den Immermann— 
ihen — und als der Tichter daran geht, das Außere des Mannes 


H. Röttinger, Über die Quellen zu Immermanns Trauerfpiel in Tyrol. 91 


zu beichreiben, greift er mit Umgehung Bartholdys auf Hormayr 
zurüd.!) 

Daß diefer Immermanns Hauptquelle war, infolge feiner Haren 
Art darzuftellen fein mußte, leidet feinen Zweifel, jo eigentümlid) 
es auf den eriten Blick erjcheint, daß der Dichter, die begeifterte 
Schilderung des Romantikers verfchmähend, an den fühlen Diplomaten 
Anſchluß nimmt. Ebenſo ficher erjcheint aus inneren Gründen, abgejehen 
von dem Zeugnifje Putlig’, die Bekanntſchaft des Dichter mit dem 
Geſchichtswerke Bartholdys. Nur der Grad feiner Benukung bleibt 
nody zu umjchreiben. Da ift vor allem auffallend, daß örtliche 
Anklänge an Bartholdy im Trauerſpiele volljtändig fehlen. Einen 
weiteren Anhalt gewähren die geographiichen Verſtöße Immermanns, 
wie die irrtümliche Verlegung der Gallwieje vor dag Schloß Ambras. 
Aud ein Lefebre Tann, um die auffallendften hervorzuheben, eine 
größere Zruppenabteilung nicht durchs Zillerthal nach Laditſch deta- 
hieren, fann ſich nicht durchs Sau- und PBufterthal mit Eugen ver- 
einigen; und ſelbſt einem mit dem feinjten Gehörfinne ausgejtatteten 
Alpler iſt e8 unmöglich, wenn er die Straße von Brixen über den 
Brenner wandert, „Schießen von Prutz“ zu hören (17, 18). Dieje Irr— 
tümer erfcheinen umfo merfwürdiger, wenn man weiß, daß dem Bartholdy: 
ihen Buche eine „General Charte von Tyrol“ angehängt ift, die den 
Dichter über die Topographie der Grafichaft zur Genüge hätte auf: 
Hären können. Erklärlich werden dieje Irrtümer erjt, wenn man 
annimmt, dag Immermann bei der Arbeit am Drama das Bud) 
nicht mehr vorlag. Er hatte e8 zur Einführung gelefen und nugbringend 
gelejen, wie die lebensvolle Gejtalt feines Speckbacher zeigt. Seine 
eigentliche Vorlage im wörtlichen Sinne bildete aber Hormayıs Bud). 
Für die ausgedehnte Litteratur, die ihm nach Putlit die Univerfitätg- 
Bibliothek in Göttingen liefern mußte, bleibt fein Plat im Drama. 


1) Wir ftellen die Bejchreibungen Bartholdys, Hormayrs und Immermanns 
nebeneinander. Die Übereinftimmung der beiden Hiftorifer erklärt fi daraus, daß 
Hormayr Bartholdy gelegentlich ausjchreibt. 


Bartholdy 53. Hormayr 240. Immermann 17, 18. 
Den Kopf hält er vor- ...Spedbader... ... Meiftens blickt' er 
wärts gebüdt .... Nur | von... vorwärts gebeug- ftarr zu Boden. 


wenn vom Kriege die Rede 
it, erhebt er das Haupt, 
die Züge beleben fid), man 
wird gewahr, daß er zu 
befeblen gewohnt ift und 
verftebe. 


teın Haupt, und gejenktem 
Blick. Beyde erhebt er nur, 
wenn vom Krieg oder 
vom Baterland die Rede 
ift, dann wird das fcheue 
Auge blitzesſchnell durd)- 
dringend und wird, der 
Kopf in befehlender Hal- 
tung zurüdgemworfen ... 


Nur wenn er hörte, Bai— 
erns Löwe werde 

Nun bald ſein Haupt in 
Dorf und Stadt erheben, 
Dann blitzte fürchterlich 
ſein Aug' gen Himmel. 


92-9. Röttinger, Über die Quellen zu Immermanns Trauerſpiel in Tyrol. 


Die Flugfchrift, deren Benutzung nachgewiejen wurde, dürfte faum 
viefe ihresgleichen neben ſich gehabt haben. 
* * * 

Noch war das Trauerſpiel in Tyrol im Drucke nicht erſchienen, 
als Immermann bereits aus dem Kreiie derer, weldye die neue 
Dichtung zu Gelicht befommen hatten, Norjchläge zu Anderungen 
erjtattet wurden. Holtei hatte vor einer zahlreichen Zuhörerichaft in 
Berlin eine Vorleſung des Stüdes veranjtaltet, weldye vier Stunden 
währte, ohne dar der 5. Aufzug zum Wortrage gefommmen wäre 
Putlitz 1, 151. Für die Aufführung mußte es aljo gefürzt werden. 
Auch von anderer Seite wurden, wie Butlig (1, 150) jchreibt, in 
Betreff der Aufführbarfeit „Zweifel und Bedenken“ geltend gemadıt, 
„von denen der Tichter beim Druck des Traueripieles in einer längeren 
Vorrede einige zu bejeitigen, andere zu widerlegen ſuchte“. Immermann 
giebt in dieier Vorrede jeiner Bereitwilligfeit zu Anderungen Ausdrud 
und deutet die Richtung an, im welcher ie ſich zu bewegen hätten. 
Nur die Engelerſcheinung löſt er ſofort in einer „Variante für die 
Aufführung“ von der Handlung los. Es bedurfte alſo weder Börnes 
noch Platens Mahnung, um dieſes Motiv aus der angekündigten 
Neubearbeitung verschwinden zu macen. 

Dieje Nenbearbeitung war jedenfalls innerhalb der in der or: 
rede geftedten Grenzen bereits vollzogen, als \{mmermann auf den 
Wunſch der Düſſeldorfer Schanipielergeiellichaft im Jahre 1829 zur 
Einſtudierung des Stückes tchritt: unberührt waren alio alle Stellen 
geblieben, welche den Gegenſatz zwiichen dem Heldentume der Tiroler 
und dem der Franzoſen ins Yicht zu ſetzen hatten; hingegen fehlten 
die Rartien, in denen das Schwert und der Angel vortamen, während 
die Machinationen Donays tm 1. Aufzuge, Kolbs Narretheidung 
im 2. md Die erſten Scenen des 5. Altes Zzuſammengezogen, in 
Erzählungen verlegt oder geſtrichen“ worden waren 6(17, 12. Die 
Brief und Ehebruchsgerhichte war stehen geblieben Putlitz 1, 202, 
Tieie Andernnaen bezeichnen den erjten zzuſtand der Umarbeitung. 

An ihre Tendenzen knüpit Immermanu au, als er für die 
Geſamtausgabe ſeiner Werke im Tftober 1832 eine neuerliche Durd)- 
jiht des Tramas vornahm Purtlie 2, 19°. Andeutungen darüber 
gab er bereits Is50 in einem Briefe an Beer.!: „Tas Stleinliche 
und Zentimentale joll hinaus,” ichrieb er während der Arbeit an 
Tied, „und das Ganze wird auf em einfaches, großes hiftoriiches 
Motiv gebaut werden.” Tas "leinliche war die Art, wie er ın 

Michael Beers Rrieiwechiel. Herausgegeben von E. Zchent Leipzig 1837. 
Z 1. 


Bricie an Y. Ti. Herausgegeben von Holtei. Yreslan 1864. 2, 66. 


H. Röttinger, Über die Quellen zu Immermanns Trauerfpiel in Tyrol. 93 


der erſten Faſſung Hofer den Brief vorenthalten Hatte, das Senti— 
mentale die Elſiepiſode, und das einfache Hijtorische Motiv ijt die 
Treulofigfeit des Kanzler in Wien. Nun fommt aljfo eine neue 
Scene hinzu: das Wiener Kabinet greift in die Handlung ein. Diefer 
Zuftand bezeichnet die zweite Phaje der Umarbeitung. 

Mit dem fertigen Manuſkripte in der Taſche reiſte Immermann 
im Herbſte 1833 nad) Tirol. Es war natürlich, daß dem Dichter 
auf dem klaſſiſchen Boden feines Dramas, unter dem Volke, dem 
jeine Helden entitammten, manches am Stüde änderungsbedürftig 
erfcheinen mußte. Einzelne Berbeflerungen wurden noch auf der Reiſe 
vorgenommen, — in diejer Geftalt las es Immermann am 15. Of- 
tober in Dresden Zied vor (Putlik 2, 45), — die Dauptarbeit wird 
in die Muße der folgenden Wintermonate fallen. In dieſer legten 
Faſſung führte er das Trauerſpiel im April 1834 auf dem Düffel- 
dorfer Theater auf (Putlitz 2, 65), reihte er e8 1835 al3 „Andreas 
Hofer” feinen gefammelten Schriften ein. 

Die Veränderungen find in Kürze aljo folgende: Die Stellen, 
an weldyen das Schwert und der Engel vorfommen, bleiben weg, 
wenn auch nicht in dem Umfange wie in der „Variante“; die Er- 
zählung Hofers von feinem Traume und die Deutung Hafpingers 
werden wieder aufgenommen. Kolb verjchwindet völlig aus dem 
Stüde; die Verbindlichkeit Raynouards gegen Hofer wird anders 
begründet. Donays unheilvolle Thätigfeit erjcheint auf den fchließlichen 
Berrat beichränft. Es fallen jomit aud) die Zwiltigfeiten der Führer 
in Innsbruck aus. Das Briefmotiv wird wejentlich vereinfacht: der 
Brief, den im „Zrauerjpiele” widrige Zufälle dem Sandwirte vor- 
enthalten haben, erijtiert im „Hofer“ garnicht; es bedarf fomit auch 
nicht mehr des Ehebruches und der Rache Elfis. Während der Dichter 
diefe hob, jeßt er Metternich und Eugen über Gebühr herab. Es 
war thatjächlich bereits im Dftober von Wien ein Brief an Hofer 
mit der Mahnung zur Ruhe abgegangen, und Eugen hatte nie nötig 
gehabt, ihn zu belügen. 

Nach den Gründen diefer Streihungen wird Niemand in den 
Tuellen juchen. Aber auch für die neu ins Drama gekommenen 
Berjonenfreife werden jich folche faum nachweifen laffen. Hatte ſich 
Immermann einmal für die Berjion entjchieden: eine Faiferliche 
‚sriedensmahnung wurde nie an Hofer erlafien — fo war es am 
einfachiten, auf der Bühne zu zeigen, warum fie unterblich. Dabei 
fand der Dichter Gelegenheit, ſich über Metternich und das Legiti- 
mitätsprincip der Reſtaurationszeit auszuſprechen. Die andere neu 
eingeführte Gruppe umfaßt Frau Straubing, ihre Tochter Bärbel 
und Heinrid Stoß. Von Bärbels Seite weg, mit der er eben den 
Kiltgang hielt, Hatte ihn Frau Straubing während des Kampfes 


94H. Röttinger, Über die Cuellen zu Immermanns Trauerfpiel in Tyrol. 


auf dem Sjelberge Hofer zugeführt. Ein Kartätſchenſchuß ftredt ihn 
zu Boden, Bärbel verfällt darüber in Wahnjinn. Der Bräutigam, 
der von jeinem Mädchen in den Zchlachtentod eilt, ift ein alt- 
ütberliefertes Requifit, den Cpfermut eines fid) erhebenden Nolfes zu 
verdeutlichen. 

Tas Beitreben, dem dieje Epiſode entiprang, fennzeichnet die 
ganze Nenbearbeitung. Der Dichter jucht die tiroliiche Landſchaft 
jeines Dramas jtilvoll zu jtaffieren; die alten Helden werden mit 
neuen intimen Zügen ausgeſtattet, ihre Rede wird teilweiſe in Proja 
aufgelöft und mit prägnanten Ausdrücken und drajtiichen Wendungen 
durchſetzt. 

Einen Teil dieſer Arbeit mag Immermann — ob vor oder nach 
ſeiner Tiroler Reiſe ſteht dahin — auf Grund einer abermaligen 
Durchſicht Bartholdys und Hormayrs ausgeführt haben. Dahin ge: 
hören die Verwertung des Wildſchützenſtückchens aus Speckbachers 
jugend (16, 483, Bartholdy 52-, die Erwähnung des Pierdehandels 
Hofers i16, 508, Bartholdy 64, Hormayr 47) und das Wort: 
geplänfel zwijchen dem Sandwirte und Frau Straubing 16, 508, 
Pormayr >41. Andere nene Züge und Einzelheiten find als Ausbeute 
jeines Blickes ins Tirol aufzufaſſen. 

Immermann erzählt jelbit, wie groß das Juterreſſe war, mit 
dem er ſeine „hiltortich poetische Wallfahrt“ zu all den Stätten ſoweit 
fie im Innthale gelegen find: unternahm, an welchen feine Helden 
gewirkt hatten. Daß er mit ‚ragen nicht geipart hatte, verrät Die 
Beſchreibung jeiner Reiſe 10, 233 1. wiederholt. In Innsbruck 
erhofft er ſich Tienliches ans dem Munde des Adlerwirtes Nieder: 
firchner :10, 336 5 die Heiniten Knaben wußten ihm die Geſchichte 
von 1809 31 erzählen 10, 250.5 und als er erfährt, dan Etſchmann, 
der chentalige Schupienwirt, noch am Yeben jet, macht er verichiedene, 
aber vergebliche Verſuche, mit dem Manne zuſammenzntreffen 
‚10, 245, 

Einige dieſer Auderungen laſſen ſich anf Grund der Meile: 
beſchreibung ats beſtimmt durch verſönliche Eriahrungen Immermanus 
erweiſen. „Ju den Wirtihehäuſern.“ ichreibt er beiſpielsweiſe 10, 2505, 
„iſt der Wirth und meiſtens auch die Wirthin Die unbekannte Zahl X 

. Dagegen tt die Kellnerin . . das Perpetnum moolle ...“ Zie 
muß abe in der ?. Faſſung an Stelle Wildmanns Speckbacher und 
Yerebre bedienen. Tabei wird der „Schoppen“ mit den öſterreichiſchen 
„Seidel“ vertauſcht. Ein anderesmal beichreibt Immermann mit 
Intereſſe einen Svielhahn 19, 242, den er offenbar friiher nie ge 
chen hatte. Die Anwendung macht er im 2. Ahtte des „Mofer“, mo 
er den Sandwirt von Heinrich Stoß tagen läßt: „Und Augen, wie 
der Zvielbahn, wenn er singe!” 16, Son, Nun fommen Worte wie 


H. Röttinger, Über die Quellen zu Immermanns Trauerfpiel in Tyrol. 95 


„Alm” und „Alpenröflein” in den Dialog — alles im Beftreben 
nad echtem Koſtüm und wärmerem Kolorit. 

In Zirol war es auch, wo Immermann Erjag für das aus- 
geihiedene Schwertmotiv fand. Beim Beſuche des Innsbrucker 
Muſeums fiel ihm das weiß-blaue Band am Säbel Hofers auf. 
„Als er nad) feiner Erwählung zum Volfshaupt einen Degen haben 
wollte,“ erfuhr der Dichter (10, 243), „war in dem Augenblice 
eben weiter feiner aufzutreiben als der, den ihm ein Xiroler, 
Namens Schaſſer, überreichte. Diefer Hatte unter der baierifchen 
Regierung eine Kleine Stelle gehabt. So führte Hofer des Feindes 
Waffe und Farbe, bis er fpäterhin einen Chrenfäbel erhielt.“ 
Immermann nahm diejes Motiv unverändert in dag Drama auf 
(16, 498). 

Die geographifchen Verſtöße werden getilgt, wo es angeht. Auf 
der Höhe des Berges Kiel wird fich der Dichter nad) feiner Dar- 
ftellung (10, 242) über den Irrtum mit der Gallwiefe und dem 
Schloſſe Ambras Klar (auf den übrigens ſchon früher Hormayr in 
feinem Archive für Gejchichte zc., 1827, ©. 782 hingewieſen hatte). 
Nun läßt er Elfi in der einleitenden Schupfenwirtshausjcene nicht 
mehr jagen, Xefebre ziehe ins Land herab, jondern „ins Land“ 
ſchlechthin (16, 482). 

Als Reſt bleiben einige Detailzüge, welche ebenſowohl Neije- als 
Lejefrüchte fein können. Die Stelle des „Zrauerfpieles“, wo La Coſte 
zu Spedbader jagt: „Du bijt der jo berüchtigt — “, worauf 
diefer unterbrechend antwortet: „Nein Herr, nicht Soberüdtigt 
nenn’ ich mich”, ändert der Dichter im „Hofer“ folgendermaßen ab: 
La Eofte: „Du bift der Brigand —,“ worauf Spedbader: „Brigand? 
So jteh’ ich nicht im Zaufbuch, Herr Off'cier.“ (16, 486) „Brigands“ 
war, wie Hermann Friedländer in feinen „Anjichten von Italien“ 
(Leipzig 1819— 1820, 1, 37) mitteilt, daS Schmähwort der Franzoſen 
für ihre Gegner, welches jpäter unter den Landesverteidigern zu 
einem Ehrentitel wurde. Der dritte der BVierzeiler: „A Büchfel zum 
Schieß'n ...“, weldje die Brüder Rainer in der 2. Faſſung ftatt des 
ſymboliſchen Liedes der eriten fingen, findet ſich ſchon bei Bartholdy 
(48). Vielleicht find die beiden anderen in Tirol aufgezeichnet. 
Möglicherweiſe jtammt ebendaher die Klage Hajpingers über die von 
den Feinden verübten Kirchenichändungen (16, 493). Bartholdy und 
Hormayr wenigitens ſchweigen darüber. Nun giebt auch Spedbadher 
feiner Abneigung gegen das üjterreichiiche Militär lebhafteren Ausdrud. 
Er teilt jie mit dem Dichter (10, 244, 240). „Mir iſt's recht Lieb, 
daß uns die weißen Röde, die rothen Hojen jett verlajjen, denn es 
waren doch latein’she Schügen nur, und hatten’s falſch mit ung.“ 
(16, 481). Die rothen Hoſen der öfterreichiihen Generale waren 


96 Adolf Pichler, Hebbels Briefwechjel mit Adolf Pichler. 


Immermann jchon 1831 in Mainz aufgefallen (10, 19). Oder er 
erinnerte ji) an die Stelle in Heines „Italien“, wo die Uniform 
des Kaiſers Franz beichrieben wird (Sämtliche Werte herausgegeben 
von Elſter, Leipzig o. %. 3, 238). 


DHebbels Briefwechſel mit Adolf Pichler. 
Mitgeteilt von Adolf Pidyler in Innsbruck. 


Vorwort 


Hebbels Gejtalt tritt immer bedeutender in umjere Gegenwart, 
er hat jogar manches vorweggenommen, was heute die Diode beherricht. 
Wir denfen an die nordischen Dichter, das durfte R. Werner mit 
Hecht Fräftig betonen. Wir jind daher Felix Bamberg aufrichtig zu 
Tanf verpflichtet, day er feine Tagebücher, jeine Briefe in Drud gab. 
Yeider läßt die Ausgabe der leßteren manches zu wiünjchen übrig; 
es wurden nicht nur Stellen, die fiir die Litteraturgejchicdhte, für die 
Charafteriitif von Hebbels Perfönfichkeit wichtig find, e3 wurden auch 
Briefe weggelalien, die man in dieſem Sinne mit Bedauern vermißt. 
Ta möchten wir nur für unjeren Teil Ergänzungen und Nachträge 
liefern und wünschen nur, daß es aud) von anderer berufener Seite 
geichehe. 

Innsbruck. Adolf Pichler. 

1. 
An. Hebbel. 
ı 1849.) 


Zw warden ſich meiner faum nod erinnern, da unsere BVekanntöchaft in 
Wien nur kurze Brlege fand. Wenn uch mir dennoch die Freiheit nebine, mid) an Sie 
zu wenden, jo dit ca weniger meinetwegen, als für eine Zache, der ich möglichſtes 
Gedeihen müniche. 

Es haben ſich in Tirol wackere und gebildete Männer zur Herausgabe einer 
Wochenſchrit' veremiget, Die von Neuſahr an erſcheinen fol und den Zweck bat, 
der VBildung und dem Geſchmack bei uns einen edleren Anjaß zu geben, als diejes 
durch oſterr Blätter wie Bauerles Theaterzeitung oder den Humoriſten Saphirs 
geschieht. Bohne und was daran bangt, bleibe bei Seite. Ter Unternehmer braucht 
nun Ztitten, daß die Ehre des Blattes eben jo fejt ſtehe, als eine Wirkung nad 
innen Den Abitchten entipreche. 

Ich möchte Sie um gend ein kleines Bedicht oder cınen Meinen Aufiag 
bitten, da Ihr Name dem Blatt eine ichone Iterde ſein würde Tas erſte Quartal 


Der „Phöniur“, der zu Nemabr 1850 begann und immerbin einige Be 
deutung fur die deut'ich ofterreichiſche Litteraturgeſchichte beſaß. 


Adolf Pichler, Hebbels Briefmechfel mit Adolf Pichler. 97 


fann die Redaction freilich faum Honorar zahlen, dod ſoll Zhnen ein Freieremplar 
ſogleich zu Gebot ftehen. Sie werden ſich dann überzeugen, daß wir Tiroler uns 
neben den andern Deutichen in Oſterreich nicht gerade zu fchämen brauchen, wenn 
wir endlich fchwarz auf wei vor die Öffentlichkeit treten. 

Sollte ich Ihnen für das Feuilleton, das Sie wie ich neulich erjehen, bei 
einem Wienerjournal übernehmen wollen, einen Dienft erweiſen fönnen, fo verfügen 
Zie über Ihren 

7. November 1819. ergebenften Pichler. 

9 


Penzing 11. Mai 1851. 

Sie haben alle Urſache, mit mir ins Gericht zu gehen, denn wenn int 
Briefwechjel die Paujen im Allgemeinen auch ebenjo erlaubt find, wie in der 
Muſik, jo dürfen fie doch nicht fo lange dauern, daß fie den Gedanken an Krankheit 
und Tod erweden müßten. Freilich kann ich zu meiner Entfchuldigung anführen, 
dag ich feit Jahren nicht fo mannigfaltiges durcheinander gearbeitet habe, wie den 
Iegten Winter und eben darum nad) allen Seiten mit meinen Antivorten im Rück⸗ 
ftand geblieben bin, jo daß ich jet eben fo viel Gläubiger als Freunde zähle. 
Dann fam zulett auch eine Neife Hinzu, die ich nad) Berlin machen mußte und 
die mir, die nöthigen Vorbereitungen mit eingerechnet, doch auch drei Wochen weg— 
nahm. Doch dieles alles begründet feine Rechtfertigung, und die Bitte un Ab— 
iofution, denn ihr fetter Brief enthielt foviel freundliches, daß ich Ihnen den Dank 
dafür nicht hätte bis heute ſchuldig bleiben follen. 

Was Sie über die Darſtellung der Judith auf dem Innsbrucker Theater 
meldeten, hat mich zugleich intereffirt und ergößt und an den mir mitgetheilten 
Attenftücden babe ih mid wahrhaft erbaut. Der Artikel des Herrn Studenten- 
Nedacteurs war einfach abgeichrieben, aber aus drei verfchiedenen Blättern und 
alio ein Moſaikſtück. Johann Umlaufts Oppofition dagegen war fehr natürlich, 
denn ich habe den guten Mann 1848 in der Augsburger allgemeinen Zeitung 
einmal jehr nadhdrüdlic an feine Genforperiode erinnert, als er mir zumeit links 
abirrte und das ınag ihn etwas fatal gewefen fein. Unbegreiflich ıft e8 mir nur, 
wie die Direction zu dem Drama gelommen ift. In der urſprünglichen Geftalt hat 
te es doc unmöglich geben können und die Bearbeitung, welcher ich es für das 
Qurgtheater unterzog, war bisher nur durch mich jelbft zu beziehen. 

Es thut mir fehr feid, daß Ihre Erfahrungen über die academiſche Jugend 
die meinigen nicht nur nicht beftätigen, fondern ihnen auf die ſchneidendſte Weiſe 
widersprechen. Freilich ſtehen Sie den Maſſen näher, während mir nur die aus— 
gezeichneteren Individuen vor die Augen kommen, jo daß ich mich gar wol geirrt 
haben mag, wenn ich von den Einzelnerfcheinungen aufs allgemeine fchloß. Ich 
habe jedoch nocd immer die Freude kräftigen jungen Leuten zu begegnen und es 
entſchädigt mich für manche Unbill, daß dieſe fich gerade mir anfchließen. Ihre 
Schilderung der dortigen gebildeten Stände paßt leider fast auf jede Stadt, nur wird 
es einem nicht jo gut, daß man in einem fo urkräftigen ferngefunden Bauernftand, 
wie e8 der Tirofer ift, auch anderwärts Erfat fiir die Martern findet, welche dieje 
Mifere jedem auflegt. Ich bin noch nie mit einem Handiverker, einem Landmann, 
einem Matroſen zufammengeftoßen, wär's aud) nur auf der Landſtraße, ohne daß 
ich irgend etwas neues von ihm erfahren, einen Blick in mir fremde Zuſtände 
gethan oder eine originelle Welt- und Lebensanſchauung kennen gelernt hätte, 
während ich bei den meiſten Gebildeten ein Omar werde, der alle Bücher ver— 
brennen und, um das Recht dazu zu erlangen, die eigenen zum Fidibus hergeben 
möchte. Das einzige Reſultat dieſer Dreffur, die den heutigen Namen der Bildung 
ufurpirt, fcheint darin zu beftehen, daß fie die Adern unterbindet, die das Individunum 
mit der Natur verfnüpfen und fo die Circulation des friichen Blutes hemmt, daß 
fie den Inſtinkt tödtet, ohne dem Berftand oder die Vernunft zu wecken. 

Euphorion. VIT. 7 


98 Adolf Pichler, Hebbels Briefwechſel mit Adolf Pichler. 


Sie erfundigen ſich nad der Fortſetzung der Zchaufpielerin. Ich habe den 
erftien Alt bereits vor drei oder vier Jahren gefchrieben und bin bis jett nicht zu 
dem Stück zurückgekehrt, das eine ganz eigene gemijchte Stimmung erfordert, weil 
es ſich über das gewöhnliche Schauſpiel erhebt und doch nicht Tragödie werden 
darf, fie wird wol einmal wiederlehren. Es ift inziwiichen ein ganz neue Drama, 
freilich nur in zwei Alten entftanden, Michel Angelo, das auf reiche eigene Er⸗ 
fahrungen geftügt die Conflifte behandelt, tvelche dem Künſtler als Künftler begegnen 
und fie fittlich zu tödten fucht, indem es fie auf eine höhere Nothwendigkeit zurüd- 
führt. An die Sphäre der Yorenz Kindlein und Correggio werden Sie hiebei nicht 
denken; es fanı feine größere Verirrung geben, al$ den Brotmangel neben Ideen⸗ 
überfluß tragiſch und äjthetifch geniegbar zu finden. An Torquato Taffo bitte ich 
aber ſich auch nicht zu erinnern, denn diefes Stück iſt auch nichts anderes, als die 
interefjante Krankheitsgeichichte eines begabten Menjchen, der fich fittlich nicht voll: 
endete und kann wahrlich nicht als Typus der Tichternatur gelten. Meinen 
Borwurf bildet jener Sauerteig, dev mit der leeren Taſche nichts zu thun bat, 
durch die Bildung aber auch nicht bejeitigt, nur als nothwendig begriffen wird. Ich 
glaube nicht ganz unter der Aufgabe geblieben zu jein; auch der äußere Erfolg des 
Dramas war ein ſehr günjtiger, als Holtey es vorlag und das will bei Werfen 
etwas fagen, die mit jener Zinte gejchrieben find, weiche erft zu leuchten anfängt, 
wenn das rechte Auge darauf fällt. 

Der cerfte Alt ıder „Zarquinier”) hat mir warmes Intereſſe eingeflößt, das 
wiſſen Zie vielleicht fhon aus einer Journalnotiz. Den Yau des Dramas glaube 
ich darnach ſchon Überichen zu können und der bat ganz meinen Beifall. Den Grad 
der Berlebendigung kann ich allerdings noch nicht erineifen. Mir hat e8 wol gethan, 
daß die Tuba durch das ganze bindurchdröhnt. Tb Sie den Alt an Pruß jchiden 
jollen, weiß ich nicht: ich ſehe das Blatt nicht und babe feine weitere Verbindung 
mit ibın, al8 daß ich ihm in Folge feiner Einladung ein Gedicht gab. 

Darf ıch bitten, Ihre dortigen Yyreunde von mir zu grüßen, vor allen Herrn 
Profeiior Flir. Kommen Sie im Zommer nicht nah Wien? Den Juli ausgenommen 
bin ih immer bier und zwar auf dem Yande. 

Der Ihrige 
F. Hebbel. 


8. 
Wien 13. Ap. 1852. 

Es hat mich ſehr gefreut, gleich nach meiner Rückkehr von München von 
Ihnen cin Lebenszeichen erhalten zu haben: ich danke Ihnen ſehr für Xbr Yicder- 
heft und die Fliriſche Monographie und werde beide Produktionen ſelbſt am 
geeigneten Orte anzeigen, wo möglich bald. In Ihren Liedern ıft mir von allem 
übrigen abgefehen, beionders die Einfachbeit wolthuend: ich geftehe, daß ich Tinge 
wie die Amarantb und ahnliche Yarbarcıen nicht ohne phyſiſchen Nrampf leſen fann. 
Die Flirſche Arbeit iſt meiſterhaft und gebt bier in Wien auf meine Empfehlung 
von Hand zu Hand; mir mt eine actenmäßige Taritellung dieſer Art, welche die 
größte Tetauklarheit mut einer solchen Meberiichtlichkeit in einem fo lebendigen Ztul 
verbindet, nicht leicht vorgelommen. Ihr Aufiat über Michel Angelo erfcheint jetzt 
erit im rechten Lichte. 

Par iſt es m München, wo ich ſechs Wochen verweilte, obgleich ih nur auf 
14 Tage binging, gut ergangen, für meine phyſiſchen Juftände zu gut. Der Wirbel, 
in den ich hineingerißen wurde, iſt mir noch nicht wieder aus dem Kopf; ich leide 
an beftiger Migräne und babe fonit mit dieſem Uebel ſehr wenig zu fvaffen. Kein 
Wunder, mir iſt die cinfachite Lebensweiſe sucht bloß Bedürfniß, jondern auch 
Genug und dort kam ıc vor lauter Tine’s und Suppé's faum zu mir felbft 
Ihren Glückwunſch zu dem Erfolg meines Ztüdes fann ich rubig annehmen, 
obgleich die Wiener Yubenichaft mut ciner Frechheit, die noch nicht vorgelommen 


Adolf Pichler, Hebbels Briefwechſel mit Adolf Pichler. 99 


fein dürfte, die offenfundigften, von Tauſenden verbürgten Thatfachen auf den Kopf 
zu jtellen fucht. Die Agnes Bernauer wurde vor einem überfüllten Haufe bei 
ihlechtefter Beſetzung (letzteres durch meine Schuld, weil ich drängte und die Rüd- 
tehr der Hauptmitglieder nicht eriwarten wollte) gegeben und der Berfaffer dreimal 
ſtürmiſch hervorgerufen. Der freie Eintritt war vollftändig aufgehoben und die Feute 
drängten ſich wahrlich nicht bloß aus Theilnahme für mid) ins Theater; im Gegen- 
theil, Sehr viele hätten mir gern den Stab gebrochen, weil fie bei ihrem altbairiſchen 
Fremdenhaß aus meinem durch die Umſtände gebotenen etiwag längeren Aufenthalt 
und aus meinem Umgange mit dem gefüirchteten Dönniges den Schluß zogen, daß 
ih mich unter ihnen domiciliren ja — jo weit ging die Verrücktheit — als Kabinets— 
jecretär beim König eintreten möchte. Dennoch fonnten fie mir nicht an den Yeib, 
jo daß ich alles wol erwogen, unter anderm auch die Unzufriedenheit mit einen 
Drama, das den Staat in feiner fittlihen Berechtigung hinftellt, ein wenig im 
Anschlag gebradht, in Miinchen durch die bloße Macht des Werkes ein Refultat 
errungen habe, wie noch nie zuvor. Dem literariſchen Yumpengefindel gegenüber 
halte ich, es mag’3 treiben wie es ihm gefällt, ein umbedingtes Stillfchweigen für 
nothwendig. Ihnen wollte ich aber doch jagen, wie fid) die Sache verhielt; übrigens 
wird der Haufe auch bald aufgeklärt werden, denn jchon haben Stuttgart, Weimar, 
Augsburg und Königsberg fich die Agnes verjchrieben und das fpricht deutlich genug. 

Druden habe id) das Dept. noch nicht laſſen, fo dag ich es Ahnen fo gern 
ich's auch thäte nicht ſchicken kann. Dagegen fende ich Ihnen hiebei eine „acten- 
mäßige“ Anzeige dejjelben, die Herr Doktor Glajer (rühmlichſt befannt durch jeine 
Schrift über Schuld und Strafe, feine Ueberſetzung Beccarias u. |. w.) nad) ein- 
maligem Anhören für Ihren dortigen Phönix aufgejekt hat. Der Aufſatz dürfte als 
Beitrag nicht unmwilllommen fein; der Berfaffer leiftet auf alles Honorar Verzicht 
und bittet fich bloß einen Abdrud aus, den ich ihm cinjenden werde. ES ift gut, 
dab das Blatt in beffere Hände übergegangen iſt, nun kann man fid) daran be- 
theiligen und das thut wahrlich noth, daß die Gleichftrebenden zujammen halten. 
Kuh wird nächſtens etwas ſchicken, er jchreitet bedeutend vorwärts. 

Leben Sie wol und laffen Sie mic, bald wicder von Ihnen hören. 

Ihr aufrichtig ergebener %. Hebbel. 


Bon Hebbels Brief 12./XI. 52 ift eine Stelle ausgelajjen. 


4. 


So pofaunten fie eine Nahahmung meines Herodes „Die Maccabäer” 
monatelang als ein nie dageweſenes Meisterwerk aus und num am Tage der Auf- 
führung fällt e8 durch wie eine Predhtleriade, anı eigenen Bombaft eritidend. 


ö. 


An F. Hebbet. 


Sie haben mir in Ihrem letzten Schreiben von 18. Aug. 1852 zugeredet, 
meine Zarauinier dem Burgtheater einzureichen, wie Ste fi) ausdrücten, nicht 
des Erfolges wegen, fondern um auch meinerfeit3 den Beweis in die Hände zu 
befommen, wie der edle Reformator jedes tüchtige „Streben“ behandelt. Ich babe 
das nun gethan. Am 24. October ging das Micpt. nad) Wien aD, geftern am 
18. November erhielt ich es mit folgender Zufchrift wieder zurüd. 

„Die Direction des kak. Hofburgtheaters dankt ergebenft für die Zufendung 
des Micptes, ‚der lettte Römerkönig (die Tarquinier)'. Sie bedauert, davon feinen 
Gebraud machen zu können, weil ihr das Ztüd für die Darftellung auf dieſer 
Bühne nicht geeignet ericheint. 


19.711. 52. 


Bon der k. k. Hofburg: Theater-Direction. 
Wien, 13. November 1852.” 
7* 


100 Adolf Pichler, Hebbels Briefwechſel mit Adolf Pichler. 


Tiefer Abfertigung bat mir Herr Yaube eigenhändig folgende Zeilen bei— 
zufeßen gerubt. 
„zer Abficht und mander Anlage, verehrter Herr all meinen Reſpekt, aber 
die Ausführung erbebt fi) nicht zu der Größe, weldye einem ſolchen Stoff un- 
erläßlich ift, wenn cv von der Bühne herab wirken foll. 


Hochachtungsvoll Laube.“ 


Uebrigens hat der Donnerkeil, den er mir in meine Berge hereingeſchleudert, 
auf mich ſehr geringe Wirkung hervorgebracht: nach Ihren Andeutungen durfte ich 
dieſes ja erwarten. 

Hier überſende ich Ihnen eine Kritik von Schads Muſenalmanach, weiche 
der Phönix in feiner letzten Nummer brachte. Ta von Ihren Epigrammen die 
Rede iſt, fo dürfte Zie diefelbe interefliren. 

Ich lege „die alte Zither“ bei, ein Stück Tirolerleben. Sollte es dem 
Nanderer zuiagen, jo bitte ih es ibm zum Abdrud zu überlaifen. Die Verſe 
find nach Hebungen und Senkungen gebaut, leutere ſchwankend von eins zu zwei, 
ein Auftakt gebt voran. Der Stoff erforderte dieicd Man, Jamben oder Trochäen 
wären ihm nicht gerecht geworden. 

Dit berzlihem Gruße Zhr Pichler. 


Beim Briefe vom 13. Tezember 1852 fehlt der wichtige Schluß. 


6. 


Einſtweilen bezieben Sie ſich auf mem Urtheil züber die Tarquinier im ge- 
nannten Briefe abgedruckt, wo und wann es Ihnen gefällt. Können Sie's bis auf 
die Notiz über das Burgtheater, die meiner Frau wegen wegbleiben müßte, in die 
N. allgememe Zeitung bringen, um to beiier! Die Maccabäer werden dem Publikum 
mit Gewalt anfgedrungen, es hilit aber nichts, wenn aud in dieſer Zeit von 
völliger Yeere des Theaters natürlich nicht die Rede ſein kann. Neulich Ind mich 
Profeſſor Kitelberger zur Mitarbeiterichaft an dem Yiteraturblatt ein, daß die 
Wienerzeitung von 1. Januar an brgleiten Sol; ich ſchlug auf der Ztelle auch Sie 
vor und übernahm es Sie eimzuladen. Tas geſchieht denn biemit; wenn Zie raſch 
etwas ſenden Binnen, werden Sie ſich am beiten empfeblen. Was fich eignet, fagen 
Zi ſich ſelbſt am beiten. Mich freut das Ganze; in jo engen Schranten es fich 
auch bewegen wird. Es iſt Doch ein Anfang. Was Zie haben, fchiden Zie es 
mm an mich, ich beiorg' es. Vorgeſtern ſandte ich Ahnen unter Kreuzband bie 
Agnes Bernauer zu, Sie werden ſich meiner Vemerkung über die Münchner An— 
grifiie aui dieſes Stück aus einem früheren Briefe erinnern und wahrſcheinlich ein 
wenig lächeln. Uebrigens gewinnt dieß Drama überall Boden umd iebr viele Leute 
finden's jent gerathen, den Hut wieder abzuziehen, wozu der empfindliche Zchlag, 
den Proieſſer S. Rene Taillandier in ſeinem Auffag in der Revue de deux Mondes 
über mein Trama fir much inhrte, ſtark mit beigetragen haben mag. Tieie Inſtanz 
wurde früher immer als eine infallible herausgeſtrichen und läßt ſich num nicht 
aut discreditiren. 

Vom Herzen 


Ihr Hebbel. 


Daran ſchließt ſich der Auszug aus einem VBricfe der Hofburg: 
theaterdirettion vom 18. November 1852. 
Zu eben erbalte ich hrs Bernauer verehrter Herr! von Excellenz mit dem 


Bemerken zuückh, daß er die Aufinhrung beſtimmt ablehne. Auch der Beruf auf 
den Erfolg hat nur nachtheilig gewirkt, ſeme Nachrichten aus München wider⸗ 


Adolf Richter, Hebbels Briefwechjel mit Adolf Pichler. 101 


fpreden dem und er ift im ganzen offenbar gegen das Thema eingenommen, 
welches ihın für ein Hoftheater mißlich ericheint. Da ift nichts mehr zu thun. 
Ihr ergebener Laube. 
Hebbel hatte diefe Antwort Laubes an mehrere Herren, darunter 
aud) an Graf Taaffe gejchieft mit dem Erjuhen um ein Gutachten 
über daS Verhalten des Burgtheaters. Hier folgt das meinige. 


7. 
An F. Hebbel. 


In den voranſtehenden Zeilen wird das Drama Agnes Bernauer von 
F. Hebbel abgewieſen, weil das Thema für ein Hoftheater mißlich erſcheine. Da 
nun die Direction des Hofburgtheaters deßungeachtet die Agnes Bernauer eines 
anderen Dichters!) zur Aufführung bringt, fo kann ic) aus innerer Überzeugung 
diefes Verfahren — nachdem früher Hebbels Wert, das den gleichen Stoff behandelt, 
abgewieſen wurde, nur als unbillig, ungerecht und meinen Begriffen von Ehre 
nicht gemäß bezeichnen. 

D. Adolf Pidjler. 
Beim Briefe vom 10. Februar 1853 fehlt der Schluß. 


8. 


Sch fende Ihnen hiebei für den Phönix acht neue Epigramme. Möchten Sie 
die Hand ein wenig darüber Halten, daß der Seger den Diſtichen alle ihre Füße 
läßt? Wenn e8 die Oconomie des Blattes nicht ftört, fo bitte ich um die Nummer, 
in der fie Aufnahme finden. Sie fragten mich zugleich ob und warn die Geſammt— 
ausgabe ericheinen werde. Ich brenne darauf, fie zu Stande zu bringen, ftoße aber 
auf große Hinderniffe. Sie wijjen felbft, wie ſchwer es iſt, in der erſten Zeit einen 
Berleger aufzutreiben und können daraus wol ermeſſen, daß man, wenn man einen 
erhält, fi) nicht nad, allen Seiten verflaujuliven kanu. Daraus folgt dann viel 
Fatales für die Zukunft. Sch bin feit lange mit dem Ordnen diefer Angelegenheiten 
beihäftigt und werde von Tag zu Tag desperater. Doch verzweifle ich nur nod) 
momentan! Aber da hat man wieder einen Beweis, wie es troß aller Juriften mit 
der Ausbildung mancher Nectsinftitute steht. Faſt alle meine Dramen werden ın 
umgearbeiteter Geftalt wieder hervortreten, jobald es zur Gefammtausgabe fommit, 
aber der neue Berleger will fie doch auch einzeln abgeben können und der alte 
Campe hat Auflagen gemacht, die an Zahl der Eremplare ſechs (es hängt mit der 
Nro. 30 nämlich ganz eigen zufaınnen) übertreffen. Wie foll man fid) da heraus: 
ziehen? Und der Dichter, die moraliſche Perjon die fich waſchen will, kommt am 
meiften zu kurz. Uebrigens Hoffe ic) noch und bin ich mit Weber vorerjt einig, jo 
kann ich auch fiir meine Freunde etwas thun, namentlich für Sie. Er ıft ungehalten 
auf mid, weil er meinen Zögern verkehrte Gründe unterlegt. 

Wie immer Ihr Fr. Hebbel. 
9. 
22.:12. 54. 

Allerdings war es lange, daß ic, Nichts mehr von Ihnen vernahm, fait ein 
volles Jahr, wenn ich mid, nicht irre. Id) hatte von Marienbad aus, wojelbft ich 
diefen Sommer, meiner leidenden Frau wegen volle 6 Wochen verbrachte, den 
Freiherrn F. v. Uechtritz, den Verfaſſer mehrerer Dramen jo wie des höchſt be 
deutenden Romanes Guſtav Holm, der Tirol bereiſen wollte an Sie empfohlen, er 


1) Das ſchwache Stück von Melchior Meyr. 


102 Adolf Pichler, Hebbels Briefwechſel mit Adolf Pichler. 


ift aber nicht bingefonimen. Ste bätten einen der gebilderiten Männer Deutichlands 
in ibm fennen gelernt. Suchen Sie fih wenigſtens durch die Yectüre feines Werkes 
zu entichädigen, dag, wenn 08 auch nicht eine ven künſtleriſche Production ift, doch 
die größte Verbreitung verdient und fich zu Gußkows gleichfalls jebr merkwürdigen 
Rittern vom Geiſt ungefähr fo verbält wie der Ztundenzeiger zum Minutenweiſer. 

Ihr Brief traf zu einer Zeit bei mir cu, wo ich gerade in Begriff war meine 
neue Tragödie abzuichließen, ich bätte aber ohnehin aud für Ihre Humnen nichts 
thun fünnen, denn ich Lebe in Bezug auf Zeitungen und Journale mitten in Wien 
gewiß noch iſolirter wie Sie in Innsbruck und unterhalte mit abjolut gar feiner 
Redattion eine bleibende Verbindung. Net bat Ernſt vd. Zchwarzer die Donau 
gegründet, die fidh nad) den mir zugeſandten Nummern ſehr anftändig ausnimmt 
und die eine große wie es ſcheint, Sehr manıgfaltige Beilage bringt. Vielleicht wäre 
dieſer Ort Ihnen recht und wenn Sie wollen, werde ich den Abdrud zu vermitteln 
ſuchen mdirect nämlich, denn mit jenem Manne ſtehe ich nicht in perjönlichen: Ber- 
fchr, nur müßten Zie es mir zu willen thun. — Mich baben Ihre Humnen innia 
und warn angeiproden, fie find voll und markig und es weht darın der Hauch 
üchter Begeiſterung. Tod zweifle ich, ob dieſe Form ſich Temals ın Teutichland 
einburgern wird und babe mich ihrer, wir aller verwandten in eigener Praxis bis 
aufs Diſtichon enge entbalten, obgleih ich die Stimmungen, in denen der Rem 
eine Fenel icheint, nicht gut Fame. Es iſt bis jene wenigſtens immer mißlungen, 
von Nlopttod und Voß an bis auf Platen herab. Nichts von allen, was verſucht 
wurde, lebt im Volk und ich kann den Grund davon durchaus nicht in den Zalenten 
finden. Nach m er Meinung iſit uniere Sprache bildungsfähig genug, die antıfen 
Maße nacyuidtanın, wenn es Ach um Die Uebertragung eines Gehalts bandelt, 
der von ihnen untrennbar vit, aber nicht, ſie aus ſich ſelbſt mit innerer Noth 
wendigkeit bervorzutreiben, wie con Zpiegel das Bild, dag er treu und Mar auf- 
füngt, ja auch nicht rückwarts ın den Gegenſtand selbit verwandeln fann. Sie 
kommt mol nicht weiter wie die lateiniiche, wenn ſie reimt: es gebt, aber beweiſt 
auch nichts weiter, ats dan es acht. Doch iſt dieß nur eine individuelle Anficht, 
die ſie vielleicht anregt die Frage noch einmal zu prüfen 

Die Agnes Bernauer wind wol noch lange vor dem Theater fteben bleiben 
müßen, umd nem neues Stück, das bis ſetzt mit Ausnahme meiner Frau Niemand 
auch nur dem Titel nach kennt, halte ich einſtweilen ſelbſt zurück, obgleich ich eines 
ſchwerlich Schon To rund dargeſtellt habe. Uebrigens babe ich es nicht mit dem 
Publikum zu thun, ſondern nur mit Perionen, Die ſich zwiſchen mir und das 
Publikum drangen. Nennen Sie das Buch des Barons Eötvos „Weber den Einfluß 
der herrichenden Ideen auf den Staat?“ veſen Sie es! Mir bat der Fürſt Schwarzen 
berg, der ſich Ihrer ireundlichſt erinnert, es gebracht und es gehört zum Gediegenſten, 
was in Der politichen Yırrratıy Seit lange hervortrat. Die Widerlegung möchte 
ich eben! 

Tas beite zum neuen Nabr! 
Ihr Hebbel 


10. 
30,12. 55. 

Wenn Zoom ernſtuch zurnten, So Bent ich es Ihnen kaum verargen 
Nichts deſtowent:ger warden Zi ment lauges Stillſchweigen begreifen, wenn Zie 
wunßzten, was alles zwiſchen mernem Da: und meinem Dezember liegt. Und warum 
ſollten Menichen, deren Ueber wagangen und Geſinnungen jo bart und unperänderlich 
and, mie ibr Knochengebiß nicht unſt Hubs eine Banie machen und Doch aufeinander 
zahlen durſen? zu dieſen acboren wir aber ohne z3weifel alle beide 

sd babe dieſen Sommer velle aht Wochen in Gmunden zugebracht und 
mich dor: tegar angkani:. Natuürlich ir allerbeicheidenſten Sinne. Dennoch macht 
es mir Sobaßz, ter cm mischen und einen Warten zu beſitzen. Nächften Sommer 


Adolf Pichler, Hebbels Briefwechſel mit Adolf Pichler. 103 


gehe ich wieder hin, um dort mit meiner Frau abermals den Yerialmonat des 
Burgtheaters zu verleben und Luft und Waffer zu genießen; letsteres nämlich indem 
ih im See und in der Traun kalt bade. Vielleicht führt Sie Ihr Weg dann aud) 
einmal nach Oberöfterreih und wir feßen die in Penzing abgebrocdhenen Gefpräche 
am Fuß des Traunfteins fort. Alles Schreiben ift doch nur ein trauriger Erſatz 
für den perfönlichen Verkehr und je tiefer man diejes erfennt, um fo nachläßiger 
wird man dabei. Ich wenigftens nehme, wenn mid die Produktion nicht drängt, 
faum noch die Feder in die Hand und auch jene geht mir nur im Freien unter 
Gottes blauem Himmel von ftatten, jo daß der Prater meine eigentlichjte Arbeits- 
ftube ift. Freilich follte man erwägen, daß der andere immer mehr empfängt, oder 
doch zu empfangen glaubt, als man fich zu geben einbildet und daß er beffer 
fupplirt als man dentt. 

Ihr Freund Aler. Kaufmann hat mir geiäärieben, aber aus feinem Brief 
ging nur fo gänzliche Unbelanntfchaft mit mir und meinen Beftrebungen hervor, 
daß ich ihm nicht zu antworten vermochte. Ich bin ihm offenbar nur ein Rame, 
der ihm bie und da vorgelommen fein mag, der ihn aber nicht veranlaßt hat, fid) 
den Menjchen, der ihn trägt, etwas näher anzujehen; er verjprady mir z. ®. bei 
der Redaktion des zumerdenden Düfjeldorfer Journals die Aufnahme eines drama- 
tiichen Beitrages zu „befürworten“; das nahm id) freilich nicht übel, aber ic) wußte 
doc) nicht recht, was ich dazu fagen follte, entſchuldigen Sie mich alfo bei ihm, denn ich 
laffe jonft nie eine Höflicjleit unerwidert, wenn ich mich auch zu vielen fäumig zeige. 

Bon mir find zwei Bücher erfchienen: Novellen und cine Tragödie. Die 
Novellen werden jchwerlich gefallen, fönnens aud) nicht wol in einer Zeit, die fogar 
den Begriff der Gattung verloren hat. Gyges fcheint, wenn ich nad) Wien urtheilen 
darf, raſcher durchzudringen wie irgend ein anderes Stüd von mir, doc hat den 
eigentlichen Gehalt des Stüdes noch niemand geſucht, wo er zu finden ift, nämlid) 


ım Charalter des Kandaules. 
(Schluß: Bamberger, ©. 408). Ihr %. Hebbel. 


Derseihnis. 

1849 An F. Hebbel. Nr. 1. 
11./5. 1851 | An A. Pichler. Nr. 2. 
13./4. 1852 | An A. Pichler. Ir. 3. 
12.11. 1852 ı An A. Pichler. Bamberg 2, 397. 

ı Don bdiefem Briefe ift bei Bamberg Nr. 4 

eine Stelle weggeblieben. 7* 

19.11. 1852 An F. Hebbel. | Nr. 5. 
13./12. 1852 An A. Pichler. Bamberg 2, 398. 

Bon diefen Briefe fehlt der wichtige Nr. 6 

Schluß. .. 

undatirt | An I ebbel. | Nr. 7. 
2.1. 1853 | An F. Hebbei. Bamberg 2, 399. 
10.2. 1853 |! An A. Pichler. Bamberg 2, 400. 

| Fehlt der Schluß. Nr. 8. 
24.7. 1853 An A. Pichler. Banıberg 2, 401. 
22.:11. 1853 An A. Pichler. Bamberg 2, 403. 
13.1. 1854 An A. Pichler. Bamberg 2, 403. 
26./10. 1854 | An F. Hebbel. Bamberg 2, 404. 

32.'12. 1854 An A. Pichler. Nr. 9. 
6.1. 1855 | An F. Hebbel. Banıberg 2, 405. 
20./6. 1855 An F. Hebbel. Bamberg 2, 406. 
30.712. 1855 | An A. Pichler. Bamberg 2, 408. 

Nr. 10. 


Der fehlende Anfang. 


104 Richard M. Meyer, Otto Yudwigs „Maria“. 


Otto Ludwigs „Maria“. 
Ton Richard M. Meyer in Berlin. 


In feinem gelehrten Aufiag über Kleiſts „Marquiſe von TC.“ 
ı Vierteljahrichrift fiir Yitteraturgejchichte 3, 483 f. hat bereits Richard 
Maria Werner, von Erich Schmidts unendlicher Beleſenheit unter: 
jtüßgt, die merfwirdige Jugendnovelle T. Ludwigs in den Zuſammen— 
hang jener Gejchichten gejtellt, in denen ein weibliches Wejen, im 
Schlaf überwältigt, unichuldig die Unjchuld verliert ı<. 4971. Tie 
ſpecielle Stellung gerade diefer Erzählung fonnte Werner nicht be: 
urteilen, weil „Maria“ vor der neuen großen Ausgabe von Ludwigs 
Werfen nicht gedrudt vorlag. In der Einleitung zu dem hödhit 
intereffanten Denkmal ift wiederum der verdienitvolle Herausgeber 
der Erzählungen, Adolf Stern, auf Werners Mitteilungen und Ver—⸗ 
mutungen nicht eingegangen (Otto Ludwigs Werfe 2, 541 f.. Zo 
bleibt, wie mir fcheint, der Zuſammenhang nod) aufzudeden, in 
wen dieſe zarte und doch jo aufregende Novelle zu ihren er: 
wandten ſteht. 

Zolling bemerkt vgl. Werner, a. a. O., S. 487), das Motiv 
ſei ın Wirflichfeie jo alt wie die Erzählungslitteratur überhaupt und 
ſchon oft behandelt worden. Tas ijt unzweifelhaft richtig. Tas Motiv 
gehört in die große und fruchtbare Reihe der Geichichten von tiber: 
natürlicher Empfängnis und Geburt. Die fabelhafte Erzählung, dar 
eine ‚sran von einer Frau jchiwanger wird, taucht jowohl in Agypten 
Ploß Bartels, Tas Weib? 1, 330: als in altfeltiicher Sage auf. 
Unendlich hänfiger find die Yegenden von ciner Beichattung durch 
höhere Weſen: und mit ihrem Kreis ſtoßen wir in der Alkmenen 
fabel ſchon in die nächite Nachbarſchaft unſeres Themas. Der Ver— 
faſſer der „ Marquiſe von T.” hat auch die Verwirrung in der Seele 
der Gattin Alkeſts behandelt, und Otto Ludwig hat ſeiner Heldin 
wohl nicht ohne Abſicht den Namen „Maria“ gegeben. Denn bier 
tt bereits das aufreisende Paradoron gegeben; wie fann die ein 
greifendite Neränderung im Zein des Weibes ohne ihr Wiffen und 
Ahnen ich vollzichen? 

Es iſt far, daß die ſämtlichen Formen dieſes Motives im wirf: 
lichen Leben anzutreffen ſein werden. Wo irgendeine Verführte Aus: 
ſicht anf gläubiges Gehör hat, liegt die Erfindung nahe; und cs 
fehlt deshalb and im den litterariichen Behandlungen des Themas 
jelten der ausführliche Dimweis auf den Unglanben des Lörenden 
jo bei Madame de Gomez: Werner, a. a. O., 2. 493; bei Kleiſt: 
bei T. Ludwig. Aber auch Zeibittäntchungen find nicht ausgeichloffen, 


Richard M. Meyer, Otto Ludwigs „Maria“. 105 


in denen die UÜberwältigte jelbjt den Moment der Verwirrung um- 
dichtet. Wenn deshalb D. Ludwig von einem reichen jungen Voigt— 
länder Leinwandhändler erzählt, der eine Scheintote übermwältigt (bei 
Werner, ©. 497) und wenn Kleift ebenfall3 cine „wahre Begebenheit“ 
als Grundlage nennt (5. 496), fo beweiſt die weder für einen 
direften Zuſammenhang beider Gejdhichten nod) gegen die litterarifche 
Zradition: Anekdoten aus der Gegenwart konnten jederzeit der Über- 
lieferung des Deotives zu Hilfe fonımen, ohne ihre Kette zu zerjtören. 

Eine ſolche Kette jtetig ſich entwicelnder litterarifcher Tradition 
liegt nun aber in einer Anzahl von Nomanen und Novellen vor, in 
deren Reihe Ludwigs „Maria“ einen Wendepunft bedeutet. 

Die romaniſchen Fabuliſten haben den pifanten Stoff auf jene 
Paradorie des Nichtwiſſens zugeipigt; jo auch jene Madame de 
Gomez (vgl. über fie Fürft, Vorläufer der Novelle, S. 107 f.), bie 
auf Kleiſts Novelle wohl unzweifelhaft eingewirft hat (vgl. Werner, 
S. 496; Fürft, a. a. O., ©. 209). Doch aud) das Problem der 
ſchuldigen Unſchuld lag ihnen nicht ganz fern, aus dem jpäter der 
„entichuldigte Verbrecher“ (Fürſt, ©. 143 f., 209 f.), der Typus 
Dearion de Lorme und Kameliendame herauswuchs. Mit diejem 
Kein fand Goethe die Tradition bereits ausgeftattet, als er in den 
beiden Erzählungen, die am entjchiedenften fich der allgemeineren Art 
der Romane anjchliegen, beidemal das Motiv ergriff. „Werthers 
Leiden”, troß aller Beziehungen zu Rouſſeau und Richardſon jo 
originell aus der Empfindung heraus, die „Wanderjahre”, troß aller 
umgreifenden Berührungen fo eigenartig aus der Neflerion, entbehren 
beide diefe Eigenheit. Aber in den „Lehrjahren” fühlt Wilhelm ſich 
Ichlaftrunfen und von der Fantaſie beraufcht, plößlid) „von zarteı 
Armen umfchlungen, feinen Mund mit lebhaften Küffen verjchlojfen, 
und eine Brujt an der feinigen, dic er mwegzujtoßen nicht Meuth 
hatte” (Bud) V, Kapitel 12; bei Hempel 17, 312). Und in den 
„Wahlverwandtichaften” geht in Eduards Seele „eine jonderbare 
Berwechjelung” vor; indem er an Dttilien denkt, pocht er an Char: 
(ottens Thür, und fie, die den Hauptmann an der Thür zu hören 
glaubt, öffnet. Beide jind aufgeregt, verwirrt; die ausgelöjchte Lampe 
jteigert die Unflarheit der Situation; und jie begehen, ehelich ver- 
bunden, einen doppelten Ehebruch, der in den Gelichtszügen des 
Kindes ſich verrät (Zeil I, Kapitel 11; bei Hempel 15, 92 f.). 

Dean beachte, daß Goethe beidemal mit diefer Scene ein Kapitel 
und einen wichtigen Abfchnitt ſchließt. In den „Wahlverwandtichaften“ 
bezeichnet fie ja geradezu den Angelpunft der ganzen Handlung: ein 
blinder Drang treibt die nicht ernit genug Widerftehenden zu einem 
Verbrechen, dag ſie jcheinbar gar nicht begehen. Während aljo jonjt 
die im Schlaf Überwältigte jchuldig fcheint, ohne es zu fein, ift hier 


106 Richard M. Meyer, Otto Yudwigs „Maria“. 


für Goethes ſtrenge Moral das Ehepaar ſchuldig, ohne ſo zu ſcheinen. 
Aber doch nicht völlig ſchuldig. In dunkler Verwirrung der Sinne 
geſchah die That: die gelöſchte Lampe deutet ſymboliſch das Ver— 
löſchen der Beſonnenheit an. Auch dies Motiv hat litterariſch weiter 
gewirkt, freilich nicht ohne Anderung ſeiner Bedeutung. Grillparzer 
hatte in einer Liebesaffaire — auch mit einer Charlotte! — erlebt, 
daß die Geliebte ihm mit dem Licht folgte, es plötzlich aber nieder— 
ſtellte und ihn umarmte (Xaube, Grillparzers Lebensgeſchichte, S. 80.. 
Das verwandte er in der Liebestragödie, für deren Schluß das 
Löſchen der Lampe ja altes kataſtrophiſches Moment iſt. Hero hat 
erſt mit dem ſanften Strahl der Lampe die flimmernden Yiebes- 
gedanfen auslöichen wollen ı Werke, Nusgabe von 1872, 5, 581; dann 
läßt fie die Leuchte wegſtellen, erſt S. 63; aus Vorſicht, dann (E. 70 
ans Scham. Auch bier begegnen jich Erlebnis und Überlieferung, 
eigentliche und ſymboliſche Bedeutung. Wir werden diefem Zug des 
verlöjchten Yichtes noch einmal begegnen. 

Eduard und Charlotte alio täuichen jich jelbit in die Duntelheit 
hinein; er „löſcht zulegt mutwillig die Kerze aus“ ıS. 94. Wilhelm 
Meifter dagegen iſt fait ganz unjchuldig; er, immer der pajlive Held, 
hat fait ganz die Nolle der Marquiſe von T. zu übernehmen. Daher 
weiß er denn auch wirflidy nicht genau, wen er umarmt hat; der 
Zweijel. ob Mignon oder Philine, kehrt bis auf Einzelheiten bei 

.Ludwigs Eiſener wieder, der bald Marta, bald Julie für jeine 
nächtliche Gefährtin hält. Hierin it Ludwig jelbit ein Genoſſe der 
Homantifer und mit ihnen Schüler Goethes und Heinſes (vgl. 
Walzel, Anzeiger für deutiches Altertum 25, 312). 

Bei Goethe alio nähert ich die bis dahin weientlidy nur auf 
Pikanterie zugeſtutzte Fabel bereits inmbotiicher Deutung. Der Menſch 
it nur ein Zpielball höberer Mächte. „Ihr läßt den Armen ſchuldig 
werden.“ Die Sünde ſelbſt wird faſt tm Schlaf vollbracht, wie nad) 
der biblitchen Yegende Goa, die Mutter der Siinde, aus Adams 
Schlaf erichaffen wurde. 

Für die Romantiker mußte natürlich die ymboliiche Deutung 
berrichend werden. „Symbol iſt Alles, was ihr irdiich nennet.“ Die 
Homantiter lieben es, ihre Theorie von der unbewupten Empfängnis 
des Genius in erotiichem Abbild zu ſpiegeln: liebten jie doch über: 
haupt, das poetüiche Zeugen mit phyſiſchen Analogien wollüftig-geiltreich 
zu erläntern. Aber ihr Zpiel wirft auch auf die Erzählung von dem 
unbewunten Yiebeserlebnis ein. Tied erzählt, wie William Yovell 
Amalien aus dem brennenden Zimmer rettet und überwältigt vgl. 
Werner, a. a. O., 2. 447: der Brand fteht inmboliich für Die 
Entzündung aller Zinne. Dies nimmt Kleift in jeiner Erzählung auf. 
Beide bleiben übrigens ganz realiltiich. Dagegen ſteuert Immermann 


Richard M. Meyer, Otto Ludwigs „Darin“. 107 


im Borjpiel zum „Merlin“ die Fabel ganz ins alte legendarijd)- 
iymbolifche Fahrwaſſer zurüd: Placida wird im Schlaf von Lucifer 
überwältigt — dod) erſt nachdem er ihre Sinne in Aufruhr gebradjt 
hat. Am andern Extrem ſteht der fchroff anti-romantiſche Zichoffe, 
auf deilen „Tantchen Rosmarin” Werner (a. a. O., ©. 498) nad) 
Alerander von Weilen verwiejen hat: Lieschen wird ein Opfer ihrer 
Unschuld, wie Placida ihres Tugendſtolzes; aber die Sache ereignet ſich 
unter grotesfen Umftänden, während im „Merlin“ der Vortrag 
tragiſch und pathetijch iſt. Dennoch — ſymboliſch will auch Zichoffe 
die Erzählung aufgefaßt haben: den Ausiprud des Pfarrers, manche 
Sünde jei ein dornenvoller Zug der wahren Unjchuld, hat fchon 
Werner (S. 499) mit Recht ald Grundidee herausgehoben. 

Das Junge Deutfchland nimmt die Erbichaft an. Wie ge- 
wöhnlich ftattet es romantijche Fabeln mit rationalijtiihen Zuthaten 
aus und entjtellt jie durch Abfichtlichkeit des Vortrages. 

In TH. Mundts „Charakteren und Situationen“ (1837) findet 
ih (2, 36) eine Erzählung mit der charafteriftiichen Uberjchrift: 
„Lebensmagie, Wirklichkeit und Traum“. Das Aneinanderfpielen von 
Wahrheit und Phantajie foll aljo, wie bei E. X. A. Hoffmann, 
dargeftellt werden. Ein Student hat fid) aus einem jchüchternen 
Jüngling in einen Stürmer verwandelt; doch von beiden Phafen 
leben Elemente in ihm gleichzeitig. Er kommt nad) langer Abweſen— 
heit Heim und verliebt ſich in die jchöne Jugendgeſpielin Rojalinde. 
(Der Name ift, wie Ludwigs Julia, aus Shafeipeares klaſſiſcher 
Liebestragödie genommen.) Mancherlei Erregungen bringen ihn in 
aufgeregte Träume, in denen ſich die Grenzen der Wirklichkeit ihm 
verrücden: die Kate — das Lieblingstier der Romantiker — gratuliert 
ihm zur Hochzeitsnacht; Blumen fangen an zu reden, ein Vogel hält 
einen Bortrag. Dieſe „Märchenicherze der Mainacht“ benehmen Emil 
völlig die Befinnung. „Wie ein verführendes jüßes Gift teilte ſich 
ihm im Geheimen der Wahn mit, daß Nofalinde feine Braut, feine 
‚rau, daß diefe wunderbar ſchöne mondhelle Frühlingsnacht jeine 
Hochzeitsnacht fei” (S. 91). Halb unbewußt folgt er der Geſtalt, 
die ihm vorjchwebt, in Rofalindens Schlafgemach. Er umarmt die 
Scylafende. „Sie wehrt nicht gleich dem vermeifenen Beginnen; von 
einem Traume befangen, wie ihn der Mythe nach ja jelbit die Feufche 
Luna Hat, fchien fie anfangs dem verführenden Augenblide janft 
nachzugeben“ (©. 94). So wagt er „der Liebe kühnſtes Werk“. 
Plötzlich erwacht fie, erblickt ihn und ſtößt ihn mit wilden Schrei 
von ſich. 

Die weitere Erzählung irrt völlig ab. Das Motiv der künſt— 
lihen Duntelheit wird an die Stelle verlegt, wo Nofalinde dem 
halbjchuldigen Verführer die Folgen jener Nacht zu gejtehen hat 


108 Hıchard Di. Meyer, Otto Yudiwigs „Darıa“. 


(S. 1051. Es folgt dann weiter ein wüſt abenteuerliche? Poſſenſpiel 
der enttänjchten Mitbewerber um Roſalindens Gunjt, für das an 
ähnliche Erfindungen bei &. Keller «zumal in der „Armen Baronin“ ı 
erinnert werden mag; Emil wird wahnfinnig und erwacht nur beim 
Anblick des ihm wunderbar ähnlichen Knäbleins zu kurzer Belinnung. 
„Indem er ſich wieder als Kind, als harmlos-ſpielende Erſcheinung 
zu ſehen glaubte, wurde jein Wahnſinn jich im dem ihm ſojehr 
gleichenden Kinde gewiſſermaßen ſelbſt gegenitändlid) und erhellte jich 
allmählich. Lächelnd iiber dies legte Wunder des Lebens, daß, als 
alles Tajeins Reſultat, der Menſch wieder zum gotthingegebenen 
Kinde wird, ſchlummerte er endlich, jeiner an ihm zehrenden Krankheit 
erliegend, ruhig zum Zodesichlafe ein” 1. 1521. Alfo auch bier die 
finnbildliche Teutung: der Menſch ift eben doch nur ein ipielendes 
Nind, nnd er Tteht umſo höher, je weniger er ſeiner Kindſchaft wider- 
itreitet. Es it das befannte Motiv von Schlegels „Yucinde“ und 
Mundts „Madonna“, die Umkehr des Gotteswortes „to ihr nicht 
werdet wie die Kinder,“ die Verheißung: eritis sieut Deus, neseientes 
bonum et malum! 

Jene Daupticene erumert merhvürdig an die eines Tpäteren 
Autors, der Mundts Novelle ichwerlich je geleien hat. An P. Heyſes 
„Kindern der I8elt“ «2, 112 f. hat Chriltiane Lorinſer eben zurüd 
gewieſen. „Tas Fieber durchichiittelt fie, fie Sicht Geſpenſter, ent: 
jegliche Träume bringen fie in cine furdhtbare Anfregung.” In dieſem 
Zuſtande ſchläft ſie ein und träumt von dem geliebten Edwin; jie 
glaube ihn zu mmfangen, ihn zu küſſen. — „Ein gellender Schrei 
tönte ptötzlich durch das Ttille Dans.” Wild entſetzt weiſt die Unglück— 
liche Lorinſer von ſich und „das Geſicht mit der andern Hand ver— 
deckend, dem Lämpchen den Rücken zugekehrt“ verſchwindet der Ver— 
fuhrer. — Mit Recht rühmt P. Lindau Geſammelte Aufſätze, S. 176 
die vollkommene Meiſterſchaft, mit der „dieſe Vermiſchung des be— 
ijeligenden Traums mit der entieglichen Wirklichkeit“ dargeſtellt ſei: 
und bezeichnenderweiſe erinnert auch er an alte Mythen, an Jupiter 
md Jo, wie Muundt an Yına erinnerte. 

Aber bet alter Ahnlichteit in Traum und Erwachen bleibt die 
Färbung verschieden. Gerade weil alles realiftiicher ift, fordert cs 
jtärtere jiwerfel berans. Wunderbar bleibt es, daß Chriſtianens 
Traum und Yortmers Anſchlag ſich im ſelben Moment begegnen -- 
wunderbar gerade, weil er ein nichtswürdiger Verführer iſt, während 
bet den romantischen Paaren eine geheime Macht fernwirkender 
Sympathie, wie zwiſchen Wetter vom Strahl und Kärhchen, die 
Begegnung erklärt. Und wie das Problem der halben Schuld bier 
mindeſtens fir den Wann ganz ti grelle Sünde verwandelt iſt, ſo 
hat ſich charakteriſtiſich auch das Motiv der Verduntkelung umgeſtaltet: 


Richard M. Meyer, Otto Ludwigs „Maria“. 109 


plöglich fällt der Strahl ber Lampe hinein, Xorinjer aber verlöjcht 
jie nicht, jondern verdedt fie nur, um feine Flucht zu fichern. 

Die Scene aus „Wilhelm Meijter“ mag eingewirft haben; die 
aus der „Lebensmagie” wohl gewiß nicht. Charafterijtiich für Heyfes 
Beziehungen zur Romantik und zum Jungen Deutſchland bleibt die 
Berührung doch. Charakteriſtiſcher noch iſt die meines Erachtens 
nicht zu bezweifelnde enge Berührung zwiſchen Mundts und Ludwigs 
Novelle. 

Eine Neuerung hat Th. Mundt durch Sperrdruck hervorheben 
zu ſollen geglaubt: „der Einfluß des Mondes hatte den armen 
Nachtwandler dieſe Abenteuer erleben laſſen“ (S. 95). Für den 
wirklichen Schlaf (gmmermann), die Schlaftrunkenheit (Goethe) oder 
die Ohnmacht (Kleift, Zichoffe) ift ein individueller pathologijcher 
Zuftand eingetreten, der allerdings genau fo forgfältig durch Er- 
regungen und Ahnungen vorbereitet wird wie bei allen Autoren von 
Goethe big Heyje das Eintreten jener allgemeineren Zujtände. Das 
Nachtwandeln war ja feit Sahrzehnten der neutrale Boden, auf dem 
Myitit und Rationalisnus ſich begegneten. Wie hätten die Jung— 
deutjchen, immer auf der Zauer nad) dem aftuellen Intereſſe, ſich 
eine Tagesfrage entgehen lafjen können, die vor kurzem (1831) gar 
durch Bellini in Muſik gejegt war! — Bloß, inden fie es zu gut 
machen wollten, verdarben fie e3 in der Pegel. Indem Mundt, um 
das Symboliſche recht nachdrücklich zum Ausdrud zu bringen, das 
Nachtwandeln zum Gleichnis für unjer Thun und Sündigen mad, 
vernichtet er das Sinnbild, denn ein krankhafter Zujtand wird nicht 
mehr al3 typiſch empfunden, nicht mehr als allgemein menjchlid) 
aufgefaßt. 

Dennoch lag gerade hierin etwas, was Dtto Ludwig fejleln 
mußte. Das Gefährliche rein injtinftiven Handelns hat er nod) im 
„Erbförfter” zum Hebel der Katajtrophe gemacht. Pathologijche Zu: 
jtände beherrichen aud) Cardillac. Und überhaupt fonnte dem Schüler 
und Bewunderer bes großen Ernit Theodor Amadeus der Somnam— 
bulismus und die jpufhafte Vermiſchung von Traum und Wirklic)- 
feit, Zwang und Entſchluß nicht fern liegen. 

Er hat die Jungdeutſchen früh angefeindet; dennod) wird hier 
cine direkte Benugung ſchwerlich abzuftreiten fein. Ward fie dod) 
jofort zur Umgejtaltung! 1842, fünf Jahre nach) Mundt, jchrieb 
D. Ludwig in Leipzig die Novelle, die ihm immer lieb blieb, wie 
aud Ludwig Richter eine große Vorliebe für fie zeigte (Stern, a. a. O., 
©. 542). Sie jteht, wie Adolf Stern hervorhebt, „in ihrer Anlage und 
Tortragsmweije fichtlih unter dem Einfluß der Novellen Goethes 
und Ludwig Tiecks“. Das Bildergeſpräch am Eingang (S. 546) 
erinnert an „Die Gemälde”, die etwas unerwarteten Betrachtungen 


114 R:hard AM. Mener, Ouo Ladwigs „Maria“. 

über das Tresdener Theater S. 330 an Tiedä Neigung, Tages: 
tragen in der Novelle zu disfurieren: und für die Scene, in der 
Maria dem Knaben den Kragen umlegt S. 550, mag wohl Wertherg 
Lotte unter den Kindern vorgeichwebt haben. Tie Haupticene aber 
ſelbſt S. 559 fann die Zerwandtichaft mit der bei Munde nicht 
verleugnen. Nur iſt Yırdmig — mit gutem Grunde — zu der alten 
Tradition zurisdgefehrt, die Goethe und Mundt darin unterbrochen 
hatten, day tie den Mann zum eigentlich Verführten machten. Nacht: 
wandferin iſt Diarta. Eiſener it in lebbaftelter Glut: „der Duft der 
Blumen, das Zänieln der Blätter und das ferne Rauchen eines 
Wehrs wiegten endlich jeine erregten Yebensgeilter in jeneg angenchme 
Tämmern, in dem der Wechiel der Wilder jo ichnell erfolgt, dan die 
ermüdete Aufmerktamfeit weit zurudbleibt, und das Gefühl des 
Taieins endlid) in der Empfindung einer ſüßen Mattigkeit aufgeht“ 
2. 558. Wan beadjte, wie jorgiältig Ludwigs pinchologijche Er: 
klärung das Typiſche des Zuſtandes betont, aber auch, wie ſein 
„individualiſtiſcher Tic” den vereinzelten Zug des rauichenden Wehrs 
hineinbringt! —- Aufgeregt tit er im Einichlummern, als das Mädchen 
im magietiihen Zchlafe zu ihm kommt, wie die Braut von Korinth 
zu dem übermüdeten Jüngling: es it aber in der Mondbeleuchtung 
nicht deutlich zu erfennen, wer genaht tit. „Die Macht der warnenden 
Innern Stimme ſchwand mit der Belinnung, und der Streit war 
furz, in dem die Natur Siegerin blieb.” 

Nun hatte aber in der Tradition das alte Motiv der unbewußten 
Empfängnis ſich lüngit mit einem grauenhaften andern Motiv ver: 
bunden: mit dem der Lotenliebe, tiber deſſen gleichfalls nicht fehlende 
Unterlagen im wirklichen Yeben wer will Krafft-Ebings „Psycho- 
patlia sexnalis” nachleien mag. Namentlich die Ballade hatte dic 
Verbindung nahegelegt: Yeonore, Die Braut von Korinth, lafien den 
llbertebenden von dem Toten umarmen. Zo war in verichiedenen 
Nartanten der Fabel der Zcheintod an Stelle des Schlafes getreten, 
beionders bei Madame de Gomez -bei Werner, S. 4881: die Chur 
mecht bei Tieck und Kleiſt iſt nur eine Abſchwächung dieſer Sitna— 
tion, Die Anekdote von dem jungen Voigtländer Leinwandhändler 
ebenda, S. 497, Die T. Ludwig als Grundlage ſeiner „Maria“ 
nennt, erinnert ſo ſtark an die Geſchichte der Gomez, daß littera⸗ 
riſcher Einfluß bei ihr wahrſcheinlich iſt. Immerhin Ludwig wagte 
nicht, das grauſige Motiv auszubeuten. Er bringt es nur nachher 
S. SS j., und nicht eben glücklich, an: der Scheintod Mariens, 
der Jubel des Vaters und nachher feine Enttänichung vgl. Werner, 
z. 4-0 j. jolgen auf die nächtliche Scene. Ebenſo auch das Licht— 
motiv, weſentlich verändert: Eiſener ſieht S. 5st das Licht ich an 
den Fenſtern bewegen, etwa wie im Eingang von Wildenbruchs 


Richard M. Meyer, Otto Ludwigs „Maria“. 111 


unglüdlicher Novelle „Das wandernde Licht”: hier iſt dies ſymboliſch 
für die plötzlich aufdämmernde Klarheit, wie denn fpäter (S. 585) 
aud) der Regen jinnbildlich verwandt wird. 

Diefe Verjchiebung wirft nicht günftig; aber fie ift bezeichnend. 
Wohl verweilt aud) Ludwig auf den Paradoren der Situation: 
„ich weiß ja ſelbſt nicht, wie das alles fam”, muß Marie (S. 601) 
jagen. Niemand glaubt ihr. Aber eben hieraus erwächſt Ludwig erft 
fein eigentliches Hauptmotiv. Nicht in jener peinlidy erregenden 
Scene liegt fein eigentliche Intereſſe, ſondern in dem Problem, 
wie die Unfchuldig-Schuldige entrinnt und dem Vater, dem Geliebten, 
dem Leben wieder gewonnen wird. Das iſt der eigentliche Anhalt 
der Geſchichte. Mundt gab nad) der Hauptjcene alle Piychologie auf 
und warf romanhafte Erfindungen in den Kefjel; bei Ludwig be- 
ginnt nun erft recht die Piychologie der Entwicklung. Mit fehr 
zarten Linien zeichnet er die Umbildung Mariens und ihres Vaters, 
die Handlung allerdings bleibt fo frei gezeichnet, daß es an Selbſt— 
ironie jtreift, wenn der rückkehrende Eiſener (S. 639) ausruft: 
„Nun braucht es nur nod, daß dieſe jchlanfe Mädchengeftalt 
Mariens Züge trägt, und das Märchen ijt fertig.“ 

Dennoch aber — ſchon hier iſt Ludwig der Realijt, der die 
Mahngebilde einer romanhaft erfundenen Dichtung haft. ES iſt fein 
Zufall, daß hier jchon gegen das „Schillerſche Wahnbild” (©. 575) 
und den faljchen Idealismus (©. 495) geeifert wird; während 
Goethe jelbjt in Einzelnheiten nachgeahmt fcheint: wie Mignon 
dem Wilhelm Meijter nach jener Nacht (a. a. O., S. 312), ericheint 
Marie ihrem Liebhaber nad) jener Nacht größer (S. 561). Vor allem 
aber liegt in der Geſamtauffaſſung Ludwigs Gegenfaß zu der ro— 
mantifch jungdeutjchen, die freilich auch bei Goethe und vor Goethe 
angedeutet war. Es foll nicht alle Schuld den unglüdjeligen Gejtirnen 
zugewälzt werden; Marie foll nicht als Opfer der graujamen Götter 
fterben. In Wirklichkeit wird fie, meint Otto Ludwig, nicht Meitleid 
erregen wie es Theklas Anſchauung iſt — „frei geht das Unglüd 
durch die ganze Erde” — jondern Verfolgung, Haß, Hohn; befiegt fie 
die aber tapfer, jo wird ihr Glück erblühen aus dem Unglück felbit. 
So wirft der realiftiichde Optimift den romantischen Peſſimiſten feine 
Novelle von Reichtum und Armut, Leiden und Sühne der armen 
Maria entgegen und mündet in die alte Bahn jener „Heilungs- 
romane” aus, in denen ein umerträglicher Zuftand durch die Tapfer— 
teit des Helden überwunden wird, wie bei Wieland, Thümmel, 
st. H. Jacobi. 

Das Motiv Hat ihn nod) weiter befchäftigt. „Die Pfarrrofe” 
(Werfe 3, 457 f.), 1845 entftanden, berührt ſich mit der „Maria“ 
in dem Hauptproblem, wie die unſchuldig verſtoßene Tochter des 


112 Heinrich Kraeger, Zur Gefchichte von C. F. Meyers Gedichten. 


Pfarrers Liebe und Adytung wieder erobert, freilich erſt als Ster- 
bende. Ludwig hat Roſe geradezu das Lied Marias in den Mund 
gelegt (2, 552 = 3, 471) und aud den Strohhut der Maria hat 
Moje geerbt (2, 554 — 3, 472). Daneben enthält dag mißlungene 
‚sntriguendrama freilich auch fernere Neminiscenzen: „Der Ejel ift 
auch Ochſe genug” (S. 4991 wiederholt Ludwig nad Kleiſts be: 
rühmten „Steht nicht der Ejel wie ein Ochſe da!“ Lag doc 
iiberhaupt eine direft benutzte litterariiche Tuelle — Bürgers Ballade 
von des Pfarrers Tochter zu Taubenhain — zu Grunde. 

So finden wir audı hier, was wir beim Studium bedeutender 
Autoren jo oft finden: je jorgfältiger ıman ihre Vorgänger vergleicht, 
umjomehr muß man die Selbitändigfeit der glüdlichjten Erben 
bewundern. Otto Ludwig übernimmt ein uraltes Motiv, formt es 
aus — und giebt ihm eine ganz neue Bedeutung: was Hauptſache 
war, wird bei ihm Vorſtufe: wo die Andern aufhörten, fängt jein 
Intereſſe erſt an. And jo wird denn auc die Gefchichte von 
Yudwigs „Maria“ zum Gleichnis für des Tichters unbewußte Em: 
pfängnis und heimliche Entwicklung. 


Zur Geſchichſte von C. F. Meyers 
Gedichten. 


Non Heinrich Kraeger in Zürich. 


Die meiſten Gedichte des jüngſt verſtorbenen Schweizers Konrad 
Ferdinand Meyer haben eine merkwürdige und ſehr lehrreiche Ent— 
wicklung durchgemacht, die ſich durch die verſchiedenen Ausgaben in 
den weſentlichſten Stadien noch verfolgen läßt. Die erſte Sammlung, 
ein beicheidenes Bud) von 145 groß gedruckten Zeiten, erſchien 1864 
unter dem Titel: 

Bwanzig Balladen . 
von 
einen Schweizer 


in Ztuttgart, im Verlag der J. B. Merlerichen Buchhandlung. 
Aber ſchon bald darauf ging cs mit neuem Aufdrud: „Balladen 
von Conr. ‚yerd. Diener, Leipzig D. Haeßel“ an einen andern Verlag 
iiber. Ter Text iſt in beiden Faſſungen völlig gleich, und jelbjt Meine 


Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. 113 


Berjehen in den Noten find ftehen geblieben.!) Das Incognito, das 
der Dichter vorher gewählt Hatte, war gehoben, und ftatt fich in 
einem wunderlichen Gefühl von Stolz und VBejcheidenheit mit dem 
Namen des Landes zu deden, aus dem er fam, jtellte er fich jet 
perfönlich vor. Sechs Jahre fpäter veröffentlichte er einen neuen 
Bund: „Romanzen und Bilder von C. Ferdinand Meyer, Leipzig, 
H. Haeßel, 1870“, der nicht bloß Balladen, ſondern in einem erſten, 
freilich kleineren Teil, „Stimmung“, aud) Lyrijches ausbot. Der 
größere Reſt der „Romanzen und Bilder“ ift aber unter der Rubrik 
„Erzählungen“ wieder den Balladen eingeräumt. 

Dieſe beiden Bücher von 1864 und 1870 waren die Vorläufer 
der großen Gedichtiammlung, die, von 1882 an im Heeßelſchen 
Berlage erjcheinend, die alten Ausgaben förmlich überſchluckte. Diefe 
Samınlung, die man, um fie von den beiden vorausgehenden Aus- 
gaben A und B zu unterjcheiden, C nennen mag, brachte neben 
vielen neuen faſt alle die alten Gedichte wieder, aber in völlig ver- 
änderter Geftalt. 

Cor. Ferd. Meyer hatte diefelben nun derartig um: und durd)- 
gearbeitet, daß die Faſſung in C mit den älteren in AundB oft in 
grogen Umrifjen nur noch den Stoff, aber jehr wenig in der Form 
gemein hat. Diefer Übergang von A und B zu G ift das Entjcheidende 
in der Entwicklungsgeſchichte der Gedichte, eine ungemein glückliche 
Wandlung, gegen die allerlei Heine Anderungen, die der Dichter fpäter 
in den neuen Auflagen, C2, C3 u. f. w., nad) feinem Grundjag: 
„Mit dem Stifte leſ' ich diefe Dinge“ noch weiterhin vornahın, 
wenig zu jagen haben. 

Das Inhaltsverzeichnis der beiden eriten Bändchen unter Hin- 
weis auf die neuen Faſſungen in C ergiebt "Folgendes: 


A = 20 Balladen, 1864. Seite 

Der Frühling ommt . . .... 1 
Die Stadt im Mer . . »- .»....5= C! 116. „Auf dem Canal grande”. 
Neues Yeben . . . 00... 16 
Der Mönd) von Bonifacio .....19 = GC! 250. 
Ton Juan de Auftria. -. ©... ...26 = C! 313. „Das Auge des Blinden“. 
Der Zmeitampff . -. . » 2.2. ..33 = GC! 201. „Der Ritt in den Tod“. 
Die Römerin. . . en BB =. 200. „Der Geſang der Barze”. - 
Siegesfeier am Peman. Nach einem — u 

von Gleyre) . ». 2. 2.2.46 = 6 203. „Das Joch am Leman“. 
Der Truidenhain . . ... 51 = C! 211. „Das Heiligthum”. 
Jakobs Söhne in Aegypten . ... 56 = GC! 191. „Der Stromgott”. 
Thefpefius. (Nach Plutarh) . . . . 66 = C! 193. 
Tie Schlacht bei Tiberig . . . . 72 = C! 226. „DerBerg der Seligkeiten“. 


) S. 66 „Theſpeſius. Nach Plutarch.“ Die Anmerkung 4, die ©. 145 das— 
jelbe sagt, ift daher unnötig. ©. 46 „Gleyre 4“ muß „Gleyre ER heißen. ©. 72 
„Ziberiad 5” ftatt „Ziberias 6”. 
Eupbhorion. VII. 8 


114 Heinrich Kraeger, Zur Geichichte von C. F. Meyers Gedichten. 


Kaifer Otto’8 Weihbnadten . . . . 78 = C! 259. „Der gleitende Burpur“. 
Königin Mathilde . . » 2.2.2... 83 = C! 262. „Das Goldtuch“. 

usa: nu: __JC! 263. „rau Agnes und ihre 
Königin Agnes in Königsfelden . . 87 =, Ronnen“. 
Die Rehe. 91 = Ci 108. 
Die Novie - » > 2 2.202020. 97 vgl.Ct 15. „Hochzeitslied“. 
Das Münfer . . . 0.104 = C! 271. 
Das Bild der Mutter. . 113 = C! 101. „Das Gemälde“. 
Die Flut Carls 1. . 121 = GC! 329. „Die Rofe von Newport“. 
Der Hugenot. . .125 = C! 326. „Die Füße im Feuer“. 
Fingerhütchen Eintang) . 137 = 012 
Anmerkungen .. . 145 

Abgelöft wurde hinfort der lyriſche Vorklang in dem Einleitungs— 

gedichte: „Der Frühling kommt“, woraus Motive freilich in den 


andern Frühlingsliedern des Dichters Ci, 10 und 38, wiederkehren, 
und ferner die zweite Ballade „Neues Leben“. Bei einigen wenigen, 
„zer Mönch von Bonifazio“ u. |. w., wurde der alte Titel, auch für 
die Zukunft beibehalten, alle übrigen verraten fchon in der Überfchrift 
eine ganz neue Verteilung der Accente. 


B = Romanzen und Bilder, 1870. 


Inhalt. 
Stimmung. 

Tag Scheint Herren! . ..... 3= Ctıll. 

rühlingslüfte 1... 2 22.0 _ je 39. vgl. Lenz Wanderer Mörder, 
—— 2.. . 67 Triumphaior. 

pheu nn. 8*0136. „Eppich“. 
Die Ruine . . 9 .= (1 108. „Zwingburg”. 
Tas todte Kind 11 = C! 37. 
Auf dein See 1 12 —= C! 47T. „Schmwüle“. 
Auf dem re 2 12 =: G! 48. „Eingelegte Ruder“. 
Auf den Sce 3 13 vgl. 177. „Hirtenfeuer”. 
Auf dem Zee 4 13 
Im Walde 1 15 vgl.C:! 45. „Sonntags“. 
Am Walde 2 16 et 166. ein, Ab 

, ‚741. „Wund“. C2 44. „Abend⸗ 

Im Walde 3 11 51 roth im Walde“. 
F Walde 4 18 vgl. i! 42. „yet rede Du”. 

taldtraum . 19 — 61 43. „Die Fautenftimmer“. 
Weinfegen 21 =: ! 57. 

immelsnähe 23 — 0174. 

ungfrau . 25 vgl. .! 73. „Firnelicht“. 

m Engadin . 26 vgl. GC! 73. „Firnelicht“. 

as Hlödlen . 27 — g Bi 
Der Emtewagen . 29 = . „Auf Goldgrund“, auch G 2 56. 
Spätiahr. 30 
Einer Todten 32 — (1161. „Weihegeichen!”, auhC 2169. 
Der Pad . . 834 — (186. „Die Felswand“, auch C? 91. 
Tie alte Brücke 386 — C! 82. 


Römische Mondnacht 


38 vgl. 48. „Eingelegte Ruder“. 


Heinrich Kraeger, Zur Gefchichte von C. F. Meyers Gedichten. 115 


Der ihöne Brumen . . . . . . 39 = C! 125. „Der römische Brunnen“. 
Die gegeißelte Piyhe. -. . . . . 40 =. 128. 
101 146. „Mömwenflug* und C2 141. 

Kommet wieder! . . 2 202020240 =) "Der Gelang des Meeres“. 
Karl IX. an Ronfard . . .... 42 

Schon heut! erft morgen! a 43 
Spielzeug . 0.0. 44 = Gi! 160. 
Jedes Ding hat feine Beit ee 1; 

Erzählung. | 

Die neuen Muſen. 49 = C! 131. „Der Muſenſaal“. 
Säfars Schwert . . . . 52 = C! 210. „Das verlorene Schwert”. 
Babft Julius . . 2. 2 20200. d4 = C! 295 
Michel Angelo. 58 = GC! 298. . 
Eäfar Borgia - . ». . 2 609 = U! 292. „Cäſar Borjas Ohnmacht“. 
Margarita . . .. 63 = 1247. „Die Keberin”. 
Der Mars von toren; 0.0.67 = Ü! 24. 
Atalante . . . ... 71 = Ü! 291. „Die Seitenwunde“. 
Die Dioskuren.. . . 202 ..74 = C! 199. „Der Botenlauf“. 
Die Fahrt des Aqhites ... 7 = GC! 1239. „Der tote Achill“. 
Alexanders Fl - - 2.0. 890 = C!19. „Der trunfene Gott“. 
Bereingetorit - © > 2 2202..84 = GC! 206. „Das Geifterroß”. 
Das Amphitheater -. » . .38 = C1 213. „Die wunderbare Rede“. 
Die Dmade. -. . . 2 2202.92 = (tl 19. „Die Dryas“. 
Der Rubin. 95 = 061 224. „Die Söhne Haruns“. 
Liebeszauber. -. » . 2 202020099 1" 231. „Ser Pilger und ee 
Der Rlausner . - » . 22.2.7106 = C! 268. „Einjiedel“. 
Die Spielleute. -. - - 109 = (Ci! 229. „Die Gaufler“. 
Das Heimchen.. 112 = C! 282. „Conquiftadores”. 
— IV...... . ... 118 = 01323. „Das Reiterlein“. 

iltons Wale . . . . . 121 = (1 332. „Miltons Race”. 


Wir wollen nun im folgenden die Entſtehung und Geichichte 
einiger Lieder und Balladen geben. 


1. Ephen. B 8. 


Epheu, mein alter Hausgefell, 
- Du bift von neuen Blättern heil 
In diefen fräft'gen Tagen: 

Dein Wintergrün jo ftill und ftreng. 
Wie kann es mit dem Luftgedräng 
Der Kinder fid) vertragen? 


— Mein Freund, ein jedes Leben hat 
Zum alten aud) ein junges Blatt, 
Die grünen dicht beifammen, 

Eins dunfel, eines heil von Puit, 

Die beide doc) aus einer Bruft 

Aus einer Wurzel ftammen. 


Die Strophe wurde fpäter in C! aus der ungleichen Drei- 
teilung in die Zweizahl gerüct und die dritte Zeile jeweilen ausge— 
8* 


116 Heinrich Kraeger, Zur Gefchichte von C. F. Meyers Gedichten. 


jtogen, jo daß, mit dem Vorgehenden verſchmolzen, die erfte Strophe 
dann fürzer lautete: 
Eppich, mein alter Hausgefell, 
Du biſt von jungen Wlättern bel, 
Tein Mintergrün, jo fill und ftreng . 
Verträgt ſich's mit dem Venzgedräng ? 

Der Ephen iſt volfstümlicher in „Eppich” umgetauft, dem er 
übrigens auch in einem andern Gedichte (BI =! 1081 meiden 
mußte: „Der Ephen jchwanft im Fenſter“ — „Der Eppich fchwantt 
im Fenſter.“ 

Während aber früher die Worte „alter Hausgejell“ den „neuen 
Blättern” in der nächlten Zeile entgegengejeßt waren, entiprechen 
ihnen jekt die „jungen Blätter“, eine Antithefe, die dann in der 
folgenden Strophe noch einmal aufgegriffen wird: „alt und junges 
Blatt“. 


„Warum denn nicht? Wie meines hat 
Dein Leben alt und junges Blatt 
Eins ſtreng und dunkel, eines licht 

Bon Lenz und Yuft! Warum denn nicht?“ 

Die Antwort iſt in Frageform gegeben und von ein- und ders 
jelben Wendung: „Warum denn nicht?” eingeichloflen (ſtatt des 
früheren, bloß fachlichen Berichtes mit der umftändlichen Anrede: 
„Mein Freund" :. 

2. Die alte Brühe. B 30. 


Tas Neupthal am Gotthard hat der Poejie ſchon mandye Mo— 
tive geliefert umd mit ſeiner für das 18. Jahrhundert noch furdt- 
bareren Wildheit auch Goethe in den Liedern des Wilhelm Meijter 
und Schiller im Zell und in den Gedichten inspiriert. Conr. Ferd. 
Meyer aber, der den Strom oben auf ebenem, jicheren Pfade über- 
jchreiten fonmte, ruft der verfallenen, einft von Schreden umgebenen 
Brüde unten jest ein Lebewohl zu. Der Anfang des Gedichtes wollte 
freilid) in der eriten Faſſung nicht recht glüden: 

l. Zu Brückenbild tief unten bier, 
Schon lange ſtehſt du außer Amt, 
Ein neuer Bau ragt über dir 
Und dich bekleidet grüner Sammt. 

Il. Wer dich betrat, bevor bemooſt 
Das Alter dich, vergaſſeſt du, 

Du ſchauſt die Reuß, die dich durchtoſt, 
Und hörſt dem Lied der Wellen zu. 

Tas „Brückenbild“ iſt eine unnötige, akademiſche Erweiterung 
des einfacheren „Brüde“, und die Sätze der zweiten Strophe find 
ungeichieft verichachtelt. Tas neue Gedicht, G 82, dag die Reime nicht 
kreuz-, ſondern paarweije Stellt, hebt origineller an. Der unbeſtimmte 


Heinrich Kraeger, Zur Gefhichte von C. %. Meyers Gedichten. 117 


Zeitbegriff „lange“ wird begrenzt und ftatt des „Brüdenbildes“ eine 
eingehende Beichreibung gejegt, und endlich in einer dritten Strophe 
der Eindrud der Landichaft nod) einmal zufammengefaßt. So heißt 


es jetzt: 1. Dein Bogen grauer Zeit entſtammt, 

Steht manch Jahrhundert außer Amt; 
Ein neuer Bau ragt über dir: 
Dort fahren ſie! Du feierſt hier. 

2. Die Straße, die getragen du, 
Deckt Wuchs und rothe Blüthe zu! 
Ein Nebel netzt und tränkt dein Moos, 
Er ſteigt aus dumpfem Reußgetos:!) 

3. Mit einem luftgewobnen Kleid 
Umſchleiert dich Vergangenheit 
Und ſtatt des Lebens geht der Traum 
Auf deines Pfades engem Raum. 


Die nächſte Strophe der alten Vorlage 


III. Was über dir in Luſt und Leid 

Lateiniſch einſt der Schüler ſang, 

Verſchollen iſt es lange Zeit 

Schon zwiſchen dieſer Felſen Hang. 
wird in Zukunft in zwei Zeilen erledigt und der Reſt aus einer 
auch ſonſt in Meyers?) Novellen verwerteten dichteriſchen Anſchauung 
beſtritten: 4. Das Carmen, das der Schüler ſang, 

Träumt noch im Felſenwiederklang, 


Gewieher und Drommetenhall 
Träumt und verdröhnt im Wogenſchwall. 


Das Wort „Carmen“ führt jetzt anſchaulich die Fahrenden des 
Mittelalters vor, deren früher ganz verklungenes Lied „Verſchollen 
iſt es lange Zeit“ jetzt mit einer anmutigen, vielleicht an Lenaus 
„Sennin“ gelehnten Wendung noch im Echo weiterlebt.3) 

Auf die niederen luftigen Leute folgen die hohen und erniten 
Perſonen, einft: 


1) Später C?, ©. 89 ftatt „fleigt”: „Er dampft aus dumpfem Reußgetos“, 
ınit einer auf das Adjektiv vorbereitenden Lautmalerei. 
2) „Die Richterin“, Novellen 2, 340. „In den betäubenden Abgrund blickend, 
hörte er unten einen feindlichen Triumph wie Tuben und Roffegewieher.“ 
3, Lenau, Die Sennin: Strophe 3 und 4. 
Aber einſt wie alles flieht, 
Scheideft du mit deinem Lied, 
Wenn dich Liebe fortbervogen 
Oder dich der Tod entzogen. 


Und verlaffen werden fteh'n 
Zraurig ſtumm heriiberjeh'n 

Dort die grauen Feljenzinnen 
Und auf deine Lieder finnen. 


118 Hemrich Krarger, Zur Geichihte von C. F. Meyers Gedichten. 


IV. Nach Rom der ſegenloſe Weg 
Ging über deinen Bogen 1a, 
Ter Karer fchritt auf deinem Zteg 
Und mehr als ein Varricida. 
Dafür ſpäter unter Vermeidung des Reimflickwortes „ja“: 
5. Tu warſt nad) Nom der arge Weg, 
Der Kaiſer vitt auf deinem Steg, 
Und Parricida, frevelblaß, 
Ward hier vom Staub der Welle naß! 

In den nächſten 5 Zeilen des alten Gedichtes wird nun über— 
flüfligerweije abermals von einem Mörder erzählt, der in dem 
Bilde Parricidas ſchon deutlicd) genug vorher beichworen war: 

V. Ron jenietts fam da mancher Brief, 
Der better in die Fluten fiel, 
In dem Werleumdung litten schlief 
Und namenlojer Ränke Spiel. 

VI. Ter Söldner, der im welichen Yand 
Geraubt fih Bert und Leichentuch, 
Ter Mörder mut der blut'gen Hand, 
Dem an der Zoble bing der Fluch — 

Sie ſchrumpfen ipäterhin zu 4 Bellen ein: 

6. Zu bracteit nordwärts manden Brief, 
Tem römiſche Berlaumdung schlief, 
Auf div mit Soöldnern beuteichiwer 
Schlich Belt und ſchwarzer Tod daher! 
Die leute Strophe aber: 
VII. Von Allen langit verweht die Spur, 
Du ſtehſt So hell und friſch begrünt, 
Und harmlos bat dich die Natur 
Vom Tritt der Menschen längit entfühnt. 
iſt zugleich die einzige, die an die neue Faſſung aud) alle Reime ab» 
geherert hat: 7. PBorbei! Worüber ohne Spur! 
Tu fieleſt beim an die Natur, 
Zi dich umwildert, dich umgrünt, 
Vom Tritt des Menſchen dich entſühnt. 

Trefflich iſt die Menge der einzelnen Perſonen, „der Menſchen“, 
die über die Brücke gingen, jetzt in das Sammelwort „des Menſchen“ 
übergeführt. So ſind die Veräuderungen in dieſen lyriſchen Gedichten 
zwar oft unnachſichtig, aber doch immer zum Vorteile der künſtleriſchen 
Wirkung vorgenommen. Conr. Ferd. Meyer hatte ſich ſeit jenem 
erſten Entwurf eine liebevollere Betrachtung der Natur angewöhnt 
und mit ſeinen mehr ausgebildeten Augen viele neue, feine Farben 
der Landſchaft entdeckt, wie er fie wohl auf der Wanderung in ſeinen 
jungen Jahren noch überſehen hatte. 


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35 


40 


Heinrich Kraeger, Zur Gedichte von C. %. Meyers Gedichten. 


119 


3. Weinfegen. 


Heut athm’ ie mit den yüften 
Wie lauter Würzen ein! 
O allerfeinftes Düften! 
Heut blüht der Klofterwein. 

ier 30g die erften Trauben 
Sum Liebesmahl der Abt, 

er mit dem wahren Slauben 


Uns Heiden einft begabt. 





Das Klofter ift verſchwunden, 


Zerftäubt mit Gruft und Chor; 
Dog fteigt in diefen Stunden, 


So heißt's, der Abt empor. 
Nicht will zur Lee fommen 
Er, da die Kelter ſchäumt, 
Nein, wie's geziemt dem Frommen, 


Wann füß die Blüte träumt. 





Wer öffnet leis das Gatter? 


Beraufcht die Würze mich? 
In weißen Kleid3 Geflatter 
Was wandelt feierlich? 
Der Abt! ich jehe büden 
Das greife Haupt ihn dort, 
Die Nachbarskinder drüden 
Sid durd die Hede fort. 


Er prüft die zarte Blüte, 
Die Schoſſe grün und licht, 
Sein Anlit voller Güte 
Berührt das Sonnenlicht. 


Yohmärben blickt fo heiter: 
ies Jahr geräth der Wein! 
Still wandelt aufwärts weiter 
Die Stufen er von Stein. 


Schon in der Höhe fchreiten 


Seh’ ich fein hell Gewand, 
Blaß ſehe noch ich breiten 








Sich eine Geillerhand. 
Er fegnet feine Reben 
Wie ein geliebtes Kind, 
Uns alle audy daneben, 
Die feine Erben find. 


5 


40 


G1! 687. 
yeut atın’ ih mit den Sommer lüften 
ie allerfeinften Würzen ein, 
Ich kenne diefes feltne Düften: 
Heut blüht der echte Kloftermwein. 
ier zog im Rand die erften Trauben 
um erjten Liebesmahl der Abt, 
er mit dem teuern Chriften- 
glauben 
Uns öde Heiden einft begabt. 


Das Klofter, längſt iſt's ſchon ver- 
ſchwunden, 
Zerſtäubt mit Altar, Gruft und Chor, 
Doch ſteigt in dieſen Mittags— 
ſtunden — 
So heißt's — der erſte Abt empor. 
Nicht will er zu der Leſe kommen, 
Wo wild die Kelter überſchäumt, 
Nein, wie ſich ziemt für einen 





Frommen, 
Wann myſtiſch ſüß die Blüte träumt. 


Was dort? wer öffnet ftill das 
Gatter? 
Berauſcht die ftarfe Würze mich? 
Ein wallend blantes Ro dgeflatter 
Bewegt ſich ſacht und feierlich! 
Es in der Abt. Sch fehe büden 
Das edelgreife Haupt ihn dort, 
Die freien Nachbarskinder drüden 
Sid ſchleunig durch die Hede fort. 





Er prüft genau die zarte Blüte, 
Die jungen Schoße licht und grün, 
Sein Angefidht ift voller Güte 
Und voll von herzlichen Be⸗ 


ühn. 
Yocmeürden bfidt fo hell und heiter, 
ies Jahr geräth der Wein wie nie! 
Er wandelt zu den Stufen weiter 
Und geiſterleicht erſteigt er ſie. 


Schon auf des es Weinbergs Höhe 
ſchreitet 
Er beidemkleinen Winzerhaus. 
Er ſetzt ſich auf die Bank. Er 
breitet 
Die Geiſterhände mächtig aus. 
Er ſegnet feine Klofterreben, 
Sein eigen vielgeliebtes Kind, 
Uns Keßer fegnet er daneben, 
Die feines Weinbergs Erben find. 


120 Heinrih Nracger, Zur Gedichte von C. F. Meyers Gedichten. 


Die Zeilen werden in den jpäteren Gedichte je um einen Fuß ver: 
längert, to dar die Beichreibung durch die vielen eingejchobenen Worte 
mehr aufgefüllt und der Vers ruhiger ericheint, als in dem früheren 
Gedicht, deſſen Treijamber im ihrer Halt manchmal jtark gegen die 
Regeln des Satzbaues und Wohlflanges verjtienen, 3. B. bei der 
fefen Auslaſſung des Objektes „es” in den erjten Zeilen. Bei der 
(Hegenüberitellung beider ‚zallungen wird es ohneweiters Har, was 
die Schilderung durch die Zuſätze, die hier gejperrt gedrudt jind, 
gewann: Die Unbeholfenheit in der Wortitellung: 13 „Nicht will 
zur Leſe kommen er“ und 31 „ſtill wandelt aufwärts weiter die 
Stufen er* find beieitigt und ein to Ichlechter Reim, wie ſpäter Zeile 
25:28 „Licht“ und „Yicht“ ausgemerzt worden. Die Zeilen werden 
rhetoriſch veritärft, wie 5, #6 „Die erjten Trauben zum erjiten 
Yiebesmahl“, und 27, 28 „voller Güte und voll von herzlichen 
Bemühen“. Yebendiger als vorher tritt jegt nad) der Schilderung 
von Zeit und Ort der Held bei der hinmeilenden Frage: „Was 
dort?“ jelber ein: und was durd) ein „Wie“ mtetaphortich verichleiert 
geweien war, 2 „Wie lauter Würze“, 37 „Wie ein vietgelichtes 
Kind“, wird jegt ohne die Nergleidhspartifel gegenitändlidier und 
jelbitändiger: „Die allerfeintten Würzen“, „Zein eigen vielgeliebtes 
Kind“. Bald jpringt ein Neiwort, bald ein Danptivort zur Vervoll— 
jtändigung heran, bis zu jenem treffenden Zuſatz: „Wann mipftiic) 
jun die Blüte träumt“, wodurd auf die geilterhafte Erſcheinung 
des längſt verftorbenen Hüters dieſer Berge leije vorbereitet wird. 
Und in der legten Strophe überiehe man and) nicht, wie anders der 
Held Abſchied nimmt, und wie die früher to einfache „Höhe“ durch 
Couliſſen, durch den „Weinberg“, das „Winzerhans“ und Die 
„Bank“ ſceniſch belebt iſt. Auch die Staffage hebt jid) fräftiger ab: 
Ztatt der blaſſen Geſtalt, die durch das zweimalige „Seh id)... 
ſehe noch ich” recht durchlicdhtig geworden war, tritt der Abt im 
eigener Perjon ſelbſtbewußter und ohne die Nermittlung des Tichters 
auf: „Ichreitet er”... „legt ih“... „Er breitet die Götterhände 
mächtig aus“, eine Geſte, die umvergleichlich mehr Würde als die 
frühere bat. 

Am Schluſſe lodert der DTichter dem Humor noch die Zügel, 
umd wie er im der eriten Strophe sich Ichalkhaft zu den „Öden 
Beiden” gezäblt hatte, mag er ſich in der legten als weinfröhblicher 
Dann wohl zu den Heben, aber als Keter doch micht zu den Yehren 
des Abtes bekennen. 


4. Das Heimchen. B 112. 


Ber dieier Ballade läßt ſich die Entwicklung and, für das Auge 
anſchaäulich machen. Tenn während Gonr. Ferd. Meyer jonit wohl 


Heinrich Kraeger, Zur Gejchichte von C. F. Meyers Gedichten. 121 


die einzelnen Stoffteile durcheinander fehüttelt und das, was ur- 
iprünglich in der Mitte ftand, zu beflerer Wirkung vielleicht einmal 
an den Anfang oder an das Ende rüdt — behielt er bier den 
früheren Gang der Erzählung bei. Das „Heimchen" hatte in feiner 
urfprünglichen Anlage 128 Zeilen in 16 achtzeiligen Strophen, 
deren jede fich leicht in zwei vierzeilige Abjchnitte, a und b, teilen 
läßt. In jeiner jpäteren Geftalt, mit dem neuen Titel „Conqui— 
ſtadores“, Ct, 202, bejaß dagegen das Gedicht nur 104 Zeilen 
in 13 Strophen. In der alten und neuen Faſſung laſſen ſich nun 
ſcharf je zweierlei aterien ſcheiden: in der alten, in B: 1. die— 
jenigen Verſe, die B jett ganz allein beſitzt, die alſo ſpäter fortfielen, 
und 2. die Verſe, die ſich mit der neuen Faſſung in C deden; in 
der neuen, in C, hinwieder: 1. diejenigen Verſe, die C ganz allein 
beſitzt, das heißt, die inzwijchen hinzugedichtet wurden, und 2. die 
Verſe, die mehr oder weniger genau fich mit der alten Faſſung in 
B deden. 

Wenn man die beiden Gedichte demnad) tafelförınig neben- 
einander hält, jo wird um den gemeinfamen Grundjtod in der 
Mitte nad) links alles das abfallen, was als totes Material vom 
Tichter nicht weiter benütt wurde, und nach vecht3 hinwieder das— 
jenige überranfen, was bei dem neuen Gedichte auch völlig neu 
hinzugefommen war. , 

Aus diefen 4 Stoffmafjen ergiebt fi) der Ubergang des 
einen Gedichtes in das andere. Gejtrichen wurden in B an 
Strophen und Strophenabjdhnitten: 1a, 2, 4, 6, 7a, 9, 10a, 
11b, 14b, 16 —= 60 Zeilen. Zugejett wurden in C: 1b, 4, 5, 6b, 
7, 13b — 36 Beilen, und gemeinfam waren beiden Faſſungen die 
folgenden 68 Zeilen: 


Bib= Cia 
3 2 
5 3 
7b 6a 
8 8 
10b 9b 
11a 10a 
12 a 10 b 
12 b 11a 
13 a 9a 
13 b 11b 
14a 12a 
15a 12b 
15b 13 a 


Das würde, um die Rechnung abzuſchließen, für das ältere 
Gedicht einen Beitand von 68 + 60 —= 128, und für das jüngere 
68 + 36 = 104 Zeilen ergeben. 


122 


Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. 


Das Heimden. 


ı a Columbus fenft dag Schiff und Schaut 
m Geifte das Geftade, 
od feiner Fahrt Genoſſen graut 
Auf ödem Meerespfade. 


1b Zwei Spanier plaudern auf der Wacht 
Und einer fagt zum andern: 


„Dir deucht, Gejell, der Teufel lacht, 


Daß wir ins Peere wandern! 


2 Verwünſcht der hohle Träumer dort, 
Der mid zur Fahrt gedungen! 
Was hab’ ich auch fein Fügenmwort 
So gierig eingefchlungen! 

Er zeigt’ mir Indiens üppig Reich 
Und Gold in beiden Händen, 


ch fprang ins Schiff und meinte gleid) 


Yu jammeln, zu verſchwenden. 


3 


Bei Genua hauft am Meeresfirand 
Ter Dann und war nicht träge, 


Herum an einer Kugel fand 


Ter Andre fällt ibm in das Wort, 
Blickt ebenſo verwogen: 

„Wir haben einen kühnen Hort, 
Sind nicht allein gezogen: 

Das Diesſeits war entleidet mir 
Aus tauſend trift'gen Gründen, 
Liegt über Meer kein Jenſeits hier, 
So iſt's im Tod zu finden. 


9 
=’ 


Nach Indien er die lege; 

Die Klugen bat er fchledht erbaut, 
Tod lodt er alle Thoren, 

Tem Schwärmer haben wir vertraut 
Und find mit ihm verloren!“ 


Er traf mich elend und verbannt, 
vieß mich die Karten fchauen, 
Mohl bat er meinen Muth erfannt 
Aus meinen finftern Brauen. 

Mas er mir fagt’, begrifi ich nicht, 
Ich ließe es alles gelten, 

Sein Üübermädtig Angeficht 
Verhieß mir neue Welten. 


Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. 123 


Gonguistaderes. 


1a Zwei edle Spanier halten Wacht 
Und einer ſpricht zum andern: 
„Setior, mir däucht, der Teufel lacht, 
Wie wir ins Peere wandern! 


1b Das Segel raufcht, es raufcht der Kiel, 
Noch keines Strandes Boten — 
Die Hölle treibt mit uns ihr Spiel, 
Wir wandern zu den Todten! 


2 Wer einem Genuejen traut, 

pi den Berjtand verloren! 
ie Klugen bat er ſchlecht erbaut, 

Doch lodt er alle Thoren — 
Rund fei die Erde, log er mir, 
Wie Bomeranzenbälle, 
Doch unermeßlich fluthet hier 
Nur Welle hinter Welle!“ 


3 Der Andre blidt ins Meer hinaus 
Und runzelt finftre Brauen: 
„Seflor, mid) 308 Columb ins Haus, 
Ließ mich die Karten fchauen, 
Was er docirt’, verftand ich nicht, 
Ich ließ es alles gelten — 
Sein übermädtig Angeficht 
Berhieß mir neue Welten! 


124 SHeinrich Kraeger, Zur Gedichte von C. F. Meyers Gedichten. 


6 Und nun er mich geworben hat, 
Soll er mid) auch behalten, 
Soll unbefchränft an meiner Statt 
Dit Leib und Yeben walten; 
Ich hab's nun einmal eingefett, 
Es fteht auf feiner Narte, 
Gewinnt er iewt, veripielt er jett, 
Das iſt's, worauf ich warte.“ 


a Der erfte lacht mit hellen Hohn, 
Sie fangen an zu badern, 
Auf trog’gen Ztirnen jchwellen ichon 
Die blauen Zornegadern — 


7b Ta wirbelt zwischen fie. hinein 
Mit tollem 2 reudenfprunge 
Und bebt zum Jubeltanz das Bein 
Deiguel, der Kücheniunge. 


Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. 125 


4 


oa 


6a Da zwiichen ihre Meſſer walzt 


In tollem Freudeniprunge, 


Mit ölgetränften Fingern ſchnalzt 


Miguel, der Küchenjunge. 


6b 


Betrog er fi) und haben wir 
Uns in das Nicht3 verlaufen, 
Ein räud’ger Hund, Señor, wie Ihr 
Darf fröhlich mit erjaufen!” 
— „Senor, da betet Ihr nicht gut! 
yurüd Eud in den Rachen 

en räud’gen Hund! Ihr raucht von Blut 
Und Ihr entiprangt den Wachen!“ 


„Señor, ich dolcht’ ein faljches Weib, 
Belenn’ ich unverhohlen! 

Nicht hab’ dem Bäder einen Laib 
Vom Brett id) mweggeftohlen! 

Seitor, Ihr feid ein Galgenftrid!” 
— „Senior, Ihr feid nicht beffer!” 
Sie ziehen mit entflammtem Blid 
Und kreuzen blanfe Mefier ... 


Er drüdt die Lider blinzelnd ein 
Mit ſchlauem Wimperzwinken, 

Bald hüpft er auf dem rechten Bein, 
Bald hopſt er auf dem linken, 


In Lüften bläht fid) ſein Gewand, 
Es puffen ihm die Hojen — 
Neugierig kommen hergerannt 
Soldaten und Matrojen. 

Der unge redet funterbunt, 

Als ob's im Kopf ihm fehle, 
Dann öffnet er den großen Mund 
Und fingt aus voller Kehle: 


126 Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. 


8 „Das Heimchen zirpt! das Heimchen zirpt!” 
So fingt und tanzt er ihnen, 
„Und wenn es nicht vor Freude ftirbt, 
So figt es bald im Grünen. 
Das arme Thierchen hat Berftand 
Und läßt fi nicht betbören! 
Mein liebes Heimchen wittert Land, 
Das will id) euch beſchwören.“ 


9 Da ſchilt und lacht die ganze Schaar 
Der bärtigen Genoſſen: 
„Beim Kreuz! wir fahren dir ins Haar 
um Lohne deiner Poſſen!“ 
er Zunge gleich beruhigt ſich, 
Mit ernftem Angefidte: 
„Ihr Herren,“ fpricht er, „höret mich! 
Beherzigt die Geſchichte! 


13 a Erlauchte Herren, gebet Acht! 
In meinem dunkeln Räumden 
yat eure Fahrten mitgemacht 

Kin andalufifh Heimchen. 


10a Es war in Andalufia, 
Als man das Boot bemannte, 
JH lag betrübt im Grafe da 
Und ftarrt’ ins linbelannte. 


10b Zum Abſchied, o mein Vaterland, 
Was willſt du noch mir ſchenlen? 
Ein Heimden zirpt, mit flinter Hand 
Haſcht' ich’S zum Angedenten. 


11 a Und als zu Schiffe ftiegen wir, 
Die Bierden aller Pande, 
Zirpt Heimchen fort im Buſen mir, 
as ſäß' ih noch am Strande; 


11b Und wie der Wind die Zegel bog, 
Sang's unbelümmert weiter, 
Ta ftolz das Schiff von dannen flog, 
Sang noch es ed und heiter. 


12 Doch als das Ichte Grün verfchwand, 
Da ward’8 dem Heimchen fchaurig, 
Beklommen faß es an der Rand 
Und wurde faul und traurig. 

So darbt's und dämmert's lange bin, 
Ich gab es ſchon verloren, 

Und nun, ſo wahr getauft ich bin, 
Iſt es wie neu geboren! 


13 a um 


13h Bedenket, e8 war gram und lahm, 
Es war zu nichts zu bringen, 
Jetzt fingt es wie ein Bräutigam 
Und ceibt dıe dürren Schwingen.” 


Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. 


8 „Das Heimchen zirpt, das Heimchen zirpt, 
Stimmt Laudes an und Pſalmen! 
Und wenn's mir nicht vor Freude ftirbt, 
Bald weidet's unter Halmen! 
Ich ſchwör' es euch bei Gottes Haupt: 
Es athmet duft’ge Weiden, 
Es mittert Wälder dichtbelaubt 
Und unermeffne Haiden! 


9a Erlauchte Herren, gebet Acht, 
In meinem engen Räumchen 
Hat unjre Meerfahrt mitgemacht 
Ein andalufifh Heimden — 


9b Mitnahm ich’3 aus dem Baterland, 
Mich jcheidend zu befchenfen, 
ch fing’3 mit flinfem Griff der Hand 
u einen Angedenlen. 


10a Ta wir zu Sciffe fliegen dort, 
Die Zierden aller Lande, 
Zirpt' Heimchen mir im Buſen fort, 
Als weidet's nod) am Strande. 


10b Das grüne Borgebirg verſchwand, 
Dem Heimen ward es ſchaurig, 
Beklommen ſaß es an der Wand 
Und wurde faul und traurig. 

11 a So darbt's und dämmert's langezeit, 
Schon gab ich es verloren, 
Und nun, bei meiner Seligkeit, 
Iſt Heimchen neu geboren! 

= 9a 

11b Bedenkt, es hodte gram und lahın 
An Dielen und an Wänden, 
Jetzt jubelt’8 wie ein Bräutigam 
Und kann nur gar nicht enden!“ 


127 


128 Heinrich Kraeger, Zur Gefchichte von C. F. Meyers Gedichten. 


14a Miguel ift fort und wieder da 
Die Fingerſpitze zeigend. 
Da ſitzt es ja, da fingt es ja! 
Und Alle laufchen fchweigend. 
14b Tas Heimchen zirpt vergnüglich fort, 
Es läßt ſich gar nicht fören, 
Die Buriche jprechen nicht ein Wort 
Sie wollen alle bören. 
15a Tann finnen fie der Zache nad), 
Tie jchlauen Augen glimmen, 
Sie ichütteln fi) die Hände jach 
Und jchrein mit mächtigen Stimmen: 
15b „Tas Heinichen zirpt! das Heimchen 
zirpt! 
Es glaubt ſich ſchon im Grünen! 
Wer ſpielt, gewinnt! Wer wagt, er— 
wirbt! 
Das Glück iſt mit dem Kühnen.“ 
16 Columbus lauſcht, ihm ſchwillt die Bruſt, 
Das Herz ihm freudig zittert, 
Ein Heimchen hat die Heideluſt 
Der neuen Welt gewittert! 
Die Segel ſchwellt ein friſcher Wind, 
Tas Schiff fliegt wie Gedanken, 
Und trägt der alten Erde Nınd 
Aus den gebrochnen Zchranten. 


Vergleicht man die beiden Gedichte inhaltlid) miteinander, To 
ijt der Perjonenfreis verengert, vor allem Columbus aus der Er- 
zählung, die er früher einleitete und beihlog — „Columbus lenkt 
das Schiff... Columbus lauſcht“ — verdrängt worden. Er beherrichte 
geradezu das Gedicht wie eine Ztatue vorn in einem arten un: 
willfürlich die Augen der Ein. und Augtretenden eine Weile auf fich 
zieht. Aber jchlieglih war die ‚yigur des Entdeders von Amerifa 
zu bedeutjam, um bloß zur Ztaffage zu dienen, und das Motiv einer 
(Hegenüberitellung des helljichtigen, gewaltigen Führers und feiner 
Heingläubigen Begleiter für eine Nebenjadhye viel zu gut. Das neue 
Gedicht Führe gleich zu den unzufriedenen Spaniern, den beiden 
Titelhelden, „Conguitadores”, die nun, da Columbus am Steuer 
verijchwand, natürlich ſich aud) nicht jo lange mit jeinem vermeint: 
fihen Verrat bejdäftigen und bald in ein Wortgemenge geraten 
können. Während Conr. Ferd. Meyer aber im erften Entwurf kurz 
erzählte, dan fie zornig wurden, bringt er im zmeiten al® Beleg 
dafiir auch alle ihre Scheltworte, vom „räudigen Hund“ bis zum 


Heinrich Kraeger, Zur Gefhichte von C. F. Meyers Gedichten. 129 


12 a Miguel tft fort und wieder da, 
Die Fingerſpitze zeigend: 
Da ſitzt es ja! da ſingt es ja! 
Die Männer lauſchen ſchweigend — 


12b Tann finnen fie der Sache nad), 
Ten Luftgefang im Ohre. 
Sie fchütteln ſich die Hände jach 
Und ſchrei'n in wildem Chore: 
132 „Das Heimchen zirpt! Das Heimchen 
irpt! 
Bald ſchwelgen wir in Beute! 
Wer fpielt, gewinnt! Wer wagt, er: 
wirbt! 
Rir find gemachte Leute! 


13b Die Küfte winkt! Das Gold erblinft, 
Davon die Sagen melden! 
Das Morgen fteigt! Das Geftern ſinkt! 
Wir find berühmte Helden!” 


„Galgenſtrick“ an, die den Charakter der Redner, „Zwei edle Spanier“ ! 
humorijtifd) beleuchten. Ein jo lebhaftes Gefecht kann nicht damit 
enden, daß den Streitenden wie früher bloß die „Zornesadern“ 
ſchwellen; auf ſolche Beleidigungen antwortet ein jtürmijches ſpaniſches 
Blut anders: 

Sie ziehen mit entflammtem Blid 

Und kreuzen blanfe Meſſer. 

So weit der erjte ernfthafte, dramatiich zugeipitte Zeil der 
Ballade; nun folgt das Intermezzo: die Ankunft des Küchenjungen, 
der den Clown an Bord Spielt und mit jichtlichen Behagen nieder- 
ländiich breit vom Dichter gemalt ijt. Denn die Geftalt des Friedens— 
boten, der den Streit zu unterbrechen wagt, durfte wegen diejer 
jeiner wichtigen Aufgaben nicht wieder bloß mit fnappen 4 Zeilen 
abgethan werden. 

Jetzt werden genauer feine Geberden, jein vergnügter Tanz und 
die Schneiderarbeit des Windes gefchildert, der die Kleidung des 
(uftigen und luftigen Burſchen grotest baujcht. Dann fängt „Diguel! 


Eupborion. VI. 


130 Heinrich Kracger, Zur Geihichte von E. F. Meyers Gedichten. 


endlid an zu fingen, aber er hört nun auch jo bald nicht wieder 
auf: und während früher die andern Amerilafagrer Einwände 
machten: „Beim Kreuz, wir fahren Tir in's Baar zum Lohne Deiner 
Poſſen“, und noch bejonders beichwichtigt werden mußten — hören 
fie jert in Andacht und jchweigend dem Bericht des Jungen zu, der 
ſich durch jeine frohe Botſchaft jelber erhoben fühlt und das „Wir“ 
beſonders betont: 

Ta wir zu Schifie ftiegen dort, 

Tie gierden aller Yande, 


und der jett nicht mehr „Eure Fahrten“, jondern „untere Meerfahrt“ 
jagt. Erft am Schluß fällt der Chorus ein, der Streit ijt vergeſſen, 
die Sorgen um die Fahrt jind vorbei, und die beiden „Conquiſta- 
dores“, die fid) als zwei große Lumpen erwieſen, haben jogar — 
und hier macht jich wieder der Schalf im Tichter geltend — nodı 
die Ausficht, ein paar große Yeute zu werden. 

Tas Morgen fteigt, das Geſtern fintt, 

Wir jind berühmte Helden. 


Wenn Columbus aus dem Verband des Gedichtes austrat, jo 
haben entichteden dabei die übrigen Perjonen gewonnen, die ſich in 
der neuen Faſſung lebendiger und antehnlicher als in der alten be: 
nehmen. Die Dandlung ijt vereinfacht, aber dadurd auch zugleich 
verjtärft und im einzelnen um feine Wendungen bereichert worden. 

In jeinen hiſtoriſchen Gedichten läßt es aber Conr. ‚yerd. Meyer 
jelten an einem bejonderen Eolorit fehlen, und auch die Fremdworte, 
auf die er nicht aus reiner Prinzipienreiterei verzichtete, helfen 
Zeit und Boden gelegentlid veranſchaulichen. Gleich im Anfang fteht 
jtatt der alten Ilnrede „Geſell“ jetzt „Sellor*, das mit einem Male 
trefflich iiber die Volksart der beiden Streiter aufflärt und nachher 
in höflicher Wiederholung Iuftig den Schmähungen der Granden 
widerſpricht. Auch ſonſt jcheut Sich der Dichter vor augländijchen 
Worten nicht, die bei ihm zu feinem gelehrten Prunf, jondern zur 
Charafteriitik dienen. „Was er mir jagt, begriff ich nicht“ wird zu 
„Was er dociert, veritand ich nicht”, und Miguel animiert jeine 
Gläubigen mit kirchlichen Fachausdrücken: „Ztimmt Yaudes an und 
Pialmen”. Er verſucht die Zituation schärfer zu zeichnen, die Zeilen: 
„Zwei Spanier plaudern auf der Wacht und einer jagt zum andern“ 
bergen eine Zautologie: „plaudern“ und „iagt*, was bei der Ver: 
änderung: „Zwei edle Zpanier halten Wacht und einer jpricht zum 
andern” geichieft vermieden it. Die alten Meime, ihnen: Grünen, 
wir: mir, bin: bin, sind ebenfalls abgeitopen. Wie viel höher 
deshalb das neue Gedicht iiber dem alten ſteht, iſt nach diejen Er: 
wägungen leicht abzuſchätzen. Denn Vonr. Ferd. Meyer war fein 


Heinrich Krarger, Zur Gejchichte von E. F. Meyers Gedichten. 131 


krankhafter Tüfftler, bei den die Arbeit die Kräfte der Phantaſie und 
Sprache jchlieglich lähmte, jondern ein jchaffender Künftler, der fich 
immerfort jelber überbot und daran auch jeine Werfe teilnehmen 
ließ. 

5. B 95. Der Rubin. (Aus Tauſend und eine Nadıt.) 


Um die Entwidlung von der orientaliichen Norlage an, durd) 
die Übergangsform B 95—98 bis hin zu C 224,5 anihaulid zu 
machen, feien die drei Stufen, die alte Erzählung aus 1001 Nacht 
und die beiden neuen Gedichte, zur Vergleihung unmittelbar neben— 
einander geitellt. Die Verjchiedenheit der zwei Balladen unter ſich 
und ihr wechjelndes Verhältnis zur Tuelle jind ebenſo auffällig, wie 
bei einem andern Gedichte, dem „Pilger und der Sarazenin“, das 
früher unter dem Titel „Liebeszauber“ erichien und jtofflih aud) 
der Sammlung von 1001 Nacht entnommen war. Tem Dichter 
lagen die Märchen in der +bändigen Ausgabe von G. Weil, Stutt- 
gart 18537 — 1842 vor, wo 4, 32— 57, in der 754. und 755. Nacht 
unter der Uberjihrift „der fromme Sohn Harun Arraichidg“ be— 
richtet wird: 


Es wird auch erzählt: Harun Arraſchid hatte einen Zohn, der, als er 
ſechzehn Jahre alt war, immer mit frommen Einſiedlern und Heiligen lebte, ſtets 
auf den Gräbern umherwanderte und ausrief: „Ihr habt die Welt bejeijen, was 
habt ıhr nun davon in euerm Grabe; ich möchte willen, was ihr Alles in der 
Welt gejagt und was euch gejagt worden.“ 

Eines Tages, als er, ein wollenes Tberfleid um den Leib und ein wollenes 
Zud um jein Haupt hatte, begegnete ihm jein Vater mit den Vizieren und Großen 
des Reichs, und es jagte Einer zum Andern: „Diejer Jüngling macht den ‚zürjten 
der Gläubigen vor allen Königen zu Zchanden; wenn er ihn dod) ur zuvrechtivieie, 
vielleicht würde er jenen Yebenswandel ändern.” Harun Arraſchid fagte ihm dann: 
„Mein Zohn, du machſt mic zu Schande durd deine Eigenheiten.” Der Jüngling 
antwortete nicht, jondern rief einem Nogel, der auf dem Dache des Schloſſes jtand, 
zu: „O Bogel, bei dem, der dich geichaffen, lajj dich auf meine Hand nieder.“ 
Zogleid) flog der Vogel auf des Jünglings Hand. Dann jagte er ihm: „Kehre 
wieder auf das Dad zurück!“ Ta flog der Vogel wieder auf die Stelle, wo er 
bergefommen war. Dann rief er ihm zu: „Wei deinem Schöpfer, laſſe dich auf 
die Hand des Fürſten der Gläubigen nieder!“, aber der Vogel weigerte ſich. 

[S. 83.] Da jagte der Züngling zu feinem Vater: „Du machſt mid zu 
Schande unter den Heiligen durd) deine Liebe zur Welt, darum babe ıch aud) 
beichlojjen, mid) von dir zu trennen.” Hierauf ging der Jüngling fort und reiſte 
nah Bajjra, wo er mit den Maurern arbeitete und einen Dradınıen Taglohn 
empfing, von weichem er lebte. Abu Amer aus Baijra erzählt von ihm: Als in 
meinem Hauie eine Dauer einftürzte, ging ich auf den Platz, wo die Maurer ftanden, 
um einen Arbeiter zu holen, der fte wieder aufbauen jollte. Da fiel mein Auge auf 
einen hübihen Jüngling mit einem feinen Gejichte, ich ging auf ihn zu, grüßte 
ihn und jagte ihm: „Deein Freund, willft du Arbeit, jo fomme mit mir!” — 
„Recht gerne,” antwortete der Jüngling, „doch unter der Bedingung, daß du mr 
nur einen Drachmen Taglohn gibft, und fo oft zum Gebete gerufen wird, mid 
mit der Gemeinde beten läſſeſt.“ Ich willigte ein, nahm ihm mit mir nad Hauie 
und er arbeitete, wie ich ihn noch nie arbeiten gejehen. 

ar 


132 Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. 


Als ic ihn an das Miittagseſſen erinnerte, nahm er nichts an und ich merkte, 
da er faftete. ALS dann das Gebet ausgerufen ward, ſagte er: „Erinnere dich 
unserer Uebereinkunft!“ Ich fagte: „But.“ Ta löſte er jeinen Gürtel, wufc lich 
auf die fronmmfte Weiſe und ging in die Mofchee und betete mit der Gemeinde. 
Tann kam er wieder und arbeitete mit dem größten Gifer, bis das Nachmittags- 
gebet ausgerufen ward. Ta erinnerte er mich wieder an die Yedingung, ging ın 
die Mojchee und betete mit der Gemeinde, dann kehrte er wieder zur Arbeit zurüd. 
Ich fagte ihm: „Mein Freund, font arbeiten die Maurer nur bis zum Nachmittags 
gebete.” Er fagte aber: „Geprieſen ſei Gott, ich pflege immer bi8 Nachts zu 
arbeiten.” Als es Nacht war, gab id; ibm zwei Drachmen. Ta fagte er: „Was ıft 
das?“ ch antwortete: „Nur ein geringer Yobn für deine große Arbeit.” Aber er 
warf ınır fie zu und jagte: „ch nehme nicht mehr, als ich mir vorbehalten,” und 
troß aller Mühe konnte ich ihn nicht dabın bringen, mebr als einen Drachmen zu 
nehmen. 

Ter Tag unterbradh die Erzählung, welche von Scheberiad ın der nächſten 
Nacht mit Abu Amers eigenen Worten fortgejfeßt wurde: 7541e Nacht „Amt 
folgenden Morgen gıng ich wieder auf den Zammelplag der Arbeiter; aber ıch fand 
ihn nicht, und als ich nach ihm fragte, fagte man mir, er fonıme nur jeden Zonn: 
abend. ch ging Zonnabends wieder, um ihn aufzufuchen, und fragte ibn, ob er ın 
Gottes Kamen wieder bei mir arbeiten wollte.” Er fagte: „Recht gern, nach der 
dir woblbetannten Bedingung.“ Ach nahm ihn mit nach Haufe und führte ihn an 
die Arbeit. Ta bemerfte ich, obme von ıbm gefeben zu werden, wie er nur cine 
Hand vol Lehm auf die Dauer warf und plößlid alle Steine feit aufeınander 
jagen, und ıch dachte, ſolche Nraft baben nur die Heiligen. Er arbeitete an dieiem 
Tage viel mehr als früber, und des Abends gab ich ihm feinen Yohn, mit dein er 
fortging. 

(2. #85.] Am dritten Zonnabend wollte ich ihn wieder holen, fand ihn aber 
nicht, und als ich nah ihm fragte, börte ıch, er fen frank und liege ın dem ZJelte 
einer alten ‚grau, die durch ihre Frömmigkeit berübmt war. Ich ging nad dem 
Zelte und fand ihn darın auf dem Boden liegend, obne Etwas unter Ih zu baben. 
‚sch grüßte ihn und ſetzte mich ihm zu Häupten und weinte über feine Jugend, die 
er jo in der ‚rende zubringen mußte. Ich fragte ihn dann, ob ich ıbm irgend 
einen Dienſt erweiſen tonnte? Er ſagte: „Ja wohl: wenn du morgen mich wieder 
bejuchtt, fo wirſt du mic) todt finden, waiche mich dann, bülle mich in den ber: 
rod, den ich anbabe, und beerdige mich, obne Jemandem etwas von mir zu jagen. 
Doch ehe dir mich beerdigit, nimm aus den Taſchen meines Tberllcides, was darın 
iſt. Wenn mich dann die Erde bededt und du für mich gebetet baft, jo reiſe nadı 
Daiira und gıb dem Cbalıfen Harun Arraichıd, was du in meiner Tafche findelt, 
und grüße ihn von mir, ſage ihm auch, daß ich bis zur Todesſtunde mich nach 
ihm geſehnt, daß weder Hat noch Ueberdruß mich von ihm getrennt, daß ich nur 
darum in die Fremde wanderte, wen meine Seele zu fern von ſeiner Welt ſtand.“ 
Dann recitirte ev noch iolgende Verie: 

„C Freund, laß dich durch die Annehmlichkeiten des Lebens nicht verblenden: 
das Yeben iſt nicht von Tauer und ferne Freuden vergeben bald: baft du je das 
Schickial eines Volks gelannt, jo wiſſe, daß auch das deinige nicht anders ienn 
wird, und haſt du je cine Leiche in's Grab geführt, jo bedenke, daß man auch dich 
dahin tragen wird.“ 

Nachdem er durch dieſe Verſe mich ermahnt hatte, verließ ich ihn, und als 
ich ibn am folgenden Morgen wieder beſuchte, war er todt Gottes Erbarmen ſei 
mit ıbm!ız ich wuich ihn, offnete ſeine Zaiche und fand einen Rubm darın, der 
tausend Dinare wertb war, da dachte ich: Bei (Wott, der Jüngling bat der Welt 
volllommen entiagt!: Ach reiſte dann nach Baſira, begab mich vor den Palaſt des 
Ebalıfen und wartete, bis Harun Arraichıd brrauslam: dann trat ıch ibm in den 
Weg und gab ihm den Rubın. Zobald er ihn fah, fiel er ın Ohnmacht. Tie 


Heinrich Kraeger, Zur Geihichte von C. F. Meyers Gedichten. 133 


Diener hielten mid) an; aber als er zu ſich fam, fagte er ihnen, fie möchten mid) 
nur loslaffen, lieg mid) in's Schloß führen, und als ich in feinem Zimmer war, 
fragte er mih: „Was hat Gott über den Eigenthümer diejes Rubins verhängt?” — 
„Er ift geſtorben,“ antwortete ich, und erzählte ihm, was id) von ıhım wußte. Da 
jchrie er ſchluchzend: „Der Sohn hat das Beilere gewählt und der Vater wird zu 
Schande!” Dann rief er einen Frauennamen; da trat eine Frau heraus, die, als 
tie mich jab, wieder zuriictreten wollte; aber der Chalif jagte ihr: „Bleibe nur, 
brauchit vor diefem Mann dich nicht zu verbergen,” und warf ihr den Rubin zu. 
Zobald fie ihn ſah, ftieß fie einen Schrei aus und fiel in Ohnmacht. Als fie 
wieder zu ſich fam, ſagte fie: „O Fürft der Gläubigen! was hat Gott über meinen 
Sohn verhängt?” Der Chalif bat mich, es ihr zu fagen, denn er fonnte vor 
Thränen nicht fprehen. Als ich ihr feinen Tod erzählte, weinte fie und rief mit 
berzzerreißender Stimme: „OD wie jehne ich mich nad) dir, Freude meines Auges, 
o könnte ich dir doch zu trinken geben, wenn Niemand es thut! O Fönnte ich dich 
doch unterhalten, wenn es dir unheimlich wird!” Ich fragte dann: „O Fürſt der 
Gläubigen! war denn diejer Züngling dein Sohn?” — „Sa wohl,” antwortete 
Harun Arraſchid: „er bejuchte oft die Gelehrten und Frommen, ehe ich zum Chalifen 
erhoben worden, jobald ich aber die Regierung antrat, wollte er ſich von mir ent- 
fernen: da fagte ich zu Seiner Deutter: „Dein Sohn will abgeichieden von ung nur 
Gott allein leben; er wird gewiß hart geprüft werden und in große Noth kommen, 
gib ihm daher diejen Rubin, damit er ın der Noth Etwas habe; ich gab ihr aljo 
diejen Rubin, und fie drang in ihn, bis er ihn annahm; fo verließ er ung, und 
wir haben ihn nicht wiedergejehen, bis er aus unſrer Welt gejchieden, um mit 
reiner Zeele vor feinen erhabenen Herrn zu treten.“ Dann jagte der Chalif: „Komm 
mit mir und zeige mir fein Grab!” Als wir dort anlangten, weinte und ſeufzte 
er lange, betete für feinen Sohn und rief: „Mir find Gottes und zu ihn fehren 
wir zurüd.” Dann bot mir der Chalif cine Stelle an; ich jchlug fie aber ab und 
jagte: „IH habe eine Lehre von deinem Sohne angenommen,“ und recitirte 
folgende Verſe: 

„Ich bin ein Fremdling, gehöre Niemanden an, wo ich auch weile; ich bin 
ein Fremdling, habe weder Frau noch Kind; meine Herberge find die Mojcheen, 
van denen nie mein Herz fid) trennt, und dafiir dante ich Gott, dem Herin der 

elten!“ 


B 95. Der Rubin. 
(Aus Tauſend und eine Nacht.) 


Vor den Herrſcher tief ſich neigend 
Tritt ein Mann in ſchlichtem Kleid, 
Ueberreicht ihm ernſt und ſchweigend 
Eines Ringes Prachtgeſchmeid. 


3 Herr, den beſten auserleſen 
Hatt' aus dem Gewerk ich mir, 
Rein von Herzen, ſtill von Weſen, 
Schlank und jung, ein Knabe ſchier. 





Blaß wird Harun vor dem rothen, Friedevollen Angeſichtes 

Warm erfunkelnden Rubin, War er rüſtig früh und ſpät, 

Er ergreift die Hand des Boten, Von dem Glanz des Morgenlichtes 
Mit dem Blicke prüft er ihn. Bis zum Ruf vom Minaret. 


Wo du das Geſchmeid entdeckt!“ Und aus welchem Lande her, 
„Aſſur hat es mir gegeben!“ Stieg zur Stirn ihm eine Flamme, 
Ruft der Muſelmann erſchreckt. Stand wie ein Beichämter er; 
„Gartenhaus und Gartenmauer Herr, mich jammerte des Knaben, 
Hat er trefflich mir gebaut, Ich beſchwor ihn: Sei mir Sohn! 
Nun bin ich um ihn in Trauer, Doch von den gebotnen Gaben 
Denn ich hab' ihn todt geſchaut. | Nahın er nichts als ſeinen Yohn. 


2 „Zage mir, bei deinem eben, 4 Fragt' ih ihn, von wem er ſtamme, 
| 


1 


+ 


[7] 


ö 


6 


2 


a. 
[7 


Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. 


Als ich geſtern ihn beſtellte, “= Taß allmächtig du auf Erden, 
sand ıch auf dem Markt ihn nude, - Vater, laſtet mır wıe Raub, 
Fand am Strom, erkrantt im Zelte Wirſi du doch gerichtet werden, 
Ihn, den Tod im Angeſicht. Biſt du doch geformt aus Staub. 
Stammeind taſtet' er am Ringe, Ten erhaben Loos zu ſühnen, 

Big ich ſein Begehr errieth, Das ſich thürmt den Blitzen zu, 
Daß :ch dir ihn überbringe, Yaf mich niedrig ſein und die— 


Mächt'ger Harun Arratdıd!“ vaſ mich in der Tiefe du! [nen, 


Harun blcktt auf das Geſchmeide, v Wenn vor dir mit heißer Bitte 
Fer Mubin erglüht jo ſtill: Ein Bedrängter Recht erileht, 
„Aruder, höre, was im Leide Denk, daß in der Armen Mitte 
Harun dir vertrauen will! Deines Herzens Liebling ftebt! 
Ernſt iſt dieſes Ringes Kunde: Wenn dir dumpfer Groll begegnet, 
As ich ſtieg aui Nagdads Thron, Wenn der Undank dich betrübt, 
In der Herr'ſſcchait erſter Stunde Weißt da ernen, der dich ſegnet, 
Sprach zu mir mein liebſter Sohn: RNennſt du einen, der dich liebt. 
Heute wirſt auf bober Zinne, 10 Meinen Armen ſich entwinden 
Vater, du den Blicken kund, Sah ich ihn und mir entilichn; 
Vaß mich heut, div zum Gewinne, Noch, ihn wieder einſt zu finden, 
Tauchen in verborgnen Grund! Drängt' ich auf ihm den Rubin. 
Went du alle deine Bruder Ten Kur ı brungit du mir wieder, 
Streng beberricheit, iit es aut, Den ein Sierbender dir gab 

Daß ein Tropfen vrinne nieder nommt, wo Legteit du ihn nieder? 
In das Nollvon drinem Blut Veten will ich auf den Grab.“ 


"221. Die Söhne Haruns. 


Harun Sera ya Seinen Sundern Aſiur, Mad, Zcheberban: 
„Sohne, werdet ihr vollenden, was ıh Huhnen MRuths begann‘ 
Seit ih Bagdads Iron beſtiegen, bin von Feinden ich umgeben! 
Wie beieſtigt ihe die Herrichait? Wie vertbeidigt tor mein Leben?“ 


Amur ruit, Dev feur:g ſchanute: „Schleuntzg werb' ich Dir ein Heer! 
Zimmre Maſten, webe Segel! Ich berolkre Tir das Meer! 
Rose ichnl' ich Zabel ichmied' ich Ich erbaue Dir Kaitele. 
Dir gehoren Stadt und Warte! Tir gehorchen Strand und Welle!“ 


Aſiad ner Dev ſchlauen Darm ſinnt amd außert ſich bedachtig: 
„Sicher Ideal ich Teinen Schlummer, Sorgen machen übernachtig. 


Traue Ternem Aiiad! Wahle mich zum Pelrtzeiminiſter! 
Jeden Athemzug belau'ſch' ich, jſedes hermliche Geflüſter. 


Wirihe, Kuppter und Barbie, jedem ſeb' ich einen Sold, 

Taß ein jeder mir berichte, wer Tich Lebe und wer Tir grollt.“ 
Harun lacheit. Ju dem unalten, ſeinem vNiebling, ſagt er: „Ruhſt du? 
Ice beichamſtedu deine Bruder? Jarter Scheberban, was thuſi du?“ 


„Vater,“ redet ſeut Dev Jungſite lenſch errethend, „es iſt aut, 

Tat ein Trorfſen vinne nieder warm ına Voll aus Deinem Alut! 
Ueber ungezahlte Yoore bin allmacht:« Tu auf Erden, 

Sasıt Raub an Termen Brudern und Du winſt gerichtet werden! 


Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. 135 


6 Dein erhaben 2008 zu fühnen, das ſich thürmt den Bliten zu, 
Laß mid in des Lebens dunkle Tiefe niedertaudhen Du! 
Zud mich nicht! Ich ging verloren! Sende weder Kleid noch Spende! 
Wie der Acrmfte will ıch leben von der Arbeit meiner Hände! 


-) 


Mit dem Hammer, mit der Kelle laß mich, Herr, ein Maurer fein! 
Selber maur’ ich mich in deines Glüdes Grund und Boden cin! 
Jedem Haufe wird ein Zauber, daß es unzerſtörlich dauert, 
Etwas Liebes, etwas Theures in den Grundftein eingemauert! 


8 Höreft Du die Straße raufchen unter Deinem Marmorjchloß? 
Morgen bin ich diefer Menge namenlojer Tiſchgenoß — 
Wenn Tich die Beherrſchten läftern, fegnet Einer, Herr, Dich ſtündlich! 
Wenn Tih die Enterbten hafjen, Einer, Bater, liebt Dich kindlich!“ 


Die Erzählung aus 1001 Nacht läßt fi) wohl in 3 Abfchnitte 
zerlegen: Der Abjchied des Sohnes Aſſur von jeinem Bater Harun, 
die Beichäftigung diejesg Sohnes al8 Maurer und der Bericht von 
Aſſurs Tode, den Amer dem Kalifen überbringt. Die Ballade B 95 
dagegen ſetzt gleich mit der legten Scene der Vorlage ein; der Dichter 
wollte aljo die oben chronikaliſch aneinander gereihten Vorgänge 
gleichjam aus einer einzigen Situation ji) entwideln laſſen. Er 
confrontierte Harun mit Amer und machte die Übergabe des Rubins 
zum Ausgangspunft feines Gedichtes, indem nun Amer erjt berichtet, 
wie er zu dem Stein fam, und dann von Harun dafür erfährt, was 
es mit dem Stein für ein Bewenden hatte. Wie aber in 1001 Nacht 
jteht auch hier das prius Hinter dem post, und das zeitlid) voraus 
gehende Ereignis, die Verleihung des Ringes, wird erjt erzählt, 
nachdem wir jchon gehört haben, wie traurig das Scidjal des 
Sohnes mit dem Ringe überhaupt verlaufen war. 

Aus den orientaliihen Märchen mußte Conr. Ferd. Meyer 
aber erjt Verfchiedenes abtrennen, das für feine dichterifchen Zwecke 
ganz unbrauchbar war. Zunächſt vermied er es, den Abjchied doppelt 
zu zeichnen, wie in 1001 Nacht, wo zu Anfang fid) der Sohn vom 
Vater trennt, und am Schluß zu diefem Abfchied noch eine Ergänzung, 
nämlich die Verleihung des Steines nachgetragen wird. Er ließ es 
bei dem letteren bewenden und Ichied die Kontroverje zwifchen dem 
melandpolijchen Süngling, den Großen des Reiches und dem Könige, 
cbenjo wie die Beweiſe von der Gewalt des 16jährigen Heiligen 
iiber die Tiere der Erde aus. Auch die Wunder, die Affur bei feiner 
Maurerarbeit verrichtet, fallen weg; und die Details feiner Frömmig— 
feit, Sparjamfeit, Arbeitsluft und Demut werden in der 3. und 
4. Strophe jehr zujammengefchnitten. 

Tie bedeutſamſten Veränderungen aber nahm Conr. Ferd. Meyer 
vor, um die Trennung des Sohnes vom Pater zu begründen. 
MWührend die alte orientaliiche Erzählung durchaus mit religiöjen 


135 Heinrich Kraeger, Zur Gefchichte von C. F. Meyers Gedichten. 


Stimmungen arbeitet und dem astetiichen Bedürfniſſe des Jünglings 
den nur auf irdiiche Dinge bedachten Dofitaat des Königs gegen- 
überjtellte, führt der ıinoderne Dichter das Motiv der Sohnes- 
liebe ein. Zwar wird das leiſe auch ſchon in 1001 Nacht ange: 
ſchlagen, als der Jüngling in der Todesſtunde nod) behauptet, jid) 
immer nach jeinem Water gejehnt zu haben — aber die Urſache 
feines Abjchiedes liegt doc wo anders, nämlid) auf dem Widerjpruch 
jeines geiftlich:geiftigen Weſens mit allen weltlichen Dingen. Ter 
Affur von 1001 Nacht wollte — in gewiſſem Sinn war das jelbit: 
ſüchtig — im Zukunft nur jeinem Glauben leben, den er im Dauie 
des Königs für gefährdet hielt; der Aſſur der Ballade dagegen will 
durd) feine Entjagung und den Verzicht auf alle Freuden des Yebens 
zugleid) felbitlos dem Vater zu Hilfe kommen. Der in Schillers 
„Polykrates“ gefürchtete Neid der Götter jpielt mit hinein. Ter Sohn 
will den Himmel verjühnen, indem er ſich um jo tiefer fallen läßt, 
je höher jein Nater gejtiegen war, und indem er die Unterjchiede 
zwiichen dem Herrſcher und dem Beherrichten auszugleichen ſucht. 
Denn neben der Sohnesliebe iſt cs aud ein menjchliches Mitgefühl, 
das ihn zu diejer Aufopferung treibt. Der König ſoll in Zukunft 
nicht nur einen Anwalt beim Volk, jondern das Wolf durdy Aſſur 
auch einen Anwalt bei dem Nönig haben, der die Menge umio liche: 
voller umd beijer regieren wird, wenn er weiß, daR jich im ihr etwas 
von jeinem eigenen Fleiſch und Blut befindet. Statt aus religiöier 
Idioſynkraſie in 1001 Nacht geht Aſſur iegt vom Hof des Königs aus 
ſittlichen und ſocialen Gründen fort, die jeinen Entſchluß wärmer 
und menſchlich viel verſtändlicher und zugleich ergreifender machen. 

Auch die Nebenumſtände ſind geändert. Die Mutter, die dem 
Sohn den Stein gab, um ihn vor Not zu ſchützen, tritt nicht 
mehr auf — ſtatt deſſen giebt Harun ſelber den Rubin her, um 
ſpäter ein Erkennungszeichen zu haben. Die Ohnmachten der Eltern 
beim Anblick des Geſchmeides ſind ſelbſtverſtändlich übergangen. 
Das Geſpräch zwiſchen Harun und Aſſur wird „in der Herr 
ſchaft erſter Stunde“ abgehalten, um die Wichtigkeit des Momente 
zu erhöhen. Der Kalif äußert in der Ballade nur noch den Wunſch, 
das Grab des Sohnes zu ſehen, während er in 1001 Nacht wirklich 
dorthin geht... Er behält in der Ballade auch das letzte Wort, 
das in der Vorlage der Nebenperion, dem Fremden, zugeteilt war, 
der im Sinne Aſſurs ſich auch als Astet von dem weltlichen Herrſcher 
verabichtedet und der religiöten Tendenz der Erzählung mit zum 
Ziege verhilft. 

Ter zweite Zeit der Ballade, Strophe 6— 10, iſt ganz Conr. Ferd. 
Meyers Eigentum, der die Erzählimg an diejen widhtigiten Ztellen 
jelbitändig und gänzlich weitergebilder hat. 


Heinrich Kraeger, Zur Geichichte von C. %. Meyers Gedihten. 137 


In GC 224/5 1882 änderte jid) zunächit die Form des Gedichtes: 
an die Stelle der 10 Strophen mit 8 trochäiſchen (ababeded) ge- 
reimten Bierzeilern traten 8 Strophen von je 4 aabb gereimten 
Achtzeilern; und während die Reime a und c früher flingenden und 
b und b ftumpfen Ausgang hatten, ijt, bis auf eine Ausnahme in 
der dritten Strophe, jest a jtumm und b flingend geworden. Der 
Zitel lautet: „Die Söhne Haruns“; von dem „Rubin“ iſt nicht mehr 
die Rede, ebenjowenig von der orientaliſchen Quelle, die der Dichter 
beim erjten Verſuch noch gewiflenhaft verzeichnet hatte, die aber jeßt 
bei der zweiten größeren Umgejtaltung mit Recht fallen durfte. Der 
Zujammenhang zwiichen B und C iſt ftarf gelodert, nur die Strophen 
B VI—-R kehren, zum Zeile wörtlich, in C V, VI, VIII wieder, fo 
dag B VIL 5—8 glei it GV, 1, 2; BVIL 1-4 = CV, 
3,4; BVII, 5-—8=GVl, ı, 2 und BIX, 5-8=C VII, 3, 4. 
Aber auch hier iſt der Dichter bejtändig bei der Arbeit, Lücken 
auszufüllen und jchwere Wendungen durch neue Worte zu jtärfen; 
jtatt „daß ein Zropfen rinne nieder in das Volk von deinem Blut“ 
heißt es jekt: „Daß ein Tropfen rinne nieder warm in's Volf aus 
deinem Blut“. „Daß allmächtig Du auf Erden“ wird nunmehr in’s 
Kleine beichrieben: „Über ungezählte Looſe bijt allmächtig du auf 
Erden”, und die jubjective Empfindung „Vater, lajtet mir wie Raub“ 
zur fräftigen Thatjache erhoben: „Das ijt Raub an deinen Brüdern“. 
Die redneriiche Wendung: „Laß mich niedrig fein und dienen; laß 
mich in der Tiefe dort”, vereinfacht und veranfchaulicht fih: „Laß 
mic in des Lebens dunkle Tiefe untertauchen du”; und die einander 
zu Paaren gegenübergejtellten Bedingungen und Folgen <BIX) werden 
miteinander gefreuzt, und außerdem wird durch die Unterbrechung: 
„Segnet einer, Herr, di”... „Einer, Vater, liebt Dich“ die in B 
etwas Elingklangmäßige, ſich wiederhofende Wortſtellung mit dent vier- 
maligen verbalen Schluß vermieden: 

B: Wenn dir dumpfer Groll begegnet, 
Aenn der Undanf dich betrübt, 
Weißt du einen, der did) jegnet, 
Kennft bu einen, der did) liebt. 


CG: Wenn dic die Beherrichten läftern, 
Segnet einer, Herr, dich ftündlich! 
Wenn did) die Enterbten hajten, 
Einer, Bater, liebt dic) Findlid). 


Sonſt wird hier die Fahrt des Jünglings ausführlicher be- 
gründet, der Unterjchied zwilchen reich und arın ausgemalt, und der 
Beruf, dem ji Aſſur widmen will, wird mit Zuhilfenahme der 
Sagen vom eingemauerten Kinde ſymboliſch erweitert, daS Neue 
an etwas ſchon Bekanntes gefnüpft und dadurch das Opfer des 


138 Heinrih Kraeger, Zur Gedichte von C. F. Meyers Gedichten. 


Jünglings noch verftändlicher gemacht. Der „Rubin“ ijt ganz aug 
der Handlung verfchwunden, weil es ſich jett nicht niehr um eine 
Anagnorifis handelt, die durch den Stein erjt vermittelt werden könnte, 
fondern um den Abjchied jelber von Vater und Sohn. Während dic 
Hauptizene früher aus der Erinnerung des Kalifen einem Andern 
vorgetragen ward, ſpielt fich jett der Vorgang felber, wie etwas gegen: 
wärtiges — dag praesens herricht auch faft überall — vor uns ab. 

Auch die Geichichte von dem Maurer und jeinem Gehilfen (B 1—5) 
mußte fortfallen; Conr. Ferd. Meyer hat die Ballade jept faft voll: 
ftändig von der orientaliicyen Vorlage abgeichnitten; und jtatt der 
Trennung zwiichen dem Vater und dem einen Sohn, die ji in 
1001 Nacht nicht gerade im beiten Einvernehmen Lebewohl jagten, 
wird an dem Eingang eine wohlmwollende Unterredung des SKalifen 
mit jeinen drei Söhnen gejtellt. Tie ‚Fiction bringt etiwag durchaus 
Natirliches, day nämlich ein Vater wie Harun einmal wifjen will, 
wie wohl die Kinder ihm ihre Liebe beweiien und jein Yeben und 
Yebenswerf ſchützen wollen. Die Charafteriftif der drei iſt reichhaltig 
und verjchieden, wie bei den drei Töchtern des alten Year — auf den 
anfbranfenden, kriegeriichen, nach außen drängenden Ajjur der liftige 
Aſſad und endlich der liebende, opferwillige, cordelienhafte Scheherban. 
Man beadıte auch die Compofition des Gedichtes, das ſich ohne 
Swang in zwei Teile zerlegen läßt, deren einer Harun und den 
beiden älteften und deren anderer ganz allein dem jüngften Sohne 
zugehört. Auch in den Reden ift eine Steigerung: erft die von dem 
Water kurz geitellte Theje, die von Aſſur und Affad fchnell beant: 
wortet wird, dann wieder eine kurze Anrede des Waters, die beſonders 
dem jüngiten Eohne gilt, und nun deiien lange Entgegnung. So ift 
die Erzählung ungemein vereinfacht. Während ſich der Tichter in B 
zum Teile noch treu an die llberlieferung hielt, hat er fi in (0N da- 
von befreit und aus den verichiedenen Momenten in der Erzählung 
des Triginals und der ‚yaflung B jekt das Wichtigfte herausgegrifien 
und allein behandelt. Tas Perſonal der Wallade ijt in C trok der 
Einführung der beiden andern Zühne doc beſchränkt; der fremde 
Mann, dejien Geſchick nur zufällig mit der Familie des Khalifen ver- 
quickt war, tritt ab und Harun und die Seinen bleiben übrig. Da— 
durch wird die Szene zugleich andy intimer, familienhafter. 

Aber ſelbſt in der Faſſung (:! genügte das Gedicht noch nicht 
jeinem Dichter, der in der Folge einzelne Stellen retouchierte. Ztatt 
„Etwas Yiebes, etwas Theures“ ſetzt in der nächſten Auflage, €: ?, 233, 
eine Altiteration ein: „Etwas Yiebes und Yebend’ges”, und die beiden 
Schlußzeilen der Ballade biegen in Zukunft: 

2233. Blickit du nieder auf die vielen Unbekannten, die dir dienen, 

Einer iegnet dich vom Plorgen bis zum Abend unter ihnen. 


F. Arnold Mayer, Beiträge zur Kenntnis des Puppentheaters. 139 


Endli war noch in der 3. Strophe der unſchöne Reim: 
„Polizeiminijter — Geflüjter” zu entfernen. Von der dritten Auflage 
an lauten die Zeilen: 


C3 2410. Daß du dich des Lebens freueft, bleibe Vater, meine Sache! 
Ueber jeden deiner Schritte halten hundert Augen Wade! 


Beiträge zur Benntnis des Yuppen- 
theaters. 
Von %. Arnold Mayer in Wien. 


I. Repertoireliften von Spielern aus Wien und Umgebung. 


Moriz Wieland. 


Zpielte in Wien an verſchiedenen Orten, jo in Gaudenzdorf, Bädergafje (jett 
X. Stadtbezirk, Korbergafje), im Gafthaus Rirſch, in Penzing (jett XIII. Bezirk), 
Hollergajje 23; im Sommer auf dem ande, jo in Krigendorf, Preßbaum und jonft. 


1891: 


1. Königin Rofamunde oder die Unſchuld in der Wüſte. („Die verftoßene 
Königin Rojamunda u. j. w.“ fpielte auch Vincenz Pichler 1892 in feinem Cirkus 
und Marionettentheater in Gloggnit.) Zum Schluſſe: Komiſches Nachſpiel oder 
Berwandlungsfguren, wie nod) jonft im folgenden. 

2. Die vier Wildihüten aus Baicın. (S. Nr. 59a. 109? 197?) 

3. Tr. Fauſts Höllenfahrt. (S. Nr. 16a. 132 a. 152 b. 188 h. 193 d. 213 a. 
233 c. 234 £.) 

4. Graf Friedo der Streitbare. 


Joſef Mayer. 


Spielte in Wien IV., Gafthaus zur Weintraube, fpäter II. Caſtellezgaſſe 4, auch 
XIX. Therefienplag und jonft und führte 1886—1894 auf: 


5. Wilhelm Tell. (S. Nr. 143 b. 182 a. 188 a.) 

6. Die Raubritter von Dlainz. 

7. Der Fall Clemenceau. j 

8. Kaifer Joſef unter dem Volke. (S. Nr. 220 a. 234 d.) 

9. Der Herrgottjchniger von Ammergau. (S. Wr. 59 b.) 

10. Wien bleibt Wien. 

11. Andreas Hofer. (S. Nr. 175 b.) 

12. Kafperl auf Reifen. (S. Nr. 51 a. 194g. 130? 228 a.) 

13. Dornröschen. (S. Wr. 17 a. 30 a. 192 c.) 

14. Der Müller und fein Kind. (©. Nr. 152c. 155d. 162 a. 174b. 188 k. 
189 b. 211 d. 234 e.) 

15. Zwei Gefangene in der Türkei. (S. Nr. 111a. 192 b. 206? 219 e. 233 e.) 

16. Jahn Kafor der Hirte von Penimarckh oder Jahn der Herenmeifter. 

16 a. Der Fauft. (S. Nr. 3.) 

17. Eulalieng Schmerz. 


140 F. Arnold Mayer, Beiträge zur Kenntnis des Ruppentheaters. 


Rudolf Stord. 


Wien I. Caftellesgafie 4, dann Kleine Pfarrgaife 9 und ſonſt, auch in der Um⸗ 
gebung von Wien; zulegt II. Brigittenaucrlände 22. 


1885 —1892; 


17 a. Tornröschen. (S. Nr. 13.) 
18. Die 7 Naben. (S. Wr. 200 a.) 
19. Tifchlein deck' dich, Eilein fire’ dich, Rnüppel aus dem Zade. 
20. Antübon in der Wildnis oder ein Abenteuer mit Crang-Ütang. (2. Nr. 159 e.) 
21. Der Barometermader auf der Zauberinjel. (S. ir. 27 a. 188 f. 104 c. 
200 c. 213 c.) 
22. Ein Yıliputaner oder der daumenlange Hanfel. 
23. Ein Böhm in Amerika. (S. Nr. 168 a. 174 e. 188 h. 194 d. 2148. 221 c. 
24. Haman und Eifther. 
25. Der Roienftod oder die Erbidhleicher. 
26. Tas Popanzmännchen oder die 3 Yauberfedern. 1S. Ar. 231 a.) 
27. Der MWaldbauer oder die Rache des Wildſchützen. 
1893: 
27 a. Der Barometermacher. (Z. Nr. 21.) 
Ra Prinz Roſenrot und Prinzeſſin Yilienweiß oder die bezauberte Yılıc. 
. Kr. 6502.) 
29. Ritter Blaubart. (2. Wr. 205 b.\ 
30. Hinko der Freiknecht. 1S. Wr. 103 c.) 
30a. Dornröschen. ı 2. Nr. 13.) 
31. Die Räuberichenfe im Wienerwald. 
32. Der Goldſchmied von Beſſora. 
33. Naiperl als Seeräuber. (&. Nr. 1439) 
34. Rınaldo Rinaldini. (S. Nr. 15560. 194 e.) 
35. Zchinderbanmes oder die Räuber im Böhmerwald. (S. Wr. 143 a.) 
36. Höllenfürit und Herkules oder der Kampf um die Königstochter. 
37. Aſchenbrödel oder der glälerne Pantoffel. (Z. Wr. 147 a. 159 f. 191 b. 
201b. 206 b. 207 e.ı 
38. Naiverl ın dev Windmühle oder der Häuberhauptmann Ztörtebed. 
(IS. Nr. 62a. 
30. Kohlenmunlpeter oder dag fteinerne Herz. 
40. Tie Zeufelsmühle am Wienerberg. 1S. Jir. 152 a. 150 a. 1388 e. IL f. 
1050. 214 f. 23a. 
11. Tas Kulenichloß oder Kaiperl al8 Minifter. Zauberipiel. (3. Ar. 197 b.ı 
42. Der Rattenfünger von Hameln. ı 2. Nr. 173 a. 
43. 48. Rotläppcen. S. Wr. 192 i. 195 d. 208 h. — Hierauf: Der Feuer 
baum um Wald und Naiperi ım Zumpf. Ritterluftiviel. 
45. Alpenkönig und Menichenfend. ı 2. Nr. 195e. 206 a. 2ile.ı 
46. Tie Weihnachtsſee. S. Ar. 207 a1 
1%. Tas u. Gebot oder der ewige Schmied. 
48. Genofeva. :Z. Wr. 137 a. 102k. 208 a. 2140. 233 b. 234 a.) 
49. Schneewittchen und die 7 Zwerge. :Z. Nr. 111 b. 165. 181 a. 194 h. 
ze. 214 8. 
50. Aı Baba umd die go Räuber. ıZ. Wr. 197 a. 231 e.ı 
1. Rößa Zander. 1S. Nr. Ile. 169. 175g. 193 ff 


1804: 
la. Naiperl8 Rericabenteunt S. dr. 12 
2. Prinz Guido oder das Zuchen nach Zufriedenheit. 


G 


F. Arnold Mayer, Beiträge zur Kenntnis des Puppentheaters. 141 


53. Das Geheimnis der Zigeunerin. Großes Senfations- Schauſpiel. 

54. Wendelin von Höllenſtein oder die Totenglocke um Mitternacht. (S. Nr. 159 d. 
193 a. 221 a.) 

55. Die Reife um die Erde in 80 Tagen nebft einem Vorjpiel: Die Wette 
um eine Million. Speftatelftüd. (S. Nr. 64a. 184 a. 194 i.) 

56. Der tapfere Schneider oder 7 auf einen (fo!) Schlag. (S. Nr. 192 f.) 

57. Der verlorene Sohn. (©. Nr. 149 a. 231 b.) 

58. Kaifer Joſef und die Glückswaberl. (S. Nr. 192g.) 

59. Kaifer Joſef und der Deferteur. 

59 a. Die Wildſchützen. (S. Nr. 2.) 


1895: 


59 b. Der Herrgottfchniger von Oberammergau. (S. Wir. 9.) 

60. Der Verſchwender. (S. Nr. 146 a. 190 c. 202 a.) 

61. Rapunzel oder der Yaubergarten. 

62. Ton Juan oder das Totengaftmahl am Friedhofe. (S. Nr. 155 a. 155 8. 
174 c. 189 c. 233 a.) 

0 a. Kalpert als Müllerburihe und Stördebed der Räuberhauptmann. 

S. Nr. 38. 

63. Der ſchwarze Graf oder bei den Räubern von Sampagna. (9. Nr. 231 c.) 

64. Des Schulmeifters Hochzeit. Bauernkomödie. 

61a. Tie Reife um die Erde in 80 Tagen. (S. Nr. 55.) 

65. Das Teufelsichloß. Raubritter-Schaujpiel. 


1897 —1899: 


65a. Prinz Rofenrot u. ſ. w. (S. Wr. 28.) 

66. Die Räuber um Mitternacht. (S. Nr. 153 a.) 

67. Der Geigerfranzel und bie Zwerge e. 

68. Der Wunderdoltor von Paris. (S. Nr. 188 1.) 

69. Die geraubte Königstochter oder der Kampf um ein Königreich. Nitter- 
fpiel. (2. Nr. 230) 

70. Aladin und die Zauberlampe. (S. Nr. 171 a. 182 d.) 

71. Die Belagerung von Perfien oder Kafperl als Kriegsheld. 


Bei einer Anzahl von Stüden geht mir die Jahreszahl ab: 


12. Die Here von Höllenthat. 

73. Don Kings Reijeabentener mit Orang-litang. (S. Nr. 20?) 

74. Die zwei feindlihen Brüder. (S. Nr. 88? 159 g.) 

75. Die verzauberte Prinzeffin. (S. Nr. 97? 193 e.) 

76. 77. Pechvogel und Glüdskind. Luftiges Kindermärden. — Hierauf die 
Kartofjellomödie Prinzeſſin Pumpfia oder Räuber Jaromier. 

18. 79. Das Königsräthjel oder die fuftigen Handwerfsburjchen. — Hierauf 
die Kartoffelfomödie Furandet, Edaujpicl. 

80. Ter Tiamant des Geifterfünigs. 

#1. Ein verlorenes Leben oder Dämon Alkohol. (S. Nr. 231 f.) 

82. Tas Märchen vom jprechenden Baum. Ritterjpicl. 

83. König und Bauer oder Kajperl als Raftelbinder. 

84. Luftige Studentenftreiche oder das Abenteuer in der Sylvefternadit. 

85. Das Geheimnis von Nr. 43. 

86. Eine dunkle That oder der Mord im Weinkeller. (S. Nr. 128?) 

87. Tas Wirtshaus zum goldenen Noderl oder das fliegende Geld. 

8». Der Brudermörder. (S. Nr. 74?) 

»9. Im Circus. Circusburleste. 

%. Ein Barifer Taugenichts. 


142 


91. 


92. 
93. 
94. 
9. 
96. 
97. 
98. 
99. 
100. 
101. 
102. 
103. 
104. 
1085. 
106. 
107. 
108. 
100, 
110. 
111. 


F. Arnold Mayer, Beiträge zur Kenntnis des Puppentbeaters. 


Die Yeihenräuber von Pondon. 
Das Geheimnis der Banditen oder der faliche Prinz. 
Brinz Cafımir von Jaromier. Ritterjpiel. 

einrih von Eichenfels. (S. Nr. 233 d.) 

beron der Elfenkönig oder das Zauberhorn. (S. Wr. 231 d.) 
Der Goldteufel von Kalifornien. 
Die Roſe von Adelsberg oder die verzauberte Königstochter. (3. Ar. 7571 
Doktor Saſſafraß oder Kaſperl als Profeffor. 
Der Ball im Gnomenpalaft. 
Tie Waiſe aus Fomwood. 
Die Totenwache oder der betrogene Teufel. 
Hansdaps. Luſtiges Zaubermärdhen. 
Ein Torflump oder der geprellte Bürgermeifter. 
Die Räuber im Zpeffart-Malde oder der Ueberfall in der Räuberichente. 
Kaſperl beim Drenichenfrefler. (S. Nr. 136?) 
Der geftiefelte Kater. (2. Wr. 207 d. 214 d.) 
Der Millionenbauer. Bauernfomödie. 
Kaſperl beim Gropjultan. 
Die Wildſchützen von Tirol. (2. Wr. 27) 
Der luftige Yauer oder die Zaubergaben de8 Teufels. 
Bruder Wenzel. 195. Wr. 155 b. 228 b.) 


Albin &. 


18x5— 1887. Ziche meinen Aufſatz in: Forſchungen zur neueren Yıtteranır- 


geichichte, ‚zeitgabe fir Richard Heinzel, 248 f. 


111 a. Die Gefangenen in der Türkei. (2. Nr. 15.) 
111b. Schneewittchen. (2. Nr. 49 ) 
lllc. Roßa Zandor. S. Wr. 51.) 


134. 
135. 


. Kalpar als Prinz. 19. Wr. 194 k. 255% 

. Der Richter von Blunzendorf oder die beiden Nachtwächter. 

. Die lebendig-todten Eheleute. 

. Tıe Pechheirat. 

. Die beiden Trottel. 

. Nalverl ald Hausherr. 

. Im Nınderpart. 

. Zbomas der Maſſenmoörder. ıZ. Nr. 164 b. 182 e. 

. Aner für alle oder die Allerweltsgevatterun. 

. Ztadt ımd Yand. 

. Die Syrechmaſchine. 

3. Der Waldteufel. 

. Der barriſche Hieſel. „Z. Nr 1923 

>. Graf Heinrich oder der Schubmeiſter. S. Nr. 21527 233 f.ı 
Zampa. 

.Der Türkennarr. 

. Ter betrogene Jude oder der Mord im Keller. S. Nr. 86°: 
. Hanswurſis Yebenslauf. 


— 


De Reiſe. “S. Ir. 12°: 


er Zelbitmoörder. 


. Ter Raubritter von der Gildenburg. 


a. Ter Teufelsbanner oder Tr. Fauſts Yeben. ı&. Ar. 3.1 


. Ter Hofinarr. . 2. ir. 229°, 


Der gedungene Naubritter. - Z. Wr. 1802. 193 e. 211c.: 
Ter Yauberer von Titrov. 


5. Arnold Mayer, Beiträge zur Kenntnis des Puppentheaters. 143 


136. Der Menfchenfreffer. (S. Nr. 105?) 

137. Der betrogene König. 

137 a. Genovefa (in zwei Faſſungen). (S. Nr. 48.) 

138. Der Rothmantel. 

139. Hanswurſt bei Kara Muftapha. 

140. Auf der Leiter. 

141. Der Gefoppte. 

142. Die tapfere Refi. (S. Nr. 159 c. 188g. 190 a. 219 c. 234 c.) 
143. Die Seeräuber. (S. Nr. 33?) 

143 a. Schinderhannes. (S. Wr. 35.) 

143 b. Wilhelm Tell. (S. Nr. 5.) 

144. Die Räuber. (S. Nr. 155 f. 164a. 170 a. 188d. 190. d. 213 b.) 
145. Rübezahl. (5. Nr. 155 c. 192 h. 200 b. 214a.) 

146. Der FJreiihüg. (S. Nr. 175 e. 192e. 201 a. 211.) 
146 a. Der Verſchwender. (S. Nr. 60.) 

147. Die Zauberflöte. (S. Nr. 203 a.) 

147 a. Ajchenbrödel. (S. Nr. 37.) 

148. Die Wirtin zum grünen Anfer. 

149. Das Teftament des Dr. Fauſt. 

149 a. Der verlorene Zohn. (S. Wr. 57.) 

150. Die (jo!) lebendige Sopha. 

151. Das abgebrannte Haus. 
152. Das Käthchen von Heilbronn. (S. Wr. 192 d. 207 c. 214 h. 234 f.) 
152 a. Die TeufelSmühle am Wienerberge. (S. Nr. 40.) 
152 b. Dr. Fauft. (S. Wr. 3.) 

152c. Der Müller und fein Kind. (S. Rr. 14.) 

153. Die Falſchmünzer. (S. Nr. 159 h.) 

153 a. Die Räuber um Mitternadt. (S. Nr. 66.) 

154. Der Graf von Alteville. (S. Ar. 2387) 

155. Tas Bater Unſer oder die Macht des Gewiſſens. 

155 a. Don Juan. (9. Nr. 62.) 


Karoline Kirjd. 
IX. Nußgaife 12. 


1886— 1889: 


155 b. Bruder Wenzel. (S. Nr. 111.) 

155 c. Berggeift Rübezahl. (S. Nr. 145.) 

155 d. Der Müller und jein Kind. (S. Nr. 14.) 

155 e. Rinaldo Rinaldini. (5. Nr. 34.) 

155 f. Karl Moor oder die Räuber. (S. Wr. 144.) 

155 g. Don Yuan oder der Tod als Saft. (S. Nr. 62.) 

156. Die beiden Srajeln. (9. Nr. 193 b. 224 b.) 

157. Robert der Teufel. 

158. Tas Geifterfchloß zu . . . enftein. (5. Nr. 238°) 

159. Ztrumelpeter. (S. Wr. 1751.) 

159 a. Die Teufelsmühle am Wienerberg. (S. Nr. 40.) 

159 b. Roßa Sandor. (S. Nr. 51.) 

1890— 1896: 
159 c. Tie tapfere Rofa oder der Feichenraub um Mitternacht. (9. Nr. 142.) 
Pal) d. Wendelin von Höllenftein oder die Totenglode um Mitternacht. 
S. Nr. 54.) 
159 e. Andübon in der Wildniß. Indianerſchauſpiel. (S. Nr. 20.) 


144 


F. Arnold Mayer, Beiträge zur Kenntnis des Puppentbeaters. 


159 f. Afchenbrödel. (S. Nr. 37. 
159 £. Der Bruderhaß. ı Z. ir. 74) 
159 h. Tie Falſchmünzer von Paris oder die Geheimniſſe des Ardennen« 


waldes. (S. Wir. 153.) 


160. Hamlet. 
161. Tas verwunfcdene Schloß oder die Here vom Zpittelberg. Bauern: 


komödie. 


162. Lumpazivagabundus oder das liederliche Kleeblatt. ı£. Nr. 188 c. 190 b. 


195 a. 207 b. 214 b. 219 f. 


162 a. Ter Müller und fein Kind. 1S. Nr. 14.) 
163. Dr. Goldhärchen und die Prinzeifin mit der Eisrinde am Herzen. 


(2. Nr. 170 b. 175 a. 


164. Fortunatus oder die Thren der Prinzeifin von Marokka (jo!) 

164 a. Die Räuber. (S. Nr. 144.) 

164 b. Thomas der Maſſenmörder vom Bremterbafen. (X. Nr. 110.1 

165. Knecht Ruprecht oder der Weihnachtsmann. ıZ. Wr. 175 h.ı 

165 a. Schneewittchen. (9. Wr. 49.ı 

166. Tas Mädchen aus der Feenwelt oder der Bauer als Dlillionär. 


(2. Nr. 175. 182 b. 194 a. 195 b.ı 


1807: 


167. Die Gigerin von Wien (1. Ar. 175 f. 205 a. 211 b. 221 b.,, im Zchluß- 


alt: Die alte Frau Waberl von Nußdorf. 1S. Pr. 182. Zum Schluſſe: Begräbnis 
des alten und Einzug des neuen Jahres mut bengaliiher Beleuchtung. 


168. Brinzeifin Tauſendſchön oder die wilden Schwäne. 

168 a. Ein Böhm in Amerila. (S. Wr. 23.) 

169. Ter Graf von Hammerftein. ı&. Wr. 172 a. 

170. Jennewein der Wildſchütz oder das 4. Bebot. (8. Wr. 174 a.ı 

170a. Tie Räuber. (S. Nr. 144.1 

170b. Tr. Goldhärchen und die Prinzeſſin mit der Eisrinde am Herzen. 


(2. Wr. 163. 


171. Hadichi Yoja oder die Einnabme von Zeraiewo. (S. Nr. 175 c.1 
171a. Aladin oder die Wunderlampe. S. Wir. 70. 
172. Tie Rinder des Kapitän Grant. S. Wr 174 cd. 


INRIN! 


172a. Ter Graf von Hammerftein. S. Wr. 169.) 

173. Ein Nräbminfter Rırctagsfeft und feine Folgen. 

173 a. Ter Nattenfänger von Hameln. »S. Wr. 42.) 

154. Die Grafenbraut oder das Totenglöcklein von Burgthal. 

174 a Jennewen u. j. w. S. Wr. 170.1 

174 b. Ter Müller und fein Kind. (2. Wir. 14. 

I7t ce. Ton Juan oder das Totengaſimahl am Friedhof. (S. Nr. 62.1 
174.4. Tie Rınder des Kapitän Grant. 2. Wr. 172.1 

IT4e. Ein Böhm in Amerila. S. Mir 22.: 

175. Mein Leopold. ı Z. Ar. 210 4. 223”) 

175 a. Tr. Goldhärchen u. 1. w. S. Wr. 163.1 

175 b. Andreas Hofer. »S. Wr. 11.ı 

175. Hadicht Yora oder die Erftürmung von Zerajewo. iS. Ar. 171.) 
175d. Tas Mädchen aus der Feenwelt oder der Yauer als Millionär. 


(2. Nr. 166 » 


175e Ter Freiſchüt. ı 2. Wr. 146.) 
175. Tre Gigerin von Wien. 2. ir. 16%.) 
1758. Roßa Zandor. (2. Nr. 5l.ı 


F. Arnold Mayer, Beiträge zur Kenntnis bes Puppentheaters. 145 


175 h. Knecht Rupredt u. |. w. (S. Nr. 165.) 
1751. Der Strumelpeter oder der Fluch der Waldfee. (5. Nr. 159.) 


1899: 
176. Die Nordpolfahrer oder der Kampf mit den Eisbären. Zum Schluß des 


1. Altes Begräbnis u. f. w. 


177. Proſpero oder die Rache bes Yauberers. 

178. Die Wiener Touriften. Boffe. 

179. Hänfel und Gretel. (S. Nr. 200 d.) 

180. Bon der Dorfmühle in das Grafenſchloß oder fich jelbft gerichtet. 

181. Der Glockenkönig Klingerlinging oder die Mache der Brunnenfee. 

181 a. Schneewittchen und die 7 Zwerge. (S. Nr. 49.) 

182. Ein luftiger Tag in Groß-Wien, zum Schluß: Die alte rau Waberl. 


(S. Nr. 167.) 


Ichaft. 


a. Wilhelm Tell oder die Verſchwörung der fehmweizerifchen Eidgenoffen- 
S. Nr. 5.) 

182 b. Tas Mädchen aus der Feenwelt. (S. Nr. 166.) 

182 c. Thomas der Maffenmörder. (5. Nr. 119.) 

182 d. Aladin oder die Wunderlampe. (S. Nr. 70.) 

183. Macbeth oder der Königsmord um Mitternacht. 


Kohann Trappl. 
Kunft- und Zwergtheater, Wien XVII. (Hernals), Antonigaffe. 
1896 ? 
184. Unter dem Chriſtbaum, Volksſtück. 
184 a. Die Reife um die Welt. (S. Nr. 55.) 


185. Eine Naht in Venedig. 
186. Die verliebte Prinzeſſin. 


Stanz Conicella. 
XVII. Luſtkandlgaſſe 21. 
1897: 


187. Die Rekrutierung in Krähminfel. 

188. Junker Hans von Stein, Ritterfchaufpiel. 

188 a. Wilhelm Tell. (S. Nr. 5.) 

188 b. Tr. Fauſts Schußgeift. (S. Nr. 3.) 

188 c. Pumpazivagabundus. (5. Wr. 162.) 

188 d. Die Räuber. (5. Nr. 144.) 

188 e. Die Teufelsmühle am Wienerberg. (S. Nr. 40.) 

188 f. Der Barometermacher auf der Zauberinjel. (S. Nr. 21.) 

188 g. Die tapfere Roſa oder der Leichenraub um Dlitternadht. (S. Nr. 142.) 
188h. Ein Böhm in Amerila. (S. Nr. 23.) 

188 1. Kafpar als Wunderdoftor von Paris. (5. Nr. 68.) 

188 k. Der Müller und fein Kind. (S. Nr. 14.) 

189. Trefffönig oder das Wiederfinden auf dem Friedhof. (S. Nr. 217 a. 


219 a. 219g.) 


189 a. Fridolin oder der Gang nah dem Eifenhammer. (S. Nr. 134.) 
Ebenda jpielte im Winter 1898 
Franz Feipert, 
deifen vollftändiges Repertoire aus folgenden Stüden beftand: 


189 b. Der Müller und fein Kind. (S. Nr. 14) 
189c. Don Juan. (©. Nr 62.) 


Euphorion. VII. 10 


146 


5. Arnold Mayer, Beiträge zur Kenntnis des Puppentheaters, 


190. Tie Drachenhöhle bei Rötelftein. 

1% a. Die tapfere Roſa oder Bertrauen auf Gott. (S. Wr. 142.) 

190 b. Fumpazivagabundus oder das liederliche Kleeblatt. ı 2. Nr. 162.) 
190 c. Der Perfchwender. (Z. Nr. 60. 

190 d. Die Räuber. (S. Nr. 144.) 

191. Die Räuber auf Maria Kulm. ı 2. Nr. 206 c.) 

192. Der verlorene Orden des Königs. 

192 a. Der bairifche Hiefel. (S. Ar. 124.1 

192 b. ze Gefangene in der Türke. (S. Nr. 15.) 

192 c. Dornröschen. (9. Nr. 13.ı 

192 d. Käthchen von Heilbronn oder das heimlihe Bericht. (S. Nr. 152.: 
192 e. Der Freiſchütz. (S. Nr. 146.1 

1921. Tas tapfere Schneiderlein. ıS. Nr. 56.) 

192 g. Kaiſer Jofef und die Glüdswaberl. 1S. Nr. 5%.) 

192 h. Rübezahl der Berggeift. \<. Nr. 145.) 

192 i. Rotkäppchen. (S. Wr. 43.) 

192 k. Genovefa, (S. Wr. 48.) 

193. Kaſpar am Yunpenball. (2. Wr. 211 a. 225 a.) 

193 a. Wendelin von Höllenſtein oder die Zotenglode um Witternadt. 


(S. Nr. 54.) 


(u 


193 b. Tie beiden Graſelu. 1S. Nr. 156.1 

193 ce. Hinfo der Freiknecht oder König Wenzel von Böhmen. (3. Nr. 30. 
193 d. Foltor Fauſt. ıS. Nr. 3.1 

193 e. Die verwunſchene Brinzeffin. ı<. Wr. 75.1 
1093. Roßa Zandor. ıZ, Wr. 31.) 

193 g. Fridolin oder der Gang nad dein Eiſenhammer. (2. Nr. 134 ı 
194. Tie Räuber von Hermannitadt. 

194 a. Tas Mädchen aus der Feenwelt oder der Bauer als Millionär. 


. Nr. 166.) 


194 b. Aichenbrödel. . 2. Wr. 37. 

194 c. Ter Barometermacher auf der Zauberinſel. S Nr. 21.) 
194 d. Ein Böhm ın Amerika. S. Nr. 23. 

194 e Rinaldo Rinaldini ı 2. Nr. 34. 

194 f. Die Teufelsmühle am Wienerberg. 1S. Nr. 40.1 

194g. Kaſpar auf Reiſen. ıZ. Sir. 12. 

194 h. Schneewittchen. S. Wr. 40. 

1941. Tie Reiſe um die Erde in 50 Tagen. 1S. Wr. 55 ı 


Aler. Barth. 
III. Weißgärberſtraße 2. Als „Regiſſeur“ unterzeihnet A. Steidl. 
1390: 


191xk. Raiverl als Prinz. -Z. Wr. 112. 

195. Albert und Pertba oder Nafperl im Sack. ı 2. Nr. 254° 
195 a. Lumpazivagabundus. »S. Wr. 162. 

195 b. Tas Mädchen aus ter Feenwelt. S. Nr. 166. 
105c. Die Teufelsmühle am Wienerberg. S. Wr 40. 
195 dl. Rotfüppchen. S. Sir. 43. 

19%e Der Alpenkönig und der Menichenfeind. : 2. Wr. 45.) 
195 Tas Glück vi blind, 

197. Naipar unter den Wildichügen. : 2. Wr. 27: 

197 a. Alı Yaba und die vierzig Räuber. „S. Wr. 50.) 

197 b. Tas Eulenſchloß. S. Wr HL. 

tor. Tas geraubte Grafenkind. 


5. Arnold Diayer, Beiträge zur Kenntnis des Puppentheaters. 147 


199. Schuri buri, buri fchuri, bim, bam, buff oder (nach einer anderen An— 
fündigung): Kaiperl al3 Bergknappe. 

200. Kaſperls Reiſe im Luftballon. 

200 a. Die ſieben Raben. (S. Nr. 13.) 

200 b. Ribezahl der Berggeift. (S. Wr. 145.) 

200 c. Der Barometermader auf der Zauberiniel. (S. Nr. 21.) 

290 d. Hänjel und Gretl. (S. Wr. 179.) 

200 e. Schneewittchen. (9. Nr. 49.) 

201. Die gute und die böje Fee. 

201 a. Der Freiſchütz. (S. Wr. 146.) 

201 b. Ajchenbrödel. (S. Ar. 37.) 

202. Die ftolze Hildegarde. 

202 a. Der Berichwender. (5. Ar. 60.) 

203. Der arthetiiche (jo!, Brunnen. 

203 a. Die Zauberflöte. (S. Nr. 147.) 

204. Waldkönig Paurin. 

205. Die beiden Waiſen. 

205 a. Tie Gigerin. (5. Nr. 167.) 


L. Buchberger. 
Spielte im XVIII. Bezirke, an verſchiedenen Orten. 
1894 - 1896: 


205 b. Ritter Blaubart. (S. Ar. 29.) 
206. Kaipar als Gefangener in der Türkei. (S. Wr. 15°) 
206 a. Alpenfönig und Menſchenfeind. (S. Nr. 45.) 
206 b. Aichenbrödel. (S. Nr. 37.) 
206 c. Die Räuber auf Maria Kulm oder die Kraft des Glaubens. (S. Nr. 191.) 
207. Ellinora oder die wohlthätige Fer. 
207 a. Die Weihnachtsfee. (©. Nr. 46.) 
207 b. Yunnpazivagabundus u. j. w. (S. Wr. 162.) 
207 c. Käthchen von Heilbronn und das heimliche Gericht. (3. Ar. 152.) 
207 d. Der geftiefelte Kater. (S. er. 106.) 
207 e. Ajchenbrödel in der Küche. (S. Nr. 377) 
208. Orpheus in der Unterwelt. (9. Nr. 220 c.) 
208 a. Genovefa oder die unglüdliche Pfalzgräfin von Trier. (S. Nr. 48.) 
208 b. Rotkäppchen. (5. Wr. 43.) 
209. Ein Traum. Großes Ausjtattungsjtüd. (S. Nr. 240?) 
210. Die Geiftermühle. 
211. Udine das Fiſchermädchen. 
211 a. Der Pumpenball. (S. Nr. 193.) Im 3. Akt Ballet. 
211 b. Tie Gigerln von Wien. (5. Nr. 167.) 
211c. Fridolin oder der Gang nad) dem Eiſenhammer. Großes Ritter- 
Ausftattungsftüd. (S. Nr. 134.) 

211d. Der Müller und fein Kınd. (Z. Jr. 14.) 

1898— 1899: 
211e. Alpentönig und Menſchenfeind. (S. Nr. 45.) 
211 f. Der Freiſchütz. (S. Nr. 146. 
212. Flick und Flock oder der Kaipar am Meeresgrund. 
213. Raifer Joſef und die Schuiterstochter. 
213 a. Dr. Faufts Lebensthaten. Zum Schluß Höllenfahrt. (S. Nr. 3.) 
213b. Die Räuber. (5. Nr. 144.) 
213c. Der Barometermacher auf der Zauberinfel. (S. Nr. 21.) 

10* 


148 F. Arnold Mayer, Beiträge zur Kenntnis des Puppentheaters. 


214. Alchenbrödel am Grabe. Am 3. Akt großes Ballet. 

214 a. Rübezahl der Berggeift. (S. Nr. 145.) 

214 b. Lumpazivagabundusg. (S. Wr. 162.) 

214 c. Genovefa. (S. Wr. 48.) 

214 d. Der geftiefelte Kater. (S. Nr. 106.) 

214 e. Schneewittdien und die 7 Zwerge oder die Braut im gläfernen Zarg. 
(E. Nr. 49.) 

214 f. Die Teufelgmühle am Mienerberg. (S. Wr. 40.) 

214g. Ein Böhm in Amerifa. Großes Ausftattungsftüd. (S. Nr. 23.) 

214 h. Das Käthchen von Heilbronn oder das heimliche Gericht. (S. Nr. 152.) 

215. Tie Belagerung von Sebaftopol. 

215 a. Tie beiden verffeideten Wunderdoftoren von Paris. (S. Nr. 125?) 

216. Prinz Wunderhold und Prinzejfin Tauſendſchön. (S. Nr. 224 a.) 

217. Von Stufe zu Stufe. (2. Wr. 219 h. 220 b. 234 bh.) 

217 a. Trefifönig oder das Wicderfinden am Friedhof. (S. Nr. 189.) 

218. Ein dunkles Geheimnig. 

219. Ter verzauberte Hirt oder der Geifterfeller. Zufammtengeftellt von X. 


Freudenreich. 
Johann Fleck, 
Buchbergers Gehilfe, beſaß an Manujfript 1809: 


219a. Der Treffkönig. (S. Nr. 189.) 

219 b. Von Stufe zu Stufe. (S. Nr. 217.) 

219 c. Der tapfere Roſa oder der Yeichenraub um Mitternacht. (S. Ar. 142.) 
219 d. Mein Peovold. S. Nr. 175.) 

219e. Graf Paquafil oder Fürſt Alerander von Pavia. (S. Ar. 15.) 


Florian BYadhonet, 
Erſtes Zalon Miniatur Theater, Wien XVIII, Haizingergafie 4 und fonft. 
1897 — 1898: 

219. Yınnpazıvagabundus. (Z. Nr. 162.) 

219g. Ter Trefflönig oder das Wiederſehen am Friedhofe. (S. Nr. 189.) 

220. Chriſtoph Columbus oder der Eutdeder Amerikas. Hiſtoriſches Schauſpiel. 

220 a. Kaiſer Joſef II. im Volte. (S. Wr. 8.) 

220 h. Yon Stufe zu Stufe. (S. Nr. 217. 

220 c. Orpheus in der Unterwelt. (S. Nr. 208 ) 

221. Der ſeltene Gaſt oder der Vatermord. Ritterſtück. 

221 a. Wendelin von Höllenſtein. „S. Nr. 54.1 

221 b. Lie Gigerln von Wıen. S. Yir. 167.1 

221 0. Ein Böhm in Amerika. S. Wr. 23.) 

222. Tie tote Braut. Ritterichaufpiel. 

223. Dein Yeopold oder das „zafjelrutichen. Bearbeitet von Fl. Lesner. 
(S. Wr. 175% 

224. Ter Torflump. Yändliches Volksſtück von A. Vogl. 

1840: 

224 a. Brinz Wunderhold und Prinzeſſin Taufendichön. (3. Nr. 216.) 

224 b. Jobann Georg Grasl von Horn. S. Wr. 156.) 

225. Tas Joclreuz oder der Protzenbauer von Zehnerhof. Pändliches Volks⸗ 
ftüd mit natürlichem Waſſer und Regen. 

225 a. Der Lumpenball oder der verbängnisvolle Affe. Mit Feuerwerl. 
(9. Wr. 103.1 

226. Ter Tod als Gaſt. Ritterluſtſpiel. 


F. Arnold Mayer, Beiträge zur Kenntnis des Puppentheaters. 149 


227. Ein leichtes Blut. Volksſtück. 

228. Der Geiſt Abraladabra. Räuberluftfpiel. 

228 a. Kaſperls Reije-Erlebniffe. (S. Nr. 12.) 

228 b. Bruder Wenzel oder Glüd auf! Nur für diefe Bühne infceniert von 
forian Bachonel. (S. Nr. 111.) Zum Schluß: Großes Theater-Abjchiedsfeft, ver- 
unden mit Gratis-Lotterie. 


Emma Grüttner, 


als Direktorin, für die „Regie“ ift unterzeichnet Johann Schöneder aus Berlin. 
Spielte 1898 in Hading bei Wien (XIII. Bezirk), Aubofitraße Nr. 205: 


229. Ein Hofnarr in der Türkei. (S. Nr. 133?) 

230. Die gefangene Königstochter oder der Zweikampf im Urwald. (S. Nr. 69?) 
231. Das 7. Gebot oder unjchuldig verurteilt. 

231 a. Die 3 goldenen Zauberfedern. (S. Nr. 26.) 

231 b. Der verlorene Sohn. (S. Nr. 57.) 

231 c. Der ſchwarze Graf oder die Räuber von Campagna. (©. Nr. 63.) 
231. d. Oberon der Eifenkönig oder der Königsmörder. (5 Nr. 95.) 

231 e. Ali Baba und die 400 Räuber. (S. Nr. 50.) 

231 f. Ein verlorenes Leben. (S. Nr. 81.) 

232. Die Rache des Wildſchützen. 

233. Rübezahl oder der luftige Schneider. 

233 a. Don Yuan oder der Sohn der Hölle. (S. Nr. Fe 

233 b. Genovefa die ungiuckiche Pfalzgräfin. (S. Nr. 48. 

233 c. Dr. Fauſt. (S. Nr. 3. 

233 d. Heinridy von Eichenfel$ oder der Prinzenraub. (S. Nr. 94.) 


Johanna Schallmaper. 
Wien (XV.) Fünfhaus, Tellgaffe 12. 


1891: 


233 e. Graf Pakrafiel oder die Gefangenen in der Türkei. (S. Nr. 15.) 
233 f. Zwei verfleidete Doktoren. (S. Nr. 125.) 

234. Der gejchundene Raubritter. 

234 a. Genofeva. (S. Nr. 48.) 


8, Stadella, 
Miniatur-Theater, Wien XVI. Hajnerftraße 4. 
1897: 


234 b. Bon Stufe zu Stufe. (S. Nr. 217.) 

234 c. Der Leihenraub um Mitternacht. (S. Nr. 142.) 
234. d. Kaiſer Zofef II. im Volke. (S. Nr. 8.) 

234 e. Der Müller und fein Kind. (S. Nr. 14.) 


T. 3. Rofjenbaum, 
Bien (XVI.) Neulerchenfeld, Grundfteingaffe 9. 
1892: 


234 f. Käthchen von Heilbronn. (S. Nr. 152.) 
234 g. Dr. Fauſts Höllenfahrt. (S. Nr. 3.) 
235. Othello der Mohr von Benedig. 
Nach jeder VBorftellung ein luftiges Nachſpiel mit Muſik. 


150 Miscellen. 


J. Jourdan, 
Heiligentrenz in Riederöſterreich, 1808: 
235 a. Lie Teufelsmüble am Wienerberge. S. Wr. 40.) 
236. Kaſperl als Yebensretter. 
237. Ter Kaufmann von Venedig. 


Außerdem babe ih aus den Jahren 1886 — 1802 noch eine Reihe von Stücken 
notiert, ber denen mir die Namen dev Zpieler feblen. So: 


— 


238. Das Geiſterſchloß von Longeville. »Z. Nr. 1542 158°) 

239. Zwergmännchens Wundergaben. 

240. Der Traum des Königs Summaſummarum. Romant. Feenmärchen. 
(5. Nr. 09” 

241. Tas Zauberihwert. Ritterſchauſpiel. 

242. Ter Courier des Czaren. 

243. Tie luftigen Weiber von Windior 

244. Der furierte Raritätenfammler. 

245. Robinſon Cruſoe. 

246. Tie Zauberroſe des Naiperi Lary Fary 

247. Khalif Storch. 

248. Mar und Moris oder die schlimmen Auben. 

240. Adrian mit dein Jauberſpiegel. 

250. Kaiſer Motbart. 

251. 20000 Meilen unterm Vieer. 

252. Die Nr er von Trleans. 

253. Der Zauberichleter. 

254. Ter böſe Geiſt Rigromantius oda Pirrot im Zaf. 2. Nr. 1057 

255. Rirrot als Prim. S. dr. 112% 

256. Tie Traube oder der ſchwarze Dietrich. 


Miscellen. 


Aus dem Tagebuch eines württembergifden Regimentsarztes 
im Niebenjäßrigen Strieg. 


1. 3ur Charakterifik von Schillers Vater. 


Emanuel Schneider von Bern machte als Negimentsarzt in württem- 
giihen Tienſten vier Rampagnen ım ſiebenſährigen Nriege mit; er führte ein Tage: 
buch und arbeitete dieſes in ipäteren Jabren für feine Kinder aus. Daraus follen 
diejenigen Ztellen herausgehoben werden, in welchen Zchneider mit Joh. Kafpar 
Schiller, dem Vater des Tichters, verfebrte 

Nach der zweiten Kampagne ım Mar 1750 wurde Zchneider als Regiments: 
feldicherer des Regiments von Woman nah Baihingen an der (Enz verjeßt. Gr 
fand den Regimentsmedikamententaſten ın äußerst mangelhaftem YZuftande und 
fonnte vorübergehend durch die Mithilfe des Yıratenanten und Adjutanten Schiller 
bei einem Yaboranten die notwendigiten Arzneimittel fich verichaften. „Schiller war 
zuvor jener Metiers Ehirurzug und dabeı cin ſehr geiheiter Mann.” Schneider 
batte fünf Tage Arreſt abzuſißen, weil zwischen ihm und dem Feldmedikns ein fehr 


Miscellen. 151 


geſpanntes Verhältnis beftand. Der Adjutant Schiller hatte Schneider den Befeh- 
zu überbringen, den Degen abzufordern und auch wieder zuzuftellen. 

Am 28. Oftober 1759 rüdte das württembergiſche Korps zur franzöftfchen 
Armee ab. In Kalbad) im Fuldaifchen (19. November) waren die Quartiere fo 
enge, dag Pieutenant-Adjutant Schiller, Schneider und zwei andere Offiziere beim 
Oberſten Quartier fanden. „Der Herr Oberſt hatte fein eigenes Feines Zımmerlein 
und wir vier lagen in des Bauern Wohnftube auf der Streue (Stroh). Wir 
jpeiiten beim Herrn Obriften. Hier mußte meine ftählerne Rauchtabatdofe herhalten. 
Ten Kaffee zum Dejeunieren und zum Nachtiſch jchaffte der Herr Oberft an, Herr 
Yıeutenant Schiller röftete denfelben in einem eijernen Pfännfein. Nachdem er 
geröjtet war, wurde er in eine Serviette eingewidelt. Ich mußte mit einem Beil- 
fopfe oder dem dien Zeil eines Handbeiles die Bohnen rein zerffopfen und nachher 
durch meine Tabaksdoſe durdyfieben. Herr Lieutenant Schiller kochte denfelben in 
einer Pfanne, goß ihn hernach in einen irdenen Hafen und jo wurde er auf des 
Herrn Oberſten Tiſch gebradht und mit Rahm und Zucker getrunken.“ 

Nah dem unglüdlichen liberfall bei Fulda (30. November 1759) zog ſich 
das wäürttembergifche Korps in die Winterquartiere in die Maingegenden. Im 
Anfange des folgenden Jahres ftand das Regiment, in welchen Schneider diente, 
bei Heidingsfeld am Main. Am 16. Mai morgens machte Schneider mit Haupt: 
mann von Pfuhl und Auditor Weinmann eine Erkurfion nad) Würzburg, welches 
ſechs Stunden von Heidingsfeld entfernt war. „Wie ich dafelbft anlangte, bejuchte 
ich fogleidy meinen Freund, Lieutenant und Adjutant Schiller, der im Wirtshaus 
zum — nahe an der Brüde am Mainfluß einquartiert war. Ich ward nebft feiner 
Frau Piebften, die ihm ins Winterquartier nachgefolgt war, recht freundichaftlich 
empfangen. Ic mußte mit ihnen zu Mittag jpeifen.” Da Schneider bei bem 
Kriegstommiffär wegen feiner Forderungen fich melden wollte, fo bejorgte Schiller 
die Vermittlung und Schneider wurde vollftändig entjchädigt. Die Nacht bradıte 
Schneider in der Wohnung Schillers zu. Am folgenden Tage führte Schiller die 
Offiziere in der Stadt herum und zeigte ihnen unter anderm die Kopernifanifche 
Uhr mit Sonne, Mond, Sternen und dem ganzen Kreislauf, verfertigt von einem 
Zurzbuneer Tiſchler. Nach dem Mittageſſen ritten die Herren nad) Heidings- 
feld zurüd. 

Am 21. Juni langte endlich der Kranfentransport im Generalhofpital auf 
Hohenafperg an; am folgenden Tage meldete fih Schneider auf der Parade beim 
Herzog und bezog Quartier in Wennenden. „Hier wurde ich gar freundichaftlich 
auf der Tarade von fämtlichen Offizieren begrüßt, vorzüglich von meinen Herzens⸗ 
freund, Pieutenant und Adiutant Schiller, der diesmalen wieder beim Stabe war 
und den der Herr Oberft wegen feinen Fähigkeiten nicht entbehren konnte.” Am 
Mittagstifch, zu melden Oberft von der Gabelent die Offiziere eingeladen hatte, 
fanden ſich auch die beiden Freunde, Schiller und Schneider wieder ein. 

Die vierte Kampagne führte das wiirttembergiiche Korps an die Elbe und 
Zaale. In Halle hatte der Oberſt von Gabelent Quartier, alſo auch Schiller und 
Schneider. Der ganze Stab madıte dem Waiſenhauſe einen Beſuch (September 1760). 
Auch ſonſt fehlten die beiden Herren nie, wenn der Oberft zur Tafel einlud, oder 
jeine Bejuche bei vornehmen Herren und Damen abftattete. Am 1. Januar 1761 
hatte das wäürttembergijche Korps wieder heimatlichen Boden betreten und das 
Regiment des Oberften von der Gabelent nahm Quartier in Urach. Am 28. Fe— 
bruar, am Geburtstage, wurde der Oberft zum Generalmajor und Schiller zum 
Stabshauptinann befördert. Tamit waren allerlei FFeftlichkeiten verbunden. „Haupt- 
mann Schiller, Auditor Weinmann und ich haben acht Tage darauf ein jelbft 
verarbeitetes Feuerwerklein auf einer Anhöhe bei der Stadt zu Ehren des Herrn 
Generals abgebrannt; die Granaten haben wir von Hand geworfen. Bei diejem 
Antaffe habe ich eine derfelben zu lange in der Hand behalten und mährend des 
Wurfs, da fie Einem aus der Hand war, zerplatte fie, ftreifte an dem rechten 


152 Miscellen. 


Schoß meiner faft neuen Uniform und bejengte es, jo daß ich es babe wenden 
laffen müſſen.“ 

Ein Lieutenant von Kotau, ein Verwandter des Herzogs, war eines TDieb- 
ftahl8 dringend verdächtig. lm dem Herzog gegenüber ſich feine Blöße zu geben, 
war die äußerte Vorficht nötig. Hier zeigte Hauptmann Schiller feinen Takt und 
feine Gefchidlichkeit und es gelang, den Angeklagten zu überführen. 

Da nun von Kriegszügen nicht mehr dic Rede war, überließen fih die Cffi- 
ziere friedlichen Yiebhabereien und Schneider hatte den Auftrag, Käfe und Zchab- 
zieger aus der Schweiz für feinen Chef zu beforgen. „Für mid) habe ich einen von 
den zwei erhaltenen Schabziegerläſen behalten und jelbigen mit meinem lieben 
Fremd Hauvtmann Schiller geteilt.“ 

Im ftober 1761 erhielt Schneider den erbetenen Abjchied und da war es 
Hauptinann Schiller, der das Schriftſtück überbrachte „Am 18. Rovember nahnı 
ih Abjchied von meinem lieben Freund Hauptmann Schiller und feiner Frau 
Liebſten und Kindern, welches nicht ohne Rührung zuging. Morgens drauf machte 
ih ıhmen nod) ein Praejentlein von Zuder, Kaffee u. ſ. w.“ Zchneider hatte eben 
feine Studien in Straßburg begonnen, als die Anfrage wegen Eintritt in württem- 
bergiſche Dienſte kam; nun febrte er dortbin zurüd, um noch anatomiiche und 
chirurgiſche Kurſe zu befuchen. Er war jchon während der Kampagnen vom ſo— 
genannten falten Fieber häufig heingeiucht worden; dies überfiel ihn auch in 
Straßburg, hielt ihn einen Monat feit und ftörte ihn im Beſuche der Spitäler. 

n jehr gedrüdter Stimmung fchrieb er am 8. Januar 1762 einen Klagebrief an 

hiller, worauf diefer am 24. Januar antivortete: Monsieur Schneider. 
Chirurgien Major, loge chez Mr. Saupe Chirurgien jure et conseiller, demeure 
sur la place des poissons a Strassbourg. 

„Monsieur et tres cher ami! Ta Sie mich beiier kennen als jemals andere 
vermögend find, deren Gemütskaraltere von unferer Tenfungsart immerdar weit 
entfernt wird, fo iſt mir Ihre Zuſchrift cine wahre Ehre. Schägen Sie felbft, mein 
verchrtefter Herr Regimentsfeldfcherer, wie ſehr ıch mit Ihnen wegen Ihrem lang- 
wicrigen Fieber Mitleiden babe. Tenten Sie nicht, dag es eine Strafe für Sie 
jei; keineswegs! Zo wenig wir die Wege der Vorſehung vorausichen, eben fo leicht 
fallen wir in Irrtum und Vorurteile. Die Zeit wird es erllären, daß dieſe zwiſchen 
Ihre Abfichten gekommene Hindernus Ihnen beilfam geweſen ift. Yaflen Zie Ihren 
Troft fein, daß Ihr freier Mille an dieſer Unpäßlichkeit feinen Zeil bat, daß Sie 
alle mögliche (Hegenanftalten vorgelehrt und weder Zeit noch Koften menagiert 
haben. Erwarten Sie in Geduld der Hilfe Gottes und feine Wege werden Ihre 

anze Zukunft verberrlihen. Wie weit würden wır wohl lommen, wenn wir ung 

Feibrt überlafjen unſer Schickial nach unsern ſehr mangelbaften Begriffen und Ein⸗ 
fichten beftimmmen lönnten? Wahrhaftig, wir würden ın unauflösliche Zweifel und 
Yabyrintbe geraten. Yapt uns dahero alle Yegebenbeiten unſeres Lebens als not- 
wendige Folgen anfchen, die von der weiſen Borficht in dem Gencralplan unierer 
wahren Slüdicligkeit, noch che wir zu einem Etwas geworden, beftimmt geweſen, 
und wenn fie nicht eritieren follten, eınen Mangel in dem YZufammenbange der 
Weit machen würden. 

Ich befinde mich nebit ıncıner Kleinen Famille zum Yobe Gottes gejund und 
wohl. Für Ihren freundichaftlihen Neuſahrswunſch danke ıch recht berzlih und 
wünsche dagegen alles wahre Wohlergehen, cmpfeble mich zu Ihrem Andenfen 
und bin nebit Kompliment von meiner Gattin ın zärtlicher Freundſchaft und Hoch 
achtung Monsieur et tres cher ami votre sincere et tres adonne ami et 
serviteur Schiller capitain. a Cantstatt le 24. Janv. 1762. vous plait il me 
repondre et mème entretenir un petit comerce de lettres? vous nı'en feres 
un a»ses grand plaisir " 

Schneider verließ Ichon im März, Ztraßburg, um in feiner Vaterſtadt Bern 
eine Stelle als Arzt am äußern Kranfenbanie anzutreten; er ftarb 1806. 


Miscellen. | 153 


Minor, Schiller 1, 15 läßt die Gemahlin Schillers nidt nad) Würzburg 
fommen: „So gut wie einer Landsmännin, welche unter ganz gleichen Umftänden 
und Berhältniffen ihren Manne im Januar 1760 ın das Winterquartier nad) Würz- 
burg folgte, wurde es der Mutter Schillers nicht: nur ein Brieflein und viele 
Grüße durfte fie durch die abreifende Freundin beftellen.” Allerdings war das für 
den Januar richtig; aber im Mai fand Schneider das Ehepaar in Würzburg bei- 
fammen. 

Minor läßt Schiller nad der zweiten Kampagne in Winnenden (S. 13), 
nach ber dritten in Baihingen (S. 15) Winterquartier nehmen. Nad) Schneiders 
Aufzeichnungen geht Baihingen voran; dann folgt Winnenden. 

Minor S. 15 fett den 17. Auguft 1761 als den Tag an, an welchem Schiller 
zum Hauptmann befördert wurde. Dies geſchah am 28. Februar, am Geburtstage 
des Herzogs. 

Im Feuilleton der Neuen Zürcherzeitung (Beilage zu Nr. 202, 23. Juli 1899) 
werben aus dem „Schwäbifchen Merkur” Mitteilungen gemacht iiber den Aufenthalt 
von Schillers Mutter in Würzburg. 

Geftügt auf die Ausfagen von Ehriftine Kölen (G. Schwab, Urkunden über 
Schiller und feine Familie) nahm man bis jett an, Schillers Mutter jei im Früh— 
ling des Jahres 1768 nicht bei ihrem Danne in Würzburg gemwejen. Schneiders 
Bericht hebt aber jeden Zweifel auf, zumal da auch andere Beitbeftimmungen mit 
den Angaben in „Stadlingers Geſchichte des württembergiſchen Kriegsweſens“ 
durchaus übereinflimmen. 


2. Ein wärttembergifies Mriegslied. 


In das Tagebuch eingelegt fand ſich das Manuffript eines Kriegslicdes vor, 
als deffen Berfaffer am Rande Friedrid Zimmetshäuſer vom Prinz Friedrich 
Wilhelmiſchen Infanterieregiment genannt ift. Diefen Dichter lernen wir als einen 
Kriegsgejcllen Schneiders fennen. In der vierten Kampagne hatte das Regiment, 
welchem Schneider zugeteilt war, bei Gräfenhänichen „der Baterftadt des berühmten 

eichrten und frommen Profeſſors Gellert zu Leipzig“ Lager bezogen. Da aber die 

arfetender noch nicht angelangt waren und der Bejud des Städtchens verboten 
war, war man froh, von Feilträgern etwas Branntwein und Badwerk laufen zu 
fönnen. „Ein jchon bejahrter Fähndrich von unſerm Regiment, Namens Zimmets— 
häuſer, der ehevor Fourier gewejen, animierte mich, etwelche Gläslein Brannten- 
wein mit ihın zu trinfen, deſſen er, wie des Weines, ein großer Liebhaber war. 
Ich ließ mich überreden, weil es froftig Wetter und jonft weıter nichts zu belommen 
war. Es bat mir aber fehr übel zugefchlagen; denn den ganzen Tag war ich davon 
jo fturm, daß ich faft zu nichts tauglich war. Ad) hätte als Regimentsfeldicherer 
follen wigiger jein.“ 

Bis anhin kannte man nur Kriegslieder aus dem preußifchen Lager und von 
öfterreichiicher Seite einige Verſuche von Denis (Preußifche Kriegslieder von einem 
Grenadier, herausgegeben von Auguft Sauer. Deutjche Litteraturdentmale des 
18. Jahrhunderts Nr. 4, Heilbronn 1882).!) Das mitgeteilte Gedicht ftammıt aus 
dem franzöftiichen Lager, dem die Württemberger zugeteilt waren. Während die 
preußifchen Kriegslieder in warmen patriotiihen Tone gehalten find, faßt der 
Württemberger Creigniffe und Folgen in berichtenden Skizzen zujammen, bie N 
des Landgrafen von Hellen (Strophe 1—3), das Treffen bei Sandershaufen (4—10), 
das Treffen bei Lutternberg (11—21). Hier fpricht die Kühlheit des geworbenen 
Soldaten und diefe legt am Schluffe noch den legten Anflug friegeriihen Sinnes 
ab in der letzten Strophe, welche die Verantwortung der unjeligen Kriege auf die 
regierenden Häupter wirft. 


1) Herr Brofeffor Dr. Sauer macht mid) nod) aufmerkſam auf Dithfurth, 
auf die Öfterreichiiche Revıe 1866 und auf Euphorion 3, 19. 


154 Miscellen. 

Aus der Bergleihung mir den Schlacht“ erichten Geſchichte des ftebenjäbrigen 
Krieges in Deutichland, als cine Fortjesung der Geſchichte des General Lioyd von 
G. F. von Tempelhof, königl preußiſchen Obriſtlieutenont. 2 Teil. Berlin 1785, 
und aus Arnold Schäfer, Geſchichte des ſiebenjäührigen Krieges. 2. Band. 1. Ab— 
teilung. Berlin 1870) ergiebt ſich, daß der Berfafter den Verlauf der Gefechte genau 
beobachtet und die enticheidenden Vorgänge in fcharf gefaßten Zügen in Verſe 
gebracht hat. 

Mährend die Gleimichen Kriegslieder in die Ztrophe des alten engliichen 
Tanz- und Nriegstiedes von der Chevy-chaſe gefleidet find, läuft das beſprochene 
Gedicht ın jechszeiligen Strophen, deren Verſe aus jambifchen Timetern beiteben. 
Ter dritte umd ſechſte Vers geben in männlichen Reimen aus, während die übrigen 
Verſe meiblihe Reime tragen. 

Ter Anhalt, der aus dem Zoldaten den Menichen iprechen läßt, die Mare, 
präciie Stidicrung dev Vorgänge und die gewandte Behandlung der metriichen 
Form verraten einen Maun, der in feiner beicheidenen militärifchen Stellung über 
eine bedentende Bildung verfügte und To mit Recht ein würdiger Kriegsgenoſſe 
Johann Naivar Schillers genannt werden darf. 


Hellen. 


1. 
Mars börcet noch nicht auf zu wüten, 
Der Yandınann flieht aus ſemer Hütten, 
Der Bürger zittert in der Ztadt. 
Der Yandesherr erichridt und fraget: 
Warum ſein banges Volke zaget, 
Und was es zu beförchten hat? 

n 


Die Antwort dringet ihm zum Ohren, 
Der Feind fteht Schon vor unfern Thoren. 
Dies höret er, erichridt und ſchweigt. 
hnn jammern jene Untertanen, 
te ihn bereits zum Flüchten mahnen, 
Erbarımend folget er und fleucht. 
3 


Er kann fich währendem Entflieben 
Der bitten Thränen nicht entziehen. 
Er blicket auf fen Pand zurück: 
(Hort helfe dır, du arme Gegend! 
(u veden tit er unvermögend 
Denn dies jagt nur jſein trener Aid. 
4. 

Sein Heer, fo nebit den taviern Britten 
Schon wider viele Feind geftritten, 

N allzuweit zur Hülf entfernt. 

och kaum es dieſe Poſt vernommen, 
Als es dem Yand zur Hülf zu kommen, 
Geſchwinde Müäriche machen lernt. 

5 

Es ſuchte nach Marpurg zu tringen; 
Allein es wollte nicht gelingen, 
Der Franze wieie es zurüd. 
Stracks mußte es dann rückwärts fliehen, 
Zur Sicherheit nach Kaſſel ziehen: 
Daſelbſt paihterte es die Brück. 


Die Heſſen ſetzten Me auf Höhen, 


Ta Frankreichs Völker unten fichen, 

Und warten da den Angrifi ab. 

Lie Jäger, fo in Büſchen fteden, 

Und ıhre beede Flanken deden, 

Vereiten manchem fchon das Grab. 
7. 


Doch, da nach zweimal Repouſſieren 
Die Frantzen mutig avanzieren, 
So kann der Heſſe nicht mehr ſtehn. 
Er flieht und eilt mit vollen Schritten, 
Der Franve folgt mit gleichen Tritten, 
Vis Tag und Sonne untergehn. 

* 


Zu dieſes Sieges beſſerm Zeichen 

Zeigt ſich ein Heer von Heffen-Yeichen, 

Ron Blut und Graus ganz überſchwemmt, 

Halb tot, balb lebend, untermenget, 

Heichoiien oder tot geiprenget, 

Bon Menſch und Pferden aufgedämmmt. 
9 


Nun muß der Landmann Gelder zahlen, 
Zum Proviant die Früchte mahlen, 
Zonit folget Execution. 
Tas Futter wird teils zugeführet, 
Teils auf dem Felde fourachieret, 
Das hat das arme Land davon. 

10. 
Da fiehet man die Groß und Kleinen 
Ganz heimlich in den Winkeln weinen, 
Die Augen trocknen niemals aus. 
Auf allen Auen und den Fluren 
Zieht man des wilden Krieges Z puren 
Mit Blut, Berwüftung und mit raus. 


Miscellen. 159 


11. | 16. 
Und nun durdy ihre ftarte Waffen Der tapfere Arm von Wittelinden 
Sich und dem Lande Recht zu fchaffen, Ließ fi durchaus nicht überwinden; 
Rückt Heſſe und Hannover an. Er drang durd) Dorn und Sträuder ein. 
Bon yerdinanden unterftüßet, Doch ınıtten in dem llebermwinden 
Bon Berg und Walde ftark beſchützet, Wünſcht fid) das Herz der Wittelinden, 
So ftehen viele taufend Dann. Ihr Feind möcht” Türk’, nicht Chrifte fein. 
12. 17. 
Zie warten alle mit Verlangen, Bon vornen rüdten Frantz und Schwaben, 
Die Franken höflich zu empfangen. Churpfälzer ſamt den Schwitzerknaben 
Allein die Zeit war noch nicht da, Im vollen Feuern herzhaft bei. 


Bis dann Frantz, Schwab und Wittelinden | Nun ftugt der Feind; er vetirieret 
Nebſt den Rheinitromern fi eimfinden | Und ohn geheigen avanzieret 
Und der Kanonen Schuß geichah. Des Königs edle Neuterci. 

13 18. 
Wie, wann von Blitz und Tonnerkrallen 
Die Leute oft zu Boden fallen, 
Als wären würklich ſie entleibt, 
Sich ängſtlich hin und wider winden, 
Und nirgends wiſſen Luft zu finden, 
So war der Feinde Heer betäubt. 

19 


Von Mut und Vorteil angefriſchet, 
Bäum und Kanonen untermiſchet. 
Bemerkte man den kühnen Feind. 
Der tapfere Soubiſe bewieſe, 
Daß man nicht bloß nach Bäumen ſchieße, 
Doch wars ſo böſe nicht gemeint. 
14. 
Chevert mit feinen Wittekinden 
Wußt' Wege durch den Wald zu finden, 
Und ſchliche auf der Seite an. Die Reuterei haut hinten ein. 
Kaum feurt er, als von Baum u. Sträuchen, Sie jaget mit verhängtem Zügel 
Bon Pferden und von Menſchen⸗Leichen Dort hinter jenem großen Hügel 
Man nichts mehr unterjcheiden kann. | And bringet viel Gefangene cin. 
15. 20. 


Sie fliehen mit erſtartem Blicke 
Und ſehen nicht einmal zurücke, 


— m. — km 


Zerquetſchet von der Bäume Splittern, | Ganons, Standarts und Pauken liegen 
Und ſtetiges Kanonen Wittern Bei ſolchen vorteilhaften Siegen 
Yag da ein Pferd und dort ein Mann. Gemeiniglich auch auf dein Platz. 
Caldaunen, Därmer bin und wieder, | Die fanden fi dann würklich heute. 
Tas Feuer warfe ganze Glieder, | Man machte fie zur Siegesbeute. 

Fa ganze Pelotons hinanı. : Dies ift des Sieges ſchönſter Schak. 
21. 
Nun, Völker, gebet euch zufrieden. 
Euch ift ein gut Quartier befchieden, 
Ihr habt getan, was chrlid) ift. 

Ihr großen Häupter, hielt ihr Frieden, 
So wäre aller Krieg vermieden 

Und jeder bliebe, wie er tjt. 


Zur Erklärung des Gedichtes: Strophe 1—10. 

Nach der fiegreihen Schlacht bei Krefeld (23. yunt 1758) befreite Ferdinand 
von Braunschweig den Rhein von den Franzojen; aber am Maine hielten fid) die 
Franzoſen und von da rüdte Soubife mit 25.000 Mann nordmwärts. Prinz Jfenburg 
batte mit etwa 5000 Mann Marburg bejett, magte aber nicht, dem andringenden 
Feinde die Spibe zu bieten, verließ am 16. Juli Marburg und gab am 22. Juli 
auch Katjel preis. Der Landgraf von Hefien hatte fchon am 15. Juli Nefidenz und 
Yand verlajjen. Iſenburg hatte fich auf die Höhen bei Sandershaufen zurückgezogen. 
Der Tuc de Broglio nahm am 23. Juli Kaffel ein umd ſäumte nicht den Heilen 
nachzurücken. Mit einem Male fah er die Heine heffifche Armee vor ſich. Prinz 
von Soubife hatte feinen rechten Zlügel auf einer fteilen und mit Holz bewachſenen 


156 Miscellen. 


öbe an dem Ufer der Yzulda, den linten aber an das Holz bei Ellenbach geiekt. 
ies Gebüfch war überdies jo voller Schitanen, daß es nicht ohne die größten 
S chwierigfeiten zu paffieren war. In dem Holze auf dem rechten Flügel jtellte der 
Prinz die heſſiſchen Jäger und einige Grenadierfompagnien, in dem Gebölze bei 
Ellenbach aber die hannöverjchen Jäger zu Fuß und ein Bataillon Yandmiliz. Die 
Infanterie ftand in einem Treffen, die drei Schwadronen Kavallerie auf dem 
linten Flügel, weil bier alleine Terrain war, auf den fte agieren konnten, und die 
bannöverfchen Jäger zu Pferde und beifiichen ! ih dedten die linfe Flanke. Als 
der Herzog von Broglio feinen Gegner in diejer Stellung fand, entichloß er ſich, 
ihn fofort anzugreifen. Er ftellte ſeine Infanterie im eriten, die Navallerıe um 
zweiten Treffen und in diefer Ordnung riidte er gegen die heſſiſchen Truppen aı. 
Ta cr aber ſah, daß er nicht avancieren fonnte, fo lange cr die Jäger ın dem 
Walde bei Ellenbad in feiner rechten Flanke hatte, ‘io ließ er das ‚Feuer feiner 
anzen Artillerie vom rechten Flügel auf fie richten, und die Schwerzerbrigaden 
—* fertig machen, in den Wald zu rücken, die Jäger daraus zu vertreiben. Zugleich 
machte feine übrige Artillerie ein lebbaftes ‚geuer auf die Fronte der ihm gegenüber 
ftehenden Heilen. Prinz von Iſenburg ließ bierauf feine ganze Linie gegen den 
Feind avancieren und zwei Schwadronen von Prüfen! vorrüden, um den Feind 
anzugreifen. Herzog von Broglio ließ feine Navallerıe ebenfalls vorrüden. Die 
Grenadiere zu ‘Pferd wurden von den Heflen geworfen, diefe aber von den Zragonern 
von Apchon, welche zur Unteritütung berbeieilten, wieder auf ibre Infanterie zurüd 
getrieben. Um nun diefer Navallerie Plat zu machen, zog fih die heifiiche Yand 
miliz rechts und die franzöfiiche Navallerıe ſtürzte gerade in das Feuer des Meg: 
ments Kanitz, wodurd fie jehr gemißhandelt und gezwungen wurde, in der größten 
Verwirrung die Flucht zu ergreifen. Die heſſiſche Navallerıc wollte fh dieje ‚Flucht 
zu Nutze machen und verfolgte die frauzöſiſche io hitig. dan fie ebenfalls durch dag 
Feuer der franzöſiſchen Infanterie zurücgetrieben wurde. Bisher waren die Bor 
teile noch auf beiden Zeiten gleich. Um nun das Gefecht zur Entöcheidung zu 
bringen, faßte der Prinz von Iſenburg den Entihluß, dem Feinde die linke Flanke 
abzugewinnen, ındes die im Gehölz bei Ellenbach poftierten Truppen den feindlichen 
rechten ‚zlügel verhindern jollten vorzurüden. Nachdem beide Teile nach einer gegen- 
ſeitigen Rewegung endlih Front gemacht hatten, hieß der Herzog von Broglıo 
jeine Infanterie vorrüden und die heifiiche angreifen. Dieſe that einen bartnädıgen 
Widerſtand. Ta fie aber durch die jo verwidelte Vewegung ſchon an fih ın Un 
ordnung gekommen: war und nunmehr fich überflügelt, ın die ‚rlanfe genommen 
und von vorne lebhaft angegrifien jah, fo verlor fie bald Terram md wurde über 
den Daufen geworfen. Der Prinz von J'enburg fette ſich mit dem lleberreite ſeines 
Korps bei Eimbeck, Broglio zog ſich nach Matiel zurüd Tie im Frübling aus- 
gejchriebenen, aber noch nicht entrichteten baren Zahlungen wurden mit äußerfter 
Strenge beigetrieben. Dan rechnete den Betrag der während der beiden Nriegsiabre 
in Heilen erpreßten Nontributionen und Yıeferungen auf 6,573.788 Gulden. 
Ztropbe 11-- 21 Zoubiie lag während des Zommers mut feinen Irupven 
m Heſſen, bis er am 8. Zeptemter ins Hannöveriche einrückte. Ihm Schidte 
Ferdinand von Hraunichwerg den General Oberg entgegen. Tieſer ftand ichon am 
26. Zeptember vor Raifel, wagte aber nicht, die Ztadt anzugreifen. Ta rückten 
franzoftiche Truppen ein. Tiefe wurden durch 20.460 Wann veritärlt, welche unter 
dem Tberbefehle von Chevert von Weſtfalen nach Delien marichierten: unter ihnen 
befanden fi} zwölf Bataillone Zahien und vier Vataillone Pfälzer. Die Württem 
berger waren auch dabei. General Oberg batte auf einer ſteilen Höhe an der Fulda 
Stellung genommen :®. Tltober‘. Zoubiie beabſichtigte die Alluerten auf der 
linken Flanke au umgehen und im Rüden und ım Dev ‚gronte anzugreifen. Als 
berg aber Morgens 4 Uhr 10. Oktober Seme Truppen zurüdzog, beichleun:gten 
Broglio und Chevert ihren Marſch bis Oberg auf der Hoͤhe vor Lutternberg Halt 
machte und ſein Korps in Schlachtordnung ſtellte. Da auch ın dieier Stellung der 


Miscellen. 157 


Iinte Flügel unbededt war, zog ſich Chevert in zwei Kolonnen in den Wald, um 
von da aus den Angriff zu macen; der rechte Flügel beftand aus den Sfnfanterie- 
brigaden Beljunce und einer Brigade Pfälzer, der linke Flügel aus den fächfiichen 
Truppen unter dem fächftfchen Prinzen Xaver (unter dem Pjendonym Graf von der 
Lauſitz); zwiſchen beiden marſchierte die Artillerie unter Bededung dreier fächfifcher 
Bataillone. Die Kavallerie war hinter diejen Kolonmen verteilt. Der Angriff nahm 
mit einer lebhaften Kanonade feinen Anfang. Bald darauf avanzierte die Infanterie 
vom rechten Flügel des Herrn von Chevert und die Kavallerie griff dic Kavallerie 
der Alliierten mit vieler Entjchloffenheit an, warf fie vermöge ihrer Ueberlegenheit 
über den Haufen, hieb hernad in die Negimenter Iſenburg und Kanit ein und 
brachte fie zum Weichen. Zu gleicher Zeit griff auch die ſächſiſche Infanterie unter 
Anführung des Grafen von der Laufig den General Zaſtrow auf dem fogenannten 
Stolberg hinter Siegelftein an, zwang ihn nach einem lebhaften und hartnädigen 
Gefechte, diefen Poften zu verlaffen und entichied den Sieg. General Oberg, fobald 
er fah, daß fein Tinker Flügel geichlagen war, z0g fi nad) München zurüd. Der 
Berluft der Alliierten beftand in 1210 Manı an Toten, Verwundeten und Ge- 
fangenen, 28 Kanonen, fünf Fahnen, drei Standarten, zwei Paar Paulen und 
einer beträchtlichen Anzahl Munitionswagen. Diejes Gefecht verichaffte Soubife 
den Marichallftab. 
Aaran. % J. Baebler. 


Zu Ar. 50 und 51 von Goethes „Bier Jahreszeiten”. 


Um die Entftehungszeit der beiden Diſtichen nachzuweiſen, muß id) etwas 
weit ausholen. 

In Nr. 30 des Beiblattes zur Magdeburgifhen Zeitung vom Jahre 1899 
war der Beſuch Goethes beim Herrn von Hagen in Haus Nienburg im Auguft 1805 
nach der Selbitbiographie des Predigers Weite, die fein Sohn 1841 herausgab, 
gejchildert worden. Daß Goethe felbft in den Tag- und SahresHeften zum Jahre 
1805 der Bejchreibung diefes Beſuches einen längeren Abjchnitt widmet, war dann 
in Nr. 32 des genannten Beiblattes bemerft worden. Der Bollftändigfeit halber 
fügte ich in Nr. 6 des laufenden Jahrganges noch Hinzu, daß der Bericht des 
Predigers Weite fchon längft bekannt war, daß er, wie man aus der Hempeljchen 
Soethe-Ausgabe, Teil 27, S. 431, erjehen könne, von Barnhagen von Enfe unter 
dem Titel „Goethe beim tollen Hagen“ dreimal mitgeteilt worden fei. Sodann 
machte id) auf Michael Bernayg’ Auflag in den Preußischen Jahrbüchern, Band 20 
(1867), aufmerffam, in welchem auf Grund des vorhandenen Briefwechſels das 
Berhältnis Goethes zu dem Philologen Fr. Auguft Wolf in Halle gefchildert und 
dabei aud) die Reife befprochen wird, die beide nad) Helmftedt unternahmen, um 
dem Hofrat Beireis einen Beſuch zu machen. Dabei wird aud) des Beſuches bei 
Herrn von Hagen gedadht, und Bernays knüpft an die Erwähnung des MWeigejchen 
Berichtes die Bemerkung, daß der nad) mehr oder minder deutlichen Jugend— 
erinnerungen niedergefchriebene Bericht im Ganzen wie im Einzelnen mit Vorſicht 
aufzunehmen fei; wenigſtens müſſe er befennen, daß er auf die Autorität des 
Berichterftatter8 bin dem Philologen nicht die zierlidhen Bersreihen zufchreiben 
möchte, die ihm bier in. den Mund gelegt werden. Nach Weittes Bericht habe 
nämlich Wolf mit einer bündigen Nuganmwendung geſchloſſen, die ungefähr jo ge— 
lautet babe: . 
Drum, wer den Wein fennt, 
Weiß auch), wie Durft brennt, 
Und wer den Zorn des Gottes fcheut, 
Verſchmäht nicht, was er freundlid) beut. 


158 Miscellen. 


Man müſſe fih bier vielmehr erinnern, daß Weitze felbit im Versmachen nicht 
ungeübt tar. 

Schr wichtig aber ift, was Bernays an der genannten Stelle (S. 651) weiter 
ausführt. Er fand nämlich unter Wolfs Papieren ein einzelnes Blatt, auf beiden 
Seiten von feiner Hand befchrieben, ınir dem Titel: „Reiie mit Goethe 1805 vom 
14. bis 25. Auguſt.“ Auf der einen Zeite enthält es unbedeutende Notizen über 
die Kunſtwerke im Dom zu Magdeburg, deren aud) Goethe erwähnt: auf der Rıid- 
jeite aber zeigt c8 ‚zolgendes: 

G. ın Ztammbicher. 
Vieles giebt ung die Zeit und nimmt's auch; a. der Beſſern 
Holde Neigung, fie fer ewig dir froher Beſitz. 
G. für Auguf. 


Wer ift der glücklichſte Menſch? der freindes VBerdienft zu empfinden 
Weiß, u. an fremdem Genuß fid) wie an eignem zu freum. 


Dieſe beiden Tiftichen nebft vier andern erichienen zuerft, fo fchreibt Rernays, 
in dem von Tttilie von Goethe vedigierten Chaos 1830, Ar. 27, Z. 108. Alsdann 
wurden fie in den erſten Yaud der Quartausgabe :1836) Z. 207 aufgenommen; 
jet finden fie fih in den Bier Jahreszeiten, und zwar im Herbit Wr. 51 
und 50, Ich ſchloß much nun, der Meinung von Bernans an, es jei „kaum zweifel 
haft“, daß wir ın dem Tiftihon Wr. 51 den Pers beiäßen, den Goethe ber fernen 
Beſuche auf Haus Nienburg dem ungen Weite in fen Ztammbud ſchrieb, das 
diefer Ipäter ın ſeiner Zelbitbiograpbie als in der Franzoſenzeit abbanden gelommen 
bezeichnet. Bon dem andern Diſtichon Ar. 50 nahm ich an, daft c8 Goethe ſeinem 
damals I4jährigen Anguft in deiien Stammbuch geichricben habe. 

Herr Tr. W. Rimpau ın Zchlanitedt erklärt nun in Mr. 9 des Beiblattes 
zur Magdeburgiſchen Zeitung vom 26. Februar dieſes Jahres beides für irrtümlich, 
denn die beiden Diftichen wurden am 1%. Auguft 1805 zu Helmftedt feiner 
Großtante Zophie Henke, der Tochter des Nirchenbiitoriters Henke zu Helmſiedt, 
der fpäteren rau Bruns, in das Stammbuch geichrieben. Tas fraglihe Stamm 
buchblatt befinder fich jettt im Beſitze der Tochter der grau Sophie Bruns, geborene 
Henke, der verwitweten grau Agathe Gmelin zu Stuttgart. 

Tas erite Diſtichon Wr. 51 der „Bier Jahreszeiten“ ift von Woctbes Hand 
mit latemiſchen Lettern eingetragen: 


Vieles giebt uns die Jet und nimmt's auch; aber der Beſſern 
Dolde Neigung, ſie jen ewig Dir frober Beſitz. 
Helinſtedt, d. 10. Aug. 1805. 
Goethe. 


Darauf folgt von Auguft Goethes Hand das zweite Diſtichon (ir. der: 
Wer iſt der glücklichſte Menſch? Ter fremdes Berdienft zu empfinden 
Weiß und au fremden Genuß Ah wie am eignen zu freun. 
Hetmitedt, d. 19. Aug, IN05. 
August Goethe. 
Übrigens ſcheint auch Wolf Fräulein Henke mut einem Tiitichon bedacht zu 
haben, denn auf dem erwähnten Blatte ftcht noch: 
Ich p. une mamselle ın Helmſi. 
Herrlich bewegt der Natur Abglanz Ach im ionnigen Thale, 
Aber weit ichöneren Glanz giebt ihm ein freundlich Geſicht. 
Und Heraus bemerkt hierzu, es dünke ihn, daß beſonders der Hexameter durch eine 
nicht abzuleugnende ſponderiche Sterigkeit Senn philoleqgrichen Uriprung verrate. 
Wilhelmshaven. u Pugo Holfteim. 


Miscellen. 159 


Zum Briefwehfel Carl Auguſts mit Goethe. 
I. 

Während Napolcon 1805 die ruſſiſch-öſterreichiſche Armee in Mähren ſchlug, 
ftand die vermittelnde Macht dev Preußen thatenlos in Thüringen. Die preußifche 
Kriegspartei drängte auf jchnelle Entſcheidung. Prinz Louis Ferdinand, der beim 
Heere war, brannte vor fampfesfroher Ungeduld. Er kannte die Gefinnung des 
Herzogs Carl Auguft, des preußiichen Seneralmajors, der gleichfall3 eine energiſche 
Politit Napoleon gegenüber forderte. So erſchien der Prinz um Mitte Dezember 
um nahen Weimar zu Beſuch. 

Bon dem, was zwischen dem Herzog und dem Prinzen verhandelt worden 
war, hatte Goethe Kenntnis. Er ging am 15. Dezember, jpäteftens, nad) Jena 
hinüber, wohin die beiden fürftlihen Herren nachzukommen gedadıten. 

Carl August jchidte Goethe, am 15. Dezember, das folgende Billet nad) 
Jena nad) (Briefwechſel 1863. 1, 309): „Es bleibt Alles fo, mein Lieber! wie id) 
es beftellt hatte. Der Brinz Louis Ferdinand kommt mit mir, aber allein; forge 
für ein Bett für den Prinzen ... Behalte Arnimb mit zum Souper, wenn er bei 
Dir iſt; es iſt ein alter Bekannter von uns Allen.“ 

Der Schlußſatz blieb dem Herausgeber des Briefwechſels unverftändlid): 
feine erflärende Bemerkung findet fi, das Nantenregifter läßt im Stich. Aud) 
aus Goethe wächſt uns keine Unterftütung zu. Die Frage ift: Wer war jener 
Arnimb? und ich antworte: Arnim war es, Ludwig Achim von Arnim. 

Arnim hielt fih auf der Heimreife von Heidelberg im Dezember 1805 in 
Meimar auf, wo er von Goethe faft väterlihe Güte erfuhr und als preußischer 
Baron bei Hofe eingeführt wurde. Gemeinſchaftlich mit Goethe reifte er nad) Jena 
hinüber. Er berichtet jelbft iiber das, was er am 16. Dezember bort erlebte: „Den 
Mittag fah ich Noftis, einen alten Univerfitätsfamerad, jet vom Prinzen Ludivig 
zum Adjutanten erwählt .. Den Abend aß id) im Schloffe mit dein Herzog, dem 
Prinzen Pudwig und Jagemanns. Der Prinz war herrlich in Hoffnung und Zu— 
trauen, ich trank ıbım zu Glück und Sieg, und ein ſchönes Reich im Süden.“ 
Nachher bot Arnim dem Prinzen feine Dienfte an, wo er ihn braudjen könnte. 
Der Prinz war ſehr freundichaftlich und Ind ihn zu ſich in fein Hauptquartier. Da 
kam die Runde von dem Waffenjtillitand nach der Schlacht bei Aufterlig, und alle 
friſch gefaßten Hoffnungen waren vernichtet. 

Alfo Arnimb, wie der Herzog altariftofratifc den Namen fchrieb, ıft Achim 
von Arnim. Goethe hat an dem Souper nicht Teil genommen. Sein Tagebud), 
das für die legten Monate des Jahres 1805 gänzlich ausfällt, erwähnt den ‘Prinzen 
Fonis Ferdinand nicht, und fein Gedädjtnis erhielt feine Stüße, als er die Tag— 
und Jahreshefte redigierte. Er fand den Namen erft wieder am 3. Oftober 1806 
verzeichnet, an welchem Tage er dem Prinzen in Jena feine Aufwartung made. 
„zen Prinzen Lonis Ferdinand traf ich nad) feiner Art tüchtig und freundlich,” ift 
das Wort in den Annalen, mit welchem er des toten Prinzen gedachte. 


II. 


An denjelben Tage, wo Goethe dem Prinzen Pouis Ferdinand in Jena auf- 
wartete, hatte Carl Auguft als Kommandeur der preußiihen Avantgarde fein 
Standquartier in Erfurt. Bon dort richtete er, alfo am 3. Oktober 1806, cın 
Schreiben an Goethe, das, weil es nicht in dejfen Hände gelangte, aud) dem 
gedrudten Briefwechſel entgangen ift. Zch fand c8 in den Schweizer Miscellen von 
1811 (S. 81) abgedrudt. Tie begleitenden Umſtände find merfwürdig genug, um 
zur Erklärung des Briefes mitgeteilt zu werden. 

Ein junger Schweizer au Zürich, der feinen Namen durch J. H. ..... r 
andeutet, begab ſich im Herbſt 1806 mit drei Landsleuten von Berlin aus auf die 
Reife nach Heidelberg, um fein Studium der Theologie fortzuſetzen. Am 2. Oktober 


160 Miscellen. 


famen fie in Weimar an. Noh am Abend fuhren fie auf der Chauſſee nadı Erfurt 
weiter. Pier aber gerieten fie in die Poftenketten der preußiichen Avantgarde, Die 
Ordre hatte, alle Paſſagiere, die ohne allerhöchfte Erlaubnis auf der Route von 
Erfurt nad) Eifenady angetroffen würden, unter militärischer Esforte zum Haupt- 
quartier zuridzufübren. Die Weiterreife war unmöglich. 

Auf den Rat preußifcher Offiziere befchloffen die Schweizer, beim Herzog von 
Weimar unmittelbar um Unterzeihnung ihrer Bälle einzukommen. Sie machten 
untereinander aus, daß J H...... r, mit fämtlichen Reiſelegitimationen ver- 
jehen, beim Herzoge fein Heil verfuchen follte. Am Vorzimmer nahm der Offizier 
vom Dienſt die Bapiere in Empfang und brachte fie den Herzog. Kaum batte diefer 
bei der Durchficht den Namen des Petenten gelefen, als er ihn einzutreten bat, ibn 
bei beiden Händen nahm und wie cinen Bekannten begrüßte. Er erfundigte ſich 
nach feiner Baterftadt Zürich, fragte nad) dem Befinden der Eltern, erflärte, auf 
die Namensähnlichkeit bin, dem verwunderten Zchweizer dieje zu fennen, obne ibm 
Zeit zur Aufllärung des Irrtums zu laſſen, bedauerte aber am Ende, daß er bie 
verlangte Erlaubnis nicht ausftellen dürfe „Gehen Sie,“ fuhr ev fort, „nad 
Weimar zurlid, bi8 der erfte Zturm vorüber iſt. Ich will Ihnen bier ein paar 
Zeilen an Goethe mitgeben.“ Er fchrieb unvermweilt folgendes Billet an Goethe: 


Tie eijerne Nothwendigkeit zwingt mid, diefe Herren, deren Eltern wir 
beide recht wohl kennen, nicht vorwärts zu laſſen. Singen fte auch heute weiter, 
was zur Noth möglich wäre, fo fümen fie bei andern Yeuten, die fic gar nicht 
fennen, während fie bis jewt noch unter Bekannten find. Zorge beftens für fie! 

‚DI habe ihnen geratben zu warten, bis daß Ze. Mai. der König ſelbſt klommen 
iverden, bei welchen die Herren alsdann ihr Geſuch anbringen mögen. Zollten 
fie Wechſel verfaufen wollen, fo kann jeder Naufınann in Weimar ihnen aus 
meinem Mredit auszableu, was fie verlangen werden. Ich hofie, daß den Herren 
bei Dir die Zeit nicht lang werden wird. Yebe wohl! 

Erfurt, 3. Okt. 1806. Carl Auguft. 


Tie Schweizer gingen alfo nah Weimar zurüd. Aber dort gab ınan ihnen die 
Nachricht, Herr von Goethe fei jocben nach Jena abgereift: worauf fte fid) nad) 
Leipzig wandten. Zo blieb das Zchreiben des Herzogs unabgegeben im Veſitz des 
jungen Schweizers. 

Es fragt fih nur noch, wie der Schweizer hieß. Es bleibt doch immer übrig, 
daß dem Herzog und Goethe cine Züricher Familie feines Namens fo vorteilbaft 
betannt war, daß fie gerne Etwas fiir die vermeintlichen Angehörigen derieiben 
gethan hätten. In Heidelberg iſt nun, nach gütiger Auskunft von N. YJangemeriter 
und J. Wille, zum Winterfemefter 1806 fen Zürcher oder Schweizer, auf den die 
Yucitaben J. D.....- r paßten, immatrikuliert worden. Möglicherweiſe aber 
ſind die Reiſenden der Kriegswirren wegen in Leipzig geblieben. Ich verſuche in 
deſſen, ob ſich nach Goethes Schweizer Reiſeberichten eine Vermutung wagen läßt. 

Ich komme da auf den Namen Hottinger. Profeſſor und Chorherr Jalob 
Hottinger war eine Itterariiche Berühmtheit in Zürich. Er erbielt am 23. Oktober 
1797 den ihm umvergeplichen Veſuch Goethes Später wandte er fich, durch die 
Staatsumwälzung ın ſemem Vaterlande bedrängt, an Goethe, der ihm in dem 
großen teilnahmsvollen Schreiben vom 15. März 1709 antwortete. Zeit 1805 
(bis 1800: gab Hottinger mit Wieland und Friedrich Jacobs das in Züri er- 
ſcheinende Neue Attifche Muſeum heraus. Es ıft ſelbſtverſtändlich, dak der Herzog 
von den verdienſtlichen Beſtrebungen dieſes Mannes wußte. Selbſt im Lagerleben, 
nahe vor ſchwerer Entſcheidung, glaubte er es ſich ſchuldig zu ſein, ihm in ſeinen 
Angebörigen, für die er die jungen Schweizer hielt, einen far freundſchaftlichen 
Tienft zu ermeiien. 


Friedenau, bei Berlin. Reinhold Zteig. 


Kecenſonen und Aeferate. 


Golz Bruno, Pfalzgräfin Genoveva in der deutfchen Dichtung. Leipzig, 
3. ©. Teubner 1897. 5 M. 

Ranftl Johann, Ludwig Tieds Genoveva als romantifche Dichtung 
betrachtet. (Grazer Studien zur deutfchen Philologie herausgegeben 
von Anton E. Schönbah und Bernhard Seuffert. VI. Heft.) 
Graz, k. k. Univerfitäts-Buchdruderei und Berlags: Buchhandlung 
„Styria” 1899. 5 M. 


Die Gefhichte des Genovevaftoffes in Deutfchland bietet ein wenig 
erfreuliches Bild. Wenn Golz mit Bedauern konftatiert, daß fi unter 
den zahlveichen, in Betracht fommenden Werken fein einziges finde, welches 
man als ein „für alle Zeiten giltiges, klaſſiſches Meiſterwerk“ bezeichnen 
könne, fo bat dies wohl vor allem in der Natur des Stoffes ſelbſt feinen 
Grund. Der völlig paffive Charakter der Heldin, welche von ihrem Gatten 
auf eine Berleumdung hin unfchuldigerweife verfolgt wird, eignet ſich zur 
dramatifchen Behandlung ebenfo fchleht wie die ihr verwandte Geftalt 
der Grifeldis. Der Berfuh einzelner Dichter, diefem Grundfehler des 
Stoffes abzuhelfen, fcheiterte regelmäßig. Abgefehen davon trägt jedoch 
die Geſchichte, welche angeblich von einem Mönche zu Laach im 14. Jahr: 
Hundert ausgehedt worden fein fol, den Stempel gläubiger Tendenz 
deutlih an der Stirne. Diefe Umftände bringen es mit fih, daß der 
künftlerifche Wert einer Genoveva- Dichtung ftetd nur ein untergeordneter 
fein kann, und daß die chriftliche Dulderin Hinfihtlih ihrer Bedeutung 
für die dramatifche Poefie den alten Heiden Hannibal, Cäfar, Nero, 
Sophoniebe ꝛc. beiweitem nadfteht. Entiprechend dem legendarifchen 
Charalter der Fabel find die Genoveva-Dramen zum großen Zeile nichts 
anderes al8 in dialogifierter Form gehaltene Traktätlein. Hierher gehören 
vor allem die Yefuitendramen über diefen Stoff, deren Golz in dem 
Zeitraum von 1630, wo das erfte derartige Stüd in Prag aufgeführt 

Euphborion. VII. 11 


162 Bolz Bruno, Pfalzgräfin Genoveva in der deutfchen Dichtung. 


wurde, bis 1733 eine große Zahl namhaſt zu machen weiß. Verdankte 
body die ganze Legende einem Jeſuiten (Gerifiers) ihre Verbreitung. Aber 
auch mandes modernere Werk gehört zu diefen Wechfelbälgen der Muſe. 
Einen ebenfo geringen Wert haben die zahlreichen FPuppenfpiele für die 
Kinderftube eignete fi Genoveva, dank der Hirſchkuh, ganz befonders) 
und die Opern, obwohl Haydn und Schumann ihre Melodien an den 
Stoff verfhwendeten. Abftrahieren wir nun noch den großen Ballaft von 
Senoveva-Dramen, die aus anderen Gründen eine nähere Beachtung nicht 
lohnen, fo bleiben aus der anfangs großen Zahl am Ende vier nennens- 
werte deutsche Ztüde, die aber vom Gipfel der Vollkommenheit ſämtlich 
noch weit entfernt find; denn Maler Müllers „Solo und Genoveva“ 
ift cine Ausgeburt poetifcher Verirrung, von Tiecks „Leben und Tod 
der heiligen (Senoveva“ wird weiter unten ausführlicher die Rede fein, 
Raupach machte in feiner „Genoveva“ zwar alle Anftrengungen, um 
den Etoff bühnengereht zu geftalten, erzielte jedoch nur ein Zerrbild 
desjelben, wogegen Hebbels Drama als ein Froduft nervöfer und 
bufterifcher Gereiztheit erfcheint; feine Figuren find pathologifch wie der 
Dichter ſelbſt. Wenn der Forſcher anf dieſem Gebiete etwas bedauern 
muß, fo iſt es das Mißgeſchick, welches Otto Yudmwig abhielt, feine 
„Genoveva“ zu vollenden. Golz hat fi dur die erſte volljländige 
“Fublifation der auf uns gelommenen Fragmente diefer Dichtung unferen 
Dank erworben, da diefelben jedoh an diefer Stelle bereits einer ein- 
gehenden Würdigung teilhaft wurden, Fönnen wir bier über fie hinweg— 
gehen. 

Unter allen dentſchen Genoveva- Dranen ift jenes von Tied merf- 
würdigermeije zu der größten Yerühmtheit gelangt, obwohl es cin kraſſer 
Beweis für die dramatifche Unfähigkeit des Tichters iſt. Waren doc 
felbit die Nomantıfer in dem Yobe diefer Dichtung nicht ganz einig. 
A W. von Schlegel fam ſpäter von feiner Begeifterung für diefelbe 
zurüf, und Tichter, welche über der Iitterariichen Bewegung ftanden, wie 
Goethe und Schiller, hielten nicht viel von ihr. Nahm erflerer nur aus 
perfönluhen Gründen von einem Tadel Umgang, fo vermißte letzterer — 
obwohl er Grazie und Phantaſie darın fand, dennod jeglihe Kraft 
und Tiefe. Rauftl, welcher dieses Trama zum Gegenſtande einer ein- 
gehenden Monographie gemacht hat, betrachtet es ale eine der bedeut- 
famften Enunziationen des zu jener Zeit in Dentfchland ermadenden 
Sinnes fiir Religion und deutfches Altertum - ein Ztandpunlt, von 
welchen: aus das Stück vielleicht größere Aufmerkſamkeit verdient. Unter 
„Religion“ iſt ın dieſem Falle jedoch feine beftimmte zu verftehen; gemeint 
if jene Frommigkeit im abfoluten Einne, jene Univerfalreligiöfität, welche 
für die Romantıfer charakteriſtiſch iſt. Der Verkehr mit dem früh ver- 
ftorbenen Wadenroder, die Yeltüre von Schleiermachers Reden über die 
Religion und die grreundfchaft mit des letzteren poctiichem Interpreten 


Golz Bruno, Pfalzgräfin Genoveva in der deutſchen Dichtung. 163 


NovalissHardenberg wirkten nah Ranftls Darlegungen zufammen, um 
Tieck für einen Stoff wie Genoveva, der dem früheren Anhänger Nicolais 
recht ferne lag, empfänglich zu machen. Jakob Böhme, der philofophifcd- 
myſtiſche Schufter von Görlig, zu dem die Nomantifer mit großer Ber: 
ehrung emporfahen, lehrte ihn endlich, gemwillen Scenen (Hexenfcene, 
prophetifche Rede des Unbefannten) ein altertümlich-geheimnisoolles Kolorit 
zu geben. Er fah das Volksbuch nun mit ganz anderen Augen an und 
billigte darin vieles, womit er früher kaum einderftanden gewejen wäre. 

In der That erlaubte fi Tieck nur fehr wenige und unbedeutende 
Abweihungen von feiner Borlage, welcher er mit ungleich größerer Pietät 
gefolgt ift, als die meiften übrigen Bearbeiter des Stoffes. Seine Ände— 
rungen beziehen ſich zumeift auf die Charaktere der handelnden Perfonen, 
welche der Dramatiker notwendig etiwad modifizieren und vertiefen mußte. 
Shakeſpeare (Pericles, Wintermärden) folgte er in der Einführung eines 
Prologus in der Geſtalt des heiligen Bonifacius, der durch einen epifchen 
Bericht dem Lefer über das Intervall von fieben Jahren hinweghelfen 
jol. Am Schluffe, wo das Volksbuch mit Wundern gar zu verfchwenderifch 
ift, ſah Zied fi) genötigt, die Vorgänge etwas zufammenzuziehen. 

Shafejpeare hat, abgefehen von dem Prologus, noch mande Spur 
in Tiecks Drama zurüdgelaffen. Am auffallendften werden wir an die 
Diftorien, Romeo und Julia (eftalt der Amme), den Kaufmann von 
Venedig und Macheth erinnert. Don früheren Genoveva-Dramen wirft 
bei Ziel nur jenes von Maler Müller nach, welches er im Manuffripte 
gelefen Hat. Es vermittelte ihm, wie Ranſtl nachweift, viele Reminifcenzen 
aus Goethes „Götz“ und „Werther“ und legte ihm den Gedanfen eines 
die ganze Handlung wehmütig durdflingenden Liedes nahe. Calderons 
Einfluß zeigt fih bei Tieck in der Einführung verfchiedener füdlicher 
Bersarten und in der Vorliebe für die Allegorie. 

Den beiden vorliegenden Werken von Golz und Ranftl ift ein ge 
wiſſes Berdienft um die litterarifche Forſchung nicht abzufprechen, das fie 
jedoch auf verfchiedenen Wegen erreichen. Während Golz einen Stoff auf 
feiner Wanderung durch einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten 
verfolgt und den Lefer mit fundiger Hand dur ein Labyrinth von 
Dramen leitet, vertieft ſich Ranftl mit befonderem Fleiße in die Detail: 
forfchung. Während fich jener naturgemäß kurz faſſen muß, um eine große 
Anzahl von Dichtungen zu charalterifieren, kann diefer den Gegenftand 
feiner Wahl in jeder Hinfiht eingehend würdigen, jeder einzelnen dee 
nach Herzensluft nachgehen, fie in den Werfen Tiecks weiter verfolgen 
und ihre Provenienz ftudieren. In der „Charakteriftit des Stückes“ findet 
er fogar Raum zu einer beadtenswerten Abhandlung über den Stil 
Tieds (S. 193— 222). Daraus ergiebt fih jedoh, daß Golz' Werk 
jedem, der über eine poetifche Faflung der Genoveva-fegende unterrichtet 
fein will, raſcheſtens die gewünſchte Aufklärung geben wird, während zu 

11* 


164 Hock Theobald, Schönes Alumenfeld. 


einer Konjultation von Ranftls Monographie ein Teil jener Hingebung 
an die Sache erforderlich ift, die den Verfaſſer in hohem Grade auß- 
zeichnet. Golz' Buch trägt, trog der gründlichen Forſchungen, auf welche 
es bafiert ıft, einen populär-wiflenfchaftlihen Charakter, und wird jedem, 
der für Pitteraturgefchichte Sinn und Berftändnis hat, intereljieren, während 
fih ein großer Zeil des Publikums ſchon bei dem Anblide des 258 Zeiten 
ftarfen Bandes über Tiecks Genoveva eines leifen Mißtrauens kaum er: 
wehren dürfte. Uber Hamlet, Fauſt und andere gewaltige Dichtungen, 
deren Einfluß noch heute in der Pitteratur fortlebt, find Bände ſolchen und 
größeren Umfanges gefchrieben worden — bei Ranftls Buch über Tieds 
Genoveva möchten wir fait fagen, daß der Verfaſſer an cinen Stoff Mühe 
und Fleiß verfchiwendet bat, die einer bejieren Sache würdig mwären.!: 


Wien. Wolfgang von Wurzbad. 


Hock? Theobald, Schönes Blumenfeld. Abdrud der Ausgabe von 1601. 
Herausgegeben von Dar Koch. Halle a. S. Mar Niemener 189%. 
(Neudrucke deutscher Yıtteraturwerle des 14. und 17. Jahrhunderte. 
Ir. 157 —159.1 1.50 M. 


Ein Abdrud des „Schönen Plumenfeldes“ verdient mit (freude 
begrüßt zu werden. Er verhilft cinem hervorragenden Bertreter der 
deutfchen Renaiſſancepoeſie zu längit verdienter philologifcher Anferftehung 
und füllt jo eine oft empjundene Yüde im der Tertbibliothet des 17. Jahr 
Hunderts aus. Wer bisher den Tichter kennen lernen wollte, war, wenn 
ihm nicht das Breslauer Eremplar  - das einzige, das (Hoedede kannte”; — 
zu Gebote ſtand, auf unzulänglihe Proben verwieien. Hoffmann von 
Fallersleben hat den Tichter, der fehr bald der Vergeſſenheit anheimfiel 
und den Opitz nicht mehr fannte, entdedt R. Prutz, Litterarhiſtoriſches 
Taſchenbuch 1845, 401 ff., Höpfner hat ihm ı Neformbeftrebungen, 
S. 53237, vorwiegend nad der formellen Zeite charalterifiert, Lemcke 
(Bon Opis bis Klopſtod, 118 ff. und Wolfan «Geſchichte der deutfchen 


lJIm Gegeniabn zu dem Herrn Referenten bin ich vichnebr der Anficht, 
daß eine ſelche erichopende Unterruchung einer gewinen Breite nicht entbehren 
tönne und dat Tieds Genoveva einer ſolchen Unteriuchung durchaus wert iſt. Das 
Kapitel uber den ZU eine ausgezeichnete, methodiich ſichere und in dieſer Art 
bisher einzig daſtehende Arbeit, eine notwendige Vorbedingung zu emer deutſchen 
Stilgeichichte, dze ich fur eines dar dringendſten Beduriniſſe unſerer Wiſſenöchaft 
halte. NN. 

Zo, und nicht Hoeck, wie bisher allgemem gebrauchtich war, lautet nach 
Kochs Feſtſtellungen Neudruck, X fo des Tichters Name. 

—Koch bat treß eifriger Umſrage auf 52 Viblzothelen nur vier Exemplare 
gefunden: das dem Neudruch ya Grunde lagende Breslauer Eremplar und je eines 
m Munchen, Verlin and Woltienbuttel. Tie Eremplave »igen troß des gleichen 
Ericheinnugslſahres zum Teile ganz merlwürdige Abweichungen. Reudruck, VL fi. 


Hock Theobald, Schönes Blumenfelb. 165 


Titteratur in Böhmen, 364 ff.) haben ihm ausführliche, Tiebevolle Charak— 
teriftifen gewidmet, die des Dichters Wert außerordentlich Hoch einfchägen. 
Mögen diefe Urteile, wie Koch meint, allzuhod greifen: auf jeden Fall 
fpriht aus dem Hockſchen Gedichtbuhe — dem erften deutfchen, das ſich 
mit Bemwußtfein an den Leſer wendet — das innerlich bewegte Leben, 
die moderne freiere Lebensauffaffung eines höfifchen, venaiffancemäßigen 
Dichters in frifcher, oft derber Naivetät und in einer Form, die gegen- 
über der des 16. Jahrhunderts, in dem der Dichter nach mancher Richtung 
wurzelt, als geläutert erjcheint. Der Dichter des „Blumenfeldes“ erfcheint 
uns als der bedeutendfte Vertreter der nenen Kunſt zu Beginn des Jahr⸗ 
hunderts, als einer der bedeutendften Lyriler des Jahrhunderts überhaupt. 
Mit gutem Rechte hatte die Leitung der „Bibliothek deutfcher Schrift- 
fteller aus Böhmen“ einen Abdrud de8 „Schönen Blumenfeldes“ ins 
Auge gefaßt. Denn der aus der Rheinpfalz ftammende Dichter hat fein 
Bud auf böhmiſchem Boden, als Sekretär des legten Nofenbergers, des 
funftfinnigen Peter Wolf, des Hauptes der proteftantifchen Oppofition in 
Böhmen, gedichtet. Im den nationalen, religiöfen und politifhen Wirren 
der Zeit vor dem 3ZOjährigen Kriege, in die Hod als gefchidter, zu den 
vertraulichften politifchen Miffionen!) von feinem Herrn herangezogener 
Sefchäftsträger verwidelt wurde, hat er feine merkwürdigen Schidfale 
erlebt, die heute noch fein Bild in der Geſchichte ſchwanken laſſen. ALS 
Sünftling des mächtigen Herrn, als Deutfher und Proteftant gleihmäßig 
verhaßt, wurde er nad) dem Tode feines Herren (1611) der cigennüßigen 
Fälſchung des Nofenbergifchen Teſtaments, der Adelserſchleichung und des 
Landesverratesd angeklagt und troß feiner Betenerungen durd die Machi— 
nationen der Gegner zum Berlufte der Güter und zum ode verurteilt, 
dem er durch den Umfchwung der Mai-Ereigniffe des Jahres 1618 mit 
Not entging. Hods Schuld ift nicht erwiefen, aber auch nicht feine 
ganze Unſchuld. Koch hat das Verdienſt, die nationalgehäffige Darftellung, 
die diefe verworrene Trage bei einem Zeile der czechifchen Geſchichts⸗ 
ſchreibung gefunden hat,?) auf ein vichtigere® Maß zurüdgeführt und 
dargethan zu haben, „daß e8 ſich bei dieſem Prozeſſe in der That nicht 
um eine Rechts-, fondern Partei» und Machtfrage handelte,“ durch deren 
günftige Entjcheidung „eine verlorene Stellung wieder für die Fatholifche 
Partei zurüdgewonnen werden follte.” Mit danfenswerter Umficht hat der 
Herausgeber nicht nur die ihm entlegenen czedifchen Darftellungen heran: 
gezogen, fondern durch glüdliche Auffindung Hodiher Schriften: der 
Defenfionsihrift vom Jahre 1619 und des Commonitoriumn de Roberti 

1) So 3. B. zu den heiflen Berhandfungen mit Chriftian von Anhalt, dem 
es um die Bereinigung aller Proteftanten zu einem Bündniffe und nebenbei um 
das Roſenbergiſche Erbe zu thun war. 

2), Den ertreimften Standpunkt, der den Dichter als abgefeinten, betrügeris 
ſchen Erbjchleiher und Berräter darftellt, ninmt Auguft Sedläcel ein (Hrady, 
zämky a tvrze krälovstvi deskeho 3, 246 ff.). 





166 Hock Theobald, Schönes Blumenfeld. 


Bellarmini scriptis, einer theologifchen SKontroversfchrift, wichtiges Dates 
rial für die Lebensgeſchichte beigebraht und dem Charafterbilde des 
geihmähten Dichters neue ſympathiſche Züge eingefügt. Nach den umfang- 
reihen biographifchen Beiträgen Kochs im II. Abjchnitt der Einleitung 
wird die Forſchung neben der politifhen Thätigkeit Hods nunmehr die 
Zeit nad 1620 aufzuhcllen Haben. Hod war nad feiner Freilaſſung Oberft 
eines Regiments und entfchwindet nad) der Schlacht am Weißen Berge unferen 
Bliden. — Ausjührlicherer Ergänzungen wird der III. Teil der Einleitung 
bedürfen, in dem der Herausgeber die Grundlinien zur Würdigung des 
Dichters zieht. Für den intereffanten Dichter, der an der Wende zmeier 
Yahrhunderte fteht, die zwei verfchiedene Kulturen bezeichnen, wird eine 
Reihe von litterarhiftorifchen und formellen ragen zu erledigen fein. 
Zunädft feine Stellung in der deutfchen Frührenaiſſance und in Ver: 
bindung damit fein Verhältnis zu Opig. Das beftimmte Hervortreten des 
Perſönlichen in feinen Gedichten, das Beltreben, in der deutſchen Voeſie 
mit den romanifchen Vorbildern zu wetteifern und die dadurch geforderte 
Gelehrſamkeit, fchlieglih die angeftrebte Yäuterung der Form laſſen Hod 
ale Vorläufer Opitziſcher Reformen erſcheinen :Höpfner. Die recht 
heterogenen Einflüffe der beiden Zeitalter hat der Herausgeber anfzudeden 
verſucht. Einerſeits die Zeichen der modernen Zeit: Kenntnis der alten 
Litteraturen, die Vorliebe für die Romanen, beſonders die Italiener — der 
Dichter kennt Bojardo, Arioſt und höchſt ſeltſamerweiſe fhon Tante — 
das Hervortreten des galanten Weſens: auf der andern Seite das 16. Jahr⸗ 
hundert: ein mächtiger Einfluß des Vollsliedes, der einzelnen Liedern des 
Dichters Aufnahme in die Volksliederfammlungen verſchafft, aueégebreitete 
Kenntnis der Rollelitteratur des 16. Jahrhunderts überhaupt vgl. Gedicht 
Wr. 5), die Verwendung der Priamel, die Beziehungen zu Fiſchart umd 
zum robianiemus, aber auch eine ſehr wahrfcheinliche Einwirkung der 
Meifterfingerichulen. Tiejelbe Zwieſpaltigkeit zeigt die Metril, für die ſich 
der Herausgeber auf eine Daiſtellung der Ztrophen und der Reims 
verhaltniffe beichränft. Der Fortſchritt beftcht in dem funftvolleren Strophen» 
bau und im der Ahnnng des Principe der Hebungenzählung an Etelle 
der mechanischen Zilbenzählung. Aber der Lichter iſt nicht imftande, das 
Prinzip durchzufuhren. Er greift zu einer gewaltſamen Art von Zilben- 
verfchlefung, die in Verbindung mit der ſtarlen mundartlichen Färbung 
der Sprache die Unfache war, daß er jo bald vergeiien wurde. So zeigt 
fih Hock in jeder Beziehung als das chte Kind des Ubergangsézeitalters, 
in dem er lebte. — Moge dem Tichter des „Schönen Blumenfeldes“ recht 
bald ein ähnlich ichuner „Fortlanfender Nomntentar” zuteil werden, wie ihn 
ung Kofter für den Lichter der „Geharnſchten Venus“ beichert hat!!, 

Mähriſch Neuſtadt. Franz Spina. 

) Unter den Truckiehlern iri nur auf Einleitung XV, Zeile 14 von unten 
hingewieſen, wo es been muß: Vers 9 von Kr. 21 


Joſeph Eug., Das Heidenrögfein. 167 


Joſeph Eug., Das Heidenröslein. Berlin, Gebrüder Paetel (Elwin 
Paetel) 1897. 2 M. 


Im Mittelpuntt der gewandt gejchriebenen Erörterungen zu dem 
vielbejprochenen Gedicht fteht eme erneute Betrachtung über das Ber: 
hältnis zu Herders Kinderlied „Die Blüte“. Gegen Erich Schmidt und 
die Mehrzahl der Forſcher, die die „Blüte“ allzurafch für eine „Kontra⸗ 
fattur” des „Heidenrösleins“ erklärt hatten, betont Joſeph, einen alten 
Einwand Redlichs wiederholend, das fchwere Bedenken, e8 fei nicht vecht 
zu verftehen, wie ein Dichter dom „Heidenröslein“ zur „Blüte“ Habe 
binabfinten können. Auch ich geftehe, über die Bedenfen nicht hinmweg- 
zulommen bei einem Manne von fo feinem Empfinden für echte Lyrik, wie 
e8 gerade Herder befaß. Ja, wäre die Dichtung in einer fpäten Periode 
entftanden, in der Zeit tiefer Verftimmung und der Deklamationen über 
Goethes „Unſittlichkeit“, fo ließe ſich allenfalls die Abficht begreifen, „ein 
Geitenftüd ohne das Erotifch-ymbolifche des Originals zu Schaffen!” Aber 
demgegenüber fteht feit, daß das Gedicht nicht nach dem April 1771 
gedichtet ift, alfo gar nicht lange, bevor Herder in den „Blättern von 
deutfcher Art und Kunſt“, wie Joſeph betont, die Mitteilung des „Heiden⸗ 
röslein“ damit begründete, „daß es Feine franfcendentale Weisheit und 
Moral enthalte.“ 

Joſeph Hat nun erftlich den glüdlihen Gedanfen gehabt, der Ent- 
ftehung der „Blüte“ weiter nachzugehen. Ludwig Blume in feinem Kom⸗ 
mentar zu einer Auswahl von Goethes Gedichten (Wien 1893) Hat ihm 
den Weg gewiefen (vgl. S. 108) mit der Bemerkung, daß Herder bei 
feiner Polemik gegen die Kinderlieder fpeziel Weißes „Roſenknoſpe“ in 
der Sammlung von 1769 im Auge hatte. Als ein verbefjertes Gegenftüd 
zur „Nofenfnofpe* unter Anlehnung an das Lied bei Paul von der Aelft 
„Sie gleiht wohl einem Roſenſtock“ fer die „Blüte“ gedihtet. In den 
Anmerkungen und Erkurfen, die den „zweiten Zeil” des Schriftchens bilden, 
wird (S. 108 ff.) die Entftehungsgefhichte folgendermaßen ergänzt. Weiße 
war zu feiner „Roſenknoſpe“ angeregt durch den 34. Brief in Richardſons 
„Clarissa Harlowe’’, in dem der Schreiber, Yovelace, feinem Freunde 
fein Kleines füßes Mädchen (I call her my Rosebud) ans Herz legt. 
Herder, der dem Brief eine eigene poetiſche Ueberfegung widmete (Werke 
25, 553), benugte ebenfalls einzelne Motive. Beachtenswert fcheint mir 
die PBarallelifierung von Richardſon: I charge thee that tlıou do not 
crop my Rosebud. She is the only flower of fragrance und „Blüte“ 
2, 1: „Der Knabe fprah ich breche dich, du Knöspgen ſüßer Düfte”, 
2, 6: „Knabe, Knabe laffe mih das Knöspgen ſüßer Düfte.“ 

In überrafchender Weife kehrt danach zweitens der Verfaſſer die 
Schmidtſche Thefe um und erklärt: „Goethe Hat mit dem Herderjchen 
Tiede getdan, was Herder mit dem Weißifhen. Er Hat e8 mit Hilfe 


168 Joſeph Eug., Das Heidenröglein. 


unferes alten Aelftichen Volksliedes umzuſchaffen gefucht.“ Im feinfinniger 
MWeife wird das ausgeführt und auch dargethan, wie cin perfönlicher 
Moment mitgewirkt hat: der Vollgenuß des Cefenheimer Yiebeaglüde. 

Bis hierher möchte ich mich mit Joſephs Ausführungen cinverftanden 
erflären mit der Einſchränkung, daß die Abhängigkeit Herders von Weiße 
zwar nicht unwahrſcheinlich, aber doch aud nicht ganz fo ficher iſt, wie 
Joſeph behauptet. Ich zweifle nicht, daß er auch weiterhin im wefent- 
lichen das Wichtige trifft, möchte aber doch hervorheben, daß er den 
Schwierigleiten, die feiner Auffaffung im Wege ftehen, nicht ſcharf genug 
ind Auge geichaut hat. 

Herder bezeichnet in den fliegenden Blättern von deutfcher Art und 
Kunft das „Heidenröslein“ als ein „älteres .! deutfches Kinderlied“. Er 
giebt ihm im Regifter feiner zweiten Volksliederſammlung vom Jahre 1779 
den Zufag „Aus der mündliden Sage“. Joſeph, der diefe Daten nicht 
ganz forreft: wiedergiebt, fombiniert die beiden Angaben und interpretiert 
fie fo: Herder Habe eiſtens erfannt, daß das dem „Heidenröslein“ ver- 
wandte Aelſtſche Yied kein Merk erfter urfprünglicher Konzeption fei, und 
Herder habe zweitens das ihm von Goethe zugefandte „Heidenröslein“ 
bocherfreut für das noch zu feinen Zeiten im Elſaß gejungene und durch 
Goethe glüdlich gerettete Original des Aelſtſchen Yiedes gehalten S. 20 ff., 
dgl. S. 73. Er benugt fogar diefe höchſt gewagte ‚interpretation, um 
einen indirekten Beweis für Goetheſche Herkunft des „Heidenröelein“ zu 
führen und ungefähr jo zu argumentieren: das „Heidenröslein“ reprä- 
fentiert, wie fich leicht zeigen läßt, nicht die urfprüngliche Geſtalt des 
Aelſtſchen Yiedes, ergo war die (vom Joſeph fupponierte: Herderſche An- 
nahme ein „Irrtum, ergo iſt e8 von Goethe. Das Nartenhaus fällt 
zufammen gegenüber den Erwägungen, daß 1. es nicht erwiefen ıft, daß 
Herder Volkélieder mit fo philologiidy-fritiichen Augen betrachtete wie wir 
Nachfſahren von F. A. Wolf und Lachmann; 2. wenn er im vorliegenden 
Tale doh etwa fchon zu ahnlichen Petrachtungen gedrängt wurde, wir 
ihm auch den Scharfſinn zutrauen müſſen, den Joſeph bei feinen Yejern 
vorausſetzt: zu erfennen, daß das „Heidenroslcen“ auf feinen Fall die 
Grundlage des Aelſiſchen Viedes fein kann, und daß 3. die nahe Ber 
wandtichaft, ja durch zwei Ztrophen nahezu wörtliche Wbereinftimmung 
mit feiner „Alte“ ihm unmöglich vaborgen bleiben fonnte. Ter legte 
Punkt dunkt mich entscheidend. An die windige Auskunſt, daß er, im beiten 
Falle etwa zwei Jahre mad ihrer Abfallung, feine „Blüte“ fo gänzlich) 
vergeſſen haben sollte, daß ihm beim Abdrud des „Heidenröslein“ auch 
nicht die leiſeſte Erinnerimg gekommen fer, denkt Joſeph nicht. Sie wäre 
leicht genug als unmöglich zu erweiſen. Aber er traut Herder zu, er habe 
die Verwandtichaft zwar erlaunt, aber, weit entfernt von Mißtrauen, ſich 
geſchmeichelt gefuhlt, enwa mie ein Khilolog, der einen alten Tert aus 
fpäter Überlieferung wieder hergeftellt hat, ſich freut, wenn nachträglich 


Kofeph Eug., Das Heidenröglein. 169 


ein alter Koder aufgefunden wird, der feine Konjekturen glänzend beftätigt. 
Nur Schade, daß Herder gar nicht in der Yage des Philologen war und 
3.2. in der llbereinftimmung der Strophenformen beider Lieder feinen 
Triumph der Methode, fondern nur einen in das Gebiet des Wunders 
gehörigen Zufall Hätte erbliden Können. 

Muß man fo Herder, um Joſephs Annahme zu ermöglichen, zu 
einem Monftrum an Naivetät oder Gedächtnisſchwäche machen, fo befteht 
für Goethe Suphans altes Bedenken nun erft zu vollem Hecht: wel ein 
gewagtes Spiel müßte er mit feinem Lehrer und Freunde gefpielt haben! 
Herder erklärt bekanntlich zum fünften Verfe des von ihm in den „Blättern“ 
mitgeteilten „Fabelliedchens“: „Ich fuppliere diefe Reihe nur aus dem 
Gedächtnis.“ Entweder befaß nun Herder eine Goethefche Niederfchrift 
oder Goethe Hatte (mas Entftehung im Winter 1770/71 vorausfegen 
würde) es ihm in Straßburg fo oft recitiert, daß Herder es auswendig 
kannte. Im erften Falle müßte Goethe brieflich ungenaue Kenntnis feines 
eigenen Gedichtes geheuchelt, im letzteren gar eine längere Zeit fortgefeßte 
Komödie gefpielt haben: beides ein unmürdiges Verfahren, wenn dabei 
ein naiv⸗-gläubiges Gemüt ernftlich hereinfiel. 

Für mid liegt demnad) die Sade, wenn anders Joſephs Behauptung 
von der Priorität der „Blüte“ Stich Hält, notgedrungen fo, daß nicht 
Herder der Dinftifizierte ift, fondern daß er feine Lefer myſtifiziert. Wer 
die Ausführungen Herders über die alten deutschen Volkslieder Lieft, wird 
ſich unwillkürlich an Leffings Ausführungen über die alten deutfchen 
Volksdramen erinnert fühlen. Wenn nun Yeffing eine eigene Yauftfcene 
als Ecene aus cinem alten Drama cinfhmuggelte, follte Herder, der das 
Berftedipiel als Autor fo ſehr liebte, fich nicht geradezu verloct gefühlt 
haben, auch ein eigenes Liedchen unter die Volkelieder zu mifchen? 

Ein eigenes: das wird man vielleicht zugeftehen. Aber auch ein 
Goetheſches? — Im kurz zu fein: mir fcheint, daß, wer mit Kedlich 
(Herders Werke 25, 680) A fagt, gut thut, auch mit ihm B zu fagen 
und trotz Suphans Widerfpruch (5, 721) die Vermutung zu wagen, daß 
Herder beim erften Entwurf feines in die „Blätter“ aufgenommenen Brief- 
wechjeld über Oſſian und die Pieder alter Völker im Juni (oder Juli, fiehe 
Dünger, Zur oetheforfhung, ©. 388*) 1771 wirklich noch beabfichtigte, 
fein eigenes Lied den modernen Weißefhen Kinderliedern und Speziell der 
„Roſenknoſpe“ entgegenzuftellen, wie Leſſing feine Yauftfcene Gottſchedſchen 
Dramen entgegengeftellt hatte, indem auch er feine theoretischen Einfichten 
dadurch fofort in Praxis umjeßte, freilich nod) immer mit einem Fuß auf 
dem Boden der Aufklärung ftehen blieb. Inzwiſchen aber hatte Goethe im 
jugendlichen Wetteifer mit Herder fein „Heidenröglein“ gedichtet!), und 


) Ich glaube nicht vor Ende Mai, Anfang Juni, wo die wilden Rofen 
blühn; Joſeph meint „um den April 1771 herum” (5. 68). 


170 Fiſcher Kuno, ÜÜber Goethes Iphigenie. 


Herder war empfänglich genug für echte Poeſie, um zu fühlen, daß ſein 
eigenes Erzeugnis dadurch tief in den Schatten geſtellt wurde. Er behielt 
die Wendung, mit der er ſein eigenes Gedicht einzuführen beabſichtigte, 
im weſentlichen bei, erſetzte dieſes ſelbſt aber durch Goethes glänzendere 
Schöpfung. Nur Eins überſah er, was wunderlicherweiſe auch neuere 
Forſcher ignorieren, Redlich vermutlich empfunden bat, daß Goethes 
„Heidenröslein“ denn doch nur ſehr bedingt als ein Lied für Kinder 
bezeichnet werden kann. Gewiß, Kinder fingen’8 wie manches Volkslied; 
darum bleibt es nichts defto minder gar fehr ein Lied für Erwachſene. 
Ohne die eigentümliche, Herder wohlbelannte Geueſis des Yiedes wäre er 
fchwerlich auf den Gedanken gelommen, es als Kinderlied zu bezeichnen, 
während feine „Blüte“ fo mit Fug und Recht genannt werden darf. 

Eben feiner eigentümlichen Geneſis wegen aber lonnte ihm num aud 
beifallen, das Lied trog Goethes Antorichait feiner Bollsliederfammlung 
einzuverleiben. Dit der Etrenge, mit der wir Kunftlieder und Volkslieder 
Icheiden, ift Herder überhaupt nicht vorgegangen, und gerade fo qut wie 
manches Shakeſpeariſche Yıed konnte aud) das Goetheſche Aufnahme finden. 
Ja es war vielleicht wirflich in feinen Augen in viel höherem Grade ein 
Boltslied als uns dies heutzutage unmittelbar einleuchtet. Man bedenke: 
ein Weißefches Kinderlied, ein wirkliches altes Wollalied,!) ein eigenes 
Herderſches Gedicht: fie alle, wohl Hoethen im anregenden Geipräd über 
Volkspoeſie dur Herder vorgetragen, hatten ans fi heraus ein Neuce 
erzeugt. Dichten fid) denn nicht wirklich fo die Yieder der mündlichen 
Zage? Wie viel war hier Goethes Eigentum? Sehr viel, werden wir 
antworten; aber wir werden doch verfiehen, wenn ein Dann, der felber 
fo Tebhaft bei der Entſtehung beteiligt war übrigens die perfönlichen 
Beziehungen auf Friederike wohl nicht kannte, hiev mehr den dichtenden 
Volksgeiſt als individuelle Kunſt erblidte. — 

Auf die weiteren Einzelheiten des anregenden Schriftchens einzugehen, 
muß ich mir verfagen. Joſeph macht den intereſſanten Verſuch, die Ur— 
geftalt des bei Kaul v. d. Melt überlieferten Liedes herzuftellen: ich 
glaube nicht, daß er ıhm irgendwie geglüdt ıft, noch bei der angewandten 
in Werden und Wachen dieſer Yieder viel zu wenig eindringenden Methode 
glücken lonnte. 

Jena. Victor Michels. 


Über Goethes Iphigenie: 
Fiſcher Kuno, Goethes Iphigenie. Feſtvortrag gehalten in Weimar bei 
der dritten Generalverſammlung der Goethe Geſellſchaft. Tritte, 
durchgeſehene Auflage. Heidelbag, Karl Winter 1900. 1.20 M. 


Iı Die Annahnie, dar Herder und Goethe auſter dem Aelſtichen Yırd noch 
ein anderes Volkelied vom „Heidenreslein“ kannte Joſerh, S. 1105, halte ich für 
umvabrichrinlic. 


Fischer Kuno, liber Goethes Iphigenie. 171 


Goethe’s Iphigenie auf Tauris with introduction and notes by 
Charl. A. Eggert. New York, The Macmillan Company 1898. 

Iphigenie auf Tauris. Ein Schauspiel von J. W. von Goethe 
edited with introduction notes and appendices by Karl 
Breul. Cambridge, at the University Press 1899. 

Widerhbaufer N., Eine methodiſch-äſthetiſche Sklizze im Anfhluß an 
Goethes Iphigenie. Marburg, N. ©. Elwertſche Verlagsbud- 
handlung 1897. 


Ziemlih zu gleicher Zeit find zwei neue Ausgaben der Iphigenie 
mit englisch gefchriebenen Zuthaten: Einleitung, Kommentar, Bibliographie 
erihienen, von Dr. Breul in Cambridge und Dr. Eggert in Chicago, 
beide nett ausgeftattet und von kundiger Hand gemacht, auch deutfchen 
Lejern, etwa Öymnafiallehrern, die das Werk in der Klaſſe behandeln 
und die hier alles Wejentliche beifammen finden, zu empfehlen. Von 
Breul, der auh in Deutfchland als Forjcher wohlbelannt ift, wird man 
don vornherein eine tüchtige Yeiftung erwarten; aber auch Eggerts Arbeit 
fteht durchaus auf der Höhe. Die Ähnlichkeit der Anlage Täßt vermuten, 
daß beide Herausgeber in vielen Punkten unmittelbar an Vorgänger an: 
fnüpfen, die mir unbefannt find: von der großen Neihe der in den 
beiderfeitigen Bibliographien angeführten ‚Special Editions’ find mir 
die meiften unzugänglich geblieben, da fie auch das Goethe: und Schiller: 
arhiv in Weimar nicht befigt. Doch zeigt ſchon die lundige Benugung 
jelbft der neueften Litteratur aud) die fichere Selbftändigfeit der Heraus- 
geber. Es ift ſchwer zu fagen, welcher der beiden fid) fo ähnlichen Aus— 
gaben man den Borzug geben fol. Mir will fcheinen, daß Eggert in 
Bezug auf die Einleitung glüdlicher if. Auf die Vorgänger Goethes, die 
Entitchungsgefchichte des Stüdes, Zdee und Gang der Handlung geht 
Eygert fehr gründlich und verftändnisvoll ein. Es iſt mir eine bejondere 
Freude gewefen zu fehen, dag Eggert fi durd) meine Ausführungen über 
die Pavaterfche Verſion im 39. Bande der Weimarifchen Ausgabe, wie e8 
Scheint, in allem Wefentlihen hat überzeugen laffen. Bei Breul find 
dagegen die Noten etwas veichhaltiger. Eo vermifje ich z. B. bei Eggert 
eine Anmerkung zu dem Genitiv „Königes* Vers 41, wie fie Breul giebt. 
Man vergleiche ferner etwa, was beide Herausgeber zu Vers 1609 über 
Delo8 und Delphi anmerken. Mißverftanden hat Eggert Vers 1185 — 1187 

Ron dem fremden Dann 
Entfernet mich cin Schauder; doch es reift 
Mein Innerſtes gewaltig mich zum Bruder, 
wenn er erllärtt an inward shudder makes me withdraw froın the 
stranger (Pylades\, but my inmost heart is powerfully drawn toward 


ıny brother. Breul faßt die Stelle richtig. — 


172 Junk ®., Goethes Fortfeßung der Mozartifchen Zauberflöte. 


Kuno Filhers Feſtvortrag vom Jahre 1888 bedarf keiner neuen 
Charakteriftift oder cempichlenden Bemerkung. Die dritte Auflage zeigt 
einige ſprachliche Veränderungen, die den forgfamen Ztiliften erfennen 
laffen, einen Zuſatz bezüglich der meuerdings oft angetafteten Authencität 
der Angaben in der „Italieniſchen Reife“ (S. 8), Anmerkungen, welde 
die im Tert angeführten Stellen nach der Weimarifchen Ausgabe citieren, 
und einige andere Heine Neuerungen. Für den fechften Abfchnitt „Iphigenie 
in Weimar und Italien“ iſt jegt die erfte Profafaffung benugt. — 

Was Widerhaufer mit jeinem verworrenen Geſchreibſel will, ift 
mir trotz dev Kurven und Dreiede, die den Aufbau der „Iphigenie* ver: 
finnlichen follen, nit Mar geworden, und ich kann uur die Zöglinge des 
„gymnafialen Mädchen-Nyceums“ in Agram bedauern, daß fie zugleich mit 
Goethes Tamben die unklaren Phrafen des Verfaſſers haben über ſich 
ergehen laſſen müſſen. 

Jena. Victor Michels. 


Junk V., Goethes Fortſetzung der Mozartiſchen Zauberflöte. Berlin, 
Alex. Duncker 1899. (Forſchungen zur neueren Litteraturgeſchichte. 
Herausgegeben von Fr. Muncker. Heft 12. 2 M. 


Der Verfaſſer der vorliegenden kleinen Schrift hat, ſo beſcheiden er 
auch in derſelben auftritt, alle Urſache, auf fein Erſtlingéwerk ſtolz zu fein. 
Nahdem er auf die Ausführung jeiner Arbeit lange Zeit und überaus 
viel Mühe verwendet hat, übergiebt er dag Ergebnis feiner Etudien der 
Tffentlichfeit in einen dünnen Wüchlein, worin er faft ängftlich fich ſtets 
nur auf das beichränft, worauf es ankommt, und nirgends ein Wort 
zuviel ſagt. So ıft dag Werfchen vor allem dadurch ausgezeichnet, daß 
es bei großer Nürze und Knappheit überrafhend viel Wiſſen enthält, und 
der Verfaſſer imponiert uns mehr noch als durd) feine reichen Kenntniſſe 
und die gründliche und jorgtältige Ausführung feines Themas durch die 
feltene abe weifer Beſchränkung. 

Junks Buch gliedert fih in drei Teile. Der Berfaffer giebt zunächſt 
eine knappe Entſtehungsgeſchichte tes Goethiſchen Fragments „Der 
Zauberflote zweiter Teil“. An einem zweiten Abichnitt, der die Grundlage 
für den dritten bilder, führt ev uns dann die Eniſtehung von Schika— 
neders „Saubarlote” vor und behandelt arindlıdh das Verhältnis 
Zchifaneders zu feinen Tuellen, wober er alt Erjter den Zufammenhang 
der Oper mit Terraſſond altagnptiihenm Roman „Sethod“ ausführlich 
beſpricht. Auf dieſen Tarlegungen baut er dann ſchließlich Ten Hauptteil 
des Werkes auf: eine kritüſche, philologiſch äſthetiſche Betrachtung des 
Goethiſchen Fragmentä. Hier nun, indem der Barfaller unterſucht, was 
Goethe aus Schikaneder gemacht hat und machen wollte, indem ev dae 
vorhandene Szenar auf den vorausſichtlichen weiteren Gang der Handlung 


Junk V., Goethes Fortſetzung der Mozartifchen Zauberflöte. 173 


ausdeutet, dabei die einzelnen Paralipomena benugt und denſelben die 
ihnen wahrjcheinlich gebührenden Pläge anweift, zeigen fi) der Scharf» 
finn, die Gewiffenhaftigkeit und die methodifche Arbeitskraft Junks auf 
ihrer Höhe. 

Wenn irgend etwas in dem Büchlein ift, womit ich nicht völlig 
einverftanden fein kann, fo ift es des Berfafjers Entftchungsgefchichte von 
Schilaneders „Zauberflöte“. Junk bringt die herfümmliche Geſchichte. 
Schikaneder, durch Theaterfpelulationen halb ruiniert, fommt zu Mozart 
und bittet ihn, zu feiner Rettung eine SZauberoper zu komponieren. Der 
ZTert zu diefer Oper rührt größtenteild von Schikaneders Schaufpieler 
Gieſeke her; als derfelde Stoff während Schifaneders und Mozarts Arbeit 
auf dem Konkurrenztheater in der Leopoldftadt aufgeführt wird, muß 
Scilaneder ändern und nimmt die Freimaurerei zuhilfe. Das ift die alte 
Meinung des Mozartbiographen Jahn, und Junk läßt fi durd fie ver— 
leiten, wiederum die Wiener Theaterlitteratur vor 1790, die Tradition 
und die augenblidlihen Zeitumftände außer acht zu laffen. Auch er fagt, 
Schikaneder habe das in Wielands Dſchinniſtan enthaltene Märchen „Lulu 
oder die Zauberflöte” dramatifieren wollen und dabei das Märchen, von 
den Mugen Knaben benugt — durch Perinets „Zauberzither“ zur Ande⸗ 
rung gezwungen, ſei er vom erſten Finale an dem „Sethos“ als einer 
zweiten Quelle gefolgt, und darin habe er auch alle freimaureriſchen 
Gebräuche gefunden. So gründlich und gewiſſenhaft Junk feine Unter: 
ſuchung ausführt, kann ich dennoch die Anwendung folder methodiſcher 
Duellenftudien auf einen „Dichter“ von der Art Schifanederd nicht völlig 
gutheißen. Die Entftehung der „ Zauberflöte” fann nur aus den zeitlichen 
und lolalen Berhältniffen heraus erklärt werden. Junks Bemerkungen über 
Papageno und fein (erftmaliger) Hinweis auf die Abhängigkeit der „Zauber: 
flöte“ von Gieſekes „Dberon“ beweifen, daß er dem richtigen Wege nahe 
war. Sch will eine ſolche kurzgefaßte Entjtehungsgefchichte im folgenden 
verfuchen und dabei Junks Ausführungen fo viel al® möglich zu ergänzen 
trachten.!) 

Durch Lolalifierung allgemeiner litterarifcher Richtungen und Zeit 
frömungen und deren Verſchmelzung mit alten Traditionen des Wiener 
Theaterd begann um 1780 herum eine neue lofale Wiener Dramatik fi 
zu entwideln. Eine folhe hatte feit langem in Kurz-Bernardons 
Maſchinenkomödien beftanden, deren Hauptipaß darin lag, daß man Hans 
Wurft mit Zauberern und Heren in Verbindung bradte. Hans Wurft 
lebte 1781 in feinem Sohn Kasperle wieder auf und mit ihm die alten 
ertemporierten Hanswurſtpoſſen als Kasperliaden. In diefe Tradition 
drangen nun allmählich: die Form des um 1770 neu gefchaffenen deutjchen 


mn m — U m — 


') Was ich hier gebe, werde ich in meiner demnächſt erfcheinenden Schifa- 
neder- Monographie ausführlich bringen. 


174 Junk B., Goethes Fortſetzung der Mozartiichen Zauberflöte. 


Cingfpiel3 (aus tejien anfänglich — nad) dem Muſter der vorher: 
gegangenen Blütezeit der franzöfifhen Operette — cinfadher ländlicher 
Liebeshandlung nicht felten eine Entjührungss oder Befreiungsgeſchichte 
geworden war: geifterhaft durch Anlehnung an das Ritterſtück oder drollig 
durch Einführung des orientaliihen Koftims'; die am meiſten durch 
Wieland vertretene morgenländiihe Märdenpoefie; und die Schauer: 
romantit und Geheimnisthuerei des Witterdramas. Aus diefer Ver— 
bindung der Eingipielform mit den eben genannten zauberhaften und 
geheimnisvollen Nenerrungenfchaften und der lokal humoriſtiſchen Tradition 
entfteht die Wiener Zauberpoffe, von der fich lurz naher durch den 
Einfluß der Kogebuefchen Perudramen und der Tradition, in der diefe 
entftanden find. die erotiihe Brunloper abzmeigt. Dieſe beiden (Hattungen 
zuſammen mit der Traveftie und dem neu geformten Wiener Yocalftild 
bilden bald eine fpezifiich wienerifche Theaterlitteratur, deren Grundſchema 
ungefähr das folgende ift: ein idealer Held muß feine Geliebte erringen, 
und dabei leijtet ihm Kasperl entweder ala Diener oder als einfacher 
Begleiter, der fi) dem Helden aber auf jeden Fall unterordnet, Gefell- 
haft. Diejes Schema wird dann fir die einzelnen Tramengattungen 
modifiziert. In dem Zauberſtück, das auf heimiſchem Boden oder aud) 
häufig in erotifchem Yande fpielt, wie in der Prunkoper, deren Hand» 
lung ftet8 in ideale Ferne verlegt ift, ıft die (Seliebte entweder von einem 
böfen Zauberer geraubt und eingejchloffen worden und kann nur durch 
Erfüllung gewiiier Bedingungen vom Helden einem jungen Nitter oder 
orientaliichen Königsſohn aus ihrer Haft erlöft werden; dann treten meıft 
überirdifhe Helfer dem edlen Nüngling zur Seite und ftehen ihm bei 
Haupteinfluß von Wielands Märhendichtungen, beſonders Oberon und 
Dſchinniſtan, aud des RNitterſtücke; — oder das Mädchen ift Üdaliefe 
eines Paſchas, der fie geraubt und in feinen Harem geftedt bat; der 
Held entführt fie durch Yılt altes Poſſenmotiv, Hanpteinfluß von Mozarts 
„Entführung“ ; — oder aber fie ift der Zproß eines überjeeifchen Injel- 
volfs, das die Europäer blutig haßt, vielleuht fogar Prieſterin einer mit 
Menſchenopfern und gräßlicden Geremonien verbundenen Neligion und 
darf ſich mie vermählen; dann bringt ıhre Yiebe zu einem Quropäer fie 
und ihn in Yebenegeiahr, aber die Liebe beficgt alle Schwierigkeiten und 
führt zu einer Alucht oder ur allgememen Austohnung und Abfchaffung 
der Menſchenopfer altes Motiv des Incle und Pariloftoffes ſauch durch 
die „Iphigenie“ nahegelegtj, durch Kobebnes „Zonnenjungfran“ mit dem 
Motiv der Veſtalim und den ins Wrieiterliche übertragenen Geremonien 
und Hewöolbedelorationen des Nitterftücds verbunden; zum Teil vorbereitet 
durch die nach dem Winiter der trazredie elassique gedichteten erotifchen 
Koͤnigs⸗ und Verichworungétragodien, In allen Dielen Fällen hat Kasper! 
als Tiener, Slave oder Pegleiter des Helden veihlih Gelegenheit, durch 
feine Witze und feine Feigheit zu wirlen; ob er ji num vor dem böjen 


Junk B., Goethes Fortjeßung der Mozartifchen Zauberflöte. 175 


Zauberer und defjen Geiftern fürchtet oder vor den Schergen des Balla 
oder vor den Indianern und Prieftern, die ihn Brahma zu Ehren braten 
wollen. Immer gefräßig und gefchwägig, vorlaut und feig, bewirkt er 
ſchließlich eine ausgeprägte Zweiteilung der Handlung in einen pathe- 
tifchen und einen drolligen Zeil, die parallel laufen. Es ift ganz der 
natürliche Yauf, wenn er allmäylich auch eine zu ihm paffende Geliebte 
erhält; dann wird die Iuftige Liebesgeſchichte des männlichen und bes 
weiblichen Kasperls zu einem lomiſchen Seitenſtück zu der ernften und 
fentimentalen Liebe des Helden und der Heldin und vertritt zugleich) das 
echte Wienertum in jedem noch fo phantaftiich-erotifchen Zauberftüd. (Eine 
ganz an das alte fächfifche Charakterluftfpiel erinnernde Zweiteilung desjelben 
Schemas haben wir dann im fpäteren Lokalſtück; hier werden die Hinderniffe 
in Geftalt des lüfternen Bormunds, der tyrannifchen Stiefmutter von dem 
bi8 Raimund und Neftroy gleich fentimental fchablonenhaft bleibenden 
Liebespaar befiegt, während Kasper! und feine Iuftige Braut zu Dienftboten 
geworden find.) Das find die dramatischen Vorausfegungen der „Zauberflöte“. 

1781 hatte Marinelli das LTeopoldftädter Theater gegründet und 
darauf zunähft mit Kasperliaden großen Erfolg gehabt, die fich feit 
1786 (dem Eintritt des Kapellmeifters W. Müller und dem erften 
Auftreten des Theaterdichtes Hensler, dem bald Perinet folgte) 
immer mehr der Zauberoper näherten. Schifaneder hatte diefes Theater 
gelegentlich feines Wiener Aufenthalts 1785/6 fudiert und fhon damals 
die Errichtung einer Konkurrenzbühne geplant, diefen Plan damals aber 
aufgeben müflen. 1789 lam er wieder nad Wien, wurde Direktor des 
sreihaustheaterd und war nun beftrebt, mit allen Kräften Marinelli zu 
übertrumpfen. Aus der Fremde brachte er die Gewohnheit prunkvollen 
Aufwands mit, die er bald mit einem fouveränen Erfafjen des Wiener 
Theatergeſchmacks vereinigte; Phantafie, Yindigkeit, dramatifhe Begabung 
und Gewinnfucht ließen ihn alles aufmenden, um gegen feinen Konfur: 
renten möglichft bald einen entjcheidenden Schlag führen zu fönnen. So 
bereitete er denn aus der Kasperltradition wie aus der Märchenpoefie die 
Quinteſſenz, vermiſchte ſie mit überbleibſeln alter phantaſtiſcher Ideen des 
eigenen Kopfes, und bereitete aus ihr eine Prunk- und Zauberoper xar’ 
&Eoynv, indem er recht unverfroren eine von feinem Schaufpieler Giefele 
verfaßte Oper „Oberon König der Elfen“, die ihm der Autor aller 
Wahrjcheinlichleit nach im März 1791 übergeben Hatte und die er am 
23. Juli aufführte, dazu benugte, um die darin enthaltene dee zum 
Serippe feiner nenen Oper zu madhen.!) Da Marinelli 1790 mit Henslers 


1) Auf diefe einfache Weife meine ich den „Entwurf zur Yauberflöte”, den 
Biejele Schifaneder iibergeben haben foll und von dem man bisher fprad), jowie 
die eigentliche Autorſchaft Gieſekes erklären zu können. Ich merke hiermit an, daß 
id zwar jelbftändig auf den Gedanfen gefommen bin, daß aber aud) Junk mir 
gegenüber in einem Geſpräch einmal ihn verimutend ausgefprochen hat. 


176 Junk B., Goeeites FJerriezung der Marien Zacterfiote 


per „Tas Zonnenfeit der Brahminen? einen Kieienertolg erzielt hatte, 
jo war Schikaneder vielleiht von Anfang un geneigt, wenn es ginge, 
auch den Yiiefters und Tempelpomp mit hineinzunehmen: ebenvo frech 
ſtibitzte er noch im Juni 1781 aus Perinets „Zauberzitber” einige Züge 
herüber. Ta man nirgende noch ſo viel Kaererl un? Zauberer und ſo 
viel ſceniſichen Auiwand ki.tammen geichen hatte, fo mußte idm die neue 
per Glück bringen. Uns es kam ja auch io, bare doch der vorfichtige 
Schikaneder, um des Eriolges ganz fiber zu fein, Mozart zur Kempo— 
ſitien ſeines Ragouts bemogen. — Zo ılt, meiner Meinung nad, Die 
Zauberilote entitanden. 


Ten Ken der Handlung mag zunäkit Giciekes Oberon gebildet 


haben. Dicier wurde am 23. Juli 1701 2xuifgtiuhrt, und Schitaneder 
hatte ihn wohl eben kennen gelernt, ale er Aniang May; Mozart beéuchte. 
Um dieſe Grundhandlang nun zu einem aues Bieberige ubert ecñenden 
Zauber- und Zpelieteltad zu erwertern, benugte Schrianeder Ne her 
ban!iıge Warhemtiummlung dinn: aaa ıalam cd. darzus das 
Marchen „Yaru“ beienders het aus a::i aui dicies mag cr durch ſeine 
Ahnlichke:t mit Ser Handlung Sa Oderon getemmen San und von den 
Moriden der ubrigen Machen, was ihm nu und wrrtiam t dꝛen. dazu 
that. Tazu gehoren, was Jank uderiehen hat. sub: sin za Naaben 
noh die „nadtlih ſternilammende —A— N. och Ke: * ın dem 
Marchen „Der Korbe bar. we Ne Nachtser klar saufen geldenen 
Thren Niet, umgeben von : acn —— Janz'rruen: der luſerne 
Vaohr, der be: Shilaneder an die Ziele des Zrerazten „Valnt gerneren 
iſt Tichinnitan I. SD: 2 dein! J eMerned ren tem 
Vildnis., dad den Heldea tutiamnu:: he Jangieru zursnbin Xcangit 
und ic:ne Sul, ul was vrtiendiers aibä SE I tagend und 

Vtte. sy izle Jrobe au: 


gehemn:tsrelle Predtteten vom „MU ORSSEN 

bettzn mue, d: ie Km Jungmnb aut Darimary wc Due, 
Yan aohnigen der SNTRaıngzalaicanl SGgmen Saw Borfinget fin) 
tv om gelam Wanbor oubolını cines Fakt Yası „Tr Talalt er 
uabıber“, am dinem aul..a abi 8 cn „Im. Lo Acentichatt“ 
un! cmen — „un hmiäbungirt,  NDIJSDORLENN Sn Vin! ganz 
Beo.tza wen Wor In D. atde ckr he Zumal und Ne 
Btiaalet und „Te Zim Io Werican: ſie ſind bite ren Wreland 
ltr rat gt ont „rn Dim aui genaue 3fauntbaft 
na Sat fo mim „Zube Salıssn. Ter „Zubrst war von 
in Ircimaurt: rerien Schr biinree Bam, und Wietend hat fi ara! em 
jener Zi Sb. vlnr wnmaset bebyrar nt zum 172 im 


„Tentihen Meta Sarakı sel. u. „Sa lm alten Machen eszhl: 
en ayvmeite Rosıyiein fon Jngendazichidee: wi cken fon Daten au 
Hart: uber die Abinalbme in Ne wahren ker. vr webbinoner dam 
wirriger leg und uncamudccee Forſchen reirbereiten tonne, und Ne der 


Junk B., Goethes Fortfegung der Mozartifchen Bauberflöte. 177 


Treue und Weisheit einer Heinen Anzahl von Günftlingen des Schidjals 
anvertraut feien, Im „Stein der Weifen“ wird ein König von einem 
Schwindler, der fih für einen Magier ausgiebt, betrogen, und dieſer 
erzählt ausführlich und breit die Geſchichte von der Pyramide, in die er 
binunterfteigt, und von dem Durchſchreiten von Wafler und Feuer ale 
Prüfung faſt wörtlich fo, wie fie im Sethos fteht.!) 

Aus alledem wollte Scikaneder nun zunächſt weiter nichts machen 
al8 eine zugkräftige Zauberoper. Der Prinz Tamino follte die von einem 
Zauberer (als folcher war damals vielleicht bloß Monoftatos gedacht) 
gefangen gehaltene Pamina erlöfen, da8 konnte aber nur durch Bejiegung 
großer Hinderniffe gefchehen. Wie gewöhnlich, wurde er von Kasperl 
dabei begleitet.2) In Papageno (zunächſt — Scherasmin) ſchuf Scifaneder, 
wie Junk richtig bemerkt, ganz aus der Handwurfitradition mit ihren 
typiſchen Zügen, die er in Wien vorgefunden hatte, einen mit eigenem 
phantaftifhen Flitter behängten concentrierten Kasperl; er mag dazu 
außer dem einen Stüd des Mearinellitheatere, das ſchon Jahn (durch 
Mitteilung 2. von Sonnleithners) gelannt hat: „Kaspar der Vogel⸗ 
främer“ (Premiere am 3. März 1791, bis 1796 im Repertoire) nod) 
Stüde wie „Kusperle der luſtige Hechel- und Maufefallenfrämer oder 
Wer Andern eine Grube gräbt, fällt felbft hinein“ (1781 (?) bi8 1802 
ftändig gegeben\,3) „Der Gudgudfänger* (1783) oder „Der Pfannenflider“ 
(1785) benugt haben. Prüfungen mit großem Aufwand an Delorationen 
und Speltafeln dürften nad Art der im Dſchinniſtan enthaltenen Muſter 
ſchon beabfichtigt geweſen fein, aber Hier als Hinderniffe des böfen Zauberers. 


) Diefes Märchen Hatte Scifancder ſchon 1790 in einer Dramatifierung 
aufgeführt, die in gewiffen Sinn jedenfall8 eine direfte Vorläuferin der „Zauber: 
flöte” geweſen if. Nad) NRecenfionen aus dem Jahre 1804, wo die Oper wieder 
aufgenommen wurde (vgl. Koßebues Freimüthiger 1804, Nr. 209; Allgemeine 
nunfalifche Zeitung 7, 41), findet man darin einen guten und böfen Genius, ein 
unſchuldiges Paar, das ſich zärtlid) liebt und viele Hinderniffe findet, einen jovialifchen 
Naturmenfchen mit einem Teichtfinnigen Weibchen, das ihm untreu wird, einen 
unterirdifchen Herrſcher Eutifronte, einen Cyklopenchor und ein Duett im 2. Alte, 
„wo Lubanara nur miauen kann”. So wahrſcheinlich es ift, daß die Oper flir die 
Neuaufführung umgearbeitet worden war, fo geht hieraus doch beſtimmt hervor, 
daß „Der Stein der Weifen oder die Zauberinſel“ bereits wichtige motivifche Be— 
ftandteile der Zauberflöte Schon in jeiner erften Faſſung enthalten haben muß. 

2) Eine ſchon 1785 im Leopoldftädter Theater gegebene Maſchinenkomödie 
„Der Streit zwiſchen dem Zauberer Scioncco und der ‘Fee Salantine oder Kasperl 
bleibt — kann vielleicht als eine Art Vorläufer der „Zauberflöte“ betrachtet 
werden. 

3) Inwiefern dieſes Stück mit dem gleich betitelten Roman von Spieß 
Ahr 5, 507, 13) zufammenhängt, der erft 1792 erfchien, kann ich nicht fagen. 
In Anbetracht des großen Einfluffes, den Spieß auf die Wiener Volksdramatik 
ausübte, wäre vielleicht fein Luftfpiel „Die Mausfalle oder die Reife nad) Agypten“ 
(Prag 1786), das mir bis heute unbekannt ift, mit dev „Zauberflöte“ in Verbindung 
zu bringen. Übrigens giebt es einen „DMausfallenfrämer” bereits in einer Kurzi— 
ſchen Bernarboniade. 

Euphorion. VII. 12 


17x Zunt B, Goeibes Kortierung der Mozart: ichen Zauberdöge. 


Kun entiieht währen? ter Arbeit ein Ruck. und Schilaneder 
ändert das ichon Geſchriebene mögzlicht um und führı tat Stächk nicht 
werter wie er geplant, ſondern er führt eine ägnptuiche Vrieſterichar umd 
tie Aufnahme ter Liebenden in gebeimnievole Moiterien vor; aud 
Mozart, ter bis zum eriten Finale eine ganz leichte, ihersbaite Muſik 
geichrieben kat, wir! von Sa an ernit un! werheroll. Wie das fommt, ift 
niht io eintah zu erflären duch Perinets Kenkurrenzoper: auch Mozart 
fann nicht von Anftıng an eine paıtberiihe Handlung gelacht haben. lin) 
bier hätte man meiner Meinung nach niemals vertäumen tollen, ſich daran 
zu erinnern, dag Schikaneder und Mozart bereits 17-0 ın Zal;burg beite 
sugleih ein Trama kennen gelernt hatten, ta ım Noltüm völliz, in der 
Santlung teilmeiie der „Zauberflöte“ ın dieſer neuen Geſtalt verwandt 
it. Tieies Süd ir „Ihamok, König von Egppten“, ein heroilches 
Trama ven Tobias Vhilipp Freiherrn von Gebler, das Schikaneder in 
Zaljburg auftuhrte, und zu tem Mozart Zwiihenaftämmiilen und Chöre 
ſchrieb. Tıe Handlung des Tramad, eine ın mandem an die tragedie 
cla-styne erinnernde erotihe Könige-, Yriefter- und Neribmörunge- 
geichichte, laßt auf gründliche Benugung tes Sethos ichließen. Schon 
das Yocal ſit das dee Sethos, das Stück ipielt zum großten Teil im 
Innern Ted Sonnentempels zu Heliopolie in Agnpten; auf der emen 
Seite der Buhne find Nie Gemächer ter Trieiter, auf der andern beñndet 
ſich die Wohnung der Zonnenjungfrauen. In dieiem Tempel berricht der 
vor Seiten vertriebene Kong Menes als Oberprieſter unter dem Namen 
Sethos, er behütet und beichuet in meer Großmut un! Milde die Yiche 
icıner Tochter Tharſis Nic ehne ihren Vater zu fennen, ebenfalls unter 
anderem men auiwuche un! det Thamos, des Zohnce jenes Empörers, 
der einſt Venes vertrieben bare. Thamos Toll nah Tem Tode feines 
Katere Nomg waren: Ton NSertrauter, Tberon, der selber Tharlis Liebt 
en? la von ıbr gewählter (email Nöng Ver Agppter werden mill, 
zertelt iine Rerichworung gegen Thamos an und wird dabeı von der 
Yretbain Sr Zonnenjungfrauen, Minza, einem willen bösmwilligen 
Werbe, unterituützt. Schließlich wird ım Zonnentemte. ala nad dem 
Tora Thames in fealıber Reriammlung zum Non terrätigt werden 
ſell, die Ausiuhrung von Tbaens un! Muzas ichwarzen Ylänen eben 
ın ccm Vomente. ta die Berihmorenen die Waiien ergueifen, durch 
Se:hee, der ih ala Menes, den cmitigen Konig zu cılennen giebt, ver- 
hindert. Er selbit vereinigt die beiden Yıebenden uns eihebt fie auf den 
Konigeihren die Yoiewichter aber erhalten die verdıente Straie. Mirza 
erſticht ſich ſelbſt, Fheron wird durch einen von der erzürnten Gottheit 
geiandten Rlitz erichlagen. 

Mozaäart hatte die Zwüſchenaltemuſik mit beſonderer Liebe und Intereſſe 
lomponiert und namentlich auf die Kompoſition der großen Chorhymnen. 
mit deuen dar Trama „nah Art der Alten“ verſehen war, große Zorg- 


Junk B., Goethes Fortſetzung der Mozartifchen Zauberflöte. 179 


falt verwendet. Wenn nun fon diefe Priefterchöre (oft fogar durch wört- 
(ihen Anklang) und die Ceremonien in dem Sonnentempel uns lebhaft 
an die „Zauberflöte* erinnern müſſen, fo ift nicht zu leugnen, daß auch 
die ganze Handlung, abgefehen vom Koftüm, der pathetifchen, weihevollen 
Sprade u. f. w., in ihren allgemeinften Grundzügen eine Ähnlichkeit mit 
der Handlung der „Zauberflöte* aufweiſt. Wir haben aud) hier ein ideales 
jugendliche® Tiebespaar, das Eindlichen Vertrauens voll feine Wege wandelt. 
Eine Gruppe von Verſchworenen will die Bereinigung diefes Paares 
Bintertreiben, und an der Spige dieſer Böfewichter ftehen ein Mann, der 
ed ſelbſt auf das Mädchen abgefehen hat (Pheron-Monoftatos) und ein 
wildes, leidenfchaftglühendes Weib (Mirza-Königin der Naht). Ein Ober- 
priefter von tiefer Milde und erhabener Größe (Sethos-Saraftro) vereint 
da8 Tiebende Paar den ſchwarzen Anfchlägen der Verſchwörer zum Trotz, 
und die Legteren werden am Schluß von ihrer erträumten Höhe herab- 
geſtürzt. 

Es ſteht feſt, daß dieſem Drama (gedruckt 1774) der „Sethos“ zu⸗ 
grunde liegt (und zwar der franzöſiſche, denn Claudius' Überfegung iſt erſt 
1777 erſchienen), und auch hier finden wir wieder Wieland beteiligt; 
dieſem hatte Gebler 1773 den erſten Aft feines Stückes geſchickt und von 
ihm mancherlei Ratſchläge erhalten. Vielleicht iſt Wieland ſchon damals 
durch die Lektüre des Gebleriſchen Dramas auf den „Sethos“ aufmerkſam 
geworden. 

Für mid ift e8 ficher, daß ſowohl Schilaneder wie Mozart bei der 
veränderten Weiterführung ihrer Oper dieſes Stüd vorgefchwebt Hat. 
Scilaneder verband es mit den im „Dſchinniſtan“ gegebenen ägyptifchen 
Myfterien und Tugendprüfungen und den Ceremonien der erotifchen 
Priefter im „Sonnenfeft der Brahminen“; jet erft kam Saraftro in die 
Handlung, zu deſſen Feinden wurden die Königin der Naht und all- 
mählih auch Monoftatos, der früher allein Paminens Entführer geweſen 
war; fie wollen Taminos und Paminend Hochzeit hintertreiben, ihre 
Ränke werden von dem weifen Saraftro, der Tamino gegenüber ver- 
leumbdet worden ift, zu Schanden gemadht. Was von der Oper, deren 
Ihon völlig fertiger Plan fallen gelaffen wurde, bereit geſchrieben 
war, blieb (wohl größtenteils der ſchon geſchriebenen Muſik wegen) beftehen; 
eine Szene (die drei Knaben führen Tamino in den Hain), die erfte 
geheimnispollsfeierliche der neuen Weiterführung, wurbe zwiſchen die vor- 
legte und die letzte der gefchriebenen Szenen eingefhoben, und von 
da ab folgte Schifaneder dem neuen Plan. Mozart behielt den bisherigen 
ſcherzhaften Ton nur für die Papagenofzenen und ein Lied des Monos 
ftato® bei und folgte im übrigen der Nichtung, die er in den Hymnen 
des „König Thamos“ eingefchlagen hatte; feine Begeifterung für die 
Freimaurerei und vielleicht auch fein naher Tod bewirkten eine unerreichte 
Höhe feiner Muſik und eine Durchgeiftigung des ganzen Tertes. Wiefo 

12* 


180 Junk B., Goethes Fortietung der Mozartifhen Zauberflöte. 


e8 kam, daß die Oper plöglich zu einer politiihen Kundgebung im 
Intereffe der Freimaurerei gemacht wurde, ift dunkel. Tie politifchen Zu: 
ftände waren ganz dafür gefchaften, und ich glaube, daß Schilaneder und 
Mozart, von welchen keiner Schon anfangs das beabfidhtigt Hatte, von der 
Yoge oder dem Orden damit beauftragt worden find. Gleichfalls in 
ber Poge dürfte Schilaneder den „Sethos“ gefunden haben. Doc glaube 
ih, daß man ihm :ansgenommen die Benutzung einiger wörtlicher Ztellen: 
feine fo durchgehende Bedeutung als Quelle für die Weiterführung bei- 
meſſen darf.!, In fpäteren Opern „Babylons Pyramiden“, „Das Yaby- 
rinth“ hat ihn Schikaneder gründlicher benutzt; hier paßte er ihm wohl 
nicht beſonders in feinen ſchon fertigen Plan. Daß Mozart perſönlich 
Schikaneder bewogen haben ſoll, die Freimaurerei hineinzubringen, glaube 
ih nicht: warum hätte er damit bis zum eriten Finale gewartet? Ebenſo— 
wenig ift an eine theatralifche Spekulation Schikaneders mit den Cere— 
monien der Yoge zu denen, denn in feiner feiner fpäteren Opern, die 
fih meift in Charakter, Koftüm und Szenerie ganz an die „Zauberflöte“ 
anſchließen, kehrt eine einzige ernfte und zielbewußte freimaurerifche An: 
fpiclung wieder.” Gieſekes Behauptung, er fei der eigentlihe Autor der 
„Zaubeirflöte“, führe ich darauf zurüd, daß fein „Oberon“ den Hauptkern 
von Schikaneders Oper bildete, indem Schikaneder ihn nod) vor der Auf- 
führung ebenfo fred benugte, wie allenfalls den „Guckguckfänger“ oder 
„Tas Zonnenfeft der Brahminen“. 

Tie Nachwirkung der „Zauberflöte“, über die Junk einige recht 
Ihägenswerte Mitterlungen macht, fünnte man in einem diden Buche 
behandeln, das gar nicht jo umintereffant wäre. Hier fer bloß gefagt, daß 
Schikaneders fpätere Opern met Nachbildungen der Zauberflöte find: 
„Tas Yabyrinth oder der Kampf mit den Klementen“, „Babilons Pyra— 


; Kine fur die „Jauberjlote“ wichtige Zeile bar Junk überichen illber 
ſebung von Qlaadsus 1, 280 82 „Um Mätternacht Sabre man aus dem lebten 
Zniblbegen gegen den Hmtergräand des Tempels amd von dev Zee des Eliſiums 
den Toierprieuer.. lerkommen und bester ihun zwey Werben Vrieſter, Die nach 
dem Heiligen amd der Statue Bes Jüs gingen Sie winden von emem lila 
mir eher begleitet, Pas aus audern Burton... Lelland. Weunn der Opfer 
men lin an die Ztatir qrtenimen warn, nanden Mr zwey Werben ſtille, trennten 
ſich von emander, und ließen die nachielgende Driergabe voreug bhen.“ Tieie 
Trergabe nurd ven Is VPrreſtertöchtern ge bia br. Dicie Beichreibung entöpricht 
doch ganz dem Peg des 2. Attes, und leer habın wir auch Div Zahl 18, Div 
Junk aus dem Freimauterichen 5 6 hæeæsleitet. 

Ich glaube, daß edezia!lls ze em Proianerung der jireimaureriſchen 
Gebrnuche dadurch, dar man Mm ani de Vühne brachte, die Erlaubnis der Yoge 
morg grweien tt, die ehen m dem ct Fall Be Kernendung ihren Ecremonien 
authieh. Tie ezuzige Rerwendeeng der Fret:manrerei, Div halbwegs ernſt zu nehnmen 
wire, imdet üich in Sataneders Oper „Ter Spriget von Arladien“ 1796, wo 
die Bevollerung Dar Suhl ven Jüptter mit PHaden und Zchaufeln ausgerüſtet und 
ermabnt wird, au „Ber Gottheit Tenwel“ mitzubauen. 


Junk B., Goethes Fortfeßung dev Mozartiichen Zauberflöte. 181 


miden“, „Der Höllenberg“ enthalten alle als Hauptpunft die Feuer- und 
Wafferprobe und erinnern auf Schritt und Tritt an die „Zauberflöte“, 
Grillparzer, deſſen erfte Lektüre da8 Textbuch der „Zauberflöte“ war, 
fteht ganz unter ihrem Bann wie überhaupt unter dem der Wiener Volks— 
bühne; aber Junk hätte es nicht verfäumen follen, neben ihm aud) 
Raimund zu nennen, der vom ihr durch und durch beeinflußt if. Diefer 
Einfluß tritt am meiften hervor im „Diamant des Geifterlönigs* (Weg 
zwiſchen Teuer und Waller, ohne fi) umzufehen, Beritatius und die 
„Inſel der Wahrheit“); er findet fi) aber tief in Raimunds ganzer 
dramatifcher Produltion. Die „Zauberflöte Hat im übrigen außer auf 
die Oper und das Zauberftüd aud auf die Titteratur überhaupt mächtig 
gewirkt, ihr Einfluß dringt bis in den Roman und die Novelle. 

Über den Goetheteil von Junks Arbeit läßt fich nicht8 lagen, 
al8 was ſchon oben lobend ancrkannt worden ift; er bildet ein Mufter 
vechtfchaffener, fcharffinniger philologisher Arbeit. Daß Goethe die 
„Zauberflöte wahrſcheinlich nicht in Schikaneders Driginalausgabe 
vorliegen Hatte, fondern in der Bearbeitung von Vulpius, in der 
fie 1794 in Weimar gegeben wurde (getrudt Leipzig 1794), wird Junk 
wohl gewußt haben. Junk ift der Meinung, daß Goethe Schila⸗ 
neders Oper „Das Labyrinth“ nicht gekannt habe; trotzdem beſteht ein 
gewiſſer Barallelisnıus zwilchen den beiden „Zweiten Zeilen“. Hier wie 
dort Hochzeit Taminos und Paminas, Übergabe der Krone von Saraftro 
an Zamino; am Beginn der Handlung die fhwarzen Ränke der Königin 
der Nacht, die fie den Eingeweihten und dem neuen Königspaar entgegen- 
ſetzt; am Schluß ein Kampf, in dem die böfe Partei befiegt wird. Im 
beiten Stüden nähert fi Monoftatos heuchlerifh Papagena, müſſen 
Zamino und Pamina neue Prüfungen beftehen, und erhalten Papageno 
und Papagena Familie. Erſt im Auguft 1803 fchreibt Zelter unaufe 
gefordert Goethe den Inhalt des „Labyrinths“ (dad 1798 in Wien 
aufgeführt worden war und nun erft in Berlin gegeben wurde). Warum 
aber follte Goethe, der fih doch gewiß für einen „Zweiten Teil der 
Zauberflöte” von Schikaneder mächtig intereffiert haben dürfte, den Inhalt 
des „Labyrinth“ nicht Schon lange durch Zeitungsnachrichten gewußt 
haben? 

Junks gewiffenhaft und verftändnisvoll gearbeitetes Werk ift in mehr 
als einer Hinficht verdienſtlich; ſo ift es freudig zu begrüßen als ein 
erfter Hinweis auf den Einflug der Wiener Zauberopern auf Goethe. 
Die Andeutungen, die der Verfaſſer bezüglich der ÜÜbereinftimmungen mit 
dem „Fauſt“ giebt, würden, wenn man fie zu einer Unterfuchung bejonders 
des ‚weiten Teiles des „Fauſt“ (und vielleicht fogar auc anderer Dich— 
tungen, wie des Lilienmärchens) erweiterte, vielleicht überrafchende Kejultate 
ergeben. 

Wien. Egon von Komorzynski. 


182 Gamier J. D., Zur Entwidlungsgeichichte der Tichtung Yudwig Tiecks 


Garnier I. D., Zur Entwidlungsgefhichte der Novellendichtung Ludwig 
Tieds. Gießen, Verlag von Emil Roth 1899. 1.20 M. 


Ale Einleitung giebt der Verfaſſer, Profeffor am Gymnafium zu 
Bourgsen-Breffe, cine „vorläufige Ülberficht über den Entwicklungsgang 
des Dichters“, der weder zu dem Bilde Tieds etwas neues hinzufügt, 
noh auch durd die Anlage der Schrift nötig erfcheint, da im weiteren 
Berlauf das bier Geſagte in der Hauptfahe noch einmal vorgebradht 
wird. Diefer Mangel einer ftraffen und überfichtlichen Zuſammenfaſſung 
macht fi) überhaupt in der ganzen Arbeit bemerflih. In einem zweiten 
Abſchnitt harafterifiert Garnier, indem er es verichmäht, von einer 
aprioriftifchen Tefinition der Novelle auszugehen, „mit ungetrübten Augen“, 
wie er fagt, eine Reihe der bezeichnendften Novellen Tieds, zu denen er 
nit nur die ausdrücklich als Novellen bezeichneten Werke rechnet, fondern 
auch unter anderen Tiecks Märchendichtung und die als Roman an— 
gegebene Geſchichte der Tichterin Bittoria Accorombona. Von jedem diefer 
Merle giebt er die äſthetiſche RBilanz. Mas er aber mit ten Mitteln, die 
ihm Vollelt Aſthetiſche Zeitfragen und Elſter : Prinzipien der Pitteratur 
wiſſenſchaft an die Hand geben, berausbringt, iſt gleichfalls weder neu, 
noch bejonderd gut gejagt. An entjcheidenden Ztellen, wo man gerade 
einmal das Urteil des Verfaſſers hören möchte, citiert er Köpfe, Minor 
und andere. — Die Reriodifierung der Tiedihen Novellen dreht fid) nad) 
ihm um die Frage, welche Novellen überwiegend fubjeltiv und welche 
überwiegend chjeftiv angelegt find. Bei der angewandten „gefühldmäßigen 
Yeurteilung”, die ihm ohne weiteres gleichbedeutend iſt mit der „Ver- 
gleihung nad ihrem poetiihen Gehalt“, bei feinem Aufſuchen der 
„objektiven Gefühlswerte“ ift die Betrachtung der Stilunterfchiede doch 
zu fehr in den Sintergrumd gerüdt. Wer der Beiprehung der äußeren 
Form berrfcht nicht immer, jo hinfichtlich des Begriffes der Rahmen— 
erzählung, velle Klarheit, Nah einem großen Aufgebote jchr wortreidyer 
prinzipiellev Crörterungen giebt er die Entwicklung der Novellendichtung 
Tieds in Anfrüpfung an den inneren Entwicklungégang des Dichters. 
„Nach einer kurzen Periode der Aufllärung war er cın Vorkämpfer der 
Romautik geworden: dann wandte cr ſich von derfelben ab und befämpfte 
ihre Ausartungen; Später nabm er feine Jugendideale gegen die ung: 
deutichen wieder an; und ſchließlich ſchien er zu den Jungdeutſchen übers 
gehen zu wollen" S. 17. Dem entipricht der Zweck, den Tieck mit den 
Novellen dieſer vier Perioden verfolgt. Auf Die Periode romantitcher 
Schwärmerei folgt nah IS1% cine RPeriode, in der die Movelle den 
Zwed erfüllt, gewiſſe Moden und Michtungen der Zeit zu bekämpfen. 
Tie Bekämpfnung des Unechten in der Nomantıf führte ihn zur Schilde 
rung wahrer ımd großer Nünftleuindividnalitäten, wie vor allem der 
Chafefpeares . „Dichterleben“ :. Nach 1830 fämpit er gegen das junge 


Krauß Rudolf, Schwäbiſche Litteraturgeſchichte. 183 


Deutfhland, zu dem er dann mit der PBittoria Accorombona (1840), 
die mit dem jungdeutfchen deal der emanzipierten Frau übereinftimme, 
übergeht; die Höhe der ZTiedfchen Novellendichtung fieht Garnier mit 
Reht in den Künftlernovellen, fonft findet er überall ein fo ftarfes 
Überwiegen von Tendenz und Polemik gegenüber dem poetifhen Gehalt, 
daß er ſich dem Urteil Minors anfchließt und zum Schluß den Novellen 
im großen und ganzen nur einen geringen poetifchen Wert zufpricht. 
Iſt diefe Freiheit des Urteils fowie die intenfive, auf das Eindringen 
in dad Weſen der Tieckſchen Novellendihtung verwandte Arbeit anzu- 
erfennen, fo ſcheint uns der aufgebotene Apparat deffriptiver Äſthetik doch 
in einem Mißverhältnis zu den erlangten, keineswegs neuen Refultaten 
zu ftehen. Die im Anhang gegebenen umfangreichen und wenig überfidht- 
lichen Zabellen, in denen die Novellendihtung Tiecks nach Perfonenzahl, 
nah Zufammenfegung und Umfang des Stoffes, nah Wirkung, mit 
Rüdfiht auf den Anteil der Subjeltivität des Verfaffers u. f. w. ftatiftifch 
aufgenommen wird, erfcheinen uns vecht überflüäffig. Die Statiftif in der 
!itteraturgejchichte fängt nachgerade an, unheimlich zu werden. Die ein- 
ſchlagende Fachlitteratur ift in der Hauptſache vollftändig benugt. Die 
Ausgabe Klees jedoch fcheint dem Verfaſſer nicht vorgelegen zu haben; 
auh Spielhagens gründliche Uinterfuhungen über das Wefen der Novelle 
hätten, da der Berfafjer doch auch ab und zu Prinzipielles vorbringt, mit 
Nugen herangezogen werden können. 
Dresden. K. Zeiß. 


Krauß Rudolf, Schwäbiſche Litteraturgeſchichte. 2. Band. Die württem⸗ 
bergiſche Litteratur im 19. Jahrhundert. Freiburg i. Br., J. C. B. 
Mohr 1899. 8 M. 


Mit dem zweiten Band, der von Uhland bis zur Gegenwart reicht, 
bat R. Krauß feine ſchwäbiſche Litteraturgefchichte zu Ende geführt. Die 
Aufgabe war für diefen Zeitraum ſchwieriger, da an Vorarbeiten weniger 
geleiftet war, aber and) dankbarer, da erft von Uhland an eine zufammen- 
hängende Litteraturentwidlung auf ſchwäbiſchem Boden nachzuweiſen ift. 
Das Material dazu hatte Krauß ſelbſt erſt herbeizuſchaffen, und es ift 
fein Hauptverdienft, daß er mit einem Fleiß, der nichts zu wünfchen läßt, 
alles zufammengetragen, auch geſchickt geordnet und gefällig verfuüpft hat, 
was ın Württemberg vornehmlich in der Dichtkunſt, aber auch in anderen 
Zweigen der Fitteratur geleiftet worden ift. Wie in einer Auslage ift der 
ganze Reichtum des ſchwäbiſchen Schrifttums ausgebreitet. Neben den 
Großen, die eingehend charalterifiert find, werden die Kleinen mit nicht 
geringerer Sorgfalt behandelt, felbft die unbedeutenden vergefjenen Yofal- 
größen erhalten ihr Fach und ihr Plägchen. Auch den Wiſſenſchaften ift 
eine Stelle eingeräumt, fogar den Naturwilfenfchaften und der Medizin. 


184 Krauß Rudolf, Schwäbifche Pitteraturgefchichte. 


Bei allen Autoren find die perfönlichen Verhältniſſe angegeben; die Urteile 
find durchweg wohlerwogen, ‚gerecht, nirgends fuchen fie durch gefuchte 
Driginalität zu verblüffen. Uber einzelnes kann man natürlich bei einem 
Bud, da8 bis zu den Lebenden vordringt, verfchiedener Meinung fein, 
aber im ganzen gewährt e8 eine vollftändige und bequeme liberficht über 
das vielfeitige geiftige Veben in diefer Provinz. Man kann fidh freilich 
eine fchwäbifche Yitteraturgefhichte no in anderem Einne aufgefaßt und 
durchgeführt denken, nämlich jo, daß nicht ſowohl auf die VBolftändigfeit 
der Autorennamen, al8 auf die Trieblräfte und den inneren Zuſammen— 
bang der litterariihen Bewegung der Nachdruck gelegt wird, wobei denn 
freilih au auf den Zuſammenhang mit der allgemeinen deutichen Yitte- 
ratur größere Rüdficht genommen werden müßte. Krauß ſchildert ſehr 
gut, wie die fchwäbifhe Romantik ſich aus der romantiſchen Echule im 
Norden abzweigte, aber von da an fchränft er den Geſichtskreis durchaus 
auf die Grenzen Württembergs ein. Der Streit zwiſchen den Schwaben 
und dem jungen Deutfchland ift 3. B. nur ganz flüchtig geftreift, während 
feine Beleuhtung doch anch zur fchärferen Charakteriſtik der Schwaben 
dienen müßte. Es iſt doch fein Zufall, daß Menzel, der in das Kapitel 
der „YZugewanderten“ verwiefen ıft, von Etuttgart auf ferne Fehden mit 
den Jungdeutſchen auskämpfte. Ein ähnlicher Gegenſatz zwifchen den 
Schwaben und den Norddeutfchen macht ſich wieder in den jüngften Jahr» 
zehnten geltend: am den ungeduldigen Anläufen der Moderne haben fich 
die Schwaben fo gut wie gar nicht beteiligt, fie wird in Schwaben bis 
jegt volftändig abgelehnt. Tas ift natürlich aud bei Krauß erwähnt, 
aber ohne daß er auf die tieferen Urſachen einginge, wobei auf die Bor- 
züge wie auf die Schwächen der einheimischen Geſchmacksrichtung ein 
fchärferes Licht hätte fallen miüsien. Im ganzen fcheint fich zu wieder: 
holen, war Ireitichle in das zweiichneidige Urteil gefaßt hat: „Es war 
das Verdienſt der Schwaben, daß das junge Teutichland miemald in 
unferem Tberland Fuß faßte, fondern immer nur cin Eumpfgewächs der 
großen Städte des Nordens blicb..... Eine Schwäche der ſchwäbiſchen 
Dichter läßt fih freilich nicht verfennen: wenn das junge Deutjchland 
völlig in der Tendenz aufging, To ftanden fie den Yeitenfchaften des 
Tages allzu fern; ihre ſinnige, friedliche Dichtung vermochte die Gedanken 
einer gährenden und kämpfenden Seit nicht zu erſchöpſen.“ Die Frage iſt 
nun aber die, ob die Schwaben „mit ihrem Stil- und Formigefühl, mit 
ihrem gelänterten Kunſtgeſchmack“, wie Krauß fagt, einfach auf derſelben 
Stufe geblieben find wie damals, als fie ca mit dem jungen Deutichlan) 
zu thun hatten, Man gewinnt in dieier Bezichung aus unſerem Buch 
feinen beſtimmten Eindruck: find die Schwaben ſeit der Zeit Uhlunde und 
feiner freunde vorwärts gekommen, ftchen geblichen oder aurüdgefonmen ? 
Inden die einzelnen “Perföntichkeiten aneinandergereiht werden, gelangen 
die allgemeinen geiftigen Strömungen weniger zu ihrem Recht. Die jung- 


Fischer Hermann, Beiträge zur Fitteraturgefchichte Schwabens. 185 


begelfche Richtung, die in den vierziger Jahren die Univerfität Tübingen 
beherrichte, hätte es verdient, im Zujammenhang gewürdigt zu werden. 
Die flühtige Erwähnung „der „bedeutfamen” Jahrbücher der Gegenwart 
(1843— 1848) genügte nit. Schon die Namen ihrer Mitarbeiter, 
Schwegler, Viſcher, Strauß, Zeller, R. Köftlin und andere zeigen, daß 
bier ein völlig neues in der heimischen Litteratur auftrat. Diefe Jungs» 
begelianer Hatten nicht bloß gegen den mächtigen Pietismus anzulämpfen, 
fie begegneten auch dem Mißtrauen und der Abneigung des politischen 
Atliberalismus: fie ftörten die gewohnten Kreife. Daß diefe Richtung 
gleichwohl aus den gefundeften Kräften des ſchwäbiſchen Geiſtes heraus- 
gewachfen ift, zeigt ſich an ihrer Auflehnung gegen die Raſerei der Berliner 
Junghegelianer — aud hier in neuer Yorm und Mifchung der alte 
Segenfag. Das Jahr 1848 hat den Yahrbüchern der Gegenwart den 
Garaus gemadt, aber durch den Einfluß der Univerfität ift die Wirkfam- 
feit der Schule eine dauernde geweſen. Dean fpürt fie in der Läuterung 
der äfthetifchen Begriffe, in der Befeftigung des Gefhmads, aber auch in 
der poetifchen Produktion felbft: es iſt diefer unzweifelhaft ein neues 
Element zugeführt worden, ein philofophifches Salz, das den älteren 
Schwaben gefehlt bat. Die Einzelheiten findet man auch bei Strauß, aber 
verzettelt, e8 fommt zu feiner Geſamtwirkung. Kurz, auch nad) feinem 
Bude ift Kaum für eine Geichicdhte der ſchwäbiſchen Litteratur, die mehr 
nur auf den Höhepunften verweilt und deutlicher die Abwandlungen, den 
inneren Gang der Entwidlung erfennen läßt. Aber aud) fo, wie Krauß 
fih) die Aufgabe geftellt Hat, ıjt e8 eine Arbeit, die gethan werden mußte, 
und man darf ihm dankbar fein, daß er fie mit erfchöpfendem Fleiß und 
mit Geſchick gelöft hat. Es ift ein Bud, .aus dem man viel Belehrung 
Ihöpft, ein mügliches Handbuch, das nicht leicht im Stich laſſen wird. 
Stuttgart. W. Yang. 


Vifher Hermann, Beiträge zur Litteraturgefchichte Schwabens. Zweite 
Reihe. Tübingen, H. Yaupp. 4 M. 


Den erften Band feiner Beiträge zur ſchwäbiſchen Litteraturgefchichte 
hatte H. Filcher feinem Vater, dem Dichter I. ©. Fiſcher zum 75. Geburts⸗ 
tag gewidmet. Den neuen Band eröffnet ein Pebensbild des im Jahre 1397 
81 Yahre alt verftorbenen Vaters, der lange Jahre als Neftor unter der 
jüngeren Dichtergeneration feiner Heimat verehrt wurde. Das Biographijche 
und die Charakteriftif des Dichters find gefchidt ineinander verwoben, und 
man freut fih an der tüchtigen, gefunden, Fraftvollen Natur des Mannes, 
deifen Eigentümlichkeit als Lyriker in einer hochgeſpannten, bald trunfenen, 
bald grübelnden Naturſymbolik beftand. Es verftcht fich, daß dieſes Lebens— 
bild mit befonders liebevollem Anteil gezeichnet ift, der gleichwohl die 
Anlegung eines kritiſchen Maßftabes nicht vermiffen läßt. Es folgt cine 


186 Krumm Joh., Friedrid) Hebbet. 


Charakteriſtik Fr. Vifchers, die ſchon darum Beachtung verdient, weil fie 
anf die Erfahrung eines längeren perjönlichen Umgangs ſich gründet. Die 
weiteren Aufjäge leuchten in weniger befannte Gegenden des ſchwäbiſchen 
Parnafjes, aber fie zeigen, daß ein tieferes Eindringen in diefelben mohl 
die Mühe lohnt. Der eine unterſucht die gejchichtlihen Grundlagen in 
dem Roman von Hermann Kurz: Schillers Heimatjahre. Der Berfaffer 
findet darin „das fattefte und wahrſte Bild der mwürttembergifhen Dinge 
und Menfchen um 1780*. Dem Treundeskreife von Hermann Kurz ge- 
hören zwei andere Dichter an, für deren Würdigung der Verfaſſer neue 
Quellen erfchlofien bat: Ludwig Seeger und Rudolf Kausler. Beide unter 
ſich fo unähnlich wie möglich: diefer, eine zarte, feine, ariftofratifch in ſich 
zurüdgezogene Natur, während Seeger ein derber, vollstümlicher, über« 
fprudelnder Kraftmenfh war. Er ift auch von beiden der befanntere, als 
politifcher Dichter und namentlih als Aberfeger von Béranger, von 
Ariftophanes und Shakeſpeare, während Kausler, der Berfaffer einer 
Anzahl romantischer Erzählungen, feine Spuren nur ſchwach in die Fitte- 
ratur eingedrüädt bat. Fiſcher weiß aber auch fir ihn, feine Individualität, 
feine Anlagen und Pläne ein lebhaftes Intereſſe zu erweden. Auch er ift 
ein Beispiel dafür, wieviel echte®, poetifches Talent fi in Schwaben 
findet, das nicht zur Keife, nicht zur Entfaltung und Ausprägung gelangt 
und deſſen Heiz mehr nad) der biographifch-pfychologifchen als nad der 
litterarifchen Seite hin liegt. 


E tuttgart. W. Lang. 


Krumm Joh., Friedrich Hebbel. Ter Genius. Die künftlerifche Perfönlich- 
feit. Drama und Tragödie. Drei Etudien. Flensburg, Huwaldſche 
Auhhandlung, O. Holleſen 189%. 1.50 M. 


Tie drei aus Norträgen hervorgegangenen Auffäge find reife Früchte 
eines eindringenden VBerftändniffes für die Eigenart Hebbels. Krumm ficht 
dem Tichter keineswegs blind gegenüber, wenn er ihn auch tief verehrt; 
er macht feinen Gott aus ihm, verfällt aber auch nicht in den Fehler der 
Nörgler und Stuittler, fondern weiß, daß Menfchenwerk immer nur nad) 
dem Grad des Gelingens, nicht abjolut wertvoll iſt. Der Verfaſſer folgt 
mit großem Geſchmack den Winken, die Hebbel ſelbſt gegeben Hat, und 
erzielt dadurd cine gewiſſe Einheit, nicht durch die Themen, wohl aber 
durch die Meihode der Betrachtungéweiſe. Im erſten Auffage „Der Genius“ 
zeichnet er mit großen Strichen die innere Entwidlung Hebbele, indem 
er nacheinander erwägt, was ıhm von außen geboten wurde; er betradhtet 
die Natur, die Familie, die äußeren Verhältniſſe, die Schule, die Bildunge— 
mittel und fommt zu dem Refultat, daß fich der Genius Hebbels „nicht 
dur, fondern trog der Umſtände entwidelt* habe. Diejes Phänomen 
wird wohl immer cined der größten Probleme bleiben, die ſich in der 


Krumm Xoh., Friedrich Hebbel. 187 


Gefchichte der Kunft darbieten; es mit Konfequenz aufzuzeigen ift gewiß 
verdienftlich, bejonderd wenn es fo Liebevoll gefchieht wie hier. Sehr 
glüdlich ift eine Wendung, die Krumm S. 34 braucht, Hebbels ſchlimmſter 
Feind, deffen er Herr zu werden fuchte, fei feine eigene Natur, die eigene 
disharmonifche Veranlagung gewejen. Sie bot ihm aber dafür auch das, 
was ihm feine befondere Stellung in der Literatur verleiht, fie machte 
ihn zu der modernen Perfönlickeit, die eine neue Dichtung begann. Im 
zweiten Auffage entwirft Krumm ein Bild der Fünftlerifchen Perfön- 
lichkeit; er ftellt die theoretifhen Anfichten Hebbels über die Dichtung 
ihrem wefentlihen Kerne nad zufammen und mißt die eigenen Leiftungen 
des Dichters an ihnen, wie an din Werken der Vorgänger. Wieder kann 
an dem Refultat nicht gerüttelt werden, daß nämlich Hebbel an Tiefe 
und Gefchlofjenheit der Kunftauffaffung, an Ernft und Reinheit des künft- 
lerifhen Strebens nicht leicht Einer gleichkomme, daß er als Fünftlerifche 
Perförlichleit, mag man über die einzelnen Dichtungen urteilen, wie 
immer, vollberechtigt neben die Klaffifer treten dürfe. Und befonders ift 
hervorzuheben, daß Krumm die thörichte Meinung von Hebbeld Größen» 
wahn auf Grund der Quellen zurüdweift. Einen glänzenden Beleg gewährt 
ein Auffag Hebbels, den Emil Kuh unbegreiflih genug von den Werfen 
ausgeſchloſſen Hat. Als nad) der Nevolution die Cenſur gefallen war, da 
erhoben verjchiedene Dramatiker, fo Otto Prechtler, ihre Stimme und 
„interpellierten“ Holbein, warum ev nicht ihre bisher verbotenen Stüde 
auf dem Hof- und Nationaltheater aufführe. Hebbel gefellte ſich auch Hier 
nit dem großen Troß, fondern fchrieb, die Direktion babe durch die 
That geantwortet, indem fie den ganzen Wallenftein darftellte. Tür den 
Dramatiler könne e8 feine größere Freude geben, freilich auch feine größere 
Gefahr, al8 mit den Heroen zu ringen, die man bisher aus ihrem eigenen 
Tempel ausſchloß. Hebbel verlangt alſo nit, daß man nun fchleunigft 
feinen Dramen die Pforten öffne, wie die anderen Dramatiker, fondern 
fordert, man folle die Großen zu Wort kommen laffen, Ehafefpeare vor 
allem, dann aber — Heinrid von Kleiſt. Darin ftedt ebenfoviel Be- 
ſcheidenheit al8 berechtigtes Selbitgefühl, und das ıft für Hebbel charak— 
teriſtiſch; er beugt fih vor der Größe, zu der er ſich hingezogen fühlt, 
blidt aber herab auf die Domeftifen, die ihr folgen. Er darf es, denn 
er ſtellt ſich das höchſte Ziel beim Dichten und verfchmäht den leichten 
Erfolg. Der legte Auffag Krumms dedt dies in einer gelungenen Analyfe 
der „Agnes Bernauer” auf, wobei er zulegt die Frage behandelt, ob 
Hebbel ein Pelfimift ſei. Auch bier trifft er den Kern der Sade und 
zerftört manden Irrtum, der noch immer im Urteil über den Dichter 
unterläuft. Das Büchlein Krumms erfüllt feinen Zwed, das Verſtändnis 
Hebbels weiteren Kreifen zu erfchließen, vortrefflich, e8 bietet aber auch dem 
Kenner vieles und bereitet einen wirklichen Genuß beim Leſen. Kleinere 
Bedenken auszufprechen, die ich bei Einzelnheiten hege, fcheint mir unnötig, 


IS Jeremias Gotthelf, Boltsansgabe feiner Werke im Urtext. 


da ich in allem Weſentlichen nur zuſtimmen lann. Bloß gegen die Be— 
hauptung S. 64 möchte id) den Dichter ſelbſt anführen, dag „er den 
Reichtum der Empfindungen und Geſtalten, die in ihm lebten, aus ſich 
ſelbſt herausſiellen mußte, um nicht von ihnen verzehrt zu werden und 
unterzugehen in Wahnfinn“. Es iſt wohl nur eine nicht ganz geglüdte 
Formulierung, denn Krumm erinnert ſich unzweifelhaft, wie empört Hebbel 
war, als ihm Julian Schmidt den Wahnfinn prophezeite, ev erinnert fich 
des Proteftes, den Hebbel erhob, da man Chufefpeares Zeichnung von 
Berbrechernaturen dadurch erklärte, daß er fich der in ihm kiegenden Wer: 
brechernatur entledigte, er erinnert fid) des Hohnes, den Hebbel über 
Hegel ausgießt, da diefer wegen ded Jago auf die zerrifene Natur 
Shakeſpeares ſchloß. Ein einziges Mal kann man bei Hebbel, und du 
wicht einmal ficher, die Furcht vor dem Wahnſinn feftftellen, in einem 
Ausspruch, den ich zuerft : Neue Freie Preſſe Nr. 124096, Abendblatt vom 
8. Juni 1890. veröffentlichte. Allerdings war Hebbel veizbar, wie jeder, 
der cin faft ausſchließliches Innenleben führt und feine ganze Kraft zu- 
fanmenhalten fanıı, ohne einen Teil für die Geſchäfte des Alltags auf: 
zubrauchen; er hat wohl in fpäteren Jahren jelbit bedauert, daß er fein 
Amt zu erfüllen habe; Hebbel reagierte auf alle Eindrüde mit großer 
Heftigleit und ſtand dem Unerwarieten leidenſchaftlich ericgt gegenüber; 
feine Phantaſie arbeitete Tage und Nachts geftaltenbildend, aber fein 
Berftand Fritifierte und zügelte die Iuftige Rhantaſie. Die disharmonifche 
Veranlagung Hebbels iſt nicht zweifelhaft, deshalb war er aber nod 
keineswegs cin Kandidat fürs Irrenhaus; fie half ihm beim Dichten, und 
er ſpricht es in einem ungedruckten Briefe 1847 jelbit aus, er fuche die 
Schönheit zu bringen, Die die Diſſonanz in jid aufnahm, die alles Widers 
fpänitige zu bewältigen wußte, nicht die Schönheit vor der Diſſonanz, die 
Traumfchönheit. 
“emberg. Richard Maria Werner. 


Jeremias Gottheli, Volksausgabe feiner Werke im Urtert. Yand VI: 
Uli der Vachter. — Schmid und Francke. Bern 1899. 1.60 M. 
Beittage zur CErklarung und Geſchichte der Werle Jeremias Gotthelfs. 
Erganzungoband zur Vollkausgabe. Ebenda, Vern 1298—9. 
Licferung 5-7. Preis für Me Lieſerung so Br 
Dieſe vortreffliche und erſtaunlich billige Ausgabe des großen Realiſten 
ſchreitet rüſtig vorwärt. Tie Anmerkungen find auch zur Zeitgeſchichte 
wichtig: ſie erklären z. A. Anſpielungen auf Snell oder Siebenpfeiffer 
St, zu Do 15%, 7; ſollte der Revolutionär Siebenpfeiifer wirklich 
„zahlreiche Orden“ beſeſſen haben? S. u8 au S. 185, ZFellenberg 
»S. 1109 zu S. 407 f. und bringen mancherlei zur Schul und Litte— 


Franzos K. E., Conrad Ferdinand Meyer. 189 


raturgejhichte der Schweiz. Ein hübſcher Zug aus Gotthelfs häuslichen 
Leben (S. 116 zu ©. 346) ift wiederhergeftellt. Der Nachtrag zum 
„Schulmeiſter“ (Beiträge, S. 123 f.) bringt bejonderd einen wichtigen 
Brief GottHelfs über den Pädagogen von Hofwyl (S. 125). Auch das 
Borwort zur 2. Auflage (S. 131) ift charakteriſtiſch. Beſonders merk: 
würdig und lehrreich ift freilih der Apparat zur Textgeſchichte. Was 
Gotthelf getilgt Hat, könnte manden armen Autor reich machen (. B. 
die prächtig humoriſtiſche Stelle über den magnetifchen Rapport, Beiträge, 
S. 244; gleih darauf die tief ernft feheltende über die Weberreizung der 
Kinder, S. 245. Dder die patriarchalifche über die rechte Art mit Weibern 
umzugehen, ©. 309, die befonders auffällig an Juſtus Möfer erinnert). 

Die Schweiz leiftet mit diefer patriotichen That auch Deutfchland 
feinen geringen Dieuft. Wie fie durch Bächtold für Keller ein unfchäßs 
bares Material zur Entwidlungsgefhichte eines Nachklaſſikers darbietet, fo 
liefert fie jegt für die Anfänge des modernen Kealismus recht eigentlich 
die litterarhiftorifsche Grundlage. Bon diefer Ausgabe Gotthelfs wird eine 
philologifche Entftehungsgefchichte des neuen Stil8 ausgehen müffen. Was 
hielt Gotthelf noch felbft für zuläffig? was mußte er tilgen? was wurde 
angefochten? Wie arbeitete er fich felbft zu feiner Eigenart durch? Erſt 
wenn wir eim folche8 Buch über Gotthelf und ein gleiches über Balzac 
haben, werden wir die Geneſis des modernen Realismus wirklich ver- 
ftehen können. 


Berlin. Richard M. Meyer. 


Franzos K. E., Conrad Ferdinand Meyer. Ein Vortrag. Concordia, 
deutfhe Berlagsanftalt, Berlin 1899. 1 M. 


Bei der Denkfeier, die die „Wiffenfchaftlihe Bereinigung zu Berlin“ 
zu Ehren E. 5. Meyers veranftaltete, hielt 8. E. Franzos aus Tang- 
jähriger Herzlicher Yreundfchaft mit dem PVerftorbenen eine Rede, die zu . 
den wertvollften Zeugniſſen über den Meifter der Hiftorifhen Novelle 
gehört. Vor allem was er (S. 27) über den Menfchen, über fein Ver— 
hältnis zu Keller (S. 23. 30. 37. 39), über fein Feilen (S. 26. 37, 
mit lehrreichen Beifpielen) fagt, wird dauernd zu beachten fein. Stellt er 
Meyers Lyrik höher als gewöhnlich gefchieht (S. 25), fo wird er wohl 
auch damit Recht behalten; ſchwerlich allerdings, wenn er aus dem feinen 
Stiliften (S. 23) einen Nealiften machen will. Daß niemand in fremder 
Sprade dichten fünne (S. 16), wird doch wohl durch Chamiffos Beifpiel 
widerlegt. — Störend erjcheinen Modeworte wie „großzügig” (©. 28. 
30. 32) und amphibifhe Bildungen wie „ſelbſtbiographiſch“ (S. 37. 
42. 43), beſonders in einem fonft des glänzenden Spradhmeifters (©. 25) 
würdigen Nachruf! 

Berlin. Richard M. Meyer. 


190 Rogge Chr., Bisinard als Redner. 


Rogge Chr., Bismard ald Redner. Eine Studie. H. Edardt, Kiel 1899. 
50 Bf. 


Der Berfaffer, der eine Bismard:Gefellihaft und ein Bismarck⸗ 
Jahrbuch von mehr litterarifcher Haltung erwunſcht, drückt gleichzeitig 
(S. 3) die Heftigfte Furcht vor dem „kleinkrämerlichen“ Geift aus, der in 
die „Goethe⸗Gemeinden feinen Einzug gehalten habe.“ Er felbft hat fich 
davon fo fern gehalten, daß er jeglihe Küdjiht auf die vorhandene 
Pitteratur verjchmäht; er wünjcht  S. 13) Studien über Aismards Bilder 
und ahnt nichts von der Eriftenz des Blümnerfchen Buches. Kleinlich 
ſcheint andererfeitd uns die politifche Gehäffigkeit, die (S. 27) in Eugen 
Kichter nur einen Therſites fieht oder (S. 17) über Bismards Humor 
die Bemerkung macht: „Wie oder gar Kalauer a la Alerander Meyer 
babe ich nie bei ihm gefunden, dazu war er eine viel zu vornchme Natur.“ 
Das ift ungereht in doppeltem Sinn: ungerecht gegen einen unferer 
beften Parlamentsredner, bei dem ich mich nicht entfinnen fann, „Kalauer“ 
getroffen zu haben; ungerecht aber aud) gegen den Reichskanzler, der dieſe 
vornehmthueriſche Beratung der Wige und fpeziell der Wortwige gar 
nicht beſaß; dazu war er eine viel zu urfprüngliche Natur. Er Hat fich 
über Eulenburgs Galembourg, daß die Kutuſoff (die eigentlih nur Kutu 
biegen) den „Soff“ erſt in Rußland ſich angeeignet Hätten, königlich 
amüfiert und hat den böjen Wortwig von den „Herbftzeitlofen" in einem 
feierlichen Veonent einer großen politifchen Ncde adoptiert. — Im übrigen 
ift die Gharafteriftit nicht übel geraten. Wie Bismards Beredfamkeit 
immer eine „Tugend“ im Zinn Theremins ift, das Heißt immer auf 
Handlungen abzielt SS. 30°, wie fie von da ihre Sachlichkeit ıS. 25), 
aber von da auch gelegentlich diplomatische Unaufrichtigfeiten (S. 22) 
hat, und wie diefe „Sicljtrebigfeit” den großen Staatsmann gegen Unter: 
bredhungen fo merkwürdig nervos madt S. 20, das tritt ganz gut 
hervor. Das Hiitoriihe Moment freilich wird faft nur bei Erwähnung 
der häufigen ‚Fremdwörter \S. 10 herangezogen. 

Berlin. Richard M. Meyer. 


Aulthaupt H., Dramaturgie des Schauſpiels. II. Band. Shakeſpeare. 
ZSechſte, men bearbeitete Auflage. Oldenburg und Leipzig 1899. 
Schulzeſche Hoſbuchhandlung. 5 M. 


Auch ter 2. Vand von Bulthaupts „Dramaturgie des Schauſpiels?“, 
der Shakeſpeare zum Gegenſtand hat, erſcheint nunmehr in neuer (5.13 Auf— 
lage. Man mag Yulthaupts aithetiihe Aufiaſſung teilen oder nicht, man 
wird immer eingeftehen muſſen, daß gerade dieſer Band cine Fülle feiner 
und tiefdringender Analvien, kluger Bemerlungen für den Kegiffeur und 
Schauſpieler und cine nicht geringe Anregung and) fiir den Yitterarhiftorifer 


Bulthaupt H., Dramaturgie des Schaufpiels. 191 


enthält. Vom Standpunlt der deutfchen Titteraturgefchichte aus ift vor 
allem anzuerkennen, daß Bulthaupt mit Bewußtſein vermeidet, Shafe- 
fpeare auf Koften unferer deutfchen Kfaffifer über fein Maß hinaus zu 
erhöhen. Das betont er in dem einleitenden Kapitel ſowohl gegenüber 
Gervinus und Otto Ludwig, als auh W. Weg, dem jüngften der 
„Shalefpeareorthodoren“. Dieſes gerecht abwägende Urteilen leitet ihn 
auch bei der Bewertung der jchaufpieleriichen und dramaturgifhen Be- 
ftrebungen, wie fie vor allem in Deutjchland dem britifhen Dichter zu 
gute gelommen find. Das warme Lob, das er wiederholt den „Meiningern“ 
zollt, ſticht angenehm ab von der oberflächlichen, nur am Außeren haftenden 
Beurteilung, wie fie jeßt bie und da von Superklugen der einzigartigen 
berzoglihen Truppe zu Zeil wird. Er vergißt nicht, daß fie auch auf 
dramaturgifchem Gebiet für Shafefpeare das Rechte getroffen haben, und 
daß er das Weſen ihrer Theaterkunft richtig erfaßt, geht Thon aus feinem 
Schönen Wort über ihre Darftellung von „Was Ihr Wollt“ (S. 454 f.), 
wo es doc fo wenig auf „hiſtoriſchen Pomp“ ankam, hervor. Mit vollem 
Recht fieht er Hingegen in den Münchener Beftrebungen (fogenannte 
Shakeſpearbühne!) nicht8 als ein mißglüdtes Erperiment. Was die Bühnen- 
geichichte der Shafefpearejchen Dramen anbetrifft, fo hätten wir gewünscht, 
diefer Band möchte einmal die Bemühungen der deutjchen Bühnen um 
Shalefpeare zufammenhängend darftelen und wenn möglich ftatiftifch zus 
fammenfaffen. Im Shakeſpeare-Jahrbuch finden fi ja dazu einige Vor- 
arbeiten. Auch die moderne englifhe Bühne hätte etwas mehr, ald es 
geichieht, herangezogen werben können. Mit der von Bulthaupt getroffenen 
Auswahl kann man fich im allgemeinen nur einverftanden erklären; vermißt 
wird aber „Antonius und Cleopatra“, auh von den Komödien Fönnte 
noch die eine oder andere aufgenommen fein. 

Eine ins einzelne gehende Beurteilung des Buches ift Hier nicht am 
Plag. Nur Soviel fei bezüglich des äfthetifchen Standpunftes des Ver⸗ 
faffers, im Gegenfag zu dem in der Anglia (Beiblatt Mai 1896) von 
R. Fischer geäußerten Urteil, bemerkt, daß Bulthaupt uns in der Bes 
urteilung Shalefpeares (wie auch der im 3. Bande feiner Dramaturgie 
beſprochenen nachklaſſiſchen deutfchen Dichter) zu wenig modern erfcheint. 
So 3. B. in dem, was er über das Sittlihe und die Kunft und über 
den „legten ehrlichen Schiedsſpruch“ des Dichters fagt (S. 17 ff.). Im 
Borwort fommt der „naturaliftiiche Anſturm“ vecht fchlecht weg, obwohl 
er ung doch ein Stüd poetifches Neuland und damit eine vertiefte Ein- 
fiht in da8 Weſen der Kunft gebradt hat. Gerade einem Dichter wie 
Shafefpeare würde eine „naturauüſtiſche Äſthetik“ noch manches abgewinnen 
fönnen, wie fie auch ſchon an Goethe manches entdedt Bat. 


Dresden. Karl Zeiß. 


1932 Viſcher Friedrich Theodor, Shaleſpeare Vorträge. 


Viſcher Friedrich Theodor, Shakeſpeare-Vorträge. Erſter Band. Eins 
leitung. Hamlet, Prinz von Dänemark. Stuttgart, J. G. Cotta 
1899. 9 M. 


Die Herausgabe, von Viſchers Shakeſpeare-Vorträgen, die don dem 
Sohne des großen Aithetifers, Profeſſor Robert Riſcher, belorgt iſt, iſt 
in der That eine wertvolle Gabe an das deutſche Volk. Dieſelben ſiud 
aus Kollegienheften und einzelnen Manuſkripten zujammengetragen. Der 
Herausgeber und befonders Profeſſor Pr. Y. Morsbah haben in Nad- 
trägen Hinzugefügt, was inzwifhen durch die neuere Forſchung überholt, 
näher beftimmt oder widerlegt ift. Der erite Band enthält die allgemeine 
Einleitung und die Beſprechung de8 Hamlet. 

Die Darstellung beginnt mit der Bacon⸗-Hypotheſe, die Viſcher cut- 
ſchieden zurüdweilt. Dann behandelt er Shakeſpeares Zeitalter, ſein Yeben 
und feinen Charakter. Dieſer Teil ift glänzend ſowohl durd) die Hohe geiitige 
Ctellung und den weiten Aueblid des Betrachters als durch die genaue 
Kenntnis ter Einzelheiten. Wiicher läßt jene ganze farbenreiche, frifche, 
jortichreitende und doch noch vohe Zeit vor ung aufleben und erllärt aus 
ihr Shaleſpeare und jene Kunſt. In der gelfamten ShakeſpearchLitteratur 
giebt es wohl kaum etwas, das diefer Tarftelung an die Seite zu 
jtellen wäre. 

Am ſchwächſten iſt wohl der Abſchnitt über die Vorgänger und 
beionders die Zeitgenoſſen Shakeſpeares. Hier hat die neuere Forſchung 
doc; manches in anderem Yichte gezeigt. Es geht nit mehr an, Ben 
Jonſon 3. B., den großten unter den Zeitgenoſſen Shalefpeares, einfad 
als einen Bertreter des gelehiten Tramas zu kennzeichnen. Der Unter: 
ſchied Liegt tiefer, amd das Ben Jonſonſche realiſtiſche Yuftfpiel hat neben 
dem romantiſch phantaftiichen Shaleſpeares feine hohe Berechtigung und 
Vedeutung. 

Der Abſchnitt über Shakeipeares Charalter, Religion, Patriotismus 
iſt glänzend. aber wohl laum erſchopfend. Was die ſpäteren Aufführungen 
von Shakeſpeares Dramen augeht, ſo iſt es nicht richtig, daß ſie zur Zeit 
der Reſtauration wenig gegeben wurden. Auch damals ſtand Shakeſpeare, 
wenn acht an erſter, ſo doch an zweiter Ztelle. Pepys erwähnt in feinem 
Tagebnche 16650 --1nt, wolf Shakeipeareſche Stüde, die er fah, 
darunter Macbeth allem achtmal, allertings in einer operuhaften Um⸗ 
arbeitung im Geſchmacke der Zeit. 

Jedenialle wurde Shakeſpeare damals in England noch mehr geſpielt, 
als das heute leider der Fall iſt, wie jeder bezeugen wird, der in Eng 
land langere Seit gelebt hat. sm zweiten Teile folgt nun die Veſprechung 
von Hamlet. Zuerſt werden Ne Tarelten, die Zeit der Entſtehung, die 
fruheren Auffaſſungen des Tramas erortert Tann geht Riſcher das Drama 
Scene jur Ziene durch. Er giebt zunächſt eine UÜberſetzung, die eine zum 


Cross W. L., The Development of the English Novel. 193 


großen Zeile felbftändige und meift bedeutend verbefjerte Fortbildung der 
Schlegelſchen Überſetzung iſt unter Benützung anderer Arbeiten, beſonders 
der Uberſetzung von Ludwig Seeger. Daran ſchließt ſich ein feinſinniger und 
eingehender Kommentar. — Viſchers Auffaſſung von Hamlet iſt, daß er ein 
„Phantaſiegenie“ iſt, das mit dem Unglück behaftet iſt, daß es immer 
über die Wirklichkeit hinausſchießt, daß ihm That und Vorſtellung niemals 
zuſammentreffen. (S. 367) „Hamlet,“ jo faßt Viſcher feine Auffaſſung zu- 
ſammen, „iſt ein Stimmungsmenſch, ein Cerebral⸗, ein Nervenmenſch, ein 
nach der Phantaſieſeite organiſiertes Genie, im vollen Gegenſatz zu den anderen 
Arten des Genies, namentlich dem praktiſchen geſtellt, eine Dichternatur, in 
der ſich Shakeſpeare ſelber ſpiegelt, und daher ſo geneigt, in ſich zu leben 
und das Gefährte in den Nebel feiner Traumwelt abſchwenken zu laſſen, 
daher fo fchen und fo gehegt von wild aufftürmenden Borftellungen, die 
er fi jo leicht für That anrechnet, daher fo zornig, jo toll erregt und 
wieder fo weich. Ale Phantafiemenih hat er auch Humor, liebt er das 
Bildlihe in der Sprache, findet er Gefallen am Theater, am fünftlerifchen 
Schein überhaupt“ (S. 468). Viſcher bekämpft ausdrüdlid die Anficht, 
die früher auch die feinige war, daß Hamlet ein bloßer Reflexionsmenſch 
jet, der aus dem Gedanken den Weg zum Handeln nidt finden könne. 
Dazu ift Hamlet zu aufgeregt, zu leidenfchaftlich, nicht Fühl genug. Sein 
Denken ift dichterifcher Art, bewegt ſich durd die Welt der VBorftellungen. 
Diefe Auffajfung, die in Hamlet gleihfam eine Art Selbitbefenntnis des 
Dichters in trüber Stunde fieht, berührt ſich vielfach mit den neueren 
Auffaffungen von Lürd, Kuno Fiſcher und Döring. Nur fallen diefe den 
Zuftand Hamlets mehr als eine Art Wertherfvankheit des Idealiſten, als 
den typiſchen Zuftand des idealiftifchen Jünglings bei feiner erjten Be- 
rührung mit der rauhen Wirklichkeit auf, während Viſcher, was mir 
richtiger fcheint, hier überhaupt den Gegenſatz des Phantaſiemenſchen zum 
praftifchen, handelnden Menſchen dramatiich behundelt fieht. 

Bon gleicher Meeifterfchaft, wie die Charakteriſtik Hamlets, zeugt die 
der übrigen Perfonen, der Ophelia, des Polonius, des Yaertes, des 
Königs und der Königin, fowie die ganze Analyfe der eigentümlichen 
Handlung, die fi fo ganz von felbft ohne die Abficht des Helden, gerade 
durch fein Zaudern und Zögern, entwidelt und zur Kataftrophe führt. 

Viſchers Hamlet-Erllärung gehört ficherlih zu dem Yejenswerteften 
in der gejamten großen Hamlet-Yitteratur, und wir fehen mit Erwartung 
den folgenden Bänden der Vorlefungen entgegen. 

Berlin. PHil. Aronftein. 


Cross W.TL., The Development of the English Novel. New York, 
Macmillan Co. 1899. 8 1.50. - 


In dem vorliegenden Buche hat fich der Berfaffer das vor fünf 
Jahren erfchienene „University Extension Manual”, „The English 
Eupborion. VII. 13 


194 Cross W. L., The Development of the Englixh Novel. 


Novel”, von W. Raleigh zum Vorbild genommen; nur daß die ältere 
Periode hier viel dürftiger ald bei Raleigh behandelt wird, der neuere 
Roman feit Ecott dagegen, den Raleigh ganz beifeite gelaiien hat, mehr 
als die Hälfte des Buches in Anfprud nimmt. 

Die auf den amerikanischen Univerſitäten übliche Vorliebe für eine 
anziehende populäre Form im litterargejchichtlichen Unterricht ift für den 
Verfaſſer maßgebend geweſen; fein Buch iſt offenbar aus Norlefungen 
entftanden. Ganz auffallend macht fich hier, wie in jo vielen amerifanı- 
Ihen Büchern über Vitteraturgefhichte der Einfluß Brunetieres geltend; 
Brunctiere beherrfcht gegenwärtig, von allen Ausländern wohl am ftärfften, 
die litterariſche Kritif in Amerika. Bei populären Darjtellungen wie dic 
vorliegende hat jedoch die „.doctrine evolutive” ihre Gefahr; fie verleitet 
nur zu leicht zu ungenügend begründeten Hypotheſen. Ic denke 5. 2. 
an Groß’ Verſuch, zwiichen den älteren VBersromanen und dem Charakter 
roman Richardſons eine direkte Entwicklung herzuftellen S. 8. 16: Die 
Ahnlichkeit zwischen mittelalterlihen Heldentupen wie Amadis de Gaula 
und Sir Charles Grandiſon thut nichts zur Sache; viel wichtiger für 
die Entwidlungegefchichte des Romans wäre eine eingehendere Behandlung 
von Richardſons Verhältnis zu damaligen Yitteraturgattungen wie den 
moralischen Wocenjchriften oder zu der Charakterdichtung des 17. Jahr: 
hunderts gewefen, welche Groß nur im vorbeigehen S. 24 erwähnt. 
Hervorzuheben tit jedody Seine Anführung jrüherer Ariefromane und Bricf- 
ſammlungen als Vorbilder Nichardfons S. 23 ; dagegen will mir ferne 
Behauptung, dag Richardſon turd das Trama viel beeinflußt wurde 
2.36 f., nicht einleuchten. 

Was der Verfaſſer über Sterne und Goldſmith fagt, gehört zum 
Anziehendften in jenem Buche, und der Strudel der englifhen Roman 
jchreiberei am Ende des IS. und Anfang des 1%. Jahrhunderté wird 
geſchicht analyſiert und ın entiprechende Gruppen — „Novel of Purpese”, 
„Gothie Romance”, „Historical Romance” u. 1. w. - - eingeteilt. Im 
Vorwort fpricht der Verjfaſſer die Abficht aus, die fontinentalen Einflüſſe 
auf den engliihen Noman in den Vordergrund zn ſtellen. Leider geſchieht 
dies nicht. Am Gegenteil laßt de Beruckſichtigung fremder Einfluſſe ſehr 
viel zu wünſchen ubrig. Ten deutichen Einfluß z. B., der bei Monk” 
vewis nud ſeinem Kreis beſtimmend war, erwähnt Groß nur vorüber— 
gehend und nicht am rechter Stelle S. 1a 2 andererſeits werden als 
deutſche Nachalzmer Scott Nee, Freytag. Ebers! angeführt, Haut 
nicht S. 157. Bader Beiprechung des engliſchen Nomans im 19. Jahr 
hundert wird, wenn auch viel von Mealiemus die Rede iſt, der neuere 
franzöſiſche Noman kaum berubrt. Gerade hier bin ıh mit Croß' Stand 
punft wenig emvaftanden. Er itellt z. B. Thaderan als Hanptvertreter 
der Vewegung auf, die er „Return to Realism” nennt, Aber was foll 
damıt gemeint jein? Groß ſcheint ſich bier ohne viel Bedenken ın die 


Deutfche Kitteratur in Amerika. 195 


Hände Brunetidres gegeben zu haben, der vor fechzehn Jahren in feinem 
„Roman naturaliste”’ George Eliot in wenig überzeugender Weife zu 
einer englifchen Vertreterin des kontinentalen Realismus gemacht hat. 
George Eliot ift jedoch ebenfowenig wie Thaderay Kealift in dem Sinn, 
in welchem da8 Wort Heutzutage gebraucht wird. Der Realismus ift in 
erfter Linie Kunftprinzip und nicht bloß, wie Croß meint, eine litterarifche 
Beichäftigung mit „the world as we find it”; die Anwendung des 
Wortes auf den engliihen Roman der fünfziger und fechziger Jahre führt 
nur zu ähnlichen Mißverftändniffen wie der geläufige englijche Gebraud 
des Worte8 „„Romantieism’”. 

Die beiden hervorragendften englifchen Romanſchreiber der Gegenwart 
Meredith und Hardy werden ziemlich ausführlich beſprochen. Es ſcheint 
mir aber doch zu viel gejagt, wenn Hardys Roman „Tess“ als eine 
„mighty production” (S. 274) oder fein oft fehr anfehtbarer Stil als 
„fineness of workmanship” (S. 279) bezeichnet wird. Dem Bielfchreiber 
ZTrollope, den Croß „the great chronicler of English fiction” nennt, 
ift entfchieden zu viel Raum gegönnt; ebenfo Kingsley. In feinem legten 
Kapitel fehlägt Croß meines Erachtens den neueften englifden Roman 
(Humphry Ward, Stevenfon, James, Howells, Kipling) ebenjalls zu hoch 
an; es iſt allerdings nicht Leicht, von Zeitgenoffen zu fprechen, ohne bie 
fritifche Perfpeltive zu verlieren. 

Croß' Darftellung ift fließend, gewandt und verhältnismäßig frei 
von dem journaliftiichen Anftrih der gegemwärtigen Kritik in England. 
Nur ift Hier und da der Ton der „popular lecture’’ zu deutlich an— 
geichlagen; 3. B. wenn ein *efezirfelroman wie Hope® „Prisoner of 
Zenda' als typifch für die Entwidlung des hiſtoriſchen Romans angeführt 
wird (S. 27). Daß Croß' Buch neue fritifhe Standpunkte oder weſent⸗ 
lich neue Thatſachen brächte, kann man kaum fagen; als populäre Ein» 
führung in die Geſchichte des engliſchen Romans iſt es jedoch ganz gut 
geeignet. 


Straßburg i. E. John G. Robertſon. 


Bericht über die während der Jahre 1898—1899 in Amerika 
veröffentlichten Auffäße über deutſche Litteratur. 


Im 13. Band der „Publications of the Modern Langnage 
Association’ (Baltimore 1898) veröffentliht J. T. Hatfield die erften 
im Drud erfchienenen dichteriſchen Verſuche Wilhelm Müllers („The 
Earliest Poems of Wilhelm Müller”, ©. 250—285). Müller hatte 
nad) jeiner Rückkehr aus dem Befreiungskriege einen Heinen litterarifchen 
Verein mit gleichgefinnten Freunden in Berlin gegründet, und als die 
Frucht gegenfeitiger Anregung erfchienen im Jahre 1815 „Die YBundes- 
blüten“, aus welchen Hatfield wegen der Seltenheit des Buches Müllers 

13* 


196 Deutfche Titteratur in Amerila. 


Peitrag, im ganzen 19 Yieder und Romanzen jowie 18 Epigramme, 
abdrudt. In einer Beiprehung des litterariſchen Wertes diefer Gedichte 
S. 282 — 285) forscht der Herausgeber den verfchiedenen Einflüffen nad), 
unter denen der Dichter bei Abfaffuug derjelben geftanden Hat und zeigt, 
wie wichtig diefe Iugendprodufte zur vollen Erkenntnis von Müllers 
dichteriſchem Entwidlungsgange find. 

Im 14. Band der „Publications” (1899) befpriht W. T. Hemett 
in eingehender Weife das gegenfeitige Verhältnis der verfchiedenen Geſamt— 
ausgaben von Goethes Werten bis zur Oktavausgabe von 1827 — 1830 
und unterſucht den Anteil des Dichters, fowie Riemers, Eckermanns, 
Göttlings und anderer an den Reviſionen, welche die einzelnen Ausgaben 
und namentli die von „Hermann und Torothea“ nötig machten. Bon 
diefem legteren Werke teilt der Verfaſſer, den wir eine verdienftvolle 
Ausgabe des Epos mit englifhen Anmerkungen verdanten Boſton 1895, 
die Varianten im Text nit nur der (Sefamtausgaben, fondern auch der 
Einzelorude mit und berichtigt das Verzeichnis der verfehiedenen Ausgaben 
bei Goedele und Hirzel i,,A Study of Givethe's Printed Text: Zlermann 
and Dorothea”, Het 1, ©. 108— 136°. — Diefelbe Nummer enthält 
auch einen Artikel von H. Schmidts Wartenberg über das „Speculum 
Humanae Salvationis’” ı<. 137 —168 1. Nah einer furzen Charal- 
terifierung der mittelalterlichen, theologifch:moralifierenden Heilsjpiegel gebt 
der Verfaſſer, an eine Etraßburger Tiliertation von Paul Poppe („llber das 
Speeulum humanae salvationis und eine mitteldeutfche Bearbeitung des— 
jelben“ 1887 anfnüpfend, dazu über, die Bibliographie bei Poppe zu 
ergänzen und in einigen Punkten richtig zu jtelen. Bon den neu an« 
geführten Handfchriften werden die folgenden genauer bejchrieben: Kine 
Berliner, Ms. germ. Quarto 1246, welche außer dem lateinischen verji- 
fizierten Speeulum eine deutiche Profnüberfeßung enthält; eine nieder: 
deutiche aus der Föniglichen Bibliothek zu Hannover, Ma. I, 85, aus dem 
15. Jahrhundert, von welder das 25. Kapitel als Textprobe mitgeteilt 
wird; eime andere Berliner, Ms. gern. Folio 245, aud aus dem 
15. Jahrhundert, vielleiht aus Steinfelden bei Schleiden im ripuarifchen 
Franken jtanımend; der Prolog, der Anfang des erſten Kapiteld und das 
ganze 2%. find als Proben abgediudt; jchlieglih nod ein Fragment ın 
mitteldentiher Sprache, Quarto 574 aus der Berliner Bibliothek, 
weldyes früher im Belig Hoffmanns von Fallersleben gemwejen zu fein 
ſcheint. 

In den „Modern Lanzuage Notes” . Band 13, Baltimore 1898 
interpretiert Otto Heller die emige Schwierigfeit in der Konftruftion 
darbietenden Berfe 1065 — 108 im zweiten Teil des Kauft: 

Kon Sturz zu Zturzen wälzt er nett ın tausend, 


Tann abertauſend Ztromen ſich ergießend, 
Hoch m die Lüfte Schaum an Schäume ſauſend. 


Deutfche Pitteratur in Amerika. 197 


auf folgende Weife: „Bon Sturz zu Sturzen wälzt er fanfend Schaum 
in die Lüfte, fich jetzt (S zuerft) in taufend, dann in abertaufend Strömen 
ergießend“, indem cr die unberechtigte Auslafjung eines Kommas nad) 
den Morten „wälzt er” annimmt (Heft 5, S. 2833— 284). — Im Anſchluß 
an diefen Artikel mögen mehrere andere angeführt werden, welche auch 
Nommentare zu umftrittenen Stellen im Fauft liefern. Hermann Gollig 
beipricht die Itede des Direktors im Vorfpiel auf dem Theater (VBerd 111 — 
128), in welder die Verſe 
Was träumet ihr auf eurer Dichter-Höhe”? 
Was macht cin volles Haus euch froh? 

häufig von Kommentatoren und Ülberfegern falſch aufgefaßt worden feien. 
Der Direltor meine damit: „Bon eurer Dichterhöhe aus mag ein volles 
Haus euch froh machen. Beſeht ihr aber die Gönner in der Nähe, fo 
werdet ihr anders denken.“ („Zu Goethes Fauft“, Americana Germa- 
nica, Band 2, ©. 87— 91). — Für diejenigen, die mit der Yauftausgabe 
von Galvin Thomas (Bofton, Heath & Co.) befannt find, werden zwei 
Aufjäge von Intereſſe fein, die fid) gegen einige feiner Terterläuterungen 
richten. Beide find in den Americana Germanica, Band 2 erjchienen 
CH. U. Eggert: „On Some Passages in Goethe’s Faust and Their 
Interpretation by Professor Calvin Thomas", ©. 62—71, und Julius 
Goebel: „Beiträge zur Erklärung von Goethes Fauſt II. Im Anflug 
an die Ausgabe von Calvin Thomas”, ©. 90—112). — 9. F. Coar 
juht ın einem „The Parcace in Goethe’s Faust, Part II, Act I, 
Scene 3° (Modern Language Notes, 14, 321—328) betitelten Aufjag 
einmal den Grund ausfindig zu machen, welcher Goethe veranlagt hat in 
der Mummenfhanzfcene von der antiken Auffaſſung der Thätigkeit der 
Parzen abzuweichen und die verhängnisvolle Schere der Klotho anzuver- 
trauen. Er findet die Erklärung dafür in der Annahme, daß der Dichter 
darin ſymboliſch feine Anſchauung über das willfürliche Walten dev Todes- 
göttin ausfprechen wollte, das fi) jo wenig mit irgend einem philofo- 
phifhen Syftem in Einklang bringen laffe. Zur Erhärtung diefer Anficht 
zieht Coar noch die Stelle in der „Euphroſyne“ heran, welche mit den 
Worten „Ad, Natur, wie fiher und groß in Allem erfcheinft du!” beginnt 
und in der Goethe ſchon früher diefen Gedanken von der Willlür des 
Todes ausgefprohen hat. Eodann wendet ſich der Verfaſſer zur Erläutes 
rung der beiden DVerfe: 


Stunden zählen, Jahre meffen, 
Und der Weber nimmt den Strang. 


Unter Heranziehung von Parallelftelen aus den Schriften, die Goethe in 
der letzten “Periode feines Lebens verfaßt hat, 3. B. „Was wir bringen. 
Fortfegung. Borfpiel zur Eröffnung des Theaters in Halle, im Juli 1814,“ 
„Urmworte, Orphiſch“ :c. giebt Coar folgende Auffaffung der Thätigfeit 


198 Deutfche Pitteratur in Amerika. 


der vacheſis, wie fie fi der Dichter gedadht haben muß, und welche den 
Sinn der citierten Bere erklärt: Lacheſis ift das Eymbol der Zufälle des 
?ebens, die des Menſchen Individualität von Geburt an verändern und 
entwideln, bi8 er infolge feiner Vernunft die Kräfte der Natur verftcht 
und beherrfcht, fo daß diefer Endzweck des Yebens erreiht wird. „Dann 
ift der Menfh, Tank feiner Vernunft, als ein frei intelligent Handelnder 
zur Arbeit tauglich, dann iſt er im ftande das Veben für eine Strähne 
verjchiedenartiger Erfahrungen zu halten, durch deren Fäden jedoch diefelbe 
berrfchende Eigenschaft feiner Individualität läuft, und fie in das Gewebe 
der Welt zu verarbeiten. Unter Weber ift daher der vernünftig denkende 
Menfch zu verftehen.“ 

In dem 7. Heft der Modern Language Notes {Band 13) zählt Georg 
Hempl alle rechtmäßigen Ausgaben, fowie die ungefeglichen Nachdrucke 
der Minna von Barnhelm auf, die während Leſſings Yebzeiten erfchienen 
find und ftellt ihr Abhängigkeitsverhältnis zueinander feft „Ihe Editions 
of Minna von Barnhelm published during Lessing's Lifetime", 
S. 143 —447\. 

Der 14. Band derfelben Zeitjchrift (1899) enthält einen Artikel von 
C. Bordling über den jüngeren Titurel, in weldem der Verfaſſer zeigt, 
wie Albrecht in feinen langatmigen Schilderungen und Beichreibungen von 
Waffen und Rüſizeng, Mufikinftrumenten, Kleidern, Epeifen, Epezereien 
und andern Dingen auf furze Andeutungen in Wolframs Parzival, Wille: 
halm und Titurel zurädgreift umd fie weiter ausführt. Hinfichtlih der 
Beſchreibung der Brade weiſt Bordling auf die Encit hin, deren Einfluß 
auch für andere Stellen (Sarg und Grab Gahmureté, Graltempel) nad» 
gewiefen wird (Studies about the Younger 'Titurel”, Heft 3, S. 1285 — 
150). — In dem 6. Heft citiert Philip Allen die italieniſchen T.uellen 
von neun Yiedern Wilhelm Müllers. Tiefe italienischen Volkslieder find 
abgedrudt ın „Eireria”,. Kaccolta di poesie italiane popolari, eom- 
inineiata da Guglielmo Müller, dopo la di lui morte terminata e 
pubblicata do O. 1. B. Wolf: Lipsia: EB. Fleischer, 1829 (Wilhelm 
Müller and Italian Popular Poetry”, Z.329- 531, — Für die Quelle 
eined andern Yıedes von Wilhelm Müller, des befannten Trinkliedes 
„Geſelligkeit“, ficht derfelbe Berfafier cin Gedicht von Tpik :ı „Uberdruß 
der Gelahrtheit“ an, welcher am Anfang der von Müller bejorgten Aus» 
gabe von Opitz,Bibliothel dentfcher Tichter des 17. Jahrhunderts“, Ih 
fteht - „Martin Tpig und Wilhelm Müller“, Heft 7, S. 425-4771 

Ein Aufiap von A. Gerber über Goethes Homunlulus, welcher im 
12. Bande diefer Zeitſchrift Heft 2, S. 69 -79; vgl. Euphorion 5, 
S. 357 358) erſchienen und in weldhem gegen Balentins Auffaſſung 
des Homunkulus Ztelung genommen war, hat den Anlaß zu einer inter 
eſſanten Kontroverfe zwifchen beiden Gelehrten gegeben. Der 13. Band 
derielben Zeitichrift bringt eine Erwiderung von Balentin : „Goethes 


Deutſche Pitteratur in Amerita. 199 


Homunfulus“, Heft 7, ©. 432—443 und Heft 8, ©. 462—471), in 
welcher diefer Gerber Theorie zurüdweift und in zufammenfaffender Weife 
feine Anfiht noch einmal darlegt, worauf Gerber im 14. Bande eine 
Berteidigungsichrift unter dem Titel „The Homunculus-Helena Theory, 
and the Evolution of the Helena Drama and its Antecedents’”’ 
(Heft, S. 204— 215) hat erfcheinen Taffen. Im engen Zufammenhang 
mit diefem legten Artikel ftehen zwei Auffäge von demfelben Verfaſſer, 
welche im 3. Band der Americana Germanica veröffentlicht worden find 
1899, Nr. 1 „Ihe Evolution of the Classical Walpurgis-Night and 
the Scene in Hades”, S. 1—26, und eine Ergänzung dazu in der 
zweiten Nummer ‚Additional Remarks on the Evolution of the 
Walpurgis-Night and the Scene in Hades”, ©. 212—218). An der 
Hand von Goethes eigenen Zeugniffen giebt Gerber eine eingehende Ent- 
widlungsgefchichte der Haffifchen Walpurgisnacht und zeigt, daß zwifchen 
den Jahren 1826— 1830 des Dichters Plan, namentlih durch die Um- 
wandlung des Homunkulus aus cinem „chemifh Menſchlein“ zu einer 
Entelechie foldye Veränderungen erfuhr, daß in dem dramatifchen Gefüge 
des zweiten und dritten Aftes Fein Platz für die Scene im Hades, welche 
die Beranlaffung zur Abfaffung der ganzen Walpurgisnadht gegeben 
hatte, blieb. 

Bon fonftigen Artikeln in dem 2. Bande der Americana Germanica 
.1898) find noch die folgenden zu erwähnen: „Popular poetry of the 
Russian Jews” von Leo Wiener Nummer 1, ©. 1—26, Wr. 2, 
©. 33—58\. Der Verfaſſer giebt zuerft ein anfchauliches Bild von den 
Sitten und Gebräuchen der in Polen, Galizien und Rußland wohnenden 
Yuden und teilt eine Anzahl ihrer Volkslieder mit. Codann werden die 
hervorragendften volfstümlichen Liederdichter wie Ehrenkranz, Broder, 
Schafir, M. Gordon, Berenftein und andere namhaft gemaht und ihre 
dichterifche Thätigkeit analyfiert. — W. 4. Haußmann giebt in dem 
„German-American Hymnology’ betitelten Auffage (Nr. 3, S. 1—6?2) 
eine Gefchichte der verfchiedenen in Pennſylvanien feßhaften deutfchen 
proteftantiihen Selten und befpricht eingehend die Kirchenlieder, die 
wijchen den Jahren 1683 und 1800 auf amerikaniſchem Boden in diefen 
Kreifen entitanden find. Eine Liſte der deutſch-amerikaniſchen veligiöfen 
Liederdichter und der Drude der verfchiedenen Gefangbücher bejchließt diejen 
Beitrag zur Geſchichte des deutjchen Kirchenliedes. — T. ©. Baler citiert 
eine Anzahl Zeugniffe und Urteile aus den Schriften deutſcher Dichter 
und Pitterarhiftorifer über Yarwrence Sterne, um den Einfluß nachzuweiſen, 
welchen der letztere durch „Zriftram Shandy“, namentlih aber durd) 
„Die empfindfame Reife“ auf die deutjche Yitteratur ausgeübt hat („The 
Influence of Lawrence Sterne upon German Literature”; Wr. 4, 
S. 41—56). — C. ®. Prettyman weiſt auf die Möglichkeit hin, daß 
Sanig für feine Satire „Der Hof“, außer Boileaus Satiren, auch das 


200 Deutfche Pitteratur in Amerika. 


Gedicht Hofmanns von Hofmannswaldau „Die Welt“ ald Vorbild benugt 
babe. Als Abfaffungszeit könne vielleicht das Fahr 1690 angejehen werden, 
da fih damals Canitz vom Hofleben zurüdgezogen hatte (‚The Probable 
Source and Date of Canitz’s Eighth Satire ‚Der Hot’”; ©. 61—64). 

Bon dem 3. Bande der Americana (sermanica ı1899) liegen bis 
jet nur zwei Nummern vor. Außer den bereit angeführten Artikeln 
Gerbers über die Malpurgisnacht befchäftigen ſich noch die folgenden mit 
deutfcher Pitteratur: C. N. Eggert bringt eine fcharfe Grwiderung auf 
eine Rede Profeſſor Dowdens, welche diefer unter dem Titel „The Case 
against Goethe” vor der englifhen Goethe-Geſellſchaft gehalten hat. Es 
bleibt jedoch noch abzuwarten, ob die Worte des englifchen Gelehrten von 
der Londoner Zeitung, aus der Eggert Kenntnis von dieſer Rede ge 
nommen hat, richtig wiedergegeben find („Gocthe''. A Reply to Pro- 
fessor Dowden’s „The Case against Goethe” (S. 27451. — 
D. B. Shumwan drudt den Tert einer plattdeutfhen Ballade ab, die ein 
ungenannter Ööttinger Student über die erfolgloje Yelagerung Göttingen 
dur Piccolomini im Jahre 1641 verfaßt hat. Das Manujfuipt aus der 
Göttinger Bibliothef (Cod. Philol. 198: ıft nichts als eine Abfchrift von 
einem Drud aus dem Jahre 1730, von dem nod cin Kremplar eben» 
dafelbft vorhanden ıft. Die Abfaſſungszeit läßt ſich nicht beitimmen, jedoch 
zeigt Chumman, daß der Verfaſſer ſklaviſch das volfstümliche Henneke— 
Knecht-vLied (Böhme, Altdeutiches Liederbuch, Nr. 465) nadhgeahmt Hat 
(„A Low German Ballad. Commenmorating the Siege of Göttingen 
in the Thirty Years War’: S. 46— 919, — Martin Schütze beſpricht 
in einem längeren Artilel die Schönheiten und Schwächen der „Ver— 
juntenen Glocke“ und führt eine Anzahl Vorbilder an, wie 3. 3. Grill» 
parzers Melufine, mehrere Dramen von ‚ibfen, Goethes Fauſt, Fouqués 
Undine u. f. w., welde Hauptmann bei der Schöpfung jenes Wertes 
vorgefchwebt haben und die fih nit mur ım Gang der Handlung und 
in der Technik des Dramas, fondern aud in den Hauptcharakteren wieder: 
erfennen laffeen. Der Blick, den uns der Verfaſſer in die Werlſtätte des 
Dichters werfen läßt, fällt haufig auf wenig Erfreulides  „Hauptinann's 
Die versunkene Glocke”, &. 60 95°. - - Eine, unter dem Titel „Early 
Influence of German Literature in America” ım zweiten Heft erfchienene 
Arbeit von F. 9. Willens S. 103: -205° giebt uns ein anfchauliches 
Bild von den Erzeugniſſen der deutſchen Yitteratur, mit welchen das 
amerikaniſche Publikum in der legten Hälfte des 18. und im erften Niertel 
des 19. Jahrhunderts befannt wurde, einer Zeit, in der die Unfenntnie 
der deutſchen Sprache den Gebrauch von UÜberſetzungen notwendig machte. 
Das Jahr 1762 ıft ala Anfangepunft gewählt, weil damals in Philadelphia 
zum erſten Mal die engliche Lberjegung eines deutichen Werfet, cd 
ft Geßners „Abels Tod“, nadgedrudt wurde und 1525 als Ende, weil 
bon der Zeit an, Dank dem babnbrehenden Borgange der Harvard: 


Deutfche Fitteratur in Amerika. 201 


Univerfität, das Studium des Deutfhen mehr und mehr in Aufnahme 
kam. Der Titel des Auffages ift etwas irreführend, da es fih in den 
meiften Fällen niht um den Einfluß handelt, den die deutfchen Werke 
ausgeübt haben, fondern nur um Überfegungen oder Nachdrude englifcher 
Überfegungen, die auf amerifanifchen Boden entftanden find. Intereflant 
ift e8 zu fehen grade welche Werke ſich der größten Beliebtheit erfreuten 
und da finden wir 3. B. im Drama, daß die meiften Stüde von Kogebue 
mit Erfolg aufgeführt worden find, während Leſſing und Schiller nur 
durch vereinzelte Darftellungen der Minna von Barnhelm, der Räuber, 
des Fiesco, von Kabale und Liebe und des Don Carlos repräfentiert find. 
Bon Goethes Dramen ift feines auf die Bühne gebracht worden. Auf 
dem Gebiete der Erzählung fcheinen Werthers Yeiden, der Geifterfeher und 
die Erzählungen Zſchokkes den größten Lejerkveis gefunden zu haben. Von 
den Epen waren der Meſſias und Oberon am beliebteften. Eine Tifte all 
dieſer Überſetzungen ſchließt den Artikel. — A. E. Miller weiſt auf die 
Ähnlichkeit hin, welche „Der ewige Jude“ Wilhelm Müllers von der 
ſechſten Strophe an mit dem ältern Gedicht Wordsworths über denfelben 
Segenftand, „Song of the Wandering Jew“, zeigt („Wodswortli and 
Wilhelm Müller”; ©. 206—211). 

Bon der neuen Zeitfhrift „The Journal of Germanie Philology”. 
Edited by Gustav E. Karsten. Published by the Editor, Bloomington, 
Ind, U. 5. A., deren Erjcheinen von allen, denen das wiſſenſchaſtliche 
Studium des Deutſchen in Amerika am Herzen liegt, mit Freuden begrüßt 
werden muß, liegen bis jegt zwei ftattliche Bände vor. Der erfte Band 
(1897) beginnt mit einem Auffag von H. ©. White über die Heimat 
Walthers von der Bogelweide („Ihe Home of Walther”, ©. 1—13). — 
White beſpricht die verfchiedenen einschlägigen Hypothefen, von denen er 
aber feine durch genügende Beweiſe unterftügt glaubt, um fie als endgiltig 
annehmen zu können. — H. Schmidt-Wartenberg drudt das Tüdenhafte 
Fragment ciner nicderfränfifhen Bearbeitung des Maugis d’Aigremont 
Berliner königliche Bibliothek, Cammelmappe, Folio 923) zufammen mit 
den Ergänzungen aus einem andern Brudhflüd ab, das von N. de Pauw 
in „Madelghijs’ Kintsheit”, Gent 1889, veröffentlicht worden ift („The 
Berlin Fragment of the Madelghijs”, ©. 239 —246). — Derfelbe 
Berfaffer teilt auf S. 249 —251 Conrad Bollftatterd Gediht von des 
Teufels Töchtern aus dem Codex Ms. germ. Folio 564 der Berliner 
Königlihen Bibliothel und eine Parallelftelle aus den „Exempla” des 
Jacques de Vitry mit. — O. Heller befpridt in einem „Goethe and 
the Philosophy of Schopenhauer” betitelten Auffag (S. 348 — 360) 
den Einfluß, den Goethe wahrfcheinlid auf Schopenhauer ausgeübt hat. — 
Den Schluß des Bandes bildet ein Artikel von M. Batt, welder Schillers 
Stellung zur franzöfiihen Revolution behandelt („Schiller's Attitude 


—⸗ 


towards the French Revolution”, S. 482 — 493\. 


202 Teutiche Yıtteratur in Amertla. 


Der zweite Band .1898— 1399) enthält außer der Cinleitung zu 
einer längeren Arbeit Ph. S. Allene über „Wilhelim Müller aud the 
(serman Volkslied” 282 —322:, in welder der Charalter des Volls— 
liedes analyfiert und eine kurze Geſchichte desſelben nebit dem dichterifchen 
Entwidlungsgange W. Müllers gegeben wird, einen Artikel von I. T. 
Harfield, in welchem diefer Uhlands erſte Nallade „Tas Yıed vom armen 
Vater. Ein Harfnerlied aus einem unvollenderen Gedichte“ befpridht und 
als Duelle derjelben „Tas Schloß in Oſterreich“ Deutſches Mufeum 
1776, S. 399— 402 anfieht :.„Uhland’s Earliest Ballad and its 
Source”, S. 1—6). 

Kuno Frande hat eine Anzahl Aufiäge, die in verfchiedenen ameri- 
kaniſchen Zeitungen erichienen waren und über die bereits früher berichtet 
worden iſt, jegt in Buchform unter dem Titel „Glimpses of Modern 
German Culture” New: ort, Dedd, Mead & Go. 1898: veröffentlidt 
vgl. Euphorion 1849, ©. 593 —597 . 


Cambridge, Maſſ. Mar Poll. 


Notisen sn Toni Adamberger. 
gl. Eupborion 4, 367 ı 


1. Jaden, Theodor Korner und ſeine Braut S 536, giebt im Revertoire der 
Ion Adamberger richtig an, daß fc am 1%. Dezember 1808 ın der Zchillerichen 
Bearbeitung von Kacınca Phadra die Wolle der Arıcıa geſpielt babe. Aus Jijlands 
„Almanach für Ibeater 1811”, 2. 20% fommt neu binzu, daR die Aufführung zu 
Schillers Totenfeier für deſſen Erben veranitaltet wurde, und daß nach derielben 
die Hauptfiguren Zchilleriher Ztüde als „Eriſcheinungen“ auf die Bühne traten: 
unter Dieien Ericheinungen stellte Ton Adamberger de Johanna d'Arc dar. 

2. In den Tagebühern von Friedrich von Kent 1, 227 ıft unter dem 
19 Februar 1810 vermerkt: „Le soir Jar ele à un the chez le prinee Lobko- 
witz. ou il v acu un assez mauvais »peetacle allemand joue par les acteurs 
du grand theätre, Broekmann, Mille. \damberger ete. 


Rerlin. Reinhbold Steig. 


Bibliographie.) 


Beitfäriften. 
Bearbeitet von Adolf Hauffen ın Prag. 


Philologiſche und litterarhiftorifcye Beitfchriften. 


Jahresberichte für neuere Dentfche Litteraturgeſchichte. 8. Band 
(1897). 1. Abteilung. 

I. Allgemeiner Teil. — 1, 2. Reifferſcheid A., Gefchichte der deutichen 
Philologie. — 1, 3. Schwente P., Schrift- und Buchweſen 1896, 1897. — 1, 5. 
Haufen A., Boltstunde 1896, 1897. — 1, 6. Stößner P., Geſchichte des linter- 
richts⸗ und Erziehungsweiens. —1, 7. Naumann E., Die Fitteratur in der Schule. 
— 1, 8. Golther W. Geſchichte der neuhochdeniſchen Sprache. 

III. Vom Anfang des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. — 
11, 1. Reifferfcheid A, Allgemeines. — Il, 2. Dreſcher K., Lyrik. — II, 3. 
Reifericheib A, Epos. — III, 4. Creizenah ®., Drama. — 1, 5. Barifer L., 

idaktik 

IV. Bon der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. — 
IV, 1. Allgemeines. a) Stern W., Yitteraturgefchichte. 


Seliheirt für deutſches Altertum und deutſche Titteratur. Band 43. 


Schenk zu Schweinsberg ©. Freiherr von, Die Herkunft Erasmus Albers. 
ameiger für deutſches Altertum und deutſche Litteratur. Band 25. 
Heft 4. 


Meyer R. M., Bernays: Schriften. Band 3 und 4. 

Jellinek M. G., Siebs: Deutjche Bühnenausfprade. — Mit mehreren 
Bedenten. 

Blöte J. F. D., Wechſſler: Die Sage vom Gral. 

Walzel O. F., Rieger: Klinger in feiner Reife. — Mit einer Notiz von 
Rieger zum Goethe- Jahrbuch 9, 10. 

@eiträge zur! serhichte der deutſchen Sprache und Litteratur. 
Ban 

Behaghel O., Der Artikel bei Berfonennanen. 

Goetze N., ‚eulied. — Bariante zu Uhlands Volksliedern 2, 604, Nr. 232 
mit einer neuen fiebenten Strophe, die erft die zweite NRätjelfrage beantiwortet. 








) Wo die Jahreszahl fehlt, ift 1899 zu ergänzen. 


204 Bibliographie. Yeitichriften. 


Zeitſchrift für den deutſchen Unterricht. 13. Jabrgang- 

Heft 11. Biſchoff H. Der Sasbau bei Heinrich von Kleiſt. 

Düntzer H., Borthes Entlafjung von der Leitung des Weimariſchen Hof 
theaterg. 

Klee G., Wielands Gedicht „Zirt und Klärchen“, ſein uriprünglicder Plan 
und jene O elle. 

Leue Kt‘ „Akroſticha in der deutſchen Litteratur. 

vepmanı H, Nachträge zur Textkritik von Goethes „Stella“. 

DTüntzer H., Neue Tertberichtigungen zum zweiten Teile) von Goethes gan it. 

Linker H., Die beiden erſten vorgeblichen Raralipomena zu Goethes Fauſti. 

Tomanch, ur Fauſtſtelle: „Verlaſſen bab ıch Feld und Auen“. 

Primer P., Zzum 6. Bande von Fallerslebens Selbſtbiographie. 

Düntzer H., Geiger: Goethe Jahrbuch XX. 

Heft 12. Menges H., Ju Rückerts Schwalbenlied: „Aug der Jugendzeit“. 

Mackel E, Wie hat fich der Lehrer des Deutſchen zu Kieſes „Philoſophie des 
Metaphoriſchen“ zu verhalten? 

Furtmüller K. Y, Der Buttlerbrief. — Gegen 13, S. 119 fi. 

Reuſchel K, Bruinier: Tas deutſche Volkslied. — Br Einwendungen. 

Klee G., R. M. Meyer: Die deutſche Litteratur des 19. Jahrhunderts. — 
Yebbaft anerkennend. 

Zeitſchrift dis allgemeinen deutſchen Sprachvereins. Jahigang 14 

Nr. 10. Pietſch P., „Eine böſen Sieben“. 

F. Ueber die franzöſiſchen Renennungen fürſtlicher Wohnſitze und die Hofſprache. 

Zchumann C., Ueber den Gebrauch einiger Fremdwörter. 

Nr. 12. Tunger H., Wider die Engländerei in der deutſchen Sprache. 

Zahrbuch des Vereins für niederdeutſche Sprachforſchung. 21. Jahr 
gang. 

Kühl G., Tie Bordesholmer Marienllage, brrausgegeben und eingeleitet. 
Dir Muſikbeilagen. 

Anz H, Broder Ruſche. — Abdruck der miederdeutichen Tichiung vom 
Bruder Rausch nach drin älteiten Trude aus dem Ende des 15. Jahrhunderts. 
Mit kritiſchem Apparat. Tie einleitenden Ausführungen ergänzen des Autors Auflak 
um Kuphorion 4, 756-772. 

Bed H., Idiotikon von Nordſteimkte bei Vorsfelde. B.—}. 

Sprenger R., Zur Kritik und Erflärung des Molfenbütteler Hiops. 

Teiter H., Svoligedich anf die Anhänger der oftfriefiichen Fürſtenfamilie 
vom Jahre 1726. 

Volte J., Märtiiches Hoczeitsgedicht vom Jahre 163%. 

Mitteilungen aus dem Litteraturardive ın Verlin. 

Yriefe von Ferdinand Gregorovius an Theodor Heyſe. Ar. 1 8 aus 

Rom I855—IR58 Wr. 9. München, 25. Auguft 1870. 
Ehrenik des Wiener Gorthe-Vereins. Band 13. 

Kr. 10 11. R,ayer,, Frankfurter Goethe Tage. 

Ar. 12. Minor J., Feſtrede zur Goethefeier des Wiener Goethe Vereus. 

Prem S. M, Jur Erinnerung an Ulrike von Leverow. 

Oswald Er, Goethe: Feier in London. 

Martin E., Goethes Reliquie. 

Fitteraturblatt für germaniſche und romaniſche Philologie. Jabr 
gang 20. 

Jr. 11. ambel H, Nübnemann: Herders veben. 

Nr. 12. Schullerus A., E. H Wieyer: Teutiche Bollstunde. 

BRohnenberger K., Erich Schmidt und Hartmann: Uhland, wWedichte. 

Golther W., Horn: Die deutiche Zoldateniprade. 


1899. .205 


Zahrbuch der Grillparger-Gefellfchaft. 9. Jahrgang. 

Minor Jak., Zur Geſchichte der deutschen Schidjalstragüdie und zu 
Grillparzers „A hufrau“. 1. Das Aufkommen der fataliſtiſchen Ideen. 2. Die 
Tramen von den Mordeltern. 3. Das Weſen der Schidjalstragödie. 

Wurzbad) Wolfg. von, Die „Jüdin von Toledo“ in Geſchichte und Dichtung. 

Horner Emil, Bauernfelds Fortunat. 

Schloſſar Ant., Ungedrudte Briefe Adalbert Stifters 1846—1867. An 
Joſeph Türk, Joh. Sabrıel Seidl, Yuife Baroneffe von Eichendorff, Heliodor 
Trusfa, Joh. R. von Fritſch und dejien Gattin, Mariam Tenger (= Marie 
von Druffoczy), Franz %. Roſenberger. 

Gloſſy Carl, Zur Geſchichie des Trauerſpieles „König Ottokars Glück 
und Ende“. 

Rabenlechner Mich. M., Grillparzer über Hamerling und Hamerling über 
Grillparzer. 

Schreyvogel Joſ., Der Roman meines Lebens. Erſtes Bud. S. Brinfs 
Kinder- und Knabenjahre nebſt einigen Nachrichten von ſeinem akademiſchen Leben. 
Bon ihm ſelbſt beſchrieben. Herausgegeben von C. Gloſſy. — Schreyvogels letzte, 
Fragment gebliebene Arbeit. 

Dingelſtedt Franz, Die Poeſie in Oſterreich. Vorwort von C. Gloſſy. — 
Wichtige Aufſätze Dingelſtedts aus dem von Georg Ed. Beuermgnn herausgegebenen 
„Franifurter Telegrafen“ 1837: 1. Der Muſen-Almanach. DOfterreihifche Lyrit. 
2. Dramatiſches und Dramaturgil. 

Reid) Emil, Robert von Yimmermann. Ein Nadıruf. A. S. 

Archiv für das Studium der neneren Sprachen und Zitteraturen. 
Band 103. Heft 3/4. 

Geyer B., Schiller in der heutigen Schule. 

Weſſely R., Scholz: Gefchichte der deutſchen Schriftſprache in Augsburg. 

Petſch R., Neue Publikationen der Gefellichaft zur “Förderung deutjcher Wiffen- 
ſchaft ın Böhmen. 

Morris M., Haarhaus: Goethe. 

Haak P., Herdid: Werthes und die Zrinydramen. 

Petſch #., Frömmel: Kinderreime. 

Auglia. Band 22. 
Heft 2/3. Krarger H., Carlyles Stellung zur deutfchen Sprache und Yitteratur. 
Modern Language Notes. XIV. 

Ar. 6. Huß, Schiller und Gocthe. 

Kr. 7. Segal, An Estimate of Beranger by Goethe. 

Alten, Martin Opitz and Wilh. Müller. 

Wells, Sauer: Euphorion, Zeitfchrift für Litteraturgeſchichte. 

Kr. 8. Goebel J., Zu Goethes 150. Geburtstag. 

Zeitschrift für franzöſiſche Sprache und Litteratur. XXL 

Nr. 3. Horn W., Zur Yautlehre der franzöſiſchen Lehn= und Fremdwörter 
im Deutfchen. 

Die neneren Sprachen. Band 7. 

Heft 6. Oswald E., Goethe in England and America. Bibliography II. 
Schluß.) 

Uenphilelogifdes Gentralblatt. 13. Band. 
9. Hornemann, Grillparzers „Weh dem, der fügt”. (Schluß.) 
Arco für flavifcye Philologie. Band 21. Heft 3/4. 

Sceptin J. Wer war Pfeudo-Demetrius I.? Beiträge zur Oriellenfunde und 

Duellentritit der Jahre 1591—1606. II. Fortſetzung. 


206 Bibliographie. Zeitichriften. 


Akademiefchriften nnd Verwandtes. 


Berichte des freien deutſchen Bochſttiftes zu zranliurt am Main. Neue 
Folge. 

Rand 15. Heft 2. 34. Koch M., Neuere Goethe- und Zchillerlitteratur. 
XVIII. XIX. 

Seit 34. Jung R., Johann Jakob Goethe 164 —1717. 

Krgänzungsbeft. Feſtreden Zchmidt Erich, Goethe und Frankfurt. 

Balentın ®., Natur und Kunſt bei Goethe. 

Band 16. Heft 1. Fränkel Y, Tie drei Wiener Weidmanns und der 
Weidmannſche Fauſt. 

Gäöttingiſche gelehrte Anzeigen. 

Nr. 8. Dauften A., Murto: Teutiche Einflüſſe auf die Anfänge der böhmiſchen 
Romantik. — Pit Nachruchten über die Noniginbofer Handichrift, über die cyechtichen 
Rerenfionen des Nuches und mit cınem Exkurs über Goethes „Sträußchen“. 

Nr. 11. Zingerle O. von, Wackernell: Atdenticht Raiſionsſpiele. — Mit 
wichtigen Nachträgen zu den die Texte erlänternden‘ Anmertungen und zum Gloitar. 

Nachrichten von der Königlichen Geſellſchaft der MWiſſenſchaften in 
Göttingen. Philologiſch hiſtorriiche Nlaite. 
Heit 2. Lehmann M., Yutbers Verhör vor dem Wormier Reichstag. 
Berichte über die Berbandlungen der königlich ſächtſchen Geſellſchaft 
der Wiſſenſchaften. KPhilologiich hiſtoriiche Niafie. 
. Zhmariow N, Der Meiſter E. S. und das Blochbuch Ars moriendi. 

11. Wülker R. 3%, Briefwechtel zwiſchen Adolf Ebert und ‚gerdinand Wolf. 

Sigungsberichte dir königlich preubiſchen Akademie dir Wiſſen- 
ſchaften zu Verlin. 

IV. Rahlen J., Feſtrede über Friedrich den Großen und d'Alembert. 

XXXI. XXXII. Diels H., Fefrede über VLeibnisß und das Vroblem de 
Umvrerialipradır. 

Interuatienale Budhhandler-Akademie. Vand 1. Heit 1. 

Hervorragende yachgenofien: A. Kh. Reclam. 

Keine, Der Marcheudichter Puſfaus und ſem Warten. 

Beorfenblatt iur den dentſchen Buchhandel. 

Kr 246. Horcher we, Want „geiitiges Eigentum?“ 

Ar. 2B31 Schaefer K, Urheberrecht oder Kigentam an Geiſteswer!en? 

Nir. 257. 261. Oldenburg D und Springer F. Zum Enmvarf eines Geieres 
betrefiend Das Urheberrecht an Werlen dev Yırtevatın und Tontumit. 


Viſtoriſche Provinzial und Kokabreitfchriften. 


Zeitſchrift des Badener Geicbiditsnereins. 21. Band. 

Kauls E, Veitrage zur neueren Geichibte Aachens. 1. Zut Werhichte der 
Rreſſe und Der CTenrurem Aachen ver IS. 3 Tu Bemulbungen der han 
zoſtichen Reg:crung um die Rermehrung der Matnans Brrirothet und um Die 
Grundung eines ſtädnichen weums on dem Jaluen 1817 and 1S1. 


Alemanı 27. Hein u2. 
Albert ma des Gotteshauſes und der Vottesrausteute don 
Amorb 
* abarden- und Wratinemmete m Barıı zz Vegenn des 


1899. 207 


Pfaff F., Eine Teufelsaustreibung aus dem Jahre 1701. 

Elemen O., Eine bisher unbefannte Schrift Daniel Zangenrieds. 

Clemen D., Die Flugſchrift: Bon den vier größten Beſchwerniſſen eines 
jeglichen Pfarrers (1521). 

Ruppert Ph., Ein Brief über die Berhäftniffe im Eljaß 1611. 

Wilhelm F., Die Euphemismen und bildlichen Ausdrüde über Sterben und 
Totjein und die ihnen zu Grunde liegenden Borftellungen. 

Miedel J., Mittwoch-Wodanstag. 

| D., Altdeutſche Segen aus Heidelberger Handfdhriften. V. Nachträge 
u I, IL, III. 

’ Weiß C. Th., Sprichwort und Lebensklugheit aus dem 18. Jahrhundert. 

Gartelliert A., Yebensregeln aus dem Jahre 1541. 

Bed P., Ein kaum mehr befanntes Gedicht des Sigwart- Miller. — Trauer: 
gediht auf den Tod feiner Schweſter Anna Maria Miündferin 1791. 

Heilig T., Lenz: Bergleihendes Wörterbuch des Neuhochdeutſchen und des 
Handihuhsheimer Dialelts— 

Pfaff J., Heilig: Die Mundart des Taubergrunds. Küffner: Die Deutſchen 
um. Sprichwort. 

Menjahrsblätter der badiſchen hiſtoriſchen Kommiſſion. Neue Folge. 2. 

Gothein E., 3. G. Schloſſer als badifher Beamter. 

Baltiſche Monatsſchrift. Jahrgang 41. 

5. 6. Krüger K., Ernft von Liphart. 

6. 7. Seraphim N., Briefe Otto Hermanns von der Howens 179293. 

11. Diederichs 9., Ein Brief von Jakob Grimm an Koh. 5. Rede. 

Altbayerifche Mountsichrift. Jahrgang 1. Ä 

Heft 2. Hartmann A., Hiftorifche Gedichte aus der Zeit des bayerischen 
Pandeserhebung 1705 und der Rückkehr Mar Emanueld nad) Bayern. — Mit 
zahlreichen Abbildungen der bezüglichen Stid)e. 

Heft 3. Saudberger A, Roland Laſſus' Beziehungen zur italienischen 
Pitteratur. 

Heft 4/5. Weber F., Zur Erinnerung an Anton Weffinger. 

Heft 6. Striedinger Re Ein Hiftorisches Volkslied vom Schmalkaldiſchen Kriege. 

Sorſchungen zur Geſchichte Bayerns. Band VI. 

Heft 2. Geiger Y., Bayeriſche Briefe. TIL. Briefe von Karl Heinrich von 
Yang an Therese Huber, nebft je einem Briefe der letzteren und Heinrich 
Zichoffes an Yang. 

Heft 3/4. Heigel 8. Th. von, Ein unbefannter Brief Weſtenrieders. 

Zeitſchrift des Bergiſchen Geſchichtsvereins. Band 34. 

Nebe, 3 Briefe über Peter Lo's Verhandlungen mit den Wiedertäufern 
in Blankenberg 1565. 

Feithäufer ., Ortsnamen im Wuppergebiete. 

Schriften des Vereins für die Gefhichte Berlins. 35. Heft. 

Holtze, Bilder aus Berlin vor zwei Meenfcjenaltern. 

Mitteilungen des Bereins fir Gefchichte der Deutfchen in Böhmen. Jahr- 
gang 38. 

Ar. 1. Jung J., Alfons Huber. 

Darzen: Müller A. N., Wallenftein- Dramen und Aufführungen vor Schiller. 

Jung RR Yitteratır über den Grafen Leo Thun. 

Kr. 2. Jung J., Heinrid von Zeißberg. 

Haufjen A., Zur Sf Schichte der deutjchen Univerjität in Brag. Mit einem 
bibliographijchen "Anhang. 

Knott R., Ein Bericht über Prag und feine Bewohner aus dein Jahre 1531. 


208 Pıbliograpbie. Zetichritten. 


Brandenburgia. Monatsblatt der Ge'ellichaät fur Heimatsktunde der 
Trovin, Brandenburg. Jabrgang *. 
Nr. 3. Rniower O., Die erite Berliner Zeitichrift in deuticher Zprade. 
Kr 7 Poetters N, Koh etwas vom Pocten. -- Jum Volksaberglauben 
Archiv der Braudenburgia. Yand ©. 

Seinñert B, Tie Ztrausberger Ztadtichule 1430—1818. Beiträge zur 
Heichichte des mürkichen Schulweſens. 

Eorldungen sur BVrandenburgiſchen und Preutziſchen Geichichte. 
Band 12. 

veineweber R., Morgenitern, cin Brograph Friedrich Wilbelms 1. 

Priebatich F., Geriſtiges Leben der Mar! am Ende des Mittelalters. 

Tichirch O., Willibald Aleris als vaterlanducher Tichter und PVatriot. 

Berner E, Eine Dentichrüt Wilhelm von Dumboldte über die Stellung 
und die VBefugniiſe des Tberprafidenten I817 

2orlomsfi 9., Tas Tagebuh dis Herzogs von Vraun'ſichweig-vLüneburg 
1757 1766. 

Ersgebirgsseituug. 20. Jabrgang. Ar. 1 12. 

Urvan %, Magier Sebannes Matbeirus und Nanter Nicolaus 
Hermann. 

Urban M., Vol!stümt:ches aus dem Erzgebirge. — Segen. Aberglaube 

Urban I, Zur Geichichte Dev Latemichule in Joachimsthal. 

Urban Mai, Ein VRoltsichrütiteller Nordbipeitbobmeng. Heinrich Cuno, der 
Veriaiſer der Rauber von Maria Kulm VRerzeichnis ſeiner Zchriften. Cuno war 
Veñber einer Leihbibltotret in Karlsbad, auf die Gocthe 1820 ein Gedicht ver 
ort. ntlichte. 

Urban M, Goethe ın Marienbad. 


Jahrbuch der Geiellichait Für bildende Runmit md vatalindiiche Altertümer 
zu Emden. Zand XIII 
Heit 12. Teiter, smieitichbe Gedichte des 17. Jabrhunderts mir Uberietung. 
Kannenborg A, Ulrich von Werdum und ſein Reveſournal 1673 
1677.11. 
Aus Ber Heimat. Blatter der Bereiigung fir GSothaiſche Geſchichte 
und Altertumsferfung. 2 Nahraang. Duft 2. 2 
Schreiher 4, Die Entitehung des iogenannten Thnringer Voltstiedes 
„Ach, wie wars moglich Dann“. 
Schmidt v., Rol!snamen der Kilanzen um Herzegtum Gotba. 
Zahrbuch dis deuntichen Gebtrgspereius fer das Jeſchken- ud Iler- 
gebirge. Jabhrgang v. 
Hot a, 3. Geichhte Der Werfermation en den Acztrten Friedland und 
Jiecheuberg 
Hubler F, Auszahlreime und 'ſonſtige Ainderreime aus dem ev und 
Jeichlengebnuge. 
Jahrbuch T 3 hiſmtoriich arhhaolog'ſchen Vereuins zu Zarloburg in Sieben 
burgen äekeanve Givuilatéhetverte. 
Bericht über e:nen CEoden nut Jeinttende anen aus dem Vatihyaneum 
brichoiliche Bbliotret in Karlsbarg mir der Vezeichnung Desiientae S J. thitni 


J 
0,8 


dos iſt Hermannitadt 1756. Tee Titel der Tramen lauten: 1. Zenesive fratıuın 
voneordia saeta. 2 Sanetaerun. B3. S. Domiianns Garne ae archidun. 
4 Fortuna Lunatiea. %. Joannes Baptısta. 6 Cams. TS Fran- 
eiseus Naverius Imhammm apestonuas = Maria Viren Blasphermmarum 
vietriv sive Jullanus Apestata ob brasphemm- divimıtus interemptus. 
9 Bellonae ludus sive Seba-tianus . . . . . . zum Stück 2 wıd Nie Hemer 


1899. 209 


fung gemacht: „Sancta crux tertio per Heraclium imperatorem in monte 
Calvariae defixa, Tragoedia a juventute Academica Viennae Austriae tertio 
in scenam data, Anno Domini M. DCXXXIII. die 27. Februarii.” Zum Stüd 6 
wird bemerkt: „Cyrus, acta ludis nuptialibus potentissimi Ungariae regis 
Ferdinandi III. et Mariae a Caesareo et Academico Collegio societatis 
Jesu Viennae. Authore R. P. Scipione Scambata ex eadem Soc. Jesu." 
E83 handelt fid) alfo um Xefnitendramen des 17. Jahrhunderts. — Aus dein 
18. Jahrhundert werden unter anderem ungariiche Aufführungen eines Zrinyi- 
Dramas erwähnt. J. Jung. 


Sigungsberichte der Kurländiſchen Geſellſchaft für Litteratur und Kunft 
und Jahresbericht des Kurländijchen Provinzialmufeums aus dem fahre 1898. 
Diederichs H., Überblick iiber die Entftehung und Geichichte der Gefellichaft 
für Pitteratur und Kunſt und des kurländiſchen Provinzialmufeums. 
Döring J., Schaufpieler, Sänger und Muſiker in Kurland 1740—1826. 
Otto G., Kur-, Live und Eftländer auf der Univerfität Peipzig 1409—1556. 
ae des Vereins fiir die Gejchichte Mährens und Schlefiens. 
Jahrgang 3. 
Heft 4. Wotle K., Der Olmüter Biſchof Stan. TZurzö von Bethlen- 
falva (1497—1540) und defjen Humaniftenfreis. 
Boltelini H. von, Schweizer: Die Wallenfteinfrage in der Geſchichte 
und im Drama. 
Blätter des Vereins für Landeskunde von Hiedersfterreidy. Jahrgang 22. 
Nr. 1. Mayer R., Die Pflege der geiftigen Kultur in Oſterreich mit Ausschluß 
der Stadt Wien während der 50jährigen Regierung des Kaijers Franz Joſef 1. 
Nr. 2—6. Senfelder L., Kaiſer Maximilians IL. letzte Lebensjahre und Tod. 
Zeitſchrift des Hiftorischen Vereins für Miederfacdfen. Jahrgang 1899. 
Thimme F., Zur Geſchichte dev „Höttinger Steben”. — Mit Briefen. 
„Hiernady wird das geſchichtliche Urteil über die That der Sieben modificiert 
werden müſſen.“ 
Gracbert K., Barnhagens erfte Predigt in Hildesheim. 1. September 1542. 
Bodemann E., Zwei Briefe von Feibniz betreffend eine „Teutſche Geſellſchaft“ 
zu Wolfenbüttel nebft zwei Briefen von 3. G. Schottelins an Herzog Auguft 
von Braunſchweig-Wolfenbüttel. 
Bodemann E., Ein Slaubensbelenntnis Leibnizens. 
Bodemann E., Briefe des Königs Friedrich I. von Preußen und feines Sohnes, 
des Kronprinzen Friedrid” Wilhelm I. an die Kurfürftin Sophie von Hannover. 
Annalen des hiftorischen Vereins für den Miederrhein. Heft 68. 
Knod ©. C., Rheinländiſche Studenten im 16. und 17. Jahrhundert auf der 
Univerfität Padua. 
Roth F. W. E., Adam Volckmar zu Köln in feinen Beziehungen zu 
Nicolaus Wollid und Heinrih Glareanus 1501—1510. 


Mitteilungen des nordböhmiſchen Erkurſionsklubs. Jahrgang 22. 
Heft 1. Wolkan R., Ein Lied von Jahre 1574. 
Heft 2. Wilhelm F., Ter Waldlönig und die Windsbraut. Sage. 
Alliger E., Sagen aus dem Nolergebirge und dem Erlitthale. 
Kammel R., Volkstümliche Krankheitsnamen. 
Heft 3. Paudler A., Jugendfeftlichkeiten. III. 
Paudler A., Naturgejchichte im Volksmunde. 
Heft 4. Baudler A, Sagen aus Deutfhböhmen. 
Kantor H., Volkstümliche Krantheitsnamen. 
Kallaſch W., Brautführer-Handbiichlein. 
Kögler A., Fied von den Braunſchweiger Totenköpfen. 
Euphorion. VII. 14 


210 Bibliographie. Zeitfchriften. 


Mittellungen des nordböhmiſchen Gewerbemuſeunis. 17. Jahrgang. 
Nr. 1. Zwei Führicdy- Briefe. — Bon dem Maler Führich an Alois Klar 
1836 — 1837. 
Kr. 2. Zwei Goethe-Briefe. — Ein bisher unbekannter Brief Goethes vom 
11. Februar 1817 an den Hofmaler Jof. Raabe in Breslau. Ziltat. Ferner cin 
Brief von Julius Auguft Walther von Goethe an denfelben Adreffaten dom 
Jahre 1816. 


Mitteilungen des Vereins für Sefchichte der Ztadt Müärnberg. 

Heft 13. Hampe Th., Tie Entwidtung des Theaterweſens in Nürnberg 
von der zweiten Hälfte des 15. Jabrbunderts bis 1806. II. Auszüge aus den 
Hatsprotolollen. Ziele Notizen über Aufführungen Hans Sachſiſcher Stüde. 

—ss., Hermann: Reception des Humanismus in Nürnberg. — „Es würde 
viel zum Lobe der Arbeit zu jagen jein, wenn nicht überall allzu aufdringlich das 
Beſtreben bervortreten würde, eine humanismusfeindliche Geſinnung des Rats 
nachzuweiſen.“ Nicht eine grundjügfiche Abneigung des Nates, fondern andere 
Urſachen bätten dag langſame Fußfaſſen des Humanismus in Nürnberg verjchuldet. 

Zeitſchrift für die Geichichte des Gberrheins. Neue Folge. Band 14. 

Heft 3. Hollaender A., Sleidaniana. 

Wille J, Briefwechſel Balth. Neumanns mit Kardinal Schönborn 1728- - 
1730. Nebſt einer Tenkſchrift von 1749. 

PQuifichmidt DR, Zur Sage vom Enderle von Netic. 

Dvermanu A., Neues zur Lebensgeſchichte X. Chr. von Grimmelshauſens. 

Heft 4. Winckelmann T., Zur Geſchichte Sleidans und feiner Kommentare. 

Obſer K., Ein Tagebuch über die Zuſammenkunft des Kurfürſten Karl Friedrich 
von Baden mit Napoleon I. in Mainz ı Zeptember 18081. 

Fund H., En Brief J. 8. Schloſſers an J. C. Yavdater. 


Archis fir öſterreichiſche Geſchichte. 
| 6, Band. 1. Hälfte Hirn J, Die erſten Berfuche Kaifer Rudolfs II., um 
in den Alleinbeſitz der Grafichaft Tirol zu gelangen. Auch Zonderabdrud, Wien 
1292. — Legt auf Grund ner erſchloſſener Quellen die hiſtoriſchen Ereigniſſe dar, 
die und wegen Grillparzers Trama „En Bruderzwiſt in Habsburg“ inter— 
eifteren. Rach den 1505 erfolgten Tode Erzherzogs Ferdinand von Tirol, der aus 
der Ehe mit Philwoine Bellen nicht erbberechtigte Sohne, aus jeiner zweiten Ehe 
mit einer Prinzeſſin von Mantia nur Tochter hinterließ, fanden langwierige er: 
bandlungen zwechen den beiden anderen Linien des Pauſes Habsburg Ferdinandei⸗ 
ſcher Abſtammung ſtatt. Tie Tiroler wollten einen eigenen Landesherrn baben, 
iniolge Deiien die Prager und die Grazer Regterung ſich dahin eingten, abwechſelnd 
einen Gubernator zu erneunen, Dem jede dev beiden Linten je zwei Aſſiſtenzräte an 
Die Seite zu ſtellen hatte. Karer Nudolf ernaunte 1602 ſeinen Bruder Maximilian, 
den Deutichmeiiter, dev bis ISIS in Tirol herrichte, aber, wie wir jett erfahren, 
auch darüber hinaus ber den rennen des Geiamttauies namentürch bezüglich der 
Zuectenonzirage nach Radeti ne fuhrende Nette geipiett bat. Im Jahre 1603 
war Mazan:kan zweimal im Prag, um den Narer zu beitinmen, entweder ſelbſt 
zu herraten od. ſeruem Bruder Matthias di Vermahlung zu ogeitatten, damit eine 
e!;che Rachlſämmenſchaft erzielt werden könne. Ter Brreciwechiel der Brüder ent 
betet nicht des vorchologſchen Intereſſes Ter Katubr war von Auiang an vpiquiert 
darutat, datz man wma weteder Die Sureceiron in Erwägung ziehe. Maximilian 
entichetldigte uiuen Breider dammt, daß „Matthias and aus überſtürzter Liebe 
gegen eine bene pero, deren tige er ta Einer Mialeſtat zur Auswahl 
ſtellt, ondern nur von tüewiſſenszwang getrieben werder. Taber mußte nicht nur 
an den Namen, denen wech einder „DHumor“ Stets im Rechnung zu ziehen war, 
ſoudern auch immer an deiſen allmachtigen Kammerdiener Yang geichrieben werden, 
der gegen wichliche Belohnung über den erzielten Eindruck nach Inusbruchk berichtete. 


1899. 211 


Das Ergebnis war negativ und feit 1604 dag Zerwürfnis der Brüder eine 
Thatſache. 

Dieſe vertraulichen Korreſpondenzen, Koncepte und Originale liegen im 
Statthaltereiarchive in Innsbruck, das in den letzten Jahren ſchon viel des Neuen 
für dieſe Zeit ergeben hat. Auch der vorliegende Aufſatz hat die Forſchungen von 
Gindely, Stieve und Fiſcher weſentlich ergänzt. Ueber die Art und Weiſe, wie am 
Kaiſerhofe regiert wurde, erfahren wir neues Detail; es iſt charakteriſtiſch für 
Rudolf, mit welcher Konſequenz er ſeiner Feindſeligkeit gegen die Brüder Ausdruck 
gab. Als Maximilian in Ungnade gefallen war, hatte er dies bei feiner Regierung 
Zirol8 und der Borlande ſehr zu jpiiren, da unzufricdene Elemente fi) über den 
Kopf des Gubernators weg nad) Prag wendeten und dort den gewünfchten Rüdhalt 
fanden. Auch trieb der Kaiſer das Mißtrauen fo weit, daß er das Thun und Faffen 
feiner Brüder fcharf überwachen ließ; zu welchem Zwede im Dezember 1604 zivei 
tirofifche Edelleute, Siginund von MWelsberg und einer aus dem Gefchlechte der 
Pintler eigens nach Prag citiert wurden, wo fie entfprechende Inſtruktionen empfingen; 
es erfolgte ohne Einvernehinen Maximilians Welsbergs Ernennung zum Affiftenz- 
rate, während der bisher fungierende Marquart von Ed, der dem Erzherzog 
befreundet war, feine Entlaffung erhielt. Praktiken, die Maximilian perſönlich zur 
Berhandlung brachte, al3 die Erzherzoge 1605 der Suceceffionsfvage halber nad) 
Prag reiten. Rudolf war irritiert und entzog Marimilian das Gubernament. Er 
wollte Tirol ganz an ſich bringen und eventuell dahin überficdeln, was zunädhft 
durdy das Zuſammenſtehen der Erzherzoge gegen Rudolf 1606 vereitelt wurde. 
Spätere Berjuche diefer Art gelangten infolge der ſich überftirzenden Ereignijfe 
nicht zur Durchführung. J. Jung.) 

86. Band. 2. Hälfte. Mencik %., Ein Tagebuch während der Belagerung 
von Wien im Jahre 1685. — Bom Grafen Ferdinand Harrad. 1. Juli bis 
13. September. 

87. Band. Bibl B., Die Trganifation des evangelifchen Kirchenweſens im 
Erzherzogtum Oſterreich unter der Enns von der Erteilung der Religionsfonceffion 
bi8 zu Kaifer Marimilians 11. Tode (1568--1876). 

Krauß 3. von, Itinerarium Maximiliani I. 1508—1518. Mit einleitenden 
Bemerkungen über das Kanzleiweſen Maximilians I. 

88. Band. 1. Hälfte. Arneth O. von, Biographie des Fürften Kaunig. Ein 
Fragment. .. 

ahrbuch der Scejellichaft für die Geſchichte des Proteſtantismus in Ofter- 

reich. Jahrgang 20. 

EA 1/2. Poferty J., Der Flacianismus in Steiermark und die Religiong- 
gefprädye von Schladming und Graz. Nach den Akten des fteiermärlifchen Landes⸗ 
archivs. 

h Kapper A., Andreas Stötzinger und ſeine Schriften zur Geſchichte der 
Gegenreformation in Steiermark. 

Bibl B., Der Briefwechſel zwiſchen Flacius und Nidbrud. (Schluß.) 

Heft 3/4. Elze Th., Die Rektoren der krainiſchen Landſchaftſchule in Laibach 
während des 16. Zahrhunderts. 1. Budina. 2. Bochoritich. 3. Friſchlin. 4. Prän- 
telius. 5. Engelbert Engel. — Friſchlins Thätigfeit als Rektor in Laibach Juli 1582 
bis Auguft 1584 wird nad Alten des krainiſchen Landesarchivs im einzelnen 
geichildert, doc ohne Kenntnis der einfchlägigen Arbeiten von Seuffert (Euphorion 
5, 257 ff.) und Wallner, Programm Yaibad) 1888. 

Unger Th., Ueber eine Wiedertäufer-Handfhrift des 17. Jahrhunderts. Die 
Täuferlieder nach Ländern geordnet. (Schluß.) Steiermark. Borarlberg. 

Mitteilungen er Inſtituts für öſterreichiſche Geſchichtsforſchung. 
and 20. Heft 4. 

Stübel B., — Relationen über die Armada 1588. — liber gleichzeitige 

deutfche Zeitungen. 14* 


212 Bibliographie. Zeitſchriften. 


Fontes rerum austriacarum. Ofterreichifche Geſchichtsquellen. Zweite Ab- 
teilung. Band 49. Yweite Hälfte. 
Demetitſch F. von, Attenftüde zur Gefchichte der Koalition vom Jahre 1814. 
Mitteilungen des hiftorifchen Vereins der Pfalz. Yand 23. 
Roth F. W. E., Hieronymus Bod, genannt Tragus, Prediger, Arzt und 
Botaniler 1468— 1554. Nad) feinem Leben und Wirfen dargeftellt. 
Braun J., Enkomion Spirae. Lobſprüche auf Zpeier aus dem 16. Jahr⸗ 
bunbert. 
Altpreußifce Monntsichrift. Neue Folge. Band 36. Heft 5'6. 
Warda W., Die Kant- Manuffripte im Pruſſia-Muſeum. 
Toeppen M., Michael Kelchs Tagebuch 1698— 1723. 
Sembritli J., Kants Borfahren. 
Der Wanderer im Riefengebirge. Jahrgang 19. 
Nr. 2. Körber, Mar Heinzel als Menſch und Fichter. 
Ar. 8. Hellmann T., Georg Ebers und das Riefengebirge. — Mit einem 
Gedichte „Rübezahl“ und zwei Briefen von Ebers. 


Heues Ardiv fir Sächſiſche Seichichte und Altertumstunde. Band 20. 

Schmidt v., Beiträge zur Geſchichte der wiffenfchaftlihen Studien in ſächfi— 
schen Klöſtern. 

Ermiſch H., Tie Zwidauer Stadtbüdjer und eine Zwickauer Schulordnung 
des 15. Jahrhunderts. 

Bauch G., Tr. Johann von Kibſcher. Ein meißniſcher Edelmann der 
Renaiſſance. 

Veüller G, Der Unterrichtsbetrieb in den ſüdlauſitzer Landſchulen um 1770. 

Biedermann W. Freiherr von, Vogel: Goethes Leipziger Studienjahre. 

VUeujahrsblätter. Herausgegeben von der hiſtoriſchen Kommiſſion der 
Provinz Sachſen. 23. Heft. 

RPick a, Schiller in Lauchſtädt im Jahre 1803. Unter Benutzung eines 

vom Major z D. CT. E Seidel hinterlaſſenen Manuſkripts dargeſtellt. A. 8. 
Borrelpondengblatt des Vereins fir ſtebenbürgiſche Landeskunde. 
„sabrgang 22. 

Nr. 6.910. Zchullerus NR, Scheiners Abbandlungen zur Grammatik der 
fiebenbürgtich ſächſiſchen Plundart. 

Nr. 310. Schotſch G., J. Franul von Weißentburns Schauſpiel: „Der 
Wald bei Hermannſtadt“. 

IX. Beniahrsblatt dcs Kunſtvereins und des biftoriich antiquarifchen Ber 
eins zu Schaffhanfen. 

Bogler C. H., Ter Künſtler und Waturforicher Yorenz Spengler aus 
Schafihauſen. ? Hälfte: Ter Künstler ımd Waturforicher. 

Zeitſchrift des Ferdinandeums fir Tirol und Vorarlberg. Tritte 
Folge. 43. Heft. 

Unterforcher A., TDie Kamen des Kalſerthales. 

Hammer H, Litterariſche Beziehungen und muſikaliſches Leben des Hofes 
Herzog Siegmunds von Tirol — J. Einleitung 1. Verbältnis zu Enea Silvio. 
2. Beziehungen zu Lorenz RBlumenan und Gregor von Heimburg. 3. Be 
ziehungen zur Unwerſität Freuiburg umd zu anderen Univerſitäten. 4. Beziehungen 
zum Humanismus. II. Deufttatiiches Yeben. 

Tttentbal E. von, Alfons Huber. 

Zeitfhrift des weſtpreußiſchen Geſchichtsvereins. Heft 41. 

Gehrke R, Der Geſchichtsſchreiber Bartb. Wartzmann im Kreiſe feiner 
Abichreiber Ein Beitrag zur Tuellentunde der Tanziger Chroniken ım 16. Jahr- 
hundert. 


1899. 213 


Freytag H., Michael Meurers Leben bis zu feiner Ankunft in Preußen. 

Heine W., Academia Culmensis, ein Abriß ihrer Gedichte. 

Simon $., Ein Beitrag zur Lebensgejdhichte von Caſpar Schütz. 

Günther D., Miscellen aus Danziger Druden und ——— I. Vom 
Danziger „Rummeldeigg“. — Ein lateinifches Lied zur Bekämpfung diefes Nate- 
burger Weißbiers. 

Jellinek A., Drei politiiche Gedichte aus der Zeit des polnischen Erbfolge- 
krieges. Dachtrag.) 

Mürttembergiſche „u erteljahrshefte für Fandesgeſchichte. Neue 
Folge. Jahrgang 8. 
Heft 1/2. Stälin von, Beiträge zur Gefcichte des dreißigjährigen Krieges. 
D. Schwäbiſch-württembergiſche Beziehungen zu Wallenftein. 

Heft 3,4. Steiff K., Lobſpruch auf Sabina, Gemahlin Herzog Ulrichs von 
Württemberg 1511. 

Steiff 8, Sind die Trommelreime von Herzog Ulrichs Hochzeit echt? — 
Wahrſcheinlich von Jak. Friſchlin 1611 hinzugedichtet. 


mittenunsen des Altertumsvereins für Zwichan und Umgegend. 
eft 6. 


Clemen O., Johannes Silvius Egranus (Wildenauer). — Mit Bei— 
Kr Gedichte und Briefe von Egranus. Briefe an ihn. Verzeichnis feiner 

riften. 

Fabian E., Die Einführung de8 Buchdrucks in Zwidau 1523. — Bei- 
lagen: Archivalifche Beiträge, Hans Schönsberger ımd die Ziwidauer Druderei 
betreffend. Briefe Jörg Gafteld. Verzeichnis der älteften Zwickauer Drude 
1523— 1526. 


Allgemeines. 
Uolksbote. Ein gemeinnütiger Volkskalender auf daS Jahr 1900. 63. Jahr⸗ 


— H., Schwurgerichtserinnerungen. Fortſetzung ſeiner in gruheren 
Jahrgängen veröffentlichten Lebenserinnerungen. 


Balender des Dentfchen Schulvereins auf das Jahr 1900. 4 ab 


ang. 

Rofegger Peter, Hand Grasberger. Nadıruf. 

Grasberger Hans (aus deffen Nachlaß), Ein ungewöhnlidher Faſttag, 
Erzählung. — Der Plug, Gedicht. 

Peter Joh., Dorftanz im Böhmerwalde, Schilderung aus dem Volksleben. 

NoE Heinridy (aus deifen Nachlaß), Aus der Höhlenwelt, Landichaftsbild. 

Trank Anton, Was verftehen wir unter Bolkstum? Ein Wort zum Ver: 
ſtändnis unjerer Zeit. 
bl Freydank — Groß R., Franz Freiherr von Gaudy, litterariſ ſches Gedent⸗ 

att. 
Deutſche Rundſchau. 26. Jahrgang. 

Oktober. [Rodenberg J.]), Die Begründung der deutſchen Rundſchau. Ein 
Rückblick. — Zur Vollendung des erften BVierteljahrhunderts. Mit fakfimilierten 
Briefen von Auerbach, Guftav zu Putlitz, Helmholtz, Sybel, Zeller, Du Bois— 
Reymond, Anton Aueriperg, Storm, Seibel, Yaube, Fontane und anderen. 

Zeller E., Über Syſteme und Suftemsbildung. 

Heyſe Pᷣaul Jugenderinnerungen. J. Berliner Jahre. — Emanuel Geibel 
und Franz Kugler. 

Aphorismen aus dem Nachlaſſe von E. Geibel. 


214 Ribfiograpbie. Zeitſchriften. 


Ein Beſuch bei Goethe im Jahre 1808. — Briefe der rau Caroline 
Sartorius über ihre Zuſammenkünfte mit Goethe Anfang Oktober 1808. Ferner 
ein bisher nicht veröffentlichter Brief Goethes an fie. 

Bölihe W., Novalıs und das neue Jahrhundert. — Novalis' Werke heraus: 
gegeben von Meißner. 

November. Dezember. Heyſe P., Jugenderinnerungen. II. König Mar und 
das alte München. 

Frau von Krüdener. 

Dezember. Bailleu P., Die Schlacht von Auerſtedt. Eigenhändige Relation 
König Friedrich Wilhelms III. 

Zeller E., vLudwig Uhland betreffend. -- Aupert feine Bedenken über die 
Richtigkeit eines oben S. 4 mitgeteilten Ausſpruches, den Uhland über Auerbach 
gefällt haben ſoll. 

Hüffer H., Zu Heines Geburtstagsfeier. — Für das Jahr 1797. 

Erich Schmidts „Leiſing“. 

Mord und Süd. Band v1. 

Oktober. Funck H., Lavaters Aufzeichnungen über ſein Zuſammenſein mit 
Goethe m Ems 1774. — Mitteilung handſchriftlicher Tagebuchnotizen vom 12. 
bis 18. Juli. Em gereimter Brief von Lenz an Goethe. Improviſationen von 
Goethe. 

Noveniber. Landsberg H., Otto Erich Hartleben. 

Mähly J., Zur Geſchichte des Cenſurweſens. 

Dezember. Jeitteles A., Juſtus Frey. Ein Charakterbild. 

Schneider C., Philoſophie und Pinchologie. 

Vreußiſche Zahrbücher. 

Band 97. September. Bode W., „Meine Religion“ von Goethe. — Yu 
ſammengeſetzt aus Goetheichen Ausſprüchen und Verſen. 

Goslich Marie, Write von Johanna Kinkel. ıZchtuf ı 

Schmidt D. N, Klopſtoch, dev Vater unſerer Vaterlandsdichtung. 

Sandvoß F., Ewart: Goethes Vater. Weltrich: Chriſtian Wagner. 

Vand os. Oktober. Harnack CT. Ju Goethes 150. Geburtstag 

Kellen Tony, Der Maſſenvertrieb der Volkslitteratur. 

Sandvoß F., Nagl und zzeidler: Tentich öſterreichiſche Litteraturgeſchichte. 

Novemniber. Külpe TC, Die äſthetiſche Gerechtigleit. 

Dezember. Gallwißs H., Vom deutſchen Gott. 


Sandvoß 5, Goethe Litteratur. — Goethe Jahrbuch. Vogel: Goethes 
veipziger Ztudentemahre HD. Meyer: Goethe 2. Auflage. 
Zandvon F., VRolkskundliches — Täbnbardt, Bolfstiimliches aus dem 


Königreich Sachien. VBruinier: Vollslied und Anderes. 
Deutſche Revne. 21. Band. 
August. Preuſchen H. von, Crinnerungen an Theodor Storm. 
Dezember. Heyck E, Tie Summe des 19. Jahrhunderts in öffentlich geiſtiger 
Beziehung. 
vewinskty J., Anzengruüber, der Lehrer ſeines Volkes. 
Schiller H., Die alte uud div neue hohere Schule. 
Weſtermanns Illuftrierte deutſche Mlonatshefte. Jabrgang 44. 
Heft 517. 318. Rudorii E., Briefe von Karl Maria von Weber an Heinrich 
Lichtenſtein. 
Heft 518. Nannengieher R., Eduard Mörike 
Velhagen KeKlaſingas Aonatshefte. Jahrgang XIV. 
Heft 2. Heigel 8 von, Tier Sevpararvorſtellungen König Yudwig II. von 
Bayern. - Bemertensiwerte Auswahl der Tramen. 


1899. 215 


6 gg 3. Holzbof A., Bei den Oberammergauern. Begegnungen mit Emanuel 
eibel. 
Beimgarten. Jahrgang 24. 
Heft 1. Lecher 3. K. Sie erſte Goethe- Säkularfeier in Weimar 1849. — 
Bericht eines Teilnehmers. 
eft 2. Kappftein ITH., Goethe und die Religion. 
Sch 3. Bettelheim A., Briefe von 2. Anzengruber an Sofefine Gall- 
mayer. 
Die Geſellſchaft. Band IX. 
eft 2. 3. 5. 6. Gyftrow P., Der Katholicismus und die neue Dichtung. 
IV. Die Neuromantif. V. VI. Marientyrif. VI. Judex ergo. (Schluß.) 
Jakobowski L., Wollte Goethe populär werden? Ein Geleitwort zu einer 
Goethe-Ausgabe fürs Volf. 
Heft 2. 5. 6. Steiner R., Lyrik der Gegenwart. Ein Überblid. 
Heft 2. Greinz H., Adolf Bihler. 
Heft 5. 6. Das Elend unferer Jugendlitteratur. | 
Heft 6. Jakobowski F., Litterariiche Eſſays. Eine Überficht. 
Mene deutſche Rundſchau, der freien Bühne Jahrgang 10. Heft 10. 
Monty %., Bom alten und neuen Drama. — Über die Schriften von Eloeffer, 
Steiger, Sittenberger und Andere. 


Wiener Rundſchau. I. 
Nr. 18. Moeller: Brud,N., Zur Kunft des Hintergrundes. 
Nr. 25. Gundolf %., Liber Bühnenanmeifungen. 
Die Infel. 1. Zahrgang. Nr. 1—3. 
Rudolf A. Schröder, Goethe (Gedidht). , 
Meier = Grüfe J., Beiträge zu einer modernen Aithetif. 
Brentano Glemens, Von dem Leben und Sterben des Grafen Gafton 
Phöbus von For und von dent traurigen Tode feines Kindes Gaſton. A. S. 


Die Kultur. Jahrgang 1. 
Nr 1. Schanz, Die geiftigen Strömungen der Gegenwart. 
Kr. 1. 2. Muth, Unfer Verhältnis zu Goethe. 
Bevue frauco-allemande. 1. 
Nr. 16. Goethes Briefe an Neureuther. 
Trodhomme X. G., Goethe et les compositeurs francais. 
Wr. 18. Epwein H., Hölderlin und Nietzſche. 
Prodhomme 5. G., (Goethe et les musiciens francais. 
Deutsche Dichtung. Band 27. 
Heft 1. Frlanzos]), Franz Tingelftedt und Ludwig Döbler. — Mit einem 
ungedrudten Briefe Tingelftedts. 
Heft 1. 2. Ewert D., Willibald Alerts. 
Heft 2. 3. Eljter E., Ungedrudte Briefe von Heinrih Heine. 
Heft 3. Eine Jugendarbeit Ferdinand Freiligraths. 
F. O., Bantenius. 
Heft 4. Aus Dingelſtedts Jugend. — Ein Brief Dingelſtedts an Hennicke 
in Gotha 1837. 
Tiedge an Ebert. — Über „Wlaſta“. April 1829. 
Heft 5. Franzos N. E., Heines Geburtstag. — Hält feſt am 13. De: 
zember 1797. 
Zitterarifches Gentralblatt. 
Nr. 51/52. mp. [indes Bonet), Kleiſts Meiſterwerke, herausgegeben von 
Eugen Molff: Der zerbrochene Krug. Prinz Friedrich von Homburg. — Mit Aus: 
nahme der Unterfuchungen Wolff über die Tertgeftaltung jehr abfällig beurteilt. 


216 Bibliographie. Zeitjchriften. 


Deutſche Litteraturseitung. 
Nr. 41. Meyer 9., Dienne: Einfluß der deutfchen Yitteratur auf die nieder: 
ländifche. 
Nr. 44. Steig R., Feſtſchrift zu Goethes 150. Geburtstagsfeier vom Hoch— 
Rift. Meimars Feitgrüße. Brodhaus: Zum 28. Auguft 1899. 
Mr. 45. Buchner W., Richter: Freiligrath als überſetzer. 
Jurß Fir Zu F. Lindners Berichtigung. Engliſche Studien XXVI, 320.) 
. Nieten O., Kettner: Leber den religidien Gehalt von veffings 
Nathan. 
Nr. 47. Meyer R. D., vublinski: Yitteratur und Geſellſchaft im 19. Zahr: 
hundert. 
Mr. 48. Strad A., Morris: Goethe: Ztudien. 11. 
Nr. 50/51. Matthias N., Bieſe: Pädagogik und Roefie. 
Nr. 52. Biefe A., Bartels: Klaus Groth. 
Allgemeines fitteraturblatt. Jahrgang 8. 
Ar. 21. Czerny R., Zittenberger: Tramaturgie der Gegenwart. 1. 
Ar. 22 Hein W., John Czerny;: Egerländer Volkslieder. 
Nr. 23. Schönbach A, Arndt: Übergang zum Nenhochdeutſchen in der Sprache 
der Breslauer Kanzlei. 
Kralik R. von, Wechßler: Tie Zage vom Gral. 
Katſcher v., Bataly: Yerilon deuticher Frauen. 
75, Die Theater Wiens. l und II 1. 
Litterariſcher Handweifer. Jahrgang 38. 
Jr. 16,17. Frizenſchaf I, Zalomon: Gefchichte des deutfchen „Zeitungs: 
weſens. — Witt Berichtigungen und Ergänzungen. 
Nr. 89 Hülskamp F., Wienſtein: Lexikon fatholifcher deutfcher Dichter. — 
Ablehnend. 
Nr. 18. Hülskamp F., M. Herbert und ihre Gedichte. 
Reruo eritique. 
Nr. 38. Henry ®., Nochler Volte: Kleinere Schriften zur Märchenforſchung. 
Kr. 41.9 Y%, Wolit: Tie Geſetze der Poeſie. 
Ar. 44 N. E Chan, veibmann: Aus Lichtenhergs Nachlaß. Riſchoff: 
Tieck als Tramaturg Nacdıtold: Kleine Schriften. 


Das litterarifhe Echo. Jahrgang 11. 
Ar. 1. Brandes G., Weltlitteratur. 
Konrad H, Fontanes Hamilet. 
Jacobowstkirnv., Zu Klingers Gedächtnis. 
Heveſiev, Ferdinand Kürnberger. 
Nofter A, Nachlapichriften von Bernays. 
Fränkel Y,, Robmions Weg durch die Weltliteratur. 
Nr. 2. Greiner Y, Tas unge Bauern. 
Ar. 4. Berger, Gertrud Franke Schievelbein. 
vublinsti S., Wiener Romantit 
Nr. 5. Lange, Dans Hofifmann. 
Kr 6. Borchardt, Georg Freiherr von Ompteda. 
Waldberg Di von, Badtolds tleinere Schriften. 
Ar. 3. Berg Y., Der Zukunitsroman. 
Der Thürmer. Jabrgang 11. 
Yr. 1 Gerhardt Ammtor von, Weltanſchauuugen am Nabrbundert Ende 
Mohr F., Juſtinus Nerner md die Zcherin von ‘Prevorit. 
Mayne, Der Tichter Herr von Trertſchke. 
Aleris bei Goethe. 
Kr. 3. Presber, Brandes und ſeine Schule. 


1899. 217 


Die Zukunft. Zahrgang 5. 

Wr. 7. Landauer ©., Fritz Mauthne 

Wr. 11. Gumplowiez !.  Soziofogiiche Seihichtsauffaffung. 
Der Aunftwart. Jahrgang 13. 

Heft 1. Bartels A., Die Modernitis. — Servaes: Präludien. Mocller-Brud: 
Tie moderne Pitteratur. 

Heft 1. 5. Graf M., Anton Brudner. 

Heft 2. Vom Deutfhen in der Kunft. 

Heft 2. 3. Hart J. Das fragmentarifche Yejedrama. 

Heft 3. Schjelderup &., Iſt ein modernes realiftifches Muftldrama möglid)? 

Heft 4. Reichhaltiger feitifcher Weihnachtskatalog. 

Heft 5. Alvenarius], Halbwelt. — In der Litteratur. 

Batka R., Muſikaliſche Weihnachtsfpiele. 

Heft 6. Dichtung und Kinderftube. 

Bartel3 A., Warum wir uns Über die Heimatkunft freuen. 

Göhler &., Beter Cornelius. 

Die Gegenwart. Jahrgang 28. 

Mr. 34. Simchowitz S., Goethe, der Rheinländer. — Aus Goethes Miniſter— 
zeit. Mit zwei ungedrudten Briefen. 

Wr. 40. Köfter K., Klaus Groth und Frig Reuter. 

Nr. 43. Wulckow N, „Unſere befiebtefte Schriftſtellerin“. — Gegen Natalie 
von Eſchſtruth. 

Janſen G., Aus dem Archiv der Schillerbühne. — über Dalber ıge Be: 
arbeitung der Räuber, über das Soufflierbud) des Fiesko in Schillers Bearbeitung, 
über Dafbergs Intendanz-Aften. 

Nr. 46. Greif'M., Erinnerung an Karl du Brel. 

Nr. 47. Leicht A, M. YazaruS. 

Stövefandt O., Verbrechen und Wahnſinn in der Litteratur. 

Nr. 48. Martini W., Theodor Mommfen als Dichter. — Weber das 1843 
von Mommſen mit Storm und feinem Bruder Tycho herausgegebene Liederbuch. 

Nr. 50. Ebner Th., Zur ſchwäbiſchen Litteraturgeſchichte. 

Das Magarin für Fitteratur. Jahrgang 68. 

Nr. 39. 40. Houben H., Goethes Popularität. 

Wr. 40. Reuter O., Gerhart Hauptmann in Stalien. 

Nr. 40. 41. Schmidfunz H., Dichtkunſt und Piydjologie. 

Jr. 45. Michel H., Goethes Euphrofyne. 

Nr. 47. Jacobowsti L., Romantiſche Lyrik. 

Nr. 50. Schmitt H. E., Der ſittliche Adel in der Weltanſchauung Nietzſches. 


Dramaturgiſche Blätter. Jahrgang 2. 
Ar. 41. 42. Houben H., Zur Bühnengefhichte de8 Uriel Acofta. (Schluß.) 
Nr. 46. 47. Houben H. N., Molieres Tartuffe und Gutzkows „Urbild des 
Tartuffe“. 
Nr. 49. 50. Steiner R., Goethe als üſthetiker. 
Nr. 51. Landsberg H., Tas Heine: Problem. 
Die Zeit. Band XXI. 
Nr. 264. Morold M., Ferdinand von Saar. 
Kr. 270. Rofegger P., Plauderei über unfere Sprache. 
Nr. 272. Publinsfi S., Freytag und Treitfchfe. 
Schlaf J, Wilhelm Busch in neuer Ausgabe. 
Die Aation. Jahrgang 17. 
Ar. 10. Geiger A., Ein neuer Till Eulenjpiegel. — ©. Fuchs' Komödie 
Till Eulenfpiegel. 


218 Bibliographie. Beitjchriften. 


Nr. 11. Meyer Rich. M., Der Dichter des „Romanzero“. 
Nr. 12. Bettelheim A., Freytag und Treitſchke im Briefwechſel. 
Die Wage. Eine Wiener Wochenſchrift. Jahrgang 2. 
Nr. 40. 41. Berger A. von, Das Wiener Hofburgtheater. 
Nr. 42. Waſſermann J., Die Memoiren einer Prinzeſſin Sophie von 
Bayreuth. 
Mr. 43. Karpeles $., Charlotte Embden. 
Wr. 44. David 2. J., Bulthaupt al3 Tichter. 
Mr. 43. Zosnosty Th. von, Romandeutſch. 
Nr. 46. Berger A. von, Zchiller und die Modernen. 
Nr. 47. Bartels ., Pitterariiche Ueberfichten: Sommer 1899. 
Nr. 48. Janus, Goethe und die Hurrah-Patrioten. 
Konrad M. G., Ter Kampf um Niebſche. 
Ar. 50. Lothar R, Bom Burgtheater. — Mit einer hiftorifchen überſicht der 
Prinz von Homburg: Auffibrungen am Burgtheater. 
Nr. 55. Specht R., Epilog zum Heinetag. 
Die Grensboten. Jahrgang 58. 
N. 40. W. v., Karl von Villers und rau von Ztael. 
Der deutſche Volfsgeiang. Yaienbetrachtungen eines Arztes. 
Kr. 43. 44. ©. J., Zod und Auferitehbung der Philofophie. 
Nr. 48. P., Tas Elend unserer Jugendlitteratur. — Referat über Wolgaft. 
Ethifdye Kultur. Jahrgang VII. 
Mr. 4. Kronenberg W., Ethiſche Probleme und dichterifche Stimmungen. 
Ar. 9. Bolin W., Humanität und Ziviliſation. 
Houben H., Friedrich Spielhagen. 
Das neue Jahrhundert Kölne. 1. Jahrgang. 
Nr. 42 Kalkſchmidt E., Heimatedichter und Volkspoeten. 
Ar. 46. Scholz W., Wert und Weſen der freien Bühnen. 
Leipriger Auſtrierte Zeitung. 


Nr. 2930. Heinemann 8., Ju Goethes Iömährigem Geburtstage. 


Die Gartenlaube. 
Nr. 31. Euler C., Bismarck und Jahn. 


Sonutagsbeilage der Voſſiſchen Zeitung (Serlin). 

Nr. 40. Ellinger G., Zum Jubiläum von Schillers Glocke. 

Kr. 39. 40. Wehe DE, Philander von der Yınde und fein Kreis. Kine 
litterarhiſtoriſche Studie. 

Nr. 41. 42. SZchaarſchmidt F., Goethe in ſeinen Beziehungen zu einigen 
rheinischen Künſtlern jemer Zeit. Eine Erinnerung an die Mbeintiche Goethe Aus: 
ftelung 1800. 

Kr. 42.43.44. Schneidect G. H., Der deutiche Preß oder Vaterlandsverein 
im Jahre 1832 35. 

Houben H. H., Heinrich Yaube als Tbeaterdivettor. 

Kr. 43. Meyer R. De, Feuchtersleben. 

Nr. 48. Kraeger D., Ju Konrad Ferdinand Meyers Gedächtnis. 

Kr. 40. Rühl F., Ein thüringtich ichwäbiſches Urteil über Goethe aus dein 
Jahre 1778. .-Mach einem Briefe von & E. Klüpfel, dem Begründer des Sothaifchen 
Hoflalendert: „... Goethe ift ein Mann von 26 Jahren, feurig und zu allen Aus: 
ſchweifungen im großen wie ım kleinen aufgelegt, fo wie der Herzog zu den fegteren. 
Ihre Harmonie gebt io weit, daß ſie ſich Schon längſt beide nicht anders, als mit 
Du fprechen. Wie fehr iſt ein Yand ber einem ſolchen Herrn zu beflagen. Wieland 
macht bei alle diefem nicht die lobenswürdigſte Figur. Er bat Goethe im Herzen 
und doch kriecht er vor ihm und vergöttert ihn ſowohl in gebundener als unge: 


1899. 219 


bundener Rede, nur damit cr auch ein wenig unter dem Glanz feiner Strahlen 
leuten möge.“ 

Nr. 50. Focke R., Karl Herloßſohn. Zur feinem fünfzigften Todestage 
13. Dezember 1849). 

Nr. 51. 52. Seeger O., Tas Erfurter Weihnadhtsfpiel des Johann Xeon 1553. 

Nr. 52. Schwann M., Rahrhundertwende. 

Witte E., Theodor Fontane. 


Voſſiſche Zeitung. Nr. 496. Abendblatt. 
Conſentius E., „ yeigeifter, Katnraliften, Atheiften”, ein Aufſatz Leſſings 
im Wahrſager. 
Seilage zur Morddeutfcen Allgemeinen geitung (Berlin). 
. 245. 18. Oftober. Kohann Georg Schloffe 
Hi 251. 25. Oftober. Fiege Rud., Ditters von Dittersdorf. 
Nr. 287. T. Dezember. Rent Ant., Ein Tiroler Bauerntheater. Kultur: 
ſtizze aus Tirol. 
Nr. 288. 289. 8. 9. Dezember. Geiger Alb., Über neuromantifche Lyrik. 
Nr. 292. Zieler Guſt., Heinrich Heines 100. Geburtstag. 
Nr. 294. Gacderk Karl TH, Der Neftor der deutſchen Dramatifer. 2 Heint. 
Kruse. 
Berliner neuefte Uachrichten. Nr. 517. 
Fürft R., Die böje Schwiegermutter. Ein Beitrag zur Gefchichte der Motive. 
National-Zeitung (#erlin). 
Nr. 511. Weißſtein G., Aus Weimars Theaterleben 1809. Mit einem unge: 
dindten Ariefe von Rudolf Abeken. 
Nr. 553. 559. Gleichen-Rußwurm A. von, Bom Traum in der Dichtung. 
Nr. 531. 532. Berg L., E. von Feuchtersleben. 
Nr. 639. Weißftein &., Johann Ehriftian Brandes. 
£rankfurter Zeitung. 
Nr. 236. Waldmüller Si Zu Schillers Gedähmis. 
Nr. 302. Geiger Y., Unbefannte Xenien von David Friedrih Strauß. 
Zeitung für Litteratur, Runft und Wiſſenſchaft. Beilage des Ham- 
burger Korreipondenten. 
Nr. 18. Achelis Th., Goethe als Yyrifer. 
Nr. 21. Petſch R., Hamburg bei Wilhelm von Humboldt und Eidhen- 


rff. 
Nr. 23. Sell D., Goethes Einfluß auf die Entwicklung der deutſchen Nation. 


Hannoverfdhes Unterhaltungsblatt. 
Nr. 31. Mielke H., Held und Heldin im deutfchen Roman. 
Barlsruher Zeitung. 
Nr. 249. Kilian E., Aus dem Nachlaſſe von Michael Bernays. 
Leipziger Zeitung. 
Wr. 79. Markgraf R., Zur Geſchichte des Zeitungsweſens in Leipzig. 
Beilage Wr. 121. Scliger P., Johann Georg Schloffer. 
Leipziger Tageblatt. 
Nr. 366. Iſolani E., Ernft Scherenberg. 
Beilage sur Allgemeinen Zeitung (Münden). 
Nr. 225— 227. Ebner-Eſchenbach Marie von, Aus den Erinnerungen des 
Feldmarſchall-Lieutenants wor Freiherrn Ebner-Ejchenbad). 
Nr. 226. Garr M., E. T. A. balfmann als Mufikjchriftfteller. 
Nr. 229. 230. Shamberlain 9. S., Paul Deuffen und die Bedeutung der 
altindiſchen Weltanſchauung für das Leben der Gegenwart. 


220 Bibliographie. \zeitichriften. 


Jir. 230. Bettelheim A., Nachwort zu den Erinnerungen des Freiherrn von 
Ebner-Eſchenbach. 

Haag K., Die direfte Methode der Mundartenkartographie, ihre ſprachwiſſen— 
ichaftliche Bedeutung und innere Nothiwendigfeit. 

Wr. 231. Caro J., Ter neuſprachliche Unterricht in den höheren Schulen. 

Nr. 232. Maync 9, Uhland als Profaift. 

Nr. 243. 244. Schufer H., Zum Entwurf eines Geſetzes betreffend das 
Urheberrecht an Werken der Pitteratur und der Tonkunſt. 

Nr. 246. 257. 279. 280. Asbach O., Heine und das Titffeldorfer Pyceum. 

Nr. 249. Ufener H., Alfred ledeifen. 

Kilian E., Tas Mannheimer Theater-Ardiv. 

Nr. 254. Peret E., Der Briefwechſel zwiſchen Gleim und Uz. — über 
Schüddekopfs Ausgabe. 

Nr. 255. 256. Meilen A. von, Neue Romane und Erzählungen. 

Kr. 260. Heuberger R., Briefe von Rob. Brahms. 

Nr. 263. je K. von, Rückblick auf die Gründung und die Entwicklung der 
töniglich bayerischen Akademie der Wiſſenſchaften im 19. Rahrbundert. 

Nr. 264. Peez N, Tie Stammſißtze der Bayern und Tfterreicher. 

Wurzbach M. von, Eihendorffs Jugend. 

Nr. 266. 267. Wolff E., Heinrih von Kleift und Ludwig Wieland. 
Wendet ſich neuerlich gegen die Ausführungen von Wuladinovié in Gegenwart 
Kr. 28, ohne deſſen Nachweiſe erſchüttern zu können. 

Nr. 269. Kobell Yınfe von, Aus J. H. von Hefner-Alteneds Yebens- 
erinmerungen. 

Nr. 272. 273. Funck D., Zwölf Briefe von Yavater an Goctbe. 

ir. 278. Louis R., Arbeit und Rhythmus. — Ueber die zweite Auflage von 
Büchers Buch. 

Wr. 285. 256. DTüntzer H., Neues über Goethes „Fauſt“. — Pniower: 
Goethes Fauſt. 

Nr. 291. 292. WAulle] O., Chamberlains „Die Grundlagen des 19. Jahr⸗ 
hunderts“. 

Nr. 296. 297. Bettelheim A., Grillparzer und Anzengruber. 

Nr. 298. Feſter R., Zur Entſtehumgsgeichichte „der Gedanken und Erinne⸗ 
rungen“ des Fürſten Bismarck. 

Beilage zur Bohemia (Brag). 

Ar. Widmann V., Zum Jubiläum der Glocke. 

Nr. Fer Minor J., Frags deutihen Studenten zum Goethe Commers. 

Nr. 353. 21. Dezember. Haufien A, Deutſchböhmiſche Dialektgedichte. 

Nenes Wiener Eagblatt. 
Ar. 278. Juſt A, Danswurits Seburtstag ıWottfrid Prebaufer). 
Heue £reie Preſſe (Mien). 

Kr. 12617. 7. Oktober. Gleichen Rußwurm Alex. Freiherr von, Zum Jubi⸗ 
läum des „Liedes von der Glocke“. 

Nr. 12618. 8. Cftober. Ib. Hlerz't., Bedanfen über Neftron. 

Nr. 12656. 15. November. Ruß Viltor, Ulrike von Yeveßomw. 

Nr. 12660. 19. November „*, Seme legte Liebe (Alrike von Levegom). 

Ar. 123671. 12672. 30. November. 1. Dezember. delle Grazie M. €, 
Yudvig Anzengruber Zum 60. Geburtstage des Tichters. 

Jr. 12684. 13. Tezember. Kaufmann Mar, Heines „Mouche“. Zur 100. 
Wiederkehr von Heines Seburtstag. 

Nr 12695. 24. Tezember. „Wolfram von Efchenbach”. Ein unaufgeflihrtes 
seitfpiel von Paul Heyſe. — Autobiographiid). AS. 


1899. 221 


Anbang. 
Franzöſiſche Zeitſchriften. 


Bearbeitet von Charles Senil in Paris. 


Rerue pour les jeunes fllles. 
20 juin. 5 septembre. 5 octobre. Tissot Ernest, L'Allemagne de Goethe. 
20 septembre. Souday Paul, Les jeunes filles de Wagner. 


Revue des cours et conförences. 
11 mai. Lichtenberger Henri, Henrik Ibsen. 
25 mai. Seailles G., La morale de Kant. Le bien moral. 
21 decembre. Seailles G., La methode de Kant. 


Mercure de France. 
Juin. Octobre. Decembre. Gaultier J. de, De Kant à Nietzsche. L'instinct 
de connaissance. — Kant et l’'Hindouisme. — Transformation philosophique. 


Les Etudes, 
25 mai. Prelot, Bismarck et la transformation de l’Allemagne. 


Bibliothdöque universelle et Revue Suisse. 
Mai. Dumur F., Un grand ecrivain Suisse, (iottfried Keller. 
Decembre. Planchet E., L’allemagne nouvelle et ses historiens. 


Le Correspondant. 
25 juin. M” E. Paris, L’art du moyen äge et la Renaissance en Alle- 
magne d’apres le recent volume de M. Janssen. 


Revue Bleue. 
10 juin. Bouyer S., Beethoven et Wagner. 
30 septeinbre. Guilland A., L’Allemagne nouvelle et ses historiens. 
16 decembre. Monod Gabriel, Une idealiste alleınande, Malwida de 
Meysenbug. 


Revue encyclopedique. 
17 juin. Ebray Alcide, L'Allemagne politique. 
18 novembre. A. le Glay, Le cent cinquantenaire de Goethe. 


Revue historique. 
Juillet--aoüt. Mossmann X., La France et l’Alsace apres le traite de 
Westphalie. 
Revue des deux Mondes. 
15 septembre. Wyzewa T. de, Le 150° anniversaire de Goethe. 
15 novembre. \Wyzewa T. de, L’oeuvre de Goethe et la critique alle- 
mande. 
Rerue de Paris. 
1° octobre. Guilland A., Henri de Treitschke. 


Nouvelle Revue. 
Octobre. Dieıny Jean, Le 150° anniversaire de Goethe. 


Journal des Debats. 

3 juin. Muret Maurice, Les theätres pendant le congr&es de Vienne. 

18 juillet. Scillere Ernest, La vie — d’un superhomme, Max Stirner. 

23 mai. Sorel A. Emile, Le lyrisme moderne en Allemagne juge par 
un allemand. 

9 mai. Muret Maurice, La jeunesse de Frederic Ill. 

6 septembre. Barine Arvede, Une publication allemande. Les me- 
moires de la baronne Cecile de Courtot. 


222 Nachrichten. 


2 aoüt. Barine Arvede, Les lettres de Goethe a sa femme. 
1° septembre. Hallays Andre, En flänant: \Weimar. 
17 decembre. Welschinzer Henri. Moritz Busch.!) 


Aachrichten. 


Preisaufgabe der Fürſtlich Jablonowsliſchen Geſellſchaft für das Jahr 
1902: Eine Darſſellung der Entwicklung der deutſchen Kulturgeſchichtſchreibung 
von Herder bis auf Freytag, Riehl und Burckhardt einſchließlich. Termin 
bis 30. November 1902. 

F. Arnold Mayer in Wien giebt bei E. Felber in Berlin heraus: 
Quellen und Darſtellungen zur Theatergeſchichte Wiens und Deutſchöſterreichs. 


EXPOSITION IINIVERSELILF DE 1900 


CONGRES INTERNATIONAL D’HISTOIRE COMPAREE 


SECTION D’HISTOIRE LITTERAIRE 


President d’honneur..... M. Gaston Parıs, de l’Academie francaise et de 
"\cademie des inseriptions. administrateur du College de France. 
President ...... M. Ferdinand Brrxstieöre, de l’Academie francaise. 
M. Vietorien Saupor, de l’\cademie francaise; 
M. Petit ne JenLevinee, professeur a la Faculte des letires 
Vice-Prösidents.. . de V’Universite de Paris: 
M. Charles Desor, maitre de conferences à la Faculte des 
lettres de l’Universite de Paris. 
M. Joseph Beier, maitre de conferences à PEcole nor- 
| male superieure; 
Seerölaires ..... IN. Gu-tave Laxson, maitre de conferences suppleant & 
Ecole normale superieure; 
|" Joseph Texır, professeur à la Facult@ des lettres de 
I'Universit« de Lyon. 


Membres du Comilc: 


MM. Axszer, maltre de conference à l’Ecole normale superienre; 
Bessarn, directeur de la Rerue Zart dramalıyzuc: Bosser1, inspeclteur general 
de V"’Universitö; Boviv, eharre de eours A la Farulte des lettres de l’Uni- 
ver-ite de Bordeaux: Barar, de V\cademie des inseriptions, professeur au 
Gollöge de France; Brıxort, maltre de conferenees à la Faculte des lettres 
de PUniversite de Paris; Gwor, maltre de conferences A la Faculte des 
lettres de l'Universite de Bordeaux; J. Granstıe, de l’Academie franvaixe, 
adınini-tratenr de la Gomedie-Franeaise; H Gecms, depute; H. Dietz, pro- 
fesseur de rhetorigie au lyece Buflon; Jussenanv, ministre plenipotentiaire; 
Karrerr, agrege de V’Universite: Leorr, professeur au College de France; 
Limesneneen, profe-seur ä la Farulte de lettre- de l’Universite de Nancy: 


Ir Tre Fortiebung der Bıbliograpbie folgt im nächſten Hefte. 


Nachrichten. 223 


Leoras, professeur à la Faculte des lettres de l'Universite de Dijon; Morer, 
professeur au lycée Louis-le-Grand; Morer-FATıo, professeur suppleant au 
College de France; Osoxt, conservateur à la Bibliotheque nationale; Psıcuarr, 
maitre de conferences à l’Ecole des hautes etudes; comte de Purwaıcee; 
Rersıer, professeur de rhetorique au lycée Louis-le-Grand; Rou4xer, publi- 
ciste; Sızvex, professeur agrege de l’Universite; STRoERLIN, professeur hono- 
raire de l’Universite de Genève; Teodor pe Wyzewa, publiciste. 


Le Congres d’Hisioire comparee des lilteratures (6* sechion du Congres 
internalional d’Hisloire comparee) se rdunira a Paris, au College de France, 
du 23 au 29 jwillet 1900. Les adhesions el colisalions sont regues au Secre- 
larial general du Congres, boulevard Raspail, 10, 4 Paris; au secrdtariat de 
la section (chez M. Gustave Lanson, 9, rue du Val-de-Gräce), el par M. le 
comle de Tarade, tresorier, rue Cambon, 45, a Paris. 

Les propositions de communications doivent être adressees au secrelaire 
de la section, M. Gustave Lanson, 9, rue du Val-de-Gräce. 


PROGRAMME. 


Tout en reservant le principe de la liberte des communications, le 
Comite d’organisation croit devoir attirer l’attention des personnes qui 
voudront bien prendre part au Congres sur l’inter&t particulier et actuel 
des questions suivantes: 

1° Questions relatives & l’etablissement et à la critique des sources 
de l’histoire litteraire; 

2° (Questions relatives à la bibliographie de l’histoire compar&e des 
litteratures; 

(Juestions relatives à l’etude des grands courants internationaux 
d’echange et de communication des idees litteraires, en particulier depuis 
l’epoque de la Renaissance; 

Questions relatives aux origines etrangeres des oeuvres nationales et 
r&ciproquement à la diffusion des oeuvres nationales en pays etranger; 

3° (Juestions relatives aux methodes de critique et notamment à la 
mesure dans laquelle on en peut faire l’assimilation aux methodes de 
l’histoire proprement dite et des sciences naturelles. 


Bikolaus Dumba 
(F zu Belt am 23. März 1900). 


In demfelben Zeitpunft, in dein unferer Zeitſchrift in einem erlefenen Kreife 
von Wiener Litteraturfreunden felbftlofe Förderer erftanden find, haben wir den 
plößfichen Tod eines diefer hochherzigen Gönner aufs fchmerzlichte zu betrauern. 

Seit Jahrhunderten fpielt dag orientalijche Element in dem öftlich gelegenen 
Wien eine widjtige Rolle und die Einwanderung aus Griechenland und den Donau—⸗ 
fürftentüimern führte der öfterreichifchen Hauptftadt immer neues Blut und immer 
frifche Kräfte zu. Groß- und Kleinhandel Ofterreihs befand ſich vielfach in den 
Händen von Griechen. Nody aus der erften Hälfte des 19. Jahrhunderts wiffen 
die Reifenden von den bunten, farbenprächtigen Eindrud der Wiener Bevölkerung 
zu berichten, wozu die Griechen „in ihrer eigentümlichen Tracht mit langem Bart 
und hoher Mütze“ das Ihrige beitrugen. Dagegen pflegten ſich die vielen reichen 


224 Nachrichten. 


Griechen Wiens Schon damals in ihrem Außeren von den übrigen Bürgern nicht 
mehr zu unterfcheiden. Ohlenſchläger in jeinen Reifebriefen will wiffen, daß fie faft 
den vierten Teil der Ztadt bejäßen. Belannt iſt Zelters Hymmus auf die biendende 
Schönheit der griechiſchen Franen in feinem berühmten Brief an Goethe über feinen 
Wiener Aufenthalt im Zommer 1810. Der berüdende Zauber ciner diefer Frauen 
aus griechiſchem Blut (Marie Taffinger, geborene von Zmolenit) lebt in Grill- 
parzers Dichtungen unfterblid) fort. 

Aus diejer griechijchen Gemeinde Wiens ſtammt Nikolaus Dumba. Zein 
Bater war aus Macedonien eingewandert und war hier zu großem Reichtum 
gelangt; er jelbft, in Töbling am 24. Juni 1830 — in demjelben Jahre wie 
Kaiſer Franz Joſeph und Marie von Ebner-Ejchenbah — geboren, war bereits 
ganz zum Wiener geworden. Ein pracdhtvolles Jugendbildnis hat uns die fübdliche 
Anmut feiner fhönen Züge aufbewahrt. Der kaufmännischen Schule des Baters 
entwuchs die fkinjtleriiche Anlage des durch Ztudien und Reifen bochgebildeten 
Jünglings; Muſik und jpäter Malerei nahmen feine Seele gefangen und er wurde 
auf diefe Weiſe zum Kunſtfreunde großen Stiles. Der feinfinnige Gönner Makarts 
und der jüngeren öfterreichtichen Malergeneration, der begeijterte Berchrer Schuberts 
und des Chorliedes iſt mit der künſtleriſchen Entividlung Wiens in den lebten drei 
Dezennien unzertvennlidy verbunden Bon ehrfurchtsvoller Dankbarkeit gegen die 
ſchöpferiſchen Genien der Menſchheit erfüllt, war er die eigentlihe Zcele aller jener 
Beſtrebungen, die dahin adzielten, Tfterreihs Dichtern und Muſikern in Wien 
Denlmäler zu errichten und alle dieſe Tpferfener flanımen jegt zum Ruhm jeiner 
eigenen eifachen und schlichten Beriöntichteit. Tie zablreihen Wiener Gelehrten 
und Schriftſteller, die ſich in freudiger Erregung dazu vereinigt batten, um Die 
Feier ſeines Tiebzigiten Geburtstages durch die Derausgabe einer umfangreichen, 
tüuſtleriſch ausgeſtatteten Feſtichrift zu begehen, wußten es, alle zuſammen und 
jeder einzelne, wie auch dieſe Gebiete des geiſtigen Lebens Nilolaus Tumbas fteter 
Füriorge und bereitwilligſter Forderung gewiß jein durften. Tankbar und treu 
werden wir des edlen Gönners Namen ftets in Ehren halten. 


In der Häand'chriit ahgeichlöosäen am 1 anna, ım Zate am v. Mar 19m. 


Tut Vorbereiten an der 


Die Quelle von Ayrers Ehrlicher Beckin. 


Ron Kohannes Bolte in Berlin. 


Unter Jakob Ayrers Faftnachtipielen Hat „Die ehrlich Bedin 
mit iren drey vermeinten Bulern” (4, 2763—2789 ed. Keller) um 
der guten Laune willen, mit der hier die VBeftrafung dreier unge- 
treuer Ehemänner durd) den Gatten der vergeblich ummorbenen Frau 
und ihre beleidigten Weiber vorgeführt wird, auch in unjerm Jahr⸗ 
hundert (Wien 1876) den Weg auf die Bretter gefunden und Beifall 
geerntet. Woher aber Ayrer den Stoff diefer Poffe entnahm, ift 
weder von Keller noch von Goedefe oder Piftl!) nachgewiefen 
worden. 

Einen willfommenen Fingerzeig gewährt uns Lazarus Sand: 
rubs?) 1618 gedrudte „Hiftoria von dreyen Ehebrechern, wie es 
jhnen ergangen“, die im Gegenfag zu andern Schwänfen von der 
treuen raus) den Ehemann zu einem Bäder, die drei Liebhaber zu 
einem Goldſchmied, Schufter und Schneider macht und auch in der 
Beltrafung der in drei Mehljäden auf den Markt getragenen Buhler 
mit Ayrer übereinjtimmt. Hier fteht nämlich unter der Überfchrift 
die Tuellenangabe: „Auß einem Lied in folgenden Reymen ver- 
faſſet.“ 

Dies Lied iſt in einem Erfurter Flugblatte von 1592 auf der 
Berliner Bibliothek (Ye 641. 4 Blätter 80) erhalten und lautet 
folgendermaßen: 


Ein ſchön newes | Pied, von dreyen | Bulern. | Im Thon. | Wie man den 
Stürtzenbecher fingt. | 

) Quellen für Ayrers Sing und Faſtnachtſpiele. Vierteljahrjchrift für Litte- 
raturgeſchicht 6, 430 (1893). 

2) Delitiae historicae et poeticae Nr. 57 (Neudrud von Milchſad 1878). 

3, Vgl. die Zufammenftellungen zu Bal. Schumanns Nachtbüchlein 1893, 
Nr. 47 und in Freys Gartengefellihaft 1896, ©. 25%. 

Eupbor’on. VII. 15 


226 Kohannes Bolte, Die Duelle von Ayrers Ehrlicher Bedin. 


Ein newes Lied vnd kurtzweilig Gedicht 
Wirt euch jetzund allhie bericht 

Bon dregen Bulern wol belandt, 

Doch hier mit namen nit genandt; 
Dann fie ſolches nicht gerne leyden, 
Sie nennens jebt die Ehr abjchneiden. 
Wers jagt, dem fol e8 nicht gelingen, 
Nicht weniger thut mans fingen. 

Wie ihr drey haben gebulet, jchau, 
Nach einer Schönen Beden Frau, 

Wie euch diß Yiedt berichtet Schon; 
Kanft es fingen ins Lindenſchmidts Thon. 


Wer bulen will ohn jorgen, 
Der kriech in Sad unverborgen. 


Getruckt zu Erfiurt, bey Zo- | hann Bed, 1592. | 


[Aib] 1. Hoert zu ein felgam Ebenthewr, 
Was fi) hat zugetragen hewr 
34 Münfter in der Statte 
Mit eines reichen Beden weib, 
Auch drey Ehemennern drate! 


2. Der erfte war ein Goldſchmid frey, 
Der ander ein Schüfter darbey, 
Ein Schneider auch darneben; 
Die giengen der Bedin heimlich nad), 
Keiner vom andern wuft, merdt eben. 


3. Die Beckin der ehren fromm was, 
Gieng hin, ſagt irem Mann bald, das 
Die drey ihr thun nachſtellen 
Mit guten worten und gejchend, 

Zie an ihren ehren züfellen. 


4. Der Bed war ein fiftiger Man, 
Sprach: Fraw, merd, wie ich ihm will thun, 
Gleichſam wöl ich Grieß machen! 
Schaw, wie du ſie bringſt in das Hauß, 
Ich will ſie lehrnen bachen. 


5. Doch wil ich ſambt unſerm Knecht 
In dem Roßſtall verbergen recht. 
Laß ein nach den andern kommen!’ 
Tie Fraw ſprach: Merck, mein lieber Man, 
Wie ichs bab fürgenommen! 


6. Es muß einer den andern erfchreden: 
Ein will ıh in den Yadofen fteden, 
Ten andern in ein Sack verborgen, 

Der dritt muß au in ein Sad, 
Mit angſt und großen forgen.’ JAija) 


Johannes Bolte, Die Quelle von Ayrers Ehrlicher Bedin. 227 


7. 


10. 


11. 


13. 


Das gefiel dem Beden im [Herken wol.) 
Die Fraw ſprach: “Ein Loß ich dir geben ſoll, 
Wenn du und der Knecht folt kommen: 

Wenn id Hol fang zu bauen an, 
So hab ich ſchon gewonnen.’ 


Alfo ward der rath beichloffen. 
Die Bedin gieng unverdroffen, 
Wo fie zum Goldfhmidt mocht kommen; 
Der war ir doch im berken hold, 
Das bracht int wenig frommen. 


Sie ging hin, gab eim jeden bejcheid, 
Der erft folt fommen umb achte zeit, 
Der ander umb neun uhren, 

Der dritt umb zehen. Mercket mid, 
Was fi) da thet da begeben! 


Als nun der abend kam herzu, 
Der Goldfhmid Het fein raft noch ruh, 
Die zeit war im gar lange, 
Er hört fleißig auff den Glockenſchlag; 
Umb acht kam er gegangen. 


Die Beckin bett acht auff die Thür, 
Sie trat gar bald zü im berfür, 
Thet in [gar] moi empfangen. 
Er nam ſie bey ihr fchneweißen Handt, 
Thet fie freundlich umbfangen. 


Sie giengen in der Stuben warın, 
Er naın fie baldt an feinen Arm, 
Sprach: ‘Hertlieb, ihr folt meiner gebenden; 
Den Becher und ein ring von Goldt 
Den will ich euch jett fchenden.? 


Das war bey achtzehen Gulden wert. [Aijb] 
Er ſprach: ‘Das hab ich lang begehrt.’ 
Er wolt al8 mit ihr fchergen. 
Sie ſprach: Wir wöllen efjen zuͤ nadıt. 
Er greiff ihr nad) dem Herken. 


Als fie zü Tiſch waren gejeffen, 
Bermeinten zuͤ trinden und zü effen, 
Da thet es neune fchlagen. 

Der Schüfter Hopfjet an der Thür, 
Die Fraw fieng an zü Magen. 


Sie ſprach: ‘Ad Gott, mein Man ift drauß! 
Der Goldſchmidt erjchrad ſehr überauß, 
Das fcherken war ihm vergangen. 
Die Fraw ſprach: ‘Wenn er uns findt beyfam, 
So left er ung warlich fangen. 
15* 


228 Johannes Bolte, Die Duelle von Ayrers Ehrlicher Bedin. 


16. 


18. 


19. 


20. 


22. 


23. 


Doh wenn ir mir mwolt folgen thun, 
So wil ich euch helffen darvon 
ü morgend frü vor tage; 
So triedt in Badoffen nein, 
Seid ihr ficher ohne Flagen.’ 


Der Goldfhmidt froh in Ofen nein, 
Dafür ſchob fie den DOfenftein, 
Zuͤ der Haußthür fam fie gegangen 
Und öffnet fie in kurtzer eyl, 
Den Schüfter thet fie fchon empfangen. 


Sie führt ihn in die Stuben bebend, 
Neun Goldgülden bett er in der Hendt, 
Sie dandet im mit tremwen, 

Sprach: „Ichs noch wol verdienen wil.’ 
Der Narr thet fi fremwen. 


Vermeindt ein güten müt zu haben; 
In [Aija] dem thet der Zchneider bertraben. 
Als es zehen thet fchlagen, 
Ta Mopffet er geſchwind an der Thür. 
Tie Fraw fieng an zü flagen. 


Sprad: ‘Mein Mann und der Knccht 
Kommen auß der Mille Schlecht.’ 
Sprach: Ach Gott, wie fol ichs anfangen!’ 
Der Schufter erjchroden war, 
Sprach: ‘Wer id nie auff die Bulſchafft gangen.’ 


Sie bracht ein langen Zad herfür, 
Sprach: ‘Wenn ihr wolt folgen mir, 
So feidt ir ohn alle forgen. 

So friedt in diſen Ead hinein, 
Ta jeid ıbr wol verborgen.’ 


Ter Narr ſich überreden lieh. 
Wie bald fie in in Zad nein ſties 
Und tbet in oben zübinden 
Und lehnt ibn zu andern Seden bin 
An der Wand mol dahınden. 


Ten Schneider fie gar bald aufithet 
Ter Narr Gelt in benden bet, 
eben Taler (merdt mid) eben), 
Die batten den Nürnberger fchlag, 
Thet er ſeim Bulen geben. 


Sie ſprach: Hervlieb, in eyl 
Sitzt an Tiſch ein kleine weil! 
30 will uns Küchle bachen.’ 
Sie hawet holtz mit geichwinden Yıft, 
Ter Bel und Knecht thet fih auffmachen. 


Johannes Bolte, Die Duelle von Ayrers Ehrlicher Bedin. 


25. 


26. 


27. 


28. 


29. 


30. 


31. 


32. 


33. 


Und Hopffet an der Thür behendt. 
Die Fraw kam in die ftuben gerent, 
Sprach: Ach wehe, Herklieb, ung beyden! 
Mein [Aiijb] Man und Knecht feindt vor der Thür; 
Wir fommen in großes leiden.. 


Der Schneider fi) auch bereden ließ. 
Wie baldt fie in in Sad nein ftieß 
Und verbandt ihn wol und eben 
Und trug ihn zü den andern hin. 
Hört, was fid) hat begeben! 


Sie machet auff die Thür behend, 
Der Bed kam hineingerent, 
Sprad: Fraw, wir müſſen bachen. 
Knecht, thü das Mel in Trog 
Und ſchick dich zü den Sachen!” 


Der Knecht in die Stuben fam, 
Den Sad er mit dem Schneider nam, 
Warff ihn in Trog mit gemwalte. 
Der Schneider im Sad ſchrey morbdio. 
Der Knecht ſprach: "Das muß der Teuffel walten. 


Mas ift das für ein Ebenthewer!’ 
Sprach: Meyſter, es ift ungehewer, 
Das Mel iſt lebendig worden, 

Oder der Teuffel ſteckt in dem Sad.’ 
Der Beck ſprach auß zoren: 


Soll denn der Teuffel im Sacke ſein, 
So hab ich droben ein Büchlein klein, 
Damit kan man den Teuffel beſchweren. 
Bring mir ein Bengel anderthalb Elen lang! 
Damit muß ich im die Haut erberen.’ 


Der Bed mit dein Büchle kam, 
Den Bengel inn die Hende nam, 
Creutzweis thet er drein jchlagen: 
Wie feidt ihr in die Sede kommen? 
Tas folt ihr mir jagen.’ [M4a] 


Sie ſchrien in Seden allebeyd, 
Keiner vom andern wiffen thet, 
Ein jeder ſprach: Ich bin kein Teuffel.’ 


Der Bed ſprach: "Wie feyd ihr in mein Sede fommen? 


Daran trag ich fein zweiffel.’ 


Der Knecht nam den andern Sad, 
Kam den, da der Schüfter in ftad, 
Und warff in in trog behende 
Uff den Schneider unbarinherkig. 
Der ſchrey: 'O Gott, Hilff mir an meim ende!’ 


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230 Johannes Bolte, Die Duelle von Ayrers Ehrlicher Bedin. 


34. 


35. 


36. 


37. 


38. 


39. 


40. 


41. 


Der Knecht ſprach ohn allen fpot: 
‘Kein Teuffel fchreit nicht zuͤ Gott. 
Wir wöllens anders madjen. 
Den Bachofen will ich heiten thun, 
Wir wöllen dag Mel mit den Seden badjen.’ 


Als der Knecht mit dem Fewer kam 
Und der Goldſchmid den raudh vernam 
In dem Ofen (merdt eben), 

Screy er erbermlich mit lauter ftim: 
‘Ad frifte mir mein leben! 


Ich will dir geben ein reid) gehend.’ 
Der Knecht ſprach: ‘Das findt ſeltzame ſchwenck. 
Wer bat dich darein tragen? 
Was gibft mir, ich Hilff dir davon?” — 
Ein Dolch mit Silber befdjlagen.’ 


Der Knecht ein Sad bradıt an dem endt, 
Sprad: Darein kreuch du behend! 
So wil ich dich auff die Gaſſen tragen. 
Bon [A4b] mir jol e8 verjchwigen fein, 
Ich wils auch niemandt jagen.’ 


Der Goldſchmidt froh auch inn den Sad hinein. 
Der Knecht trug in auch in die Stuben hinein, 
Sprach: ‘Ach hab noch ein Teuffel gefangen, 

In difen Sad hab ich ihn gebunden.’ 
AU drey haben fie aufigebangen. 


Alſo kamens all drey ın die Seck. 
3u morgens frü nam fie der Bed, 
Thets auff den Kornmardt tragen 
Und ließ fie ligen in dein Sad. 
Jederman thet da fragen, 


Mas doh in Zeden wer. 
Niemandts wift, wo fie feinen her, 
Ter Diardmeifter thet fie aufjbinden. 
Werens bey iren Weibern blieben, 
So hett man fie da nicht dörffen finden. 


Alfo wurdens all drey wol geſchmiſſn, 
gun baben ſich darunder beichiifn, 
as bulen war ihn vergangen. 
Ya, wenn die Katen aljo najchen gehn, 
Werden fie alfo gefangen. 


Alſo ift difen dreyen Narren geſchehen, 
Die ander Yeut Weiber wöllen verjchen 
Ind betten daheim gnug zufchaffen. 
Darumb kriech feiner ın den Zad, 

Dian wirdt fonft auch fein lachen. 


ENTE. 


Johannes Bolte, Die Duelle von Ayrers Ehrlicher Bedin. 231 


Die Vergleichung diejes Liedes mit Sandrubs Hiftoria lehrt, 
dag Sandrub fi) durdyaus an die ältere Erzählung hält. Daß auch 
Ayrer das Lied benukte, ift troß einiger Abweichungen ohne weiteres 
Har und braucht faum genauer dargelegt zu werden.!) Seine Ab- 
weichungen beftehen, abgejehen von den neuen Berfonennamen und 
der fortgefallenen Ortsangabe, teil in Zufägen, teils in kleineren 
Abänderungen. Hinzugefügt hat Ayrer ©. 2767—71 die Werbung 
der drei Buhler, die jeder der Frau Charitag ein Gejchenf über- 
reichen und auf zwei Uhr nachts beftellt werden; ferner hat er 
©. 2771—76 die Scene der auf ihre Männer argmwöhnifchen Weiber 
und ©. 2784—89 ihr Erfcheinen auf dem Markte, wo ihnen der 
Bäder die Säde mit feinen Gefangenen zu Kauf anbietet, ein- 
geichaltet. Während der Poffendichter durch diejen letzten Auftritt 
einen wirfjamen Schluß gewonnen hat, erjcheint die auf S. 2774—76 
vorliegende Anderung der Vorlage minder gefchidt; die treue Frau 
jteckt nämlich nicht wie im Liede jeden der nacheinander eintreffenden 
Buhler ſofort in einen Sad, als der folgende anpocht, jondern fie 
fordert alle drei auf, mit ihr zuſammen Iuftig zu fein, und reicht 
ihnen erft, al3 ihr Mann kommt, gleichzeitig drei Säde, damit fie 
ji) darin verbergen. Auch ift diefe Lift bei Ayrer ©. 2765,, ein 
Gedanke des Bäckers, während im Liede (Strophe 6) die rau 
darauf verfällt. 

Den drei eben beiprochenen Bearbeitungen des Schwanfes vermag 
ich Ichlieglich nod) eine vierte an die Seite zu ftellen. Der Nürn- 
berger Schulmeijter Ambrofius Metzger (1573— 1633), welcher halb- 
erblindet erft im 50. Lebensjahre von Hans Winter die Kunft des 
Meijtergefanges erlernte,?) dichtete am 28. April 1625 dag nachſtehend 
aus dem Göttinger Cod. philol. 196, ©. 31 abgedrudte Meijterlied. 
Daß er den Stoff aus dem auch fonjt von ihm benugten Buche 
Sandrubs und nicht aus dem älteren Liede oder aus Ayrers Poſſe 
entnahın, ergiebt ſich 3. B. aus feinen Schlußworten, die bei Sandrub 


1) Auch fonft hat Ayrer aus Niirnberger Meeifterliedern geſchöpft. So liegt 
jeinem Faftnachtipiele von den verwechjelten Cheleuten und dem Markgrafen von 
Rom (4, 2391) ein 1541 entftandener Meiftergefang des Hans Sachs (gedrudt 
Forſchungen zur brandenburgifchen Geſchichte 11, 201) und den beiden Poſſen von 
verlarften Franciscus mit der venediihen Wittfranen (5, 3001. 3025) ein in ber 
Alemannia 20, 164 mitgeteiltes Pied Georg Dagers von Jahre 1588 zu Grunde. 
Über fein Verhältnis zu Hans Sachſeus Schwänken vgl. Piſtl, Vierteljahrſchrift für 
Pitteraturgefchichte 6, 432; über das Spiel vom Bauern mit feinem Gevatter Tod 
Zeitfchrift des Vereins für Volkskunde 4, 37. 

2) Dies erzählt Metzger felber in einem 1625 verfaßten Meifterliede (Göt- 
tinger Cod. philol. 196, S. 70); vgl. auch Schnorr von Carolsfeld, Ardiv für 
Pitteraturgefhichte 3, 54. Tas Todesjahr 1633 ergiebt fi) aus den von K. Dreſcher 
edierten Nürnberger Deeijterfinger-Protofollen 1, 317 (1897). 


232 Zohannes Bolte, Die Quelle von Ayrers Ehrlicher Bedin. 


faft ebenfo lauten: „Wenn die Kat gar zu jehr will najchen, 
muß mans vberm Raub erhajdyen.“ 


Die bechin mit Den dreyen bulern. 
Im fchwarten thon Hans Bogels. 


1. 


Ein bed hett gar ein ſchönes weib; 
Der halben er gar viel der neider, 
Welche war keuſch an ihrem leib. - 
Ein goldſchmidt, fchufter und ein fchneider 
5 Thetten der heimlichen nachftellen, 
Meinten die an ehren zu fellen. 


Als fie diß ihrem man macht Fund, 
Befahl er, die laffen zu kommen 
Jeden zu einer g'wiſen ſtund: 
10 *Es joll dir bringen fein unfrommen.“ 
Umb neun uhr b'ſtellt die frau vernünfftig 
Ten goldſchmidt auff die nacht zukünfftig. 


Ter mit eim ring die fraw begaben, 

Daß er derielben gunft und huld möcht haben. 
15 Die frau die fett ihn au dem tech, 

Nachdem fie ihn freundiid) empfangen. 

Als beede trunden den wen friſch, 

Kompt der ſchuſter auch daher gangen, 

Klopft an der tbür mit leiſen ſchlägen. 
20 Die frau ſich eher vom tiich bewegen 


2 


-. 


Und jagt: "Mein man der font nach bau ’ 
Deß empfing der goldſchmid groß ſchrecken: 
Als er nicht wuſt wo ein noch auß, 
Thet ſie den in einen ſack ſtecken 
25 Und ließ ein den ſchuſter darneben, 
Der ihr ward neun goldgulden geben. 


Wie beede auch ein kleine zeit 
it worten freundlich theten ſchernen, 
Klopfft der Schneider, wie er beſcheid. 
30 Deß erichrad der ſchuſter von berten, 
Vermeint, das der bed käm von zecen. 
Die fraw ſieckt in ein Sat den frechen, 


Ließ ein den ſchneider ohn umbichweüien, 
Welcher der bechn wolt an die brüfi greuien, 
35 Wab der zehen taler mol g'muth. 
Die frau nam die und jagt ohn b'ſchwerden: 
Tarfür bach ich euch küchlein gutt, 
Biß unſer Sachen anderſt werden.’ 
Thyett heimlich in die kuchen öichleichen. 
160 Ns ihr man beit Das b'ſtimbte zeichen, 


Erih Schmidt, Aus den „Pitterarifchen Monaten“ 1776/7. 233 


3. 


Rumoret er in dem hauß faſt, 
Welchs dein fehneider groß forcht erwedet. 
Die bedin den ohn alle raft 
Den zweyen gleich in ein ſack ftedet. 
45 Der bed. zu feinem knecht thet jagen: 
‘Thu zum bachen die ſäck hertragen!” 


Der becken knecht dieße all drei 
Ungeftim in den trog thet werffen. 
Darvon ward ein jämmerlichg g'ſchrey, 
50 Weil der fall ihren feib thet fcherffen. 
Der bed jagt: In fäden ohn jorgen 
Seind g’wiß etlich teuffel verborgen; . 


Drumb ich diejelben muß beichweren.’ 
Nam ein bengel, thet die damit hart beren. 
55 Darvon fie fchryen Mordio 
Und batten umb grad ihrer jachen. 
Nachdem fie fang gebleüt alfo, 
Pie er Ste loß mit fpott und lachen 
Und jagt: Alſo muß man erhaſchen 
60 Die fagen, wen fie wöllen nafchen.’ 


Aus den, ‚Litterarifchen Wilonaten” 1776/7. 
Mitgeteilt von Eri Schmidt in Berlin. 


In der zweiten Auflage meines „Yejjing” 1, 713 mußte ich den 
Ausdruf des Bedauerns wiederholen, dag die Wiener Zeitichrijt 
„Litterariiche Monate”, worin laut einer alten Journalnotiz Klotzens 
Briefwechjel mit Riedel ftehe, unzugänglich geblieben jei. Bald danach 
wies mic) Schüddefopf an die Halberjtädter Gleimftiftung, von deren 
liberalem Berwalter, Herrn Rektor Hey, id) umgehend das Bud) 
erhielt: „Litterariſche Monate, ein Journal von einer Gejellichaft zu 
Men. Erſter Band, enthaltend die Monate October, November, 
December 1776 nnd den Monat Jannar 1777. Wien, auf Koften 
der Gejellichaft, gedrudt bey Kohann Thomas Edlen von Trattner”; 
die Vorrede verjpricht yortjekung, doch folgt den 382 SS. faınt 
Regiſter nur noch angebimden das Februarheft. Damit jcheint dies 
kümmerliche Unternehmen erlojchen zu ſein, das jowohl eine poetifche 
Blumenleſe als Beiträge zur Kritik liefern will und die Begeifterung 
für Klopſtock durch allerlei bardiſche Mummenſchanz mit erflärenden 


24 Erich Schmidt, Aus den „Yıtterariichen Monaten“ 1776:7. 


Fußnoten fundgiebt, doc auch Wieland hochhält und Goethe mehr: 
mals lobt, nur nicht jeine Apofopen (S. 281) und den Edywarm 
jeiner Nachahmer. Es lohnt nicht, auf die gehaltlojen, oft kläglichen 
Berje der Haſchka, Maſtalier, Denis, Neker, Alxinger einzugehen. 
Am reichlichjten ijt Haſchka vertreten; S. 21 fein „Liebeslied. Ich 
bin ein deutſcher Jüngling“. Riedel jteuert S. 16 das „Lied eines 
alten Croaten“ nad) Gleims Art bei, S. 117 einen Yobgelang auf 
Joſeph IL, S. 132 gilt der Dymmus „Bon Helden und Dichtern“ 
bejonders dem gepriejenen Laudon, der leider Maftalierd Verſe, und 
überhaupt Poeſien, nicht (eje; man ergänze: jo wenig wie Friedrich 
jeine Gleim und Manier. 

Der verjchollene Band liefert zweifache der Erneuerung werte 
Ausbeute. 


I. Nanette Glud. 


In Seufferts Vierteljahrſchrift 1, 27 ff. habe ich zu zeigen ver: 
jucht, wie tief die Bitte Glucks um ein dichteriiches Tootenopfer für 
jeine geliebte jangreiche Nichte, die am 21. April 1776 geitorben 
war, nach Klopitods Ablehnung und Wielands neuem Norichlag auf 
(Soethe wirkte. Riedel, ein Schützling des Weiters, tröjtet ihn 
S. 5 ff, Unfterblichfeit predigend, dur „Ein Klaglied und ein 
Frohlied, beyde zu jingen für C. R. v. Gluck“. Dann feiert Haſchka 
ZN ff. — togar ein jchlechter Schattenrig ift vorgedrudt — mit 
einen die erſte Ztrophe ihres Yieblingsliedes leicht vartierenden 
Motto „Zie war ein dentiches Mädchen“ u. ſ. w. den fürchterlichen 
Bardenjang „Eronnan und Minona an Annas Hügel“ und Ipielt 
hier wie im folgenden Gedicht, das auch die „vom Eriten der Barden 
harfengeadelte Winthem“ zur Trauer ruft, auf Klopitods Begegnung 
mit der „Zanberin” an. Im Novemberheft S. 142 ff. benugt Riedel 
die rüihmende Anzeige des Souper des Enthousiastes, einer Schrift 
itber die Alceite, zur Abwehr einiger „Coxcombs“, die zu viel des 
Gnuten von Gluck und ſeiner Nichte mitgeteilt fänden. Er ſei Glucks 
Freund, doch Wieland, der ihn nie geſehen, äußere ſich im Merkur 
noch wärmer. Haſchka hätte Maria Anna zu heiß beſungen? Je 
heiter, je beſſer! Zur Rechtiertigung aber bringt Riedel zwei Bei— 
lagen, S. 145 und 146 f. „Die erſte iſt ein Brief, welchen einer der 
vornehmſten Reichsfürſten, der die Sängerinn in Paris gehöret hatte, 
kurz nach ihrem Tode an den Ritter Glück ſchrieb“ — man wird Die 
jugendlichen Worte Carl Anaufts gern lefen und fich dann ein humo— 
riitiiches Blatt Klopſtocks vgl. A. Schmid, Gluck £. 230; Marx 2, 143) 
gefallen laſſen, über deſſen Nerfchr mit Gluck 1775 in Karlsruhe 
und Maſtatt ja Nina klatichhaft berichtet ſiehe D. F. Strauß, Ge— 
ſammelte Schriften 10, 156; E. Schmidt, Charakteriſtiken S. 166. 


Erih Schmidt, Aus den „Yitterariichen Monaten“ 1776/7. 235 


1. 


„Lieber Ritter Gluck! Wie nahe mir der Tod Ihrer liebenswirdigen Nichte 
gegangen, das läßt fich fühlen, nicht jagen. Wohl denen guten Seelen, die nichts 
mehr von den Leiden der Unterdrüdung auf diefer elenden Erde — nit Erde — 
die ift gut — jondern Welt finden. ES war eines der liebenswürdigiten Gefchöpfe 
auf Erden. Laßt uns ihren Verluſt jolange betrauren, folange uns der Schöpfer mit 
Gefühl begnadiget — nicht tröften. Peiden ift beffer, denn fich durch die Kälte diefer 
Welt unterdrüden lagen. Ihr Geift ift uns in jedem ſchönen Mondlicht, jedem 
ihönen Abendroth nahe. Geifter guter Seelen umſchweben uns gute Menſchen, 
und jchügen uns für dem peftilentialifchen Haucht der falten, repräfentirenden, 
feinföpfigten Scelen, unterdrüdeng, daß dieje wohl den Leib, aber nicht die Seele 
unterdrüden fönnen. Leben Sie wohl, und laffen Sie uns die Nähe der lieben 
Seligen in jeder ſchwülen Sommernacht empfinden! Denken Sie manchmal an mid)! 


Karl Anguſt, H. 3. ©. W.“ 


2. 


„Die zwote Beylage ift von Ktlopftod. Diefer jeßte in einer glänzenden Ge: 
jellfchaft folgenden Revers auf, welchen Maria Anna Glud, nebft allen anmwefenden, 
zum Theile durchlauchtigen Zeugen und Zeuginnen, unterfchrieb“: 

„Ich Endes unterichriebene, Bezauberinn des Heiligen Römifchen Reichs, wie 
auch des unheiligen gallifanifchen Reichs, urkunde und befenne hiermit, wasmaſſen 
ih Klopftocden verjprocdhen babe, und verſpreche, daß ich, jobald ich, Erzzauberin, 
in die Erzſtadt des Erzbauies, Wien genannt, zurück gefehrt bin, und mid) alldort 
drey Tage und drer Nächte hintereinander von meiner Reife verpuftet habe, ich) 
jofort und ohne Berzug, wie auch ohne ferneren Aufichub ihm zujenden will: 

„1) Die Arie, in welcher Orpheus der Euridice nachruft, 

„2) Die Arte, in welcher Alcefte ihren Kindern nachruft; 

Und daß ich unter jede diefer Arien feten will einige wenige Worte, in welchen 
enthalten ſeyn foll, joviel nämlich davon in Worten enthalten feyn kann, die Art 
und Weife, Beichaffenheit und Eigenthümlichkeit, und gleichſam die Scattirung 
meines mufifaliichen Zaubervortrages, damit benannter Klopſtock diefe meine Worte, 
benebft den Arien, feinerjeits wiederum zufenden könne feiner Nichte zu Hanıburg, 
welche, feinem Borgeben nach, der Zauberey aud) ergeben jeyn fol. Urkundlich, 
geichehen Raftadt am 17ten Martii 1775.” 


II. 


Die „Briefe von Klo und Niedel”, die man ironijd) einem 
weiſen Mitverfajjer der Nicolaifchen Allgemeinen deutſchen Bibliothek 
zu Liebe drucdt (Dezember 1776, ©. 222—251; Januar 1777, 
S. 365—382), fegen mit dem furzen Begleitjchreiben zu Riedels 
„Theorie“ am 283. Mai 1767 ein und beziehen ſich, unter wechjel- 
jeitigen Komplimenten und Freundichaftsichwüren des Klogianismus, 
jowie Klagen über das geiltig öde Jena, vornehmlich auf die 
Gründung und die erjten Stüde der „Deutſchen Bibliothek der 
ſchönen Wiſſenſchaften“. Manche Namen find nur angedeutet, die 
Briefe gewig mit behutiamen Weglafjungen dargeboten, jo daß zwar 
der Grimm gegen Nicolai als ein Hauptmotiv deutlich hervortritt, 
vom Kampfe mit Leſſing aber feine Spur zu finden iſt. „Die 
Berliner geben fich den Ton einer Nationaljtimme. Und wer find 


230 Erich Schmidt, Aus den „Yitterariichen Monaten” 1776,7. 


denn diefe Leute?“, fragt Klotz; dann heißt es nach acht Kreuzchen: 
„Dies find die deutichen Senatoren! Eine feine Gejellichaft!" Riedel 
antwortet am 18. Juni 1767, einen Beſuch in Halle ankündigend, 
den vielleicht Derr Boie mitmachen werde („ein jehr geſchickter junger 
Mann, der voll ift von Enthufiagsmus für unſere Yitteratur, und 
der einzige beynmahe hier, mit dem ich de hoc nostro studiorumm 
genere plaudern faun”ı: er fenne Nicolai nicht und habe fein Leid 
von ihm erfahren, „der heroiſche, gebietrijche, despotifche Ton in 
vielen Recenfionen will freylich niemanden gefallen. Ich ſchätze indeß 
die Verdienfte und Einſichten mancher Weitarbeiter, und eben deß—⸗ 
wegen habe ich jchon verſchiedene Anjchläge verhindert, die ein Paar 
wirklich witzige Köpfe in ** gejchmiedet hatten, um das ganze 
Inſtitut lächerlich zu machen“. Klotz bedauert, daß dies unterblieben 
und die verhaßte Geſellſchaft nicht an ihre Sterblichkeit gemahnt 
worden ſei. Von Recenſionen und kleinen Händeln iſt oft die Rede. 
Am 9. Juli erbietet ſich Riedel, das bei Weißes Sanftmut ſo nötige 
Gegengewicht Klotzens gegen die Berliner betonend, unverbindlich zu 
Aufſätzen uber Deendelsiohns Phacdon ı Tentjche Bibliothek I ı, 124), 
Ramlers Gedichte 27, den Philojfophen Feder ı 1, Herders Frag: 
mente (161,7 „Naben Sie die ‚yragmente jchon geleien? Ein gutes 
Buch, aber in einer Zcjreibart, vor weldyer Apollo Deutſchland 
bewahren wollte. Aber der Kopf, der es gebohren hat, er ſey wer er 
will, wird künftig alles aus ſich machen können, was er nur will. 
Nur die Auswüchſe hinweg!“ In der Beilage von einem Berliner 
Auonymus gegen die Marktichreierei wird ſpäter gerügt, daß ſogar 
Herders Name mehrmals falihy angeführt jei, und Klotz bemerkt aud) 
brieflid) «vgl. 4, 177, Herders böſen Yapfıs, der aus dem Parijer 
Tänzer Marcel einen antiken Marcellus gemacht hatte. Niedel auto» 
rifiert den Hallenſer, ans ſeinen Beiträgen alles Ungefällige, Beißende, 
Kauſtiſche zu jtreichen. Ob das geſchah? Klotz eriwidert nur (19. Sep: 
teinber 1767 : „Unſer erites Stück beiteht aus Ihren Mecenfionen, 
dann hat Jacobi ein Paar Fiber Bachenſchwanz, Klotz und andere] 
bergegeben, und ich einige, unter welchen auch Ihre Theorie [I ı, 75] 
int, bey welcher ich einige, jedoch eumdichaftliche Erinnerungen gemacht 
habe.“ Tazu die für dieie Kompilatoren bezeichnende Wendung: „Auf 
Meinhards Yeben [fiche 15, 1] bin ich ſehr begierig. Wäre dieß 
nicht die Gelegenheit zu zeigen, was die deutiche Yitteratur von der 
ttalientichen gewinnen fünnte? Sie haben dod) den Muratori und 
Gravinaga in Jena, aus beyden werden Zie vieles eutlehnen können“. 
Spüter finder er, Riedel babe „Duſchen zu vielen Weihraud) ge- 
ſtreuet“ 1 1, 185 , umd will dieſen ſelbſt geaen die Berliner ver: 
härten: doch wird in einer Fabelnachſchrift : 27. Zeptember) Leſſing 
nesen Homer genannt. Riedel bedauert darauf, weil er täglich etwa 


Erich Schmidt, Aus den „Litterarifchen Monaten” 1776/7. 237 


6 Stunden Colleg leje, Herders 3. Teil (fiehe aber I 3, 60), Duſchens 
Gedichte u. |. w. gar nicht, Weißes fünften „Beytrag zum deutjchen 
Theater” erjt jpäter recenfieren zu können (I 4, 1). Derſelbe undatierte 
Brief, worin Kloß prophezeit, das jtärkjte Wetter nach den erften 
Donnerjchlägen werde auf ihn ſelbſt loSsbrechen, gedenft feines liber 
fatalis ziemlich ſcheu: „Mein Gemmenbuch ift fertig gejchrieben, und 
gefällt mir nicht recht. Ich ſtoſſe bey jedem Schritte an, und habe 
niemanden, den ich fragen kann.“ Ohne des „Laokoon“ zu erwähnen, 
fügt er bei: „Caſanova hat mir den Kopf einer Furic gefchickt, den 
ih in Leipzig ftechen lafje. Winkelmann hat gewiffermaffen Unrecht 
gegen Caſanova. Sie fünnen nidjt glauben, wie jehr der erfte auf 
feine eigenen Landsleute ſchimpft; dies habe ich aus einem durd)- 
lauchtigen Munde. Meinhard war jehr nachgebend gegen ihn; und 
dann ift Winkelmann gut.” Riedels nächte Briefe (Anfang 1768?) 
handeln von feiner ſchwebenden Berufung nad) Erfurt, wo er fid) 
allmählich von Klok löfte. Nur ein Klogifches Schreiben, dag Niedel 
endlich mit fcherzender Beichwichtigung erwidert, wird noch mitgeteilt, 
ein intereffantes Bekenntnis. Hatte der junge Geheimrat ſchon 
früher feinen Enthuſiasmus für das Privatleben halb fcherzhaft aus— 
geiprochen und legthin aufgetrumpft, Niedel werde jo wenig in Erfurt 
oder Jena ſterben als er felbjt in Halle, fo madht er nun — and) 
diefer Brief ift undatiert — fein Teftanıent: 


„Ehe ich Ihnen, ewig geliebtefter theuerfter Freund, für eine Ehre [die 
Widmung vom Denkmal Meimhards] danke, deren Werth ich ganz empfinde, muß 
id) Ihnen mein Herz öffnen, und — — nennen Sie es Schwadheit, oder Freund- 
ſchaft — genug es muß heraus! 

„Meine Tage find gewiß bald verfloßen; und ich kann nur wenige Jahre 
noch zu leben hoffen. Sie überleben mid) gewiß, und ich wünſche e8 mit wahrem 
Patriotismus. Wenn ic, geftorben bin, jo jchreiben Sie meinen Lebenslauf, id) 
mag es verdienen, oder nicht. Sie jollen ihn jchreiben. Herr Meuſel, der mid) 

enau fennt, joll Ihnen dann meinen Charakter Schildern, fannıt meinen Fehlern. 

enn ich babe große Fehler, und feinen derfelben jollen Sie verfchweigen. In 
Anjehung des Guten vergefien Sie nicht der Welt zu jagen, daß id) manches Gute 
würde haben leiften können, wenn ic) in meiner Sphäre geweſen wäre. Allein ich 
bin in ein Element verjeßt worden, in dem ich eben fo wenig handeln kann, als 
der Bogel im Waſſer. Deine Neigung ift von Jugend an auf ein gejchäfftiges 
Leben gegangen. Ein Dann, der mic) liebte, rieth mir, mid) auf Staatsfachen zu 
Segen: ıd) lernte alfo die Gefchichte und die Rechte, um wenigſtens das letztere 
wieder zu vergejjen. 

„In meiner Philofophie finde ich jenfeit des Grabes wenig Klarheit. Aber, 
ich weiß felbft nicht warum, meinem Namen wilnjchte id) ein Feines Gedächtniß — 
doc bloß von Ihnen. 

„Sehen Sie dies als das Codicill eines Mannes an, der Sie von ganzer 
Seele liebt, und, fo fange er fich feiner bewußt feyn wird, lieben wird. Bin ich 
zu unfern Vätern verſammelt, jo erinnern Sie fid) diefer Bitte, die ih) an Sie 
getban habe; erfüllen Zie folche. Bey der Wiederfunft der Dinge werde ich unter 
allen Sterblichen — dann Unfterblichen — mich erft nad) meinem redlichen Vater, 
und dann nad) Ihnen umiehen, und beyden danfen.” 


238 Daniel Jacoby, Der Verfaffer der Gedichte eines polnischen Juden. 


Dies bei aller Schauipielerei im Grunde doch aufrichtige Codicill 
zu vollziehen, jo erflärt Niedels Fußnote, habe er ftrads nach Klotzens 
freundichaftlich beweinten Tod (am Sylveſtertag 1771) fi nicht 
entjchliegen fönnen; erft wenn der übertreibende oder verkleinernde 
Parteigeiſt verbrauft jei, laſſe fich über einen großen Dann etwas 
Beftimmtes jagen. Auf eine gleiche legtiwillige Mahnung pochend, 
hatte ja Hauſen jein Schandbüchlein Hingefudelt, Riedel aber ſich auch 
durch feine Beiltener zu Dagens Briefſammlung fontpromittieren 
wollen, jondern die gewiß jchon 1772 zurückgeforderten Blätter nod) 
Jahre lang im Stillen bewahrt, um ſchließlich in der abgelegenen 
Wiener zeitſchrift eine vorjichtige Auswahl zu bieten. 


Der Verfaſſer der „Gedichte eines polni— 
ſchen Inden”, 


Son Taniel Jacoby in Berlin. 


Wenn ich die Teilnahme der Lejer dieſer Beitichrift für das 
Leben und die Gedichte eines Mannes erbitte, deifen Name durch 
Goethes Recenſion der Vergeſſenheit entrifjen ift, jo geichicht es in 
der Hoffnung, daß meine Taritellung dem Forſcher wie dem Freunde 
unterer Yitteratur Anregung geben werde. Was aus den wenigen 
und dazu noch jich widerſprechenden Nachrichten zu benugen war, 
faſſe ich kurz zujammen und nenne die jpärlich fliegenden Quellen, 
aus denen ich geichöpft habe. Geboren 1746 zu Calantin in Samo- 
gitien, wuchs JIſaſchar Falkenſohn Behr in einem traurigen 
Erdenwintel unter jeinen gedrüdten und halbwilden Glaubensgenoffen 
anf.» In früher Jugend widmete er ſich wie fie dem Handel; 
weniger der Trang nach Bildung als nad) Gelderwerb führte ihn 
nach Preußen. In Königsberg, „der blühenden Stadt, die fich voll 
Stolz Am beiegelten Dafen thürmt Und ins friedliche Thor handelnde 
Völker zieht," zeigte ihm ein „Soldesverluft”, „Wandelnd Erz jey 
fein Quell fteter Zufriedenheit”. >) Karl Leſſing erzählt,’) Behr hätte 
das Unglück gehabt, daß ihm ein Stück Sammet geftohlen wurde, 
worin ſein ganzer Reichtum beftand. Aus Furcht, wenn er nad) 


'ı zyiicher in A. W. Hupels Nordiſchen Miscellen. 4 Stück. S. 16. — Rede- 
Napiersky, Allgemeines Schriftſteller-Lexikon der Provinzen Livland, Eſthland. 1827. 
1, 92; vgl. Goedele x 222, 10. 

> Die Citate aus Behrs Ode „An die Hoffnung“. 

2%, Leiſings Werke Heupel 20, II, 480. 


Daniel Jacoby, Der Verfaffer der Gedichte eines polnifchen Zuden. 239 


Haufe ginge, wegen diejes Unglüds verhöhnt zu werden, habe er ſich 
entichloffen, in Königsberg zu bleiben. Einige Brofefforen der Univer- 
jität nahmen ſich wohl feiner an, und Behr fuchte die deutfche Sprache 
aus Chriftian Wolffs mathematifchen Schriften zu erlernen. Aber 
bittere Armut brachte ihn ſchon der Verzweiflung nahe, da fam er 
zu feinem Glück mit Empfehlung an Moſes Mendelsjohn nad) 
Berlin 1768 oder 1769. Eine mitleidige Gottheit, fagt er felbit, 
leitete feinen Schritt nad) Berlin und „empfahl feine Jugend dem 
Schuß des durch Weisheit Verewigten"”. „Hier in der blühenden 
Künfte Pflanzjtadt” wurde jein Ehrgeiz rege. Er lernte neben dem 
Deutſchen auch das KLateinifche und Franzöfiiche und durfte mit 
Deendelsjohns Belannten und Freunden verfehren.!) „Ich konnte,“ 
erzählt Karl Lejjing feinem großen Bruder,?) „anfangs wenig mit 
ihm fprechen; da er aber zugleich mit Lateinifch lernte, jo verlangte 
ich von ihm, mir etwas aus einen deutjchen Schriftfteller ins Latei- 
nijche zu überſetzen und fiehe, er brachte mir einen ganzen Aft, aus 
der Wielandfchen UÜberjegung des Romeo. Freilich war diefe liber- 
ſetzung toller al3 meine Verwunderung, und id) fonnte nicht anders, 
als ich mußte feine Kühnheit mehr für Unkunde als für Genie- 
äußerung halten. Aber ich fahe mich bald betrogen. Jetzt fchreibt er 
ziemlich gut Deutſch, verfteht ein lateiniſches und franzöfiiches Bud) 
und ijt in der Mathematik, Philofophie und Medizin fein Fremdling. 
Wenn er fo fortfährt, kann er es weit bringen.“ Mendelsfohn, der 
befanntlic) jelbit gedichtet hat, wurde auf Behrs Begabung auf: 
merkſam: an Mühe und Fleiß lieg diefer es gewiß nicht fehlen. 
Schon jeit 1768, jagt er jelbjt,?) habe er fi) den Studien gewidmet; 
zu diefer Zeit aber al3 Jüngling noch das lernen müfjen, „was 
ſonſt ein Kind von ſechs Jahren fchon weiß, das ift, deutſch und 
latein leſen“. Kein Zweifel, daß er auch Ramler näher trat, den er 
in einer Ode gefeiert hat: 

Auch mir gab Melpomenens Huld die Laute; 

Tod) auf Yıthuaniens falten Höhen 

Wild erwachſen rühr' ich fie roher, als der 

Nordivind erbraufet. 


Lehre mid), o Meifter der deutichen Leer, 

Lehre mich ein Lied dir nachlallen! Sing’ id) 

Je ein Lied der Ewigkeit, ift e8 dir ein 
Ewiges Danklied. 





1) Nicht mit Gotthold Ephraim Leſſing, wie Kayſerling irrtümlich meint, „Der 
Dichter Ephraim Kuh“. Berlin 1864, ©. 45; vgl. Kayjerlings Aufſatz „Ein uns 
befannter Dichter” im „Jahrbuch für Iſraeliten“, herausgegeben von Wertheimer. 
und X. Kompert. Wien 1862, &. 4 f., wo derfelbe Irrtum fi) findet. 

2) a. a. O. 

3) Im „Schreiben an einen Freund“ vor den Gedichten S. 12. 


240 Daniel Jacoby, Der Verfaſſer der Gedichte eines polnifchen Juden. 


In einem andern Gedicht!) rühmt er, neben Garve und Mendels— 
john, „den Barden an der Spree, Ramler, Zeutoniens Stolz”. 
Seine Gedichte jchrieb er, wie er felbft berichtet, in den Erholungs: 
jtunden, die ihm das Studium der Medizin lied. Nachdem er diejes 
noch in Leipzig?) fortgejeßt hatte, ging er nad) Halle, wo er 1772 
die Doktorwürde erhielt. Ob jeine Dijjertation „„Animadversiones 
quaedam ad illustrandam phrenitidis causam’” in Halle wirflid) 
gedruct wurde, ift fraglich, denn weder in Berlin nod in Halle iſt 
fie zu finden.?) Seine Anhänglichkeit an die Heimat, der er in der 
Ode „An Curonia“ Ausdrud giebt, führte ihn nad) Kurland zurück; 
eine Zeit lang wirfte er in Haſenpoth, nördlich von Libau; 1779 
ging er nad) Mohilew in Rußland, bald darauf nad) St. Peters: 
burg. Ob er wirkfid) ſchon 1781 in Hafenpoth geftorben, iſt durchaus 
nicht Sicher bezeugt. Yon jeinen Verhältniſſen ift jonjt nichts befannt. 
Wenn Karl Yeijing erwähnt, er habe Frau und Kinder fchon gehabt, 
che er nach Deutſchland gefommen ſei, jo iſt das bei den Sitten der 
polniichen Juden wohl glaublich. Seiner Eltern erwähnt Behr 
zärtlid und warm in der Tode „An die Doffnung“; dem Water 
widmet er außerdem zum soten Geburtstag ein, übrigens mittel: 
mäßiges, Gedicht. 

Die eriten Gedichte Behrs wurden, ohne feinen Namen, bekannt 
im Almanad) der deutjchen Muſen auf das Jahr 1771: drei Lieder 
„anf eine Heine Schöne” (Leyer, tüne Meine Schöne! Wie fie, ſchön 
und Hein, Soll dies Yiedchen jein; „Der treue Betrüger” (Aglaja, 
wie? Nur immer jcherzen? Tu fühlſt im Derzen Die Liebe nie?ı; 
„Das Kind“ »Lieber grüner Wald, Tu, der Nachtigallen Freyer 
Aufenthalt‘. Schon 1771 wußte man, dan eine Sammlung ericheinen 
werde. In dem erwähnten Briefe Schreibt Marl Xeifing am 11. Juli 
1771 aus Berlin, Behr werde Gedichte heransgeben, „von denen 
einige recht artig ſind'. Und Boie berichtet aus Göttingen an Knebel 
am 30. Dezember destelben Jahres: „die Gedichte des Yitauers 
jollen auch jet gedruckt fein. Sie haben recht, die jüdiſche Nation 
verjpricht jchr viel, wem fie einmal erwacht.” Die „Sedichte von 
einem polniichen Juden“ jind, ohne Namen, erichienen zu Mitau 
und Yeipzig bet Jacob ‚sriedrih Dinz 1772. 96 S. 8°. Dazu ein 
„Anhang“ ebenda 1772.32 2. Tem 8. Polniichen Yandrat ‚Friedrich 


'ı Tde „An den Apollo”. 

2: Ziche „Almanach der deutichen Muſen auf das Jahr 1773" im alpbabe- 
ttichen Verzeichnis der Tichter. 

3 In der Königlichen Bibliothek zu Berlin, die die medizinischen Tiiiertationen 
der Unierſität Dalle aus dem 18. Jahrhundert bittet, fand uch fie acht. Herr 
Bibliothetar Tr. Roth zu Halle bat ſie auch dort nicht ermitteln können. 

UN. Y von Knehels Nachtaß. Leipzig 18355 2, 111. 


Daniel Jacoby, Der Berfaffer der Gedichte eines polnifchen Zuden. 241 


Ewald Firds hat Behr die Gedichte mit einem öffentlichen Schreiben 
gewidmet, datiert Berlin d. 26. November 1771. Das Büchlein ift 
jelten geworden: die K. Bibliothek zu Berlin befigt es nicht. Durd) 
Reinhold Köhlers Güte erfuhr ich vor Jahren, daß er es für die 
Weimarer Bibliothek erworben habe. Schon im Alınanad) der deut: 
ſchen Muſen auf das Jahr 1773 urteilte!) der Herausgeber: „Die 
Talente diejes außerordentlichen Mannes, der die fonderbaren Phäno- 
mene auf unſerem Parnaſſe aufs neue vermehrt, find meinen Leſern 
ſchon befannt. Denn es iſt derjelbe polnische Jude, von dem ich im 
zweiten Almanach 3 Lieder und eine Dde mitgetheilt habe. Er heißt 
Behr. Die Tugenden, welche ich damals an jenen Liedern pries, 
Naivetät, Zärtlichkeit, Delicateffe trifft man auch in den neueren an.” 
Den „Ipielenden Vorbericht” tadelt er; von dem „Anhang“ fagt er, 
er jei der vorigen Gedichte nicht unmürdig und hebt befonders das 
„Opferlied“ hervor. Die Oden „haben wohl Ramlers Ton, aber 
nicht Ramlers Präciſion“. Diefer nahm in jeine „Lyriihe Blumen: 
leje” (Leipzig 1774) die beiden Gedichte Behrs „Schwärmterei” und 
„Sehnſucht nad) dem Frühling” auf. Wie bei andern Didhtern 
verfuhr er auch hier: feine Anderungen find durchaus nicht immer 
glüdlich zu nennen. Ein Urteil des befannten K. A. Kiitner,?) dem 
andere nachgeſchrieben haben, zeigt, wie die meiften Kunftrichter des 
18. Jahrhunderts dachten: „Einige feiner Lieder haben den alt- 
deutschen biederen Ton unferer beiten Liederdichter, lachende Bilder 
und Scalfheit und unſchuldige Naivetät. Nicht immer weiß er die 
Mühe zu verbergen, die Silbenmaß und Reim ihm fofteten: viele 
jeiner fchönen Gedichte leiden unter dem Zwang der Berfififation. 
Das muſikaliſche Gedicht „Andromeda”, die reifjte Frucht feines 
Genies, ift einer Meifterhand würdig. Minder glüdt es ihm in der 
höheren Ode: fein Ausdruck ift zu gefünftelt, kalt und ungelenk.“ 
Nachdem Kütner erwähnt hat, daß Namler zwei feiner Gedichte in 
feine Sammlung aufgenommen, meint er: „Er fteht mit ebenfo 
großem Rechte in eier jo ehrenvollen Geſellſchaft als Süßkind, der 
Jude von Zrimberg, im Zirkel der Minnefinger.” Aber weder Süß- 
find noch Behr zeigen Urjprünglichfeit. So wenig wie Süßkind id) 
— nad) dem unbefangenen Urteil?) Roethe8 — von den Anfchauungen 
jeiner chriftlichen Kollegen im 13. Kahrhundert im wejentlichen ent- 
fernt, jo wenig Behr von denen, die der Poejie der Beitgenofjen 
gemeinfam find. Wüpten wir e8 nicht, wir würden auch aus feinen 





1) ©. 80. 
Charaktere teutjcher Dichter und Brofaiften. Berlin 1781, ©. 494. Bon 
Kitner als Dichter giebt uns Matthiſſons Auswahl ein Bild; fiche deffen „Lyriſche 
Anthologie”, 11. Zeil, ©. 109—124. 
3) In der Allgemeinen deutichen Biographie. 
Euphorion. VII. 16 


242 Daniel Jacoby, Der Berfaffer der Gedichte eines polnifchen Juden. 


Liedern den Juden nicht herauswittern. Und doch, wäre er ein 
urjprünglicher Dichter von eigenjter Kraft und Wärme der Empfin- 
dung gewefen, wie hätte er durch Darftellung der Umgebung, in der 
er aufwuchs und groß geworden war, der Eindrüde, die ihm eine 
neue Welt gebracht, dur den Mut der Wahrheit ergreifen und er: 
ſchüttern können! 

Das hat der junge Goethe gewußt. In jener bekannten Recen— 
fion der Frankfurter Gelehrten Anzeigen hob er hervor, was er von 
diejen Gedichten erwartet hatte und wie er enttäujcht ward. „ES tft 
recht löblich ein polnischer Sude ſeyn, der Handelichaft entjagen, ſich 
den Muſen weihen, deutich lernen, Liederchen ründen; wenn man 
aber in allem zufammen nidyt mehr leiitet, als ein chriftlicher Etudiant 
en belles lettres auch, jo ift eg, däucht uns, übel gethan, mit feiner 
Judenſchaft ein Aufſehn zu machen. Abſtrahirt von allem, producirt 
ſich hier wieder ein hübſcher junger Menſch, gepudert und mit glattem 
Kinn, und grünem goldbeſetzten Rock,“ der die ſchönen Wiſſenſchaften 
eine Zeit lang getrieben hat und unterm Treiben fand, wie artig 
und leicht das jey, Melodiechen nachzutrillern.“ And gleich darauf 
ftrömt der geniale Jüngling in einer, Herder nadhgebildeten,?) 
Apojtrophe an den Genius unſeres Raterlandes jeine begeijterte 
Empfindung in jene weihevollen Worte aus, die wir alle fennen. 
Am Schluß redet er nody) von Behrs Open: „Was ift da viel zu 
jagen! QTurchgehends die, Göttern und Menſchen, verhaßte Mittel: 
mäßigkeit.“ Wohlmwollend aber wünſcht er, „daß der Dichter uns 
auf den Wegen, wo wir unjer Ideal juchen, einmal wicder, und 
geijtiger, begegnen möge.“ 

So hatte Behr, wie foll ich jagen? das glüdliche Unglüd, von 
dem jungen (Genie beurteilt und, wie andere aud), beijeite geworfen 
zu werden. Schlechter jind jeine Gedichte nicht als viele von Gleim, 
Namler, fogar von Uz, den Tichtern, die für ihn die bemunderten 
Vorbilder waren. Mandye haben jchönen Flug, find auch nicht ohne 
Anınut und Grazie, aber die lebendige Schönheit, Wahrheit und 
Kraft fehlen ihnen, die in den Echhöpfungen unjerer Großen Teben. 

Dennod, ſelbſt nach Goethes und Schillers Auftreten, find fie 
nicht ganz in Vergeſſenheit geraten. Denn Friedrich Matthiſſon hat 
in 9. Band feiner „Lyriſchen Anthologie”, der 1805 in Zürich 
erfchien, außer den beiden von Ramler bevorzugten noch vier Gedichte 
der Aufnahme für wert gehalten: „An den Frieden“, „Das Land— 
leben“, „pierlied“, außerdem die „Andromeda”, die Behr eine 


') Famit fpielt Woetbe auf die Nerie Vehrs an ım „Schreiben an einen 
greund“ vor Seinen Gedichten Z 11—12. 

=) Qgl. Nilbelm Scherer in der Einleitung zum Neudrud, Deutiche Yıtteratur 
dentinale des 18. Jahrhunderts, Ar. 8, S LXXXIII 


Daniel Jacoby, Der Berfaffer der Gedichte eines polnischen Zuben. 243 


Santate, Matthiffon ein lyriſches Monodrama mit Chören nennt. 
Kleine Anderungen hat Matthiſſon in allen Gedichten gemacht, 
denn auch er nahm bei der Aufnahme in feine Sammlung das Recht 
in Anſpruch, abzufürzen und abzuändern. Mit Behrs „Andromeda” 
hat er fich ganz befondere Mühe gegeben. Offenbar ijt für fie Ramler 
das Vorbild gewejen: Albert Köfter Hat in einem Auffa!) „über 
das Iyriihe Drama im 18. Kahrhundert” gezeigt, daß Rouſſeaus 
„Pygmalion” für die felbjtändige Entwidlung dieſer Gattung der 
Poefie den Anftoß gegeben; er wies dabei auf den Einfluß Hin, den 
jie ſelbſt auf Goethe, und nicht bloß auf feine Proferpina, ebenfo 
auch auf Schiller gehabt hat. Dabei betont er mit Recht das An- 
jehen, das Ramler genoß. Ramler allein fchien des großen Vorbildeg, 
des Metajtafio, würdig zu fein. Freilich erſt nach dem Auftreten 
Behrs erhielt das Iyriihe Drama durd) die Mufif Georg Bendas 
zu „Ariadne”, „Medea“, „Pygmalion“ u. f. w. feine Glanzperiode, 
etwa in den Jahren 1775—1780. Aber Ramler Hat ſchon in den 
Sechzigerjahren Cantaten gedichte, die auf Behr Einfluß Haben 
fonnten. Außer den geiftlichen Cantaten 1760 fommen dabei in 
Betradt „Ino“ 1765, das „Aleranderfeft” nach Dryden zur Muſik 
Händel3 1766 und „Pygmalion“ 1768. Zu den befungenen Frauen 
der Antife Ariadne, Medea, Kleopatra, Sophonisbe u. ſ. w. tritt 
alfo auch Behrs Andromeda. Er folgt in der ‘Fabel neben Dvid 
auch dem Peter Corneille, wie er jelbjt anführt.?) Wir find Zeugen, 
wie die an den Felſen gebundene Andromeda, vom Chor beflagt, 
den Drachen erwartet. Aus ihren Worten geht hervor, wie Perfeus 
für fie den Kampf fiegreich bejteht. Sie ſchwört ihm ewige Xiebe, 
und Schon follen die Liebenden in den Zempel zur Vermählung 
gehen, da hört Andromeda, wie Hermes den Befehl des Zeus bringt, 
daß fie beide in den Himmel verjegt werden jollen. Die in Einzel: 
beiten ſorgſame Verbeilerung Matthiſſons zeigt, daß er, wie Kütner, 
diefer Cantate großen Wert zuerkannt hat: ein Beweis mehr, daß 
er noch 1805 in feiner dichteriichen Perfönlichkeit mehr der früheren 
Periode im Grunde angehörte als der Zeit Goethes und Schillers. 
Einige Stellen aus der Cantate Behrs mit den Änderungen Matthif- 
ſons mögen hier zur Vergleichung ftehen: 


Andromeda. 
Behr. Matthiſſon. 
Erſpare, treues Chor, Laß ab, o treuer ... 
Dein Klagen und dein Flehn; Zu Hagen und zu flehn! 


Dich hört fein Götterohr. 
Zum Opfer auserjehn, 


u Preußische Jahrbücher 1891, 68. Band, ©. 188 f. 
2) Behrs Gedichte, ©. 85. 
16* 


244 Daniel Jacoby, Der Berfaffer der Gedichte eines polnifchen Juden. 


5 Bin ich am Felſen bier gebunden. ' .. an dieſen Fels gelettet, 
Ah! Troft und Hoffnung find ver- Wo keines Gottes Macht ınid) rettet. 
ſchwunden! ı 
Erfpare, treues Chor, ' aß ab, o treuer... 
Dein Klagen und dein Flehn; Zu Hagen und zu flehn! 


Dich hört kein Götterohr. 


Berbirg mich, o Erde! 


= 
ao 


Sie fliegt uf mi, die Brut — | ..... des Orkus Brut! 
Fels ſtürz' ein und werde | Stürze Fels... 
Mein Grab — fie kömmt — ha! ... fonmt ... 


weihe Wuth — 
Bald Mebt an ihren Klaun mein 
Blut -- 


Das Chor. 
93 Tag, der trauervoll beganıı, 
Freudetrunken ſollſt du enden, 
Zündet Hochzeitfadeln an, 
Eilet, Becher auszufpenden! 
Schmüdt den Sieger, ſchmückt die 
Braut, 
Mit den fchönften Blumenkränzen; 
Drehet euch in Reihentänzen, 
190 Singet Hymnen, finget laut! .... jauchzet .. 
123 O ſtimmet Lobgeſang, ihr Chöre, Im höchſten Feierton, .. 
Singt meinen göttlichen Freund, 
Der, einzig werth der Gottheit Ehre, | ... Götterehre, 
Midy gütig mit ſich vereint. .liebend ſeinem Geſchick .. 
Wenn ihr in ſtillen Nächten 
Uns bey den Sternen glänzen ſeht; 
So kniet und dankt den Mächten, | 
130 Die zum Olympus uns erböht! | 


Die darauf bei Behr noch folgenden zwölf Zerje find von 
Matthiffon geftrichen worden. Zum Schluß die beiden Gedichte 
Behrs, die Ranıler „verbeffert” hat, zugleich ınit den Abänderungen 
Matthiſſons: lehrreich für den Mechfel des Zeitgefchmads und nicht 
ohne Intereſſe für dichteriiche Technik. 

I. Shwäarmersi. 


... ſchimmern .. 


Behr. Ramler.!) Matthiffon. 

Wie zärtlih feufzt die ſeufzet Aedon'?ı ... ſchlug .. 

Nachtigall! 
Gewiß, fie kllaget derRatur .. er .. klagte .. 
Des Weibchens Tod; ihr .. fein Trauerton 

ſüßer Schall, ... dem füßen .. 

4 Voll ſanfter Wehmuth, füllt Erfüllt mit Schmerz die 
die Flur. Flur. . . ſchwieg .. 


1) vyriſche Rlumenleſe 1774, Auch II, S. 118. 

2, Ramler jagt in der Anmerkung „Die Nachtigall heißt im Griechiſchen 
Aedon und wird von dem deutſchen Lichter ſehr bequem für das Männchen der 
Nachtigall angenommen, obgleich das Wort bei den riechen weiblichen Geſchlechtes 


Daniel Jacoby, Der Berfaffer der Gedichte eines polnifchen Zuden. 245 


Sie ladet mid) zu feufzen | Er... 
ein: 
Ich fühle eh: ganzes | Mitleidig übt ih feinen)... fühl’ ihr g. tiefes... 


merz; 
Ich fühle durch ihr Lied |. .fühl’ ihn doppelt, eigne.. 
die Bein 
8 Vermehrt, in der ich jelbft | Zerreißt mein weiches Herz. 
vergeh’! 
Zu weldjer Qual ward 
mir die Luft, 
Die ich für uprerganglich 
t 


ielt, 
Die ic) jüngft an an alen? Seit ih fie an Thami⸗ .. an Philaidens .. 
rens 
12 In füßer Erunfeneit ge- Voll Trunfenbheit . 
hit. 


Ich meynt’, al3 mir ıhr | Bol Truntenheit hab’ ih |.. wähnt' ... Blid.. 
Mund geladıt: gedacht 
Die ſchon, gleich Huldgöt-.. wie H. 
tinnen, ſey, 
Die wär’ auch von des .. ſey 
Todes Macht, 
16 Gleich Huldgöttinnen ewig Wie H. frey. 


frey. 
Itzt gehn die Tage fin- Nacht wird mein künftig | Jetzt .... 
fter hin, Leben feyn, 


Der Schönen augen janftes |. . Himmelblauen Augen... 
Li 


Das mild, wie Frühlings: Wie Frühlingsfonnen mild 


jonnen, ſchien, und rein, 
20 Erhellt nun meine Sceele|.. den Geift mir... 
nicht. — 
Pit ſüßer Stimme, | Dein Singen lindert deine | Du linderſt wohl, o . 
Sängerinn, Fein 
Erfinderft du dir deinen | O Aedon! du bift be: | Dit ſüßer Stimme ... 


Schmerz: glück. 
Dir ijt die Findrung nicht, Sch muß der v. mid ver | Die V. ift mir... 





verlichn, eihn: 
24 Denn ftummer Sram zer: | Mein Lied im Mund’ er: 
nagt mein Herz. | ſtickt. 
II. Sehnſucht nach dem Frühlinge. 
Behr. Ramler.) Matthiſſon. 
Holder Frühling! kehre 
wieder, 


Und belebe die Natur! 
Sieb der Nachtigall die .. 
Lieder, 





den Nachtigallen .. |.. den Nachtigallen .. 


Blumen g. der öden .. 





4 





— der Flur! | 


it”. — Übrigens hat Klopftod einer der früheften Oden 1748 den Titel „Aedone* 
gegeben, erft jpäter „Bardale”. Auch im Text war die frühere Pesart Acdon, vgl. 
Klopßocks Oden von R. Borberger, S. 49. 

) a. a. ©, Bud V, S. +24. 


246 Mar Morris, Ter Schuhu in Goethes Bögeln. 


Gieb das Grün dem Thal .. sein grünes Kleid dem... u jeın lichtes Grün dem... 


und Hügel, 
Und den Wäldern then ; Und dem Hain fein dunk⸗ 
ıbr Daar, les ... 
Gieb den Zephyrn  ıbre | 
Slügel, 
8 And die Freude ruf ına | 
Jahr! 
Tag Hirtinnen dann und .. die Hirten u. Hirtinnen 
Hırten, ' 
Um den Schlaf den Alu- In dem füblen Qucden: .. die Ztim... 
menkranz, baın 
In dem Schatten dunkler Wieder ıbren Tanz be- Sich mit Amorn, unter... 
Morten, ginnen, 
12 Froh ſich dretrn im Re: Kbren Wettgeiang erneun. Trebn im jchönften ... 
sentan). — 
Ah! vielleicht lieſt Roſa- Und ich meine 
unde 
Kir um Aug' dann mc In dem kublen Buchen: Die lettte Strophe ge- 
nen Schmerz: barn ſtrichen. 
BRillzgt, was ch lem Wieder einiam wandelnd 
piende, nnde 
180 Schule za veene ninz Und wir uniern Bund 
ıbr Der. erneun 


Der Schuhu in Goethes Vögeln. 


Kon Mar Morris in Charlottenburg. 


Am 24. Oktober 1780 ichreibt Friedrich Jacobi an Heinſe: 
„Gegenwärtig bat Goethe eine Ariſtophaniſche Komödie, „die Vögel“ 
betitelt, in der Mache, worin Klopftock als Uhu, der junge Kramer 
ala Ente die vornebmiten Rollen ipielen. Was wir Nnebel davon 
hinterbracht bat, iſt meiſterhait geitelle“ Zöppritz, Aus F. D. Jacobis 
Nachlaß, Leipzig 186%, 1, 40. Dieſe Angabe Jacobis iſt bisher 
jaſt durchweg acceptiert worden. Nur Julian Schmidt hat einmal 
daraui hingewieſen, daß de Züge des Schuhu dazu gar nicht recht 
ſtimmen wollen:! aber jan Einipruch bat keine Reachtung gefunden — 
m den Kommentaren und Biographien runder ſich noch Immer un— 
weigerlich die Notiz: Im Schuhu it Nlopitef verivotter. Gehen wir 
einmal durch, was von dieſent Schuhn mitgeteilt wird. 

„Ieir baten gebört, dar auf dem Gipiel dieies überhoben Berges 
ein Schuhn wohnt, der mit nichts zufrieden tt, und dem wir deß— 


Sg audi Die Vegel, berausgegeben von Arndt, Yorng 1887. 


Dar Morris, Der Schuhu in Goethes Vögeln. 247 


wegen große Kenntniffe zufchreiben.” Die Unzufriedenheit mit den 
Leiftungen Anderer könnte für Klopftod allenfalls paffen; weshalb er 
auf dem Gipfel eines überhohen Berges wohnt, bliebe unklar, und 
große Kenntniffe find ihm faum zugefchrieben worden. 

„Sie nennen ihn im ganzen Lande den Kritifus .... Hier, 
mein Freund, ijt das Rüſt- und Zeughaus unferes alten, großglas- 
äugigen Kritifus .... Lauter neue Bücher, die er nach dem Geruche 
recenfirt hat... . Sie fpüren ihren nächtlichen Feind, den mächtigen 
Kritifus.” Klopftod war durchaus fein Kritikus; in feinen fämtlichen 
Werfen finde ich eine einzige Recenfion (Beurteilung der Windel: 
manniichen Gedanken über die Nachahmung der griechifchen Werfe 
in den jchönen Künften) aus dem Nordifchen Aufjeher von 1761. 
Das war aljo damals fajt 20 Jahre her. 

„Er fit den Tag über zu Haufe, und denft alles durd), was 
die Leute geitern gethan haben, und ift immer noch einmal fo geſcheidt 
al3 einer, der vom Rathaufe fommt .... Uber was verlangen die 
Herren mein Urtheil?" Klopftod hatte für die Leiftungen Anderer 
gar fein teilnehmendes Intereſſe. 

„Ich habe meine rechte Freude daran, allen Vögeln bange zu 
machen .... Es ijt aber aud) einer oder der andere ſich bewußt, 
daß ich ihm feine ungen anatomirt habe, um ihm zu zeigen, wie 
er ihnen hätte follen rüjtigere Flügel, ſchärfere Schnäbel!) und 
wohlgebautere Beine anfchaffen.” Das Hat Klopftod nie gethan. 

„Nimm zuerjt diefen fnotigen Prügel, womit der Kritifus alles 
junge ©eziefer auf der Stelle breit zu jchlagen pflegt! Nimm dieſe 
Peitichen, mit denen er, fid) gegen den Muthwillen waffnend, die 
Ungezogenheit nod) ungezogener macht! Nimm dieſe Blasröhre, 
womit er ehrwürdigen Leuten, die er nicht erreichen fann, Letten« 
fugeln in die Perrüden fchießt." Kein Wort trifft für Klop- 
tod zu. 

„Hier nimm dag Zintenfaß und die große Jeder ..... Die 
nachbenannten Geräthichaften müſſen coloffalifh und in die Augen 
fallend fein, bejonders die Feder und das Zintenfaß.” Klopjtod war 
gar nicht ſchreibluſtig. | 

„Hier jind die großen Lerifa, die großen Krambuden der Lite 
ratur, wo jeder einzeln fein Bedürfniß pfennigweife nad) dem 
Alphabet abholen kann.“ Klopſtock war fein eigentlicher Gelehrter. 
Und ebenjo wenig trifft es für ihn zu, wenn Hoffegut vom Schuhu 
jagt: „(Er gleicht) dem Gufguf, denn er legt feine Eier in fremde 


1) Der Tert bietet: „ſchärfere Flügel, rüftigere Schnäbel”. Die Berbefferung 
diejes offenbaren Diktier- oder Schreibfehlers, der fich bis in die Weimarer Aus» 
gabe fortgepflanzt hat, ift ſchon von Köpert (lIber Goethes Vögel. Altenburg 1873) 
verlangt worden. 


248 Mar Morris, Der Schuhn in Goethes Vögeln. 


Neſter.“ Diefe lette Wendung giebt uns nun aber die Löjung: 
Ramler iſt gemeint. 

Dichtung und Wahrheit, Buch 7: „Ramler iſt eigentlich mehr 
Kritiker als Poet. Er fängt an was Deutſche im Lyriſchen geleiſtet 
zu ſammeln. Nun findet er, daß ihm kaum ein Gedicht völlig genug 
thut; er muß auslaſſen, redigiren, verändern, damit die Dinge nur 
einige Geſtalt bekommen. Hierdurch macht er ſich faſt ſo viel Feinde 
als es Dichter und Liebhaber giebt.“ Allgemeine deutſche Biographie: 
„Die litterargeſchichtliche Bedeutung Ramlers beſteht in dem Anſehen, 
welches feine Zeitgenoſſen feinen kritiſchen Urtheile beilegten ..... 
Nach feinem kritiſchen Bedünfen ohne individualifirende Schonung 
corrigirte er — und dies wurde mit dem Jahren ſeine bedenflichfte, 
heftig befehdete Eigenthiimlichkeit, die Dichtungen vieler Anderer, und 
gab fie jo — mit und ohne deren Erlaubnig und Namen — heraus, 
L. H. von Nicolay, J. N. Götz, M. E. Kuh, Tichtwer u. f. w. 
Götz und Kuh bejigen wir in Folge dejjen nur in Ramlerjcher Ber: 
kleidung.“ 

Das alſo iſt die grauſame Anatomierkunſt unſeres kritiſchen 
Schuhu, das iſt die Kukuksart, ſeine Eier in fremde Neſter zu legen. 
„Ich habe noch nicht geſehen,“ ſagt der Papagei von ihm, „daß 
einer etwas gemacht hat, den er nicht hinterdrein mit der Naſe aufs 
Beſſere geſtoßen hätte.“ Seine grauſame Paſſion übt der Schuhu 
ganz blind und unterſchiedslos aus, und cs iſt ihm im Grunde 
gleich, was ihm unter die Krallen kommt — er verfteht ſich alio 
gar nicht auf Singvögel. „Wo er eins icines Zingvogels) habhaft 
werden kann, ſchnaps! hat er's beim Nopfe und rupfts. Kaum ein 
paar hat er auf mein inſtändiges Bitten hier oben leben laffen, und 
juſt nicht die beften .... . Mäuſe find't er jo delicieur wie Lerchen 
und die Tchönfte Lerche Ichnabelirt er wie eine Diaus.” Was von jo 
einem Poeten Zingvogel übrig bleibt, über den der Kritifus kommt, 
jagt uns der Papagei: „Gebeine und Gerippe ... das ift alles, 
was er von jeinen Mahlzeiten übrig läßt.“ 

Tas Anatomierbild gehört zum alten VBildervorrat Goethes. 
Tilettant und Kritifer Werke 2, 205: 


Geht wohl au; 
Aber 08 feble noch manches dran. 
Die Federn, zum Exempel, ſind zu durz gerathen — 
Da fing er an, rupft' ſich den Braten. 
Der Knabe öchrie. Fu mußt ſiärkre einſetzen, 
Sonſt ziert's nicht, ſchwinget nicht. -- 
La war's nackt -- Mißgeburt! — und in Fetzen. 


Mit einem ähnlichen Bilde wie das vom Anatomieren wird Ramler 
im Meneſten von Plundersweilern verſpottet. 


Dar Morris, Der Schuhu in Goethes Vögeln. 249 


Die aufgehängten Beden hier 
Verkünden Euch den Herrn Barbier, 
Dem wo er irgend Stoppeln fieht 
Das Meſſer untern Händen glüht. 
Und er rafirt, die Wuth u stillen, 
Zwar gratis aber wider Willen, 

Und bei dem ungebetnen Schnitt 
Geht auch wohl Haut und Nafe mit. 
Welch ein Palaft am End’ der Stadt 
Iſt's, wo er feine Bude bat... 
Mit großer Luft und großen Glüd 
Hält ıhr Serail hier Frau Kritik. 


Den Einfall, Ramler als Barbier darzuftellen, hat Goethe von 
Chodowiecki übernommen. Es war jchon ſeit längerer Zeit befanmt, 
daß Chodowiecki Namler wegen feiner eigenmädhtigen und willfür- 
lichen Kleiftherausgabe verfpottet hatte, indem er ihn zeichnete, wie 
er den im Sarge liegenden Kleift barbiert, und darauf hin hat jchon 
Henkel, Goethe-Jahrbuch 14, 274, angenoinmen, daß Goethes Verſe 
von Chodowieckis Zeichnung infpiriert feien. Zum Erweife fehlte 
aber nod) der Einblid in den zeitlichen Zufanmenhang und in die 
Gelegenheit für Goethes Kenntnisnahme von der Zeichnung. Diele 
jelbjt ift entweder nicht erhalten oder nod) in der Mappe des 
Sammlers begraben; jedenfalls ift fie in der Kunſtwiſſenſchaft un— 
befannt, wie mir der Chodowiecki-Kenner von Dttingen mitteilt. 
Es war mir nuun zunächſt nicht möglich, die Quelle der in ver» 
fchiedenen neueren Büchern befindlichen Notiz über Chodowieckis 
Zeichnung aufzufinden; die Nachricht ließ fich nicht über Gervinus 
zurüdverfolgen. Das wird aber aud) unnötig durch einen von Augujt 
Eauer mir freundlic” zur Verfügung gejtellten ungedrudten Brief 
Goeckingks an Gleim von +. Dezember 1778, der diejelbe Thatjache 
bezeugt: „Bey Chodowiecfi hab ich einen jehr angenehmen Nach— 
mittag zugebradht, denn außer feinen Gemälden wieß er mir aud) 
Zeichnungen vor, die er wegen ihres fatyrifchen Inhalts niemals in 
Kupfer ſtechen nnd nie aus den Händen geben wird. Und dennod 
thäten fie vielleicht mehr Würfung al8 irgend ein Epigranı, 3. B. 
die Zeichnung, wo Ramler den im Sarge augsgejtredten Kleiſt barbiret, 
mit der Unterfchrift: Laßt die Todten ungeichoren.” !) 

Goethe war num ein halbes Jahr vor Göckingk während feines 
Berliner Aufenthaltes zweimal bei Chodowiecki. Er bejuchte ihn am 
16. Mai und dann noch einmal in Begleitung des Herzogs Karl 
Auguft am 20. Mai. Daß Ehodowiecki feinem großen litterarifchen 


— 





1) Die wörtlihe Übereinftimmung diefer Stelle mit der bisher über die 
Zeihnung umlaufenden Notiz läßt vermuten, daß auch für die letztere dev citierte 
Brief, wenn auch fonft ungedrudt, die Quelle vorftellt. 


4 


250 Mar Morris, Der Schuh in Goethes Vögeln. 


Gaſte damals unter anderem aud) dieje litterarijche Zeichnung vor: 
gelegt hat, dag zeigt fidh eben darin, wie dieſes aparte Motiv zwei 
Jahre jpäter im Neueften von PBlundersweilern erfcheint. — 

Wie fommt nun Ramler unter die Vögel und was will die 
ganze Satire? 

Der Schuhu wohnt auf dem Gipfel eines überhohen Berges. 
Der Berg ift dann aljo Preußen, der Gipfel Berlin. Die Wohn: 
jtätte des Schuhu ijt prächtig genug. „Sieh dod), jieh, das ſchöne 
Gemäuer dahinten! Iſt's doc), als wenn die Teen es hin gehert 
hätten. — Hoffegut. Entzüdjt du did) wieder über die alten Sieine?“ 
Goethe jchreibt am 17. Mai 1778 aus Berlin an Frau von Stein 
von der „Pracht der Königsftadt”. 

Diefer Berg, auf dem der Schuhu wohnt, ijt aljo „überhoch“. 
Tas flingt in dieſem Zulammenhange Icon etwas antipreußiſch. 
Und nun wird dem Nogelmotiv noc, eine deutlichere Spitze gegen 
Preugen abgewonnen. „Im Norden ijt jet das Bild des Adlers in 
der größten Verehrung: überall jeht ihr's aufgeftellt, und wie vor 
einem Heiligen neigen ſich alle Völker, wenn er auch von dem 
ſchlechteſten Sudler gemalt oder geichnigt worden iſt. Schwarz, die 
Krone auf den Haupt, jperrt er jeinen Schnabel auseinander, ſtreckt 
eine rothe Zunge heraus und zeigt ein Paar immer bereitwilfige 
Klauen. So bewahrt er die Landitragen, iſt das Entjegen aller 
Schleihhändler, Tabadsfrämer und Tejerteure. Es wird niemanden 
recht wohl, der ihn anſieht.“ Dieje letzte Wendung ift für uns um 
jo mejentlicher, als fie ganz aus dem Tone füllt und alſo um ihrer 
jelbjt willen dajteht. Treufreund rühmt ja den Vögeln gerade die 
Pracht und Würde des Vogelweſens. 

Das Preußenweſen war Goethe zwei Jahre zuvor bei ſeinem 
Aufenthalte in Berlin nahegetreten. Seine Empfindungen dabei haben 
wir im dem Briefe an Frau Stein, Berlin, 19. Mai 1778: „So 
viel kann id) jagen je größer die Welt dejto garftiger wird die Farce 
und ich jchwöre, feine Zote und Eſeley der Danswurftiaden ift fo 
eckelhafft als das Wejen der Groſen, Mittlern und Kleinen durdh 
einander .... Aber den Werth, den wieder diejed Abenteuer für 
nich für ums alle hat, neun id) nicht mit Nahmen. — Ach bete die 
(Hötter an umd fühle mir doch Muth genug ihnen ewigen Haß zu 
ſchwören, wenn fie jid) gegen ung betragen wollen wie ihr Bild die 
Menſchen.“ Tas waren jeine Berliner Eindrüde Dazu kam nun 
nod) die bängliche Empfindung, mit der der Weimarijche Deinifter 
auf den umbequemen und gewaltiamen Nachbarſtaat blickte. Am 
18. März 1778 ichreibt er an Merd: „Jetzt macht uns aber der 
Eindringende Krieg ein ander Wejen. Ta unfer Kahn auch zwiſchen 
den Trlogichiffen gequeticht werden wird.” Und jo kam es aud. In 


Mar Morris, Der Schuhu in Goethes Vögeln. 251 


dem nun beginnenden Kriege — e3 iſt der bayrijche Erbfolgefrieg — 
nahmen preußische Sulauen vom Korps des Generals Möllendorf 
auf Weimariichen Gebiete gewaltſame Werbungen vor. Darüber kam 
es zu einem Notenwechjel mit Friedrich dem Großen. Goethe jekt 
in einer umfangreichen Eingabe an Karl Auguft vom Ende Januar 
1779 die fchwierige Situation auseinander und beipricht refigniert 
die geringen Ausfichten der verfchiedenen Maßregeln, die ſich etwa 
ergreifen ließen. Inzwiſchen trat das Ende des Krieges ein, und fo 
verlief der Konflikt im Sande. Die Einpfindungen des Schwädheren, 
dem der Starke Unredht zufügt, hatte Goethe damals Gelegenheit 
fennen zu lernen. In der Schilderung des Adlers mit den immer 
bereitwilligen Klauen, bei deſſen Anblid niemand recht. wohl wird, 
haben wir die „stille unverfängliche Rache” des Weimariſchen Diinijters, 
die freilich harmlos und milde ericheint, wenn man etwa Heines böfe 
Verſe auf denfelben preußifchen Adler damit vergleicht. 

Du bäßlicher Vogel! Dir du dereinf 

Mir in die Hände fallen, 

So rupfe id) dir die gen aus 

Und haue dir ab die Kraflen. 

Künſtleriſch iſt die Adlerfatire der beiden Dichter gleich unwirf- 
fam. Der eine läßt es an dem Zropfen Gift fehlen, der ein folches 
Getränf würzen muß, der andere füllt das Gefäß bloß mit Gift 
und Galle. 

Bei jeiner Umdichtung läßt alfo Goethe alles Atheniiche fallen 
und erſetzt es durd) Berlin und das Preußentum. Politiſch wird die 
preußifche Art nur in diefen furz aufbligenden Schlaglichtern gejtreift, 
Namler aber al3 der litterariiche Vertreter des Preußentums rückt 
in den Mittelpunkt der Darftellung. In das Bild des Schuhu flieht 
auch ein Zug von Nicolai ein: die große Peitfche, mit der der 
Schuhu, jid) gegen den Mutwillen waffnend, die Ungezogenheit noch 
ungezogener macht. Rauiler jelbjt war friedfertig: Nicolai aber, alg 
der nächſt Ramler hervorragendite Berliner Schriftiteller, gehört 
ebenfalls hierher, und durch die Aufnahme diejes Nicolaifchen Zuges 
erweitert ji) das Bild des Schuhu zum Spott und Zerrbilde des 
preußifchen oder berlinifchen Litteraten. 

Der Schuhu it aljo fein ganz einheitliches Gebilde. ES jtedt 
aber in ihm noch eine weitere zunächſt ganz fremdartig ericheinende 
Spige, und zwar gegen Auguft Ludwig Schlözer in Göttingen. 

Von 1776—1782 gab Schlözer, geitügt auf viele perjönliche 
Verbindungen, die er fich auf weiten Reifen erworben hatte, feinen 
„Briefwechfel meiſt Hiftorifchen und politiichen Inhalts” in 60 Heften 
heraus. Er bringt darin Korrefpondenzen aus allen Kulturländern 
‚über jtatiftiiche, fommerzielle, politiſche, niemals über litterarifche 


252 Mar Morris, Ter Schubu in Goethes Vögeln. 


Gegenjtände. Die Tendenz iſt auf Belehrung, nicht jelten aber aud) 
auf Abftellung von libelftänden gerichtet, und, ganz wie gegenwärtig 
radikalen Zeitungen, wurden ihm zuweilen auch geheime Aftenjtüce 
und Mitteilungen, die nur durch Bruch der Aıntsverjchwiegenheit 
an ihn gelangen Tonnten, zugeftellt, umjomehr, als er die‘ Anony— 
mität feiner Korrejpondenten jorgfältig wahrte. Der Briefwechiel 
fand viel Beachtung und hatte einen ftarfen buchhändteriichen Erfolg, 
er wurde zeitweilig in mehr als 4000 Ereniplaren abgejegt und eine 
Anzahl von Heften mußte in verjchiedenen Auflagen neu gedrudt 
werden. Auch Goethe verfolgte das Unternehmen; er fehreibt am 
2. Mai 1782 an Frau von Stein: „Dazu hab ich Schlözers Brief: 
wecjiel .... gelejen” umd ebenfo am 11. April 1783: „Bier ein 
Schlözer.“ Eben während die Vögel entftanden, erregte die Angelegen: 
heit des Paſtors Wajer in Zürich großes Aufjchen. Tiefer war wegen 
eines Artikels in Schlözers Briefwecjel, worin eine Verwendung 
des Züricher Kriegsfonds zu Privatzweden behauptet wurde, in Unter: 
ſuchung gezogen, und da ich von ihm jelbft begangene Fälſchungen 
und Entwendungen herausftellten, am 27. Mai 1780 hingerichtet 
worden. Yavater verfaßte eine Schrift über die Angelegenheit und 
ihickte fie Goethe zu. Tiefer antwortet am 13. Oktober 1780: 
„Schlözer ſpielt eine jcheusliche Figur im Roman und ich erlaube 
mir eine herzliche Schadenfreude, weil jein ganzer Briefwechſel die 
Unternehmung eines jchlechten Deenjchen iſt.“ 

Der Schuhu jagt nun: „a, id) habe Correſpondenz mit affen 
Malcontenten in der ganzen Welt; da erhalte ich die geheimften 
Nachrichten, Papiere und Tocumente: und wenn man ımit Leuten 
jpricht, die unzufrieden find, da erfährt man recht die Wahrheit.“ 
Ans dieſer Stelle hat Julian Schmidt Im nenen Neich 1880, 1, 939) 
geſchloſſen, daß Goethe hier auf Schlözer zielt, und durch eine Lesart, 
die Julian Schmidt noch nicht fannte, da ſie erft 1894 im der 
Weimarer Ausgabe herausgefommen it, erfährt jeine Vermutung 
eine glänzende Betätigung. Gegenwärtig erwidern nämlid Treu— 
frennd, Hoffegut und der Papagei auf die Worte des Schuh mit 
ironiſchen Beltätigungen: „Sanz natürlich." — „Ohne Zweifel.” — 
„O gewiß.“ In den beiden in Gotha und Weimar befindlichen 
Dandjchriften antwortet aber ftatt deifen Treufreund: „Da können 
jie ja ehiter Tage einen Brieiwechtel heraus geben?” Goethe hat dieſe 
Stelle alto als gar zu deutlich und verlegend im erſten Drud 1787 
geitrichen. Er hatte auch inzwiichen Schlözer perjönlich kennen gelernt. 
Am 18. Oktober 1784 ſchreibt er an Karl Auguſt: „Schlözer it 
bier und bedauert jehr Ahnen nicht anfıvarten zu können. Buchholz 
hat ihm den Lufthallon fteigen Laifen, ich hoffe, der dentiche Aretin 
wird von dieſer Arherijchen Ehrenbezeugung ſehr geichmeichelt fein. 


Mar Morris, Der Schuhu in Goethes Vögeln. 253 


Knebel ift jeinetwegen aus Jena gewichen und befindet fich in 
Tiefurt.“ 

Auf Sclözers Kritif der politifchen Dinge in allen Ländern 
zielt dann nod) die weitere Stelle: „Schuhu. Sein Sie verfichert, 
fein Volk in der Welt weiß ſich aufzuführen und fein König zu 
regieren. — Hoffegut. Und Sie leben doch alle. — Schnhu. Das 
ift eben das Schlimmſte.“ 

Ich habe nun ernjtlicd) geprüft, ob man nicht auf dieſe zwingende 
Beobachtung Julian Schmidts hin Ramler fallen lafjen müffe, aber 
dag geht durchaus nit an. Der Schuhu jtammt zunächft aus der 
rein litterariichen Sphäre Er fragt die beiden ‘Freunde, ob fie 
Schriftiteller jind, und anf die bejahende Antwort erflärt er: „Da 
gehören Sie vor meinen Stuhl.” Auch die graufame Anatomierkunit, 
die er an Singpögeln übt, von denen er nur wenige, umd juft 
nicht die beiten, leben läßt, jeine Sleichgiltigfeit, ob er eine Lerche 
oder Maus vor ſich hat, die aus Gebeinen und Gerippen bejtehenden 
Überrejte der Vögel, die er unter den Krallen gehabt hat, fein Ver— 
hältnis zum Papagei, der den Typus des empfindfamen Leſers vor- 
jtellt, die Spigen auf Berlin und Preußen — das alles zeigt deutlich, 
daß wirklich Ramler, und zunächſt er allein, in der Schuhumaske 
ftedt. Aber Goethe hat das Bild des Schuhu mit einem Zuge von 
einem anderen ſuperklugen Beſſerwiſſer — fo erichien es ihn wenig: 
ſtens — aufgejtußt, der auf politiſchem Gebiete — gerade wie Ramler 
auf litterariſchem — alles, was in der Welt geſchah, hinterdrein vor 
ſeinen Richterſtuhl zog. Dieſer vereinzelte Zug ändert nichts an der 
dem Ganzen zu Grunde liegenden antipreußiſchen Geſamttendenz. 

Die Satire richtet ſich nur gegen den unbequemen Nachbarſtaat 
und das preußiſche Weſen im allgemeinen, nicht gegen Friedrich 
den Großen. Die vereinzelte Wendung: „Wir wollen's machen, wie 
alle Eroberer, die Leute todtſchlagen, um es mit ihrer Nachkommen— 
ſchaft gut zu meinen“ zielt wohl nicht auf den großen König ſpeziell. 

Die Vögel ſtehen mit ihrer Tendenz in Goethes Werken nicht 
ganz einſam da. Goethes ganze Nicolai-Satire, ferner die Aus— 
laſſungen über die Berliner Akademie in dem verlorenen Geſpräch 
an der Frankfurter table d’höte, die Mufen und Grazien in der 
Mark, die Kenien für Ramler und für Berlin im Almanad) gehören 
in diefelbe Richtung. Und weiter al8 bi3 zu einer Fühlen und 
rejervierten Beobachtung der berlinifchen und preußifchen Dinge Hat 
es Goethe auch trotz Zelter nie gebrad)t. 

Satire auf Berlin haben wir übrigens jchon im ewigen Juden. 

Sie waren bald der Stadt jo nah, 
Daß man die Thitrme Elärlich jah. 
Ach, ſprach mein Dann, bier ift der Ort, 
Aller Wünſche fichrer Zriedensport, 


254 Mar Morris, Der Schuhu in Goethes Vögeln. 


Hier ift des Landes Mittelthron. 
Gerechtigkeit und Religion 
Spediren wie der Selzerbrunn 
Petſchirt ihren Einfluß ringsherum. 


Der protejtantijche Mittelthron des Landes — das fann wohl 
nur Berlin fein. Das Gegenftül dazu — Ehrijius in Rom — hat 
Goethe in Italien geplant. 

Neben den bejonderen antipreußiichen Spipen gelangen nun 
beiläufig allgemeine Schriftitellerichmerzen zum Ausdrud: der Nad): 
drud und die färglichen Honorare. Wenn Zreufreund mit einem 
etwas befremdlichen Bilde jein Verhältnis zu den Vögeln darftellt: 
„Ein Prinz, deſſen Eltern von Reich und Krone vertrieben worden, 
der feiner Sicherheit wegen in armjeligen Hütten bei Fiſchern fein 
Leben zubringen muß — wird durd den Zufall einem Freunde von 
Haufe, einem würdigen General entdedt; diefer eilt ihn aufzufuchen 
und wirft fich ihm zu Füßen“, fo ift das gewiß eine ſpöttiſche In⸗ 
haltSangabe eines damals beliebten chlechten Romans oder Dramas, 
deifen Ermittelung aber befjer einem glüdlichen Zufallsfunde über: 
laffen bleibt, da eine planmäßige Nachforſchung einen unverhältnis- 
mäßigen Aufwand von Mühe verurſachen würde. 

Der köftliche Untergrund des Ganzen ift die Abjpiegelung menjch- 
licher Art und Unart in den Vögeln. Das Publikum oder die Dienfchen 
überhaupt ala feine Vögel zu bezeichnen, ift von hier an lange eine 
Yieblingswendung Goethes geblieben. 

Den Hauptteil, die Gründung des Wolkenkukukheim, hat Goethe 
nicht ausgeführt.!, Was er dort bieten wollte, fehen wir in Treu⸗ 
freunde und Hoffeguts Schilderung der Stadt, die zu juchen fie 
ausgezogen find. Sie juchen jo eine weiche, wohlgepoljterte Stadt, 
jo eine, wo's einem immer wohl wäre, wo es einem nicht fehlen 
könnte, alle Zage an eine wohlbejegte Tafel geladen zu werden, wo 
vornehme Leute die Norteile ihres Standes mit den Geringeren zu 
teilen bereit wären, wo die Negenten fühlten, wie es dem Xolfe, wie 
cs einem armen Teufel zu Muthe ijt, wo reiche Leute Zinjen gäben, 
damit man ihnen nur das Held abnähme und verwahrte, wo 
Euthnſiasmus lebte, wo ein Mann, der eine edle That gethan, der 
ein gutes Buch geichrieben hätte, gleich auf Lebenszeit in allem frei 
gehalten würde, wo Water und Mutter nicht gleich fo gräßliche 


Wenn Frau Watb an die Herzogin Amalie am 14. Juli 1780 fehreibt: 
„Auf die Weimarer Vögel bin ıch außerordentlich neugierig und mich verlangt mit 
Schmerzen den Tialog zu baren zwiſchen einem Spaben und einem Zeißgen“, fo 
baben wir darın nicht etwa einen Zug aus der ‚yortfepung. Frau Kath kennt ja 
biev die Vögel noch gar nicht und fie malt ſich nur aus, was fie etwa zu er- 
warten bat. 


Mar Morris, Der Schuhu in Bocthes Vögeln. 255 


Gefichter fchnitten, wenn man jich ihren liebenswürdigen Töchtern 
nähert, wo Ehemänner einen Begriff von dem bedrängten Zuftande 
eines unverheirateten wohlgejinnten Jünglings hätten, wo ein glüd- 
(iher Autor weder Schufter noch Schneider, weder Fleiſcher noch 
Wirt zu bezahlen brauchte, wo ihm ein niedliches Schätschen ihre 
Annehmlichkeiten gratis aufdränge, weil er einmal gewußt hat, ihr 
Herz zu rühren. — Sie fuchen alfo das politiiche und bejonders 
das litterarifche Schlaraffenland, und Goethe hätte e8 hier vor 
unferen Augen aufgebaut. Die Preußenfatire wäre in dieſem 
zweiten Zeile als erledigt zurücdgetreten, und das bunte Gaufel- 
bild eines litterariichen Wolkenkukukheim hätte fich erhoben. Scharf 
und bitter auf diefer Erde beginnend wäre die Dichtung wie 
eine prächtige bunte Seifenblaſe ins heitere Reich der Illuſionen 
aufgeftiegen. So reich und groß war auch diefe Scherzdicdhtung 
intendiert. | 

- Bon Athen nach Ettersburg war nur durd) einen salto mortale 
zu gelangen, jagt Goethe. Der Sprung ift doch nicht übel ge- 
lungen. — Ä 

Wie kommt nun Jacobi zu feiner fo beitinnmt auftretenden 
Erklärung, in den Vögeln werde Klopjtod als Schuhu und Cramer 
als Ente. verjpottet werden? Er hat das keineswegs geträumt. - Wir 
haben in feiner Mitteilung in der That die. Grundlinien eines 
älteren Planes zu einer rein litterarifchen Vogelkomödie, die ihre 
Spite gegen Klopftod richten follte. Der Engländer Robinfon ſah 
in Frankfurt einen jett verloren gegangenen erjten Entwurf für das 
Bild zum Neuejten von Plundersweilern, der aus Kraus’ Beſitz 
dorthin gelangt war. Er berichtet darüber: „Another part of the 
pieture was a squib on Klopstock and his idolater. On a 
German oak sat an owl, from whose body there felt what 
was gobbled greedily by a duck, but enough of the droppings 
remained to make the words „Er und über ihn“ the title.of a 
book of exiravagant eulogy on Klopstock by ... (Cramer).” 
Weimarer Ausgabe 16, 409. 

Das Motiv: Klopftod als Schuhu und Cramer als Ente ift 
aljo zweimal geplant und zweimal verworfen worden: 1780 für die 
Bögel und dann im nächlten Jahre für das Neuejte von Plunders- 
weilern. Goethe hat Knebel von feinem urfprünglichen Vögelplan. 
erzählt, den er dann durd) die Preußenfatire erjegte, und jo erfuhr 
Kacobi davon, bei dem Knebel im September 1780 drei Tage ver: 
weilte. Wie num diefer Einfall in Goethe entjtand, die Ente Cramer 
verfchlingen zu laffen, was die Eule Klopftod fallen läßt, das zeigt 
das folgende Motto von: „Klopjtod. In Fragmenten und Briefen 
von Tellow an Elife. Von E. F. Cramer. Hamburg 1777—1778. 


256 Mar Morris, Der Schuhu in Goethes Vögeln. 


His flight my Klopstock took; his upward Flight 
If ever soul ascended. Had he dropt 

That Eagle genius! O had he let fall 

One Feather as he flew; I then had wrote, 
What Friends might flatter; prudent foes forbear, 
Rivals scarce damn and — reprieve. 

But what I can I must. 

Für die Feder, die der Adlergenius Klopſtock Hier fallen oder 
nicht fallen läßt, fett aljo Goethe — etwas anderes ein, das ihm 
Cramers durch die Versſchlüſſe drollig ijolierte Wendungen: „Had 
he dropt! o had he let fall” nahe legten und aus dem Adler 
macht er eine Eule. Zu der Darftellung Cramers als Ente mag 
nod) eine Stelle aus dem erften 1780 eben friſch erjchienenen Bande 
feines „Klopſtock. Er und über ihn” (S. 9) mitgewirkt haben: 
„Ich Schreibe, ich ſammle, wie mir der Schnabel meiner Feder ge: 
wachjen iſt.“ Als Klopjtods Ente hatte Cramer übrigens die Dreiftig- 
feit gehabt, bei Gelegenheit der befannten Einmiſchung Klopftods in 
Goethes und Karl Angufts Lebensführung Goethen, ſelbſt anzu: 
ſchnattern. Cramer an Goethe, 11. Oktober 1776: „Ubermüthigſter 
aller tibermüthigen. Wir kennen die ganze Eorreipondenz. Klopitods 
eriter Brief an Sie war edel, freundichaftlich, offen, war Alles — 
war Klopſtocks würdig, aber nicht Ihrer! Ihr Brief .... es ift 
ichwer, einen Namen dazu finden! SKlopftods Antwort, jehr gerechte 
Bezengung gerechten Unwillens. So wird jeder davon urtheilen, der 
Menſchenſinn hat. Das nennen Sie unerhörte Nmpertinenz!! Klop— 
jtod wandte fich um, al8 Ihrer gelefen war und fagte fo gelaffen 
und falt wie möglich: Itzt veradhte ich Goethen.“ (Im neuen Reich 
1874, 2, 338.) 

Das waren alfo die menfchlichen Berhältniffe, Die dem urfprüng- 
lihen Plan einer jatirischen Darftellung des deutichen Xitteratur- 
weſens im Rahmen von Ariftophanes’ Vogelfomödie zu Grunde 
lagen. Klopftod und Eramer hätten als Eule und Ente darin die 
jelbe Stellung eingenommen wie jegt der Schuhu und fein Papagei. 
Tie menſchlichen Dinge jind wandelbar — ſechs Jahre zuvor hatte 
Lotte den Sefühleinhalt eines geweihten Augenblide in dem Namen 
Klopſtock zufammengefaßt und Werther dazu ausgerufen: „Edler, 
hätteit du deine Nergötterung im diejem Blide geleſen und möchte 
ich) nun deinen fo oft entweihten Namen nie wieder nennen hören.“ 

Der urfprüngliche Plan mußte dann dem frifcheren Ärger über 
das Preußenweſen weichen, und fo kam Ramler durch die Konfequenz 
des ſatiriſchen Grundgedankens, nicht durch unmittelbare Bedeutung 
fir Goethe, zu feiner Schuhu-Rolle. Die urfprünglich fir Klopftod 
beſtimmte, durch Abminderung aus Cramers „eagle genius” ent: 
jtandene Euleumaske wird dabei auch fiir Ramler feitgehalten, und 


Mar Morris, Der Schuhu in Goethes Vögeln. 257 


da diefer feinen ſolchen Zrabanten hat, der in die Entenrolle ein- 
treten fönnte, jo jchafft Goethe zum Erſatz im Papagei ein Spottbild 
des cempfindfamen Lejers und bewahrt jo wenigjtens die wirffame 
Gruppe vom Herrn und Diener. 

Diefe Anderungen gefchahen durch wirkliche Umarbeitung. Karl 
Auguſt an Knebel, 15. Juni 1780: „Goethe foll in eben diejer Zeit 
ein Stück dazu (zu Öſers Decorationen) verfertigen; er wirds thun 
und die angefangenen Ariſtophaniſchen „Vögel“ dazu nehmen.” Ferner 
Goethe an Knebel, 24. Juni 1780: „Den erſten Ackt der Vögel, 
aber ganz neu, werden wir ehſtens in Ettersburg geben.“ Von dem 
älteren Plane, wie er Karl Auguſt und Knebel bekannt war, exiſtierten 
alſo, wie, dieſe beiden Stellen zeigen, ſchon ausgearbeitete Bruͤchftüce, 
als die Äuderung der Tendenz bejchloffen wurde, und von dieſer 
älteren Faſſung hat Goethe beim Umdiktieren an das nachjichreibende 
Fräulein von Göchhauſen durd) Verjehen oder Gleichgiltigfeit einige 
Wendungen zu befeitigen unterlaffen, denen nod) die Spige gegen 
Klopftod anhaftet. Wenn der Schuhu jagt: „Wo finde ich Worte, 
die eure Ungezogenheit ausdrüden? ... Schändlih! und was 
ſchlimmer ift, abſcheulich! und was ſchlimmer ift, gottlos! und was 
ſchlimmer ift, abgejchmadt!” fo hören wir den Goethe und Karl 
Auguft mit feinen moralijierenden Vorwürfen verfolgenden Klopſtock 
und ihm gelten aud) die Worte des Papagei: „So einen ernithaften 
Mann, den Bogel der Bögel.” Das Merkmal der Ernfthaftigfeit 
wird fiir Klopſtock aud) in Dichtung und Wahrheit, Bud) 10 hervor- 
gehoben: „Ein gefaßtes Betragen, eine abgemefjene Nede, ein Lako— 
nismus, ſelbſt wenn er offen und entjcheidend ſprach, gaben ihm 
durch fein ganzes Leben ein gewiſſes diplomatifches, minifterielles 
Anjchen. .... Und indem er die Schritte feines Lebens bedächtig 
vorausmißt ...“ Der legteren Stelle entipricht dann genau der auf 
Klopſtock zielende Ber im deutſchen Parnaß: „Dieſen jeh ich erniter 
wandeln." (Vgl. Morris, Goethe-Studien 1, 41.) 

Daß Senebel noch im September 1780 Jacobi die von dem 
Dichter inzwijchen ſchon beijeite geichobene Klopftod-Cramer-Satire 
al3 den Inhalt der Vögel mitteilt, Hat nichts Auffälliges. Goethe 
fchrieb ihm zwar am 24. Inni nad) Zürich, daß der erfte Aft ganz 
neu fein würde, ader worin diefe Umänderung bejtand, Tonnte er 
Kacobi, den er anf der Heimreiſe befuchte, nicht mitteilen. Zwar 
Ichrieb ihm Goethe am 13. Auguft: „Du findft fie (die Wögel) in 
‚sranffurt, wo du doc) durch mußt,“ aber diefe Kombination hat 
jich) entweder nicht verwirklicht oder Knebel hat die cingetretene 
Anderung der jatiriichen Tendenz nicht beachtet. 

Bon dem, was für die urſprüngliche Vögelkomödie an jchelmi- 
Ichen Zügen in Ansficht genommen war, iſt gewiß einiges mehr oder 

Euphorion. VII. 17 


258 Fudivig Geiger, Zur den Briefen Hubers an Schiller. 


weniger verändert im nächſten Jahre in das Neuefte von Plunders- 
weilern eingegangen, und neben Klopftod iſt aud) Cramer darin 
nicht vergeffen. Das böje Bild, daß Cramer verjchlingt, was Klop- 
ftod fallen läßt, malt freilich” die geijtlofe Ausbeutung des gleich: 
giltigen Beiwerks von Klopftods Eriftenz in Cramers weitichweifigen 
Büchern, feine Verwertung von jedem „Quark“ recht lebhaft, und 
Goethe hat es aus dem urjprünglichen Wögelplan nad) dem oben 
angeführten Zeugniffe Nobinjons in den erften Entwurf zum Nenejten 
von Plundersmwerlern noch hinübergenommen, aber im der endgiltigen 
Form von Bild und Gedicht finden wir ftatt deilen eine harmılofere 
Verfpottung Klopftods und Cramers. 

Ter Dann, den ihr am Bilde ſeht, 

Scheint halb ein Barde und halb Prophet. 

Seine Borfahren müſſens büßen, 

Sie liegen wie Dagon zu feinen Füßen; 

Auf ihren Häuptern ftebt der Mann, 

Daß er jeinen Helden erreichen kann. 

Kaum ift das Lied nur halbgefungen, 

Iſt alle Welt ſchon liebdurchdrungen. 

Man fieht die Paare zum Erbarmen 

In jeder Stellung ſich umarmen. 

Ein Zögling niet ihm an den Rücken, 

Ter denkt die Welt erft zu beglüden; 

Zeigt des Propheten Strümpf und Schub, 

Betheuert, er hab auch Hoſen dazu, 

Und, was fi) niemand denken kann, 

Einen Steiß hab der große Mann. 


So erflärt es ſich nun, daß Jacobi von den Vögeln und 
Robinſon von einem erften Entwurf zum Neueiten von Plunders- 
weilern diejelbe eigenartige Gruppierung: Klopſtock als Eule und 
Cramer als Ente, berichten kann, ohne da wir diefe Gruppe jekt 
in einer der beiden Dichtungen vorfinden. 


Zu den Briefen Hubers an Schiller 
(1786-1796). 


Mitteilung von Yudwig Geiger in Berlin. 


Die Briefe Hubers an Schiller waren bis vor furzem nur zum 
geringen Teile befaumt. Einige wenige waren als notwendige Er- 
ganzungen der Körnerſchen in die Korreipondenz zwiſchen Schiller 


Ludwig Geiger, Zu den Briefen Hubers an Schiller. 259 


und Körner aufgenommen;?!) andere waren in Beitjchriften gelegentlich 
gedruckt; noch andere waren mit wichtigen Dokumenten aus der Schiller: 
zeit in einem Bande vereinigt.?) Den Anjtoß zu einer planmäßigen 
Gejamtpublifation der Sciller-Huberjhen Korrejpondenz, die aller: 
dings weder an Umfang noch an Bedeutung der Schiller-Rörnerfchen 
zu vergleichen ift, doch in der Zeit der engen Zufammengehörigfeit 
großen Wert bejigt und auch für die Zeit der räumlichen und ge- 
mütlichen Trennung 1789—1796 — erft 1797 trat völlige Entfren- 
dung und beiderfeitige8 Schweigen ein — intereffante Beiträge zur 
Litteratur- und Kulturgefchichte liefert, bewirkte die J. ©. Cottaſche 
Buchhandlung. Sie veröffentlichte in der Allgemeinen Zeitung?) die 
wertvoliften Stücke diefes Briefiwechjels, die fie in ihrem reichhaltigen 
Archive verwahrt. Andere zur Ergänzung dienende Stüde wurden 
mir in Abjchriften übergeben und find al3 Anhang zum 4. Band der 
neuen Ausgabe des Schiller-Körnerſchen Briefwechſels“) gedrudt. 
In jener Ausgabe waren die im Folgenden genannten bisher ganz 
ungedrudten wichtigen und ausführlichen Briefe Hubers veröffentlicht 
4. November 1787, 9. und 24. Juli, 26. Auguft und 20. Dezember 
1788, 27. September 1790, 31. Jänner und 20. April 1795, und 
19. Sänner 1796 (Band 4, ©. 347 f., 353—58, 361—66, 372 f., 
386—89, 391—98). 

Die äußere Geichichte der Huber-Schillerſchen Korreipondenz ift 
mir nicht vollftändig befannt. Schillers Briefe an Huber, die mit 
geringen Ausnahmen im Cottaſchen Archiv zu Stuttgart fich befinden, 
Icheinen von der Witwe Hubers, Therefe, deren Beziehungen zu 
dem alten Cotta jehr enge waren, dorthin gelangt zu fein; da- 
gegen bleibt es dunkel, wie ein Zeil der Briefe Hubers an Schiller 
dorthin gekommen ift. Der andere Teil befand fid) unter den Schrift: 
ftüden, von denen Speidel und Wittmann in ihrem befannten Buche 
„Aus der Schillerzeit” Gebrauch gemacht haben. Die leßteren Briefe, 
außerdem aber, wie es jcheint, andere Scilleriana, die nicht zu 
jenem Beftande gehört hatten, wurden dann Eigentum der Börnerfchen 
Buchhandlung in Leipzig. Ein Zeil der dort befindlichen Briefe 
wurde von Herrn Rudolf Brodhaus in Leipzig gekauft; ein anderer 
Zeil, möglicherweife nad) Wanderungen, die wir nicht im einzelnen 
verfolgen fünnen, Fam ing Archiv des ſchwäbiſchen Schiller-Vereins 
zu Marbach. Die Herrn Rudolf Brodhaus gehörenden Briefe wurden 
mir von ihm im jeiner gewohnten liberalen Weiſe zur Verfügung 





1) Zweite Ausgabe von Karl Goedefe. Leipzig 1874. 

2) Speidel-Wittinann, Bilder aus der Scillerzeit. Stuttgart o. J., ©. 73 ff. 
3) Allgerneine Zeitung, Beilage März-Aprıl 1892. 

4) Cottaifche Bibliothek der Weltlitteratur. 4 Bände ohne Jahr, erſchienen 
1895, 1896. Die Arbeit war Anfang 1894 im weſentlichen abgejchloffen. 

17* 


260 vudwig Geiger, Zu den Briefen Huber an Schiller. 


geftellt, jo daß ich über fie fchon in der „Allgemeinen Zeitung“ 1896, 
Beilage 104, berichten konnte. Die des ſchwäbiſchen Schiller-Vereins 
liegen mir durch die Güte des Herrn Stadtichultheiß Haffner in 
Marbach nach freundlicher Vermittlung des Herrn Geheimen Kom: 
merzienrat Steiner in Stuttgart zur Benutzung vor. 

Um alles Wichtige an einem Orte zujanmenzuftellen, erinnere 
ich furz an das in der „Allgemeinen Zeitung” Gejagte. Dort ift 
vollftändig zum erſten Male ein Brief Hubers vom 3. October 1785 
gedrudt; Ergänzungen, zum Teile recht bedeutender Art, erhalten 
die Briefe vom 11. und 15. Oftober desjelben Jahres. 

Im ſchwäbiſchen Schiller-Verein befinden fich nuu nicht weniger 
als neun Briefe Hubers. Non diejen bieten drei jo gut wie nichts. 
Die Briefe vom 29. März und 22. Oftober 1793 find bei Speidel 
und Wittmann vortrefflid) wiedergegeben; außer daß in dem Original 
statt Körner nur K. fteht, einige wenige Lesarten zu verbeſſern find: 
Plane ftatt Pläne, eins ftatt eines, ift aus einer Kollation nicht das 
Geringfte zu gewinnen. Auch ein undatiertes Billet (17. April 1787) 
bietet feine Nariante. Es iſt rührend, unter den Briefen des ſchwä— 
biihen Schiller-Vereins auch einen Brief der Dora zu fehen, der 
auf den erften Brief Schillers folgte. (Abgedrudt bei Speidel und 
Wittmann, ©. 80 f.) Die dort und auf Grund diefer Angabe 
aud) Schilfer- Körner, Band 4, S. 105, Anmerfung 71 al Nach— 
Schrift Hubers bezeichneten Bemerkungen über die Zeit der Anknnft 
von Schillers Brief und über den (rund der Verzögerung des 
neuen Schreibens kaun übrigens, nach der Handſchrift zu urteilen, 
nicht von Huber jein, fondern muß, da fie dem Wortlaut nad) nicht 
von Körner herrühren fann, deifen Frau Minna zugeſchrieben 
werden. 

Etwas mehr gewinut man für den Brief von 23. April 1786 
(Schiller-Körner, 4, 3275. Am Schluß nämlich ftehen die Worte: 
„In äußerſter Eile“ und die mit Punkten bezeichneten Stellen find 
folgendermajen zu ergänzen: 

Ich überarbeite meinen Wolmar nah der Zchwierlichleit, und fiehe da! ich 
babe fchon ein paar Augenblilke von Enthuſiasmus für meine Arbeit gehabt, fo 
daß ich würklich einmal darinn lebe. Yucrez und ſein gelebrter Commentator mögen 
alfo fo recht nicht haben. Yıeb wäre mir's wenn Du mir in dem nächſten Heft 
einen Plaz fir die beiden Briefe aufbeben wollteft (etwa 3 Bogen) eher etwas 
mebr. Ich möchte fie nirgends baben als in der Thalia, dies könimt mir vor wie 
ein Altar fie aufzuitellen. Es iſt viel Sieroglife darinn für mich, für Dich, für ums, 
an der ich mich wohl noch in ipäten Jahren meiden werde. 

Zur Grflärung dieler merkwürdigen Stelle muß Folgendes 
gejagt werden: Tas Wort „Schwierlichfeit“ ſteht wirklich jo da. 
Es ift nach Grimm, Tentiches Wörterbuch 9, 2623 «vgl. 9, 2571) 
landjchaftliche Emtitellung für „Schwierigkeit“ und auch bei Hermes, 


Ludwig Geiger, Zu den Briefen Hubers an Schiller. 261 


Cophieng Reiſe 5, 183 belegt. Von dem angeführten Werfe war 
bisher nichts befannt. Ein Fragment davon findet fich unter den 
Manuftripten des fchwäbiichen Scilier-Bereins von Hubers Hand 
gefchrieben: Selbig an Wolmar. Wie weit diefe Briefe vollendet 
worden, jteht dahin. In die „Thalia“ (vgl. Inhaltsverzeichnis bei 
Goedeke 5, 175 f.) ijt nicht8 aufgenommen; unter den Schriften 
und Aufjägen Hubers (au angeführten Orte, S. 480 f.) wird gleid)- 
falls nichts davon erwähnt. Eine Stelle aus dem ſechsſeitigen 
Manujfript mag hier folgen. Vielleicht gehört fie zu denen, in welchen 
ſich Huber über ji) und Schiller ausſprach. Immerhin ift dies 
Fragment wert, der Vergefjenheit entriffen zu werden. Litteratur- 
freunde mögen auf das ganze Werk Hubers hingewiefen fein, das 
nach jeinen Worten bejtimmt ift, wichtige Beiträge zu der Jugend— 
entwidlung Schillers zu liefern. 

Das Fragment felbjt lautet: 


Die Geſchichte der Revolutionen welche ſich in fo kurzer Zeit bei Dir ereignet 
haben, ift mir nicht unerwartet gewejen; und ich ahndete etwas ähnliches, als ich 
dich in der vollen Trunkenheit deiner Erwartungen von hinnen ziehen ſah. Alles 
was dir begegnet ift, gehört zu den unausbleiblichen Folgen des Idealiſirens ganz 
gemeimer Dinge. Anfangs iſt die Fantaſie lebhaft genug, ſich durch nichts ftören 
zu laffen und alles was fie erblift ın das ſchöne Gemälde überzutragen das fie 
entworfen bat. Aber diefe Spannung kann ihrer Natur nad) nicht Tange währen, 
und dann bleibt nichts übrig als auf der entgegengejezten Seite eben fo ſehr zu 
übertreiben. Das Idealiſiren verrüft ohnfehlbar den wahren Geficdhtspunft der 
Dinge, vorzüglidy wenn es fid) an Gegenftänden wie diefe äußert, die ich Gegen- 
jtände der platten Art nennen möchte. Es giebt Dinge welche jchlechterdings Teine 
Beleuchtung des Geiftes vertragen; fie befommen durch ihn ein blendendes, un— 
wahres Ficht, und wenn es fid) endlich aus Ekel zurüfzieht, wird wiederum ihr 
Dunkel weit ſchwärzer als zuvor. 

Auch von der bürgerlichen Thätigkeit hatteſt Du Dir falfche Ideale gemad)t, 
und weil Du das nicht fandeft was Du fuchteft, glaubteft Du nichts gefunden 
zu haben. Aber alle Deine Räjonnements gleichen jehr den Trugſchlüſſen eines 
ganz gemeinen Chrgeizes. Du wollteſt gern — vergieb mir den Verdacht, — 
Tu wollteft vielleicht gern eine Nolle fpielen, und um dieſen äußerſt menſch— 
lihen Stolz vor Dir felbft zu rechtfertigen, haft Du Did) in Hohe Borftellungen 
von dem Werthe des Geiftes, von würdiger Amvendung ungemeiner Kräfte ver- 
foren. Du magft immer diefen Werth fo hoch anrechnen als Du willft, Du wirft 
Did) nie verrechnen: aber wird er etwa erft durch die Größe des Subickts 
beſtimmt an welchem er jich äußert, oder tft er davon unabhängig? Je erhabner, 
te weit umfaſſender der Begrif ift den Du Div von ienem machſt, defto weniger, 
ſollt' ic) meinen, könnteſt Du diefe in Anfchlag bringen. Sonderbare Berirrung 
der Peidenfchaft die fih gern das Anjehen der Vernunft geben möchte! Ohne es 
zu wijjen, würdigft Du jelbft diejen Geift, diefe Kräfte für welche Du einen fo 
gerechten Enthuſiasmus fühlft, auf eine unverantwortlihe Weije herunter, indem 
Dur zufälligen materiellen Formen eine deſpotiſche Herrichaft über fie ertheilft. Bei 
einer richtigen Schazung der Seele kann die wdiiche Fläche worinn fie fid) fpiegelt 
feinen eigenthümlichen Werth behalten. Sie veredelt ieden Gegenftand der ihre 
Würkungen empfängt; der größte iſt ihr nicht zu gros, der Eleinfte nicht zu Fein. 
Alto kann ihr Würkungskreis keine abjolute Größe befizen, und es fcheint nicht fo 


262 Ludwig Geiger, Zu den Briefen Hubers an Schiller. 


ausgemacht daß es durchgängig Beſtimmung des Dienfchen ſei, nad dem möglich 
gröften zu fireben. Diefes überlas dem Ehrgeize, aber ſuche ihn nicht zu einem 
Siften der Vernunft auszuftaffiven; mit diefen Maſleraden richteſt Zu nichts als 
Unheil an. Der Tichter, der vom Anblit eines ländlichen Kirchhofs in ernftbaft 
düſtre Betrachtungen gewiegt wird, glaubt in den aufgehäuften Erdhügeln manche 
Seele zu ahnden, die eines Kromwels, eines Miltons, eines Kampdens würdig 
geweſen wäre. 


Uber dieſe Wolmarbriefe handelt ein aus anderer Quelle, dem 
Maltzahnſchen Nachlaſſe, mitgeteilter, bisher unbekannter Brief Hubers 
an Schiller, 11. Mai 1786, der die Lücke, die noch exiſtierte (Schiller: 
Körner 4, 329, meine Ausgabe) gut ausfüllt. Der Brief ift in der 
„Gegenwart“ 1898, Nr. 31, ©. 70—72 abgedrudt., Er ift für 
die Litterariichen Arbeiten Hubers, befonders für feine Überſetzungs— 
pläne wichtig. Ta er aber an einem leicht zugänglichen Orte zu 
finden ift, jo iſt es nicht nötig, ihn zu excerpieren. (Vgl. Euphorion 
5, 812.) 

Auch vier andere Briefe Hubers erhalten durch einen Vergleich 
mit den Originalen merkwürdige Zuſätze. Gleich im erſten Brief, 
nämlich im erſten von ihm ſeparat geſchriebenen, der auf Schillers, 
dem Kollektivſchreiben der vier erteilten Antwort folgte, der übrigens 
im Original deutlich 7. Jannar 1784 datiert iſt, während es natür— 
lid) 85 heißen muß, ſteht vor der Schlußempfehlung folgende Stelle, 
die Deswegen wichtig ijt, weil ſie die erſte Anknüpfung der für 
Schiller jo bedeutungsvollen Lerbindung mit dem Bnchhändler 
Göſchen verrät. 


= Erlauben Sie mir mım zum Schlus noch eine kanfmänniſche 
Frage. Ein hiefiger Buchhändler, dev mem Freund ıft, wilnfchte zu erfahren, ob 
Sie wegen des nicht an Zubjtribenten veriagten Reſts der Auflage Ihrer Thalia 
ſchon mut irgend emer Buchhandlung in Berbindung fländen‘ Falls dieſes nicht 
wäre, erbietet ev ſich zur Uebernehmung desielben und überläßt Ihnen die Feſt- 
ſezung der Bedingungen. Ter Mann will iezt aus gewiſſen Urſachen noch nicht 
genannt ſeyn: ev ıft aber brav, und wünſchte itberbaupt, wenn es irgend fonft eine 
Gelegenheit gäbe, mit Ihnen in Berbindungen zu treten. 


Kin ferneres Billet vom 18. Tftober 1785, das übrigens tm 
Triginal, im Gegenſatz zu dem Druck, jowohl die Unterjchrift als 
das Datum bat bei legterem fehlt nur das Jahr) und wo man 
jtatt einer „schönen“ Zukunft einer „ſeligeren“ leſen muß, ift nicht 
jo kurz wie im Trade Körner Schiller, Band +, S. 2231, fondern 
vor den dort mitgeteilten fünf Zeilen heißt es: 


Ten 18, Cftober. 


Alio wird würklich nichts an meiner Freude feblen und Tu biſt geſund? 
Tas bat Tır der Sımmel geratben! Tu wirſt den Tonneritag [20. Uftober, der 
IS. iel aui Tienſtag schon mich iehen micht die lange, lange Racht und den langen 
Morgen mich in Stadt mirien und noch nicht gejeben haben. 


Ludwig Geiger, Zu den Briefen Hubers an Schiller. 263 


Dan misräth mir doch Tobak mitzubringen, weil die Herren Bifitatoren 
wenigftend zumeilen Grillen haben. BZingg') ift ein großer Leder im Tobak— 
ſchnupfen; vielleicht wird der uns eine gute Adreffe geben können. Wir können 
aud) allemal etwa ein Stheil Zentner von Leipzig kommen Taffen, und entweder 
veraccifen oder jemanden auftragen der jo viel Anfehen hat daß man nicht fcharf 
nachſucht. 

Stärkere Vermehrung erhält der Brief vom 15. April 1786. 
In ihm hat Huber Verſchiedenes unterſtrichen. Das charakteriſtiſche 
Wort „Zweiheit“, das darin vorkommt, ſogar doppelt; ſtatt „am“ 
vorigen Mittwoch ſchreibt er „an der“. Gegen den Schluß heißt es: 
„Die Leerheit ſteht fürchterlich vor mir” ſtatt „liegt.“. Sodann erhält 
der Brief einen neuen Anfang und einen neuen Schluß, die freilich nicht 
von ſonderlicher Bedeutung ſind, dagegen eine für Hubers Stimmung 
höchſt wichtige Mittelſtelle, die alle die in den bisherigen Drucken 
(Körner-Schiller 4, 325 f.) durch Punkte bezeichneten Stellen erklärt. 
Die Stellen lauten: 

Leipzig, d. 15 April, 1786. 

Daß ich auf Deinen neulichen Brief nicht geantwortet habe, wirſt Du mir 
wohl nicht übel genommen haben, Lieber; geantwortet iſt darauf worden, und das 
war ia wohl vor der Hand alles was Du wollteſt. 

— — — — Ich weis nicht wie das fünmt, aber ich habe mich hier nicht 
wohl, weh aud) grade nicht, aber leer! warum das? Ich habe Aeltern, ich babe 
Freunde hier die ihre herzliche Freude an mir haben, denen meine Gegenwart 
würklich einen Zuwachs von Glüdfeligkeit macht, aber ich bin fälter als fie. Und 
das närrische dabei ıft, daß ich mich faft ſchäme wenn id) fühle daß ich mich nad 
Dresden jehne Ich getraue mir faft nicht mehr mit mehr als alltäglidyem Gefühl 
an daS zu denken, ich erinnre mich mit welchem Feuer, mit welchem freudigen 
Erwarten, mit welchem Bli in eine felige Zukunft ic an Dresden dachte eh’ ich 
hinkam, und die Leerheit der leztverwichenen ſechs Deonate fteht fürchterlich vor mir. 
Darum will, will id durchaus mich iezt dem verrätherifhen Enthuſiasmus nicht 
überlaffen, der mid) noch immer oft genug anwandelt wenn ich an unſre Wieder: 
vereinigung denke. Vor wenigen Tagen fchrieb ich in meinem Bette einen Bricf 
an Dich, (im Geifte heißt das) ich war voll Feuer, vol Begeifterung der Freund» 
ſchaft, ich fchlief endlich ein, umd ſeitdem hab’ ich keinen Funken mehr von dem 
allen erhajchen können. Könnt c8 denn nicht möglich ſeyn daß bald einmal etwas 
geihähe, was mir Achtung für mich ſelbſt einflögte? Ich bin mir jelbft gleidy- 
gültig: jo, glaub’ ich, heißt meine iezige Lage. Und fie benimmt mir die dringende 
Herzlichkeit mit welcher ich Tich fragen könnte, ob ih Dir nicht gleichgültig bin, 
gleihgültiger wenigstens als jonft und als Tu es vielleicht jelbft glaubft? Diefe 
Frage hat oft auf meinen Yippen und im meinen Herzen geftanden, aber id) bin 
tezt zu — zu laß, um Fir fie ganz, wie id) fie verftehe, vorzutragen. Eine Art 
von Feiner Probe fir Did) mag es jeyn, wenn Du erfährft daß ich ſchwerlich vor 
Ende der Meſſe wieder nad) Dresden kommen kann. Fühlſt Du dann daß Dir 
etwas abgeht, jo — jo ıft das doc) noch fange nicht genug, um meine ganze Frage 
zu beantivorten. Ich mus Dir jagen mein Herz iſt ſehr beflemmt, ich bin würklid) 
tezt dem Weinen fajt näher al3 dem Schreiben. 

) Über Zingg 1734—1816, Profeſſor an der Dresdner Aladeinie, vergleiche 
Charlotte von Schiller und ihre Freunde 3, 115 Sciller-Körner, herausgegeben 
von Goedeke, 2. Auflage 2, 71. 


264 Ludwig Geiger, Zu den Briefen Hubers an Schiller. 


Körners find feit voriger Mittwoch fort, Fünftige Mittwoch kommen fic wieder. 
Hat er Dir geichrieben daß Tu meinen Brief über Tichterberuf in feinen Yogis 
fuchft und mir ſchikſt? Aufgetragen Hab ichs ihm, aber id) habe ihn feitdem wicht 
gejprohen und er könnt' es vergefien haben. 

— — — — Aunbei befümmjt Du etliche Tuchproben, unter denen Tu aus» 
juchen kannſt. Verwechile die Papiere nicht, weil fie von verſchiednen Kaufleuten 
find! Schreib bald was Tu gewählt haft damit Körners das Tuch mitnehmen 
können. Yeb wohl, und fühlſt Du allenfalls dag mir ein rief von Dir ergözlich 
und erſprieslich wäre, jo las mir's nicht daran mangeln. 

Jünger grieft. 
Huber. 
Kunzens grüßen. 


Die wejentlichite Bereicherung aber wird dem legten Briefe 
Hubers vom 9. März 1796 zuteil. Yon ihm ftehen (Schiller-Körner 
4, 399) nur Heine Bruchſtücke des erjten Teiles; jtatt deffen jchrich 
Huber wirklich die folgenden fehr ausführlichen Auseinanderjegungen. 


Role, den 9 März 1790. 

Ich danke Fir, mein Freund, für Deine Beantwortung meiner ragen: nur 
ſehe ih daß ich mich nicht ganz deutlich ausgedrüft baben muß, weil Zu Herm 
v. Sandoz im Fall der franzöftichen Enigrirten zu glauben fcheinft, was er doch 
als Schweizer, der in bolländiichen Dienſten war, gar sicht ift. Nach den Tuldunge» 
oder Nichtduldungs regeln in Anſehung der fr. Emigrirten kann bei ihm alfo die 
Frage nicht ſeyn, außer inſofern jene Negeln auch Fremde überhaupt angehen 
möchten. Der Hauptypunkt iſt: ob er durch die Verwirrung der holländiſchen An 
gelegenheiten genöthigt, nicht allein fih von Stunde an ökonomiſch mehr em 
zuſchräuken, als er es in ſeinem eiguen ſehr theuern Lande vermag, ſondern auch 
eine Auſtellung, als Führer und Freund eines jungen Menſchen von Stand, cut: 
weder auf Reiſen oder auf einer Univerſität, zu wünichen — ob er, ſage ich, in 
dieſen beiden Rückſichten wohlthun würde, ſeinen Aufenthalt einsweilen in eure 
Gegend zu verlegen? Ich ſollte demnach deuken daß wenn etwa vorläufige Anfragen 
geſchähen, es gar nicht eines Zweifels wegen wäre: ob ihm auch der Aufenthalt 
geſtattet würde? Sondern es würde damit blos verſucht: im wiefern ſich etwa der 
Herzog ſelbſt, oder andre wichtige Perſonen, ſeiner und ſeiner Familie erinuerten, 
und deswegen geneigt wären, ihn im ihrer Nähe zu ſehen, und bei vorkommenden 
Gelegenheiten ihm zu ſeinen Abſichten bebülflich zu Jen? Wenn Du meinen vorigen 
ruf aufbewahrt haſt, jo wirſt Tu, indem Tu dieſen mut dazu nimmſt, die Sache 
vielleicht noch einmal überdenken. Alte auf den ſpeeciellen Fall franz. Emigrirten 
Vezug habenden Vedenfluhterten, fommen in dieſen Fall gar nicht in Retracht. 
Eigentlich, kann es ſich bloß, wenn vorläufig von ihm die Rede iſt, ausweiſen, ob 
er bei den Perionen in dortiger Gegend, Denen er und ſein Name nicht unbekannt 
fenn können, wohl obugefähr auf Die Art Achtung und Intereſſe, auf die Art galt 
freundlicher Aufnahme zablen Soll, welche Die wahrſcheinliche Folge jener Belannt- 
jihaft wären”? 

Es kaunn Tich vielleicht intereſſiren daßz Kants ewiger Frieden ind Frauzö 
ſtiche überſezt wird: das ichreibt mir wenigſtens Meier dv. Schauenſon in Luceru, 
cin vortreilicher Köpf. Ich jelbſt babe, in Ermangelung der Muße und Lage dir 
ich brauchte um mehr zu thun, einsweilen doch einen kleinen Verſuch gemacht, der 
mr gelungen tz ich babe nämlich einen franzöfſchen Auszug dieſer Schriit 
gemacht, und anonmm mit dev Bolt an den Wedacteur des Moniteurs gelandt, der 
würtiih Gebrauch davon gemacht bat — der Aufiaz ſieht wörtlich obngefähr in 
der Mitte des lezten mivö-e. Im Grande giebt es für jezt wenigſtens und fo 


Ludwig Geiger, Zu den Briefen Hubers an öchiller. 265 


fange die äußere Gährung anhaltende fpefulative Beſchäftigung felbft den wenigen 
franz. Köpfen, die ihrer fähig wären, unmöglich madjt, gar fein Mittel dort die 
Bahn fir wahre Philojophie und Moral zu eröfnen, al8 in fliegenden Blättern 
durch abgeriſſne Auffäze einzelne Nejultate auszuheben, und zwar fo auszuheben, 
daß fie zu der feurigen, fchnellen Empfänglicyleit der Franzoſen fprechen können. 
Mit der wilfenfchaftlichen Methode würde man zu Anfang gar nichts ausridten, 
wohl aber könnte man fie nachfolgen laffen, wenn die Leute den vielen jchönen 
Steinen, die fie mit Vergnügen hätten hinwerfen jehen, endlid) doch auch anmerften, 
dag fie zu einem ordentlichen feften Gebäude zujammenzufügen wären, und daß fie 
alsdann gar das Gebäude ausmachten, das man feither zu errichten ſuchte. Kurz, 
die Franzofen müfjen gewiffermagen in die Wiſſenſchaft Hineinbetrogen werden, die 
fie anfangs, als jolche, unfchlbar verſchmähen würden. 

Sch werde höchſt wahrſcheinlich im Yauf des nächften Sommers mit einem 
biefigen Freunde eine Reife nad) Paris machen, und ich habe Lrfache, dort auf 
jchr gute litterariſche Connexionen mir Rechnung zu machen, ja ziemlich auf die 
beften und nüzlicdhften von ganz Frankreich. Mein größter Wunſch wäre es, bei der 
Gelegenheit Grundlagen zu einer näheren Kommunikation zwifchen beiden Littera⸗ 
turen, beionders in Rückſicht auf deutiche Bhilofophie, zu werfen: dazu aber werden 
auf beiden Seiten Mehrere gehören — überlege unterdeffen im Allgemeinen, in⸗ 
wiefern, wenn ein zweckmäßiger Plan zu Stande käme, Du, Fichte und andre, 
wohl die Hände dabei bieten könnten und möchten. Die Anfrage ift nothwendig 
noch viel zu unbeſtimmt, als daß eine beftimmte Antwort darauf erfolgen könnte; 
aber was die Meinung im Ganzen jeyn kann, wird Dir in die Augen falle, wie 
auch die verschieden Arten und Weifen, auf weldye ein Jeder würde mitwürken 
fönnen, wenn eimmal ein ordentliches, regelmäßiges Unternehmen in Gang käme. 


Dann folgen die auch im Druck wiedergegebenen fehr bemerkens— 
werten Ausführungen über die franzöfiiche Revolution. Darauf kommt 
eine Feine Stelle, die deswegen recht intereffant ift, weil die hier genannte 
Frau Deadame de Eharriere, die Freundin Benjamin Conftants, eine 
bedeutende Schriftjtellerin war, die dem Huberjchen Ehepaare lange 
und vertraut verbunden war. (Thereſens Tochter aus erfter Ehe 
verweilte lange bei ihr, nachdem Huber nach Deutichland gezogen 
waren. Von den Briefen Hubers an die genannte Frau find einzelne 
(1810) in Band 2 jeiner geſammelten Schriften gedrudt. Die Briefe 
der rau von Charricre an das Huberſche Ehepaar, befonders aber 
an den Gatten, befinden fich in meinem Befik.) 

Dieſe legte der hier mitzuteilenden Stellen lautet: 


Es ift jonderbar zu bemerken, wie fo oft den beften Köpfen gerade nur das 
Eine notbthut, um auf den rechten led zu kommen. Hier in meiner Nähe wohnt 
eine Fran von außerordentlihem und höchſt originellem Geift; vielleicht fallen Dir 
zwei Schriften von ihr im die Hände, die id aus dem franzöfiichen Manuſcript 
üiberfezt babe: drei Weiber, was fchon ein Meilchen heraus iſt und Honorine 
dv. Uſerche, was nächſtens herauskommt. Da läßt ſichs denn ganz eigen fehen, wie 
man mit ächtem Wahrheitstrieb und großer Fähigkeit, Wahrheit zu finden, MWahr> 
heit dod), fei es auch nur um ein Haarbreit, verfehlen kann. 


Mit dieſen Fragmenten ift, wie man hoffen fann, der Schiller: 
Huberſche Briefwechfel ganz vollftändig geworden. 


266 Robert Riemann, Zobann Zatob Engels „Herr Yorenz Start“. 


Johann Jakob Engels „Berr Lorenz 
Stark”. 


Bin Beitrag zur Geſchichte des deutſchen Jamilienromans. 
Bon Robert Riemann in Leipzig. 


Die Geſchichte des bürgerlichen Dramas im 18. Jahrhundert 
ftellt, wie fürzlich von Eloeffer!) gezeigt worden ift, eine im ganzen 
wohl überjehbare, jtetig fortjchreitende Entwidlung dar. Die deutiche 
Bildung iſt das Werk des auffteigenden Bürgertumg,?) das jegt zum 
erjten Male fich ſelbſt intereffant wird und feine Bedeutung zu fühlen 
beginnt. Im Vordergrunde des Intereſſes fteht zunächft der Gegen» 
fat zum Adel, aber mehr und mehr fteigt die Schäkung des bürger- 
lichen Kleinlebens an und für fi. Schließlich wird Schröder der 
Cchöpfer des Familiendramas, und er und Wagner ſind die erften, 
die das Leben des Bürgerhaufes in jeiner Intimität darftellen.®) 

Weit fprunghafter und unregelmäßiger entwicelt fich der deutjche 
Roman. Die verjchiedenartigften Anregungen laufen durcheinander; 
der Bruch mit der Vergangenheit ift nicht effatant genug, um die 
Rerichleppung von Elementen des Abentenerromans in die moderne 
Erzählertechnif zu hindern; nur ſehr langjam bildet ſich eine ge: 
Ichloffene Kunjtform heraus, die dem Drama ohne weiteres von der 
Bühne abgezwıngen wird. So erleben wir das fonderbare Schauspiel, 
daß der englijche Roman zunächlt das dentjche Drama und erft durch 
dieſes den deutichen Roman fördert. 

Die Reſte des Abentenerromans find am ftärkiten in Gelferts 
„Schwediſcher Gräfin“ vertreten. Ehebruc und Blutichande fpielen 
ihre Rolle, die Handlung läuft bis nad Oftindien und Sibirien. 
An „Sophiens Reife von Memel nad) Sachfen” bleibt die Geichwifter: 
che glücklich unvollzogen, obwohl Hermes zumeilen Diiene macht, aus 
Sophiens myſtiſchem Yiebhaber Yer** ihren Bruder zu madhen;*) 
dagegen wird der Nonflift im „Wilhelm Meiſter“ wieder in feiner 
ganzen furchtbaren Tragif dargeitellt. Andere Motive, wie der liber- 
fall der Kutſche durch Räuber, laſſen fih vom „Wohlverfuchten Nürn- 
berger“) über Nicolais „Zcbaldus Nothanfer”®) bis in Goethes 


'ı Tas birgerlihe Trama. Berlin 1808. 

2, Ebenda. Z. 6. 01 u. ö. 

Ebenda. Z. 50. 134 

1 „Sophiens Reiſe.“ 31778. 5, 320 f., 380: 6, 40. 

»M Der in Glück und Unglück wohlverſuchte Nürnberger oder Yebens Geſchichte 
des Phronaret.“ Frankfurt und Leipzig 1753. S. 282 und 288. 

Vierte Auflage Berlin und Stettin 1799. 1, 192 u ö. 


Robert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Lorenz Stark“. 207 


großen Bildungsroman verfolgen. Zur Abwechslung erfcheint aud) 
wohl einmal ein Uberfall durd) Piraten!) oder eine Entführungs- 
gefchichte.2) In ähnlicher Weile wird von den Verfaſſern der Pojt- 
futjchenromane das Zimmerverwechslungsmotiv zu Tode gehekt. 
Beachtenswert ift e3, daß der mit Wielands „Agathon“ ge: 
ichaffene Kulturroman dieſe Elemente ruhig in fich aufnehmen kann, 
weil das Abenteuerliche hier feine Stilwidrigfeit bedeutet. Die Er: 
mordungen, Hoffabalen und Orgien im „Agathon“ und „Ardinghello“ 
find vollkommen an ihrem Plage; lächerlich aber erfcheint es, wenn 
in „Sophiens Reiſe“ Koſchchen Herrn Malgre mit vergifteter 
Chofolade aus der Welt jchaffen will?) oder Buff und Herr Le ** 
hinter der von Kojaden entführten Sophie auf dem Haff herum- 
freuzen und fie glüdlich befreien — im fiebenjährigen Kriege.*) 
Ebenjo ift der Rulturroman vor dem egenwartsroman im Vorteile 
hinfichtlic) der Abjichweifungen. Zwar wird auch bei Wieland und 
Heinje viel über Philofophie und Kunft gefprochen, aber eine Be— 
Iprehung von Fragen und Erjcheinungen der Beit ift doch aus: 
geichlofjen. Der bürgerliche Roman ift dagegen überſchwemmt mit 
Kritit. Die große Arbeit von Richard Schwinger über den „Sebaldus 
Nothanker“ (Schi und Waldbergs Litterarhiftorifche Forſchungen. 
Heft 2. Weimar. 1897.) muß in einem weitläufigen Kommentar 
über die theologiiche Satire Nicolais unterrichten.) Die „Allgenteine 
deutsche Bibliothek” Tagert fich in ihrer ganzen bändereichen Polemik 
gegen Intoleranz und Orthodorie über die dargeltellten Bilder aus 
dei Leben der Gegenwart hin und benimmt dem Werke den Charakter 
der Kunftichöpfung. Weit ſchlimmer noch fteht es mit „Sophiens 
Reiſe“. Hermes fchachtelt in der planlofejten Weije Epifoden ineinander 
und durcheinander;6) fein Werk verdient den Titel „Epifoden in 
ſechs dicken Bänden”, den er ſelbſt witzelnd in Aussicht jtellte.' Muß 
er doh im letzten Bande nad) Erzählung der Gerichte Wagners 
eingeftehen®): „Es kann uns nicht befremden, wenn die Leier jet 
vergefjen haben, day Sophie nod) im Benfonschen Haufe ift, Julchen 
inihrem Gefängniffe, die Frau Majorin von %. in Handlangers Hütte“ 
n. f. w. Außerden aber beantwortet Hermes im Roman an ihn 


) „Rohlverfuchter Nürnberger.” S. 302. — „Ardinghelloe” in H. Laubes 
Ausgabe 1838. 1, 129 — 138. 

2) „Mohlverfuchter Nürnberger.” S. 306. — „Sophiens Reife.“ 31778. 
1, 454—630; 4, 466—584; 5, 93—115. 

3) Ebenda. 4, 411—584. 

4) Ebenda. 5, 598-611. 

) A. a. O., 5. 29—103. 

6) Vgl. Erich Schmidt, „Richardſon, Rouſſeau und Goethe.“ Jena 1875. S. 40. 

5) „Sophiens Reife.” 31778. 6, 630. 

») Ebenda. S. 136. 


268 Robert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Lorenz Start“. 


gelangte Briefe,!) empfiehlt unter dem Text Mittel gegen Hypochondrie 
und Zahnjcymerzen,?) gute Bücher und guten Zabak,3) polemifiert 
gegen Geldipielt) und Selbftmord,5) u. ſ. w. „Sophiens Reiſe“ 
ift eine Samilienzeitichrift, in der die Romane in Fortſetzungen 
erjcheinen, mit Brieffaften und „häuslichen Ratgeber“ — aber kein 
TFamilienroman. Und doch bedeuteten diejes monftröfe Produkt und 
der „Sebaldus Nothanker“ fir das Gros der deutjchen Lejerwelt 
dasfelbe, was den Hödjitgebildeten Wielands „Agathon” und Goethes 
„Werther“ gewährten. Aud) waren in den Schriften von Hermes und 
Nicolai mit ihrem lebhaften Intereſſe für die Gegenwart in der 
That Keime gegeben, die eine günftige Entwidlung in Ausſicht ftellten. 
Die Befeitigung der Reſte des Abenteuerromangs war jchlieglich eine 
Frage der Zeit; der jchreiende Widerſpruch diejer Eleinente zu ihrer neuen 
Umgebung mußte ſich allmählich jedermann aufdrängen. Schwieriger 
aber war es, für den Roman eine geichloffene Kunſtform zu finden, 
ihn von Epijoden und Abfchweifungen zu reinigen. In dieſer Be— 
ziehung erjcheint als der erſte Familienroman von bleibendem Wert 
Engels „Derr Yorenz Stark“, ein Werk, das in den 7Oger Jahren 
begonnen, im den YUger fortgeführt, endlich 1801 vollendet wurde. 
Diefer Roman verlohnt einer ausführlichen Betrachtung nicht allein 
um ſeines Wertes willen, jondern gerade an ihm läßt fich dic 
Entwidlung der Technik im legten Niertel des 18. Jahrhunderts 
zeigen, da Engel in jeder Beziehung bewußt gearbeitet hat. Ich 
beginne mit einer Analyje des Inhalts, die zum Verſtändniſſe der 
nachfolgenden Entjtehungsgeichichte notwendig ilt. Sodann fennzeichne 
ich die techniſchen Gigentümlichkeiten Engel8 und fuche jede einzelne 
jo weit möglich bei feinen Vorgängern zu verfolgen. Natürlich gehe 
ich mur auf diejenigen Grjcheinungen cin, die für die Darftellung 
von Wichtigkeit jind. Die Einwirkung Engels auf feine Nachfolger 
bleibt einer weiteren Arbeit aufbehalten. 


J. Inhalt. 
Engels „Perr Lorenz Stark“ ſpielt in einem der erſten Häuſer 
einer deutſchen — Stadt. Sie hat eine Börſe,“) aber fonft eine fehr 
Meinftädtiiche Phyfiognomie. Der Nonflike tft der denkbar einfachſte. 


I! Ebenda. 

2 Ebenda. 

a Ebenda. 

Ebenda. 

>») Ebenda. 5, 97, 100. 

*ı 2. 119. Ich citiere dev Einheitlichkeit halber alle Schriften Engels nad 
der Ausgabe in den „Zchriften”“. 12 Yände. Berlin 1801--1806. In der Mulius— 
fiihen Yuchbandlung. (Band 12. Herr Yorenz Ztarl) Wo aus tertirtiichen 
Gründen cine andere Ausgabe herangezogen wird, gebe ich dies ausdrüdiih an. 


4, 
3, 
3, 
3, 


Mobert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Lorenz Stark“. 269 


Es handelt jih um den Gegenſatz zwifchen dem reid) gewordenen 
Vater und dem reid) geborenen Sohne. Mit Unmwillen fieht Lorenz 
Starf, der jein Vermögen felbjt erworben hat, feinen einzigen Sohn 
Karl!) zum Modeherrn und Verfchwender werden; bringt er doch 
halbe Nächte außer Haufe, nad) der Meinung des Alten im Kaffeehanfe 
und am Spieltifche, zu. In Wahrheit aber hat Karl Starf einem 
jterbenden Kaufmanne, namens Lyk, der vorher fein erflärter. Feind 
gewejen war, das edelmütige Verſprechen gegeben, ſich feiner Familie 
anzunehmen und die verwirrten Handlungsbücher zu ordnen. So 
giebt er plöglich alle Vergnügungen auf, bringt feine ganze freie 
Zeit bei der Witwe zu und verliebt fich natürlich ſterblich in fie. 

Lorenz Starf, der von der wahren Natur der Gänge feines 
Sohnes feine Ahnung hat, jtellt ihn zur Rede. Der Dreißigjährige 
ijt nicht gejonnen, fi wie ein Kind überwachen zu laffen, und 
beichließt, daS Haus zu verlaffen. Seine Neigung mag er dem Vater 
nicht geftehen, weil diefer von Madame Lyk ungünstige Begriffe 
durch jeinen Schügling, den Kaufmann Specht, erhalten hat. Er 
hofft .indefjen durd) feine Androhung der Abreije dem Water die 
Erlaubnis zur Heirat abzuzwingen. Doch während die Mutter, die 
Schweſter und deren Gemahl, Doktor Herbit, vergeblich verfuchen, 
Karl Stark von feinem Entjchluffe abzubringen, billigt ihn der Alte 
volffommen und verfeßt dadurch den Sohn in die äußerte Beftür- 
zung. Ratlos bleibt er fürs erjte im Haufe und fchügt Kranf- 
heit vor. 
Karl Starf3 Ankündigung, er wolle die Stadt verlaffen, ver: 
jet die Witiwe in große Beitürzung, da fie eben jet von Horn, 
dem hartherzigften ihrer Gläubiger, ungeſtüm bedrängt wird. Gie 
mag fi nit um Hilfe an den jungen Start wenden. So gern 
fie ſonſt feine edelmutige Unterftüßung annahm — jett kann fie es 
nicht mehr. Sie liebt ihn nnd will ſich nicht vor dem Geliebten in 
ihrer Blöße zeigen. Lieber wendet fie ſich an feinen Schwager 
Doktor Herbit. Diejer weiß bereits, dag Karl Starf fie liebt, während 
fie noch feine Erklärung erhalten hat. Herbjt will bei Horn fein 
Beftes verfuchen. VBorläufig bringt er auf den dringenden Rat feiner 
Gattin ihrem Water befjere Begriffe von Karl Stark bei, indem er 
ihm von feinem edelmütigen Benehmen gegen den fterbenden Feind 
und deffen Witwe erzählt. | 

So ſcheint fid) alles zum Beſten zu wenden. Doc) noch einmal 
erfolgt ein Rückſchlag durd einen Traum Lorenz Starks, der ihm 
die tolle Verschwendung des Lykiſchen Hanfes zu Lebzeiten des Gatten, 


— 


1) Der Name kommt erſt S. 392 vor, wo der Alte feinen Sohn der Anrede 
mit dem Bornanten würdigt. 


270 Robert Riemann, Johann Jalob Engels „Herr Lorenz Start“. 


gleichzeitig aber feinen Sohn im zärtlichſten tete-A-t&te mit der 
Witwe zeigt. Der Alte faßt den Entichluß, eine Verbindung feines 
Sohnes mit ihr, der er die ganze Verfchwendung zur Laſt legt, um 
jeden Preis zu verhindern. 

Inzwiſchen hat Doktor Herbſt etwas eilfertig die Schuld der 
Witwe ſelbſt übernommen, ohne doch imſtande zu ſein, ſie zu 
zahlen. Die Doktorin überredet daher Madame Lyk, Lorenz Stark 
um Hilfe anzugehen. Infolge der Schwerhörigfeit des Vaters, der 
ihre Ichüchternen Bitten nicht zu beachten ſcheint, zudem nach feiner 
Gewohnheit moralijche Reden mit eingeftrenten Spötteleien hält, 
hat fie feinen Erfolg, fällt in Ohnmacht und wird in der Familien 
kutſche nach Haufe gebracht. Als Lorenz Stark erfährt, was fie ge: 
wollt hat, ändert ſich alles. Er befommt durch Doftor Herbft die 
Nachricht, daß nicht Madame Lyf, jondern ihr Gatte der Verſchwender 
war. Herr Specht, von dem die faljche Nachricht herrührt, will fie zum 
großen Arger des Alten von ihm jelbft haben. Nun wirft ſich Xorenz 
Stark zum Beichüger der Witwe auf, übernimmt ihre Schulden und 
geftattet feinem Sohne nad) einer erniten Prüfung die Heirat. 

Außer den drei Paaren und Herrn Specht tritt noch ein alter 
ehrlicher —— mit dem ſprechenden Namen Schlicht und 
der erſte Buchhalter Burg, den die ſpäte Heirat eines Erbonkels unzu— 
frieden macht, auf. Sonft wird niemand redend eingeführt. 


II. Entftehungsgefhichte. 


Die erjten Eindrüde zum „Herrn Lorenz Stark“ brachte Engel 
aus Pardhim mit, wo er am 11. Geptember 1741 geboren war. Der 
Vater feiner Mutter, der wohlhabende Krautfrämer und Ratsherr 
Jacob Brajdy,') machte auf den empfänglidyen Knaben einen Eindrud, 
der fich nicht wieder verlor, obwohl Engel nur bis zu jeinem zwölften 
Jahre in Parchim blieb. Zeitlebens verkehrte er, der Paftorenfohn, 
gern in SKaufinannsfreiien und jnchte dort feine Stoffe. Seinem 
Großvater jegte er in zwei Werken ein Denkmal, in „Eid und Pflicht“ 
und im „Herrn Lorenz Starf”. Ob der Roman nicht urfprünglich 
als Trama angelegt war, bedarf einer genaueren Unterfuchung, da 
die verfchiedenen Berichterftatter ſich widerjprechen. Wilhelm von 
Humboldt, der lange Zeit Engels Schüler geweſen war, fagt ziemlich 
unbeftimmt,?, er glaube nidyt zu irren, „wenn er das Ganze als einen 
ſchon längjt für die künftige Ausarbeitung angelegten Plan zu einem 
Luſtſpiele anfehe*. Eihenburg „weiß zuverläſſig“, daß der Stoff der 
Erzählung ursprünglich für ein Schaufpiel: „Der deutfche Daus- 


1, Bel. C. Schröder, I. I. Engel Schwerin 1897. Z. 3. B. 
2; W. von Humboldt an Schiller. Tegel, den 20. Rovember 1795. 


Robert Riemann, Zohanı Jakob Engels „Herr Lorenz Star“. 271 


vater“ beſtimmt war, das Engel Tiegen ließ, als das Stüd des 
Herrn von Gemmtingen mit dem gleichen Titel erſchien.“!) Neichardt 
will bei Leifings legtem Bejuche in Berlin, alfo Februar 1776, den 
„Deutichen Hausvater” und die „Geißel”, jpäter „Eid und Pflicht“ 
genannt, fait vollendet gejehen haben. „ES ftieß ſich in beiden Stüden 
nur nod) an einzelne Scenen, mit denen Engel nicht zufrieden war, 
und die er fich nicht zu Dank dialogieren konnte.“) Die „Neue 
Bibliothek der ſchönen Wiflenichaften” >) giebt an, der Stoff bes 
Romans ſei urfprünglic von Engel in einem Zuftfpiel „Der Spar: 
fame* behandelt worden, das er bis an den Schluß des dritten 
Aktes fortgeführt habe. Diefer Aktſchluß wird angegeben; er dedt 
ji) mit einer Scene des Romans.“) „Ein damals in Leipzig mit Recht 
berühmter Bankier und deſſen Verhältnis zu feinem älteften Sohne 
gab Engeln die Idee zu diefem Stüd.“ 

Nicolai wendet ſich in der 1806 erjchienenen „Gedächtnißſchrift 
anf Johann Jakob Engel“ gegen diefe Notiz. Er jagt (©. 33 und 34), 
wenn Engel im Yorenz Stark feinen Großvater habe darjtellen 
wollen, fo fönne er nicht den Leipziger Bankier als Vorbild ge- 
nonmen haben. Aber die beiden Charaktere brauchten fich nicht ans— 
zufchließen, Lorenz Stark fann Züge von beiden haben, und wenn 
Engel auch den Charakter fertig hatte, jo brauchte er doch einen 
Konflift, und warum follte er diefen nicht hier aufgegriffen haben? 

Auf noch fchwächeren Füßen ſteht Nicolai8 Behauptung, der 
Haupteharakter des Romans hätte unmöglich der Sparjame heißen 
fünnen.5) Der Alte ärgert fi) darüber, daß fein Sohn fo viel Geld 
verausgabt, aber, wenn er eine großmütige Handlung begehen follte, 
vielleicht feines TIhalers Herr wäre.6) Der Sohn behauptet, der Alte 
jpare bei Thalern zujammen, um bei Hunderten wegzimerfen,”) 
Engel jelbjt jagt von jeinem Helden: „Er jelbjt war der wahre 
Sparfame, der bei jeinem Sammeln und Aufbewahren nicht fowohl 
dag Geld, als vielmehr das viele Gute im Auge hat, das mit Gelde 
bewirft werden kann.“ Danach kann e8 nicht länger zweifelhaft 





!) Bgl. Neue allgemeine deutſche Bibliothel. 87. 1. 1804. ©. 190. — 
Koberftein, Grundriß®. 5, 102. 

2) Vgl. Reichardt, Bertraute Briefe gefchrieben auf einer Reife nad) Wien 
und den Ofterreichischen Staaten. Amfterdam 1810. 1, 359—361. — Danzel- 
Guhrauer, Yejfing?. 2, 545. 

3) Band 71. Erftes Stück. Yeipzig 1805. Fälſchlich nimmt Koberftein a. a. D. 
den über dem Aufſatze ftchenden Titel der Dramatifierung von F. 8. Schmidt: 
„Lorenz Stark oder die deutfche Familie“ für einen älteren Zitel von Engel! Stüd. 

4 „Herr Lorenz Stark.” ©. 114—139. 

»s, „Gedächtnißſchrift.“ S. 33. 

e) „Herr Lorenz Stark.“ ©. 16. — Bgl. Schriften 11, 364. 

°) „Herr Yorenz Start.” S. 19. Vgl. nod) ©. 20. 23. 


272 Robert Riemann, Johann Zatob Engels „Herr Lorenz Stark“. 


bleiben, daß in den Roman Elemente eines Luftipieles „Der Spar: 
ſame“ eingegangen jind. 

Fernerhin wendet ſich Nicolai!) gegen eine Anekdote, nad) der 
Engel von einem freundichaftlichen Streite mit Leſſing iiber Diderots 
„Hausvater“ Deranlafjung genommen haben joll, einen deutjchen 
Hausvater zu fchreiben. Als Gemmingens Werf erjchienen ſei, 
habe Engel die Arbeit liegen laſſen und fpäter einen Roman daraus 
gemacht. Dagegen führt Nicolai aus, Engel habe ihm jchon 1776 
den Roman angeboten und die fertigen Blätter mitgeteilt, er habe 
ihn bald darauf angekündigt. Erſt 1776 habe Engel Leſſing fennen 
gelernt, eben beim legten Beſuche in Berlin. Der deutiche Haus- 
vater fei 1781 — richtiger 1780 — erjchienen. Er will alſo den 
Roman fünf Jahre vor dem Erfcheinen diejes Dramas in Händen 
gehabt haben. Danı jagt er, Engel habe allerdings einen deutjchen 
Haugvater jchreiben wollen und ſich geärgert, daß ihm Gemmingen 
zuvor gekommen jei. Dieſes Stüd hätte aber „Anton Frey“ heigen 
jollen. 

Ehe id) aus diefer verwirrenden Fülle von Titeln und Notizen 
die Entitehungsgeichichte herauszumwideln juche, ijt cin forgfältiger 
Vergleich” mit den drei genannten Dramen notwendig. Vor allem 
fällt es auf, day Yorenz Starf eine ganz andere Berjönlichkeit ijt, 
al8 der in „Eid und Pflicht”, früher „Die Geißel“ dargeitellte 
Melldorf, der die Hauptperjon des Dramas bilden jollte, aber erft 
vom dritten Alte an zumeilen einmal auftritt. An den Noman erinnert 
die Scene, wo Welldorf jeinen Sohn als einen Edelmütigen kennen lernt, 
während er ihm ſonſt immer für einen Leichtjinnigen gehalten hat.” 
Mit Yorenz Stark hat Welldorf nur die unbedingte Nechtichaffenheit 
gemeinſam, jonjt ijt er zwar ein Mann von unbeugjamer Entichloffen: 
heit, dod) körperlich gebrochen, ein hilflofer ſchwacher Greis mit rein 
paſſiver Widerftandstraft ohne Beweglichkeit und Gewandtheit des 
Geiſtes, während ſein Sohn leidenjchaftlid) und unüberlegt, aber 
thatfräftig handelt. Welldorf mag das trenere Abbild Braſchs fein, 
Yorenz Stark iſt fat ein Selbitporträt Engels geworden, der freilich 
Hageſtolz war, aber doch Familienſinn genug befaß, um den erften 
tüchtigen deutſchen Familienroman zu Schaffen. 

Wie Lorenz Stark, ſo hat auch Diderots Hausvater ſeinen 
Sohn im Verdachte der Ausſchweifung, während er einer ehrbaren 
Liebe nachhängt, die ihm nichts als Entbehrungen auferlegt. Schlieh- 
lid) erfolgt die Einwilligung des Vaters zu der einwandfrei gewordenen 
2erbindung. Wenn im „Herrn Yorenz Starf” die Unwiſſenheit des 


— 


,„Wedächtnuißſchrift“ S. 20 und 21. 
2. Schriften 6, 8. „Herr Lorenz Stark.“ S. 394. 


Robert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Lorenz Start”. 273 


Alten in betreff des Charakter der Madame Lyk den eigentlichen 
Konflift ausmacht, jo ift dazu die Außerung Engel8 über den 
Knoten von Diderots „Hausvater“ zu vergleichen. Er liegt nad) 
jeiner Anficht „Hanptjächlich in der Unwiſſenheit aller von Sophiens 
wahrem Herkommen und Stande.”!) Das Herfommen der Madame 
Lyk jpielt freilid) feine große Rolle, aber Doktor Herbſt betont dod), 
nicht jie, die Tochter de3 armen Vandpaſtors, könne die Verſchwendung 
in Lykiſchen Haufe veranlaßt haben.?) Üüber die Perſönlichkeit des 
Diderotſchen Hausvaters Hatte Engel in der „Mimik“ geäußert :?) 
„Ein Charakter, der mir von allen, die ic) fenne, der allerehr- 
würdigſte jcheint.“ Doch hat Engel eigentlid) in dem fteifnadigen 
Yorenz Starf, der ſich jelbft einen „Enotigen Stamme“ vergleidht,*) 
der niemals jein Selbftbewußtjein verleugnet und immer Herr der 
Situation iſt, ein wahres Gegenjtüd zu Diderots weidhlidem Haus: 
vater geliefert, während die Söhne St. Albin und Karl Starf 
einander ziemlid) ähnlich find. Bei Engel wie bei Diderot findet 
jidh eine fehr genane Angabe des Sebärdenjpiels, die im „Hausvater“ 
auf theatralifche Effekte abzielt, im Roman die Charafteriftif unter: 
jtüßt, wie id) weiter unter zeigen werde. Der Gang der Dandlung 
ijt total verjchieden. Bei ‘Diderot herrſcht einzig und allein die 
Rührung, bei Engel äußerſt ſelten;*) meiſtens ſieht er die Situationen 
durch die Brille des lachenden Bhifojophen. Die größte Ahnlichfeit 
bejtcht in der Betonung des „honnöte’ der Ehrlichkeit, die beide 
Dichter eben als ihr deal verehrten. 

Cie findet fid) and) in Gemmingens „Deutfchen Hausvater“, 
der wie der Diderots adelid) iſt, im Gegenſatze zu Lorenz Starf. 
Auch iſt Gemmingens Hausvater ſehr mild und nachſichtig und hat 
keinen Funken von der Spottluſt des alten Stark. Gemmingens 
Hansvater jagt von jeiner verjtorbenen Gemahlin: „Keine Modedame, 
die ihren ganzen Tag am Epicktijch und im Geſellſchaftsſaale verlor, 
jondern, was eigentlid) des Weibes Beitimmung ift, eine gute, fleißige 
paushälterin: und, war jie in Gejellichaft, diejenige, die alle auf- 
munterte.“ In ähnlicher Weije ſchilt Lorenz Stark jehr oft auf die 
Vorliebe der Weiber für „Put: und Spieltiſch“e) und erhebt die 
häuslichen Tugenden. Dod) geht dieſe Polemik durd) die ganze 
bürgerliche Yitteratur hindurch. Vielleicht könnte man den Baron 


„Poetik.“ (Ich citiere die „Iheorie der Dichtungsart.” Schriften, Band Al 

unter bern fiirzeren Titel „Poetik“, den fie in den Schriften trägt.) ©. 357. 

>, „Herr Yorenz Start." &. 237. 

>) Band 2, 256. 

I) „Herr Porenz Stark.“ S. 62. 

>) Ebenda. S. 392—395. 

*) Ebenda. Bejonders S. 230, vgl. aud) S. 32—35. 223 —225. 237 und 
235 u. 0. 


gupborion. VI. 18 


274 Robert Riemann, Johann Zalob Engel® „Herr Lorenz Stark“. 


von Dromer mit feinen ewigen Komplimenten zu Specht in Parallele 
ftellen oder den Sohn, Graf Karl, Karl Start ähnlich finden. Alles 
in allem find die Ahnlichfeiten recht gering. Die Handlung geht den 
umgefehrten Gang; bei Gemmingen wird Graf Karl zu der Ehe 
mit der Bürgerlichen gezwungen. Zuden ift eine Nebenbuhlerin 
vorhanden, der Bruder ijt der Held einer Nebenhandlung, und über- 
haupt fpielt der „Deutiche Hausvater“ in der großen Welt, während 
Engel im Bürgerhaufe bleibt, ımd die Sphäre des Nomans un- 
“endlich beichränft ift. Diderot hat geringen, Geinmingen feinen Ein- 
fluß auf den „Herrn Lorenz Starf“ ausgeübt. 

Deſto größeren aber ein anderes, bisher nicht genanntes Werf, 
nämlich Goldonis 1771 erjchienene Komödie „Le bourru bienfai- 
sant’’. Hier tritt ein Monſienr Dalancour auf, der jid) zu Grunde 
richtet, um die Wünſche feiner Gattin zu befriedigen, die feine 
Ahnung von feinen Verhältniffen hat und an feiner Verſchwendung 
infofern unfchuldig ijt. Der Oheim ihres Gatten ergrimmt über die 
Toliheit feines Neffen und verfagt ihm feine Unterftüßung. Da ent- 
ſchließt ſihh Madame Talancour, jelbft Monſieur Géronte, der eine 
ſo ſchlechte Meinung von ihr hat, um Hilfe anzuflehen. In der achten 
Scene des dritten Aktes richtet ſie die dringendſten Bitten an ihn, 
er weiſt ſie zurück, ſie ſinkt in Ohnmacht, erweicht dadurch ſein Herz 
und wendet alles zum Beſten. Dieſe Scene hat Engel, der ſich auch 
ſonſt viel mit Goldoni bejchäftigte,!) unzweifelhaft benutzt, aber ſehr 
verfeinert. An die Stelle der brüsfen Zurückweiſung des wohlthätigen 
Deurrtopfes: „Eh! Madame, eroyez vous m’abuser?" jeßt er ein 
bloßes Miigverftändnis. Madame Lyk glaubt zurückgewieſen zu fein, 
deshalb fällt jie in Ohnmacht. Auf diefe Art hat Engel den Alten 
entlaftet. 

Engel hat „Le bourru bienfaisant” jedenfalls bald nad Er- 
ſcheinen kennen gelernt. Wenn er, wie Daffis (a. a. TC.) meint, 
Soldoni las und überjekte, um italieniſch zu lernen, jo konnte er 
mit diefem franzöfifch geichriebenen Stüde den Anfang machen, um 
fi) zunäcdit in die Manier des Dichters hineinzufinden. Außerdem 
verfchrte Engel feit 1774 ſehr intim mit Abel Scyler in Yeipzig und 
in Gotha. Tiefer jpielte mit jeiner Truppe vom Ccptember 1772 
bi8 zum Juni 1775 den „Gutherzigen olterer” zehnmal, wie 
Schlöſſer (Nom Hamburger Nationaltheater zur Gothaer Hofbühne. 
Hamburg und Yeipzig. 1895. E. 72 und 76) angiebt. 

Nimmt man dieje Einwirkungen zu den oben gegebenen Notizen 
hinzu, ſo ergiebt ſich etwa folgendes Bild. 


1) val. Schröder, J. J. Engel. S. 25 und 49. — TDaffis, J. J. Engel als 
Dramatiker. Berlin 1808 2. 30— 3 


Robert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Lorenz Star”. 275 


Engel will jeinem Großvater Braſch ein poetifches Denkmal 
jegen. Er macht ihn zunächft zum Helden eines Trauerſpiels „Die 
Geißel“, das er unmittelbar nah dem fiebenjährigen Kriege 
entwirft. Da er an eine Begebenheit im Leben feines Großvaters 
anfnüpfen kann, fällt ihm hier die Ausarbeitung nicht übermäßig 
jchwer. 

Sm Winter 1767/1768 beteiligt fich Engel mit dem jungen 
Goethe an den Aufführungen des Breitfopf-Obermannschen Familien— 
theaters und jpielt den Comthur in DiderotS „Hauspater”. Er faßt 
jegt den Plan, feinen Großvater zum Helden eines Luſtſpiels „Der 
dentiche Hausvater“ zu machen. 

Bald darauf lernt er in Leipzig einen Bankier Tennen, der mit 
feinem loderen Sohne ſchwer auskommt. Er beichließt diefen in Kauf- 
mannshäufern typijchen Fall, der auch in der zeitgenöffifchen Litteratur 
öfter8 behandelt wurde,!) in einem Luftipiele „Der Sparſame“ dar- 
zuftellen, für das ihm gelegentlich auch der Titel „Anton Frey” vor- 
ſchwebt. 1771 erjcheint Goldonis Komödie und giebt ihm, vielleicht 
1774, den glüdlicdhen Gedanfen an die Hand, den Sohn fich in ein 
Weib verlieben zu laſſen, das der Sparfame für verjchwenderifch hält. 
Er muß nun jeine Liebe verbergen und dadurch entjteht ein ähnliches 
Mißverſtändnis wie in Diderot3 „Hausvater“. Die Handlung beider 
Stücke erlangt Verwandtſchaft. Gleichzeitig aber auch die Charafter- 
zeichnung; denn Engel hat im Sparjamen einen Nater darzuftellen, 
und umwillfürlid) gerät er wieder in die Züge jeines Großvaters. 
Schließlich arbeitet er bewußt nad) diefer Richtung Hin weiter; der 
Zitel: „Der Sparjame“ erſcheint ihm zu enge, und nun erhält diejes 
Stüd den Titel: „Der deutſche Dausvater*. Es wird big an den 
Schluß des dritten Aftes vollendet. 

In den „Briefen über Emilia Galotti” erfennt Engel 1775 
den Vorteil des Romanſchreibers vor dem Dramatifer Hinfichtlic 
der Darjtellung einer Charafterentwiclung,?2) und allmählid) fteigt 
ihm der Plan auf, das Yuftjpiel zu einem Romane umzuarbeiten. 
Im Februar 1776 ſieht Reichardt noch die drei Akte bei ihın. Bald 
darauf trennt Engel die einzelnen Scenen durch undialogifche Zwifchen- 
ſtücke und bietet im jelben Jahre Nicolai — den Roman an, ohne 
zu erwähnen, woraus diefer entftanden ift, vermutlid) auch ohne 
Angabe eines Titele. 

AS Gemmingens „Deutſcher Hausvater” erjcheint, fieht fich 
Engel zu einer Veränderung des Titel8 genötigt und wählt wiederum 


I, „Zopbiens Reiſe,“ 31778. 3, 545—547. — N. Eloeffer, Das bürgerliche 
Trama. Berlin 1898. S. 72, 73. 
2, „Philoſoph fir die Welt.” 1. 10. ©. 150. 
18* 


276 Robert Riemann, Zohann Yalob Engel „Herr Lorenz Start“. 


einen fprechenden Namen, wie c8 auch Anton „Frey“ war, nämlid) 
Lorenz „Stark“. Das erfte Zeugnis dafür, daß der Gedanke an ein 
Luftipiel endgiltig aufgegeben ift, bietet der in den „Horen“ 1796 
erjcheinende Traum des Alten, der im Luſtſpiele, etwa erzählt, allcs 
verlieren würde. Hiermit reißt fich Engel aud) endgiltig los von der 
blinden Verehrung des Hauptcharakters, da derfelbe hier komiſch 
dargeftellt wird. 

Ein Grund mit für die Verwandlung in den Roman war 
jiherlid der Mangel an fräftigen Aftichlüffen. Legt man die 
Dramatifierung von F. 2. Schmidt neben den Noman, fo fieht man, 
daß der im übrigen ſklaviſch genane Bearbeiter drei neue Aftichlüfie 
jelbftändig erfunden ‚hat, die übrigens keineswegs wertvolle Berciche- 
rungen bedeuten.!) Uberhaupt ift das Urteil von Jördens: „Die 
dentjche Familie ijt langweiliger als Herr Lorenz Stark” volltommen 
berechtigt. Engel, der, wie er an David Friedländer ſchrieb, jetzt 
überzeugt war: „Der Gegenjtand ſchicke ſich garnicht zu einem 
Drama,“ ?) hatte feine Freude an der Tramatijierung von Schmidt, 
der fpäter eine von Ziegler an die Seite trat.) Die Pfahlbürger 
waren dagegen entzückt, ihren Lorenz Stark auch auf der Bühne 
bewundern zu fünnen und Iffland fpielte den jpöttiichen Alten mit 
Borliebe.t, „Diefe Rolle muß er fpielen,“ fagt die „Neue Bibliothek 
der jchönen Wiſſenſchaften,““) „wenn er einem Franzoſen oder Eng: 
länder zeigen will, daR der echte deutiche Kaufmann eigentümliche 
Sitten hat, die der Darftellung wert jind.“ 

Zur Biühnenbearbeitung reizten einzelne Nefte von uftfpiel- 
fituationen, die im Romane nachweisbar find. Dahin gehört es, wenn 
der Cohn in ftolzer, pathetifcher Mede Lorenz Starf fund thun will, 
er werde die Stadt verlaffen, aber gleid) ftecfen bleibt, zittert, erblaßt 
und, während der Alte jich Liebevoll um ihn bemüht, diefen in der 
Vorausſetzung bejtätigt, „daß eine Lieblingsipeije, wovon des Mittags 
zu reichlidy genofien worden, an dem ganzen, übrigens unbedeutenden 
Zufalle Schuld ſei.““ Tahin gehört es, wenn Herr Specht, von dem 
Lorenz Ztarf die Nachrichten von der Witwe haben will, von 
Doktor Herbſt durdy jchlaue Nreuz und Tuerfragen endlich joweit 
in die Enge getrieben wird, dan er wiederum den Alten für feinen 


— 


) F. 1%. Schmidt, Yorenz Ztarl oder die deutiche Familie. Yeipzig 1804. 
S. 56. 227. 204 

2, Nicolai, Gedächtnißſchrift S. 34. 

3, Bgl. Neichardt, Vertraute Briefe u. ſ. w. Amſterdam 1810. 1, 359 361. 

1) Neue Bibliothel der ſchönen Wiſſenſchaften und der freyen Künſte. IXXI1 
veipzig 1805. S. 161 und 162. 

Ebenda 

6) „Herr Lorenz Start.“ S. 104. 


Robert Riemann, Johann Zatob Engels „Herr Porenz Star”. 277 


Gewährsmann erklärt. Überhaupt find Specht und Burg?) nur zur 
Erzielung komischer Effekte vorhanden. 

Auf ficheren Boden kommen wir in der Entftehungsgefchichte 
des Romans mit dem Erjcheinen der erjten Stüde im Jahre 1795. 
Als Schiller Engel für die „Horen“ gewann, hatte er feine Anjichten 
über ihn ſchon mehrfach geändert.) Anfangs fchägte er Engels 
„Philoſoph für die Welt” ſehr hoch, wie aus einem Briefe hervors 
geht, den er am 26. November 1784 aus Mannheim an Günther 
Göckingk ſchrieb. ES handelte fih um die Gründung der „Rheinischen. 
Thalia”, deren Charakter Schiller folgendermaßen fchildert: „ch 
glaube, dag mein Journal in dem Fache, worin e3 eigentlich befteht, 
Anfmerkjamfeit erregen wird. Sie fünnen fich vielleicht den beiten 
Begriff davon machen, wenn id) Ihnen fage, daß es nad) dem Muſter 
de3 „Philojophen für die Welt" (ungefähr, nicht ganz) wird zugefchnitten 
werden. Die Welt malt fich in jedem Gehirn anders; auch in dei 
meinigen, und jo werden meine Zeichnungen neu fein.” Vielleicht 
ftecft in dem letzten Sate doch eine Ironie, aber noch 1788 fchlug 
Schiller Gottfried Körner vor, ein Kritifches Kitteraturblatt in der 
Art von Leſſings Yirteraturbriefen und wiederum Engels „Philojoph 
für die Welt“ zu gründen. 

Schon damals betrachtete er Engel als feinen Antagoniften auf 
dem Theater, weil er jeine Abneigung gegen den Sturm und Drang 
fannte, und war wenig erfreut, als er hörte, daß der Verfaffer der 
„ideen zu einer Mimik” an Stelle Döbbelins Direktor des Berliner 
Theaters geworden war, da er nicht eriwarten konnte, daß Engel den 
„Don Karlos“ zur Aufführung bringen werde.t) Aber auf Föniglichen 
Befehl wurde das Stück doch am 22. November 1788 in einer 
Projabearbeitung geipielt, die nit nur Engel! Widerwille gegen das 
verfificierte Dramıa,°) jondern aud) die Unfähigkeit der Schauspieler, 
in Jamben zu jprechen, notwendig madjte. Engel, den Schiller als 
feinen „erklärten Feind“ betrachtete, hatte die Aufführung forgfältig 
einjtudiert und mit feltener Aufopferung für eine ihm nicht kongeniale 
Kunft den Schanipielern ihre Nollen perjünlich eingelernt. Da jedod) 
die Vorjtellung von 5 Uhr nachmittags bis 1,11 Uhr abends dauerte, 
empfahlen ji) die Zuſchauer größtenteils iibermüdet vor Schluß der 
Rorftellung.‘) Schiller machte dies wenig Freude und er hatte nur 


) Ebenda. Z. 250. 

2) Ebenda. 2. 202 — 211. 

3% Schröder, X. J. Engel. S. 31. 

ı Schiller an Henriette von Wolzogen, den 1. Auguft 1787. 

, Mimut. Zweiter Teil. S. 176—250. 

» Bgl. J. B. Teichmanns Litterariſcher Nadjlag, herausgegeben von Franz 
Dingelſtedt. Stuttgart 1363. S. 46. 


278 Robert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Lorenz Start“. 


ſeinen Spaß daran, „daß Engel und Ramler ſo armſelige Hunde 
ſind, um nicht einmal ihren Geſchmack auf der Bühne behaupten 
zu können.“) 

Auf einem Gebiete, wo Engel von Zeitgenoſſen und Späteren 
jehr geichägt wurde, nämlich als KLobredner, griffen ihm die 
Xenien au:?) . 

sm Überfahren. 


Noch ein Phantom ftieg cin. Das las uns cine Gedächtniß— 
Rede auf Preußens Monarch, während wir ruderten, vor. 


Das Xenion gehört dem ftygiichen Cyklus an und wurde, obwohl 
es ziemlich zahm klingt, wicht veröffentlicht, weil Engel inzwiſchen 
in nähere Beziehung zu den Weimarer Größen getreten war. 

Als Schiller die „Horen“ vorbereitete, bejtellte er ſich nicht nur 
durch Cotta bei Zdymieder in Karlsruhe am 2. Oktober 1744 ein 
Exemplar des „Philojophen für die Melt“, jondern forderte aud), als 
die drei erjten, Goethe, Garve und Engel zur Mitarbeiterſchaft auf.?ı 
Engel befand jich damals in Schwerin, da er feine Theaterdircktion 
verloren hatte und arbeitete an alten und nenen Plänen. Zwar 
ſchrieb Körner ſkeptiſch an Schiller (11. Juli 17941: „Engel ift faul 
und wird wenig liefern,” aber dieie Vorausſetzung erfüllte ſich nicht. 
Tie Entlafjung war ohne Penjion erfolgt, und Engel ſah ſich in 
die Notwendigkeit verjegt, mit der Feder zu verdienen. Schon Anfang 
1795 erhielt Schiller „Die Entzüdung des Las Caſas,“!) eine 
Tranmdichtung, die in das dritte Stück der „Doren“ aufgenommen 
wurde. Im September folgten die vierzehn erjten Kapitel des Herrn 
Yorenz Stark,?, die im zehnten Stücke erjchienen. Mitten zwijchen 
Goethes „Unterhaltungen dentjcher Ausgewanderten” und Karoline 
pon Wolzogens „Agnes von Yilien” tritt Engels Roman an die 
Tffentlichkeit, ein chrlicher Bürger in vornehmer Umgebung. Die 
Fortſetzung lieg auf fich warten. Am 16. November 1795 verjicherte 
Schiller Gotta: „Engel hat die Fortſetzung des Yorenz Stark als 
gewiß verjprochen,* am 21. December fand er cs rätlid), „Engeln 


I Zchiller an Körner, den 12, Tesember 1788. 

ı Bl. „Tenen 1706. Nach den Dandichriften des GGoethe und Schiller 
Archivs biransgegeben von Erich Schmidt und Bernhard Zupban. ı Schriften der 
Hoctbe Weiellichaft. Band VIII. Wennar 1803. 2.538. 170 md 180. 

+ Zchiller an Norier, den 4. Juli, den 2%. Tezember 1794; an Gotta, den 
10, Juli: an Goethe, den 20 Oktober. 

ı Zciuller an Korner, din 5. Febrnar und 5 April 1795: an Cotta, den 
1%. Mary; 5 von Humboldt an Schiller, den 15. Auguſt. 

Echiller an Kotta, den Is. und 25. Zeptember 1795; an Goethe, den 
18. September: an Körner, den 2. November: Körner an Schiller, den 6. No» 
vember; W. von Humboldt an Schiller, den 20. November:⸗Goethe an Schiller, 
den 17 Tezember. 


Robert Riemann, Zohann Zatob Engels „Herr Lorenz Star”. 279 


zu bezahlen, um feinen Fleiß aufzufrischen.” So erhielt diefer, der 
mit Goethe und Herder die Weihe der bevorzugten WDeitarbeiter 
ausmachte, die 5 Louisd'or für den Bogen befamen, durch ſeinen alten 
Schüler W. von Humboldt 24 Louisd'or, worauf er im März 1796 
drei weitere Kapitel einſandte. Sie erſchienen 1796 im zweiten Stück 
mit der verheißungsvollen Unterſchrift: „Der Beſchluß künftig“, aber 
Schiller erhielt ihn niemals, ſondern er erſchien erſt 1801 mit den 
früher veröffentlichten Stücken in einer neuen Faſſung vereinigt, die 
in 35 Kapiteln die erſte vollſtändige Ausgabe des Romanes bildet. 
Von ihr weicht die 1806 in den „Schriften“ erſchienene Faſſung 
nur in Kleinigkeiten ab.!) 

Engel hatte den erjten Zeil prompt an Schiller eingejandt, mit 
der Fortſetzung aber ein halbes Jahr gezögert. Nun bemerkt Nicolai 
in der „Gedächtnißſchrift“,“) Engel habe an Scdiller, „den Anfang, 
joweit er im Jahre 1776 geichrieben war," zum Drude gejchidt. 
Bezicht man diefe Bemerfung auf die rafd) eingefandten vierzehn 
eriten Kapitel und nimmt den Umftand hinzu, daß die in der „Neuen 
Bibfiothef der fchönen Wiffenichaften” angegebene Schlußfcene des 
dritten Aftes des „Sparjamen“ ing vierzehnte Kapitel fällt, fo könnte 
man in der That mit Nicolat annehmen, Engel habe einjad) fein 
altes Manuffript eingefchict, ohne e8 zu überarbeiten, Kapitel XV 
bis XVII, die von 1795—1796 entftanden, müßten hiernad) der 
Ausgabe von 1801 jehr viel näher ſtehen, ul8 die 1776 nieder- 
gefchriebenen Kapitel I-XÄIV. Liegt alfo bei einer Vergleichung der 
beiden Zeile der Horenfaffung untereinander und mit der Faſſung 
von 1801 die Discrepanz zwijchen den beiden Teilen, fo hat Engel den 
erften nicht überarbeitet, Liegt fie zwijchen Horenfafjung und Ausgabe 
von 1801, jo jind beide Teile gleichzeitig entjtanden, dag heißt 
1795 —179b. 

Vielleicht fcheint der Umſtand, daß die zweite Partie dreimal 
„Lyck“ Statt „Lyk“ hat,?) darauf Hinzudeuten, daß Engel fid) frifch 
in die Fortſetzung des früher begonnenen Werfes hineinarbeiten 
mußte und dabei noch nicht volle Sicherheit gewann. Leider findet 
fi) aber auch in der erjten Partie, allerdings nur einmal,) „Lyck,“ 
jo dag man auf einen Drudfehler ſchließen muß. 

Große ähnlichkeiten der beiden Zeile der erſten Faſſung gegen— 
über der zweiten fprechen gegen Nicolais Behauptung. Engel ſchreibt 
in der Horenfafjung jehr oft Adjektiva und Subftantiva auf — 


) Alın diefer Abweichungen willen wird bei der Vergleichung mit der Horen- 
aitung, bir Ausgabe von 1801, nicht, wie ſonſt, die der „Schriften“ citiert. 
20 und 21. 
3) „Horent, 1796. 11. 12. 15. Sonft Lyk. 
) „Horen”. 1795. X. S 15. 


280. Robert Riemann, Jobann Jatob Engels „Herr Yorenz Stark“. 


„icht (igt)“, für die er 1801 die gebräudjlicheren Formen auf — 
„ich (ig), einſetzt.) Zür das „fodern“ der Horenfaſſung tritt 
„fordern",2) für „Heurat,“ „reuten,“ „geſcheutere,“ „Beirat,“ „reiten,“ 
„geicheidtere”?) ein. Den Gonjunctivus Imperfecti verbejjert Engel 
häufig in dem Pracjentis.t) Auperdem vermehrt er 1801 die Kon— 
junftionen. Unzählige „ja,“ „auch,“ „aljo,* „doc“ ꝛc. dringen in 
den Tert ein und geben ihm cine ungemeine Glätte und Yesbartfeit.®) 
Sodann findet Engel ein jonderbares Vergnügen darin, die Namen 
jo oft al8 möglich zu jegen, und jchreibt jtatt „er“ „ihn“ zuweilen 
„Herr Stark“, „der Sohn“ u. f. w., fügt aud) öfter die Anrede 
„Leber Specht“ u. ſ. w. hinzu.®) 

In Parenthefe bemerfe ic) noch, dag die Trthographie der 
„Horen“ nicht normalifiert wurde. Beilpielsweije kommt neben Engels 
„fodern“ im Aufſätzen von anderer Hand jehr oft „fordern“ vor.', 

Rei allen angegebenen Anderungen liegt die Digerepanz ziwijchen 
der Dorenfafjung und der Ausgabe von 1801. Dan wird daher 
Nicolais Bemerkung jfeptiid) betrachten dürfen. Engel bat die 177% 
geichriebenen Stücke 1795 überarbeitet, im Winter 1795 1796 um 
drei weitere Kapitel vermehrt, deren jüngere Entjtchung aud) der 
Zramm beweiit, der dem „Sparſamen“ mit angehört haben kann, 
und dann das Ganze liegen laſſen. Die Uberarbeitung war vermut 
lich teils jtiliftiicher Natur, teils vermehrte fie die undialogijchen 
Zwiichenitife,> deren Ginichaltung 1776 begonnen hatte. Nicolai 
wollte mit ſeiner Motiz vielleicht eine Heine Rache an Kugel nehmen, 
weil diejer ihm den Roman veriprochen, aber nicht ausgeliefert hatte. 

Man ſieht übrigens aus den obengemachten Angaben, daß die 
beiden erhaltenen Faſſungen feine erheblichen Berjchiedenheiten anf 
weile. Nachtragen will ich noch, daß Madame Lyfk in der Doren- 
faſſnug jehr viel armer it als ſpäter. Dat jie bier „Güter vollends 
gar nicht“, jo dort „vollends nur wenig”. Präſeutiert Dorn hier eine 
„Nicht unbeträchtliche” ‚sorderung, jo wird jte Dort geradezu „nur 


4 „Doren“. 1702 X. SZueiniarbigtes, 26 Hieichten, 20. knoligter, 30. barı 
näckigter, gramlichten, 56. mißlanutgt 1706 II. Z 6. KRäfigt Dagegen ın Der 
Ausgabe von 1801. Z 3. 51. 6. 6". 120. 155. „Poren“. 1795. X. 2.15 
„lodiiubtes” bleibt 18601, wid erit 1806 verbeffert, vermutlich nad binterlaiienen 
Angaben Engels, Dev 1802 ſtarb, oder nach Mtatogıe. 

Ausgabe von 1801. zZ. 12. 22. 100. 1606. 181 


Ebenda. Z. . 17.21. 00 up. 1b. 180, 

ı ebenda. Z 52 08..8tadt S. 105 und Z 113, um 1806 verbeitert zu 
werden. 

Ebenda. 2 Sb a8 02. 110. 128. 156. 168%. Erſt 1806 wird auf 


⸗ 3. 
2.22 cm „auch“, auf S. 61 ein „da” eingeſett 
Ebenda. S. 3. 31 171. 
gl „Horen“. 1705. V. 2.52.60. 61 yecimal, 62 ıwiermal:, 77. 79 u. ö. 


„Bert Lorenz Stark.“ Napıtei I. V. VI NIE XIV. NV. 


Robert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Yorenz Starf”. 281 
N g 3 


unbeträchtlich”, obwohl fie dreitaufend Mark beträgt. Sonft hat 
Engel ab und zu einen Saß umgejchrieben, weggelaflen oder hinzu- 
gefügt,') ohne die Stilfärbung des Ganzen zu ändern, und einmal 
eine Angabe über mimiſches Spiel Hinzugejekt.?) 

Wenn man Deerfel Glauben fchenfen darf,3) was jdyon von 
vornherein jeine Bedenken hat, fo unterlicß Engel weitere Einfendungen 
an Schiller, weil Dieter ihm die Arbeit am „Herrn Lorenz Stark" 
„durch einige Bemerfung darüber nad) feiner Kunftanficht“ verleidet 
hatte. Merkel behauptet, er habe ihm fein Bedauern bezeigt, daß 
der Roman Bruchſtück geblieben jei, worauf Engel erwiderte: „Nun 
fertig it er im SKopfe; ich brauche ihn nur Hinzufchreiben,“ und 
ihm das Werk, Kapitel für Kapitel, in den gewählteſten Ausdrüden 
vortrug. Merkel bat ihn, die Dichtung, da fie dod) einmal fertig 
jei, zu Papier zu bringen. „Er entjchloß fich endlich dazu, und id) 
fag’ es mit einigem Stolz, dad Publifun verdankt den Xorenz 
Starf gewijjermagen mir.“ 

Dieje Unterredung fand nac Meerfel im Winter 1800/1801 
in Berlin Statt, wohin Engel von feinem erlauchten Schüler Friedrid) 
Wilhelin III. zuriücfberufen worden war. 1801 lag der Woman voll: 


er mit Engel erlebt haben will, läßt ſich direft widerlegen. Er 
berichtet,*) ev habe Engel eines Abends übelgelaunt gefunden, weil 
er ſich nicht auf einen faufmänniihen Ausdruc habe bejinnen fünnen. 
„Indem trat David zyriedländer ins Zimmer. ‚Wie nennt ihr 
Kaufleute,’ rief Engel ihm entgegen, ‚das Stück Zeug, das aus dem 
Ballen heraushängt, um zu zeigen, was drin ift.” ‚Das Schau— 
ende, amtivortete Friedländer. ‚Das iſt's! Hätt' ich mich nicht 
geſchämt, „ihnen heute früh darüber ein Billet zu jehreiben, jo wären 
ein paar Kapitel vom Starf mehr fertig geworden.’ 

Meerfel will dies im Winter 1800 1801 erlebt haben. Leider 
aber findet ji die einzige Stelle, wo das Schauende im Romane 
vorfommt, Schon im den vier Jahre früher erfchienenen „Doren“.’) 
Der Alte, der vom Charakter Karl Starfs einen bejjeren Begriff als 
Gisher bekommen hat, ärgert ſich nur, „daß an einer Waare, die 
I, Ausgabe von 1801. S. 33. 95. 109. 118. 122. 126. 127. 130. 131. 136. 
137. 139. 142. 

3 Ebenda. 2.156. Von jet ab wird wieder einheitlic) nad) den „Schriften“ 
citiert. 

3 „Skizzen aus meinem Erinnerungsbuche.“ Riga 1812. 8. Heft I. S. 98— 
101. Abgedrudt bei Jördens, „Denkwürdigkeiten, Charakterzüge und Anekdoten“ zc. 
Yewzig 1812. Band 2. S. 351— 354. 

) Ebenda. 

) 1796. II. S. 15. 


282 Robert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Forenz Starf“. 


doch tiefer hinein cin fo gutes und feines Gejpinft zeigte, „gerade 
das Schau Ende fo fchlecht ſeyn mußte.“ 

Einen Einblid in Engels Art zu arbeiten, gewährt die Auckdote 
immerhin und wird ſoweit wahr fein, daß wir nur den eitlen Garlieb 
Merkel auszufchalten haben, der wenigſtens Zuſchauer bei ciner 
Begebenheit gewejen fein will, die ihm vermutlid) Friedländer erzählt 
hat. Engel verdantte aljo die Kenntnis des kaufmännischen Details 
feinem jüdiichen Belanntenfreiie in Berlin. Er hat die Welt des 
Romanes zwar aud) durchlebt, aber als Beobachter. Er ift in ihr 
zuhauje, aber nicht in ihr befangen. So Hlein und beichränft der 
Kreis auch ift, im dem ſich Engel bewegt; der Gelehrte, Doktor Herbit, 
und der Kaufmann, Lorenz Start, treten doch jelbjtändig einander 
gegenüber und werden vom Dichter mit gleichen Intereſſe behandelt. 
Dadurd) wird jenes Spezialiftentum vermieden, das bei dem Paftoren 
Hermes alle Perjonen über theologische Tragen reden Täßt,!) bei 
Nicolai alles vom Standpunkte des Buchhändlers betrachtet. Im 
Gegenſatze zu ihnen ftellt Engel mit künftlerifcher Freiheit dar und 
hält feine Reden pro domo. 

„Herr Lorenz Stark“ als Roman entjtand 1776 aus früheren 
Yuftipielicenen, wurde 1795 überarbeitet und um drei Kapitel ver: 
mehrt, denen fich im Winter 18001801 achtzehn weitere anfchloffen. 
Der Hauptcharalter Toll anfangs einen Yeipziger Bankier darſtellen, 
erhält dann Züge von Engels Großvater und Diderots Hausvater 
und wird jchlieglich mehr und mehr zum Selbftporträt des Tichtere. 


II. Ideenkreis. 


Auffällig ift in „Deren Lorenz Starf“ der Diangel an politiſchen 
Tendenzen, die ſonſt die ganze bürgerliche Yitteratur durchzichen. 
Engel berührt weder dag Problem der Deesalliance, das bei Gellert 
geftreift, bei Hermes, „dem Stifter jo mancher mißrathnen Ehe,“ *) 
breit behandelt wird,’) noch die Verführung der Zofe durch den 
Junker, die im „Schaldus Nothanfer“ ') und in „Eophiens Reije“ ?) 
ihre Rolle ipielt. Tas Bürgertum nimmt im „Herrn Yorenz Stark“ 
feine Nampfftellung ein; es ringt nicht, um zur Geltung zu fommen, 


') Hermes geitcht dies often cın. „Sophiens Rerie.* 31778. 2. 2. 580. Vgl. 
1. S. 36. 49. 158-160; 2. S. 422 —458: 3. 2. 5235 —530. 571—59 u. 6. 

2, Vgl Muiäus, „Phyſiognomiſche Reifen.” 3weytes Heft. Altenburg 1778. 
S. 22 und 23. 

3, „Sophiens Reiie*. 1778. Rand 2. S. 220—237. 251: 254. 237—290. 
302 — 332 ı. 6. 

ı „Zebaldus Nothanker.“ *1799. Band 2. S. 117 fi. 

+ „Zopbieng Reiſe“ 1778. 1. 2. 454-630; 4. ZZ 166 — 581; 5. 
S. 64-69. 


Robert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Porenz Star”. 2833 


fondern lebt ruhig in feiner Sphäre, unbelümmert um alles, was 
nicht in ſie hineingehört. Mit ſtarkem Selbftbewußtjein fühlt fich der 
Alte als Beherrſcher feines Hanjes, das für ihn die Welt bedeutet. 
Er hängt mit der gleichen Zähigfeit an feinen altbewährten Grund 
jägen, wie an der altmodiihen Einrichtung!) belehrt andere gern 
und glaubt jelbft ausgelernt zu haben.?) „Steif ift fein Rüden und 
jteif ijt fein Kopf. Beide würden cher brechen al3 biegen.“3) So 
ichildert er ſich ſelbſt. 

Eine etwas größere Rolle jpielt das Nationale. Bon Lorenz 
Starf hören wir gleich im Anfange, „daß das Außerliche feiner Kleidung 
und feines Betragens auf den erjten Blick die altdeutſche Einfalt 
jeines Charakter verfündigte”.t) Diefes Wort muß man verall- 
gemeinern und auf den ganzen Roman anwenden. Engel prägt nicht 
wie Hermes dem Nomane äußerlich cine patriotiihe Tendenz auf, 
die jich in feierliche Phrajen ergiegt,?) fondern Darftellung und Kolorit 
verraten die Liebe zum Nationalen. Engel macht ſich nicht mit feiner 
Gefinnung breit, fondern fett fie jchweigend in die That um. 

Ahnlich iſt die Stellung zur Religion, die im Roman des 
18. Jahrhunderts eine große Rolle fpielt. Der „Sebaldus Nothanfer“ 
war ein heftiger Proteft gegen Pietismus und Orthodorie,s) dem Her: 
mes entrüftet entgegentrat,?) und beide Schriftiteller überſchwemmten 
ihre Romane mit theologifhen Dijputen. Engel bringt nur einige 
Heine Bemerkungen. Ein „Freigeiſt“ ift ihm etwas Gefährliches,s) 
aber über die pietijtiiche Terminologie, das „Kreuz,“ die „Zrübfal,“ 
die „Schule der Geduld“ und die „Zerknirſchung“, macht er fid) in 
ähnlicher Weite Tuftig,’) wie Nicolai. Mit einem fpöttiichen Lächeln 
beichreibt er die wohlgekleideten Kirchgänger, „denen e3 niemand 
anfah, wie jehr jie ihrer Sünden wegen waren geicholten Wworden”.10) 
Eine direkte Anspielung findet jid) nur einmal. Als Specht gar nicht 
damit heraus will, woher er von dem Charakter der Madame Pyf 
weiß, ruft der Alte ans: „Die Lyk iſt heimlich Fatholiich, und diefer 
Specht iſt ihr Pater.“ Specht tritt „mit wahrhaft proteſtantiſchem 

) „Herr Lorenz Stark.” S. 217. 

2), Ebenda. S. 62. 

3) Ebenda. S. 64. 

I, Ebenda. ©. 3. 

») „Sophiens Reife.” 31778. Band 1. ©. 568. 589—591. 625—626. 2. 
8. 1-9 u. ö. 

6) Vgl. R.Schwinger, Friedrich Nicolais Roman „Sebaldus Nothanfer.“ 
Weimar 1897. S. 29— 103. 

9J „Sophiens Reiſe.“ 31778. 6. S. 483. 

) „Herr Lorenz Stark.” S. 57. 

h Ebenda. S. 203-205. 370. 

iv, Ebenda. S. 300. 


— 


234 Robert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Yorenz Start“. 


Schreden“ zurüd und ruft aus: „Wenn das der Herr Bauptpaftor 
hörte!“ }) 

Leſſing und Nicolai waren fchärfer gegen den Herrn Bauptpajtor 
vorgegangen; auch Engels religiöje Polemik ift im „Philofophen für 
die Welt” nod) nicht auf diefen ruhigen Ton herabgejtimmt.?) Dabei 
muß man im Auge behalten, dag Engel aus einer Pajtorenfamilie 
itamımte.?) Sein Vater war ein ebenjo getreuer Anhänger der Apoka— 
lypſe wie der Magiſter Sebaldus Nothanter und wollte, jo berichtet 
ung Nicolai in der „Gedächtnißſchrift“,“) jogar den Satirifer Yiscom 
durd) Alberjendung eines gelehrten Kommentars zu feiner Anjicht 
befehren. Tiefer erwiderte dem ‚Freunde, was Engel der Sohn ver» 
mutlich unterfchrieben haben würde: „Wenn e8 dem heiligen Johannes 
gefallen hätte, joviel Gelehriamfeit und Mühe anzuwenden, um in 
jeine Apofalypfe Verjtand hineinzujchreiben, als der ehrlidhe Cam— 
pegiug um Verſtand hineinzuerflären, fo würde fie ein ganz erträg: 
liches Bud) geworden ſein.“ Wahrſcheinlich hat Nicolai diefe Anekdote 
aus Engels Munde, und beide mögen oft über Orthodorie und 
Pietismus verhandelt haben. 

Daß Engel Madame Lyk zur „Tochter eines armen Land— 
predigers“ gemacht hat, ijt wohl weniger eine Folge ſeiner Abſtammung. 
Der Yandpajtor Spielt feit Fieldings „Joſeph Andrews“ (1742) und 
Goldſmiths „Vicar of Wakefield“ 11766) eine große Rolle im Roman 
und finder ſich in Thümmels „Wilhelmine“, mehrfach im „Sebaldus 
Nothanker“, dukendweile in „Sophiens Reiſe“ vertreten. 

Ermähnensmwert iſt cs, daß Engel die Ammenfrage berührt. Lyk 
hatte von der Meutterliebe feiner Gattin das Opfer gefordert, „den 
künftigen Säugling nicht mit eigener Bruſt zu ernähren“. Sie gab 
nach. Lorenz Stark mipbilligt dies höchlichit,?) ohne jedod) pathetiſch 
darüber zu reden wie Dermes.dı 

Die Liebe wird im „Derrn Lorenz Stark“ jonderbar behandelt. 
Hier kommt in Engel der Junggeſelle zum Vorſchein, in deſſen Bruft 
noch dazu, ſoviel wir willen, niemals cine Yeidenichaft eingezogen 
ijt. Engel macht jich über Karl Ztarf und Madame Lyhk in ähnlicher 
Weiſe huſtig, wie Nicolai über Säugling und Mariane. Freilich 
wollte dieſer eine Satire auf Jacobi und die Phnullispoeten liefern, 
während Engel bier einfach von ſeiner Erfahrung und Begabung ver- 
laſſen wurde. 

Iı ebenda S. 255 

>, 27. Stid „Tag Jauberimabl.” Schriften. Band 2. 2.85 — 6. 38. Stück. 
„An Hrn. 8% ber die Furcht vor Dev Rücklehr des Aberglaubens.“ 2.333 - 374. 

, Zchrößder, J. J Engel S. 5. Daffis, 2.5. 

2.32 8, Anmerkung 1. 

„Herr Yorem Ztart” S 240 

*, „Zopbiens Reiſe.“ 1778. 2 


—XZ 
or 
[er] 
— 


0. 2.635 —b38 u. ö. 


Robert Riemann, Zohann Jakob Engels „Herr Lorenz Stark“. 285 


Mit defto größerer Sicherheit bewegt er fich auf dem Gebiete 
der Meoral, das dem Verfaſſer des „Philofophen für die Welt” in 
alfen feinen Teilen geläufig war. Auf diefe Schrift weiſen auch die 
Reſte allegorifierender Parabeln zurüd, die fi im „Herrn Lorenz 
Starf” finden. Hatte Engel dort die natürliche Welt in ihren ver- 
jchiedenften Zeilen zur moraliſchen in Parallele gejtellt,!) fo zieht er 
im Nomane nur die Erfahrungen und Gewohnheiten des Arztes, 
das heist des Doktor Herbft, heran. Damals hatte Engel in den 
„Eurmethoden” durch Gegenüberftellung eines Kraftdoftors und eines 
jüglichen eine leichtverftändlihe Satire auf die Genies und die 
Pietijten geliefert; aber man fah diejer Geſchichte an, daß fie behufs 
der Aufſtellung eines moraliihen Sages erfunden war. Im „Herrn 
Korenz Stark" wird man es Doktor Herbit nicht verübeln, daß er 
alles durch die Brille des Arztes fieht und hiermit feine Umgebung 
ein wenig anftedt; denn auch die anderen Perſonen greifen gelegent- 
lich jeine Erzählungen von Kuren und Kranfen auf, um einen mo— 
raliichen Sat durd) Analogie zu beweifen. Als Doktor Herbft erklärt,?) 
man dürfe bei einer Kriſis nicht eingreifen, zieht der Alte die Lehre 
daraus, daß er jeinen Sohn, deſſen Trotz feine Krijis erreicht hat, 
nicht durch eine Bitte zum Bleiben veranlaffen dürfe Der Wit 
dabei ift der, daß gerade Doktor Herbft den Alten zu diefer Bitte 
hat veranlajjen wollen und ihm nun umſtändlich auseinanderfest, 
warum der Arzt bei einer Krijis nicht eingreifen dürfe. ‘Der Lejer 
merft jehr bald, wo der Alte mit feinen vielen Fragen hinaus will, 
und freut ſich über die Naivetät des Doktors. 

Ahnliche Vergleiche zieht Engel oft,?) die fürzeren auch auf 
anderen als ärztlichem Gebiete. Doch hat er für diejes eine befondere 
Vorliebe. So vergleicht der Doktor!) die Uneinigfeit zwilchen Water 
und Sohn einer innerlichen Krankheit, die nur durd) das Radikal— 
mittel der DBerheiratung des Sohnes gehoben werden kann. Alle 
fonftigen Verſöhnungsverſuche „pinjeln und pflaftern an einem Ge— 
ſchwürchen, das, wenn wir es heute heilen, morgen wieder aufbrechen 
wird“. Nennt der Doftor ein Geficht, an dem er ficht, daß der Kranfe 
bald jterben wird, ein Hippofratifches Geficht, fo behauptet eine 
Gattin,’) das gleiche Geficht zeige „die Freiheit der armen Mädchen 
und Witwen, wenn fie im Abfahren begriffen ift,” und macht fid) 


1) „Philojoph f.d. W.“ Stück 3. „Die Höhle auf Antiparog.” 7. „Die, Eiche 
und die Eichel.“ 15. „Der Bienentorb.“ 22. „Die Curmethoden.” 23. „Der Atna.“ 
27. „Das Zaubermahl“ und andere mehr. 

2) „Herr Porenz Stark.” S. 92—100. 

3) „Herr Yorenz Stark.” ©. 272. 273. 331. 332. 333. 356. 377. 378. 379. 

4) Ebenda. S. 80. 

5) Ebenda. S. 314 und 315. 





2386 Robert Riemann, Zohann Zatob Engels „Herr Lorenz Start“. 


auf den Weg, un bei Madame Lyk nach den: hippofratichen Gefichte 
zu forfchen. Intereſſant iftes, wie Engel auch das Gebärdenfpiel zur 
Allegorie benugt. Der Doktor bringt dem Alten, der gerade Geld— 
forten ordnet, die Nachricht, Karl Start wolle fort. Da fällt dem 
Alten ein Zweidrittelftük im die Hände, das ihm nicht recht echt 
fcheint. Er beficht e8 von vorn und hinten, wirft e8 auf den Tiſch, 
um den Klang zu hören und muftert es endlich aus. „Will von 
mir? Wohin?" !) Hier Hat der Leſer den Vergleich zu ziehen. Je 
fürzer die Bilder werden, dejto mehr geht dic Parabel in die bloße 
Dietapher über, die Engel ſonſt ſparſam verwendet. 

In ähnlicher Weiſe wie Engel geht auch Nicolai im „Sebaldus 
Nothanker“ vor, ganz im Gegenſatze zu Thümmels „Wilhelmine“, 
deren Fortſetzung doch ſein Roman bilden ſollte. Thümmel illuſtriert 
immer das Augenblicksereignis durch möglichſt fernliegende homeriſche 
Gleichniſſe mit parodiſtiſcher Färbung.) Im „Sebaldus Nothanker“ 
iſt bildlicher Ausdruck überhaupt felten,?) richtet ſich aber ſonſt in 
Engel3 Art auf das Nächſtliegende. Herr F. erlebt eine Art von 
allegoriſierender Parabel mit einem verhungernden Weber, der ähnliche 
Nöte auszuſtehen hat wie die vertriebenen Prediger, „weil die Vor⸗ 
fahren ein Symbolum für die Weber erdacht, und alle Zeuge, Die 
man weben foll, auf Tuch, Raſch und Leinwand eingefchränft 
haben." *) Der fterbende Major aber beweift den Satz, daß der Menſch 
nicht mehr zu leiten brauche, als das, wozu ihn Gott befähigt habe, 
durch einen Hinweis auf feinen Hühnerhund, der feine Sünde 
begeht, wenn er eine Sau nicht ftellt.5) Hermes liebt allegorifierende 
Parabeln nicht. Er tritt befannte VBergleidye zwar gern breit,®) wählt 
aber, wenn er einen moraliichen Satz illuftrieren will, eine Anekdote,') 
die fich oft zu einer breiten Epijode auswächſt. 

Natürlih trägt Engel die Moral nicht nur im Gewande der 
Allegorie vor. Als Popularphilojoph ſucht er aus jeder Eituation 
moraliihe Sätze zu folgern, obwohl er der Anſicht war, daß die 
Moral in der Theorie der Dichtkunſt nichts zu fuchen habe, wenn 
man jie auch vom Dichter als Menſchen verlangen miüffe.) Im 
vierten Kapitel belehrt Yorenz Starf Derrn Specht, wie cin Dann 
jeine Frau behandeln müſſe: „Immer liebreich, nie verliebt: ift die 


1, 2. 60. 

2, „Milbelmne.“ Leipzig 177 . 2. 18. 19. 22. 26 u. ö. 

2) R. Echwinger, a. a. O., S. 42. 

) „Sebaldus Nothanker.“ Tao. 2. 2. 76. 

>) Ebenda. S. 133. 

*, „Zopbieng Reife.” 21778. 1. S. 305. 346. 383. 

*), Ebenda. 2. ©. 143 ımd 144. 

*; „Rbilofoph für die Welt.” Band 2. Stüd 24. „An Hrn. 3***. Bon dem 
moraliihen Nuten der Dichtkunſt.“ S. 49- 67. 


Robert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Lorenz Star”. 287 


Regel.“ 1) Das vierundzmanzigfte Kapitel ift ein Dialog zwiſchen Doktor 
Herbit und Herrn Specht über die Theje, daß und wie man die 
Wahrheit jagen müſſe: „Die Art, wie man die Wahrheit jagt, macht 
den Unterjchied; jonft jagt man fie dem Könige wie dem Bettler.“ :) 
Der Vorteil ift hier, daß die Moral fid) zwanglo8 aus der Gejchichte 
ergiebt, ftatt daß den allgemeinen Sage eine Geſchichte auf den 
Leib gejchrieben wird. 

Ein Element, das fonft im Familienroman reichlich vertreten 
zu jein pflegt, nämlich die Naturfchilderung,?) fehlt im „Herrn 
Lorenz Starf” völlig. Der Roman fpielt im Herbft; denn „der jähr- 
lihe Abjchluß der Handlungsbücher it nahe,“ *) die Chaife hat „den 
ganzen Eommer hindurch) in der Trodnis geftanden,“”5) und Karl 
Starf macht eine Hajenjagd mit.) Wie leicht Hätte jich die Fleine 
Reife, die der Sohn zu feiner Zerftreuung unternimmt, während 
der Vater ihn franf auf feiner Stube wähnt, benugen lafjen! Jeder 
andere hätte die herbftliche Landſchaft mit den Augen des unglüd- 
lichen Liebhabers gejehen und gefchildert. Aber Engel hat überhaupt 
nur ein jehr Fonventionelles Naturgefühl bejejfen, wie auch die neuer: | 
dings von Schröder heransgegebenen Gedichte beweifen.”) Dies zeigt | 
auch ein Brief, den er anı 21. Januar 1785 an den Hofmaler Frifch | 
ſchriebes) Er bittet um die Beiorgung einer Gartenwohnung, da es 
ihm in Berlin zu heiß wird. Die Gegend ift ihm gleichgültig; 
er verlangt „nichts Schönes, nichts Großes und Koftbares; nur gute 
Wirtslente und trodene Zimmer”. Dort will er in feinem „Überrocke“ 
Friſch befuchen, jein „bißchen Eſſen“ mitbringen und hofft „vorzüg- 
lid) jo mandje nod) dunkle und unbejtimmte Idee von der Kunft 
durch feine Unterredungen aufflären nnd berichtigen zu Tönnen“. 
Von irgendwelcher Sehnfucht nach dem Genuffe ſchöner Natur ift in 
dem Briefe nichts zu finden. So wird es erflärlid, daß aud) der 
„Herr Lorenz Stark”, wie die meiften bürgerlichen Dramen, im 
Zimmer jpielt. 

Allerdings macht aber Engel gelegentlich einen Verſuch, zum 
Erſatz für diefen Ausfall die poetiiche Seite des Kaufmannzftandes 
in ähnlicher Weife zu fafjen, wie jpäter Freytag in „Soll und Haben“. 
Der eingejchüchterte Specht liefert ung eine treffliche Beſchreibung: 


1) „Herr Lorenz Stark.” ©. 35. 

2), Ebenda. S. 261. 

3) „Sophiens Reife”. 31778. 1, 52. 53. 371—373. 2, 149. 287. 3, 29. 30. 
46. 47. 4, 310-313. 480—484 u. 6. 

1) „Herr Lorenz Stark.” ©. 54. 

>) Ebenda. ©. 120. 

6) Ebenda. S. 288. 

) C. Schröder, 3. 3. Engel. ©. 62—67. 

°) Das ungedrudte Original liegt auf der Königl. Bibliothek in Berlin. 


288  Mobert Riemann, Zohann Zalob Engels „Herr Lorenz Start”. 


„Wenn man denn da in fo ein Haus kömmt, und alle die großen 
Kiften fieht, und die ungeheuren Ballen mit Waaren, und das Gerenne 
und Setreibe der Leute, und die Frachtwagen, die ab: und die auf: 
geladen werden, und das ganze volle Dutend Pferde davor: — ad) 
Herr Doktor! es wandelt einen eine Ehrfurcht an, ein Reſpekt!“ 
Schon hier ſucht der Roman das Volf bei feiner Arbeit. 


IV. Aufbau. 


Der „Herr Lorenz Stark“ ftellt gegenüber der tranrigen Kompo 
jitionslofigfeit der meiften zeitgenöjjiichen Nomane ein Deufter an 
Straffheit des Aufbanes dar. Der Höhepunkt der Verwicklung, der 
erfolglofe Beſuch der Witwe, liegt faft genau in der Mitte. Schmidt 
hat ihn klüglich im den dritten Aft gerückt, im „Sparſamen“ wäre 
er in den vierten gefallen — cin technischer Fehler. 

Jedes der 35 Kapitel des Momancs bildet ein gefchlofjenes 
Ganze, das Engel auferordentlich gewandt entweder mit einer Yu 
fammenfaffung der Konjequenzen des Erzählten für die weitere Ent 
wiclung oder mit einer jpöttiichen Wendung, einem lächelnden Kopf 
fchürtelun über das Thun und Treiben der Perfonen abſchließt. Im 
Anfange Scheint das Yuftipiel mod) durd) den Roman durch. Dialo- 
giſche und michtdialogijche Partien wechſeln in den erften fichzehn 
Kapitel derart, daß zwiſchen mehrere Geſprächskapitel immer ein 
erzählendes!, tritt. Später findet der Wechſel abjagweile ftatt. Das 
fünfte Kapitel ift ein Meonolog Karl Starts mit eingefchobenen 
Einwürfen des Autors, die früher vermutlich eine andere Perjon zu 
machen hatte. Schmidt hat fie Doftor Herbſt zugeteilt.) Die ur- 
jprünglidhe Sceneneinteilung macht ſich im Anfange auch infofern 
bemerkbar, als in Kapitel VII—X jedesmal, wenn eine weitere Perjon 
ins Zimmer tritt, ein neucs Kapitel beginnt. 

Die Handlung fchreitet vorwärts in der Beieitigung der Vor— 
urteile des Waters, die von den „Verbündeten“) Stück für Stüd 
aus dem Wege geräumt werden. Führerin der Intrigue ift Die 
Doktorin, die als Erbin der guten Geiſtesgaben des Alten dar: 
geitellt wird. 

Schlieglich findet fi im Aufbau des Romanes dod) eine große 
Ungejchieklichfeit, die richtig wieder der litterariichen Tradition zur 
Laſt gelegt werden muß. Der Alte iſt eigentlich Schon vollkommen be: 
jänftigt, da erbittert ihm der Traum, in dem er Karl Stark und 
Madame Ynf erblict, ans äußerſte und führt neue Nerwiclungen 


'ı Rapitel I. VI NIE XIV. NV. 
2, „Zie deutiche Familie“ 3. 37 ft. 
2, „Herr Yorenz Stark.“ 2. 129. 


Robert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Porenz Star”. 289 


herbei. Der Zraum hat dem „Sparjfamen” nicht angehört, Schmidt 
hat ihn unbefiimmert geftrichen. 

Tränme jind im Nomane des 18. Kahrhunderts jehr gewöhnlid). 
Air lajfen es uns auch gern in Thümmels „Wilhelmine“ !) gefallen, 
daß ein Traum die entjcheidende Rolle fpielt; denn Hier leben wir 
in der von Genien und Amoretten durchflatterten Luft der Fomifchen 
Epopöe; wir laffen Yung Stilling gern mit Träumen und Gejichten 
operieren; denn er bewegt ſich fern von der finnlichen Welt. Daß 
Gellerts Graf, als er nad) Sibirien gejchleppt wird, träumt, feine 
Gattin komme ihm an einen Flufje entgegen, iſt nicht weiter über: 
natürlich. Auch bei Hermes wird der Traum eines Paftoren, der 
jene elende zufünftige Pfarre erblidt, als halbe Erinnerung ge- 
geben,“ und Wieland macht ganz beſonders vorfichtig von Traume 
Gebrauch. Agathon erblidt, während er in den Neken der Danae 
gefangen ift, Piyche, jeine erjte ideale Liebe, im Traume. Keines- 
wegs läßt aber Wieland feinen Helden nun fpornftreichd in die 
Arme der Sitte zurüdeilen, fondern der Traum Hat nur eine leife 
vorbereitende Wirkung.) 

Im Familienromane, in den vier Wänden des Kaufmanns Starf 
finden wir einen Traum, der als retardierendes Moment auftritt, 
ungejchicht und ſtilwidrig. Doc hat Engel zeitlebens cine bejondere 
Borliebe für Traumdichtungen gehabt, denen er freifich, weil ihm 
das eigentlich Traumhafte, wie alles Unklare und Verſchwommene, 
nebjt dem afjociativen Faktor, verhaßt war, meift eine fehr trodene 
Ausgritaltung gegeben hat. Weit einer Vifionsdichtung, dem „Traum 
des Galilei“,“) eröffnete er 1777 den zweiten Teil des „Philojophen 
für die Welt”. Er läßt dem italieniſchen Aftronomen den Geijt des 
Copernicus erjcheinen, der ihn mit den himmliſchen renden der 
Weiſen bekannt macht, die ihr Yeben der Erforſchung der Wahrheit 
'und der Anbetung der Gottheit geweiht haben. Vermeſſen blickt Galilei 
auf die blöden Erdbewohner herab; da erwadjt er im Gefängniffe. Er 
beweint jenen Stolz, wird bald darauf befreit und verlebt jein Alter 
blind, aber ruhig nnd glücklich in Arcetri. 

Ta diefes Stück großen Beifall fand, ahmte Engel 1795 fich 
jelbjt nach) und jchiefte Schiller die „Entzückung des Yas Caſas“ für 
die „Doren“") zu. Auf dem Sterbebette bereut Yas Cafas, das Klend 


„Wilhelmine.“ vVeipzig 1773. S. 12--16. 50. 
2, „Zopbtns Reiſe.“ 1778. 2, 63- 67. 
. Ireland, Agatbon. (Demmel) 1, 210. . 
!, Er vernachläiligt ibn vollftändig in der Abhandlung: „Uber die Schönheit 
des Ciniachen.“ Schriften. Raud 4, S. 267 - 290. 
In der jpüteren Anordnung: „Philoſoph für die Melt.” T. 16. S. 239 f. 
Ebenda. II. 35. 2. 279. 
BSuptorion. Vi. 19 


290) Robert Riemanı, Johann Jatob Engels „Herr Lorenz Ztarl”. 


iiber die Neger gebracht zu haben. Er hatte empfohlen, fie an Stelle 
der Indianer zum Sflavendienfte nach Amerifa zu jchaffen. Eine 
Viſion entrüct ihn der Erde, und c$ wird ihm vergönnt, den Legen 
zu jchanen, den der unjelige Rat in Zukunft bringen wird, indem 
gerade die mißhandelten Sklaven durch das Elend zur Tugend ſich 
befehren. 

Es war Engel aber nicht gegeben, das Wild des freien Weiſen 
zu zeichnen, der „anf jeine Höhen tritt und die Melt überſchaut, oder 
fi) anf Flügeln der Betrachtung Hinanf zu Gott Schwingt, und 
unter Sternen einhergeht.” % Er jehlägt in den moralifchen Dekla— 
mationen der beiden jterbenden Greiſe den biblifhen Zon an, aber 
nicht entfernt mit der Mraft und Innigkeit wie Klopſtock oder 
Schiller in Franz Moors Bifion, an die man zum Unglück für Engel 
durch die „Eutzüchung des Las Caſas“ erinnert wird. Von einer 
Pſychologie des Traumes iſt in dieſen erhabenen Viſionen vollends 
nicht die Rede. 

Sie findet ſich aber im Traume Lorenz Ztarts,’, einem der 
ergötzlichſten Kapitel des ganzen Romans. 3I3nnächſt iſt der Traum 
durch die Erzählung des Toltors don der Aufopferung Karl Starks 
für die Witwe beeinflugt; der Alte ſieht jenen Sohn die Bücher 
duircharbeiten. Aber bei dem Namen Lyh erſcheint plöglich die tolle 
Verſchwendung, Die zu Yebzeiten des Mannes herrſchte. Karl Ztari 
md Die Witwe kiebängeln in Mastenkleidern. Der Alte ſtürzt auf 
dei Hausflur, der zum Tanzſaale wird. Cine zweidentige Danie 
erfaßt den würdigen Herrn nnd tanzt im raſendſten Tempo mit ib 
herum, bis er vor einem Spiegel Halt macht, ſich darin beſieht 
anfwacht „und ſich vollig ſo atemlos und ſo eingefeunchtet fand, 
als ob Die getränmte heftige Yeibesbewegung wirklich Ztatt ge 
habt hätte“. 

Hinſichtlich der Ausführung übertrifift Engel hier wieder alle 
anderen Erzähler. Anch bei Thümmel bat der chrliche Pfarrer nad 
der Verlohnng einen ſchweren Iranım anszubalten, aber er wird nur 
ganz Fury und allgemein charakteriſierte; Yorenz Ztarfs Traum iſt 
eine hübſche Einlage: nur dürfte er im loan des Romanes, wo er 
als ein halber den- machina auftritt, feine ſo wichtige Rolle 
ſpielen. Die humoriſtiſche Wehandlung des Stoffes, die den Alten 
ſonſt verschont, geht bier bis zur offenen Verſpottung eines Philiſter 
tums, das ihn „inte als in Seiner Ingend ein Tänzchen, und auch 
da nur ein Ehrentänzchen“' hat machen lhaſſen. 


) „Philoioph inr die Veiteeu, 20255 
„wit Loren; ?2tart. 168 177. 
„WELithelininen 1773 0 


ar Loren; Ztail.” 2 171. 


Joſef Mitller, Jean Pauls litterarifcher Nachlaß. 291 


Überhaupt tritt in dem ganzen Romane feine Figur auf, über 
die wir nicht einmal lachen dürften, aber ſtets ift mehr die Situation 
als der Charakter lächerlich. Die Perfonen werden von Dichter ernft 
genommen, und er mißbraucht fie nicht zum bloßen Poſſenſpiel wie 
Knigge und zuweilen Thümmel. Auch Nicolai war hierin im „Sebaldus 
Nothanfer” viel weiter als Engel gegangen, indem er feinem Helden 
als Sterniſches „Stedenpferd” eine bornierte Anhänglichkeit an die 
Apofalypje gab, die fi) aud) in den tragiſchſten Situationen nicht 
verleugnet. Engels humoriſtiſche Behandlung ähnelt eher der von 
Muſäus, dejfen „Volksmärchen der Deutjchen” er gern las.!) 

(Fortſetzung folgt.) 


Jean Wauls litterarifcher Uachlaß.) 


Bon Joſef Müller mn Münden. 


D. Dierter Hauptteil. 
Faszikel Nr. 14—23. Studienhefte zu einzelnen Werfen. 
Flegaeliahre. 


Schon der Titel machte jchwere Qual. Jean Paul fchrieb darüber 
an Otto: „Der vernünftigſte Titel wäre: Gottwalts lächerliche Be- 
gebenheiten umd Meinungen. Aber es giebt befjere: Der ſchwarze 
Spiegel, ein hijtorischer Woman — Protokolle, zwölf Aktenſtücke — 
hängende Härten, ein gefehrter hiftorifcher Roman — die Zwillinge — 
Schwefelpajten — Abgußſaal — Flegeljahre - SHirtenftüde und 
Mäuſejahre — komiſche Sefchichtsfarten — Gottwalt, ein komiſch— 
hiſtoriſches Schanſpiel, 1. Band — das Buch der Seligen, 1. Akten— 
ſtock — Verwandlungen — Conduitenliſten — Taſchenbuch in 
Oktav — der Paradiesvogel. Für jeden dieſer Titel läßt ſich im 
Werk die vollſtändigſte Beziehuug auftreiben. Die Hauptſtadt der 
Bühne heißt Haslau (ich ſchwaukte lang zwiſchen Varpula und Haslau), 
das Dorf Elterlein, der Landesfürſt von Fläz (letzteres will meiner 
Frau nicht gefallen, ev wird aber ſelten genannt). Darf ic) ihn den 

1, Bgl. „Philoſoph für die Welt.” 2, S. 276. — In einem (nngedrudten) 
Ariefe an Friedläuder vom 10. Juli 1798 bittet Engel um „irgend ein Opusculum 
des Weimariſchen Humoriſten Muſäus“. 

2) Bgl. Euphorion 6, 548 ff.; 721 ff.; 7, 61 fi. 

19* 


292 Joſef Miller, Jean Pauls litterariſcher Nachlaß. 


o8,, 99. nennen wie in Reuß? Anfangs wollte ich zu einen Mark— 
grafen greifen und kann's noch. Darf ich? Antworte ja und fende 
dies zuriick! Die unterftrichenen Zitel gefallen mir beſonders.“ ı Der 
Brief ftcht verjtiimmelt, namentlich bezüglich des Schlufjes, in Wahr: 
heit 6, 285.) 

Statt Elterlein hatte Jean Paul das Geburtsdorf der Brüder 
urſprünglich „Klofterdorf” nennen wollen; auch der Name Schillings: 
first taucht mitunter auf. Der Anfang wurde völlig verändert und 
führte urſprünglich nicht, wie in der jeßigen Geſtalt zur Teftaments- 
eröffnung, fondern direft in den Schauplatz der Stinderjahre des 
Helden, ins Dörfchen Stlojterdorf. Da ein Vergleich) mit der jpäteren 
Faſſung ſehr intereflant tft, gebe ich hier den alten Eingang des 
Romans: 

Erjter Gejang. 

Ich halte noch damit zuriick. Welchen Helden joll ich fingen? Der Leſer und 
die Yelerin Sollen jo lange mit mir marichteren, bis wir ihn erwiſchen. Wir drei 
wandern aus dem Peſtitzer Abendtbor heraus, bis nad) einer Einvierteltagreiſe die 
auf und abſteigende Yandichaft nur noch die fanften Wellen von Beeten und Rainen 
gegen die ferne Küſte der Verge zieht die Apfelbäume drängen ſich immermehr 
gegen ums und zulest geben wir oft durch Heime weißrote Waldungen. Endlich 
folgen wir inter Band im Süden den ſogenannten Himmelsberg mit ſeinen 
Kloſterruinen ganz entlang: mitten an ihm ſteigt ein grüner Kirchturm weit hinan 
und anf öeinem Fußgeſtell Schlieren ſich ehleben ſich drei rotgefärbte und rot 
hedachte Häuſer mit rothlanen und voten Tächern wie geiprenlelte Schneckenklauſen 
an Es iſt der Ort, wo ſich der Heid aufbalt und heißt Kloſterdorf. 


Dann erſcheint der Schulz und ſeine Fran, „beide jagen, wie 
Yandantten pflegen, zu einander nichts": der Held kommt eben aus 
der Schule, „ein ſchmächtiger, blafter, transbaariger Jüngling von 
11 jahren mit einen Folianten, Tmartanten, Oktav und Zeder 
band unter dem hageren Arm und legt alles auf die vierte Treppen 
taſel ab“. 

Aus den Aufzeichnungen erſahren wir auch von einer Tochter, 
de der Schulze im fürſtlichen GGSebiet geboren werden lieh ſein Dans 
wurde bekanntlich von der Greuze durchſchnitten: die Tochter, welche 
ein weibliches Megenitint zn den Brüdern Lilden ſollte, wurde nachber 
durch das Indenmädchen Goldine, Me verſtändnisvolle Freundin 
Waltz erieet. Es finden ſind noch Die Angaben: „Tas Schloß liegt 
wie in Gattenderi. Die Vorſtadt iſt Sachiiich. Der Alte batte dem 
Sohn ein Runſeum gehaut, Köditzer Thurm, Kreuzgang. NWerpländen 
heiſet den Kelz zum Rurſchner ſichichen. Armut Eden, Im üben 
Jannar ſcheint De Sonne wenig in die alten den.” 

Der komiſche Ansritt Walts zu ſeinem Notariat nach Haslau 
in Kapitel 12 mit Dem klaſſchen „Schimmel aus der Apokalupſfe, 
der ſiatt des eigenen immer nur Mendes Fleiſchutrug,“ iſt einerſeits 


Joſef Müller, Jean Pauls litterariicher Nachlaß. 293 


dem eigenen Ausritt Jean Pauls an die Leipziger Univerſität nach— 
gebildet, andererſeits erinnert der Gaul an Pfarrer Vogels Pferd, auf 
deſſen angeblichen Tod Jean Paul eine ſo beißende Satire fertigte, 
daß er ſich dadurch eine Zeit lang mit ſeinem Beſitzer verfeindete; 
vgl. Wahrheit 3, 108 und Spazier 2, 140. 141. 

Der Dichter trug ſich lang mit einer Fortſetzung der „Flegel— 
jahre“ und ſammelte dazu viel Material; die Idee kam aber nicht 
zur Ausführung. Das Unvollendetlaſſen begonnener Dichtungen iſt 
überhaupt ein tragiſcher Zug an Jcan Paul; wir begegnen ihm 
ſchon bei ſeinem erjten Roman, der „Unfichtbaren Loge“, der aus: 
drücklich als erjter Band angekündigt wurde; ebenſo bei den „Biogra— 
phijchen Beluſtigungen“, dem „Stebenfäs” und jpäter den „Kometen“. 
Dei feinen Werk iſt aber der Abſchluß jo jäh als in den „Flegel— 
jahren”. Gerade als der Yiebesfnoten fid) um Walt und Wina zu 
jchlingen beginnt, als der Kampf um die Erbfehaft der Kriſe zueilt, 
bricht der Noman mit der nächtlichen Entfernung Bults plößlich ab. 
Spazier (5, 14 ff.) will dies aus einem richtigen Juſtinkt des 
Dichters rechtfertigen: Mit der ausführlichen Darlegung der jo ver— 
ſchiedenen und doch ſich jo anzichenden Naturen der beiden Brüder 
in langem Beiſammenſein ſei der Zweck der Dichtung nach dieſer 
Seite erſchöpft geweſen und die Entlaſſung Vults in die weite Welt 
„wie das Ziel jo das Ende der Dichtung“. Aber auch Die Aus: 
jpinnung des Liebesverhältniſſes des linkiſchen Walt mit der hoch: 
romantiichen Wina bis zum endlichen Deiratsband wäre unpaſſend 
geweſen; „es wäre jo, als wenn Jean Paul eine glänzende Gräfin 
geheiratet und ſeine Joditzer Weihnachtsbirken und die Finkenkloben 
des dortigen Schulmeifters in die mit Zeppichen belegten Säle des 
gräflichen Palaſtes ſeiner Gemahlin mitgebracht hätte.” Wina müſſe 
für Walt eine Sternengeftalt bleiben, von der er wohl träumen, 
nad) der er ſich jehnen, die er aber nicht befigen dürfe, da cr fie 
wohl fir ſich ermweichen, nicht aber fie überwältigen, fie nicht jeiner 
Manneskraft unterordnen könne. Der Tichter Habe darum mit Necht 
den Helden uur bis anf den Berg geführt, wo er in das erſtrebte 
gelobte Laud klar und dentlich hineinzuſchauen vermochte, ohne nur 
zu verſuchen, hinabzuſteigen. 

Dieſe Anſchauung wird niemand befriedigen. Jean Paul mag 
das Intereſſe an ſeiner Dichtung verloren haben; der Mangel der 
Ausarbeitung aber iſt und bleibt ein bedauernswerter Fehler. So 
blieb das ſchönſte Werk Jean Pauls ein Torſo. Immerhin aber 
hat die Fortſetzung den Dichter noch lauge beſchäftigt. Aus den 
zahlreichen Notizen darüber will ich folgendes mitteilen: 

Walt Jäger nad) der Teſtamentsklauſel 6d)y. Vult prügelt Flitte. (Vults 
Entadeln, Erkennen der Eltern, Flucht. Anior — Adelsſtolz; wird zuletzt Vater, 


294 Joſef Müller, Jean Pauls litterarifcher Nachlaß. 


adeliges Gut. Vult fei einmal rührend glücklich! Vult ſei ärgerlich, daß die Menichen 
für jede Gabe der Freiheit ſtatt des Tankes bloß die Forderung einer größeren 
bringen. Vult babe Walt vor einigen Fehlern bewahrt, die im Teſtament hoch 
tariert waren. Vult nimmt nur Monatslogis wegen der Peichtigkeit zu zieben und 
zu wecieln. Vults Nactbiindbeit, dann Kurzſichtigkeit. Vult giebt fih für einen 
Nachtwandler aus. Vult ſpielt cine Noßebucrolle, um fie zu verderben. Vults 
Schlafreden. Vorliebe für Yotto. Seidenhandel, Juden geborgt. Pferdedieb, da man 
ſeinen Hund erſchießt. Redakteur einer politiichen Zeitung. Die pifante Doppelrolle, 
wo er ſein Leben ſpielt und parodiert. Vults Gefallen bei Fürſten. Je älter, deſto 
intoleranter gegen Kopf und toleranter gegen Herz. Achtung für jede jugendliche 
Pebensfreude, da er fie jo lang jchon verjinfen ſah. „Stets acht' ich das Vieh, ſchon 
darum, weil es nicht eitel iſt.“ Zank gegen die Yänge der Oper. Die Yiebe will 
ftarfe Fehler nur beftvafen und dann doch vergeben. 


Unter dem Titel: „Wünſche und Endfcenen“ folgt: 


Tas Yottoipiel macht Ichauerliche Anftalten, läßt ihn ſchwören. (Bultı kommt 
mit dem Fallſchirm nieder, will bloß das Yotto jprengen. Walt bejept die Rummer 
„Wenn ich geitorben bin, erſcheine ıch div und ſage die Lottonummer.“ Eine 
Sängerin läßt ihn boten, weit er geweint bei ihrem Singen. Er lernt Theologie 
unter der neuen Krönung. Er will eine Woche lang Prediger fein vor der Hochzeit. 
Der Bater fer gerade in der größten Berlegenbeit, wo der Sohn alles Geld 
gewinnt. Seine komiſch wichtige Borftellung von einem Autor. Ahnlichkeit der 
Jurisprudenz und Dichttunſt. Ein Gebeimms werde ıbm anvertraut. Seene des 
Gaſſenlaufes. Gebt nach Liebenſtein dieſe beiden Ideen find in den Nomet ver 
pflanzt worden. Mit Nachtwaändlern gegangen. Poetiſche Ebre und dann erſt Erb 
jhaft erobern. Walt yuleßt auch menſchenfeindlich Male einmal die wahre, fein 
ihre Sch wegwerfende, vertlärte Angendbait! Walt werde zulert immer freier und 
zu ſich kontraſtiert! Walt verliere alle ſeine Fehler, aber ım teten Umschlag liegen 
Bantlozettel. Summa: Poeſie und Yırbe im Nampf mit dev Wirklichkeit Walt wird 
die Vollziehung jeines eigenen Rechtes an anderen jo Sauer. In Walt muß künflig 
Berinderung fommen, Schwärmerei. 


Auf einem ſpäteren Watt: 


Malt wird zulest überall Fraftıg TDediciert ein Vuch dem Fuürſten. Flittes 
Vetrug im Teſtament entdecht Vult ver verhetratet. Walt gebt zu einem Macht 
wandier, merkt nicht, daß es einer iſt Bults Tant an Haslau, wie cut abgehendes 
Regiment. Möglichteiten: Rater dev Goidine. Einmal eme recht romautiſche We 
ſchichtsepiſode. Ter ertrunkene Rohr laßt Farbe abgeben. Fürſt gut, aber ſchwach, 
ſtreug veligiös. Er benennt de umliegenden DTorter Leipzig, Wien, Verlin, Wennar. 
Torf voll Zwerge. Schillingsürÿi. 


Hetiners Vermutung bezüglich der ‚yortiegung der Flegeliahre 
Deutſche Litteraturgeſchichte des 18. Jahrhunderts 2, 403: „Wahr 
ſcheinlich wurde die Erbiihaft durch argloſe Unbehilflichkeiten Walts 
verſcherzt,“ erweiſt ſich darum als falſch. Solch peſſimiſtiſche Aus 
gänge lagen den Dichter fern: zudem wäre durch Ungeſchicklichkeiten 
fir Walt wohl eine Verminderung, keineswegs aber ein Entgang 
der Erbſchaft zu iürchien geweſen: die höchſte Ztrafe, ein Viertel, 
reſpektive ein Sechſtel der Erbſchaft iſt auf Ehebruch und Verführung 
:beide ganz undenkbar bei alt: gelegt und gegen Prozeſſieruug 


Joſef Müller, Zean Pauls litterarifcher Nadjlap. 295 


ſchützt Eräftig die 16. Klauſel. Dagegen hat Hettner recht mit dem 
Anſchließenden: „ein größeres und höheres Beſitztum aber ſollte dem 
ſtrebenden Jüngling zu eigen werden: die Klärung zu dem wahren 
und echten Idealismus, der nicht von dem Leben abſieht, ſondern 
in durchgebildeter Weiſe mit dem Leben verſöhnt iſt und dasſelbe 
freiſchöpferiſch fortgeſtaltet. Gleich Wilhelm Meiſter ſollte der Held, 
der ausgegangen war, ſeines Vaters Eſelinnen zu ſuchen, ein König— 
reich finden.“ 
In Faszikel Nr. 17 ſtoßen wir auf Ideen zum 
„Siebenkäs“. 


Ich ſchicke einige bisher unbemerkt gebliebene Thatſachen voraus: 
Der philoſophiſche Buſenfreund des Helden erhielt vom Dichter den 
Vornamen Heinrich aus at auf Jacobi; ſiehe Brief Jean Pauls 
an Jacobi vom 15. Mai 1799, der jo anfängt: „Öeliebter Heinrich! 
laſſe Dich mit dieſem —— eitiren, den Du von dem beſten 
und ſterniſchſten König Heinrich IV. von Frankreich geerbt; und 
wegen diefer Magie wurde auch der an meiner Bruft anwohnende 
Yeibgeber fo getauft.” Neimerjche Ausgabe 60, ©. 10. Die im 
Siebenkäs auftretende Höckin und Pfandvermittlerin, die „alte Sabel“ 
iſt nach einer Bekannten Jean Pauls Sabine Schnaubert gezeichnet; 
ſiehe Brief an Helene Koehler, 22. Juni 1792 m Wahrheit 4, 298. 
Die jatirijche Anrede Leibgebers an den Oberfanitätsrat Delhafen 
im 20. Rapite iſt im wejentlichen jchon tm Brief Jean Panls an 
Hermann, 4. April 1759 (Wahrheit 4, 152) enthalten und knüpft 
an eine Mitteilung Hallers über einen Narren an, der ſich einbildete, 
er habe feinen Kopf. Nun mögen die Notizen folgen. 

Der „Pelzſtiefel“ (Schulrat) ift eigentlich ihr erfter Liebhaber; da fie an einen 
falichen Namen kopuliert iſt, dachte fir, er („Stebenkäs“) fer nicht ihr Mann. Sie 
liebt den Pelzſtiefel wegen jenes Ernftes. Siebenkäs ertrug alles, nur nicht An⸗ 
griffe auf ſeine Ehre. Wer nicht unendlich feine Lebensart hat, gehe in keine Stadt 
Berlin', Die er nicht genug achtet; ſeine Gleichgiltiglkeit wird noch mehr dieſen 
Mangel an Welt entblößen. Hingegen Achtung, oder doch erzwungeune, wird dieſen 
verdecken oder mildern. Es gehört Welt dazu, gering zu achten und doch höflich zu 
bleiben. Eine Ehe zwiſchen Kinderloſen muß durchaus neu, ruhig bleiben. Es hatte 
mid Das neunte Kapitel (wo Die Mißhelligkeiten mit Lenette eine beſonders pein— 
liche Höhe reihen gequält; wie hätte ic) jo manches Kapitel zu ſchreiben aus— 
gebalten, wenn ich wicht den Troſt der beiferen vorausgejehen! Natalie ift ein 
ſeltſames Weſen: da ſie mich beinabe liebt, fo bekommſt du einmal etwas Ge— 
ſcheidtes ins Dorf. 

Das Urbild der Natalie iſt Joſephine von Sydow, eine innige 
Freundin des Dichters. Siehe Förſters Denkwürdigkeiten 2, 195. 207. 

In Faszikel 22 unter den „Combinanda“ finden ſich Ideen zu 
einer Fortſetzung des Nomans unter der Üüberſchrift „Neuer Sieben: 
füs". Daraus bieten wir folgendes: 


296 Joſef Müller, Jean Pauls litterariicher Nachlaß. 


Er wird geadelt. Tie Tarjtellung des vornehmen Lebens. Nataliens Liebes 
freude, two er einmal erbaben oder empfindſam ſpricht. Nur Fragmente zu geben 
Ihm ließ fie die Nälte gegen Kleidung: mr Ne war andere. Sie tadelte überbaupt 
jeine ganze Einrichtung. Ihre und feine Yiebe wachſen zugleich bei dev Haren Ein 
jicht ihres Weſens. 

Auflöjung des Knotens: Alles wird durch langſam auſſteigendes Licht 
vermittelt: das Herz und die Gewohnheit wächſt unter der Vermittlung, io wird 
die Ehe immer ſüßer. Darüber ſieht: Klären des rechten Menſchen geichiebt durch 
eine ſchnelle Belebrung. Ihr war Armut und Reichtum einerlei und ihm auch. In 
ihm wird auf Fehler der Schriftſtellerer augeipielt: ſie iſt z. K. ohne Ordnung. Tie 
Yiebe muß ſchlechterdings ertragen lernen; was wäre denn eine, Die nichts zu ver 
zeiben vermöchte? 


Ein zweiter Abjchnitt bereitet die allmähliche Entfremdung der 
Meſſalliance vor: 


Seine Berechnung iſt widerlich. Er Sagt z. B.: Hätten wir 15 Kreuzer mehr 
für das Kraut gegeben, ſo hätten wir für das ganze Jahr das Beſte Seine Ver 
hältniſſe ſeien recht weitläufig, weil Geſchafte, fünf Kinder, Geſchäftsreiſen. Wie 
alle Vornehmen ſparte ſie nur an Handwerksleuten, mie ber Geſellſchaften. Natalie 
dem Ertrinten nahe in Arbeiten für im. Dieſer Scheintod wie ber ibn. Im 
veben machte er völlige Umkehrung. Immergrün der Gefühle: ihre Ber 
nichtung für die Gegenwart. Leibgebers Tod zerſchneide den Eheknoten! Ter Wann 
begehrt, daß die Frau aus ihrer Alltaglichkeit in ſeine Erhebung ſich ſiürze. Taher 
ſein Zorn, wenn das Ellen ſeine Gedanken ſtoren voll Siebenläs Dat lauter Tochter. 
Sie bat mehr Welt und Sitte: er zu heftig: ſem ſpaßbhaftes uber ſich Scherzen. 
Zw, obwohl and heftig, iſt in Wetelliihaft geregelt und milde, er yantbaft, ſich um 
nichts tüumnernd. QOuaerenela: 1. Ztadt, 2. Freund, 3. Freundin, 4. Seine Autor 
arbeiten. Es kommit zur Eheſcherdung. Eucheidäangzpuntt nt blos eine wahre 
Bekehrung, und zwar von manner Seile. Enticheidende Verſöhnungsriickreiie 
vor Leibgebers Tod. Sein Fortgebender Ernſt: endlich ſtirbt er mitten in der 
ichonen Wiederhberſtellung. Erhabene Scene. Eharakter dev Ainder. Erſter Streit 
uber phyſiſche Rindererziehung. Erſnbindem Freunde nach Er liebt ste mehr, da 
ſie uoch dag Einzige aus at Zeit oe Hali Ratalte da Thun jur Opier oder für 
Gleichſt: umug? Sie hatte Bean Mitlerd mit ihni, weil er zu kraftig war, und 
doch wollte er eines. Ale Ferler gegen Leuette wiederholen ſich hier; alſo iſt's 
doch nicht Br Vage, 'uvndernn die augeborene Ratur. Sein Unglaube ans ehriſten 
tum Wr bat mem Stähle Gegen St Ende wird er erhabuer, Lenetten ab: 
uber, der Gattin geehrter Aber sent Scherz abe mamma sanft vornber! Rie 
machte er a vöeſpräch Dom der SZative Gehrauch. N te ſchadlicher Mangel an 
Ze haitigtert. N beiden ſtergt die zarte Sittäichtert und Veredlung und Die 
Kernetrrung der merkt von Damm muß mm Div Uahlende Sonne fiir die 
Frau bleiben: niit don, de bite ia rn Mond ubrig. Er veiein einer Heinen 
SAHDCNEM I DU, Geo der wer— liche Vitz.is arter zu als in großen Städten. 
Mutti DV vente it mitederholen, aut die nachhertge beſier zu machen. 
en ſihnell 5 Tat. net der Ebe NSveiimrnn Am beiten Hoc, 1m der Ehe 
wede: og Pt. . warten, 'endern ya bertbben Be, da ehe lt uur Wr 
nunuzuge un Thal! zd Handlug: Babe der XRderprüch Lieben vr leicht, aber 
at, es jet Wwar uett alls Herz der Yen, eontobii nicht ihr Mont durch 
Maziner se TU? Die merde icheritot bet ſant ausgegeren: ausgewoöunene, tange 
Sechen Tg Bring Grad, Rinde Eiutzunrf, Den Det Leer machen 
tan, im mengteg grgehen PT Ni ocitig.s Yet der Viete mirtt to ſtart auf Den 
anderen als cm Wort des Fehlergruandnifies, werin die mieiſte Viebe ziit Fehler 
geſtehen macht fe erheben und Lelohnen Gerade yet voetieche Seelen vergeben 
einander am wenigſien. Jede Lars Surrlus dr Liebe Ties vertragt kein 


Joſef Miller, Jean Pauls fitterarifcher Nachlaß. 297 


Fremd. Dichterehe. Das Weib denkt fi) leicht in ganz, angeftrengt fchaffende 
Charaktere, aber micht in außen unfichtbare Schöpfungsinimuten. Die Schwanger: 
jchaft verdirbt zuerſt die Ehe; beſſer, fie fiele gleid) in die Flittervochen. Der 
Unterfchied diefer Ehe, daß nie unmoralifd), jogar in der Zankrede, gehandelt wird. 
Widerſtreit mehr der Menſchlichkeit als der Sittlichkeit. In der Ehe fchadet es ſehr, 
daß die Frau wicht mehr fo fehr auf die erufthafteften Worte des Mannes glaubt 
als in der Liebe. Auf feine Empfindung, auch nicht die ftärkfte, ıft Verlag, da 
fie doch nicht dauert — nur der Entſchluß daraus — ſondern fogar eine entgegen— 
gefegte wird. Sie haben lange Fein Kind. Weiblicher Schmerz darüber. In der 
erſten Geburt werden viele Dinge gethan und verboten, die man bei der zweiten 
richt mehr zu thun und zu verbieten die Mühe ſich giebt. Kein Mann verftcht das 
Weib, aber nod) weniger das Web den Mann. 


In diefe Neflerionen und Schilderungen hat Jean Panl viel 
von jeinen Eheerlebnijfen und ftimmungen hineingetragen, jo daß 
er möglicherweife vor Offenbarung zurückſcheute. Vgl. meine „Sean 
Paul Studien” S. 75—81: „Das Eheleben Jean Pauls.” 

Zu den ausführlichen Mitteilungen, die Förſter aus den 

Studien zum Titan 


Wahrheit 6, 251-—347 gegeben hat, trage ic) einiges von den dort 
ubergangenen Charakterjtudien zu Albano und Schoppe nad). 


Albano. 

Albano oder der Kampf der Liebe und Ehrfucht. 

Zen Hauptzug: Nraft — Woldentar (Romanfigur Jacobis), Reinhard (Maler 
ans Dof, der vom Plan de3 Titan unterrichtet war und fogar cin Bild des Helden 
gemalt und Jean Paul iiberfandt batte), Klinger — Blödigkeit und Zaghaftigkeit. 
Arbeitet zu Nacht, kann nicht Schlafen — Heftiges Gefühl des Unrechts. Wenn er 
lange zu jemand nicht Fam, wurde er böfe auf ihn. Wie er bei der Phantaſie 
iogleich ſteigt und alles möglich machen will. Seine Freude am Gewitter, an der 
Flamme des Töpfers. Nach dem Zorn wurde er weich. Wütig, wenn ihn jemand 
iiber jeine Ihränen bejchreiet. Dadurch daß er cine befeidigte, liebte ev fie nachher 
zu ſtark. An Menſchen, die immer an ein dauerndes Gefühl dev Freude gewöhnt 
ſind, jchleift jüh der Schmerz bald zur Freude ab. Will fid) in der Liebe dadurd) 
bezähmen, daß er ſich feines Wertes erinnert. Er war aufrichtig, weil er mutig 
war. Die Beleidigung macht ihn ſtolz und die Yiebe demütig. Widerruft keinen 
erſten Entichluß. Wie dev Brennſpiegel wirkt er oft in der heißen Sonne der Liebe 
an wenigſten. Wirkung des Blumengeruchs auf ihn. Sieht eine Gegend nicht gerne 
zweimal. Seine Sehnſucht nad) einem großen Dann. Sucht aufs geradewohl wie 
Robinſon zu reiſen. Die Bepuuderung des Verſtandes verdeckt ihm die Schwärze 
des Herzens. Fordert, daß alle Menſchen Ausdruck und Genie wie er haben ſollen. 
Vergiebt allen Feinden, nicht den Berachtenden. Sein Ausgenießen und Augfernen 
der Menſchen. Mitten im Toben gegen Yehrer läuft er und umarınt ihn. Wider— 
ſtreit zwischen Menſchenliebe und Mut. Er jah beim Weinen Funten. Nur in der 
Veidenſchaft ſetzt ev ſich über Gebräuche weg, in der Kälte kann er es nicht. Neigung, 
wie Cardanus Freunde zu beleidigen. Unerſättlich, unruhig, kalt hinter der Hitze. 
Goethes Liebe zur Natur. ES rührt ihn nur, was durchs Medium der Phantaſie 
hindurchging. Alle Vorzüge, wie ſie die Muyftiter beſaßen. Höchfte Wahrhaftigkeit. 
Haßt die Egoiſten und iſt ſelbſt einer. Wollte ſogar in Liebe und Pflicht frei fein. 
Yiebe entichädigt ibn nicht ganz fir Stolz. Sieb Albano mehr Züge, die 
du bisher Roquairol geben wollteft! Zwingt gern die Weiber zum &e- 
ſtändnis der Yıcbe. 


298 Joſef Müller, Jean Pauls litterariſcher Nachlaß. 


Schoppe. 

„Pompeius Zcioppo“ (dieſer Name, in Schoppe germaniftert, wurde bei 
behalten). Zwift, Pope, unverheiratet, Teufch. Auch darin den Genies ähnlid, daß 
er das Lächerliche zugleich batte, fühlte und darſtellte. Yeibgeber ſpiegle ſich tm 
Eynijchen an Sphex wie Albano an Roquairol! Seine Unordnung und Sonder 
barfeit in der Kleidung. Seine vübrende Yiebe zu Albano. Nichts bewegt ibn jo 
jehr wie cin geprügelter Hund, vielleicht wegen der Seltenheit. Macht ſich beiter 
durch Rettichejjen. Biel Zatieren gegen Roquaivol find gegen Albano. Zrine Qual 
des Herumreiſens und iſolierten vLebens. Kindiſch verichänt. 

Gaſparo. Thnut wie alle Weltmenſchen zu Tftern den alten Menſchen ab. 
Melt und Menſchenverachtung, keine Liebe. Liebt keine Muſik. Konnte ale Ber 
ſtümmelungen anſehen. 

Roquairol. Haupttrieb: Egoismus. Wielands Sohn (nach den Worten: 
An ihm muß jenes aushöhlende Frühlernen recht ausgemalt werden). 

Dian. Herder. Sucht an ſich wir an einer Statue die Schönheit der Jugend 
zu erhalten. 

Sphex als Komifus iſt im Studienplan fehr weit ausgeführt. 
Faſt alles blieb Rudiment. Der Roman reicht in jeinen Skizzen 
ſehr wert zurück «bis ins Jahr 1792) und trug urſprünglich die 
Bezeichnung: „Das Genie“. 

In Faszikel 21 befinden ſich gleicherweiſe die Vorſtudien zum 
Tr. Katzenberger, die aber wenig Mitteilenswertes enthalten. Das 
Werk iſt bezeichnet als „Kontraſt zwiſchen Wiſſenſchaft und 
Poeſie — oder Logik und Blumik — Helle und Duft: ein weib 
liches Weſen verbinde die Kontraſte oder ſonſt etwas!“ (Man wird 
danach verſiehen, warum ein Techniker und Mathematiker dem eitlen 
Theaterdichter von Nieß gegenübergeſtellt wird. Gerade die ſprödeſten 
und Jean Paul entlegenſten Wiſſenſchaften: Mathematik ı Theudo- 
bach und Medizin ı Dr. Katzenberger treten bier der Poeſie gegen 
iiber und micht zum Norteil Dieter. Tr. Nagenberger tft der einzige 
Roman, in dem die Dichtkunſt im ungünſtiges Licht kommt, und 
zwar aus Abneigung Jean Panls gegen die Nomödianteneitelfeit.: 

Als bervoritecbendfte Gharafterzuge Ir. Katzenbergers mögen 
dienen: 

Er gebrauche Ringelnatiern, um TDiebe abynchredten Er ließ ſich auf ſeine 
Tanen elelhaite Tiuge malen. In der themen Natur übe Krantheiten veden. Holt 
ſich aus franzetenben Garten abends Korzellau rim Nine wielenden Ninder. Hãtte 
eine Nißgeburt gehenatet Zuge aus Spherz hrreingezogen. Detlamator (ieh) 
gehoört zum Geniekorvs 

In Faszikel 15 iindet ſich die Bemerkung, daß die Kapitel der 
„Biographiſchen Beluſtigungen“ zuerſt „Manipel“ hießen; in Fas— 
zikel IS Die weitere: „Fixlein wurde allmählich heterodox, aus Furcht 
tugendhaft.“ 

Sehr bedeutenden Umfang in Faszikel 16 nehmen ein die Vor— 
und Nachſtudien zum unvollendeten legten Roman des Dichters, die 
ihrer Wichtigkeit wegen ansführlicher beſprochen werden ſollen. 


Joſef Müller, Zean Pauls litterarifcher Nachlaß. 299 


Der Konet. 


Die Entwürfe gehen bis auf das Jahr 1811 zurüd. 16 Studien: 
hefte von 1811—1821 liegen vor. Uber die Grundidee wirft die 
Bemerkung im Studienheft von 1815 Licht: „Gieb den nenen Anti: 
titan 10 Titel zugleich!" Alfo ein Gegenſtück zum Titan, eine 
Traveſtie, deren Mittelpunkt ein komiſcher Held ift à la Don 
Quichote. 

Spazier, deſſen einzige Erbſchaft aus dem Nachlaß feines Oheims 
dag Kometenbuch geworden, hat ſich in feiner Jean Paul-Biographie 
5, 130—169 über Plan und Ausführung diefer legten Dichtung 
eingehend verbreitet und aus den Heften manmnigfache Aufjchlüffe 
geboten. Mir fommt es zu, über dieſes höchſt merkwürdige Werf 
einige jorgfältig gewählte Nachträge zu liefern. 


Die Hauptzüge feines Charakters: wohlwollend, Sterne, Don Quichote, 
mädtige Phantafie, Wieland — Eymann — Heftigkeit. Ziel: Menſchen beglücken, in 
welches er donquichotiſch das Freuen ſetzt. Der Zweck muß immer Satire fein 
oder Yehre. Nur ich (als Autor und Erzähler) darf den Fürſten aus Jronie 
den „Herrn“ nennen, dev Kandidat muß vielmehr Züge von jakobiniſchem Fürſten— 
toß zeigen. Kandidat und Erzähler müſſen gejchteden werden — fage nie „wir“! 
Worble fühlt fich zu mir bingezogen, id) weniger zu ihm. Was kann wahrjcheinlid) 
im 3., 4. (Buch) erjcheinen? Hofhaltung — Yiebfchaft. In jedem Falle wird es cine fo 
ſchöne, jo farbige, jo wechſelnde Geſchichte geben, ats ich nur eine ın der Geſchichte 
kenne. Die Dioralien aber aus dem 3. Band werden folgende ſein: (hier wißige 
Einfälle), und hiemit kann fid; ein Leſer ſchon befriedigen. Pathetiſch, Fürſtenſöhne, 
die ihren fürſtlichen Bräuten und Vätern entgegenreiſen, Herzen, die nach Herzen 
ſtreben, Leute von Scherz, die mr auf Anſtöße paſſen, Wetterpropheten, die ſich zu 
Romandichtern bilden, Streben und Gegenftreben auf jedev Meile umd ein Ber 
mehren der Menſchen wie Verhältniſſe. Nefidenz — verbotener Baum tm Garten. 
Sucecession-house — die weiblichen Fehler wie Sonmenfleden; find fie 14 Tage 
unfichtbar geweſen, kommen jie an der Oftjeite wieder hervor. Die Geſpenſter flichen, 
wenn am Morgen der Hahn kräht. Revolution. 

Reiſeplan ım 3. Band: An dem Helden tft immer feftzuhalten. Was der 
Leſer erwartet, iſt Charalterſtärke. Die erſte Wefidenz, Yibettens Ankommen, 
Richters Wetter. Nikolaus' Erreichzwecke: Braut uud Naſe und Diamant. Die 
Inſeln könnten für die künftige Planeteinkleidung dienen. Noch beſſer ließen ſich 
auf den Inſeln alle verſchiedenen Völkerſitten finden und benützen. Der Hofnarr 
und Kain kommen zu gleicher Zeit. Libette bringe die Geſchichte und Worble 
erzähle ſie! Sie fer nur kurze Zeit Hofnarr! Wohin von der Nebelſtadt aus? 
Wie er vom gemeinen Volk geliebt, dann als Fürſt anerkannt und ſo in ſeinem 
Glauben beſtärkt wird. Bekommit zuletzt ſoviel Leute, dag er fie nicht beherrſchen 
und ernähren kann. Ein Ziel ſei: Entweder ſeine fortgehende Verunglückung 
oder das Gegenteil, die Nebenperſonen und ihre Hofkabalen ſeien nur Mittel. 
Wie ſich in ſeiner Not durch die ſeiner Begleiter retten will. Zeige die 
Not: Verarmung, 2. gelehrte Verlegenheiten, 3. Entdeckung des Diebes (?). 
ide durch Unglück wird Nifolaus am interefjanteften. Einmal fchaue er die 
wirkliche Braut und falle vor ihr nieder oder den wirklichen Vater. Es wird 
magnetiſch propbezeibt, Lean Paul werde den Kometen fehreiben. Worble hilft 
zuletzt durch Diaguetismus. Eine Prinzeſſin findet er nad) der anderen. Dan liebt 
ihm immer, weil die Menſchenliebe fid) immer mehr ins Reinere verklärt. Der 


300 Joſef Müller, Jean Pauls litterariſcher Nachlaß. 


Roman endige ſchnell und ganz fentimental, beſonders da dur dag eigentlich Komiſche 
einen Nachtrag veriparen mußt! Bringe die Reden und Briefe der Witipieler ſpäter 
als Ertrablätter, damit dur die eigentliche Geſchichte Nikolauſens nicht ſtörſt! Einmal 
nun iſt er mehr ins rem Komiſche zu verwandeln: aljo höre ev edel auf, ja tragiſch 
jogar! Freilich werde das Buch fpottend, vecht kurz. Allwiſſerei werde durch Yeıden 
ſchaft bejchränft, braucht alio nicht durchgeführt zu werden. Tas Protegieren der 
Gelehrten werde ſein Unglück! Nicolaus wird zuleut das edelſte Weſen nad) vielem 
Unglück! Der Weg zur Veredlung? Schickſal der Begleiter. Em Diamant ım der 
Noble wird ihm geftohlen. Er braucht mehr Zeit zum Machen eines Diamanten, 
als er Geld zum Ausgeben bat. Federſtadt, weil dort die geringiten Kleinig 
keiten fchriftliidy bebandelt werden. Worbles Trunkſucht. Tie Sefellichaft von Ein. 
gebiideten mit gläſernen Hintern. Pfändung. Pirnatiche Encyklopädie. Zen Zorn 
über vernachläſſigte Ceremonien. Süptitzens Angſt wegen unteufchen Scheins, 
Teufelsſyſtem, Bonner und Tierliebe. Sein Haß gegen Worble wegen Geſchlechts 
ſüinden: dieſer rät ihm an, mehr die Fürſten nachzuahmen. Worble gerät nachts 
in eine italieniſche Masterade. Seine Neigung zum Katholizismus; ein Pater will 
ihn bekehren. 


Darm konimen Liebenau-Scenen. Aufbau des Jeruſalem für die 
Juden. gl. Kapitel 14, 2, Nebelſtadt (Kapitel 165. Merkblätter: 


Gefahr: einmal eine Wespe um Mund, wütender Bund. Was ſollen wir 
Proteſtanten nichts gegen Die Päpſte ſagen, weun am Gründonnerstag div Papfte 
ung verdammen? Ein Bauer und frommer Ebrift kann mehr über ſein Inneres 
inne werden und pbiloiopbiren als ein Hiſtoriker, der Durch die weite lange Außen 
wert um ganze Himmelsaxen don ſich entfernt wird. Ein Mädchen kann ıbren 
viebhaber am teichteiten an dev VRehandlung alter rauen erraten. Wie erbärmlich 
und eingeichrumpft ſieht eine abgeblüibte Welle aus, wie viel ſchöner ein abgeblibter 
Baum! Ein räuchernder Weihrauch iſt 10 angenehm als Gerauchertes. Soviel 
Farben und Tone man auch herausgefunden, jo giebts doch noch mehr Geſchmäcke, 
einfache Empfindungen, z. B. Die reifer Früchte, dann die Rüchenmiſchungen, die 
nur einfach erſcheinen. zu CeeCaroline?n: es iit dein Glüct, daß ich ın der Herzens 
qute noch nicht deines Gleichen gefunden; deun div wurde ich Damm untren hei 
deines Gleichen. In der Jugend ertragt man leichter jede Rohheit als im Alter, 
bloß weil man hier mild wirlt und fühlt und jene ſich in Die Rohheit findet. Tas 
einzige Bittel, eilie Autobtographie recht zu machen: Montaignes esnts nach 
zuahmen, nur aber Dei Vorausbeſtimmung Dev hiſtoriſchen Gegenſtande, div kapitel 
werde kommen. Frau des Gartners Meier: dev gemene Mann meint, wenn man 
etivas in ſeiner Abweſenheint gethau, ohne Me die Abweſenheitenzu kennen, man 
babe ſie gelaäanut, und Die Frau meint, ich babe eben wegen ihrer Ahweſenheit den 
Kuchen te verteilt. Wie wir aus den Wolken jede beliebige Geſtalt foren, jo bilden 
wir and aus Ben Gewollen unicres Yebens beliebige Genalten ſo lange md länger, 
als die Wollke gleich blatt Man kennte Skerteter werden, wenn man ſich die 
Mena Smieme und Irrtumer ausmalte, Die im der Zukunit erichemen minſſen 
Das Weihezu grichlenisichwach, tert ste angegr:ſen wird und dazu Die weiblichen 
ſtarlen KRerruchnungen folgen; wurden die Wanne 'do angegrifſen und ber ahnlicher 
Starle dar GBenitalien, Vo irelen ſie noch mehr. Eigentlich iſt Gott der einzige 
vertrautene Freund, vor dem irn ur unieren Angelegenheiten uns nicht zu ichamen 
brauchen., da cr allem unter allen Ion keinen Egorsunus bat, daher mir ber ihm 
noch vertraulicher Prechen fonnen als ber den Meichen. Unterichied zwiſchen udi 
ichem Jebovah und dem CEhriſtüsvater: blon Der Wort braucht man keine Umſtände 
zu machen med im Ort noch Wort. Wie kann ſemand unglüclich Tem, dev fin 
iſt, namich von innen heraus? „Tie Peterskirche“ iſt falich, weil eun Nomen 
propriam leinen Artilel bat und nur das Genitwzeichen, abo blog: Peterslirche 


Joſef Miller, Jean Pauls litterariſcher Nachlaß. 301 


Der Wahnfinnige braucht Licht, Wirklichkeit, um das Innere nach dem Außen zu 
regeln, der Dichter braucht Einſamkeit, um das Innere ohne das Außere hervor- 
treten zu laſſen. Ich ärgere mich ftets, daß ich alle die Begeifterung, die ich früher 
an die Höfer Mädchen verfchiwendet, nicht meiner Frau habe geben können. Der 
Widerſpruch dev Delikatejje der Föniglidhen Prinzen mit ihrer Tafterhaften Rohheit 
tt duchesse de Genlis und im Coeur humaine devoile von Bretonne. Auch 
vor den Sceinigen muß man fich feine Bequemlichkeit der Rede und Denfart hin- 
gehen fafjen, weil diefe gerade da tiefer verftiimmt, als fie wirklich iſt. Die Welt 
jtcht der Autor in zu gutem Yicht, die Familie in zu Schwachen Wir lieben alle 
aneinander das Göttliche und wiſſen nicht, wo es in ung ift, wenn wir felber 
lieben wollen, aber wie kann denn die Gottheit etwas an uns lieben oder gar ihr 
Göttliches in uns? Jede Frau iſt ſchwach in Widerftand gegen ihre Neigungen 
und Menſchen, aber allmächtig in Berfolgung ihrer Zwecke. Der Staat verjperrt 
der Leidenſchaft ihren Spielraum, aber die LFiche thut ihn weit auf ins Berjönliche. 
Ohne die erregte Gefchlecdht3phantafte ſchweigt der Leib jahrelang ftill und der 
Menſch bemerkt nicht einmal das Schweigen. Ich habe mir das Salzbergwerk des 
Wiſſens durch Leſen fo ausgehöft, daß nur noch einige Säulen ftehen. In der 
phyfischen Liebe ift lauter Wicderfommen der Wechfel, in der geiftigen ift jedes 
Weſen nen und diefes Neue ift in jeder Empfindung neu. Man muß fi) die che: 
liche Liebe nur klar machen, welche ohne die ungewohnte Reizgeftalt und neue 
Reizwerte cine neue Piebe dem Danne zeigt. So wird der Dann ins Innere ge- 
trieben, wo allein doch Liebe hauſt und nicht auf dem äußeren Gefichtsfelde. 
Schöner Gegenſatz des feftitcehenden Thurmes und der fließenden Thurmmuſſik. 
sch behaupte, Feiner der jetigen Schnellichreiber würde fid) in feinen Produften 
wiedererfeinen, wo ev nur ganz die Mühe auf fie wendete wie ich, jo vortrefflid) 
würden fie fein. Der aufdännmernde Wolkenſaum am Horizont erfreut noch mehr 
als der blaue Himmel, den er anſagt. Epilepfie iſt in piychologifcher Hinficht 
wichtig, da die willkürlichen Muskeln ohne das Wollen des Geistes fich bewegen. 
Anftatt unterwegs die Unähnlichkeit der Frau auszumalen, male nötiger die 
Ahnlichkeiten dir aus mit derjelben Phantaſie! Nicht der Haß, fondern der Ehrgeiz 
ist das größte Hindernis der Liebe. Wie die akademischen Diplome dasfelbe Yob für 
ungefannte Mitglieder vorausdruden, jo gilt c8 für das Pob der Könige. In den 
Tieren iſt ein eigener Zug, daß fie ftundenlang lauern und warten Fönnen fiir diefelbe 
Sache. Das Mannah ſonſt Speife, jet Yaranz; ebenſo das Ehriftentum. Der Kandidat 
erzäblt die Hoffefte wie ein damaliger Jafobiner, der ihn zwar für einen Fürſten 
halt, aber heimlich) iiber die Größe der Höfe weg fein und fpotten will. Er ahmt 
in jeder Ztadt einen anderen Fürſten nad); in der Kunſtſtadt teilt er Prämien aus 
an die Künſtler, in der Soldatenjtadt nimmt er den Offizier an, in der Wolluft- 
jtadt galant. Er läßt ſich lieber von feiner Schwefter wie von einer Geliebten 
heimlich befuchen. Er ſei eme Satire auf die Einwirkung der Fürſten in allen 
Staaten; jeder Fürſt zieht irgend eine Sache vor, der eine die Jagd u. ſ. w. In der 
Gelehrtenſtadt Penſion. Zedifation eines fchon fertigen Buches. Worble haßt am 
meisten Zoldaten nnd Philoſophie. Keiner achtet den Worble, weil ev nur fpieltz er 
aber ficht die Schwächen aller, zumal in der Atleinftadt, er ift der einzige Groß- 
ſtädter und Kosmopolit. Münzſtadt. Worble ftellt ihm vor, die Hauptjache feien 
Hoflente, da die Bancın doc unterwegs nicht arbeiten fünnten ımd jene es nid)t 
brauchten. Unterthanen fünne ev haben, wo er Boden hätte. Der Schwicrigfeiten 
wegen pajliere er zulett nur Marktfleden und Törfer. Das Geld fer nicht nur zum 
Verſchenken, fondern für weltbeſſernde Zwecke. Zank. Der gelehrte Kutfcher, der 
ungelebrte, die Ritterbank. Ließ in alle Zeitungen fegen, der Fürſt von Hafenfoppen 
ginge auf Reiſen, um mit jenen Bater zufammenzutreffen. Durch die geavorbenen 
Untertbanen erbalte ev ſchon jeßt die fürftliche Berchrung. Er giebt einmal em 
Feuerwerk. Amanda. Er nimmt Gelehrte mit, um auch Über die Negierung zu 
lernen. Tb über ein Kaiſertum oder iiber eine Grafſchaft, gleichviel, will nur feine 


302 Joſef Miller, Jean Pauls litterarifcher Nachlaß. 


vente regieren. Er logiert bei der Rollwenzel. Volle Tarftellung ibres 
Wefens, ihre viebe zu Jean Paul. Er komme in eigene Berlegenbeiten des 
Unterkommens — ihre Freude, welche ich jo recht würzen kann. Wie fie ihm die 
Wahrheit jagt! Durch das Selbſtbewußtſein befomme er fürftlihen Anftand. Reiſe 
in eine bigotte Stadt, wo Gouverneur - - Bug und Keremonien — friehende Hof 
diener — unkenſche, grobe, phlegmatifche. Durch eine Univerfität. Trifft mit einer 
veiche zuſammen, die man nicht durd) die Ztadt führen darf. Einer batte un der 
Zeitung cine Reiſegeſellſchaft geſucht; jeßt werde er Sefellichafter von N. Hätte 
gern auch Greiſe und Jubilare gehabt, ja Kinder fiir ſeinen Staat. Unterthanen 
verſteigerung in Baiern: ſein Anſchaffen der zu regierenden veute. Gothaiſcher 
Hoflalender. Iſt Amors Fackel von Talg? von Pech? von Wachs? Dort riecht und 
dampft fie; nur von Wachs, dag Bienen ſammeln. Mädchen, die Maiblumen der 
gend. Tie Jungfrau iſt das Prisma, das den hellen Strahl in Farben teilt: 
die Frau das zweite, das ibn jammelt ın einfaches Weiß. Man fpricht von Silber 
ton, Zitberblid, nicht von Goldton, Soldblid. Die jchöne Seele fpricht, die fchönere 
verſtummt. 

3. Band. Kurzes Vorwort. Nachricht: Die ſämtlichen Kapitel werden künftig 
bloß Inſeln genannt. Tas nächſte heißt: 1. Juſel oder Zuckerinſel. Ach babe 
nämlich im elenden Vorfrühlingswetter mehr als zwanzigmal ſpazierend auf Mittel 
nachgeſonnen, wie ich eine weitläufigere als wichtige Reiſegeſchichte jo erzählen 
könute, daß fir zwar allgemein gefiele, aber doch nicht jeden Fahrweg, jſede Knewe, 
leden Thorſchreiber, jeden Gaſthof auftiſchte, der unterwegs lag. Oder iſt es wirklich 
der Wille der Welt, daß ich meinen noch rückſtändigen Stummel von Yeben, worin 
ein Tag ein Jahr ıft, indes bei Henoch em Jahr ein Tag, weil er erſt im 365. 
gen Himmel fuhr, damit verpraiie, daß ich fo erhärmliche Infiniteſimalteilchen 
von Gradhreiten und längen ſammle und gebe, als da jmd: Von Zabie nach 
Miederſehra — von Großwanzer nach Mittelwanzer — von Jobitz nadı Peſtiz, wo 
fie abends abftiegen im goldenen Zatan, als ob ſie anders von J. nach ‘8. hätten 
kommen können, wenn fie nicht mit ihren RPierden darüber flogen! Die beitimmterten 
Reiſeangaben liegen zwar vor mm Tamit will ich niemand die Meinung cin 
bilden, als ob mr Die heſtimmteſten Ortsangahen fehlten: das weitläufige Tagebuch 
Des Kandidaten hiegt vor mir, und ich ſchöpfe Leicht aus ihm amd ohnehin, mmofern 
ich es selber bin, aus meiner eigeuen C.uelle. Endlich kam ich nach vielen Spazier 
güngen in Miedels Warten 7 März oder Felieitas auf den einzig guten, glücklichen 
Gedanken, hloß die wichtigſlten Geſchäite Der Merle zu geben und das Geographiſche 
nur inſdiern mit aufzunehmen, als jenes ſich in dieſen hegab. Ausritt, Einkehr, 
Abritt, Eintreiſen, Rachtlager, Wirte ſchneide ich dadurch weg und gewinne herr 
lichen Kat fin manches hiſtorriche Koloſſenun. War denn aber nur — das gebe 
ich zu hedeuken ein glücklicherer Name für Solche Kavitel auszuſinnen als Anieln, 
bitch”? BKeſonders wenn Tv wie mein Archtpelagus mehr aus entladiſchen als 
woradichen heſtehen? Sie ſind ſa nichts als Die ans dent weiten Meer auf 
tauchenden Berghäupter und Bergglakzen des unter ihm liegenden, bingeftredten 
Wrengebnges oder VRerglettengeſtelles. Tenn möulariich nenne uch die Kapitel, weil 
ſie von auſten abgeriſien crcheinen und doch ihren ſtillen zuſammenhang unter ſich 
haben und die einzig wahre Gerchichte des Helden bilden Taß ich noch jeder 
künit:ge Inſe!!äapiten mit einem beſionderen Kanten auszeichne, z. Spinbuühen 
iniel, Elbam'ſel, der aut den inneren Gehalt ainpielt, ja anſpühlt, Toll bier nicht 
weiter hrvorgehoben werden. Mir genügt des Yolers eigenes Gefühl Und fo reiſe 
ich denn mit ment So großen Mieſengefolge ohne alle erlaubte Selbftzufriedenheit 
dem Kandidaten und dem Rehegefolge nad, und das Erſte, was wir alle entdeden, 
iſt die erſte Inſel oder zuchermöel, worüher ich much ordentlich freue. 


Ein ſpäteres Blatt vom 25. Auguſt 1820 enthält die Be— 
merlung: 


Kofef Müller, Zean Pauls litterarifcher Nachlaß. 303 


Auch die Charaktere müſſen fich erjt noch weiten und fi vom Schlaf zum 
Handeln ausdehnen, beſonders Süptitz, Yibette und Renovanz. Beim Ichten ſchmerzt 
mic die Namensgleicyheit mit dem Mudolftädter Kunſthändler, da leider mein 
Renovanz jpäterhin unendlich kunſthart, kunſtwarm und herzenskalt erfcheinen muß. 
Indes will ich mir durch diejes häßliche Namensdurchſchneiden meines Kometen 
durch eine fremde Bahn nicht den ganzen Lauf desfelben hindern laſſen. 


E. Horrefponden;. 


Faszikel Nr. 24 enthält „Eorrefpondenzblätter”, Briefe aller 
Art, die aber fajt ſämtlich publiziert find. Doc) ijt für Berichtigung 
und Ergänzung immer nod) Vieles zu thun. Das Wichtigſte foll 
hier folgen. 

1. Der Brief Jean Pauls an Adam Lorenz von Oerthel von 
5. November 1735 in der erjten Gejamtausgabe 62, 319—323 ent: 
hält eine Beſprechung des Buches: „Völlig entdecktes Geheimnis der 
Natur, ſowohl in der Erzengung des Menſchen als auch in der will: 
kürlichen Wahl des Geſchlechts der Kinder“ von Joh. Chriſt. Henke, 
Organiſt (I) zu Hildesheim, welche ziemlich lückenhaft iſt. Der dritte 
Sag der zweiten Alinea S. 320 muß heigen: „Denn wenn der 
bejagte Mann 3.8. einem Knaben das complementum possibilitatis 
darzureichen berchlofjen hat, fo kann ihm das fein Menjch ver- 
bieten; denn was brancht er mehr als mitten unter der 
Zeugung mit der einen Hand nad dem rechten Zeftifel zu 
fahren und ihn durd) eine leichte Danddrüdung zum Erguß 
der männlidden Samenfeuchtigkeit mit leichter Mühe zn 
vermögen?” Bei Reimer ſteht ftatt des Unterſtrichenen: „fo jehe 
nur jelbjt im Buche mac), wie ſein Verfahren fein muß und wie 
rechts und links zu berndjichtigen it..." Am Schluß der Altea 
werden die Weiber als „angenchines Mearggrafenpulver für die 
größten Kinder“ ftatt für „große“ Kinder bezeichnet, was den 
Gedanken ganz unverſtändlich macht. 

2. In „Wahrheit“ 4, 329 iſt ein Bruchſtück eines Briefes an 
Wernlein angeführt, worin Jean Paul die Entſtehung und Heilung 
ſeines Skeptizismus erzählt. Das Thema ift widhtig genug, um die 
Kenntnisnahme der Fortſetzung wünſchenswert erfcheinen zu laſſen. 
Hier iſt fie: 

Ein Hauptgrund meines Skeptizismus war der: Es giebt fir jedes Subiekt 
feine andere Wahrheit als die gefühlte. Die Sätze, bei denen ich das Gefühl ihrer 
Wahrheit babe, find meine wahren, und es giebt fein anderes Kriterium. Da aber 
dies nümliche Gefühl auch die Irrtümer, die es widerlegt, einmal unterjchrieb, da 
es jene Ausſprüche ändert nad) Stand und Alter und Zuftand und Staaten und 
Yündern und Weltteilen, woher kann ich denn gewiß wifjen, daß das chamäleoniſche 
Gefühl morgen oder in drei Jahren das nicht zurücknehme, was es heute beſchwört? 
Und bliebe 08 auch beftändig, fünnte es nicht bei einem Irrwahn beftändig bleiben? 
er fteht mir fir die Wahrheit des Gefühles als das Gefühl jelber? Denn was 


304 Kofef Mitller, Jean Pauls litterarifcher Nachlaß. 


man Gründe nennt, ift nur ein verſtelltes Appellationggericht an diejes Gefühl, meil 
einen rund vorbringen beißt zeigen, daß der zu begründende Zap ein Teil, eine 
Folge eines jchon begründeten ift, und dieſer leßtere, dieier begründete Zaß mag 
fi) allemal, wenn wir (bier tft offenbar nicht einzufchalten) ewig von Gott durch 
Gott zu Gott des Gottes gewiß werden jollen, mit bloß gefüiblter Wahrheit ftüten, 
weil fonft die ganze Schlußkette an nichts hinge. Daraus folgt aber auch die Un 
gewißheit, ob ich eriftiere; denn dieſes Eriftenzpoftulat ift auf das bloße Gefühl 
gebaut. Ich will hoffen, dag id) erijtiere; ich wüßte nicht, was Zie an mir lobten, 
wenn ich gar nichts hätte, nicht einmal Daſein. 

3. In dem Trennungsbrief von einer Geliebten in Hof vom: 
4. Dezember 1794 (nicht 1. Dezember, wie Nerrlich S. 182 jchreibt‘), 
der in Wahrheit 5, 68 mitgeteilt tft, muß nad) den Worten: „los- 
trennen werd ich mich durd) eine ſtufenweiſe Abſonderung von Ihrem 
Dane“ eingeichaltet werden: „wo mich ohnehin eins ums andere 
beleidigt." Die Herausgeber des Nachlaſſes waren in der Rückſicht- 
nahme auf noch lebende Perfönlidykeiten ſehr ängftlich, wofür außer 
den gebradhten Proben nod) zahlreiche zu liefern wären; jo jind im 
gedruckten Briefwechjel vortommende Perjonen meift nur mit Anfangs- 
buchjtaben bezeichnet. 

4. Ter Brief an Amöne vom 12. Oktober 1796, worin Jean 
Pant feine Simultanliebe entwicelt (vgl. darüber mein Bud) „jean 
Paul und feine Bedeutung fir die Gegenwart”, S. 56—63) lantet 
vollſtändig: 

Es iſt gut, daß ins Penſchenherz ein wenig mehr Yicbe als Blut hineingeht. 
Ich übe mich zuweilen, daß ich Freunde und Freundinnen und jeden Alteur tm 
Vlütenſtand der Forcerolle um mich in einen Zirkel ſtelle und mich frage: Kannſt 
du ſie alle nebeneinander nacheinander iſt's leicht lieb haben? Der Teufel jo 
micht Soll! die Seele holen, wenn ſie's nicht könnte? Aber Übung hrauchts und 
dann iſt das ganze Herz geläutert und Dat im Freunde nur die Freundſchaft lieb, 
im Menſchen die Menſchheit. Die Ichhert halten Sie für beſiegt, weil Fir 
nicht heſtritten wırd und vermengen Das ſchweigende Ich mit dem 
ſtummgewordenen. Ein gen Dimmel wachſendes Herz . . . unvollendet; 

Tas Unterſtrichene jehlt bei Förſter, Wahrheit 5, 175. 

5. In dem Brief Jean Panls an Friedrich von Oertel vom 
1. Oktober 1786, mitgeteilt in Förſters „Denkwürdigkeiten aus dem 
Yeben von J. P. ar. Michter, Miinchen 1865, ], 2, 2. 558 mu 
es Zeile 16 einen: „dar ich überall Day, zumal im SDeroldichen 
Hauſe Fand" bet Förſter ſteht „Doc. 'Ichen Danfe”, um Die Yeler 
irre zu führen Diezn vergleiche meine „can Paul Studien“ 2. 63. 
In dem anjchliependen Brief der „Denkwürdigleiten“ vom 22. Ot 
tober an denſerden Ichle der Paſſus tiber Goethe: „Goethes Charafter 
iſt fürchterlich: das Genie ohne Inaend mu dahin kommen. Ich 
antworte mie einem Mienſchen, der meinen Eharakter nicht antaſtet, 
obwohl Goethe mr ſatiriſches Kurzgewehr hat nnd ich Yanggewehr. 
Ich thut es meinem Herzen, daß Woctbe ein jo nahes wie das des 
guten Reinhards durchlöchern konnte.“ 


Kofef Miller, Zean Pauls Titterarifcher Nachlaß. 305 


6. Im Brief an Jacobi vom 6. März 1799, Gejamtausgabe 60, 
S.8 muß es am Schluß der zweiten Alinea heißen: „Wenn man 
aus Ihrer poctijchen Melt wieder in die Höfer proſaiſche 
zurückgefallen iſt, ſo wundert man ſich, daß man ein In— 
ſaſſe zweier ſo unähnlicher Welten ſein kann. Deutſche Weiber 
ſuche ich zuerſt in Niederſachſen und galliſche und Teufelsgroßmütter 
viel ſüdlicher.“ 

7. Der Brief an Jacobi vom 4. Oktober 1799 iſt in der erſten 
Geſamtausgabe 60, 17 verjtümmelt. In Alinea 2 heißt es dort: 
„Fichte le’ ich von vorne wieder .. wende aber bei ihın und Bayle, 
iwie die Leute Jagen, ein großes Meffer an, nicht um damit zu 
jchneiden, jondern um meines daran zu fchleifen.” Es heißt im 
Broullion: „Sch wende Fichte und Bayle wie die Leute ein 
großes Meſſer an, nicht um damit zu fchneiden, fondern um 
alles daran zu jchleifen." 

8. Ebendaſelbſt S. 39, Zeile 19 und 20 muß es in dem Sa: 
„sch möchte wiſſen, da er alles, was wir bisher für Kenntnilfe 
oder Materie hielten, zum Formalen der Vorftellung zertreibt,“ 
heigen: „Kenntnis-Materie”. 

9. Am ſchlimmſten ſteht es mit dem gedrudten Briefwechſel 
zwiſchen Jean Panl und Otto, dem umfangreichiten und wid): 
tigjten von allen. Hier haben wir die Hauptquelle für das innere 
und äußere Leben des Dichters namentlid) bezüglich des lebten 
Decenniums des 18. Jahrhunderts; die Aufſchlüſſe, die Urteile über 
Perjünlichkeiten c., die Jean Paul hier giebt, find am unbefangenften, 
ungetrübter ſelbſt als die feiner Tagebücher, in denen der Dichter 
dod) immer nad) dem fünftigen Publikum fchielt. Eben deshalb unter: 
lagen dieſe Aktenſtücke jeitens der Herausgeber am meiften der Schere. 
Brir von Förſter hat im 416. Band von „Nord und Süd” Heft 138 
einige Ergänzungen gegeben und Nerrlih im O Ofterprogranm des 
Askaniſchen Gymnaſiums zu Berlin 1889 angeblid) eine Zuſammen— 
stellung der „wichtigften” Differenzen veranftaltet. Es ift nun feines: 
wegs meine Abficht, hier cine Nevifion des gefamten Briefwechjels 
zu geben; dieſe kann zweckmäßigerweiſe nur in Verbindung mit 
einer Neuherausgabe diejer Korreſpondenz gejchehen. Nur einige Be— 
merfungen und Nichtigftellungen follen hier folgen, die von beſonderem 
Intereſſe für die Yitteraturgejchichte und für den Eharafter der beteiligten 
Perſönlichkeiten find. 

Der gedruckte Briefwechtel beginnt mit einem Briefe Jean 
Pauls vom 15. Inli 1790; es liegen aber and) Briefe an 
Otto von früherer seit unter den Manujfripten. So findet jich 
in einem Briefe des Dichters an Otto vom 9. April 1790 das 
wichtige Urteil: 


Kuphorion. VII. 20 


306 Joſef Miller, Jean Pauls litterarifcher Nachlaß. 


Tu ſiehſt Wieland, deſſen litterariicher Dunſtkreis fo viele Flecken, Gifte und 
Blaſen an der Zonne um ıbm bildet, im jeiner nadten Zonnengröße. Verwandte 
Menſchen werden am leichteſten verfamt und am erften für falfch verichrieen; 
daher wurden jene Yohredner jo an ihm irre, und es hättens doch bloß feine 
Tadler werden follen. 

Der Briefwechſel enthält aud) nicht die zahlreichen Korreſpondenz— 
blätter aus der Bayreuther Zeit, die teilweite von hödhften Wert 
jind, ift alfo aud) nad) ſpäterhin nicht volljtändig. 

Mas die Verjtöne des Trudes felbjt betrifft, jo iſt ſchon im der 
Norrede, S. 10 was Verrlid) nicht berichtigt hat, A. von Terthel 
zweimal ohne h geiekt. Es find ferner die marfanten Perfonen, die 
in den Briefen vorfommen, meiſt nur mit Anfangsbuchitaben bezeichnet, 
was ebenfalls Nerrlich nur jelten verbeijert hat. Nicht einmal day 
*14* Ne Stadt Hof bedeute, hat er angegeben. Manchmal 3. 8. 
1, 321, 3. 0 bat dies SJeichen auch andere Bedeutung. Welche? 
giebt Nerrlich nicht an. Im Einzelnen diene Folgendes: 

Im Band 1, S. 119 iſt oben die jinnftörende Verſetzung des 
Kommas hinter „gefället” ſtatt nach „chriltliche”. Es muß heißen: 
„Noms Meidentum war durch frühere Hände gefället ats chrijtliche, 
durch monarchiſche“. Z. 257, 3. 8 von unten, iſt ftatt „Anspruch“ 
„Ansbrütung” zu ſetzen. &. 258, 3. 6 von oben jtatt „müßte“ 
„maß“. In einem der nächitfolgenden Briefe findet ich die Stelle, 
die der gedruckte Briefwechſel nicht Wiedergiebt: 

Ach! ich babe Lipps' großen Kupferſtich von Goethe geicben und ich bätte 
mt Den Lebenden Yıppen auf die himmliſchen geitochenen fallen mögen. Schillers 
Korträt, oder vielmebr jene Raſe darin, ichlug wie em Blitz in mich ein: es frellt 
einen Cheruh nut dent Keim des Abfalls ver, und ev Ichemmt ſich über alles zu 
erhehen, über die Venichen, über das Ungluckh und über die Moral. Ach konnte 
dieiet erhabene Angeſicht, dem es einerle: zu ſein ſchien, welches Blut jließe, 
fremdes oder eigenes, gar nicht ſatt belommen. 

S. 285, 3. 7 iſt ſtatt „ſeinen Imperativen“ „ſeinem Imperativ“ 
zu ſetzen und „die, dine“ zu ergäuzen: 9. 13 md IE ſind die 
Appofitionen von „Gerechtigkeit — Keuſchheit“ in Mlammern zu 
jegen und vor „Ehrliehe“ „Menſchenliebe, Wahrhaitigkeit“ zu ergänzen. 
Ans dieſem oder einem der folgenden Briefe babe ich mir nod) die 
Stelle notiert, Die im gedruckten Brienvechiel Teblt: 

Wenn cm großer Mann con großze Laterne bat, jo wind ca, wir ber uns Des 
Nachts, die ihm naht nahe genng erben, nur No ERS machen: dDaber giebt gebt 
Paz Nantııhı Syvitem wie ſede neue Stone eine yit len alten Nopfen Emieitig 
tat amd Feirin: das närkere cht wird Vbher Begenſand und ftellt ſich ale 
zwüchen Div 1Beqgenſtaunde. lo Dem mut jenes ZSyntem, Der ſchon vorher Tem 
zutun hatte und der's alte in veines zerlanen lann, oder dem Mann von Nraft 
Jacohte, und Klon Dem ichadet „8 naht, der's nicht ſtüdiert bat, z. Bo, und es 
taun abo nt Herr ber mich werdeu Will ich's aber einmal veriehen und Die 
kritiche Klutoiornhie mirtlich davontragen, done mir uimmer zu beiten und ich 
munßte Hallig Denen, wie ſie cs Barden wollt 


Kofef Miller, Jean Pauls Titterarifcher Nachlaß. 307 


Eine andere Stelle aus einem Briefe an Otto, der aber nicht 
in Berlin liegt, über die Kantijche Autonomie des Willens habe id) 
auszugsweiſe (ſie ilt ziemlich verworren) in meinem Aufjake „Jean 
Pauls philojophiicher Entwiclungsgang” im Archiv fiir Gefchichte der 
Philojophie 1900, ©. 381 befannt gegeben. ©. 313, 3. 8 ijt P. nicht 
in „Plotho”, wie Spazier 3, 231 wähnt, aud) nicht in „Peter- 
männin“, wie Nerrlich jchreibt, fondern in „Petermann“ zu ergänzen. 
S. 359, 3. 9 von unten ift das famoſe „Eorifteine”, dag aber 
ſchon im nächjten „sahre bei Herausgabe de3 5. Bandes von Wahr: 
heit aus Jean Pauls Leben ©. 122 von Förfter forrigiert wurde. 
Nerrlich Hat es im Programm, ohne Förjters Selbjtkorrektur zu 
erwähnen, nochmals richtig geftellt, in feiner ſpäter fertiggejtellten 
Biographie Jean Panls jedoch ©. 267 ganz ruhig wieder die 
„Edelſteine“ hergenommen. In demfelben Briefe ijt der Paſſus aus— 
gelaſſen: 

Mein größtes Labſal außer Herder hier iſt meine Hausfrau. Nie war ich ſo 
ſtubenglücklich. Ich will nur etwas von unſeren Berhältniffen anführen: Ein an 
ſich geräumiger Nachttopf wollte doch nicht zulaugen, wenn id) gerade jchrieb, weil 
er und das Tintenfaß (natürlich im umgekehrten Verhältnis) voll und leer wurde. 
Die Frau ſah, daß ich oft die Treppe herab mußte. Sie brachte mir alſo einen 
ganz neuen bowlenmäßigen getragen, bei dem ich acht Seiten ſchreiben kann. (Plan 
muß bedenken, daß Jean Paul bei der Arbeit ſich beftändig durch geiftige Getränke 
anfeuerte.) 

In dem, nicht im Briefwechſel, aber in Wahrheit 5, 174 repro— 
ducierten Brief Jean Pauls an Otto vom 7. September 1796, welcher 
die Krüdener betrifft, ift 3. 10 ſtatt „und“ „das heißt auf die Koſten“ 
zu jeßen. 3. 14 fehlt der Anfang: „3. Sie fanıı ja doc) dem Abbe 
trauen. Warum joll fie denn bei der Liebe der Emigranten, bei der 
Schminfe der Arijtofratie jchlechter jein al8 ohne? 8. 18 ijt jtatt *** 
wie and) 3. 4 Charlotte von Kalb zu fjeßen. Vgl. meine „Scan 
PBanl-Studien” S. 176. 

In einem ebenfalls nicht in Berlin liegenden Briefe an Otto 
vom 7. April 1796 kommt die Stelle vor: „Ich Habe das eigne 
Schickſal in der Welt, day ich von Bayreuth (Ellrodt) bis nad) 
Leipzig und Berlin, ic) mag Stehen, wo ic) will, allemal zwifchen 
zwei Verliebten jtche als der dritte Mann mit einer jchönen lichten 
Glatze.“ „ri erwähnten ungedrneten Briefe find im Privatbefiß des 
Enkels Jean Pauls, Oberſtlieutenant Brix von Förſter.) 

Im 2. Band S. 165 unten ergänzt Nerrlich wohl das B. in Ber— 
lepſch, aber nicht das K. in Kalb (wo es ſich um die Lüge der letzteren 
oder ihres Mannes über die angebliche Verheiratung Jean Panls 
handelt). Die Parteinahme Förſters und Nerrlichs für die Kalb iſt 
auffallend. Alles fir die leßtere Kompromittierende wurde unterdrückt 
oder gemildert. Ernjt Förſter hat hier die „Lüge“ in einen „Wahn“ 


20* 


308 Joſef Müller, Jean Pauls litterarifcher Nachlaß. 


verjchönert. Ebenjo ijt für den Schwiegerjohn des Dichters jehr 
bezeichnend, daß er ©. 188 oben, wo von dem Verhältnis zur 
Berlepih die Rede ift, nad) den Worten: „Ich habe Oertel alles 
erzähft, er musste mein ganzes Betragen billigen” den Nachſatz meg- 
läßt: „das nie gegen ein Weib jo moraliich war.” Auch S. 276, 3. 8 
hat Förfter die Keufchheitsbetenerung Jean Pauls, an Otto 16. Mai 
1800 (aljo furz vor feiner Heirat) unterdrüdt. ©. 359, 3. 3 muß 
nad) „andere“ „heißere“ und ftatt „heißer“ „sinnlicher” ftchen. Ich 
bemerfe, daß dieſe „heißere Verwicklung, die immer finnlicher wurde, 
ohne es zu jehr geworden zu fein”, die Charlotte von Kalb betrifft. 

m 3. Band iſt ©. 26, 3. 11 für W. Wernlein einzujegen 
und 3. 14,19. ©. 27,3. 6 u. ſ. w. für „Kalb“ „Titanide”, 3. 15 für 
„öfter“ „dreimal”; ſtatt „revolutionär-fühn” 3. 16 muß ftehen 
„revolutionär und kühn“, 3. 20 ftatt „stellte“ ſtellt“, 3. 24 jtatt 
„ach Paris" „hin“. S. 27, 3.2 iſt ftatt „von dort" „von Paris” 
zu jeßen. 2. 30 im Urteil über Schillers Wallenften 3. 3 ftatt 
„gegeben „abgeſpielt“ zu jegen und vorher „über vierhnundert 
Gulden“ (nicht „Ihaler”, wie Brir von ‚Förjter in Nord und Sud 
ergänzt „uene Kleider, weil alles Nacht war,” einzuschalten. 3. 7 iſt 
jtatt „Fortitrömende Handlung“ „ſtarkſtrömende“ zu ſetzen, ſtatt 
„dramatiſierter Zopf“ „dramatiſcher Zopf“, 3. 9 iſt das „dritte“ 
nach „fertige“ zu ſtellen, für *** iſt 3. 18 „Charlotte von Nalb“ 
zu ſchreiben und 3. 19 wie auch S. 31, 3. 3 ſtatt „Trennung“ 
„Scheidung“. 3. 10 iſt für „Entſagen“ „Nein“ zu ſetzen. Ganz 
weggelaſſen iſt der nachfolgende Satz: „Aber cs geht leicht, da ich 
jie ganz feine; ich muß ihr nur nicht jchreiben, ſondern ſprechen.“ 

S. 178, 3. 3 iſt nach „dieſes“ „er. >" zu fepen, 3. 14 ftatt 
„ihre“ „ihren“. 2. 225 letzte Zelle mu es Statt „Die gute, jich 
jelber nur nicht fallende Eh. v. K. hat mir eine große Erichütterung 
gegeben” heipen: „bat viel zu verantworten”, Weiterhin S. 226, 
3.5: „Mit der N. bin ich anßer Verhältnis, aber durd) ihre 
Schuld“ tm gedruckten Text ſteht „durch ihren Willen“. 3. 17 
iſt das K. . .rt m Kühnert zu ergänzen, S. 227, 3. 9 ff. muß es 
ſtatt „Herder mit ſeiner Gattin . . . ſie väterlich ſegnet“ Heinen: 
„Herder und ſeine ‚ran... unſern Bund jegnet.“ S. 255 ſteht 
der köſtliche Unſinn, den Nerrlich ſtehen gelaſſen hat: „Ich habe 
endlich ein gewiſſes logiſches Uebergewicht über den göttlichen 
Pegaſns erfochten“: es muy heißen: „Goetheſchen Pegaſus.“ S. 256, 
3. 10 heißt es im Text ſtatt „Dernach mehr davon“: „Später mehr.“ 
Folgende Nachricht vom 3. März 1800 iſt im gedruckten Briefwechſel 
nicht zu finden: „Weber meine Naroline kann ich jet wieder nicht 
reden: du ſollteſt nur wiſſen, was täglich und wie cilig nicht etwa 
Welten, ſondern Weltiyſteme, in Nebelflecken geſtaltet, durch meine 


Joſef Müller, Jean Pauls literarischer Nachlaß. 309 


Seele braufen. Mid) wundert nur, daß id) noch den gemeinen 
Menjchenverjtand habe.” Am fchredlichiten ift der Brief vom 3. Juli 
1800 zugerichtet. 3. 3 iſt Hinter „Unähnlichkeiten“ „die der Berlepſch“ 
einzujchalten, 3. 11 iſt ftatt, „abgeneigt“ „abjpenjtig” zu ſetzen, 
3. 14 Statt „übertriebenjte" „wahnſinnigſte“, 3. 17 ftatt „harte 
Predigt” „(leere unrechtinäßige) liebende Predigt”; 3. 19 ijt vor E. 
„Die ihn ohnehin anbetende” zu ergänzen, 8. 20 jtatt „Krämpfe“ 
„byiterifche Krämpfe, jtatt „verfiel“ „ſtürzte“ zu jegen; am Schluß 
des Sates fehlt die Einſchaltung „(wenigftens nicht vor mir)”. 
Statt: „die Herder ftellte mich mit Heftigfeit zur Rede“ heißt cs im 

Criginal: „Die Herder hingegen zankte ſich, während C. in Zuckungen 
lag, mit mir mit Furienaugen — ich war ihr Freund.“ Der Satz: 
„Sollte ein Mann dies dulden?“ iſt von Förſter erfunden. Statt „Ich 
wurde auch wild, aber gewiß „nicht zu ſehr“ ift das Richtige: „aber 
nicht zu wild“. 8. 301, 3. 2 ff. muß es ſtatt: „stellte ihrem Ent— 
jcheiden alles anheim, zeigte ihr aber aud) die Kraft meines Ent- 
ſagens“ im Nachjag heißen: „legte ihr aber das Nein am nächſten“, 
3.5 ftatt „wurde id) zum entjchiedenen Nein beſtimmt“: „Mein 
zweiter (Brief) jagte das Nein; hier ift der ihre aus Würzburg.“ 
Dieſer Nachſatz fehlt in der Berichtigung Nerrlichd.) Dann muß 
es heigen jtatt „Herder jchrieb mir auf diefe Veranlaffung nach 
Berlin”: „auf Xeranlaffung Berl.“ (vielleicht Berlepſch); der an— 
ſchließende Sag fehlt ganz: „Wenn id) den Brief habe, antworte ich 
der C. auf ihren legten wieder das jtillere Nein.” Dafür ſetzt Förſter 
das Nichtsjagende: „Aber der Schlag tft gejchehen.” ©. 302, 3. 11 
muß jtatt „in weiten ätherifchen Räumen“ „in weite ätherijche 
Räume“ jtchen und 3. 14 der ausgefallene Sag ergänzt werden: 
„Der Teufel hole die Sinne und bringe mir Engel!" S. 332, 3.1 
von unten iſt jtatt A. „Emanuel“ zu jeßen. S. 333 iſt B. als 
Berlepſch zu nchmen, 3. 8 ijt ſtatt „faßt“ „ſonſt“ zu lefen und 
3. 10 ijt nach „Yippen” zu ergänzen: 


Unſer Weg ging bergunter das heißt ſchnell; wir legten in Sekunden Wochen 
zurück. Sie hatte noch die Brillianten an Finger und Hals, und als ich wahrlich 
an dem letzteren nicht weiter rückte als ein Raſiermeſſer an unſerm — vergieb mir 
meine Ungebundenheit, da ich heute toll bin! — ſo ſchnallte ſie das Collier ab und 
machte ungebeten die tieferen ſchönen Spitzen auf. Sie hat Terzien lieber als 
Secunden td) wollte, das Publikum wäre jo rein wie Tu: Himmel, welche Herzens: 
landfarten muß man nicht in der Taſche laſſen! . Em vornehmes W Weſen hat leichter 
ein Herz als ein Schneeweltchen darüber (ſogar das erriet id im Hesperus); ihr 
Globulus hatte die Farbe und Weichheit der Wolkenflocken; wenigſtens drinnen 
finder ein zeitiger Irion ein Stück Nebel Juno. Dabei bfieb die Doppelglut; aber 
aus ihrem Anwinden und aus ihrem Wunſch, an mir zu ſchlafen und aus der 
Klage bei der letzten Umarmung, daß ich ſie damit wieder aus ihrer Ruhe gebracht, 
war zu leicht auf die Zukunft zu ſchließen. Ich ſagte zu ihr: Du (denn das war 
bald das weißt den Teufel, wie den Männern iſt, und jo ging ich. 


>10 Zofef Müller, Jean Pauls litterariicher Nachlaß. 


S. 334 (nicht 343, wie Nerrlich Schreibt), 3. 4 von unten fehlt 
ein Satz, den id) nicht entziffern konnte; Nerrlich jchreibt hier einen 
Unſinn anfs Gradewohl: „Auch auf dem Thorzettel jtanden wir 
ſo.“ ©. 335, 3. 9 hinter Mädchen folgt noch im Text: „te müßten 
denn den Satan nachahmen.)” Am Schluß der Alinca iſt zu ergänzen: 

In Berlin, bei der größeren aber auch unmoraliſcheren Freiheit küßten 
jogar Müdchen zuerſt. Freilich greife ich jet manchen Opfer ı Tchien ſtrick der 
Zinnlichleit, an deſſen Iuftfarbiger Unſichtbarkleit ſonſt die Göttin ſchwebte, leicht 
mit Händen. Ich könnte einer Frau die Augen austragen, die Sie ſinnlich liebten, 
jagte ein Mann zu mim. Er findet darm gerade die eheliche Eiferſucht. 

Aus dem Brief von 12. März 1801 find and) nod) die Worte 
unbefannt: „Die Kalb it eine einfältige Lügnerin; jo plauderte fie 
mir zwei Drittel ihrer Briefe ab mit Wortbruch.“ ı Zie verbrammte 
die Briefe trog ihres „Verſprechens,“ ſie zurückzugeben.) Im Hochzeit 
billet an Otto ſteht: „Tandem felix lieg der edle Teſſin anf ſein 
Grab ſetzen“: es muß „Taſſo“ heißen. 

10. Im Brief von Jean Paul au H 
Tihters- vom >. Auguſt 1819 ſteht: „Die Paulus“ Sophie P. 
ſpäter Gemahlin Auguſt W. Schlegels verſichert, Schlegel babe nie 
ein Wort wider mich geſprochen: wie reimſt Du dies mit Deinen 
Nachrichten?“ Es iſt bisher noch nicht beachtet worden, welches 
Intrignuenſpiel der junge Voß gegen Schlegel in Scene geſeßt, um 
Jean Paul mit den Schlegels zu verhetzen, wobei er die größten 
Verleumdungen nicht ſcheute, wie der Briefwechſel zeigt. 

11. Im Brief an Heinrich Voß vom 10. März 1819 ı Wahr 
beit S, 172 fehle das Urteil über die Ahnirau: „Deine Rezenſion 
der Ahnfran iſt ganz gerecht; nur verbirgt die Uberfiülle des Gefühls 
ſich nicht genug hinter kalte Gründe und giebt das Ziel ſtatt der 
Bahn dahin.“ Fein iſt damit der leidenſchaitliche Haſt des jungen 
Nor gegen alle Romantik gerügt. Tas andere Urteil uber Me Ahnfran 
int Brief an denſelben vom 7. Jannar 181° tiehe Wahrheit S, 172! 

Ztellen ans nicht veröffentlichten Brieien: 


Deinrih Bor Sohn des 


Der Arzt und der Zarqmacher verhalten oh wir der Be: Dtellev und Dei 


Kogelbakermachet. Die bester bringen uUns Pinto dont Himmel, aber te ſind 
nich: üranteert. — In Geritlichen haben in Teuniel gem Feidichen im geiſtlichen 
Wrinbergugemach: Ser Geizige nin nr lebindige: Geldtkauen, der das GWeld 
adiitenahrt, obhne 5 zu win fa. T Ordenzuenrne und oft Sternichnuppen. 
Si Wendt Dr Yalnt der örde. Tu VKFred!agten und Rehrhbeien, den Dent 
tat aus dem Herzen der eben wegza!etren. Kar: Apot!te ot das Zeug 
haus des Tades, ein Mit Me per'ouizterlie Pt In Tod st der erſte Medilus 
amd Fat dar sv made Mila gelten Tor Bordell Ir Wien lt 
die Atadein'e. Fre Kiel rennt pie die beldertere mmerdaibt. Ter Bulls 
zu der Kervendilel des menchlichen Wiens Sa Man ſit propesitie tnajor., 
das Mb inr, da SEND Crane listen, Ter Mend rt dir Zonne der Racht — 


IT Bemme Menſhieett“ Venn vuh alle drei Faluültaten zu der verwundeten zu 


Joſef Miller, Jean Pauls litterariicher Nachlaß. 311 


janmentreten ſehe, wie der Theologe durch Inquiſition die Glieder fengt umd 
brennt, wie der Juriſt dad Schwert der Gercdtigfeit gegen die Hände und den 
Yals erhebt und wie der Arzt für die Yabung des Todes das niedere Gerüſte baut, 
jo fann ich mid; nicht enthalten auszurufen: Das Aderlaßmännchen im Kalender 
bat, jo ſchlimm es mit ihm Steht, doch nicht fo viel Wunden als die arme Menſch— 
beit! (In Briefen an Vogel.) 

Wenn Manı und Weib beifammen find, fo nimmt der Schmerz und die 
Plage feinen Arm als den weiblichen; 3. B. wenn ih und Sie beiſammen ſind, 
jo bat niemand das Vergnügen als ich und niemand Plage als Sie. (An Amöne, 
2. Februar 1786.) 

In der frühen Maijugend vor dem Ideal des ſchmachtenden Herzens beſudelt 
feine Sinnlichkeit den ſeligen Traum. Dann verfliegen die Ideale, die Sinnlichlkeit 
tritt ihre an — ſpäter ſchlafen wir ohne den ſchönen Traum der erſten Liebe; jene 
Magie iſt durchſtrichen. Der Teufel verdient kein Manifeſt. Sondere Dein Ich von 
dem Poſtament des Ich! (An Oertel, 13. Februar 1797.) 

Kant iſt ein Bayle und Yeibniß; jener hat mehr Dialektik, diefer mehr Meta— 
phyſik; jener macht ung feine gelehrten X für ein U des Realen dor, dieſer giebt 
uns dieſes. (Ar Koſegarten, 28. Juni. Jahr nicht angegeben. Da aber im Brief 
vom Plan des Titan die Rede iſt, ſtammt der Brief wahrſcheinlich aus 1797.) 

Lie ganze idealiſche Welt kaun nur vom innern, nicht vom äußern Menſchen 
beſchaut und betreten werden, und es iſt gewiß, daß der Irrtum, fie zu verkörpern, 
der Wunſch, ſie zu beleben und zu erleben, noch widerjprechender ift als die Sitte der 
Nordamerifaner, die jeden Traum erfüllen zu müſſen glauben und daß es fo viel 
ıft als Geiſter in Körper, Gott in die Welt, Idyllen in Schäfereien verwandeln 
wollen. (An E. Bernard, geb. Sad; vgl. Denkwürdigkeiten 3, 27. 31.) 

Die Ehe ift die Reife der Yiebe, die frühere Zeit nur das grüne fauere 
Blattwerk dazu. (An Ahlefeldt, 12. Zuli 1800.) 


Einzelne Stellen aus den „Mirta” (Faszifel Nr. 25): 


Jede Uhr tft cine Weckeruhr, und zwar eine geiftige. 

Das edelite Säugetier tft eine Amme und eine Mutter. 

Der Sonderling iſt beifer als der Alltagsmenſch, der Weiſe tft beſſer als beide. 

Brief und Manufkript Autodafe: Verbrennen heißt den fremden Morten die 
vuft nehmen oder die Stimme vojten machen Ein Gedanke de3 überjtrömenden 
Herzens wird zu Aſche: jogar du kannſt ihn nicht wieder erichaffen aus der Phönix— 
aiche. Ad) laßt ihr, die ıbr bald ſelbſt zu Aſche werdet, nicht aud) das Geiftige zu 
Aſche werden! Briefe berühmter Männer könnt ihr verbrennen, weil fie in ihren 
Merken ich ſchon oft genug wiederholt. 

Tie meiften glauben zu dichten, wenn fie bloß Tieben; fie halten ihren Amor 
für Apollo. Kapitel ſind die jteinernen Bänke auf der langen Nunftftraße eines 
Kunſtwerkes, damit man augrube und ütberichaue; aber fie dürfen nicht Stationen 
weit auseinanderſtehen. Am Tag mag ic) feine Wolfe, in der Nadıt finde ic) fie 
nur erbaben. 

Alle Sterne find Morgenfterne, die Blüten das Brautkleid des Jahres. 

Himmel, wie unerwartet alt wird man, wenn man die nenne Seit erlebt! 

Wenn man da3 Ungebeuere bedenkt, was ſchon die Erde umd Zeit vergiftet 
bat, jo müßte jet ein Giftſumpf ſein. Denn da das Hefte nur von Einem, dag 
Schlimme von dev Wefellichaft gqeichiebt, jo müßte die Welt im Gift untergeben, 
gäbe es nicht ſtärkere geheime Gegengifte, div aus Nattern Nraftbrüben bereiten. 

Zprichit du das Wort Vorſehung aus, jo ſagſt du, was die ganze Geſchichte 
hinten und vorne bon geiprochen. Nehmt ihr nicht die Borjebung an, jo nehmt 
ihr em mit Grauſen von Jahrtauſend zu Jahrtauſend fortgebendes Getümmel an, 
und es iſt dann nicht begreiflich, warum es eine Ewigkeit früher angeſtanden und 
woher jo ſpät Die Orduung kommt 


312 Zofef Miller, Zean Pauls litterariicher Nachlaß. 


Ein ewiger Liebhaber feßt eine ewige Yiebhaberin voraus, Feine Kindbetterin, 
feine Hausmutter. Aber es ift gut, einmal geliebt zu haben, und bätte es nicht 
länger gedauert als einen Thomastag. 

Es giebt nicht Gute und Schlechte, Sondern Beſſere und Schlechtere. 

Tas Genie ift nicht weniger als der Fürſt der Träger einer geliehenen Würde, 
und beide dürfen nicht mit ihrem geichentten Werte der Verhältniſſe prableu; mur 
was beide durch Fleiß und Moralität zu den Gaben zulegen, gehört unter ibre 
Rerdienfte. Unter einem Bildnis des Dichters, gezeidynet von Ernſt Förſter, ge- 
jtodyen von Semmler.) 

Einen Mann bringt nichts mehr auf als Grundiabloſigkeit. (Aus dem „Srund- 
ſätzebuch für meine Kinder“.) 


Wir Ichliegen mit dem Motto des „Freudenbüchleins“ in Fas— 
zifet Ar. 16: „Schreib feines, du haft es ja gedrudt in der Seele!“ 
Uber den Optimismus Scan Pauls jiche mein Buch S. 87— 116.) 


Nachtrag. 


Frau und Fräulein Laura Kallenberg, Enkelin und Urenkelin 
jean Pauls, haben die Güte gehabt, dem Herausgeber des Nad)- 
lalies einige Blätter zur Verfügung zu Stellen, weldye Notizen des 
Dichters enthalten. Denjelben entnehme ich Folgende Gedanken: 


Die Deutſchen glauben nicht cher, daß ein Dichter Gedichte machen könne, 
als bis er hinterher einige Anlagen zur Kritik gezeigt oder doch zur Gelehrſamkeit 

Kur die Liebe kann über die Liebe tröſten. 

Platen: Mit Dichten iſts wie mit Zeugen; man hiefert durch dag Fortietzen 
nichts Ztarferes und nicht Uben, ſondern Raſten ſtärkt bier. 

Wenn einmal Hohenlohe gewiß weiß, daß ſein Gebet die Wunder herunter 
loctt, jo darf er ſich auch von keiner weltlichen polizeilichen Macht iem Beten und 
deſſen Wirken nehmen und verbieten laſien.n 

Die Malerein bekleidet die Welt mit emem verklärten Körper, Me Muſik begabt 
ie mit verklärter Seele, und io entſteht aus dem Erdreich ein Himmelreich. 

Fer Stand bat ſeine Metallktrone, die Tichttunſt bat ihre Blumenkrone; 
gluctlich aber iſt, wer beide verenen kann jun Andenten an die edle und gllick 
liche Beſiberiu dienes Stammbuchs. 

Es iſt leichter als Theetrinkerin in der Geſellichait zu glänzen und das Gute 
zu ichrldern: es iſt aber ſchöuer nud ſchwerer, als Hausfran ſich in Die Einſam 
leit zu hilllen und Das Gute zu vollhringen. Ham Andenlen an nenne liebens 
wurdige Hauswiriin 


Auf einem beſonderen Matt: 


Jeder viebhabert st ſchlecht, der ſich auf Noten des weiblichen Rufs hieben 
läßt von der iVeltebten: es giebht Topf, da der eine anbieten, aber der andere 
hbeſenderz der Mann tt annehimen dart. 

Am önde bat die nere qgegen Da Ehe predigende tiefe zitletzt, nachdem das 
arme Weren den Ruf mm geopiert hatte, doch dasſelbe geheitratet; zwei Schlegel, 
Werther ur w 


Bezieht uch anf De Wunderküuren des Furſten Alczander Yıopold von 
Hobenlohe Waldeuburg Schillingsfurit zu Unfang des Jahrhanderts. 


Joſef Müller, Jean Pauls litterarifcher Nachlaß. 313 


Ein Mädchen kann ihren Ruf opfern, nie eine Mutter von Mädchen — deine 
ſchuldloſen Töchter tragen Fünftig alle Folgen des verftimmmten und verloren 
Rufs; und es ift noch gut, wenn fie mehr durch Ungerechtigkeit als durch Beispiel 
leiden. Wünfcheft du ihnen dein Verhältnis? 

Ein Damm ift ſchlecht, der feine Geliebte an den Ort führt, wo eine frühere 
von ihm im Wochenbett liegt. Denke dir nur ein folhes Verhältnis im Roman 
gefchildert und fühle voraus, ob dur es tragen und achten würbeft! 

Die vier legten Sentenzen ftehen in einem Briefentwurf, der 
an ein Mädchen gerichtet war, das can Paul vor einem Liebhaber 
Namens Arel warnen wollte. Es heißt von ihm: „Sein Haß gegen 
die Ehe — wer liebt, wählt hier immer — oder will fie das Schickſal 
feiner Verlaffenen teilen? — Was wird der Vater thun und leiden, 
wenn ein ähnlicher Brief an ihn kommt wie an mich?" Jean Paul 
muß der Adrefjatin in diejem Betreff jchon früher gefchrieben haben; 
denn diejelbe verlangte zu wijjen, woher Jean Paul das (offenbar 
geheim gehaltene) Verhältnis kenne. Der Dichter nennt feine Quelle 
nicht; Mahlmann, auf den die Schreiberin geraten, fei es nicht; der 
Schreiber fei „edel, Fräftig, unparteitjch, ſich nennend, jie verchrend, 
logar Axels Genie anerfennend”. Jean Paul erinnert aud) un 
Noquairol im Titan, dem er ihren Gelichten vergleicht. Nad) dem 
Obigen jcheint die Adreſſatin ſchon Töchter gehabt zu habeu, alfo 
Witwe gewejen zu fein. Jedenfalls befundet das Schreiben wieder 
die Zartheit, die der Dichter für weibliche Ehre empfand. 

Es Tiegt noch ein Briefentwurf an Tief vor vom 10. uni, 
geichrieben vor der Heimkehr aus Dresden, worin ſich der Dichter 
fiir das poetische „Allerjeelenfejt für eine Seele”, das ihm Tieck im 
Familienfreis zum Abſchied veranjtaltet hatte, immigjt bedankt. Das 
Bronillon ijt jchwer lesbar, enthält auch nichts Beſonderes, fällt 
aber durd die ungewöhnliche Wärme des Tons auf. „Mein teurer 
Tieck“ ijt die Anrede, es ſei „der Güte zu viel” gewejen und tiefe 
„Rührung“ verjichert der Dichter zu empfinden. 

Endlid) hat der Dichter zwei Siegelproben für die Bayreuther 
Harmonie entworfen: eine jcherzhafte, die Quinte e—h mit fünf 
Borzeichen, welche jamt den fünf Notenlinien in dreifacher Symbolif 
an die fünf Direktoren erinnern follen (da8 h—e deutet aud) An— 
fangs- und Endbuchjtaben der Harmonie au) — und eine mehr 
ernjthafte: Sm ein Fünfeck ſoll Euterpe, die Muſe der Harmonie, 
gegraben werden, „welche die Griechen mit einer Flöte in jeder Hand 
abbildeten. Beide Flöten fünnten dann die zwei Stände andeuten, 
die bei uns in ein Dorn blajen jollen, welches dag Oberonshorn des 
Tanzes jein fan”. 

Reſumé. 

Am Schluß meiner Veröffentlichung möchte ich noch dem Wunſch 

nad) Herſtellung einer vevidierten Geſamtausgabe der Werke 


314 Anton E. Schönbach, Srillparzerreliquien. 


Lean Pauls Ausdruck geben, wobei der Korrejpondenz bejondere 
Rückſicht zu Ichenfen wäre. So weit Trudvorlagen vorhanden jind 
(alſo vor allem bei den Briefen), ift aber die Textfeſtſtellung zunächſt 
nicht Sache des Philologen oder Yitterarhiitorifers, jondern des 
PBhilojophen, jpeziell des Sraphologen. Es gehört piychologiiche 
Methodik dazu, die Dandjchrift eines namentlich in den Studien: 
bücher jo unleſerlich jchreibenden Autors wie des umjrigen zu inter- 
pretieren. Zind ja doch jelbft bei den für den Trud und für Fremde 
bejtimmten Manufkripten, die verhältmismärig gut gejchrieben find, jo 
heilloje Verſtöße gemacht worden. Und jelbjt für den Fachmann tjt 
noch Scharfſinn, umfaſſende Kenntnis in allen Wifjenjchaftsbereichen 
und Einſchulung in die Schreibweije des Vichters nötig. Dann erft 
beginut die Arbeit des Yitterarhijtorifers. Hier find die Yesarten zu 
vergleichen, vielleicht Die Danderemplare des Dichters zu ernieren oder 
in Ermanglung derjelben die von ihm berausgegebene „Ausgabe“ zu 
Grunde zu Legen. Manche in dem gedrndten Ausgaben zirkulierende 
‚schlev habe ich in meinen Jean Paul-Büchern forrigiert. Uber das 
jegt gedruckt vorliegende Material binanszugehen it jedod) wicht 
ratſam. Altes zu veröffentlichen it ganz unmöglich, und vieles iſt 
feineswegs der Herausgabe wirdig, höchſtens zum Studium für 
Spezialarbeiten geeignet: dazu genügen aber die Manuſkripte. Ich 
glaube, mit Geſchmack alles ausgewählt zu haben, was auch für den, 
der den Dichter eingehend kennen lernen will, völlig hinreicht. 
Eine würdige Herausgabe des nun Vorliegenden aber iſt eine Ehren— 
ſache der Nation. 


Grillparzerreliquien. 


Mitgeteilt von Anton E. Schönbach in Graz. 


Durch Vermittlung meines ehemaligen Schülers, Herrn Dr. 
ort ab, werden mi aus den Veſitze des Herru Yandesgerichts 
rates Dr. N. A. Wimmer in Graz zwei Blätter übergeben, mit 
Grillparzers Schriit bedecht. Tas eine 12 und 26 Ceutimeter, 
grobes, granues Nanzleivapier, enthält 51. 546 die erſten 55 Verſe 
des Gedichtes „Phantaſie am Morgen der Niederkunit der Erz: 
herzogin Zopbte” 18. Auguſt 1850 ohne Uberſchriif Inbilänms 
ausgabe don Grillparzers Gedichten ed. Zaner 1831, S. 237 if. 
Sämtliche Werke, ed. Sauer, >. Auflage ?, 116 ij. Die Aufizeichnung 
muß als ein erſter Entwurf angeſehen werden, an dem zweierlei 
Koörretturen vorgenommen ſind: 1. mit derselben Tinte und Feder 


Anton E. Schönbach, Grillparzerreliquien. 315 


wie die Niederjchrift jelbit, aljo im Zuge der Abfaffung; 2. nachmals 
mit DBleiftift. Viele von den zweiten Anderungen jind in den ge- 
druckten Zert eingegangen, aber feineswegs alle, jo daß dieſer cine 
dritte Durdyarbeitung darftellt. Uberdies giebt es cin Paar Verje, 
wo mir die Handſchrift unzweifelhaft im Nechte zu fein fcheint 
gegenüber dem Drud. Jedesfalls gewinnt man angefichts des Blattes 
die Borjtellung, daß Grillparzer das Gedicht mit befonderer Sorgfalt 
behandelte: eine mit Rückſicht auf den heiflen Stoff durdaus nicht 
verwunderlie Wahrnehmung. 

Ich vergleiche nun im Folgenden die Handjchrift mit dent Drud 
und führe die beiden Gattungen von Korrekturen als 1 und 2 an: 
Am oberen ande des Blattes ſteht links 58.) mit Tinte, rechts 76 
mit Bleijtift, Ziffern, die einer beabjichtigten Drdnung der Gedichte 
angehören werden. Die Tinte von 98.) iſt ſchwärzer und dider als 
die der Handſchrift, die Ziffern tragen aud) einen fpäteren Charafter, 
es könnte alſo höchſtens die Bleiftiftzahl mit der Bleiftiftforrektur 
gleichzeitig fein. 

6 Polſtern] jo urjprünglich, dann ausgeftrichen und daneben Bol-Stern 1. — 
9 Herrichermanern] Herrijher- Mauern. — 10 Herrfcherglieder] Königsglieder, 
übergefeßt: Herricher 1. -- 11 Und, leichthingleitend] Und leicht bingleitend. — 
Fröners] Fröhners. — 12 ruft) Spricht, übergefeßt: ruft 1. — Su] ſey. - 13. 20 
aljol all jo. — 15 nicht vor irren ft nachträglich eimgefchaltet 1. — 17 fie 
jeibjt kein Tadel richtet] von 1, wrjprünglich: der Tadel ſchon Verbrechen. — 
18 einſt ftatt Pairs] von 1, urjprünglich: Fre gleid) Pairs. — Gleiche] Gleichen. — 
19 ſie verdammet] von 1, urſprünglich: vichtet. — 21 ob] von 1, urjprünglic: 
ſie. — 22 Erforen] von 2, weiprünglih: Beftimmet find Recht, ftatt |. R. 
von 1 vedt. — 23 Sie doch der Menſchheit Los]) urjprünglih: Daß ſie (aus 
Sir gebefjert von I) der Menſchheit Fluch, der; dod), Loos, das von 1. — 
24 feiner Flüche beiden] jenen Flüchen beiden. — 27 Komma nad Für: 
wahr. — 29 Penfer des Geſchickes] urjprünglich: Peiter der Geſchicke, am 
Rande von 1: Yenfer Seiner Gleiſe. — 30 Alcid) Alzıd. — 31 Kommata 
nad) Zeit und Kraft fehlen, dagegen ftehen fie 32 vor und nad) wie im Purpur 
und nad Bermögen. — 35 Oeta] Ota. — 36 Der einz'ge Rückweg)] jo urfprüng- 
li, von 2 übergejeßt: Die einz'ge Rückkehr. — 37 Der würdig ıhrer Abkunft, 
ihres Amıts;] urſprünglich: Der würdig ihres Yaufs und ihres Stamms, 


von 2 Die übergejeßt: darnach Punkt. — 38 Götterfühne!] kein Zeichen. — 
39 äcdzend] winmernd — wildzerfleiſchtem— fo 2, urſprünglich: halbz. — 


40 Fühlſt dich! Und fühlſt did. — halb jrerbend] jelber gleich, von 2 war 
halb fterbend zuerſt über dich jelber, dann Fühlſt dıd) halbiterbend 
gleich an den Rand geſchrieben. — legten] ärmſten. — 41 Schoß] Schos. — 
12 wimmern] fo urjprünglich, von 2 übergefeßt: aufſchrei'n. — 43 nad) be: 
trafen Punkt. — 44 nach gelangt fehlt dag Komma. — 45 fen] ſeyn. — 
anders] jo 1, wipringlich: anders. — 46 anders] fo urjprünglid), dann von 1 
übergeſetzt: andres md wieder geftichen. — nad) denkt Komma. — 47 Erft] 
von 1, urſprünglich: Bis. — die beiden Kommata fehlen. — 48 Senft Reisheit 
ih mit einmall ſo 1, urſprünglich: Weisheit mit eins ſich lagert. — 
49 Nontmma feblt. -- 50 cchtl ächt, die Nommata fehlen. — 51 Bis ihn dev Tod, 
bis lebend ihn das Zchietial! urſprünglich: So lange bis der Tod, bis ihn 
das Schickſal — die Anderung von 2. — 52 Durd) eines glücklichen Bewerbers 


316 Anton E. Schönbach, Srillparzerreliquien. 


Hand] fo uriprünglid, von 2. Norr. zu des — B. mädhtge 9. — 53 Zorn)] 
Grimm 1, Sprud 2. — vor was Komma. — verbüte] verbüthe! fein Ge» 
danfenftrich. — 54 Von der ererbten Krone feindlich trennt] Bon dem ererbten 
Reiche (Krone von 2) feindlich jcheidet (trennt von 1). — 56 ſchmerz— 
beladnej ſchmerzbedrängte. — 58 lebt!) jpottet. — 60 Puntt fehlt. — 61 das 
Herz] die Bruſt. — 62 mir dein Bild genaht, ich dieß Blatt ergriff. Son 2 
ift an den Rand gejegt: Deiner ih gedacht und über die Zeile mir dein 
Bild (ohne genaht). — 65 ES nicht] Und nicht. — quäljt] quäleſt. 

Die meiften der vorgenommenen Korrekturen ftellen Beiferungen 
dar, dagegen werden die Yesarten der Dandjchrift vorgezogen werden 
müſſen in 15. 20, wo aljo matt und ſinnlos ijt ſtatt des über: 
lieferten all jo; in 15, wo nur der Dativ gleichen berechtigt iſt, 
da die Konjtruftion nicht von richtet abhängt; 24 ift die herkömm— 
liche Lesart mit ſeiner Flüche beiden mur verlefen aus dem 
grammatiſch und ſachlich gleic) notwendigen mit feinen Flüchen 
beiden; 35 verjtehe ich die Faſſung des Drudes gar nicht, der den 
Götterſöhnen ein Amt zujpridht: ihres Yaufs und ihres Stamms 
ſcheint mir trogß der vier 8 fachlich und poetiſch beffer. Aud) die 
Interpunktion gliedert in der Handſchrift die Zaggebilde manchmal 
zutreffender als im Druck. Gewiß jind auch die Anderungen der 
legten 20 Verſe recht Ichrreid), wo mehr als einmal das Roetifche 
gegen das Vorfichtige abgetaufcht werden mußte; fie einzeln hier zu 
erwägen, geht nicht au, es wird Sauer vorbehalten bleiben, fie im 
größerem Zuſammenhange zu verwerten. — 

Tas zweite Blatt ift ein Brief des alten Grillparzer an 
Fräulein Katharina Fröhlich. Ta die Adreſſe mit dem Poſtſtempel 
jehlt, bin ich nicht in der Yage, beſtimmt fejtzuftellen, warn  diejer 
Bericht über die Badner Nur gejchrieben wurde. Der Inhalt ift 
ganz unbedeutend, enthält aber doch ein Paar bezeichnende Einzeln 
heiten. Einen Satz unterſchlage ich, weil er blog mediziniiches Jutereſſe 
hat. Tas Stück lautet: 

Baden, am 12. Juli. 
Yırbe Nattı! 

War so brillant als ich neulich nicht blos ſchrieb, ſondern auch glaubte, jtebt 
es mit meiner Geſundheit nicht. Tie eigentliche Beneſung läßt noch immer auf 
mh warten, Die Veſerung aber gebt nichts deſto wentger von Statten. Was 
mh am meiſten moleſtirt, me Div geänderte Lebensordnung. Morgens ſiatt Kaffee 
Den mir widerlichen Thee. Statt weiſſen Wem rother, Dev mir den Durſt nicht 
lot, Abends kein Bier, ſondern wieder den dom Mittag übrig gebliebenen rothen 
Wein. Nom Bad nt der Schwimmichule, nad dem ich ſehnlich verlange. Der 
DTolter aber iit mit ſeiner Zorgialt uber altes Lob erhaben. Ich füge mich denn 
tt ts Kamen Ich miſßt durchans zu Dame eſſen, io daß ich wenn Sie mich 
beiuchten ich nicht einmal mit Ihnen weiſen konnte. Und nichts wind gereicht als 
Suppe und cut halber gebratener Hund. Der Teufell hohl das alles ergebenſt 

Grillnarzer. 

Tas Wischen am Schluß kommt doch ſchon ans der Laune der 

Geiundung. 


Miscellen. 317 


Miscellen. 


Allerlei Stleinigkeiten. 


Wer die goldenen Tehren großer Geifter wicht nur Außerlid den Wortlaute 
nach fennen — ſondern auch innerlich zu verarbeiten, ſich als dauernden Beſitz 
anzueignen, ſeinem Fleiſch und Blut gleichſam einzuverleiben und thatjächlid zu 
befolgen ſich angelegen fein läßt, dem wird Schillers Kernwort von den Herren 
mit dem Furzen Gedärm einer Stichflamme gleich in die Seele zuden, wenn er ſich 
dabei belauert, unverarbeitetes, gelegentlich aufgejchnapptes Zeug alsbald weiter- 
geben zu wollen. Bei ganz peinficher und ftrenger Innehaltung der Schillerfchen 
Vorſchrift dürften demnach alle Heinen Beobachtungen, Bemerkungen, Beiträge, 
Yüdenbüßer, Miscellen u. dgl. auf Dajeinsberedjtigung feinen Anſpruch erheben. 
Aber wer fann für entlegene Dinge ftet3 allen Stoff zufammenfinden, und wer hat 
immer Selegenheit, bereits abgehandelte Dinge wieder aufzunehmen und kleine 
Nachträge und Beiträge in das Ganze hineinzuweben? Da ift es doc förderlich, 
wenn von derichiedenen Seiten Kleine Funde, die fonft vielleicht Jahre lang nutlos 
liegen oder ganz verloren gehen, zur Kenntnis tweiterer Kreife gebracht werden, 
damit andere, denen vielleicht gerade nur eine Kleinigkeit zur Verknüpfung twichtigerer 
Sedanfenreihen fehlte, nicht vergeblich und fange ſich abarbeiten um Dinge, die 
einem andern ungeſucht umd zufällig ins Schege famen. 


1. Wedekind, der Rrambambulift. 


In einem Aufjage der Altpreußiichen Monatsſchrift (Neue Yolge 32, 296— 
310) habe ich über Perſon und Lebensumſtände Koromandels, ımter dejfen Gedichten 
das bekannte Krambambuti-Fied ſich befindet, einiges ermittelt. Unter ausdrücklicher 
Berufung auf diefen meinen Aufſatz als Hauptquelle hat fodann Fränfel in der 
Allgemeinen Deutſchen Biographie einen Lebensabrig Wittefinds, beziehungsweise 
Wedekinds geboten. ch hatte dargethan, daß der fonft ganz unbekannte Koromandel- 
Wittefind eigentlidy Chriſtoph Friedrich end hieß und daß er um die Mlitte 
der vierziger Jahre Sekretär des Prinzen Georg Yudwig von Holftein-Gottorp 
war, jo lange dieſer als Dragonergeneral im Heere Friedrichs des Großen ſich 
befand. Schr bald nachdem id) meinen Aufſatz veröffentlicht hatte, ging mir von 
Herren Bibliothefar Dr. Reicke aus Göttingen eine Benachrichtigung zu, wodurch 
nicht nur meine Schlüſſe erfreulich beftätigt, fondern auch weitere bequem ermöglicht 
wurden, jo dag, wenn Damals die feine Beobachtung veröffentlicht worden wäre, 
Koromandels Yebens Sgang vielleicht fchon in befferem Zufammenhang und größerer 
Rollftändigfeit in dev „Allgemeine Deutschen Biographie” zu leſen ſtünde. Herr Kollege 
Heide ſchrieb mir am 7. Auguft 1895: „Koromandels Nebenftündiger Zeitvertreib” 
war ... fange verliehen . . nah Marburg ... erft vor kurzem kam das Bud) 
zurüd, ich . . finde auf dent Vorſatzblatte die folgende handſchriftliche Notiz „Zur 
Bibliothek der Königl. Deutſchen Geſellſchaft eingeſandt von dem Hn Verfaſſer, 
Dem Herrn Wedekind ſo!— würkl. Hofrathe bey Ihro Hochf. Durchl. Dem Herzoge 
von Holſtein, Biſchofe zu Lübeck 2c. im Eutin 1752.“ Biſchof von Lübeck war ſeit 
1751 Friedrich Auguſt von Holftein-Sottorp (geboren 1711, geftorben 1785), ein 
Bruder des Generals, cin ausgezeichneter Fürſt, derjelbe, der 1774 al8 Herzog von 
Didenburg regierender Yandesherv wurde. Wedekind war alfo von einem Bruder 
zum andern in den Dienſt gefommen ımd lebte 1752 als Hofrat in Eutin. 

Fränkel jagt a. a. T. nicht unzutreffend über diefen Mann, der als Dichter 
eine ſehr niedrige Ztufe einnimmt, „Sein Name fteht und fällt eigentlich mit dem 


318 Miscellen. 


Krambambuti.” Indeſſen find manche Einzelbenen iiber Wedekind auch außer diefer 
Berfaiferichaft des Nrambambuli-Yiedes immerbin erwähnenswert. Im Negifter zu 
veſſings jämtlichen Werken, berausgegeben von R. Hoiche, 8. Band 1882, findet 
man „Norvomandel ıpjeud. f. Isittefinds 1, 42; 7, 377”. An Ietterer Stelle wırd 
Koromandel nur angeführt zur Erläuterung eines techmichen Ausdruds aus der 
Chemie, des Wortes „Capelle“. 1, 42 findet man aber von Yeiling felber ein 
Gedicht „Auf einen elenden komiſchen Tichter. | Kin elend jämmerliches Zpiel 
Schrieb Noromandels jtumpfer Kiel“ . . wozu der Herausgeber bemerft „Koro 
mandel iſt pſeud. f. Wittelind . . . Im erſten Druck ſteht ſtatt dieſes Namens: 
Knochenackers, worunter Leſiing höchſt wahrſcheinlich den Namen ſeines früheren 
Zechireundes Oſſenfelder . . . verſteckte.“ Sollte vielleicht aus den Worten Leſſings 
zu ſchließen ſein, daß Koromandel auch das dramatiſche Gebiet zu betreten gewagt 
babe? Nach ſeinen Anſätzen zur komiſchen Poeſie könnte man derartiges dem an 
Muße wahrſcheinlich reichen Hofrat wohl zutrauen, aber ebenſo wird man nach 
den betannten Probene im keinem Zweifel ſein, daß die heitere Muſe dieſem Dichter 
ling niemals zugelächelt haben lönne. Tod von den Gedichten des Nebenſtündigen 
Zeitvertreibs bat mindeſtens noch eins außer dein Krambambuli Liede ſich längere 
Jet beſonderer Vollstümlichkeit erfvent; das iſt S. 114 „Ter leßte Wille. 1. Nommit 
es einſt mit mir zum Sterben, It, jo ſer ich feinen Erben, Ich mach auch 
kein Teſtament“ . . . 17 ſechszeilige Strophen. Mit gleichem Anfang oder noch 
öfter mr dem Aniſang „PVanlus jagt, ich müſſe ſterben“ konimt es nicht ſelten in 
jliegenden Volksliederdrucken dor, gewöhnlich auf dieſen oder jenen ‚gürjten ı über 
tragen, jo in den Zanmmelbanden dev Nömgl Bibliothet zu Verlin Vd Toon. N 
I. IV. Ya Toos angibt 71. Vd 7910 53. Vd 79u11. 1 vom Jahre 1797: 
md Si Ya 7912 85 u. ö. Auch das Yırd von ſeiner Torothe „Tas größte 
Rleinod dieſer Erden Iſt wohl ein tugendhaftes Weih“ verklang nicht ganz um 
beachtet. 
2. Alarlborough. 


Eine Spur, die früher als die ſonſt bemerlten von dem Vorhandenſein des 
Marlhorough Yırdes Kunde gieht, bat Bolte un einem Auffatt über „Niederdeutſche 
und nederländöche Voltswenen“ Jahrbuch des Verems fir niederdeutiche Sprach 
jornhbung 18. 1292, Z. 17 aus einer don ihm mt Die Zeit nm 1770 geſetzten 
Amſterdamer Hand'dait, morin das ce NISort „Marlbroug“ zur Bezeichnung der 
iSeianqwehe vorköommt, nachgenteſen 
Der von Herrn Wandel uim Envhorion heraugezogene Ahichnitt aus Basane 
v. Banihergs Buch „Auf den Sruren des Franzöſſichen Vollsliedes“ 1809, 
Z. 21 05, euthalt in der That, brionders was die Vorgeſchichte des franzöftichen 
Wortlauts und der Geiaugnietie hetriut, ausgezeichnete, fait erſchöpfende Bemer 
lungen Wenn hier eine irnhere „burleste RNRomanzet nachgewieſen wird, Die „den 
Tod eines vagenhafiten Helden, des Mambo, Mambreu, Mabrou“ behandelt, 
wenn von Danam auch m Granada langen wurde: „Mambrun se fues a la 
ze, wenn fſerner De „Zion Torte" ganz überraichende Antlange zu dem 
Malltongb Yadhen entbalt und 15 m der „Antwart einer Temovelle auf den Tod 
dr Herzogs Pton” aus hit 17. Inlzhundert gar wertlich kunt: „Abt Bage kam 
zu ihr: Wan ſage, hen bage, Was hringin du Neues nm? Bringu du mir 
eine Rachricht Ben meinem VLiebilen zu? I Sa, nal, la, Madame, Toch 

erroid don Teſaunn 1747, Den Sohn Taſtrich, umnpermählt geſtorben 
176, Fried: h der roſte und and. mehr. ichhen von Tetiurtle: Tie hintoriſchen 


Kollstiede: 170653 Dis. 1812 2.46, Nr 25 „Teiſtament Friedrichs Des 
8... . Farm tagt ch mt verhen,. Ha! ziin abi Penen Erben, Sao 
mad ut meen Teſtament“ ud. Aniang auch Ser Werl ich nun bald merde 


tape, Und bab meiter keine sehen 90” 


Miscellen. 319 


koftet’3 eure Ruh“ — wenn man diefe danfenswerten Nachweiſungen vor fid) ficht, 
jo wird man faum ein Glied in der zufammenhängenden Kette der Entwicklung 
vermiffen; zur Entitchung des Malbrough-Liedes gehörte wenig mehr, als daß man 
den Namen auf einen längft vorliegenden Stoff übertrug, | wobei zum Überfluß noch 
zufällig ein faſt gleicher Name fid) bereits in ähnlichem Sinne darbot. 

Zierjot, Histoire de la chanson populaire en France 1889, führt mehr- 
fad) das Marlborough-Pied an und ©. 90 „une chanson, peut-etre la plus 
repandue en France de toutes nos chansons populaires” beginnend „En 
revenant des noces“, worin die wörtlich auch im Marlborough-Lied enthaltenen 
Zeilen vorfommien „Sur la plus haute branche | Le rossignol chantait.” Man 
fieht, wie viele landläufige Wendungen in den Gaffenhauer iibergegangen find. 


3. Anntchen von Sharan. 


Was man über das Pied bisher erforjcht Hat und gegenwärtig weiß, ſteht 
nachzuleſen etwas gedehnt bei F. M. Böhme, Volkstümliche Lieder 1895, S. 288 — 
290. Zur vorläufigen Einführung diene die Stelle bei Hoffmann von, Fallersieben, 
Unfere Volksthümlichen Lieder, 3. Auflage 1869, ©. 5, Nr. 24: „Nunden von 
Tharau ift die mir gefällt!” 

„Berfajjer Eimon Dad), geboren zu Memel 29. Juli 1605, geftorben zu 
Königsberg 15. April 1659. Zuerſt gedrudt als „Aria incerti autoris” in: 
Fünfter Theil der Arien — Auff vnterjchtedliche Arten zum Singen vnd Spielen 
gejeßet von Hainrig Alberten, 1644. Nr. 21. Urſpr. Text u. Mel. in Erk, Volks— 
lieder 2. Th. 3. Heft Ar. 58. — Bon Herder ins Hochd. übertragen: Volkslieder 
1. Tb. (Vpz. 1778) ©. 02— 94. Dazu eine fehr beliebte, vielgefungene Melodie von 
Frdr. Sicher“ . 

Uber dies Lied, das man wohl als das bekannteſte Stück aus der ganzen 
Dichtung des deniſchen Nordoſtens bezeichnen darf, iſt viel geſchrieben und gefabelt 
worden. Bis in die jüngſte Zeit hat man die ſich daran knüpfende Sage über des 
oſtpreußiſchen Dichters Beziehungen zu der ſchönen Pfarrerstochter von Tharau 
dichteriſch verherrlicht und auf das Fleine Poem langatmige Dichtungen mit wahr— 
haft erſtaunlicher Fertigkeit gepfropft. Uber die ſehr einfachen und dichteriſcher Ein— 
bildungskraft nicht im geringſten günſtigen Thatſachen und Lebensumſtände, die 
dem Gedicht in Wirklichkeit zu Grunde liegen, hat Oeſterley in ſeiner Ausgabe der 
Dachſchen Gedichte (Ribliothet des litterariſchen Vereins in Stuttgart, 130. 1876: 
Simon Dach herausgegeben von Oſterley S. 34—39 vollkommen erſchöpfend und 
abſchließend gehandelt. 

Wenn dabei die Geſchichte des Liedes ſelbſt, ſoweit Simon Dach in Betracht 
komnmi, auch klar genug ſich darſtellt, in zwei Richtungen wiirde man doch über 
die merkwürdigen Schickſale des Liedes mehr wiſſen wollen, ſowohl vorwärts wie 
riihwärts würde ſich eine Haffende Yücke finden und würden Ergänzungen möglich 
jein, indem nirgends iiber cin etwaiges Fortleben des Liedes in dem langen mehr 
al3 ein Jahrhundert umfaſſenden Zeitraum von Dach zu Herder etwas gejagt wird 
und ebenſo wenig bisher jemand ſich mit der Frage befaßt bat, ob Dach für den 
Wortlaut und Albert fir die Geſangweiſe fih an ein Borbild anfchnten, vielleicht 
fo nahe daran Ichnten, daß fie deshalb ſich die Urheberſchaft nicht ausschließlich 
anzueignen wagten und vielleicht deshalb im Druck die Bezeichnung „Aria incerti 
antoris'““ gewählt wurde. 

In beiden Beziehungen können hier Ergänzungen, wenn auch nur gering- 
fügige, dargeboten werden. 

Daß das Yird m Oſtpreußen in ſtetem Gebrauch bis auf Herder geblieben 
ſei, läßt ih wohl anuehmen, wenn es aud) zu wünſchen wäre, daß aus gedrudten 
oder handjchriftlichen Liederſammlungen und fliegenden Blättern jener Gegend das 
Fortleben des Liedes umzweifelbaft und angenſcheinlich belegt würde, was bisher 


320 Miscellen. 


von keiner Seite geſchehen iſt. Ob es Herder vielleicht jelbft in jeiner Heimat hoch 
deutſch oder miederdeutfch fingen hörte oder jelbit fang, wird leider aud) weder von 
ihm noch von anderswen berichtet. Einen vereinzelten Beleg dafür, daß das Lied 
nicht alsbald vergefjen wurde, findet man in einem 1725 gedrudten Yiederbuche, 
das aus dem äußerften Weften, alfo aus dem vom Uriprungsorte des Liedes ent- 
fernteften Ende des miederdeutfchen Sprachgebiets, nämlih aus Holland ſtammt. 
Aus dem „Anle van Tharau“ iſt bier, da das kleine preußische Reſt außerbalb der 
nächften Umgebung unbelannt war und jo die Bedeutung feines Namens nicht 
verftanden wurde, luftig und felttam genug vin flottes „Anfe von Trara“ geworden, 
und nicht übel beißt es an Stelle der auf Schrauben geitellten Worte des Vorbilds 
in Ztropbe 16 „Dit öß dat, Anke” holländiſch „Du bift min Anker”. Much fonit 
find zahlreiche Abweichungen ın der Neibenfolge der Strophen fowohl als in 
Einzelheiten des Wortlauts, fo daß es wohl angebracht ericheinen mag, die beiden 
Faſſungen zum Bergleich nebenermanderzuftellen und ſomit für Wefferung des an 
vielen Ztelten durch mancherlei Misverſtändniſſe ,krabbeln“ ſtatt „kabbeln“! 
„ſchandig“ ſtatt „vijandig“! u. dgl. ichlumm genug verdorbenen holländiſchen Wort 
lauts eine Grundlage zu bieten. 
Vibliothek des litterariſchen Vereins in Stuttgart 130, Z 420: 
1. 
Anfe van Tharau öß, de my gefüllt, 
ze öß mihn lewen, mihn goet on mihn gölt. 
) 


Anke van Tharau heft wedder eer hart 
Up mm geröchtet ön löw' on ön ichmtart. 


3 
Anfe van Tharan mihn rihldom, mihn goet, 
Du mihne Seele, mihn fleeſch on mihn bloet 


Tune aller wedder glihyk on ons tho öichlahn, 
m m geſonntuby even ange tbo ſtahn. 


Hy 
wranulbert, veriälgung, bidtofmes on yıbn 
Zal umer löme vernöttinge fon 

6. 
Uecht as ven palmen hahm armer Tod ſtocht, 
RT mul vn Dauel on gen anfodht, 

7 
zo wat de lͤm' ont ano uichtich on groht, 
are hehe, diach baden, dörih allerlen uölit 


x 


Kadett du qlihk cm mahl van um getrennt, 
vd dar, mei ent De ienne labm kennt., 


wit well dy falgen dörch möler, dorch mar, 


= 


Ferch übe, dorch bien, dorch uhndlocket Data 


Miscellen. 321 


10. 

Anke van Tharan, mihn fit, mihne fünn, 

Mihn lewen ſchluht öck ön dihnet henönn. 
11. 

Wat öck geböde, wart van dy gedahn, 

Wat öck verböde, dat lätſtu my ſtahn. 
12. 

Wat heft de löve däch ver een beſtand, 

Wor nicht een hart öß, een mund, eene hand, 
13. 

Wor öm ſöck hartaget, kabbelt on ſchleyht 

On glihk den hungen on katten begeyht? 
14. 

Anke van Tharau, dat war wy nid) dohn, 

Du böſt mihn dyhfken, mihn ſchahpken, mihn hohn. 
15. 

Wat öd begehre, begehreſt du ohck, 

Ed laht den rock dy, du lätſt my de brohl. 
16. 

Dit öß dat, Anke, du fötefte ruh, 

Een lihf on ſeele wart uht öd on du. 
17. 

Dit mahet dat lewen tom hämmliſchen riht, 

Dörch zanden wart et der hellen gelihk. 

Alb. 5, 21. (An Johannes Portatius und Anna, Andreas Neanders, pfarrers 
zu Tharau, tochter, zur hochzeit 1637). 
Thirsis Minnewit, 1, 1725, ©. 110. 


1. Anke von Trara is die mir gezeld; 
Sy is myn leben min goed und min geld. (1) 


2. Anke von Trara, myn Rykdom, myn goed, 
Is miene zeele, mien vleis, und mien bloed. (111) 


3. Anke von Trara heeft weder 'er hert, 
Op mier gerichtet in lieve ond in smert. (11) 


4. Komt ’er dat ongeluk om ons to schfl]Jaen, 
Wie zind gezind by ein ander te staan. (IV) 


5. Gelijk wie ein palmboom her uver zich rigt, 
Je meer hem hagel und regen ansigt. (VI) 


6. Krankheid, vervolging, bedroefnis und pyn, 
Schal unser bet’er vergnuginge zyn. (V) 


7. Ik wil die folgen durch wasser, durch meir, 
Durch ei-. durch eiser, durch schandig heir. (IX) 
Qupborion. VII. 2] 


322 


8. 


* 


10. 


11. 


12. 


13. 


14. 


15. 


16. 


Miscellen. 
Wat word de leefd in uns machtig und groot. 
Durch kruis, durch Iyden, durch allerley noot. 


Anke von Trara, mien rykdom. mien zin, 
Mien lebe sluit to dienen hem in. 


Wat heeft de leefde voor een bestant, 
Wo nicht ein hart is, ein ınond, und ein hant. 


Wo man zich haar zagelt, krabbelt, und sleegt. 
Und gleicht wie honden und katten bejeegt. 


Anke von Trara dat waar wie nicht doen: 


Du bist mien Jduefke, mien schefke, mien hoen. 


Wat ich gebeede, wart van zy gedaan; 
Wat ik verbeede. dat laat zy my staan. 


Wat ich gebeede. begeerest du oock, 
'k Laat di den rok, und du last mi den brook. 


Du bist mien Anker mien soeteste ru. 
Und lief und zeele woed ick nu, und du. 


Dat maakt cen leben des himmelschen rych, 
Durch zamen werd Jat der hellen gelych. 


(v1) 
(X) 
(XII 
(AI) 
(XIV) 
(X) 
(XV) 
(XV 


ıXVIn 


Die zweite oben in Ausſicht geftellte Ergänzung zur Sefchichte des Liedes 
betrifit etwaige Borbilder desfelben. Ta leſe man folgendes Sedicht, das dem 


Dachſchen unverkennbar äbnelt. 


Zwar iſt dasſelbe ein paar Jahre ſpäter gedruckt 


und wahrſcheinlich auch einige Zeit ſpäter entſtanden als das Dachſche; dennoch 
wird es dieſem ſchwerlich nachgeahmt fein, ſondern beide werden vielmehr ein ge 
meinſames Vorbild gehabt haben, und für Versmaß und Geſangweiſe, vielleicht 
auch im manchen Gedanken und Wortwendungen iſt das plattdeutjche leider ver 
ſchollene Yied „Allemahl allemabl gent et fo to“ Vorbild geweſen. 

Adam Frdr. Werners Deutſche Poemata, Kopenhagen, 1647, S. 72 Tde Auff 
die Weiſe Allemahl Allemahl geyt et jo to. 


1. 
viebſte Torinde, mein einiges Wild, 
Tu bit mein Tröſten, mem Doffen und Schild. 
11. 
Nicht acht ich Verlen, nicht Reichtuhm und Gt, 
Was du ben dir baft, iſt Yeben und Mt. 


—III. 


Was dir das Glück ſchenckt, Das gibt mir die Kunſt, 
J 


Dem Nahm und dein Ruhm bat lieben und Sun 
IV. 

Tu bit an Jugend und Schoönheit zwar reich, 
Tod iſt an fromm ſeyn div memand auch gleich. 
V. 

Mein Ja iſt dein Ja, mem Nem iſt Dem Mein, 
Was nicht mein Will iſt, dos läſſeſt dur Senn. 


Miscellen. 323 


v1. 


Du haft den Rod nur, die Hofen hab Ich, 
Wenn ich wil berrfchen, fo ehreft du mid). 


VII. 


Wenn ich wil ſchlaffen, ſo ſchläffſt du mit mir, 
Wenn du wilſt ſchertzen, ſo ſchertz ich mit dir. 


IIX. 


Du weiſt mein Leben, mein Weſen und Ziel, 
Du kennſt mein Schreiben, mein Reimen und Styl. 


IX. 


Nichts reimt ſo wol ſich, als ich und dein Leib, 
Du biſt, Dorinde, mein einiges Weib. 


Dieſe Ode bildet einen Anhang zum „Ehrengedichte Auff Hn. Bartolus 
Bartholinus ... Profeſſors in Kopenhagen Und Jungfrauen Cecilien Marien 
Globinn Hochzeitfeſt“. 

Nun erklärt ſich das „Aria incerti autoris” bei Albert vollkommen. Die 
Melodie, zu welcher Albert eine neue Harmonifterung und ©. Dad) einen neuen 
Text verfaßte, war eine volfsmäßige, beſonders bei fuftigen Hoczeitsgedichten ge- 
bräuchliche. Sie gehörte zu dem Liede „Allemahl allemahl geyt et fo to”, das die 
gelehrten Königsberger aus gedrudten Liederfanimlungen nicht fannten, das ihnen 
aber aus dem Volksmunde der überwiegend plattdeutfchen Yandbevöllerung vertraut 
jein mochte; jo findet auch die Mahl der niederdeutfchen Mundart in dieſem einen 
Falle für da3 „Anke von Tharau“ durch) S. Dad), dejjen zahlreiche Gedichte ſonſt 
alle rein hochdeutſch find, befriedigende Erklärung. Vielleicht gelingt es nun, einen 
volljtändigen Drud des Liedes „Allemahl allemahl geyt et fo to,“ das auf dieſe 
Weiſe zu einer gewiſſen Bedeutung gelangt ift, nachzuweiſen; eine meitere Spur 
von dem Vorkommen und zugleid) von ehr als gewöhnlicher Verbreitung und 
Beliebtheit des Yiedes findet fi in einer jener Mifdynafchdichtungen, die man im 
16. und 17. Zahrhundert aus allgemein befannten Fiederanfängen und ſonſt ab- 
geriffenen Bruchftücden für fröhliche Kreife zufammenftellte. In jener ſchnurrigen 
Sammlung joldyer Duodlibets aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts „Sieben 
lächerliche Geſchnältz“ findet man „Alle tag alle tag gehts jo zu, wenn man fol 
effen fett man erft zu”; damit iſt unzweifelhaft jenes plattdeutiche Gedicht gemeint, 
und man erficht aus diejen abgerifjenen Zeilen, die fi) offenbar auf die mangel- 
haften Proben, die eine junge Frau zu Beginn der Ehe von ihrer Kodkunft giebt, 
beziehen, daß man es mit einem Hochzeitsgedichte zu thun hat. Von den „Steben 
lächerliche Gejhnälß”, mit denen Hoffmann im Weimarifchen Jahrbud) 3, 126 fi. 
und Lübben in der Zeitichrift für deutſche Philologie 15, 51 ff. fih obenhin 
befchäftigt haben, joll auch nod) etwas neues mitgeteilt werden. (Vgl. jeßt aud) 
„Stragenleben und Straßenrufe im Anfang des 17. Jahrhunderts.” Skizze don 
Dr. M. Rubenjohn. Frankfurter Zeitung, Nr. 44 von Mittwoch den 14. Ye 
bruar 1900.) 

Pit Dachs Urheberſchaft des Liedes „Anke von Tharau“, beziehungsmeife 
feinem Anteil daran fteht es ganz ähnlid) wie mit Hauffs Anteil an feinem be- 
rühmten Morgenrotliede. Beide lehnten fid) aufs engfte an eine volkstümliche Vor— 
lage an, beide wagten zunächft nicht die Urheberfchaft fiir fid) zu beanſpruchen, wie 
Dad) nicht in den Arien, jo Hauff nicht im Lichtenftein, wo er dag Lied noch ohne 
die Morgenrot- Strophe als Volkslied giebt, und aud noch nicht in den Kriegs— 
fiedern vom Jahre 1824, in denen mehrere Nummern von ihm ftet3 mit feinem 
Namen bezeichnet ſtehen, das treffliche Reiterlied aber, obſchon bereits mit der 

21* 


324 Miscellen. 


Morgenrot-Strophe vermehrt, al8 namenlofes Volkslied gegeben ift. Bei dem Piede 
vom Anndyen wie beim Deorgenrot Liede wurde durch die jpätere und beijere, jchnell 
zu allgemeiner Belicbtbeit gelangte Faſſung die Vorlage verdrängt, und die Be— 
arbeiter dieſer endgiltigen Faſſungen find auf ſolche Art zu ihren berühmteſten 
Fiedern und dem beften Zeile ihres Dichterruhms gelangt. Fortſetzung folgt.) 


Berlin: Wilmersdorf. A. Kopp. 


Ein nenes Dokument zur Argefdidte des Werther. 


In jenem Buche „Goethe in Wetzlar“ erwähnt Wilhelm Herbft eine Garben- 
heimer Dorftradition, twonad) der eine Sohn der jungen Frau im Werther, der, 
wie im Roman aud in Wirktidykeit Hans, und zwar Hans Bamberger geheißen 
babe und fpäter nad) Norddrutichland ausgewandert fei, ſich bei der Teilung des 
feinen Erbes feiner Mutter ftatt alled anderen den Holzftuhl ausgebeten habe, auf 
dem Goethe einft unter den Pinden gejeiien. Ich war jo glüdlich, das Schriftftiidl 
aufzufinden, auf dem dieſe Tradition beruht. Der Brief, der eine Reihe interefjanter 
Einzelheiten zur Wrgefchichte des Werther enthält, zeigt, daß jenes von Herbſt 
referierte Gerüdjt mr annähernd das Richtige wiedergab. Ich laſſe zunächſt den 
Brief im Wortlaut folgen: 

Braunſchweig d 12 Xer 1838 


Zillgeliebtev Bruder Hannes ich babe von Meinem Zohn gebört das du den 
Für mich So merkwilchen! Stuhl von gerußamel > haft dießen Stubl babe ich So 
Vill mahl umter die Yınde getragen wo ihm unsere Zelige liebe mutter Pußte 
immer The mußte machen und er ihn unter der linde getrunken hat auch noch den 
letzten abend vor Seinem ende noh da getrunken hat und mich den abend noch 
alleine mitnahm weil er much Bor allen andern Vorzog bis an den Tauben Stein?) 
wo er Sich hinseßbte und mic auf den Schos nahm und mich Zo Pill Küßte und 
mir dan einen laub Ztoblerti gab und Zagte ich Zolte nun zu Haus geben 
und die Eltern grünen als er das Zagte lifen ihm die Tränen über die baden und 
leider den andern Morgen um 5 ubr fan Schon cin botte das er Sich erZchofien 
ich und mem lieber Batter und mutter gingen gleich nach Wetzlar als wir bintamen 
lebt er noch weil der Schos ander Saite bei dem ubr durch gegangen der Tber- 
pfahrer Reis Zas bei Seinem bett und bette ehm was Bor ergab mit einer 
bewegung mit dem zu Berftobn das er oles WerZtand ich md meine Eltern 
Muften zu ihm an das bett treden wo er ung allen die Band gab und Zo bat 
er noch 24 Stunde gelebt nun kanſt du lieber bruder Zelbit dich an meine Ztelle 
denken wie wichtig mir dißer Stuhl iſt ich bitte dich lieber bruder die gröfte liebe 
die du mir als bruder erzeigſt wan du mir disen mir zu Wierkwircklichen Ztubl 
Schückſt meine Seelige Muiter Sagte mir noch als ich 1>00 zu haus war und 
meine Scheme zum Meiſter werden holte das ich nach ihrem Tod dißen Stuhl 
Solte haben Sie iſt aber nun todt und bat es Vergeßen euch zu Sagen ich bin 
Veſt über zeugt hätte Sie es auch gesagt das ihr mir ihn geschückt nun bitte ich 
dich lieber bruder das du mir die einzige bite nicht ab abSchlegſt und mir dißen 
Stuhl Schückſt was du dafür Verlangſt wil dir gerne als dein (Filter bruder 
bezahlen las mich aber nicht Vergeblich biten und Schicke ihn mir du Muſt die 
beine heraus machen und die leine los machen und mache dan eine Heme Kiſte 


!ı merhwirdigen. 

»dialektiſicher Anlaut und Metatbejftis der Endſilbe 

auf halbem Weg zwiſchen Garbenheim und Wevblar. 

m Urigimal mehr ganz deuntlich, ich leie Laubsthaler— Vaubthaler. 
rehne. 


Piscellen. 325 


und pade ihn ein und dan Mache das Zeihen..H.b. und einen fradhtbrif mit 
dem Selben zeichen dabei und Schicke ihn nad) Gißen in das Gafthaus zum hirſch 
da hatt mir auch der Selige Batter die butter hingefchict und ich habe es imer 
erhalten die Atttvege Anden Schneider Dieifter Bamberger auf dem Bohlliveg haus 
Nomero 1997 ich bin im der Veſte erwartung und rechne auf deine Britderliche 
liebe meine bite zu erfüllen alle die Koften die du da Bon haft will id) dir als 
rechtlicher Bruder bezahlen id) bitte nody mohl ihn mir Sobald als möglich zu 
Schülen eine großere Freudſchaft Fanft du mir nicht erzeigen als wann du ihn 
mir Schükſt 
Ih Verbleibe dein dich liebender Bruder 
nebſt Villen grüßen von uns 
Johann Heinrich Bamberger 
Der Brief beweiſt alſo 1. daß Goethe, wenn er ſeines Werthers Sommer— 
treiben in Garbenheim ſchildert, ihm nicht bloß Züge von ſich ſelbſt lieh, ſondern 
daß auch Jeruſalem oft und gerne die ländliche Stille des nahen Dorfes aufgeſucht 
hat und trotz ſeines ſonſt bezeugten menſchenſcheuen und verſchloſſenen, ja ver— 
bitterten und ſarkaſtiſchen Weſens ſich die innige Zuneigung der einfachen Natur— 
finder in ungewöhnlichem Grade zu erwerben wußte; 2. daß Jeruſalem am Nach— 
mittag vor feinem Tode nocd an feinen Lieblingsplage war, während man bisher 
aus dem Bericht Keſtners nur wußte, dag er am Abend vorher auf der Starfen- 
weide, dem lahnabwärts vor dem Zilhöferthor gelegenen Stadtwäldchen herumgeirrt 
jeiz er giebt 3. eine Schilderung der letzten Stunden des Unglücklichen aus dem 
Mund eines ganz naiven Menſchen mit neuen Einzelzügen, deren einer die That— 
ſache, daß Jeruſalem ohne den kirchlichen Segen beſtattet wurde, noch markanter 
macht, als es bisher ſchon der Fall war; und endlich 4. erklärt uns der Brief das 
Entjtehen der Legende, daß Jeruſalem in Garbenheim in dem Wirtichaftsgarten 
vießt Hennop) begraben liege, auf Grund deren fich ein während der Freiheitskriege 
durch Garbenheim kommender ruſſiſcher General die auf dem angeblichen Grabe zu 
Unrecht aufgeftellte Urne in jene Heimat fchiden ließ, und die der Wirt in feinem 
Intereſſe ausbeutete, bis der Negierungspräfident bei einem Bejud) in Garbenheim 
die Bejeitigung des faljchen Grabes anempfahl. Davon daß der Brief ſprachlich 
und wegen des naiven Ztils an ſich nicht ohne Reiz ift, daß wir aus ihm erfahren, 
daß aljo Johann Heinrich Bamberger derienige war, der fih den Stuhl aus- 
bittet, auf dem Jeruſalem (nicht Soetbe) zu figen pflegte, und zwar von jeinem 
Bruder Hannes, ferner daR dieſer Johann Heinrich, einer der Söhne der jungen 
Frau im Wertber, nach Braunſchweig ausmwanderte und ſich dort als chriamer 
Schneidermeiſter miederlieh, wie ſchon jene Mutter eine Art Näherin geweſen fein 
muß (ein ihr von Goethe gejchenftes Scheergebänge, am Gürtel zu tragen, mit 
niedlichen bemalten Rococo-Porzellanſchildchen hat mir einer ihrer Nachlommen 
vor kurzem noch gezeigt“ — von alle dem will ich erſt in zmeiter Linie reden. 
Jedenfalls iſt der Brief ein bübicher Beitrag zur Kenntnis der hiſtoriſchen Grund- 
lage von Goethes berühmteſtem Proſawerk, und als ſolchen mollte ich ihn dem 
veſerkreis des Euphorion al3 cine beicheidene Jubiläumsgabe nachträglich dar- 
bringen. 
Wetzlar Hans Hofmann. 


Zur Geſchichte des ZFauſtſtoffes. 
1. Ein Fauſt-Drama auf der Wiener Poſſenbühne. 


Am 18. Juni 1799 wurde in Wien in dem „k. f. priv. Theater im Frei⸗ 
hauſe auf der Wieden“ unter der Direktion Emanuel Schikaneders mit großem 
Beifall ein Zauberſtück aufgeführt, betitelt: „Fauſts Leben, Thaten und 


326 Miscellen. 


Hölfenfahrt; ein romantiſches Schauſpiel mir Arien und Flugwerken in fünf 
Alten“ von Matthäus Boll, die Muſik von Job. Georg Yıdl. Tas Ztüd errang 
einen vollen und nachbaltigen Erfolg und wurde im Yaufe des Jahres 1799 noch 
schnmal gegeben. Es wurde nicht gedrudt, und tft daber, da es auch handichriftlich 
nicht erhalten tft, Leider baute völlig unbelfannt.d Es befindet ſich aber unter den 
handichriftlichen Aufzeichnungen Yeop. von Sonnleithners, welche ım Archiv der 
wejellichaft der Muſikfreunde in Wien aufbewahrt werden, ein Verzeichnis der ın 
dem Ztüde auftretenden ‘erfonen, woraus man dennoch wenigſtens einigermaßen 
auf den Inhalt und Charakter desjelben Ichliehen kann. Tiefen Verzeichnis zufolge 
treten in dem Stück die folgenden Perſonen bandelnd auf: 


Tr. Fauſt. Abbadon, erſter Fürſt der Hölle. | 
Torotbee, feine Gattin. Yeviatban, ein Fürſt der Finſternis. 


Haynold \ 


N feine Rinder. Oberin der Feen. 


Karl Trinkuli, ihr Dann. 
Fauits Vater. Nadina, ihre Tochter. 
Jatob, Fauſts Diener. Nala I >. 

Yılette, Kainmermädchen. Irila f Feen. 

Ein Genius. Em Rauhgraf. 


Ein Reiſiger. 

Selim, Dey in Marolo. 

Ali, Harems Auficher. 

1. 
El ercanan 2 | 
Ein Unbetannter. 2 | Sltlavin. 3.1 
| 
Die VRermutung, welche durch den Titel erwedt mmd, daß namtich Solls 
Stüd mehr oder weniger nad dem gleichnamigen Roman Klingers gearbeitet 
ſei derielbe errchten 1741 in erſter, 1702 und 1791m zweiter, 1799 in dritter 
Aulage:, wird durch Die BVetrachtung dieies Perionenverzeicinſſes zur Gewißheit. 
Auch in Kliugers Roman werden Fauſts Weib, dene Kinder und sem alter grauer 
Rater“ emigemale vorgeinhrt, zu ihnen kehrt Fauſt in den KRauſen zwiſchen Den 
rinzelnen Abenteuern zurück: ber Klinger erteilt Satan, dev Veherricher der Hölle, 
ſeinem Lieblingstenfel Yıviatban den Auitrag, Fauſt zu verführen und deſſen 
Seele der Holle zuzutreiben: Leviathan begiebt ſich mu Fauſt auf weitausgedehnte 
Rene, und unter den mannigiachen Abenteuern, die Fauſt in Leviathans Begleitung 
beueht, ot eines die Beichuchte von dem Raubgrafen, der em Torf bat in Arand 
ſtelden tasten, und deſſen Zihloß Fauit, nachdem er Die Erzahlung vines ver 
wundeten Kertigen angebeit, durch Leviathan zerſtören lage sont alio wohl 


Gaſt einer Torfſchente. 


ı Sas beklagt unter andern auch A. ven Weilen: Allgemeine TDeutiche 
Biographie 40, 346 
Ta Zteft des Totlor Fauu war den Wienern betauntlich schen 1792 durch 
bFarnl Weidmanns allegornches Trama „Sebamt Aa.“ Prag 1775: wieder her— 
anſgegeben von fat wiigi, Oldeuburg 1877 rergrinhet iverden, das dem Dichter 
an'eres Stuckes it manchem, wir besndeis in dem art. can ven Fauits Vater, 
rerbeldlich geweien dein Blau. Bal. Horner, Garrerien 5, 5351 
va Mono Dr Gegeniberitiang znes in betont Schloß hanuienden 
noben Herru und Des bechen'denen BVanuerniebens, das der Billkur des Herrn zum 
Crit ill, OR ein wen:g varttert, DPA HE Farudichteringen zu unden. Vergleiche 
unter and De Seene im Ust: „Yandmanc.. . . . Lechts auf dem Hügel 
ein alte? Schlen, in der pie een Vaerhutigen“, und De Eprode von Philemon 
und Varzeis um zwerten Teil des „Fant“. Es inudet fell and in einem Trama 
von iercier „Le Auge” das Motiv, day ein Graf die Bette ans Armen nieder« 
arten laßt, il fie die Ausſicht periperret Anregung Vimers im Kolleg) 


m 
J 
n 


Miscellen. 327 


mit Beſtimmtheit anzunehmen, daß das Stüd in diefen, zum Teile iwejentlichen 
Punkten eine einfache Dramatifierung der betreffenden Stellen in Klingers Roman 
geweſen iſt. WBielleicht tt auch bei dem Genius, der bei Boll auftritt, an den 
„Genius dev Menſchheit“, den Klinger feinen Fauſt erjcheinen läßt, zu denken; 
vieleicht aud) kann man, dod) mit ziemlich geringer Sicherheit, aus den vier 
„Gäſten einer Dorfſchenke“ auf eine freie Benügung der Scene bei Klinger fchließen, 
in der Yeviathan als feiner Herr Fauft in feinem Gafthofe abholt. 

Das Alles ergiebt ſchon ein Gerüfte für die Handlung des Wiener Stückes, 
das jedesfall3 ganz in der Tradition der Wiener Zauberpojfe mit ihren Majchinen- 
hunftftüden, ihrem derben Humor und ihrem märdenhaften Zauberprunt entftanden 
iſt. Boll, der als Theaterdichter in Wien lebte und von deſſen Leben wir nahezu 
gar nichts wiſſen, hat auch fonft ganz in diefer Art geichrieben. ES wurde aljo 
wohl eine Scene in der Hölle vorgeführt, in der der Höllenfürft Abbadon (der 
wahrjcheinlich nach Nlopftoc jo getauft worden war) den Fürften der Finſternis, 
Yeptathan, mit der Berführung Fauſts beauftragte; in einer anderen Scene erjchien 
Fauſts Häuslichkeit auf dev Bühne — vielleicht nahın er aucd von den Seinen 
Abjchied. Dann folgten Fauſts und feines Begleiters Leviathan abenteuerliche 
Fahrten, und hier hat der Dichter bloß die eine Epifode von dem Raubgrafen bei- 
bebalten, wohl weil 08 da Feuer und Einfturz gab. Die andern Abenteuer, die in 
Klingers Roman erzählt werden, ließ er unbenußt, da er fie für feinen Zweck, das 
iſt das Wiener Wolf auf die herkömmliche Art duch Wi und Zauberei zu ver- 
gnügen, nicht brauchen konnte. Gleichfalls mit Rüdfiht auf diejen Zweck gab er 
dem Fauſt den traditionellen Bedienten, den er hier Jacob nannte, und der Fauſt 
wie herkömmlich auf feinen Reiſen begleiten mußte und dabei durd) Späße und 
große Feigheit dag Publikum ergötzte. In der Tradition liegt es ja aud, daß 
diejer komiſche Diener ein Seitenſtück in einem weiblichen Dienftboten erhält, aber 
die Naivität des Dichters zeigt ſich vecht deutlid) darin, daß cr dieſem Seitenftiid 
feinen andern Namen zu geben bat als den typischen des Kammermädchens im 
Charakterluſtſpiel — Liſette. An die Stelle der ernten und oft tief bedeutenden Aben- 
teuer im Roman von Mlinger ſetzte er oft erprobte Elemente, weldye dag Wiener 
Publikum gerade in einem SJauberftüc ſehr ſchmerzlich vermißt bätte. Er führte 
einerjeits ein Abentener Fauſtens mit einer Feenfamilie vor (es handelt fich dabet 
wohl um Nadina, die Tochter der oberſten Fee; der Name des Feenoberften, 
Trinkuli,) läßt wohl eine fomifche Figur in ihm vermuten), alfo cine Art Brud): 
teil einer SJauberoper. Ferner bradıte ev den Doktor Fauſt ins Morgenland (das 
war ja damals in Wien ein ebenſo beliebter Zug wie die Feenmärchen) und ließ 
ihn dort in Marocco cine drollige Geſchichte A la „Entführung aus den Serail“ 
(da3 iſt wohl aus den beiden Sflapinnen und dev tupijchen Figur des Harem— 
aufſehers zu ſchließen) erleben. Beide Stofffreife beherrſchten ja zu jener Zeit faft 
völlig die Wiener Volksdramatik (in der Nachfolge einerjeit8 der „Zauberflöte“, 
andererieitS dev „Entführung“. In diefer praftiichen Weiſe hat fich der Wiener 
Dichter den Ztoff zurechtgeſchnitten und mit Zchellen benäht, von denen er gar 
wohl wußte, daß fie den Ohren jenes Publikums ſüß tönen würden. Er hatte fid), 
wie wir ja wiſſen, damit nicht verrechnet, und aud die Höllenfahrt Dr. Fauſts, 
die wohl den Schluß des Stückes gebildet haben wird, dürfte nicht wenig zu dem 
grogen Erfolg, den das opus errang, beigetragen haben. 

Bei der eriten Aufführung des Stückes wurde Tr. Fauſt von Herrn Maier, 
feine Frau von Ville Helmböck, die Yilette von Delle. Wıpfel, der Abbadon von 


') Der Name Nadina gebt wahricdyeinlih auf Wielands „Nadine“ zurüd; 
der Name Trintuli bat ſein Vorbild jedesfall3 in jenem des Spapmachers „Trin- 
flo” in Shafeiprarıs „Sturm“, dev 1798 von Densler alg „Der Sturm oder 
die Zauberinſel“ heroiſch tommiche per, Muſik von Wenzel Müller, für das 
veopolditüdter Theater bearbeitet worden var. 


328 Miscellen. 


Herrn Neuläufler, Fauſts Vater von Herrn Gieſeke (demielben, der ſich die Autor 
ichaft an der „Zauberflöte“ zuipradyı dargeitellt; die Naiperterolle, Dr. Fanſis 
lächerlicher Redienter Jacob, lag in den Händen des bekannten Nomilers des 
Wiednertheaters, Stegmayers. 


Wien. Egon von Komorzynski. 


2. Eine Fauſt-Aufführung in Uomorn. 


In den älteren Jahrgängen der Theater Zeitſchriften und Almanache findet 
man öfter Der Kurioſität halber und zur Kurzweil Der Leſer jene befannten martt 
ſchreieriſchen Komödienzettel der Wandertruppen abgedruckt; fir ſtehen dort mit den. 
Theater Aneldoten auf einer Stuſe und ſind wie dieſe manchmal auch bloß er 
funden. Tiefer lebtere Fall gilt indes nicht von dev nachfolgenden, un Brünner 
Theater Taſchenbuch für das Jahr 1814, S. 40 f. orthographiſch getreu abgedrudten 
Ankündigung einer Fauſt Aufführung m Komorn durch cine der zahlreichen deutichen 
Schauivpielergeſellſchaften, die un Ungarn umherzogen: 


Wie (? heute Samſtag den Stat Inny 1813. 
Zur freyen Kinnahnte 
der 
Nlara Teicherin, Zchaujpielerin 
gegeben 
Ein Schauipiel ın 3 Aufzügen genannt 
Johann TDoltor Fauſt 
oder 
Nalpırl der luſtige Geiſter Zittirer, 
wo alle Vorſtellungen zum Vorſchein kommen 
werden. Auch werden heute zwey neue 
Schauſpielerinne auftreten. 


Perſonen: 
Johaun Toktor Fauſt. .. . . . . . Hr. Jalob Lobner 
Ser hliit. 2 2 2 222. Mad. Teicher 
Metiitofeles 220202. .... . . Hr. Schreiber 
Fanulus, Kammerdiener des Fauſt . . Hr. Moßer 


Raiperl, ein Fazierender.... . . Hr. Teicher 
Kiele Furien. 
Teſtamentaliiche Vorſtellung. 


Der Keuiche Joſeh... .. . . Or. Loöbner Der Junge 
vuühretina . . . . 222 Mad. Meer 

IR 111 1 . .. . . . . Mad. Verger 
Holloiernus. . . . Mr Neumann 
Zumion 2.2... on ... Dr Fogt 

Talila . .. 2.00 Mad. Yolner. 


Hocher Ader! ER Mitar! 
Seubiumgsmindiae Burger! 

Ja dieser Tag bles zu meiner Einnaume heſtiumt dt um meme wirklich 
tchr uble standart zu erletchrern, Dad Hohes Yes Din, und ich keine ſichere 
Stunde mil: babe, and ah do vide Buben, mer amd erh Korgaͤnger Hier in 
Komorn alüdich wen Ihrer Bresmaih amd Meniben viele eiriangen haben, jo 
Erin areſtze Höinaeang, daß Zion auch dießmaheniitet verlaßen werden, und 
ich bin Dann Uinfanglich briebut and wide uiich in Droste Ehrfurcht nennen 
dero unterdanmigite Klara Teicherin, Schauipteirrin. 


Zur Anfang zu um halb = Uhr. 


Miscellen. 329 


Dies Zeugnis für das Fyortleben des Volksſchauſpiels vom Doktor Fauſt 
auf der lebendigen Bühne aud) noch unſeres Jahrhunderts ift nicht das erjte der 
Art, viehnehr eine bloße Beftätigung deffen, was wir ohnehin ſchon wußten. Die 
beiden Aufführungen, deren Heme in den Erläuterungen zu feinen Tanzpoem 
„Doktor Fauft“ Erwähnung thut, müffen in den zwanziger Jahren ftattgefunden 
haben, und die bei Carl Engel, Deutſche Puppenkomödien, 9. Heft, ©. 12, zu— 
fammengeftellten Daten über Fauft-Aufführungen auf Winfelbühnen in München, 
Hamburg, Offenbach und oftfrieständischen Städten reichen fogar bis in die drei- 
Biger und den Anfang der vierziger Jahre!) Dies ift nichts VBerwunderliches; das 
Repertoire der Wandertruppen war naturgemäß zäbhlebiger und rüdftändiger Natur. 
Zumal für ungarifche Provinzler mochte der Fauſt fogar noch 1813 den Weiz der 
Neuheit befigen. Biel wichtiger als diefer äußere Unnftand ift die Abweichung von 
der bisher rekonſtruierten Form des Bollsichaufpiel8 in einem Punkte: die Er- 
ſcheinungsſeene am Hofe des italienischen Herzogs iſt zu einer „teftamentalifchen 
Vorſtellung“ ausgejtaltet. Daß die Bejeßung der einzelnen Rollen mit Schau: 
jpielern, die entweder im ſtummen Spiel oder, was wahricheinlicher ift, im Mono— 
und Dialog agierten, lediglich eine Neueinführung bei der Gejellichaft war, der die 
Beneficiantin angebörte, ıft ſchwerlich anzunehmen; es erleidet jomit die faft all- 
gemein verbreitete Anficht, daß die Erjcheinungen nur in Bildern beftanden, die 
durch cine Zauberlaterne auf cine weiße Wand reflektiert wurden, eine wejentlidhe 
Einschränkung. Ob freilich von einer Tradition gefprocdhen werden darf und wen, 
ob fie alt war, muß dahingeftellt bleiben. Das Auskunftsmittel des Erſatzes durch 
Schaunfpieler ergab fi} von felbft, wenn einer Wandertruppe die nötigen Bilder 
abhanden gekommen oder bejchädigt worden waren. Bon da zu der weiteren Aus: 
geftaltung ın dem Sinne, daß die Tarfteller felbft den vordem von Fauſt ge- 
Iprochenen erflärenden Tert vortrugen und hierbei ex tempore ausſchmückten, war 
nur ein Schritt. In unjerem Falle muß die „teftamentaliiche Vorſtellung“, worin 
fi übrigens die altrömijche Lucretia recht fonderbar ausmimmt, ohne Zweifel 
etwas Apartes geboten haben. Tas erhellt, abgefehen von dem die Neugier reizenden 
Himveis der Ankündigung auf das Zumvorſcheinkommen „aller Borftellungen‘“ und 
das Auftreten der zwei neuen, einer Gelegenheit zur Auszeichnung bedürftigen 
Scaujpielerinnen, aus dem Umſtande, daß die darın jpielenden Perſonen abgejfondert 
von den übrigen namentlich angeführt werden. Unter den ſechs Ericheinungen mögen 
die erften beiden Einzelfiguren gewejen fein, während fid) die übrigen vier in je 
zwei Zweiergruppen gliedern. Es kann aber auch fein, daß der keuſche Joſeph, für 
deſſen Einführung ſich in ſämtlichen bekannten Faſſungen des Volksſchauſpiels kein 
Beleg finden läßt, ohne viel Sktrupel mit der nicht minder keuſchen Lucretia in 
irgend einen unſinnigen Zuſammenhang gebracht wurde; dann hätten wir in den 
beiden ein drittes Paar vor uns. Iſt dies richtig umd ſtimmen wir der freilich 
fühnen Rekonſtruktion des jüngsten, geiftvollften, aber auch hypothefenreichften Inter— 
preten des Volksſchauſpiels, J. W. Bruinier, zu (geitfchrift für deutjche Philologie 
31, 87), dann hat die hiltoriiche Maria von Burgund, der Archetypus der Figur 
und triprünglich die einzige Erſcheinung im Stüde, auf ihrem Wege über die 
heilige Jungfrau Maria hinweg bis zur Pucretia und deren irgendivie motivierten 
Zugehörigkeit zum keuſchen Joſeph cine höchſt merhvürdige Wandlungsfähigfeit an 
den Tag gelegt. 


1) Bei dieſer Gelegenheit berichtige ich die in meinem Aufjate „Zur Geſchichte 
des Rolksichaufpiels vom Tr. Yyauft in Wien“ (Em Wiener Stammbud. Tr. Carl 
Gloſſy zum fünfzigiten Geburtstage, Wien 1898, 2. 106 ff.) vorgetragene Anficht, 
dag die Fauſt-Anfführung im Iheater am Neuftift vom 1. November 1783 die 
fette glaubwürdig bezeugte durch Berufsſchauſpieler geweien ſei; fie war nur die 
legte im vorigen Jahrhundert, von der wir Kenntnis befiten. 


330 Miscellen. 


Über die eigentliche Fauſtkomödie läßt fi) aus dem Ankündigungszettel gar 
nichts herausleſen, was nicht bereits längſt befaumt ift, höchſtens das Avdancement 
des Gattungsnamens Famulus zum Range eines Perſonennamens; offenbar ver- 
ftand man in dieſen Kreifen dag Wort nicht mehr. Die an und für fich leichte 
Rolle des Fürſten, dem nötigenfalls nichts weiter als jeine repräjentative An- 
weienheit beim Schauſpiel im Schauſpiel abverlangt werden konnte, wurde der 
hochſchwangeren Klara Deicher mit Rückſicht auf ihren Ichomumgsbedürftigen Zuftand 
zugeteilt; auf dag ſprichwörtliche Komödiantenelend füllt wieder eimmal ein grelles 
Ztreiflicht. N 

Wien. Emil Horner. 


', Aus dein übrigen Inhalt des Brünner Theater Taſchenbuchs für dag 
Jahr 1814, gedindt bey J. ©. Traßler, hebe ich bevor: 9.74 fi. „Verſuch einer 
Geſchichte des Brünner Theaters“, wichtig, weil der anonyme Verfaſſer zur Geſchichte 
des Theaters im 17. Jabrbundert einen ſelbſtgefundenen Beitrag liefert, indem er 
ſchreibt: „Wir finden in den Archiven, daß im Jahre 1669 am 29. November dir 
anweſenden fremden Comödianten um Erlaubniß baten „daß ſie in der an— 
gehenden Adventszeit, wenigſtens in dev erſten Woche, und zwar geiſtliche Comödien 
agiren mögen.“ Die Erlaubniß ward ihnen auch und zwar in folgenden Ausdrücken 
ertheilt: „Wird ihnen zwar verwilligt, jedoch: daß ſie nichts, was wider gute 
Sitten oder modestiam der Adventszeit, produziren, ſondern in terminis der 
geiſtlichen mäteriae bleiben ſollen. Tag Nachſpiel nut dem Pälelbäring ti. e. 
Hauuswurſt) wird aber aufzubeben ſeyn, 08 jen denn, daß auch etwas modeſtes 
zur geiſtlichen Ergölzung durch züchtige Repräſentirung dev Perſonen vorgebracht 
erden könnte““. . Diele Nachricht iſt neu: in den einſchlägigen Werfen iſt ſie 
nicht verzeichnet. Rilles Geſchichte des Rrünner Stadt-Theaters reicht nicht fo weit 
zurüch, J. VReißners Bad über die engliſchen Komödianten zur Zeit Shakeſpeares 
m Onerreich noch nicht bis zu dieſem Zeitpuntte. - S. 58. Rudolf von Habsburg, 
Gedicht von Franz Weidmann. S. 62. Theodor Korners Todteufeyer. Gedicht don 
vauer. 2.66. Charakter Epigramme auf Deutſchlands erſte Tramaturgen und Ton 
ſeber zauf Schiller, Goethe, Kobebue, Iffland, Paydn und Mozart) von Yaner. 
Z. 68. Teunclands Tramaturgen, Gedicht von Lauer. S. 85 ff. Der iſt der 
Rechte. Luſtipiel in einem Alte von F. J. Korntheuer. S. 127 fi. Der Heine 
Proteus. Luſtipiel in einem Alte von Albin Flet. 


Kecenſionen und Keferate. 


Brenner O., Grundzüge der geſchichtlichen Grammatik der deutſchen 
Sprache. Münden (Schöpping) 1896. 2.40 M. 


Wenn ſich auch die Anzeige vorliegenden Buches durch einen unlieb— 
ſamen Zufall ſehr verſpätet hat, ſo wird hoffentlich der Dank für die nützliche 
Gabe dem Herrn Verfaſſer nicht zu ſpät erſcheinen. Brenners „Grund— 
züge“ bilden eine Erweiterung zu ſeiner mittelhochdeutſchen Grammatik und 
Verslehre, dürſen aber als Ergänzung zu allen vorhandenen deutſchen 
Grammatiken kürzerer und auch längerer Faſſung willkommen geheißen werden. 
Denn ſie bieten eine Fülle von Einzelheiten, die man in anderen Kom— 
pendien oft vergeblich ſuchen wird; beſonders lehrreich ſind hier die 
Bemerkungen über Schreibung, Ausſprache und Mundarten, wobei aller— 
dings die oberdeutſchen am beſten wegkommen. Den Grund hierfür bildet 
die Beſtimmung des Buches „in erſter Linie für Lehrer des Deutſchen an 
oberdeutſchen Schulen“. Anfänger freilich dürften zuweilen Mühe haben, die 
etwas knappen Darlegungen ſich zu verdeutlichen, z. B. S. 35 unten, 
wo der hiſtoriſche Zuſammenhang nicht klar wird, S. 56, wo lautliche 
Hinweiſe fehlen, die die urdeutſchen Formen der Adfjektivdeklination ver- 
jtändlich machen; auch die Schemata über den Ablaut ($ 10) find offen 
bar nur al3 Ergänzung zu des Verfaſſers Grammatik zu betrachten. 

Im Mittelpunkte der Darftellung fteht im Wefentlihen dag Mittel- 
hochdeutfche, von wo aus rückwärts — wo nötig bis zum Indogermanifchen 
(oder Griehifhen — und vorwärts gegriffen wird. Recht zwedmäßig ift 
3. B. der Hinweis auf griechifch-lateinifhe Endungen ©. 74 bei der 
Verbalflerion, nur genügt griehifh-orsv nit, um für die 3. plur. con). 
praes. die Weihe ahd. ôên, got.-aina, ug.-aind zu verdeutlichen: es mußte 
bi8 auf idg. *oint zurüdgegangen werden. Gute fyntaltifhe Darlegungen 
finden fi troß des Verzichtes auf Syntax (S. IV) unter andern bei der 
gefhichtlihen Entwidlung der Tempora (Sapitel 6). Vielleicht wäre dem 
Neuhochdeutſchen, beſonders der jogenannten Übergangszeit etwas mehr 


332 Brenner O., Grundzüge der gejchichtlichen Grammatik. 


Kaum zu wünfchen, obſchon Brenner namentlih in Einzelheiten meift viel 
mehr bietet, al3 Bücher von ähnlichem Umfange, die den Titel Deutſche 
Grammatik führen. Recht ausführlih und anregend find die zahlreichen 
Bemerkungen zu den Pronomina und Adverbia. 

An Einzelheiten möge es geftattet fein noch folgendes Wenige nach— 
zutragen. <. 2: In Schwefter hat fi) mundartlid doch auch & gehalten, 
vergleiche vogtländiih schwaster. — Zu den S. 5 angeführten Beifpielen 
bartuß und Hochzeit kenne ich oſtthüringiſch die Ausſprache barbs’ch, 
huchz’ch. — E. 5 unten werden Fälle angeführt, wo fi „gefärbte End— 
vofale* erhalten haben, 3. B. ewig, Bräutigam: das ı hat wohl der Palatal 
gededt, man denfe auch an Wörter wie Spülicht, Röhricht (danach 
Dididt\, wo — ich — auf Suffix — ahi zuritdgeht. — Zu französch 


S. 9 stelle säksch .-= ſächſiſch. — Exerov S. 10 ıft fein gutes 
Weifpiel, da «@ erſt jefundär wie aud) ahd. u. — Die Entftehung von 


legt (ultimus) auf S. 11, unmittelbar aus lest, kann mich nicht über: 
zeugen: Entlehnung aus dem Niederdeutfchen giebt Kluge Etymologiſches 
Wörterbud) an. — Zu S. 12 unten: nau == neun in oftthüringifchen 
Mundarten. — Bei Lücke: Yude, züden: zuden S. 13) it doch die 
Unterfcheidung der Bedeutung Urfache der Doppelform. — Zu den Beis 
jpielen mundartlichen Umlautes füge häupt — vogtländiih het. Ebenda 
auch ölf nah zwölf S. 14. — Zu 2. 20: Der Grund dafür, daß 
wir eigentlihe Kürzen wie im Mittelhochdeutſchen nicht mehr haben, lirgt 
eben wohl darın, Daß das Neuhochdeutſche feine wirklich kurzen offenen 
Zilben mehr fennt (him-I u. j. w.\. Aus den Sinderliedern ift nichts zu 
beweifen, da in den angeführten Beispielen die Dehnung durch den Rhyth— 
mus bewirkt wird. — S. 36 wird die handichrijtlihe Schreibung cz für 
die Affricata erwähnt, wobei Nrenner mit Recht bezweifelt, daß dieſe nad 
ſlaviſchem Vorbilde eingeführt fer: ich meine, dort fteht e für t; diefe 


beiten Buchſtaben wecieln doch fo oft im den Handfchriften. — Zu 
(uehl -- Wälder vergleiche Zwehle : : Handtuch. — S. 51 gehören 
dodh vorhanden, zuhanden in die u-Klaſſe. — Zu Hahn S. IN) 
gehört Hahnenfuß . Pilanzet. -- Z. 50: Gerade die Lbergangszeit zum 
Neuhochdeutſchen hält an dem Endungs:e des Part. praes. jchr feſt. — 
S. 82 zu wirken: worhte vergleihe oftthüringiid verworcht — vers 
wirt. — S. 84: wie ba sol auf Schuld, jo fonnte bet man auf 
Minne hingewieſen werden, Th ſich die ĩVerba \S. 77) an die 


reduplicierende Klaſſe angelehnt haben med nah hielt) bleibt dem Refe— 
renten fraglich, da neuhochdeutſche Vermiſchung verfciedener Klaſſen nur in 
einzelnen Fällen, me aber für ganze Gruppen ftattfindet. her iſt etwa an 
Tehmung ım l'lur. praet. zu denfen, von wo aus dann wie in anderen 
Fällen der Vokal des Singular beftimmt wurde. — S. 4 wird der Umlaut 
in künnen und anderen auf die Nachſtellung und engſte Verbindung des 
i-haltigen l'ron. person. zurückgeführt. Ich wage zu glauben, daß — 


Schmidkontz J., Unterfuchungen über deutfche Ortsnamen. 333 


Brenner Behauptung, S. 1, daß der Umlaut ü weit häufiger geſprochen 
wurde, al® man gewöhnlich dur die Schrift angiebt, zugeftanden! — 
die Urfache für diefen Umlaut gerade oft die Nachbarſchaft von Kon- 
fonanten ift, die jene Zonerhöhung erleichtern. Alfo bei künnen wegen 
des palatalen k (wie bei wöllen infolge de8 w; wollen ift nur An- 
gleihung an sollen); süln vielleicht wegen des 1 wie beim Subftantivum 
Hülfe neben Hilfe (Angleihung an hülfe doch wohl ausgeſchloſſen); 
müezen aber mag fid) an den organifchen Umlaut in grüezen, büezen, 
siiezen angelehnt haben. 

Zum Schluß den Hinweis, daß das Bud einen metrifhen Anhang 
und eine, leider etwas knappe Auslefe mundartliher Spracdhproben ent- 
hält — beides dankenswerte Beigaben namentlich für Lehrer an höheren 
Lehranftalten, denen die „Grundzüge“ hiermit überhaupt warm empfohlen 
feien. 

Sondershaujen. Friedrich Weidling. 


Shmidfong J., Unterfuhungen über deutſche Ortsnamen im Anfchluß 
an die Deutung des Namens Kiſſingen. Halle (Niemeyer) 1895. 
2.40 M. 


Unter dem vielfagend klingenden Obertitel „Ortsfunde und Orts— 
namenforfhung im Dienfte der Sprahmwifjenfhaft und Geſchichte“ wird 
bier auf 93 Zeiten über den Ortsnamen Kiffingen gehandelt. Nach einer 
Einleitung, die mande treffliche Geſichtspunkte für die Methodik der Orts— 
namenforfhung bietet, unternimmt der Verfaſſer zuerft eine ‘Prüfung der 
urtundlihen Formen des Namens Kiffingen. Es ergiebt ſich aber hieraus, 
daß von 28 Fällen nur etwa die Hälfte mit Sicherheit für den befannten 
Badeort an der fräntifchen Saale in Anfprud zu nehmen if, während 
mit den anderen ein „ausgegangener“ Drt Kinzig(ch) im jener Gegend 
bezeichnet ift. Als Grundform für die erfteren ift bi8 auf zwei verfchwin- 
dende Fälle *Kizzicha oder aber aud) *Kitzicha zu erſchließen, denn ob 
die Affricata oder Spirand gemeint ift, erhellt nicht mit Sicherheit (Urkunde 
Nr. 8 auf S. 24 kommt miht in Betracht); nur jene zwei Fälle weijen 
auf ein *Kinzicha zurüd. Genaue llbereinftimmung mit der heutigen Form 
findet fi) nur ein einziges Mal. Wenn man aber nun weiter (S. 25) findet, 
daß der Verfaffer Kizzicha und Kinzicha gleichfegt, und wenn man hier 
lieſt, daß „die Pantgruppe- in- durch zz (tz) erfegt“ fei, fo muß man 
bedenklich werden. ES wird alfo wohl dabei bleiben, daß Kinzig und Kiffingen 
verjchiedene, auch etymologiſch auseinanderzuhaltende Namen find. Die 
folgenden etymologifchen („textkritifchen*, wie er fie nennt!) Unterfuhungen 
des Berfafjers dürften daher nur bedingten Wert haben. Ste gehen von 
dem Cake aus, daß Chinzicha und Chizzicha, im 9. Jahrhundert 
durcheinander gebraucht, Scheideformen einer gemeinfamen Grundform 


334 Jacobowski L., Aus deutſcher Seele. Ein Buch Volklslieder. 


feien. Antnüpfend an das Ortchen König an der Odenwaldkinzig, das in 
der Mundart wie auh in Urkunden Kuntich und Kufü)n-nich Heißt, 
beruft ſich Schmidfong auf die älteſte Schreibung Quinticha und Quinteca, 
ohne zu bedenfen, daß das Q nur dem latinifierenden Schreiber zulommt, 
und fest als Grundform für SKiffingen *Quinticha an. Stamm 
*quint wird dann zu neuhochdeutſch Kind in Parallele gefegt, dazu ein 
Verbum *quinnan — aufgehen, fpriegen u. f. w. gewonnen, und 
"quint als Brunn, Sprudel gedeutet. Aber nicht zufrieden, jenen Etamm 
auf die indogermanishe Wurzel gen zurüdgeführt zu haben, zerlegt der 
Verfaſſer diefe noch — im ausdrüdlichen Gegenſatz, wie er zugiebt, zu 
der allgemeinen Anfiht — in: gue + „Beſtimmlaut“ n; diefe neue Wurzel 
joll „ein dauerndes Aufwärtsdrängen“ bedeuten. Eine Begründung folden 
Vorgehens fehlt; daß hierbei auch für Kennen, Knie, Kinn und andere 
mehr eine und diefelle Wurzel angenommen wird, dürfte niemandem 
mehr verwunderlich erfcheinen. Die Ausführungen des Verfaſſers haben, 
joweit ſich Referent erinnert, auch bereits anderwärts Ablehnung gefunden. 


Sondershaufen. Friedrich Weidling. 


Aus deutfher Seele Ein Bud Rolfslieder, zufammengejtellt von 
Yudwig Jacobowski. Minden i. W., I. C. C. Bruns. 3.30 M. 


Es war gewiß cin glüdliher Gedanke des Herausgebers, auf die 
lyriſche Produktion der Gegenwart durch eine nenangelegte Cammlung 
von deutſchen Volksliedern in ähnlicher Weiſe fördernd und befruchtend 
einzuwirken, als zu Anfang des 19. Jahrhunderts und noch ſpäter die 
Sammlung von Arnim und Brentano, „Des Knaben Wunderhorn“, auf 
den Umſchwung und die Fortentwicklung der damaligen zeitgenöſſiſchen Lyrik 
nuverkennbaren Einfluß geübt hat. Genaue Umſchau auf dem Gebiete des 
Volksliederſchatzes war hiefür ebenfo unerläßliche Bedingung als feinfühlige 
Abſchätzung des wahrhaft Vedeutenden unter den Erzeugniſſen der Vollsmuſe. 

In der That enthält die vorliegende Sammlung eine nicht geringe 
Anzahl unvergänglih ſchöner Lieder. Allein neben ſolchen echten Perlen 
deutſcher Volkslyrik finden fih doc aucd jo manche Glasperlen, die in 
einer Muſterſammlung nicht am lage find und um jo weniger darin hätten 
vorfommen jollen, als der Herausgeber, wie ev S. 315 bemerkt, einzig 
und allein den „äſthetiſchen SNefichtepunft, der die Auswahl geleitet, und 
die Anordnung des Stoffes“ als „das Meine Verdienſt“ anficht, das er 
beansprucht. Um nur einge Beiſpiele anzuführen, wären Verſe wie „Ic 
bın ein armer Vogel“ S. 54, „Veichter Abichied“ 49: oder das 
Schnadahüpfel 32 

Mad, magſt an'n rod'n Apfl? 
Uiadl, magſt a'n Wein aa’? 
Magſt mer a wen'g hali'n? 
Ja, ja, ı mag aa'!“ 


Jacobowski L., Aus deutjcher Seele. Ein Buch Volkslieder. 335 


jedenfall® zu ftreihen gewefen. Da der Herausgeber fich gewifjermaßen 
grundjäglich jeder erläuternden Bemerkung (außer der Erklärung dialef- 
tiſcher Ausdrüde) enthalten zu follen geglaubt Hat, treten mehrfache 
Duntelheiten dem Genuſſe und PVerftändniffe der Terte Hindernd entgegen, 
was bei größerer Vorficht leicht zu vermeiden gewejen wäre. Insbeſondere 
auch hätten Lieder, die ſchon an und für fih durch ihren myfteriöfen undurd)- 
fichtigen Inhalt oder durch ihre verderbte Zertbefchaffenheit unangenehm 
auffallen, 3. B. „Nachtigall“ (S. 2), „Die ſchöne Hannele“ (137), nicht 
aufgenommen werden jollen. 

Mit, den für die Einteilung des Stoffes nicht immer glücklich ge- 
wählten Überfchriften ftimmen die darunter enthaltenen Lieber nicht durch⸗ 
weg überein, z. B. ſteht unter der Abteilung „Glückliche Liebe“ eine 
Reihe von Liedchen und Liedern wie „Das wackre Mägdelein“, „Nachti⸗ 
gall“, „Moraliſches Spinnerlied,“ „Der ungeheuerliche Freier,“ „Armes 
Mädchen,“ „Was fang' ich an?“, „Verſchiedene Antwort“, „Tanze, 
Gretchen, tanze“ u. ſ. w., die ſamt und ſonders mit dem Glück in der 
Liebe nicht das mindeſte zu thun haben. 

Nicht alle der mitgeteilten Lieder können auf echtes Volkseigentum 
Anſpruch machen; ftehen ſolche wie „Die Schwoagerin“ (S. 35; mit den 
in der fteterifhen Meundart unerhörten Praeteritis ‚ging’, ‚jah’), „Des 
Schiffers Wunfh“ (33), „Verichmähte Liebe“ (58), „Das Mädchen und 
der Mond“ (61) und andere in ernftem Verdacht kunftmäßigen Urſprungs, 
jo ftellen ſich andere bei näherer Unterfuhung thatſächlich al8 nachmeis- 
bare Kunftlieder heraus, 3. B. hat „Das Grüberl“ (31) den Dialelt- 
dichter Ign. Gafteli („Gedichte im niederöfterreihiider Mundart”, 
3. Auflage, Wien 1852, ©. 180), „A Diarndl geht um Hol ın 
Wald“ (19) den Freiheren Anton von Klesheim („'s Schwarzblattl aus'm 
Weanawald,” Wien 1844, ©. 17) zum Verfaſſer, während das Lied 
„Kimmt a Vogerl geflogen“ (53) aus der Sauberoper „Aline“ von 
Adolf Bäuerle (Mufit von Wenzel Müller) ftammt. 

Auch die Tertierung der einzelnen Yieder läßt hie und da fehr zu 
wünfchen; dem Herausgeber geht vor allem die Kenntnis füddeutjcher 
Dialekte ab; er fchreibt den Herausgebern von Volksliedern viele der von 
ihnen begangenen Unridtigfeiten nah. Er erläutert 5. B. das Wort 
flieben durh ‚fammeln,’ während es ‚jpalten, jchneiden’ bedeutet; er 
überficht in dem Pied „Im Gamsgebirg* (225), daß in der dritten Strophe 
ein Vers fehlt; er druckt den von der Zeitihrift „Die Jugend“ ver- 
öffentlichten, undeutſch flingenden „Alten Vollsreim“ (S. 310) ohne 
Berichtigung ab u. |. w., u. ſ. w. 

Außer eigentlichen Volksliedern enthält die Sammlung nicht wenige 
Infchriften, Haus- und Grabfprühe und Stammbuchverſe, die ftreng- 
genommen in eine Bolfsliederfammlung nicht gehören; unter ihnen be- 
findet fi) mande äußerſt ſchwächliche und nichtsfagende Ware, 3. 2. 


336 Terte und Forschungen zur Geichichte der Erziehung. 


der Epottreim auf eine Nafengefhwulft (295), der Sprud vom Schnupf- 
tabaf 1296), vom Longinus (ebenda) .... 

Dei al diefen Mängeln pflichte ich dem Wunſche des Herausgebers 
bei, daß die Sammlung, in der ein gejunder Lebenshauch weht, zur 
Erneuerung des Blutes unferer vielfach verftodten und verdorrten Kunft- 
Igrif dienen möge und daß fomit der löbliche Zwed, den ſich der Her: 
ausgeber ſetzt, erreicht werde. 


Graz. Adalbert Jeitteles. 


Terte und Forſchungen zur Geſchichte der Erziehung und des Unter— 
riht8 in den Yündern deutjcher Zunge. Im Auftrage der Gefell- 
haft für deutfche Erziehungs- und Echulgefchichte herausgegeben 
von Karl Kehrbach. I. A. Bömer, Die lateinifshen CE dhüler- 
gefpräche der Humaniften 2. Berlin 1899. 2 M. 


Dem erften Hefte diefer Sammlung mit der erften Hälfte der 
lateinifchen Echülergefprähe der Humaniſten, dejjen Erfcheinen in diefer 
Zeitſchrift 5, 10% fg. angezeigt wurde, ift raſch das zweite gefolgt, das 
mit gleicher Sründlichleit und Sorgfalt wie jenes bearbeitet iſt. Es um: 
faßt die Zeit von 1524 bis 1564, alfo genau 40 Jahre wie das erfte 
Heft 11480—1520). Der erfte unter den 9 Berfaflern, die diesmal 
behandelt find, iſt Hadrianus Barlandus, ein Flamländer. Er ıfl (wie 
vor ihm Hegendorffinus: durch Mofellanus, befonders aber durd Erasmus 
beeinflußt; feine Geſpräche find fatirifcher Art, und zwar wird befonders 
gegen den Adel und die unwürdige (Weritlichfeit geeifert, während die 
alten Klaſſiker in jeder Hinſicht gepriefen werden, Terentius nicht nur 
als Mufter guter Yatinität, jondern auch als Führer zur Tugend. Auch 
Hermannus Schottennius -Deifus: ıft durch Eraſsmus beeinflußt. Seine 
Geſpräche find durch mancherlei Angaben über Spiele und Gebräuche 
intereflant; er hat den Zchütlergeipräden auch eine Zammlung anderer 
angereiht, die nicht für Knaben beitinmt find, dabei begegnet ein Kneip⸗ 
lied /S. 141 abgedrudt, Das, wie der Herausgeber bemerft, einem alten 
Vaganten Ehre gemadıt hätte. Bei Zebaldus Henden, der jet 1524 
Rektor der Sebaldusſchule in Nurnberg war und der als Muſiker und 
Liederdichter ſih Ruhm erwarb, haben die Schülergeſpräche ihre ein: 
fachſte Form erhalten und dann ber Yndovicus Vives (Linguae latinae 
exereitatio 155: ıbre höchſte Nollendung. Yon diefen find nicht weniger 
als 103 Ausgaben und UÜberſetzungen darunter die deutfche don Julius 
Aroring, Oldenburg 1>97 angeführt. Sie wurden ja, wie einer der 
alten Erklärer jagt, „faſt ın allen Schulen“ „um die Wette erflärt”. 
Neben der eleganten Sprache nahm für fie cin, daß fie auf engem Raum 
das ganze Gebiet des täglichen Yebens umfaßten, und es ıft von da, dem 


Schillerlitteratur der Jahre 1898 und 1899. 337 


Beftrebungen der Zeit nad encyklopädiſcher Zuſammenfaſſung entgegen- 
fommend, nur noch ein Schritt zum lberblid über das ganze Weltall 
bei der Einführung in die lateinische Sprache, wie e8 dann die Janua 
des Comenius ausführte. Mit diefer teilt das Geſprächbuch des Vives auch 
das Schidfal, daß frühzeitig mehrfpradige Ausgaben veranftaltet wurden, 
und daß fie (mie der Orbis pictus, der aus der Janua hervorging) bis 
ind 18. Yahrhundert in Schulen verwendet wurden. — Bives fchließt 
feine Geſpräche mit einer Zufammenfafjung von richtigen Erziehungsgrund- 
jägen gegenüber den Grundfätzen der Welt, und auf diefer Bahn fchritten 
dann Nikolaus Winmannus und Martinus Duncanus weiter fort, die 
auch durch den Inhalt ihrer Geſpräche pädagogisch einwirken, nicht nur 
die lateinische Sprache richtig gebrauchen ehren wollten. Jonas Philologus 
und Jakobus Zovitius gehören zu den Vorgängern von Bives; der 
Franzoſe Mathurinus Corderius fehließt die ganze Keihe ab. Er nimmt 
wieder die alte Art der Schülergefpräde auf, und er, hat foviel Beifall 
gefunden, daß nicht weniger als 108 Ausgaben und liberfegungen feiner 
Geſpräche gedrudt wurden. 

Überall find die Pitteraturangaben fehr genau und die Feftftellung 
der Thatſachen erforderte überall großen Fleiß und nicht felten auch Scarf- 
finn, wir find aljo dem Herausgeber diefer Hefte für vielfache Aufklärung 
eines bisher wenig beachteten Gebietes zu vielem Dante verpflichtet. 

Sana. W. Toiſcher. 


Schillerlitteratur der Jahre 1898 und 1899. 


Seiner größeren Ausgabe von Schillers dramatiſchem Nachlaß, die, 
wenn ſie auch beiweitem nicht einwandsfrei war (außer meinen früheren 
in dieſer Zeitſchrift abgedruckten Arbeiten über Demetrius und die 
Malteſer verweiſe ich jetzt beſonders auf Seuffert in den Göttingiſchen 
gelehrten Anzeigen 1898, ©. 556), doch einen großen und weſentlichen 
Fortschritt über Goedekes Ausgabe hinaus bedeutete, hat Guftav 
Kettner einen Hleineren, für weitere Streife beftimmten Abdrud folgen 
lajien Schillers dramatifhe Entwürfe und Fragmente, aus dem 
Nachlaß zufammengeftellt. Ergänzungsband zu Schillers Werken. Stuttgart, 
Gotta 1899). Wiewohl diefe Auségabe irgend welchen wiſſenſchaftlichen 
Mert nicht befigt und es ıhr bei ihrer Beſtimmung als Supplement zu 
den landläufigen populären Schillerausgaben ganz fern liegt, die Mängel 
und Defiderata der großen Ausgabe, auf die zulegt Seuffert energifch 
hingewiefen hat, irgendwie decken oder befriedigen zu wollen, jei doch mit 
wenigen Worten auf fie eingegangen. Sie umfaßt die Terte aller Frag— 
mente der älteren Sammlung, die kleineren (Themiſtokles, Agrippina, 
Elfride, Die Polizei, Nojamund, Das Schiff, Die Flibuftiers, Das See- 
ftüd, das Yuftfpiel im Geſchmack des Bürgergeneral®) im vollen und 

Euphorion. VII. 22 


338 Schillerlitteratur der Jahre 1898 und 1809. 


ungekürzten Wortlaut; bei den größeren (Demetrius, Warbeck, Die Prin- 
zeffin von Zelle, Die Maltefer, Die Gräfin von Flandern, Die Kinder 
des Haufe, verfucht der Herausgeber durh Kontamination und Bere 
arbeitung verfchiebener, ursprünglich getrennter Abjchnitte und Sätze einen 
zufammenbängenden Text herzuftellen, der, leicht und glatt lesbar, einen 
bequemen Uberblick über den geplanten dramatiſchen Aufbau geftattet, 
während er abmeichende oder parallele Meditationen aus andern als den 
jedesmal gerade zu Grunde liegenden Efiygenblättern in Anmerkungen 
unter dem Texte nachträgt. Wenn man den Zwed des Buches erwägt, 
läßt fid) gegen dies an fih unwiſſenſchaftliche ekleltiſche Verfahren nichts 
einwenden. Kettners Anfichten über den Aufbau der einzelnen geplanten 
Tramen und die chronologiiche Entwicklung der Skizzenblätter find im 
weientlihen unverändert neblichen: auch ich mag fleine Ausftellungen und 
Fragezeichen dagegen an diefer Stelle nicht vorbringen; durch derlei 
gelegentlihe Bemerkungen iſt der Sache wenig gedient und die Geneſis 
diefer großen Zorfi wird ja noch auf lange hinaus die willenfchaftlich 
fombinterende Phantaſie zu neuen und tiefer dringenden Löſungsverſuchen 
anrerzen. Nicht ganz vollftändig ıft auch der doch nur kurze Entwurf der 
Braut im Trauer aufgenommen; anhangsweiſe find zwei Heinere drama- 
tifche Werke angefügt, die der älteren Ausgabe fehlen, Körnere Vormittag 
und der Anfang der UÜberſetzung von Racines Britannicus. 

Tie Terte habe ih durch Anftellung von einigen Stichproben mit 
dem älteren Abdruch der Handichriften verglichen und ım großen und 
ganzen genau befunden, obwohl hie und ta das Nontaminationsverfahren 
des Herausgebers über den erforderliden Reſpelt por dem Dichterwort 
hinaus zur Amichmelzung ganzer Züge oder Ktonjtruftionen geführt hat. 
Vom Abel ſcheint mir auch die zwar maſſenhaft, aber doch nicht ganz 
konſequent durchgeführte Modermiierung der Sprache Schillers, die man 
doc nirgends als dem größeren Publikum unverständlich bezeichnen kann; 
man jollte doch goldene Tichterworte nicht ale Scheidemünze behandeln, 
vielmehr die Neinheit Dev Terte ale felbftveritändtiches oberſtes Prinzip 
für Ausgaben, felbit populäreren Charatters, anichen. Man mag es für 
geringiwertig oder bedeutungelos halten, wenn bei Nettner die Schiller 
geläufigen Wortformen „monſtros“, „ahnden“, „fordern“, „geradenwegs“ 
in die heute uüblichen umgeſetzt werden, wenn die Verteilung der ftarlen 
und ſchwachen Nominalflerion gegen des Dichters Zpracdgebrauh im 
heutigen Sinne verändert wird; aber iſt unſer größeres Publikum wirflich 
jo ſprachunverſtändig, daß derartige Anderungen uotwendig find? Tann 
müßten vor allem auch die vielen iranzöſiſchen Eindringlinge in Schillers 
Umgangeſprache vgl. Cuphorion 4, 51°, da fir binte nicht mehr üblich, 
für viele vielleicht nicht ohne Lerikon verjtändlich find, durch dentſche 
Worte erfegt werden. Aber die Stilkorrektur geht bei Nettner noch weiter: 
ich habe mir Fälle angem.rft, wo er „ins“ in „in das“, „it“ in „fer“, 


Schilferlitteratur der Jahre 1898 und 1899. 339 


„Akt“ in „Aufzug“, „bemerklich“ in „bemerkbar“ umgeſetzt hat; das geht 
jedenfalls über das verzeihliche Maß hinaus, ebenfo wie wenn den „Flibu—⸗ 
ſtiers“ ihre franzöfifche Pluralbezeichnung genommen wird, die Schiller 
geläufiger war als Archenholzens Form „Flibuftier”, die Kettner für 
weitere Kreiſe verftändlicher zu fein jcheint. 

Von den in meinen oben genannten Auffägen veröffentlichten Sorref- 
turen Kettnerſcher Leſungen, die eine Einfiht der Driginalhandfchriften 
gewährte, konnten die zu den Maltefern für die vorliegende Ausgabe nicht 
benußt werden, da fie noch nicht veröffentliht waren; fo Hat fich das 
unglüdjelige „Bey... .* ftatt „Berg Cceberras“ (vgl. Euphorion, Er- 
gänzungsheft 4, 83) aus Goedekes und Kettnerd Druden nit nur in 
Bellermanns Tert, fondern auch in diefe neuefte Ausgabe (S. 226) ver- 
ſchleppt. Anders verhielt e8 fid) mit meinen Beſſerungen des Demetrius- 
tertes (Euphorion 4, 528): fie lagen Kettner vor und waren in den 
neuen Abdrud aufzunchmen; fonderbarerweife iſt das aber nur cflektifch 
gejhehen. Die Verſe 160. 216. 769. 1302 erjcheinen wieder ganz un— 
verändert (S. 38. 40. 59. 81); Vers 720 (S. 56) fteht noch immer 
„Ihießt vor” ftatt „Schießt her“, S. 99 „Freiheit“ ftatt „Frechheit“; im 
Samboraft Vers 245 (S. 134) iſt fogar das für Schiller unmögliche 
„in jeden Zeiten”, ein Hörfehler Pottens, trog meiner eingehenden Be» 
gründung ftehen geblieben. Mir iſt die ekfeftifche Verfahren unverftändlich 
geblieben. Beiläufig feien hier gleich zwei Fehler des Textes der Polizei 
verbeilert: S. 263 (große Ausgabe 78, 4) muß es „verfertigen“ ftatt 
„anfertigen“ heißen und ©. 257 (71, 6) hat Schiller richtig marayer 
und nicht marager aus feinem Mercier abgefchrieben (vgl. ſchon Stetten: 
heim, Schillers Fragment Die Polizei ©. 67). Auf andres komme id 
jpäter gelegentlich zurüd. 

Bon der richtigen Erwägung ausgehend, daß eine ftreng chrono— 
logifhe Anordnung der einzelnen Entwürfe noch immer nit möglid if, 
bat Kettner ftofflihe Gruppen gebildet: Gefchichtsdramen aus moderner 
Zeit, Dramen mit der einfachen Technik der Haffiihen Tragödie, phantas 
ftifcheromantifche Stoffe, Sujet des entdedten Verbrechens, marine Stüde, 
Kleineres. Tiefe Anordnung hat mancherlei für fi), wenn man fi) gegen- 
wärtig hält, daß die dichterifche Phantafie und Imvention natürlih von 
diefem Schematismus und feinen Grenzſcheiden nichts weiß, und daß viele 
Fäden von einem Gebiet ind andre laufen. Meiner Überzeugung nad) 
follte jedoch die Anordnung einer Ausgabe zu Grunde gelegt werden, die 
die Entwürfe in Schiller® eigenem großen Planverzeichnis (deffen Fakſimile 
dem Kalender beigegeben ift) zeigen. Ich ſtimme Kettners Anfiht (Schiller: 
ftudien S. 1), daß diefes Berzeichnis im Sommer 1802 niedergefchrieben 
fei, nicht bei, meine vielmehr mit Bellermann (Schillers Werke 10, X), 
daß fich die Niederjchrift durch eine Reihe von Jahren Hinzieht und immer 
vervolftändigt wurde, ſobald ein neuer Entfhluß zur Geftaltung eines 

22* 


340 Schillerlitteratun der Jahre 1898 und 1899. 


Stoffes gefaßt war. Bellermann nimmt 1798 — 1803 ala Entjtehungsgeit 
an; ich möchte den Anfangstermin noch etwas weiter hinaufrüden, rund 
in die erfte Zeit der Verbindung mit Goethe, in der zunächft die Malteſer, 
die an erjter Stelle genannt werden, im Mittelpunft des Intereiles ſtanden; 
auch nad 1803 mag nod) einzelnes zugefchrieben jein. Mit Recht betont 
Bellermann au, dag Ediller im Jahre 1802 feine Veranlafjung haben 
fonnte, fi) die Titel längft vollendeter Stücke aufzuzeichnen und gleich 
wieder durchzuſtreichen. Trifft diefe Auffaflung einer ſukzeſſiven Nieder- 
ſchrift das Wichtige, jo haben wir aber damit, meine id), cine relative 
Chronologie für alle Entwürfe, die das Berzeihnis enthält: die wenigen 
fiheren Daten, die wir haben, pafjen in den Rahmen diefer Anficht, 
foviel ich ſehe, trefflich hinein. Natürlich geſchah die Fixierung eines 
dramatifhen Planes im Berzeichnis nicht notwendig im Moment des 
erjten dafür auffteigenden Intereſſes, ſondern wenn nad mehr oder weniger 
oft wiederholter Meditation fid) die Odrundlinien des Planes zu formen 
begannen oder der feſte Entſchluß der Wearbeitung fich fruftallifieite. Ve 
weiter getrennt in jenem Verzeichnis zwei Dramentitel ftchen, um fo 
größeren Zmilchenraum werden wir zwiſchen beiden anzujegen haben, um 
jo weniger liegt die Möglichkeit vor, beide im diefelbe Phaſe der Schiller— 
ſchen Entwicklung zu verlegen: jo wird es, um die Endpunfte als inſtruk— 
tivſtes Beiſpiel herauszugreiſen, nicht möglich ſein, die Elfride in die Zeit 
der Malteier oder, wie Mettner S. 10: will, der Wallenftein zu ver- 
ſetzen; daß fie wahrſcheinlich ins Kahr 1804 gehört, habe ich Schon früher 
Enphorion 6, 145 Anmerkung von einem ganz andern Punkte ans zu 
erfennen geglaubt, wober immerhin der erfte Gedanke um „Jahre zurüd« 
liegen mag. 

In den Einleitungen zu den einzelnen Plänen orientiert Kettner furz 
und überfichtlihh über Entſtehung, Tuellen und dichteriſchen Wert der 
Entwürfe, indem er dic geficherten Ergebniſſe der bisherigen Forſchungen 
anſprechend zuſammenfaßt. Veſonders erfreulich war es mir zu ſehen, daß 
Keliner ſeine frühere Anſicht von Schillers Äußerung an Frau von Stael 
über feinen Warbeck als einer abjichtlihen Myſtiſikation vgl. Kuphorion 
4, 551 md nun auch Welleimann 10, 155 nicht mehr anfrechterhäft 
2.9 und daß er mit mir Euphorion, Ergänzungsheft 4, 56; vgl. 
wieder Bellermann 10, 3 die dltefte Anregung zu den Malteſern bei 
ISatfon, micht mehr ber RVertot ſucht. MReues iſt mir in der Einleitung, 
abgejchen von Kleinigkeiten, wie 3.” dem Hinweis anf Platos Gaſtmaht 
für die Weiterbildung des Frenndſchaftebundes m den Malteſern S. 165, 
der mir nicht hinreichend begrundet erſcheint, nicht auigeſtoßen. Die beiden 
größten Yüden in der Tuellengeichichte der Schillerſchen Entwürfe find 
nach wie vor unausgefüllt: die biitoriiche Ableitung der mariten Tramen 
umd der cigenartigen Mrafin von Flandern mug eiſt cin künftiger glüd- 
licher Zulall ermoglichen. Tag die letztere ım weientlichen auf freier Er- 


Scillerlitteratur der Jahre 189% und 1899. 341 


findung beruhen foll (S. 21), davon Habe ich mich nie überzeugen können. 
Auch Kettners Hypotheſe, der Entwurf fei aus der im Jahre 1795 für 
die Horen geplanten vomantifhen Erzählung erwachſen, fcheint mir nicht 
glüdlih) und hat nur das eine DVerdienft, die unbewiefenen Vermutungen 
iiber diefe rätfelhafte Novelle in Berfen um eine neue ebenfo unbewiefene 
vermehrt zu haben. — 

Ih darf Hier gleich meine Neubearbeitung eine® der wichtigften von 
Schillers Briefwechſeln anreihen Briefwechfel zwifhen Schiller und 
Wilhelm von Humboldt, dritte vermehrte Ausgabe mit Anmerkungen 
von Albert Yeigmann. Stuttgart, Cotta 1900). Diefe neue Auflage 
des Briefmechfel8 ift die erfte, welche durchweg auf einer Vergleihung der 
Originalhandjchriften beruht und diefe ganz unverfürzt zum Abdrud bringt. 
Die Briefe Schillers, im Humboldtfhen Archiv zu Tegel bewahrt und 
ſchon von Jonas für feine große Briefausgabe verglichen, ergaben trotzdem 
noch einige neue Leſungen. Unverhältnismäßig veicher aber geftaltete ſich 
die Ausbeute einer Einfiht in die Driginalfcreiben Humboldts, und id) 
konnte hier meine ältere Erfahrung aufs neue beftätigt fehen, daß faft 
kein Satz, jedenfalls aber feine Seite von Humboldt ohne Fehler gedrudt 
worden ift. Fünf Briefe und ein Gedicht in Canzonenform aus der 
Radowitzſchen Sammlung in Berlin hatte ich ſchon früher im Euphorion 
3, 64 abgedrudt, dag Ergebnis einer Kollation zweier ſchon gedrudter 
Nummern aus den Schillerarchiv in Weimar an derjelben Stelle vor: 
gelegt; der ganze übrige Reſt der Driginale mit einer einzigen Ausnahme, 
die ich aus Urlich8’ Briefen an Schiller übernehmen mußte, fand fi, von 
den Fachgenoſſen unbemerkt und unbeachtet, im Cottaſchen Archiv in 
Ztuttgart. Was die Toralität des Abdruds betrifft, fo konnten natürlich 
die Rüdjichten, die Humboldt 1830 beftimmten, den Beſtand des Brief- 
wechfel8 jo unbarmherzig zu dezimieren, heute nicht mehr maßgebend fein. 
Aber auch über die in der zweiten Auflage von 1876 enthaltenen Zuſätze 
hinaus erwichen fi) die Handfchriften faft aller Briefe Humboldts reich 
an bisher ungedructen, teilweise fehr bedeutenden und intereflanten Stellen, 
von denen ich wenigitend eime Reihe der wichtigften Hier kurz muftern 
möchte, ohne irgendwie cine erihöpfende Würdigung des neuen Xertes 
geben zu wollen. 

Die Hauptmaſſe ter ungedrudten Abjchnitte betrifft Goethe. Im 
Bezug auf ihn war der greife Humboldt bei der erften Kedaltion des 
Rriefwechjel8 für den Drud mit befonderd weitgehender Rüdficht und 
Schonung zu Werke gegangen: da er noch am Yeben war, glaubte Hum- 
boldt alles, was nicht unbedingt lobend und anerfennend war, und zivar 
nicht nur jeden Tadel feines Weſens oder feiner Werke, fondern aud) 
jedes kühler abwägende kritiſche Wort ausmerzen zu follen. Inftruftiv für 
diefe Tendenz ift Schon der Vergleich einiger gedrudter Stellen mit dem 
jegt zum erjten Dal aus den Handfchriften gewonnenen urfprünglichen 


342 Scillerlitteratur der Jahre 1898 und 1899. 


Wortlaut: hatte der geſchulte Philolog Humboldt feiner Zeit gewiß mit 
Recht geurteilt, daß Goethe „nur jehr mäßig“ griechifch verftche ı<. 193), 
fo wurde diefe Bemerkung 1830 duch Weglaſſung des „Fehr“ abgeſchwächt 
und duch Hinzufügung eines „vielleicht“ cine in Wirklichkeit gar nicht 
vorhandene Inkompetenz des Beurteilenden angedeutet; das Lob des 
SGoethefhen Märchens, daß ihm nichts im deutjcher Yitteratur „gleich 
tüme“ (S. 206%, wurde noch überboten durch die Hyperbel einer zudem 
ganz undeutfhen Wendung, daß ihm nichts „aud nur von fern ähnlich 
käme“. Diefe Tendenz führte ftellemweife bie zu direkter Fälſchung in 
ınajorem (ivethii gloriam. Co hatte Humboldt von den Bekenntniſſen 
einer Schönen Seele gejchrieben: „Es iſt nicht zu leugnen, daß das fechfte 
Buch unerträgliche longueurs und Tiraden hat“ «Z. 230%; daraus wurde 
1830: „Der fo ſchwierige Gegenſtand des ſechſten Buchs iſt vortrefflic) 
behandelt." Ahnlich an derjelben Stelle S. 2311 vom Charalter der 
ihönen Seele: „daß die Heilige dadurch nur noch mehr zu einem trodenen 
und immer mehr oder weniger widrigen Gerippe herabfinft* über den 
Zinn von „widrig“ dgl. meine Anmerkung zur Stelle‘; im Drud ge: 
mildert: „dadurch zu einer gewiſſen Trodenheit herabſinkt.“ Wie wir nun 
jehen und auch bei feiner fcharfen kritiſchen Beanlagung von vornherein 
annehmen fonnten, war Humboldts Verhältnis zu Goethe in der Mitte 
der neunziger Jahre durchaus nicht das Fritiflofer Berwunderung oder 
Anbetung. Co wird an mehreren Ztellen (S. 68. 136. 188. 206) mit 
den damals ſtückweiſe erſcheinenden Unterhaltungen deutſcher Ausgewan⸗ 
derten ſcharf ins Gericht gegangen: ihr langweiliger Ton könne das 
Märchen anſtecken, die Reden des Fräuleins ſeien grob, das Geſpräch 
ſchleppend, die Geſchichte halte ſich leidlich u. ſ. w. Auch das ſechſte Buch 
des Wilhelm Meiſter wird ſchleppend, vieles darin altfränkiſch und klein— 
bürgerlich genannt :<. 115). Schr geiſtvolle kritiſche Worte widmet 
Humboldt an einem andern Orte S. 97: Goethes realiſtiſchem Dichter⸗ 
charalter, mit deſſen glänzenden Vorzügen auch gewiſſe Fehler verbunden 
ſeien, die es ihm ſchwer fallen würde zu vermeiden. Zwei längere Stellen 
S. 76. 1652: berichten ausführlich von Goethes Aufenthalt in Karlsbad 
1795 und mit ſichtlicher Freude an dem „artigen Abenteuer“ von feinem 
dortigen Berfehr mut den Judunen Mariarne Meyer und Wahel Levin. 
Andres muß hier unerwähnt bleiben, Hingewieſen ſei nur noch auf die 
foftliben Proben zeitgenoſſiſcher Berliner Salonkritik über die römifchen 
Elegien, Wilhelm Meiſter und die Horen 2. 61. 75. 76. 208: fie 
laſſen uns Die pinchologtichen Stimmungen oder beſſer Mißſtimmungen 
empfinden, auf deren Boden dann die Saat der Fenien erwuchs. 

And abgeſehen von Goethe enthalten die neuen Zuſätze mancherlei 
Intereſſautes. Daß Schiller im Herbſt 1792 den Plan hatte, gemeinſam 
mit Humboldt eine Zeitung ins Leben zu rufen »S. 15, war bieher 
nicht bekanut; man erinnere ſich, daß er wenige Jahre ſpäter für Cottas 


Scilerlitteratur der Zahre 1898 und 1899. 343 


Zeitungsplan trog aller Bemühungen nicht zu gewinuen war; man darf 
vermuten, daß die Entwidlung der franzöfishen Angelegenheiten, für die 
beide Männer fich lebhaft interefjierten, den Gedanken dazu eingab. Hübfch 
ıjt eine im erften Drud wohl als zu anmaßend unterdrüdte Stelle in der 
berühmten Humboldtſchen Analyſe der Schillerſchen Dichterindividualität, 
weil fie uns einen Einblick in Jenaer Geſpräche über Klaffifizierung 
dichterifcher und philofophiicher Genies und die Synthefe beider in kon— 
kreten Beifpielen gewährt: ſchrieb Humboldt faft gleichzeitig an Jacobi 
S. 49, in Schiller ftrebe der Geift eigentlid das philojophifche und 
poetische Genie ineinander zu verſchmelzen, und er fei dadurch Schöpfer 
einer ganz neuen Art von Poeſie, fo Heißt es hier (S. 197) geradezu, 
die Idee, die beide in Jenaiſchen Gefprächen manchmal befchäftigt Habe, 
fer nicht unvichtig, daß nämlıh Schiller gleihjam die Veranlagung Kunts 
mit der Goethes verfnüpfe und gerade durch diefe Verfuüpfung der höchfte 
Dihterkranz zu erringen fei. Wie bedanernswert überhaupt, daß fid) für 
Schillers und Humboldt Geſpräche fein Edermann fand, daß aud 
Humdoldt felbft nie den Verſuch gemacht hat, die Gewalt und Herrlichkeit 
Schillerſcher Rede, die er im der klaſſiſchen Vorerinnerung fo begeiitert 
jchildert, der Nachwelt zu erhalten. — Es erſcheint faft felbftverftändlich, 
daß Humboldt in dem berühmten und piychologijc für beide Zeile fo 
interefjanten bricflihen Warfengang zwiſchen Schiller und Fichte für jenen 
gegen diefen, die „oßmannftädtiiche Majeſtät“, wie er ihn nennt, Partei 
nahm. Schiller hatte Fichtes Kundgebung vom 27. Yuni 1795 an 
Humboldt nad) Tegel gefandt und diefer ermidert mit einer fehneidend 
iharfen Analyfe und Kritik des ganzen Mannes als Gelehrten und 
Menſchen, die fich ftellenweife zu beißender Satire zuſpitzt (S. 58); 
ähnlich, nur kürzer urteilt ev fpäter (S. 99) über einen verlorenen Brief 
Fichtes an Schiller, denfelben, auf den Schillers herrliche Konzepte vom 
3. und 4. Auguft des gleichen Jahres die Antwort bilden. Trotzdem 
jpäter von Seiten Humboldts Fichtes Perfönlichkeit und Philofophie uns 
befangenere Würdigung erfuhr, fommt doch in den Zeiten der Gründung 
der Berliner Univerſität die alte Antipathie wieder in voller Schärfe zu 
Tage. — Ferner ſeien noch erwähnt: eine längere, ſehr anerkennende 
Stelle über Humboldts Jugendfreund Gentz (S. 160), deren Unterdrückung 
wohl durch eine innere Entfremdung motiviert ſein mag, die ſeit den 
Freiheitskriegen und dem Wiener Kongreß trotz fortgeſetzter äußerlich 
freundſchaftlicher Beziehungen und zeitweilig gewechſelter Biiefe zwiſchen 
beiden vorhanden war (vgl, auch Gebhardt, Wilhelm von Humboldt als 
Staatömann 2, 448; cin Periht über Rehbergs Befuh in Jena im 
September 1791... 54°; ein treffendes Urteil über den zweiten Band der 
Voſſiſchen Gedichte S. 64. Auch von einer Bearbeitung der Emilia Galotti 
durh Ramdohr S. 55) wußte man bisher nichts: das Zeugnis Humboldts 
nt von Erich Schmidt in feinen Peffing? 2, 628 aufgenommen worden. 


344 Scillerlitteratur der Jahre 1898 und 1899. 


Im Anhang ift ein tiefempfundener und gedankenreiher Brief Hums 
boldt8 an Körner vom 8. Juni 1805 über Schillers Tod mitgeteilt, der, 
obwohl 1856 in der Minerva abgedrudt, doc unbeadhtet geblieben war; 
ih durfte das im Beſitz des Schwäbiſchen Scillervereind befindliche 
Original vergleihen. An dies Schreiben fchliegt fih cin kurzer Brief: 
wechjel, den Humboldt und Körner im Februar bis Mai 1830 über die 
Herausgabe der Schiller-Humboldtfchen Korreſpondenz geführt haben: die 
Briefe Humboldts hatte, wenn auch mit Fehlern, ſchon Jonas in feinen 
„Anfichten über Äſthetik und Yitteratur“ mitgeteilt, die Antworten Körners 
entftammen dem Archiv in Tegel. Die lepteren bringen manden Keinen 
Zug, mande nit unwidtige Notiz über Schiller aus der rüdjchauenden 
Erinnerung des alten Jugendfreundes. Nur eine Stelle will ich hier 
ausheben, weil fie Yicht auf eine noch immer ſchwebende Kontroverfe wirft 
(dgl. Euphorion 6, 139,. Humboldt hatte bei Körner angefragt, ob 
Schiller bei Ausarbeitung der PhHilofophifchen Briefe in der Thalia fon 
Kenntnis von der Kantiihen Philofophie gehabt habe; Körner in feiner 
Antwort verneint dad mit vollem Recht und fügt begründend Hinzu 
S. 332): „Die Philofophifchen Briefe entitanden aus Materialien, die 
er in feinen früheren Rapieren gefunden hatte und worzu er damals 
wenig hinzufügte .... Mir hatte Schiller die Rolle des Rafael in den 
Philoſophiſchen Briefen zugeteilt, er verlor aber bald die Yuft an diefer 
Arbeit und vieleiht mit durch meine Schuld.“ Das iſt eine urkundliche 
und durchaus glaubwürdige Beftätigung der Annahme Minors, daß die 
Theofophie des Julius wirflid aus Schillers Stuttgarter Alademiejahren 
ſtammt und in der Dresdener Zeit nur leife überarbeitet wurde; Körners 
unzweideutige Ausfage ſtimmt alfo volitändig zu Edhillers eigenem Zeugnis 
(Sämtliche Schriften 4, 40), das demnach feine fchriftftellerifhe Yıltion 
jein kann. Kuno Fiſchers und Harnads gegenteilige Anficht, die neuerdings 
auch Bellermann 113, 75: beftreitet, dürfte damıt endgiltig widerlegt fein. 
Auch Harnada neuefte Argumente für Tretdener Entitehung der Theoſophie 
(Euphorion 6, 536: find dadurch gegenitandelo8 geworden; in einer 
eigenen fpeziellen Unterfuhung über Sprache und til der Philofophifchen 
Vriefe hoffe ıch Später nochmals darauf zurüdzufommen. 

Eine weitere Neuerung der dritten Auflage gegen die beiden früheren 
iſt der eingehende Kommentar. Ztatt eines fehr lückenhaften Regiſters, 
das die zweite Auflage aufwies, find ausführliche, dem Text Schritt für 
Schritt folgende Erläuterungen, eine tabellarıfche UÜberficht über die ges 
ſamte uriprunglicdh vorhandene Korreipoudenz auf Grund der Aufzeichnungen 
m Schillers Kalender und der in den fonitigen Wriejwechfeln beider 
Männer enthaltenen Andeutungen und ein erſchöpfendes Regiſter beis 
gegeben. Tie Kinzelanmerlungen habe ich verfucht durch einen Text zu 
verbinden und fo das Wlaterinl für die Geſchichte diejes Freundſchafts⸗ 
bundes und das sortleben Schillers in Humboldts Andenken möglichft 


Scillerlitteratur der Jahre 1898 und 1899. 345 


volftändig zufammenzuftellen. Ein Sugendporträt Humboldt8, der ja in 
unſrer Schillerlitteratur nur als Greis, wie Schiller ihn nie gelannt hat, 
abgebildet zu werden pflegt, aus Yamilienbefig ift dem Buche als Titel: 
bild beigefügt: es it ein Reliefmedaillon aus dem Jahre 1796 vom 
damaligen Weimarer Hofbildfauer Martın Klauer, deffen Medaillon- 
porträts den lebhaften Beifall Goethes gefunden haben. — 

Bon biographiihen Werken über Schiller Habe ih dem Bude 
Harnads Schon früher eine bejondere Beiprehung (Euphorion 6, 135) 
gewidmet. Eine der drei noch immer fragmentarifchen großen Yebens- 
darftellungen, deren ich dort im Eingange gedenke, ift indeffen wenigſtens 
um einen Heinen Schritt vorwärts gelommen: Rıdard Weltrich Hat 
feinen beiden 1885 und 1839 ausgegebenen Lieferungen eine dritte 
(S. 641—900), die Schlußlieferung eines erſten Baıdes, folgen lajjen 
(Friedrich Schiller. Geſchichte feines Lebens und Charakteriftif feiner 
Werke unter kritiſchem Nachweis der biographifchen Quellen. Stuttgart, 
Cotta 1899) und giebt zugleih (S. 725) die Berficherung ab, daß da8 
ganze Werk in nicht zu ferner Zeit in drei Bänden abgefchloffen fein ſoll. 
Die vorliegende Yıeferung behandelt in ihrer vorderen Hälfte (S. 641— 
722) Schillers legte Stuttgarter Wochen feit den graubündener Händeln, 
die den Konflilt mit dem Herzog unheilbar verfchärften, bi8 zu feiner 
Flucht, über deren Motive und moralifche Berechtigung eingehend gehandelt 
wird; die hintere Hälfte (S. 723 — 874) bringt in Form eines umfäng- 
lichen Anhangs eine lange Reihe „Nachweife und Nachträge“, im ganzen 
hundert Nummern, von denen die meiften über eine große Zahl von 
Seiten ſich erftreden; am Schluß ift ein NRegifter zum ganzen Bande und 
eine Stammtafel der Borfahren Schillers angefügt. 

Es kann hier nicht meine Aufgabe fein, Weltrichs biographiſche 
Methode nochmals eingehend zu fritifieven; es ift das von berufener wie 
unberufener Seite oft genug gefchehen; was mich perfönlich betrifft, fo 
befenne ih mich im ganzen und einzelnen einig mit der Würdigung, die 
Minor im Anzeiger für deutfches Altertum 12, 274 feiner Zeit der erften 
Lieferung hat zu teil werden laſſen. Weltrichs Darftellungsmethode ift 
natürlih in der vorliegenden dritten Lieferung diefelbe geblieben wie in 
ihren beiden Borgängerinnen und ihre von Minor hervorgehobenen ftarken 
Mängel, die mir nur teilweife mit dem fubjektiven Ideal des Verfaſſers 
von einer Biographie zufammenzuhängen fcheinen, kann auch der Anfat 
einer Selbitverteidvigung, der uns jegt (9. 726. 729) geboten wird, nicht 
entjhuldigen, wie überhaupt die hin und wieder in den Anhang ein- 
geftreuten Polemiken zu den unerfreulichſten Teilen des Buches gehören 
(ergöglih find dabei höchſtens die Nangunterfchiede, die der Verfaſſer 
zwifchen feinen Gegnern ftatuiert, vgl. S. 824. 830). Weltrich fällt 
S. 852 über Hauffs Schubartbuch das Urteil: „Freilich iſt es formlos, 
ohne jede künſtleriſche Seftaltung, in den meiften Teilen mehr eine Mate: 


340 Schillerlitteratur der Jahre 1808 und 1899. 


rialienfammfung, eine fritifche Studie über Schubart und die Zchubart- 
literatur, mehr die Vorarbeit zu einer Biographie als ein biographıfdyes 
Semälde; die Maſſe der litterarhiſtoriſch-kritiſchen Auseinanderfegungen, 
welche die Erzählung auf Schritt und Tritt unterbredgen, steht ın gar 
keinem Verhältnis zur biographiichen Werarbsitung des Stoffes“; mit 
diejen Worten harakterifiert er meines Erachtens treffend auch fein eigenes 
Wert. Tie unfelige Neigung zu langen geihichtlien oder allgemein 
vefleftierenden Exkurſen, die ganz unvermittelt ın den biographiichen Bericht 
eingeftrent find vgl. Minor S. 285, herrſcht auch in der vorliegenden 
Yieferung: die 17 Zeiten Betrachtungen über die moralifche Berechtigung 
der Flucht Schillers fördert die Erkenntnis der Sachlage recht wenig; 
kurz dahinter bringt es der Verfaſſer fertig, die dramatıfhe Spannung der 
legten Stuttgarter Tage duch einen trodenen Erkurs über die Geſchichte 
des Theaters in Württemberg und die mangelhafte Eutwicklung des 
drammtmchen Sinnes bei den Schwaben 18 Seiten lang aufzuhalten, bie 
der Vefer gänzlich erſchlafft iſt. Faſt ſchlimmer noch wirken die vielfach 
bat ans Nücterne und Schulmeifterliche ftreifenden Erörterungen al 
gemeinen Inhalts, die allerorten den Schritt des Leſers wie wider: 
ſpenſtiges Strauchwerk hindern: fo über die Prinzipien geſchichtlicher 
Wirkſamkeit 1S. 6651, über den fategoriichen Imperativ des Genies 
‚2. 676:, über das Undramatifhe der ſchwäbiſchen Natur, das durch 
Sorte Viſchers um) Bismarcks erläutert und bis in die altgermanifche 
Urzeit hinaufgeleitet wird :<. 6791, über die Bevorzugung der Oper vor 
dem Schauſpiel mit einem Ausfall auf das moderne Gejamtlunftwerl, der 
rein Sahlıh durchzus zu billigen iſt S. 880, über die verfchiedenen 
Charakterſciten des Menſchen, für deren Monitatierung ein Wort von 
Wolfgang Kirchbach nöthig it S. 711, über YBornamenanordnung und 
Vornamenpiychologꝛe S. 735 u. ſ. w. Zu dem biographiſchen Text der 
Liejerung mochte ich nur eine kleine Bemerkung machen: die S. 705 ver 
ſuchte Ehrenrettung Kapfs, dem mit Recht vgl. Euphorion 6, 141) ein 
ungunftiger Einfluß auf den Stuttgarter Schiller zugeſchrieben worden tt, 
font nur dadurch zu Ztinde, daß aus feinen afrikaniſchen Briefen die 
belaftenden Ste'len tendenzios verschwiegen werden; das Richtige lehrt 
Muller, Schillers Jugenddichtung und Jugendleben S. 122, 

Aus dem Inhalt dis Anhangs möchte ich folgende Stellen bervor« 
heben, um bie und da Vemerkungen anzutkiüpien. S. 725 ogl. auch 
S. 706° kurzer Userblick über die neuere Schillerlitteratur: ev iſt mehrfach 
ſtark polemſch gehalten und cine ratio pro demo: die Echtheit des 
288 von Schillers Mutter, Tax Mullers Buch uber fie eröffnet, wird 
mit Wect beſtritten. Z. 737 uber Schillers Geburtetag: aus einer Kom- 
bination aller gefichereen Sıugme wird gegen Urlichs und Dünger der 
10. November ala nun wohl endlihh feſtgelegtes Datum gewonnen. S. 753 
uber Schiller Netter und Paten, den gleichnamigen Ztudiofus: zum 


— 


Scillerlitteratur der Jahre 1898 und 1899. 347 


erfien Mal wird feine Berwandtihaft mit dem Dichter umd fein Geburts- 
datum richtig feſtgeſtellt; danach iſt ev am 18. September 1737, alfo 
ſechs Jahre fpäter, als man bisher annahm, al8 Sohn des Bäder Hans 
Georg Schiller, Neffen des Großvaterd des Dichter, in Steinheim an 
der Murr geboren; für die Stelle in Körners befanntem Xondoner Brief, 
die zweifellos auf Johnſon und nicht auf den Studiofus geht, muß uns 
eine andre nicht minder ergögliche Nachricht entfchädigen, die ich ſchon vor 
Jahren publiziert habe (Archiv für neuere Sprachen 90, 32 Anmerkung), 
die aber nicht nur Weltrich entgangen zu fein fcheint, weshalb fie hier 
wiederholt fer.) ©. 764 über Schillers Yudwigsburger Kindheit und 
Karl Eugens Einwirkungen auf den Dichter: Kuno Fiſchers Anfiht von 
dem magischen Glanze diefer Jugendjahre und feine Hypothefen über das 
Verhältnis zwifhen Herzog und Dichter, fowie feine Auffaffung vom 
Charakter des erfteren werden mit Recht zurückgewieſen; hiermit wie mit 
feinen Erörterungen über Sturz verfällt er felbft der fonft von ihm fo 
arg verfpotteten Entlehnungsfuht. ©. 766 über Schiller8 Lehrer an der 
Ludwigsburger Pateinfchule: ihre Perfönlichkeiten werden zum erſten Mal 
genauer beftimmt und charakterifiert; falls Schiller, was wahrſcheinlich ift, 
aud) die oberfte Klaffe befuchte, genoß er den Unterricht Schwindrazheims, 
defien Kafualgedichte er fpäter im Repertorium beſprach. ©. 781 gegen 
die neuerlih mehrfach hervorgetretene zu günftige Bewertung der Militär- 
alademie als Erziehungsanftalt. S. 788 über den dortigen Unterrichts— 
gang: das von Minor herausgegebene poetifch-ftiliftiiche Schulheft foll 
fein Diktat in der Stunde, fondern Abfchrift eines Manuftripts des 
Lehrers fein; der neuerdings aufgetauchte Auffag über den Einfluß des 
Weibes auf die Tugend dc8 Mannes ıft, wie aud) mir fcheint, keine 
Schillerſche Originalleijtung, vielmehr vielleicht ein Diktat Abels, Leicht 


1) Reinhold Forſter berichtet ın einem ungedrudten Briefe an Boie (im Befig 
der Königlichen Bibliothek in Berlin) vom 12. November 1776: „Ein gewiffer 
ſchwülſtiger Schwabe, genannt Schiller, der den Hawkesworth verundeuticht hat, 
überſetzet dies Werk (Robertſons Geihichte von Amerika) für Neid) und Weidmanns 
Erben, welche dem engliichen Buchhändler 200 Pfund Sterling bezahlen, um nur 
die Bögen gleich zu befommten, wie fie die Preſſe verlaſſen. Diefer gute Schiller 
iſt zuweilen etwas dverrüdt im Kopfe. Einer feiner Pandsleute, ein Goldmacher, hat 
ihn zum Goldmachen und der Noienfreuzbrudergefellicaft befehrt; da arbeitet nun 
der Menſch im Kohlenſtaube, und da er ohnedem nicht ſehr veinlich ift, fo wird er 
vollends ein Cynicus und, um vecht fromm zu werden, welches das große Ge— 
heimniß erfordert, kaſteiet ev jeinen Yerb; dadurch iſt nun feine Geftalt der des 
Ton Quixote jo ähnlich geworden, daß man ihm nicht untericheiden kann. Er ift 
lang, mager, bat tief im Nopfe liegende Augen, die von einen verborgenen Feuer 
funkeln; er iſt So bleich und zugleid jo gelb, daß er ausftcht wie eine Haut im 
Rauche. Er ft sehr von fich Telbjt und von feinen Fähigkeiten eingenommmen und 
glaubt, day feine Borrede zum Hawkesworthiſchen Werfe das non plus ultra der 
Beredſamkeit und des menschlichen Berftandes ſeie. Ich bitte, leſen Sie diejelbe 
doch nur! Wehe unſerm armen Vaterlande! Mit dieſer elenden Brut von Überſetzern 
werden alle Werke der Ausländer verhunzt in die Hände der Deutſchen gegeben.“ 


348 Schillerlitteratur der Jahre 1898 und 1899. 


überarbeitet, was Weltrich wahiſcheinlich zu machen nicht gelungen iſt. 
S. 800 über Schillers Briefe an Dalberg: hier hat ſich das betrübende 
Reſultat ergeben, daß der Abdruck bei Jonas auf einer durchweg uns 
suverläffigen Nollation beruht und abgefchen von viclen Kleinigkeiten felbft 
eine Reihe grober Entjtellungen enthält; Weltrich giebt leider nur den 
authentischen Wortlaut der von ihm im Texte der Biographie citierten 
Ztellen, während wir für eine vollftändige KNollation gern ein Paar Ex— 
kurſe Hingegeben hätten. S. 810 zur Yanrafrage: die Perfönlichkeit 
Wilhelmine Andreas iſt nun wohl endgiltig eliminiert (vgl. Euphorion 
5, 141-5 über das feruelle Element in Schiller Jugenddichtung und 
Jugendleben babe ich mich cbendort und befonders S. 137 ausgeſprochen; 
intereſſant iſt ci briefliches Urteil Neinhards über die Anthologie \S. 829. 
S. 834 gegen Krauß' im Euphorion 4, 98 vorgetragene Erklärung dee 
Epigramms „Grabſchrift“, die ich für die einzig richtige halte dgl. 
Euphorion 6, 142. 2. 5365- >45 Abels handſchriftliche Aufzeichnungen 
uber Schiller, ſoweit ſie de Zuuttgarter Seit betreffen: der zufammen- 
bängende Audruck iſt ſehr dankenswert, zumal mancherlei neues darin ent- 
halten iſt: am intereſſanteſten ft wohl der Bericht vom Beſtehen einer 
„geheimen Verbindung“ zwiſchen Schülern und Yehrern, zu der aud) 
Schiller gehörte; Die Spiegelung des Junglings im dem Urteil feines 
bedeutendften Vehrers verdient durchgängig Beachtung. S. 849 zur Yes 
urteilung Schubarts: beſonders die Motive zu feiner Verhaftung werden 
behandelt und ein kurzer kritiſcher Uberblid über die Pitteratur, einen Dann 
betreffend, gegeben, der leider einen tongemalen Tarfteller feines Yebens 
noch wicht gefunden bat. S. 856 das ſehr intereffante Urteil Wielands 
und Goethes über die Räuber in einem Briefe des erjteren an Werthes 
vom 5. März 17>2, deſſen Wortlaut in Peterſens nachgelaſſenen Papieren 
anf und gelommen iſt. Endlich 2. 58 874 zur Genealogie der Familie 
Schiller, die weſentlich durch Korichungen Haffners nunmehr zurück bie 
in die fünfte Generation vor dem Tichter ale ſicher aufgehellt gelten 
darf: nicht, wie man seither aunahm, Großheppach, ſondern Neuſtadt bei 
Waiblingen iſt der alleſte erlennbare Stammort der Familie. — 

Die Veziebungen des Dichters zu Erfurt find der Gegenſtand eines 
Scbrötchens son Albert Bil Schiller in Erinrt. Halle, Kaemmerer 
1-08. Tasielbe Thema iſt üben IS7O von Borberger ziemlich erſchöpfend 
behandelt worden und nur wenige gerinqwertige Nachträge konnten bei— 
gebracht werden. Werkluhe Veztehungen zwijchen Schiller und Erifurt 
heilanden nur wahrend der Jahre 17>0--17091: durch Yotte tam der 
Dichter Karoleine von Tacheroden, der intimen Freundin der Schweſtern 
Lengeield, und den Freunden des Dacherödenſchen Hauſes, in erſter Linie 
Dalberg nahe, mut dem ſich dann cine dauernde Verbindung erhielt; 
wahrend jener Jahre kam er zuwerlen nach Eifurt und hielt dort auch 
reine zweimonatliche Rachkur nach dem Beſuche Karlsbade im Herbſt 1791. 


Schillerlitteratur der Jahre 1898 und 1899. 349 


Später wird uns erit wieder im Mat 1803 ein Beſuch einer militäriichen 
Veftlihkent in Erfurt bezeugt. Nur dadurch, daß der Berfaffer allerhand 
Erfurtiſches, das niht Schillers Perfönlichfeit direkt betrifft, Himeinzog, 
wie 3. B. Timmes Kritik der Räuber, Cophie Albrecht, Fräulein von 
Arnım, war e8 möglich, einen zufammenhängenden Faden zu fpinnen, und 
das Gewebe iſt noch immer loder und fadenfcheinig genug geblieben. Ein 
Paar Slleinigfeiten feien hervorgehoben: die urkundlichen Daten über 
Timme (©. 7, eim änßerft fpaßhafter Prolog der 1782 in Erfurt 
fpielenden Ilgnerſchen Truppe mit Erwähnung der Räuber (S. 11), 
Nachrichten über Aufführungen der Räuber in Erfurt 1782 dur Dilet- 
tanten und 1805 durch Schuhmachergeſellen (S. 12), die biographifchen 
Hotizen über die in der Wielandforfhung fonfundierten Brüder Baumer 
an der Erfurter Univerfität (S. 18), Sophie Albrechts Hymne auf Schiller 
(S. 23), zwei Stammbucheinträge Schillers von 1791 für Juſti und 
Engelfchall, einer aus Juvenal, der andre aus Wielands Mufarion (S. 51). 
Unangenehm ift die Überfülle von Drudfehlern in dem dünnen Heften, 
defien Sprache ftellenmweife ſchwülſtig und phrafenhaft iſt; die Darftellung 
beginnt mit einer ‘Parallele zwischen den verfchiedenen „Schillerftädten oder 
doch Schillerftätten“ und den fieben griechischen Städten, die fih um die 
Geburt Homers ftritten, und fchlicht mit dem Wortlaut der Erfurter Rolizei- 
berordnung von 1597, die dortige Echillerftraße betreffend! Bedaucrlicher 
als ſolche Seihmudlofigfeiten ift der Umſtand, daß ſich der Berfaller 
jowohl in Schillers Werfen wie in der Scillerlitteratur häufig mangelhaft 
orientiert zeigt: bei der in dem Hymnus der Eophie Albrecht gefeicıten 
Schillerſchen Leonore fällt ihm Fiesco nicht ein und cr fegt ein Frage: 
zeihen Hinter den Namen ıS. 24); die Behauptung, daß Humboldt feine 
Frau im Winter 1789— 1790 kennen gelernt habe (S. 33), iſt unrichtig; 
S. 44 wird noch immer Herchenhahn als Hauptquelle des Wallenftein 
aufgeführt; nah S. 15 ſoll Profeſſor Dominikus, von dem wir mur 
wiſſen, daß er Schiller beim Quellenſtudium für Wallenftein bibliothe- 
farisch umterftüßte, der „erste Weranlaffer” der Dichtung geweſen fein; 
von Schillers geplanter Denkſchrift für Ludwig XVI., die durch Zacharias 
Becker ins Franzöſiſche überfegt werden follte, ſpricht der Verfaſſer mit 
Verufung auf eine obifare Quelle wie von einer unaufgeflärtin Sache 
(9. 56), während wir doch durch Schillers eigene Briefe (3, 231. 233. 
234. 216) genau darüber orientiert find; ©. 69 wird berichtet, daß 
Schillers Erempfar von Murrs Überfegung des „Haoh Kiöh Tſchuen“ 
ſich jetzt in der Erfurter Bibliothek befindet und daß Schiller eine Neu— 
bearbeitung dieſes chineſiſchen Romans geplant habe, nicht aber, daß der 
Anfang davon erhalten und in den Sämtlichen Schriften 15, 1, 372 
gedrudt iſt. — 

Allgemeinere Ihemata, größere Ausichnitte aus Echillers Gedanken— 
welt behandeln dic Zchriften von Udo Gaede (Schillers Abhandlung 


350 Scillerlitteratur der Jahre 1898 und 1899. 


über naive und fentimentalifhe Dichtung. Studien zur Ent—⸗ 
ftehungsgefchichte. Yerlin, Dunder 18991, Heinrih Borkowski (Der 
Glaube an die Unſterblichkeit der Seele in Schillers Yeben, 
Philoſophie und Tihtung. Königsberg, Teichert 1898: und Otto 
Pietſch (Schiller als Kritiker. Königsberg, Gräfe und Unger 1898). 
Gaede behandelt nicht die äußere Entitchungsgefchichte der grumdlegenden 
Scillerihen Abhandlung von 1795/96; ihre Daten find, fomweit fie uns 
ans den Briefen Schiller entgegentreten, hinreichend bekannt und bedurften 
faum erneuter Zufammenftellung, zumal keinerlei Nermehrung des Materiale 
zu verzeichnen it. Cr giebt vielmehr eine furze Wberficht der Gedanken⸗ 
entwidlung der Abhandlung in Rückſicht auf die Geneſis und Ausbildung 
der hauptiädhlichiten Begriffe und veriucht den Einfluß Kants und Goethes 
anf jie Scharf heranszuarbeiten. Die Tarlegung fußt ganz auf den be« 
fannten Arbeiten von Harnack, Verger, Stein und befonders Kühnemann; 
ih kann nicht finden, daß irgend cin nener Geſichtspunlt, eine neue 
Kombination vom Verfaſſer geliefert werden tft, ja nicht einmal, daß die 
zu runde Legenden Gedankenreihen jener Arbeiten überall ganz Mar 
wiedergegeben find, jo dag mir auch der Zweck der ganzen Schrift nicht 
klar geworden iſt und ich mir nicht recht denken fann, für welden Yeler- 
kreis fie berechnet fein mag. Sehr ftörend ift, daß Schillers Briefe noch 
immer nach den Winzelansgaben, die an Goethe fogar nah Nummern 
citiert werden; man jollte fich Doch gemöhnen, ein für allemal nah Yona' 
Sammlung gu cineren, zu der ja doch jeder greifen muß, der das Bild 
des Epijtolographen Schiller in feiner ganzen ımponierenden Größe erfaffen 
will. Ein recht unangenehmer Trudiehler iſt S. 29 in einem Gitat ftehen 
geblieben. — Borkowekis Arbeit iſt aus einer gelegentlih ausgelprodenen 
Anregung Kuno Fiſchers erwachſen, c8 möge Schillers Berhältnie zum 
Unſterblichlkeitsglauben genaner unterficht werden. Zie verfolgt die Ans— 
ſprüche des Dichters über eſchatologiſche Tinge, fpeziell über Natur und 
VBeſimmung des menſchlichen Geiſtes, von der mit dem Kirdenglauben 
fombimerten Philoſophie und Theoſophie der Stuttgarter Nugendjahre 
durch de materialiſtiſchen Stimmungen der Folgezeit bis zu der end- 
giltigen Feſtigung einer ipiritualiſtiſchen Srumdanficht dur Kant, gemäß 
deren er auf der Hohe des Lebens im lebendigen Geiühle unfrer die® 
ſeitigen Veſtimmung jedes nähere Eingehen auf die an fidh poftulierte 
Unsterblichkeit auf Tich beruhen ließ, nicht aus Unglauben, fondern in der 
Überzeugung von der wiiienihaftkihen Unlosbarfeit des Problems und 
aus Widerwillen gegen den finnlichen Mißbrauch diefer Yehre. Die Dar- 
ſtellungäwenſe des VRerfaſiers iſt häufig vecht breit, Ttellenmweife -fo ın den 
Spekulationen S. 109 aud unklar; Nam orthoder-hriftliher Standpunkt 
kommt hie md da namentlich S. 41 Anmerkung in einer Form gu 
Worte, die der Objektivttät der Unteriuchung nicht vorteilhaft iſt. In der 
Schillerlitteratur zeige fih der Veifaſſer ziemlich gut orientiert: nur daß 


Sc)illerlitteratur der Jahre 1898 und 1899. anl 


ie Kinderbriefe an Moſer für echt hält (S. 7. 17), hätte ihm nicht 
Ben follen. Daß die Erwähnung der Seelenwanderung in Scillers 
angsdifjertation durch Leſſings Erziehung des Menfchengefhlehts an- 
gt fein fol (2. 17), iſt unwahrſcheinlich, da eine Anfnüpfung an 
inets Anfichten weit näher liegt. — Pietſch unterfuht in feiner recht 
ıhbaren und tüchtigen Abhandlung nit, wie man nad) dem Titel 
ırten könnte, Schillers kritiihe Methode, wie fie ſich allmählich bei 
auggebildet und modifiziert bat, fondern ftellt weſentlich veferierend 
yankenswerter Weife feine feitifchzäfthetifhen Überzeugungen und Urteile 
Profafchriften und Briefen zufammen, ohne zur Gewinnung höherer 
ihtepumfte oder größerer Zuſammenhänge vorzudringen. Er gliedert 
illers fritifche Arbeit in drei Perioden nad) Shaftesbury, Kant, Goethe, 
jein Seiftesleben nacheinander umbildend bejtinnmenden Perfönlichkeiten. 
ihrem ganzen Verlauf bemerft er dementjprechend dreierlei verjchiedene 
halten der äfthetiich-fünftlerifchen Veranlagung in Schiller zur mora- 
en: in der eriten ‘Periode wiegen moralifche Gefichtspunfte bei weitem 
in der zweiten regt fih ſchon ftarf die Dppofition des Künſtlers, im 
dritten fommt die rein äſthetiſche Betrachtungsweiſe zu endgiltigem 
ichbruch. Das legtere Faktum fpiegelt fi, wie treffend S. 137 bemerkt 
„ in der Nangordnung der naiven und jentimentalifhen Poefie. Nicht 
einſchlägigen Aufſätze Schillers find vom Berfajjer mit gleicher Hin- 
und Vertiefung behandelt: während 3. B. die in legter Zeit mehrfach 
hrer großen Bedeutung befjer gewürdigte Matthifjonrezenjion eingehend 
rohen, die Abhandlung über naive und fentimentaliiche Dichtung ge- 
rend berüdfichtigt wird, ift dag, was über Anmut und Würde, über 
äfthetifchen Briefe und befonder® über die Xenien ausgeführt wird, 
; unzureichend und mager; auch Schillers vornehmſte fpeziell kritiſche 
ung, die Briefe über Wilhelm Meifter, ıft nicht glanzvoll genug her» 
jearbeitet. — 

Ein dankbares Kapitel ans der Gefchichte der litterarijchen Nach— 
ung Schillers behandelt Guftav Neinhard (Schillers Einfluß 
Theodor Körner. Ein Beitrag zur Vitteraturgefhichte. Straßburg, 
ber 1899.. Die Arbeit ſtammt aus Elſters Schule und beruht in 
ge, Geſichtspunkten und Terminologie auf dejjen Prinzipien der Yıtte- 
rwiſſenſchaft, joweit diefe überhaupt für das Thema des Verfaſſers in 
acht famen. Schillers Einfluß auf Körner, ſchon zeitgenöffiichen 
ınden und Stritifern des Dichters deutlih und von ihnen bereite 
rfach als verderblih und zu flacher Schablone verführend erfaunt, in 
ı Yitteraturgefchichten hervorgehoben, war bisher doch noch nie eins 
nd unterfucht worden; nur gelegentlihe Bemerkungen in den Körner- 
ften von Biſchoff, Feierfeil und Welsmann lagen vor. Auch die vor: 
de Arbeit erfchöpft den Stoff nicht, ftellt vielmehr eine Fortſetzung 
usficht, in der SKörner® Syntax und Metrit auf Schillerſche Cin- 


CR Bud ».) 


357 Schillerlitteratur der Jahre 1898 und 189%. 


wirkung hin unterſucht werden ſollen. Behandelt ſind nach einer Einleitung, 
die die verſchiedene Wertſchätzung Körners bei Mit- und Nachwelt beſpricht, 
in fünf Kapiteln die pſychologiſchen Beziehungen beider Dichtercharaltere, 
gemeinſame poetiſche Motive, ſprachliche Anklänge, der bildlihe Ausdrud 
und der Mortihag. Die beiden Tichtern gemeinfamen Motive, die 
beionders stark natürlich auf dem dramatischen Gebiete hervortreten, find 
mit aller nur wünſchenswerten Volljtändigfeit zujammengeftellt (die von 
Jonas behauptete Abhängigkeit der Hedwig von Schiller® geplantem zweiten 
Teil der Räuber wird S. 50 mit vollem Redte ala nit plaufibel ab- 
gelehnt .; höchſtens fünnte man für den Eingang der Rofamunde 2, 262 
Zimmer: einen Hinweis auf Schillers Zemele vermiſſen. Recht befriedigend 
wegen der reihen Fülle des wohlgeordneten Materials find auch die beiden 
Schlußkapitel über den bildlichen Ausdrud und den Wortihag, die eine 
Neihe wertvoller Peiträge zur Erkenntnis aud) der Schillerſchen Dichter- 
jprache bringen und Goedekes lückenhafte Wortverzeichniſſe vielfady ergänzen. 
Was beider Dichter Vorliebe Für neue und fühne Nominalcompofita be- 
tritt, So hätten neben den zahlreichen Übereinftinmungen der Phraſeologie 
auch fo individuelle Kornerſche Neubildungen wie „Eiſenfreude“ und 
„Eiſenbraut“ im Zchwertlied 1, 115. 118. gewürdigt werden follen. 
Was ich weiter noch durchgängig hier vermiſſe, it eine Eiwägung dar—⸗ 
über, inwieweit etwa beiden Sängern gemeinſame Worte Gemeingut der 
poetiſchen Tichteriprache der Zeit oder doch wenigſtens ihnen beiden nicht 
allein eigentümlich geweſen ſind. Eine Antwort darauf kann freilich nur 
anf EGrund ausgiebiger eigener Sammlungen lexikaliſch- ſtiliſtiſcher Art ge 
geben werten, da die vorliegenden Wörterbücher meiſt im Stich laſſen; 
aber wenn der Verfaſier z. B. S. 125 von dem Worte „Morgenduft“ 
behauptet, daß es „im Anfang dieſes sahrhunderts noch feltener“ geweſen 
ſei, jo durite ihm schon einfallen, daß Goethe es in der „Sueignung“ 
Kers »51 verwendet. Im allgemeinen läßt er ſich über die Häufigfeit 
oder Seltenheit einer Kompoſition bei andern Tichtern überhaupt nicht 
aua. Eine ähnliche Frage hat man das Recht für die Schillerſchen 
Veetaphern in Vezug auf ihre Driginaluät oder Allgemeingiltigleit auf- 
zuwerfen: auch hier ſtehen wir erſt in den Anfängen einer vergleichenden 
itilutiich litterarhntoriichen Vetrachtung, die zugleich Blicke in die Pſychologie 
einzelner Tichter geftatten wnrde: denn es iſt nicht ganz dasſelbe, wenn z. V. 
„wilde Triebe” ber Schiller und Körrer S. 112 md in Fauſts Monolog 
im Studierzimmer Bere 1182 erſcheinen. Eiſt eine vergleichende Be⸗ 
handlung ciner ganzen Keriode oder Tichtergeneration, die Kemeinſames und 
Oruginelles zu iondern geſtattete, wirde eine ſolche Sammlung ihres rein 
ſtatürnichen Charakters enttleiden können. VBei weitem nicht erſchöpft bat 
der Kerinſier die Fülle iprachlicher Anklänge an Schiller, die ſich ſowohl 
in den aäalteren lyriſchen mie im den dramatijchen Werken Körners in faſt 
unzuhlbarer Venge aufwerien laſſen. Torothea Schlegels Ausſpruch, daß 


Schillerlitteratur der Jahre 1898 und 1899. 353 


Körner Werke aus lauter Reminiſzenzen aus Schiller beftünden, ift 
zweifello8 übertrieben; aber trogdem giebt e8 zahlloje Stellen feiner Dich- 
tungen, die man faum anders charakterifieren fann wie als eine Moſaik aus 
Schiller. Körners Diktion erfcheint förmlich durchtränkt von Schillerſchen 
Wendungen. Die kleine Nachlefe zu des Verfaſſers Sammlungen, die ich 
unten gebe, ift mir aus einer kurſoriſchen Lektüre erwachſen und macht 
auf Bolftändigkeit feinen Anfprud.!) Namentlid) würden die „Knoſpen“ 
noch eine fehr veiche Ausbeute an Parallelftellen ergeben. Wunderbarer- 
mweife fagt der Verfaſſer ©. 58: „Leider ift die Frage, ob Körner wiffent- 
(ih bei Schiller auch in fprachlicher Richtung Anleihen gemacht hat, nicht 
zu entfcheiden.“ Ich Halte wilfentliche Benugung der Schillerfchen Diktion 
für pſychologiſch Höchft unwahrſcheinlich, abgefehen natürlih von direkten 
Citaten wie den ©. 65. 97 befprodenen; die Nachahmung ift eine 
durchaus unbemwußte, fie ergab ſich unwillfürlich bei einem Yüngling, der 
jeit feinen Kinderjahren „in Schillers Werfen lebte und webte“ (S. 48) 
und fih ohne ftrenge Selbſtkritik dem Teichten Fluſſe feiner poetifchen 
Sprachbehandlung willig hingab. Auch mit einem andern Urteile des Ver⸗ 
faſſers kann ich nicht übereinftimmen: „Die Feſſel Schillers in der Sprache 
hat Körner nie zerbrechen können, ja er hat es nicht einmal verfucht, 
eigene Bahnen zu gehen“ (S. 70). Schon eine oberflählihe Betrachtung 
lehrt, daß überall da, wo Körner fich in metrifchen Formen bewegt, die 
Schiller niemals oder doch nur felten gebraucht hat, alſo namentlich in 
feinen Alerandriner« und Knittelversdramen der Einfluß der Schillerfchen 
Diltion ganz merklich geringer ift al8 in den Sambendramen, für die 
Schillerfhe Muſter in großer Zahl vorhanden waren. Freilich bilden 
jene Stüde nur eine vorübergehende Epifode in Körnerd dichterifcher 
Entwidlung. Sicher ift jedenfalls, daß feine zweite Dichtergeftalt einen 
ftärferen Einfluß auf Körners Schaffen gewonnen hat als Schiller. Wie 
felten ift etwa ein Anklang an Goethe: mir ift nur der Schluß des 

1) „In der Erde dunklem Schofje blühen uns die fchönften Lofe” (1, 9): vgl. 
Slode 235. 243. — „Zu den blauen Höhn“ (1, 10): vgl. Pegafus im Joche 92 
und Eleufiiches Feſt 99. — „Mit Zentnerjchwere” (1, 11): vgl. Berjchleiertes Bild 
zu Sais 46. — „Und knirſchend fühlt er da des Staubes Siegel auf feiner Stirn“ 
(1, 19): vgl. Kettner in der Zeitfchrift fir deutfche Philologie 17, 412 Anmerkung. — 
„An Ufers Grün“ (1, 33): vgl. Piccolomini 1761. — „Er weiß, wie die Wilrfel, 
die eiſernen, fallen“ (1, 49): vgl. Die Schlacht 4 und Yiesco 5, 5. — „Zum Steine 
füge fühn den Stein” (1, 76): vgl. Eleufifches Feſt 176 und Gunft des Augen- 
blicks 26. — „In der Jugend Prangen“ (1, 179): vgl. Glode 62. — „Er ift ein 
heitres Sternenkind, wie alle Joviskinder find” (1, 205): vgl. Biccolomini 986. — 
„Bilder ſtürmt' ich in der Brüder Reih'n“ (1, 217): vgl. Glode 69. — „Der 
Schöpfung Dearkitein” (2, 44): vgl. Die Größe der Welt 24. — „Pechkranz“ (2, 
147): vgl. Piccolomini 1915. — „Und ftänd’ die Welt in Waffen gegen mich“ (2, 
299): vgl. Stickelberger, Parallelftellen bei Schiller S. 111. — „Die Hölle ftcht 
vernichtet; König der Könige, du haft gerichtet!” (2, 360): vgl. Gang nad) dem 
Eijenbammer 231. Im allgemeinen fer auf Stidelbergers Abhandlung vermiejen. 

Eupborion. VII. 23 


354 Schillerlitteratur der Jahre 189*8 und 189%. 


zweiten Altes der Hedwig „Der Himmel finkt, die Hölle hat mich wieder!“ 
(2, 237) aufgeftoßen, dem Fauſts Djtermonolog (Bere 784) doch wohl 
zum Borbilde gedient hat. Wünſchenswert wäre eine Unterſuchung über 
den Einfluß Novalis' und Kotzebues auf Körners Tichtungen: jener ıft 
in allen Wergmannsliedern und auch etlihen andern Gedichten der 
„Knoſpen“ fpürbar; an diefen fühlte ſich bei den Dramen des Wiener 
Hoftheaterdichters Dorothea Schlegel erinnert, die und zugleich Lektüre 
und Hohihätung Werner® durch Körner bezeugt (2, 139.. 

Zur Einleitung, die die zeitgenöflifchen Urteile über Körner ver: 
zeichnet und beipricht, feien noch ein paar Bemerkungen und Nacdhträge 
gegeben. Mit Recht leat der Verfaffer auf die fehr ausführlichen Urteile 
Wilhelm von Humboldt und die trog ihrer Kürze doch inhaltreichen 
Bemerkungen Goethes befonderg großen Wert: von Humboldts Charakte 
riftif in feinem Briefe an den Water Körner vom 28. November 181? 
jagt er S. 5 treffend, daß fie zum Weiten gehöre, was über den Tichter 
geichrieben worden fer. Yeider find Humboldts Worte in dem Abdrud bei 
Jonas ‚Briefe an Körner ©. 1351, auf den natürlich auch der Verfaſſer 
ſich ftügt, durch zwei belangreihe und einige Mleınere Irrtümer entjlellt, 
die ich hier nach der Handjchrift berichtige: nicht das „theoretiiche“, fondern 
das „theatralifche” Streben hält Humboldt ı<. 136) jür unendlich not- 
wendig für den Lichter neben dem poctichen nnd meint S. 137°, fein 
unmittelbares „Geſchäit“ nicht „Gefühl“ bringe den Tichter in Gefahr, 
für Gehalt zu nehmen, was feiner jer.!; Auch den an pinchologiichen 
Bemerkungen reichen Brief Humboldts vom 1. Juli 1812 iS. 128) 
hätte der Verfaſſer citieren jollen, zumal er manche authentiiche Veftätigung 
für feine Aufſtellungen im erſten Kapitel (3z. 2. S. 14 über Körner 
als Student, S. 15 über jene Ghbarafterfeitigfeit gegen die Gefahren 
einer großen Ztadt bringt: daß Humboldt hier zweimal von Körners 
„enticdhiedenem Talent“ veset, wörtlich wie Goethe in feinem Ariefe vom 
25. April des Jahres an den Water des Tichters, erklärt fid) vielleicht 
daran, daß Goethe dieſe furze Charakteriſtik auch mündlid in dieſer 
Faſſung anmandte, ala er Mitte Inni Humboldt ber feiner Durchreiſe 
in Karlsbad ſah vgl. Goethes Tagebücher 4, 201. Weiter fommt ein 
Arieſ Humboldts an GGoethe vom v. nicht 7. Zeptember derjelben Jahres 
Briefwechſel S. 215 in Vetracht, der em ausführliches Urteil über den 
Zriny enthalt, deiſen ſtumme Mataltrapbe eine Sond'erbarkeit fer vgl. 
auch Dorothea ?. 158°. Was Goethes eigene Stellung zu Korner angeht, 
fo wäre noch auf ſein wohlwollendes Urteil von 1821 Goethejahrbuch 4, 
sen zu verweiſen, iowie Biedermaun, Koethe und Tresden S. 17 zu 
vergleichen über Theodors projeltierten Wemariſchen Aufenthalt ſpricht 

Am DE vr Deo 135, 97,02” Halt „ud 28 „abır” ſtatt „eben“; 
156, vonder „art tale „end 35. DR BIT“ at „mins 197, 15 „gealt- 
reiheren“ ſiatt „gehalt caben”. 


Scillerlitteratur der Jahre 1898 und 1899. 355 


der Vater auch Goethejahrbuh 8, 60); die dort citierte Stelle über 
den „Better aus Bremen“ fteht jest auch in Goethes Gefprädhen 3, 163. 
Sein Altersfreund Zelter teilte Goethes günftige Meinung durdaus nicht: 
er findet, Hedwig fei ein den Käubern nacdhgequältes Stüd, in Roſamunde 
jet der Stoff dur große lange Worte aufgefpreist und -getafelt (Brief- 
wechjel 2, 164. 3, 334); den „Nachtwächter“ lobt er daneben troß der 
„alten Intrigue“ (2, 189). Daß er dem Jüngling jediwede individuelle 
Entwidlungsmöglichkeit abfpricht („mehr, als er war, wäre er fchwerlid) 
worden“ 3, 334), erinnert an die herzlofen Worte Philipp Veitd nach 
Körners Tode (Dorothea 2, 208); hier fah doch wohl der feine Seelen- 
fenner Humboldt Harer, wenn er fi) von dem Aufenthalt unter Goethes 
Augen eine vertiefende Wirkung auf Körner verfprad. Daß Zelter mit 
feiner kritifchen Ablehnung in Berlin nicht allein ftand, lehrt uns Ludwig 
Robert (Briefe an Tied 3, 152), der Körners Popularität und Verdienſt 
an der Größe freilich eines der Gewaltigſten mißt, Heinrichs von Kleift. 

Eine Edrift von Emil Mauerhof, nah Kürfchner Kunftphilofoph 
und Lyriker in Rom, (Schiller und Heinrih von Kleift. Züri und 
Leipzig, Hendel und Co. 1899) hier als ernftgemeinte Yeiftung zu 
behandeln würde id, vor den Yefern diefer Zeitfchrift nicht verantworten 
können. Nicht Yitteraturgefchichte treibt der Verfaffer (nennt er doh ©. 7 
die Yitterarhiftorifer mit phariſäiſcher Einbildung „Irrlehrer der öffent: 
(hen Meinung, nicht fo fehr aus Bosheit wie aus Unverftand“), fondern 
fubjeftivjte Kunftphilofophie. Seine Schrift ift ein himmelftürmender Pane- 
gyricus auf Kleift, nebenher auf Shafefpeare, und zugleich eine unver- 
Ihämte Schmähſchrift auf Edhiller, daneben auch auf Goethe, Hebbel und 
andere: Kleift aber hat folhe phrafenhaften Tivaden nicht nötig und gegen 
die geihmadlofe und mwiderwärtige Verunglimpfung Schiller8 legen wir 
die entfchiedenite Verwahrung ein. Treffend bemerkt der Berfaffer S. 136, 
„daß die gefhmwägigen Narren wie gemöhnlid das große Wort in der 
Welt führen”; feine Ausführungen haben wenigftens das zweifelhafte Ver- 
dienft, bie und da zur Erheiterung zu gereichen. Um des Verfaſſers Stil 
und Screibmweife zu charafterifieren, feien hier einige der Attribute zus 
fanımengeftellt, mit denen Schiller und feine dichterifchen Geſtalten von ihm 
belegt werden: „Inabenhafte Unreife“, „unfinnig“, „Phraſe“ (eine Yieblings- 
bezeichnung), „gefchminfte Kragen“, „durch und durch Lüge“, „ftumpffinnig“, 
„Faſelhans, Faſelei“, „Loftümierte Wachsfiguren“, „milchfarbener Bieder⸗ 
mann“ vom Wallenſtein), „klägliche Ohnmacht des Verſtandes“, „Mumpitz“, 
„albern“, „äußerliche Poſe“, „Geſalbader“, „Quaſelei“, „ſtudierte Gri« 
maſſen“, „Pfuſcherei“, „Monſtrum“, „ſcheuſälige Mißgeburt“, „konfus“, 
„dickthueriſch“., „Beſtie“, „Bombaſt“, „Flauſen“, „ſtreberhaftes Gelüſt“ (von 
Schiller gegenüber Goethe und Shakeſpeare) u. ſ. w.; nebenher fällt auch 
für Goethe einiges derartige ab: „dramaturgiſche Stümpereien“, „drama⸗ 
tiſche Fehlgeburten“, „groteske Lüſternheit“, „Kannibalismus“, „ausge: 

23* 


356 Gebhardt B., Wilhelm von Humboldt als Staatsmann. 


iprochener Blödfinn*. Derartige gefällige Stilblüten find faft auf jeder 
Ceite zu finden. Sachlich ift aud nicht das allermindeite beigebracht, 
was Beachtung verdiente, wogegen der, den es danach gelüftet, allerhand 
merkwürdige Neuigkeiten bier lernen kann: mas Kleiſts Amphitrnon 
eigentlich bedeutet ‘S. 18), daß der „Zerbrochene Krug“ eigentlich ein 
vierter Alt eines Dramas ift (S. 17\, daß „der Götheverein“ (!) „jegt” 
Urfunde auf Urkunde aus den Archiven gräbt (S. 24), daß Hebbels 
GSeftalten „mehr oder weniger faft alle verrüdt“ find, „die einen zeitweilig, 
die andern dauernd“ (S. 116), daß Shakeſpeares Sturm und Kleifts Prinz 
von Homburg Allegorien find, jener für den „Künftler und die Gefell- 
ſchaft“, diefer für „Genie und Borjehung“ ıE. 136), daß Widmanns 
„Jenſeits von Gut und Böſe“ in eine Reihe mit Galderon und Grill⸗ 
parzer gehört sebenda‘ u. f. w. Daß es auch mit der Bildung des Ber- 
fafferg nicht weit her it, nimmt nad dem allem nit wunder: ©. 152 
citiert er einen unmöglihen lateiniichen Herameter, der von Horaz fein 
fol, S. 1665 läßt er Decius Mus ftatt Marcus Gurtius einen Abgrund 
füllen. Die deutiche Eprade darf ihm für die Neufhöpfung der ſchönen 
Morte „bühnifh* ıE. 990 und „menſcherlich“ (S. 107) dankbar fein. 
Jena. Albert Peigmann. 


Gebhardt B., Wilhelm von Humboldt als Staatsmann. 2. Band. 
Die zum Ausiheiden aus dem Amte. Stuttgart, Cotta 1899. 


Wie voraus zu fehen war, iſt diefer zweite Band ungleich intereflanter 
und bedeutender als der erſte. Wohl umfaßt er bei einer faft gleichen 
Bogenzahl nur ſechs Jahre der ſtaatsmänniſchen Ihätigfeit Humboldte, 
jener elf, trogdem wird man dieemal ten Vorwurf der Yreite, den wir 
dem erſten Band wenigftens für einzelne Teile madhen mußten, nıcht 
erheben können. Tas Feld des Humboldtſchen Wirkens ıjt eben für 1815 
bie 1819 ein viel weiterer, die Gegenſtände desjelben viel wichtiger ale 
zwiſchen 1r02 und 1815. Dort waren nur feine Verhandlungen mit 
der Kurie, feine Yertung des Unterrichtameiens und jeine doch ziemlich unter- 
geordnete diplomatische Thätigkeit in Titerreich bie zum Prager Kongreß 
zu verfolgen; bier fein Anteil am Wiener Kongreß, feine Arbeiten zur 
deutfchen und ſpäter zur preußiſchen Verfaſiung, feine Wirfiamfeit im 
Stantärat und ale Winter, endlich der Kontlift, der zu feinem Ausfcheiden 
aus dem Amte führte. Alle dieſe Kunkte bat Haym berührt und wem c& 
nur darum zu thun ıft, die Grundzuge von Humboldte Weien ala 
Rolitiker fennen zu lernen, wird lich immer noch an jenen halten fönnen, 
auch nad Gebhardt find die entſprechenden Kapitel Hayms noch nicht veraltet. 
Aber eıne Menge Yuden werden bier ausgefüllt, eine Menge neuer Einzeln: 
beiten befannt gemadt, das wohlbelannte Bildnis durch viele feine Züge neu 
belebt und dar Nolorit erhoht. Zo mas Humboldis Haltung in der polnischen 


Gebhardt B., Wilhelm von Humboldt als Staatsinann. 357 


und ſächſiſchen Frage betrifft, über die Haym mit ein paar Worten 
hinweggehen mußte. Aber auch Treitſchkes Borwurf, Humboldts Bericht 
vom 20. Auguft 1814 trage alle Schuld an den Fehlern der preußischen 
Politif auf dem Wiener Kongreß, kann Gebhardt zurüdweifen, er zeigt 
unter anderem an einer Gengifchen Außerung, daß bie Auffaffung Hum- 
boldt8 von der Gefinnung Dfterreih8 gegen Preußen nicht zu optimiftifc) 
war. Angenehm empfinden wir die billige Beurteilung der öfterreichifchen 
Haltung in der ſächſiſchen Frage und die maßvolle Zurüdweifung der 
Treitſchkeſchen Invektiven auch in diefem Punkte. Wir lernen dann eine 
Reihe von Denkſchriften und Gutachten Humboldt8 zur beutfchen Frage 
fennen, die eine wertvolle Ergänzung der einfchlägigen großen Arbeiten, 
die Schon Perg und Schmidt (Geſchichte der deutſchen VBerfaffungsfrage) 
geben konnten, liefern. Zugleich lehrt eine auf Grund des in den legten 
Decennien jo veih zu Tage getretenen neuen Materiald angeftellte Er- 
wägung dejlen, was damals überhaupt in der deutichen Trage erreichbar 
war, daß Hayms ſcharfes Wort „eine ftarfe deutiche Verfaffung half er 
weſentlich mitverjpielen und verfcherzgen“ ungerecht war, ja daß Hum- 
boldt fogar in nicht ganz untergeordneten Dingen einen für die deutjche 
Zade günftigen Einfluß auf feine Regierung ſowohl, wie auf die öfter- 
veichifchen Staatsmänner nahm; fo befämpfte er fiegreidd die Stein— 
Dardenbergfche Idee von der Ausfchließung aller oftelbifchen preußifchen 
Gebiete, des Erzherzogtums Dfterreih und der böhmifchen Yänder vom 
Bunde (Protokoll einer Konferenz vom 8. September 1814 und Beilage 
zum Protokoll vom 9.), fo beftimmte er Metternich zu einem entjchiedeneren 
Auftreten gegen die allzu anmaßende bayrifh-württembergiiche Oppofition. 
Deutlicher als bei Haym treten auch feine Anftvengungen hervor, die 
Wirkungen des unglüdjeligen Geſpräches Friedrich Wilhelmd mit dem 
Zaren vom 5. November zu parieren. Bon Arbeiten zur Ausgeftaltung 
des einmal befchlofienen deutfchen Bundes ıft feit Haym manches Neue 
ihon vor Gebhardt veröffentlicht werden; fo eine große Denlſchrift über 
die Grundzüge einer preußifchen Bundespolitif, wie er fie empfahl, vom 
30. September 1816 ıvon Konftantin Rößler in der Zeitjchrift für 
preußifche Geſchichte IX) eine andere über das Verhältnis des Bundes 
zur fatholiihen Kirche (bei Mejer, Zur Geſchichte der römiſch-deutſchen 
Frage‘, eine dritte über die Preßfreiheit (von Ulmann in den Forſchungen 
zur brandenburgiſch-preußiſchen Gefchichte VII). Gebhardt benugt und 
analyfiert fie nicht nur alle, ev wägt auch ihre Bedeutung für den Moment 
ſowohl wie für die Zukunft verftändig-gemiffenhaft ab. Die Denkichrift 
vom 30. September nimmt er gegen ihren eigenen Herausgeber in Schuß 
und konſtatiert die vielfache Abereinftimmung der Anſichten Humboldts 
über den Weg, den Preußen am Bunde zu gehen habe, mit denen Bis- 
mardd aus den Fünfzigerjahren. Auch bringt Gebhardt zu dem Neuen 
noch Allerneueftes, jo ein Gutachten vom April 1817 über die Kompe- 


358 vudwig Börnes Geſammelte Schriften. 


tenz des Bundestages Privatbeſchwerden gegenüber. Alle die Schriften 
find doch auch charakteriſtiſch für den Schriftſteller Humboldt, und wer eine 
neue Gefamtdarftellung feines Yebens und Wirkens unternähme, dürfte fie 
nicht überfehen. Seine Stellung zur preußischen Berfajjungsfrage war 
ſchon Haym ganz klar, die Dentichrift vom 4. Februar 1819 Hat fchon 
Pers befannt gemacht und auch in die Werke Humboldts wurde fie auf: 
genommen. Aber höchſt erwünfcht und lehrreih ift Gebhardts Vergleich 
derfelben mit den gleichzeitigen Anfichten der Doftrinär:Viberalen, wie fie 
Rotteck vepräfentiert, der Feudalen vom Schlage Hallers, der Stabihitäte: 
prediger wie Gent: Hunboldt gehört feiner diefer Gruppen an, am meiften 
berührt er fih mit Dahlmanns vermittelnder Darlegung in dem „Rat 
über Verfaſſung“ von 1815. Der Vergleih der Humboldtſchen mit einer 
gleichzeitigen von Hardenberg (bei Stern, Geſchichte Europas 1: zeigt — 
und auch dies iſt, glauben wir, richtig — daß in diefer Frage zwilchen 
den beiden Männern gar fein prinzipiellev (Negenfag beftand. Wohl war 
ihr Verhältnis in jenen Jahren nicht das beite, aber dies fam daher, weil 
Hardenberg fürchtete mit Unrecht, Humboldt wolle ihn überflüljig machen 
und an feiner Stelle Ztaatefanzler werden — Humboldt aber der Meinung 
war, dad Staatslanzleramt, wie es damals bejtand, ſei cin Hindernis für 
die Führung der Geſchäfte in den Miniſierien. Sehr ſchön faßt Gebhardt 
am Schluß alle Züge der politiſchen Wirkſamkeit Humboldt8 zuſammen, 
jeine Thaten und feine Schriften, die mehr als bei irgend einem anderen 
Ztaatemann feine wahren Thaten find. Indem er dann diefe Wirkfiamteit 
und ıhre Mejultate mit der Sefamtpirfönlidpkeit feines Helden in Be 
schung fegt, kommt er freilich genau zu demfelben Ende wie Haym — 
jener hatte gelagt: „Unendlich mehr wirkte er durch das, was er war, als 
durch das, war er ſchuf und handelte,“ und Gebhardt fließt: „Uber allem 
was er geleiftet hat, ſteht was er war.“ 


Wien. Eugen Guglia. 


vudwig Bornes Geſammelte Schritten. Bollftundige Ausgabe in 6 Wänden 
nebit Anhang: Rachgelaſſene Schriften in 2 Yanden, Mit Vörnes 
Portrat, einem Briefje in Fakſimile und einer biographiſch kritiſchen 


Cinleitung von Alfred Nlaaı. Leipzig, Dar Heſſes Verlag 1899. 
5 a. 


Wahrend ſeines kurzen Aufenthalts ın Vraunſchweig September 18238) 
hatte ). Borne mit dem Buchhandler VBieweg jun. fruchtloſe Verhandlungen 
wegen Herausgabe leer „eiammelten Schriften“ gepflogen, wozu man ihn 
in Verlin ermuntert hatte; ſchrieb ihm doch unter anderem derjelbe Jul. 
Ed. Hitzig, dem er neun Jahre ſpater als Tollhausler galt, er wolle Haus 
jur Haus auf Seine Schriften kollektieren gehen. Am Rheine, in Rüdes— 
beim und Geiſenheim begann er bereits allmahlich mit der Sichtung feiner 


vudwig Börnes Geſammelte Schriften. 359 


zerſtreuten Arbeiten und trat zugleich auf Anraten H. Heines mit Campe 
in Verbindung, welchem er gegen ein Honorar von 4000 Thalern das 
fünfjährige Verlagsrecht ſeiner geſammelten Schriften überließ. Ein launiger 
Proſpekt ſollte das Publikum zur Subſkription einladen. „Freunde haben 
es mit Verdruß, Gleichgiltige als einen Tadel, auch einige Übelwollende 
es mit Schadenfreude ausgeſprochen: ich könnte kein Buch ſchreiben. Aber, 
habe ich denn eines geſchrieben? Und was iſt's! Ein Buch iſt Wein im 
Faſſe, ein Blatt Wein in der Flaſche — wenn Wein iſt hier und dort: 
wer trinken will, muß das Faß doch anzapfen, wer leſen will, muß das 
Buch in Kapitel füllen. Auch habe ich gedacht, für Bücher ſei jetzt die 
Zeit zu eilig und beſchäftigt — die Welt iſt auf Reifen ...... Was 
ich immer gefagt, ich glaubte ed. Was ich gefchrieben, wurde mir von 
meinem Herzen vorgefagt, ih mußte. Darum, wer meine Schriften liebt, 
liebt mid felbft. Man würde lachen, wenn man wüßte, wie bewegt id) 
bin, wenn ich die Weder bewege, das iſt vecht fchlimm, ich weiß es, denn 
ih begreife, daß ıch darum Fein Echriftfteller bin. Der wahre Schrift- 
jteller foll thun wie ein Künftler. Seine Gedanken, feine Empfindungen 
hat er ſie dargeftellt, muß er fie frei geben, er darf nicht in ihnen bleiben, 
er muß fie ſachlich maden ....“ 

Und die Berlagsbuchhandlung fügte diefen aus „Hannover, November 
1528 datierten Worten folgende gefhäftlihe Yeotiz bei: „Wir haben den 
Verlag diefer Schriften übernommen, und werden und beftreben, daß fich 
dad Aeußere derfelben durch ſchönen Drud und Sauberkeit des Papiers 
vor ähnlihen Werfen auszeihne und fo den innern Gehalt würdig dar- 
ftele. Um die Anſchaffung zu erleichtern, eröffnen wir den Weg der 
Zubfcription. Tas Ganze wird aus mindeftens 120 Bogen beftehen, 
welche in 8 Theile zerfallen. Der Subferiptions» Preis für das Ganze 
iſt 5 Rthlr. Die eriten 4 Theile werden in der fommenden Oſter-Meſſe 
und die legten 4 Theile in der darauf folgenden Michaelis-Mefje aus- 
gegeben. Nach Erſcheinung der erften Hälfte wird der Subſcriptions-Preis 
erlöfchen, und dagegen der Ladenpreis don 8 Rthlrn. eintreten. Das 
Format wie diefe Anzeige wird beibehalten. Sammler, welche uns den 
Betrag ceinfenden, erhalten auf fieben Eremplare das adte frei.“ Die 
meijten Journale nahmen die Ankündigung Börnes in ihre Epalten auf; 
abfällig äußerte ih nur der Philifter mit der Hausnummer 50 in den 
„Blättern für fitterariihe Unterhaltung vom 19. Januar 1829*: „Das 
Misfällige an diefer Ankündigung läßt fih nicht allegiren; wollte man 
den darın angejtinnmten Ton des Hrn B. unwürdig, alfo füßlich oder 
affectirt nennen, oder übertrieben befcheiden, oder gar verftedt anmaßend, 
Yo würde man immer noch nicht ganz ausdrüden, was man eigentlich zu 
tagen beabjichtigte.” Hingegen jubelte Julius Sobernheim in der „Berliner 
Schnellpoft vom 11. Juni 1829": „Wenn unter den taujend litterarifchen 
Sontrebanden, die jo viel Berfaffer unferer Tage, um feinen Zoll an die 


300 Ludwig Börnes Geſammelte Schriften. 


unparteiifhen Douanen des Geiſtes zu zahlen, in finftrer Gedankennacht 
und auf ungebahnten Schriftftellerwegen in da® geräumige Treibhaus der 
intellectuellen Welt mühſam binfchleppen, jo ift e8 cin wahres Jubiläum 
fürs Herz, ein Feiertag für den Geift, ein herrliches Intermezzo für das ewige 
Bonmot von geitern, wenn ein Man wie Börne, mit den reifen Früchten 
feiner Mufe am litterarifchen Horizonte erfcheint. Und es fteigt der Cours 
des Humors, da er auf Börnes Wage liegt und die Alten des guten 
Geſchmacks gehen in die Höhe, und die Lichtfunken des treffenden Witzes 
flammern am Zenith des Gediegenen. Zählen wir einmal die großen 
Humoriften Deutfchlands, wie viel finden wir? Hamann, Hippel, Yichten- 
berg, Jean Paul und Hoffmanı und zum Theil Ludwig Tieck und endlich 
Börne und nun Punktum.“ — Fünf lange Wintermonate arbeitete Börne 
in Hannover mit andauerndem Cifer. Allein der erwartete Erfolg blieb 
anfänglih aus und trog alles beinahe enthufiaftifhen Lobes der zünftigen 
Kritik W. Dlenzel, W. Neumann und Anderer) — aud) fpäter. Noch lange 
mochte H. Heine zu Campe fpotten: „Der Börne foftet ihnen zu viel, 
und will noch immer nicht ziehen,“ und auf die gereizte Antwort Camper: 
„Aber Börne wird ziehen, weun Sie längft vergeffen fein werden,“ ebenfo 
biſſig: „Das ıft ein Unglüd für ihn und für Sie, daß fo lange darauf 
gewartet werden muß.“ Erft das Erſcheinen des fogenannten 9.—14. 
Teites, das heißt der „Brieſe aus Paris“ veranlaßte eine gefteigerte Nady- 
frage und dem Berleger lohuenden Ertrag. Der große Humorift — dem 
es um ein Wort Narl Goedekes zu gebrauchen — nur an Geſchloſſenheit 
der Form fehlte, um eine vem künſtleriſche Wirlung auszuüben, hatte 
mzwilchen der ewig jenfationslüfternen Welt eine Hekatombe patriotifch- 
politiſcher Pikanterien und Paradoren . . geboten. — — 

Tiefe erjte von vV. Börne felbjt beforgte Geſamtausgabe umfaßte: 

I. XXX 210 Zı amd 2.» VI—108 2.1 Tramaturgiſche Blätter. 1829. 

3. 111-255 S. und 4. 1520 S Beumichte Anflüge. Erzäblungen. Reijen. 
zwei Abtheilnugen., 1829. 

VI 20 2. Schilderungen aus Paris. 1829. 

6. 210 S. Fragmente und Aphorismen. 1820. 

7. VI 314 S.Kruilken. 1820. 

2. 132 23 Aus meinem Tagebuche 1832. 

VI. 310 S. 1832: 10 VIIIFBfG SZ 1832, 11. (VII —326 S. 
18535 12. VI 372 S. 1533: 13. VI 312 ZzIRBA; Ih AVT- 310 2.) 18385 
Briefe ans Paris. 

Spater debutierten Hoffmann und Campe mit einer Weihe von 
„unveränderten“ und „wohlfeilen“ Iitelausgaben; wenigjtend liegen mir 
z. B. nicht weniger als vier verſchiedene Gremplare einer „zweiten Aufr 
lage“ vor, weldye ich des beileren Unterſchiedes wegen mit a, b, c, d 
bezeichnen will. 

1. XXX -210 2.1835. 2. VI 108 2. 182%. 

3. (VlIII3 255 2.) 1835. 4. 0420 2.) 1835. 


Ludwig Börnes Gefammelte Schriften. 361 


. (VI- 290 ©.) 1840. 
. (210 2.) 1840. 
. (11-316 S) 1840. 
. (132 5.) 1832. 
Kremplar b. 
1. (XAXNX— 210 2.) 1832. 2. (VI—-198 ©) 1829. 
3. (VIII—255 9.) 1840. 4. (329 ©.) 1340. 
5. (VI--290 9.) 1840. 
6. (210 9.) 1540. 
7. (VI-316 2.) 18540. 
8. (132 9.) 1332. 
Eremplar c. 
1. (XXX — 210 ©.) 1335. 2. (VI—198 ©.) 1838. 
3. (VIII--256 9.) 1835. 4. (329 ©.) 1835. 
5. (VI--240 9.) 1835. 
8. (210 9.) 1835. 
7. (vVl-316 9.) 1835. 
8. (134 2.) 1832. 


Die legten zwei Seiten (©. 133—134) füllt folgende Fulturhiftorifch- 
intereffante, fpäter nicht wieder abgedrudte Erllärung der Verlagsbuch— 
handlung vom 1. März 1832 „an die gechrten Herren Subfceribenten 
auf Börnes Schriften“. 


„Als wir im November des Jahres 1828 die Herausgabe der Börne'ſchen 
Schriften anfündigten, verjprachen wir für den damals beſtimmten Preiß 120 Bogen 
in 7 oder 3 Theilen zu liefern. Yun füllen die erjten 7 Theile 117 Bogen. Das 
gegemvärtig erfolgte Ste Bändchen beträgt 8 Bogen; mithin Lieferten wir fünf 
Bogen nicht, als wofür wir uns verpflichtet haben. Der Ite und 10te Band diejer 
Schriften erſchienen, als Fortſetzung, bereits im abgewichenen Herbft, zugleich unter 
dein zweiten Titel: „Briefe aus Paris 1830—1831*. Diefes ift die Schrift, die, 
un freilich verschiedenen Sinne, ebenjfo fehr die Aufmerkfanteit und Theilnahme 
des Publikums erregt, als die Beachtung der Regierungen in Anfprud) genommen 
bat, fo dag fie ın Preugen, Batern, Dänemark, Hamburg und Frankfurt jogar 
verboten und confiscirt ift. (Oeſterreichs gedenken wir hier nicht, weil dahin der— 
gleichen Bücher überall nicht zugelajfen werden.) Ja der Berleger, obſchon derjelbe 
ſich bewußt ıjt, bei dem Berlage diefer Briefe alle Vorschriften der Preßvormund— 
ſchaft erfüllt zu haben — und während der Berfaffer des Buches feinen Namen 
ebriich auf dem Titel genannt bat — tft wegen der rein merkantiliſchen Beforgung 
des Abſatzes diefes Buches von dem hiefigen Fiskal peinlid) angeklagt worden, 
wovon der Erfolg zu erwarten fteht. 

Ein Seitenſtück zu dieſer Berfolgung der Preßfreiheit ıft — in unferem 
hiefigen Bereiche — das Verbot einer ebenfalls bei ung cerfchienenen Brofcjüre, 
betitelt: „Don Miguel dev I. Uſurpator des Portugieſiſchen Thrones gr. 8. 108 S.“ 
eines der Auszeichnung werthen Büchleins, in welchem die echte der Königin 
Tonna Maria da Gloria mit befonderer Sachkenntniß und fräftiger Darftellung 
vertbeidigt find. Tag Buch ift in Folge der Denunciation eines unferer Diitbürger, 
des hieſigen Kaufmanns de Vivanco, der zugleich Ritter und Königl. Spaniſcher 
General-Conſul ift, verboten worden und zwar, weil die, in die Ereigniſſe des 
unglücklichen Portugals jo mächtig eingreifenden Intriguen der verftorbenen Königin 
von “Portugal, die befanutlid) eine Infantin von Spanien war, jo ohne Scheu zur 
Schau gejtellt ſind.“ — 


> An ers, 


362 Ludwig Börnes Geſammelte Schriften. 


Exemplar d!) unterſcheidet ſich von Exemplar a nur dadurch, daß 
der 3. und 6. Teil den Vermerk trägt „Hamb. 1840“ (VIII, 255 ©. 
Bermifchte Auffäge, Erzählungen, Reiſen 1. Abteilung; beziehungsweije 
210 S. Tragmente und Aphorismen. 

Da diefe verfchiedenen Exemplare der „zweiten Ausgabe* verfchiedene 
Typen aufmeifen, ſcheint Campe nicht ohne Grund jenen berüchtigten 
Prozeß und 14jührigen Kampf mit der pietätvollen Erbin des litterari- 
ſchen Nachlaſſes heraufbeichworen zu Haben, der im Yuli 1861 dahın 
endete, „daß Börnes Werfe nicht mehr) als herrnlofe Beute betrachtet 
werden dürften.“ 

1837: Sefammelte Schriften von Ludwig Börne. Füufzehnter Teil: 
Deenzel der Franzoſenfreſſer. Paris, bei Theophile Barrois fild Buch— 
händler, Rue de Richelieu No. 1-4. (Wedrudt bet Paul Renouard, rue 
Garaneiere No, 5. IV —160 S. 

IS38: Geſammelte Schriften von Yudwig Börne. Fünfzehnter Teil: 
Menzel der Franzoſenfreſſer. Zweite Auflage. Paris, bei Theophile Bar» 
vois fils Buchhändler, tue de Richelieu No. 14. «Gedruckt bei Paul 
Renouard, rue Garaneiere No. 5. IV —158 S. 

Nach Börues Tode erſchien bei Fr. Brodhag | Scheible, Rieger und 
Zattler|, mit dem er nod ber Yebzeiten Unterhandlungen wegen einer 
Neu Ausgabe gepflogen hatte: 

Geſammelte Schrifſten von Yudwig Börne. Tritte vermehrte und 
rechtmäßige Ausgabe. Stuttgart, fir. Brodhagſche Buchhandlung 1840. =. 

ı XANII--S06 12. — 1 Porträt. Dramaturgiſche Blätter. 

2 VIII 495. 1 2. Vermiſchte Aufſabe Erzählungen. Reifen. 


3.014471 2. Kritiken, Fragmente und Aphorismen. 

1. VI 360 I. S. Schildernugen aus Varis 1822-1823, Aus memem 
Tagebüuche 

>. VIII 113 -- 1 2 - 1 Tafel — 1 Facüimile Vermiſchte Aufſätze. Trama 


turgiche Blatter. Aphorismen Bricie aus yranttınt. Kritken. 


Dieſe dritte Ausgabe untericheider ſich beſonders in zwei Beziehungen 
von den früheren; wahrend die erſten vier Teile eigentlich den acht Bänden 
der Hamburger Ausgabe entſprechen, find jetzt mehrere Aufſätze ergänzt 
und vervollſtändigt durch Einſchaltungen derjenigen Stellen, welde 
urſprunglich dazu gehorten und welche Borne weggelaſſen hatte; dieſe 
Einſchaltungen ſind durch beſondere Zeichen 7) fenntlih gemacht. Uberdies 
bietet Der funfte Tel oder Supplementband eine Nachleſe von ſolchen 
Auflagen, die aus verſchiedeuen Zeitſchriften jezt zum erſten Male zu— 
ſammengeſtellt wurden. Tesbalb verauſtaltete damals auch die Brodhagſche 


Ken den mir veritequüiden echtedenen Erentplarenn dev Teil: 9-14 
. Pirate aaa Bad 3° og zprteren ven n: Gremvpltare dei folgt: v. »VIII- 236 S. 
Is.2. de. VIE 220 1832 . NUT 232 2. 1858. 12. VIII-T2546 S 
Is5s ds. VE 252 2 SS Ih VI 232 2 18 


I 


Ludwig Börnes Gefammelte Schriften. 363 


Berlagsbuchhandlung einen in Format und fonftiger Ausftattung dev erften 
Hamburger Geſamtausgabe ganz entiprechenden Neudruck des fünften 
fogenannten Supplementteiles als: Geſammelte Echriften von Ludwig 
Börne. Sehzehnter Zeil. Stuttgart, Brodhagſche Buchhandlung 1840. 
V1ll—438—[l]| ©. 

Nunmehr veröffentlichten die Erben des litterarifhen Nachlaſſes: 
Nachgelaffene Schriften von Ludwig Börne. Mannheim, Friedrich Baſſer— 
mann 1844— 1850. 

1. (V11-349 S. — 1 Porträt) und 2. (VII-318 ©.) 1844. Briefe und 
vermiſchte Aufjäße aus den Jahren 1819, 1820, 1821, 1822. 

3. (VII 346 S.) 1347. Briefe aus den Jahren 1824, 1825, 1826, 1827, 1828. 

4. (V11-367 ©.) 1847. Briefe und vermifchte Auffäße aus den Jahren 
1828, 1829. 

5. (VII-430 ©.) 6. (VII-352 5.) 1850. Anhang zu den Briefen aus 
Paris. Briefe aus der Schweiz 1830, 1831, 1832, 1833. Bermifchte Auffäße und 
Aphorisment. 

Börnes Franzöſiſche Schriften. Herausgegeben von Cormeniu und 
überjegt von E. Weller. Bern, Drud und Verlag von Jenni, Sohn 1847 
208 S.), find eine wortgetreue lberjegung von: Fragments politiques 
et litteraires par Indwig Boerne. Précédés d’une Note par M. de 
Cormenin. Et d’une Notiec biographique sur l’auteur Pagnerre. 
Editeur Rue de Seine, 14 Irs. 1842. 160. XXXIX—243 ©. 

Im Anſchluſſe an die erſte Gefamtausgabe erfchien nunmehr: Ge— 
fammelte Schriften von Ludwig Börne. Siebzehnter Teil. Franzöfifche 
Schriften und Nachtrag mit einer Biographie des Verfaſſers. Leipzig, 
Verlag von Wilhelm Kori 1847. VIII-391—[I] ©. [Zweite (Zitel-) 
Auflage. Leipzig, Verlag von E. O. Weller 1849. VIIIT-391—[I] ©.] 
Der Herausgeber E. Weller vereinigte hier mit feiner oben genannten 
Übertragung der „Franzöſiſchen Schriften“ die in Gutzkows Biographie 
(Litterarifche Anftalt I. Nütten. Neue Ausgabe, das iſt zweite Auflage, 
Frankfurt a. M. 1345) veröffentlichten Briefe Börnes und die von 
Arthur Müller im zweiten Bande (S. 3—180) feiner „Modernen Keli- 
quien”“ (Berlin, Ad. Gumprecht 1844— 1845) gebotene wertvolle Nachlefe, 
als: I. Vermiſchte Auffäge: Der allgemeine Anzeiger der Deutjchen. 
Nachträge zum Konverfations-Yerifon. Der Heine Hamann. Freiheit und 
Gleichheit ohne Nevolution. Weibliche Beiträge zum Konverfations-Lerikon. 
Bertraulide Briefe. Der Mitarbeiter wider Willen. An den Herrn Redak— 
teur des echten Schwarzwälders. Die Kunft alt zu werden. Ein Brief aus 
Frankfurt. II. Stritifen: Die Spanifshe Johanna von Schaden. Etwas 
über den deutichen Adel un. f. w. Bon Fouqué und Perthes. Moſely-Hall 
von Cooper. Drei Romane von Cooper. Taſchenbuch für Scaufpieler 
und Scaujpielfreunde von Yembert. Materia medica. Zeitgeſchichte. 
Sendfchreiben des Deutſchen Michels u. |. w. Romane, feine Romane, mehr 
als Romane. Deutſches Kochbuch von Hallberg. Moyse par Lemercier. 


364 Ludwig Börnes Geſammelte Schriften. 


Teutſchland und feine Revolution u. ſ. w. Souvenirs de la Sicile par 
Forbin. Abhandlungen aus dem deutichen Civilprozeſſe von Goldſchmidt. 
III. Fragmente und Aphorismen 11— 85:1. — Damit war die fogenannte 
erfte und relativ vollftändigfte (Hefamtausgabe, welhe mit Hinzurehnung 
der „Nachgelajfenen Echriften“ von 1829— 1850 dauerte, endlich abge: 
ſchloſſen. Nah dem feierlichen Friedensſchluſſe mit „der Verleger aller 
Blüte“ erfchienen: 

Sejammelte Schriften von Pudwig Börne. Neue vollftändige Aus: 
gabe. Hamburg, Hoffmann & Campe; Frankfurt a. M., Pitterarifche 
Anſtalt Rütten und Yöning) 1862. 8°. 


1. (Vl 380 
miſchte Aufſäbe. 

3.401 126 S. Schilderungen aus Paris (1822 und 1823). 

4. (VIIITS5SS S. Tramaturgiſche Blätter. 

5. »VII 390 S. Dramaturgiſche Blätter (yordiegung). Kritiken. 

6. VI- 156 2. Kritiken Fortſetzungſ. Briefe aus Frankfurt. Menzel, der 
Franzorenfreöſer. 

7. 1100 S. Fragmente und Apborisinen. Frauzöſiſche Aufſätze «Fragments 
politiqueſs et iitteraires 

». VI 2. v. VIII- 268 S. 10. 1317 S.) 11. (VIII 72292 S. 
12 .:590 2. Brieſe aus Paris. 


(y 


.-- 1 Porträt.) 2. (Vl- 422 Z.) Erzählungen. Reijen. Ber: 


(y 


Tiefe ın Trud und äußerer Ausstattung bis zum heutigen Tage nicht 
mehr erreichte Ausgabe bietet vor allem einen Neudrud der Etuttgarter 
Ebition, überdies: „Fraxinents politiques et litteraires”, „Menzel der 
Franzoſenfreſſer“ und die „Briefe aus Paris“. Dabei find nicht unwefent: 
liche Anderungen in der Anordnung der Schriften getroffen worden. Die 
„Yurcie aus Paris“ erſcheinen mit durchgehends fortichreitender Zahlen» 
bezeichnung aller urſprünglich in drei Sammlungen enthaltenen 115 Briefe; 
als paſſender Abſchluß der „Aphorismen“ wurde die bisherige vierte 
Nummer gewählt; der Iert überhaupt einer forgjältigeren Kevifion unter: 
werfen; wichtig it auch die von M. Keinganum entworfene biographiſche 
Skizze Ludwig Börnes. Bloßer Nachdruck der legten Ausgabe waren: 
Meiammelte Schriften von Ludwig Borne. Vollſtändige Ausgabe. Bien, 
Tendler und Komp. Julius Groſſer IS68. 12 Bände. 16°, und Yudwig 
Vornes Geſammelte Schriften. Bollftändige Ausgabe in drei Bänden. 
veipzig. Druck und Verlag von Philipp Reclam jun. [1877]. 8°. Einiges 
Intereſſe gewährt nur die dem zmwolften Bande der Wiener Ausgabe ein» 
rerlesbte Biographie Vornes von K. Grün, die bei Reclam gänzlid 
entfallt. 

Zwolf Jahre ſpäter ericdien ursprünglich in Yieferungen eine heute 
ziemlich selten gewordene, im Bucherlerikon von Heinſius als nicht voll⸗ 
tändig und vergriffen bezeichnete neueſte Volks- und Familienausgabe: 
Geſammelte Schriften von Ludwig Borne. Vollſtändigſte Ausgabe. Stutt⸗ 
Jart, Worlein & Co. 1850. 50. 


Ludwig Börnes Gefammelte Schriften. 365 


1. (VI-251 ©. — 1 Porträt) und 2. (268 ©.) Erzählungen. Reifen. Ber- 
miſchte Auffüge. 

3. (266 ©.) Schilderungen aus Paris (1822 und 1823). 

4. (IV — 210 8 Dramaturgiſche Blätter. J 

5. (IV—242 ©.) Dramaturgiſche Blätter (Fortſetzung). Kritiken. 

6. (294 ©.) Kritifen (Fortjegung). Briefe aus Frankfurt. Menzel der Fran⸗ 
zojenfrejjer. 

7. (270 ©.) Franzöſiſche Auffäge. Fragmente und Aphorismen. 

F —* IV—267 ©.) 9. (306 ©.) 10. (174 ©.) 11. (123 ©.) Briefe aus Paris, 
a . 

12. (V—338 ©.) Briefe und vermijchte Auffäte aus den Jahren 1819, 1820, 

1821, 1822. Einige Briefe Börnes aus feinen letten Lebensjahren. Ludwig Börne, 

jein Leben und Wirken. Erinnerung an Börne. Der Sturm auf Börnes Grab (1840). 

Diefe Ausgabe jchliegt, ih volllommen an feine legten drei Vor—⸗ 
gänger an; die wenigen Änderungen find geringfügiger Natur. So ift 
3. B. die fortlaufende Zählung der „Briefe aus Paris“ wieder aufs 
gegeben; die, franzöfifchen Auffäge erfcheinen nicht im Driginale, fondern 
in Wellers Überfegung. Neu Hingegen ift der Wiederabdrud der zwei 
erſten Bände der „Nachgelafjenen Schriften“, die Gutzkows Biographie 
entnommenen „Briefe“ Börnes aus feinen legten Lebensjahren, ſowie eine 
don den Herausgebern gebotene „Nachlefe” ziemlich verfchollener Börniana 
aus der „Frankfurter Zeitung“, „Gartenlaube“, den „Bopulär-wiffenfchaft- 
lihen Monatsblättern zur Belehrung über das Judenthum für Gebildete 
aller Confeſſionen“ u. |. w. ald: „Die Mufit“, „Zuſchrift an die Loge zur 
aufgehenden Morgenröthe in Frankfurt a. M.“; Brief an Börnes Vater; 
Stellen aus einem Vortrag gehalten in der „Loge zur aufgehenden 
Morgenröthe* zu Frankfurt a. M. im Jahre 1809. Zwei Briefe Börnes 
an Dr. Pinhas in Caſſel. Ein Brief Ludwig Börnes an feinen Bruder 
Bhilipp Jacob Baruch modo Börne. An Herrn Dr. jur. Reinganum in 
dranffurt a. M. — Bon geringerem Werte ift die biographiiche Skizze 
Börnes, ſowie die beiden „Gedichte auf Börne*. — 

Ludwig Börnes Gefammelte Schriften. Bolftändige Ausgabe mit 
erläuternden und hiftorifhen Anmerkungen. Rybnik, Verlag von M. Bartels 
1884. 12 Bände. 8°, find eim wortgetreuer Abdrud der Wörleinfchen 
Ausgabe auf befferem Papier und ſchönerem Drud; neu find nur die 
übrigens dürftigen erläuternden und biftorifchen Anmerkungen; die fort- 
laufende Zählung der Briefe aus Paris ift wieder hergeftellt; eliminiert die 
Gedichte: „Erinnerung an Börne. Der Sturm auf Börnes Grab“ (1840). 
!udwig Börnes Gefammelte Schriften. Neue, vollftändige Ausgabe in 
12 Bänden. Berlin, Bibliograpdifhe Anftalt [A. Warfchauerd Buch⸗ 
druderei] (1893) ıft analog Reclam, ein Nachdruck ohne jeglihen Wert!) 

!) Die amerifanifchen Gejamtausgaben ftehen mir leider nicht zur Verfügung 
als: Ludwig Börnes ſämtliche Werfe. 5 Bände. New-York, Joſef Wied 1858. 8°. 
Ludwig Börnes fäntliche Werke. 5 Bände. (XXXVI, 368; 365; 387, 414 und 328 ©.) 
Philadelphia, Schäfer und Konradi 1868. 8% u. |. mw. 


366 Richter Kurt, Ferdinand reiligrath als ÜÜberfeker. 


Der neuefte Herausgeber Alfred Klaar bietet vor allem wiederum 
einen wortgetreuen nicht immer forreften Abdrud der von Keinganum 
beforgten Geſamtausgabe, aus den „Nachgelaffenen Echriften“ die beiden 
erften Bände vollftändig; and dem vierten Bande den 122. Brief, das 
heißt den darin mitgeteilten Brief an die Gottafhe Buchhandlung vom 
1. Auguft 1829, fowie „Fragmente und Aphorismen“; aus dem fedhiten 
Bande „Vermiſchte Aufläge und Aphorismen“. Die biographifche Ein- 
leitung iſt eine äußerſt jtimmungsvolle Werarbeitung des bereit® ſeit 
Tahren befanmt gewordenen Materiales im Anfchluffe an die geiftvolle 
Gedenkrede A. Klaars anläßlich der Prager Gentennalfeier Börnes. Leider 
find nicht genügend berüdjichtigt die jeither erfolgten wichtigen Publika 
tionen in der „Zeitichrift für die Sefchichte der Juden in Deutſchland“, 
„Euphorion“ u. f. w. 

Im Gegenſatze zu Heine iſt die Nörne- Korihung und Aörne-Yitteratur 
jehr dürftig. Ohne die Verdienfte der neueften Vollsausgabe, das heißt 
ſeines Herausgebers irgendwie ichmälern zu wollen, fann man beruhigt 
jagen, das Bedürfnis nach einer würdigen Sefamtansgabe, fomwie einer 
Vrographie etwa im Anſchluſſe an Elſters meifterhafte Heine-Edition bleibt 
nach wie früher vorhanden. 


Wien. Michael Holzmann. 


Richter Nurt, ‚yerdinand Freiligrath als Überieger. Berlin, A: Dunder 
1899. Forſchuugen zur neueren Vitteraturgeichihte. Herausgegeben 
von Stanz Wunder. Ir. 11. 2.70 M. 


F. Freiligrath hat, wenn mir von vereinzelten, der Kinder und 
der Schulſtube entſtammenden Reimereien vgl. W. Buchner, Ferdinand 
Freiligrath 1. 20. 233 j. abichen, zur Telben Zeit, als er ſich zuerſt in 
eigener Ynuf verſudte, oder vielleicht neh früher Buchners Angaben 
a. a. D. 2.50 jchemen >afür zu ſprechen begonnen, nidhtdentiche Poeſie 
in Jene Mutteriprache zu übertragen, und iſt auf dieſem Gebiete noch lange 
nach dem Erleichen unmittelbarer Schaifenskraft faſt bis an fein Vebensende 
unermüdlich thätig geblieben. Entweder ms Jahr 1826 oder kurze Zeit 
danach fallen die älteſten Seiner Ubertragungen, welche ebenſo wie die lyrifchen 
Erſtlinge ĩoqleich eine ſtaunenswerte Wort und Kersgewandtheit befunden; 
und noch nahezu cm Halbiahrhündert ipater legte die in ter „Gegen— 
wart” veroifentlichte Wiedergabe eli Bret Harteicher Gedichte Zeugnis ab 
für ungeſchwächt“ Meünterſchait des Nichbildners. Allerdings bat ſich Frei— 
liqratbe Intereſſenkreis Sehr bald nah jenen vielrertprechenden Anfängen 
in gewiſer Veziehung merklich verengat: tom Gumnaſium ber der beiden 
alten Adiome, von ſeiner Soeſter Lehilengszeit ber des Jralieniſchen, 
Franzoſiſchen und Englüchen machtig, ſchränkt er ſein Arbeitéfeld ſchon 
jruhzeitig auf die Litteratur der beiden letztgenannten Sprachen ein; nur 


Richter Kurt, Ferdinand Freifigrath als liberjeter. 367 


gereimte Überfegungen da8 „Odi profanum vulgus” (1829; zuerſt 
gedrudt 1831, zum Teil wieder Beilage 285 der Münchner Allgemeinen 
‚Zeitung 1896) und anderer Horaz-Oden, ferner Proben aus Virgil und Ana⸗ 
freon, fo viel ich weiß, ungedrudt, zeigen den jungen Dichter mit dem Haffi- 
ſchen Altertum wetteifernd, von vornherein indes im Nachtheil, da hier ganz . 
im Gegenfaß zu fonftiger Freiligrathſcher Praris auf die Form des Driginals 
Verzicht geleiftet wird; was die italienische Dichtung betrifft, jo läßt ung 
bloß die elegante Wiedergabe eines einzigen Yragmente, des Chors aus 
dem „conte di Carmagnola” (Aft 2, Scene 6) Manzonis (zuerft 1838) 
in den „Gedichten“; jegt „Geſammelte Dichtungen” 6 2,5 ff. ahnen, was 
Freiligrath auch hier zu leiften vermocht hätte. Aber felbft die franzö- 
fifche Lyrik befchäftigt den Dichter anhaltend nur bis 1838: zuerft und 
vor allen ®. Hugo, dann andere Romantiker, wie Lamartine (ein Nach— 
zügler noch 1849), Muſſet, Jean Weboul, die Desbordes VBalmore. Seine 
erfte und ftärkfte Literarische Liebe, die zur englifchen Dichtung, bleibt aud) 
feine legte: mit Byron und Scott, Wordsworth und Koleridge mißt er fid 
ſchon um 1826 und vereinigt dann in den „Gedichten“ (1838) eine 
vielleicht allzu ftrenge Auslefe aus der Fülle des bis dahin überjegten 
Materiald zu einer föftlichen Anthologie zeitgenöffifcher engliſcher Romantik. 
Goleridge und Moore nehmen bier den größten Raum ein, an ihnen 
und an Burns erweist Freiligrath feine völlig ebenbürtige Kunft. In den 
„englifhen Gedichten aus neuerer Zeit” (1846) verſchiebt fi dann das 
Bild parallel zur gleichzeitigen Entwidelung der Yitteratur; wohl herrſcht 
die Romantik und namentlich Freiligraths Liebling Felicia Hemans nod) 
vor, Schon aber deuten fih neue Richtungen, die foziale mit Ebenezer 
Elliott wie die fpeziell jogenannte victortanifche mit Tennyſon und die nord- 
amerifanishe Schule (Yongfellow) an. Die Dichtung der fozialen Anklage 
(Thomas Hood) wird 1849 und 1851 in den „neueren politifchen und 
focialen Gedichten“ wieder aufgenommen, litterarhiftorifche8 Intereſſe führt 
den Meifter auf Nobert Herrid, Edmund Spenfer, Philip Sidney, 
Chafefpeare (Venus und Adonis 1849) und andere Renaiffancedichter 
zurüd, und aus der Pitteratur der Vereinigten Staaten gewinnt Freiligrath 
dem deutschen Publitum 1857 Yongfellows song of Hiawatha, 1868 den 
genialen Sonderling Walt Whitman (den von neuem zu „entdeden” einige 
Journaliſten fi) im abgelaufenen Jahre ganz überflüffig bemühten) und 
noch 1872, wie erwähnt, Bret Harte, wenigften® den Lyriker Bret 
Harte. Die zeitgenöffiihen Engländer treten nunmehr in der anfangs, der 
fiebziger Jahre für die Gefamtausgabe zujammengeftellten Gruppe „Lber= 
fettes. Neueres und Neueſtes.“ (Sefammelte Dichtungen 6 4, 47—145) 
hinter den Gingue- und Ceicentijten einer:, den modernen Amerikanern 
andrerſeits zurüd; dennod geben auch fie Freiligrath gleihfam noch in 
zwölfter Stunde Gelegenheit zu zwei unnadhahmlihen Bravourftüden, 
wir meinen die Derdeutihung der Macaulayjchen Gedichte „Horatius“ 


368 Richter Kurt, Ferdinand Freifigrath als Überfeter. 


und „Schlacht bei Nafeby“. Wie die Thätigkeit des überſetzers Freilig⸗ 
rath chronologiſch üuber den Zeitraum feiner originalen Dichtung hinaus- 
greift, fo überwiegt fie diefelbe auch quantitativ: von den ſechs Bänden 
der jüngften (6.) Auflage der Gefammelten Dichtungen, nad der wir 
citieren, enthalten vier faft ausfchlieglih, dann nod der dritte zu einem 
nicht unerheblichen Teile Überfegungen, die denn freilich eben durch Freilig- 
rath weiten Kreifen fo vertraut geworden find, daß das Mißverhältnis 
zwifchen eigenem und fremdem (ut, wenn fonftatiert, geradezu über- 
raſchend wirkt. 

Kurt Richter ift nicht der erfte, der am die Bearbeitung eines fo 
verlodenden Themas berantritt. Zwei Vorläufer, D. Weddigen und die 
Tochter des Poeten, Frau Käthe Freiligrath:Krocker, nennt er felbft 
€. 12; wenn ihm ein Plauener Programm von 1896 (E. Preitfeld, 
5. Freiligraths Alberfegungen aus B. Hugo) entging, läßt fi) das wohl 
entfchuldigen. Daß zwei an keineswegs abgelegenen Stellen vor wenigen 
Jahren veröffentlichte Aufjäge (M. Buchner, Unbekanntes und Ungedrudtes 
von F. Freiligrath, Euphorion, 1. Ergänzungsheft (1895) ©. 122 ff.; 
J. Schwering, Unbekannte Jugendgedichte und llberfegungen von 7%. Freilig» 
rath, Beilage 235 der Münchner Allgemeinen Zeitung 1896) überfchen 
worden find, fällt fchon fehmerer ins Gewicht und hat fih auch unmittel- 
bar gerädt. Wurde fo die doch wahrhaftig nicht übergroße Freiligrath— 
Yitteratur nicht völlig ausgeſchöpft, fo gebricht e8 noch mehr an der 
Kenntnis der allerdings zahlreichen und nicht immer leicht zugänglichen 
antländiigen Dichter, welhe bier in Betracht kommen, fo daß fi 
Richter wiederholt durch die don Freiligraths Wiedergabe heraudges 
griffenen Proben zu unzulänglihen oder fchiefen Charafteriftifen ver- 
leiten laſſen bat. Nefonders auffällig erjcheint dabei die Ungleichmäßigkeit 
in den Angaben benugter Vorarbeiten oder vielmehr in der Benugung 
diefer Arbeiten felbit. Wer fucht überhaupt in einer Etudie wie der vor⸗ 
liegenden bibliograpbiihe Motizen zu Hugo und Goleridge? Wollte 
aber der Verfaſſer in diefen beiden Fällen Wechenfchaft über die ihm 
dienlich geweſenen Vorarbeiten geben, warım fehlen dann analoge Nady- 
weiſe zu Muſſet oder Longfellow? Wenn wir Hinzufügen, daß ſich 
Richters Sprache nicht Sonderlih gelenfig, die Darſtellung ın unan» 
genehmem (Negenfag zum Targeftellten völlig farblos, keineswegs aber 
korrelt ermwerit, jo dürfen wir damit die Weihe allgemeiner (Pravamina 
Schließen, um, dem Gange der trog alledem verdienitlichen Unterſuchung 
Richters folgend, ihre Reſultate in Kürze wiederzugeben, ihre Meinen 
Irrtümer zu berichtigen, unsere eigenen Meinungen, mo fie von denen 
des Verfaſſers abmeichen, zu begründen. 

Einleitend S. 1— 4: beleuchtet Richter den innigen Zuſammenhang 
zwifchen dem poctifhen und dem nachbildenden Schaffen Freiligrathé, 
zwifchen diejen „zweierleı Bethätigungen eines und desfelben Geiſtes“, wie 


Richter Kurt, Ferdinand Freiligrath als Überfeker. 369 


er weiter unten (5. 100) zutreffend fagt, und wendet fi jobann reis 
ligrath8 Überjegungen aus dem Franzöſiſchen umd fpeciell feinen Verdeut⸗ 
fhungen Hugoſcher Lyrik zu. Zwar fehen wir nicht ein, wie es Richtern: 
„unzweifelhaft“ (S. 7) geworden fein mag, daß jenes handfchriftliche Heft 
* aus dem Jahre 1829, von dem Buchner a. a. DO. 1, 39 fpricht, auch Über- 
feßungen aus Hugo enthielt oder enthält: das Gegenteil ift wahrſcheinlich, 
da der Inhalt des Heftes, wie von Buchner befchrieben, ſich offenbar mit 
den gleichzeitig in den Münfterfhen Allgemeinen Unterhaltungsblättern 
abgedrudten Überfegungen dectt und unter diefen (vgl. Euphorion a. a. O.) 
V. Hugo nit vertreten erſcheint. Freiligraths Beichäftigung mit Hugo 
dürfte vielmehr kaum über 1832 zurüdreichen; wo fich für fie das erfte 
fihere Zeugnis, fei’8 dur eine Briefſtelle, ſei's durch den Abdrud eines 
überfegten Gedichte in einer Zeitſchrift findet, Hätte Richter ermitteln 
jollen. Genug hiervon; 1836—1838 bildet Freiligrath für den 6., 9. 
und 11. Band einer von Sauerländer in Frankfurt a. M. publicierten 
deutfchen Gefamtausgabe der biß dahin erfchienenen Werke Hugos große Par- 
tien der Lyrik nad, veröffentlicht dann 1845 eine einerſeits gekürzte, anderer« 
feit8 erweiterte Neubearbeitung feines Anteild an der Frankfurter Edition 
und nimmt 1870 den 1845er Text, wiederum indes nah Streichung 
einzelner Gedichte, in den 4. Band der 1. Auflage feiner eigenen Ges 
fammelten Dichtungen auf: eine Anordnung, die in wenig confequenter 
Weife auch von den nad Freiligraths Tod erichienenen Auflagen, welde 
doch fonft allenthalten (vgl. 6 Band 1—4) über die vom Dichter gezo- 
genen Grenzen hinausgehen, peinlich rejpectiert wird. Nichter macht dantens- 
werte Mitteilungen über das quantitative Berhältnis des Textes von 
1870 zu denen von 1845 und 1836, ſchweigt aber leider über die Aus» 
wahl, die Freiligrath 1836 aus Hugo felbft getroffen hat; follte in der 
(und nicht zugängligen) Frankfurter Gefamtausgabe eine lückenloſe Über 
jegung Hugos vorliegen, fo mußte dies konſtatiert, im anderen Falle 
und ebenfo aud für 1845 und 1870 der Gefichtspuntt feftgeftellt werden, 
von dem aus Freiligrath fo viele Gedichte Hugos nad) und nad und noch 
für den Tert letzter Hand auszufcheiden für nötig befunden hat. 

S. 9—42 erörtert der Berfaffer forgfältig und nicht ohne Yeinfühlig- 
feit die von Freiligrath dem franzöflfchen Urterte gegenüber aufgewanbte 
Arbeit, die metrifchen, die ftiliftifchen, die ſprachlichen Mittel und Kunft- 
griffe des llberfegers, die Fülle von Anregungen ftofflicher und formaler 
Natur, die dem Dichter aus ſolchem Bemühen zu gute famen. Dem Refultate, 
welches Richter aus feinen Unterfuchungen gewinnt, daß nämlih „V. Hugo 
in Treiligrath einen geiftesverwandten Dolmetſcher und einen begeijterten, 
raſch lernenden Schüler gefunden“ und derart „der deutjchen Dicht- 
kunſt einen Zeil deſſen, was er der deutfchen Romantik verdankt, reichlich 
vergolten hat“, wird man unbebenklih zuftimmen können. Bon den An» 
ſichten freilich, welche der Berfaffer über die Überſetzungskunſt als ſolche 

Euphorion. VII 24 


3:0 Richter Kurt, Ferdinand ;zreiligratb als Mberierer. 


entwidelt, gilt dies nit. Bir können ihm keineswegs folgen, wenn er 
S. 10 f., von unklaren und trrigen Prämiſſen ausgehend, die Parole 
ausgiebt, bei antiken Autoren fer für den liberfeger „mande Abweichung 
in Sprache und Veréemaß“ geradezu „bedingt“, und mit den Ber» 
deutihungen moderner fremder Yitteraturen verhalte es fich ganz 
anders. In der That ıjt eine folde Trennung, für die nur eine Uber» 
wertung des alten Gegenſatzes ..metrice” und .„rbythmice' ſprechen 
fönnte, ganz unitatthait, weder durch die Erfahrung noch im Weſen der 
Sache begründet. Somohl die Struktur der deutihen Sprache als dıe 
bisher erzielten glänzenden Yeiitungen deutſcher Lberiegungsfunft geitatten, 
wenn ſchon irgend etwas normiert werden joll, die Kegel aufzuſtellen: 
bei Übertragung fremdſprachlicher metriſcher Dichtung, gleichviel ob antiker. 
mittels oder neuzeitlicher, iſt das Nerömap tes Originals fo lange zu wahren, 
ald nur irgend möglıh, das beißt, 10 lange nicht die liberfegung, als 
jelbftändige Deutihe Dichtung betrachtet, erhebliche inhaltliche oder formelle 
Einbuße erleiset. Freiligrath allerdings bat, wie bereit? oben bemerkt, bei 
Übertragung antifer Dichtungen alle derartigen Verſuche fullen in feine 
Knaben⸗ und früheite Jünglingézeit die urfprüngliche ‚vorm fallen gelaſſen 
und den Keim angewendet, deiien er auch in eigener Poeſie fait nie 
entraten konnte, eben weil er dieſes Kunitmittel fo fouverän beherrſcht 
bat wie außer Rückert kein anderer deuticher Lyriker. 

Der Verfaſſer unterzieht ferner die Metrik der Freiligrathichen Hugo⸗ 
Überſetzungen einer genauen Prüfung, konſtatiert relativ ſehr wenige Ab» 
weichungen von den Formen der Originale und begründet dieſelben; aus 
Minors Neuhochdeutſcher Metrik 1893 S. 263 hätte die Erlenninis des 
Freiligrathichen Alexandriners vertieft werden können. S. 14 leſen wir 
es handelt ſich um äufere, grammatiſche Motivierung der beim Überſetzen 
aus dem Franzöſiſchen ins Deutſche nothwendigen Abänderungen': „Die 
iranzöfiihe Sprache iſt reich un einſilbigen Hörtern, während ſich die 
deutiche eines Überfluſſes hieran nicht erireut; die franzöftihen Konſtruktionen 
find genauer ? als die deutſchen Sungeiüge, die allerdıngs größere 
Mannigfaltigkeit hierfür entſchädigt.“ Yon diefen beiden Behauptungen ift 
uns die legtere nicht ganz veritändlich, trifft indes, wenn wir ıhren Zinn 
richtig erfaßt haben jollten, den Kern der Frage ebeniomwenig als dıe 
eritere: cıne Heine, eben an N. Hugo und danchen an Béranger, zugleich 
an ihren lberiegern vorgenommene ftatiftiiche Zählung läßt das Uberwiegen 
der Framzöfiichen über die deutihen Wonoinliaben keineswegs fo greß 
erihernen, als daß darin für den Teutichen libericher ein weientliches 
Hindernis erblidt werden fonnte: ın viel hoherem Grade käme bier ın 
BRetracht, was ın der Iranzöfiihen I serslchre elision beugt. — Wenn Richter 
S. 10 canige Vitteratur über Theorie und Entwicklung der Überfegungs- 
kunt zuſammentrug, durite er neben vielem andern wenigſtens F. O. 
Gruppes Geichichte der „ Teutihen UÜberictzerkunſt“ 1858 nicht überſehen, 


Nichter Kurt, Ferdinand Freiligrath als überſetze. 371 


noch auch fi auf die eine Anführung aus U. W. Schlegel befchränten; 
al, um viele Einzelcitate zu fparen, die trefflide Zufammenftellung bei 

D. 8. Strauß, Gefammelte Schriften 2 (1876), 124 ff. — Die Stil» 
mittel, "deren fi Freiligrath bedient, um die zwifchen Sprache und Sprache 
klaffenden Abgründe zu überbrüden, find feine anderen als die allgemein 
üblichen und jedem Überfeger faft mechanifch geläufigen; ihre Erörterung 
hätte deshalb eingejchräntt werden können. 

Welchen Gewinn hat nun Freiligrath aus feiner intenfiven Beichäf- 
tigung mit Hugo für fein eigenes Schaffen gezogen? In der erſchöpfenden 
Beantwortung dieſer litterarhiftoriih gewiß nicht unwichtigen Frage 
(S. 20— 39) liegt das Hauptverdienft der Richterſchen Arbeit. Freiligraths 
geiftige Flucht zu den abenteuerlihen Scenen, den brennenden Farben, 
den wilden Leidenfchaften des Orients und wieder feine fait reumütige 
Rückehr zu vaterländiichen Stoffen findet fi, wie überzeugend dargethan 
wird, bei V. Hugo bis ins Detail vorgebildet. Den Parallelismus in der 
eigentümlichen politiihen Entwidlung Hugos und Freiligraths hätte der 
Berjaffer durch Hinweis auf das von Schwering a. a. O. abgebrudte Preis- 
gediht auf Friedrih Wilhelm III. (1829) noch überzeugender geftalten 
tönnen: der junge Weftfale erfcheint da in politicis gar nicht jo weltferne, 
wie Richter S. 26 annimmt, fondern bleibt in begeiftertem Royalismus 
hinter dem Dichter der Dde „La naissance du duc de Bordeaux” ebenfos 
wenig zurüd, als zwanzig Jahre fpäter fein revolurionäres Pathos dem der 
chätiments weicht. Wie im Großen, fo berühren fich die beiden Poeten 
auch im Kleinen in der Vorliebe für effeltuolle Greuel- und wieder für 
idylliſche Kinderfcenen, in genial phantaftifcher Naturbefeelung, in den epi⸗ 
grammatifch zugefpigten Abjchlüffen, vor allem im Bilderfchage. Der deutfche 
Dichter geht aus diefem Vergleiche, trotzdem er zunächſt immer nur als der 
Empfänger angefehen werden kann, mit hohen Ehren hervor. 

Auf ſchwachen Füßen fteht dagegen, was Richter über die aus 
B. Hugo ftammende Bereicherung des Freiligrathſchen Sprach⸗, fpeciell 
Wortvermögens zu fagen weiß. Warum muß der deutjche Dichter den 
Eigennamen Iannina, der fih S. 39 mitten in eine Menge orientalifcher 
Appellativa verirrt hat, „unmittelbar” aus V. Hugo entlehnt haben? 
Jannina, die Nefidenz des dur feine Kämpfe gegen die Sulioten und 
die Pforte, nicht minder durch den Beſuch Lord Byrons allbelannten Alt 
Paſcha (1741— 1822)? Wir Haben in unferer Gefchichte des deutſchen 
Philhellenismus (Euphorion, 2. Ergänzungsheft 1896) S. 99. 140. 
142. 167 ff. für die große Popularität Alis von Jannina in Deutſch⸗ 
land Belege beigebracht, welche wir heute leicht auf das Doppelte ver» 
mehren könnten: hat doc fein geringerer als Goethe eine Epijode aus 
Alis Laufbahn, die Gewinnung der albanefifchen Seeftadt Parga (1814) 
als dramatifches Sujet empfohlen (Hempel 29, 647). Und was die an« 
geblihen Gallicismen Freiligraths anlangt, die von Richter S. 40 ff. anf 

21* 


372 Richter Kurt, Ferdinand Freiligrath als Ülberieter. 


den Einfluß V. Hugos zurüdgeführt werden, jo handelt es fid in den von 
ihm angezogenen Beifpielen fait durchwegs teils um echt deutſches Sprachgut, 
teil8 um allerdings franzöfifche, aber längit vor Treiligrath mehr oder 
minder feft eingebürgerte Yehnwörter. „Bord” in der Bedeutung „Ufer“ 
findet fich, fpäterer Autoren zu gejchweigen, 3. B. bei Wieland, Geßner, 
3.9. Voß; „Trott“ bei Zachariä, Wieland, Thümmel, Bürger, Goethe 
(„Spute did, Kronos! Fort den rafjelnden Trott!“), auch Verbindungen 
wie Freiligraths „Im fcharfen Trotte“ ſchon bei Kretiymann und I. ©. 
Müller. In der Wendung „im Bann fein* — „im Bereih fein“ („Wär 
ih im Bann von Mekkas Thoren“) werden wir feinen Gallicismus, viel- 
mehr den auch bei Goethe, Möfer und anderen nachweiébaren archaiſie⸗ 
venden Gebrauch eines deutfchrechtlihen Terminus erbliden; „Yärmfanone“ 
mag immerhin einem franzöfiihen canon d’alarme entſprechen: weder 
für den Begriff felbft noch für feine Benennung brauden wir uns den 
Nachbarn im Weften verpflichtet zu fühlen, vgl. Talvj, Volkslieder der 
Eerben 2 (1826, 155 „Nah dem Thurm kehrt' eilig fie zurüde, Feuert 
dorten ab die Lärmkanone“. Warum hat der Verfaffer nicht tie land» 
läufigen Nachſchlagewerle zu Rate gezogen? 
Kürzer und im allgemeinen zuſtimmend können wir über den reſtierenden 
Teil der Unterſuchung berichten, der ſich, zumeiſt chronologiſch der Ent— 
widlung folgend, über die Nachbildungen Muſſets und anderer Franzoſen, 
ſodann britiicher und nordamerikauiſcher Tichter verbreitet. Richter erblidt 
in diefer Verlegung des Arbeitsgebietes von romaniſchem auf ger— 
maniſchen Boden zugleih eine Abkehr von der großtönenden Phraſe zu 
unmittelbarerem, wahrerem Gefühlsausdrucke — wenn wir das Enthymem 
von S. 50 richtig ergänzen —, er zeigt, wie der UÜberſetzer ſich nod 
enger an die vorm der engliſchen als vordem an die der franzöfiichen 
Originale anſchließt, bleibt aber die Erkllärung für die von ihm felbft kon⸗ 
ftatierte Thatſache fchuldig, da Freiligrath gelegentlich längere Verſe, ale 
feine Vorlage bietet, verwendet und häufig die der engliſchen Metrik fo 
lieben Binnenreime befeitigt hat: Hier (und nicht bei den Franzoſen 
hätte von dem Monoſyllabenreichtum der zu überfegenden Eprade, hier 
fodanıı von ihrer außerordentlihen MNeimerzeugungsfähigfeit die Rede fein 
nüjien. 
Überall Sucht Richter das Verhältnis Freiligraths zum jeweiligen 
Ihertragungsjubitrat für Freiligraths originale Dichtung litterarhiſtoriſch 
ſchtbar au machen. Tie Nachforſchung, inwieweit das Engliſche, das 
Freiligrath ja kemeswegs bloß eine Yıtteratur-, ſondern jahrelang auch 
ſchafts- und Umgangeſprache war, auf feinen deutihen Wort- und 
rmenſchatz eingewirlt hat, ergiebt, weil verfichtiger als die oben erwähnte 
loge geiuhrt. »7 j. onnchmbare Meiultate. Auch ın der hoben 
wertung ° " - ng Les Yongieliewichen son of Liawatha ſtimmen 
r elbit und Mehter vollig uberem. Nor Tem gan; 


Richter Kurt, Ferdinand Freiligrath als Überjeker. 373 


jeltfamen äjthetifchen Urteil über Shalefpeare® Venus and Adonis (S. 88; 
vgl. auch S. 28) hätte den Berfaffer gerade die dazu citierte Schrift, 
Mar Kochs trefflihe Heine Shafefpearemonographie ©. 124 f., ſchützen 
jollen. Mit einem Rüdblide auf das durchwanderte Gebiet fließt Richter 
fein Bud, defjen Ergebnifje geitatten, auf Yreiligrath, wenn auf irgendwen, 
die Worte feines Jugendlieblings ®. Hugo anzuwenden: „Les vrais 
traducteurs ont cette puissance singulidre d’enrichir un peuple sans 
appauvrir l’autre, de ne point derober ce qu’ils prennent, et de 
donner un genie & une nation sans l’öter & sa patrie.” 


Einige thatſächliche Berichtigungen und nötige Ergänzungen mögen, 
ihres ganz accidentellen Charakters halber hier vereinigt, den Schluß der 
Beiprehung bilden. S. 7: V. Hugos Oden find nicht 1822, fondern 
von diefem Jahre oder fogar von 1821 an, wenn Quérards La France 
litteraire 4 (1830), 158 nidt irrt, bis 1828, die „orientales’’ nicht 
1827, jondern 1829 erfhienen. Mit den S. 7 angeführten Titeln ift die 
Zahl der Iyrifchen Publikationen Hugos natürlich keineswegs erſchöpft. — 
©. 24 lautet 3. 2 ridtig: „Djinns au vol furieux, danses des 
bayaderes.”” — €. 25: Freiligraths Tante und Berlobte hieß Lina 
Shwollmann. — ©. 29: in B. Hugos Drientale „marche turque” 
(vgl. Oeuvres completes, ed. defin., podsie 2, 99- ff. und Freilig⸗ 
raths 4, 223 ff.) handelt es fi nicht um den Gegenſatz zwifchen dem 
Mannesidenl eines Türken und einem „feigen Chriftenhunde”, fondern 
einem tapfern wird ein feiger Mufelman fontraftiert. — ©. 34 find 
zwei Treiligrathfche Titel miteinander verwechjelt: der Berfafler meint ftatt 
des „Divans der Ereigniffe“ das ftofflich freilich nahverwandte Gedicht 
„Der Scheik am Sinai”. — ©. 48: der fogenannte Ettrid- (nicht Eittril-) 
ihäfer, ein namhafter englifcher Naturdichter (1772—1835) Heißt richtig 
Hogg; Hier wäre ein Meiner Fehler Freiligrath8 oder Buchners (1, 114) 
zu verbefjern gewefen. — ©. 61: Die Fügung: „Coleridges Ehriftabel, 
das fi im derfelben Atmofphäre bewegt” wedt in ihrem auffälligen 
Widerſpruch gegen deutfhen Sprachgebrauch die Bermutung, dem Ber- 
fafler fei das Schauergediht des lake-poet fremd geblieben: woran 
freilich nicht viel Liegt. — S. 90 ift Cooper mit Cowper verwedjelt. 
Wo Bernardin de Saint-Pierre dem Imdianer Eingang in den Stofflreis 
der franzöfifchen Litteratur verſchafft haben fol, ift uns nicht belannt; 
der Verfaſſer dachte doc nicht etwa an die „chaumidre indienne”’? — 
©. 96: es iſt unrichtig, daß erft Ida Freiligrath 1883 Freiligraths Ver⸗ 
deutf hung von Byrons „Mazeppa“ der Offentlichfeit übergeben hat; dieſe 
Jugendarbeit unferers Dichter8 erſchien bereit8 1825 in den Münfterfchen 
Allgemeinen Unterhaltungsblättern vom 2. Ditober» bis zum 2. December: 
beft, vgl. W. Buchner, Euphorion, 1. Ergänzungsheft (1895) ©. 129. 
Der 1832 im Mindener Sonntagsblatt abgedrudten Übertragungen aus 


374 Meyher Richard M., Tie deutiche Yitteratur des 19. Jahrbunderts. 


Byrons The giaour (vgl. Buchner 1, 61 mußte hier unbedingt Ei— 
wähnung geichehen. — ©. 101: Manzonis „eonte di Carmagnola” 
ift nicht das einzige Drama, aus dem Freiligrath eine lyriſche Ztelle 
überfegt hat; vgl. 4, 58 das Grablied aus Cymbeline. — ©. 104: Guftav 
Legerlotz' Verſuch, das berühmte „My heart 's in the Highlands” in 
deutichem Dialekt wiederzugeben, fteht nicht fo vereinzelt da, als der Ber: 
fafler meint; vgl. E. Lindner, Fartblihndijer zöpferfcher Yiederpojhen? 11879), 
84. Die mundartliden Nadbildungen Burnsfcher Lyrik von B. Prinz 
(18695, U. Corrodi (18705, 93. Ehlers 1877, uns gleihmäßig un- 
erreihbar, liefern vielleicht intereffante Seitenſtücke. Auf die Vorliebe 
unferer Dialeltpoeten für den großen fchottifichen Bollsdichter haben wir 
gelegentlich Hingemiejen, vgl. Cuphorion 4 (1397), 829. 

Noch eine Trage zum Schluß. Welche Bewandtnis hat e8 mit der 
‚ung leider unzugängligen‘ Publikation: „Molieres fämtliche Werlke. 
Überſetzt von Y. Braunfels, F. Demmler, €. Duller, 8. Freiligrath, 
W. von Füdemann, M. Runtel, €. Wenden, O. L. B. Wolff, Y. Par 
und anderen. Herausgegeben von Louis Yar.“, welde Aachen 1837 f. in 
fünf Bänden und 1838 einbändig erfchien? In welchem Werhältnis fteht 
Treiligrath zu diefer Alnternehmung, von welcher der Verfaſſer gar feine 
Notiz nimmt? Mag fein, daß Freiligrath hier cbenfomwenig zur wirklichen 
Meitarbeiterfchaft gelangte wie an den unter Leitung F. Bodenſtedté bei 
Prodhaus 1869: 1872 erfchienenen 38bändigen „Dramatiihen Werten“ 
Chafejpeares, deren ftattliche liberfegerliite auf den erften Bänden der 
Zammlung mit Freiligraths Namen prunft, bi8 an dejien Stelle da 
des Philologen N. Delius eriheint. Eine Briefftelle (Buchner 2, 374 
aus dem Jahre 1867, die Nichter nicht ignorieren durfte, giebt nähere 
Auskunft über die unverwüſtliche Arbeitsluſt des greiſen Dichtersllberfegers, 
mit welcher nun allerdings die Arbeitsfähigkeit nicht mehr gleichen Schritt 
halten konnte. „Mein Antheil an Yodenftedts Unternehmen,“ fchrieb iFreilig- 
rath, „wird fih auf Year, Cymbeline und Wintermährchen beichränlen.“ 
Taß er diefe Arbeit feinem Volke nicht mehr Schenken fonnte, ift tief zu 
beklagen. 

Wien. Robert Franz Arnold. 


Meyer Richard M., Tie deutihe Yitteratur des 1%. Jahrhunderts. 
Tas 1%. Jabrhundert in Dentſchlands Entwicklung .... Heraus» 

gegeben von Paul Schlenther. Berlin, G. Bondi 1900. 10 M. 

Tas große Sammielwerk, dem das vorliegende Buch angehört, iſt 

in unjerer Zeitfchriit 6, 772 77% von Jodl bereits charafterifiert 


I plattdrutich. 
ſchmeizerdeutich: vgl. auch Benin Ztadir „N. Buͤrns und P. Hebel“ 118735, 


— 


Yr 182 der Binchow Holbendorfiſchen Vortrage, 2. 37 jj 


Meyer Richard M., Die deutfche Fitteratur des 19. Jahrhunderts. 375 


worden und dort find aud die Bedenken dargelegt, die ſich gegen die 
Abgrenzung der Gefchichte des geiftigen Lebens nad Iahrhunderten er- 
beben. Die bundert Jahre von 1800—1900 bilden litterarhiftorifch Teine 
Einheit, das Yahr 1800 macht in unferer Litteraturgeichichte keinen Ein- 
Ihnitt oder Abſchnitt; kaum die Jahre 1805 oder 1815, eher die Jahre 
1830— 1832. Meiner Anfiht nach bildet fogar erft da8 Jahr 1848 die 
große Waſſerſcheide zwifchen der MHaffifcheromantifhen Literatur des 
18. Sahrhunderts und der neuen heute noch Herrfchenden Richtung. Sowie 
der Litterarhiftorifer des 18. Jahrhunderts, um eine Einheit zu gewinnen, 
gezwungen war, bis zum weftphälifchen Frieden zurüdzugehen und feine 
Darftelung bis zu Goethes Tod fortzuführen, jo wird auch der zu- 
künftige Yitterarhiftorifer de8 19. Jahrhunderts in einer abfchließenden 
Darftellung um eine bis zwei Generationen ins 18. Jahrhundert zurück⸗ 
greifen müfjen bis zum Auftreten Klopftods oder zum mindeften Goethes, 
und wie weit er feine Grenzpfähle ins 20. Jahrhundert wirb vorfchieben 
müſſen, das fann heute niemand ermeſſen. Auch Meyer geht von ähnlichen 
VBorausfegungen aus, indem er den Schwerpunkt feiner Darftellung in die 
zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts verlegt. Ex verzichtet auf eine aus⸗ 
führlihe Darlegung der kritiſchen Philofophie, wie fie zum Verſtändnis 
unſres Geifteslebens unentbehrlich iſt, er verzichtet auf eine zufammen- 
bängende Darftellung des Goetheſchen Einfluffes, wie fie Jodl in dem 
Buche Ziegler vermißte, er betrachtet die Romantik durchaus als ein 
Produkt des 18. Jahrhunderts, mit dem er wie mit einem gegebenen Faktor 
rechnen kann; felbft eine fo feſſelnde Erfheinung wie Kleiſt lockt ihn noch 
nicht zum Verweilen. Erſt bei Raimund und Grillparzer fegt feine eigentliche 
Darftellung ein. Immermann, Platen, die Drofte, Heine find die erften 
Dichter, die er ausführlich charakterifiert. Nun gewinnt die Schilderung mit 
jedem Decennium mehr an Wärme und Farbe. Gottfried Keller wird als bie 
größte dichterifche Exrfcheinung des Jahrhunderts Liebevoll heransgearbeitet. 
Je mehr er fi der Gegenwart nähert, deſto freier nnd frifcher, defto 
jelbftändiger und ungezwungener fühlt er fich und bei der Charakteriſtik der 
legten zwei Decennien fteht er auf der Höhe feiner Leiftung. Meyer macht 
auch Fein Hehl daraus, daß ihm die im Fluß begriffene Entwidlung der 
Gegenwart wichtiger und fympathifcher ift als die abgefchloffenen Phaſen der 
Bergangenbeit, daß er mit allen Faſern feines Weſens an der neneiten 
Litteratur hängt, daß er als ein durch und durch moderner Menſch mit 
der modernften, der werdenden, ja der Zulunftslitteratur ſich verwachien 
fühlt und er ift geneigt, die kritiſche Betrachtung der Zuftände ber 
Gegenwart als die Blüte der Geſchichtſchreibung anznfehen: nur ſolche 
Perioden fünnten mit wirklihem Cinfühlen und Mitfühlen dargeftellt 
werden, die no wirkſam find. „Hätte ich nicht mitfühlende Freude an 
dem Ringen gerade der Gegenwart — ich hätte dies Buch wohl un« 
gefchrieben gelaſſen“ gefteht er ©. 748. Und indem er mit Wunbt (Logil 


376 Meyer Richard M., Die beutfche Fitteratur des 19. Jahrhunderts. 


2, 418. 420) an eine Objektivität in der hiſtoriſchen Darftellung nicht 
glaubt, am wenigiten wenn fie die eigene Zeit betrifft, fährt er fort: 
„Aber das ıft Har, daß bier eben dem tyühlen, dem Raten fogar Raum 
geitattet werden muß. Ich wenigſtens babe nicht, wie vielleicht der oder 
jener litterarifche Kritiker, das Gefühl, hoch über der Arbeit des Tages 
zu ftehen — ich fühle mich mitten inne im Gedränge. Und deshalb darf 
man nicht verlangen, daß ich die Zrennungen und Berührungen der 
Gruppen fo Mar überfehe, wie es erſt möglich fein kann, wenn vieles ſich 
‚ausgelebt' bat, was jegt noch jung ift. Ganz naiv muß man hier nach⸗ 
zeichnen dürfen, wie die Primitiven: die Perſpektive fledt erft in den 
Anfängen. Manche Figur, die auf dem zweiten Plan fteht, wird bei uns 
noch mit ©eftalten des Vordergrundes gleiche Höhe haben. Yicht und 
Schatten können wir noch nicht fein abtönen. Aber wir ſuchen zu er» 
zählen, was wir erleben; das ift immer etwas.” In der That liegt im 
diefem Echlußteil da8 Hauptverdienft des ausgezeichneten Werkes, und ich 
für meinen Zeil hätte gewünfcht, daß Meyer die zwei Kapitel von 
1880—1900 ihrer erften Anlage entfpredend noch viel breiter aus⸗ 
geführt hätte, während man jegt die nachträglich fürzende Hand an vielen 
Drten merkt. Eo haben Th. Mundt und fpäter R. Prutz die Litteratur 
ihrer Zeit mit Glück zu faſſen geſucht; fo Hat fi der von Meyer leider 
vernadhläffigte Ruge zum Merker und Warner der zeitgenöffiichen Pro- 
duktion aufgefhmungen. Eo hat Julian Schmidt durd ein ähnliches Wert 
einem Dann wie Scherer den vorläufigen Standpunft der modernen 
Litteratur gegenüber angemwiefen, fo iſt Schönbah mit feinen Eſſays in 
„refen und Bildung“ weiten Kreifen zum Führer geworden. Gelingt es 
Diener, wie der unerhört rafhe Abfag des umfangreichen Buches zu ber 
weiſen ſcheint (die zweite Auflage, das vierte bis neunte Tauſend umfaflend, 
iſt bereit8 erfchienen), mit feinen wohlüberlegten, feinfinnigen Urteilen durch» 
zudringen, gelingt e8 ihm, dem ratlos zwiſchen den Extremen hin und ber 
taumelnden Publikum Halt und Richtung zu geben und die weitere 
Forſchung und Kritik auf die rechten Wege zu weiſen, glüdt es ihm gar, 
einzelne hervorragende dichterifche Zeitgenoffen über fich ſelbſt aufzuflären, 
auf ihr Echaffen Einfluß zu gewinnen und ihrer taftenden Unſicherheit 
zum Leiter zu werden, fo wird ihm für feine hingebenden Bemühungen 
der Ichönfte Yohn zu teil werden. 

Obwohl Meyers Bud einer Zammlung angehört, in der jedem 
einzelnen Zweige der geiftigen und materiellen Kultur Deutfchlands eine 
felbitändige Betrachtung gewidmet ift, fo greift er doc felbft in feiner 
Darſtellung nah allen Seiten möglihft weıt aus. Überall betont er den 
Zujammendang der geiftigen mit der politifchen Entwidlung, wie diefer im 
1%. Jahrhundert — abweichend von anderen Zeiträumen — unverlennbar 
ft. Ohne die Yitteraturgefchichte einfeitig für eine Gefchichte der Ideen 
auszugeben, zeigt er do, wie alle philofophijchen, religiöfen und focialen 


Meyer Richard M., Die deutfche Fitteratur des 19. Jahrhunderts. 377 


Richtungen in der Literatur fich wiederfpiegeln. Der Gefchichte der Wiflen- 
Ihaft räumt er mit Scherer einen bedeutenden Pla in der Litteraturs 
gefhichte ein, und e8 gehört zu ben wichtigften Refultaten des Buches, 
wie er Dichtung und Willenfchaft in ihren Wandlungen denfelben Ents 
widlungsgejegen unterworfen zeigt. Dem gefprocdenen Wort fchentt 
Meyer eine größere Beachtung als alle bisherigen Litterarhiſtoriker; er 
jkiggiert die Gejchichte der Predigt, noch mehr die der parlamentarifchen 
Deredfamfeit und macht uns auf eine felbftändige Darftellung begierig, 
die er dieſem Thema widmen wird. Auf bie im Laufe des gefchilderten 
Zeitraumes jo mächtig zunehmende Publiziftil hat er ſtets ben Blick ge⸗ 
richtet, bedeutende Publiziften, Journaliſten und Kritiker werden felbft 
Gegenftand der Kritil; Männer wie Kürnberger kommen zu ihrem Recht; 
der einzige Harcort, den Kaufmann 458 ff. zu Ehren gebracht Hat, ifl 
ihm entgangen. Auf die Erwähnung des für die Theatergefchichte epoche- 
machenden Schreyvogel durfte Meyer ebeufo wie auf eine ausführliche 
Charakteriſtik Raupachs, der Birch Pfeiffer und anderer Bühnenfchriftfteller 
zu Gunften der Theatergefchichte verzichten; feine muſikaliſchen Exkurſe 
werden ebenjo in einem andern Band ihre Ergänzung finden. 

Bei alledem fteht die Dichtung, die Frage nach dem künftlerifchen 
Wert der einzelnen dichterifhen Schöpfungen im Mittelpuntt der Dar- 
ftellung. Ohne auf ein einzelnes äfthetifches Syſtem eingefchworen zu fein, 
ift er reich an einzelnen wertvollen äfthetifchen Urteilen. Für die Libers 
einftimmung von Inhalt und Form, von innerer und äußerer Form bat 
er den Schärfiten Blid; überall find Sprade, Stil und Metrik fnapp aber 
bezeichnend beurteilt; die feinften ftiliftiichen Beobachtungen find kunſtvoll 
in die Darftellung verwoben. Dennoch ift er gegen das Hinter dem ge⸗ 
ftedten Ziel Zurüdgebliebene, gegen das Mißlungene und Berfehlte nicht 
allzu fchroff oder gar ungerecht und kann daher zufammenfafjend in der 
Einleitung fagen: er bemühe ſich, die Gefchichte der deutfchen Fitteratur 
darzuftellen als die Gefchichte der litterarifchen Beftrebungen unferes Volkes, 
mögen fie nun zu einer Erweiterung ded Stoffe und Tyormengebictes 
geführt haben, mögen fie vollendete künftlerifche Leiftungen ergeben haben 
oder nicht. (©. 5.) 

Wichtiger aber als al dies ıft Meyer doch die bichterifche Perfün- 
lichkeit. „Wa8 würde uns aber fchließlih das ganze Bild raftlofer Ent- 
widlungen bedeuten, wenn uns die Menfchen nicht intereffierten, in deren 
Seele fich dies große Drama vollzog? Daß wir Charaktere und Talente 
wie Annette von Drofte und Heinrich Heine, Gottfried Keller und Theodor 
Vontane, Marie von Ebner⸗Eſchenbach und Gerhart Hauptmann ſtudieren 
und fchildern dürfen — das bleibt doch das größte Vorrecht, deffen die 
neuere Litteraturgefchichte fich zu erfrenen hat. Wir fafjen alſo unfere Auf- 
gabe fo, daß wir vor allem die Individuen als Träger der Entwidlung 
darzuftellen haben, und die ‚Ideen’ nur, infoweit fie fi in der Folge 


378 Meyher Richard M., Tie deutiche Yitteratur des 19. Jahrhunderts. 


diefer Perfönlichteiten abfpiegeln. Es ergiebt fih damit für uns eine ganz 
beftimmte Anordnung. Wir wollen die jedesmal friih auf den Plan 
tretenden Kämpfer und Eroberer der Reihe nach betrachten und dann, in 
regelmäßigen Abftänden, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt das Ergebnis ihres 
Wirkens. Tür die Autoren felbft halten wir uns ım wefentlichen an die 
Chronologie ihrer Geburtsjahre...... Indem wir jede Figur für fih zu 
betrachten ſuchen, glauben wir das leife Wachstum einer ftetigen Ent- 
widlung am beften beobachten zu fünnen. Größere Gruppen find freilich 
nit immer zu vermeiden.“ (S. 5 f.) 

Die chronologiſche Keihenfolge der Schriftiteller zum Prinzip ihrer 
biftorifchen Anordnung zu machen halte ich für fehr richtig. Es iſt un- 
gefähr die Generationenlehre von Porenz, vom politifhen Leben aufs 
geiftige übertragen. Die geiftige Phnfiognomie der Zeit ändert fi nicht 
bloß alle dreißig Jahre, wenigftens ıft das im 19. Jahrhundert nicht 
mehr fo. Alle fünfzehn, alle zehn, ale fünf Jahre find ſolche Ande— 
rungen bei näherem Zuſehen bemerkbar. Echon vor hundert Jahren jagt 
einer der zahlveihen Cäfularbetrahter (Weſſenberg, Der Geiſt des Zeit- 
alters, Züri 1801, S. 4 fi): „Tie Geſchichte lehrt, auch abgejehen von 
jedem Einzelnen bejonderen Lebenslaufe, dag gewöhnlich innerhalb zehn 
Jahren fi) alles, oder bennah’ alles, was dem Menſchen intereſſant iſt 
(die Natur felbft ausgenommen), weientlih ändert.“ Am nächſten gehören 
die Sleichaltrigen zufammen, weil fie trog aller Verfchiedenheit der Geiſtes— 
anlage denfelben Bıldungseinflüffen zu derjelben Zeit unterliegen, weil fie, 
felbft wenn ihr thatfächliches Eingreifen in die Yıtteratur durch Decennien 
getrennt ıft, die entſcheidende Ausbildung ihres Geiftes in denfelben Jugend» 
jahren durchmachen. Daß hinter diefen natürlihen Zahlen feine Epielerei 
und feine Myſtik ftedt, zeigt leicht eine Mufterung der lebenden Schrift⸗ 
fteller, wie ich fie nach diefem Grundfage im Jahre 1893 vorgenommen 
babe Beilage zur Bohemia Nr. 130. 132. 136. 1421: die Achziger wie 
Jordan und Pichler, die Eiebziger wie Henie und die Ebner, die Sech— 
ziger wie Wilbrand und Fittger u. ſ. w. weifen die nächſte Verwandtichaft 
auf und gehören ein» für allemal zufammen. — 

Auch das zweite von Mener angewandte Cinteilungsprinzip iſt, an 
und für fich betrachtet, jehr richtig. Fallen wir einmal die Jahrhunderte 
ale Einheiten auf, fo ergeben fich die Jahrzehnte als Ilnterabteilungen 
von jelbit, und wie wir mit den Worten: das 16., das 17., das 
18. Jahrhundert beftimmte Vegriffe verbinden, fo thun wir dies auch, wenn 
wir von den zwanziger, dreißiger, vierziger Jahren des 19. Jahrhunderté 
ſprechen. Meyer hat diefe Iandläufigen Ausdrüde fchärfer gefaßt und befier 
begründet und hat mit feinem auf das MWefentliche und Typifche gerichteten 
Blick die Signatur jedes Zeitalters zu erfennen geſucht. Dadurch, daß 
im 19%. Jahrhundert mehrfach wichtige politifche und foziale Ereigniffe an 
ten Anfang oder an den Schluß eines Decenniume fielen, wie die Juli⸗ 


Meyer Richard M., Die deutſche Literatur des 19. Jahrhunderts. 379 


revolution ins Jahr 1830, die Fehrnarrevolution ins Jahr 1848, der 
deutfch-franzöfifche Krieg ins Jahr 1870, die Entlafiung Bismards ins 
Jahr 1890, kann das Dekadenſyſtem geftiigt werben, obwohl Meyer felbft 
gelegentlih darauf aufmerkjam macht, wie die Einſchnitte oft auch in die 
Mitte der Decennien fallen. (S. 42.) 

Jedes der beiden Cinteilungsprinzipien läßt fih alfo an und für 
fi) rechtfertigen. Das Unhaltbare und Verhängnisvolle liegt Lediglich 
darin, daß fie Meyer Tombinierte und fo eines rein und ficher durch⸗ 
führte. Das Widerfpruchvolle liegt darin, daß das erſte Prinzip rein 
biographiſch, das andere rein Hitterarhiftorifh if. Als Biograph faßt 
Meyer die einzelnen Perfönlichkeiten ganz richtig an der Wurzel, er gräbt 
eine Schicht tiefer als der Titterarhiftorifer graben kann und darf. Darum 
ift bei jedem Dichter die Tugend das enticheidende; darum brechen fo 
viele jelbftbiographifche Darftellungen mit dem Beginn der Mannesjahre 
ab, wie die Goethes; darum wird jede richtig angelegte Dichterbiographie 
mehr oder weniger einer Pyramide gleichen. Für den Biographen wird die 
Zeit, in der eine Anfiht, ein Werk, ein Plan fih bildet, wichtiger fen 
al8 der Zeitpunkt der Ausgeftaltung, des Abfchluffes, des Hervortretens, 
der Wirkung; für den Biographen Yontanes werben die vierziger Jahre, 
für den der Ebner die fünfziger, für den Angengrubers die fechziger Jahre 
die Fritifchen fein. Für den Geſchichtſchreiber der Litteratur gilt gerade 
das Umgelehrte. Für ihn ift ein Dichter erft vorhanden im Moment 
feines litterarifchen Auftretens, ein Werk erſt im Augenblid feines Er⸗ 
ſcheinens (als Ganzes oder als Fragment), feiner Aufführung oder feiner 
handſchriftlichen Verbreitung, wenn diefe auf weitere Kreiſe ſich erftredt 
wie bei Goethes Iphigenie. Die Wirkung eines Werkes ift für den 
Litterarhiftorifer wichtiger al8 die Entftehung. Bon der Dramatilerin 
Ebner⸗Eſchenbach nahm die Zeit der fünfziger Jahre kaum Notiz — aud) 
Meyer Scheint ihre gedrudten Dramen nicht zu kennen (die Wiener Uni- 
verfitätSbibliothef befigt Eremplare davon), wenigftens charakteriflert er fie 
nit mit einigen Worten, wie das fonft auch bei viel unbebeutenderen 
Werken feine Gewohnheit ift — erft in den fiebziger Jahren wird fie als 
Erzählerin befannt, erft in den achtziger und neunziger Iahren übt fie 
eine größere Wirkung aus, deshalb gehört fie in diefen Zeitraum und 
nit in jenen, zum mindeften muß fie eine boppelte Behandlung erfahren, 
wie died auch für Yontane unvermeidlich ift. Nach Meyers Prinzip würde 
Goethe als Geſamterſcheinung nicht etwa in dem neunziger oder achtziger 
oder fiebziger — nein in den fechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts 
zu behandeln fein, was felbft für Wieland zu früh wäre. Die konfequente 
Verfolgung des biographiſch-chronologiſchen Einteilungsprinzipes hätte zu 
einer natürlichen Gruppenbildung geführt, wie fie uns längft geläufig ift. 
Die Hallenfer Anakreontiker des 18. Jahrhunderts, die Stürmer und 
Dränger, die Göttinger Dichter, die älteren und bie jüngeren Romantiker, 


380 Meyer Richard M., Die deutſche Litteratur des 19. Jahrhunderts. 


die treiheitsdichter ftehen fi” — wenige Ausnahmen abgerechnet — im 
Alter ſehr nahe: an ihrer inneren Zujammengehörigfeit wird daher nie» 
mand rütteln. Mehr oder weniger gilt died auch von dem jungen Deutſch⸗ 
land, von den Zenbenzdichtern der vierziger Jahre, vom Münchener 
Tichterkreis, von den Stürmern der achtziger Jahre, wie ja auch Meyer 
diefe Gruppen nicht ganz umgehen fann. Er hätte fie noch ftärker zu» 
ſammenſchließen und durd neue vermehren und ergänzen follen. Dder er 
hätte das biographifche Prinzip ganz fallen laſſen müſſen und wie Prutz. 
wie Julian Schmidt ſynchroniſtiſch — nad Decennien — die „neuen 
Menſchen“ zufammenftellen müfjen. Jetzt werden vielfach Perfönlidhkeiten 
aneinander gerüdt, die wenig oder nichts miteinander zu thun haben, der 
Widerſpruch zwiſchen Text und Kapiteleinteilung (Kolumnenüberfcrift) wirkt 
verwirrend, falſche Vergleihungen, gezwungene Übergänge ergeben ſich 
und der ziemlich einfache Gang unferer Pitteratur erfcheint auf diefe Weiſe 
al8 ein fehr Fomplizierter. 

Noch ein dritter Einteilungsgrund läge nahe, den Meyer in ber 
Vorrede jchroff abweift: der landſchaftliche. Gewiß hat Meyer recht, wenn 
er von einer liberfchägung minderwertiger Dialeltlitteratur, bodenftändiger 
Mittelmäßigkeit, ſchwächlicher Heimatskunſt nichts willen will. Aber Deswegen, 
weil ein Prinzip faljch angewendet oder einfeitig übertrieben wird, braucht 
es ſelbſt noch nicht falfch zu fein. Vielleicht gleichen ſich die Unterfchiede im 
GSharafter der deutfhen Stämme und Landſchaften einmal fo fehr aus, daß 
man ein einheitliches Bild unferer Fitteratur wird entwerfen können. Heute 
wurzelt fie noch ſehr ſtark in der einzelnen Landſchaft, nicht bloß bei den 
politifh vom Mutterlande getrennten Stämmen, fondern auh im Reiche 
felbft. Giebt e8 nun eine fo weit verbreitete und reich gegliederte Dialekt⸗ 
litteratur von folder Kraft, Gefundheit und Urwüchſigkeit, von folcher 
Eigenartigfeit und wenn man will Rüdftändigkeit wie die oberöfterreidhifche, 
fteirifche, tyrolifche, ſchwäbiſche, bayrifche u. |. w., fo muß fie mit die 
Grundlage der allgemeinen Darftellung der deutfchen Vitteraturgefchichte 
bilden, auch wenn nicht alle einzelnen Werke diefer Dialektdichter zum 
Gemeingut des ganzen deutſchen Volles geworden find. Hier fcheint mir 
Meyers ſonſt bemwundernswerte Belefenheit, die fih auf alle modernen 
Yitteraturen erftredt, immerhin Yüden aufzuweiſen; wenigftens findet er 
für Stelzhamer fein bezeichnenderes Wort als einmal ein abgeblaßtes 
„treiflih” und ein andersmal ein allgemeines „Originalität“. Hier wäre 
das Erdreich aufzumühlen, wie Diener fo viele andere Maulmwurfsarbeit 
mıt großem Nuten vollführt hat. Hier träten die Dichter zu vielfach neuen 
Gruppen zufammen, neue Vergleihungspuntte ergäben fi und für bie 
meiften der ſchon jetzt geichäßten und bewunderten Dichter fänden ſich 
neue Beweiſe für die Nichtigkeit des zeitgendjfiichen oder Hiftorifchen Urteils 
aus den bisher unergründeten Tiefen echtefter Stammesart. Die deutſche 
dıtteraturgefchichte muß noch einmal von unten auf gelchrieben werden; 


Meyer Richard M., Die deutjche Literatur des 19. Jahrhunderts, 381 


die Gipfel werden zwar dieſelben bleiben, aber fie werben vielfach im 
neuem und hellerem Licht erftrahlen. 

Wenn nun die wenigen Wunſche und Ergänzungen, die ich zum 
Schluſſe vorbringen will, um für die mir gebotene reiche Anregung einiger- 
maßen meine Dankbarkeit zu befunden, grade Dichter meiner engeren 
Heimat betreffen, fo mag mir das nicht bloß als Überichägung der heimat- 
lihen, von Jugend auf vertrauten Litteratur angelegt werden, die ich 
hier ganz anders bewertet umd beurteilt finde, als ich dies zw thum ger 
wohnt bin. Der fchöne Abſchnitt über Grillparzer macht mir nicht dem 
Eindrud, als ob er mit Hilfe der legten Auflage der Werke und der jegt 
ſchon ziemlich angewachjenen Fitteratur über den Dichter gearbeitet wäre. 
Daß Meyer die Yyrit Grillparzers ebenſo ftiefmütterlich behandelt wie die 
Hebbels und Immermanns, werde ich mit meinem Widerfpruch nicht ämbern. 
Aber ungerecht bleibt 8 immer, einen Lyriler durch feine ſchwächſten Ge- 
legenheitõgedichte zu charakterifieren. Welch Zerrbild Fönnte man auf dieſe 
Weife von Heines, ja ſelbſt vom Goethes Lyrik entwerfen und für eine 
litterariſche Charakteriftit ausgeben. Daß die Eſther ſchon 1863 gebrudt 
war, fei mtv nebenbei bemertt (©. 68). 

Eine Überprüfung verlangt der Abfchnitt über Bauernfeld. „Der 
legte Krieger“ mag fehlen troß feiner hiftorifchen Wichtigkeit. Aber kann 
man fih von des liebenswürdigen Mannes durch mehr als 70 Jahre 
erftreddender Thatigleit eine Vorftellung machen ohne Erwähnung feiner 
beften Werte, wie „Landfrieden“ oder „Aus der Geſellſchaft“. Überhaupt 
beruht die herfömmliche Klage über unfern gänzlihen Mangel an guten 
Luffpielen dod) auch auf einer mangelnden Kenntnis unfrer Schätze. Kann 
man fi etwas veizenderes denfen ala Halms „Verbot und Befehl, das 
alle feine Trauerfpiele aufwiegt und das feine Litteraturgeſchichte er ⸗ 
wähnt? Übrigens irrt fi Meyer, wenn er aus dem zufälligen Umftande, 
dag Halm in Kratau geboren ift, einen Einſchlag flavifcen Blutes bei 
ihm annimmt. Er ift jo wenig ein Pole, wie etwa der in Ungarn geborene 
Lenau ein Magyare oder der im Krain geborene Anaftafius Grün ein 
Slovene. — Der Zufall offenbar hat Meyer ein vereinzeltes Wert von Enf 
zugeführt. Die reihe Schriftjtellerei des unglüdlichen Mannes, den Viſcher 
mit großer Ungeredhtigfeit zum „PhHilofophen des Wurftelpraters“ geftempelt 
hat, verdiente eine erneute Durchſicht; es ift ein Juwel darunter wie „Don 
Tiburzio“, den ein Nichtöfterreicher wie Bächtold warm ins Herz geſchloſſen 
hatte. — ©. 576 wäre das Jahr von Morres Tod einzufügen, — Fr 
Anzengruber hat Meyer gute Gewährsmänner gehabt, die er, wie fonft die 
erreichbare Vitteratur, vorſichtig und dankbar benutzt hat. Aber in einem 
Bunkte liegen fie ihn im Stid. Für Angengruber ift das Wiener Polaljtüd 
der vierziger, fünfziger und fechziger Fahre, das am die Namen Elmar, 
Toldt, DO. F. Berg, Kaiſer umd viele andere geknüpft ift, zum mindeften 
ebenfo wichtig, wie die ähnliche Produktion von Perinet bi Bauerle für 





382 Meyer Richard M., Die deutiche Fitteratur des 19. Jahrhunderts. 


Raimund. Neben dem Berliner und Hamburger Lokalſtück follte daher das 
Wiener nicht fehlen. — In einem grundfäglichen Gegenfag zu Meyer und 
feinem Gewährsmann (Neder) befinde ih mid in Bezug auf die Aufs 
fafjung des fchriftftellerifchen Charakters der trau von Ebner, den aus 
ihren litterarifchen Satyren abzuleiten, eine Verſündigung an ihrem 
großen und reihen Zalent if. Doch muß dies einer jelbjtändigen Dar⸗ 
legung vorbehalten bleiben; bedauerlich ift es, dag Meyer die vorzüglichen 
Auffäge von Hofader über fie, die unfere Bibliographie verzeichnet, ent- 
gangen find. — Dürfte ich mid) nun nody mit einigen Namen bervormwagen, 
die ich aus dem engeren Heimatskreis vermiſſe, fo wüßte ich nicht, wo ich 
beginnen follte: von Gaftelli bi8 Miſſon eine Yüde in unferer Dialelt- 
dichtung; der teure Name der Gräfin Widenburg, ber eble Grasberger, 
die feurige delle Grazie, die betriebfame und erfolgreiche Bertha von 
Suttner, der als Dichter wie Überſetzer als vortrefflich anerkannte Friedrich 
Adler: ſie alle hätten dieſelbe oder vielleicht ſogar größere Berechtigung 
genannt zu werden wie viele andre, die Meyer gekannt und gewürdigt hat. 

Schlechten Büchern widerſpricht man nicht, man ignoriert ſie. 
Meyers Buch hat ſchon dadurch eine große Lebenskraft bewieſen, daß es 
viel Widerſpruch über ſich ergehen laſſen mußte. Es wird dieſen Wider⸗ 
ſpruch ſiegreich überleben und, wie ich hoffe, oftmals und immer neu ver⸗ 
jüngt in die Melt ausziehen. E8 wird immer neue und immer dankbare 
veſer finden. 


Prag. Auguſt Sauer. 


Bibliographie.) 


1. Beitfriften. 


Bearbeitet von Adolf Hauffen in Prag. 


Philologifche und litterarhiftorifche Beitfchriften. 


Jahresberichte für neuere dentſche Litteraturgefdjichte. 7. Band. 
(1896.) 4. Abteilung. 
I. Allgemeiner Teil. — I, 13. Schmidt Leopold, Mufilgefchichte. — 
IV. Bon der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. — 
IV, 2. Sauer A., Lyrik. — IV, 3. Fürſt R., Epos. 


Aneiae für deutſches Altertum und dentſche Zitteratur. Band 26. 
eft 1 


Roethe G., Könnede: Bilderatlas. — Anertennend. Mit wertvollen Berich⸗ 
tigungen, Vorſchlägen und Nachträgen. S. 4. Über Murners Handzeichnmgen. 
S. 9. Die Iluftrationen der Reformationsftreitichriften. S. 15 ff. Hinweife auf 
Bilder zur Theatergefhichte. S. 20 ff. Bericht Über das reichhaltige Göttinger 
Zilhouetten-Stammbud) von Carl Schubert. S. 24 ff. Porträts. 

Michels B., Schriften über Murner. — Uhl, Boß, Ott, Popp. — Mit 
Beobadjtungen zur Metrit Murners. 

Hoenig B., Fürft: Vorläufer der modernen Novelle. 

Bondraf W., Murko: Deutfche Einflüffe auf die böhmiſche Romantik. 

Zeitſchrift für dentſche Philologie. 32. Band. Heft 1. 

Binz G., Ein Bafler Faſtnachtsſpiel aus dem 15. Jahrhundert. 

Behaghel O., Ich habe gefchlafen. — Über die Verbindung von haben mit 
dent praticipium praeteriti intranfitiver Berba. 

Köhler W., Voß: Murners An den großmächtigen Adel. Kid: Die Schriften 
Cronbergs. 

Bahder K. von, Kern: Das ſtarke Verb bei Grimmelshauſen. 

Meyer Richard M., Bartels: Die deutſche Dichtung der Gegenwart. — 
Ablehnend. 

Krauß R., Erich Schmidt und Hartmann: Gedichte Uhlands. 

Meier John, Horn: Deutſche Soldatenſprache. — Mit Fadtragen. 

Menſing O., Evers: Deutſche Sprach» und Litteraturgeſchichte. I. 

Ellinger G., Rubenſohn: Griechiſche Epigramme. 


i) Wo die Jahreszahl fehlt, iſt 1899 zu ergänzen. 





384 Bibliographie. 1. Zeitjchriften. 


Seedorf H., Pericht Über die Verhandlungen der germaniftifhen Sektion der 
45. Verſammlung deuticher Philologen und Schulmänner in Bremen. 

Geiger 8, Zu Goethes Clavigo. — Zu geitichrift 32, 384— 386. 

Zeitschrift für vergleichende Fitteraturgeſchichte. Neue Folge. 

Band 13. Heft 45. Band 14. Heft 1/3. Gaismaier J., liber Kerners 
„Reiſeſchatten“. Ein Beitrag zur Geſchichte der Romantik. I. Entitehung. II. Schatten: 
jviele. Marionetten. II. Die Satire auf die Gegner. IV. Die übrigen Perjonen 
dev Tichtung. V. Woifsbücher, Bolkglieder, Märchen. VI Aufnahme und Be- 
urtetlung. 

Band 13 Heft 45. Fränkel Y,, Andrea Guarna, Johann Spangenberg und 
das „Bellum grammaticale”. 1. Allgemeine Trientierung. 2. Überfidht der Haupt: 
gegenargumentr. 

Aspelin E., Pamottes Abhandlungen über die Tragödie verglichen mit Leſſings 
Hamburgiicher Tramatırgie. II. IV. Schluß.) 

Rormann W., 3wei Hauptſtücke von der Tragödie. — Einleitung. 1. Schuld 
und Zühne 1. Der Tod in jeiner beionderen Bedeutung in der Tragödie. 2. Alte 
und neue Tragödie. Zchidial, Weltordnung, Zufall. 3. Charaltere, Schickſalslage 
umd Handlung. Tas Tichterichaffen. 4. Poetiſche Gerechtigfeit und Notwendigkeit 
und ihr Ausdrud durch den Tod. Abweriung der Straftheorie. 5. Tod als Hand— 
lung, Sinnbildlichkeit des dramatiihen Zpiels. Peſſimismus. Die Seele als Nraft 
gegenüber der Welt. 6. Veriöhnung und Erhebung. Der irdiſch glückliche Ausgang. 
7. Ofienbarung der Seele in ihrem ganzen Reichtum und ihren edlen Kräften. 
Niedrige Charaktere. Selbſtmord. 8°. Leiden und Buße. 9. Unverdientes Leiden. 
Großes Vergeben. 10. Verdientes Leiden. Rewunderung. 11. Bewußtſein und Schuld. 
Misverſtandene Idealiſierung der Straftheorie. 12. Grauen des Todes. Der Tod 
als Arzt Einheit der antiken und modernen Tragit. 

E. Wolui für Kleiſtiſch erklärten Luſtipiele mit anderen Arbeiten Y. Wielands und 
bringt neue innere und äußere Beweisgründe für Wielands Verfaſſerſchaft bei. 

Bolte J, Uber den Urſprung der Don Juan Sage. I. Der Burlador de 
Sevilla. I. Tie Leontiusſage. III. Die Sage von dem zu Gaſt geladenen Toten- 
ſchädel. IV. Die Elemente des Burlador. 

Nebring W., Anhänge an dag Nibelungentied in mingreliichen Märchen” 

Jun, Bemerkungen zu Friedrich Rückerts Poetiſchem Tagebuch. 

Volte J., Golz: Genovefa. 

Farmelli 9, Schneider: Spaniens Anteil an der deutichen Litteratur des 
18. und 17. Jahrhunderts. -—- Ablehnend. Mer einer großen Reihe wichtiger Nadı- 
trage und Verichtigungen. 

Ste, DTreicher K., Ju Arigos „Blumen der Tugend“. 

Nutena Y, Tie Tfenpelter Dandichrift Der Gesta Homanorum. 

Kandel, Tier Calle von Chamiſſos Gedicht „Tie Aungfrau von 
Stabbenlanmer“. 

Vand 11. St 13 Landaun I, Ti Erdenwanderungen der Himmliſchen 
und dir Wun'iche der Menichen. 

Diſtel It, Kleine Leſcirüchte und Archvöplitter. VI Ein Urteil Friedrich 
Wageners uder Theoder Kerner VI Mullner und Schrenvogels „Tonna 
Ziana”. VIII. Ein Netichren der Witwe RMuüllners. IN. Traveſtie des Spruches: 
„Ich will Pass ſchlaien gehen, z3wolf Engel . . .“. 

Navy, Ja den Fauſtiplittern I Ein zeugn:s. IL Fauftaneldoten. 

We N, Tie maote Genereiag Litterati. GGorres. Brull Nanftl. 

Zeitſchrift Fi: On deutſchen Unterricht. 18. Jarrgang 
SEIN Zu da N. Tas wahre vied ven der Wlede zum Jubilaum. 
Nr Berechlaa J.. Volls!unde und Gymngañfialunte za:cht. 


1899. 385 


Mind W., Sprache und Ethik. 

Heft 2. 3. 4. Schwarze W., An Goethes Hand unter füdlichem Himmel. 

Heft 3. Mähly F., Sprache und Spradjlaune. 

ion O., Der Entwurf eines Geſetzes betreffend das Urheberrecht und das 
deutjche Leſebuch. 

Sprenger R., Zu Kleift, Prinz von Homburg, Vers 734. 

Glöde O., Zum medlenburgifchen Wortfchat. 

Nr. 4. Heynemann D. %., Kupfernidel, Nidel und Kobalt. — Namen- 
erflärungen. 

Reuſchel K., Nächtlicher Gottesdienft auf dem Meere. Drei deutſche Dichtungen 
und ihre Borlage. — Chamiffo, Die ftille Gemeinde. Prutz, Bretagne. Eichen- 
dorff, Stille Gemeinde. Die Vorlage bot Emil Souveftres Derniers Bretons. 

Goete A., Volksetymologien in flavifchen Ortsnamen. . 

Petſch R. Volksrätjel bei Johann Peter Hebel. 


Zeitfchrift des allgemeinen deutſchen Sprachvereins. Jahrgang 15, 

Nr. 1. Buchdruder B., Die Häßlichkeit der Fremdwörter. 

Behaghel O., Welder. Ä 

Lohmeyer R., Seinvih von Treitſchke und Guſtav Freytag Über den all« 
gemeinen deutſchen Sprachverein. — Nachtrag dazu in Nr. 2. 

Nr. 2. Brenner D., Berdeutichung der Monatsnamen. — Der Gejamtvorftand 
hat an die Zweigvereine die Anfrage gerichtet, ob die Erfegung unferer Monats- 
namen durd) deutjche erreichbar fei, ob der Verein flir deutiche Monatsnamen ein- 
tretern jolle und wenn ja, für welche. Die überwiegende Mehrheit der Antworten 
lautete verneinend. Da es in der That keine allgemeinen, anerlannten, pafienden 
und anjprechenden deutſchen Monatsnamen giebt, jo bat es ber Geſamtvorſtand 
ng abgelehnt, für eine Verdeutſchung unſerer Monatsnamen Schritte 
u thun. 

’ ., Bom militärifhhen Stil. 
sante K., Schütet gute alte deutſche Wörter in der Schule. — Nachtrag 
zu 13, Kr. 2. 
Nr. 3. Brunner A., Der Turnvater Jahn als Sprachmeifter. 
Nr. 4. Fiiher K., Unſere Mutterſprache im 19. Jahrhundert. 
Wiſſenſchaftliche Zeihefte zur Zeitſchrift des Allgemeinen dentſchen 
5pracqchvereins. Heft 17/18. 

Behaghel O., Gejchriebenes Deutſch und gefprochenes Deutſch. — Einzelne 
Anihauungen und Aufftellungen dieſes anregenden Feſtvortrags werben näher 
begründet in den ihm folgenden Ausfäufen: Zur deutſchen Wortitellung. — Das e 
im Dativ der Einzahl männlicher und fächlicher Hauptwörter. — Zum Wortlaut 
der politifhen Reden Bismards. 

Zeitschrift für deutſche Wortforſchung. 1. Band. 

Diefe von Friedrich Kluge begründete neue Bierteljahrjchrift „will den 
altbewährten Zeitfchriften feinen Abbruch thun, auch nicht die Zahl der allgemein 
germaniftifchen Fachblätter verinehren. Es will eine Sanımelftätte fein, in dem bie 
Nadhıträge und Berichtigungen zu unferen großen Wörterblichern eine Unterkunft 
finden, dis zu einer endgiltigen Aufarbeitung. Es will durch Klärung über Weſen 
und Inhalt der Wortforichung die großen Aufgaben der Zufunft vorbereiten und 
einfeiten. Es will der Gegenwart dienen, indem es durch ernithafte Einzelarbeit 
das Berftändnis der Mutteriprache belebt uud vertieft“. Das neue Unternehmen 
will auch die Geichichte der Wörterbücher berüdfichtigen, wichtige Spradjquellen neu 
drucken, Eleine Mitteilungen, Rezenfionen und Umfragen bringen. 

Heft 1. Behaghel D., Zeitwörter, die von Hauptwörtern abgeleitet find. 

Meyer N. M., Der Übermenſch, eine wortgeſchichtliche Skizze . 

Bietih P., Lutherſches. 

Euphorion. VII. 25 


386 Bibliographie. 1. Zeitjchriften. 


Gombert A., Ter Berfaffer des neuen Froſchmäuslers von Jahre 1796. 

Kleemann S., Der Kampf gegen das Fremdwort. 

Kleemann S., Nadıleje zu Ange „zeutiher Studentenſprache“. 

Kluge F., Die älteften Belege für Philiiter. 

Kluge F., Beiträge zur Geihihte der Zoldatenfprade. I. Tas nieder: 
ländiſche Lied. 

Kluge F., Badener oder Badenſer. 

Behaghel O., Zur Bildungsfilbe —er. 

Bolte J., Einem den Görgen fingen. 

Kleine Beiträge zum neuhochdeutſchen Wortſchatz. 

Zeitfchrift fir hochdeutſche Mundarten. Jahrgang 1. 

Tiefe von TC. Heilig und Ph. Yenz begründete neue Zeitihrift will Bei— 
träge über neuere und ältere Dialekte des ober- und mitteldeutichen Sprachgebietes 
bringen, und zwar etymologiſche, grammatiiche, lerifafifhe und (jomeit fie die 
Dialeltlitteratur betreffen) litterariſche Unterſuchungen, alte und moderne Terte und 
Bücherbeſprechungen. 

Heft 12. Wagner Emma und Horn W., Verbalformen der Mundart von 
Großen-⸗Buſeck bei Gießen. 

venz Ph., Die Flexion des Verbums un Handſchuhsheimer Dialekt. 

Weiſe O., Die Zahlen im Thüringer Volksmunde. 

Göpfert E., Aus dem Wortſchase eines erzgebirgiſchen Chroniſten. — Chriftian 
vehmann, Hiſtoriſcher Schauplatz 1699. 

Holder A., Die Berechtigung der Stammeslitteraturgeſchichte, beſonders auch 
der volksmundartlichen. 

Heilig O., Texte in alemanniſcher Mundart. — Darunter auch Sagen. 

Unſeld WM, Schwäbiſche Sprichwörter und Redensarten. 


JZahrbuch dis Vereins fir niederdentſche Sprachforfchung. 25. Jahr 
an 


—8 (GG., Tie Mundarten im nordweſtlichen Teile des Kreiſes Jerichow. 1. 

Weimer D., Laurembergs Scherzgedichte, die Art und die Zeit ihrer Ent- 
jtebung. — Tie bisherigen Anfichten darüber. Tas Verhältnis von H (Handſchrift 
zu Dılrudı. Tas Tatum von MH. Iſt H die ältefte Faſſung? Das Metrum. Tie 
Fremdwörter ın den Zcherzgedichten. Ter gelehrte Gharafter der Alerandriner: 
partien. Rückſichtnahme auf Die Leſer. Ter Kampf gegen das Tsranzofentum und 
gegen den Trachtenwechſel. Zuſammenfaſſung dev Refultate. Mutmaßliche Geftalt 
und Entſtehungszeit des Urtextes. 

Sprenger R., Yu Fris Reuters „Ren Hüſung“ und „Stromtid“. 

Euling 8., Jacob Zcrarz: Handichrift, Yieder und Zpruchgedichte. Kollatıon 
des Radbuches. 


Chronik des Wiener Gocthe-Vereins. Band 14. 
Nr. 12.34. Szanto E, Ju Goethes archäologiſchen Studien. 
Ya. 12. Caſtle E., Goethes Paria Legende. — Vericht nad) einem Vortrage. 
Rultand 8. und Martin E., Nochmals Goethes Reliquien. — Zu Band 13 
‘vr. 12 
xr. 58 Ruland K., Aus dem Goethe Nationalmuſeum. 
Litteraturblatt für germaniſche und romaniſche Philologie. Jahr⸗ 
gang 21. 
Ar. 1. Horn W., F. Schmidt: Tie Rieier Mundart. 
Nr. 2 Rehaghel O., Schiepet: Sabbbau der Egerländer Mundart. 
DTevrient H., Ewart: Goethes Vater. 
Ir. 3 RNiluge F., Lembke: Studien zur dentichen Waidmannsiprade. 
Behaghel O., Martin und Lienhart: Eliäſſiiches Wörterbuch. 


1899. 887 


Brenner O., Ehrenfeld: Studien zur Theorie des Neimes. 1. 
Bahlınann —* Lateiniſche Litteraturdenkmäler 13. 14. 


Archiv für das Studium der neneren Sprachen und Jitteraturen. 
Band 104. Heft 1/2. 
Morris M., Goethes Pandora. 
Conſentius E Zur Quellenfrage von Schillers Geſchichte des 30jährigen 
Krieges. Vorläufige Mitteilung. 
Köfter A, R. M. Meyer: Goethe. 2. Auflage. 


Die neueren Spraden. Band 7 
Heft 7. 8. Hoffmann H., Vie schtefifche Mundart. II. 
Seitfhrift für framöſiſche Sprache und Jitterater. XXI. 1. 2. 
Son Golther W., Bemerkungen zur Sage und Dichtung von Triſtan und 
olde. 
Mangold W., Friedrich der Große und Moliere. 
om W., Zur Lautlehre der franzöfifchen Lehn- und Fremdwörter im Deut- 
chen. Forfeung.) 
The modern quarterly of language and literature. Nr. 5. 
Grey W. W., English Translations of Lenore. 


Modern Language Notes. XV. 
Nr. 1. Wilſon, The Boese Geist in The Cathedral Scene, Faust. L 
Nr. 3. Hohlfeld, Joh. Rautenftraud) und Goethes Götz 
Senger, Faust- er ations, 
Taal en Letteren. IX. Wr. 1 
Poll 8., Goethe en J. Winkler Prins. 


Bevue Hispanigue. Nr. 17. 
Une lettere inedite de Guillaume de Humboldt, 


Beitfcyriften für Pädagogik und Schulgeſchichte. 


Menue Jahrbücher für das klaſſiſche Altertum, Geſchichte und 
Dentfhe Liiteratur und für Badagegi 
ö Zeiter San I. und IV. Bandes su 9. Berger 8., Heinemann: 
oethe 

Neumann A., Hebbels Werke. 

Heft 9. 10. Schwabe E., Die ältefte deutſche Zeitjchrift für höheres Schul- 
wejen. — Acta scholastica feit 1741. 

Merk ©., Die Pädagogik der Jeſuiten und der Pietiften. (Schluß.) 

Mefier H., Individnalgeift und Gefamtgeift. 

Clemen —* Stegreifichtungen. 

Heft 10. Steinweg C , Bum Macbeth Shalefpeares, Schillers und 
Davenants. 

Münch W., Afthetiiche und ethiiche Bildung ber Gegenwart. 

Dritter Ja ahrg ang. V. und VI. Bandes Heft 1. 2. Tyiebiger O., Aus den 
Briefen eines alten "Fürfenfchufreftors. — Briefe von Auguft Jonathan Beidert 
in Grimma an Karl Augujt Jottiger in Dresden 1810—1880 

Heft 1. Brandenburg E., Zur Geſchichte der deutfchen Reformation umd 
Gegenreformation. — Veſprechung der Bücher von Loſerth und Guſtav Wolf. 

Die Fragen der Schulreform auf der 45. Berfammhmg deutſcher Philologen 
und Schulmänner in Bremen 1899. I. Hornemann %., Gedanken über das Weſen 


25* 


388 Bibliographie. 1. Zeitichriften. 


und die Organifation des Gymnafiums in unferer Zeit. I. Schlee E., Die Reform- 
ſchule und der Unterricht in den Sprachen. II. Wernide A., Weltwirtfhaft und 
Kationalerziehung. 

Heft 2. 3. 4. Kröger A., Leibniz als Pädagog. Eine quellenmäßige und 
iyftematiihe Tarftellung. Erziehungs: und Unterrichtsweſen im Sinne von Yeibniz. 

Heft 2. Dziatzko C., Tie Beziehungen des Bibliothelsweſens zum Schulweſen 
und zur Philologie. 

Bolfelt J., Eine Kantiſche Fdealpädagogil. . 

Brandftätter K., Die Friedensidee in gejchichtlicher Überſicht dargeftellt. 

Baldamus A., Schweizer: Wallenfteinfrage. 

Heft 3. Fauth F., Zur pädagogischen Pincologie und Phyfiologie. 

Friedrich R, R. DM. Meyer: Lıtteratur des 19. Jahrhunderts. 

Pädagogiſches Archiv. 

Band 41. Nr. 11. Valentin V., Goethes Fauſt in der Schule. 

Nr. 12. Kuebel G., Die Ausbildung künſtleriſchen Sehens und künſtleriſcher 
Genußfähigkeit in unſeren höheren Schulen. . 

Band 42. Wr. 1. Valentin V., Pitteraturhiftorit und Afthetil in der 
Schule. — Antwort auf Euphorion 5, 184. [Eine Ermwiderung halte ih nicht für 
notivendig. A. S.] 

Nr. 3. 4. Mählig 3. F., Zur Charafteriftil der Sprade Schillers. 

Zeitschrift für Philoſophie und Pãdagogik. 7. Jahrgang. 

Heft 1. 2. Billig P., Zur Frage der ethiſchen Merrihätung. 

Heft 2. Flügel O., Die Bedeutung der Metaphyſik Herbarts für die 
Gegenwart. 

Pädageogiſche Studien. XXI. 1. 2. 
Nieder A., Gerhart Hauptmann umd die deutihe Schule. 
Rheiniſche Blätter fir Erziehung und Auterricht. 

LXXIII. 6. Köhler, Zur Methodik der deutichen poctiichen Lektüre. 

LXXIV. 2. 3. Hafjel 8. von, Pindologiiche Erörterungen an Schillers 
Gedichten. 

Lehmann O., Goetheſche Balladen. 

Zeitſchrift für dic öſterreichiſchen Gymmafen. 51. Jahrgang. 

Heft 2, Weilen A. von, Erihd Schmidt: Yeifing. 2. Auflage. — Genauefter 
Vergleich mit der erſten Auflage, der „die große Yeiftung des Schriftftellers“ 
Harlcat. 

Weilen A. von, Bolt: Genovefa. Ranftl: Tieds Genovefa. 

Yentner F., ZS<chulerlälfe des Herzogs Karl Auguft von Sachſen⸗Weimar. 

Seft 3. Rastulsfi C., Liber den Einfluß der vorkritiichen Afthetit Kants auf 
Herder. 1. Tie philoſophiſche Methode Kants. 2. Die Aufläge, Skizzen, Pläne 
aus dem Jahre 1766. 3. Die Fragmenteniammlung „Über die neuere deutſche 
Vitteratur“ 1767. 4. Die Nritiichen Wälder. 5. Tie Jahre 1769—1800, 

Weilen X. von, Beruans: Schriften. 

Yentner F., Herder über das Tellamieren. 

Blätter für das Gymnaſtalweſen. 36. Band. Heft 1. 2. 
Döger, Ein alter Fehler ım Terte von Schillers „Braut von Meſſina“. 
Hey O., Noch einmal der „Fehler“ in Schillers „Araut von Meifina“. 
Zeitſchrift für das RPealſchulweſen. 25. Jahrgang. 

Set 1. 2. Zwoboda W., Eine deutihe Pluiterausipradhe ? 

Hreit 3. Stefan A., Zur Orthographie des Teutichen. 

Baneriſche Zeitſchrift für Realſchnlweſen. Neue Folge. VI. 4. 

Anmus M., Martin Greiẽ. 


u | 889 
Mitteilungen ber Geſellſchaft für Ersiehungs- und Schulgeſchichte. 


Jahrg ang 10 
Heft 1. Tante A., Aus der Geſchichte der Dorfſchule Dothen im Großherzog. 
tum Sahten-Keimar (1590— 1811). 
Weniger L., Geſchichte der Ratihijchen Reformbewegung in Weimar. 
Schneider M., Verſuch einer Reform des Gymnafial-Interrichtes am Gym- 
nasium llustre zu Gotha 1772. 
Ment G., Die Statuten der Univerfität Jena 1591. 
Heft 2. Schmibt F., Zur Geſchichte der Erziehung der Zgheriſchen Wittelß- 
badıer. nacrag zu Monumenta Germaniae Paedagogica 
‚ Ein Gutachten über das Schulweſen in Bayern 167 0. 
Serimg 3 Beitallungsbrief für den Schulmeifter Böckh zu Babenhaufen 1682. 
Muth 8, Studienbetrieb in N.⸗Altach unter Abt Joscio Hamberger 
1700—1740. 
Greiner J. H., Thurnauiſche Schulordnung 1738. 
Miller A., us ber Zeit des Werdens der bayerifchen technifchen Hochſchule. 
Monntshefte der Gomenius-Gefellfichaft. 8. Band. Heft 9/10. 
ar Molfftieg A., Zur Hundertjahrfeier von Schleiermachers Reden über die 
eligion. 
Keller 2., Otto Brunfels. Ein Gottesgelehrter, Arzt und Naturforjcher des 
16. Jahrhundert, 
Kirchner, Die Grundgedanken des comenianiſchen Erziehungsiuftems. 
Müller J., Eine bis jett unbelannte deutfche Schrift des Comenius. 


Der praktiſche Schulmann. 48. Band. 
Nr. 6. Glaſer E., Die Tellfage und Schillers Wilhelm Tell. Der Urjprung 
ber Zellfage. 
Nr. 7. Hummel, Schillers Aufenthalt in Gohlis. 


Philofophifche Beitfchriften. 


rchiv für Vhiloſo 
ann Arch He Geſchichte der Philoſophie. 13. Band. Heft 2. 8. 
Sted R., Herbart in Bern. 
Müller Kofef, Jean Pauls philofophiicher Entwidlungsgang. 
2. Abteilung. Archiv für ſyſtematiſche Philofophie. VL 1. 
Goldfhmidt L., Kants „Widerlegung des Idealismus“. IL. 
eitſchrift für Philoſophie und L che tik. Band 116. 
n geft 1. he 0 aha —S —— im Anſchluß an 
einige Werte der neueren ethiichen Litteratur.) 
eitſchrift für ologie und elogie ber Sinnesorgane. 
® —* 21. hi 2 —c Eh Ah iträge zur Binchologie des 
Rhythmus und Reimes. 
ar Band 22. Heft 3. Eitlinger M., Zur Grundlegung einer üſthetik des 
ythmus 
Heft 6. Lipps Th., Afthetiiche Einfühlung. 
: BMantfindien. Band IV. 
Rah 2,3. Ridert H., Fichtes Atheismusſtreit und die Kantiſche Philoſophie. 
Eine akularbetrachtung 
Wentſcher M., War Kant Peſſimiſt? II. 
Stange C., Ter Begriff der „hupothetifchen Imperative“ in der Ethik Kants. 


390 Pihliographie. 1. Zeitichriften. 


Dorner A., Kants Kritit der Urteilskraft in ihrer Beziehung zu den beiden 
anderen Kritifen und zu den nachlantiichen Syſtemen. 

Talbot E. ®., The relation between human consciousness and its 
ideal as conceived by Kant and Fichte. 

Epiger H., Baſch: Essai ceritique sur l'esthetique de Kant. 

Mitteilungen: Rieder ein neues Kantbild. (Mit Abbildung.) 

Heft 4. 2 Vorländer K., Nant und der Socialismus. 

Paulſen F., Kants Berhäftnis zur Metaphyſik. 

Püitteilungen: NReide R., Loſe Blätter aus Kants Nachlaß. — Zembrigti J., 
Neues über Kants Vorfahren. — Zimmel G., liber das Rerhältnis von Kart und 
Goethe. — Miniaturbildnis Kants (mit Abbildung). — Nantreliquien bei Jakob 
Grimm. — Neu gefundene Kantbriefe. 


Neue metaphyſiſche Rundſchau. Band 3. Heit 1. 
Carus B., Goethe em Buddhiſt. 


Theologiſche Zeitſchriften. 


Archir für Religionswiſſenſchaft. 
Band 2. Heft 4. Roſcher W. H., Vier Briefe Mannhardts. 
Band 3. Heft 2. —— x, Bermaniiche Elemente im ſlaviſchen Mythus 
und Brauch. 
Theologiſche Studien und Kritiken. Ar. 2. 
Knaake, Bemerkungen zum VBriefwechſel dev Reformatoren. 


Stimmen aus Maria-Laad. Band LVII. Nr. 3. 
Schmid Th., Ein Bühnenfejtiviel aus alter Zeit. 


Jahrbud für Yhilofophie und Fpekulative Theologie. XIV. 3. 
Miaslowski C. von, Erasmiana. Beiträge zur Norreipondenz des Erasmus 
von Notterdam mit Polen. 
Der Katholik. 80. Jahrgang. 
Heft 1. Diiseellen: Ungedrudter Arief von Augsburger Reichsſstag 1890. 
Heft 4. Schäfer J. . J. Dundbauien 1835 —1900\. 


—* für natholifhe Theologie. 1100. I. Quartalheft. 

Noſtitz Riened R. von, Tas Irummpivat ter Aufklärung. 1. Zur Gbaral- 
teriſtik der Aufklärung, ihrer publiziſtiſchen Erfolge und ihrer ſozialpolitiſchen Rich⸗ 
tungen. 

Beiträge zur bayeriſchen Kirchengeſchichte. VI. 

Nr. 3. Schornbaum 8, Ein Nachtrag zu dem Briefwechſel Luthers und 
Melanchthons. 

Kolde Th., Ein Brief Melanchthons an Nürgermeiiter und Räte in 
Augsburg. 

Nr. 4. Lippert F., Bücherverbrennung und Bitcherperbreitung ın der Ober⸗ 
pfalz Kurpfalz im Jahre 1628. 

Uene kirchliche Zeitſcarirt. 

X. Ar. 11. Noth, Schleiermachers Reden uber die Religion. 

XL Nr. 2. Nawerau G., Weburtstag und Weburtäiahr Luthers. 

Nr. 3. Schulte B., Kin unbekanntes Iutberiiches Nonfirmationsbefenntnis 
aus dem Nahre 1529. 


Deut evangelifche Blätter. 
XXIV. 12. Erinnerungen an die leuten Yebenstage und den Tod Schleier— 
machers. 


1899. | | 391 


XXV. 2. Beyihlag W., Deutfchland im Laufe bes 19. Zahrhunderts. 
Heinzelmanı W., Goethes Stellung zu den höchſten Bildungsfragen. 
Vroteſtantiſche Monatshefte. IV. Nr. 2. 3. 
Kud E., Ludwig Feuerbachs Neligionsphilofophie. 
Der Broteftant.- III. Nr. 45. 
Goethe und das Chriftentum. 


Beitfihriften für Kunſt und Mufikgefihichte. 


Zeitſchrift für bildende Zunft. 11. Jahrgang. Heft 4. | 
g Vogel J., Nochmals die Bildniſſe Winckelmanns. — Mit Bildnis 
u 10, 154. 
Zahrbuch der kunſthiſtoriſchen Sammlungen des allerhöchſten Kaiſer⸗ 
hauſes. Band 20. 

Dollmayer H., Albrecht Dürers Meerwunder. — Dürers Stich giebt die 
auch von Kaſpar von der Roen und Hans Sachs behandelte Stammſage der 
Merowinger nach Fredegar. 

Giehlow K., Beiträge zur Entſtehungsgeſchichte des Gebetbuches Kaiſers 
Marimilian J. 

Modern 9., Die Zimmernſchen Handſchriften der k. k. Hofbibliothel. Ein 
Beitrag zur Geſchichte der Ambrafer Sammlung und der k. k. Hofbibliothek. 
I. Die Ambrafer Handidriften. I. Der Zimmernfhe Katalog. II. Die Zimmernſche 
Bibliothef. IV. Die Herren von Zimmern in Dienften des Erzhauſes. V. Graf 
Wilhelm von Zimmern. VI. Die Zimmernſchen Handſchriften in den Taiferlichen 
Sammlungen. Genaue Beichreibung nebft Schriftproben, Nahbildungen von Ini⸗ 
tiafen und Bildern. j 

Boltelini H. von, Urkunden und Regeften aus dem k. u. k. Haus-Hof- umd 
Staatdarhiv in Wien. 

Jahrbuch der königlich preußiſchen Aunkfammlungen. Band 20. 

Schmid H. A., Holbeins Eee für die Bafeler Verleger. | 

Monntshefte für Muſikgeſchichte. 32. Jahrgang. Heft 1—5. 

Nagel F Zur Geſchichte der Muſik am Hofe von Darmſtadt. 


Beitfihriften für Bibliotheksweſen. 


Eentralblatt für Bibliothekswefen. 16. —ã 

Heft 9. Stübel, Zur Bibliographie der Geſchichtswerke von Eytzing, Bor, 
Meteren und Strada. un 

Heft 10/11. Ettlinger E., Studien Über die Urprovenienzen von Handichriften 
der Großherzoglichen Hof- und Lanbesbibliothet zu Karlsruhe. 

Falk F., Zu E. Wellers Repertorium (Reformationslitteratur). 

Jahrgang 17. Heft 1—6. Meier G. P., Die Fortſchritte der Paläographie 
mit Hilfe der Photographie. 

peft 2. Gebhardt DO. von, Gefäljchte Büchertitel. 

. S., Meyer: Fitteraturgefchichte des 19. Jahrhunderts. u 

Heft 4. Geiger K., Nobert von Mohl als Borftand der Tübinger Univer⸗ 
fitätsbibliothet (1836 — 1844). 

Heft 5/6. Heidenheimer H., Ein indireltes Zeugnis für Johannes Guten- 
berg als Erfinder der Drudkunft. 


392 Bibliographie. 1. Zeitichriften. 


Veiblau.: Blätter für BYolksbibliotheken und Feſehallen. Jahrgang 1. 
r. 12. 


Graeſel A., Zur Einführung. 

Buchholg A., Die Vollsbibliothelen und Leſehallen der Ztadt Berlin. 
Reyer E., Tie Entwidiung der Boltsbibliotheten in Ofſerreich. 
Bücherſchau. 


Mitteilungen des öſterreichiſchen Vereins für Bibliothekswefen. 

II. Nr. 3. 4. IV. Nr. 1. 2. Weilen A. von, Zur Wiener Theatergejchichte. 
(Fzortietung.) 

III. Nr. 3. 4. Lenk H. von, H. von Zeißberg. 

Bohatta J., Tie eu. f. Familien-Fideikommis-Bibliothek. 

IV. Nr. 1. 2. Am 75, Johann Mannels lateiniſche Truckwerle (1575— 
16051. Ein Beitrag zur Bibliographie T fterreih-Ungarns. 

vent 9. von, Alfred Göldlin von Tiefenau. 

Zeitſchrift für Bücherfreunde. Jahrgang 3. 

Heft 7. 8. Zdwetichte E., Novae epistolae obscurorum. Eine klaſſiſche 
Epottichrift aus der Zeit der Frankfurter Nationalverſammlung. 

Heft 7. Zur Weiten W. von, Der künſtleriſche Buchumſchlag. I. 

Heft 8. Genée R., Echillers „Räuber“ in den erjten Truden nebft deu 
wichtigiten Theaterzetteln. 

Schloſſar A., Taschenbücher umd Almanache zu Anfang unjeres Jahrhunderte. 
ll. Siterreih und die Schweiz. 

Heft 9. Franle W., Deutſche Stammmbücher des 16. bis 18. Jahrhunderts. 
Mit einer Alütenlefe von Sprüchen. 

Kellen T., Über welche Frauen iſt am meisten gejchrieben worden. — Marie 
Antoinette, Jeanne d’Arc, Maria Ztuart. 

Borovsky F. A., Die dritte Ausgabe des Pſalteriums vom Jahre 1457. 

Täihner R., Tie großen deutihen Antiquariate. Tas Baerſche Antiquariat 
m Frankfurt am Mau. 

Heft 10. Forrer R., Alte und moderne Neujahrswünſche und ihre fünftieriiche 
Wiedergeburt. 

Karpeles G. Der Ackermann aus Böhmen. 

Schnorrenberg J, Heinrich Yenwerg sen. und ſeine Goetheſammlung. Mit 
11 Fakſimiles. — Tie Sammlung „Goethe um Mittelpunkte feiner Zeit“ des am 
7. Februar 1898 verſtorbenen Kölner Antiquars Lempertz enthält 1500 Nummern, 
darunter 86 Goethebildniſſe, viele Briefe von, an und über Goethe, von denen 
Proben mitgeteilt werden, Handzeichnungen Goethes, Medaillen, Tokumente und 
anderes. Tie Sammlung joll jest verkauft werden, möge fie vor Zerſplitterung 
bewahrt bleiben! 

Beer X, Tie Zimmeruſche Bibliothel. — Jnitruftives Referat über den 
betreiienden Aufiag von Modern im 20. Bande des Jahrbuchs der kunſthiſtoriſchen 
Sammlungen des allerhöchſten Kaiſerhauſes. 

Heft 1112 Meeisner H. und vuther I, Tie Anfänge der Buchdruckerkuuſt. 

Schleiniß O., Die Bibliophilen. Bernard Quariſch. 

ßobeltiß F von, Zur Reform der Buchausſtattung. 

Jahrgang 4. Heft 1. Geiger vL., Litterarijche anonyme und vſeudonyme 
Satiren 1777 - 1820. — Tarunter eine Satire auf Nicolai, eine Parodie auf 
Lavaters Weile nach Kopenhagen 1793. Satiren auf die Romantiker. 

BZobeltis F. von, Aus Franz Freiherrn Haudns Jugendtagen. Ein Kinder⸗ 
tagebuch, Mutterbrieie, Gelegenheitsgedichte und Karilaturen. — Mit Fakſimiles 
feiner Zeichnungen und mit Vorträts Gaudys. 

veiningen Weſterburg K. E. Graf au, Tfterreichiiche Bibliothekzeichen. 

Wurih H. von, Unbekannte Überießungen von Schriften Daniel Defoes. 


1899. 893 


Beitfehriften für Volkskunde. 


Zeitſchrift des Vereins für Volkskunde, 

Band 9. ‚Heft 4. Fränkel L., Bolkstundliches aus Johann Wilhelm Wolfs 
Kölner Jugenderinnerungen. — Auszüge aus des befannten Miythologen und Sagen- 
ſammlers Wolfs (1817— 1855) Schrift „Aus der Kindheit” 1862. 

Sprü Fran A., Zirofer Teufelsglaube. (Schluß) — Mit Sagen, Liedern und 
Sprüden. 

Schukowitz H., Kriegs⸗ und Schladhtenfagen aus dem Marchfelde. 

Gerhardt M. und Petſch R., Udermärtiihe Kinderreime. (Schluß.) 

Petak A., Alte deutiche Weihnachtslieder aus dem Lungau. 

Kleine Mitteilungen: Eyfn Marie, Geftidte Liebestüchel. — Schütte D., Aus 
dem Herzogtum Braunſchweig. (Zohannisfeuer, Spinnftube, Feuerreiter, Tert der 
Glodentöne.) — Otto P., Gebräude und Spiele, jowie Aberglauben aus Fröhden. 
— Wieth F., Aus der Grafſchaft Glatz (Bauernhimmel, Spottverje, Scene eines 
Heiratsantrages). 

Heuster A., Bücher: Arbeit und Rhythmus. 2. Auflage. 

Band 10. Heft 1. Meyer R. M., Goethe und die deutjche Vollskunde. 

Vier Briefe Wilhelm Mannhardts an Wilhelm Schwark und ein Brief 
von Shwarg an Mannhardt. Als Anhang: Zwei Briefe Karl Müllenhoffs 
an Schwarg. 

Schell O. Bergiſche Hochzeitsgebräuche. 

Schütte O., Braunſchweigiſche Segen. 
g ec R., Ein Kunftlied im Bollsmunde. — „Mariechen“ von J. Chr. von 

edlitz. 

Stiefel A. 2., Zu Hans Sachſens „Der plint Meßner“. 

Piger F. P., Faſchingsgebräuche in Brut im Oberimthal. 

artung O., Zur Volkskunde aus Anhalt. 

feine Mitteilungen: Zillner Anna, Bom Walfer Birnbaum. — Kohl F. %., 
Zwei Tiroler Volkslieder. 
& Heft 2. Bartels M., Was können die Todten? — Mitteilung zahlreicher 
Zagen. 

Petzold A., Pfingftquaas. — Pfingftbräudhe in der Beier Gegend. 

Raff Helene, Münchener Stadtjagen und Sprüche. 

Bolte J., Volkstümliche Zahlzeichen und Jahreszahlrätſel. 

Pafiler E., Ein Hochzeitsbraud) aus dem Wippthale in Tirol. — Mit vielen 
Liedern und Dielodien. 

Weinhold K., Zum Hodjzeitcharivari. — 

Reichhardt R., Vollsanſchauungen über Tiere und Pflanzen in Nordthüringen. 

Kleine Mitteilungen: Ein Brief Wilhelm Mannhardts an Ernſt Kuhn. — 
Weinhold K., Ulrich Jahn. — Schütte O., Deutung ber Tierfiimmen im Braun» 
ſchweigiſchen. — Schütte O., Braunſchweigiſche Tauf- und Hochzeitsgebräuche. — 
Aberglaube und Beſprechungen aus Zöllmersdorf in der Nieder-Laufig. 

Das deutſche Volkslied. Zeitichrift für feine Kenntnis und Pflege. 

Jahrgang 1. Heft 6—10. Bancfa M., Ein oberöfterreichiiches Schnabahlipfel 
und feine Schidjale. 

Pommer %., Teutjches Lied auf den heiligen Chriſt-Tag. — Aus Schlad⸗ 
ming 1824. 

graungruber H., Tie Aufgabe der Gefangsvereine. 

raungruber H., Wie der Steirer tanzt. — Mit Berückſichtigung bed Lenau- 
ſchen Bedichtes: Der Steirertanz. ‘ 

Pommer J., Sonderbare Bergnamen. Mitteilung einzelner Vollslieder, Jodler, 
Aufe, Dielodien u. |. w. 

Fahrgang 2. Heft 1—3. Bender Auguſta, Das echte deutſche Bollslied. 


394 Bibliographie. 1. Zeitjchriften. 


Pommer J., O Diandle tiaf drumt im Thal. — Tieies berühmte Kärntner- 
fied ſtanmt in Wort und Weije von Tr. Mitterdorfer ber. 
Liebleitner K., Das deutsche Volkslied in Tirol. 
Mitteilungen und Umfragen zur bayeriſchen Volkskunde. 5. Jahr: 
gang. Nr. 2—4. 
Schmidkonz J., Volksfeſte in Irmelshauſen. 


Breuner O., Arbeit und Geſang. — Bücher: Arbeit und Rhythmus. 

Petich R., Volkstümliche Bilderichriften. 

Bremer O., Sind Märchen für Kinder ſchädlich? — Die Frage wird 
verneint. 


6. Jahrgang. Nr. 1. 2. Beuhl J, Altwürzburger Volksſitte. 
Unler Egerland. Blätter für Egerländer Volkskunde. 
3. Jahrgang. Nr. 6. John A., Goethe und die Nolfskunde. 
+. Jahrgang. Nr. 1. 2. Märchen und Schwänke des KEgerlandes. 
Zagen des Egerlandes. 
Uhl H., Absrorh. Sitten und Bräude. 
Blätter für Zeſſtſche Bolkskunde. 1. Jahrgang. Nr. 1—6. 
Schulte O., Die Zwei Hochzeiten im Junkerlande. 
Strack A., Der Eheſtand im Volksliede. 
Strack A., Kinderpoeſie. 
Hepding, Sagen aus der Umgegend von Gießen. 
Horn W., Über Orts- und Flurnamen. 


Blätter fir Pommerſche Volkokunde. 8. Jahrgang. Nr. 1-8. 

Haas N. und Knoop T., Neue Volksſagen aus Pommern. 

Volksmärchen aus Pommern. 

Haas A., Eine Zpufgeichichte aus dem Jahre 1696. 

Haas N. und Knoop T., Volkstümliches aus der Tierwelt. 1. Der Wolf. 
2. Tie Fliege. 3. Der Hering. 4. Die Fledermaus. 5. Ter Maulwurf. 6—11. Fiſche 
und Zchlaugen. 12--14. Rögel. 15. Dale. 16. Gans. 

Karbe U., Vier Zagen von der neumärkliſch vommerſchen Grenze. 

Haas A., Beiträge zur pommerſchen Volksmedizin. 

Haas A., Zwei Spiellieder von der Inſel Rügen. 

Krunk A., Volkslieder aus VPommern. 

Gloede H., Erzählungen aus Fiddichow. 

Kinderreime. 

Brunk A, Volksrätſel aus Neuhort bei Yeba. 

Haas N, Erzählungen und Schwänke. 

Hlitteilungen des Vereins für Sächſiſche Volkskunde. 

I. Baııd. Wr. 11. 12. Seelig Th, Aufzeichnung der Walddiſtriktsbenennungen 
in dev Tresdener Haide 17:4. 

Mann, Reime und Sprüche ın Tberlauiiter Mundart. »Schluß. 

Müller Alfred, Zu den Bollstiedern. — gu Nr. 8 und 9. 

Wandel, Veiträge zur fächltichen Boltstunde. 1. Inſchrüten. 3. Yıeder. 

I. Yand. Nr. 1. John E, Bon Zahiens Bauern an der altenburgiichen 
Grenze. 


Mitteilungen der Schleſiſchen Weiclichait fur Volkskunde. 
VI Nr. 4. 5. Dahn J., Zwei ichleſiſche Noifsfeite. 
Ratichovoty W., Drei ichlefiihe Vollslieder. 
RPopig G, Eine altichlefiihe Bauernhochzeit. 
Hunde K, Sanct Kümmernis in Zchleiten. 
GGufinde 8, Zur ichlefiichen VPüngſtbitte. 
Drechsler P., Liebesklage. Riederichleſtiches Lied. 


1899. 395 


Tradel F., Volkstümliches aus Goldberg in Schlefien. — Lieder, Heime. 
un I. Nr. 1. Oehl W., Chreftfendla-Zpiel. — Zert mit Bemerkungen von 
F. Vogt. 
Schweizeriſches Archiv fir Dolkskunde. 
Jahrgang 3. Heft 4. Hoffmann-Krayer E., Luzerner Akten zum Heren= und 
Zauberweien. IV. 
Zütterlin G., Gebräude in Birfed. II. — Mit einem Zimmermanusſpruch. 
Neber B., Zagen aus dem Saasthal in Wallis. 
Jahrgang 4. Heft 1. Meier S., Volkstümliches aus dem Frei: und Kelleramt. 
Hoffmann-Krayer E., Bibliographie über fchweizeriiche Volkskunde 1899. 


Zeitfiehriften für Geſchichte, Geographie und Kulturgeſchichte. 


Zeitſchrift fir Kulturgeſchichte. VII. Zahrgang. 

Heft 1:2. Gelzer H., Burdhardt als Menich und Lehrer. 

Breyſig K., Tie Entwidlung der europäischen Bölfergejellichaft und die Ent: 
jtehung des modernen Nationalismus. II. 

Heft 3/4. Nöldeke O., Ein altes Kriegslied. 

Kamann J., Briefe aus dem Brigittenklofter Maihingen (Daria-Mai) im 
Ries 1516— 1522. (Schluß.) 

Sceidel &., Aus Weimard Glanzperiode. Drei ungedruckte Briefe ar Leo 
von Zedendorff. I. Geiftiges Peben im Tiefurter Kreije. Puije von Göchhauſen. 
20. Auguft 1801. 11. Ein Picknik in Ettersburg. Carl Bertuch. 22. Aprif 1802. 
IM. Ein Familienfeſt bei Egloffjtein. Carl Bertuch. 27. Dezember 1802. 

Sceidel G., Herzog Karl Auguft von Weimar und Karoline Jagemanıt. 


Biſtoriſche Zeitſchrift. 
84. Band. Heft 1. Lenz M., Ein Apologet der Bismarck-Memoiren. Er- 
widerumg an Theodor Schiemann. 
Heft 2. Riezler S., Paul Laymann und die Herenprozeife. Zur Abwehr. 
Heft 3. Baillen P., Zur Geſchichte des Jahres 1809. — Mit Briefen. 
85. Band. Heft 1. Feſter R., Uber den hiftoriographiichen Charafter der 
Gedanken und Erinnerungen des Fürften Bismard. 


Biſtoriſches Zahrbuch. Jahrgang 20. 
Heft 2/3. 4. Widemann J., Die Paſſauer Geihichtsjchreibung bis zum An 
fang des 18. Jahrhunderts (M. Hanfiz). 
Heft 4. Schleht J. Bier Cochlaeus- Briefe. 
Rahrgang 21. Heft 1. Rübſam J., Aus der Urzeit dev modernen Poft 
1425— 1562. 
Biſtoriſche Vierteljahrſchrift. Jahrgang 3. Heft 1. 2. 
Deigel 8. Ih. von, Die Beziehungen der Herzöge Karl Auguft und Dar 
Joſef von Zweibrüden zu Preußen. 
Waas Ch, Napoleon J. und die Feldzugspläne der Verbündeten von 1813. 
Schulz Hans, Schweizer: Wallenftein-SFrage. 
Maſſlow O., Bibliographie zur deutihen Geſchichte. 
Deutſche Geſchichtsblätter. Band 1. 
Heft 1.2. Hansi V., Die landestundliche Litteratur Deutſchlands im Refor- 
mationszeitalter. 
Heft 6,7. Witte H., Studien zur Gefchichte der dentſch-romaniſchen Spradj- 
renze. 
grenz Gmelin J., Die Verwertung der Kirchenbücher. 


398 Bibliographie. 2. Bücher. 


Yorenz Dar, ze Yitteratur am Jahrhundert-Ende. Stuttgart, 3%. G. Cotta Radh- 
folger. 3 M. 

i Aus dem Inhalt: Ter Naturalismus. — G. Hauptmann. — Tas jüngfte 
ten. — „Heroſtrat“. — Hebbels „Herodes und Marianne“. — Zwei durifer. — — 
Frauentwerte. — Rom Tichter des „Johannes“. — „Tie drei Reiberfedern“. 
Theodor Fontane. 

Yublinsfi Z., Yitteratur und Gejellichaft im 19. Jahrhundert. 1. Yand. Tie 
Frühzeit der Romantik. 2. Yand. Romantik und Hiftorizismus. (Am Ende dee 
Jahrhunderts. Rückſchau auf 100 Fahre geiftiger Entwidiung. Yand 12 und 13.) 
Berlin, Cronbach. à 2 M. 

Il. Band: 1. Geiftige Struktur Teutichlands um 1800. 2. Das Publikum. 
3. Ideale der Romantik. 4. Populäre Romantiker. 5. 9. von Kleiſt. — 1. Band: 
1. Revolution, Romantit und Reaktion. 2. Preußen und Hegel. 3. Tie Litteratur 
im Beitalter der Reftauration. 4. 9. Heine. 5. Der Liberalismus und die deutjche 
Bildung. 

Moeller, Bruck Artb., Tie moderne Pitteratur in Gruppen und Einzeldarftellungen. 
Berlin, Schuſter & Loeffler. 50 Pf. 

4. Band. Die deutiche Niiance. — 5. Band. Myiterien. 

Mutb Karl ı Veremundusı, Die litterarifchen Aufgaben der deutſchen Katholiken. 
Gedanken über fatboltiche Belletriſtik und litterariſche Kritik, zugleidy eine Antiwort 
an feine Kritiker. Mainz, Kirchheim. 1.50 M. 

Otto Aug., Bilder aus der neueren Yitteratur. 3. Heft. Wilhelm Raabe. Minden, 
Marowstn. 1.40 M. 

Echnedermann FFrz., Die deutfche Nationallitteratur. Jhr innerer Gang im Zur 
faınmenbange mit der Sittengefchichte dargejtellt. Yeipzig, Dörffling & Francke. 
2 M. 

Tas aus dem Pfarrhaus zu Yeuwich datierte Vorwort diefes Buches nennt 
Vilmar und Rud. Hildebrand als die dauptgewährsmänner, Ron letzterem find 
allerdings mündliche Außerungen (3. B. FT) und Borträge (3. B. &. axı 
benutt: aber die litterartiche Srumdanichamung gebt viel mehr auf erfteren zurüd. 
Ter Titel iſt irreführend. Es find bloß einzelne faft unzuſammenhängende 
Bilder aus der Geſchichte der Yıtteratur; die Namen Wieland und Herder 
werden kaum genannt: Goethe wird nur als Yyrifer behandelt: mit Schiller 
bricht der Verfaſſer ab. Unsere „gebildeten Familien“ würden zur geiftigen 
Armut verurteilt je, wenn fie fich dieſes Buch zum Führer durch die deutjche 
Yıtteratuv erwählten. 

Tumlirz Carl, Die Schwankungen des Litterarifchen Gejchmades und ihre Urs 
ſachen. Portrag. (Aus „Czernowivber Zeitung”). Gzernowig, Bardint. 60 Bf. 
Landſchaften. Ofterreidyh. Zridier Jatob, In Sachen der „Deutſch-⸗Oſter⸗ 
reichtſichen Yıtteraturgeichichte”, herausgegeben von Nagel und „eidler. (Eine 

Ebarafteriitit. 

Gegen Sandvoß' Beſprechung in den Preußischen Jahrbüchern Band v8. 

Bienenſtein Karl, Die Tialeftdichtung der deutich-öfterreichiichen Alpen. Aus: 
gewählt und herausgegeben ı Allgemeine National-Bıbliothel Nr. 230—235 1. 
Wien, GE. Taberfom. a Sr. 20 Pf. 

Eine jehr dankenswerte Auswabl von Tialeltgedichten aus Niederöfterreich, 

I berofterrech md Salzburg, Steiermark und Kärnten, Tirol und Vorarlberg. Air 
vermien Yırder aus Nram, beionders aus (Wottichee. Ztörend wirft, daß der 
Name des Nerfaflcrs nicht umter jedem einzelnen Gedicht ſteht. — Eine ent: 
ſprechende Sammlung deutich böhmiſcher Dialeltgedichte bereitet A. Hauffen für 
die „Bibliothek deuticher Schriftſteller aus „Neben“ vor. 

Didytungsgattungen. Fyrik. Adler Fr., Moderne Yorit. (Zammlung Gc- 
menmmiteger Nortrage. Herausgegeben vom < eurichen Nereine zur Berbreitung 
gemernnurigeir Kenntnifie in tag Frag, Barpfer 15 Kreuzer. 


100 Bibliographie. 2. Bücher. 


Bud Gertrude, The metapher, a study in the psycholory of rhetoric. 
Michigan, Arbor. . 

Dippe, Der Begriff des Schönen in der, neueren Aſthetik. Programm. Zoeft. 

Gietmann Gerb., S. J. Allgemeine Aſthetik (Gietmann und Johſ. Sörcufen, 
S. J., Kunſtlehre in 5 Zeilen. 1. Teil). Freiburg ı B., Herder. 4.20 M. 

Kung Wilh., Beiträge zur Entftehbungsgefchichte der neueren Aſthetik. Diſſertation. 
Berlin (Mayer & Müller. 1.50 M. 

Maydorn Bernh., Wejen und Bedeutung des modernen Realismus. Kritiſche 
Betrachtungen. Yeipzig, Avenarius 1900. 1.50 M. 

Meier P. S., Ter Realismus als Princip der ſchönen Künfte. Eine äſthetiſche 
Studie. Programm. Sarnen. 

Naumann Guft., Geſchlecht und Kunft. Prolegomena zu einer phnftologifchen 
Aſthetik. Yeipzig, H. Haellel. 3 M. 

Sertel R. O., Die Naturichilderung bei den Ddeutfchen geographiichen Reiſe⸗ 
beichreibern. Tiifertation. Yeipzig. 

Poensgen M., Geſchichte der Theorie der, Tragödie, von Sottiched bis Yelling. 
Ein Beitrag zur Geſchichte der deutichen Ajtbetil. Tiiiertation. Yeipzig. 

Rée Paul Joh., Modern. Ter rechte Weg zu künftleriichem Yeben. Kine apologe: 
tiihe Zrudie. Yeipzig und Berlin, E 4A. Zeeinann 1900. 60 ‘Pf. 

Ueberhorſt Karl, Tas Komiſche. Eine linteriuhung. 2. Yand. Tas Yaälichtifch: 
Komiſche. Beſondere Erjcdeinungen des Komiſchen. Wiß, Spott und Scherz. 
Nachträge zur Yehre vom Wirklich-Komiſchen. Definitionen und Klaſfſifikationen. 
veidzig, G. Wigand. 18 M. 

Weitbrecht Carl, Das deutihe Trama. Grundzüge feiner Aſthetik. Berlin, Har⸗ 
monie. 6 M. 

Inhalt: I. Tas Dramatiiche. II. Der Stoff. IN. Die dramatiſche Handlung. 
IV. Die Charaktere. V. Kompoſitionsgeſete. VI. Tragödie und Komödie. VII. Die 
dramatiſche Sprache. VIII. Poetiſch und Dramatiſch, Dramatiſch und Theatraliſch. 

Ziegler Johs., Tas Aſſociationsprineip in der Aithetil. Eine Studie zur Philo⸗ 
ſophie des Schönen. Leipzig, E. Avenarius 1900. 1.20 M. 

Ziegler Johs., Das Komiſche. Eine Studie zur Philoſophie des Schönen. Leipzig, 
E. Avenarius 1900. 80 'Ff. 

Sammelwerke. Allgemeine Deutſche Biographie. 222. und 223. Liefe⸗ 
rung. "Wand XLV, Yieferung 2 und 3.) Ziegler —Zumkley. Leipzig, Duncker & 
Humblot. 
® Aus dem Inhalt: Ambros Ziegler, Yencdiktiner 1684— 1739 vauchert). 
— Chriſtoph Ziegler, Philolog und Archäolog 1814—1N88 4A. Wintterlin). — 
Klemens Ziegler, religiöier Schriftiteller auß dem Anfang der Weformations- 
zeit, geboren um 14830 ıYudivig Keller. — Friedrich Wilbelm Yiegler, 
Schauipieler und dramatiicher Zichter 1750---1927 H. A. Yıer\. — Deinrid 
Ansbelm von „Ziegler und Kliphauſen, Tichter und Geichichtichreiber 
1663 — 1696 Erich Schmidte. Hieronymus ZJiegler, Humaniſt und Zchul: 
dramatifer des 16. Jahrhunderts, geboren um 1514, geitorben 1562 1J. Bolte). 

- safob Ziegler, Aftronom und Geograph, geboren um 1470, geitorben 1549 
(Günther, Yauchert-. — Karl Ziegler ı Biecudonnm: Warlovagoı, Tichter 1812 
-ITT:D. A. Vier. — Naipar Ziegler, Rechtsgelehrter und deuticher Tichter 
dis 17. Jahrhunderts 1621—1600 - Bar. von NYaldberg‘. — Werner Karl 
Yudiwig Ziegler, Theolog und Philolog 1763 — 1r00 .H. Nieny). — Cbriftian 
Zieara, bamburgiicher Yolalbittariler 1719--1778 Lu... — Wolf Ziemann, 
wWermanit 18071842 Edward Schröder — Christoph Ziemſſen, Schrift⸗ 
teller im Gebiete der Kirchen und vommerichen Zvirialgeichichte 1791 — 1B68 
Häckermann. — Johann Ehriſtoph YJiemisen, vpraltiicher Theolog und 
Umverittätslehrer 1747—1824 Hackermann. — Yudwig 3temiien, Erzähler 
und Publiciſt 1823-1805 Y. Franukel. — Theodor Iremiien, (Berfllicher 


1899. 401 


und Pädagog 1777—1843 (Hädermann). — Zilemann vom. Bierenberg, 
Chronift aus dem Ende des 15. Jahrhunderts (P. Zimmermann). — Koh. 
Wilh. Zierold, evangelifcher Theologe 1669—1731 (BP. Tichadert). — Morik 
Aler. Zille, Theolog, freimaurerifcher Führer und religiöfer Lyriler 1814—1872 
L. Fränkel). — Tuiſton Ziller, Bädagog 1817—1882 (W. Hein). — Nicolaus 
illich, Tatholifcher Ereget 1716—1758 (Lauchert). — Chriſtoph Friedr. 
illiger, 1647—1693 und Joh. Georg Billiger, gedoren 1683, Buchdruder 
(B. Zimmermann). — Franz Balentin Zillner, falzburgifcher Hiftorifer 1816 
— 1896 (Hauthaler). — Johs. Georg Zimmer, Buchhändler und Geiftlicher 
1777— 1853 (Heinr. Zimmer mit Benutzung des Zimmerjchen Familien⸗Archivs). 
— Patritius Benedict Zimmer, fatholifcher Theologe und Bhilofoph 1752— 
1820 (Lauchert). — Ernft Ehriftoph Philipp Zimmermann, heſſiſcher Theo- 
loge und Kanzelredner 1786—1832 (Wild. Diehl). — Georg Zimmermann, 
der Biograph Merds 1814—1881 (R. A. Fritzſche). — Joh. Jakob Zimmer: 
mann, Theolog 1695-1756 (v. Schulthep-NRechberg). — Koh. Georg Zim- 
mermann, Arzt und Popularphilofoph 1728—1795 (Rud. Iſcher). — So 
Georg Zimmermann, Pädagog 1754—1829 (Wild. Diehl). — Zuftus Joſ. 
Georg Friedr. Karl Zimmermann, Theolog und Prediger 1808—1877 
(Wild. Diehl). — Joh. Fiborius Zimmermann, evangelifcher Theologe 
1702—1734 (Ed. Jacobs). — Michael Zimmermann, Buhdruder zu Wien 
zwiihen 1653 —1565 (3. Frand). — Robert von Zimmermann, Phijofoph 
1824—1898 (8. Minz). — Balthafar Friedr. Wild. Zimmermann, 
Vopularhiftoriter und Dichter 1807—1878 (Th. Schön). — Joh. Oswald von 
gimmermann, katholiſcher Theologe, geftorben 1680 (Raucher). — Wilhelm 
erner Freiherr von Zimmern, Chronift 1485—1575 (G. Tumbült). — 
ulius Wild. Zincgref, deutfcher Dichter des 17. Jahrhunderts 1591 —1635 
M. von Waldberg). — Guſtava Sophia Agneta Zind, geborene Raddatz, 
ichterin 1821—1895 (L. Fränkel). — Ignaz Binzenz Zingerle von Sum- 
mersberg, Germanift 1825—1892 (Osw. von Zingerle). — Joſef Bingerle, 
Theolog 1831—1891 (A. Zingerle). — Pius Zingerle, Orientaliſt 1801— 
1881 (T. Siegfried). — Burfard Zink, augsburgifcher Ehronift 1896—1474 
oder 1475 (F. Frensdorff). — Joh. Wild. Zinkeifen, Hiftorifer und Bublicift 
1803—1863 (Ernft Friedlaender). — Nicolaus Ludwig Graf von Zinzen- 
dorfund Bottendorf, Stifter der Brüdergemeinde 1700—1760 (P. Tſchackert). 
— Ehriftian Renatus Graf von Zinzendorf, evangelifcher Fiederdichter 
1727—1752 (P. Tſchackert) — Juſtus Yinzerling (Jodocus ir 
Juriſt, Bhilolog und Geograph, geboren 1580, geftorben um 1620 (B. Hantzſch). 
— Auguftin Zippe, Latholifcher Geiftliher 1747, geftorben nad) 1800. — 
Ernft Otto Konrad Zitelmann (Konrad Telmann), Schriftfteller 1854— 
1897 (2. Fränkel). — Karl Zittel, Pfarrer und Führer der liberalen firdhlichen 
und politiichen Beftrebungen in Baden 1802—1871 (W. Hönig). — Kathinka 
Therefe Zitz, geborene Halein, Belletriftin 1801—1877 (2. Fränkel). — Ernft 
Heinrich Zober, or? 1799 —1869 (Hädermann). — Georg Zoega, 
Altertumsforicher 1755—1809 (Ad. Michaelis). — Sigmund Zois Freiherr 
von Edelftein, Gelehrter, Schriftfteller und Mücen 1747-1819 (PB. von 
Radics). — Georg Joachim Zollikofer, Theolog und Schriftfteller 1730— 
1788 (D. Jacoby). — Kafpar Zollikofer, Schweizer Theolsge der pietiftifchen 
Richtung 1707—1779 (1. u.) — Jakob Zovitius, neulateinifcher Dramatiker 
aus der eriten Hälfte des 16. Jahrhunderts (J. Bolte), — ob. Ehrenfried 
Zſchackwitz, Rechtslehrer und Publicift 1669—1744 (R. Brode). — Jakob 
riedr. Emil Zſchokke, Pfarrer, Scriftfteller und Philanthrop 1808 —1889 
Ernſt Zichofte\. — Zoh. Heinrih Daniel Zſchokke, Dichter 1771 -1848 
3. 3. Bäbler). — Anton Wilhelm Florentin von Zuccalmaglio, 
oricher, Tichter und Kritiker 1818—1869 (Jak. Schnorrenderg). — Bincenz 
Eupborion. VII. 26 


402 Bibliographie. 2. Aücher. 


Jacob von Zuccalmaglio, Dichter und Sagenforſcher 1806—1876 ı al. 
Zdmorrenberg). — 

Bächtold Jak., Kleine Schriften. Mit einem Lebendbilde von W. von Arz. Ber: 
ausgegeben von Theodor Nerter. Mit Porträt und Bibliographie. Frauenfeld, 
Huber. 4.0 M. 

Inhalt: Jalob Bächtold. — Erjte Abteilung: Vorrede zur Jnaugural- 
diriertation: Der Yanzelet des Ulrich von Zatzikhoven. — Tie Verdienite der 
Zürcher um die deutihe Philologie und Yirterasurgeichichte. — Joſua Maler 
ıPictorius. — Vitterariihe Bilder aus Zürichs PVergangenbeit. — Zonit an ber 
Goethe-Feier in Stäfa. — Zweite Abteilung: Zfizzen aus Elia und Yotb- 
ringen. — Aus dem Wallis. — Yon der Vogelweide. — Aıbliograpbie. 

Ter bandliche ſchöngedruckte Band erneut uniere Trauer über den zu früb 
geichiedenen Mitarbeiter und Fachgenoſſen. Ein fein abgetöntes Yebensbild von 
Freundes Hand it vorangeitellt. Die erite Abteilung reiht an die Heineren Vei⸗ 
träge zur Weichichte der Deutichen Yitteratur in der ſchweizeriſchen Heimat, die 
‘einem großen Werk Die Bahr brachen, den Artikel über Mörike aus der Allge- 
meinen Teutichen Biographie, der ung für die nicht zu ſtande gekommene umfang- 
reichere Arbeit über dieſen Tichter Eriau leiten muß. Aus der zweiten Abteilung 
lernen wir den gediegenen Gelehrten als Notten Erzäbler und Nericherichterftarter 
lennen. Was von Dichterticher Anlage in ihm ſteckte, kommt bier zum Durchbruch. 
Fine Sorgfaltig angelegte Bibliographie zieht die Zumme dieler vwiclieitigen cr: 
gebnisreichen Wirkiamkeit. 

Beyichlag Willib., Zur dentſch chriſtlichen Bildung. Populär⸗-theologiiche Norträge. 
Zweite Auflage in überwiegend neuer Auswahl. Halle a 2, Strien. 5 M. 

Aus den Inbalt: Luthers Hausſtnd in ſeiner reformatoriichen Bedeutung 
-1833 . — veiſings Nathan der Weiſe und das voütive Chriſtentum ı1863.. — 
#orcthes aut in feinem Verhältnis zum Chriſtentum 1877. — Yroteitan= 
tiiches in Goethe 1899. — Novalis und feine geiſtlichen Yıeder »1898°. — 
Tarıd Friedrich Strauß 1279. — Ein Bud ın das 1ungdeutiche naturaliftiiche 
Trama rom Ztandruntt der inneren Miñion ‚1805. 

Heisse Alfred, Kädagegik und Koche. Vermiichte Anfiäge. Berlin, Gaertner. 6 M. 

Aus dem Anbalt: Il. Das Problem des Tragiſchen und feine Behandlung 
in dr Schule — VI. Zur Behandlung Yelfings in Erima. — VIL Zur Be 
bandlung Goethesin Erima — VI Tas Naturihöne im Zpiegel der Roche 
als Gegenſtand Des deutichen Unterrictts. — IX. Die Naturlvrik Yudırig Ublands 
and Eduard Moriles. — X Theodor Storm und Eduard Morike — XI. Tie 
Fee des Meeris und das Ücer un der Voeñie. -- XI. Die Koeſie des Sternen⸗ 
sanmeös und der Ztemenbimmel in der Poeſie. — XIII. Tie romantıihe Roche 
des Gebtrges. — XIV. Tier KFoeñe der Holſtemichen Heide. — XV. Das Kanır- 
ak am Wandel Ber Zaren — XVI. Tie Aufgaben der Litteraturgeichichte. 

Vieice phrloſorhiiches Haurtwerl it den Yocın dreiſer Jetihrift aus Spihere 
Anz. ge verannt. Seme Bucher über Be FEntwidumg des Naturgefübls“ und 
ad, „YSuf and Yortier” zeigen einen feniinman Nenner und Teuter der Roche 
a nen and Weiter Seme kleinezen tier geiammelten Aufiage bewegen fd 
in Nopeziten Gedantentrerien, nur daß urczal auf die Schule Feiondere Rückſicht 
LEMEEN WAND Sa den Tchtungen Some baden Yırbımge Morike und Storm 

ea. mer mens Schonberten auizudeden: Die Gehermniſie Des Meeres und 

erben Heidelandichait ımmer von neuem zu entbullen: nur macht ıbn 
ir Paso gegen andere Tihter: wir Bas „een ın der Voefte“ zum 


Acnitend RS N heibting mit, cute an Veeresdichtüngen wie ber „Zappbo”“ 
and ATes Mets und der vabe isch onnpe ats rorübergeben vgl. Anzeiger 
WENSTESIR TAN ST, 835. Am wiähnefien wire für uns Der leute Aufian: 
Zeh.’ de. YMENSTESL NIT Dar. eg wenge Beroe int ne beftimmte 
Anal Zutinoz fe mes Meyıbang am nachten legt, verführt 


1899. 403 


Bieſe zu ungeredhten Ausfällen gegen jede andere Richtung litterarhiftorifchen Be- 
triebes, und während er die Betrachtungsweiſe feines hegelianiichen Lehrers ver- 
ipottet, will ev doch der Zeit jeine eigene Weltanfchauung zur alleinjeligmachenden 
aufdrängen. Gewig wäre es verdienftlic, wenn Stein Anregung zur Folge 
hätte, daß die Litteraturen auch für alle anderen äfthetifchen oder fittigenden Ge— 
fühle, wie Kunſtſinn, Freundſchaft, Wohlthätigkeitsfinn, Liebe, Furcht, Rache, 
Reue, Mitleid, Anfopferungsfähigteit in derjelben Weife eingehend durchmuftert 
würden, wie Bieſe dies fiir das Naturgefühl gethan Hat; nur halte ich das nicht 
für die eigentliche und wichtigſte Aufgabe der vergleichenden Fitteraturgefchichte, 
jondern auch nur für eine Spezialität, die keineswegs bie Berechtigung in ſich 
ſchließt, ih über die Seuche des Spezialismus in trivialer Weife fuftig zu 
machen (S. 301). A. S. 

Feſt-Schrift der 45. Verſammlung deutfcher Philofogen und Schulmänner dar- 
geboten von den öffentlichen höheren Lehranftalten Bremens. Bremen, ©. 
Winter. 5 M. , 

Aus dem Inhalt: Schaefer Th. Aſchylos' Prometheus und Wagners 
Poge. — Brenning Em., Tie Geftalt des Sokrates in der fitteratur des 
vorigen Jahrhunderts. 

Begrüßungsſchrift der deutihen Philologen-Berfammlung zu Brenten, dar- 
gebradt von dem Nealgymnafium zu Vegejad. Bremen, G. Winter. 80 Bf. 

Aus dem Inhalt: Werry F., Zur Vorgefchichte des Nealgymnafiums zu 
Begefad. — Nagel, Über imitative und indultive Methode. — Vollert J., Be- 
merfungen zum Nationalitätsgedantfen. 

Geiger Yudw., Tichter und Frauen. Abhandlungen und Mitteilungen. Neue 
Zammlung. Berlin, Gebr. Paetel. 7 M. 

Aus dem Anhalt: 1. Aus Thereſe Hubers Herzeusleben. I. Therefe und 
ihre Mutter. II. Thereje ud F. L. W. Meyer. — 2. Ein Porträt Carofineng, 
nebft erläuternden Aftenftücen. 1. Anhang: Huber und Schlegel. 2. Anhang: 
Tu Vau über Schlegel bei Frau von Staël. — 3. Briefe von Dorothea an 
A. W. Schlegel mit Antworten des Legteren 1818—1835. — 4. Ungedruckte 
Gedichte von Naroline von Günderrode — 5. Roſa Maria Aſſing. — 
6. Erneftine Reisfe. — 7. Henriette von Lüttwitz. (Eine vermeintliche 
viebe Goethes.) — 9. Otto Roquette. 

Glaſenapp Greg. von, Eifays. Kosmopofitiiche Studien zur Poeſie, Philofophie 
und Neligionsgeihichte. Riga, Jonck & Poliewsky. 6 M. 

Gorra Egidio, Fra drammi e poemi. Saggi e ricerche. Milano, U. Hoepli. 
L. 6.50. 

Aus dem Inhalt: Una romanza spagnuola nella poesia popolare e 
nel teatro: l’Alarcos, di Fed. Schlegel. — Delle origini del dramma 
modern». 

Grimm Herm., Fragmente. Berlin, W. Spemann. 10 M. 
Beiträge zur romaniſchen Philologie. Feitgabe für Guftav Gröber. Halle, 
Niemeyer. 16 M. 

Aus dem Inhalt: 3. Schneegans H., Groteste Satire bei Moliere? Ein 
Beitrag zur Komik Motieres. — 11. Voßler K., Benvenuto Cellinis Stil in 
feiner Vita. Neriuch einer piychologiichen Stilbetradjtung. — 12. Thurau G., 
Geheimmiiienichaftliche Vrobleme und Motive in der modernen franzöfifchen Er- 
zühlungglitteratur. 

Harnad Otto, Eifais und Studien zur Pitteraturgefchichte. Braunfchweig, F. Vieweg 
& Zohn. 6 MM. , . 
, Aus dem Inhalt: Uber Haifiihe Dichtung. 1896. — Über Lyrik. 1892. — 
Über litterarhiſtoriſche Methode. Zum erften Erjcheinen der —3 „Eupho⸗ 
rion“. 1894. — Goethes Tagebücher. 1891. — Über die Entſtehung des „Fauſt“. 
1888. 1899. — Eine neue Fauſt-Erklärung. 1893. — Entwürfe und Ausführung 
26* 


404 Bibliographie 2. BRücher. 


des zweiten Teiles des Fauft. 1829. — Uber Goethes „Kandora“ 1893. — 
Über Goethes „Löwenſtuhl“. 1895. — Über den Gebrauch des Trimeters bei 
Goethe. 1891. — Goetbe und Wilhelm Humboldt 18>8. — Goethe und Heinrich 
Pieper. 18x09. — Goethes Kunſtanſchauugen ım ihrer Bedeutung für Die Gegen 


wart. 1394. — Rafjael Mengs' Schriften und ihr Einfluß auf Peling umd 
Goethe. 1802. — Zu Goethes Maximen und Neflertonen über Numit. 1898. — 
liber Goethes Verhältnis zu Shakeipeare. Em Bortrag. 1896. — Nictor Bebns 


Goethebuch. 1888. — Goethes Beziehungen zu ruittichen Schriitſtellern. 1890. — 
Bemerkungen über die Normen einer neuen Ausgabe von Goethes „Warımen 
und NReflerionen”. 1892. — liber neue Goetheſche Zprüce. 1894. — Ein Goethe⸗ 


problem. 1898. — Nlaiftier und Romantiker. 1r02. 1899. — Uber Gocthes 
Monadenlebre. 1599. — Zu „Ton Carlos”. 1808. - Zwer litterariihe Aufiätze 
Napoleons des Eriten. 1890. — Neue Tramen. 1890. — Poeſie und Zittlich 


teit. 1891. — Iwei Zchauipteler. 1801. — Liber Avonianns' Dramatiſche Hand- 
werfsichre. 1895. 

Harnack rechtfertigt dieſe Sammlung feiner Eleineven gedrudten Aufſäbe, 
deren einige auch in umierer Zeitichrift erſchienen find, Damit, daß cr hofe, durch 
die Vereinigung Des Zjerſtreuten die Geſichtspvunktte, von denen aus er die Er 
ſcheinungen und die zu Grunde hiegenden Probleme der Litteraturgeſchichte und 
Arber beurteitt babe, deutlich hervortreten zu laſſen und die Einheitlichkeit feiner 
Betrachtungsweiſe zu befunden. In der That gewährt die feite äftberiiche Grund 
lage Harnacts Forichungen und Kritiken eine Seltene Zicherbeit und (Heichtoiien 
beit. Es it Die „Hailiiche Aſthetik dev Teutſchen“, wie er fie felbft in ſeinem 
befannten Buche dargestellt bat, an der er feitbält, deren Grundiare er auch der 
jpäteren, Sogar der modernen dichteriichen Produktion gegenüber mit Glück zur 
Geltung bringt und deren bleibenden Wert ev gegen alle Angriffe eifrig verficht. 
Nee der älteren Aufiäre ſind iorgiam ergänzt, dev „Über die Entitehung des 
Fauſt“ 2.87--08 und über „Klaſſiker und NRomantiler” : 2. 270 — 230 gänzlich 
umgrarbeitet. Hier, wo Harnack gegen Minor und Walzel icharf polemiitert, wud 
die weitere ‚yorichung einzirtenen baben Nen iſt der mit Dieier Polemit zulammen 
hängende Aufiau „Aber Gothes Monadenlehre“, worin der Einfluß Schlinge auf 
Goethe an enter wichtigen Einzelheit nachgewiesen wird. 

Rethwiſch Era, Auiſſatze und Tagesichriften. Leipzig, A. Strauch. 5 M. 
Ribbect Oito, Reden und Vorträge. Lewzig, Teubner. 5 Mi. 

Aus dem Inhalt: J. 2 Griechenland und Teutſchland. — III. In mero- 
ram. 1. Rede zur Ferer Des Gedächtn:ſſes Kaiſer Wilhelm |. 2. Netrolog auf 
Karl Bureſch. 3. Netrolog auf Hermann Peterſen. 4. Zu Friedrich Ritſchls Ge 
dachtnis. 5 Zu Julius Cohnheims Gedächtnis. 6. Zu Johann Jakob Bacyers 
EGedachtn's 7. Zu Anton Springers Gedachtnis. 

Schonbach Ant. E., Geiſammelte Aufſäte zur neueren Litteratur in Teutſchland, 
Ceſterre:ch, Anteile. Graz, Leuichner & Yubenstn. 6 WM. 

Aus dem Inhalt: Rorwort. I Teutichland. 1. Zchiller und Die moderne 
Bildung. 2. Uliand als Tramatiler. 3. Rede zum Uhlandtage. 4. Yu Guſtav 
Freytags 70 Wehintston:. 5. Arthur Fitger 6. vudwig Steub. 7. Narl 

Mullenhofi I Seüerreich. = Joſerh Schrevvogel Wei. v. Grill 
barzer Jo Kia ron Vauernfield 11. Anaſtairus Krim. 12. Hermann 
vun lm. 15. Gritiened ven Leitner 14. Yaborg Anzengruber. 15. Sur 
Wirt a UNSUTINR”. 

Ag an dar einſtige ziammenne:len amt ſungeren Fremden 
und Min, end: I fast dantzar empinndenen Anteil an ſeinen Ztudten 
und A..u gn tt, betax nmrnnen und oh MM. Lerners Kann dieiem Buche 
ure,e. Mb ar Mb demnacdß anbot in. mich gezremen, dieies Busch 
well, io daft ab oz dech miteh ichen Weine Bew ZHZettichrnit begrüßen, 


1899. 405 


bei deren Entftehen er das Geleitwort gejprochen hat. Wie fih Schönbachs Buch 
über Lefen und Bildung überrafchend jchnell einen weiten Kreis von Verehrern 
und Anhängern erworben hat, jo werden auch diefe glänzenden Eſſays, dieſe 
warmherzigen Charafterijtiten, dieſe begeifterten und zur Begeifterung fort- 
reigenden Reden, von denen jedes einzelne Stüd eine zlindende Wirkung bereits 
geübt hat, in ihrer Vereinigung einen noch größeren Erfolg haben. Im Begriffe, 
die Ernte vieljähriger hingebender Foricherthätigleit auf dem Felde unferer älteren 
Pitteratur einzuheimfen, neigt der Verfaſſer jet dazu, feine Beichäftigung mit 
der neueren Litteratur fat wie einen Um- und Irrweg anzujehen, wenigftens 
meint er dieſe Abjchmweifung vor ſich felbft entfchuldigen zu müſſen und legt in 
einer geiftreihen und leſenswerten Borrede den Zufammenhang der Forſchung 
über ältere und neuere Yitteratur in methodifcher Hinficht dar. Wir aber preifen 
ihn und uns glüdli, dag er mit weitem Blid und frei von nervöſer Haft auch 
andere Wege abgejchritten hat als diejenigen, welche ihn in manchen feiner 
Unterjuchungen vielleicht raſcher ans Ziel geführt hätten, und halten den Nuten, 
den er daraus für fein eigentliches Arbeitägebiet gewonnen hat, für unermeßlid). 
Wir meinen auch, daß die neueren Litteraturen, insbefondere die feiner engeren 
Heimat nod) oftmals ihren Zauber auf den unermüdlichen Lejer ausüben und 
ihm wider Willen Schäte abringen werden, die zu bergen eine neue Sammlung 
beſtimmt fein wird. , . . 

Schönbad Ant. E., liber Leſen und Bildung. Umfchau und Ratjchläge. 6. Auf- 
lage. Graz, Peuichner & Lubensy, 4 M. 

Stümde Heinr., Zwiſchen den Garben. Eſſays. Leipzig, Friefenhahn. 1.50 M. 

Urban Erich, Braeludien. Berlin, Habel. 2.10 M. 


— — —— — 


Geſchichte der Wiſſenſchaften. Gelehrtengeſchichte. 


Geſchichte der Wiſſenſchaften. Algemeines. Cantor Mor., Vorleſungen 
über Gejchichte der Mathematik. 2. Band. 2. Halbband. Bon 1550-—1668. 
2. Auflage. Leipzig, B. G. Teubner. 12 M. 

Dühring Eug., Kritiiche Gefchichte der Nationaldlonomie und des Socia- 
lismus von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. 4. Auflage. Leipzig, ©. ©. 
Naumann. 10 M. 

Guilland Antoine, L’Allemagne nouvelle et ses historiens (Niebuhr-Ranke- 
Mommsen-Sybel-Treitschke). Paris, Felix Alcan 1900. 5 Fr. 

Schroeder H. R. Paul, Geidhichte des Tebensmagnetismus und des Hypno⸗ 
tismus. Vom Uranfang bis auf den heutigen Tag. Leipzig, A. Strauch. 12 M. 

Stammhammer %of., Bibliographie des Socialısmus md Gommunismuß. 
2. Band. Nacıträge und Ergänzungen bis Ende des Jahres 1898. Jena, ©. 
Fiſcher. 13 M. 

Zittel Karl Alfr. von, Gefchichte der Geologie und Paläontologie bis Ende bes 
19. Jahrhunderts. (Gefchichte der Wiffenfchaften. Neuere Zeit. 23. Band.) 
Münden, R. Oldenbourg. 13.50 M. 

Locales. Waldeyer Wilh., Zur Geſchichte des anatomijchen Unterrichts in 
Berlin. Nede. Berlin, 4. Hirihwald. 1 M. 

Geijt-Jacobi G. P., Mittelalter und Neuzeit. Ein Beitrag zur Geſchichte der 
Heilfunde in Frankfurt am Main und ber bdeutichen E ahnbeiltunde. Nach 
archivaliſchen Quellen bearbeitet. Berlin, Berliniſche Berlagsanftalt. 4 M. 

Meisgerber H., La corporation des chirurgiens-barbiers de Ribeauvill6 
1680—1791. [Xu8 „Bulletin de la soc. pour la conservation des monu- 
ınents hist. d’Alsace‘.] Straßburg (%. Noiriel). 2 M. 


406 Bibliographie. 2. Bücher. 


Neumann Wilh. Ant., Über die orientaliſchen Sprachſtudien ſeit dem 13. Jahr: 
hundert mit beionderer Rückſicht auf Wien. Inaugurationsrede. Wien, A. Hölder. 
1.60 M. 

Gelehrtengeſchichte. Lampe E., Die reine Mathematik in den Jahren 1384 — 
1899. Nebſt Attenſtücken zum Yeben von Siegfried Aronhold, weil. Erofeitor 
der Mathematik :1860—1883: an der Königlichen techniſchen Hochſchule zu 
Rerlin. Berlin, W. Ernſt & Sohn. 1.60 M. 

Schwärzler GCajp., Tr. Josef Ritter von Bergmann und feine Qriefe an 
Gebhard lau. Aus: „Vote für Tirol und Vorarlberg”. Innsbruck, Wagner. 
60 Pf. 

Der Vorarlberger Bergmann, geboren 1796, lebte ſeit 1815, dann wieder 
von 182s an in Wien, wo er feine Wohnung im unteren Belvedere hatte, zulert 
als Tireltor des L. Ef. Münz- und Antilenfabinetes. Er ſtarb 1872. Sein Brief: 
wechiel mit dem Hiſtorienmaler Gebhard Flas, einem ın Rom lebenden Vorarl 
berger, erwähnt mehrfach auch Litterariich bekannte Perſönlichkeiten, fo Schlegel, 
Zacharias Werner, ferner Toni Adamberger, verehelichte Arneth, und deren Kreis, 
J. G. Seidl, Sebaſtian Brunner, „die Geißel der jüdiſchen pofittiichen Zeitungs 
ſtribenten“, die Maler Schwind und Steinle, den Bildhauer Mar Prag, die 
Biichöfe Feßler und Rudigier, Krälat Stülz, Alois Flir und Andere. Er war 
Yehrer der Söhne des Erzherzogs Karl für Geſchichte und lateiniſche Sprache, 
was ihn mit dieſen hohen Herren in länger dauernde Berührung brachte. J. J. 

Büchner vudw., Im Dienſte der Wahrheit. Ausgewählte Aufſätze aus Natur und 
enſcheft. Mit Biographie des Verfaſſers von Alex Büchner. Gießen, E. Roth. 
6 M. 

Hofrat Tı. Carl Claus, vormals PVrofeſſor der Zoologie und vergleicheuden 
Anatomm an der Unwerſität zu Wien . . . . Ris 1873 Autobiographie, vollendet 
von v. Alth. Herausgegeben vom Verein für Naturkunde zu Kaſſel. Warburg, 
Eimer. 1 WM. 

Curtze M, Nicolaus Coppernicus. Wine biographiihe Slizze. „Sammlung 
popularer Schriften, berausgegeben von der Geſellſchaft Urania zu Verlin. Ar. 54.) 
Kerlin, D. Paetel. 2 M. 

Des Krofciiors Catharinus Dulcis Yeben, von ıbmı jelbit beihrieben. Mit 
Anmerfungen von Ferd. Juſti Warburg, Elwert. 1%. 

Ziineer Hemr, Mem Beruf al& Ausleger. 1835—1n68. Leipzig, E. Wartig. 
350 3% 

Inhalt: 1 Auf der Schule. 2. Auf der rheimſchen Hochſchule. 3. Berlin 
6:8 zur Promotion. 4. In Köln bie zur Habilitation. 5 Neun Jahre Privat: 
docent ın Bonn. 6. Bis zu Goethes Aubeltabr. 7. Neun meitere Jahre bis zu 
Varnhagens Tod. ». Schaft unermüderes Wirken bis zu Böckhs und INelders 
Zod u. Abichluß. 

Kauf Carl äIrdr und Wolig. Yolvai, Briefwechſel. Herauſsgegeben von Frauz 
Schmidt und Paul Ztädel. Leipzig, B. 9. Teubner. 16 M. 

Wibbelt Auguſtin, Joieyh von Gorres als Litteraturhiſtoriker. ı Schriften der 
Borres Geiellſchaft 1349. II: Köln, Rachem. 1.50 M. 

Vriefwechſel zwiſchen Akademiler Kunik⸗St. Vetersburg und W. von Gute 
zeit Kiga ın den Jahren 1876-1804. Riga, Kummel. 1. 40 M. 

Zuch Ed., Rede zur Enthüllung des Hasner Tenlmales Wien, A. Hölder. 60 Pf. 

Piuis R., Kepler als Geograph. Eine hiſtoriſch geographiſche Abhandlung. Tiſſer 
tation. Vünchen. 

Koelliker A, Eimnerungen aus meinem Leben. Leipzig, W. Engelmann. 9 M. 

Munz Vernh., Moriz vazarus. ur Feier ſeines Auäbrigen Toktorrubiläums 
(30, November Ir00. Yalın, F. Tümmlers Verlag 1 M 

Wlemperer G, Juſtus von Liebig und die Wiediin. Vortrag. Verlin, 9. Hirich 
wald Vẽ. 


1899. 407 


Juſt. von Liebig umd Chrn. Fror. Schönbein, Briefwechſel 1853— 1868. Mit 
Anmerkungen, aunneilen und en uterungen verjehen und herausgegeben von 
Geo. W. A. Kahlbaum und Ed. Thon. (Monographien zur Geſchichte der 
— Herausgegeben von Geo. W. A. Kahlbaum. Heft 5.) Leipzig, J. 4. 
Dart 6M 

Leineweber R., Salomon Jakob Morgenftern, ein Biograph Friedrich Wilhelms. 
I. Tiffertation. Göttingen. 

Köhler W., Zohann Friedrich Naumann. han Leben und fein Werk. Biogra- 
phifche Stigze. Gera⸗Untermhaus, %. €. 8 

Etein Armin (9. en), Sohann — Oberlin. Ein Lebensbild. 
Halle, E. Strien. 2.70 M 

Hartmann 13, Die Medi in des Theophraftus Paracelfus von von 
heim. Bom tiffenfchaftfichen Standpunfte betrachtet. Yeipzig, Friedrich. 

Sudhoff Karl, Berfucd einer Kritit der Echtheit der Paracelſiſchen Gatten 
II. Zeit. 2. Häffte. (Baracelfus-Handicriften, gefammelt und befprodhen. 2. Hälfte.) 
Berlin, G. Reimer. 10 M. 

Traber J. Lehrer Joſeph Plaß, der Seihigtichreiber | ber Oberpfalz. Eine Skizze 
ſeines Köbens und Wirkens. Donauwörth, 2. Auer. 15 Pf. 

Faraday and Schoenbein, Letters 1836— 1862. With notes, comments 
and references to contemporary letters ed. by Geo. W. A. Kahlbaum 
and Francis V. Darbishire. Bafel, 3. Schwabe. 12 M. 

Kahlbaum Ge. W. A. und Ed. Schaer, Chriſtian Friedrich Schönbein 
1799— 1868. Ein Blatt zur Gedichte des 19. Jahrhunderts. (Monographien 
zur Gefchichte der Chemie. Herausgegeben von Geo. W. A. Kahlbaum. Heft 4.) 
?eipzig, %. U. Barth. 6 M. 

Böhm Edler von Böhmersheim Aug., Zur Biographie Friedrich Simonys. 
Wien, Fechner. 1.20 M. 

Unger Frz. und Steph. Endlicher, Briefivechfel. Herausgegeben und erläutert 
von ©. Saberfandt. Berlin, Gebr. Borntraeger. 5 M. 

en J., Bernhard Varenius und die morphologiſchen Kapitel ſeiner 
Geographia generalis” (Amſterdam 1650). Ein Beitrag zur Gejchichte der 
Seographie, Programm. Troppau. 

Tieg Th, Dr. Auguft Friedrich Chriftian Vilmar, weil. ord. Profeſſor der 
Theologie zu Marburg, als Hymnolog. Eine Zuſammenſtellung ſeiner haupt— 
ſächlichſten geiftungen auf hymnologiſchen Gebiet. Marburg, N. ©. Elwerts 
Berlag. 2. 40 9 

Kohlrauſch F., huſtav Wiedemann. Nachruf. (Aus: „Verhandlungen der 
deutſchen phyſikaliſchen Geſellſchaft“.) Leipzig, J. A. Barth. 60 Pf. 

Koerber Fel., Karl Friedrich Zöllner. Ein deutſches Gelehrtenleben. Nebſt einem 
vollſtändigen, alphabetiſchen Sachregiſter zu den wiſſenſchaftlichen Werten F. 
Zöllners. (Sammlung populärer Schriften, herausgegeben von der Geſellſchaft 
Urania zu Berlin, Nr. 53.) Berlin, H. Paetel. 2.40 M. 


Geſchichte und Kulturgeſchichte. 
Allgemeines. Lamprecht Karl, Die kulturhiftorische Methode. Berlin, R. Gärtner. 
Seudenreid Ed., Archivweſen und Geſchichtswiſſenſchaft. Marburg, N. G. Elwerts 


Verlag. IM. 
Günther Rhold., Kulturgefchichte der Liebe. Ein Verſuch. Berlin, C. Dunder. 


403 Bibliographie. 2. Bücher. 


Chamberlein Houfton Ztewart, Tas 19. Jahrhundert. I. Band. Tie Grund: 

lagen des 19. Jahrhunderts. 3. Yırferung. München, F. Bruckmann. 6 M. 
Inhalt! Ztaat. — Die Germanen als Schöpfer einer neuen Nultur. — 
Geſchichtlicher UÜberblick. 

Bornhatk F., Unſer Vaterland. Geſchichte des deutichen Volkes von den älteſten 
Zeiten bis zur Gegenwart. Berlin, Bruer & Co. 6 M. 

Heyne Mor., Fünf Bücher deutſcher Hausaltertümer von den älteſten geſchichtlichen 
Zeiten bis zum 16. Jahrhundert. Ein Lehrbuch. 1. Band. Das deutiche Wohnungs: 
weien. Leipzig, S. Hirzel. 12 M. 

Liebe Geo, Der Soldat in der deutſchen Vergangenheit. Mit 183 Abbildungen 
und Beilagen nach den Originalen aus dem 15.— 18. Jahrhundert. (Mono- 
graphien zur deutihen Kulturgeidhichte, herausgegeben von Geo. Steinhauſen. I.) 
Leipzig, E. Diederichs. 4 M. 

Steinhauſen Geo., Der Kaufmann der deutſichen Vergangenheit. iDlonograpbien 
zur deutſchen Kulturgeſchichte, herausgegeben von Geo. Zteinhauien. II. Lewpzig, 
E. Diederichs. 4 M. 

Kaſer Kurt, PRolitiſche und ſoziale Bewegungen im deutſchen Bürgertum zu Beginn 
des 16. Jahrhunderts mit beſonderer Rückſicht auf den Speyrer Aufſtand im 
Jahre 1512. Stuttgart, Kohlhammer. 5 M. 

Des kurſächſiſchen Rates Hans von der Planitz Berichte aus dem Reichs⸗ 
regiment in Nürnberg 1521— 1523. Geiammelt von Ernit Wülcker. Nebit er 
gänzenden Aktenſtücken bearbeitet von Hans Vird. Yeivzig, Teubner. 26 M. 

Cornelius C. A., Hiſtoriſche Arbeiten vornehmlich zur Neformationszeit. Leipzig, 

Tunder und Humblot. 13 MM. 

Inhalt: I. Die Münſteriſchen Humaniſten und ihr Verhältnis zur Nefor- 
manon. II. Die Niedertändiichen Hiedertäufer während der Belagerung Münfters 
1534— 1535. III Inr Seichichte der Münſteriſchen Wiedertäufer Aufſätze 
aus der Allgemeinen Deutichen Biographie. 1. Rob. Bokelſon. 2. Joh. Kloprns. 
3. Bernt Nnipperdollind. 4. Jan Matbnszoon. IV. Zur Geichichte Calvins. 
1. Der Reich Calvins bei der Herzogin Renata von Ferrara im Jahre 1536. 
2. Die Verbannung Calvins aus Senf im Jahre 1538. 3. Die Rückkehr Calvins 
nad Senf. 4. Die Gründung der Calviniſchen Kirchenverfaſſung in Genf 1541. 
5. Tie eriten Jahre Der Nirche Calvins 1541—1546. 6. Calvin und Perrin 
154651548. Beilagen: 1. Schreiben des Jean de la Marion Neuve an feinen 
Vater. II. Tie Prozeſſe Perrin und Magniftaue. V. Über die deutichen Einheits 
beſtrebungen im 16. Jahrhundert. VI Kirchenpolitiſche Mufiäge. VII. Gedächtnis 
rede auf J. von Tollinger. VlIll. Riographiſche Aufſätze iaus der Allge- 
meinen Dentihen Biographie und Nekrologe raus den Zikungsberichten der 
Münchener Aademie: Karl Cornelius. Auguſt von Truffel. Ferd. Gregorovius. 
st. W. K. Kampichulte. Karl Spruner von Merz IX. Verzeichnis der Schriften 
von &. A Cornelins. 
duntiaturberichte aus Teutichland nebſt ergänzenden Aktenſtücken. J. Ab- 
teilung. 1533-1559. Herausgegeben durch das Koöniglich preußiſche hiſtoriſche 
Inſtitut in Rom und die Röniglich preußiſche Archiv-Verwaltung. 9. Band. 
BRNuntiatur des Verallo 1546--1547 . . . bearbeitet von Walt. Friedensburg. 
otha, Kerthes. 35 WM 
Nuntiaturberichte aus Teutichland nebit ergänzenden Attenſtücken. 1585 (1534) 

— 1590 1. Abteilung. Tie Kolner RNuntiatur. 2. Hälfte. Ottorio Mirto range: 
vamı m Moin. 1587--1500. Herausgegeben und bearbeitet von Steph. Ehſes. 
C.uellen und Forſchungen aus dem Gebiete der Geichichte. In Verbindung mit 
ihrem Inſtitut in Rom herausgegeben von Ber Gorres Geſellichaft. 7. Yand.) 
Kaderborn, Zchonmgb. 22 WMe 

Prenßiſche und ofßrerreichtiche Akten zur Vorgeichichte des ſiebeniährigen 
Rrieges. Herausgegeren ven went Verth Vohz und eo. Künszel. (Bubli- 


10 
— 
⸗ 


1899. 409 


fationen aus den Königlich) preußiichen Staatsardiven. 74. Band.) Leipzig, 
2. Hirzel. 36 M. 

Heigel K. Th., Deutſche Gefchichte vom Zode Friedrichs des Großen bis zur 
Auflötung des alten Reiches. 1. Band. Bon Tode Friedrich des Großen bis 
zum Feldzug in der Champagne. 1786—1792. (Bibliothek deutfcher Gejchichte.) 
Ztuttgart, Gotta. 8 M. 

Kaufmann Geo., Politische Geſchichte Deutfchlands im 19. Jahrhundert. (Das 
19. Jahrhundert in Deutſchlands Entwidlung. Herausgegeben von P. Schlenther. 
IV. Band.) Berlin, G. Bondi. 10 M. 

Kraemer Hans, Das 19. Zahrhundert in Wort und Bild. Politifche und Kuftur- 
geijhichte im Berbindung mit hervorragenden Fachmännern. 2. Band. Berlin, 
Deutſches Verlagshaus Bong & Co. 12 M. 

Pfiſter Alb., Das deutjche Vaterland im 19. Jahrhundert. Eine Darftellung der 
kulturgeſchichtlichen und politiichen Entwidfung, für das deutjche Volk geichrieben. 
Ztuttgart, Deutjche VBerlagsanftalt. 8 M. 

Ziegler Theobald, Jndividualismus und Sozialismus in Geiftesfeben des 19. 
Jahrhunderts. Vortrag. Dresden, von Zahn & Jaenſch. 

Hartmann Otto, Die Volfserhebung der Jahre 1848 und 1849 in Deutfchland. 
Mit einem Borwort von ?. Duidde. Vom Preisgeriht der deutjchen Volkspartei 
mit dem erjten Preije gekrönt. Berlin, H. Bermühle.. 2 M. 

Stein Pudiv., An der Wende des Jahrhunderts. Verſuch einer Kulturphilofophie. 
Freiburg i/ B. %. C. B. Mohr. 7.50 M. 

Uhde Wilh., Am Grabe dev Mediceer. Florentiner Briefe über deutiche Kultur. 
Dresden und Leipzig, C. Reißner. 2.40 M. 

Landſchaften. Baden. Badiiche Bibliothek. Syſtematiſche Zuſammenſtellung 
felbftändiger Trudichriften über die Markgrafſchaften, das Kurfürftentum und 
Großherzogtum Baden. I. Staats: und Rechtskunde. 2. Band. 2. Zeitraum: 
Tas Großherzogtum. Juſtiz. Die Firhlicden Verhältniſſe. Finanzweſen. Kriegs— 
weſen. Die materiellen und Prozeg-Nechte. Karlsruhe, A. Bielefed. 5 M. 

Kindler von Knobloch F., Oberbadiſches Geſchlechterbuch. Herausgegeben von 
der badiichen hiſtoriſchen Kommiſſion. 2. Band. 1. Lieferung. Heidelberg, C. 
inter. 6 M. 

Miller Leonh., Badiihe Yandtagsgeihichte. 1. Zeil. Ter Anfang de3 Tandftändi- 
ſchen Pebens im Jahre 1819. Berlin, Roſenbaum & Hart. 4.50 M. 

Wolfram L., Tie Illuminaten in Bayern und ihre Berfolgung. Auf Grund 
aktenmäßigen Befundes dargeftellt. I PBrogramım. Erlangen. 

Brandenburg. Die Provinz Brandenburg in Wort und Bild. Heraus- 
gegeben von dem Peſtalozzi-Verein der Provinz Brandenburg. Berlin. Leipzig, 
3. Klinkhardt. 4.50 M. 

Hie gut Brandenburg alleweg! Gefdichts- und Kulturbilder aus der Ber: 
gangenbeit der Mark und aus Alt-Berlin bis zum Tode des Großen Kurfürften. 
Herausgegeben von Rich. George. Berlin, W. Paulis Nachfolger. 6.50 M. 

Urkunden und Aktenſtücke zur Gefchichte des Kurfürſten Friedrich Wilhelm 
von Brandenburg. 16. Band. 2 Teile. Berlin, Reimer. 44 M. 

1. Zeil. Ständiihe Verhandlungen. IM. (Preußen. Il. Band.) 1. Zeil. 
Herausgegeben von Kurt Breyfig. 2. Teil. Herausgegeben von Mart. Spahn. 

Schulenburg, Graf von der, Nordfteimfe und Die von Steimfer. Ein Beitrag 
zur braunfchweigiihen Orts- und Familiengeſchichte Münden. (Braun 
ihweig, 9. Wollermann.) 2.50 M. 

Tronfe, Tie Eifel. Aus den nachgelaffenen Papieren des Verfaſſers heraus— 
gegeben von N. Cüvpers. Köln, PB. Neubner. 5 M 

Elſaß. Srandidier, Nouvelles oeuvres inedites. Publiees sous les auspices 
de la societe industrielle de Mulhouse, Tome 4. Alsatia sacra ou statisti- 


410 Pibliograpbie. 2. Bücher. 


que ecclesiastique et religieuse de l’Alsace avant la revolution. Avec des 
notes inedites de Schoepflin. Il. Colmar, 9. Hüffel. 6 M. 

Kern Geo, Bilder aus der Geſchichte des Elſaß. Gefchichtliche Skizzen fiber 
Taniel Spedlin — Hohlandsberg — Kienzhein — Kayſersberg — Lichtenberg — 
Leopold der Fromme. Straßburg, Schleſier & Schweikhardt. 1 M. 

Hanſiſche Geſchichtsquellen. Herausgegeben vom Berein für hanſeatiſche Ge— 
Ihichte. Neue Folge. 1. Yand. Berlin, Pag und Garleb. 9 M. 

Ziewert Frz, Geihichte und Urkunden der Wigafahrer im 16. und 
17. Rahrhundert. 

Helfen. Glagau Hans, Anna von Heffen, die Mutter Philipps des Großmütigen. 
(14x85— 1525.) Eine Vorkämpferin landesherrliher Madt. Marburg, N. ©. 
Elwerts Verlag. 3.60 M. 

Schulze E., Ungedrudte Briefe des Prinzen Leopold von Heffen-Homburg und 
feiner Geichwifter. 1804— 1813. Programm. Homburg v. d. Höhe. 

Poelchau Arth., Tie livländiſche Gefichichtstitteratur im Jahre 1898. Riga, 
Knmmel. 1 M. 

Neröffentlihungen zur niederfähfiichen Geſchichte. Aus: „Sannoveriiche 
Geſchichtsblätter“.) Hannover, M. & H. Schaper. à 1 M. 

Heft 1. Neformation und Gegenreformation im Fürſtentum Hildesheim. 
Heft 2. Ein Amtsbuch des Kloſters Walsrode. 


Oferreihh. Mayer Frz. Mart., Gejchichte Oſterreichs mit beſonderer Rückſicht 
auf das Kulturleben. 2. Auflage. 1. Band. Von den älteſten Zeiten bis zum 
Jahre 1526. 1. Lieferung. Wien, Braumüller. 2 M. 

Rapp Ludw., Königin Magdalena von Oſterreich, Stifterin des königlichen Stiftes 
zu Hall in Tirol. Ein Pebensbild aus dem 16. Jahrhundert. 2. Auflage. Brixen, 
Neger. 2 M. 

Deiter H. Niederdeutiche Gelegenheitsgedichte auf die oftfriefifche Fürſtenfamilie 
aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Programm. Aurid). 

Fleiſchmann Otto, Sefchichte des pfälzifchen Aufftandes im Jahre 1849. Nach 
den zugänglichen Quellen gejchildert. Kaiferslautern E. Crufius). 6 M. 

Hanncke Rud., Rommerfche Geichichtsbilder. 2. Auflage fämtlicher bisher 
erichienener Skizzen und Nulturbilder des Berfafjers. Ztettin, 2. Zannier. 
4.50 M. 

Drenben. Prus Dans, Preußifche Geſchichte. 1. und 2. Band. Stuttgart, 3. ©. 
Cotta Nachfolger. A & WM. 

Anhalt: 1. Tie Entitehung Brandenburg Preußens (von den erften Ans 
fingen bi8 16551. — 2. Die Gründung des preußiſchen Staates (1655 —1740). 

Briefe und Altenftüde zur Sefchichte Preußens unter Friedrich Wilhelm III., 
vorzugsweiie aus dem Nachlaß von F. A. von Ztügemann. Herausgegeben 
von Frz. Rühl. 1. Band. Publikation des Vereins fir die Sefchichte von Oſt— 
und MWeitpreußen.) Leipzig, Tunder & Humblot. 10 M. 

273 Briefe und Aftenftüde aus den Jahren 1806—1815, vorwiegend 
Briefe an Ztägemann, unter andern von Altenftein, 8. G. von Brinkmann, 
X. F. Cotta, Fichte, Bene, Irland, J. v. Jahn, Jean Paul, Kari Müdhler, 
Adam Müller, ‚sr. Nicolovius, Niebuhr, Zad, Scheiiner, Dar von Schenken⸗ 
dorf, Schmidt von Werneuchen, Schön, Zolger, %. 9. von Weſſenberg: ferner 
zahlreiche Briefe an Schefiner, unter andern von Arndt (Nr. 214, 19. März 
1813: „CO die Fürſten! Fürſten! Hätten wir fie doch, wo wir fie haben wollten! 
Ich würfe fie alle in Einen Scheiterhaufen und mich als Zugabe obenein“), 
Brinkmann, Chr (9. Körner, Zchön, Süvern. Endlich bebe ich hervor: Vrink⸗ 
mann an Rahel Yerin: Jean Paul an J. F. Cotta; Mar von Schentendorf an 
Stein. Ter 2. Band wırd auch die Briefe Stägemanns an Telsner und feinen 
Rriefwechſel mit Friedr. Schulz entbalten. 


1899. 411 


Kofer Rhold., König Sriedrid der Große. II. Band. 1. Hälfte. Friedrich der 
Große im 7Tjührigen Krieg. (Bibliothek deutſcher Geſchichte) Stuttgart, 3. ©. 
Cotta Nachfolger. + M. 

Politiſche Korrefpondenz Friedrichs des Großen. 25. Band. Berlin, 
A. Tunder. 10 M. 

Bublifationen der Gefellichaft für rheiniſche Gefchichtstunde. XIX. Bonn, 
9. Behrendt. 8 M., 

Tile Armin, Überfiht über den Inhalt der Heineren Archive der Rhein— 
provinz. 1. Band. 

Welck Heinr. Frhr. von, Georg der Bärtige, Herzog von Sachen. Sein Leben 
und Wirken. Ein Beitrag zur deutſchen Neformationsgefchichte. Braunſchweig, 
R. Sattler. 4.80 M. 

Schweiz. Bibliographie der jchweizerifchen Landeskunde .... herausgegeben 
von der Centralfommifition für jchmeizeriiche Landeskunde. Faszikel III. Bern, 
K. 3. Wyß. 4 M. 

Inhalt: Yandes: und Neifebefchreibungen. Ein Beitrag zur Bibliographie 
der fchweizeriichen Reifelitteratur, 1479—1890, zufammengeftellt von A. Wäber. 

Stridier Joh., Tie alte Schweiz und die helvetifche Revolution. Mit literarischen 
Beigaben. Frauenfeld, Huber. 2.30 M. 

Zeller-Werdmiüller H., Bor 100 Jahren. Aus zeitgenöjfiichen Aufzeichnungen 
und Briefen. Zürich, F. Schultheiß. 3.60 M. 

Tirol. Schat A., TirofienjenBibliothet des Herrn Dr. Franz Innerhofer. 
Programm. Meran. 

ventner Be, Kriegspolitiihe Denkwürdigfeiten aus Tirols Befreiungstämpfen. 
Tas Zahr 1797. Innsbrud, Wagner. 1.80 DM. 


Württemberg. Rürttembergifche Gefhichtsanellen. Herausgegeben von 
der mwürttembergifchen Kommijjion für Landesgefhichte. 4. Band. Stuttgart, 
Kohlhammer. 6 M. 

Urfundenbud) der Stadt Eplingen. 1. Band. Bearbeitet von Adf. Diehl 
unter Mitwirfung von 8. H. S. Pfaff. 

Steiff Karl, Geſchichtliche Lieder und Sprüche Württembergs. Im Auftrage der 
württeinbergiichen Kommiffion für Landesgeſchichte gefammelt und herausgegeben. 
1. Lieferung. Stuttgart, Kohlhammer. 1 M. 


Ortſchaften. Die Chronifen der deutſchen Städte von 14. bis 16. Jahr⸗ 
hundert. Herausgegeben durch die Hiftorifche Kommiffion bei der königlichen 
Akademie der Wiljenichaften. 26. und 27. Band. Feipzig, ©. Hirzel. 

26. Die Chronifen der niederfähfiichen Städte. Fiibed. 2. Band. 16 M. 
— 27. Tasfelbe. Diagdeburg. 2. Band. 9 M. 

Merner Lorenz, Gefchichte der Stadt Augsburg von der Zeit ihrer Gründung 
bis zur Wiederaufrichtung des deutichen Reichs. Augsburg, M. Rieger. 5 M. 

Urfundenbud der Etadt Bajel. Herausgegeben von der hiftorifchen und anti- 
quarifchen Gejellichaft zu Bafel. Bafel, R. Neid). 

4. Band. Bearbeitet durch Rud. Wadernagel. 26 M. 
7. Band. Bearbeitet durd) Johs. Haller. 29.20 M. 

Etredfuß Adf., 500 Zahre Berliner Geſchichte. Vom Fiſcherdorf zur Weltjtadt. 
Geichichte und Sage. In geflirzter Darftelung und bis in die neuefte Zeit fort- 
geführt von Pro Fernbach. (Neue illuftrierte Ausgabe in einem Bande.) Berlin, 
A. Goldſchmidt. 12 M. 

Tünzelmann €, Aus Bremens Zopfzeit. Stillfeben in einer Reichs- und 
Hanfeftadt. Bremen, G. 4. von palem. 3.20 M. 

Red C. H., Cannſtatter Chronif über die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. 
Nach Urkunden, Aufzeichnungen und Erinnerungen zufammengeftellt. 1. Lieferung. 
Sannjtadt, 9. Hopf. 30 Pf. 


412 Bibliographie. 2. Bücher. 


Hund Andr., Colmar vor und während feiner Entwicklung zur Reichsitadt. 
Straßburg, Schleſier & Schweitbardt. 2.40 M. 

Jorde Fritz, Bilder aus dein alten Elberfeld. Elberield, BYacdeler. 2.20 M. 

Gückel M., Beiträge zur Geſchichte der Ztadt Forchheim im 16. Jahrhundert. 
Programm. Bamberg 1898. 

Zum 300jährigen Jubiläum von Frendenſtadt. Von einem Freunde 
Freudenſtadts. Aus: „Unterhaltungsblatt des Schwarzwälder Boten“.] Freuden 
ſtadt, J. Schlaetz. 60 Pf. 

Brumme Franz, Tas Torf und Kirchſpiel Friedrichswerth (chemals Erifa 
genannt) um Herzogtum Sachſen-Gotha. Mit beſonderer Berückſichtigung der 
freiherrlichen Familie von Erfia. Eine thüringiſche Ortschronik. Gotha (C. F. 
Windaus. 4 M. 

Krackowizer Ferd., Geſchichte der Stadt Gmunden. 2. Band. Gmunden, 
Mänhardt. 5 M. 

Teichl Ant., Geſchichte der Herrſchaft Gratzen unter Zugrundelegung des Urbars 
vom Jahre 1553. Gratzen (Prag, Balve. 8 M. 

Guericke H., 1. Tas Poſtweſen vor 200 Jahren in einer Kleinen deutihen Ztadt. 
Nach Urkunden des Ztadtardives zu Helmſtedt. — 1. Aus Helmſtedts Ber: 
gangenheit auf firchlichem Gebiete. Delmftedt, F. Richter. 1 M. 

Seihichte der Stadt Kahla. 1. Band. Urkunden zur (Beichichte der Stadt Nahla. 
Herausgegeben vom altertinnsforichenden Verein zu Rabla. Bearbeitet von 9. 
Bergner. Rabla ug. Becke. 5 WM. 

Armſtedt Rich., Geſchichte der königlichen Daupt: und Reiidenzftadt Königsberg 
m Preußen. Deutſches Yand und Yeben in Einzelſchilderungen. Yandfchafts- 
urkunden und Ztadtgeichichten. II. Ztädtegeichichten. 2. Band ı Stuttgart, Hobbing 
x Büchle. 8 M. 

Robbecke F. Thdr, Beiträge zur Chrom der Ztadt Meerane 11863— 1899". 
Meerane in Zahlen, O. Röbbecke. 0 Pf. 

Kühne Ewald, Geichichte des Torfes Mehringen. Deſſau Aſchersleben, O. Ven⸗ 
newits!. 2.50 M. 

Warnecke Thdr., Beiträge zur Geſchichte der Stadt Münder. Osnabrück (Dan 
nover, gehe. 1.50 M. 

Spielmann C. Achtundvierziger Naffauer Chronik. Tarjtellung der Ereignimſe 
in Raſiſau um Jahre 1818. Wiesbaden, Klaum. 2.50 M. 

Richter Wilh., Geichichte der Stadt Baderborn. 1. Vand. Bis zum Ausgange 
des 16. Jahrhunderts. Mit Urkunden und Statuten, bearbeitet von Carl Spancken. 
Kaderborn, Aunfermann. 4.50. 

Hernmarck G. T, Erinnerungen aus dem öffentlichen Yeben eines Rigaſchen 
Kauimanns. 1849--1869. Sinterlaitene Niederſchriit. Berlin, J. Guttentag. 
3 M. 

Rrandes vreop, Aus Ronneburgs Schwerer Vergangenheit. Tie großen Brände 
am 19. Mar umd 14. Kaum 1829. Zum Tenährigen Gedenktage nad alten 
Schriften, Tagebüchern und mündlichen Überlieferungen zuiammengeſtellt. Nonne 
burg, Yrandis. 40 Pi. 

Hrederer Joh, Die Schredenstage von Stadtamhof im April 1362. Kin 
Aeitrag zur Lokalgeſchichte von Ztadtambof, Steinweg und Reinhauſen Vortrag. 
Regensburg. Habbel. 20 Pif 

Albert R, Steinbach ba Budau Geichtichte eines irankiichen Torfes. Freiburg 
WR, rorenz a Wackel. 

Hartmann J., Wildbad Berichte aus ichs Jahrhunderten. Zruttgart, Holland 
X Joienhans 1.50 WM. 

Boos Heinrich, Geichtichte Dev rheinſichen Stadte!ultur von ihren Anfängen bis 
zur Gegenwart mit beionderer Berucküchtgung dev Stadt Worms. 3. Rand. 
Berlin, J A Stargardt. 6 WM. 


1899. 413. 


Familien. Frieſen Ernft Frhr. von, Gefchichte ber Ha Sfreiberrlichen Familie 
von riefen. 2 Bände, Festen C. Heine, 20 iqheſreiherrüichen — 

Nentwig Heinr, Schaffgotſchiana in der —— Schaffgotſchſchen Majo⸗ 
ratsbibliothet zu Warmbrunn. Leipzig, Harraffowig. 2.50 

Weißker Mar Adf., Beiträge zur Geſchichte und Genealogie der Familie Weißker. 
Dresden, Selbſtverlag. 15 M. 

Zerfonen. Heydemann ®., Aus den Papieren des päpftlichen Nuntius Ale- 
ander. Programm. Berlin. 

Andreae-Roman U, Aus längft vergangenen Zagen. Erinnerungen eines alten 
Mannes. Bielefeld, Belhagen & Klafing. 5 M. 

Bamberger Ludmw., Erinnerungen. Serausgegeben von Paul Nathan. Berlin, 
G. Neimer. 7.50 M. 

Hadenberg Karl E., Der rote Beder. Ein beutfches Lebensbild aus dem 
19. Jahrhundert. Leipzig, % Baedeler. 4 M. 

Bismard. Kaijer und Kanzler-Briefe. Briefmechfel zwiſchen Kaifer Wil- 
heim I. und Fürft Bismard. Geſammelt und mit gefhichtlihen Erläuterungen 
verfehen von Johs. Penzler. Leipzig, Yiebler 1900. 

Eine bequeme Zujammenftellung der bisher zerftreut gedrudten Briefe und 
Altenftüde (134 Nummern) mit ausführlichen Erläuterungen. 

Andler Charles, Le prince de Bismarck. Paris, Bellais. 3.50 Fres. 

Booth John, Perfönliche Erinnerungen an den Fürſten Bismard. Herausgegeben 
von Heinr. von Pojchinger. Hamburg, Berlagsanftalt und Druderei. 

Bodelihmwingh Fr. von, Betradhtungen eines Patrioten über Bismard und 
feine Beit. Berlin, H. Walther. 2 M. 

Grunow J., Buf h8 Tagebuchblätter und die deutſche Preſſe. Ein Kapitel aus 
dem Kampfe um Bismarcks Andenken. Zur Abwehr herausgegeben. Leipzig, 
Grunow. 30 Bf. 

Dieſt-Daber von, Berichtigung von Unwahrbeiten zc. in den Erinnerungen des 
Fürften Bismard_und deutſches Rechtsbewußtſein. Zürih, C. Schmidt. 3 M. 

Kaemmel Otto, Kritische Studien zu a Bismards Gedanken und Erinne- 
rungen. Leipzig, % W. Grunow. 2 M 

Lenz Mar, Zur Kritif der „Gedanten unb Erinnerungen“ des Fürſten Bismard. 
Berlin, Gebr. PBaetel. 2 M. 

Mards Erich, Fürſt Bismards Gedanken und Erinnerungen. Berfud einer kriti- 
hen Würdigung. Berlin, Gebr. Paetel. 2 M. 

Wilmowski Guft. von, Meine Erinnerungen an Bismard. Aus dem Nachlaffe 
herausgegeben von Marcel von Wilmowsfi. Breslau, E. Trewendt. 4 M. 

Boyen Herm. von, Dentwürdigfeiten und Erinnerungen 1771—1813. Neue, be 
arbeitete Ausgabe in zwei Bänden. Stuttgart, R. Lug. 9 M. 

Joachim Erid, Johann Friedrih von Domhardt. Ein Beitrag zur Bei 
von of und Meftpreußen unter Friedrid dem Großen. Berlin, ber & 

10 
Schuller Rich. Theodor Fabini. Ein fähfifcher Heldenjüngling aus großer Zeit. 
ermannftadt, W. Krafit. 1.70 M. 

Friedrich 8 R., „Vielgeprüftes Leben!” Eine wahre Lebensgeſchichte. Meerane. 
Ceipzig. F. E. Riſtg) 2.60 M. 

u Freytag und Heinrih von Treitfchle im Briefwechfel. Leipzig, ©. 

irzel. 4 M. 

Der Wert diefes Briefwechſels Tiegt mehr auf nationaler und politifcher 
als auf litterarifcher Seite. Das deutiche Einigungswert fettet die beiden großen 
Patrioten trot mancher Abweichungen im einzelnen aneinander; neben fchönen 
Zeugnifjen flammernder Begeifterung finden fi Träftige Ausbrüche des Unmuts. 
An die vertraulichen Blätter des freundſchaftlichen Briefwechſels reihen ſich bie 
(ſchon bekannt gewefenen) öffentlichen Dokumente gegenjeitiger Wertſchätzung und 


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1899. 415 


Funk F. X. von, Kirdengeihichtlihe Abhandlungen und Unterjuchungen. 2. Band. 
Paderborn, F. Schöningh. 8 M. 

Moeller Wilh., Pehrbuch der Kircheugeſchichte. (Sammlung theofogiicher Lehrbücher.) 
3. Band. Reformation und Gegenreforination. Bearbeitet von Guft. Kawerau. 
2. Auflage. Freiburg i,B., 3. & 2. Mohr. 10 M. 

Nippold Fror. Kleine Schriften zur inneren Geſchichte des Katholicisinus. 2. Band. 
Abfeit3 vom Rulturfampf. Jena, Coftenoble. 10 M. 

Thudichum %, NRedtgläubigfeit und Aufklärung im 18. Pahrhundert. (Aus: 
„Bellage zur Allgemeinen Zeitung“) Köln, Neubner. 50 Pf. 

Landfchaften. Zagel G., Die Gegenreformation im Bistum Bamberg unter 
Fürſtbiſchof Neithard von Thüngen 1591—1598. Differtation. Erlangen. 

Diehl Wilh., Zur Gefchichte des (Hottesdienftes und der gottesdienftlichen Hand» 
ungen in Heffen. Gießen, %. Rider. 5 M. 

Schmidt W. Die Kirchen: und Schulvifitation im Heyberger Kreife vom Fahre 
1529 nebit Urkunden. Progranım. Berlin. 

Rembert Karl, Tie „Wiedertäufer” im Herzogtum Jülich. Studien zur Geſchichte 
der Neformation, beionders am Nicederrheine. Berlin, Gaertner. 16 M. 

Uleclenburg. Koch Rud., Die Reformierten in Medtenburg. Feſtſchrift zum 
Jubiläum des 200jährigen Beftehens der evangelifcdyereformierten Gemeinde zu 
Bützow, nad) amtlichen Quellen bearbeitet. Schwerin, Herberger. 3 M. 

Schnell H., Tie Einführung der Reformation in Dedtenburg. Eine Feſtgabe zum 
350jährigen Jubiläum der medlenburgifchen Landeskirche. 20. Juni 1549— 
1899. Güſtrow, Opitz & Co. 50 Bf. 

Bibl Vict., Die Trganijation des evangelifhen Kirchenvereing im Erzherzogtum 
Tfterreich unter der Enns von der Erteilung der Religionskonceſſion bis zu 
Kaifer Marimilians II. Tode (1568—1576). Aus: ‚Ardiv für öſterreichiſche 
Geſchichte“.) Wien, C. Gerolds Sohn. 2.50 M. 

Witt F., Tuellen und Bearbeitungen der ſchleswig-holſteiniſchen Kirden- 
geihichte. Syſtematiſch und chronologisch) zufammengeftellt. (Publikationen des 
Vereins fir ſchleswig-holſteiniſche Kirchengefchichte. 1. Reihe [große Schriften]. 
1. Heft. Kiel, H. Edardt. 4 M. 

Württemberg. Württembergische Väter. Herausgegeben vom Calwer Ber: 
lagsverein. 1. Band. Calw und Stuttgart, Vereinsbuchhandlung. Bu 

Inhalt: Claus W., Von Bengel bis Burk. Bilder aus dem driftlichen 
Leben Württembergs. 

Märkt Adf., Die württembergiſchen Waldenſergemeinden 1699 — 1899. Eine Feſt⸗ 
ſchrift zur Feier ihres 200jährigen Beſtehens. Stuttgart. Pinache (Oberamt 
Maulbronn), Selbſtverlag. 60 Pf. 

Hattler Frz., S. J., Miſſionsbilder aus Tirol. Geſchichte der ftänd. tiroliſchen 

efuitenmiffion von 1719—1784. Beitrag zur Geſchichte der religiög-fittlichen 
Itur des Landes und der ſocialen Wirkfamfeit der Volksmiſſionen. Innsbrud, 
F. Raud. 4 M. 

Grtfchaften. Zimmer Eman., P., Albendorf, fein Urjprung und feine Ge- 

fhichte bi8 zur Gegenwart. Breslau, Müller & Seiffert. 1.75 M. 
a8, Kirchliche und i  : Berhältniffe der Stadt Buchholz während 


Hälfte bes 16. Nah ıw. ſAus: „Beiträge zur Geſchichte der Stadt 
3°.) Buchho % . 2M. 
ter Arth. suche Oberpfarrtiche zu St. Marien in Danzig. 
Refhager 
"mme 3 Pfarrdorf Erling bei Andechs in feiner 
.t Um zung und 2. Teil zu des Verfaſſers Bud): 


ine W ıt, Lentner. 2 M. 


416 Ribfiograpbie. 2. Yücher. 


Buchwald und Kirchhofer, Zur Geichichte der Frauenkirche von ihrer Erbauung 
im Jahre 1349 bis auf die Gegenwart. Feſtſchrift zur Zubiläumsfeier. Görlitz, 
H. Tzihaihel. 30 Fi. . j 

Pyl Tbdr., Gejchichte der Greifswalder Kirchen und Klöfter. Nachträge. 3. Heft. 
Geichichte des Georghofpitals. Greifswald, Abel. 2.40 M. 

Koegel Jof., Geſchichte der Zt. Kajetans-Hoflirche, der Theatiner und des König. 
fihen Hof: und Kollegiatitiftes in München. Münden, Freiburg i B. Herder. 
5 M. 

Eckart Nud., Urkundliche Geſchichte des Petersftiftes zu Nörten, mit bejonderer 
Berücfichtigung der Gejchicdhte von Nörten und der umliegenden ſüdhannovera⸗ 
nischen Yandichaft. Nörten ı Hildesheim, Gerftenberg). 1.80 M. 

Schmid J., Tie Anfänge der Reformation im Erzftft Salzburg (1517—1525. 
Programm. Fürth. nu 
Seller F., Aus der Gefchichte der Brüdergemeine in Straßburg i. Elſ. Leipzig, 

F. Zanja. 50 pf. U 

Perſonen. Kampſichulte F. W., Johann Calvin, feine Kirche und fein Staat 
in Genf. 2. Band. Nach dem Tode des Verfaſſers herausgegeben von Walt. 
Goess. Leipzig, Tunder & Humblot. 8 M. 

Brens. Yancr Bro, Johannes Brenz, der Reformator Württembergs. Sein Yeben 
und Wirken, den evangeliichen Volk erzählt. Preisgekrönte yeltichrift. (Eine Tyeft- 
gabe zu feinem 400. Beburtstag.) Ztuttgart, Kohlhammer. 40 Pf. 

Hegler Alfr., Johannes Brenz und die Reformation im Herzogtum Wirtemberg. 
Mede. Freiburg ı B, Mohr. 1 M. 

Horn. P. Johſ., O. F., 16 Predigten über die himmliſche Glüdjeligkeit, gehalten 
im Advent 1534 zu München. Aus dem Codex lat. 9058 der Münchener gr 
und Ztaatsbibliotbef herausgegeben von P. Parthenius Minges, O. Fr. Min. 
München, I. 3. Lentner. 1.20 M. 

Trechſel €. Friedr, Ter Gottesgelchrte Heinrich Albert Immer, der Pbilofopbie 
und Iheologie Toltor und der letztern Profefjor an der Hochſchule in Lern. 
Ein Yebensbild. Bern, 8. 3. Wyß. 4 M. 

Pfülf Otto, S. J.. Biſchof von Ketteler 11811 —18771. Cine geſchichtliche Tar 
jtellung. 3 Hände. Mainz, 75. Kirchheim. 20 MM. 

Kögel Sfr, Rudolf Kögel. Zein Werden und Wirken. 1. Band. 1829— 1844. 
Ordination.) Berlin, E. 2. Mittler & Sohn. 6 DM. 

(Evers Job, Zenior D. Yındenberg. Ei Yebensbild aus der neueren lübediichen 
Kirchengeſchichte. Vortrag. Yübed, Cauipow. 50 Pf. N 

{uther. D. Martın Yutbers Werke. Nritiiche Gefamtausgabe. 15. und 16. 
Band. Weimar, Derm. Böhlaus Nachfolger. 23.50 und 19.60 M. 

Ter Anfang Kult 1800 ausgegebene 15. Band enthält zunächſt die 
Schriften des Jahres 1524, ſoweit fie nicht aus Swecmäßigleitsrüdfichten 
bereits in früberen Händen mitgeteilt oder in jpäteren mitzuteilen find ıngl. 
Vorwort 2. IV... Die ſachkundige und umfichtige Wearbeitung durch Paſtor 
vie C Albrecht iſt unter anderm zwei beionders eingreifenden Schriften zu gute 
gelommen, der „An die Natsberren, daR fte chriitiiche Schulen aufrichten follen“ 
und der „Bon Naufebandlung und Wucher“. Tie größere Hälfte des Vandes 
nehmen Div Predigten des Jahres 1524 cin, von denen 63, zum größten 
Teile ungedruckt, bier nah den Handſchriften Roͤrers und Rothe unter kritischer 
Verwertung der nicht zahlreichen zugehörigen Trucke gegeben werden. Im ganzen 
Fat Yarbar um Jahre 1924 an 50 Tagen 03 Predigten gebalten: 10 von dieſen, 
welche einer Schon 1523 begonnenen KVredigtreihe über die Geneſis angehören, 
ſtehen bereits im 14 Bande der Weimarer Ausgabe, dir übrigen 11 eröffnen 
ent weite, an 2 Chober 1828 begonnene, bis 2. Februar 1527 reichende 
Predigtre:he über die Erodus, die der im Tezember 1809 ausgegebene 16. Yand 


rerleat. Zu umiaßt 77 Kredigten, deren Abgrenzungen un eutzelnen Die vor 


1899. 417 


bandene liberlieferung aber nicht Überall zweifellos erfennen läßt. Die Grundlage 
der Tertberjtellung bildet der Jenenfer Codex Bos. o 17 k, der neben den —* 
ſchriften Rörers auch ſolche Bugenhagens und cine Anzahl von Predigten in 
doppelter lIberlieferung enthält. Ihm tritt eine dreifache gedrudte liberlieferung zur 
Seite: 1. „Ein Unterridtung, wie ſich die Chriften in Mofen follen jchiden“, 
1526 erichienen, inhaltlich fich dedend mit Predigt Nr. 29. Vorhanden in fieben 
hochdeutichen Ausgaben, einer niederdeutihen und einer lateinifchen Überſetzung. 
2. „Auslegung der zehn Gebote” 1528 erjchienen, beginnend mit der „Unter⸗ 
rihtung“ in überarbeiteter Faſſung, im übrigen den Inhalt der Predigten 
Nr. 30—37 umfajfend. Von ihr find vier verjchiedene Ausgaben nachzuweiſen. 
3. Aurifabers Bearbeitung der Predigten Nr. 1—28, auf Grund anderer gleid)- 
zeitiger Nadhichriften 1564 im erften Eislebener Ergänzungsbande veröffentlicht. — 
Tas Berbältnis der Überlieferungen wird durch PBaralleldrude und die beigefügten 
Yesartenverzeichnifje deutlich gemadt. Über die Arbeitsteilung zwijchen dem Ber: 
ausgeber D. Buchwald und den beiden NRedaktoren berichtet das Borwort. Die 
Anmerkungen greifen bald in theologisch-firchengefchichtliches, bald in fprad)- und 
Iitteraturgefchichtliches Gebiet hinüber; allen Richtungen der Terterflärung gleid): 
mäßig geredht zu werden, ift bei dem außerordentlichen Reichtum mannigfaltigfter 
Beziehungen nicht im erften Anlauf möglich, aber auch nad) diefer Seite hin wird 
jeder künftige Band der Ausgabe hoffentlidy einen Fortjchritt bedeuten. A.B. 

Dr. Mart. Lutbers 25 Palmen, dem Beit Tietrid) ausgelegt 1530 auf der 
Feſte Koburg. Mit Anmerkungen verjehen, revidiert und herausgegeben von Ed. 
Böhl. Gütersloh, Bertelsmann. 2.40 M. 

Tergel Geo., Bom jungen Luther. Beiträge zur Lutherforfhung. Erfurt, 3. ©. 
Cramer. 1.50 M. 

Elze Thör., Luthers Reife nad) Rom. Berlin, A. Dunder. 2.50 M. 

Köhler M., Luther und die Kircdyengeichichte, nach feinen Schriften, zunächſt bis 
1521. (Beiträge zu den Anfängen proteftantifcher Kirchengefhichtsichreibung.) 
I. (unterfuchender) Teil. 1. Abteilung: Die Ablaßinftrultion, die Bullen, Sym- 
bole, Conctlien und die Myſtiker. Erlangen, %. Zunge. 4.50 M. 

Temwifcheit Curt, Georg Rörer, der Gefchwindfchreiber Luthers. Berlin, F. Schren. 
50 Pf. 

Görigk Emil, Erasmus Manteuffel von Arnhaufen, der letzte katholiſche Biſchof 
von Camin (1521—1544). Ein Lebens» und Charalterbild. Braunsberg, Huhye. 
1 M. 

Maurad Karl, Eines Tivländifchen Baftors Leben und Streben, Kämpfen und 
?eiden. Zn jeinem 75. Jahre niedergefchrieben. Leipzig, A. Teichert Nacdjfolger. 
4.25 M. 

Richard J. W., Philipp Melanchthon, the protestant preceptor of Ger- 
many 1497—1560. (Heroes of the reformation.) London, Putnam. 6 Sh. 

Meyer F. B., Blätter vom Baum meines Febens. Erinnerungen aus dem Tage⸗ 
werk eines Geiſtlichen. Berlin, Deutſche evangel. Buch- und Tractat:Gefellichaft. 
1.20 M. 

305. Jat. Mojers theofogiihe Gedanken von der ehelichen Beiwohnung un- 
befehrter, erwecter und mwiedergeborener Perjonen. Nach der — einzigen — Aus: 
gabe vom Jahre 1743 aufs neue herausgegeben. Leipzig, A. Straud. 2 M. 

Wendland Johs., Albrecht Ritſchl und feine Schüler ım Berhälmis zur Theo- 
logie, zur Philoſophie und zur Frömmigkeit unferer Zeit, dargeftellt und beurteilt. 
Berlin, $. Reimer. 2.80 M. 

Rogge Bernh., Aus fieben Jahrzehnten. Erinnerungen aus meinem Leben. 2. Band. 
Non 1862 bi$ 1399. Hannover, EC. Meyer. 5 M. 
Rothe. Mezger Paul, Richard Rothe. Ein theologiiches Charafterbild. Berlin, 

Reuther & Reichard. 1.20 M. 
Spörri Herm., Zur Erinnerung an Richard Rothe. Hamburg, Seippel. 1 M. 
Supber:on. VI. 27 


418 Bibliographie. 2. Bücher. 


Sceleiermader. Fiſcher M., Schleiermacher. Zum 100jährigen Gedächtnis 
der Reden über die Religion an die Gebildeten unter ihren Verächtern. Berlin, 
Schwetſchle & Zohn. 3 M. 

Mehau M., Schleiermachers Auffaffung vom Wefen der Religion in feinen 
„Reden über die Religion”. Diſſertation. Erlangen. 

Schneider Fror, Domdelan Franz Werner... . Geboren 21. Chtober 1770 
zu Mainz, geftorben dajelbit 16. Februar 1845. Ein Gedenkblatt. Mainz, L. 
Wilden. 1 M. 


Witz C. 4, Paulus Speratus, ein Prediger des Evangeliums in Wien und 
Iglau. Vortrag. Wien, Stäbelin & Lauenftein. 40 Pf. 


Ed Zam., Tavid Friedrich Strauß. Stuttgart, Cotta. 4.50 M. 


Cholud. Kühler Mart., Auguft Tholuds Gedächtnis, gefeiert im 100. Jabre 
jeiner Geburt von der theologischen Fakultät in Halle. Rede. Leipzig, A. Teichert. 
50 Pf. 

Kähler M., Diitteltraße 10. Erinnerungen an Auguft und Mathilde Tholud im 
100. Jahre nad feiner Geburt. Leipzig, Deichert. 1 M. 


Egli Emil, Analecta reformatoria. I. Tofumente und Abbandlungen zur Ge⸗ 
jhichte Ziwinglis und feiner Zeit. Zürih, Zürher & Furrer. 5.60 M. 


Buddruk und Buchhandel. 


Heiß Paul, Triginalabdrud von Formſchneiderarbeiten des 16., 17. und 18. Jahr⸗ 
bunderts, meist aus verfchollenen Gınblattdruden, Ratehismen, Gefangbüchern, 
Roitsbichern, Kalendern, Praktiken, Heiligenbildern, Gebets- und Wallfahrtszettel 
aus Ztraßburger Trudereien. Schlußfolge. Tafel CXXX—CLXVT. Dit erläutern- 
dem Tert nebft einem Nachtrag zu Band I und II herausgegeben. Straßburg, 
Het. 6 M. 

Junter Carl, Der Verein der öfterreihiich-ungariichen Buchhändler 1859— 1899. 
‚geitichrift anläßlich des vierzigjährigen Beitandes des Vereines im Auftrage des 
Noritandes verfaßt. Wien. 

Inhalt: 1. Die Entftebung einer öſterreichiſchen Yuchhändler- Bereinigung. 
2, Der Verein der öfterreichtichen BRuchhändler 1R69—1838. 3. Der Verein der 
öfterreichrich ungarischen Yuchbändler 18893 — 1809. 

Der Versuch, die Buchhändler Titerreihs zu einer felbftändigen Organiſa⸗ 
tion zu vereinigen, reicht noch ın die vierziger Jahre zurüd, fam aber erft im 
Jahre 1859 durch den tbarträftigen Rud. Vechner zur Ausführung. Zeitden 
wirft dev Verem mit großer Energie, aber unter bedeutenden Zchwicrigleiten und 
mit wechtelndem Glück micht bloß für die Gleichmäßigkeit des buchbändlerifchen 
Vetriebes un der ganzen Monarchie, für freiere Bewegung und für die anderen 
Standesintereſen, Sondern auch für regelmäßige, leider mehrfach unterbrocdhene 
Verzeichnſſe der in Citerreich erſcheinenden Bücher. Auch ein großes Lexikon 
aller von 1740 Les 1870 erichsenenen öſterreichtichen Werle in deutſcher Sprache 
wurde aut Anregung des Beremes von Joi. Bermann ausgearbeitet, das 78.100 
vollitaundige Titel und uber soon Verweiſungen bätte enthalten follen. Der Drud 
tam aber der großen Koſten wegen nicht zu ſtande. „Die Zettel wurden fpäter 
zum Tee von A. Einsle alphabetzich geordnet und ın cınem großen Kaften mit 
98 Yadın im Vereinslokale untergebracht ” 

Verlags Tatalog von Hermann Bartel in Bern Ies4- 1800 Berlın, Her- 
mann Dar: 


1899. 419 


Bibliotheken und Archive. 


Gottlieb Thdr, Die Ambrajer Handfcriften. Beitrag zur Gefchichte der 
Wiener Hofbibliothef. I. Bücherjammlung Kaifer Marimiliang I. Mit einer 
Sinleitung über älteren Bücherbefig im Haufe Habsburg. Feipzig, M. Spirgatis. 
8 M. 

Krackowizer Ferd., Das Archiv von Schlüſſelberg im oberöſterreichiſchen 
Landesarchive zu Linz. Geordnet und beſchrieben. Herausgegeben vom oberöſter⸗ 
reichiſchen Landesausſchuſſe. Linz, Ebenhöch. 2 M. 


Bibliographie und Publiciſtik. 


Karl Georgs Schlagwort⸗Katalog. Verzeichnis der im deutſchen Buchhandel 
erſchienenen Bücher und Landkarten in fachlicher Anordnung. 3. Band. 1893 -1897. 
1. Pieferung. Hannover, %. Lemmermann. 1.30 M. 

Ch. ©. Kayjers Bücher⸗-Lexikon. 29. Band 5. Lieferung und 30. Band 1. Liefe- 
rung. Yeipzig, Ch. H. Tauchnitz. 18 M. 

Bibliographie der deutjchen Zeitfchriften-Fitteratur. 3. Band. Alphabetijches nad) 
Schlagworten ſachlich geordnete Verzeichnis von Auffägen, die während des 
Jahres 1898 ın circa 520 zumeift wiſſenſchaftlichen Zeitichriften deutſcher Zunge 
erichienen find, mit Autoren-Regifter. Herausgegeben unter Mitwirkung von €. 
Roth und M. Grolig von F. Dietrih. 4. Band. Januar bis Juni 1899. Unter 
befonderer Mitwirkung von E. Roth und mit Beiträgen von U. L. Jellinek und 
M. Grolig herausgegeben von %. Dietrich. Leipzig, F. Dietrich. 16 und 15 M. 

Salomon Ludw., Gefchichte des deutfchen Zeitungsiweiens von den erften Anfängen 
bis zur Miederaufrihtung des Deutichen Reiches. 1. Band. Das 16., 17. und 
18. Jahrhundert. Oldenburg, Schulze. 3 M. 

Inhalt: 1. Die Anfänge des deutfchen Zeitungswejens. 2. Die Preffe im 
Zeitalter des dreißigjährigen Krieges. 3. Die Preſſe im Zeitalter Friedrichs des 
Großen. 

Der ſchönen und dankbaren Aufgabe, die der Verfaſſer dieſes Buches 
ſich ſtellte, hat er ſich in ſehr unvollkommener Weiſe entledigt. Vielleicht iſt 
es für einen Einzelnen überhaupt unmöglich, dieſes ausgedehnte Gebiet zu be— 
herrſchen, und nirgends ſind zahlreichere Vorarbeiten notwendiger als hier. Jede 
größere Zeitſchrift und Zeitung verlangt eine Monographie; die kleineren dürften 
am beſten in landſchaftlichen Gruppen zu bewältigen ſein. Es hat mich ſchon längſt 
gewundert, daß es noch niemandem eingefallen iſt, „Forſchungen zur Geſchichte 
des Zeitungsweſens“ nach Art von Litzmanns Theatergeſchichtlichen Forſchungen 
zu begründen. Salomon hat es aber freilich ſogar unterlaſſen, die vorhandenen 
Vorarbeiten zu benutzen, wie ich wenigſtens für das 18. Jahrhundert nachweiſen 
kann: er hat die Zeitſchriften nicht ſyſtematiſch durchgearbeitet, die Proben und 
Citate machen den Eindruck des zufällig Herausgeriſſenen. Über die wertvollſten 
und wichtigſten Zeitſchriften, wie über Leſſings Litteraturbriefe bildet er ſich 
überhaupt kein eigenes Urteil, ſondern verſchanzt ſich hinter einer unbedeutenden 
Außerung — Rodenbergs. Für Salomon eriftiert weder Schmidts Leſſing noch 
Wanieks Gottſched; er weiß nicht, daß Ellinger Nicolais „Briefe über den 
itzigen Zuſtand der ſchönen Wiſſenſchaften in Deutſchland“, Weilen Gerften- 
bergs „Briefe über die Merkwürdigkeiten der Litteratur“ neu herausgegeben 
hat. Er kennt weder Partheys Regiſter zur Allgemeinen Deutſchen Bibliothek, 
noch das Burckhardts zum Deutſchen Merkur, noch Oppermanns Buch über die 
„Göttinger gelehrten Anzeigen“; braucht man ſich dann darüber wundern, daß 
er auch von Hallers berühmten Recenſionen in dieſer Zeitſchrift nichts weiß, daß 


27* 


420 Bibliographie. 2. Bücher. 


er Böhnkes Programm über Wielands publiciftiiche Thätigkeit Oldenburg 1883) 
ebenfowenig kennt, wie Vetters Arbeiten über die Diskurſe der Maler, wie Karl 
Jacobys Arbeit Über die erften moraliichen Wocenjchriften Hamburgs, wie Brandls 
wichtige Recenfion von Kawezynslis Buch u. |. w., u. |. w. So weiß er nicht, daR 
Zadjariac Redakteur der Braunichweigifchen Anzeigen geweſen ift, er kennt Moefers 
erſte Zeitfchrift „Berjuch einiger Gemälde von den Sitten unfrer Zeit Hannover 
1747)” nicht, er nennt den durch Heinſes Teilnahme wichtigen „Ihüringifchen 
yulbone ebenjomwenig wie Leſſings Theatraliſche Bibliothek oder Hamburgiiche 

ramaturgie, ohne die eine Geichichte des Zeitungsweiens im 18. Jahrhundert 
ein Unding iſt. Beim Nordifchen Auffeher fehlt ein Hinweis auf Leffings Be: 
iprehung, bei Nicolai wird zwar auf Goethes Fauſt, aber nicht auf die Kenien 
verwieien und unbegreiflicherweife bat er fih auch die übrigen Charafteriftiten 
der deutichen Journale durch die Xeniendichter entgehen laſſen. — vieſt man nun 
ar, daß die Berliniiche Meonatsjchrift zur Gattung der „moraliihen Wochen: 
chrift” gebören fol, mit der fie fo gut wie nichts gemein bat, fo verdrießt es 
einen, kleinere Fehler auszuheben und weitere Ergänzungen zu liefern. Das Wert 
muß ganz neu gemacht werden und auf die 7yortfegung würden wir gerne 
verzichten. 


Cheater und Axuſikgeſchichte. 


Chenter. Allgemeines. Borinsti Karl, Tag Iheater. Sein Weſen, feine 
Beichichte, feine Meifter. (Aus Natur und Geiſteswelt. 11. Yändchen.i Leipzig, 
Teubner. 90 Pf. 

Knispel Herm., Bunte Bilder aus dem Runft und Theaterleben. Darmſtadt, 
%. 6. Herbertſche Hofbuchdruderei. 3.50 M. 

Perfall Karl Freiherr von, Die Entwidiung de8 modernen Theaters. ortrag. 
ıVeröffentlihungen der dramatiſchen Geſellſchaft Bonn. Nr. 1.1 Godesberg, 
Schloſſer. 50 Pf. 

Zabel Eug, Zur modernen Dramaturgie. Studien und Kritiken. I. Das deutſche 
Theater. Oldenburg, Schulze. 5 M. 

Inhalt: Die Kunſt des Vortrags. — Aus dem Nachlaß B. Auerbachs. — 
Zur Ermnerung an K. Werder. — G. von Moser. - Zer „Meifter von 
Kalmyra“ von A. Wilbrandt. - Sur Charakteriſtik des Bühnenerfolgs. — 
N. Zudermauns neueſte Tramen. — 8. Hauptmann und feine neueften 
Zramen. — Tramen von E. von Wildenbruch. — Ywei Tramen von P. 
Yındau Trei Dramen von 9. Fulda. — Wiener Autoren. — Bei den 
Meiningern. A.l'Arronge. — Im. Kant auf der Bühne und im Leben. — 
Meucrre DTramatiker Tie „Renamance“ als Luſtiprel. — Künſtlerporträts: 
Charlotte Wolter F. Mitterwurger. A. Sonnenthal. B. Baumeiſter. Fr. Haaſe. 
Y. VRarnay WB Engels. A Vollmer. A. Matkowsky J. Kainz. Jenny Lind. 

Stadte. Gedenktichriet zur Eroiinung des Stadttheaters ın Graz am 16. Sep 
teiuber. Graz, Kienreich 1 M. 

Hamel Rich, Hannoveröſche Tramaturgie. Kritüche Studien und Eſſays. Dan 
nover, Ui Schaper. HM. 

Arch:eyp amd Biebliethek des großherzoglichen Hoi und Rationaltheaters ın Mann 
beim 1770 1250 Im Auftrag der Stadtgemeinde herausgegeben von Fror. 
Walter ? Bande Porz, 2. Hirzel 10 Mi 

smtastı 1. Tas Thaater Anden. Repertorium mit vielen Auszügen aus 
din Alten uud Bricien, Inhalls Ungahen any. wm — 2. Die Theater Bibliothek 
Ratateg der gdrudten Bücher, Nanuitrivte und Maüt?alien der alteren Periode 
wett einem Worten Dir Talbergichen Jeit 


1899. 421 


Ein nicht bloß für die Gefchicdhte des Mannheimer Theaters wichtiges 
Quellenwerk. Der erfte Band veröffentlicht das Theater-Arhiv in Regeftenforn, 
wobei die befannten Publikationen von Koffla, Pichler und Marterſteig vielfach 
ergänzt umd berichtigt werden. Für Schillers Beziehungen zu Mannheim ergiebt 
jich direkt nichtS Neues; dennoch wird aud) die Schillerforfchung daraus mannig- 
fahen Geminn zu ziehen wiſſen. Das wertvollfte find die „Sffland- Akten“ 
5. 330- 433, feinen Berfehr mit Dalberg, die Borgefhichte des Berliner 
Engagements und anderes betreffend. Aus der jpäteren Zeit dürften die S. 459 f. 
verzeichneten inicht abgedrudten) Briefe von Schriftftellern über den Verlauf 
ihrer Werke allgemeinere Bedeutung haben. Zur Ergänzung bat der Herausgeber 
die einschlägigen Alten des Kreisardivs zu Speier und München, fowie des 
Senerallandesardhivs in Karlsruhe herangezogen. Dagegen wurde der Plan, die 
auf der Königl. Hof- und Staatsbibliothek zu München befindlichen, für die 
Mannheimer Theatergeichichte bedeutjamen Briefe Seylers, Gotters und Ifflands 
an Dalberg diefer Publikation einzuverleiben, fallen gelaffen, da die Direktion 
diefer Bibliothek eine Gejamtausgabe der dajelbft vorhandenen Dalbergfchen 
Korrefpondenz zu veröffentlichen beabſichtigt. Es find daher ©. 16 f. nur die 
Schreiber diejer 252 Briefe aufgezählt und S. 18 die Daten der Afflandbriefe 
mitgeteilt. Der zweite Band verzeichnet die Manujfripte und Bücher der Bibliothef 
ſowohl nach den Titeln der Stüde wie nad) den Autoren, deren Nachmweijung 
dem Herausgeber allerdings nicht überall gelungen ift. Über die wichtigften Manu— 
jfripte (Shafefpeare, Schiller, Goethe, Zauberflöte) folgen S. 118—158 einige 
iehr danfenswerte Bemerkungen aud) zur ZTertgefchichte der betreffenden Werke. 
Den Schluß bilden die chronologischen und alphabetifchen VBerzeichniffe der von 
1778— 1803 aufgeführten Stüde. Gute Regifter erhöhen die Benugbarfeit des 
Werkes, dem wir aus anderen Theater-Ardyıven zahlreiche Nachfolger wünſchen. 

Wien. Lothar Nud., Tas Wiener Burgtheater. (Dichter und Tarfteller. Heraus- 
gegeben von Rud. Lothar. II.) Yeipzig, E. U. Seemann. 3 M. 

Steinhauſer R., Das deutiche PVoltstheater ın Wien 1889—1899. Denkſchrift 
zur Feier des 10jährigen Beſtandes diejer Bühne, herausgegeben vom Bereine 
des deutichen Bolkstheaters in Wien. Wien, Künaftl. 2.40 M. 

Meilen A. von, Geſchichte des Wiener Theaterweſens von den älteften Zeiten’ bis 
zu den Anfängen der Hoftheater. (Die Theater Wiens. 1. Band.) Yieferung 4—7. 
Wien, Geſellſchaft für verpielfältigende Kunft. 

Inhalt: III. Das Theater am Kaiferhofe. 2. Die italienische Oper und ihre 
Zeit. Schluß.) IV. Das Theater der Stadt Wien. 1. Die Wandertruppen. 
2. Joſeph Anton Stranitzky und feine Zeitgenoffen. 3. Gottfried Prehaufer und 
Joſeph von Kurz. 

Tiefes von uns bereits in feinen Anfängen mit freudigem Dank begrüßte 
Werk iſt nun in rühmlichſter Weiſe zu Ende geführt worden. Hatte der Verfafier 
in dem erften Kapitel mit der Dürftigkeit und Unzuverläffigfeit der Nachrichten 
zu fümpfen gehabt und galt es dort jede Meine Notiz forgfältig zu prüfen umd 
auszuichöpfen, fo lag die Schwierigfeit der Darftellung bei den fpäteren Kapiteln 
in der Kunſt, des überreihlichen Dlaterial8 Herr zu werden und das Wichtigſte 
und Ieientlichjte überall herauszuarbeiten. Und das ıft Weilen in vollem Map 
gelungen. Taß ihn die Freude an dem noch unberührten Stoffe dazu verführte, 
die Geſchichte der itafienifchen Oper breiter zu behandeln als unbedingt notwendig 
geweſen wäre, giebt Meilen in der Borrede felbft zu. Es zogen aber auc die 
andern Teile des Werkes aus diefer Tiebevollen Befchäftigung mit der Oper einen 
unihäßbaren Gewinn, indem es Meilen gelang, ihre Einwirkung auf das reci- 
tierende Drama der Folgezeit aufzudeden und die wahricheinfid von Stranitfy 
herrührenden, von Weiß herausgegebenen Haupt- und Staatsaktionen nahezu 
ſämtlich als einfache, und zwar ganz ‚leichte liberarbeitungen von Opern des 
Wiener Hofes zu erweiſen (S. 132). Ahnliche Quellennachweiſe glüdten Meilen 


422 Bibliographie. 2. Yücher. 


auh für die im letten Kapitel bejprochene erteımporierte Komödie: Galderon, 
PMoliere, Regnard werden als Quellen einzelner Stücke erkannt (S. 142 f.1. 
Gegen ben Schluß zu ſcheint der Verfaſſer geeilt zu haben; Philivp Hafner 
kommt entſchieden zu kurz. Aber auch hier, wie in dem ganzen Werke, iſt der 
künftigen Forſchung der richtige Weg gewieſen und Weilen ſelbſt wird die ihm 
liebgewordenen Pfade gewiß oft noch betreten. 

Schauſpieler. Ludwig Gabillon. Tagebuchblätter — Briefe — Erinnerungen. 
Selammelt und herausgegeben von Helene Bettelhbeim-Gabillon. Wien, 

a Aare 6 M. 

Mur Allgemeines. Bachmann Frz., Grundlagen und Grundfragen zur 
evangeliichen Kirchenmufit. Gütersloh, Bertelsmann. 3 M. 

Bomponiftien und Künftler. Meißner G., Carl Friedrich Curihmann. 
Ein Beitrag zur Geſchichte des deutſchen Liedes zu Anfang des 19. Jahrhunderts 
Tifiertation. Yeipzig. 

Maner-Reinah N., Carl Henri Graun als Tperntomponift. Diſſertation. 
Berlin. 

Niggli Arnold, Adolf Jenſen. (Berühmte Plufiter. Yebens: und Charafterbilder. 
Herausgegeben von Heinr. Reimann.) Berlin, „Harmonie“. 4 M. 

Flainte Ulga, Amalie Joachim. Blätter der Erinnerung Berlin, „Harmonie“. 


gi. Donis Rud., Franz Lißt. (Vorlämpfer des Jahrhunderts. Eine Sammlung 
von Biographien. 2. Vand. Berlin, G. Bondi. 2.50 M. 

vißt 573, Vriefe Geſammelt und herausgegeben von Ya Mara. 4. Yand. Briefe 
an die Fürſtin Caroline Sayn Wittgenſtein. Yeipzig, Wreitfopf & Härtel. & mM. 

Fleiſcher Cst., Mozart. (Beifteshelden — Führende Geifter — Eine Zammlung 
von Biographien. 33. Band. Ter VI. Zammlung 3. Band.) Berlin, E. Hof 
mann & Co. 240 M. 

Scholz Bernh., Muftlaliiches und Perjünlices. Nertin, Zpemann. 4 M. 

Prochäzka Rud. Freiherr, Johann Strauß. (Berühmte Muſiler. Herausgegeben 
von Heinr. Reimann. 10. Yand. Yerlin, „Harmonie“. 4 M. 

Magner. Glaſenapp Karl Fr., uk veben Rıdard Wagners, ın 6 Püchern 
dargeitellt. 3. Ausgabe. 2. Yand. 2. Abteilung 11853- 1864). Yeipzig, Breitlopf 
x Härtel 7560 Me. 

Kaſtner Emerich, Chronologiſches Verzeichnis der erſten Aufführungen von Richard 
Wagners dramatiſchen Werken Mit Regiſtern, nach Städten und nach Werfen 
geordnet. 2. Auflage. Pr Nachträgen bis 1800. Leipzig, Breitkopf & Härtel. 
1 2%. 

vemarre X, L’amour dan- le drame Wagnerien. Tristan et Ireult. Paris, 
impr. Wattier frere-. 

Wernicke Mer, Richard Wagner als Erzieber. Ein Wort für das deutiche Haus 
und fir die deutſche Schule. Yangenialza, Yever & Zöhne IM. 


Uunſtgeſchichte. 


Allgemeines. Gabelenb H. v. d, un Weichichte Der oberdeutichen Mmiatur 
maleren im 16 Jahrhundert DTſſertation München 1808. 

Haenel E., Spatgothik und Rengaiſanece Ein Veitrag zur Geichichte der deutichen 
Architeltur vornehmlich im 15. Jahrhundert. Tiiiertanion. Leipzig. 

Schmarſow A. Reiormvorichlage zur Geichichte der deutichen Renaiſſance. Ala- 
deimteichrift Le:pzig. 

Tavid von Schonberrs Geiammelte Schröten Herausgegeben von M. Mayr. 
1. Vand Nunftgeichihtiihes Inndbruck Toon. 16 Vi. 


1899. 423 


Inhalt: Einleitung. I. Malerei und Plaſtik in Tirol und Vorarlberg. — 
Il. Die Kunftbejtrebungen der Habsburger in Tirol. — III. Hans Radolt. — 
IV. Hans Rıed. — V. Das goldene Dächlein. — VI. Die vier älteften Anfichten 
von Innsbruck. — VW. Chriftopy Geiger. — VIIL Kaſpar Roſenthaler. — 
IX. Gejdichte des Grabmals Kaiſers Marimilian I. und der Hoflirche zu Inns⸗ 
brud. — X. Tas ältefte katholiſche Geſangbuch in Deutichland, die ältefte 
Druderet und die ältefte Papierfabrif in Tirol. — XI. Sebaftian Scheel. — 
XI. Paul Dar. — AI. Die Glashütte in Hal. — XIV. dur Geſchichte der 
Ambraſer Sammlung. — XV. Tizian in Innsbruck. — XVI. Ein fürftlicher 
Architekt und Bauherr. — XVII. Wenzel Jamnitzers Arbeiten für Erzherzog 
Ferdinand. — XVIII. Andrä Yllmer. — XIX. Alexander Colin und ſeine Werke. 
— XX. Beſtellung und Ankauf niederländiſcher Tapeten durch Erzherzog Ferdi⸗ 
nand. — XXI. Der fpaniihe Saal zu Ambras und feine Meifter. — Il. 
Thomas Neidhart. — XXIII. Das Schloß Velthurns. — XXIV. Ein vergeffenes 
Merf Guido Renis für die Kapuzinerliche in Breijah. — XXV. Das Schloß 
Nunfelftein bei Bozen. — XXVI. Geſchichte und Beichreibung der alten landes— 
fürftlihen Burg in Meran. — XXVII. Kunſtgeſchichtliche Notizen. 

Dieje danfensmwerte Gejamtausgabe der Schriften des als Kunftforjcher und 
Kulturhiftorifer angefehenen Innsbrucker Ardyivdireftors Schönherr * 1822, 
geſt. 1897) kommt zunächſt der Kunſtgeſchichte des 15. und 16. Ja vhundertg 
zu gute; im zweiten Bande: „Geſchichtliches und Kulturgefchichtliches” dürfte 
mehreres für Germaniſten Sntereffante enthalten fein, da Schönherr über des 
Kaifer Mar litterariiche Beftrebungen wiederholt gehandelt hat. In dem vor- 
liegenden Bande finden wir den zuerft 1864 publicierten Aufjat über „Hans 
Ried, den Schreiber des —— in der k. k. Ambraſer-Sammlung“ ab- 
gedrudt. Aus der biographiichen Skizze, die der Herausgeber beifteuert, entnehmen 
wir, daß die fitterariiche Erftlingsarbeit Schönherrs „Johann Ladislaus 
Byrfer von Felſö-Eör, Patriardh-Erzbifdof von Erlau“ betraf. Sie 
iſt ın den „Katholischen Blättern aus Tirol“ 1848, ©. 265 ff. 291 ff. erſchienen. 
Bon 1846—1848 hatte Schönherr am Polytehnitum in Wien ftudiert und fid 
dort aud) um Kunſt und Theater gefümmert, worüber mehrere an feinen damals 
zu Hal in Tirol lebenden Vater gerichtete Briefe Aufſchluß geben. . 

Title Aler., Bilderverzeichnis der Bode-Tillefhen Fauft-Galerie zur Ausftellung im 
Ausftellungsfaale des Archiv» und Bibliothefgebäudes der Stadt Köln vom 
5. bis 30. November 1899. Köln, 3. ©. Schmig. 2 M. 

Wilſer Ludm., Germaniſcher Stil und deutſche Kunft. Heidelberg, A. Emmerling 
& Sohn. 

Ortfchaften. Kern Geo., Die Totentänze zu Bafel — Kienzheim — Luzern. 
Geſchichtliche Stizzen. Straßburg, Schleſier & Schweithardt. 1 M. 

Stehle Bruno, Der Totentanz von Kienzheim im Ober-Eifaß. (Aus: Jahrbud) 
des Vogeſen— Stube.) Straßburg, 3. 9. E. Het. 2 M. 

Franz Wilhelm Kreuhaufs Schriften zur GB eipgiger Kunſt 1768—1782. 
(Yeipziger Neudrude. Herausgegeben von G. Wuftmann. 2. Bändchen.) Leipzig, 
Hinrichs. 1.20 M. 

Inhalt: Zuichrift an gemn Gottfried Winkler 1768. — Oeſers Gemälde 
in dem Kabinet des Herrn Gottfried Winkler 1768. — GellertS Dionument 1774. 
— Oeſers neuefte Allegoriegemälde 1782. 

Aus dem Nahmort: „Der Berfaffer der Heinen Kunftfchriften, die in diefem 
Heft zum erften Mal unter feinem Namen vereinigt find, gehörte zu dem Kreiſe 
der Peipziger Kaufleute des 18. Jahrhunderts, die, wie es in einer diefer Schriften 
jelbft heißt, „die Vorteile ihrer Handelichaft auf die Wiſſenſchaften verwendeten 
und ihre Glücksgüter mit den ſchönen Künſten teilten'. Auch Goethe hat ihn als 
Student in Leipzig kennen gelernt und nennt ihn in Dichtuug und Wahrheit' 
unter den Leipziger Kunſtfreunden und Kunſtſammlern .. .. Die Originale dieſer 


424 Bibliographie. 2. Bilder. 


Schriften find fämtlich felten geworden... Nun bat zwar ſchon Dürr in feiner 
Monographie iiber Oeſer einen großen Teil davon wieder abdruden laffen, aber 
zerichnitten und verteilt, jo daß man von dem Ganzen feinen rechten Eindruck 
befommt. Es fchien daher der Mühe wert, fie fiir die Freunde der Stadtgeſchichte 
noch einmal vollſtändig und bequem zuſammenzuſtellen. Gewähren ſie auch ſtiliſtiſch 
keinen großen Genuß wegen ihres fortwährend blumigen und ſchönredneriſchen 
Stils, jo find fie doch inhaltlich entſchieden wertvoll. Die Zuſchrift an Winkler 
ift eine der Ichrreichften Heinen Quellenſchriften zur Geſchichte Leipzigs im 
18. Jahrhundert. Sie ftedt voller Anfpielungen auf die damaligen litterarifchen und 
Aunitzuftände Leipzigs und giebt im jeder Zeile Anlaß zum Denlen, Fragen und 
Forſchen. Gäbe es ein ‚Hiftorifches Seminar’ für die Geſchichte Leipzigs — was 
gar nicht übel wäre — jo müßte dort jedes Jahr die Jnterpretation diefer Zu—⸗ 
ſchrift mit als Aufgabe geflellt werden. Die Kreuchaufſche Beichreibung des 
Teierichen Theatervorbang® wird man gern mit denen von Clodius und von 
Goethe vergleihen. Die Heine Schrift Über Gellert8 Monument, das Beſte, 
was Kreuchauf geichrieben bat, ift nicht bloß für bie Stabtgefdjichte von Wert, 
fie ftreift auch die Geſchichte der fähfiihen Induſtrie 

Nee Paul Jobs., Nürnberg. Entwidlung feiner Kunft bis zum Ausgange des 
18. Jahrhunderte. (Berühmte Kunftftätten, Nr. 5.) Yeipzig, E A. Seemann. 

m. 

Sünfier and Aunfifreunde. Kroker Emft, Die Ayreriſche Silbouetten- 
ſammlung. Eine Feſtgabe zu Goethes hundertundfünfzigftent Geburtstage. Leipzig, 
Dieterichiche Verlagsbuchhandlung, Theodor Meicher. 10 M. 

Ter vorliegende Band führt uns eine längft vergejiene Kunft in ihren beiten 
Schöpfungen vor Augen. Er bietet eine reichhaltige Auswahl aus der Silhouetten- 
ſammlung des fürſtlich Schönburgiſchen Rates und Juftizamtmanne® Georg 
Friedrich Ayrer (geb. 1744, geft. 1Xx04), die fich heute volfftändig im Befige 
des Herausgebers, eines Urenkels des Kunftfertigen Silhonettenſchneiders, befindet. 
Ayrer ftudierte von 1762 bis 1767 an der Univerſität Yeipzig die Rechte, und 
erhielt darauf durch) Gellerts Vermittlung eine Stelle als Informator und Reiſe 
begleiter des jungen Grafen Otto Narl Friedrich von Schönburg, mit melden 
er. die Jahre 1774--1779 abermals im Lewzig zubrachte, und bier Gelegenheit 
hatte, viele hervorragende Perfönlichkeiten kennen zu lernen. 1776 1777 bereifte er 
mit ihm Sid und Norddeutichland und die Schweiz, mo fie ein Jahr blieben. 
Huch Frankreich wurde beiucht. Ayrers treuer Begleiter auf diefen Fahrten war 
nebit feinem Zöglıng fein Stammbnuch, ın welchen ſich manch einer, auf den die 
damalige Zeit ftolz war, veravigt hat. Um die Erinnerung an bedeutende und 
ihm teuere geitgenoiien defto feiter zu bewahren, pflegte Ayrer fie aucd zu 
filhousttieren Er war em großer Meifter in dieſer Kunſt, und repräfentiert ın 
derſelben, wie Nrofer jagt, den Uharalter der erſten, ftrengen Zeit, weldhe das 
Hauptgewicht auf ichmudloie ‘Borträtäbntichleit legte. 

Die von Aurer filbouettierten Berfonen find zumeist Gelehrte und Tichter. 
Unter den eriteren erwaäahnen wir Goethes Freund und Lehrer Adam ‚sriedrich 
Teer, den Abt Jernſalem, Moſes Mendelsſohn, Garve, Yavater, unter den 
ſebteren ellert, Chr. Fel. Weiſſe, Yodmer, Joh. Ad. Zchlegel, NRabener, 
Zachariae, Klopſtock, Gleim, Uz, Mathias Claudins, Herder, Bürger, Gotter, 
Holty, Bote, Letiewiß, die beiden Grafen Stolberg, Goethe. Einige Mitglieder 
der Schonkopfichen Tafelrunde zu Leipzig, ſowie Albert und Lotte (die lebtere 
als umge grau ım einer Silhouette, welche der bisher belannten vorzuziehen iſt) 
verdienen beiondere Veachtung. Auch nambafte und beliebte Schauſpieler, wie 
Bime Noch, Brockmann, Cdhof, Brandes und grau, hat Ayrer filbouettiert. 
Der Herausgeber berichtet in der Vorrede viele intereifante Details über die 
Beziehungen Semes Urgroßvaters zu den genannten Rerionen. Ein breiter Raum 
it om derielben auch der GVencalogie der Familie Ayrer gewidmet, welche ſeit 


1899. 425 


dem 16. Jahrhundert eine Reihe von gewerblich, wiſſenſchaftlich und litterarisch 
bedeutenden Männern hervorgebradit hat. Das Buch wird jedem Freunde deut- 
icher Pitteraturgejchichte willftommen fein, und ift dank feiner wahrhaft geichmad- 
vollen und reizenden Ausftattung gewiß cine der jchönften Feſtgaben zu der 
150. Wiederfehr von Goethes Geburtsfeier. W. v.W. 

Schaarfhmidt Ed. Eduard von Gebhardt. Eine Künftlerbiographie. München 
(Berlagsanftalt F. Brudmann). 30 M. 

Bellermann 9., Auguft Eduard Grell. Berlin, Weidmann. 4 M. 

Shmid Mar, Klınger. (Künftler-Monographien. In Verbindung mit Andern 
herausgegeben von H. Knadfuß. XLL) Bielefeld, Velhagen & Klafing. 4 M. 
Prodich, Freiherr Bernhard Auguft von Findenau als Kunftfreund. Ein Beitrag 

zu feiner Biographie. Programm. Altenburg. 


Geſchichte der Philofophie. 


Allgemeines. Mayer Glob., Die Lehre vom Erlaubten in der Geſchichte der 
Ethik ſeit Schleiermacher. Leipzig, Deichert. 1.40 M. 

Philofophen. Mener M., Ludwig Feuerbachs Moralphilojophie in ihrer Ab- 
anangteit von feinem Anthropologismus und feiner Religionskritif. Differtation. 

erlin. 

Rickert Heinr., Fichtes Atheismusftreit und die Kantiſche Philoſophie. Eine 
Säkularbetrachtung. Berlin, Reuther & Reichard. 80 Pf. 

Frohſchammer. Alteniperger Alb., Jakob Frohſchammers philofophiiches 
Syſtem im Grundriß. Nach Frohſchammers Vorleſungen herausgegeben. Zwei— 
brücken, F. Lehmann. 3.50 M. 

Friedrich J., Syſtematiſche und kritiſche Darſtellung der Pſychologie Jakob Froh—⸗ 
ſchammers. Diſſertation. Zürich. 

Banut. Bell %.9., With what right is Kant's critique of pure reason called 
a theory of experience? Differtation. Halle. 

Fiſcher Kuno, Gefchichte der neuern Philofophie. 5. Band. Immanuel Kant und 
jeine Lehre. 2. Teil. Das Bernunftiuftem auf der. Grundlage der Bernunftkitif. 
4. Auflage. Heidelberg, C. Winter. 16 M. 

Hacks J., Uber Kants funthetifche Urteile a priori. IV. Programm. Kattowiß. 

Lefkovits M., Die Staatslehre auf Kantifcher Grundlage. Difjertation. Bern. 

Ludwich Arth., Kants Stellung zum Griehentum. Kritiiche Miscellen (XII—XX). 
Programm. Königsberg. 30 Pf. 

Leibniz. Hahn R., Tie Entwidlung der Leibniziſchen Metaphyſik und der Einfluß 
der Mathematik auf diejelbe, bi8 zum Jahre 1686. Dijjertation, Halle. 

Hohenemſer Ernft, Die Yehre von den Heinen Vorftellungen bei Leibniz. Differ- 
tation. Heidelberg, 3. MR. Rochow. 1.30 M. 

Jaſper X, Leibniz und die Scholaftit. Eine Hiftorifch-fritifche Abhandlung. Ziffer: 
tation. Feipzig. 

Rall 9. 5, Der Leibnizſche Subftanzbegriff mit bejonderer Beziehung auf feine 
Entſtehung und jein Verhältnis zur Körperlehre. Difjertation. Halle. 

Werckmeiſter Walth., Der Leibnizſche Subftanzbegriff. Halle, M. Niemeyer. 2 M. 

Pape Seco., Lotzes religiöfe Weltanihauung. Berlin, Skopnik. 1.50 M. 

Marr. Falkenfeld Mar, Marr und Nietiche. Leipzig, W. Friedrich. 60 Bf. 

Majarnt Th. G., Die philofophiichen und fociologifchen Grundlagen des Marris⸗ 
mus. Ztudien zur jocialen Frage. Wien, Konegen. 12 M. 

Woltmann Pudw., Der hiftoriiche PMaterialismus. Darſtellung und Kritif der 
Marriftiichen Weltanschauung. Düſſeldorf, Michels. 4.50 M. 


426 Pibliographie. 2. Bücher. 


Niehfdye. Horneffer Ernit, Nietzſches Lehre von der ewigen Wiederkunft und 
deren bisherige Veröffentlichung. Yerpzig, C. G. Naumann. 1 M. 

Grimm Ed., Tas Problem Friedrich Niegiches. Berlin, C. A. Schwetſchke & Sohn. 
4 M. 

Naumann Guft., ZarathuftrasKonmentar. 1. Teil. Leipzig, H. Haeſſel. 3 M. 

Ziegler Theob., Friedrich Nietzſche. (VBorkänpfer des Jahrhunderts. Eine Samm- 
lung von Biographien. 1. Band.) Berlin, G. Bondi. 2.50 M. 

Schepenhauer. Rappaport Zam., Zpinoza und Schopenhauer. Eine kritiich- 
hiſtoriſche Unterſuchung, mit Berüdfichtigung des unedierten Schopenhauerfchen 
Nachlaſſes dargeftellt. Yerlin, Gaertner. 3 M. 

Meigt 8, Die politifchen und focialen ’nfhauungen Schopenhauers. Tiffertation. 
Erlangen. 

Pfungſt Arth., Ein deuticher Buddhiſt. (Oberpräſidialrat Theodor Schultze.) 
Biographiſche Skizze. Stuttgart, Frommann. 95 Pf. 


Geſchichte des Unterrichts. 


Allgemeines. Neumann R., Ter evangeliſche Religionsunterricht im Zeitalter 
der Reformation. Tiſſertation. Berlin. 

Rauſch Erwin, Geſchichte der Pädagogik und des gelehrten Unterrichts, im Abrifie 
dargeitellt. Yeipzig, A. Teichert Nachfolger. 2.40 Mt. 

Fandſchaſften. Kimvel Heinr. Ihdr., Geichichte des heſſiſchen Volksſchul⸗ 
weſens im 19. Jahrhundert. 1. Yand. 1800 — 13866. Kaſſel, Baier & Co. 4 M. 

Waned A., Tas Realichulweſen Mährens 1848- 1898. (Ein Beitrag zur Ent- 
widlungsgeichichte besfelben.) Programm M. Oſtrau. 

Toiſcher Wendelin, Tie älteften Schulen = fterreihe. Programm. Prag. 

Schmidt Frdor., Seichichte der Erziebung der pfälziichen Witteldbadher. Ur- 
tunden nebit geichichtlihem Überblid und Regiſter. ıMonumenta Germaniae 
paedagoriea. Zchulordiiungen, Zchulbiiher und pädagogische Dtiscellanien aus 
den Yanden deuticher Junge. Herausgegeben von Karl Kebrbadh. XIX. Yan. ı 
Berlin, A. Hofmann & Ko. 22.50 M. 

Döhere Schulen. Entholt Herm., Geſchichte des Rremer Gymnaſiums 
bis zur Vlitte des 18. Jahrhunderts. Bremen, G. Winter. 1.20 M. 

Sreslan. Rudlomefi W., Tie Ztiftungen des WKliiabetb-Sumnaftums. 1. 
1293- -1500. Im Anbange: Urkunden zur Schleſiſchen Zchulgejchichte. Programmnmt. 
Areslau. 

Gronau A, Zur Seichichte des Königlichen Gymnaſiums in Elbing. 1 Pro— 
gramm. Eibing 

Yırlen B, Tie alteſte biſsher ungedruckte Schul und Studienordnung des Emme 
cher Gummafine, Frogramm. Emmerich. 

Fand W, Veitrage zur Beichichte des Ztralfunder Zchulmelend vor 1560. 
Programm. Straliund. 

Feſtchrret zur Gedenkfeier des hundertiährigen Beſtehens des Gmunnaſiums zu 
Wevlar. 

Tarın: Hofmann Hans, Goethe am Rhein. Vädagogiſches im Werther. 

Jung Serm, Tas nmnaſium zu Zweibrücken und die SJmeibrüder Kirchen ˖ 
iharmeı Eine hiſtoriiche Slizze und eine Wechtsfrage. Zweibrücken, Lehmann. 
40 Pf. 

Univerſttäten. Verzeichnis dev Berliner Unwerſitätsichriften 1410 — 1885 
MNebſit einem Anhang, enthaltend Die außerordentlichen und Ehren-Promotionen. 
Herausgegeben von Mr Koniglichen Unwerſitatsbibliothet zu Werlın. Rerlin 
B. Weber 0 


1899. 427 


Rech, Statuta facultatis philosophicae in academia Francofurtana. Programm. 
Groß: Streblig. 

Stalmann, Tas berzoglidhe philologiſch-pädagogiſche Inſtitut auf der Univerfität 
zu Helmftedt (1779—1810). 1. Zeil. Darftellung. Programm. Blankenburg, 
Brüggemann. 50 Bf. 

Die deutiche Karl Ferdinands-Univerſität in Prag, unter der Regierung 
Zr. Majejtät des Kaiſers Franz Joſef I. Prag, Calve. 8 M. 

Padagogen und Schulmanner. Bahofner Heinrid, Seminardirektor. Ein 
Lebensbild, mit Auszügen aus jeinen Briefen. Zürich, Depot der evangelifchen 
Geſellſchaft. 4 M. 

Sallwürf €. von, Adolf Dieftermeg. Darftellung jeines Lebens und feiner 
Lehre und Auswahl aus feinen Schriften. 1. Band. (Bibliothef pädagogischer 
Klajfiker. Eine Sammlung der bedeutendften pädagogischen Schriften älterer und 
neuerer Zeit, herausgegeben von Frör. Mann. Band 36.) LTangenfalza, Beyer & 
Söhne. 3.50 M. 

Goerth Albr., Friedrih Dittes, in feiner Bedeutung für Mit- und Nachwelt 
dargeftellt. Yeipzig, Z. Klinfhardt. 1.50 M. 

Magnus K. H. ?., Regierungs- und Schulrat Albert Hehtenberg. Das Leben 
und Streben eines Meifters der Schule. Gütersloh, C. Bertelsmann. 1.50 M. 

Schleinitz O., Herbarts Berhältnis zu Niemeyer in Anjehung des Intereſſes. 
Tiffertation. Leipzig. 

Köberlin K., Andreas Mertens und dad Gymnaſium bei Et. Anna in Augs- 
burg in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts. Programm. Augsburg. 

Peſtalozzis fäntlihe Werke. Herausgegeben von L. W. Seyffahrth. 1—3. Band. 
Liegnitz, C. Seyffarth. 12.10 M. 

Brauſe A., Johann Gottfried Stallbaum. Ein Beitrag zur Geſchichte der 
Thomasſchule in der erſten Hälfte des 19. Jahrhunderts. III. Programm. Leipzig. 


Die dentfihe Litteratur in der Schule. 


Wilh. Königs Erläuterungen zu den Klajjifern. Leipzig, H. Beyer. & Band 40 Pf. 
24. Stecher Rich, Erläuterungen zu Uhlands Balladen. 
25. Böhme Walth., Erläuterungen zu Herders Cid. 
28. Bischoff Erih, Erläuterungen zu Schillers Näubern. 


Goethe. Stoffel J. Goethes Iphigenie auf Tauris erffärt. (Deutiche Dramen 
und epiiche Dichtungen für den Schulgebraud) erläutert. VI.) Langenjalza, Beyer 
& Söhne. 80 pf. 

Goethe |. von, Reineke Fuchs. Für den Schulgebrauch herausgegeben von 
9. Handwerd. Yeipzig, Freitag. 90 Pf. 

Goethe, Fauſt. 1. Teil. Für den Schulgebrauch herausgegeben von Herm. Steu- 
ding. Leipzig, G. Freytag. 1 M. 

Noble E., Ter zweite Teil von Goethes Fauft für den deutjchen Unterricht im 
Zuiammenbange dargeftellt. Programm. Berlin. 

Stifter Adb., Studien und Bunte Steine. Auswahl. Für den Schulgebraud) 
herausgegeben von Karl Fuchs. Wien und Prag, F. Tempsky. 1 M. 

Meiſterwerke unjerer Dichter. Herausgegeben und mit kurzen Erläuterungen 
begleitet von TC. Hellingbaus. Münfter, Aſchendorff. & 30 Pf. 

. 69. Uhland 2., Ernft Herzog von Schwaben. Trauerjpiel. 
70. Ubland %., Yudwig der Bayer. Schaujpicl. 


428 Bibliographie. 2. Bücher. 


Stoff- und Motivgeſchichte. 


Harnad Otto, Über die Verwendung biftoriicher Stoffe in der Tichtung. Rebe. 
Darmſtadt. 

Lebermann N., Beliſar in der Litteratur der romaniſchen und germaniſchen 
Nationen. II. Programm. Nürnberg. 

Brüll F., Die Legende von der Pfalzgräfin Genovefa nach dem noch ungedrudten, 
bisher verſchollenen Text des Johannes Seinius. Programm. Prüm. 

Nießen J., Die Hohenzollern im Glanze der Dichtung .... geſammelt und 
berausgegeben. Dlettmanı, Frickenhaus. 3.60 M. 

Caſtle Ed., Die Iſolierten. Varietäten eines litterariſchen Typus. (Urica und 
Eduard. Die drei Paria. Herr und Sklave.) Berlin, A. Duncker. 2 M. 

Guſinde Konr., Neidhart mit dem Veilchen. (Sermantiitifche Abbandlungen, be: 
gründet von Karl Weinhold, herausgegeben von Fror. Vogt. XVII. Heft.) Breslau, 
M. & H. Marcus. 9 MM. 

Arnold Rob. F., Geſchichte der deutihen Polenlitteratur. 1. Band. Bon den 
Anfängen bis 1800. Halle, M. Niemeyer. 8 M. 

Inhalt: 1. Mittelalter und Reformationszeit. 2. Zchlefien. 3. Die deutiche 
Rolenlitteratur des 17. Jahrhunderts. 4. Die Zeit der Sachſen. 5. Thom und 
Tanzig. 6. Bom Tode Auguſt II. bis zur erften Teilung. 7. Die erfte Teilung. 
*.9. Bon der erften bis zur zweiten Teilung. J. Die Erſchließung Volens. 
11. Yırterariihe Wechſelwirlungen. 10—12. Ter Untergang Polens. I. Die Maı- 
Berfaffung. Die zweite Teilung. Rosctuszlo. II. Die dritte Teilung. Illuminaten 
und Cbifuranten. II. Die Tichtung. 13. Ter Anteil Oſterreichs. 14. 15. Der 
Anteil Preußens. I. Thorn und Tanzig. TI. MWeft- und Züdpreußen. — Anhang. 

Bornſtein Baul, Tie Tichter des Todes im der modernen Yitteranır. Berlin, 
Ebering. 75 Bf. 

Ragaz Jak., Tie dramatiihen Yrarbeitungen der Heichichte Dans Waldmanns. 
Chur Hit). 1.20. 

Schweizer Paul, Die Wallenſtein Frage in der Sefchichte und im Trama. 
Zürich, Fäſi & Ber 7 Me. 


Volkskunde. 


Allgemeines. Andrefen Karl Guſt, Uber deutsche Volksetumologie. 6. Auflage, 
beiorgt von Hugo Andreien. Leipzig, TR. Reisland. 6.40 M. 

Vruinier JI W. Das deutiche Vollslied. Uber Werden und Weſen des deutichen 
Vel!sgeianges. Aus Natur und Geiſteswelt. Sammlung wilienichaftlich-gemein- 
verſtandlicher Tarttellungen aus allen Gebieten des Wiſſens 7. Bändchen.) 
veipzig, Teubner. 9 Pä. 

Inbalt: Des deutichen Voltksliedes VPilege in der Gegenwart. 2. Weſen 
und Uriprung Des deutichen Volksgeianges. Der Prieſterſänger. 3. Skop und 
Zpie!mann. Heldeniang. 4. Geichichte und Märe 5 Leben und viebe. 

Ferſtemann A, Uber nopulare Merommmien. II Krogramm. Magdeburg. 

Fremmel! Otto, Rinder Reime, Lieder und Spiele. 1. und 2. Heft. Leipzig, 
FE Avenantis. 180 M. 

GBGeſmann G. W., Die Kflanze im Zanberglauben. Ein Katechismus der Jauber- 
botanzek Par einem Anhang über Kilanzen Sumbolik Wien, Hartleben. 3.60 M. 

Hottenroth dr. Teutſiche Voltstrachten ſtädtiiche und ländliche — vom 
16. Jarrhundert an bis um die Wiitte des 19. Jahrhunderts. II Volkstrachten 
aus Weit und Rordweit Teutichland. Frankiurt a Ud, H. Keller. 21 M. 

Niere Karl, Follleriſt;iche Streizüge. Eriter Band Oppeln, Daste 1900. 5 M. 


1899. 429 


Inhalt: Schulmeifter in Litteratur und Folklore. — Neujahrsgebräudhe. — 
Der erſte April. — Der meiße guig. — Leßeburger Deitfh. — Die Biene. — 
Ter Rabe. — Das Salz. — Der Speichel. — Rübezahl. — Die Bohne. — 
Zage- und Wächterlieder. — Borbedeutungen. — Amerilanifhe Sprichwörter 
und Redensarten. — Peter Schlehmihl. — Prometheus. — Spiele. — Vom 
lange Asſsmus un feim amerikanische Skizzebüchelche. — Der böfe Blid. — Zur 
Erinnerung an den Urfchwaben ©. Heerbrandt. — Die plattdeutjche Fitteratur 
Nordamerifas. — Zwewle, Knowlod un Marau. — Bor und nad) der Hod)- 
zeit. — Ein Zauberbüdjlen. — Allerheiligen. — Beir und Spitnamen. 

Küffner Geo. M., Die Deutihen im Eprihwort. Ein Beitrag zur Kultur: 
geichichte. Heidelberg. Winter. 1.20 M. 

Rolland E., Flore populaire, ou Histoire naturelle des plantes dans leurs 
rapports avec la linguistique et le folk-lore. T. 2. Paris, Rolland. 

Petſch R., Neue Beiträge zur Kenntnis des Bollsrätjels. (Palaeſtra. Unterfuchungen 
und Zerte aus der deutjchen und englifchen Bhilologie. Herausgegeben von Alois 
Brandl und Erih Schmidt. IV.) Berlin, Mayer & Müller. 3.60 M. 

Inhalt: Altere deutſche Rätſelbücher. A. Die „unwirklichen Volksrätſel“. 
J. Weisheitsproben. II. Halslöſungsrätſel. II. Scherzfragen. B. Die „wirklichen 
Bolfsrätiel”. Allgemeines. Die Rahmenelemente. Die Kernelemente. Benennungen. 
Beichreibungen. Anhang. 1. Das Nodenblidhlein. 2. Liber die Herausgabe von 
Bolksrätieln. 

Wigand Paul, Der menſchliche Körper im Munde des deutichen Volkes. Eine 
Sammlung und Betrachtung der dem menjchlichen Körper entlehnten fprichwört- 
Iihen Ausdrüde und Redensarten. Frankfurt a/M., Alt. 1.50 M. 

Landfchaften. Badiſches Sagenbud. II. Abteilung. Sagen Freiburgs und des 
Breisgaus. Herausgegeben durh J. Waibel und H. Flamm. Freiburg i / B., 
J. Waibel. 5 M. 

Höfler M., Tas Jahr im oberbayerifchen Boltsleben mit befonderer Berüd- 
fihtigung der Volfsmedicin. ſAus: „Beiträge zur Anthropologie und Urgeſchichte 
Bayerns“.]) München, F. Baſſermann. 1.50 M. 

Crone W., Aus der Heimat. Sagen und fagenhafte Erzählungen des Kreijes 
Berjenbrüd. Gejammelt und erzählt. Lingen, R. van Aden. 

Spindler C., Elſäſſiſches Trachtenbüchlein. Leporello-Album. Straßburg, 
Schleſier & Schweifardt. 1.50 M. , 
Satter Joh., Volkstümliche Tiernamen aus Gottjchee. Gottſchee (Klagenfurt, 

A. Rauneder). 60 Pf. 

Edart Rud., Südhannoverſches Sagenbud. 4 Hefte. Leipzig, B. Franke. 
3.50 MM. 

Juſti Ferd. Heſſiſches Trachtenbuch. 1. Lieferung. (Beröffentlidyungen der hifto- 
riſchen Kommiſſion für Heſſen und Walded. I. 1. Lieferung.) Marburg, N. ©. 
Elwerts Verlag. 6 M. 

Jänner G., Tie Mythen des Hörfelberges und jeiner Umgebung. Gotha, 
Gläſer. 50 FE. 

Mielke Rob., Tie Bauernhäuſer ın der Mark. Berlin, P. Stankiewicz. 1 M. 

Woſſidlo Rid., Mecklenburgiſche PVolksüberlieferungen. Gejammelt und her: 
ausgegeben. 2. Band. Tie Tiere im Munde des Volkes. 1. Teil. Wismar, 
Hinſtorff. 6.60 M. 

Sieß Y., Sagen aus dem oberen Mühlviertel. 5. Bändchen. Rohrbach. (Linz: 
Urfahr, Verlag des katholiſchen Preßvereines.) 20 Bf. 

Lemke E, Boltstümliches in Oſtpreußen. 3. Teil. Allenftein, W. E. Hari. 3 M. 

Cameniſch Nina, Gedichten und Sagen aus Alt Fry Rhätien. Tavos, 
9. Richter. 5 M. 

Haas A., Schnurren, Schwänke und Erzählungen von der Inſel Rügen. Ge: 
ſammelt umd herausgegeben. Greifswald, 3. Abel. 2 M. 


430 Bibliographie. 2. Bücher. 


Mültenhoff Karl, Zagen, Märchen und Lieder der Herzogtümer Schleswig. 
Holftein und Yauenburg. Anaftatiiche Reproduktion des zweiten Abdruds ber 
Auflage vom Jahre 1845. Kiel, Yicbiher. 10 M. 

Hunziter J. Tas Schweizerhaus, nad feinen landichaftlien Formen und 
feiner geichichtlihen Entwidlung dargeftellt. 1. Abichnitt: Tas Wallis. Aarau, 
Zauerländer & Co. 10 M. 


Uenhochdeutſche Schriftſprache. Mundarten. 


Allgemeines. Göße A., Zur Geſchichte der Adiektiva auf »iſch. Diſſertation. 
Leipzig. 

Grimm 3. und W., Teutiches Wörterbuch. Leipzig, Hirzel. 

Vierten Bandes Erſte Abteilung. III. Teil. Zweite Yieferung. Gevatter — 
Gewähren. Bearbeitet von H. Wunderlid. 

Zehnten Bandes. Erſte und zweite Yieferung. Seeleben — Sein. Bearbeitet 
von umd unter Yeitung von DM. Heyne. 

Heinze Alb., Deutiher Sprachhort. Ein Ztilwörterbudh. 1. Pieferung. Leipzig, 
Renger. 2 M. 

Hellwig J., Tie Stellung des attributiven Adjeftiws tm Deutichen. Ein Beitrag 
zur biftoriichen Zuntar. Gießener Tiijertation. 

Hauſchild LT. Tie veritärfende zZuſammenſetung bei Eigenſchaftswörtern im 
Teutichen. Programın. Hamburg 

Yiebih Bruno, Die Wortfamilien der lebenden bochdeutichen Sprache als Grund 
lage für cm Syſtem der Bedeutungslehre. Nach Heynes deutſchem Wörterbuch 
bearbeitet. Breslau, Preuß & Jünger. 10 M. 

Zcarva V. G., La lingua tedesca e i szuoi dialetti. Turin, Clauſen. 1.50 M. 

Sütterlin vudw., Die deutiche Sprache der Gegenwart. Ihre Yaute, Wörter 
und Wortgruppen.) Ein Handbuch für Yebrer, Studierende und Lehrerbildungs 
anſtalten. Auf ſprachwiſſenichaftlicher Grundlage zuſammengeſtellt. Leipzig, R. Voigt 
länder. 5.40 M. 

Kanzleiſprache. Kemmler Y., Veriuch einer Darſtellung des Lautſtandes der 
Aichaifenburger Kanzleiſprache in der erſten Hälfte des 16. Jahrhunderts. II. Die 
Konionanten Krogramm. Tillingen 

S5Studentenſprache. Kindleben Chriit. Wilh., Studenten vexikon. Wortgetreuer 
Abdruck der Originalausgabe. Halle 1781. Bibliothek litterarüicher und kultur 
müeriicher Zeltenbeiten. Nr 7 Yewzig, Adolf Weigel. 

£fremdwörter. Denecke A., Tonlunſt, Rübnemweien und Tanz Berdentichung 
dir bauptiachlichiten in dev Tonkunſt, der Schauipielkunſt, dem Hühbnenbetrieb 
und der Tanzkunſt vorkommenden entbehrlichen Fremdworter. . Berdeutichungs 
bucher des allgemeinen deutichen Sprachvereins. IX Berlm, Verlag des allge- 
menen deutichen Zpradverens. 6068. 

Dunger Dam, Wider Die Engländerei in der deutichen Zoradıe. Vortrag WEr- 
weiterter Adrud aus der „eitichruft des allgememen Deutichen Sprachvereins 
rm, Vertag des allgememen deutſchen Sprachvereins. 36 Pf. 

Weite Ed, Verdeatichung der im lauimanniichen Verkehr vielfach noch vor 
kommenden Fremdwoörter. Als Unterſtübemg dev Beitrebungen des Allgemeinen 
deurſhen Sprachvereins den Mugnedern der Teutiiben Mobeltransvortge'ellſchaft 
genudmet rauenſtein, Selbſtverlag des Veria'ſers. 

Hundarten. Haag E, Tie Mundart des oberen Reckar und Tonaulandes 
ichweiteich alemannüches Grenzgeb:eet: NYaarmundarten. Krogramm. Weut- 
liugen 1848 

Ritter D, Etrmologuche Surrizuige auf dem Gebrete dog Niederdeutichen unter 
veendin Beructüichtgung dr Tethmariher Nundart. Krogramm. Hamburg. 


1899. - 431 


Sciepef Joſ., Der Satzbau der Egerländer Mundart. 1. Teil. (Beiträge zur 
Kenntnis deutſch-böhmiſcher Mundarten. Im Auftrage des Vereins fir Gejchichte 
ber, Deutjchen in Böhmen heramsgegeben von H. Lambel. I.) Prag, %. ©. Calve. 
6 M. 

Martin E und H. Lienhart, Wörterbuch der elfäfjifhen Mundarten. 1. Band. 
Straßburg, Trübner. 20 M. 

Crecelius Wilh., Oberheffifhes Wörterbuh. Auf Grund der Borarbeiten 
Weigands, Diefenbahs und Hainebachs, ſowie eigener Materialien bearbeitet im 
Auftrage des hiftorifchen Vereins für das Großherzogtum Heffen. 3. und 4. Liefe- 
rung. 3—3. Tarmftadt, A. Bergfträßer. 10 M. 

Auteneieth, Pfälziſches Idiotikon. Ein Verſuch. Zweibrüden. %. Lehmann. 
4.50 M. 

Dütſchke ©., Sprachliches zur Heimatkunde des Kreifes Schwelm, fowie zur 
Einführung in Art und Ergebnifjfe der Ortsnamenforihung. Programm. Schwelm. 

Einzelne Schriftſteller. Fundinger K., Die Darftellung der Sprache des 
Erasmus Alberus. Paut- und TFlerionslehre. (Ein Beitrag zur Gefchichte der 
deutſchen Schriftipradhe im 16. Jahrhundert.) Differtation. Heidelberg. 

Urbad X., Über die Sprache in den deutfchen Briefen der Herzogin Eliſabeth 
Charlotte von Orleans. Differtation. Greifswald. , 

Lindmeyr Bernd, Der Wortſchatz in Luthers, Emfers und Eds UÜberſetzung 
de8 „Neuen Tejtaments”. Ein Beitrag zur Geſchichte der neuhochdeutichen Schrift- 
jpradje. Straßburg, Trübner. 2.50 M. 

Baejede Geo., Die Sprache der Opitziſchen Gedichtfammlungen von 1624 und 
und 1625. Laute, Flerionen, Betonung. Göttinger Diſſertation. Braunſchweig 
(Leipzig, G. Fock). 2 M. 

Dans Sachs. Hagfors Edwin, Syntaftifche Freiheiten bei Hans Sachs. II. Acta 
Soc. Scient. Fennicae. Helfingfors. 

Püſchel H., Der juntaftifche Gebraud der Konjunftionen in ben Adverbialjägen 
bei Hans Sachs. Ein Beitrag zur deutfhhen Grammatif des 16. Jahrhunderts. 
Tiifertation. Leipzig. 

Hildner %., Unterfuhungen über die Syntar der Konditionaljäge bei Burdard 
Maldis. Ein Beitrag zur Grammatik des Frühneuhochdeutichen. Differtation. 
Leipzig. 


Fünfzehntes und ſechzehntes Zahrhundert. 


Drude und Holzſchnitte des 15. und 16. Kahrhunderts in getreuer Nach» 
bildung. Stragburg, 3. H. E. Heiß. 

l. Häbler Kour., Das Wallfahrtsbuh des Hermannus Künig von Bad) 
und die Pilgerreijen der Deutichen nad) Santiago de Compoſtela. 4 M. 

1. Hampe Th, Gedichte vom Hausrat aus dem 15. und 16. Jahrhundert. 
In Fakſimiledruck herausgegeben. Dit einer Einleitung. 6 M. 

II. Heiß Paul, Neujahrswünſche des 15. Jahrhunderts. Mit 44 Abbil- 
dungen in Original-Größe. 2. billige Ausgabe. 6 M. 

Kück Ed., Scriftjtellernde Adelige der Reformationgzeit. I. Sidingen und Yand- 
ihad. Programm. Roſtock. 

Hans Sachs und Johann Fiſchart nebft einem Anhang: Brant und Hutten. 
Ausgewählt und erläutert von Julius Sahr. (Sammlung Göjchen.) Leipzig, 
G. J. Göſchenſche Verlagshandlung. 80 Bf. 

Emerton Ephraim, Desiderius Erasmus of Rotterdam. (Heroes of the re- 
formation edited by S. M. Jackson. III.) London, Putnam’s sons. 6 Sh. 

Freund J., Huttens Vadiscus und jeine Quelle. Dijfertation. Marburg. 


432 Bibliographie. 2. Bücher. 


Ajnbalt: I. Tie Trude der deutichen Zriadenjammlung und ihr Verhältnis 
zu Huttens Vadiscus. — II. Tie deutihen Triaden und die Sprüche des Vadis: 
cus. — II. Der Autor der deutichen Triadenfammlung (Crotus Rubeanus). — 
IV. Ter anonyme Tialog „Pugna Pietatis et Superstitionis”. 

Reuchlins Verdeutſchung der eriten olyntbifchen Rede des Demofthenes (1498. 
Herausgegeben von Frz. Roland. (Bibliothek älterer deutjcher Ueberſeßungen. 
Herausgegeben von Auguft Sauer. 6.) 2erlin, E. Felber. 2 M. 

Haus Sachs. Abele W., Tie antiten Tuellen des Hans Sachs. (Schluß. ) 
Programm. Ganftatt. 

Mummenboff Ernft, Tas Hans Zahsfeft in Nürnberg am 4. und 5. November 
1894. Im Auftrage der Feſtleitung. Nürnberg, Selbfiverlag der Feſtleitung. 

Inhalt: I. Borbereitungen zum Feſte. IL. Die Feſttage. III. Stimmen der 
auswärtigen Preffe. 

Tie verraufchende Feſtſtimmung der Nürnberger Ebrentage in allen Einzel: 
beiten durh Wort und Schrift für alle Zeit feitzubalten war ein glüdlicher 
Bedankte der Feſtleitung. Turch die genaue Befchreibung der Hans Sachs— 
Ausitelung und durch die Reproduktion einzelner wichtiger Ausftelungsgegen- 
ftände Handſchriften, Holzichnitte, Bücher, Wilder) erhält die ſchön ausgeftattetc 
Schrift auch witienjchaftlichen Wert. 


Siebzehntes Tahrhundert. 


Zöllner Frdr., Einrichtung und Verfaſſung der Fruchtbringenden Geſellichaft, 
vornehmlich unter dem Fürſten Ludwig zu Anhalt-Cöthen. Berlin, Verlag des 
allgemeinen deutichen Zprachvereins. 1.80 M. 

Voigt &., Tie Fichter der aufrichtigen Tannengejellihaft zu Straßburg. Pro 
gramm. Groß-Yichterfelde. 

Scheid Nikolaus, P. Nikolaus Avancini J. S., ein öfterreihifcher Lichter des 
17. Rabrbunderts. Programm. Feldkirch. 

Anhalt: I. Yeben und Wirken. - 11. Der vaterländifche Tichter. 1. Die 
patriotiichen Marienoden. 2. „Der Hofpoet der Ferdinande“. 3. Ter Fürſten 
jpiegel. 4. Tas Kaiſeriubiläumsbuch. II Würdigung des Tichters. 

Bornemann A, Paul Flemung. «Veranlaſſung zu feiner Reife. — Zeine Ge⸗ 
Kaenbeitsdichtung » Krogramm. Stettut. 

Schwab Hanus, Ter Tiatog ın den Zchaufpielen des Herzogs Heinrich Julius 
von Braunichweig. Programm. Iroppan. 

Charakteriſtik der Zchauiniele des Herzogs nach den Geſichtspunkten: 
Charakterzeichnung, luſtige Perſon, iprachlidyer Ausdrud, Yübhne, Scenenwechſel, 
Auf und Abtreten dev Perſonen, Monolog, Dialog, Perionenzabl. Der Titel 
verspricht unofern mehr, als weder ausichlieglich der Dialog charalterifiert wırd, 
noch die vonzelnen Charakteriſtiken, wie eigentlich beabfichtigt ıft, ftreng aus dem 
Weſen dis Tialogs abgeleitet werden. Am beften gelungen ıft der Abichnitt über 
den Dialog ielbſt S. 23 20. F. Spina. 

Klenz d, Tie Quellen von Joachim Rachels erſter Zatire: „Tas poetiiche „rauen 
zimme; oder Doie Sieben“ Tisiertation. ‚graburg ı B. 

Inhalt: Einleitung. Tie Tuellen von Wacels Zatiren überhaupt. — 
Il Semonides von Amorgos Jamben über die Weiber. — Il. George Buchanans 
latente Uberienung der Jamben des Semonides über die Weiber. — II, Zeba: 
ſtian Zcheftere Chorzamben „de novem mulierum pellibus”. — IV. Friedrich 
Tanbmanns „Innaecenm Poetium”. — V. Johann Peter Tip’ „Poetiſches 
Frauen immer”. -— VI Valthaſat Kudermanns Schrift „Die WVöie Sieben“ 
Ta Userung des Ausdrucks „Roie Sieben“ VII. Die Tuellen des Eingangs 


1 ade. > un. Yo, = 
sen Matisse erſter Satere Vers 1 2%. 


1899. 433 


Martin Montanus’ Schwankbücher (1557—1566) herausgegeben von Johann 
Bolte (217te Publikation des litterarifhen Vereins in Stuttgart). Tübingen. 
Inhalt: Einleitung (I. Montanus’ Leben und Schriftftellerei. II. Biblio- 
graphie). 1. Wegfürzer (1557). Kapitel 1—42. Zuſätze der Ausgabe von 1565. 
Negifter. 2. Andreügo (1557). 3. Thedaldus und Ermilina. 4. Guifcardus und 
Sigismunda. 5. Cymon und Iphigenia. 6. Gartengejellichaft. Kapitel 1—115. 
Regifter. 7. Bon untreuen Wirten. — Anhang verwandter Stüde I-XLIX. — 
Anmerkungen. Erfte Zugabe: Neues über Michael Lindener (Sein Tod. Zwei 
Bilderbogen). Zweite Zugabe: Über Bernhard Herkogs Schiltwacht (1560). 
Zefen Philipp von, Adriatiihe Rojemund 1645. Herausgegeben von M. 9. Jel⸗ 
(inet. (Neudrude deutſcher Litteraturwerfe des 16. und 17. Jahrhunderts. 
Nr. 160—163.) Halle, Niemeyer. & 60 Pf. 
Einleitung. I. Original und Neudrud. I. Orthographie. 1. Quantitäts- 
bezeihnung. 2. Gebraud) von A, 6, ü, eu. 8. Sonftige Eigentümlichkeiten. 
Il. Quellen. IV. Dichtung und Wahrheit in der Abriatifden Rojemund. 


Achtzehntes Jahrhundert. 


Hindridhfon Geo., Brodes und das Amt Nitebüttel. 1785—1741. II. Pro- 
gramm. Curhaven. (Hamburg, —— 1.50 M. 

Daff 3 Hans, Johann Jacob Engel als Dramatiker. (Münchener Diſſertation.) 
Berlin 1898. 

Die vorliegende Differtation giebt fi) al8 Teil einer größeren Arbeit, die 
and Engels dramaturgiſche Thätigkeit behandeln wird. Sie dürfte die vorläufig 
fehlende nähere Begründung für die abfprechende Beurteilung der „verworrenen” 
Poetif und der „ihrer ganzen Anlage nad) verfehlten” Mimik bringen. 

Hier behandelt Daffis namentlid) den Einfluß von geifings Dramen auf 
die Engels und verfolgt ihn bis in die Heinften Einzelheiten. Seitab fteht das 
Zingipiel „Die Apotheke”, das fi) ganz auf den Bahnen Chriftian Felix Weißes 
hält. Tagegen gehört der „Dankbare Sohn“ und der „Edelknabe“ in das Gefolge 
der „Minna“, „Eid und Pflicht“ in das der „Sara“, während das Fragment 
„Steatonice” teild vom „Werther“, teil vom „Philotas“ abhängig iſt. Der 
Nachweis, bag Engel Goldonis „La moglie saggia” bereits 1770—1772 in 
den mit Goldont „überjhwemmten“ Leipzig, nicht erft 1779 in Berlin überjette, 
it Taffis, meiner Überzeugung nad), vollftändig gelungen. 

Auf S. 42, wo Daffis fih von Garlieb Merkel abhängig macht, fehlt ein 
Hinweis auf die gänzliche Unzuverläffigleit dieſes Anekdotenfabrifanten. 

Verwunderlich iſt es, daß Daffis nicht die Berfaffer der Recenfionen in 
der „Allgemeinen Deutſchen Bibliothek” beftimmt. Partheys Regifter der Mit- 
arbeiter giebt hierzu doch die befte Handhabe. Die Beſtimmung ift zumeilen 
injofern ſchwierig, als ſich die Chiffre des betreffenden Mitarbeiters oft erft unter 
dem folgenden Artikel findet. Aber Berjuche in diefer Richtung mußten gemacht 
werden; denn manches Urteil rüdt durch die Perfönlichleit des Kritiferg in ein 
ganz anderes Picht. Den „Danktbaren Sohn” (S. 11) hat wahrſcheinlich Eſchen⸗ 
— Fi „Edelknaben“ (5.19) Biefter, den „Diamant“ (S. 23) ficher Mujäus 

efprochen. 

Die Briefform von Garves Aufiat über „Werthers Leiden” im „Philojophen 
für die Melt“ Hält Daffis für eine fingierte Einkleidung. Er glaubt, Engel jei 
als Adreſſat zu denken, und will den Brief auf eine Disputation eis mit 
Garve, mit dem er „damals in Leipzig eng befreundet war und gewiß alle neuen 
litterariſchen Ericheinungen durchſprach“, zurlidführen. Garde verließ im Winter 
1772 Leipzig, kann aljo nicht 1774 mit Engel über den „Werther“ disputiert 

Quphorion. VII. 28 


434 Bibliogravbie. 2. Bücher. 


haben. Die Briefform iſt nicht fingiert; denm die beiden Briefe Garves an Neiße 
vom 19. November 1744 umd vom 11. März 1775, durch deren Berichmelzung 
der Aufſasb entitand, Liegen gedrudt (Breslau, 1803: vor. Auch ſonſt zicht Taffis 
die Briefwechſel Garves, ın denen viel von Engel die Rede ıft, nicht beran. 

Da Engel nicht als Adreiiat des Briefes gedacht werden kann, beweiſt 
diefer nichts für feine Beſchäftigung mit dem „Werther“. Teshalb feße ich die 
„Ztratonice” zehn Jahre ſpäter als Taffis an. In den „Kurmethoden“, Die 
zuerjt in der ziwerten Auflage des „Philoſophen für die Welt“ 178% erichtenen, 
wird jatirtich auf den Schluß des „Werther“ angejpielt. Alſo wird fih Engel 
damals mit ihm beichäftigt baben. 

Yın einzelnen möchte ich noch nachtragen, dar die Einwirkung von Leſſings 
„Emilia Galotti“, die Engel mehrfach analvfiert bat, fih auch auf jene We: 
arbeitung von Zhafeipeares „VRiel Yarın um nichts“, auf den „Bermäblungstag” 
eritredt. Die Anfangsſituation iſt dieielbe: Am Vermählungstage bei Yeifing, aın 
Abend vorber ber Engel, ipınne man Antriguen gegen die Braut. Shakeipeares 
Claudio wird ber Engel zum Appiant, Hero zur Emilia, die er Yaurana nennt, 
Yonato zum Odoardo. Auch der Tialog bat Yejlingiche Färbung gewonnen. 
Daffis liefert dagegen den wertvollen Nachweis, daß Engel gleichzeitig von 
Ayrers „Nomedia von der ichönen hama” abbängıg tit. 

Alles in allem bietet die Arbeit von Taffis die notwendige Ergänzung zu 
dem rein biograpbiihen Auflage C. Schröder über Engel, da fie das Verhältuis 
Engels zu Leſſing einer gründlichen und tm weſentlichen cerichöpfenden Unter 
juchung unterwirft. Robert Riemann. 

Nedden R., Luellenftudien zu Gellerts Fabeln und GErzäblungen. Tiijertation. 
Leipzig. 

Briefwechſel zwiſchen Gleim und Uz herausgegeben und erläutert von Carl 
Schüddekopf -21%te Bublitation des Litterariſchen Vereins in Stuttgart 
Tübingen], 530ſter Jahrgaug, 180%, Ste Publitation Tübingen. 

Mit dieſem Band thut der Litterariſche Verem einen verheißungsvollen Schritt 
in das 18. Jahrhundert, dem viele andre nachfolgen mögen. Ich habe mich mir dieſem 
Briefwechſel viele Jahre lang beichäftigt md manches daraus in meinen älteren 
Arbeiten verwertet, von einer Verdientlichung des Ganzen aber abjchen müjten, 
wer damals kein Berleger dafür zu gewimmen war. Umſomiehr freue ich mich jebt, 
die mir vertrauten Blatter m ſchönſter Anordnung und forgfältigiter Wiedergabe 
gedrudt zu schen, die älteren wichtigeren Briefe unverfürzt, die fpäteren mit 
Streichung des Pelangloien, alles mit einem veichbaltigen aus dem Bollen 
ichopfenden Nommmentar verſehen, der meine Unterſuchungen vielfach ergänzt, 3. 2. 
bei den Freundſchaftlichen Briefen, Z. 154 #. Schüddekopf zicht ın den Anıner: 
tungen auch andere Dandichriften heran, ſo den Briefwechſel zwiſchen Gleim 
und Ramler, der wobl eine übliche Neroffentlichung verdiente, Briefe an Gleim 
von Roſt 2. 450, Nrauie 2. 475. 476, Narl Chriitan Gärtner S. 480), 
ob. Georg Schloſſer 2. 523 und Gleims Briefwechſel mit Uzens Zchiveiter 
S 524 fi, den Briefwechſel zwöchen Uz und der Karihin S. 502 fi), Briefe 
von Uz an ‘A Wicdacıs S 517 5. Tie Beröffentlihung der Reliquien 
aus Rudnicks Nachlaß ſrellt Zchiiddelonf S. 450 ın Aussicht. 

Gorthe. Allgemeines. Yewier War, Em Goethepreis. Dresden, Truderci 
wWloR. 0 Pf. 

EGBGBrimm Herm, Goethe. Vorleſungen. 6. Auflage. Verlin, Beſſer. 7 M. 

Wroßberm Emil von, Lexikon zur Goethe Litteratur. Biographiſches Nachichlage: 
buch über dielenigen Perronen, mit welchen Goethe vorzugsweiie verkehrt, oder 
über welche derſelbe in ſeinen Schriiten cm Urten gefällt bat und über die 
Schriftſteller, welche uber „ihn“ geichrieben haben. C.uakenbrück E. Kdbart). 
2. 

Buch Rad, Viehr Goethe Verlin, G. 9. Mimer. 2. 


[2 


1899. 435 


Menasci ©., Goethe. Firenze, Barbera. 2 L. 

Nuland Carl, Tas Goethe-Nationakmufeum zu Weimar. 2. Auflage. Erfurt, 
Billaret. 50 Pf. 

Bilmar Otto, Zum Berftändniffe Goethes. ae ge, vor einem Kreife chriftlicher 

eunde gehalten. 5. Auflage. Marburg, N lwerts —— 3 M. 

— Geo., Goethe (Dichter und Darfeller Herausgegeben von Rudolf 
Tothar. 1.) Leipzig, &. U. Seemann. 4 M. 

Feſtſchriften und efireden. Goethe⸗Gedenkblatt zur Erinnerung an den 
150. Geburtstag. Breslau, Dilfer. 25 Pf. 

Rheinische Goethe-Ausftellung .... in der Aula der königl. Kunftalademie 
zu Düffeldorf, Juli big Oktober 1899. "Leipzig, Bartid. 4 M. 

Feſtſchrift zu Goethes 150. Se mrttagsfeier, baı bargebradit vom Freien Deut- 
hen Hochſtift. Frankfurt a/M., Gebrüder Knauer. 15 M. 

Inhalt: Te ngruß zur hundertflnfzigften —e— von Goethes Geburts⸗ 
tag. Die Geburt Goethes. Transparent von Moritz von Schwind. Gemälde von 
Otto Donnervon Richter. — Valentin B., Goethes Beziehungen zu Wilhelm 
von Diede. Mit ſechs ungedrudten Briefen Goethes. — Ballmann Heinr., Die 

milien Goethe und Betbmann. — Menkel E., Der junge Goethe und das 

ranffurter Theater. — Bernus, Alerander Freiherr von, Zwei Bilder aus 

en Jugendzeit. — Herin Rob, Zum Erdgeift in Goethes „Kauft“. — 

Yung e Sriebrich Georg oethe,. des Dichters Großvater. — Heuer O 
Goethe iR feine Baterftadt. 

Goethe⸗-Feſtſchrift zum 180. Geburtstage des Dichters. Herausgegeben von ber 
Leſe- und Redehalle der deutjchen Studenten in Prag. Redigiert von Auguft 
Ströbel. Prag, 5. ®. Salve. 3 M. 

Aus dem Inhalt: Arleth Emil, Einige Bemerkungen zu Goethes Thätigfeit als 
Naturforfcher. — Biedermann Woldemar greibere von, Gräfin Giannini. — 
Geiger Ludiw., Aus einem Briefe der Adele Blumenbadh an Thereje Huber. 
— Grimm Hermann, Der 28. Auguft 1899. — Hanftein Adalbert von, Das 
Unüberwindliche in Goethes Di erperfönlichfeit — Junahene Sophie, Eine 
kurze Betrachtung zum 150. Geburtstage Goethes. — Koſſak M., Goethe als 
Dramaturg — Speyer Rihard M., Goethe als Studentenvater. — Sauer Aug., 
Zu Goethes Geſprächen. 1. Gðoeiher Berkehr mit Frau Seebeck. 2. Gri le 
parzers Beſuch bei Goethe. [Die Stelle in G. es Deutichen GSharakteren 
(Leipzig 1865. 3, 360), die mir bei der Abfaffung des Aufſatzes nicht da gänglich 
war, lautet: „Das Beſte über perfönliche egnung mit ibn bat barzer 
mündlich geäußert: Bei feinem Anblid befiel es mid anfangs, als ftlind’ ich 
dor einem Jupiter omnipotens; dann ‚plöglich überfam es mid, als fei id vor 
meinen Bater getreten, den ich all mein Herz eröffnen und beichten d 
biefem Zufammenhang hätte ich noch auf die Berje (Werke 1, 218) hinweiſen 
ſollen: ‚Einer nur iſt mir erſchienen, Aber ich ertrug ihn nicht, Und der — 
ſeiner Mienen Ward ſtatt Flügel mir Gewicht. Schien er wie ein Zeus. zu 
ſchreiten, Mir hielt er ein Chronos vor, All den Unterjchied der Zeiten, I! und 
all, was ich verlor.'] — Swoboda Adalb., Goethe und die bildende Kunfl. 
— Weizſäcker Paul, Goethe und der Steindrud. 

Weimars Feftgrüße zum 28. Auguft 1899. (Goethes Baterfladt und dem Freien 
Deutjchen —* dangebradht von der Groß lichen Bibliothef, En oethe⸗ 
National⸗Muſeum, dem Goethe⸗Schiller⸗Archiv.) Weimar, Böhlau. 8 M 

Snhalt: Bojanowsli B. von, Johann Caſpar Goethe in Benedig. 
Nuland C., Des Herrn Rath Haushaltungsbudh. — Briefe Goethes an Ehri iane. 
Frankfurt 1814. Aus dem Goethe⸗Schiller⸗Archiv. 

Brockhaus Rud.), Zum 28. Auguſt 1899. 

Inhalt: orwort. — Zur Einführung. — Berzeichnis von Goethes Hand⸗ 
ihriften- Sammlung. Brief an Gräfin Augufe zu Stolberg 1775. — Brief 

28* 


436 Bibliographie. 2. Büche 


an Frau von der Rede. 30. Man 1785. — Brief an Reidhardt. 24. Fe—⸗— 
bruar 1790. — Tas Gedicht Zchnjudt. Etwa 1802. — Brief von Eihftädt 
mit Goethes Antwort. 4. April 1804. — Tiftihon gegen Campe. 1804. — Brief 
an Eichjtädt, den legten Tag 1805. — Las Sonett „Tie Ticbende fchreibt“. 
Winter 1807,1808. — Brief an Gräfin Auguſte von Bernftorff, geborene 
Gräfin zu Stolberg. 17. April 1823. — Ein zahmes Xenion. Etwa 1826. — 
Belehnungsfcene aus auf. — Aus der Schlußicene des zweiten Teils des 
Kauft. — Goethes Bıfitlarte und die Zodesanzeige. 

Es iſt die letzte koſtbare Gabe des unvergeßlichen Rudolf Yrodhaus, die 
er kurz vor ſeinem Tode zum Abſchluſſe gebracht hatte und die uns ſeine beiden 
Söhne in Ausübung doppelter Pietät jetzt darbieten. Es ſind die ſchönſten und zu— 
gleich beziehungsreichſten Goethe⸗Blätter ſeiner wertvollen Handſchriftenſammlung, 
in ausgezeichneter, getreuer Wiedergabe, mit feinſinnigen, aus voller Fachkenntnis 
geichöpften Bemerkungen und Erklärungen begleitet. Bon ſchwärmeriſchen Jugend» 
tagen über arbeitsfreudige Jahre des Mannesalters bi8 an die Schwelle des 
Todes begleiten wir den Dichter und verfolgen den Wechſel der ung vertrauten 
Handſchrift von der forgiamjten und fauberften Reinſchrift bi8 zur flüdhtigften, 
kaum mehr zu entziffernden Bleiſtiftkritzelei der letzten Fauſtentwürfe. Einen wür⸗ 
digeren Abſchluß hätte die raſtloſe und von jo großem Erfolg gekrönte Zammiler- 
thätigkeit des vortrefflichen Mannes nicht finden können. 

Fiſcher Kuno, Goethe und Heidelberg. Feſtrede zur ſtädtiſchen Goethefeier. (Goethe⸗ 
Schriften 5.) Heidelberg, C. Winter. 1 M. 

Geiger Ludw., Goethe in Frankfurt am Main 1797. Aktenſtücke und Darſtellung. 
Frankfurt a M., Litterariſche Anſtalt. 3.60 M. 

Inhalt: I. Briefe Goethes 5.—24. Auguſt 1797. — II. Tagebuch 3.—25. 
Huguft 1797. — HI. Sonſtige Quellen und Yıtteratur. — IV. Goethe in Frank— 
furt. Darftellung des Herausgebers. 

Golther Wolfgang, Goethe. Feſtrede. Yerpzig, S. Hirzel. 40 Pf. 

Hirth Geo., Er — Pathologiſch? Ein Beitrag zur Feier von Goethes 150. Ge— 
burtstag. Aus: „Goethe-Nummer der Münchner Jugend“.]) Münden, G. Hirth. 
50 Pf. 

Goethe. Eine Biographie in Bildniſſen. Zu Goethes 150. Geburtstage. [Aus: 
„Könneckes Bilderatlas zur Geſchichte der deutſchen Nationallitteratur“. 2. Auf— 
lage] Marburg, Elwert. 3 M. 

Kauffmann Irdr., Goethe. Vortrag. Ibehoe, Th. Broderſen. 60 Pf. 

Kraft Frdr., Zur Erinnerung an die Goethefeier der Goetheſchule in Offenbach 
am Main. Crenbah (Fraukfurt a M., A. Detloffij. 2 M. 

Martini Auguſt, Goethe im Koblenz und Umgegend. Feſtrede. Koblenz, W. Groos. 
80 Pf. 

Mentzel E., Der Fraukfurter Goethe. Frankfurt a, M., Litterariſche Anſtalt. 1M. 

Schmidt Erich und Veit Valentin, Feſtreden bei der alademiſchen Feier in 
Frankfurt an Main zu Goethes 150. Geburtstag, veranſtaltet vom Freien 
Teutichen Hochſtift und der Goethe Geſellſchaft. Frankfurt a M., Gebr. Knauer. 
1.60 M. 

Zchrend Burchard von, Zu Goethes 150. Geburtstage. Ein Gedenkblatt. [Aus: 
„Dünaga Jeitung“.' Riga Jonck & Poliewetyn. 70 Vi. 

Teweles Heinr., Ein Beitrag zur GoetheFeier in Prag. Prag, A. Saale. 1 M. 

Vogel Jul, Goethes Leipziger Studenteniahre. Ein Bilderbuch zu Dichtung und 
Wahrheit als Feſtgabe zum 150. Geburtstage des TDichters. Leipzig, Meyers 
graph. Inſtitut. DE. 

Inhalt: I. Der Tichter. II. Die Stadt und ihre Bewohner. Il. Die Uni⸗ 
verſitat und ihre Verwandten. IV. Käthchen Schönkopf. Freunde und Genoſſen. 
V. Oeier und die Seinigen. VI. Yırder und Werke. VII Dresden. Abſchied. 

Werßenfels Nic. DTer junge Goethe. Freiburg i B., Mohr. 75 Pf. 







Einzelheiten. Goethe I. ®. von, Meine Religion. Mein politii Glaube. 
Zwei vertrauliche Reden. Sfammengefet und ee Bode, 
Berlin, Mittler & Sohn. 
Burkhardt €. U. H., Zur Kenntnis ber Goethe-Handfchriften. Wien, Berlag bes 
Garel ©, Sonnre md Goce as Dramatir. I. Gin ei 
are oltaire je tterature 
gejchichte. Programm. — Bee 
Ebrard 3 





und Gejell fchafts; 
nee. Kein = * 


Goethe-Briefe 

Biblio Berlin. — —— von * und das 
tusminifterium. — Preuß ihens 

Blrmen, Heine Blätter“ I-XU. — ee 


‚Seibaiß, ®. 
Kr — — — 


Im Ei RE 


Bogel Ei Go‘ 
erigibe- ieh lichen J 
Werke, Joh Wolf von Goethes Wert geben im 
lerke. Jo o on Goethe erfe. im 
Grofhergogin En Sachſen. Weimar, —— 
Abteilung. 19. Band. 4.20 M. 


ft: Die Leiden des — Briefe aus di — 
RR ®. Seifert and Grand won der Sion” Aebafare ri 


Schmitt, 


438 Bibliographie. 2. Aücher. 


1. Abteilung. 22. Band. 3.60 M. 

Inhalt: Wilhelm Meifters Yehriahre. 4.—6. Bud. — Herausgeber: Carl 
Schüddekopf; Redaltor: Hermann Grimm. 

3. Abtetlung. 10. Band. 420 MM. 

Anbalt: Tagebücher 18x25 — 1826. — Herausgeber: Ferd. Hettmüller mit 
2. Zupban und 3. Wahle; Redaktor: B. Suphan. 

Goethes Werke. Auswahl in jehzchn Bänden. Mit einem Bildnis Goctheg, 
fowie einer Einleitung: Goethes Yeben und Werke von 2. M. Prem. Leipzig, 
Mar Heſſes Werlag., 

Yichtenberger &, Etude sur les poexsies Iyriques de Goethe. 2* edition, 
revue et corrigee. Paris. Hachette et Cje. 3.50 Fres. 

Dünger Heinr., Erläuterungen zu den deutſchen Klaffifern. 14. und 19. Bändchen. 
a und b. Leipzig, E. Wartg. A 1 M. 

14. Goethes Iphigenie auf Tauris. 7. Auflage. 

19. a und b. Goethes Fauſt. 1. Teil. 6. Auflage. 

Goethe, Die Mitſchuldigen. Ein Luſtſpiel. [Der Handſchrift des Tichters nadı: 
gebildet. «Ausgabe der Geſellſchaft der Bibliophifen.) Herausgegeben von Geo. 
Witkowski. Yerpzig, J. J. Weber. 12 DM. 

Ein wohlgelungenes Fakſimile dev dreialtigen Faſſung der Mitſchuldigen 
in Goethes Handſchrift aus dem Jahre 1769 auf der Leipziger Univerſitäts⸗ 
bibliothet. Die Handſchrift ſtammt aus Friederikens Beſitz und an einer Stelle 
bat fie einen Schreibfehler Goethes eigenhändig gebeſſert ı „Wirth“ für „Neller”‘; 
zum Bergleih ft im Anbang 2. 17 ein Ztammbuchblatt in ihrer Schrift 
wiederbolt. Die aufblühende Geſellſchaft der Bibliophilen iſt zu diefer ihrer erjten 
Beröffentlihung zu beglüchviinichen. 

Krüger M., Goethes „Geſchwiſter“ und Scribes „Rodolphe ou frere et 
soeur. Ein Beitrag zur vergleichenden Yitteraturgeichichte. Programm. Gorlisßz. 

Fiſcher Kuno, Goethe Schriften. 1. Boctbes Iphigenie. Feſtvortrag. 3. Auflage. 
Heidelberg, C. Winter. 1.20 M. 

Goethes Fauſt in urſprünglicher Geſtalt, nach der Göchhauſenſchen Abichrift 
herausgegeben von Erich Schmidt. 4. Abdruck. Weimar, Böhlau. ? M. 

Geiſt Herm., Wie führt Goethe ſein titaniſches Fauſtproblem, das Bild ſeines 
eigenen Yebenstaupfes, vollfommen einheitlich duch? Weimar, Böhlau. 6 M. 

Pniower Otto, Goethes Fauſt. Zeugniſſe und Exkurſe zu feiner Entſtehungs 
geſchichte. Berun, Weidniann. 7 DR. 

Herder. Herders ſämtliche Werke. Herausgegeben von Bernhard Suphan. 
2, Band. Berlin, Weidmann. 6 DM. 

Inhalt: Aus Herders Frühzeit. D XXXI. — Predigten in Riga. I-XX. 

Entwiürfe aus der ſpäteren Set in Weimar. 1-ÿ VIII. 

Grohmann Wilh., Herders nordiſche Studien. Berlin, W. Züßerott. 1.50 DR. 

Inhalt: J. Derders nordiiche Studien, geſchichtlich entwickelt. II. Herders 
Keuntnis dev nordiichen Litteratur. III. Herders Überiebungen. IV. überſicht über 
die Verarbeitung nordiicher Studien in Herders Werfen. V. Aſthetiſches. Schluß: 
Herder und Grimm. - Anhang: Tert zu Reſenuus Pöluspa 1673 und 1665 
Test der wicht veröffentlichten Boluspaüberieuungen Herders. Tert zu „Frau Kluf“. 

Großmann F., Berder und die Schule. Krogramm. Berlin. 

Hübner ob, Chriſt Comoedia. Ein Weihnachtsſpiel. Derausgegeben von äIrdr. 
Brachmann. «Deutiche Yırteraturdentmale des 18. und 19. Jahrhunderts, her⸗ 
ausgegeben von Aug. Zauer Nr. 82. Neue Folge Mr. 32.1 Berlin, 8. Behr. 
50 VPi. 

Lampe K., Studien über Jifland als Tramatıfer mit befonderer Berüdfichtigung 
der eriten Tramen. Celle. K. Andre. 2 We. 

Neubürger Emil, Goethes Jugendireund Friedrich Maximilian Klinger. Frank 
furt a Mt, Vahlau & Waldichmidt. 608. 


1899. 439 


Kuhnau Joh., Der mufifalifhe Ouad-Salber (1700). Herausgegeben von Kurt 
Benndorf. (Deutſche Litteraturdentmale des 18. und 19. Jahrhunderts, heraus- 
gegeben von Aug. Sauer. Nr. 83—88. Neue Folge Nr. 33—38.) Berlin, 8. 
Behrs Berlag. & 60 Pf. 

5 „ae Anhang eine Scene aus: „Der politifche Quackſalber“ von Chriftian 
eife. M 

Leffing. Borinsti Karl, Leffing. (Geifteshelden. { brende Geifter.] Eine Samm- 
lung von Biographien. 34. und 35. Band. Der VI. Sammlung 4. und 5. Band.) 
Berlin, €. Hofmann & Co. 3.80 M. 

Conſentius Ernft, „Freygeiſter, Naturaliften, Atheiften —“, ein Aufſatz Leifings 
im Wahrſager. Leipzig, E. Avenarius. 1.20 M. 

Aus inneren Gründen nimmt Confentius einen Auffag in Mylius’ Wahr- 
lager (6. Ztüd, 6. Februar 1749) für Leifing in Anſpruch. Die Beweisführın 
ift aber nicht ganz überzeugend und in Leſſings Werte wird der Aufſatz zund f 
noch feine Aufnahme finden fönnen. Immerhin fcheint e8 notwendig zu fein, ſich 
mit Mylius und feinen Zeitfchriften noch eingehender zu bejchäftigen, als es 
bisher gefchehen ift. 

Kont %., Lessing et l’antiquite. Etude sur l’hellenisme et la critique dogma- 
tique en Allemagne au XVIII* siecle. T. 2. Baris, Lerour. 

Schmidt Erich, Leſſing. Gejchichte feines Lebens und feiner Schriften. 2 Bände. 
Zweite, veränderte Auflage. Berlin, Weidmann. 18 M. 

Schmidts Leffingbiographie genießt heute einen Weltruf. In der ficheren 
Beherrichung des ausgedehnten Stofjes, in der abſchließenden Behandlung aller 
ſchwebenden Fragen, in der einheitlichen alles durchdringenden Auffaffung, in der 
Weite des Gefichtsfreifes, in der fünftlerifchen Geftaltung, in ber lebendigen, an⸗ 
regenden und fortreißenden Darſtellung war ſchon die erſte Auflage ein Meiſter⸗ 
werk. Indem Schmidt aber vielfach die Zügel noch ſtraffer anzieht, durch Um⸗ 
ſtellung, Anderungen oder Kürzungen ausgleihend wirkt, die neueren Forſchungen 
verwertet oder ablehnt, ergänzt oder weiterführt, endli das Werk ſtiliſtiſch 
durchwegs feilt, bringt er es jeinen gefteigerten Anforderungen näher und ftellt 
das noch höhere und tadelfofere Mufter einer Dichtermonographie auf, das unter 
den Yeiftungen der jüngeren Pitterarhiftorifer feines Gleichen nicht hat. 

Ziehen J., Kunftgeihichtliche Erläuterungen zu Lejfings Laoloon. Programm. 
sranffurt a’M. ' . 
L. Boſchulte, Zur Charakteriftif der Pocfie Matthiſſons, insbefondere über ihr 
Verhältnis zur Poefie Höltys und Klopftods. Differtation. Jena. 
Schiller. Schillers jämtlihe Werte in 12 Bänden. Mit einem Porträt, einer 
Biographie und Charafteriftift Schillers von Guft. Karpeles. Leipzig, M. Heffe. 

6 M. 


Kontz Albert, Les drames de la jeunesse de Schiller. Paris, Lerour. 

Schwerdtfeger W., Die litterarhiftorifche Bedeutung der Schillerfchen Mufen- 
almanache (1796 — 1800). Tiffertation. Leipzig, od. 

Volkmann %, Schillers Philofophie. Berlin, Rühe. 60 Pf. 

Weiß Karl, Schiller, Wilhelm Tell und die Welt der Frauen. Den rauen 
gewidmet. Zirih, Th. Schröter. 1.60 M. . 

Langmeſſer Aug., Jakob Sarafin, der Freund Lavaters, Lenzens, Klingers und 
anderer. Ein Beitrag zur Geichichte der Genieperiode. Mit einem Anhang: Un- 
gedructe Briefe und Plimplamplasko, der hohe Geift. Zürich, E. Speidel. 
mM 


Wieland. Bauer 7%, Uber den Einfluß Laurence Sternes auf Chr. M. Wieland. 
(FFortiegung.) Programm. Karlsbad. 

Behmer Carl Auguft, Laurence Sterne und C. M. Wieland. (Forſchungen zur 
neueren Pitteraturgeichichte. Herausgegeben von Frz. Munder. IX.) Berlin, 
a. Duncker. 1 M 


440 Pibliograpbır. 2. Bücher. 


Des Grafen von Zinzendorf geiſtliche Sedichte. Eine Auswahl zur Erinnerung 
an den Tag feiner Geburt vor 20 Jahren. Herausgegeben von H. Rauer und 
8. Yurdbardt. Yeipzig, F. Jania. 3 Mi. 


Ueunzehntes Sahrhundert. 


— 


Alexis Willib., Erinnerungen. Herausgegeben von War Ewert Aus dem RNeun— 
zehnten Jahrhundert. Briefe und Aufzeichnungen. Herausgegeben von NK. 
Franzos. Verlin, Concordia Deutſche Verlagsanſtalt Timm. 6. 

Inhalt: Willibald Alexis. Bon M. Ewert. — Erinnerungen: I. Im 
Nonnentloſter zu Breslau »1806. II. Tie Koſacken (1815. III. Wein Warich 
nad Frankreich 1815. IV. Yıtterartiche Erinnerungen. Walladmor. Treimal ın 
Weimar. Meine ZJeitgenotien. V. Theater Erinnerungen 1241. Tas Berliner 
Hoftheater. Tas Berliner Bolfstbeater. 

W. 5.. Jotn Brinckmann, Tas Yeben eines nideriäcdhttichen Tichters. Berlin, 
W. Süßerott. 2. 

Adb. von Chamiſios Werke in 1 Bänden. Dir PVortrat, einer Biographie und 
Charatteriſt:! Chamiſſos von Adf. Vartels. Lewzig, Mi Dee. 1.75 M. 

Furcht Walth., Richard Tebmel. Seme Bedeutung, ſein Verhälinis zu Goethe, 
Lenau und zur Moderne. Minden, Aruns. 1 ala 

Bankwis Arth., Die religiöse vLyrik der Annette von Treite Dütsbeff. Verliner 
Veiträge zur germantichen und romaniſchen Phuologie Keroñentlicht von Intl 
Ebering. —* Germaniſche Abteilung. Nr. v. Verlin, E. Ebering. 

vanznaſter, P. ‚ri. Aut, O Fr. Min.. Alois Flir. Eme brographüch-litterariiche 
Studie. Derausnegeben zu Flirs 40. Todestage. . Im Anbang: Teiſen Novelle: 
Der Glücksſchuß. Innsbruck, Wagner. 3.20 M 

Houten Bam, Studien über de Tramen Carl Gußkows. ]. Hinterlaiiene 
Dramen Entwürie. I. En weißes Blatt. Nena, H Ceſtenoble. 2.50 WM 

Wilh. Dauffs iamtiiche Werle im 6 Vanden. Dit Porträt und can Yıograpbır 
Hauiis von AM. Ztern Lewzig. M. Heſie. 350.88. 

veltis Ci de, Gerardo Hauptmann e llopera ua letteraria. Firenze. Le 
Monnier. 2? L 

Hebbel. Hebbels Werke. Herausgegeben ven Narl Zeiß. Kritiich durchgeſebene 
und erlauterte Ausgabe. Yarzig und Iren. Bibnograrbiiches Inſtitut. 4 Bände 
RB. 

Inhalt: 1 Band Serwort Hebbeis Yeben und Werke. Gedichte. Wutter 


und Mind Erzabhlaängen und Nevelen. — 2. Band. Judit! Maria Magdalene 
Viichel Angelo. Agnes Bernauer Gyges und Ten Ring. 5. Band Tic Nibe 
lungen. Aſthetiiches. —— 4 Band. Genoveia. Herodes und Martamın. Meine 
Nindheit. 


Bartels Hd, Ehriit:aäan Friedrich Hebbel. Tichter Yiograpbien. 3 Band Ilm 
verial Beblietſekt Nr Sun vopng, Reklam. 20 ‘Er. 

Borr:tg N, Ti Probleme der Hebbelichen Tragodien. Tertation. Lewzig. 

Porre T, Stadien zur Charakteriſt.? der Hebbelichen Tramas. Düſertauon. 
Rer!in. 

Heine. Franzes Karlt Ein, Hemes Geburtstag. Berlun, Cencerdia 75 Ti 

Kaninann Mar, Dam und Platen. zZuricher Tiskuſſionen. ‘ir. 16. 17. Jurich, 
Zzpeidel. 1.20 Wi. 

Narer ka kr, Sench Dem. Aus jenem Yeben und aus ferner Zeit Leipzig, 
a. z: tl. 

ET x Seoftmanns iamt!:keWerle in 15 Banden Hausgegeben mit einer 
Fregrapbiihen Ernle:tung ven Ed Griſebach. Wir die: Selbſtvortrats Hofimanne, 


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1800. 44 


ile idſchrift und die jinale der 
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euter to, Dur acobows 1 Entwicdhing Verhältnis 
Moderne. Berlin, © dene 5* 1 m ® 
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—— — 8. Eule Jean Paul Friedrich Richters 
Müller Sk zn Bauretnim. * 
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Jen Fauls. 3, Lite, Borrden und — 
auis Romane im einzelnen. IIT, Ya 
als Polititer. — Nachtrag I 
adır. Balheilfbergee Fernand, ——— Sa vie et ses oeuvres. 
Librairie Hachette & Cie. 
Pre "Ah., Gottfried Keller. 7 Vorleſungen. Leipzig, B. G. Teubner. 2.40 M. 
Warten * Heinrich von Kleiſt in feinen Briefen. Vortrag. Heibelberg, 
inter. 
Ei ‚bedeutende Arbeit, Veröffentlichung 
Höveer %, Adolf gotping le Te eiotiger Sa ü 
ai gabe zum Jubeltage des , Gefelenperine. 50 Bi. 


Körners ſamtliche Werke. Voll en 2 an * 
Biogsahhie unb Charal ln, Mt benom. Leipzig, M. Hefl 
ge gaitattes Geſamtwerle. eben * = Blum. 1.—8. Band, 


Volitiiche Reben und Schriften. 
Säracter Ab, Io Lauff "ch haste geinin, —— 
Comp. 


einem -, Nicolaus Lenau. Ne 
Vorträge, herausgegeben von Rul Tirgon. Folge. 


Verlagsanftalt und Druderei. 


Lingg Herm. von, Meine Lebensreife. —— ———— 


bi 1) Berlin, & & Soeffler. 
te ln von NEE re 
a en, Rud. Grein. 
am. 
Meßner Jof., Ausgewählte ee $ 
{ DMeßner. B & Bine 
* it: Ko Ace Gier <> V rigen damow. —. 
 onzad Ferdinand Meyer. Sein Sehen und feine Werke. h 
3. 6. Cotta Nachfolger. 6 M- Y 
Karl Morres Gedichte umd humoriftifde Vorträge. Herausgegeben von Ag, 
Harand. Graz, Leylam. 2 M. J 
m ale ut ur, — Werfe. Herausgegeben von Mar Zihommfer. rs 
x 
— dichteriſche Werte. 4 Bände. Lelpyig, won 
















442 Nachrichten. 


Baldenjperger F., Quae in Oelilenschlaezerii carmine ‘Aladdin’ inseripto 
e zermanicis litteris pendeant (these). Nancy, imp. Berger-Levrault et Cie. 

Des Grafen Aug. von Platen Tagebücher. Aus der Handidrift des Dichters 
herausgegeben von G. von Yaubmann ımd L. von Scheffler. 2. (Schluß⸗) 
and. Ztuttgart, 3. G. Cotta Nachfolger. 18 M. 

1. Januar 1318 bis 12. September 1834. 

Brandes Ernft, Aus Fritz Reuters Leben. Programm. Ztraßburg. 

Andrics J., Der rheiniſch-weſtfäliſche Tichter Emil Rittershaug. Sein Yeben 
und Wirken. Programm. Köln. 

Rodenberg Jul., Erinnerungen aus der Jugendzeit. 2 Bände. Berlin, Gebrüder 
Paetel. SM. 

Inhalt: 1. Band. 1. Hei. Nearjhner., 2. Rerliner Anfänge. — 2. Band. 
1. Ein Frühvollendeter (Emanuel Teuticdyr. 2. Ferdinand Freiligrath. 

Des Grafen A. Fr. von Schack geiammelte Werke, 3. Auflage. 10. Schluß) 
Band. Epiſteln und Elegien. — Nachgelaſſene Dichtungen. Stuttgart, Cotta. 3 De. 

Schaumberger. Heinrich Schaumbergers Werke in Auswahl. 5. Bände. 
Wolfenbüttel, Zwigler. 15 M. 

Rullmann Wilh., Heinrich Schaumberger. Eine Skizze feines Lebens und Wirkens. 
Zur Enthüllung des Schaumberger-ODenkmals in RNeuſtadt (Coburg). Neuftadt. 
Wolfenbüttel, Zwißler. 50 Pf. 

Bieſe Alfr., Heinrich Seidel und der deutſche Humor. Stuttgart, Liebeskind. 

Uhland. Uhlands Werke in 4 Bänden. Mit Porträt, einer Biographie und 
Charafteriftit Uhlands von Rud. von Sottichall. Leipzig, M. Heſſe. 1.75 M. 

Maunc Harım, Uhlands Jugenddichtung. Diſſertation. Berlin. 

Inhalt: 1. Tie Antite. 2. Klopitod, Yürger und die Göttinger. 3. Schiller 
und die ſchwäbiſchen Tichter. 4. Oſſian und Fouquèé. 5. Tie mittelbochdeutiche 
Sichtung. 6. Fir ältere Romantik. 7. Goethe. 3. Tas Bollslied. 

Berdrow Otto, Nabel Varnhagen. Em Yebens- ımd Zeitbild. Ztuttgart, 
Greiner & Pfeffer. 7 M. 

Vogl Joh. Nep., Balladen und andere Gedichte. In Auswahl herausgegeben und 
mt einer Biographie des Dichters eingeleitet. (Allgemeine Nationalbibliothek. 
Kr. 228 229,1 Wien, EC. Daberkow. A 20 X. 

Hoeber Kari, Friedrich Wilhelnn Weber. Zem Leben md ſeine Dichtungen. 

Auflage. Paderborn, F. Schönmgh. 

Wichert Ernſt, Richter und Dichter. Ein Lebensausweis. Jeitgenöſſiſche Zribit- 

biographien. II.) Berlin, Schuſter & Loeifler. 6M. 


Aachrichten. 


9. Bohatta und M. Holzmann in Wien arbeiten set längerer Zeit an 
einem veriton der deutſchen Ynonnma und schen Einſendungen fir Dielen 
Iweck gan entgegen. 

su Dufſeldorf wird cm Goethe; Tenfnal errichtet werden. 

Mlerander von Humboldts Ariefe an Tr. Samuel Spiker aus dem 
Jahrzehnt von 1830-1840 find von der Koͤnigl. Bibliotheke in Berlin erworben 
worden. 

Frau Elsfaberh Förſter Niebſche bereitet cine Geſamtausgabe Der 
Brite Friedrich Niebiches vor, deren erſter Yand vorausfichtiih un Herbſte 
dieſes Jahres erichemen mırd. 

in der Mariteung dev Geſellſchaft für dentſche Yırteratur hielt 
Herr Frauz Schulz emen Bortrag über Worres al! Germaniſten: Herr W. Mind 
trug came großere Reihe Aphorismen zur men'ſchlichen Naturgeichichte vor. 


Entgegnung. 443 


Entgegnung. 


Wenn ich mir Schon jet, obſchon der Schluß noch nicht erfchienen ift, die 
Erlaubnis dev Redaktion erbeten habe, um die Angriffe, die Hear J. Müller aud) 
diesmal wieder in jenen YPublifationen aus Jean Pauls Litterarifchen Nachlaß 
gegen mich gerichtet bat, zu beleuchten, jo geſchieht dies, weil das bis jet Vor— 
hegende zur Beurteilung des Charakters diejer Angriffe vollkommen ausreicht; 
jollte der Schluß nody Anla zur Erwiderung geben, jo hoffe ich, au) dann bet 
der Redaktion nicht vergeblich anzuflopfen. In meiner Anzeige von Herrn Müllers 
Jean Paul: Studien (Litterariſches Centralblatt 1900, Nr. 13) ſah ich mich genötigt, 
die Ihatiache zu fonftatieren, dag er mir gegenüber wiederholt Unwahrheiten, Ber: 
dächtigungen und Verdrehungen vorbringt; diefe Anzeige erſchien am 31. März; 
Herr Müller bar ſich bis tet nicht bewogen gefunden, die von mir erhobenen Be— 
ſchuldigungen zurückzuweiſen: ıd) bin num leider auch der vorliegenden Publikation 
gegenüber genötigt, in ähnlicher Weiſe zu urteilen. 

1. Herr Müller erktärt, ich hätte in meiner „Iertredaftion” von Jean Pauls 
Briefen an Otto nur einige Schreibfehler richtig geftellt, dagegen die ungeheueren 
Yüden nicht ausgefüllt, die Engherzigkeit und Feigheit verurſacht hätten. Wenn id) 
nun gleich im Anfange unter anderem fejtftelle, dag ftatt „Strickſtrumpf“ „meine 
Hojen“, ftatt „findet und genießt“ „richt und friſſet“, ftatt „trinken“ „jaufen“, ftatt 
„mehr verdorben ſein“ „mehr Dreck dran fein“ zu leſen iſt, fo dürften dieje und 
andere Nıichtigitellungen ſchwerlich als folhe von Schreibfehlern zu erachten fein. 
Dieſem Anfange entſpricht aber meine ganze Publifation; genau in berfelben Meife 
verbält es fh mut der Behauptung der von mir nicht ausgefüllten Lücken: ic) 
bezeichne alio auch diesmal wieder den von Herrn Müller gegen nid) erhobenen 
Vorwurf al3 Ummwahrbeit. 

2. Am Schluſſe jeiner Überſicht über die Brieflitteratur jchreibt Herr Müller: 
„Die Akademiſchen Blätter brachten .. .. teilweiſe noch ungedrudt gebliebene Briefe 
Jean Pauls an Frau von Krüdener. Einen Brief Jean Pauls an einen jungen 
Dichter veröffentlichte Nerrlich in der Nationalzeitung .... Weiteres werde ich in 
meinen . . . Jean Paul-Studien nachholen.“ Dem gegenüber gilt zunächſt, daß die 
Akademiſchen Blätter nicht Briefe an, ſondern von Frau von Krüdener brachten; 
daß Sodann dieſe Veröffentlichung von mir herrührt, verſchweigt Herr Müller ebenſo 
wie die ſonſt noch von mir herausgegebene Brieflitteratur, ſo z. B. die Briefe 
von Charlotte von Kalb, Karoline Herder, die im Euphorion und anderwärts ver— 
öffentlichten Briefe Jean Pauls ſelbſt u. ſ. w. In welchem Verhältnis ſie, was 
die Bedeutſamkeit anlangt, zu dem ſtehen, was Herr Müller ſelbſt bisher aus 
Iran Pauls Nachlaß ans Licht gebracht bat, darüber darf ich natürlich an dieſer 
Ztelle fein Urteil ausiprechen, und jo überlaffe ic) es denn auch anderen, die Art, 
in welcher Herr Müller meiner Briefpublifationen gedadıt hat, mit dem ihr ge- 
bührenden Wort zu bezeichnen, um jo eher, als ja aud), wenigftend® was mid) 
angebt, die verheißene Nachleie unterblieben ift. 

3. Wenn mir Derr Müller vorwirft, ich hätte ähnlich wie Förſter ein chaoti— 
ſches Turcheinander bei meinen PBublifationen gegeben, ohne jede dhronologifcdje 
‚zolge, jo vaßt dev Vergleich mit Förſter nicht, dem diefem lag der ganze Nachlaß 
mir einem Male vor; eben deshalb aber ift auch die an fich unbeftreitbare That— 
ſache mir un feiner Weiſe zum Vorwurfe zu machen: mir ijt der Nachlaß erit nad) 
und nach cine Reihe von Jahren bindurd) zugänglidy geworden, zum Teil nur mit 
Überwindung nicht geringer Schwierigkeiten; niemand wird alfo verlangen, daß ich) 
jedesmal, wenn ich etwas fand, mit der Veröffentlichung warten follte, bis etwa 
noch etwas dazu füme Wenn nun weiter Herr Müller es aud) für frappierend 
erklärt, daß in meiner Nürichner-Ausgabe die chronologiſche Folge nicht eingehalten 
jet, jo gehört dieie Behauptung in der Form, wie fie ſich bei Herin Müller findet, 
zu den irreführenden, denn niemand wırd daraus fließen, daß, wie dies that« 


444 Entgegnung. 


fählih der Fall ift, vom zweiten Bande ab die chronologiſche Folge gewahrt iſi. 
Herr Müller führt nun freitich fort, ic) hätte die Fugendichriften mut fpäteren und 
fpäteften vereint im eriten Bande als „Kleinere Schriften“ zuſammengefaßt und 
bier die zeitliche Trönung nicht eingebalten. Aber dann müßte der erfte Zau anders 
geforint werden, außerdem gilt zzolgendes: Mein erſter Band enthält zwei Teile: 
1. Kleine Schriften (nicht Kleinere) zur Philoſophie und Religion: 2. Zatiren und 
Idyllen. Dieje eine zweite Abteilung tft nun allerdings — in summa etwas über 
anderthalbhundert Zeiten — nicht chronologisch, Tediglich aber deswegen, weil der 
von mir befolgte, den Anhalt bevüdfichtigende Geſichtspunkt mir wichtiger erichien. 
Taß ich andererjeits tm erften Zeil chronologisch verfahren, verſchweigt Herr Müller, 
nıcht bloß dies: er erbebt bier gegen die chronologiſche Reihenfolge der legten drei 
Schriften eine vom Inhalt her genommene Eimvendung. 

4. Wende ich mich nun zu den Publikationen Herrn Müllers ſelbſt, fo hat 
er ſich allerdings durch Himveis auf einige Jrrungen meinerieits ein Verdienft er- 
worben. Tod, cinerieits tft feine einzige von diejen ſo wichtig, mie ferne eigene 
Verwechſelung von Priefen an und von Frau von Krüdener, und es feblt auch 
font bet ihm nicht an Ungenauigkeiten, andererfeit8 wird kein Unbefangener, der 
die Fülle des von mir Jublicterten und von Herrn Müller iiberhaupt nicht Er 
wähnten in Betracht zieht, auf Grund dieſer Irrungen in dem Tone von mir 
jvrechen, der Herrn Müller beliebt bat. Gerade in diesem Teile nun geht er aber 
weiterhin in einer Weiſe gegen mich vor, zu deren Cbarafterifterung ih in der 
deutichen Sprache lkein Wort finde, da müßte ich fchon zum Lateiniſchen greifen. 
a: Er wirft mir ber meiner Wiedergabe einer Gymnaſialrede „zablreiche Verſtöße“ 
vor; jchon das, heißt es meiter, fer ſeltiam, daß ich durchweg die erite Faſſung. 
nicht die vielen Verbeſſerungen des Autors bringe: als einziges Beiſpiel zum 
Erweis der letztgenannten Achauptung führt er die Vertauſchung von „Form“ und 
„Materie“ an. Wenn ev nun fortfiibit: „Nerrlich ſchreibt,“ „Nerrlich ent,“ „der 
folgende Satz fehlt,“ fe wırd natürlich jedermann dies als Beiſpiele meiner „Ver 
ſtöße“ anichen: in Wahrheit jedoch bandelt es ſich bier genau wie bei Materie 
und ‚yorm um das von Jean Paul felbit an Ztelle des erſten Tertes Geſetzte, und 
Herr Müller verichweigt es, daß an Ztelle des von ihm als fehlend bezeichneten 
Saszes fih in meinem Abdrud eine andere Wendung finder. Nergleiht nun 
weiterhin ein Unbefangener den geiamten von mir gegebenen Tert mit dem von 
Herrn Milller benutzten Manuſtripte, fo wırd ihm ſehr bald fonnenflar, daR ich 
meiner Zinne nicht mächtig geweſen fein müßte, wenn ich von den mir vorliegenden 
verschiedenen Pesarten jedesmal Die ausgeitrichene gewählt baben follte. Es bleibt 
alio nur Die Möglichkeit, daß mir, wie dies thattüchlih Der Fall war, 1882, als 
ih dieie Rede abdruden ließ, cin anderer, ımlorrigierter Text vorgelegen bat. 
Tıeier finder ſich nun freilich nicht in dem von Herrn Müller als ‚yascılel 13 
bezeichneten Teile des Nachlaiics, ja es iſt möglich, daß cv ſich auch anderweitig 
nicht jmdet, aber auch aus Müllers Jean Paul-Studien S. 31. 87 iſt nichts 
andrea zu folgern als dag, wenn Herr Müller wirklich gewitienbaft alles durch— 
foricht bat, auch anderes, was mir ehedem vorgelegen, ſich in der Königlichen 
Bibhbliothek zu BVerlin nicht findet: Schreibt doch auch Müller ſelbſt: „Es fehlen 
manche von den Erben erwähnte und teilweiſe auch veröffentlichte Schriften.“ Auf 
diceien werten Text wird mm wohl auch cbenio das allerdings unfinmige „Alles“ 
wie die Anslatiung des „Tüchtigen“ zurückzuführen fen; was endlich den von Herrn 
Muller als fehlend gerügten Zap: „Schwierigleiten“ ı ran Paul ichreibt „Zchmie- 
rungen‘... angeht, jo babe ıh ın memem Abdrud durch Runkte ausdrücklich auf 
dieie Auslafiung hingewieſen: Herr Müller wäre mir koniequent geweien, wenn er 
dres val Band VIE, Heft 19 damız erklärt bätte, ıch hätte die Stelle nicht leſen 
fonnen 

s Herr Müller tadelt mich endlich, daß ich Forſters „leichtfertige Tert- 
ı.daltıon‘ des Auiatzes „Vergleichung des Atheismus mitt dem Fanatismus“ ı Ican 


Antikritik. 445 


Paul ſchreibt: „Atheism und Fanatism“) „wortwörtlich mit all ihren Fehlern“ nach⸗ 
geſchrieben, er höhnt mich als Tertverbeſſerer und meint, die eine Anderung komme 
einer Fälſchung gleich. Mir blieb allerdings nichts anderes übrig als mich an 
Förſter zu halten, einfach deshalb, weil dieſer Auffatz damals, als die Kürſchner⸗ 
Ausgabe erfchien, mir im Original nicht zugänglidy war. 

err Müller meint, damit fchließe ich, e8 fer für den Geift meiner Arbeiten 
haratteriftiih, daß ic) vom Lobe der Dummheit nur die Angriffe auf die Theo- 
logen, Philologen und Philofophen, nit aber auch die auf die Mediziner und 
Yuriften mitgeteilt habe; aus den Borliegenden dürfte aufs neue erhellen, wie jehr 
ich berechtigt war, gerade diefen Zeil herauszugreifen, freilich müßte ftatt „Dumm- 
heit‘ ein anderes Mort ftehen. 


Berlin. Paul Nerrlid. 


Antikritik. 


Mit Herrn Nerrlich zu ftreiten ift eine etwas klebrige Arbeit, was auch fchon 
andere Leute empfunden haben. Ich merde jedoch auf den Ton meines Gegners 
nicht eingehen, fontern nur kurz folgendes zur Aufllärung geben. 

dh habe auf die Kritit, welche Nerrlih meinen Jean Paul-Studien im 
Litterariichen Centralblatt am 31. März angedeihen Tieß, nıchtS geantwortet, weil 
der Kritifer, joweit er nicht meine Hichtigftellung feiner „Berjehen“ „dankbar“ 
quittierte, nur Beihimpfungen vorgebradht hat. „Unwahrheit, Verdächtigung und 
Verdrehung“ joll fein meine Behauptung, daß Nerrlich Feuerbachianer und Atheiit 
jei. ZH nannte Nerrlich Feuerbachianer bezüglich feiner Auffafjung der Liebe; 
Nerrlich verherrlicht ja in fchwungvollen Worten das homo homini deus ©. 393 , 
feiner Biographie und in Band 1, S. XXXI ber von ihm beforgten Kürfchnerfchen 
Ausgabe wie aud jonft oft. Atheift heiße ich den, der Leinen perjünlichen Gott 
anerfennt; den Gottesglauben zieht aber Nerrlich zum Überdruß bei jeder Gelegen- 
heit ins Lächerlihe. Unmwahrheit fol auch fein meine Behauptung, Nerrlich habe 
Jean Paul die Sinnlichkeit abgefprochen. Nun lefe man bei Nerrlich ©. 869, 3. 6, 
Dort fteht: „Zean Paul felbft fehlte zur Liebe die Sinnlichkeit.” Auch der „wunder⸗ 
liche Troft“, den Nerrlich die Stirn bat abzuftreiten, findet fi) wörtlih ©. 111, 
3. 10 von unten. Dann jagt Nerrlih: „Hieher gehören Borwürfe wie S. 5 und 
5. 19 und S. 40 und S. 94 Mitte; fchlimme Unterftellungen enblich finden fich 
3. 8, ©. 31 und ©. 87 Mitte” Das heißt Herr Nerrlih, Unmahrheiten, 
Jerdächtigungen zc. „konſtatieren“!! Nerrlich giebt nicht einmal an, was hier Un⸗ 
wahrheit jein joll, gefchweige daß er auf meine Argumente eingeht, und er ver⸗ 
langt, ich folle auf jo etwas repfizieren! Die einzige wirkliche Berichtigung ift, daß 
nicht Duboc, fondern Nerrlich felbft der Urheber der famojen „Don Juan⸗ und 
Noquairol-Natur” Jean Pauls ift. Um fo ſchlimmer für Nerrlich! 

Die heutige „Berichtigung“ ift noch elender. Was 1. ben Briefmechjel mit 
Otto betrifft, jo war es jehr unvorfichtig von Herrn Nerrlich, daß er den Schluß 
der Nachlaß-Publikation nicht abgemwartet bat. Wird man es für möglich Halten, 
dag jemand, der jo kraſſe Fehler, Lüden, abfichtliche und unabfichtliche Anderungen 
des Tertes, wie ich oben fonftatierte, die zu einer grundfalichen Auffaffung der 
Borgänge, bejonders der Liebesverhäftniffe des Dichters führen mußten, überjehen 
oder mitverichuldet hat, eine folche herausfordernde Sprache zu führen wagt? Ich 
tonftatiere, daß Nerrlich nicht eine einzige meiner obigen Korrekturen vorgenommen 
hat! Zwei oder drei Berichtigungen —* teilweiſe von ihm gegeben, was ich 
jedesmal bemerkt habe. Sogar neue Tertfehler hat Nerrlich begangen; fo ſpricht 
er 9. 368 von einem Jäger, der einen Hafen in immer engeren Kreijen „um⸗ 
ſchließt“ ſtatt „umſchleicht“. Das muß ein Ianggedehnter Menſch fein, der fih in 
weiten Zpiraltreifen um einen verfolgten Hafen legen kann! Auch die bemußte 


446 Aniikritik. 


Anderung „aufflocht” für „auflocht” im Freudel gehört hieher. Dabei bemerke ich 
noch, daß ich keineswegs darauf ausging, Nerrlich Textiehler oder Überſehen nach⸗ 
zuweiſen. Dieſe Arbeit wäre mir zu mühiam. Ich habe gegenwärtig auch nicht das 
Berliner Manuskript, ſondern nur meme Aufzeichnungen zur Hand, welche ſich 
einzig auf die in meinen „Studien“ behandelten Materien beziehen, vor allem auf 
das Liebesleben Jean Pauls, das ih S. 29—81 miemes Werkes gründlich revi- 
dierte. Ten ganzen Band 4 und größtenteils auch 1 und 2 des Briefwechiels babe 
ich bei den obigen Korrekturen beiſeite gelaſſen. Es iſt alio eim verhältnismäßig 
feiner Teil, der fhon fo gewaltige Fehler aufwies, auch nach der angeblichen 
Reviſion Nerriichs. 

2. Hier findet ſich die Richtigſtellung, daß die Briefe der „Akademiichen 
Blätter“ nicht von, fondern an Lean Baul waren. Daß die Veröffentlichung von 
Rerrlich berrührte, babe ich nicht “abfichtlich verichmiegen, wie ih bier überbaupt 
nicht eine vollitändige Aufzählung und Kritik aller bisberigen Tublitationen geben 
wollte. Tiejelbe gab ich in meinen Ztudien am zuftändigen Tre Wenn Nerrlich 
bezüglich der Bedeutijamkeit jener umd meer Veröffentlichung eine hochtrabende 
Farallele zieht und die Anerkennung der Fachwiſſenſchaft für fich erwartet, jo will 
ich die Triinmpbftimemung Nerrlichs gelafien ertragen. Es „gebört wirklich Mut dazu, 
nach ſolchen Leiſtungen noch Anerkennung zu erboffen. Die Vergleihung it ſchon 
lächerlich. Nerrlich war ja mein Vorgänger: natürlich bat er dag Wertvollfte vor: 
wegnehmen können. Aber es ift eben um ſo bedaueriicher, daß er das wirklich 
Aedeutjame meift überjehen oder verſtümmelt bat, daR er keine Ordnung, überhaupt 
nicht die elementarſten methodiſchen Forderungen eingehalten hat, ſo daß der Nach- 
folger ftatt Erleichterung nur Erichwerung dev Arbeit bat, da er erſt alle Zünden 
Nerrlichs korrigieren muß. Es ſtünde viel beſſer, namentlich auch für das Wer 
ſtändnis des Tichtercharalters, wenn Nerrlich nie fih mit Jean Vaul beichäftigt 
bätte. Er iſt ſchon des ſtarken Zubieftivisinus wegen zum Hiſtoriker verdorben. 

3. Zu dieien gewundenen Phraſen bemerke ıh nur, dag meine Kritik wort 
wörtlich zutrifit. Ich babe nur bebauptet, daß die „Zatiren und Idullen“ nicht 
chronologrich geordnet find. Daß die andern Teile chronologisch richtig fteben, babe 
ich eben dadurch anerlannt: ſonſt würde ich v8 ebenfalls gerügt haben. Buß man 
einem Autor, der einen Zeil feiner Arbeit ſchlecht behandelt bat, noch ein Fleiß 
billet ausitellen, daß er nicht auch die übrigen Teile verdorben bat”? 

4. Tieie fonfufe Erörterung zu verjteben iſt mir unmöglich. Ich babe ge— 
finden, daß Kerriich öfter den ausgeitrichenen Tert gedruckt hat. Bei der Herausgabe 
des „Yobs der Tummheit“ oder Sonit wo, wie ich mich genau erinnere, bat fich 
Nerrlich jogar gerühmt, daß er Die erite Faſſung des Terte® genommen, während 
doch jeder Wenich Die Teure, überdachte Faſſung bei einem Autor zu Grunde legt. 
Und nun will er einen andern Text gebabt haben. Zonderbar, dat; dieſer rettungslos 
verſchwunden iſt. Er mürte a Sonst „nicht feiner Sinne mächtig gewelen fein!“ 
Alio Lean Baul ſoll das „unſinnige“ Alles sc. in emem früberen Text geichrieben 
haben? Wie jagt doch ein gewiiter Yelling in einen ähnlichen ‚all? „Doraz muß 
Zimmer gemacht haben, damit der Paſtor von Yaublingen feine gemacht babe.” 
Aber gerade bet dein „uniinnigen“ Altes fir Altes it Die Entſtehung ichr leicht 
zu erklaren, namlich fur jemand, der beim Abichreiben nicht dentt. Jean Paul 
ſchreibt in der That die t den I febr ähnlich, indem eritere ſtets oben eine weite 
Schlerne zeigen 

Zum Ubrigen babe ich nichts zu erinnern. Es jnricht für ſich ſelbſt. 


Vunchen. Joſef Müller. 


Schlußwort der Redaktion. 447 


5chlußwort Der Redaktion. 


Inſoweit Nerrlichs Entgegnung gegen die Redaktion des Euphorion gerichtet 
iſt, habe ich folgendes zu bemerken: 

Der Herausgeber einer Zeitſchrift, die ſich nicht ginſei auf den engſten Kreis 
von Geſinnungs- und Parteigenoſſen beſchränken will, wird ſich nicht mit dem 
Verfaſſer eines jeden Beitrages von vornherein identificieren können. Bei Müllers 
Aufſatz habe ic noch dazu ausdrüdfid einen Vorbehalt gemacht. Nach wie vor 
aber bin ic) der Meinung, daß die einheitliche Durhiforihung des weitjchichtigen 
Sean Paut-Rachlafies eine höchſt dankenswerte und wichtige Arbeit ift, deren Er⸗ 
gebnifje nirgends beſſer am Plat fein konnten als in biefer der Unterfudung und 
Stoffſammlung gewidmeten Beitfhrift. Sollten auch einzelne „ejungen ober Ver⸗ 
mutungen Müllers einer Nachprüfung nicht ftand halten, an feinen Ergebniffen im 
großen und geraen würde dadurch nichts geändert. Er hat fie jelbft oben ſcharf 
formuliert. Entjchiedener als bisher wurde nachgewiejen, daß alle bisherigen Aus- 
gaben von Jean Pauls Werken und Briefen völlig ungenligend ſeien, und bie 
Forderung einer großen kritifchen Ausgabe des Dichters mit Benutzung des Nach⸗ 
lafjes, wozu fi) Bhilologen und Sachkenner die Hand reichen müſſen, kann nicht 
mehr von der Tagesordnung verjchwinden, wer immer ben Plan zur Ausführung 
bringen mag, ob die zunächſt dazu berufene Alademie oder eine Privatvereinigung 
von Gelehrten und fitteraturfreunden nach Art der Goethegefellihaft. Es wurde 
aber weiter im einzelnen gezeigt, baß jedes Werl Jean Pauls einer genauen linter- 
ſuchung mit Zuhilfenahme des handjchriftlichen Materials bedürfe, wenn wir zu 
einer wirklichen Kenntnis des Dichters und feiner hiſtoriſchen Stellung vordringen 
wollen, und auch diefe Forderung wird nicht mehr zu umgeben fein. Schon jekt 
kann ich eine aus dem Prager Seminar hervorgegangene Arbeit über den Kometen 
als in Vorbereitung befindlich ankündigen, die anzuregen die Beſchäftigung mit 
Müllers Aufjägen mid) veranlaßt hat. Erſt wenn mehrere folche Unterfuchungen 
vorliegen, wird es möglich fein, eine abjchliegende Monographie über den Dichter 
zu liefern, wie fie etwa dem Franzoſen Firmery bei feinem tüchtigen Buch, das 
eben nur aller Vorarbeiten entbehrte, vorgejchwebt bat. A.S. 


In der Handichrift abgejchloffen am 1. April, im Sat am 3. Auguft 1900. 


R. u. E. Doftuchbeuderei Cari Seomme In Wien. 


Afthetik, Sozialpolitik und Entwick- 
lungslehre.') 


Bon Hugo Spiker in Graz. 


II. 


HBeichnet ſich Reichs Eiſenacher Nede durd die Glut der Em- 
pfindung, die Poeſie der Spradhe und die Fülle interejjanten 
Materials aus, jo der Vortrag Burdhards über „die Kunjt und 
die joziale Trage”, welcher als erjtes Stüd in jein Büchlein Auf- 
nahme gefunden, durc die mit größter Eleganz und TFeinheit der 
Darftellung gepaarte Sllarheit der Gedanken und die muſterhafte 
Durcfichtigfeit der Beweisführung. Die ganzen inneren Beziehungen 
des Gegenjtandes treten aufs Bejtimmtejte in der Anordnung und 
Vertheilung des Stoffes bei Burdhard hervor; was logijch zu— 
jammengehört, jondert fi) aud) alsbald vom Übrigen in dem 
beredten Vortrage; jelbft der bloße Schein, Ungleiches zu vermengen 
und zu verwechſeln, wird ſorgfältig vermieden. 

Die einfache Trennung des inhaltlichen und des formalen 
Momentes in der Kunſt, dieſe ſo trivial ſcheinende und doch ſo 
fundamental wichtige Unterſcheidung erweiſt ſich für Burckhard auch 
als das beſte Mittel zur Orientirung in dem Problem, als die ver- 
läßlichſte Richtſchnur der Unterſuchungen. Daß ſie nicht unter ſolchem 
ſchulmäßigen Namen auftritt und nicht eigens herausgehoben wird, 
thut nichts zur Sache. Bringt ſie der Wiener Ajthetiter doch in 
einer Weije zur Geltung, „welche faktiſch die Dispofition feines 
ganzen Eifays bejtimmt! Liber die ‚Möglichfeit und pſychologiſche 
Notwendigkeit, dag foziale Ideen in der Kunſt ihren Ausdrud 
finden, verbreitet fid) der erfte Zeil des Vortrags. Da die Kunft 
jeder Periode, wie Burdhard treffend bemerkt, an die Bedürfnifje 


.— 





1) Bgl. Euphorion, 4. Ergänzungsheft, S. 1 ff. 
Euphborion. VII. 29 


450 Hugo Spitzer, Aftyetit, Zozialpolitit und Entwicklungslehre. 


ihrer Zeit anfnüpft und eine Loslöſung vom Geſamtleben nicht 
verträgt, da eine jcharfe und gänzliche Scheidung der funjtäjthetiichen 
und der anderen Kulturbedürfniffe unmöglich ift, jo veriteht es jich 
von jelbft, daß von dem Augenblide an, als überhaupt joziale 
Gejinnungen in der Menjchheit erwachen, die Künjte und namentlich 
diejenigen unter ihnen, welche in höheren Maße der deutlichen 
Ausiprache von Ideen, der allgemein verjtändlichen Kundgebung von 
Gefinnungen fähig jind, aljo in erjter Linie die Poejie, in den 
Dienſt jozialer Ideen treten. Mit wenigen, ungemein glüdlich ge: 
wählten Beifpielen belegt Burdhard diefes Verhältnis: er zeigt, wie 
die Dichter der früheiten Zeiten auch am wenigſten ethiſch oder 
jozial geartet jind, indem fie vor allen folche Eigenſchaften preijen, 
welche zunächſt nur für den individuellen Träger jelbjt vorteilhaft 
erjcheinen, wie aber jehr bald aud) im engeren Sinne jittliche 
Anlagen und Dandlungen Gegenjtand Dichteriicher Verherrlichung 
werden, wie die Poeten des abendländiichen Diittelalter8 mit den— 
jenigen des alten Orients im Xobe der Freigebigkeit wetteifern, 
wie unter dyrijtlichreligiöjem Einflujje die Milde und Barınher- 
zigfeit gefeiert wird, — furz wie man in der Poejie mehr und 
nıehr das Bewußtſein des Wertes von Antrieben verrät, welche 
die jozialen Gegenfäte zu verjöhnen und auszugleichen oder wenige 
tens zu mildern bejtimmt jind. Noch jpäteren Entwicklungs— 
phajen gehört eine von Burdhard ebenjo kurz als treffend charaf: 
teritierte Kunſt an, welche jcheinbar denen ihrer Norgängerinnen 
gerade entgegengejette Ziele verfolgt, indem jie überhaupt nicht 
Vorzüge und Tugenden, weder individuelle, mod) joziale, jondern 
Drängel, Schwächen und Xajter zum bevorzugten Gegenftande ihrer 
Darftellungen mad)t, jo daß der oberflächlich Urteilende jich verjucht 
fühlen möchte, bei ihr geradezu eine Stellungnahme zu unten 
des Schlechten und Umjittlihen zu vermuten. Wer jedoch in den 
Sinn der feinen Augerungen Burdhards iiber diefe Kunſt eindringt, 
der begreift jofort, dan der Schein trügt: einerjeitS will die leb— 
hafte, jelbit grelle Schilderung des XYafters zur Befeitigung oder 
doch Eindämmung desjelben anſpornen — beiläufig gejagt, gebt 
diefe Tendenz jchon daraus hervor, dap neben dem moralifch Ver» 
werflidhen in mindejtens gleichem Umfange und ımit genau dem 
nämlichen Cifer, der nämlichen Treue auch andere, fittlich indiffe- 
rente Übel: phyjiiche Verkümmerung, Yeiden und Gebrecdhen aller 
Art geichildert werden, für die eine bejondere Neigung bei den 
Künftlern vorauszufeken vernünftigerweile doch nicht angienge — 
und amderjeits entipringt das kecke Zichhinmegjeken über jittliche 
Schranfen in manden Fällen der vielleicht irrigen, aber immer: 
hin ehrlichen jubjektiven Uberzeugung, das diefe Schranten, dieſe 


Hugo Spiter, Aftyetif, Sozialpolitik und Entwicklungslehre. 451 


geltenden Normen in Wahrheit gar nicht fittkich find, weil fie dem 
fetten und höchſten Ziele alles ethiſchen Lebens widerjtreiten, tft 
alfo der Kampf gegen bie herrſchende Sittlichkeit ſelbſt von 
moraliſchen Motiven geleitet. Es wäre darum nicht minder thöricht 
als ungerecht, dieſe eigenartige, faſt ſtets auch in dem äſthetiſchen 
Princip des Naturalismus wurzelnde, eine Vorliebe für den Reiz 
des Charakteriſtiſchen, im Gegenſatze zum Zauber der reinen Schön⸗ 
heit, an den Tag legende Kunſt ethiſch in Bauſch und Bogen ver- 
urteilen und ihr ohneweiterö da8 Brandmal der Immoralität auf- 
drüden zu wollen; aud) dann würde dies nicht erlaubt fein, ja 
dann erjt recht nicht, wenn auf ihre ſämtlichen Erſcheinungen 
ohne Ausnahme das Kriterium paßte, welches Burdhards Effay für 
die fragliche Richtung angiebt, wenn jie nämlich, zwar nicht in 
“ihrer Vorftellung von dem fittlichen Endzwed, wohl aber in der 
Anſicht von den Mitteln zu deffen Erreihung, in tiefgreifender 
DOppofition gegen die ältere Kunſt ftünde, jofern ihr die zur Wohl⸗ 
fahrt Aller führende foziale Ausgleichung nur durch eine gründliche 
Anderung der Gejellichaftsverfafjung, einen Umfturz aller beftehenden 
Verhältniffe erreichbar fcheint, wogegen nad ihrer Meinung die 
[reine lige, mildthätige Abgabe vom Überfluß an die Dürftigen in 

Anbetracht jenes Zieles immer verfagen müßte. - Eine folhe An- 
Ihauung, welche auf dem Gedanken ruht, daß es möglich fei, durch 
äußere, recdhtlich-öfonomifche Inſtitutionen das ethifche Ideal zu 
verwirklichen, die Glüchſeligkeit Aller herbeizuführen, mag lächerlich, 
kindiſch, utopiſtiſch — man braucde derartige Ausdrüde, fo viel 
man will! — fein, mag von einer gänzlichen Verkennung der wahren 
Quellen des menſchlichen Glückes Zeugnis ablegen, — unfittlich ift 
fie gewiß nicht; ja, der kühne Gedanke, welchen Burdhard mehr 
andentet als ausipricht, daß die radikal⸗ſoziale Kunft, weit entfernt, 
ein Zeichen jittlichen Verfalles vorzuftellen, vielmehr nicht nur einer 
jpäteren, jondern auch einer höheren Stufe der ethifchen Entwidlung 
entiprehe und auf eine Kräftigung des moralifihen Bewußtſeins 
ſchließen laſſe, jcheint in der That unanfehtbar; denn es ſpringt 
in die Augen, daß das fittlihe Gefühl um fo lebhafter auf mora- 
(ifche Übel jeder Art reagieren muß, je feiner und ftärfer entwidelt 
es ift, fo daß bei höherer Ausbildung diejes Gefühle BZuftände, über 
die fi der rohe und ftumpfe Sinn gleichgiltig hinwegſetzt, bereits 
als unerträglide empfunden werden. Gerade die volllommenere, 
wärmere, fraftvollere Sittlichleit aljo wird Berhältnifie, welche von 
dem ethiichen Ideal weit abliegen, mit allen, jelbft den gewalt- 
jamften Mitteln zu ändern den Drang fühlen, wenn nicht die Hare 
Berftandeseinficht in die Unmöglichkeit einer völligen und fofortigen 
Verwirklichung des Ideals al8 Dämpfer oder Hemmſchuh wirkt. 

29 * 


452 Hugo Spitzer, Äſthetit, Zozialpolitit und Entwicklungslehre. 


Es zeigt ſich hier, wie wichtig es ijt, die verjchiedenen Geſichts— 
punfte moralifcher Beurteilung auseinanderzuhalten. Schon durd) 
Jodls Eſſay: „Morals in history’ ijt die doppelte Bedeutung klar 
gemacht worden, welche dem Begriffe des jittlichen yortichrittes 
zukommt. Diejer Fortſchritt kann in der Vervollkommnung. Yäus 
terung, Qeredelung der fittlichen Principien bejtehen, in ihrer all: 
mählichen Annäherung an dag jittliche Ideal, das heißt in der immer 
befieren Eignung zur Herbeiführung der Verhältniſſe, welden das 
moralijche Yeben mit innerer Notwendigkeit als jeinem legten Ziele 
zuftrebt; es fann aber umter ſittlichem yortichritte aud) einfad) das 
Zunehmen der relativen Zahl jener Perjonen verjtanden werden, 
die den jeweils herrjchenden Meoralgrundjägen gehorchen, ihnen 
nachleben und jie in Thun und Laſſen verwirklichen, gleichgiltig, wie 
viel oder wie wenig dieſe Grundjüge jelber wert find, ob fie einer 
hohen oder niederen Stufe der ethiichen Entwicklung entiprechen, 
ob jie in der geraden Bahn Liegen, die zum ethiichen deal hin: 
führt, oder einen Abweg vorftellen, der von der civilijierten umd 
gejellichaftlid) organijierten Menſchheit fraft der unaufhebbaren Be: 
dingungen ihres Beitchens und Gedeihens wieder verlafjen werden 
muß. Dieje beiden Arten des moraliichen Fortſchrittes jtchen jelbit: 
verjtändlid) im feinem inneren Zujammenhange und jind durchaus 
unabhängig voneinander. Dean begreift ohmeweiters, wie eine 
progrejjive Entwicklung der ethiihen Normen in dem Zinne jtatt: 
haben fanı, day ſich dietelben als immer tauglichere, verläßlichere 
Mittel zur Erreichung des unbewußt verfolgten ethijchen Ideals 
bewähren, ohne dar im Xerbälinis zur Geſammtbevölkerung die 
Summe der Individuen wächit, weldye dieien Normen fich willig 
unterwerfen und fie mit Ztrenge in ihrer Yebensgeftaltung durch— 
führen, und wie umgekehrt die Anzahl der gewiiienhaften, vor den 
ethiichen Xorichriften ich beugenden, das Sittengeſetz in ihrem that» 
jächlichen erhalten jo rein als möglich ausprägenden Menſchen 
ſich erhöben kann, ohne dar das Geier, welches auf jolche Weile 
mehr Gehorſam findet als zuvor, telbit ein beijeres, der inneren 
Entwicklungstendenz der menſchlichen Geſellſchaft gemäßeres würde. 
Ja. man könnte von vorneherein vielleicht ſogar eher einen gewiſſen, 
wenn auch nur zeitweiligen Antagonismus dieſer beiden Formen 
moraliſchen Fortſchrittes vermuten. Denn es ſcheint eine ziemlich 
plauſible Annahme, daß gerade dann, wenn die Menſchheit irgend⸗ 
wo dem Ideal beträchtlich näher rückt, wenn sich ihr ethiicher 
Horizont dank dem Auftreten ſittlich genialer Perjönlichkeiten mit 
einem Male in gewaltigem Umfange erweitert, wenn daher ein 
Kampf zwiſchen alter und neuer Zittlichleit entbreunt, — daß dann 
eben infolge dieſer unvermeidlichen irren und Konuflikte der 


Hugo Spitzer, Äſthetik, Sozialpolitit und Entwicklungslehre. 453 


moraliſch tüchtige Bevölferungsbruchtheil, die Menge der redht- 
ichaffenen, im einen oder anderen, im alten oder neuen Geifte 
fittlich guten Individuen hinter der relativen Ziffer zurüdbleibt, 
die früher erreicht wurde, wo eine einzige Richtſchnur Allen vor 
Augen jtand, wo man nicht fürs Vergangene oder Gegenwärtige 
jich zu entjcheiden gezwungen war, eine ſolche peinliche Wahl viel- 
mehr dem Menfchen eripart blieb und daher auch Zweifel an der 
Berechtigung fittlicher Gebote überhaupt feine Nahrung fanden. 
Danad) aljo müßte geradezu gejagt werden, daß die zwei Formen 
der ethiichen Perfektion unſeres Gefchlechtes nicht bloß nicht Hand 
in Hand gehen, jondern daß im Gegenteile die Erhebung des 
fittlichen Niveaus in der einen mit der wenigftend vorübergehenden 
Herabdrüdung desjelben in der anderen Hinſicht unvermeidlich 
verfnüpft jet. 

Aber, wie dem auch jein möge, die Unterjcheidung der beiden 
Begriffe an und für fich ift jedenfall von der allergrößten Be- 
deutung. Nur der Mangel eine Bewußtſeins der völligen Differenz 
defien, was man aud wohl als objektiven und fubjeftiven fittlichen 
Wert bezeichnen Fönnte, hat jene Irrtümer verjchuldet, denen jelbft 
Moralphilojophen eriten Ranges vor noch gar nicht langer Zeit 
anheimgefallen find. Beneke hätte in feiner „Srundlegung zur Phyſik 
der Sitten” unmöglich die jeltfame Lehre vortragen können, daß 
nicht nur ein aller höheren Antriebe bares, lediglich „den Genüffen 
der Gaumenluſt“ gewidmetes Leben, fondern ſogar herzlofer Ego⸗ 
ismus, der ſich um fremden Schmerz und fremde Luſt nicht kümmert, 
unter Umſtänden, nämlich bei grob hedoniftiſchen oder brutal ego⸗ 
iftiſchen Grundſätzen des ſo Lebenden und Geſinnten, zwar Wider⸗ 
willen, ja vielleicht Haß erwecke, jedoch der ſittlichen Beurteilung 
nicht unterliege, alſo nicht ſittlichen Tadel herausfordere, wenn der 
Philoſoph dieſe Beurtheilung nicht ausſchließlich bloß auf die jub- 
jettive Seite, da8 Maß der Unterwerfung unter die anerfannten 
und vom Individuum ſelbſt firierten Prinzipien eingeſchränkt hätte. 
Nur deshalb, weil Benefe das objektive Moment in der Schätung 
der Sittlichkeit und des fittlichen Fortſchrittes ignorirte, durfte er 
den paradoren Sag ausſprechen, daß, jo lange der Menjch „ſtreng 
nach feiner Wertgebung handelt”, „ihn wohl der Vorwurf des Unedeln, 
oder des Thierifchen, oder der eigenliebigen Beſchränktheit, aber nicht 
der der Unfittlidjfeit treffen“ könne. Benele hat damals eben — um 
die Begriffsfaffungen des einen durch die eines’ anderen Denkers 
zu erläutern — die Sittlichfeit ausschließlich in die „innere Freiheit" 
gejegt und dieje allein von den fünf ethifchen Ideen Herbarts zum 
Fundament jeiner Moralphilofophie gemacht. Weil er fich aber 
ichließlich doch der Einficht nicht ermwehren konnte, daß eine Wert- 


454 Hugo Spiker, Äſthetik, Sozialpolitit und Entwicklungslehre. 


gebung nod) unter anderen Gejidytspunften als dem der inneren 
Freiheit jtattfindet, daß auch der Egoijt aus Prinzip verächtlid) und 
der ohne bewußte Grundfäge, bloß aus feiner Natur heraus, groß- 
herzig und edel handelnde Menſch bemunderungswiürdig ift, jo blieb 
ihm nichts übrig, al8 mehrere Maßjtäbe für die Beurtheilung des 
Meenjchenwertes — natürlid) abgejehen von der thatſächlich außer— 
ethiſchen Schätzung der intellectnellen und phyſiſchen Tüchtigfeit, 
der ſocialen Poſition und der äſthetiſchen Vorzüge — anzunehmen, 
ja ſogar „Tugenden“ zu ſtatuieren, die ſich nur auf die „Wertgebung“ 
und „Lebensanſicht“, aber nicht auf die „Sittlichkeit“ beziehen. 
Damit verwandelte ſich nun freilich die ganze Neuerung im Grunde 
aus einer jachlichen in eine blog terminologijche und zudem kann 
eine Terminologie wohl nicht jehr glüdlih genannt werden, die 
höchft wertvolle „Tugenden“ aus dem Wereiche des Ethiichen aus- 
ichliegt, die von menſchlicher „Güte“, menſchlicher „Vollkommenheit“ 
ſprechen heißt, welche mit „Sittlichkeit“ nichts zu thun haben. 
Derartigen Mißgriffen, wie ſie noch Beneke in ſeiner ethiſchen 
Erſtlingsſchrift begangen, iſt jetzt für alle Zeit vorgebeugt und die 
Moralphiloſophie hat durch die ihr von Jodl dargebotene Formu— 
lierung zweifellos einen ihrer größten prinzipiellen Fortſchritte 
vollzogen. Aber ſelbſt mit der Trennung jener beiden Vegriffe der 
moralijhen Menſchheitsentwicklung it noch nicht alles geleitet, 
dejien es zum Werftändnis für die jo verwidelten Erjcheinungen 
des Jittlichen Yebens, fiir die überaus feinen und zarten Nuancen, 
welche jid) im der Sphäre der Moral dem forichenden Geiſte dar: 
bieten, bedarf. Die Haren Beſtimmungen jener Jodlichen Abhandlung 
fordern noch eine Ergänzung nad anderer Nichtung nnd finden 
dietelbe auch faktiſch in Nonzeptionen, welche längit Gemeingnut der 
wiſſenſchaftlichen Ethit geworden find. Nicht blon Jodl jelpit hat 
in hiſtoriſch-kritiſcher Darſtellung oft und oft gezeigt, dag es eine 
der vornehmſten Aufgaben des Meoralpbilojophen it, das den fitt- 
lihen Norichriften entjprecbende Dandeln von der jittlichen Ges 
ſinnung zu unterſcheiden: vielmehr iſt die Unerläßtlichkeit dieſer 
Sonderung wirklich ſchon ſeit Langem faſt von allen Ethikern 
anerkannt md mm der alten Entgegenſetzung von Moralität und 
Yegalität wenigitens theilweiie zum Ausdrucke gebradt worden. 
Dies führt aber neuerdings zur Differenz von objektiv und ſub— 
jchiv Zittlibem, wenngleich in ganz  verjchiedener Bedeutung. 
Begründete dort der Umſtand, dap das jittliche Ideal fid) vervoll: 
fommmen, das Map der Dingebung an dasielbe aber gleichbleiben 
fann und umgekehrt, die Nothwendigkeit solcher Diſtinktion, fo 
ergiebt sie Tuch hier im anderer Geſtalt, das heint mit anderem 
Begrifisinhalt aus der Thatſache, day, ſoſern das jittlihe deal 


Hugo Spiter, AftHetif, Sozialpolitit und Entwidtungslehre. 455 


oder das summum bonum als ein durch gewiſſe äußerliche Ber- 
haltungsweifen zu verwirflichender, aber bie lebendige ſittliche 
Gefinnung nicht ſchon wie bei Gizycki nach deffen zweiter Formu ⸗ 
lierung in ſich ſchließender Zuftand — fei e8 ais Benthamſche Ma⸗ 
rimiſalion der Luſt, ſei es als gereätefe Verteilung des Glückes 
unter die Einzelnen — gefaßt wird, die dem nämlihen Ideal Zu⸗ 
ftrebenden aus fehr verfchiedenen, fittlich mehr oder minderwertigen 
Motiven um die Herbeiführung diefes Zuſtandes fi) bemühen 
Können. Zufällige Verhältniſſe werden es gewiß oft mit ſich bringen, 
daß Mancher, von bloßem Eigennug oder noch ſchlechteren Bewweg- 
gründen getrieben, fi) in den Dienft des ethifchen Ideals Stellt, 
an der Nealifation de summum bonum arbeitet, und in dieſem 
Falle wird felbft der objektive Wert der Grundfäge, nad welden 
der Erfolg des Handelns als ſittlich wünſchenswert oder fittlich 
bedauerlich beftimmt wird, wird felbft die Güte oder Entwicklungs⸗ 
höhe der herrſchenden Sittlichkeit alfo dem Verhalten einen fubjeltio 
ethiſchen Wert zu verleihen außer ftande fein. So Tann, je nachdem 
man fid) an die eine oder die andere der beiden Bedeutungen hält, 
fowohl die Möglichkeit des Vorhandenfeins fubjeltiver beim gleich 
zeitigen Mangel objektiver als aud) umgelehri diejenige des Be— 
ſtandes objeftiver ohne wahre fubjektive Sittlichfeit behanptet werden. 
Menſchen können von tiefjter jubjeltiver Moralität erfüllt, von der 
größten Rechtfchaffenheit durddrungen fein, jo daß fie nichts gegen 
ihr Gewiffen thun und ſich lediglich von den durch die Moral 
ihrer Zeit und ihres Volkes janktionierten Antrieben leiten laſſen, 
und doch können, wenn eben die Feit- und Sandesmoral wenig 
taugt, das heißt einer niederen Stufe der Evolution des fittlichen 
Bewußtjeins entipricht, die Beſtrebungen dieſer Perjonen injoferne 
objektiv unmoralifch fein, als fie ſich nicht auf das Ziel richten, 
welches, vom höchften gejchichtlichen umd philofophiichen Standpunkt 
betrachtet, da8 wahre Endziel der ethiſchen Menjchheitsentwiclung 
vorftellt. Nach der anderen Bezeichnungsweiſe darf im Gegenteil, 
wenn der Zwed des Strebens, losgelöt vom den Motiven, aljo 
genauer und richtiger geredet: der faktiiche Totaleffeft der gewoliten 
oder gewünfchten Handlungen and) nur durch die augenblicdtich in 
Geltung ftehende Sittlichkeit, Feineswegs jedoch durch das Zufammen- 
treffen mit_der Grundtendenz alles ethiſchen Lebens legitimiert 
wird, das Streben nod immer objeftiv füttlicd, heißen, ohne daß 
es hierdurch im mindeften einen Anjprud auf jubjeftive Moras 
lität erlangt, fall es nicht auch aus moralifchen Geſinnungen her— 
vorfließt. Denn bei der umnentbehrlichen Gefühlsgrundlage bes fitt- 
lihen Handelns wird fein noch fo Außerlicher Wtilitarismus es zu 
einer derartigen Deaterinlifation des höciten Gutes bringen, daß 


456 Hugo Spitzer, Äſthetik, Sozialpolitik und Entwicklungslehre. 


der Unterſchied der Motive gleichgiltig wird; ſeine eigenen Voraus— 
ſetzungen würden ihn Lügen ſtrafen, wenn er ſo weit ginge, eine 
aus gemein egoiſtiſchen und eine aus altruiſtiſchen Gründen zu— 
wege gebrachte Vermehrung des allgemeinen Wohlſeins ſittlich 
gleich zu taxieren: müßte ja doch die in ſolcher Schätzung liegende 
Billigung des nackten Egoismus, ſobald ſie allgemein geworden 
wäre oder nur überhaupt das Verhalten der Menſchen zu beein— 
fluſſen angefangen hätte, im kürzeſter Zeit die Ichweriten Schädi— 
gungen des Gemeinwohles nad) ſich zichen und auf dieſe Weiſe den 
Ultrabenthamijten auch ſchon von der Unhaltbarkeit jeiner Poſition 
überzeugen. 

Gleichwohl läßt ſich eine gewiſſe Diskrepanz zwiſchen den 
Thatſachen, worauf die erſtere, und denjenigen, worauf die zweite 
Unterſcheidung von ſubjektiver und objektiver Moralität beruht, 
oder zwiſchen dem Endzweck der Moral und den ihr allein zur 
Verfügung ſtehenden Mitteln nicht in Abrede ſtellen. Jenes Ver— 
hältnis nämlich, durch welches die Tendenz aller Sittlichkeit auf 
Herſtellung möglichſt allgemeiner Wohlfahrt verdeckt und ſcheinbar 
verleugnet wird md welches man am beſten die unvermeidliche 
teleologiſche Iuſuffizienz der ſittlichen und der Rechtsnormen nennen 
könnte, entſpringt aus zwei Urſachen, deren eine in dem allgemeinen 
Gebots-, beziehungsweiſe Verbotscharakter der beſtimmten, auf 
änßere Akte bezüglichen vechtlich-jittlichen Vorſchriften, die andere 
jedoch eben in der Notwendigkeit nicht bloß des die freiwillige 
Unterordnung unter dieſe Vorſchriften bewirkenden Pflicht- und 
Ehrgefühls, ſondern auch der mannigfachen natürlich-altruiſtiſchen 
Gefühle für die Realiſierung der ſittlichen Lebenszwecke liegt. Es iſt 
klar, daß die ſtrenge Allgemeinheit der ethiſchen und zumal der in 
dieſen enthaltenen juridiſchen Geſetze im Einzelfalle oft genug die 
Glücksſumme vermindert, Ttatt fie zu vermehren, alio der vollitän= 
digen Erreichung des ſittlichen Endziels entgegenficht, und daß fie 
doch andererjeits, wie parador es auch klingen mag, gerade wieder 
durch dieſes Endziel bedingt wird, aus dem einfachen Grunde, 
weil man die Beſtimmung des definitiven Luſteffektes einer Dandlung 
für die Geſamtheit unmoglid dem ſchwankenden, unzulänglichen, 
häufig trügeriichen Urteile des Einzelnen überlaſſen kann, ein fitt- 
liches Univerjalgebot: „Pandle je, day aus deinen Ihaten möglichſt 
viel Glück und eine möglichſt vollfommene Ausgleihung der Glüds- 
güter emtipringt“, ohne beiondere Vorſchriften, in denen fidh 
gleihiam die Erfahrung der Wenerationen über die Durchſchnitts⸗ 
wirfungen gewilier Maßnahmen verdichtet, demnach im hödjiten 
Grade gefährlih wäre. Ta ſieht iich denn die Geſellſchaft gezwungen, 
wirklich jolche ipecielle Normen aufzuitellen, deren PBerolgung zwar im 


Hugo Spitzer, Afthetit, Sozialpolitit und Entwidiungsiehre. 457 


einzelnen nicht ſelten ihre legte Abficht verfehlt, aber nach dem Zeugnis 
der Geſchichte, nach den der ethijch-juridifchen Legislation zu Grunde 
liegenden Wahrnehmungen vieler Geſchlechter doch wenigftens im 
großen Ganzen diejer Abficht gerecht wird und die allgemeine Wohl- 
fahrt erhöht, während bei Abwefenheit der Normen die Zahl der 
ſchmerzvollen Zujammenftöße zunehmen, da8 Glück aller daher 
troß einzelner Vorteile und Bequemlichkeiten fich verringern müßte. 
Gäbe es Fein Gebot: „Du folljt nicht jtehlen”, das graufam und 
unerbittlich in jedem Fall ftrengite Beobachtung heiſcht, fo würde 
ſicherlich manche Dual gemildert, manches Elend befeitigt werden, 
da der Arme von dem Überfluß des Reichen fo viel, als er eben 
benötigt, fid) aneignen dürfte; fehlte aber überhaupt der Begriff 
des Eigentums und damit die Notwendigkeit des unbedingten Dieb- 
ftahlverbotes, jo würde, indem Jeder fein Bedürfnis für dringlicher 
hielte als das der Andern, ein Kampf Aller gegen Alle entbrennen, 
mit einem Gefolge von Leiden, welches denn doch noch viel 
jhlimmer wäre als alles Ungemach, das die Inſtitution des Eigen- 
tums und die darin begründete Allgemeinheit des juridifchen Ge⸗ 
ſetzes mit fich bringt. Und zur Allgemeinheit gehört auch die ftreng 
verpflichtende Kraft. Mit bloßen Ratjchlägen der Gemeinjchaft an den 
Einzelnen, beitünden fie gleich in dem Rate, einer Negel ſtets und 
ausnahmslos, alſo nicht nur, wo ihr Wert jichtbar ift, zu folgen, 
wäre wenig genügt: man würde jie beachten oder in den Wind 
ichlagen, je nachdem fie unferem das Urteil immer täufchenden und . 
bejtehenden Eigennutz gerade zufagten oder nicht: das foziale Inter⸗ 
eife bedarf deshalb der harten, ftrikten, rückſichtsloſen Forderungen, 
damit die Quelle des Leids nicht noch viel reichlicher fließe, als es 
diefes erbarmungsloſe Geſetz will, damit das Kleinere Übel nicht 
durd) ein ungleid) größeres verdrängt werde. Es ift Kants unjterb- 
liches Verdienſt, diefe Allgemeinheit der Rechts⸗ und Gittengejete 
oder, was dasjelbe bejagt, das Vorhandenfein beftimmter, unbedingt 
geltender Normen auf ethifchjuridiichem Gebiete mit ſolchem Nach» 
drucke wie fein Philoſoph vor ihm betont zu haben. Hatte der große 
Denker ſchon in den „Beobachtungen über da8 Gefühl des Schönen 
und Crhabenen“ das Moment der materialen Allgemeinheit 
der fittlichen Pflichten, wie es wenigitend für die chriftliche und 
humane Ethik gilt, hervorgehoben, das Heißt jene Eigenſchaft 
derjelben, fraft deren fie Berüdjichtigung des Intereſſes Aller und 
nicht bloß des Wohls und Wehes diefer oder jener Perſon fordern, 
und hatte er aus eben diejem Umftande die Notwendigkeit der feiten, 
unbeugjamen jittlihen Grundfäge jo wie eines diefe Grundſätze 
tragenden äfthetijch-moralifchen Gefühls abgeleitet, weil die weichen, 
allzu impreffioniftifchen Qugenden des „Mitleids* und der „Gefäl- 


458 Hugo Spitzer, Äſthetik, Zozialpolitif und Entwidlungslehre. 


ligfeit“ mehr von dem Gegenwärtigen und Nahen gerührt werden, 
das Zufünftige und Ferne jedoch viel weniger zur Triebfeder für 
Handlungen nehmen, ſonach bei ausjchlieglicher Herrſchaft über das 
Gemüt allerlei Ungerechtigfeiten erzeugen und jene gebotene Richtung 
anf daB Geſamtwohl vermifien laſſen, — hatte ſolcherart Kant ſchon 
1766 die materiale Allgemeinheit der ſittlichen Pflichten in helles 
Licht geitellt, jo war ebenfalls bereit3 vor der Abfaffung des erjten 
jeiner kritiſchen Hauptwerke die formale Allgemeinheit der Eitten- 
gejeße und die ganze Bedeutung des Problems, welches diejer for: 
male Charakter der rechtlidy-ethiichen Normen einjchließt, von dem 
Philofophen erfannt worden. Aber nicht nur auf das Problem wies 
die in den „Rorlefungen über die Metaphyfif”, weldye man trog 
Arnoldt und Thon wohl in die GSiebzigerjahre wird verlegen 
müffen, gebotene Formuliernng des oberiten Moralprinzipg oder, 
was für Kant eins war, die Definition der Würdigkeit, glüdijelig 
zu fein, jehr deutlich, werm gleich nicht mit ausdrücklichen Worten 
hin, and) die einzig mögliche Löſung des Problems, die einzige 
nämlich, zu der man gelangt, ohne den beredjtigten eudämoni— 
ſtiſchen Standpunkt verlajien zu müſſen, hatte Sant damals 
ſchon gefunden. Die erwähnte ?yormulierung des Moralprinzips 
in dem Satze: „Wenn wir uns jo verhalten, daR daraus, wenn 
ſich Jedermann to verhielte, die größte Glückſeligkeit entipringen 
würde, dann haben wir uns jo verhalten, daß wir der Glück— 
jcligfeit würdig find“, enthält in der That dieſe Löſung, wie fie 
durch feine bejiere, vollfonmenere erjegt werden kann, und vergleicht 
man damit die Ausführungen des Abjchnittes: „Yon dem deal 
des höchſten Gutes“ in der „Kritik der reinen Qernunft“, jo muß 
man die beſtimmteſte Lberzeugung gewinnen, dan tticht etwa die 
Unvereinbarfeit der Allgemeinheit und jchlechthin verbindenden Kraft 
der Zittengejege mit dem berechtigten, univerſellen Eudämonismug, 
jondern vielmehr das WBeitreben, neben dieiem univerjellen auch den 
jeinem Weſen nach antierbiihen, individuellen, egoiſtiſchen Eudä— 
monismus zu retten, Kants ZIweifel an der Zulänglichkeit des fo 
glücklich entdeckten Prinzips wachrief und die verhängnisvollen Kon- 
zeilionen an die Theologie veranlaßte. In um jo jeltiamerem Gegen» 
iate zu Dielen unbewußten und uneingeitandenen, aber mittelft 
religiöfer Noritellungen zweifellos durchgeführten Verſuche einer 
Anfrechtbaltung des egoiſtiſchen Eudämonismus jteht die andere 
Seite in der Fortentwicklung der Rantichen Ethik, jene Wiederauf- 
nahme und eigenartige Umprägung der ichon 1764, wenn aud) 
unter anderem Namen gebildeten und zum Zchluiie der „Unter— 
ſuchung über die Teutlichfeit der Grundſätze der natürlichen Theo» 
logie und der Moral“ dargelegten Konzeption eines fategoriichen 


Hugo Spitzer, Äſthetik, Swiepalitit und Entwidiungslehre. 459 


Imperativs, einer „Notwendigkeit der Zwecke (neresmitas legalis)”, 
wie e8 damals bei Kant hieß, das heißt eines unbedingten, wicht 
bloß Hypothetiichen Sollens — jene Umprägung diefer Konzeption, 
die Schließlich zur vollfommenen Formaliſierung und Rationalifierung 
der Ethik und Entleerung alles Gehalts aus den fittlihen Begriffen 
führte. Es kann jedoch nicht eindringlich) genug gejagt werden, daß 
die ftrenge Allgemeinheit der vechtlich-fittlichen Normen nur auf 
denn Boden des Eudämonismus ein intereffantes, ernftes, hoch⸗ 
wichtiges Problem it; denn nur, wenn man des Zwieſpaltes inne 
wird, der zwilchen den Konfequenzen des formalen Charakters der 
Geſetze und dem eudämoniſtiſchen Endziele der Sittlichfeit befteht, 
fann und muß fich die Frage erheben, ob man troßdem an der 
Auffaffung der Moral: und Rechtsgebote als eines Syſtems von 
Mitteln zur Erreichung diefes Endziels fefthalten dürfe, thürmt fich 
fomit eine Schwierigfeit auf, die mit allen Kräften überwunden 
werden muß. Für die apriorijtiidy:rationaliftifhe Ethik ift die All- 
gemeinheit der Rechts- und Sittengefege jelbftverjtändlich, aber eben 
darum aud) bedeutungslos und des Nachdenfens nicht wert. 

Schon diefe Normen von allgemeinem Befehlscharafter und mit 
ganz bejtimmten Inhalte bedürfen nun, um wirffam zu werden, 
das heit um ſich Befolgung zu erzwingen, eines emotionellen Faktors, 
einer Gefühlsgrundlage, ob man fie Pflichtgefühl, Achtungsgefühl, 
Gewiſſen oder anders nenne. Die gefellichaftliche Einrichtung, daß 
die Übertretung mancher Gejege mit Strafen belegt wird, könnte 
ihnen nod) lange nicht den im Gefamtinterefje erwünfchten Gehorfam 
Ichaffen, wenn nicht auch dort, wo es leicht fcheint, der Strafe zu 
entgehen, das Pflicht oder Nechtsgefühl zur Einhaltung der Gebote 
nötigte. Ka, die Strafen felber wirken, je höher die Civilifation 
entwidelt ift, un jo weniger durch das, was fie an unmittelbarer 
und eigentlich realer Pein enthalten, und um fo mehr durch die 
Scheu des zu Beitrafenden vor dem Schimpfe, der Ehrenkränkung 
abihredend; fie ſetzen auf folchen Kulturftufen alſo bereits eine 
nıoralijche oder wenigitens für die Moral verwertbare, wichtige und 
jelbjt unentbehrliche Gefühlsanlage voraus, um ihrem Zwecke ent» 
Iprechen, ihre wohlthätige Beſtimmung in vollem Umfange erfüllen 
zu können. Allein mit dem Pflicht: und Ehrgefühl, deren Genefts 
zu erörtern hier Raum und Anlaß fehlen, ift es offenbar nicht 
gethan, foll die Sittlichfeit über die dürftigften und roheften Anfänge 
hinausgelangen und fich zu fchönerer, reicherer Blüte entfalten. Auf 
dem bloßen Rejpeft vor den in der nächften Umgebung herrichenden 
Anſchauungen von Gut und Böſe, ohne ftete Inanſpruchnahme der 
altruiftiihen Gefühle und forgfältigfte Pflege derjelben, kann ſich 
wohl die Moral wilder und barbarischer Völkerſtämme, aber gewiß 


460 Hugo Spitzer, Äſthetik, Sozialpolitik und Entwicklungslehre. 


nicht die höchſte, die chriſtliche und modernhumane Sittlichkeit auf— 
bauen. Sogar Kant, der Ethiker des ſtarren Pflichtgefühls, hat in 
jener äſthetiſchen und charakterologiſchen Schrift aus dem Jahre 1766, 
welche für wahre Tugenden bereits ausjchlieglich die in der reinen 
Achtung vor den ſittlichen Grundſätzen wurzelnden erklärte, Meitleid 
und Gefälligfeit wenigitens als „adoptierte Tugenden” gelten lajjen, 
ohne deren Hilfe es die Moral nie zu lebendiger Wirkſamkeit bringt, 
während ihm der Ehrgeiz trog der kaum geringeren Brauchbarkeit 
für die Durchſetzung der ethiſchen Gebote nur ein „Tugendſchimmer“ 
zu heißen verdiente, und er Hat aud) jpäter, im jeiner Fritiichen 
Periode, wie ſehr ſich gleich die Eimjeitigfeit feines ethiichen Rigoris— 
mus fteigerte, die bedeutjame Rolle diefer Affekte nicht völlig verfannt. 
Allerdings — aud) darin tritt vielleicht etwas von diejer Einjeitigfeit 
zu Zuge — umſchrieb er den Kreis der „vollkommenen“ Pflichten 
jo, day mur diejenigen, welche beitinmte, fcharf zu kennzeichnende 
Verhaltungsweiſen vorichreiben und deren Verletzung aljo ein un— 
bedingtes Verbot treffen kann, darin befaßt Waren, und rechnete er 
hingegen die Forderungen, die aus dem fittlichen Wert der altrui— 
ſtiſchen Gefühle ſich ergeben, wenn jchon nicht dieſe allein, zu 
den „undollfommenen Pflichten“. Aber dieſe Bezeichnungeart liege 
jidh mit ebenfo gutem, ja beilerem Rechte umkehren. Die Gebote, 
deren Alberjchreitung jelbit das Strafgejeß ahndet, enthalten freilid) 
die erjten, elementariten, für die Aufrechthaltung der gejellichaftlichen 
Ordnung annerläglichiten und inſoferne „vollkommenſten“, allein 
andererjeits doch auch wieder die niedrigiten, unvollfonmenften 
Pflichten, jenjeits deren Bereiches erit die ſpecifiſch moraliſche Sphäre 
beginnt, wein man die Sittlichfeie im engeren Sinne und das Redıt 
einander gegenüberjtellt. Tas Necht gebietet Dandlungen und Unter— 
laſſungen, die Sittlichfeit beriehlt oder empfiehlt Geſinnungen; das 
Recht jagt: „Du darfit nicht jtchlen, nicht defranudieren, nicht miorden, 
dich feiner Bigamie ſchuldig machen“, die Zittlichkeit mahnt zu 
Treue, Dankbarkeit, Deildberzigfeit, Wohlwollen; durd) das Recht 
wird uns jedesmal ein beitimmmter Auftrag erteilt, durd) die Sittlich— 
feit ein Feld zugewieſen, das wir im der mannigfachſten Weiſe 
bepflanzen und beadern können. Das altruiſtiſche Gefühl in jeinen 
verichiedenen Zondergeltaltungen, welches jo unleugbar ein Fundament 
der Moral, obgleich feinesiwegs, wie Schopenhauer, und noch dazu 
von einem einzigen Specialtypus dieies Gefühls, angenommen hat, 
das ganze Fundament derielben ausmacht, ift nun, wie gejagt, gleidy- 
falls eine Tuelle deiien, was zuvor die teleologiiche Inſufficienz des 
ethiichen Yebens genannt wurde Es verleitet uns fort und fort, 
mehr von dein eigenen Intereſſe preiszjugeben, als der andere durd) 
jolhe Preisgebung gewinnt; es treibt uns zu Opfern für Unwürdige 


Hugo Spiter, Äſthetik, Sozialpolitit und Entwicklungslehre. 461 


und fügt dann zu dem Bedauern über die Erfolglofigfeit unferer 
Anftrengungen den Schmerz des erlittenen Undankes; es macht uns 
dadurch), daß es uns verführt, das Kleine Leid des Einen mit Er- 
ſchöpfung all unferer Kräfte zu lindern, unfähig, der viel größeren, 
empfindlicheren Not des Andern abzubelfen; es fchliegt überhaupt 
jeiner Natur nach, als affeftiver Erregungszuftand des Bewußtſeins, 
bis zu einem gewiffen Grade den kalten und nüchternen Maupertuis- 
Benthamſchen Kalkül aus; kurz, e8 hat eine Unzahl „dYySteleologijcher“ 
Folgen, wenn diefer von Haedel fir biologifche Thatfachen geprägte 
Ausdrud auf das moralphilofophifche Gebiet übertragen werden ſoll. 
Zwar läßt ſich andererfeits nicht verfennen, daß zwiichen dem Walten 
des ſympathiſchen Affektes und jener teleologifchen Inſufficienz der 
Sittlichfeitd- und Nechtsformen, welche aus deren jtrifter Allge⸗ 
meinheit hervorgeht, eine Art Ausgleihungs- oder Ergänzungs- 
verhältnis bejteht, daß die leßtere durch das erftere in höchft merk⸗ 
würdiger und für die Aufgaben der GSittlichleit bedeutungsvoller 
Weife korrigiert wird: das altruiftiiche Gefühl mildert die Härte des 
Geſetzes; das Diebjiahlsverbot 3. B., um bei dem früheren Exempel 
zu bleiben, würde fid) für den Armen noch viel peinlicher fühlbar 
machen, wenn nicht die zu fittlihen Pflichten erhobenen, milden 
Regungen ded Herzens dem Unglüd entgegenarbeiteten, welches die 
niitleidloje Univerjalität der Rechtsnorm über viele verhängt. Indes 
hebt diefe Beziehung, kraft welcher der eine Mangel der ethiſchen 
Grundeinrihtungen den anderen teilweije fompenfiert, doc die That⸗ 
ſache nicht auf, daß die ſympathiſchen Gefühle auch ihrerfeits, wofern 
fie jich frei und voll ausleben, mandherlei Unzukömmlichkeiten bereiten, 
daß fie ſich ebenfalls, obgleich in anderer, wenn man will, entgegen» 
gejeßter Richtung wie die jchlechterdings giltigen Gebote, von dem 
Biel entfernen, welchem unbewußt das ethifche Leben zuftenert. 
Deifenungeachtet — und damit fehren nun dieſe Erörterungen zu 
ihrem Kernpunkte zurüd — find beide Gruppen von Gefühlen, das 
Pfliht-, Rechts: und Ehrgefühl auf der einen und die von dem 
abftraften Gerechtigkeitsfinn ganz verfchiedenen, wiewohl ihm großen- 
teil8 als Bafis dienenden ſympathiſchen oder altruiftifchen Gefühle 
auf der anderen Seite, für eine wenigftens approrimative Erreichung 
des Bieles, für eine Annäherung an dasfelbe in jenem Maße, welches 
zur Zeit überhaupt möglich jcheint, nicht zu entbehren. Man braucht 
nur die ſchon oben gepflogene Überlegung anzuftellen;- man braucht 
fih bloß zu fragen, welche Folgen es hätte, wenn die ſpecifiſch 
ethifchen Gefinnungen, alles Pflichtgefühl und aller natürliche Altruis⸗ 
mus, plößli aus dem -fozialen Getriebe ausgefchaltet würden, 
jo daß fich jeder nur von der Nüdficht auf feinen eigenen Vorteil 
leiten ließe, jeder nur fein eigenes Glück fuchte, nud zwar das Glück, 


4162 Hugo Spitzer, Äſthetikt, Sozialpolitit und Entwicklungslehre. 


wie es bei vollſter Gleichgiltigkeit ſowohl gegen die Schickſale der 
Mitmenſchen, als gegen deren gute oder ſchlechte Meinung an gewiſſe 
äußere Bedingungen geknüpft erſcheint, — man braucht ſich wirklich 
bloß die Konſequenzen eines ſolchen Zuſtandes zu vergegenwärtigen, 
um ſich ſogleich zu überzeugen, welch gutes Recht die Ethik hat, 
Legalität und Moralität zu trennen und die wahre Sittlichkeit aus— 
ſchließlich in die Geſinnung zu verlegen. Mag eine Handlung noch 
ſo ſehr dem Geſamtintereſſe dienen, noch ſo ausgiebig das allgemeine 
Wohl fördern, ihr ſittlicher Wert beginnt erſt da, wo die ethiſchen 
Gefühle als Triebfedern ins Spiel kommen. Die in Gedanken vor- 
genommene Elimination diejer Gefühle mit ihren unausbleiblichen 
Folgen zeigt dem ftumpfiten Sinne, daß wirklich auf ihnen und auf 
ihnen allein der ganze kunſtvolle Ban der Sittlicjfeit ruht. Nur jo 
weit jie thätig ind, darf man erwarten, daß das Leben der gejell» 
ſchaftlich organiſierten Menſchheit aud) über die Grenzen jenes Ge: 
bietes hinaus, welches der materielle Rechtszwang ſichert, fid in der 
Richtung nach den legten ethiichen Zielen bewegen werde; ohne ihren 
Einflug müßte e8 dem Zufall anheimgeſtellt bleiben, ob da und dort, 
bei einzelnen Anläſſen, der rückſichtslos für ſich jelbjt Sorgende, ohne 
es zu wollen, durch eine jeltiame Nerfettung der Umſtände auch den 
Anderen, der Allgemeinheit Dienjte erweiit. Daß trogden, ſelbſt beim 
lebendigen Walten der ethiichen Gejinmungen, jene Bewegung nur 
ganz im allgemeinen fjtattfindet und daß insbejondere, wie früher 
angedeutet, ein eigentümliches Zuſammen- und Einanderentgegenwirfen 
der beiden in gewiſſer Dinficht antagonijtiichen Dauptarten ſittlicher 
Gefühle benötigt jcheint, damit die Zwecke der Moral nicht in noch 
weiterem LUmfange verfehlt werden, thut nichts zur Sache: fteht es 
ia doch immerhin feit, day ohne Geſinnungen, aljo ohne das, was 
das jubjeftiv Eittlidye in dem zweiten Sinne dieſes Terminus aus- 
macht, auch das objeftiv Sittliche beider Bedentungen vollends in 
nichts zerftöbe und ein eitles, hohles, nie und nimmer zu verwirf- 
lidyjendes Dirngejpinft bleiben müßte. 

Dean ficht hieraus, wie die erläuterten Gegenſätze von fub- 
jeftiver und objeftiver Moralität zum tiefiten Grunde der Sittlichkeit 
binumterführen und die beiden Hauptthatſachen des ethiichen Lebens 
an den Tag bringen: einerjeits den von Kant, Herbart, Schopen- 
bauer und dem jpefulativen Idealismus, aber aud) von einzelnen 
Pofitiviften, 3. B. Tühring, teils ausdrüdlidh, teils ſtillſchweigend 
geleugneten teleologiichen Charakter der rechtlichen und fittlichen 
Normen, welcher durch deren mit der ftrengen Allgemeinheit gegebene 
Inſufficienz, das heißt ihr Fehlſchlagen oder Verſagen im einzelnen 
falle wohl verwiidht, aber nicht aufgehoben wird und dem neuerdings 
Anerkennung verſchafft zu haben vornehmlich das Verdienſt der zwei 


Hugo Spitzer, Äſthetik, Sozialpolitif und Entwicklungslehre. 463 


großen Nach-⸗Kantiſchen Eudämoniften: Bentham und Ludwig Feuerbach 
ift, andererſeits die notwendige affeftive Baſis der Sittlichfeit, die 
Bentham überjah oder doch nicht gebürend würdigte, während fie 
Feuerbach, aud) in diefem Stüd der rationaliftifch-autonomiftifchen 
Ethik und dem gemeinen Utilitarismus fich gleichmäßig überlegen 
zeigend, wenigftens zum Schlufje feiner grandiojen moralphiloſophi⸗ 
ihen Denferarbeit nad) ihrer vollen Bedeutung erfannte. Wäre das 
Sittlihe grund» und ziello8 oder nur in der reinen, formalen, fich 
jelbjt genügenden Wernunftbethätigung gegründet, diente es nicht 
gewiſſen Zwecken, die anzuftreben die Vernunft fid) auf praftifchem 
Gebiete ebenſo gebunden fühlt, wie fie auf theoretiichem das Mate: 
rial der Anfchauung als ein Gegebenes hinnehmen, davon ausgehen 
und immer wieder zur SYnterpretation desjelben zurückkehren muß, 
dann ließen fich weder die Wandlungen des fittlichen Ideals, die 
Veränderungen des Inhaltes der in verfchiedenen Gejchichtsperioden 
und bei verfchiedenen Völkern giltigen fittlichen Vorfchriften begreifen, 
noch hätte man irgend ein Kriterium, um auszumachen, ob eine 
diefer Wandlungen einen Fortſchritt oder einen Rückſchritt bedeutet; 
die ethiiche Höherbildung der Menjchheit könnte dann ausſchließlich 
in dem fteigenden Grade jener Unterwerfung der Einzelnen unter 
das herrichende Moralgeſetz beftehen, welche die jubjektive Sittlichfeit 
in dem erjten bier erläuterten Sinne ausmacht. Nicht beſſer, ja 
vielleicht noch jchlimmer läge die Sadje für alle diejenigen, die eine 
endgiltige, legtinftanzliche Wertbeftimmung auf ethijchem Gebiete er- 
langen zu können hoffen, wenn die fittlihen Normen den einfachen 
Ausflug von Gefühlen, gleichjam die natürliche Reaktionsweiſe folcher 
Gefühle unter gewiffen Bedingungen vorjtellten, ſei e8, daß ein ein- 
ziges fittliches Grundgefühl, jei es, daß eine Mehrzahl moral- . 
ſchaffender Gefühlstypen exiftierte, oder — e8 wäre das übrigens 
nur eine Specialifierung des erjteren Falles, eine eigenartige Ge: 
ftaltung des moralifchen Grundgefühls, welche dasjelbe als den 
ſpecifiſch äfthetifchen Emotionen zugehörig erkennen liege — wenn 
die Gebote der Sittlichleit dem ummittelbaren, nicht weiter zu 
begründenden Beifall, der fit an die Wahrnehmung beftimmter 
Handlungs- und Empfindungsweijen nüpft, ihren Urfprung dankten, 
wie das Kant in feiner erften Behandlung der etbiichen Grundfragen, 
vom Jahre 1764, und fpäter, mit der damaligen Pofition Kants 
aufs genauefte übereinftimmend, Herbart, der Hauptvertreter der 
äſthetiſchen Moralauffaffung, gelehrt haben. Denn unter diefen Vor⸗ 
ausfegungen könnte überhaupt nicht, auch nicht einmal für das 
einzelne Stadium der ethiichen Menſchheitsentwicklung, das fittliche 
Sollen gegenüber dem natürlichen Wollen gerechtfertigt werden; es 
entipränge wohl aus den fogenannten moraliichen Gefühlen, foweit 


464 Hugo Zpiger, Äſthetik, Zozialpolitif und Entwidiungsfehre. 


eben deren Herrſchaft reicht, eine gewijfe Wertgebung, aber e8 ließe 
fich nicht abjehen, warım dieſe Wertgebung vor der in anderen 
Gefühlsanlagen wurzelnden den Vorzug verdient, warum Willens: 
antriebe, wenn jie im Symdividunm von Natur aus nun einmal 
jtärfer jind, unterdrüdt oder verdrängt werden müßten von Im— 
puljen, die aus einem jchwächeren Gefühl, jei dieſes Mitleid, 
Wohlwollen oder äjthetiiches Gefallen an bejtimmten Willensverhält- 
niffen, hervorgehen nnd die dementiprechend auch jelbit von minder 
kräftiger Art find; furz, ed wäre diesfalls mit der Sanftion der 
Sittlichfeit mißlich beitellt, wofern man nicht nad) Schopenhauerſchem 
Muſter zur Magie geheimmnisvoller metaphyſiſcher Bezichungen jeine 
Zuflucht nehmen wollte, zu Konzeptionen aljo, bezüglich deren es 
außerdem noch mehr als fraglid) erichiene, ob ihre Abſicht — von 
der wilfenjchaftlichen Bedenklichkeit ſolcher Norjtellungsarten ganz 
abgejchen — in der That erreicht werden fünnte. Erjt der Gedanke 
einer den moraliicdyen Regungen innewohnenden umwiderſtehlichen 
Tendenz, die entgegenitchenden Gefühle zurückzudrängen und zu über— 
wältigen, ihrer in immer höherem Maße Herr zu werden, könnte jo 
etwas wie eine Sanktion des Sittlichen ſchaffen und den Begriff 
des Collens als einer bejonderen Form des Seins oder Werdens 
entitehen laſſen; aber dann gienge, bei der notwendigen Gebundenheit 
der Gefühlserregung an gewiſſe Anläffe und bei der Beltimmtheit 
der von den moraliichen Gefühlen injpirierten Dandlungen hinjichtlic) 
ihres emotionellen Effeftes für andere Wejen, die Betrachtungsweiſe 
von ſelbſt im die teleologiiche der Feuerbachſchen Geſtalt über und 
unterjchiede ich von der legteren zu ihrem Nachteile bloß dadurch, 
day fie jede Nechenjchaft ber die Grimmde des von ihr angenonmenen 
Zerhältniffes, des allmählichen Uberwucherns und Vorherrſchend⸗ 
werdens einer bejonderen Gefühlsgruppe vermijfen ließe. Es leuchtet 
ja ein: nur wenn der innere Zwang und Drang, der die moraliichen 
Gefühle im Yanfe der sjeit prävalieren macht, nicht ein „innerer“ 
in der jtrengiten Bedentung des Wortes ijt, kann man an jein 
wirfliches Vorhandenſein alauben, weil danı auch feine Urſachen 
jihtbar find, Wenn nämlich, wie es der fundamentale Satz Feuer: 
bachs, dieſes Columbus-Ei der philojophijchen Ethik, ausipricht, das 
dem eigenen Glückſeligkeitstriebe ſcheinbar widerftreitende „Du follit“ 
der ſittlichen Pflicht bloß ein Edo vom „Ach will” des Hlüdielig- 
feitStriebes der Anderen ijt, da das Phänomen des Sollen in feinem 
ganzen Umfange niemals aus dem einzelnen, ijolierten Menſchen, 
auch nicht aus der von Kant zu Grunde gelegten „reinen praftifchen 
Vernunft” desjelben ableitbar ſcheint, da nie der Einzelne fich aus 
eigenem Antriebe das „Tu ſollſt“ zurufen fann, ſobald in dieſem 
Befehle mehr liegt als eine Forderung der Klugheit, des wohl⸗ 


Hugo Spiter, Äſthetik, Sozialpolitit nnd Entwicklungslehre. 465 


verjtandenen Eigennußes, wenn jonad), mit Feuerbachs eigenen Worten 
zu reden, „die Glüdjeligfeit, aber nicht die in eine und dieſelbe 
Perjon zujammengezogene, fondern die auf verfchiedene Perjonen ver: 
theilte, Sch und Du umfaſſende, aljo nicht die einfeitige, fondern die 
zwei= oder alljeitige”, „das Prinzip der Moral“ ijt, dann wird es 
allerdings nicht minder leicht verſtändlich, daß die jittlichen Gefühle, 
deren Bethätigung chen den zahllojfen, miteinander oft in Konflikt 
geratenden Glüdjeligfeitstrieben die bejte Ausgleichung ſchafft, unter 
den vielerlei Emotionen eine befonders ausgezeichnete Stellung haben, 
mehr und mehr erjtarfen, mehr und mehr Geltung gewinnen, als 
daß der fittlich empfindende Menjch feine eigene Gefühls- und Be- 
gehrungsweiſe aud) den Andersgearteten anfinnen und gewiſſermaßen 
aufdrängen darf, ohne befürchten zu müffen, feine Zumutung würde 
von diejen als thöricht und ſinnlos zurüdgewiejen werden. Die 
abjolute Gefühlsethif dagegen, welche die gerade vom univerfell 
eudämoniftiichen Standpunkte aus fo felbftverjtändliche Thatfache miß- 
deutet, daß aus jenem das „Du follit” erzeugenden „ch will” bloß 
urjprünglid), jo zu jugen im vormoraliihen Stadium, der ganze, 
volle, unbeſchränkte Glückſeligkeitstrieb des Individuums heraustönt, 
während, ſobald die Sittlichkeit einmal wirklich ins Leben getreten 
iſt, dieſes „Ich will“, als deſſen getreue Wiederſpiegelung das mora— 
liſche „Du ſollſt“ erſcheint, einen enger begrenzten, nicht mehr wahllos 
jedes Luſtverlangen einſchließenden Inhalt hat, — die Gefühlsethik, 
welche dieſe Thatſache mißdeutet, daher die genetiſche Sittlichkeits— 
theorie ablehnt und ſolch beſtimmtes „Ich will“, ſolche beſtimmtere, 
aus beſtimmten Gefühlen hervorfließende Wünſche oder Begehrungen 
ſchon von vorneherein und nicht etwa, weil bei ihrer Erfüllung der 
Glückſeligkeitstrieb Aller am beſten fährt, zu Grundlagen der Moral 
macht, muß offenbar, um die Überordnung des Sittlichen nicht ganz 
in der Luft Ichweben zu faffen, in gewifle Affefte und Gefinnungen 
eine rätjelhafte Neigung und Fähigfeit zur Ausbreitung, eine myſte— 
riöſe Werbefraft, eine Art Jufektioſität hineinlegen und fchließlid) 
muß fie doch noch ein gutes Teil der Feuerbachſchen Lehre von der 
Unentbehrlichfeit des Ich und Du zur Moralzeugung gelten lajjen, 
weil zur Werbung eben ein Werbender und Geworbener, zur In— 
feftion ein Inficierendes und Inficiertes gehören oder ohne Bilder: 
weil es bei der unleugbaren Schwädhe der moralifchen Gefühlsreaftion 
in manchen Individuen zum Mindeſten notwendig erjcheint, daß ethiſch 
befjer begabte Genofjen mit Forderungen an diefe jittlih Stumpf: 
finnigen herantreten, um auch in ihnen das Bewußtfein von Ver: 
pflihtungen zu weder, das fid) aus ihrer eigenen, natürlichen 
Gemiütsveranlagung nicht ergeben würde. Indes, wie dem aud) fein 
möge: ohne die im Lauf der Gefchichte mit zwingender Gewalt jid) 
Euphorion. VII 30 


406 Hugo Spiger, Afthetil, Sozialpolitit und Entwicklungslehre. 


fundgebende Überlegenheit der moraliihen Gefühle fehlte e8 den Ge- 
boten der Sittlichfeit, wenigjtens der vollfommeneren, altruiftiichen, 
an jeder Legitimation ſowohl für die Einzelnen, die ſich durch un- 
jittliches, grobegoiftiiches Verhalten in ihrem Inneren nicht gepeinigt 
oder beunruhigt, in ihrer jubjeltiven Wertſchätzung nicht herabgejegt 
fühlen, als noch viel mehr für die primitiven Gemeinjhaften, in deren 
brutalem Sittengefeß ſich kaum Spuren von echtem Altruismus 
entdeden lafjen, bei welcdyen daher auch Mangel altruijtiicher Ge⸗ 
ſinnung nicht als Tadel oder Vorwurf gilt. Die Verbreitung der 
moraliihen Gefühle in immer weitere Kreije aber, ihre fortwährende 
Einpflanzung in Menſchen, die zuvor ihrer entbehrt hatten, oder, 
da man von Einpflanzung ftrenge genommen doc nicht jprechen 
fann, ihre feitens der Übrigen erfolgende Pflege und Kräftigung in 
Perjonen, in welchen jie von Hauſe aus ſchwach entwidelt waren, 
dies wiirde, vorausgejeßt, daß die moraliichen Emotionen wenigfteng 
teilweije altruiftiicher Natur ſind und daß andererjeits Streben 
nad) Luſt und zzliehen vor Unluſt das Grundgejeg des einzelnen 
Willens bedeutet, auch ſchon von jelber eine ganz beftimmte 
Richtung der von diefen Gefühlen diftierten Dandlungen mit jid) 
bringen; e8 würde dadurd) das Verhalten der Menſchen mit der 
Zeit notwendig in dem Sinne umnificiert werden, dag es immer 
mehr die Perjtellung der größtmöglidyen allgemeinen Wohlfahrt zur 
Wirkung hätte. Ka, man muß jagen: jogar bei größter Ohnmadyt 
der altruiftiichen Affekte und äußerſter Seltenheit der Individuen, 
weiche denjelben wahrhaft zugänglid) jind, wäre die Richtung auf 
die Förderung de» Gejamtmwohles zu fonftatieren; denn fie ift mit 
diejen Gefühlen jelbjt gegeben, eins mit deren Natur, zumal aud) 
der höchſte Altrnismus das cigene Glüdsbedürfnis nicht ausfchlient, 
vielmehr, wie Comte jo jchön gezeigt hat, in ſolchem Bedürfnis feine 
unerläßliche Baſis und Direktive bejigt. Nur hätte die Tendenz 
damm nicht die Meittel, jich durchzuſetzen. Die jchwachen, nur da und 
dort erwachenden, in der Menſchheit auf verſchwindende Weiſe zer- 
jtreuten Gefühle wären außer jtande, dem Leben unjerer Gattung, 
indem fie es im beſtimmte Bahn drängen, ein teleologiiches Gepräge 
aufzudrücken; die altruiftiiche Sittlicyfeit mit dem immanenten, von 
ihrem Weſen unzertreunlichen Zielitreben käme über die bloße An- 
lage aus denſelben Gründen nidyt hinaus, ans welchen ihre Sanktion 
oder Yegitimation unmöglid) erichiene. Aber, wie gelagt, erjt mit der 
Möglichkeit joldyer Sanktion, erjt mit der vollzogenen Umwandlung 
der Gefühlsmoral in die teleologiiche könnte ein überragender Stand⸗ 
pummft gewonnen werden, welcher eine Bergleichung der mannigfacdhen, 
in der Geſchichte fich ablöjenden Moralſyſteme nad) ihrer relativen 
Vollkommenheit verftattete, während jonjt die Erkenntnis des Wechjels, 


Hugo Spiger, Ajthetif, Sozialpolitit und Entwidlungslehre. 467 


auch wenn diejer an irgend einen Punkte zufällig eine höhere Be- 
wertung, aljo ein Erjtarfen und Überhandnehmen der jelbftlofen Ge: 
fühle zeigte, bloß die Bedeutung einer Thatjachenfeititellung hätte, ein 
rein hijtorijches, aber nicht meritoriſches Urteil, eine bloße Wort⸗, 
aber nicht Wertbeſtimmung im jich fchlöffe. In der That wäre ja 
„Nttlih” im letzteren Falle eine einfahe Kollektivbezeihnung für 
gewijje, als innerlich” zujammengehörig ſich darftellende und daher 
nit einem gemeinjamen Namen ausgezeichnete Erjcheinungen, — 
Erjcheinungen, deren ſpecifiſche Differenz immerhin mit in einer 
bejonderen lofalen und temporären Wertſchätzung derfelben bejtehen 
mag, ohne dag dod) über den Wert diefer Wertſchätzung jelbft, das 
heigt über ihre Berechtigung gegenüber anderen, durd) andere Moral: 
lehren vertretenen Beurteilungsweiſen entjchieden werden könnte. 
Nicht minder klar ijt der zweite Zufammenhang Wären die 
Zwecke, auf die jid die jittliche Legislation, wenn aud) unbewußt 
und uneingejtändfich, richtet, auf jedem beliebigen Wege, das heißt 
mit jeder beliebigen Gejinnung bloß durch gewifje äußerfiche An- 
ordnnungen und Borfehrungen der Gejellichaft zu erreichen, könnte 
man zur Annäherung an das ethifche Ideal die mannigfuchen Ge- 
fühle mifjen: das Pflichtgefühl ſowohl wie jene altruiftiichen Affekte, 
die man troß der Möglichkeit, daß aus ihrem durd) Vernunft nicht 
geregelten Walten da und dort dem fittlichen Endzweck widerftreitende 
Handlungen hervorgehen, an und für ſich als moralijche aufzufafjen 
und zu bezeichnen pflegt, dann erjchiene es wieder durchaus gleid)- 
giltig, welchen Beweggründen eine That entjtammt, wenn fie nur 
die faftiichen Ziele des ethiichen Lebens befördert. Allein die Vor— 
ausfegung trifft eben nicht zu und daraus ergiebt fich abermals, 
wiewohl in anderer Richtung, ein Gegenſatz von objeftiver und jub- 
jeftiver Sittlichfeit. Vergebens bemüht ſich der Utilitarismug, diejen 
Gegenſatz zu verwiichen, die Differenz von Moralität und Legalität 
aufzuheben. Man fann dem Haffifchen Utilitarier Mill unbedenklich 
beipflichten, wenn er jagt: „Wer einen Mitmenfchen vom Ertrinfen 
rettet, thut, was moralijch vedht ift, ob nun fein Beweggrund die 
Pflicht ijt oder die Hoffnung, daß er für feine Mühe bezahlt werde”; 
nur muß man jich bewußt bleiben, daß hier lediglich von der objef- 
tiven Moralität der Handlung, von demjenigen aljo, wofür jeit 
langen auch der Ausdrud: „Legalität” gebraucht wird, die Rede ift. 
In der That läßt jich bei Anerkennung des teleologijchen Charakters 
der Sittlichfeit die Konfeqitenz nicht umgehen, daß, je nachdem die 
allgemeine Wohlfahrt durdy eine beftimmte Handlungsweife vermehrt 
oder vermindert wird, die Art zu handeln das Gepräge der äußeren 
Moralität, das heizt des Aujammentreffens mit den legten ethijchen 
Zielen bejikt oder entbehrt. Dies braucht aber keineswegs fo verjtanden 
30* 


468 Hugo Spiter, Ajthetit, Sozialpolitit und Entwicklungslehre. 


zu werden, daß eine unmittelbare Beförderung der fittlichen Endabjichten 
im einzelnen Falle ftattzufinden hätte, fo daß die jofortige Erhöhung 
des Glückes der Gefamtheit das ausſchließliche Merkmal jenes Zu: 
fammentreffens abgeben würde, Im Dinblid auf die oben erörterte 
jetundäre ethiſche Zwedjegung, auf die Notwendigfeit der Ausbildung 
feiter äußerer Normen, wie fie namentlich das Rechtsgebiet und die 
dem Rechte näher Tiegenden Regionen der Sittlichkeit, das Bereich 
der „vollflommenen Pflidyten” Kants ausfüllen, kann vielmehr Lega- 
lität da fehlen, wo, wie bei dem Diebftahle de3 heiligen Criſpinus 
zu Qunjten der Armen, der Effekt zweifellos in einer Vermehrung 
der univerjellen Glüdsjumme befteht, aljo der Grundſatz: „Finis 
sanctificat media” gegen die fire ethijch-rechtliche Jurisdiktion durch— 
geführt wird, und tritt fie umgefehrt auch und zwar ganz bejonders 
da zu Tage, wo einfach die Geſetze befolgt, die Normen eingehalten 
werden. Mit foldyer Einhaltung der Norm kann das Gemeinweien 
zunächſt im gegebenen Falle zufrieden jein und es giebt diefer Zu—⸗ 
friedenheit eben durd) KKonjtatierung der Yegalität Ausdrud. Wenn 
thatjächlicd) das gejchicht, was das Gejamtwohl erfordert und was 
zumal durd) die im Intereſſe diejes allgemeinen Wohles aufgejtellte 
Norm vorgejchrieben wird, jo ift äußere Moralität vorhanden. Ihr 
aber jteht die Jubjeftive oder, wenn man will, innere Sittlichkeit 
gegeniiber und dieſe erjcheint jo wenig durch das nächite Fonfrete 
Ziel des einzelnen Willensaftes, welches nad Mill allein ausichlag- 
gebend fein wiirde, als durd) den faktiſchen Erfolg des Wollens und 
Handels bedingt. Das hat wohl ſchon Demofrit eingejehen. Der 
Schöpfer der Fritiihen Erkenntnistheorie iſt auch der Urheber der 
wiſſenſchaftlichen Ethik: er hat micht mur das innerjte Weſen aller 
Wertgebung überhaupt in der notwendigen Beziehung auf Zuft und 
Unluſt anfgededt, jondern auch ſchon das Grundgeſetz der fittlichen 
Beurteilung enthüllt, indem er erklärte, Gutſein heiße nicht fein 
Unrecht thun, jondern feines wollen. Das Nichtwollen des Unrechtes 
im Sinne Temofrit8 aber kann nur einem Abfcheu vor dem Unrecht 
als ſolchem entipringen, nur die Motive, die Geſinnung, aber nicht 
den jpeciellen Willensaft betreffen, da ja die Zurechnung der bloß 
aus phyſiſchen Urſachen mißlungenen That viel zu ſelbſtverſtändlich 
iſt, als daß der große antike Denker das Bedürfnis gefühlt haben 
könnte, ſolche Trivialität eigens hervorzuheben. Und daß ſchon für 
Demokrit der Schwerpunkt der ſittlichen Beurteilung in der Ge— 
ſinnung lag, iſt ja begreiflich genug. Denn offenbar erſcheint es als 
eine Dalbheit von Zeite des Utilitarismus, jein Kriterium der 
Moralität von dem materiellen (Effekte der Handlung unabhängig 
zu machen und es docd ganz in dem äußeren, vealen Z3wecke der: 
jelben zu juchen. Entweder — oder! Entweder enticdyeidet der Erfolg, 


Hugo Spitzer, Afthetit, Sozialpolitit und Entwidiungsiehre, 469 


die thatfächliche Vermehrung der Luſtſumme in der Gefellichaft, und 
dann darf ſich aud) derjenige nicht rühmen, moraliſch gehandelt zu 
haben, der die gute Abficht bloß deshalb nicht vollführen konnte, 
weil feine phyſiſchen Kräfte verfagten; oder es kömmt auf die der 
jeweiligen Willensrichtung entiprechenden Generalwirkungen an, ohne 
Rückſicht auf die bejonderen Verbältnifie, unter welchen fich diefe 
Willensrichtung bethätigt, und auf die Mittel, die ihr zu Gebote 
ftehen, und dann handelt der Egoift, der im einzelnen Falle dank 
einer befonderen Kombination von Umftänden feinen Nebenmenichen 
und der Allgemeinheit in Verfolgung des eigenen Vorteils nützt, 
ebenjo wenig innerlicd) oder ſubjektiv moralifch als etwa derjenige, 
der einen Andern ind Waſſer wirft, um ihm zu tödten, und ihn 
dadurd) bloß von einer fieberhaften Krankheit befreit. Legt man bei 
der ethifchen Beurteilung Gewicht auf die Abficht, in welcher eine 
Handlung gefchieht, jo muß man auch Gewicht auf die Motive 
legen, die jelbjt wieder die Abficht beitimmen: denn wie aus dem 
fonfreten Ziele, das ſich der Menſch ftedt, die einzelne That entipringt, 
genau jo entjpringt aus den al8 Neigungen, Gefinnungen in jeinem 
Innern fchlunmernden Motiven eine ganze Summe von Zwecken 
und damit von einzelnen Handlungen und Verhaltungsweijen. Die 
Enticheidung in der erften Alternative aber kann wohl nicht zweifel- 
haft fein. Nicht nur Mill, ſondern jeder Utilitarier, auch der 
extremften Gattung, bezieht die moralifche Qualification zum min» 
deiten ausichließlich auf die Abficht und niemals auch noch auf den 
von äußeren Verhältniffen, von der phyſiſchen Stärke, Gewandt⸗ 
heit zc. abhängigen Grad der Verwirklichung, er legt ſomit gerade 
unter der Vorausjegung des Utilitätsprinzips einen Maßftab an, 
womit nicht Aktuelles, jondern Potentielles gemeffen wird. Und das 
erjcheint wieder ganz felbjtverjtändfich, weil ja die moralifchen Wert: 
begriffe, wenn auch nicht mit deutlichem Bewußtſein, zu dem Zwecke 
geprägt worden find, um mittelft ihrer dag menfchlihe Thun und 
Raffen zu leiten. Wie aber könnte man angefichtS der beftändigen 
Konflikte, in welche der Egoismus mit der Gerechtigkeit und der 
Wahrnehmung des allgemeinen Intereſſes gerät,. eine folche Leitung 
bewerfjtelligen und den Handlungen die durch das Geſaͤmtwohl vor⸗ 
gezeichnete Richtung geben zu können hoffen, wenn man nicht aud)- 
die Gejinnungen, ja dieje in erfter Linie zum Gegenftande der Wert- 
ſchätzung machte?! Den Erfolg, unbejchadet der Abficht, moraliich zu 
tadeln oder zu preijen, hätte Teinen Sinn: denn Rob wie Tadel 
würde dod) aud im künftigen Falle nur die Abficht zu beeinfluffen 
vermögen und hödjitens noch die auf die Ausführung verwandte 
Willensenergie und Sorgfalt, welche durd) Werturteile zu kräftigen 
und zu fchärfen Erzieher und Vorgeſetzte fi ja in der That an» 


470 Hugo Spitzer, Afthetit, Sozialpofitit und Entwicklungslehre. 


gelegen jein lafien, keinesfalls jedod) dasjenige, was eben nicht anders 
jein, nicht anders erfolgen fanı, weil es der Machtiphäre des 
Mollenden entzogen ift. Kaum viel befieren Sinn aber als old) 
verfchrte Schätzungsweiſe hätte es, dem jittlichen Urteil, wie Mill 
verlangt, die mächjte, objektive Abficht der einzelnen Handlung zu 
Grunde zu legen. ft doch diefe Abjicht blog ein Glied einer 
Kette, ein einzelnes Stüd in einem ganzen Syitem von Zwecken, 
die, als äußere Geſchehniſſe aufgefaßt, gar nicht wejentlichen Beſtand 
haben, jondern alle zujammen erjt einer inneren Zweckſetzung, der 
Verknüpfung mit fubjektiven Befriedigungsfornn ihr Dajein danten! 
Würde aljo eine That gelobt, ohne dag man jie ausdrüdlid aus 
joldyer Verbindung löjte, jo hätte der Thäter volled Recht, das ihm 
um des Nugens der Dandlung willen geipendete Lob zu mißdeuten 
und fir jein ganzes Zweckſyſtem, jein ganzes jeeliiched Streben in 
Anſpruch zu nehmen. Daß dies aber falſch und auch den Intentionen 
der Utilitariiten nicht gemäß wäre, hat jchlieglih Mill, von J. L. 
Tavies in die Enge getrieben, jelber eingeräumt. „Die Moralität 
der Handlung,“ jagt er in jeiner Verteidigung gegen Davies’ Ein: 
würfe, „hängt gänzlid) von der Abjicht ab — das heit von dem, 
was der Handelnde thun will. Aber der Beweggrund, das heit das 
Gefühl, weldyes diejen Willen zum So-handeln in ihm hervorruft, 
macht auch, wenn cs nicht einen Unterſchied in der Dandlung vers 
urjadht, feinen in der Moralität: obgleid) es einen großen Unterſchied 
für unſere moralische Wertjchätung des Handelnden begründet, 
zumal wenn es eine gute oder jchlechte gewohnheitsmäßige Neigung 
anzeigt — einen Hang des Charakters, aus welchem der Wahr: 
Icheinlichfeit nach nützliche o—der ſchädliche Handlungen fliegen werden.“ 
Nas Mill leugnen wollte, ift damit zugeltanden: cs iſt eine neuer⸗ 
liche Unterjcheidung eingeführt, die weder von dem äußeren Sepräge 
der Dandlung noch von der unmittelbaren Abficht ausgeht und die 
Beltimmung der Moralität dieſer lekteren, der äußeren Moralität 
wejentlich ergänzt. Die einzige Tiiferenz, welche Mill von dein anti» 
utilitariichen oder vielmehr antiegoijtiichen Geſinnungsethiker trennt, 
liegt darin, dan jener die Prüdifate erit Dem ganzen wollenden In— 
dividunm zugeschrieben wiſſen will, die dieſer auf Grund der näm: 
lichen Ihatiachen jchon von dem einzelnen Willensatte ausjagt. 
Noch die Aufklärungsphiloſophen des vorigen Jahrhunderts 
gaben ſich der Täuſchung hin, dar auf bloßen Egoisinus ein Syſtem 
der ESittlichteit gegrimmdet werden könne. Es handle fich cben nur 
darum, geiellichaftliche Einrichtungen zu treifen, krait deren Jeder 
ſelbſt am beiten zu Teile fommt und den grönten Sewinn einheimft, 
wenn er auch für das Jutereſſe der Anderen thätig ilt. Ya, es wurde 
jtillichtweigend vorausgeſetzt, daß ſolche Einrichtungen zur Zeit wirklich 


Hugo Spiter, Afthetit, Sozialpolitif und Entwiclungslehre. 471 


Schon beftehen. Volneys Darftellung der Etbif, der „Catechisme du 
eitoyen francais’ oder „la loi naturelle’’, wie fich die Schrift fpäter 
betitelte, jchließt mit den charakteriftifchen Imperativen: „Erhalte 
dich! Belehre dich! Mäßige dich! Lebe für deine Nächten, damit fie 
leben für dih!" So entpuppt fich dem Verfaſſer der „Ruinen“ die 
Sittlichfeit in ihrem tiefften Kerne als Klugheit. Der Altruismus 
jelber ſtützt ich auf den Egoismus und erhält erft durch den letzteren 
feine Rechtfertigung. Es ift geradezu ein Mufterbeifpiel der hypo⸗ 
thetifchen Imperative Kants, welches Volney mit feinem Boftulat 
der Nächitenliebe geboten. Noch bei Bentham, dem Sohne der Auf- 
Härungszeit, wirkt dieſe Dentweife fo ftark nad), daß man häufig den 
Eindrud empfängt, auch die Sittlichfeit der Benthamſchen Moral- 
philofophie fei im Grunde nur verftändiger Egoismus, ihre Unfitt- 
lichfeit nur Mangel an Vorausfiht und Willensftärle. Wenn die 
„Deontology” in den fingierten Lebensläufen von Walter Wiſe und 
Zimothy Thoughtleg — Ichon die Namen find bezeichnend! — den 
Gegenſatz des guten und fchlechten Menfchen nebft den Schiefalen, 
welche fittliche Gefinnung auf der einen Seite, unfittliche auf der 
anderen nad) ſich zieht, zu erläutern fucht, fo ftellt fie uns in Wahr- 
heit einen ganz anderen, zwar nicht völlig aus ber ethiichen Sphäre 
herausfallenden, aber doch viel weniger bedeutfamen, weil befchränfteren: 
und moralifch abgeleiteteren Gegenſatz: den des gielbewußten, Flug 
berechnenden, mit fefter Konjequenz feine Pläne verfolgenden, zäh 
und widerftandsfräftig die Verfuchungen und Hemmniffe überwindenden 
Mannes Hier und des forglos in den Zag hineinlebenden, nur um 
den Augenblid befümmerten, daher bald in Not geratenden und 
ſchließlich durchs Elend auf die Bahn des Verbrechens gedrängten, 
damit aber zu wirklich unſittlichem Verhalten, zur Unterbrüdung 
des Pflichtgefühls verleiteten Bruders Liederlih dort vors Auge. 
Solchermaßen übt die Doktrin des perfönlicden Nutens auch jelbft 
auf die thatjächliche Moralgeftaltung, auf die Anfichten von dem 
Gewichte der einzelnen Pflichten und dem Werte der einzelnen 
Tugenden ihren verderblicdhen Einfluß aus: die irrige Weile der Be⸗ 
gründung fäljcht His zu einem gewiflen Grade fogar den Inhalt ber 
ſittlichen Forderungen. 

Heute nun ift man über den individuellen Utilitarismus wohl 
ziemlich allgemein hinausgefchritten. Man begreift jekt, baß die ftete 
und unausbleibliche Beförderung des eigenen Profit durch das fitt- 
liche Rechtthun eine haltlofe Fiktion vorftellt; man weiß — und ins⸗ 
befondere E. Pfleiderer hat dies in hochverdienftlicher Weile dar- 
gelegt —, daß den egoiftifchen Eudämonismus, aber auch nur diefen, 
die Vorwürfe in der That treffen, die man fälſchlich an die Adreſſe 
des Eudämonismus überhaupt zu richten pflegte. Es giebt ein ein- 


472 Hugo Spiger, Aftherit, Sozialpolitit und Entwicklungslehre. 


ziges Syſtem, welches die durchgängige Befriedigung des Eigennuges 
beim jittlihen Handeln garantiert: — dasjenige nämlid), das manche 
jupranaturafiftiiche Religionen mit der Lehre von den jenfeitigen 
Belohnungen und Strafen zurecht gelegt haben und für ihre Be- 
fenner bereit halten. Darauf beruht das Ergänzungsverhältnis 
zwiichen der Moral und einer jolchen Religion, die wirfjame Unter: 
ftügung, welche jene durch diefe erfährt und die eine Art Gegen» 
Säglichkeit beider nicht blog nicht ausjchliegt, jondern vielmehr zur 
inneren Bedingung hat. Die Moral fordert, die Neligion giebt; die 
Moral ſchlägt den Egoismus graufame Wunden, welche von der 
milden Hand der Religion wieder geheilt werden; die Moral iſt der 
harte Gebieter, die Religion der teilnehmende, hilfsbereite, dienft- 
willige Freund; die Lajt der Pflichten wandelt der Glaube mit 
feinem Zauberjtabe in die Lujt der Erwartung himmliſcher Freuden 
um. Bei diejer Sadjlage wäre es gewiß beijpiellos thöricht, Wollte 
man der religidjen Weltanichauung jede Kraft, den Egoismus als 
Antrieb zur Erfüllung der fittlichen Pflicht zu benugen und auf 
dieje Weije die ethiichen Zwecke ausgiebig zu fördern, ftreitig machen. 
Aber es frägt fi), ob die den religidjen Ideen innewohnende Fähig- 
feit, Gehorſam gegen die Meoralgejege zu erzwingen, für die ethijche 
Leitung des ganzen Lebens ausreicht, fo dag, wenn nur der Glaube 
an die einjtige Vergeltung ſtark genug ijt, ſchon jene bloßen 
„Zrohungen und Verheißungen“ allein, von denen Sant als von 
unentbehrlichen Motivationsmitteln geiprochen hat, den Menſchen in 
allen Yagen das Gute, jittlid) Gebotene thun laſſen, und dieje Frage 
jcheinet nun wieder jehr beſtimmt verneint werden zu müljen. Man 
mag ſonſt über die jpefulative Rhilojophie Deutſchlands urteilen, wie 
man will, unſtreitig bleibt es cin jchönes Verdienit derjelben, das 
Bewußtſein der Unzulänglichkeit auch einer derartig modificierten, 
den Jenſeitsgedanken zuhilfenchmenden Egoismusmoral gewedt zu 
haben. Insbeſondere geſchah dies durch die leidenichaftliche Polemik 
der Zpefulativen gegen Nants Ethifotheologie. Mit einem an Fana⸗ 
tismus grenzenden ‚yenereifer baben Fichte und der jugendliche 
Schelling dieje Yehre befümpft, welche für alle um der Pflicht willen 
gebrachten Opfer reichlide Entihädigung in einem künftigen eben 
verheint, im ihrer eriten Gejtalt neben den ohnmächtigen, dem Gemüte 
bloß eine unfruchtbare Zuſtimmung abringenden moraliichen „Ideen“ 
noch wirkiamer, thatbeitimmender „Maximen“ bedarf und die Motive 
der letzteren in egoiſtiſchen Hoffnungen und Befürchtungen findet, 
aber and) ſpäter im der reineren und fonjequenteren Ausbildung, wo 
fie lediglich das dem Pflichtgefiihl entipringende Dandeln als moraliſch 
betrachtet, immer noch dem deal des höchiten Guts zu Liebe eine 
jchlienliche, endgiltige Darmonie zwiichen Glückſeligkeit und Tugend 


Hugo Spiter, Ajthetit, Sozialpolitit und Entwicklungslehre. 473 


in Ausficht ftellt. ES war offenbar nicht bloß die Idee des Abjoluten, 
wie er fie bei Spinoza vorfand, was den jungen Fichteaner Schel- 
ling, den idealiftiichen Metaphyfifer der reinen That, jo mächtig zu 
dem naturalijtiichen oder doch halbnaturaliftiichen Seinsphilofophen 
hinzog, und zwar ſchon zu einer Zeit, wo er von der nachherigen 
allgemeinen Annäherung an des Letzteren Standpunft nod) weit 
entfernt blieb: — die Reinheit der Spinoziſtiſchen Ethif, das Fehlen 
einer äußeren Vermittlung zwijchen Zugend und individueller Glüd- 
jeligfeit in ihr ftellt vielmehr den anderen, Har am Tage liegenden 
und von Schelling jelbft ausgeiprochenen Grund der fonft fo be- 
fremdlich jcheinenden Sympathie vor. Denn nichts Höheres, ver- 
jiherte Schelling, fünne gedacht werden al3 der Sat Spinozas: 
„Seligfeit ijt nicht Lohn der Tugend, fondern die Tugend jelbit," 
und jo führte fich denn umgefehrt die immer weiter gehende Ent- 
fremdung Kant gegenüber ſicher zum großen Zeile aud) auf die Ab- 
neigung zurüd, welche Fichtes Gefinnungsgenofje gegen „die ganze 
Idee von belohnender Glückſeligkeit“ hegte, diejes „Ajlignat, mit dem 
man dir, empirischer Menjch! deine finnliche Genüffe für jegt abfauft, 
daS aber nur dann zahlbar jeyn foll, wenn du felbjt der Zahlung 
nicht mehr bedürftig bijt“. Aus den Briefen, die zwiſchen Hegel in 
Bern und dem in Tübingen zurüdgebliebenen Freunde gemwechjelt 
wurden, jpricht eine tiefe Erbitterung gegen den „moraliſchen Beweis“, 
welcher der Kantjchen Ethik ihre ganze Hohheit und Reinheit zu 
nehmen drohte. Die „Objectivität der Gottheit”, gegen die Hegel 
in den theologijch-philojophijchen Frühverſuchen aus der Zeit des 
Berner Aufenthaltes jo fchwere und, wie ſchon Haym bemerkt bat, 
wunderjam an den Geift der Feuerbachſchen Religionskritik gemahnende, 
deren Reſultate förmlich vorherverkündende Anklagen ſchleuderte, war 
den kühnen Stürmern nicht oder wenigſtens nicht bloß deshalb ein 
Dorn im Auge, weil nach Fichtes Lehre ſchon das Prädikat der 
„Eriltenz“ eine Entwürdigung des Begriffes höchſter Vollkommenheit 
bedeuten follte, auch nicht allein wegen der Zrivialität der gemeinen 
Phyſiko-Theologie, deren läppijche Art Hegel inmitten der erhabenen 
Schauer und Echrednijfe des Haslithales mit zwingender Klarheit 
zum Bewußtſein gefommen war, jfondern vor allem wegen der Er- 
niedrigung der Sittlichfeit, die der befehdete Standpunkt nicht un- 
mittelbar im mienjchlichen Herzen wurzeln läßt, die ihrer Selbit- 
genügjamfeit beraubt und in ein Mittel zur Erzielung Fünftigen 
Profites verwandelt wird. Daher das harte Wort Schellings in der 
Schrift aus dem Jahre 1795, den „Philofophiichen Briefen über 
Dogmatismus und Kriticismus“, daß „der Ungerechte“ die Ge— 
vechtigfeit „eben deswegen“, weil er fie „ in ſich nicht fand“, „in eine 
andere Welt, in die Hände eines ftrafenden Richters, übergeben 


474 Hugo Spitzer, Afthetit, Sozialpolitit und Entwicklungslehre. 


mußte“. Bon ſolchem Geijte erfüllt, bezeichnete es Fichte ald das 
Weſen des „wahren Atheismus“, dag man „der Stimme feines Ge- 
wiſſens nicht eher gehorchen will, bis man den guten Erfolg vorher 
zu ſehen glaubt“, wollte er das „Schulgefhwäg” niederichlagen, 
„damit die Religion des freudigen Rechtthuns fich erhebe*: — „das 
Syſtem, in welchem von einen übermädhtigen Weſen Glückſeligkeit 
erwartet wird“, jchalt er „das Syſtem der Abgötterey und des 
Götzendienſtes“ und noch in der „Anweifung zum feeligen Leben“, 
als der Jenaer Radikalismus längft verflogen war, legte er Denen, 
die fi) mit der Hoffnung himmlischen Lohnes jchmeicheln, höhnend 
die Gebetsformel in den Mund: „Herr! e8 gefchehe nur mein Wille 
und dies zwar in der ganzen, eben deswegen feeligen, Ewigkeit; und 
dafür jollft du aucd den Deinigen haben, in diefer furzen, und 
mühſeeligen Zeitlichfeit.* 

Was jedoch alle diefe Angriffe auf die religiös vermittelte 
Selbſtſuchtmoral erfolgreid) machte und ihnen einleuchtende Beredyti- 
gung lieh, obſchon fid) die Angreifer jelbjt um ernfthafte Begründung 
nicht gekümmert hatten, das war nicht jowohl die Beſorgnis, es 
möchte, jobald einmal irgendwelche Fortichritte des theoretiichen Er- 
fennens den Glauben an die Wirflichkeit der Demonftrationgobjelte 
des ethifo-theologijchen Beweiſes zerftört hätten, auch die ausschließlich 
auf dieje Objekte geſtützte Sittlidykeit allen Dalt verlieren und rettung®- 
los in ſich zuſammenbrechen, al8 vielmehr die Erwägung gewilfer 
altbefannter, bei der Motivation des menjchlichen Wollens ins Spiel 
fommender Berhältniffe. Tb man aud) gar nicht zu vechtem, klarem 
Bewußtſein ſolcher Erwägung gekommen jein mochte, jie vollzog ſich 
unbemerft dennoch und bewirkte die jofortige Zuftimmung zur Fichte» 
Schellingſchen Betrachtungsweiſe. Handelt es ſich doch um höchſt 
einfache, naheliegende Dinge, die in exakter Form, und zwar für ſich, 
außer allem Zuſammenhang mit dem in Rede ſtehenden, theologiſch⸗ 
moraliſchen Problem, von wiſſenſchaftlichen Ethikern ſchon damals 
feſtgeſtellt worden waren! In der That hatte Bentham unter den 
Momenten, nach welchen die „natürliche Zauftion* die Güter be— 
wertet, mit gutem Grunde auch dasjenige der zeitlichen Nähe oder 
Entiermung namhaft gemacht. Dieſes Striterium der „propinquity 
or remoteness”, welches die „Introduetion to the principles of 
morals and legislation” als viertes der Kriterien aufführt, wie fie 
jih für die individuelle Aertihätung einer Gefühlsurſache bei 
erfiufiver Betrachtung der eigenen fühlenden und mwertbeftimmenden 
Perſon und des ilolierten Gefühls als jolchen, mithin ohne Rüdfidht 
auf den allfälligen naturnotwendigen Zuſammenhang diefes Gefühle 
mit anderen Emotionen und auf die allfällige ebenio unvermeidlidhe 
(Erzeugung von Yuft oder Umluft in anderen Individuen durch Die 


Hugo Spiger, Äſthetik, Sozialpolitik und Entwicklungslehre. 475 


fragliche Gefühlsurjache, ergeben, fteht allerdings in einem gewiſſen, 
von Bentham nicht bemerften oder doch nicht eigens hervorgehobenen 
Gegenjage zu den übrigen Wertmerfmalen. Man begreift nämlich 
ohneweiters, daß dasjelbe im Grunde irrationelf ift und bei völliger, 
unbedingter Herrichaft des Verftandes über das Begehrungsvermögen 
in Wegfall kommen müßte. Der Einfluß der Zeitdiftanz auf den 
Willen bat infoferne zweifellos einen pathologiihen Bug, der 
namentlich in extremen Fällen, wie in dem berühmten Beifpiele des 
„Systöme de la nature” vom Trinken vergifteten Waſſers infolge 
unzähmbaren, brennenden Durftes eines in der Wüſte Verſchmach⸗ 
tenden, fichtbar wird und der nur beim Bufammenfallen dieſes 
vierten Benthamjchen Wertbeftimmungsgrundes mit dem dritten, der 
„certainty or uncertainty” — einer in Wirklichfeit gewiß ehr 
häufig vorkommenden Koincidenz —, verfchwindet. Allein, ob ver- 
ftändig oder unverftändig, die Vorftellung de8 Maßes der zeitlichen 
Entfernung iſt thatfächlich ein negativer piychologifcher Faktor von 
hoher Wirkſamkeit und ſchon diefe Thatſache genügt, um die ſchwerften 
Bedenken gegen die Moral des puren Eigennußes, au) wenn eine 
jupernaturaliftifche Bafis fie über den Vorwurf handgreiflicher Un- 
durchführbarfeit erhebt, rege zu machen. Zu der Ferne der jenfeitigen 
Scidjale aber gejellt fich als ein weiteres, in demſelben Sinne 
wirfendes, nämlich die Motivationskraft des Ausblides in die Zus 
funft außerordentlich abjchwächendes, die zeitliche Entlegenheit auch 
hier faktiſch mit Ungewißheit verbindendes oder teilweife in die leßtere 
überführendes Moment der Mangel jeder Erfahrung jowohl von den 
angedrohten Strafen als von den verheißenen Belohnungen, genaner 
geredet: die mit der zunehmenden Bildung immer größer werdende 
Schwierigkeit, die Freuden und Leiden im Jenſeits einfach nad der 
Analogie von Zuftänden auszumalen, auf weldye ſich die wirkliche 
Erfahrung erjtredt. Freilich ift für den tief gläubigen Gebildeten 
nur das Wie, nicht das Daß unficher; aber ſchon die erftere Un- 
gewißheit reicht hin, den an die SYenfeitsvorftellung gefnüpften Ge 
fühlen einen großen Teil der Kraft zu rauben, welche ihnen fonft 
als Zriebfedern des fittlichen Handelns eigen wäre. All diefen Ver⸗ 
hältniffen trägt die theologische Ethik felber in mwohlbedachter Weife 
Rechnung; jie bedient ſich nicht bloß der Himmelshoffnung und 
Höllenfurdht zur Führung der Willen; fie appelliert vielmehr, indem 
fie Liebe zu Gott und innere Achtung vor dem göttlichen Geſetz, 
wie fie im Pflichtgefühl lebendig ift, fordert, auch ihrerſeits an die 
jpecififch moralifchen Gejinnungen, an die Liebe, das Pflichtgefühl 
überhaupt; fie ſetzt ſomit Hebel an, die auch bei Verwendung unter 
anderen Umftänden und gänzlich heransgelöjt aus dem theologijchen 
Syitem ſich wirkſam erweiſen müffen, jo daß es jedenfalls als das 


476 Hugo Spitzer, Äſthetik, Sozialpolitik und Entwicklungslehre. 


Beſte, Sicherſte, Verläßlichſte erſcheint, die ganze Moral einfach auf 
dieſe Gemütskräfte zu gründen. Mit einem Worte, es ſteht feſt: 
ohne ethiſche Gefühle können wohl einzelne, dem Sittengeſetz ent: 
ſprechende Handlungen vollführt werden, aber es iſt unmöglich, bei 
Abweſenheit ſittlicher Geſinnung die ſittlichen Poſtulate zu allge— 
meinerer Geltung zu bringen. Wo ſolche Geſinnung nicht herrſcht, 
winkt auch keine Ausſicht auf allmählich fortſchreitende Verwirklichung 
des ethiſchen Ideals. Ein Verhalten, das, anderen als moraliſchen 
Beweggründen entſprungen, gleichwohl der moraliſchen Norm nicht 
widerſtreitet, kann darum nur zufällig mit den Forderungen der 
Sittlichkeit in Einklang gekommen ſein, trägt nur zufällig den 
Charakter des Gemeinnützigen, Menſchenfreundlichen, Geſellſchafts⸗ 
gemäßen an ſich, und auf die Konſtatierung dieſes bedeutungsvollen, 
von der Ethik nie zu überſehenden Verhältniſſes zielt eben in letzter 
Inſtanz die Untericheidung von Legalität und Moralität, äußerer 
umd innerer, objeftiver und jubjektiver Sittlichleit ab, — eine Unter: 
Iheidung, die unerläßlich ift, tollen nicht heillofe Verwirrung und 
jchwere, verhängnisvolle Irrtümer über die Qorausjekungen des 
fitrlichen Lebens plaßgreiien. 

Tie vorjtichenden wmoralphilojophiichen Betrachtungen haben 
Iheinbar weit von dem Gegenjtande abgeführt, aber jie waren doch 
zur Stlärung desjelben nicht unnütz und der große Raum, der ihnen 
gegönnt wurde, rechtiertigt und lohnt jich durch die Kürze, mit der 
nun, nachdem alles das ins Weine gebracht ift, die wichtigfte, durch 
die Soziale Kunſt unſerer seit angeregte ‚srage beantwortet werden 
kann. Dieſe Frage, deren Bedeutung in der That alle übrigen zurüds» 
drängt, die jich auf dem Wege der geplanten Unterſuchung etwa nod 
erheben mögen, wurde jehon früher bezeichnet und als Anlaß zu den 
Exkurſen aufs ethiiche Gebiet kenntlich gemacht: es iſt diejenige nach 
dem ſittlichen Werte, der fittlichen Berechtigung der jozialen Kunit. 
Nur Yente, welche aller Urteilsfäbigkeit in philojophiichen Tingen bar 
jind, könnten unter Berufung auf die ‚sreiheit und Selbftändigfeit 
des künſtleriſchen Yebens vielleicht eimverfen, dan die Kunſt überhaupt 
nicht mit dem sittlichen Maßſtab gemeſſen werden dürfe Denn ein 
Anderes iſt es offenbar, den Ichönen Künſten cin eigenes Yebensgebiet 
einräumen, mit aller Beſtimmtheit die philiiterhafte oder, wie bei 
Prondhon, ethiſch politiſchem Fanatismus entſtammende Vorſtellung 
ablehnen, daß Dichter, Maler und Bildhauer nur im unmittelbaren 
Dienſie der Moral, der Gerechtigkeit ihren Beruf ausüben dürfen, 
und ein Anderes die Wahrheit begreifen, daß jede einzelne künſtleriſche 
Richtung, ſo gut wie jede Kunſtgattung und wie die Kunſt im 
ganzen, erſt vor dein Richterſtuhle der Ethik ihre Exiſtenzberechtigung 


Hugo Spiter, Äſthetik, Sozialpolitik und Entwicklungslehre. 4717 


zu erweijen hat. Teilt dieſes Schidjal, fi) vor dem Tribunal der 
Sittlichfeit verantworten und rechtfertigen zu müſſen, die Kunft doch 
mit ſämtlichen Menjchenwerten! Jede freie Hervorbringung des 
menſchlichen Willens trifft unbarmberzige, ſchonungsloſe Verurteilung, 
jede hat ihre Dafeinsrecht verwirkt, jobald die Moral fie mißbilligt. 
Und zwar ift bier nicht bloß an die Moral im weiteften Sinne zu 
denen, die das Seinfollende auf allen Gebieten und ohne Ein- 
ſchränkung feitiegt; denn für dieje ift es felbftverftändlich, daß ſich 
ihren Enticheidungen aud die Kuuft zu unterwerfen bat, ja, ein 
eigenes Betonen der Abhängigkeit der legteren von der fo gefaßten 
Sittlichkeit wäre ein Pleonasmus, weil e8 doch ſchon in eben diefem 
Begriffe der Sittlichfeit liegt, daß ihre unbedingt giltigen, durch 
feinen höheren Gerichtshof aufhebbaren Vota fich jchlechterdings auf 
alles erftreden, was durch Menichenkraft geichaffen und durch menſch⸗ 
liches Bemühen vernichtet werden Tann. Bielmehr hat aud die 
Moral in der engeren Bedeutung, die altruijtiiche oder humane, 
vollften Anſpruch, jede menjchlidhe Unternehmung und Thätigfeits- 
rihtung darauf Hin zu prüfen, inwieweit fie ihren eigenen, den 
moralifchen Forderungen entipricht oder zuwiderläuft. Denn diefe 
Forderungen find die wichtigften, vornehmjten von allen, die über- 
haupt aus irgend einem Gefichtspunfte erhoben werden können; ihre 
Erfüllung hat den größten Wert, ift dringlicher, unerläßlicher als 
alles andere, und wo jie mit den Geboten des egoiftifchen Intereſſes 
fich kreuzen, da müffen diefe antiethifchen Boftulate ſchon deshalb 
hinter fie zurüctreten, weil die Sittlichfeit ohnedies nur den un- 
berechtigten, gefellfchaftswidrigen, feine Grenzen überjchreitenden 
Egoismus zum Heile der Gejamtheit verpönt, den berechtigten und 
natürlichen im großen ganzen aber nicht bloß nicht aufhebt, jondern 
nad Comtes und Feuerbachs tiefen Darlegungen vielmehr zur not⸗ 
wendigen Grundlage hat. So giebt e8 denn auch über die humane, 
altruiftiiche Moral hinaus feine höhere Inſtanz mehr, welche die von 
jener gefällten Urteile abrogieren und annullieren könnte. Künfte 
und Kunfttendenzen müſſen es fich gleich allen übrigen Lebens⸗ 
äußerungen und Kulturformen, nicht mehr und nicht weniger, ge- 
falfen laffen, vor diejen oberjten Gerichtshof geftellt zu werden und 
von ihm das Erfenntnis auf Sein oder Nichtfein entgegenzunehmen. 
Können fie den Nachweis erbringen, daß fie, wenn auch durch nod) 
jo fompficierte Vermittlung, auf noch fo verjchlungenen und lange 
ih Hinziehenden Wegen das Glück der Menjchheit befördern und 
den altruijtifch-ethifchen Zielen zufteuern, fo ift ihnen volle Freiheit 
gefichert, unterliegt ihr Schaffen keinerlei Beſchränkungen; ſtellt es 
jih umgekehrt aber heraus, daß fie, ob jogleich oder durch jehr ent- 
fernte Folgen, der Allgemeinheit zum Schaden gereichen. und uns 


473 Heinrich, Borkowski, Ein Vorläufer von Paul Gerbardts Lied. 


fittlihe Gejinnung einjchliegen, fo haben jie ihr Dajeinsrecht ver- 
wirft. Eine Appellation gegen diejen Richterſpruch der Moral an 
was immer für eine Lebensmacht erjcheint, wie gejagt, völlig un— 
zuläſſig. 


Ein Vorläufer von Vaul Gerhardtis Lied: 
„Beſiehl du deine Wege“, aus dem Jahre 1629. 
Mitgeteitt von Heinrih Borkowski in Königsberg i, Pr. 


Der fünfte Vers des jiebenunddreigigiten Pſalmes: „Befiehl dei 
Herrn deine Wege und hoffe auf ihn; er wirds wohl machen,” ift 
öfters in der geiſtlichen Poeſie der evangeliichen Kirdje verwertet 
worden. Nicht zum erjten Male, aber am volltommenften von Paul 
Gerhardt in ſeinem befanntejten Liede (1656). Es ift von allen 
übrigen poetijchen Umjchreibungen jener Pſalmſtelle nicht annähernd 
erreicht worden, weder von Benjamin Schmolds „Befiehl dem Herren 
deine Wege, Betrübtes Herz, und hoff auf ihn,“ nod) von dem fonft 
tief empfundenen und jchöne Gedanken in angemejjener Form ent- 
haltenden Yiede Henriette Catharinens von Gersdorf: 

„Beficht dem Herren Deine Wege 

Und made Dich von Zorgen 108“, 
noch von Johann Tlearius’ 

„Vefiehl nur Deine Wege 

Dem Herren früh und ſpat“, 
am allerwenigſten von der gekünſtelten, unpoetiſchen, der Reflexion 
entſpringenden Reimerei Joh. Hübners, des Rektors am Johanneum 
zu Hamburg. Dieſe poetiſchen Verſuche fallen in den Anfang des 
18. Jahrhunderts. 

Die folgenden Verſei) des Barons von Winnenburg ſtehen 
ihrem poetiſchen Werte nach auf der Stufe der eben genannten 
Lieder, aber ſie gehören doch einer viel früheren Zeit an, aus der 
heraus ſie beurteilt werden müſſen, und ſind, weun man von der einen 
Strophe Joh. Matheſius', des Pfarrers in Joachimsthal (F 1565): 

„Befihl dem Herren Teine fach 
ſchweig, leid, bet, wart, brauch glimpff, thu gmach, 
Bewar Glauben vnd gwiſſen fein, 
Gott wil Dein ſchutz vnd Vater ſein“, 
abſieht, die älteſte größere poetiſche Verarbeitung jener Stelle. 
i) Archiv Sclobitten _ 


3 
2 2%. 


Heinrich Borkowski, Ein Vorläufer von Paul Gerhardts Lied. 479 


Wilhelm, Baron von Winnenburg, ſchickt das Lied in einem 
Schreiben d. d. Dillenburg 1/11 September 1629 dem Reichs— 
burggrafen und Grafen Chriftoph zu Dohna!) nad) dem Haag. Er 
ijt der Schwiegervater des Bruders von Chriſtophs Gemahlin Urfula 
von Solms-Braunfels. In einem Postscriptum ſchreibt er an ihn: 
„Hier bey vberſchicke E. 2. ich auch zur Dandfagung vor die mir 
hirbevorn verehrette tractättlein ein kleineß liedttlein, fo ich zur 
Zeidtt, alß man midtt der persecution, (darmibdtt eß dod) io Gott 
(ob zimlich ſtill ijt, weiß nichtt waß die Frandforter Meß bringen 
würdtt,) jo hardtt draumette, mir zu troſt componiertte, vndtt ob 
ep woll der würdifeidtt nichtt ift, hoffe ich doch E. 2. werdenft im 
beiten verjthen, vndtt auff vndtt ahnnemen.“ 

Es ijt fein funftgeübter Sänger, der hier feine Weile anftimmt, 
aber ein gutes, frommes, tapfres Chriftenherz, dag, während die 
Kanonen vor Herzogenbujch donnern, Graf Heinrich von Bergen, 
General der fpanishen Armee, in die Niederlande einbricht, Weſel 
ein Waffenplat der Feinde wird, die Herrihaft Winnenburg und 
Beilftein in die Gewalt des Feindes geraten, Not und Clend des 
Krieges allenthalben groß ijt, voll rührenden Gottvertrauens nad 
oben blickt und Worte innigen Gebetes ftammelt. Und Töne wahrer 
Empfindung waren in der Poeſie jener Zeit fehr felten, faft nur im 
Kirchenliede zu finden. 


Ein Liedtt auff Den Hten Versioul Deh 37ten Psalm: 


Befell dem Herren Deine Wege, 
pndtt hoffe auff Ihn, Err 
würdtß woll machen. 


In der Dielodey, 


Mo Gott der Herr nichtt bey 
vnß heldtt.2) 


Im Sharr, 
1629, 
1. 


Befele Gott die wege Dein, 

Auch alle Deine fachen :/: 

Vndtt Hoffe auff Ihn gant allein, 

Gott der witrdtt eß woll madhen, 
Sein wordtt laß Deine richtfehnurr fein, 
Vndtt befell Ihm die wege Dein, 

Dan Er würdtt eß wol maden '/. 





1) Siehe über ihm Cuphorion, drittes Ergänzungsheft 1897 ©. 1 fi. und 
5. Band, S. 669 ff. 
2) von Zuftus Jonas 1524. Melodie: bbgbdcech, 


480 Heinrich) Borkowski, Ein Vorläufer von Paul Gerhardts Fied. 


2. 
Tan ob e& jchon efärrlich ſtedtt, 
In dieſen letſten Seiten, : : 
Midtt Gotteß Kirch, derß hardt erghett, 
Weill Sie von allen ſeitten, 
Gequeldtt würdtt, . . 
Befell doch Gott die we ge ein, 
Gott der würdtt u wol machen '.. 


Gott hadtt verfprodhen vndtt gefagtt, 

Daß Er vnß woll erretten, :;: 

Kan wier thuen woß Ihm bebagtt, 

Bndtt von Ihm nichtt abtretten, 

So will Er vnß bewaren fein, 

Drumb befell Gott die wege Dein, 

Er würdtß gewiß mwoll machen ‘/. 
4. 

Soldtt ſichß ahnlaßen noch fo ſchwer, 

Alß eß itzundtt thutt fcheinen, :,: 

So will doch vnſer Gott vndtt Herr 

Beſchutzen al die feinen / 

Daß Zie nichtt foln verlaßen fein, 

Befell nhur Gott die wege Dein, 

Bott der wirdtt eß woll machen °.. 


2. 
Wan Tu ahnjichft die alten Zeidtt 
Vndtt jharr, jo längft verfloßen :: 
Wie dazumall viell fromer leudtt 
Geweſen findet in großem, 
Elendtt, jhamer, nbott, angft vndtt pein, 
So befell Bott die wege Dein, 
Bott der würdtt eß woll machen ' 

6. 
Tend wie Sie der Herr hadtt beivardt 
In vbell vndtt gefaren :: 
Wan Zie wurden gedrucdett bardtt, 
Midtt Drangſaln wunderbaren, 
Vndtt doch darauß erlöſett ſein, 
Befell nhur Gott die wege Dein, 
Gott der würdtt eß woll machen . 


4 
XR 


Weill nhun Gott alleß machen will, 
Nach feinen Wollgefallen,:: 

So thue Tu Ihm halten ſtill, 

In dieſen Drübſaln allen, 

Bleib beſtendig bey dem wordtt fein, 
Vndtt befell Gott die wege Dein, 
So würdtt eß Gott woll machen . 


Die zweite Hälfte des Verſes fehlt, wahrſcheinlich infolge eines Verſehens 
des Schreibers. 


Heinrich Borlowsti, Ein Vorläufer von Paul Gerhardts Lied. 


Euphorion. VII. 


8. 


Beitendifeidtt verley vnß Herr 
Darumhb, in rechtem glauben :/: 
Bndtt dem fatan frafftillich wher, 
Daß er nidhtt thu weg rhauben 
Zen auß vunferer Hertzen fchrein, 
Befele Gott die wege Dein, 

Gott der würdtt eß woll madıen '/. 


9, 


Drumb jey yetroft 6 Hertze mein 
Vndtt laß Dichß nicht ahnfechten :/: 
Ob Gotteß vndtt die feinde Dein 
Did) wolten gant außächten, 

Gott würdtt Dir befchern ein büttlein, 
Drum befell Gott die wege Dein, 
Dan Er würdtt eß woll maden ‘/. 


10. 


Endttlih 6 Herr Gott bidtt ich dich, 
Daß Du mir wolleft geben :/: 

Daß ich möge wandttlen Chriftlich, 
In allem meinem leben, 

Vndtt vnß bleib bey dem wortte fein 
Befell drumb Dir die wege mein, 

Du würfls Herr Gott woll maden °]. 


11. 


Anıen, Amen ſprech ich darauff, 

Vndtt thu mich Gott befelen, :/: 

Nim mid) Herr in Deinen fhug auff, 
Behudtt mich vor der hellen, 
Befell Dir drauff die wege mein, 
Vndtt hoffe auf Dein gutt allein, 

Du würſts Herr Gott woll madıen '/. 


12. 


Lob, ehr, vndtt preiß ſey Bott Vatter, 
Bndtt Jeſu Chrift feinem Sonn I. 
Dem Heilgen Geift auch gleiche e 
Er im bimelifchen tron /. 

ch befell Gott die wege mein, 
Vndtt hoffe auff die gnade Sein, 
Dan Gott würdtt eß woll madıen °/. 


Amen, Amen, Amen “/. 


81 


481 


482 Robert Riemann, Johann Zatob Engels „Herr Lorenz Star“. 


Yohann Jakob Engels „Herr Lorenz 
Stack”. 
Ein Beitrag zur Geſchichte des deutſchen Familienrontans.!) 
Von Robert Riemann in Leipzig. 
(Schluß.) 





V. Charakterzeichnung und Charakterentwicklung. 


Der außerordentliche Aufſchwung, den die Charakterzeichnung 
im 18. Jahrhundert nimmt, vollzieht ſich weniger auf dem Gebiete 
des Romans als auf dem der kleinen Proſageſchichte. Freilich iſt der 
Einfluß des rührenden Luſtſpiels und des bürgerlichen Dramas auch 
hier wirkſam, tritt jedoch nicht ſo ſtark hervor. 

Goethes „Werther“ weckte das Gefühl für realiſtiſche Darſtellung. 
Zwar überwiegt hier das Intereſſe für rein innerliche Erlebniſſe 
nicht nur jtellenweife, jondern in ganzen großen Partien, aber troßdem 
wird das Bedürfnis nad) Wirklichkeit und Gegenwart vollauf be- 
jriedigt. Co hatte denn aud) Johann Heinrich Merck den „Werther” 
allen jungen Dichtern alg ein „Beijpiel der Nadyfolge und Warnung“ 
hingejtellt, nicht von unbekannten Yändern und Abenteuern zu fabeln, 
jondern das Nächſtliegende darzuftellen. Dichten joll nur, wer „den 
Epiſchen und Dramatiſchen Geift im den gemeiniten Scenen des 
häuslichen Xebens erblidt und das TDarzuitellende davon auf jein 
Blatt zu faſſen weiß.““, Weit einer ähnlichen Freude wie den 
„Werther“ begrüßte Merck auch den „Sebaldus Nothanfer”,) obwohl 
dieter in legter Yinte mehr Zendenzroman iſt und das Hauptgewicht 
nicht in der Freude an der Tarjtellung liegt. E3 fehlte an Dichtern, 
die es verjtanden, dem Ummichtigen durd) die Darftellung Wichtigkeit 
zu geben. Taher jchrieb Merck nod) im Jahre 1778 einen ſteptiſchen 
Aufſatz „Ueber den Mangel des Epijchen Geiſtes in unjerm lieben 
Vaterland“, der die Frage umterjucht, warum e8 noch feinen deutfchen 
Roman gebe; Merck jtellt als fundamentale Wahrheit den Sag 
anf: „Zum epiichen Weſen gehören wadre Zinnen."?) Er rät daher, 


— 


) RBal. oben S. 266 ff. 

*, Allgemeine deutiche Bibliothek. XXVI. 1. 2. 104 ff. — Hettner, Litteratur⸗ 
geichichte des 18. Jahrhunderts III. 3. 1. 2. 369 fi. 

3,9. Schwinger, Nicolas Roman „Zebaldus Notbanler” Z. 170. 

%, Ter Zeutiche Merlur vom Jahre 1778. Erſtes PVierteliahr. Jänner. 
S. 48— 57. 

Ebenda. S. 53. 


Robert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Lorenz Star. 483 


ein Weib, einen Jäger, einen Soldaten, überhaupt den gemeinen 
Mann beim Erzählen der geringften Begebenheit zu beobachten. „Er 
eilt nicht jchnell zum Schluß, wie der philojophifche Erzähler; er 
drängt feine Begebenheiten, er mahlt aus.”1) Hier foll der Dichter 
den einzelnen Eindrud fchägen und wiedergeben lernen. 

Gleichzeitig verfuchte Merd, feine Forderungen praktiſch zu ver- 
wirklichen, indem er mit diefem Aufjage im „Teutſchen Merkur” die 
„Geſchichte des Herrn Oheims“ veröffentlichte, der ihr Gegenjtüd: 
„Herr Oheim der Jüngere” drei Jahre fpäter folgte?) Hier finden 
ſich Anläufe zum realiftifchen Familienroman; das Glüd des Familien⸗ 
lebens iſt jedod) nicht Hauptthema, fondern im Vordergrunde fteht 
der Gegenſatz des Landlebens zum Hofe und zur Stadt. Die fenti- 
mentale Naturfeligfeit wird verfpottet; Merd zeichnet Zeute, die mit 
der Natur wirklich verwachien, naiv in ihr leben, ftatt über fie zu 
reflektieren. Um den Realismus jo body als möglich zu treiben, ver- 
wendet er einen Kniff, auf den fich moberne Beriften viel zu Gute 
thun. Er erwähnt in der Erzählung den „Zeutfchen Merkur" und 
die Geichichte „Herr Oheim der Jüngere” zeigt fogar einen Sekretär, 
der die „Geſchichte des Herrn Oheims“ gelefen hat und ihr nadh- 
zuleben beichließt. Doch findet er im bäuerlichen Dafein ein Haar 
nad) dem anderen und begiebt fich fehlieglih an den Hof, um die 
Lehre reicher geworden, daß e8 feliger jet zu nehmen als zu geben. 

Die Bedeutung der theoretifchen und praftifchen Beftrebungen 
Merds Liegt weniger auf dem Gebiete der Charakterzeichnung, als 
auf dem der Milieutechnik. In der „Sefchichte des Herrn Oheims“ 
ruht hierauf derart das Hauptgewicht, daß fie ftellenweije den Charakter 
einer landwirtichaftlichen Abhandlung annimmt. Merd wollte bie 
Erzählung als Ganzes reafiftifcher machen. Gleichzeitig ſetzen ber- 
artige Beitrebungen bei der Einzelfigur ein. 

Die Zeichnung der „Character“ war im 17. Jahrhundert in 
England mit John Earless) aufgelommen und Hatte ſich von der 
Aufftellung beftimmter Berufstypen allmählich zur Zeichnung in- 
dividueller Charaktere entwidelt, namentlid) in den moralijchen 
Wocenjchriften, zu deren Nachahmungen auf dentichem Boden Engels 
„Philoſoph für die Welt” gehört, in dem er feine erften Verſuche, 
die Poefie der Kleinjtadt zu geftalten, der Öffentlichkeit "übergab. 
Auch feinen „Herrn Lorenz Stark“ hat er nicht einen Roman, 
jondern ein „Charaftergemälde” genannt und ſchon damit diejen 


1) Ebenda. ©. 55. — Über die volksthümlichen Elemente im Wertherſtil 
fiehe Erich Schmidt, Richardſon, Rouffeau und Goethe, Jena 1875, &. 256— 261. 
2) Der Teutſche Merkur 1781. Viertes Bierteljafr. Windmond. S. 144 ff. 
3) Bol. Rudolf Fürſt, Die Vorläufer der modernen Novelle im 18. Jahr- 
hundert. 1897. ©. 19 und 32. 
81? 


484 Robert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Lorenz Start”. 


Heinen Verſuchen an die Seite gejtellt. Sie beginnen, wie das bei 
„Characters“ gewöhnlich ijt, ſämtlich mit dem Namen des Helden 
und einer vorläufigen Schilderung feiner Eigenheiten!) Es liegt 
etwas ungemein Behäbiges in einem Einjage wie: „Derr Joſeph 
Timm, ein chemaliger Yandeigentiimer, der jegt von jeinen anjehn- 
lichen Renten lebte, hegte in feinen legten Lebensjahren den unaus— 
löfchlichften Haß gegen das Speculieren."?) Eine primitive Technik 
beginnt jo mit dem Helden; eine raffiniertere wird mit einem bunten 
und bewegten Bilde anfangen, uns cinen Augenblid in Ungewiß— 
heit laſſen, weldye Figur uns vornehmlich interejjieren joll, und 
dann mehr und mehr dieje zum Srientierungspunfte des Gemäldes 
madhen.?) 

Übrigens ſteht „Yojeph Timm” dem „Herrn Lorenz Starf” jehr 
fern, obwohl es in Engels legten Lebensjahren entjtanden ift. Es 
zeichnet das Charafterbild eines Mannes, der bei feiner Wut gegen 
alle Spekulation einen Sohn hat, der nicht an die Eriftenz des Ich 
glaubt, jonderu es erjt jeßen muß. Es tjt ein Angriff auf Fichte, 
der eben nad) Engels Anficht jener Sohn it, der „fein bischen 
Menſchenverſtand“ verloren hat. 

Schon eher finden wir dem „Herrn Lorenz Stark“ verwandte 
Motive in Engels „Elijabet Hill“,“) die bald die Betichweiter, bald 
die Weltdame jpielt, in jedem Falle aber die erjte Rolle im Städtchen. 
Da fie jeder nach jeinen Prinzipien beurteilt, jieht fie jeder anders 
und jeder faljd) bis auf den Yeinewandhändler, der als Grund der 
vielen Wandlungen die Eitelkeit erkennt. Der Doktor, der Geiftliche 
und der Rektor jtellen Berufstypen dar; der Yeinewandhändler mit 
dem gejunden Urteile ijt eine Individualität, und wenn er über 
Elijabet Hill jpricht, Eingt es fajt wie die Neden des alten Start 
über Modedamen überhaupt und Madame Lyf insbejondere. 

Am nächiten ftcht dem Romane „Tobias Witt“,“) ein Stüd, 
in dem Engel eifrig die gute, warme, behagliche, Feinbürgerliche 
Atmojphäre unter der Tevife: „Ne quid nimis’ verteidigt. — 
Mertwürdig, daß Engel ſich jein Leben hindurch als Bürger diejer 
gemäßigten "one fühlte oder wenigftens in jeinen Schriften jo that 


I, Qgl. Merds „Yindor” und Wielands „VBonifaz Zchleicher”. 

2 „Philoſoph für die Welt.” Band 2. Stück 34. S. 264— 278. 

> Vgl. die Zchilderung von Mariannens Rückkunft in „Wilbelm Meifters 
Lehriahren“, die Manderung von Zteller und Ariy, mit der Achim von Amims 
„Rronenmächter“ einfegen, die Nırtsbausicene am Anfange von Otto Ludwigs 
„Heiterethei” u. d. m. Lie Yeiipiele hießen fich unendlich bäufen. 

+ „Ebrlofoph für die Welt.” IL 25. 2.68 fi. Tas Stück erichien zuerft im 

zweiten Hande 1777. 

", (ebenda. Yand I. 6. 2.87 it. Tas Ztüd erichien zuerit 1770. Vgl. auch 
„Boetit”. 2. +42. 


Robert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Lorenz Starf”. 485 


während er doc in Gotha und in Berlin fi) mit Gemwandtheit in 
der jchwülen Hofluft bewegte und der Devife häufig untreu ward, 
wenn es ihm einfam, die Partei der bedrängten Unſchuld gegenüber 
fürjtlicher Willfür zu nehmen oder fid) über die Borniertheit hoch— 
jtehender Perfönlichkeiten luftig zu machen, wovon uns viele Anef- 
doten berichten. — Tobias Witt ftellt zur Warnung vor allem 
Ertremen immer zwei Geichichten nebeneinander, aus denen er die 
Lehre zicht, daß die aurea mediocritas das einzig Richtige fei. 
Man foll nicht in Zrübfinn verfallen wie Herr Veit und nicht 
leichtjinnig herumflattern wie Herr Flink, ſondern hübſch die Mitte 
halten wie Herr Tobias Witt, dociert diefer Herrn Till. In der 
gleichen Art folgen nocd zwei Dialoge über Stolz und Schüchtern⸗ 
heit, Geiz und Verſchwendung. Zehn Charaftere werden in aller 
Geſchwindigkeit hingemorfen, drei, mit denen, und ſechs, über die der 
Hauptcharafter ſpricht. Hier liegt der Hauptfehler alfer diefer Fleinen 
Verſuche. Engel zeichnet zu ſchnell, um feinere Schattierungen an- 
bringen zu können; er deutet alles mit wenigen Strichen an und 
giebt Karrifaturen ftatt der Charaktere. Vielleicht zielte Merk auf 
Engel mit der Xobrede auf die Naivetät des gemeinen Mannes, der 
nicht „Ichnel zum Schluß eilt wie der philofophiiche Erzähler”, 
jondern ausmalt. Merds Artifel erichien 1778, ein Jahr nad) der 
Veröffentlihung von „Tobias Witt“. Indeſſen war die oberflächliche 
Sfizzierung der Charaktere im Roman an der Tagesordnung. Der 
Poſtkutſchenroman mit jeiner raſch wechielnden Scenerie und dem 
Auftreten immer neuer Figuren verführte leicht zur Schnellzeichnerei. 
Viele Beijpiele liefert Hermes;!) auch Nicolai wirft foldye Figuren 
hin;?) ganz befonders leichtfinnig ift Thümmel in der „Wilhelmine“. 
Die Beichreibung der Hochzeitsgäfte des Pfarrers bringt eine Menge 
von Karrifaturen, die eigentlic nur eine Eigenschaft haben.?) Ein 
auffallendes Beiipiel bildet aud) Kohann Karl Wezeld 1776 ebenfalls 
im „Zeutfhen Merkur” erjchienene „Eheſtandsgeſchichte des Herrn 
Philipp Peter Marcks“, in der die ſechs Frauen des unglücklichen 
Mannes mit poſſenhafiem Witz grob und äußerlich gekennzeichnet 
werden. In der geſchmackloſeſten Weiſe iſt das Ganze in ſechs Ehen 
eingeteilt und mit derben Zoten verziert. 

Ganz hat ſich Engel auch im „Herrn Lorenz Stark“ von der 
Schnellzeichnerei noch nicht freigemacht. Aber er deutet nur Charaktere, 
die der Handlung ferne ſtehen, in dieſer kurzen Weiſe an, ſo Wraker, 


) „Sophiens Reife.” 31778. Band 1. S. 123—126 (Gaſtwirtstochter), 156 
und 157 (Amtmann) u. ö. 
R Schwinger, a. a. DO. ©. 261 A Beſprechung der „Typen“. 
„Wilhelmine.“ ing ı 173. . 68. 


486 Robert Riemann, Zohann Jakob Engels „Herr Lorenz Start“. 


der fi) auf feine alten Tage nod) ein Hauskreuz aufpadt,t) oder 
Horu,?) den harten Gläubiger der Witwe. 

Dagegen erinnert die ganze Manier der Cinführung der Per: 
ſonen jehr an die älteren Werjucche. Der Roman beginnt: „Herr 
Lorenz Starf galt in ganz D..... ‚wo er lebte, für einen jehr 
wunderlichen, aber auch jehr vortrefflicdyen alten Dann." Dann giebt 
Engel eine vorläufige Charafterijtif;?) in der Gejchichte folgt die 
jpeciellere, indem ein Zug nad) dem andern hervortritt, und aus 
jeder Situation fi) eine Bereicherung des Vildes, dag wir von dem 
alten Herrn haben, ergiebt.t) In noch feinerer Weije wird der Sohn 
erit nad der Auffaffung des Alten,5, dann jeiner wahren Natur 
nach") dargejtellt. Umd über Herrn Specht, der dann ericheint, hören 
wir erjt das Urteil von Nater?) und Eohn,?, ehe der Dichter das 
jeinige”) giebt oder vielmehr nur andeutet und ihn durch fein Be— 
nehmen charafterijiert. 

Außerſt wichtig iſt es, daß Engel auf die Entwidlung der 
Charaftere großes Gewicht legt. Er ſetzt hier Beitrebungen fort, die 
durch die ganze zeitgenöſſiſche Litteratur bindurchgehen und in legter 
Linie auf die pädagogijchen Neigungen des Jahrhunderts zurück— 
führen. „Ehe denn Bajedow kam, war das deutjche Reich von der 
Erziehungsjucht ſchon inficiert,“ 1%) aber durdy ihn fam die Sache erft 
recht in Schwung. Plötzlich richtet ſich das Hauptintereſſe auf die 
Kinderjahre und Statt der Helden ans Hajjiicher Vorzeit wird ein 
„Edellnabe” !!ı zum Weittelpunfte eines Dramas gemacht. Gellerts 
Verſuch, die Eutwicklung und Erziehung der „Schwediichen Gräfin“ 
in ihrer Ingend zu zeichnen, hatte nur eine jehr oberflädhliche und 
jfizzenhafte Taritellung geliefert. Hermes gebt von der dee aus, 
die Yebensgeichichte der „Allerabſcheulichſten“ zeige, daß ſie verfehrt 
erzogen worden jeten,!®; will dieſer Verfehrtheit ftenern und über: 
ſchwemmt jeinen ganzen Noman mit püdagogiichen PBetradhtungen 
und Beiipielen von guter Ninderzucht. Dabei wird er gelegentlidh 
derart platt, daß man begreift, ein wie fruchtbares Feld hier für 


I „Bert Lorenz Ztarl.” S. 302 — 212. 360 und 370. 

2, WKbenda. Z. ISI— 183. 

3, Ebenda. 316. 

d Ebenda. 19 und 20. 27. 29 33—N35. 38 und 39. 57 und 62 u. ſ. w. 


VENEN 


»„Herr Lorenz Ztarl.” Z. 8 und v. 
Ebenda. S. 37—45. 

", Ebenda. S. 23. 

dEbenda. S. 23. 


»Ebenda. S. 24. 27. 47. 

m Bol. Muiäaus, Klwñognomiiche Reiten. Altenburg 1778. 1. Heft. S. 69. 
1 Engel jchrieb ſeinen „Edelklnaben“ 1772. Schriften Yand 5. 2. 71-149. 
2, „Zopbiens Reife.” 31778. 3. Z. 651. 


Robert Riemann, Zohann Jakob Engels „Herr Lorenz Star”. 487 


die Satire geichaffen wurde. So führt denn auch Mufäus in ben 
„Phyſiognomiſchen Reifen“, die fich oft gegen Hermes richten, einen 
Hauslehrer ein, der fich bei der jungen Frau eines alten Mannes 
insg warme Neſt zu jegen weiß. „Er phyfiognomifiert mit ihr und 
zur Vergeltung philanthropifiert fie mit ihm.) 

Eine wie große Rolle die Kinder im „Werther“ und im „Gbtz“ 
jpielen, ift befannt.?2) Auch im „Herrn Lorenz Star” zeigt fich noch 
das Intereſſe für Kinder, von dem die ganze Bewegung ihren Aus- 
gang nahın. Der Alte beichäftigt fich fehr gern mit Kindern,®) ebenjo 
Schlicht.““ Die Doktorin erkennt Madame Lyf in der Kunft der 
Erziehung für ihre Meifterin,5) „weil fie ihre Kinder mit einem 
Blide, mit einem Winfe regiert, und das niemal im Böfen, immer 
in Liebe.” Dur eine Erzählung des rührenden Benehmens der 
Kinder bei dem Kummer der Mutter wird Lorenz Stark zur Hilfe 
leiftung endgiltig beftimmt. — Bald gieng man dazu über, die Er⸗ 
ziehung als Hauptbedingung der Entwidlung eines Charakters zu 
betradhten. Die Verfafjer der Kleinen Charakterbilder im „Zeutichen 
Merkur“ gehen darauf aus, die Genefis jedes Charakters zu zeichnen. 
Wieland ſucht im „Bonifaz Schleicher”) die Entwidlungsgeichichte 
. eines Heuchlers in feinen früheften Kinderjahren zu geftalten, Merd 
liefert dagegen im „Lindor"?7) das Charalterbild eines jungen Idea⸗ 
liften, der troß feiner „Peripicacität” überall fehlgreift. Schließlich 
tritt er aus feiner Bejonderheit heraus, adaptiert ſich der Allgemein- 
heit, „und alles näherte ich bei ihm dem Köhlerglauben.“ ®) 

Dean kann diefen Geſchichten zum Borwurfe machen, daß fie 
eigentlich nicht das Werden eines Charakters, jondern nur das Werden 
einer Eigenſchaft darftellen. Eine weitere Klaſſe bilden diejenigen 
Geſchichten, die zeigen, wie fich ein Charakter unter dem Einflufje 
einer Leidenjchaft von Grund aus verändert. Dahin gehört Lenzs 
„Berbin“,9) den er felbjt einmal in der Geſchichte das „erfie wahre 
Gemälde einer Männerſeele“ 10) nennt. Hier ift e8 die Liebe, die diefe 
Umwälzung hbervorbringt. Die Erzählung geht fehr bald in bie be» 
liebte Geichichte von der Kindsmörderin Über, die jeboch in biejem 


1) „Phyfiognomiſche Reifen.” 1. ©. 62 ff. 

2, Erich Schmidt (Richardſon, Rouffenu und Goethe, ©. 199-204) weift 
nad), daß die Kinder bei Goethe weit natürlicher und naiver finb als bei Rouſſeau 
in der „Neuen Heloife”, wo fie vielmehr altklug und affeltiert erjcheinten. 

3) „Herr Lorenz Stark.” ©. 6. 7. 8. 860—854. 870. 378. 877. 

4) Ebenda. ©. 301. — °) Ebenda. &. 270 ımd 271. — 9) „Merkur“. 1776. 

7) „Lindor, eine bürgerlichsteutjche Geſchichte.“ Der Teutſche Merkur vom 
Jahre 1781. Drittes Vierteljahr. Erntemond. S. 107—128. 

8, Ebenda. ©. 122. 

9) Zuerft erfchienen 1776. Schriften. Berlin 1828. 2. 148 - 170. 

10) Ebenda. ©. 156. 


488 Rodbert Riemann, Zohann Zalob Engels „Herr Lorenz Start“. 


Falle unfchuldig enthauptet wird, da fie ein totes Kind geboren hat. 
Berbin begeht Selbitniord aus Verzweiflung über die Hinrichtung 
feiner Geliebten. Hier laffen fich natürlich auch Beiſpiele aus der 
älteren Litteratur anführen; entwidelt ſich doch in , Manon Lescaut“ 
der Nitter des Grieur zum Wollüftling, Falfchipieler, Heuchler und 
Mörder nur durch feine unglüdliche Neigung zu Manon. Das herr- 
lichfte Beijpiel der Zerftörung eines Charakters durd) die Liebe bildet 
Goethes „Werther".?) 
ermes fagt:?) „So gewiß iſt's, daß die Erjte Liebe, ob erlaubt 

oder ſträflich, Eindrüde macht, welche oft das ganze Leben nicht 
haben kann.“ Aber während die Vorläufer des Bildungsromanes, 
der „Agathon“ und der „Ardinghello”, dieje Eindrüde wirklich in 
ihrem Geſamtumfange darzuftellen juchten, hält Hermes die Liebe über- 
haupt für „etwas Erniedrigendes” 3) und ftellt mit Vorliebe den ent» 
jittlichenden Einfluß der Leidenſchaft dar.tı Indeſſen macht er einen 
Berjuch, die Einwirkungen der YJugenderziehung und die der erften 
Piebe zu verknüpfen. Jucunde ftirbt an gebrochenem Herzen, weil 
ihre Erzichung ihr die Deöglichkeit benimmt, gegen ihre Liebe zu 
Paftor Hadegaft zu kämpfen. Ihr Water hatte fie in ftrenger Ab- 
fonderung erzogen und ihr einen Abjcheu gegen das männliche Ge— 
Schlecht eingeflößt, der natiirlic) dem erjten guten Eindrude für immer 
erliegt und die Wirkung diefes Eindrucdes ins Ungeheure fteigert. 

Im übrigen tritt bei Hermes eine fehr merfwitrdige Form der 
Charafterentwidlung auf. Er führt die Perjonen ein, zeigt ihre gute 
Seite, dann ihre schlechte, vertieft fid) in dieje ſoweit, bis die 
Charaktere jeine Sympathie völlig verlieren, und fommt öfters 
ſchließlich beim Segentheil an. So geht es mit der Heldin des 
Romans. Hermes gefteht auch umverfroren ein, ev habe „durch 
fein unvermeidliches zweimaliges Farbengeben die Erſie Grundzeidy- 
nung der Charaktere oft nur mit Mühe zu ſehen“ vermocht.:) Naiv 
iſt c8 auch, wenn er die Frau Kübbuts, die er ſonſt ſympathiſch 
ſchildert, Schlieglich, als ihre Zochter jid) vermählt hat, benutzt, um 
zu zeigen, daß das „Hofmeiſtern der Schwiegermütter nichts fruchte“.®) 
Plöglid) ift aus der unglücklichen Witwe eine zänkiſche Alte geworden, 
und Hermes entichuldigt dieſe Charaftervertaufchung mit den Worten: 
„zreilig war Madame Kübbuts gut: aber war fie denn damals 
Edywiegermutter?"‘) 
e 1 Bgl. hierüber namentlich) Erih Schmidt, Richardion, Rouifeau und Goethe. 

. 162. 

2) „Zophiens Reiſe.“ 21778. 4, 582. 

3, „Zopbiens Reife.“ I1778. 6, 136. 

%, (ebenda. 1, 310-335. 454— 630. 2, 220—237. 251 —254. 257 —290. 
302 — 332. 4, 334—377 u. 6. — ?) Ebenda. 5, 100. — *) Ebenda. 3, 481. 

*) Ebenda. 3, 430. 


Robert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Lorenz Start“, 489 


Hermes meinte, das befte Material für eine gute Erziehungs- 
tunſt füme zufammen, „wenn, Mehrere zufammen, jeder über die 
Anfänge Seines Guten und Böfen Unterfuchungen anſtellte.“ ) Dieje 
Forderung erfüllt der autobiographiiche Roman. Johann Heinrich 
gm eigniete fich mit feiner traumhaften BVerftiegenheit weniger zur 

elbſtbeobachtung als der kritiſche Grübler Karl Philipp ri, 
defjen „Anton Reiſer“ 1785 zu erjcheinen begann. Er wollte „vor 
züglich in pädagogifcher Rückſicht“ „die Aufmerkfamkeit des Menſchen 
mehr auf den Menfchen jelbft Heften umd ihm fein individuelles 
Dajeyn wichtiger machen.“?) Immer wieder betont er die Wichtigkeit 
der „erjten Eindrüde*3) und Kleinften Umftände, Er verlangt, man 
folfe in Erwägung ziehen, „daß dieß fünftlich verflochtne Gewebe 
eines Menjchenlebens aus einer unendlichen Menge von Kleinigkeiten 
defteht, die alle in diefer Verflechtung äufßerft wichtig werden, jo 
unbedeutend jie an ſich ſcheinen.“ ) Hier handelt es fic nicht mehr 
um den bloßen Einfluß der Erziehung oder um das Werden einer 
einzelnen Eigenjchaft oder die Wirkung einer Leidenjchaft, fondern 
der Werdegang eines Charakters wird anf Schritt und Tritt mit 
einer unheimlichen Genauigkeit belauert und beobachtet, die Aus: 
bildung jeder Fähigkeit, die Entwicklung jedes Gemütszuſtandes wird 
im Zujammenhange dargeftellt. Ein Fortſchritt war hier nur noch 
möglich), wenn man den Helden aus diefer engen Umgebung heraus- 
riß und die große Welt anf ihn wirken ließ, wie es Goethe im 
„Wilhelm Meifter“ gethan hat, 

Engel hatte ſich diejen Beitrebungen jchon 1775 angefchloffen. 
In den „Briefen über Emilia Galotti“ rät er den Nomandichtern, 
ihre Ideen von der Bühne zu nehmen und Charaktere, die der 
Dramatiker nır in einzelnen Situationen zeigt, „weiter zu entwideln 
und bis zu ihrer erften Entftehung zu verfolgen." Wie Shafejpeare den 
Leidenſchaften, jolle der Nomandichter den Charakteren „von ihrer 
erften Anlage bis zur legten völligen Ausbildung ſchrittweiſe nad 
gehen.“>) So jehr Merd auf volle ſinnliche Vergegenwärtigung 
dringt, jo jehr verlangt Engel Erſchließung des pipchologijchen Ber- 
ftändniffes. Er hat in diefer Beziehung auch fpäterhin jeine Anfichten 
nicht geändert. Man könnte eine Anmäherung am Merck vermuten, 
wenn man in der „Poetik“ Lieft,‘) „dichteriſches Genie jet die Fähig- 


1) Ebenda. 5, 255. 

2) Seufjerts Neudrude, Nr. 23. Mori, Anton Reifer mit Einleitung von 2. 
Geiger. ©. 3. 

%) Ebenda. S. 9. 22. 30. 31. 

4) Ebenda. ©. 105. 

*) „Bhilojoph file die Welt.“ I. Stüd 10. ©. 149 und 150, 

% ©. 22 md 23. 160 und 161. 821. 


490 Robert Riemann, Johann Jalob Engels „Herr Lorenz Stark”. 


feit, Ideen von einem hohen Grade von Tebhaftigkeit hervorzubringen,“ 
aber das im erjten Augenblide bejtechende und an den „Epiſchen 
Geiſt“ erinnernde Wort „Lebhaftigkeit“ erhält eine derartige Inter⸗ 
pretation, daß es vielmehr das Gegenteil beweiſt. Die Lebhaftigfeit 
entipringt hauptjächlich aus der „Beziehung auf menſchliches Glück 
oder Elend“ 1) der „unruhigen Ahnung des Ausganges“ 2?) und ver- 
wandten Geſichtspunkten. Die bloße ſinnliche Vergegenwärtigung hat 
Engel immer für weniger verdienſtlich gehalten als die Darſtellung 
einer Entwicklung. 

Diejenige Perſönlichkeit, deren Entwicklung beſonders genau im 
„Herrn Lorenz Stark“ geſchildert wird, iſt der Sohn Karl Stark. 
Er war ein unruhiger Lebemann; aus ſeinen luſtigen Gewohnheiten 
reißt ihn das dem ſterbenden &yf gegebene Verjprechen und die Liebe 
zur Witwe, jo day eine radifale Befjerung jeines Charakters eintritt. 
Doktor Herbft jagt zu Lorenz Starf:?) „Ein unerwarteter, ihm ganz 
neuer Eindrud, ein unmiderftehliches Gefühl rifien ihn hin. Aber 
einmal gethan, dieje That: follte fie ohne Spur, wie ein Blitz, 
haben verſchwinden können? jollte fie fein Andenken an ſich zurück⸗ 
gelaffen, nicht durch diejes Andenken mächtig auf ihn gewirft haben?“ 

Engel bemerkt ausdrüdlich, daß hier „die Hauptbildnerinn an 
dem Herzen des Sohns, die Liebe“,) vergefien iſt. Das Gewicht, 
das er diejer beilegt, weilt und zurüd auf Hermes, aber aud auf 
Nicolais „Sebaldus Nothanfer”; denn dort wird Säugling haupt» 
ſächlich durch feine Liebe zu Mariane von poetiſcher Berftiegenheit 
zu projaijcher Qernünftigfeit befehrt, nachdem die Geliebte diejelbe 
Entwidlung durchgemacht hat. 

Wunder nehmen muß es allerdings, daß Engel fi für Die 
Tarftellung einer Charafterentwidlung einen Helden ausfucht, der 
dag dreigigite Jahr hinter ſich hat. Aber der Aufflärungsroman 
jtellt, wie Beine nachweiſt,) überhaupt gern Perjonen in vor- 
geichrittennem Lebensalter dar, weil er fich nicht gern mit dem über- 
Ihäumenden Zturm und Drang der Jugend befagt. Daher gebt 
Engel aud) auf das unruhige Vorleben Karl Starts nicht näher 
ein, jondern läßt ihm erſt auftreten, als er männlicher Reife fort» 
jchreitend jich nähert. Bei einem anderen Dichter würde der Haupt- 
teil der Darjtellung hierauf entalten und der Kontraft nad) Möglich» 
feit tgeſteigert werden. 


Boent.“ . 161 und 162 
\ Ebenda. Ey 3345. 
„Herr rorenz Stark.“ S. 360 und 361. 
2. Ebenda. Z. 362. 
EC. Heine, Ter Roman in Deutſchland von 1774--1778. Halle a S. 
1802. 2. 43. 


Robert Riemann, Zohann Zalob Engels „Herr Lorenz Star. 491 


Bedauerlich ift e8, daß die Perjonen im „Herrn Lorenz Starf“ 
allzu häufig über Charafterentwidlung theoretifieren und alles genau 
bis ins Heinfte Elarlegen, ftatt dem LXejer nur Fingerzeige zu geben 
und feinem Nachdenken das Weitere zu überlafien. In Goethes 
„Unterhaltungen deutjcher Ausgewanderten” fagt die Baronefje zum 
Geiftlihen: „Ihre Geſchichte fei unterhaltend, fo lange wir fie hören, 
befriedigend, wenn fie zu Ende ift, und hinterlafje ung einen ftillen 
Reiz weiter nachzudenken." Dieje Forderung ift bei Engel nicht er- 
füllt. Als ein echter Aufflärer traut er dem Lejer nichts zu und 
erklärt jeden Gedanken, bis ihn der Meindeftbegabte faflen Tann. 
Tas empfindet man als eine Beleidigung, wenn man ihn lieft. 


VI. Dialog. 


In den Heinen Eharaftergemälden wie im „Herrn Lorenz Start" 
geht der Dichter, jo oft nur möglich, in den Dialog über, und bie 
gleiche Praxis beobadıten auch die anderen Romanjchriftiteller diejer 
Epoche. Das bürgerlihe Drama in Proja riß plöglich die Schrante 
ein, die zwijchen Erzählungsfunft und Bühnendichtung beftand. 
Leſſings meifterhafter Dialog forderte zur Nachahmung herans, und 
ihlieglich ging man fo weit, die Erzählung überhaupt in Geipräde 
aufzulöfen. ALS Schöpfer folder Buchdramen find namentlich Meißner 
und Klinger befannt. Engel nimmt eine vermittelnde Stellung ein. 
Da er feine Aufmerkjamfeit auf das Werden und Gewordenjein der 
Charaktere richtet, muß er auch größere erzählende Partien ein- 
Ichieben. 

Der Dialog im älteren Abentenerroman war meift preciös umd 
ſtelzfüßig. Noch in Gellerts „Schwedifcher Gräfin“ ift der Mangel 
jeder individuellen Färbung auffällig. Vieles wird in indirelter Rede 
gegeben, und Gellert ftellt ſich felbft ein Armutszeugnis aus, wenn 
er von Carlſon fagt:!) „Er wünſchte unzähligemal in der Sprache 
des Affects, daß Andreas gejtorben feyn möchte, ehe er den Athem 
zur Entdedung diefes Geheimnifjes Hätte ſchöpfen können.” Der Dichter 
tit eben der „Sprache des Affects“ nicht gewachſen. 

Hemmend tritt der Entwidlung des Dinloges die von Richardſon 
übernommene Briefform entgegen, obwohl er fie mit dem Geſpräche 
zu vereinigen wußte. Goethe verzichtet im „Werther" faft ganz auf 
den Dialog. Dagegen ftürzen ſich Hermes und Heinje in die größten 
Unwahrfcheinlichkeiten. In „Sophiens Reife” ift der Dialog häufig 
jo gelehrt, daß der Verfaſſer mit gewohnter Gemütsruhe zugiebt, 


1) Gellerts fümtliche Schriften. Berlin und Leipzig 1867. 4, 238. — Erich 
Schmidt, Rihardfon, Rouffeau und Goethe. ©. 34. 


492 Mobert Riemanı, Johann Jakob Engeld „Herr Lorenz Start”. 


Sophie, die alles getreulich berichtet, habe ihn nicht verftehen und 
behalten können.!) 

Überhaupt nehmen die gelehrten Geſpräche einen grogen Raum 
ein und dienen dazu, Belejenheit und Gelehrjamfeit des Autors zu 
eigen. Bei Hermes wird über alles und jedes, bei Nicolai über 
ehrmeinungen und Kleidertrachten der Geiltlichen, „Lberjegungs- 
manufakturen“2) und Schundlitteratur, bei Heinſes) über bildende 
Kunft und Philojophie, Altertiimer, Neugriehiih und Altgriechiſch, 
bei Knigge in der „Reiſe nach Braunſchweig“!) über Kotebue und 
die Bühnenfunft überhaupt geiprochen. 

Eine Abart des gelehrten Gejpräches ijt der alternierend erpli« 
zierende Dialog, der in Wielands „Agathon“ vorherricht. Die Per: 
onen jprechen in aneinandergereihten Monologen von jehr langer 
Ausdehnung, die troß der Grazie des Ausdruds den Charalter der 
Abhandlung tragen. Allerdings wirft fih der Dichter mit einer 
wahren Wolluft immer wieder in Disputationen über Tugend und 
Begierde, naive Sittlichkeit und verfeinerte Ginnlidjfeit, aber die 
Perjonen follen beweijen und deshalb reden fie voll aus. Zu Gunften 
der abgerundeten Tarjtellung der gegenteiligen Meinungen wird die 
pſychologiſche Wahrſcheinlichkeit vernachläſſigt. So entfteht nur eine 
Gegenüberſtellung der Meinungen und der Beweiſe, die für ſie zu 
erbringen ſind. Der Weg, den das Geſpräch zu nehmen hat, wird 
nach objektiven ſtatt nach ſubjektiven Kriterien geregelt: Der Dialog 
wird zur Dioputation. 

Im „Sebaldus Nothanker“ läßt fich eine andere Gattung beob- 
achten, die man das Schulgeſpräch nennen könnte. Der Dialog wird 
jo ungelegt, daß der eine Sprecher naiv borniert, der andere jehr 
wohl unterrichtet iſt.“ Ter Autor identifiziert ſich mit dem flugen, 
den Yejer mit dem bejchränften Zuhörer. Darunter leidet die Wirkung. 
Aber Nicolai läßt den guten Nothanfer wenigftens zu Worte fommen, 
während er in Thümmels „Wilhelmine“ vor Verlegenheit niemals 
eine Zilbe zu reden weis. Tas (Gegenüber Ipricht allein, fo daß 
nicht einmal der Anſchein eines Tialoges entftcht. Als der Held bei 
der Verlobung zuviel getrunfen hat, hören wir zwar, er habe „Ver—⸗ 
ſchweudung mit ſüßen, rührenden Worten” getrieben, aber Thümmel 
jpart jid) die Deitteilung und läpt wieder Wilhelmine allein reden. 


1, „Sophiens Reiſe“ 1778. BRand 1. S. 44. 140-153. 2. 3. 442—408. 
3. 2. 571-059. 

2; „Zebaldus Notbanfer.” 41799. 1. Z. 111. 

3 Deine, „Ardingbello.” 1In H. Yaubes Ausgabe 1838 ) Band 1. S. 15—20. 
33—-38%. 41 —46. 49-54. 206 —212. 230 —- 260 u. 6. Yand 2. Z. 92—170. 

%, Srichtenen 1702. 

‘ Zchminger, 75. Nicolai Roman „Zebaldus MNothanfer.” S. 262. 


Robert Riemann, Zohann Jakob Engels „Herr Lorenz Star“. 493 


Auch bei Hermes finden fi neben den gelehrten Dialogen 
Schulgeſpräche.) Doc darf man ihm nadjrühmen, daß er bewußt 
die Sprache der einzelnen Perſonen fcheidet und jeder Perjon ihren 
eigenen Stil giebt. Sophie ſchreibt anders als Puff oder Malgre 
oder Radegaſt, und Profeſſor T. ſpricht ſogar vom „drolligten Ton“ 
Puffs.?) Aber Hermes geht auf den Pfaden Fieldings und Tarrikiert, 
jtatt zu charafterifieren. Auf dieſem Gebiete leiftet er Gutes. Einen 
das Deutjche radebrechenden Franzoſen, einen betruntenen Major, 
ein unglaublid naiveg Mädchen weiß er einzuführen;®) vom Dialekt 
macht er in trefflicher Weiſe Gebraudy;4) die tolle Studentenwirt- 
ſchaft macht ſich aud in ihrer Sprache prädtig;5) ein einziger Brief 
eines Kriegsrats läßt feinen ganzen albernen Charakter erfennen;®) 
der farrifierte Dialog zwiſchen Sophie und ihrem DVerehrer Puff 
verfehlt jeine Wirkung nicdht;?) aber, wenn Hermes ernft wird, ver» 
jagt feine Begabung. Ein etwas ungeſchickter Dialog zweier Liebenden, 
die fih trennen müſſen, darf noch leidlid) genannt werden;®) eine 
unfreiwillige Komik bringt jedoch Mariane hervor, die den Prediger 
Nadegaft bewegen will, ihr zu entjagen, um Jucunde zu retten, und 
anfängt:) „Meine Lungen haben gelitten, mein Magen ift ge- 
ſchwächt.“ 

Engel hat ſich viel mit der Theorie des Geſpräches beſchäftigt. 
Schon 1774 veröffentlichte er die „gragmente über Handlung, Ge- 
ſpräch und Erzählung“.1%) Er ‚macht darin den Verfud) einer neuen 
Einteilung der Dichtungsarten, weil ihm bie hergebradhte, die Roman 
und Drama weit voneinander trennt, nicht mehr genügt. Für ihn 
fallen beide unter den Begriff des pragmatifchen Werkes, der Hand- 
fung im prägnanten Sinne des Wortes, die eine Begebenheit ihrer 
Entwidlung nad ‚darftelit, entweder burch Erzählung oder durch 
direkte Wiedergabe im Dialog?!) Dieſer ift die Krone der Dichtkunſt, 
das Höchſte, was ſie zu leiſten vermag; denn der letzte und eigent⸗ 
liche Schauplatz aller Handlung iſt die denfende und empfindende 
Geele,12) die dur die Sprade die Handlung in die Erjcheinung 


1) „Sophiens Reife.“ 31778. 3, 222—238. 
2) Ebenda. 3, 292. 
3) Ebenda. 1, 140—153. 
4) Ebenda. 1, 2883—290. 
5) Ebenda. 1, 404—448. 
6) Ebenda. 3, 336 und 337. 
7) Ebenda. 1, 350—356. 
5) „Sophiens Neife.“ 31778. 3, 20—26. 
9) Ebenda. 5, 468. 
„Reue Bibliothet der ſchönen Wiſſenſchaften und freyen Künſte.“ Leipzig. 
17a. ku 2, 177-256. Schriften. Band 4. ©. 101—266. 
N Schriften. Band 4. ©. 222. 
Ebenda. S. 149. 


494 Mobert Riemann, Zohann Jakob Engel „Herr Lorenz Start“. 


treten läßt. „Es ijt unglaublich, wie jehr fich die Seele den Worten 
einzudrücden, wie fie die Rede gleichſam zu ihrem Spiegel zu machen 
weiß, worin fich ihre jedesmalige Geftalt bis auf die feiniten und 
zarteften Züge darftellt.”?) Daher ift die dialogiidye Form zur 
Schilderung von Charakteren unendlich fähiger als die erzählende,?) 
und der Tichter foll, nach der Vorjchrift des Ariftotele8 und dem 
Beiipiele Homers und Richardſons, ing Dramatifche übergehen, 
jobald es auf Schilderung der Seele autommt.3) Der Erzähler hat 
vor dem Tramatifer den Vorzug, daß er nicht auf die Gegenwart 
beichränft ift, jondern Vergangenheit und Zukunft in die Darftellung 
mit einbeziehen kann.) Auch fteht es ihm frei, den Stoff von 
mancherfei Seiten zu faffen®) und über die Handlungen feiner Per- 
ſonen zu refleftieren.®) 

In der 1783 erſchienenen „Theorie der Tichtungsarten“?) 
huldigt Engel im weſentlichen denſelben Anjchauungen.?), Da jedoch 
das Werk zu Schulzwecken geſchrieben iſt, demonſtriert er feine An⸗ 
ſichten an ausgewählten Beiſpielen. Als Muſter guter Dialogführung 
werden Shakeſpeares „Heinrich IV.” und „Hamlet“, ſowie Leſſings 
„Emilia Galotti“ angezogen.?) 

Im „Herrn Lorenz Stark” wird der gelehrte Tialog kaum 
durch das Geſpräch über die Kriſiso) halbſpöttiſch angejchlagen und 
fogleich wieder abgebrochen. „Kein Griechijd) weiter!" ruft der Alte.ı') 
Dagegen finden ſich etlihe Schulgeſpräche, zu denen die geiftige Hilf- 
fofigfeit Spechts den Anlaß giebt.!?, Der alternierend erplicierende 
Dialog erjcheint an einer Stelle, wo er wohl berechtigt ijt, nämlich 
als der Doktor und Yorenz Stark endgiltig über Vergangenheit und 
Zukunft des Sohnes reden.!?,; Kin derartiges einmaliges Auftreten 
dieſer Form ijt anders zu beurteilen als der gewohnheitsmäßige Ge» 
brand) in Wielands „Agathon“. Uberall aber ift die Rede der ein- 
zelnen Perjonen individuell gefärbt, und ftatt des farrifierenden 
Dialoges wird bewußt der charafterifierende angewendet. 


— 


1, Zchriften. Band 4. 2. 2924 und 222. 


2) ebenda. Z. 2418. 
%, ebenda ©. 235— 237. 
4 Ebenda. Z. 262. 
2 Ebenda. Z. 24. 
) Ebenda. 2. 257. 


*ı Schriften. Band 11. Hauptſtück 9. Formen. 
‘ı Ebenda. Z. 512? — 517. 

2, Zchriften. 11. S. 550 - 558 

"ı „Nerr Lorenz Ztarl.” 2. 02— 100. 

ı Fbenda 2. us. 

31 — 0. 258 — 202. 

350 - 368, 


(lu 


Robert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Lorenz Star”. 495 


Nietzſche Hat mit feinem befannten philologiihen Scharfblid 
einmal geäußert, ein Sat fei ſchon falich verftanden, wenn er in 
unrichtigem Tempo vorgetragen werde. Engel Praxis kann diejen 
Sag illuftrieren. Gerade in Bezug auf das Tempo Tontraftieren der 
Doktor und feine Gemahlin vortrefflih. Er ſpricht langſam und , 
nachdrucksvoll, iſt ungemein logiſch und behandelt den Heinften Punkt 
als eine breit zu erörternde Frage; feine runden, wohlüberlegten 
Sätze leitet er gern ein mit:i) „Geſetzt auch” oder: „Ich bitte Sie 
zu erwägen” oder: „Nehmen Sie einmal an.” Man höre nur, mit 
welchen breiten Neflerionen diejer Pedant eine Rede beginnt:?) „Sie 
können's nicht jonderbar finden, wenn ich behaupte: daß eine einzige 
That, zu welcher glüdliche oder unglüdliche Umftände einen Menſchen 
hinrifjen, ihn von Grundaus verändern, ihm gleichfam eine neue Seele 
einhauchen kann.“ So geht er oft vom Allgemeinen aufs Bejondere. 

Der Doktor fpricht Largo, jeine Gattin Scherzando.?) Seine 
Rede geht langweilig und methodiſch vor, die ihre hüpft flott, nedifch, 
leiht und flüchtig von Punkt zu Punkt, vernachläffigt jo manches 
und hat fortwährend etwas zu widerrufen oder nachzuholen, was fie 
aber nur felten mit einem „Oder wenn“, „Aber nein“ thut;*) meift 
bleibt der Einwand der anderen Perſon überlajjen. Sind die Süße 
ihres Gemahls durch zahlreiche Konjunktionen verknüpft und ver- 
häfelt, fo it ihr das Afyndeton eigentümlidh. Sie ruft ihrem Gatten 
zu:?) „Kurz, fie macht einen Beſuch bei dem Vater, bittet den Vater, 
gefällt dem Vater, bezahlt ihre Schulden, heiratet den Bruder.” Ebenſo 
erzählt fie Lorenz Start: „Ach hatte einzukaufen, mußte vorbei.” 
In der fchalfhaften Beſchreibung des verliebten Bruders kommt nod) 
die Anaphora Hinzu:?) „Ich fehe ihn bläffer, magerer werden; ſehe 
ihn alle Heiterkeit, allen Frohſinn verlieren; fehe ihn hinwelken mitten 
in der Gefundheit: wie Tann id) da ruhig bleiben?" Daß Engel hier 
vollfommen bewußt gearbeitet hat, beweifen die „Fragmente über Hand- 
lung, Gefpräch und Erzählung, wo er ausdrüdlich von den „Inver⸗ 
fionen der Rede“, den „Verbindungen, die gemacht und die nicht gemacht 
werden”, Ipricht.®) In der „Poetik“ finden fich ähnliche Betrachtungen.?) 


1) ©. 57. 60. 61. 85. 86. 94-98. 142—146. 156. 158. 160—162. 185. 
235. 237. 238. 241. 252. 307—309. 314. 

x ©. 359. 

3) ©. 77-83. 87. 149. 186-189. 211. 265—271. 814—318. 834—342. 
347. 370. - 
N ©. 77. 79. 181. 197. 
5) „Herr Lorenz Stark.” S. 186 und 187. 
6) ©. 75. 
) ©. 841. 
N Schriften. 4. ©. 226 und 227. 
9) „Poetil.” ©. 553. 


496 Robert Rıemanı, Zohann Jakob Engels „Herr Lorenz Start“. 


Karl Stark ſpricht Prejtifjimo. In ganz anderer Art wie feine 
Schweſter ijt auch er ein Schnellipreher. Er redet aufgeregt und 
leidenschaftlich in kurzen, übereinander jtürzenden Süßen, die nicht 
leicht und gefällig, wie die der Schweiter, jondern ſtoßweiſe hervor: 
fommen.!) Die rhethorijche Frage iſt jeine Lieblingsform.?) Er fährt 
Specht an:?) „Was es giebt? Was Sie wollen? hab’ ich gefragt. — 
Borgen etwa? Noch ehe die ulte Schuld ganz getilgt ift? Oder 
wieder Nachrichten von der Wittwe, Ihrer Nachbarin, bringen?“ 
ALS echter Schwächling ſucht Karl Stark den Mangel an Kraft und 
Entichlofjenheit dur Ungeſtüm und SHeftigfeit zu erjegen. Man 
vergleiche nur die Art, wie Doktor Herbſt über Horn jpridht,*) 
mit der, wie jein Schwager gegen ihn deflamiert:5) „Dorn? ...... 
Da, der elende, nichtswürdige Geizhals! So hat er mir doch das 
Wort nicht gehalten, das id) jo mühjam, mit jovielem Zureden von 
ihm erpreßte! — Ich Thor! Warum bezahlt’ ich auch den Bettel 
nicht gleich? -— Und was beichliegt denn mein Water? Was will 
er thun?“ 

Mit diejen leidenichaftlihen Ausbrüchen Fontrajtiert aufs befte 
die vorfichtige, ängſtliche Manier des Schleihers Specht, der nie- 
mandem widerjpricht, jede Behauptung einſchränkt, abwechſelnd jeine 
Frau und Lorenz Stark citiert, nichts als verzagte, halb in der 
Kehle jteden bleibende, Satzbrocken herausjtottert.®) 

Monjieur Burgs wenige hämiſche Bemerkungen über feinen 
Oheim jprudeln raſch nacheinander hervor, wogegen Schlicht kurz, 
fnapp und fteif, gelegentlid) mürriſch und grob feine Meldungen 
macht umd feine Meinung abgiebt.‘) Tie Mutter jpricht, wenn fie 
aufgeregt ift, die richtige, unlogiiche, unfluge, übertriebene rauen» 
ſprache, jonit lange Zäke, die man jid) in gedehntem Tone, mehr 
als bedachtiam vorgetragen, zu denken hat.) Die Witwe genießt, wie 
der Pfarrer in Thümmels „Wilhelmine“, den Vorzug, nie zu Worte 
zu fommen; fie hat immer Anliegen und ift ftets zu ſchüchtern fie 
auszuſprechen. 

vorenz Stark redet ruhig, ſpöttiſch und ironiſch, wie Engel 
jelbjt, der jedermann, unbefiimmert um Stand und Geichlecht, 
am liebjten ironiſch nahm. Was ein unbefangener Beobachter von 


1ı „Bert Yorenz Stark.“ 2. 14. 15 17. 24. 37. 113. 306. 386 - 392. 
2, 17. 18. 11. 25. 113. 204. 2098. 306. 384. 388. 390. 
3, 25. 
4 182. 
208. 


(ls (u 


21—36 244— 2362 hassim. 
117—121. 285-—287. 20 301. 
°2. 73. 122. 123. 206. 373—379. 


Robert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Lorenz Start“, 497 


dem Dichter ſagte, gilt auch von feiner Lieblingsfigur:!) „Der Mann 
hat gewiß Genie, fühlt fich aber ziemlich, fpricht gern in dem Ton 
der Entſcheidung.“ 

An Lorenz Stark läßt ſich zeigen, wie. Engel die der. Einzel: 
figur zugeteilte individuelle Redeweiſe der Situation anpaßt. In der 
folgenreichen erften Unterredbung mit dem Sohne?) fpricht der Alte 
anfangs in ruhigen Süßen, die mit Kleinen Winken und Anfpielungen 
durchjegt find.3) Karl Stark wird heftig, der Alte bleibt feiner Herr 
und unterbricht ihn nur durch ſcharf pointierte Sätzchen, z. B. ruft 
der Sohn: ) „..doch wird mir jede Zerſtreuung, jedes elende 
Vergnügen hemißgönnt. “— „Du ſprichſt ſehr hart, aber ſehr wahr. 
Jedes elende Vergnügen.“ — „Elend — weil es mir nichts, oder 
eine Wenigkeit Fojtet. Was hab’ ich denn verloren, wern ich verlor?" — 
„Das Koſtbarſte, was wir haben: die Zeit." Jetzt wird Karl Start 
ausfallend und wirft dem Vater übertriebene Wohlthätigfeit vor, 
was diefen in wirklichen Zorn verjegt. Er geht in ein raſches Tempo 
über:3) „Dacht' ich es doch, daß der junge Menſch noch würde mein 
Vormund werden! Wegzumerfen? Was verftehjt du darunter? Was 
heißt bei dir wegwerfen? Sprich!” Gleich darauf gewinnt er feine 
Ruhe zurüd und fchlägt im Bewußtfein feiner Tugend einen etwas 
pathetiihen Ton an:°) „Und wenn fie mich einft die lange Straße 
hinabtragen, und ich hier alles dahintenlaffe, fo hoff’ ich, es joll da 
mander mit Tihränen in feinen Augen jprechen: Schade um den 
rechtfchaffenen Mann!“ 

Wie jeder bereitS herausgehört hat, war Engels Mufter in 
Theorie und Praxis Leſſing. 


vo. Mimit und Phyfiognomif. 


Auffällig find im „Herrn Lorenz Start" bie bis aufs Kleinfte 
genauen Angaben über Minenfpiel und Geften, die jede Situation 
lebhaft illuftrieren und den Dialog zum Bühnenbilde ergänzen.”) 


1) Bgl. C. F. Rincks „Studienreife 1788/1784." Herausgegeben von Moritz 
Geyer, Altenburg 1897. Vgl. beſonders den 22. Dezember. | 

2 De Lorenz Stark.” ©. 12—21. 
. 14. 16. 


3 
4 0 
5) ©. 19. 
6 
N) „Herr Lorenz Stark.” ©. 27. 62. 66. 69. 73. 74. 76. 78. 88. 87. 88. 
94. 99. 109. 111. 126. 127. 129. 130. 137. 145. 147. 151. 154. 157. 162.165. 
180. 188. 189. 215. 243. 245. 217. 248. 249. 251. 258. 257. 258. 280. 288. 
285. 293. 294. 295. 296. 299. 300. 319. 323. 324—825. 327. 335. 837. 839. 


340. 343. 346. 347. 348. 350. 368. 370. 371. 878. 879. 884. 390. 392. 396. 
397. 398. 


Euphorion. VII. 82 


498 Robert Riemann, Johann Jalob Engels „Herr Lorenz Start“. 


Was fängt der Alte nicht alles mit jeinem Stug an, den er bald 
auf das fchwerhörige, bald auf das andere Chr zieht! Jede Hand— 
bewegung, jeder Blid, Gang und Haltung dienen dem Ausdrude 
der jeeliichen Erregung. Schon die Beitgenofjen ſahen hierin einen 
der größten Vorzüge von Engels Roman und rühmten die „ſcharf 
der Natur abgejehene Andeutung des mimijchen Ausdrucks“.) 

Die engliihen Humoriften verwenden die Mimik in farrikierender 
Weile. Das Muſter Hogarths, der in jeinen Bildercyflen ganze 
Romane in der Gebärdensprache liefert, ijt für fie weit weniger 
fruchtbar geworden als für die deutichen Dichter, obwohl Fielding 
einzelne Charaktere von ihm entlehnte. Auch find im „Joſeph 
Andrews" nur jehr fragmentariiche Anjäke zu theoretiicher Erörterung 
vorhanden. Der ehrliche Adams disputiert mit einem Wirte über 
Phyſiognomik, und ebenjo unterhalten fich einmal ein herunter: 
gefoinmener Komödiant und ein clender Verſemacher darüber, 
ob am MNiedergange der Bühne schlechte Verſe oder fchlechte 
Mimen Schuld feien. Doch werden diefe Themen ganz beiläufig 
erörtert, und der Schauſpieler geht jogar nur auf Sprade und 
Betonung ein. 

Im deutichen Romane des 18. Jahrhunderts tritt die Mimik 
hier und da ſporadiſch auf, und bei näheren Zuſehen erfennt man, 
dag dieje Ericheinungen untereinander im Zuſammenhange itehen 
und die langſame Entwidlung einer Technik darjtellen, die mit Engel 
ihren Höhepunkt erreicht. Anfangs wird auf das Außere wenig 
Gewicht gelegt. Gellert geitcht in der „Schwediſchen Sräfin” jein 
Unvermögen offen ein, wenn er fie jchreiben Läpt:2) „Man verderbt 
durch die genauen Weichreibungen oft dag Bild, dag man feinen 
Yelern von einer fchönen Perfon machen will. Genug, mein Graf 
war in meinen Augen der jchönfte Mann.“ 

Es ift ein weiter Weg von diefem Verfahren bis zu dem (Engels. 
Trei Faktoren find in der Hauptſache wirkſam: Die Bühne, die 
Phyſiognomik und die bildende Kunſt. Nebenher verdient noch er» 
wähnt zu werden, day das Zilhonettieren, jchon ehe man etwas von 
Phyſiognomik wähnte, eine Meodetändelei war.’ı 

Tie Schauſpielkunſt nahm auf den Heinen Bühnen diefer Epoche 
einen neuen Aufſchwung. Tas intime Spiel entwidelte fi, und 
namentlich im bürgerlichen Drama begann die Gebärde eine große 
Rolle zu ipielen. Mit allem Nachdruck weilt Tiderot darauf hin,*) 


— — — —— 


: Neue allgemeine deutiche Bibliothek. LXXXVII. 1. S. 191. 

2. Gellerts ſämtliche Schriſten. 4. Teil. S. 203. 

) BglMuſäus, „KRhyñognomiſche Reiſen.“ 3. Altenburg 1779. S. 56. 

ı. „Bon dev dramatiſchen Tichtkunſt.“ Leſſings UÜberjetzung. Hempel. XI. 2. 


— 
S. 312. 


Nobert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Lorenz Starr. 499. 


„daß es ganze Scenen giebt, wo es unendlich natürlicher ift, daß 
jich die Perfonen bewegen, al8 daß fie reden.” 

Solche Scenen find namentlid) die, wo der Menſch die Gabe 
zu reden verliert und feiner Verzweiflung nur durd ein ſtummes 
Spiel Ausdrucd verleihen kann. So benimmt fich bei Prevoft b’Eriles 
der Nitter des Grieux, als er Manon Lescaut im Haufe feines 
ZTodfeindes, ähnlich, als er fie auf dem Häfcherwagen findet. Dan 
wird natürlich auf die Gebärde zuerft da aufmerkfam, wo fie die 
Sprache vertritt, und wird dann leicht dazu fommen, Neben und 
Geften im Aufammenhange zu verfolgen, wie fie auf der Bühne 
ſich finden! 

Leifing ſchenkte den Schaufpielern i in der „Hamburgifchen Drama- 
turgie“ jo lange Beachtung, bis ihre Eitelfeit jede Kritik unmöglich 
machte. Früher ſchon, al3 er in der „Theatraliſchen Bibliothek“ einen 
Auszug aus dem „Schaufpieler” von Remond von Ste. Albine ver- 
öffentlichte, Hatte er ein Werk über die „törperliche Beredſamkeit“ 
verfprocdhen. Es erjchien niemals. Die ein Jahr fpäter!) von Löwen | 
herausgegebenen „Rurzgefaßten Grundfäte von der Beredſamkeit des 
Leibes“ waren in feiner Weile zum Erjate geeignet, und fo konnte 
noch 1785 Engel an die Verheißung ſeines großen Vorbildes anknüpfen. 

Um 1770, alſo wiederum in der für die deutſche Erzählungs⸗ 
kunſt ſo unendlich wichtigen Zeit, wird die Bewegung lebhafter und 
tritt ins Gebiet des Romans über. Schon 1769 geht Hermes in 
„Sophiens Reife von Memel nad Sachſen“ oft auf das ſtumme 
Spiel ein; allerdings ift er auch hier zum Karrifieren geneigt. Er 
bejchreibt das fchmweigende Staunen und Entzüden einer im Konzert- 
faal verfammelten Menge, die eine Italienerin fingen hört?) oder 
das vom Troß abfcheulich entftellte Geficht Kofchcheng?) oder bie 
grotesten Gebärden des biederen Puff.t) Chodowiecki abbept aus 
„Sophiens Reiſe“ die Anregung zu einer Reihe von Kupferſtichen, 
die wiederum auf Hermes zurückwirken. Fortan hat er bei jeder 
Situation eine mögliche Illuſtration im Auge und dankt Chodowiecki 
für feine Förderung, indem er im ſechſten Bande der dritten Auflage 
(1778) Herrn Puff aus der Gefchichte heraustreten und jagen fäßt:®) 
„Solche Kupfer verdienten ſechzig Bogen Zuſatz.“ Ebenſo gejteht er 
häufig zu, er habe ſich eine Scene beiweitem nicht ſo in gedacht, 
wie Chodowiecki fie dargeftellt habe.®) 


.) Hamburg 1755. Engel, „Mimil.* 1. ©. 82. 
2) „Sophiens Reife.“ 176). 1. Zeil. ©. 270. 
9) Ebenda. ©. 376 und 377. 
4) Ebenda. 2. Teil (1770). ©. 269 und 276. 
) „Sophiens Reife.“ 31778. Band 6. ©. 708. 
6) Ebenda. S. 129 u. 6. 
32* 


500 Robert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Yorenz Start”, 


Wie Chodowiecki greift auch Lavater die Anregungen der erften 
Auflage von „Sophiens Reife” auf, um bejtimmend auf die weiteren 
einzumwirfen. Er bringt das Porträt des Tichters, feiert feinen „meta- 
phyfiich-moraliichen Roman“ und hält die phyfiognomijchen Stellen 
desjelben der Einverleibung in die „Phyſiognomiſchen Fragmente“ 
für würdig.) Dies von 1775— 1778 erſchienene Werk bildet zunädjit 
das groge Eammelbeden, in dem fich alle bisher beobachteten Strö- 
mungen vereinigen. 

Lavater rechnete die ganze Mimik zur Phyfiognomif, wie aus 
jeiner Außerung erhellt:) „Stimme, Gang, Stellung, Gebärden, 
Kleidung — alles an dem Menſchen iſt phyſiognomiſch — alles, 
was der Menſch berührt, und was durd) jeine Hände geht, was in 
feinen Kreis tritt — nimmt etwas von ihm an." Er gedentt der 
grogen Schauipieler und preilt namentlich Garrick, der es jo weit in 
der Phyſiognomik gebradıt habe, daß er den Charafter von beinahe 
jeder Phyſiognomie durch ſeine eigene ausdrücden fünne.?) 

Chodowiecki wird von Yavater als „beinahe der einzige” be- 
zeichnet, „der fat allen jeinen Figuren die volle ungehemmte Freiheit, 
die dem Leben eigen it, einzuhauchen weiß“; ſein Stid) „Les Adieux 
de CGalas’ wird enthufiaftiich verberrlicht. Ebenjo kommentiert Lavater 
Hogarth. Dieſe Erlänterungen ſetzte Lichtenberg, der Lavater im 
„Fragment von Schwänzen“ To granjam mitgenommen hatte, |päter 
mit ganz anderer Tendenz im „Göttingiſchen Taſchenkalender“ fort, 
nicht im Dithyrambenſtil, jondern mit wigiger Schärfe.) Sie er: 
jhieuen 17094—1799 gelammelt, und Engel gewann ihnen mehr 
Geſchmack ab als Lavaters großem Werfe.”: Yichtenberg war aud) 
dem engliichen „Zeichner eher gewachten als Yavater, der jeine -yrag- 
mente „zur Beförderung der Menſchenkenntniß und Menſchenliebe“ 
ſchrieb, ſich von der Taritellung des Yalters mit Grauſen abiwandte 
und geneigt war, Hogarth um ihrer willen Norwürfe zu machen.‘ Die 
Abwehr Yavaters gegen Lichtenberg iſt matt. Er empfiehlt, feine Schriften 
zu leien „und — Wie man will, entweder nach der Schärfe des Witzes, 
oder nach dem Gehalte von beftimmten Beobachtungen zu prüfen.“ °) 


; „Ehnftognonmiche Fragmente.“ Dritter Verſuch. 1777. Z. 214. 

*; Vierter Verſuch. 1778. 2. 417. Weber den Zuſammenhang von Yhnfio« 
gnomit und Bent vor Yapater vergleiche: Oberländer, Die geiſtige Entwicklung der 
deutichen Schaupielkunſt im 18. Jahrhundert Hamburg und Leipzig 1898). S. 171 
bis 173. Auf Lavater jſelbſt wird bier allerdings nicht genügend eingegangen. 

Erſter Veriuch. 1775. 2. 181. 

U, Kgl W. Hogarihs ZJeichnungen mit Erklärungen von Yichtenberg, heraus 
gegeben von Tr. Fianz Kottenlamp. Stuttgart 1873. Vorwort. 

in dem 2. 201 citierten Briefe bittet Engel um „Lichtenbergs witigen 
Kommentar uber Hogarth.“ 

“, „Ebwitogremmcde Fragmente.“ Erſter Veriuch. S 096 fi. 


_ 


"ı Fbenda 4. 1778. Z Jen, 


Robert Riemann, Johann Jalob Engels „Herr Lorenz Star“. 5801 


Der pofitive Kern der „Phyfiognomifchen Fragmente” ift fchließlich 
die Lehre von der Harmonie „zwiſchen moralifcher und körperlicher 
Schönheit“.) Jeder moralifch gute Gemütszuftand verändert das 
Geficht zur Schönheit, jeder ſchlechte zur Häßlichkeit. Phyfiognomifche . 
Veränderungen regiftrieren alle Erlebuifje; das Antlig des Menſchen 
ift fein Führungszeugnis. „In allen Theilen des Angefichts geben 
aljo verhältnismäßig, oft wiederholte Gemütszuftände, häßliche oder 
ihöne bleibende Eindrüde.”2) Lavater weijt auf Jünglinge hin, die 
ihre urſprünglich jchöne Bildung „durch Geilheit und Unmäßigfeit 
ſehr verhäßlicht haben“,3) und diefe Sfünglinge treten fortan oft 
genug im Roman auf. Hochmodern klingt die Gegenüberftellung ber 
Säte: „ES werden Züge und Bildungen geerbt. Es werben mora⸗ 
fifche Dispofitionen geerbt.““) Alles faßt fchlieglich Lavater in die 
beiden Formeln zufammen: „Je moraliſch beffer; deſto fchöner. Je 
moraliſch fchlimmer; defto häßlicher.“ 5) 

Dieſe Phyfiognomif mit moralifher Spite gefiel namentlich 
Hermes, der fchon vorher unbewußt nach demfelben Rezept verfahren 
war. Legt man die erfte Auflage von „Sophiens Reife” neben die 
dritte, die nach dem Erjcheinen der „Phyfiognonifchen Fragmente” 
herausfam, jo fiehft man die ungeheure Einwirkung Lavaters, der 
auch wiederholt citiert wird.) Hermes giebt die „ganz untrüglichen 
Kennzeichen der Wahrheit und der Lügen” an,?) und wenn es ihin 
1770 genug war, vom vermeintlichen Bruder der Sophie zu jagen: 
„Ein Menſch, dem ic) Galgen und Rad aus den Augen leſe,“s) jo 
erhalten wir jetzt eine Beichreibung dieſes Menjchen, die ſich bis auf 
das „zweifarbige Gebüſch von Augenbrauen”, die „jcharf gejpannte 
Oberlippe” und den „bebenden Gang” erftredt.?) u 

Goethes Begeifterung für Lavater, der ihn zum Mitarbeiter an 
den „Fragmenten“ preßte, war befanntlid) vorübergehender Natur. 
In „Dichtung und Wahrheit" fteht er dem „jeltfamen Werte”, das 
man „wohl als genial-empirifch, als methodiſch collectiv anjprechen“ 
dürfe, jehr fühl gegenüber. 

Im „ Werther” geht Goethe faft nirgends auf Phyfiognomit ein. 
Zwar will Werther aus den Gefichtszügen eines Herrn Schmidt 
ſchließen, „es jei mehr Eigenfinn und übler Humor, al8 Eingejchränft- 


1) Ebenda. 1, 57—78. 


2) Ebenda. ©. 63. 
3) Ebenda. ©. 67. 
4) Ebenda. ©. 73. 


5) Ebenda. ©. 63. 

6) „Sophiens Reife.“ 31778. Band 5. ©. 27. Band. 6. ©. 702. 
7) Ebenda. 2. ©. 28 und 29. . 

8) „Sophiens Reife.” 2. Teil. 1770. ©. 424. 

9) „Sopbiens Reife.“ 31778. Band 2. &. 686 und 697. 


502 Robert Riemann, Johann Jatob Engel® „Herr Lorenz Start“. 


heit des Verſtandes, die jich ihn mitzuteilen hinderte.“ Die Kenn: 
zeichen werden aber nicht angegeben. Dagegen liebt Goethe im 
„Werther" die Lebendige Gruppeubildung, und Lotte unter den 
Kindern, die Damen beim Gewitter, Werther im Spiel mit den 
Kleinen gegenüber dem pedantiichen Doktor jind ebenjo fprechende 
als befannte Zeugniffe. Auch braudyt man über die jorgfältige An- 
gabe der Kleidung Lottes und Werthers fein Wort zu verlieren!) 

Wieland ſchenkt im „Agathon“ der Phyjiognomit und Mimik 
feine jonderliche Beachtung. Heinſe, der dod) jonft finnlid, lebhafte 
Bilder giebt, hat im „Ardinghello” ftatt feinen Gebärdenſpiels nur 
wilde Theatercoups wie: „Bier jprang er auf, vor Freuden ganz 
außer ji), day die Gläſer vom Tiſche flogen.” ?) 

Zur Mimik gehört ruhige, ftille Beobachtung, und die war 
weniger Sache der Genies als der Aufklärer. Da aber Xavater der 
Abgott der Genies war, fo finden wir zunädjt eine ſtarke Oppoſition 
der Aufklärung gegen alle Nerjudye, vom Außern auf das Innere zu 
ichliegen. Jede Satire übertreibt. Dies thut Lichtenberg in feinen 
Angriffen auf Lavater ebenjojcht wie Muſäus in den „Phyſiogno— 
mijchen Reifen“, die vornehmlid) Hermes und Lavater angreifen. 
So findet der reilende Phyſiognomiker im Stiftsfonvent auf dem 
Erzgebirge „nur das beliebte Heyrathsſyſtem des Herrn Hermes, 
welches Kernbuch nach allen drey rechtmäßigen Auflagen ſich hier 
befand, und die phyſiognomiſchen Fragmente“.“ Aud) der Titel der 
Parodie von Muſäus, die genau der Einteilung der Fragmente 
folgt, trifft zum Teil die Phyſiognomit, zum Teil die Reiſeromane, 
was jedermann empfand, da fie von 1778 bis I 9 erichien, alſo 
den verſpotteten Werken anf dem Fuße folgte. Die Anregung hatte 
Muſäus durch Yichtenberg empfangen! 

Er wendet ſich gegen das Intereſſe an Außerlichkeiten überhaupt. 
Cramer hatte in der 1777 und 1778 erichienenen Schrift: „Klopjtod 
in Fragmenten ans Wriefen von Tellow an Eliſa“ viel Weſens von 
dem rotplutchenen Node des Barden gemacht und bemerft, aus der 
Art, wie er die Tabafspfeife in die Höhe halte, wenn er am fen 
jtche, Ntrable das Gefühl: „ch bin Klopftock.“ Nach diefen Kenn 
zeichen entdedt der reiſende Phyſiognomiker mit den „Adlerblid“ 
jeiner Zunit Klopſtock in einem Leipziger Nachtwächter und Feſt— 
dichter. Zu feinem Bedauern muß er hören, daß mehr Leute Plüſch— 
röde tragen, und der Grund für das Auiwärtsſchwingen der Pfeife 


Val. Heime, Ter Woman ın Teutiihland von 1774-1778. S. 72. 
„Ardinghello.“ 9 Yaubes Ausgabe von 1878 Band 1. S. 21. 
ı „Pbuttognommche Retien.“ zZweytes Heit Altenburg 1778. 2. 161. 


— 


2 Trittes Heft. S. 59. Riertes Heft S. 190 


Robert Riemann, Zohann Jakob Engels „Herr Lorenz Star”. 503 


lediglich) in der „Bejchaffenheit des Tobacks liegt, wenn er feucht ift 
und ſchlecht brennt“.) 

Auch ſonſt blamiert ſich der reiſende Phyſiognomiker überall. Er 
iſt hinter einer Sophie her, die ebenſoſehr an Sophie von La Roches 
Sophia von Sternheim?) wie an Sophie Albertine von Hohen* 
erinnert, die Hermes incognito die Reife von Memel nad) Sadjjen 
antreten Tieß.?) Die Lehre von der Harmonie wird durch das 
„phyſiognomiſche Halsgericht verſpottet. Der Vorſitzende entdeckt ohne 
jede Beihilfe der Tortur nach rein phyſiognomiſchen Kennzeichen den 
Zürcher Weinvergifter und kann in ſeiner Überzeugung faum durch 
den Umftand irre gemacht werden, daß die ganze Weinvergiftung 
ins Reich der Fabel gehört.) Der Neifende kommt ſchließlich, ver- 
lacht, geprellt und beftohlen, durch feine jchlechten Erfahrungen zu 
dem Vorjage, „viel vom Metier zu fchwagen, alles zu bejchauen, 
darüber fleigig zu disputieren und nichts davon zu glauben.“ 

Die Satire ijt gejchieft und wirkſam durchgeführt. Selbjt Goethe, 
der fonjt nicht viel von Mufäus hielt, fand, er habe Lavater „ziemlich 
gut beleuchtet.) Muſäus war einfeitig in feiner Verwerfung des 
Intereſſes für das Außere. Nicolai macht im „Sebaldus Nothanfer” 
nur gegen Lavater Front, nicht gegen die Zeitftrömung, die ihn 
hervorgebradyt Hatte. Auch hier muß die Lehre von der Durmonie 
herhalten. Nicolai fällt über die Kennzeichen des verdäcdhtigen Dienfchen, 
namentlich dag „weit gegen das Ende der Naſe vor ſich gehende Nas⸗ 
läppchen“ witelnd her.“) Dagegen finden ſich Anjäge zur Mimik. 
Der eitle Oberſt hat die Gewohnheit, „gemeiniglich eine weiſe Miene 
anzunehmen und den Zeigefinger an die Nafe zu legen, als fagte er 
etwas gar Tiefſinniges.“)) Befonders bemerkenswert ift die Hiftorifche 
Darftellung der Kleidertrachten der Berliner Geiftlichen,®) die ihre 
iymbolifche Bedeutung haben und ihren Einfluß auf Gang und 
Bewegung üben. 

Der ganze Aufkflärungsroman verhält fi) in ähnlicher Weile 
der Phyfiognomif gegenüber rejerviert und legt mehr Gewicht auf 
die Mimik. Morik giebt im „Anton Reiſer“ Beifpiele von verkehrten 
Urteilen auf Grund der Gefihtsbildung?) und führt näher den Fall 
des überall unterdrücten und herumgeftoßenen Menſchen aus, der die 





N Zee Heft. S. 50—85. 

weytes Heft S. 11 wird offenbar auf ſie als Madame Leydens angeſpielt. 
Erſtes Heft. S. 99. Zweytes Heft. S. 22 und 23. 
Biertes Heft. 1779. S A und 58—90. 
Goethes Geſpräche. * 

„Sebaldus Nothanter, 2 11799. Band 1. ©. 184 und 185. 
Ebenda. Band 2. 5. 225. 
Ebenda. S. 104—111. Dazu Chodowiechis Kupfer. 
Bol. „Anton Reiſer.“ S. 141 und 142. 


oe x. -ı an a =» @ 


Nr — 


504 Robert Riemann, Zohan Jakob Engel$ „Herr Lorenz Start”. 


Augen nicht mehr aufzuichlagen wagt und mit einem Armjünder: 
gefichte herumjihleicht.!) „Wehe ihm dann, wenn er einem eingebildeten 
Menjchenfenner, wie es jo viele giebt, in die Hände fällt, der nad) 
dem erjten Eindrud, den jeine Miene auf ihn macht, jogleid) feinen 
Charafter beurteilt.” Morig bleibt nicht ganz fonjequent; an anderer 
Stelle legt er jelbft dem „erjten Anblick“ großes Gewicht bei.:) 

Ta Mängel der Kleidung zu Anton Heifers Leiden gehören, 
wird jein Anzug immer jorgfältig bejchrieben, und wir jehen ihn 
nacheinander den roten Soldatenrod, die graue Bedientenfleidung 
und den blauen Chorfnabenmantel aus alten Schürzen tragen, big 
er endlid) zur Deflamationsübung das erjte Kleid von feinem Tuch 
erhält. 

Auf die Mimik legt Morik, der mit Iffland auf dem Schul— 
theater von Dannover in Stüden Engels auftrat,d) großen Wert. 
Er hatte als Schiiler die Adermanniche und Schröderfhe Truppe 
jpielen jehen, mit Efhof verfehrt und durd) feine Flucht aus Hannover 
das Eignal zu einer Maſſenauswanderung von der Schule auf die 
Bühne gegeben. Tieien Neigungen entiprechend fehen wir ihn von 
frühejter Jugend an die Gejten aller Perjonen beobadhten, mit denen 
er in Berührung tritt. Er beginnt mit einem lebhaften Intereſſe 
für die Gebärden der Kanzelredner,“ das ſich dann dem Schau: 
jpieler zumendet und ſchließlich in die theoretiiche Frage ausläuft: 
Worin bejtcht das Wejen der mimiſchen Begabung?") Die endgiltige 
Löſung diejes Problems war freilidd Goethes „Wilhelm Meifter“ 
aufbehalten. 

Wir ſind jetzt wieder bei der Bühne angekommen. Lavaters 
Verſuch, das ganze Gebiet für die Moral in Anſpruch zu nehmen, 
war ſchließlich doch mißlungen. Einem Theaterpraktiker wie Engel 
fiel es zu, das vorhandene Material nach rein künſtleriſchen Geſichts— 
punkten in ein Syſtem zu ordnen, das von den Bedürfniſſen der 
Bühne jeinen Ausgang nahm. 

Engel war jeit langen mit dem Iheater befannt. Als Leipziger 
Student nahm er an Privatanffübrungen teil’ı und ſchrieb für die 
Roche Schaubühne Prologe und jelbjtändige Dramen. Dann 
ging er mit Seyler nad) Gotha und trat mit Gotter in Verkehr,?) 


„Anton Raser.” S. 146 und 147. gl 2. 214. 


Ebenda. 2. 270. 
ebenda. Z. 314 und DIR. 
Ebenda. Z. 47. 52. 137. 13= und 13%. 
Ebenda. Z. 643-659. 71. 110, 131. 
ebenda 2. 347. 
—C Schroder, X J. Engel. Schwerin 1897. 2. 11. 
> ebenda 


Ebenda. Z. 17. 


Robert Riemann, Johann Jakob Engel „Herr Lorenz Start”. 505 


der einen lange fortgeführten Briefwechjel zur Folge hatte. In Berlin 
bearbeitete er die Tramen Babos und Törrings für die Bühne, 
dichtete Gelegenheitsjtüde und ZTheaterreden,!) und ſammelte als 
fleigiger Zheaterbejucher einen Scat von Beobachtungen, die er 
jchlieglich in die zweibändigen „SXdeen zu einer Mimik“ einordnete. 
Mit ihnen wollte er Leſſings Verſprechen einlöjen.2) Bereits 1782 
fündigte er das Werk im „Zeutjchen Merkur” an und forderte zur 
Präanumeration auf, da er es im Selbftverlage erfcheinen ließ. Die 
Anfertigung der Kupfer durd) Meil dauerte aber noch drei Jahre, 
jo daß erjt 1785 der erfte, 1786 der zweite Band herausfam.?) In— 
zwijchen erjchien 1783 die „Theorie der Dichtungsarten”. Aud in 
ihr finden fich Betrachtungen über Mimif.*) Engel weijt darauf hin, 
daß bei DBeichreibung jeeliicher Zuftände die Schilderung der Art, 
wie fie ſich äußern, eines der wichtigſten Hilfsmittel des Dichters ift. 
Will man jich den Zorn vorjtellen, fo vergegenwärtigt man jich feine 
äußeren Symptome: den jtarren DBlid, die gerunzelte Stirn, die 
abwechjelnde Farbe u. ſ. w.?) Zum Beleg liefert er eine Anzahl von 
„Pinchologiichen Gemälden” aus Klopftods Meſſias.) Auf die gleiche 
Art wie die Zuftände werden abftrafte pjychologiiche Gegenftände wie 
„das Entjegen” oder „die Religion” gejchildert.”) Zu diefen gehören 
auch die Charaftergemälde. Der Dichter giebt von den „unter- 
jcheidenden Eigenjchaften eines moralischen Weſens“ ein Bild „theils 
durh Schilderung unterjcheidender phyfiognomijcher Züge, denen fid) 
oft die Seele jo unverkennbar eindrüdt”; — das vorjichtige „oft“ 
ift an diejer Stelle jehr bedeutfjam — „theil3 dadurch, daß er die 
bleibenden beſtimmenden Urjachen, oder fehr ausgezeichnete einzelne 
Außerungen und Folgen der Charaftere angiebt, durch welche er das 
Allgemeine durchichimmern läßt”; theils durd) die Energie des Stils, 
Metaphern, Allegorien, Figuren. Dann folgen Beijpiele aus Goethe, 
Klopſtock und Clodius.?) 

Auch in der „Mimik“ iſt Engel vorfichtig gegenüber der Phy— 
jiognomif. Er betont nur den Unterjchied beider Theorien. Die eine 
geht auf „feite bleibende Züge”, die andere auf „vorübergehende 
förperliche Bewegungen“. Die Phyfiognomif hat fchon an Intereſſe 
verloren, „weil man feine jichern allgemeinen Grundfäge fand, die 
jih auch, aus wohlbelannten Urjachen, nicht jo leicht mögten finden 


1) Ebenda. S. 25. - D) „Mimik.“ 1. S. 10—12. 

3) Oberländer giebt S. 173 und 212 irrthümlich die Jahre 1782 und 1785 
für das Ericheinen der beiden Theile an. Auch Oberländers Urtheil über Engels 
„Züftelei” und „prächtige ‘Phrafen‘ halte ich für durchaus verfehlt. Dagegen ift 
der Nachweis, daß Leipzig die eigentliche Geburtsftadt der modernen deutſchen 
Schauſpielkunſt ift (S. 63), auch für unieren dort begonnenen Roman widtig. 

) Schriften. 11. S. 154. 544. — 5) „Poetik.“ S. 290 - 294. — 9) Ebenda. 
5. 295—299. — 7) „Poetil.” S. 299-301. — 9) Ebenda. S. 301—306. 





506 Robert Riemann, Zohann Jakob Engeld „Herr Lorenz Star“. 


laffen.“ !, Eine Anknüpfung an Lavaterd Bemerfungen über Mimik 
(lehnt Engel ab, weil der Standpunkt der Betradhtung ein ganz 
verjchiedener ift. „Fremde, nicht ſchon vorher durchdachte, Ideen 
fönnten mir leicht die ganze Folge meiner eignen veriirren.‘?) 

Engeld Beobachtungen erhalten in den „Ideen zu einer Mimik“ 
durch wiljenjchaftliche Betrachtungen erjt ihren eigentlichen Wert. Er 
verarbeitet die Alten, geht auf Mendelsjohns Yehre von den Empfin- 
dungen ein und jett ſich überhaupt mit Philojophen und Phyjiologen 
auseinander.’, Er macht Anfäge zur kritiſchen Betrachtung des Ge⸗ 
bärdenſpiels unkultivierter Völker, berückſichtigt Herders Forſchungen 
über den Urſprung der Sprache und unterzieht die Verſuche zur 
Erneuerung der Pantomime einer genauen Prüfung. 

Engels „Poetik“, „Mimik“ und die Abhandlung „Über die 
mutifalijche Dealerei“ !; bilden zuſammen ein geſchloſſenes Wert. 
Uberall fehrt der Dauptgejichtspunft Engels, die Scheidung in 
Malerei und Ausdrud, wieder. Malerei jucht, im &ebärdenipiel 
wie in der Programmmuſik, dag vorgejtellte Objekt nachahmend 
darzuſtellen: Ansdruck giebt nur die Empfindung wieder, Die 
es erregt. Der Ausdrud iſt immer geboten, die Malerei nur 
dann erlaubt, wenn jie mit dem Ausdrudfe der inneren Empfindung 
zujammenfällt. 

Für eine ausführliche Analyſe der „Ideen zu einer Mimik“ ift 
bier nicht der Ort: ich will daher nur nocd Engels befannten und 
oft geihmähten Widermillen gegen das Trama in Berien biftorijch 
zu rechtfertigen juchen. Engel iſt ſich vollfommen darüber flar, daß 
die hohe Ausbildung der Mimik im 18. Jahrhundert und der Sieg 
der Wahrheit über die abgezirfelte Schönheit eine Folge des bürger- 
lichen Tramas it. As Schöpfer des realiltiihen Stiles wird Ekhof 
bezeichnet und gleichzeitig darauf hingewiejen, wie jehr er in der 
haute tragedie verjagte.’: Nun ficht Engel das Drama in Verien 
wieder auffommen. Was kann er von dieſer Bewegung Gutes er- 
warten? Sie muß ihm als ein Rückfall in die fteifen Tanzmeiſter—⸗ 
bemegungen der Alerandrinerherrichaft erjcheinen. Er fieht den 
Untergang der Mimik voraus und ſucht ihn mit allen Mitteln zu 
verhindern." Natürlich verwirft Engel das Trama der Griechen 
gänzlich. Tas attiſche Nieientheater mir Kothurn und Maske bildet 
ja den jprechenditen Gegenſatz zur intimen Bühne des bürgerlichen 

Bm” 12.7. — 2 Ebenda. 2. 132. —- 25 Auch hierin fieht Cher- 


lander einen Nachtheil 2. 174), weil dir Schanpieltunũi durch dieſe Berbindung 
mit breiten vinchologsichen Unterſuchungen nichts gewonnen babe. Kine Mimil ohne 
Verückſichtigung der Kiychologie iſt jedoch eine Unmöglichkeit, und Engel bat darüber 
keineswegs“ die vraft:iche Reobachtung vernachläüügt. — 9 Geſchrieben 1780. 
Zchhriften. Band 4. Z. 247 —112. Mimik.“ 1. S. x5 fi. — * Schröder, 
J. J. Engel. 2.27 und 28, überſieht Micien Grund. Bgl. „Dim.“ 2. 2. 177. 181. 


Robert Riemann, Zohann Jakob Engels „Herr Lorenz Star”. 507 


Dramas, auf der ſelbſt das Zuden mit der Wimper dem Zujchauer 
nicht unbemerft bleibt.!) 

Engel hat bei der Angabe der Geften im „Herrn Lorenz Start“ 
bewußt gearbeitet, jpricht auch felbft von den „&ebehrden”,*) der 
„PBantomime”,?) dem „Selticulieren”*) feiner Figuren. Auch finden 
fi direkte Gleichungen zwiſchen Theorie und Praris. Dahin gehört 
Karl Starts Beſchämung, als der Vater die Neife billigt.) Das 
Licht feiner Augen, die bedeutungslos vor fich Hinftarren, fcheint 
„bis auf den legten Funken verlöfcht“; er kehrt den Bli abwärts, 
al3 Mutter und Schweiter zu ihm treten. In den „Ideen zu einer 
Mimik" Hören wir,®) daß dem völlig Beichämten nichts empfindlicher 
ift, al3 wenn man fein Auge ausdrücklich ſucht, daß er dem fcheuen 
„lichtleeren” Blick hinter dem Lide verſteckt. 

Manche Angabe möchten wir dem Dichter freilich erlafien. Daß 
Doktor Herbft, wenn er einen Kuß von feiner Gattin erwartet, ſich 
mit der Serviette über die Tippen fährt,?) erjcheint unwichtig, und 
die Genauigkeit der Beobachtung ftreift an Bedanterie. Mit köſtlichem 
Humor wird dagegen der Rückweg bes alten Schlidht von Madame 
Lyk gefchildert. In dem Gedanken, jemand könne die vortrefflichen 
Eigenichaften der Doktorin oder der Witwe anzweifeln, „ftieß er mit 
dem Stod fo heftig geyen das Pflafter und fehnitt jo wilde Gefichter, 
daß ein paar fpielende Kinder vor Schreden zufammenfuhren, und 
mit Geſchrei in die Häufer liefen.“ ®) 

Ein Teil der mimijchen Angaben gehörte ficher fon dem „Spar⸗ 
famen” an. Schwidt nimmt fie oft mit komiſch genauem Anſchluß 
in die Bühnenbearbeitung hinüber. Sagt Engel: „Ste log mit einem 
Kopfihütteln, um nicht mit einem ausdrüdlicdhen Nein zu lügen“, 
jo feßt die „Deutſche Familie“ dafür: „jchüttelt mit dem Kopfe, um 
nicht ausdrüdlih zu lügen.” Ausführliche Stellen Engels bat 
Schmidt graufam gefürzt.!)) Wo er die Vorlage verläßt, fügt er recht 
dürftige mimifche Bemerkungen eigener Erfindung Hinzu, die unter 
denen Engels ftart deplaciert find.11) 


1) Ebenda. S. 185—191. 

2) „Herr Lorenz Start.” ©. 345. 

3) Ebenda. ©. 323. 

4) Ebenda. ©. 333. 

5) Ebenda. ©. 129 und 130. 

6, „Mimik.“ 1. ©. 326. 

7) „Herr Lorenz Stark.“ ©. 319. 

3, Ebenda. ©. 333. Bgl. „Mimik.“ 1. ©. 255 und 256. 
9%, „Lorenz Start oder die deutſche Familie.“ Leipzig 1804. ©. 74. 
10) Ebenda. ©. 99. 

11) wbenda. ©. 55 und 56. 141. 226 und 227. 262—264. 


508 Robert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Lorenz Start“. 


In der Kleidung kontraſtieren Vater und Sohn aufs wirk— 
fanıjte.!) Der Alte trägt feines Tuch, aufgewickelte Strümpfe, ſtumpfe 
Schnallenſchuhe, eine feine Halskrauſe mit Spitzen und „mit ſeinem 
kleinen Hute kam er zweimal außer die Mode und zweimal wieder 
hinein“.?) Karl Stark trägt eine reichgeſtickte Weſte und ein licht: 
braunes ſammtenes Kleid.’) „Der Eine hält's mit einer vollen, der 
Andre mit einer flimmernden Taſche,“ bemerkt der Alte fpöttiich. 

Tie Phyjiognomif jpielt eine gewiſſe Nolle, freilich beiweitem 
feine jo große wie in „Sophiens Reife”. Ter Roman wurde ja in 
dein der Phyſiognomik gänzlidy abgemeigien Leipzig begonnen.t; Gegen 
die Lehre von der Harmonie polemijiert Engel ähnlich wie Nicolai 
im „Sebaldus Nothanker“, nur etwas verjtedter. Die Toftorin ent: 
wirft ſich ein Phantajiebild von Horn und ruft jchlieglidd aus: 
„Mich ſchaudert, wenn ich mir das Ungeheuer nur denke.“ Mit 
direfter Spike gegen Yavater erwidert der Doktor: „Kind, es ilt 
ein ganz gemeines, plattes Menſchengeſicht, aus dem in der 
Melt nichts hervorleudytet, weder Gutes noch Böſes.“*) 

Engel hatte in der „Poetik“ der Phyjiognomif eine bedingte 
Geltung augeitanden; er weiſt jie auch im Romane nicht durchgängig 
von der Hand. Wir hören, day „zur Phyfiognomie des Herrn Starf 
auch die ernjte Falte des Eittenrid)ters und das heimliche Lächeln 
des Spötters gehörten”,") und Wrakers Braut iſt „eine ziemlich 
mißgeſchaffne, klapperdürre Schöne, deren hervorſtehender Zahn und 
blinzelndes Auge nicht den beiten Dausfrieden verſpricht“.') Da übrigens 
Wrafer ein alter Wüſtling it, fann Engel bier aud) durd) Hogarths 
„eg des Viederlichen“ beitimmt sein. Auf dem fünften Kupfer 
ehelicht Rakewell eine ähnliche Megäre, deren Charafter Lichtenberg 
jehr launig analyſiert hat.“ 

Lorenz Stark iſt ein großer Freund der Phyſiognomik. Sogar 
ſeine Wohlthätigteit iſt von ſeinem Urteile über die Geſichtsbildung 
abhängig. Siegesbewußt jagt er: „O ich bin noch wenig betrogen. 
Ich faſſe meinen Mann erſt ins Geſicht, che ich gebe.” "ı Eine breite 
phyſiognomiſche Wetrachtung Ttellt ev mit dent Zohne der Witwe an, 
der ſeinem Großvater an Ztirn und Kinn nachartet. Mit Hilfe 

: Bgl E. Deine, Ter Roman in Teutichland von 1774— 1778. Z. 71 und 72 

„Herr Yorenz Ztart” 2.3 und 4. Wal. „Teutiche Familie.“ 9.4 und 5 

„Herr Lorenz Ztarl.” Z. 8. 12, 28 und 26. 

Noel Pinians, „Phuſiognomiſche Reiſen.“ 2. S. 98 fi. 

„Herr Yorenz Ztail.” S 181 und 182. 

. &benda. Z. 102. 

Ebenda. 2. 200. 

Bgl. Achtenbergs ausfuhrliche Erklarung der Hogarthiſchen Kupferſtiche. 


Di 


Gottingen 1700. 5. Lieferung S. 105 - 207. 
„HPerr Yorenz Ztarl.” S. 19 und 20. 


Nobert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Lorenz Star“. 509 


eines Dufaten bringt er ihn zum Lachen, „weil Lyk dann fo etwas 
Eignes in der Cherlippe hatte”, und richtig hat fich aud) diefer Zug 
vererbt. Ebenfo ijt aber einer der Enfel Lorenz Starts ihm auf- 
fallend ähnlich in der Gejichtsbildung, und die Doktorin nennt dies 
ausdrücklich nicht „Spiel”, jondern „Ordnung der Natur“.') 
Dbwohl man die Phyfiognomif als das „Stedenpferd“ des 
Helden im Sternifchen Sinne bezeichnen könnte, fommen die phy- 
fiognomijchen Bemerfungen weder an Zahl nod) an Umfang den 
mimifchen gleich. Gerade das umgefehrte Verhältnis findet bei Hermes 
ftatt. Darin giebt jich ein Wandel des Intereſſes Fund, der für die 
Folgezeit bejtehen bleibt. Die Phyfiognomif hat vorübergehend im 
Roman eine große Rolle gefpielt, die Mimik Hat fi) dort einen 
dauernden Plat errungen. In weiteſtem Umfange hat jpäter der 
engliſche Roman von ihr Gebrauch gemacht, namentlich Didens, 
defien Technik Dtto Ludwig einer ausführlichen Analyſe unterzog. 
Voll Bewunderung jtellt er feit, „wie immer die Züge der äußern 
Erjcheinung bei jeder Rede mitjpielen, fo treffend aud) ſchon die Neden 
an fid) charafterijiert find".?) Dies Wort gilt auch von Engel, der 
genau wußte,?) wie „das ganze Gebehrdenipiel durch die Worte in 
einer feinen und fchnellen Imagination jhon mit beftimmt wird“. 


VII. Würdigung. Urteile der Seitgenofjen und der Späteren. 


Der „Herr Lorenz Stark” iſt der erfte deutiche Familienroman, 
der dem bürgerlichen Drama an die Seite gejett werden kann. Dod) 
gerade weil das Drama dem Roman in der Entwidlung voraus 
war, jtand diefer immer in Gefahr, altmodiſch zu erjcheinen. Als in 
Goethes „Unterhaltungen deutfcher Ausgewanderten” Louiſe den Alten 
um Erzählung eines Famtliengemäldes aus der unmittelbaren Gegen: 
wart bittet, erflärt diefer, es jei mit den Familiengemälden eine 
eigene Sache. „Sie jehen einander alle jo gleich, und wir haben fait 
alle Verhältnifje derjelben ſchon gut bearbeitet auf unfern Theatern 
gejehen.“ 

Diefer Vorwurf trifft au) den „Herrn Lorenz Stark". Stoff 
und Charaktere find nicht neu. Die Liebe mit Hindernijfen hat auf 
der Bühne und im Roman immer eine große Rolle gejpielt, und 
der ftrenge, doch gutherzige Water, die weinende Mutter, die ver- 
ſchüchterte Geliebte, der greife, ehrliche Diener und der Koınplimenten- 
drefcher find alles alte Bühnenfiguren, die hier freilich ſtark indi- 
vidualiſiert werden. 





) Ebenda. S. 352 und 353. 
2) Otto Ludwig, Romanſtudien. (In Adolf Sterns Ausgabe. Band 6.) S. 71. 
3) „Fragmente über Handlung, Geſpräch und Erzählung.” Schriften. Band 4. 
©. 227 und 2283. 


510 Robert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Lorenz Etarl“. 


Der Alte erzählt bei Goethe doch ein Familiengemälde, das, 
um den erdrüdenden Qergleid) mit dem „Wilhelm Meiſter“ zu 
meiden, hier als Gegenitüd zum „Herrn Lorenz Stark“ dienen mag. 
Es muter anfangs wenig erfreulid an. Vater und Sohn, beide 
Genußmenſchen, liegen im Streite. Der Dichter hält die Partei des 
Sohnes. Tiejer bejtiehlt jeinen Vater, was die Mutter erfährt und 
verbirgt, eriegt aber durch eigenen Fleiß das Gejtohlene, erwirbt 
kaufmänniſche Fähigkeiten und entwidelt jih nad allerhand Xer: 
irrungen zu einem gereiften, tüchtigen Manne, der eine glüdliche 
Ehe ſchließt. 

Goethe länt den Sohn reiten; er benugt jede Gelegenheit, um 
uns aus dem Hauſe in die Welt zu fiihren. Bei Engel kommen wir 
aus der Stubenluft nicht heraus: der Schauplak iſt eng und begrenzt; 
völlig fehlt das Ynriiche, das Stimmungspolle; der Dichter zeichnet 
nur ein beichränftes Philijterdatein. 

Tieies aber erichöpft er allerdings. Was er daritellen will, 
ftellt er mit allen Hilfsmitteln einer raffinierten Technik ganz dar. 
Er mimmt die alten Formen der moraliihen Wochenjchriften, den 
Charafter und die allegorifierende Parabel auf, um ſie zu ihrer 
höchſten Wirkung zu ſteigern: die Parabel bringt er nur da, wo jie 
id) zwanglos aus der Zituation ergiebt; die Charaktere zeichnet er 
mit ungemeiner Sorgfalt, indem er anf die pinchologiichen Wedin- 
gungen ihrer Entwidlung eingeht und Tialog und Mimik in einer 
Weiſe, wie feiner vorher, zur Charakteriftif verwendet. Eine brape, 
tüchtige Geſinnung giebt ſich überall zu erkennen, und ein heiterer 
Humor, der ſich niemals zur Zote oder zur herben Schärfe der 
Zatire verirrt, giebt dem Ganzen eine gefüllig behaglidye Färbung 
und felielt das Intereſſe des Yelers immer aufs neue. 

Tas Urteil der Zeitgenoſſen war naturgemäß recht verfchieden. 
Eine ſehr wohlwollende Beiprechung, die dennoch Engel nicht geredit 
wird, lieferte 1796 in der „Jenaiſchen Allgemeinen Yitteratur- Zeitung“ 
A. W. von Schlegel. Er lobt Realiſtik und Moral des Verfaſſers, 
finder es beachtenswert, dan beide Parteien Necht haben, rühmt Die 
dinlogtiche Behandlung und die „Aufdeckung mandes feinen Selbft: 
betruges” und ſchließt mit einer völligen Nerfennung des prinzipiellen 
(Gegenſatzes zwiſchen Goethe und Engel: „Wenn man diele Charalter: 
zeichnung neben die Unterbaltungen deuticher Ausgewanderten ftellt, 
jo kann man ſich des Wun'ſches nicht enthalten, daß die Verfaſſer 
in ihrem wahren, leichten und vertrauten Ton der Tarjtelung, wozu 
aber mehr Geiſt erfordert wird, als maucher ſich vielleicht einbildet, 
gluflihe Nachfolger nicht Machahmer: finden, und unſre Leſewelt 
dadurch von dem Geſchmacke am Gotiſch-Heroiſchen, Niejenhaften und 
Abentenerlichen geheilt werden möchte.“ 


Robert Riemann, Johann Jakob Engels „Herr Lorenz Star”. Bil 


Goethe wurde auch fonft der Tort angethan, feine Schreibart 
mit der Engel auf eine Stufe zu ftellen. Man hielt ihn fogar für 
den Verfaffer des „Herrn Lorenz Starf”,!) an dem er wenig zu 
(oben fand, als er ihn las, „in Hoffnung von meinen Herrn Kollegen 
was zu lernen“.2) Die Welt des Romans war ihm zu enge; er 
ſchrieb an Schiller:3) „Born herein hat es wirklich einigen Schein, der 
ung bejtechen fann, in der Folge aber leiftet es doch gar zu wenig.“ 

Der Umſtand, daß Engels Arbeit mehr Eindrud auf das große 
Publikum machte al3 die übrigen Beiträge,‘) mußte Schillers alten 
Groll gegen den „arınfeligen Hund“ wieder wachrufen. Er ſah im 
„Herrn Lorenz Stark” nur eine Proflamation des deutſchen Philifter- 
tums und jchrieb die berühmten Worte:5) „Ein ziemlich leichter Ton 
empfiehlt es, aber es ift mehr die Leichtigfeit des Leeren als des 
Schönen. Solchen Geijtern wie Herrn ©. iſt das Platte fo gefährlich, 
wenn fie wahr und naiv fein wollen. Aber die göttliche Platitude: 
das ift eben der Empfehlungsbrief." Dieſe Außerung Schillers, die 
man oft hart und ungerecht gefunden hat,°) wird fommentiert durch 
die Abhandlung „Über naive und fentimentalifche Dichtung“, die 
gleichzeitig mit Engel3 Roman in den „Horen“ erſchien. Schiller 
verlangt, daß ein Dichter, der fid) in einer geiftlofen Natur befindet, 
nicht naiv bleibe, ſondern fentimentalifch werde. Er joll dem geift- 
lojen Stoffe jeine eigene höhere Natur gegenüberjtellen. In der 
„Reduktion des Beſchränkten auf ein Unendliches“ bejteht jchließlich 
alle dichteriiche Behandlung. Wer aber die nädhite wirkliche Natur 
mit der wahren Natur verwechlelt, der ift nad) Schillers Definition 
nicht naiver, ſondern trivialer und platter Dichter. Jedoch Engel 
fühlte fic) gerade in diefer Umgebung freuzfidel und behaglid) und 
hätte gelacht, wenn man ihn zur Veradjtung feiner Welt aufgefordert 
hätte. Seine Weltanschauung war beichränft, und Schillers Be: 
urteilung ift von jeinem hohen Standpunkte volffommen geredht. Er 
mißt Engels Roman mit einem abjoluten Maßftabe für Kunftwerte 
überhaupt; wir werden den relativen feiner Gattung an ihn anlegen 
und den „Herrn Lorenz Starf“ eine der erfreulichiten Erfcheinungen 
auf dem Gebiete des Familienromans nennen. 

Gottfried Körner vermißte am „Herrn Lorenz Stark“ Origi- 
nalität und phantajievolle Ausgeftaltung.”) Ganz in Schillers Sinne 


1) Goethe an Schiller. Weimar, den 7. Dezember 1796. 

2, Goethe an Schiller. Weimar, den 17. Dezeniber 1795. 

3) Ebenda. 

+ Schiller an W. von Humboldt, den 9. November 1795; an Goethe, den 
18. September, 23. November, 23. Dezember 1795. 

5) Schiller an Goethe, den 23. Dezember 1796. 

6, 3.8, Schröder, %. J. Engel. ©. 32 und 33. 

*) Körner an Schiller, den 6. November 1795, 22. März 1796. 


912 Robert Niemann, Johann Jakob Engel8 „Herr Yorenz Start”. 


ichrieb er diefem nach Erſcheinen des volljtändigen Romanes:!) „Das 
Einfache joll ja eben erjt durch die Phantajie des Dichters bereichert 
werden, ehe es dargejtelit wird. Nur einzelne Züge, die mehr der 
Wit ausgefunden hat, findet man mit holländiichem Fleiße und in 
einer eleganten, aber Heinlihen Manier ausgeführt.“ 

Neichardt zeigte wenigſtens Verftändnis für die Perfonenzeichnung 
und gab Engel das Zeugnis, dag er „den Charakter des deutichen 
Bürgers jehr wohl aufgefagt und durchgeführt habe”.?) Engels alter 
Intimus Garve fand den Roman einfach „vortrefflih”.?) Yon vorn: 
herein hatte er Engels Verſuche, dem Stleinbürgertum eine poetiiche 
Seite abzugewinnen, mit Intereſſe verfolgt. Beim Erjcheinen des 
eriten Bandes des „Philojophen fiir die Welt“ Hatte er von „Tobias 
Aitt”t) geurteilt:?, „Der Charafter hat etwas Neues; er hat das 
Naive, nicht des ganz jimpeln ländlichen, fondern des Heinen bürger: 
lien Stadtlebens; in welcher Claſſe, die man gemeiniglid; von der 
poctiichen Nachahmung augjchliegt, es doch wohl aud) Charaftere 
geben kann, die werth wären, geichildert zu werden." Zwanzig Jahre 
jpäüter waren dieje Charaftere freilich alte gute Belannte von der 
Bühne ber. 

Das große Publikum ſtürzte fich auf den „Herrn Lorenz Start“ 
mit derjelben Wegierde wie ehemals auf „Sophiens Reiſe“ und 
„Sebaldus Nothanfer”. Auch die Bühnenbearbeitungen erlebten zahl» 
reiche Aufführungen. Selbit Goethe lieg die „Deutſche Familie” von 
1805 — 1815 13mal aufführen: in Berlin fonnte man fie nody 1827 
ſehen.“ Eichenburg, der den Noman 1804 für die „Neue allgemeine 
deutiche Bibliothek” vecenfierte,i,; hielt eine Inhaltsangabe für un- 
nötig, „da wohl fein Leſer von Geſchmack mit dieſem trefflichen 
Kunitprodufte mehr unbekannt tit, welches überall die Meifterhand 
jeines Verfaſſers verräth.“ Die Krittf ift gut. Ste lobt Charatteriftif, 
Tialog, Mimit und Aufbau, erkennt alſo die techniſchen Vorzüge 
des Romans, ftatt bloß den Ztoff und die Geſinnung zu beurteilen, 
wie die meilten anderen. 

Kine gerechte Beurteilung bat W. von Humboldt feinem alten 
Erzieher zuteil werden laſſen. Er las den Roman, fand mit Ber: 
gnügen darin den Kreis und die Welt wieder, worin Engels Phantafie 

Tresden, den 18. Mai 1801. 

„Vertraute Briefe” 1810, 1. 2. 361. 

Warve an Weiße. Vreslau, den 14. April 1796. 

Er sent „Johann Witt“, vielleicht als eifriger Hiſtoriler durch den Namen 
„Johann dr Wit“ veröiuhrt. 

GBarve an Weiſte. ARreslau, vom Sommer 1775. 

Schreder, J J. Engel. S. 52. Schroder nennt die Bühnenbearbeitung 
von Ziegler nicht. 

I. XXXVII. Rand. Erſtes Stück. S. 190 und 101. 


Sr 


Robert Riemann, Johann Zatob Engels „Herr Lorenz Stark“. 513 


ſich herumzudrehen pflegte, und ſchrieb an Sciller:!) „Auch Engels 
Aufſatz hat mir gefallen. Er ijt freilich altmodifch und von einer 
Gattung, der ich nicht viel abgewinnen kann. Charaktere zu jchildern, 
die, wie der des alten Stark, jo wenig Anterejfantes in fich haben, 
fo ganz durch die Einwirkung gewöhnlicher Tagen und Umftände auf 
gute, aber höchſt mittelmäßtge Anlagen gebildet find, kann, jo viel ich 
abjehe, feinen großen Gewinn bringen. Verſöhnt man fich indes 
cinmal mit der Gattung, jo iſt das Stück recht gut und zeigt 
fein kleines Talent zu unſrer gewöhnlichen ‚Art der Komödie, bei 
welcher die Schilderung jolcher Arten von Charakteren und ein leichter, 
ungezwungener Dialog die Haupterforderniffe ausmachen.“ 

Unjere Klafjifer haben fi) mit der Gattung nicht verfühnen 
fönnen, zum Teil aud) die Litterarhiftorifer nicht, die den Roman 
höchjt abjprechend oder gar nicht beurteilen. Gervinus?) hat für 
Engel überhaupt feine Vorliebe, zieht über die „Ideen zu einer 
Mimik“ her, ohne fie gelefen zu haben?) und findet Schillers Urteil 
über den „Herrn Lorenz Stark” vollfommen berechtigt. 

Ebenjo wenig wie diefe fann ic) Bobertags Anfchauung teilen. 
Er findet bei Engel „deutſch aufgefaßten Roufjeauismus, veredelt und 
gehoben durch den Abglanz des .... großen Lichtes in Wolfenbüttel.” 
Bezieht fic) dies Urteil auf die oben gekennzeichneten Einwirkungen 
der pädagogiſchen Beitrebungen des Jahrhunderts? Oder ganz all- 
gemein auf die Gejinnung des Verfaſſers? libertrieben ift auch die 
Bemerfung, der Roman verdiene „in Hinſicht auf pſychologiſche 
Analyje der menſchlichen Seele Elajfiic) genannt zu werden.” 

Scherer ſcheint den „Herrn Lorenz Stark“ auf einige Stid)- 
proben hin beurteilt zu haben. Er nimmt eine humoriftifche Bemer- 
fung Engel3,*) in der fich diefer über den allzeit jelbjtzufriedenen Karl 
Starf, wie öfter,’) luftig macht, ernſt und fchreibt: „Auf Rührung 
it e8 allerdings auch hier abgejehen; ja es kommt fogar vor, daß 
jemand aus den Thränen, die er vergießt, auf fein eignes vortreff- 
liches Herz Ichließt, und daß hierdurch feine Thränen nad) den Aus— 
drude des Verfaſſers zu ‚wahren Freudenthränen‘ werden. 

Das Urteil von Goedefe:°), „Lorenz Stark wurde, wenn nicht 
der Schöpfer, doch der wirffamfte Förderer des Familienromanes der 


!) Tegel, den 20. November 1796. 

2) „Geſchichte der deutjchen Dichtung.” 5°, 606 - 607. 

3) Er wirft Engel vor, daß er feine Beifpiele aus zeitgenöffiihen Dramen 
zweiten Ranges nehme, ftatt Shalejpeare anzuziehen. — Fear und Hamlet erfcheinen 
jogar auf den beigegebenen Abbildungen! 

4) „Herr Lorenz Stark.” ©. 102. 

6 enda. S. 45. 131. 

6) Grundriß 52, 473. 

Euphorion. VII. 33 


514 Heinrich Tüntzer, Monsieur Nicola in Goethes Tagebuch. 


neueren Zeit” hat vielleicht zum Zeil ſchon durd die vorliegende 
Arbeit eine nähere Begründung gewonnen. 

C. Schröder nennt in jeiner Üngelbiographie den Roman 
Engels „beites Werk“.i Dean bezeichnet jonit als diejes die „Jdeen 
zu einer Mimik“. Jedenfalls aber iit der Roman Engeld Lebens— 
werf, nicht nur weil er von früheiter Jugend an bis in jein 60. Jahr 
daran arbeitete, jondern vor allen, weil wir im „Herrn Lorenz 
Starf” alles finden, was in Engels Leben eine Rolle geipielt hat. 
Zeine Jugendeindrüde und jeine Berliner Erlebniffe, jeine morali⸗ 
ihen und tunjttheoretiichen Anſchauungen jchließen jich hier zu einem 
wohlgeordneten Ganzen zujammen. Aus diefem einen Werke kann 
man Engel dem Geſamtumfange jeines Weiens nad) kennen lernen, 
und imiofern ift der Nontan jein wichtigſtes Werf. Er bat ſich big 
auf den heutigen Tag Freunde erhalten und Aufnahme in die Unis 
verialbibliothefen von Meclam, Spemann und Pendel gefunden. 


Monsieur Nicola int Goethes Tagebuch 
Inni und Inli 1798 und Nic. Edme Retif 
de la Bretonne. 


Von Deinrihb Tunker in Köln. 


Bis heute hat, jo viel ich weis, nod) niemand das Rätſelwort 
gelöjt, wer am den genannten Ztellen des Tagebuchs gemeint jei. 
Mit Bezug auf meinen Nachweis, daß (Hocthes zweiter Brief an 
Fr. Schlegel, worin er der tn einem fleinen Epos nad) feiner Art 
produftiv vorzulegenden Vermutung über den Inhalt des Homeriſchen 
Gedichtes Margites gedenkt, nicht erit im Juli, jondern bald nad 
Schlegels Zendung seines neuen Buches gejchricben fein könne 
(Socthe umd die Romantik 1, 18% , glaubte ich darin die ihm vor- 
ſchwebende Uberichriit jenes Epos erfennen zu dürfen. Aber, daß 
ein Schon vorhandenes, eben von Goethe geleienes Wert gemeint ei, 
ergab such mir gleich daraui, und Ich wiirde dies wohl früher erfannt 
haben, wäre es mit dem vollen Titel nicht blos mit deſſen erfter 
Hälite bezeichnet gemeien; denn es handelt sich um Retifs, freilich 
jegt ijaſt nur noch den ſogenannten Bibliophilen befanntes Wert: 
„Monsieur Nieola on le eveur humain devoile, publie par lui- 
IneIne., 


2. 1. 


Heinrid) Dünger, Monsieur Nicola in Goethes Tagebud). 515 


Der genannte Netif (erit jeit der Nevolution nannte er fich 
Restif. woneben, wie er behauptete, früher aud) die Form Rectif 
bejtanden haben foll, war wirklich ein äußerjt Icharfer Beobachter 
und ein vom Geijt getriebener warmblütiger Schriftiteller, der aber 
bald von der Eitelfeit auf das Argite verblendet wurde, jo daß er 
jich, mehr als Rouſſeau und Voltaire dünfte, ſich für das bedeutendfte 
Genie des ganzen Kahrhunderts erffärte. Wirklich nannte man ihn 
le Rousseau des halles, Mercier bezeichnete ihn als glüdlichen 
Nebenbuhler von Prévoſt, Zavater pries ihn als den franzöfiichen 
Nichardjon. Aber wie verflog fein wahrer Ruhm mit dem ein- 
gebildeten und jeinem gefammelten Vermögen! Er fchrieb noch immer, 
aber mußte zulegt feine Druderei verlaufen und der einft Um— 
worbene, der Freund von Beaumardais, Frau von Stael und den 
bedeutendjten Bertretern der heimijchen Litteratur endete dürftig und 
vergejlen tm Glanze des Kaiferreihes. Nicola war das achte von 
vierzehn Kindern eine Banern zu Sary bei Auxerre, der ein Eleines 
Belistum, La Bretonne genannt, bejaß, von dem der Sohn fich 
de la Bretonne nannte. Der ſchwächliche Knabe ward einem geiſt— 
lichen Halbbruder itbergeben, der ihn im Lateinijchen zur Vorbereitung 
auf den geiltlichen Stand unterrichtete; aber ein geordneter Studien- 
gang war ihm unmöglich; er verſchlang alle Bücher, die er erreichen 
konnte, jeine Leſewut war nicht zu befriedigen, und jein Geijt ver- 
langte freie Bahn in der Welt. Dan fund feinen bejjeren Nat, als 
ihn in eine Drucderei zu Aurerre zu thun, wo er bald ein lieder- 
liche8 Leben führte und endlid) die Hausfrau, die ihn davon befehren 
wollte, ſchändete. Da trieb cs ihn nad) Paris, wo er in jeinem 
einumdzwanzigften Jahre (1755) als Seger in die Königliche Druckerei 
trat. Seine Luft war das Verjchlingen von Büchern und das ge- 
meinjte, flotteſte Leben. Er wollte alles erfahren und genießen, feine 
Luſt war, Beobachten, Darjtellen des Beobachteten und Genuß der 
bunten Welt. Nachdem er 1760 mit einer englischen Abenteurerin 
jich verheiratet hatte, diefe ihm nach einigen Monaten entlaufen war, 
nahm er noch in demjelben Jahre eine zweite Frau, mit der er 
natürlich nur in der wildeften Ehe lebte, die er aber 1794 aufgab, 
als die franzöfiiche Nepublif die Eheſcheidung freigab. Erſt in feinem 
dreinnddreißigiten „Jahre trat er als Schriftfteller auf mit der tollen 
Geichichte „La famille vertueuse”, die er al3 Wberjegung engliſcher 
Briefe ausgab. Sie erſchien in vier Duodezbändchen, wie jeine meiften 
Schriften in einer Reihe von Bändchen in Duodez oder noch kleinerem 
‚sormat erichienen. Das Schreiben war ihm flott von der Hand ge- 
gangen, der Stil war fchmulftig, was, wie auch die eigentümliche 
Rechtſchreibung, dem Verkaufe des Buches fchadete. Doc im folgenden 
Jahre erjchien eine andere in wenigen Jagen hingeworfene, an die 

33* 


516 Heinrich Düntzer, Monsieur Nicola in Goethes Tagebuch. 


erſte anknüpfende Schrift „Lucile ou le progres de la vertue par 
un mousquetaire” mit dem Trudorte Quebek. Bedeutender war 
das zum Zeil reizende Märchen „Le Pied de Franchette ou -le 
soulier couleur de rose’, das er in elf Tagen hingeworfen hatte. 
Das Märchen erlebte bald mehrere Auflagen, ward aud ins Spanifche 
und ins Deutfche überjegt und gefiel durch natürlihe und zugleich 
fräftige Spracdye und anmutige Einbildungsfraft. Sekt gab er dag 
Cepergewerbe auf und widmete ſich ganz der Schriftitellerei. In 
demjelben Jahre 1769 machte er weit ausgeführte Vorſchläge zur 
Abjtellung der Proftitution unter dem Titel: „Le Pornographe 
ou Idees d’un honnete homme sur un projet de reglement pour 
les Prostituces, propre a prevenir les malheurs qu’on occa- 
sionne.“ Kaijer Joſef 11. ſah jid) veranlagt, den vorgeichlagenen Plan 
auszuführen. Er jandte dem Berfaffer jein Bildnis auf einer mit 
Diamanten verzierten Doje; auch jein Diplom als Baron. Man 
erzählte, er habe das Bildnis nicht als das des Kaifers, jondern als 
das des Philojophen angenommen, die Diamanten und das Diplom 
als unannehmbar zurückgeſchickt. Außerordentliche Verbreitung und 
Einfluß fand von feinen jpäteren Arbeiten 1775 „Le Paysan per- 
verti ou les Dangers de la ville’ in vier Tuodezbänddhen, der es 
zu zweiundvierzig Auflagen und manchen liberjegungen brachte, aud) 
deutſch erjchien zu Gera 1791. Eine von PRetifs würdigſten Er: 
Iheinungen war das 1779 erichienene „La vie de mon pere”, 
deſſen Stil freilich jo nadjläjjig war, wie bei Retif, gewöhnlid. Der 
Buchhändler Mylius brachte 1781 eine deutfche Überfegung. Yon 
1780 an erſchienen jechd Jahre lang in zweiundvierzig Duodez- 
bändehen „Les Contemporaines ou Aventures des plus jolies 
femmes de läge present” par N. E. R. de la B., von denen 
Mylius eine Uberſetzung in elf Bänden von 1781 an herausgab. 
An diefen findet ſich aud) die Erzählung, woraus Schiller, den feine 
Frau darauf hingemieien hatte, die Nallade „Ter Gang zum Eifen- 
hammer” jchuf. Seinen 1787 erjchienenen vierzig Charafterbildern 
„les Parisiennes”, vier Volumen mit Abbildungen wollte man den 
Preis des öffentlichen Nutzens zuerfennen. 1788 gab er in dem 
Roman „La Femme infidele” feine eigene rau, im folgenden 
Jahre in „Ingenue Saxancour ou la Femme separee, Histoire 
errite par elle-meme” feine ältere Tochter preis; es waren dies vier 
und drei fchmachvolle Duodezbändchen. Im Nevolutionsjahre trat 
er auch als Geſetzgeber auf mit einem jeiner vielen al8 -graphe mit 
vorhergehenden griechiichen Wort bezeidyneten Werfe „Le Thesmo- 
pgraplie ou Idees pour operer une reforme generale des lois”. 
Tagegen gab er von 1788 bis 1704 in „Les Nuits de Paris ou le 
Spectateur noeturne” in acht Tuodezbändchen, ungeordnet Hin- 


Heinrich Dünker, Monsieur Nicola in Goethes Tagebuch). 517 


geworfene, neu beobachtete Augenblicdsbilder; ſoll er ja nachts mit 
einem Zintenfocher durd) Paris geſchwärmt fein. Wir gedenken noch 
des foftbaren, wie er felbft rühmt, mit einem Aufwand von dreißig- 
taufend Livres ausgeftatteten „L'Année des dames nationales ou 
Histoire jour par jour d’une femme de France”, das von 1791 
vier Jahre lang in zwölf Duodezbändchen erfchien. Zulegt follten 
Pradt und vaterländijche Begeijterung das thun, was der Anhalt 
nicht mehr vermochte. Auc wagte er 1793, in fünf Duodezbändchen 
„Le drame de la vie continent d’un homme tout entier, piece 
en treize actes d’ombres et en dix pieces regulieres”, mit einem 
Bildnis von Netif jelbft. An diefes Drama eines ganzen Menfchen 
Ichließt fi) unmittelbar das Werk, von dem hier die Rede fein ſoll, 
fein Monsieur Nicola. Aud) diejes leidet, wie feine meiften Werke, 
und zum Zeil noch mehr, an Mangel geſchickter Anordnung und 
bedächtiger Sorgfalt des Ausdrudes, ja viel mehr, da e8 auf große 
Wirkſamkeit berechnet war, und daher nod) mehr als fonft wagte, 
während es an Einbildungskraft Hinter den früheren nicht zurüd- 
ftand, and), wo das Herz ſprach, die Rede fich hinreißend ergoß; 
nur ſtand ihm die volle Kraft der Nede nicht immer zu Gebote, 
wogegen feine jcharfe Beobachtung aud) hier erfreute. Auch daß er 
zuletzt jich jelbft preisgab, übte nicht mehr die alte Zauberfraft. 
Wann aber fanı Monsieur Nicola nad) Weimar, da er in 
Frankreich weniger befannt war? Das Werk erichien in Paris von 
1793—1797 in jechszehn Duodezbändchen; es führt, wie fo viele 
Retifiaden, einen Haupttitel und einen durch oder fich anjchließenden, 
den Anhalt näher bejtimmenden Nebentitel. Schon am 22. März 
1797 fchreibt Herzog Karl Auguft an Goethe in Jena, wo er ihn 
noch vor vierzehn Tagen geſprochen hatte: „Ich habe jet Monsieur 
Nicola, oder le coeur humain devoile von Restif de la Bretonne 
vor. Man macht viel Wejens in Frankreich von diefem Werke (dies, 
was nicht ganz gegründet war, hatte man ihm wohl gejchrieben), 
und e3 zeigt, auf welchen Grad aud) dorten die Litteratur herunter- 
fommt. Es ijt nicht zu leugnen, daß es ganz vortreffliche Epijoden 
enthält; das Ganze aber, Reſtifs eigenes fechzigjähriges Lebens⸗ 
journal, iſt durch die acht Teile (fo viele waren damals erjchienen) 
über die Beſchreibung langweilig, roh und geichmadlos. Intereſſant 
iſt e3 wieder, weil es die uns noch fehr unbefannten Sitten des 
Tiers in Franfreid) lebhaft malt. Es fteht zu Dienft bei Deiner 
Nücfehr (von Jena).“ Goethe war damals nod) mit der Reinigung 
der zweiten Hälfte ſeines deutſchen Bürgerepos „Hermann und 
Dorothea” lebhaft befchäftigt, des entfchiedenften Gegenſatzes zu diefem 
fieberhaften, wilden Erzeugnis, wenn es aucd den von Paris aus: 
gegangenen, zeritörend wirkenden Freiheitstaumel jchildern mußte. 


518 Heinrich) Tinker, Monsieur Nicola in Goethes Tagebud). 


Aud) im Laufe des Jahres, dejien legte Hälfte er faft ganz auf der 
Schweizerreije zubradıte, war Goethe außerordentlich beichäftigt, ja 
zerftreut, zum Teil zu gleicher Zeit in jeiner Weiſe in die ver- 
Ichiedenjten Arbeiten, jelbit in die Dichtung des Fauſt, vertieft. Daß 
Schiller ji) das Bud) am, Ende des Jahres vom Herzoge hatte 
geben laſſen, verrät jeine Auperung im Briefe an Goethe vom 
2. Sannar 1798: „Haben Cie vielleicht das ſeltſame Bud von 
Rétif: Coeur humain devoile je gejehen oder davon gehört? Ich 
hab es nun gelejen, ſoweit es da it, und ungeachtet alles Wider: 
wärtigen, Platten und Nevoltanten mid) jehr daran ergögt. Denn 
eine jo heftig finnliche Natur it mir nicht vorgefommen, und die 
Mannigfaltigfeit der Geftalten, bejonders weiblicher, durd, die man 
geführt wird, das Yeben und die Gegenwart der Beichreibung, das 
Charafteriitijche der Zitten und die Tarftellung des franzöfiichen 
Weſens in einer gewilien Volksklaſſe muß interejiren. Mir, der jo 
wenig Gelegenheit hat, von Außen zu jchöpfen und die Menichen 
im Yeben zu jtudiren sein Mangel, den er bejonders beim Wallen- 
jtein fühlte,, bat ein jolches Buch, im welche Klaffe id) auch den 
Gellini rechne, einen unſchätzbaren Werth.” Und Monsieur Nicola 
wird ihn vielfad) angeregt haben. Er empfahl nod) ſpäter (26. Juli 
1800) eimen verjtändigen geiftreihen Auszug aus dem Werl, das 
er eine der wichtigſten Schriften in der ganzen neueren Yitteratur 
nennt, dem Buchhändler Unger für jein Journal der Romane 
Jonas #6, 1791. Goethe erwiderte, er habe das Buch noch nicht 
geichen, werde es aber zu erhalten fuchen: er ſcheint fih kaum 
noch erinnert zu haben, day der Derzog ces Ihm vor einem Jahre 
zu Dienſten geitellt hatte. Yaunig gebt er damı darauf ein, dag 
die Tichter zu ihrem were ſich mancher Kunſiſtücke bedienen 
müſſen. Aber andy jeet, wo ihm zu gleicher Zeit die Farbenlehre, 
Schellings „Weltiecle” und das Gut in Nofla beichäftigten, konnte 
er dazu nicht forinmen: dazu veriiimmte es Ihn, daß ihm jo lange 
nicht mehr die Nollendung einer größeren Ddichteriichen Arbeit ges 
ungen war, wie vieles er auch angegriffen hatte. Grit ehe er im 
Juni nad Nena ging, um fir Zchillers „Muſenalmanach“ zu 
dichten, lien er fich vom Herzog die Bändchen des Monsieur Nicola 
geben, die ihm zur Unterhaltuug in freien Stunden und zur Bildung 
eines eigenen Urteils über dieſe merkwürdige Erſcheinung dienen 
ſollten. Am Abend des 4. Juni traf er zu Jena in feiner bequemen 
Arbeitsjtube auf dem alten Schloſſe ein. Tas Tagebuch beginnt den 
5. bis 7. mit Monsieur Nieola, und noch am 10. wird „die Caſſi— 
niſche Karte in Bezug auf Monsieur Nieola’” genannt, wonad er 
die Yage der von Ketif angeführten Trte auf Catlinis Carte de la 
Franee, die bis 1787 reicht, verfolgt haben wird. Bei dem tag- 


Heinrich Dünger, Monsieur Nicola in Goethes Tagebud). 519 


täglichen Yujammentreffen mit Sciller wird die Rede auch auf 
Rétif gefommen jein, den Beide als einen fo entfchieden ausgeprägten 
Charafter wie Cellini anfahen. Vielleicht bezieht fich darauf die im 
Tagebuch angeführte Abendunterhaltung mit Schiller am 6.: „Ueber 
Confeſſionen und was dazu gehört”; denn das Bud) war eine ganz 
eigentüntliche Konfejfion, da Netif, was freilich beide Dichter kaum 
ahnten, abſichtlich aufichnitt, ich felbft möglichft preisgab, um deſto 
mehr Beifall zu finden, der jchon bedenflich in Abnahme gefommen 
war. Am 12. begannen die Arbeiten für den Almanach mit Vollendung 
der im vorigen “Jahre begonnenen Euphrofyne. Den 21. fuhr Goethe 
zur Übernahme jeines angefauften Gutes nach Roßla, von wo er 
am Abend des 23. nach Weimar zurückkam. Schon am 6. Juli 
begab er jich mit Frau und Kind wieder nach Jena, und am Morgen 
des 7. und 8. beginnt das Tagebuch von neuem mit Monsieur 
Nicola, dejfen vorhandene Bändchen er damals ausgelefen haben 
wird. Vielleicht hatte er gehofft, darin Einzelnes zu finden, was er 
zu dem fleinen Epos gebrauchen fünne, zu dem ihn der Homeriſche 
„Margites“ veranlaßt Hatte. Auch jeßt glaube ich noch, daß bie 
Vermutung, die er über das Homerifche fomijche Epos fich gebildet 
hatte, darin bejtand, daß der Held ein Sklave war, da von ihn 
gejagt wird, er fei fein guter Arbeiter, weder Pflüger nod) Gräber, 
gewejen; wurden ja von den Griechen nur Sklaven zu jolcdhen 
Arbeiten gebraucht. Demnach dürfte Goethe jich feinen Helden wohl 
als Bedienten gedacht haben, von denen er in Weimar mehrere 
merfwürdige Subjekte bei jeinen Freunden fennen gelernt Hatte. 
Wenn merfwürdigerweije von diefem Gedichte feine einzige Spur in 
feinem Nachlaſſe jich erhalten hat, fo erklärt ſich dies daraus, daß 
er es nur im Kopfe trug, nichts davon aufs Papier geworfen hatte. 
Den 21. September heißt e8 in Schillers Brief an Goethe: „Humboldt 
hat gefchrieben, und empfiehlt ji) Ahnen. Ihren Brief nebit dem 
Gedicht hat er erhalten, und wird Ihnen eheftens antworten. Er 
jhreibt aud) ein paar Worte von Netif, den er perjönlich kennt, 
aber nichts von feinen Schriften. Er vergleicht fein Benehmen und 
Weſen mit unjerm Richter (Jean Paul), die Nationaldifferenz; ab- 
gerechnet: mir jcheinen fie jehr verfchieden.“ Frau von Kalb jcheint 
auch diesmal Jean Paul übel berichtet zu haben; denn in großer 
Aufregung äußert diefer am 22. Juni 1799 gegen Otto: „Humboldt 
ihrieb Schiller von Paris, diefer Gott-Teufel fehe, wie ich, und 
Schiller, der mic) ganz gelefen, findet unter ung nur den Unterfchied 
durch die Erziehung und darum liebt er mich jetzt. Ich habe alles 
von der Kalb.“ Wilhelm von Humboldt machte in Paris ein großes 
Haus, und er, wie feine Frau zogen die bedeutenditen in Paris 
lebenden Deutſchen und die Hauptvertreter der franzöfifchen Politik, 


520 Heinrich Düntzer, Monsieur Nicola in Goethes Tagebuch. 


Kitteratur und Kunft nad) ihrem Salon. Dorthin fam aud) Retif, 
deſſen Phyfiognomie und fein im Umgange jid) verratendes Weſen 
Humboldts Aufmerkjamfeit lebhafter erregten, als feine lange, jelt- 
ſame fchriftitelleriiche Wirffamfeit, deren Blüte und Ruhm ſchon jtarf 
im Abnehmen begriffen waren. Co hat denn aud) Humboldt nadı 
Schillers Bericht, nur von dejjen Benehmen und Wejen gejprochen, 
worin er eine Ahntlichkeit mit Sean Paul fand (jehe, das heißt 
jehe aus, wie ich, was Schiller nicht veritand; und ich möchte 
glauben, er habe dieſes in weiterem Sinne genommen, als c8 gemeint 
war, da eine wirkliche Ahnlichfeit im Denken, Fühlen und Leben 
faum gemeint gewejen ſein kann. Schiller hatte Jean Paul beim 
eriten Anblid nur fremd gefunden, wie aus dem Mond gefallen, 
voll guten Mutes und herzlich geneigt, aud) die Dinge außer jich 
zu ſehen, nur nicht mit dem Organ, womit man zu jehen pflegt: 
jpäter rechnete er ihn zu den Inbjeftiviichen, überſpannten, einjeitigen 
Maturen, deren idealiſche Welt mit der fie umgebenden empiriichen 
im Streite liegt. Nichts lag ihm ferner als Jean Paul mit dem 
durchaus ſinnlichen Franzoſen zu vergleichen, Edjiller hatte nur von 
Jean Pauls Benehmen geiproden, die phantaftiiche Kalb daraus die 
geiltige Hichtung gemacht, wodurch das von Schiller abgelehnte Urteil 
zu reinem Alnjinne ward und Jean Paul empören mußte. Goethe 
machte Jean Paul zum Chineſen in Ron, dejlen Beziehung Jean 
Pant glitflicherweite in jeinem ganzen Yeben nicht erfuhr. Ubrigens 
hatte Goethe vorgehabt, Humboldts Auperung, wenn Meyer mit der 
Charakteriſtit Telers zur Zeit nicht fertig werden jollte, in Die 
„Propyläen“ IIT, ı aufzunehmen. 

Ntchren wir noch einmal zu Rétifs Monsieur Nicola zurüd. 
Schiller und Goethe lag nur die erite Hälfte vor. Die Selbſt⸗ 
ermiedrigung und Preisgabe ieiner Perlen und Familie fteigerten 
jih immer höher. Non allen Tugenden eines achtbaren Mannes 
nabım er fur ſich nur die NRedtüchteit probite» in Antpruch; feiner 
Niedrigkeit, feiner Gemeinheit ſchänmte er ſich: die gröbſte Selbitliebe, 
den wüthendſten Haß, das ſchreiendſte Unrecht betrachtete er als läßliche 
Menſchlichkeiten, Ehre und Anſehen galten ibm nichts, ſich und die 
Zrinigen bloßzuftellen, ſchien ihm Pflicht. Tamit war denn aud 
der Ruhm dieies Tiogenes der Revolutionszeit und der republika— 
niſchen Weltherrichaft dahin. Daß es feinem Yebensroman nicht an 
anmutigen, rührenden und padenden Ztellen fehle, ılt allgemein an« 
erlannt und wird ihm ein Dauerndes, mit tiefem Bedauern gemiſchtes 
Andenten erhalten. Er jelbit gab 1797 „La Philosophie de Monsieur 
Nicola” in drei Tuodezbändchen herans. Ein Neudruck des Daupt- 
werfes erichien 1=83 in Paris, die Eptiode „Sara ou lamour en 
quarante eing ans” gab A. Bonneau. Yon jeinem widerlichen 


Albert Haas, Benjamin Conftants Gefpräche mit Goethe 1804. 521 


„L’Anti-Justin par Linguet’’ follen nur wenige Abdrücke ausgegeben 
worden fein. Noch vier Jahre jpäter erjchienen in zwei Duodez- 
bändchen „Les nouvelles Contemporaines”. ALS Nachtrag zu feinen 
Werfen wurden 1883 „Lettres inedites’” zu Nantes gedrudt, von 
wo auch ein Neudruck de3 Monsieur Nicola gefonımen war. Daß 
diefer aud) unjere beiden Diosfuren augenbliclich beſchäftigt hat, iſt 
ihm trotz allem wohl zu gönnen, denn es flammte in ihm ein 
mächtiger Geiſt. 


Benjamin Conſtants Geſprüche mit 
Goethe 1804. 


Mitgeteilt von Albert Haas in Bryn Mawr. Pa. 


Am Ende des Jahres 1803 erſchien Frau von Stael in Weimar. 
In ihrer Begleitung befand fidy Benjamin Conjtant,!) jegt befannt 
als Verfafjer eines Romans „Adolphe’’ nnd wegen der vielumftrittenen 
Holle, die er in der franzöjiichen Politik, namentlich zur Zeit der 
hundert Tage Napoleons und fpäter gejpielt hat. 

Benjamin Conjtant Hat in feinem Tagebuche (Journal intime 
de Benjamin Constant et lettres a sa famille et à ses amis, 
precedes d’une introduction par D. Melegari. Paris, Paul Dlien- 
dorff 1895) über feinen Verkehr mit Goethe während diefer Zeit 
berichtet. Goethe felbft hat in feinen „Annalen oder Tag- und Yahres- 
bee unter dem Jahre 1804 nicht ohne Anerkennung von Benjamin 

Conjtant geiprochen; und jo find denn auch deſſen Berichte nicht 
ohne Wert. 

Goethe jagt von Conftant: „und wenn ihm auch meine Art 
und Weije, Natur und Kunft anzufehen und zu behandeln,. nicht 
immer deutlicd) werden fonnte, fo war doch die Art, wie er fid) dies 
jelbe redlich zuzueignen, um jie feinen Begriffen anzunähern, in feine 
Sprache zu überfegen tradhtete, mir felbft von dem größten Nuten, 
indem für mich daraus hervorging, was noch Unentwideltes, Un: 
klares, Unmitteilbares, Unpraftiiches in meiner Behandlungsweife 
liegen dürfte”. Goethe charafterifiert zugleich Benjamin Conftants 
Grundjäge und llberzengungen, „welche durhaus ins Gittlid)- 


) 1767— 1830. Sein vollftändiger Nanıe war: Henri Benjamin Constant 
de Rebecque. Über die Zeit feiner Ankunft vergleiche die Notiz in Schillers Briefen 
ed. $onas 7, 3085. 


522 Albert Haas, Benjamin Conftants Geipräche mit Goethe 1804. 


Politiich-Praftijche auf einem philofophiichen Wege gerichtet waren“. 
Dieſen Vorbehalt Goethes, jomwie jeine Begründung finden wir im 
Conſtants Tagebuch beftätigt. Conjtant fühlt fi von Goethe durch 
den Unterſchied der Weltanichauungen getrennt.?) Dennoch muß er, 
faft widerwillig, die bewunderungsmwürdige Größe des Mannes ans 
erfennen, wenn er auch im einzelnen Ausiprüche Goethes als fonderbar 
oder gar für ihn anftößig bezeichnet. Dazu war Benjamin Conftants 
nervög-frittliges, unbeftändiges Temperament cin weiterer Grund, 
warum er nie in feinem Urteil über Goethe zu einer einheitlichen 
Anſchauung gelangte, jondern in widerſpruchsvoller Abwechslung von 
unbedingter Bewunderung zu ſcharfem Tadel jchwantfte. 

Benjamin Eonjtants Tagebuch beginnt in Weimar, mit dem 
1 pluviöse des Jahres XII der franzöfiichen Republif (= 22. Januar 
1804). Schon am 2 pluviöse i= 23. Januar) notiert er, daß er 
Goethe geiehen hat. Am 6 pluviöse (= 27. YJanıar) finden wir die 
Notiz, daß er mit Goethe zuſammen diniert hat. Am 25 pluviöse 
(--- 15. Februar) macht er einen Beſuch bei Goethe. Am 26 pluviöse 
(==. 16. Februar) iſt er bei Goethe zum Abendeifen. Am 6 ventöse 
(— 26. Februar) bejucht ihn Goethe. Am Abend desjelben Tages ift 
er bei Schiller, wo zwei Scenen des Wilhelm Tell gelejen werden, 
unter ihnen Tells Deonolog. Am Abend ipeijt Conftant mit Goethe 
und Schiller, offenbar bei Schiller. Am 9 ventöse (= 29. Februar) 
ißt Benjamin Conſtant zuſammen mit Goethe und Wieland bei der 
Herzogin. Nachdem er ſodann einen furzen Ausflng nad) Leipzig 
gemacht hat, tehrt er nad Weimar zurück. Die Eintragungen im 
Tagebuche find von jekt an nicht mehr datiert. Seite 15 finden wir 
die Angabe, daß Conſtant eine Promenade mit Goethe gemadt bat 
und Zeite 16 teilt er jeinen Abſchiedsbeſuch bei Goethe mit. Er 
reiſt jetzt nach der Schweiz, fehrt aber nod) in deinielben Jahre zu 
vorübergehendem Aufenthalt nach Weimar zurüd. Zeite 30 notiert 
er, dan er den Abend mit (Goethe, Schlegel und dem Chevalier 
Boothley zugebradt hat. 

In Goethes Zagebiichern Weimarer Ansgabe III, 3 finden ſich 
die Folgenden Erwähnungen Gonftants, 23. Januar: „Gegen Dlittag 
Fr. v. Ztael, Dr. v. Conſtant und Dr. v. Melliſh.“ 27. Januar: 
„Abends Conſtant, nachher Br. Hofr. v. Schiller.” 16. Februar: 
„Abends Mad. de Ztacl und Dr. v. Conitant.“3ı 27. Februar: 
„Segen Mittag Dr. v. Conſtant.“ 2%. ‚Februar: „Abends bey Durdhl. 

 Dempelihe Ausgabe 27, 518. 

> Man vergleiche auch die Erzählung von der amiüfanten erfien Begegnung 
zwiſchen Goethe und Konitant. Biedermann, (Weipräche mit Goethe 8, 277. 


“Auffallend iſt, daß Konftant nie davon Ipricht, daR er in Begleitung der 
Frau von Ztarl Goethe geichen bat F. Schillers Briefe ed. Jonas 7, 110. 


Albert Haas, Yenjamin Conſtants Geſpräche mit Goethe 1804. 523 


der Herzogin Amalia zu Tafel.” 15. März: „jodann mit Hrn. v. 
Couſtant jpagieren gefahren.” 18. März: „Früh Hr. v. Eonjtant.“ 

In Goethes Briefen aus diejer Zeit (Weimarer Ausgabe IV, 17) 
findet fi) unter dem 26. Januar 1804 in einem Brief an Schiller 
folgende Notiz: „Morgen Abend um fünf kommt Conſtant zu mir; 
mögen Cie mid) fpäter bejuchen, jo joll mir fehr angenehm fein.” 
Und unter dem 16. Februar findet fid) ein anderer Brief an Schiller, 
der ihn auf den Abend desjelben Tages zum Eſſen einlädt. Goethe 
fügt hinzu: „Fr. v. Stael und Hr. dv. Conſtant werden nad) 5 Uhr 
fommen.“ | 

Die Daten bei Goethe und in Conſtants Tagebuch deden ſich 
alfo, nur daß Conftant fürzere Bejuche auch notiert hat. Am 26. Yes 
bruar fagt Goethe nichts von feinem Befud) bei Schiller; die einzige 
Eintragung für diefen Tag iſt die lafonifche Notiz: „Götz v. Berli- 
hingen.“ Die beiden undatierten Notizen in Conftants Tagebuch — 
Ceite 15 und 16 — find nad) Goethes Tagebuch auf den 15. und 
18. März zu fegen. 

Die Nachrichten Benjamin Conjtants über Goethe find teils 
Charafteriftifen oder Beichreibungen von Goethes äußerer Erjcheinung 
oder jeiner Weltanſchaunng, teils geben fie Geſpräche mit Goethe 
wieder oder bezeichnen doch zum wenigſten das Geſprächsſthema genau. 

In feiner Beurteilung Goethes zeigt ſich Benjamin Conjtant 
ihwanfend, wie ſchon oben angedeutet. Bald ijt er voll unbegrenzter 
Bewunderung: (6 ventöse, ©. 13) „Je ne connais personne au 
monde qui ait autant de gaiete, de finesse, de force et d’etendue 
dans l’esprit que Goethe.” oder: (26 pluviöse, ©. 9) „C’est un 
homme plein d’esprit, de saillies, de profondeur, d’idees neuves. 
Aber fofort führt er fort: Mais c’est le moins bonhomme que 
je connaise.’’ AndererfeitS wirft er Goethe, wie anderweitig auch 
Scelling, vor, daß er Mißbrauch mit der Analogie treibe: (6 plu- 
viöse, ©. 3) „L’abus de l’analogie se rencontre beaucoup chez 
Goethe et surtout dans ses pretentions en chimie et dans les 
sciences exactes.’ Und am 9 ventöse (©. 13) notiert er Topf- 
ſchüttelnd: ,„J’ai soupe chez la duchesse, avec Wieland et Goethe. 
Decidement il ya bien de la bizarrerie dans l’esprit de celui-ci.” 
Auch die Beichreibung, die er von Goethes Außerem giebt (2 plu- 
viöse, ©. 1), iſt ein Mufter jauer-füßer Bewunderung: „Finesse, 
amour-propre, irritabilite physique jusqu’a la souffrance, esprit 
remarquable, beau regard, figure un peu deögradee, voilä son 
portrait.’ 

Wirklich offen ſich jelbit gegenüber iſt Conſtant eigentlich nur 
an der Stelle, wo er angiebt, was ihn und Goethe trennt: (6 plu- 
viöse. ©. 3) .J’ai dine aujourd’hui avec Goethe, el je sens 


524 Albert Haas, Benjamin Conjtants Geſpräche mit Goethe 1804. 


qu’un Francais, mèê me quand il n’approuve pas tout ce qui se 
fait dans son pays, est toujours mal ä l’aise avec des etran- 
gers. J’ai en eflet avec Goethe une gäne dans toute conver- 
sation. Ind fogleich führt er aus, in welchem Punft ihre Anfichten 
fi) am meiften trennen: Quel dommage que la philosophie 
mystique de l’Allemagne l’ait entraine.” Benjamin Conftant war 
zu jehr von den engen Anjchauungen der franzöfifchen Aufflärung 
beeinflußt, als daß er Goethes Univerjalismus hätte verftchen fünnen. 
Daß Goethe dieje Thatjache ebenjo deutlidy fühlte wie Conftant, ift 
ſchon erwähnt. 

Dementſprechend find auch Benjamin Conſtants litterarifche Ur⸗ 
teile. Am 22 pluviöse (= 12. Februar) 1804 lieſt er Goethes Fauſt 
noch einmal: (S. 7) „Belu le Faust de Goethe. C’est une de- 
rision de l’espece humaine et de tous les gens de science. 
Les Alleınands y trouvent une profondeur inouie. quant à moi 
je trouve que eela vaut moins que Candide: c’est tout aussi 
immoral, aride et dessechant, et il y a moins de leg£rete, 
moins de plaisanteries ingenieuses et beaucoup plus de mau- 
vais goüt.” Das Herz geht ihn dagegen auf bei der Lektüre von — 
Voß' Luiſe: 112 pluviöse, S. 5) „Commence la lecture d’un 
pocme de Voss, intitule: Louise. H y a la une simplicite ad- 
mirable et une imitation litterale d’Homere Je n’y ai trouve 
qu’un seul vers s’eeartant de la naivele homerique. Ce pocme 
est encore preeieux sous un autre rapport que sa forme poe- 
tige. NM peint les moeurs pures et simples de la classe des 
ministres de eanpagme de l’Allemagne (Landsprediger)!) qui 
eontribue “a repandre les lumieres dans la classe agricole. 
CGhague jour la religion protestanle devient en Allemagne plus 
une ehose de sentiment qu’une institution. Point de formes, 
point de syinboles, rien d’obligatoire. presque pas de cere- 
imonies: des idees doueces et une morale sensible! Le prote- 
stantisme de V’Angletere est bien plus reeule.” Man ſieht hier 
dentlich, was Goethe meint, wenn er von den jittlid)-politiich- praf- 
tiichen Grundſären und Lberzengungen Benjamin Conſtants fpridht. 

In den Geſprächen mit Goethe, die Benjamin Conftant berichtet, 
jind einige Themata beiprodjen, die befanntermanen Goethe damals 
interejlierten. Zo unterhielten jich beide am 25 pluviöse — 15. Fe—⸗ 
bruar über die Gemälde des Polygnot und Odyſſens Gang in die 
Unterwelt: „„Gonversation interessante sur la deseente d’Ulysse 
aux Enfers et sur le tableau de Polygnote a Delphes repre- 


1 Wahricheinlich cin Trudfebler, wie das bei dDeutichen Namen in dem vor- 
hegenden Werle bäufig iſt. 


Albert Haas, Benjamin Conflants Gefpräche mit Goethe 1804. 525 


sentant cette fable. La description s’en trouve dans Pausanias. 
Polygnote a fait entrer dans son tableau la morale qui n’etait 
pas dans le poeme d’Home£re.’’!) Am 6 ventöse = 26. Februar 
findet ich die kurze Bemerkung, als Goethe ihn bejudht: „conver- 
sation interessante sur la geographie des anciens.” 

Außerdem erwähnt Benjamin Conftant zwei Geſprächsthemata, 
in denen die fundamentalen Meinungsverjchiedenheiten beider Männer 
Scharf zum Ausdrud kommen. Und bei beiden Gejprächsgegenftänden 
ift Conſtants Bericht wohl nicht ganz unbefangen. 

Das eine Thema ift Goethes Stellung zum Publikum. Benjamin 
Conſtant findet, daß Goethe in diefer Hinſicht eine herablaffende 
Verachtung zeigt und notiert Äußerungen Goethes, welche dieſe An- 
ſchauung in feinen Augen beftätigen: 

26 pluviöse —= 16. februar. „En parlant de Werther il 
disait: Ge qui rend cet ouvrage dangereux, c’est d’avoir peint 
de la faiblesse comme de la force. Mais quand je fais une 
chose qui me convient, les consequenoes ne me regardent 
pas. S’il ya des fous, & qui la lecture en tourne mal, ma foi 
tant pis!”’ 

©. 16 — 18. März. „Singulier systeme que celui de ne 
compter le public pour rien et de dire à tous les defauts 
d’une piece: Il s’y fera. Daran fchließt Benjamin Conftant die 
etwas perfide Bemerkung: Au fait, je crois que Goethe n’est pas 
tres fäche des absurdites de Schiller.’’ (Conftant hat gerade den 
Wilhelm Zell gelefen und ihn als „eine fchlecht arrangierte laterna 
magica” bezeichnet.) 

Das andere Gejprädsthema ift Goethes Stellung zur Romantik, 
Metaphyſik, Myſtik und, was für Benjamin Eonftant die Hauptjache 
it, zum Katholicismus: oo. 

6 pluviöse — 27. Januar. „Quel dommage que la philo- 
sophie mystique de l’Allemagne l’ait entraine! Il m’a avoue 
que le fond de cette philosophie éêtait le spinocisme. Les my- 
stiques de Schelling ont en effet une grande idee de Spinosa. 
Mais pourquoi vouloir allier à cela des idees religieuses? et, 
qui pire est, le catholicisme? C’est, disent-ils, parceque le 
catholicisme est plus poetique. Et Goethe dit: J’aime mieux 
que le catholicisme me fasse du mal que si on m’emp£chait 
de m’en servir pour rendre mes pieces plus interessantes.” 

©. 15 = 15. März, bei Gelegenheit der Promenade mit Goethe: 
„La nouvelle philosophie, avec tous ces inconvenients, a ceci 
de bon qu’elle met tous les esprits en grande activite, Et 


1) Bergleihe Weimarer Ausgabe 48, 81 ff. und Hempeliche Ausgabe 28, 288 ff. 


526 Harry Mayııc, Uhlands Dichterwertitatt. 


quant aux dangers du mysticisme et du catholicisme dont elle 
nous menace, je compte sur la collision qui doit avoir lieu. 
A present, elle est dans les nues et ne rencontre dans ses 
ebats ni gouvernement ni religion; mais elle ne tardera pas à 
les heurter d’un bout de ses ailes. Et alors la lutte!” 

Benjamin Conjtant war vielleicht einfeitig und verftand darum 
Goethe nicht vollftändig. Aber daß er im Gebiete des „Sittlich- 
Politiich-Praftiichen” Furzjichtig geweien wäre, könnte man aud) nicht 
behaupten. Und Goethes Charafterijtift Conſtants ift auch in dieſer 
Hinficht durch des letzteren Tagebuch nur bejtätigt: „Wer ſich erinnert, 
was diejer vorzüglide Mann in den folgenden Zeiten gewirft und 
mit welchem Eifer derſelbe ohne Wanfen auf den einmal ein- 
geichlagenen, für recht gehaltenen Wege fortgefchritten, der würde 
ahnen fünnen, was in jener Zeit fiir ein würdiges, noch unent- 
wideltes Streben in einem jolchen Wanne gewaltet “ ') 


Uhlands Dichter werkftott. 


Von Harry Maync in Berlin. 


Tas befaunte Wort, daß, wer den Dichter verftehen wolle, 
in Dichters Yande gehen müſſe, ift nicht nur im örtlichen Sinne 
zu fajfen. Es will vielmehr ganz allgemein befagen, daß man, um 
das von einem Tichter Geſchaffene zu beurteilen, in die Urſprünge 
und Pebensbedingumgen jeiner Schaffensthätigfeit überhaupt einzu 
dringen habe. Wer das Was verjtehen will, muß das Wie fennen; wer 
wicht weis, mie es in ciner Werkjtatt ansieht und zugeht, ift nicht 
berufen, iiber die fertigen Werke zu befinden, die ıhr entftammen. 
In des Tichters Werfitatt können wir Einblid gewinnen, indem 
wir aus Jagebüchern, riefen, jubjectiven Tichtungen, aus münd— 
lichen Bekenntniſſen oder Berichten Naheftehender alles zufammen» 
tragen, was auf jene dichteriiche Arbeit Bezug hat. So fei denn 
hier knapp zuſammengeſtellt, einmal, wie Uhland ſich theoretiich iiber 
dichterisches Schaffen ausgeiprochen hat, ſodann, unter welchen inneren 
und äußeren Bedingungen jein eigenes Dichten vor fich geht. 

Neben Uhlands Brieien an die ihm befreundeten Dichter find 
beionders aufſchlußreich anch diejenigen an die zahlreichen Dichter⸗ 
linge, die ihm Proben vorlegten und jein Urteil erbaten. Mit rüh- 


!, Hempelſche Ausgabe 27, 31m. 


Harry Mayne, Uhlands Dichterwerkitatt. 527 


render Sorgfalt und Gewijienhaftigfeit prüfte und entjichied er. 
Immer wieder verlangt er als Stoff ein wirkliches Erlebnis, das 
innerlich verarbeitet und im Moment poetiiher Stimmung dars 
gejtellt fein müffe. Einen Korftcandidaten verfichert er, der all: 
gemeine Vorſatz, jich in diefer oder jener Dichtgattung zu verjuchen, 
fönne noc) fein lebengfräftiges Erzeugnis verbürgen; ein Gedanke, 
ein Gegenitand müſſe voraus zur poetifchen Daritellung drängen, 
dann werde ſich aud) die rechte Form dazu ergeben. (Uhlands 
Leben von jeiner Witwe S. 328). Uhland fteht ganz auf dem 
Standpunkte des Goetheſchen Divanmwortes „Eh’ er jingt, und eh’ 
er aufhört, muß der Dichter leben”. In einem Brief an Mayer 
(Karl Mayer, L. Uhland, jeine Freunde und Zeitgenofjen 1, 134) meint 
er, es ſei vielleicht gar nicht jo übel, wenn das jugendliche Schwelgen 
in Gefühlen und Weflerionen vergehe; der Dichter fei dann mehr 
darauf angewiejen, „das Äußere, das Leben“ zu ergreifen: „aber 
dann muß aud ein Äußeres, ein Leben da fein, und vor allem muß 
er jelbft ein Dichter jein“. Dieſes Leben fehlte Uhland wohl zuweilen, 
wie er demjelben zyreunde einmal jchreibt. Ein anderes Mal bittet 
er den Himmel, ihm auch einmal wieder einen recht fröhlichen Tag 
oder nur eine jelige Stunde zu jchenfen: „Man hat daran nod) jo 
lange nachher zu zehren“ (Mayer 1, 88). Erzwingen läßt jid) das 
Erlebnis nicht, das wußte Uhland wohl und viel beijer als Mayer, 
der in Wald und Mieje nach poetiihen Anhaltspunften förmlich 
botanijieren ging. 

Uhlands Tagbud) gewährt mannigfache Einblide in das Ver— 
hältnis zwiſchen ſeinen Gedichten und den ihnen voraufgehenden 
Erlebnijien. Recht charakteriitiich ift die Eintragung „laue Luft, 
Frühlingsahnungen“ vom 20. März 1812, der am folgenden Tage 
die Gedichte „Die linden Lüfte jind erwacht“ und „Frühlings- 
ahnung” entſprechen. Ahnlid) lefen wir unter dem 12. Juli 1812: 
„Heiterer Dimmel nad) trüben Tagen; ein Lied darüber gedichtet“; 
es ijt natürli das mit der Uberſchrift „An einem heiteren 
Morgen” und dem Anfang „O laue Luft nach trüben Tagen!" 
Das Erlebnis iſt oft nur ein &edanfenerlebnis. So ijt in dem 
Gedicht „Sch tret’ in deinen Garten; Wo, Süße, weilft du heut?" 
der Garten der des Tichters Conz, und diejer hat zu der gar nicht 
erijtirenden „Süßen“ Modell ftchen müſſen. So gab ein Artikel in 
den „Nürnberger Gorreipondenten” die Anregung zur „Mähderin“, 
die zum „Schwindelhaber” eine neue Polizeiverordnung vom 4. No- 
venber 1816. Für Uhlands höchit lebendiges Traumleben bejiten 
wir viele Belege; auch für die Entftehung mehrerer Gedichte fommt 
es in Frage. Uhland jchreibt 3. B. am 28. April 1810 in jein 
Tagbuch: „Tie .Darfe’ gedidhtet nad) einem Traum von der Nacht 


828 Harry Mayne, Uhlands Tichterwerkftatt. 


auf Sonntag den 26. Juli 1807" — man beachte die zeitliche 
Entfernung —; ebenjo iſt das Gedicht „Klage” durch einen Traum 
veranlapt worden. 

Dft Hatte Uhland wohl Erlebnijfe, etwa auf Reiſen, doch fehlte 
ihm die Gabe, fie ſogleich als joldye zu erfennen und zu nuken; 
dod) „fie jollen darum nicht verloren fein", fchreibt er feiner Frau 
(Witwe 268). Aud) dafür giebt dag Tagbud) weitere Beweiſe. 
Am 15. Oftober 1813 taucht im Dichter der Gedanke zu einem 
Gedicht vom Unjtern auf; am 3. Juni 1814 notiert er: „Neu auf- 
gefaßte Idee und angefangene Ausführung der Romanze vom 
Unftern“, und am 6. Juni ijt das Gedicht fertig. Am 9. De: 
zember 1813 fommt Uhland die Idee zu einem Gedicht auf 
Kerners nengeborene Tochter, das aber erſt am 9. Juni 1814 aus: 
geführt wird, während in der Zwiſchenzeit von dem Plane durch» 
aus nichts verlautet. 

Bon der poetijchen Befruchtung bis zur Geburt der Dichtung 
ijt oft ein weiter Weg; manches Erlebnis gelangt nie ang Biel, 
wie das Tagbud) zeigt, in dem ſich zahlreiche Keime zu latent 
gebliebenen Gedichten finden. Uhland hat nad einem Bericht an 
Seckendorf (Witwe 33) vieles entworfen, zum Zeil ausgeftaltet 
und dann verlaffen, ohne Nennenswertes zu Papier zu bringen. 
So trägt er ſich im Jahre 1817 ernitlih mit dem Plan, die Ni» 
belungen und den Stoff der Agnes Bernauerin dramatifch zu 
bearbeiten, wozu er eifrige Tuellenftudien macht. Vor Frühgeburten 
warnt er oft genug, 3. B. einen Schriftieger, der ihm ein Vader 
Gedichte überfandt hatte: „Laſſen Sie ji aber durch die Luſt und 
Leichtigfeit, womit Ihnen das Yicd von jtatten geht, nicht verleiten, 
zu viel und zu raſch zu dichten. Es genügt nicht am Drang, an 
der angeregten Stimmung: der poetiſche Gedanfe muß Klar vor 
dem Geiſte ftehen, der Gegenſtand innerlich geitaltet jein, bevor 
zum Verſe gegriffen wird, ſonſt giebt es nur Anklänge und ver- 
ſchwimmende Nebelbilder” Witwe 425). Uhland ſelbſt fehlte dieſe 
gefährliche (Habe der Yeichtigfeit; er hat im Gegenteil etwas Schwer- 
flüſſiges. Er iſt wohl nie gleich Goethe aus dem Bette geiprungen 
„wie ein Toller”, um in fenrigem Zuge jeine Eingebungen nieder- 
zuichreiben, aud) in feiner ansichmweifenden Stnabenperiode nicht. 
Er weiß das und macht nie ein Hehl darans; „Ach komme ſchwer 
dazu, Geſtalten, die ich in begeiſterten Momenten gejchen und ent- 
mworjen, in ruhigen auszumalen“, jchreibt er in dem erwähnten 
Drief an Scckendorf. In jüngeren Jahren äußert er einmal Mayer 
gegeniiber, er wende jich oft weniger aus Luft und Drang, als um 
jih aus den Bedrängnifien zu flüchten, zur Poeſie: „Die Reſultate 
mögen aber aud) darnad) jein”. Im allgemeinen zwingt er fich nicht 


Harry Maync, Uhlands Dichterwerkftatt. | 6529 


zum Dichten; nie ergreift er die Feder, auf Eingebungen wartend, 
wie Schiller oft, fondern er läßt die Dinge an ſich heranfommen. 
Er vermochte nichts durch feinen Vorfag über feine Stimmung, 
wie e8 Schiller in einem Briefe vom 17. Mai 1799 Goethe gegen: 
über an biefem hervorhebt, gejchweige denn, daß er wie Sean Baul 
fie durch Starke Genußmittel herbeizaubern Tonnte. Uhland macht 
einmal die bezeichnende Unterjcheidung: es wird gedichtet, und es 
dichtet ſich felbft; dieſes gefchehe nur in einem „glühenden Augen 
blick“. „Des Sängers Seele blüht, Wann fie gebären will ein neues 
Lied" heißt es in „ranzesfa von Rimino.“ 

„ Heine äußert einmal in den Weifebildern (Elſter 3, 424): 
„Uberall fehe ich einen verfappten Winter“. Uhland, könnte man 
jagen, jah überall einen verfappten Frühling. Die Poefie fühle den 
Frühling oft am innigften mitten im Winter, fagt er im Stiliftiftum 
(Holland, Zu Uhlands Gedächtnis ©. 35), und in einem Gedichte: 
„set empfind’ ich erft den Mai, Seit der Sturm in Blüten 
wühlet.“ Es ijt das eine für Uhland befonders charakteriftiiche An⸗ 
ſchauung, die fich vielfach verfolgen läßt. Mehrere von Uhlands 
Lenzliedern find in den Wintermonaten verfaßt worden, was piy- 
chologiſch nicht ohne Belang ift. 

„Fehlt das äußre freie Weſen, Leicht erkrankt auch das Gedicht,“ 
jagt Uhland im Vorwort zu der eriten Auflage der Gedichte von 
1815, doch ift er diefer Klippe entronnen.!) In den Tagen jchwerer 
Sorge um Haus und Staat entitanden, wie Treitſchke treffend her- 
vorhebt, die übermütigen, mutwilligen Verſe des „ortunat”. 
In ber aufregenden Frankfurter Zeit, als alles Poetiſche vom Lärm 
de8 Tages übertönt fchien, umſpannen den Dichter oft Ideen zu 
einer ſchwäbiſchen Mythologie, an der er im Geifte gern ausgeftaltete, 
ohne durch Bücher angeregt zu fein, auch ohne etwas davon nieder» 
zuſchreiben. Dann ift e8 wieder gerade die Stille des Haufes, die 
ihn zur Konzeption fähig macht, z. B. „unerwartet“, wie rau 
Emilie berichtet, inı Frühling und Sommer 1834. Mit einem cha⸗ 
rafteriftifchen „Denten Sie nur!" leitet rau Uhland ihre Mit- 
teilung an Mayer ein, daß ihr Mann wieder zum Dichten auf- 
gelegt jei (Mayer 2, 188). Im Tagbuch notiert diefer felbft unter 
dem 12. Juli 1811: „Gewaltfames und inftinktartiges Bordringen 
der Poefie unter ganz fremdartigen Beichäftigungen“ und kann ſich 


) Bgl. „Die Saite tönt in meiner Bruſt 
Am vollften, waın es ftürmt” (461, 7 f.). 
It Citate aus Uhlands Gedichten begichen ch auf die von Erich Schmidt und 
ulius von Hartmann beforgte fritifche Ausgabe; und zwar ift, falls nichts anderes 
bemerkt, ftetS der erfte Band gemeint. Ein Erponent neben der Seitenzahl giebt an, 
das wievielte Gedicht der betreffenden Seite in Frage kommt.) 
Eupdborion. VII. 84 


530 Harry Mayne, Uhlands Dichterwerkftatt. 


das PVerfallen auf die Idee eines bejtimmten Gedichtes durchaus 
nicht erklären. 

„Die Lieder fchießen nicht wie Pilz’ hervor,” meint Uhland in 
„Zamlan und Jannet“; er Fonnte die Poejie nicht fommandieren, 
wenn fie fi) ihm verjagte. Tas Verlangen nad) ein Paar Stegreif- 
verfen brachte ihn einmal in jo große Zerlegenheit, daß er zehn 
Stunden weit zu Guſtav Schwab fchicte, der denn aud) behende zu 
Dienften ftand. 

Wenn der Dichter wenige Deinuten nad) dem Verſcheiden 
feiner Mutter an ihrem Bette einige Strophen niederichreibt oder 
auf der Nücfehr von der Bejtattung feines Oheims Verje verfaßt, 
jo it das nicht Amprovijation im gewöhnlichen Sinne. Im allge: 
meinen dichtete er nur mit der Feder in der Hand, jehr fauber, 
viel feilend und immer neue Abjchriften nehmend von Konzepten 
und Neinjchriften, die durchziehen eine wahre Freude ijt. (Kine 
gleiche Accuratefie zeigen die Partituren von Robert Franz, der in 
jeinen Manuſkripten feine Korrektur litt und ein Stüd oft viermal 
umſchrieb. Dagegen find etwa Achims von Arnim Konzepte zu halten, 
die den Xitterarhiftorifer zur Nerzweiflung bringen fönnen. Und 
den Freund Kerner ſchilt Uhland in einem Briefe von April 1808: 
„Wie kannſt Tu cs wagen, an Herrn Cotta und für den Druder 
jo ſchlecht zu ſchreiben!“ Der Dichter fchrieb ja aud) faft alle feine 
Rriefe doppelt nieder, und daß er als Redner nur zu leicht verjagte, 
wem er ſich nicht Ichriftlich gut vorbereitet hatte, ijt befannt. Im Nachlaß 
haben jid) aus der Frankfurter Seit einzelne Zettel vorgefunden, 
auf denen ein Gedanke mannigfacd variiert wird, um vielleicht in 
einer beabfichtigten Parlamentsrede in irgend einer dieſer Formen 
zum Ausdruck zu kommen. 

Uhland hat das Selegenbeitsgedicht im landläufigen Verſtande 
des Wortes, mamentlid) das politiiche, glücklich Tortgebildet, aber 
beitellte Arbeit zu liefern war ihn verfagt, außer wenn er innerlidy 
dabei beteiligt war. In dieſem Falle konnte er in jeiner produf: 
tivſten Zeit em ihm abverlangtes Gedicht in der Negel ſchon am 
folgenden Tage beibringen. Eine Ausnahme macht das Gedicht auf 
Darpprect, indem der Auftrag dazu und die Ablieferung drei Mo— 
nate auseinander liegen. Auch kommt es vor, daß der Dichter eine 
derartige Aufforderung anfangs ablehnt, ſehr bald aber dod mit 
dem Plane ſich befreundet und an die Arbeit acht. 

Im Alter ging er auf jo etwas überhaupt nicht mehr ein. 
Ter alte Goethe war gleich dabei, Johanna Zebus zu verherrlichen 
der Grfolg war denn auch mäßig, Uhland dagegen lehnte die 
Aufforderung zu eimem Yiede an die waderen Fläminge im 
Jahre 1844 ab, der er bei dem Stillftande, der in jenen Iyriichen 


Harry Maync, Uhlands Dichterwerlſtatt. 581 


Stimmungen eingetreten fei, nicht zu entfprechen vermöge. rau 
von Welder gegenüber meint er, wenn er überhaupt zur dichterijchen 
Arbeit zurücdfehren jollte, fo würde ihn das „kaum bei einzelnen 
Anläffen” möglich fein, „[ondern nur durch eine veränderte Gejammt- 
ſtimmung“. Oft traten ſolche Bitten an ihn heran, irgend einem 
Zagesereignis poetiſch Rechnung zu tragen, immer lehnte er mit 
derjelben Begründung ab, es fehle ihm das Bedürfnis des Aus: 
ſprechens, und „ich fchreibe nie ohne entichiedene Nötigung meines 
Inneren“ erklärte er dem Amerikaner Taylor. Während der vier- 
undfiebzigjährige Goethe unverlodertes Jugendfeuer in die Marien- 
bader Elegie ergoß, war bei Uhland im Alter die lyriſche Ader faft 
völlig verfiegt. Abgejehen von den zwei Spätlingen des Jahres 1847 
„Lerchenkrieg“ und „Der legte Pfalzgraf" hat der Dichter während 
der legten fünfundzwanzig Jahre feines Lebens kaum hundert un- 
bedeutende DVerszeilen gejchrieben. Wenn man ihn fragte, warum er 
jeine Muſe jo lange ruhen lafje, lächelte er und bemerkte, nicht er 
lafje fie, jondern fie ihn in Ruhe. Es ift, als habe er in der Fülle 
jugendlichen Schaffens geahnt, daß feinem Dichten nur ein Adil- 
leifches Leben bejchieden ei, wenn er im Jahre 1804 ruft: 


Laßt uns Freude koſten, Se fingen, 
Meil die Jugend in der Fülle blüht! 

Will der Mann noch mit der Muſe fingen, 
Wirds ein ernites, dämmerichtes Lied. 

Will der Greis die goldnen Saiten rühren, 
Wirds ein Denkſpruch, feinen Stein zu zieren. 


Tod) auch auf der Höhe der Schaffenstraft finden wir Teine 
gleihmäßig verteilte Produktion; oft fcheint, nad) einem Worte 
Emiliens, ein Lied das andere zu weden, dann wieder ftellen fich 
ohne erfichtfichen äußeren Grund lange PBaufen ein. So verzeichnen 
die „Jahre 1812 und 1814 je dreißig bis vierzig Gedichte, während 
das zwijchen ihnen liegende nur fünf Gedichte aufweift. 

Wir find überrajcht, wie fchnell und ohne Unterbrechung die 
einzelnen Gedichte meilt zuftande kommen. Mande Tage jehen 
vier und mehr entjtehen. Der 21. März 1812 und der 8. Sep- 
tember 1816 3. B. bringen gar ihrer ſechs hervor. Die meijten 
Ideen kamen Uhland „Nachts“, d. h. am fpäten Abend, und am 
folgenden Tage murden fie ausgeführt, meift im Bette, wo man 
denn den Dichter gleich Eduard Mörike zuweilen noch um elf Uhr 
antreffen fonnte. Dann dichtet er auch wohl auf Spaziergängen, ?) 
3. B. „Das Ruhethal” und die Vorrede zum „Rauſchebart“. © 


1) Bergl.: „Ergehft Tu Dich im Abendlichte — 
Tas it die Zeit der Dichterwonne —* u. f. w. 
34? 


932 Harry Mayne, Uhlands Tichterwertitatt. 


fand er einen bezeichnenden Vers im Palais Royal zu Paris unter 
der Menjchenmenge. 

Heine will nicht glauben, daß die Natur Uhland nur einen 
Dichterfrühling geipendet habe, und erklärt fich fein Verſtummen 
aus dem Widerſpruch, in den bie Neigungen feiner Muſe mit 
den Anſprüchen jeiner politijchen Stellung geraten jeien. Heine irrt, 
es war nicht Stoffverlegenheit oder der durch veränderte Intereſſen 
bedingte Zeitmangel, der Uhland zum Schweigen beitimmte, jondern 
e8 war eben die innere Schaffenskraft gelähmt. 

Wir haben bisher Uhlands poetiiches Schaffen nur bis zur 
Befruchtung der erregten Stimmung beobadjtet; richten wir nun: 
mehr den Bli auf die äußere Geltaltung des Erlebten und &e- 
ihauten. Manchmal, erzählt der Dichter, kämen ihm wohl Ideen 
zu Gedidjten, aber zur Ausführung habe er weder Zeit nody Ruhe. 
Deren aber bedurfte er. Notter hat einmal für Karl Mayer den 
guten Vergleich, es jei, als ob das Schickſal ihm eine Unzahl von 
Dichterblumen in den Schoß würfe und alsbald neckiſch wieder 
wegzöge, ohne ihm Zeit zu Lajjen, jie zu einem Kranze zu verbinden. 
Uhland war das Schickſal günjtiger. Es gab ihm die Zeit, das feine 
jondernde Urteil und die jihere Dand, um den Kranz zu fledhten. 

Raſtlos arbeitet er aud) im Kleinften der Nollendung entgegen; 
großen Fleiß, den wir 3. B. bei Kerner vermiffen, rühmte von ihm 
A. W. Schlegel Chamiſſo gegenüber. Uhland arbeitet wirflidy au feinem 
Stoff und jpielt nicht mit ihm wie manche Romantifer; „er lenkt 
das Schiff mit feitem Maß“ und läßt ſich nicht treiben. Lenau 
hebt gegen Schurz Uhlands GHrimpdlichkeit und Gewandtheit im 
Tenfen hervor und jeine Schärfe im Auffajien, als die beiden Dichter 
einmal auf dem Spaziergang bis in die Heinjten Details über Poeſie 
verhandelt hatten. Yenau wundert jid) darüber gar nicht, wie 
Schwab, denn „ohne Icharfes Urteil kann man bei der glüdlichften 
poetiichen Fähigkeit nichts jchreiben, das da fertig ift, fir und fertig 
und überall Happt” Mayer 2, 142). Uhland jchafft fo lange, bis 
„Bild und Nlang zujammenrüden” und trifft denn auch „im Kleinen 
wohl das große Ganze”, wie er fich in einem Sonett ausdrüdt. 
Yajlen wir wieder Yenau jprehen: „Es iſt das Schwerite, alles fo 
umfaſſend und prächtig einfach hinzuitellen, wic er; man fieht dem 
Deittelalter bis ins Herz hinein. Und diefe Spürfraft, die Uhland 
hat! ie der Indianer im Grafe weiß er die leilefte Spur zum 
finden” (Witwe 2993. Uhland ift der „abfichtgpolle Meifter“, den 
er im Stiliſtikum dem „ſorglos dichtenden Triebe” gegenüberftellt ; 
iener lege es darauf an, „mit den unjcheinbarjten Mitteln das 
Größte auszurichten". Nie will der Tichter die ftrenge Logik miffen, 
am wenigiten beim Zonett. 


Harry Maynıc, Uhlands Dichterwerkftatt. 533 


Nicht immer gelang es ihm auf den erjten Anhieb. In mehreren 
Fällen fand er erjt nad) verfchiedenen Verſuchen die richtige Dicht: 
gattung für einen Stoff. Sollte doch der „Fortunat“ anfangs eine 
tragiiche Trilogie, der „Herzog Ernſt“ dagegen ein erzählendes Ge— 
dicht abgeben. Auch die Versart wollte zuweilen ausgeprobt fein. 
Uhlands Bearbeitungen altfranzöfifcher Gedichte wie „Aucaffin und 
Nicolette” (vgl. Erih Schmidt, das „Märdyenbud) des Königs von 
Frankreich“ in den Sikungsberichten der Kol. Preußifchen Akademie 
der Wiljenfchaften zu Berlin von 1897, 45, 21 ff.) verfuchten ſich 
nacheinander in Stangen, Hans Sachſiſchen Berfen und Blanfverfen, 
und ebenjo entbehrte die Romanze „Das traurige Zurnei” nad) einer 
Zagbucheintragung vom 11. Januar 1812 der mitgeborenen Form. 
Am 25. Januar 1810 fchreibt der Didter in fein Tagbuch: 
„ZVormfittags]. das fchon früher in Profa verfaßte Gedicht: T. P. 
[Tells Platte] in Diftichen eingefleidet.” Der Apparat dazu drudt 
die Profa ab; es find die „Phantafien aus der Schweiß“, die dent 
Stilforfcher einen wichtigen Einblid geben in bie Arbeit des Ein- 
ſchmelzens in die dichterifche Form. 

Anders als Schiller geht Uhland nicht an bie Ausarbeitung, 
bevor er alles genau geſchaut hat. Dazu befuchte er gern nach Mög— 
lichfeit die Orte, an denen er feine Dichtungen anfiedelt, wie er ja 
auch mit dem größten Intereſſe den Schauplak feines Lieblings: 
epos „Walther und Hildegunde“ in Augenfchein nahm und gewohn— 
heitsmäßig auf Reifen die Kirchthürme beftieg. 

Zumweilen geht der Strahl des Erlebniſſes ungebroden durd) 
den Dichter hindurch; wir jpüren nicht, daß er eine Individualität 
getroffen hat. 

Uhland Ichnt es ab, viel Neflerion in feine Dichtung hinein: 
zutragen wie Schiller und Hölderlin; er ift nad) H. Fiſchers Wort 
al3 Dichter wirklich bloß Dichter. Im allgemeinen aber empfiehlt 
er dem Poeten angelegentlich, ſich in Philofophie, Geſchichte u. dgl. 
einen feſten Widerhalt in pofitiven Kenntniffen anzulegen, zum 
Borteil der Poeſie. Er hatte ein Necht, gegen Mayer die Behauptung 
aufzuftellen, daß bloßes Mefleftieren oder Ausfprechen von Ge: 
fühlen nicht den Dichter mache, der vielmehr fchaffen folle, „Neues 
hervorbringen, nicht bloß leiden und das Gegebene beleuchten“ 
(Mayer 1, 129). 

Freilid) darf dag Schaffen nicht gar zu bewußt werden. Im 
Stiliſtikum warnt Uhland daher vor abfichtlicher Nachbildung des 
Bolfgliedes, warnt er davor, Gedichte durch ein äußerlich gegebene 
Schema ſich durdfpielen zu laffen und fo „mehr eine Aufgabe des 
Witzes zu löſen, al3 einem eigentlid) dichteriichen Drange zu genügen”. 
Uhland jelbjt iſt durch dieſen — übrigens durch feine Gloffen 3. 2. 


534 Harry Mayne, Uhlands Dichterwerkſtatt. 


eingejchränften — Grundjag bei höchſter äußerer Vollendung nie 
— wie Rückert fo oft — zum bloßen PVirtuofen geworden, aud) 
im „Fortunat“ nicht, wie manche meinen. Er ſtimmt die Saite, 
bis jein Ohr den feinften Zujammenflang vernimmt, fie zu über- 
ſtimmen und durch ihr Springen noch cinen pilanten Effekt zu 
erzielen, daS lehnt er mit durchjichtiger Beziehung auf Heinrid) 
eine ab. 

v Auch die äußere Arbeit verlief ehr ungleich bei Uhland. 
Einmal jchreibt er, er wolle mit der Ausführung des „Herzog Ernit“ 
nicht anfangen, wenn er nicht hoffen fönne, „in einem Stüde weg⸗ 
zuarbeiten“ (Witwe 124), ein andermal bemerft er, es müſſe im 
Dichtergemüt liegen, nur ftückweife zu arbeiten und nad) einiger 
Zeit zu anderem überzugehen (Witwe 155 f.). Oft fcheint die Arbeit 
unterbrochen, doc) ift jede Spule im Gange, wie der Dichter bei 
Gelegenheit des „din“ erflärt; der wahre Dichter wird eben auch 
gefördert, wenn er die Spule laufen läßt, ohne den Faden zu ent» 
wideln. So jchreibt Uhland an Mayer (Witwe 88): „Gedichtet 
habe ich hier freilid) nod) nichts, doch wird mir die Poeſie in dieſer 
äußeren Abgejchiedenheit von ihr gewiſſermaßen innerlich klarer und 
lebendiger, wie es oft bei entfernten Freunden der Fall ift.“ Im 
Gegenjaß dazu läßt der Dilettant die Spule nie leer laufen, er 
haipelt ab, ſoviel ihm möglidy ift, um mit der Menge jeiner 
Leiftungen zu imponieren. Unglaublid naiv iſt, was Uhlands Witwe 
von einem jungen Deanne berichtet, der zu jeinen Uhland eingejandten 
Gedichten jcehrieb, er habe zwanzig davon nacheinander im Bett gemacht, 
„ſo lange er geichwigt” habe. 

Zu Beginn der vierziger „Jahre jpufte im deutichen Lauden der 
Plan eines dentjchen TVichtervereins herum, dejien vorläufig ent: 
worfene Satzungen Uhland zur Anjicht vorgelegt wurden. In einem 
wichtigen Briefe an Herrn von Scheuk in München verbreitet fich 
unjer Tichter über den Plan, von dem er nach jorgfältigen Ermä- 
gungen abraten zu müſſen glaubt. Dennoch ift diejer an fi) ihm 
nicht jo unſympathiſch: „Es iit wahr, die ächten Schöpfungen der 
Poeſie steigen nur aus der Tiefe des geſammelten Geiftes auf; 
aber nicht minder gewiß ift, was eim alter Spruch jagt: Glut 
belebt ſich an Glut, Mann wird dent Dann durch Nede fund“ 
‚Witwe 2809 ST... 

Wir kennen Tichter, die ohne nad) rechts oder links zu jchauen, 
entweder überhaupt oder bei beitimmten Werfen, nur der inneren 
Stimme gehorchend ſchaffen. So Ichreibt Goethe an Schiller unter 
dem 28. April 1797: „Ta ich nun weiß, daß ich nie etwas fertig 
mache, wenn ich dem Plan zur Arbeit nur irgend vertraut oder 
jemand geoffenbart habe, jo will ich lieber mit diefer Mitteilung 


Harry Mayne, Uhlands Dichterwerkftatt. 535 


noch zurüdhalten“. Andere Dichter bedürfen eines anregenden Wedh- 
jelverfehr8 mit Gleichitrebenden. Schiller hat es als das Unglück 
feiner Jugend bezeichnet, zu ifoliert gewefen zu fein; denfelben Aus⸗ 
drud braucht Frau Uhland für ihren Mann, als Guftav Pfizer 
Tübingen verläßt. Außere Anregung und Mitteilung war eben auch 
für Uhland Bedürfnis, der oft mißtrauifch gegen fich felbft war. 
Das Mißliche war nur, daß eine unüberwindlide Schüchternheit 
ihn abhielt, von jeinen Arbeiten anzufangen, fo geru er davon 
ſprach. Billigung von Freunden that ihm unendlid) wohl, und 
dankbar erfannte er 3.3. Schwabs Anteil an „Ludwig dem Baier” 
an. Später nannte er als Grund für das Ausbleiben des „Ddin“ 
mangelnde Ermutigung, ja legte ihr wohl zum großen Zeil fein 
gänzliches BVerftummen im Alter zur Laſt. Mayer fpricht einmal 
bei Uberjendung einiger Gedichte die Hoffnung aus, dem Freunde 
dadurch wieder, wie fchon früher, Anregung zu eigmem Schaffen 
zu geben. Das gelang ihm. Uhlands Antwort darauf ift der „Merlin“: 

Du fendeft, Freund, mir Lieder 

Bol friiher Waldesluft, 

Du regteft gerne wieder 

Auch mir die Dichterbruſt. . . 

Nie aber war dies Bedürfnis nach) Anregung bei Uhland fo 
ſtark wie bei Kerner, der an Mayer fchreibt (2, 118), er babe 
früher nur den Freunden zu Liebe gedichtet — „es iſt wirklich 
wahr” — meil fie durch Mitteilung ihrer eigenen Arbeiten ihn 
dazu aufmunterten, ja, der geradezu Uhland viel Schuld daran 
zufchiebt, daß er gar nichts mehr dichte: „Ich kann durch nichts 
als durd; Mitteilung erwedt werden und wurde es durch ihn in 
früheren Zeiten, ſeit Jahren aber ift er ein Fiſch gegen mich.” 
(Mayer 2, 65). Wichtig genug ift folhe Aufforderung aber aud) 
für Uhland, das beweiſt die plößliche Sangesluft, die in ihm er- 
wachte, wenn er Gelegenheit Hatte, mit Ginzelnem hervorzutreten. 
Auch eine gewiſſe äußere Nötigung fertig zu werden und abzu=- 
jchließen, was dem peinlich feilenden Künftler — aud) dem wiſſen⸗ 
ſchaftlichen Profaiften — nicht ganz leicht wurde, war ihm oft recht 
dienlih. Etwa wenn es fi) darum handelte, etwas in einem zu 
beftimmter Zeit erfcheinenden Blatte oder Almanach zu veröffent- 
lichen. So fchreibt er einmal felbft an Mayer (1, 72), dem Dichter 
ergebe fich oft im Augenblid keine gejchidte Anderung, und er fei 
dann zumeilen zu commod, eine zu fuchen. Hier konnte ein 
gelinder Zwang nicht fchaden. Auch in diefem Punkte war der junge 
Dichter beſſer daran, infofern er elaftiiher und daher eher imftande 
war, die ihm gerade gegebene Zeit zu nuten. So entftand die Ro⸗ 
manze „Durand” während des vergeblichen Wartens auf Alten. 


536 Harry Mayne, Uhlands Dichterwerkſtatt. 


Daß der Dichter meiſt fein feinſter und ſtrengſter Kritifer ift, 
beweiſt uns Uhland, wenn wir die Varianten zu ſeinen Gedichten 
ſtudieren. Was er bei den Griechenliedern von Heinrich Stieglitz 
(Witwe 189) ſagt, paßt ganz auf ihn ſelbſt: „Die Anderungen, 
welche Sie mehreren Liedern beigeſchrieben, ſind Beweiſe, daß Sie 
auf reine Darſtellung, auf einen Styl, der nur die Sache will, 
hinarbeiten.” Cine Reihe von Proben aus dem fritifchen Apparat 
mag zum Beleg dienen. 

Zunächſt betrachten wir zwei Beijpiele von geänderter Syntax, 
wodurd) die Wirkung gefteigert wird. 24, 3 f. hieß es erft jchlicht 
erzählend: „Aus ihrem Körbchen mwehten mir die Rojendüfte Lind.” 
Entiprehend dem Dämmerhaft » Ungewiiien des Gedichtes if es 
eine glüdlihde Anderung, wenn Uhland dieſen Eat dann in Frage— 
form giebt. Ebenſo glüdlid) aber ift es, wenn er umgefehrt in 
„Schäfers Sonntagslied” die zuerft gewählte Frageform aufgiebt 
und ftatt „Wie wird mir? will er öffnen ſich?“ einfach fortfährt: 
„So ganz, als wollt‘ er öffnen jich”, denn eine Trage, die eine 
Stimmerhöhung bedingt, würde dieje gleichmäßige Sabbathſtille 
empfindlich ftören. 

Noch zwei Belege für veränderte Mortftellung zum Zwecke 
jinnentjpredyenderer Betonung: „Wir leben einzig auf der Welt“ 
wird zu „Nur wir nod) leben auf der Welt” (22, 6), und das un⸗ 
geahnte, unvorbereitete „Meinen Bruder haft du meuchlings erſtochen“ 
(166, 7) muß den König Sifrid mehr paden, als wenn er erft 
durd) ein „Du haſt . ..“ darauf vorbereitet wird, daß der Sänger 
einen perjünlichen Dandel mit ihm hat. 

Wir beobadhten jerner Varianten, die beſtimmt find, den erften 
Entwurf jinnfälliger, anjchanlicher zu machen. Oft genügt die Anderung 
eines Wortes, namentlich der Verbalform, um einfache Erzählung in 
bewegte Handlung umzuſetzen. Am lebendigften wirft natürlich) das 
Aktivum und dann das reflerive Verb, womit daher oft das hand» 
lungsloſe Pajjivum umjchrieben wird. Im „Waller“ (218,9) fchrieb 
Uhland zuerſt „Sicht man“, darüber „Läutet“ und endlich „Rührt 
jid) dort die Abendglode". Mit einem Zchlage ift fo die Glode 
und damit der ganze Vers belebt. „Und in des Waldes Schatten- 
gänge Xertieft fich jert ihr raicher Yauf“ hieß es 244, 37 f.; das 
wird demjelben Prinzip zufolge alto geändert: „In feine viel» 
verwobnen Gänge Nimmt jegt der Wald die Pilger auf.” In 
„Les Dirten Winterlied" wird aus einem epiſchen „Wir drängten 
uns all’ in die Thäler“ ein dramatiiches „Tu drängft uns all’ in 
die Thäler“ 127, 3.. „Wenn frühe Hoffnung grünt in allen Zweigen“ 
iſt eine ſchöne Metapher, noch ſchöner aber leſen wir jet: Wenn 
„Hoffnung flattert in den grünen Zweigen“ (1102, 8). „Viel Föftliches 


Harry Mayne, Uhlands Dichteriwertitatt. 5837 


Gefteine iſt ihres Reifes Hier“ hieß es erit von der „Ver—⸗ 
junfenen Krone” (309, 13 f.); anjchauliher macht es Uhland, 
wenn er ändert: „Sie läßt zunacht wohl jpielen Karfunfel und 
Saphir.” 

Wie der Dichter plaftifc zu wirken fucht, zeigt eine Variante 
am Scluffe der „Bidafjoabrüde”. In den vielverbeijerien Zeilen 
222, 53 f. war urjprünglic) nur die Thatſache des ausjtrömenden 
Blutes gegeben; jett haben wir dafür ein Bild, das haften bleibt: 
„Seine Hand, zur Bruft gehalten, Hemmt nicht mehr dee Blutes 
Lauf.“ 

Die Drofjel in den „Sterbeflängen” ſoll ein Eigenſchaftswort 
erhalten. Uhland überlegt: „Die braune Droſſel“ ... „Der grüne 
Bogel”, bis fi) ihm als amı charafteriftifchiten und an diejer 
Stelle (1792, 3) am paffendften „Die luftge Droſſel“ ergiebt. 

Das Beſondere, Beftimmte ift poetifcher als daS Allgemeine, 
Unbeftimmte. Darum ijt e8 gut, wenn Uhland 165, 38 ein farbiges 
in ein roſiges Gewand verwandelt, oder wenn er 373, 3 Die 
Blumen aufruft: „Denn ihr jollet lieblich ſchmücken Meiner fchönen 
Fürftin Bruft“, während er vorher gejchrieben hatte „Einer jchönen 
Fürftin Brujt“. „König Sivrid wälzt ſich in feinem Blute” ſchrieb 
der Dichter zuerft 166, 19, um zu verbejlern: „König Sifrid Liegt 
in ſeim roten Blute.“ Wir nennen das eine Berbejjerung, weil 
das Aufgeben der Bewegung im erften Verbum fein Verluft ift in 
diefem Zufammenhange, dagegen das rote Blut nach Art des Volfs- 
liedes beffer iſt, als das Blut an fid). 

Warım „Das Scifflein” erjt „im Nedar" und dann „den 
Strom hin" (1812, 2) feine Gleiſe zieht, will nicht recht einleuchten, 
ebenfo wenig, warum der rote Wein (171, 28) zu edlem Wein wird. 

Uhland verbejjert z. B. eine Metapher. Im „Fortunat“ 
(345, 87 f.) fagte er erft: „Nach Haus und Hof verlangend, um im 
Hafen Der heiligen Ehe felig einzufchlafen." Die Begriffe Hafen 
und Schlaf hängen aber nur loje miteinander zufammen, daher 
hat Uhland unjeren Beifall, wenn er ändert: „Der ſehnlich wünſcht, 
nad) mannigfahen Fährden Zum Bort des Eh'ſtands eingelootit 
zu werden.” 

Wie der Dichter gern verdeutlicht, fo kann er zum guten 
Zweck aud) abfichtlic verhüllen. In der „Bauernregel” ift die lebte 
Beile der erjten Faſſung zum Verftändnis durchaus nicht mehr nötig. 
Daß das Liebchen den Burfchen hineinzieht, ift zwar die Pointe, 
aber fie ijt Schon fo klar vorgedeutet, daß fie ausdrücklich gar nicht 
mehr ausgefprochen zu werden braucht; daher erjegt Uhland dieſen 
Vers mit der überflüjjigen Thatſache durch einen anderen, der die 
Stimmung erhöht (257, 8). 


538 Harry Mayne, Uhlands Tichterwerfftatt. 


Ähnlich wie Goethe in der Kerferjcene des „Kauft“ hat Uhland 
einmal (133, 156) Würmchen für Kindchen fchreiben wollen, als 
er erfannte, daß es dem Stil des Ganzen nicht entiprechen würde. 

Wie ſchwer es ijt, in ein fertiges Gedicht hineinzubeffern, 
fann man an Uhland recht ftudieren. Oft beginnt die eigentliche 
Arbeit erft, wenn die leßte Zeile auf dem Papier fteht. Um zu fehen, 
wieviel Mühe er jich zuweilen mit dem Durchfeilen gab, lefe man 
den Apparat zu Vers 27 des Gedichtes „Die deutiche Sprad)- 
geſellſchaft“ nad). 

Beiondere Beachtung im Variantenapparat verdienen diejenigen 
Gedichte, die im Hinblick auf frühere Faſſungen entweder verkürzt 
oder eriveitert in die Ausgabe übergegangen find. Meiſt beobachten 
wir erjteres, denn es iſt das Zeichen reifender Kunft, immer weniger 
Form für den Anhalt nötig zu haben. Uhland fchreibt am 26. Des 
zember 1807 an Kerner: „Von den Gedichten, die Du bier erHäftft, 
jind des Knlaben]) Z|od] und Deutter und Kind nicht neu, aber neuerlic 
etwas umgearbeitet oder vielmehr abgekürzt worden” — mir fügen 
hinzu: mit gutem Grunde. Ahnliches begegnet oft genug. So hat 
das immer nod) etwas redjelige „Yied eines Armen“ eine feiner 
neun Strophen mit ihrer ermiüdenden antithetiichen &leichför- 
migfeit eingebüßt. Gut iſt auch „Der legte Pfalzgraf” gekürzt, der 
zuerft etwas nach der rührjeligen Seite ſich zuneigte, als er auf 
feinen Tod zu ſprechen fam und fid) jeinen Grabſtein beftellte. 
Das ijt dann weggefallen, und das Gedicht jchliegt jegt gedrungener 
md einem alten Weidmanun angemelfener. 

Niel jeltener finden wir das Untgegengejekte, dag Uhland ein 
einmal abgeſchloſſenes Gedicht, es wiederaufnehmend, erweitert. Ein 
Beripiel: „Dichterſegen“ bejtand urjprünglic nur aus drei Strophen; 
erſt nachträglich tilgte der Dichter den Schlußſtrich und fügte eine 
vierte an. Wir müſſen geitehen, uns kaum erklären zu fünnen, wie 
für Uhland das Gedicht mit Vers 12 bereits fertig geweſen fein 
fan. Zollte ihm wirflidy die zweite Pointe erft nachträglich ein- 
gefallen ſein?! 

Uhland dichtete auch zumeilen etwas um, was jchon in end- 
gültiger &eitalt in die Ausgabe übergegangen war, fo daß mir 
mehrere approbierte Faſſungen haben. Es geichah das allerdings faft 
nur, wenn es jih um Ztammbucheinträge handelte, jei es, daß 
Uhland die frühere Verſion nicht mehr auswendig wußte oder nicht 
bei der Hand hatte, ſei cs, day er abjichtlid) variierte. Als Beiſpiel 
dürfte die Nersreihe zu nennen fein, die der Apparat zum „Rad 
ruf” abdrudt. 


1) Übrigens ıft Die Fabel gar nicht neu. 


Harry Mayne, Uhlands Dichterwerkftatt. 539 


Verſchiedene Gedichte liegen in mehreren, abgeichloffenen, felbft- 
ftändigen Faffungen vor. Wir ftellen hier die „Frühlingsahnung” 
in ihren beiden Formen nebeneinander. 


a) b) 
O ſüſſes, Tindes Wehn! O fanfter, füßer Hauch! 
Kein Veilchen iſt noch zu jehn, Schon wedeft du wieder 
Mir blühen jchon wieder Dir Frühlingslieder, 
Die Früblingslieder. Bald blühen die Veilchen aud). 


Hebbel hat Uhland einmal „das beftvermummte Genie” genannt. 
Daran denft man bei diefem fchönen PBierzeiler, an dem wohl 
mancher beim erften Leſen achtlo8 vorübergeht. ES mag Leute geben, 
denen die eine Faſſung fo leer und nichtsfagend erfcheint wie die 
andere; fie vermögen nicht den großen Fortſchritt der zweiten ein- 
zujehen. Von der projaifchen Wendung „ift nod zu jehn“ wollen 
wir ganz Abftand nehmen. Die Hauptjache liegt in der Verknüpfung 
der Begriffe Zrühlingsahnung, Frühlingsluft, Veilchen und Früh: 
lingslieder. Daß der Dichter in der erjten Form das Nichtvor- 
handenfein der Veilchen Eonjtatiert, paßt fchlecht zu feiner Ahnung; 
denn der Uhland fonjt geläufige Gegenjag: „Meine Lieder blühen, 
die Blumen nicht” ift hier nicht beabfichtigt. Die erſte Faflung 
jtellt eben nur die Zeile zujanımen, das geiftige Band wird erjt in 
der zweiten gefunden: der Hauch der linden Lüfte wirft auf das 
Entjtehen der Lieder, und erft diejes bedingt die Ahnung. Erſt damit 
it das fchöne Gefühlserlebnid voll ausgemünzt. Es wäre auch 
lange nicht jo gut, wenn das Erwachen der Frühlingslieder durch 
den Anblid der bereits erblühten Veilchen hervorgerufen würde. 

Zu den Gedichten in mehreren völlig (wenigftend im Konzept) 
ausgeführten Faſſungen gehört aud) „Der blinde König". Die erften 
acht Verſe enthalten die Erpofition bi3 zum Beginn der Anrede des 
Königs an den Rieſen. In der eriten Faſſung vom Jahre 1804 ift fie 
ganz epijch gehalten: der König zieht mit feinem Heere and Meer, 
wo der Räuber hauft, und als er deſſen Eike gegenüber fich befindet, 
erhebt er feine Klage. Die zweite Faſſung ift dramatiicher. Der 
Dichter läßt die Situation durch rhetorifche Fragen erraten. Er zeigt 
uns Bilder: wir jehen die Schar der Fechter auf dem hohen Felſen⸗ 
ufer jtchen und den König, auf jeinen Stab gelehnt, die Stimme 
erheben. Bis Vers 21 deden ſich beide Faffungen. Dann folgt die 
Antwort de3 Räubers, die in der älteren Form redjeliger erfcheint, 
weit entfernt von dem wortfargen Hohn in der jüngeren. Überhaupt 
ericheint die ältere breiter al3 die jüngere, obwohl beide genau gleid) 
viel Verſe zählen. Daß wir es mit nordiichen Recken zu thun haben, 
ind wir geneigt zu vergejjen, wenn wir diejen fentimentalen König, 
dieje Fechter „still und blöde“, diefen prahljüchtigen Räuber der 


540 Harry Mayne, Uhlands Tichterwerfftatt. 


ersten Faſſung jehen. Sie fteht eben noch durchaus unter dem @in- 
fluſſe Fouqués. Uhland that auch gut daran, daß er dann 1814 die 
Reimftellung vereinfadyte und dem ftumpfen Reim mehr Raum gab. 

Auch von des „Goldſchmieds Töchterlein“ bejiken wir zwei 
Berfionen. Daß aud) hier die fpätere den Vorzug verdient, fieht 
Uhland in einem Briefe an Mayer von 29. Januar 1809 felbft 
ein, wenn er aud) ungern der Braut einigen Schmud nimmt; die 
Wiederholungen jind in der That ermüdend. 

„Der Königsjohn”, Uhlands Tängftes Gedicht, macht aud) den 
umfangreichiten Xegartenapparat notwendig. Es ift bewunderungs⸗ 
würdig, wie ſchonungslos Uhland dieje Romanzen, die ihm bejonders 
lieb geweſen zu jchein fcheinen, zujammengeftrichen hat. Die erite 
Romanze wird von zweiundjiebzig zunächſt auf neunundzwanzig 
Verje vermindert, um endlich in zwölf Verſen den Gipfel zu er- 
reihen. Daß auch dies Gedidyt in der erjten Niederichrift weit: 
ichmweitiger ericheint, mag daran liegen, daß ihm dort nod) das feite 
Bund des Reime fehlte. Non den vierzehn Romanzen ded ganzen 
Cyklus bleiben endlich nur acht übrig. 

Noch unverhäftnismäpiger find die Streichungen in dem Gedicht 
„Narziß und Echo“, das ftatt vierzehn Diſtichen nur nod) vier enthält, 
und namentlich in „Mutter und Kınd“, wo aus acdhtundvierzig 
Jamben zwei Tijtichen werden. 

Wir beobadıten ferner 3. B., wie lhland beim Titel von 
Gedichten ſchwankt; er überlegt, ob das Sonett „Erftorbene 
Liebe” nicht beiler „Yiebestod“ oder „Tod der Liebe“ zu über: 
Schreiben ſei. 

Wenig verjchieden it das Gedicht „Schlimme Nachbarfchait* 
von dem fortlaufend in Proſa geichriebenen Neimzeilen in dem 
Brief an Kerner vom 8. Dezember 1809. Die yiletarbeit der Nach— 
barin, die an ſich als anichauliches Detail vorzuziehen wäre, ift 
— vielleiht aus Reimbedenken — entfallen. Auch die zweite Faſſung 
von „Ernst Uhland” it wahricheinlich nur entſtanden, um dem 
Reim Herz: Schmerz aus dem Wege zu gehen. Daß der Neim 
Imang auferlegen kann, namentlich ein etwas kinftlicher, hat Uhland 
gelegentlih der „Künigstochter” jelbit befannt. Der Stilforjcher 
hat ſolche Einflüſſe in Rechnung zu ziehen. Der Tichter forrigiert 
auch Reime. 198, 22 ff. 3. B. verbeiiert er den triviafen Reim 
„da bin ich ja... in ihren Wuien da”; 357, 21 tilgt er einen 
Rinnenreim. 

Auch andere euphoniſche Nüdiichten nimmt der Tidhter. So 
erweitert er den Mamen Naim in „Roland und Alda” (386, 17) 
bloß des Wohlklanges wegen zu Naims, weil in der eriten Faſſung 
„der Derzog Naim im Bart“ die beiden Zilben auf —m nicht gut 


Mar Speier, Grillparzers „Ein treuer Diener feines Herrn“. 541 


nebeneinander flingen.!) 234, 22 beſſert er „Haſen und Reh er 
fand” in „Reh und Hafen er fand“, weil die beiden langen e unſchön 
aufeinander prallten. Etwa um das Jahr 1812 herum beginnt 
Uhland größeres Gewicht auf ftrenge Vermeidung bes Hiatus zu 
legen und beijert demzufolge auch in alten Handfchriften. 


Über das künftlerifche Problem in Grill- 
parzers „Eintreuer Diener feines Herren’. 
Bon Mar Speier in Frankfurt am Main. 


I. 


Wie es Menjchen giebt, die aus jeder Situation Honig zu 
augen und ihre Süßigfeit voll auszufoften wifjen, fo giebt es aud) 
jolche, die den Wermutsgeſchmack nie von der Zunge loswerden und 
ein eigentüimliches Wohlbehagen an den Bitterniffen des Daſeins 
finden. Zu diefer unglüdjeligen Menſchengattung gehörte Grillparzer. 
Was ihm den fteten Wermutgeſchmack bereitete, war die ungeheure, 
unheimliche Klarheit über ſich jelbft, jene Klarheit, derenthalben man 
ihn manchmal faſt auf den Knieen anflehen mödte: Hab’ doch Er- 
barmen und reiß' Did) heraus aus der verderblihen Bergliederung 
Deines Ichs! Leids bringt Dir das Leben genug und übergenug, wozu 
e3 durch felbitgeichaffene Qualen mehren und fteigern? Aber da gebietet 
fein Hang zur Maplofigfeit Stillichweigen. Er war maßlos in dem 
EinjamfeitSbedürfnis und im Lieben, in der Berjchloffenheit und im 
Wahrheitstriebe, im quietiftiichen Sehnen wie befonders im geißelnden 
Durchforſchen feines geiftig-feeliichen Organismus. 

Als ein künſtleriſches Broduft der erften und zugleich eine be— 
freiende Darftellung der anderen Eigenfchaft erfcheint mir die Tragödie 
„Ein treuer Diener feines Herrn“. Ihr Quell ift zunächſt einmal 
die unzmweidentige eigene Erkenntnis einer ſchwachen Seite feines 
Charakters: der unentwurzelbaren Anhänglichkeit an feinen Herricher. 
Und ift weiterhin das Beitreben, fich zu entlaften durch die Schilde- 
rung der unheilvollen Folgen, welche aus der Schrankenloſigkeit diefes 
an ſich berechtigten Zuges entitehen. Ströme heißen Herzbluts rinnen 
in Grillparzers Tagebuchblättern und Gedichten, in mächtigen, glühend 





1) Man verfolge die Namensform in 271, 29. 418, 19. 440, 49 und den 
betreffenden Barianten. 


542 Mar Speier, Grillparzers „Ein treuer Diener feines Herrn.“ 


aufflammendem und doc immer wieder niedergefämpftem Grimme 
klagt er jeine Zeit und mittelbar zugleich ihren Dauptgeitalter, Kaiſer 
Franz, an ob der Schändung und Knechtung des Geiftes. Und mit 
ſchmerzlicher Wonne gebiert und nährt er den Gedanken, einmal unter 
mitleidlofer Preisgebung und Berwundung feines Innern poetiſche 
Wirklichkeit einem Menſchen zu leihen, bei dem durch die allzu aus: 
Schliepliche und ertreime Entwidlung der unbedingten und unbegrenzten 
Königstreue die ftolz aufitrebende vielältige Entfaltung des Charafters 
erheblich beeinträchtigt tjt. Das iſt, wie ic) glaube, in Kürze der jeeliiche 
Vorgang, dem die Figur des Bancbanus ihre Entjtehung dantt. 


I. 


König Andreas von Ungarn zieht notgedrungen in einen Krieg. 
Zum Reichsverweſer während jeiner Abmwejenheit ernennt er einen 
alterprobten Nat, Bancbanus, mit der uusdrüdlichen Weifung, die 
Ruhe des Staates vor allem zu wahren. Bald lodert der Aufruhr 
in hellen Flammen empor. Eigentlicher Urheber desjelben ijt der 
Bruder der Königin, Herzog Otto von Meran, der, nachdem er 
Bancbanus' Gattin Erny vergeblid) zu umgarnen geiucht und dieje 
ihm endlich vor verſammeltem Hofe ihre Verachtung ausgedrüdt hat, 
fie aus Rache dafiir zu entführen trachtet. Erny macht den Plan zu 
nichte, indem jie ji) erdoldht. Datte ihr Gemahl jchon bisher trog 
der allgemein auffälligen Gunjtbewerbungen Ottos in mehr als ftoifcher 
NKaltblütigkeit um Erny feinen Finger gerührt, To thut er's auch jekt 
noch nicht. Im Gegenteil; während jein Arnder, Graf Simon, das 
Volk aufiwiegelt, um die Auslieferung des Miiſſethäters gemaltiam zu 
erwirfen, der ſich unter die ſträflich ſchützende Obhut ſeiner ihm blind- 
lings ergebenen Schweiter geflüchtet hat, rettet Banchanus die Königin, 
das Königskind und — den Herzog aus dem belagerten Schloſſe. Ja, 
noch mehr, er nimmt als treuer Diener ſeines Herrn die Empörer 
gefangen und überliefert ſie dem inzwiſchen zurückgekehrten Könige. 
Jetzt freilich ſcheidet er freiwillig aus ſeiner Stellung. 


III. 


Banchanus ſehlt, um es mit einem Worte auszudrücken, die 
Univerſalität, die Allınnrallendheit der Empfindung: das jo unendlich 
reichbejattete und reichgeſtimmte mentchliche Gemüt klingt bei ihm 
immerdar nur einen und denſelben Zon an: den der ‚vürjten: Verehrung 
und Lergötterung. Wäre dem nicht to, er würde vor allem nicht in 
die Deilighaltung der Majeſtät jene ihres dazu wahrlich jehr unpaflenden 
Schwagers eintchlienen, er würde nicht bemüht ein, dieſem diejelbe Würde, 
dastelbe Anſehen beim Nolte zu verichaften, wie cr es pflichtgemäß 
binfichtlich des Monarchen thut. Um das zu zeigen, hat Grillparzer 


Mar Speier, Grillparzers „Ein treuer Diener feines Herrn“. 543 


mit der weifen Bedachtfamfeit, die überhaupt dem ganzen Werke den 
Stempel aufdrüdt, Forrefpondierende Stellen vor und nad Antritt 
von Bancbanus' Mifjion angebradjt, daS heißt aljo da, wo er fid 
noch vollfommen rein und unbefangen giebt, wie er ift, und da, mo 
die Voritellung von einer durch die Mißachtung eines Gliedes der 
föniglichen Familie vielleicht etwas geförderten Aufjäffigkeit vormwalten 
fönnte — wenn anders man die Ausfpinnung eines jo weitläufigen 
Gedankengewebes bei ihm für möglich hält. Er weiß (im erjten Auf- 
zug) unzweifelhaft, daß Otto den Skandal vor jeinem Haufe an: 
gezettelt hat und herrſcht trogdem den ‘Diener, der diefe Thatjache 
auszusprechen wagt, deshalb „mit halb gezüdtem Säbel“ unter Her- 
vorbebung der Anſchauung an, daß er fich lieber einen Träumer mit 
offenen Augen glaube, ehe er Unglimpfliches „von dem Schwager 
jeines Herren“ denfe. Späterhin, im zweiten Aufzug, fit er zu Gericht 
und betont abermals, die Wahrheit wohl nicht ganz unbewußt ent- 
jtellend, daß beileibe nicht der Prinz allein, ja nicht einmal der 
Prinz mit, jondern nur des Prinzen Jäger die Saat zerjtört hätten. 
Hier kommt aufbligend bereits als natürliche Folge der einfeitigen 
Ausbildung des Menſchlichen die Verfimmerung des übrigen Menjch- 
lihen zum Vorſchein. Ihm gilt als einziger Gradmeffer für fein und 
anderer Verhalten und Handlungen nicht der göttlich entjtammte, in 
uns wirkende Moralbegriff, fondern die Art der Stellungnahme jener 
zun, die Art ihrer Auffafjung vom Königspaare. Tadurd) wird in 
eriter Linie eine bedenkliche Abgejtumpftheit, ja jagen wir e8 nur 
gerade heraus, Abgeftorbenheit des Nechtsgefühls hervorgerufen. 
„Reizbarkeit, das heißt Fähigkeit, den Schmerz der Rechtskränkung 
zu empfinden, und Thatkraft, das heißt der Mut und die Ent- 
ichlofjenheit, den Angriff zurücdzumeifen, find in meinen Augen die 
zwei Kriterien des gefunden Rechtsgefühls,“ fagt Rudolf von Ihering. 
Was erfüllt Bancbanus von diefen beiden Anforderungen? Nichts. 
Wiederum find beweisfräftig mehrere analoge Ausiprüdhe von ihm, 
die Scheinbar beiläufig, in.der That mit feinfter Berechnung in das 
Anfangs- und Mittelglied der Ausmalung feines Wejens. eingefügt 
find, will jagen bis zum Erhalt und bis zum Ablauf feines Amtes. 
Sie find insbejondere deshalb beweiskräftig, weil fein Handeln durch⸗ 
aus im Einklang mit dem theoretifch Verkündeten fteht, jogar gleichſam 
‚nur eine Erläuterung dazu bildet. „Nur eine Schmach weiß id auf 
diefer Erde — und die heißt: Unrecht thun,“. betont er nachdrücklich 
im erften Aufzug, „Unbill, die man erträgt, war gar nicht da”, im 
zweiten. Hält man diefe Säge in ihrer logiſchen Konjequenz zu⸗ 
ſammen, jo fallen fie ſchwer ing Gewicht. Denn Har und mit ent- 
jchiedener Hindentung auf das Kommende. wird damit bewiefen, daß 
er in Falter, wehrlofer Unempfänglichfeit ftetS über. fich ergehen laſſen 


544 Mar Speier, Grillparzers „Ein treuer Diener feines Herrn.“ 


wird, was aud) immer ihm zugefügt werden mag. Kein Wunder 
aljo, daß er die Selbitradye für Ernys Tod verſchmäht und ver: 
pönt. Nicht etwa aber, wie er in felbittäufcheriicher Bemäntelung 
meint, weil die Sicherung der ftaatlihen Ruhe ihm allein maßgebend 
ift, fondern eben weil ihm der Glanz und die Würde der Perjön- 
licheit fehlt, die von dem Granitfelien des Rechts getragen wird. 
Mit Ernys Scheiden iſt der einzig unverjehrie Kern feines Gemüts⸗ 
lebens angetajtet, vernichtet, und Herzenstöne entringen ſich ihm, 
denen in ihrer fchlichten Einfachheit eine urwüchſige und mächtige 
Gewalt innewohnt. Seinen unermeßlichen Schmerz glauben wir ihm 
aufs Wort. Jedoch es ift lediglidy der Schmerz der Xiebe, der ſich 
geltend macht, nicht der des Rechts, lediglich der Schmerz um die 
ihm jett unmiederbringlidy Entrifiene, um die Geſtorbene, nicht der 
um den in feiner fittlichen Exiſtenzbedingung Angegriffenen, um den 
noch Yebenden: ihn jelbit. Wie ganz anders pulit da die in ihm bis 
zum Verſchwinden gedämpfte Kraft in jeinem Litterariichen Gegenſtück, 
der wie aus Erz gegoffenen Geſtalt von Kleiſts Michael Kohlhaas! 
Auch ihm it, obzwar nur mittelbar, durch die Vorenthaltung jeines 
Rechtes die heingeliebte Gattin gemordet, aber zu welch’ ruhiger und 
impojanter Unbeugſamkeit wächit er vor unferen Augen dadurd 
empor, day er das Höhere: die Beleidung und Verteidigung desfelben, 
nicht vergißt, fondern auf jenem Schein beiteht. 

Dean könnte hier vielleicht zweierlei einmwenden. Erſtens, daß 
Bancbanus nicht auf Indicien hin — und mehr ij ja nicht vor- 
handen — urteilen oder gar richten will, weiterhin, daß er ja fein 
Recht zu fordern gedenkt, jobald der König da ift. Beides ſcheint 
mir nicht jtichhaltig. Wäre er irgendwie in jeiner llberzeugung von 
Ottos Schuld jchwanfend, er würde jich bei jeiner ausgeprägten 
Angitlichkeit und Vorſicht wohl hüten, ihn zu Beginn des fünften 
Aufzuge „Du Wolf, Tu Dund, Tu blut’ger Mörder Du“ zu nennen. 
Nichts ift bis dahin vorgefallen, das ihm als Beitätigung einer etwa 
ungewiiien Annahme hätte dienen können. Tas andere ift nur eine 
Ausflucht. Wer das Grlittene, wie bereits erwähnt, mit jo unmerf: 
lichen Spuren von allgemein: menichlichem Pathos empfindet, der Magt 
faum an, geidywerge denm gar, dan er volle, uneingeſchränkte Sühne 
verlangt. 

Ganz dieter Mutmaßung entiprecend iſt auch fein Verhalten 
gegen den Schluß bin. Er überläßt Otto der Strafe feines Gewiffens, 
aljo, wird man jagen, der härteiten Strafe. Allein er müßte eime 
Art von jeelenfennerijchem Genie fein — was er unitreitig nicht im 
mindeften iſt - Tollte er ermeilen können, ob dieje gebührend ftarf, 
geniigend auegleichend jei. Und doch iſt grade jein Fall doppelt Der 
Sühne bedürftig. Iſt es ja der Reichsverweſer, der offenkundig im 


Dar Speier, Grillparzers „Ein treuer Diener feines Herrn“. D45 


jeinem Heiligjten mit Füßen getreten wird, und ijt es ja die Stell- 
vertreterin des Königs, mit deren Wiſſen, unter deren Schuß es 
geichieht. Indeſſen wie jollte, wer nicht einmal impuljiv ſich fühlt, 
gedanflichen Erwägungen für die Offentlichkeit zugänglich jein, daß 
er jich jagte: Wenn Du aud) für Deine Perjon auf Vergeltung ver- 
zichtejt, jo mußt Du der anmaßlichen, grenzenlojen Kedheit im In— 
tereffe Deiner Mitbürger entgegentreten, da jie fonjt nicht einge- 
ihüchtert, vielmehr ermuntert und ermutigt wird!? Und fiehe da, 
das trifft aufs Haar zu. Er fragt den Heißſporn Simon: „So jehr 
denn lechzejt Du nad) jeinem Blut?” und erwidert auf Simons 
Antwort: „Ra ja!” bedeutſam: „Aud) ich, gäb's wieder mir mein 
Weib.” Sein individuelles Leid an der Quelle zu verjtopfen, das 
vermag er nicht, demnach, folgert er, ift eine jede Genugthnung 
verjpätet, überflüſſig. 
V. 


Betrachtet man das Drama von dieſem Geſichtspunkte aus, ſo 
gliedern ſich die Vorgänge organiſch aneinander, fügen ſich zu einem 
Ganzen von ſtrengſter Einheitlichkeit und Geſchloſſenheit. Das Ehr— 
gefühl und die Mannhaftigkeit find in Bancbanus erſchlafft. Tas 
Ehrgefühl. ES kommt ihm gar nicht zu Sinn, daß die wiederholte 
öffentliche Beläftigung Ernys fein Einjchreiten dringend erheiſcht. 
Fern liegt es ihm, fid) ein Anjehen nad) außen hin zu erringen und 
zu bewahren. Duldet er es dod) mit wenig fleidfamer Gelafjenheit, 
daß Diener, anjtatt ihn zu refpeftieren, ihn zum Narren halten, 
Edelleute, ihm augenblidlid) im Rang entſchieden untergeordnet, ihr 
Geſpötte mit ihın treiben. Und die auf wahres Selbſtbewußtſein 
gegründete Mannhaftigfeit. Ihm gebriht e8 nicht nur an dem 
Impuls, nein, aud) an der Energie, jeine Gattin zu jchügen und 
jpäterhin zu rächen, den Herzog dafür und überhaupt in die Schranken 
zurüd zu weifen. Entweihung dünfte e3 ihn, dem König den Sad): 
verhalt ruhig und bejtimmt darzulegen, als diefer ihn in feiner auf: 
fahrenden und von geringer Stetigfeit in feinen Prinzipien zeugenden 
Art mit den höchſt ungerechtfertigten Worten: „Du ungetreuer Knecht” 
empfängt. Auch die Klarheit jeines Blickes ift getrübt. Iſt es fchon 
gewagt, ein Weib, das fein Fiichblut in den Adern hat, den Ber: 
lofungen eines befannten Frauenlieblings auszujegen, jo erhöht ſich 
diefe Waghaljigfeit um ein Beträchtliche8 dadurd, dag in Ernys 
Seele bereitS Zündjtoff lagert. Denn ich halte das bloß äfthetijche 
Wohlgefallen, von dem Emil Neich in einer feiner Analyjen Grill- 
parzerijcher Dramen jpricht, für feine ausreichende Meotivierung. 
Bewuptvoll hat der Dichter den unaufgeflärten Zug von den ent: 
wendeten Haaren eingeflochten. Das jept eine gewiſſe ſinnliche Be— 
rührtheit, einen beginnenden leijen Kampf voraus. Um dieſe keim— 

Euphorion. VII. 35 


546 Mar Speier, Grillparzers „Ein treuer Diener feines Herm“. 


bafte Neigung nicht zur Leidenschaft anfchwellen, um fie fid) nicht über 
den Kopf wachſen zu lafjen und um zugleich mit einem Schlage alle 
Brücden hinter jid) abzubrecdhen, greift jie zu einem Gewaltmittel, 
der Kundgebung ihrer Verachtung. Damit ijt ihre Unruhe, vor der 
jie felbjt bangt, gejtillt, der Zwiejpalt im ihrem Innern geſchlichtet, 
und fie ift entiprechend für ihren Opfertod vorbereitet. 

Ein Opfertod nämlich ift es, den fie gleich Shafeipeares Cordelia 
erleidet. Unbillig und übertrieben wäre es, fie für die unlautere 
Regung verantwortlich zu machen, die fie ja ausrottet. Sie ftirbt 
nicht zur Sühne ihres eigenen Fehls, jondern zur Strafe für Banc- 
banus' tragiiche Schuld. Die legtere bejteht eben darin, daß er, wie 
id) oben zu begründen verjudjte, nicht bedacht war, jämtliche 
Gemüts- und Geiftesfräfte harmonisch und gleichmäßig zu entwideln, 
dag das liberwuchern in der einen, die Verfrüppelung in fo vieler 
anderer Dinficht ihm nicht gejtattete, von fid) zu jagen: Homo sum: 
humani nihil a me alienum puto. Wie fonnte er, für deijen fittlid) 
feines und jtarfes Empfinden, fiir deflen Willensfreiheit und Urteils: 
fähigfeit die Königstreue geradezu ein lähmendes Fatum ijt, tiefer 
und nachhaltiger getroffen werden, als day ihm die Gelegenheit zur 
Berhätigung der Eigenſchaft entzogen wurde, durd) die allein er mit 
der iibrigen Menſchheit gleichgeordnet it? Was wird jegt ſein 
Schickſal jein? Gebrochen und milde wird er dahinfiechen, nicht 
indejien als der Gleiche wie friiher, jondern in etwas veränderter 
Geſtalt. Denn eine Wandlung ift mit ihm vorgegangen, gemwaltiam 
it das Menjchliche wachgerüttelt worden, und wenn ea auch noch 
nicht Lichter, alanzheller Tag in ihm iſt, jo dämmert doch das 
Worgenrot einer freieren Lebensanſchauung herauf. Einer Lebens: 
anichauung, die dieſelben Anforderungen an den Herrſcher jtellt wie an 
den Alnterthan, die jogar nachdriuflich auf die bei weitem aus: 
gedehntere wmoraliiche Nerpflichtung und Daftbarfeit des Könige 
hinweiſt. 

„zu cat getreuer Herr erſi Deinen Dienern, 
Daunn find ſie treue Tieuer ihres Herru“, 
wie cs im der urſprünglichen Faſſung bien. 
V. 

Aber der Haupiſtoff dieſer ſeltſam jeſſeluden Tragödie der Map» 
loſigkeit iſt noch nicht vollig ausgeſchöpft. Er erfährt eine notwendige 
Vertiefung, reizvolle Erweiterung und farbigere Ausgeſtaltung durch 
die Figur des Derzogs Otto. Sollte Ranchauus' Gebaren in ſeiner 
ganzen Abſonderlichteit und Grellheit gezeigt werden, ſo mußte in 
dem ſeinem intellektnellen Gedeihen feindlichen Lager jemand vor— 
handen ſein, der ihn bis zum äußerſten reizte. Das iſt Otto. Auf 


Robert Hallgarten, Aus dem Nachlaſſe Chr. D. Grabbes. 547 


den erjten Blick ihm in allem entgegengejeßt, ſchrumpfen die Eontrafte 
bei näherer Betrachtung erheblid zufammen. Auch die Grundurfache 
feines Gebaren3 iſt die gleiche wie dort: die verdammliche und unge- 
bürliche Vernachläffigung der übrigen Eigenjchaften zu Gunjten der 
überftarfen Ausprägung einer einzelnen. Nur daß diejer Prozep in 
conträrer Beziehung jtattgefunden hat, nur daß, wie dort die Diener- 
demut der jouverain und despotijd) herrichende Trieb war, es hier 
die Herricherwillfür ift. (Man darf wohl getroft Otto al3 den eigent- 
lihen Herrjcher anjehen, da er die Königin und diefe ihren Gemahl 
am Gängelband führt.) Die Unterfchiede zwilchen beiden find mehr 
gradueller, nicht eigentlich prinzipieller Natur. Erzeugt die Demut 
hemmende Patjivität und eine unbewußte Philofophie der Schwäche, 
jo die Willkür glutvoll fpornende Aktivität und ein förmliches Syſtem 
des ungebändigten Kraftüberſchwanges. Was die Ethif von dem Ein: 
zelnen jür den Einzelnen verlangt, das in der Hauptjache erfüllt 
Bancbanus nicht in vollem Umfange, entadelt und jchädigt demnach 
faft nur ji. Was fie von dem Einzelnen auch für die Allgemeinheit 
verlangt, dem thut Otto nicht genug, entwürdigt und jchädigt aljo 
die Allgemeinheit. Den unumſchränkten Vorrang des Königswillens 
predigt jener in Wort und That, die — ſcheinbare — Selbſtherr— 
lichfeit desjelben verlebendigt ergänzend dieſer. Banchanus läßt fein 
Recht und dejfen Trabanten geduldig unterjodyen, Otto ijt der Unter- 
iocher; jener leidet, diejer handelt, beide jedoch aus demjelben uran- 
fänglichen Beweggrunde. Die überaus kunſtvolle Parallele iſt auch 
injofern durchgeführt, als Otto jich gleichfall3 läutert und von 
Schlacken befreit. Befriedigt jcheiden wir fomit von der Tragödie. 


Aus dem Nachlaſſe Chr. D. Grubbes, 


Mitteilungen von Robert Hallgarten in Münden. 


Das befannte Verdammungsurteil Wilhelm Scherers über 
Grabbe hat die neuere litterarhiſtoriſche Forſchung nicht davon ab— 
geſchreckt, ſich wieder dieſer eigenartigen dichteriſchen Perſönlichkeit 
zuzuwenden. Noch neuerdings iſt die ganz ſtattliche Reihe von 
Arbeiten über Grabbe durch eine Schrift erweitert worden, die neue 
Beiträge zur Biographie des Dichters und eine ausführliche kritiſche 
Analyſe ſeines „Gothland“ giebt.!) 


N Beiträge zum Studium Grabbes von Carl Piper. München 1898, Carl 
Haushalter. 








35* 


548 Robert Hallgarten, Aus dem Nachlaſſe Chr. T. Grabbes. 


Ebenjo hat man in neuerer Zeit — geradezu auffallend häufig — 
den Verſuch gemad)t, die Dramen des Dichters der deutichen Bühne 
wieder zu gewinnen oder, richtiger gejagt, zu gewinnen. „Don Juan 
und Fauſt“, „Barbarofja”, „Napoleon“, jogar „Gothland“ find auf- 
geführt worden, während eine Aufführung des „Hannibal“ in Aus: 
ficht fteht. Ch es aud) nur einer dieſer Schöpfungen gelingen wird 
fid) zu behaupten, ijt mehr als zweifelhaft. Jedenfalls aber ift Grabbe 
— für einige Zeit wenigſtens — einer unverdienten Nergejienheit 
entrifjen worden. 

Eine Sammlung der Grabbeichen Echriften ijt erft in neuerer 
Zeit erfolgt. Tie Mängel und Schwächen der erften — Gottichall: 
ſchen — Ausgabe jind befannt. Auch die zweite — Blumenthaliche — 
Ausgabe Hat jekt im dem ſchon genannten neueſten Grabbeforfcher 
einen ziemlich ftrengen Kritiker gefunden.!) Es ift wohl unwahr: 
ſcheinlich, daß es noch zu einer anderen Herausgabe der Grabbeſchen 
Schriften fommen wird, zu der eifrige Nachforſchungen vielleicht 
mandes Neue beitragen könnten. Möglicherweiſe hat der Zufall 
nod) einiges gerettet, wad des Dichters eigene Nadjläijigfeit achtlos 
dem Nerderben preisgab. Grabbe jelbjt jchildert in einem Briefe an 
mmermann, wie jorglos er oft mit jeinen Manujtripten umging: 
„Dein Stück ‚Aidyenbrödel! hab’ id) verloren beim Umräumen. 
Nun wollt! ich einen Roman jchreiben, verlor mid) aber dabei in 
Reflexionen, brauche ihn daher zu Fidibus.““ Mag man die lekten 
Worte des Tichters, der von Eitelfeit und Poje durdyaus nicht frei 
war, nicht zu jtreng nehmen, fiir jeine außerordentliche Zorglofigfeit 
in Bezug auf jeine Manuskripte bedarf es faum eines Beweiſes. 
Vieles ſcheint er in der legten traurigen Zeit, bei jeiner Abreije von 
Düſieldorf verichlendert oder verjchenft zu haben. Damals gingen 
auch die beiden hier herausgegebenen Schriften in den Beſitz ſeines 
Freundes Ed. Dartenfels über, dem er zugleich die erjte Niederjchrift 
des „HPannibal“ jehentte. Tas bis auf wenige Lücken volljtändige 
Dannibalmanuifripe iſt 598 Zeiten Start und trägt den Nermert 
von Grabbe: „Beendigt +. Februar 1535, Nachmittags gegen 4 bie 
9 hr.” Auf dent Umſchlag dieſes Manufſkriptes, das jid) mit den 
beiden anderen Schriften in Dartenfels’ Nachlaß vorfand, hat Darten- 
fels bemerte: „Autographen Srabbes von ihm bei jener Abreite von 
Diiſſeldori geſchenkt erhalten.“ Eduard Dartenfels, geboren 1810 
zu Düſſeldorf, geiterben zu ‚yrantiurt am Main 1808, hat in der 
Yitteraturgejebichte höchitens bei einer Grabbe Bibliographie einen 
befcheidenen Pag erhalten. Grabbe hat zu der Sartenfelsichen 


Bat. Fiper S ©. 
Immermann Hempeliche Ausgabe; 10, 100, 


Robert Hallgarten, Aus dem Nachlaſſe Chr. D. Grabbes. 549 


Künftlernovelle „Grupello“ ein furzes Vorwort gefthrieben und, wie 
er jagt, „dent Gemälde noch einige Pinfeljtriche” beigebracht. Einige 
weitere furze Anhaltspunkte zu den Beziehungen Grabbes zu Harten- 
fels giebt ein jpäter zu erwähnender Brief anläßlich Grabbes Kritif 
über Goethes Briefwechſel mit einem Kinde. 


1. Kosziuszfo, dramatifches Fragment. 


Das eine Manujfript aus dem Nachlafje Hartenfels’ umfaßt 
einige Scenen aus dem bis jekt für verloren gehaltenen Drama 
„Kosciuszfo". Duller erzählt in feiner Grabbe-Biographie,!) daß 
Grabbe nur die erjten Scenen aus diefem Drama gejchrieben und 
jeinem Berleger Kettembeil nad) Frankfurt geſchickt habe. Da diefe 
Scenen nicht Kettembeils Beifall fanden, jo habe Grabbe die Luft 
verloren und nicht weiter an dem Drama gearbeitet.2) Den Torſo 
nahm dann Grabbe, wie QDuller erzählt, von Frankfurt nad) Düfjel- 
dorf mit, wo er ihn Immermann zeigte. Al fi) ſpäter — in 
Detmold — Grabbes Gattin nad) dem Fragment erfundigte, meinte 
Grabbe, es jei noch in Immermanns Befite. Immermann behauptete 
aber auf die Nachfrage von Grabbes Verleger Schreiner, Grabbe 
habe das Fragment von ihm zurückerhalten. Das in Hartenfels' 
Befige vorhandene Manuskript iſt — fchon nad) äußeren Merkmalen 
zu urteilen — ganz zweifello8 dasjelbe, da8 Grabbe Immermann 
gegeben hatte. Es ijt ganz ficher, daß Grabbe das Fragment zurüd- 
erhalten und Hartenfels gejchenft Hat, ohne fich in feinem krank— 
haften Zuftande jpäter mehr daran zu erinnern. — Am 13. Januar 
1835 jchreibt Grabbe an Immermann: „Hierbei verjprochenermaßen 
Etwas aus meinem ‚Kosciusfo’. ES könnte wol in ein Journal 
fommen, was id) Ihnen überlaße; denn ich brauche dieje Bogen 
nicht und wünfche jie nicht zurüd. Wäre die Yulifache nicht ein- 
getroffen, hätt’ ich das Ding vollendet. Sie merken aber leicht, daß 
der Welt der Sinn damals zu polniſch war und mir monarchiſch 
blieb. Polens Räthſel ift feine Pohlo-Ariftofratie. Die faft vollendete 
Beendigung des Stüdes ward auch durch den Tod eines Bekannten 
..... ganz gehemmt...... Verzeihen Sie das verſchiedene Papier 
der Kosciusko-Scenen! Meine Magd war nicht zu Haufe, um an: 
deres zu holen.” 

Das Meanujfript, auf das dieſe Beichreibung zutrifft, enthält 
die beiden erjten Scenen des erjten Altes. Die erfte Scene (20 Seiten 

1) Tie Hermannsſchlacht. Trama von Grabbe. „Grabbeg Leben“ von Eduard 
Duller. Düſſeldorf 1838. S. 39 ff. 

2) Im Widerſpruch zu Dullers Erzählung ftehen verfchiedene Briefe von 
Grabbe, in denen von einer weiteren Ausarbeitung, ja von der nahezu erreichten 
Vollendung des Ztides die Rede ift. 


550 Robert Hallgarten, Aus dem Nachlaſſe Chr. D. Grabbes. 


auf Quart-Format) iſt jedenfalls nicht in Grabbes Handſchrift ge: 
ichrieben, während die Niederjchrift der zweiten Scene (10 Seiten 
auf fleinem Format), wie fid) nad) einer grnanen Vergleichung 
ergab, ſicherlich von Grabbe ſelbſt herrührt. Merkwürdig iſt, daß 
eine Korreftur an dieſer zweiten Scene von dem Abſchreiber der 
erjten gemacht iſt. Außer diejen zwei Scenen hat ſich noch — in 
Hartenfels Handſchrift — ein Scenarium des ganzen Dramas 
gefunden, vielleicht eine früher von Hartenfels gemachte Abſchrift. 

liber die Entſtehungsgeſchichte des Kosciuszko!) geben ung die 
bei Blumenthal (4, 373 ff. veröffentlichten Briefe Grabbes an Kettem— 
beil reichlichen Aufſchluß. Zu bedauern bleibt eg, day Kettembeils 
Briefe fchlen. 

Ju „Jahre 1829 hatte Grabbe den merkwürdigen Kontraft mit 
Kettenbeil abgejchloiten, nad) dem er jeinem Derleger in jedem Jahre 
„mindeftens drei dramatijche Stüde in ungefährem Umfang, wie jein 
‚Don Juan und Fauſt' zu liefern hatte“. 

Von diejen Maſſenprodukten jollten in den erjten drei Jahren 
ie zwei jedesmal die ‚yortiekung des auf adıt Bände berechneten 
Hohenitaufencyklus bilden. Tiefer merkwürdige Vertrag ijt natürlich 
nicht ganz innegehalten worden. Jedenfalls juchte der Verleger auch 
etwas fiir Die geforderte „Yieferung von Stüden“ zu thun, indem 
er jeinerjeits dem Tichter Anregungen gab. Wahricheinlich erjt 1831 
und nicht 1830, ſchlug Kettembeil unter dem Eindrucke der neueiten 
polniſchen Erhebung dem Dichter den „Kosciusko“ als Tramenitofi 
vor. Die erite Aufßerung von Grabbe darüber findet fid) in einem 
Briefe von 20. Juli 1831.71) „Nosciusto als Drama gefällt mir, 
obgleich der Mann ein bornirter Nopf war u. ſ. w.“ 

Tie Wahl des Stoffes lag in der Luft. Hatte dod) die polniiche 
Bemegung einen mächtigen Rückſchlag auf die deutiche Yitteratur 
ausgeübt, freilich vorwiegend auf die Lyrik. Ein neuerer Forſcher 
weilt darauf hin, im wie geringem Maße die Zympathie für die 
Polen auf das deutiche Drama wirkte gegenüber dem Philhellenismusg, 
„im deſſen fruchtbarem Woden Förmliche Meintulturen von Griechen: 
ſtücken erwuchſen“.*. Kosciuszkos Figur jcheint nur noch in zwei 
anderen Dramen Nerwendung gefunden zu haben, in dem bei Arnold 
und anderen erwähnten — mir wicht zugänglich geweſenen — Drama 
von Wullentus „Ter Tod der Malachowsti“ Ilmenau 1833), in 
dem ' übrigens der polniſche Tiktator nur als Nebenperſon vorkommt 


In öeinen Briefen bat Grabbe ſtets die Schreibweiſe „Koſciusko“ im 
cegenard zu der Schreibweiſe al Fragment. 

Rlumcuihai, a. a. T., 2.4060, 

Tadeuß Koeciußto m der deutichen Yırtoratin von R. F Arnold. Berlin, 
Maner & Muller Isus S 22. 


Robert Hallgarten, Aus dem Nachlaſſe Chr. D. Grabbes. 551 


und in dem — vor allem durch einige Lieder befannt gewordenen — 
Holteiſchen Stüde „Der alte Feldherr“. Hier wird in völlig genre- 
hafter Weije eine Epijode aus Kosciuszkos fpäteren Jahren erzählt. 

Grabbes findiger Verleger wird wohl nidyt viel über die drama—⸗ 
tiihe Verwendbarfeit des von ihm vorgejchlagenen Stoffes gegrübelt 
haben. Ebenjo hat auch der Dichter, wie es Icheint, zunächft frifch zu⸗ 
gegriffen; freilid) wie fchon fein eriter Brief zeigt, ohne fich allzujehr 
für jeinen Helden oder deffen Volt zu begeiftern. „Du denkſt (bei 
Kosciuszto) wohl zu ſehr an die Zeit," fchreibt Grabbe an Kettem- 
beil, und ütberfchägelt die europäifchen ‘Juden, die Polen .... Was 
Tapferkeit de3 Einzelnen, wenn da8 Ganze verrottet iſt?“ — Nachdem 
die erjte Anregung auf fruchtbarem Boden gefallen war, fcheint 
Grabbe eifrige Studien für das Drama getrieben zu haben. Arnold!) 
äußert jich über die Quellen, die Grabbe hierbei benutzt haben Tann. 
Als ſicher muß gelten, dag ihm Falkenſteins Kosciuszfo-Biographie 
(in der erjten Auflage von 1827) und Seumes Schrift „Einige 
Nachrichten über die Vorfälle in Polen 1794" vorlagen. Schon dieje 
Quellen hätten dem Dichter jedenfall den Beweis bringen können, 
dag er in Kosciuszfo feinen dramatiichen Helden gefunden haben 
fonnte. Faſt den anziehendjten Teil der freilich unfritifchen und 
anefdotenhaft ausgeführten Falkenſteinſchen Biographie bildet die 
Schilderung von Kosciuszfos letzten Lebensjahren in Solothurn. 
Die Erinnerung an den Kriegshelden der polnifchen Revolution 
flingt hier noch durch. Aber es überwiegen rein menfchliche Züge 
einer edlen, mehr pajjiven Natur. Schlichte Bürgertugenden, reinfte 
Menſchlichkeit haben diefem Leben einen verflärenden Abſchluß ge: 
geben. Wie Arnold es richtig und ſchön ausdrüdt: „Das Iprifche 
Element überwiegt in Kosciuszko's Leben bei weitem das epijche und 
dramatijche, denn feine Biographie endet nicht zugleich mit feiner 
Arifteia, und die Parifer und Solothurner Jahre verleihen rüd: 
wirfend all den früheren Wirken des Bauernhelden nicht tragifches, 
wohl aber elegiiches Gepräge.“ ?) 

Seinem inneren Wejen nad) konnte Grabbe wenig Gefallen an 
der einfachen Figur diejes Helden gewinnen, den er fchon in dem 
eriten Briefe an Kettembeil als „bornierten Kopf“ bezeichnet. 

Aud) weiterhin äußert er, daß ihn der Menſch Kosciuszfo als 
jolher wenig interejiiere. „ch liebe ausgezeichnetere Charaktere”, 
jagt Grabbe.?) 

Ebenjo wenig, wie für den Helden der polnifchen Revolution, 
wußte ſich Grabbe für das polnische Volk zu erwärmen. „Er ließ 
. 23. 

Ja. a. O. 5. 30. 
3) Blumenthal 4, 476. 








> 

> 
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—A 


502 Robert Hallgarten, Aus dem Nachlaſſe Chr. D. Grabbes. 


fi) nicht gerne mit dem Strome fortreigen”, erzählt fein Biograph 
Ziegler.) Der monarchiſche Standpunft, den Grabbe Immermann 
gegenüber betonte, ijt e$ gewiß nicht allein, der uns jeine Stellung 
gegenüber den Polen erklären könnte. 

Der Grund liegt vielmehr in jeinem ganzen Wefen. Die fran- 
zöjifche Julirevolution hatte er nody mit Enthufiagmus aufgenommen, 
mit Intereſſe hatte er allen überrajchenden Neuigkeiten zugehört, 
„hatte mitgejhwärmt und die Marfeillaije gelungen“. Aber jein 
Enthufiasmus war jehr bald verraudyt, „wie er denn immer jehr 
leicht etwag überdrüfjig wurde”. Sehr treffend hat auch Piper dieſe 
krankhafte Qeränderlichkeit jeines Weſens dargeltellt.?ı 

So hat Grabbe an der polniichen Erhebung feineswegs mit 
innerer Wärme teilgenommen. 

Die Polen wurden ihm vielfad) Gegenjtand jeined Spottes und 
jeiner derben Witze. Und wie er jogleich auf Kettembeils erſte Au—⸗ 
regung jeine Gleichgiltigfeit gegen die Periönlichkeit Kosciuszkos 
dofumentierte, jo ſpricht er auch offen jeine feineswegs polenfreund: 
liche Geſinnung aus. 

Wie jollte dieſes Trama werden, wenn der Dichter weder dem 
Helden noch jeinem Nolte innere Neigung entgegenbradite? Die 
Antwort giebt uns der Tichter jelbjt in jeinen Briefen. Wir jehen, 
daß Kosciuszfo und die Polen allmählich völlig zurüdtreten vor 
phantajtiich:ungeheuerlichen ‚ideen. Anfangs will Grabbe noch in 
dem Kosciuszko nicht nur ein zeitgemäßes, jondern auch ein in Die 
Zeit fich fügendes Werk jchaften. „Jedenfalls verlag dich darauf,“ 
jchreibt er an Nettembeil, „einen gereiften Mann, der ich bei aller 
meiner Icheinbaren Tollheit doch bin, darin zu finden.“ Wehr und 
mehr aber verliert der Tichter den Feten Boden unter jeinen Füßen. 
In der erjten seit hatte er noch an die Bühnenmöglichkeit des 
Tramas gedadıt, freilich müſſe „dieſer hölzerne Yumpenfram total 
verändert werden und dürfe ihm micht durch jeine Außerlichkeit 
gänzlich im freien Gebrauch jeiner Phantalie ſtören“. Tann aber 
jtreife der Tichter mit freier Willkürlichkeit Diele ‚yelleln von ſich ab. 
„Bühmengerecht wird .... das Ting nicht, deito ficherer aber welt: 
gerecht. Auch find eine Maſſe Perionen darin, die ich liebe, 3. 8. 
Katharina Nuthinfa:, Potemtin, Suwarow, Igelſtröm, Malachowski, 
Gräfin Wladomir, Robeſpierre, Tanton letztere beiden freilich auf 
eine eigene Weiſe, aber dramatiſch doch gut eingeführt u. ſ. w. Der 
Herr Seume, der Jammervolle, iſt als Sekretär des Herrn Igelſtröm 
auch nicht vergeſſen, und ſoll ſein auf elende, renommiſtiſche Art 


wirattes Leben und Charalter S. 35 


S. 28. 


Robert Hallgarten, Aus dem Nachlaſſe Ehr. D. Grabbes. 553 


befannt gemachtes Niente büßen. Kurz und gut, ich bin jet größer 
und klüger als je und trete beim Kosciuszfo als „Dichter“ ſelbſt 
in brillanten Prologen hier und da auf, und foll alles darin fein, 
das in Wiſſenſchaft, Kunft und Leben bis dato pajjiert ift. 
Sir Göthe konnte ja nicht zum Leben fommen, weil ihn das Leben 
auf den Händen trug.” 

Hier ift wohl feine bloß fcheinbare Tollheit mehr zu finden. 
Der Plan war ind ungeheuerliche gewadjjen. Arnold nennt ihn „ein 
völliges Weltbild nad) Art des Fauſt“. Aber Grabbe fonnte dieſes 
Bild nicht geftalten. Die Phantafie Hatte ihren Höhepunkt erreicht, 
aber die Schaffenskraft folgte ihr nicht. 

Charafteriftifc, find die Angriffe gegen Seume Wo freilich 
„Sir Göthe“ jo herablaffend behandelt wurde, konnte fich aud) 
Seume die Nichtachtung des Dichterd wohl gefallen laflen. ‘Der 
Grund liegt ficherlid) nicht in der Stellung, die Seume in feinem 
erwähnten Buche den Polen gegenüber einnimmt, wobei er übrigens 
gerade von Kosciuszko mit der größten Achtung Spricht. Auch die 
Art, wie Seume hier felbft auftritt, hätte einen anderen, als Grabbe 
ichwerlic; empören können. Leicht möglich), daß Grabbe, der jelbft 
wiederholt die bizarre “dee geäußert hatte, Soldat zu werden, Seume 
um feine militärische Laufbahn beneidete. 

Mas ift gegenüber den hochfliegenden Plänen des Dichters 

von dem „Kosciuszko“ erhalten geblieben? Recht wenig und doch 
manches charafteriftiiche. Das vorhandene Scenarium zeigt jeden- 
falls den urjprünglichen, zwar nicht jo chaotifchen, aber Teines- 
wegs dramatiſch gut entwickelten Plan. Der Titelheld tritt erſt im 
vierten Akte auf. Von einer näheren Charakteriſtik oder einer 
Vertiefung der rein geſchichtlichen Ereigniſſe ſcheint nicht die Rede 
u ſein. 
Die erſte Scene ſpielt ſich in der Hauptſache zwischen Katharina 
und dem Günjtling Potemfin ab, der in echt Grabbeicher Manier 
eingeführt und gejchildert wird. Die Sprache zeigt neben großen 
Trivialitäten an vielen Stellen Glanz und Schwung. Die Scilde- 
rung von dem Sturm auf Oézakow reiht fich den beiten Grabbe- 
hen Kampfesbildern würdig an. 

Auch die zweite Scene, ein abgejhloffenes Bild wie die erite, 
zeigt manche Merkmale Grabbeſcher Darftellung. Nad) einem ziemlic) 
fraffen, übertriebenen Auftritt zwiſchen polnischen Bauern und Edel- 
leuten Elingt fie in dem Geſpräche zwiſchen dem jüdiichen Schent- 
wirt und jeiner Tochter in einer bei Grabbe ungewohnt elegijchen 
Meile aus. 

Es iſt wohl faum anzunehmen, daß fich noch andere Scenen 
aus dem „Kosciuszko“ vorfinden werden. Was uns erhalten geblieben 


554 Robert Hallgarten, Aus dem Nachlaſſe Ehr. D. Grabbes. 


ift, giebt uns für die Entwidlung des Dichters nicht allzuviel. 
Immerhin aber bedeutet dieſes Fragment einen interefjanten Beitrag 
zu ber jpärlichen Xitteratur des deutfchen Polendramas. 


Rosciuszko. 
Scenarium. 


I. Akt. 
Petersburg. Kabinet der Kaiferin. Ausföhnung. Audienz. 





Polniſche Schnapsfneipe. Juden. Tas Verhältniß der Nation. 





Warſchau. Der König mit Kanımerdiener. 


1. Akt. 
Igelſtröm und Seume. Ruſſiſche Wachen. Gerücht von Aufruhr. Berichte. 





Scufterherberge. Kilinsti polnifc gefinnt, die Gemüther aufreizend. 


II. Akt. 


Aufftand. Kilinstt intriguirend im Keller. Ruſſiſche Truppen. Zweifelbafter Kampf 
in den Straßen. Jgelftröm ficht ein, daß er angeführt. Seume verbirgt fi, prablt 
aber mit feiner Tapferkeit. 


IV. Akt. 


Polnische Feldherrn ftreiten unter einander. Katharina fchicdt neue Truppen unter 
Sumorofj. Rußen (2) auf Warichau, jet von Polen verloren. Da tritt Kosciuszko 
herein, er bringt alles mit ciferner Fauſt in Ordnung und kämpft. 


V. Akt. 


Kosciuszko ſiegt, Freude, die Übermacht überwältigt ihn aber in der zweiten Schlacht. 
Einige Koſalen heben den verwundeten Mann auf. Er ſagt! Finis Poloniae! 


I. Akt. 
Erſfte Scene 
(Sanct Petersburg. Ein Zimmer im Palaſt der Eremitage.) 
Katharina die Zweite und Fürſtin Dolgorucki. 
Natharina. (Auf dem Zopba fitend.) 
Zahın! Tas befte Gemüth der Welt! — Diein Yanstloi! 


Fürſtin. 
Maleſtät — 


Nobert Hallgarten, Aus dem Nachlaſſe Ehr. D. Grabbes. 555 


(2) Katharina. 


In die Kißen dieſes Sophas verberg’ ich mein Antlik und nichts will ich 
hören als das Gerinn meiner Thränen. 


Fürftin. 
Kaiferin werde wieder Ruſſin, und laß die empfindfame Deutfche. Was 
dächten die Völker der Wolga und Lena, die unter zottiger Bruft dich als eine 


Gottheit ehren, wenn fte wüßten, du vergäßeft um ein bedauerliches Schluchzen fie, 
ihre Ströme und rauſchenden Geftade? 


Katharina. 
Was die dächten? — Was kümmerts mid. Ach ich fehe nur ihn, den Ge- 
ſtorb'nen! 
(3) Fürſtin. 


Den Gardeleutnant! — Sieh lieber dein Reich an, wie es die Erde umarmt, 
und wie in demſelben noch ſo viel And'res zu ſehen iſt. 


Katharina. 
O, zerdrückt' es ſie, wie ich zerdrückt bin! 
Fürſtin. 
Warum nicht, wenn du es befiehlſt? Doch ſei erſt wieder ſtark und groß 
wie ſonſt. 
Katharina. 
Du ſprichſt ſehr kühn! 
Fürſtin. 


Weil du mich verletzeſt, daß du ſo klein wirft. Ich, die Sclavin mit dem 


(4) Fzürftentitel, fühle mic) nur groß in der Größe meiner Selbſtherſcherin! 
Katharina. 
Was ift Größe? — Da ein Mücdenftid uns Kaiferthron und Alles vergefjen 
macht. 
Fürſtin. 
Und doch gibt's Gedanken, größer als wir, unter denen ſich ſelbſt geſenkte 
Kaiſerſtirnen erheben könnten! 
Katharina. 
Verdammt jeder Gedanke, der mich meinem Schmerz entfremdet. 
Fürſtin. 
(5) Ha, wenn meine Kourire ihn erreicht hätten, wenn er doch käme! — Und 
Er fommt, ob er aud) dreitaufend Werfte entfernt ift. — Es fieht ihm zu ähnlich! 
Katharina. 
Welcher Er? 
Fürftin. 
Der Taurier! 
Katharina. 


Bah! ich Lieb ihn nicht mehr. 


(6) 


(7) 


556 Robert Hallgarten, Aus dem Nachlaffe Chr. D. Grabbes. 


Fürftin. 
Und gehorchſt ihm doch? 
Katharina. 
Er ift eitel — 
Fürſtin. 
Und noch hochfinniger! 
Katharina. 
feig. 
Fürſtin. 
Und kühner wie Einer wo's gilt! 
Katharina. 
— ohne Kenntniß — 
Fürſtin. 
Und täuſcht die Kenntnißreichſten! 
Katharina. 
— alle Kabinette verachten ſeine Wildheit — 
Fürſtin. 
Und furchten fie noch mehr! 
Katharina. 
Choleriſch iſt er, finſter und launiſch, wie's Gewölk der Nacht — 
Fürſtin. 


So ſchöner die Blitze, die es durchzucken! 
Katharina. 


Himmel! Dolgoruki! Du liebſt ihn? Tod, Höllenqual und leine Grenzen 
dagegen, mir und dir, das wagſt du? 


Fürſtin. 
Zei nicht bang. Ich habe ſchon geliebt. Zweimal gehrt's nicht. 
Katharina. 
Mas rauicht da” 
Fürſtin. 


Aufgebrochene Thüren! Er iſt's, ev iſt's! Niemand anders auf der weiten 
Erde bandelt jo im Schloß der Czaren! Es ift ſem Horft! 


Potemkin chinter der Zcene:) 
Plar, Schildwachen! Ich bins — Ih! — Wißt ihr, was Ich if? 
Katharina. 


Der Verwig’ne! | 
otemfin (tritt raſch ein.) 


Liebe Kathinka, wie ıft dir? 
Zur Fürſtin Dolgoruki:) 
Geh! Pa uns allein. 


(8) 


(9) 


(10) 


(11) 


Robert Hallgarten, Aus dein Nachlaſſe Chr. D. Grabbes. 557 


Fürſtin. 
Rette die! 
(Ab.) 
Katharina. 
Was willſt du hier? Wer rief dich? 
Potemkin. 


Aus der Krimm flieg ich, und ſtatt den Sultan, will ich deinen Schmerz 
befiegen. 


Katharina. 
Deferteur! Fort mit dir nah Nertſchinsk! 


Potemkin. 
Gieb mir deinen Arm, Geliebte, und fahre mit! 


Katharina. 
Menſch, könnt ich dich haſſen — 


Potemkin (ſetzt ſich neben fie.) 
Verſuch's! 
Katharina (nach einer Pauſe.) 
Mir — ach mir. 
Potemkin. 


„Mir — ach mir!“ Welche Worte, Pfui! — Lanskoi, der ſtutzerhafte Junge, 
das hübſche Geſichtchen iſt nicht mehr. Ich ſelbſt ſchafft' ihn dir zur Unterhaltung, 
damit er dich ergötze, aber nicht, daß du ihn betrauern ſollteſt. — Thränen! — 
Wie abſcheulich! Welche Herrſcherin weint um ein zerbrochenes Möbel? 


Katharina. 


Freund, uns drücken noch andere Sorgen. Die Revolution in Frankreich 
wird bedenklich — 


Potemkin. 


Pah! Gegen dieſes Miasma hat ein Wundarzt das Radikalmittel Guillotine 
erfunden. — Kathinka, Kind, kennſt du die ruſſiſchen Bajonette nicht beſſer? — 
Sie ſpießen dir all jenes Volk wie Lerchen. — O, du hätteſt fie neulich ſehen 
jollen, deine Infanterie, vor Oczalom! Dein Bujen glühte vor Freude wie je in 
den Stunden der Liebe, und Entzücken ftrahlende Sonnen wären deine Augen ge- 
worden! — Dieje Negimenter feft in einander gefeilt wie Streitärte, ruhig und 
falt wie der Wintermorgen, der über ihnen auffror, — Oczakow mit feinen 
Kanonenlöhern auf fie blickend, die ſtill Tauernden Gejchlige Hinter ihnen, und 
hinter diefen jechsunddreißigtaufend Osmanlis in Waffenpradht, — deine Truppen, 
nur fiebzehntaujend, ohne Trommelſchlag und Hurrah und ähnliche Lappalien, 
welche die Furcht betäuben follen, darauf los in grauenvoller Stille — da, wurde 
plötzlich die Fefte ein mit ?yeuer, Rauch und Eifen entgegenbrüllender Bulcan, den 
Tod unter deine Schaaren jchleudernd. Diefe aber immer vorwärts, immer wieder 
die Reihe fchließend, nicht einmal die Wimper zudend, wenn auch neben ihnen 
Granaten plagten. Die Verwundeten rücdten, wenn die bluttriefenden Hände zu 
matt waren, mit den Zähnen noch die Faſchinen zuredit. So immer weiter 
dringend, nicht nad) den Todten umpfchauend, die Leitern anlegend, ging’s die 
Mauern hinauf, die türfifchen Kanoniere auf den Geſchützen niederinegelnd, in Die 
Stadt, auf den Markt, bis auc der lete Feind verröchelte, wie ein vom Hirfch- 
fänger getroffener Eber! — 


(12) 


(13) 


(14: 


558 Robert Hallgarten, Aus dem Nachlaffe Chr. D. Grabbes. 


Katharina. 
Und Sumoroff? 
Potemtlin. 


Soll ich ihn groß, erhaben, Mann oder Held nennen, id) weiß es nit, — 
aber ein Kerl ift er. Das verfecht ich gegen den Teufel, er war der Geift in dem 
Sturm, — ohne ihn rauchten die Türken noch heute in Oczakow, die Beine gekreuzt, 
aus langen Pfeifen, und fein Sturmwind ftörte den auffteigenden Qualm. 


Katharina. 
Der Padifchah wird fid nun beugen. — Aber Polen? 


Potemkin. 
Ich bin an ſeiner Theilung nicht ſchuld. 


Katharina. 
Wie? Du haßeſt Polen's Theilung? Du der ärgſte Polenfeind? 
Potemkin. 


Herzlich. 
Katharina. 


Was war mit einem Volle anzufangen, das ſich ſelbſt zur Laſt und dem 
einen Nachbar'n ein gefährliches Spielzeug gegen den anderen war. 


Potemkin. 


Du hätteſt es allein nehmen ſollen, Jemand wund hauen iſt ſchlimmer als 
ihn tödten. Denke dir, Gott hätte die Welt nur halb gemacht: halbe Sonne, halbe 
Erde, halbe Yiebe. — 

Katharina. 


Herr Philoſohh, Sie haben wieder die Bibel durchgemacht. In unſerer 
irdiſchen Wirklichkeit jedoch hätten Oeſterreich und Preußen mir die alleinige Weg⸗ 
nahme Polens nie geſtattet 

Potemkin. 


Tu fürchteſt doch nicht die beiden ruſſiſchen Schilderhäusſschen? 
Katharina. 


Nun, wenigſtens jebt find fie noch etwas mehr. — Aber das ſchwör ich dir, 
bei meiner Hand! zudt Volen jert auf, jo entreiß' ich ihm dem noch freigebliebenen 
Reit und fernen König, troß aler Mächte des Himmels und der Erde! 


Kotemltin. 
Ha, das iprach die Czarin! 
Katharina. 
Im Boriaal warten einige Große des Reichs und ein paar Geſandte? 
Kotemtin. 
Haben ſie auch lang genug gewartet? 
Kathar:tuaga ihbt auf: 
Ja, ſie haben ſicher gelernt was und wo ſie ſind. 


(161 


(17) 


(18 


Robert Hallgarten, Aus dem Nadjlaffe Chr. D. Grabbes. 559 


Potemkin (gleichfalls aufftehend:) 


So nimm die Kaiſerpoſitur an, welche dir AL herrlich fteht, und ich will den 
favorifirten Höfling fo madjen, wie e8 fich ſchickt 


Katharina. 
Ich denke, ich habe fie jett. 
Potemkin (ihre Hand küſſend:) 
Nie küß' ich diefe Hand lieber. 


(Potemtin heut. zwei Kammerherrn erſcheinen; Katharina winkt ihnen, ſie gehen 
b, ruſſiſche Große und fremde Geſandte treten hierauf ein.) 


Potemkin (niederknieend:) 


Mit dieſem Schreiben überreich' ich Ihro Majeſtät die Details der Eroberung 
Oczakows. 
Katharina. 


Dank ſei Gott, und dann Dank dem Feldmarſchall Suworoff-Rimnizkoi. — 
Sie, Fürſt, haben die Ehre ihm diefen Ordensftern des heiligen Georg, 


(fie nimmt ihn ſich ab) 
den ich bis jet allein trug, und nie nod) ausgetheilt, zu überbringen. 
Erfter rußifher Großer zum Zweiten (leife:) 
Potemkin erhält den Orden nicht auch? Iſt er in Ungnade? 
Zweiter rußiicher Großer zum Erften. 


Ganz nad) Ungnade fieht’S nicht aus, — er hätte fonft feine fo lange Privat- 
audienz gehabt. 
Erfter. 


Wir wollen erwarten, wie ſich's entwidelt, und ftet3 bereit fein. 


Potemkin (für fid:) 


Sie ſchämt fih, mit mir allein Fahr zu fein, und will dadurd, daß fie 
mid öffentlich beleidigt, ihren Ruf deden, und mid) dabei fühlen laffen, daß fie 
mid) ärgern fünne. — Ich bin in ihrer und aller Adıtung verloren, erwiedr’ ich 


dies nicht fühn. 
(Laut) 


Maieftät, der Empfang des Ordens wird dem Fürſten Nimnizfoi feine fo 
große Ehre fein, als mir feine Ueberbringung gewährt. 


Katharina (unterdrüdt ein Lächeln und fpridht vor ſich:) 


Der Schelm weiß immer zu antworten. — So etwas konnte Lanskoi denn 
doch nicht. — 


(Sie macht in Begleitung des Fürften und mehrerer Kammerherrn die Aubienzrunde:) 
(zu einem Fürſten:) 


Alſo ift ihre Frau Gemahlin wieder gefund, Herr Fürft? 
(Der Fürſt will antworten, fie thut als ob fie ihn fchon verftände, und geht weiter.) 
— Yieber Senator, Sie fehen ja jo kummervoll aus! 


(19) 


(24 ä 


560 


dazwiſchen fahre 


Robert Hallgarten, Aus dem Nachlaſſe Chr. D. Grabbes. 


Senator. 
Ach — — 


Katharina. 
(Geht indeß weiter, hier und da ſtumm grüßend:) 


Was macht Ihr König, von der Golz? 


Graf Golz. 
Er iſt in Potsdam, thatkräftig und wohl. 


Katharina. 
Mir lieb, er war mir immer treueſter Freund. 


(zum öſterreichiſchen Geſandten:) 
Ihr Wurmier bat ſich brav geſchlagen. Gratuliere. 


Der öſterreichiſche Geſandte. 
Danke, Majeſtät. — 
Katharina igeht weiter:) 


Lord Stewart, Sie beneiden mich doch nicht um Oczakow? 
Yord Stewart. 
Dieß zieht fein brittiſches Kriegsſchiii nach den Dardanellen. 


Katharina (wieder weiter bei einem Fürſten ſiehen bleibend: 


Zie find? 
Tihagatban. 
Fürſt Tichagatban, vom Naufaiız. 


Katharina. 


Unterlafien dene Unterthanen nicht ſofort ihr Raubweſen, fo laß’ ich fie 
nebſt dir an den Spißen des Ararats oder des Elborus, der noch weiter in's 
Yand ſchauen ioll, auihängen 


Potemkun fir ſich: 


Tas prachttge Weib iſt zur Kaiſerin geboren. — Nun iſt es Zeit, daß ich 
Die Geiandten jollen am ıbren Höfen berichten, daß fie nicht 


wüßten, ob ich in Gnade oder in Ungnade ſei — 


Katharina. 


Zi, Herr Marine Miniſter arbeiten heute mit mir und dein Patriarchen im 
Kabinet. 


Kotemkin wit vor: 
keine Seren, Sie And entianien 
KRatharina mit halbem vächeln?) 
‚zürit? 
Kotenitin. 
Entlaſſen, um Namen de Nancım 


Tie Nasferin entlaht die Reriammlung mit einer Verbeugung.) 


Robert Hallgarten, Aus dem Nachlaſſe Chr. D. Grabbes. 561 


(21) weite Scene. 


(Polnische Judenſchenke einem Dorf Dei Podlin. Bauern und zwei Edelleute. 
Abend. 


Bauer Demetrius. 


Habt!) ihr geſtern nicht die vielen Sternſchuppen geſehen? Und vorige Woche 
den Komet? Kurz und gut, 8’ giebt bald Krieg. 


Bauer Johannes. 
Gelobt Jeſus Maria! — Willft fchon fort? 
Demetrius. 
Jude, was muß ich zahlen? 


Moſes. 
Fünf einen halben Gulden. 
Demetrius. 
Kreid's an. 
(22) Moses. 
Nadel, thus. — Wir müfjen wohl warten bis er etwas bezahlen kann. 
Johannes. 
Bleib noch ein Stündchen. 
Demetrius. 


Geht nicht. Der Jude borgt mir heut Nacht nicht mehr, und da iſt's beßer 
zu Pferd über die Haiden zu meinem freundlichen Weib. 


Erſter Edelmann (am Tiſch im Hintergrund:) 
Ich hatte Stimme am Reichſstag — 


Bauern. 


Erſter Edelmann. 


Und ſtimmteſt? 


Immer veto. 
Bauern. 
Warum? 
(23) Erfter Edelmann. 


Die Privilegien des Adels zu hüten! 
Bauern. 
Kerl, du zechſt ja jet von unf’rem Geld und kommſt mit dem Adel? 


Erfter Edelmann. 
Das ziemt fi. — Ihr gudt no, Lumpen? Seht auf meinen lumpigen 
Mantel. Ich, kein Lump bin unter ihm, merkt's euch: Vivat Polonia! 
(Er wirft Kruken und Gläfer nad) den Bauern.) 


1) Die Stelle von den Worten „Habt Ihr geftern“ bis „8’ giebt bald Krieg“ 
it in der Handjchrift der erften Scene hinzugefügt. 
Euphorion. VI. 36 


562 Robert Hallgarten, Aus dem Nachlaſſe Chr. D. Grabbes. 


Bauern. 


(Sie erwiedern feine Würfe.) 
Moſes. 
Tochter, iſt dieſes Sodom oder Gomorrha? 


(24) Nadel. 
Bater, es ift wohl beides! 


Zweiter Edelmann. 
Freund, Bauern, madt Friede! 


Et pereat Russia! 


Erfter Edelmann und die Bauern. 


Wer legt fi) in unſ'ren Streit? Alle Teufel! 
(Sie werfen ihm Stublftiide und anderes Gerät an den Kopf.) 


Moses. 


Mein unglüdtiches Geräth — füchten fie fo gegen die Rußen wie gegen fich, 
ihre Bedetten hielten vor Ochozl zu Pferde, die geipannte Piftole in der Hand! 


Die Bauern. 
(26) Maria! da ftürzt er — Wir haben ihn todtgejchmißen. 
Erfter Edelmann. 
Habeat sibi — wohl dem, der unverſehens ftirbt, fagt Gäfar. 
Ein Bauer. 


Kinder, ſprecht ſachter, — vertragen wir uns — des Königs Polizei, und 
noch mehr die ruffifchen Patrouillen in der Nähe — 


Erfter Edelmann. 
Itaque Kameradſchaft. Mo bringen wir die Leiche bin, Moſes? 
Moſes. 
Fragt ihr nun? Ihr hättet euch vertragen ſollen, eh' ihr den Mann todt ſchlugt. 
Rachel. 
(26) Bringt den Todten in's Fichtenholz, wie gewöhnlich, wo ihn der Wolf abholt 
Tie Polen. 


Tas wollen wir thun, fchönfte Rachel! 
Mit der Yeiche ab.) 


Mofes. 

Mer kommt da noch? 
Rachel. 

Ein Rufe von Riquet. Der feſte Tritt ſagt's. 
Moſes. 


Taf immer noch Rußen im Land ſiehen! 


(27) 


(28) 


(29) 


Robert Hallgarten, Aus dem Nachlaſſe Chr. D. Grabbes. 563 


Rußiſcher Soldat (tritt ein) _ . 
Eine halbe Kanne Schnaps für den Lieutenant und eine für’g Piquet. 


Radel. 
Hier Herr! en 
Soldat (bezahlend:) 


Prachtmädel en Kuß! 


Rachel. 
Vater! Hülfe! 
Moſes 
(der ſich mit Zurechtſtellung der Tiſche und Stühle beſchäftigt hat:) 


Rachel? — Ei! 
(Er geht feſten Schritts auf den Go I und haut ihm mit der Fauſt in’s 


Soldat (läßt Rachel los und macht die Honneurs:) 
Gofpodin, was zu Befehl? 


Mofes. 
Marſchir' ab! 


Soldat (für ſich:) 
Der ıft ein verkleideter Officier! 
(Ab.) 


Moſes. 
zieht, Nadel, unter diejen Leuten ift andere Ordnung als unter ben 
Nadel. 
Bater, e3 glimmert der erfte Stern — der Sabbath geht an. 
Moses. 
> NRaum ab — deck' den Tiſch — das Leinenzeug und Silbergeſhirr darauf! 


Und Speiſe und Wein. 
(Rachel beſorgt das.) 
Und nun laß uns beten. 


Polacke 


Pauſe.) 
- Nadel. 
Da Bater, iß dieſes Stück — e8 ift das beſte — bie Mutter aß es auch 
ſo gern. 
Moſes. 
Du machſt es mir bitter, Rachel. — Lebte ſie noch! — Doch, ſie hat's beßer 
wie wir! 
Rachel. 


Vater, wird das immer jo währen? Müßen wir Tag für Tag mit den Ber- 
tworfenen zu Främern ſuchen, um etwas von ihnen zu verdienen und unter ihnen 
leben zu können? 

Mofes. 


Die Hand Gottes liegt ſchwer auf ung. Er ſelbſt nur fann fie aufheben, und 
wird es, fobald wir degen würdig find. 


36* 


564 Heinrich Kraeger, Zur Gedichte von C. F. Meyers Gedichten. 


Nadel. 


Ad, wenn ich in jene Eisgefilde fehe. — O könnt’ id doch einmal Hüßen 
die Trümmer Salems, beten vor der Aſche David's. 


Moſes. 


So hoffen und denken Tauſende ſeit Jahrtauſenden. — Halte an Gott, und 
erleben wir es nicht auf der Erde, wir ſehen die Unfrigen einmal, wenn wir oben 
find bei den Bätern, wieder einziehen in die irdijche Heimat. 


Nadel. 
Bater, ih kann nicht mehr eßen. 


Moſes. 
Ich auch nicht. — Gute Nacht. 


Zur Geſchichte von €. F. Meyers 
Gedichten.) 


Von Heinrich Kraeger in Berlin. 





II. 
B 5, 6. Fruũhlingslũfte. 


In den beiden, „Frühlingslüfte 1. 2” betitelten Liedern liegen 
die Anfäge zu der jpäteren lyriſchen Zrilogie: „Lenz Wanderer, 
Mörder, Triumphator” 1 38—40. Denn der Anfang von „Lenz 
Mörder" jtimmt zum erften Lied der „Frühlingslüfte“, wo an beiden 
Stellen vom Föhn umd von den Laminen die Rede if. Dann 
Ihildert das ältere Gedicht das bredjende Eis, mit dem die neuen 
quellenden Ströme im Derzen des Menſchen verglichen find, bis es 
in einer aus Luft und Yeid, Leben und Sterben wunderlid zu» 
fanımengejegten Stimmung abflingt: 


Durch die Tannen, durd die Föhren 
Nieder ftreicht der warme Föhn, 
In der ‚gerne fann ih bören 

Ter Yawınen dumpf Beton: 

Wie von ungeſtümen Bächen 

Wird es unterm Eiſe laut — 
Grollend mußt du heute brechen, 
Mauer, die der Froſt gebaut! 





Rgl. oben 2. 112 ff. 


Heinrich Kraeger, Zur Gefchichte von €. F. Meyers Gedichten. 565 


Bon November bis zu Märzen 
tag das Herz in Eifeshaft; 
Aber fluten zu dem Herzen 

uͤhl' ich es wie Stromeskraft. 

it Erbleichen, mit Erröthen 


Das neue Gedicht „Lenz Yehaern fährt dagegen allgemeiner 
fort und verweilt jtatt beim Eisgang auf den Waſſern lieber bei der 
grünen Saat auf dem Lande. Auch die unpoetifche Monatsbezeichnung 
ichwindet; der Tod, der damals ſchon gleich erwartet wurbe, „Sage, 
Lenz, wirt du mich töten”, wird hier nur von fern als weit in der 
Zukunft liegend, begrüßt, und die Gegenwart lieber ganz den frohen 
Lebensgefühlen überlaffen. 


Nieder trägt der warme Föhn 
Der Lauine fern Getön, 
ginter jenen hohen Föhren 
ann den dumpfen Schlag ih hören. 


In des Lenzes blauen Schein 

Aus der Scholle dunkelm Schrein 
Drängt und drüdt das neue Leben, 
Lüfter Kleid und Deden eben — 


Bon berfelben Kraft und Fuft 
Wächſt das Herz mir in der Bruſt, 
Beute kann es noch fi dehnen 

it den Liedern, mit den Thränen! 


aber blauen wird ein Tag 

a fich's nicht mehr bejmen mag — 
Dann fommt mid) der Lenz zu töten, 
Mit den Beilchen, mit den Flöten ... 


Die 2. und 3. Strophe iſt aber nicht bloß eine Umänderung 
der oben gegebenen Verſe, fondern auch eine Anleihe aus den 
„Srühlingslüften Nr. 2”, wo e8 hieß: 


Eh dem Aether warm und rein 

art beſchwingte Falter ſchweben, 

Aus der Erde dunkelm Schrein 

Steigt das frifche, grüne Leben, 
Lüftet feine Deden eben, 

Drängt fid) an den Sonnenfchein ... 


Bon dem rafchgeregten Blut 

gungt die Bruft ih an zu dehnen: 
odesahnen, Lebensmuth: 

Wanderluſt und Liebesfehnen! 

Neue Lieder, heiße Thränen 

Brechen aus des Herzens Blut. 


566 Heinrich Kraeger, Zur Gefchihte von C. 3. Meyers Gedichten. 


So find bie zwei älteren Gedichte hier zu einem einzigen neuen 
vernietet. | .* 
B 18. Im Walde, 4. 


Laß dih umſchlingen, Eiche, 
Den Herzſchlag mir zu lindern! 
Behalt in deinem Reiche 
Mid, Wald, bei deinen Kindern! 


Steig auf mit deinen Kräften 
An meine Adern, Erde! 

Daß, wie ein Baum von Säften 
Ich frifch durchriejelt werde; 


Bis ih, mir felbft entnommen, 
Dit Baum und Blatt und Rinde, 
Was mir gereicht zu Frommen, 

Wie die Natur, empfinde; 


Bis ın der grünen Küble, 
Ter fchöpferifhen Ztille 
Ich leiſe wachlend fühle, 
Mas Gottes Wink und Aille. 


Bon diefem Gedichte jelber blieb in den fpäteren Auflagen nichts 
übrig, aber e8 befam dort Schweſtern und Brüder, die ihm ähnlich 
jehen, wenn auch die Züge anf ihren Gejichtern feiner durch⸗ 
gearbeitet jind. 

Der Wunſch nad) Ruhe ift in dieſen Verſen, die einen vier: 
liedrigen Eyflus ohne eine weitere Uberjchrift jchliegen, freilich etwas 
marklos vorgetragen; er redet erft mit der Zeit eine deutlichere 
Sprade; handelnde Geſtalten Löften ſich ab; und echt Ddichterijch 
wurde Später ein Erlebnis — cs heißt „Der geichändete Baum“ 
(GC! 41,1) — zu dem Trüger des Wunſches gemacht. 


Zie baben mit dem Beile dich zerichnitten, 
Tre Frevler — halt du viel dabeı gelitten”? 
Ich jelber babe jorglich dich verbunden 

Und traue: Junger BRaum, du wirft gelunden! 
Auch ich erlitt zu ſchier derielben Stunde 
Von ſchärferm leiter eine tief're Wunde. 

Yu unterſuchen komm' ich täglıch Deine 

Und unerträglich brennen fühl' ich meine, 
Tu fangen gierig ein die Kraft der Erde, 
Der iſt als ob ich auch durchrieſelt werde! 


ı, Tas harte Worit der Aberichrift „geichändet” ging GC? 44 in „ver- 
wundet“ über. 
2) (13 44 wurden die Schlecht reimenden Fürworte in das Innere der Zeilen 
geftellt: Zu unteriuchen lomm' ich deine täglich 
Und meme fühl ich brennen unerträglich. 


Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von € F. Meyers Gedichten. 567 


Ter friſche Saft quillt aus der] nittmer Rinde 

Sen Mir ift, als ob aud) ich's empfinde! 
ndem ich deine fich erfrifchen fühle, 

Iſt mir, als ob fih meine Wunde fühle! 

Natur beginnt zu wirfen nnd zu meben, 

Ich traue: Beiden geht es nicht ans Leben! - 

Wie viele jo verwundet, wellten, ftarben! 

Wir beide prahlen noch mit unfern Narben! 


Der Zug in den Wald, der das frühere Gedicht beherrichte, ift 
über alle vagen Wünſche hinaus nun Xhatfache geworden. Jetzt 
wiften ſich Menſch und Baum wirklich eins, fie, die beide zu gleicher 
Zeit leiden, aber al3 Kinder der einen, großen, über Allem-waltenden 
Natur auch beide miteinander genefen. Em gleiches Schickſal hält 
diefe Genoffen in Leid und Luft zufanımen, ımd bie geheimnisvolle 
Verwandtichaft, die den Menſchen mit den Tieren und Pflanzen 
verbindet, ift hier neu befiegelt. Dies legte Gedicht: fteht höher als 
jene3 frühere; nun hat fid) der Dichter nicht mehr mit Befehlen und 
Hoffnungen begitügt: „Laß dich umſchlingen“, „Behalt in deinem 
Reich mich“, „Steig auf“, „Bis ich, mir ſelbſt entnommen“, „Bis 
in der grünen Kühle" — fondern als Lebendige Erläuterung einen 
Vorgang hinzu erfunden. „Im Walde 4" war die Lehre, dus ‚‚docet”; 
ber geſchändete Baum“ lieferte dazu die anſchauliche Erzählung, die 
„fabula’” 

Noch bei manchen anderen Liedern der fpäteren Zeit wird man 
immer wieder auf jenes erfte Gedicht vermiejen, jo In: den bekannten 
acht Zeilen: „Jet rede du” (Ct 42), wo fich die Vergangenheit 
und Gegenwart pathetifch miteinander meffen und dit Wollen der 
Freundſchaft zwijchen dem Dienfchen und dem Wald getaucht werden 
ſollen; Er, der vordem nur gab, will jegt auch nehmen dürfen, und 
von allem, was er als Kind und Jüngling an Liebe frei verſchenlte, 
als Mann ein wenig zurüdempfangen. . 

Und wenn Conr. Ferd. Meyer in jenem früheften Gedicht hatte 
init dem Baum verwachjen wollen, jo denkt er in anderen melodijchen 
Strophen feiner reiferen Jahre „Der Lieblingsbaum” (C® 3) an ben 
fommenden Tod: Zen ich pflanzte, junger Baum, 

Deſſen Wuchs mich freute, 
Zähl' ich deine Lenze, faum 
Sind es zwanzig heute. 

Wenn die jebt noch jpärlichen üſte erſt einen volleren Schatten 
werfen, dann will er ſich dryadiſch, wir es in den letzten Zeilen hetßt, 
für immer mit ihnen vereinen: J 


Halb bewußt und halb im Traum 
Ueber mir im Lichten 

Werd' ich, mein geliebter Baum, 
Dich zu Ende dichten. 


568 Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C. F. Meners Gedichten. 


In diejen Liedern laffen fid) freilid) Iinterfchiede genug wahr: 
nehmen, und man darf aud) nicht behaupten, alle folgenden hätten 
fih nach und nad) aus dem erften entwidelt, das der Dichter viel: 
mehr bloß aus dem Grunde zurüdzog, weil er die darin enthaltene 
Stimmung in den jpäteren bejjer ausgedrüct fand. Eins aber haben 
fie alle, die für jich fürmlid) eine neue Sammlung „Im Walde“ 
bilden fünnten, miteinander gemein: Die Liebe zur Natur; und es 
paßt gerade zu dem troßig-kräftigen und ernten Weſen Eonr. Ferd. 
Meyers, wenn er nidyt wie andere Dichter zu der lauten und beweg⸗ 
lichen tierifchen Kreatur, jondern zum Wald jeine Zufludht nahm, 
wo alle Fleinlichen Geräuſche verhallen und nur der Wind die wilde, 
große und eintönige Weiſe ſingt. 


B 52. Eäfars Schwert.i) — Gi 210. Das verlorene Schwert. 


1 Tie Sallier ftritten manchen Tag, 4 Tie Ueberwundnen ſchweigen ftill, 
Dis ihre legte Ztadt erlag — Kein Mund ift, der fich öffnen will — 
Aleſia iſt gefallen „Renntibn! ich muß es wiſſen!“ 
Und Cäſar tritt al8 Zieger ein Ta ruft ein Jüngling unbedacht: 
An ihren heil’gen Eichenhain, „Dir, Eälar, im Gedräng der Schlacht, 
In ihres Tempels Hallen. Dir bab’ idy e8 entriffen!“ 

2 Ta prunft fo manches Weihgeſchent, 5 Ein Hauptinann langt mit rafher Sand 
Berwegner Thaten eingedenf, Empor, das Antlip Ichamentbrannt, 
Ta leuchten edle Yeuten; Und faßt das Eiſen eilig; 

Was neben diefem veihen Hort Tod Cäſar winkt gebietend: „Nein! 
Zoll an der hoben Säule dort Yaß c8 dem Tempel cigen fen, 


Das ſchart'ge <hwertbedeuten? Es iſt den Göttern heilig. 


3 Des Feldherrn Blicke haften 6 Tem beſten Fechter mag's ge 
dran, ſchehn, 
Das Schwert, es hat's ihm angethan, Daß Schwerter ihm verloren 
Ihn däucht, er ſollt' es kennen, gebn, 
Und lächelnd zeigt er ihon empor: Es kann das Glück ſich wenden, 
„Ihr Gallier, ſagt mır, wer's Doch wer als Sieger ſich bewährt, 
verlor! Der findet fein verloren Schwert 
Könnt ihr den Dann mir nennen“ Bewahrt von Götterbänden.“ 


Tie einzelnen Abtchnitte des alten Gedichtes wurden in ber 
nennen Faſſung ungleichartig behandelt. Die Form ift freilich eben- 
mäßiger und jtatt des Wechſels des drei: und vierfüpigen vollftändig 
der fünffüßige Jambus durchgeführt, der die früheren 36 ſchon in 
20 Zeilen aufgejogen hat. Yon den Meimen hat ſich ungefähr die 
Hälfte mit hinüberbegeben. Tas alte Gedicht war durdy die Neim- 
verfchränfung der 3. und 6. Zeile jeder Strophe unwillkürlich etwas 
ſchellenlaut geraten, und der Titel „Cäſars Schwert“ injofern un: 
günitig gemählt, weil er bereits zu viel vom Inhalt des Gedichtes 


ı) Plutarch, Caesar c. 36 — Mommſen, Römiiche Geſchichte 3, 299. 


Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C. 5. Meyers Gedichten. 569 


verriet und die Frage, wen das Schwert gehörte, gleich beantwortete. 
Die Überſchrift des zweiten Gedichtes „Das verlorene Schwert” jagt 
daher gar nichts über den DBeliger aus, der fich erit im Laufe 
der Erzählung als Cäjar felber ausweift. Die Ummandlung läßt ſich 
hier wieder Strophe für Strophe verfolgen. Statt den für die Er- 
zählung wertlofen Namen der feindlichen Burg, Alefia zu nennen, 
betont der Dichter lieber zweimal mit dem Worte „letztem“ die 
bedenflidye Lage der Gallier. Cäfar führt ſich mit feinem Hingenden 
Vornamen ein, aber dem „Hain“, der als ein von der deutjchen 
Sprache noch poetiſch empfundenes Wort feine Zugaben braudıt, 
werden die „heiligen Eichen” genommen, und dafür die „Tempel—⸗ 
halfen“ ſchöner und voller umgewandelt in die „ftillen Göttertempel”: 

Der Gallier letzte Burg und Stadt erlag 

Nach einem legten durchgelämpften Tag 

Und Julius Cäſar tritt in ihren Hain, 

Sn ihren ftillen Göttertempel ein. 

Auch die zweite ältere Strophe wird wie die erjte auf vier neue 
Zeilen gefüllt. Nur fehlt jett bei der Schilderung der heiligen Gegen 
jtände eine ſolche perjönliche Erläuterung wie in der Zeile „Ver: 
wegener Thaten eingedenf”; fie find vielmehr Inapper dyarafterifiert 
und „in Gold und Silber” gejchieden; und die breite Frage des 
Dichters oder Cäſars: „Was... fol .. das fchartige Schwert bes 
deuten“ ijt jeßt durch den einfachen Bericht der Thatſachen über- 


om 


Die Meihgefchente fieht gehäuft er dort, 

Bon Gold und Silber manden lichten Hort 
Und edein Raub. Doc Über Hort und Schatz 
Hangt ein erbeutet Schwert am Ehrenplatz. 


Die Umriffe heben ſich entichteden fchärfer ab, als wären die 
Gläſer in dem Objektiv beffer eingeftellt und die vorhin nod) etwas 
weichen und verjchwinmenden Linien genau in den Brennpunft ge- 
rüdt. Das zeigt ſich bejonders im weiteren Fortgang und am Schluß 
des Gedidhtes: 


Es ift die Nömerflinge kurz und ſchlicht — 

Des Juliers ſcharfer Blid verläßt fie nicht, 
Er haftet auf der Maffe wie gebannt, 

Sie däucht dem Sieger wunderlich befannt! 

Pit einem Lächeln deutet er empor: 

„Ein armer Fechter der fein Schwert verlor!“ 
Da ruft ein junger Gallier aufgebradjt: 

„Du felbft verloreft’3 im Gedräng der Schlacht!“ 
Mit zorn’ger Fauft ergreift’S ein Legionar — 
„Nein, tapfrev Strabo, laß e8 den Altar! 
Berloren ging's in fteilem Siegeslauf 

Und heigem Ringen. Götter hoben's auf.” 


570 Heinrich Kraeger, Zur Gefcichte von C. F. Meyers Gedichten. 


„Des Feldherrn Blick“ wird zu „des Juliers jcharfer Bid“ 
und die frühere gemütliche Art Cäſars, der erjt noch mit den Galliern 
unterhandelte und zweimal nach dem Eigentümer des Schwerte 
fragen mußte, um durch dieje feine plunmpe Manier den Feind zu 
einer trogigen, ungehörigen Antwort förmlich herauszufordern — iſt 
gegen ein viel vornehmeres Verhalten ausgetaufcht. Cäfar regiert 
jegt die Handlung; er wirft ftill überlegen die kurze Bemerkung über 
die Maffe hin: „ein armer Fechter, der fein Schwert verlor“, nicht 
fo; daß e8 die Feinde reuen mußte, denn ein wohlfeiles Spiel’ mit 
den Gefangenen ftünde liberdies dieſem Feldherrn nicht zu Gefichte; 
und nun jehlägt eben darauf der Beicheid des jungen Galliers viel 
unerwarteter, blikartiger, feuriger ein: „Du felbft verloreft’8 tm 
Gedräng der Schlacht.“ u 

Wohl gemerkt ift auch hier eine Steigerung von der alten zur 
neuen Ballade vorhanden und der Nimbus des unbefieglihen Im⸗ 
perator Cäſar vom Dichter feiner gewahrt; während es früher hieß, 
daß der Feldherr fih im Kampf mit dem Yüngling das Schwert 
entreißen ließ, und dadurch aljo eine perjönliche Schlappe forttrug, 
hat er es jet vielmehr zufällig ohne fein Verfchulden verloren. Und 
in diefem hoheitlichen Sinne wird aud die Schlußfcene gefürkt. 
Der „Legionar Strato” — ein bejierer und charakteriſtiſcher Erfag 
für den chemaligen Danptmann — langt haftiger nad) der Waffe, 
und die einftige gutmütige Redſeligkeit des Cäſar, die in das Bild des 
ernften Bezwingers von Gallien einige allzu behäbige und weichliche 
Züge getragen hatte, wird jetzt durd) ein Paar kernige Worte erjeßt.?) 

Tiefer Cäſar vertrant jeinem Glück; daß es ſich wenden könnte, 
daran zu denfen, hat er weder Zeit nod) Vegehr, weil er im Glauben 
an jeine Größe weiß, daß das, was bei andern einen 2erluft be 
deutet, bei ihm, dem Yicbling des Himmels, imnier noch zu einer Art 
von Gewinn ausſchlägt: was er, der Menich, unachtſam auß den 
Händen lien, das haben andere für ihm gerettet: „Götter hoben's 
auf.” Statt des milden und demittigen jegt ein ftolzer und großer, 
mit dem Schickſal kühn verbindeter Cäſar! 


B 51. Yapr Inline. -- U! 295. Vapſt Iulius. 


1 Um den perricher müh'nn mit bangen 
Mienen Arzt und Tiener fich, 
Zweifelnd, ob er jchlafbefangen, 
Cb auf ımmer ev erblich. 
War das nicht ei leiſes Zchüttern, 1 Halb vom Hades Ihon bezwungen, 


Tas die (lieder ihm durchbebt? on Yemuren ichon umſcwebt, 
Sa! Sie ichbnm Lruſt und Zittern, Hat er doch ſich losgerungen — 
Daß er athmet, daß er lebt. Zıch er athmet! Sich er lebt! 


Iı Frey 151. 


Heinrich Kraeger, Sur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. 


2 Yangjam hebt er auf dem Lager 


S 


6 


w 


. Sich empor, nod) halb eritarrt, 
Pit der Rediten ftarf und hager 
Greift er in den weißen Bart,. 
Unter den ergreisten Brauen 
Zind die Flammen wieder reg 
Und er ſchilt den Tod mit.rauben, 
Ungeftümen Worten weg: 


„Fort mir aus dem Ungefichte, 
?arven, die mir bleid) gedroht! 
Aus dem warmen Eonnenlidte, 
Charon, fort mit deinen Boot! 
Keine Macht ift dir gegeben, 

Bis ich felbft dich rufen mag; 
Heute hab’ ich noch zu leben 
Einen vollgedrängten Tag. 


Arzt, ftatt deiner faden Tropfen 
Sieb mir des Falerners Gut! 
Laſſe meine Pulſe Hopfen, 

Wirf mir Feuer in das Blut! 
Auf die Thüren! Meg die Kiffen! 
Meine Feldherrn, tretet ein! 
Meine Meifter, laßt fie wiffen, 
Daß fie doppelt eifrig fein! 


Regſt, Bramante, du die fchnellen 
Hände fleißig? Ich bin alt! 
Wirſt du mir die Kuppel ftellen 
Mitten in den Himmel bald? 
Angelo, jet mir willfonmen! 
Warum blickſt du wieder fcheel? 
Und dort feh’ ich meinen frommen, 
Deinen fügen Naphaef! 


ALS den Hirten nicht des Lammes, 
Schildert mid als Mojen ab, 
Der den Läſt'rer feines Stamınes 
Niedermwarf mit raſchem Stab, 
Der die zage Bolfsgemeine 
Gottbefohlne Mege wies, 

Der aus dem zerbrochnen Steine 
Lebensſtröme fluten ließ! 


RS: ein göttliches Verſprechen, 
Daß ich löſe jedes Band, 

Kann ich auch das Joch zerbrechen 
Ueber meinem Baterland; 

Als mit jenem großen Herde 
Gott erſchuf der Sterne Herr, 
Nahm den Himmel er, die Erde 
Gab der Erde Söhnen er. 


; 2 





— — — — — 


[>11] 


571 


inter feinen greifen Brauen 
lammt’8! Jetzt langt er nad) dem 
Ba 


tt, 
Zürnt und ſchilt den Tod mit 
zauben, 
Ungefiimen Borten hart: 


„Weg mir aus dem Angefichte, 
Larven, die mir bleich gedroht! 
Charon, aus dem Sonnenlidite 
Weg ins Schilf mit deinem Boot! 
Keine Macht ift dir gegeben, 

Bis ich ſelbſt dich rufen mag! 

Hente hab’ id) noch zu leben 

Einen vollgedrängten Tag! 


Arzt, ftatt deiner faden Tropfen 
Gieb mir des Falerners Glut! 
Laſſe meine PBulfe Hopfen, 

Wirf mir Feuer in das Blut! 
Auf die Thüren! Meg die Kiffen! 
Meine Deldheren, tretet ein! 
Meine Meifter, laßt fie wiffen, 
Daß fie dreifad) emfig fein! 


Negft, Bramante, die geichidten 
ände du? Bollende dod! 
tiefe Augen, fie erblidten 
Gerne deine Kuppel noch! 
Michel Angelo, willkommen! 
Warum ſchauſt du wieder ſcheel? 
Dort erblick' ich meinen frommen, 
Meinen ſüßen Raffael! 


Als den Hirten nicht des Lammes, 
Bildet mich als Moſen ab, 

Der den Dränger ſeines Stammes 
Niederſchlug mit wucht'gem Stab — 
Wo die Waſſerſtürze toſen 

In die Brunnenſchale jach, 

Setzet, Meiſter, mich als Moſen, 
Der die Felſenwand zerbrach! 


Moſes bin ich, in dem Blitze 
Sinais, in Rauch und Dampf: 
Meine donnernden Geſchütze 
Enden flammend jeden Kampf! 

Mit den neugegoſſnen Stücken 
Bring' ich Burg und Stadt zu Fall, 
Schmettre Breſchen, breche Lücken 

In den ſtärkſten Mauerwall! 


572 Heinrich Kraeger, Zur Gefchichte von C F. Meyers Gedichten. 


8 Einmal noch den Harniſch tragen 7 Falkner, fprid, was madt mein 
Muß ich, einmal noch zu Roß Sperber 
Meiner Schaar vorüberiagen, Der die Klaue ſich zeritich? 
Stlirmen muß ih Stadt und Schloß. Marfdhalt, fag, wie lebt mein 
Kämmrer, eilet! Mich zu leben, Berber, 
Führt mir ın den Hof mein Tier, Den zu fcharf ich jagen ließ? 

Yaßt es fpringen, laßt es fegen Zummelt, Diener, zum GErgöben 
Bor den alten Augen mir! Mir im Hof ein feurig Tbier! 


Laßt es fpringen, laßt e8 jeken 
Bor den alten Augen mir! 


9 Interbandeln, markten, vehten, 8 Helmt mir die gefurdte Stirne! 


Tazı mangelt mir die Zeit — Harniſcht mir die welte Hand! 
Reicht ein Schwert mir, auszufechten Der Italien macht zur Tirne, 

Mit dein Fremden unſern Streit! Jagt den Fremdling aus dem Yand! 
Mein Italien muß ich retten! Rechten Schwert! Ich will es retten! 
Ruft zur Schlacht, Trommeten, ruft! Ruft, Trommeten, ruft zur Schlacht! 
In der Fauſt zerriifinme Ketten, In der Fauſt zerrißne Ketten, 
Steig' ich freudig in die Gruft! Schreit‘ ih durh des Hades 

Nacht!“ 


Das Versmaß iſt in beiden Gedichten gleich, die Strophenzahl 
Dagegen in der legten Faſſung um cine Nummer vermindert. Der 
Grundſatz, nad) dem der Tidyter die Umarbeitung durchführte, war 
der, jeinen Helden jo fräftig wie möglidy zu geitalten, und aus aller 
Hinfälligfeit des Ichon vom Tode gezeichneten Mannes immer noch 
die frühere Stärke durchbliden zu laſſen. Ein mächtiger Wille kämpft 
hier zum legten Mal mit dem ſchwachen Fleiſche, aber der Eieg joll 
dabei ſo teuer, als es mur angeht, erfauft werden. 

Die frühere zweiltrophige Einleitung wird um die Hälfte gelürzt. 
Tas Nebenperional, Arzt und Diener verfchwinden mit famt ihren 
Beſorgniſſen: „mühn ſich .. zweifelnd, .. . Sie jchn —“; ftatt ihrer 
tritt ohne Vermittlung Papit Julius ſelber auf, und zwar ſofort in 
einer Kampfſtellung, wie nad) einem Ziege „bat er doch ſich los— 


gerungen”, was durd das doppelte „Sich... . . Sieh” jubelnd 
beitätigt wird. Tes Ubergangs vom totenähnlichen Schlummer zum 
Erwacen, wie früher „Yangiam hebt er ſich .... halb erftarrt“ — 


iſt jet miche mehr gedacht. Papit Julius befindet fid) bei vollem 
Bewußtſein und jede Außerung feiner Kraft tft um einige Grade leb- 
hafter: „Sind die Flammen wieder reg“ wird fiihner zu „Flammts“; 
und „Ichilt” wird durch „zürnt“ noch verſtärkt. „Greift“ wandelt ſich 
in das gehaltvolle „langt er nach dem Bart“. Dabei fehlt jekt die 
hagere Rechte, jo day der Nörper unmillfürlich mehr Fülle und Macht 
erhält. Und das durch die „greiien Brauen“ fchon genug verkündete 
Alter wird nicht auch noch durch den „weinen Bart“ überflülfig 
hervorgehoben. 

Ter Anfang der Mede des Papites ift wenig verändert. Wenn 
in der alten Faſſung die zweite Strophe mit „weg“ ſchloß, jo mußte 


Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C- F. Meyers Gedihten. 573 


die nächſte der Abwechslung halber, ſchon mit „fort“ beginnen; diefe 
Rückſicht konnte in der neuen Faſſung fallen, weil dort das „weg“ 
vorher noch nicht ausgeſpielt war. Rhetoriſch wird dasjelbe Wort 
auh am Anfang der 4. Zeile noch einmal hervorgehoben. Die antike 
Mythologie ijt geblieben, zu den „Larven” und „Charon” kommen 
nicht gerade zum Vorteil des Gedichtes, noch „der Hades" und 
endlich „die Lemuren“ hinzu, mit denen doch eigentlich nur Leſer des 
zweiten Fauſt eine deutliche Vorftellung verbinden. Das Übrige ijt 
leicht übertufcht. Dem „Sonnenlichte” fehlt jeßt das Beiwort „warn“, 
das im Munde eines von Natur fchon fo hitigen und die ftändige 
Bewegung liebenden Mannes unangebradht war. Dafür belebt fidh 
die unterirdiiche Scenerie, und Charon foll mit feinem Boote nicht 
bloß „fort”, fondern „weg ins Schilf“ fahren. Einen gejteigerten 
Lebensdrang verkündet auch die Anregung, die der Papſt feinen 
Künjtlern giebt, die ftatt „doppelt“ jet „dreifach” emfig fein follen. 
Der jchledhte Reim in der 5. Strophe „alt : bald” wurde um⸗ 
gangen und damit abermals ein Hinweis auf die Schwäche des 
Vapftes, in dem Belenntnis: „Ich bin alt” geipart. Auch klanglich 
hat die Stelle gewonnen, wenn die 1. und 3. Zeile durch denfelben 
Einschnitt in der Mitte „Régſt, Bramänte, .. diefe Aügen,” gleich» 
mäßig zerlegt werden. Angelo erhält den Vornamen, unter dem 
allein er vor andern Angelo's als Michel Angelo, der große Bild- 
hauer, Tenntlic wird. Das abgeblaßte „Seh ich” wird von „Erblid 
ih” abgelöſt — ein Wort, das der Dichter fchon ein paar Zeilen 
vorher verwandt hatte, aber hier zu wiederholen ſich nicht ſcheute. 
Der Vergleich mit Moſes, der im älteren Gedicht nur eine 
Strophe einnahm, wird jekt auf zwei machtvoll verbehnt. 
„Bildet mid) als Mojen ab“ paßt befier als „ichildert” auf bie 
plaftifche Art und auf die Kunft, in der Julius dargeftellt fein will. 
Die Worte find fräftiger: für „warf mit rafchem Stab” jegt „Ichlug 
mit wucht'gem Stab”, und die friedlichen Verrichtungen des alt= 
tejtamentlichen Helden, der fein Volk durch die Wüfte führte, gehen 
jeßt ganz in den Triegerifchen auf, wie er Waſſer aus den Steinen 
lodte und vom Sinai aus die Schlacht leitete. Viel friſcher fchließt 
das neue Gedicht, als hätte der kranke Mann aus diejer Vorjtellung 
des fechtenden Gottesmannes einen Lebensmut gewonnen, der fid) 
in den ebenmäßig gebauten Zeilen „Fallkner, fprid, was ...... 
Maärichalf, fag, wie. ..... »ſchwungvoll und melodiſch erhebt. An 
„unterhandeln, markten“ mit dem Fremdling denkt er nicht mehr, 
weil er dem Feind mit Waffen entgegentreten möchte; zum „Schwert“ 
in der früheren Faffung fommt jet noch der „Helm“ und „Harniſch“ 
Hinzu. Und ftatt des einfachen „fteig’ ich freudig im die Gruft” tönt 
das Lied majeftätiich aus: „Schreit’ id) durch dea Hades Nacht.“ 


574 Heinrich Kracger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. 


B 67. Der Mars von £lorem. 


Macchiavelli, dem Conr. Ferd. Meyer übrigens aud) ein ſchönes 
Epigramm Frey 152) gewidmet hat, erzählt in ſeinen, dem Dichter 
wohlbetannten „Istorie Fiorentine’’!); ein trauriges Ereignis aus 
dem 13. Jahrhundert, das in Florenz die Urjadye eines langen 
Bürgerfrieges geweien jein joll: 

E.55 ff. „Unter die mächtigften Familien in Florenz gehörten die Vuondelmonti 
und Uberti. Nach ihnen famen die Amidei und Donati. Tie Familie der Donati 
äblte eine reiche Witwe, die eine Tochter von großer Schönheit hatte. Dieſe Dame 
* bei ſich beſchloſſen, ihre Tochter mit Meſſer Bnondelmonte, einem ju 
Ritter, dem Haupte der Familie Buondelmonte, zu vermäblen. Aus Läſſigleit aber 
oder weil fie immer noch Zeit zu haben glaubte, hatte fie ihren Plan noch Riemand 
mitgetheilt, als der Zufall wollte, daß ſich VNeſſer BRuondelmonte mit einen Mädchen 
aus dem Haufe Amidei verlobte. Die Tame war hierüber äußerſt mißvergnügt, 
hoffte iedoch, durch die Schönheit ihrer Tochter, die Sache rückgängig zu wachen, 
noch che die Hochzeit gefeiert wurde. Als fie daber eines Tags Weſſer Buondel⸗ 
monte allein gegen ihr Haus kommen ſah, ſtieg fie, ihre Tochter nach ſich fübrend, 
herab, und trat ihm, als er vorbeiging, mit den Worten entgegen: Ich bin fehr 
erfreut, dan Ihr Euch vermäblt, obgleich ıdı meine Tochter bier für Euch auf- 
gehoben batte.” Dabei öffnete fie die Thüre umd zeigte ihm das Mädchen. Als 
der Ritter die Schönheit des Diädchens jab, die wirklich felten war, und überlegte, 
dan fe an Herkunft und Mitgift jeiner Verlobten nicht nachftebe, entbrannte er ın 
folder Sehnſucht nad ibrem Beſiß, daß er fein gegebenes Mort, die Unbild eines 
Bruches und alle üble Folgen, die daraus entiteben konnten, vergaß. Er gab ber 
Tame zur Antwort: „Da Ihr Cure Tochter für mid) aufgeboben habt, fo würde 
ich ein Undankbarer jeyn, wenn ich fie ausichlüge, da es noch Zeit iſt“; und ver: 
mählte Sich mit ihr ohne Aufichub. Als die Sache befannt wurde, erfitllte Unwille 
die Familie der Amidei und die der Uberti, welche ihr durch Heirathen verſchwägert 
war. Sie hielten, mit noch vielen andern Verwaudten, eine Zuſammenkunft und 
beichloffen, dap man dieſe Unbild nicht ohne Schande dulden könne, und durch 
feine andre Rache, als Meſſer Buondelmonte'8 Tod rächen dürfe. Als emige die 
Uebel vrörterten, die daraus folgen konnten, ſprach Mosca Yanberti: „wer viel 
bedenkt, beſchließt nichtes: umd führte das gemeine Sprichwort an: „Weichebene 
Zinge ſind nicht au andern.” Ter Mord wurde alſo Mosca, Ztiatta liberti, 
Lambertint Amıder und Oderigo Fifanti übertragen. Am Tſtermorgen begaben ſich 
dieie in ein Haus Der Amidei, das zwiſchen der alten Prüde und St. Stefan lag, 
und als Meiſer Huondelmonte auf einem Schimmel herüberritt, indem er dachte, 
es ſei eben So leicht, eine Unbild zu vergeſſen, als eine Verlobte zu verſtoßer, 
ward er am Fuß der Vrücke bei einer Bildſäule des Mars von ihnen angefallen 
und cerichlagen. Tieſer Mord theilte Die ganze Stadt. Ein Theil ſchloß fih den 
Auondelmentt an, der andre den Übertt, und da dieſe Familien an Käufern, 
Thürmen und IKenichen Ntart waren, to kämpften fie miele Jahre, ohme einander 
vertreiben zu können. Jure ‚yerndichaft, der zwar lein Friede ein Ende machte, 
wurde doch manchmal durch Waifenſtillſtände ausgeſebt, und auf dieſe Weiſe wurde 
fe, nach den neuen Ereigniſen, bald gedämpft, bald entbrannte fie von neuem 

In dieſem Zuſtande blieb Florenz bis zur Yet Friedrich's I. Als König 
von Reapel, überredete ſich Friedrich, feine Streitkräfte gegen die Kirche vermehren 

1. Tie florentintiche Mejchichte an acht Rüchern von Riecolo Macchiavelli, aus 
dem. Italienrichen überſent von Job, Ilegler. konigl. griechiſchen Cber⸗vLieutenam 
in der Infanterie, Lehrer Der Schue der Evilviden. Karlsruhe — — dgl. Frey 
31. Trog, Konr. Ferd. Mener, ichs Nortrage, Basel 1897. 2. 88.9. 42. 95. 


Heinrich Kracger, Zur Gefchichte von C. F. Meyers Gedichten. 575 


zu können, und begünftigte, um feine Macht in Toskana zu befeftigen, die Uberti 
und ihre Anhänger, die mit feiner Unterftügung die Buondelmonti vertrieben. So 
theilte ſich aud unſre Stadt, wie ganz Italien längere Zeit getheilt war, in 
Guelfen und Gibellinen. Es ſcheint mir nicht überflüſſig, die Familien aufzuzählen, 
die beiden Parteien anhingen. Die, welche der Guelfenpartei folgten, waren die 
Buondelmonti, Nerli u. ſ. w. Für die Gibellinenpartei waren die Überti, Amidei. 
Ueberdie8 vereinigten fich mit diejen beiden Parteien adeliger Familien viele Familien 
aus dem Bolfe, fo daß faft die ganze Stadt durch diefe Spaltung zerrüttet wurde.“ 


Die Geſchichte Hat in der That ſchon in der Faſſung des 
Chroniſten viele wirkſame Momente; und ein Mann von dem leb- 
haften Schlage unſeres Dichters, .. der alles fehenden Auges und 
ſüblenden erzens nacherlebt, mußte vollends von dem grenzenloſen 

eichtſinn eines Jünglings betroffen werden, der blindlings das eine 
Mädchen dem andern opfert und zur Sühne dafür in der Blüte 
der Jahre fällt. Was aber in Mackhiavell3 Erzählung Nebenſache 
war, daß nämlich die Rache gerade in der Nähe der Bildfäule des 
Mars volljtredt wurde, rüdte bei Conr. Ferd. Meyer in den Mittel- 
punft. Er gruppiert feine Perjonen geradezu um die eherne Statue 
des Gottes, der mit geheimen Kräften in diejem Wirrfal waltet und 
unerbittli den Mann der gerechten Beltrafung entgegenführt. 
Während der Dichter Hier ein uberirdiiches Motiv einflodht — gab 
er andererjeit3 dem Jüngling der Ballade vielmehr rajch aufmalienbe 
Sinnlichkeit, die das tolle, ſchnelle Begehren verftändlicher macht. 

alte und neue Faſſung des „Mars von Florenz” laſſen ſich, weil bie 
Handlung an und für fich in beiden Fällen wenig verjchieden iſt, 
nebeneinander ftellen. Aus 14 fünfzeiligen wurden 18 vierzeilige 
Strophen und aus den fünffüßigen Trochäen die vie füßigen Jamben. 

B 67. Gi 24 

1 Graue Thurn Neben licht umblaut, | 1 Die Thlirme von Florenz umblaut 
In des Arııo Gärten grünt der Lenz, , Der füße Lenz, der junge Lenz, 


Frauen fingen leis und Kinder laut, : Die grauen fingen leis und laut 
sinfter nur der Mars von Marmor In allen Gaſſen von Florenz. 


2 Am Rand ber Arnobrüde fteht 
Ein ſchwarzverwittert M armelbild 
Mit Helmgeflatter, Kriegsgerät, ' 
Gott Mars, und lächelt falſch und 








ſchau 
Der die Brücke hütet in Seren, 
„Arger Mars, wohl magft du finfter 
ehn 


n 


’ 
Angelächelt von den Sonnenjdein; 


wild. 
Kur des Penzes helle Banner wehn 
Und du fiehft zu meiner Braut mid | 3 — „Bott Mars, wohl magt, u infer 
' 


o 


Bu ge 
Eine Amidei wartet mein!” 


Bondelmonte, fraus und fchlank von 
Gang, 
Scerzend ruft er's, jehneller eilt davon 
PBlötlich er, zu jeinem Chre drang 
Aus des Gottes Panze eh'rner Klang, 
Und am andern Ufer fteht er fchon. 





Drommete dröhnt im Lenze nie, 
Raub’ eine dir von unjern Fraun! 
Hoc Über Venus preif’ ich fie!“ 


4 Ein Jüungling ruft's dem Gott empor 


Mit lachend ausgeſtreckter Hand, 
Ihm dringt ein Er zgedröhn ans Ohr, 
\ eilt und fteht am andern Strand. 


576 Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von E. F. Meyers Gedichten. 


Gleich in den Anfang rüdt der Dichter jene zwei Kräfte, die 
jeine Ballade beherrichen: nämlich den Frühling mit feinem Ubermut 
und den Gott in feinem Ernſt, Perjonififationen der Liebe und des 
Hafjes — eine Kampfftellung, der in der erjten Faſſung eine, in der 
zweiten aber zwei fein angelegte Strophen gelten. Das „Grau“ der 
Thürme wird fpäter nicht mehr erwähnt, um alle trüben Farben 
aus der Schilderung des Frühlings zu verbannen, der hier mit 
einem ganzen Aufgebot von Klängen anzicht; aud die „Kinder“ 
bleiben weg, die ja in diefer Geidjichte der reifen Leidenichaften und 
der Sinnlichkeit feinen Plag zu beanjpruchen haben. Ein weiches 
„2“ feßt in der 2. und 3. Zeile mehrfach an: „Lenz, Lenz, leis, 
laut.“ Und dem „Lenz, Lenz” antwortet zweimal mit tönendem 
Namen die Stadt „Florenz“;) der volle Toppellaut in „umblaut“ 
„grauen“ und „laut“ dient cbenfalls dem Wohlklang. Eine Fülle von 
Muſik iſt in dieſen Furzen Zeilen enthalten; ob fie nun beabjichtigt 
war oder ſich nur nebenbei einftellte, ift am Ende gnleichgiltig. Ein 
Komponijt, der verschiedene Stimmungen ausdrüden will, fennt aud) 
die Inſtrumente, die im jedem bejonderen ‚Fall zu verwenden jind; 
und Conr. Ferd. Meyer mochte ſich als der erfahrene Meijter, der er 
war, der Mittel wohl bewußt fein, mit denen fih auch in der 
Sprache lautlid) etwas Schwelgeriiches und Frühlingsjeliges aus— 
drüden ließ. 

Tas Bild des Mars hebt ſich in der zweiten Faſſung fchärfer, 
dunfler und trokiger von dem jonnigen Dintergrunde ab. Aud) bier 
hat ji) der Ton geändert. Tas a jchneidet hart in jede Zeile ein: 
Rand-Arno, ſchwarz, Marmel, geflatter, Mars-falſch. 

Nach dieſen beiden Mächten, welche die Ballade regieren ſollen, 
kommen die Menſchen, die ihnen unterworfen ſind, an die Reihe; der 
Jüngling iſt in der erſten Faſſung noch mit Namen erwähnt; im 
der zweiten hat ſich ſein Ubermut mehr gehoben. Es iſt eine Qe⸗ 
im antiken Sinne, wenn er ſich ſeiner Braut rühmt und ihre Schön: 
heit über die der Geliebten des Mars, über die Lenus felber, jeßt. 
Er fordert den Gott förmlich herans, etwa wie Don Juan den 
jteinernen Gaſt verhöhnt: und ein Abentener, das fo vermeflen mit 
einem Zpott auf die Götter begimmt, muß zu böfem Ende führen, 


!; Terielbe Reim „Lenz: Florenz“, der einzig mögliche in umferer Sprache, 

fchrt in „Yenz ANanderer” wieder: E' 38 

„Grüß (Bott dich, ſchöner Mandrer! 

ft du ca, Knabe Lenz?“ 

Er rief: Ich bin kein Andrer 

Und komme von Florenz!“ 
vgl. Er. Schmidt, Reimſtudien, Zibungsberichte der königlich Prenßiſchen Alademie 
XXIII, 1900, 


Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gebichten. 


577 


das fi) denn auch in dem unheimlichen Erflingen des Erzes, der 
Antwort des herausgeforderten Gottes, ankündigt. 

Wie Haftig der Dichter meiftens die Zwifchenglieder zu behandeln 
liebte, zeigt in den folgenden Strophen das raſche Aneinanderreihen 
der Situationen, denn eben ift der SXüngling bei dem Standbild 
geweien, da befindet er fich bereitö wieder anderswo: „und am anderen 
Ufer ſteht er ſchon“ oder „er eilt und fteht am andern Strand”, 
wo die Gefchichte num jogleich einen neuen Vorgang bringt: 


4 


[bi 


ler) 


I 


[0 +] 


Sieh da tritt aus ftolzem Haus hervor, 
Hohn im Angeficht, ein Weib und lacht: 
„Zu der Amidei? Junger Thor! 
Wiffet erft, was eure Haft verlor: 
Die Donati war euch zugedadt! 


Nun, nad) Gottes Rath ift es geichehn! 
Veorgen, beißt es, werdet ihr 
getraut; 
Aber die Donati follt ihr jehn, 
Sehn, und ihrer dann verluftig gehn — 
Blicket her! Vergleicht mit eurer Braut!” 


Und ein Mägdlein auf der Schwelle 


and 
Schmiegt ſich in das dunkle Haus zurück, 
Doch bevor ſie ſich der Mutter Hand 
Und des Juünglings raſchem Blick 
entwand, 
Schaut er zornig das verlorne Glück. 


Raſch entzündet von der zarten Glut, 
Die aus ſchamgeſenkter Wimper 


ammt, 
Streckt die Hand er ſchon mit Frevel⸗ 
mut 


Nach dem fügen, dem verjagten Gut 
Und ergreift e8 ſelig und verdammt. 


„Wahrlich, wahrlich,” ftammelt bebend 


er, 
„Weil fie doc für mich gehütet war — 
Herrin, ftrafet mich nicht allzufchwer! 
Gute Herrin! Höret mein Begehr: 
Gebt fie, gebt fie mir vor dem Altar!” 
Euphorion. VI. 


5 Raſch tritt aus einem Haus hervor 


Ein Edelweib, das höhnt und lacht: 
„Zur Amidei? Junger Thor! 
Dir war dad Schön’re zugedacht! 


6 Nach Gottes Rathſchluß iſt's gefchehn 


! 
Heut wirft du — heißt's — mit 
ihr getraut — 
etzt ſollſt du die Donati fehn: 
lic her! Bergleich’ mit deiner Braut!” 


7 Sie zerrt ein Mägdlein an das Licht, 


Es Tümpft ins dunkle Haus zurüd, 
Im jungen bangen Angeficht 
Erräth er aller Himmel Glüd. 


8 „pinweg! Die Amidei harrt! 


inweg! Mein Kind ift feine Dirn! 
hr blidet frech!“ Der Jüngling 
ftarrt 
Auf die geſenkte Mädchenſtirn. 


9 Der Wunſch it Glut! Die Scham 
ift Glut! 


Die hohe Doppelflamme loht! 
Er firedt die Hand. Dar bunte 
u 


Ergreift er und ergreift den Tod. 


10 „Frau, ftrafet mich nicht allzuſchwer! 


Das jüße Haupt! Das blonde 
Haar! 


Gewähret fie mir!” ftammelt er. 
„Ich führe firads fie zum Altar!“ 


87 


578 Heinrich Kraeger, Zur Gefchichte von C. F. Meyers Gedichten. 


9 — „Kommt!” Tie Arge führt den 11 Ten Ring der ihm die Hand bereift, 


Züngling ein Der Amtdei Trauungsring, 
In der Hauslapelle düſtern Raum, Hat rafend er fi abgeitreift 
Auch ein Priefter fann nicht ferne fein, Und jchleudert ihn. Da rollt er. 
„Holet ihn!“ in fahlem Ampelſchein Kling... 
Kniet das Paar und dünkt ſich wie 
im Traum. 12 Jetzt Eniet er im Capellenrauım, 
An Freveln und an Vonnen 
reich, 
Zur Pinten fniet fein fünd’ger 
Zraum, 


WieEngelſchön,wie Todtebleich. 


10 Leiſes, ſegenloſes Prieſterwort 13 Dem Paar zu Häupten murmelt leer 
Murmielt über der erſchrocknen Magd, Und ſchnell cin feiles Rrieſterwort — 
Von dem Altar drängt der Jüngling „Die Roſſe her! Die Roſſe her! 

fort, Zum Thor hinaus! Ins Freie fort! 
Aber jhonentfliebtein Diener 
dort, 


Ter den Amidei Kunde jagt. 


Erjt jest hat jid) die Ballade der liberlieferung des Macchiavell 
zugewandt, freilich mit einer wejentlichen Einjchränfung, denn der 
Reichtum der Tonati wird vom Dichter nicht erwähnt und deshalb 
auch die praftiiche, aber poetiſch völlig unbrauchbare Überlegung des 
Jünglings nach dem Angebot der Alten — „dar Mädchen und Der: 
kunft und Meitgift jeiner Nerlobten nicht nachſtehen“ — überflüfjig 
gemacht. Dafür verjtärfte der Tichter die Meden auf beiden Seiten 
und ſchob cin leidenjchaftliches, wertvolles Intermezzo der jungen 
Yente ein. 

Tie Wendung „Schaut er zornig das verlorne Glück“ wird 
begehrlicher: „Ihr blicket Fre!" „Der Jüngling ftarrt.“ 

Die zweite Faſſung hat die erſte wieder überholt. Die Teile 
entſprechen ſich nicht mehr in der alten Weiſe. Die älteren Strophen 
4, 5, 6, 8, 10 ſind gleich den ſpäteren 5, 6, 7, 10, 13, während 
die 7. und 9. fich je zu zwei neuen, nämlich 8, 9 und 11, 12 ver: 
dehnt haben. Dieſe Zahlen reden und machen alles fenntlid), was 
der Tichter Später für bejonders wichtin und der Erweiterung wert 
gehalten hat. 

Ale man oft beachten kann, das Gonr. Ferd. Meyer das, was 
in jeiner Norlage zeitlich mehr oder weniger lang ausgebreitet war, 
zuſammenzog, um es zur poetiichen Wirkung zu bringen, fo jchaltet 
er auch im dieſer Ballade jene langen „Jeiträume aus, die in Nirf- 
lichkeit die Geſchichte einſt zum Ablanfen gebraudt hatte Während 
bet Mackhiavellii dem Jüngling, ala er die Tonati fieht, eine un— 
beſtimmte Friſt bis zur Hochzeit mit der Amadei zur Verfügung 
jteht, it von dem Tichter die chelidye Verbindung bereits beſtimmt 


Heinrich Kraeger, Zur Geichichte von C. F. Meyers Gedichten. 579 


angejegt worden. Denn das Verbrechen des Bräutigams wird umſo 
ichlimmer, je heftiger die Zeit drängt und je kürzer vor der end- 
giltigen Entfcheidung er feinen Entihluß nod ändert: „morgen, 
heißt es, werdet ihr getraut,“ und in der zweiten Faſſung gar: 
„Heute wirft du — heißt's — mit ihr getraut.“ Das Ereignis ift 
nun auf den Hochzeitstag felbjt gejcjoben. 

Auf die Begegnung zwifchen der Donati und Buondelmonte ijt 
in der zweiten Faſſung aller Nachdrud gelegt. Die Mutter reizt den 
Jüngling, indem fie ihm das wieder verweigert, was fie ihm gerade 
angeboten hat; und der Augenblid, wo diefer um das Mädchen wirbt, 
wird auch muſikaliſch und rhythmiſch ftark ausgezeichnet, nämlich in 
der 9. Strophe des jüngeren Gedichtes, in der hisigen Wiederholung 
der Worte „Slut”, im Reim zu „Blut“, und in der jedesmal durd) 
einen fcharfen Einfchnitt zerlegten 1. und 3. Zeile. Und ebenjo ver: 
weilte der Dichter fpäter länger bei der Trauung. Im erjten Ent- 
wurf führt die Mutter den Jüngling felber in die Kapelle, in der 
zweiten wird der Vortritt dagegen ihm gelaffen, der in der wilden 
Sehnſucht feiner Sinne dort nod ein neues unheimliches Manöver 
vollfführt, indem er den Ring fortwirft, der, wie das leblofe Erz 
der Bildfäule des Mars, tönend auf die Schmad) reagiert. Ein 
zweiter Vorſpuk! Und um wie vieles berüdender ift die Trauungs⸗ 
ſcene dort entworfen. Der fade bildliche Ausdrud der erſten Faſſung: 
„Kniet das Paar und dünkt fih wie im Traum“ geht in Leben 
und Wirklichkeit über: „Zur Linken fniet fein jündiger Zraum”; 
und die verbotene Seligfeit diefer Liebe Hingt in den einander 
widerfprechenden, aber doch trügerifd) verbundenen Worten nad: 
„an Freveln und an Wonnen reich — wie Engel ſchön, wie Tote 
bleich.“ 

Die Eile der ſpäteren Ereigniſſe wird in der zweiten Faſſung 
noch fieberhafter; wieder müſſen Nebenperſonen ausſcheiden, und der 
Prieſter — „Auch ein Prieſter kann nicht ferne ſein“, wird nicht 
beſonders herbeigeholt, der Diener, der die Nachricht den Amideis 
bringt, verſchwindet ganz; denn wie dieſe alles erfahren, ift gleich⸗ 
giltig; nur rafch muß es geweſen fein. Huch die langen Beratungen, 
von denen Deackhiavelli erzählt — find überflüffig; Conr. Werd. - 
Meyer führt den Helden und feine Brant fofort nach der Hochzeit 
beim Bild des Mars vorbei, der veripottet worden war und der 
noch am gleichen Tage das Gericht vollziehen will: 


11 „Mein gelichtes Weib, was zitterfi du? | 14 Du lieb Geſchopf! Du bebft wie Laub! 
Was verbirgft du mir dein Angeficht? Berlarve dir das Angeſicht! 
Bald umflüſtert Dich des Maldes Ruh! ß Mut! Ich bringe meinen Raub 
Noffe her! Und dem Gebirge zu, n eine Burg, bie feiner bricht!“ 
An die Feſte, die mir Keiner bricht!“ 
87* 


580 Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. 


12 Auf der Brüde vor dem Marmorbild 15 Am Rand der Arnobrüde ſteht 


Schnaubt das Roß, als witt” es Ein ſchwarzverwittert Mar- 
Hinterhalt, ! melbild 
Und der Gott er lächelt falidhh und | Mit Helmgeflatter, Kriegs 
wild, ' gerät, 
Männer fpringen auf mit Schwert und ; Gott Mars, und lächelt falich 
Schild — und wild. 
„Weichet, Mörder! Freunde, Helft! ! 16 Tas Schwert des Gottes ſchüttert leis. 
Gewalt!" | Da fpringt hervor mit Erzeslaut 


Ein Hinterhalt, ein Mörderkreis, 
Tie Zippe der verratnen Braut. 


17 „Verdammter, ſtirb!“ — „&elichte, 


13 — „Stirb, Berräther! Amidei bie! 


Race, Rache der verlaff'nen Braut!” — : flieh!“ 

Und der Jüngling ſtöhnt: „Geliebte, Wild ringend ſtürzt er umgebracht, 
flieh!“ An feinen Buſen gleitet fie 

Doch an jeinen Yufen gleitet fie, Und ſinkt mit ihm in eine Nadıt. 


Bon derjelben Todesnacht umgrant. 


14 Eine Glocke gellt die Stadt entlang, : 18 Herab von aller Türme Hang 
Haus mit Haus verfeindet ihr Berlündet gellend Sturmgeläut 
Geläut. Ten Pürgerlampf. Das Schwert 


| 
BürgerfriegvielhundertJahre | ertlang 
lang! Dem Bott, derfid des Mordes 
Darum war's, daß dir die Yanze | freut. 
Hang, | 
Alter Gott, derfid des Wordes ı 
freut! 


In der 15. Etrophe der zweiten Faſſung wird die Statue 
mit denjelben Worten wie am Eingang gejchildert, eine Wiederholung, 
die ung aufmerkſam machen joll und durd) die aud) äußerlich Wonne 
und Fluch diefer Handlung an die Säule des Gottes gefeflelt wird, 
der fcheinbar unbeweglich und teilnahmstos doch die unbefonnene 
Herausforderung angenommen und die Beleidigung furchtbar ge: 
rächt hat. 

Bedeutſam wurde die Schlufitrophe geändert. Der „Bürger 
krieg”, der nad) Macchiavelli über dieien Vorfall entbrannte, ift 
ummwichtig, und die Einzelheiten jeiner Dauer „viele hundert Jahre 
lang” und die Umschreibung „Haus mit Daus verfeindet ihr Geläut“ 
gehen ein. Die etwas vormwurfsvolle Anrede an den „alten Gott”: 
„Darum war’s, daß dir die Yanze Hang” wird durch den nüchternen 
Bericht „Tas Schwert erffang dem Gott” erfeßt, fo daß alio der 
Zujammenhang zwiichen der Bildjäule des Mars und dem Kampf 
der Menfchen nicht vom Dichter ausdrücklich feitgejtellt, ſondern noch 
dem Leſer zu raicher Löſung überlaſſen wird. 

Der Gott hat den furchtbaren Beweis dafür angetreten, daß 
er doch die Macht hat, die Buondelmoute beftritt, nämlich feine 
„Drommeten“ aud) im Xenz ertönen zu laſſen. Eine merkwürdige 


Heinrich Kraeger, Zur Gefchichte von €. F. Meyers Gedichten. 581 


Stimmung breitet ſich über diefe Ballade: Gewähren und Verſagen; 
eine Liebe, die tötet; füßes Singen ahnungslofer Menfchen und das 
falſche Lächeln der Götter, Friedenslieder und Kriegslärm, ja etwas 
vom Wejen des Aprils oder des Frühlings felber, der plöglicd) zum 
Winter werden und das Leben wieder töten mag, das er im Scheine 
warmer Tage vorher aus dem Boden lodte. 

Daß weſentliche Stüde einer Novelle Conr. Ferd. Meyers, der 
„Hochzeit des Mönches“ aud auf der Donati-Epifode der floren- 
tiniſchen Geſchichten Macchiavellis beruhen, ift wohl ohne weiteres 
Har.)) Der Mönch Aftorre findet in ähnlicher Weile wie Buondel⸗ 
monte — die erjte Braut Diana darüber vergeffend — feine Geliebte 
Antiope, mit der er fi) „in einem trogigen Geift des Frevels und 
der Sicherheit” trauen läßt, und die beiden fteigen wie „zwei fchöne 
Geſpenſter“ aus der dunklen Hausfapelle hervor, um bald für ihre 
That miteinander zu fterben. Aber von welder Fülle neuer Motive, 
die in die räumlich immerhin bejchränkte Ballade nicht gehörten, ift 
die Chronit Macchiavellis erft in dieſer Novelle umrantt! 


B 74. Die Dioskursu. — C! 199. Der Botenlauf. 


Den Hintergrund für das Gedicht bildet die Schlacht, welche 
die Römer unter ihrem erften Diktator am See Negillus dem mit 
den Latinern verbündeten Tarquinius abgewannen. Nach der Sage 
fochten damal® auf Seite der bedrängten Römer auch die beiden 
Diosfuren, denen zum Dante dafür die fiegreichen römijchen Feld⸗ 
herren am Quell der Juturna einen Tempel errichteten: Livius II, 19: 
„ibi nihil nec divinae nec humanae opis dietator raetermittens 
aedem Castori vovisse fertur.“ — Plutarch in feinem Aemilius 
Paulus c. 25 und Dionyfius von Halicarnaß erzählen weiter, daß 
zwei „Ichöne und große Männer” fid) am Tage der Schladht in bie 
Stadt auf den Markt begaben, wo fie ſich und ihre jchweißbededten. 
Pferde mit Waſſer erfrifchten und die Nachricht von dem Sieg ver- 
fündeten.?) Dann verfchwanden fie und wurden von niemanden: 
nachher wieder gejehen. — Diefe Vorgänge breitete der Dichter 


1) Trog ©. 88 ff. Frey ©. 128. 

2) ®gl. Cicero. de nat. Deor. 2, 2, 6; 3, 5, u _ sa ide, Lexikon ber 
griehifchen und römifchen Diythologie 1, 1187. Leipz ommfen, Rö- 
miiche Gejchichte, 1°, 437: „Erft jett beginnen ven entf hen Göttern in Rom 
ſelber fid) die Tempel zu erheben. Der Altefte war ber —* der Caſtoren, 
welcher in der Schlacht am regilliſchen See a und —— eingeweiht ſein ſoll. 
Tie Sage, welche an denſelben fi knüpft, daß ih ſchöne umb 
große Jünglinge auf dem Schlachtfelde in den en ber —— m 
und unmittelbar nad) der Schlacht ihre fchweißtriefenden Roffe auf dem römifchen 
Markt am Quell der Juturna tränlend und dem großen Sieg verflünbend, geje 
worden feien, trägt ein durchaus untömifches Gepräge.“ — Macaulay, 'Lays of 
Ancient Rome: the Battle of the Lake Regillus. 


5832 Seinrich Kraeger, Zur Geichichte von C. F. Meyers Gedichten. 


ihon 1860 zu einem umfangreichen Gedicht von 18 achtzeiligen 
Strophen aus. Er ſchloß an die Ankunft der beiden Dioskuren die 
Rückkehr des fiegreichen Heeres und die Berichte der Heimkehrenden 
über den wunderbaren Verlauf der Schladht an. A. Frey hat bie 
ersten fünf Strophen in der Biographie (149) abgedrudt, die aller- 
dings kindliche Verſuche felbft gegen das find, mas 1870 unter dem 
Titel „Die Dioskuren” vom Dichter veröffentlicht wurde. In wie 
tomifcher Umjtändlichkeit wird 3. B. nod) die Wäſche am Quell be» 
Ichrieben: 

Sie halten an dem Brunnen jekt, 

Und ihre Schwerter biutbenett, 

Zie tauchen bis an's Heft fie cin, 

Zer Sprudel waſcht die Schwerter rein. 


Und wie widerjpredhen am Schluß nad) dem Verſchwinden der 
beiden Reiter die Worte den feierlichen Eindrud, den der Dichter 
eigentlich erzielen wollte: 

Zerronnen ift der ganze Schein, 
ie Schaar der Frauen ift allen, 


Und überall verbreitet fich 
Die Sötternähe fchauerlich. 


Tagegen heißt es nun 1870: 


1 Mo kann der Bote weiten? 4 Sie halten an der Quelle 
Wer wird der Eieger fein? Des beiligen Brunnens jett, 
Die Yurg mit ihren Säulen Sie ſenken in die Belle 
Erglüht im Abendſchein. Die Stirnen ſchweißbenetzt; 
Dort an des Landes Mare, Tann ſprechen zu den Frauen 
Ta blivt c8 biutigrotb, Tıe Krieger kühn und fchlidht, 
Ta ringt Tarquin der Ztarle Wie Yrilder anzuſchauen 
Mit Rom bis auf den Tod. on Wuchs und Augeficht: 

2 Yaut flcbend läßt erichallen 5 „Nun dürfet ıhr euch freuen, 
Ten Ruf die Frauenſchaar: Ter grimme Zwingherr wich, 
„Dich bitten wir vor Allen, Wir fochten in den Reiben, 
Zu bilfreih Brüdervpaar! Der Bruder traut und id. 
Tu baft mıt deinem Zterne Schon fünnt auf naben Wegen 
Zen Schiffer oft bewacht, Ihr eure Tapfern ſehn! 

Auf wegen Roſſen gerue Auf! Wollt ihr nicht entgegen 
Durchleuchteſt du die Schlacht! Ten ZSiegbelaubten gehn?“ 

3 Ihr Blirigen, laßt zu lange 6 Noch tönen feine Worte, 

Ten Boten nicht verzichn! Ta winft ibın der Genoß 
Die Stunde wird fo bange — Und bebt fi) zu der Pforte 
Yefliigelt, Götter, ihn!“ es Abends Wann und Roß; 
Horch! Horch! da klirren Hufe Es kann vom Vruder laflen 
Zen Burgweg ſteil binan! Der andre Vruder nicht, 
Still, ohne Jubelrufe Sie ſchwinden und erblaſſen 


Zwei ſchlanke Reiter nahn. Im ſtillen Tämmerlicht. 


Heinrich Kraeger, Zur Gejhichte von C. %. Meyers Gedichten. 583 


7 Da heben, wie fie fcheiden, 
Sid alle Hände auf: 
„Dank fei eudy Brüdern beiden 
Für euern Botenlauf! 

Bewohnet unfre Fluren, 
Nehmt unfre Stadt in Hut! 
Gelobte Dioskuren, 

Wie feid ihr ftark und gut!” 


Aus den 56 gereimten Zeilen des älteren Gedichtes werben 
jpäter — dem antifen Stoff ein antikes Metrum! — Dpftichen, 
deren UÜberjchrift, der letten Strophe der Dioskuren: 


Danf fei euch, Brüdern beiden 
Für euern Botenlauf 


entiprechend, „Der Botenlauf” Lautete: 


Dlide gen Himmel gewandt! Gebreitete flehende Arme! 
Murmeln und jchallender Auf! Knieende Diäbchen und Fraun! 
„Götter, beflügelt ben Boten! Entfcheidung! Lieber als Bangniß ! 
Seit fid) die Sonne erhob, ringen die Stadt und Tarquin. 
Siehe, die Sonne verfinft! Mittämpfer, Gaftor und Pollur! 
Denkt der verlaffenen Traun! Sendet den Boten gejchwind!” 
Horch! Achthufig Gellirr bergan! Zwei reifige Reiter! 
Schon am heiligen Duell fpülen die Waffen fie rein. 
Dann, zwei gewaltige Jünglinge, ftehn auf der ragenden Burg fie, 
Gegen die jchauernden —* hat ſich der eine gelehrt: 
„Freude, knoſpendes Mädchen! Entſchlofſene Römerin, Freude! 
Herrlicher Sieg iſt erkämpft! Geht ihr entgegen dem Heer?“ 
Einer ſpricht's und der Andere laufcht, zu dem Bruder gewendet. 
Setzt in das bleichende Licht fpringen die Hoffe empor. 
Einer der Zünglinge ſchwindet im Abend, es ſchwindet der andre, 
Denn wie ein liebendes Paar laffen die Brüder fi nicht. 
Ueber der römischen Feſte gewaltigem dunkelndem Umriß 
Hebt fi) in dämmernder Nacht feliges Doppelgeftirn. 


Die Handlung ift fo gewaltfam zufammengefchoben, daß darımter 
die Deutlichfeit des Vortrages für einen unbefangenen Leſer gelitten 
hat. Die Säge jind, befonders um im Anfang die Aufregung ber 
Maſſen wiederzugeben, aller Hilfsverben beraubt. Ein Ausruf reiht 
fi) an den anderen; erregte Gruppen find gebildet, deren Zu⸗ 
jammenfegung nicht jchnell genug gejchildert werden konnte, und bie 
dann felbft zu Worte fommen. Auf die Fragen und Wünſche des 
erjten Teiles folgen in einem zweiten in ähnlicher Weife Antwort und 
Erhörung: Die wiederum abgebrocdhenen Süße, der Ausruf „Horch“ 
machen auf die Erjcheinung der Boten aufmerkſam, die fid) aber anf 
höhere Weiſe als vorher einführen, wenn fie nicht mehr ihre gött- 
lichen Stirnen, fondern ihre Waffen ins Wafler am Quell tandhen. 
Und nun ftellt der Dichter die Heroen oben auf die Burg Hin, wo 


584 Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. 


fie, den Sternen jchon nahe, mit denen ſie bald verjchmelzen follen, 
und doch den Menſchen unten fichtbar, ihre frohe Botſchaft verkünden 
fönnen — fowie er etiva die Statuen der Beiden in Rom auf der 
Piazza del Tuirinale geſehen hatte. Während im alten Gedicht 
nach der furz angedeuteten Apotheoje die Frauen nod einmal im 
Gebet danfen, und durch diefe feierliche Fulturelle Handlung die 
Ballade einrahmen, wird im neuen Gedicht die Verklärung der 
Götter durd) keine irdiiche Zugabe gejtört. „Der Botenlauf” Hingt 
in einem mächtigen Orgelpunft aus: der geheimnisvolle Abjchted der 
Dioskuren, die vom legten Licht des Himmels aufgejogen werden, 
und dann gleid) darauf ihre ſymboliſche Wiederfunft, wenn fie als 
ihügende Gejtirne über der Stadt Rom leuchten, ift von grandiofer 
Wirkung. Die Melodie der Sätze lebt fid, hier umſo voller aus, je 
jparjamer der Dichter zu Anfang war: Jetzt hat er Zeit und das 
legte Dyftichon ergiept jid) in breiteften Strome. Eine ſolche Steige- 
rung, ein joldyes maestoso zum Schluß bedurfte einer jorgjamen 
2orbereitung, alle ähnlichen Noten vorher wurden gejtridhen, und 
die zahlreichen Erwähnungen und Umſchreibungen der beiden Cajtor 
und Pollux in dem alten Gedicht: „Du hilfreich Brüderpaar”“, „die 
Krieger“, „wie Brüder“, „der Bruder traut und ich“, „der Genoß“, 
„vom Bruder“, „der andere Bruder“, „Eud Brüdern beiden“, 
„gelobte Dioskuren“ — jind wohl oder übel bejeitigt; denn man 
durfte nicht zu viel vorher von den beiden gewußt und gehört haben, 
wenn man von ihrer Enthüllung und Entrüdung am Ende wirklich 
gewaltig überraicht werden ſollte. Tie Frauen rufen die Götter auch 
nur als „Mitkämpfer“, nicht gleid) ala „Sterne” an, die den Schiffern 
helfen: eine Verrichtung, auf die es hier bei einer Yandfchladht gar 
nicht anfaın und wodurch außerdem die Pointe, die Verſchmelzung 
der Götter in Sterne, überflüſſigerweiſe vorweggenommen war. Aber 
auch die Worte des Einen der Jünglinge find diesmal objektiver als 
früher: Er erzählt nicht von der Schlacht, wo er an ber Seite des 
Bruders mitfocht, jondern berichtet nur den Erfolg, den Sieg. Ten 
beiden war vom Tichter jo viel wie möglid) alles Menſchliche ge: 
nommen, damit ihre Göttlichkeit deſto beſſer geoffenbart werden 
fonnte. Ter Urt, der früber gleich in der eriten Strophe bezeichnet 


wurde: — .. 24 
Die Burg mit ihren Säulen 
Erglüht um Abendichcın 


wird jeet erit am Zchlun erwähnt, wo auch die Zeit inzwiichen 
weiter vorgeichritten und die Nacht hereingebrodhen ift, in deren 
Dunkelheit ich mun die Formen vergrößern, die zugleich auf ein 
ewiges Nom deuten, das Sich bier unter dem Schutz der Götter zu 
glücklicher Zukunft entwideln foll. 


Miscellen. 585 


Ein Paar leichte Anderungen zeigte das Gedicht in ber vierten 
Auflage (Gt 229), wo die Zeile der zweiten Zeile nod) enger mit— 
einander verfnüpft wurden: „Murmeln und fchallender Auf Enieender 
Mädchen und Frauen“, und wo es weiter unten ftatt der „reifigen“ 
fortan „zwei befreundete Reiter” hieß. Das Fremdwort „Dios⸗ 
furen” dagegen fehrt erjt in einem ganz anderen Gedichte, in den 
„Schußgeiftern“ wieder, wenn der Dichter diesmal über feiner eigenen 
Heimat wie „zwei treue Sterne” Goethe und Schiller wachen fieht: 


Leben wird mein Bolt und dauern 
Zwiſchen jeinen Felſenmauern, 
Wenn die Dioskuren gerne 
Segnend ihm zu Häupten ſtehn. 


Miscellen. 


— 


3n der Entfießung der Hedensart: „Steinen Knopf!“ 


Tas „deutſche Wörterbuch“ der Gebrüder Grimm giebt (in Band 5, 1873, 
S. 1478) dem Worte Knopf unter anderem im Spradjybereihe von Schwaben 
und Tirol die volfsmäßige Beeutung von Geld, 3. B. „feinen Knopf Geld 
haben”; „er bat Knöpfe” — er hat Geld; und glaubt diefelbe darauf zurüdführen 
zu jollen, daß manche Dietallfnöpfe Münzen ähnlich fehen und dafiir angebradjt 
werden. Wir glauben aber, daß der Grund der Nedensart: „Kein'n Knopf!" = 
feinen Pfennig, feinen Liar, rein gar nichts u. ſ. w. tiefer-Tiegt: In den Fatholifchen 
Gegenden Schwabens und Tirols finden von alten Zeiten ber noch Heute bei den 
Leichengottesdienften, während des Offertoriums und bei der Kommunion, Opfer- 
gänge ftatt, wobei es — wie Geiftliche und Meßner reichlich bezeugen fünnen — 
nicht Selten vorfam und nod) heute vorkommt, dag von den Opfergängern in das 
Opferbecken, beziehungsweije in den Opferteller Hojen= oder Wammsknöpfe 
(welche ja beim Auffallen auch Eläppern) ftatt Kupfermünzen eingeworfen und in 
denjelben beim Entleeren vorgefunden werden. Es mag nun hier dahingeftellt 
bleiben, ob dies aus Geiz des Yandınannes oder vielleiht aus Ungeſchick, einem 
Mißgriff u. dgl. gejchiebt, wenn der Opfergänger, von dem Alt des Opferns über- 
raſcht und nicht darauf vorbereitet, fi) hiefür nicht vorgefehen hat, raſch zur Taſche 
fährt und hier, wo man ja erfahrungsgemäß auch meggebrocdhene Kleiderfnöpfe 
aufbewahrt, jtatt einer Kupfermünze einen folhen Knopf erwiſcht. Es genügt an 
der berichteten Ihatjache, welche übrigens — nebenbei bemerkt — nit bloß von 
bei Opfergängen aufgeftellten Opferbeden, jondern auch von in Kirchen und Kapellen 
ftändig befindlichen pferbüchjen gemeldet wird. Es wird der Fund folder Knöpfe 
in den Opferbüchſen als etwas ichier ganz Wertlofes, Dejpeltierliches angejehen; 
und wenn bie ımd da gar nicht darin vorgefunden murbe, fo hieß e8: „Nicht 
einmal ein — Knopf! Kein'n Knopf!“, welcher Ausdrud zur Bezeichnung des reinen 
Nichts dann mit der Zeit auch auf andere Verhältnifje übertragen wurde. Es ließe 
fih auch noch daran denfen, daß die Redensart etiva auf die alten „Knopfftüde” 
(bin und wieder auch Kopfſtücke genannt), das heißt auf die alten Schsbäzner 
füddeutjcher Währung und guten Angedenkens (= 24 fr.), bezieyungsweife auf die 


586 Miscellen. 


alten öſterreichiſchen Silberzwanziger zurückzuführen wäre, welche die Bauern in 
Bayern, Schwaben und Tirol noch bis in die zweite Hälfte dieſes Jahrhunderts 
als Knöpfe an Röcken, Wämmſern und Weſten trugen. Doch iſt der erſten Deutung, 
ſoferne dieſelbe der Pointe von: „rein gar nichts“ richtigen Ausdruck verleiht, der 
Vorzug zu geben vor der ebengenannten, welche eher das Gegenteil („etwas Rechtes“) 
bejagen möchte. 


Ravensburg. P. Bed. 


Zu dem Ausdruk: „Shwören” in Grimms dentſchem Wörterbuch 
(Yand IX, 15. Lieferung, S. 2734— 2746). 


Dasſelbe führt wohl zum Rort: „Schwören“ unter 5) befondere Rendungen 
mit Präpofitionen an, 3. B. an die heligen ſchwören, eigentlich die Reliquien der 
Heiligen berühren; daın aus der Stadt, dem Lande ſchwören d. h. ſich eidlich 
verpflichten, Stadt oder Fand zu verlajfen u. ſ. w.; weiter über die bi. Evangelien 
ſchwören (ower de heligen fweren). Bier vermißt man aber nun fehr den im 18. 
und 16. Jahrhundert öfters vorlommenden Ausdrud: „Ueber (auch an's) Meer 
fhwören, welder fich vornehmlich auf das bi. Yand, Zerufalem bezog und im 
Ganzen fo viel wie geloben (als Zeil der Sühne, bzw. Buße), eine Meerfahrt, 
Wallfahrt in's bi. Yand für die Seele des Getödteten zu machen, bedeutete (zu vgl. 
den Artifel „Meer (über Meer)“ im deutſchen Wörterbuch). In ähnlicher Weiſe 
fommt um Die gleiche Zeit der Ausdrud: „Ucber (an) den Rhein, die Donau 
ſchwören“ vor; erjterer bedeutet eine in jener Zeit vielfach als Buße für Tobtichlag 
auferiegte Wallfahrt nah Aachen (Auch), welche zu damaliger Zeit al8 eine der 
erften der Chriftenbeit galt; letzteren möchte man vielleicht auf eine Bußfahrt nach 
Regensburg zur „ſchönen Maria” oder etwa nah Inchenhofen zu St. Leonhard 
bezichen (zu vgl. „Schwäbifhe Wallfahrten” von Beck in „Diöcefan-Ardhiv von 
Schwaben“, XVI, 1898, S. 152). (Ebenfo fehlt der moderne militärifche und auch 
ftudentiihe Ausdrud: „Auf die Klinge (Zäbel beim Militär, „Speer“ bet den 
Studenten) ſchwören.“ Schon im frühen Altertum fchwuren nad) Jakob Grimms 
Deutſchen Recdtsaltertiimern (2. Ausgabe, S. 896 ff.) bei Beſprechung des Eides 
und der Form Feiner Ableiſtung die „freien Männer auf ihr Schwert“; in einigen 
Gegenden dauerte der Gebrauch noch unter den Chriften fort. 


Ravensburg. P. Led. 


Bemerkungen zu Mathehns’ Seihen- und Sodzeitspredigten.!) 


Yeihenpredigten. 

154, 32. Zie Geihichte von Juden in Rom, die fih auch in der 4. Predigt der 
Lutherbiitorien findet, ift in damaliger Zeit bünfiger verwendet worden. &ie 
gebt auf die zweite Novelle von Boccaccios Decamerone zurüd. 

30,1. mit dem mantel zudedet; Es iſt cinfad an die (biblifche) Redensart „mit 
dem Mantel der Yıebe zudeden“ zu denken. 

31,27. die Mißetheter unter der Haußjchwelle left wegkſchleppen] wohl ein Volks⸗ 
brauch. 

57, 18. Chur finder) Smmonym von „erwelete Kinder“. 

156,4. Auf die Geſchichte von Jobannes und dem verderbten Jüngling (vgl. 

Herders Barabelı wird bereiß 127, 20 angeipielt. 


tı Vgl. jet auch: Loeſche, Diarbeitana in der Zeitfchrift für Deutſche Wort⸗ 
forfhung 1, 234 ff. 


Miscellen. 587 


Hochzeitspredigten. 

321,28. Gott wehre dem Türken, der uns den Simcher der alten Teutfchen vnnd 
ſchirmer edlen trund verwüftet hat.] Schon aus dem Vorhergehenden erhellt, 
daß ein Ungarwein gemeint fein muß. Simcher und Schirmer ift eine und 
diefelbe Sorte. Den Beweis liefert Aventins bairifhe Chronik Bud 1, 
cap. 148 (Ausgabe der kgl. bairifchen Alademie ©. 330, 8 ff.): Diefer 
[der Walhen] war domals künig (sc. zur Zeit des Königs Bhilipp v. Ma⸗ 
cedonien) obgenanter Schirm, der paut ein ftat oberhalb kriechiſchen Weyſen⸗ 
burg, hies nad) im Schirmburg, ıft im latein und friehifchen Sirmium, 
iezo teutſch Syniching in Ungarn, da gut ungarifh wein wachen [vet. 
Aventin a. a. DO. 344, 7 Schirmburg (iezo Sinich), 407, 8 Schirmburg 
lietzo Singing 

322,7. Kötſchberger) Die Deutung von Kötzſchenbroda iſt richtig. Im Volls⸗ 
munde heißt nämlich Kötzſchenbroda Kötzſchber. Kötſchberger aus Kötſch⸗ 
berer des Wohllauts wegen. 

54, 24. Ich geſtatte mir auch meine Anſicht Über das Wort „Claretlein“ für ein 
leichtfertiges Mädchen auszufprechen. Vielleicht ift es doch weiter nichts 
als Berkleinerungsform der Weinforte Claret. Glaret bezeichnet urſprüng⸗ 
fih einen mit Honig, Zucker u. f. w. verfeßten Wein, heißt dann Glaret- 
fein ein ſüßliches, inmer fchönthuendes Mädchen? Cine ähnliche Über- 
tragung findet fich meines Erachtens bei Opitz in den von Drechsler, 
Wencel Scerffer und die Sprache der Schlefier, Breslau 1895, ©. 147 
angeführten Verſen iiber genußſüchtige Weiber: 

Der Kopff it Schmudes voll, die Stimme glänzt berfür, 
Der Wein ıft reiff ond feil, der Kraut hengt vor der Thür. 
Dresden. Kart Reufcdel. 





Zur Datierung des Dispntationsplaues im Saufl. 


Im Fauftparalipomenon 11 folgt auf die Skizze der Disputation eine Anzahl 
jhwer lesbarer Wörter.!) 
„Ich erkläre (?) mich in (?) diefer 
jo Sache auch (?) ein Beyſpiel (?) 
nu 


e 
Refignation Gewohnheit 
Streben.” 


Der Paſſus ſtellte bisher eine Harte Nuß bar, an der ſich ein Jeder die Zähne 
ausbeißen mußte, der es unternahm, den Disputationsplan aufzubauen. Ich kann 
nun zeigen, daß die Worte überhaupt nicht zu dem Yyauftparalipomenon gehören. - 
Sie find von Goethe auf das gerade vor ihm liegende Papier geworfen, um feine 
Gedanken über einen ganz anderen Gegenftand vorläufig zu fiyieren, und zwar 
banbelte e8 fih um eine Preißfrage. 

Ein Graf BZenobio wendete fih zu Anfang 1801 an Goethe mit dem Bor- 
ihlag einer Preisaufgabe über die Geſetze, nach denen bie menſchliche Kultur. 
fi entwidelt. Zu diefem Zwede übergab er Goethe die Summe von 50 Karolin 
und überließ ıhm die Formulierung und Ausfchreibung der Aufgabe In ben 
Briefen an Schiller vom 7. März, 18. März, 25. März, 8. oder 4. April, an 


!) Die bier gegebene, von der Weimarer Ausgabe abweichende Lefung ſtammt 
von Schüddelopf, der auf meine Bitte unter Berl igung ber angebörigen Brief 
ftelle die jehr verwiſchten Schriftzlige noch einmal unterſucht hat. Die entſcheidenden 
Formeln „Genuß Refignation Gewohnheit Streben“ find aber ganz deutlich. 


588 Miscellen. 


einige philofophifhe Tzreunde vom 1. Mai, ferner in der Tagebuchnotiz vom 
29. April ift davon weiter die Rede. Die Schwierigfeit einer beftimmten Formu⸗ 
lierung der Aufgabe und die geringe Ausficht, jo weitausjchauende ragen auf 
diefe Weife der fung näher zu bringen, bewogen Goethe ſchließlich, die Sache 
ruhen zu fen Er berichtet darliber in den Tag- und Jahresheften 1804 (Werte 
35, 186 ff.). 

Nun jchreibt Goethe in Erörterung dieſer Angelegenheit an Schiller am 
25. März 1801: „Beim Nachdenken über's Beharrende im Menjchen, worauf ficdh 
die Phänomene der Kultur beziehen ließen, habe ich bis jett nur vier Grund⸗ 
zuftände gefunden: 

des Genießens 
des Strebens 
der Refignation 
der Gewohnheit.“ 


Ebenfo in dem Briefe an die philojophifchen Freunde, die er zur Außeru 
über die Formulierung der Preisfrage auffordert (1. Mai 1801): „Zn wie fern id 
eine dergleichen Auflöfung für möglich halte gebe ich ein Beyipiel, das nur dazu 
dienen fol um den Freunden, deren Rath idy mir in diefer Sadje erbitte, im 
Kurzen verftändficher zu feyn. Dan nehme die beyden Enden menfchlidher Thätigleit 
Genuß und Streben, mit den dazwifchen liegenden Zuſtänden Gewohnheit 
und Refignation, al8 empiriſche Data für einmal an“ u. ſ. w. 

Zu diefer letzteren Briefſtelle gehört unfer Paffus als ein erfler Entwurf. 
Das Heften mit der Disputationsflizze, auf defjen letzte Seite der Paſſus bin- 
geworfen ift, lag alfo am 1. Mai 1801 auf Goethes Arbeitstifch. Das ftimmt gut 
mit der Annahme Pniowers (Goethes Fauft S. 84), der auf Grund des belannten 
Bricfes an Schiller, in dem zugleich die Zisputation und die bononifchen Leucht- 
fteine erwähnt werden, die Skizze in den Anfang April 1801 jett. 


Charlottenburg. Mar Morris. 


Fachtrag zn Seite 259. 


Ich batte in meinen Veröffentlichungen über den Briefivechjel zwischen Schiller 
und Huber die Vermutung ausgeiprohen, daß die Triginalbriefe Schillers an 
Huber durch Thereſe an die Cottaſche Buchhandlung gekommen feien. Dieſe Ber- 
mutung bat ſich als richtig herausgeſtellt. — Am 13. Februar 1828, zu einer Zeit 
alio, al8 Thereſe mit ihrem früheren Freunde, dem Buchhändler J. F. Cotta ſehr 
geſpannt war, erbat fie in ſehr förmlichem Tone die Rückſendung der im April 1825 
ihm Üibergebenen Briefe, und zwar 14 von Zparmann, 2 von Thunberger und 6 
von Camper an Forſter; ferner die Briefe von Schiller an Huber, „bie ih dor 
mehreren Jahren, in der Meinung, Sie würden Schillers Brief 
wechſel herausgeben, in Ihre Hände gab.” — 

Thereſe ıft allerdings erft fünf Vierteljahr fpäter geftorben‘ in den wenigen 
Briefen, die feit den angeführten von ihr an Cotta gejchrieben wurden, fam fie 
auf die Sache nicht zurüd, Sottaiche Briefe, in denen er der Schillerſchen Epifteln 
erwähnt, find mir nicht befannt, es scheint alſo, daß Cotta die ihm zunächſt leih⸗ 
weiſe libergebenen Bricfe behalten hat. 

Tie mitgeteilte Briefſtelle ift aber and in anderem Sinne intereffant. Sie 
deutet einen ſonſt micht bezeugten Plan Cottas an, Zcillers Briefe zu veröffent- 
lichen. Tieier fünnte damit zuſammenhängen, daR grade in jener Zeit durch Goethe 
feine Korreipondenz mit Zchiller im Gottajchen ®erlage ediert wurde. 


11. Auguft 1900. Ludmig Geiger. 


Kecenſtonen und Feferate. 


Die Tagebücher des Grafen Auguſt von Platen. Aus der Hand⸗ 
ſchrift des Dichters herausgegeben von G. von Laubmann und 
L. von Scheffler. Stuttgart, Verlag der J. G. Cottaſchen 
Buchhandlung Nachfolger. 1. Band 1896. 2. Band 1900. 
32 M. 
I 


Wenn der Beröffentlihung von „Platens Tagebuh“ im Jahre 1860 
eine große Enttäufhung der Forſcher wie der Verehrer des Dichters 
folgte, fo konnte diefe Enttäufhung, die fi mit Unrecht meift gegen ben 
toten Autobiographen wendete, feine befiere Rechtfertigung erfahren, als 
durch die Herausgabe der unverlürzten Tagebücher, wie fie uns jet ab» 
geſchloſſen vorliegt. Es ſtellt ſich Heraus, daß kaum jemals ein Werk durch 
die Hand des wohlmeinenden Bearbeiterd graufamer verftümmelt worden 
iſt als damals dies Vermächtnis eines rüdfihtslos offenen und wahr⸗ 
baftigen Dichters durch die allzu ängftliche Fürſorge eines theologifchen 
und eine8 wmedizinifchen Freundes, Alle Ausbrüche des überguellenden 
Gefühle, die uns den Menſchen erkennen lafien in feinem inneren Erleben, 
feinen Schwächen und Leiden, wie feinem Hoffen und Streben, find ge 
ftrihen. Nur das Thatfahenmaterial und die überreichen Lefefrüchte find 
geblieben, dabei aber überarbeitet und in eine Form gebracht, die oft alles 
Charakteriftifche eingebüßt hat. Nüchtern und troden mutet ung das Tage 
buch in der Faflung des Kirchenrats Engelhardt an, während das Ori⸗ 
ginal doch durchflutet ift von einem übermädtigen Strome des Gefühle. 
Und fo kommt es, daß gerade der Zweck der Publikation von 1860, nur 
da8 zu geben, was für das Werden des Dichters in Platen bebeutfam 
it, völlig verfehlt wurde. Denn unlösbar ift die Entwidlung gerade dieſes 
Dichters tief innerlich mit der Geſchichte feines Seelenlebens verflochten, 
und indem uns diefe vorenthalten blieb, konnte auch jeme nicht verftänd- 


590 Tie Tagebücher des Grafen Auguft von “Platen. 


licher werden. Nur die Echeu, die Belenntnifie Platen® uber das tras 
giſche Verhängnis feines Lebens aufs neue von Unverftand und übel⸗ 
wollen zur Beſtätigung von Heines widerlichen Angriffen mißbraucht zu 
ſehen, eine Scheu, die ja in erſter Linie auch Platens Mutter und 
Schelling gehegt hatten, kann die Redaktion Engelhardts und ihre Her⸗ 
ausgabe durch Karl Pfeufer erklären. Hatten doch beide die Bedeutung 
der freien Ergüſſe des Tagebuches wohl erkannt, wie am klarſten Pfeufers 
feinſinniges Vorwort beweiſt. Hier findet ſich die treffliche Charakteriſtik 
von Platens Verhältnis zu feinen Diarien: „Wer Jahre lang ein Tage— 
bud, nicht etwa blos der äußeren Begebenheiten, fondern des eigenen 
Herzens führt, wer jede Kränkung, jeden Echmerz, jede Täufchung, jeden 
wirklichen oder eingebildeten Tehler mit der gewifienhaften Treue eines 
Chroniſten einregiftriert: der zeigt eben hiedurd, daß ihm der heitere, 
unbefangene Genuß de8 Daſeins verfagt ift. In diefem Einne tröftet die 
Wahrnehmung, dag mit der zunehmenden Reife des Dichter die Auf» 
zeichnungen immer jparfamer werden, und in den fpäteren Abſchnitten nur 
felten von dem Äußeren, Thatfächlichen ab in jene unfeligen inneren Ber- 
tiefungen zurüdfehren.“ 

Den Bericht jener „unfeligen inneren Vertiefungen“ aber wagte Pfeufer 
fo wenig wie (Engelhardt zu veröffentlichen.Y; Und doch hatte Platen an 
Yefer feiner Tagebücher gedacht und ihrer Publikation nah feinem Tode 
fein hinderndes Verbot in den Weg geftellt. „ES kenne mich die Welt, 
auf daß fie mir verzeihe“ — dies jtolz.demütige Wort des Dichters 
giebt die beſte Mechtfertigung der neuen Ausgabe der fämtlihen achtzehn 
handichriftliden Wände oder 33 „Bücher“ de8 „Memorandum meines 
Lebens“, wie Platen fein Tagebuch betitelt. Wir verdanfen fie der Yni- 
tiative des Vorftandes der Münchener Hofs und Staatsbibliothel, Geheim⸗ 
rat Dr. von Yaubmann. Nachdem Yahrzchnte lang die Tagebücher aus Bes 
forgnis vor Misdeutung unter forglichem Verſchluß gehalten worden waren, 
erichien es ihm als Pflicht, einen fo wertvollen Schag des ihm unter 
stellten Inftituts der Wilfenfchaft zugänglich zu machen, zumal eine gerechte 
Würdigung von Platens unglüdlihem, aber wahrhaft vornehmen Charalter 





R Wie weit, fie in dieſer Scheu gingen, mag ein charatteriſtiſches Beiſpiel 
wigen. Am 24. Oltober 1816 Schreibt Platen in fein Tagebud (1, 671): „Wenn 
ich hier meine liebiten und kühnſten Wünſche niederlegen darf, fo nenne ih fie: 
einigen Tichterruhm, eine diplomatische Yaufbahn und B.s [Brandenftcins] Be⸗ 
tanntichaft “ Tieien legten, in jenem Augenblick für Platen beinabe wichtig ſten 

Wunich ließ Engelhardt ganz weg und drudte (5. 1371: „einſtigen Dichterruhm 
umd eine divlomatiiche Laufbahn.“ Tiefe verfälichte Faſſung lag Redlich vor und 
ging daher auch ın deiien biographiſche Skizze Vlatens iiber (Werle 3, 335), die 
denn leider auch wie an dieſer Stelle fo durchweg durch die Bertennung oder Ber- 
heimlichung des erotiſchen Freundichaftsmariyrnims Platens der tieferen pindhole- 
gischen Grundlage enthehrt — ein Umſtand, den man bei ihrer Sorgfalt und 
kritiichen Feinheit in anderer Hinficht mit doppeltem Bedauern empfindet. 


Die Tagebücher des Grafen Auguft von Platen. 591 


erft bei uneingefchräntter Offenheit und Aufrichtigkeit möglich werben 
fonnte. Diefer Intention ftellte fi eine unermüdliche Arbeitskraft in Dr. 
L. von Scheffler zur Berfügung, der in jahrelangem Bemühen allen 
geiftigen und geographifchen Wegen Platen® fo weit irgend möglich nach⸗ 
gehend dem forgfältig gedruckten Texte einen Kommentar beigab, deſſen 
biographifche und bibliographifhe Nachweiſe außerordentlich ergiebig und 
veih, im erftien Bande gelegentlih faft allzu gewiflenhaft genannt 
werden müſſen, während die übrig gebliebenen Lüden gewiß kein billiger 
Beurteiler wird tadeln wollen.!) Bedauerlich ift nur, daß das Regifter, 
um die Ausgabe nicht noch länger zu verzögern, nicht auch nad ber 
biographifchen und namentlich Litterarifchen Seite mit derfelben eingehenden 
Specificierung bearbeitet werden konnte wie nad der geographiſch⸗topo⸗ 
graphifchen. Hier wird fich vielleicht da8 Bedürfnis einer Ergänzung her⸗ 
ausftellen. Trefflich aber find die einführenden Bemerkungen, die Scheffler 
den beiden Bänden vorangeftellt bat, und die für die Würdigung bes 
Gebotenen die richtigen Gefichtspunfte aufftellen. 

Die Bedeutung der umfangreichen Publilation wird verfchieden beur- 
teilt werden je nad) den Anforderungen, die man glaubt, an ein folches 
Werk ftellen zu follen. Wer in erfter Linie eine Fülle interefianter äußerer 
Begebenheiten, eine geiftvolle Beleuchtung des litterarifchen Lebens im 
erften Drittel des 19. Jahrhunderts, ein Schagläftlein von Kunfturteilen 
und Beiprehungen aus der ganzen Weltlitteratur erwartet, der wird viels 
leicht feinen Ertrag aus dieſen zweitaufend Seiten nicht ganz befriedigend 
finden. Wohl ift nach jeder diefer Richtungen gar viele® geboten, und 
. nit bloß der Litterar-, auch der Kulturhiftorifer kann hier reihen Gewinn 
ziehen; aber die durchgehende perſönliche Betracdhtungsweife mit ihrer 
ftarten feeliihen Befangenheit nimmt diefen Berichten nnd Urteilen bie 
erfreulichen frifchen Farben und läßt die Einzelheiten zurüdtreten Hinter 
der übermädtigen grauen Stimmung, die in dem ganzen Lebensbilde vor: 
berricht. Die unendlich vielen, reihen Ausblide, die gerade Platen mit 
feiner univerfalen Bildung bieten konnte, find daher oft verfchleiert, unbe 


!) Kleine Nachträge und Berichtigungen werden fid) bei einem fo umfang- 
reihen Werke im Laufe der Zeit immer ergeben, ohne das Berdienft der gewaltigen 
grundlegenden Arbeit zu verringern. So verichafft vielleicht ein Zufall mehr Licht 
über die Perjönlichkeit des Malers MW. fiel, über den fich nichts eruieren ließ; 
nad) Briefen an Platen ift er fpäter Hofrat geworden. Die 1, 435 genannte Be⸗ 
jprehung von Müllners „Schuld“ [48] fteht im „Münchener Theater⸗Journal“, 
herausgegeben von Hofſchauſpieler Carl, IH. Jahrgang 1816, 1. Heft, S. 48—89. 
Der 1, 520 erwähnte Bericht über das Feſt des 5. Ghevaupleger-Regiments [47] 
findet fi in der „Augsburgiichen Orbinari-Poftzeitung“ vom 10. Mai 1816. In 
der Überfiht von Platens Dichtungen und Schriften fehlt unter den pen und 
epiihen Gedichten das „Todtenſchiff“ 2, 435, defien Anfang, lbrigens nit in 
Nr. 24, jondern Nr. 25 der Münchener Plateriana erhalten ift; ebenfo vermißt 
man den „Amadis“ 2, 621. ' 


592 Die Tagebücher des Grafen Auguft von Platen. 


ftimmt und geeignet, den lebhaften Wunſch nad größerer Friſche und 
Ausführlichleit wachzurufen, um fo mehr, als mande Charalteriftilen 
(. 3. von Döllinger oder Viebig) ungemein fcharfe und treffende Umriffe 
geben. Aber nicht um die Ausblide handelt es ſich für Platen bei feinen 
Niederfchriften, fondern um den Einblid in fich felbit, und wer dieſen 
Standpunkt als berechtigt anerlennt — und wer könnte ihn beftreiten? — 
der muß diefe „Tagebücher“ den merkwürdigiten Erfcheinungen der Welt⸗ 
litteratur beizählen. Sie gehören in die Fortfegung jener Reihe von Selbſt⸗ 
befenntniflen, die von Auguſtins Confessiones über Rouffeau und Alfieri 
zu Goethes „Wahrheit und Dichtung“ führen; an Wahrhaftigkeit und 
Aufrichtigkeit aber find fie durch den von aller Frechheit weit entfernten 
Ernft des Berfafjerd wie die IUnmittelbarkeit der täglichen Ausſprache ein 
Gipfel, über den auh in Zukunft nicht wird Hinausgegangen werden 
können. „Nur durch diefen legten Grad von Aufrichtigleit kann eine 
Selbftbiographie interejjant werden,“ meint Platen (1, 756). „Wollte 
Gott, ed hätten ung alle großen Männer ftatt einer ‚,Wahrheit und 
Dichtung’ eine Beichte Hinterlaffen wie Rouſſeau.“ Wie Goethes kunſt⸗ 
leriich harmonische, dabei im höchſten Einne hiftorifhe Ausgeftaltung des 
eigenen Yebensbildes, jo würde Platen auch jede andere Art von Memoiren 
abgelehnt haben, die nicht den legten Schleier von der Seele des Schrei» 
benden hinmwegzögen. Und diefem Standpunfte, den er fchon in früher 
Jugend einnahm, blieb er bi8 and Ende treu, ja gerade hierin erblidte 
er das litterarische Verdienft feiner Aufzeichnungen. „Wenn je etwas Er⸗ 
ſprießliches aus meiner Feder floß oder fließen wird,“ urteilt er in feinem 
zwanzigften Yebensjahre (1, 537, „jo ſind's diefe Diarien, die immer 
einen gewiſſen Wert behalten, wenn fie aud von dem unbedeutendften 
Menſchen handeln, da fie aufrichtig find und feine allmähliche Entwidelung 
deutlich entfalten. Wielleicht ift feines Menſchen Leben ganz unintereffant, 
wenn er es felbft beichreibt. Ein Yeben voll Tihorheiten, wie das meine, 
ift überdies lehrreicher, al8 jedes andere. Es ift eine beftändige Warnung 
vor Celbftbetrug und Betrug an anderen. Es zeigt, wie lange oft eine 
auf gar nichts Reelles fi gründende Neigung der Vernunft zu trogen 
vermag, und in welche Abgründe fie führt. Es zeigt aber auch, daß nach 
und nad alles überwunden werden könne.“ 

Diefe legten Sätze weiſen auf den großen inneren Kampf Hin, ben 
Platen in diefen Blättern vor unferen Augen vom Erwachen des vollen 
Zelbftberußtfeins an bi8 ans Ende durchficht. Er bat „alles überwunden“ 
und den Adel feines Charakters fiegreich behauptet. Daß die aber nur 
in einem immerwährenden, aufreibenden Ringen mit einer unausrottbaren 
verhängnisvollen Naturanlage, nur durch den Verzicht auf unbefangenes 
Pebeneglüd, nur unter Berluft der höchſten künftlerifchen Productivität 
möglih war, das iſt ein wahrhaft tragifches Schidjal, das ftempelt ihn 
zum wahrhaft tragischen Helden, deſſen Charakter bei aller Beſonderheit 


Tie Tagebücher des Grafen Auguſt von Platen. 593 


und manchmal faft abftogenden Sonderbarfeit doch menſchlicher Größe 
nicht entbehrt. Der piychologifche Wert der Tagebücher iſt es in erfter 
Tinie, der fie zu einem unſchätzbaren document humain madt; von hier 
aus ziehen wir den bedeutfamften Hiftorifhen und äſthetiſchen Gewinn. 
Der pſychologiſch-biographiſche Gefichtspunft fol daher auch dem folgenden 
Neferate die Richtung geben. 

An äußeren Begebenheiten hat Platen wenig Intereffe; nur was fie 
für ihn bedeuten, wie fie auf ihn einwirfen, das giebt ihnen Gewicht und 
fann daher auch manchmal den Meinften Vorkommniſſen zu eingehendfter 
Beſprechung verhelfen. Große neue Thatſachen feines äußeren Lebens 
leınen wir alfo aus den Tagebüchern nicht kennen; dagegen erklärt fich 
ung fein Charakter bis in feine geheimften Winkel und läßt num aud) 
den tiefen Grund feiner Abfonderlichkeiten erfennen, die bisher meilt nur 
dazu dienen mußten, fein Bild gehäſſig zu entftellen. 

Seinen eigentlihen Diarien, deren unverfürzted Driginal erft mit 
dem Eintritte beim Militär beginnt, hat Platen eine kurze Erzählung 
feiner Kindheit und eine zufammendrängende Bearbeitung feiner älteften 
Tagebücher vorangeftellt, jo daß uns Fein Teilchen feines Entwidlungs« 
ganges vorenthalten wird. Und in der That darf die grundlegende 
Bedeutung der früheften Zeit von 1796 bis 1806 nicht verfannt werden; 
der überwiegend weibliche Einfluß in den Ansbacher Knabenjahren, deuen 
die feinfinnige und liebevolle Mutter ein glücdliches Gepräge zu geben 
vermochte, mußte das Kind wohl weicher und empfindlicher in feinem 
Semütsleben erhalten, al8 ihm dann in der rauhen Luft des Kadetten- 
hauſes, fern von jeglicher weiblichen Würforge, gut war. Hier gab es 
„weder Recht nod Anrecht, nur Gehorfam und Widerfeglichkeit” (1, 16), 
und wie eine Befreiung mußte der Vierzehnjährige feine Aufnahme in die 
Pagerie mit ihren feineren Formen und weiteren Erziehungsaufgaben 
begrüßen. Auch der Glanz tes Hofes, den er num im täglichen Dienfte 
tennen lernte, befchäftigte feine Phantafie und befriedigte feine Eitelkeit, 
ohne ihn aber zum Hofmanne machen zu können. Seine Verehrung für 
den gütigen König und den Funftliebenden, bdeutfchgefinnten Kronprinzen 
vermochte nicht zu verhindern, daß ſchon frühe die demokratiſchen An⸗ 
ſchauungen bei ihm Wurzel faßten, denen er im Grunde fein Lebtag 
gehuldigt hat. Auch nahm er gar bald hinter tem glänzenden Scheine 
des Hoflebens manches Kleinlihe und Leere wahr, und fo entwidelte fi 
eine ungefunde Frühreife, die ſchon zeitig die unbefangene Lebensfreudigkeit 
erftidte. Er fühlte fih in miandhen Dingen fon bier im Gegenfage zu 
feiner Umgebung; viel fchroffer mußte diefer Gegenfag werden, als Platen 
im März 1814, mehr dem Zuge der Friegerifhden Zeit als Maren Er» 
wägungen oder gar innerer Neigung folgend, in den Militärdienft eintrat. 

Eine unglüdlichere Berufswahl hätte Platen kaum treffen können. 
Der Dienft, der ihn nicht im mindeflen anfprad), war ihm nur -eine Laſt 

Cupborion. VII. 38 


594 Die Tagebücher des Grafen Auguft von Platen. 


und wurde von ihm in einer Weife verfehen, die ihm unmöglich das 
MWohlwollen feiner Borgejegten erwerben konnte. Bei feinen Kameraden 
aber hatten ihm feine Abjonderlichkeiten ſchon in der Pagenzeit den Bei⸗ 
namen „der Narr“ eingetragen. Die ftiefmütterlihen Gaben, womit die 
Natur feine äußere Erſcheinung ausgeftattet hatte, erjchwerten es ihm, 
weltläufig aufzutreten. Aber auch wenn er verfuchte, die ſchwere Kunft des 
Umgangs mit Menfchen zu lernen, fo fcheiterte dies Bemühen immer 
wieder an feinem unüberwindlichen Widerwillen gegen Tanz und Gpiel 
und die fade Oberflächlichkeit der Geſellſchaft überhaupt. Mit feinem 
linfifchen, wortlargen Benehmen fpielte er, wie er ſelbſt empfand, eine 
üble Rolle. Entfhädigung dafür fuchte er in leidenfchaftlier Hingabe an 
feine fchöngeiftigen Studien, eine ausgedehnte Lectüre und feine leicht» 
flüffige Dichtung. Aber ohne eine führende Hand bei feinen Arbeiten, 
ohne verläffigen Eritifchen Beirat in feiner Poeſie kam er auf beiden 
Gebieten aus dem Taſten und Schwanken nicht heraus. Er fühlte ſich 
immer wieder umnficher, nie befriedigt, und fo fleigerte fich feine Reizbarkeit 
und Schwermut bis zu unleidlicher Höhe, machte aber zugleih auch den 
Verkehr mit ihm immer unerquidlicher. Trogdem fehlte es ihm nicht an 
trefflihen Freunden, unter denen bejonders Perglas (ſchon 1820 ge- 
ftorben), Fritz Fugger, der nachmals Platens Geſchäftsträger in Deutſch⸗ 
land blieb, Xylander (ſpäter Bundestagegejandter in Frankfurt), Schnizlein 
(geſtorben als Generallieutenant und Gouverneur von Landau), Lübder 
(nachmals bayeriſcher Kriegsminiſter), Schlichtegroll (der ſpätere Reichs⸗ 
archivrat) u. a. hervortreten. Zeitweiſe hatte er ſo Genoſſen ſeiner Studien, 
wie z. B. Schlichtegroll mit ihm Engliſch trieb, und vor allem ein 
Publikum für ſeine Gedichte. Aber der Dienſt wie die verſchiedenen In⸗ 
tereſſengegenſätze trennten allmählich dieſen Kreis; durch die Verhältniſſe 
und eigene Selbſtquälerei fühlte ſich Platen immer wieder vereinſamt und 
gemieden. „Ich werde von niemand geliebt. Das ſicherſte Mittel, geliebt 
zu werden, ſagt Boccaz, iſt zu lieben. Ich liebe; aber niemand hängt 
an mir. Viele meiner Bekannten wurden durch meine Bizarrerien von 
mir abgeichredt. Ich könnte artig, zuvorkommend, einſchmeichelnd gegen 
die Menſchen fein und dadurch fehr bei ihnen gewinnen; fo aber ift im 
Gegenteil ein Trieb in mir, jedem, der befonderen Anteil an mir zu 
nehmen fcheint, durch eine Alnfreundlicjkeit wehe zu thun. Wen ich Lieb 
baben fol, der darf mir nicht oft fagen, daß er mich liebe, fonft treibt 
mid) der Geift des Widerſpruchs, mich ihm auf einer unvorteilbaften 
Eeite zu zeigen, und follte es auch durch eine mir felbft fchädliche Ber⸗ 
ftelung fein. Ich beftreite jedermanns Lieblingsideen, und follten es meine 
eigenen fein.“ (1, 518 f.\ 

Einen Aufſchwung aus diefer Bitterkeit und Schwermuth hoffte 
Blaten, ald er am 15. April 1815 gegen Frankreich ausmarſchieren 
durfte. Aber ein neidifches Geſchick verjagte ihm all die erwarteten großen 


Die Tagebücher des Grafen Auguft von Platen. 695 


Eindrüde und Thaten. Platens Truppenteil ift nie ins Feuer gelommen; 
in langen Märchen und etlichen mehr oder minder bequemen Stand 
quartieren erſchöpfte fi die Thätigkeit der bayerifchen Reſervearmee, und 
fo konnte Platen auch im Kriege reichlich feinen unkriegerifchen Neigungen 
nachgehen. „Als Soldat reifend,” wie er e8 treffend nennt (1, 262), nimmt 
er jede Sehenswürbigfeit, jede Kirche, jedes Schloß in Augenfchein, wenn 
er nur irgend Zeit dazu finden kann. Keine größere Stadt wird berührt, ohne 
daß die Buchhändler aufgefucht und ihre Beftände durchmuſtert würden. 
Auch die Natur wie die Eigenart der Bewohner ſucht er fih in den 
verfchiedennen Landftrihen Mar zu machen. „Ich betrachte alles, ich beob⸗ 
achte die Menfchen und ihre Werke, aber ich lebe nicht mehr mit ihnen“ 
(1, 286), das ift feine Lebensweife in den Monaten vom April bie 
Dezember 1815. 

„Sch Iebe nicht mehr mit ihnen." Wieder ſpricht hier die unfelige 
Ginfamteit eine® Mannes zu uns, der unverſtanden und befpöttelt am 
falfchen Flecke fteht. Die wenigen Kameraden, die durch geiftige Interefien 
mit Platen verbunden, waren hei anderen Zruppenteilen zeritreut und 
nur ein glüdliher Zufall brachte einmal eine gelegentliche Berührung. 
In feiner Umgebung fehlte ihm jede fympathifche Erfcheinung Die all- 
gemeine Sittenlofigleit empörte ihn; der bayerifche Particularismus, ber 
ihm in den Dffizieröfreifen faft allenthalben entgegentrat, reizte fein kräf⸗ 
tiges nationales Empfinden zum Iebhafteften Widerſpruch. Seine Gedichte, 
die und bemeifen, daß er felbft unter dieſen ungäünftigen Umftänden von 
der Größe der Zeit einen fräftigen Hauch verſpurt hat, durften auf An⸗ 
erfennung bei diefen Rameraden ebenfo wenig rechnen wie feine eifrig 
betriebene franzöfifche, englifche und italienische Lektüre. Und fo ift es kein 
Wunder, daß Platen gar bald wieder der alten, inneren Unzufriedenheit 
anheim fällt: „Im übrigen langweile ich mich Hier in Frankreich, da wir 
nichts mehr zu thun haben, und ich denke mit Sehnfucht an meine ftillen 
und geliebten Studien zu München mit Pergla® und an bie guten Leute, 
die ich dort verließ. Es waren fchöne Abende, es war eine gute Zeit. 
Was fol ih auch hier auf dem fremden Boden.” (1, 259.) 

Am 11. Dezember 1815 fühlt er fi gluclich und froh, wieder im 
alten lieben Münden einzutreffen. Aber keine drei Wochen weilt er bier, 
fo bricht auch fchon wieder die alte Melancholie hervor. Der tieffte Grund 
bafür freilich war fein unbefriedigte® Liebesbebürfnis, das ſchon im feinem 
fiebzehnten Lebensjahr eine verhängnisvolle Gewalt gewonnen hatte und 
fein ganzes Phantafieleben beherrſchte. Zunähft war es eine Sehnſucht 
ohne Gegenftand, ein Gefühl des Mangels, dem keiner jeiner Kameraden, 
noch weniger aber ein Mädchen zu genügen geeignet war. Die idealen 
Forderungen des Jünglings richteten fi) an junge Männer, die er gar, 
nicht perſönlich kannte, auf deren einnehmende Züge er vielmehr bloß fein. 
Ideal übertrug. So erging «8 ihm mit dem Grafen Mercy, fo auch mit 

38* 


596 Die Tagebücher des Grafen Auguft von Platen. 


dem Prinzen Dttingen-Wallerjtein, deſſen früher Heldentod ihn heiße 
Thränen koſtete. Vergebens bemühte er fih dann, Offizier geworden, ſich 
in eine junge Dame, die anmutige Euphrafie von Boiſſeſon, zu verlieben; 
e8 gelingt ihm nicht und wiederholt taucht in feinem Tagebuche die Klage 
auf, daß fein Mädchen auf ihm einen tieferen Eindrud machen könne. 
Schon in feiner Pagenzeit berichtet er: „Ich gewöhnte mich, meine 
Hoffnungen und Träume der Liebe an Perfonen meines eigenen Geſchlechts 
zu verfchwenden und fuchte in ihrer Freundſchaft dasjenige Ziel zu erringen, 
das der Piebende in der Ehe fucht. Ich gewöhnte mich, die Frauen mehr 
zu verehren als zu lieben, die Männer mehr zu lieben als zu verehren. 
Ih bin ſchüchtern von Natur, aber am wenigſten bin ich's in ganz 
ungemifchter Gefellichaft von Weibern, am meiften in ungemifchter Männer 
geſellſchaft. Am meiften gefiel mir die Zartheit der Weiber, aber ich fah 
fie nit al8 etwas Auswärtiges, fondern als etwas auch meinem Weſen 
Inwohnendes an.“ (1, 67.) 

Wie die weibliche Zartheit ihm weſensverwandt erfchien, jo war es 
männliche Kraft und Schönheit, die ihn als feine notwendige Ergänzung 
unwiderftehlih anzog. Die äußere Echönheit ift bei allen feinen Phan⸗ 
tafieleidenjchaften der Ausgangspunkt. Cie fefjelte auch den jungen Offizier 
an den ftattlihen blonden Rittmeifter von Brandenftein, dem viele feiner 
Gedichte aus den Jahren 1814 bie 1816, aber aud noch aus fpäterer 
Zeit gewidmet find. Sein Bild verfolgt ihn Jahre lang Tag und Nadt, 
begleitet ihn ins Feld und erneut fi nah der Ruckkehr mit neuen 
Farben; ihm dichtet er alle die Charaktereigenfchaften an, die er bei feinem 
Freunde fucht und fchwelgt in feiner Phantaſie in Tiebesglüd und +fchmerz. 
Seinem „Federigo“ aber im Leben näher zu treten, fehlt ihm die Ent» 
ſchloſſenheit und die Gefchidlichkeit. Auf die romantifchefte Weife fucht er 
fi feine Silhouette zu verſchaffen, natürlich vergebens; aber fi dem 
Vergötterten vorftellen zu laſſen, erfcheint ihm unmöglich, und das Schidfal 
muß deshalb die graufamften Anklagen über fi) ergehen laſſen. Diefe 
ganze Ihantafieliebe ift eine ermüdende Selbitquälerei, die er aber troß ihrer 
Ergebnislofigkeit, ja Ausfichtslofigfeit Hartnädig fefthält, bis eine neue 
Leidenſchaft fie ablöft. Indem er fi nun aber diefer zumendet, fühlt er 
ſchon dunkel die drohende Gefahr: „D du gewaltiger Amor,“ ruft er 
aus (1, 469), „mit wie viel taufend und taufend Schlingen durchwebſt 
Dir die ganze Welt! Wen bannit Du nicht in Deinen Zauberring? Mi 
nicht. Zwitterhafte Gefühle nähıft Du in meinem Buſen, vor benen 
mancher fhaudern würde; aber Gott weiß es, meine Neigung ift reim 
und gut.“ 

Eine große Ernüchterung beendet diefe Yeidenfchaft für Wilhelm von 
Hornftein. Yange hat Platen vergeblich verfucht, ihm näher zu lommen; 
endlich fügt es der Zufall, daß fie zufammen auf Wade ziehen, und da 
muß er nun erfahren, daß dies Ideal feiner Phantafie fich leineswegt 


Die Tagebücher des Grafen Auguft von Platen. 597 


über das verhaßte Durchſchnittsniveau des Truppenoffizierd erhebt, ja in 
fittlihen wie äjthetifchen ragen diefelben rohen Scherze liebt wie bie 
anderen alle. „Man muß feine feelenvollen Menſchen unter dem Militär: 
ftande ſuchen“ (1, 487), klagt Platen; in mancher düſteren Stunde 
ſteigert ſich aber ſeine Schwermut bis zur Sehnſucht nah einem frühen 
Tode: „Seh' ich doch, welch ein Leben ich führe, ein Leben, wovon eine 
ſtrenge Hand die wenigen Blumen noch abſtreift, womit die Phantaſie es 
bekleidete. Lehre mich, Vater im Himmel, wo das Gluck zu finden ſei, 
lehre mich die wahre Weisheit des Lebens oder laß mich enden!“ (1, 484.) 

In religiöſen Gedanken ſucht er ſeine Faſſung wiederzugewinnen, wie 
er denn zu dieſer Zeit dem Chriſtentume innerlichſt ergeben war. Aber 
dennoch gewinnt die düſterſte Melancholie immer wieder die Oberhand, 
bis zu dem Gedanken an Selbſtmord (1, 464 f.). Nie aber, ſelbſt in 
der äußerſten Niedergeſchlagenheit, ermattet Platen in dem Beſtreben, ſich 
frei zu halten von gefährlichen oder gar unwürdigen Banden. In Frank⸗ 
reich hatte er das „unſelige Geheimnis“ (1, 141) erfahren, daß auch bei 
der Liebe zwiſchen Männern das ſinnliche Element Gewalt haben könne. 
Welch ſchweres Verhängnis damit über ihm waltete, fam ihm erit all 
mählih, aber immer Marer zum Bewußtfein. „Was mid am meiften 
zittern machen follte, ift, daß meine Neigungen bei weitem mehr nad) 
meinem eigenen Geſchlechte gerichtet find, als nach dem weiblichen. Kann 
ich ändern, was nicht mein Werk if? . . . Obne alle Sinnlichkeit kann 
feine Liebe fein. Aber niemald und auf feine Weife bat mir Federigo 
gemeinsfinnliche Triebe erwect. Aber wenn es bei anderen fo weit mit mir 
kommen follte! D, dann verſchlinge mid, eher der Abgrund. Ich würde 
verloren fein. Ih würde mid elend in mir felbit verzehren, ich wurde 
nie zu meinem Zwede gelangen und würbe auch fchaudern, ihn zu er- 
reihen. Wie fehr fchon eine edlere Tiebe an den Rand des Berderbens 
und der Verzweiflung führen Tann, weiß ih; aber wie fürchterlich eine 
finnlide Glut den ganzen Menfchen zerflören muß, das erfuhr ich nicht; 
aber ich habe davon eine graufame Ahnung. 8 gibt fo viel in der Welt, 
was mich wünfchen macht, daß ich niemals geboren wäre.“ (1, 838 f.) 
Nicht blog diefe Stelle, die ganze Gefchichte feines Seelenlebens ift ein 
Beweis, daß die oft beredete, von feinen Yeinden gerne verläfterte, von 
feinen Verehrern gerne vertufchte pathologifhe feruelle Beranlagung 
Platens Thatſache war. Aber nicht nur dies umabänderliche Berhängnis 
ftellen die unverfürzten Tagebücher außer alle Frage; fie beweilen auch 
unwiderleglich, daß er in der Schidfalstragövie feines Lebens ſich felbfi 
verzehrend ethifch doc Sieger geblieben ift. 

Wie der Feldzug von 1815, oder vielleicht in noch höherem Grabe 
war für Platen bei diefem unfeligen Zuftande der fünfwöchige Urlaub, 
den er im Sommer 1816 zu feiner erften Schweizer Reife verivenden 
fonnte, eine Wohlthat. Herausgerifien aus feinen quälenden Träumereien 


598 Die Tagebücher des Grafen Auguft von Platen. 


wie aus dem unerjättliden Studium ſeiner Mußeftunden, konnte er jeßt 
einmal ganz dem Naturgenuß leben. In Fräftiger Wanderung, teilmweife 
durch angenehme Geſellſchaft begünftigt, durchftreift er das Land, deſſen 
Schönheit ihn entzüdt, deſſen republikaniſche Einrichtungen feinen demo⸗ 
kratiihen Sinn erquiden. Befriedigt fchreibt er auf feiner Heimreife: 
„Nicht meiner körperlichen Gefundheit allein, auch meiner geifligen war 
diefe Reife gewogen. Der freie Anblid der ſchönen großen Natur bat 
allmählich viele fchiefe und übertriebene Ideen verdrängt und den reinen 
Seift immer mehr zur einfachen ruhigen Vernunft aufgeflärt.“ 

Unter der günftigen Nachwirkung diefes erfrifchenden Naturbades 
vang ſich Platen, zurüdgelehrt, auch in feinen äußeren Berhältniffen zu 
Harerer Anſchauung und fefterer Haltung durch. Wenn fein Leben, wie 
er es treffend bezeichnet (1, 679), ein immermwährender „Kampf der hell 
ſehenden Vernunft wider die täufchende Empfindung“ war, fo war e8 dod 
eine fruchtbare Zeit, als fi aus der neuen dienftlihen und geſellſchaftlichen 
Bedrängnis in Münden und beim Urlaub in Ansbah (Ende 1816) 
nicht bloß die Erkenntnis entwidelte, daß er nicht an feinem rechten Platze 
ftehe (1, 672. 675 und öfter), fondern auch das Beftreben, ein feites, 
wahre® Ziel zu gewinnen (1, 7421. Bon verzmweifelnden Selbftmord- 
gedanken, die energisch abgewiefen werden (1, 746. 750) wandert die 
Phantafie zu der Idee einer Auswanderung nad Amerika, um dort ein 
neues Leben zu beginnen ı1, 719—730. 769. 842; 2, 3 f.). Freilich 
ftehen dem cbenfo wie dem freien unabhängigen Studium die befchränften 
Geldmittel der Familie entgegen, die dem jungen Offizier den Verzicht 
auf feine Ecine Gage unmöglih machten. Co muß er fid) zunächſt damit 
begnügen, durch einen neuen Urlaub Zeit für feine autodidaltifchen 
Studien zu gewinnen, in der Hoffnung, fpäter fi) ganz von den drädenden 
Berhältniffen ın Münden zu befreien. 

Die idyllifchen vier Dlonate des Jahres 1817 in Schlierfee gehören 
zu den glüdlichften Zeiten in Platens Yeben. Hier konnte er fi in freier 
Natur nad) Herzensluft ergehen und fuchte, uneingeftanden Goethe nach⸗ 
ahmend, auch durch Beſchäftigung mit Botanik in die Natur einzudringen. 
Hier lebte er nichts als feiner Geſundheit und feinen Studien. Dabei la® 
er nicht fo viel wie zu Haufe (1, 842), fuchte aber das Gelefene um fo 
beifer denfend zu verarbeiten. Homer war fein jtändiger Begleiter, „der 
erquidende Trank der Alpentränter“ fein ftereotyp gepriefenes -Labfal. Er 
hielt fi frei von Grillen, außer etwa der höchſt unfchädlichen, für feinen 
Privatgebrauch alle fhönen Punkte der anmutigen Umgebung von Schlierfee 
mit voltönenden rvomanifhen Namen zu begaben, da er gerade das 
Epanifche eifrig betrieb. Er beobachtet mit klarem Blick feine Umgebung 
und berichtet manden kulturhiſtoriſch intereiianten Zug von den Pfarr- 
herren der Umgegend. Auch gelegentliher Beſuch fehlte nit ganz, und 
jo kann denn auch fein vorheriger Entſchluß, der Poeſie ganz zu entfagen, 


Die Tagebücher des Grafen Auguft von Platen. 599 


nicht Beftand haben und wie auf der Schweizer Reife entfichen einige 
ihöne Gedichte. 

Kaum aber rüdt der Tag der Rückehr heran, fo kommt and der 
alte Zwieſpalt zum Ausbruch; bald fehnt er fih nah Menfchen und 
Umgang, bald nah Einſamkeit in der Natur. Nene bienftliche Verdrießlich⸗ 
teiten bringen ihn zu dem Entſchluß, es mit der diplomatiſchen Laufbahn 
zu verfuchen; er reicht ein Gefuh um einen mehrjährigen Urlaub ein, 
um die Univerfität zu beſuchen, und nachdem es zuerft ganz ausfichtslos 
erfhienen, dann durch das Belanntwerden feines „Siege der Gläubigen“ 
noch einmal gefährdet worden ift, wird es ihm endlich bewilligt. Am 
18. Februar 1818 erhält er die Genehmigung des Könige und empfindet 
dankbar nit nur eine Befreiung, fondern aud die Übernahme einer 
großen Pflicht: „Wie vielen Dank bin ih nit der Vorſehung fchuldig, 
die mich aus einer Lage gerifien bat, für die ich nicht taugte, und bie 
anfing, mir immer ſchwerer und unleidliher zu werden. Gleichwohl 
erwartet mich jet eine Harte Arbeit. Nicht jeme Gefühle dürfen mid 
befeelen, mit denen ich nad) Schlierfee abreifte, die Liebe der Ruhe, bes 
Landlebens, der Muſen, der mannigfaltigen Freuden der Natur... 
Selten wie Gold und Perlen find die forgenfreien, heiteren Tage ber 
Menſchen. Ein angeftrengtes und nicht lachendes Studium erwartet mid, 
von defien Vollendung mein künftiger Beruf abhängt. Aber dies kommende 
Leben, wie fehr fteht e8 über meinem jüngftvergangenen. Jene marternden 
Kleinigkeiten, jene tödtliche Langeweile, „des Dienftes immer gleichgeftellte 
Uhr, die Waffenübung, das Kommandowort“, all dies liegt Hinter mir. 
Die Mühe, der ich entgegenjehe, wird, wenn ich anders will, reichlich 
vergolten werden in der zu erringenden Bildung. Die Anftrengung, der 
ih mich unterwerfen muß, wird einft dem Staate zu gute kommen.“ 
(2, 27.) 

II. 

Die Gründe, die Platen die diplomatifhe Laufbahn wünfchenswert 
eriheinen ließen, waren im wefentlichen biefelben, die ihn feinerzeit dem 
Militär zugeführt hatten: Die Hoffnung auf Reifen und viel freie Zeit, 
eine entjprechende gefellihaftliche Stellung und Muße zn eigenen Lieb- 
babereien. Bedenken mußte ihm dagegen bald der Gebanfe erweden, daß 
er, der demokratiih und national gefinnte Deutfche, dazu dienen follte, 
partitulariftifche und dynaftifche Intereffen zu vertreten und fo war eime 
innere Berufsfreudigfeit von vorne herein ausgeſchloſſen. War es doch 
eine fonderbare Ironie des Zufalls, daß er gerade zu der Zeit zum biplo- 
matifhen Dienfte den Zugang eröffnet erhielt, ald feine Komödie „Der 
Sieg der Gläubigen“ mit ihrer bitteren Satire auf die neuefte diploma- 
tifche Peiftung feiner Regierung, das Konkordat, bis in die höchften Kreife 
Auffehen erregte, obwohl fie vorfichtigerweife nicht gedrudt wurde. Der 
Proteftant, der zur Säcularfeier der Reformation zum erften Male eine 


600 Tie Tagebücher des Grafen Auguſt von Platen. 


Gabe feiner Mufe druden ließ, der bei innerlich religiöfer Gefinnung bald 
immer mehr aud von der eigenen Kirche fih abmwendete, um ſchließlich 
bei einer antilen Welt« und Yebensanfhauung zu landen, hätte auch bei 
günftigeren äußeren Gaben, als fie Platen bejaß, fchwerlich je eine Rolle 
in der bayerifchen Diplomatie Spielen können. Zunächſt aber genügte es ja 
volltommen, dag die ausgeſprochene Abfiht ihm einige Jahre freien 
Studiums eröffnete, und er bradte dafür ein Maß ſprachlicher und 
biftorifcher Kenntniffe mit, da8 weit über das Gemwöhnlihe hinausging. 
Seine Yectüre hatte er immer über die Poeſie auch auf geihichtlihe und 
philofophifhe Bücher ausgedehnt; neue Sprachen zu lernen, betrieb er 
mit wahrer Yerdenichaft. „Ich muß geftehen, daß mir durd Gewohnheit 
eine Grammatik fo unterhaltend al8 ein Roman däucht, wenn fie nicht 
ganz ungenial gefchrieben ift.“ (1, 862.) Er überjegt italienifhe tanzen 
in franzöſiſche «2, 19%, macht portugiefiiche, engliiche, italienifche, französ 
fifche Verſe, überjegt aus dem Yateinifhen ins Englifhe und vergleicht 
Popes Homerüberiegung mit dem Original — kurz verfteht nicht nur 
Ihon als Leutnant acht verfchiedene alte und neue Sprachen, fondern 
weiß fie auch mit einer Sicherheit zu handhaben, die nur einem ganz 
ungewöhnlidhen Sprachtalent erreichbar fein konnte. 

Wie man fieht, geht hier öfters das Sprachſtudium mit der Bethä⸗ 
tigung des eigenem dichteriichen Nermögens Hand in Hand. Bis in die 
Kindheit Platens veichen feine erften poetischen Berfuche zurüd, von denen 
er in feinen Tagebüchern unter wecdfelnden Stimmungen berichtet. Früh 
regt ſich feine fatirifche Ader, die ihm noch fo böfe Iingelegenheiten bereiten 
follte, vor allem in einem Gedicht über einen feiner Pehrer am Kadetten⸗ 
forpe, Prof. Prändel, Tann entitehen im Felde — außer den lyriſchen 
Ergüſſen, die immer inneren Erlebnifjen und nicht dem Wunſche des 
Verſemachens entipringen — Epiſteln an die Freunde und Balladen nad 
engliichem Vorbilde. „Die Grotten von Arcy“ hält er zunädft für das 
Beite, was er geichrieben. (1, 322.: Aber er war fich felbit far darüber: 
„Es iſt nur zu gewiß, dag wir das, was faum aus unferer Feder floß, 
allzu günftig beurteilen* :2, 103% — ein Fehler, in den er Zeit feines 
Yebens nod) oft verfiel. Nach dem Kriege fchreibt er in fünf Tagen ein 
Drama „Tie Tochter Kadmus“, wozu er die Form aus Müllners 
„Schuld“ entnahm, die einen großen Eindruck auf ihn machte. Auch 
andere dramatiiche Pläne befchäftigen ıhn, befonders „Konradin“ und „Der 
Hochzeitgaſt“, die fid) im feinem dramatiihen Nachlaß, der demnädft in 
Auguft Sauers Yıitteraturdenfmalen herausgegeben wird, großentheild er- 
halten haben. Ein Epos „Tie Harfe Mahomets“ feffelt ihn lange Zeit, 
ohne zu Ende geführt zu werden. Die divaltiihe Neigung Platens, mit 
der jatirsschen enge verwandt, macht fi mehrfah, bei einem fo jungen 
Menſchen etwas alttlug, bemerfbar. Auf all dies poetiihe Schaffen haben 
feine wecfelnden Stimmungen den größten Einfluß. Bald findet er Bier 


Die Tagebücher des Grafen Auguft von Platen. 601 


Troft und Erhebung und Mut zu weiterem Leben und Schaffen; bald 
wird feine Melandolie und Mutlofigleit übermächtig und läßt ihn ganz 
an feiner poetiihen Begabung verzweifeln. Diefe Mifhung von Selbfi- 
gefühl und Selbftveradhtung iſt manchmal fehr unerfreulih, die ewige 
Selbfibefpiegelung nicht ganz frei von gelegentlicder Eitelkeit. Aber tro- 
dem ift fein wiederholter Entſchluß, „die fchädlihe Gewohnheit des 
Keimens, „dies Lafter“ (2, 108) zu laſſen“ (2, 57), doch ganz ernft, 
wenn er auch nicht ausgeführt wurde; denn er fühlte fih in folchen 
Momenten eben als Dilettant neben den wahrhaft großen Dichtern wie 
Goethe, Taſſo u. f. w., und das war ihm unerträglih. Er will etwas 
wirtlih Großes fein, und dieſes bewußte Wollen tritt fchon in feiner 
Jugend neben dem urfpränglichen dichterifchen Triebe hervor. Er feilt 
und arbeitet unermüdlid an feinen Gedichten nach dem Grundſatze: „Sine 
labore nibil’” (1, 765), und mit Recht konnte er fich fpäter rühmen: 
„Die Kunft zu lernen war ich nie zu träge." Willenskraft und Arbeit 
tritt zu der fchöpferifhen Phantaſie Hinzu; am fchönften freilich gelangen 
ihm damal8 doch Eingebungen glüdlider Stunden und freien Gemiütes 
wie auf der Schweizer Reiſe oder in Schlierfee, oder aber die Ergüſſe der 
ungezügelten Leidenſchaft. An legteren follte auch feine Würzburger Zeit 
veich fein, während größere Dichtungen bier nicht entftanden, außer einem 
— unvollendeten — Epos „Odoakar,“ das zum erften Male den feiten 
Plan einer Reife nad Italien bei ihm anregt. (2, 62.) 

Zunädft freilich gab es andere, dringlichere Erforderniffe zu er- 
fedigen. Zu feinem unangenehmen Erſtaunen wurde er von dem wohl» 
wollenden und freundlih entgegenlommenden Proreltor, dem berühmten 
Phyſiologen Döllinger, darauf hingewiefen, daß zur Zulafjung zu den 
Kollegien das Gymnaſialabſolutorium erforderlich fei, dem er fi aljo 
nadhträglih noch unterziehen mußte. Natürlih konnte es ihm feine 
Schwierigkeiten bereiten, immerhin aber verurfadhte es zunächſt manche 
lonft wohl unnötige Arbeit und verzögerte feine Immatrikulation bis Ende 
Auguft 1818. Seine Sehnſucht, einen Meifter zu finden, „den ich bei 
jedem Anftog um Rat fragen, dem ich meine Pläne und Arbeiten vor« 
legen könnte; und der mild, Mar, väterlih darüber entichiede“ (1, 751) 
wurde nicht geftillt. Den größten Einfluß gewann noch Joh. Jakob Wagner, 
defjen mathematifche Philofophie ihn mächtig anzog, zumal feine myſtiſche 
Zugrundelegung der Vierzahl mit einem Aberglauben Platens zuſammen⸗ 
traf, der gewiſſe Zahlen, namentlich die 4, als befonders ſchickſalsvoll für 
fih anfah und darüber bei feiner phantaftifhden Erotik die feltiamften 
Beobachtungen anftellte. Aber ein vertrautes perſönliches Verhältnis konnte 
fi nicht entwideln einem Manne gegenüber, deflen Geift jo oft iu Ge» 
waltjamteit und Willfür ausartete und wiederholt durch feine Schroffheit, 
3. B. im Urteil über Schiller (2, 145), Platens fchärfften Widerſpruch 
herausforderte. Die Kollegien follten überhaupt eine ziemlich geringe Ber 


602 Die Tagebücher des Grafen Auguft von Platen. 


deutung für den ältlihen Studenten haben. Die philologifchen langweilten 
ihn, der Hier ſchon längft felbftändig zu arbeiten gewohnt war, desgleichen 
die juridifchen, mit denen er es pflichtgemäß der Diplomatie wegen, freilich 
mit geringem Eifer verfuchte. Einzig die naturhiftoriichen fpraden ihn an, 
und gerne machte er die botanifhen und mineralogiihen Ercurfionen des 
Profeſſors Rau mit. Seine Hauptthätigfeit aber entfaltete er, der gemwohn- 
beitsmäßige Autodidalt, zu Haufe in der flillen Studierftube, ganz feinen 
ſprachlichen und äfthetifchen Liebhabereien Hingegeben. Bielleicht zu keiner 
Zeit feines Lebens hat Platen fo ganz der Lektüre gelebt, Teine Partie 
feiner Tagebücher wird fo fehr von kritiſchen Berichten über Bücher an- 
gefüllt. „Es fcheint fait, ich lebe nur, um zu lefen, oder ich lebe nicht 
einmal, fondern ich leſe nur,* fchreibt er felbft (2, 104). Dabei zieht er 
die verfchiedenften Werke heran und weiß mandmal mit wenig Worten 
den Nagel auf den Kopf zu treffen. So urteilt er 3. B. knapp und 
ſchlagend: „Das Lutrin (von Boileau) iſt wenig Braten, aber eine gute 
Sauce.“ Freilich find ſolch wigige Wendungen felten, Humor fehlt ihm, 
der fortgefegt feiner Yeiden fich qualvoll bewußt blieb, ganz. Sehr treffend 
haralterifiert ex feinen „langjamen Ideengang“ felbft, indem er fi darin 
mit Rouſſeau verwandt fühlt: „Ich gab nie eine pilante Antwort; aber 
e8 fehlte nie, daß mir eine ſolche einfiel, wenn es fon zu fpät war. 
So fommt es, daß ich noch für viel weniger gehalten werde, als ich bin. 
Nur wenn von Gegenftänden des Gefühle die Rede iſt, fliegen mir die 
orte Schneller und auedrudsvoller.“ 

Jede Ahnlichkeit, die er in Echidfalen oder Charakteren anderer großer 
Männer mit dem feinigen wahrnimmt, fejjelt fein regſtes Intereſſe. Bol 
Neid lieſt er den Briefmechfel Johannes von Müllers mit feinem Freunde 
Aonftetten, vol Anteil die Biographie Alfieris. Bei letzterem findet er 
„diefelbe Schüchternheit, diefelbe taciturna natura, wie er fie nennt, Dies 
felbe Vangſamleit und ritrositä bei neuen Belanntfhaften. Derfelbe Eigen⸗ 
finn und dieielbe Hartnädigfeit leider aud. Er freute ſich deshalb feines 
Adels, weil er feine Norurteile defto cher verachten konnte, ohne für 
neidiih und gemein gehalten zu werden. So dachte ich immer über diefen 
Funft, doch läßt ſich noch hinzufegen, daß man aud weniger nötig bat, 
fih vor adligen Namen zu beugen, ohne fie deswegen zu beleidigen, 
während cin Würgerlicher bei demfelben Verfahren viel fchlechter bei ihnen 
wegkömmt“. «2, 116 $.ı Der Grafenſtolz, der Platen jo oft nachgeſagt 
wurde, iſt alfo nur eine freilich erklärliche Mythe. Aber wenn ihm auch 
alles, was den Hof anbelangt, wie das Königtum felbft, „eine midrige 
Idee“ erregt 1, 818 f., fo it ihm doch alles Demagogentum noch mehr 
verhaßt. Die Studentenverbindungen find ihm trog ihrer nationalen Ten⸗ 
denzen cin Greuel, und lieber gilt ev als Eonderling, als daß er mit 
ihnen verkehren möchte. „Hielteſt Du mih auch nur einigermaßen für 
rähig.“ fragt er feinen Freund Schnizlein, „halbe Tage und Nächte im 


Die Tagebiicher des Grafen Auguſt von Platen. | 603 


den dampfenden Kommersftuben Bier zu faufen und Lüderfiche Lieder zu 
fingen? Das aber wird gefordert.” (2, 98.) So bleibt alfo der einfame 
Obffurant aller ftudentifchen Fröhlichleit ebenfo ferne wie der feineren 
Gefelligkeit, in der er fi mehr und mehr auf fremdem Boden fühlt, und 
ironifch ruft er fi felber zu: „Das wird einen Diplomaten geben!“ 
(2, 128.) „Kaum kann ich befchreiben, wie mich die Welt zumeilen an- 
graut. Überall zurüdftoßend zurüdgefloßen, in meinen beften Hoffnungen 
getäufcht, jenes Umgangs beraubt, der mir allein SHeiterfeit geben Tännte, 
unbeadhtet, einfam, geh’ ih meinen Weg, der — nicht zum Glüde führt. 
Nirgends ſehe ich mich wohl gelitten, denn alle Menfchen wollen Weih- 
rauch und ich verftehe Niemanden ins Geficht zu loben. Ueberall fiehen 
mir die Gefpenfter der Hofmanieren, der geſellſchaftlichen Heuchelei, des 
Heinlihen Zeremoniells widerwärtig grinfend entgegen. AU dies vergaß 
ih bei den Wiffenfchaften, im Umgange der Muſen, meiner Frenndinneu, 
und nun rächen fi neidifh die Grazien .... Aber ein Spruch Luthers, 
den ich heute las, hat mich aufgerichtet: 

Saweig, leid, meid umd ertrag, 

Dein Not niemand Flag, 

An Gott nicht berzag, 

Dein’ Hilf’ fommt alle Tag.” (2, 102.) 

Übrigens trug an der völligen Bereinfamung in Würzburg auch 
wieder der alte Eigenfinn Schuld, „der mir feit meiner Jugend, obgleich 
damals oft beftraft, unzertrennlich anhängt, und der allem entgegenfirebt, 
was meinem Herzen angenehm ift, um fich gleihfam das Recht zu erfaufen, 
mißmutig zu Magen“. (1, 770.) Schon wenige Wochen nad feiner An⸗ 
funft in Würzburg entzweite er ſich in der albernften Weile mit feinem 
einzigen dortigen Freunde, Mar von Gruber, der ihm nur hilfreih und 
entgegenfommend begegnet war, und hielt gegen feine eigene befiere Über» 
zeugung aus Trotz über Jahr und Tag dad Zerwürfnis feft, das erſt 
durch Döllinger8 Vermittlung beigelegt wurde. Der Umgang mit diefem, 
über den ſchon Johannes Friedrich das Weientlichfte in den „Forſchungen 
zur bayrifhen Kultur» und Litteraturgefhichte" (1. Band) und in feiner 
Döllingerbiographie berichtet hat, brachte ihm den einzigen Erſatz für den 
größeren Freundeskreis, den er in München verlafien. Mit ihm trieb er 
gemeinfame Yeltüre in fremden Sprachen, lernte neu holländifch und daäniſch 
und genoß fo wenigftend die Förderung und Anregung eines fcharfen, 
durchdringenden Geiſtes, der ihm etwas fein konnte, wie auch er ihm der 
einzig ebenbürtige Genoſſe war. Aber obwohl ſich diefer Verkehr faft nur 
auf gemeinfame wiſſenſchaftliche Interefien gründete, blieb er doch nicht 
ohne vorübergehende Trübungen, wie denn die Gegenſätzlichkeit beider 
Charaktere in ihrer fpäteren Entwidlung Har genug in die Augen jpringt. 
Das Gemüt konnte fih dem zwar damals noch toleranten, aber medi⸗ 
fanten Theologen gegenüber nicht erfchließen; „ich konnte höchſtens mit 


604 Die Tagebücher des Grafen Auguft von Platen. 


ihm ftudieren, aber jein flaues, laued Weſen paßte wenig zu dem meinigen. 
Auh gewann er nie mein Vertrauen; von meinen Arbeiten zeigte ich ihm 
nichts.“ (2, 105.) 

„Nicht Anteil meines Temperaments ift diefe jegt zur Gewohnheit 
gewordene Berfchlofjengeit und Kälte; ich bin lebhaft und offen, ich möchte 
faft fagen plauderhaft von Natur, aber das viele Yeben unter Menfchen, 
die mich nicht anjprachen, denen ich mein Herz nicht öffnen konnte, machte 
mi, wie ich bin. Liebe zur Einſamkeit bat tiefe Wurzel in mir gefaßt.“ 
2, 56.) Im natürliden Rückſchlag aber zu diefer äußeren Bereinfamung 
vegt fi in feinem Thantafieleben wieder mit doppelter Stärle feine ver- 
hängnisvole Sehnſucht nah Treundichaft und gewinnt mit einer Heftigfeit 
Gewalt über ihn, die ihn einer SKataftrophe entgegen führen mußte. Er 
fühlt und ertennt die Gefahr wohl, aber er vermag es nidt, ihr aus 
dem Wege zu gehen, nachdem er einmal den Studenten Eduard Echmidtlein !) 
gejehen. Er iſt ſich flar darüber, wie ſehr feine Yiebe in der Phantafie wurzelt, 
und wie er nicht feinen „Adraſt“ felbft, fondern nur jenes Ideal liebt, das 
er jeit feinem Knabenalter unter fo vielen Geſtalten aufjuchte, nie aber 
gefunden hatte. ı2, 78.) Aber jowie er nun einmal fein Ideal verkörpert 
zu jehen glaubt, entbreunt auch wieder der unfelige Kampf zwiſchen Ver- 
nunft und Zinnlichfeit, der den Zweiundzwanzigjährigen bis zur reiniten 
Raſerei, ja neuen Sclbftmordgedanfen peinigt. Niemand kann die Gefchichte 
diefer Neigung, die „alle Grade einer unglüdlichen Yiebe* (2, 202) durch⸗ 
läuft, ohne Ergriffenheit leſen: denn hier Spricht nicht nur wahre, tiefe 
Leidenſchaft, ſondern auch cin Dichter, dem ein Gott gab zu fagen, was 
er leide. Oft firömen feine Gefühle in Verſe aus, die felbft in den 
ſchwierigſten Formen nicht Natürlichkeit und Innerlichkeit verleugnen. 
Aber felbit der Troft, den jene Muſe ihm bot, iſt nur vorüber» 
gehende Erleichterung, kann die Ruhe der Seele nicht wiederherftellen. 
Aus dieien Tagen der tiefften Bein (26. März 1819) ftammt jene® herr» 
liche Gedicht, das bei Kenntnis der inneren Kämpfe Platens uns doppelt 
ergreiend anſpricht: 

Tie alte Glut, was kaun fie fronmmen, 
Tie wieder durch mein Herz fich gießt? 
Warum noch immer jo beflommen, 
Wenn Tu die teuren Züge ftehit” 

Dat eine Deiner heißen Klagen 

Den harten Stolz auch je gebeugt? 
Zu biſt geboren zu entiagen, 

Zum Glücke beit DTu nicht gezeugt. 
Erſtickte Sehnſucht regt ſich wieder, 
So ser en Mann denn und entilieh! 
Was ſoll der Nachklang ſchöner rieder 
Tem Herzen ohne Harmonie? 


Nachmals Unwerſitätsprofeſſor in Landshut und Erlangen. 


Die Tagebücher des Grafen Auguſt von Platen. 605 


Nicht immer aber gelingt es ihm, das Herz in fo melodiſchen Verfen 
zu erleichtern. Zeitweife wird er durch feine Liebesträumereien, die auch 
feine Gejundheit untergraben, zu jeder vernünftigen Thätigkeit unfähig. 

„D wenn doch nur diefe Xiebe nicht wäre,“ fchreibt er am 18. Dezember 1818 
in fein Tagebuch. „Sie richtet mich zu Grunde. Alle meine Studien efeln 
mi an; ich denke immer an ihn. Dan Hält mich für fleißig, während 
ich meinem Gram nachhänge. Wenn es fo fort geht, fo kehre ich unver⸗ 
richteter Dinge wieder heim von der hohen Schule und habe nichts ale 
geträumt. So gut bringen auch die andern ihre Zeit Bin, die tagelan 
in den Kaffeehäufern Liegen. An allem iſt diefe Liebe fchuld, wiewohl ri 
ihm jet gar nicht mehr fehe. Wenn ich ihn öfter zu fehen kriegte, die 
Melancholie würde mich umbringen.“ (2, 167.) Und fo begreift man, 
wie er fein überftrömendes Herz einem teilnehmenden Weſen ausſprechen 
muß, und da ihm jeder vertraute Freund fehlt, fih an den unbelannten 
Leſer feines Tagebuches wendet mit dem leidenfchaftlihen Ausbruch; „O 
wer Du auch feift, dem einft vielleicht biefe Ylätter in die Hände fallen, 
Mage um mid, weine mit mir, glaube mir, daß ich unausfprechlich gelitten 
habe! Auch andere lieben unglüdlih, aber fie vertrauen fid wenigftens, 
fie haben einen Pylades, in deſſen Buſen fie fih Luft machen. Ih bin 
verſchloſſen in mid, wie ein Leichnam. Ih Habe mid tief und einfam 
verfponnen in die Puppe meiner Melancholie, und eh’ der Schmetterling 
noch emporflattert, zertrittft Du fie mit ftolgen Yüßen, Du — Du — 
pulcherrime rerum!” (2, 158.) 

Nahezu ein volles Jahr ehrte ſich Platen in dieſer phantaſtiſchen 
Leidenſchaft, bis er ſich endlich aufraffte, wirllich die perſonliche Berbin⸗ 
dung mit Schmidtlein, die er erſehnte, herzuſtellen. Der wiederholte Ver⸗ 
ſuch, ſich durch die Religion zu retten (2, 159), war ganz erfolglos; die 
geplante biblifhe Dichtung unterblieb, und die fortfchreitende Entfremdung 
von der Kirche war bei ihm, der jede Bigotterie von jeher haßte und 
bei feinem Widerfpruchsgeift gerade durch den Umgang mit Döllinger fi 
aller Offenbarung immer feindlicher gegenüber ftellte, unaufhaltſam. Da 
alfo diefe letzte Zuflucht gerade fo wie der Troſt der Dichtung verfagte, 
jo war er rettungslos feiner Leidenfchaft verfallen. Am Ende des Winter- 
jemeftere 1818/1819 fpricht er die erften Worte mit Echmibtlein, hofft 
aber umfonft auf defien in Ausſicht geftellten Beſuch. Niedergefchlagen 
reift er für die ferien nad) Ansbach, fehreibt in gereiztem Tone an ben 
vergeblich Erwarteten und erhält eine noch gereigtere Antwort. Trotzdem 
ergibt fih nad der Rückkehr in Würzburg eine verföhnliche Ausſprache; 
Platen felbft fucht, allen Stolz beifeite fegend, den Düngeren zuerfl 
auf und verlebt nun im Umgang mit dem trefflihen jungen Maune, der 
mit feinem einnehmenden Außeren einen ebenbürtigen Charakter und bil⸗ 
dungsfähigen Geift verband, vier Monate eines felten unbefangenen, wieder- 
holt getrübten, aber doc ihn beglüdenden Freundfchaftebundes. Bei bem 


606 Die Tagebücher des Grafen Auguft von Platen. 


ercentrifhen Anfprücden und der nervöfen Leidenſchaftlichleit Platens war 
fein Freund manchmal auf ſchwere Gebuldsproben geftellt. Um fo Höher 
muß die Achtung vor ihm und aud dem ftürmifchen Dichter fein, da alle 
Trübungen doc durch einen freieren, feinen Sinn ausgeglichen wurden. 
Selbft Platens Eiferfucht auf die ftudentifhen Freunde Schmidtleins ver⸗ 
mag ebenfo wenig wie feine fonitigen Abfonderlichleiten die einmal ge» 
Schlofjene Verbindung zu zerreißen. Aber immer bedrohliher wachſen 
Platen® „inclinations funestes, qui ne seront jamais permises, qui 
ne seront jamais mutuelles.’’!) Bei der durch die Herbfiferien verur- 
ſachten Trennung — Platen verbrachte fie in dem ländlichen Iphofen — 
überläßt ſich Platen zügellos nad) dem Borbilde der römiſchen Elegiker 
feinen finnlihen Phantaſien und wagt diefe Gedichte an den Geliebten 
abzufenden. Die Etrafe war furchtbar für den Schuldbewußten. In ges 
rechter Enträftung, mit dem Ausdrud tiefiten Abjcheus ſchickt ihm Schmidtlein 
alles, was er von ihm in Händen hat, zurüd und bricht fategorifch jede 
weitere Verbindung mit ihm ab. Damit war Platen im innerften Herzen 
getroffen; damit war ihm zugleich Würzburg für die Zukunft unmöglich 
geworden. Ende Dftober bezieht er zur ortfegung feiner Studien bie 
Univerfität Erlangen. 

Wie jeinerzeit Würzburg, fo machte auch Erlangen zunächſt einen 
trüben, unerfreulichen Eindrud auf Platen; wie damals nah München, 
fo fehnt er fich jest nah Würzburg zurüd und lernt erft jegt, wo es zu 
ſpät iſt, ſchätzen, was er vorher gering geachtet hatte. Daß er ſich zwang, 
in diefem Winterfemefter 1819/1820 mit Ausnahme eines hiltorifchen 
Kollegs bei Meuſel ganz auf Borlefungen nad feinem Gefhmad zu ver- 
zihten und die Anforderungen feiner künftigen diplomatifhen Laufbahn 
mehr zu berüdfichtigen, konnte jeine Stimmung aud nicht verbeflern. Aber 
e8 brachte eine heilfame Klärung Hervor und den längft ſchon nötigen 
Entſchluß, auf Mebenabfichten bei feinem Studium zu verzichten. Der 
19. Februar 1820 war ber entfcheidende Tag, „ale mir zuerft die Uner⸗ 
träglichleit des juridiſchen Studiums und mein volllommenes Ungeſchick 
dazu den Gedanken eingaben, diefe Feſſeln von mir zu werfen, nicht ferner 
Anſpruch auf eine diplomatifhe Carrière zu machen, mich dafür aber den 
Reſt meines nun freilich halbverfehwendeten Univerſitätslebens emflg mit 
den Hiftorifchen und Naturwiſſenſchaften zu befchäftigen und meinem Triebe 
zur Poeſie zu folgen, um lieber ein ganzer Menſch zu werden, follte mir’® 
auch in Zukunft ſchlecht gehen, als ein halber zu fein, und wär's aud 
ein Gefandter. In der That, wenn die Muſe mich nicht erheben und 
berühmt machen kann, meine diplomatifhen Fähigkeiten werden es nod 
viel weniger. Der großen Welt fage ich gerne ab. Überdies bringt e im 


N Die Tagebiiher werden hier längere Zeit hindurch franzöſiſch, an anderer 
Sielle auch portugiefiich geführt. 


Die Tagebücher des Grafen Auguſt von Platen. 607 


unferer Zeit eben nicht viel Ehre, Diplomat zu fein. Wie felten läßt fich 
dabei die Integrität des Charakters behaupten. Ich will dem Staate fehr 
gerne dienen, fobald er mir eine Stelle anweiſt, die meinen Talenten 
angemeſſen; wo nicht, fo will ich lieber betteln, al8 meine Individualität 
aufopfern.“ (2, 364.) 

Neu belebt geht Platen nun au die Arbeiten feiner eigenen Wahl, 
und fchon der Sommer 1820 zeigt ihn uns Harer, frifcher und unbe 
fangener in feinem Studium und feinem Verkehr. Dabei wirkte die Krifis 
von Würzburg mohlthätig, wenn auch ſchmerzlich nach. Gruber Hatte bei 
Schmidtlein freundfehaftlih zu vermitteln verftanden, und fo war «8 
möglih, daß Platen bei feinem kurzen Pfingfibefuh 1820 in Würzburg 
fih völlig mit ihm verföhnte, um fo leichter, als die Liebesleidenſchaft für 
ihn durch jene Abſage und durch eine neue Erſcheinung gründlich befeitigt 
war. „Ich weiß nur zu wohl,“ bemerkt Platen ſchon frühe (1, 712 f.), 
„daß, wenn man einmal geliebt, es mit diefer erſten Liebe niemals gethan 
ft, und dag man Neigung an Neigung reiht. Man könnte die Liebe eine 
Gewohnheit nennen.” Ihm felbit erging es ganz nach diefem Worte, und 
das Schidjal führte ihn in Erlangen alebald wieder in Berfuchung. 
Während er feine früheren Ideale erft lange aus der Entfernung an« 
geſchmachtet hatte, bis er fle vergefien oder endlich kennen lernte, fam ihm 
bier bereit8 in den erften Zagen in feinem Zimmernadhbarn, Hermann 
von Rotenhan,!) ein Jungling unbefangen und freundlich entgegen, der 
nit nur wie Schmidtlein einen Haren, offenen Sinn mit einnehmendem 
Außeren verband, fondern auch durch die ariftofratifche Feinheit feiner 
Formen und Sprade wie durch einen weiteren Horizont feiner Interefien 
Platen entzüdte. Beinahe tägliche Berührung und gemeinfame Studien 
hätten diefe Freundſchaft zum volllommenen Glücke des liebedürſtenden 
Dichters reifen laffen können, wenn der Stachel der Würzburger 
Erinnerung, die Furcht vor einer Wiederholung des unfäglichen Schred« 
nijjes eine volle Gemütsruhe hätte auflommen laflen. So aber verbitterte 
ſich Platen felbft fortgefegt da8 Leben und entfremdete fich wiederholt durch 
fein mwechjelndes, bald überfhwänglich herzliches, bald ablehnend altes, 
ja rauhes Benehmen Rotenhan, der keine Erkl dafür wußte. Der 
frohe Genuß des fo lange erjehnten Glückes blieb Platen aud hier ver- 
fagt, wie er ja fein ganzes Leben hindurch ein gewährtes Glüd geficen 
zu genießen nicht gelernt hat. Als aber Rotenhan mit dem Ende des 
Winters 1820 Erlangen verließ, da erhielt Platen doch in dem freund⸗ 
ſchaftlichen Abfchied eine Gewähr dafür, daß feine Selbſtbeherrſchung gefiegt 
batte, daß er fich felbft nicht wieder verloren hatte und auch nicht wieder 
werde verlieren können. So ſchmerzlich auch diefe Leidenfchaft noch einmal 


1) Nachmals Präfident der bayrifchen Abgeordnetenlammer, 1848 Mitglied 
des Frankfurter Parlaments. 


608 Die Tagebücher des Grafen Auguſt von Platen. 


an ihm gerüttelt hatte, ſo ſchwermüthig ihn auch in den folgenden Jahren 
noch manche neue Neigung ſtimmen konnte, nie wieder verlor er ſo wie 
bei der einen heilſamen Kataſtrophe den inneren Halt. Dieſe Feſtigung 
ſeines Charakters, die ſich eben auch in dem entſchiedenen Bruch mit aller 
diplomatiſchen Halbheit ausſprach, trat ja manchmal in ſehr befremdenden, 
abſtoßenden Formen in die Erſcheinung; aber ſicher in ſeinen ethiſchen 
Auffaflungen, gewiß feines poetiſchen Berufs, ſich bewußt des Großen, 
was er anderen zu leilten im Etande war, fcheute Platen jetzt burchaus 
nicht, als ftolz verfchrien zu werden. „Ich Liebe die ftolzen Leute, und 
ich bin es felbft; aber hochmütig Hoffe ich micht zu fein. Ich bin ftolz auf 
meine Würde als freier Menſch.“ (1, 517.) Wenn irgendwo bat bier 
Heyfes Wort volle Giltigkeit: „ein wenig Stolz wird ein einfamer Menſch 
fih wohl verzeihen dürfen. Denn es iſt ja fchon überhaupt eine An⸗ 
maßung, fid) zurüdzuziehen und mit fi allein zufrieden zu fein.“ Zufrieden 
mit fih war nun Platen freilidy nicht, aber er fühlte fich jett doch ſelbſt⸗ 
ſtändig und tüchtig genug, allmählih auch unter den Menfchen ſich zu 
bewegen und zu behaupten. LIT 


Die Tagebücher Platens von 1820 bis 1826 geben ein ungemein 
veiche8 und lebensvolles, wenn auch natürlich etwas einfeitiges Bild des 
Erlanger Univerfitätslchens jener Tage. Kam Platen ja doch faft mit 
allen jungen Leuten, die dort wijjenfchaftlichen Zielen nachgingen, in irgend 
einer Weife in Berührung oder näheren Verkehr! Cine ganze Anzahl 
Studenten und jüngerer Docenten feines Yelanntenkreifes, deren Namen 
Ipäter mit Achtung viel genannt werden follten, allen voran fein Freund 
Hermanı, der Nationalölonom, die Philologen Daumer, Heerwagen, 
Elsberger, Döderlein, der Hiftorifer Yeo, der Yurift Puchta u. a. m. boten 
jeinem hochgeſpannten Geiſte einen anregenden Ilmgang, den er fehr zu 
ihägen wußte. Gerne Schloß er fi größeren Tußmwanderungen an, bie 
von den Ztudenten im Sommer öfterd unternommen wurden, und Ders 
einigte fo mit erfreulicher Geſelligkeit diejenige frifche Berührung mit der 
Natur, die ihm immer jo wohl that. Beſonders Streitberg war das bevor» 
ugte Ziel fommerlicher und winterlicher Erholungsreifen. Aber auch das 
Intereſſe an der Malerei beginnt fid) etwas ftärker al6 früher zu regen; 
in Nürnberg wie im Schloß Pommersfelden werden die Gemäldefamms» 
(ungen eingehend bejichtigt. Die Reiſeluſt ift nicht mehr einzig von Sehn⸗ 
ſucht nad der Natur, fontern auch dur den Drang nad Vervollſtändi⸗ 
gung der geiltigen Auabildung beherridt. 

Natürlich blieben die vielen neuen Belanntfchaften nicht ohne jeden 
Misllang, zumal Platen, wenn eine feiner heiligften ethiſchen oder aſthe⸗ 
tischen Anſchauungen füfſiſant angegriffen wurde, mit ber rückſichteloſeſten 
Heftigleit losbrechen konnte. UÜber den albernen Verſuch des Burſchen⸗ 
ſchafilers Rodiger, aus den Tacitus die Unkeuſchheit der alten Germanen 


Die Tagebücher des Grafen Auguft von Platen. 609 


zu beweifen, empört er ſich fo, daß er ein paar Tage braucht, um wieder 
ins Gleihgewidht zu kommen (2, 438 ff.); mit dem von ihm hoch⸗ 
gefhägten, praktiſch Haren und nüchternen Yuriften Hufchberg!) gerät er 
über die Philofophie Wagners (2, 347 f.), mit dem ſtets gefälligen 
Bruhmann?) über die Bedeutung Goethes (2, 455) in ben heftigften 
Streit, der ihn lebhaft alteriert. Seine unglüdfelige Hartnädigkeit kennt 
fein Nachgeben oder Einlenken; e8 muß alles durchgefochten werden, und 
wenn e8 auch den Verluſt eines gefhägten Freundes koſten follte. Den 
ſchlimmſten Stand hat er mit den demagogifchen Burfchenfchaftern, deren Vers 
herrlihung der Ermordung Kotebues durch Sand ihn im Immerften 
empört. „Diefe republifanifchen Gelbſchnäbel, die auf eigene Fauft die 
Geſchichte Torrigieren möchten und wähnen, etwas maden zu können, 
was nicht geworden ift und im innerften Vollsleben gegründet ift, mögen 
in der Bereitelung ihrer Beftrebungen den verdienten Lohn finden.“ (2, 390.) 
Aber die Zeitftrömung war fo mädtig, daß fie au die maßvolleren 
gereifteren Köpfe mit ſich fortriß, und dem weltabgewandten Poeten aud) 
in feinem engeren reundeskreife immer wieder entgegen tönte. „So wurden 
mir die politifchen Anforderungen der Zeit, der Geift der Burfchenfchaft, 
das Konftitutionswefen u. dgl. m. nahe ans Herz gelegt und mir zu 
verftehen gegeben, daß perjönliche Treiheit mehr wert fei als Poefie, wenn 
auch letztere durch die Bolitit, wie e8 in England gefchehe, zu Grunde 
gehen müßte, und daß ohnedem lange Zeit nichts ähnliches wie Goethe 
ift, zu erwarten fei.” (2, 540.) Man begreift, daß Platen in einem 
Kreife, der ihm wie ein Medufenfhild immer feinen größten Vorgänger 
vorhielt, bei einem Geſchlechte, „das ſchon den Gedanken der Entbehrs 
lichkeit aller Kunft ausſpricht“ (2, 541), wohl Belannte finden Tonnte, 
„die recht würdige Leute find“ (2, 389), ſich aber doch nicht wohl genug 
fühlte, um fich dauernd an den Ort feiner Wirkſamkeit feffeln zu laffen. 

Mehr Förderung und auch Aufmunterung begegnete er übrigens im 
Kreife der Profefforen, bei deren einigen er aud gerne im Haufe ver- 
tehrte; fo bei Pfaff, dem Mathematiker, der mit feiner ungewöhnlichen 
Bielfeitigkeit auch Platens orientalifhen Sprachſtudien fachmännifch beis 
ftehen konnte, bei dem DOrientaliften Kanne, nad deflen Tode Rüdert 
nah Erlangen berufen wurde, vor allem aber bei Gotthilf Heinrich von 
Schubert und Scelling. Bot der vieljeitige Naturforfcher mit feinen 
Kollegien und Ercurfionen in der erfreulichfien Yorm gerade das, was 
Paten fuchte, fo gewann der poefievolle Philofoph auf feinen Schüler 
einen geiftigen Einfluß, dem ſich Platen nahezu widerftandslos ergab. Die 
myſtiſchen Willtürlichkeiten Wagners, deren Bedeutung für Platen fih in 
der Würzburger Zeit nur wenig, außerordentlich groß aber in ihrer Nach⸗ 
wirkung während der erften Erlanger Semefter darftellt, waren eine 

1) Nachmals Vorſtand des unterfränkiſchen Kreisarchivs. 

2) Später Konvertit. 

Euphorion. VII. 39 


610 Die Tagebücher des Grafen Auguft von Platen. 


geeignete Vorbereitung für die kühnen Konitrultionen Schellings, deren 
Schillerndem Glanze ſich feine Hörer unter dem Eindrud der überlegenen 
Perfönlichkeit nicht zu entziehen vermochten. In Platens Berfuchen, die 
Ausführungen einzelner Stunden fi und feinen Freunden Kar zu machen, 
fehen wir wiederholt charakteriftiiche Beiſpiele, wie bier beim redlichſten 
Willen die Stimmung über alle kritifche Dentthätigfeit den Sieg davon⸗ 
trug. „Schellings ganzer Vortrag ift, trog der äußerlih anſcheinenden 
Trodenheit, hinreigend. Er erfüllt den Geift mit einer unbefchreiblichen 
Wärme, die bei jedem Worte zunimmt. Eine Fülle von Anfchaulichkeit 
und eine wahrhaft göttliche Klarheit ift über feine Rede verbreitet. Dabei 
eine Kühnheit des Ausdruds und eine Beftimmtheit de Willens, die 
Verehrung erweden.“ ı2, 442.) Diefe Verehrung ift der nie getrübte 
Ton, in dem Platen ftet8 von Scelling ſpricht; fie erhielt aber außer 
durh den Beſuch der Vorleſungen auch durch den perjönlihen Ver⸗ 
tehr jtet8 neue Nahrung. Nirgends durfte fi Platen fo zu Haufe 
fühlen wie bei den eng befreundeten Familien Schubert und Schelling. 
Die reine Herzensgüte des liebenswürdigen Naturforſchers gab den 
Grundton in feiner glüdlichen Häuslichleit an, und ebenfo kam Platen 
das Familienglück Schellings in reihitem Maße zu gute. Hier durfte 
er auf teilnehmende und verftändnisvolle Zuhörer und Zuhdrerinnen 
rechnen, wenn er „in feinem gewohnten halb fingenden Lone, über den 
ih Schon oft die Freunde Luftig machten“ (2, 393), feine neuen Gedichte, 
ſpäter auch vor beſonders dazu eingeladenem Kreiſe feine Dramen vorlag; 
bier konnte er aus mohlmeinenden fritiihen Bemerkungen wie aus theores 
tiichen äſthetiſchen Geſprächen feine Selbſtkritik nachprüfen und fördern; 
bier fand er auch in den Echwierigfeiten feiner äußeren Stellung ſtets 
Hilfsbereitihaft und Förderung. Als fein militärifher Urlaub zu Ende 
ging und der Befehl zur Rückkehr zum Megimente eintraf, war «6 
Schelling, der dem bedrängten Grafen eine Praftifantenftelle bei der 
Univerfitätsbibliothef verjchaffte und dadurch troß des Verzichtes auf bie 
Diplomatie eine weitere Verlängerung des Urlaubs erreichte, bis endlich 
durch die Gnade des Königs Platen weiterer militärifcher Bebrängnifle 
überboben wurde. Und ihm it aud ein wefentliher Antheil an der 
jpäteren Ernennung Platens zum Mitgliede der Münchener Alademie der 
Wiſſenſchaften zuzuschreiben, 

Wenn ſich alfo Platen fpäter mit immer wachfenden Anſprüchen über 
Mangel an verftändnisvoller Teilnahme in Deutſchland bellagte, fo iſt 
dies doch nach den Aufzeichnungen ſeines Tagebuches ſelbſt nur für das 
große Publikum, nicht feinen Freundeskreis zutreffend. In feiner Umgebung 
war ihm viel geboten, freilich nur kurze Seit das eine, was ihm die 
Hauptſache war und deſſen Mangel ihn fo unglücklich machte: eine innige, 
herzliche Freundſchaft. Ein bannöverfcher Offizier, Dito von Bülow, der 
ih zu feinem Vergnügen cin Jahr lang auf der Univerfität aufbielt, 


Die Tageblicher des Grafen Auguft von Platen. 611 


gewann im Juli 1821 Platens ganzes Herz. „Der leichte, luſtige Um⸗ 
gang dieſes Freundes, der gar fein Bücherleben geführt hat, thut mir ſehr 
wohl und Heitert mid, zufehend® auf.“ (2, 468.) Hier fehlte völlig jenes 
Maß von tiefgehendem Studium und weitblidenden Interefien, das Platen 
fonft von feinem Kreije verlangte. Aber die unendliche Liebenswürdigkeit 
und Heiterkeit, die entgegenfommende Herzlichkeit diefes mit allen Vorzügen 
guter Erziehung ausgeftatteten Naturmenfchen milderte bie Schwermut und 
Verſchloſſenheit feines leidenfchaftliden Freundes und machte ihn ruhiger 
und für verftändige Vorftellungen zugänglid. „Wie ſtreng und ernft, 
fagte er mir, mein ganzes Weſen fei, und anderen bis zum Übfchreden 
ſcheinen müffe, möge ich daraus erfehen, daß er, fo lieb er mich jet habe, 
fih doch früherhin, che er meine nähere Bekanntſchaft machte, nicht getraut 
haben würde, mich anzureden.“ (2, 479.) Mit der Entfernung des 
Freundes kehrte freilich die® alte Weſen mit unverminderter Schroffheit 
zurüd; und diefe Trennung follte ſchon nad kaum acht Wochen eintreten, 
Bülow wurde über Erwarten raſch zurüdbeordert; Pluten begleitete ihn 
no bi8 Göttingen, wo fie fich trennten, um fich nicht mehr wieder» 
zujehen. 

Nah Erlangen zurüdgelehrt, glühte Platen „vor Verlangen, feine 
Liebe und Verehrung für Bülow öffentlih an den Tag zu legen.” (2, 499.) 
Der „Spiegel des Hafis“, der feinen Urfprung den glüdliden Tagen 
der Freundſchaft mit Bülow verdankt, follte mit einer Zueignung an ihn 
gedrudt werden. Die erfte Ghaſelenſammlung war ſchon im Mai, bie 
„Lyriſchen Blätter“ im Auguft 1821 erfchienen. Platen vertraute jetzt 
feinem dichterifchen Berufe, und fo war die Zeit in Erlangen aud reich 
an poetifhem Ertrage. Im Jahre 1821 war dabei die Iyrifche Produktion 
überwiegend von orientalifhen Einflüffen beherrfcht, zu denen fi Platen 
in eifrigem Studium den Zugang erfchloß. Daß der „MWeft-öftliche Divan“ 
dabei die erjte Anregung gegeben, ift zwar ficher; für Platens Dichtung 
aber gewann der Drient erft wirkliches Leben mit feinem felbfländigen 
Studium, das vom Perfiichen ausgehend, auch das Hebräifche, Türkifche, 
Arabiiche und das Sanskrit umfaßte und die Zeit vom Auguft 1820 bis 
in das Jahr 1823 die erſte Stelle unter feinen gelehrten Befchäftigungen 
einnahm. In diefer Zeit liebt er es, Citate aus perfifchen Dichtern feinem 
Tagebuch einzuflechten, ja mit perfifchen Buchſtaben deutſche Worte zu 
ſchreiben; eine felbftgefertigte Blumenleſe orientalifcher Dichtungen begleitet 
ihn auf allen Ausflügen und Reifen; er wird nicht müde, fi Handfchriften 
abzufchreiben, Wörterverzeichniffe anzulegen und dergleichen mehr, bis endlich 
auch dieſes Interejje für den Drient abgelöft wird buch das Schwebdifche 
und vor allem durch die neue dramatifche Protuction, wovon ein Vorläufer 
„Marats Tod“, fon 1822 zufammen mit dem „Spiegel bes Hafis“ 
und anderen Gedichten in einem Bande unter dem Titel „VBermifchte 
Schriften“ erſchien. 

89* 


612 Die Tagebücher des Grafen Auguft von Platen. 


Bei feinen orientalifhen Studien und Dichtungen war Platen auch 
die Berbindung mit Nüdert förderlich, die er im Auguſt 1820 mit einem 
Beſuche bei diefem in Ebern anfnüpfte. Der gelegentlich wiederholten pers 
fönlihen Berührung trat eine offene briefliche Kritit, wie auch Unter⸗ 
flügung dur Bücherfendungen zur Seite, die beiden Teilen zu ſtatten 
tam. Übrigens ermeift das Tagebuch deutlich, daß Platen und Nüdert 
ziemlich gleichzeitig fich der !yorm der Ghafelen bemächtigten, und wenn 
alfo Rückert damit auch etwas früher an die Uffentlichleit trat, fo wird 
Platens felbitändiged VBerdienft dadurch doc nicht berührt (2, 445 f. 
und 460). Auch mit anderen Dichtern fucht Platen perfönlih YFühlung 
zu gewinnen, vor allem mit Jean Paul, den er dreimal in Bayreuth 
auffuchte. Wir gewinnen durch Platens Berichte den angenehmflen Ein⸗ 
drud von dem Wohlwollen, der perfönlichen und litterarifchen Haltung 
und Würde de8 vielvergötterten Schriftftellers; feine Bemerkung freilich: 
„Goethe wäre doc eigentlih von feiner Zeit auf den Händen getragen 
worden, und die Nachwelt würde ihn ftrenger beurteilen“ (2, 603), berührt 
wie eine unfreivillige Ironie des großen Humoriften, dem felbft die Nach⸗ 
welt fo ſchwer gerecht zu werden vermag. Seine Umgebung übte natürlich 
manchmal nocd weit feltfamer Kritit, wie denn Platen von der „littera= 
rifhen Wut unter den Frauenzimmern“ Bayreuths (2, 602) ganz 
ergöglich erzählt; übrigens fpriht er von Jean Pauls Frau und Tochter 
Emma, der fpäteren Gattin Ernft Förſters, nur mit großer Verehrung 
und Sympathie. 

So genußreih und förderlich aber auch Platen die perfönliche Aus- 
fprahe mit Schelling, Year Paul, Nüdert u. a. m. fein mochte, fo hat 
dod) feiner von ihnen für die ganze Geftaltung feines poetifhen Schaffens, 
ja aud) feines äußeren Yeben® die Bedeutung gewonnen, bie zeitweife von 
Platen trogig befämpft, zeitweife bewundernd gepriejen, oft auch bewußt 
oder unbewußt verfchwiegen Soethe zukommt. Eeiner Einwirkung begegnen 
wir bei frühen dramatifhen Verſuchen Platens; mit ihm fich auseinander: 
zufegen fühlt er fih gedrungen bei der Beichreibung feines Lebens; er 
hat den Weg zur Poeſie des Orients gewiefen, in der Platen fo lange 
rühmlich verweilte; er hat die ernite Arbeit an fich felbft, an der Perſon 
des Künstlers zur ethiihen und äfthetifchen “Pflicht des Dichter gemacht; 
er hat mit feiner unnachahmlichen Univerſalität auch Platens Imterefle 
an den Naturwiſſenſchaften angeregt, das freilih trog emflgen Bemühens 
über einen fleißigen Tilettantismus nicht Hinausfam; er hat mit feiner 
Wallfahrt nah Italien auch dem unfeligen Epigonen das Land feiner 
Sehnſucht newiefen und dort Gefundung verheigen. Wie reich die uner- 
ſchöpfliche Fülle ewig erfrifchender, läuternder, befruchtender Kraft in dem 
Norne feiner Werke und feines Lebens bervorbricht, wie überwältigend 
feine Verſönlichkeit edlen, hochitrebenden Geiſtern fchon unter feinen Zeit⸗ 
genojjen gegenüber itand, davon legen auch Platens Tagebücher, fo wohl 


Die Tagebücher des Grafen Auguſt von Platen. 613 


man ſchon feine poetifchen Huldigungen für den größten deutſchen Dichter 
fennen und ſchätzen mag, ein neues Zeugnis ab, das feinen Briefen, die jet 
im zweiten Bande der ſchönen Sammlung „Goethe und die Romantik“ von 
Carl Schüddelopf und Oskar Walzel (Weimar 1900) veröffentlicht find, 
eine lebendige IUuftration und erhöhten Wert verleiht. Es ift nur bie Zeit 
der tiefiten Niedergefchlagenheit und Berflimmung, in der die Auflehnung 
gegen den libergewaltigen ſich bis zur befaugenften Verlennung feiner 
Größe verirren konnte. In diefer Zeit freilich, im Winterfemefter 1819/20, 
ift Platen in Gefahr, den beften Führer, der ihm dienlich fein fonnte, 
ganz zu verlieren. Eine ſeltſame Begeifterung für Briedrih von Heyden, 
defien „Renata und „Konradin“ heute faft vergeſſen find, und die von 
Wagner genährte Konftruftionsluft verführt ihn, Goethe feinen Platz zwar 
neben Sciller, als deſſen geiftigem Gegenfag, aber unter Heyden anzu- 
weifen, der feinerfeit® wieder den erhabenen Gegenpol zu Klopftod bilde. 
Und indem er die Weltlitteratur in bie feltiame Pollonftrultion Wagners, 
die übrigens nur fcheinbar von Hegels dreiftufiger Dialektik beträchtlich 
abweicht, einzwängen möchte, fchaltet ex den Namen Goethe ganz aus 
und hält für die alles umfaflende Tetrade die Namen: 
Dante 
Shalefpeare— + —-Ealberon 
Heyden, 

ja er wagt es, diefe Auffafiung in einem Briefe an Wagner ſelbſt, 
der Goethe als den legten Dichter betrachtete, zu begründen: „In der 
That hat Goethe nie vermocht, einen einzigen tugendgroßen und Fräftigen 
Charakter, wie nur der geringfte im Shalefpeare, darzufiellen, nnd ber 
Wilhelm Meifter war mir immer fo elelhaft, weil hier ein ganzes Heer 
von Schwädlingen durcheinander ftiebt, die Immoralität a priori vor⸗ 
ausgefegt wird. Nie hat Goethe vermocht, die Liebe auch nur im einzelnen 
aufzufafien. Er Hat fie antit ober noch frivoler als antik bargeftellt.“ 
(2, 370.) Er nennt bier den „Fauſt“ „trog aller Ziefe ber Idee doc 
nur ein langfam und mühfam zufammengeftoppeltes Ylidwerk, dem es von 
allen Seiten an poetifcher Vollendung fehlt" (2, 869), und fährt fort: 
„Bei Schiller und Goethe haben mir den Genuß immer am meiften bie 
Fugen verbittert, die man in ihren Werfen wahrnimmt.“ 

Sewaltfam ‚verdirbt fid, Platen hier in einer Zeit, wo alles in feinem 
Leben ihm trübe däucht, auch den Duell, der ihm fonft immer Erhebung 
und Genuß geipendet. Es find diefe kritifchen Verirrungen ein pfychologifch 
wohl erflärlicher Verfuch, jener alten unfeligen Neigung, ſich durch eigene 
Beinigung das Recht zu Hagen zu verfchaffen, auch auf poetifchen Gebiete 
nachzugeben. Aber diefe gefährliche Gemütsſtimmung hielt nicht lange an. 
Mit dem wohlthätigen Einfluß Schellings Härt fi) fein Aftgetifches Ur⸗ 
teil wieder auf, und bei beruhigtem Gemüte, unter der Einwirkung der 
Freundſchaft Bülows und des eigenen gebeiflichen Schaffens, difuet ſich 


614 Die Tagebücher des Grafen Auguft von Platen. 


Herz und Einn wieder der Größe des vorbildlihen Meiſters, die ihn nicht 
mehr entmutigen und abichreden, foudern nur anfpornen und führen 
fann. Schon das erjte Heft feiner „Ghaſelen“ wagt er mit einem kurzen 
Briefe am 9. April 1821 an Goethe zu fchiden (2, 453): „Ew. Excel- 
lenz bin ich fo fühn, anliegende Heine Schrift zu überfenden. Ich würde 
ganz über diefelbe befriedigt fein, wenn ihr Inhalt einige Theilnahme 
erregen und eine Beziehung begründen könnte, welde der Wunſch meines 
Lebens iſt.“ Und als er in demfelben Jahre auf der Rüdreife von Göt⸗ 
tingen zehn Tage in Jena verweilt, ift er dem Major von Knebel, einem 
alten Freunde feines Vaters, aufs höchſte dankbar, daß er ihm einen 
Beſuch bei Goethe vermittelt. In gefpannter Erwartung fand er ſich mit 
feinen Freunde Gruber zur feitgefetten Stunde bei Goethe ein, und 
berichtet da8 Wenige, was er melden kann, mit einer ehrfürdhtigen Scheu 
2, 4941): „Bon Goethes Perſon wage ich faum etwas zu fagen. Er ift 
fehr groß, von ſtarkem, aber gar nicht ins Plumpe fallenden Körperbau. 
Dei feiner Verbeugung fonnte man ein leichted Zittern bemerfen. Auch 
auf feinem Angefihte find die Spuren des Alters eingeprägt. Die Haare 
grau und dünn, die Stirn ganz außerordentlich hoch und ſchön, die Naſe 
groß, die Form des Gefichts länglid, die Augen ſchwarz, etwas nahe 
beifammen, und wenn er freundlich fein will, bligend von Yiebe und Gut⸗ 
miütigfeit. Güte iſt überhaupt in feiner Phyſiognomie vorherrſchend. Cr 
[ieß uns auf das Sopha figen und nahm bei Gruber Pag. Bei der 
Teierlichleit, die er verbreitet, lonnte das Geſpräch nicht erheblich werden, 
und nach einiger Zeit entließ ev ung wieder.“ 

So unbedeutend der Inhalt diefer Begegnung war, fo charakteriftifch 
it fie doc für Platend ganzes Verhältnis zu Goethe. Sie iſt das Äußere 
Tofument der bewundernden Nerehrung, die Platen am fchönften in feinem 
Prolog an Goethe zu einer Überſetzung Hafififcher Gedichte im Üftober 1822 
ausfpradh. Auch damals hatte er wieder neue unmittelbare Eindrüde der 
beherrichenden Etellung Goethes gewonnen. Auf feiner Rheinreiſe madht 
er „abermals die Nemerfung, wie fchr Goethes ungemeines Verdienft 
unter den Geiſtreichen in ganz Dentſchland anerfannt iſt“. (2, 532.) 
Nirgends kann er fidh bewegen und fich bethätigen, ohne auf Goethes 
Zpuren zu freifen, von ihm freiwillig oder unfreiwillig das Vorbild 
des eigenen Thuns zu entnehmen; und fo erfcheint es ganz natürlidy, 
wenn aud ſein verftändnispoller Freund Fritz Fugger zu Goetheſchen 
Geſtalten und Ideen greift, wenn er den ruheloſen Freund charalteriſiert: 
„Da Du Dich denn doch in manchem, was die Menſchen erfreut und 
bewegt, zu den Entſagenden rechneſt, ſo ziemt Dir ja eine raſtloſe Wander⸗ 
ſchaft.“ „Dieſe auf Goethes Wanderjahre anſpielenden Worte,“ ſchreibt 
Klaten am 1. Dezember 1822 in ſein Tagebuch (2, 567), „find nur zu 
Schr aus meiner Zcele gegriffen. Eine raſtloſe Wanderfchaft wäre eigentlich 
die wahre Peftimmung meines Yebens, und ich ſehne mich fiet8 danady, 


Die Tagebücher des Grafen Auguft von Platen. 615 


fogar im Winter. An bedeutenden Orten längere Zeit zu bleiben und 
dort zu ftudieren, fodann aber den Stab weiter zu fegen; die® wäre 
eigentlih, was mid) allein glücklich machen könnte. Denn ein ruhiger 
bleibender Zuftand ohne Häuslichleit muß über kurz oder lang immer 
unerträglid; werden.“ 

Die befchräntten finanziellen Berhältniffe de8 Grafen wie die Zu- 
gehörigleit zum Militär machten vorläufig die Ausführung diefes Tebens- 
wunfches noch unmöglich. Aber ſchon von Erlangen aus begab fi Platen 
wiederholt auf Reifen, nicht bloß zu den Heineren Wanderungen in Franken 
und Thüringen, und fuchte dabei meift mit Erfolg neuen geiftigen Ertrag 
nah Haufe zu bringen. Im Herbſte 1820 reifte er nah Wien, das ihm 
einen gewaltigen Eindrud machte, und begann auf der Nüdreife durch 
Böhmen das Tſchechiſche zu lernen. Im Frühjahr 1821 war Salzburg 
fein Keifeziel, da8 er im wefentlihen zur Erfrifhung in der Natur auf- 
fuchte. Ganz anders bei feiner Herbftreife desfelben Jahres nach Göttingen, 
die dur Bülows Abreife befchleunigt wurde. Diesmal waren es die 
Bibliothelen von Göttingen, Kaffel, Gotha, Weimar und Iena, bie ihn 
anzogen und feinen orientalifhen Studien manden Gewinn bradten. 
Auch wurde er von Benede in Göttingen, Jakob Grimm in Kafjel, Gries 
in Jena freundlid aufgenommen. 

Im Mai 1822 wurde die Richtung feiner Reifeluft durch eine neue 
Freundfchaft beftimmt, die er mit feiner gewohnten Leidenfchaft ergriffen 
hatte. Nur zehn Tage hatte er mit dem Chemiler Yuftus Liebig in Er- 
langen verkehren können; aber fie genügten, um die beiden Männer innig 
zu verbinden. Moriz Carriere hat in feinen „Lebensbildern“ auf Grund 
des Brieſwechſels der beiden ſchon über diefe Freundfchaft berichtet; Platens 
Tagebudy ergänzt und beftätigt feine anziehende Schilderung. Die Hoffe 
nung, fi der Geſellſchaft Liebigs ein paar Wochen der ſchönſten Jahres⸗ 
zeit in der herrlichſten Gegend erfreuen zu können, lodte PBlaten an ben 
Rhein; aber Liebig, in Ilnterfuhung wegen der Studentenunruben vers 
widelt, fonnte fi in Darmftadt nicht losmachen, und fo mußte Platen 
verfiimmt in gewohnter Einfamfeit den Weg nad) Köln fortfegenr. Auch 
diesmal aber lohnten intereffante Belanntichaften den Reifenden, in Bonn 
Aug. Wild. von Schlegel, Welder und Arndt, in Heidelberg der alte Voß 
und der Orientaliſt Umbreit. 

Die Schwierigfeit, in Erlangen die erwünſchten Hilfsmittel für orien- 
talifche Arbeiten zu befchaffen, wurde gerade mit der größeren Selbft- 
ftändigkeit Platens immer empfindlicher; Wien ſchien der einzig richtige 
Ort, wo dieſes Etudium ſich gedeihlich weiter entwideln konnte. Der 
Entihluß, dorthin für längere Zeit überzufiedeln, drängte fi Platen um 
fo mehr auf, als eine neue Leidenfchaft zu einem Studenten, den Platen 
Cardenio nennt, fich feiner mit verhängnisvoller Gewalt bemächtigt Hatte, 
aber nur mit falter Abweifung erwidert wurde. Die alte Schwermut 


616 Die Tagebücher des Grafen Auguft von Platen. 


nahm aufs neue überhand; der legte Eintrag, den er in Erlangen am 
5. September 1822 in fein Tagebuch ſchrieb, lautet wie fo mancher 
frühere Echmerzgendausbruh (2, 5485: „Nun ift aller Troft, recht bald 
über hundert Meilen von ihm entfernt zu fein. Wie fol mir etwas 
anderes genügen? Muß ich mich wieder hinſchleppen und lächeln wit 
zerrifjener Seele? O Bott! Nimm ein Leben von mir, das Du mir unter 
fürdhterlihden Bedingungen gegeben haft.“ 

In diefer qualvollen Stimmung abreifend, vermochte Platen feinen 
Reiſezweck nicht zu erreichen. Die Erinnerung an die relativ glückliche 
Zeit in dem einfamen Zchlierjee taucht lodend vor ihm auf; der Schmerz 
über die Trennung von Qardenio raubt ihm die Energie. In raſch geän- 
dertem Entſchluß kehrt er in Pinz wieder um und eilt zurüd nad) Franken. 
Zwar nad) Erlangen, wo er fo feierlich Abſchied genommen, wagt er ſich 
zunächſt nicht herein, ſondern ſchließt ſich in Altdorf einſam von der Welt 
ab. Aber die wachſende Schwermut und die Unbequemlichkeiten des kleinen 
Neſtes treiben ihn wieder zurück zu den Menſchen, die ihm wohlwollen, 
wie zu dem Geliebten, der nichts mit ihm zu thun haben will. Aufang 
November 1822 trifft er wieder in Erlangen cin, verlebt aber im gleich⸗ 
mäßiger Arbeit und Melandolie freudlofe Monate Thür an Thür mit 
Cardenio, der unnahbar bleibt und mit Semeiterfhluß ohne Abſchied die 
Univerfitätsjtadt verläßt. Und nicht genug damit, widerfährt ihm and) von 
einem anderen Etudenten, auf deſſen Umgang er einige erfreuliche Hoff⸗ 
nung gebaut hatte, offenbar auf Grund umgehender Gerüchte cine Zurüd- 
weijung, tie ihn aufs tieffte verlegte: „Ich Habe heute das Fürchterlichſte 
meines Lebens erfahren. Der Abgrund, an dem ich feit Jahren ſchwindle, 
bat fih noch einmal mit gräßlicher Tiefe vor mir aufgethan. Knöbel, 
gegen den ich, ich darf wohl fagen, die reinfte, die innigfte Liebe empfand, 
fagte mir heute mit wenigen dürren Worten, daß ih ihm läjtig fei, daß 
ih ihm meine Freundſchaft habe auföringen wollen, daß ich jedoch meine 
Rechnung ohne den Wirt gemacht habe, daß er nicht die mindelte Neigung 
jür mid) empfinde, und daß ich ihn fo bald als möglich verlaffen folle. 
Ya, dies waren vielleicht noch feine mildeiten Ausdrüde. Ich fage nichts 
über das Nähere, denn was wäre hier nod zu fagen, nachdem dieje® 
geſagt iſt? Genug, daß ih den Tod in der Seele trage. ..... Es iſt 
nicht Knöbels Verluſt allein, es iſt die ungeheure Gewißheit, daß mich 
die Natur beſtimmt hat, ewig unglüchſſelig zu fein.“ 2, 577.) 

Ein neuntägiger Beſuch bei Töllinger in Markt Scheinfeld Hilft 
Platen, das ſeeliſche Meichgewicht wieder zu gewinnen; feine Gefundheit 
aber hat noch lange unter den Folgen der „ungeheuren Alteration” zu 
leiden. Häufige Beſuche bei Echelling und dem Theologen Engelhardt 
gewähren feinem verwundeten Gemüte Beruhigung. Doch vermißt er 
chmerzlich jüngeren Umgang, da feine philologijhen Freunde ihm nicht 
geben fonnten, was er braudte. Reiche Anregung bringt dann bie Be⸗ 


Die Zageblicher des Grafen Auguft von Platen. 617 


kanntfchaft mit dem Schweden Ulrih Kernel; aber beiterer Tonnte das 
Gemüt nicht werden im Verlkehre mit diefem Schwindfüchtigen, deſſen legte 
Leidenstage Platen in aufopfernder Fürforge fo viel als möglich erleichterte, 
und defien früher Tod eines feiner befannteften Gedichte veranlaßte. Die 
Ausſprache mit fich felbft im Tagebuch wird fpärlicher; große PBaufen in 
den Einträgen treten ein; an Stelle der früheren Beiprechungeu nen ges 
lefener Werke find ſchon feit einiger Zeit einfache Titelangaben getreten; das 
Tagebuch wird immer mehr zum „bloßen Skelett“ (2, 465). Aber dennoch 
kann man erkennen, wie männlie Yaflung die große Berbitterung und 
Schmwermut zu mäßigen verfteht, und wie immer mehr die Dichtlunft dem 
Einfamen Troft und Erfat für das entbehrte Glück bieten muß. 

Bei feiner hohen Auffafjung von Bedeutung und Wert des Dichters 
war aber die völlige Hingabe an die Poefie gleichbedeutend mit unab⸗ 
läffiger Arbeit an fich felbft, feiner wiffenfhaftlihen und, wenn man fo 
fagen darf, technifchen Ausbildung. „Das Genie ift angeboren und geht 
dem Leben voraus,“ fchreibt er in feinen Aphorismen (2, 645), „die 
Kunſt muß gelernt werden und ift die Höchite Aufgabe des Lebens für 
den, der Genie befigt.“ Diefer Ernſt des bewußten Wollen, der ihn vor 
jedem Abirren von feinen idealen Pfaden, zumal in die Wirrniffe der 
Phantaftie und des tief erregbaren Herzens, fürderhin bewahren foll, artet 
freilich gelegentlich 5i8 zu fteifer Pedanterie aus; und fo verlernt im 
weiteren Fortſchreiten allmählich feine Muſe, fih im natürlich jchlichten 
Fluſſe des gereimten Liedes auszuſprechen, und bebarf immer mehr bes 
feierlichen Kothurns, um Geift und Sinn des Dichter wie des Leſers in 
die ftrengfte Zucht zu nehmen. Der Eindrud, den Italien auf ihn maden 
follte, war ſchon Längft vorbereitet und brachte uur Keime zur Blüte, bie 
ihon vorher in ihm aufgeiproßt waren. 

Auch die vielgetadelte Sehnſucht nad Ruhm gewinnt in diefer Zeit 
der größten Vereinfamung immer mehr Gewalt über ihn. „Nur die Glück⸗ 
Iihen bedürfen nicht des Ruhms,“ fpricht er im feinem Prolog zu „Treue 
um Treue“ offen aus; der Ruhm fol ihm Erfag fein für feine „großen 
Leiden“. Mit doppelter Begierde griff er daher die Anregung zum Drama 
auf, die Schelling in einem bebentfamen Geſpräche gab. 

Bei einem Beſuche in Ansbach entfleht unter diefem Eindrud in 
fünf Tagen, vom 15. bis 19. Oktober 1823, „Der gläferne PBantoffel”, 
der bei feiner Borlefung bei Schelling fehr beifällig aufgenommen wird. 
Dadurch ermutigt, wendet ſich Platen jet entjchieden dem Theater zu unb 
läßt im Frühjahr 1824 ein erftes Bändchen „Schaufpiele“, den „Gläſernen 
Pantoffel” und den Einalter „Berengar“ enthaltend, im Buchhandel er- 
einen. Anfang Juli 1824 vollendet er den „Schatz des Rhampfinit“, 
der bei der Borlefung großen Effekt macht. Aber „was helfen mir Be 
wunderer, wenn ich feinen Freund finde!” (2, 629) lautet audy jet die 
alte Klage. Er fühlt ſich nad wie vor unglüdlich, ift empfindlich, wo er 


618 ‚Die Tagebücher des Grafen Auguft von Platen. 


mangelhaften Intereſſe an feinem Schaffen begegnet, und fehnt fi) einmal 
gründlich heraus aus der einengenden Umgebung und nad einer Zeit des 
Ausruhens und Genießens. Kein Freund oder Geliebter feiner Phantafie 
feflelt ihn; vielmehr fchreibt er mit bitterer Klarheit in fein Tagebuch: 
„Einen Freund zu finden mar immer ein idealer Wunſch feit meiner 
Jugend in mir; welche Klöße ich jedoch dafür gehalten habe, weiß der 
Himmel." (2, 636.) Nicht einmal einen geeigneten Reifebegleiter vermag 
er zu finden, wie er nun ernftlich an die Ausführung der längft geplanten 
Reiſe nad) Venedig geht. Am 21. Auguft 1824 verläßt er wohl vor- 
bereitet und ausgerüftet, aber allein Erlangen. 


IV. 

Wer nad) den „venetianifhen Sonetten“, diefer prächtigen Frucht 
jener erſten Italienfahrt Platens, in feinem Tagebuche eine poefieverflärte 
Verherrlichung der Yagunenftadt erwarten möchte, der wird völlig ent» 
täufcht von diefen Aufzeichnungen, die nur felten eine perjönlidhe Note 
anklingen laffen, dafür aber mit trodener Gewijjenhajtigleit alles Geſchaute, 
oft mit nicht mehr als conventionellen Beimwörtern, vegiftrieren. Auf der 
Reife über Salzburg und Görz nad) Trieft werden in Nachahmung Goethes 
mineralogifhe und botanifhe Beobachtungen nicht verfäumt, aus dem 
Bergwerk in Dürnberg eine Schachtel mit Mineralien, wie aud noch 
jpäter wiederholt Beiträge zu den naturwiſſenſchaftlichen Sammlungen nad 
Haufe geſchickt. In Trieft belebt fid) die Vorftellung des Südens in Stadt 
und Theater; Venedig macht zunächſt einen überwältigenden Eindrud. 
Aber bald jucht Platen ſich feine Zeit genau einzuteilen, um Alles bewältigen 
zu können, was ſich ihm in verwirrender Menge aufdrängt. Tag für Tag 
fucht er Kirchen und Paläſte auf, jtudiert Gemälde, Skulpturen und Bau⸗ 
werke, wobei Gian Bellin fein ansgeſprochener Yiebling wird; Abend für 
Abend geht er ins Theater, um die ttalieniihe Echaufpiellunft, namentlich 
in einem ihrer bedeutendften Vertreter, Beftri, zu bewundern, fo wenig 
ihn auch meiſt die gegebenen Stüde anfprehen. Daneben ftudiert er die 
italienische Poefie und den venetianiihen Dialekt, kauft bei den Buch⸗ 
bändlern mancherlei ein und berichtet viel gemiljenhafter al® in den 
Monaten vorher in feinem Tagebuche. Mit Menſchen ift er wenig zu- 
jammen; ein Franzoſe, Viguier, iſt einige Zeit lang fein Begleiter, bis 
der äͤſthetiſche Gegenſatz fi) unüberbrüdbar ermweift; ein paar Nobili find 
freundlich, dod) fomımt er ihnen nicht nahe. Das Schauen all des Schönen, 
das fih vor ihm aufthut, muß ihn für feine Einſamkeit entfchädigen; er 
fühlt ſich jogar ın feiner Art glüdlih. „Je länger ih in Venedig bin, 
defto mehr wächſt vor meinen Augen die Herrlichkeit diefer wunderbaren 
"Stadt; jeder Iag lehrt mich neue Schönheiten, neue Schäge kennen. Ich 
habe mid) fo gewöhnt, jeden Morgen mit der Anſchauung fchöner Kunft- 
werfe zuzubringen, daß ich nicht weiß, wie ich diefen Genuß werde ent- 


‚Die Tageblicher des Grafen Auguft von. Blaten. 619 


behren können. Ferne von allem Staub der Schule, unter einem Volle, 
das voll Unbefangenheit und dem Augenblid zu leben weiß, fange ic) 
jelbjt erft an, das Leben zu erkennen und zu genießen.“ (2, 698 f.) 

Kein Wunder, daß Platen den Abſchied fo lange ald möglich hinaus- 
ſchob und dann auf der Neife viel mit dem Heimweh nad Venedig zu 
thun hatte. In Verona noch die Schäße Italiens bewundernd, fühlt er 
‚in Bozen bei allem Entzüden über die herrlihe Natur fich doch angewidert 
von den Kunftwerken, die er bier in den Kirchen fieht. „Die Bilder 
jtürmerei gehört in Deutfchland nicht unter die Verbrechen.” (2, 729.) 
Auch in Münden, wo er am 19. November 1824 anlangte, können ihn 
Semäldefammlungen und Theater nicht mehr befriedigen; nur die Mufil 
muß er anerfennen und findet auch im dem Haufe eines trefflihen Mu- 
filter, des Hofkapellmeiſters Stung, die freundlichfte Aufnahme und das 
enthufiaftifchefte Intereſſe für feine Gedichte. Alte und neue Belannte 
werden aufgeſucht; das Wiederfehen Brandenfteins läßt einige Gedichte 
entjtehen. Der „Schag des Rhampſinit“ wird dem Intendanten Herrn _ 
bon Poißl, die „Venetianiſchen Sonette“ werden bei Thierſch mit, großem 
Veifall vorgelefen. So verflofien ein paar Wochen in einer angenehmen 
Zerftreuung, indes der Bildhauer Chriften ein Porträt des Dichters in 
Alabafter ausführte. Mit dem Ende des Jahres aber mußte Platen nad 
Erlangen zurüdtehren, von wo er fofort vor die Kommandantur in Nürn- 
berg zitiert wurde, um ſich wegen feiner nicht gemeldeten langen Reife 
zu verantworten. Mit ziemlihem Gleichmut ertrug er die Unterfuchung, 
während deren er, außer in den erften Tagen, im Kaufe feines Freundes 
Hermann wohnen durfte, und die vier Wochen Kajernarreft, die ihm ale 
Gtrafe zudiltiert wurden. Konnte er da doch ungeftört arbeiten und die 
„Denetianifchen Sonette* zum Drud bringen. Auch der Einalter „Der 
Ihurm mit fieben Pforten“, der Auffag „Das Theater ald National 
inftitut betrachtet“ und der Anfang von „Treue um Treue“ ſtammt aus 
diefem unfreiwilligen Nürnberger Aufenthalt. Man fieht, wie lebhaft feine 
Produktivität durch die venetianifche Reife angeregt war. 

Bei einem folgenden Beſuche in Ansbach aber und nad) feiner Rück⸗ 
fehr zu feiner Funktion in Erlangen beginut ſich wieder ein lebhaftes 
Mißbehagen einzuftellen. „Erlangen fängt an, mir langweilig zu werden. 
Der Aufenthalt in Venedig und Münden bat wir die Borzüge einer 
großen Etadt wieder vieljadh nahe gebradt. ... . . Ih habe Freunde, 
wie Puchta, Engelhardt u. a., aber fie find fehr befchäftigt, daß mir ihr 
Umgang doch nur jpärlih und ganz und gar nit nah Willkür zu teil 
wird. Es giebt Zeiten, wo id) felbft ſehr bejchäftigt bin und niemanden 
bedarf, aber wieder andere, wo ich recht eigentlich faulenze, ein Spazier- 
und Wirtshausfeben führe, mich gern unter Leuten jehe; aber wie läßt 
ſich da8 in einer Heinen Stadt realifieren?“ (2, 749). Noch flärter aber 
mar die Berftimmung über die Eindrüde, die ihm das litterarifche Treiben 


620 Die Tageblicher des Grafen Auguft von Blaten. 


jegt machte. „Unerträglich ift der literarifche Wuft, der einem in Deutſchland 
allenthalben wieder entgegentommt. Die Deutfchen willen einem Dichter 
feinen anderen Dank zu bieten, als Rezenfionen.“ (2, 746.) Diefer Eindrud 
verdirbt ihm fogar die Freude an der Vollendung feines erften Schaufpiels 
„Treue um Treue“. „Dabei ärgere ich mich, etwas Gutes gemacht zu 
haben; denn das Publikum wird es nicht anerkennen, die Theaterdirektoren 
werden es nicht aufführen, und die Kecenfenten werden mir Sottifen jagen. 
Das ift das Schidfal eines dramatifhen Dichters in Deutfchland.* (2, 750.) 

Diesmal aber follte Platen eine angenehme Enttäufhung erleben. 
Auf Schellings Rat übergab er fein neues Stüd dem Bamberger Theater- 
direftor Weinmüller, der gerade mit feiner Truppe in Erlangen fpielte. 
So wurde e8 unter feiner eigenen Anleitung einftudiert und trotz böfer 
Befürchtungen und der mittelmäßigen Kräfte des Theaters am 18. Juni 1825 
unter raufchendem Beifall zum erften Male aufgeführt. In gehobener Stim- 
mung, mit geſtärktem Zelbftbewußtfein Tonnte nun Platen die weiteren 
Verhandlungen mit anderen Bühnen führen, die freilid meiſt rejultatlo® 
blieben. An neuen Dichtungen war der Sommer arm; dod kündigt ſich 
in einer altäifhen Dde auf Napoleon die Hinwendung zu antiten Metren 
in der Lyrik an. Ende Auguft trat Platen dann feine zweite Schweizer 
Reife an, um einige angenehme Wochen bei zwei Freundinnen feiner 
Mutter, Frau de Gerjat bei Paufanne und Frau Oberft Weiß in der 
Mülimatt bei Thun, zu verbringen. Vorher machte er wieder fräftige 
Fußwanderungen, bei denen er fich recht wohl fühlt, aber auch in die 
allgemeine Klage über die große Ausnügung des Neifepublitums einftimmt: 
„So Ipetutien allca blos auf die Reifenden, und jeder nimmt, fo viel er 
kann.“ ı2, 777.) Er läßt fih aber dadurd nicht erbittern, fondern iſt 
auf dem größten Zeile diefer Reife ziemlich zufrieden, ja glüdlich. Aber 
die reine tiefe Wirkung wie vor zehn Yahren vermochte die herrliche Natur 
nicht mehr anf ihn auszuüben. Damals fonnte er fchreiben: „Iſt nicht 
das ſchönſte Muſeum die freie Natur?“ ı1, 213) und leichten Sinnes 
auf eine ‚sortfegung der Reife nach Italien verzichten, um fi nur am 
„das Yebendige“ zu halten. Legt zieht ihn vielmehr die edle Architektur 
des Schloſſes Chillon an und giebt feinem Geiſte Erhebung: „Die Hand 
der Kunft Hat in der Schweiz fo wenige Spuren gezeichnet, daß man 
diefe wenigen gerne verfolgt. In Italien lernte ich, daß es etwa Höhere® 
gibt ala tie Anſchauung der Natur, und die Schweiz befriedigt mich 
eigentlih nicht mehr. Wie wäre es auch möglich, daß die menfchlidhe 
Seele und das Höchſte, was fie hervorbringt, nicht göttliher wären ale 
Pflanzen und Steine, Berge und Thäler?* (2, 779 f.) Goethe fchrieb in 
Neapel: „Tie Natur ıft doch das einzige Bud, das auf allen Blättern 
großen Gehalt bietet.“ In wenigen Worten offenbart fih bier der große 
Unterfchied dee Eindrucks von Italien auf den Pfad weifenden Meifter und 
den hochſtrebenden, doc unfreien Epigonen. 


Die Tagebücher des Grafen Auguft von Platen. 621 


Auf der Rückreiſe benügt Platen feinen mehrtägigen Aufenthalt in 
Stuttgart, um mit Uhland, Guftav Schwab, Watthifon, dem Heraus 
geber des „Kunſtblattes“ Schorn, Danneder und Sulpiz Boiflerde zu ver- 
kehren. Auch befichtigt er mit Interefle die Boifferdefhe Gemäldeſammlung, 
die „mir unendliches Vergnügen gemacht haben würde, wenn ich fie vor 
meiner Reife nach Venedig gejehen hätte“. (2, 786.) Zu feinem neun- 
undzwanzigften Geburtstage trifft er wieder in Ansbach bei feinen Eltern 
ein. Sehr wehmütig berührt ihn die Nachriht vom Tode Jean Pauls: 
„vielleicht war der Menſch in ihm noch außerordentlicher als der Schrift- 
fteller.” (2, 787.) Auf Ludwigs I. Thronbefteigung, die er auf Schellings 
* Betreiben mit der berühmten Ode begrüßt, fest er auch perfönliche Hoff- 
nungen, die ihn nicht täufchen follten. Das neue Jahr brachte ihm die 
erjehnte Freiheit, nach Italien zu gehen, und ba er gleichzeitig durch 
Schwabs Bermittlung in Cotta einen Verleger gewonnen hatte, der ihm 
für einen zweijährigen Aufenthalt in Italien einen ficheren Wechſel zur 
Berfügung ftellte, fo ftand der Erfüllung feines „erften und legten 
Wunfches, nah Rom zu gehen“ (2, 788) nichts mehr im Wege. Auch 
viele Zeichen der Anerkennung und des Beifalls, die ihm jett zu teil 
wurden, und die Vollendung der „Berhängnispollen Gabel”, in der 
Scelling die wahre und echte Komödie begrüßte, hätten Platen in zus 
friedenere Stimmung verjegen müſſen, wenn ihm die legten Donate in 
Deutfchland nicht wieder durch eine neue, konſequent zurüdgemiefene Neis 
gung zu Karl Theodor German, einem jungen Theologen, vergällt worden 
wären. Diefe legte unfelige Leidenfchaft, der die Sonette an Jonathan 
entjprangen, verdüfterte da8 Gemüt des Dichters wieder in einem Maße, 
das ihm feine ganze Lage und Umgebung völlig unerträglid machte. „Nie 
bat mir ein Menſch ein fo himmelſchreiendes Unrecht zugefügt wie diejer, 
der mir die gemeinften Saufbrüder unter den Studenten vorzieht. Ic 
kann ihn als ein perfonifiziertes deutſches Publilum betrachten. Einer 
behandelt mich wie der andere. Und fo wurde mein Leben in den innerften 
Wurzeln angegriffen, und Ruhm und Freundſchaft, wovon eines wenigitens 
für das andere tröften könnte, mir auf gleiche Weiſe verweigert.“ (2, 795.) 
„Eine fo ſchneidende Kälte, wie ich in dieſem Wugenblide gegen die 
Menſchen überhaupt empfinde, war mir neu bis jest. Es ift höchſte Zeit, 
daß ich Deutfchland verlaffe; alle Bande find gelöft, alle Liebe Hat 
fih ins Innerfte meiner Bruft geflüchtet, um nie mehr hervorzutreten.“ 
(2, 797.) 

Mit wie anderen Gefühlen flüchtet Platen nach dem Süden als fein 
großes Vorbild! Bei Goethe die Hare Zuverſicht, von feiner krankhaften 
Sehnſucht duch den Anblid und die Gegenwart zu genefen: „Die Ber 
gierde, diefes Land zu fehen, war überreif: da fle befriedigt ift, werben 
mir Freunde und Baterland erft wieder recht ans dem Grunde lieb, und 
die Rückkehr wünfchenswert, ja um deflo wänjchenswerter, da ich mit 


622 Tie Tagebücher des Grafen Auguft von Platen. 


Sicherheit empfinde, daß ich fo viele Schäße nicht zu eignem Beflg und 
Privatgebrauch mitbringe, fondern daß fie mir und andern durchs ganze 
Leben zur Leitung und Förderniß dienen ſollen.“ Bon Platen will die 
Schwermut auf der ganzen Reife über die Alpen nicht weichen: „Ich 
fühle mich fehr melancholiſch geftimmt in diefen Gebirgen und ich fürdhte 
auch, daß das Glück in Italien jo wenig wohnt als anderwärts.“ (2, 800.) 
Auch auf italieniſchem Boden, wo er fogleich in Verona, Mantua, Parma 
feine frühere venetianifche Lebensweife wieder aufnimmt, den Tag im 
eifrigen Auffuchen aller erreichbaren bedeutenden Kunftwerle, den Abend 
wenn möglich im Theater zu verbringen, in Ylorenz, wo feine Bewun⸗ 
derung der Schönheit dieſes Menfchenfchlages aufs höchfte fteigt, auch Bier 
läßt ihn fein Verhängnis nicht los: „Die gänzliche Gleichgültigkeit gegen 
das Leben, die ih von Erlangen mitbradhte, ift während der Reife nicht 
verfchwunden, und auch Nom wird fie nicht verfcheuchen, da fie zu tiefe 
Wurzeln bat.“ i2, 814.1 Immerhin rüttelte ihn Rom, wo er an feinem 
dreigigften Geburtstage anlangte, etwas aus feinem Trübfinn auf. Die 
Fülle der neuen indrüde, das eindringende Studium des Stalienifchen, 
einiger Verkehr mit deutfhen und römiichen Künftlern, bei dem ihn wieder 
fein angeborener Schönheitsfult leitet, bejchäftigen ihn vollauf. Poetiſche 
Produftion ftelt fih nur fpärlich ein; dagegen intereffieren ihn außer» 
ordentlich die Yeiftungen italienischer Improvifatoren und Impropifatricen. 
Mit Deutichen umzugehen, vermeidet er, jo weit möglih; „fie machen 
einander bloß das Yeben fauer, grübeln über alles, und warum hätte ich 
auh Deutſchland verlajien?* (2, 821.) Schließlich kommt, dur das 
ungemwohnte Klima befchleunigt, eine Mervenüberreizung zum Ausbruch. 
In Neapel fol die Geſundheit wieder gefeftigt, aber auh an die Aus⸗ 
führung größerer dramatifher Arbeiten gegangen werden. 

Den Sommer 1837 verbringt Platen in Neapel, Sorrent und auf 
Capri. Er lernt ſchwimmen, kräftigt fih in der heißen Zeit in der 
frifcheren Luft Sorrents, dichtet auf Capri Ellogen, die ihn momentan 
mit großer Befriedigung erfüllen. Trogdem verlebt er feinen 31. Geburte- 
tag, nadı Neapel zurüdgefehrt, einfamer und trauriger als je. „Ich habe 
nicht Urſache, mit mir zufrieden zu fein, und bin in diefem Jahre weniger 
vorwärts» als zurüdgelommen. Mit meiner Geſundheit ohnedem; aber andy 
überhaupt. Die poetifche Unfruchtbarkeit war groß, Rom zerftörte mich, 
und was foll ich von Neapel jagen, wo alles Keiz ift und doc fo wenig 
(Genuß“. 2,543. Ter befte Ertrag des Jahres war die Freundſchaft 
mit Auguſt Kopifh. (Wegen Platene Willen hatte Geheimrat Semler die 
beiden Tichter zufammen zu Tiiche eingeladen, „Ich erwartete wenigſtens 
bloß eine trodene, gewöhnliche Bekanntſchaft zu machen, aber es fam noch 
viel Schlimmer, da jener fchöne, heitere und liebenswürdige junge Mann 
einen nur zu tiefen Eindruck auf mid machte, einen Kindrud, den ich 
eigentlich nic in Italien erfuhr, wiewohl die Italiener fo viel fchöner find 


Die Tageblicher des Grafen Auguft von Blaten. 623 


als wir Deutfche, und wiewohl hier in Neapel die Liebe zwiſchen Männern 
fo Häufig ift, dag man felbft bei den Lühnften Forderungen keinen Korb- 
zu gewärtigen hat. Bielleicht eben deswegen artet Bier bie Liebe nie zur 
Melandolie aus. Ich aber war nicht wenig beftürzt, mich aufs neue in 
einem Zuftante zu fehen, in welchen id nad German nie mehr zu ge- 
raten hoffte.” (2, 835 f.) Schon will er den begehrenswerten Freund 
fliehen, um ſich nicht in neue Leidenfchaft zu verftriden. Aber feine Neigung. 
und die Tiebenswürdigfeit des vieljeitig begabten Schlefiers ift ftärker, und 
troß aller Befürdtungen entwidelt fit) das Verhältnis auf das fchönfte 
und freundlichfte. Wie wohl thut es Platen, „jemandem durch ein Gedicht 
eine Freude gemacht zu haben, was mir bis jeßt, befonders bei German, 
jo jchleht gelang“. (2, 838.) Natürlich fehlte e8 auch diesmal nit an 
einzelnen Mißhelligkeiten,; aber fie wurden alle beigelegt, und neben der 
Freundſchaft mit Liebig ift die mit Kopifch eine der würdigſten und ers 
freulichiten in Platens enttäufhungsreihem Leben. 

Der Berluft wird Platen fehr empfindlih, als er Ende November 
nad einigen Heineren Abftechern in Großgriechenland wieder nah Rom 
zurüdfehrt, um dort zu überwintern. Hier findet er zuerft Waiblinger 
wieder, „deſſen Perfünliches mich weit weniger anjpricht, der aber ver- 
wünfjcht viel Geift hat und der mir auch viele Gedichte vorgelefen, die 
großes Talent verraten, wiewohl fie eigentlich nichts taugen und feinen 
Haffiihen Wert haben“. (2, 845.) Auch pflegt er in diefem Winter einen 
ziemlich ausgebreiteten Verkehr, rüdt aber mit feinem „Romantifchen Odipus“ 
nur langſam vom Flecke und kann nur ſelten von gelungenen neuen Dich⸗ 
tungen, meiſt Oden oder Eklogen, jetzt jedesmal mit großem Selbſtgefühl 
berichten. „Dergleichen Produktionen machen mir von Zeit zu Zeit fühlbar, 
daß ich noch lebe; fonft komme ih mir an Leib und Seele erbärmlich 
vor. Wenn nicht ein Wunder gefchieht, fo fehe ich nicht ein, wie ich nicht 
mit raſchen Schritten zu Grunde gehe.“ (2, 851.) 

Diefe melandolifhe Stimmung wird zeitweife durch angenehme Ein» 
drüde, wie etwa das Jufammenfein mit dem Fürften Thurn und Zaris 
und defjen Reifebegleiter Grafen La Roſée, zurüdgebrängt. Uber ſchwer⸗ 
mütig verläßt Platen Ende April Rom und wendet fih nad Norden, 
Perugia und Florenz, bereits entfchloffen, nicht wieder nad Deutichlaud 
zurüdzufehren. In Florenz findet er um Rumohr einen Kreis, in dem er 
fich fehr wohl fühlt. Aber feine Unruhe läßt ihn nicht lange weilen: „Im 
ein paar Tagen werde ich wieder volllommen allein fein, ein Schidjal, 
beiten ich nad und nad gewohnt fein könnte.“ (2, 865.) Er nennt e8 
ein Schidfal, obwohl jegt ihn nichts Hindert zu verweilen, wo es ihm 
gefällt, und ihm nichts von dannen treibt als fein eigener Entſchluß. 
Aber das eine fchwere Fatum, das unentrinnbar auf feinem ganzen Leben 
laftet, läßt ihn auch fataliftifh anfehen, was ganz Fügung feines freien 
Willens ift. So ift denn die Einkleidung feines Berichts von feiner Aus 


624 Die Tagebücher des Grafen Auguft von Blaten. 


funft in Rom: „Co war e8 mir denn wider eigenes Bermuten beftimmt, 
gerade heute an meinem 30. Geburtstage (hier) anzulangen“ (2, 816) 
nicht bloß eine äußerliche Nahahmung von Goethes Eingangsworten aus 
Venedig ; diefer fataliftifche Zug, durch mancherlei Überglauben ſchon in 
Deutfhland längſt angekündigt, Liegt tief in Platens Weſen, und eine 
ſchwermütige Ergebung in das Schidjal prägt ſich gerade in feinen Außer 
rungen aus Italien wiederholt aus. 

Den Sommer 1828 verlebt Platen ziemlich glädlih in idylliſcher 
Einjamkeit auf der Infel Palmaria, mo er allein mit einem Diener eine 
herrlich gelegene, geräumige Billa bewohnt, und wenn ihn nicht gelegent- 
lih Freunde vom Feſtlande aus befuchen, durch keinen Menſchen geftört 
wird. Hier gelingt es ihm endlich, den „NRomantifchen Ddipus“ zu Ende 
zu führen. Daß er aber durch diefe Dichtung nicht, wie er wollte, der 
Tragödie näher gebracht werden konnte, das hat niemand Harer und bei 
allem Mitgefühl ſchärfer beleuchtet al8 Goethe: „Der ‚Romantifche Dpipus’ 
trägt Epuren, daß, beſonders was das Techniſche betrifft, gerade Platen 
der Mann war, um die befte deutjche Tragödie zu fehreiben; allein nachdem 
er in gedahtem Stück die tragischen Motive parodiftiich gebraudt hat, 
wie will er jegt noch ın allem rnit eine Tragödie machen! Und dann, 
was nie genug bedacht wird, folche Händel oflupieren das Gemüt, die 
Bilder unferer Feinde werden zu Geipenftern, die zwiſchen aller freien 
Produktion ihren Epott treiben und in einer ohnehin zarten Natur große 
Unordnung anrichten, Yord Byron iſt an feiner polemifchen Richtung zu 
Grunde gegangen, und Platen bat Urfache, zur Ehre der deutfchen Yittes 
ratur don einer fo unerfreulichen Bahn für immer abzulenken.“ Un» 
zweifelhaft iſt in diefen Worten die Erbitterung Platens gegen das deutfche 
Publikum und die deutjche Kritik im ihren verhängnisvolften Wirkungen 
treifend gekennzeichnet; in feinem Tagebuch aber fieht man infolge der 
Spärlichkeit der Einträge in den italienischen Jahren diefe Sefpenfter nicht 
wie in den von Miindwitz veröffentlichten Briefen deutlich hervortreten. 
Immermanns Name begegnet uns einmal, den Heines fuchen wir über- 
haupt vergebene. Und fo bemerft man mit Vefriedigung, daß Platens 
Gemüt doch nicht in dem Maße von erbittertem Groll gegen Deutfchland 
erfüllt war, wie man nad den unter augenblidfihen Cindrüden und 
Anläſſen geichriebenen Wriefen annehmen mußte. Er verzehrte fich nicht 
bloß in Berbitterung über die Mißachtung feiner Poefie im Vaterlande; 
fein ganzer Zorn hatte auch bier tieferen Grund und war nichts als er- 
franfte Yiebe. 

Die legten Monate des Jahres 1828 benugte Platen, um eine Reife 
durh Iberitalien zu machen: Genua, Mailand, Cremona, Brescia, an 
den Sardajee, Turin, Fiacenza, Rarma, Neggio, Bologna. Manch an» 
genehme Kindrüde, wie die Nelanntfhaft mit den Brüdern Frizzoni, 
wechſeln mit beflemmenden, wie er vor allem die ewigen Nebel der wafler- 


Die Tagebücher des Grafen Auguſt von Platen. 625 


reihen lombarbifhen Ebene drüdend empfand. Aush ftellt fi bisweilen 
eine Empfindung ein, die ihm, dem ewig Arbeitenden, bisher faft fremeb 
war: „Da ich nicht mehr jung genug bin, um immer allein gu fein, ſo 
habe ich Überflug am langer Weile.- (2, 880.) Sein Winterguartier im 
Siena eröffnete ihm wieder einen angenehmen Umgang, im Laufe ber 
Gräfin Pieri; eine Zeit lang war and) Numohr dert, deſſen Gelhmed 
und Kenntnis in Sachen ber Kunft Platen in Hogem Maße anuſprechen 
mußte. Eine neue größere Dichtung, „Die Wbbaffiden”, wurde be- 
gonnen. Im Mai macht er fi wieder auf bie Reiſe von Ort zu Dirt, 
nimmt die Sommermonate hindurch Seebäder in Ancona, reift im Herbß 
wieder nordwärts bis nach Venedig, um fi dann für deu Winter nad 
Rom zu begeben. Seine Geſundheit feftigt fih in diefem Sabre; „es 
ſcheint, daß das Reiſen für mid eigentlich die zuträglichfte Lebensart if“. 
(2, 886.) Aber allmählich fühlt ex ſich doch fehr unrußig, „da ic doch 
nad und nad meinen Aufenthalt für einige Jahre irgendwo firieren muß, 
wenn ich meine poetifchen Arbeiten fördern will, die bei dieſen beflänbigen 
Reiſen nicht gedeihen.“ (2, 913.) Leider bradte ber Anfang des Jahres 
1830 viel Krankheit, die ihn feine neuen Bekanntſchaften mit dem preußis 
fen Geſandten von Bunfen, dem Biftoriler Kante, dem Archäologen 
Gerhard und anderen nicht na Wunſch ausnugen ließ. Wenigſtens fehlte 
es ihn aber nicht an Teilnahme und Anfprache, und die lange vernach⸗ 
läffigte Lektüre konnte wieder einmal in ben Bordergrund treten, wohei 
wohl Rankes Werke Platen die erfte Anregung zu feinen eigenen hiſtori⸗ 
hen Arbeiten gaben. Auch der Mai in Neapel und dee Sommer in 
Sorrent wird noch großenteil® durch den langwierigen Verlauf ber Kraul⸗ 
heit verbittert. Bei beflerer Geſundheit aber Zaun er allmählich wieder 
teinere Reifen machen, wählt jedoch endlich Neapel zum Rändigen Wohnort, 
wo er denn auch, Heine Unterbrechungen ausgenommen, bis zum Juli 1882 
aushält. Hier werden die „Abbaffiden“ vollendet, außer einer Keihe yon 
Oden entflegen bier die meiften Bolenlieder; im ganzen aber muß die 
Voefie hinter geſchichtlichen Studien zurädtreten, als deren erfle Frucht 
die „Geſchichten des Königreichs Neapel“ im April 1882 abgeſchlofſen 
werden. Die Verbindung mit Deutichlend wurde aufgefrifcht durch einen 
breimonatlihen Beſuch von Fritz Fugger, biefem tremeflen Freunde bes 
Dichters, der auch in Augsburg die Handichriften Plapens in Verwahrung 
genommen hatte; der König und der Kronprinz vom Bahern kamen im 
Sommer 1832 ebenfalls nad; Neapel und erwieſen fich dem Dichter höchſt 
gewogen. Aber auch eine Trauernachricht rief ihn nach Deutichland zuräd; 
fein Vater war am 8. Yumi 18831 geftorbek, bie verwitweie Mutter 
wänfchte fehatich den Sohn wiederzujehen, und fo begab fi Platen am 
1. Yuli 1832 nohmal® auf die Reiſe nach Norden, um, mad einem 
dreimöchentlihen Aufenthalt in Benedig, am 80. Auguſt glücklich im 
Münden einzutreffen. Hier verfloß der Winter im awregeuden Umzaug 
48 


Euphorion. VII. 


626 Tie Tagebücher des Grafen Auguft von Platen. 


mit alten Freunden wie Schelling, Schubert, Puchta, Hermann, Thierfch, 
Stung und vielen neuen Belannten wie Cornelius, Kaulbach, Böding und 
anderen mehr aufs angenchmfte. Auffallend ift, daß der weibliche Verkehr 
den männlichen faft überwog. Die poetifhe Produktion regt fi) wieder 
einmal lebhafter; im November und Dezember 1832 entfteht außer 
mehreren Dden und Romanzen Platens letztes Drama „Die Liga von 
Cambrai*. Den Sommer 1833 verbringt Platen wieder in Venedig, 
meiſt mit hiftorifchen Arbeiten befchäftigt; Hier lernt er bei einem Flöten. 
fpieler, der fein Wohlgefallen erregt bat, die Flöte, um in einfamen 
Stunden ſich felbjt Fuggers Kompofitionen feiner Dichtungen vorfpielen 
zu können, Noch einmal fehrt er dann nach Deutfchland zurüd, um noch⸗ 
mals in München einen an Anregung und Verkehr ziemlih reihen und 
angenehmen Winter zu verleben. Wiederholt gebeten, aus feinen Gedichten 
und hiltorifchen Werfen vorzulefen, läßt er fih gerne die Bewunderung 
und den Beifall der Geſellſchaft gefallen, zeigt aber auch gerne feine 
Eclbftändigfeit, indem er gerade in Meontalembertd Gegenwart feine 
demofratijcheiten Gedichte oder vor der Tochter des preußifhen Gefandten 
feine ſchärfſten Polenlieder vorträgt. Heimiſch konnte er in Münden nicht 
mehr werden. In gehobener Etimmung wendet er fih Ende April 1834 
wieder nach Italien, zu diefer legten Tahrt über die Alpen von dem 
feltenen Glücke begünitigt, in dem Juriſten SDarenberger und dem Hiftos 
riler Conjtantin Höfler bis Florenz die trefflichite Reiſegeſellſchaft mit- 
zunehmen. 

Und diesmal hält die ruhige, ja heitere Stimmung an, er fühlt fidh 
jegt im Italien und feiner bejreicnden Natur» und Kunftatmojphäre „recht 
glücklich“. 2, 962. Auch an ihm alſo bat ſich der Segen der ftrengen 
ethischen und fünftleriichen Zelbitzucht bewährt; durd) fchwere, leidenſchaft⸗ 
liche Kämpfe, durch tiefe, fait verzweifelnde Melancholie hat er fi zu 
gefagter Selbſtbeherrſchung und entfagender, doch nicht freudloier Gemüuts⸗ 
ruhe durchgerungen. In Florenz, wo er jest nur ſechs Wochen bleibt, 
und Neapel, wo er den Zonmer verbringt, verfchrt er gerne unter den 
Dienichen, darunter Yeopardi, während die poetifche Fruchtbarkeit zu vers 
ſchwinden ſcheint. Im Winter aber, den er wieder in Florenz verlebt, 
entitchen einige jener Hymnen, in denen er den Gipfel feiner Kunft er: 
blidt. Ihm, der als Menſch fo ſchwer und bitter ernft an ſich gearbeitet, 
iſt dieſe im künſtlichen Zwange lich Doch immer freier und ficherer, fühner 
und ſchwungvoller gebende Ausſprache hochſinniger und geiftvoller Ges 
danfen und Empfindungen eine natürliche, notwendige Geftaltungsform, 
deren fubjeftive Berechtigung durch noch fo begründete theoretiihe Ein⸗ 
würfe nicht befeitigt werden kann. Auch die fünftlerifchen Leiſtungen Platens 
tönnen nur durch die pinchologiiche Kenntnis feiner Perfönlichkeit, wie fie 
num die Tagebücher erſchließen, ın ihrem vollen Werte, ihrer Größe wie 
ihren Mängeln, richtig gewürdigt werven. 


Die Tagebücher des Grafen Auguft von Platen. 627 


Das Frühjahr 1835 benugt Platen zu einer Reife durch Sicilien, 
wo er fih mit Genuß dem „Eindrud der Neuheit" (2, 975) überläßt. 
Wenn ihn auch mande Beſchwerlichkeiten bedrängen, fo lohnen doch 
Balermo, Taormina und Meffina die Fahrt, der ſich eine weniger er- 
freulihe Wanderung durch Calabrien anſchließt. Hier droht ihn gelegentlich 
die ruhige Stimmung zu verlaffen; die überlegene, flegreiche Heiterkeit, 
die Goethe bei ähnlicher Beläftigung dur die Einwohner in Malſeſine 
beweift, fteht ihm in Belvedere nicht zu Gebote. Er ift froh, nach Salerno 
und Neapel zurüdzufehren. Die Kunde von dem Bordringen der Cholera 
aber veranlagt ihn, aufs neue nah Sicilien überzufahren. Nah kurzem 
Aufenthalte verläßt er Palermo an feinem neununbdreißigften Geburtstage; 
„nie habe ich einen traurigeren verlebt”. (2, 989.) Die ſchlimmſte Ungunft 
des Wetters, die Unbequemlichkeiten der Reiſe, vermehrt durch die 
Überforderungen der Wirte, machen die Fahrt nah Syrakus trübe und 
unerfreulih. In Syrakus felbft findet er bei Don Mario Landolina die 
gütigfte und gefälligfte Aufnahme. Mit diefem Eintrag vom 13. November 
1835 bricht das Tagebuch ab; am 22. November erkrankte Platen und 
ftarb am 5. Dezember; im Garten der Billa Landolina wurde er bes 
graben. 

Trübe klingen die Tagebücher aus; trübe, faft beklemmend ift ein 
großer, ja der größte Zeil ihres Inhalts. Für Platen aber waren fie 
trogdem eine befreiende That, die Beichte, die ihn befähigte, unter ben 
größten Qualen doc fein beſſeres Selbft fiegreih zu behaupten; uns 
geben fie den Schlüffel zu feinem Weſen in al feinen Lebensäußerungen. 
Nun wiſſen wir, daß Goethes berühmte Charatteriftit Platens gegenüber 
Edermann in einem ganz anderen Sinne zutrifft, als Goethe felbft fie 
gemeint Hat. „Es ift nicht zu leugnen, jagt Goethe, er befigt mande 
glänzende Eigenfchaften: allein ihm fehlt — die Liebe. Er liebt fo 
wenig feine Lefer und Mitpoeten als fich felber, und fo kommt man in 
den Fall, auch auf ihn den Sprud des Apofteld anzuwenden: Und wenn 
ih mit Menjchen- und mit Eugelzungen rebete, und hätte ber Liebe nicht, 
jo wäre ih ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Nod in diefen 
Zagen habe ih Gedichte von Platen gelefen und fein reiches Talent nicht 
verfennen können. Allein, wie gejagt, die Liebe fehlt ihm, und fo wird 
er auch nie fo wirken als er hätte wirken müflen. Man wird ihn fürchten, 
und er wird der Gott derer fein, die gern wie er negativ wären, aber 
nicht wie er das Talent haben.“ Ya, die Liebe war fein Verhängnis, das 
ihm jenes negative Gepräge unerbittlich aufprägte, fo ſchmerzlich feine 
Seele nad den reiniten, höchſten pofitiven Zielen rang. Über fie fehlte 
nicht feinem tief leidenſchaftlichen Gemüte; die unheilvolle Gabe der Natur, 
die ihm die Gegenliebe verfagte, fie bat ihn nm das Glüd der un- 
befangenen Piebe zu fich jeldft und zu den Menfchen, wie um jedes uns 
befangene Glück gebradt. 


40? 


628 Tie Tagebücher des Grafen Auguft von “Platen. 


Wie der Menich, fo wird auch der Dichter erſt durch bie Tagebücher 
in feinem ganzen Weſen, feinem Wachen und Werden, feinen inueren 
und äußeren Bedingungen ın vollem Maße erklärt. Der innige Zufammen- 
hang von Leben und Dichten, der Goethes poetiihe Werke zu Selbſt⸗ 
belenntniflen höchſter Art ftempelt, befteht and bei Platen; auch feine 
Gedichte find faft alle Gelegenheitsgedichte im Goetheſchen Sinne. Nicht 
bloß die Inrifchen Pocfien, auch größere Werke, wie feine epiihen Entwürfe 
und Dramen, beruhen auf dem ganz perfönlichen Erleben und Empfinden, 
find nicht bloß Äußerungen feiner geftaltenden Phantaſie, foudern Aus. 
ſprache feiner Liebenden Sehnſucht und feiner fittlihen Anihauungen. Die 
Klarheit, die wir hierüber aus deu Tagebüchern in fo unendlich vielen 
einzelnen Fällen gewinnen, macht uns den ganzen Dichter verftändlicher, 
läßt uns mande feiner Schöpfungen erft jegt in ihrer vollen Bedeutung 
erfajien. Und auch zur äußeren Entftehungsgefcdichte feiner Dichtungen 
liefern die Tagebücher wenigſtens bi® zum Jahre 1826 reiches, dann 
freilich fpärlichere8 Material, und auch nad diefer Seite bringt uns bie 
neue unverftümmelte Ausgabe reichen Gewinn gegenüber der Bearbeitung 
Engelhardts. 

Es würde zu weit führen, wenn wir dieſen Angaben hier im ein⸗ 
zelnen nachgehen wollten; denn es ſtellt ſich heraus, daß trotz der bahn⸗ 
brechenden Arbeit des hochverdienten Redlich, die einen ſo bedeutenden 
Schritt über alle früheren Ausgaben und Biographien Platens hinaus 
gethan hat, eine nochmalige ſyftematiſche Durcharbeitung der ſämtlichen 
erhaltenen Plateniana eine unabweisbare Forderung der Wiſſenſchaft ſein 
muß. Redlich konnte die Tagebücher nur mit weſentlichen Beſchränkungen 
benutzen und hat ſich deshalb leider meiſt an das 1860 erſchienene, ver⸗ 
ſtümmelte Tagebuch gehalten. Daher erſcheinen in feiner chronologiſchen 
Überfiht der Werke Platens eine ganze Reihe Gedichte, die jetzt zum 
eriten Male veröffentlicht wurden, gar nicht oder in der Hein gedrudten 
Yılte der verlorenen; ich verweife namentlich auf den reichen Ertrag bisher 
unbelannter Gedichte aus den Jahren 1815 und 1816 G. B. 1, 282. 
305. 363. 8393. 41. 422. 443. 446. 452. 487. 607. 617. 664), 
aber auch aus fpäterer Zeit 2, 5. 43. 135. 210. 246. 371. 875). 
Intereſſant iſt dabei beionders, dag fih aud die Zahl der franzöfifdgen 
1, 283. 345. 409. 122. 452. 458: und englifhen Gedichte Platens 
1, 219.275 vermehrt; auch portugiefifche Bersübungen (2, 19) kommen 
neu hinzu. Manche Gedichte finden ſich übrigens hier abgedrudt, die ſchon 
bei Redlich und fonft Aufnahme gefunden haben. Es wäre ſehr voreilig, 
dieg verurteilen zu wollen; nicht leicht it bei einem Dichter das Studium 
der Varianten fo lohnend wie bei Platen, und fo bieten die bier zum 
erften Male veröffentlichten urſprünglichen Lesarten (3. B. 1, 357 „Am 
Rheine“; 1, 257 „Wiederlehrend nach dem Vaterlande“; 1, 592 „Bier 
jelbft dent ıdı an des Gotthards Höhen“; 1, 619 Klofler Königsfelden 


Die Tagebiicher des Grafen Auguft von Blaten. 629 


und andere) einen außerordentlich Ichrreihen Einblid in Platens Arbeits» 
weife. In einzelnen Fällen bemerken wir, daß Redlich Angaben des Engel- 
hardtichen Tagebuches falich bezogen hat; das religiöfe Geburtstagsgebicht 
3. B. vom 24. Dltober 1815 ift nicht identifch mit der Wbendbetradhtung, 
die in den Werken 1, 491 abgedrudt ift, fondern erfcheint erſt jet (1, 827) 
zum eriten Male. Bei der Datierung des Gedichts „Mag der Wind im 
Segel beben“ (Redlich 1, 31), das urfprünglich die Überfchrift „Widerruf“ 
erhalten follte, ift die Angabe 1818 irrtümlidh, da e8 nicht durch Lüders 
Brief vom 16. Auguft 1818 (vgl. Redlich 1, 692), fondern durch den- 
jenigen veranlaßt wurde, von dem Platen nonis octobribus 1817 fpridt. 
Derartige Berichtigungen und Ergänzungen ließen fi) wohl vermehren; 
aber e8 erjcheint undankbar, in diefer Weife an einer grundlegenden Arbeit 
Korrektur zu üben, die dauernd Wertvolles und unter ben damals nod 
beitehenden Einengungen das denkbar Befte geleiftet Hat, und deren Mängel 
großenteild in der Beſchränkung oder Trübung der notwendigen Quellen 
ihre Erklärung finden. Der mühſame große Rohbau ift von Redlich vor» 
trefflich errichtet worden, und er felbft würde mit Genugthuung wahrnehmen, 
daß jet an der feineren Ausführung mit über Erwarten reihen Mitteln 
und guten Ausfichten weiter gearbeitet werden Tann. Dazu bieten die 
Tagebücher ein faft unerſchöpfliches Material, aus dem ich nur noch einen 
harakteriftifchen Zug hervorheben wil. Ein feinfinniger Afthetifer und 
Lyriker, Albert Matthäi, hat jüngfthin?) die Bemerkung gemadt: „Ein 
Meifter und Mufter äußerer Formvollendung ift Platen; innere Form if 
bei ihm jelten zu finden. .... Platen hat alle möglichen Yormen bald 
virtuofenhaft, bald fchulmeifterlich nachgebilbet, nur von einer einzigen Form 
bat er niemald Gebrauch gemadt: von der Form der freien Rhythmen, 
die ihm wohl überhaupt Teine Form dunken mochte.“ Run wohl! Vie 
Tagebücher bringen und das erfte Beifpiel freier Rhythmen von Platen 
(1, 402 f.) in einem Gedichte, deflen eingeborene innere Form niemand 
wird beftreiten wollen. Der richtige Kern von Matthäis zu weit 
gehender Behauptung wird durch diefe beftätigende Ausnahme freilich 
nicht widerlegt; aber fie bringt deutlih zum Bewußtſein, wovon tiefer 
eindringende Beihäftigung mit Platen auf Grund der Tagebücher immer 
mehr überzeugt, daß mit den alten Vorurteilen von der Kälte und Äußer⸗ 
lichkeit Platen® endgiltig gebrochen und die tiefe leidenſchaftliche Innerlichkeit 
feines Charalterd trog gewiſſer Einfchränkungen, die ja unzweifelhaft 
beitehen bleiben, als Grundzug feines Weſens als Menſch und als Künftler 
anerlannt werden muß. 


Münden. Erich Bepet. 


1) In der Beilage zur Allgemeinen Beitung 1900, Rr. 62. 


6530 Köfter Albert, Gottfried Keller. Sieben Vorleſungen. 


Köfter Albert, Gottfried Keller. Sieben Borlefungen. Leipzig, R. ©. 
Teubner 1900. 2.40 M. 


Das Buch bietet, „nur leicht überarbeitet”, eine Reihe von Bors 
lefungen, die der Verfajier in Hamburg vor einem größeren Publikum 
gehalten hat. Dadurch wurde fein Charakter befonders nad) zwei Eeiten 
bin beftimmt. Einmal mußte Köfter feine Ausführungen dem Niveau 
feiner Zuhörer anpajlen, dann zwang ihn, der vermutlih auf wenige 
BVorlefungen angewiefen war, die Kürze der Zeit zu einer quantitativ 
ungleihmäßigen Behandlung der Schöpfungen des Dichters. Nur ber 
„Grüne Heinrich“ und das „Zinngediht“ werden eingehender behandelt. 
Manche Werte wie die „Mißbrauchten Yiebesbriefe“ oder der köſtliche 
„Schmied jeines Glücks“ find mit nicht mehr als einer bloßen Erwähnung 
bedacht. Einem Meifterftüd wie dem „Yandvogt vom Greifenſee“ werden 
nur wenige Zeilen gewidmet. Gin litterarifch wie Litterarhiftorifch gleich- 
mäßig interejlantes Produkt wie der „Apotheler von Chamounir“ bieibt 
gänzlich unbeadhtet. 

Der Forderung der populären Behandlung ift Köfter in einer muſter⸗ 
haften Weife gerecht geworden. Schlicht, in überaus klarer Dispofition 
und alles Schulmäßige vermeidend trägt er die Ergebnijfe fremder und 
eigener Forſchung vor. Zur eigenen rechne ich hauptſächlich eine prägnante 
Vergleichung der beiden Faſſungen des „Grünen Heinrich“, deren Refultate 
er unter geihidtem Berbergen alles gelehrten Rüſtzeuges mitteilt. Diefe 
Kunft der populären Darftelung iſt keineswegs zu unterfhägen. Eo lange 
unjer Publikum der eigentlichen Yıtterarhiftorie fo geringe Sympathie 
entgegenbringt, bedarf es fünftlicher, faft möchte ich fagen diplomatifcher 
Mittel, um ihm die Koft ſchmackhaft zu machen. Auch iſt für den Forſcher 
mit dieſem jchmwierigen Sefchäft manche Entjagung verbunden. Wo aber 
wäre man mehr verpflichtet fie zu bemerken und dem Autor mit diefer 
Nonftatierung eine wenn aud noch fo geringe Entſchädigung zu bieten 
ald in ter fachwiſſenſchaftlichen Zeitſchrift? So hebt Köfter beifpielamweife 
an den „Neueren Gedichten“ ‚von 1851 als bezeihnend hervor, daß im 
ihnen der Unſterblichkeitsglaube, an dem Neller in der VYoril von 1846 
trog aller Unkirchlichkeit mit zäher Ausdauer feithielt und den er mit 
jugendlich-ungeſtümer Tapferkeit verteidigt, daß dieſer Glaube nun auf 
gegeben ıjt. Es iſt das cin fruchtbarer Geſichtspunkt, mit deffen Hilfe es 
leicht sit, eine ganze Reihe dev Gedichte zu charakterifieren. Köfter aber 
verzichtet im Intereſſe der Okonomie des Ganzen darauf und begnügt 
ih zu fügen, daß die neuen fi von den älteren hauptſächlich dadurch 
untericheiden, Laß jene die Uniterblichkeit bejahen, diefe fie verneinen. Gr 
bewährt fo die dem dentichen Gelehrten fo oft abgefprochene Kunft des 
Verſchweigens. 

Im ganzen bat Koſter zwei Momente vor allem im Auge: cr will 
stelers Entwidlung darlegen und die widtigften feiner Werle analpfieren. 


Köfter Albert, Gottfried Keller. Sieben Borlefungen. 631 


Jenes ift ihm bei weitem beijer gelungen als dieſes. Es bildet das weſent⸗ 
liche Charafteriftilum des Buches. Aufmerkſam verfolgt er die religiöfe 
Wandlung des Dichters; nicht minder berüdfitigt er die Ausbildung 
feiner politifhen Anfchauungen. Die entjheidende Wendung, die in feinem 
Leben der Berliner Aufenthalt (1850—1855) bezeichnet, entgeht ihm nicht. 
Mit Recht weift er darauf Hin, daß er im diefer Zeit erft der geftaltende 
Poet wird. Fein zeigt er and, wie fi in der Lyrik des Dichters leiſe 
der künftige Epiker ankündigt. Parallel diefer Erſcheinung madt er bie 
Beobachtung, wie fi in dem Berfafler des „Grünen Heinrich“ der 
Novelift verrät. Indem Keller nad einer erſtaunlich zögernden Ent⸗ 
widlung und nad ſchweren Selbfttäufhungen endlich dieſes ihm ganz 
gemäße Gebiet betritt, erreicht er die Höhe feiner Kumft. Und wie er fi 
dann bier entfaltet, wie er fih mehr und mehr von dem Ungeſtaltet⸗ 
Pehrhaften frei macht, wird von Köfter an dem erften Bande der „Leute 
von Seldwyla“ eindringlih dargethan. Hübſch bemerkt er weiterhin die 
Fäden, die fi von dem zweiten Bande diefer Sammlung zu der künftigen 
Produktion Kellers fchlingen, wie er in ihr die Wege zur Iulturhiftorifchen 
Novelle und zu dem das Leben der Gegenwart behandelnden Roman 
betritt, die er dann nicht mehr verlafien bat. So verfährt Köfter im 
eigentlichen und beften Sinne litterarhiftorifch, indem er bemüht ift, dem 
Geheimnis der Individualität des Dichters gefchichtlich durch Darlegung der 
allmählichen Kortfehritte feiner Kunft und durch Aufdedung der Zufammen- 
hänge feiner Schöpfungen miteinander nahe zu kommen. Beſonders mit 
diejer zweiten Bemühung fteht er ganz auf dem Boden der modernen, 
der naturmwiffenfchaftlihen Methode verwandten Betrachtungsweiſe. Gr 
folgt jenem Sat, den Goethe von allem Werden ausgeſprochen Hat, daß 
„nichts entfpringt, als was fchon angekündigt iſt“ und legt damit den Grund 
zu einer Descendenz der Kellerfchen Werke. Zuweilen verleitet ibn das 
Beitreben freilich zu Konjtrultionen und er fieht dort Entwidlung, wo 
Wiederholung vorliegt. So wenn er (S. 118) an der Erzählung „Kleider 
machen Leute“ als neues Moment bervorhebt, daß fie den Dichter auf 
dem Wege zu ernfterer Behandlung ſittlicher Probleme zeige. Hat er nicht 
Ihon im „PBancraz dem Schmoller* oder in „Romeo und Julia“ fittliche 
Probleme ernfter behandelt? 

IH fagte, dag Köfter die Darlegung der Entwidlung des Dichters 
beffer gelungen fei al8 die Analyfe feiner Schöpfungen. Hier finde ich 
ihn zu kahl, zu fehr auf das Stofflihe und allenfalls Ethifche bedacht 
und zu wenig geneigt, das eigentlid Künftleriiche hervorzuheben, kurz zu 
wenig äfthetifierend. Empfiehlt es fi ſchon im allgemeinen nicht, den 
äußeren DBerlauf einer poetiſchen Schöpfung zu berichten, ohne damit — 
mas bei der idealen Analyfe organisch gefchehen mug — eine künftleriiche 
Würdigung zu verbinden, weil man fie fo des Reizes entkleidet, ihr den 
Duft nimmt, fo ift e8 befonders gefährlich bei einem Dichter wie Keller, 


632 Köfter Albert, Gottfried Keller. Sieben Vorleſungen. 


defien Stärke fo fehr im phantafievollen Ausmalen des Detail® berubt. 
Tod will ic) nicht zu bemerfen unterlajlen, daß die Analyje des „Sinn 
gedichts“, da3 der Verfaffer für das vollenderfte feiner Werke zu halten 
Scheint, auch höhere Forderungen erfüllt. Hier begnügt er fih nicht mit 
der Inhaltsangabe, fondern ift beftrebt zugleich die dichterifden Inten⸗ 
tionen aufzudeden. 

Als einen Mangel des Buches empfinde ih aud, daß unter der 
geichichtlichen Betrahtung die Geſamtwürdigung Kellers zu kurz gefommen 
ft. Die wahre Bedeutung des Dichters wird einem nit genug nahe 
gebracht. Iene Bereinigung des Roetifchen mit dem Gedanlenvollen, tiefe 
finniger Weltbetrahtung mit unerſchöpflicher Fabulierkunſt, Hohen geiftigen 
Gehalts mit nie verfagender Geftaltungstraft, die ihn nad) ‚Goethe zum 
bervorragendften deutfchen Dichter des Jahrhunderts macht, fie läßt uns 
Köfter kaum ahnen. Beſonders am „Grünen Heinrih“ mußte dargetban 
werden, wie Keller in die Tiefe der menschlichen Bruſt geftiegen iſt und 
verborgene und verfchwiegene Regungen der Seele mit unerfchrodener 
Kühnheit hervorgeholt hat. Hier behandelt er Grundfragen des Lebens 
von fo tnpiicher Geltung, daß die Schilderung der Knaben» und Yugenbzeit 
des Helden ſchon manchem wie ein Spiegelbild der eigenen erſchienen if. 

In Bezug auf den „Grünen Heinrich“ habe ich noch etwas auf dem 
Herzen, dem ich hier Ausdrud geben möchte. In der Vergleichung der 
beiden Faſſungen jtreift KNöfter auch die immer wieder erörterte Trage, 
welche von ihnen den Vorzug verdiene. Er trifft jedoch keine reale Wahl, 
fondern fchließt ein diplomatifhes Kompromiß, indem er fagt: „Mir 
perfönlich, der ich die größere Trolgerichtigleit der älteren Redaltion umd 
die künftleriichen Norzüge der jüngeren ſehr hoch fchäge, mir hat fih im 
Geiſte ... ein drittes Merk berausgcbilset, das die Vorzüge beider 
Faſſungen beiigt.“ Ich will hier nicht den perfönlichen Gefhmad die- 
futieren, der ſich in diefem vorfichtigen Ausweg ausipriht, aber ich finde, 
dag Koͤſter bei der ganzen Erörterung des Problems den entwidlungss» 
gerichtlichen Ztandpuntt, den er fonit mit folder Konſequenz feithäft, 
aus dem Auge gelaiien hat. Er vermeidet nicht völlig den Fehler, den 
Keller jelbit mit harten Worten getaselt hat, indem ev den „ſogenannten 
Kritikern“ vormwirft, DaB fie auſtatt das jegige Bild (das heit die Um⸗ 
arbeitung: aus ſich heraus zu beurteilen, ex in philologischer Weife mit 
dem alten vergleihen. Sie zerren das Abgeitorbene herum und laffen das 
Vebendige liegen. An Marie von Friſch den 20. November 1880.) Wie 
die erite Faſſung als Konfeilion der Jugendzeit, jo mußte die zweite ale 
die des Mannesalters aufgefaßt werden. Es mußte gezeigt werden, daß 
der Tichter, al$ er Ende der ſiebziger Jahre an die Umarbeitung fchritt, 
dem Werke den troſtlos peſſimiſtiſchen Gruudcharakter nicht laſſen konnte. 
Ich fage den peilimiftiichen, nicht tragischen. Denn tragiih it meines 
Erachtens aud die neue Faſſung. Köſter formuliert den Unterſchied nicht 


Köfter Albert, Gottfried Keller. Sieben Borlefungen. 633 


richtig, wenn er jagt (S. 60), daß „der alte ‚Örüne Heinrich’ tragiſch 
mit dem Tod des Helden ende, daß der Dichter aber für den neuen einen 
glüdlihen Ausgang gefunden habe“. Kann man das wirklich einen „glüd» 
lichen Ausgang“ nennen, wenn der ‚Held fi) nad den fchweriten Lebens 
erfahrungen und den bitterften Enttäufchungen der ſtillen Refignation er» 
giebt? Brit ihm auch nicht wie in der erſten Fafſung „das jchwere 
Bemwußtjein, fein Nächftes und Heiligſtes, das Mutterleben, zerftört zu 
haben“, das Herz, fo muß die Erinnerung daran doch fein Dafein befchatten 
und ihm die ungetrübte Tebendfreude für immer rauben. Ich denke, das iſt 
tragisch genug. Behält man das im Auge, dann erfcheint das 14. Kapitel 
des dritten Buches, von dem Köfter meint (S. 77), daß e8 ein Rudiment 
der erften Faſſung fei und zur zweiten wegen feiner auf die Tragif mit 
tödlihem Ausgang weifenden Tendenz nicht recht ſtimme, mit ihm wohl 
vereinbar. Gleichwohl bleibt es richtig, daß die Umſchmelzung nicht 
Ichladenrein gelang, daß nicht bloß die Tonjequente Durchführung der 
Erzählung in der erften Perſon Widerjprüde und Inloncinnitäten jchuf, 
fondern daß auch die Veränderung des ethiichen Charakters des Werkes 
Disharmonien veranlaßte, wie fehr Keller auch bemüht war, die urjprüng«- 
liche Anlage mit der fpäteren Auffafiung in Einklang zu bringen. Diefer 
Mangel, den das Werk mit anderen kleineren und größeren, nicht aus 
einem Guß entftandenen poetiihen Schöpfungen teilt, blieb dem Dichter 
jelbft, wie Köfter andeutet, nicht verborgen. Daher während der Um⸗ 
arbeitung feine Stoßfeufzer über das „Martyrium”, die „wiberwärtige 
Affaire“, den „dämoniſchen Simpel“, das „Ichredlichfte aller Bücher“, 
das „Unglüdsbuch“ und wie die Bezeichnungen alle fauten. Ya, er ſpricht 
nicht nur von der „Schwachheit des Gefchriebenen“ trog der Ausmerzung 
der groben Fehler, die der erften Faſſung anhafteten (An Ida Freiligrath 
den 13. Juli 1879), fondern erklärt felbft die autobiographiidhe Form 
al8 einen Orundmangel des Werkes (An Nerrlich den 38. Februar 1881). 
Dennoch erklärt er gerade den neuen Schluß für beffer als den früheren 
An BPeterjen den 13. Yanuar 1883) und dazu hatte er von feinem 
Standpunft aus ein volles Recht. Denn zwiſchen der Konzeption der 
erften Faſſung des Romans und der Herftellung der zweiten liegt eine 
jo fundamentale Wandlung der Weltanfchauung des Autors, dag Keller 
nicht der Dichter fein müßte, der er war, wenn fie in der Umarbeitung 
nicht refleftierte. Und fo eigentümlich Liegen die Umftände, daß es fogar 
eine Art Einlöfung einer alten Schuld war, wenn er feinem Werke jebt 
ethifch eine andere Wendung gab. 

Konzipiert ward der Roman in jener fhlimmen Züricher Zeit, da 
der Dichter nad dem Zuſammenbruch feiner künftleriichen Eriftenz in 
Münden äußerlih noch die Malerei betrieb, innerlich aber bie poetijche 
Neigung zum Durchbruch drängte. Daß er damals ohne inneren und 
äußeren Beruf dahinlebend, an feiner malerifchen Begabung verzweifelnd, 


634 Köfter Albert, Gottfried Keller. Sieben Borlefungen. 


von feinen dichterifchen Fähigkeiten noch nicht überzeugt, einen cypreſſen⸗ 
dunklen Schluß erdachte, ift begreiflih. Die Stimmung der Zeit, die ſich 
gern peffimiftifh drapierte, begünftigte ihn. Nicht minder die der Tugend 
faft immer eigene Vorliebe in der Poefie das Erlebte ind Tragiſche gu 
fteigern. Auch als Keller dann den Dichter in fi entdedt Hatte, als 
feine lyriſche Poefie in Heidelberg neue Blüten trieb, ald er auf dem 
dramatifchen Felde Pläne über Pläne entwarf, waren die inneren Vor⸗ 
bedingungen zu einer anderen Auffaffung noch nicht gegeben. Denn nod 
hatte er nicht die feiner Individualität gemäße poetifche Bethätigung ge 
funden, diejenige Ephäre, in der er mit freiem Behagen ſchaltete. Sein 
dramatifches Plänefhmieden führte zu feinem Ergebnis. Das „Iubjeltive 
Gebahren“, das „fubjektive und eitle Geblümfel“ der Lyrik war ihm zu» 
wider. Sein unbewußtes Ziel war die fachliche und objektive Spiegelung 
der Melt, die ihm nur diejenige epifche Poeſie gewähren konnte, die auf 
einem fouveränen, über das perfönliche Leid erhabenen Humor beruhte. 
So hatte er in einer Epoche innerlicher Gährung den Roman begonnen. 

Allein noch während er an ihm fchrieb, vollzog fich in feinem Weſen 
eine fih ſchon in Heidelberg, wo er ſich nad feinem eigenen Wort in 
der „Mauſer“ befand, ankündigende, entfcheidvende Wandlung. Ein äußeres 
Symptom diefer Metamorphoſe ift der bei feiner fchweren Natur er- 
ftaunliche Produktionsdrang, der ihn jegt in der Zeit feines Berliner Auf- 
enthaltes ergreift. Neben feinen zahlreichen dramatifhen Plänen, die ihn 
fort und fort befchäftigten, fchreibt er den „Apothefer von Chamoumir“ 
1853), in dem er, Heines allzu perfönliche Geifteswilllür fatirifch ver⸗ 
fpottend, zugleich feinem eigenen Eubjeftiviemus den Abſchied giebt. Er 
konzipiert und fchreibt zum größten Teil die Seldwyler Erzählungen, die 
„Legenden“, das „Zinngediht*. Wie fih mit diefer Schaffensluft nnd 
Schaffenskraft eine dichteriiche Vervollkommnung verband, wie der Poet 
Keller jegt erft feine wahre Thnfiognomie erhielt, habe ich an anderer 
Ztelle, in einem Aufſatz „Gottfried Keller in Berlin“ (Sonntagebeilage 
der Boffischen Zeitung 1895, Mr. 221: dargethan. Der quellende Reichtum 
muß ihm aber auch die lang entbehrte innere Befriedigung gewährt, das 
Bewußtſein ferner Kunſt muß feine Ctelung zur Welt verändert haben. 
Zugleich mit der dichteriſchen Entfaltung vollzieht fich eine feelifche Wand⸗ 
lung. Sein Blid wird weiter und Marer. Er giebt die grämliche Selbft- 
beohachtung ein für allemal auf und richtet den Bid auf das Treiben 
der Welt, der er gelaſſen und heiter ing Geſicht ficht. Der Belfimift wird 
zum Optimiſt. Freilich wird Keller nicht Optimift sans phrase. Die 
Erfahrungen feiner Jugend waren zu bitter, die Yeiden zu ſchwer und 
langwierig, als daß ihre Eindrücke in feiner Seele je zu verwifchen waren. 
In dem Wefen dcs Tichters, an deſſen Wiege die Melancholie jaß, 
blieb zeitlebens ein peſſimiſtiſcher Untergrund. Vewußt aber ſchloß er für 
feine poetiſche Khiloſophie eine Art Kompromiß zwifchen den beiden Polen, 


Köfter Albert, Gottfried Keller, Sieben Vorlefungen. 635 


indem er fih von nun an für feine Bethätigung der Dichtfunft als Ziel 
das fhöne Wahre fegte, wie das Richard M. Meyer in feiner Litte⸗ 
ratur des 19. Jahrhunderts (S. 408) ausgeführt Hat. Lebte doch in ihm 
bei allem Hang zum Mürrifhen und Verdrießlichen eine goldene Welt 
und Erdenfreude. In Gedichten wie dem „Abendlied” (Gedichte 1, 48), 
dem „Hrühlingsglauben“ (1, 46), „Schein und Wirklichkeit“ (1, 106 f.), 
„Dankbaren Leben“ (1, 186) fpricht fi ungetrübtes Erbenglüd und uns 
begrenzte Hoffnungsjeligleit aus. 

Keller ftand alio, fhon als er am „Grünen Heinrich“ fchrieb, nicht 
mehr feft auf dem Boden der Weltanfchauung, auf die der Roman ges 
gründet war. Das ift der innere Grund der jahrelangen Verzögerung 
bes Abfchluffes. Diefes Schwanken und nicht wie Köfter (S. 71) meint, 
das viele, die Abfichten des Dichters verhüllende Beiwerk, worin ich nur 
die Folge der Unficherheit fehe, bewirkte, daß für Männer wie .Hettner 
und Bifcher die Notwendigkeit der Tragik des alten „Grünen Heinrich“ 
nicht zwingend herauslam. Den Zwieſpalt der Stimmung in der Zeit 
der Intention und der der Ausführung deutet der Dichter felbft verblämt 
an, wenn er im Vorwort zu dem Bud ausdrüdlich hervorhebt, daß 
„Abficht und Motive unverändert biefelben blieben wie am erften Tage 
der Konzeption“. Denn zwifchen den Zeilen fteßt die Klage geichrieben, 
wie ſchwer e8 ihm ward, die alten Pläne im Geiſte der Jugend, die fie 
erdadht hatte, auszuführen. Weniger verhüllt befennt er es in dem Brief 
an Treiligrath aus Berlin Ende 1854. (Bächtolb! 2, 267 |.) Wenn nun 
aber Keller felbft während der Arbeit an dem Werk der tragifch-pefftmifti« 
fhen Grundſtimmung mehr oder weniger bewußt entwachſen war, ift es 
dann billig zu verlangen, wie es gefchehen ift, daß er zwanzig Jahre 
fpäter noch an ihr fefthalte? 

Es war für ihn eine undermeidliche Rotwendigleit ihm jet denjenigen 
ethiſchen Charakter zu geben, den ihm lediglich eine unglüdliche Konftella- 
tion der Umftände vorenthalten hatte. Auch hier mußte die Bräde zwifchen 
Pelfimismus und Optimismus gefchlagen werden. Die numittelbare Folge 
der Erlebniffe durfte nicht mehr der Tod des Helden fein. So bemerkt 
denn auch Keller gleih an ber erften Stelle, wo er in feinen Briefen 
von der inneren Aufgabe, die ihm die Umarbeitung des Werkes ftellt, 
einläßlicher fpricht (An Peterfen ben 4. Juni 1876), als er nod bie 
Abfiht Hatte, die Autobiographie als das Hinterlaffene Manufkript des 
Verſtorbenen erfcheinen zu laſſen, ausdrüdlih, daß die Einleitung vom 
Tode des Helden als älteren Mannes erzählen follte. Hätte der Dichter 
diefen Plan ausgeführt, fo wäre in biefer „Zwiſchenform“ die Ber: 
hiedenheit der Tendenz allerdings nicht fo ſcharf Hervorgetreten, wie es 
jet zwifchen den beiden Faflungen der Fall iſt. Keller Hatte aber auch 
von dem Standpunkt feiner nun errungenen Weltanfhauung aus ben 
Scheinbar verföhnlichen Schluß nicht zu ſchenen. Denn er dachte fi) das 


636 Köfter Albert, Gottfried Keller. Sieben Borlefungen. 


Seinige dabei. „Der Schluß.“ fehreibt er an Peterjen (13. Januar 1883), 
„hat etwas zu viel von dem Inhalt, den die meiften nicht gleich verſtehen.“ 
Wie er aber aufzufafien ift, lehrt eine andere Außerung, au® der wir 
zugleich erfennen, wie fich in dem Werk Peifimismus und Optimismus ver- 
ſchlingen oder vielmehr wie jener von diefem überwunden wird. Nach ber 
Vollendung der Umarbeitung fchreibt Keller an Peteiſen (21. April 1881), 
der es als ftörend empfand, daß Heinrich den fchmerzlihen Gedanken an 
den mitverfchuldeten Tod der Mutter durch das Leben fchleppen muß: 
„Mehr oder weniger traurig find am Ende alle, die über die Brotfrage 
hinaus noch etwas kennen und find; aber wer wollte am Ende ohne diefe 
ftille Grundtrauer leben, ohne die e8 feine rechte freude giebt? Selbſt 
wenn fie der Nefler cines körperlichen Leidens ift, kann fie eher vielleicht 
eine Wohlthat als ein bel fein, ein Echug mehr gegen triviale Rudy» 
loſigkeit.“ 

Wie tief begründet aber in Kellers Natur dieſe Auffaſſung von dem 
Leid als dem notwendigen Ferment einer tieferen Exiſtenz iſt, zeigt ſich 
darin, daß wir ihre Spuren von der frühen Jugend bis zu der Zeit ver⸗ 
folgen können, da er aus ihr für feine größte Schöpfung die enticheidenden 
Konfequenzen 309. Ja, fie hängt aufs innigfte mit jenem „Iyrifhen Ger 
bahren“ zufammen, das fie überwindet. Cie iſt aus derfelben zärtlichen 
Betrachtung des Ichs, and derfelben liebevollen Verjentung in die Regungen 
der eigenen Bruſt, aus derfelben Überſchätzung des Individuellen heraus 
geboren, nur daß der Zug jest eine pofitive Wendung genommen hat. 
So fehr gilt auch für die geiftige Eutwichlung der Satz, daß „nichts 
entipringt, als was ſchon angekündigt ıft“. 

In dem ſpäter „Wetternacht“ (Geſammelte Gedichte 1, 29) betitelten 
Gedichte, Tas eine nur wenig veränderte Faſſung des vierten Ztüdes aus 
dem CEyklus „Nacht“ der Sammlung von 1846 ift, heißt es: 


O reiner Zchmerz, der von den Höh'n gewittert, 
Du beiliges Web, das durch die Tiefen zittert, 
Ihr ſchließt auch mir Die Augen auf! 

Tu fühes Leid, haft ganz mid überwunden! 
Welch' Dunkle Luſt, De ich noch nie empfinden, 
Iſt mit dev DTemut angefacht! 


Das zweite Gedicht des Eyklus „Auch an die Ichel“ (1846, S. 100), 
ſpäter „Den Zwerjelloſen 1" betitelt Gedichte 1, 125°, beginnt: 

Wer obne Schmerz, der iſt auch ohne Yiebe, 

Wer ohne Yard, Dev iſt auch ohne Ira‘, 

Und dem nur wird Die Sonne wolfenfrei, 

Ter aus dene Tumlel ringt mit heißem Triebe. 
Und das erſte Gedicht des Cyklus „Abend“ ‚1846, S. 11 ff.) fpäter 
„Zonnenuntergang“ Gedichte 1, 36 betitelt, fchließt mit der Strophe: 


Köfter Albert, Gottfried Keller. Sieben Borlefungen. 637 


Es ift auf Erden feine Nacht, 

Die nicht noch ihren Schimmer hätte, 
So groß ift feines Unglüds Macht, 
Ein Blümlein hängt an feiner Kette! 
Iſt nur das Herz von Ja ie 


So baut es ih ein S 


Und jchafft die Nacht & hellem Zage, 
Wo ſonſt nur Aſche, Schutt und Graus. 


1848 preiſt Keller die „Melancholie“ (Gedichte 2, 122), die Göttin, die 
ihm vol Treue zur Seite liegt, der Wahrheit Spiegelihild emporhält, 
als diejenige, der er die Erkenntnis verdanlt. Nur du, nur bu, ruft er 
ihr zu, bift wahr und ſchön! 

Und in Heidelberg, wo ihm die verfehlte Werbung um Johanna 
Kapp neues Leid zufügte — denn in der That bat er fi ige erflärt. 
Köfters Darftelung (S. 40), wonach man anzunehmen hat, daß er dem 
Mädchen feine Liebe nicht geftanden Habe, iſt nicht richtig (vgl. Bächtolb 1 
1, 330 ff.). Den „niemald abgefandten Brief” fchrieb Keller der ab⸗ 
reifenden Freundin zum Abſchied, einige Wochen nachdem er ihr feine 
Neigung enthüllt und von ihr erfahren hatte, daß fie durch eine ausfichts- 
lofe Liebe an einen felbft gefefielten Mann gebunden fei — in Heidelberg 
wird ihm im der Poeſie auch diefer Schmerz zum Gewinn. 


ch ward fo arm und beach fo reich, 
um ſtolzen Wiffen mein Berluft! 
nd in dem Elend Ing zugleich 

Der Baljam für die wunde Brufl. 


Und befier ging ich, als ich lam, 
Bon reinem Feuer neu getauft, 
Und hätte meinen reich'ren Gram 
Nicht um ein reiches Glück verlauft. 


Eine nicht minder perfönlihe Verklärung der Refiguation als die 
zweite Faſſung des „Grünen Heinrich“ bietet der um die Mitte der 
fiebziger Jahre gedichtete „Tandvogt von Greifenfee”, nur daß hier jeder 
tragifche Accent fehlt und über das Ganze ein glüdfeligselegifcher Duft 
gebreitet ift. „Wol find es die Roſen der Entfagung,* fagt Lanbolt in 
feiner prächtigen Rede vor ben fünf Frauen, um bie er einfl vergebens 
geworben hatte, „welche die Zeit mir gebracht hat, aber wie herrlich und 
dauerhaft find fie!“ 

Wie in einem Symbol aber faßt fi die Entwicklung der Kellerfchen 
Srundanfhauung vom Leben in drei Staffeln zufammen. Im Januar 1850 
plant der Dichter für den Abjchluß des Romans den Selbfimord des 
Helden. „Nur in der ganzen vollen Entfagung an Welt und Leben für 
immer liegt die Genugthuung und die einzig mögliche Berföhnung in dem 
willigen Sterben und Sceiden vom warmen Leben, der einzige Troft in 


638 Vermeylen Aug., Leven en werken van Jonker Jan van der Noot. 


der ewigen Bergeffenheit“ (Bächtold 2, 43). Bei der Ausarbeitung 1854 
(äßt er ihm unter der Wucht der Erlebniffe unmittelbar zufammenbrechen, 
ohne, wie wir fahen, mit diefem Ausgang noch ganz einverftanden zu fein. 
In der endgiltigen Faſſung erliegt der Held nicht, aber von Düfterniffen 
beichattet, von dem Bemwußtfein der Schuld belaftet, hegt er den Wunſch 
da® Dafein aufzugeben. Da trifft er Yudith, die Geliebte feiner Jugend. 
Yugendgläd, Heimat, Zufriedenheit jcheinen ihm mit ihr zurüdgelehrt zu 
fein. Wie zur Buße gefteht er ihr feine Verfhuldung. Das Belenntnis 
nimmt den alten Drud von der Seele und madt ihn „frei und gefund“. 
Indem fie ihn dann lehrt, durch Verzicht auf ein volles und ganzes Glüd 
ſich einer befcheidenen Genügſamkeit zu überlaſſen, ergiebt er fi willig 
einem ftillen und geräufchlojen Yeben, dem das erfahrene Leid Tiefe und 
Gehalt verliehen hat. 


Berlin. Dtto Pniower. 


Bermenlen Aug., Leven en werken van Jonker Jan van der Noot. 
Antwerpen, De nederlandsche boekhandel 1899. 


Auch für die deutjche Yitteraturgefchichte hat der wenig belannte 
brabantiſche Edelmann, der erite niederländiiche Renaiſſancedichter (geboren 
um 15-40, geitorben 1595), dem dieje forgiame Arbeit gilt, einige Be⸗ 
deutung. Denn 1572 brachte Yan van der Noot, der feine Nahahmungen 
Petrarcas, Ronſards, du Bellays auch ind Franzöſiſche und Engliſche 
übertrug oder übertragen ließ, in Köln eine Verdeutſchung ſeines 
„Lheatrum’” durch den Rechenmeiſter Balthaſar Froe zum Drucke; 1576 
erſchien ebenda ſein „Buch Ertaſis“ in zehnſilbigen Reimpaaren mit einem 
Vorwort von Hermann Grenerus. Jan van der Noot war 1567 um 
ſeines reformierten Vekenntniſſes willen aus Antwerpen geflüchtet, trat 
aber ſpäter zum Katholicismus über und lehrte dann in feine Vaterfladt 
zurück. J. B. 


Bibliographie. 


1. Zeitſchriften. 


Bearbeitet von Adolf Hauffen in Prag. 


Philologiſche und litterachiftorifche Beitfchriften. 
Verhandlungen ber 45. Derfammlung dentſcher Philologen und 


Sculmanner in Bremen ’ 
Allgemeine Berfammlung. Kräger H., Bremen im Spiegel der Litteratur. 
Wendt G., Neue Bahnen im neufpradhlichen Unterricht. 

Forte Hiftorische Sektion. Rohde, Ortsnamenforſchung als Hilfsmittel der Geſchichts⸗ 
orſchung. 
—— A., Bemerkungen zum vorigen gurtrage. 
a anitifhe Sektion. Siebs Th., Zur Regelung der deutſchen Bühnen⸗ 
ausſprache. 
iger L., Das junge Deutfhland und Preußen. Nach ardivalifchen 
uellen. 
Bunderli H., Zum Grimmſchen Wörterbud). 
Neuphilologiihe Sektion. Mangold W., Friedrichs des Großen Dichtungen 
im ftebenjährigen Kriege. 
in B Sektion für Bibliothelsweſen. Bulthaupt H., Geſchichte der Stadtbibliothel 
in Bremen. 

Jahrbud; ber deutſchen Ahakefpeare-Gefellfchaft. 86. Jahrgang. 
Bulthaupt H., Raum und Zeit bei Spafelpeare und Schiller. Feſtvortrag. 
Minor J., Zu Bürgers Macheth-Übertragung. — Mitteilung der Heren- 

gefänge nad) einem bisher unbelannten Abdrud von 1780. 
Kilian E., Shaleſpeare auf der modernen Bühne. 
ꝙ Se K., Die fcenifche Einrihtung ber Shalejpeare-Dramen. — Auf deut- 
hen Bühnen. 
Bolte J., Engliihe Komödianten in Münfter und Ulm. 
Wukadinovie S., Wurth: Zu Wielands, Eſchenburgs und Schlegels 
Überfetungen de$ Sommernadhtstraums. 
Petſch R., Schüddelopf und Walzel: Goethe und die Romantif. I. 
Wechſung A., Statiftiicher Überblid über die Shalefpeare-Aufführungen deut⸗ 
Icher Theater 1899. 0 
Cohn A., Shakeipeare-Bibliographie. 1897. 1898. 1899. IL. Deutichland. 


1) Wo die Jahreszahl fehlt, ift 1900 zu ergänzen. 





640 Bibliographie. 1. Zeitichriften. 


Goethe⸗Zahrbuch. 21. Band. 


J. Neue Mitteilungen. Suphan B., Ulrike von Levetzow. — J. Mitteilungen 
aus den Goethe⸗ und Schillerarchiv. 1. Briefe Goethes an Ulrike von Leverow und 
ihre Mutter Amalie von Levetzow, geborene von Bröſigke. — 2. Goethe und die 
Geſellſchaft für ältere deutſche Geichichtstunde. Herausgegeben von Karl Schüdbde- 
kopf. (Mit vielen Briefen (Hoetbes.) — 3. Zwei Falſtaff⸗Fragmente von Goethe. 
Herausgegeben von A. Brandl. (Zwei Fragmente eines bisher unbelannten Dramen⸗ 
planes Goethes wahrjcheinlid aus dem Jahre 1792.) — 4. Goethe an Karl Jugut 
Herausgegeben von J. Wahle. (Brieffragment vom 6. Oktober 1815.) — II. Ber 
ſchiedenes 1. Schiller an Goethe. Mitgeteilt von T. Francke. (Brief Schillers 
vom 9. November 1803.) — 2. Goethe und Bran. Sieben Briefe Goethes und 
ein Brief Karl Augufts. Mitgeteilt von P. von Boianowsli. — 3. Funck H., Sechs 
Briefe von Yavater an Goethes Eltern. 

11. Abhandlungen. 1. Fulda L., Epilog zu Goethes Taſſo. (Meimar, 27. Mei 
1899.) — 2. Menienbug Malvida von, Betrachtungen über Goethes Leben. — 
3. Mich W., Goethe in der deutihen Schule. — 4. Stern A., Goethe und 
Tresden. -- 5. Geiger %., Salomon Hirzel und Michael Bernays. — 6. Goebel J., 
Homuneulus. — 7. Türd H., Die Bedeutung der Diagie und Zorge in Goethes 
Fauſt. — 8. Tünter H. Ein böier Angriff auf „Hermann und Torotbea“. (Ber 
teidigung des Verſes IV, 199 gegen Viſchers Anwurf der Schamloſigkeit.) — 
9. Zeuffert B., Skizze der Tertgeichichte von Gocthes Werther. 

Ill. Diiscellen. A. Einzelne zu Goethe Peben und Wirken. 1. Geiger v., 
Ein Briefcehen Goethes an Frau von Stadl. — 2. Franck O., Dankſchreiben der 
Zängerin Diara an Hummel mit Rückſicht auf die beiden ihr gewidnieten Gedichte 
Goethes. — 3. Nolte 3., Zur Legende vom Hufeiſen. (Bollstümlidhe Stoffparallele.) 
— 4. Kluge F., Zum Schwager Kronos. — 5. Petſch R., Zum GErllönig. — 
5. Meyer R. M, Zu „Sott, Semüth, Welt“. — T. Hentel H., Goethes rhythmiſche 
Proſa. -- 8. Fürſt R., Tas undeniſche Pogmäenweibchen. — 9. Alt E., Brofeffor 
Clodius und die mythologiſchen Figuren in Goethes Yyril. — 10. Fund H., Nicht 
Goethe, jondern ‚grau von Türing ft nämlich die Lerfafferin der Außerung zu 
den Bildern Paſſavants in Vavaters „Phnfiognomifchen Fragmenten“). — 
11. Berger Y., Eine Recention Goethes? -- 12. Bock A., Zur Campagne in Franl- 


reich. 13. Yoefilev Y., Zu Werther. — 14. Harnad T., Zu den „Diarimen und 
Reflerionen über Kunſt“. — 15. Geiger Y, Arnim Recenſion von Goethes 
nograpbiichen Schriften. - - 16. Fuchs G. F., Zu dem Aufjag „Yon dem Himmel 


und der hunmliſchen ‚zreude”. — 17. Geiger Y., Johannes von Müller über 
die Teen. — 18. Berger v., Zur Geſchichte der Jenaer Yitteratur-: une: — 
19. Geiger Y., Ein Geſpräch mit Goethe. — 20. Baillen P., Eine ruſſiſche Groß⸗ 
fürſtin bei Goethe. — 21. Titel Tb, Aus Nllinerianis iiber Goethe. — 
22. Rapoleon III. als Goethe UÜberſever. -- Ju S. 202 berichtigt jetzt der Könige. 
warter Sekretär Falz in der Neuen Freien Preſſe Rr. 12964 den erften Vers ber 
Uberiebung. Er lautet richtig Mon cneur "opprime.: — Bibliographie. 
Eucden R., Goeithe und die Philoſophie. Feſtvortrag. 
Zeitſchrift für dentſches Altertum und dentſche Litteratear. Band 44. 
Heit 2 
Roethe G, Munchener Rempredigt. — 15. Rahrhundert. 
Anseiger fir dentſches Altertums und dentſche Litteratur. XKVI. 


Seit 2 
Hofmann Kramer E, Heilig und Lenz: ZJeitichrift für bochdeutiche Mundarten. 
Wa M., Schneider: Spaniens Anteil an der deutichen Litteratur. — Mit 


zahlreichen wichtigen Nachträgen aus den Bicherſchäßren der Wiener Hofbibliothek 
und mit Nachrtichten über altere Reriſien Teuticher nach Spanien 
Kollal 3, Niger H. A.: Der jimge Eichendorff. 


1900. 641 


Minde-Pouet G., Kerner und Müller: Kerners Briefmechfel. Hartmann: 
a Tagebuch. 


cher H, Hermann Kurz und Franz Pfeiffer. — Mit Briefen. 
— *— für den deutſchen Unterricht. Jahrgang 14. Heft 5. 
Schwarze W., An Goethes Hand unter ſüdlichem Himmel. 
Wülfing E., Sprachiiche Eigentümlichkeiten bei Conrad Ferdinand Meyer. 
Becker Th., Weg und Gelände in der Sprache. 
Gartner Th., Heinge: Deutſcher Sprachhort. 
Glöde CT, Vallels Klaus Groth. 


Zeuſchrifi des Algemeinen dentſchen Sprachvereins. Jahrgang 16. 
Nr. 5. Matthias Th., Beiſatz- und Ausſagewort mit als. 


Nr. 6. Gartner Th., Muſterausſprache. — Die Beſtrebungen auf dieſem Ge⸗ 
biete von 1897- 1900. 


Graffunder Anna, Unterricht in der Mutterſprache. 
Schütte O., Jakob Sackmann, ein Freund unſerer Beſtrebungen im 17. 
Jahrhundert. 
Nr. 7/8. geinke A., Neuefte ſprachliche Berirrungen. — In den Dichtungen 
modernfter < Schriftſten er. 
Streicher O., Vollstümliche Bilderſprache. 
Wiſſenſchaftliche Bei efte ur Zeitſchrift des allgemeinen Deutfcyen 
Spradvereins. eft 1 
Sarrazin O., Plaudereien ber das Binde-8. 
Pietſch P., Wie erflärt und rechtfertigt es ſich, daß die Abwehr der Fremd⸗ 
wörter in der deutichen Sprachpflege der Vergangenheit, wie der Gegenwart eine 
hervorragende Rolle fpielt? 


Zeitſchrift für hochdentſche Mundarten. Jahrgang 1. Heft 3. 
Gerbet E., Weſterzgebirgiſch und Südoſtthüringiſch. 
Weiſe O., Volkstümliche Erinnerungen an den 30jährigen Krieg. 
Lenz P., Zur Statiftif der Fremdwörter im Deutichen. 
Bug 8, Sieben Sätze über Sprachbewegung. 
artner Th., Lautbeſtand der Wiener Mundart. 
Schwyzer E., Wortdeutungen. 
Stiebit J., Kinder- und Buhlerlieder (Schnadahüpfl) aus Deutſch⸗Gießhübl 


Igla 
Unferd W., Schwäbifche Spridywörter und Redensarten. (Fortſetzung.) 
Grienberger Th. von, Mundarten der „Sieben Gemeinden“. — eut tiche 
Zpradjinjel in Oberitalien. 
Meifinger O., Die hebrätjchen Fremdwörter der Rappenauer Munbart. 
Chronik des Wiener Gorthe-Bereins. Band 14. Nr. 5/6. 
Wickhoff F., Der zeitliche Wandel in Goethes Verhältnis zur Antike dargelegt 
am Fauſt. 
Nollet H., Nambergs Kopie des Gocthe-Bildniffes von Tips. 
Friedri Ruͤc ert iiber den Weſt-öſtlichen Divan. 
Ein perſiſches Huldigungsgedicht an die Erbgroßherzogin Marie Paulowna 
von Sachſen-Weimar. 
Monatsblätter fir deutſche Fitteratur. IV. 
Nr. 5. 6. Siegemund R., Joh. Chr. Günther. 
Nr. 5. Buſſe C., Hermann Lingg. 
Nr. 6. Strauß ?., Die Dorfgeihigte in der modernen eitteratur. 
Nr. 7. Lienhard F., Platen und Heine. 
Richter H., E. Seibel. 
Euphorion. VII. 41 


bei 


542 Rıbliograpbie. 1. Zeuſchriften. 


Litteraturblatt für germanifche und romaniſche Bhilologie. Jahr: 


gang XXI 
Kr. 4. Soein A., Käding: Häufigkeitswörterbuch dev deutſchen Zpradıe. 
Socin A., Hausding: Die Fremdwortfrage. 
Glöde O, Kemmer: Lautſtaud der Aichaffenburger Kanzleiiprache im 16. 
Jahrhundert. J. 
Tardel H., Richter: Freiligrath als UÜber'etzer. 
Nr. 5. Diemar H., Wolkan: Teutiche Lieder auf den Wiuterkönig. — Mit 
Rerichtigungen. 
Sulger Sebing E., Erich Schmidt und Valeutin: Goethe Feſtreden in 
Frankfurt. 
rang A, Stöclein: Bedeutungswaudel der Wörter. 
Behaghel T., Heilig und Lenz: Jeitichrift für hochdeutiche Mundarten. 
Nr. ti. Soc A., Arndt: Der Übergang von Mittelbochdeutichen zum Neu— 
bochdeutichen in der "reslauer Nanzletiprache. 
Behaghel T., Liebich: Tie Wortfamitien dev lebenden bochdeutichen Sprache. 


Moderu Language Notes, \V. +. 
Eggert, The „Evil Spirit in Gnethes Faust. 1. 


Akademieſchriften und Verwandtes. 


Academia. Monatsichriit des Cartellverbandes der katholiſchen Ztudenten 
verbindnugen. XIII. Ser 

Der Juriſt Goethe. 

Mitteilung dir Geſellſchaft zur Förderung deutſcher Wiſſenſchaft, 
Kunſt und Litteratur in Böhmen. 

kr. 10. Krasnopolsti H. und Schriſter H., Berichte über die im Krpole des 
t. fe. Juſtizminiiſeriums über Die Geſtaltung des sfterreichiichen internationalen 
Urheberrechtes geſtellten ragen. 

Kr. 11. Hauffen A, Sechſter Bericht über den Abichtuß ſeiner Sammlung 
der vollstümlichen Uberlieſerungen in Teutich Röhmen. zIJuli 1900. 

Uadhrichten von dir Kentgl. Geſellſchaft der Wiſſenſchaften zu Göt- 
tingen. Phtologtich hiitor:iche Klaſie. 1800. 

Heit 2. Vehrrann M., vuthers Verhör ver dem Worm'er Reichstage. 

Heit 1 Noethe 8, Jacob Grimms Vorleinngen über deutiche Litteratur— 
geiſchichhte. — Wiebe nach erbattenen Kollegienheiten eines rührt von Goedele 1334 
ber eine Charakteriſtit amd reichlihe Auszüge aus Grimms Vorleſung über das 
ganze Gebiet dir dentichen vitteraturgeichibte. Tarunter eine ausgezeichnete Ve⸗ 
urter.ung Fiſcharts. Schone Ansiprüche, z. B. „Menn Goethe umierer Litteratur 
fehlte, dann fehlte ihr die Zone am Himmel.“ Über Jfitand „in Klopftocks Jeit 
fan die Poeſte auf die Kanze!, wer ſtieg Die Verediamkeit von der Kanzel auf die 
Rubne“. Tie Taritellung gebt bis zu Klaten und Deine, aber Grillparsers 
Kam Felt Bocdete anbeint Deut: ch beeinilußt vor einzelnen Urteilen Jacob Grimms 


Göttingiſche Gelchrte Anseigen. 
Kr 1. Boston, Deiner Veichrerzbung des gemtlichen Schauſpiels. Wilmotte: 
Le- passions eieinandles du Blin dans leur rappor avee l'aneien theätre 
Iraneais.  - Berich tigt Wilmottes Angaben un wichtigen Punkten 
Kr. a: ror J., Brewe: Goethes Fauü. 
Nr. Idee E, Lindmeme: Ter Worfichar m vuthers, Emiers und 
zAlberſenzurngedes Neuen Teſtaments -- nd „als Zumptom ungeſunder Zu— 
Munde in id ienhafi® ME vergeromumiei 


1900. 643 


Bericht dir Lefe- und Redehalle der dentſchen Gtinbenten it rag 
über das Jahr 1899. 
Moliſch H., Goethe als Naturforscher. 
vaube G. C., Goethes Beziehungen zu Deutſchböhmen. 


Situngsberidzte der königlich preußiſchen Akademie dcr Wiſſen- 
Ihaften zu Berlin. 
VII. Harnad A., Bericht über die Abfaffung der „Geſchichte der Königlich 
Freußiichen Akademie der Wiſſenſchaften zu Berlin“. 
I. Harnack A., Die Königlich Preußiſche Akademie der Wiſſenſchaften. 
Seine zur Yweiiahrhundertfeier. 
XIII. XXIV. Schmidt Erich, Deutſche Reimftudien. I. 


Sörfenblatt für den deutſchen Buchhandel. 

1899. Nr. 266. — Holle G., Deutſche Schrift. 

Nr. 296. Pech T üuberſebungen aus dem Deutſchen in die ſlawiſchen, die 
magyariſche, die romanijchen und die oſteuropäiſchen Sprachen. 

Nr. 299. Die Entwicklung des Urheberrechts im 19. Jahrhundert. 

1900. Nr. 14/15. Ziegert M., Goethe in feinen Beziehungen zum Frank⸗ 
furter Buchhandel. 

Nr. 98. Ebner Th., StuttgartS Buchhandel und das Gutenbergf_ft in Stut - 
gart 1840. 


Hiſtoriſche Provinzial- und KLokalzeitfihriften. 


Alemannia. „Jahrgang 27. Heft 3. 
Arnold. K. Volkskunde von Miüdenlody bei Nedargemünd. 
Pfaff F, Die Kindermorde u Benzhanjen und Waldkirch im Breisgau. Ein 
Gedicht aus dem Anfang des 16 Jahrhunderts. 
Mayer A. F., Zu Alemannia 26, 72 ff. (Bolte: „Zu den Amores Söflin- 
venses.') 
Fiſchbach K. von, Spottlied auf die Jäger von ehemals aus Hobenzollent. 
Alt-Wien. VII. Nr. 11. 12. 
Koller O., Feitjpiele am Kaiferhofe 31. Wien im 17. Jahrhundert. 


Baltiſche Monatsidrift. 
Jahrgang 41. Nr. 12. Diederichs H., Ter Beſuch eines Kurländers bei Jean 
Paul im Jahre 1816. 
‚ Litterariihe Streiflichter. 
T. X. von, Aus einer Rigaſchen Korreſpondenz. 
Jahrgaug 42. Nr. 4. Sintenis F., Goethe vor 100 Jahren. 
Forſchungen zur Geſchichte Bayerns. Band VII. 

Heft 1. 2. Lory K., Kulturbilder aus Frankens Bergangenheit. 1. Aus der 
Franzoſenzcit des Martgraflaudes. II. Pietiften in Bayreuth. IU. Der Streit um 
den Kirchweihſchutz zu Veitlahm und Mainfeus. IV. Eine Kirchenvifitation in 
Kulmbach 1592. 

Heft 2. Obſer 8, Briefe über Herders Erhebung in den bayerijchen Adels- 
ftand. — Darunter Herders Brief an den Grafen Görk, 12. September 1801. 
Jat Heft 3. Reinhardſtöttner K. von, Eine Münchener Monatsſchrift aus dem 
Jahre 1782. 

Bayern und feine Hauptſtadt im Lichte von Reiſeſchilderungen und fremden 
Rundgebungen. VI. 

le des Vereins für Geſchichte der Teutihen in Böhmen. 
ahraang : 

Nr. 3. hreifif X. 2., Veiträge zur Biographie de8 M. Zacharias Threbatd. 


644 Ribliograpbie. 1. Zeitſchriften 


Moltan R., Di. Rod: Hod, Schönes Blumenfeld. 
Nr. 4. Bachmann A., Ludwig ZSchlefinger. 
Bernt A., Eine neue Bibelüberietzung des 14. Jabhrhunderts. 
Wolkan R., Ein Pasquill auf Georg und Ladislaw Popel von Lobkowitz nom 
Jahre 1594. 
Horeicta A., Ein Brief des meißniſchen Geſchichtsforſchers Joh. F. Urſinus 
an Frauz M. Belzel. 
Simon J., Aus der Geſchichte der Egerer Yareinichule 11595 — 1629). 
Mayer W., Ad. Stifter in Karlsbad. 
Haufen A., Wolkan: Teutiche Lieder auf den Winterkönig. 
Forſchungen zur Brandenburgiſchen und Preußiſchen Geichichte. 
13. Band. 1. Hälite. 
Türk ie, Voltaixe und Die Veröfjentlichung der Gedichte Friedrichs des 
Großen. 
Mitteilungen dis Vereins für Chemnitzer Geſchichte. X. 
Kirchner C., Mag. Gottfried Cleemanu. 1662.- 1738. 
Erzgebiraszcitung. 21. Jahrgang. Ir. 2—7. 
Endi J., Voltstümliche Uberlieferungen aus Barringen. 
Leiter I, Tie Hexe. Volkskundliche Skizze aus der Schlackenwerther Gegend. 
Urban DM, Maria Kulm. Beitrag zur Sage und Geiſchichte dieſes Wall 
fahrtsertes. 
Schmidt G, Voltsiundliche Beiträge aus den Bezirlen Graslitz und 
Joachimsihal. 


Zeitſchrift der Geſellſchaft iür Beförderung der Geſchichts⸗, Alter- 
tums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und ben 
angrenzenden Yandichaften. 15. Band, 

Albert K, Steinbach bei Madau. weichtdte eines frinfiichen Torfes. — 
Auch iiber Bräuche, Ramen, Mundart. 

Uene Heidelberger Zahrbücher. Jahrgang v. 

Heit 1. Schöll F., Aus nen erworbenen Korreipondenzen der Heidelberger 
Unwerütätsbibliothet. — Bricie an G. H. Moser. Unter anderem von F. Creuzer, 
v. Kayſer, von J. Fh. Zieß über einen Beiuch Clemens Prentanosı, F. W. 
Thrierich, ). Töderlein, K. F. Hermann, G. M. Zumpt, A. Böchkh, 
SW Tırkiem 

Heit REDEN, veibunz als Poltie und Erzieher nach feinen Briefen an 
Boineburg. 

Archiv tiv heſſiſche Geſchichte und Altertumskunde. Neue Folge. 
II. KVand. > Heit. 

Bader N, gm Grichtchte des herzoglich hefñſchen Freiwilligen-Jägerkorps 
I13 - Int. 

Zahrbuch des dentichen Gebirgsvereius für das Zeſchken- und Ifen 
gebirge. Ja gang 10. 

veutelt GG., Zagenhvaites aus dem oberen Sanmtutbale. 

Taurmann J. A. Vottsmarchen und Zugen aus Nordböhmen. 

Schubert I, Sagen, Erinnerungen, Gebrauche und Redensarten von Göhe. 

Hübler F., Auszahlreene und ſonſt:ge Ninderreime aus dem Iſer⸗ und 
Jeſchkengebirge 

Schriften des Vereins für die Geſchichte Leiprigs. 6. Rand. 

Rroter WE, Natzpiriten und Nonftellationen aus der Reformationszeit. 

Nato, Aus dem reben des reipziger Ratsherrn F. B. Carvzov. 

Radeſſoct I. Guſtav Mühlmann. 


1900. 645 


Zeitſchrift des deutichen Dereind für die Geſchiche Mahrens und Schle— 
hens. Jahrgang 4. Heft 1/2 

Wijnar J., Verträge zur geographifchen Namenkunde. 1. Die Ortsnamen des 
Nikolsburger Bezirkes, 

Welt H., Zur Geſchichte der mähriihen Theatercenfur. I. — Nad) Akten der 
Prünner Thenterenfur für die Jahre 1818—1828. Mit vielen intereffanten Bei- 
jpielen, aus denen zu eriehen ift, daß jede Anfpielung auf Regierung, "Abel, Kirche 
und Polizei unterdrüct wurde. Im der langen Reihe der im genannten Jahrzehnt 
verbotenen Ztüde befinden ih: Schiller, Demetrius. Kotzebue, Ter Freimaurer. 
Immermann, Die Prinzen von Syrakns, Andreas Hofer. Raupa Die 
Königinnen. Körner, Rofamunde, Joſef Heidrih. Grillparzer, König ttolar 
(zuegit verboten, 1826 mit Anderungen geſtattet). Meißl, Das große Familienfeſt 
in Oſterreich. 


Mittenungen des Vereins für Geſchichte der Stadt Meißen. 5. Band. 
Heft 2. 


reiht A., Siebencihen und Eruft von Miltitz. 
Markus P., Meigen zur Zeit des dreißigjährigen Krieges. 
Niederlaufger Mitteilungen. 6. Band. 2—4. Heft. 

Tialektproben. (Fortſetzung.) 10. Aus_Lahıno im nördlichen Teile des Kreiſes 
Guben. Sander Karl, Dipfes Märtine muß in Himmele Schuafe bieten. Ein Bei- 
trag zum Voltshumor der Niederlaufig. — 11. Naud Emil, Dialektprobe aus 
Henzendorf, Kreis Guben. — 12. Topp Silgem, Aus Diehlo im nördlihen Teile 
des Gubener Kreiies. 

Küfter A, Wie Auguft Schulze zu jener Frau fam. Aus dem Volksleben 
der Niederlaufig. 

Schulze Theodor, Tie Familie von Burdorf auf Echlabendorf N.-?. 

Jentſch Hugo, Ein vergeffener Niederlaufiger Dichter des 18. Jahrhunderts, 
J. G. Pilarit 705s 1764). 

Groß, Forſt und Forſter Leben in den Jahren 1832-1845. 

— Zuuchhold Eruſt, Tas Kirhen- und Schulwejen in Triebel. — Zwei Triebeler 
SDagen. 
Annalen des hiſtoriſchen Vereins für den Miederrhein. Heft 69. 
‚ Der Zuftand des bergijhen Schulweſens im Fahre 1809 und bie 
Napoleonitche Iniverfität in Düſſeldorf. 

Schmitz L., Zu Nikolaus von Cues. 

Beiträge zur Geſchichte des Miederrheins. Jahrbuch des Düſſeldorfer 
Geſchichtsvereins. 14. Band. 

Roth F. W. E., Niedercheinifche Gelehrte an ber Mainzer Univerfität im 
15.— 17. al rhundert. 

Harleß, Zwei Briefe des Kurfürſten Mar Franz von Köln. 

Pauls €, Zur politiſchen Lage in Düſſeldorf während des Beſuches Goethes 
im Spätherbft 1792. 

Miscellen. Redlich D, Die Älteften Diffeldorfer Druder. — Fraenkel Th., 
Aus Augendbriefen der Mutter 9. Heine. 

Uiederſachſen. V. Nr. 10. 
Nerony DO. C., Johann Hermann Ketelfen. — Friefiſcher Dichter 1795 — 1877. 


Mitteilungen des nordböhmiſchen Erkurfionstfubs. Jahrgang 23. 
Heft 1. 3. Paudler A., Tas Fohannesbett. — Ein Bollsbraud). 
Heft 1. Hantſchel F., Zofef Neumirtb. 
Herglotz A., Tas Vieidwebler Grundbuch vom Jahre 1688. — Beſprechung 
der Tauf-, Familien- und Flurnamen. 
Heft 2. Hodauf A, Zur Geichichte des Schulwefens. — Oberhennersborf 1754. 
Georgenthal 17501770. 


640 Bibliographie. 1. Zeitichriften. 


Tittniann J., Dichter Reſi-Tag. — Ehrung der Naturdichterin Thereña 
Sentichel in Wölmsdorf 1813 — 1888.. 

Heft 3. Paudler A, Leipaer Gaſiennamen. 

Mattauſch G., Reichſtädter Spielleute 1749. 

Kirſchner A., Handwerkergruß der Aufiigev Weißgärberzunft. 

.Richter K., Sagen von der Helfenburg. 

Ofterreichiſches Zahrbuch. 

Jahrgang 23. Breitner A., Titerreih im Lichte der Tichtungen Victor von 
Scheifels. 

Proſchko Hermine, Vom Dichter der „Wlaſta“. — Briefe Eberts an JIſidor 
Proſchko aus dem Jahre 1871. 

Jahrgang 24. Chimani T., Der ober:öfterreichiiche TDialeft- Tichter Anton 
Zdrosier. 

Huichak W., Anna. Eine Namensitudie. 

Heliert J. von, Im Borjabre der öfterreihtihen Revolution. 

Deutſch Y, Bollsichauipiele im Böhmerwalde. — liber das Höriter Paiftens- 
'piel. Fer Anfang folgt fertenlang wörtlich dem Bortrage von Pauften, Über 
das Höritzer Paiſionsſpiel Prag 1894, ohne daR die Quelle genannt würde. 

Mitteilungen des Zunituts für öſterreichiſche Seſchichtsforſchunug. 

Band 21. 

Heft 1. Stern A., Briefe von riedrih von Gene aus den Jahren 1805 
bis 1808. 

Bert 2. Zurba, Schweizer: Die Walleniteinfrage. 3* 

Jahrbudy der Geiellſchaft für die Geſchichte des Proteſtantäemus in Ofer- 

reich. Jabrgang 21. Deit 12. 

Pippert F, Egerer Reformation. 

Yoierth J., Tie Gegenreformation in Inneröſterreich. Gleichzeitig Zuſammen- 
ſtellung des Altenmaterials. 

Menéilt F., Ein Pamphlet gegen die Jeiuniten. Zur Geſchichte der Salzburger 
Kroteſtanten Aus den Regensburger Reichstagsatten 17238--1732. In Reimen. 
Buchwald G., Veiträge zur Keuntnis Der evangeliichen Geiſtlichen und vLehrer 
Tfterrenhs ass Den Wittenberger Ordinirtenbüchern tet dem Jahre 1573. — Fort⸗ 
ſekung. 1991-1595. 

Jahrbuch für dic Geſchichte des Herzogtums Oldenburg. VIll. 
Ramianer 38, Die Flurnamen im Otdenburgiſchen in agrarbiftoriicher 

Hinũcht. 

Mitteilungen des Altertumsvereins zu Plauen. 13 Jabresichrift. 
Buchwald G., Ein ungedruckter Briei Kaul Rebhuns vom Jahre 1542. 
Yuchwald Ob, Eine Litterariiche Gabe Spalatins für einen füchftichen Edel⸗ 

mann. 1.553. 

Reilageheit. Raab C. von, Negeiten zur Orts und Familiengeſchichte des 
Kogtlandes. II. 1485-1505. 

Zeitſchrict Ni Bereins fir Gerichte und Altertum Sclehens. 

34. Yand. 

Griünbagen E., Das ſchleſtiche Schulweſen inter Friedrich Wilbelm II. 

Förſter, Der Bau Der Unwerfität Rreslau und die Bilder der Aula Leo- 
.llna 
| Rubeniohn M,, Marın Opis und Breslau. Mit einer Pobrede des Tichters 
aut Breslau. 

Schulz H., Ein Märker über Schleſien. 1813. 

Nermmichre Mitteilungen Bauch, Veitrage zur Yırteraturgeichichte des ſchleſiſchen 
Humanismus. — Yan, Ribtiographie der ichleſichen Renaiſſance. — Grünbagen C., 
E. Reimann 


1900. 647 


Zeitſe deift ber Gefellfchaft für die Schleswig-Holfteinifche Geſchichte. 
Ban 


Jellinghaus J., Holſteiniſche Ortsnamen. 
Discefanardin von Schwaben. 18. Jahrgang. Nr. 5. 
So Eulogius Schneider und Schubart in Stuttgart, ein Hofprebiger 
und Hofpoet. 
Schön Theodor, Geſchichte des Theaters in Ulm. 
Archiv des Vereins für iebenbürgifche Jandeskunde,. 29. Band. 
Heft 1. Herbert H., Die Gegenreformation in Hermannftadt zur Zeit Karls VI. 
Mitteilungen aus den Hermannftädter Dagiftratsprotofollen. 
Heft 2. Teutſch F., Bilder aus der Vergangenheit der ſächſiſchen Vollskunde. 
Borzeivonnengblatt des Bereind für ſtebenbürgiſche Landestunbe. 
ahrgang 23. 
Nr. 1. 5. Schullerus A., Zur fiebenbürgifch-deutihen Rätſeldichtung. — Mit 
vielen Proben. 
A. St., Wie e8 Reußdörfchen gegangen if. — Bollserzählung. 
Nr. 2,3. 4. 2. T., Volkstümliches aus Groß-Scheuern. 1. Grüßen und Ber- 
abſchieden. 2. Lieder. 3. 7. Rätſel. 4. Kleidung. 5. 6. Bräuche. 
Schullerus A, E. H. Meyer: Deutſche Vollskunde. 
Klein Hermine, Eine Taufe in Weißkirch. 
Nr. 5. Duldner J., Aus dem Stammbuch des Georg Lyſthenius. — Anfang 
des 17. Jahrhunderts. 
Mitteilungen des hiſtoriſchen Bereins für Steiermark. XLII. Heft 1899. 
Bischoff Ferdinand, „Niemand und Jemand“ in Graz im Jahre 1608. Ab- 
drud eines wichtigen Spiel8 der Englischen Komödianten aus der Handſchrift des 
Cifterzienferftiftes Nein mit wertvollen Vorbemerkungen. 
Miener Almanadı. Jahrbuch für Litteratur, Kunft und öffentliches Leben. 
Paoly Betty (Nachlaß), Gedicht: „Rothkelchen fingt im Waldrevier”. 
12. April 1893. 
Sauter Ferdinand (aus feinem Nachlaß), „Knabe und Mann“. 
Sturm Julius (aus deffen Nachlaß), „So viel ich Lieder fang“. 
Hamerling Robert (aus deffen Nachlaß), Calderon. 1. Februar 1847. 
Ein noch ungedrudter Brief von Deinhardfiein. An feinen Bruber. 
Leipzig 1842. 
Ein bisher ungedrudter Brief des Dichters Oskar von Redtwitz (oug Dr. 
Ludwig Foglars Nachlaß). 11. Yebruar 1883. .S. 


Mitteilungen ver Anthropologiſchen Geſellſchaft in Wien. XXX. 
e . 


Bancalari G., Forſchungen und Studien Über das Haus, VI. Bollsmäßige 
Benennungen der Geräte. 
Wiener Communal-Zalender und Städtiſches Jahrbuch. 87. Jahrgang. 
1899. 


Schalk K., Eonte Lorenzo Magalotti, toskaniſcher Gefandter in Wien 1675— 
1678 iiber Wiener Verhältmiſſe. 


Wiener Aenjahrs-Almanach 1900. 
Gloſſy Karl, Wien im Jahre 1809. Aus dem Tagebuche eines Wieners. 


Allgemeines. 
Deutſche Rundſchan. Jahrgang 26. 
Heft 4. 5. 6. Heyſe P., Jugenderinnerungen. IL König Mar und das alte 
Münden. III. Mein Elternhaus. 


48 Bibliographie. 1. ZJeitichriiten. 


Heft 4. 5. Lenz M., Tie großen Mächte. Ein Rüdblid auf unjer Jabr— 


Heft 6. Bölſche W., Paul Heyie. Zum 70. Geburtstag. 
Heft 7. April. Zpielbagen F., Geſtalten des Dichters. 
Grimm H., Frey: Conrad ‚zerdinand Mener. — Mit Ausführungen über 
das Deutſch Schweizer Tichter und Schriftiteller und über Freys Tichtungen. 
Heft & Bruns J. Erasmus als Zatirifer. 
Krebs K., Karl Ditters von Tittersdorf. — Biographifches und Rand— 
loſſen. 
g Heft 9. Dilthey W., Die Berliner Akademie der Wiſſenſchaften, ihre Ber: 
gangenheit und ihre gegenwärtigen Aufgaben. J. 
Vreußiſche Zahrbücher. 
Band 99. Heft 1. Lorenz; M., Tas Problem des Tragiſchen. 
Heft 2. Ebe G., Deutiche Vollskunſt. 
Sandvoß F.e', vitteratur. — Gaedert: Bei Goethe zu Gaſte. — Witkowsti: 
Goethe. — Zöller: Die fruchtbringende Geiellſchaft. 
Yorenz M., Weitbrecht: Tas deutiche Drama. 
Heit 3. Paulſen F., Die Akademie Der Wiſſenſchaften zu Berlin in zwei 
Jahrhunderten. 
Schrenck Erich von, Wie hat Italien auf Goethe gewirkt. 
Lorenz Di, Vartels: Die deutſche Tichtung der Gegenwart. — Abfällig. 
Band 100. Heit 1. Lehmann M., Luther als Teuticher und als Chrijt. 
Sandvoß F., Schönbach: Geſammelte Aufiätze. — Warm anerfennend. 
Heft 2. 3. Zeiler F., Der deutſche Wortſchatz und die deutſche Kultur. 
Heft 2. Sandvoß F., Schönbach: Uber Leien und Bildung. 
Uord und Süd. 
Band 92. Heft 274. Begerv., Yınfevon Juſtinus Nerner an Varnhagen 
von Enſe. Mitgeteilt und erläutert. 
Heit 275. Nobut A., Ludwig Welbitab und VRarnhagen von Enſe. Mit 
ungedruckten Brieien. 
Brömſe H., Dnuelle md Weg des dvbilofonbiichen Denkens. Ein Beitrag zur 
Pinchologie dev Philoſophie. 
Heft 276. Zimpel H, Heinrich von Kleiſt und Die Frau. 
Vand 93. Heft 277 8. Kellen T., Die Honorare deuticher Dichter und 
Schriftſieller. 
Heit 279. Nover J., Gutenberg md die Bedeutung der Buchdruckerlunſt. — 
Auch die Dichtungen über Gutenberg werden hier beiprochen. 
Denutſche Revue. Jabrgang 25. 
Jannar Kaibel G., Tie neue Bildung 
Varnan Y., Bühnenvntuoſen. 
Februar. Kienzl W., Richard Wagners peröönlicher Charakter. Eine Studie. 
Blumenthat O., Verbotene Stücke. 
März. Ter erſte faliche Tenetrius. 
Sande O., Bühnenvirtuoen — Antwort auf Barnays Aufias 
rVemmermener F., Guſtav zu Kutlis und Friedrich Hebbel. 
April. Horoviß VBarnay \lfa, Sonnenthal. 
Ueune dentſche Rundſchau, der freien Bühne Jabrgang 11. 
Heit 1. Ziegler Th., Auf der Schwelle des Jahrhunderts. 
Voliche We, Aus dein vLeben und Wert Häcqels. 
Heit 4 Schorn Adelheid von, Briefe Lißts und ber Fürſtin Wittgenſiein 
Heit 5. Joel K., Philoſophie und Tichtung. 
Klociter A., Neue Tramen 


1900. 649 


Weſtermanns IJluftrierte Deutfche Monntshefte. Jahrgang 44. 
Heft 519. Conrad EL Anna Ritter 
Heft 521. Rohlfs © ’ Erinnerungen” an Franz Lißt. Aus ſeinem Nachlaß 
herausgegeben. 
Heft 523. Muncker F., Paul Heyſe. 
Hagen Luiſe, Der ———8 der vornehmen Frau. 
Heft 524. Funck H., Ein neuer Fund über die Perfönficheit der rau 
von Ztein. 
Heft 525. Schreiber W. L., Gutenberg und die Anfänge der Buchdruckerkunſt. 
Velhagen & Blafings Monatshefte. Jahrgang 14. 
Heft 5. Tille A., Goethes Yauft in der kanzöfl en Kunft. 
Heft 8. Howard. P., Litterariihe Table d’Höte 
Voß R., Etwas von meinen Schreibtif F 
Heſt 9. Mirus A., Goethe und Rambe 
Heft 10. Dziatzko R., Gutenberg und die Erfindung der Buchdruckerkunſt. 
Jenſen W., Heimat: Erinnerungen. I. Emanuel Geibel. 
Heimgarten. Jahrgang 24. 
Heft 4. 5. Friedrich von Haufeggers Briefe an ben Herausgeber dieſer 
Zeitſchrift. Unter anderm iiber das Volkslied und Über Richard Wagner. 
Heft 4. Neujahrsgebräudye im badiſchen Schwarzwal. 
Mathilde Gräfin Stubenberg. 
Heft 6. Roſegger P., Offenes Schreiben an den Berlag der Werfe Robert 
Hamerlings ın Hamburg. 
Die Serülden. Surgang 16 
1. Heft 1. Jacobowsti % omantifche Lyrik vor 100 Jahren. — Aus der 
Einleitung zu feiner Anthologie „Die blaue Blume“. 
Heft 2. Hamann R., Gerhart Hauptmann umd fein Naturalismus. 
Yandsberg H., R. M. Diener: Litteraturgefchichte des 19. Jahrhunderts. — 
Tadelt namentlich die Anlage. 
Heft 4. Holzamer W., Alberta von Buttlamer. 
Heft 5. Zacobowsti 2, 8. F. Neubürger. 
Heft 6. Jacobowski 8, Fenz Held. 
II. Heft 1. Conrad M. G., Zur Pſychologie der Moderne. — Brief von 
9. Conradi. 


Öferreichifch-ungarifche Revue. Band 26. 
Heft 2-6. Werner R. M., Betty Paoli. 
Die Aultur. Jahrgang 1. 
Nr. 3. Grimmich, Der Seelenbegriff in der neueren Philoſophie. 
Ar. 4. Willmann, Unfreie Freigeiſter. 
Nr. 4. 5. Grupp, Die Deutſchen in ausländiſcher Beleuchtung, im Lichte ihrer 
Geſchichte und Sprache. 
Ar. 5. Kralik R. von, über die gegenwärtige Stellung ber katholiſchen Litteratur. 
Frind W., Das fittliche Recht auf den Gebraud) der Sprade. 
Marholm, Erinnerungen an Paul Heyſe. 
Revue franco-allemande. 1899. 
Nr. 18. Eßwein H., Hölderlin und Niekjche. 
Deutfche Dichtung. 
Yand 27. Heft 8. Frlanzos], Heineana. 
Heft 9. [Franzols, ‚Hermann Linggs Selbftbiographie. 
Band 28. Heft 4. 5. 6. Aus Heines Schulzeit. 


Litterariſches Genteniblatt. 
Ar. 3. Beilage. Beyer M., Wilhelm Raabe. Eine Charalteriſtik. 


650 Bibliographie. 1. Zeitichriften. 


Nr. 4 —l., Meyer R. M.: Tie deutiche Pitteratur des 19. Jahrhunderts. 

M. K., Bächtold: Kleine Schriften. 

Nr. 7. Beilage. Berger K., Zeitgenöſſiſche Zelbftbiographien. — Hermann 
von Lingg. Ernſt Wicdhert. 

Nr. 8. Kloch] M., Wettrih: Schiller. I. 

Nr. 9. Langmeſſer: Jalob Saraſin. 

Ar. 12. Pietih), Wuttke: Sächſiſche Volkskunde. 

Nr. 13. Borinsti: Tas Theater. — Abichnend. 

Benndorf: Kubhnau, dev muſikaliſche Tuadjalber. — S. 167, 30 „faiteten“ 
wird in „fait eben“ aufgelöit. 

Nlerrlich; P., Müller: Jean Paul. Studien. — Gegen Miller Angrifte 
auf Seine Jean Paul-Biographie. 

Wr. 15.2. A., Mielle: Der deutſche Roman des 19. Jahrhunderts. 

Kr. 16 17. Noch! M., Junk: Goethes Fortſetzung der Zauberflöte. 

Ar. 19%. —l., Schönbach: Geſammelte Aufiäge. 

Ar. 21. Finger: Dein Beruf als Ausleger. — Dit einer Abwehr der An- 
griffe dieies Buches auf Friedrich Zarııde. 

Nr. 22. Beilage. Bartels N., Neues von und fiber Hebbel. — Wit einer 
bisber unbekaunten gereimten Ztammbuchentragung Hebbels von 1835 für 
Emilie Voß. 

Nr. 24. No M., Caſtle: Die Jiolierten. 

Nr. 25. Ktoch' M., Witkowskti: Goethe. — Sehr anerkennend. 

Deutſche Litteraturseitung. \ahraang XXI. 

Kr 1. Schmidt Erich, Wolff: Zwei Jugendiuftipiele von Heinrich von Kleiſt 
— Kine bündige Abmehr. Wolff verfuchte fich zu verteidigen in der „Zeitichrift für 
wisienrichaftliche Kritik und Antikritik“. 1. 8. 

Brunner H., Heusler und Hübner: Nacob Grimms Ddeutihe Rechts: 
altertiimer. 

Kr. 2. Mattbias A., Zell: Goethes Ztellung zu Religion und Chriitentum. 

Kr. 3. Martin E., Ubl: Tas deutiche Yırd. — Mit Yerichtigungen. 

Weilen A. von, Walter: Archiv und Bibliothek des Mannheimer National: 
theater? 1779 — 1839. — Trägt zur Ribliographie viele Antorbeftimmungen anonumer 
Werke nad. 

Kr. Meyer RD, Servaes: Präludien: Yorenz: Pie Pırteratur aut Jahr: 
hundertende. 

Köſter A., Rniower: Goethes Fauſt 

Nr. 5. Steig R., Ulrich: Billers. 

PFniower T., Gerhart Hauptmaunns Fuhrmann Henſchel. 

Nr. 6. Werner WM, Franzos: Deines Geburtstag. 

Kr. 7. Bolin W., VBormolu: Yelling. 

Nr. 9. Köſter A., Meyer: Die deutiche Litteratur des 19. Jahrhunderts. 

Wittich M., K. Schweizer: Die Wallenſieinfrage in der Geichichte und im 
Drama. 

Nr. 10. Fürſt R., Ber: Heime und Diniier. 

Yr. 11. Evans P., Schonbach: Geiammelte Aufiätte Zur neueren Litteratur. 

Kr. 12. Tevrient H, Hamel: Gellerts Luſtipiele. Coum: Gellerts 
Yırtipiele, 

Morris M, Ewart: Goethes Narer. 

Jr. 13. Schlöſiſer RN, Wittig: J. Ch. Brandes 

Fürſit R., Jeuteles: JIuſtus ‚ren. 

Nr. 15 Minde Pouet G., Müller Guttenbrunn: Kleiſis Hermannsichlacht. 

Kr 17. Ubt W, Treicher: Tas Gemerkbüchlein des Hans Sachs. 

Witkowski G, Achelis: Goethes York. 

Weiſſenfels C., Groſie: Zu Goethe. 


1900. 651 


Nr. 18. Bohnenberger K., Krauß: Schwäbiſche Litteraturgefchichte. 11. 
S Nr. 19. Zeidler J., Schwarg: Eſther im beutichen und neulateinischen 
rama. 
Schatz J., Schiepek: Der Satzbau der Egerländer Mundart. J. 
Nr. 20. Hauffen A., Wolkan: Deutſche Lieder auf den Winterkönig. 
b Nr. 21. Bohnenberger K., Steiff: Geſchichtliche Lieder und Spruche Würt⸗ 
tembergs. 
* 22. N R., Kerr: Godmi. 
Ir. 23. Zeidler %., Koh: Hold, Schönes Blumenfeld. 
Pr. 24. Sauer A., Munder: Lejfings fämtlide Schriften. XII—XV. — 
Berlangt die Aufnahme von Leffings Überfegungen in mehreren Ergänzungsbänden. 
Meyer R. M., Oppeln-Bronitowsti und Sacobowsli: Die blaue Blume, 
Auswahl romantifcher Lyrik. 
Nr. 25. Pariſer L., Jellinek M. H.: Zefens Adriatifche Rofemund. 
Schmidt Eric, Bunjen Marie von, Georg von Bunjen. n 
Ar. 26. Volkelt J., Kung: Zur Entftehungsgefchichte der neueren Afthetik. 
Kühnemann E., Harnad: Efjais und Studien zur Titteraturgeichichte. 
Ir. 27. Ralzel O. F., Bächtold: Kleine Schriften. — Schöne Charalteriſtik 
des „Schriftftellers” Bächtold. 
Allgemeines Sitteraturblatt, IX. Jahrgang. 
Nr. 1. Senil C., Scheich: Grillparzer als Schulleltüre. 
Nr. 2. Schönbach A. E., Erdmann⸗Menſing: Grundzüge der deutſchen Syntar. 
Nr. 3. Nagl J. W., Schag: Die Mundart von mit. 
leh Nr. 4. Arens E., Ehrenfeld: Studien zur Theorie des Reimes I. — Ab⸗ 
ehnend. 
Grävell van Joſtenoode H., Heinemann: Goethe. 
Pr. 6. Wl., Muth K.: Die Iitterarifchen Aufgaben der deutſchen Katholifen. 
j Nr. 8. Senil C., Lublinsti: Jüdiſche Charaktere bei Grillparzer, Hebbel, 
udmig. 
Revue critique. Aunde 34. 
Nr. 10. Legras J., Baldenjperger: Gottfried Keller. 
Nr. 16. Seignobos Ch., Pacombe: Introduction & l’histoire litteraire. 
Nr. 17. Rouftan L., Knauth: Goethes Sprade im Alter. 
Nr. 19. T. R., Goethe: Iphigenie traduit par d’Eichthal. 
Elbugquet) A, R. M. Meyer: Litteratur des 19. Sahrhunderts. 
Nr. 23. Rouftan L., Witlowsti: Goethe. 


Das litterarifdgge Echo. Jahrgang II. 
Nr. 9. Werner R. M., Ein Parifer Abenteuer Hebbels. 
Schönbad A. E., Wilhelm Hert als Überfeker. 
garnad D., Eine moderne Fıtteraturgefchidhte. 
rauß R., Neue ſchwäbiſche Fitteratur. 
Kohut A., Ungedrucktes von Carl Beck. 
Nr. 11. 12. Seliger P., Zur Geſchichte des Vollskalenders. 
Nr. 12. Heyſe und Fontane. — Brief Heyſes vom 11. Februar 1860. 
Berg W., Siebenbürgiſch⸗ſächſiſche Litteratur. 
Poppenberg F., Alte und neue Romantik. — Huch: Blütezeit der Romantik. 
Nr. 13. 14. Storck K., Jung-Elſaß. Litteraturbilder aus den deutſchen 
Einzelgauen. 
Nr. 13. Jacobs M., Guſtav Falke. 
A. B., Ein Brief Conrad Ferdinand Meyers. 
Nr. 15. Sittenberger H, Der Monolog. 
Meyer Rich. M., Goethe⸗Schriften. 
Grazie Marie E. delle, Ein Dramen⸗Cyklus. — Weigand, die Renaiſſance. 


692 Bibliographie. 1. Zeitichriften. 


Ar. 16. Hart J., Die Moral des Künſtlers. 
Schaukal J., Ein Meitter der Novelle. — F. von Zaar. 
Krauß R., Aug Mörites Briefwechſel. — Briefe an Johannes Mäbrlen 
1529 — 1832. 
Kr. 17. Berg v., Die Zfala der Kunſt. 
Wiegler P., Friß Mauthner. 
Nr. 18. Greinz H., Richard Bredenbrücker. 
Buſſe C., Richard Leander. 
Bittrich M., Maximilian Schmidt. 
JFitterariſche Warte. Jahrgang 1. 
Kine neue Monatsſchrift, die ſich „Förderung und Hebung der katholiſchen 
Litteratur“ zur Aufgabe madıt. 
Nr. 1. Witkop Ph., Untere Lurik. 
Nr. 2. Schiler M. G. Yitteratur und Klerus. 
Der Thürmer. Jabhrgang II. 
Nr. 4. Maync H., Neue Typen zur Geichichte des Romans. 
Nr. 5. Berdrow, Rahel und der Berliner Salon um 1800. 
Die Umſchau. IV. 
Kr. 4. Brömſe, Derman von Yingg. 
Nr. 11. Brömiſe, Baul Heyſe. 
Tie Urbilder zu Guſtav Freytags Zoll und Haben. 
Nr. 17. Tetzner, Mundart und Schriftiprache. 
Nr. 17. 18. Werner RM, R. M. Meyer: Litteratur des 1%. Jahr- 
hunderts. 
Der Runſtwart. 13. Jahrgang. 
Heft 7. Avenarius, Schöpfer und Verwerter. 
Avenarius, Heinrich Heine. 
Heft 8 Schumann EB, Romane in Zeitungen. 
Heft v. Lublinsti S., Humanität. Ein Nachtrag zu den Goethetagen. 
Heft 10, Bartels A, Tie deutiche Litteratur von R. M. Diener. 
Schlaf J., Deutſche Individualität. 
Heft 11. Avenarius, Hoitheater und Staatstheater. 
Schwe, In Sachen des Yeledramas. 
Heit 12. Plabhoff E., Bon Scharen der Frauen. 
Det 15. 17. 18 Erdmann N. O.., Tie Nebenwerte der Worte. 
Sit ie. Abvenarius,, Was kann der Goethebund thun. 
Set 17. Avenarius, Here vyrik und Möriklke. 
Deutliche Zeitſchrift. Fortießrung des Kmaũñ.' II. 
Kr. 4. Kralik R. von, Der Tieiſtand umierer künstlerischen Kultur. 
Wachler E, Uber die gegenwärtige Lage der deutſchen Litteratur. 
rn. Wach!ler E, WMiener: Litteratur des 19. Jahrhunderts. 
Ir. 7. Kralik R. von, Lebensfragen der deutſchen Kultur. 
Wachler E, Kind und Künſiter. 
Die Zukunft. Jabhrgang ð. 
Ir. 16. 17. Breyuig K., Der vwriler unserer Tage. 
Greii M., Hermann vingg. 
Ar. 23. Harden M., Tier alte Denie 
Ir. 26. Gaedere K. Th, Yısmard ıumd die Plattdeutichen. 
Kr. 29. oyoriter Rietbiche Eliiabeth, Ter Kampf um die Niegiche- Ausgabe, 
Bauer Y, Die ta Zchlentber. 
Kr. 19. Küchler W., Tie ichöne Seele. — Fräulein von Klettenberg. 
Schiller, Jacobı, Karoline Flachsland. 


1900. 653 


Das Magazin für Litteratur. Jahrgang 69. 
Nr. 2. 3. Reichel E, Gottfched-Citate. 

. Steiner R., Bocthes Weltanſchauung. 
. 4. Steiner NR, Bon der modernen Seele. 
. Steiner R., Weltanfhauungen der Goethe- Zeit. 

Nr. 5. Reichel E., Bu Gottſcheds Gedächtnis. 

Nr. 6. Steiner R, Das Nietzſche-Archiv und ſeine Anklagen gegen die 
bisherigen —— 

Nr. 7. Steiner R. Ein unbelannter Aufſatz Mar Stirners. 

Nr. 8. Friedmann N, Aus Briefen. — Bon Georg Ebers und K. F. 
Meyer. 

Steiner R, Hauptmanns „Schluck und Jau“. 

Steiner R., Friedmann: Das deutfche Dranıa des 19. Jahrhunderts. 

Nr. 2. Eteiner R., Goethe und die Mathematik. 

Wr. 13. Aram M., Schlud und Rau und die Kritik. 

Nr. 1% Buchner E., Tragödie und moderne Dichtung. 
3 FJ 15. Horneffer E. und Steiner M., Über das Niegfche- Archiv. — 
zu Kr. 6. 

Jr. 20. 21. Steiner R., Litteratur und Gefellichaft des 19. Kahrhunderts. — 
Beiprehung des Buches von Fublinsi. 

Publinsti 2., Das hiftorifche Drama und die moberne Fitteratur. 

Nr. 21. Mottfe als Philoſoph. 

Nr. 21. 22. Türk H., Genie und Philiſter. 

Steiner R., Ein paar Worte zu dem Borigen. 

Ar. 25. Steiner R., Die Drudkunft. 

Schmidt H., Im Kampf um die „Welträtſel“. 


Die Hation. Jahrgang 17. 
Ar. 14. Mofer H., Michelangelo in Conrad F. Meyers Gedichten. 
Ar. 16. Stern A, Gebhardt: Wilhelm von Humboldt. 
Ar. 17. 18. ‚Heilborn E., Über Rich. M. Dieyers Litteraturkritif. 
Toppenberg 3 F., Über die Kunft der Ricarda Huch. 
Ar. 20. Bolin W., Zur Würdigung Leſſings. — Borinsli: Leſſing. 
Nr. 22. Kirchberg a, Ein Denfer-Biograph. — R. Weltrich. 
Nr. 23. Bolin W., Paul Heyſe. 
Nr. 25. 26. Weiten X. von, Üfrife von Levetzow. 
Nr. 26. Meyer A.M., Witlomsti: Goethe; Lothar; Das Wiener Burgtheater. 
Nr. 30. Herzog A, Romantifche Strömungen im deutjchen Geiſtesleben. 
Nr. 31. Steiner Rt, v. Zalobomsti. 


Die Zeit. Band 22. 

Nr. 278. Heidenftam B. von, Klafftcität und Germanismus. 

Servaes F., Um Goethe. — Gegen Huch: Mehr Goethe. 

Nr. 282. Gold A, Der Tod in der Dichtung. — Über Salten und Beer- 
Hofmann. 

Ar. 286. Ninternig M., Heinrid Heine in England. 

Nr. 287. Neue Aphorismen Nietzſches. 

Ar. 289. Steinhauſen G., Zur Geſchichte des deutſchen Zeitungsweſens. — 
Nach v. Salomon mit Berichtigungen. 

Nr, 296. Gold A., Diener Stubentenromantit. — Erzählungen von 2. Wolff 
und J. J. David. 

Nr. 298. 299. Klaar A. Prag als deutſche Litteraturſtadt. 

Nr. 298. Muther R, Inkunabeln. 


AUniverſum. XVII. Wr. 11. 
Niſch H., A. G. Oehlenſchläger. 


Nr. 
Nr. 
Nr. 


‚Son un 


654 Ribliograpbie. 1. Zeitichriften. 


Die Wage. ‚Jahrgang 3. 
Nr. 6. Ztöß Y, Tas neue Buch. 
Nr. x*. Schönhoif, Hauptmanns news Stück. — Schlud und Jar. 
Nr. 10. Yorbar R., Volksbühnen für Wien! 
= ppenheimer, Was die Berliner Studenten lejen. 
Nr. 11. Osborn M., Eine deutiche Yırteraturgefchichte des 19. Jahrbundertse. 
— Über R.M Meyer. 
Nr. 12. Lothar R., Roſegger und Zpielhagen. 
Kr. 14. 15. 138. 26. Rosner Y, Ungedrudte Briefe. — Bon Ferdinand 
Kürnberger. Ferner Yauernfeld au Zchuielfa, Förſter an NRosner, 
C. Haffner an 9. Bauer, Franz Rıliel an Nürnberger. 
Nr. 14. Zchönbofi, Wildenbruchs Trama Erasmus. 
Nr. 15. Yorbar R. Y. Speidel. 
ir. 20. Jeruiatem W. „ Zur Pinchologie von Trama und Theater. — Verger: 
Drama und Theater. 
ir. 21. Nürnberger F., Künſtlerdramen. — Aus den Nachlaß. 
Nr. 25. Yotbar R., Von der Schönheit. 
Gaulle J., Revolution der Liebe? — Gegen Arno Holz. 
Wiener Rundſchau. Jabhrgang IV. 

Ar. x. Bleibtreu ©, Die Formen der Dichtkunſt. 

Nr. 10. Thomaſñin C. von, jur Geichichte der Parfionsipiele. 
Die Grensboten. Jabrgang 50. 

Nr 4 Stern A.i, Auguſt von Goethes Briefe aus Italien. — 1830 an 
grau Chriſtiane Gille in Weimar gerichtet. 

Nr. 5. 6. A. R., Biograpbiihe Litteratur. — Sonderegger. Kölliker. Y. Ga— 
billon, M. von Meyieubug, Verdrow: Nabel Varnhagen. 

Kr. 10. Henneſchiedt D., Auge von oethe und Johann Eckermann. - 
Erläuterung zu Nr 4 und Bericht über den Nachlaß Eckermanns, den F. Tewes 
m Hannover zum Trucke vorbereitet. J 

Ir. 13. Kannengiezer K, Nas dem Elſaß — Uber die neue Dramatıtcde 
Dichtung dasclbit. 

Die Gegeuwart. Jabrgang 2%. | 

Ar 7. Leuß H, Heveiuten der Lyrik. - - Uber Arno Holz. 

Ir. 12. MNeyer Benien H, Schlerermacher und die moderne Religion. 

Jr. 16. Tregmann Vi, Tas ewig Weibliche bei Goethe. 

Kr. Zednuh N Pe von, zZzur Schopenhauer- vLitteratur. 

Ir IS. Bamterg E von, Aus der Wiener Theatergeſchichte. 

Ar. 19. Tintien O., Zu Hegels Leben. 

Jr. 2. Noctzel R., Social DTSCH 


Ir. 22. Henmrich C., Ein deiticher Soldom. — J. C. Brandes. 
Met We, Dherons Lebens dudale. — Uber Webers CUpver. 


Bühne und Welt. 2. \alnanıg. | 
Ar 2 Menich Ella, Tas großherzogliche Doftbeater ın Tarmitadt 


Vogt F., ze Weibnachts ptele, 

N 10 VEN, Tas dentiche Theater ın Prag. 
Deutliche Bühnengenoffenthaft. XXIX. 10. 

Natt F, Verliner Theaterverhaitniiie zur Franzoſenzeit 15807 8. 
Haus und Welt Torimund 1, :5. 

Fried:ich Leopold Srafı m Stolberg. Von einer Urenkelin Fr. Y. Stolbergs. 
Heimat. Yicıc AS: dis Boten fur deutiche Yırteratar. Mlätter für Yıtteratur 


« 
ud Kits I 


l. v1. Satz: A.. Deiman urit. 


1900. 655 


Tavid 3. J., Zu Ludwig Anjengruber. 

Huch R., Mehr Goethe. Selbftanzeige. 

Nr. 2,3. Bartels A., R. M. Meyers Litteratur des 19. Zahrhunderts. — 
Start perfönlice Polemik. 

Lienhard F., Die Vorherrſchaft Berlins. 

Nr. 5. Lienhard F., Zwiſchen Hurrahpatriotismus und Demokratie. 

Nr. 6. Lienhard F., Neuer Geiſt. 

U. Nr. 2. Bartels A., Konſervativ, nicht realtionär. 

Nr. 4. Berger K., Drei Schwaben. (Paulus, Karl und Richard Weitbrecht.) 

Van. Nr. 5. 
Servaes F., Fontane. 
Brülls populärwiſſenſchaftliche Monatsblätter. XX. 6. 
Sternberg ?., Heine und die Jurisprudenz. 
Dichterlimmen (Baden-Baden). XIV. 8. 
Hüttemann Adolf, Hermann Faven (geboren 1844 in Trier). 
Uenes Jahrhundert. 11. Nr. 23. | 
Ernft P., Annette von Drofte-Hülshoff. 
Jugend. V. Nr. 12. 
Weltrich R. Baul Heyfe. 
Dokumente Der Frauen. I. Nr. 22. 
Neder M., Ricarda Huch als Litterarhiftorifer. 
Daheim. Zahrgang 31. Nr. 36. 
Pantenius Th. H., Robert König. 
Leipriger lluſtrierte Zeitung. 1899. 

Ar. 2950/1. Unveröffentlihte Briefe Karl von Holteis an Hermann von 
Bequignolles. — Bon 1855— 1867. Bequignolles war in diefer Zeit Direktor der 
vereinigten Theater in Görlit und Liegnit und dann Dramaturg in Breslau. Er- 
läuterungen find beigegeben. 

Nr. 2947. Winterfeld A. von, Heinridh Heine und die Mufit. 

Badiſche Landeszeitung. Nr. 74. 76. 
ot ernade Michael, Bier Briefe Über einen Beſuch in Bayreuth aus dem 
ftober 1877. 


Voſſiſche Zeitung (Berlin). Nr. 124. 
15. März. Dlaniel]) Z[acoby], Paul Heyfe. Zu feinem fiebenzigftien Geburtstag. 
Sonntagsbeilage der Voſſiſchen Zeitung (Merlin). 
Nr. 3. 4. Behaghel O., Geſprochenes Deutſch und gejchriebenes Deutich. 
Nr. 5. 6. Böhme R., Friedrid Hölderlin. 
be Nr. 5. Kreußner 8. R., Schwarze Kabinette. Zur Geſchichte des Brief- 
geheimniſſes. 
Nr. 7. Friedländer G., Ein kurländiſches Urteil über Goethe aus dem 


Nr. 9. 10. Luther H, „Hier ſtehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir. 


Nr. 9. Mayne H., Romantik vor hundert Jahren und heute. 

Nr. 10. Buchholg A, Das biographifdhe Jahrbuch (von Bettelheim). — 
Anerfennend mit Berichtigungen zu den einzelnen Angaben und guten Vorſchlägen. 

Jr. 12. 13. Aus der Geſchichte der Berliner Alademie der Wiſſenſchaften 
1700— 1900. 

Nr. 11. 12. 13. Mähly 3., Mythus, Sage, Märchen. 

Jr. 14. 15. Menzer B., Der moderne Individualismus. 

Kr. 15. Sterne C., Der Tfterball. Eine Unterſuchung über feinen Urfprung. 


656 Roliographie. 1. Zeitſchriften. 


Ellinger G., Joachim Camerarius. Zum 100. Geburtstage. 
Nr. 17. Holſftein H., Eine Goethe-Erinnerung. — Goethe über Peter Viſchers 
Sarkophag des Erzbiſchofs Ernſt in Magdeburg. 
ir. 18. 19. 20. Morſch H., Goethes Fauſt und die neueſten deut'chen 
Märchendramen. — G. Hauptmanns „Verſunkene Blode“. Sudermanns „Trei 
Reiherfedern“. 
Nr. 20. Winterield A. von, Graf vudwig zZinzendorf und König Friedrich 
Wilhelm I. von Preußen. 
Kr. 25. vuther Johannes, Johann Gutenberg. 
Beilage zur Uorddeutſchen Allgemeinen Zeitung (Berlin). 
1804. Ir. 2065 a. Benzmann Dans, Wilhelm von Scholz. 
ir. 297. Tas Räuberweien in Württemberg und feine Bekämpfung gegen 
das Endr des vorigen Jahrhunderts. 
Ar. 298. Geiger Albert, Uber neuromantiiche Lyrik. IV. iSchluß. Tie 
Hyperäſthetiter 
Nr. 300, Karl Helmerding. 
1900. Ar. 3. Beyer Mar, Tas deutiche Vollslied in alter und neuer Jeit. 
Bruͤrnter. 
Nr. 21. Krug C., Hoifeſtlichle'ten und Fürſtenreiſen zur Zeit Maximiliaus I. 
Rach einer alten Dandichrift. 
Ir. 26. --auer. Alt Eliäſſer Erimmerungen. 
Ar. 27. d. =. Aebann Khrimoph Bottiched. 
Nr. 57. Yıbn Ziegel Ama. Kärntner Vollsdichtung. 
Nr. 39. V A. Duber 1. 
Kr. 62. Schott Sieamund, Zu Paul Hey'es ſiebzigſtem Geburtstag. 
Ar. 64. Geiger Albert, Tie Revoinution Der Lyrik? 
Nr. 6X. Geiger Albert, Tie „Dolls“ Schule. 
Nr. 75. 78. R. A. Hubers ge'chichtsphiloiophiſche und nationalökonomiſche 
Anichauungen 
Kran SI Zosnesin Theodor von, Tas deutſche Publikun und die 
Yılzatır. -— Zuſau in Nr UL. 
Nr. 05a. Klein Rudoli, Tas Schaiien des Künſtlers. Cine pindhologriche 
Studie AS. 
Berliner Ueueſte Uachrichten. 
Kr 21. Brnchmuler W, Reues und Wunderliches aus klaſſiſcher Zeit. 
Ch. F. Werße. 
I. St Amt, Errunerungen ven Alexis. 
ir. 122. Sinar A., Vaul Heyſe. 
Kr. 102. vorm 8,89. Yıchtenbere. - Yeitmann: Vichtenbergs Nachlaß. 
Fäglidye Rundſchau (Berlin). Zi vn. 
Marne Y, Rocthe und england. 
Uational-Zeitung (Berlin). 
Isuo, Na 222 Genſichen C. F., Erinmerangen an Fontane. 
Ki 720, elle, Semab Dei 
Kr 7206 Cenient:us E, En unbekannter Auiſab Leiſings. 
1. Nr 157 Yınlan 58, Albert Wocier. 
Nr. 175. Jake, Kaul Heyſe. 
r. 222. Wann Toy. Erinnerungen an Fontane. 
Ar. 250, Surhan B., Großherzogin Zopbie von Weimar. — Mit Briefen 
ven Semzoch, Hehbhel, Gero! an Me Fürſtin 
Nr 20, Freuzel K, Tas bhiſtoriiche Schau'piel. 
Mr. 285.288. vandsberg H., Tie franzonſche Revolution im deutſchen Trama. 


1900. 657 


Serliner Morgenpoft. 
Kr. 117. Bierbaum O. J., Eelbftporträt. 
Kr. 122. Altenberg P., Selbſtporträt. 
Bremer Tagblatt. 
Ar. 35. 36. Müller G. A., Hermann Allmers. 
Cafeler Eageblatt. Nr. 51. 
Echwarzlopf, Erinnerungen an den heffifchen Dichter Ernſt Koch. 
£rankfurter Zeitung. 
1899. Nr. 290. Kraeger H., Zur Entwidlung der Gedichte C. F. Meyers. 
Ar. 342/3. Bölſche W., Heinrich Heine. 
Nr. 345. Kerr A. Heinrich Heine. 
1900. Nr. 44. Rubenfohn M., Straßenausrufe im 17. $ahrhundert. 
Nr. 45. Hofmann H., Goethes Mummereien. 
Wr. 72. Harnad O., Paul Henfe. 
Kr. 115. Aufl H. J. J. W. Heinfe 
Kr. 120. 122. Riefe A, Goethe und das Maffiiche Altertum. 
Kr. 124. Mentel E., Ein Stammbudjblatt Hölderlins. J 
Wolff L., Tagebuchaufzeichnungen von Joh. Heinr. Wolff. — Üüber perfün- 
(che Zegtguungen mit Lotte Keſtner, Bettina von Arnim, Annette von Drofte- 
Hülshoff. 
Frankfurter General-Anzeiger. 1899. Nr. 292. 
Ehmidt Erich, Heinrich Heine. 
Grarer Tagespoſt. Ä 
Kr. 10. Schloſſar N., Ein ungarischer Gelehrter [Zofef von Kirälu] und 
öfterreihifche Dichter [Brillparzer, Anaftafius Grün). 
Kr. 27. 28. Rullnann W., Hebbels Nibelungen. 
Hamburger Borrefpondent. Nr. 166. 170. 
G. B.⸗O., Erinnerungen an Bodenftedt. — Mit einem Briefe Bodenſtedts 
aus dem Jahre 1889. 
YHeue Hamburger Zritung. 
Nr. 61. W. K., Chrifline Hebbel. 
Nr. 179. Müller-Raſtatt C, F. von Gaudy. 
Bamburger Fremdenblatt. Nr. 100. 
Maßmann JIr, Schöngeiſtige Kreiſe ver Hundert Jahren. — In Jena zu 
Schillers Zeit. 
Hamburger Nachrichten. Belletriſtiſche Beilage. 
Wr. 11. 12. Norddeutſche Volks- und Kinderreime. 
Nr. 12. 13. Die deutſchen Ortsnamen. 
Nr. 91. Houben H. H., Franz von Gaudy. 
Kieler Zeitung. Nr. 19726. 
Harzen-Diüller A. N., Scyleswig-Holfteiner Preffe einft und jekt. 
Ersähler an der Saale, Sratisbeilage zum Hofer Anzeiger. Nr. 22 und 23. 
Schwenk R., Ewald von Kleift in Hof. 
Zripsiger Zeitung. 
1899. Nr. 253. Neuichel Karl, Luthers Berhältnis zum Etaat. 
1900. Nr. 4. Reuichel Karl, Der Treilönigstag. 
Leipsiger Zeitung. Beilage. 
1899. Nr. 7. Zemerau A., Salderon und Goethe. 
— Nr. 13. Michael E., Drei Briefe Emil Devrients an Karl Theodor von 
Käftner. 
Jr. 121. Seliger P., Johann Georg Schlojfer. 
Euphborion. VII. 42 


658 Pibliographie. 1. Zeitfchriften. 


Nr. 145. Ninterfeld A. von, Heinrich Heine. 

1909. Nr. 14. Winterfeld A. von, Die Gottjchedin. 

Nr. 22. Peter J., Faſtnachts-Gſtanzeln aus dem Böhmerwalde. 

ir. 25. Waldmüller R., Das Denkmal der Karoline Neuber. 

Nr. 28. Rühlmann M. P., Einige Blicke in die Pennälerſprache. 

Nr. 31. Semerau A, Paul Hevie. 

Nr. 35. Orts- und Bollsteumund in der Yaufik. 

Jripsiger Eageblatt. 

1899. Nr. 267. 280. 293. 616. Wuftmann &., Die Anfänge der Peipziger 
Stadtbibliothel. 

1900. Nr. 244. Lauge F. Auguſt Mahlmann. 

Nr. 248. 254. Henzen W., Die Demetrius-Dramen. 


Yralsiiche Rundſchau (Fudwigshafen). 
Nr. 188. Heinz Heinrich, Maler Müller. 
Nr. 244. Freder Wilh., Auguft Becker. 
Magdeburger Zeitung. Montagsbeilage. 
Nr. 3—6. Decker F., Anakreon und die anakreontiſche Liederdichtung. 
Nr. #8. 9. Terburg Arminius G., „Ein feſte Burg“. 
Nr. 14-18. Storch 8. Immermanns Münchhauſen. 
Nr. 22. Lothholz, Goethe und die Religion. 
Mmünchener Neuefte Uachrichten. 
Ar. 34. Bormanns RR, Hermann Lingg. 
Mr. 112. Welborn C. P., Uber die Zchimpfmwörter. " 
Nr. 186. Tie Zage vom Werwolf. 
Nr. 234. 236. Oberammergau und sent Paſſionsſpiel. 
Allgemeine Zeitung (Münden). 
Kr. 111. Kiſian E, Eine Auffübrung des Gößs von Berlichingen. 1773. 
Nr. 117. Bettelheim A, Eine Reitung von Bauernfelds Fortunat. 
Beilage zur Allgemeinen Zeitung (Münden). 
Nr. 3. I8ettrih N, F. Viſchers alademtiche Borträge: Tas Schöne und 
die Kunſt. 
Schuchardt H., Tas „neue Jabrhundert“ in ſprachlicher Beziehung. 
Kr. 5. Rinu H., Johaun Hubner und die Chriftlomödie. — Nach Aradı: 
manns Ausgabe in Sauers deutichen Litteraturdenkmalen Jr. 82. 
Nr. 7. Beer DM, Ricarda Huchs „Blütezeit der Romantik“. 
Kr 10. Min He, Woerireungen des neuen Teſiaments durch Luther, Emier 
und Ech — Yındamehr. 
Jr. 12. Hoechſtetier S, Titan Jean Vaulss. Yitterariihe Studie. 
Kr as. Wnkadmovie S., Noch einmal die „Kleiſt ſchen“ Augendluftfpiele. — 
Erwiderung auf E. eins Ausführungen m Nr. 265 und 267 (1809). 
Kr 727. Kunne F., Georg Iktcharl de Laroche. 
Mr 28. Schott S., Bon Gottiried Keller. — VReſiprechungen der Schriften 
von Baechtold, Nolte und Valden'vperger. 
Kr 50 Gerger it, Tas Willensdrama. — Weitbrecht: Das deutiche Trama. 
KA 42 Tautzer H., Goethe und Me Romantik. »Goethe und Rettina. — 
Schrüten der Goetbegeſellichaſt. Vand 14. 
Kr 13. Y%, Johann CEhriſtian Dadenichmidt -1809—1900. Elſäſſiſcher 
Dichter Ein Rachrui. 
Wurzbach W. ven, Thereiſe Huber. 
Rr. 46 Homitler J., Die deutſche Litteratur im 19. Rabrhundert. — N. M. 
Mener. Ablehnend. 
Ar. 19. 50 Guſtav Freutag und Heinrich von Treitſchke um Briefwechſel. 


1900. 659 


Nr. 53. Stralofh-Graßmann G., Johann Gottfr. Seume Aber Südafrika. 

Nr. 54. Schiller 3 Shakeſpeare und Schlegel. — Eidam: Bemerkungen 
zu einigen Stellen Shafejpearifher Dramen, fowie zur Schlegelſchen Überfegung. 

Nr. 61. Bulle O., Paul Heyſe. Zu feinem 70. @eburtstage. 

Nr. 62. Matthäi A., Der Lyriker Henfe. 

Ar. 70. 71. Munder F., Paul Heyfe als Überjeker. 

Nr. 72. Petzet Chr., Tie politifhe Lyrik von 1840 bis 1850. 

Nr. 73. Zangen H., Bollsetymologie. 

Kr. 77. Neder M., Wiener Erzähler. — 3. J. David. 

Nr. 78. Brenner O., Über neue Wörter. 

Nr. 79. 80. 120. 121. Holzhaufen P., Der erfte Konful Bonaparte und feine 
deutichen Beſucher. WI. Der erfte Konful als Staatsmann. VII. Bonapartes Ber- 
hältnis zu Wiſſenſchaft und Kunft. 

Nr. 82. Tielo A. K. T. Liliencrons „Geſammelte Gedichte”. 

Scott S., Ein ungedruckter Brief von Wieland. — An Th. W. Brorter- 
mann, 10. März 1788. 

Nr. 83. Braungart R., Die Alten mad die Zungen. — Bartels: Die deutfche 
Dichtung der Gegenwart. 

Nr. 86. ©. ©., Novellen: und Efizzenbitdger. 

Nr. 89. 90. Voretzſch K, Gaudys Entwicklungsgang. 

Re Nr. 95. Bulthaupt H., Raum und Zeit bei Shakkfyeare und Schiller. — 
Referat. " 

Ar. 96. Dahn F., Mar von Seidel ald Dichter. 

Nr. 98. Zangen H., Schweizeriiche Volkskunde. 

Nr. 101. Seydlig R. von, dr. Martin Schubart. 

Rolfs W., Aus einer Eelbftichriftenfanmlung. — Briefe von Ediller, 
5. Juli 1798; Richard Wagner, 16. Dezember 1847; R. Schumann, 15. De- 
zember 1840. H. Marſchner (20. Auguft 1855). 

Nr. 103, Reuter %., Zur Erinnerung an Platens „Romantifchen Odipus“, 

Wr. 106—108. Wretſchko A. von, Heinrih Siegel. 

Ir. 106. 132. Müller E., Eine neue Dramenlifte Schillers. — Im Leip⸗ 
iger Mufeum der Bölferjchlacht befindet fid) eine Liſte mit Dramentiteln von 
Schillers Hand, die nicht etwa dramatifche Pläne des Dichters bietet, fondern 
ein Verzeichnis bekannter in Weimar aufzuführender Stüde, die Schiller fiir Goethe 
notiert bat, die er ferner mwahrfjcheinlid) umarbeiten oder zum Zeil in feinem 
geplanten Theaterkalender neu herausgeben mollte. 

Nr. 109. Bin, Platens Tagebücher. 

Nr. 112. 132. Asbach J., Neue Beiträge zu einer Heine- Biographie. 

Nr. 112. 113. Gyſtrow E., Die Piychologie am Ausgang des Jahrhunderts. 

Nr. 114. Marfop P, Schillers Jungfrau und bie vereinfachte Ecene im 
FrinzRegenten- Theater. 

Krauß R., Nefrologie. 

Menfi A. von, Biographifcyes Jahrbuch und Deutfcher Nekrolog. 

Ir. 118. Schmidt W., Ein Porträt der Margarethe von Parma. 

Nr. 120. Breutel W., Nilolans Ludwig Graf von Zinzendorf. 

Ar. 121. Eander, Tie allgemeine deutiihe Biographie. 

Ar. 124. Hofmiller %., Eine lyriſche Anthologie deutſcher Romantik. — Die 
blaue Blume. 

Jr. 125. Kraeger H., Eine Biographie Conrad Ferdinand Meyers. — 
Frey: Meyer. 

Nr. 126. 127 128. Landan M., Zeitmärchen und Märchenzeit. 

Ar. 126. Fürſt R., Fanny Yewald. 

Nr. 129. Brenner C., VBhonograph als philologiſches Hilfsmittel. 

Nr. 130. Roerur R., Felir Hübel. 

42* 


660 Bibliographie. 1. Zeitichriften. 


Nr. 131. Eglofiftein 9. von, Stieves Abhandlungen, Vorträge und Reden 

Nr. 133. Die GSeneralvertammlung der Goethe⸗-Geſellſchaft in Weimar. 

Jr. 136. Drews A., Die Pitteratur am Jahrhundert-Ende. — Über das Auch 
von X. Lorenz. 

Nr. 140. Munder 75, Neue Erzählungen von C. C. Ries. 

Kr. 141. Funck H., Ein ımedtes Bild von Goethes ;zreundin Charlotte 
von Stein. 

Jr. 144. 145. Erhardt P., Milben von Humboldt als Staatsınann. 

Nr. 144. Seife O., Tie moraliiche Wirkung der Küntte. 

Ar. 146. Neitler A., Prager Poeten. — Adler, Salus und Andere. 


Veſter Lloyd. ir. 127 
Kohut Adolf, Eine ungarifche Braut Nikolaus Yenaus (Karoline Ungber⸗ 
Eabatırr). 
Voſener Zeitung. Wr. 249. 
Yınde O., Ein ungedrudter Brief Robert Hamerlings aus dem Jahre 18. 
— Bezieht ih auf „Yord Luzifer“. 
Volitik (Prag). Nr. 23. 31. 
Harlaß F. X., Ex-Libris. 


Beilage zur Bohemia (Brag). 
Nr. 11. Wilms E., Ein vergeſſener Tichter Zur Erinnerung an den 130. 
Geburtstag von Reinhold Yenz. 
Nr. 17. 55. Johann Peter Pixis Memoiren. IV. V. 
Kr. 72. T., Paul Heyie. 
Nr. 127. Ehlen CT. Em tragitomiiches Genrebildchen aus den Yeben 
NR. Hamerlings. — Mitteilung eines Briefes an Tttilie Eblen, 3. Juni 1882, 
Rheiniſchweſtfäliſche Zeitung. 
1809. Nr. 975. ride IE, Herder ın Vückeburg. 
1900. Nr. 16. Großjohann, Tie eriten weſtfäliſchen Zeitungen und Trudereien. 
xr. 373. Brock WE, Zur Zaqe vom Tell und Ztauffacer. 


Belondere Beilage des Staats-Anseigers fir Württemberg (Stett- 


gart). . " - . . 
Kr 7 und 8. Bed, Quellen zu Schillers „Räuber“ — nebſt einer Hiejel- 
Bibliographie. 


Der Beobachter (Stuttgart). Nr. 112. 
Yu Rob., Schwabenart und ſchwäbiöſche Yıtteratur. 
2leues Fagblatt (Stuttgart). "ir. 3. 
G. J., Ida Freiligrath. -- Tie Gattin des Tichters, geftorben 9. Fe⸗ 
bruar 120%. 
Weimariſche Zeitung. 
Ir. 5362. Suphau B., Allerhand Zierliches von der alten Excellenz. — 
Gocethe 
Oſfterreichiſche Volkoreitung (Wien). 1800. 
Nr. 2. Klaar A., Ein Jahrhundert öſterreichiſcher Dichtung. 
Jr. 92. Komorzynski Egon dor, Geichichte des Theaters an der Wien. 
Kr. 530. Flichel v., vrudwig Anzengruber. 
AUenes Wiener Tagblatt. 
18909. Nr. 215. 98, Vater Zchilter ın Vannftadt und lrach. 
Ar. 329. Franzos K. E., Heinrich Heine. 
Jr. 358, Rahr H., Yulwig Anzeugruber. 
1900. Nr. 27. Pertelbeim A., Anzenarnber und Millöder. 
Ir. 51. Klaar A., Berliner Grillparzer Aufführungen. — Dit perfönlichen 
Erimerungen an den Tier. 


1900. 661 


Nr. 72. Kalbeck M., Heyſes Beziehungen zu Ofterreih. — Mit einem Brief 
Henfjes an Yaube 1860, 
Kr. 98. Bahr H., v. Speidel. 
Ar. 112. Teuber O., Die Neuberin in Wien. 
Wiener Zeitung. . 
1899. Nr. 281. Guglia E., Die Bibliothefen ber öfterreichisch-ungarifchen 
Monardie. 
1900. Nr. 81. Ein bisher ungedrudter Brief Stifters. 
Nr. 116. Pichler A., Zohann Senn (Pfeifer). 
Jr. 117. Schloſſar A., Friedrich Rückert und Zofef Freiherr von Hammer- 
Purgftall. — Mit einen ungedrudten Briefe Rüderts. 
Deutiche Zeitung (Mien). Nr. 10. 139. 
Nabenlchner M., Hamerling. 
Arbeiter-Z3eitung (Wien). 
Jr. 96. Pohl O. Georg Hermegh. 
Nr. 100. Großmann St., L. Speidel. 
Uene Freie Brefe (Wien). 
Nr. 12703/4. Kraus Viktor von, Alt⸗Wiener Schattenbilder. 
Nr. 12720. Rosner Leopold, Der weiße Rock des Herrn Kürnberger. 
Nr. 12723. Fournier Auguſt, Alexander J. und Louiſe von Bethmann. 
Nr. 12733. Wo liegt Goethe? 
Nr. 12740. Schloſſar Anton, Aus den Nachlaßpapieren eines vergeſſenen 
öſterreichiſchen Dichters. — Fauſt Pachler. 
Nr. 12754. Müllner Laurenz, Lord Byron in feiner Bedeutung für die Ent⸗ 
widlung der modernen Poeſie. 
Jr. 12772. Kerr Alfred, Paul Heyſe. 
Nr. 12782. 12789. 12796. 12803. 12809. 12816. Weilen Alerander von, 
Yaubes Berufung an das Burgtheater. Aktenmäßige Tarftellung. 
Jr. 12796. 9. Wlittma)jnn, Ludwig Speidel. 
Nr. 12803. Berger Alfred Freiherr von, Dr. J. N. Berger. 
Nr. 12805. Berdrow Otto, Henriette Herz. 
Nr. 12806. Rittershaus Adeline, Felix Diendelsfohn und Johanna Kinkel. 
— Ungedruckte Tagebuchblätter und Bricfe. 
Jr. 12809. Zcherzer Karl von, Moriz Lazarus. 
Nr. 12810. Frimmel IH. von, Beethoven! Name. 
Nr. 12351. 12854. Heyſe Paul, Zugenderinnerungen. Ein Jahr in Italien. 
Nr. 12851. 12857. 12864. Rosner Leopold, Karl von Holtei. — Perfönliche 
Erinnerungen und Briefivechiel. 
Ar. 12851. Berdrow Otto, Dorothea Schlegel. 
Kr. 12871. Nalbed Mar, Karl von Holtei. A. S. 


Anbang. 
Schweizeriſche Beitfäriften. 


Bearbeitet von E. Hoffmann-Krayer in Zürid. 


Neujahrsblatt des hiſtoriſchen Vereins des Kantons Kern für 1900. 
Tobler G., Nillaus Emanuel Tfharner. Ein Lebensbilb. 
Menjahrsblatt der litterarifchen Geſellſchaft in Kern für 1900. 
Herzog H., Balthajar Anton Dunker, ein ſchweizeriſcher Künftler des 18. 
Jahrhunderts 11746 — 1807). 


662 Pibliographie. 1. Zeitichriften. 


Heujahrsblatt der Stadtbibliothek in Winterthur auf 1899 und 1900. 

Haufer 8, Tie Wellenburg zu Pfungen. 

Zuger Vceujahrsblatt für das Jahr 1900. 

Müller C., Aus Ammann J. Andermatts Tagebud). 

Miller C., Blick auf die refigiös-firtlichen Zuftände des Kantons Zug am 
Ende des 15. und beim Beginne des 16. Jahrbunderts. 

Heujahrsblatt der allgemeinen Muſikgeſellſchaft in Zürich auf das 
Jahr 1900. 

vüning O., R. Wagner als Tichter und Tenter. 

Heujahrsblatt der Stadtbibliothek in Zürich für das Jahr 1900. 

Joh. Heinr. züßli als Privatmann, Scriftiteler und Gelehrter. — Freier 
Auszug aus dem Manujtripte feines Biograpben Wilhelm Füpli. 

Heujahreblatt der Kunſtgeſellſchaft in Zürich für das Jahr 190. 

Waſer T., Aug. Weckeſſer ın jeinem Peben und Schaffen. 

Uenjahrsblatt dir Feuerwerker-Gefellfchaft in Zürich für das 
Jahr 1900. 

Zeller Werdmüller H, Hans Rudolf Werdmäüller als venetianiicher 
General Lieutenant der Artillerie in der Yenante 1644 — 1667), nach deffen binter- 
latienen Bapteren auf dev Stadtbibliothek in Zürich zuſammengeſtellt. 

Meujahreblatt zum Beſten de3 Waiſenhauſes in Zürich auf das 
Jahr 1900. 

Walder E, Heinrich Zeller Horner als Erforſcher und Tarfteller der 

Schweizer Gebirgswelt. 
Basler Zahrbuch 1900. 

Hägler C., Auguſt Zoctn. 

Gauß K., Der Abſchluß der Gegenreſormation im Birieck. 

Riggenbach B., Martin RBorrhaus ‚Kellarıusı, ein Sonderling aus der 
Reformationszet 

Yıirbenan Th. von, Felix Blatter von Baſel und Rennward Cuſat 
don vuzern. 

Italiemiche Reiſe von Achilles Ryhiner. 

Bart H., Mengand und die Revolutionierung dev Schweiz. 

Kahlbaum W. A., Aus Chr. Ar. Schönbeins Yeben. 

Ein Brici von Leonh. Euler an ſerne Eltern. 

Kar Basler Verlobung mm 18. Jabrhundert. 

Ein Basler Hochzeitseiſen im 18. Jahrhundert 

Ueues Berner Taſchenbuch auf das \abr 10m. 

Stect R., Ter Philoioph Herbart m Bern. 

Haag F., Tie Virfton Albrecht Halkers nach vauſanne tm Jahre 1757. 

Stememann F, Die Zunit Dir Barbiere und Scherer, genannt „Chirur⸗ 
güche Societät“ der Stadt und alten Yandihait era vom 16. — 19. Jahrhundert. 

Türler H., Tie BRermahbnungs oder Bußgeſänge. 

Zürcher Taſchenbucij aui das Jahr 1900. 


Eicher Ranny von, Erinnerungen an Conrad Ferdinand Meyer. 

Dandliler C. Tie iegenaunten Waldmaunſchen Spruchbriefe, ihre We- 
urteilung und ihr Schichial. 

Sedelmeiſter Paus Kaipar Hirzels DTevertation nach Baſel im Jahre 1794. 

Krüger H., Tie Düellen und Entwicknngsgeſchichte der Ballade C. F. 
Meyers „Ter Pilger und die Sarazenin“. 

Meyer von Knonau G, Beichreibung der Wanderſchaft eines zürche— 
riſchen Buchbinders im 18. Jahrhundert. 


1900. 663 


Seid offmann-Krayer E., Eine bandidriftide Sammlung Lavaterſcher 
edichte. 

Farner A., Das Schulmwefen einer zürccherifchen Landgemeinde (Stamm 
beim) jeit der Reformation. 

Rahn J. R., Die lebten Tage des Klofters Rheinau. 

Ganz P., Bon zürdherifhen Teilrödeln. 

Brunner H., Bibliographie der Gejchichte, Yandes- und Vollskunde von 
Stadt und Kanton Zürid. 


Mitte iungen der Geſellſchaft für dentſche Sprache in Zürich. 
eft 5 


Singer S., Die mittelhochdeutſche Schriftſprache. 

Basler Biographien. Herausgegeben von Freunden vaterländiſcher Ge⸗ 

ſchichte in Baſel. 

Erfter Band. Munatius Plancus von F. Stähelin, Das Geſchlecht der 
Irmy von F. Holzah, Die Familie Baer von A. Burdhardt, David Joris 
von P. Burddardt, 3. J. Grynaeus von %. Weiß, Blrgermeifter Emanuel 
S» Su von 8. Horner, %. 8. Legrand, Direktor der belvetiichen Republik, von 

. Bufer. 

Zürcher Diskuffionen. 

Heft 16. 17. Kaufmann M., Heine und Platen, eine Revifion ihrer litte⸗ 
rariihen Prozeßalten. 

Berner Studien zur Philoſophie und ihrer Geſchichte. Herausgegeben 

von 8. Stein in Bern. 

XVII. Band. Echweiger 8%, Philofophie der Geſchichte, Völker⸗ 
pſychologie und Eociologie in ihren gegenjeitigen Beziehungen. 

XIX. Band. Diem Ur, Das Weſen der Anſchauung. Ein Beitrag zur 
pſychologiſchen Terminologie. 

XX. Band. Dutoit E., Die Theorie des Milieu. 

XXII. Band. Lindheimer F., Beiträge zur Geſchichte und Kritik der news 
fantifhen Philofophie. 1. Beibe. Hermann Cohn. 

Anzeiger für Schmeigerifche Altertumshunde in Zürich. Neue Folge. 
Band 1. Egli E., Zu den alten riftlihen Infchriften in der Schweiz. 
Rahn J. R., Die Wandgemälde in der Kirche von Beltheim bei Winterthur. 
Schmidt Chr., Rejtauration der Façadenmalerei am Haufe zum „Noten 

Ochſen“ in Etein am Rhein. 

Band II. Liebenau Th. von, Aus dem Tagebuche des Landvogtes Hans 
Rudolf von Sonnenberg von Luzern. 

Zeller-Merdmüller H., Nächtliche Spazierfahrt eines Palmefels. 

Yıebenau Th. von, Symbolifche Bedeutung des Bieres (bei Erbverträgen). 

Revue historique Vaudoise. 8”* annee. 

Payot E., Ta mission d’Albert de Haller & Lausanne. 

Bulletin de la Societe neuchäteloise de deographie. Tom. XII. 
Schenk A., L'ethnogénie des populations helvetiques. 

Anzeiger für Schweizeriſche Geſchichte. Jahrgang XXXL 
Liebenau Th. von, Zum Anonymus Friburgensis. 

Bernoulli A., Eine Urkunde von 1329 über die Juden in Baſel. 
© Beilage. Walbburger A, Regifter zu A. Nüfcheler, Die Gotteshäufer ber 

weiz. 

Schweizer Archiv für Heraldik. Jahrgang XIV. 
€. A. S., Tas Wappen des Chroniſten Brüglinger. 


664 Bibliographie. 1. Zeitfchriften. 


Birdyenblatt für die reformierte Schweit. 

Kr. 16. 17. 18. Stähelin R., Entſtehung und Ausbildung des Staat: 
kirchentums in der reformierten Schweiz. 

Nr. 21. A. B, Graf Nikolaus vudw. von Zinzendorf. 

Nr. 25. 26. 27. Antiſtes Tr. Finsler ̃, Lavateriana. 

Der Kirchenfreund. 

Ar. 11. 12. Hadorn, Zum 200. Geburtstag des Grafen Zinzendorf. Wr 
Zinzendorf Yırteratur. 

Schweigerilche Zeitſchrift fir Gemeinnübigkeit. Jahrgang XXXIX. 

R. W Tr. theol. Heinrich Weber, Marrer in Höngg (1IR21— 1990). — 
Mir einem chronologiſchen Verzeichnis von Webers gedrudten Schriften. 

Scweiserilfcdhe BVeforinblatter. 

Nr. 8 0. 11. 12. 13. 15. 106. Schiefer W., Totenbräuche. 

Ar. 19. 20. 21. König E, Adolf Freys Buch über Eonr. Ferd. Meyer. 

Ir. 26. 27.28 Billeher DM, Tas Meligiöie m Conr. Ferd. Mevers 
Gedichten. 

Revue de Theologie et de Philosophie. 

Nr. 1. Tuproix J, Charles Seeretan et la philosophie Kantienne. 

Kachoud H., Le mythe et la lerende. 

Nr. 2. Tiifot D., La dialertiqgue de Schleiermäacher. 

Schweiserifche Badnaogildıe Zeitſchrift. 

RKeller J, Die iprachliche Bedeutung Debels fir unſere Noffsichule. 

Stickelberger H, Zum Unterricht in der deutichen Grammatik an 
Wittelichulen. 

Yeltalossiblatter. Beilage zur Schwenrzeriichen vädagogiichen geitichrift. 

XXI. Nr. 2. Zwei Manu'ſtripte Peſtalozzus aus dev Neubofzeit über Fragen 
des Handels und der Andi. 1. Uber die Folgen des franzöfliden Wınfubr- 
verbetes 1725. 2. Über die gegenwärtige vage der Gewerbsthätigkeit, mit beſonderer 
Rückſicht aui das Gebiet dev Hofmeiſterei Kön:tgsfelden. 

Schweiserifche Lehrerzeitung. 
Nr. 4. Wehrlim Ed, Tie deutſche Sprache im Vortrag. 
Nr. 83. Tr. We, Uber Be Soziale und ötonomiſhe Stellung des ſchweizertichen 
Lehrerſtandes im 15. und 16. Jahrbundert. — Referat über F. Heinemauns 
leichnam:tgen Werten Ton Mitteilungen dev Selelbichaft für deutſche Erziebungs: 
geſchiehte. 
23 Stide!rerger P, Jam Teutſchunterricht aui Grundlage der Mundart. 
Ir. 70.8.0, Nhnrimiſiche Gliedernug von Unterricht md Arbett. 
VUeſtaloniannum. Beilage zur Schweizeriſchen Yebrerzeitung. 

Tas Keitatezzibiud von Zihöner 1868. 
la Suisse universxsitaire. 

Yı 5. F. F. me, Daerelemntie de Linsanne et Albert de Haller. 
Die Scımeis. 

"und II. A Mur 8, Arnold Ten Eine Tichterſtudie. 

Iren A., Zi th boim gargau:ſcheu Zeerhal 

and IV. Guntter 8, Schweizerretien und Naturbetradhtung. 

Bündneriſches Uonagatoblatt. Fand V. 
weten oo. Beiteng zuurz Reiormatiensgeſchichte von Churwalden. 
Alonat Loſen des Schweizeriſchen Studentenvereins. Band XLIV. 
wetter, dean Ve'zel 
Braichet N., To Jesuite- en Sure au NIX" steele. 
YZ, jur Geichtchte des deutichen Kulturkampfes. 


1900. 665 


Fenille centrale. Organe officiel de la Societe de Zofingue. 
Kr. 8. Schwarz R, Konrad Pellican, ein Reformator Bajels. 
Sonntags-Beilage der Allgemeinen Schweiger Zeitung (Bajel). 
1899. Nr. 43. 44. Mülmen %. von, Wieland und Bern. 
1900. 9., Friedrich Hebbels Lyrik. 
Bertholet A, Zeelen= und Geifterglaube. 
Hefte H. Novalis. 
C. von H., Der Briefwechſel des Caniſius. 
Oswald J., Lyriſche Individualitäten. 
Wölfflein H., Peter Cornelius (der Maler). 
he., Der heutige deutſche BVolksaberglaube in ſeinem Verhältnis zum Tode. 
—n-, Einige Bemerkungen über das Drama. 
Caniſius und die Proteſtanten. 
FP. K., Die Entſtehung des Faſtnachtſpiels. 
Joel Karl, Philoſophie und Dichtung. 
Trog H., Conrad Ferdinand Meyer. — Beſprechung des Werkes von 
Ad. Frey. 
S., Mundart und Deutſchunterricht. — Beſprechung der Schrift von 
TS. von Greyerz. 
Nef K., Yudwig Senfl. 
Zind P., Flaat Iſelins pädagogisches Wirken in Bajel. 
T. E. S., Zinzendorf. 
R. L, Bad) und die Bacgefellichaft. 
Achelis Th, Tie Aufgaben der Bölkerpfychologie. 
Uene Zürcher Zeitung. 
Nr. 35. Schott S., Eine neue Börne- Ausgabe. 
Ar. 83 ff. B. F., oh. Cajp. Yavaters unterbrocdhene Kur in den Bädern 
von Baden 1799. 
Kr. 172 if. Tagebuch des Dichters Johann Beter Hebel über feine Scyweizer- 
reiſe im Sabre 1805. 
Sonntagsblatt der Thurgauer Zeitung. Nr. 6 ff. 
Diener Joh., Ter joziale Hintergrund in Peſtalozzis „Lienhard und 
Gertrud“. 
Der Bund. Nr. 96. 97. 
Knortz 8, Ter weiße Hirſch. 
Sonntagsblatt des „Bund”. 
1899. Nr. 157. 164. 172. Better F., Niklaus Manuels Traum. 
1999. Ar. 60. 3. M. B., Aus dem Faſtnachtsleben im Taggenburg. 


2. Bücher. 
Nrearbeiter von Auguft Sauer. 
Litteraturgeſchichte. Poetik. Sammelmwerke. 


Berthold Arth., Bücher und Wege zu Büchern. Unter Mitwirkung von Elifab. 
Foerſter-Nietzſche, Pet. Jeſſen und Phpp. Rath herausgegeben. Berlin, W. Spe⸗ 
mann. 8 MM. 

Scherr Johs., Illuſtrierte Geſchichte der Weltliteratur. 10. Auflage. Jubiläums» 
ausgabe. Turchgeichen und big auf die neuefte Zeit ergänzt von Otto Haggen- 
macher. 2. Bande. Stuttgart, Franckh. 20 M. 


666 Pibfiographie. 2. Bücher. 


Spingarn Joel Elias, A History of literary Crilieism in the Rennaissance: 
With Special Reference to the Influence of Italy in the Formation and 
Development of Modern Glassici-m. New York, The Macmillan Comp. 
(Golumbia_ Univer=ity Studies in Literature. 

Lublinsti S., Yıtteratur und Gejellichaft im 10. Nahrbunder. Yand 3. Tas 
junge Teutichland. Yand 4. Blüte, Evigonentum und Wiedergeburt. (Am Ende 
des Jahrhunderts. Band 16 17.) Berlin, S. Cronbach. à 2M. 

Thomas Emil, Tie letzten 20 Jahre deutſcher Yitteraturgefchichte 1880 — 191. 
Im Abriß dargettellt. Zweite, durchgeſehene Auflage 4. - 8. Zanjendi. Yeipzig, 
W. Fiedler. 1.60 M. 

Unter den veröchiedenen Verſuchen, die litterariſche Neuzeit hiſtoriſch zu 
fixieren, vertritt dies Büchlein die Spezialität des buchhändleriſchen Auskunfts- 
bureaus. Es werden deshalb auch perieue Winke für leſende Buchhändler 
S. 771 eingelegt. Gewiſſe Geſchmacloſigkeiten wie die furchtbare Wendung 
„die Dichter mit dem Erdgeruch” 5. 44: oder die Überfchätung der Yeipziger 
(Z. 03: mögen mit dieſer etwas praftiichen Tendenz entichuldigt werden. Am 
übrigen tit Thomas ein Talent, leidlich zutreffend einzuſchätzen, nicht abzuiprechen 
ganz gut z. B. E. Werner 2.63, Bleibtreu 2.64, Halbe S. 88, Buſſe S. 92, 
Vierbanm und Przybyszewski 2. 100: ungerecht Herß S. 41, Lohmeyer S. 60, 
M.von Ebner 2.72. Auch die „Klaſſenbildung“ iſt jo gut wie in mancher an- 
ſpruchsvolleren Yıtteraturgeichuchte 1 „die ſogenannten Luſtſpieldichter“ 2. 53°; 
allertings würde ich Y. Weſtkirch nicht ein Unterbaltungstalent, Telmann nicht 
realiitiich nennen, 3. von Zuttmer und Grotthus anders ceimitellen. Ten 
Schluß bildet eine brauchbare UÜberſicht der litterariſchen Zeitichriften (S. 106 f. , 
in der der Simpliciſſimus S. Jet wohl etwas zu Ichlecht fortlommt, der 
„Lokalanzeiger“ und die „Woche“ aber recht bibich init dem Wort „gefinnungs: 
tüchtige Parteiloſigkeit“ charakteriftert werden, und endlich eine Menue der deutichen 
Verleger. Richard M. Mever. 

reimbach Narı Y, Tie Deufichen Tichter der Neuzeit und Gegenwart. Biogra— 
phien, Charatteriſtiken und Auswahl ihrer Dichtungen. 8. Yand. 3. Yieferung. 
Ausgemählte deutſche Tichtungen für Lehrer und Freunde der Litteratur. 
12. Band. 3, vrieierung. Leipzig. Frankiurt a M., Keſnſelringſche Hofbuchhandlung 
1.50%. 

Inbalt: Heinrich Puchta bis Carlot Gottiried Reuling. 

Gyſtrow Eruit, Ter Katholizuismus und Dee moderne Dichtung. Minden, I. C. C. 
Bruns. Dom, 

Dichtungsgattungen. Iyrik. Hol, Arno, Revolution der Lyrik. Berlin, 
x. Zuitenbah. 250 WM 

Zteiner Rud., Yorıf dev Gegenwart. Minden, J. C. E. Bruns 150 M. 

Anthologien. Nurfer Elrarıon von, Lieblingminne und Freundesliebe in der 
Weltlitlteratur. Eine Sammlung mit einer ethiich pohtiichen Einleitung. Werlin- 
RNeurahnédori, U. Rrand. 5 WM. 

DTenutöche Weihnacht Eme Anthologie deutſcher Tichter und Tenfer. München, 
EB Freund do. ? M. 

Soppeln Bronttows!ti Ardr. von und Yıdıv. Jacoboweski, Tıe blaue Blume. 
Cine Anthologie romantricher Yorit Mit Einleitungen der Heransgeber. Leipzig, 
E Tiederis. DK 

Drama. Yırı EC, Letteratura drammatiea. Milano. Hoepli. 

Jude a, Tie icenar:chen Bemerlklungen im Zzeitalter Gotticheds und Leſſingé. 
Diöertation. Verlen 

Kutiche O., Minze Rückelech anf das dentiche Trama im 19. Jahrhbundert. 
Kroaramm. Prealau 

Gottichall Nubolt von, Zur Kritik des modernen Tramas. Vergleichende Studien. 
2. Auflage. Verlin, Allgememer Beren für Dentiche Yırteratur. 5 M. 


1900. 667 


Berger Alfr. Zreiherr von, Über Drama und Theater. Fünf Vorträge. Leipzig, 
E. Avenarius 1 M. 

Inhalt: Urfachen und Ziele der modernften Litteraturentwidlung. — Wie 
jol man Shakeſpeare fpielen? — Über die Bedeutung des Theaters für bie 
moderne Gefellichaft. 

Roman . Wyzewa T. de, Leroman contemporain à l’etranger. Paris, Perrin 

„et Lie. 

Afthetik. Bortik. Meier, P. Sigisb., O. S. B., Der Realismus als Prinzip 
der Schönen Künfte. Eine äfthetiiche Studie. (Publikationen der deutjchen Fitteratur- 
Gejellihaft in München. Nr. 1.) Münden, R. Abt. 2 M. 

Waldeck Ose., Zur Analyfe der äfthetiichen Subftanz. Dresden, E. Pierjons 
Verlag. 2 M. 

Baldenfperger %., Les definitions de l’humour. Extrait des „Annales de 
l’Est". Nancy, Berger-Levrault et Cie. 

Saitſchick Rob., Genie und Charakter. Shalefpeare — Leifing — Schopenhauer — 
Rich. Wagner. Berlin, E. Hofmann & Co. 2.50 M. 

Voßler Karl, Poetiſche Theorien in der italienischen Frührenaiſſance. (Litterar⸗ 
hiſtoriſche Forſchungen. Herausgegeben von Joſ. Schid und M. Freiherrn von 
Waldberg. XII. Heft.) Berlin, Feſlber. 2M. 

Sammelmwerke. Allgemeine Deutſche Biographie. 224—226. Lieferung. 
(Band XLV. Lieferung 4. und 5. Band XLVI. Lieferung 1.) Zeisberger — Zyrl. 
Nachträge biß 1899: von Abendrotd — von Bad). Leipzig, Dunder & Humblot. 

Aus den Anhalt: Karl Gottlob Zumpt, lateinischer Philolog 1792— 
1849 (Lorhholz). — Ernft Anton Joſeph Zündt (-Kenzingen), deutich-ameri« 
fanifcher Lyriker und Dramatiker 1819—1897 (2. Fräntel). — Leopold gung 
der Schöpfer und Meifter der Wiffenjchaft des Judentums 1794—1886 (Davi 
Kaufınann). — Julius Zupitza, Germanift und Anglift 1844—1895 (Edward 
Schröder). — Johann YZurflüe, katholiſcher Geiftlicher und Berfaffer eines 
Bruderflaujenfpiels, geboren 1566 (E. Hoffmann-Krayer). — Bincenz Zusner, 
deutfcheöfterreichifcher Dichter 1808—1874 (A. Schloſſar). — Taniel Zwider, 
Socinianer 1612— 1678 (P. Tichadert). — Uri Zwingli 1484—1531 (Emil 
Egli). — EChriftian Zyrl, elfälftfcher Dramatifer zu Ende des 16. Jahrhunderts 
(J. Bolte). — Albreht Wenzel Eufebius von Wallenftein 1583—1684 (8. 
Wittich). — Samuel Ami Weiß, Dichter 1858—1896 (Bernd. Münz). — 
Wilhelm Ziely, Bearbeiter franzöfifcher Romandichtungen (E. Hoffmann-Krayer). 
— Joſeph Ignaz Zimmermann, Jeſuit, Schulmann und Schriftfteller 1737— 
1797 (E. Hoffmann=Krayer). — Moriz von Aberle, katholifcher Theologe 1819— 
1875 (Lauchert). — Johann Heinrich Achterfeldt, Tatholifcher Theologe 1788 — 
1877 (Lauer). — Alfred Graf Adelmann von Abdbelmannsfelden, 
Scriftiteller 1818 —1887 (Fr. Brümmer). — Rudolf Agricola junior (Baus 
mann), Wasserburgensis ober Hydropurgius Rhaetur, Sumanif, eft. 4. März 
1521 (Guſt. Bauch). — Joſef Ignaz von Ab, latholiſcher Geiftlicher und 
Schriftiteller 1834—1896 (Gabriel Meyer). — Friedrich Ahlfeld, lutheriſcher 
Prediger 1810— 1884 (E. Chr. Achelis). — Heinrih Ahrens, Juriſt 1808— 
1874 (von Savigny). — Heinrich Ludolf Ahrens, Philologe 1809—1881 
(Albert Müller). — Michael Albert, fiebenbürgifch-fähfifcher Dichter 1836 — 
1893 (A. Schullerus). — Eduard Chriſtian Scharlau Alberti, Gelehrter und 
Tichter 1827—1898 (oh. Saß). — Wilhelm Eduard Albrecht, Germanift 
1800—1876 (R. Hübner). — Johannes Baptift Alzog, katholiſcher Kirchen- 
hiftorifer 1808— 1878 (Lauchert). — Joſeph Amberger, katholiſcher Theologe 
1816—1889 (Lauchert). — Auguft Wilhelm Ambros, Muſilhiſtoriker 1816— 
1876 (Mar Dieb). — Kofef Ignaz Amiet, fchweizeriicher Geichichtsforicher 
1827—1895 (Meyer von Knonau). — Lubwig Anzengruber, Dichter 1839— 
1889 (Anton Bettelgeim). — Wilheln Ferdinand Arndt, Hiftoriler 1838-1895 


668 Bibliographie. 2. Bücher. 


H. Geiicken. — Karl vudwig Arndts, Civiliſt 1803 — 1878 Ernſt Pandeberg). 

— Alfred Ritter von Arneth, Hiſtoriker 1819—1897 Schlitter. — Wilheim 
Chriſtoph Friedrich Arnold, Kultur- und Rechtshiſtoriker 1826—1883 Siegfr. 
Rietſchel. — Aegidins Rudolph Nicolaus Arns, Juriſt und Publiciſt 1x12 — 
1584 Raimund Schramm;. — Joſeph Ritter von Aichbach, Hiſtoriker 1801 — 
1882 (Narl Zihrauf. — Jatob Audorf, der Werfaiter der „Arbeiter: Darieils 
laiſe“ 1835 — 1808 vudw. Fränkel: — Wichard Avenarius, Bhilojoph WR. 
Bene. — Diederich Georg Babſt, plartdeuticher Dichter 1741—1800 ı Dcmr. 
Klenzo. 

KRourget Vaul, Oeuvres completes. Critique. II. Etudes et Portraits. Paris, 
Librairie P’lon. 8 Fres. 

Aus dem Inhalt: Il. Questions d’Estetique. I. Science et Poesie. 
Il. L’Estetigue du VParnasse. III. Deux paradoxes d’un demi-savant. 
l. Paradoxe sur la mium-ique. 11. Paradoxe sur la eouleur. IV. Rellexions 
sur l’art du Roman. V. BRellexions sur lart de l’Histoire. VI. Reflexions 
sur Ja Gritique. VII. Keflexions sur le theätre, 

Kapuana Yır, Gronnche letterarie. Gatania, Giannotta. 2.50 L. 

Darin ein Artitet über Goethe. 

De Cueto, VW, E-tulios de Tistoria v de eritica literaria. Los hijos 
venzäadores en la bteratura draamäatien: Orestes. El Cid. Hamlet. — Etude 
sur le Ganeionero de Baeua. --- Sentido ınoral en el teatro. — La levenda 
de Virzima en el teatro. Eoleccion de Eseritores Gastellano=-, T. 116.) 
Madrid. 4. pes. 

seltichrift Dan Hanſiſchen Geſchichtsverein und dem Verein für niederdeuriche 
Zrrachforiihung dargebracht zu ıbrer Jahresveriammlung in Göttingen. Ringiten 
1960, Göettingen, Wunder. 3 M. 

Aus dem Inhalt: Napier Karl, Erne vorreformatoriſche landeaberriuche 
NMirchenviſttation im Herzogtum Braunidweig. — Wagner Ferdinand, Trei 
platideuche Briefe des Peter Dobit an ſeinen Zobn Vucas. — Seedori N, 
Zu den Zwiicheniprelen der Tramen ob. Räiſts. — Prieiad J., Em Göttinger 
Schandgedicht des 16. Jabrehunderts. 

Halter Ed, Ter Tichter und de Dichtung. Heitere und ernſte Plauderczen. 
SZtraßburg,. x Bull. Lenk 

Strena Hetinün Se\ierenatieo oettlerint Vinici . . Lipsiae In Acdihvs 
lb. tr. Verben. 410 am, 

Mas dem Juhatlt: Lellat Y, Aus den römiſchen Jahren Marl Ludwig 
Jéarnows. 

ifarani Tutlo, Stu ci letteratura e d’arte. 2*% ed. Firenze Le Man— 
tier, 4 1 

s dem Inhatt: Ente Heine e Al movimento lett. in Germania. 

Yan NEL 2d epentauer. Sankt Dirpbritorbelen Trei Aufiüge zur Ratur 

Paste Bra Ketſtinsume. NS, Vener. 2. 10 ik. 

RL —D Re Fuer, &: nnd Wien, FSieuer Berlag. 3 M. 

> stberterlbitdbe Abi anbiungen. ebrmteob Siegwart su ſeinem 70. Geburts: 

an 28 Pin To gewidret Tühingen, SC 2 Bohr 7 M. 

ua dar And Ttteny, Zie Entitehung dev Hermeneutil. — Faldcen⸗ 
Kr. ger Site ven Hermann Yore am R. Sendel und E Arnold. -- 
Holt, Koiarikaiısenrtdeting und Veweis des Cnergiebrinzwes. — Vaibiuger, 


Ması! Tape BAT ERELS TI TER h — zeller Ed., Uber den Ernfluß des Gefühls auf 
ĩ: x aber der planet 
Ziev. Kiel, A anna, Vernage und Reden. retpzig, Tunder & Humbloꝛ. 
jo NK 
Bi Bent Intait: Tie Kririeden der Weltgeſchichte. — Die Reformations 
Varel tt Herzegtum Barern. Tie Enmwidlung des Zeitungeweſens. — 


1900. 669 


Herzogin Jakobe von Jülich. — Staatslunft und Leidenschaften im 17. Jahr⸗ 
hundert. — Rudolf II., deutjcher Kaifer. — Ferdinand IL, deuticher Kaiſer. — 
Kurfürſt Marimilian I. von Bayern. — Die Zerftörung Magdeburgs. — Guſtav 
Adolf. — Wallenfteins Übertritt zum Katholizismus. — Zur Geſchichte Wallen- 
fteing. — Ferdinand IIL., deutjcher Kaifer. — Der Herenwahn. — Zur hundert⸗ 
jährigen Gedenkfeier der Geburt Kaifer Wilhelms I. — Zwei Feſtreden zur 
Bismarck-Feier. — Bedeutung und Zukunft des Altlatholizismus. — Ignaz von 
Töllinger. — Zur Charafteriftif der „katholiſchen Abteilung“. — Auguft Klud- 
bohn. — Mar Yojjen und fein „Kölnifcher Krieg“. — Zwei Tage im franzöfifchen 
Polizeiarreit. 


— — — — 


Geſchichte der Wiſſenſchaften. Gelehrtengeſchichte. 


Geſchichte der Wiſſenſchaften. Allgemeines. Laſſar O., liber Äſthetiſches 
in der Medicin. Rede. Berlin, A. Hirſchwald. 40 Bf. 

Peters Herm., Der Arzt und die Heilfunft in der deutfchen Bergangenheit. (Mono⸗ 
grapbien zur deutſchen Kulturgejchichte, herausgegeben von Geo. Steinhaufen. 
3. Band.) Leipzig, Tiederihs. 4 M. 

Laehr Heinr., Die Yitteratur der Pſychiatrie, Neurologie und Piychologie von 
1459—1799. 3 Bände ın 4 Teilen. Berlin, ©. Reimer. 80 M. 

Heubaum Alffr., Die Auseinanderfegung zwifchen der mechanischen und teleologi- 
ihen Naturerklärung in ihrer Bedeutung für die Fortentwidlung des religiöjen 
Borftellens feit dem 16. Jahrhundert. Programm. Berlin, R. Gaertner. 1 M 

Hegler Aug., Die praltiihe Thätigkeit der ZJuriftenfafultäten des 17. und 18. 
Zahrhunderts in ihrem Einfluß auf die Entwidlung des deutichen Strafrecdhts 
von Carpzov ab. Freiburg 1.B. Tübingen, J. C. B. Mohr. 2.60 M. 

Biograpbijches Ferifon hervorragender Ärzte des 19. Jahrhunderts. Mit einer 
bijtortichen Einleitung. Herausgegeben von J. Pagel. Mit etwa 600 Bildniffen. 
1. Abteilung. Wien, Urban & Schwarzenberg. 4.80 M. 

Birt Thor., Teutihe Wiffenihaft im 19. Jahrhundert. Eine Rede zur Jahr⸗ 
hundertwende. (Marburger alademifche Reden, 1900. Nr. 1.) Marburg, N. ©. 
Elwerts Verlag. 

Weber Heinr., Üüber die Entwicklung unſerer mechaniſchen Naturanſchauung im 
19. Jahrhundert. Rektoratsrede. Straßburg, J. H. €. Heit. 80 Pf. 

Ahrens Fel. B., Die Entwidlung der Chemie ım 19. Jahrhundert. Vortrag. 
Stuttgart, 5. Ente. 1 M. 

Heydmeiller A., Tie Entwidiung der Phyſik im 19. Jahrhundert. Vortrag. 
Berlin, B. Parey. 1 M. 

Lokales. Zittel Karl A. von, Nüdbiid auf die Gründung und die Entwidlung 
der königl. bayeriſchen Akademie der Wiffenfchaften im 19. Jahrhundert. Rede. 
Münden, G. Franz' Verlag. 80 Bf. 

Harnad Adf., Geſchichte der königl. preußifchen Akademie der Wiffenfchaften zu 
Berlin. Im Auftrage der Afademie bearbeitet. 3 Bände. Berlin, &. Reimer. 
6 M. 

Harnad Adf., Bericht iiber die Abfaffung der „Geſchichte der königl. preußifchen 
Akademie der Wiſſenſchaften zu Berlin“. (Aus: Situngsberichte der preußifchen 
Akademie der Wiſſenſchaften.) Berlin, ©. Reimer. 50 Bf. 

Harnack Adf., Die königlich preußifche Akademie der Wiffenjchaften. Rede zur 
Ymweihundertiahrfeier. Berlin, &. Reimer. 1 M. 

Gelehrtengeſchichte. Gunther Siegm., A. von Humboldt. — 2. von Bud). 
(Geifteshelden — Führende Geifter. — Eine Sammlung von Biographien. 
39. Band.) Berlin, E. Hofmann & Co. 2.40 M. 


670 Bibliographie. 2. Bücher. 


Aus Jac. Berzelius' und Guftav Magnus’ Briefwechſel in den Jahren 
1828 - 1847. Herausgegeben von Edvard Hjelt. Braunſchweig, F. Bieweg & 
Zohn. 

Robert Wilhelm Bunien. Ein alademifches Gedenkblatt. Heidelberg, J. Hör- 
ning. 1 WM. 

Clauſſen J., 36 Briefe des Philologen Johannes Gafelius, geichrieben zu 
Roftod im April und Mai 1589, aus einer Handfchrift der Gymnafialbibliothet 
herausgegeben. ‘Programım. Altona. 

Grobben Karl, Carl Claus FT. (Aus: „Arbeiten aus dein zoologiſchen Inſtitute“.) 
Wien, N. Hölder. 72 Pf. 

Ackermann, Dr. Theodor Ebert, königl. Landesgeologe und Profeſſor an der 
Bergakademie in Berlin. Kaſſel, Selbſtverlag. 75 Pf. 

Geinits F. Eng, Hanns Bruno Geinitz, ein Lebensbild aus dem 19. Jabr⸗ 
hundert. Halle. Tresden, H. Burdach.) 1 M. 

Stengel E., Mitteilungen aus dem Briefwechſel der BRrüder Grimm und Dorothea 
Grimms mit Oberappellationsrat Burchardi und deſſen Tochter Wilhelmine in 
Kaſſel. (Aus: „Feſiſchrift der philoſophiſchen Fakultät zu Greifswald zu der fünfzig⸗ 
jährigen Jubelfeier des Herrn Heinrich Limprecht“. Greifswald. 

Bölſche Wilh., Ernſt Haeckel. Ein Lebensbild. (Männer der Zeit ... Herans⸗ 
gegeben von Guſt. Diercks. Tresden, C. Reißner. 3 M. 

Me. Kendrick J. G, Hermann Ludwig Ferdinand von Helmholtz (Masters 
of medieine.: London. Unwin. Sh. 3, 6d. 

Cohen Ernit, Jacobus Henrieus van't Doff. Leipzig, W. Engelmann. 1.60 M. 
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Helievrich H., Car! Threvich. Rede vewpzig. A. Georgi. 30 Pf. 

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1. N 


1900. 671 


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münfter nad) Aft-Otting und Paſſau. Nach handſchriftlichen Quellen. Salzburg, 
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Bet & Co. IM. 

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Rede. NRoftod, G. B. Teopold. 60 Pf. 

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Vordhauſen C. Haacke). 1.25 V 
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des Vereins für Reſormationsgeſchichte r. 64.) Halle, M. Niemeyer. 1.20M 


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Oldenburg Eſchen & altıng. 5 M. J 

Öferrrid. Mader Franz Martin, Geſchichte Oſterreichs mit beionderer Rückſicht 
auf das Nulturicben. 2. Anflage. 1. Band: Von den älteſten Zeiten bis zum 
Jahre 1526 Wien, W. Braumüller. 10 M. 

Biſchöifshauſen Sigismund Freiherr von, Papſt Alerander VIII. und der 
Wiener Hof ı 1680 — 1601. Wach den Veſtänden Des k. k. Haus⸗ ⸗Hof und 
Staatsarchivs und des fürſtlich Liechtenſteiniſchen Archivs in Wien dargeſtellt. 
Ztuttgart, J. Roth. 3 WM. 

IJverſen J, Denkmünzen auf Berfonem, Die im den Oſtſeeprovinzen geboren 
md oder gewerkt baden. Zt. Petersburg, N. Y. Wider. 30 M. 

Wiimbel Thor, wWeichtchte des Fürſientums ᷣfarz Veldenz. Rai'ſersltautern. 
E. Cruſins. 1.50 WM 

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Tagebuch über Seren Aufenthalt m Wuſterhauien vom 4. — 10. September 1727. 
Mit Etnleitung und Erktarungen herausgegeben von Bogdan Krieger. Berim, 
A. Tuncker. 3 M 

Waldever IS, Tee Biidmiie Friedrichs des Großen und feine äußere Er'cheinnng. 
Rede. Berlin, A. Hirichwald. 80 Pi 

Rolittiche Norreipondeny des Herzogs und Ninfinften Morievon Sachſen 
Herausgegehen von Erich Brandenburg. 1. Band. »Vis zum Ende des Jahres 
1543. vewzig, Teubner. DEM. 

Schwei;. Grirter Zch,, Der Anteil der katholiſchen und proteſtantiſchen Orte der 
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der Jabre 1600--1613. Stans, H. von Matt 2 M. 

Heer Chr, Ge'ſchichte des Yandes Glarns. 2. Band 1701 - 18361. Glarus, 
Baeichlin 2.40i. 

Amtliche Sammlung der Atren aus der zeit der helvetiichen Repubhlik . 1798 — 
Ise5 im Anichluß an die Zammlung der älteren eidgenöiſiſchen Abidnede ... 
Vearbeitet von obs. Stricktler VII Band, Aut 1801 ba Wat 1802, Kern 
Basel, A. Geertng zu, 

RMüutiche Kaul, Ter Nanten zzürich zur Jeit dev Helpetik 178 —IRON. Zürich, 
Faſte Beer Bus Bu BE IT 

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Arm andau md Halbau. Was den Tuellen zunammengeſtellt. Sagan :R 
Zitormlorn. 1.20 MN 

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Nolte Auzgate, gb und mit Anmerlungen verichen. Anklam, &. Suüßermann. 
So NK 

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mt 1. St 1763c IST Anklam, E. Siſſſerniann. 2 WE 

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be orainpie A SERTERS Aichnifenliirg Straßburg, J. Singer. 4 WM. 

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j. Pd Pati B Schryabe. 

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Data SID, a Winter. DON 

Wıitaerdenrmaub 87 Stadi Braunichweig, heransgegehen von Yudm. Dacnsel: 
mann II Nam . W e zung MEGENVIE-MECENN  Braunichweig. Berl, 
Vo ze mithin Zehn, In tn a. 

Ferſremaunnet, Mus main TZanyıtg I220 181, Danzig, L. Zaunier. 75. 


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Zeit. 1. Fieferung. Erfurt, Keyjer. 80 Pf. 

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dame de Genlis. Programm. Hamburg (Herold) 2.50 M. 

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Hoftirhen (Paſſau, M. Waldbauer). 

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ſiadt (Krüll). 70 Pf. 

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geftellt. Berlin, Reuther & Reichard. 3 M. 

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Erläuterungen verjchen von Leop. Bachmann. 1. Abteilung 745— 1546. Kitzingen 
(K. NRehbein). 1.30 M. 

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1818. Vreisgefrönte Schrift. Herausgegeben von deutjchen Berein fr die Ge⸗ 
ihichte Mährens und Schlefiens. Brünn (C. Winiler). 5 M. 

Ein Beitrag zur Chronik des Marites Yuttenberg als Grenzort der ſüdöſtlichen 
Steiermark. Marburg (C. Scheidbad)). 2 M. 

Finde Frz. Xaver, Chronik des Marktes und der Etadt Melt, umfaffend den 
Zeitraum von 890 bis 1899, mit beſonderer Bertidfichtigung der letzten 34 Jahre 
zuſammengeſtellt. 2. Auflage. Melt (9. Aigner). 4 DM. 

Heydenreich Ed., Aus der Geſchichte der Rechöftadt Vühlpaufen in Thüringen. 
Halle, O. Hendel. 3.50 M. 

Grandidier, Nouvelles oeuvres inedites. Publiees sous les auspices de la 
societe industrielle de Mulhouse. Tome V. Ordres ınilitaires et melanges 
historiques (Strasbourg). Colmar, H. Hüffel. 6 M. 

Die Gefhichtsquellen des Bistums Münfter. jerauäge eben von Freunden 
der vaterländiſchen Geſchichte. 5. und 6. Band. Halle (Tauſch & Große). 36 M. 

Inhalt: Kerssenbroch Herm. a, Anabaptistici furoris Monasterium 
inclitam \Westphaliae_metropolim evertentis historica narratio .... 
Herausgegeben von 9. Detmer. 

Sorgenfreu Thor, Aus Neuhaldenslebens Bergangendeit. Neuhaldensleben, 
C. A. Eyraud. 50 Pf. 

Gen 9 F. J., Hiſtoriſche Wanderungen durh Paderborn. Paderborn, x. Eifer. 

Y 

Mitlter Karl Joj., Nitterswalde zur Zeit der Dreifelderwirtichaft bis 1768. 
Ein Beitrag zur Geſchichte Schleſiens nach handſchriftlichen Quellen. Breslau, 
G. P. Aderholz. 3 M. 

Beck J. J., Bilder aus dem alten Schaffhauſen (33 Tafeln). Beſchreibender 
Tert von J. H. Bäſchlin. Schaffhauſen, Hiſtoriſch-antiquariſcher Verein. 36 M. 

Senn Joſ., Die Reichsſtadt Schlettſtadt und ihr Anteil an den focialpolitifchen 
und veligiöien Bewegungen der Jahre. 1490—1536. Nah meiſt ungedrudten 

Euphorion. V1. 43 


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Stein Fror., Geſchichte der Reichsſtadt Schweinfurt. 1. Lieferung. Schweinfurt, 
E. Etoer. 80 ‘Pf. 

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und feine Familie, die Nachtommen Leg Moſes Iſſerles. Berlin, F. E. Lederer. 
5 MM. 

Schmidt, P. Geo., Tas Geſchlecht von der Schulenburg. II Zeil: Die Ztamın- 
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an Hans und Herd. ıl. Verlage zur „Chronik der Familie Unbeſcheid“.) 1. Heft. 
Nabla, A. cher. 60 Pi. 

Bochezer, Geſchichte des füritlihen Haufes Maldburg in Schwaben. 2. Zanb. 
Kempten 3. Nöjel. 15. M. 

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[Aus: „Natur ımd Tifenbarung.”' Müuſter, Afchendorff. 60 Pf. 

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berg. Ein Beitrag zur Geichichte des Rieſes. Hobenaltbeim. (Kördlingen, C. H. 
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Koſchtuger Heinrich von, Fürſt Bismarck und die Tiplomaten 1852 — 1NU0, 
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Bunſen Warıe von, Georg von Bunſen. Ein Cbaralterbild aus dem Yager ber 
Veñegten, gezeichnet von feiner Tochter. Berlin, Beſſer. 6 Me. 

Zichadert Raul, Herzogin Eliſabeth von Münden ıgeftorben 1658), geborene 

Markgrafin von Brandenburg, die erſte Zchriftitellerin ans dein Haufe Branden- 

burg und aus dem braumnichweigtichen Date, ihr Yeberrsgang und ihre Werte. 

Beilagen: Ehſabeths „Unterricht für Herzog Erich den Jüngeren“ (1545, und ibr 

„Mittteriicher Unterricht für die Herzogin Anna Maria“ 11550) nach ihren eigen⸗ 

bandigen Original Handichtiften zum erſten Male volftändig herausgegeben. 

veipzig, Gieſeche & Tevrient. 225 WM. 

riesmans Hemr, Meoriz von Egidy. Sein Leben und Wirlen. Unter Mit⸗ 

wirlung der Familie von Egidy und unter Mitarbeiterſchaft von Arth. Mülberger, 

omie eintger Freunde Frau R. Tentſch und G. Herter herausgegeben. 2 Bände. 

Dresden, E. Pierions VRerlag. 6 Mi. 

Rothpletz Emil, Ter Genfer Jean Gabriel Eynard als Philhellene (1821 - 1829). 
Zürich, Schuliheß & Co. 1.60 Vi. 


— 


1900. 675 


Krauel R., Graf derpberg als Miniſter Friedrich Wilhelms IL. Berlin, E. ©. 
Mittler & Sohn. 275M 


Guttmann, Thedor Gottlieb von Hippel. Ein Lebensbild. Bortrag. Bromberg, 

Mittler. 40 

Hoffmann Adph., Aus den jungen Tagen eines alten Erjurter®, Nach dem Tobe 
herausgegeben von feiner rau.) Berlin, M. Scifdberger. 8 

Pariſius Pudf., Leopold Freiherr von Hoverbed geboren 1822, geftorben 1875). 
Ein Beitrag zur vaterländifchen Geſchichte. 2. Zeil. 2. Abteilung. Ende des Ber- 
taffungsfampfes und Neichstag. Bon 1864 bis 1875. Berlin. J. Guttenberg. 


Brandes Geo., Ferdinand Laſſalle. Eine kritifche Darftellung feines Lebens und 
feiner Werke. Aus dem Dänifchen Überjegt von Adf. Strodtmann. 4. Auflage. 
Herausgegeben von A. von der Linden. Leipzig. Berlin, H. Barsdorf. 2.50 

Zähns Mar, Feldmarſchall Moltke. 2. Teil. (Geifteshelden — Führende Geifter 
— Eine Sammlung von Biographien. Herausgegeben von A. Bettelheim. 87. und 
38. Band.) Berlin, E. Hofmann & Co. 4.80 M. 

Adler Ottilie, Friedrich und Caroline Berthes. Chriſtliche Lebensbilder für das 
deutiche Haus. Leipzig, H. ©. Wallmann. 3 M. 

Beyer im Hof. 3, Aus den Anfängen be neuen Bundes. Erinnerungen eines 
Adjzigjährigen. rauenfeld, I. Huber. 80 Pf. 

PBilet Otto, Ein Rüdbiid auf mein Leben, insbefondere auf die Entwidlung des 
ee, in den fetten 50 Jahren. Magdeburg, Selbitverlag (Faberſche € Bud. 
druderei 

Neyme Paul (5. Meyer), Auf der Landftraße. Leiden und Freuden eines fahrenden 
Landmefjers. 1. Teil. Tiebenwerda, R. Reif, 1.80 M. 

Rothe Edm., Erlebtes und Erftrebtes. Lebens-Erinnerungen. 2. Teil. Bremen, 
Dierdjen & Wichlein. 2.50 M. 

eh) er Wilh., Erfahrungen und Belenntniffe. Berlin, F. Dümmilers Berlag. 


zortes 313. Joh. Mathias Seling. Sein Leben und fein Streben zur Linderung 
der fozialen Not feiner Zeit. Mit einem Bildnis Selings und einer Auswahl 
aus feinen Gedichten. Miünfter, Ajchendorfi. 1 M 


Kirchengeſchichte. Cheologie. 


Allgemeines. Große Conft., Die alten Tröſter. Ein Wegweifer in der Er 
bauungsflitteratur der evangelifch-futherifchen Kirche des 16. bis 18. Jahrhunderts. 
Hermannsburg, Milfionshandlung. 5 M. 

Thalbofer F. X, Entwidiung des Tatholifchen Ratechismus in Deutfchland von 
Caniſius bis Deharbe. Differtation. München 1899 

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ichichte des Religionsunterrichts. Breslau, Dülfers Sortiment. 5 M. 

Loewenthal Ed., Die religidje Bewegung im 19. rhundert. (Am Ende bes 
Zahrhunderts. Band 15.) Berlin, S. Cronbach. 

Tiſchhauſer Chrn., Geſchichte der a Rinde Deutfclands in ber erften 
Hälfte des 19. Sahrhunderts. Bafel, Rei 6.40 M 

Seeberg Rhold., An der Schwelle des 20. Sehehunber Rüdhlide auf das letzte 
— deutſcher Kirchengeſchichte. Leipzig, A. Deichert Nachf. 1.80 M. 

Fandſchaften. Geſchichte der Pfarreien der Erzbiöceje Köln. — * — 
a urn TIhdr. „amont, Nach den einzelnen Delanaten geordnet. V 

anftein. nl 
Inhalt: Beder Johs., Gefchichte der Pfarreien des Detanates Vunereifel 


676 Bibliographie. 2. Bücher. 


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B. Tefanat Gloppenburg. V. Band: Die Narren Garrel, Laſtrup, Pindern, 
Yöningen, Warkhauien, Molbergen, Neufharrel, Ramslob, Scharrel, Strüdlingen. 
Köln, Bachen. 5 M. 

Dittrih P., Zur Geſchichte der Prämonftratenfer in Echlefien. Progranım. 
Breslau. 

Ilwof Frz., Der Proteſtantismus in Steiermark, Kärnten und Krain vom 
16. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Graz, Leykam. 3.20 M. 

Linneborn J., Die Reformation der weſtfäliſchen Benediktinerflöfter im 15. 
Jahrhundert durch die Bursfelder Kongregation. Diſſertation. Münſter 1899. 


Ortſchaften. Yorenz Frdr., Aus dem Sünteltale. Geſchichte der Zt. Magni⸗ 
kirche und des Kirchiſpiels RBeber am Süntel. Hannover, H. Feeſche. 2 M. 
Keller B., Kirchliche Chronik der Stadt Döbeln. Leipzig und Döbeln, Jacobi 

& Zocher. 1.50 M. 

Schulss, P. Aus der Kirchengeſchichte Eiderftedts. Garding, H. Lühr & Tirds. 
40°. 

Redlich P., Cardinal Albrecht von Brandenburg und dag neue Stift zu Halle 
1520 — 1541. IV. Kapitel: Tas Heiligtum. Eine kirchen- und Tunftgefchichtliche 
Ztudie. Tiffertation. Leipzig 1899. 

Höck J. H., Das Firditiche Yeben in Pamburg vor und nach den Freibeitskriegen. 
Feſtſchrift zum Törährigen Jubiläum der Zt. Georger Sonntagsſchule. Hamburg, 
Evangeliiche Buchbandlung. 50 Pf. 

Stoff Leop. M. El., Tie Ratbolifen in Kaſſel. Beitrag zur Gefchichte der fatho- 
lichen Pfarrei Kaſſel. Kaſſel, J. W. Schmitt. 3.50 M. 

Buchwald Geo., Reformationsgeſchichte der Stadt Leipzig. Yeipzig, Bernb 
Richter. 4 M. 

Eigner Otto, Beichichte des aufgehobenen Benediftinerftiftes Mariazell in Oſter⸗ 
reich. Bit Benübung des Ignaz Franz Naiblingerfhen Nachlaſſes verfaßt. 
Wien 1H. Kirſch). 7 Mi. 

Ztengele, P. Benvenuit, O. F. M. Geſchichtliches über das Franziskaner-Mino- 
ritentloſter in Würzburg. Sulzbach. (Würzburg, A. Göbel.) 26 Pf. 

Perſonen. Wotſchte Ih, Brenz als Katechet. Ein Beitrag zur Feier des 
zinnährigen Geburtstages des ſchwäbiſchen Reformators. Wittenberg, R. Mitnich- 
mann. 1.30. 

Yana U, Ter Evangelienkommentar Marti Butzers und die Grundzüge Seiner 
Theologie. Dabıkitationsichrift. Halle. 

sansieın, P. Rob, SV D. Yeben der gettiehgen Anna Kath. Emmerid, 
ſtigmatifierte Auguſtinernonne. Stenl, Miſſionsdruderei. 1.50 M. 

Richter DI, Die Siellung des Eraxmus zu Yırtber und zur Reformation ın den 
sabren 1516 - 1924. Tſertation. Leipzig 

Korneld Rud. S. I. Yeben des ſeligen Fetrus Faber, eriten Prieſters der Ge⸗ 
rellichaät Sen 2. Auflage vor H. Zcherd JS. Sammilung hiſtoriicher Bild⸗ 
nie Freiburg i B, Herder. 1.60 M. 

Tas Frommel Gedentwert Herausgegeben von der Familie. 1. Band. Verlin 
E. 2. Muüutler & Sohn. WM. 

Inhalt: Frommel Otto, Frommels Yebenstud, 1. Rand. Auf dein Heimat; 
rouden 

H. HZoffmann. Aus Dem Tagebuche Bra D. H. Hoffmann, Laſtor zu St. 
Yazzıntı in Halle, nach Miterlebtem fortgeführt von M. Dart. Halle, R. Mühl: 
manns Keriag. 2.0 AK 

Matter tat und Herm Hering, D Heinrich Hofimann, Paſtor zu Zt Laurentii 
u Halle a 2. Sein Leben, fein Wirten und ſemnne Predigt. Halle, R. Wünl- 
manns Veriag. 2 6, 


1900. 677 


Groß J., Die großen Gedanken und Schöpfungen bes 16. Jahrhunderts. Feſtrede 
bei der Honterus- Feier. Programm. Kronftadt 1899. 

Ange, Zur Erinnerung an Gottfr. Dan. Krummader. Vortrag. Neukirchen, 
Buchhandlung des Erziehungsvereind. 20 Pf. 

Kühn Meagdalene, Oberfonfiftorialrat Dr. Karl Kühn. Ein Lebensbild. Mübhl- 
haufen ı’Th., TH. Pecena. 50 Pf. 

£uther. Jäger Karl, Luthers religiöſes Intereſſe an feiner Lehre von der Real⸗ 
präfenz. Eine biftorifch- dogmatiſche Studie. Gießen, 3. Rider. 2 M. 

Thieme Karl, Luthers Teftament wider Rom in feinen hmattatbifcen Artikeln. 
Leipzig, N. Deichert Nachf. 1.50 M. 
Thom 2 Aldr., Katharina von Bora, Geichichtliches Lebensbild. Berlin, ©. Reimer. 


Melanchthon. Blatter A., Die Thätigfeit Melanchthons bei den Unionsver⸗ 
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Atelandtbon Phpp., Loci communes. In ihrer Urgeftalt nad) &. 2. Plitt. In 

3. Auflage von neuem herausgegeben und erläutert von Th. Kolde. Leipzig, 
4. Teihert Nadjf. 3.50 M. 

Viſcher Eberh., Albrecht Ritſchls Anſchauung vom evangeliſchen Glauben und 
Leben. Vortrag. (Sammlung gemeinverftändlicher Borträge und Schriften aus 
ah ee Theologie und Religionsgeſchichte. 18.) Tübingen, 3. C. B. 
Mohr. 75 Pf 

Nudigier Frz. Jof., Predigten. Heraudgegeben von Frz. Maria Doppelbauer. 
1. Band: über die wahre Religion y Chrifti und das Leben nad derſelben. 
(Aus 15 ber bifchöflihen Zeit). Urfahr-Linz, Verlag des katholiſchen Prevereins. 


Seinemann Ernft, Die Grundlagen der Säleiermagerigen Theologie. Eine 
fritifche Unterfuchung. Berlin, H. Walther. 1.20 M 

Zinzendorf. Behrmann, Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf; Gedenk⸗ 
büchlein zu feinem 200jährigen Geburtstag. Hamburg, Agentur des Rauhen 

auſes. 15 Pf. 

G W., Zinzendorfs Jugendjahre. Ein Verſuch zum Verſtändnis feiner Frömmig⸗ 
keit. Feipzig, % F. Janſa. 75 Pf. 

Müllter Joſ. Th., Zinzendorf als Erneuerer der alten Brüderlirche. Feſtſchrift des 
theologischen Seminariumg der Brüdergemeinde in Gnadenfeld zum Gedächtnis 
der Geburt Bingenborfs am 26. Mai 1700. Mit einem Vorwort des Direltors. 
Leipzig, F. Janſa. 1.50 MI. 

Römer Sem. Nicolaus Pudwig Graf von Zipzendorf. Sein Leben und Wirken. 
Gnadau, Univerfitätg- Buchhandlung. 2.80 M 

Schmidt Thor. E., Binzendorfs jogiale, Stellung und ihr Einfluß auf feinen 

Charatter und fein Lebenswerk. Bajel, A. Geering. 1.20 

Steinecke C., Zinzendorfs Bildungsreife. An der Hand des Reifetagebuches 
Zinzendorfs dargeftellt. Halle, R. Mühlmanns Verlag. 1.60 M. 

Steinede T., Zinzendorfs Bedeutung für die evangelifche Kirche. Halle, R. Mühl 
manns Verlag. 66 Ppf. 

Egli Emil, Analecta reformatoria. I. Dokumente und Abhandlungen p ur Ge⸗ 
ſchichte Zwinglis und ſeiner Zeit. Züri, Zürcher & Furrer. 5.60 


Budydruk und Buchhandel. Bibliotheksweſen. Geſchichte der Yublicifik. 


Bördel Alfr., Gutenberg und feine berühinteften Nachfolger im erften Jahrhundert 
der Typographie, nad) ihrem Leben und Wirken bargeftellt. Frankfurt a/Dt., 
Klimſch & Go. 3 WM. 


678 Bibliographie. 2. Bücher. 


Goldſchmidt Paul, Gutenbergbud. Halle, Graphiſche Verlagsanftalt. 1.50 M. 
Meisner Hein. und Luther Johs., Tie Erfindung der Buchdruckerkunſt. Zum 
500. Geburtstage Johann Hutenbergs. (Monographien zur Weltgeſchichte . . 

herausgegeben von Ed. Heyck. XI.) Bielefeld, Velhagen & Nlafing. 4 M. 

Schachinger R., Tie Wiegendrucde der Stiftsbibliothet Melt. Programı. Melt 
1899. 

Ch. G. Kayjers Bücer-Verifon. 30. Band. 3. und 4. Lieferung. Leipzig, Ch. 9. 
Tauchniz. 9 M. 

Berlags-Natalog der Weidmannſchen Buchhandlung in Berlin. 1. Janıar 
1900. 

Zenter Ernft Viet. Geichichte der Journaliſtik in Oſterreich. Verfaßt aus 
Anlaß der Neltausftellung Paris 1900. Mit einem Bormworte von Ferd. von 
Saar. Wien (Lehmann & Wentzel). 1. 


Geſchichte der Muſik und des Cheaters. 


Mufik. Allgemeines. Niemann Hugo, Die Elemente ber mufifaliichen 
Athetik. Berlin, W. Speemann. 5 M. 

Carpe Adph., Der Rhythmns. Sein Weſen in der Kunſt und feine Bedeutung im 
ninntaliſchen Vortrage. Leipzig, Gebr. Reinecke. 4.50 M. 

Mes Karl, Tas deutſche Kunſtlied. Muſik üftbetiiche Betrachtungen nebſt einem 
Anbang: Farbe und Ion. Yerpzig, C. Mierieberger. 1.20 M. 

Felle Irdr., Tie Singweiſen der älteften evangeliihen Yieder. II. Die Melodien 
aus dem Jahre 1525. Programm. Berlin, R. Gaertner. 1 M. 

Euting —8 Zur Geichichte der Blasinſtrumente im 16. und 17. Jabrhundert 
Tiiiertanon. Berlin 1899. 

Eitner Rob., Biographiſch bibliographiſches Quellen Lexikon der Muſiker und 
Muſitkgelehrten der chriſtlichen Zeitrechnung bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. 
1. Yand. Na Bertali. Leipzig, Preitfopf & Härtel 10 M. 

Horovitß Barnay Ilka, Berühmte Pinitfer. Grimmerungen. Berlin, Concordia. 
2 M. 

Rietöch Heinr., Tie Tonkunſt in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ein Beitrag 
sur Geſchichte Dev muſikaliſchen Technik. Vreit!opf & Härtels Sammilung muſil⸗ 
wirenichaftiuher Arbeiten von deutichen Hochichulen. 3. Vand.) Leipzig, Breitkopf 
Härtel. 1M. J 

Scwarß Rud., Tier Mitt des 19. Jahrhunderts. Ein hiſtoriſcher Überblidck. 
vewzig, B. Zunft 1.50 MM. 

Komponiſten. Hartl Alois, Johannes Evang. Habert, Organiſt in Gmunden. 
Ein Lebensbild. Ion, H. Kirich. To MM. 

Zchult Tetlef, Mozart Jugendſinionien. Leipzig, Breitlopf & Härtl. 3 M. 

Jeß St, Friedrich Wieck und Sen Verhaltnis zu Robert Schumann. Presden, 
S. Tamm. 250 WM. 

Wagner. Graf War, Wagner Probleme und andere Ztudien. Wien, Wiener 
Keriag 4 Me 

Wındesi, Leine Warnerienne en France pages nouvelles\. Tristan 
et Jeilt. Paris. Farrmelle. 

Schur Ed, Erinner Anden an Richard Wagner. Aus dem Franzöſiſchen von Frid 
Ehbrenberg Letpziag. Breutouf & Härtel. 1.008, 

Zuares, Warner. —J—— impr. Gerſ. 5 Fres, 

Theater. Schnhofi Yon, Krittiche Ihraterbriete. (Jchn Jahre Berliner 
Theater Verlin, H. Mermübler 2.50 M. 


1900. 679 


Hampe Thdr., Die Entwidlung bes Xheaterweiens in Nürnberg von ber 
2. Hälfte des 15. Jahrhunderts bis 1806. Mit einem Namen- und Sachregiſter. 
[Aus: „Mitteilungen des Bereins für Geſchichte der Stadt Nürnberg”.] Nürn⸗ 
berg, 3. 2. Schrag. 6 M. 

Sanger. Pfordten Herm. Freiherr von der, Heinrich Bogl. Zur Erinnerung 
und zum Bermäcdtnis. Münden, €. Haushalter. 50 Pf. 

Schauſpieler. Wallner Agnes, Lebenserinnerungen. Bearbeitet von Hans Blum. 
Berlin, ©. Elsner. 3 M. 


Geſchichte der bildenden Rünfte. 


Allgemeines. Bergner Heinr., Grundriß der kirchlichen Kunftaltertimer in 
Deutſchland von den Anfängen bis zum 18. Sahrhundert. Göttingen, Vanden⸗ 
hoeck & ARupredt. 7 M. 

Landſchaften. Koh F., Ein Beitrag zur Geſchichte der altwerfälifchen 
Malerei in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts. Differtation. Münfter 1899. 
Die Pflege der Kunft in Ofterreich 1848—1898. Die bildende Kunft in 
Ofterreih. Bon Ludw. Hevefi. — Mufil. Bon Rob. Hirfchfeld. — Wiener Theater 
1848 —1898. Bon Tel. Salten. — Delorative Kunft und Kunftgewerbe. Bon 
„ride Zuckerkandl. [Aus: „Oſterreichs Wohlfahrts-Einrichtungen“.] Wien, Perles 

2 Dt. 


Tehfeldt P., Einführung in die Kunftgefchhichte der thüringiſchen Staaten. 
Lena, ©. Fiſcher. 4 M. 

Stadte. Dettingen Wolfg. von, Die königliche Akademie der Künfte zu Berlin 
1698— 1900. Rede. Berlin, €. S. Mittler & Sohn. 50 Pf. 

Leifhing Jul, Die St. Lucasbruderfchaft der Maler und Bildhauer von 
Denn u „Ditteilungen des mährifhen Gewerbemuſeums“.]) Brünn 
(C. Winiker). 

Defer Mar, Geſchichte der Kupferſtechkunſt zu Mannheim im 18. Jahrhundert. 
(Forſchungen zur Geſchichte Manndeims und der Pfalz. Herausgegeben vom 
Diannheimer Altertumsverein. III.) Leipzig, Breitlopf & Härtel. 

Bah Dar, Stuttgarter Kunft 1794—1860. Nach gleichzeitigen Berichten, 
Briefen und Erinnerungen. Stuttgart, A. Bonz & Co. 8.60 M. _ 

Bünftler. Cranach. Flechſig Ed., Cranachſtudien. 1. Zeil. Leipzig, 8. W. 
Hierjemann. 16 DM. . 

Flechſig Ed., Tafelbilder Lucas Cranachs des Älteren und feiner WWerfftatt. 
Leipzig, E. A. Scemann. 70 M. 
Dürer. Weber Paul, Beiträge zu Dürers Weltanſchauung. Eine Studie über bie 
drei Stiche Ritter Tod und Teufel, Melancholie und Hieronymus im Gehäus. 
(Studien zur dentichen Kunftgefchichte. 23. Heft.) Straßburg, 3. H. €. Heiß. 


0 

Zucker M., Albrecht Dürer. (Schriften des Vereins für Reformationggeiäjichte, 
XVIL Sahrgang. Bereinsjahr 1899—1900.) Halle, M. Niemeyer. 6 M.- 

Boll Karl, Die Werfe des Jan van Eyd. Eine kritiſche Stubie. Straßburg, 
K. 3. Trübner. 3 M. J 

Haack F., Friedrich Herlin fein Leben und feine Werke. Habilitations-Schrift. 
Erlangen. 

Kelterborn Rud., Hans Holbein. Sitten- und Lebensbild aus der Reformationd- 
zeit. 2. Auflage. Zürich, TH. Schröter. 1.20 M. 

Chriftian P. S., Tas Wirten des Malers Martin Knoller für das ehemalige 
Auguftiner-Chorherrnftift Gries bei Bozen. Programm. Gt. Paul 1899. 

Bock Frz, Memling- Studien. Düffeldorf, Schaub. 4 M. 


680 Bibliographie. 2. Bücher. 


Tönnies Ed., Leben und Werke des Würzburger Rildſchnitzers Tilmann Riemen— 
ſchneider 1468— 1531. Studien zur deutſchen Kunſtgeſchichte. 22. Heft.‘ Ztraß- 
burg, 3. 9. E. Sein. 10 M. 


Geſchichte der Philofophie. 


Allgemeines. Eisler Rud., Wörterbuch der philoſophiſchen Begritie und Aus: 
drücke, auellenmäßig bearbeitet. Berlin, E 2. Mittler & Sohn. 16 MM. 

Hartmann Ed, Weichicdte dev Metaphyſik. 2. Teil. Zeit Nant. »Ausgewählte 
Werke. KIT Band: Yerpyig, H. Haacke. 12 MM. 

Steiner Rud., Welt und Yebensanichanungen im 1%. Jabhrhundert. 1. Band. 
Am Ende des Jahrhunderts. 14 Band.) Werlin, S. Cronbach. 2 M. 

Anhalt: Emleitung Tas Zeitalter Kants und Goethes. Tier Klaſſiker der 
Welt und Lebensanſchauung. Neaftienire Weltanichauungen. Die radilalen Welt 
anſchauungen. 

Philoſophen. Gramzow T., Friedrich Eduard Benekes Leben und Phito 
ſophie. Auf Grund neuer Quellen kritiſch dargeſtellt. Diſertation Bern 1800, 

Fichte. Jvanoff C., Darſtellung der Ethit Johann Gottlieb Fichtes im Zu 
ſammenkange mit ihren philoſophiichen Vorausſeßungen. Diſſertation. veipzig 
1899. 

Yından Dans, Jobann Gottlieb Fichte und der neuere Socialismus. Berlin, 
F. Fontane & Co. 2 WM. 

Fiſcher Kuno, Hegels Yeben, Werle und Lehre 5. Lieferung. Naturpbilofopbıc. 
Wiiſenichaft vom ſubiektiven und objeftwen Geiſt. 1. und 2. Teil) Heidelberg. 
C. Winter. 5.00 Mi. 

,Kant. Kants geſammelte Zchriften. Herausgegeben von der königl. preußiſchen 
Atademie der Wiſienichaften N. Rand. 2. Abteilung. Briefwechſel. 1. Band 
I717 — 1738 Bert, G. Reimer. 10%. 

Bötte Wern., Immanuel Kants Erziebungslehre, dargeſtellt auf Grund non Kants 
authentichen Schriiten. Langeniſalza, 8. Bener & Söhne. 1.60 M. 

Erdmann Benno,. Beträge zur Geichichte und Reviſion Des Textes von Nante 
Kritik dev retrnen Vernunit. Anhang zur 5. Auflage der Ausgabe von Erdmann 
Berlin, em. Re:mer 2 M. 

Flugel ST, Narr und der VProteſtantismus "Aus: „Jetichrift für Khiloſophie und 
Kadageg:!“ rangen'alza, D. Beyer & Zohne 70 Vi. 

veiſfer DIE, Zir Methode Dir kritöüchen Erkenntnistheorie mit beſonderer Ae 
rinfücht:äung des Kant Futesſchen Kreblens Tresden, WON Nacımınerer. 
Sol, 

Menge Wethe, Nants Begründung der Reltgion. Gm hritiſicher Rerſuch. Mit 
ement Rerwort uüber De Bezirlumgen der neucven Tegmank zu Kant. Leipzig, 
IE, Etig imann. 126WVi 

Tauben az, Kants Verbaltuts zur Metarntvnt Aus: „Nat Studien“. Berlin, 

ta rl eo 

Zttnerr O.. Tr Aniznge von Kants Aritek Bes Geichmacks und des Genies 
17°, 12 1775. ger Teit einer Unterucbung über Kants Yebre vom Sen 
ad dio Entit atzan der Krit: der Ur:cils?rait. Tiiertation Straßburg 180%, 

Be 22 i nionsphileier!ie Kantis don der Kritik der vernen Ber 

ze bie zur Mengen den Grenzen der bloßen Nernunft. freiburg ı D., 


Ins 
— 


T. . ngn. os. N Nehbr. TOM. 
Serial. kar!. Kant uud der Zoztarznins unter beſonderer Verückũcht aung 


Ä s 
d. renten taten Brwegung inne halb des Marxiemus. Aus: Nant- 
zitat. Non Weitba 0 Reichaed 1.20%. 


1900. | 681 


Kvalala J., Neue Beiträge zum Briefmechfel ariigen D. E. Jablonsky und 
G. W. Yeibniz. Jurjew (E. J. Karom). 4.2 

Nieuſche. Horneffer Ernſt, Vorträge über —* Verſuch einer Wiedergabe 
ſeiner Gedanken. Göttingen, F. Wunder. 

Lichtenberger Henri, Friedrich Nietzſche. En Abriß ſeines ebene und feiner 
vehre, Teutfh von Frör. von Oppeln⸗Bronikowski. Dresden, C. Reißner. 
so Pf. 

Naumann Barathuftra-Rommentar. 2. Teil. Leipzig, H. Haeſſel. 3 M. 

Tienes G. A., Niegiches Stellung zu ben Grundfragen der Ethik genetiich dar- 
geſtellt —5 Erlangen 1899. 

unger Frz., Friedrich Nietzſches Träumen und Sterben. Münden, F. C. Mickl. 

»pf. 


Sarl du Preis ausgewählte Ecriften. 1. Band. Wie ih Spiritift geworben 
bin. — Kants myſtiſche MWeltanjchautng. Leipzig, E. Günther. 2 M. 

Gonner C. © K., Social philosophy of Rodbertus. London Macmillan. 
sh. 

Clemens E., Schopenhauer und Spinoza. Piffertation. Leipzig 1899. 


Geſchichte der Pädagogik nnd des Unterrichts. 


Allgemeines. Monumenta Germaniae paedagogica .... Herausgegeben von 
Karl Kehrbach. XX. Band. Berlin, A. Hofmann & Co. 10 
Inhalt: Cohrs Ferd., Die evangeltichen Katechis musberſuche vor Luthers 
Enchiridion. Herausgegeben, eingeleitet und zuſammenfaſſend dargeftellt. 1. Band 
1522 — 1526. 


Landſchaften. Zieglauer Ferd. von, Die Entwidlung des Schulweſens in der 
Bukowina ſeit der Vereinigung des Landes mit Dfterreich (1774 - 1899). Rede. 
Czernowitz (H. Pardini). 60 Bf. 

Schmidt FIrdor. Namen- und Sachregiſter zur Geſchichte der ——— 
pfälziſchen Wittelsbacher. (Monumenta Germaniae paedagogica. Band 
Berlin, A Hofmanı & Co. 1.50 M. 


Bornhak Cour., Geſchichu der preußiſchen Univerſitätsverwaltung bis 1810. 
Berlin, G. Reimer. 3 M. 


Veröffentlichungen zur Geſchichte des gelehrten Schulweſens im albertiniſchen 
Sachſen. Herausgegeben im Auftrag des ſächſiſchen Gymnafiallehrervereins. 
1. Teil. Überficht über die gefchichtliche Entwidlung der Gymnaſien. Leipzig, 

. ©. Teubner. 6 M. 


Univerhtäten. Aften und Urkunden der Univerfität Frankfurt a / O. Heraus⸗ 
gegeben von Gco. Kaufmann und Guſt. Bauch, unter Mitwirkung von Paul 
ch. 3. Heft. Die Fakultätsftatuten und Ergänzungen zu ben allgemeinen 
Statuten der Univerfität Frankfurt a/D. Herausgegeben von Paul Reh. Breslau, 
M. & H. Marcus. 3 M. 

Neuwirth Joſ., Tas Akademiſche Corps Earonia in Wien 18501900. Bien, 
Karl Graeſer & Co. 3 M. 

Bauch Gut, Tie Einführung der Melanchthoniſchen Dellamationen und andere 
gleichzeitige Reformen an der Univerfität zu Duttenberg, Aus den Alten des 
Weimarer Geſanmtarchivs mitgeteilt. Breslau, M. & H. Marcus. 80 Bf. 


Höhere Schulen. Berlin. Gudopp Ernſt, Dramatifche Aufführungen auf 
Berliner Gymnaſien im 17. Jahrhundert. Programm. Berlin, R. Gaertner. 


082 Aibliographie. 2. Bücher. 


Feftichrift zur bumdertiährigen Qubelfeier des Königlichen Friedrich⸗Wilhelm⸗ 
Gymnaſiums zu Berlin. Wiffenfhaftliche Arbeiten. Berlin 1897. A. W. Hanns 
Erben. 

Aus dem Inhalt: Wezel Ernit, Tas Adeldgeichledht derer von Yora. — 
Naumann Eruft, Aus Herders AJugenddichtung. Abdrud des Gedichtes: „Eın 
Opfer der Gratien“. 

Feltichrift zu dem 5Ojährigen Aubiläum des Friedrichs-Realgymnafiums in 
Berlin Veröffentlicht von dem Lehrer: Kollegium des Friedrichs- Realgymnafiums. 
Berlin, R. Gaertner. 7 DM. 

Gerjtenberg Earl, Zur Gefchichte des Friedrichs-Realgymnaſiums zu Berlin von 
Oſtern 1850 bi8 Oſtern 1900. Programm, Berlin, R. Gaermer. 1 M. 

Goldichmidt Paul, Zur Geſchichte des Friedrichs Gmnnaſiums 1850—19. 
Programm. Berlin, R. Gaertner. 1 M. 

Fritze, Biographiſch-bibliographiſches Verzeichnis der Lehrer des Joachims- 
thalſchen Gymnaſiums von der Gründung der Anſtalt bis 1826. Programm. 
Rerlin. 

Neubaur v., Beiträge zur älteren Geſchichte des Gymnaſiums zu Elbing. Pro- 
gramm. Elbing 1899. 

Reichling Tiere, Tie Reform der Domfchule zu Münfter im Sabre 1500. Zur 
Erinnerung an das 40ährige Beſtehen der Anſtalt als humaniſtiſches Gym⸗ 
naſium. Oſtern 1900. (Texte und Forſchungen zur Geſchichte der Erziehung und 
des Unterrichts in den Ländern deuticher Zunge. Herausgegeben von Karl Kehr- 
bad. II., Berlin, X. Harrwiß Nachfolger. 1.50 M. 

Kleine A, Tie Realichule zu Weſel. Überficht über die Entwicklung des ſtädti⸗ 
ichen Schulweſens bis zur Gegenwart. Programm. Weſel. 

Vädagogen. Friedrich Auguſt Berthelt. Sein Leben und fein Wirken. 
Herausgegeben vom äächſiſchen Peſtalozzi-Vereine. Leipzig, J. Klinkhardt. 
1.50 M. 

Böhmel O., Die phileiopbiiche Grundlage der pädagogiſchen Anſchauungen des 
Comenius. Programm. Warburg 1x0. 

Zullwürl E. von, Adolf Dieſterweg. Tarftellung feines Lebens und jeiner 
Yehre und Auswahl aus ſeinen Schriften. 2. Band. (Bıibliotbel pädagogischer 
Rlaiſiker. Herausgegeben von Irdr. Wann. 37. Band) Yangenfalza, H. Reyer 
X Zohte. >50 WM. 

Herbart. Tuvel W., J. F. Herbarts Ztellung zu jeinen pädagogiichen Xor- 
gängern Driſertat:or:. Jena 

Sıne Rich, Herbarts Bedeutung für die Pinchologie. Programm. Berlin, R. 
Garrtner. DM 

Tontichert Ar, Tie Yehre von den Stufen des Unterrichts bei Johann Friedrich 
Herbart. Dir Berinffittgang ibrer bisherigen Auffaſſungen. Diſſertation. Leipzig 
»Moßleug. 1. 

Franz Wilhelm Kockel. Aus Dem Leben eines ijachſiſchen Schulmannes. Rebſt 
Feingabe Seiner Schüuler. Tresden. A. Huble. 2 M. 

Veſtalorzi. Feſtalozzus Sanztliche Werke. Herausgegeben von L. W. Zenf- 
iarth 4.5 Band Yoga, E. Scjarth. 650 und 40 M. 

Merry Johs, Ter ioztale Hmtergrund in Veſtalozzis Lienhard und Gertrud. 
Cuientlicher Kertrag. Aus: „Zonntagsblatt der Thurgauer Zeitung“.] rauen» 
td J. Muhr. Sch 

Friwich Trdr, Ernit Ehvitaon Trapp. Sein Yeben und feine Lehre. Dresden, 
Sur & Kaemmeter. DM 

Weinderer dar, Tr Adeli Weſtermaner, königl Gmnnaſialreltor in Grlangen. 
vebeusbild. Anus: „Biatter jür das Gnmnnañal Schulweſen“.) München, J. Yin» 
dar. no ER, 


1900. 683 


Die dentſche Litteratur in der Schule. 


Lammer E., Zwei fataliftiiche Gedichte. I. Das Glück von Edenhall. II. Der Ring 
des Polykrates. Progranım. Stoderau 1899. 

Martin Luther, Thomas Murner und das Kirchenlied des 16. Jahr⸗ 
bundertd. Ausgewählt und mit Einleitungen und Anınertungen verfehen von 
Deorg ee (Sammlung Göfchen.) Leipzig, G. J. Göſchenſche Berlagshand- 
ung. 80 Pf. 

Hans Sachs und andere Dichter des 16. Jahrhunderts. Für den Schulgebraud 
herausgegeben von Heint. Drees. —5 G. Freytag. 80 Pf. 

Ziehen Jul., Fabelbuch. Eine Auswahl deutſcher Fabeldichtungen, eingeleitet 
und in gejchichtlicher Anordnung gufammengeftellt, (Deutſche Schul-Ausgaben von 
B. Balentin Nr. 33.) Dresden, L. Ehlermann. 50 Pf. 

Goethes Fauft. 1. Teil. Für den Schulgebrauch herausgegeben von Ulr. Buur⸗ 
man. Leipzig, Nenger. 1 M. . 
Hauff Wilh., Der Scheik von Alessandria und seine Sklaven. Edited, with 
notes and vocabulary by Walter Rippmann. Cambridge: At the Uni- 

versity Press. 

Stecher Rich. Erläuterungen zu Kleift3 Hermannsſchlacht. Fonige Erläuterungen 
zu den Klaffilern. 26. Bändchen.) Leipzig, H. Beyer. 40 P. 

Peters Rud., Leſſings Nathan der Weife. (Die deutfchen Klaffiter, erläutert und 
gewürdigt für höhere Lehranftalten ... von E. Kuenen, M. Evers und einigen 
Mitarbeitern. 17. Bündchen.) Leipzig, H. Bredt. 1 M. 

Platen Aug. Graf von, Ausgewählte Dichtungen. Für den Schulgebraudy heraus⸗ 
gegeben von Alb. Attenfperger. Leipzig, 8. tag. 80 Pf. 

Sutermeifter ©., Erziehungsiehre aus Friedrich Rückerts Weisheit des Brah- 
manen. Zur Belebung und Förderung des fyftematifchen Unterrichts zufammen- 
geftellt. Zürich, Th. Schröter. Br. 

Teetz F., Aufgaben aus deutfchen epifchen und Igrifchen Gedichten, entworfen und 
zuſammengeſtellt. 2. Bändchen. 2. Teil. Der „Aufgaben aus Schillers Balladen 
und Romanzen“. Leipzig, W. Engelmann. 1.80 M. 

Biſchoff Erich, Erläuterungen zu Schillers „Fiesto” für Schule und Haus. — 
Erläuterungen zu Schillers „Kabale und Xiebe”. (Königs Erläuterungen zu den 
Klaffitern. 23. und 31. Bändchen.) Leipzig, H. Beyer. à 40 Pf. 

Teetz F., Schulmwandlarte zu Schillers ——*** von Orleans“. Gezeichnet von 
Ed. Gaebler. Leipzig, ©. Lang. 6 M. " 

Schiller Fr. von, Geichichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von ber 
ſpaniſchen Regierung. Für den Schulgebraudh herausgegeben von Walth. Böhme. 
Leipzig, G. Freytag. 1 M. 


Stoff- und Motingefchidte. 


Maria Ugo de, La Favola di Amore e Psyche nella letteratura e nell' arte 
italiana, con appendice di cose inedite. Bologna, Zanichelli. 4 L. 

Silippini Enr., Spigolature folkloriche. Fabriano, stab. tip. Gentile. 1.25 L. 

Aus dem Inhalt: Don Giovanni e il Diavolo nella leggenda. 

Tille Alerander, Die Fauftfplitter in der Litteratur bes 16. bis 18. Jahrhunderts 
nad) den älteften Quellen. Bogen XIII -LXI. (Fauſtbücherei. NReudrude zur Ge 
ihichte der Fauftfage. II—V.) Weimar, Emil Felder. 20 M. 

Weiß Karl, Hohentwiel und Ekkehard in Geſchichte, Sage und Dichtung. 
1. Lieferung. St. Gallen, Wiſer & Frey. 1 M. u 

Sicher Rıud., Meden. BVergleihung der Dramen von Euripides bis zu Grill» 
parzer. ‘Programm. Bern. 


684 Bibliographie. 2. Bücher. 


Tardel Hermann, Die Sage von Robert dem Teufel in neueren deutichen 


Bearbeitungen und im Meyerbeers per, Forſchungen zur neueren Yitteratur« 
geichichte, herausgegeben von Franz under. Heft XIV.) Berlin, Dunchker. 
2 M., Zubjtriptionspreis 1.70 MM. 

er X zerfaſſer bat ih durch feine Programmarbeit „Luellen zu Chaminſos 
Gedichten“ Braudens 18461 md deren Ergänzung „I Vergleichende Studien zu 
Chamiſſos Gedichten” ı Zeitichrift fiir vergleichende Yitteraturgeichichte 13, 113— 
134° al$ Kenner der deutſchen wie der franzöſiſchen Yitteratur im erſten Drittel 
des 19. Jahrhunderts vorteilhaft bekannt gemacht. Er verfügt über eine nicht 
geringe Belejenbeit, ſorgfältige Pierbode und das Geſchick, die Ergebniſſe ſeiner 
Forſchungen in gefällige Form zu kleiden. Don diefen Eigenſchaften legt auch 
ſeine neueſte Schrift Zeugnis ab. Sie behandelt in einem erſten Abſchnitt die 
altfranzöftiche Zage, in einem zweiten deren Beurteilung und epiſche Verarbeitung 
durch Uhland, von deiien unvollendeter Tichtung nur noch einige Verſe vorbanden 
iind, und den Romanzenkranz Guſtav Schwabs. Ein dritte® und ein viertes 
Kavitel find den Jambendramen Holteis 11830: und Raupachs ı 1834) gewidmet: 
dabei finder auch Erwähnung, daß die Birch-Pfeiffer ein verloren gegangenes 
Schauipiel „Nobert der Teufel” verfaßt bat. Der fünfte, längſte Abſchnitt be» 
ichäftigt ſich mit Zeribe Meyerbeers per, durch die der Mobertitoft erit wirklich 
betannt gewerden mt. Kann doch N. F. Arnold in feiner eben erichienenen Schrift 
ber die deutichen Bornamen Wien, Dolsbauien: die große Verbreitung des 
Ramens „Robert“ in deutſchen Landen von Menyerbeers Crer ableiten, und 
ment doch Tardel S. 70: „Tie parodiitiiche VBehandlung der Tver iſt vielleicht 
"eranlasiung geweſen, daß Robert ımd Bertram in inchreren in Teutichland 
und Frankreich betannten KFoſſen den Namen für zwei luſtige Vagabunden ab- 
grgeben haben.“ Der vorleete Te der Arbeit beipricht das Epos „Robert der 
Teufel” von Victor von Strauß und Torney ı1854), der lette die Rroiadaritcl- 
lungen Des Gegenſtandes, md in einer Schlußüberſicht wird ein Rückblick auf 
den durchwanderten Weg gegeben, ſowie die Frage erörtert, ob der Ztofi auch 
für die Yırteratur dev Gegenwart noch werde in Vetracht klommen lönnen. 

Der Berfafier dürfte leine wgendwie bervorragende Behandlung der Robert 
iaqe in Der deutichen Litteratur überſehen baben, und ſelbſt auf berzlih un 
bedentende Eryerane Lat er Sen Augenmerk gelenft. Qch weiß nicht, ob das 
m Heinſius' BVücher!lenilen verzeichnete Werk: „Robert der Tapfere, oder der 
item KVrinz“, Erzablung aus der Vorzeit, von den Berfalfer der „Prinzeiſin 
von eleve”, Der ‚ara von Valmeut“ 2c. 2 Bändchen. Ulm, Ebner 1830 ın 
dDavien zZurammenlang achert Tie Geſchichte „Nolert der Teufel. Eine micht 
nar dar Wale v tonder auch unterhaltende und lehrreiche Erzäblung aus Ber 
Voörzett ». 6h 2 Nu zlingen 1875, Entintimd Yaıbım“, iſt wohl nur cine neue 
Auflage ds ten Oumas F. H. Schönkutn F 8. Urtmar- bearbeiteten Volts 
huches Ion litterarichen Beziehungen der rerichredenen Dichter zueinander ĩipürt 
Tardel Uetsegu nam, oo wantr es auch Kr aut, Die Veränderung und Wen 
lang ven Mervn anichazntich darzuſtellen. Tie Anbaltsangaben der ein 
zeinen Gedichte und Tramen hitten ezwas tnapper geiaßt werden lönnen. — Erne 
were Babel, bp eimdeiit hat ſich Der Stoiies nicht bemächtigt. Tas Zwie 
yalbın der, ger iche nren miechte, erit dünſtlich zuſammengeiſchweißten Sage wird 
NUR iſeiniin iterrert mer nderlich ſein. Karl Reuschel. 


Volkszkunde. 


dag Te Sntwidlungsgeiete von 
Zub 1 Tel Leipzig, W. Ungel- 


1900. 685 


Knortz 8 Was ift Bolksfunde und wie flubiert man bdiefelbe? Altenburg, Tittel. 

2.50 
Der Titel diefes Buches ift durchaus irreführend. Nur die erften 82 Seiten 

verfuchen auf die gefeitte Trage zu antworten und thun dies in völlig un- 
genügender Weile. S. 33 ift * Heine bibliograpbifches Verzeichnis gegeben, 
worin fogar E. Meyers grundlegende „Deutjche Vollkskunde“ fehtt. Alte 
übrigen 200 Seiten find „Beilagen“. Sie bringen eine fritiflofe, ungeordnete 
Aufhäufung von volkskundlichen und allen möglichen und unmöglichen anderen 
Dingen aus der ganzen Welt. Das Meifte ift gedrudten Quellen, Büchern und 
Zeitungsnachrichten entnommen. Viele Ausziige ſtammen aus Friedrich Zieglers 
„Heilige Seelenvergnügung im Orlinen 1692”. Bon Intereſſe find nur jene 
Nachrichten, die der in Nordamerika lebende Verfaffer nach eigener Beobachtung 
oder mündlicher Mitteilung über die Bräuche der Weißen, Indianer und Neger 
der Bereinigten Staaten vorführt. H. 

Paul Hermann, Grundriß der Germanifchen Philologie. 2. verbefjerte und ver- 
mehrte Auflage. III. Band. 4. Lieferung. Strapbung, Karl 3. Trübner. 4 M. 

Inhalt: XV. Abfchnitt. Bremer D., Ethnographie der germanifchen 

Stämme. (Fortſetzung.) 

Weiſe O., Die deutfchen Boltsftämme und Landichaften. (Aus Natur- und Geiftes- 
welt. 16. Bändchen.) Leipzig, B. &. Teubner. 90 Pf. 

Arnold Rob. Franz, Die deutſchen Bornamen. Wien, Adolf Holzhaufen. 

Edart Rud., Stand und Beruf im Bollsmund. Eine Sammlung von Spridj- 
wörtern und iprihmwörtlihen Redensarten. Göttingen, 5. Wunder. 2 M. 

Schumann Colmar, Volks⸗ und Kinderreime aus Lübed und Umgegend. Bei- 
träge zur Volkskunde. Lübeck, Gebr. Borchers. 1.50 M. 

Deutl Joſ., Bolkspoefie in ober öſterreichiſcher Mundart. Marterin, Feldkreuze, 
Sprüche, Grabſchriften, Hausſprüche, Touriſtentafeln, Volksbräuche ꝛc. 2c. 1—6. 
Lieferung. Linz, E. Mareis. a 20 Pf. 


Neuhochdeutſche Schriftſprache. Mundarten. 


Freudenberger M., Beiträge zur Naturgeſchichte der Sprache. Leipzig, E. Ave⸗ 
narius. 2 M. 


Grbmann Karl Otto, Die Bedeutung des Wortes. Leipzig, E. Avenarius. 

3.60 ° 

Waſſerzieher Ernſt, Aus dem Leben der beutjchen Sprade. 2. Bändchen. (Wiffen- 
ſchaftliche Volksbibliothek. Nr. 78.) Leipzig, S. Schnurpfeil. 20 Pf. 

Baege M., Deutſche Sprache ein Spiegel beuticher Bollsert. Programm. Schweinik. 

Haftung HR, Deutſche Ausfprache beim neben und Singen. Berlin, Berlag ber 
freien mufifaliichen Bereinigung. 20 

Grimm Jacob und Grimm Wilh., Deutiähen Wörterbuch. Zehnten Bandes_britte 
Pieferung. Zein — Seligkeit. Bearbeitet von und unter Leitung von M. Heyne. 
Yeipzig, S. Hirzel. 

Des X. Kandes 4. Lieferung (S) befindet ſich im Drud. 

Gombert Alb, Bemerkungen zum deutichen Wörterbuche. Programm des König 
Wilhelm-Gymnaſiums zu Breslau. 

Heingze Alb., Deutſcher Sprachhort Ein Stilwörterbuch. Leipzig, Renger. 14 M. 

Kaltihmidt J. H., Deutſches Lörterbuch. Wörterbuch der deutſchen Schrift⸗ und 
Umgangsipradhe, jowie der wichtigften Fremdwörter. Neu bearbeitet und vielfach 
ergänzt von Seo. Yehnert. 2 Teile in 1 Bande. (Webers illuftrierte Katechismen. 
Ar. 184.1 Leipzig, J. J. Weber. 7.50 M. 

ride E., Zu den Bildungen mit fi. Differtation. Leipzig 1899. 


686 Bibliographie. 2. Bücher. 


Böhme O., Zur Geſchichte der Sächſiſchen Kanzleiſprache von ihren Anfängen bis 
Luther. I. 13. und 14. Xahrhundert. Feftichrift. Reichenbach i:®. 1899. 

Greyerz O. von, Tie Mundart als Grundlage des Deutfchunterrichts. Vortrag. 
[Aus: „geitbericht über die Jubiläumsfeier und den XIX. ſchweizeriſchen Lebrer- 
tag.”] Bern, Schmid & Francke. 80 Bf. . 

Müller Joſeph, Unterfuchungen zur Yautlehre der Mundart von Agidienberge. 
Aonner Tiijertation. 

Meile Tsc, Zyntar der Altenburger Mundart. (Zammiung kurzer Gramma- 
tifen deuticher Mumdarten. Herausgegeben von Otto Bremer. VI. Band.) Leipzig, 
Rreitfopf & Härtel. 5 M. 

Kinateder G. Tie ſyntaktiſchen Funktionen der Konjunftion „daß“ bei Aventin. 
Diifertation. München 1808. 


— — —— — 


Fünfzehntes bis ſtebzehntes Tahrhundert. 


Allgemeines. Blümlein Carl, Die Floia und andere deutſche maccaroniiche 
Gedichte. (Trucke und Holzichnitte des 15. und 16. Jahrhunderts in getreuer 
Nachbildung. IV. Ztraßburg, J. H. E. Heitz. 5 M. 

Inhalt: Uberblick über die deutichen maccaroniſchen Dichtungen. — Die 
dentichen maccaroniſchen Tichtungen: 1. l'asquillus auf den proteſtierenden Krieg 
jeit 1546. 2. Pancketum Gaesareum. 3. Paneketum Leopoldinum. 4. Bene- 
dielio Mensae in Paneketum. 5. Gortum Carmen de Rohtrockis. 6. Lusti- 
tudo Studentieca. 7. Gertamen studiosorum. 8. Gaudium studenticum. 
9. Triumphierendes Prosit. 10. 11. Rhapsodia ad Brautsuppam I. Il. 
12. Brautlied. 13. Floia. neuhochdeutſche Yearbeitung. 14. Floia ed. 1593 in 
Fakſimile. 

Gottheli Frdor., Tas deutiche Altertum in den Anſchaumgen des 16. und 17. 
Jahrhunderts. (Forſchungen zur neueren Yitteraturgejdyichte. Herausgegeben von 
Frz. Muncker. XIIIà Bert, A. Tuncker. 1.50 M. 

16. Jahrhundert. STchroeder E, Aegidii Iunnii Josephi comoediae 
(ed. Marpurgi 1584: pars altera denuo edita. Marburg 1899. 

Krocop W, Tie Palmen des Panlıs Weliffus in ihrem Verhältnis zur 
tranzöitichen Pialmen Uberietimg des Maror-Beza und zur Vulgata. Eine ſprach 
liche Unteruchung. Brogranım. Noienbeim 180%, 

17. Jahrhundert. Sadil I, Jacob Ridermann, ein Tramatiler des 17. Nabr 
bunderts aus dem Jeinitenorden. I. ‘Progranın. Wien 1800, 

Nroßmann, Hofmann von Sofmannswaldan. Kine Ztudie Über bie 
ichwülſtige Schreibart Wüſenichaftliche Abhhandlung. Programm. Yiegnig. 1.20 8, 

Gehlen J., Eme Zativv Joachim Rachels und ihre antiken Borbilder. Pro⸗ 
gramm. Eupen. 

vevinſtern N. Chriſt:ran Werie und Moliéere. Eine Studie zur Entwidlungs- 
geichichte des deutichen Luſtibrels. Tiſſertat:on. Berlin 1899, Leipzig, Fock. 

Napnier Rud., Chriſtian Thomastus und Der Vietismus. Programm. Hamburg 
Heroide 


Achtzehntes Tahrhundert. 


Johaun Jacob Vodmer, Tenfichriit zum GG. Geburtstag (17. Juli 1808). 
Veranlaßt vom Yızzırlal Dottingen und berausgegeben von der Ztiftung von 
Schnnder von Wartenice. zürich, Rüller. 10 X 

Inhalt: Bodmer Sans und Hermann, J. J. Bodmer. — Waſer Hedwig, 
Zas Vodmerhaus. ·- Hunziker Otte, Bodmer als Vater der Jünglinge. — 


1900. 687 


Tobler Guſtav, Bodmers politifhe Schaufpiele. — Betz Louis P., Bobmer und 
die franzöfiiche Fitteratur. — Donati Leone, Bobmer und bie italienifche Litte⸗ 
ratur. — Vetter Theodor, Bodmer und die engliice Litteratur. — Better Th., 
Bibliographie. — Widmer Johs., Regifter der Eigennamen. 

Heinrih C., Die komiſchen Elemente in den Luftfpielen von Johann Chriftian 
Brandes. Differtation. debeiberg. 

Wurzbach Wolfg. von, Gottfried Auguft Bürger. Sein Leben und feine Werke. 
Leipzig, Dieterih. 7 M. 

Talk Kohs., Geheimes Tagebuch oder: Mein Feben vor Gott. 2. Teil 1821—1822. 
Herausgegeben von Siegmar Schulte. Halle, C. A. Kaemmerer & Co. 1.50M. 

Der zweite Teil des „Geheimen Tagebuchs“ von J. Falk läßt uns noch 
deutliher al8 der erfle (vgl. Euphorion 6, 772) in die Seele des ſchwer⸗ 
geprüften, aber von einem höchſt lebendigen Gottesglauben erfüllten Menſchen⸗ 
freundes jchauen. Sein wahrhaft rührender Kinderglaube ift auch in der Zeit 
allerſchwerſten häuslichen Leides nicht wankend geworden. Die Art, wie fid 
Fall zu äußern pflegt, ift bezeichnend genug. Es ıft eine Aufdedung und Ber- 
faferung des Gefühlslebens, wie wir fie fonft nur aus der Wertberzeit kennen. 
Einen Stih ins Komische befommt feine Darftellung, wenn fie fich poetijcher 
Mittel bedient, fo in dem Gedicht auf feine verftorbenen Kinder (S. 32), oder 
ar da, wo er Themen allgemeiner Art behandelt. So heißt es in „Erdennacht“ 
to. 18): „Den ewgen VBrüften der Natur entquillt 
Die Muttermilch, nicht ftaubigen Archiven.“ 

Während er fi in ben zahlreichen veligiöfen Betrachtungen in ber landläufigen 
rhetoriſchen Manier vernehmen läßt, befommt fein Stil etwas Energiſch⸗ 
Gedrungenes, fobald er auf Zeitereigniffe anfpielt. So wenn er von dem 
heidniſchen Leben in den chriftlichen Ländern fpridt und wie manche feiner Zeit- 
genofien ein von Often herannahendes Strafgeridh durch Mongolen und Zartaren 
in Ausſicht ftellt. Bemerkenswert find ein paar Urteile über Weimarer Theater⸗ 
aufführungen. Aın 24. November 1821 hat er das Ehebruchsſtück „Das Donau» 
weibchen“ angefehen, da heißt es nun (S. 57): „Zu Wien, wo bie Cenſurgeſetze 
jo fireng gehandhabt werden, daß nichts wider Religion, gute Sitten und den’ 
Staat in den Büchern vorlommen darf, erlaubt man ben Schaufpielern ben 
Ehebruch ungeftraft vom Theater zu predigen. Das ‚Donauweibchen' ift als 
wieneriiches Nationalflid ein Barometer für die Sittenverderbnis dieſer erz⸗ 
verbuhlten Zeit!" Darauf folgt eine flehentliche Bitte an die Thenterdireltoren 
und die Regierungen, folhen „Unfug“ doch nicht Fr dulden und eine zornige 
Anklage an den Geift der Zeit. Wie in dem Stüd, fo giengen alle nur darauf 
aus, zu genießen. Das fei in Deutfchland nicht, wie einige meinten, erft burd) 
die Franzofen fo geworden, denn das Stüd fei vor 1806 gefchrieben. „Der 
Teufel faß lang in und. Es waren nur die Franzofen, wodurd er uns holte“ 
(©. 58). — Bon Houmwalds „Leuchtturm“ beißt es umter dem 26. Rovember 1821 
(S. 59): „Dies ıft ein rein pathologifches Stück, was mich grade in diefelben 
peinlichen (nicht äfthetifche oder tragifche) Empfindungen verſetzt, die in mir beim 
Beſuch eines Krankenhauſes vege werden, wenn id) Blinde oder Wahnfiımige 
jehe.” Im Januar 1822 fieht er „Die Heimlehr” von Houmwald. „Es ift ein 
Scaujpielfpaß, wie meift alle Übrigen Etüde des Berfafjers, dem das ae e 
mit Gewalt aufgenötigt ift. Das große, igantifde Scidfal, welches die Men 
beit zermalmt, weil es den Dienfchen eebe t, wie Schiller fagt, wandelt nun mal 
lieber zwijchen zerfallenen Böllern, Thronen, empörten Kriegslagern als guiigen 
Seiltänzern, Trägern, Teuchttürmen und Hußarenmajors" (&. 72 f.). f den 
fetten Blättern des Tagebuchs von 1822 findet auch ein durchaus abfälliges 
Urteil Falls über den „Freiſchütz“, der am 3. Mai 1822 in Weimar gegeben 
wurde. Erhabene Töne feien an einen gemeinen Stoff verſchwendet. Bor allem 
der heidniſche Zauberſpuk der „Wolfsſchlucht“, der dem verberbten Geiſt ber 








88 Bibliogravhie. 2. Bücher. 


Zeit fo erwitnicht jei, entfacht den Zorn seinen chriftlichen Gemüts. 
ergeht es übrigens au der früher aufgeführten „Zauberflöte“ mit 
heimmisfrämeret, ihren unfichtbaren Brüdern und Oberen, wovon € 
Köpfen und Rüchern fputte* (2. Tor. Kar. 
Goethe. Aus dem Goctbeiahr. — Brad Frdr., Goethes Anihauung 
die Grundlage feiner ſittlichen und ättberifchen Anihaunngen in Enur 
Wandlung. — Yorent P., Goethes Wırliamleit im Sinne der Ber 
Fortbildung deuticher Charalterzüge Mener P., Goethe und di 
Altertum. Yeipjig, B. &. Teubner. 2.40 M. 
Aub vudw., Hocthe und seine Religion. Vortrag. - Voltsichriften zur 
der Geitter. 24. Het. Bamberg, Handels-Truderer und Perla, 
a0. 
Bieie Afr, Goetdes Bedeutung für die Gegenwart. Zwei Vorträge. 
Bedeutung für die Gegenwart. 2. Die Naturvoeñe im Werther und 
Goethes, I euſers Verlag. 1 WM. 
od Waldem von, „Goethe und Yısmard”, Parallele oder Koutraſt? 
zugemäße Yroihliven. Neus_ olge, beran on Job. D 
Band. 8. 9. Frantinrt a M., 50 Pf 
Carel! George, Vollatre und Goethe. IV 
R. Gaertner. IM. 
Diezmann Aug. 
gabe. 
Farınallı A 
Milan 
diretta 
Gerber BD, 
weuert. mt 











































im Weimar. Neubear 








In Firenze. G. € 
ediein Em populärer ' 
chen, nebit Goethes 6 





itteratur und 
. Berlin, S Rarger 
ans, Goriſe am ihein. 











I, Moetde als ci 
EN 









IK 
wid. 





1900. 689 


Deutfhe Dichter in Auswahl fürs Bolt. ng, Bern, von 2. acobowali. 
(1. Heft.) Goethe. Mit Porträt und Einlei lin, 6. €. Kitzler. nich 

Goethe's Iphigenie auf Tauris, the Weimar Text with the e 
Translation by Anna Swanwick. Cambri ,‚ Mass. 

kauſt. dartmann Ba Betrachtungen über die Myfir in Goethes „Fauſt“. 
Leipzig, W. Friedri M. 

Marc- Monnier, Le Faust de Goethe. Avec un appendice, la Nuit de 
Walpurgis, et une courte &tude de la II* partie de t. Paris, Fisch- 
bacher. 3.50 Fres. 

Herder. Zum 29. Juni 1900. Rudolf Haym aus untoß feiner fünfzigjährigen 
Docententhätigfeit in Verehrung zugeeignet von Philipp Straud). 

Inhalt: Ein Brief Herders an Eh. &. von Murr. Weimar, 21. ar 1788. 

Grundmann Joh., Die geographiſchen und "vöfferfunblichen Duclen und An- 
Ihauungen in Herder „been zur Geſchichte der Menfchheit“. Berlin, Weid⸗ 
mannſche Buchhandlung. 3 M. 

Groſch R., Die Jugenddichtung Friedrich Hölderlins. Difſertation. Berlin 1899. 

Kipfmülfer B., Das Sfflandifche Suffpiel. a Beitrag zur Geſchichte der 
dramatifchen Technũ. Diſſertation. Heide 

Jaeckh E., Studien zu Kotzebues ——— L Differtation. Heidelberg 1899. 

Leſſtug. ®. €. Leſſings ſämtliche Schriften. Herausgegeben von Karl 
Lachmann. Dritte, aufs neue durdhgefehene und vermehrte Auflage, b orgt 
burd) Franz Muncker. 15. Band. Leipzig, G. J. Göſchenſche Verlagshand 

4.50 V 

Inhalt: Entwürfe und unvollendete Schriften: RAR 
Theater des Herrn Diderot. Anmerkungen über —F „ganbfepeifkliche Antier- 
tungen zu Windelmannd Geſchichte der Kunſt Itertums. Über Homers 
Apotheofe von Archelaos. Über feine älteren Rolleftaneen Fragment bie 
fische Tafel. Grottesfen. Caryatiden. gemburaie che Dramaturgie. Über die Pro- 
jodie. Sammlung von Beifpielen des Humors bei alten Ge —— vos und 
Nednern. Unterhaftungen. Deufches Mujeum. Kommentar über die —— Sal 
Ariftoteles. Über die Ahnenbilder der alten Römer. Fi e antiquari en Zuhalts. 
Bon dem Urjprunge der verjchiednen Sprachen. abe ins biftorifchen 
Wertes. Wie die Alten den Tod gebildet. Eine Fam er nad; den D Terte. Col- 
lectanea. Chronologijches Berzeichnis ber alten Artiften —X 
Machträge.] Einfälle. [Berichiedene Aufzeihmungen.] help Na 
itterator. Über Friedrich von Hagedorn. Über Konrad Arnold Schmidts Frag- 
menta Adelmanni. Ausgabe des Berengarius Turonenfis. Andenlen an Johann 


Gottfried Leffing. Über die Entftehung der venerifchen Kraukheit. Yumertungen 
über das Epigramm. Altdeutfcher Bis und Berant- Emft und —A 


ſetzung der Memoirs of John Bunele. Statuen der orale A 
Fueßlins Künſtler⸗Lexikon. Verzeichniffe von in der Wol 
Bibliothek. Anmerkungen zu Kupferftihen und Holzſchnitten in der Wolfenbittier 
Bibliothet. Anmerkung zu Heinele'ns Idee nd e —* Collection compl. 
d’Estampes. Bermifhte Anmerkungen und Nachrichten. Auszug aus ben 
dichten des Motanabbi. Leibnitz. 

Conſentius Emft, Der Bahrfger Zur Charalteriſtil von Mylius mb Leifing. 
Teipzig, E. Avenarius. 1.50 

Die Heine Schrift weift auf Grund ber Alten nad, wie Mylius er 

Zeitichrift „Der Wahrjager” die Beranlaffung zu dem preußiichen — 
vom 11. Mai 1749 geworden iſt, ſtellt feſt, u das Verbot ber  geiiheifi 
Friedrichs des Großen eigenften Entſchluß zurückzuführen fei, und ſucht un 
durch reichliche Proben eine Borflellung von dem Blatt zu ‚geben. 
Confentius mit diefen Vorgängen und mit biefer Charakteriſtil die dem * 
ſager gewidmeten Worte in Leſſings Vorrede zu feiner Ausgabe der Schriften 
Euphborion. VI. 44 


6% Bibliographie. 2. Bücher. 


von Mylius vergleicht, glaubt er Leſſings fcharfen Tadel aus jeiner berechnenden 
Rückſicht auf die Meinung des Königs erklären zu müſſen, wie fie ibn feine 
Hoffnung auf eine Anftelung ın Preußen damals nahegelegt hätte. Es ift aber 
erftens ganz unbewiejen, daß dem König der Name veifinge un Zufammenbang 
mit dem Wahrfager zu Chren gefommen fei, die Alten fprechen vielmehr gegen 
dieje Annahme; und zweitens hat man Leſſings harte und vielleicht etwas un— 
gerechte Abfage an den längft überbolten Jugendfreund aus pfuchologifchen 
Gründen bereits fo gut erflärt, daB man andere minder chrenmwerte Gründe 
dafiir umfo weniger aufzujuchen braucht, als Leifing ſelbſt das freimütige Be— 
kenntnis an die Spite feiner Borrede geftclit hat, daß er fi ein Gewiſſen 
mache, „denjenigen im Tode zu fchmeicheln, welcher nich nie in feinem Leben 
als einen Zchmeichler gefunden hat.“ 


Zipper Alb., Leffings Emilia Galotti. (Erläuterungen zu Meiſterwerken der 
deutichen Pitteratur. 9. Band. Univerſal-Bibliothel Ar. 4057.) Leipzig, Reclam. 
10 pf. 

Boſchulte 2, Friedrich Mattbifjon, feine Anhänger und Nachahmer. (J. ©. 
von Zalis, ‚zriederife Brun, geborene Münter.) Ein Beitrag zur Geſchichte 
der Empfindjamkrit. Programm. Elberfeld. 

Schmidtmauyer Rudolf, P.. Ein lateiniſches Preisgedicht (Elloge) auf die Haupt: 
jtadt Prag von eiunem Baccalaureus der Prager Hochſchule und l'oeta laureatus, 
dem nacmaligen Abt des Giftercienjerfliftes Hobenfurtt Tr. Quirin Alois 
Midi. Programm. Budweis. 

Tiefe beadhtenswerte Programmarbeit bringt zunächſt eine biographiiche 
Skizze und kurze Würdigung des gelebrten Dichters Johann Chriſtian Alois 
Mickl. Zu Oſtrolow-Auijezd in Südböhmen am 13. Februar 1711 geboren, 
ſtudierte Mickl an der Prager Univerſität Philoſophie und Jus und erhielt als 
Student um 1730 die Würde eines loeta laureatus. 1731 trat er unter dent 
Nlojternamen Quirinus in das Ciſtereienſerſtift Hobenfurt ein, wurde fpäter 
Thbeologieprofejjor in Prag und in jungen Jahren 1747 Abt des Stiftes Hoben- 
furt. In dieſer Stellung begründete er die berühmte Ztiftsbibliothet, für die cr 
ein würdiges 1757 vollendetes Gebäude herjtellen ließ. Er ftarb am 23. ‚yebruar 
1767. Midi verfaßte neben umfänglichen gelehrten Arbeiten zahlreiche (zumein 
ans den Studentenjahren ftammende) ‚geitreden und Dichtungen, von deren viele 
bandichriftlich auf der Hobenfurter Ztiftsbibliorhel aufbewahrt werden. Deutſch 
abgefajt find darunter zwei Predigten und „Eine luftige Comedie. Dolus an 
virtus, das ıjt: Was Tugend nicht aufrichten kann, mit Liſt man öfters ſtellet 
an.” Sie umfaßt, wie mir der Herr Verfaſſer freundlichit mitteilt, 97 Heine 
Quartieiten und bebandelt die Einnabme Trojas, bei der ein deuticher Hanswurſt 
die Hauptrolle Spielt. Acht Panexyres Teutoniene iwie fie ein Verzeichnis nennt: 
Ind verloren gegangen. Unter den lateiniſchen Tichtungen Aindet fich eine Tragödie 
Manritins, ein heroſſches Gedicht über die Entdeckung Amerikas und mebrere 
nach dem Viuſter Vergils abgefaßte Ellogen. Eine davon, Praga caput regni. 
ein begeiſtertes Yobgedicht auf Prag in Hexametern mit eingeftreuten gereimten 
Nurzverien, bat Schmidtmayer im vorliegenden ‘Programm abgedrudt und mit 
erllärenden VBemerkungen und Itterariichen Parallelen aus Vergil, Cvid u. f. m. 
verſehen. Adolf Hauffen. 

Floßmann P., Preander Chriſtian Friedrich Henrich). Diifertation. Yeipzig 1899. 

Voltenſtern P. von, Schillers Vergilſtudien II. Programm. Köſslin. 

Schönaich Chrph. Otto Freiherr von, Tie ganze Aſthetik in einer Nuß oder 
uneologiſches Worterbuch. Dit Einleitung und Anmerkungen berausgegeben von 
Ab. Köſter. Schluß. ı Teutiche vitteraturdenkmale des 18. und 19. Nabrbunderte, 
herausgegeben von Aug. Sauer Wr. 76 81. Neue Folge Ar. 26-31.) Berlin, 
B. Behrs Berlag. A 60 Bf. 


1900. 691 


Wieland. Zipper Alb., Wielands —E u den Meiſterwerken 
der deutſchen Litteratur. 8. Band. Univerſal⸗Bibliothek. Ir. 4034.) Leipzig, 
Nellam. 20 Pf. 

Kerften, Wielands Berhältnis zu Lucian. Progranım. Hamburg (Herold). 2 M. 


Ueunzehntes Jahrhundert. 


Heidenftamm Sven, Juliane Dery und was fie gemorbet. (Zürcher Dis- 
tuffiouen. 2. Jahrgang. Nr. 20. 21.) Zürich, Berlag der Zürcher Diskuffionen. 
1.20 M. 

Nreiten Wilh., Ana Elifabeth Freiin von Drofte-Hülshoff. Ein Charalter- 
bild als Einleitung in ihre Werke. Nach gedrudten und ungedrudten Quellen 
entworfen. (Freiin Annette Eliſabeth Drofte-Hülshoff, Geſammelte Werke, her- 
ausgegeben von Clijabeth Freiin von Drofte-Hülshoff. Nad) dem handſchriftlichen 
Nachlaß ergänzt, mit Biographie, Einleitungen und Anmerkungen verjehen von 
Wilhelm Kreiten. 1. Band. 1. Hälfte.) Paderborn, F. Schöningh. 5 M. 

Fontane Thdr., Aus England und Schottland. Berlin, F. Fontane & Co. EM. 

Frey Juſt., Gefammelte Dichtungen. Herausgegeben von feinem Sohne. (Biblio- 
thek beutjcher Schriftfteller aus Böhmen. Herausgegeben im Auftrage der Gejell- 
ſchaft danſcher Wiſſenſchaft, Kunſt und Litteratur in Böhmen. 10. Band.) Prag, 
J. G. Calve. 3M. 

Grillparzer. Ehrhard Auguſte, Franz Grillparzer. Le théatre en Autriche. 
Paris, Societe francaise d’Imprimerie et de Librairie. 

Be Ludwig, Die Geſchichte des Räubers Louis Mandrin als Quelle zur 
„Ahnfrau“. 

Eine ſorgfältige, nach Motiven und Motivgruppen geordnete Unterſuchung, 
die im umferm nächſten Heft durch die Vergleichung der „Ahnfrau“ mit ber 
zweiten vom Dichter namhaft gemachten Duche ihre Ergänzung finden wirb: 

Cafelmann Aug, Karl Gutzkows Stellung zu den religiössethiichen Problemen 
jeiner Zeit. Ein Heiner Beitrag gr Gerftesgefchichte des 19. Jahrhunderts. 
Augsburg, 3. A. Scloffer. 2.25 M. 

Hamerling Rob., Eutyhia oder die Wege zur Glüchſeligkeit. Lyriſch⸗didaltiſches 
Gedicht. Nach der Ridmungs-Handichrift neu herausgegeben und eingeleitet von 
Mar Vaneſa. (Allgemeine cherei. Herausgegeben von ber öfterreichiichen 
Leo-Gefellichaft. Neue Folge. Nr. 1.) Stuttgart, & Roth. 20 Bf. 

Jugendarbeit Hamerlings aus dem Jahre 1846. 

Hauptmann Gerh., Die versunkene Glocke. Ein deutsches Märchendrama. 
With Introduction and Notes by Thomas Stockham Baker. New York: 
Henry Holt & Co. 

Poppe Thdr., Friedrich Hebbel und fein Drama. Beiträge zur Poetik. (Balaeftra. 
Unterfuhungen und Terte aus ber deutichen und englifhen Philologie. Ders 
gegeben von Alois Brand! und Erich Schmidt. VIIL) Berlin, Mayer & Müller. 
350 M. 

Inhalt: 1. Phyſis und Pſyche. 2. Seelijche —* 3. Geiſtige Thätig⸗ 
keit. 4. Dramaturgiſche Anſichten. V. Dynamik der Phantaſie Hebbels. — Exkurs: 
Inuere Form. 

Nikolaus Lenaus ſämtliche Werke in zwei Bänden.... Herausgegeben von 
Eduard Kaftle. Yeipzig, Mar Heffes Berlag. 1.25 M. 

Lewald Fanny, Gefühltes und Gedachtes (1838—1888). Herausgegeben von Ludw. 
Geiger. Tresden, 5. Minden. 6 M. 

Kreller Rupert, Die Völkerwanderung von Hermann Lingg und das Geſetz ber 
epischen Einheit. München, C. Haushalter. 1.20 M. ur 


692 Bibliographie. 2. Bücher. 


Judbwig. Eid H. E., Otto Ludwigs Wallenfteinplan, geordnet, beſprochen 
und herausgegeben mit einer Einleitung über des Dichters dramaturgifche An 
ſichten. Differtation. Greifswald. 

Ludwig Otto, Agnes Bernauer. Volksſchauſpiel. Unter Benutzung ungedrudter 
Danuffripte fiir die Bühne bearbeitet von C. Yudmig. Köln, A. Ahn. 1 M. 

Anberfen 3., Adam Oehlenschläger. Et livs poesie. Eftermz&!e. Kopenliagen. 
Nordiske Forlag. 5 kr. 50 ö. 

Petzold A, Der Bhilofop Schramm. Wahrheit und Tichtung in Fritz Reuters 
-„Ut mine Feſtungstid“. Ein Beitrag zur Geſchichte der deutfchen Burſchenſchaft. 
Unter Benugung von Akten des königlich geheimen Staatsarchivs zu Berlin über 
die Teilnahme Reuters, Schramm und Anderer an burfchenfchaftlihen Wer 
bindungen, fowie jonftiger Urkunden. Berlin, C. Heimanns Berlag. 1 M. 

Allievo G., Gian Paolo Richter e la sua Levana, o scienza dell’ educa- 
zione: sagpio espositivo eritico. Torino, Unione topografico-editrice. 2 L. 

Meisner Heimr., Hermann Schauenburg und jein Freundeskreis. (Sammlung 
gemeinverftändlicher wiffenfchaftlicher Vorträge, herausgegeben von Rud. Virchow. 
Neue Folge. XV. Serie. 339. Heft.) Hamburg, Berlagsanftalt und Druckerei. 
75 Pf. 

Heinrich Shaumbergers Werke. 1. und 8. Band. Wolfenbüttel, 3. Zwißler. 
a2 M. 

Schwill R., Auguft Wilhelm Schlegel und das Theater der Franzoſen. Tiffer: 
tation. München 1898. 

Stelsyamer. Franz Stelzhamers mundartlice Dichtungen. Bearbeitet von 
Nord. Hanrieder und Geo. Weitenböd. Ter muftlalifche Teil durchgeichen 
von Ludw. Zöhrer. 2. Band. (Aus da Hoamdt. Rollsausgabe ausgewählter 
oberöfterreichiicher Tialeltdichtungen. Herausgegeben von H. Zötl, A. Matoſch 
ud DH. Commenda. Baud 8.) Yınz (E. Mareisı. 5 M. 

Aus dem Vorwort: „Mit dem vorliegenden Bande erfcheint der mundartliche 
Zeil der neuen Stelzhamer Ausgabe abgeſchloſſen .... An einer eingehenden 
Biographie Stelzhamers wird bereits feit längerem gearbeitet, und wird dieſelbe 
feinerzeit, wenn und fobald der dritte hochdeutiche Yand der Stelzbamer- Ausgabe 
zuftande kommt, zu deifen Zubjtription aud hiermit eingeladen wird, dieſem 
einverleibt werden. (8 wird von dem rtrügniffe der beiden mundartlichen 
Bünde, bezichungsweiie von den ung zufliegenden Mitteln abbängen, ob und 
warn diefer Ausbau der Ausgabe verwirklicht werden kann.“ 

Zötl Hans, Franz Stelzhamer. Einblide in jein Yeben, Weben und Schaffen .... 
Zur Förderung der Einbürgerung feiner Tichtungen zuſammengeſtellt vorwegs 
zum Oebraudie für Bollgabende. (Aus da Hoamdt. Yand 11.) Yınz (E. Mareis). 
1.80 M. 

Mit des Tichters vigenen orten — prolatichen und poetifchen — wird 
bier ein vorläufiger furzer Abriß ſeines Lebens gegeben, der dem vollstümlichen 
Zweck mohl entipridht. 

Flügel Emma, Kunſt und Zudermann. Eine Paienftudie. Leipzig, Alw. Schmidt. 
30 Pf. 

— ſer Alb., Gedächtnisrede auf Ludwig Uhland. Karlsruhe, W. Jahraus 
50 Pf. 

Schwering ul, Friedrich Wilheln Weber Sein Leben und feine Werke. 
Unter Venuvung jenes handſchriftlichen Nachlaſſes dargeſtellt. Paderborn, F. 
Schöningh. 8 :M. 

Tegenbart Friedrich, Yeiträge zur Charalteriftil des Stils in Zacharias Werners 
Tramen. Programm. Eichſtätt. 


Nachrichten. 693 


——— 
eine ei Sei rn a Ernte 
‚aller Memoiren-Litteratur) 


Ei na — her 
lateiniſcher, er, 
Bewerbun m ———— 
Berlin N ne Univerftäts; efern. Die 
erfolgt in der Leibniz-Sigung ıbres 1905. 
Albert Wag es 1 sruhe *8 denmãchſt — Dar- 
H Be die Bel des heutigen beutjchen Wortſchahes ver⸗ 
Der Borfiand der deutſchen Shalejpeare-Wejelli 
ſchloſſen, für die Yen Bearbeit je Sn — 
einen Preis von 800 Mark auszufegen. bis 
Verlage von €. Bertelsmann in G Ba Tell eine 
von Ph. Wadernagels „Evangel. unberts“ 


Titel: Das deutide —— e des WEBER u 
hunderts. Bon Alb. Filher. Rad, — Tode vollendet und 
von ®. Tüimpel ericeinen. Das Wert it anf Bi — 


etwa 12 M, im einzelnen Heft zu 2 M. berechnet 
Jahren fertig — Der Drud — A 
nügende Kniast Subftribenten gefunden A u 


onen 
Die at l. preußiſche REIN der Wiffen; im Berfim 
Bei eine Gefomtausg a ne) m von Hum 
oldts vorn 

Franz Munder in — wird Goedeles Grundriß zur Ges 
ſchichte der geutiden Dichtung von 1880 bis auf die Gegenwart fortführen. 
Werlag von 2. Ehlermann in Dresden) 

einric Bischoff in Lüttich an einer Biblio 

— en Lilteratur in Bel; tem, die alle et 


Subſtriptic en Band 2.50 M. 

eh arg ai in Er 
e Juli vi 

Nedlic) (geboren am 7. Oftober 1832), ne der beften 

fitteratur des 18. Jahrhunderts bis im ihre 

ergebnisreiche Durdforihung von Bürgers und 

entbehrliche Chiffernleriton zu den Muf 

Andentens und der Were von 


Slandius, bie ng un 
Eeffingichen Briefwechjels, endlich) die a 
und Blatens in der Hempelicen, der poctif 
der lieineren Gedichte Goethes in der Wennarſchen be 





694 Nachrichten. 


Ermwiderung. 


Die Beſprechung, welcher Franz Sandvoß (Kanthippus) in den „Preußiichen 
Jahrbüchern“ (Band Gl, Heft 1, S. 162— 166) den erften Band meiner „Geſchichte 
der deutichen Folenlitteratur” (Halle, Mar Niemeyer 1900) unterziebt, nötige mich 
ur, jofern fie ſich mit meiner Perſon beſchäftigt (denn auf Heime ſachliche Jrr- 
tümer des Referenten einzugehen, liegt mir hier ferne), zu einigen Richtigftellungen. 
Tag Zandvoß mid irrigerweife als Schüler A. Sauers und weiterhin nediſch als 

„Prager Freund“ bezeichnet, ift ja Faum von Belang; wohl aber die ganz plötlich 

aufgeiteffte und nirgend ernſtlich bewieſene Behauptung (S. 162): „Ich darf 
leider nicht verjchtweigen, daß der Verfaifer den Polen im Grunde feines Herzens 
viel mehr zugetban ift, als den Deutſchen, befonders den böjen Preußen. Friedrich 
der Große, und nod viel mehr fein Nadjfolger Friedrich Wilhelm 1. find ihm 
höchſt uniympathiſch.“ Dem gegenüber ıft zu bemerlen, daß die im crften Late 
ausgeſprochene Behauptung, jo wenig fie natürlich mit der Würdigung der be 
treffenden Hitterarhiftoriichen Unterfuchung zu thun bat, fiherlich aus der Yeltüre 
derfelben nur mißverftändlid gewonnen werden konnte, und ich verweiie allfällige 
3weifler einfach auf das Buch ſelbſt, ohne mich gegen eine derartige Anllage — 
denn eine Anklage ſoll es doch ſein — weiter zu verantworten. Zur Beleuchtung 
des zweiten Satzes, dev ſich wieder ſtatt der zu beſprechenden Arbeit meinen 
angeblichen Antipathien widmet, wären neben vielen anderen Ztellen befonders 
S. 229 ff. des Buches heranzuziehen, aus denen, was Friedrich den Großen betrifft, 
ſchwerlich eine Abneigung des Verfaſſers zu erichließen fein dürfte. Meine felbft- 
jtändig gewonnene Aufchanung der polniichen Teilungen, ſowie der Regierung 
Friedrich Wilhelms II. durch Autoritäten wie Häuſſer, Zybel, Treitfchle, Yebmann, 
deren Komvetenz Sandvoß ſicherlich nicht bezweifelt, zu deden, balte ich vorläufig für 
überflüfftg und verwahre endlich nochmals fireng wiſſenſchaftlich geführte Arbeiten 
gegen Ausdentung zu Gunſten oder Ungunften welcher tagespolitiſchen Richtung 
immer; „tendenziöfe Wiſſenſchaft giebt es nicht, oder follte es wenigftens nicht 
geben” ( Telbrüd, Preußiſche Jahrbücher 93, 578). -- Daß einzelne und nambafte 
poluiſche Kritiker aus meinem Buche genau das Gegenteil des vom Neferenten 
Vehaupteten bevansgelefen baben, fer als Kurioſum erwähnt. 


Wien, Tftober 1900. Dr. Robert F. Arnold. 


In der Handiöchrift abguichleiten am 15. Juli, im Satz am 23. Tftober 190. 


® u. t. Seftudtruden: Karl Zremme in Wien 





696 Johannes Bolte, Des Trinkers fünf Gründe, 


Si bene perpendi, sunt causae quinque bibendi: 
Hospitis eventus, praesens sitis atque futura. 
Mos observandus sic repperiat sua iura, 

Et propter pulices multiplicabo vices. 


Dean Sieht, daß in diefer Faflung ein Vers ausgefallen ift, der 
zwei der fünf angekündigten Gründe enthielt; auch ijt "eventus’ im 
2. Verſe aus ‘adventus’ entftellt. Dagegen zeigt der 1. Vers die 
alte Form des leoninischen Herameters, die beiden folgenden durd) 
Binnen: und Endreim gebundenen Verſe gehören zu der im Mittel- 
alter als ‘collaterales’ oder ‘concatenati’ oder ‘ventrini et caudati’ 
befannten Gattung, die 4. Zeile it ein gereimter Pentameter. Daß 
die Verſe noch weiter hinaufreichen bis in die Zeit der feuchtfröh- 
lien ‘CGarmina Burana’, wird dadurch wahrfcheinlich, dag wir in 
dem bekannten Trinkliede diefer Sammlung!) ‘In taberna quando 
sumus’ auf einen ähnlichen, freilich weit reichhaltigeren Katalog 
ftoßen, der uns mit nicht weniger als fünfzehn Trinfurfachen ver- 


traut macht: 
Primo pro nummata vini. 
Ex hac bibunt libertini; 
Semel bibunt pro captivis, 
Post haec bibunt ter pro vivis. 
(Juater pro christianis cunctis, 
Quinquies pro fidelibus defunetis etc. 


Sicherlich werden bei weiterer Nachforſchung noch mandye andre 
Aufzeichnungen zu Tage kommen, die auf die Gefchichte des wißigen 
Gedankens Licht werfen. Ich führe nod) eine um 1770 in Bayern 
veranjtaltete Schwankſammlung „Alt und Neue Nüzliche Tiſchreden 
unnd begebenheiten von Fabulano Kurzweill” (Wiener Handſchrift 
14914) ©. 633 an, die aud) eine hölzerne Verdeutſchung bietet: 


Si bene commemini, quadruplex |[!] est causa bibenlli: 
Hospitis adventus, presens sitis atque futura 
Et vini bonitas et quaelibet altera causa. 


Tie Vrſach zu trünckhen feind billig und recht, 
Wans Tründhen nur guett iſt unds Eſſen nicht fchlecht: 
Die erfte, wan anlombt ein ehrlicher Saft, 

Die ander der Durft, den du villeidht haft, 
Die dritte die Guettheit und Siefle des Mein, 
Die vierte cin Urſach, fo felbften [? fonften) fallt ein. 


C. %. Weber (Temofritos. Auswahl 1870, ©. 345) variiert 
den Anfang: "Sunt, si quid video, causae tibi quinque bibendi’ 


) S. 235 el. Schmeller; auch bei Feifalit, Sigungsberichte der Wiener 
Alademie 36, 171 (1861) aus einer ‘Prager Handſchrift von etiva 1469. 


d fügt eine U in 
et ne na O 


cum 
* 


1819, 


Friedrid Nüdert (( 
almanach ee — Hr: = 


6, 146 = 
2, 192) a an re 


Karl Simrod (Dichtungen 
zu einem jangbaren Liede aus: 


1) Baı Bi 
— ae Bea 


der Velden Woefie 1: 
ſchiedenen Sammlungen vermag ich jede E 





0698 Johannes Bolte, Des Trinters fünf Gründe. 


Criskgründe. 


Motto: Sunt, si quid video etc. 
Täuſcht nicht alles, jo giebt zum Trinken nur fünferlei Gründe. 
Erftlich Freundesbeſuch, dann Durft, den man fpürt und befürchtet, 
Endlicd) die Güte des Weins und irgend anderlei Urjad). 


Zum Trinken giebt es Gründe : Denn Tajche reimt auf Flaſche: 
Nur fünf, joviel man weiß; Drum friſch nod) Einen Zug! 
Doc thuft du feine Sünde, 

Vermehrſt du fie mit Fleiß. Doch fein die Geldentblößten 
Darum nur unbejorgt: 

Der Durft zuerft: verdürften Der vierte Grund mag tröften, 
Iſt aller Welt ein Graus. Daß ung der Wirth noch borgt. 
Die Bauern wie die Fürſten, 

Sie bürften im Boraus. Dem Winzer Mlingt noch beijer 
Des letzten Grundes Troft: 
Der andre Grund zu trinten Wenn man die alter Fäſſer 
J alt- und neuer Wein. Muß leeren neuem Moſt. 
ir trinken, bis wir ſinken, 
Schenkt uns ein Freund nur ein. Ei ja, das wär ein Leben! 
Wir lägen vor dem Spund: 

Zum dritten, in der Taſche Roll uns der Herr nun geben 

Das Geld ift Grund genug, | Red bald den fünften Grund. 


Zum Schluffe mögen noch die beiden englijchen Übertragungen 

bier Plag finden, die in den "Notes and (Jueries’ 7. Series 8, 315 
und 1. Series 1?, 335 11855, erwähnt werden. Die erfte, welche 
von Henry PBurcell cr 1695) zu einem mehrftinmigen Liede benutzt 
wurde, lautet: 

If on thy theine I rightly think, 

There are five reasons why men drink: 

Good wine, a friend, because l'm dry, 

Or lest it should be by-and-by, 

Or any other reasons why. 


Die andre Ichliegt fid) genauer an den lateinischen Text an: 
Five causes for drinking: a guest's health the first; 
The next, that you feel or anticipate thirst: 


The fourth. if the wine appear pleasant to drink; 
And the fifth,. when the reason ufficient you think. 


Weiter ab jtehn andre Nechtfertiguugen des Trinfens, die eben: 
falls verfchiedene Gründe namhaft machen. Ich führe aus dielen nur 
ein Sinngedicht von Friedr. Daug Voſſiſcher Muſenalmanach 1793, 
145) an, das die Alterejtufen eines Jechers jchildert: 


frank. 


Der wohlbeleibte Paſtor Yrrant 

Trinkt niemals ohne rund. Er trat 

Im zehnten Jahr, mit ältern fid) zu meifen; 
Im zwanzigjten, Luiſen zu vergefjen, 


Adolf Hauffen, Zu den Quellen von Moſcheroſch. 699 


Jun dreifigften ans Amisverdruß, 
Im dierzigften fiir ſchwachen Magen, 
2 funfzigften aus Wohfbehagen: 
Run is um fehzigften ein Muf. 


Zu den Quellen der „Gefichte Dhilanders 
von Bittewald” von Moſcheroſch. 


Von Adolf Hauffen in Prag. 


In den Satiren von Moſcheroſch „Wunderlihe und warhafftige 
Gejichte Philauders von Sittewald“ bringt das 5. Geficht des anderen 
Teiles „Pflafter wider das Podagram” eine größere Einlage „Bes 
denden wider das Podagram“ (im der echten Ausgabe: Straßburg 
bei Städeln 1665 und 1666, S. 458—506). Diejes Consilium 
anlipodagrieum, das der Verfaffer in einer Abichrift von Expertus 
Robertus erhalten haben will, iſt aber nichts anderes als eine jehr 
freie und erweiterte Bearbeitung der Apologia seu Podagrae Laus 
von Wilibald Pirfheimer. Ich habe jhon vor Yahren in der 
Vierteljahrichrift für Litteraturgefchichte 6, 179—185 gezeigt, daß 
Pirtheimers Apologie im 16. und 17, Jahrhundert überaus häufig 
neu aufgelegt, ins Deutjche überſetzt, mittelbar oder unmittelbar 
ausgebeutet worden ift. Den vielen dort verzeichneten, von Pirfheimer 
beeinflußten Bodagraichriften muß mum aud) das 5. Gejicht Philanders 
hinzugefügt werden, Moſcheroſch hat auf jein Vorbild jelbft Hinz 
gewiejen, indem er in den einleitenden Worten zum fünften Geficht 
diejes „Pflafter wider das Podagram“ als „Diapirckeimerion’ 
bezeichnet. ©. 442 fir Noch ein ſtattliches Mecept wider das 
Podagram ift die fräfftige Lattiverge genant Diapirckeimerion fo 
man Pflafters weile aufflegen fan, die auch manchem Ehrlichen 
Mann wohl geholffen: von defjen wirdung wir jeso wunder hören 
werden, welche Ladwirge dergeftalt praeparirt, das wie trefflich gut 
vnd foftbahr fie immer ift, man doch vmb ein halben Gulden in 
Herren Städels (des Verlegers von Moſcheroſch Bibliothee oder 
Bücer-Apothef deren jo viel fauffen fan, daß man feine tag 
genug hat." 

Pirfheimers Apologie ift eine Rede, die das auf der Anklagebanf 
befindliche Podagra jelbft zu feiner Werteidigung vorbringt, das 
„Bedenden wider das Podagram" hingegen it eim tröftlicher Mat- 
ſchlag für einen podagriſchen Kranfen, wie er fich gegen diejes Leiden 





| 


— — 


700 Adolf Haufjen, Zu den Quellen von Moſcheroſch. 


„weiſlich verhalten” folle. Schon darum mußte Moſcheroſch viele 
Einzelheiten ſeiner Vorlage ſtreichen oder abändern. Er hat aber 
außerdem eine Menge von gereimten Einſchiebſeln, Citaten, Bei- 
ſpielen und Abſchweifungen aller Art eingefügt. Ausdrücklich ſei 
hiebei betont, daß er Fiſcharts Bearbeitung der Apologie nicht 
benutzt hat. Zwei Beiſpiele werden die Verſchiedenheit der beiden 
Bearbeitungen und die Unabhängigkeit Moſcheroſchs von Fiſchart 
klar darthun. 


Pirtheimer: Multos curru suh- Fiſchart (Hauffen 3, 82): Wie vil 
limes aut equis phaleratis vehi, sella . ſicht man auf hohen wägen daher faren, 
vegestari cernitis qui, nisi meo ute-geſchmuckten hengſten vnd caballen daber 
rentur beneficio, pedibus iter facere | reuten, janften fänften daher füren, gr 
cogerentur. Quibusdam eunctis aliis  füterten jeijeln daher tragen, welche ac, 
stantibus et inter Reges et magnas, | wann fie nicht meiner genißten, warlich 
sedere licet. Quin non desunt prin- | zu fuß poftiren müßten. Etliche meiner 
eipes ipsi, quid id iubeant et hor- verwandten haißt man auch zwiſchen 
tentur. Cum interim clientes pulvi- | Fürſten, Grauen und Herrn niderfiten, 
naria et scabella seduli afferant ac ! da man andere auf ihren fhönen geraden 
eos omnmi demereantur oflicio et | füſen wol lang ſtehn laßt und ſtorlenbam 
euneta, quae illis grata esse putant, | machen vnnd die füs vmb ainander ab 
subininistrent. Gum alioqui et eitra | wechſſeln, wie ain ſchmidt die Plasbäla. 
meum favorem, vix illos alloquio | Ja, ıch fand Fürſten, die ſolches orden 
dignos ducerent. lich zuthun befalen vnnd drob anhılten, 

allda gar Iuftig zuſehen war, wie fleiftg, 
ehrerbitig vd naigig die Edele hof 
ichranzen fchämel und küſſen berzu trugen, 
diielbige Inen vnter das geſäs ichoben 
vnd inen zu idem winken augendinitlich 
zu willen waren, welche fie doch on 
meine amveiende genft nicht durch aın 
zaun beiten angrichen vnnd aines wört 
ı Ins würdig grachtet. 


Moichrroich 2. 173 1.: „Wander fübret auff einer Nutichen, reitet auf einem 
ſchönen Roß oder auij dem Kiel oder wird auff einem Seſſel getragen, als der 
Americaniiche Ertzkönig Attabalıba, der wol ſonſt zufuß Wandern müßte, Das 
macht dag werthe Podagram. Bor Nömgen, Fürſten vnd Herren muß tedermann 
mit groſſer Ehrerbietung vnd Demuth mit entblößten Daupt ftehen vnd auffwarten 
vnd das iſt Der Welt Zitt und Schnldigkeit. Jit aber einer under der Geſellſchaft, 
dent das Kodagram wohl will, wır bald wird er gebeißen Teen, fih bededen, 1a 
Fürſten vnd Nerven ſelbs befeblen ſolches, heiſſen ſolches, bitten fte folches, ta 
laſſen ihnen durch ıbre Diener Stül vnd Seſſel, Küſſen und Kfülgen berben bringen 
vnd zuichen, daß der Podagrammiſche ja nicht vnianfft vnd übel fißen oder ligen 
moge. Ja ſie reden mit ſolchen Leuten, denen fie ſonſt offt die Ehr nicht antbäten, 
daß ſie Ste amichen ſolten.“ Taraui folgt cin Vergleich zwiſchen den Granden 
Soaniens und den Podagriſchen., 


Oder folgende Stelle: 


Pirtheimer: Ita ut et Impera- ı Fiſchart Z. 86 f. hat biefülr einen 
torum, Kegeum, gentiuim ac eunetorum , ſehr umfänglichen Abfchnutt, den ich nicht 
hominum, sive paeis sive belli ne- ganz berieuen kann: „Alfo auch bei vniern 


Adolf Hauffen, Zu den Quellen von Moſcheroſch 


gotia praeclare ibi expediantur, nee 
quempiam latere possit, quid apud 

hraces, quid apud Seres, quid etiam 
apud ultimos geratur Indos. Haec 
omnia mea proveniunt opera et se- 
dulitate, etiam si interim homines 
ignorent, quid in propria agatur do- 


701 


icften, wann man fang von 
wichtigen ſachen und anſchlägen veben 
dd gegenreben gehalten, von egiments- 
befteliungen jre bedenden auf den — 
gelegt, der Kaiſer, König, Furſten, Stätt, 
Tomunen vnd aller Herrn Friedens⸗ 
und trigsgeſchafft eraminiert vnd durch⸗ 


gelaſen .... (langer Zufab) ... Des- 
gleichen aud) erfündigt, was zu Tonftane 
tinopel, inn Egipten, bei dem Preto 

Johann, inn Fappenland, am Mofconitie 
un hoff, bei den Meunſchenfreſſern, 
den Eanit al mit den Spannenhohen 
Krändaierfiiimern, den Pigmeerzwergen 
vnnd inn Kalikut newlich jangen 
Ic mach das fie alfo Torgietig fremde 
ferrgejchehene ſachen exjpehen, wiwol es 
oft. u wie das Fid laut: 

geh em fremde gefchichten aus 

1d wiffen doch oft mitt, 

Bas gidicht inn jrem aigıten haus, 

Was da fei prauch und ſitt.“ 

Moſcheroſch S. 477 f.: „Da werden alle die Händel der Keyſer vnd 
Könige durchgangen vnd geurtheilt, wer recht ober vnrecht vnder ihnen gethan 
habe, es fee zu Kriegs oder Friedenszeiten, Da weiß inan, was in 
Jappon, in Calecuth, in Brassilia, in Mexico, in Florida, in Vi 
Persia, in Türdeh, in aller Welt geſchiehet; ob man ſchon offt nicht weiß, was im 
dem Hauf, in dem Keller oder in bem Stall mag vorgehen: dam vınb fo geringe 
ding befümmert ſich das Podagram gar nicht.“ 

Den folgenden Sag Pirkheimers: Nullus igitur vates solis 
aut lunae deliquium verius, quam mei diseernere, nullus 
tempestates, nives, grandines aut imbres cerlius praedicere 
potest, ita ut prius quam aeris mulalio ali[B3’]qua aceidat, 
illi antea, toto etiam triduo, ita eventurum certissime prae- 
sagiant, den Fiſchart fehr launig wiedergegeben hat (vgl. meine 
Ausgabe 3, 93, 8. 8—17), benugt Moſcher oſch zu einen großen 
Erkurs (S. 481/7), zu einem heftigen Ausfall gegen die betrüge 
riſchen Praftifenfchreiber und Salendermacher der Beit, Er weiſt 
auf ihre Lügen und Kniffe hin, er ruft wie Tabernämontanus die 
Obrigfeit gegen fie an, ex verfpottet ähnlich wie Luther (vgl. Eupho- 
39) ihre allgemein gehaltenen Weisjagungen „Wann ein 
Schreiber jeget, unb Drey-König tag werden die Muficanten 
jeyn. Vmb Fajtnacht viel Lent Närrifc werden. Bmb Pfingſten 
viel werden ins Grüne fpagieren gehen. Im Sommer, Es werde 
groſſe Hite ſeyn. Im Winter, Mandem Mann werde die Zeit 
ichwer jallen. Wer ifts, der ihm deßwegen einer Bnwarheit ftraffen 
fünte?“ Darum jeien „heutigs tags nicht zween rechtichaffene Poeten 
mehr zufinden“, weil die Seelen der Dichter „nad Pithagorifcher 


muticula. 















702 Ernft Eonfentius, Ein Gedicht von Pyra. 


weyſe“ in die Leiber der Kalendermadjer übergegangen ſeien. Dieje 
verftünden nun das Lügen und Erdichten. 

In anderen Zeilen de3 5. Gejichtes citiert Moſcheroſch noch 
Lukians Tragopodagra, des Georg Barthold Pontanus Triumphus 
Podagrae (©. 452) und die Podagra-Enfomien de8 Amphitheatrum 
Dornavi (©. 456). 

Das 5. Gefiht wurde ſehr beliebt, denn es erjchien aud) in 
Sonderausgaben. Auf den Drud von 1739 hat ſchon Bobertag 
(Sefichte von Moſchetoſch, Deutiche National-Yitteratur 32, ©. XV) 
furz hingewieſen. Ein Eremplar, auf das mid) Herr Dr. P. E. Etief 
freundlichft aufmerkſam macht, befindet ſich auch im Benediktiner- 
Stifte zu Braunau in Böhmen. Es führt den Titel: 


Der nüglihe Gebraud) des Adelihen Podagrams, ınit allen dabey befind- 
Iihen Tugenden defjelben. Nebft dem darwieder dienlichen und heylſamen Pflafter, 
Dem Nächſten aus befondrer Liebe treubergig entdedet und mitgetheilet von Einem 
Adepto, der fih Hank Michael Moſchroeſch (sie!) von Mitftädt, fonft Philander 
don Sittewald nennet. Auf Koſten dev Podagraiſchen Societaet 1739. 

Der Tert giebt auf 96 Cftav- Zeiten einen (abgefehen von un: 
bedeutenden Abweichungen, jo viel id) jehe) genauen Abdrud des 
5. Gefihtes. Nur die alten Nandbemerfungen und die Echlußzeilen 
„An den Leſer“ find in diefer Sonderausgabe weggefallen. 


Fin Gedicht von Ara. 


Mitgeteilt von Ernft Conjentins in Berlin. 


[Seite 1.) Troſtode 
ch dem Grabe 
Tit. deb. 
HERRN 
Sserrn Auguft 
Nöblers, 

E. E. Raths Gollepii würdigen Seniors. wie auch 
der beiden hieſigen Kirchen treugeweſenen und wmobl- 
verdienten Proviforis. 

An 
Die Hochanſehnliche Familie, 


[Seite 2] 


Seite 3.) 


Du weinft, md Pyra 


— 
ein Köhler! ja, 


einem viel zu feft 
— 


mb! bier I 
Sein Sure, Im Mi 
Um den man — 


Ahr Greiſe meiner Bateı 
0 
Wie Tec uno Ned! 





704 Ernft Confentius, Ein Gedicht von Pyra. 


Sie ftanden Ihm zur rechten Hand 
In dem Gemwolb und treuen Handel. 
Der Scegen frönte Seinen Stand, 
Die Ehre Seinen ganzen Mandel. 


Ihr Bater! Cotbus Raht und Bier! 

Ihr, die ihr Ihn bey reifen Jahren, 

Mit ehrfurchts werten filber Haaren, 

In eurem Chor verehrt. Komt zeuget Ihr auch hier. 
Hat diejes Catons firenger Sprud) 

Was anders als das Recht beſchuͤtzet? 

Trüdt Ihn der unterdrüdten Fluch? 

Hat Er die Bosheit je geſtuͤtzet? 


Seite 4.] Ericheine ſelbſt, Gottſeeligkeit! 
Erleuchte dieſes Todtenzimmer 
Durch deinen ſternen reinen Schimmer. 
Befiegie felbft das Lob von Seiner Froömmigkeit, 
Tu, die du ſelbſt in Seiner Bruſt 
Der Andacht Feuer angefachet, 
Und wieder Suͤnde, Hol und Luft, 
Bey Ihm, bewaffnet, felbft gewadhet. 


War nicht Zein gottgeweihtes haus 
Ein liedervoller Andachtstempel? 

War er nicht ſelber zum Exempel? 

Sing jemand, ungeruͤhrt, bey Ihm wohl ein und aus? 
Fandſt du Ihn nicht, wo COtt ſelbſt fit? 

Wies fih Zein Glaube nicht in Thaten? 

Hat Er dem Nadıften nicht genüͤtzt? 

Hat Er der Armut nicht gerathen? 


Freund! ſolch ein Pater ftarb Dir bin, 

Wer konnte Deine Tränen ſchelten? 

Tod lag Dir dis zum Trofte gelten: 

Er ftarb in GOtt mit Rubin, und lebt in aller Sum. 
GOtt! Schenkit du uns zur Buſſe Zeit, 

Aringft du uns zu den grauen Baaren, 

Zo gib und Slauben, Frömmigkeit, 

Yaß ung in dir zur Grube fahren. 





CGarmina - - qyvamıis feltina negare. 
Nec debui — Nee volui — 
Glaud. 


Guſtav Wanicts Monographie über Immanuel Pyra weiit 
auf verjchiedene jtiliftiiche Eigentiimlichkeiten dieſes Dichters bin 
(S. 151 ff.'; fie finden jich and) in der mitgeteilten Troftode, weldhe 
die königl. Bibliothef zu Berlin in einem Sammelbande: Kottbujer 
(Helegenheitsgedichte 1718— 1767 aufbewahrt. 

Die Bildung adjeftiviicher Kompoiita mit „voll“ joll für Pyra, 
ebenjo wie für Klopjtods Jugenddichtung bezeichnend fein, während 


Ernft Conſentius, Ein Gedicht von Pyra. 705 


fid) bei Lange vor 1744 fein einziges Beifpiel hierfür fände. Ich 
führe aus unſerem Gedichte an: „diejes ehren volle Haupt“, „ein 
liedervoller Andachtstempel”. — Häufig braude Pyra Wendungen, 
wie: voll Sehnjucht, voller Fener; ich führe an: „voller Trauren". — 
Pyra liebe die Verwendung des Simpler ftatt des Kompofitum. Der 
Dichter der Troftode jagt weigern jtatt verweigern und jparen jtatt 
auffparen; „ein mitleidig Ad) unmöglich weigern fan“, „nur Tugend- 
haften ſparet“. — Pyra eigen feien die mannigfaltigen teils ver 
gleihenden, teils verjtärfenden Komparationen, bejonders der häufige 
dabei zur Verwendung fommende Gebrauch der Steigerungspartifel. 
Ich führe an: „viel zu feft verbunden“, Worte, die man vielleicht 
aud) als eine alliterierende Verbindung, die der Feind des Reimes 
liebte, anjehen kann, — Schr häufig äußere ſich Pyras Emphafe 
als Geminatio oder Nepetitio. Den Reichtum derartiger Wieder- 
holungen in unſerem Gedicht brauche ich nicht erjt befonders hervor⸗ 
zuheben; ſchon der Anfang der Troftode giebt hierfür ein Beijpiel, 
wie es nicht bejjer zu wünjchen it. 

Das Versmaß Pyras jei meijt rein jambijch (Waniek nennt 
©. 60 nur eine Ausnahme: den Segen über Hilas); aud in der 
Troftode haben wir es mit rein jambijchen Verſen zu thun. 

Wenn Waniek bemerkt (S, 60, Anmerkung), daß Pyra „Fremd⸗ 
wörter und Eigennamen“ im Neime „überhaupt freier” gebrauche, 
jo ſcheint ung das nicht den Gefesen, denen der Reim Pyras folgt, 
zu entjprechen. 

Bei männlichem Neime ftrebt Pyra den Gleichtlang der leuten 
Silbe zweier Verſe, die nad) dem Versſchema den Ton tragen joll, 
an. Auch wo diefe Silben für unfer Ohr umbetont jind, gilt ihr 
Gleichklang dem Dichter als vollwertiger Nein; das zeigt die häufige 
Verwendung von Reimen diejer Art; jie find Feine Ausnahmen. — 
Bei weiblichen Neime jucht Pyra die Übereinftimmung im Klange 
der festen zwei Silben zweier Verſe, die nach dem BVersichema aus 
Hebung und folgender Senkung bejtehen ſollen, zu erreichen. Das 
Versſchema allein beftinmt den Wert der einzelnen Silben, 

Einzelne Beifpiele werden dieſe Neimeigentümlichkeit beſſer 
beleuchten: 

Die säi | nd Gött | höit sög | näte | 

Und Hö | nig, Milch | wid Wein | strömt von | dör Hü | g&l Höh. | 
(Sauers Neudrud der freuudſchaftlichen Lieder S. 71), 

Wör ä | bör ıst | die schö | n& Füh | r&ıra? | 

Ihr W& | söo, Bltek | ünd Gäug | vörräth | die Kö | nigın. |(a a. ©. ©. 82), 


Jötzt reis | söt wich | ein küh | när Ö | den Schwäng! | 
Vermäg | sö schnell | in fray | &r Un | ördnüng | (S. 142). 


106 Ernft Confentius, Ein Gedicht von Pyra. 
Hier pflegt | Er ıo | dör Eıa | sämköit, | 
Und die | sör wär | äuch Itzt | nIeht wäit. | (S. 33). 


Es thrö | nöt sölbst | die Fröm | migkäit | 
lo ün | vörstel | tör Hei | Igkäit ! (S. 121). 


kın . sämkeit | — Nie ! dörträch | tigkeit ! (Z. 127). 
E | wigkeit ' — Dänck : bärkäit ! (Z. 128). 


In gleicher Weije, die für Pyra Geſetz war, verwendet er Fremd— 
wörter und Eigennamen am Ausgange des Verjes; er reimt 3. B.: 


Eurt ! dice | -- Gä Jäthie (S. 22). 


kömmt ! üns näh ; — Ama Wit (S. 23). 
Se mélen -- SIeı lien ı (S. 71). 

Kaın — O  eän (©. 134. 

Posäu ! nen Thon — Bä bylon S. 136). 
Hım mel her  — A räbör S. 140). 

wei ' td Bähn , — U etan (S. 143). 

Stu ° dien " — theu ' ren Söhn " (Z. 146). 

De ; post "Non — Mu sen Sohn . ıZ. 1401. 
Pallä dium i -- Frey ' heit um 1. 149:. 


In unſerer Troſtode finden wir dieſe Neimeigentümlichkeit 
wieder. Wir haben ſo die Reime: Gottſeeligkeit — Froͤmmigkeit: 
Buße Zeit — Froͤmmigkeit; und der Reim, der nad) Pyras An— 
ſchauung giltig war: Jo nätan — wer gern fan . Für den Reim: 
Stoͤhnen — Thraͤnen findet ſich ein Analogon in den frenndſchaft— 
lichen Liedern S. 751: Sphären — Chören; auch Pyras Reim 
S. 761 ſelber — Gewölber mag man zum Vergleiche heranzichen; 
u. ſ. w. 

In der vierten Strophe, die auf des Verſtorbenen Lebensſtellung, 
die eines „angeſehenen Kauf: und Handelsmannes“ bezug nimmt, 
ſpricht der Dichter von der „grunen Jugend“: es ſcheint mir das 
feine von den „beſchwornen proſaiſchen Redensarten“ zu ſein, die 
man in den „Sümpfen der Dochzeit: und Yeichenreime” findet." Unſer 
Gedicht unterſcheidet Tich überhaupt in vorteilhafter Weile von den 
übrigen Nlagreimen, die zu Ehren des Herrn Auguſt Köhler in Cottbus 
gedrucdt wurden. Und wenn die „bange Muſe“ fi) zu den Trauernden 
gelellt, To fönnte das mehr als cine poctiiche Nedensart jein. Der Dichter 
fünnte damit im eigentlichen Sinne jagen, daß er als ein Diener 


hNgl. Erweis, daß die H*ttich*dianiiche Sekte sc. S. 42: dgl. auch Freund⸗ 
Ihaftlihe Yırder S. 30 „grünend Haupt“; S. 166 „die Jugend grünte.“ 





Ernſt Confentius, Ein Gedicht von pyra. 707 


der Muſe dem Verſchiedenen den Cypreſſeunzweig um das Haupt 
windet. In Cottbus, der „VBaterftadt” diejes Dichters, wird man 
nicht allzuviele Träger des Namens Pyra zu ſuchen haben, die mit 
berechtigtem Stolz ihre Verje eine Gabe der Muje nennen könnten.t) 
Es jcheint mir deshalb erlaubt, Immanuel Jacob Pyra als den 
Verfaſſer dieſer Trojtode, die fih durd) ihr Pathos auszeichnet, an- 
zujehen. Stitiftiiche und metriſche Eigentümfichfeiten ſprechen für ihm. 

Auguft Köhler ftarb am 2. November 1741; Pyras Troftode 
ift datiert: Cotbus den 5. Movember 1741. Wir werden annehmen 
möüffen, daß Pyra zu jener Zeit ſelbſt in feiner Vaterſtadt geweſen, 
und nicht bei Lange in Laublingen. 

Pyras Schlufeitat, das vom Druder unſinnig interpungiert 
iſt, ftammt aus einem Epithalamium des Claudianus;*) aus der 
beabjichtigten Variante, die es aufweilt, fönnte man ſchließen, daß 
Pyra der Familie des BVerftorbenen zu Danf verpflichtet war. Sein 
Verfprechen, das in den Worten des römijchen Dichters Liegt, fteht 
im Widerfpruch zu feiner zielbewußten Theorie. Seuffert hat auf 
diejen Gegenfag, der durd die Gedichte Pyras hindurchgeht, und 
für den aud unfere Troftode eim neuer Beweis ift, hingewiejen.?) 

) Wie id) gütigen Mitteilungen des H. Archidialonus Biertorn (Cottbus) 
entnehme, befanden ſich um 1712 und in den folgenden Jahren zwei Träger des 
Namens Pyra in Cottbus: 

1. Jatob Chriftian Pyra, Blrgermeifter in Cottbus; aus feiner 1712 mit 
des Superintendenten Priftaff Tochter geichlofienen Ehe ſcheinen feine Kinder 
hervorgegangen zu fein. 

2. Emanuel Pyra, Amtsadvolat in Cottbus; aus feiner 1713 mit Eva Darin 
Nöting geichlofenen Ehe fanımen drei Söhne; 

a) Emanuel Jakob, geboren 25. Juli 1718. 

b) Ehriftian Emanuel, geboren 1. Dezember 1716. 

©) Emanuel Richard oder Reichard, geboren 25. Mai ITIB. 
geptentr, dat Waniel nicht nennt, lebte, wie ſich mus dem Totenregiſter ergicht, 
nur hitze Bei 

Am eptember 1719 flarb Emanuel. Reichard, jüngftes Söhnchen des 
!önigl. Kreußiſchen Amtsadvolaten umd defignierten perpetwierlichen Siadtrichters 
Emnanuei Pyra. — 

Der zweite Sobn ftand fpäter, wie befanmt if, mit dem Freiherru von 
Schona ch in freundichaftlicher Berbindung. 

’) udii Claudiani carmina reeog. Julius Koch (1898), S. 226. 

») Anzeiger für deutfches Altertum 10, 266 fı 


























708 Paul Peverfühn, Ein Brief Wielands an Lavater. 


Fin Brief Mielands an Lavater. 


Mitgeteilt von Paul Leverfühn m Eophia. 


(Finfs oben auf dem Xftapblatt fteht von anderer Hand gefchricben: to. 20.1 


Meimar den 29. Zulii 1776. 


Herzlichen Dant, lieber Yavater, für die beyden Kupfertafein ; mit denen ich 
jehr zufrieden bin für den eriten Abdrud Ihres Rildniſſes, das ich seiner im 
gemeinen Beſtimtheit, Schärfe und Reiuheit wegen für Yipfens Meiſterſtück halte — 
und aud) Tan, fir alle Ihre gegemvärtige und Fünftige Toleranz meiner von 
den ihrigen alle Augenblicke abgebenden Begriffe und Vieynungen Das dies lettere 
jo ift, und warum 08 jo ift, ſeh ıch jehr deutlich, und eben weil ich das Warum 
jehe, finde ih das So ſehr natürlich. Zanken wollen wir uns, ob Gott will, nie; 
aber je und allezeit bleibe jedem ſein Recht, unverboblen zu fagen, was er für wahr 
und recht hält — ein Recht deſſen ich mich in Murzem bedienen werde, nachdem 
id eine von emem Anonymo mir'ı aus Winterthur zugefchidte ſehr ſonderbare 
Solution einer im Anfang dies Jahres? im Merkur vorgelegte Frage publictert 
baben werde. Wenn es die Entbufiaiten einmal jo weit gebracht bätten, daß über 
die Lucians gleich Haro gerufen würde jobald fie den Mund aufthun wollten, 
die Welt wiirde nicht gut daben fahren. Alfo, audiatur et altera par-! Die 
Mahrheit wird vermuthlich zwiichen beyden innefteben. 

Über Worte und Bbrafes wollen wir nie ſtreiten. Es ver- ı2) ftebt fich, dag 
wenn Zie Zich über Verzeyhen, und ich mich über Nichtverschben erllären, 
wir nicht fehr weit von einander fenn können. Gleichwohl ıft etwas mehr als bloße 
Discrepanz in Worten in der Verſchiedenheit umirer Wegriffe von diefer Sache 
Ich fehe nehmlich, und babe lang genug gelebt um es zu feben, daß ſich ben weitem 
sicht alles Röſe dag wir es ſey aus Boriat, leidenſchaftlicher Verblendung, lin- 
wijjenbett, incuria humana. oder p pp ; verurjacht haben, wieder vergüten läßt. 
Und audy in den Fällen wo eine Vergütung ftatt bat, hebt fie doch felten oder 
vielmehr niemals alle Folgen des Böſen auf. Ach rede bloß von dem was ın Der 
Zert geſchieht. Tem bis ma Unendliche reihen meine Blicke nicht. 

Hier, Befter, iſt em Prieflein von Lenz. Der tft nun gleich cin leibhaftiges 
Exempel, wie ſchwer es iſt, begangene dumme Streiche die oft fchlummere Folgen 
haben als boshafte wieder zu vergüten. Er gäbe izt Blut aus ſeinem Herzen her, 
um alle die feinen Rrochuren die eloges de feu Mr. W. die Apologien des 
Hr W. und wie fie weiter beißen, aus der Reyhe der eriftirenden Tinge heraus 
zukaufen. Aber fie ſind da, werden gelauft, gelejen, und ſchaden auf unzählige Art. 
Womit 1 fat fie Yenz vergüten? Was fan er tbun? Nichts! Exaclement rien: 
nichts, wodurd er nicht bel ärger machte: wodurch er nicht mir und fich jelbfl 
noch größern Fort ben der Welt tbäte. Er dauert mich oft herzlich: denn ıch babe 
ihn schen unſäglich deßwegen in feiner Seele leiden geſehen; und Göthe noch mehr 
als ich Alles was ich münſchte, wäre, daß andere junge Herren von Genie, vel 
quası ein Exempel daran möchten nebmen können. 

Gothe iſt ſeit 11 Tagen, mit dein Herzog zu Ilmenan, und könumt erit an®- 
gangs dieier Woche wieder. Er lebt nur ganz für den D.;erzog] und feine Geſchäfte. 
In feinen Erboblungsitunden zeichnet er. Er bat mein Profil vor einig Wochen 


3. Danach: zu von Wieland durchgeſtrichen). 
=ı Danach: von mir «don Wieland durchgeitrichen:. 


Paul Levertühn, Ein Brief Wielands an Lavater. 709 


mit einer Liebe und Wahrheit gezeichnet, womit er allein e8 zeichnen konnte. Es 
ſoll mir fehr gleichen, und ift aljo das erfte in feiner Art. Denn noch kein Mahler 
hat mid) attrappiren fünnen. Weil aber dies nur mein Dereltngageficht ift, jo hat 
er fi) in den Kopf gefet, auch mein Sonntagsgeficht zu zeichnen. Unfer Verhältnis 
gegen einander macht mich fehr glüdi. Es ift fo rein und ſchön, als in dieſer 
ſublunariſch Welt je eins zwijchen zween ganz natürlichen Menfchen!) gemejen feyn 
mag. Hr. Kayſer hat mir diefer Zage ein (4) freundlich Brief gejchrieben, auf 
den ich ihm in einem fehr falten Augenblid geantwortet habe. Ich habe einen Pit 
auf alle Mufiker, die mir nichts von Schweizers Alcefte jagen. Gluck ift ein jehr 
großes, herrliches Genie — aber Schweizer iſts nicht minder, und feine Compofition 
der Alcefte verdient dem größten was jemald gemacht worden, wenigftens?) an die 
Seite gefeßt zu werden. Wenn Hr. K.[ayfer) dies nicht fühlt, fo ift mirs leid; fo 
muß er die Alcefte nicht gehört haben. Denn freylich reiht der gedrudte Auszug 
nicht zu, Schweizern völlige Gerechtigkeit zu verfchaffen. — Und doc, für einen 
Mann von reinem tiefem Gefühl ſollt' er zureichen. Ich erwähne diefe Sache, 
weil mir für Hr. 8. bang ift, daß ihn fein Enthufiasmus fir Gluck und für 
das Große und Erhabene?) dieſes Meiſters p einſeitig und ausſchließend mache. 
Indeſſen komme ich auch hier, wie allemal, auf meinen ewigen refrain zurück: 
Jedermann fühle, denke, lebe und mache wie und was er kann, und laſſe andere 
Leute ungehudelt! 

Herder wird nun in Kurzem hier eintreffen, ſagt man. Göthe und ich ſind 
darauf gefaßt. Wer mit mir nicht exiſtieren kann, lann's mit niemand — es 
müßte denn einer als Sultan unter Selaven eriftiren wollen. Dies werben 
wir aber bier in Weimar niemand zugeftehen. Göthen habe ich auf Ihre Rechnung 
30 44) für acht Kupf. Platten zum Merkur bezahlt. Ade, lieber Seher! Lieben 
Sie mid), ungeadhtet meines kurzen Gefihts und meines Kleben an der (Erde, 
wovon ich genommen bin, jo lange Sie können. W. 


Der Brief iſt nach der Meinung Profeſſor Dr. B. Seufferts in 
Graz (Brief von 2. April 1898) bisher nicht gedruckt. 

Boran geht der Brief Wielands vom 22. Juni 1776, der das 
„Verzeihen“ diejes Briefes erklärt. Er findet fid) in den ausgewählten 
Briefen von Wieland 3. 255 ff. mit dem Datum 22. Juni ab» 
gedrudt, während Ulrich Hegner in feinen „Beiträgen zur näheren 
Kenntnig und wahren Darftellung Johann Kafpar Lavaters. Aus 
Briefen jeiner Freunde an ihn, und nad) perſönlichem Umgange“ 
(Leipzig 1836 ©. 82—83) ihn vom 21. Juni datiert. Eine etwas 
heftige Stelle des Briefes lautet: „Welcher Menjch kann ſich ver- 
drießen lafjen, daß Lavater ein Menſch ift? Und doc, wenn Gie 
ohne darum weniger zu empfinden und wahr zu jeyn, das ift, zu. 
jagen was Sie empfinden, fid) die ewigen Superlativo8 abgemöhnen 
fünnten! Ich habe einen unfäglichen Bit darauf. — Erfahrung hat 
mich auf den Pofitivum zurüdgefeßt.” — 

Die zwiſchen beiden Wielandfchen Briefen liegende Antwort 
Lavaters ijt mir nicht befannt. Die Antwort Zavater8 auf unjeren 





', danach: j (von Wieland durchgeftrichen). 
2) wenigftens (über der Zeile). 

3) danach: zu (von Wieland durchgeftrichen). 
4) Tulaten. 


10 Kauf Yeverfühn, Ein Brief Wielands an Yavater. 


Wieland Brief iſt datiert vom 9. Auguft 1776 und findet ſich gedrudt 
in der Dresdener Abendzeitung von 14. Oftober 1825. („Vier Briefe 
von Yavater an Wieland und Baggeſen.“, Es Heißt darin: „Nun — 
ich ſehe Ihren Brief vor mir liegen. Ein Paar Worte drauf — 
Antwort. Sei meiner Toleranz jicher. Gewiss ift fein toleranterer 
Menſch als ich gegen die. die ihrer Überzeugung folgen. .... 
Bon der Solution, von Winterthur her, weiß id) nichts. Machen 
Sie, was Ihr innerer Mensch Sie machen heißt, und um weiteres 
bekümmern Sie fih nicht. Sie haben den vermuthlichen Veriaſſer 
alles deß was von Winterthur herkommen mag, wahricheinlid) itzo 
bei ſich. Ein edler großer Menſch — aber mit Thränen kaum zu 
heilen von jeiner enthuiiaftiichen Etourderie.“ 

Demnach hält Yavater für den Verfailer der Zolution Ehriltoph 
Kaufmann aus Winterthur. Dieſer hatte Anfang Vai 17761: an 
Wieland ein Manujfript über Zchwärmerei und Toleranz für den 
Tentjchen Merkur eingejendet, das aber Wieland aus prinzipiellen 
Gründen abgelehnt und ihm durch Yavater zurückgeſandt hatte. Wenn 
auch Wieland ſpäter dem Abenteurer Kaufmann die Spalten des 
Merkurs öffnete ‘für eine eitle Notiz über feine Reiſe nach Deſſau. 
17765 November S. 188, jo Icheint doch der Daß Kaufmanns auf 
Wieland auf jene erite Zurückweiſung zurüdzuführen au fein. -- 
Kaufmann hielt fich dreimal in Weimar auf: vom 21. September 
bis 9. Oktober 1776, auf der Rückreiſe von Deſſau vom 1. bia 
4. November und 24.—27. Dezember: am 23. September bejuchte 
Kaufmann Wieland zum eriten Mal in feinem Garten, wo er eine 
halbe Stunde blieb. Yavater, der ſchon am 9. Anguſt dicien Beſuch 
vermutete, fonite ſo genau die Meijceinteilung Kaufmanns nicht 
wiſſen. Während jeines Weimarer Aufenthalts ja) Kaufmann Wieland 
mehrfach, hatte aber trogdem fein Recht zu Tchreiben: „Goethe, 
Herder, Wieland, den ſchwachen, aber guten Bruder, habe ich 
wodhenfang zu himmliſch allgemeinen Gedeihen genoſſen.“* 

Als er zum zweiten Male von Weimar abreiſte, gab ihm 
Wieland elf Stücke des Merkur für Lavater mit, dem fie fehlten,“ 
urteilte aber über ihn ſchon damals richtiger, als die meiſten 


Krief Wielands an Lavater von 28. Mai 1776, Schnorrs Archw ſür 
vitteratargeichichte 4, 51% 

TDüntzer, Enpropb Kauimann., Lewzig 1862. 2.71.92 95, Brtefe Müllers 
an Kawmer, Grenzhoten 2, IV, 3602, und SZulzers an Zinimermanu 115. Avril 177% : 
.Fur Wieland iqgt N. die grüßte Verachtunge“ Troudem ichlug er 1782 als Arzt 
und Nitglied der Bruder Genneiunde m Kanal, den Wahn zur Anichaiung fur 
die Bibliothe wer Timer, S. 181 

: Marge, Küungere in der Zum md Trangperiode. S. 178 1. Trieci 
Ranmanns au Ainller vom 28 Zertember 1776. 
;, Zimons Archtvul, 370. 


Paul Yeverfühn, Ein Brief Wielands an Lavater. 711 


großen Geifter, welche jener zu dupieren verftand. (Hegner, Bei⸗ 
träge zur nähern Kenntniß und wahren Darftellung 3. . Zavater’s. 
Keipzig 1836, ©. 90. Dünker a. a. O., ©. 85. riefe an Merck 
und Lavater). Lavater erkannte die wahre Natur Kaufmanns erft 
1779 (Dünger a. a. O., ©. 140) und wollte jeither nichts mehr 
von ihm wiſſen, trotz mehrfacher Annäberungsverjuche jenes (fo 1786, 
Dünger S. 205, und 1791, ©. 240). 

m Hinblid auf dieſe orientierenden Daten und nach dem Stil 
der Solution iſt es immerhin möglich, ‚daß der damals 23jährige 
Kaufmann der Autor der Solution ift, in welcher er vielleicht einige 
der „Gedanken über Toleranz und Schwärmerey“ zu placieren 
vermochte, die feiner Zeit Wieland am felben Orte zurückgewieſen. 
Dagegen fpridht, daß Kaufmann, der überhaupt nicht viel für ben 
Drud gejchrieben hat,!) jedenfalls in irgend einer Form fpäter den 
Schleier der Anonymität gelüftet hätte, aud) das Datum — falle 
nicht fictiv — „St. 10: uni 1776“ ftimmt nit zu den Orten, 
an denen zu jener aufmann reifte (Karlöruhe, Mannheim, 
Darmitadt, Gotha). —* entgegnete in den beiden Repliken in 
ſehr deutlicher Weiſe (Merkur 1776, 3. Vierteljahr S. 132—186, 
und 3. ©. 218—220) und betont ausdrücklich, den Autor nicht 
zu fennen. Die Worte „von einem Anonymus mir aus Winterthur 
zugeſchickte“ find im Wielandichen Briefe nachträglich über der Zeile 
eingejchoben. 

Dagegen hielt der Paſtor zu Tarwaſt, Friedrich) David Lenz, 
der ältere Bruder des Dichters, diefen leßteren für den Autor der 
„Solution“, wie aus einem von ihm im Mai 1777 an jeinen 
Vater gerichteten, in der Rigaſchen Stabtbibliothel aufbewahrten 
Briefe hervorgeht. Darin heißt es: „Haben Sie aber ſchon das 
8. und 9. Stüd des ‚deutichen Merkur’ vom vorigen SYahr ge 
legen. In demſelben ift unter anderm eines Ungenannten Beant- 
wortung der Trage des Herrn Wielands, ob Schwärmerei, oder 
Lucianifhe Spötterei mehr Schaden thäten zc. In meinem Leben 
habe nichts jtärkeres wider unfere Neologen Herrn Teller, 
Semmler ꝛc. gelefen. Der Stil ift ganz Jakobs Stil in der 
neuen Arria. Ad möchte doch er Verfaſſer davon fein, wie lieb 
wollte ih ihn dafür haben. Da finden Sie ein volles Tochendes 
Herz für Jeſum und feine Lehre, da mehr als einen fanften 
Grafen von Stollberg. Wenn Sie's noch nicht haben, oder ge- 
(ejen haben, jo will ich Ihnen mit nächfter Poft die beiden Stüde 
ſenden. "2) 

N) 891. Dunher, a. a. O. S 

2) 5. Waldmann, Lenz in Briefen. Züri 1894. ©. 69. 


Suphorion. VII. 46 


112 Baul Peverfühn, Ein Brief Wielands an Yapater. 


Die „Frage“ Steht Teutſcher Merkur erftes Vierteljahr Januar 
1776, ©. 82 und lautet: „Wird durd) die Bemühungen Taltblütiger 
PHilofophen und Lucianifcher Geilter gegen das was fie Enthufiagmus 
und Schwärmerey nennen, mehr Böſes als Gutes geftiftet? Und, in 
welchen Schranken müßten ji die Anti-Platonifer und Luciane 
halten, um nüglid zu ſeyn?“ 

Die „Solution” fteht ebenda, drittes Vierteljahr, Auguft Nr. 8, 
Artifel I, S. 111—131 unter dem Titel: „Eines Ungenannten Ant: 
wort auf die Frage“ ꝛc. und deren Fortſetzung 3. September, 
Artifel II, ©. 207—218. 

Tas Wort Haro (normanniid) angeblidh, den Namen eines 
Normanniichen Fürften enthaltend und ins Franzöfifche übernommen) 
war ſchon damals in der jchönen Yitteratur eingebürgert; es heit jo 
viel als „halt und zum Wichter“ (erier haro sur quelgu’un. 
elameur de haro (3etergejchrei), tout le mond cria haro sur lui). 

In der Lavaterſchen Antwort ı9. Auguft 1776) heit e8 weiter: 
„xucian, den Sie mir durd) Kayjer einpfehlen, will ich gewiß leſen. 
Ich bin gewiß, daß id Nuten daraus jchöpfen werde.” Uber den 
Muſiker Phil. Chph. Kayjer und jeine Yiebe für Gluck ſiehe C. A. P. 
Burkhardt, Goethe und der Komponiſt Ph. Chr. Kayſer. Leipzig 187%. 

Lavaters Antwort fährt fort: „Noch ein Wort vom Verzeihen. 
Schr wenig fanıı von uns vergiitet werden. Das ift wahr, wenn 
gerade der Schaden, den unſere Thorheiten \chufen, gehoben werden 
foll (u. j. mw... Lenz... Ich bedaure den Vernunftlosen Edeln! 
(nt. ſ. w.).“ 

Das Brieflein des jetzt ſehr geſchätzten, unglücklichen Dichters 
Lenz an Lavater iſt vielleicht das undatierte, das Hegner (a. a. C. 
©. 234— 236 1, excerpiert hat. Sein Eloge de feu Monsieur XXnd 
Wieland) erichien 1775. Segen Wieland find ferner gerichtet jein 
Pandaemonium germanieum 11775, herausgegeben von G. F. 
Tumpf, Nürnberg 1819: und feine Wolfen. Yebtere lief er ver: 
nichten umd edierte dann „Vertheidigung des Herrn W. gegen die 
Wolfen”. 11776.: ıNgl. Goedeke, Grundrig? 4, 312 und F. Wald» 
mann, S. 29. 30.) 

Goethe war am 18. Juli nad) Ilmenau gegangen (Tagebücher 
vom 15. Juli ff. Weimarer Ausgabe 1, 16 ff.). Uber Wielands Bild 
von Goethe jiche Tagebuch Goethes vom 24. Juni 1776. Weizjäder, 
die Bildniſſe Wiclands, Stuttgart 1893, S. 9. Abgebildet dajelbit 
Ar. 5 und Könnecke Bilderatlas 1887, ©. 174 (2. Auflage ©. 242 
mit der irrtümlichen Angabe: 1762). Schriften der Goethegeielfichaft 
Band X Bl. 3 die beite Nachbildung. 

Goethes Stillichmeigen und Zurücgezogenheit wurde von Lavater 
richtig anfgeiaßt, wie er 3. B. an Zimmermann ſchrieb: „Goethe 


Mar Morris, Ein Fauftfhema. 713 


jchreibt überall feiner Seele; verfchließt fic allein; fett feine ganze 
Stärfe darin, in einem fleinen von ihm jelbft beichränkten Kreis . 
ganz und allein zu eriftiren. Aus diefem Gefihtspunft muß alles 
benrtheilt werden.“ (Heinrich Fund, zwölf Briefe von Lavater an 
Goethe. Beilage zur Allgemeinen Zeitung München Nr. 272, 
23. November 1899) und in der Antwort fchreibt er an Wieland: 
„Göthe — aus bloßer Diskretion mag ich ihn nicht plagen. Sehen 
Cie ihn aber, jo jagen Sie ihm: ‚LXavater dürftet nach einer Stunde 
an Göthes Bette’ (u. f. w.) Daß Göthe Sie getroffen hat, freut mid) 
gedoppelt. Ich werd’ es doch zu ſehen Friegen. Sie haben 6 ++ für 
die Tafeln zuviel bezahlt. Ich bin alfo noch Ihr Schuldner, oder 
ein G.[oethe] giebt zurück. Kayſer hat das von allen mir befannten 
Enthufiaften und Virtuoſen voraus, daß er ſehr wenig fpricht und 
äußert leije empfindet: zum Räsoniren feine Vernunft; aber Weis- 
heit zum Handeln.” Wielands Brief an Kayjer vom 26. Juli 1776 
jiehe Goethe-Jahrbuch 8, 276. „Hier ift Alzeste noch nie aufgeführt 
worden. Stellen daraus: hat er [Rayfer] meifterlich gefpielt.“ 

Ant. Schweizer fchrieb die Muſik zu Wielands Singipiel 
Alceſte 1773. 

„Herdern bin ih Danf und Briefe ſchuldig“ u. f. w. (Aus 
Luavaters Antwort.) Herder traf am 1. Oktober 1776 in 
Weimar ein. 

Die Sturpfertafeln wurden für den Wielandichen Teutfchen Merkur 
durch Lavater von einem Kupferjtecher hergeftellt. 

Johann Heinrich Lips, berühmter Maler, Zeichner und Kupfer: 
ftecher (geb. 29. April 1758, geft. 5. Mai 1817). 

Ich jpreche Herren Profefjor Dr. B. Seuffert in Graz meinen 
verbindlichiten Danf aus für gütige litterarifhe Unterftügung bei 
diefer Arbeit und Frau Georgine Heberle, geb. von Ziegler, Urenkelin 
des Tefans Reith, in deren Beſitz ſich das Original des Briefes 
befindet, fiir deffen freundliche Uberlaffung. 


Fin Fauſtſchema. 


Mitgeteilt von Mar Morris in Charlottenburg. 


Im Autographenhandel (Nr. 106 des Lagerkatalogs 97 von 
Friedrich Cohen in Bonn) habe ich kürzlich ein Blatt erworben, 
das ein ungedructes Schema zur Helena enthält: 

46* 


714 Mar Morris, Ein Fauſtſchena. 


1 S. 11.* 
Einhaltung Zwergen, Altar pp 
horf. 
Spricht ein. 
5 Sodann Iſt leicht zu ſagen. 


Fortgefah. Bis Niederträchtiger Liſt erlag 
Sodann Wie aber wie. [bis] 
ewig Leeren Hades 
Yu fuppliren Gegenwart der Burg 
10 Helena Anrede an Puthoniſſa. 
Da ſie fehlt. 
Bewegung in der Galerie 
Yerabiehreiten 
as Ye geht mir auf 
16 Fauſt Helena. 
Phorkyas Nachricht vom Menclaus. 
Einführung ins Gyneceum 
Be Fauſt Einigkeit. 
bor ** 
20 Chor. Nicht zu verdenten 
Phorkyas Nachricht 
Schwanger. Niederkunft. 
Drey Einheiten 


Dieſes Schema hat Goethe auf ein Folioblatt hingemworfen, das 
vorher ſchon für eine erſte Neinfchrift der Tag- und Jahreshefte 
gedient hatte. Weimarer Ausgabe 35, 281: „Bei Herſtellung dieſer 
Handſchrift ſind vielfad) einzelne Blätter ausgefchieden und durch 
eine verbejjerte oder erweiterte Darjtellung erjegt worden.“ Zu diejen 
gehört das vorliegende Blatt; es enthält auf feiner Rück⸗ oder viel: 
mehr Xorderjeite von Johns Hand die erfte Faffung des Weimarer 
Ausgabe 36, 40, Zeile 16 --22 abgedrudten Paſſus. Durch Bleiſtift⸗ 
notizen am Rande und zwiſchen den Zeilen hat Riemer daraus die 
gegenwärtig gedrudte Faſſung hergeltellt und Kohn hat auch ſchon 
auf unjerem Blatte den Text danad) geändert. Die erfte Faſſung 
lautet: „Segen Ende des Jahres thaten jich beym Theater mandherley 
Deiphelligfeiten hervor, welche, ohne dag dadurch der Gang der Vor- 
ftellungen wäre unterbrochen worden, den Monat Dezember fehr 
unangenchn vorüber führten. Dean fam über geftrichenem: war) 
nad) mancherley Disenſſionen über cine neue Einrichtung überein 
in Hoffnung, dag and) dieje eine Zeitlang werde dauern können.“ 

Auf diefen nur ſtiliſtiſch von dem gegenwärtigen Tert ab- 
weichenden Pajjus folgt nun ein weiterer Abfag, zu dem Sohn 
mit Bleiftift am Rande angemerkt hat: „Später zu erwähnen” und 
der daher im Drud fehlt: „Die zu Erfurt verfammelten Monarchen 
* Eigenhändig mit Bleiſtift, das Übrige eigenhändig mit Tinte. 

** (Beftrichen. 


Mar Morris, Ein Fauftfcheme. . 2715 


fommen nad) Weintar. Julius Cäfar von Voltaire, wird von fran- 
zöfiichen Schaufpielern aufgeführt, ich werde bey diejer Gelegenheit 
aufgefordert einen Brutus im anderen Sinne zu jchreiben. Nad) 
einigen Vorſtudien findet man Bedenken weiter zu gehen." Für 
„Borjtudien“ ftand urfprünglic) „Vorarbeiten“; die Anderung ift von 
Niemer mit Bleiftift am Nande und danach von John mit Tinte 
am Rande vorgenommen. Das Wort aufgefordert hat Niemer mit 
Bleiftift unterjtriden und dazu am Rande notiert: „Napoleon zu 
nennen." Es heißt dafür jet am Schluffe des Jahres 1808: „Der 
im September erft in der Nähe verfammelte, dann bis zu ung heran: 
rückende Congreß zu Erfurt ift von fo großer Bedeutung, auch der 
Einfluß diejer Epoche auf meine Zuftände fo wichtig, daß eine bejondere 
Tarftellung diefer wenigen Tage wohl unternommen werden jollte.“ 

Daß Goethe von Napoleon am 6. Oktober auf dem Ballfefte 
in Weimar aufgefordert wurde, einen Brutus zu fchreiben, war 
bisher aus einem Berichte bei Lewes (Biedermann 2, 225) und aus 
Goethes Brief an Kirms vom 27. Juni 1810 befannt: „jo würde 
der, durch einen jchr hohen und bedeutenden Theaterkenner mir auf- 
getragene, Brutus wohl auch mit flott werden.“ 

Zu dem Fauftichena nur einige kurze Bemerkungen. 

Die Worte „Einſchaltung Zwergen Altar pp“ beziehen ſich auf 
die Verſe 8936— 8953, die in Hess fehlen. Aud in H, fehlen fie, 
dort findet ji) aber auf Fol. 11,, der urfprünglid) von 8935 zu 
955 tiberleitende Vers 

Erholt euch aber. Bon der Königin hängt es ab 
geitrihen und dazu die Bleiſtiftnotiz „NB. Einſchaltung“. Ein 
bejonderes „ad 11” bezeichnetes Folioblatt enthält dann die Verſe 
936 — 8953. Unfer Schema, das dieje nachträgliche Einichaltung in 
Ausſicht nimmt, fällt alfo zeitlich nach H,, und H,, dagegen vor 
IHl,., H,. und Ha, die den Einjcyub enthalten. 

Zeile 3— 4 entjpriht Vers 8947 — 8953, 3.5 = 8954, 3.6 = 
2087, 3.7 — 9088, 3.8 = 9121. 3.9 betrifft die Verſe 9L22— 9126, 
die in Hy, H, und H, als Halbverje gefaßt find. 3. 10 = 9135— 
140, 3.11 = 9141— 9147, 3.12 = 9148-9151, 8. 13—14 = 
4152-9181, 3.15 — 9182 ff, 3. 16 == 9419 ff. 

3. 17. Tas ift ein bisher ganz unbefanntes Motiv. Helena 
wird aljo während der Abwehr des anrüdenden Menelaus mit ihren 
Mägden ins Gynäceum eingeführt. Statt deifen heißt es im Para- 
(ipomenon 165 „Einladung auf den Thurn“, von wo jie den Thaten 
Fauſts zuschauen joll. Im ausgeführten Fauſtdrama wird beides über- 
flüffig, weil Fauſt nicht, wie unjer Schema und Paralipomenon 165 
voraustegen, felbjt zur Abwehr von Menelans auszieht, fondern nur 
die Feldherren abordnet. 


716 Oswald von Zingerle, Uhlands „Speerwurf“. 


3. 18 — 9356 ff. 3. 20 = 9385 ff. Der Einklang zwiſchen 
Fauſt und Helena und der Chor „Wer verdädt es”, die unier 
Schema nad) Fauſts Rückkehr jet, erfcheinen in der ausgeführten 
Fauftdichtung jchon vor Phorfyas’ Meldung von Menelaus' Anrüden. 
Uriprünglid) jollte Helenas volle Hingabe erft durch Fauſts ritterliche 
ZThaten errungen werden. Die beiden Fauſt-Helena⸗Scenen, die unter 
Schema 3. 15 und 3.18 anmdeutet, finden ſich gegenwärtig zu einer 
Ecene verihmolzen, in die Phorfyas’ Meldung mitten hinein fällt. 

3. 21—22 — 9574—0628, 

3. 23. Die drei Einheiten waren im itrengen Sinne nicht ein- 
zuhalten; aber die durch Nebelzüge vermittelten Berwandlungen 
dürfen in einer Phantasmagorie nicht gar jo ernft genommen werden, 
und auf die Geburt Euphoriong eine Meſſung des Zeitverlaufs zu 
begründen, wird niemand fich einfallen laffen. Wir jind ja jenſeits 
von Zeit und Kaum. Die Einheit der Handlung ift durd den 
Verzicht auf Faufts Fortgang gefördert worden, denn nun wird eine 
Spaltung des Intereſſes zwiichen dem fortzichenden Kauft und der 
zurückbleibenden Helena vermieden. Vgl. auch Goethe an WM. von 
Humboldt, 22. Iftober 1826: „Dies fann man alſo auch für cine 
Zeiteinheit nehmen, im höheren Sinne; die Einheit des Orts und 
der Handlung find aber aud) im gewöhnlichen Sinne aufs genuucite 
beobadhtet” und die Briefitelle an cinen Unbekannten bei Pniower 
(Goethes Fauſt S. 1541: „Tas Merfwürdigite bei diefem Stüd iſt, 
daß cs ohne den Trt zu verändern gerade drey Taujendiahre Ipielt, 
die Einheit der Dandlung und des Orts aufs genanfte beobadhtet, 
die dritte jedoch phantasmagoriicd ablaufen läßt.“ 

Unjer Fauſtſchema fällt nach dem 30. März 1825 Tagebuch: 
„sohn überzog die Wleijtiftforrefturen vom Jahre 1808. Es ift in 
der Weimarer Ausgabe zwijchen Paralipomenon 164 und 169 ein- 
zuordnten.!) 


Ahlands „Speerwurf”. 
Son Oswald von ZJingerle in Czernowitz. 





Tas mur 48 Verſe umfaſſende dramatiiche ‚gragment hat Neller 
im ſeinem befanmten Buche „Uhland als Dramatiker“ S. 72 fi. 
Speerwurf betitelt, weil die vorgeführte Handlung in dem helichten 
ritterlichen Spiele beiteht, doch ift dieie, wie fi) zeigen wird, im 


Turch Entziterung emiger ſchwieriger Wörter und Zuweiſung ber ver 
ſchiedenen Dandichriftin an ihre Urheber bat mich Zchiiddelopf freundlich unterſtüht. 


Oswald von Zingerle, Uhlands „Speerwurf*. 717 


Rahmen des Ganzen eine nebenfächliche Epifode, und wir haben 

es auch nicht mit einem Stoff aus der romantiichen Dichterwelt 

(Keller S. 7) oder mit einem rein erſonnenen Plan, wie Dünter 

(Uhlands Dramen ©. 15) meint, zu thum, jondern der Dichter hat 

den Stoff für das leider nicht weit gediehene Drama der deutſchen 

Betbenfage entnommen, was ſich troß dem geringen Umfange des 
ruchſtückes evident nachweijen läßt. 

Wir jehen zwei Brüderpaare in Streit, wer den Speer weiter 
geworfen habe. Edgar behauptet, der jeine ſei am meiteften geflogen 
und defjen Bruder Neginbald nimmt für ſich den zweiten Plak im 
Anfpruch, wogegen Emmerich feinen Bruder Friedrich) als Sieger 
erflärt umd nach diefem den bejten Wurf getham Haben till, 
Schwanhilde, Edgars und Neginbalds Schweiter, tritt ebenfalls für 
Friedrich ein und jhenft ihm als Preis einen goldenen Armring, 
ihren Brüdern aber macht fie Vorwürfe, daß fie der guten Bettern 
Lob zu ſchmalern traten; 


Dünkt euch, weil ihr des Königs Söhne feyd, 
Ihr fönnt dem Schaft befehlen und dem Stein, 
Wie weit fie fliegen müffen . - - 


Edgar und Reginbald entfernen ſich darauf, um nach des erſteren 
Evelfalten zu fehen, und ebenſo Schwanhilde, nachdem Friedrich für 
den reihen Schmud gedankt hatte. Den beiden zuridbleibenden 
Brüdern ftellt der inzwiſchen hinzugelommene Edart, der jie im 
Waffenhandwerk unterrichtet, ihr Eifern aus und warnt fie, mit den 
Königsjöhnen ihre Kraft zu mefjen. 


Euch ziemt Vorſicht und Beſcheidenheit, 
Dienftfertig Wejen, banfbares Bezeigen, 

Deun ihr jeyd Heimatlofe, fremdes Dach 
Beherbergt eud), euch fättigt fremdes Brot. 

Ihr habt mir oft gejagt, es dent euch noch 

Aus früher Kindheit jener großen Flamme, 
Der Flamme, die, der Yadıt Gewölte heilend, 
Aus eurer Stammburg Trunnnern qualmend flieg. 


Wir erfahren aljo, daß Edgar, Neginbald und Schwanhilde 
Kinder eines Königs find, daß am deffen Hofe die beiden Bettern 
Emmerich und Friedrich, deren Stammburg durd euer zerſtört 
worden war, als Heimatloje Aufnahme und an Edart einen wohl 
wollenden Lehrmeiſter und Berater gefunden haben, endlich, daß die 
beiden Königsjöhne den auf fremdes Dad, und Brot angewiejenen 
Verwandten nicht hold jind, wohl aber Schwanhilde, die beſonders 
Friedrich zugethan erſcheint. 


718 Oswald von Ziugerle, Uhlands „Speerwurf“. 


Schon die Namen befunden, dag Uhland die Harlungen-Erma- 
ttarichjage!) bearbeiten wollte. Emmerich und Friedrich find die beiden 
Darlungen, deren Namen im angelſächſiſchen Widfidh 113 Emerca und 
sridla, in den Tuedlinburger Annalen Embrica und Fritla (jiche dazu 
Zeitſchrift für deutjches Altertum 41, 27 f.) und im Biterolf 41367 

mbrede und ‚zritele lauten. Dem einen entſpricht nhd. Emmerich (ſiehe 
Förſtemann, Namenbud) 1, 80; Zeitſchrift für deutiches Altertum 11, 
202; Koegel Litteraturgejchichte I, 2, 214), den andern, eine Dimi— 
nutiv- und Kojeform (ſiehe Förſtemann 1, 423, Koegel a. u. T.), die 
auf hd. Friedel wies, hat Uhland aus naheliegendem Grunde durdh 
den Vollnamen Friedrich erſetzt. In der Sage erjcheinen die Harlungen 
als Neffen Ermanarichs (Quedlinburger Annalen patrucles, Genea- 
logia Viperli Söhne von Ermanarichs Bruder Herlibo, Dietrichs 
Flucht von dejjen Bruder Diether, Anhang zum Heldenbuch von deſſen 
Bruder Darling, Thidhrekssaga von dejjen Bruder Ali; Saro hin: 
gegen bezeichnet jie als sororii' und in unjerem Fragment ftehen die 
beiden Brüder, die als Vettern der Königsfinder bezeichnet jind, zum 
König im demielben Verwandtſchaftsverhältniſſe; außerdem tt bier 
wie dort (Anhang zum Deldenbudy) Edart ihr Xehrmeifter und treuer 
Hüter. 

Nicht jo vollkommene Ubereinſtimmung wit der Zagenüber- 
lieferung herrſcht hinfichtlid) der iibrigen Perjonen. 

Schwanhilde begegnet uns nirgends als Tod)ter, fondern überall 
als Gattin Ermanarichs und unter den Namen, die in den ver- 
jchiedenen Sagenfaſſungen dejjen Sohne resp. Söhnen beigelegt find, 
fehlt Edgar. Dazu jet bemerkt, dan die Mehrzahl der Berichte 
Ermanarih nur einen Zobn zuſchreibt, der im Widiidh, in den 
Tuedlinburger Annalen, in Dietrichs Flucht u. |. w. Friedrich, in 
den nordijchen Sagendenkmälern Nandver, bei Saro Broderus heißt: 
von zweien ohne Namenangabe) tt im Anhang zum Heldenbuch die 
Rede und in der Thidhrekssaga treten fogar drei auf: Friedrich, 
Zumion und Reginbald. 

Die Zweizahl in unſerem Drama beruht auf dem Anhang zum 
Heldenbuch, wenn ſchon Uhland ſicher auch ſonſt den beiden Harlungen 
ein Brüderpaar gegenübergeſtellt hätte. Den einen Namen entlehnte 
er, wie wir eben ſahen, der Thidhrekssapa, und da Friedrich als 
Name emes Harlungen anßer Betraäacht blieb, ſtand die Wahl zwiſchen 

Zube Sr, Teutiche Heldeniage passim: Raßmann, Teutiche Helden- 
jage 1, 262 1 530. 355 in. 2, 5Torz Jiriezek, Deutiche SHeldenfagen 1, 58 fi.: 
Kauls Grundrizßz- 3, 6827 Seel, Über dir oftgotiiche Heldenſage S. ı fi: 
N. Bene, Lie Tietrichage 2. 26 ij.: Koegel, Geſchichte der deutichen Yıtteratur 
I, 1, 116 ., 1, 2, 210 ni.: Zeitichriit fiir deutſches Altertum 30, 221 5. 43, 318 fi: 
Uhlands Schriften 1,86 f. 003 f 456 f. 


Oswald von Zingerle, Uhlands „Speerwurf“. 719 


Samſon, Randver und Broderus offen, doch ericheint feiner diefer 
Namen verwertet. Warum Uhland Samjon unpafjend fand, ijt 
unſchwer einzujchen; bezüglid) der beiden anderen wäre u. a. möglich, 
daß ihm die betreffenden Darjtellungen damals noch nicht befannt 
waren, dod) müſſen wir nad) dem Endergebniffe annehmen, daß jie 
ans demjelben Grunde unberüdjichtigt blieben wie Hemidus und 
Serila. Aber wie verfiel er gerade auf Edgar? Es wäre irrig, wollte 
man darin cine bloße Laune, eine Vorliebe des Dichters für diefen 
Namen erbliden. Aud) Edgar hat fein Vorbild in einer der Quellen 
und die Verbindung mit Neginbald hängt mit der oben erwähnten 
Umgejtaltung des Verwandtſchaftsverhältniſſes der Schwanhilde zu- 
jammen. Was zu diejer bewogen hat, fünnen wir vermuten. Nach 
der nordijchen Überlieferung und nad) Saxos Erzählung läßt Erma- 
narich feinen Sohn hängen und jeine Braut resp. Gemahlin Schwan- 
hilde von Roſſen zertreten, weil Biffi (Bicco), des Königs böjer 
Ratgeber, beide eines Liebesverhältnijjes bezichtigt hatte. Schwan⸗ 
hildes Brüder rächen dann den an der Schweiter begangenen Mord. 
Davon leſen wir aud) bei Jordanes, wo aber Sunilda eines andern 
Fürſten Gattin iſt und deſſen Zreulofigfeit gegenüber Ermanarich 
büßt (jiche Jiriczek a. a. O. ©. 58 ff.). In der Thidhrekssaga und 
im Anhang zum Heldenbuch (wie überhaupt in den deutichen Sagen: 
denfmälern) ijt hiervon gar nicht die Rede, dafür erjcheint jedod) die 
Geſchichte von den Harlungen am ausführlichſten behandelt und 
dieſe ſtehen unſtreitig auch in Uhlands Drama im Vordergrunde, 
weshalb von ihm jedesfalls die beiden Quellen zuvörderſt in Betracht 
gezogen wurden. Darin iſt nun eine andere, ſonſt unbekannte rauen 
geftalt, die Gattin des Katgebers, eingeführt. Die Thidhrekssaga 
erzählt, Ermanarid) habe der ſchönen Odila nachgeftellt und jie ein- 
mal in Abwejenheit ihres Mannes, den er mit einem Auftrage nad) 
Zarfajtein entjandt hatte, vergewaltigt, worauf Sifka auf Vergeltung 
ſanu. Seiner Rachſucht fallen zuerit Ermanarihg Söhne zum Opfer 
und dann die Darlungen, welche Odila bei der Königin verdächtigte, 
dan fie deren Schändung beabjichtigen. Der Anhang zum Heldenbuch 
motiviert Sibichs Untreue durch diejelbe That, doch ift der Name feiner 
Frau nicht angegeben und die Königin, die in der Thidhrekssaga 
im Vercine mit Odila Ermanarich gegen die Harlungen aufſtachelt, 
gar nicht erwähnt. Um aus ihr neben Odila eine dramatiſche Figur 
zu Ichaffen, hätte der Dichter jedenfallS noch jenes Liebesverhältnis 
zwischen Königsjohn und Stiefmutter verwerten müffen, inden er 
einen der Darlungen jubjtituierte. Hätte Uhland dies beabfichtigt, fo 
wiirde er aber Schwanhilde in der ihr von der Sage zugewiejenen 
Stellung belatjen haben. Er that es nicht und meines Bedünkens 
deshalb wicht, weil in der Harlungenjage Ermanarih8 Gemahlin 


120 Oswald von Zingerle, Uhlands „Zpeermurf“. 


feine Rolle jpielt und das Motiv zur Ermordung Ermanarichs Gier 
nad) dem Harlungenſchatze ijt, endlid) auch, weil es ihm widerftrebte, 
durch Verwicklung in eine anſtößige Liebichaft die Geſtalten der 
Harlungen in anderem, minder ginftigen Lichte, ald fie die Sage 
zeigt, erjcheinen zu laſſen. Schmanhilde wollte er jedoch nicht miſſen, 
er machte jie darum zur Tochter Ermanarichs und an die Stelle der 
ehebrecheriichen Liebe der Frau trat num die reine, zurte Liebe der 
„Jungfrau, deren Herz einer der mit ihr aufwachienden Vettern gewinnt. 
Es ijt wohl nicht zu bezweifeln, daß Uhland Schwanhildes Schickſal 
mit dem der Darlungen zu verfetten im Sinne hatte, dag lie mit 
ihnen den Untergang finden jollte. Wie er aber den Sagenitoff zu 
verarbeiten und augzugeftalten beabfichtigte, weldyen Abfchluß er dem 
Drama zu geben vorhatte, dieje Fragen bleiben ungelöft, wenn in 
des Dichters ſchriftlichem Nachlaffe nicht noch aufflärende Notizen 
entdeckt werden. Nach den deutichen Denkmälern rächt Cdart den 
Tod der Darlungen. Der Anhang zum Heldenbud) berichtet an einer 
Stelle (fiche Grimm Heldenſage Wr. 134, dv. d. Hagen, Helden» 
buch 1, XIV, Edart habe den Ermanarich erfchlagen und ſpäter 
in der ausführlichern Erzählung der Geſchichte, er jei mit Dietrich 
von Bern, dem er die Kunde von der Unthat überbracdht hatte, im 
Ermanarichs Yand gezogen und habe deilen Burg eingenomueen, 
der Kaiſer und Sibich jeien jedoch entfommen. Won der Tötung 
Ermanarichs durch Edart mit Dilfe anderer Helden meldet auch 
Agricola in den Sprichwörtern ſiehe Jiriczet a. a. O. S. 2 Für 
Schwanhildes Ermordung nehmen, wie ſchon erwähnt wurde, ihre 
Brüder Rache. Teren Zahl und Namen variieren in den Sagen- 
berichten. Saxo wein von vieren, die er einfach als genere Helle- 
spontiei bezeichnet: bei Jordanes heißen fie Sarıd und Ammiug, 
int der nordilchen Überlieferung Hamdir, Sörli und Erp, die Quedlin— 
burger Annalen bingegen berichten Erinanariens rex Gothorum 
a fratribus Hemido et Serila et Adacearo, quorum patrem 
interfeeerat, aunputalis manibus el pedibus uli diemus erat 
veeisus est. Hemidus und SZerila find mit Ammius-Damdir und 
Sarus. Sörli identisch, weshalb ſchon Grimm Altdeutiche Wälder 3, 263 
die Vermutung ansgeiprochen bat, e8 jei, wenn nicht eine unbelannte 
jagenbafte Abweichung im Mittel liege, sororem ftatt hatrem zu 
teien.!) Uhland muß derjelben Anficht geweien fein, denn fein Edgar 
tt der Adarcarııs der Tnedlinburger Annalen. Ta er für den zweiten 
Sohn Ermanarichs einen Namen benötigte, lag es mach der Um: 
wandlung Schwanhildes zur Nönigstochter am nächjten, einen ihrer 


: Neuere Forichee qlauben an Sagenumbildung iſiehe Heizel, Sftgottiche 
Heldenſage, S. 5; Jiriezel, Z. 141 und anderr:. 


Oswald von Zingerle, Uhlands „Speerwurf”. 721 


Brüder zu wählen und wegen der Fremdartigkeit von Hemidus- 
Hamdir, Serila-Sörli und Erp (ſiehe Zeitfchrift für deutjches Alter- 
tum 12, 305, Koegel, Litteraturgefchichte I, 2, 217, Jiriczek S. 107) 
entſchied er jich für Adaccar, womit niemand anderer als der an früherer 
Stelle erwähnte Ddoacar gemeint ift. In der Würzburger Chronik 
jteht auch Odoacro für Adaccaro, welche Namensform nad) Schröder 
(Zeitfchrift für deutjches Altertum 41, 27) aus der engliichen Quelle 
ſtammen foll. 

Es it aljo hiebei keineswegs an die Barianten Edgard, Eddgeir 
der Thidhrekssaga (Kapitel 275), in weldher der Name Egard-Edart 
auf einen Harlungen übertragen erſcheint, zu denken. Benugung 
diefer Quelle macht fich jedoch anderswo bemerkbar. Kapitel 283 wird 
nämlich erzählt, daß Fritila, der, am Hofe weilend, Zeuge der Unter» 
redung zwifchen Ermanarich und den beiden rauen geweſen war, 
den Harlungen jogleich die Nachricht von der drohenden Gefahr 
überbradhte, dieje ihre Burg zur Abwehr rüfteten und dann gegen 
Ermanarichs Angriffe mannhaft verteidigten, bis fie durch hinein- 
geichleudertes Feuer in Brand geftedt wurde, worauf die beiden 
jungen Helden den Kampf im offenen Felde aufnahmen, endlich aber 
iiberwältigt den angedrohten Zod erlitten. Bon der Zerftörung der 
Darlungenburg dur Feuer ift fonjt nirgends zu lefen. Im Anhang 
zum Heldenbud) giebt wohl Sibid) Ermanarich den Rat, der Harlungen 
Land zu befriegen und ihre Burgen zu erobern, aber dann heißt es 
fur; also schickt der künig nach den jungen Harlingen sines 
brüders kint vnnd liesz sy hencken. Das in Edarts Rede be: 
rührte Ereignis fann demnad) nur der Thidhrekssaga entnommen 
fein, doch hat es Uhland in die Kinderzeit der Harlungen verlegt, 
weil die geplante Anlage des Dramas neben anderen Modifikationen 
des Sagenitoffeg auch diefe verlangte. Eine Konfequenz ber Ver⸗ 
ſchiebung jenes Ereigniffes und der Verfegung der Harlungen an 
Ermanarichs Hof iſt, daß Edart dort als ihr Waffenmeifter auf: 
tritt. Wie und wann er in des Königs Umgebung gelangt ift, bleibt 
fraglich. Jedesfalls hat ihn Uhland nicht im Gegenfate zur Har⸗ 
lungenjage vorneherein zu deifen Gefolgsmann gemadt, was fchon 
die deutlich zum Ausdrude gebrachte Sorge um das Wohl der beiden 
‚sungen beweiſt, jondern er ließ ihm mit oder nad) feinen Schüß- 
(ingen dahin kommen, je nachdem er ihn beim Burgbrand an⸗ oder 
abwejend dachte. Ich nehme Lebteres an, fchon deshalb, weil der 
Anhang zum Heldenbuch diefen Umitand hervorhebt — nün was 
auff die selben zeite der getreu Eckart nit do heym — und 
weil im andern Falle Edart nicht die ihm im Drama zugewiejene Rolle 
hätte ipielen fünnen. Seinem Charakter gemäß mußte er, für Leben 
und (Hut der Harlungen einjtehend, in heldenhaftem Kampfe fallen 


722 Oswald bon Zingerle, Uhlands „Speerwurf“. 


oder überwunden werden und als Gefangener dem Gegner folgen. 
Tann fonnte er aber unmöglid am Hofe Ermanarichs den Harlungen 
gegenüber die Stellung eines Erziehers einnehmen. Anders verhielt 
cs ji, wenn er an der Aifaire unbeteiligt war. Vielleicht hat ſich 
Uhland den Hergang folgendermagen zurechtgelegt. Bald nad) dem 
Tode des Vaters der Darlungen, der in der Thidhrekssaga Ali heißt, 
überfällt und zerjtört Ermanarich in Abweſenheit EdartS deren Burg, 
vaubt den Darlungenichag und entführt die beiden Kinder Emmerich 
und Friedrich. Eckart, jobald er hievon Kenntnis erlangt hat, begiebt 
ji) num an den Küönigshof, den er ınad) der Thidhrekssaga' ſchon 
jrüher gelegentlid) beiucht hatte, und harrt als treuergebener Hüter 
bei den Darlungen aus, die er fpäter auch in der ‚Führung der 
Waffen unterweiſt. Zicher würden wir hierüber Aufichlug erhalten, 
wenn Kcarts Nede zu Ende geführt wäre. Nachdem dieler der Dar: 
lungen Pflicht, dienjtfertig und dankbar zu tein, damit begründet 
hat, daß fie heimatlos fremdes Brot ejjen, fährt er fort: „Ahr habt 
mir oft gejagt, es denf euch noch . . . .“ Mit der Erwähnung des 
Brandes bricht die Belehrung ab, dod) könuen wir über den weiteren 
Inhalt wicht in Zweifel fein. Eckart erzählte, anfnüpfend an jene 
jchaurige Begebenheit, deren Erinnerung ſich dem Kindergedächtnifie 
feſt eingeprägt batte, wie jie um ihre Heimat gefommen feien, er 
klärte fie über die ihnen bisher unbekaunt gebliebenen Verhältniſſe 
jowte iiber den Urheber md Zweck feiner That auf. Die Enthüllungen 
mußten einerieits von der Notivendigfeit vorſichtigen Benehmens 
iiberzeugen, anderjeits das Zimmern und Trachten darauf lenken, 
wieder in den Beſitz des geraubten Erbes zu gelangen. Die unver: 
kennbar bervortretende Inergie der Darlungen läßt indes erwarten, 
dan die empfohlene kluge zurückhaltung und Selbſtbeherrſchung nicht 
lange andauern, daß es vielmehr bald zum Ronflifte kommt. Die 
weitere Eutwicklung iſt nicht abzuſehen, insbejondere, welchen Anteil 
Ermanarichs Söhne daran nehmen und welches Schickſal ihnen be— 
ſchieden iſt. Ju der Thiihrekssaga hüßen ſie vor den Harlungen Die 
Schuld des Vaters, nach dem Anhanqg zum Heldenbuch bleiben fie 
auffiallenderweiſe von der Rachiucht Sibichs verſchont, nur gerät der 
eine m Dietrichs Geiangenſchaft. Vertritt Edgars Edelfalke den 
Habicht, welchen Randver vor ſeinem Tode des Gefieders beraubt) 
und dem Vater ſendet, damit er daran erkenne, welche Bedeutung 
der Verluſt des Sohnes jür ihn habe, dann wäre anzunchmen, daß 
and Ne dem Tode veriallen. 


Zu veransgegeben von Holder VIEL p. 280, 33 berichtet eiusdenmgne 
dam 7 des BVröoderris allatus accıpiter intunas eorpori plumas rostro de- 
ttahrre cepit. 


Oswald von Yingerle, Uhlauds „Speerwurf“. 723 


Da nun die Örundlagen nachgewiejen jind, rückt das bisher 
fajt ganz unbeachtete Stüd in die erfte Reihe von Uhlands drama: 
tiichen Arbeiten und es iſt lebhaft zu bedauern, daß der Dichter 
über den Anfang der Ausarbeitung nicht hinausgekommen ift. Die 
Harlungen — jo muß das Fragment in Zukunft betitelt werden — 
wären ohne Zweifel eine der intereffantejten Schöpfungen geworden. 

Wann Uhland den Stoff aufgegriffen und die Verſe nieder- 
gejchrieben hat, vermag id) nicht feitzuftellen. 2. Fränkel (Uhlands 
Werfe 2, 167) vermutet 1805, dod) geſchah es gewiß in viel ſpäterer 
Zeit. Als Hauptquellen ergaben fi) die Thidhrekssaga und der 
Anhang zum Heldenbuch; der Name Edgar erweilt Benugung der 
Quedlinburger Annalen, die auch die Namen der beiden Harlungen 
boten, und der Edelfalfe, falls er nicht Phantafiegebilbe ift, bekundet 
Kenntnis der Völfungafage, ev. der Snorra-Edda oder Saros. Um 
1805 war Uhland noch nicht in der Lage, fi) über die Sagen in 
der Weije zu unterrichten.!) Die Thidhrekssaga war zwar ſchon 1715 
durch Peringsköld veröffentlicht worden, aber ſelbſt wenn etwa in 
Tübingen ein Ereinplar zur Verfügung geftanden hätte, fo fehlten 
ihm damals die nötigen Spradfenntnijfe. Eine bequeme Benukung 
wurde erjt möglich, al3 dv. d. Hagen 1814 ff. den auf die nordiiche 
Nibelungenjage bezüglichen Projaterten deren Uberſetzung und die der 
Thidhrekssaga in den „Nordiichen Heldenromanen“ folgen ließ, und 
dieje nahm Uhland aud) alsbald zur Hand. Sein Zagebud) verzeichnet 
zum 1. März 1814 „Bon Schubart v. d. Hagen Heldenromane 
und Büſchings Erzählungen ꝛc. de8 Mittelalters mitgenommen” und 
zum 19. April „die Wilkinaſaga angefangen”. Mit ihrer Lektüre 
befajste er fich noch im Auguft und September desfelben Jahres und 
dann wieder im November 1817, um welche Zeit er außerdem für 
jeine dramatifche Bearbeitung der Nibelungen die Völſungaſaga 
durchnahm. In Saros Gesta Danorum, die er in Müllers Über— 
feßung bereits 1801 fennen gelernt hatte, vertiefte er fi) im De— 
zember 1818 (damals war der erite Zeil von Grundtvigs dänischer 
Uberſetzung erjchienen); ungefähr ſechs Jahre früher, am 10. No: 
vember 1812 war ihm die „Idee zu einem Trauerſpiel Balder nad) 
Saxo“ in den Sinn gefommen. Die ältere Edda machte zuerft 
dv. d. Hagen durch jeine Ausgabe 1812 in Deutjchland befannt. Die 

' Aus der einige Jahre jpäter (1808) in Daubs und Creuzers Studien 
erichienenen Abhandlung W. Grimms über die Entftehung der altdeutichen Poeſie 
und ihr Verhältnis zu dev nordifchen, in der fpeziell an der Ermanaridjfage gezeigt 
wird, wie diejelbe Sage bei den verjchiedenen Böllern einer Hauptnation ka ver⸗ 
ſchieden ausbildet (ſiehe Kleinere Schriften 1, 103 ff.), konnte Uhland allerdings 
das Meiſte erfahren, aber nicht die Namen der Harlungen, nicht den Namen 


Adaccarus und die Zerſtörung der Harlungenburg, weshalb es ausgeſchloſſen iſt, 
daß das Fragment damals auf Grund der Grimmſchen Mitteilungen entſtanden iſt. 


124 Oswald von Zingerle, Uhlands „Speerwurf”. 


Einleitung hiezu las Uhland am 1. September diejes Jahres, die 
jüngere Edda aber einige Monate fpäter nad) Rühs' Überfeßung. 
Anfangs Dezember 1815 treffen wir ihn mit v. d. Hagens Eddaliedern 
von den Nibelungen bejchäftigt. Eine Ausgabe der jüngeren Edda hatte 
Rask 1818 den gelehrten Kreiſen beichert, doch weiſt das Tagebuch 
feine darauf bezügliche Notiz auf. Dasjelbe gilt von den Quedlin— 
burger Annalen,!), die zu jener Zeit in den von Leibnig 1707 —1711 
herausgegebenen Sceriptores Rerum Brunsvicensium (Band IF, und 
in Mendens Seriptores Rerum Germanicarum 1728 ff. (Band III: 
zugänglich waren. Möglich, dag Uhland die Kenntnis der auf die 
Heldenjage bezüglichen Stellen aus W. Grimms Nacdhträgen zu den 
Zeugnijien zur deutſchen Heldenjage im 3. Bande (©. 261 f.) der alt- 
deutjchen Wälder (1813— 1816) fchöpfte. Daß er in diejen gelegentlich 
Nachſchau gehalten hat, bezeugen die TZagebudyeinträge vom 2. Juli 181% 
und 1. November 1817. Mit dem Heldenbud war er frühzeitig 
befannt geworden und einige Stücke daraus hatte er ſchon 1806 im 
neuhochdentſche Verſe gebradjt. In den befannten Briefe an Y. v. 
Cedendorf (ſiehe Uhlands Yeben von jeiner Witwe, ©. 26; Fränkel 2, 
377) wird dieje Bearbeitung als der einzige Verſuch in diefen Fache 
bezeichnet. Und warum war es trog dem lebhafteften Intereſſe für 
die altdeutjche Poefie dabei geblieben? „An einem Alter von noch 
nicht vollen 20 Jahren und bei einer ganz entgegengejetten Beſtim⸗ 
mung iſt es mir wohl jchon an fid) nicht möglich, große litterariiche 
Umſicht erlangt zu haben. Dazu kommt, dag mir feine anjehnliche 
Nibliothef offen jteht, ans der ich verborgene Schäte hervorziehen, 
oder auch nur mich mit dem ſchon Vorhandenen vertraut machen 
könnte.“ In dieſer demjelben Schreiben angehörenden Außerung liegt 
bauptiächlich die Begründung. Erjt im folgenden Dezenniun ge- 
jtalteten fid) die Verhältniſſe günftiger, es floffen die litterariichen 
Unellen reichlider und Uhland hat fleißig aus ihnen geichöpft. 
Unter der grogen Meafje wiljenichaftlicher Yitteratur, die 1810— 1820 
von ihm durchgearbeitet wurde, ericheinen faſt alle Tuellen, die für 
das Trama in Betracht fommen fonnten, aber vergeblich jucht man 
im Tagebuch eine Andeutung des Vorhabens, die Darlungen- oder 
Grmanarichjage dramatisch zu behandeln. Das Bruchſtück dürfte alſo 
erſt nad) 1820 gedichtet worden fein. 


:ı Das Tagebud) vom Januar und Februar 1819 erwähnt wohl das Ehro- 
niron Urspergense. das Uhland wegen Xtto von Wittelsbach zur Hand nahnı, 
aber darin ift neben Zarus und Ammimus (qui vulgariter Sarelo et Hamidiecus 
nominantun ! nicht auch Adaccarus oder Odoacar genannt. 


vudwig Wyplel, Ein Schauerroman als Duelle der „Ahnfrau”. 125 


Fin Sıchanerroman als Quelle der 


„Ahnrfrau”, 


Ein Beitrag zur Entſtebungsgeſchichte der Bragödie. 
on Ludwig Wyplel in Wien. 


Schon vor Grillparzer ift das Überfinnliche wiederholt auf die 
Bühne gebradjt worden, und doch padt uns der Geijt in der „Ahn⸗ 
jran“ mit jo elementarer Gewalt, daß wir die Empfindung haben, 
etwas ganz Neues zu jehen. Wir werden vom Schreden gelähmt, 
wie die Perjonen im Stüd, denen das Geſpenſt erjcheint, und eine 
Gänſehaut läuft uns iiber den Körper. Vieles trifft hier zufammen, 
um dieſe eigenartige Wirfung hervorzubringen. Gewiſſe Jugend— 
eindrüce werden lebendig, die geniale Berfönlichfeit des Dichters ift 
gewiß auch mit im Spiele, insbejondere fein Geipenfterglauben, 
der für den jungen Grillparzer nachweisbar ift und aus dent heraus 
die „Ahnfrau” intuitiv geichaffen wurde. ine Frage aber drängt 
jih vor allem auf: Wieviel von diejer Wirfung geht auf die beiden 
Quellen zurüd, aus denen Grillparzer geichöpft hat und von denen 
er in der GSelbjtbiographie ſpricht. Der Dichter ftellt jelber dar, 
welchen Anteil fie jchon bei der Konzeption des Werkes gehabt 
haben. Längere Zeit lagen „beide Eindrücde”, das heißt Motive aus 
dem Stoffgebiete jener Duellen, „nebeneinander in feinem Kopfe“. 
Eines Morgens ganz plötzlich vollzieht fich ihre Verſchmelzung. Die 
Sadje geht jo raſch, dag zwiſchen Erwachen und Ankleiden der Plan 
zur Ahnfrau fertig ift. Über die Quellen felbjt äußert ſich Grill: 
parzer folgendermagen: 

„Ich hatte in der Geſchichte eines franzöfischen Räubers, Jules 
Mandrin, glaub’ ich, die Art feiner Gefangennehmung gelejen. Von 
den Häſchern verfolgt, flüchtete er in ein herrjchaftliches Schloß, wo 
er mit dem Kammermädchen ein Liebesverhältnis unterhielt, ohne 
day dieſe, ein rechtliches Mädchen, ahnte, welch einen Verworfenen 
jte Kammer und Herz geöffnet Hatte. In ihrem Zimmer wurde er 
gefangen. Der tragiiche Keim in diefem Verhältnifje oder vielmehr 
in diejer Erfennung machte einen großen Eindrud auf mid) 

„Ebenjo war mir ein Volksmärchen in die Hände gefallen, wo 
die letzte Enfelin eines alten Geichlechtes vermöge ihrer Ähnlichkeit 
mit der als Gejpenft umwandelnden Urmutter zu den fchauder- 
haftejten Verwechslungen Anlaß gab, indem ihr Liebhaber einmal 
das Mädchen für das Gefpenjt, dann wieder, bejonders bei einer 
beabfichtigten Entführung, das Gefpenft für das Mädchen nahm ...“ 


726 Ludwig Müplel, Ein Schauerroman als Quelle der „Ahnfrau“. 


Die erfte diejer Quellen ijt die Gejchichte des Räubers Louis 
nicht Jules) Mandrin,?) die andere, die der Dichter „Vollsmärchen“ 
benennt und die hier bejonders in Betracht fommt, blieb lange un: 
auffindbar; begreiflicherweife, enthält doch die angeführte Stelle weder 
Titel noch Verfaſſer des Werkes, und feine der handelnden Berjonen 
wird darin namentlich angeführt. Schon war man daran, fich damit 
zu beruhigen, Grillparzer habe eine der gangbaren Verſionen der 
Sage von der weißen Frau für fein Drama benugt, als es Gloſſy 
gelang, in der Wiener Stadtbibliothek einen Roman ausfindig zu 
machen, der alle charakteriftiichen Züge in fich vereinigt, die der 
Dichter a. a. O. heraushebt. ES ift ein Schauerroman mit dem 
Titel: „Die Blutende Gejtalt mit Dolch und Lampe oder die Be- 
Ihwöhrung im Schloſſe Stern bey Prag. Wien und Prag, bey Franz 
Haas." D. J. Schon nad) dem Wortlaute des Titels findet man 
es begreiflich, daß jich Grillparzer wenig gedrängt fühlte, ihn voll 
in feine Selbftbiographie einzufegen. Der Katalog der Griliparzer- 
Angjtellung führt den Roman bereit al8 Quelle zur „Ahnfrau“, und 
Sauer verzeichnet dies im Dahresberichte für Neuere Deutfche 
Yitteraturgeichichte 1892, IV 12: 169. 

Daß der Roman, die wahrjcheinliche Quelle zur Ahnfrau, einer 
verhältnismäßig niederen Sphäre von Geiftesproduften angehört, 
jteht keineswegs im Widerjprudye mit der Torftellung, die wir uns 
nad) den Ausführungen in Grillparzers Gelbftbiographie von ihr 
machen müjfen. Man beachte folgende Stelle: 

„An die Ausführung zu gehen, hinderte mi .... ein Scham- 
gefühl, einen Stoff zu behandeln, der höchftens für die Vorſtadt⸗ 
theater geeignet jchien, und mid) einer Klafje von Dichtern gleid)- 
zujegen, die ich immer verachtet hatte, obwohl ich Poeſie genug in 
mir fühlte, die Geiftergefchichte jo auszuftatten, dag man ein Dumm- 
fopf oder ein deuticher (Helehrter fein müffe, um viel dagegen ein- 
wenden zu können.“ 

Klingen diefe Worte nicht wie eine Entſchuldigung für die ge: 
troffene Stoffwahl? 

Tas nämliche Bedenken, das den Dichter eine Zeit lang abhielt, 
den fertigen Plan auszuführen, fcheint die Forſcher abzuhalten, ſich 
mit diejer Tuelle zur „Ahnfrau“ eingehender zu befaffen. Dies ift 
umjo begreiflicher, als noch ein Umftand die Unterjuchung erjchwert: 
der Roman iſt ohne Jahr erichienen. Die lbereinftimmungen 
mit dem Trama, die er augenjcheinlid; aufmweift, könnten aljo auch 


1 Ziche des Berfaijers Aufſatz: Die Gefchichte des Räubers Louis Mandrin 
als T.uelle zur „Ahnfrau“. Programmabhandlung der Staatd-Cberrealichule im 
AV. Rezirle Wiens. 1899:1900. 


Ludwig Wyplel, Ein Schauerroman als Duelle der „Ahnfean“. 727 


ihre Erklärung darin finden, daß er nad) dem Theaterſtücke gearbeitet, 
alfo von legterem beeinflußt wurde. Um diefem Einwand endgiltig 
entgegenzutreten, gab es nur ein Mittel von fchlagender Beweiskraft: 
den Noman zu datieren. Der Zufall war günftig. In der Biblio- 
thef des Börfenvereines deutfcher Buchhändler in Leipzig ift ein 
C. Haasſcher Verlagsfatalog (Wien. und Prag) vom Januar 1817 
erhalten, der auf Seite 9 den Roman „Die biutende Geftalt ꝛc.“ 
bereits verzeichnet.!) Hiermit erjcheint, da ja die Erftaufführung der 
„Ahnfrau” auf den 31. Januar 1817 fällt, die Priorität des Romans 
erwiejen, und der Veröffentlichung nachitehender Arbeit fteht nichts mehr 
im Wege. 

Nad) den Ausführungen des Dichters intereffierten ihn an dem 
„Volksmärchen“ befonder8 die Gefpenftermotive, und zwar, wie er 
jelbft ausführt: 

die Berjönlichkeit der Ahnfrau, 

das Verwechslungsmotiv 

und das Entführungsmotiv. 


1. Die Perfönlichkeit der Ahnfrau. 


Wenden wir uns zunädft dem Geſpeuſt der Vorlage: der „blu- 
tenden Geftalt” zu! In ihr haben wir eventuell das Urbild der 
Ahnfrau zu erbliden. Unleugbar weifen beide Spulgeitalten Familien⸗ 
ähnlichkeit auf. 

Beide find „Urmütter” eines adeligen Gefchlechtes. Beide laden 
zu Lebzeiten die gleiche Schuld auf fich, fie find ihrem Geliebten, 
reip. dem Gemahl untreu, beide büßen ihre Schuld auf gleiche 
Weiſe: ein verhängnisvoller Dolch bereitet ihnen ein frühes und gewalt- 
ſames Ende. 

Schon in der Vorlage werden die Liebenden, die eine fündige 
Neigung vereinigt, von dem Hintergangenen unerwartet überraſcht. 
Freilich rettet fich Beatrix, die Ahnfrau der Vorlage, vorerft noch 
durch ihre Verſtellungskunſt. 

Griliparzer verftärtt die Schuld der Ahnfrau dadurch, daß er 
für die Untreue der buhlerifchen Beatrir den Ehebruch einjekt, 
andererjeitd entjchuldigt er ihren Fehltritt, foweit er entjchuldbar 


) Ich kann nicht umhin, an dieſer Stelle dem Herrn Oberbibliothelar Geb⸗ 
havdt der Univerſitäts-Bibliothek Leipzig, desgleichen dem Herrn Bibliothelar K. Burger - 
des Börfenvereines der deutjchen Buchhändler ebendafelbft für ihr freundliches Ent- 
gegenfommen in diefer Angelegenheit, fowie fir ihre fördernden Auskünfte ben beften 
Danf auszufprehen. Desgleichen fühle ich mid) gedrängt, der Hilfsbereitheit meines 
jugendlichen Freundes Otto Meindl Erwähnung zu thun, der mit Unverdroffenheit 
und Zupverficht ein gut Teil der fr die Datierung nötigen Anfragen und Nach⸗ 
ſchlagsarbeiten auf fid nahm. 

Qupborion. VIL 47 


T2R Ludwig Wyplel, Ein Schauerroman als Quelle der „Ahnfrau“. 


iſt, durch eine ſtarke Leidenſchaft. Er renkt ſozuſagen die Motive der 
Quelle mit geſchickter Hand ein; nach mancherlei Schwankungen, die 
durch beide Faſſungen!) der Tragödie hindurch verfolgt werden können, 
enticheidet er jic) dafür, den Charafter der Ahnfrau nach Möglichkeit 
zu heben. 

Das tragische Gejchief diejer „Urmütter“ hat ji in grauer Ver— 
gangenheit, im Noman vor 300 Jahren abgeipielt und bilder 
eine Art Vorgejchichte, die in beiden ‚yällen mit der Haupthandlung 
in den Zuſammenhang von Schuld und Sühne gebradht wird. 

Beiden „Urmüttern” jällt die Rolle des Schredgeipenjtes zu, 
das erjt zur Ruhe kommt, bis gewilfe Bedingungen erfüllt find. 

Beatrir muß „als Geſpenſt umbherirren unter den Lebenden”. 
Weil fie aber vor ihrem Ende ihr Sündenleben bereut bat, wird 
diefer Urteiljpruch gemildert: „dreyhundert Jahre joll fie in gei— 
tiger Schauerlicyfeitt wallen und wandeln auf Lindenberg“, „danu 
hat fie hinlänglich gebüßt, dann darf jie Gutes ftiften, dann foll jie den 
Geiſt der Wolluft hindern, „ich Opfer zu häufen“. Gerade zu Beginn 
des Romanes vollzieht jich diefe Wandlung, der Yäuterungsprozei; 
nimmt jeinen Anfang, ihre „thatenlojen Wanderungen haben ein 
Ende”; fie jekt nun alles daran, „ſich die jo heiß gewünſchte und 
ſchon jo lang entbehrte Ruhe zu erringen“. Tie biutende Geſtalt iſt 
alfo in der erften Phaje ihres Daſeins eine Art rächender Nemeſis, 
in ihrer zweiten Phaſe Warnerin, Netterin, ein guter Geiſt. 

Auch die Bußzeit der Abnfran währt weit über ihr zeitliches 
Daſein hinaus: doc, ſetzt der Tichter der Dauer ihrer Strafe ein 
anderes Ziel. Als Geſpenſt muß fie wallen und wandeln, bie 
der Stamm der Borotin cerloichen iſt. Jener Yänterungsprozeß wird 
fallen gelajien. Nun ſcheint Grillparzer unterſchieddlos Motive aus 
beiden Phaſen des Lorbildes entlchnt zu haben, wodurch manches 
Widerftreitende im Weſen der Ahnfrau jeine Erklärung fände. Der 
Geiſt im Theaterſtück gleicht im großen und ganzen mehr der biutenden 
Geſtalt der eriten Phase, nur im 5. Afte nähert er fid) jtart dem Nor: 
bilde im jeiner ſpäteren Geſtalt. Er redet ins Gewiſſen, warnt, rät 
und droht. 


'ı Ter Tert der Ahnfrau liegt in 2 Faſſungen vor. Das in der Wiener Gtadt- 
bibliothet aufbeivabrte ältefte Vanuſtript bietet den 1. Entwurf (1. ‚sallung). Tiefer 
wurde nad Bemerkungen des Tramaturgen Zchrenvogel zum Zwecke der Bühnen⸗ 
aufiührung einer Umarbeitung 2. yalıng) unterzogen. Die 2. Faſſung liegt den 
üblichen Truden zugrunde Streng genommen, giebt es noch eine 3. Faſſung, welche 
ein Zwiſchenſtadium der oben erwähnten Berfionen daritelt und bie dem Khnfrau 
Mamnitript in ‚yorm von Hlättern beiliegt. Naturgemäß fommt bier vor allem die 
1. Fafſfung in Betracht, aut die ſich der Einfluß der Unellen unmittelbar äußern 
mußte, Wo im ‚zolgenden wicht ausdrücklich das Gegenteil beinerlt wird, ıft dic 
erſte Faſſung gemeint. 


Ludwig Wuyplel, Ein Schauerroman als Quelle der „Ahnfrau”. 729 


Sonft ift beiden Spufgeftalten eine ähnliche Machtiphäre zuge- 
teilt. Bon der biutenden Geftalt heißt es ausdrücklich, fie befige nur 
wenig Macht; die Ahnfrau klagt, „daß ihr Macht gebricht”. Vermöge 
einer ihnen innewohnenden Prophetengabe können fie warnen und 
durch ihr Erjcheinen Unglüd verkünden. 

Beide endlich leiden unter dem Bewußtſein ihrer Schuld. Die 
blutende Geſtalt „joll in vollem Maße das Böfe ihrer That fühlen“ ; 
die Ahnfrau „haft in jedem Entelfinde die vergangene Sünde“. 

Beide Spufgeftalten treiben ihr Unweſen in einem alten Schloffe. 


Seite 30. Die biutende Geftalt wählte (auf Lindenberg) das befte 
Zimmer im Hauje, durchſtrich gelegentlidh die alten Gänge, wanbelte in 
den geräumigen Sälen umher, blieb bisweilen vor der Kammerthlir fiehen, und 
heulte und jammerte. 


Bgl. Bers 568 f. Darum mwimmert e8 fo Häglich 
Sn den Halbverfallnen Gängen. (2. Faſſung.) 


Bers 553 fe. Darum muß fie klagend wallen 
- Dur die weiten, öden Hallen. 
Bers 347 f. Daß du wie ein Nachtgefpenft 
Durd die öden Säle wandelſt. 


Der Gefpenjterfpuf, der Jaromir aus dem Schlafgemad) ver: 
treibt, geht auch im „beiten Zimmer im Haufe“ vor ſich. 


Vers 726 (Graf). Unfer Gunther mag ihn weifen 
In das köſtlichſte Gemach. 


Karomir nennt es „Prunftgemad)”. 

Auch fonft weift die O-Ortlichkeit viel ‚Ähnlichkeit auf. 
Schloß Borotin mit den „halbverfallenen Außenwerfen” erinnert 
vor allem an Schloß Stern, neben dem ſich die Auinen, „die noch 
halb ftehenden Mauern” des alten Schloffes ausdehnen. Weitver- 
zweigte unterirdifche Gänge, „ſchauerliche Gewölbe“ befinden ſich 
unterhalb der Mauerreſte, ja ſelbſt die Gruft der „ehemahligen Be⸗ 
jiger* mit einem „hohen und prächtigen Grabmahle“ und „einer 
Statue am Grabmahle” fehlt nicht. Vgl. die Bühnenweilung der 
Berwandlung im 5. Akte: Grabgewölbe (früher: des Schloffes). Im 
Dintergrunde das hohe Grabmal der Ahnfrau mit paffenden Sinn- 
bildern. Schon in der Vorlage ſuchen Räuber und Verbrecher in dieſen 
Gewölben Zuflucht. | 

Auch das gleiche Requiſit fordert Beachtung. Ein Dolch ift 
der blutenden Gejtalt beigegeben; es ift derjelbe, den der Buhle ihr 
ing Herz ftieß, und er fpielt auch noch im Roman eine Rolle. Im 
Trauerjpiele hängt der verhängnisvolle Doldy nad) Art der Schickſals⸗ 
tragödie vom Anbeginn des Stüdes in der Halle und harrt feiner- 
jatalijtiihen Sendung, .. 

47° 


730 Ludwig Wuplel, Ein Schauerroman als Duelle der „Abhnfrau“. 


Die biutende Gejtalt erjcheint unter gemifjen begleitenden Um- 
ftänden, die zum Teil der allgemeinen Geſpenſtertradition angehören. 
Der Dichter durfte jie nicht vernachläfjigen, wenn er dag Übernatür- 
liche glaubhaft machen wollte. (Vgl. Leſſings Hamburgiſche Dra⸗ 
maturgie.) 

So erjcheinen beide Geifter mit Stundenihlag.e Das Nahen 
der biutenden Geſtalt wird zumeilen durch Verlöſchen der Lichter 
angekündigt. Der Wind „jtreift durchs Zimmer, der Sturm heult von 
augen“, ja Blite zucken nieder, und furdhtbare Ungemitter entladen 
jih. Selbſt eine „janfte Harmonie, leije kaum hörbar” begleitet ein- 
mal ihr Erjcheinen, die „Töne jind melodiich, doch flößen ſie Ahnung 
und Schauer ein“, was an die Stelle der Bühnenweifung „unter 
ſeltſamem &eränjch erjcheint die Ahnfrau“ gemahnt. Die blutende 
Geſtalt Spricht durch Gejten, jie winkt, wehrt ab, droht, ringt Die 
Hände, wimmert und jammert. 


2. Das Derwedyslungsmotip. 


Ein Bug aber war, wie Grillparzer felbjt hervorhebt, für jeine 
Quelle vor allem charafteriftiich: das Nermechslungsmotiv. Grill- 
parzer hat es jid) jo zu eigen gemacht, daß cs falt allen Geifter: 
fcenen der Ahnfran zugrunde liegt. Auszunehmen find nur der 
Seifteripuf im Schlafzimmer Jaromirs (vor Beginn des 2. Altes: 
und das Erſcheinen der Ahnfrau im 3. Akte. Seine unheimliche 
Wirkung fennzeichnet Borotin, V. 393 ff.: 

. Und der Bater feiner Tochter 
ur mit Angft und innerm Grauen 
Wagt ins Angeficht zu fchauen, 
Ungewiß, ob es ſein Kind, 
Ob's ein hölliſch Nachtgeſicht. 


Dieſe Verwechslungen führen eine Vermengung von Geiſterwelt 
und Wirklichkeit herbei, die zur Folge hat, daß der Getäuſchte auf 
feinen guten Glauben hin eine Zeit lang vertraulich und ſicher mit 
dem Geſpenſte vertehre. Zobald aber die Täuſchung endet, reißt die 
Kluft zwiſchen Geſpenſtiichem nund warmem Leben um jo grauenvoller 
auf, jo day ſich der im Mitleidenfchaft Gezogene mit ftet8 geiteigertem 
Entiegen von dem Geiſte abwendet. Das Publikum aber wird beitändig 
im beängjtigender Spannung erhalten, weil es ja die Illuſion nidht teilt. 

oc eine andere Wirfung bat die Anwendung dieſes Motivs. 
Tas Schauerlich Herpenitiiche, das ſonſt mit dem Erſcheinen des 
Geiſtes, alſo ganz plößlich zur Seltung kommt, wird nur allmählich 
fühlbar, denn die Rücktehr von der Illuſion vollzieht jich nur fchritt- 
weite. Ihatjüchlich hat die erjte Geiſterſeene der Tragödie (zwilchen 


Ludwig Wyplel, Ein Schauerroman als Duelle der „Ahnfrau“. 731 


Borotin und der Ahnfrau) nichts anderes darzuftellen als dieſes 
langſame Auftauchen der ſchrecklichen Gewißheit, daß er es mit einem 
Gejpenfte zu thun habe; im 2. und 5. Aft tritt die Enttäufchung 
mehr rudweije ein. 

Grillparzer begnügt fich indeffen nicht mit dem, was die Vor⸗ 
lage bietet (dort wird nur der Geliebte Bernard von den Täuſchungen 
betroffen), er läßt vielmehr alle Kombinationen möglicher Verwechs⸗ 
(ungen ablaufen, jelbft Bertha im Ahnenſaal hält den Geift anfangs 
für ihr Spiegelbild. 

Die Vorausjekung für diefe Verwechslungen ift jelbftredend die 
Ahnlichkeit der Verwecjfelten. Die Vorlage begnügt fi) mit Über⸗ 
einftimmung der Geltalt und Kleidung. 

Der Kopf der blutenden Geftalt ift mit „einem langen Schleyer 
verhüllt“. Diejen Zug hält die Tragödie feft: die Ahufrau ift von 
Bertha nur durch einen wallenden Schleier unterfchieden. Bei 
Srillparzer gleicht die Enfelin ihrer „Urmutter” auch von Angeficht. 

In jenen unheimlichen Zügen, welche geeignet find, die ein- 
getretene Verwechslung aufzuheben, fchwelgt förmlich der Verfaſſer 
des Schauerromaned. ©. 44. f.: 


Er (Bernard) fah einen belebten Leihnam........ ihre feſt auf ihn ge- 
hefteten Augäpfel waren hohl und glanzlos. Das Geſpenſt ſah ihn einige Zeit 
ſchweigend an. 


. Die Erſcheinung fette ſich ihm gegenüber . . und ſchwieg! ihre 
Augen waren vol Ernft auf ihn gerichtet. 


Die Ahnıfrau „ftarrt den Grafen mit weit geöffneten todten Augen 
an“; jie „Starrt graß nad) ihm“; „ihre ftarren Leihenblide haften 
ihm wie Dolche in der Bruft”. 

Die biutende Geftalt ſpricht bei ihrem erften Erſcheinen gar 
nicht, beim zweiten Erſcheinen wenige Worte „in einem leijen 
Grabeston“. Die Ahnfrau bringt nach langem Schweigen mit 
unbetonter Stimme „todte Worte” hervor. 

Auch vollzieht fi) der Abgang der Erjcheinungen in ähnlicher 
Weiſe. 

Die blutende Geſtalt „ſchreite langſam aus dem Zimmer“, 
desgleichen die Ahnfrau im Alte, im 2. Alte beißt es aus⸗ 
drücklich: „Die Geftalt feat und bewegt fih langſam in die 
Scene." 

Ganz ähnlich äußert fi) auch die Einwirkung des Spules auf 
die Umgebung. 

Entjegen ergreift Borotin und Bernard. 

Seite 44 heißt e8: Das Vlut fror in ſeinen Adern. Ahnlich Seite 36: 


Das eiſig gewordene Blut.... Seite 45: Das in den Adern erflarrt 
geweſene Blut.... 


732 Ludwig Wyplel, Ein Schauerroman als Quelle der „Ahnfrau“. 


Man vergleiche: 
340 f. Fühl' ich nicht mein Blut noch ftarren 
Bon dem grafien, eif'gen Zlid? — 
328 fi. Taß.... der Beine Mark gerinnt. (Andere Yesart: gefriert.) 


Die Erjchredten jchreien auf, zittern, beben; bejonders 
aber ift eine Außerung des Entjegens charafteriftiih. Beide Spuk— 
geitalten Halten die Umgebung in lähmenden Bann. Vgl. ©. 45: 


Bernards Nerven waren in Chnmadt gefefielt, er blieb in der nähmlichen 
Stellung unbeweglich wie eine Bildfäude. 
Ebenda: Es war etwas Berfteinerndes in feinem (sc. des Geſpenſtes) Hide. 


Später heißt es gar: 


Die Augen der Erſcheinung „Ichienen mit denen der Klapperfchlange etwas 
gemein zu haben, denn umfonft wollte er die feinigen hinweg wenden, er lonnte 
wie verzaubert nicht cine Minute das Geſpenſt aus dem Gefichte laffen. Eine ganze 
Stunde blieb es in diejer Stellung, ohne zu fprechen, ohne fi} zu bewegen, auch 
er vermochte beydes nicht“. 


In diefen Bann befindet jih der Graf im 1. Akt: 
Vers 331. Weg den Blick! Bon mir die Augen! 


Ähnlich verharren im 5. Akte die Berfolger beim Anblid der 
Ahnıfran in vegungslojer Erjtarrung jiche unten). 

Der Bann wird mit dem Berichwinden der Erſcheinung ge- 
brochen. 

S. 45 nachdem die blutende Geſtalt verſchwunden tt): 


..... bis zu dieſem Augenblicke waren alle körperlichen Kräfte Vernards 
unthätig, und nur die ſeiner Ziele wach geweſen. Jebt hörte der Zauber auf. 


Ganz jo der Graf nad) dem Verſchwinden der Ahnfrau: 
"ers 335. So! — Nun lenn' ich ſelbſt mich wieder! --- 


Auch die Häſcher im >. Att erlangen erſt nach dem Abgang der 
Ahnfrau die Fähigkeit, ich zu bewegen, wieder zurüd. In beiden 
Werfen iſt dieier Zug nicht konſequent durchgeführt. Bernard ent- 
fuhrt thatfächlich den Geiſt und fühlt nicht, daß er ein Geſpenſt 
in Armen halte, im 2. und >. Akte fommt Jaromir erjt ſpät von 
ſeinem Irrtum zurück, der lähmende Schred tritt erft mit der Gr: 
kenntnis cin, daß er cs mit einem Geſpenſte zu than habe. 

Ahnlich verbalten ſich die PBerjonen nad) dem durchgemacdhten 
Schreck. Bernard „ſinkt ohnmächtig aufs Yager zurück“; der Graf 
„ſtürzt niedergedonnert in den Seſſel zurüd”“. Der Kranfenwärter 
ruft „Dülfe berben"”: Borotin findet auch erit „nad, einer Weile“ 
den Gebrauch jeiner Stimme wieder; er ruft Bertha herbei. 


vudwig Wuyplel, Ein Schauerroman als Duelle der „Ahufrau“. 733 


Auffellend iſt folgende Parallelſtelle: 


.38. „Was war das?“ ſprach er (Bernard nad durchgemachtem gſpenſter⸗ 
ſchreck athemholend zu Theodoren. „Saheſt, hörteſt du nichts? 


Vers 337 ff. Graf). Was war das? — hab ich geträumt? 
Sah id) fie nicht vor mir ftehn, 
Hört id nicht die todten Worte... 


Und gleid) darauf vor Vers 345 in der erjten Faffung die 
Bühnenweifung „Graf (Schwer Athem holend)“, die fpäter ge- 
jtrichen wird. 

Noch ein Zug iſt gemeinfant. 

Bernard verleugnet die Gejpenftererjcheinung. 

S. 46. Tas Zonderbare diejer Begebenheit machte ihn entſchloſſen, fie zu 
verichmweigen, weil er nicht erwarten fonnte, daß diefer Umftand Glauben finden 
wilrde. 

Der Graf desgleicden vgl. Vers 395 ff.; ähnlid) Jaromir im 
2. Akt, Vers 770 f. und Vers 964 ff. 

Die andere Art von Verwechslung, deren Grillparzer a.a. O. aud) 
Erwähnung thut (der Liebhaber hält das Deädchen für das Geſpenſt), 
hat pſychologiſch die entgegengefegte Vorausjegung, nämlich Gejpenjter: 
jurcht. Tie Miitternadhtsftunde, vorausgegangene Berichte über das 
Geſpenſt, vor allem die Stimmung, die der Erzähler abſichtlich zu 
dieſem Zwecke erzeugt, rufen jie in der Vorlage hervor. Im Theater: 
ſtück folgt dieſe Art der Sinnestäuſchung unmittelbar auf Geifter- 
erjcheinungen. Der Betroffene traut feinen Sinnen nicht mehr. Eine 
Art der Verwechslung erzeugt die andere. 

Tie Quelle enthält noch an zwei Stellen eine dritte Art des 
Geſpenſterſchreckens: der Geiſt erjcheint nicht, er bleibt unfichtbar, 
jcine bloß geahnte Nähe verbreitet Furcht und Schauer. Dieje 
Art des Spufes, die gleichfalls Gejpenfterfurdt zur Voraus: 
ſetzung hat, kommt an zwei Stellen de8 Dramas zur Verwendung 
‚At 2, Monolog Berthas, und im 3. At). Gelegentlich eines 
jolchyen haarjträubenden Spufes in der Höhle bei Lindenberg, ihrer 
(Srabjtätte, empfängt Bernard den Dold aus der Hand der blu- 
tenden Gejtalt; ſowie jid) Jaromir im 3. Akt des Familiendolches 
bemädtigt. Die in Betracht fommenden Stellen ftchen einander alfo 
auch inhaltlich nahe. 

Es handelt jich dabei um Zurchtempfindungen ohne wahrnehm—⸗ 
baren Grund. 

2. 36. Tie kühle Yuft.... jchien ihm (Bernard) Ihauriger Grabes— 
Luft zu gleichen. Ein ibm unerflärbarer Schauer durchriefelte feine Gebeine, 
jpaumte alle feine Zinne in Erwartung. 

S. 81. Ta lispelte eiskalte Grabesluft neben ihm vorüber. 


734 Ludwig Wyplel, Ein Schauerroman als Tuelle der „Ahnfrau“. 


Bgl. Bers 2102 fi. (Bertha). 


Mann, du zittert? ich auch bebe! 
Grabesſchauder faßt mid an, 
Feihenduft weht um mid) her! (2. Faflung.) 


Und aus dem Monolog Vers 1598 ff. 


(Bertha) Was ftreifte da 
Kalt und wehend mir vorüber? 
Biſt du's, geift'ge Sünderin? (2. Yaffung.) 


(Geiftig für geipenjtifch ift auch der Duelle geläufig.) 
Vgl. ferner S. 69 (gleichfalls aus den Schreden der Höhle): 
es raufdte im fchnellen Fluge neben ihm vorbey, daß eis- 
kaltes Entjegen über feine Gebeine riejelte. 
Bers 1528 ff. (ipäterer Zuſatzſ. Und mit ſchwarzen Eulenſchwingen 
Fühl' ich e8, gehaltnen Flugs, 
Sih um meine Schläfe ſchlingen. 
Die Furcht äußert ſich in ganz eigenthünnlicher, der Tuelle und 
dem Drama gemeinjamen Weiſe. 
S. 36. (Theodor) ſchmiegte ſich an feinen Herm an. 


Vgl. die Bühnenweifung des 3. Altes (nad) den oben citierten 
Verſen): 
Bertha. (Sich an ihn ſchmiegend.) 


Derſelbe Zug findet ſich ſchon Akt 1 nach Vers 528. 


3. Einzelne Gefpenfterfcenen, die auf die Dorlage zurüfgchen. 


Drei Geipenfterjcenen in der Tragödie gehen dirckt auf die 
Vorlage zurüd: 1. die Schreden im Schlafgemach Jaromirs; 2. das 
Erjcheinen der Ahnfrau zu Anfang des 2. Aktes, das mit der Umfehrung 
des Verwechslungsmotivg (Jaromir hält Bertha für das Geipenit) 
verknüpft ift, und 3. ihr Ericheinen im 5. Afte. 

Die beiden legten sind Paralleljcenen; beide verarbeiten das 
Entführungsmotiv der Quelle. 

Nach dem mißglückten Entführungsverjuch, der im Roman den 
Höhepunft des Intereſſes bildet, liegt Bernard frank zu Bett; Die 
blutende Geſtalt peinigt ihn mit granenvollen Ericheinungen. 

In der Vorlage werden die Begebenheiten folgenderinaßen 
erzühlt: 

S. 44. Mit raftloier Zcele warf fid Bernard, trotz feiner Ermüdung (1) 
von einer Seite auf die andere. 

Aber vergebens, der Schlaf flob bald ı2) feine tieferichätterte Bruſt. 

Die Glocke ſchlagt eins. Pernard „laufchte (3) des Mäglichen hohlen 
Schalles.“ (Kine unſagliche Angft erfaßt ihn.) 


Ludwig Wyplel, Ein Schauerroman als Duelle der „Ahnfrau“. 135 


..... Auf einmahl hörte er langſame und ſchwere Tritte die Treppe 
herauf kommen. unwintuhrlich richtete er ich auf dem Lager empor, und zog die 
Vorhänge zurück (4) .... 

Welcher Anblick bruͤcte ſich in ſeine aufgeriſſenen Augen. (9) Er ſah 
einen belebten Leichnam (7), lang und hager war ihr Geſicht (6), Wange und 
Lippe ohne Blut, Todtenbläſſe lag auf ihren Zügen (8), und ihre feſt auf ihn 
gehefteten Augäpfel waren hohl und glanzlos. 

. die Erſcheinung ſetzte fi ihm gegenüber, an den Fuß des Yagers 
(1 und ſchwieg! ihre Augen waren voll Ernſt auf ihn gerichtet (10). 

Bernard ſtarrte das Geſpenſt mit Entſetzen an, das keine Worte beſchreiben 

können (11). 


Man halte den Bericht Jaromirs dagegen. Dieſelbe Aufeinander: 
folge der Begebenheiten: das Aufichreden aus dem Schlummer, die 
Ankündigung des Geijterjpufes, das Wegreigen des Bettvorhanges 
und der Spuf felbft. 


Pers 888 fi. Müde, ruhelechzend ꝛc. (1). 


Bers 899 f. Da durchzuckt e8 meine Glieder, 
Ich erwade, (2) horch' und lauſche (3) 


Vers 913 f. Da reiß' ich des Bettes Vorhang 
Auf mit ungeſtümer Haſt. (4) 


Vers 923 jf. Und an meines Bettes Füßen (5) 
Dämmert es wie Mondenlidit, 
Und ein Antlig tauchet auf, (6) 
Dit geſchloßnen Yeichenaugen, (7) 
Mit bekannten holden Zügen... . (8) 


Ders 929 ff. Jetzt reizt es die Augen auf, (9) 
Starrt nad) mir hin, (10) und Entjegen 
Zudt mir reißend durchs Gehirn.... (11) 


In der Norlage fällt Bernard endlich erichöpft und ohnmächtig 
aufs Yager. Bei anderen Schredensfcenen aber ergreift er die Flucht, 
„ſtürzt fort, wie von unjichtbarer Hand getrieben“. 


"gl. Bars 932 ff. Auf Spring’ id) vom Flammenlager, 
Und durchs flirrende Gemach 
Stürz' ich fort. 


Beſonders merkwürdig iſt folgende übereinſtimmung. In der 
Schreckensſcene, die ſich in der Höhle bei Lindenberg abſpielt, fügen 
ſich, ehe die blutende Geſtalt erſcheint, ihre umhergeſtreuten Gebeine 
ineinander. 

S. 71. — da rauſchte es plötzlich um ihn (Bernard) her, gleich als ob 
die morſchen Knochen von gewaltſamer Hand übereinander geworfen würden, 


vafjelten fie neben ihm ..... als dieſer (der Rauch) allmählid ..... fi) hob, 
jtand jene biutende Jungfrau im langen fchleppenden Sterbelleide vor ihm ba. 


736 Ludwig Wyplel, Ein Schauerroman als Quelle der „Ahnfrau”. 


Aud) die Ahnfrau erfteht aus ihrem Staube! 


Vgl. Bers 902. Rauſchend wogt e8 um ihn ber: ... 
und Vers 906 ji. Es gewinnt die Nacht Bewegung, 
Und der Staub gewinut Geftalt. 
Scyleppende Gewänder raufden..... 


Die Ahnıfrau verhält jid) während der ganzen Scene ſchweigend; 
dreimal nur erjchallt ein Fläglicher Weheruf: 
Bers 911 fi. Und zuletzt in meiner Nähe, 
Wimmert es cin dreifah Wehe! 
Denfelben Ruf läßt die blutende Geftalt erjchallen, da jie dem 
Ambrojio erjcheint. 


S. 143. cin dreyfaches Weh eriholl dumpf und herzdurdichneidend aus 
ihrem Munde. 


S. 213. „Wehe! Wehe! Wehe!“ 
Schnell, traurig, fürchterlich .... 

Das Eingreifen der biutenden Geftalt bei der Entführung hat 
in der Quelle den ausgefprochenen Zweck, die Unjchuld des Mädchens 
zu retten. Dieſelbe Abficht verfolgt die Ahnfrau im 2. Alt. 
Srillparzer arbeitet hier zwei Stellen der Vorlage ineinander, und 
zwar benugt er cine zweite Intführungsgeihichte: Ambrofio dringt 
in die Schlafkaumer Johannens, um jie in Zauberſchlaf zu ver: 
jenfen und zu rauben. Beide Begebenheiten der Vorlage ſpielen ſich, 
wie die entjprechende Geifterjvene in der „Ahnfrau”, zwifchen Thür 
und Angel ab. 

Aus der zweiten der genannten Stellen ſtammt das geiſterhafte 
Auf: und Zufliegen der Thür. 

S. 200. . . .. kaum berührte er (Ambrofio) mit dem filbernen Roſenzweige 
die Thüre, jo flog ſie auf . . .. hinter ihm ſchloß ſie ſich von ſelbſt. 


Rgl. Ahnfrau. Jaromir nähert nieh der Thüre; fie gebt auf... 
Die Beftalt tritt aus der Thüre, dıe ſich binter ibr ſchließt. 


Man beachte die Ähnlichkeit der Situation. Ambroſio und 
Jaromir zur Nachtzeit in einem fremden Hauſe. Sie jchleichen ſich 
zur Sclaffanımer der Geliebten, da „alles im Hauſe im tiefen 
Schlaf liegt”. ıS. 203. ı 

2. 201. Ambvofio) erreichte Johannens Nammerthüre, bier ftand er ftille 
und horchte, alles inwendig war ſtille. 

Vers 760 HH. Stull! Tie Schläfer nicht zu ftören! 

Ztille! Wenn fie würden innen, 
Hier mein ſeltſames Peginnen! 


‚An des Grafen Gemach horchend.) 
Alles ftılle: 


An der linten Thüre des Hintergrundes.) 
Hier jegt die andere Stelle der Vorlage ein. 


Ludwig Wypfel, Ein Schauerroman als Quelle der „Ahnfeant. TAT 


Bernard erwartet die Geliebte vor dem Schloßthor, die, als 
Geſpenſt verkleidet, mit ihm entfliehen ſoll (fie heißt Bertha wie die 
Tochter Borotins). Es iſt Mitternadht. S. 41. 

Jet trat Bernard dicht am dem Ehuem; „... und jet ſah er Berthan (c$ 
ift das Gefpenft, das er für die Geliebte Hält) aus den Flügelthüiren treten. Sie gieng 
Bernarden enigegen, Liebetrunfen mit geöffneten Armen floh er ihr ent: 
gegen, und drüdte fie an feine Bruft. „Bertha“ rief er: „du bift mein, und 
ich bin dein auf eig!“ 

Die Vorgänge in der Ahnfran laufen diefen Ausführungen 
parallel. Jaromir lauſcht an der Kammerthür Berthas; „er nähert 
ſich der Thüre; die Ahnfran tritt heraus“. 

Jaromir begrüßt die Erjcheinende mit den Worten: 

Vers 792. Ad, da bift du ja, du Holdet 
er hält aljo das Gejpenft gleichfalls für die Geliebte, Die Rede 
Jaromirs, Vers 801 ff. ift auf das Schlagwort „Liebetrumfen" ge« 
ftimmt; endlich, „auf fie zueilend,* ruft er: 
Vers 814. Bertha! Meine Bertha! 

Kommt es auch hier nicht zur verhängnisvollen Umarmung 
(vgl. Akt 5), jo ift doch Jaromir wilfens, Bertha in die Arme zu 
ſchließen. 

Nunmehr kehrt der Dichter wieder zu Vorſtellungskreiſen jener 
zweiten Stelle der Vorlage aus der Geſchichte Ambrofios zurüd, 

Die leidenihaftlihen Worte, die Jaromir an die Ahnfrau 
richtet, Hingen an die Schilderung der ſchlummernden Yohanne an. 
Ambrofio ift thatfächlic, in ihr Schlafgemach gedrungen. 

©. 201, Einige Augenblide verihlangen feine trunfenen Augen das 
teipende Bild der ſchlummernden Schönheit .... 

Bat. Bers 801 f. Wie ich dich fo jhön, jo reigend 
Bor den trunfnen Hugen fehe .... 

Die Enttäufhung Jaromirs tritt erft ein, als „die Geſtalt den 
rechten Arın mit dem ausgeftredten Zeigefinger ihm entgegenhält.“ 
Jaromir (ſturzt jhreiend zurüd). Hal 

An anderer Stelle der Vorlage heißt es: „icon berührten ſich 
ihre (Satans und Bernards) Fingerjpigen”; da trat die „blutende 
Jungfrau“ zwiſchen fie, „Bernard taumelte zurüd“ umd „ftieß einen 
lauten Schrey aus”. Vgl. aud) ©. 45; 

Die Erjheinung ergriff mit eifigen Fingern Bernatds Hand .,.. er 
einen Seufzer des Schmerzens aus, umd ſant ohumlchtig aufs Lager zurid. 

Bon diejem Geſpenſterſchrecken erfchlttert, „nimmt“ Yaromir, 
als Bertha auftritt, „das Mädchen für das Gefpenft“, Dieje Art 
der Verwechslung findet fi in der Quelle ©, 36: 


— —— 


738 Ludwig Wypfel, Ein Schauerroman als Quelle der „Ahnfrau”. 


..... eine lichte Geſtalt ſchwebte die Allee herauf. Bernard fühlte die 
Freude nicht, die er von Berthas Anblick hoffte ..... Die Erſcheinung der 
blutenden Jungfrau (Bertha hat ihm von ihr erzählt: drängte fich vor feine Scele. 
Er hielt die Hand bebend am Schwerte ..... 

Es wallte näher. (11. „Bernard, Bernard!“ rief es (9 — und 
Bertha lag in jeinem Arme (3). Weg war Angft und Schauer; Liebesgluth 
färbte des Ritters Wangen; (4) heiße Küſſe (5) ichmolzen das eifig geiwordene 
Blut, daß es warm durch alle Fibern mwallte. 

Ganz jo verlaufen die Vorgänge an der entiprechenden Stelle 
des Dramas, 

Bertha (mit einem Lichte fommend). 
Bers 820 f. (Jaromir.) Hier und dort, und dort und hier! 
Vebrall fie und nirgends fie. 


Bertha (auf ihn zueilend). (1) 
Bars 848. Jaromir! mein Jaromir! (2) 


Jaromir (zurüdtretend). 
Bers 849 fi. ©, ıd) kenn' dich, ſchönes Bild! 
Nah’ ich mid), wirft du vergehn, 
Und mein Hauch wird did vermehn. 
Bertha (ihn umfaſſend). (3) 


Bers 852 fi. Kann ein Wahnbild jo umarmen” (3). 

Und bfidt alfo ein Phantom? 
Fühle, fühle, ich bin's felber, (4) 
Die in deinen Armen liegt. 

Tarauf Jaromır. 
Ra, du biſt's! Ich fühle freudig (4) 
Teine warmen Bulle Hopfen, 
Deinen lauen Athem wehn zc. 


Mit der Umarmung tritt aud) bei ihm die Rücklkehr von feiner 
Wahnvorftellung ein. Ya, in der erften Faſſung fehlt auch der 
Kuß nicht. Vers 853 hieß urjprünglid: 


Und fügt alfo ein Phantom? (5) 


„Küßt“ wurde erjt auf eine Bemerkung Schreypogeld als „zu 
unweiblich“ geändert. 
Eine Bemerkung zu den Verſen: 


Rah’ ıch mich, wirft du vergehn, 
Und mein Hauch wird did) verwehn. 


ift vielleicht nicht überflüjlig. Im Roman „zerfließt“ die biutende 
(Seftalt wiederholt „in leichten Nebel” und „löst fi) in Lüftiges 
Meien auf“. (S 109. 143.) 

Die Geijterjcene im 5. Afte geht ebenfalls auf die oben an- 
gezogene Stelle der Vorlage, auf die Entführungsgeidhichte, zurüd 


Ludwig Wyplel, Ein Schauerroman als Onelle der „Ahnfrau. 739 


und ift im ihrem Beginne eine Wiederholung der Scene im 2. Akt 
(Vers 792 ff). Jaromir erwartet Bertha mit derjelben Sehnſucht und 
nicht ohme Beängftigung zum verabredeten Stelldichein wie Bernard. 
Bers 3210 f. Liebhen! Braut! wo weileſt du? 
Bertha, Bertha, tomm! 
Die Verwechslung tritt auch hier ſofort ein. 
Ders 3212. Du biſt's! Num ift Alles gut. 

Leidenjchaftliche Ergüffe Jaromirs folgen auch hier, bem „Liebes 
trumfen“ der Vorlage entſprechend, bejonders in der erjten Fajjung. 

Und wieder jcheinen Motive aus der anderen Stelle der Bor- 
lage (Ambrojio im Schlafzimmer Fohannens) eingearbeitet. Dort 
heißt es ©. 201: 

. . . doch fonnte er ſich nicht enthalten, einen Kuß auf ihre Lippen zu 
drüden, die Halb offen zum Kuße luden „,.. „O nur einen Kuß mod), nur 
einen,“ vief er. 

Vgl. Bers 3214 (im der 1. Faffung): 
aß mich, Mädchen, did, umfchlieen, 
Faß mich, diefe Yippen Kiffen. 
Und fpäter (gleichfalls in der 1. Fafjung)z 
2a mit einem heißen Kuß 
Dir die lieben Fippen jhließen. 

Die Entführung, von der die Quelle erzählt, nimmt folgenden 
Verlauf. Bernard drüdt die biutende Gejtalt, die er für feine Ge— 
liebte hält, an feine Bruft und trägt fie in den bereititehenden Wagen. 
(Il. Vers 3234. Alles ift zur Flucht bereitet.) Die Pferde jcheuen, 
rajen davon. „Dieje ganze Zeit über lag Bernards Gefährtin ohne 
Bewegung in jeinen Armen,” Der Wagen zerjchellt krachend Bernard 
jtürzt einen „felfigten Abhang“ hinab und verliert „alle Bejinnungs- 
kraft”. Die blutende Geftalt verjhwindet. RN 

Abgejehen von den gebotenen Veränderungen, läßt die Führung 
der Handlung zum Schluffe der Tragödie ganz wohl eine Parals 
lele zu. 

Jaromir. (Auf fie zueilend.) 
Bal. Liebetrunken mit geöffneten Armen floh er ihr entgegen.) 
Ahnfrau. Vers 3302. So komm denn, Berlorner! 
(Öffnet die Arme und drückt ihm am fidh) 2. Faſſung: er ſtutzt hinein]. 
Jaromir (jchreiend.) 


Hal 
(Er taumelt zuriid und ſintt an Bertbas Sarge nieder.) 


In der erjten Faſſung liegt Yaromir, von der Umarmung des 
Geſpenſtes betäubt, am Boden (eva wie Bernard nad) der Kata- 





140 Ludwig Wuyplel, Ein Zchanerroman als Quelle der „Ahnfrau”. 


jtrophe ınit dem Wagen); die Ahnfrau „fügt ihn auf die Stirne. Er 
zudt ein wenig und jinft todt hin”. 
Für diejen Kup vergleihe man S. 45 der Vorlage. 


.... fie (die blutende Geſtalt) drüdte ihre falten Lippen auf die jeinigen ...... 
jchritt langfam aus dem Zimmer .... er ftieß einen Seufzer des Schmerzen® 
ang, und ſank ohnmächtig aufs Lager zurück. 


An anderen Stellen, die für den Schluß der Tragödie heran- 
gezogen werden könnten, fehlt es nicht. Hier nod) die eine aus dem 
Schluß des Romans. 


S. 253 f. (Satan und blutende Gejtalt kämpfen um die Seele Ambrofios. | 
Satan .... jo ergreife id) meine Beute. 

Die blutende Geſtalt ıdazmwiichentretend). Zurüd, Elender! noch iſt er 
nicht dein. 

Bgl. Bers 3303. Hauptmann. Deörder, gib dih! Du mußt fterben! 

Ahnfrau (in der erften Faffung). Sterben! Tod nicht am Schaffor! 

Vgl. auch Vers 3310. Hauptmann. Ha, nun bift du unfer — 

Die Begebenheiten am Schluſſe des Romans fcheinen auf 
Fauſtiſche Motive zurüdzugehen: Ambrofio jchließt einen Palt mit 
dem Teufel; die guten und böſen Geilter kämpfen um die Seele des 
Opfers (Fauſt, 2. Zeil, Schluß). 

Der Schluß der Ahnfrau in der eriten Faffung Mingt an den 
Schluß von Fauſt, 1. Teil, an. 

Hauptmann (poritiirzend). 
Schon zur Hölle? 

Guͤnther (.... flebend und vertrauend mit ofinen Armen gegen Simmel 
blidend). 

Schon bei Bott! 

"gl. Fauſt. 

Mephiſtopheles. Zie ift gerichtet. 
Ztimme (von oben). Iſt gerettet! 

Noch etwas: 

Die blutende Geſtalt nimmt Abſchied von Bernard und den 
Seinigen, denen nach manchem Unheil ein glückliches Ende zufällt. 

2. 246. Lebt glücklich und zufrieden, 
Auch mir iſt Glück beſchieden: 
Die harte Wanderung iſt nun vorbey, 
Zwey Opfer feiler Wolluſi find gerettet 


Und Satan in der tiefſten Höhle (sie! angelettet, 
vebt wobl, und fegnet mich, und bleibt der Tugend treu. 


Die Ahnfrau, jchon der erjten Faſſung, unvergleichlich jtimmungs 


voller: Nun wohlan. (&8 ift vollbradıt 
Das Verbrechen iſt entflihnet 
Und der Zünde lebte Spur 
Weggewaſchen von der Erde 
Zen gepriefen emge Macht. 


Pudwig Wyplel, Ein Schauerroman al8 Quelle der „Ahnfrau”. 741 


Ambrojio ijt ein ebenjo zweideutiger Schügling wie Yaromir; 
die bintende Jungfrau zählt ihn zu den „gefuntenen Geſchöpfen“, zu 
den „Gefallenen“, jo wie die Ahnfrau Jaromir einen „DVerlorenen“ 
nennt. Uber die ftreitenden Geijter am Schluffe der Vorlage herricht 
vollfommene Klarheit; dort vertritt die „blutende Jungfrau“ das 
gute Prinzip. 

"gl. ©. 259. Zatan (mwüthend). Mächte der Hölle, unterftiitt mid) in 
meinem lnternehmen. 

Jungfrau. Zie find mit Ohnmacht gefchlagen, wenn der Ewige wirkt. 


Sit dies die „ange Macht” Grillparzers? 


4. Sonftige Übereinftimmungen mit der Quelle. 


Soviel über die Geiſterſcenen; doch damit find die Berührungs- 
punfte zwilchen Roman und Tragödie noch nicht erfchöpft. 

Es muß noch in Betracht gezogen werden: die LXiebesgejchichte 
Bernard-Berthas; ſowie die Geſchicke der Beatrix (die Vorgeſchichte). 
Vor allem it Ambroſio in mander Beziehung ein Urbild Jaromirs; 
endlich fehlt es auch nicht an epijodenhaften Begebenheiten im Roman, 
die gelegentlich ihren Einfluß üben. 

Was von Bernard zu Anfang des Romans erzählt wird, klingt 
im Lügenbericht Jaromirs durch, den diefer vorbringt, al8 er vor 
der Verlobung Aufjchluß über feine Vergangenheit zu geben hat. 
Bejonders ijt der ausführliche Bericht der erften Faſſung in Bes 
tracht zu ziehen, der auf Anrathen Schreyvogels ſtark gefürzt wurde. 

Bernard von Sonden iſt Majoratsherr aus einer angejehenen, 
aber herabgefommenen Familie Deutſchlands, entichließt fid) aus der 
Heimat zu fliehen und bei Wallenftein in Böhmen Kriegsdienite zu 
ſuchen. 

Die Familie Bernards „war ehemals reich und mächtig”. 

Vgl. aus Jaromirs Bericht (nad) Vers 1098): 

Erſte Faſſung.) Und von Efchen iſt der Name 

Ten mit Ruhm die Väter trugen — 
Hochberühmt war ihr Geſchlecht, 
Hocberühmt für Macht und Recht — 


Jaromir giebt vor, daß feine Familie vom Rhein ftamme. 
Für den Glückswechſel zu vergleichen: 
Fbenda. Arm und hilflos ftarb mein Vater, 
Sch, als Züngling, ftand allein — 


Jaromir jucht auf diejelbe Weiſe Abhilfe wie Bernard; beide 
haben „den Muth ihrer Ahnen geerbt”. 


142 Ludwig Wyplel, Ein Schauerroman al® Duelle der „Ahnfrau“. 


Da beſchloß ich fortzugiehen 

Und das Vaterland zu fliehen 
Kunde ward mir, daß ın Böhmen 
Eifrig man zum Kriege rüfte, 

Ich beichloß mid) einzufinden 

Und ein neues Süd zu gründen. 


Bernard führt jein Vorhaben wirflid) aus und gründet ein 
neues Glück als Krieger Wallenjteins. 
Die zweite Fafjung bringt diefelben Motive gefürzt, Vers 1117 if. 
Im Verlaufe der Erzählung betritt Bernard als Salt Schloß 
Lindenberg, wo er Bertha zum erftenmale erblidt und fofort lieb 
gewinnt. Scine Liebe ift ausfichtslos, denn Bertha ift „zum Klofter 
beſtimmt“. Dies und die Eiferjucht der Baronin Xindenberg drängen 
die Liebenden zur Flucht. Erſt weigert fid) Bertha, doch allmählid) 
fommt jie zur Alberzeugung, „Flucht allein jey ihr jegt übrig“. 
Auch die Llbereinftimmung von Nebenmotiven iſt beachtenswert. 
Bernard gerät i1. Kapitel des Romans) in eine Näuberherberge 
und wird auf jein Zimmer gewiefen. Aus dem offenen Fenſter be- 
lauft er Räuber, die einen Mordanjdjlag gegen ihn befprechen. Vgl. 
Jaromir zu Ende des 2. Aftes., Die Baronin Lindenberg ift zufällig 
im felben Wirtshaus abgeitiegen. Bernard fomnıt nochmals ins Gait- 
zimmer binab, um fich und die Baronin durch Lift und Entichlofien- 
heit zu retten. Die Räuber merken aber jeine Verwirrung. Nad) der 
Urjache befragt, „ichrieb er es der ftarfen Ermüdung und dem Gin- 
drucke der rauhen Witterung zu”. 
Vol. Jaromir. Vers 717 ff. (in ähnlicher Lagen: 
Wie ich bin, vom Kampf ermüdet, 
Bon den Schrecken dieſer Racht, 
Taug' ich wenig ..... 


Die Baronin von Lindenberg wird von Bernard aus der Ge— 
walt der Räuber gerettet, wie Bertha aus ähnlicher Gefahr (Bericht 
Berthas im 1. Afte\. Auch die Baronin faßt eine Leidenſchaft für 
ihren Netter. 

Wenden wir uns nunmehr der Vorfabel des Romans zu. 

Beatrix entflicht mit Siegmund aus dem Haufe ihres Natere 
ı Zonden). 

Siegmund von Xindenberg betritt unerfannt und unter 
fremdem Namen das Schloß jeines Erbfeindes Sonden. Er crblidt 
Beatrix, die Tochter des Hauſes, und al&bald erglüht er in Yiche 
für fie. Er will fie entführen, vorher fommt es mit ihr zu Aus: 
einanderjeßungen (Zitnation des 3. Aftesı; er entdedt ihr (alto auch 
eine Entdefung), „er jey ang dem Geſchlechte der Lindenberger, jeit 


Ludwig Wypiel, Ein Schauerroman als Duelle der „Abnfrau. 743 


jeher die größten Feinde" ihres Haufes. Troß diefer Entdedung „giebt 
ihm Beatrir das Gejtändniß der Liebe zurüd“ (auch Jaromir ges 
winnt die Liebe Berthas wieder). 

S. 73. .... da ih doc Feine Hoffnung t Si db), dich je v 
harten Vater zur Sakim Du erhaltene it mir uns ein Hitel kon, % Zu 
erlangen, und dieß ift Flucht nad) meinem Schloffe (dasfelbe gilt, ohne daß es 
ausgefprochen wird, für De) niemand abnet wer ich jey, niemand würde 
auf meiner Befte did) fuchen. 

Auch Jaromir richtet feine Flucht nach feinem „Schloffe am 
fernen Rhein". 

Vol. für den Wortlaut 

Bers 2008. Dorthin, wo mid Niemand lemnt... 


In beiden Fällen derjelbe Kampf, dasſelbe Bedenken, diejelbe 
Enticheidung. 

5.73. (Die blutende Geſtalt berichtet ſelbſt.) „Es war hart den geliebten 
Vater zu verlafien, e8 war meinem verwahrloften nach Liebe durſtenden be 
noch härter, den Geliebten zu verlaffen, noch widerſprach ich anhaltend jeinen 
Worten, und dod) hatte mein Herz bereits bejchloffen, den guten Vater durch meine 
Flucht dem Grabe nahe zu bringen. 

Auch Bertha weigert fi) nur mit halbem Serzen. 

Vers 2018. lieben ſoll ich? 
Bers 2020. Und mein Bater? 
Der egoijtiihen Entgegnung Jaromirs: 
Bers 2018 f. gam ich fi 3 a 
ann ich fli ohne 
und fpäter Bers 2020. Weib, und dr 
jteht in der Vorlage gegenüber: 
©. 73. .... ich kann aber auch nicht leben ohne bir. 

Für die Entſcheidung vgl ©. 73: 

Sieginund fiegte endlich, ich willigte ein zu fliehen. 

Ähnlich Ahnfrau (mad) der Gegenrede Jaromirs): 

Bers 2034. Jaromir. Du will? 
Bertha (halb ohumähtig) 
will! 


Dieſe Beziehungen erfcheinen umſo geficherter, al8 aud) Er- 
eigniffe des 4. Aktes auf die Vorgefchichte des Romans zurüdgehen. 
Der Vater der Beatrix fällt in einer Fehde von der Hand Siegmunds. 
Sterbend wird er auf Schloß Lindenberg gebradjt. 

Beatrir „bebt zuſammen“, als fie ihren Bater unter den Ge⸗ 
fangenen gewahrt; fie will „fich jammernd über ihn Hinftürzen, Sieg⸗ 
mund reißt fie weg“. 

Eusthorion. VO. 48 


744 Ludwig Wyplel, Ein Schauerroman als Quelle der „Ahufrau“. 


Ahnlich dag Verhalten Berthas, als Borotin fterbend auf die 
Bühne gebradht wird. Dean hält fie zurüd, jie reißt ſich los; fie 
jtögt einen Schmerzensruf aus und „jtürzt an der Bahre nieder“. 

Was aber die angezogene Stelle den Drama bejonders nahe 
bringt, das find die Seelenqualen, die der Sterbende zu erleiden 
hat. Siegmund bringt ihn aufs Schloß, „um ihn gänzlidy zu Boden 
zu drücken“. Die blutende Geftalt berichtet ©. 75: 

Mit einem lauten Schrey ftürzte der Alte zujammen, als er mid in feines 
Feindes Armen liegen fah, dieß gab ibm den Todesftoß, er riß den Berband 
feiner Wunde 108, ih will fterben, rief er, da ich meines Kindes Schande 
erlebt habe .... 

Dem alten Borotin werden auf jeinem Sterbelager noch erfchüt- 
terndere Enthüllungen. Aud) er wünſcht ſich den Tod. 


Bers 2518. So begrabt mid denn, ihr Mauern .... 
Bers 2578. Nimm denn aud) dieß Yeben hin ..... 


Der Zug vom loggeriffenen Qerbande findet jidh: 
Bers 2580 f. (Günthery. 
Gott! Es fprengen die Berbaude! 
Weh, er ftirbt! 

Nicht genug daran. „Siegmund ijt graufam genug, ihn durch 
Erzählung, wie Beatrix geflohen it, zu peinigen.” In der Ahnfrau 
übernimmt Boleslav die Rolle des Peinigers, wenn auch ohne Die 
böje Abjicht Siegmunds. 

Noch cin anderes Liebespaar ſcheint nicht ohne Einfluß auf die 
Ausgejtaltung der Tragödie gewejen zu jein: Raimund- Johanna, 
und zwar jind hellere Zöne auf diefen Teil der Vorlage zurüd: 
zuführen. Johanna ijt eine geſchickte Stiderin wie Bertha; fie weilt 
gern an „ihrer Stidrahme”. Bertha nimmt die verhängnisvolle 
Schärpe, die fie eben fertig gejtidt hat, vom Nährahmen. Johanna 
hat einen heim Burkard, ein beachtenswerted Urbild Borotine. 
Seine Yiebe und Fürſorglichkeit für Johanna, jeine Höflichkeit, Gaſt⸗ 
freundſchaft und Ritterlichkeit finden wir in Borotin wieder. 

Die einfache Liebesgeſchichte der Vorlage hat gewiſſe Züge mit 
den Bericht Berthas im 1. Akt gemein. Die Neigung erfaßt die 
Liebenden ſofort bei der erjten Begegnung und wird in beiden Fällen 
verjchwiegen. Der Grumd des Schweigens ift in beiden Fällen 
außer jungfränlicdher Schen dic Furcht, ihre Yiebe werde Mißbilligung 
finden. eu und Borotin müſſen die Neigung ihrer „Kinder“ 
erraten. ©. 151: 

ıBurlard., Ich babe die Regungen deines Buſens gelefen, noch bift du 


nicht geübt fie zu verbebfen, te fonnten meinem aufmertfamen Auge nicht 
entgehen. 


Audiwig Wyplel, Ein Schauerroman als Duelle der „Ahnfrau“. 745 


Vol. Ahnfrau Vers 193 (2. Faffung). 
(Graf.) Glaubteft du, dem Bateraug 
Ba Bleib‘ J Wolthe nur — en, 
Das an deinem Himmel hängt? ..- 

Beide ermuntern durch Tiebevolles Entgegenfommen das Ber- 
trauen ihrer Schußbefohlenen. 

Burkard. (Ebenda.) ..... fomm zu mie mein Kind .... Furchte dich nicht 
liebes Mädchen, fich in mir ben Freund wie den Oheim, umb beforge feinen 
Vorwurf von mir, 

Vol. V. 199 F. (2. Faffung): 

War id) je ein harter 


Bater, 
Biſt du nicht mein theures Kind? 

Burfard handelt konjeguenter, Er bemerkt das veränderte Weſen 
feiner Nichte umd fchreitet jofort gegen die auffeimende Neigung ein, 
die er für ausſichtslos hält. Borotin giebt vor, im Junern jeiner 
Tochter gelefen zu haben, läßt aber ein halbes Jahr (Sommer bis 
Winter) verftreichen, ehe er ordnend eingreift. 

Die Freier find edler Abkunft, in beiden Fällen fpielt Dankbarkeit 
mit: Raimund hat fic erfolgreich in Erbichaftsangelegenheiten für 
Johanna verwendet. Burfard „ergießt ji) in Dantbarfeit“. Dies 
ermutigt Raimund, feine Werbung vorzubringen; auf ähnliche Weife 
bringen Danfesäußerungen Borotins Bertha dazu, von ihrer Nei— 
gung zu jprehen. Johanna ift arm und ohne Freunde, wenn aud) 
vornehmer Abkunft; Raimunds Verwandte aber „denken edel und 
uneigennügig“; endlich willigt Burfard bedingungsweije in die Ver- 
bindung mit Raimund ein, In der Tragödie fällt Yaromir die Rolle 
des vom Glüd Verwaisten zu. Borotin denkt nicht minder vor« 
nehm, wie die Anverwandten Raimunds, doc will auch er Jaromir 
auf die Probe ftellen. 

Eine Stelle des 2. Altes endlich mutet, gegen die Borlage 
gehalten, wie eine poetijche Paraphraje derjelben an. 

©. 152. (Burfard fid) an Raimund wendend.) Yd) bin alt, (1) meine Befund» 
heit ift im Abnehmen, (2) Gott allein weiß, wie bald er mic, vor feinen Thron 
fordern mag. (3) 

Vgl. Vers 1133 ff. (Späterer Bufab): 

Sich, mein — ich bin ein Greis (1) 
die Male an zes — (2) 

nd ein duntel, 
Nennt mir nah Bes Bene Biel. (8) 

Blutende Geftalt, ebenda (direct anfchließend): 

Meine Nichte ift dann ohne d und Schlüter, (5) fie ift jung und ame 
ſchutdig, et mit * BEER He US een 
48 








746 Ludwig Wyplel, Ein Schauerroman als Tuelle der „Ahnfrau“. 


Sie aljo, wie jehr mich diefe Aussicht für jie zittern läßt, (1) urtheilen 
Sie, wie jehr ich beforgt jenn muß, (3) jeden Umgang von ihr zu entfernen, der 
Yeıdenfchaften weden möchte, die noch in ihrem Buſen ſchlafen ı4) 


Vers 1137 ff. (Graf zu Jaromir). (Gleichfalls fpäterer Zujag 
der 2. Faſſung.) 
Wie hab’ ich dem Tod gezittert, (1) 
Und auch jetzt fchredt er mich nicht. 
Aber fieh dieß Mädchen, fich mein Kind.... 
Daß ich fie allein muß laffen 
In der unbelannten Welt, (2) 
Das macht mich dem Tod erblafien, 
Das iſt's, was fo tief mich quält. (3) 
(Veſonders.) Sohn, auf did) iſt ihrer Neigung 
Schlaferwachtes Aug’ gefallen; (4) 
Du weißt ihren Werth zu jchägen, 
Weißt zu fchügen, was dir werth; (5) 


Für den Wortlaut auch zu vergleichen: 


Vers 806 f. Und Gefühle, die noch ichliefen, (4) 
Schütteln jid) und werden mad). 


An diefe Worte Borotins jchlieist jich in der Ahnfrau die Ver⸗ 
lobungsjcene, in der Vorlage Raimunds formeller Antrag, der trog 
aller Einwände Burfards zur Vereinigung führt. 

Auch ſonſt noch könnte manche außer den Zuſammenhang ftehende 
Einzelheit zum Vergleich herbeigezogen werden. Eine Motivengruppe 
darf man indes nicht ganz mit Schweigen übergehen: die Grete— 
Baptiit-Epitode, ſchon deshalb nicht, weil fie einen der Verfnüpfunge- 
punfte mit der Mandrinquelle bildet. Baptiſt ift Räuber und feine 
Geſchicke weiſen bei allen Abweichungen - eine merkwürdige Ahn- 
lichfeit wit denen Jaromirs auf. 

Baptiſt Freit um Grete. Vom Later abgemwieien, zieht er in die 
Fremde. Nach jieben Jahren kehrt er zurüd, „prächtig gefleidet“ und 
beredet Grete zur Flucht. (Tas Fluchtmotiv!) (Grete läßt ſich über: 
reden wie Bertha. Sie zieben „tief in den Forſt“. Dort entdedt ihr 
Baptift, dan er zwar „mit Räubern in Qerbindung jtehe“, aber von 
Blutſchuld frei ſei. Die Entdedung, das „Erfennungsmotiv”.ı Trotz⸗ 
dem liebt ihn Grete noch, ſie glaubt jeinen Worten. Einjt bringt 
man ihn verwundet hein, ein Raubverſuch an einem Officier ift 
ihm mißglückt. Nun „wird ihr altes Klar“ Entdedung:, die Ruhe 
ihres Yebens bat cin Ende. Als ſich eine günſtige Gelegenheit bietet, 
verräth ſie Baptist und flieht mit ihrem Sohn Theodor. 

Tie Baptift-Epijode enthält die Vorgänge des 3. Altes in den 
Dauptzügen. Ein Motiv daraus verwendet Grillparzer als Vor 
jtadinm der „Erkennung“. Bertha ſchöpft den erſten Verdacht aus 


vudwig Wyplel, Ein Schauerroman als Duelle der „Ahnfrau”. 747 


der Termwundung Jaromirs am Arme (Anfang des 3. Altes.) Vol. 
Vers 1625 und Vers 1750. 

Noch ein anderes wichtiges Motiv enthält die Gejchichte Baptifts: 
das Rettungsmotiv, das in der Tragödie Jaromir und Bertha 
zujammenführt. Auf jeinen Wanderungen geräth Baptift unter Räuber 
(wie Bertha, vgl. den Beriht im 1. Alt); er hat fein Leben nur 
dem Umſtande zu danken, daß die Tochter des Hauptmanns ihm ihre 
Neigung ſchenkt. (Vgl. die Errettung Berthas aus den Händen der 
Räuber, 1. Aft., 

Zum Sclufje der Specialunterfuhung kommen wir auf den 
Daupthelden des 2. Teiles des Romans zu fprechen, auf Ambroſio, defjen 
Geſchichte vielleicht die überrajchendften und fchlagenditen Ubereinftim- 
mungen mit der Dandlung de8 Dramas bietet. Ambrojio hat manche 
Sharafterzüge mit Jaromir gemein: die dunkflere Seite in Jaromirs 
Weſen. Als Befiger des Schloſſes Stern und infolge feiner glänzen- 
den Kenntniſſe geniept cr hohes Anjehen, doch ift er ein Heuchler und 
Schleicher. Er ladet Schuld auf fid) und wendet alle8 daran, die 
‚solgen diejer Schuld von ſich abzumenden. Er war ein Weiberfeind, 
jpät erwacht die Leidenschaft in ihm und erfaßt ihn umfo heftiger. 
Aus Verſehen tötet er den Vater des Mädchens, das er liebt, das 
er jpäter gemwaltjam, mit Hilfe von HZanberfünften entführt. In den 
„unterirdiichen Grüften“ des Schloffes Stern, wohin er ſich geflüchtet 
hat, als jeine Schuld ruchbar wird, nimmt man ihn feit, und nur 
durch das Eintchreiten überfinnlicher Mächte entgeht er dem Schafot. 
Dean ſtaunt! Iſt dag nicht die Geihichte Jaromirs ohne das Räu- 
bermotiv! ES ıjt nicht verwunderlich, daß die llbereinftimmungen ſich 
auch auf Einzelheiten erjtreden. 

Mathilde, ein weiblicher Därnon, beunruhigt das Herz Ambrofios 
zuerjt. Die finnlid) ſchwüle Atmoſphäre, mit welcher Mathilde ihr 
Opfer umgiebt, um jeine LZeidenjchaftlichkeit zu ermweden, erinnert 
dentlih an die Stimmung jener Sommernadt, die Bertha in die 
Arme Jaromirs führt Bertha fällt die Rolle Ambrojios zu: diejer 
wird in die Netze Meathildens verftridt, wie Bertha in die Geichide 
des Räubers. 

Eine rätſelhafte Neigung für Mathilde, die ſich, als Diener 
verkleidet, in das Haus des Weiberfeindes eingeſchlichen hat, erfaßt 
Ambroſios Herz. Zur Nachtzeit wird er von unwiderſtehlicher Un— 
ruhe ergriffen, es drängt ihn ins Freie, auf den Balkon, in den 
Garten. S. 121 f.: 

Ueppig ſchmückten ihn die auserleſenſten Blumen . . ... Jetzt erhöhte 
die Nacht ılı noch den Zauber des Ganzen. ..... ein ſanftes Lüftchen (2) 
wehte den Tuft der Oraugeblühten (3) die Alleen ber, und die Nachtigall 
ſtrömte ihren melodijchen Geſang (7) aus den Didigt einer künſtlichen 


748 Ludwig Wypfel, Ein Schauerroman al8 Quelle der „Ahnfrau“. 


Wildniß. (6) Nach diefer richtete Ambrofio feinen Schritt. ..... In ſich ſel bſt 
verſenkt (4) nahte er ſich dieſem Plate. Die allgemeine Stille (5) hatte ſich 
feinem Herzen mitgetheilt, und eine wollüſtige Ruhe (4) verbreitete eine an— 
genehme Dlattigkeit über feine Seele. 


Dean halte dagegen: 
Bers 220 fi. Wie in einer Sommernadt (1) 
ch dort in dem nahen Walde 
Dich luſtwandelnd einft erging 
Und, vom Schmeichelhauch der Püfte, (2) 
Bon dem Duft der taufend Blüthen (3) [im Walde!) 
Eingelullt in ſüß' Vergeſſen, (4) 
Weiter ging als je zuvor. 
Wie mit Einmal durd die Stille (5) (ſpäter: Nacht). 


Desgleichen Bers 231 ff. (vom Spiel Yaromirs): 


Girrend bald gleidy zarten Tauben 
Durch die dihtverjchlungnen (früher: dichtbewachſnen) Yauben, (6) 
Bald mit langgedehntem Schall 
Yodend gleich der Nachtigall. (7) 
Mathilde ift eine ebenſolche Meiſterin im Spiel wie Jaromir. 
©. 140 heißt 8: 
Man fah wohl, „wie vollflommen fie ihr Auftrument in der Gewalt 
habe. (2) Die “Melodie, die fie fpielte, war fanft und Magend. (1) 
Vol. Vers 229 f. (vom Spiel Jaromirs): 
Klagend, jeufzend (ip. ftöhnend), Mitleid heiſchend (fp. flehend), (1) 
Mit der Zonlunjt ganzer Madt. (2) 
Die Wirfung des Spiels ijt ähnlich: 
Ambrofio fühlte eine jüße Wehmuth fich über fein Herz verbreiten 
Vers 238 f. (von Bertha): 
Wie ich fo da ſteh' und laufche, 
Ganz in Wehmutb aufgelöst — 


Mathilde jpielt die Harfe wie Bertha: 


— 


Z. 168. „Durch Muſik und angenehme Unterhaltung“ will fie Ambrofio „die 
Etunden verkürzen”. 


Vol. Vers 288 ff.: 
(Braf.) Tod) jept, Bertha, nımm die Harfe, 


Und verſuch' c8, meinen Kummer 
Um ein Ztündchen zu betrügen — 


Vol. ferner S. 140: 


Mathilde holte die Harfe .. .. fie griff einige laute Friegerifhe Accorde 
.... Ambrofto .... jchwieg und blickte mit beil (halb?) gefchloffenen Augen vor 
fih hin. Matbilde glaubte er fchlafe. 

Pol. Ahufrau: Yertba nimmt die Harfe (früher: und fpielt). Bald nad den 
erften Allorden nidt der Alte und ſchlummert ein. 


Ludwig Wopfel, Ein Schauerromau als Quelle ber „Ahnfran“. 749 


Im Roman folgt auf das Spiel ein Monolog Mathildens: 


©. 140. „Ha, er ſchlaft, er fehläft, und ich arm mich ungeſtört dem 
Kummer überfaffen. 

Der Monolog Berthas begann in der erften Faſſung: Ach er ſchläftl 

Und wie der Monolog der zweiten Faſſung von Jubel über 
ftrömt, jo war jener voll unbegründeten Kummers: 

Berrätherife Saiten 
Könnt ihe Andern Ruh, bereiten, 
Und laßt troftlos biefes Hı 
Hilfreich wiegt ihre eben Aummer x. 

Mathilde teilt mit Bertha den Zug, daß die Äußerungen ihrer 
Liebe leidenfchaftlich find, und daß fie dem Geliebten Kälte vorwirft. 
Nicht ohne Grund, denn Ambrofio wird ihr untreu und verfolgt 
Johanne mit feinen Liebeswerbungen. Zweimal fehleicht er ſich in 
Johannens Kammer. Beidemal wird er von Burfard, ihrem Oheim, 
überrajcht. Das erjtemal ſchon ift er nichts weniger als zurüd- 
haltend. „Er jest ſich meben fie"; „schließt fte in feine Arme 
und drüdt glühende Küffe auf ihren Mund.” Da tritt Burfard 
unerwartet ein; fein Erftaunen fennt feine Grenzen. 

Eine ähnliche Überrafhung fpielt fid) im 2. Akte ab. 


Bei Bers 950. Jaromir (figend, am ihre Bruft gelehnt). 
Vers 956. Lieg' id) jo in deinen Armen. 
„Der Graf kömmt“ und gibt feinem Befremden Ausbrud (Bers 962 ff.). 


ALS Burfard ein zweites Mal Anıbrofio dabei betrifft, wie ex 
nachts in das Schlafzimmer Johannens gedrungen ift, fommt es zu 
den böfen Auseinanderfegungen, die mit dem Tode Burtards enden. 
Diefer Begenheit entjpricht der Tod Borotins. Beide Creigniffe 
werfen ihre Schatten vorans. Johanna wird von ben jchlimmiten 
Ahnungen beängfligt, als fie von Burfard, ohne es doch wiſſen zu 
können, zum lettenmal Abſchied nimmt. Bertha bekundet einen ähn- 
lichen Gemütszuftand im Monolog des 2. Aftes, ihre Unruhe ift 
begründeter, fie weiß ihren Vater in Gefahr. 

„Zroftlofigfeit jentt ſich i umens Bufen“; ihr Äft voll Bitterkeit; 
Bertha fühle” Mi heile reis gegeben en Sorge Natterzahn“, 

©. 196. .... fie (Job hlte jo betlom men beym Abſchiede. 
Es — — ſehen mit um hullt. 
Bgl. für Bertha Bers 1520. Wie a id) diefe Angfl, 

Wie bezähm’ ic) diejes Baͤngen — 
Bers 1525, 3 verhüllen ſich die Sterne, 


ES erlifcht des Tages Licht — (juerft fiir 
den 1. Aft beftimmt) 





750 Ludwig Wyplel, Ein Schauerroman als Quelle der „Ahnfrau“. 


©. 19%. .... und eine geheime Ahnung fagte ihr, fie würden fih nie 
wieder fehen . 
Bers 1531 fi- O, ich kenn' dich, finftre Nacht, 
Ahne, was du mir gebracht. 
Muß ich’ vor die Seele führen! 
O, 08 heißt, e8 heißt verlieren zc. 


In der 1. Faffung gleichfalls im Monolog des 1. Aftes. 
Dort lauten die erjten zwei Verſe: 


Ich ertenn’ did ſchwarze Macht 
Ahnde mas du mir gebracht. 


Der Stelle „und die Welt enthalte nichts, warum es der 2 Mühe 
zu leben lohne“ entiprächen die Ausführungen: 


Bers 1539 fi. Wohin feid ihr, goldne Tage ꝛc. 


Endlich ift noch die Ülbereinftimmung der Bühnenweifung mit 
ven Schlußworten der angezogenen Stelle merkwürdig. 


S. 196. Sic ſank in einen Seſſel, ftübte den Kopf auf ihren Arın, und ftarrte 
mit leeren Blicken den Boden an .... 

Erfte Fafjung. Sept fih in den Etubl, die Stimme in die Hand geftützt. 

Zweite Yaflung | er Aufang des 3. Actes.]: 

Bertha ſitzt am Fifche, den Kopf in die Hand geftügt. 

(Zintt in ihre vorige Stellung zurüd.) 


Der Tod Burkards enthält dramatische Motive von padender 
Wirkung, die Grillparzer bei Ausgeftaltung ‚des nämlichen “Motive 
wohl förderlid) jein konnten. Ambroſios, des Ubelthäters, krankhafter 
Ehrgeiz ſcheut ebenjo jehr die Entdefung jeiner Schuld wie der Räuber 
Jaromir. Beide begehen den Word, um ſich vor Schmad) zu retten. 


Burkard will „den Elenden ſchrecklich entlarven“, „alle feine (Ambrofios) 
Thaten follen offenbar werden”. Ambrofios Flehen ift vergeblich; AYurlard „ruft 
um Hülfe“. 

S. 203. Ambrofio „verfuchte zu entwiichen, aber Yurlard creilte ihn noch, 
che er die Thitee öffnen konnte.“ 

„Keinen Verſuch zu entflichen!“ rief er. (2) 

S. 204. Jet erinnerte er Ambroſio fih, zur Vorſicht einen Dolch zu ſich 
genommen zu haben, (1) er hoffte, den Alten durch deſſen Anblid zu fchreden. 
Schnell zudte er ihn: „Du biſt des Todes!” rief er .... WBurlard lannte fidh 
vor Muth nicht, ſeine Schwäche vergeifend, jtürzte er gleich einem Kafenden auf 
Ambrofion, (4) ftrauchelte, - ad! und fiel in defien vorgehaltenen (3) Dold. 
Ter Stabl traf ſein Herz; 17) — obne Yaut (5) ſank er zu Boden. (6) 


Jaromir hat zu Ende des 3. Aktes „aus Vorſicht“ einen Dolch 
zu ſich genommen wie Ambrojio. (1) Als ihn nun Borotin ergreifen 
will, (2) um ihn der Beſtrafung auszuliefern, fommt e$ zur Gewaltthat 
ganz ähnlidy wie in der Vorlage. 

Der Rampfberidt des Hauptmanns ſteht der angeführten Stelle 
am nädhiten. 


Ludwig Wppfel, Ein Schauerroman als Duelle der „bnfean*, 751 


Vers 2323 ff. Euer Vater ftand der Nächſte, 
Und mit vorgehaltnem (3) Degen 
Stürzt er jugendlidy verwegen 
Rach dem Räuber ın den Gatıg. (4) 
Da ertönt ein matter Schrei, (6) 
Euer Bater liegt am Boden (6) 
Ohne Leben, — Odem, 


Einen Dolch in feiner Bruft. (7) 

Ambrofio Indet noch eine zweite Schuld auf ſich. Johanna will 
ihm in den „unterirdifchen Grüften“ entfliehen, er verfolgt jie mit 
gezüdtem Dolce. Die Schilderung diefer Begebenheit hat augen- 
ſcheinlich auf den Bericht Jaromirs vom Tod Borotins eingemirkt. 

©. 242. Da ..... fah er (Ambrofio) Johannen ſchneg Fortihliipfen (6), 
und mit der Geſchwindigkeit eines Pfeils dem Geräufche entgegen 
eifen (1), (Die Befreier nahen.) Aber Ambrofio verfolgte fie (2) .... 
Umſonſt verdoppelte Johanne ihre Schnelle, umfonft ftrengte fie jede Nerve aufs 
äuferfte an, mit jebem Momente brängte ſich ihr Feind war, dicht Hinter ihr 
börte fie feine Tritte, umd ſchon fühlte ihr Naden die Wärme feines 
Athems (3).... Ambrofio holte fie ein (4), feine Hand hatte fid mit dem 
Dolce gehoben, mit von Grimm (6) funteinden Augen ieh er nad) der Un; 
lichen. (Im legten Augenblid wird Johanne von der biutenden Geftalt gerettet.) 

Man halte dagegen Vers 2683 ff. (Yaromir): 

As ich fliehend in dem Gang, (1) 
Der Verfolger nach mir fprang, (2) 
Schon fein Athem mir im Naden, (3) 
Jett mic) feine Hände paden .... (4) 
Dean vergleiche auch aus dem Berichte des Hauptmannd: 
Bers 2318. Und nad) einem jener Gänge -... 
Vers 2322. Sahn wir einen hatten iehn, (6) 
Beide verüben ihre That im Grimm (6). 
Bol. Vers 2691 ff. Aber raſch, mit neuer Gluth, 
Flammt empor die Rauberwuth 
Und ruft ungefitm nad) Blut, 
Auch Jaromirs Tirade mit dem Schluffe: 
Vers 3245 f. Und der Nächfte meinem Herzen 
Iſt der Nächfte meinem Dol 
icheint eine Neminiscenz an dieje Begebenheit — 

Endlich könnte auch der 3, Aft hier 5 gleich herbeigezogen 
werden; auch er enthält eine Entlarvung. Beide Stellen haben gemein, 
daß der Schuldige durd ein im der Entrüftung zugejchleudertes 
Wort vernichtet wird. 

S. 202. Burlard: „DO du heuchlerii Ungeheuer!“ 
ers 1808. Bene: ae —— 





792 Ludwig Wuyplel, Ein Schauerroman als Duelle der „Abnfrau“. 


Die Wirfung des Mordes auf Thäter und Betroffene ift die 
nämliche. 


Johanne findet beim Erwachen „Burkards entjeelten blutigen Körper“. 

S. 206. „Gott! welch ein Anblick .... mit lautem Geſchrey ſtürzte fie 
zu Boden.“ (Johanne verfällt in ſchwere Krankheit), „ſie ſank von einer Chrunadht 
in die andere.“ 

Vgl. Vers 2337. Gott! mein Vater! 
Bei Vers 2340. ... an der Bahre niederſtürzend. 
Bei Vers 2523. (in Ohnmacht ſinkend). 

In der erſten Faſſung bei Vers 2581 (Bertha an der Leiche ohnmächtig 
hinſtürzend). 

Der Zug in der Quelle: „Sie drückte den Leichnam an ſich“ 
erinnert an Vers 2386. 


Seht, ich klammre mich an Euch .... 


Nach vollbrachter That bemächtigt ſich der Üübelthäter die gleiche 
bange Angſt; ihre Phantaſie beſchäftigt ſich unabläſſig mit der ver⸗ 
übten That. 

Wo ſich Ambroſio hinwendet, ſcheint ihm der Leichnam im Wege zu 
liegen. (1) 

AU das Ringen Jaromirs kann den Todesfchrei Borotins nicht 
übertäuben. Bein Anbli des biutenden Yeichnams, der „eine Wunde 
auf dem Herzen“ trägt, ruft er aus: 

Vers 3098 fi. Iſt es — Wahrheit, Wahrheit, Wahrheit, 

Oder jpiegeln diefe Augen 
Nur des Innern wirre (fp. dunfle) Bilder (1) 
Ztatt der lichten Außenwelt? 


Tie Geiſterwelt wird in Anſpruch genommen. Ambrojio wähnt 
„Yegionen von Geipenitern jeren fich feiner Flucht entgegen“ ; „Geifter, 
bleich wie Mondenglanz, wirbeln fi) im Ningeltanz”, da Jaromir 
die Frevelthat begeht: und nachdem er erfahren, daß der Erjchlagene 
jein Bater jei, „ichweben jchwarze Schredgeitalten vor feiner Stirn 
und winfen ihm em gränlid) Ja“; „Teufel zogen ihn zur That“. 

Ambrojio wird von „marternden Gedanken” gepeinigt; cr „ver: 
jagt die furchtbaren Bilder” feiner Phantafie. Jaromir ruft zu 
Beginn des großen Monologes aus: „Fort, ihr marternden 
Gedanken!” und jtaunt, dan ihn das „leihte Spiel lojer Bilder 
erſchüttere.“ 

Beſonders beachtenswert iſt aber folgender Umſtand. Mathilde, 
der weibliche Dämon, ſucht durch Sophiſtereien die Schuld Ambroſios 
zu vermindern; ähnliche Sophismen legt der Dichter Jaromir felbft 
in den Mund. 


2. 20%. 2... als fir ibn Anibroſio) etwas beruhigter und geneigter ſah, 
ihre Gründe anzuhoren, fing fie an, jeines Fehltritts in milden Ausdrüden zu 


vudwig Wyplel, Ein Schauerroman als Quelle der „Ahufraw‘, 753 


erwähnen, und ihn zu bereden, ex fe minder ſtrafbar als er fich ſelbſt zu gen 
fheine; fie flellte ihm vor, cr habe ſich nur des allgemeinen natiktlichen Rechts 
der Selbfterhaltung bedient, umd fen, fo zu fagen, an Burlards Tode gar nicht 
Schuld, da er jelbit, blind vor Wuth, in feinen Dold) rannte, 


Vgl. Bers 2663 ff. 





a, gethan! — Hab’ ich's gethan? 
mut die That die Schuld bemeijen, — 
Muf der Thäter Mörder fein? ıc. 
Auch die bintende Geftalt wirft fi) am Ende des Romans zum 
Verteidiger Ambrofios auf. 
©. 260. (Satan und die biutende Gejtalt lämpfen um die Seele 
Ambrofios.) 
Geift (Satan). Schon züdte er (Aunbrofio) den Dolch 
Jungfrau (blutende Geftalt). . .. mb wer hinderte diefe That (es handelt 
ſich um den Mordverfuc, an Johanne). 
Seift. Alfo war dod der Wille dazu da 


Er mordete Burkarden, dazu habe id) ih nicht berleitet, 


Aungfrau. DO du biſt ſchlau genug, um dei vorfeßlihen Mord bon dem 
zufäfligen unterjcheiben zu Fönnen. 
Jaromir macht ähnliche Unterfcheidungen. 
Vers 3002 f. & der Wille ifi der meine, ” 
oc) die That ift dem Gefchld . .. 
Vers 3008 f. Unfre Thaten find nur Würfe 
In des Zufalls blinde Nacht — 
Jaromir läßt feine That für „vorjägfiche” Notwehr gelten 
und legt den „zufälligen” Batermord dem al zur Saft. 
Kohanne wird mum dem Ambroſio „ein Gegenitand des Abs 
ſcheus“, von Mathilden aber „zur Kortjegung diefer Liebe ermuntert”, 
entbrennt er leidenjchaftlicher denn zuvor. 
&. 205. Gleich als hätten die — in denen hn bereits feine Yeiben- 
Schaft verführt hatte, nur die Heftigfeit feiner Liebe vermehrt, fehute er fid) ieht 
mehr als jemahls nad) Johannens Liebe, 
Ganz ähnlich verhält ſich Jaromirz erft werben die weichlichen 
Gefühle durch die Gewifjenstümpfe verdrängt; zum Schluffe des 
Monologes jteigern fie fi zu wahnwigiger Leidenjchaftlichteit. 





| 


754 Pudwig Wyplel, Ein Schauerroman als Zuelle der „Ahnfrau“. 


Bers 3137 fi. Und wenn fie, fie, die ich liebe, 
Liebe? — Nein, die ich begehre, 
Wenn fie meine Schweſter wäre, 
Woher dieje heiße Gier, 
Die mich flammend treibt zu ihr? zc. 

Was aber den durchgeführten Vergleich gewiſſermaßen Erönt, 
das ift die Llbereinftimmung der Schlußfataftrophen. Im Roman, wie 
im Zrauerjpiel, laufen hier mannigfaltig verzweigte Fäden zufammen. 
In den „unterirdiichen Gewölben“ wird Ambrofio von den „Rächern“ 
gefangen genommen. Ya, der Erzähler, der nicht genug Spannung 
aufhäufen kann, bringt jeinen Helden noch zweimal in äußerite Be» 
drängnis. Ambrofio liegt im Kerker, die Henker nahen, Satan ent- 
führt ihn „in die Lüfte“; endlich zum drittenmal auf der Höhe des 
MWifchehrad: Sutan will Ambrojio „an den Felſen der Moldau zer: 
ſchmettern“. Im legten Augenblick wird diejer durd) das Eingreifen 
der biutenden Geſtalt (!) gerettet. 

Wie eigenartig auch Grillparzer feinen Stoff geftaltet, von jeder 
diejer Situationen verwendet er mit jicherem Blid, was ihm braudybar 
ericheint. Ich übergehe hier viele Einzelheiten, um die Hauptſache 
befjer hervortreten zu laſſen. 

Ambrofio fliichtet „in die Grüfte“, dann „tiefer hinein“ in eine 
durdp einen Stein verichliegbare Höhle; Jaromir verftedt jid) in den 
„Außenwerken“, dann in der Gruft. Durch dieſe Gewölbe, über Treppen 
ins Innere verfolgt Eberhard, einer der Führer „der Rächer“, eine 
Flüchtize und ſieht sie „im Dunkel verichwinden“; ſo ficht es der 
Soldat „an dem Gruftfenſter blinken“, durch das ſich Jaromir mit 
fuapper Not gerettet hat. 

In den unterirdiſchen Gängen findet Deathilde nad) langem 
Suchen Ambrofio. Sie jagt: 

S. 241. ... ıd benügte die Verwirrung, und cilte her dich vor der Gefahr 
zu warnen (in diejev Beziehung gleicht fie der Abnfran). 


So ſucht Boleslav den „theuern” Jaromir in den verfallenen 
Außenwerken. Vgl. den wörtlichen Anklang in 


"ers 2752. Tod) benügend die Berwirrung 
Vers 27595. Zucht ich Rettung und entiprang. 


Ja jelbit dieſer Boleslav hat cin Vorbild: den „Sterbenden“, der 
gleichfalls die Rokle des Enthüllers fpielt: die Häſcher ipüren ihn 
auf, wie die Zoldaten im 2. und 4. Akt den VBoleslav. Er war 
Nänber, hielt jich zeitweiie in den Ruinen bei Stern verborgen, fein 
Vater „bean ı'; den Palaſt, unter deſſen Ruinen er ftirbt“. 

Als Theodor im die unterirdiſchen Grüfte dringt, „bemächtigt 
jid) ein geheimer Schauer jeiner jungen Scele“. Jaromir jagt, als 


vudwig Wyplel, Ein Zchauerroman als Quelle der „Ahnfrau“. 755 


er das Grabgewölbe betritt: „Schauer weht von dieſen Wänden.“ 
Ambroſio hört „den Wiederhall an den Wölbungen der Gruft”. Vgl. 
Jaromir: Vers 3192 ff. 

Ambrofio jieht, als er zu Johannens Behaufung fchleicht, einen 
Lichtſtreif vor fich, der „ihn immer dahin lenkte, wo der Weg zu 
Johannens Wohnung führte”; vor Jaromir „zieht ſich ein Schwarzer 
(zuerjt: dunkler; Streif auf dem Wege ıjpäter: Boden) hin“; „er 
muß jeine Spur treten.” Ambrojio wird beim Betreten der Gruft 
an jeine Mordthat erinnert; vgl. Vers 3206 ff. die Stelle „Mörder: 
hand“ ꝛc. Ambrojio will ſich „durd den Anblid Johannens cr» 
holen”: ähnlich Jaromir: Vers 3208 f. 


Poſſen! — „ort! Gebt eudy zur Ruh, 
Fort, e8 geht der Hochzeit zu! 


Ambrojio befindet ſich in den Grüften nicht allein; außer 
Mathilde iſt nod; Johanne da, die in einer Kapelle als tot beigejegt 
worden iſt und die Ambrofio geraubt und dahin gebradht hat. Das 
Erwachen Johannens aus ihrem tiefen Schlaf erinnert an den Monolog 
Derthas zum Schluß des 4. Aktes: das Emporrichten, die wirren 
Blide, der jchwere Kopf. Beide haben Mühe, ſich auf das Geſchehene 
zu bejinnen. 

Johanne will ihre „zerrüttete Phantafie in Ordnung bringen“. 
. . . . „Wo bin id)?” jagte fie abgebrochen. 

Auch Bertha findet ſich nicht mehr zurecht, ihr Verſtand bleibt 
jerrüttet. 

Ambrojios Yeidenichaft wird durch die Ortlichfeit nicht gezügelt; 
die Gruft eriheint ihm „eine Nojenlaube der Liebe”, er will Johanne 
umjchlingen. Doch entichloffen ruft ſie ihm entgegen: „Zurüd, 
Ambrojio — zurüd.” 

Eveniowenig mäßigt jid) Jaromir in der Gruftjcene, er will 
die Ahnfrau „umfangen“ (erfte Fafjung: umfchließen). Auch fie 
jucht ihn mit ihrem eintönigen „Kehr zurüd“ zur Befinnung zu 
bringen. 

Noch ein Berührungspunft im Dialog darf nicht übergangen 
werden. Nie Johanne den Gebrauch ihrer Sinne wiedererlangt, 
erjchiittert sic Ambrofio mit der Frage: „Wo ift mein Oheim?“ 

Val. der Ahnfrau dreimaliges: „Wo ift Dein Vater?“ 

Tie Verfolgung wird fon in der Quelle mit raftlojer 
Energie und planmäßig betrieben, „die Grüfte jind voll Bewaffneten, 
man durchjucht alle Gänge”. Die Verfolger werden in beiden Fällen 
als eine Art Chor der Rache aufgefaßt. „Bernard wird das Gefchäft 
der Rache.” Ter Hauptmann will das „entießliche Verbrechen rächen“ ; 
„an jedem rt joll den Thäter die Rache erreichen". 


196 Ludwig Wyplel, Ein Schauerroman als Duelle der „Ahnfrau“. 


Als die Verfolger nahen, ruft Mathilde aus: 


. 242. „Horch, — horch — hörft du die Rächer Ambrofio? fie lomımen 
und nahe ift dein Verderben.“ 


Später Satan im Gefängnis, al$ die Henker nahen: 
©. 254. „Hord! fie flommen.“ 
Gleich darauf: Ambrojio felbit. 
S. 255. „Horch fie kommen, o rette, rette mich!“ 

Vers 3285. (Ahnfrau.) Horch (früher: hör'), ſie kommen! 
Mathilde mahnt zur Flucht wie die Ahnfrau. 

Vgl. Vers 3288. (Ahnfrau.) Flieh, entflieh! noch iſt es Zeit. 
Und für die gemeinſame Flucht: 
S. 243. „Komm — komm“ rief er haſtig, — und fie flohen fort, hinter ihnen 
her die Bewaffneten. 

Bers 3259. (Jaromir.) Komm mit mir! hinaus ins Freie! 
Vers 3289. (Jaromir.) Bertha, hierher, meine Bertha. 
Später drängt Satan wie Deathilde und die Ahnfrau: 

S. 254. Entſchließe dich, bald wird es zu fpät ſeyn. 


Selbſt der Effekt mit den Thüren, die der Weihe nach geöffnet 
werden, findet fich in der Vorlage. Ambrojio ift im Kerker, die 
Häjcher nahen. 

2. 255. In dieſem Augenblide war der Riegel der äußern Thüre auf- 
arichoben, der Gefangene hörte das Raſſeln der Ketten und die Henker über die 
Treppe herablommen ...... 

ent drebte ſich Schon der Schlüſſel in der Kerferthüre, und ein Schloß um 
das andere rollte weg. 

In der Ahnfrau dringen die Verfolger gewaltfam ein. (Vgl. 
Schiller, Wallenſteins Tod, 5. Aft.) 

Nach Vers 3284. (Dan hört eine Thür aufiprengen). 
Nach Vers 3228. (Eine ziveite Thür wird eingefprengt). 

Endlich nach Vers 3302. (Tie Thür wird aufgeiprengt). 

Ter Sefangennahme Ambrojios geht ein Augenblid der höchiten 
Spannung voraus, der dem Schluß der Tragödie vollftändig ent- 
ſpricht. Ambroſio verfolgt Johanne, die biutende Geftalt tritt zwifchen 
fie; im ſelben Augenblid naht Eberhard mit Soldaten (dem Haupt- 
mann vergleichbar). 

2. 243. Plötzliches Erftarren durchfloh Ambroſios Glieder; „Eberhard 
bebte zurück ben dem Anblide der verfchlegerten mit Blut befledten Jungfrau. 
Schauer durchfloh ihn, obfchon er ihr Geficht nicht fehen, ihre geiftige Geſtalt 
sicht abuen konnte.“ 


Diefelbe Situation im Drama! 


Ludwig Wyplel, Ein Schauerroman als Duelle der „Ahnfran“. 757 


Die Ahnfrau‘ fteht zwiſchen Jaromir und: der nufgebahrten 
Bertha. 

Hauptinann und Soldaten ftlirzen herein .... Alle bleiben erftarrt an 
der Thüre ftehen. 

Durch diefe Erftarrung gewinnt die Ahnjran Zeit, ihre Sendung 
würdig zu vollenden, Ambroſio benützt die gebotene Galgenfrift zur 
Flucht ins Innere. 

Endlich wird Ambrofio fejtgenommen: „die Bewaffneten nahten 
und ftürzten in die Höhle“, . 

S. 2. .... ex wehrte ſich ——— verwundete Einige, 
aber man ergriff ihn, und riß ihn zu. Boden. 

Der Bericht des Soldaten 3. Alt, Vers 1763 ff. Eingt an 
diefe Kampfesfcene an. Dem Soldaten fällt die Nolle Ambrofios zu. 
Bie ich mid) verzweifelt’ wehrte; 

Mußt' id) dennod) auf die Erbe, 

Ambrofio wird ſchließlich von überfinnlichen Weſen gerettet, 
erft von Satan, dann von der blutenden Geftalt; die Ahnfrau ent 
zieht Jaromir der weltlichen Juſtiz durch den Tod. 


Das dürften in den Hautptzügen die Vezichungen des Dramas 
zu der Quelle fein. Die angewandte Mühe wäre hinreichend belohnt, 
wenn aus diefer Unterfuchung auf die Arbeitsweije Griliparzers im 
bejonderen und des Genies im allgemeinen Schlüffe gegogen werden 
fönnten. Doc auch zur Aufklärung dunklerer Stellen im Stüde 
dürfte diefer Beitrag zur Entftehungsgefchichte der Tragödie förderlich 
fein. Für das Weſen der Ahnfrau wurde dies ſchon oben angedeutet. 
Hier noch ein Beiſpiel für viele. Folgender Umſtand erſcheint als 
Widerſpruch in dem Drama: Borotin, der früher Berftorbene, ift in 
der Kapelle aufgebahrt; Bertha aber im der Gruft. Wie kommt dies? 
Wohl, weil Grilfparzer die Gegenwart der Leiche für den Schluß- 
effekt brauchte. Der Vergleich mit der Quelle giebt noch eimen 
anderen Aufſchluß. In ihr findet ſich derjelbe Umftand, aber mit 
der Erflärung: 

S. 208. Die Hauswirthim ift zu ſcheu, zwei Leichen jo ſchnell in ihrem Haufe 
zu haben umd zu dulden. 

Ambroſio giebt ihr den Nat, Johanne in der nächſten Kapelie 
beizufeßen. 

So werden noch andere Widerſprüche durch die Quelle geldft. 
Darauf hier näher einzugehen, würde zu weit führen. 

Eines aber ift ſicher Eine Arbeit wie die vorliegende war ei 
Bedürfnis, weil fie die Grundlage bildet für die Unterfuhung ander 





798 Robert Hallgarten, Aus dem Nachlaſſe Chr. D. Grabbes. 


weitiger Einflüffe auf die Dichtung, die ja befanntermaßen mannig- 
faltig wirffam waren. Sie weijt nach, was der Dichter an Motiven 
in der Quelle vorfand, jie ift aljo, wenn fie den Anforderungen ent- 
jpricht, der Ausgangspunkt, die unentbehrliche Vorarbeit für eine 
Entftehungsgejchichte der Ahnfrau. 


Aus dem Nachlaſſe Ehr. D. Grabbes.') 


Meitteilungen von Robert Hallgarten in Münden. 


Il. 


Tie zweite unveröffentlichte Grabbeſche Schrift, die jich in 
Dartenfels’ Nachlafje vorfand, ift eine Kritik iiber Goethe „PBrier- 
iwechjel mit einem Kinde“. 

Grabbe hatte das Bud) von Immermann erhalten, dem er am 
5. Mai 1835 jchreibt: „Die Bettina giebt ein äußerſt unterhaltendes 
Werk; ich habe bis zum 3ten Teile des Buchs in das Buch hinein- 
geleten. Ich weiß aber nicht, das Meib felbft, welches feine Briefe 
herauggıcbt, fann mid) belehren, interejiieren; aber perjönlich wär’ 
und bliebe fie mir Gräuel.“ Nicht freundlicher lautet fein Urteil 
über Bettina in einem wenige Tage ſpäter geichriebenen Briefe: 
„sch habe bei dem Briefwechjel der Bettina an Dienichentenntnig 
gewonnen; Sie oder ich könnten jo ein Geſchöpf einmal für's Drama 
gebrauchen. Aber —“ 

Tie Kritik fcheint unmittelbar aus der Yeltüre des Buches 
hervorgegangen zu jein. 

Grabbe ſchickte fie an Tuller und bat ihn, die Kritit — 
anonym — in den „Phönix“ zu bringen: „So wie die Sadye jet 
ausgearbeitet ift, hat der Hartenfels mehr Theil daran, als ich:“ 
ſchreibt Grabbe.“) „Weder er noch ich, wünjchen mit Göthes Yüngern 
cher anzubinden, als bis ihre Xifire von ihren Dummbeiten gehörig 
eingerojtet und mürbe gemacht jind. Ein feines Honorar wäre dem 
Herrn Hartenfels, er thue, wie er wolle, auch lieb“ u. |. mw. Wie 
Tuller jchreibt, war die Kritik, „aus welcher Grabbes Arger, tiber 
alles, was Götzendienſt hieß, in jeder ZJeile hHervorbligte,” aus 
Schidlichkeitsgründen nicht zu veröffentlihen. Der Genjor würde 

I VBgl. oben S. 547 fi. 

2) Tuller, Z. 74. Blumenthal 4, 687. 


Robert Hallgarten, Aus dem Nachlaſſe Ehr. D. Grabbes. 759 


jih jonft genötigt gefehen haben, gerade das Charafteriftiiche an dem 
Auffage zu unterdrüden.!) 

Die Kritik, wie fie jegt vorliegt, feheint nicht die „gemäßigte” 
Hartenfelsſche Ausgabe zu fein. Denn fie ſtrotzt noch von ziemlich 
derben, perſönlichen Ausfällen. Das 12 Seiten in Aktenformat ſtarke 
Manuſtript der Kritik iſt offenbar nicht von dem Dichter nieder⸗ 
geſchrieben. Eine Reihe von Bleiſtiftanmerkungen rühren dagegen 
von Grabbe ſelbſt her. — Grabbes Stellung, die er in dieſer Kritik 
einnimmt, möge hier kurz erklärt werden. 

Es iſt bekannt, welche Wirkung das Buch Bettinas bei ſeinem 
Erſcheinen ausübte. Carrière vergleicht die Wirkung der eines 
glänzenden Meteors. Sehr bald aber trat ein Rückſchlag ein, bei 
vielen wohl unter dem Eindrucke, daß nicht alles in dem Buche den 
Thatſachen entſpreche; bei manchen auch nicht aus Gegnerſchaft gegen 
Bettina und ihr Werk, ſondern aus mehr oder minder verſteckter 
Abneigung gegen Goethe. 

Zu den Guten, für die Bettina das Buch beſtimmt hat, gehört 
Grabbe am allerwenigſten. 

Immermann?) ſpricht einmal davon, daß Grabbe ganze Gebiete 
der menſchlichen Beſtrebungen verſchloſſen blieben, daß er ſich gegen 
die höchſten Erſcheinungen oft verſtockt hielt. So ſeien ihm Shake— 
ſpeare und Goethe ziemlich gleichgiltig geweſen. 

Aber Grabbe zeigt gegen Goethe nicht allein Gleichgiltigkeit, 
ſondern unverhüllte Abneigung. In ſeinen Briefen finden ſich ver⸗ 
ſchiedene, zum Teil ſehr abgeſchmackte Stellen über Goethe. Inter⸗ 
eſſant iſt, daß er dabei ſchon früher, wie manche ſeiner Zeitgenoſſen, 
mit ſeiner Abneigung gegen Goethe für Schillers Andenken zu wirken 
glaubte. 

Ein wichtiges Dokument über feine Beurteilung der beiden 
Dichter ift uns verloren gegangen: eine für Herloßjohn beftimmte 
Rezenſion über den Schiller-Goetheſchen Briefwechſel oder vielmehr 
„eine Abhandlung über meine Zeit und Schiller und Goethe”, eine 
Studie, die Grabbe in den Briefen an Kettembeil mehrfach erwähnt.?) 

Übrigens wäre diefe Kritik jedenfalls ein noch bei weitem un- 
erfreulichere8 Zeugnis von Grabbes feindjeliger Verbitterung gegen 
Goethe, al8 die vorliegende. Vermutlich Hat er fchon damals den 





!; Auch heute ftchen der Beröffentlidhung diefer Kritik noch gerifle Bebenten 
entgegen, die aber jchließlid der Erwägung weichen mußten, daß Bettinas theures 
Andenfen über jede Beleidigung weit erhaben, das Schriftftüd aber für den Ber- 
faffer und feine Zeil viel zu charakteriſtiſch ſei, als daß es filr immer in der Ber- 
borgenheit bleiben jollte. A. S. 

2) Werke, Hempel 19, 34. 

>, Blumenthal 4, 453. 466. 4569. 


Euphorion. VII. 49 


7650 Robert Hallgarten, Aus dem Nachlafe Chr. T. Grabbes. 


häßlihen Vorwurf wegen des Honorars für Dielen Briefwechiel 
gegen Goethe erhoben, den er in der Kritif über Bettina Yuch 
ziemlid) unverbliimt ausgeſprochen hat. 

Mit einem vorgefagten Urteil gegen Goethe ging Grabbe an 
die Kritif über Bettinas Buch, und jeine Diebe fallen ebenjo jcharf 
auf den „Götzen“ wie auf den „Götzendiener“ ımd Alle, die ihm 
nahe jtehen. Dabei wird natürlich auch der Mann „mit der fleißig 
aufgehobenen Maske”, wie Grabbe wigig jagt, nicht verichont, Fürft 
Pücdler, dem Bettina das Bud) gewidmet hat. Die litterariichen 
Anspielungen bedürfen im übrigen faum einer Erflärung. 

Maßlos bitter und oft roh in der Form ift das Urteil über 
Bettina und Goethe. Um aber der Kritif Grabbes gerecht zu werden, 
müſſen wir fie nicht ganz allein als die Außerung des ſchon längit 
innerlid) gebrochenen Dichters, jondern zum Zeil als das Produkt 
einer Zeit betrachten, in der man Bettina noch nicht völlig gerecht 
werden fommte, im der, wie Barriere jagt, „ihre lichte Geſtalt noch 
durch allerhand Anekdoten, die jich die Yeute von ihr erzählten, um 
nebelt und verdunfelt war.” -— 

Unter den Schlinggeflechte des Gemeinen erhielt ji) Grabbe, 
wie Immermann jagt, ſtets eine Stelle, wohin das Gemeine nicht 
drang. Und jo finden wir hier in dem Wuſte ungeredyter Urteile 
noch manches Erfreuliche, jo vor allem in den Bemerkungen über 
Arnim und Brentano, wo oftmals ein Lichtitrahl der Verehrung und 
Liebe durchbridht. 

Auch in der Nritit kehrt die Idee wieder, die Grabbe ſchon 
einmal in einem Briefe an Immermann erwähnt hatte, Bettina —- 
wenigitens als Mebenperfon - in einem Trama zu „verewigen“. 
Unter diefem Drama hätte man jedenfalls eine Satire etwa in der 
Art des Grabbeſchen „Kid“ oder jeines „Scherz, Satire, Ironie und 
tiefere Redentung” zu veritchen. 

Zur Ausfiihrung dietes bizarren Gedankens iſt Grabbe nicht 
gekommen, und das tt nicht zu bedauern. Der beigende und treifende 
Witz, den er im der zuletzt genannten Satire bewies, hatte fidh 
allmählich bei ihm in ſchale Witzeleien und abgefehmadte Grobheiten 
verwandelt. Tantals tümpfte er mit überlegenem Geiſte gegen mandhe 
jeichte Pocten. In der Nritif über die Bettina fcheitert er nicht nur 
an Seinem Gegner: auch die Waffe veriagt ihn. 

Seine eigene Kunſt war zu der Seit, wo er dieſe Kritik fchrieb, 
in völligem Miedergange, ein Verfall, den der Tichter zu feinem 
Glücke nicht lange überlebte. 

Es iſt nicht richtig, der Srabbeichen Runft von Anfang an jeden 
inneren Dalt abzuiprechen. Aber zum mindelten die Schöpfungen ieit 
dem „Napoleon“ find moriche Gebilde einer zerriffenen Natur. Und 


Robert Hallgarten, Aus dem Nachlaſſe Ihr. D. Grabbes. 761 


wer das Geſamtwerk Grabbes betrachtet, der mag wohl an das Bild 
erinnert werden, in dem der feinfinnige Immermann die Wider- 
jprüche in Grabbes Außern zu fehildern gelucht hat, das Bild des 
gemijchten Metallkönigs aus dem Märchen, aus dem die SYrrlichter 
die haltenden Goldadern leden, jo dag er zwiichen Yorm und Un- 
form zuſammenſinkt. 


Gorthes Friefwechſel mit einen Kinds. 
Zwei Teile und Tagebud.') 


Es ift wohl von all den Brieffammlungen, welche bie neuere Beit hervor⸗ 
gebracht hat, keine von folder Bedeutung als diefe. Ihr Werth if unermeßlich, fie 
wirft ein Licht auf Göthe's, auf Bettina's von Arnim, geb. Brentano, und auf 
manchen anderen Charakter. Und dieſes Reſultat verdankt man wieder Herrn 
Goethe. — Er hat die Bettina zu dem genialen Briefiwechfel befeuert, bat die 
Briefe aufgehegt, um fie dereinft in Drud zu geben, wobei ihn leider der Tob 
überrajcht hat, weil er früher als Bettina geftorben. — Wer bat wohl fr den 
Briefmechjel zwiſchen Schiller und Goethe das Honorar erhalten? Der Herausgeber 
oder Schillers Erben? 

Sprechen wir von Bettinas Briefiaedhiel. 

Sehr merkwürdig alles, und vor allem, baß Bettina noch fiber bie — 
gehen, ſich auf Rheinſchiffen Schmeicheleien ſagen laſſen kam. Doch dieſes große 
Kind iſt ſo genial liebenswürdig, daß ihm alles egal ſein wird. Hatt' es doch ſich 
ſelbſt ſo „pudelhagelnackt“, jagt man in Münfter, vorm?) 2ten Theil des Brief⸗ 
wechſels zwiſchen Göthes?)) Beine portraitirt, daß man nicht begreift, wie fidh 
Funke zum Sculpfiren hergeben konnte. Goethe, der fein jo ıntereffantes Geſicht 
als Schiller Hatte, ſuchte bekanntlich aus feiner Patricier-Bifage immer einen 
Jupiter zu machen, und fo bat ihn Zinchen auch auf diefem Bilde den, und 
ihm einen Yorbeerkranz in die rechte Hand gegeben. Das ift recht — Goethe ſelbſt 
jagt ja, daß nur Lumpe befcheiden find. 

Clemens Brentano ift dem Rezenſenten ftetS einer der größten, im tief 
geheimften Innern von ihm bemunderten Dichter gewefen. Referenten biutet das 
Herz, denkt er daran, wie ungerecht er vergeffen iſt. Der war gut für bie 
Menge. Adim von Arnim ift ein Mann fo voller Romantil, dag bis jekt bie 
Maße den Wald wegen der Bäume nicht gejehen bat. — Beide zu beklagen, 
Bettina war leider Schweiter des Clemens, warb Frau bes Achim. 

Der große Naturfchilderer, welcher die wald- und ſtromdurchrauſchten Wejer- 
gegenden durchreij't bat, und fie damit befchreibt, daß er fie nicht gefehen, ber 
Berftorbene mit der fleißig aufgehobenen Maste, bat dieſes Gezeug gewidmet er- 
balten. Ob er nit Compagnon? 

Die prächtigen tutti frutti, oder wie der alberne Titel beißt, wiberfprechen 
der Vermuthung nicht. 

Die Vorrede beginnt damit, daß das aus nicht für die Boſen, jnbern für 
die Guten fen. Bettina, es werden aber die Guten bös werben, haben fie bie 
Ekelhaftigkeit gelejen. 


') Die Korrefturen des Manuflripts find unter dem Text angemerlt, wobei 
die in Grabbes Handjchrift (meift am Rande) gemachten Bleififtbemerfungen mit 
Bi hervorgehoben find. 

2) vor dem BI. 

3) Goethes BI. 

49* 


762 Robert Hallgarten, Aus den Nachlaſſe Chr. D. Grabbes. 


Da du jo viel Kletterft, jo Elett're auch, und befieh die Ausfichten, welche fich 
dir!) eröffnen jollen. 

Ich muß dir zufördeft jagen, wie es mit der Bewunderung des Goethe it. 
Jedes reine jugendlihe Gemüth liebt den Zchiller mehr, ift’8 aber dumm und 
eitel, zieht’8 nachher den Goethe vor, weil ihm dann das piquanter jcheint. Wer 
lobte Zonnenlicht, wo er ſich in Nachtdunteleien zum Himmel erbeben kann? 

Der Kanzler Müller bittet dich, wie du denn alles breit und meit aus 
einanderfeßejt, um ein Blätthen aus dem Briefbiindel. Tu fchlägft e8 dem quten 
Mann ab. Briefe, die man in Drud gibt, mug man auch vorher ja nicht mit- 
theilen, weil fie oft erjt zu machen, und die nicht gemachten zu corrigiren, radıren 
find. Tein Faltor, Tina, Herr Klein, hat aber die poßenbafte Zitulation „Frau 
Rath” immer ftehen lajien. Ich bin ihm böfe Er bätte auch?) die eingelegte 
widerliche Novelle von der Günderode ſtreichen jollen. Tod Novellen gebören 
einmal zu langweiligen Werten, wie Goethes Wanderjahre bemeijen. Übrigens find 
die DVriefe der „Frau Rath” nod das Beſte im Buch, jo daß ich glaube, daB ihr 
gefunder Zinn verlangt, nicht geäfft zu sein und ihr die Adreße") an die „Frau 
Räthin“ zu machen. 

Tas Unglüd ift, daß Goethe auf deine Zchmierereien antwortet, gar jelbit 
jagt, die „Schmeicheleien“ geficlen ibm. And noch mehr ſcheinen ihm deine Fräicnte, 
mit denen du deine Weisheit unterjtüßeft, zu gefallen, und ibm in feinen trodenen 
Ton eine kurze Antivort, aber kein Gegenpräfent, entlodt zu haben. Daß Goctbe 
mit Schmeicheleien zu kirren, dag ihm die Frau von tan elelhaft war, weil fie 
ihm nicht genug flattırte, weis Bettina. Werfwürdig aber, wie Goethe dieſe deine 
mit Abficht ausgeredten, langen Briefe, jo weit echte darunter, lefen und die ‚rau 
von Arnim dı auffordern konnte, noch längere zu ichreiben. 

Bettina nimmt alle Mittel, die ihrer ſchwachen Hand zu Geboth ftch’n, zur 
Hand," um ihre Briefe bunt und interefiant zu machen. Bald klettert fic wie 
kaum ein Affe, dann läuft te in den Main, dann bält fie") (Briefwechſel 2ten Theil 
par. 158-139: ein zu ihrem Nachteil an den erſten fen erinnerndes Napıtct 
über die Zamen, dann tbut fie polttiich, als ob fic etiwas vom Ziroterfrieg anno 
1809 begrifte, und oft greift fie gar zu einem Haufen dummer Zentenzen, um 
Goethe'n zu imponiren. 

Goethe's Antworten find hurz. Gut das, aber beßer, dieſe berechneten Briefe 
des zum Höfling gewordenen Kaufmannsſohns wären ganz kurz, wären gar nicht. 

Wilde Katzen ſind beachtenswerthe Thiere. Machen ſich aber recht zahme, 
lang verheiratete Eulen mit Vorias dazu, io iſt's mehr als merkwürdig, fügt 
Schakſpeare in einem noch nicht gedruckten Briefe, meine Reſte. 

Goethe betitelte ſeine Lebensbeſchreibung: Wahrheit und Dichtung. Tas iſt 
ein Titel, der das Intereße des ganzen Buchs vernichtet, eine Doppelthür iſt's, 
durch welche man Lügen oder Geſchichte eingehen läßt, ohne fie unterſcheiden zu 
können. Es iſt Be vornehme voethiſche Halbheit.* 

Tinchen bat, wie es scheint, auch etwas davon angenommen. Ihre auf: 
gehäuften Raturichildereien ſchwaßen das aus der Schule. Wenn fie nichts mehr 
anszuframen weh, nimmt fie den armen Rhein und jeine Umgebungen vor, 


‘ı Tir eur BI. 

"ı auch, dagegen Bl 

3, ihr eine commentionellere Adreße, nämlich Bl. 

) Frau von Arnım Tid Bl. 

°, zu Hülfe Bl. 

*öchreibt fie Bl. 

Weiber BI. 

*, poethiſche Halbheit, die bange vor Regen, fidh ſtets unter's Dach zıebt.] 


Robert Hallgarten, Aus dem Nachlaſſe Chr. D. Grabbes. 163 


beſchmiert ihn und diefe Gegenden mit Tinte. Die gnädige Frau hat das mohl 
zum Theil von ihrem Mann, dem zu wenig gefannten von Arnim gelernt, welcher 
ſich auf friiche, aber nicht aufgejuchte Naturjchilderungen beffer verftand, als irgend 
en deutfcher Dichter, Rachel und Bettina nicht ausgenommen.!) 

Herr von Binzer,“ den wir dahın jtellen wollen, wohin er gehört, meint’3 in 
der eleganten Welt vom 17ten und fernerem April 1835 anders. Doch er ift da 
auch im April, und ich vatb’?) ibm, die ſüd-amerikaniſchen Correspondenten feines 
Blattes fortwährend zu fultiviren, damit wir Nordländer einschlafen und ficher 
find, jeine Elegante jo wenig als die Jüdin und Tinchen zu leſen. 

Jetzt vom Tagebuch oder dem Auch der Yiebe, 

Bettina ipielt hier, wie überall, die Dliignon, und pag. 156 geſteht fie es in 
etwas. Zie irrt fih aber, wenn fie vermeint, etwas von Goethe's Mignon, feiner 
beſten Charafterzeihnung, zu fein. Goethe ließ fich leider gern die Hand beleden, 
audı von Schooshündchen. Er daufte auch, indeg nur mit Dant, der ihm nichts 
foitete, oft noch) Honorar einbrachte. Er hatte fid) förmlich zu einem Gott einnim= 
bufirt, denn jelbjt woblthätigen Tadel lich man zu ihm nicht kommen. Dagegen 
Traueripiele von Manzoni, nicht wwerth, daß — — wurden ihm mitgetheilt und 
von ibm behbaglich mit ihrem Gruß aus Italien empfangen, behaglich gelefen, und 
bequemſt gelobt. 

Was aber viel von dieiem Bud) der Liebe? 

Es iſt noch gebaltloier, und doch gezierter und abſcheulicher als der Brief. 
wechſel. Du naive Bettina, was haft du weiſe Erfindungsgabe, du, die du jede 
Faſer der dich umgebenden Natur kennſt, wie beweif't das bejonders deine Nachtigall» 
Geſchichte pag. 82 ete. 

Gnädige ‚rau, Zie find da, pag. 82 etcae. mein’ ich, wieder auf den Bauın 
gqetiettert, ich glaube : um in Ihrem erfünftelten Styhl es Ahnen zu detailliren :/ 
grad auf eine Pappel. 

Dieſe ewige Nletterage wird Ihrem Anzug viel geichadet haben, thun Sie's 
jegt nicht mehr. WBom Baum und unten haben Sie eine Nachtigall beobadıtet, und 
berieben, div hätte nach, Ihnen gejeben. Iſt das, jo müfjen Sie viel an Vilrmern 
Leiden, Div Nachtigallen, Homer und Schafipeare mit Ihnen, find neugierig und 
schen auch gern nach Witrmern, etwa wie Recenfent nach dir. Auch Gewürm 
belehrt. Deine Nachtigall juchte alio, wie Erfahrung und jede Naturgeichichte dich 
belehren können, Würmer, und daß du Nichtpbilomele ihr etwas auf die Guitarre 
vorivielen wollteit, ift nun gar jo auer als toll, fie wäre ja auf ewig) weg- 
gelaufen. Aber dur wollteft genial jcheinen, Beliebte. — 

Referent will all die Ekelhaftigkeiten des Buchs nicht andeuten. Nur wer 
cıtte, doch bier und da verliebte Weiber kennt, verftebt fie. _Er endet mit der Bitte, 
daß Doch ja nicht der erbabene Tichter der Bilder des Trients 7) uns etwa aud) 
a la Barnbagen und Tincen mit den Briefen feiner jeel. Gemahlin befchenfe. Er 
bat was anders zu thun, muß auf die weiten Wege denken, die er zurückzulegen 
hat, bevor vr aus Cathai jene Poeſie holt, und wohl überlegen, daß feine Gemahlin 
dahin geichieden, damit er jein Talent‘) beifer kultivire als bis jeßt. Er hüte fich 


! die beiden Tichterinnen oder wie Varnhagen von Enfe die Jüdin Rachel 
sonst beugt! und Bettina nicht ausgenommen, beide faum iwerth, den Arnim an- und 
nachzubeten. 

= Herausgeber der „Zeitung fir die Elegante Welt“ für 1835. 

man räth BI. 

schnell vor Yangeweile Bl. 

auf ewig geſtrichen. 
weggeilogen Bl. 

Heinrich Stieglitz, 1801---1849. 
“. die Schwäche ſeines Talents Bl. 


764 Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von CE. F. Meyers Gedichten. 


vor der Briefpublikationswuth, — ich bitte ihn — fie ftedt Talentlofe feiner Art 
leicht an, und über die Sache ıft Schon geſchwatzt. — 

Der Bettina hat Referent nur noch Dank zu jagen. Er wird fic nächſtens 
in einem Drama, worin fie zwar nur Webenperion fein fol, verewigen, und 
wünfcht, daß Keiner ihr Geſchmier fauft, fondern fich auf diefe aus eincr partbei- 
loſen Bruft hervorgetommene, und zufällig veripätete Hezenfion verläßt. 

Treibt die Verfaßerin es weiter, jo foll fie nicht als Dame jondern als 
Autor behandelt werden. 


Bur Gefdjichte von C. F. Weyers 
Gedichten.) 


Ton Heinrich Kraeger in Berlin. 


III. 
B 77. Die Sahrt des Achilles. — (:: 120. Der tete Achill. 


In diefem Gedichte laſſen ſich vier Einſchnitte machen: nämlich 
nach der Schilderung des Meeres, auf dem Adjilleus heimjährt, im 
der erjten Strophe; nach dem Auftreten der Thetis in der weiten 
und dritten; nad) den Nereiden in der vierten und endlich bei der 
Begrüßung Domers in den beiden legten Strophen. Es jcheint alles 
wie frei erfunden, als hätte der Dichter in feiner Phantajie den 
fagenhaften Zug an jich vorbeifahren jehen, was er audy zweimal zu 
Anfang mit einem „ſeh ich” jelber ausdrücklich bejtätigt. Ganz klar 
ift jedoch das Gedicht nicht; wen joll man 3. B. in der zweiten 
Strophe unter „glaubten wir” verjtehen? Der Stoff ift jener nadh- 
homeriihen Zuge entnommen, dan nämlich Thetis ihren Sohn 
Adjilleus aus‘ der trotichen Schlacht nad) der Inſel Chios entführte, 
mo er der Yiebe und dem Glücke leben jollte. Mit augerordentlichem 
Geſchick aber hat Conr. Ferd. Meyer am Schluß hinter dem Helden 
noch die Geſtalt jenes Sängers, des Domers, in bezeichnender &e- 
berde unter Hangvollen Verſen aufgeitelft. 


1 Wogen, die wie Silber Schäaumen, 2 Ihetis führt, die fie begrüßen, 
Zeh’ ich langiam rollend nab’n, Durch die rings belebte Flut, 
Roſſe ſeh' ich, die ſich baumen, erh liegt ihr Achill zu Füßen, 
Mäbnen flattern ſtolz heran: Der in tiefen Träumen ruht. 
Zu gewundner Nunicheln Trohnen Da er ſtürzte mit der Wunde, 
Ueber blauer Gründe Vracht Glaubten wir den Schnellen todt, 
Singt cm Zug von Meeeresſöhnen Aber nur auf eıne Stunde 
Sprergetos und Männer'öchlacht. Schlummert er im Muſchelboot. 


1) Bgl. oben S. 112 ff., 568 fi. 


Heinrich Rraeger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. 765 


.n 
- 


Daß er nicht unmächtig grofle 5 Aus des Meeres ftilem Glanze 


In des Hades düjterm Schooß In der Sonne Stralenipiel 
Neidend anf der grünen Scholle Steigt mit grünem Rebenkranze 
Jedes ärnıfte Menſchenloos, Chios auf als Wanderziel; 
Führt die Mutter ihn von binnen Wie beflügelt eilt der Nachen, 
In ein neues Leben ſchon, In des Blaſſen Angeficht 

Und ein fererliches Sinnen Aligt ein mächtiges Erwachen, 
Senkt den Blick ihr auf den Sohn. Dämmert auf ein felig Licht. 

4 Schwert und Helm und Schifdesleudhte | 6 Wo, das Borgebirg umraufchend, 
Hebt der Nereiden Schwarm, Weiße Brandung nimmer jchweigt, 
Schwimmend durch die ſalz'ge Feuchte, Steht ein blinder Seher, laufchend 
Hoch empor mit hellem Arm: In die Ferne vorgeneigt. 

Waffen fünden an und Wehren Hellgeſchlagne Saiten klingen! 
Einen freud'gen Siegeslauf, Weiß er, wer das Meer durchzieht? 
Seine Thaten, ſeine Ehren Ja, er ahnt, daß ſie ihn bringen — 
Tauchen vor dem Helden auf. Horch! Homer beginnt ſein Lied! 


Aus der „Fahrt des Achilles“ wurde ein anderes Gedicht in 
erzählenden, reimloſen ſechsfüßigen Jamben, „Der tote Achill“, und 
aus dem ſcheinbar frei erfundenen Vorgang die Erklärung eines Bild- 
werfes gemacht, jener Sargornamente!) im Vatikan. Natürlid) war 
Conr. Ferd. Meyer aud) zu dem erjten Gedicht von eben derjelben Stelle 
aus angeregt worden, aber während er damals weiter geträumt und 
über den Zierat hinaus das Schiff des Achilles nad) Chios gefteuert 
hatte — hielt er jich jeßt genau an die im Steine dargeftellte Scene, 
die plastische durch die poetiiche Kunft finnvoll deutend. Während 
wir ihn ſonſt peinlich die Quellen feiner Gedichte verſtecken jehen, 
befennt er durch dieſe Umgeſtaltung, daß auch feine früheren Verſe 
nur die dichteriiche Umjchreibung des um den Sarg gelegten Orna— 
mentes geweſen waren. 

Das junge Gedicht tritt vor dem alten um einen Schritt zurück; 
cs wird zur gedanklichen phantaſtiſchen Beſchäftigung mit dem Kunft- 
werf, die, wenn aud nicht jo ausführlich, vom Dichter alfo Tängft, 
bevor er jenes erfte Lied „die Fahrt des Achilles“ jchrieb, vor- 
genommen war. Die früher behauptete jtoffliche ‘Freiheit ift auf— 
gegeben; die eigenen Ddichteriichen Zuthaten liegen jett wo anders, 
nicht in dem „Was“ und in der Erfindung, fondern im „Wie“ und 
in der Art der Erzählung, die mit plaſtiſchen Worten ſich jeelentundig 


Ral. Engelberg 93, von Stalien: 

„Dort lehnt der Held an feinem Schilde 

Und lächelt jtolz im Marmorbilde, 

Die Yichtgeftalten holder Sage 

Umfchlingen unſre Zarfophage.” 

Kovellen 2, 41 Hochzeit des Mönches): „Der Tyrann hatte, während ringsum 

Alles auf den Knieen lag, die heilige Handlung figend und mit ruhiger Aufmert- 
ſamkeit betrachtet, eniva, wie man eine fremde Sitte beſchaut, oder wie ein Gelehrter 
das auf cınem Sarkophag abgebildete Opfer eines alten Volkes beſichtigt.“ 


766 Heinrich Rrarger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers (Wedichten. 


an den Helden des Grabmals wendet. Der Titel „die Fahrt des 
Achilles“ konnte Fir dag neue Werk, das enger begrenzt, nur dem 
„toten Achill“ galt, natürlich nicht mehr paſſen. 


1 Im Batican vor dem vergilbten Marmorſarg, 

Tem ringsum bildgeſchmückten, träumt ıch heute lang, 

Hetrachtend jeines feinen Zierats üpp'gen Nranz: 

Thetis entführt den Zobn, den Rufer in der Schlacht, 

Zen Renner, dem die Knie' erichlafften, welchem ichwer 

Tie Yider ſauken — von Telpbinen rings umtanzt — 

Im Muſchelwagen durch des Meers erregte Fluth. 

Tritonen, bis zum Schuppengurt umbrandete, 

Bärt'ge Geſellen, ſchilfbekränztes, ſtumpfes Volk, 

10 Geberden ſich als Pferdelenter. Es bedarf 
Der muth'gen Roſſe Paar, das, Haupt an kühnem Haupt, 
Die weite Fluth durchrudert mit dem Schlag des Hufs, 
Des Zügels nicht! In des Veliden Waffen bat 
Sich ichäternd ein leichtſinniges Geſind getheilt: 

15 Die RNereiden. Eine hebt das Schwert ud zieht's 
Und lacht und haut und ſticht und wundet Licht und Luit. 
Ein ſchlanles Mädchen zielt mit riickgebognem Arm, 

In ſchwach geballter Fauſt den unbeitegten Speer, 
Der auf und nieder, wie der Wage Ballen, ichwantt. 

20 Tie dritte ſchiebt der blanten Schulter feinen Ang 

Tem Erzſchild unter, ganz als zöge fie zu Feld, 

Dann deckt damit den ſanften Buſen gaukelnd ſie, 

Als ſchirmt' das Eiſen eines Kriegers tapfre Rruſt. 

Die vierte — Held, dur zürnteſt, ſchlummerteſt Du nicht! — 

25. Sest inbhbelnd ſich den Helm, den wildumilatterten, 

Auf das gedankenloie Haupt und nickt damit. 

Scherzt, Ninder! Kur mit dir cm Wort, Bollendeter! 
Denn mit dr Mutter, die dein ſchlummeriſchweres Haupt 
Im Schooß gebettet Balz, der dir das Yeben gab, 

30. Ter ſchmerzver'untnen Kutter, plaudert es Sich nicht ı 
Lelide, ſprich! Mas it der Tod? Wohnm die Fahrt? 
Wozu die Warte? u ernentem Yauf und Kampf? 
zu deines Grabes Schmuct und düſtern Ehren nur? 

35 Was Diet auf Deinen Schwerte? DTetune lette That, 
Kerglimmend, wie Dev Abend eines heißen Schlachtentago? 

Die Morgenonnen eines neuen Kampfigefilds? 

Bedariſt Du Deines Schwertes noch, du Schlummernder? 

Wohin der Laui? zum Hades? Krim, es lügt Homer. 

0 Ten Odem neiden cınem Kleinen Adterknecht 
Steht nicht dir ahniich, Heros! Eher fabrift 

Dir einer Geriſterrnie! bleschem Frieden zu 
ilnd ragt den Ninrtentranz, beieligt and gqeitillt, 

"ur den Geweihten'‘ Tod auch ſolches ziemt dir nicht! 

15 Was einzig Dir geziemt, DE Kanwpf und Kampfespreis — 
belide! con Erwachen tchwebt vor Deinem Hoot 
Und ſchimmert unter denem machr'gen Augenlid! 

ITulebhſt, Achtiu? Gieb Antwort! Wohin wanderſt du” 
Er ſchmengt' Er ichweigt. Ter Wagen rollt. Ein Triton bläſt 

50 Sem RNurchelhorn, daß leis und dumpf der Marmor ſchallt. 


—8 


⸗ 


Heinrich) Kraeger, Zur Geſchichte vom C. F. Meyers Gedichten. 767 


Das neue Gedicht zerfällt in zwei größere Teile, zuerſt die 
Schilderung des Zuges, in dem fid) die Nereiden lebhaft hervorthun, 
und dann das Gejpräch zwijchen dem Dichter und Achilles. Wir 
haben aber farb- und lautloje Steine vor uns; deshalb ſcheiden die 
auf das Geſicht und Gehör bezogenen ſinnlichen Attribute des alten 
Gedichtes ſämtlich ab. Aus der Darftellung des Wajlers: „die 
Wogen, die wie Silber ſchäumen“ und „über blauer Gründe Pracht“ 
verſchwindet der Glanz und nur die Bewegung wird beibehalten: 
„Des Meers erregte Fiut“. Auch das „Dröhnen“ der Muſcheln und 
das „Singen“ der Meeresfühne hört auf: denn im Stein ift alles 
ftilt geworden. — Thetis wird fürzer abgefertigt, aus künſtleriſchen 
Gründen, um in diefem Monument, das ja dem Achilles gilt, den 
Sohn nicht durd) die Mutter in den Schatten zu ſtellen. Der 
Dichter giebt freilich dafür eine andere ſchöne und überzeugende Er- 
Härung, die den Zwang jenes üfthetiichen Gebotes geſchickt verdedt 
und aus der Not eine Tugend macht, wenn er jagt, er wolle ihre 
Schmerzen durch feine Zurüdhaltung ehren, So ſcheidet Thetis fait 
ganz aus, jie bleibt im Hintergrunde ohne Selbftänpigfeit und ohne 
Willen, während früher in der dritten Strophe noch der Grund an— 
gegeben war, weshalb fie gerade ihren Sohn über das Meer entführt 
hatte: „daß er nicht unmächtig grolle.“ 

Wenn dagegen die Nereiden ausführlicher beſchrieben wurben, jo 
widerjprad) das nicht dem Wunfche, den Achill durchaus die Haupt 
verjon bleiben zu laſſen; denn die Meerjungfrauen, bie in dem neuen 
Gedicht ungefähr dreimal mehr Raum zur Bewegung erhalten haben 
als in dem alten, — thun ja nichts anderes, al8 mit den Waffen 
des großen Toten zu fpielen, jo daß fie gerade durch dieſe ihre 
Schelmereien doc, immer wieder anf ihn zurückweiſen. Sie find aljo 
auch nicht eigentlich jelbftändig behandelt, fondern einem größeren 
beigegeben und untergeordnet, dem Helden Achill, dem die zweite 
Hälfte des Gedichtes gehört. 

Der Dichter, der bislang geſchwiegen und ſich nur in der erjten 
Zeile wie zur Einführung: „m Batifan ... träumt ich heute 
lang“ vorgejtellt hatte, der im alten Gedicht auch nur im der erften 
Strophe zu Worte gekommen war, jegt ſich jest unmittelbar mit deu 
Achill in Verbindung. Er will ja aus jeinen Zügen etwas heraus« 
Lejen, und einem Fremden, der ferne jteht, pflegt ein Geficht nie 
etwas von jeinen Geheimniffen zu verraten. So wendet ex ſich jelber 
an ihn: „Held, du zürmteft ...... mir mit dir eim Wort ..., 
Sprid) ..... Bedarfjt du deines Schwerts noch". Was vorher die 
Mutter durch die Entführung des Sohnes hatte verhüten wollen, 
daß ſich nämlich die Worte Homers aus jener berühmten Stelle ber 
Dpyffee nicht erfüllen ſollten, wo Achill im Hades das Los ber 


— a 


768 Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. 


Schatten beflagt, ‚das ſpricht der Dichter jetzt mit größerem Nachdruck 
als ſeine eigene Uberzeugung aus: 


Nein, es lügt Homer. 
Den Odem neiden einem kleinen Ackerknecht ... 


Das Ausweichen iſt zum Ausfallsgefecht, der abwehrende Wunſch 
der Mutter zur entrüſteten Ablehnung geworden. 

Was dann das ältere Gedicht zum Schluß als Thatſache gab, 
die Richtung des Zuges nach den ſeligen Gefilden auf der Juſel 
Yeufe, wohin die Sage den Achill unter die anderen Halbgötter ver: 
jegt hatte, das jinft jet mieder zur Vermutung herab. „Eher fährit 
du einer Geiſterinſel bleichem ‚Frieden zu .... Doch auch joldyes 
ziemt dir nicht!“ Denn der Achill des Liedes ift ja tot und ſchweigt. 
Er hat jein Kurzes, mit großen Thaten erfülltes Leben hinter jich 
und die Unſterblichkeit iit ihm irgendiwie doch gefichert jenſeits des 
Sarkophages. „Ein Erwachen ſchwebt vor deinen Boot.“ 

Ter Tichter hatte ftreng nur dag geichildert, was ihm der Stein 
auch wirklid) jagen konnte, und mit einer gewillen wohlberechtigten 
Nüchternheit alle ‚yarbe und jeden Klang bisher aus der Daritellung 
verbammt. Dies lohnt ſich danu am Schluß, wo nun ein einziges 
Deal cin anderer Sinnesausdruck hinzufonmt, wenn der jo dringlicdh 
angeſprochene Ztein nach all den guten Worten plöglid) wie zum 
Yeben zu erwachen icheint: „Daß leis und dumpf der Marmor 
ſchallt“. Und mit diefem Ion breden die Iränmere und das 
Gedicht ab. 

Die Geſtalt des Achill aber jtand unjerm Dichter oft vor Augen. 
Denn die nordiſchen Mythologien lagen ihm fern, und in einer ſonſt 
von Wichard Wagner beherrichten Seit hielt er es ftreng mit der 
Kunſt und Dichtung des Altertums und des Ipäteren Italiens. Er 
ſuchte ſich ſeinen Siegfried unter den Helden Gricchenlands und ließ 
den fremden Halbgott ſogar in der Nürnberger Geſchichte von Guſtav 
Adolfs Pagen mitſpielen. Als der feige Leubelfing ſeine mutige Baſe 
um Mat bittet, wie er dem ſchwediſchen Dienſte entgehen könne, 
ſpottet dieſe: „Wir wollen dich, wie den jungen Adill im Bildwert 
an den fen dort, unter Die Mädchen stecken, und wenn der liftige 
Ulyſſes vor ihnen das Nriegszeng ausbreitet, wirjt du nicht auf ein 
Schwert losſpringen.“ Ihre eigenen Wünſche aber faßt ſie in den 
kecken Spruch: „Courte et honne'“ zuſammen: „Ich wünſche mir 
alle Strahlen meines Yebens in einem Flammenbündel und in dem 
Raum einer Stunde vereinigt, daß Ttatt einer blöden Tämmerung 
ein kurzes, aber biendend helles Licht von Glück entſtünde, um dann 
zu erlöſchen wie cin zuckender Blitz.“ Tas ift die „Achilleis”, im 
die ich das Mädchen hineinträumt und die ihr dag gütige Schidjal 


Henrich Rrarger, Zur Gejchichte von C. F. Meyers Gedichten 169 


dann auch wirklich als Pagen an der Seite Guſtav Adolis beichert, 
wenn fie aus dem Becher der Jugend und Stärfe jelig jchöpfen und 
in der Fülle der Kraft, die durch nichts gemindert ward, aus dem 
Yeben Icheiden darf. 
Ganz ähnlid) jpricht and) „Der Schwarze Prinz” in den Gedichten: 
Ich bin eine Kurze Kraft, 
Deut geharnifcht, morgen weggerafft! 
Tribe Stunde, lost’ ich wie Achill, 
Meinem Yofe balt ıch ftill. 


B 80. Aleranders Feſt. — C' 195. Der trunkene Gott. 


Als Alerander der Große im Winter 328/7 vor den Zügen 
nad Indien jein Lager in Maracanda aufgeichlagen hatte, übertrug 
er dem Clitus die Provinz Sogdiana, die vorher Artabazus ver- 
waltet hatte und die einen bejonders thatfräftigen und kriegeriſchen 
Mann verlangte. Elitus ftand dem König jehr nahe, jeine Schweiter, 
Dellanice, hatte den Alerander aufgezogen und er felber ſich jchon 
auf den ‚Teldzügen des Philipp rühmlich hervorgeihan und überdies 
dem jungen König am Granicus durch feine Entichloffenheit das 
Yeben gerettet. 

Plutarch erzählt nun in jeinem „Yeben Aleranders des Großen“ 
von einem Gaſtmahl, wo der König gerade diefen feinen treueiten 
Diener Elitus tötete: Allerlei böje Anzeichen waren voraufgegangen, 
Alerander telber hatte einen Traum gehabt und den Elitus in einem 
ichmarzen Kleid zwiſchen den toten Söhnen des Parmenio fiten 
jchen -— weshalb er in Sorge um ihn zu opfern befahl. Nun 308 
er ihn, bei einer Feier für die Viosfuren, zur feitlihen Tafel Hinzu, 
wo unter anderem auch ein Schmähgedicdht auf einige von den Bar: 
baren geichlanene macedoniiche ‚Feldherren abgejungen wurde. Clitus 
fand daran keinen Gefallen, während Alerander das Lied guthier. 
Zie gerieten darüber in einen Wortwechſel, wobei der alte Feldherr 
dem jungen König vorwarf, daß er jeinen Vater Philipp abge: 
leugnet und ſich lieber für einen Sohn des Jupiter Ammon auss 
gegeben hatte: 

„Alexander aber wandte ſich zum Cardianer Xenodohus und zum Artemifins 
aus Nolopbon und ſagte: „St es nicht wahr, die andern Griechen wandeln unter 
den Macedomern wie Dalbgötter unter wilden Thieren?’ Clitus aber ließ fi) 
nicht berubigen und fing aufs Neue an zu ſchmähen; er geberdete ſich in der 
Trunkenheit wie ein Wabnfinniger, wurde fortgeführt, aber ftürzte, einen andern 
Zrottvers ſingend, wieder berem, als auch Alerander einem Trabanten ſchon die 
Lanze entriſſen batte, mit der er den Clitus durchbohrte. Der König verlor nun 


°. Yıograpbin des Plutarchs mit Anmerkungen von G. 2. von Schirad). 
Berlin und Leipzig 1779. Yand 6. S. 189 — 35%. 


770 Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. 


auf einmal feinen Zorn und Fam wieder zu ſich ſelbſt. Er ſah, daß alle ſeine 
esreunde wie verfteinert um ihn herum verftummt fanden. Cr wollte den Spieß 
aus dem toten Nörper wieder berausziehen und fich jelbft damit erniorden, wurde 
aber von jeinen Yerbtrabanten abgehalten, welche ihm in die Hände fielen und ihn 
mit Gewalt in fein Schlafzimmer bradıten.“ 

Aus Arrian läßt ſich der Bericht inſoweit ergänzen, daR 
nämlid) Alexander an dem fraglidyen Tage eigentlich den Dionys 


„2a baben einige dev Amvejenden aus Schmeichelei gegen Alerander — wie 
befanntlich dergleichen Yente von jeher die Könige verdorben baben und nie auf- 
bören werden, ibrev Sache zu jchaden - nicht nur den Polydeuces und Kaitor 
fir durchaus unwürdig erklärt, mit Alerander und Alexander's Tbaten cınc Ber 
gleihung auszuhalten; jondern beim Trunk haben fie nicht einmal den Hercules 
verjchont, vielmehr geiagt: Es ftehe eben die Mißgunſt den Yebenden ım Wege, 
ſodaß ihnen von ibren Zeitgenoſſen die verdienten Ehrenbezeugungen nicht erwieſen 
werden.” 

Clitus jagte darauf, daß Alexander den Dlacedoniern jehr viel 
Ichuldig jet und verteidigte dann unter tötlichem Erfolge den Pater 
Philipp gegen die Angriffe der Schmeichler des Sohnes. 

Rei C. Rufus? rühmt ſich der König, der ſehr viel Wein getrunfen 
hatte, jeiner Thaten: „Dies und ähnliches hörten die jüngeren Männer 
gern, die älteren verdron es, hauptjächlic um Philippe willen, unter 
welchen sie ihre meiſten Jahre verlebt hatten.” Hierauf entipann ſich 
ein Streit zwitchen den jüngeren und älteren. Clitus“ lobte die 
Eoldaten des Philipp und reiste in der unbedachteiten Weiſe den 
Zorn des Königs, der ihm tötete: „Die ganze Vorhalle ſchwamm 
vom Blute deſſen, der kurz vorber jein Tiſchgenoſſe geweien war; 
beſtürzt und jtarren Bildſäulen aleich jtanden die Wachen von ferne, 
und die Einſamkeit gab der Neue deito freiern Raum.“ Der König 
war mach Dieter ichreeflichen That nicht wieder zu beruhigen. Er wurde 
mit Mühe daran verhindert, Die Hand an das eigene Yeben zu legen, 
das er nad einem ſolchen Verbrechen vor ſich und anderen ver- 
wirft zu haben glaubte. Trei Tage lang jchloß er ſich in feine Zelte 
ein, ohne Zpeite und Trank zu Sich zu nehmen, bis ihn die Generäle 
baten, doch feines Reichs wieder zu gedenken, und ihn zu dem Glauben 
beredeten, dar die furchtbare That von dem veleidigten Dionys ge: 
fordert uud dem König obne feinen Willen von den Göttern anf: 
gedrängt worden iet. 


Arriaus Werke, üherießt und erläutert von Tr. C. Cleß. Yangenfcheidiche 
Rerlagshuchhandlung, Berim. 

Curtius Rufus Born den Thaten Alexanders des Großen. VRerdeuticht 
vos Ir. Johaunes Siebelis. Buch VIII, e 5-6, S. 267 fi. Yangenicheidiche Ker 
agehuchhandlung, Verla. 

ENGL R. Zube, der Tod des Ciitus, im Rheinischen Mufeum für 
Philologie, herausgegeben von Ribbeck und Bücheler. Neue Folge 53, IR— 120, 


Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. 771 


Wir haben dieje Berichte nur auf das hin zu prüfen, was einen 
Tichter dabei zur Wiedererzählung oder Umbildung veranlafien 
fonnte,. Denn diejer frägt nicht nad) der hiftoriihen Wahrheit allein, 
er ijt auch jeines Zeichens nicht jo wie der Chronijt unverbrüchlich an 
jie gebunden, jondern legt den Dingen jelbjtändig einen Affektions- 
wert bei; er macht die Vorlage für feine fünftlerifchen Zwecke erft 
zuredht, indem er ihr bald etwas zufeßt, bald jie abſtutzt. Sehr fein 
hat Conr. Ferd. Meyer ſich jelber einmal im Gejpräde, wie Frey (233) 
berichtet, über joldhe Dinge geäußert: „Gewiſſe Handlungen geidhicht- 
licher Perjonen, die uns zu ihrem jonftigen Charakter nicht zu pafjen 
jcheinen, hätten aus anderen Motiven als den durd) die Zeitgejchichte 
ihnen zugejchriebenen, herfliegen fünnen und die bloße Möglichkeit 
genügt dem Dichter — denn dazu hat er ein Recht — beijpielsweife 
jeinen Helden ſolche andere, aus jeiner ganzen geijtigen Individua— 
lität begreifliche Beweggründe unterzufchieben und ihn dadurd) zu 
individialifieren.“ Der jpringende Punkt aller diefer Scenen war 
aber fir den Tichter, der fie aus den alten Vorlagen und aus 
Troyfenst; Bericht kannte, die leidenschaftliche That des Königs, 
der ſeiner jelbjt vergeljend, gerade den treueften Diener und Freund 
ermorden mußte, und weiter interejlierte ihn die Entwidlung eines 
harmlojen Anlajjes zu einem tragiichen Schluffe, wenn ein Feſt, das 
der Freude gewidmet war, did) eine unerwartete Wendung in lauter 
Traner austief. 

Jenen heiteren Anfang aljo auf glaubhafte und fpannende Weije 
in das dunkle Ende überzuführen, war auch zugleich für den Scelen: 
forjcher eine lodende Aufgabe. Nur konnte ſich der Dichter freilic) 
nicht mit der plumpen Schelterei bezechter Trinfer begnügen, jondern 
munte die vorhandenen groben Deotive feiner verzweigen, ohne dabei 
doc) ihre natürliche Tragfähigkeit zu vermindern. Er erhob die reale 
Wirklichkeit zur poetifchen und malte das von der Gefchichte bloß in 
großen und jtarfen Yinien entworfene Gemälde bis in Einzelheiten 
nad), die jegt nur noch injofern Anſpruch auf geichichtliche Wahrheit 
haben, als, wie wir jehen werden, jede von ihnen gerade ebenio aud) 
hätte paſſieren tönnen, aljo keine eigentlich der Geſchichte und Pſycho— 
logie des Vorgangs an und für ſich widerjpridt. Zwiſchen zwei 
Punkten giebt es unendlich viel Wege; die Geichichte aber verbindet 
zwei Creignijje mit Norwendigfeit nur durch eine einzige Linie, die 
zu entdeden und feitzulegen Pflicht der Gefchichtsichreibung ijt. Der 
Tichter aber kann dieſe Yinie jelten unbeanftandet für feine Zwecke 
gelten laſſen; denn die Geſchichte iſt nod) fein Gedicht; er jchlägt 
daher reizvolle Ummvege ein und verknüpft die Wirfung auf andere 


I: Geſchichte Aleranders de3 Großen von Joh. Guſt. Troyfen, Berlin 1833. 


772 Heinridy Rraeger, Zur Geichichte von C. F. Diners (Sedichten. 


Meije mit ihrer Urjache; bloß muß er die Ausgangspunfte im Ange 
behalten, und wie die Geſchichte, muß auch fein Wert den Geſetzen 
der Notwendigkeit bedingungslos gehoriam jein. Der Stoff hätte ſich 
ja auf andere Weije, als es Conr. Ferd. Meyer gerade in dieſem 
Falle that, dichterijd) bewältigen lajjen. Man könnte 3. B. von den 
Bernhigungsveriuchen der Priejter ausgehen und die gekränkten Gott- 
heiten für alles verantwortlidy madyen; wie Plutarch berichtet: „Der 
Andern ihre Tröftungen wollte er gar nicht anhören, bis Ariſtander, 
der Wahrjager, ihn an die Ericheinung, die er vom Clitus im Traume 
gehabt hatte und an die üble Norbedentung bey dem Opfer erinnerte, 
und ihm dadurd bewies, daß der Tod des Clitus längit durch's 
unvermieidliche Verhängnis beſtimmt gewejen ſey.“ Aber davon ab: 
gejehen, daß dem Alexander viel von der Gewalt und Poecſie jeiner 
jonft zu jeder Initiative anfgelegten Geftalt verloren ginge, wenn er 
zur willenlojen Gliederpuppe des ſtrafbar vernadjläjjigten Dionys 
geworden würe — jo hatte der Tichter dieje Formation, einen Gott 
in den Mittelpunkt einer menschlichen Dandlung zu rüden, jchon 
anderwärts, im Mars von Florenz, verwertet; durch eine Wieder 
holung aber wäre der Einfall jofort zum Tri oder zur Schablone 
entwürdigt. Er jtellte daher diesmal jeine Erfindung bei der Ent: 
wicklung des Streites bejonders auf die Probe. 

Während den Geichichtsichreibern bei der Clitus-Erzählung 
der Mintergrumd gleichgiltin geweien war, malte der Dichter in 
einer farbigen Scene die Pracht des Gaſtmahles aus. Ter junge 
König ſchaut freudig und träumeriich in die Zukunft, aber der ulte 
Clitus blickt verſtimmt im Die Vergangenheit zurück, und als der 
Schenk, die Pläne Aleranders deutend, jenen Herrn gar mir allen 
Göttern, zeus, Helios und Bacchus vergleicht, mahnt der Alte 
grämlich an die gefallenen Soldaten, die ihm den Sieg verichafiten, 
und reizt endlich den Alexander, der dic Vollkommenheit jelber zu 
ſein glaubte, an einer empfindlichen Ztelle, bei jeinem förperlichen 
Gebhrechen: nun kommt die Entladung, der Mönig, der bislang dem 
Zchmeichler wie den Verkleinerer ſtumm zugehört hatte, ſtürzt anf 
Clitns los und wie durch einen Blitz, der einichlägt, iſt die ganze 
Scene verändert. Tie Ereigniſſe jagen in furdtbarer Haſt durch die 
tete Strophe bin. Eine dramatiſche Höhe, die nad langem Anlauf 
plöglich eingenommen wird: ein Augenblicksbild in grelliten Farben. 
das der Tichter zuletzt noch anfrollt, eine furchtbare und unvergeß 
liche Rantomine. Während uns die Geſchichte den widerlichen Zank 
des Alerander und des Glitus iütberlieferte, läßt der Dichter ſeinen 
töniglichen Delden gänzlich ſchweigen und im göttliher Ruhe bie 
dicht vor dem Schluß bebarren. Nur auf dem Antlitz ſpiegeln öich 
die Vorgänge ab. Alerander iſt dadurch iiber alle, gleichſam her «le 


Heinrich Rrarger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. 


773 


eoncours geſtellt: er bleibt in verdeckter Stellung und von dem 
niedrigen Vorwurf des Selbſtlobes frei. Damit ift viel gewonnen, 
und die Ichreifliche That des Alerander ſchon durch dieſes würdige 
erhalten im voraus etwas geſühnt oder verichönt. Er hat den Zorn 
hinnntergewürgt und jich lange beherricht. Das, was Alerander bei 
Arrian, Curtins und Plutard) jelber jagt, ijt in der Dichtung einer 
neuen Perjon im den Weund gelegt, dem Schenten, der in Vertretung 
der „ungern“ Partei den Wahn des Königs von jeiner eigenen 
Göttlichkeit interpretiert und dadurch zugleich die Lage noch ver- 
\hlimmert. 


1 


DS 


Aleranders gef. 


Breite Marmortreppen jteigen 
Durch der Gärten laub'ge Nacht, 
Von den hellen Zinnen neigen 
Palmen in des Himmels Pracht; 
Ueber Tempeln, Hainen, Grüften 
Yagert in den Abendlüften 
Alexanders Jecherſchaar, 

Knieend reicht ein ſchöner Knabe 
Dunkeln Weines duft'ge Labe 

Dem bekränzten König dar. 


Jwifhen mächtigen Entwürfen 
Und der wundergleiden That 
Glaubter Nektarſchon zu ſchlür— 
Thronend in der Götter Rath; [fen, 
Geiſter tauchen, ruhmeshelle, 
Freudig aus der edeln Welle, 

Aus der Traube kräft'gem Blut, 
Goldne Schalen überſchäumen, 
(Hetjter, die gebunden träumen, 
Wachen auf in Zornesglut. 


Kleitos neben Philipps Sobne, 
Zchon dem großen Pater treu, 

Fer benarbte Maredone 

Yeert den Bedher ohne Scheu; 
Er gedentt der alten Zeiten, 
Ta es Ehre war zur ftreiten 

Für den ftammverwandten Herrn, 
Tentt der tapferı Nampfgenoj- 
Die die erſte Phalanx ſchloſſen [jen, 
In den Bergen kühl und fern. 


Auf der kühngeſchwungnen 


Braue, 
In des Herrſchers Angelıdt 
vieſt den ſtolzen Traum der 

ſchlaue 


Schenk u. lächelt hold u. ſpricht: , 


— 
we. 


-l 


„Herr, bevor den niedern Thalen 
Du did nahtejt ohne Stralen, 
Welches war dein himmliſch Amt? 
Bift du Zeus? bift du ein Andrer! 
Biſt du Helios, der Mandrer, 
Deſſen Stirme fonnig flammt?“ 


Kleitos faßt ein wildes Grämen, 
Und er grollt in fich hinein: 

„Wirſt du dich des Baters ſchämen! 
Schämſt du dich ein Menſch zu fein? 
Schleuderſt du des Blitzes Gluten, 
Warum kämpfen denn und bluten 
Wir für dich? Zum Schein und Spott? 
Lebende kannſt du belohnen 

Deine todten Macedonen 

Wecke ſie, biſt du ein Gott!“ 


Finſter ſchaut der Herr der Erde 

Yu dem halb vernommnen Wort, 
Wit anmuthiger Geberde 

Plaudert keck der Knabe fort: 
„Bacchus biſt du, der Belaubte, 
Mit dem träumeriſchen Haupte, 

Der ins Land der Sonne zieht! 

Nur den Thyrſus darfſt du ſchwingen, 
Ohne Heer kannſt du bezwingen! 
Winke nur! und Indien kniet.“ 


Grimmig neigt der trunkne Fechter 
Sich zu dem Erhabnen hin, 

Mit unſeligem Gelächter 

Rührt er an der Schulter ihn: 
„Warum läſſeſt nach der Linken, 
Sohn des Zeus, das Haupt du 
vaſtet dir der Erde Raub? ſſinken? 
Gab ſie, ſich voraus zu rächen, 
Ihrem Zwingherrn ein Gebrechen, 
Underzäbltdir,dagduStaub?“*) 


*) Alexanders rechte Zchulter war höher als ſeine ſchwächere linke. 


174 Heinrich Rraeger, Zur Gefchichte von E. F. Meners Gedichten. 


x Spricht's. Des Gottes Augen flammen, 
Wie der Ztral, der nicderfährt, 
Jäh getroften ftürzt zuſammen 
Nleitos, in der Bruſt ein Schwert. 
Blutbeſudelt vollt ſein Becher 
Zwiſchen die entſetzten Jeder; 
"on des Feſtes Kranz umlaubt, 
Huf verjteinerte Gejtalten 
Und dem ausgeftredten Alten 
Ztarrt ein bleih Weduienbaupt. 


In einer zweiten Faſſung aber jtellte der Tichter — auf ein 
eigenes Motiv für jede, auch Fiir die geringite jeiner Perionen bedacht 
den Schenten, mit dem wir die Charafteriftif der älteren Rallade 
jchlofjen, anders in die Handlung hinein: Er machte ihn jelbitändig, 
indem er jeinem Worte die Doppelte Abjicht unterſchob, nicht wur 
mit dem König zu fofettieren, jondern auch den Elitus zu tränfen. 
Es iſt menichlich natürlich, day die umbedachte heitere Jugend den 
alten Griesgram nicht leiden mag. Der Schenke tft froh, dem Clitus, 
iiber den er ſich oft genug ärgerte, eins zn verſetzen. Dadurch aber 
wird die Handlnung bedemtend tragijcher, denm der Knabe hatte mit 
jeinem Scherzwort einen jo blutigen Ausgang gewiß nicht beabtichtigt, 
er bringt den Stein ins Rollen, aber ohne ihn aufhalten und jein 
Ziel beitimmen zu können. Der kleine Ginfall eines bosharten 
Bürſchchens fiihrt zum ichredlichen Nerbrechen eines Königs und um 
Tode eines Mannes, und damit iſt das große Zdidial, das um: 
berecbenbar über allem Irdiſchen alter, Jchauerlih im die Wallade 
eingezogen. Tie Reden des Schenken folgen in der zweiten yatjung 
nach dem Grundſatz der Steigerung, Indem er zuerit den Alerander 
mit Bacchus und erft dann mit Ares, Jens und Deltos, den höheren 
und böchiten Göttern vergleicht. 

Während die erfte Faſſung genau darüber wmterrichtete, wer 
denn eigentlich jedesmal ſprach — wird im der zweiten der Tert 
eingeſchränkt und dieſe dramatiſch angeſchaute Dichtung dadurch 
anfangs ſchwer entwirrbar gemacht. Die Stimmen werden in der 
vierten und fünften Strophe nur ned durch die Juterpunktion ge— 
ſchieden. 

Wie Alexander, wird auch Elitus, ſein Gegner, auf dieier 
nächſten Stuie Der Gedichte veredelt. In den antilen Vorlagen 
henahm er sich während des Gelages eigentlich nur als der .ıniles 
loriosus". und der Umſtand, dan er uber den Durſt tranf und 
ganz ohne Uberlegung handelte, diente acrade nicht zur Hebung 
ſeiner Perſönlichteit. Aber ſchon in der eriten Faſſung des Gedichtes 
redet er lange nicht jo unanfhörlich, wie in den Berichten der alten 
Schrüititeller, jondern er „gedentt der alten seiten“ und Freunde, 


Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von €. F Meyers Gedichten. 775 


die er dann auch in Worten verteibigt: ein guter menjchlicher Zug, 
bis er am Schluß den König aus allen Fränmen und Hinmeln 
Münze. und ihm mit jener furchtbaren Anfptelung am ſchwerſten 
eleidigt. 

Das maflofe Trinten gewöhnt er ſich ab; ſtatt auf den „truns 
fenen echter” der erften Faſſung wird im der zweiten wirdevoller 
und ernſter bloß auf das Alter angejpielt: „der graue Fedhter"; 
und während er dort den „Becher ohne Schen“ Leerte, das heißt 
mannhaft mitzecht, ift hier etwas Bitteres beigemifcht: „Ichlürft im 


Weine Zorn und Groll.“ 


——— 


Weiße Marmorftufen ſteigen 
Durd) der Gärten laub’ge acht, 
Schlante Palmenfäder neigen 
In des Himmels blanc Pracht. 
Ueber Tempeln, Hainen, Gruften 
Zecht in abendweichem Lüften 
Werander’s Gieblingsjchaar; 

Daß der Erde ger fid) lade, 
Bietet ihm ein Schöner Knabe 
Bein in goldner Schaale dar. 


* 


Lleitos neben Philipp's Sohne 
Furcht die Stirue kummervoll, 

Der benarbte Macedone 

Schlürft im Weine Jorn und Groll: 
Er gedentt der Heergenoffen, 

Die die erfte Phalanz fchloffen 

In deu Bergen fühl umd fern — 
SeinenduntelnMuthau Fränfen 
Füftet es den jungen Schenfen 
Sagernd an dem Knie bes Herrn. 


Die erhabne Stirn und Braue 
Träumt den Zug ing Juden 
land, 
Yaujchend kieft den Traum das ſchlaue 
Kind, den Blid emporgewandt; 
„Bachs bift du, der belaubte, 
Mit dem chmwärmerifchen Haupte, 
De ins Yand der Sonne zieht! 
Ohne Heer tannſt du bezwingen, 
Nur den Toyrjus darfit du fchvingen, 
Winte nur und Indien niet!” 





Alerander war ſchief, feine 
ſchwuchere linle. 


Supberlon. VIE 








Wede fie, bift du RN Gott!“ 
5 ——— feuden Altares 
uf der di? 


Send die Gewalt bes Ye, 
Selen fürchterlich? 
Er bevor den niedern 
* nahteſt ohne Strahlen, 
es war dein himmiiſch Amt? 
SE IM Bee Bift du ein Andrer? 
elios, der —— 
Stirne ſonnig flammt?" — 


per — der graue Fechter 

Sid) zum des Wotes > 

Mit —— Sen 

m er an der Schulter ihm: 

„aft des Himmels, BER 

Haupt und Sauter" — 

Laſtet dir der Erbe —— 

Dem Be, Ka mi, Syn: 
im 

Alerander, du bift Stauh!” 


rechte Schulter etwas höher als bie 


776 Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. 


7 Eine tödtende Geberde! 
Eines Gottes Rachewut! 
Ein Erdolchter an der Erde! 
Alter Treue ſtrömend Blut! 
Auf den Mörder, auf die Leiche 
Starrt der Schenk, der jchredensbleiche: 
Kranz und Wunde! Feft und Grab! 
Stumme, fteingewordne Zecher — 
Hier ein hberrenlojer Becher 
ollt die Stufen ſacht herab... 


Conr. Ferd. Meyer hat ſich darauf verlaffen, daß jeine Leſer 
gleich wußten, mit welchem förperlichen Gebrechen Alerander behaftet 
war; und auf diefes Vorherwiſſen kommt freilich für die Wirkung 
des Gedichtes alles an, weil am Schluß an einer foldhen entichei- 
denden Stelle nicht mit einer neuen Unbefannten gerechnet werden 
durfte, jondern man gleich muß nadjfühlen können, daß bei dieſem 
Spott über jeine linfe Schulter! Alerander wie von der Natur 
gezwungen wird, den Frechen zu erfchlagen. Das ift aber nur möglich, 
wenn die Kenntnis von dem Defekt am Körper Aleranders wirflich 
auch jo in unſer Wiſſen iibergegangen tft, dag man nicht mehr nötig 
hat, ſich erjt kimftlid) in den Zorn des Königs hineinzudenfen, 
londern ihn vielmehr unmittelbar mitenpfindet. Aber jo jicher war 
der Tichter, und wohl mit echt, feiner Sache nicht, ganz davon 
abgejehen, day er gerade an diejer wichtigen Stelle, von der Poeſie 
verlafjen, jich redyt ungejchieft und überaus gewählt ausdrüdte: 


„merklich finfen 
Haupt und Schulter dir zur Linken.” 


Er hielt noch eine Anmerkung für nötig, um auf alle Fälle den 
Thatbeftand diejer Stelle und die Pointe zu retten, Die allerdings 
wenig glüdlich war, weil gemeinhin das Bild Aleranders doch ohne 
jene förperliche Cntftellung in der Phantaſie der Menſchen weiter 
lebt, und wir uns erit mühſam bei den Worten des Clitus wieder 
daran erinnern, day Alerander ja eigentlich, wie man in der Schule 
gelernt hatte, Ichief gebaut war. Dadurch verliert aber der Trumpf 
des Clitus viel von jeiner Kraft, wenn die ſchwere Verletzung des 
Aeranders uns erſt von außerhalb durch die Termittlung einer 
Anmerkung des ſonſt jo einmandlojen Gedichtes klar wird. 


:ı „Die Bejtalt Alexanders iſt am beiten auf den Ztatuen von Pufippus aus- 
gedrüdt, von dem allem auch er abgebilder jein wollte. Der Künftler bat darin 
beionder® den langen und gegen die linke Schulter etwas ceingebogenen Hale des 
Alexauders und ſeine lebbaften freundlihen Augen, worin ibn jene Freunde und 
Nachfolger jo ichr nachzuahmen ſuchten, geſchidt ausgedrüdt.“ Rlutarch 195. — 
Tronfen, S. 48. „Tas ci wenig zur Yınlen geneigte Haupt.” 


Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. 777 


Die größeren Änderungen zwijchen der erften und der zweiten 
Faffung find erwähnt; aber auch im Heinen woaltete die jorgende 
Hand, die in der Einleitung, durch wenige Yufäge, durd) bie Ad- 
jeftiva weiß, ſchlank und blau umd durch die ſchöne Neubildung: 
abendweich, die Stimmung gleich viel üppiger machte. Die Worte 
ichliegen ſich wundervoller zufammen; der bloße Bericht eines zweiten 
verwandelt ſich jegt in eine eigene Handlung: früher las der Schenf 
„den ftolzen Traum“ vom Antlik feines Herrn ab; jest heißt es 
impojanter vom Könige jelbjt: 

Die erhabne Stirn und Braue 
Traumt den Zug ins Juderland. 


Auch der Schluß wurde umgejchaffen: ftatt das Medujenhaupt 
aufzuhängen, das, eigentlich auf Alerander in einem ſchlechten hin- 
fenden Vergleich angewandt, in einem Bilde die Schreden der legten 
Scene zufammenfaffen follte — ſchafft der Dichter jest im einer 
anderen anfchaulicheren Handlung ein Symbol für das Ende des 
unglüdlicen Clitus: 

gie ein herrenfofer Becher 
ollt die Stufen ſacht herab .. . 


Mit diefer Faffung war aber die Entwicklung des Gedichtes 
noch nicht abgeſchloſſen. Vor allem drängte ſich in einem neuen 
Entwurf (C? 203) die ausgeftoßene zweite Strophe von der Stünt- 
mung des Gaſtmahls wieder ein. 

ich iſrs, den Wein zu ſchlin 

— der Götter Rat — 
Zwiſchen ſchwelgen den Entwürfen 
Und der wundergieichen That! 
Goldne Beer überquellen, 
Ruhmesgeifter mit dem heilen 
NE tauchen aus der Flut — 

oldne Beder überihäumen, 
Beifter, die gebunden träumen, 
Steigen auf ım Zormesglut. 


Es find die alten Gedanken und Wilder ans der allererften 
Faſſung, umd doc; Liegt auf ihnen jest ein ganz anderer Schimmer, 
Aus „den mächtigen Entwürfen“ werden „ichwelgende“; ftatt Des 
von niemandem je gefofteten unbeftimmten „Nectars“ wird rechter 
„Wein“ gejchenft; die „goldenen Becher“ ftrömen jet zweimal ihren 
Inhalt über, und erregen die Sucht nad) Ruhm und den Zorn 
in dem trinfenden König. Und „die Geifter“, die vorher nur unklar 
gejehen wurden, tauchen jegt als Genten, mit Helmen gefrönt, aus 
dem Getränf empor. 

so” 


un m 





778 Heinrich Kraeger, Zur Geichichte von C. F. Meyers Gedichten. 


Auch „der Schenk“ mußte jich einige Änderungen gefallen laſſen: 
am Schluß der erften Strophe heißt es (;*? 208: 


Bietet nieend ihm ein Knabe 
Wein in edler Schale bar, 


und am Schluß der dritten: 
Füftet e8 den ſchönen Schenken. 


Statt „Zorn und Groll“ jchlürft Clitus im Weine alliterierend: 
„Grimm und roll.“ 

Auch die Kataftrophe war dem Dichter und Wichter nod 
immer nicht nach den Derzen gemejen, der die Worte des Clitus 
höhnifcher machte und fie gleich zu Anfang in eine unbarmberzige 
Frage Fleidete: 

„Saft des Himmels, warum finten 
Haupt und Schulter dir zur Linien’ 
Yaftet ihr der Erde Raub” 

Mit den Göttern willſt du zechen? 
Spotten höre dein Gebrechen: 
Alerander, du bift Staub!” 


s (Eine tödtende Geberde! 
Eines Gottes Rachewut! 
Ein Erdoldter an die Erde 
Bleitend ın das eigne Blut... 
Klarer Abendlüfte Schauern! 
Eines Haupte verhülltes Trauern! 
Ausgeraft und ausgegrollt — 
Ein Gelag verfteinter Zecher 
Und ein herrenloſer Becher, 
Der herab die Stufen rollt. 


Am Schluß wird die Apotheoſe grauſiger; das verwirrte Bild 
„alter Treue ſtrömend Blut” geht ganz in Anſchauung über: 


Ein Erdolchter an die (Erde 
Gleitend ın das eigne Put. 


Und nun die Ermüchterung, die jich unheimlich ankündigt! Aus 
dem warmen Mittag, an dem das Feſt begann, ift Abend geworden; 
die weiche Luft geht jett falt und Mar, und ftatt des Schenten, der 
dem Drama den zufälligen Anſtoß gab, fteht Alerander felber nody 
einmal da, er, der alles zu traurigem Ende geführt hatte. Eine un: 
geheure Herbigkeit Liegt in der Schilderung, auch der fallende Becher 
mag fchriller tönen, weil ihm dag „ſacht“ genommen wurde. 

Ter gründlichen Umarbeitung des allererften Entwurfes wären 
alfo hier manche wertvolle Verbeſſerungen zugefügt, aber die Arbeit 
war jelbjt jet nod) nicht ganz abgethan. Das Gewitter grolfte nach 


Heinrich Rraeger, Zur Geſchichte von €. F. Meyers Gebichten. 779 


und in der nächſten Auflage, alſo im der vierten Faſſung des Ge- 
dichtes, griff der Dichter abermals an einigen unbedentenden Stellen 
ai, und gönnte erft dann fid) und dem Liede die mwohlerfämpfte 
ube. 
In dieſer allerlegten Faffung C* 207 Heißt es emdgiltig: 

Strophe 1: „Rmieend bietet ihm ein Kuabe, 

Daf der Erde Herr fid) labe, 

Bein in edler Schale dar.“ 
Strophe 2: „Schlürft im Weine Gram und Groll“ (G? 204 „Grimm und Groll“). 
Strophe 8: „Der hinab die Stufen rollt.“ 


B 92. Die Dryade.') C’ 19. 


Das unglüdlich verlaufende Liebesbündnis einer Baumnymphe, 
die von dem Jüngling ihrer Wahl jo bitterlich getäufcht wird, war 
von E. F. Meyer anfangs in der leisten Strophe mit einer allgemeinen, 
aber außerhalb der Erzählung ftehenden Betrachtung beſchloſſen 
worden. Es war der Abgejang, der, jo hübſch er auch an und für 
fid) war, das graziöfe Märchen doch doftrinär entjtellte und bie 
Wirkung des Vorgangs verminderte. Er mochte das felber einjehen, 
ohne die an und für fich trefflichen Zeilen aufgeben zu wollen, die 
er fpäter außerhalb des Gedichtes oben als Geleitwort für die neue 
Faffung C! 19 unterbrachte: 


O Liebe, wie ſchnell verrinneft du, 
Du flüchtige, jhöne Stunde! 

Mit einer Wunde beginneft du 
Und endeft mit einer Wunde, 


Auch bei der Entwicklung diefer Romanze mag man zwei Gruppen 
von Veränderungen fcheiden: Fälle, wo einzelne Worte ur gefteigert 
und folche, wo die Perfonen und die ‚Handlung umgeftaltet werden. 
In das erfte Fach ſchlagen die Verſchlebungen der fünf Strophen 
der Einleitung: 


1 Der Füngling tritt in Waldesraum, | Ein int 
Wo grün die Lichter fhimmern | Umfpielt von golduen Schinmern 
Und fucht ſich einen ſchönen Baum, ſpaht nach einen 
Ein Boot daraus zu ZIMMER. Sid) drans ein Boot 


„Du Eiche mit dem ftolzen Wuchs, Jungeiche 
Du bift mir gleid, die rechte, 

Dich zeichn’ id) mit dem Beile flugs, 

Dann hol’ ich meine Knechte.” ruf" 


9) Später in einem befferen Griechiſche „Die Dryas“, 


780 Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. 


3 Er führt den Schlag, da ſtöhnt Stra. Ein ichmerzlicd 
eın Ad) ' 
Zufammen mit dem Ztreide: Macht iählings ibn erbleichen 
„Du mordeft mich,” io jeufzt es | „Ich fterbe!” föbnt's ım Ztamme 
ſchwach, 
Aus der verwundeten Eiche. Die jüngſte dieſer Eichen. 


4 Ein Tröpfchen Rlutes oder zwei 
Sieht er am Beile hangen 
Und ſchleudert's weg mit einem Schrei, 
Als hätt' er Mord begangen. 


an 


Schnell jlüftert'S aus dem Baume jetzt: 
„Rod iſt fein Word geicheben, Ser »iord tjt nicht vollender! 
Ich bin nur leicht am Arın verlegt, 
Raſch wußt' ich mich zu drehen.“ | Ach hatt' mich umgewendet.“ 


„Irrt“ in der erſten Zeile jagt mehr als das einfache „tritt“: 
„Jungeiche“ nacht die Xoritellung reicher und poetiicher als blog 
„Du Eiche”. „Streich“ past beijer als „Schlag“, da8 doch mit Adh: 
ſchwach in ichlechtem Binnenreime fieht. Die rhythmiihe Not der 
letten Seile „der vermundeten Eiche“ iſt in „die jüngſte diefer Eichen“ 
glücklich geändert. 

(Srundlicher ging der Tichter mit den folgenden Strophen um, 
wo die liebliche Geſialt der Nymphe mehr zu ihrem Rechte kommt. 
In der alten Faſſung Ipricht die Dryas allein; in der neuen kommt 
au anfang noch die friiche Werbung des Mannes hinzu, indem dic 
erjte Nede der Tryas wegfällt. Wlan vergleiche: 


6 Veicht jchlüipft die Trmas aus dem Kleid „Komm, Göttin,“ fleht er, „Waldeskind, 
Der moosbededten Eiche: Daß ich Vergebung finde!“ 
„Tritt näher, der mir that das Leid, Tie Zchultern ſchmiegend ſchlüpft ar 

ſchwind 

Daß ich dir Hand dir reiche!” Die Tryas aus der Rinde. 

7 Sie lächelt: „Vald bin wieder heil Ein Tämmer lag auf Stirn und Haar, 
Ach, und mein Arm geiumdet ” Ein Brüten und ein Weben, 
Ta fuüͤhlt ſie, daß vom ſcharfen Yet Von grünem Rlütterſchatten war 
Tas Herz ihr tief verwundet. Der ichlanfe Wuchs wingeben. 

s Es iſt der Tag verſchwunden bald, Er fing den Arm zu lüflen au, 
Im Flug vergeht er beiden, Tie Stelle mit dem Siebe, 
Und wir es dunkel wırd im Wald, Und, der er viel zu Leid gethan. 
Da denen fie ans Scheiden. Die tbat ihm viel zu Liebe. 

9 Ich in den Baum und du nach Paus:“ „In meinem Baum — iſt lauter Trauın“ 
Zo lipelt ſie verſtohlen, Sie ſchlüpft zurück behende 
„Toch ſend' ich wohl ein Bienchen aus. Und hijſpelt in den Waldesraum: 
Dich in den Wald zu holen.“ „Ich weiß, wen ich dir ſende!“ 


Schr anmutig klingt diejer letzte Beſcheid der Dryas; wenn 
Conr. Ferd. Meyer au anderen Stellen die Reime beſchränkte und 


Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte vom C. F. Meyers Gedichten. 781 


den Gedichten das allzır Singbare nahm, hat er hier mit Recht den 
Dreiffang von „Baum, Traum umd Raum“ eingejchaltet. Die 
Biene wird aber nicht gleich mit Namen genannt, um eine leichte 
Spannung zu erregen, wer wohl überhaupt die Botin diejes Wald« 
findes fein mag. Endlich) im nächſten Berje kommt fie etwas mehr 
beladen als in der erjten Auflage an, denn außer der Süßigfeit und 
dem Honig bringt fie aud) Vitternis umd Wermut mit, dem Inhalt 
diefes Märchens und der alten Lehre entfprechend, daß Lieb und Leid 
aufammenmwohnen: 


10 Das Bienden muß ſich oft be | Der Botin Biene Dienft ift ſchwer, 


müh'n, 
Das fleißig immerrege, Sie muß ſich redlich plagen, 
—RW trägt esher und hin onig ——— fm und ber, 


Die ftillen Waldeswege, Jjaldaus, waldein zu tragen. 
11 Doch einmal kam es wild ge- | Einmal kam Bienden wild gebrummt: 
fummt: 
„Dryas, mid lann's entrüften!“ 
Es jest ſich an den Stamm und 
fummt: 
„Wohl jah id), wie jie füßten. Ich ſahs, wie fie ſich 


12 Sie ift des Nachbars bluhend 
Kind, 
Er bat nit weit zu gehen 
Und fäßt did mun in Wetter umb 
ind 


int 
Am grünen Walde tchen“ 





ein bfühend Nachbartind 


Muß ihm beftändig neden, 
Did) laßt er num bei 


In deinem Baume ſtecken. 


Das Schickſal der Dryas aber geitaltet ſich ernft und tragiſch 
Früher war es ein jtummes Klagen, jetst ſcheint der Streich = bis 
ins Mark gedrungen zu fein, und fie, die erft vom Beil äuferlich 
getroffen, doch wieder aufgelebt war, ift jetzt inmerfich zu Tode wund 
bei dem Verrat, den der treulofe Knabe an ihrer Liebe beging. Auf 
den erften Schlag ift von ein umd derſelben Hand der fchlimmere 
zweite gefolgt, von dem fie fich nun nicht wieder erholen fan. Und 
die Todesjcene der zweiten Faffung dürfte allerdings nicht mehr von 
jenen betrachtenden Verſen abgetrumpft werden, die vordem am 
Schluß der erften Faſſung ftanden. 


13 Da ſchwanlt das Yaubwerf bin und ber 
Aufraufchend in dem Winde, 
Da ftöhnt es bang, da 5 ſchwer ⸗ 
Und windet ſich unter der Ninde. 
Ein jhmerzlich Ach, als wände fid) 
Ein fhlanfer Yeib und filirbe! 
Das Laub vergilbt, die Krone blich, 
Die Rinde bröcelt mürbe, 


782 Heinrich Kraeger, Zur Gefchichte von C. F. Meyers Gedichten. 


Es bleibt aber interefjant zu jehen, wie jcharf ſich gerade tn 
dieſem Gedichte die Maſſen jcheiden, wie die eine Partie nur leicht 
und oberflächlich, die andere aber vom Boden aus, und wie der 
ganze Grund — wenn man jo will — jehr ungleichmägig umgeudert 
worden ilt. 


A 19. Der Mönch von BSonifacio. C! 250. 


Bei diefer Ballade, die in einer noch älteren vor 1860 emt: 
ftandenen ungedrudten Faſſung bloß den Titel „Der Mönch“ trug, 
gab der Tichter in den Anmerkungen der erjten Ausgabe als Tuelle 
für feinen Stoff ein Werk des Grafen von Platen „Geichichten des 
Königreiches Neapel” au. Dort wird im 11. und 12. Kapitel des 
erjten Buches S. 106— 124 aus dem fahre 1420 von der Belagerung 
der mit den Genueſen verbündeten Stadt Bonifacio erzählt, deren 
hartnädigen Widerſtand der caftiliiche König Alfons, anfangs aud 
vom Glück begimitigt, mit aller Gewalt zu breden ſuchte. Ein 
Auszug aus diejer breit entworfenen Kriegsgeſchichte mag über die 
Stellung belchren, die Conr. Ferd. Meyer dem Stoffe gegenüber 
einnahın. 


S. 106. „Da fiel ploelih der Thurm Zcarincto, durch dir Rom 
barden erſchüttert, zuſammen, und die Belagerer iprangen von den Zrgelftangen 
auf die Trimmer hinüber und richteten die königlichen Ztandarten auf.” 


Bald wieder zurückgetrieben, drängte der ‚yeind von einer an— 
deren Seite Jich vor: 


„und der Haven ward durch eine Kette geichloifen, danııt ıZ. 109: fein gennue 
ſiſches Fahrzeung den Bontſaziern Zufuhr und Hülfſe zu bringen im Ztande ware, 
Wohl hatte man ın Genua, aus andern Theilen der Inſel, Die Rachricht von 
VRonifazio's Belagerung abalten, ımd der Toge Thomas Fregoſo Lich zu dieienm 
Behni Neben Schiiſe ausrüſten. Aber abgeſehn, daß die Peſt in Gennag würbere, 
und der DToge hemühlt war, Yudwig dem Tritten beizuſtenn, ſo waren auch den 
ganzen Derbjt hindurch die Winde jo ungunſtig. die See io ſtürmiſch, daß kein 
Fahrzeug den Haven verlaiien koöonnte. 

Indeſien war Bontfiazio durch die Wurimaichinen des Koͤnigs in einen ſo 

traurigen Inſtand gerathen, daß kaum ein einziges Haus noch Sicherheit darbot 
md die meiſten in Trümme';n lagen. Alle Einwohner daher, die nicht 
unmittelbar auf den eaunern Wache hielten, zogen Ach in den nabe ge 
genen Dan zurüch, wo Ne Hütten und \elten aufichlugen Alfons bot ſich haung 
zum VKergteich 2. 110 a, und vermiadı ſogar der Ztadt ihre Freiheiten erbalten 
zu wollen. Dennoch zauderten die Vontiazier und als von aragoniſcher Zeite Die 
Unmoglchlent: dargeitellt wurde, dem Hunger zu widerſiehn, von dem ichon viele 
der Einwohner zu Berippen verzehrt waren, fo wurden von mehreren Seiten 
dir Mauer Brodlaibe in das Yayır des Konigs mnabgeworfen und ihm Selbir cm 
aus Frauenmilch bereiteter Kaſe zum Weichent gebracht . . .. 
. 112 Aber nichts deſtoweniger zehrten Elend und Hunger an der unglück 
lichen Stadt. Tag und Racht von den Feinden beunrubigt, ſchlaflos, abgezehrt 
irrten viele der eingeſchloſſenen Helden wie Schatten umher, und 
Einige, aus Verzweiflung, gaben ſich ſelbſt den Tod... 


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Heinrich Krarger, gur Geſchichtt won. C. F. Meyers Gedichten. 783 


©. 118. Ju dieſem Zuſſande entſchloſſen ſich die Aelteſten mit 
Alfons zu unterhandeln. Sollte in 40 Zagen Feine Hülfe er! PS 
jo wollten fie ſich dem Könige ergeben. Ihm wurden 32 edle Knaben 
als Geißeln überliefert, und jo rubte wenigfiens vom Kampfe die 
Stadt.“ 


eimlich rüfteten num die Korſen ein Fahrzeug mit 24 Yünge 
FRE aus, das nad) Genua fahren und die — um 
Hilfe bitten ſollte. 


©. 114. „Heiße Wilnjche und Gefübde begleiteten die abreifenden Freunde. 
Der Senat ordnete Öffentliche Gebete am und mit nadten Fußen, wiewohl im 
ftrengften Winter, zogen die Bonifazier von einer Kirche zur andern, und priefen 
im — Geſangen den Gott der Heerſchaaren, ihn um die Rettung der Baterftadt 
anflehend.“ 


Die Jünglinge langten „fpät und vom ungünftigen Winde vers 
folgt“ in Genua an, während Alphons ingnifen weiter Korſila 
vermwüftete. Nach 15 Tagen kamen die Boten wieder und brachten 
Nachricht von der baldigen Hilfe ihrer Verbündeten. 


©. 118. „Aber es nahte ber der Usbergabe, und die Botfchafter bes 
Königs erſchienen in der Stadt. Die Aelteften erbaten fid nur eine Nacht 
Bedenfzeit. Sollte bis zum mähften Morgen feine Rettung [ih 
zeigen, fo ſeyen fie bereit, ihre Berbflichtungen zu Fehlen FRE 

©. 119. In diefer Noth verfammelte der Senat — Bolt; jeder 
über das Heil des Staats berathſchlagen. Da begann vor A itbelm Bobia, 
der felbft dem Senat angehörte, die Menge zur Ausdauer zu ermimtern. Nie feyen 
dem ;Feinde, fagte er, die Schlüffel zu übergeben! Wenn man bie freiheit bereits 
verforen hätte, witrde wicht Jeder trachten, fie aufs Neue zu erobern, und — da 
fie ſich noch im Beſitz derfelben befänben, wollten fie ihr freiwillig entiagen? Cr 
beſchwor hierauf den Schatten des Grafen Bonifazio, des Erbaiter der 
der die mauriſchen Seeräuber viermal überwunden babe. Diefer blide vom Himmel 
auf fie berumter. Nicht am Beiſſande Geuug's jollten fie verzweifeln. Fucchtbare 
S c, wie (5. 120) Jeder fähe, erregten das Meer; aber der nächte —B 
Windſtoß würde bie erfehnten Schiffe herbeiführen, ee Knaben zwar 
jenen ht den Händen der Meinde; aber beffer fe es, bie Kinder zur verki at 
die ganze Stadt dem Untergang preiszugeben Da zollte I; Berſammit⸗ 








dem Redner ihren Beifall, jeinen Borſchiag als das einzige betrachtend. Alte 
Sloden wurden geläutet, ein Freubengefchrei erhob fih, und man 
vief von den Mauern herab, daß die gehoffte Hllfe er hienen F 
Die wurde den Boten des Königs berichtet, die den andern Morgen bie 
gabe zu beiichen famen. Aud; die Weiber Heideten fd in Harnifche, und dreimal, 
zog die ganze Schaar, an der Spike die abttenträger, a er, die beit 
Feinden zugefchrt war, auf md nieder, wur — Anzahl zu tauſchen 
Haben die Genufer Flügel, fagte Alfons, um in die von allen Zeiten belagerte 
Stadt ſich einzuicleihen? Da begann der auf's Reut ’ 
2, 122. Vier Tage mad) biejem Borfall zeigten Jid) endlich die 
genuelifhen Schiffe, fieben an der Zahl, die Genua — 
von gunſtigen Nordwinden geleitet, — hatten ..Die Geuueſer 
Aber das leichenartige Ausſchen ber Bonſager 
Aber die Schifisführer weigertem fih, den Kampf aufzunehmen, troi der 
Di der Belagerten, die ihnen vom der Stadt aus auf alle Weiſe beifichen 
wollten. 








184 Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. 


Berzweiflung ergriff bei dieſer Nachricht die belagerte Stadt. Die Frauen 
lagen auf ihren Knien in den Tempeln, und flehten den Himmel an, fie zu 
retten, den Genuejern Tapferkeit einzuflößen. 

Dod nicht alle Genueſer dachten wie jene Bier. Der Befehlshaber der Flotte, 
Giovanni Fregoſo, des Dogen Bruder, ein ziwanzigjähriger Jüngling, war vom 
Seite feiner Ahnen befeelt. Eben jo Raphael Negro, der Hauptmanı des zweiten 
Edifis, das jeiner Größe wegen der fchwarze Berg hie. Bor allen beichämte 
Jakob Boniffia, wiewohl plebeiiicher Abkunft, die Zagbaften, und in feuriger Rede 
forderte er zu den Waffen auf. Fer Himmel fchien fein Vorhaben zu 
begünftigen; denn am nächſten Morgen erhob fich ein heftiger und deu 
Aragonejen ungünftiger Wind. Alle Segel aufgeſpaunt flog das Schiff des 
Boniſfia voran, mit eifenbefchlagenem Bordertheil zerfprengte es die Kette des 
Havens gewaltjam; die beiden andern folgten ihm.” 


Endlich entwidelte jich das Gefecht zu Gunſten der Genueſen, 
die fchlieglich mit einen DBrander die Schiffe des Königs aus ber 
Blofade trieben: 

S. 124. „Mächtige Flammen nad allen Zeiten fprühte das entzündete 
sahrzeug, nad allen Zeiten ftoben die Schiffe des Königs auseinander. Die Er- 
fchredten noch mehr zu betäuben, erboben die Genueſer, bisher in Todtenftille 
verharrend, ein ungeheures @efchrei, und es antivorteten die Bonifazier, den 
Freunden, den Rettern, den Befreiern cine glüdliche Fahrt von ihrem Felſen 
berunterwünfchend, mit unermeßlichem Nubelruf. rei zogen die Schiffe 
der Republit von dannen, von Ruhm beladen langten fie im 
Genua an.” 

Platens Vortrag ift, wie die Auszüge beweiſen, aus Flafji- 
chem Geiſte geboren, der teil8 durch die Lateinischen Norlagen des 
CHhrnäus und der Annales Genuenfes von Johannes Stella ihm 
übermittelt, teils friſch aus feiner merkwürdig antik geftimmten Seele 
gefonmen war. Dan glaubt in diefen „Sejchichten des Königreiches 
Neapel” die meifterhafte llberjekung eined Werkes des Thuchdides 
oder des Livins vor ſich zu haben, die den fremden Stil zmanglos 
der deutichen Sprache anpaßt und die gewandt aud) die Mittel der 
hiſtoriſchen Tarftellung der Alten, 3. B. die Reden benutzt. Gonr. 
werd. Meyer übertrug 1858 (vgl. Frey, 101. 132) einen Teil der 
Platenichen „Geſchichten“, den Abjchnitt über die Königin Johanna 
von Neapel ins franzöſiſche: die Handfchrift „Jeanne de Naples’ ift 
freilich nicht gedruckt und vielleicht vom Verfaſſer fpäter vernichtet 
worden, aber auch zu dem Dichter felber ftand C. F. Meyer in 
einem engeren 2erhältnis, wenngleich er ihm nicht urteilstos folgte 
und „das Sciefe an dem fonft fo tüchtigen Platen“ wohl erfannte. 

Mit den geichichtlichen Berichte war vorderhand wenig an— 
zufangen. Die weit ansgedehnte Handlung ſpielt von Korſika nach 
Senna hinüber. Die Niederlage und der Sieg Bonifacios ftehen 
fünftlerijch zueinander in gar feinem Verhältnis, denn die Be- 
lagerung ift fait quälend lang befchrieben und die Befreiung dafür 
äußerlich jehr kurz abgemadjt. Tie Weltgefchichte hat hier für keine, 


Heinrich Kraeger, Zur Gefchichte von C. F. Meyers Gedichten. 785 


dem Auge eines Poeten wohlgefällige gleihmäßige Entwidlung der 
Begebenheiten gejorgt, jondern die Pendelbewegungen vorgezogen 
und Schmerz und Freude raſch abwechjeln laſſen. Als die beratende 
Verſammlung ſich des Weiteren zum Widerjtand entjchließt, wird 
ein Jubelgeſchrei angeftimmt, leider ganz verfrüht, da ja die Schiffe 
zur Unterftügung noch nicht da find. Als dieje endlich kommen, 
bereiten die Führer, die am Kampf nicht teilnehmen wollen, den 
Belagerten eine neue Enttäuſchung. So forderte diefe Geſchichte von 
Bonifacio nicht gerade zur balfadenhaften Behandlung heraus, es 
jei, daß die mutige, von Platen befonders ſchwungvoll verfaßte Rede 
des Bobia, der die Mitbürger zum Widerftiand ermuntert und das 
Verhalten der tapferen Schiffsführer 'Fregojo und Bonifia auf 
Conr. Ferd. Meyer einen tieferen Eindrud machten. 

Er zeigte fi) denn auch dem Stoff vorherhand keineswegs ge= 
wachſen; die breite Erzäblung verleitete zu einer übermäßigen Aus- 
führlichkeit, und die Vorlage ift nirgends fchlant und dichteriich 
zugejchnitten. Es find 17 kreuzweis gereimte Strophen mit vier: 
füßigen Trochäen. Auffällig ift die Überjchrift „Der Mönd von 
Bonifacio”, die eine Perjönlichkeit in der Ballade bezeichnet, von der 
in der Geichichte nirgends die Rede geweien war. 


AlphbonsjahdenWallfichneigen | 4 „Genua, wo magft du weilen, 


[5 


Und des graufen Mordes fatt Während Tag um Tag vergeht? 
gie er die Geſchütze ſchweigen Du gelobteft ung zu eilen 

or der eingefchlojj nen Stadt; Und nun fommft du doch zu fpät. 
Seiner ringsumgarnten Beute Wir vertrauten deinem Bunde 
Wird der lift’ge “Jäger froh, Und vergofien unfer Blut; 
Eigen nennt er dich noch heute Wir erkauften eine Stunde 
Tapfres Bonifacio! Noch mit unferm letzten But. 

2 In des Waſſers grünem Scheine 5 „Und dem fremden Dränger gaben, 
Spiegelt fich der morſche Wal, Wiffend daß du nahe bift, 
Bon der Yssehre riejeln Steine, Wir zu Geifeln unfre Knaben 
Loje Tuadern drohen Fall. Nur für dreier Tage Frif. 
Ueber die zerichojf nen Mauern, Drei der Tage find verronnen; 
Späht der Korjen Wache eis, Korjen, was ift euer Rath? 
Sieht des Spaniers Sciffe Seid zu opfern ihr gefonnen 
lauern Eure Kinder — eure Stabt? 


In des eigen Hafens Kreis. 


3 Auf dem Markte lagern Trüm- | 6 Keiner will das Schweigen breden, 
mer, Alle bliden niederwärts, 

Thürme neigen fid) im Blau, Keiner wagt es auszufprecden, 
Hlänzend dringt des Tages Schimmer | Was beichloffen jedes Herz. 
An des Doms zeriff'nen Bau Nun ein Flüftern, nun ein Mun- 
Krieger ftehn mit finftern Mienen, keln, 
In dem heilgen Raum geſchaart, Winke werden raſch getauſcht, 
Einer mitten unter ihnen, Und ſie ſehen nicht den dunkeln 


Welcher keine Worte ſpart: Mönch, ber an der Säule lauſcht. 


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11 


Ledig aller Herzensbande, 
Von dem härnen Rock bedeckt, 
Trotz im ärmſten der Gewande 
Eine Bruſt, die nichts erſchreckt, 
Eines nur iſt ihr geblieben 

Auf der Erde fern und nah: 
Zu vertheidigen, zu lieben 
Deine Schluchten, Korſika! 


Brauſend fteigt der Zorn im Herzen, 
Bis er mächtig überquillt, 

Worte findet er, die jchmerzen, 
Hebt den hagern Arm und ſchilt: 
„Ber ift unter Euch der Feige, 
Der die Heimat gibt dahin? 

Daß ich zur Verdammniß zeuge 
Im Gerichte wider ihn!“ 


Alles fchreit in wilden Grimme: 
„Bon dem Mönche folhe Schmad! 
Schweige du, dem nie die Stimme 
Der Natur zum Herzen fprad! 
Wirf dich am Altare nieder, 

Nichts auf diefer Welt ift dein! 
Gib uns unfre Rinder wieder, 
Willſt du, daß wir Männer fern!” 


Nach der ‘Dauer erlen Alle, 
Tod der Mönch eilt ihnen vor; 
Bon dem Schiffe zudem Wallc 
Ruft der König frob empor: 
„Rorien, ſprecht, was will euch 
dlinten 
Schärft die Augen, jpäbt um— 
ber! 
Sehet ıbr cin Zegel blinten? 
Seht cın Ziff ınr auf dem 
Meer?“ 


Die verhohnten Korſen blicken 
Grollend auf die leere Flut: 
Müſſen ſie den Nacken bücken 
Vor des Koͤnigs Uebermuth? 


Auf den morſchen Rand des Walles 


Kniet der blaiie Mönch und 


ſpricht: 


„Gott, du weißt, ich gab dir 


Alles, 
Yun verlag mıd heute nicht! 


„Wind und Dieer und alle Mächte 
Sind fie nicht dir unterthan? 
Rege deine jtarte Rechte, 

Weihe Wunder wirteutaun!” - 


17 


14 


16 


Heinrich Kraeger, Zur Gejdhichte von C. F. Meyers Gedichten. 


Alle feine Musteln beben, 
Alle feine Bulfe glühn, 
Segel aus der Flut zu heben, 


Schiffe durh dag Meer zu 
ziehn. 
Und er betet immer wärmer 


Mit des Glaubens Zuver— 
Alphons lächelt: „Armer 
Schwärmer, 
Du erreichſt die Schiffe nicht!“ 
Feurig blickt der Mönch, ... er⸗ 
bleichend, 

Zitternd auf gebognem Knie, 
Ueber Meer gewaltig zeigend 
Ruft er aus: „Ich ſehe ſie!“ 


Drüben in der lichten Weite 

Ro ſich Himmel theilt und Meer, 
Iſt des Waſſers ſtille Breite 

Wie der Glanz des Himmels leer. - - 
Wo fie duftig fi) verlieren 
lieberm Blau, das dunfel pruntt, 
Wo fie ferne ſich berühren, 

Taucht empor ein lleiner Punkt. 


Und ein zweiter und der dritte, 
Und der vierte ſchon dabei, 
Und einandrerinder Mitte, — 
Freudenſchrei und Freudenſchrei! — 
„Herr der Katalanen, kehre, 
Kehr dich ab von Rorfila! 
Tenn die Fürſtin naht der 
Meere, 
Ziehe dort iſt Senua'“ 


Es vergrößern fich die bellen 
Segel auf dem blauen (Wrund, 
Eifrig ftehen Wind und Bellen 
Dit den Nommenden im Aund. 
Wimpel flattern, Wafte ſchwimmen 
Näher immer näher ber, 

Und es rufen taufend Ztimmen 
Ein Willkommen auf das Mieer. 


Die zerſchoſf'nen Mauern zittern 
In der Freude wildem Strom, 
Ind die Glocken fie erſchüttern 
Sich ın dem zerftörten Dom. — 
Knieend an derielben Stelle 

Hört der Mönch den Jubel nicht, 
Dingewendet nad der Belle 

Iſt fein felig Angefiht. — 


Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C. F. Mehers Gedichten 787 


Mitten aus der Geſchichte der Belagerung iſt alſo eine Seene 
herausgeriſſen, die in der höchſten Not anberaumte Verſammlung 
des Volkes, von wo aus man die Vorgänge bequem nad) vor- umd 
rüdwärts überſchaut. Die Blofade ift fertig; der Turm ſchon in 
der erften Strophe gefallen und der Markt mit Trümmern bededt, 
wie in der Vorlage berichtet wurde, die nicht übermäßig ausgeſchmückt 
ft, Was wir fonjt noch über die Bedrängnis der Stadt wiſſen 
möchten, wird, um Abwechslung zu ſchaffen, nicht vom Dichter uns 
mittelbar, jondern von den Bonifaciern in der Kirche erzählt, die 
über Genua Hagen und ihre Kinder dem Könige als Geiſeln geftellt 
haben. Daß aber 24 Jünglinge heimlich mit einer Botſchaft abge 
fahren jind, diejen mildernden Umftand läßt Conr. Ferd. Meyer 
wohlweislich aus, weil dadurd die Stadt im umjerer Vorſtellung 
weniger hilflos und die Blofade weniger ftreng erjcheinen würde. 
Ihm fam es darauf an, jo ſchwarz wie möglich zu malen und aud) 
den fleinften Ausblid der Befreiung zu verhängen. Er fonnte nun 
aud die Zeit zwijchen der Abfahrt und Ankunft, jene 15 Tage, 
fparen und brauchte den Alfons nicht auf Eroberungen außerhalb 
Bonifacios herumzuſchicken. Die Lage der Stadt erſcheint aljo iu 
der Ballade mit Recht bis aufs äuferjte geſpitzt; es it jene höchite 
Not, wo Gottes Hilfe am mächjten zu fein pflegt. Im Gang der 
Verfammlung regt ſich der jelbftändig jchaffende Dichter, dem bie 
helfe, aber eintönige Farbe des gejchichtlichen Berichtes nicht genügte, 
Er nahm dem Wilhelm Bobia, „einer mitten unter ihnen, welder 
feine Worte fpart,“ etwas von dem Feuer feiner Mede, die im der 
vierten und fünften Strophe gerade nicht zum mutigen Wibderftande 
anregte; jtatt allgemeiner Freude herrſcht deun auch nur Nieder 
geſchlagenheit. Dagegen jchob Conr. Ferd. Meyer eine neue Berfon 
in den Kreis der Männer, einen Mönd, der ſich nun jofort zum 
Helden der Ballade macht. 

Etwas von dem energijchen Weſen und von der Vaterlandsliehe 
des gejchichtlichen Wilhelm Bobia ift zweifelsohne auf den Mönch 
übergegangen, nur daß sich diefe Eigenjchaften bei dem Diener der 
Kirche bis zum Fanatismus jteigern. Er hat hier alles, feine letzte 
und einzige Habe zu verteidigen, die Heimat, die ihm Weib und 
Kind erjegt und an der er mit heißejter Liebe hängt. So trug der 
Dichter in die Verſammlung einen hitigen Streit hinein zwiſchen 
den Männern, die ihre Kinder wieder haben und der Not durch 
Ergebung ein Ende machen wollen, und zwiſchen diefem Mönche, 
der für das höchite Gut feines Lebens, für das Vaterland bis in 
den Tod zu fümpfen entichloffen ift. Beide Parteien haben Recht, 
denn der Mönch kann nicht die Sorge um die eigenen Kinder 
tennen und würdigen, aber für ihm ſpricht doch wieder diefe un— 


RR Heinrich Kraeger, Zur Geidyichte von E. 75. Meyers Gedichten. 


gezähmte Anhänglichkeit an die Heimat, für deren Verteidigung ihm 
fein Opfer groß genug jcheint. Nach der ftürmifchen Verhandlung 
folgt in der Ballade ein Rückſchlag; der König Alfons, der in der 
erften Zeile der erjten Strophe flüchtig erwähnt war, fommt jekt 
mit einigen jpottenden Worten über die Belagerten an die Reihe. 
Nun war jchon in der Vorlage das Gottvertrauen der Bonifacier, 
die von einer Kirche zur anderen gingen, und ihre Hoffnung auf 
einen günftigen Zufall erwähnt worden, der die Schiffe herbeiführen 
würde; und als das Fahrzeug des Bonijjia die Blofade fprengen 
will, da „fehien der Himmel jein Vorhaben zu begünftigen". An 
diefe Andeutung mag jich der Dichter gehalten Haben, als er auf 
eine bejtimmte Perjon, eben den Mönch, alle Glaubenszuverficht 
übertrug. So ijt diefe Geitalt geichidt in die Vorgänge hinein- 
fomponiert und zugleich im Geijte der Vorlage erfunden. 

Die Ballade machte eine vollftändige Umarbeitung durch. Das 
Versmaß wurde auf die durd) Platens „Grab am Bufento“ bekannten 
achtfüßigen Trochäen in Reimpaaren geftimmt. Die lange erzählende 
Einleitung fiel weg; ſtatt dejjen erfahren wir jegt von dem König 
Alfons, der die Bewohner der Stadt zur Übergabe aufgefordert, 
alles das, was wir von den Leiden in Bonifacio wiffen müſſen. 
Einige Worte aus der älteren zehnten Strophe leben wieder auf: 
Es ſcheint auch, als ob der Dichter, wie er e8 oft bei den Um— 
arbeitungen that, auch diesmal feine Quelle wieder befragt hat, die 
davon erzählte, dag viele der Einwohner „zu Gerippen verzehrt“, 
„wie Schatten” umher geirrt waren. 


„Corſen, Löft des Portes Ketten! Jede Hoffnung ift verſchwunden! 
irgend weht ein rettend Segel! Gebt euch! Pfleget eure Wunden! 


— ⸗ 


Genua, euer hat's vergeſſen! Spähet aus von eurem Riffe! 
Sucht im Meere! Echärft die Augen! Nirgend, nirgend Genuas Schiffe! 


ts 


Eure Kinder bör’ ich wimmern, eure Frau'n, die bimgermatten, 
Afiden bobl wie Nadjtgeipenfter und ibr felber wanlt wie Schatten!” 


.. 
ws 


Bon Berded des Schiffes ruft's empor zu Bonifazios Walle 
König Alfons milden Sinnes, aber droben fchweigen Ale. 


Nimmer würden fid) dem Dränger dieſe tapfer Corſen geben, 
Gölt' es nur das eigne, gölt' c& nicht der Knaben junges Yeben! 


Finſter vor ſich niederflarrend, treten flüfternd fie zufammen — 
Eines Mönchs empörte Augen ſchießen Alitze, ſchleudern Flammen: 


Feige Hunde! Keine Corſen! In die Hölle der Verräter!“ 
„Zchmwerge, Mönch! LWir haben Herzen. Wir find Gatten, wir find Büter.” 


Auf dem preisgegebnen Felſen niet der Mönch in wildem Harme: 
„Leibe, Gott, mir Deine Hände! Gieb mir Deine arten Arme: 


PB 


Heinrich Kraeger, Zur Geſchichte vom C. F. Meyers Gedichten. 789 


9 gut tom! ic) Lohn zu fordern, Afes gab ih; Ricts gebfichen 
M mir außer ineinem elfen. Aber etwas muß ich lieben. 


10 Gott, Du fannt mit Deinen Kräften eines Menſchen Kräfte fteigern! 
Bas Du thatjt fiir Deine Juden, darfft Du keinem Gorfen weigern! 

11 Genuas Schiffe will id) fuchen! Wil fie bei den Schnäbeln faffen! 
Spanten will ih weite Segel und fie nicht ermatten Laffen!” 

12 Ale feine Musteln ſchwellen, alle jeine Pulje beben, 
Schiffe durch das Dieer zu jehleppen, Segel aus der Flut zu heben. 


13 Aufgefprungen, überwinbend Raum und Zeit mit feinem Gotte 
Deuter er ins Meer gewaltig: „Dort! ich ſehe dort bie flotte!” 


14 Aber keine Segel blinfen aus des Meeres farb’ger Weite, 
Unbevöitert flutet eine jchranfenlofe Wafferbreite. 


15 Nur die Sonne wandert höher, ihre Strahlen brennen wärmer. 
Nichts als Meer und nichts als Himmel. Alfons lädelt: „Armer Schwärmer!” 
16 Dort! Am Saum des Meers das Pünktchen „.. Sichtbar faum ... Der 
weit’ umd dritte 
Punkt und jest ein viert’ und fünfter und ein fechster in ber Mitte! 
17 Winde blajen, Wellen jtoßen. Meer und Himmel find im Bunde, 
Segel, immer neue Segel fteigen aus dem blauen Grunde. 
18 Wende deine Schiffe, König! Sonft verlierft du Ruhm und Ehre! 
Boge, Firftin Genua, woge, du Beherrſcherin der Meere! 
19 Alle Gloden Bonifacios ſchlagen ſchütternd an und ftürmen, 
Jubel wiegt fid) in den Lüften Über den zerjhoffnen Thlirmen. 


20 Und der Mönd;, der mit der Allmacht feinen ird’jchen Arm beivehrte? 
An der Erde liegt er fterbend, der von ihrem Hauch Berzehrte. 


Die umftändliche Geſchichte von den Geifeln ift ausgelaffen und 
ftatt ihrer bloß die Sorge um die Kinder im allgemeinen als ein- 
facheres Motiv eingejchoben; der Mönch ift weſentlich anders ein- 
geführt: Eine Beſchreibung wird vom ihm nicht mehr geliefert, 
fondern er jelber fofort nit wenigen, aber heftigen Worten auf die 
zaghaften Männer Losgelafjen, die ihm ebenſo durz und eutſchloſſen 
abwehren. Das jpielt fid) mit großer Heft ab, wie jchon die Zahlen 
beweijen, denn was vorher zu Anfang 32 Zeilen gebrauchte, hat ſich 
jet bereit in den erjten 12 erledigt. Damit hat aber der Dichter 
Raum für etwas anderes weſentuͤches gewonnen, nämlich, für das 
Gebet jeines Mönches, auf das ja alles anfam und das nicht in— 
brünftig genug gehalten werden fonnte, um jene wunderbare Fern-⸗ 
ſichtigleit pſychologiſch zu begründen. Die zwei Zeilen 

„Bott, du weißt, ich gab dir alles! 
Nun verlaß" mich heute nicht!“ 


790 Seinrich Kraeger, Zur Geſchichte von C. F. Meyers Gedichten. 


beginnen fid) zu trogigen Forderungen zu entfalten, in dem grenzen: 
ofen Vertrauen des Menſchen auf jeinen Gott. Das Wort „Wunder“ 
fließt nicht mehr von feinen Lippen, denn fein eigener „Wille“ wird 
es vollenden: „Genuas Schiffe will ich ſuchen!“ 

Diefes Ziel wird vom Dichter unter dem Drud einer ge- 
waltigen Spannung erreiht. Das wuchtige Gebet ift eine jener 
Zwieſprachen mit Gott, vor dem fi die Menfchen Conr. Ferd. 
Meyers in der Reinheit und Stärke ihres MWejens nicht beugen, 
jondern von dem fie, wie von einem Schuldner, etwas fordern — 
endlich in atemloſer Steigerung die Viſion, auf die dann plötslid) 
die Ermattung und die Enttäujchungen folgen, al8 dag Meer Leine 
Schiffe zeigt und der König zu jpotten anfängt. Die Pauſe ift länger 
als im vorigen Gedicht, wo die eingebildete Wahrnehmung des Mönches 
mit dem wirklichen Auftreten des erjten fernen Punktes zeitlich genau 
zuſammenfiel. Endlidy der grenzenloje Jubel bei dem Erſcheinen der 
Flotte. Wenn aber der Dichter jo intenjiv jeinen Mönch mit über- 
menjchlichen Sträften "arbeiten ließ, mußte aud) der Ausgang ein 
anderer iwerden. Denn mit einer jolchen Erhebung des Weſens, wo 
Menſch und Gott gleicyjam verſchmelzen, ift auch ein Leben in ſich 
vollendet, umd wie zur Sühne dafür, daß er die engen Kreiſe des 
Daſeins ſprengte und jich eine überirdiiche Gewalt anmaßte, mu 
der Mönch jetzt fterben. 

Im alten Gedicht ijt es zweifelhaft, ob die legte Stellung des 
Mönches den Tod oder blog ein jeliges Erjchrodenfein bezeichnen 
joll. Jetzt kennt der Dichter feine Gnade mehr: Ein Leben, das To 
vom Pimmel begnadet ward, ijt dafür auch dem Himmel verfallen. 
Wie in der Sage und in Scillers Gedicht Semele jtirbt, als ſie 
den Jupiter im göttlicher Gejtalt gejchen, jo bezahlt auch der Mönch 
jeine „Vermeſſenheit“ mit dem Xeben. 

Conr. Ferd. Meyer wurde vielleicht hierbei von einer An: 
ſchauung beeinflupt, die in den Diſtychen Schillers auf Columbus 
vertreten und auch in Schillers äſthetiſchen Schriften enthalten ilt: 
„Mit dem Genius fteht die Natur in ewigem Bunde Was der 
eine verjpricht, leiftet die andre gewiß." Wie Scillerse Columbus 
im Vertrauen auf jeine Eingebung und im Glauben an das, was 
er vor jeinen inneren Augen jah, iiber das Meer fährt und die 
Yünder jenjeits der Atlantis auch wirflid) findet — cbenjo feſt 
glaubt der Mönch an die Anfunft der Schiffe, und diejer inbrünjtige 
Glaube jreigert fich in ihm bis zur Dellfichtigfeit. Es wur in Wirt 
lichkeit vielleicht Zufall, dap die Schiffe in dem Augenblide gerade 
famen, oder cs mag and) eine bejondere Weitfichtigteit dem Mönch 
zu ftatten gefommen jein. Die Dichtung verlangt aber für die an ſich 
vielleicht ganz nüchterne, geichichtliche Thatſache eine andere Erklärung. 


Miscellen. 791 


Wie Schiller behauptet, daß die Küften vor Columbus aus dem 
Meere fteigen mußten, wenn fie nicht jchon da gewejen wären, fo 
überredet uns Conr. Ferd. Meyer, daß der Mönch bloß durch eigene 
Kraft, bloß durch den übermenjchlid) gefteigerten Wunſch, die Schiffe 
hergezwungen Habe, daß ein Wunder geichah, daß diefe über alle 
Magen heiße Licbe zum Vaterland, dieſe Inbrunſt und fiebernde 
Sehnjucht die Geſetze der Welt gleichſam durdhbradhen und einem 
ſcheinbar unerfiilibaren Wunſch fofort zur Erfüllung verhalfen. In 
Schillers Diſtichon jchließt die Natur den Bund mit dem Genius; 
hier ift „Gott“ für die „Natur“ eingejegt, Gott, der feinen Mönch 
nicht verlaffen, der die Wahrheit und die ungewöhnliche Stärke des 
Gefühls geehrt und ihm zu liebe die fonft giltigen Satungen der 
Welt aufgehoben hat. 

Auch im großen it die Kompoſition unvergleichlich geſchickter 
al3 früher. Um den fiegreicien Mönd) ift das Gedicht gruppiert, 
nur zu Anfang tritt der fremde König Alfons vor und nur gegen 
das Ende ſpottet diefer: „Armer Schwärmer”, Worte, die num gleich 
mit einem faft theatralifchen Schlager von den am Horizont auf 
tauchenden Sciffszeichen widerlegt werden. In dem alten Gedichte 
dagegen war jtatt des Meönches der König Alfons — äußerlich 
wenigfteng — in den Mittelpunft gerüdt. Seine Aufforderung zur 
Ubergabe jtand in der zehnten Strophe, und jener Hohn „Armer 
Schwärmer“ fchneite zu früh mitten in das Gebet hinein. 


Miscellen. 


Haditräge zu Matheſtus (oben 5. 586). 


Die Geſchichte vom Juden in Rom (5. Predigt der Lutherhiftorien) fteht 
auch bei Luther, Tiſchreden (TFörftemann) 4, 631. — Zu Leichenpredigten 31,,, 
vgl. Yiebredit, Zur Bolfsfunde, 414 und Anmerkung; Hod, Vampyrſagen, 27, An- 
merfung 5. — Der Kötjchberger Mein wird aud) von Luther erwähnt in der 
Antwort auf die Zettel, jo unter des Officials zu Stolpen Siegel ausgegangen: 
auff das mir mit not ſey zu argmwenen, er hab fein gehirn im ketzſchperg vorloren, 
und jelbft nit wiſſe was er fage. (Weimarer Ausgabe 6, 138, 20.) 


Dresden. Karl Reuſchel. 


Zu Serder. 


In die Neihe von Herderd Qugend-Gedichten gehört die Baterlands-Ode 
vom October 1765, die er gelegentlid der Einweihung des Rigaer Rathhaufes 
verfaßt hat, gedrudt Band 1, 26—28. Auszufcheiden aber ift aus diejer Reihe die 

Eupborion. VII. 61 


7932 Miscellen 


„Aufſchrift der Einladungsbillette”, die C. Redlich in Band 29, 27 aufgenommen 
bat (1889). Ter „Rigaſche Almanad) fir 1892" bringt aus einem Zammelbande 
der Wibliotbef der Belellichaft fir Gejchichte und Alterthumstunde, die auf einem 
„zriginalbillet” (Einladungsfarte) befindliche Notiz, der Ber fer „von dem Herrn 
Sollabovator Herder gedichtet“. Aber in demjelben Sammelbande befindet ſich, wie 
anjchließend berichtet wird, „ein handſchriftliches Gedicht, deſſen zweiter Bers 
genan mit dem Wortlaute des gedrudten Billets übereinſtimmt“. Ties „Gedicht“ 
a. a. ©, S. 41 gedruckt, hat die UÜberſchrift: „Kinladungs Motto zum 
Concert des neuen GerichtsHauß es.“ Darnuter ſtehen ſechs bezifferte vier 
zeilige Strophen, Nr. 4-6 in Alexandrinern, Ar. 1-3 in Alexandriuern, gemiſcht 
mit kürzeren jambiſchen Zeilen. Es find ſechs Vorſchläge zum Motto Alle, außer 
Ar. 2, weiſen in einzelnen Ausdrücken und Redeusarten, Nr. 3 und Ar. 6 ſogar 
in einer wörtlich entlehnten Zeile auffallende Ahnlichkeiten mit Herders Vaterlands 

Ode auf. Man kann Herder weder zutrauen, daß er ſich ſelbſt ſo ausgeſchrieben, 
noch daß er den Wert des Seinigen durch etliche Lahmheiten, die mit unterlaufen, 
ſelbſt verringert haben ſollte. „Ta um Herder der Verfaſſer des Verſes auf dem 
Billette fein ſoll“ - heißt es a. a. O., S. 41 „so liegt die Annahme nahe, daß 
das ganze Gedicht von ihm herrührt.“ Umgekehrt iſt zu folgern: Ta unter den 
ſechs Borichlägen fünf ſind, deren Verfaſſer Derder ſchwerlich ſein kann, jo wird 
aud das cine, das cin Unbetannter ibm zugeichrieben bat, nicht von ihm verfaßt 
jein. Fer Nanıe des jungen Kollaborators, der ſein Feſtvyrogramm „iiber Publicum 
und Saterland“ mit dev ſchwungvollen und wobllautenden Ode fo rühmlich gelrönt 
batte, lag den Teilnehmer des Feſtes auf den Yippen: jo follte nun auch der 
"ers, den jeder in Händen batte, aus feiner Feder geflofien fein. 


Weimar. B. Suphan. 


Rachträgliches zum Mariamotiv: 
le „motif de Maria’ dans le romantixme francais. 


On a lu. dan- une reeente livraison de lVEuphorion. larliele oü 
M. Richard M. Meyer rassemblait les nombreux analogues. dans la litte- 
rature alleinande,. de la sitnation traitee par Olto Ludwig dans sa Maria: 
Farenture d’une femme ou d’une jeune fille qui devient mere,. a son insu, 
durant une erise de sommeil letharzique dont abuse un homme qui passe. 
La literature traneaise, autour de 1830. n'a pas mangue d'étre sollieitee 
par cette sinzuliere donnee,. et il ne serait san- doute pas Impossible 
Wetablir des tappents de parente entre quelqu’une des wurrex quelle a 
suscltees et tel cas similatre allemand. 

uneedote uivante senmble avoir ete la souree plus ou mins direete 
des gerit> et des drames frareais. Apres avoir fipure dans les Gauses 
eelebres et interessantes de Gavot de Pitaval (20 vol. parus de 1738 
a 1715, elle est teprise, ons la forme me voicl, dans la tterature 
nielieale: 

Un eadet zentillomme fut force d'entrer sans vorcalion dans un 
Orılre helizieux: tiiste vietime de Varmıbition de son pere! Avant fail ses 
vermX, Bes Metäant point encore dans les Ofrdre- Saeres, il fit un voyaze 
et trouva dans une hteilerie ot al deseendit le maltre et la inaltresse 
dans Ja plas zrande con-ternation. Is venient de perdre une fille unique 
Tune vtande beaute, avantape qui joint a leurs riehesses, leur faisait 
esperer por elle un etablis-ement avantageun. Gemme on ne devait 
enterrer ba Alle que te lenedemain, on pria de Relirienx de la veiller pendant 


Miscellen, 793 


la nuit. Ce qu'il avait entendu dire de sa beaut& ayant Be sa curiosile, 
il deeouyrit le visage de la prötendue morte, et loin de la trouver 
defigurde par les horreurs de la mort, il y trouva des gräces 
animees, qui lui faisant oublier la saintet@ de ses yoeux, et &touffant les 
idöes funestes qu’inspire naturellement la mort, I" it & prendre 
avec la (pretendue) morte les memes liberlös que le Sacreinent pourrait 
autoriser pendant la vie. Il ne tarda point A reflechir sur (indignits de 
son action, et honteux de son erime, il partit le lendemain avec pr&- 
eipitation.” 5 
La fille, toujours assoupie, va @tre portée en terre, quand „on sent 
quelques mouvements dans la biere”: ressuseitöe, remise au lit, ne 
tarde pas A guerir. „La joie que cams: ‚öre et A la mere cet övöne- 
ment inespere ne fut pas de longue durde. Pen de temps des sim- 
ptömes trop eonnus pour s'y meprendre, annoneerent que la ressuscil&e 
stait devenue möre. On l'interrogea vainement sur la cause de cet dtat, 
Comment l'aurait-elle avoute a ne la connaissait pas? Les neuf 
mois öcoulös elle donna le jour A un enfant aussi beau que le Dieu qui 
Yayait forme, et la fille devenue la fable de la Ville ot elle demenrait, et 
la honte de ses parents, fut confinde dans un Gouvent, Le Religieux .., 
ayant #16 oblige pour ses affaires de repasser par la m&me Ville, 
dans la m&me hötellerie. Sa fortune avait bien change de face. Il &ait 
devenu fils unique et ayait perdu son pere; s’tait fait relever de ses 
voeux et jonissait dun bien considerable ... 11 pousa la fille.”') 
Cette anecdote, rapportee par Louis d’apräs une dissertätion de Bruhier 
sur lincertitude des signes de la mort, se trouve ensuite ne 
5) 
roman 





Traitö de medecine legale et d’'hygiene publique de Fi 
Les recueils d'ana, une nouvelle de M"* de Gomez, plus tard un 
de M’* Fleury lui avaient dejä fait une place diene de sa singularite, 
mais sa vraie fortune litteraire date du roman de A. H. Keratry, les 
derniers des Beaumanoir, ou la tour d’Helvin, dont la premiere 
edition est de 1824. Dans la nuit — du 13 au 14 juin 1775, Jonathas 
Dermot, „un ecelesiastique d'une haute stature,” qui s’est ie dans le 
chäteau d’Helvin en Bretagne, y veille la deponille fun&bre de Clömence de 
Beaumanoir. Epris jadis de la mere de la — il eede A une illusion 
macabre et ä la fougue de ses sens, prend ensuite la fuite et s’'eınbarque 
pour de lointains pays; quittant les ordres, il se fait planteur, et ne revient 
w'aprös des anndes, pour deeouvrir quil a un fils, dont la möre vit encore, 
” cas psychologique de celle-ci ne pr&oceupe guere l’auteur: 
larmes, quelques protestations d’innocence, et c'est A pen tout 
noble famille breionne prend l’aventure avec. assez de facilite: elle croit, 
il est vrai, que c'est le fance de la jeune fille, tu& aux cötös de Clömence 
avant sa löthargie, qui s’stait rendu coupable d’impatience .. . 

Du roman, la donnee de la „mere sans le savoir” passe au theätre; 
le 10 mai 1831, le chroniqueur dramalique du Moniteur universel, ä 
propos de Paul, drame en deux actes melös de chants, ‚ente aux 
Nouveautes, note que idee de Ra Re F 
et il continue; „. . les auteurs auraient dü, dans linteret des moeurs, 
Iaisser A jamais ensevelie. Encore, si ni bonne memoire, le reeit est 


1) Louis, Lettre sur la certitude des signes de la mort, oü 
l’on rassure les Citoyens de la eralnte d'ötre enterrös vivants, 
Paris, 1752, p. 50 sq. 

2) Paris, 1813; tome I, p. 500. 


sr 





794 Miscellen. 


nu dans le roman que dans la piece ... La seul detail nouveau de cette 
piece, qui fut accueillie par des rires et des sifflets et disparut vite de 
laffıche, c’est que le heros coupable. Paul d’Ermont, est entre dans les 
ordres parcequ'il na pu obtenir la main de Leonie de Vernange. dont il 
est aime pourtant, et qu'il va retrouver morte en apparence. 

(est encore aux Derniers des Beaumanoir que fait allusion 
Jules Janin dans son feuilleton des Debats du 24 juin 1831, ä propos de 
I va seize ans, melodrame en trois actes et en six parties, donne A la 
Gaite. „Dans le roman de M. Keratry, ecrivait-il, une jeune fille devient 
enceinte, sans savoir ni comment, ni pourquoi. L’accident a paru si heau 
A nos dramaturges qu’ils l’ont varie de toutes les manieres. En effet, cela 
est si commode et si moral! Tous les resultats du vice, tout les honneur- 
de la vertu!” Le même mois de juin 1831. les Nouveautes representaient 
la Morte, drame en 4 actex d’Ancelot et Buquet. Ge n’etait plus une jeune 
tille, mais une jeune femnie, Elise, mariee contre son pre a D’Herbain, qui 
se trouvait iei vietime d’une mort apparente; et ce n’etait plus dans la 
chambre mortuaire, ınais au cimetiere même. qu’Artlur possedait celle 
dont le sort lavait separe. Entin Elise s’eveillait Jans les bras d’Arthur. 
et ils s'embarquaient pour l'Amérique. 

Gependant la poesie n’avait pas attendu ces singulieres elucubration« 
theätrales pour s’emparer d’une donnee dont le macabre et l’extröme 
romanesque, bien plus «que le douloureux probleme psychologique qui a 
seduit Otto Ludwig, ont surtout attire les litterateurs. Les Annales Roınan- 
tiques de 1830 renferment une ballade intitulee La Veillee du Genobite, 
par Latour. qui reprend la plupart des details connus: un ermite, 


- 


Höte exile du monde ä la fleur de ses ans, ... 
Mais (dont I) äme gardait sa brülante energie; 
Et. -ous des sens de feu qu’il reprimait en vain, 
Laissait des passions fermenter le levain .. 


s’arröte dans une maison oü il veille une jeune fille morte. 


Les souvenirs du monde, et des feinmes aimees, 
Les tendres entretiens des Ames enflammees ... 
Euvahi-sent ses sens au vertijze asservis. 


Plus tard, Setant fait soldat. il repa-se dans ee pays; tout »'explique: 
Ainsi la mort feconde avait coneu la vie. 
Et le zuerrier. byronien jusqu'an baut, enleve sa femme et son fils 


et Ion n’entend, dans la vague etendue, 
One les bonds inegaux de son sabre d’acier, 
Ft le bruit deeroissant du galop du coursier. 


l,’annee 1832 semble marquer la decadence litteraire de l’aventure des 
filles à qui, conune eerivait J. Janin, des enfants viennent en dormant: et 
est selte annee-lä, en avril. avee le premier dizaiı des Gontes «ırala- 
tique= de Balzae. que pareille aneedote se trousait de nouveau narree 
avec Ja genillardise des aneiens conteurs. Nelait-ce pas comme le chant du 
eog qui meten fuite les fantömes, ce recit que Fabbe du Peche Veniel 
fait imprudeinment du cas de „sainete Lidoire. laqnelle dormant un jour 
bien fort. les iambes de ey, de 1A. par ung moment de grant chaleur, et 
vestue de Iegier, feut approchee par ung ieune homme, plein de mauvai- 
»etie. qui. de pied coy, Venchargea dung enfant; et comme de ce maltalent 
ladiete sainele feut de font point ienorante, et bien surprinse d’accouchier, 


Miscellen. 795 


eroyant que l'enflure de sa bourse estoyt une griefve maladie, elle en feit 
penitence comme d’ung pöche väniel ....” 

L’element macabre a disparu; il ne s’agit plus de mort apparente, mais 
simplement dun sommeil profond, chez linvolontaire amante, Les ouyrages 
de medeeine reproduisent l’indieation d'un cas oü le noctambulisme, non 
plus la löthargie hysterique, se trouye en cause, et qu’il me semble in- 
teressant de citer en raison de la singuliäre identit@ des prönoms. „Une 
domestique d'un caractere deprav& ayant remarque ne cette jeune femme 
(Maria (.) ignorait à son reveil ee qui s’ötait passe pendant ses acces, 
introduisit A la derobde, dans la maison, un jeune homme quelle con- 
naissait et lui procura ainsi l'occasion de trailer Maria de la facon la plus 
brutale et la plus perfide „.. A son röveil elle n’ayait aucune connaissance 
de loutrage subi ...” (Dyce, cit& par Azam et reproduit dans Gilles de la 
Tourette; enfin Thoinot, p. 148 de son ouvrage: Attenlats aux moeurs, ete, 
1878.) Il serait interessant de rechercher par quels intermediaires possibles 
des observations medicales comme celle-ei ont passe dans la ifterature: 7 
le lien, en tout cas, ne paralt pas douteux. 


Lyon. F. Baldensperger. 





Teſefrüchte. 


1. udim, In den anonymen „Sermonen“ im Exften Semeſter bes neun⸗ 
zehnten Jahrhunderts. Zunäcft für das Jahr 1802, Jena und Lei bey Ehriftian 
Ernft Gabter. 1801 (95 ©. 8) findet fih S. 19 zu dem Worte im“ folgende 
Anmerfung: „So nennen fi häufig die teutjchen Schulmeifter, weil fie die Unter 
ſchrift: Ludi M. (Ludi Magister, Moderator), welde die Yubim’s, die Prümam 
frequentivet haben und ihren casum zu jegen wiffen, ihrem Namen, als Dent- und 
Erinnerungs-Heichen jener Frequen eyzufeßen pflegen, nicht verſtehen.“ 

2. Buppe. Ebenda ©, 24: „Ich jahe den Hof in 
und die Gewalt der Schlüffel An einer Cammerherren-Buppe,” Dazu die Anmer 
tung: „Der Berfafjer ſieht ich genöthiget, zu bemerken, daß er Puppe von puppis, 
des Schiffs Hintertheil, ableitet, eine Frepheit, bie ihm hoffentlich bie Shlolapen 
verzeihen werden.“ 


3. Ratsherr. Franz v. Zac, Monatliche ei 
„Die Zeit 








der Erd- und Himmels-Runde 1801. 3, 608. Zach theilt feine 
die Bahır des — Planeten Ceres mit und führt Frege Fr 
wird bald Ichren, ob ich ein guter Raths-Herr war.“ 4 

4. Roman. Jung Stilling, Heimweh. Sämtliche Schriften 5 (1836), 121: 
„Darm bitte ich aud) alle meine Lejer, meine Bücher nicht mehr Romane zu 5 
denn Roman heit eigentlich eine römische Gejdhichte, eine nach römijcher Art ei“ 
gerichtete Erzählung. Daß aber meine Bücher weder alt« mod) mı tfch find, 
brand)” ich nicht zu beweiſen; ment fie lieber Eihographien oder Sirtengenuätbe. 

A. 8. 





Kecenſionen und Feferate. 


Betz Louis P., La litterature comparée. Essai bibliographique. In- 
troduction par Joseph Texte. Trübner, Straßburg 1900. 
IM. 


Die Arbeit von Betz ift von dem etwa gleichzeitig erichienenen, in 
feiner Art vortrefflichen Werk von Gaily und Ecott An Introduction 
to the methods and materials of literary eritieism, Bofton 1899 
ſchon der Abjiht nah verichieden. Die beiden Amerikaner wollen ..the 
bases in aestheties and poetics’ legen und befragen deshalb im jorg- 
jältig durchgedachter Anordnung die wichtigften Autoritäten, vergleichen 
ihre Anſichten und analyjieren ihre Schriften. Betz will nur einen „biblio⸗ 
graphifhen Verſuch“ geben. Die Arbeit fcheint fo viel leichter; aber fie 
icheint es vielleiht nur. Denn bei der raiſonnierenden liberficht vertraut 
man ji der Anordnung und Auswahl der Führer leicht an; bei dem 
trockenen Grundriß ftellt man gern an Diepofition und Nolljtändigleit 
faum zu erfüllende Anſprüche. 

Kecenfent iſt für feine Perſon von der chimäriſchen Forderung fo- 
genannter „ Vollſtändigkeit“ längſt abgekommen; ſelbſt in der Yibliographie 
ſcheint ſich mir in der Beſchränkung erſt der Meiſter zu zeigen. Dennoch 
kommen mir bei manchmal erſtaunlicher Reichhaltigkeit die Lücken dieſes 
Repertoriums oft recht bedenklich vor. Vor allem im allgemeinen Teil. Was 
ſich „Poetik“ nennt, gehort doch zumenft unter „Vergleichende Yitteratur- 
geidyichte” : und jedenfalls durften Namen wie Fechner, Viehoff, W. Scherer 
nicht ganz fehlen! Tie jo reichhaltigen Sammlungen „Kleiner Schriiten“, 
z. B. von J. Grimm, Uhland, Wadernagel, Erich Schmidt find faum 
angegriffen, gefchweige denn erſchopft. Wenn je bedeutende Litterarhiſtoriker 
von der Vitteraturvergleidung autgingen, jo waren es Hettner und 
Brandes; des erfteren Hauptwerk wird gar nicht, das des zweiten nur 
ganz gelegentlich S. 49 cıtiert. Ahnlich Steht es mit der Nennung 
einzelner Arbeiten. Für die fremden Wörter in der deutſchen Sprache 


Betz Louis P., La literature comparde. 797 


wird (S. 20) L. Tobler angeführt, W. Wadernagels geundfegender Auffag 
nicht, und von R. Hildebrand (S, 21) mu eim umvichtiger Artitel. Und 
daneben kommen fo wertlofe Auffäge wie (S. 4) einer von Elife von 
Hohenhaufen oder (S. 16) einer von Joſef Lehmann über Voltaire, 
du Bois⸗Reymond und die Ewigfeit der Gottesidee (I) in die Ausleſe. 
Während für den Einfluß der provengalifchen Porfte (S. 82) Diez, fiir 
Goethe und die Autile (S. 100) Bernays nicht angezogen find, begegnen 
winzige Zeitungsartifel. Der unnennbare Wedbigen ift nicht weniger als 
fiebenmal vertreten, I. Minor mit Einem Citat. Von 2, Frantel finden 
ſich vier Belege, aber gerade feine beſte und vor allem hier wichtigfte 
Arbeit, „Shaleſpeare und das Tagelied“, bleibt aus. 

So wenig wie mit der Auslefe der Autoren kann ich mich mit ber 
lofflichen Auswahl einverftanden erklären. Wenn die weitſchichtige und 
wichtige Litteratur über das Verhältnis der beutichen zur englifchen 
Afthetif, 9. von Stein, Breitmaier, Servaes u. ſ. w. draußen bleiben, wie 
findet (S. 49) plöglic eine einzelne Differtation über Home Zugang? 
Was follen Ex ) die paar ifolierten Belege für Ortsnamenforihung? 
Was hat gar (S. 9) Beringuiers Schrift über die Nolande Deutjchlands 
mit ber — Poeſie des Mittelalters zu thun? 

Hier mag man nachtragen. Wüßte man nur immer gleich wo? Die 
Kapiteleinteilung mag beftehen; aber warum verſchmäht Bet jede weitere 
Gliederung? Aus den ſich folgenden Alphabeten mag man ſich eine bilden; 
aber fie ift weder ſcharf noch erfchöpfend. So ift denn auch oft genug 
Zufammengehöriges verftreut. Schriften zum Nobinfon ftchen am drei 
Drten (S. 6, 45, 51). Zwei Auffäge über Don Carlos in Paris 
(S. 22—23) find dur einen Einſchub getrennt, Goethe und feine 
italienifhe Reife (©. 63) ift den Auffägen über Goethe in Venedig u. dgl. 
(S. 64) um eine ganze Seite vorausgeſchidt. Boiffiers Artikel über Birgit 
im Mittelalter beginnt (S. 85) ein neues Alphabet, nachdem Comparettis 
berühmtes Buch das vorige angefangen hatte. Gewiß, man kann über die 
Stelle, an der man etwas erwartet, herausſuchen, Aber eine Heine Über⸗ 
arbeitung hätte dieje vielen Meinen Verſtoße befeitigen können, 

Dagegen fönnen wir nad) Stichproben die Zuverläffigkeit der Ans 
gaben rühmen. Nur ein paar falſche Schreibungen von Namen fielen 
mir auf: Wienberg S. 3, Mühlebreht ©. 5, Wanid ©. 47; «8 find 
wohl nur Drudjehler. 

Es bleibt trog diefen Bedenken eim erſtaunlich reiches Repertorium 
Deine Bemängelungen, die ich nicht zurädhalten durfte, helfen hoffentlich 
den Grundriß noch erheblich brauchbarer geftalten, Wejentlih würde dazu 
auch beitragen, wenn Bes zu dem wichtigeren Schriften die wirklich, 
fördernden Necenfionen nennen würde, Was der gelehrte und geiftreiche 
3. Terte in einer etwas pausbädigen Einleitung („la grande loi de 
la litterature'” ©. NNI: Ausdehnung und Zufommenziehung . . ver ⸗ 









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798 Mid Auguft, Tobias in der dramatiihen Fitteratur Deutſchlands. 


heißt, wird das fleigige und oft recht gefchict angelegte Büchlein wohl 
doch kaum erfüllen. Aber anderes, dankenswertes. Der Erfte, der eine 
Methodologie der allgemeinen Yitteraturgefchichte gab, der gute Jacob Friedrich 
Keimmann (1708 — fehlt bei Bet fo gut wie einer der legten größeren 
Berfuche diefer Art: Erich Schmidts Antrittsrede‘, gab feinem in Kate— 
hismusform altmodiſch, aber ganz nett fortfchreitenden Buch ein Titelbild 
im Gefhmad der Epodye: ein Pabyrinth ‘aus Yenötreihen, Tarueheden‘, 
durh das ein forgfältig gezeichneter Faden leitet: „IIoe duce'“. Kin 
folder Faden durch den Irrgarten kann Betz' Auch wohl allmählich 
werden. Hat ja doc aud) Koberfteins unſchätzbares Buch Zeit gebraucht, 
bi8 es wurde, was es iſt! 


Berlin. Kıhard M. Meyer. 


Wild Auguft, Tobias in der dramatischen Yitteratur Deutihlande. Tiffer- 
tation. Heidelberg 1899. 


An die in den legten Jahren mehrfach erfchienenen Unterfudungen 
und Ülberfichten über die Rearbeitung bibliſcher Stoffe reiht Wick eine 
Darſtellung des Tobias in der dramatiſchen Litteratur. Rothſchilds vor⸗ 
treffliche Ausgabe des Mystere du viel testament 5, XII—XILVI und 
6, 262, die Motiien von W. Scherer Deutfhe Studien 3, 1 ff. 
Holftein Reformation im Zpiegelbilde 105 ff., Stuttgarter Vitterarifcher 
Berein, Band 170, Bolte, Zeitfchrift für deutſche Philologie 20, =2; 
21, 478, Zeitjchrift für deutsches Altertum 32, 16 f., Archiv für das 
Etudium der neueren Zpraden 77, 303 f, Alemania 14, 188 f., 
Wichmann, ebenda 3, 26, Minor, Speculum vitae humanae, Eur 
leitung 27 boten den größten Teil des Materiald, bei deſſen Verarbeitung 
Wick wieder einmal die wichtige Aorderung Minore ’ebenda Eint: itung 25; 
vgl. Weilen, Anzeiger für deutjches Altertum 16, 114) ſtatt breiter und 
ermüdender Inhaltsangaben der einzelnen Stücke den Archetypus des 
Ztoffed zu geben und an dieſem Entwidlung, Veränderung und Be: 
arbeitungen desielben aufzuzeigen, fehr zum Schaten feiner Arbeit un- 
berückſichtigt gelajfen hat. Dit überflütfiger und eintömger Ausführlichkeit, 
dabei in mandmal recht unbeholfener Form giebt Wick Alt jür Alt, ja 
faft Scene für Zcene jedes einzelnen Schauſpiels wieder: feinem BRuche 
fehle nicht nur eine am Schluſſe oder als Einleitung gegebene zufammen- 
faffende Lberficht der gewonnenen Reſultate oder ein Regiſter, jondern 
jelbjt ein noch jo primitives Juhaltsverzeichnis. Kine graphifhe Dar: 
ftelung ſoll das Verhältnis der einzelnen Bearbeitungen untereinander 
veranſchaulichen. Hiernach find als die beitimmenden Vorbilder für größere 
Gruppen innerhalb diefes Stoffes die „vamen von Hans Sachs : 15933 -, 
Hans Adermann 11559, und Jörg Wickram 1551) zu betrachten, an die 
fih danı mehr oder minder felbjtändig fait ein halbes Hundert von Be: 


Bid Augufi, Tobias in der dramatifchen Pitterahır Deutſchtands. 799 


arbeitungen in Lateinifcher oder deutſcher Sprache angliedert. Bon biefen 
find die von Cornelius Schonaeus (1569), Paulus Aler (1706), Franz 
Neumayer (1747), Thomas Brunner (1569), Georg Nollenhagen (1576), 
Thomas Schmid (1578), Johann Wilhelm Kofenbad (1589), Bartholb 
von Gadenjtedt (1605), Johann Hetzeler (1605), Martin Böhme (1618), 
Georg Gotthardt (1619), Daniel Friderici (1637), Ehriftian Weife (1683) 
die wichtigſten und befannteften. Iſt Wid für das 16. bis 18. Jahre 
hundert wohl vollftändig, fo keunt er Hingegen keine der Tobiasbearbei- 
tungen aus unſerem Jahrhundert. Immiefern das Buch von Friedrich 
Wagenfeld Tobias nppen ueenenmarkt, Skizzen aus dem Bremer 
Voltsleben. Bremen, Kaifer 1845, mit unferem Stoffe zufammenhängt, 
kann id) nicht ermitteln, Zweifellos Hierher gehören: E. Müller, Tobias 





burg 1873; H. Himmelftein, Tobias. Schaufpiel für die Jugend. 
Würzburg 1890; B. Ponholzer Tobias, Biblifhes Schaufpiel Bolls— 
dramen VII. Augsburg 0.9; 9. Dietel, Tobias. Geiftlihes Schanfpiel, 
Leipzig 1887. 

Zu rügen ift die Ungenauigleit in den bibliographifchen Angaben, 
Die Titel der beſprochenen Drude find bald diplomatiid getreu, balb 
abgelürzt angegeben, Bibliothelöfignaturen ganz willkürlich Hinzugefügt, 
Auslafung des Autors wie ©, 79, Anmerkung 1 erſchwert die Ber 
nugung. Noch ungleichmäßiger ifi bie Auswahl ber Sitteraturangaben. 
Für die Beliebtheit des Tobiasftoffes Tann man etwa noch Meyer 
von Walded, Bierteljahejhrift für Pitteraturgefhichte 1, 208 vergleichen, 
wo auf die Erwähnung des Tobias im Peter Squenzipiel „Kluchtighe 
Tragoedie: Of den Härtoog van Pierlepon“ von M. Gramäbergen 
(1650) und auf Nifts Beſchreibung einer Hamburger Aufführung des 
Beter Squenz „Die Aller Edelfte Beluftigung Kunft- und Tugenbliebender 
Gemüther“ Hamburg 1666 verwiefen wird. Im feinem „Nachtbüclein” 
erwähnt Valentin Schumann wiederholt das Buch Tobins (Bibliothel 
de3 litterarifchen Vereins 197, 74. 132. 222). Yörg Widrams Tobias ift 
von Erih Schmidt, Allgemeine Deutſche Biographie 42, 331 darakterifiert 
worden. Über die S. 80 erwähnte franzöflihe Comedie des Catherin 
le Doux fiehe Rommel, Gefchichte von Helen 6, 477; Bolte, Zeitichrift 
für deutfche Philologie 20, 82; über deu Verfafer: Leben des Profejjors 
Catharinus Dulcis von ihm felbft beſchrieben. Mit Anmerkungen von 
Ferdinand Yufti. Marburg 1899, Der gleihfald S. 80 genannte Georg 
Ponto ift Georg Pfund von Eisleben: Goebele 2%, 394; Bolte, Allge 
meine Deutjche Biographie 26, 407; ©. 34 f. iſi der wichtige Auffat 
von Franz Spengler über Martinus Bohemus (Kenia Austriaca 1893, 
2, 43—63, aud) im Programm des Gymmaſiums Znaim 1893, ©. 9 ff.), 
wo dejjen Drama „Eine jhöne Comedia vom Altern uud Jungen Tobia, 





SM Wit Auguſt, Tobias in der dramatischen Pıtteratur Deutſchlands. 


Wittenberg 1618“ eingehend analnfiert und zur Geſchichte des Tobint- 
und Judithſtoffes ein veiche® Material beigebradht wird, dem Verfjaſſer 
ganz entgangen. 

Das jefnitifshe Singſpiel "Tobias et Sara, Münden 1747, ftammt 
nad) Bucher, Beyträge zu einer Schulgeſchichte Banerns 1778, S. 99 
von Ignaz Weitenauer (Reinhardftöttner, Jahrbuch jür Münchener Ge— 
ſchichte 3, 104°, während Socdefe I, 278 Kranz Neumayer ala Verfaſſer, 
Ignaz Weitenauer nur als Autor der Üüberſetzung: „Tobias und Sara, 
ein Zingfpiel bey der VBermählung des Nurfürften von Baiern aufgeführt. 
Aus dem Pateinifchen des Franz Neumayer überfegt, Münden 1747 
anführt. Denfelben Titel wie das Trentſchiner Jeſuitendrama Tobias 
junior ad Patrem Redux S. 150) führt aud ein Freiſinger Scan 
ſpiel: Tobias junior in patrem redux. Drama musieum in adlventu 
eininentiss. et sereniss. Dom. Dom. Joanis Theodori S. R. E. Car- 
dinalis episcopi Frisingensis .... 1755 Mitteilungen der Geſellſchaft 
für deutiche Erziehungs- und Schulgeſchichte 1, 2461; der Tert zu Tiobine 
Matrimonium (SZ. 152: rührt von Foppe her. Der vollftändige Titel der 
S. 153 angeführten Handſchriit der Wiener Hofbibliothet (13197 lautet: 
Tobias seu eoronata patientia meditalio instituta in Oratiorio Con- 
gregationis Majoris Latinae, Beatae Virginis ..... Monachii. Typ. 
Joannes Luene Straubij 1729, Die muſikaliſchen Teile, nämlich die 
Chöre, find gedruckt. Eine weitere Handſchrift 18214, 15) enthält cin 
Sratorinm von Joſephus Poiſile .Tobia Oratorio a 7 voci con 
instromenti. anno 1720. Poesia di Apostolo Zeno” dgl. auch Roth: 
child, Mystere 5, Einleitung XXXIII, Nr. 5, wo eine Oper Zenos 
mit Muſik von Caldara angeführt wird.. 

Sehr reichhaltig iſt das Verzeichnis der Aufführungen. Polniſche Auf: 
führungen wie z. B. aus dem Jahre 1695 gehören allerdings kaum bierher. 
Nachzutragen wäre von deutfchen: 1978 Heidelberg: Thomas Schmid 
Walter, Seichichte der Theaters am Kurpfälziſchen Hofe 18; 15m 
Münden Jahrbuch für Münchener Gefhichte i, 275, Anmerkung 5°. 
Mach Wolken, Geſchichte der deutſchen Yıitteratur in Böhmen, ıft das im 
Trautenaun im gleihen Jahre aufgeführte Stück Hüttel, Chronit 304 
das Wickrams, Dagegen Zpengler Anzeiger für deutſches Altertum 24, 75; 
1508 Straßburg Euphorion 5, 51; 1615 Münden -Iahrbud fur 
Münchener Mefchichte 1, 276: Anmertung 37; 1658 Münden: Deartinus 
Valtieus Mätteilungen der Setellichaft für dentihe Erziehungs. und 
Schulgeſchichte 1. 92: 1650 Yapzııg Wuftmann, Schriiten des Vereins 
für die Sefchichte von Leipzig ?, 82 92:08, Müller, Neues Archiv fir 
ſachſiſche Geſchichte IE, 140 5 1671 Würiburg Mitteilungen des Vereins 
fur Geſchichte von Aunaberg 2, 40; Neues Archiv für ſächſiſche Geſchichte 12, 
200 5.1674, 1676 Paderborn Miteilungen der Geſchichte für deutſche 
Erziehungo- und Schulgeſchichte 4, 12 ; 1755 Freiſing :ebenda 1, Fi. 


Krliger Herm. Anders, Der junge Eichendorff. 801 


Zum Schluſſe noch einige Bearbeitungen in andern Spraden, die 
bei Rothſchild nicht angeführt find; franzöſiſch: Breton de la Fond, 
Tobie circa 1600 (nad) Léris, Dietionnaire portativ des theatres 
1754, ©. 325); [Nicolaus le Roy], La Tobiade ou Tobie secouru 
par l’ange, poöme en dix chants p. M. l!’abb& L** 1786 (Barbier, 
Dictionnaire d’Anonymes 3, 715); Leon Halévy, Tobie, Musique par 
L. Ortolan aufgeführt in Berfailles 17. April 1867 (Cloͤment⸗vLarouſſe, 
Dictionnaire des operas); ®. ©. Peunaud, Tobie drame lyrique, 
musique de G. Desmoulins: Paris, Sarlit 1881. Italieniſch: von 
B. Pulce® Rappresentatione del Angiol Raphaello befigt das British 
Museum Drude von 1516 und 1562 (Florenz); weiters verzeichnet Allacci: 
Francesco Mica 'T'obia aventuarato, ridotto in Atti scenici. Biterbo 
1609; Gio Bittorio di Roſſi, Tobia, ridotto in Atti recitabili. Biterbo 
1629; Dominico Gere, Tobia Dramma per Musica. Bologna 1648; 
Gioachiſio Bona, Tobia che seppelesce gli Estinti Dialogo. Palermo 
1702; 2orenzo Crico, 'Tobia. dialoghi. Venezie 1819 (Wiener Hof- 
bibliotheky; Francesco Bortolini, Tobia il vecchio ed il matrimonio di 
Tobia il giovane con Sara figlia di Raguele. Per le Sponsaligie 
del nobile Ferdinando de Piatti colla Margherita Collalto. Treviſo 
1860. In 50 Eremplaren gedrudt (Wiener Hofbibliothek). Engliſch: 
Tobit. Englifhes Myſterium, aufgeführt in Lincoln Yuli 1563 (Halliwell, 
Manual for a collector of old English plays 230). Tobias, A Godly 
ballett taken out of she 4'* chapter of Tobeas. Licensed to a A. Lacy 
1568. (Hazlitt, Bibliographical collections 2, 599.) Henry Chettle, 
Tobias 1602. (Halliwel 230); A pleasant Ballad of Tobias... printed 
for F. Coles, .J. Wright, T. Vese, W. Gilbertson. With four cuts o. J.; 
und A pleasant Ballad of Tobias ... printed by and for A.M.... 
London 0. I. (Halfiwell, Handbook to the popular lit. of Gr. Britain 
609). Polnifh: Ifistoria 0 stärem i miödem Tobiaszu, Danzig 1693 
(Bolte, Danziger Theater, S. 138). Endlich ferbifh: Milovan Vidalovié, 
Maaqu Tosis 1825 (Novalovic, Archiv für flavifche Philologie 9, 596) und 
über eine altpolniſche Überfetung ber Tobiasgefchichte, W. Nehring ebenda 
6, 126— 127. 


Wien. Arthur 2. Jellinel. 


Krüger Herm. Anders, Der junge Eichendorff. Ein Beitrag zur Geſchichte 
der Romantik. Oppeln, Georg Masle 1898. 3 M. 


Ih muß befennen, Krügers Büchlein giebt mir zu denlen! Es 
zerfällt in zwei ftrenggefchtedene Teile: „Eichendorffs Jugendzeit“ und 
„Eichendorffs Jugendwerke“; der eine ift biographifch, der andere formal- 
kritiſch. Der erſte hat feine Fehler, der zweite ift ſchlecht gemacht. Über⸗ 
haupt offenbart alles rein Litterarhiſtoriſche der Arbeit geringe Schulung, 


2802 Krüger Herm. Anders, Ter innge Eichendorff. 


um nicht zu fagen Ungefhid. Und dennoch ftrömt aus dem Werkchen ein 
echter Duft Eichendorffſchen Weſens. Der: Verfaffer läßt feinen Helden 
feitenlang jelbft veden; und zwar kommt nit nur Ungedrudtes — dies 
allerdings in reihem Maße — ſondern aud) längft Veröffentlichtes in voller 
Breite zum Abdrud. Co fehr dies unferem Brauche und unferen An- 
forderungen künſtleriſcher Formung des Materials widerjpridt: unleugbar 
bleibt, daß Krügers kunitlofe Weife einen ftarten Nachhall erwedt. „Eichen⸗ 
dorff,“ jagt er (S. 11), „will und muß auf dem Boden feiner Heimat, 
möbefondere feiner engeren Heimat betrachtet werden. liberal begegnet 
ung in feinen Dichtungen mit unermüdliher Variation das Idealbild der 
ſchleſiſchen VLandſchaft . . . Schlöjfer und Mühlen, Hügel und Flüſſe, 
Wälder und Parks, Lerchen und Morgenſonne giebt es ſchließlich überall, 
und dennoch wird der Eingeborne oder Landeskundige das getreue Abbild 
der Heimat unwillkürlich wiedererkennen.“ Es kommt hier ein überfeines 
Gefühlsmoment zur Geltung. Dieſes Moment kann nur ein Meiſter der 
Stimmungslkunſt ſicher faſſen. Billig darf Eichendorff ſolche Kunſt zus 
erlannt werden. Und ſo konnte Krüger wohl auf keinem beſſeren Wege 
die geſuchte Stimmung erweden, als wenn er Eichendorff das Wort ließ. 
Jetzt nimmt der Pefer wirklich den Eindrud mit: was Eichendorff gejungen 
und evzählt hat, iſt aus der ihn umgebenden Natur, aus fchlefiichemn 
Boden entkeimt. Es ift, wie wenn man oft und lange aus liebem Wunde 
von einer Yandichaft hat ſprechen hören, daun fie zum erftenmale cerblidt 
und mit inniger Freude wicdererfennt, was längft fi in der Phantajie 
su einem feften Bilde geitaltet hat. Ohne Zweifel erlebt Gleiches, wer 
von Eichendorffs Tichtung zu feinen autobiographifchen Schriften, oder 
auch nur zur Biographie Hermanns von Eichendorſff kommt. Allein 
Nrüger kann auch mit noch ıntimerem, ungedrudtem Materiale arbeiten. 
Zein Tert, aus diefen Eichendorffichen Fäden gewoben, iſt fiimmungsfatt 
genug. Freilich mitt die Perfönlichkeit des Verfaſſers faft ganz in den 
Nintergrund; und wo fie ſich geltend nacht, dient fie der Sache wenig 
zum Vorteil. 

Schon Reinhold Steig (Deutſche Yıtteratur- Zeitung 1890, S. 263 ff.) 
hat mit der ihm eigenen Zauberfeit, biographiſches Material zu litterar- 
hiſtoriſchen Zweden vorzubereiten, wicder in Ordnung gebradt, was 
Ktrüger durcheinanderwirit.! Im mweientlichen galt es, Krügers Bchauptung 
u widerlegen, Eichendorſf habe in Halle mit Steffens, in Heidelberg mit 
Arnim und Vrentano weit geringere Berührungen gehabt, als er felbft 
und feine Niographen fpäter annahmen. Tas ift Steig wohl geglüdt. 
Verwunderlich ſcheint mir nur, daß Eteig fein eigened Buch Arnim und 
Prentano, 2.5321 mit citiert; da fchreibt Brentano von Wien an Arnim 
1813 von den „beiden von Eichendorf, die Du aus Heidelberg und Berlin 


Emige Aerictigungen giebt auch Balentin Rollad (Anzeiger der geit- 
jchrift für deutſches Altertum 25, 1619. 


Krüger Herm. Anders, Der junge Eichendorff. 803 


kennſt.“ Freilich Mingt die Stelle wieder zweideutig genug und ließe bie 
Annahme zu, daß nur Arnim und nicht Brentano in Heidelberg mit ben 
Eichendorffs verkehrt habe. llbrigens wird Krüger wohl Recht behalten, 
wenn er behauptet, daß Eichendorff in Heidelberg entgegen feinem eigenen 
fpäteren Berichte mit Graf Loeben intimer verbunden geweſen fei, als 
mit den Herausgebern des „Wunderhorng“. 

Ich beabfichtige Hier nicht, mit Steig bei der biographifchen Dar- 
ftellung ftehen zu bleiben, fondern will Lieber unterfuchen, welchen Gewinn 
für die Erkenntnis des Dichterd das Büchlein abwirft, und ob die 
ftimmungsvolle, breite, auf neues Material geftügte Erzählung der 
Jugendjahre aud feinen Schöpfungen zugute kommt. 

Krüger nimmt einen gewaltigen Anlauf, um fchließlih einen ganz 
kurzen Schritt zu thun. Parturiunt montes „.. Die fieben Seiten der 

„Einleitung“ geben eine ausführliche Tritifche Überficht der Literatur, die 
3. von Eichendorff uns näher gerüdt hat, und bezeichnen die Quellen, 
aus denen der Verfaſſer fchöpft: vor allem die bisher nicht vermwerteten 
Sugendtagebücher, die vom Herbit 1800 bis zum Frühjahre 1808 reichen; 
dann die fchon von Meisner und Höber benugten Berliner Manuffripte 
des Nachlafles; endlich die beiden Fragmente einer Autobiographie, die 
der greife Dichter 1857 kurz vor feinem Tode niedergefchrieben hat: 
„Deutfches Adelsleben am Schluß des 18. Jahrhunderts“ und „Halle 
und Heidelberg”. (Aus dem litterarifhen Nachlaſſe Joſ. Frh. von 
Eichendorff3. Paderborn 1866, ©. 263 ff.; jet auch in Kärſchners 
Deutfher National-Litteratur, Band 146, 2, 2, 5 ff.) 

Die Bergleihung der zum Zeil längft befannten, zum Zeil noch 
nie vermerteten Nachrichten mußte auch für die Dichtung Eichendorffs 
neue Refultate erbringen. Allein find diefe Reſultate von befonberer 
Wichtigkeit? Höbers Differtation von 1893, „Eichendorff Jugend⸗ 
dichtungen“ (Berlin 1894), iſt allerdings ein ſchwächliches Machwerk 
und läßt dem Nachfolger manches zu thun übrig. Doc Höber fehreitet 
bis zum Jahre 1815 vor, Krüger meint, die Jahre 1808 und 1809 
fhlöffen die Jugendentwidlung des Dichter8 ab. Die ältefte, uns befannte 
Dichtung Eichendorff3 entftammt dem Jahre 1804. Bringt es irgend- 
welchen Gewinn, diefe erften vier oder fünf Jahre von Eichendorff3 
dichterifcher Entwidlung für fi zu betrachten? Ich möchte es leugnen. 
Biel genauere Angaben über die Chronologie feiner Jugendwerle müßten 
uns vorliegen, follte Krügers Vorgehen von Erfolg begleitet fein. 

In Betracht fommen die älteften Lyrila und der Roman „Ahnung 
und Gegenwart“. Diefer ift erft 1815 erfchienen, kann alfo nur in feinen 
Anfängen herangezogen werben. Innerhalb der Lyrik der von ihm um: 
fhriebenen Periode will Krüger vollends drei Phafen feſtſtellen (S. 189): 
die naive, gefunde, aber herzlich unbedeutende Liebeslyrik des Lubowiger 
Aufenthalte8 von 18067, dann die Heidelberger religiöß-myftifche oder 


204 Nrüger Herm. Anders, Ter junge Eichendorff. 


ſpecifiſch-romantiſche Lyrik, endlich die Lieder des Qubowiger Aufenthaltes 
von 18089. Strengere Unterfudung lehrt, daß all dies auf Sand 
gebaut ift. Ganz willfürlic fpringt Krüger mit den Daten um. 

Gehen wir von dem Noman aus! „Herm. von Eichendorff giebt an, 
daß der Dichter den Roman bereit8 zum größten Teil im Sommer 1808 
in Qubowit gefchrieben habe.“ Heißt e8 ©. 80; vorfichtiger wird fpäter 
(S. 140) gefagt, nach Herm. von Eichendorffs Angaben falle die Aus- 
arbeitung „zum Teil“ (nit mehr „zum größten Teil“) „in die ftille 
Zeit der Sammlung und Ruhe, die der junge Dichter im Sommer 1508 
bi8 zum SHerbft 1809 in Lubowitz verbradhte*. Doch auch in diefer 
milderen Faſſung ift die Angabe mindeſtens ungenau. Herm. von Eichen: 
dorf (Werfet) 1, 44 f.) weift die Anfänge gar nicht der Zeit von INOS 
auf 1809 zu; vielmehr Heißt es bei ihm: „länger als zwei Jahre 
weilten fie |die Brüder Eichendorfr] in Lubowitz,“ und er meint die ;yeit 
vom Sommer 1808 bis Herbit 1810. „Bun Teil“ fei der Roman ſchon 
damals nicdergefchrieben worden. Er kann alfo ebenfogut 1810, wie 
1508 angefangen worden fein; ficher ift er nidht „zum größten Teil“ 
1308 verfaßt. Krüger geht indes noch weiter und behauptet (S 80), 
daß „einzelne Ecenen und Geftalten, ja vielleicht fogar einzelne Gedichte, 
beziehungsweife Gedichtteile fi geradezu auf die Periode von 1806 7 
beziehen“. Ic gebe gern zu, daß Eichendorff Erinnerungen der Zeit von 
1806 7 fpäter dichterifch in dem Roman verwertet habe. Krüger indes 
möchte augenfcheinlich die Ausarbeitung fhon in jene Epoche zurüd: 
ſchieben, das heißt in die Zeit vor Heidelberg. 

Zwei Frauengeftalten treten Eichendorff damals nahe: „Philippinchen, 
wahrfcheinlich eine Pächterstochter aus Ganjowig* und eine junge fchöne 
Frau aus Natibor, Madame Hahmann S. 81. Nühn genug ninmt 
Nrüger Rieder des Romanes für beide in Anſpruch. Auf die von Krüger 
nur angedeutete „reizende Philippinchenepifode“ follen die Gedichte „Der 
Tanz der iſt zerftoben“ (Werke 2, 72) und „Schlafe Liebchen, weil's 
auf Erden“ (Werke 2, 99) zurüdgehen. Jenes erfte paſſe geradezu auf: 
fallend, audy in feiner Proſaeinkleidung. Vergebens forfche id nad einer 
Begründung; oder fol die Thatſache, daß Leontin das Lied vor dem 
Haufe eines Pächters fingt, darthun, dag es urfpränglid für cine 
Pächterstochter gedichtet war” 

Nicht viel beifer ſteht es mit den Verſen des Romanes, die auf 
Frau Hahmann von Krüger gedentet werden. An diefe wenden ſich 
(S. 111 Fi unbeftreirbar die Gedichte „beim Erwaden (an M. H.)” 
Meisner <. 24) und das „Stammbuchblatt fir M. H.* (Werle 1, 362). 
Nrüger macht wahrfdenlih, daß jenes Gedicht dem Herbit 1806, und 
vermutet, daß dieſes dem Frühjahre 1807 angehöre. Aus ben Tagebuche 


1, Ich eitiere Eichendorfis Werke durchaus nach der zweiten Auflage. 


Krüger Herm. Anders, Ter junge Eichendorff. 05 


erfährt ev ferner, daß auch Eichendorff3 Bruder mit der Dame liebelte, 
Diefes Dreiecksverhältnis findet er wieder in dem Gedichte „Zauberneg“ 
Werfe 1, 151), deſſen Schlußſtrophe lautet: „Aber um uns drei zus 
jammen Wird der Lenz im grünen Walde Wohl ein Jaubernetze fchlagen, 
Dem noch feiner je entgangen.“ Der Inhalt des Gedichtes fcheint wenig 
tüv Hrügers Hppothefe zu fprechen: Der „Sänger“ — heißt es da — 
muß reifen; die „graue“ will ihn nicht von dannen laſſen; da fordert 
er fie auf, ihm als „ſüßgeſchmückter Knabe“ zu folgen. Der „Jäger“ 
ficht beide fahren, läßt das Wild, das Jagen und wandert mit, Eine 
tupifch wiederfehrende Situation romantifchen Dichtens! Die überein— 
ſtimmungen müßten doch wohl ſchlagender ſein, wenn wir Krüger Glauben 
ſchenken ſollen. Doch ſei die Möglichkeit einer Beziehung zugegeben; wie 
ſonderbar ſchließt Krüger weiter! Die „Fraue“ des Liedes „Zaubernetz“ 
hat blaue Augen; ſo muß ſich auch das „Minnelied“ (Meisner S. 13), 
das beginnt „Blaue Augen, blaue Augen, Ach was gebt ihr ſüße Peine“ 
auf Frau Hahmann beziehen. Das heißt doch wohl: Die Dame hatte 
blaue Augen, und dieſe blauen Augen beſingt Eichendorff. Urplötzlich 
indes erklärt Krüger, die Ausgeſtaltung der beiden Gedichte gehöre eben 
wegen der Vorliebe für das Blaue („blaue Tage“, „himmelblaue 
Seide“ ...) in die Heidelberger Zeit. Mithin hätte Eichendorff, von 
Loeben (vgl. ©. 129 f. für die vomantifche Lieblingsfarbe gewonnen, 
erſt jet der Angefhwärmten blaue Augen zugeteilt. ch frage, was 
bleibt dann für die Epodye 1805 7 übrig? Aud die Metrif der beiden 
Gedichte gehört, wie gleich gezeigt werden fol, der Heidelberger Zeit an. 
Für Qubowig bliebe alfo nur eine beiläufige, Hypothetifche Beziehung im 
Stoffe übrig, die für die Entwidlung des Dichters Eichendorff faſt 
ganz guhgittg iſt. 

Keines dieſer Lieder ſteht mit dem Romane in irgendwelcher Be— 
sichung. Allein Krüger Schlägt, ausgehend von dem Dreiecksverhältnis 
der Brüder Eichendorfr und der Fran Hahmann, eine Brüde zum Roman, 
inden er (S. 81. 112) die erften beiden Etrophen de Liedes „ES waren 
zwei junge Grafen“ mit jenem Lubowitzer Erlebnijfe von 18067 ver« 
bindet. Im Roman umfaßt das Lied (Werke 2, 100 f.) neun Strophen; 
in den Gedichten find die beiden erſten Strophen geftridyen und die legten 
fieben als „Tichterfahrt* (Werfe 1, 310) zu einem felbjtändigen Xiede 
gemacht. Die eriten acht Zeilen „beziehen ſich aber recht deutlich auf die 
Hahmannepifode”, meint Nrüger. Als ob zwei wandernde Studenten 
nicht aud ei andermal zujammen um eine Schöne hätten werben 
können! Gewiß it der Beweis nicht erbradit, daß jene acht Zeilen in die 
Yubowiger jet von 18065 7 gehören. Mit einer vagen Bermutung ift 
uns aber nicht geholfen. Wenn innere Gründe mitiprechen follen, fo 
düriten gerade diefe Verſe vor Heidelberg nit möglich fein. Deun fie 
jtehen unter dem Einfluſſe des Wunderhorns. 


806 Krüger Herm. Anders, Der junge Eichendorif. 


Ich komme jetzt auf den Hauptmangel der Arbeit zu ſprechen. 
Krüger möchte eine Entwicklung der Lyrik Eichendorffs von Naivität 
durch Künſtelei zur Schlichtheit in den erſten vier oder fünf Jahren 
ſeiner dichteriſchen Thätigkeit feſtſtellen. Zuverläſſige Daten ſind nicht 
vorhanden. um mindeſten mußte da eine eindringliche Charakteriſtik des 
Stils gegeben werden, die vielleicht eine Anzahl von Typen innerhalb 
dieſer Erſtlingslyrik hätte feſtſtellen können. Eine ſolche ſcheidende Charaf- 
teriſtik des Stils fehlt. Wenn Krüger etwa Metrik und Sprache (S. 119 17. 
unterſucht, ſo hat er ſchier ganz vergeſſen, daß er eine Entwicklung auf— 
zeigen will und behandelt alles in Bauſch und Bogen. Zum Teil liegt 
ein Dispoſitionsfehler vor. In dem Büchlein wird ſo ziemlich alles an 
drei, vier, fünf Stellen erwähnt, ohne daß dieſe Wiederholungen irgend 
welchen Gewinn brächten; ſchon S. 93 f, ſcheidet Krüger Heidelberger 
Gedichte, die unter dem Einfluſſe Loebens ſtehen, und ſolche, die auf Tieck, 
Görres, das Wunderhorn zurückgehen; S. 139 ſtellt er die drei Phaſen 
der Jugendlyrik Eichendorfis feſt. Vergebens ſucht man eine glaubwürdige 
Begründung dieſer Scheidung in dem Kapitel „die Stellung der Gedichte 
in der Zeitlitteratur“ (S. 123 ff.), das Eichendoriis Verhältnis au 
Novalis, Tieck, Loeben behandelt. 

Ich ſehe mid) nicht bemüſſigt, hier nachzuholen, was Krüger ver: 
ſäumt hat. Nur Folgendes ſei bemerkt: Novalis, Tieck, Loeben, das 
Wunderhorn - alle find Vertreter romantiſcher Lyrik. Daß Unterſchiede 
zwiſchen ihren Weiſen beſtehen, wer möchte es leugnen? Ich bezweitle 
aber, daß Krüger ſich ein klares Wild von dieſen feinen Diſferenzen 
gemacht hat. Sonſt könnte er nicht vermuten, Loeben habe Cichendorit 
die „Ipezitiich vomantifche, poetiiche Phrafeologie“ übermittelt (S. 12%). 
„Die immer wicderfchrenden ‚blauen oder trüben Tage, die fernen, grünen 
oder blauen Meiten und Winde, die heimatlicdhen linden Lüfte, das ferne 
Stromesrauſchen, der Nactigallen Yicbesjchlagen, die ſchaurig ſüße Zehn: 
juccht, die trübe Bangnis, die holden Blumen- und Wunderdüfte, Wunder: 
anellen, Wunderlieder, da3 Janberneg, Treulieb u. |. w.’“ Denn mozu 
auf Loeben zurückführen, was and auf Tied zurüdgehen kann? Ferner 
wäre ihm bei ſtrengerer Scheidung des Ztiles der Norbilder nicht palliert, 
dieſelben (Marien )Tichtungen Z. 951) auf Yoeben und S. 124 1. auf 
Novalis zurückzule:ten. Zollte wirtlih unter den 54 2 Gedichten, bie 


l 
Krüger überhaupt in Betracht zieht," eine ſtiliſtiſche Scheidung vor: 


DTa Kruge; S 111 9. nichts wen:ger als genaue Angaben über die von ihm 
herangezögenen Gedichte gute muß ich hier eine Zuſammenſitellung nadıtragen: 1. 14 
m Afts yet At Wiſienichaft und cut" ISO und 1810 veröffentlichte Gedrchte 
ugl. Sirnger, S. 113 5. . 2Tie üibrigen, in den „Werken“ Band Inne ISO und 
180 datiert Lieder: S. 305010 Der Itchter“ 10622. 500 „Jugendiennen“: 
2.350175 Be ernen 12 3tlieder: 2.451 .Tas Jnuberner“: S. 480 ,Trauriger 
Winter“: ZR. 5550. ,Jagendandacht“ —63. 2505 „Marias Sehnincht“: 


Krüger Herim. Anders, Der junge Eichendorff. 807 


genommen werben, fo müßte zunächſt klipp und llar gefagt fein: welche 
find die Eigenheiten von Hardenbergs, von Tieds, von Loebens Stil? 
Und was mußte abgethan werden, wenn an die Stelle von Kopien biefer 
Stifarten der volfstümliche Zug der Sammlung Arnims und Brentanos 
treten follte? Hätte Krüger all daS gethan, jo wären ihm die Wider 
fprüche feiner Hypotheſen fofort Har geworden. Das „Zauberneg“ foll 
das „frifchefte und gelungenjte* Lied der erſten Phaſe jeim Allein es 
huldigt durchaus der „afjonanzenftrogenden Manieriertheit der älteren 
Romantik“, das Heißt es ift in Tieds Stile gefchrieben. Fit Krügers 
Annahme (S. 109), Eichendorff3 Jugendlyrik gehe von naiver Liebeslhrik 
durch romantiſche Modeformen zu Schlichtheit und Natürlichkeit weiter, 
richtig, dan kann das „Zauberneg“ nur der Epoche romantifcher Modes 
form angehören. Alfo ift Krügers Chronologie falſch. Fit es indes diefer 
UÜbergangsepoche einzufügen, dann feheint Eichendorffs Dichtung in der 
Epoche romantijcher Manieriertheit doch nicht fo tief zu ftehen, wie jer 
annimmt; font könnte fie ein „friſches und gelungenes“ Lied nicht fchaffen. 
Ein Lied wiederum, das beginnt „EI waren zwei junge Grafen“, das 
in dreihebigen, gekreuzt gereimten Vierzeilerm gejchriebem ift, ſteht jo 
unzweibeutig unter dem Einfluffe de8 „Wunderhowns*, daß es nur ber 
ſchlichten und natürlihen Dichtungen der dritten Phafe zuzumeifen wäre, 
Allein Krüger verfegte es ohne weiteres in bie erſte. 


©. 5 „Jugendſehnen“ 2. 3. 5; ©. 588 „Gebet“; S. 640 „Die Nonne und 
der Ritter”; yufanmen aljo 32. — 3. Meisner, 5. 28 „Bin ic) den ie. 
S. 24 „Beim Erwaden“; ©. 29 „Seftine; S. 31 „Kanzone” (vervollftändigt 
bei Krüger, ©. 115); &. 37 „Wohl fann id...“ und „Es wächft und ftrömt . . ‚"; 
S. 38 „Antwort“; 5.41 „An den heiligen FJofeph”; zujammen aljo 8. —4. Krüger, 
S. 116 „Terzine”; ©. 118 „Someit". Ich zähle 56, nicht 54 Stüde; man fieht, 
wie notwendig genauere Angaben geivefen wären. Hinzu fämen ja aud) nod) bie 
Lieder, die Krüger im „Ahnung und Gegentvart“ für die Frühzeit im Bejchlag 
nimmt. — Dann jei aud, gleich bemerft, daß der Zert vom Eicendorfs Werfen 
durch) Krüger nicht mır um die drei ©. 118 fi. abgebrudten Gedichte „Sanzone”, 
„Terzine”, „Sonett" vermehrt wird, ferner S. 12 f. durd) eim, wohl 1854 verfaßtes 
Fragment Lubowitz 1.“ Krüger giebt aud) ©. 115 einige Korrelturen von Meisners 
Feiungen. Die urjprüngliche Saung bes Liedes „Int ber Fremde“ 5. („Grin war 
te 1, 262) wird ©. 136 f. nochmals mitgeteilt, da Höber S. 38 
genau abgedrudt“ habe. Wie forglos Krliger mit der Chronologie 
umjpringt, beweift die Datierung biejes Gedichtes; die Angabe der „Werte“ ver» 
weiſt e3 früheftens ins Jahr 1810. Urplöglid, erfahren wir, daf die don Krliger 
abgedrudte Faſſung „wohl ein Heidelberger Entwurf” fei, aljo deu 54 ober 56 
Gedichten der erjten ‘Periode zuzuzählen wäre, &, 1861) wird mit geh Sorge, 
fofigleit das von Meisner ©. 43 abgedrugte und 1810 batierte Lied „Selig 
Wehmut, Maria“ zu einem Heidelberger Yiebesfiebdhen; aljo post festum 
neuer Zuwachs. Ja ©. 163 hiult noch eine neue Vermutung nad: Das Sieb des 
Romanes „Ahnung und Gegenwart” (Werfe 2, 123), „Der fleigigen Wirtin bon 
dieſem Haus“ jol in der urfprnglicen Fafjung (Meisner, S. 22) zuleist auch 
wieder in die Jahre 1806/7 verfetst werben. 


Eupborion. VIL. 52 

















808 Krüger Herm. Anders, Der junge Eichendorff. 


Zur Genüge ift wohl dargethan, daß viel zu unfeine Inftrumente 
angewendet wurden, um überaus fehwierige Scheidungen mit ihrer Hilfe 
zu verfuchen. Sieht man nod näher zu, fo drängt fid) die Frage auf, 
ob Krüger überhaupt fähig ift, eine Litterarhiftorifche Unterfuhung auf 
dem Felde romantischer Lyrik anzuftelen. Wichtige Vorbedingungen 
fehlen ihm. 

©. 127 leſe ih den Sag: „Auch das willfürliche Umfpringen mit 
Versmaß und Reim, wodurd Tieck gegenüber der im allgemeinen recht 
feften Formtechnit von Novalis einen verhängnispolen Zug in die 
Romantik brachte, ahmte der junge Eichendorff gern nad, 3. B. in feinen 
‚Deiinneliedern’ (Meisner 13. 40), den ‚Sanzonen’ (Meisner 31 und 
bei mir ©. 115) und der ‚Seftine? (Meisner 29), ſowie in der ‚Zeligen 
Wehmut'.“ Krüger bezieht ſich dabei auf Brandes’ Urteil über Tiecks 
höchſt unvollkommene rhythmiſche Begabung und über fein wenig feinhöriges 
Ohr. Natürlicdy meint Brandes die freien gereimten Verſe des „Sternbald“” 
oder der „Magelone”; hier geitattet Tieck ſich wirllid größte Freiheiten 
in Versmaß und Reim. Allein betrachten wir einmal die von Krüger 
angezogenen Gedichte Eichendorffs! In den „Minnelicdern* (Meisner 
13. 40) findet Krüger zwar „unvegelmäßige Verſe mit wechfelndem 
Metrum und beliebig anftauchenden Reimen“ (SZ. 120); in Wirklichkeit 
aber find beide Gedichte in vierfüßigen Trocdäen gefchrieben, das eine 
(Meisner 13) mit der Affonanzenfolge xa xa xa ..., das andere (Meisner 
40) mit der Reimfolge ax ax ba bx ex ex dx dxd: in jenem tritt an 
Etelle der Affonanz zuweilen der Reim. od) einfacher find die in ges 
paarten Reimen gehaltenen vierfüßigen ITrodäen der „Seligen Wehmut“ 
(Meisner 45). Nirgends kaun von Tieds „willfürlihem Unfpringen 
mit Versmaß und Reim“ die Rede fein. Natürlid) noch viel weniger 
bei einer Canzone und emer Seſtine; Krüger ſcheint nicht zu ahnen, 
welche Fomplizierte Sünftlichlett Canzonen und Zeitinen innewohnt. 
Überhaupt find feine Kenntniſſe auf dem Gebiete romanıfcher Metrik fehr 
unficher, ſonſt ſpräche ev nicht immer (S. 116. 120) von „einer Terzine“, 
wo Terziren vorliegen. Wie wenig übrigens bei Ganzonen und Seftinen 
von Tiecks Norbilde die Rede jein kaun, beweitt die Thatſache, daß Tied 
diefe Formen überhaupt nicht benntzt hat, wie G. E. Hüglis Zuſammen— 
jtellung ‚ Die romaniſchen Strophen in der Tichtung deutfcher Romantifer. 
Jürich 1900, 2. 19. 52: zeigt. Hier wäre, wenn irgendwo, Loeben zu 
nennen gqewejen, der ſich ſogar ein paar Toppelfeltinen geleiftet bat 
(Veinor, Neuhochdeutſche Memf S. 449). Celbitverftändlih iſt das 
Kapitel „Metrik und Sprache“ (S. 11%), diefen Vorausſetzungen ent» 
ſprechend, dürftig genug ausgefallen. Zur Unterſuchung der Sprache 
wurde Petrich nicht benuzt, der etwa über die Vorliebe für Zuſammen— 
ſetzungen mit „Wunder“ dem Verfaſſer mauches hätte ſagen können (vgl. 
S. 101 ff.) 


Krliger Herm. Anders, Der junge Eichendorff. 809 


Bon Krügers zerfahrener Erörterung ber Lyrik wende ich mich noch 
einmal der Behandlung des Romanes zu, bie im vier Abfchnitten ſich 
abwidelt: „Entftehung und Veröffentlichung“, „Fabel und Figuren bes 
Romans“, „Ahnung und Gegenwart’ und die Nomanlitteratur der Zeit“, 
„Zur Unalyfe des Inhalts“. Auch hier macht Krügers Neigung ſich 
geltend, immer wieder auf das Selbe zurüdzufommen; der Verſuch, den 
Anfang des Romanes ins Jahr 1806/7 zuriicurüden (S, 80. 140), 
wurde Schon oben von mir abgewiefen. ©. 151 wird auf Grund von 
Berliner Nachlafentwärfen neuerlich die Hypotheſe begründet, Man 
höre: „da Eichendorff fid) wohl ſchon in Heidelberg oder kurz nachher 
mit dem Gedanfen an einen Roman trug, ſcheint aus Blatt 7 und 23 
der Berliner Nahlapmanuffripte hervorzugehen. Auf dem erſteren teilt er 
mehrere Lieder, voran ‚Bin ich nicht aud) ein Sind geivefen” (Meisner 
23 f.), zuſammen unter ber Überfchrift ‚Bu einem Roman’. Diefe Lieder 
find, wohlbemerkt, nicht in „Ahnung und Gegenwart“ übergegangen. 
Eichendorff kann alfo eimen anderen Noman geplant Haben; am 
„Ahnung und Gegenwart“ ift indes ſicher nicht zu denfen. „Das letztere 
Blatt“ — fährt Krüger fort — „trägt die Notiz: In ungereimten 
Iamben und einzelnen Kapiteln — Gefängen meine Kindheit und Jugend 
im uralten Lubowitz einfach idylliſch (Dichtung und Wahrheit) befchreiben, 
einfache Handlung hineinwebend wie im Boßens Louiſe. S: die älteren 
Entwürfe hierzu.“ Ganz intereffant! Eichendorff alſo wollte eine Idylle 
in Voßiſchem Stile und in Jamben verfafjen, die Künftlerifcher und im 
gebundener Form den Gegenftand des fpäteren autobiographifcen Auf⸗ 
Tages „Deutfches Adelsleben am Schluß des 18. Jahrhunderts“ behandelt 
hätte. Wann wohl? „Diefe zweite Notiz,“ antwortet Krüger, „Itammt 
allerdings der Handfehrift mad) aus den fpäleren Fahren und meiner 
Meinung nad dürften die am Anfang [S. 12 ff.] mitgeteilten Entwürfe 
(von Blatt 32 und 96) Fragmente folder geplanter Dichtungen fein.“ 
Blatt 32 entjtammt nach Krüger wohl dem Jahre 1854; Blatt 96:ift — 
wie zwar nicht Krüger, wohl aber B. Pollad (a. a. D,, ©. 162) erfannt 
hat — Entwurf zu einer Stelle ber „Olüdsritter" (Werke 3, 390), All das 
fält einige Decennien nad der Veröffentlichung von Ahnung und 
Gegenwart“, Auch diesmal ftehen wir mithin bem Roman ziemlich; ferne; 
trogbem folgert Krüger mit einem wunderbaren logiſchen Salto mortale: 
„Uber die „älteren Entwilrfe* find doch vielleicht aud hier nicht 
außer Acht zu laffen, etliche haben gewiß ſchon vor 1808 eriftierf.“ 
Gewiß? Auch nicht der Schatten eines Vewveifes liegt vor, 

Und wozu all das? Krüger will dem erften Teil des Nomanes für 
feine Jugendperiode, das heißt für bie Zeit bis 1808/9 gewinnen: „Das 
erfte Bud, gehört vor, beziehungsweife in das entſcheidende Jahr 1809, 
das zweite und dritte Buch fällt feimer Entſtehung nach im bie fpätere 
Zeit nach 1809, wahrſcheinlich erſt in das Jahr 1811” (S. 148), 

der 


810 Krüger Herm. Anders, Der junge Eichendorff. 


Herm. von Eichendorff meldet, der Roman fei bereitd am Schluſſe des 
Jahres 1811 fertig geweſen (Werfe 1, 56). „Ich Hatte ihn vollendet, 
ehe die Franzofen in Moskau waren,“ fehreibt Eichendorff 1814 an 
Fouqué (S. 142); fpäteftend aljo im Sommer 1812. Wahrſcheinlich hat 
die Ausarbeitung des Romanes längere Zeit in Anjpruh genommen. 
Aber viel zu weit geht Krüger, wenn er fie „zwei verfchiedenen Ent: 
wicdlungsperioden des Dichters“ zuweiſt. Ich jehe nicht, daß „das erfte 
Bud ... einen fcharf gefonderten Zeil für fih“ bilde, der zu ben zwei 
folgenden Büchern im fchroffiten Gegenfage fteht, „faft wie Tag und Nacht“ 
(S. 140). Ich finde den Unterfchied zwifchen dem dritten Buch und den 
zwei erften nicht geringer und nah Bud 2 einen mindeltend ebenfo 
ftarfen Einfchnitt, wie ihn Krüger nah Buch 1 verfpürt. Krüger gebt 
indes noch weiter: Auch 1 führt er in den Grundlinien auf Dorothea 
Schlegels „Florentin“, das folgende auf Arnims „Gräfin Dolores“ 
zurück (S. 155 ff.). Ganz rein geht die Rechnung nicht auf; denn eine 
Epifode des erften Buches ift auch nad feiner Anfiht dem Muſter 
Arnims nachgebildet, „aber vielleicht erft fpäter eingefügt worden“. Mag 
jenes Abhängigfeitsverhältnis richtig fein oder nicht, hätte es irgendwelche 
Beweisfraft? Allerdings, die „Gräfin Dolores“ iſt 1810 erſchienen; 
anfangs des zweiten Buches (Werfe 2, 162) wird ihrer ausführlich 
gedacht. Allein woher weiß Krüger, daß Eichendorif den Roman Doro» 
theas früher gelefen hat? Könnte nicht mit gleichem Rechte vermutet 
werden, Eichendorff jei dem „Florentin“ erit durch die Berfajferin felbit 
nahegekommen? Und fie lernt er 1810 oder 1811 in Wien Ffennen. 
Gewiß ruht das erſte Buch auf Yubowiger, das zweite auf Wiener!) 
Eindrüden; und Krüger iſt beſonders jenen mit vielem Scarffinne 
nachgegangen (Z. 159 ff.). Allein was bemweift dies? Immer wieder 
herricht die irrige Vorſtellung, der Dichter habe nur unmittelbar nad 
dem Erlebnis, nicht im ſpäterem Rückblick feine Schöpfung geftalten 
fünnen. 

Eifrigft bemüht, Eichendorff8 Jugendlyrik zurüdzudatieren, ift Krüger 
dort dem Einfluſſe des „Wunderhorns“ nicht gerecht geworden. Ebenſo 
jteht e8 hier. Nicht nur Buch ? und 3, fondern insbefondere Buch 1 ıft 
don Stimmungen des „Wunderhorns“ ganz durchdrungen. Eichendorff 
Bekehrung zum vollsliedartigen Zange füllt indes nah Krügerd Anſicht 
unmittelbar vor den Schluß feiner „Jugendperiode“. Was foll alfo in 
früheren Phafen diefer „Dugendperiode“ ein von Tönen des „Wunder: 
horns“ getragener Roman? Jm 8. Napitel des erften Buches fingt Leontin 
das Lied „Was wollt ihr in dem Walde haben.“ Nach der Strophe: 


‘'ı Auch eine Heidelberger Reminiscenz macht Krüger für das zweite Vuch 
wahrichenlich 1S. 163°, allein ſchon Zteig (a. a. 0. S. 268) hat das mıt Recht 
abgewieien. 


Krüger Herm. Auders, Der junge Eichendorff. 311 


Mein Schatz iſt Königin im Walde, 
IH ftoß’ ins Horn, ins Jagerhorni 
Sie hört mid) fern und naht mir balde, 
Und was id) blaf, ift nicht verlor'n. 
unterbricht er ſich ſelbſt und ruft: „Ach glaube, ich blafe gar ſchon aus 
des Knaben Wunderhorn“ (Werke 2, 93). Gemeint ift „die ſchwarzbraune 
Here“ der Sammlung Arnims und Brentanos (Birlinger und Erecelius 
1, 31), die beginnt: 
Es blies ein Jäger wohl im fein Horm, 
Wohl in fein Horn, 
Und alles, was er blies, das war verlor. 
Oder ift diefer echt romantische Scherz voll Gelbftironie auch erſt „Tpäter 
eingefügt worden?“ Wohl ebenfowenig, wie alle anderen, im Tone des 
Vollsliedes gehaltenen Einlagen des erſten Buches. 

Zeiläufig notiere ich hier als Anklang an das befannte Alphornlied 
des „Wunderhorns“ die Worte des 22. Kapitels (Werke 2, 303): „Wie 
dem Schweiger in der Fremde, wenn plöglic ein Alphorn ertönt, alle 
Berge und Thäler, die ihm von der Heimat feheiden, in dem Klauge 
verfinten, und er die Gletſcher wieder fieht und den alten ftillen Garten 
am Bergeshange und alle die morgenfrifche Ausficht in das Wunderreich 
ber Kindheit, fo fiel Friedrich..." — 

Sollte nicht aud der Hinweis auf Abraham a St, Clara (Werte 
2, 113) im erſten Buche auf Wiener Einflüffe zurüidgehen? Wahr- 
ſcheinlich ebenſo wie der Anfang bes dritten Buches, der Friedrichs Anteil 
an dem Befreiungsfampfe eines Gebirgsvolfes ſchildert und wohl auf die 
Tyroler Erhebung von 1809 ſich bezieht (vgl. Höber, ©. 75; Srüger 
verfchweigt die Epifode).!) Auch auf diefes Moment fünnen ihm die 
Wiener Romantifer aufmerffam gemacht haben. Bekanntlich; jheiden ſich 
die Romantifer dem Tyroler Befreiungsfampfe gegenüber in zwei Parteien. 
Caroline Schlegel (an Philipp Michaelis, 16. Auguft 1809; bei Waitz 
2, 367 f.) fühlt fi ganz auf Seite der befiegten Bayern. Bettina 
Brentano ſtimmt für „die gradnafigen, grabherzigen Tiroler“ (Briefr 
wechſel mit einem Sinde, 3. Auflage, S. 230) und möchte, daß Wilhelm 
Meifter thäte, was Eichendorffs Held ausführt (S. 232); jenfeits der 
Alpen follte er zu den Tyrolern ſich flüchten, bort fein Schwert wegen 
und das Lumpenpack der Kombdianten vergeſſen; und alle feine Liebjtem 
müßten dann mit ihren Prätenfionen und höheren Gefühlen eine Weile 
darben. 

1813 intereffierten ſich auch Arnim und Brentano für die Tyroler 
und befonders auch für Adam Müller und Eichendorffs Bruder, bie 


1) Alle Zweifel zu beheben, bat Eichendorff jelbft ein Lied der Epijode (Werfe 
2, 247) in feinen Gedichten (1, 378) „Der Tyroler Nachtwache” betitelt und bem 
Sonette „An die Tyroler“ vorangefiellt. 


812 Krüger Herm. Anders, Ter iunge Eichendorff. 


damals nah Tyrol zogen, aljo den Meg des Helden von „Ahnung umd 
Gegenwart“ einfchlugen (vgl. Eteig, ©. 321. 324). Dagegen ift Wilhelm 
Schlegel 1832 in Wendis Mufenalmanach auf die Seite der Gegner 
Tyrols getreten, wenn auch jeine Zatire „Die Tiroler. Tragiſche Scene“ 
(Werle 2, 365) Immermanns „Ivanerjpiel in Tyrol“ ftärfer triitt als 
die hiftorifchen Geftalten des Jahres 1809. Wenn Eichendorff alfo die 
Partei der Tyroler nimmt, huldigt er durchaus nicht einer allgemein 
romantiihen Eympathie, vielmehr iſt es nicht unmwahrfdeinlid, daB man 
erft in Wien — bei Fr. Schlegel oder bei Adam Müller — fie ihm 
wert gemacht hat.') 

Id glaube behaupten zu dürfen, daß eine ganze Reihe von Motiven 
erft lange nady 1806/7 Eichendorff nahegetreten ift, der Roman mithin 
in feinen Hauptbejtandteilen diejen Jahren nicht angehören kann. Ich 
gehe indes zu Anderem über. 

„Ahnung und Gegenwart“ hat als romantiſches Abbild von Goethes 
„Meifter* eine Reihe von Borgängern. Im Minors, Donners, Höbers 
Beobadhtungen abzurumden, bat Krüger gut gethan, den Roman der 
Reihe nad) mit dem Gocthifchen Urbilde, mit dem Vfterdingen, mit 
Gternbald, Godwi, Ylorentin, Titan zu vergleichen. Ich bemerke nur, 
daß Strüger aus meiner Recenfion von Donners Schrift (Anzeiger 
der Zeitſchrift für deutjches Altertum 22, 21% FF). Einiges hätte lernen 
fönnen, und daß meine Anzeige von Kerrs „odwi* ıcbenda 25, 
305 ff.) manchen Geſichtspunkt eröffnet, der auch für Eichendorif von 
Gewinn wäre Tod an diefer Etelle ferien ſolche Ergänzungen nicht 
verjucht; es hieße neuerdings die gunze Frage nah dem Einfluſſe 
Goethes und feiner Vorläufer auf die Romantik nen aufrollen. Nur 
ein paar Nleimgleiten, die außerhalb dieſes Nahmens fallen, feien noch 
notiert: 

Goethe fommt für den Homan nicht bloß al8 Dichter des „Meiſter“ 
in Betracht. Eichendorff citiert immer wieder Goethes „Fauſt“; und daß 
it Damals immerhin bemerkenswert. Goethes „Nadıtgefang“ wird (2, 61) 
parodiert; vgl. auch Messner S. ®, wo die Parodie nochmals wörtlidy 
abgedruckt iſt. Erchendortrs berühmtes Lied „In einem kühlen Grunde“ 
(2, 2sı Ri wird von Höber S. 51 Fı mit Recht auf „des Müllers 
Abſchied“ Wunderhorn' zurückgeleitet; daneben jpielt wohl aud das 
gleichzeitig met dem „Nachtgeſang“ im Taſchenbuch für 1804 veröffent: 
lichte Gedicht „Schäfers Mlageliod“ von Goethe eine Nole in der Kon: 


batmaphhb team, wie wichendorft im erſten Buche 12, 9% 
at den Kisten Rallageitn og bemmer Dr Goeihes Schilderung Italiämiche 
Mind, Sen 23h, Yo rar..'p 1816 bavor. Andrer'eits fmelt er in Bir 
„It Zeista sine IESID Tg ME XNech in Kürichners Deuticher National 
kiriativ HH, 1, ENNAL, za allrdings „Labhlagonten“ gedrade it. Ich wage 


me: Linet zahlr 


Krüger Herm. Anders, Der junge Eichendorff. 813 


zeption.) Diefes wieder hat Eichendorff in „Biel Lärmen um Nichts“ 
(Werfe 3, 175) parobiert: „Du bift herunter gefommen,“ fagt Einer. 
„Und weiß doc felber nicht wie,“ antwortete der Andere. Ein neuer 
Berveiß, wie ſtart Goethes vollsliedartige Lyrit von 1804 auf die 
Romantik gewirkt hat (vgl. Schriften dev Goethegefellfhaft 14, VI). 
Warum zieht man übrigens bei Gelegenheit von „Ahnung und Gegenwart“ 
fo felten die eben genannte parobiftiiche Novelle Eichenborffs heran, in 
der Figuren jenes Nomanes, wie auch des Meifter eine fröhliche Auf 
erftefung feiern? Wie hübſch iromifiert Eichendorff felbft die Sangestuft 
der Geftalten feiner Fugenddichtung: „Graf Leontin ift gleich am ber 
Öuitarre zu erkennen; er lann nicht wohl gefpeift zu haben fagen, ohne 
einen Griff in die Saiten zu thun,“ fagt der wicdererftandene Dichter 
Faber von ihm (3, 160); vgl. Anzeiger der Zeitfchrift für beutfches 
Altertum 25, 225.) 

Auch Tieck Hat nicht bloß durch feinen „Sternbald* auf Eicen- 
dorffs Roman gewirkt. Die „beiden Sentimentalen“ des 6. Sapitels 
(Werke 2, 70) verraten eine angenfällige Verwandiſchaft mit den „Bwei 
Liebenden“ bes „Geftiefelten Katers“ (Alt 1 „Zreies Feld“. Alt 2 gleiche 
Scenenangabe). Die Fronie ift bei Eichendorff noch um einen Ton ſchärfer 
ausgefallen. 

Wenn Brentanos „Godwi“ genannt wird (S. 155), fo wäre auch 
die „Lucinde“ ftärfer zu betonen gewefen. Einen merfwirbigen Zu— 
fammenhang möchte ich da andenten. Schon R. M. Meyer (Euphorion 
3, 109 f.) hat gezeigt, wie die auf dem Rücken liegende und mit ben 
Beinchen in die Höhe geftifnlierende Wilhelmine ber „Lueinde*, Wilhel⸗ 





) Wörtliche Anklange am Goethes Gedicht fehlen micht, das ja ber gleichen 
Anregung eutſtammt, wohlbemerkt in Wendungen, die „Müllers Abjchied* nicht 


bietet: 
“ Eichendorff: Goethe: 
Ich möcht als iehmann reifen Es ſtehet ein Regenbogen 
Weit in die t hinaus, Wol über jemem Haus, 
nd fingen meine Weifen, Sie aber in weggezogen 
Und gehen von Haus zu Haus. Und weit in das Fand hinaus, 
Sat. auch 3, v aber ift gefahren tmeit übers Meer Hinaus” u. j. 1. 
Oder Eichendorff: „Ich weiß nicht was ich will” und Woethe: „Und rein bo 
felber nicht wi 
B 






















3, 183: „Als er die Augen wieder aufſchlug, jah er, wie focben ein 
fremder Dann, mit langem weißen Bart umd weitem faltigen Mantel von, beit 
Jüngling fortichritt. Jhu graute faft, deun ber Mlte fam ihm belamnt vor, er 
glaubte den alten wahnfinnigen Harfıler aus „Wilhelm Meifter* zu erfennen.“ 
3, 210 ſchi die ganze Gefellichaft bei Willibalds ung ein, ebenjo wie 
Mariane bei Wilhelm Meifters, Noja bei Friedrichs Berichte; vgl. Donmer &. 171. 
tritt Eichendorff felbft in den Kreis feinen Geflalten und parodiert 
tiv von Jean Pauls „Hesperus” umb vom Brentanos „Wobmit, 
Spite gegen E. T. W. Hoffnann. 3, 202 Neminiscenzen von der 









3, 196. eine 
Brodenfahrt verbunden mit Anspielungen auf Eihendorfis Naturbejeehung. 








814 Ehrhard A., Le theätre en Autriche. 


minden mit den Beinen in der Höh*, wie Brentano (Steig S. 273) 
fagt, in der Litteratur fich fpiegelt. Ich ziehe unbedenklich Leontind an 
Gräfin Romana gerichtetes Lied herzu (2, 177): „Luſtig auf den Kopf, 
mein Liebchen, Stell dich, in die Luft die Bein’! Heifa! ih will fein 
dein Bübchen, Heute Nacht fol Hochzeit fein“... 

Bon Jean Pauls Einwirkung will Strüger nichts willen (S. 158); 
zu erwähnen wäre gewefen, wie jcharf Eichendorff (2, 145) über das 
„Brittifirende eingefrorne Weſen, das er aus Jean Pauld Romanen bis 
zum Ekel kannte und jederzeit für die allerſchändlichſte Prahlerei hielt,“ 
urteilt. Gemeint find Gejtalten von der Art des Lord Horion im „He: 
perus”; Fr. Schlegel rechnet fie zu Jean Pauls „faljchen Tendenzen“ 
(Athenäum: Fragment Nr. +21). 

Erwähnt ſei zulegt noch, wie wenig Gunſt Schiller in Eichen— 
dorffs Roman findet: einem Phrafenhelden Fällt Schillers „Don Carlos“ 
aus der Taſche (2, 208); Schillers „Reiterlied“ wird von Vaterlands— 
verrätern gefungen; „noch niemals hatte Friedrich das fürchterliche Lied 
jo widerlich und hölliſch qurgelnd geflungen“ (2, 247). 

Neben all den Einwänden, Beriditigungen, Nachträgen iſt vielleicht 
diefe oder jene gute Bemerkung Krügers in meiner Beſprechung wicht 
zur Geltung gekommen. Ich verweife nochnals auf die Stritifen Steigs 
und Pollads und hebe noch die feinen Beobachtungen hervor, die (Z. 70 ff.) 
den angehenden Romantiker Eichendorff an feinen Berichten über die 
Brockenfahrt ftudieren. Trefflich hebt Krüger hervor, wie der ficbzehn- 
jährige Eichendorff Schon hier die jpäter von ihm fo gern ausgenugten 
akuftiichen Wirfungen (Nauſchen verjchlafener Brunnen, Klappern der 
Mühlenräder, allen der Tropfen in den Höhlen u. f. w.) anbringt. 
Die von Krüger als prägnant und originell beitaunten Wendungen 
„lungenfühtige Steppe”, „Itaubige Bandiwerfsburfchen:Attitude“ find 
allaadings nur Jean Paul und Brentano nachgeſprochen (vgl. H. Keiter, 
H. Heine, Köln 1801, S. 4. 


Beru. Oskar F. Walzel. 


Ehrhard A., Le theatre eu Autriche. Franz Grillparzer. Paris, 
Soeiete drancaise d'imprimerie et de librairie 1900. 


Son Jahr zu Jahr ſchwillt die Grillparzergemeinde mehr an, und 
es verbreiten Sich der Name und der Ruhm des größten öſterreichiſchen 
Tragikers weit über die ſchwarzgelben Pfähle hinaus. Auch in Frank: 
rend, wo Ronſtan neuerdings für Lenau Intereſſe zu erwedten fuchte, 
tt der Dichter der Zappho jetzt nicht mehr em Unbekannter, dank dem 
auf ſtreng willenfchaftlihem Moden fußenden und mit Schmelz und 
ſinnigem Feingefühl geſchrieberen Buche des Univerſitätsprofeſſors Ebr- 
hard, der ſich bereits ror einigen Jahren durch eine gediegene Abhandlung 


Ehrhard A, Le théatre en Autriche 815 


über Ibſens Dramen im weiteren SPreife der Gebildeten bekannt ge— 
macht hat. 

Das Buch zerfällt im zwei Teile. Der erfte ift Orillparzer als 
Menfchen und dem Zeitalter gewidmet, im dem er lebte und wirkte, Im 
zweiten fommen die dramatijchen Werke des Dichters zur eingehenden 
Beſprechung. Der erſte Teil, der eim Ganzes für fich bildet, zerfällt 
wieder in folgende Abfchnitte: Das Leben Franz Grillparzers (S. 1—52); 
Grillparzer als Defterreicher (5. 52—100); Grillparzer als fthetiter 
(S. 100—141); Grillparzer und die Mufit (S. 141—207). Was den 
zweiten Teil betrifft, jo hat Ehrhard Grillparzer8 Dramen in fünf 
Gattungen oder vielmehr Abjchnitte eingeordnet, ja vielleicht in gewiffer 
Hinficht eingezwängt. Auf die „Tragedie fataliste” (fataliftifches Drama) 
(S. 207— 241) folgen die griechiſchen Tragddien (S. 241—311); bie 
nationalen Dramen (S. 311—397); bie unter dem Titel „Fantaisie et 
eomedie” bezeichneten Stüde (Bhantaftifhe Stüde und Luſtſpiele) 
(S. 397—443); endlich Werke verſchiedenen Inhaltes (S. 443—501) 
und Schluß (S. 501—506). 

Diefer Plan faßt genau alle Fragen zufammen, die fi der Ber- 
faffer zu behandeln vorgenommen hatte. Bom Dichter und von feiner 
Zeit bleibt nichts Wichtiges unerwähnt, ja Ehrhard läßt es fid nicht 
entgehen, Parallelen mit anderen Dichtern und Zeiten zu ziehen, und 
man erfeunt in ihm dem tiefen, durch eigene Unterfuchungen und perſön⸗ 
liches Nachdenken gefchulten Kenner ber beuifchen Yitteratur im allges 
meinen, — Nun frage ich mid; aber, ob es nicht geratener geweſen 
wäre, den Menſchen und den Dichter Grillparzer mit feinen eigenartigen 
feelifchen Vorgängen allmählich und gleichſam Zug für Zug vor uns 
entftehen zu lafjen — beide zu einem Ganzen verfchmelzend; greifen ja 
doch das Leben und Dichten bei Grillparzer umausgefegt ineinander, fo 
daß ſich das eine aus dem andern, heraus erflären läßt. So hätten wir, 
wie mid) dünft, einen Mareren lÜberblid über die ganze Perfönlichkeit 
eines Mannes gewonnen, bei dem man anf Schritt und Tritt auf 
Närfelhaftes und fich ſcheinbar Widerfprechendes ftöft; ſowie der Ofter- 
reicher in ihm nicht vom Mufikliebhaber zu trennen ift, fo ift ja auch 
der Dichter der Melufine und des „Traum ein Leben“ nicht bloß 
nad; kurzen Zwiſchenzeiten, ſondern zu gleicher Zeit der Dichter, 
der fi mit dem Plan eines Dttofar oder eines „Bruderzwills“ 
trägt. Bei Grillparzer — und das ift vor allem hervorzuheben — finb 
die verfchiedenen Strömungen und Gattungen, worauf ſich feine Dramen 
zurüdführen lafjen, ſchon im den dom dem Sritiferm micht oft genug 
berüdfichtigten und doch fo kraftitrogenden Yugendfragmenten alle im 
Keime vorhanden; die Libuſſa hat ihr Worbild in der Drahomira, und 
mande Scenen des Treuen Dienerd und der Jübin von Toledo find 
ſchon in der Blanka ffizziert. Unſers Dichter Denken und Fühlen hat 


816 Ehrhard A., Le tlıeätre en Autriche. 


fih immer nur um einige Hauptmotive gedreht, und es iſt fein leeres 
Spiel, wenn einige Grillparzerforfcher den mannigfaltigen Ummwandlungen 
nachſpüren, welche ein und derfelbe Charakter in diefem oder jenem Stück 
erfahren hat. 

Richten wir nun in diefem Buche unfer Augenmerk auf die Schilde: 
rung Grillparzers als Menfchen, fo fehen wir, daß e8 ebenfo, wie das 
Kapitel über Grillparzer als Tonkünftler, völlig gelungen if. Warum 
hat aber Ehrhard Hier den armen Spielmann nit herangezogen, 
weniger zur Bergleihung denn als Element des Charalterbilde8? Hat 
ſich Grillparzer nicht in mancher Hinficht in dem Helden diefer Lebens: 
warmen, mit eigenem Herzblut gefchriebenen Novelle ausgelebt? 

Auch den äftHetifhen Anfichten Grillparzers Hat Ehrhard volle 
Geltung zu Zeil werden laffen und gebührende Achtung gezollt. Hier if 
alles ſachgemäß und prägnant, und wie in den vorigen Abfchnitten nad) 
des Dichters eigenen Bekenntniſſen und Ausſagen entwidelt und ausein- 
andergefett. E83 wurde von einen Necenfenten den Bedauern Ausdrud 
gegeben, daß Ehrhard feinen fpeziellen Abfchnitt über Grillparzer als 
Denker und Philofophen gejchrieben habe. Uber diefen Mangel bin id) 
gern bereit himvegaufehen, finden fid) ja im ganzen zweiten Teile de 
Buches und gelegentlih der einzelnen Dramen de8 Dichters Welt: 
anſchauung, feine politiihe und religiöfe Meinung fcharf angedeutet; 
was id) aber cher vermiſſen würde, das ilt, daß der Verfaſſer jenen fo 
oft vers und mißfannten Peſſimismus Grillparzers nicht bis in feine 
inneriten Beſtandteile zerfafert hat. Bei näherer Betradhtung wäre ihm 
vielleicht aufgefallen, daß das cethifche Ideal, da8 aus allen Dramen 
diefes Dichters hervorleuchtet, Itreng genommen auf das Ideal des 
Chriſtentums hinausläuft; Grillparzer war gewiß jedem religiöfen Kultus 
entfremdet, aber ihn für einen eingefleiichten Yreidenfer (im modernen 
Sinne des Wortes, verjtcht ſich) hinzuftellen, fcheint mir doch über das 
Ziel hinauszuſchießen. Zugegeben, ev hafte die Unduldſamkeit unter all 
ihren zyormen; wer wei aber beftimmt zu fagen, ob er in „feinen 
Tränmen eines Yebendigen“ oder in gewiflen Augenbliden der „Zamm: 
lung“ micht Gott, oder das Ewige, oder das Unendliche aus den ge: 
heimnisrollen Stimmen der Natur oder gar aus feinem inneriten Sch 
herausgefühlt bat? Wie iſt nun weiter feine etwas befchränfte Moral 
au beurteilen? Wie iſt co mit dem, was man ironiſch die Vackhändelidyſle 
nannte, Die uns jene Tramen angeblich vorzaubern folen? In weldem 
Sufammenbauge Steht Grillparzers Moral mit „des Innern ftillem 
Frieden“? Inwieſern Dart man Grillparzer als einen Dariteller der 
„dem Leben nicht gewachſenen Innerlichkeit“ betrachten? Ber al jenen 
ragen wäre es intereſſant geweſen, länger zu verweilen. 

Sm zweiten Teile von Ehrhards Buch werden die verfchiedenen 
Tramen einer ausführlicen Analyfe unterzogen. In jedes Stück bat ſich 


Ehrhard A., Le theätre en Autriche. 817 


der Berfafjer mit vorurteilsfreier Einfiht und unbefangenem Herzen ein» 
gelebt. Seine Bewunderung für den feelenvollen, fo durchaus realiftifch 
„individuellen und doch wieder fo idealiftifh angehauchten Dichter verfteht 
er ganz wahr, fozufagen „frifh von ber Leber weg“ mitzuteilen. Sowie 
er aber die vorlommenden Schwächen oder befjer: die Grenzen von Grill- 
parzers dichterifchem Genie cher mit feinen Zügen andeutet als befrittelt, 
fo verfällt er nie in fyftematifches, unbebingtes Lob. Das ift heutzutage, 
zu einer Zeit, wo das SKoteriewefen überall Unheil ftiftet, ein nie genug 
zu preifender Borzug. Nur hie und da klafft eine Lüde ober gelangt eine 
Behauptung zum Ausdrud, gegen die fih Einfprucd erheben läßt. Der 
Einfluß der Wiener Volksbühne auf Grillparzer8 dramatifche Eigenart 
ift meiner Meinung nach nicht hinreichend hervorgehoben, fowie es ſich 
überhaupt auch gelohnt hätte — und zwar im Kapitel über Grillparzer 
als Ofterreiher — das Milieu, in dem er aufwuchs, bis ins Einzelne 
zu charafterifieren, und dasjelbe etwa der Denk⸗ und Lebensweife in 
Preußen entgegenzufegen. Iſt es ferner nicht ein ganz bemerkenswerter 
Umstand, daß Wien zur Zeit von Grillparzerd Kindheit die einzige 
deutfche Großftadt war, und unfer Dichter der einzige deutſche Dichter 
in jener Zeit, der in einer Großftabt die Grundelemente feiner Bildung 
und feines geiftigen und moralifden Weſens einfog und verarbeitete? 
Auf den vom Wiener Bolksfchaufpiel ausgeübten Einfluß ift es zurück⸗ 
zuführen, daß unfer Dichter fehr früh eine Vorliebe für äußerliche Aus⸗ 
ftattung, für die Scenerie der Stüde — für bildlich plaftifche Auf- 
führungen befundete, und au daß er zum „Symbolismus“ hinneigte, 
Iſt es nicht ein Widerfpruch, wenn Grillparzer andererfeitS gegen das 
Volkslied ins Feld zog? — Woher ftammt die derb kernige, bald in 
herben Satiren, bald in feinen, wigigen Späffen auffprubelnde komifche 
Ader bei ihm? Kommt da urwüchfiger eingeborener Wiener Humor mit 
ins Spiel, oder ift jenes Komifhe nur eine Ausgeburt, gleichfam ein 
Ausfluß des Peffimismus, ein potenzierter Grol? In welchem Grabe 
haben Bauernfeld und Raimund da eingewirkt? 

In rein formeller Beziehung, und was den Bau der Dramen felbft 
anlangt, hätte man gern näher zugefehen, wie Grillparzer dabei zu 
Werke geht. Da ift der Dichter wirklich unübertroffen. Wie er eine 
Fabel in einfacher, natürlicher Weife erponiert, wie er die verfchlungenen 
Fäden eines Knotens zufammentreffen, dann ſich wieder voneinander 
trennen läßt, wie ſich endlich alles klar und ungezwungen wie im Leben 
ſelbſt Löft, fo daß wir ausrufen müſſen: „Das ift unferen innerften 
Irrungen und Wirrungen abgelaufht* — alles dies hätte in hellereö 
Licht geftellt werden follen. — Wie ift e8 nun mit dem Fatalismus und 
der Ahnfrau? Der Berfaffer des Buches vermag es nicht, das Walten 
des Schidfals aus diefem Erſtlingswerke hinwegzudenken und hinweg⸗ 
zudeuten, aber er vermindert, fürchte ich, allzufehr den Anteil, den das 


818 Ehrhard A., Le théütre en Autriche. 


„Außermenſchliche“ an der Handlung nimmt. Man mag noch ſo ſehr 
an dem von dem franzöſiſchen Kritiker Francisque Sarcey aufgeſtellten 
Prinzip feſthalten, daß wir uns gar nicht um das vor dem Beginn des 
Stückes Geſchehene zu bekümmern hätten — Eines iſt ſicher: durch 
dieſes ſeltſame, ungewöhnliche Zuſammentreffen von ſo vielen Urſachen 
des Unheils und des Untergangs hat uns Grillparzer zu viel zugemutet. 
Jaromir und Bertha, die gewiſſermaßen frei zu handeln glauben, werden 
negen ihren Willen und ohne ihr Verſchulden in einen Abgrund des 
Unglüd3 geftürzt. — Ber der Ahnfrau verweilt Ehrhard verhältnis: 
mäßig zu lange — hingegen vielleicht nicht lange genug bei der Libuſſa, 
die und den Schlüffel zu Grillparzer8 ganzer Philofophie giebt und 
fozufagen fein Vermächtnis an die Nachwelt enthält. Wer diefes Stück 
gründlich durchdenft und durchprüft, entdedt in demfelben den Inhalt 
aller übrigen. Grillparzer legt hier die für ihn und für viele anderen 
zartbefaiteten Menſchenkinder unvermeidliche Inkongruenz bloß, an der 
er zeitlebens gelitten und zu Grunde gegangen if. Was ift das Beſte, 
das einzig Richtige und Ratfame hienieden, das ftille, einfache, träume: 
rifche Leben im Schoße der jegenfpendenden Mutter Natur, die als ein- 
zige Geſetzgeberin, als einzige8 Mufter gelten Tann und muß — oder 
das Leben nach den Gejegen der denkenden, forfchenden, vergleichenden 
Bernunft mitten unter den thätigen, jich gegenfeitig fördernden und nad 
immer größerem Wohlitand durch Gewerbe und Wiffenfchaft tradhtenden 
Menſchen? -- EinerfeitsS das idylliſche Sichhineinverjenten in das füße, 
immer treue Ich, amdererjeitS das Uberhandnehmen der kalt vor fi 
hinjchreitenden, die zarten Blumen des Gemütes Inidenden Givilifation. 
Swifchen beiden Megen, die fit vor ihm öffneten, bat der Didyter 
immer geſchwankt, und weil er c8 nie über fi) bringen konnte, energisch 
Partei zu ergreifen, blieb er bis zum Tod innerlich gebrochen. Ehrhard 
meint, Libuſſa fer die Wertreterin des Ideals: die Tochter des Krokus 
vertritt vielmehr eine Weltepoche, und Primislaus eine andere — oder, 
wenn man will, jede der beiden Sauptiiguren des Dramas ift die 
Perfonififatton einer gewiffen Menfchengattung. Das goldene Zeitalter 
der einen war die Wergangenheit; dasjenige der andern iſt die Gegen— 
wart; aber beide haben hiſtoriſche Mirklichfeit, nur muß immer die eine 
der andern den Norrang abtreten. Primislaus ift jetzt der Herrſcher. 
Rt es aber ganz unfinnig, ſich cine Feit, eine fpäte Zeit in nebelhafter 
Zukunit zu denen, wo die von der lberfeinerung, den beftändigen Lügen 
der Civiliſation ermüdeten und bejfonders angeelelten Menjchen zu 
Yıbuitas Yebensmerfe ihre Zuflucht nehmen werden? UÜbrigens brauche 
ih nur auf den treitlichen Artikel Schlenthers in der Voſſiſchen Zeitung 
Zonntagsbeilage Nr. 51, 1807° zu verweilen, den Ehrhard nicht zu 
tennen scheint und der das Weſentliche über Grillparzers letztes und ın 
mancher Hinficht ichönftes Drama in mufterhafter Darftelung enıhält. — 


Hoffmann von Fallersieben, Unfere vollstümlichen Lieder. 819 


Nun zum Schluß möchte ich Herrn Ehrhard für den Genuß banken, 
den er mir bereitet hat, und den Wunſch ausfpreden, daf feine Arbeit zu 
allen Fachgenoſſen dringen möge. Wenn auch fein Buch hie und da zum 
Disputieren, ja fogar zum Nörgeln Anlaß bot, fo ift umd bleibt es 
doch ein anregender, fördernder Beitrag zur Geſchichte des deutjchen 
Dramas in Öfterreid). Er liebt Grillparzer, fowie alle, die ihm leſen, 
wahr und tief, und zum Lohn hat ihm gleichjam ber Genius des 
Dichters treu zur Seite geftanden. Der objektiv genauen und ſubjeltiv 
anheimelnden Arbeit des Univerfitätsprofefjor8 von Cfermont werden 
deshalb alle Diejenigen neiblofen Beifall fpenden, welche die feſte Über- 
zeugung hegen, Grillparzer Habe die jchönften Blüten des jo lebens: 
friſchen, duftigen, harmoniereichen Ofterreichertums in fid vereinigt, ver- 
Märt und durch die hohe Weihe feines unnachahmlichen Genies veredelt. 

Baris. E. Senil. 


Hoffmann vom Fallersieben, Unfere vollstümlichen Lieder. Bierte Auflage 
herausgegeben und neu bearbeitet von Karl Hermann Prahl. Leipzig, 
W. Engelmann 1900, 7 DM. 


Eine neue Auflage diefes wichtigen Nachſchlagewerles, das Hoffmann zuerft 
im Jahre 1856 veröffentlicht, 1859 neu aufgelegt und 1869 in 3. Auflage wicht 
neu bearbeitet, fondern nur mit Nadjträgen zum alten Tert verjehen hat, ivar 
ſchon ein dringendes Bediirfnis, In den letsten Jahrzehnten find wiele meue Lieder 
mit ſchlichten Melodien verjehen in weitere Kreife gedrungen und wolfstlimlich ger 
worden. Außerdem hat die Forihung in Bezug auf die Älteren Sieder jo biele 
Ergebniffe zu Tage gefördert, da Hoffmanns Zuſammenſtellung als durchaus 
veraltet gelten mußte. Nach beiden Richtungen bin hat Brahl bie nötigen Beffer 
rungen und Ergänzungen angebracht, jo dag nun das Buch dem gegenwärtigen 
Anforderungen und dem heutigen Stande unjeres Wiffens durchaus entipricht. 
Gegenüber den 1142 Liedern der lebten Auflage erhalten wir nun gegen 1400. 
Neu hinzugefommen find z.B. „Es fiel ein Neif in der prüblingsmadht*, „pn 
Böhmen Liegt ein Städten“, Yirder aus ben Kriegdiahren 1870/71, Yieber vom 
Seibel, Baumbadı, Kiesheim, Kofcat, Stubentenlieder, Nationale Lieder aus 
ſterreich und andere. Einige Lieder, die mur hirze Zeit über beliebt waren und 
inzwiſchen wieder vergefje worden find, hat Prahl meggelaffen. 7 
Die Angaben über den Berfaffer, Über die Entftehung des einzelnen Liedes, 
die Geſchichte feiner Verbreitung, jene Yufnahme in Sammlungen und in den 
Boltsmund, die Kompofition oder die Kompofitionen, die ihm zuteil wurden, bie 
Veränderungen und Zufäge, die fein Tert erlitten Hat, erhalten wir fett biel 
reichhaftiger und jorgfältiger, als es nod) zu Hoffmanns Leit möglich gewejen 
wäre. Die Pebensdaten zu den Dichten und Komponiften find von PBrahl (mas 
fehr zu billigen ift) dem alphabetifchen Namensverzeichnis beigegeben worden. 
—u. 


ka 


Bibliographie.) 


1. Beitfäriften. 
Bearbeitet von Adolf Hauffen in Prag. 


N ilologifhe und litterarhiſtoriſche Zeitfchriften. 


Jahresberidyt iiber dic Ericheinungen auf dem Gebiete der germaniſchen 
Yhilologie. 21. Jahrgang 1899. Erfte Abteilung. 

l. Scheel Wannd Yutber J., Geichichte der germanischen Philologie. A. Bıo- 
graphie. B. Eneyflopädie und Bibliograpbie. (Hier fehlt die Angabe der Biblio— 
qrapbie des Euphorion. — II. B. Bötticher G., Vergleichende Yitteraturgeichichte. — 
V. Teutich in ſeiner Selanttentwidhung. B. Zaran F., Metril. E. Boetticher 8., 
Yırteraturgeichichte. - VIII. Zchaver S., Neunochdeutfche Sprache. A. Grammatik. 
B. Mortfunde C. Namenkunde. D. Geichichte der Schriftiprache und des Ztile. 
E. Ausſprache. Schrift, Rechtichreibung, Zeichenſesung. F. Unterricht. G. Metrik 
und Poetik. — IX. Bolte J. und Yurber J. A. Yitteraturgeichichte. B. Tentmäler 
-1450— 1620. - X. Beh T., Tentihe Mundartenforidung. A. Allgemeines. 
B. Einzelne ober und mutteldentiche Mundarten. 


Jahresberichte fir neuere dentſche Litteraturgeſchichte. 8. Yanb. 
1897.12. Abteilung. 

Il. Allgemeiner Teil. — 1, 1. Munder 75, Pitterasurgeichichte. 

II. Bon der Mitte des 15. bis zum Anfang des 17. Jabrbunderts. — II, 2. 
Wolkan R., Yorif II, 4. Creizenach W., Trama. --- II, 5. Kück E., Tidaltıl. — 
Il, 6. Cohrs F, Yutber und die Reformation. — II, 7. Ellinger &., Humaniſten 
und Meulateiner. 

IN. Bon der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. — IV, 1. All- 
gemeines. b Winter G, Politiſche Geſchichte. — IV, 3. Fürſt R., Epos. - 
IV, 4. Weilen A. von, Trama und Theatergeſchichte. -- IV, 9. Muller E. Schiller. 

Zeitſchrift iin Deutfcheo Altertum und dentſche Sitteratur. 44. Yand. 
Hrit 4. 

Roethe 8, Ein Tafeldruck des Münchener Paternoſters. 

Anzeiger fir drutſches Altertum und deutſche Fitteratur. XXVI. 
ft. Roethe G., Better: Vächtolds Meine Schriften. — Mit einer bemerlen®- 
werten Charalteriſierung von Bächtolds Zchweizeriicher Yitteraturgejchichte. 

Ammanu J. J, Heinzel: Weichreibung des geiftlihden Schauſpiels ım 
WMiittelalter. 


i) Wo die Jahreszahl fehlt, iſt 1900 zu ergänzen. 




















1900: 821 





alt €, Mowis: Bocthe-Stubi u 
Walzel 8, Meißner: en — 
Ausgabe als „ein ganz Dilettantifches und giebt, eine 
ſtehungsgeſchichte der unfritifhen und fündigen Ausgabe von F. Schlegel, 


Tied und Bil — * der Meißner fußt. 
: — Jellinet: Ein Kapitel aus der Beitjihte der deutfchen, 
rammatif WR 
Rüde 3 i Leimen: ER umd —— 
serner R. immann: Bol * 
Heft 4. Meyer H., Steiff: eg Feder und Syria Birheiberge, 
Köfter A, Koch: Hod, Schönes Blumenfeld. — Die] Ki ed umfäng- 
liche Befprehung fomitt zu dem Schluffe, daß —* EN u 
108 feten, weil od) den umgereinigten Tert di jinafdruds mit ne 


Setzerſehiern und Mißverftändniffen zur Grundfe logiſ 
Ba 


Strophenbau, Sprachgebrauch it |. w. zahllofe einwanb| en und 
viele überzeugende —— zum arte deb — et dadurch) die ri 
Ertenntnis der metriſchen Reformperfuce umd ber Nhythuen Höds. 


Annahme, daß doch die Namensform Höd berechtigt 
er auch die litterarhiftorifchen J— — 
unrichtig erwieſen bat, eine groſſe Reihe von Suchen 
Diejen Belegen füge id) hinzu, ba das Gedicht V „An J 
Vorrede zur Geſchichttlitterung, namentlich durch "ie: Kuloree (ed. lisieben 
©. 6) beeinflußt worden ift. Fee “ 
Munder F., Confentius; Freygeifter, Natraliften, U 
line im ARE — "nee hält veſſing nicht für Bi Sea le 
uflatses, 
N Pollat B, Rouftan: Lenau et son temps. — Sehr anerfennend. 
Wrede F, Berichte über Wenters Spramatlas des Deutjſchen Reiches. — 
Gefallen. Heute. 
Zeitfchrift für deutſche Philologie. Band 32. 
Heft 2. Kopp A, Das ein als kritisches. 
n — Rubenjohn M, Zu Wedherlins aus, 
en Griechiſchen. 
Dünter 9, Goethes Werke, Weimarer Ausgabe. L 21.83. 49,1. — Dezu 
Antwort von A. Schoene beziiglid des 38. Bandes, 
Heft 3. Bolte I, Die Hilforia von Sancto, ein Schwanl des 16. gehe 
hunderis — Abdrud aus einer Berliner Handjerift vom Jahre 1682. 
&tuge 3, Luthers Werte. Kritfhe ee Fordert ein Ruther- 


Wörterbuch). 
Jelint 2-9 Rad: Had, 


ferner einen ſchleſiſchen Drudort als wahrfcheintic 
r einen fchlefifchen Drue — 





en übereinftimmen. 

= Geiger %, — Bam RE 
eilt S. 407 aus der Schleſiſchen Zeit je 

vielleicht von Goethe hemühren. wi — ni) 


Meyer R. M., Liebich: Die Wortfamitien der en > 


822 Bibliographie. 1. Zeitichriften. 


Ehrismann G., Steiff: Gejchichtliche Yieder und Sprüche Württemberg. — 
Mit Bejerungsvorichlägen zum Tert. 

Zeitſchrift für den deutſchen Unterricht. 14. Jahrgang. 

Heft 6. Lyon O., Der orthographiiche Jammer im beutfchen Reiche. 

‘Primer, Zum bundertften Geburtstag Heinrich Heines. 

Behaghel D., Noch einmal Schrift und Zteinmetzeichen. 

Reuſchel K., Naturgejchichtliche Bollsmärdhen. — Nachträge zu Dähnbardts 
Sammlung. 

eft 7. Kopp A., Hans Sachs und das Volkslied. 

Schulze B., Ter Kınfürft in Kleifts „Brinzen von Homburg“. 

Baljenge E., Ein neues Denkmal für Sadjiens größten Dichter. — Yorinsh: 
Leſſing. 

Sprechzimmer: Kern R., Eine Erklärung zu Uhlands „Schäfers Sonntags- 
lied“. — Weizſäcker P., Zu Schillers Siegesfeſt. — Arens E., Das Motto zu 
Schillers Glocke. — Kohrs H., Schiller als Juriſt. — Schmertoſch von 
Rieſenthal, Ein deutſches Kirchenlied aus Böhmen. 

Heft 8. 9. Reichau, Der deutſche Aufſatz in den oberen Klaſſen. 

Heft 8. Kahl, Eine Methodik des deutſchen Unterrichts aus der Mitte des 
vorigen Jahrhunderts. 

Diendbeim M., Wilhelm Hauff als Redakteur und Gefchäftsnann. Nach 
einigen Briefen von ıbm. 

Unbeſcheid H., Anzeigen aus der Schillerlitteratur 1899— 1900. 

Heft 9. Nagl J. W., Tie Hebehvage in der deutſchen Sprachlehre. Em 
iuntaftiiches Sleihgewichtsgeieg für die Wortfolge. 

Sprechzimmer: Sprenger R, Zu einigen Schulausgaben von Yejjings 
Minna von Barnbelm — Schmits, Die im Mai geichlofjenen Ehen. 

Heft 10. Hentel H., Uber Goethes Anteil an den Zenien des Zchiller- 
ſchen Muſenalmangachs für 1707. 

Schliack, Zum Text von Leſſings Hamburgiſcher Tramaturgie. 

Sprechzimmer: Damköhler E., Yu Schillers Lied von der Wlode. — 


Sprenger R., Zu Hebbels Nibelungen. — Knaack G.,, Zu Hauffs Phantañen 
um Bremer Ratskeller. — Menge K., Em Widerſpruch in Leſſings Nathan — 


Dieſtel Th., Ein vergeſſenes Gedicht auf Ruttmann von Job. Minkwitz. 
Zeitſchrift für deutſche Wortforſchung. 1. Band. Heft 23. 

Ad F, Reiſpiele von der Abſchleifung des deutſchen Participium Präſentis 
und von ſeinem Eriatz durch den Infinitiv. 

Meng G, Friedrich der Große und die deutſche Sprache. J. Friedrichs 
Anſichten über die Sprache im Allgemeinen und ſein Sprachverſtändnis. II. Friedrichs 
Urteil über fremde Svprachen. III. Friedrichs Anſichten über die deutſche Sprache. 
IV. Friedrichs Kenutuis der deutiſchen Sprache. Hierbei eine Zuſammenſtellung der 
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Nolte X, Nach Sammlungen Rembold Köhlers. 

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Schoof W., Lie deutichen Berwandtichaftsnamen. 


Bahder Karl von, Über die 
brau⸗ * — 


Neichhardt R., Ans Nordtt 
® ee nn * ee wie 
J E 
en Dorles“ Oitenpein“. * ——— 
—— B. ——— en 
im Schwarzwald. v i 
WMonatsblätter für deutſche Zi 
Nr. 8. Neichel €, Gottf ed. 
DT een 2a m eiolg 
The Journal of Germanie 


Henze C. von, Road: Essay sur 


Sulder eine B Eaftle: 

Nr. 10. Helm A, Beuther: uch) der. 

Zulger· gebing E, Cangmeffer: Sarafin. 
Archiu für das Studium der neneren 


Meyer R 
Michels ®,, 
aafe B., Ruben 


—— 105. 
Paſſionsſpiel. 
Sn rang 
erzfeld G., Zur Bei 
zu der @nteitung Times „Zahfor. 
dichten Gleims und Yidyrwer 
Jangen H., Evers: D 
Kinzel 8, Siebs: Deut 
rinann L. von, Del 
Vetſch R., Bahlmann: 
Ueuphilologiſche Mitteilungen, 
Oehquiſt J, Neue Richtungen in 
Modern Language Notes. XV. d. 
Werber, Some Notes on 
Nobertion, The oldest scenes 
Eupboriom. VIE. 










324 Bibliographie. 1. Zeitichriften. 


Englifche Studien. 28. Band. Heft 1. 
Kraeger H., Shaleſpeare-Verſe auf der Wanderung n C. 5. Mevers 
Gedichten. 


Zeitfhriften für Pädagogik und Schulgeſchichte. 


,Uene Zahrbücher fir das klaſſiſche Altertum, Geſchichte und 
deutſche Litteratur und für Pädagogik. Dritter Jabrgang. 

V. und VI. Bandes Heft 5. Schwabe E. Der Niedergang des Gelehrten 
ſchulweſens im ſächſiſchen Erzgebirge um das Jahr 1830. 

Heft 67. 8. Meyer R. V., Tas Alter einiger Schlagworte. J. BRis 1318. 
II. Bon 184% bis auf die Gegenwart. — Mit einem alphabetiſchen Verzeichnis der 
befprochenen Worte. 

Heft 67. Fries C., Weltrih: Schiller. 

Tiltbev W. und Heubaum A., Urkundliche Beiträge zu Herbarts praftiicher 
pädagogischer Wirkſamleit. 

Wohlrab M., ber die Verwendung von Freytags Tehnil des Tramas 
im Unterrichte mit beionderer Verückſichtigung von Shakeſpeares Hamlet. 

Clemen T., Ein Brief Johann Polianders an Mojellan. 

Heft 8. Matthias Th., Der Polititer Herder nach der urſprünglichen Faſſung 
ſeiner Humanitätsbrieie. 

Seeliger K., Eine Stätangsrede im Jubeljahre 1900. — Liber die Entwicklung 
des deutichen Gminaſiums im 19. Jahrhundert. 

VBuchenau F., Tie deutichen Pflanzennamen in der Schule und im Yeben. 


Stock CT, Was vr Bildung? 
VPädagogiſches Archiv. Jahrgang 42. 

Det. 9. Knötel P., Kunſtwifien und Kunſifühlen. 

Heft 9. Graevell H., Volkervinchologtie und Bädagogil. 

Heft 10. Horn E., Bemerkungen zu den Statuten der philoſophiſchen Fakultat 
m Frankiurt a. O. 

Vädagogiſche Abhandlungen. RNeue Folge. 5. Band. 1. Heft. 

Friedrich Joh, Geſchichte der Lehre von dem Seelenvermögen bis zum 
Niedergange der Zihotaitt. 

Vädagogiſche Zeit- und Htreitfragen. Heft 56. 

Bernheim Ernſit, Geichichtsuuterricht und Geichichtswiſſenſchaft im Verhaltuis 
zur heiter und ſoztalgeichichlichen Bwegung unſeres Jahrhunderts. Aus „Neue 
Valmen“. 

Zeitſchrift ii: Philoſophie und Pädagogik. Jahrgang 7. 

Heit 3. 1. 5. Fiugel I, Die Bedentung der Metaphyſik Herbarts für Die 
Gegemvart. 

Felich, Die bhoelegie Ders Herbart und Wundt. 

Beiträge zur Lehrerbildung und Lehrerfortbildung. Heft 17. 

Mater Os!tarn, Wish ZJwinglis Ideen zur Erziehung und Rildung, im 
Zuſanimenhang gt sms fermatorsihen Tendenzen dDargeitellt. 

Zritſchrift i.: das Gymnaſtalweſen. 71. Jabrgang 

Mar Nee, Acheles: vm:! Goethes. 

Kalentin 9, bivomwer: Goethes Fauif. 

Inn: eb Arngitit Werßeniels X. Ter VRildungswert der Poeſie. 

Nas Angnin Endemann N., Jar Behandlung der Bedingungsiape. 

Saraen 3, Schrüten über md Ausgaben von Goethes Fauſft Ft 
Div Zilk 

Rand, Zur Erinnerung an vudwig Wieſe. 


1900. 325 


September. Wetzel G., Matthias: Wegweifer durch die Sc;wierigleiten des 
Sprachgebrauchs. 
maniſtiſche Gym 
Lu B — * see Gedächtnis. 
Holzinger &. von, Das Verhältnis der. deutſchen Univerfitäten zu den Bil« 
dungsbeftrebungen der Gegemwart. 


Menue Blätter aus Süddeutſchland für Grriehung und Unter- 
richt. 29. 2. 


Haller F., Die Geſchichte des Spruchbuchs in — 
Bheinirhe Piätter für Erpiehung und Unterricht. 
4. Haffel G. von, Pſychologiſche Exörterumngen in — Gedichten. 

Bornemann, Karl von Raumer. 

Schmann D., Goethefche Balladen. 

Blätter für das a a Gymnafinl-Sculmefen. 36. Band. 

‚Heft 5/6. Köberlin Zur Gedichte des Gymnafiums bei St. Anna. — 
Im Augsburg. Aftenfüke des 17. Jahrhunderts, 

Heft 9/10. Gebhard F, Lebensfragen des humaniftifchen Gymnaſiums. — 
Defvrehung des gleihnamigen Buches von A. Römer, 

Gebhard F., Reformbedürftiges an den humaniftiihen Gymnaſien in Preußen. 

Beitfchrift für die öfterreicdhifhen Gymnafien. 51. dab Bang. 

Heft 6. Arnim H. von, Die —— der ſprachſtatiſtiſchen Methode zu 
hronologiichen Schlüffen. 

Heft 8/9. Fuchs 8, Martin Greif. — Perſönlichteit und Lebenslauf. Lyrif. 
Dramatif. Wertihätung des Dichters im Hinficht auf feine erziehlidhe Bedeutung 
und die moderne Runflbewegung. 

Streinz F-, Zöllner: Die fruchtbriugende Geſellſchaft. 

Arnold F., Caſtle: Die Jſolierten. — Mit Ergänzungen. 


—— zur Sfterreicdhifchen Ersiehungs- und Schulgefchidte. 


Endt P. gar, 0.5. B., Geſchichte des Gymmafinms der Piariften zu Horn 
in Niederöfterreich (1757—1872). 
Schiffmaun Konr., Magifter Georg Calaminus, ein Schulmann des 16. 
Jahrhunderts in Linz. 
Schrauf Karl, Zwei Öferreichifche ——— aus dem 17. Jahrhundert. 
£ehrproben und Lehrgänge. 63. 
Vieſe A. Goethes „Taffo* ein Dichterbild, Goethes „Fauft“ ein Menfchheitsbilb. 
Zeitſchrift fur das —— 25. Jahrgang. Heft T. 
Wanef A., Sauers Euphorion. Band 6 


—— für xãadasoeiſce Yrychologie und Vathologie. 2. Jahr- 


Siimmer Diei ungedruckte Briefe von Johann Friedrich Herbart. 
Mitteilungen, der Gefellfännft PB deutſche Grrichungs- und Schul · 
gerdjidgte. Jabrgang 10, Heft 
Bill von, Zur Gedichte der —* von Brig. (1590 —1757.) 
Wehrmann N, Die Statuten des Pädagogiung im 3 an, 
Fange ©, Peter Ahlwardt und fein pbilofop —— 1. geben, 
Perfönlichteit, Schriften. 2. Alwardts Standpunkt als‘ J— und ——— 














Baycr Th,, Neuftetliner Schrpfäme ans dem 18. Jahrhundert. 

Atnamı %., Zur Gefdhichte der Lefer und Indufteieichule in Sany, Kreis 
Greifswald. 1803-1819. 

Beintfer E, Die Schulordnungen der lateiniſchen Schule zu Anklam. 





826 Ribliographie. 1. Zeit'chriften. 


Philoſophiſche Zeitfchriften. 
Viertengurſchrift für wiſſenſchaftliche Philoſophie. 24. Jahrgang. 


Ser €. M., Die Zdentifizierung von Persönlichkeiten. 
Yındner Ih., Beharrung und Veränderung als gejchichtliche Kräfte. 
Philofophifces_ Zahrbuch. 13. Jahrgang. 3. Heft. 
Donat J., Zur Frage über den Begriff des Schönen. 
Vhiloſophiſche Studien. 16. Band. 
Heft 1. 2. Keiver Smith Margarethe, Rhythmus und Arbeit. 
Den 3. Zeitler J., Tachiſtoskopiſche Unterſuchungen beim Leſen. 


Zeitſarirt für Pſychologie und Phyſtologie der Sinnesorgane. Vaund 2%. 
Heft 34 
Elſenhans Th., Über Verallgemeinerung der Gefühle. 


Abhandlungen zur Vhiloſophie und ihrer Geſchichte. Heft 13. 

Saſao Numetaro, Prolegomena zur Reftimmung des Gottesbegriffes bei Kant. 
Aantfludien. Band V. 

Heft 1. Hartmann E. von, Kant und der Peiſimismus. 

Richter R, Ein ungedruckter Fichtebrief 

Barbinger H., Die neue Kantausgabe: Kants Briefwechiel. — S. *8 f. Mit 

Lavater. S. 90. Wit Hamann 2.96 f. Wir Mendelsſohn 
Heft 2. Varta: Neue Nachrichten über Kants Großvater. 


Theologiſche Yeitfdyriften. 


Theologiſcher Iahresberidt. 

18. Band. Ergänzung zur 2. Abteilung. Pegler Alfr., Kirhengeichichte von 
1648 an. 

19. Band, enthaltend die Yıtteratuv des Jahres 1899. 2. Abterlung. Yıide 
mann, Premichen, Ficker, Loeſche, Kohlſchmidt, Lehmann und Hegler, Ditterrihe 
Theologie. 

Stimmen aus Marin Laach. Ergänzungshefte Nr. 74. 

Huonder Mat, S. J.. Deutiche Jeſnitenmiſſionäre des 17. und 1%. Jaur 

hunderts. Kin Bertrag zur Miſſionsgeſchichte und zur deutichen Riegrapbie 
Allgemeine evangelifd-Intherifcde Rirdenseitung. | 
Goethes vLebensweisheit in ihrem Verhältnis zum kam. 


11. Zeitſchrift fir kathelifdge ẽ heologie. 24. Jahrgang. 
3.1. Camtalsostt Note Mienect RW von, Tas Triunwirat der Aufliärung. 
Kerasez linfüme. — Friedrich II, d'Alembert, SBoltaire. II. Die Alltanz der 
Fürſten und der Phrivſobben IV. Tie rien des Triumvirats. 
Paulus N., Proteſtautiiches VBücherverbot im 10. Jahrhundert. 
Der Ratholik. J Jahrgang 
Par EA, Melanchthons Brief an Camerarinus (über Yutbers 
Heirat vom 16. Jum 1525 
Schäfer I, NS Dundbanien. an } 
Nu. Auguſt Sertember. Kanlas N., Über Weſſel Gansforts Yeben 
und Lehre. 
Juli. Kaulus N, Sat Modeſtus 1521 einen ofienen Brief an Yutber ge« 
richtet? Sur den deutichen Franztslaner Apobolymäns fir den VRerfaiſer der 
Fpistola ac läithernin. 





September. Paulus N, Wimpina 
—J———— insignium. 


Baulus N., Zur Biographie des 
ae 21 Br Suplehre ET! 


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Centralblatt für Bilietehamefen. 1. — 8 
Ser 7. Chawin ®., Les sources a 
Liebes! 

ft 7. 9. 10. Schubert A., 


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Kun zu Teſchen und 


— 9. Samen €, —— 


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Beiblatt: Blätter für 
1. Heft 7 
Born im — 


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Zeitſchrift für Gücherfreunde, 
Heft 2/3. 5/6. Wolff — 
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Heft 5/6. Schnorenh 
— Die Raifer aus dem Haufe 
jährige 


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zur Re Se Im 


— ——— 


kundenbuch der Familie von Zwehl 


228 Ribliograpbie. 1. Zeitichriften. 


Beitfihriften für Volkskunde. 


Zeitschrift des Vereins fir Volkökunde. Band 10. Heft 3. 

Drechsler P., Schleſiſche Pfingftgebräuche. 

Rolivfa G., Tom Tit Tot. Ein Beitrag zur vergleichenden Märchenkunde. — 
Nachträge dazu Z. 325. 

Mielke R., Verſchwindende Erntegebräuce. 

Kaindl R. F., Napoleons-Gebete und Spottlieder. 

Raff Helene, Bayeriſche Geſchichten. 

Bünker J. R. Eine heanziſche Bauernhochzeit. 

Bacher J., Von dem deutſchen Grenzpoſten Puiern im wälſchen Südtirol. 
V. Geſchichte in Luſerner Mundart. 

Höfler M., Der Klauienbaum. — Zur Geſchichte des Weihnachtsfeſtes. 

Kleine Mitteilungen: Meyer R. M., Ein Volkslied im Kindermunde. 
T Ztraßburg, o Straßburg, die wunderſchöne Stadt.) — Rehſiener Maria, Der 
Tod von Baſel, Spinnſtubenlied in Pommern. — Bader J., Die Prozeſiun, 
mundartliches Gedicht aus dem Vintſchgan. — Schütte O., Braunſchweigiiche 
Dorfneckereien. — Müller Curt, Der Schlag mit der Yebensrute. — Strele R. von, 
Paſſionskomödien in Böhmen. — Schütte O., Braunſchweigiſche Sprechübungen. 
Die Horniprache im Vollsmunde. Vernageln der Zahnichmerzen. — Wemhbold K., 
Anfrage über Gebräuche und Aberglaube, die ſich an den Anbau des Hiries 
fnüpfen. 

Das deutſche Volkslied. Jahrgang 2. 

Heft 4.5.0. Poeſie alten deutschen, noch jetzt fortbeftehbenden Volksglaubens, 
beionders ın Bezug auf Brand und Sitte. Geſammelt von Franz Wilheim Frei— 
herrn von Titfurtb. 

Heft 5. Stibiß J., Voltskinderlieder. 

Heft 6. Nagl J. W., Uber die Zprache der echten Vollsdichtungen. 

Heft 7. Fraungruber H., Der Bachwirt. — Ein Vollksſänger und Natur— 
dichter in Auſſee. Mit Proben. 

Heft 8. Ditfurth v. von, Zur Yebensgeichichte des Voltsliedforſchers F. N. 
von Ditfurth. 

Haufien A., Ferdinand Raimund im Volksmunde. 


Blätter fir Heſſiſche Volkokunde. 2. Jubrgang. 
Nr. 1. Zchulte TC, Vom beifiichen Titerbaien. 
Strack N, Volkslieder. 
Nr. 2. Tieterich A, Ein heĩſiſches Zauberbuch,. 
Kraup, Allerlei Aberglauben. 
Anſer Egerland. Blätter für Egerländer Vollskunde. 4. Jabrgang. 
Nr. 34.05. John A., Ein Egerländer Bauernhof vor 200 Jahren. 
Uhl H., Absroth. - Bräuche Aberglauben. Yieder, Tänze Sagen, Schwänke. 
Jehn A., Egerländer Ackerbräuche. — Mit Venutzung handſchriftlicher Aut: 
zeichnungen von Manuhardt. 
Haß K., Bollsaberglaube. 
Zeitſchrift für öſterreichiſche Volkskunde. 
Jahgang 5. Seit 72. 1112. Schwarzbach J. und Petak A., Todten⸗ 
dichtung. IE. 
Heit 7 8. Kleine Witteilungen: Urban M., Ein (Befeite:Arief und Geleite⸗ 


Zprüche,. — Englert %, Ju dem RAinderlied: „Sürnt und brummt der kleine 
Zwerg“. — Meter &, Zur Sage von der Habergeiß. — Schulowitz H., Alt- 


ſiciriiche Hausgeräthinichriſten. - 
Stv je. Urran Vi., Vollshirtenlieder aus dem vorigen Jahrhundert. 
iger F. V., Lied beim Pilotenſchlagen. 








get 11/12. Urban M., Alte 
lichen Yieberbuche des 18, Jah 


abrgang ft : 
(alt Saar * —— 
ſprüche aus der Leit ‚Gegend. 
2. Keine Mitteilungen: 
— — 
ittmair A, — ber ober 


Si ra N 
Chu 35 Das Wrene 


— — Stimm! 
des 18. Jahrhunderts. — Blmml €. 
Dberöfterreich und Steiermark. — Anfert 

Hittmair W., Bibliographie der 


Blätter für Hommerfde 


Tiergei] und Deut 
p EEE au der Ziertueit. 17. 
tiere. n 53 — eher 
Kufferom W., Hochzeitöbitterlied aus 2 


Mitteilungen der Schleifen af 
Nr. 2. einkeld B., "raben uhr bene 
Gufinde_K., Über Totenbretter. 

Scoz O., Das — 
Drechſler B., Der 3 


Sprache und Sitte, 
Yiebenau Th. von, Der Ring des G 
Aberglauben. 

Neber B., u SER und 2 
Niszellen: Tob) 
und Nachweiſe zum Wir 
und Hofimann-Krayer €, 


830 Bibliographie. 1. Zeitſchriften. 


Bettfihriften für Geſchichte und Kulturgeſchichte. 


Zeitschrift für Aulturgefhicdhte. VII. Band. 
Heft 5/6. Rohfeldt G., Zur Geichichte der Bücherſammlungen und des Bücher- 
beſitzes ın Deutjchland. 
Tijtel Th., Zur Schandlitteratur kurz nach den Freibeitskriegen. 
Bed R., Krüger: Der junge Eichendorff. 
3. Ergänzungsbeft. Kovp A., Eiſenbart im Yeben und im Liebe. 


Siforifge Zeitfchrift. 85. Band. Heft 2 
Binz C., P. P. Laymann S. J. und die Serenprozeiie 
Hiforifdyes Jahrbuch. Band 21. Heft 2/3. 
Tuhr 2., 5. J., Neue Taten und Briefe zum Leben des l'. Friedrich pe. — 
Die eigenbändige Unterſchrift des Dichters lautet immer Zpe, die Zeitgenofien und 
die Ordensbibliographen ichreiben meist ebenjo und nur Juweilen Spee. Geboren 
ift er am 25. Februar 1591. Neue Einzelheiten zu feinem Leben, Briefe von, an 
und über Zpe. 
Schlecht J. Pirkheimers zweite Komödie gegen Ed. 
Hiftorifche Vierteljahrſchrift. Jahrgang 3. Heft 3. 
Krebs J., Zur Beurteilung Holks und Aldringens. 
Haake P., Tie Nugenderinnerungen König Auguſts des Ztarlen. 
Deutſche Geſchichtsblätter. Rand 1. 
— Heft 9. Hanſen R., Zur landesgeichichtlichen Forſchung in Schleswig: 
Holſtein. 
Hiſtoriſche Muſeen deuticher Städte. — Frankfurt a. M. Köln. Leipzig. 
Breslau. 
Lippert W., Heinrich Theodor Flathe und jene Stellung in der ſächſiſchen 
Geſchichtſchreibung 
Heft 10. Brunner K, Fünfzig Jahre oberrheiniſcher Geſchichtsforſchung. — 
Jeitichrift für die Geſchichte des Oberrheins 1830 — 1900. 
Denkſchrift von Paul Kalkoff über die Bearbeitung der politiſchen Korre- 
ſpondenz Karls V. 
Heft 11 12. Wäſchke H., Ortsnamen Forſchung. 
Sammlung von Reiſeberichten und Tagebüchern. 


Biſtoriſche Monatsſchrift. 1. Nr. 1. 
Funck H., Briefwechſel zwiichen Merck und Yapater. 
Biſtoriſchepolitiſche Blätter. ? Band 126. 
2 Deft 2.3. Yauchert F., Paſtors Weubearbeitung der deutſchen Geſchichte 
anſens. 
Heft 4. Arens E., Friedrich Wilheln Weber. — Schwering: Weber. 
Het 6. 7. Walter F., Die moderne Kunſt in der neueren ſozialiſtiſchen 
Yıtteratin. 
Erlauterungen und Ergansungen zu Janſſens Geichichte des deutichen 
Vollkes. II. Band. 1. Heft. 

Iburnbofer Frz. X, Bernhard Adelmann von Adelmannsfelden, Humaniſt 
und vuthers Freund 1457—- 1523). Ein Lebensbild aus der Zeit der beginnenden 
Kirchenſpaltung in Teutichland. 

Rerue des etuden hixtoriquen. 66 Annces. 


Nr. 1. Eurzon H. de, Bibliographie eritique de Franz Schubert. 
.Xr. 5. Mirot v., In humani-te et un reformateur catholique au XVI 
siecle. — Nach Paquier: Aleandre. 


1000. 81 


Geſchichtsblatter des deutjchen ercins. 
TJ 
Siedelung Dörfelden- -Gundhof. 


Heft 10. Urkunden und Negifter, 
IX. Zehnt. 1. Heft. Sauberihwarz Alfe., Schönenberg in Württemberg. 
* un 3. Heft. Illert, Neu-Yfenburg. 
ft. Koh Rud., ae de Franzöfifch-beutjch-reformierten Ger 
meinben zu Won in Medien 
5 a ri Heft. Neubauer, Geſchichte der franzöftjchsreformierten Gemeinde zu 
weibrüden. 
% 9. Heft. Billaret Die hugenot Kl utefit. I. 
Do Kal ne be Gogemeuläes nein 
Deutfchland und Regifter, 
Mitteilungen der Fünigt. preußifchen Arhiuwerwaltung. 
Heft 1. Kofer Rhold., Über dem — Stand der archivaliſchen 
Forſchung in Preußen. 
Heft 2. Bär Mar, Geſchichte des Fünig 


Heft 3. Bär Mar, Überficht über die ehlnde Ds bes E DS zu 
annover. 

35 4. Hille Geo, Überſicht Über die Beflände des Tönigl. Staatsardivs zu 
Schleswig. 


Horrefpondenzblatt des Sefantsreeins der deutſchen Geſchichts · 
und Altertumsvereine. — ins 
Nr. 2. Bloc) Die —— & F des Elſaß. 
Nr. 34 dent 9, die — — —— 
Nr. 5/6. —— — 
Nr. 7/8. Schiber A, Zur ee _ Broniherung auf Wittes 
Auffat in 47 Nr. 9/10. Dazu Erffärung von Witte in Nr. 


Mitteilungen der Authropologiſchen — ir Wien, Band 30. 
PR U, Die Deutſchen Kärntens, 

Zeitfehprift für Sorialwiffenfcaft. 3. Sahrgang. Heft —* — 
Oppenheimer F., Nationalölonomie, Soziologie, Anthropologie. 

— Abhandlungen der badiſchen Hochſchulen. 


sn Weber Marianne, Fichtes Sozialismus und fein Berhältnis zu Marrſchen 
oltrin. 


Anbang. 
Scweizeriffe Beitfhriften, 


Bearbeitet vom €, Hoffmann-Krayer in Züri, 


Anzeiger für ſchweizeriſche Geſchichte. Band 21. Nr. 9. 
ner W., ak zeitgenöfftichen Berichte über dem — Echluß.) 
Sara Sal antiea —— della van 
Vernoulli ir Sage von den drei Eidgenoffen. 
zen &, FB, Sur Serhiehte der ne 
ettling Zum Artilel: Redings betreffend bie Neue 
geſtaltung des ————— Heerweſens im Jahre 








832 Bibliographie. 1. Zeitichriften. 


Schweiger Archiv für Heraldik. Band XIV. Nr. 3 
Ganz P., Tas Wappenbucd des Ztadtichreibers Rennward Cyiat von 
Yuzern 1581. 
Archiv des hiftorifchen Vereins des Kantons Bern. XVI. Band. Heft 1. 
Plüß A., Die Freiberren von Grünenberg in Kleinburgund. 
Beiträge zur vaterländiſchen Geſchichte. Herausgegeben vom hiftoriich- 
antiquarifchen Verein des Kantons Schaffhanfen. Heft VII. 


Wanner G., yrühgeichichtliche Altertümer des Kantons Schaifhauſen. Mit 
einer Karte. 


Bäichlin J. J., Ein Patrizierbaus. 

Bächtold C. A., Die Schaffhanſer Wiedertäufer in der Reformationszeit. 

Schenkel J. J., Tas Schweizervolk in ſeinem Eſſen und Trinken. 

5chweizeriſche Lehrerzeitung. 45. Jahrgang. 

Nr. 28. Die külturhiſtoriſchen Stufen. 

Nr. 32. J. Sch., Die Phantaſie im Dienſte des Spradunterrihts. 

Schweizeriſche padagogiſche Zeitſchrift. X. Jahrgang. S. 229 fi. 

Walzel TC. F., Bon 1870— 1900. Strömungen der —s deutſchen 
Litteratur. 

Veſtaloniblätter. XXI. Jahrgang. S. 41. 

Hunziker R. J. J. Reithard über ——ãA 

Schweiteriſche theologiſche Zeitſchrift. XVIII. 3. 

Peters R, Ter ungerechte Haushälter und die Gleichnisfrage. 

Staub a, Religionsgemeinſchaft und Individnalität. 

Hadorn W., Tie Inſpirierten des 18. Jahrhunderts mit befonderer Be 
rückſichtigung ihrer Beziehungen zur Schweiz. 

La Liberte chretienne. Juniheft. 

Grandican A, Zinzendorf et l’loririne des mission modernes. 
Monod Y%., Un vatholique evangelique, Pierre Rosegzrer, le prurte 
styrien. 

Rerue de Theologie ct de Philosophie. 

Nr. 3. Comba E., Luther ä Rome. 

Nr. 4. Iwiot T., La Dinlectique de Schleiermacher. 
Berner Studien zur Vhiloſophie. Herausgegeben von Y. Stein. 


23. Heft. Noiig Prochnik F., Zur ſoziologiſchen Meihodenichre mit 
beronderer Rückſicht auf Herbert Spencer. 


21. Heit. Lichtenſtein A., Votze und Wundt. 
Die 5chweiz. ahrgang IV. 
Nr 13.12.18 v. K. B., Umersitentlichte Überlegungen Heinr. Leutholds. 
Kr. 2223 Ber v. v. Sem: ch Heine Ztimmmungsbider aus ſeinem Yeben 
und aus Seinem Liedern. 
Schweizeriſche RKundſchau. Band J. 2.1. 
Gisler A, Ter Prophet ds Ubermenichen. Skizze über Friedr. Niebſche.) 
l.ı Semaine litteraire. Gene\e. 
Kr. 55%. Balletir 8, Les enmedies de Monsieur Fulda. 
Nr. 356 Guilland A., Jacob Bachtold. 
Nr am. din it, Le theatre et le peuple. 
Engadin Express. Zamaden. Band I. Ar. 26. 
Farner U, Tas Yaden in alter und neuer Zeit. 
Sonntagsbeilage tır Allgemeinen Schweizer Zeitung. 
Jr. 44. Jacob Woardernagel, War Müller. 


1900. 833 


‚_Rr. 49. Bomemann W., David Friedr. Strauß’ Stellung zu Religion und 
Ehriftentum. 
Der Bund. 
G. E. H., Bom anakreontifhen zum patriotifchen Liede. 
Sonntagsblatt des „Bund”., 
Ar. 33—36. Hügli E., Heinrih Heine als Philofoph. 
S. 291 fi. Fräntel J. Hugo von Hofmannsthal. 
Ueue Zürdyer Zeitung. 
Nr. 239. Schott Sigm., Aus Ludwig Bambergers Erinnerungen. 


Nr. 273. Schnorf K., Sprahe und Ethik. (Referat eines Bortrages von 
Dr. Ed. Schwyzer.) 


Nr. 241. Morf H., Deutfhe und Romanen in der Schweiz. 
Ar. 307. Schnorf K. Die Mundart und der Peutfchunterridt. 


Nr ea Hunzifer R., 3. J. Reithard, ein fchweizerifcher Ballatenbichter 


Kr. 339. Spitteler C., Meine poetifchen Lehrjahre. 
Kr. 349. Fränkel J., Ludwig Jacobowski. 


Franzöſitſche Beitfäriften. 
Rearbeitet von Ch. Senil in Paris. 


Revue des deux Mondes. 
15 janvier. T. de \Wyzewa, Cent ans de litterature allemande. 
1” avril. C. Benoist, La morale de Bismarck. 
15 avril. Ernest Seillere, L’influence francaise dans la litterature alle- 
mande contemporaine. — Arno Holz. 
1°” octobre. T. de Wyzewa, A propos de la mort de Nietzsche. 
Revue universitaire. 
15 juillet. H. Lichtenberger, Critique du livre de Ehrhard sur F. Grill- 
parzer. 
Revue de Paris. 
1" juillet. Romain Rolland, Le roman comique d’un musicien allemand. 
1° octobre. Henri Lichtenberger, La France et l’Allemagne jugees par 
Nietzsche. 
Le correspondant. 
25 mai. E. Keller, La cathedrale de Strasbourg. 
10 juin. J. Delaporte, Comment Guillaume li renvoya Bismarck. 
Revue Bleue. 
11 aoüt et 15 septembre. Masson-Forestier, Impressions d’Allemagnc. 
18 aoüt. M. Wolff, Goethe, Napoleon et Talma. 
& septembre. Edouard Schure, Nietzsche en France et la psychologie 
de l’athee. 
13 octobre. Adolphe Boschot, Sur Mozart, sur la Poesie et la Beaute. 
Enseignement secondaire,. 
8 octobre. Henri Bernes, Situation des professeurs de l’enseignement 
secondaire en Prusse. 


834 Nachrichten. 


Revue des Universites francaises et etrangeres. 
Octobre-decembre 1899. C. Joret, M** de Staël et la cour litteraire de 
Weimar. 


Revue critique de histoire et de litterature. 
N’ 8 (année 1900). Betz, La litterature comparee (A. C.). 


Rerue encyclopedique. 
6 janvier. H. Lichtenberger, La litterature nietzschienne. 
2 juin. J. de Gaultier, De Kant à Nietz=che. 
23 juin. L. Vernols, La litterature en Allemagne. 


Nourelie Rerue. 
Octobre. (ieorges Grappe, La femme d’apres Nietzsche. 


Revue blauche. 
1° fevrier. M, Harden, Conversation sur l’Allemagne. 


Revue des Revues. 
1" fevrier. J. Bainville, Les descendents des refugies et d’emigprex 
francais dans l"Allemagne contemporaire. 


Le Temps. 
7 ferrier. *** Un Allemand chez Victor Hugo. 


Jourual des débats politiques et litteraires. 
15 decembre 1899. Andre Hallays, Le tombeau de Henri Heine. 
17 janvier. H. Fiereres-Levaert, Ulenspiegel en Flandre. 
7 mars, Arvede Barine, Goethe et Bettina. 
so mars. Maurice Muret. Le mystere de la passion à Oberammergau. 
23 mai. Henri Welschinger, Bismarck. 
3 Juillet. Maurice Muret, Napoleon et Gioethe. 
27 aoüıt. Maurice Muret, Les originex de la presse allemande. 
29 aoüt. Augustin Filon, Du .„I’rig’” et de ses varietes. 
10 fevrier. Maurice Muret, I,a nouvelle piece de Gerard Hauptmann. 
5 octobre. Ernest Seillere. Un roman politique en Allemagne. iDie 
letzte Wahl von Rudolph Stratz.) 
7 novembre. Michel Breal, Max Müller. 


Aachrichten. 


Es bat ſich eine internationale „Geſellſchaft für Romaniſche Pıitteratur” 
gebildet, deren veiched Programm die germaniſchen Yitterarhiftorifer zur Nachahmung 
aneifern jollte. Ter Peitrag für Mitglieder beträgt jährlich M. 20. Anmeldungen 
zum Beitritt find zu richten an Profeffor Dr. Karl Bollmöller, Dresden-A., 
Wienerſtraße 25. 

In Hauffens „Beiträgen zur deutfh-böhmiihen Vollskunde“ 
wird Alois John im Yaufe des Jahres 1901 die lange verfchollene Handichrift 
„Uber die älteſten Zıtten und Gebräuche der Egerländer“, die Rat J. ©. Grüner 
im Jahre 1824 fir Goethe und unter deffen anregendem Ginfluß niebergefchrieben 
bat, nad) dem Exemplar des Weimarer Goethe-Archivs herausgeben. Auch die acht 
ſchönen Bilder zu Brauch und Vollstracht des Egerlandes, die Grüner gemalt und 
der Handichrift beigelegt batte, follen in diefer Ausgabe veröffentlicht werben. 

Anton Zchloifar in Graz giebt ım erlag der deutſch-öſterreichiſchen Litte- 
ratur: Sefellichaft in Aien Carl Gottfried Ritter von Leitners gefammelte Werke 
in drei Bänden beraus. Zubilriptionspreis 6 Kronen. 


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Bon der dritten Auffage i 
Stifters (ent 1850-18 1850-1851 in 4 2 
bloß die beiden erſten Bände (im 
finden laſſen. Für den Nahweis 
wäre ich fehr dankbar. 


In der Handfehrift abgeichlofen an 15: Oftabe 


Regiſter. 


Von Franz Spina in Mähriſch-Neuſtadt. 


Abeten H. 210. 

Abraban a Zancta Clara 811. 
Adermann aus YRohmen 302. 
Adamberger Tom 202. 


Adelmann von Ndelmannsfelden Bern. - 


30, 

Aelſt van der, Paul 167. 

Aeſthetik, Zoctalpolitit und Entwick— 
luugslehre 449 — ATS. 

Akroſtichon 204. 821. 

Albredt Sophie 340. 

Alberus Er. 203. 431. 

Aldrich 8. 605. 

Alexis 
656. 

Allmers Herm. 657. 

Ameritka. „Deutiche Yirteratur” 190 — 
202. 

Amor und Finde Ztoif 68. 

Andrear Wiihelmine : „Yaura“’ı 348. 

Annchen von Tharau 319324. 

Anzengruber rudw. 218. 215. 2%. 
381. 40h. 605. 660. 

Arndit E. DM. 615. 

Arnim Achim von 19% 434 Anmer 
hung 3. 610. 530. 760 fi. So2 ff. 
Arnim ettiinavon 3 4-64. und Goethes 

Zonette 657. 708 ff. 764 Grabbe;. 
s1l 
MWiiing Roſa 403. 
Auerbach Perl. 213. 218. 420, 
Avpvanciui Ya. 4932. 
Ayrer Friedrich Zitbonetteianmmlung: 
124 
Aurer Jatob 225 232. 
Vächtold J 462. 832. 
Kartholdy Kat Y. Salom. 70. 


Vanernield E. von 202. 381. 104.658. _ 


Wilibald 208. 215. 216. 440. 


Baumbach R. x19. 
Bed Carl 651. 
Behr Iſachar Falkenſohn 2365— 246 
„Gedichte eines polniihen Juden“ ı. 
Beireis B. Chr. 167. 
Belilar- Ztoff 428. 
Bellum grammaticale 384. 
Benda 9. 243, 
Boͤranger 205. 
Bergmann Xof. von 406. 
Bernays Mich. 203. 219. 
Nertucd 8. 395. 
Bibliographie (ſ. auch: Yeitichriften). 
Bücher: J 
Allgemeines, Yitteraturgeichichte, Ajıbe- 
nt 307. 665. 
Geſchichte der Wiſſenſchaften, Gelchrten: 
geſchichte 105. 66%. 
Geichichte und Kulturgeſchichte 407. 
671. 
Nirchengeichichte, Theologie 414. 675. 
Buchdrud, Buchhandel 418. 678. 
Bibnotbelen, Archive 419. 679. 
Yıbliograpbie und Publiciſtik 419. 
679. 
Theater, Muſikgeſchichte 420. 673. 
Kunſtgeſchichte 422. 679. 
Geſchichte der Philoſophie 425. 680. 
Heichichte des Unterrichts 426. 681. 
Tentiche Yitteratur in der Schule 427. 
68, 
Ztofi und Wotivgeihichte 428. 683. 
Vollstunde 428. 684. 
Neuhochdeutſche Schriftiprache. Mund: 
arten 430. 685. 
. und 16. Jahrhundert 431. 686. 
. sabrbundert 432. 686. 
. sahrinındert 433. 686. 
. Jabrhundert 440. 641. 


Regiſter. 


Bidermann Jak. 686. 

Binzer A. von 763. 

Bis marck DO. von 190 (als Redner). 
218. 220. 3835. 395. 413. 652. 674. 
833. 834. 

Bodmer %. J. 686. 

Böhme Jak. 163. 

Boie H. Chr. 236. 2:0. 347 Anmerkung. 

Boileau-Despréaux N. 199. 602. 

Boifferee Sulpiz 621. 

Bonnet Charles de 351. 

Börne Ludw. 358—366. 665. 

Brahms Joh. 620. 

Bran Fr. A. 640. 

Brandes Joh. Chr. 219. 650. 654. 
687. 

Braunfhmweig Julius von 432. 

Brentano Clem. 215. 760. 802 ff. 813. 

Brindmann Kohn 440. 

Brodes B. 9. 433. 

Bruduer A. 217. 

„Bruder Rauſch“ 204. 

Bruns Sophie 158. 

Buchdruck 213. 

Bühnenſprache 203. 

Bülow Otto von 610 f. 

Bürger Gottfr. A. 112. 387. 639. 687. 

Burckhardt %. 395. 

Buſch Wilh. 217. 


Calaminus Georg 825. 

Kalderon de la Barca 163. 396. 

Callenius 550. 

Canitz 5. R. von 199 f. 

Carlyle IH. 205. 

Chamiſſo A. von 384. 385. 440. 

Eharriere Mad. de 265. 

Chodowiecki Dan. 18. 249 (Ranıler, 
Goethe). 499 f. 

Cochlaeus J. 395. 

Conſtant H. Benjamin 521—526 
(Goethe). 

Cornelius Pp. 217. 

Cramer K. Fr. 246. 255. 256 ff. 502. 

Crotus Rubeanus 432. 

Cuno Heinr. 208. 


Dach Simon 319 ff. 
Dacheröden Karoline von 348. 
Daffinger: Smolenig Marie 224. 
Dalberg 8. Th. von 348. 
Defoe Tan. 392. 
Deinhardftein J. % 647. 
Zemetriusdramen 658. vgl. 205. 


837 


Denis Mid. 158. 

Dery YJulianne 691. 

Dialektlitteratur, Iandichaftliches Prin⸗ 
cip 300. 898. 

Dialog, im Roman des 18. Zahr- 
hunderts 491. 

Didens Boz 509. 

Diderot D. 272. 278. 

Dingelftedt Fr. von 205. 215. 

Ditters von DitterSborf 219. 648. 

Döbbelin 277. 

Döbler Lubw. 215. 

Dohna Ehriftoph von 479. 

Don Juan⸗ Gage 884. 

Döring Frau von 640. 

Dorfgeſchichte 641. 

Drofte-Hülshoff Anette von 440. 655. 
657. 691. 823. 

Duller 758. 

Dumba Nic. 228. 


Duſch 3. 3. 236. 


Earles John 483. 

Ebers ©. 212. 396. 6858. 

Ebert Adolf 206. 

Ebert 8. E. 215. 646. 

Ebner-Eſchenbach Marie von 219. 220. 
379. 382. 

Eichendorff J. von 219. 220. 888. 
640. 801—814 (Krüger). Bgl. 830. 

Eichendorff Luife von 2086. 

Eichendorff Hermann von 802 fi. 

Embden Charlotte 218. 

Enberte bon 210. 

Engel J. J. 266—291. 479—514 
orenz Starl). 433. 

en von der Burg 8. 881. 

Eötvös 102. 

Erasmus von Rotterdam 836.390.431. 
„us fiel ein Reif in der yrühlingsnacht” 


ei Henburg % J. 270. 512. 689. 

Eftherfloff 681. 

Eupborion (Sauer) -205. 403. 404. 
825. 


alt oh. 687. 
—— 226. 888. 666. 


Fauſt⸗Drama auf der Wiener Poffen- 
bühne 825—330. 

—ã rung in Komorn 328. 
uſt⸗Splitter des 16.—18. Jahr⸗ 
hunderts 688. 


NIS Regiſter. 

Feuerbach Ludw. 391. Goethe Auguit von 210. 654. 
seuctersieben E. von 218. 219. j Goethe Eliiabeth 254. 437. 

Fichte J. G. 343. 380. 390. 686. Goethe Joh. Jakob 26. 386. 656. 
Fiſchart Joh. 431. 700 f. Goethe Jak. Naipar von 214. 435. 
Fiſcher J. G. 185. Goethe J. W. von. 

Fitger A. 404. rn 
Flachsland Carol. 652. veben, Beriöntihes, Allgemei— 


‚sieming Paul 432. 

Flet Albın 350. 

Flir A. 98. 440. 

Floia 686. 

Fontane Ib. 213. 216. 210.5 
651. 655. 656. 641. 

Forſter Reinh. 347 Anınertung. 

Fouqué F. de la Motte 510. 


96.398. 


Franz Robert 530, 

Freiligrath F. 215. 210. 442. 642. 
HN, 

Frey J. 214. 650. 601. 

Freytag 8. 217. 218. 585. 404. 419. 
652. 0698. SH 


Friſchtin RNie. 211. 

Fröhiich Kathar:na 316 BVriei 6Grill 
parzers« 

Froichmenſeler, Neuer 


Ly 7 .„® 
mt, 


Fruchtbringende Seellicbatt 432. 
825. 

Fugger Fritz 5914. 614. 625. 

Gallmeyer Joſephine 215. 

wWarve CEhr. 512. 

Wanda F. von 213. 392. 657.05 

Wetter Tob. Ph. von 178. 


„Wrdichte eines voln'chen 
Nelr, 


Juden“ ſiehe 


GGeibel E. 213 215. 611. 619. Sta, 

Geltlert ehr An 2060 282, 289, 434. 
Inh. Jul. Jos 60. 

GBGemmingen OC. H. von 272. 275 5. 

iGentes, EGräfin von Sol. 

GBGenoreingſtofi 161 m 128. 823. 

iwentz F. don 313. 616. 

(scrbardt baut 178 181. 

Warme zu Theedor 621. 

Ncrsdertt Hent. Nato von 178. 

—D— por 221. 

Norge, Zur 2m 

Nichte Ziantinelet 175. 175180 

wein ven def 

sleim x W. v. 20. Po 131. RR, 

Wird. Io von 231 7658. 

wit Naette DA 

iechanſen Yarc ven DIT 345. 

GBecding! tn mo von 2, 277 


108. 
101. 200 The Gase arain-t (inethe 
212. 275. 456 Yerpsig. 214. 215. 


216. 217. 218. 210. 220. 221. 34. 
356, 8874 M. Meyer 301.302 
Lemperz“ Sammlung: vol >27. 
3906. 404 Harnack. 421. 123. 120. 
640. 641. 642. 045. 6C—8. Chu. 651. 
682. 653. 655. 090. 657. Gen), Ad 
688 erſte Weimarer Zeit. 680 82. 

Nilder 641. 

Handichriften 435- -436 Wrodhbais.. 
4937. 

Jahrbuch 204. 214. 640. 

Chronik des Wiener Goethe Vereins 


204. 641. 
Weimariiche Ausgabe 437. GSX. 21. 
Feſtichriften 434-438. 68. 
Beziehnngen, Außerungen, Ser 
Iehr, Briefe. 

vor 242. „Engels „Yor. 
Ztart” 511. Platen 627. „Komant 
E pinus“ 3 Ramiler 248, Zibil 
lers „Räuber“ 48. Schloözers wie 
weciel 252. Tiedo “162. 


Über: J. N 


Uber roetni wes Schafen an Schiller 


234 -235. Uber Preußen und Vertin 
250. 251. 29 

Einiluſ von: Rouſſeaus „Enamalon“ 
243. Zchelling 404. Straßburg auf 
Goethes hiſtoriſiche Anſchanungen 
396. 


Einfuhr anf: Eicheudorn 812 ii. Th. 
Kurier 23 254.955 Platen sl? 8. 
54. Zihiller35l. Schopenhatier 2a. 

Neriebungen zu: Alexis 216. Bettina 
von Arnim 58 —61 : Zonette . 84. 
758 1. «Vriefwechiel mit einem 
Ninde. Réranger 205 Bismard 
6=8 Calderon 657. Chodowiecki 
210 ji. Beni. Conitaut 321 - 52% 
Tante 688. W. von Tiede 435. 
(stud 231. Griuvarjer 435. Pia 
Herzlieb 437. Nant 300 Knebel 
437. Nolbe 437. Nlovitot und 
Kramer 246—258 beionders 256. 


Regifter. 339 


Goethe. 


Lavater 214. 501. Lenz 214. Rahel 
Levin 342. Henr von Yüttwi 403. 
Marianne Meyer 342. Napoleon I. 
437. 715. 834. Niebubr 437. Blaten 
609. 612 f. 614. 624. 627. Nauten- 
ſtrauch 387. Nic. Nerif (Monfieu 
Nicola) 514—521. Namberg 649. 
Erabb Robinfon 255. Carol, von 
Sartorius 214. Frau von Stadt 
640. Voltaire 688. Zar). Werner 58. 

Deutihböhmen 342. 643. England 

656. Frantfurt 206. 435. 436. 648, 
antreih 215. ‚Heidelberg 436. 
talien 648. Wien 172 fi 

Antite 641. 
Studien 386. Dramaturgie 455 
Genealogie 685. Bildeude Kımft 
435. Rheiniſche Kunft 218. Mediein 

Bilofophie 

Politif 250. 251, 
Neligion 215. 390. 391. 402. 497. 
650. 653. 688. 825. Nomantif 437. 
639. 658. Goethe und bie Profefforen 
688. Volfstunde 393. 394. Wiener 
Bauberoper 172— 181. Goethe als 
Raturforſcher 435. 643. 688. 

Auerungen über Goethe von: Grabbe 
547 ji. 758 fi. W. von Humboldt 
341 f. €. E. Süpfel 218. Y. Baul 
304. 312. Paten 609. 614. Wie 
iand (1776) 708 fi. 712 

Gejpräde mit: Beni. Conflant 511— 
526. Frau von Seebeck und Grill 
varzer 435. 640. 

Briefe: an J. Raabe 210. Karl Auguft 
159— 160. 252. iris T1ö. Mer 
250. Jacobi (über die „Wögel”) 257. 
Frau von Stein 250. 252. Tavater 
220. Neurenter 215. Sartorius 214, 
Ehriftianne Bulpius 220. 435. Bere 
jchierene Briefe 435136, 437. 610, 


Gedichte 
Goethe als Lyriker 219. 438. 640. 
650. 523. 824. Balladen 388. 825. 
An Schwager Kronos 640. 
Exitönig 640. 
Euphrofyne 197. 217. 519. 
Gott, Gemüt und Welt 640, 
eidenröslein 167 — 170. 
feine Blumen, Heine Blätter 437. 
Legende vom Hufeiſen 640. 
Vufen und Grayien 258. 
Guphorion. vIT 

































Goethe. 
Paria 386. 
Sonette 54— 61 (Einfluß vor Bettina). 

Sonett: „Die Fiebende fehreibt” 436. 

Sträußchen, Das 206. 
Bier Jahreszeiten 157—158, 
Wepöftliher Divan 641. 
Zenien 436. 640. 


Dramen. 
Brutusplan 715. 
Elavigo 384. 
Een Elmire 21, 
Aſtaff⸗ Frag ment 640, 
a 107 (Calvin Thomas). 524 
(2. Eonftant). 220. 387. 388. 402, 
403. 404. 427. 438 Urfauft. 641 
Verhältnis zur Autite. 642, 650. 
823. 824 Puiower — 656, 668. 
683. 689 (MyNih). Hefte 
Scene, 834. 825. 
Zeit. Borjpiel (111-128) in. 
„Berlaifen hab’ id) . . ..“ 204. Böjer 
Geift in der Domfcene 387.823. Erd» 
geiſt 435. 642. Walpırgisnacht 688. 
11. Zeil, Bers 106— 108. 196 f. Parcen 
197. Homumeufus 198—199. af 
ſiſche Walpurgisnacht 199. Belch- 
nungsjcene 427. 436. 
Baralipomena: Die beiden erflen 204. 
Sie (Disptationdplan) B87--ä88, 
Neues Fauf-Schema TIS—T16, 
— in Grillparzers Ahufrau 
740. 
arlmite, Die 438. 


— ſt in Plundersweilern 249. 
255. 258. 


Iphigenie auf Tauris 170 172 (Mer 
cenfion). 427. 438. 689. 

Mitihuldigen, Die 438. 

Pandora 387. 823. 

Stella 204. 

Bögel, Die 242—258 ((, Keane). 

Zauberflöte II. Teil. 172—181. 650. 


Epem. 
Ewiger Jude 253. 
ermann und Dorothen 196. 640. 
jeinele Fuchs 427, 
Broſa. 
Annalen 521, 
Eampagne in Frankreich 640, 
> 


840 


Goethe. 

Tie guten Frauen +. 

et (Helehrte Anzeigen 242. 
agebücdher 403. 

Unterbaltungen deutſcher Ausgewan- 
derten 278. 509. 510. 

Rahlverwandtichaften 105 f. 

Wahrheit und Dichtung 248. 

Werthers Yeiden 1—47 ıpbilologifche 
Betradhtungen von Zeufiert‘. 105. 
324 —325 Menes zur Urgeichichte:. 
482. 4x8. 401. 501. 502. 640. 

Wilhelm Meiiter 105. 266. 484 An— 
merlung 3. 511. 


Sprache, Metrif x. 
Alliteration 437. 
Anatomierbild bei Goethe 248 f. 
Famiiengemälde bei Goethe 509. 510. 
Meim 688. 
Sprache im Alter 651. 

Goethe Ottilie von 821. 

Woldoni E. 274. 

Görres J. 406 

Gotthelf Jer. (Ritzins) 133— INN. 

Gottſched J. Chr. 653. 656. 823. 

Gottſched Yard W658. 

Srabbe Chr. D. 399. 537 — 564 („N08: 
cinsfo”“ . T58--764 (Über Bettinas 
„Briefmechiel mit einem Kinde“. 

Gral 203. 216. 

Grasberger 9. 213. 396. 

Gregorovius F. 204. 

Greif Wi. 388. 825. 

Grillparzer Fr. 314- 416 Unge 
drudtes:. 541 547 ı Treuer Diener. 
721—758 «Celle der „Abnfrau“ . 
106 Heron. 181. 205 ı Jabrbuch, Ahn 
frau, Jüdin, 8. Tttolfarı. 210 ı Bruder 
zwilt‘. 220 (Anzengruber. 224. 510. 
991 ı Abnfranı. 381.390.404.651.657. 
660. 833. 601. 814— 819 Ehrhardt:. 

Grimm Lak. 207. 615. 642. 

Grinim Wilh. 55. 670. 

Grımmelshanien 9. J. 
210. 383. 

Groth Klaus 216. 217. GH. 

Sruber Mar von 603. 

Sri Anait. 218. 404. 657 

Grüner J. S. 84. 

GBGirnderode Karol. von 403. 762. 

Günther J. Chr. 611. 

Gutenberg J. 677. GTR. 827. 

Gutlow K. 217. 440. 691. 


hr. von 


Regifter. 


Kager Georg 231 Anmerkung 1. 
ahmann ‚rau KUL ff. 
aller A. von 662. 663. 827. 

Halm Fr. 381. 

Hamann J. &. 826. 

Hammer-Purgitell J. von 661. 

Hamerling Rob. 86 Anmerkung. 205. 
617. 649. 660. 661. 691. 

—R 173. 220. 

Hardenberg 8. X. Fürft von 358. 

Hartenfels Ed. 548 f. 758. 

Halchla v. 2. 234. 
ätlerin Klara 823. 
auff W. 323. 440. 663. 822. 

Haug Fr. 698. 

Hauptmann Gerh 200. 217. 388. 308 
6419. 650. 653. 654. 691. 

Haygarth John 693. 

Hebbel Ar. 96— 103 VBriefiwechiel mit 
A. Pichler. 162. 186—188. 387. 393. 
399. 440. 648. 650. 651. 657. 
691. 693. 822. 

Hebel I. P. 385. 665 

Hefner:Altened %. H. von 220. 

Heideuröslein 167—170. 

Heine Heinr. 214. 215 (Briche:. 
218. 210. 220. 251. 359. Im. 
532. 534. 641. 619. 690. 652. 
655. 656. 657. 658. 669. 660. 
668. 822. 832. #33. 834. 

Heinſe Wilh. 106. 216. 267. 
au. 657. 

Hensler (7 beaterdichter) 175. 

Herbart J. v5. 338.380. 682.24. 82). 

Herbert M. 216. 

Herder %. 8. 2.6.7. 167 ft. Heiden 
röslein. 204 Klihnemannı 236, ,sragr 
mente). 307. 308 Fi. (Jean Paul! 
319. 388 (Einfluß Manısı. 427. 158 
(Zuphan, Brohmanm). 643. 660. 682. 
689. 710. 791 f. 824. 827. 

Herloßſohn 8. 219. 

Hermann Nicol. 208. 

Hermes J. H. 260. 267. 268%. 2u8. 
485 f. 488 f. 490. 491 f. 499. 501. 

Heru W. 651. 

Herzlich Minna 54. 

Hermegb G. 661. 

Heuß Stephan 414. 

Heyden Ariedr. von 613. 

Heyſe P. 108. 214. 220. 647. 648. 649. 
651. 632. 655. 656. 657. GN. 659. 
GEN. 661. 

Heyſe Theodor 201. 


217. 
4m). 
53. 
653. 


491 t. 


Regifter. 


itig Ebd. 358. 

—* Hoch) Theob. 164 fi. 644. 651. 
821. 

Hölderlin Fr. 215. 649. 657. 689. 

Hofer- Stoff 78-96. Bgl. 812. 

Hoffmann ©. 3. A. 219. 440. 

Hoffmann von Fallersichen 75. 204. 

819. 

Hofmann von Hofmannswaldau Chr. 
200. 686. 

‚Hogarth 498. 500. 508. 

Holtei 8. 92. 5öl. 655. 661. 

Hormanr J. von 79 ff. 

Hottinger Jal. 160. 

Homwen Otto H. van der 207. 
uber Alf. 207. 212. 

Suber Y. F. 256—258 (Briefe an 
Schiller). 588. 

Huber Thereſe 207. 259. 403.588. 658. 

Hübner Joh. 473. 438. 658. 

Humanijten 210. 336 ıSchülerge- 
ſpräche). 

Humboldt W. von 208. 219 6Eichen⸗ 
dorfj). 270. 341—345 (Briefwechſel 
mit Schiller). 354 (über Th. Körner). 
356-358 (Staatsmann). Vgl. 660. 
387. 404 (Goethe). 512 ı,„Porenz 
Starf”). 519 (NRetif). 653. 716. 

Hunnius Ag. 686. 

Hutten U. von 431. 


Sffland 276. 438. 689. 

Immermann 8. 78—96. 106. 107. 
519. 658. 758. 759 ff. 812. 

„zn Böhmen liegt ein Städtchen“ 819. 

Incle- und Yariko-Stoif 174. 

Iſſel W. (Dialer) 591 Anmerkung. 


Jacobi Fr. Heinr. 246. 255. 257. 298. 
305. 

Jacobs Tr. 160. 

Jagemann Starol. 395. 

Jahn Fr. L. 218. 335. 

Jahresberichte fir neuere deutſche 
Litteraturgeſchichte 203. 383. 

Fejuitendrama 208. 209. 800. 

Sonjon Ben. 192. 

Juden, rufftiiche 199. 

Jung-Stilling 3. 9. 289. 489. 795. 

Junges Deutſchland 107. 184. 


Kalb Charlotte von 307 f. 310. 519. 
Kant %. 212. 221. 311. 351 (Schiller). 
388. 389. 390. 420. 680. 826. 


841 


Karikatur, neuere deutſche 827. 

Kaufmann Chrifl. 710. 

Kausler Rudolf 186. 

Kayſer Ph. Chr. 709. 

Keller Gottfr. 108. 189. 221. 441. 
651. 658. 

Kernell Uri 617. 

Kerner 8. 216. 384. 530. 532. 680. 
641. 648. 

Keftner Lotte 667. 

Ketelfen 3. H. 654. 

Kettembeil 519. 560. 759. 

Kind Friedr. 697. 

Kintel ©. 214. 

Kiraly Joſ. 657. 

Kirchenlied, deutjch-proteftantifches, im 
Amerifa 199. 

Kleift Chr. E. von 249. 257. 

Kleift Heinr. von 84. 89 (Einfluß auf 
Immermann). 106. 187. 204 (Satz⸗ 
bau). 215. 218. 220. 365 (Mauerhef) 
385 (Prinz von Homburg). 399. 441. 
648. 650. 658. 683. 822. 827. 

Klesheim A. Freiherr von 819. 

Klettenberg Suf. von 682. 

Klinger F. M. von 203. 216. 826. 
438. 

Klopftod Fr. ©. 214. 235. 246 fi. 
255. 256 (als Schuhu in Goethes 
„Bögeln“). 

Klotz Chr. A. 233. 235—238. 

Klüpfel E. 6. 218. 

Knebel 8. 8. von 240. 255. 257. 

Knigge A. von 291. 491. 

Komöddianten, engliidhe 639. 

Kopifh A. 622 f. 

Körner Gottfr. 259. 264. 277. 278. 
511 f. 

Körner Minna 260. 

Körner Theodor 202. 303. 351. 354. 
384. 411. 

Korntheuer J. %. 330. 

Koſchat Th. 819. 

Kosciusfto- Dramen 649. 550 ff. 

Kotebue A. von 174. 354. 

Kriegslied, Württembergifches 153 — 
157. 

Krüdener rau von 214. 

Krufe Heinr. 219. 

Kubnau J. 438. 

Kürnberger Ferd. 216. 

Kurz-Bernardon 178. 

Kurz Herm. 186. 641. 

Kütner R. X. 241. 243. 

54* 


842 


Landſchad Hans 431. 

Yang &. 9. von 207. 

La Roche Sophie von 503. 

Laſſus Rol. 207. 

Laube H. 100. 101. 213. 218. 661. 

Yauer Joſ. Carl 330. 

Yauremberg J. 386. 

?avater $. 8. 12 f. 210. 214. 220. 
252. 392. 500. 501. 502 ff. 640. 663. 
664. 665. 708 fi. 826. 830. 

Leibnitz G. W. von 206. 209. 388. 

Peitner Gottfr. von 404. 834. 

Yenau Nic. 117. 303. 441. 532. 660. 
691. 821. 

Lenz J. M. R. 214. 487. 660.708. 711. 

Lenz Friedr. David 711. 

Leſſing Gotth. E. 

2. 169. 214. 388. 439 Erich Schmidt. 
318 iiber Dedekind-Koromandel. 235. 
236. 239 Anmerkung 1. 272. 497. 
199 %. J. Engel. 402. 430 Ver—⸗ 
hältnis zur MAntife. 650. 653 Bo— 
rinsti. 651 Muncker. 680 ıYad)- 
man. 

Emilia Galotti 343 (Namdohr). 690. 


— — — — — — 


Erziehung des Menichengeichlechts 351. . 


„egreigeifter, Naturaliften, Arbeiten“ 
219%. 439. 821. 
Hamburg. Tramaturgie 384. 499. 822. 
Yaoloon 439. 
Minna von Barnhelm 198 ı Trude 
und Nacddrudei. 822. 
Nathan 216. 402. 683. 
Unbefannter Aufiat 656. 
Leſſing Karl 238. 230 fi. 
Yeutbold Beim. 832. 


vevetow Ulrike von 204. 220. 640. 
052. 

Yevın Rahel 342. 

vewald Fanny 611. 

vichtenberg G. Chr. 216. 500. 502. 
60. 

vichtwer 823. 

Yırder, voltstiimliche 10. aus den 
RNriegsſahren 1870 71 10. nationale 


on 
aus Oſterreich 819. 


vıraqa H. 641. 619. 652. 601. 
Yınrbard Ernſt von 207. 
Yıscow Ch. v. 284. 
Yırteraturgeidichte, 
307. 796. 
Yorben $raf 803 ft. 
Lowen ‘ob. Friedr. 409. 
Lucian 702. 


vergleichende 


Regifter. 


Ludwig Otto 104—112 (Maria). 162 
(Senovefa). 399 f. 484. 651. 692. 792. 
Luther Martin 206. 385. 390. 402. 
416. 431. 642. 648. 657. 658. 677. 
083. 823. 826. 827. 830. 832. 
Lüttwitz Henriette von 403. 


Maccaronijche Poeſie 686. 

Machiavelli R. 574. 

Manuel Nic. 665. 

Maria- Stoff 104—112. 792— 795 : in 
der franzöſiſchen Romantik). 

Marlborough⸗-Lieder 318 f. 

Matheſius Rob. 208. 478. 586. 791. 

Matthifion Fr. 242 f. 439. 621. 

Maugis d’Aigremont 201. 

Mayr Benitins 79 Anmerkung 3. 

Vedea: Stoff 682. 

Meinbard Yoh. Nic. 236. 

Melanchthon Ph. 826. 

Mende 2. Philander von der Linde 218. 

Mendelsſohn Moſes 236. 239. 826. 

Mengs Raf. 404. 

Mercier Seb. 236 Anmerkung 3. 

Merck J. H. 482 f. 711. 830. 

Merkel F. 281. 

Metger Ambros (Meiſterſinger) 231. 

Meder Heine. 404. 

Meyer Konr. Ferd., Geſchichte der Ge⸗ 
dichte 112 — 139. 546 — 685. 704 - 791. 
180 ıfranzöfticher. 218. 396. 441. GH. 
648. 651. 653. 657. 659. 662. 664. 
665. 824. 

Meyer Prarianne 342. 

Meyer Rich. M., 19. Qabrhundert 
374— 382. 

Menienbug Malv. von 221. 

Miller Job. Wart. 20%. 

Mimik und Phyſiognomik ım Roman 
des 18. Jahrhunderts 49%. 

Minckwiß Lob. 822. 

Mommfen Tb. 217. 

„Monate, litterariiche 1776 7” 233 — 
238. 

Montanus Mart. 433. 

Möritke E. 214 402. 682. 

Moris K. Ph. 489. 603 f. 

Moicherojch Job. Pi. 699 — 702. 

Moſer G. 9. 644. 

Mozart WM. A. 172—181 tGoethes 
sortiekung der „Zauberlöte” ı. 

Müllenhoff 8. 393. 404. 

Witller Friedrich Kanzler 762. 

Müller Friedrich ıWalerı 162. 


Regiſter. 


Müller Johannes von 640. 

Müller Wilhelm 195 f. 198. 201. 202. 
205. 823. 

Müller W. (Kapellineifter) 175. 

Miüllner Ab. 384. 591. 

Mundt Th. 107. 111. 376. 

Durner Th. 383. 683. 

Mufäus 3. 8. 9. 206. 487. 502 f. 

Mylius Chriftlob 689. 


Hapoleon I. 437. 715 (Goethe). 

Naumann Balth. 210. 

Neidhardt mit den Veilchen 428. 

Neftroy J. 220. 

Nenber Karol. 668. 661. 

Nicolai Fr. 235. 236. 251. 267. 268. 
271 f. 275. 2:9 f. 283. 286. 291. 
392. 482 f. 485. 490 f. 492. 

„Niemand und Jemand“ 647. 

Nietzſche Fr. 215. 217. 681. 832. 833. 
831. 

No Heinv. 213. 

Novalis Tr. von 214. 354. 402. 808 f. 
824. 


Dehlenfhläger A. ©. 653. 692. 
Olearius Roh. 478. 

Dper 170—172 (ıRien). 

Opitz Dt. 198. 431. 587. 646. 
Ortsnamen, deutſche 333. 


Pachler Fauſt 661. 

Paoly Betty 647. 649. 

Perinet 173. 174. 175. 

Peſtalozzi J. H. 604. 665. 832. 

Pfizer Guſt. 535. 

Philander von der Finde (S Mencke B.) 
218. 


Picander 690. 
Pichler Adolf 96—103 (Briefwecjfel 
mit Hebbelr. 215. 

Silarit J. G. 645. 

Pirkheimer Wil. 699 f. 830. 

Platen A. Graf von 88 Anmerkung. 

442. 589— 624 Tagebücher. 641. 659. 
663. 683. 782 f. 788. 

Polenlitteratur 428. 

PBontanus G. 702. 

Prechtler Otto 187. 

Prehauſer Gottfr. 220. 

Preußen: Friedrich II. 206. 251. 387. 
637. 644. 672. 822 und die deutiche 
Sprache. 820. 

Preußen und Goethe 250 fi. 


843 


Prutz R. 376. 385. 
Pfeudo-Demetrius 205. 
Püdler-Mustau Yürft 760. 
Purcell Henry 698. 
Putlik ©. H. ©. von 213. 
Pyra Imm. 702—707. 
Pyrker Lad. 423. 


Raabe W. 649. 

Rachel Joach. 482. 686. 

Raimund F. 181. 828. 

Ramberg 649. 

Ramler K. W. 239. 240. 243. 248— 
256 („Schuhu”). 697. 

Raupad €. 162. 

Rautenſtrauch %. 857. 

Nebhun Paul 646. 

Rede J. 5. 207. 

Nedtwik Ost. von 647. 

Nehberg Tr. 343. 

Reihardt J. Fr. 271. 512. 

Reiske Erneftine 408. 

Neithard %. J 838. 

Rellſtab 8. 648. 

Retif (Restif, Rectif) Nic. Edme de 
la Bretonne = Monsieur Nicola 
514 - 621. 

Reuter Fritz 217. 386. 692. 

Richardſon S. 167. 

Richter Jean Paul: Nachlaß 61—78, 
291—314. 389. 440. 443. 519 (Schil- 
ler). 612. 621. 643. 650. 658. 692. 
814. 

Niebel 234 fi. 236 ff. 

Niemer F. W. 27. 32. 714. 

Rift oh. 668. 

Nitter Anna 649. 

NRittershbaus Emil 442. 

Nobert der Teufel-Stoff 684. 

Robert Ludivig 358. 

Robinſon, Henry Grabb 258. 

Robinfon in der Weltlitteratur 216. 

Roehn Kafp. von der 391. 

Roman, fiehe Engel J. 3., des 19. 
Sahrhunderts 650. — Engliſcher 193 — 
195. 

Romantik, czechiiche 206. 

Nofegger Berri 8. 832. 

Roquette Otto 403. 

Rotenhan Herm. von 607. 

Nouffeau J. J. 234 (Pygmalion). 

Rückert Fr. 204. 384. 612. 641. 661. 
683. 695 Anmerkung. 697. 

Nuge Arn. 376. 


344 


Saar Ferd. von 217. 651. 

Sachs Hans 210. 231 Anmerkung. 301. 
393. 431. 432. 650. 643. 822, 

Sachſen Weimar: Karl Augujt 159 — 
160 : rief an Goethen 234 f. 249. 
256 ılonitod:. 255 ff. «iiber die 
„Vögel“n. 388. 395. 517. 640. 

Sackmann Jak. 641. 

Sandrub Yay. 225. 

Zaraitı Jak. 439 650. 

Zauter Ferd. 647. 

Schact A. F. Graf von 412. 

Schauenburg 9. 602. 

Schaumberger Dem 6m. 

Schede, Paulus Meeliſſus 683. 

Scheffel Joſ. V. von 646. 

Schelling F. W. J. von 609 f. 613. 
617. 

Schent E. von 534. 

Scherenberg E. 219. 

Scherer Wilh. 376. 

Schichſalsdrama 2605. 


Schikaneder vn. 172 ij. 325. 


Sſchiller Ar. von. 
341: 545 Briefwechſel mit W. don 


Humboldt Yaremanı . 348-3140 Be. 
ziehungen zu Eriurt Pich 351555 
Einiluß auf Th. Normer. 355 Ver 
hältuis zu H. von Miet ASS Vrief 


—⸗ 


wedrel nut Huber. 640 Brief au 
GBoethe. 659 Brief 5. Juli 17934. — 


2. xX3f. 37 90 Emituß auf Immer 
manns „Traueripiel in Tiro,“. 162 
iiber Tieds „Wenodefa”. 201 Revo— 
lunon. 202. 2050 20T. 212 in Lauch 
Nude 1803. 218. 219. 245 NMonnueaus 
„Pygnuialion“. 277 279. 511 8 Be 
ziehnungen zu J. J. Eugel. 357-556 
Vitteratur 1898, 1890, 542 Jetta 
plan 1792. 313 dichteriſche Indiwvi 
dualitat 347 Tod. 545,650 Wetltrich. 
348 au Talbera. 550 Unſierblichteits 
glanube 550 Mrititer. 389 in Gohlis. 
>90, . 121 Beziebungen zu Mann 
win. 139 Phi!gioplhie, Vuienalma 
made. 600 Vergilſtudien. 759, 761, 
762O Grabbe. Tun Komm Ferd. Mever. 
"22 als Juriit. 821. 827. 


Med:chte. 
HN. RD, 821 
arg zum Goenbammer 51n 
regung Nents 
late 218. 220, 384. 22%, 


Inn Nun, 


At: 


Regiiter. 


Schiller. 
Siegesfeſt 822. 
Xenien 278. 


Dramen. 

337--341 Kettner. Schillers Plan— 
verzeichnis 339, vgl. 65. 430. 

Braut von Meſſina 388. 

Ton Carlos 277 Aufführumg durch 
Engel. 404. 

Fiesto 217. 083. 

Jungirau von Orléans 659. 633. 

Macbeth 887. 

Räuber 217 
340. 592 erite Trude. 
Quellen. 


Talbergs VBearbeitung:. 
127. 660 


Proſa 
Abiall der vereinigten Riederlande 683. 
Geſchichte des 39jährigen Krieges 387. 
Horen 278. 
Naive und ſentimentaliſche Tichtuug 
350 Gaeden 511. 
Shilotopbiiche Briefe 344. 
Sprache 388. 
chiller Friedr. Pathe 346 f. 
chiller Joh. Kaiv. 150 - 153. 666. 
chlagworte 824. 
chlegel A. W. von 58. 310. 312. den. 
>10. 532. 615. 639. 650. 602. 
chlegel Karoline 403 811. 
chlegel Torothea 403. ser. 816. 
chlegel Friedr. 403. 821. 
Schmidt Julian 376. 
Schönauch Chr. O. von sum. 
„Schöne Seele“ 652. 
Schleiermacher F. T. 380. 300. 
Schloſſer J. G. 207. 210. 219. 
Schlözer A. L. 251 fi. 
Schmidt F. Y. 276. 
Schmidtlein Eduard 604 f. 617. 
Schmolckt Ben. 478 
Zibottelins 20%, 
Schramm 612. 
Schreyvogel Joi. 205. 384. 404. 
Schröder  Y. 206, 
Schubart Chr. F. T. 647. 
Schubert G 9. von 6uW. 
Zdhüdıng vLewm 87 Anınerlung 
Schülergeſpräche, ftebe Humanıften. 
Schurz 532. 
Zdhwab (9. 535. 621. 
Schwaben, Yırteraturgeichichte 183 — 
185. Krausı. 185— 186 ı „ziicher: 8237. 


(vlsılsıl@a 


(vll 


Regifter. 


Schwarzer Ernft von 102. 

Sgweizer A. 709. 

Scracz Jac. 386. 

Sedenborf eo Freiherr von 395. 528. 

Seidel (Goethes Schreiber) 6 fi. 

Seidl 3. ©. 206. 

Senn ($feifer) Joh. 6 

Seume %. ©. döl. 

Seyler Abel 274. 

Shaftesbury U. A. C. von 351. 

Shafejpeare W. 163 (Til). 
387. 639. 698. 

dingen Fr. von 431. 

lvius Egranus Wildenauer) 213. 

Simrod Karl 697 

Sirmond Jaques 

Sleidanus 210. 

Sokrates im 18. Jahrhundert 408. 

Soldateufprace 204. 383. 386. 

Sonnleithner Leop. von 326. 

Spanien, Anteil an der deutjchen Litter 
ratur 640. 
Spe Friedr. von 830. 

Spedbader 80. 

Speculum humane salvationis 196. 

Spengler ®or. 212 

Spielhagen Fr. 218. 

Spieß Chn. Heinr. 177 Anmerkung 3. 

Stadt Anna Yonife Germaine von 521. 
640. 762. 

Stägemann F. 4. 410. 

Stein Charlotte von 6. 250. 660. 

Stelzhamer Franz 692. 

Sterne Lawrence 199. 821. 

Steub Ludwig 404. 

Stieglig Heinr. 763. 

Stifter Ad. 205. B 

Stoffe uud Dotivenge fiche: 
Amor und Biyche, Belifar, Dow Jua, 
Eſther, Genovefa, Gral, Andr. Hofer, 
Jacke und Yarito, Kosciusto, Maria, 
Meden, Neidhart mit dem Beilchen, 
Mobert der Teufel, Robinjon, Böfe 
Schwiegermutter 219, Solvates, Tell, 








190. 
























Tobias, Traum, Zrinter, Zeiftan, 
Ballenftein 

Stolberg F. 2. von 654. 

Storm Th. 213. 214. 217. 402. 





Strauß Dav. Fr. 219. 402. 
Sturm Zul. 647. 
Sydom Joſephine von 295. 


Tannengeſellſchaft 432. 
Telfjage 660. 


846 


zT Mariam (SMari 
enger lariam (=Marievon Hrufjoezy) 


Teraffon 172 f. 
Theater Sakınit, Schaufpieker). 


Sam 20 O nmerbung. 645 Mährifge 
Genfur. 

Graz 420. 

Mannheim 220.20 f. 

Nürnberg 210. 

Bien: 072 Oper. 216. 218. 421 

‚Hofburgtheater.421 (Weilen). 654. 

Puppentheater 189— 150. 
Bauberpoffe 172—181. Fauſtdrama 

Arne kufflrungen in Lngamn 200 
rinyi- Au en in Ungarn 

Thümmel A, S. don 284. vos 2 
290. 291. 492. 

Thun Leo Graf von 207. 

Tied 2. 93. 106. 109 f. 162—165 
(Genovefa). 182—188 (Novellen). 216. 
313. 806 ff. 813. 821. 

Tiedge Chr. A. 215. 

Timme Chr. Fr. 349. 

Tituref, jüngerer 198. 

Tobias-Stoff im Drama 778—801. 

Traum, in der Dichtung 219. 

Treitſchke H. von 216. 218. 221. 886. 
413. 658. 

„Zrinters fünf Gründe” 695—699. 

Zriftan und Iſolde 887. 

Zrusta Hel. 208. . 

Zurczo Stan. 209. 


Bberfepungen, Deutfhe in Amerifa 


uegttig 3. von 101. 

Uhland Emilie 627 fi- 

ũhiand Lubw. 202. 204. 214. 220. 888. 
402. 404. 427. 412. 526-541. 621. 
ein, 683. 692. 716-724 („Speer 


mia Joh. 97. 
03 3: -$. 220. 484. 


Barnhagen von Enfe 8. A. 648. 
Barnhagen Rahel von 442. 662. 
Beit David 366 

Billers . von 2; 

a lin or (Shafefpeares 


Bogl N. 4: 
Boat —* Ehhreiber) 6 ff. 





846 Regiſter. 
Voltstied 199. 200. 203. 207. 208. „Räuber“. 484 Anmerbung 1. 522. 


209. 216. 218. 225. 

n2x, 820. 
Volkstümliche Yırder 810. 
Boll Matthäus 326. 327. 
Bolljtätter Konrad 201. 
Voß Joh. 9. 32.4 610. 
Voß He. dev Zobm 310. 
Vulpius Chriſtianne 181. 


334. 656. 


Wagner Chriſt. 214. 
Wagner Joh. Jat. 601. 
Wagner Rich. 618. 649. 662. 
Warblinger W. 623. 
Waldis Vurl. 431. 


Wallenſteindramen 207. 200. Bgl. 


ISBN, 423. 650. 

Walther von der Vogeiweide 201. 

Waſer Paſtor in Zürich 252. 

Weber E. J. 600. 

Weber E. Mr. von 214. 

Weber at. W. 142. 002. 830. 

Weckhherlin Georg R. 48-54. 821. 

Wedekind Ehr. F. —“ Noromandel 
317. 

Weidmann a. 208.550 Anmerktung. 

Weidmann Jöo'ei Dos, 

Weidnmann Paul 26. 326 Anmer 
tung 2. 

Weiöße Chriitan 439 

Weiße Ehr. F. 167 1 656. 

Werßenthurn ar. von 212. 

Welcder rat don 5331. 

Werdum Ulrich von DS. 

Werner Zach. 258. 351. 692 

Werthes Av A. El. 265 

Weſffinger Anten 207. 

Weſlenrieder v. 20T, 

Wezel J. K. 1855. 

Wiekland Ehr ii. 2 180, 173. 174. 
176 Einilus auf Me Wiener Zauber— 
ap. 179. 201 Zirt und Mlirchen . 
218 und tGoethe 25h 430 Yaur. 
Sterne . 267 20, 42. 194. Agathon'. 
zus, 200,527 Nadınc. 348 über Die 


Han, 


685. 


65% (Ungedrudter Yriefl. 665 (Bern). 
691. 708—713 ı Brief an Yavater). 
821. 
Wieland Ludw. 384. 
Wigand P. 79 Anmerlung 3. 
Winckelmann J. J. 237. 391. 
Winnenburg Wilh. von 478 ft. 
Winter Hans (Meifterfinger: 231. 
Wolf Ferdinand 206, 
Wolf Friedr. Aug. 187. 
Mordswortb MW. 201. 
Wörndle Raip. 79 Anmerlung 3. 


Zangeuried Tan. 207. 
Jaubervoſſe jiche Theater. 
Zedlis J. Chr. von 398. 
Zeißberg 9. von 20%. 
Zeitichriften: 
Philologiſche und litterarhiſtoriſche Zen. 
383. 630. x20. 
Afademteichriften und Verwandtes 206. 
642 
Hiſtoriche Provincial- und Yolalzeit- 
jihriften 206. 643. 
Netletrifttiiche und politiſche 213. 647. 
Frauzofiiche 221. 833, 
Paͤdagogik. Schulgeſchichte 387. 824. 
RPhiloſophie 389. 26. 
Theologie 390. 26, 
unit, Veutitgeichichte 391. 
Kibliotheksweſen 341. 827. 
Sotlstunde 303. 828. 
Geſchichte. Geographie. Kulturgeſchichte 
305. 830, 
Schweizeriiche Zeitſchriften 661. »31. 
Zertungsweſen 216. 419. 
Yelter 8. F. 355 
Zeſen Eh. von 433. Gil. 
Jimmermann Rob. von 205. 396. 
Zımmetshäufer ‚griedr. 153. 
Jıngg ‚Lrofeiiors 263. 
ZJınzendorf Re. % Graf von 440. 
659. 664. 677. 832. 
3ichode H. 107. 207. 


R. u. Polkußtrudene Carl ssemme ın Wırn. 














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