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Euphorion
70
Zeitſchrift für Litteraturgefichte
herausgegeben
von
Augufi Sauer
Bierter Sand
Jahrgang 1897.
— —
Teipjig und Wien
k. u. k. Hofbuchdruderei und Derlagshandlung
Bart Fromme
1897.
Alle Rechte vorbebalter.
®. n. E. Heftuteruderei Carl Zromme In dien.
anhalt.
Seite
Fiſchart⸗Studien. Bon Adolf Hauffen. IH. Der Malleus malificarum und
Bodins Demonomanie . . 2 2. 2 2 2 2 2 2 ee 2 2 0 ne... 1. 251
Zenedilt von Watt. Bon Theodor Hampe. . . 2... . a 16
ir Entſtehungsgeſchichte von Leſſings Laokoon. Bon ER . Asus ee. 38
ie Quellen des Julius von Tarent. Bon Friederike Fricke nee 49
liber Goethes Gebrauch abgebogener, vorangehender oder nachtretender Barti-
cipien. Bon Henri Dünker - . . 20000000 55
Ein ee es Motiv in Kleiſts „Prinz von Homburg”. Bon Johannes
iejanrrrrr..... 61
Nicolaus Penaus „Savonarola”. Bon Eduard Caſtle. II. Kompofition. IV. Auf-
nahme und Beurteilung . - - - 2.02 00er 66
Suftav Freytag als Privatdocent. Bon Erich Schmitt . .... 2... 91
Die innere Form. Bon Jakob Minor 3. 205
Stihreim und Dreireim bei Hans Sachs. Bon Zalob Minor. II—V. Mit
Beiträgen von Karl Dreher, Adolf Hauffen, M. 9. Selinet und Karl
Kraus, Albert Feigmann, Franz Munder und M. Radel . .. . . 210
Tobias Fieiſcher. Bon Leonhard Neubaur.... . 262
fririſche, Unterfuhungen zu Goethes Fauft. Bon Zohannes Niejahr.
Altefte Seftalt - © 200 rn. 272
. Das Fragment » . 22 00er en .. 489
Goethes Fauft und Agrippa von Nettesheim. Ban Anton Neidhl . .... 287
Goethe und ar hear Schaufpieler und die Kunft bes Schaufpielers.
Bon C. A. ... 301
Ein Antixenion. —5 von Woldeniar Freiherrn von Biedermann . . . 317
G. NReinbed als Borbild von W. Hauff. Bon Ernft Müller... .... 319
Lenaus Gediht Anna. Mit Benutzung von Reinhold Köhlers Kolleltaneen
von Zohannes Boltte... 323
Zur „Imeren Form“. Bon Rihard M. Meyer... 2.2.2... . 445
du dramatifchen Behandlung der Grifeldisfage. Bon Wolfgang von Wurzbach 447
er blinde Landsknecht-Dichter Jörg Graff und fein Aufenthalt in Nürnberg
(1517— 1542). Bon Theodor Hampe . - - - 2.20 457
Anhang: Auszüge aus den im löniglichen Kreisardhiv Nürnberg
bewahrten Ratsprotokollenn.7 469
Reue Beireäge zur Geſchichte des fünffligigen Jambus. Yon Rudolf Schlöffer.
1. Reimlofe Jamben von 1664 - » - 2 - een 4713
2. Füwens Überfegungen von Boltaires gentahomet“ und „Schthen” . 476
u einer Fabel Billamovs. Bon Daniel Jacoy. . .. 2.220. er. 483
ünther und Bürger. Pon Richard M. Meyer. -. » - 2: 22020. 485
Zu Schillers Demetrius. Von Albert Yeigmann.
I. Die Suellen . . 2 20200. ER 509 x
1. Zur Tertiitit. © 2 oo ren. 528
III. Bemerkungen zu Kettners Einteitung FE 633
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Guphorion
719.
Zeitſchrift für Sitterafurgefchichte
herausgegeben
von
Augufi Sauer
Bierter Sand
Jahrgang 1897.
— — — — — — —
Teipzig und Wien
k. u. k. Hofbuchdruckerei und Derlagshandlung
Bart Jromme
1897.
Alle Rechte vorbebalten.
R. m. t. Oeftutprnderei Carl Zromme In dien.
anhalt.
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Fiſchart⸗Studien. Bon Adolf Hauffen. IN. Der Malleus malificarum und
Bodins Demonomanie . » 2» 2 2 2 2 2 0 2 en 22er. 1. 251
Benedilt von Watt. Bon Theodor Hampe - - . 2: . 16
Le Entftehungsgefchichte von Leſſings Laokoon. Bon R. Anus . ... 38
ie Quellen des Julius von Tarent. Von Friederike rike 49
über Goethes Gebrauch abgebogener, vorangehender oder nachtretender Parti⸗
cipien. Bon Heinrich Duͤntze.. 3. b5
Ein Livianifhes Motiv in Kleifts „Prinz von Homburg”. Bon Johannes
Nil 2 2 ern. 61
Nicolaus Lenaus „Savonarola”. Bon Eduard Caſtle. III. Kompofition. IV. Auf:
nahme und Beurteilung . - - 2 2 00er 66
Guſtav Freytag als Privatdocent. Bon Eid Schmitt . ........ 91
Die innere Form. Bon Jalob Minor . .. 3 205
Stihreim und Dreireim bei Hans Sachs. Bon Jakob Minor. II-V. Mit
Beiträgen von Karl Drefcher, Adolf Hauffen, M. H. Zellinef und Karl
Kraus, Albert Leitzmann, gran Munder und M. Rahel . .. . . 210
Tobias Heifcher. Bon Leonhard Neubaur . . 2 2 220 2er 262
Kritiſche Interfuchungen zu Goethes Fauft. Bon Johannes Niejahr.
Ältefte Geftalt - 2220. 272
II. Das Fragment 2. 200er .. 489
Soethes Yauft und Agrippa von Nettesheim. Bon Anton Ridhl - . 2... 287
Goethe und Diderot: Lieber Schaufpieler und die Kunft des Schaufpielers.
Bon C. A. Eggert... 220er rer 301
Ein Antirenion. Atitgeteift von Woldemar Treiheren von Biedermann . . . 8317
G. Reinbed als Borbild von W. Hauff. Bon Emft Müller... .... 319
Lenaus Gediht Anna. Mit Benukung von Reinhold Köhlers Kolleftaneen
von Johannes Bolt. 328
„Inneren Form“. Bon Richard M. Meyer........ 446
En dramatiichen Behandlung der Grijeldisfage. Bon Wolfgang von Wurzbach 447
er blinde Landsknecht-Dichter Jörg Graff und fein Aufenthalt in Nitrnberg
(1517—1542). Bon Theodor Hampe . . » - 2.0 nenne 457
Anhang: Auszüge aus den im königlichen Kreisardhiv Nürnberg
bewahrten atsprotofollen rennen 469
Neue Beiträge zur Geſchichte des fünffüßigen Jambus. Yon Rudolf Schlöffer.
1. Reimlofe yamben von 1664 - 22 2er 473
2. Löwens überſetzungen von Boltaires „Mahomet” und „Schthen“ . 476
ner Fabel Billamovs. Bon Daniel Jacohh.. 483
ner und Bürger. Bon Richard M. Meyer... 485
Zu Schillers Temetrius. Yon Albert Leitzmann.
I. Die Cucllen . . . 2. 2220. rennen 509 x
U. Zur Textkritit.. ne 528
III. Bemerkungen zu Kettners Einfeitung EEE 633
IV Inhalt.
Seite
Ju Heinrich von Kleiſt. Bon Georg Minde Pouet.
J. Kleiſts Dienſtzettt.. . 537
li. Mord aus fibe » 2 2 2 20 nen rennen. 539
III. Zur Marquiſe von © .... 2 2 2 2 2 nennen 542
Zu Goethes „Neugriechifch-epirotiichen Heldenliedern“. Bon Robert F. Armold 545
Ueber die Briefe der Julie von Bondeli an Sophie von Ya Rodje. Bon Robert
Haffencamıp . 200. nenne. 579
Widerſprüche in Kunftdichtungen und höhere Kritil an fih. Bon Dar Hermann
Zellinet und Sarl Krauß... 22 2er ne. 691
Einige Bemerkungen zur Methode der Yitteraturgefchichte. Mit befonderer ve
rüdfichtigung der „Pentheſilea“. Bon Hubert Noetteten . . . . 718
Erwiderung. Bon Johannes Nicjaht - - - » > 22 0 . 755
Die Didtung vom Bruder Raufh. Bon Heinrich Anz - 2 2 200.0. 756
Naht -» 22. ..... 769
Johann Huttich (1487 - 1544). Mitteilung von F. W. €. Roth. . 112
Niederländifche Theaterauffliprungen in Altona 1684. Bon Arthur Nichter . 789
u Goethes Liederbuch „Annette“. Bon Albert Yeiltinanın - » 2 22 00. 794
I. Entftebung, Chronologie, Lesarten. 2020. .. 795
II. Ausfändifhe Quellen. . » 2 0 2 2 2 2 2 en. 0... 800
III. Beziehungen zu Zciebeler, Zachariae, Gerfienberg . . 2... 801
Claurens Einfluß auf Hauff. Bon Günther Koch4. 804
Miscelen.
Ju Schillers Anthologie. Bon Rudolf Krauß . - » 2 2.2... ..... |
Zu Amim. Bon Montague Jacob . » . 2220020. 00.0. 10
in Spottlied auf die Salviniften. Bon Theodor Titel . . . .. .» ... 102
Amor und Tod. Bon J. Minor... 2. 2220er. ... 333
Y3u Zofmanndialbau "Bon % Minor . ». 2 2 2 22er 337
Schiller und Egmonds letztes Zchreiben an Philipp. Bon Theodor Diftel. . 337
Zur Geſchichte der Tellſage. ... Ban
Fidibns. Runda. Bon M. Rubenſohhnn. 2200. ... Bin
Nachträge zu J. 9. Zimmermann. Bon Rudolf Iſche..... . 550
Ju Goethes Mignon. Bon Richard Maria Werner . . . . . rer. 58
Ein Heineſches Plagiat. Bon Anton Englert.. . 568
Miscellanea zu Goethe und Hackert. Mitgeteilt von Heinrich Stimde . . . #12
Kecenfiouen nund Referate.
Wiit Einfchluß der in der Wibliographie befprocdhenen Werte.)
Altentriiger, ‚griedrih Nicolais Fugendfchriften ı Richard Rofenbaum) . . 34%
Angelus Silefius, Cherubiniſcher Wandersmann. derandgegeben von
Weorg Ellinger (Karl Cl) . 2 220.0. . ne. 112
Arnold R. F., Karl Jmmermanı.. - 222 002er 201
Bäck, Spinozas erfte Einwirfungen auf Deutfchland (Hugo Bpiter). . . . 827
Bahlmann, Die Jeſuitendramen der niederrheiniichen Irdensprovin . . 180
Bartels, Tie deutiche Tichtung der Gegenwart. >» 2.000. 605
Bauer, Tiroler Nriegslieder aus den Jabren 1796 und 1797. 2. 2 2 0. 605
Baumgartner, Seichichte der Weltlitteragur. 1. zieferung een e. 603
Berger, Die Entwicklung von Zchillers Afthetit (Hugo Zpiter) . . . 114
Vernays, Zchriften zur Kritik und Yitteraturgefchichte. Erſter Land. (Alben
[ 1) | To EEE . 56H
Inhalt.
Bienemannu-Freiburg, Dorpater Süngerbünde 1812—1816 . . . . . .
Bod, Aus einer Heinen Univerfitätsftadt - - - > 20 2 rn en
Briefwedjel des Minifters und Burggrafen von Dlarienburg Th. von Schön
mit Berk und Droyjen. Herausgegeben von Rühl (D. Weber) .
Brugier, Abriß der Geſchichte der deutjchen Nationallitteratur . -. » » . .
Chamiſſo, Yortunati Glüdjädel und Wunſchhütlein. Herausgegeben v von
Loßmann (Ostar F. Walzel ..
Collin, Goethes Fauſt in seiner, Meften Geſtalt (Fohannes Niejahr) .
Devrient, Jodemn Friedrich Schönemann und feine- Schaufpiglergefellichaft
(Rudolf Schlöffer) - - 2: 20 rn
Duhr, Die Studienordnung der Gejellihaft eu - » 222 00.
Dünger, Karl Auguft und Ottolar Lorenz (Eugen Gu glia) nen
Ehrlich, Goethe und Schiller, ihr Leben und ihre Bere. 1 Yieferung . .
Ellinger, Friedrich Nicolais Briefe über den itigen Zuſtand ber ihönen
Wiſſenſchaften (Richard Rofenbaum) - 2 2 20er
Elfter, Prinzipien der Litteraturgejchichte. Band I (Richard M. Meyer)
Ernft, Neue Beiträge zu Yeinrich Leutholds Dichterporträt -. - 2 2...
arinelli, Grillparzer und Raimund . 2. 2 2 0 0 2 ren.
äßler, Drei [14111 DE
rande, Social forces in German Literature (R. M. Meyer)... . .
rieblaender, Gedichte von Goethe in Kompofitionen feiner Beitgenofien .
rig, Der Spieler im deutſchen Drama des 18. Jahrhunderts . .. .
Gebhardt, Wilhelm von Humboldt als Staatsmann (E. Gugliah . . . .
@eibel, Gedichte. Aus dem Nadl .- - ». 222. een
Geyer, Chrifioph ri Kt V.einrich Funch...........
Gloſſy, Schubert-Ausſtellung.. rn.
Bocbett, Grundriß zur Nidigi⸗ der deutſchen Dichtung. 2. Auflage,
Mer.
Bocthes Briefe. Band 19—21 ren.
Goethes Er mit Antonie Brentano, herausgegeben von ung (Ostar
. Wale) 202 nee
Grimm , Beiträge zur deutſchen Kulturgeſchichtee oo. 000
Gundla ” Stafienifehe Lyrik feit der Mitte des 13. Jahrhunderts bis auf
die Segenwart en
aberlandt, Katalog des Mufeums für öfterreichifche Volkskunde in Wien
ahn, Zeſchicht⸗ der poetiſchen Litteratur der Deutſchen. 13. Auflage . . .
artmann, Deutſche Meifterlieder-Handjchriften in Ungarn (Karl Dreiihen
auffen, Einführung in die deutjch-böhmifche Boltstunde (Selbftanzeige) .
aug, Aus dem Lavaterſchen Kreije II Heinrich Funch nen
Heigel, Geſchichtliche Bilder und Shin . .» 2.2: 20er.
Hodermann, Geſchichte des Gothaif, en Hoftheaters 1775— 1779 (Rudolf
ü
ölderlins geſammelte Dichtungen, herausgegeben von Litzmann—
mmermann. Eine echter zum 100. Geburtstage des Dichters.
Mit Beiträgen von R. Fellner, 3. Gefften, O. H. Geffken, R. M.
Meyer, F. Schulteß.. rn.
Jaden, Theodor Körner und feine "Braut (Reinhold Steig) 9 nen .
ne — Die humaniſtiſche Geſchichtſchreibung in Deutſchland . . .
och fiehe 3
Kraus, Soethe in Böhmen (Koh. Krejci). .
Kreiti, Ueber die Einheitlichteit von Goethes Fauſt Gy. Spina) . . .. .
Krumbad und Sieber, Geſchichte und Kritik der deutjchen Schulleſebücher
(F. Ullſpergerr....
— Werke. Herausgegeben von V. Schweiger . . 2 2.2.2.0.
802
663
669
597
VI Inhalt.
GSeite
Yanbe, Vollstümliche Überlieferungen aus Teplitz und Umgebung. . . . 190
Yınz, Friedrich der Große und Boltare . ». 2 ee... 629
Yoebell, Der Anti-Neder J. H. Merds und der Minifter Fr. K. von Mofer 197
vothar, Kritiſche Studien zur Piychologie der Pitteratut . 2 2 2 2 20. 602
Lyon, %. N. Eberhard! fynonymijches Handwörterbuch der deutichen Spradıe.
15. Auflage » ©: 0 en Le. . . 6859
Margelit, Ausgewählte Gedichte (Robert . Arnold) ern. 828
Matuszewäti, Das Zaubermwejen und der Mediumismus (Witold Varewicz) 379
Meyer Thr., ſterreich und die Aufllärung des 18. Jahrhunderts . . . . 181
Meyer Chr., Ausgewählte Zelbftbiographien aus dem 15. bis 18. Jahr:
hundert 2 02 rn 628
Minde-Pouet, Heinrih von Kleift. Seine Sprache und fein Stil (TC. F.
Vale) 200 680
Mogk, Kelten und Nordgermanen - ©. 2 2 00er een. 190
Murko, Deutihe Einflüffe auf die Anfange der ſlaviſchen Romantik. 1.
(Johann Nreiäi) ... ..... 607
Müller G. A., Aus Lavaters rieftaſche .. ren. 671
Muth R. von, Teutihe Tichtung in Öfterreidh . ern . 182
Naumann, Rom ım vVieddd.. . 182
Neuberin, Kin deutiches Vorſpiel, herausgegeben von A. Richter ı Zelbft-
(1 } A: TE 672
Pebet, Johann Peter U.. 198
Pommer, Wegweifer durch die Yitteratur des deutichen Bollsliedes . . . . 654
Bommer, Über das älpleriſche Volkslideee.. 654
Bortig, Schiller ın ſeinem Verhältnis zur Freundſchaft und Yiebe (Emil
Ds DU (4 1) es 35.3
Raffalovich, Uranisıne et unisexualit&E - 2 2: 2: Ce mr ren 182
Reihl, Tie Symmetrie im Aufbau von Bürgers Balladen und Romanzen 194
Riddersboff, Zophie von Ya Node (Robert Haflencamp) . . . 2.2... 677
Rohde, Friedrich Creuzer und Naroline von Günderode (Reinhold Zteig) . 358
Schiemann, Heinrich von Treitichles Lehr und „anberiahre (Ettocar Weber) 594
Schillers Briefe, bevausgegeben von Ronas. 7. Bald .. 2.2 200. 67:
Schillers Temetrius, herausgegeben von Nettner (Albert Yeitmann) . 509
Zipper, Grundriß der engliihen Mettlt - 2:2 20000. 600
hıne Julian, Sefchichte der deutichen Yitteratur. 5. Yand (R. M. Meyer) 563
öchtner fiche Teuber.
Schönbach, Über Leſen und Bildung. 5. Auflage - ©» 20er. 624
Schubart M., Francois de Theas Comte de Thorance Goethes Königs-
lientenant .... 664
Schwering, Zur Befchichte des niederländifchen und fpaniichen Tramas in
Deutſchland (Rudolf Shlöfler) » > 22 2 oe ren 219
Sieber fiche Krumbad).
Ziede E., Uber die Yedeutung der Grimmſchen Märchen. . . . 655
Stelzhamers mundartlihe Dichtungen. Yearbeitet von R. Hanrieder und
G. Weinenböd > 222 686
Stern, Tas deutiche Epos des 17. Rahrhundert® . . 2 2 2000. 193
Stiefel, Hans Sachs Forſchungen (Karl Dreſcheryy.. . 107
Tarnomsti, Über Schiller Tramen (Witold Yarewict) - » - - 2... 383
Zeuber und Schöchtner, Unſer Raiferlied. - - 2 2 . . 616
Tropf ,Flemings Verhältnis zur römischen Tichtung (%. Amelmann) . 676
Ihland, Poems, selected and edited by W. T. Hewelt ....... 687
Rogt und Koch, Geſchichte der deutichen Yitteratur. 1.—9. Heft. - 604
Waiblingers Bedichte aus talien, herausgegeben von Griſebach (Abo
Bau) ren. 0.0. 378
Anhalt.
Weber, Geiftlihes Schaufpiel und kirchliche Kunft (Hans Lambeh
Wiener Beiträge Bun engliſchen Philologie .
Winteler, über Bollslied und Mundart . .
Wolff E., Geſchichte der deutſchen Litteratur in der Gegenwart R. ni Denen)
Buladinopic, rior in Deutſchland (Ludwig Wypleh
Wilder, Geſchichte der engliſchen Litteratur . .
Würth, Das Wortipiel bei S Shatipere .
arnde, Boetheigriften ..
immermann, F. W gachariae in Braimſchweig (Richard Rofenbaum) .
ipper, Zacharia⸗ Werner und die Familien Grocholski und Cholomewsti
Schriften zum Hans Sachs-Jubiläum IN. Schluß. (Karl Dreicher) .
Bericht über neuere litterarhiftorifche Arbeiten in polniſcher Sprache (Witold
Barewicz)
Bericht über die während der Jahre 18951896 in aimerita veröffentfichten
Aufſätze iiber deutjche Fitteratur (Mar Poll) .
Litteraturbericht aus Tirol 1. (S. M. Prem) .
Bibliographie. Mit Unterftügung von Johannes Bolte, Heinrich und,
Eugen Guglia, Adolf geuffen, Julius Jung, Johann Krejei, Albert
Leigmann, R. M. Meder Richard Roſen aum, Nicolaus Scheidt,
C. Senil, Franz Spina 'R. von Waldberg, Oscar F. Walzel, Ottocar
Weber und R. Willy bearbeitet von Auguſt Sauer.
Zithriften .. 0020... 148.
en . . 178.
Ragriäten . . 203. 437. 687.
Geſellſchaft für dentſche Litteratur (R. Roſenbaum) .. .203. 436.
Aekrologe.
J. W. Appell. Bon Jete Baechtold
Jacob Bernays (Albert Köfer) . .
Ludwig ge (Ferdinand Better). .
Sophie Großberzogin von Sachſen, geftorben am 28. März 1897 .
Erflärungen. . 2.2. 2 2 one
Berichtigungennn.. 4147. 689.
Regiſter (Franz Spina)
Zu dieſem Bande erſchien ein
Ergänzungsheft.
(In der Reihe der Ergänzungshefte das dritte.)
Suhalt.
Briefe und Gedichte aus dem Kreije ber fruchtbringenden Geſellſchaft. Mit⸗
geteilt von Anton Chrouft .
Aus dem Briefwechjel Sigmund von Birfens und "Georg Reumarts 1656
bis 1669. Mitgeteilt von C. A. H. Burkhardt . .
vi
Seite
103
599
655
145
338
179
699
665
673
687
107
379
387
601
392
603
829
688
437
830
441
439
833
834
VIII
Inhalt.
Roetiſche Staatsunterredung. Mitgeteilt von Mar Rubenfohn .
Mitteilungen aus Wielands Jünglingsalter. Yon Bernhard Seufferi. Die
Anbahnung mit Bodmer. Taterung | der r den. ungedrucke Ztüde
aus der Züricher Zeit
Nachlefe zu Yürger.
l. Bon Carl Zchitddelopf .
A. Yürger an Boie . . .
e Vriefe an Fieterih 1-- IN.
Ariefe an Verſchiedene
1. Son Narl Nutzhorn . . .
I Ein Brief Pürgers an Spriederife Mackenthun in Hannover
2. Sechs Briefe Bürgers an TFriederite Mackenthun.
. Ein Brief Bürgers an feine Tochter Marianne
i Glückwunſch Bürgers zum elften (Geburtstage feiner Tochter
Neue Beiträge zur Charakteriſtik Yavaters und Jung Stilinge. Von 2 M.
Prem
Friederike Marianne, 16. März 1789
Sieben mgedrucktte Briefe Jean Pauls. Mitgeteili von Paul Nerrlich
Ariefe von und über Ibland. Mitgeteilt von Rudolf Krauß
Chriſtoph Nuffners Selpräche mit Aeethoven. Nach dein Triginaimanuftripte
mitgeteilt von Alfr. Chr. Nalifcher .
Briefe Gublows an eo Pilchner und deifen Drau Dirgeritt von Sharleb
Andler . . .
Sur Entftehungsgeichichte der „Amtarantb“.
. Eın Brief von Oscar von Redwitz an Guſtav Schwab. Mitgeteilt
II. Drei Briefe von Redwiß
Findlinge.
I. Ein Brief 2
von Otto Gmelin.
Ernſt.
on Schwab. Mitgeteilt von Adolf Wilheim
elands an W. D. Zulzer. Mitgeteilt von Richard
Ratka, mit Anmerkungen verfeben von Bernhard Zeuffert
Il. Ein Ariel velings an Yichtenberg. Diitgeteilt von Albert Yeipmann
II. Ein ungedrudter Brief Schillers. Mitgeteilt von Wilhelm Yang
IV. Ein Brief von Ludwig Tied aus Xena vom 6. Tezember 1799.
Mitgeteilt von Gotthold Niee .
V. Kari Schurz an Guſtav Schwab. Mitgeteilt von Otto Smelin . .
VI. Ein Lrief Grillparzers. Aus der Ztriftsbibliothet von Heiligenkreuz
Miscelle.
mitgeteilt von Fr. Tezelin Haluſa ©. Cist.,
verieben von Auguft Zauer
Son Emil Dorner
mit Anmerlungen
Seite
655
63
101
102
103
121
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203
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209
211
216
217
219
Fifhart-Studien,
Bon Adolf Hauffen in Prag.')
III.
Der Malleus maleficarum und Bodins Demonomanie.
Uber den Anteil Fiſcharts an der Herenlitteratur der Zeit jind
jeine Biographen in der Regel mit wenigen Worten hinweggegangen.
Es ijt auch die unerquidlichite Seite feiner jchriftjtelleriichen Thätig—
feit und außerdem in der That nur eine verhältnismäßig unwichtige,
durch äußere Umftände bedingte Epifode darin, fo daß man in großen
Zügen ein volljtändiges Bild feines Wirkens zeichnen Tann, ‚ohne
diejem Gegenjtande eine eingehende Aufmerkſamkeit zu widmen. liber-
jehen darf man es freilic” nicht. Auch feine Xobredner und Ver—
teidiger werden nicht leugnen können, daß Yilchart gleich vielen
hervorragenden Zeitgenofjen eine der entjeglichjten und unjinnigjten
Verirrungen der Menfchheit, den Herenwahn, völlig geteilt und mit
llbereifer öffentlich vertreten hat. Doc, nicht ihm, feiner ganzen an
Widerjprücen, Seltjamfeiten und Schäden fo reichen Mitwelt fällt
diefe Schuld zur Lajt.
Beſſon Hat in feiner auf guter Sadjfenntnis beruhenden und
anregend gejchriebenen Etude sur Jean Fischart 1889 (©. 241 bis
246) zuerjt den betreffenden Publikationen Filcharts ein bejonderes
Kapitel gewidmet und hier Fiſchart möglichjt entlaftet mit, dein Hin-
weis, daß diefer die Neuausgabe des Malleus und die Uberſetzung
der Demonomanie unternommen habe, um fid) einem hohen Gönner
zu einer Beamtenftelle zu empfehlen. Auch meint Beljon, daß man
gar nicht willen fönne, wie weit Fiſchart die Anfichten Bodins ge-
teilt habe; aus Heinen Zufäßen und Randbemerfungen gehe viel:
1) Bgl. Euphorion 3, 363 ff., 705 fi.
Euphborion IV. |
2 A. Hauffen, Fiihart-Stubdien.
mehr hervor, daß er wenigitens nicht an alle Ausführungen des
Originals geglaubt habe. Einen entgegengejegten Standpunkt nimmt
Janſſen ein, indem er, in der „Geſchichte des deutichen Volkes jeit
dem Ausgange des Weittelalters“, den eben erwähnten Schriften
einen ımverhältnismäßig großen Raum widnend, alle Verantwor—
tung auf Fiſcharts Schultern lädt. In diefem vielgelejenen und
bewunderten, dod) aud) vielgeichhmähten Werfe, aus dem man gerade
jeines bejondern Standpunkts wegen jo viel Neues lerit, zeigt fich
das Parteiiſche der Taritellung wenigitens in den litterargeichidht:
lichen Abjchnitten) hauptjächlich in der ungerechten Raumvertheilung
und im Nerjchweigen wichtiger Erjcheinungen. Nicdyt jene litterarifchen
Erzeugnifje, die ihrer innern Bedeutung und ihrer geichichtlichen
Wirkung wegen die größte Beachtung verdienen, jondern jene, die
zur tendenziöfen Nerwertung die beite Gelegenheit bieten, werden
von Janſſen am breiteften behandelt. Ties zeigt jich deutlich in der
SJeidnung von Fiſcharts ſchriftſtelleriſcher Wirkfamfeit.!, Zein
hervorragendjtes Werk, die Gejchichtklitterung, it auf 1", Seiten
abgethan, ſeine erfreulichjten Tichtungen, wie das glückhaft Schiff,
and das Ehezuchtbiichlein werden gar nicht erwähnt, jeine unfympathi
ſcheſten und im Zuſammenhange feines ganzen Wirkens nebenjächlichen
Schriften hingegen werden ausführlich erörtert; ſo wird die niedrige
„Wunderzeitung von der ſchwangeren Jüdin“ zweimal mit größern
Proben vorgeführt,““ dem „Bienenkorb“ ein eigenes Kapitel,’ den
Schriften zum Hexenweſen zwei Abjchnitte von zufammen 9 Zeiten
gewidmet.*:
Ta die letzt erwähnten Schriften Fiſcharts von Janſſen nicht
mit den Originalen verglichen worden find, da and) jonjt auf diejem
(Bebiete manche Frage namentlich bibliographiicher Natur) ungelöſt
geblieben ift, vertuche ich es im nachjtehenden, Fiſcharts Anteil an
der Derenlitteratur zujfammenhängend und möglichſt abichliegend zu
behandeln.
Die Gejchichte der Herenverfolgungen und der mit ihr in Ver:
bindung stehenden überreichen Entwicklung der Derenlitteratur im 15.
und 16. Nahrbundert ift aus verichiedenen zuſammenfaſſenden Dar:
jtellungen befannt.dı Ter aus dem heidniichen Dämonenglauben er-
wachfene Hexenwahn murde tim chriftlichen Deittelalter mit der Lehre
1) 6, 240-252; 5, 335 ff, 370 ff, 507 fi.
2 6, 511 und 6, 243 f.
9) 5, 335 — 341.
1) 6, 246 - 252 und 8, 641 fl
5; Zoldan Heppe, Geſchichte der Herenprozeiie. 2 Bände 1880. — Janſſen,
0.a.x.8, 494-604.
A. Hauffen, Fifhart-Studien. 3
vom Teufel in Beziehung gebracht und immer üppiger ausgejtaltet.
Dod hören wir bis ins 13. Jahrhundert nichts von Herenverfol-
gungen. Der Sachſenſpiegel (1230) ſetzt für Zauberer die Todesſtrafe
ſeſt und in der gleichen Zeit beginnen die päpſtlichen Inquiſitoren
auch Hexen vor das Ketzergericht zu fordern. Eigentliche Hexen—
verbrennungen vor weltlichen Richtern ſind in Deutſchland und der
Schweiz erſt für das 15. Jahrhundert nachgewieſen. Die Bulle
Summis desiderantes vom 5. Dezember 1484, in der Papſt Inno—
cenz VII. das Hexenweſen als Kegerei und Teufelswert bezeichnet,
jeine in Deutichland wirkenden Inquiſitoren, die Dominikaner Heinric)
Inſtitoris (Krämer) und Jakob Sprenger zu unerbittlichem Bor-
gehen gegen die Heren, jowie den Bilchof von Straßburg zur nad):
drüdlichen Förderung der genannten Kegerrichter auffordert, hat nicht
was oft fäljchlich angenommen wurde) die Hexenprozeſſe in Deutid)-
fand erjt veranlaßt, doch jedenfalls die bereitS in Gang befindliche
Bewegung mächtig gefördert. Unfägliches Unheil aber veranlagten
die beiden Inquiſitoren dadurch, daß fie nicht nur ſelbſt in ver-
ſchiedenen Zeilen Deutichlands zahllofe Frauen dem Feuertode über-
antworteten, jondern daß fie 1486 auch ein eigenes Werf, den
Herenhammer, abfaßten, um die Richter in dem angeblichen Wefen
der Hererei und in dem graufamften Verfahren gegen die Heren zu
unterrichten. Diejes Werk erjchien zuerjt in Köln 1489 unter dem
Titel: Malleus maleficarum in tres partes divisus, in quibus
eoncurrentia ad maleficia, maleficiorum effectus, remedia ad-
versus maleficia et modus denique procedendi ac puniendi
maleficos abunde continetur, und erlebte bis 1520 mehrere Auf-
lagen raſch hintereinander.')
Den Bauptanteil an der Abfaffung hat Heinrich Inſtitoris,
der für den Malleus die Aften des von ihm geleiteten Innsbrucker
Herenprozeffes von 1485 mit Erweiterungen und Anderungen ver—
mwendete.?, Auch im übrigen haben die Verfaſſer die Ergebniffe ihrer
eigenen blutrünftigen Thätigfeit in das Werf aufgenommen, die Be-
fenntnifje der von ihnen gefolterten Hexen, allgemein verbreitete Sagen
') Ich kenne folgende an der Prager Univerfitäts-Bibliothek befindliche Aus-
gaben, die untereinander im Tert völlı 4 gleich find und alle den Titel Malleus
maleficarum führen: 1. Nitnberg 1496 (MCCCGCXCVI per Antlonium Koberger
Nurebergen civem est impressus): 2. Köln 1511 (Impressum Colonie per me
Henricum de Mussia Anno MCCCCCXI); 3. Nürnberg 1519 (Nurenbergae in
officina Frederici Peypus); 4. #öfn 1520 (Anno XX Coloniae excudebat
Joannes Gymnicus). Soldan-Heppe (a. a. O. 2, ©. 276, Anm.) nennt nod)
folgende Drude: Köln und Nürnberg 1494, Köln 1496. Über die Ausgaben nad)
— 2* vgl. die Fortſetzung dieſes Aufſatzes.
2) Vgl. Ammann in der Zeitſchrift des Ferdinandeums. 3. Folge, Heft 34,
S. 1—87.
1*
IV Inhalt.
Seite
Zu Heinrich von Kleiſt. Bon Georg Miinde Pouet.
J. Kleiſts Dienſtzett. . 537
II. Mord aus Liehbhbdddee. rn 0.0. 839
I. Zur Dearauife von Ö.... 2 oe 0 or rn 542
Yu Goethes „Neugriedifch-epirotiichen Heldenliedern“. Bon Robert 5. Arnold 5645
Ueber die wich der Julie von Bondeli an Sophie von Ya Roche. Bon Robert
flencamp
idee in in Kunftdichtungen und höhere Kritik an fih. Bon Dar Herinann
Zellinet und Karl Kraus... .re 691
Einige Bemerkungen zur Methode der itteraturgefchichte. Mit befonderer Be-
rüdfichtigung der „Benthefilea”. Bon Hubert Roettelen - . . . . . 718
Erwiderung. Bon Johannes Nielahr . © © 2 2 20 ern 755
Die Dichtung vom Bruder Rausch. Bon Heinrich An - 22 2 20 0.2. 756
A nn. .... . 769
Johann Yurtich (1487— 1544). Mitteilung von F. W. E. Roth... . . . 77
Niederländifche Theateraufführungen in Altona 1684. Bon Arthur Richter . 789
Ju Goethes Liederbuch „Annette“. Bon Albert Yeitnanın - . 2 2 202% 798
Entftehung, Ihronologie, Pesarten 2» 2 2 2 2 ren. .. 79
II. Ausfändifche Quellen. . 2 2 02 0 ern. 2... 800
III. Beziehungen zu Zchiebeler, Jachariae, Beritenberg een. 801
Klaurens Einfluß auf Haufi. Bon Hünther Koh . . en e. 804
Miscehen.
su Schillers Anthologie. Bon Rudolf Krauß . - 2 2200. ... 9
Zu Arnim. Bon Montague Jacob. 8 .... 100
Ein Spottlied auf die Salviniften. Bon Theodor Eifel -. . .... ... 12
Amor und Tod. Bon J. Minor. . . 2 2 ren ... 33
gi offmannswaldau. "Bon %. Minor . . 2 2 2 022er 337
dhiller und Egmonde lettes Zchreiben an Philipp. Bon Theodor Diftel . . 337
Zur Geichichte der Tellſagg.. . BAN
Fidibus. Runda. Bon M. Rubenfohn - - -». 2: 2 222220. ... 548
Nachträge zu J. 9. Zimmermann. Bon Rudolf Jiherr . . . 2... . 550
a Goethes Mignon. Bon Ridard Maria Werner . . . 2. 2200. . 558
n Heineſches Plagiat. Von Anton Englert.. nen . 558
Misccllanea zu Goethe und Hadert. Mitgeteilt von Heinrich Stimde . . . 812
Recenfonen und Referate.
Mut Einſchluß der in der Wibliograpbie beſprochenen Werke.)
Altenkrüger, Friedrich Nicolais Jugendſchriften (Richard Rofenbaum) . . 349
Angelus Sileſius, Cherubiniſcher Wandersmann. Herausgegeben von
Georg Ellinger (karl IM) 2. 2 222m nen 112
Arnold R. F., Karl Jmmermanı. . . 2». 220er 201
Bäck, Spinozas erfte Einwirkungen auf Deutichland (Hugo Spiger). . . . 827
Bablmann, Lie Jeſuitendramen der niederrheiniihen C tbenöprovin; . . 180
Bartels, Tie deu he Dichtung der begenwartt. -» 220000. 605
Bauer, Tiroler Nriegslieder aus den Jabren 1796 und 17897 . 2. 2.20%. 605
Baumgartner, Geſchichte der Weltliteratur. 1. tieferung ER 603
Berger, Die Eutwicklung von Schillers Afthetit (Hugo piber) . 114
Vernays, Schriften zur Kritik und Yitteraturgeichichte. Erfter Wand. (Aber
nöfter: . . bin
Anhalt.
Bienemann- Freiburg, Dorpater Sängerbünde 1812—1816 . . .. . .
Bod, Aus einer Heinen Unwerfitätsftadt - - - 222 en nn.
Briefw echjel des Miniſters und Burggrafen von Dlarienburg Th. von Schön
mit Bert und Droyfen. Herausgegeben von Rühl (DO. Weber) . . .
Brugier, Abriß der Gefchichte der deutjchen Nationallitteratur. . » » . .
Chamiffo, Fortunati Glüdjädel und Wunſchhütlein. Herausgegeben v bon
Kopmann (Oskar F. Walel) . 52.
Collin, Goethes Fauft in feiner Heften Geſtalt (Johannes Niejahr) .
Devrient, Johann Friedrich Schönemann und jeine- Schaufpielergejellichaft
(Rudolf Schiffer). - - - - 2000er.
Duhr, Die Studienordnung der Gejellfchaft Fefu - » «2 2200
Dünger, Karl Auguft und Ottokar Lorenz (Eugen Suglia) rn
Ehrlich, Goethe und Schiller, ihr Leben und ihre Werte. 1 Yieferung . .
Ellinger, Friedrich Nicolais Briefe Über den itzigen Zuſtand der ſchönen
Wiſſenſchaften (Richard Rojenbaum) . . . - ».-.. 0...
Elfter, Prinzipien der Litteraturgejchichte. Band I (Richard M. Meyer)
Ernſt, Neue Beiträge zu deiprig Leutholds Dichterporträt . . ...
arinelfi, Grillparzer und Raimund . .. 2... . ........
Fäßler, Drei Aa 2 rennen
rande, Social forces in German Literature (R. M. Dieyer) .
riedl aender, Gedichte von Goethe in Kompoſitionen ſeiner Zeiigenoſſ en
ri ritz, Der Spieler im deutſchen Drama des 18. Jahrhunderts . . . .
Gebhardt, Wilhelm von Humboldt als Staatsmann (E. Guglia) . . . .
Geibel, Gedichte. Aus dem Nahlf . - .- - 2: 22 00.
Geyer, Chriftoph gie Rind (Heinrih Fund)... .... on
Gloſ iy, Schubert-Ausfteluing - - 2 22 2 Horn
Bocbett, rundriß zur Geſchichte der deutfhen Dichtung. 2. Auflage,
Bocthes Boicke Band 19—21. , en j . , . j . , , on
Goethes FH mit Antonie Brentano, herausgegeben von Jung Ostar
$rimm 9. — zur deutſchen Kufturgeichichte nn
Gundla , talienifche Lyrik feit der Mitte des 13. Kahrhunderts bis auf
die Begenwart ........—
aberlandt, Katalog des Mufſeums für öſterreichiſche Volkskunde in Wien
ahn, Sefchichte der poetifchen Yitteratur der Deutichen. 13. Auflage . . .
artmann, Deutſche Meifterlieder-Handichriften in Ungarn (Karl Dreiihen
Hauffen, Einführung in die deutfch-böhmische Volkskunde (Selbftanzeige) .
aug, Aus dem Lavaterſchen Kreije II (Heinrich Fund) nen
en, Geſchichtliche Bilder und Shin . 2.2200.
Hodermann, Geſchichte des Sorhaif, en Hofthenters 1775— 1779 (Rudolf
ü
ölderlins gejammelte Dichtungen, herausgegeben von Litzmann .
mmermann. (Eine a zum 100. Geburtstage des Dichters.
Mit Beiträgen von R. Fellner, 3. Geffken, O. 9. Gefften, & R. M.
Meyer, F. Schulteßß.. ern ne
Jaden, Theodor Körner und feine Braut (Reinhold Steig)... ... »
HR Die humaniftifche Gejchichtfchreibung in —E— oo...
Koch ſiehe V
Kraus, —8 in Böhmen (Joh. Krejeciſſſ.
erejei, Ueber die Einheitlichkeit von Goethes Fauſt (F. Spina).....
Krumbach und Sieber, Geſchichte und Kritik der deutſchen Schulleſebücher
(F. Ullſpergerrr...
— Werte. Herausgegeben von B. Schweiger . . 2 2 222.
627
351
679
670
200
367
802
663
669
597
VI Inhalt.
GSeite
vaube, Volkstümliche Überlieferungen aus Teplig und Umgebung. . . . 190
rinz, Friedrich der Große und Voltaire ... 629
voebeli, Der Anti Necker J. H. Mercks und der Miniſter Kr. N. von Mofer 197
Yotbar, Kritiihe Ztudien zur Pſychologie der Yıtteratur . . 602
Ynon, J. N. Eberhards ſynonymiſches Handiwörterbuch der beurichen Sprache.
15. Auflage . > 2 2200. . 0.659
Margelit, Ausgewählte Gedichte (Robert F. Amoldi ... .... 82
Matuszewsti, Tas Zauberweſen und der Mediumisinus Witold Harewicz) 379
Meyer CEhr., Tfterreih und die Aufklärung des 18. Nabrbunderts . . . 181
Meder Chr., Ausgewählte Zelbftbiographien aus dem 15. bis 18. Jahr-
hunder.... .. 628
Minde Pouet, Heinrih von Kleiſt. Zeine Sprache und fein ei .T. c. F
Walzell. TE en
Mogl, Kelten und Nordgermanen. 190
Murko, Teutihe Einflüſſe auf die Anfänge der ſlaviſchen Romantik. 1.
(Jobanı Nreidiı .. . a >07
Pritller (9. A., Aus Yavaterg Srickiache .. a . 671
Muth R. von, Teutihe Tichtung in I frerreih . FE .. .. 182
Naumann, Ron im Liede 182
Neuberin, Ein deutiches Sorte, heranegegeben von «x Richter Zeibit-
anzeige! . . 00.0. . een . .. 672
Pevet, Johann Peter uz en 198
Rommer, Wegweiſer durch die Litteratur des deutichen Tollshedes . ... 654
Rommer, llber das älpleriſche Volkslied . . . 664
Portig, Zchiller in jeinem Verhältnis zur Freundichaft und viebe (Emil
Arktb) . . . - .. 453
Raffalovich Uranisme et unisexnalite re nr rer. 182
Reicht, Die Symmetrie im Aufbau von Bürgers Valladen und Romauzen 194
Riddershoff, Sophie von Ya Roche (Mobert Haffencamp) .. 577
Rohde, Friedrich Krenzer und Narolite von @ilnderode (Reinhold Zreig) . 358
Schiemann, Heinrich von Treitſchkes vehr und Wanderjahre (U ttocar Weber) 594
Schillers Briefe, herausgegeben von Jonas. 7. Band . . ... 57.4
Schillers Demetrius, herausgegeben von Nettner (Albert Yeißmann) ... 509
Schipper, Grundriß der engliihen Metrie..... 600
Schmidt Julian, Seichichte der deutſchen Yıtteratur. 5. . Yand (R. M. Meyer) 563
Schöchtner fiche Teuber.
Zhönbad, liber veſen und Bildimg. 5. Auflage . . . 624
Schubart W., Francois de Thea Comte de Thoranc "Bocthes Rönigs-
Lieutenant FE 664
Schwering, Zur Geichichte des nicderländiichen und waniſchen Tramas in
Deutichland (Rudolf Schlöſſerr... x19
Zieber ſiehe Krumbach.
Siecke E., über die Bedeutung der Grimmſchen Märchen. . . . 655
Ztelzbamers mundartliche Tichtungen. Rearbeitet von R. Hanricder und
G. Wen ss en 2.202.686
Ztern, Tas deutiche (Epos des 17. Jahrhunderts ren 193
Stiefel, Hans Sachs ‚gorichungen (Karl Freiherr). - - 2 2 0 0000. 107
Tarnomwsli, ber Schillers Tramen (Vitold Barewic)) - » » 220. . 383
Teuber und Schöchtner, Unſer Nauferlid . - » 2 2 22. . 616
Tropidh, Flemings Verhältnis zur römischen Dichtung J. Imelmann) . 576
Uhland, Poems. selerteıl and edited by W. T. Hewett © 222.2. . 687
Vogt und Kod', Weichichte der deutichen Yitteratur. 1. —9. Heft. - 604
Warblingers Kedichte aus Italien, herausgegeben von Griſebach (Rudoif
N) ne een BIN
Anhalt.
Weber, Geiftlihes Schaufpiel und kirchliche Kunft (Hans Lambeh
Wiener Beiträge un englifchen Philologie .
Winteler, Über Boltslied und Mundart . .
Wolff E., Geſchichte der deutfchen Litteratur in der Gegenwart (R. m Dee)
Wuladinovic, rior in Deutjchland Cudwig zeypiel) . ..
Wülcker, Geſchichte der engliſchen Litteratur.
Würth, Das Wortſpiel bei S atſpere
arncke, Boetheigriften .
immermann, F. W gachariae in Braunſchweig (Richard Rofenbaum) .
ipper, Badarias Werner und bie Familien Grocholski und Chotoniewsi
Schriften zum Hans Sachs-Jubiläum IH. Schluß. (Karl Dreier) .
Bericht über neuere litterarhiftorifche Arbeiten in polniſcher Sprache (Witold
Barewicz) -
Bericht über die während der Jahre 18951896 in Amerifa veröffentfichten
Auffäte über deutjche Litteratur Ma Pol). .
Litteraturberiht aus Tirol II. (S. M . Brem) . ..
Bibliographie. Mit Unterſtützung von Johannes Bolte, Heinrich Funch,
gen Guglia, Adolf Hauffen, Julius Jung, Johann Krejei, Albert
Leigmann, R. M. Meyer, Richard NRojenbaum, Nicolaus Scheidt,
C. Senil, Franz Spina, M. von Waldberg, Oscar F. Walzel, Ottocar
Weber und R. Willy bearbeitet v von Auguſt Sauer.
1 Zin hriten .. 0. 148.
.... . 178
Rachrichcnꝰ .. . . 203. 437. 687.
Geſellſchaft für deutfche Litteratur (R. "Rofenbaum) . ....208. 436.
Nehrologe.
% W. Appell. Bon Yalob Baechtold
Jacob Bernays (Albert Köfer) . . .
Ludwig ge (Ferdinand Better). .
Sophie Großherzogin von Sachfen, geftorben am 28. März 1897 .
Erklärungen. 333
Berichtigungennn. 44147. 689.
Regiſter (Franz Spina)
Zu dieſem Bande erſchien ein
Ergänzungsheft.
(In der Reihe der Ergänzungshefte das dritte.)
Iubaft.
Briefe und Gedichte aus dein Kreife ber fruchtbringenden Geſellſchaft. Mit⸗
geteilt von Anton Chrouft .
Aus dem Briefwechjel Sigmund von Birkens und "Georg Reumarte 1656
bis 1669. —* von C. A. H. Burkhardt . .
VII
Seite
103
599
338
179
687
107
387
601
392
603
829
688
437
573
830
441
439
833
834
12
VIII Inhalt.
Eeite
Poetiſche StaatSunterredung. Deitgeteilt von Dar Rubenfohn . . . 65
Pittelungen aus Wielands Nünglıngsalter. Yon Xernbard Zeufiert. Die
Anbahnung mit Bodmer. Tatierung der den. lingedrudte Ztüde
aus der Züriher sit 2 oo .63
Nachleſe zu Aürger.
I. Yon Karl Zchüddelopf -. » > > 2 2 2 2 2 2 2222.40
A. Bürger an Botiiee. 102
B. Briefe an Dieterich 18...... . ..1083
C. Briefe an Verſchiedenn. 2121
II. Bon Karl Nutzhorn. . . 131
1. Ein Brief Bürgers an Friederile Mackenthun in Hannover . 132
2. Zchs Briefe Bürgers an Friederike Madentbun. . . . . 136
3. Ein Brief Pilrgers an feine Tochter Marianne . . 146
4. Glückwunſch Bürgers zum elften Geburtstage jeiner Tochter
‚griederife Marianne, 15. März 1789. . . 147
Neue Yeiträge zur Charakteriſtik Lavaters und sung Stillinge, Bon x M.
Prem .. .. 148
Sieben ungedructte Briefe Jean Ya nis. Migeieili von Paul Nerrlich .. 188
Briefe von und über Uhland. Plitgeteitt von Rudolf Krauß . .. 163
Chriſtoph Nufiners Geſpräche mit Heetboven. Nach dem O Triginaimanuffripte
mitgeteilt von Alfr. Chr. Nalticher . . . 169
Briefe Gutkows an Georg Rüchner und deiſen Rraui. . Ditperett von Charlcd
Andler . . ... 1431
Zur Eutftebungsgeichichte der „Antaranth”.
1. Ein Brief von C Scar von Redwit au Guſtav Schwab. Mitgeteilt
von Otto Gmelin. .. 194
II. Tre Ariefe von Redwir an Schwab. Voitetein von Adorf Ailhelm
Ernſt. en . .. 197
Findlinge.
I. Ein Brief Wielands an W. D. Sulzer. Mitgeteilt von Richard
Hatla, mit Anmerkungen verfeben von Bernbard Zcuffert . . 203
11. Ein Brief Leiſings an Yichtenberg. Wlitgeteilt von Albert Leismann 207
I. Kin ungedrudter Arief Schillers. Mitgeterlt von Wilhelm Yang . 209
IV. Ein Brief von Yudiwig Tieck aus Rena vom 6. Dezember 179%.
Mitgeteitt von Gotthold Klee. . . 2 2 2 211
V. Kart Schurz an Guſtav Schwab. Mitgeteilt von Ltto (dmelin. . 216
VI. Em Brief Hrillparzers. Aus der Ztiftabibliothel von Heiligenkreuz
mitgeteilt von Fr. Tezelin Haluſa ©. Gist., mit Anmerkungen
versehen von Auguſt Saueer.. 2217
Miscelle. Bon Cut Hornerr..2219
Fifhart-Ztudien,
Bon Adolf Hauffen in Prag."
II.
Der Malleus maleficarum und Bodins Demonomanie.
Über den Anteil Fiſcharts an der Herenlitteratur der Zeit find
jeine Biographen in der Regel mit wenigen Worten hinmweggegangen.
Es iſt auch die unerquicklichſte Seite feiner fchriftitelleriichen Thätig—
keit und außerdem in der That nur eine verhältnismäßig unwichtige,
durch äußere Umſtände bedingte Epiſode darin, ſo daß man in großen
Zügen ein vollſtändiges Bild ſeines Wirkens zeichnen kann, ‚ohne
diejem Gegenftande eine eingehende Aufmerffamfeit zu widmen. Über:
jehen darf man es freilidy nicht. Auch feine Xobredner und Ver—
teidiger werden nicht leugnen können, daß Fiſchart gleich vielen
hervorragenden Zeitgenofjen eine der entjeglichjten und unfinnigjten
Zerirrungen der Menjchheit, den Herenwahn, völlig geteilt und mit
llbereifer öffentlich) vertreten hat. Doc, nicht ihm, feiner ganzen an
MWiderjprüchen, Seltfamfeiten und Schäden fo reichen Mitwelt fällt
diefe Schuld zur Lait.
Beſſon Hat in feiner auf guter Sachfenntnis beruhenden und
anregend gejchriebenen Etude sur Jean Fischart 1889 (©. 241 bis
246) zuerjt den betreffenden Publikationen Fiſcharts ein bejonderes
Kapitel gewidmet und hier Fiſchart möglichjt entlaftet mit, dem Hin—
weis, daß diefer die Neuausgabe des Malleus und die Überfegung
der Demonomanie unternommen habe, um ſich einem hohen Gönner
zu einer Beamtenftelle zu empfehlen. Auch meint Beifon, dag man
gar nicht willen könne, wie weit Fiſchart die Anfichten Bodins ge-
teilt habe; aus Heinen Zufägen und Randbemerfungen gehe viel:
ı) Bgl. Euphorion 3, 363 ff., 705 fi.
Euphorion IV. |
2 A. Haufen, Fiſchart⸗Studien.
mehr hervor, daß er wenigitens nicht an alle Ausführungen des
Originals geglaubt habe. Einen entgegengejetten Standpunkt nimmt
Janſſen ein, indem er, in der „Sejchichte des deutichen Volkes jeit
dem Ausgange des Weittelalters”, den eben erwähnten Schriften
einen unverhältnismäpig großen Raum widmend, alle Verantwor
tung auf Fiſcharts Schultern lädt. In diefem vielgeletenen und
bewunderten, doc) auch vielgeichmähten Werke, aus dem man gerade
jeiıtes bejondern Standpunkts wegen jo viel Nenes lernt, zeigt ſich
das Parteiiſche der Taritellung :wenigitens in den litterargejchicht
lichen Abſchnitten hauptjächlid) in der ungerechten Raumvertheilung
und im Verſchweigen wichtiger Erjcheinungen. Nicht jene litterarijchen
GErzeugnijje, die ihrer innern Bedentung und ihrer gejchichtlichen
Wirkung wegen die größte Beachtung verdienen, jondern jene, dic
zur tendenziöjen Nerwertung die beite Gelegenheit bieten, werden
von Janſſen am breiteften behandelt. Dies zeigt jid) deutlich in der
Zeihnung von Fiſcharts schriftftelleriicher Wirkfamfeit.!, Zein
hbervorragendjtes Werk, die Geſchichtklitterung, iſt auf 1, Seiten
abgethan, ſeine erfrenlichjten Dichtungen, wie das glückhaft Schiff,
auch das Ehezuchtbiichlein werden gar nicht erwähnt, jene unſympathi
jcheften umd im Zuſammenhange feines ganzen Wirkens nebenjächlichen
Schriften hingegen werden ausführlich erörtert; jo wird die niedrige
„Wunderzeitung von der ſchwangeren Jüdin“ zweimal mit größern
Proben vorgeführt, dem „Bienenkorb“ ein eigenes Napitel,ı den
Schriften zum Hexenweſen zwei Abjchnitte von zuſammen 9 Zeiten
gewidmet."
Ta die letzt erwähnten Schriften Fiſcharts von Jauſſen nicht
mit den Triginalen verglichen worden find, da auch ſonſt auf diejem
(Bebiete manche Frage namentlich bibliographiicher Natur) ungelöſt
geblieben it, vertuche ich es im nachjtchenden, Fiſcharts Anteil au
der Derenlitteratur zuſammenhängend und möglichſt abjchliegend zu
behandeln.
Die Gejchichte der Herenverfolgungen und der mit ihr in Ver
bindung ſtehenden überreichen Entwiclung der Derenlitteratur im 15.
und 16. Jahrhundert iſt aus verjchiedenen zuſammenfaſſenden Dar—
ftellungen befannt.’: Ter aus dem heidnifchen Tämonenglauben er:
wachjene Hexenwahn murde im chriftlichen Deittelalter mit der Yehre
1) 6, 2410—252; 5, 335 ff, 370 ff., 507 fi.
2, 6, 4811 und 6, 243 f.
3) 6, 335 — 341.
1) 6, 246— 2352 und 8, H4l f.
5; Zoldan Heppe, Geſchichte der Herenprogeiie. 2 Bände 1480. — Janſſen,
007.8 4941-614.
A. Haufen, Fifchart-Stubien. 3
vom Teufel in Beziehung gebradjt und immer üppiger ausgejtaltet.
Doch hören wir bis ins 13. Kahrhundert nichts von SHerenverfol-
gungen. Der Sachſenſpiegel (1230) ſetzt für Zauberer die Todesſtrafe
feſt und in der gleichen Zeit beginnen die päpjtlichen Inquiſitoren
auch Hexen vor das Ketergericht zu fordern. Eigentliche Hexen—
verbrennungen vor weltlichen Richtern find in Deutjchland und der
Schweiz erjt für das 15. Sahrhundert nachgewielen. Die Bulle
Summis desiderantes vom 5. Dezember 1484, in der Papjt Inno—
cenz VIII. das Hexenweſen als Ketzerei und Zeufelöwerf bezeichnet,
jeine in Deutſchland wirkenden Xnquifitoren, die Dominikaner Seinrich
Inſtitoris (Krämer) und Jakob Sprenger zu unerbittlichen Vor-
gehen gegen die Heren, jowie den Bilchof von Straßburg zur nach—
drüdlichen ‘Förderung der genannten Keßerrichter auffordert, hat nicht
(was oft fäljchlich angenommen wurde) die Herenprozefje in Deutfch-
fand erſt veranlaßt, doch jedenfalls die bereit3 in Gang befindliche
Bewegung mächtig gefördert. Unfägliches Unheil aber veranlapten
die beiden Inquiſitoren dadurch, daß fie nicht nur felbjt in ver-
ichiedenen Zeilen Deutichlands zahllofe Frauen dem Feuertode über-
antworteten, jondern daß fie 1486 aud) ein eigenes Werf, den
Herenhammer, abfaßten, um die Richter in dem angeblichen Wefen
der Hererei und in dem graufamften Verfahren gegen die Heren zu
unterrichten. Dieſes Werk erjchien zuerjt in Köln 1489 unter dem
Titel: Malleus maleficarum in tres partes divisus, in quibus
eoncurrentia ad maleficia, maleficiorum effectus, remedia ad-
versus maleficia et modus denique procedendi ac puniendi
maleficos abunde continetur, nnd erlebte bis 1520 mehrere Auf:
lagen raſch hintereinander.')
Den Hauptanteil an der Abfaffung hat Heinrich Inſtitoris,
der für den Malleus die Akten des von ihm geleiteten Innsbrucker
Herenprozefjeg von 1485 mit Erweiterungen und Anderungen ver-
mendete.?, Aucd im übrigen haben die Verfaffer die Ergebnifje ihrer
eigenen blutrünftigen Thätigfeit in das Werk aufgenommen, die Be—
fenntniffe der von ihnen gefolterten Hexen, allgemein verbreitete Sagen
1) Ich kenne folgende an der Prager Univerfität8-Bibliothet befindliche Aus—
gaben, die untereinander im Tert völlig gleich find und alle den Titel Malleus
maleficarum führen: 1. Nürnberg 1496 (MCCCCXCVI per Anthonium Koberger
Nurebergen civem est impressus): 2. Köln 1511 (Iımpressum Colonie per me
Henricum de Mussia Anno MCCCCCXI); 3. Nürnberg 1519 (Nurenbergae in
officina Frederici Peypus); 4. Köln 1520 (Anno Coloniae excudebat
Joannes Gymnicus). Soldan-Heppe (a. a. O. 2, ©. 276, Anm.) nennt nod)
folgende Drude: Köln und Nürnberg 1494, Köln 1496. Über die Ausgaben nad)
Fiſchart vgl. die Fortſetzung diefes Aufſatzes.
2) Bgl. Ammann in der Zeitfchrift des Tyerdinandeums. 3. Folge, Heft 34,
S. 1—87.
1*
4 A. Hauffen, Filhart- Studien.
und Yegenden (darunter die albernften Lügenmärchen, als hiſtoriſche
Zeugnijje aufgeführt, ſowie ältere Schriften, bejonders Niders Formi—
carius und für die theologiihe Wegründung des Tämonismus
Augnjtinus und Thomas von Aquino benupt. Das in barbarijchen
Yatein gejchriebene, an Widerjprüchen, haarjträubendem Unſinn und
gewaltjamen Weweisführungen überreiche Bud) zeugt auf jeder Seite
von der fraujen Gelehrſamkeit, dem beichränften Tünfel und der
niedrigen Geſinnung der Verfaſſer.
Es zerfällt in drei Zeile. Im erjten Zeile juchen die Ber:
fajfer die Wirklichkeit des Derenweiens aus der heiligen Schrift, dem
fanonifchen und bürgerlichen Rechte nachzuweiſen. Sie kommen zu
dem Ergebnijje, daß es Zauberei und Hexerei gebe durd) die Macht
des Teufels und mit der Zulaſſung Gottes, und daß es Ketzerei jei,
nicht daran zu glauben. Das Verbrechen der Zauberei jei größer,
als der Fall der böjen Engel: der ungeheuren Verſchuldung müfie
darum die Größe der Strafe entſprechen. Im einzelnen iſt in dieſem
Zeile von der Natur und Rangordnung der böjen Geiſter, von den
verichiedenen Kräften des Zenfels u. |. w. die Rede. In dem 6. Ab
ſchnitt (Cuaestio) wird die Frage aufgeivorfen, warım bei den
weiblichen Geſchlechte mehr Hexerei betroffen werde als beim männ
lichen. Die Antwort ift eine Beſchimpfung des ſchwächern Geſchlechts.
Die Weiber jeien leichtgläubig, geſchwätzig, wollüſtig, wanfelmütig
im Glauben an Gott, daher auch ihr Dame (foemina a fe et
minus, quia semper ininorem habet et servat fidem). Damm
werden ans der Bibel, aus der Geſchichte und der Mythologie, aus
antifen und modernen Zchriftitellern eine Menge gegen die Frauen
gerichteter Ausipriüche md Anekdoten vorgebradjgt. Innerhalb der
ausgedehnten weiberfeindlichen Yitteratur des 16. Jahrhunderts iſt
diejes Kapitel von Wichtigkeit, weil es wiederholt, jo von Weiter,
Yerchheimer, Bodin u. a. nachgeahmt und bemugt worden ilt.
Ter zweite Teil des Malleus giebt eine ausführliche Beſchrei
bung des Deren: und Zanberweſens und der Firchlidyen Heilmittel
dagegen. Als wichtigjter Grundſatz wird hier (nad) Wider) die An-
ſchauung gelehrt, dag die Deren den (Serichtsperjonen, die wider ſie
Hecht pflegen, nicht jchaden können. Nom Bündnis und von der
Buhlichaft mit dem Teufel, von den Hexenfahrten, von der Der
wandlung der Menjchen in Tiere, von der Verherung der Zengungs
kraft, vom Anstreiben der Teufel ift ausführlich die Nede. Bemerkens
wert iſt es, daß die zahlreichen Zagen und Jaubergeichichten über
das Norgehen der Deren, wie jie den Kühen die Milch entziehen,
1) Eine ausführliche Juhaltsangabe finder fi) u.a. bei Roskoff, Geſchichte
des Teufels 2, 226-2.
A. Hauffen, Fiihart-Stubdien. 5
Hagel, Ungewitter und Krankheiten erzeugen können, ferner über die
Mittel der Abwehr, wie man Heren erfennen und unschädlich machen
fönne, genau mit den heute noch allenthalben in abgelegenern Orten
verbreiteten abergläubifchen Anſchauungen übereinftimmen.
Der dritte Teil bildet einen Kriminalcoder, eine Unterweifung
für die Richter, wie ein Herenprozeß zu führen fei, mit weitläufigen
Angaben über das Verhör, die Yolterung und die Schöpfung des
Urteild. Teitgeftellt wird, daß die Heren und Zauberer als Keker
in erſter Linie vor dag geijtliche Gericht gehören, daß fie aber wegen
des zeitlichen Schadens, den fie anrichten, auch vom weltlichen Richter
zur bejtrafen feien. Da es fi) um Glaubensſachen handle, empfehle
ich der Inquiſitionsprozeß, d. h. Eröffnung der Unterſuchung auf
eine geheime Angabe oder das bloße Gerücht hin. Das Verfahren
jei möglichſt ſummariſch, ohne viel Formalitäten und Zeugenausfagen,
in der Regel ohne eigentliche Verteidigung und ohne Berufung
durchzuführen; die durch das eigene (in der Folter abzuringende)
Geftändnis der Schuld überwielene Perſon ſei dem weltlichen Arme
zur Hinrichtung durch das Feuer zu überliefern. Bei der Verfolgung
eines außerordentlich gefährlichen „Ausnahmsverbrechens“, fei es
Pflicht der Richter, die fonft üblichen geſetzlichen Formen und Vor—
ichriften zu umgehen.
Diejes mwiderfinnige Buch genoß nun bei den geiftlichen und
weltlichen Richtern des 16. und 17. Jahrhunderts unbejtrittenes
Anjehen und erlangte (nicht offiziell, doc in Wirklichkeit) entjcheidende
Geſetzeskraft. Es bot die Richtjchnur für die zahllojen, jeder Gerechtig-
feit, Milde und Vernunft hohnfprechenden Hexenprozeſſe; es wurde
Vorbild und Quelle für die vielen in ſchneller Folge erſcheinenden
deutſchen, lateiniſchen, franzöſiſchen und andersſprachigen Werke über
Hexen und Dämonen.
Denn mit dem Beginne des 16. Jahrhunderts brach nun eine
bis dahin unerhörte Verfolgung der Hexen und Zauberer aus, die
ſich raſch wie über das ganze übrige Europa, ſo auch in gleicher
Stärke über die katholiſchen und proteſtantiſchen Gebiete Deutſchlands
ausbreitete, bis zum dreißigjährigen Kriege immer grauenhafter
heranwudhs, dann lange verſchiedenen Schwankungen unterlag, um
endlich im Laufe des 18. Jahrhunderts allmählich zu erlöfchen. Er- .
iheinungen verfchiedener Art haben dieje entjeklichjte Geiſtesepidemie
jo mächtig gefördert: der in der allgemeinen religiöjen Aufregung
zu blinder Angjt gejteigerte Glaube an das leibhaftige Eingreifen des
ZeufelS in das menjchliche Dafein, ein wüjter Dämonenglaube, der
auch von den Führern der Reformationsbewegung geteilt wurde,
ferner dag neue inquifitorifche GerichtSverfahren, das aud) von den
weltlichen Richtern (nadydem fie ſchon zu Beginn des 16. Jahrhunderts
6 A. Hauffen, Fiſchart⸗Studien.
die Hexenverfolgung den geiſtlichen Gerichten entriſſen hatten‘) ange—
nommen wurde, endlich die in der kampferfüllten Zeit geſteigerte
Verwilderung der Gemüter, die Aufwühlung aller böſen Leiden—
ſchaften, die bei der neuen Erſcheinung leicht ihre Befriedigung fanden,
ſo die Rachſucht und Gehäſſigkeit der geheimen Angeber, die Geldgier
und Mordluſt einzelner Landesherren, Richter und Henker. Die
ohnedies furchtbar ſtrengen Beftimmungen des ſchon beſprochenen
„Hexenhammers“ und der peinlichen Gerichtsordnung Karl V. (1532)
wurden im Laufe der Zeiten immer mehr überboten durch die Ver—
ſchärfung der Folter, durch eine immer regelloſere und leichtſinnigere
Beweisführung. Aus jedem Hexenprozeß erwuchſen hundert neue,
weil jede Angeklagte gezwungen wurde, die Namen ihrer angeblichen
Mitſchuldigen und Mitwiſſer zu nennen. So fielen mehrere Millionen
Menſchen, darunter gewiß viele Schwarzkünſtler und Giftmiſcher,
Buhldirnen, Böſes ſinnende oder übende, von Selbſttäuſchung,
nervöſen oder ſenilen Geiſtesſtörnngen befangene Frauen, doch auch
zahlloſe unſchuldige, blühende Perſonen, ja Kinder der gräßlichen
Verfolgungswut zum Opfer.
Mit der Zunahme der Erſcheinnng wuchs auch die Litteratur über
das Hexenweſen. Nun beſchäftigten ſich nicht nur (wie in früheren
Zeiten: theologiiche Schriftiteller gelegentlich mit dem Dämonismus,
jondern Gelehrte aller drei weltlichen ‚yafultäten, Mediziner, Juriſten,
Philojophen erörterten in eigenen Schriften das Weſen der Dererei,
die wiederholt ausdrüdlic als eine in ihren Außerungen neue, (Er
jcheinung bezeichnet wird, und empfahlen ıin der immerften Uber—
zengung, ein gottgefälliges Werk zu thun) die gewaltjamiten Deittel
zu ihrer Bekämpfung. Auch die erleuchtetiten und mildeiten darunter
waren jo jehr Kinder ihrer zeit, dan fie von der Wirklichkeit des
Hexenweſens im allgemeinen überzeugt, höchitens die wideriinnigiten
Ausgeburten, wie Yuftfahrten, Teufelsbuhlſchaften u. a. nicht als
thattächliche Borgänge, jondern als wüjte Phantajien bezeichneten, die
der Teufel jeinen verwirrten Weibern voripiegle. Nicht aus Gründen
reiferer Erfenntnis, jondern aus Gründen der Menſchlichkeit traten
Einzelne fiir eine mildere Behandlung der ihrer Dieinung nad) von
böjen Geiſt verfüihrten, bedauernswerten Deren auf. Der (rite, der
es wagte, öffentlich Hexen zu verteidigen, war Cornelius Agrippa
von Nettesheim 1ı1486-—1535., der jelbit der Magie zugeneigt,
nach jeinem Tode allgemein als Zauberer betrachtet wurde. Seinen
Spuren folgte jein Schiller Johann Weier 11515— 1588, Yeibarzt
des verftändigen und gerechten Herzogs Wilhelm 11. von Cleve, ein
weitgereijter, vielerfahrener Dann. Weier gab 1563 das Werk D«
praestipiis daemonum et incantationibus ac venefielis heraus,
worin er mit ansgebreiteter Gelehrſamkeit das Hexenweſen bejpridht,
A. Hauffen, Fiſchart⸗Studien. 7
viele angebliche Teufelskünſte aus natürlichen Urfachen erklärt, die
Roheit, Niedertraht und Ungefeglichfeit des richterlichen Verfahrens
gegen die Hexen beleuchtet, den Aberwig der in der Folter erpreßten
Belenntnifje und die Unschuld der meijten Verurtheilten mit edlem
Eifer aufzudeden ſucht. Die Zauberer teilt Weier hier in drei
Gruppen ein: die Schwarzfünftler, die ein Bündnis mit dem Teufel
geichloffen haben und mit feiner Mitwirkung zaubern; die Hexen,
zumeift ältere, ſchwachſinnige, vom Teufel mit allerlei Bhantafie ver-
biendete, in der That fajt immer unjchuldige Weiber, endlich Giftmischer
und Übelthäter. Dieje, jowie die Schwarzfünjtler jollten mit dem
Tode beftraft, die Heren hingegen nur durch chriftliche Unterweifung
gebeifert werden. Diejes tapfere Werk, das rajch zahlreiche Auflagen,
jowie Überjegungen ins Deutjche und Franzöfiiche erlebte,'!) fand die
Billigung des Kaifers Ferdinand und mehrerer richterlicher Behörden,
die auch eine Zeitlang ein milderes Verfahren anmwandten, endlich
die BZuftimmung hervorragender Theologen, Juriſten, Arzte u. a.
Mehrere von ihnen folgten mit verwandten Werfen dem Beifpiele
Weiers, jo Auguftin Lerchheimer (Witefind), Gödelmann, der
‚srankfurter Nechtsgelehrte Fichard, ſpäter Prätorius u. a.
Biel größer aber war die Zahl der Gegner Weiers: Lambert Da-
näus, Wilhelm Adolf Scribonius, Thomas Eraft, Hermann Neu-
waldt, Peter Binsfeld, Franz Agricola befämpften ıhn in Deutſch—
land; fein leidenfchaftlichjter Feind aber erjtand dem deutjchen Arzte
in Frankreich Sean Bodin (1530—1596), der hervorragendite
franzöſiſche Staat3rechtslehrer feiner Zeit, war troß jeiner vieljeitigen
Gelehrſamkeit, troß jeiner humanen, für die gleichmäßige Duldung
aller fittlihen und gottesfürchtigen Confeſſionen eintretenden Geſin—
nung?) ein blindwütiger Anwalt erbarmungslofer Herenverfolgungen
und richtete gegen Weier fein 1580 veröffentlichtes Werk: De la
demonomanie des sorciers. Für die allgemeine Anordnung, ſowie
1) 1564, 1566, 1568, 1577, 1583. Eine deutjche Uberfegung erjchien 1565
von oh. Fuglinus, 1567 von Weier jelbft. (Vgl. Janſſen 8, 559 mit weiteren
Litteraturangaben.) Die Überſetzung des Fuglinus erjchien 1586 „auffs neuw vber-
fehen vnnd mit vielen heilſamen nüglichen ftüden: Auch ſonderlich hochdienlichen
newen Zufägen, jo im Lateinischen nicht gelejen als im folgenden Blat zufinden, fo der
Bodinus mit gutem grundt nicht widerlegen fan, durchauß gemehrt und gebefjert.”
Die Zufäge beftehen in Auszügen aus Predigten Geiler von Kaiſersberg, die
Zauberei betreffend. Ende der fiebziger Jahre gab Weier eine kürzere Yufammen-
faffung feines Hauptwertes in der Schrift De lamiis heraus.
) Diefer im 16. Jahrhundert faft beifpielloje Standpunkt Bodins dürfte
darin feine Erklärung finden, daß (wie man fagt) feine Mutter eine Jüdin mar.
Obwohl Katholik, neigte fi Bodin fehr den Hugenotten zu. In feinem oben
befprochenen Werke citiert er das alte Teftament immer im hebräifchen Wortlaut,
und beruft fi) auffallend viel auf jüdiſche Gelehrte, was ihm aud) zum Vorwurf
gemacht wurde. In der „Vorwarnung zu feiner Überſetzung jagt Yıldart: „Dan
IV Inbait.
Zu Heinrich von Reit Von Georg Vinde Bock.
I. Kleiſts Tone 2
Il. Bord aus Yicbe » > 2 2 onen
III. Zur Darauie von C...
Zu Moctbed „Neugriechich epırotiichen Heldentiedern“. Bon Hobert 5 5. Arnoib
lleber die Briefe der Julie von Vondeli an Sopbie von Ya Roche Bon NWobert
Haflencaıp - » >20
Widerfprüde ın Kunitdihtungen und böbere Kritik an Ach. Bon Way Hermann
Zellinet und Karl Krausßs.
Einige Bemerkungen zur Methode der Yıtteraturgeichichte. Hit befonderer U
rüdfihtigung der „Sentbefilea“. Bon Hubert Rocttelen . . . . . .
Erwiderung. Bon —E Kıclabr . - > 2 2 2 2 rn“
Tie Dichtung vom Bruder Kauih. Ron dennd n. 1
Naht .» - >»: 22 oo.
Johann Huttih 1487 — 1544. Mitteilung von 3 W. E. Rob... ..
Stiederländiiche Theaterauffübrungen ın Altona 1644. Ron Arthur Richie
In Goethes viederbuch „Annette”. Bon Albert Leismann....
I. Entftebung, Chronologie, Vesartel 2 2 2 rn. .
Il. Ausländifhe Tuelen . . © 2 2 0 2 on ...
III. Reziehungen zu Schiebeler, Zachariac, Beritendbrg . . 2...
Claurens Einfluß auf Haufr. Bon Günther Noch ren
Miscellen.
zu Schillers Anthologie. Bon Rudolf Kraunuß..... ..
Ju Amim. Bon Viontague Jacobs . .
Ein Zpottlied auf die Calviniſten. Bon Theodor Zıitel
Amor und Tod. Bon J. Minor.
Ju Hofmann walbeit 2on J. Minor on en .
Schiller und Egmonds lentes Schreiben an Khilipp. Ron Theodor Zite.
‚zur Geichichte der Icliaa -. 2 2 2 22. .. ..
Fidibus. Runda. Bon WM. Kubeniobn . . .
Nachträge zu J. U. Zimmermann. Bon Rudolf Jiherr . ....
Ju (hoetbes Vignon. Yon Richard Marıa Werer . » » 2» 2 0200.
Ein Heineihes Klagiat. Bon Anton Englertt.. 8
Niscellanea zu Goethe und Hadert. Mitgeteilt von Henrich Stümcke
Recenſtonen und Referate.
Bar Einſchluß der ın der Sibliographie beſprochenen Werke. ı
Altentriger, Friedrich Nicolais Augendichriften Richard Roſenbaum) . .
Angelus Sileitus, Gberubinicher Wandersinann. Heranegegeben von
Weora_ Ellinger (Narl It) - 22.0. ern ..
Arnold R. F., Karl Jmmermann . - oo 22er. ..
Add, Zvinozas erite Einwirkungen auf Deutſchland «Hugo Zpiven. . . .
Nahlman n, Die Jeſuitendramen der miederrheintichen Üıdeneprovin,
Hartcls, Tıe deutiche Tıchtung der Wegenwart . . nen
Hauer, Tiroler Mriegelicder aus den Jahren 1796 und 17 TE
Raumgartner, (Weichichte der Weltlitteratur. 1. Yıeferung Denen
Xerger, Tıe Eutwidlung von Schillers Aſthetik (Hugo Zviter) . . .
Vernans, Zihriften zur Kritik und ritteraturgeichichte. Erſter Vand. Albert
[7 | (2 EEE .. .
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Anhalt.
Bienemann- Freiburg, Dorpater Sängerbünde 1812—18316 . - . . . .
Bod, Aus einer Heinen Univerfitätsftadt - - - 222 ven en
Brief wechjel des Minifterd und Burggrafen von Dlarienburg Ei von Schön
mit Pert und Droyfen. Herausgegeben von Rühl (D. Weber) . . .
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Chamiſſo, Yortunati Glüdjädel und Wunſchhütlein. Derausgegeben v bon
Kogmann (Oskar F. Wale) . 2.00...
Eollin, Goethes Fauſt in feiner älteften Geſtalt (Fohannes Niejahr) .
Devrient, Johann ſyfdrich Schönemann und jeine- Schaufpiglergefellichaft
(Rubolf Schlöffer)- - > 0:00 nn
Duhr, Die ne hung der Geſellſchaft Jeſu.... ....
Dünger, Karl Auguft und Ottokar Lorenz (Eugen Suglia) nen
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Wiſſenſchaften (Richard Rojenbaum) - . . - » 20...
Elfter, Prinzipien der Fitteraturgefchichte. Band I (Richard M. Meyer)
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Rohde, Friedrich Kreuzer und Narolinc von Günderode (Reinbold Zeig).
Schremann, Heinrich von Treitſchkes Yebr und Wanderiahre (Diitocar Weber
Schillers Arıcke, herausgegeben von Jonas. 7. Bald .... .
Schrilers Temetruis, herausgegeben von Netter (Albert Yeibinannı
Schipper, EGrundriß der engliihen Dem. 2 2 2 en.
Schmidt Aulıan, Geſchichte der deutichen Yıtteratur. 5. Yand (R. ıM. ener)
Zchöchtner ſiehe Teuber.
Zchonbach, liber Leſen und Artdung. 5. Auflage.. 2...
Zhubarı Vi., Francois de Thras CGeuute de Thorane Goethes Könıge-
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Schwerinug, Zur Meſchichte des niederländiſchen und ipanıichın Tramas ın
Teutichland (Rudolf Schleifer) 2 2 00 en
Zıeber fiche Krunibach.
Zrecke En, Über die Vedeutung der Grimmſchen Därchen . .
Stelzhamers mundartlıche Tichtungen. Hrarbeitet von R. Hanriedei und
G. Weibenhock . . . on . ..
Ztern, Tas deutichr (Epos des 17. Jahrhunderte er rer en
Ztiefet, Hans Sachs Forſchungen (Narl Freien). . 2 0 2 en.
Tarnowelhı, Uber Schllers Tramen (MKuold Haramıcı) - » 2 20.2.
TZeuber und Schochtner, Umer Mariericd . 2 2 2 2 2 nen . .
Tropic, Flemings Verhaltnis zur vonmichen Dichtung X. Imeimann) .
Uhıland, Poems, selerted and edited by W. T. Hewett .
Rogt und Koch, Weichichte der Deutschen Litteratur. 1.-—%. Heft.
Warbliungers Gedichte aus Itahien, herausgegeben von Griſebach (Rudolf
Sau) > 2 ren .
681
190
607
671
182
182
672
198
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14
655
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193
107
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H16
576
(air
804
47*
Inhalt.
Weber, Geiſtliches Schauſpiel und kirchliche Kunſt (dans tambei)
Wiener Beiträge ur englijchen Philologie . 0
Winteler, Über Boltslied und Mundart . .
Wolff E., —— der deutſchen Linieratur in der Gegenwart R. m Denen)
Wuladinopic, or in Deutſchland (Ludwig Wopleh.
Wulcker, Geſchi Snöte der —2 Litteratur ..
Würth, Das — bei atſpere.
arncke, @oetheigrißie nn .
immermann, F. W Zachariae in Braimſchweig (Richard Rofenbaum) .
ipper, Zacharias Werner und die Familien Grocholski und Choloniewsti
Schriften zum Hans Sads- Jubiläum II. Schluß. (Karl Dreier) .
Berid g über neuere litterarhiftorifche Arbeiten in polniſcher Sprache Witold
vewic) . .
Bericht liber die während der Jahre 1806 1806 in Amerita veröffentfihten
Aufſätze über deutjche Fitteratur Du Pol). .
Fitteraturberidht aus Tirol UI. (S. M. Prem) . ..
Bibliographie. Mit Unterſtützung von Johannes Bolte, Heinrich Funck,
gen Guglia, Adolf Hauffen, Julius Jung, Johann Krejei, Albert
Leitzmann, R. M. Meyer, Richard Rojenbaum, Nicolaus Scheidt,
C. Senil, Franz Spina, M. von Waldberg, Oscar F. Walzel, Ottocar
Weber und R. Willy bearbeitet von Auguft Sauer.
1. Zeitfchriften . . 0. 148.
Pe: 666 733.
Nachrichten. . . 203. 437. 687.
Geſellſchaft für deutſche Litteratur (R. Roſenbaum) .. .203. 436.
Aekrologe.
J. W. Appell. Bon Jet Baechtold
Jacob Bernays (Albert Köfter) . . .
Ludwig irzel (Ferdinand Better). .
Sophie Großherzogin von Sadjjen, geftorben am 28. März 1897 .
Erklärungennnn.. —
Berichtigungennn. 44147. 689.
Regiſter (Franz Spina)
Zu dieſem Bande erſchien ein
Ergänzungsheft.
(In der Reihe der Ergänzungshefte das dritte.)
Inhalt.
Briefe und Gedichte aus dem Kreife der fruchtbringenden Geſellſchaft. Mit⸗
geteilt von Anton Chrouft .
Aus dem Briefwechfel Di mund von Birtens unb "Georg Reumants 1656
bis 1669. geteilt von C. A. H. Burkhardt . . .
vu
Seite
103
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655
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439
833
834
12
VIII Inhalt.
Seite
Poetiſche Staatsunterredung. Mitgeteilt von War Rubenſohn . . .. 686
Mitteilungen aus Wielands Jünglingsalter. Ton Aernbard Zeufiert. Die
Anbahnung mit Bodmer. Tatierung der Oden. Ungedruckte Stücke
aus der Züricher ZJeittc. .63
Nachleſe zu Rürger.
J. Yon Carl Schüddekoofffßfß. .101
A. Bürger an RBoittee. 11902
B. Briefe an Dieterich So 2.108
G. Briefe an Verichiedenn. 22 222.42
N. Bon Nart Nubhorn. .. . 131
1. Ein Brief Bürgers an Friederike Vackenthun in Hannover . 132
2. Zchs Briefe Bürgers an ‚griederife Madenthut. . . . .. 136
z. Em Brief Rürgers an ſeine Tochter Marian . . 146
4. Glückwunich Bürgers sum elften Geburtstage ſeiner Tochter
‚sriederife Marianne, 15. März 1789 . . . 147
Rene Beiträge zur Charafteriinf Yapaters und Nung: Ztillinge. Von S. an.
rem .. .148
Sieben ungedruckte Artefe Iran Faule. Muͤgelein von Yaul Nerrlih. . . 1m
Hricfe von und iiber Uhland. Mitgeteilt von Rudolf Strauß . . . 163
Chriſtoph Kufiners Geipräche mit Heetboven. Nach dem iginaimanuſtripte
mitgeteilt von Alfr. Chr. Kaliſcher .. 160
Ariefe Gupkowes an Georg Büchner und deiten Araut. Vugeteut von Charles
Andler . . €}
ur Entfichungsgeichichte der „Antaranth“.
l. Em Brief von Oscar von Redivit an Guſtav Schwab. Mitgeteilt
von Otto Gmelin. .. .. 2194
II. Teen Brick von Redwin an 2 chwab Mitgeteilt von Adolf Wilhelm
Ernttt....197
Findlkinge.
I. Ein KRrief Wielandos an W. D. Sulzer. Miitgeteilt von Richard
Vatka, mit Anmerkungen verſehen von KRernhard Zeufiert . . 203
I. Ein riet veifings am Yıchtenberg. Mitgeteilt von Albert Limaunn 207
III. Ein ungedrudfter Arief Schillers. Vingetent von Wilhelm Yang . 20%
IV. Ein rief von Ludwig Tieck aus Rena vom 6. Tezember 179%.
Mugetem von (Wottboi> Klee. . . 211
V. Karl Schurz an Guſtav Schwab. Mitgeteiit von Stto Amel . . 216
VI. Ein Brief (Wrillvarzers. Aus der Stiftabibliothet von Heiligenkrenz
migeteitt von Fr. Tezelun Haluia ©. Cast. mit Anmerkungen
veriehen von Auguit Zaue 222. 217
Miscelle. Bon Emil Hornerr.....2190
Fiſchart-5Studien.
Bon Adolf Hauffen in Prag.')
III.
Der Malleus maleficarum und Bodins Demonomanie.
Uber den Anteil Filcharts an der Herenlitteratur der Zeit find
jeine Biographen in der Regel mit wenigen Worten hinweggegangen.
Es ift auch die unerquidlichite Seite feiner jchriftitelferiichen Thätig—
feit und außerdem in der That nur eine verhältnismäßig unmichtige,
durch Äußere Umftände bedingte Epijode darin, jo daß man in großen
Zügen ein vollftändiges Bild feines Wirkens zeichnen kann, ‚ohne
diejem Gegenjtande eine eingehende Aufmerkfamfeit zu widmen. Über:
jehen darf man es freilich nicht. Auch feine Xobredner und Ber:
teidiger werden nicht leugnen fönnen, daß Fiſchart gleich vielen
hervorragenden Zeitgenofjen eine der entjeglichiten und unſinnigſten
Perirrungen der Menjchheit, den Herenwahn, völlig geteilt und mit
lÜibereifer öffentlich vertreten hat. Doch nicht ihm, feiner ganzen an
Widerſprüchen, Se amteiten und Schäden ſo reichen Mitwelt fällt
dieſe Schuld zur Laſt.
Beſſon hat in ſeiner auf guter Sachkenntnis beruhenden und
anregend geſchriebenen Etude sur Jean Fischart 1889 (S. 241 bis
246) zuerſt den betreffenden Publikationen Fiſcharts ein beſonderes
Kapitel gewidmet und hier Fiſchart möglichſt entlaſtet mit, dem Hin—
weis, daß dieſer die Neuausgabe des Malleus und die Uberſetzung
der Demonomanie unternommen habe, um ſich einem hohen Gönner
zu einer Beamtenjtelle zu empfehlen. Auch meint Beſſon, daß man
gar nicht wilfen fünne, wie weit Filchart die Anfichten Bodins ge-
teilt habe; aus Heinen Zufägen und NRandbemerfungen gehe viel:
1) Bgl. Euphorion 3, 363 ff., 705 fi.
Eupborion IV. |
2 A. Haufen, Fiſchart⸗Studien.
mehr hervor, daß er wenigitens nicht an alle Ausführungen des
Uriginals geglaubt habe. Einen entgegengejetten Standpunkt nimmt
Janſſen ein, indem er, in der „Geſchichte des deutichen Volkes jeit
dem Ausgange des Weittelalters”, den eben erwähnten Schriften
einen unverhältnismäßig großen Raum widnıend, alle Verantwor
tung auf Fiſcharts Schultern Lädt. In diefem vielgelejenen und
bevunderten, doch auch vielgeſchmähten Werfe, ans dem man gerade
jeines bejondern Ztandpunfts wegen jo viel Nenes lernt, zeigt Tich
das Parteiiiche der Tarjtellung wenigſtens in den litterargeichicdht
lien Abſchnitten hauptjächlicy in der ungerechten Raummvertheilung
und im Verſchweigen wichtiger Erjcheimungen. Nicht jene litterartichen
Frzeugniiie, die ihrer inner Bedentung und ihrer geichichtlichen
Wirkung wegen die größte Beachtung verdienen, jondern jene, dic
zur tendenziöjen Nerwertung die beite Gelegenheit bieten, werden
von Janſſen am breiteften behandelt. Ties zeigt jich dentlich in der
Zeichnung von Fiſcharts Ächriftjtelleriicher Wirffamfeit.;, Zein
bervorragendites Werk, die Geſchichtklitterung, iſt auf 1', Seiten
abgethan, seine erirenlichtten Tichtungen, wie das glückhaft Schiff,
auch das Ehezuchtbiichlein werden gar nicht erwähnt, ſeine uniympatbi
jcheften und im Zuſammenhange feines ganzen Wirkens nebenfächlichen
Schriften hingegen werden ausführlich erörtert: jo wird Die niedrige
„Wunderzeitung von der ſchwangeren Jüdin“ zweimal mit größern
Proben vorgeführt, dem „Pienentorb“ ein eigenes Napitel,dı den
Schriften zum Hexenweſen zwei Abichnitte von zuſammen 9 Zeiten
gewidmet.“
Da die letzt erwähnten Schriften Fiſcharts von Janſſen nicht
mit den Originalen verglichen worden ſind, da auch ſouſt auf dieſem
(Bebiete manche Frage namentlich bibliographijcher Natur, ungelöſt
geblieben tft, vertuche ich es im machitehenden, Fiſcharts Anteil an
der Derenlitteratur zuſammenhängend und möglichit abichließend zu
behandeln.
Die Beichichte der HDerenverfolgungen und der mit ihr in Der:
bindung stehenden überreichen Entwidlung der Derenlitteratur im 15.
und 16. Jahrhundert it aus verschiedenen zuſammenfaſſenden Dar—
jtellungen bekannt.“ Ter aus dem heidniichen Dämonenglauben er:
wachſene Derenwahn wurde im chriftlichen Mittelalter mit der Yehre
1) 6, 200-252; 5, 395 fi, 370 fi, 507 fi.
2, A, 511 und 6, 243 f.
2) 5, 33h — 341
1,6, 2465 — 252 und 8, 6341 f.
s, Zoldan Heppe, Geſchichte der Hexenprozefie. 2 Bande 1850. — Janſſen,
a. a. C. 8, 404-608.
A. Hauffen, Fifhart-Studien. 3
vom Teufel in Beziehung gebracht und immer üppiger ausgeftaltet.
Doch hören wir bis ins 13. Jahrhundert nicht3 von SHerenverfol-
gungen. ‘Der Sachſenſpiegel (1230) jet für Bauberer die Todesftrafe
ſeſt und in der gleichen Zeit beginnen die päpftlichen Inquiſitoren
auch Heren vor das Kegergericht zu fordern. Eigentliche Heren-
verbrennungen vor weltlichen Richtern find in Deutſchland und der
Schweiz erſt für das 15. Jahrhundert nachgewieſen. Die Bulle
Summis desiderantes vom 5. Dezember 1484, in der Bapft Inno—
cenz VIII. das Herenweien als Keßerei und Teufelswert bezeichnet,
jeine in Deutjchland wirkenden Inquiſitoren, die Dominikaner Seinrich
Inftitoris (Krämer) und Jakob Sprenger zu unerbittlicyen Bor-
gehen gegen die Heren, jowie den Biſchof von Straßburg zur nad)-
drücklichen Förderung der genannten Ketzerrichter auffordert, hat nicht
(was oft fälſchlich angenommen wurde) die Hexenprozeſſe in Deutſch—
fand erjt veranlaßt, doch jedenfalls die bereits in Gang befindliche
Bewegung mächtig gefördert. Unfägliches Unheil aber veranlaften
die beiden Inquiſitoren dadurch, daß fie nicht nur felbjt in ver-
ichiedenen Zeilen Deutſchlands zahllofe Frauen dem Feuertode über-
antworteten, jondern daß fie 1486 auch ein eigenes Werf, den
Herenhammer, abfaßten, um die Richter in dem angeblichen Weſen
der Hererei und in dem grauſamſten Nerfahren gegen die Hexen zu
unterrichten. Diejes Werk erichten zuerjt in Köln 1489 unter dem
Titel: Malleus maleficarum in tres partes divisus, in quibus
eoncurrentia ad maleficia, maleficiorum effecetus, remedia ad-
versus maleficia et modus denique procedendi ac puniendi
maleficos abunde continetur, und erlebte bi 1520 mehrere Auf:
lagen raſch hintereinander.!)
Den Hauptanteil an der Abfafjung Hat Heinrich Ynititorig,
der für den Malleus die Akten des von ihm geleiteten Innsbrucker
Herenprozelje8 von 1485 mit Erweiterungen und Anderungen ver:
mendete.?, Auch im übrigen haben die Verfaſſer die Ergebniffe ihrer
eigenen blutrünjtigen Thätigfeit in das Werf aufgenommen, die Be—
fenntnifje der von ihnen gefolterten Hexen, allgemein verbreitete Sagen
i) Ich kenne folgende an ber Pra srager Univerfitäts-Bibliothet befindlicdye Aus—
gaben, die untereinander im Tert gleih find und alle den Titel Malleus
maleficarum führen: 1. Nürnberg 1496 ( CCCCXCVI per Anthonium Koberger
Nurebergen civem est impressus): 2. sötn 1511 (Impressum Colonie per me
Henricum de Mussia Anno MCCCCCKT); 3. Nürnberg 1519 (Nurenbergae in
officina Frederici Peypus); 4. Köln 1520 (Anno XX Coloniae excudebat
Joannes Gymnicus). Soldan-deppe (a. a. DO. 2, ©. 276, Anm.) nennt nod)
folgende Drude: Köln und Nürnberg 1494, Köln 1496. Über die Ausgaben nad)
Fiſchart vgl. die Fortſetzung dieſes Aufſatzes.
2) Bgl. Ammann in der Zeitſchrift des Ferdinandeums. 3. Folge, Heft 34,
S. 1—87.
1*
4 A. Haufien, Filchart- Studien.
und Yegenden (darunter die albernjten Yügenmärchen, als hiltorijche
Zeugnijje aufgeführt, jomwie ältere Schriften, bejonders Niders ‚yormi
carius und für die theologiihe Begründung des Dämonismus
Auguftinus und Thomas von Aguino benugt. Das in barbarijchen
Yatein gejchriebene, an Widerjprüchen, haarjträubendem Unjinn und
gewaltjamen Beweisführungen überreiche Buch zeugt auf jeder Seite
von der frauien Gelehrſamkeit, dem beichränften Dinkel und der
niedrigen Geſinnung der Verfaſſer.
Es zerfällt in drei Zeile. Im eriten Teile juchen die Ver:
fajjer die Wirklichkeit des Hexenweſens aus der heiligen Schrift, dem
kanoniſchen und bürgerlichen Rechte nachzuweiſen. Sie fommen zu
dem Ergebniſſe, dan es Zauberei und Hexerei gebe durd) die Macht
des Teufels und mit der Zulaſſung Gottes, und day es Ketzerei jei,
nicht daran zu glauben. Das Verbrechen der Zauberei jei größer,
als der Fall der böjen Engel: der ungehenren Verſchuldung müſſe
darum die Größe der Ztrafe entiprechen. Im einzelnen it in diejen
Zeile von der Natur und Rangordnung der böjen Geiſter, von den
verjchiedenen Seräften des Teufels u. |. w. die Rede. In dem 6. Ab.
Schnitt (Qnaestio) wird die Frage aufgeworfen, warum bei dem
weiblichen Geſchlechte mehr Dererei betroffen werde als beim mann
lichen. Tie Antwort iſt eine Beſchimpfung des ſchwächern Geſchlechts.
Die Weiber jeien leichtgläubig, geſchwätzig, wollititig, wankelmütig
im (Hlanben an Gott, daher auch ihr Name (foemina a fe et
minus, quia seinper minorem habet et servat fidem). Dam
werden aus der Wibel, aus der Seichichte und der Wiythologie, aus
antifen und modernen Zchriftitellern eine Menge gegen die ‚yrauen
gerichteter Ausipriche und Anekdoten vorgebradjt. Innerhalb der
ausgedehnten weiberfeindlichen Yitteratur des 16, Jahrhunderts iſt
dieſes Kapitel von Wichtigkeit, weil cs wiederholt, jo von Weiter,
Yerchheimer, Bodin u. a. nachgeahmt und benutzt worden tt.
Ter zweite Zeit des Malleus giebt eine ausführliche Beſchrei
bung des Deren und SJanberweiens und der Firchlichen Heilmittel
dagegen. Als wichtigiter Grundſatz wird hier (mad) Nider: die An
ſchanung gelehrt, daß die Deren den Gerichtsperſonen, die wider fie
Recht pflegen, nicht ſchaden können. Vom Bündnis und von der
Buhlſchaft mit dem Teufel, von den Hexenfahrten, von der 2er
wandlung der Menichen in Tiere, von der Verhexung der Zeugungs
fraft, vom MAustreiben der Teufel iſt ausführlich die Nede. Bemerkens
wert it es, daß die zahlreichen Zagen und Zaubergeſchichten tiber
das Vorgehen der Deren, wie fie dem Nüben die Milch entziehen,
) Eıne ausführliche Inhaltsangabe finder fıh u. a. bei Roskoff, Geſchichte
dis Teufels 2, 22-22.
A. Hauffen, Fiihart-Stubdien. 5
Suse, Ungewitter und Krankheiten erzeugen können, ferner über die
ittel der Abwehr, wie man Hexen erkennen und unjchädlich machen
fönne, genau mit den heute nod) allenthalben in abgelegenern Orten
verbreiteten abergläubifchen Anfchauungen übereinftimmen.
Der dritte Zeil bildet einen Kriminalcoder, eine Unterweifung
für die Richter, wie ein Herenprozeß zu führen jet, mit weitläufigen
Angaben über das Verhör, die Folterung und die Schöpfung des
Urteils. ejtgeftellt wird, daß die Heren und Zauberer als Keter
in erfter Linie vor das geijtliche Gericht gehören, daß fie aber wegen
des zeitlichen Schadens, den fie anrichten, auch vom weltlichen Richter
zu bejtrafen feien. Da es ſich un Glaubensſachen handle, empfehle
ih der Inquiſitionsprozeß, d. h. Eröffnung der Unterjuchung auf
eine geheime Angabe oder das bloße Gerücht Hin. Das Verfahren
jei möglichft jummarifch, ohne viel Formalitäten und Zeugenausfagen,
in der Regel ohne eigentliche Verteidigung und ohne Berufung
durchzuführen; die durch das eigene (in der Folter abzuringende)
Geftändnis der Schuld überwielene Perfon jei dem weltlichen Arme
zur Hinrichtung durch das Feuer zu überliefern. Bei der Verfolgung
eines außerordentlich gefährlihden „Ausnahmsverbrechens”, ſei es
Pflicht der Richter, die ſonſt üblichen gefeglichen Formen und Vor—
ichriften zu umgehen.
Diefes widerfinnige Buch genoß nun bei den geiftlichen und
weltlichen Richtern des 16. und 17. ‚Jahrhunderts unbeſtrittenes
Anſehen und erlangte (nicht offiziell, doch in Wirklichkeit) entſcheidende
Geſetzeskraft. Es bot die Richtſchnur für die zahllojen, jeder Gerechtig—
feit, Milde und Bernunft hohnjprechenden Hexenprozeſſe; es wurde
Borbild und Quelle für die vielen in fchneller Folge erjcheinenden
deutſchen, lateinischen, franzöfiichen und andersiprachigen Werfe über
Deren und Dämonen.
Denn mit dem Beginne des 16. Kahrhunderts brach nun eine
bis dahin unerhörte Verfolgung der Heren und Zauberer aus, die
ji) rajch wie über das ganze übrige Europa, jo auch in gleicher
Stärfe über die katholiſchen und proteftantiichen Gebiete Deutjchlands
ausbreitete, biS zum Dreißigjährigen Kriege immer grauenhafter
heranwuchs, dann lange verjchiedenen Schwanfungen unterlag, um
endlich im Laufe des 18. Jahrhunderts allmählich zu erlöjchen. Er-
icheinungen verſchiedener Art haben dieje entſetzlichſte Geiftesepidemie
jo mädjtig gefördert: der in der allgemeinen religiöjen Aufregung
zu blinder Angjt gejteigerte Glaube an das leibhaftige Eingreifen des
Zeufels in das menjchliche Dafein, ein wüſter Dämonenglaube, der
and) von den Führern der Reformationsbewegung geteilt wurde,
jerner das neue inquifitoriiche Gerichtsverfahren, das aucd von den
weltlichen Richtern (nachdem fie ſchon zu Beginn des 16. Jahrhunderts
6 A. Haufien, Fiſchart⸗Studien.
die Derenverfolgung den geijtlichen Gerichten entrijjen hatten: ange:
nommen wurde, endlid die in der fampferfüllten Zeit gejteigerte
Vermwilderung der Gemüter, die Aufwühlung aller böjen XYeiden
ichaften, die bei der neuen Erſcheinung leicht ihre Befriedigung fanden,
jo die Rachſucht und Gehäſſigkeit der geheimen Angeber, die Geldgier
und Mordluſt einzelner Landesherren, Richter und Henker. Die
ohnedies furchtbar jtrengen Beftimmungen des jchon beiprochenen
„Herenhammers“ und der peinlichen (Herichtsordnung Karl V. (1632)
wurden im Laufe der Seiten immer mehr überboten durch die Ver—
jhärfung der Folter, durd) eine immer regellojere und leichtjinnigere
Beweisführung. Aus jedem Hexenprozeß erwuchjen hundert neue,
weil jede Angeklagte gezwungen wurde, die Namen ihrer angeblichen
Mitſchuldigen und Mitwiſſer zu nennen. Zo fielen mehrere Weillionen
Menſchen, darunter gewiß viele Schwarzfünitler und Giftmiſcher,
Buhldirnen, Böſes jinnende oder übende, von Zeibittäufchung,
nerpöjen oder jenilen (Seiftesjtörungen befangene Frauen, doch auch
zahlloje unſchuldige, blühende Perjonen, ja Kinder der gräflichen
Verfolgungswut zum Cpfer.
Mit der Zunahme der Erſcheinung wuchs auch die Yitteratur iiber
das Hexenweſen. im beichäftigten ich nicht nur (wie in friiheren
Zeiten: theologiſche Schriftſteller gelegentlich mit dem Dämonismus,
jondern Gelehrte aller drei weltlichen ‚yakultäten, Mediziner, Jurijten,
Philoſophen erörterten in eigenen Schriften dag Weſen der Hexerei,
die wiederholt ausdrüdlicd als eine in ihren Aufßerungen neue, (Er
icheinung bezeichnet wird, und empfabhlen in der inmerften Uber
zeugung, ein gottgefälliges Werk zu thun; die gewaltjamjten Mittel
zu ihrer Bekämpfung. Auch die erleuchtetiten und mildelten darunter
waren jo jehr Kinder ihrer zeit, daß ſie von der Wirklichkeit des
Hexenweſens im allgemeinen überzengt, höchſtens die widerjinnigiten
Ausgeburten, wie Yuftfahrten, Teufelsbuhlſchaften n. a. nicht als
thatjächliche Yorgänge, jondern als wüſte Phantafien bezeichneten, die
der Teufel jeinen verwirrten Weibern voripiegle. Nicht aus Gründen
reiferer Erkenntnis, jondern aus Gründen der Menichlichteit traten
Einzelne für eine mildere Behandlung der ihrer Meinung nad) vom
böjen Geiſt verführten, bedauernswerten Deren auf. Der Erſte, der
es wagte, öffentlich Hexen zu verteidigen, war Cornelius Agrippa
von Nettesheim :1486---1535-, der jelbit der Magie zugeneigt,
nach jeinem Tode allgemein als “jauberer betrachtet wurde. Seinen
Spuren folgte jein Schiller Robann Weier :1515— 1588, Yeibarzt
des verftändigen und gerechten Herzogs Wilhelm Il. von Cleve, ein
weitgereiiter, viclerfahrener Mann. Weier gab 1563 das Wert De
praestijpiis daemonum et incantationibus ac veneficiis heraus,
worin er mit anagebreiteter Gelehrſamkeit das Hexenweſen beipricht,
A. Hauffen, Fiſchart⸗Studien. 7
viele angebliche Teufelskünſte aus natürlichen Urſachen erklärt, die
Roheit, Niedertracht und Ungejeglichfeit des richterlichen Verfahrens
gegen die Heren beleuchtet, den Aberwig der in der Folter erpreßten
Belenntniffe und die Unſchuld der meiften Verurtheilten mit edlem
Eifer aufzudeden ſucht. Die Zauberer teilt Weiter hier in drei
Gruppen ein: die Schwarzfünjtler, die ein Bündnis mit dem Teufel
geichloffen haben und mit feiner Mitwirkung zaubern; die Hexen,
zumeijt ältere, ſchwachſinnige, vom Teufel mit allerlei Phantafie ver-
biendete, in der That faſt immer unjchuldige Weiber, endlich Giftmifcher
und Übelthäter. Dieje, fowie die Schwarzfünjtler follten mit dem
Tode beitraft, die Heren hingegen nur durch chriftliche Unterweifung
gebefjert werden. Dieſes tapfere Werk, das raſch zahlreiche Auflagen,
ſowie Überjegungen ins Deutjche und Franzöſiſche erlebte,!) fand die
Bılligung des KRaifers Ferdinand und mehrerer richterlicher Behörden,
die auch eine Zeitlang ein milderes Verfahren anmwandten, endlid)
die Zuftimmung hervorragender Theologen, Juriſten, Arzte u. a.
Mehrere von ihnen folgten mit verwandten Werfen dem Beispiele
Weiers, jo Auguftin Lerchheimer (Witefind), Gödelmann, der
Frankfurter NRechtsgelehrte Fichard, jpäter Prätorius u. a.
Viel größer aber war die Zahl der Gegner Weiters: Lambert Da-
näus, Wilhelm Adolf Scribonius, Thomas Eraft, Hermann Neu-
waldt, Beter Binsfeld, Franz Agricola befämpften ıhn in Deutjch-
land; jein leidenjchaftlichjter Feind aber erjtand dem deutfchen Arzte
in Frankreich Kean Bodin (1530—1596), der hervorragendite
franzöfifche Staatsrechtslehrer feiner Zeit, war trog jeiner vieljeitigen
Gelehrſamkeit, troß jeiner humanen, für die gleichmäßige Duldung
aller fittlichen und gottesfürchtigen Confeſſionen eintretenden Gefin-
nung?) ein blindwütiger Anwalt erbarmungslojer Herenverfolgungen.
und richtete gegen Weier fein 1580 veröffentlichtes Werk: De la
demonomanie des sorciers. Für die allgemeine Anordnung, fowie
1) 1564, 1566, 1568, 1577, 1583. Eine deutjche Uberjegung erjchien 1565
von Joh. Fuglinus, 1567 von Weier jelbft. (Vgl. Janſſen 8, 559 mit weiteren
Yitteraturangaben.) Die Überfegung des Fuglinus erjchien 1586 „auffs neuw vber-
fehen vnnd mit vielen heilfamen nützlichen ftüden: Auch ſonderlich hochdienlichen
newen Zujägen, fo im Lateinischen nicht gelefen als im folgenden Blat zufinden, jo der
Bodinus mit gutem grumdt nicht widerlegen fan, durchauß gemehrt vnd gebeſſert.“
Die Zufäge beftehen in Auszligen aus Predigten Geiler8 von Kaifersberg, die
Zauberei betreffend. Ende der fiebziger Jahre gab Weier eine kürzere Zuſammen—
fafjung feines Hauptmwerfes in der Schrift De lamiis heran.
3) Diefer im 16. Jahrhundert faft beifpiellofe Standpunkt Bodins dürfte
darin feine Erflärung finden, daß (mie man fagt) feine Mutter eine Jüdin war.
Obwohl Katholik, neigte fi Bodin fehr den Yugenotten zu. In feinem oben
beiprochenen Werfe citiert er das alte Teftament immer im hebräifchen Wortlaut,
und beruft fi auffallend viel auf jüdiſche Gelehrte, was ihm auch zum Vorwurf
gemacht wurde. In der „Vorwarnung“ zu feiner Überfegung jagt Fiſchart: „Dan
8 A. Hauffen, Fiſchart⸗Studien.
für einzelne Ausführungen diejer in vier Bücher und einen Anhang
zerfallenden Schrift war der Malleus Vorbild. Bodin hat aber
dariiber hinaus die neuere Herenlitteratur und die Grgebnijie der
franzöfifchen zum Teil umter jeinem Norjig durdhgeführten) Seren
progeffe der legten Jahrzehnte verwertet und an Weitſchweifigkeit und
Prunten mit leerer, abgeſchmackter (Selehrtheit, fowie an Erbarmungs-
lofigfeit jeine Norgänger noch überboten. Das erite Bud) giebt eine
theoretiiche Erörterung der Natur der böſen (Seifter, ihrer Kräfte
und Eigenſchaften und ihrer Beziehungen zum Menſchen, das zweite
Bud) eine Schilderung des modernen Hexenweſens, der Derenfahrten
und Verſammlungen, der Teufelsbuhlichaften, der Wehrwölfe u. }. w.
mit Anführung der albernjten Gejchichten als wijjenichaftlicher Be
weile. Tas dritte Buch Ichrt die Mittel zum Schuße gegen Behexung
und Zauberei, dag vierte Buch ein möglichit graufames und ungeſetz
liches (Serichtsverfahren wider Deren und Zauberer. Immer wieder
betont hier Bodin, day alle juridiichen Beſtimmungen und gejeßlichen
Milderungen bei dem Ausnahmsverbrecdhen der Hexerei unanwendbar
jeien. Da jei die größte Dinterlift bei der ‚yührung des Beweijes
nötig. Jede Milde und Schonung wird den Nichtern unter An
drohung zeitlicher und ewiger trafen verwehrt. Die ganze Schrift
enthält Ausfälle gegen Weiter; der Anhang it geradezu der Polemit
gegen Weier gewidmet und beionders durch dejien zweite Schriſt De
Lamiis veranlagt. Ta eier, wie jeine Geſinnungsgenoſſen, dod)
noch vielen Deren und Teufelsfabeln wirflich (Slauben beimaß, jo
bot er durch teine Inconſequenz dem gewandten Gegner dankbare
Angriffspunfte zur Widerlegung dar im Bezug auf die Theorie des
Tümonismus. Was aber die Verfolgung der Zauberei betrifft, jo jei
es meint Bodin Sache der Theologen und Juriſten, das göttliche
und menjchliche Geſetz zu vertreten. Der Arzt unterjuche die ‚Farbe
des Harns: das ſei jeines Amtes. Weit der gleichen Bosheit nennt
Bodin feinen Gegner einen Beichirmer der Deren und Zauberer und
verdächtigt ihn als Schüler des Zaubermeiſters und Teufelsgenoſſen
Agrippa. Mit inneriter Überzeugung nud frommem (rnft verteidigt
er das „heilige Werk“ der Hexenverfolgung gegen Weier, der durch
jeine Schriften die Ehre Gottes zertreten habe.
Tiejes abſtoßende Werk Bodins, das in franzöfiicher und im
lateiniſcher Faſſung zahlreiche Auflagen erleben ſollte,“ wurde jchon
ehr viel Gelehrten dieſes an jhm als fträfilich tarıcren vnd halten, daß cr vie
zu viel auff der Haben Schrifiten Außlegungen vnd Gloſien angebadıt vnd
vervicht iſt.“
) Franzoſiſch: Raris 1580, 1582, 1587, 1616. Italieniich: Venedig 168%,
Lateiniich: Babel 1581. Neben dieſen ın der Biographie universelle 4, 513 er
wähnten Ausgaben giebt es noch eme lateiniſche Uberſezung Prager Univerfttäts-
A. Hauffen, Fiſchart⸗Studien. 9
ein Jahr nad) dem Erfcheinen von Johann Fiſchart ing Deutiche
übertragen. Eine bedauernswerte fchriftftellerifche Leitung, die natürlich
in feiner Weife verteidigt oder beichönigt, doc) zum mindeſten durd)
die Zeitverhältniſſe erklärt werden Tann. Im Elſaß blühte das
Hexenweſen wie im übrigen Deutjchland. Schon in der Bulle Inno—
zenz VIII. wird der Straßburger Biſchof ausdrücklich zur Förderung
der päpftlichen Herenrichter aufgefordert. Die proteftantijchen Prediger
Straßburgs billigten in einem Gutachten 1538 die Verfolgung der
Heren,!) feit den fiebziger Jahren aber mehrten ſich die Herenbrände
alfenthalben im Elfaß.2) Ward fo Fifchart durd) die Ubung feiner
Umgebung gewöhnt, diefes Unweſen als etwas Selbjtverftändliches
zu betrachten, jo mußte er darin noch bejtärkft werden durd) die
allgemeine Anjchauung im Kreife jener Gelehrten, denen er in feiner
religiöfen Überzeugung nahe ftand. Gerade die calviniftifchen Theo—
flogen zu Fiſcharts Zeit traten für eine unnachjichtige Verfolgung
der Heren ein, jo Lambertus Danäus in Köln, der Straßburger
Brofeffor Petrus M. Vermigli (F 1562) und aud) der von Filchart
gefeierte Zwinglianer Heinrich Bullinger in Zürich.) Dazu kommt,
dag Filchart fid) zu jener Zeit um eine feite Stellung umjah. Wollte
er, was am nächlten lag, Amtmann werden, jo fonnte er fich nicht
beiler empfehlen, als durch eine Schrift zur Herenverfolgung. Denn
auf den Fleineren Herrichaften lag die Leitung der Hexenprozeſſe (die
dajelbjt al3 wichtigiter Zeil der Nechtspflege betrachtet wurde) den
Amtleuten ob. Daß Fiſchart diefe Abjicht mit der Herausgabe feines
Wertes verfolgte, ergiebt ji) aus feiner Widmungsvorrede.
Die erjte Auflage der Uberjegung erfchien zu Straßburg bei
B. Jobin 1581: De Daemonomania Magorum. Bom Außgelaßnen
Wütigen ZTeuffelsheer der Beſeſſenen Vnſinnigen Heren und Heren-
meyſter & &. Nun erjtmals durch den aud) Ehrnveften und Hoch—
gelehrten H. Johann Fiſchart, der Rechten Doctorn auß Frantzö—
ſiſcher Sprach treulich inn Teutſche gebracht vnd an etlichen enden
gemehret und erfläret.“*) Die Vorrede, die Fiſchart an Egenolff,
Bibliothef) des Titel8: Jo. Bodini Andegavensis, De Magorum Daemonomania,
seu de detestando Lamiarum ac Magorum cum Satana commercio Libri IV
ete Francofurti MDXC. Ber Nicolaus Baffäus, dem Druder der Filchartifchen
Malleus-Ausgabe verlegt.
!) Sanfjen 8, 526.
2) Kanfjen 8, 631 f. Stöber A., Die Herenprozefje im Elſaß, befonders im
16. und Anfang de8.17. Sahrhunderts, in der Alfatia 1856, ©. 265-338 und fonft.
3) Bal. Janſſen 8, 586 f.
+) Eremplare in Berlin, Laffel, Darmftadt, Dresden, Hannover, Münden,
Brag, Wien und Züri (GGoedekes Angaben konnte ich hier, wie jpäter, nad)
einigen Nachforfhungen vermehren). Der ganze Titel und eine bibliographifche
Beichreibung bei Kurz Filharts Dichtungen 3, XLVI, Berichtigungen dazu im
10 A. Haufien, Fiſchart ⸗Studien.
Herrn zu Rapoltsftein, Hohenack und Geroltzeck am Wafjichin richtet,
giebt an, wie fid) der Uberſetzer zur Sache verhält und erweilt, dag
diefer im großen Ganzen Inhalt und Nidytung der Bodinfchen
Schrift geteilt habe. Fiſchart erflärt, er habe jich, obwohl die Ma—
terie eigentlich Theologen zufomme, dod) als Juriſt entichlofien, die
„bei heutigen Vnrichtigen vnd Verwirrten läufften hochnötige vnd
viel wegs Nutzliche“ Schrift Bodins zu verdeutichen, nachdem fich
auch Philofophen und Mediziner (darunter Johann Weier) „unter:
fangen“ hätten, ein Urteil über diejen Gegenſtand zu fällen. Den
Juriſten gebühre es, über die hiebei in Betracht kommenden Geſetze
und Strafen jich zu äußern: Wie dan beydes in Geiltlichen vnd
Keyſerlichen Nechten vmb hinſchafung diſes verfluchten Gotver:
läugnenden Geſchmeiſes ſehr heylſame ordnungen ſeind angeſehen:
In kraft welcher die Oberkeyten jederzeit gegen den Zaubern gepflegt
zu procediren.“ Mit dieſem Buche ſei allen Obrigkeiten eine Richt⸗
ſchnur für die Strafe geboten und er hoffe darum Lob zu ernten für
die „gemeinem Nutzen vnd Vatterland zu vorſtand“ vorgenommene
Arbeit. Daran ſchließen ſich die von Fiſchart an den Gönner ge—
richteteten Worte:!
„Daß aber E. G. Ich mit diſer Vorred compellieren vnd gegenwertige meine
Verfion vnd an etlichen vilen Orten vermehrung vor anderen inn Bnuderthenigkeit
antragen vnd dediciren wollen, geſchicht mehrteils auß zwoen bewegnuſſen vnd
vrſachen.
Erſtlich weil mir nun merckliche zeit ber durch viler fürnemmer vnd glaub-
würdiger E. G. VBnderthanen rhitmlidhe anfag vnd auch fonft mir als eynem, fo
der Landsart nicht fo ferr entfefien, felber wol befant welcher maffen E. G. nicht
alleyn (Wöttlicher Gerechtigkeit als Warer Religion vnd Politiſcher, als rechter
Adminiftrirung der Juſticien wol gewogen vnd förderlich ſeien: Sondern aud an
allerhand studiis Jiberalibus und Cultoribus Linguis eyn gnädig gefallen tragen.
Wie dan deiien, daß E. G. dero Junges Herrlein nit fehr vnlängſt zur Hoben
Schul gen Straßburg vmb eriehrnuß ſolcher löbliher Künft und Spraden gethan
vnd E. G. auch felbft vil zeit in lefung allerhand guter Authorn zuzupringen
pflegen, genugjam anzeygun geben,
Nachgehends dan benda ben, weil mir feid cım jar her, da diefer Tractat
Frantzöfiſch außgangen vnd von mir zu transferiren angefangen, mehrmals wahr⸗
baftig angezengt worden, wie E. G. cun fonderlie ſähnliche Nachfrag nad ber
Eentralblatt filr Bibliotheksweſen 10, 653 von A. Schmidt. Der Titel iſt mit
Abſicht fehr lang. und ſchreckbar gehalten, denn Fiſchart erflärt in einer Rand:
bemertung feiner Übertragung 2.7: „Tieweil Doctor Weier feim Bad ein milten
Titul geben, hat man den Titul bier geichärfft “
I) Die Vorrede und die „Borwarnung“ zur Dämonomanie ift nad ber
Ausgabe von 1586 abgedrudt in Scheibles Kofler 10, 1017-1023. Der erfte
Teil der Borrede (bi einſchließlich „Jnocitiert“) und die „Vorwarnung“ der
zweiten Ausgabe flimmen wörilich mit der cerfien überein, darum drude ich oben
dieie Zrde nicht wieder ab. Der zweite Teil der Borrede, den ich oben wörtlich
wiedergebe, weicht vollſtändig von dem bei Scheible gedrudten Test der zweiten
Ausgabe ab.
A. Hauffen, Fifhart- Studien. 11
Teutſchen Berfion bdeffelbigen follen gehabt haben vnd nochmals zweifelson haben
werden. So ich dann eyn ſolches für ein fonderlich Glücklich Omen vnd ſchickung
und gleichſam wie ein vorleuchtend Geftirn meines vorhabens erfannt und nohmals
erfenne vnd auffnemme: Bnd ohn diß hievor wegen rhümung E. G. Hochadelichen
Thugenden vnd Güte bei E. G. mic, Bnderthäniger dienften zuerweiſen willens
vnd zugleich hie mit diſem Operi mit E. ©. anſehnlichen Namen bei menuiglich
mehr anſehens zuſchöpffen gefinnt geweſen, Hab ich glei nun zumal derjelbige
vorleuchtung und anleitung hiemit wirdlid; nachſetzen vnd bife Fuͤnff Bücher von
der Demonomany (jo unzalige felfame Fragen, Difputationen, Fall, Geheymnuffen,
Hiftorien, Geſchichten, Gerichtliche erkantnuſſen vnd erklärung der echten vnd
beinahe der welt lauf inhalten) E. G. dedicieren vnd beeygnen wollen: Wie ichs
dann auch m erthänig hiemit wircklich dero dediciere vnd beeygene vunderthänig
pittend foldhes mit Gnaden auff und anzunemmen vnd mic derfelbigen €. ©.
Gnädig lafjen befohlen fein. Der Allmächtige wolle E. ©. fammt derfelbigen Jungen
Herridafit an Leib und Seel und Landregierung alle Vätterliche wolfart jederzeit
verleihen. Datum Speir auff den Tag ©. Bartholomei, den 24. Augufti Anno 1581.
E. G
Bnderthäniger
Johan Fiſchart G. M.
der Rechten Doctor.
‚ Die der Vorrede folgende „Vorwarnung von Leſung und Br:
theilung folgender Bücher“, die in der 2. und 3. Auflage mit einem
Stchartiihen Anagramm (Invento Filio Gaudemus Messia) unter:
zeichnet ift, erweift nun, daß Fiſchart doch nicht am jeden einzelnen
Unfinn im Bodinfchen Buche geglaubt habe. Der Überſetzer ermahnt
bier die Lejer zur Vorficht und rät ihnen, nicht „vberall beifall vnd
glauben zugeben”; der Autor miſche die verjchiedenartigiten Gejchichten
und Erklärungen „gleichwol jolches alles aljo, daß allzeit inn eynem
oder dem andern theil die Wahrheyt mit vntergeiprengt it“. Und
Fiſchart fügt Hinzu: „Wie id) dan felbft unterm Vertieren vil der:
gleichen ort beydes inn Margine vnd aud) im Gontert durd) di
Zeychen () hab warnungsweiß angedeitet, auch zur gelegenheit ent-
weder mit mehrem zuſatz befräfftigt oder durch) erzehlung anderer
Meynung gemehret. Al unter anderem zur Nachrichtung, da er die
Torjagend Aftrology zuvertädigen ſich vnterfähet vnd da er den
Freien Willen der Widergebornen Menſchen auß Zeugnuffen der
Jüdiſchen Rabinen vermeynd handzuhaben.” Hier wie anderwärts
erklärt ſich Fiſchart als Gegner der Aftrologie!) und als Verfechter
der calvinfchen Prädeſtingtionslehre.
. Auch die übrigen Äußerungen Fiſcharts über die Art feiner
Uberfegung ftimmen damit überein. Im Titel heigt es: „auß Frantzö—
ſiſcher Sprach treulich inn Teutſche gebradjt vnd an etlichen enden
gemehret vnd erfläret.” Die Überſchrift ©. 1 bejagt: „aug der
Frantzöſiſchen zierlich inn verftändliche Teutjche Sprach gebracht.“
) ©. 143 in einem Zuſatz gegen das Horoffopftellen.
12 A. Hauffen, Fiichart- Studien.
Zunächſt muß feitgeftellt werden, daß Fiſchart feine Wbertragung
wirklich nach dem franzöfiichen Triginal und nicht nad) dem ihm
ebenfalls vorliegenden lateinifchen Texte hergeitellt hat. Tag ergiebt
ſich ſchon aus den eriten Zeilen. So fagt 3. ®. die lateinische liber-
fekung: mihi occasionem seribendi praebuit. Bodin: m’a donnee
oceasion de mettre la main a la plume. Fiſchart (1 f.): „hat
mir vrjach geben, die ‚seder in die hand zunemmen.“ Auch jonft
behält er franzöjiiche Nedensarten oder Ausdrüde bei. Daneben muß
er ab und zu auch in die lateinitche Uberſetzung einen Blick geworfen
haben, weil er in deren wörtlicher Faſſung Gitate, juridiiche Fach:
ausdrüde und Wendungen wiedergiebt. An einer merkwürdigen Ztelle
hat er augenicheinlich beide Texte nebeneinander benutzt. Frantzen!
hat bereits anf die auffällige Thatjache hingewiejen, dar Fiſchart
troß jeiner ungewöhnlichen Beherrjchung der franzöfiichen Sprache
das Vigeſimalſyſtem der franzöftichen Zahlen nicht kannte. Dies
ergiebt ſich auch aus der Dämonomanie. Für Bodin: quand l'aveugle
des Quinze Vingts fust pendu. ſagt Fiſchart 551, „da der Blind
auf den Fünff vnd Treiſſigen gehendt ward”. Statt 15 x 20 = 300
überſetzt er fälſchlich 15 + 20 = 35. Ter lateiniihe Tert hat an
diefer Ztelle: eum eaeeus ille e treeentorum aede: und Fiſchart
giebt auch dies wörtlich wieder, indem er an den Hand jekt: „Andere
verftchen von den (Juinze vingts, der treibundertner haus.“
Im allgemeinen hat Fiſchart den franzöfiichen Zert genau und
gut ohne Kürzungen und jachliche Anderungen überjegßt. Wie er ce
jonft übt, jo giebt er auch hier für einen Ausdruck der Vorlage
zwei oder mehrere dentiche Wörter, verjucht, fiir ſchwierigere Fremd
wörter icherzhafte oder im Ernſt gelungene Übertragungen und erjegt
trodene Wendungen durch anſchauliche, häufig derbfomiiche Redens—
arten und Vergleiche. Eine Heine Auswahl der bemerfenswerteiten
Heiipiele möge folgen:
Für: les republigques (631) Policeien, Stätt vnd Land: — ennemy (45)
‚send, Häſſer oder Widerſächer; — verveaux (11 dolle, verftodte, dumme Hirn; —
les atheistes (280) alle Gottloſe Verruchte Atheiſten vnd Epicurer; — Herma-
phrodites (756, Hermaphroditi oder Zwigdornen; — le ınal eadue et l’apoplexie
330) der Schlag, die Popeliei, die Hand Gottes, Zanı Veltens Plag, die Hın
fallend Zucht, da8 2. Johans vbel ꝛc.: — la pierre philosophale (452) dem
Philoſophiſchen oder Vilbloßauffiſchen Wunderſteyn: allepories (246) Gleich
uunſſen, Berwendungen vnd Sinndeitungen: - predictions et presages (108:
Bor und Weißſagungen, vordeitungen vnd vormeldungen, vorfühlungen vnd vor-
enpfindungen, voroffenbarungen vnd vorloiungen, vorrhätigkeit vnd Errhatungen,
vormutungen vnd mutmaſungen, Vorſpuren vnd Außfipürungen, vorgemärcken
vnd vormerckungen, vorkündigungen vnd vorkundſchafften, vorwiſſung vnd ver
Aritiſche Bemerkungen zn Fiſcharts Überſetzung von Rabelais Gargantua,
Straßburg Ixu2, S. 35 f.
A. Hauffen, Fifchart-Studien. 13
gwifjung, voranungen vnd vormanıngen; — daemones Hiphialtes (13) Hiphi-
altes oder Alpen oder Bnderliglinstheuffel und Trutten oder Schretsel. — Deutſche
Bezeihnungen für die verjchiedenen Arten der Zauberei (89) Hidromantia, Wafjer-
zauberung; Lithomantia, Steinbejhwörung; Orneomantia, Bogeldeitung u. f. w.
(231 f.) Lecanomantia, Bedindeitelei, Bedinklingelung; Gatoptromantia, Spigel-
begaffung u. a. (200) für Auguren: Vögeldeiter oder Gfiderbiſchoff u. a. — il (395)
der jauber gejell; — il y a à tous propos (236) ift heut eyn gemeyn ding vnd
wie man fpricht Beterlein auff allen Suppen; — oü les medecins ne cognoissent
rien (599) inn erfantnuß welcher die Artet blinder dann die Maulwörff find; —
les plus clair-voyans (36) die am weiteften vnd beften, wie eyn Reyger durd)
vil Zäun fehen können; — ces maistres doubteurs (39) diſe Meyſter Zweiffel⸗
Hügling vnd Wagzungen . . die da all ding auff die Nadel jeten.
Wie in andern Profafchriften, jo fchiebt Fiſchart auch hier Verſe
ein, namentlich bei der Übertragung von Litaten und Sentenzen.
Die in die Dämonomanie eingejtreuten Verſe find bereit neugedruckt
bei Kurz, Fiſcharts jämtliche Dichtungen 3, 322— 329. Es fehlen
da nur einige in die Profafäge eingemobene Reimzeilen ©. 32, 76,
201, 424 und folgende (wegen der Binnenreime beachtenswerte) Verſe
nad) des Rucilius Noctes vigilate serenas (464):
yendet die Nacht auch an den Tag,
an wachen den Tag längern mag
Bnd der Tag vollziehet vnd macht,
Was die Nacht inn der Wacht betracht.
Darneben jeßt auch das fürnem nicht hindan
Rufet Gott darzu ernftlich an,
Daß er fein miltes gedeien
Wöll zur Arbeyt gnädig verleihen.
rei hinzugefügt hat Filchart faft alle Randbemerfungen. Bodin
verzeichnet am Rande nur die Titel der im Terte benutten Schriften.
Fiſchart aber bringt außerdem kurze Inhaltsangaben der beiftehenden
Abjchnitte, Ergänzungen zum Texte, etymologijche Erläuterungen,
Anjpielungen auf befannte Fabeln und Anekdoten, komiſche Vergleiche
und Spricdywörter (3. B. 357 Ziehen eyn Neu Futer vber eyn alt
Laut oder 425 Wann der Fürjt fchüret jo trägt das Volk holk
zu.)!) Am bemerfenswerteften jind jene Randbemerkungen, durch die
ih Filchart mit Bodins Text in Widerjpruch fest. ©. 170 zu einer
Geſchichte von vier fchwedischen Hexen bemerkt Fiſchart: „Solche
Erempel ift nit fo gänglic) zuglauben, dieweil der Author auff
ungleichen bericht geht.” S. 461 zu Schabgräbergeidhichten meint
1) Eine komiſche Randbemerfung (S. 204) erinnert an eine ganz ähnliche
Stelle im Fauſtbuch (in Braunes Neudruden 7 f. ©. 76). Bodin jagt: .. grand
docteur, que je ne nommeray point, pour le desir, que j’ay d’ensevelir son
impiete à jamais .. Fiſchart überjetst dieje Zeilen, fchreibt aber an den Rand:
Gornelius Agrippa.
14 A. Hauffen, Fifchart- Studien.
Fiſchart: „Die mag ſich der Author jrren.” S. 350 zu der Werwolfs:
fabel vom Lycaon: „Allein es jcheint, es jei dem Namen nach er:
dacht.” S. 147 behauptet Fiſchart wider Bodin, daß nad) des
Goropius Forſchungen Cimbriſch und micht Hebräiſch die ältefte
Sprache ſei.
In der „Vorwarnuung“ erwähnt Fiſchart neben den Nand-
bemerfungen auch Zuſätze im Texte. Nicht alle dieſer Zuſätze jind
mit Klammern bezeichnet. Die meilten geben furze Hinweiſe auf
Bipelftellen, hijtoriiche und litterariiche Beiipiele, Sprichwörter n. a.,
die zu der betreffenden Ausführung Bodins paffen. Ferner etymolo-
giſche Spielereien 13. 8. S. 189 f. leitet Fiſchart das Wort Here
von hebrätichen Le Hesim, Zauber vom hebrätichen chober ab und
zu oraculum fügt er hinzu: „So vil lautend als eyn Hörenhülum,
da man auß der Mill die Verrhäters Stimm hat hören müſen: Ja
hieß mol eyn Hurenhül: dieweil er durch die Hülen der jhme ge:
hölligten Huren pflegt zuhenlen.“ S. 104 leitet er Mantes von
„mahnen“ ab, Z. 345 „Wermwolf“ von „Gefahrwolf“ u. j. w.ı; Citate
und Auszüge ans fremden Wüchern, jo S. 93 aus des Joannes
Goropius Bud), von der ülte und herlichfent der Teutſchen Sprad),
S. 96 f. und 496 aus dem Kräuterbuch des Hieronymus Pod,
S. 368 f. ans des Aventinus „Buch vom Urjprung der alten
Teutſchen“, S. 432 f. aus Yudivig Yavaters von Zürich „Buch von
den Geſpenſten“, S. 4490 aus „eym Büchlein jo Anno SO zu Antorf
aufgangen mit dem Titel von Greulichkeyten Yo die Spanier in den
Neuen Inſuln geübt.” S. 643 —645 cin langer Zuſatz aus der
Coſmography des Theuet und des Lery Diltori von jeiner Reiß inn
Americam nu. a. S. 181 f. macht Fiſchart eine intereſſante Bemer—
fung über die Losbücher der Zeit:
„ud ſolchen Aberglauben helffen dije lächerliche vilmüſige Scribenten, weldye
gante Scarteden De La Ventura. Libro Del Sorte, Glüdgürtel und Yosbücher
ſchreiben vnd malen vnter dem ſchein dev kurbweil, bei dem Albern Völcklein er:
halten vnd ftärden.” (Nun ausführlich Über die Losbücher des Italieners Lorenzo
Spirto und des dentſchen Pränonftrateniers Paul Pampft 1546.) „ES hat zwar
Jörg Wıdram auch eyn Losbuch und Geburtzenger geichriben aber daſſelb fo
lacherlich vnd greifilich Vexieriſch auch ohn mißpräuchige einführung der H. Schrifft
geſtellt, daß es ſcheint, als hab ers diſen vorigen Runden zur Verweiſung vnd
ſpott gethan.“
Eine Reihe von Zuſätzen bilden Beiträge zur Kulturgeſchichte
und Volkskunde der Zeit. Nur die wichtigſten davon ſeien erwähnt:
Bodin erzählt von einem beſeſſenen Mädchen, das ein unfichtbarer Teufel mit
Stricken gebunden habe. Tazu ment Fiſchart 282: „Dan find zwar Naſſe Buben,
die DIR durch geſchwindigkeit artlıh nachſpilen können, wie man dan bei kurtzem
gedenden zu Nornberg erfahren, da man vil Dandiverd8lcut gefunden, die daſſelb
erwiien vnd geübt allein zu vberwerfung des Betrugs des Yandbetrigers Hans
A. Hauffen, Fiihart-Stubdien. | 15
Better, fo durd ſolchs jhm felbft gemacht Binden welchs er des Teuffels anfech-
tung fälſchlich zugejchriben, viler Stätt, Flecken, Dörffer vnd leut barmhbergigfent
zu Reichlicher Mittheylung jres Almujens hat bewegt: Aber endlich als es zu
Nörnberg entdedt ward, darüber mit Autten aufßgeftrihen worden.“ Zu der Er-
wähnmg eines Regenzaubers bemerkt Fiſchart 391: „Darumb wird an vilen enden
mm Zeutichland billid) der brauch mit dem Bild des S. Vrbans verbotten, da die
Bauren zu böfen Herbften das Bild in den A ziehen und werfen, aber zu
Reichen Herbften e8 mit Reblaub krönen vnd ins Wirtshauß führen vnd Hinder
den Tiſch feen und mit jo vil Gutteruffen, ängftern (Bechern) und Gläferen voll
Weins behenden, als vil vber dem Tiſch ſitzen: Vermeynend dardurch entweder
eynen guten Herbſt heraus zuſchrecken oder abzuſchmeychelen. Dann diß reycht alles
vom Zuuberiſchen Aberglauben her.“
©. 105 iſt von der Fallſucht die Rede. Fiſchart fügt Hinzu: „Darumb auch
etliche Zaggläubige gemeynt ſolche Kranckheit werd von den Götern oder Heyligen
den Leuten zugeſchickt vnd darum ſei ſie auch meher ehren vnd barmhertzigkeyt
würdig: Gleich wie man auch andere Kranckheyten deßhalben den Heyligen zuge—
ſchriben als dem S. Veit den Sant Veitz Dantz, das Glockfeur oder Rotlauf oder
die Brennend Raach dem S. Anthonio vnd darumb auch Sacrum Ignem, das iſt
das Heylig Feuer oder S. Anthonis Feur genannt: Gleich wie auch die Feig—
wartzen heyſſen S. Fiackers leiden, die Peſtilentz S. Sebaſtians blatern, der Tropff
S. Eutropij Schlag, das Podagram S. Genou wee, der gähe tod S. Chriſtoffs
end, Böß Brüſt S. Agathe buß, der Grind ©. Rochus raach, der Steyn ©. Libo—
rins lieb, das Grimmen S. Erasmus därm, die böſen augen S. Otilien träher, die
Schwermütigkeyt S. Maturins vnmut, der Hundsbiß S. Humprechts ſtraf, die
Gicht S. Wolfgangs geſchick, Rückenwee S. Lorentz demut, das Zäpflinfallen
S. Blafius vnfug, das Fieber S. Petronells hitz, der Ritten ©. Martins ſchauder,
das Zanwee S. Apollonien fluß, der Huften ©. Quintins wuſt, die Frantzoſen
oder die Spaniſch ſucht ©. Jobs leiden ꝛc. ꝛc.“ Ahnliche Aufzählungen finden wir
öfter in der Litteratur der Zeit, fo in Fiſcharts Geſchichtklitterung (S. 412 f.), in
Murner® „Nom großen Iutherifchen Narren” (bei Sceible 10, 81), in Hans
von Rütes Spiel „Vom Urjprung und Ende heidnifcher und päpftlicher Abgötterei
1531” (vgl. Bächtold, Geſchichte der deutjchen Litteratur in der Schweiz, ©. 310 f.)
u. a. Wir ſehen aus diefen Stellen, daß Fiſchart fpecififch katholische Bräuche
dem Aberglauben zumeift, während er ſonſt den albernften Märlein Glauben
ſchenkt und zu Bodin noch derartige Beijpiele hinzufügt. Zur Behräftigung des
Glaubens an Wechjelbälge erzählt er 3. B. ©. 371 f. folgendes niederjächfifche
Märden:
„Wie wir dann deſſen eyn Merdlih Erempel haben, fo bei
ei RR Menfchengedenden inn Sachſen bei Halberftatt fürgangen: Da hat eyn
von enm Kii- Man auch eyn Wechſſelkind oder, wie fie e8 bei jnen zunennen pflegen,
fropit oder eynen Kilfropfi, weil es ftät3 im Kropff killet,) der feine Mutter
von Halberan, vnd fonft fünf Mumen gar aufgefogen und vber das fo vil als
jrgends vier Bauren oder Treſcher efjen möchten, gefreiien hatte.
Als nun der gut Landman ſolchs inn die läng zuerſchwingen ver-
zagte, gaben jhm die Feut den Rhat, er jolt den Wechffelbalg zur
Walfart gen Hodelftatt_zur Jungfrau Marien geloben vnd dajelbit
wiegen laſſen. Diſem folget der Man vnd trägt den ſchönen Plunder
dahin inn eynem Korb. Wie er es aber vber eyn Waſſer trägt vnd
auff dem Stege oder ber Bruce gehet, fo ift eyn Teuffel vnten im
Waffer, der rufet ihm zu vnd ſpricht: Killkropff, Killkropff. Da ant-
wort das ſchön Mufter, jo im Korb ſaß und zuvor nie feyn Wort
1) Diefelbe Erklärung giebt Luther (Erlanger Ausgabe 60, 40). Die von
Fiſchart beigebrachte Geſchichte ift fehr verbreitet. Vgl. Deutfches Wörterbud) 5, 681.
16 TH. Hampe, Benedilt von Watt.
geredt batte: Ho, Ho, Ha. Deß war der Man vngewont und fehr
erichroden. In def rufft der Teuffel im Waſſer abermal und fragt:
„Killtropf wohin?” Der Killtropff antwort auf gut Sähffiih: „Fa
will gen Hodelftatt zur Lefen rauen vnd mid allda laten wigen,
dat id mög etwa digen.‘ Wie ſolchs der Bauer hört, ergrimmt er
ober dem handel vnd befinnt fich furbk und wirfit alsbald das Kind
mit dem Korb inns Waller. Da fuhren die zwen Teuffel zufammen,
ſchreien: Ho, Ho, Ha vnd bürkelten und vberwarffen ſich mit eyn⸗
ander vnd verſchwunden demnad allo.‘
©. 205 if von den Feen die Rede. Fiſchart füge hinzu: „Welchs etliche für
der Heydniichen Römer Forſthütende Faunos halten: Daher auch, wie man meynt,
das wort Finnen foll entflanden fein: Dieweil fie fi beydes inn Franckreich zu
vufignan, welchs inn Förſten gelegen, und auch inn Teutfchland ın der Ortnau auf
Stauffenberg, jo gleichfalls mit grofen Wälden umgeben, haben beinach auff eynerley
weiß inn Weiblicher geftalt und Bulichaft fehen laffen. Wiewol etliche diß Wort
Finnen von Benus herzichen: Dieweil man bei vns Teutfchen vil ge-
Ihriben Sediht® vom Benusberg bei Brifah vnd ihren darinn
Ihlafenden Rittern finget vnd vmbtraget.“ Hierauf wird breit die Ab-
ſtammung von Sphinr erwogen, Ausführungen, die Fiſchart fpäter in der Vorrede
zum Staufenberg ins Ungemeſſene erweitert bat.
ES. 497 zum Wort Artemisia erwähnt Fiſchart: „das iſt Beifuß oder
S. Johanns Gürzel. Wie dann noch heutigs tags etlich diß Kraut auf gewiſſe
tag vnd ſtund graben, wie fonft die Berbenam oder Heyliglraut, fuchen ſteyn und
kolen darunder fiir ‚geber, etliche hendens vmb fi, machen Kräny darauf, werffens
folgends mit jhrem vnfall inn 2. Johans Feur ſampt fondern Sprüden und
Keimen. Etliche henckens an mit Zalben, dar fie auff der Reyß nicht müd werden,
weil c8 ſeim Namen nad foll machen, daß man mol bei fuß bleibe, fo es befier
wer, das fol Abergläubig Yent wol bei finnen blieben: ann oberzeblte Buncten
alle feind offenbare Mißpräuch ond betrug werd.” S. 499 „Bon difen Heyndnı-
ihen prauch (nämlich Nınder durchs Feuer zu ziehen) fompt das fpringen durcha
Johansfeuer.“ Zu erwähnen wären noch folgende Zuſätze: S. 490 dic Pederaftir
„die bei den Teutſchen ihrer diſes laſters vnſchnld halben nit zuvertolmetichen
ftcht.” S. 317 Bon dem nenen Tanz PBolta, „da man eynander im Welfchen
Tank an Schamigen Orten faſſet vnd wie eyn getribener Zopff herumbber haipelt
vnd wirbelt.“ S. 290 „Vnd zu vnſern zeiten befennen der gröfer theil Hexen inn
Teutichland, das fir im Schwarzwald zuſammen kommen.“
(Schluß folgt.)
- — —
Benedikt von Watt.
Son Theodor Hampe in Nürnberg.
Was uns die Kunſt des Meittelalters auch in ihren ſchwächern
Dervorbringungen immer anziehend erjcheinen läßt, it der Umſtand,
dag wir ca hier mit einer Volkskunſt im beiten Zinne zu thun
haben, day der Künſtler in der Negel nichts weiter wollte, als den
(GGedanken umd Anſchauungen Ausdrud verleihen, die nicht etwa einen
Th. Hampe, Benedikt von Watt. 17
Heinen Kreis von „Auserwählten“, jondern gleichmäßig jein ganzes
Rolf, ja die ganze Chrijtenheit erfüllten und durchdrangen. Aus
diejer Thatjache erklären fic die hohen Vorzüge, wie aud) die Mängel
der bildenden Kunft des Mittelalters. Nicht mit Entlehntem oder
Neugefundenem, nur mit Altererbtenm jchaltend, litt fie fein Hervor—
drängen der Berjönlichkeit: der Künjtler it — wenigſtens in der
weitaus vorherrichenden kirchlichen Kunſt — nicht fo jehr freiichaffender
Erfinder, wie vermittelnder Verwalter eines Gutes, das allen gemein-
jam gehört. Nach) Maßgabe feines Talents fleidet er den über-
fommenen Gedankengehalt in das Idiom feines Volks, feines Stamms,
ſeines Heimatsorts, feiner Individualität. Daher die Enge des
Stoffkreiſes und vielfach eine gewiſſe Beſchränktheit des geiftigen
Horizont; daher aber andererjeit3 auch die enimente Bedeutung,
welche dieje das ganze Leben und alle Kreife durchdringende Kunit
für die ethiiche Kultur des Volks gehabt hat, weniger noch in
moraliicher Beziehung, als in Rüdjiht auf Wohlbefinden und Zu—
friedenheit. Denn trog fo mancher nur auf den direkten, praftifchen,
materiellen Nuten bedadjter Politiker und Volksvertreter von heut-
zutage bleibt es als unanfechtbare Wahrheit beftehen: Wiſſenſchaft
und Kunft find zwei der allerwichtigiten Faktoren zur Heraufführung
eines glüdlichen Zuftandes. Eine ejoteriiche Kunſt freilid) vermag
dazu nur in verhältnismäßig beicheidenen Maße beizutragen.
In der fchönen Litteratur find früh beide Richtungen, eine
erflujive: höfifche, dann wieder gelehrte, und eine tief im Volke
wurzelnde nebeneinanderher gegangen. Der lebteren Richtung, die
leider Heute nur nod) wie in der bildenden Kunſt in ganz ürmlichen
und erbärmlichen Reſten fortbefteht, verdanfen wir aus dem Mittel:
alter vor allem unjer herrliches Nibelungentlied, überhaupt die meiften
der alten Heldenepen, weiterhin die urmwüchfigen Faſtnachtſpiele, die
föftliche Blüte des deutſchen Volfslieds zu Anfang des 16. Jahr—
hunderts, das volfstümliche Kirchenlied und — den Meiftergejang.
Tiefer, ein fpätgeborenes Kind ureigenften deutjchmittelalterlichen
Weſens und jchon in feinen erften Lebensäußerungen nicht frei von
Zügen des Alters, dann aber durd) die unerjchöpfliche, überquellende
Geftaltungsfraft eines Hans Sachs zu wahrhaft dichteriichen Höhen
emporgetragen und zulegt langjam abjterbend, hat doc, man mag
über jeine Erzeugniſſe denken wie man will, während der ganzen
Zeit feines Beitehens auf weite Kreife des Volks die nämliche
erfreuende, tröjtende, beglüdende Wirkung ausgeübt, wie die gleid)
innig mit dem Wolfe verwachjene Runit des Mittelalters, an deren
Werfe man auch nicht in erjter Pinie mit einem rein äjthetijchen
Maßſtab heranzutreten pflegt. Das eben fennzeichnet die Stellung
des Meiftergefangs in der LXitteratur, und darin vornehmlid) beruht
Euphorion IV. 2
18 Th. Hampe, Bencdift von Watt.
jeine Bedentung für die Geſchichte der deutichen Dichtung nicht nur,
jondern fiir die deutjche Kulturgeichichte überhaupt.
Unter diejen Sejichtspunften wird auch demjenigen Manne ein
Plägchen in unjerer Yitteraturgeichichte gegönnt werden dürfen, deſſen
Namen id) an die Epige diejes Aufſatzes geitellt habe, und zwar um
jo mehr, als Benedikt von Watt als einer der leßten bervorragenderen
Vertreter des Meiſtergeſangs bezeichnet werden muß. Zwar ijt er
auch) von neuern Yitteraturhiftorifern mehrfach und zum Teil mit
Anerfennung genannt worden,!ı aber eingehender hat jich mit jeinem
Leben und Dichten bisher niemand beichäftigt, und jo haben jich
denn aud) iiber ihn einige Irrtümer eingeichlichen, die jedoch zum
Teil leicht zu bejeitigen jein werden. Denn durch einen glüdlichen
Zufall ift uns im einer WVeeifterliederhandichrift der Erlanger Uni
verjitätsbibliorhet, 3 auf welche ich unten noch näher zu jprechen
foınmen werde, das „traurige Klagelied“ erhalten geblieben, das
Hans Teilinger wenige Tage nad Benedikts von Watt Tode einer
zu Ende des 16. Nahrhunderts aufgetommenen Zitte der Meiſter
finger folgend auf den dabingeichiedenen ‚Freund und Mitbruder
verfaßt hat. Außer dem Inhalt diefer Handſchrift bilden einzelne
Nemerfungen von umd über ihn in andern Mleiltergefangbüchern,
ſowie die in manchen derjelben zahlreich enthaltenen Yieder Benedikts
von Watt die alleinigen Quellen über jein Yeben und Wirken.’ In
den Beltänden des Kreisarchivs Nürnberg, des Nürnberger <Ztadt-
1) 3 B. von Yiltelberger, Einiges von den Meifterfüngern im Albım de
litterariſchen Vereins m Nürnberg für 1864, S. 225. In neuefter Zeu haben
namentlich iiber ihn acbandelt Auguſt Hartmann, Tentihe Mefterlieder-Haud-
fhriften ın Ungarn. (Münden 18011 S. 57 f. und Friedrich Keinz ın den von
AV. Stiefel herausgegebenen Dans Sachs-Forſchungen (Feſtſchrift zur 400. Ge⸗
burtstagsfeier des Tichters) Nürnberg 1804, 2. 317.
dr. 1668 m Irmuſchers Handjchriftenkatalog; ich nenne ſie im folgenden
der Kürze halber einfach #.
9 Beanmer wurden zu vorliegender Studie außer der ſchon genannten Er-
langer och folgende Dandichriften:
od. berol. zerin. fol 24 und 25 3um großten Teil von Bencdift von Watt
ſelbſt geichrieben: ſiehe weiter unten.
eo ddresc. M. 5 zum weitaus größten Teil von Benedikt von Watt ſelbſt
geichrieben, ſiehe unten: M. 6 (GBeorg Hagers Meiſterliederbuchſ: VU. 7, M. 0 (fiche
unten:: M. 16 3um Teil von Beneditt von Watt geſchrieben, ſiehe unten; M. 17
desdleichen, ſiehe innen‘.
el. nor. bill. Will. III. Ser. 782, 788 de gut wie ausſchließlich von
Venedtki von Matt geſchrieben, ſiehe uuten;
rm 5102, 1Hand'chttit des Augsburger Meiſterüngers Georg Braun,
identziich mit dernenigen, welche Geedele 2, 251 als aus der Frankiurter Bücher
veriteigernug anintrte vor Blei, h.
Ur s!au, Univeruta:sbibliothet. M-. IV fol ssh 2 Bande Wolf Vaumers
Ssandhhrt
Jena, Un:trerutatsbibliothet, Hans BRirners Meiſiterli derhandichrift.
Th. Hampe, Benedikt von Watt. 19
archivs und des Archivs des germanifchen Nationalmujeums habe
ich bisher auch nicht die kleinſte Notiz über ihn finden fünnen.
Benedikt von Watt entjtammte nicht der befannten alten Nürn—
berger Ehrbaren Familie, fondern war 1568 zu St. Gallen im
Scmweizerland „von guten Eltern“ geboren.!) Er erlernte dort das
Kürjchnerhandwerf, aber „die Zwinglifchen Lügen” verleideten ihm
das Vaterland, wo er e8, wie fein Biograph fagt, gut hätte haben
können. AlS ein treuer Anhänger und begeifterter Verehrer Luthers
wanderte er aus und ging nach Nürnberg, wo er ſich in der Vor—
ftadt Wöhrd niederlieg und während der letten Jahrzehnte feines
Lebens fein Brot kümmerlich damit verdient hat, daß er „Soldtafeln
für die Kürfchner riß“. Er ftarb am 16. Mai 1616, als er fid)
eben anichickte, in die Predigt zu gehen, und ließ Weib und Kinder
in Dürftigfeit zurüd. „Seine befte gejellen, die Meifterfinger, theten
ihn zu grab tragen.“?) Dies der äußere Lebensgang unſers Mannes,
in welchem nur Eins unflar bleibt, nämlid) der Beruf Benedikts,
der auch an zahlreichen anderen Stellen als „&oldreiger” bezeichne
») Diefe Herkunft ergiebt fi) außer aus dem erwähnten Klagelied (E 23 b)
aus mehreren Stellen (vgl. auch Schnorr v. Sarolsfeld, Zur Geſchichte des deut—
ſchen Meiftergefangs, ©. 10). Ich führe als die wichtigften aus dem von ihm jelbft
gefchriebenen Nürnberger Coder 784 an:
Bl. 605: „Gedicht von Benedicto von Watt von ©. Gallen.“
Bl. 621: „Anno 1607 Adj. 24. September Dichts Benedict v. Watt Gold-
reißer von S, Gallen wonhafft zu Wehr bey Nürnberg.“
2 E a: .... daß Kürfchner Handwerd lernet da
Dt fi) fleifig zu dem fchreiben vnd leſen
ur auch gor verftendig darob
die Zwingliſchen Lügen brachten Ihm wunder,
verließ fein Batterland fortan,
fam hie her in Nurmberg die Stadt
Nehret fi) in rechter Armut
tet nur goldt taffel den Kürßneren reifen,
in feiner Heimat bett er$ gutt
Haben mögen doch thet er fich befleifen,
thet ſich nach Iutrifcher Lehr treulich richten,
.o. 8 2 L FL TBT TR 0 Tr 0 0 8⏑ T T ⏑009 0
bis Ihn Gott endlich abfordert eben,
16 der Hein Zal thet ften,
den 16 Meyen frü am Morgen
alß er wolt in die Predig gehn
mit Seelen fpeiß fein gewiſſen verjorgen,
it er in Gott gefchlaffen ein
gar fein
al8 er Hett zugebradht fein Leben
geleih auf 48 Jar
gott verley Ihn dag Emig Leben dorten
2%
20) Th. Hampe, Beneditt von Watt.
wird. Was iſt hierunter zu verftchen? Auguſt Hartmann!, denkt an
einen Zujfammenhang mit dem mittelhocdhdeutichen rise ı Schleier) oder
auch an einen berg: oder hüttenmännijdyen Ausdrud böhmiſch rYfZe
Goldwäſcherei 2c. . Beide Anjichten werden aber durch die aus dem Nlage-
lied angeführte Stelle ats unhaltbar erwieſen. Yeider vermag ich aber feine
jtichhaltigere Erflärung an ihre Stelle zu jegen. Die heutigen Kürſchner
— wenigſtens die, welche ich deswegen um Nat gefragt habe —
wiljen nichts von einer Verwendung von Gold oder (Holdtafeln in
ihrem Handwerk. Ebenjowenig boten Nürnberger Kürjchnerordnungen
des 16. und 17. Jahrhunderts, die id) in der hiefigen Ztadtbibliothet
und dem Kreisarchiv Nürnberg einjehen konnte, darüber irgend etwas.
Chriſtoff Weigel in jeinem inhaltsreihen und jeltenen Bud: Ab:
bildung der Semeinmiüglichen Daupt- Stände vom „Jahre 1698 weiß
zwar S. 617: von einer Ammwendung feinen Silbers im Kürſchner
handwerk zur Erzeugung einer jchönen, jchwarzen ‚yarbe zu berichten,
aber wiederum nichts von einer Verwendung des Goldes. Am nächlten
läge es nun wohl, an Kleine, vielleicht ormamentierte Täfelchen oder
Plättchen zu denken, die zu manmigfacher Verzierung des Pelzwerks
gedient hätten. Aber auch diefe Annahme wird durd) gleidjzeitige
Tracdhtenbilder, deren ich im germantichen Muſeum eine große „Zahl
daranfbin durchgeichen habe, in feiner Weiſe unterſtützt. Nur an
Pelzmützen und hüten oder auch an pelzverbrämten (Sürteln kommen
gelegentlich Agraffen und jonjtige wohl meilt getriebene oder geitanzte
Metallzierate zur Berwendung.?: Andererjeits tritt die betreffende
Angabe in jenem Klageliede mit jolcher Beſtimmtheit auf, dar an
ein Nerjeben ichwerlich gedacht werden fann, man vielmehr annehmen
muß, der Verfaſſer des Lieds ſei Sich über die Thätigkeit eines
„Goldreißers““ völlig klar geweſen. Hoffentlich führt uns bald cine
glückliche Entdeckung auf die richtige Fährte.
Als Benedikt von Watt, vermutlich zu Anfang der neunziger
vnd wol fein weib und Kindern klein
beſcheren auch Ihr bißlein brodt
der todt
bleibt doch nicht auf ſehen wir täglich
jene beſte geſellen :c.
) a. a. C.
2) Eme geiwiiie Stube erhält dagegen dieſe Annahme durch die in Benedikté
eigenhändig geſchriebenen Meiſterliederbüchern mehrfach vorkommenden, freilich nur
roh, aber ziemlich Nor gezeichneten Ornamentſtreifen. vgl. cod. dresd. M. 5
u. 780, M. 17, 3.5831: cod. nor. bibl. Will. IH, 784 Bl. 130 b. Bgl. ferner
die längern Ornamente. die ber ıbın häufig an Stelle einfacher zeichen am Ecdhlug
der Stollen und Abgeſänge ſtehen, die gemalten Initialien ım cod. dresd. M. 9
z. 308 fi. (Schnorr, Dandihriften der Tresdner Bibliothel 2, 423) ꝛc.
3, ı Gold ıreiger wohl gleichen Stamms mit Reißizeug), (Bau)riß u. f. w.
Th. Hampe, Bencdift von Watt. 21
nad) Hans Sachſens Tode und Ichon während der legten Lebensjahre
des Meiſters jeiner urfprünglichen Aufgabe mehr und mehr entfremodet
worden war, in einer Nüchwandlung begriffen vor. Seit Hans
Glöckler 1583 die alte Schulordnung neu bearbeitet hatte und Ddieje
Neubearbeitung von den Meijterfingern als bindend anerfannt worden
war, wurde den GSingfchulen, die längere Zeit ganz vernadjläfligt
worden zu fein fcheinen, neben den Theateraufführungen wieder
größere Sorgfalt und eifrigere Pflege zu teil. Gleichzeitig nahın
auch das allgemeine Intereſſe an den gejanglichen Yeiftungen der
Meifterfinger wieder zu. Nachden noch 1580 ihr Geſuch, eine Sing-
ichule abhalten zu dürfen, vom Rat „mit guten Worten“ abgelehnt,
dann im folgenden Jahre auf erneutes Anfuchen diefe Vergünftigung
nur für „die gewöhnlichen Feſte“ (Oſtern, Pfingſten, Weihnachten)
erteilt worden war, wird ihnen 1583 gejtattet, „widerum wie vor
alter” allmonatlich eine Singichule abzuhalten.!) Und gelegentlid)
wird nun aud) wieder einem fremden Meifterfinger die Erlaubnis
zu einer Singfchule unter der Vorausfegung, daß die Nürnberger
Singer nichts dagegen haben, erteilt.) Dieſe etwa drei Jahrzehnte
umfajiende, allerdings etwas künſtlich erzeugte und daher im ganzen
nur jchwächliche Nachblüte des Nürnberger Meijtergefangs Tcheint
durch eine wohlüberlegte Teilung der Obliegenheiten mitveranlaßt
worden zu jein. Während nämlid) die Namen derjenigen, welche
damals an der Spike der fchaufpielerifchen Unternehmungen jtanden,
des Saitenmachers Endres Nuding, ſowie eines Wolf Meoft, Georg
und Ludwig Mad und anderer?) in Meijtergejangbüchern nur ganz
ı) oma? (auf dem Kreisardiv Nürnberg verwahrt) 1580, Fascikel 8,
Bl. 43 a] Montag, 7. November 1580:
Den Maifter Singern foll man Ir begern vmb begunftigung ainer Singſchul
mit guten worten ablainen.
Ratsprotofolle 1581, 9, BL. 37 b] Freitag, 24. November 1581:
en Maifterfingern fol! man auf ir anjuchen vergunnen, zu den gemwonlichen
fetten heuer widerumb Singſchulen zuhalten.
[Ratsprototolle 1582, 12, Bl. 34 a] Erihstag (Dienstag), 12. März 1583:
Hanfen Griefer vnd andern mitjupplicitenden Maifterfingern, foll man be-
qunftigen, alle Monat mwiderumb wie vor alter8 gepreuchlich gewejen, eine Sing -
ſchul, doch fi darauf ſchambarer vnzuchtiger licder genzlich zuenthalten.
2) (RatSprototolle 1587, 4, Bl. 3 a] Freitag, 14. Juli 1587:
Thobias Rüttich einem frembden Maifterfinger joll man vergunnen, auf
fünfftigen Sontag, dieweil$ die hieigen [fo!] Maifterfinger leiden mugen, ein Sing-
ſchul zuhalten.
3) Auf die theatraliſche Thätigkeit der Meiſterſinger gedenke ich an anderer
Stelle auf Grund der Quellen und im Zufammenhang mit der Entwidlung des
Rürnberger Theaterweiens überhaupt näher einzugehen. Endres Nuding jcheint
ansſchließlich als Komödiant thätig gemejen zu fein. Ein Lied kenne ich nicht von
ihm. Bon Wolf Moft dagegen, einem geborenen Salzburger, giebt e8 auch einige
wenige Meiftergefänge und ſogar Lieder im Boltston. Georg Mad ift wohl identijch
22 Th. Hampe, Benedift von Watt.
jelten oder überhaupt nicht erſcheinen, kommen andererjeits die als
die hauptjächlichjten Yiederdichter bekannten Meiſterſinger jener Zeit
nur ganz vereinzelt als Yeiter oder Beranjtalter theatraliicher Aktionen
vor.!; Yu jolchen wieder den alten Meiftergefang im eriter Yinie
pflegenden Deitgliedern der Genoſſenſchaft gehörten auper Hans Glöckler
namentlid) noch Georg Dager und jpäterhin Dane Teilinger und
Wolf Bautmer. Es läßt Tich deutlich wahrnehmen, wie jie bemüht
geweſen find, die alten jeiten zurückzuführen. Wenn ſich Glöckler
vor allen durch die von ihm ausgehende Nenorganijation um die
(Genoſſenſchaft der Meiſterſinger verdient machte, jo die drei andern
vornehmlich durch eifriges Verſeſchmieden iiber alle möglichen (Wegen
jtände von erniten Betrachtungen über Ztellen aus der heiligen
Schrift bis herab zur gemeinen ‘Jote, ferner durch emjiges Abjchreiben
und Zammeln auch anderer Yieder. Manche Meiitergefänge Dans
Sachſens ſind ums nur in ſolchen jpäteren Yiederbüchern bewahrt
geblieben, deren Zahl ehemals eine ungleich größere geweſen ſein
muß, als die uns erhalten oder bisher bekannt geworden iſt.“ Auch
Dans Sachſens Gewohnheit, jedem Liede Jahr nnd Tag der Ent-
ſtehung beizufügen, kam jegt allgemeiner in bung. Wie man wohl
ertemmt, waren es im der Hauptſache Auperlichteiten, durch deren
Nachahmung man das Ziel ciner Neublüte des Meeiltergeiangs zu
erreichen ſtrebte. Mit dem dichteriichen Talent, dem Wig, der
Phantaſie war es trog einiger guter Anſätze insbeiondere bei Deiſinger
und Nager im ganzen mur kümmerlich beitellt, und bier vermochte
auch Beneditt von Watt feine Abhilfe zu Schaffen, als er 1595 in
mit dem in cm Urkunde vom 7. Januar 1578 vorlommenden Illummiſten gleichen
Ramens Murnberger Stadtarchiv, Gonservatormen 131, tol. 62).
weg Hager erſche:ut z. Bor einmal und ipat (1629) als ſolcher in
dem von mirem den Vittellungen aus dem germansichen Natonal nuſeum 1804,
2, 30 vereöientlichten Ratsverlaß. Innuemeit Wills Mitteilung im erften Yande
des hiſtoriich diplomatiichen Magazeus «nal Hyſel, Tas Theater in Nürnberg,
S. 251, daß der Teiſinger 1. Terfingeri cm Hochzeitlader ingl. Mitteilungen aus
dem germantichen Nationalmuiceum 1804, S 419 ſehr geſchickt geweien ſei, den
rürköchen Kaner oder gar den Teniel vorznſtellen, urchtig iſt und worauf ſie ſich
grundet, babe sch bisher nicht ieſtitellen kannen Kleine Modifizierungen der oben
dargelegten Verbalinvie find uberbaupt wohl noch von den lebthin don Narl
Freier ın Weimar aufgerundenen und ın Beier Zeitichrift bereits kurz beiprocdhenen
Ingmalprotehttin üher die Kurnberger Zingichnlen zu erwarten.
2, Tas itans Citierungen bieber noch nicht wieder aufgetauchter Handicriften,
dann aber namentlich auch ang den verichiedenarugen Anfangsbuchitaben zu ſchließen,
die Venedilt von Watt im vor. aresd. M. 5 unter jedes der dahmem geichricbenen
"reder geießt bat und mit denen ſchwerlich etwas anderes gemeint fein fann, ale
die Befter von Dandsihriften, denen das betreifſende Yard entnommen wurde (dgl.
auch Schnorr von Carolsfeld im Natalog dir Dandichriften der konigl. ofjentlichen
Atbliothek zu Treeden 2, 415.
Ih. Hampe, Benedikt von Watt. 23
die Gejellichaft der Meeijterfinger eintrat.!) Sein poetifches Können
war gleichfalls nur gering, feine Bewunderung für Hans Sachs,
jeine Willenskraft, Ausdauer und Arbeitsluft aber um fo größer, und
jo hat es denn der Zugemwanderte nicht nur zu der getreueften Kopie
des alten Meifterd gebracht, fondern in der That eine jtarfe Wirkung
auf jeine Genofjen ausgeübt und fich ihrer Liebe und Verehrung
erfreut. Etwas anderes als Meijterlieder hat er freilich nicht gedichtet
und jeine eigenen Töne, deren er nad) cod. nor. bibl. Will. 784
Bl. 299, 24 erfunden haben will, fcheinen überdies nicht jonderlich
beliebt gewejen zu fein. Wenigjteng werden jie weder von ihm jelbit,
nod) von andern Singern häufig angewandt mit Ausnahme viel-
leicht der ftumpfen Kornweis, die auch font einigemale vorfonmt.
Von der Aufzählung aller der Benennungen (geſprengte Tiegertierweiſ',
Strobelfopfweif’ 2c.), die überdies wohl a. a. O. wie die Töne
jelbjt nur ad hoc erfunden wurden, glaube ic) daher abjehen zu
dürfen. Ob er zu folchen „Sebänden“ auch eigene Melodien erfand?
Bekannt ift mir deren feine, und aud) Benedikt von Watt jelbjt hat
nie, wie jo häufig die Weifen anderer, jo auch einen feiner eigenen
Töne, „genotiert“, d. h. mit Noten verjehen gegeben. Dieſe Meifter-
gefänge nun fcheiden ſich am einfachſten in geiltliche Lieder, Gedichte
hijtorijchen oder jagenhaften Inhalts und Schwänfe. Zu den erjtern,
die, wie bei Hans Sachs, die ungenießbarften find, gehört nament-
(ih feine Paraphraſe der Pafjionsgefchichte in 21 Liedern?) und des
„Buches Jeſu des Sones Syradjs“,?) feine zahlreichen Gedichte über
die Sonntagsevangelien und -epifteln,?) über einzelne Kapitel der
Bücher Mojis,?) feine Lieder zu den drei hohen FFeiten,d) die von
') In dem Gedicht auf feinen Tod heißt es:
da (in Nürnberg) hat
er dag Maiftergjang außerkorn
gelernet als die Jar Zal Fa
95 der Heinen ift geweſen —
Meiftergejänge eriftieren von ihm jedoch jchon aus früherer Zeit. Aus dem Jahre
1591, mit dem Keinz a. a. O. feine dichterifche Thätigkeit beginnen läßt, ift mir
bisher fein Lied Benedikts befannt geworden, dagegen mehrere aus dem Jahre 1592.
Die obere Grenze indefjen, flir die Keinz das Jahr 1614 anfieht, ift nod) um zwei
Sabre hinauf zu rüden. Das lettte mir von Benedikt v. Watt bekannte Gedicht
ftammt vom 9. März 1616, ftehbt in Z Bl. 393 f., ift in der Fröſchweis Frauen—
lobs gedichtet, behandelt „etliche mördliche geſchichten“ und wurde von dem Ber-
faffer dem Hans Müller zugeeignet, von dem weiter unten noch die Rede jein wird.
2) Cod. nor. bibl. Will. III, 784 Bl. 181 ff.
3) God. dresd. M. 17 Bf. 531 fi.
4) Ebenda, BI. 111 ff. und 201 ff.
5) Ebenda, BI. 1 ff. (Kapitel 6—38 der Geneſis, zum Zeil von andern Ber-
faifern.) Cod. dresd. M. 17, Bi. 1 ff. (gl. Schnorrs Katalog der Dresdner Hand—
ichriften 2, 429.)
6, E 282 fi.
24 TH. Hampr, Benedikt von Watt.
den Meiſterſingern durch bejondere Singſchulen in der Predigerfirche
gefeiert wurden, und eine große Menge jonftiger Meiſtergeſänge, in
denen der Tert der heiligen Schrift in Verſe gebracht ijt. Ahnlich
wie von Hans Zadjs kann man auch mit Bezug auf Benedikt von
Watt jagen, dap es nur wenige Abjchnitte der Bibel geben wird,
die von ihm nicht zum Gegenſtande eines Gedichts gemacht worden
jind. Vielfach) auch bietet ihm eine Bibeljtelle nur den Anlaß zu
eigenen Betrachtungen oder zur Auslegung: jo 3.3. in einer Weihe
von Liedern über die Natur des Teufels und der Tämonen.'ı
Wieweit der Gedankeninhalt jolcher und ähnlicher (Gedichte Benedikt
von Watt jelbjt angehört und wieweit er anf gleichzeitige theologiiche
Schriften zurüdgehen mag, läßt ſich ſchwer entjcheiden, da Benedikt
jeine Quelle nicht immer angiebt. Zuweilen liegen Xutherse Aus:
legungen zu Grunde. Im allgemeinen macht Tich eben in diejen
(Hedichten der erjten Gruppe der Dilettantismus des Verfajlers am
frafjeften und verlegenditen geltend, am deutlichiten ertennbar au
unpafjend, zuweilen ganz jinnlos gewählten Flickworten und lid:
jilben und noch gefteigert durch Ztrophenfornen von künſtlich, ver
ſchränktem Bau, die Benedikt von Watt bevorzugt. Auf die Außer:
lidjfett genauer Zilbenzahl und überhaupt auf ſtrenges Einhalten
der meilterlichen Negeln wird großes Gewicht gelegt, und mehrfad)
hat Benedift die Lieder Anderer durchforrigiert, wie er dies dann
unter dem Gedichte anzumerken liebt. Einigemal jind aud) meifter-
jingeriiche Bezeichnungen für verſchiedene Reimarten den einzelnen
Berjen beigefügt: ein Korn, PloßReim u. ſ. w., damit der Leſer
oder Singer den Ztrophenban leichter überiehen möge. — Von
dDiejer zu der nächſten Gruppe von Gedichten bilden den Ilbergang
einige Yieder, in denen der zormmütige Yutheraner feinem Haß gegen
alle Andersglänbigen Ausdrud giebt, wie in dem Gedichte „Die
Boffart der Bäpſt“?, oder in dem Yiede: „Ein machometiſche Yügen,
Berg jollen Stein zum bau der jtatt mecha geſchickt haben vnd ein
jtein geweinet“.“ Cie finden durch manche der eigentlichen Schwanf:
Dichtungen ihre Ergänzung. Bei ſolchen Gelegenheiten gelingt ihm
') God. nor. bibl. Will. II, 784 81. 410 fi.: „Ob geipenft fein und er-
iheinen oder nicht.‘ „„Deuffel oder geifter was fie für Greaturen ſein.“ „Ob die
Deuffel der Menſchen gedanlen wüſſen können.” „Ob der Deuffel die Menfchen ın
die Iufft füren kan. „Wenn der Deuffel ein befigt fan er fen nicht bald loß
werden. „Der Teufel it ein lügner.“ E79 b: „Beweiß, das die verflorbnen
nit umbgehen auff Erden.‘
2 3. B. dem Liede „Wo das Paradeiß ſey“ (bibl. Will. III, 784 Bl. 4081,
dem Gedichte „Bon der vrſach zu einer gutten, oder böſen Ehe’ (cod. berol. germ.
fol. 24, Bl. 20. Anfang: „Do-ctor luther ſchrib mit fanfftmur‘‘) u. f. mw.
3, Bibl. Will. II, 782 21. 1098.
) Bibl. Will. III, Te4 Bl. 319.
Th. Hampe, Benedikt von Watt. 25
wohl hin und wieder ein fräftiger Spruch oder ein witiges Wort,
weiches zeigt, daß nicht immer die Außerliche Künftelei fein warmes
Gefühl erftidte. So berichtet er einmal von einem Bilchof, der mit
Heiligfeit jo vielfach überzogen gemejen fei, wie eine Bamberger
Zwiebel [mit Häuten] und aud) feine Schäfchen gar fehr geliebt
babe, aber nur, um ihnen nachher die Wolle abzujchinden, „Gott
aber wird alle dieje Schafbeißer in die ewige Not fommen lafjen“.')
Bon jittlihem Ernſt und hingebender Xiebe zur Sache durchdrungen
it auch jein Gedichteyflus über „Das Leben vnd Seliglic) Sterben
des Hocerleuchten Ehrwirdigen Mann Gottes Martin Yuters Doctor
der heyligen Schrifft dem Auffrichter und Widerbringer des heiligen
Euangeliond vnijerer Selen höchſtem vnd heiligitem Schatz, feinen
Kampff und ftreit jo er mit gottes vnd feinen Feinden gehabt hat,“
den Benedikt von Watt 1599 verfaßte.?) yn einigen der Handichriften,
in denen uns diejfe neun Gedichte über Luthers Leben und Sterben
erhalten jind, reihen jich unmittelbar an ein Meijtergefang mit der
Uberſchrift: „Ein lugen Im weljchland außgangen von des Herrn
D. Luthers dot, noch bey feinem leben außgangen“ gleichfall3 vom
Jahre 1599, fowie zwei „PBare” über „Das leben des Erwirdigen
Herren M. Philippi Melanthonis“ von 1598 und 99.3) In dieje
Reihe gehört auch „Ein ſchön Hyſtorj In 6 Tönen vom Francisci
jpirj wie er verzweifelt”, die Gejchichte jenes befannten Italieners,
der jich verleiten läßt, jeinen lutheriichen Glauben gegen beſſere
Einfiht zu widerrufen und an dieſem Widerruf geijtig zu Grunde
geht. Die Ausführung dieſes Gemäldes, für welches „Herr Doctor
Ludwig Rab“ al3 Quelle genannt wird, zeigt uns ven religiöjen
Zinn des Verfajfers nahezu zum Fanatismus gejteigert.!) Seine
jonjtigen hiſtoriſchen Gedichte find ſehr mannigfaltiger Art. Die
Stoffe dazu entnimmt er dem grauen Altertum ſowohl wie der
jüngften Vergangenheit, überall das Anefdotenhafte und Senſationelle
bevorzugend. Dabei tritt jeine Vorliebe für die eykliſche Form, Die
— wenigſtens was die Hiftorien betrifft — nur wenige Meijterjinger
ı) Bibl. Will. III, 784 31. 545 b.
2) Ebenda, Bf. 625 ff.; cod. dresd. M. 6. Bl. 261 ff. M. 7, Bf. 318 ff.
M.16, BI. 410 fi. (Bgl. Schnorrs Katalog der Dresdner Handichriften und Keinz
a. a. U.)
3) Bibl. Will. III, 784 Bl. 635 f.; cod. dresd. M. 6, Bf. 271 a (nur Melan-
chthons Leben); M. 16, Bl. 417 (nur das Gedicht von der welfchen Lüge).
*, Bibl. Will. IIL, 784 Bl. 899 a—604 b. E 81.423 a—428 a. Ein anderes
Gedicht ähnlicher Tendenz wird von Auguft Hartmann a. a. DO. ©. 57 unter
Nr. 3 aus einer Befter Handihrift angeführt. Vgl. feruer Benedikts Gedicht von
dem Auguftinermönd Johann Hoffmeifter von Colmar. der 1547 auf den Reichstag
nah Augsburg bejchieden wurde, um gegen Luthers Lehre zu predigen, aber auf
der Reife dorthin in Günsburg ftarb (E 110 a— 111 a) und andere mehr.
26 Th. Hampe, Benedilt von Watt.
mit ihm teilen, die aber auch in den frühejten Meiſtergeſängen Dans
Sachſens gelegentlich zu Tage tritt,") wieder redyt hervor. So findet
ji) die Geichichte Karls des Kühnen von Burgund und feines
grauſamen Landvogts im Elias Peters dv. Hagenbach in neun, die Telt-
jage in ſechs Yiedern behandelt. Neben joldhen und ähnlichen Stoffen,
die den geborenen Schweizer bejonders intereilieren mußten,“ auch
ferner liegende Themata, wie die „Dyltoria vnd geichicht von Carolo
Magno“ und jeiuem Netter „dem Ritterlichen Ztarden Helden
Rolaudum“ in zwölf Liedern“ oder die Gejchichte von dem helden-
mütigen Alntergang des Grafen rind („Zerin“ bei Benedikt von Watt:
in der ‚zeitung Sigeth in neun Yiedern, deren erites Ipäter 1615 hinzu
gefügt wurde und über Uriprung und Anfang der Türkeneinfälle
überhaupt unterrichten joll,! dann die „Nerfolgung der Ehriften zu
Derindola in vier Klagweiſen“? und andere mehr.“, Dax in allen diejen
biftoriichen (Sedichten der Teufel meiit eine große Molle ſpielt, der
CEyklus über Derzog Narla vd. Burgund Yeben und Thaten 3.9.
gleich anbebt:
Vgl. Die Gedichte von „Guiscardus und Gtsmonda“ ım ‚rauen Ehrenton
1516 (Goedele, Tichtungen des Baus Sachs, Z 18 fi „Die Yılabet mut irem
Yorenzen m Dans Sachſens Suberwers 1519 ebenda, 2. 32 ff). Zu unter
ſcheiden find von ſolchen Gedichten Lieder ın vollstümlichen Tönen wie das „Wider
die blutdürſt:-gen Türken“ ım Bruder Beten Ton 1533 (ebenda, 2. 73 fi.) oder
m Choralfoım, wie das „BGlaubensbekenntuis“ ven 1550 (ebenda, Z. 64) und andere.
Aber zu allen ſolchen Liedern mit zablreihen Strophen fchemt Dans Sachs durch
die Mitte des Vollsliedes angeregt worden zu Sen: ut der zwerten Hälfte ſemes
Yebens begegnen Derartiac Gedichte memes Wiſiens nicht mehr. Ber BYenebditt
von Watt war es wohl cher ein zug zum Eviſchen, der ihm jene erſtere Art cr-
nern ließ.
:) Tr ausführliche Tuel des Telleytlus lauter: „Ein Hyſtory von der
Timbrier dennmärler vnd Schweden ankunift ın der Deluctier land, vom vriprung
vnd namen der Schwiter oder Schwyver, von Hochmut diß Adels vnd Tyrannej
Ter Landvögt vnd wie Wilhelm Tet genöt ſemem Zon vn apffel vom haubt
ichießen muf, von vertreibung den Adels vnd Eides bund der Schwyver ꝛc.“ nad
Bill. Will. III, 7x4 Bl. 605. Die genannten Cyklen auch in end dresd. M. 16,
a 436 fi. und 410 ij. Ein anderes Gedicht der Art iſt Em Zchom Hiſtori In
7 tbönen, von einem falihen Franciscus zu Bern Am Schweizerland geſchehen“
Bibl. Will III, a8 Bl. 641 as.
») Bibl. Will II, Tas Bl. 650 a; 08 iſt hier jedoch nur das firbente Lied
vollftändig ausgeführt, von den andern nur der Ion, dir Uberöchrift und die erſte
Jeile angegeben, ım übrigen freier Raum gelaſſen. Es iſt daher fraglich, ob er
dieſe vreder überhaupt gedichtet bat, wir es nicht vielleicht nur mit emem Eutwurfe
zu thun haben.
1) Ebenda, W. 617 a.
5) ebenda, A. sis bh, ZA. 408 fi.
3.2 amd: „Em ichone Hiſtorn von der idhonen Jungfrauen Agley vnd
Irem liebhaber H. ARıtbeim vnd hat 7 var. (Bibl. Will IT, 744 BI. 502 b bis
sus hund eod. dresd M. 16, Br son ft:
Th. Hampe, Benedikt von Watt. 27
„Der Sathan von anfang der welt
Wie die Schrifft melt
Iſt ein friden Zerftörer
der nur Hader anricht
drib auf manden Empörer
Weil fchentlich
Er haſſet das Menſchlich geſchlecht“,
das kann bei der uns ſchon bekannten Gemütsrichtung Benedikts
von Watt und bei dem Geijte, der jenes Zeitalter der SHeren-
prozejje erfüllte, nicht wundernehmen. Für diefe cyflifchen Gedichte
wie für feine hiftorifchen Lieder überhaupt haben ihm vorzugsweije
weitverbreitete Chronifen den Stoff dargeboten, fo vor allem Johann
Stumpfs vielfad) aufgelegte und nachgedrudte „Schweytzer Chronick“
und Sebaftian Münjters „Eosmographia*, dann des Ludwig Rabus’
„Hiſtorien der Heyligen Außerwalten Gotte8 Zeugen, Belennern
vnnd Martyrern“, neben denen noch bald eine „franzöfiich Eronic“,
bald eine „jchlefiih Eronic“, fowie Vincentius Bellovacenfis, Albertus
Krank, Caspar Goldwurm, „Philippus Melanthon In feiner Eronica”
und andere, für Stoffe aus dem Altertum bejonders häufig Joſephus,
ferner Eufebius, Yujtinus, Auguftinus, der Lieblingsjchriftfteller des
Mittelalters, u. ſ. w. manche in ziemlich verderbter Namenfchreibung als
Quelle angeführt werden. Unter den Einzelparen hijtorischen Inhalts
jei hier nur noc auf einige hingewiefen, in denen Beitereignifje
behandelt werden, auf Gedichte wie dag von einer Zauberin, „jo Ir
eigen hauß angezündet hat, Die wirt zu Speyer verbrennet 1602”)
oder „Abtrünnige Walonen zerfprengen einen ungen feinen Kopf mit
Puluer 1602”,2) „Mellingen wirt angezündt”,3) jowie die bei Bene-
dift von Watt niehrfach begegnenden Erzählungen von jeltiamen Mip-
geburten.*) Bei den meiften diejer Lieder, die den Übergang zu den
Schwänfen oder, wie e3 in den Erlanger Codex heißt, zu den „Fabeln,
Poffern und Stamponey“ 5) bilden, werden fliegende Blätter, die „Zei—
tungen” der damaligen Zeit und dergleichen al3 Quelle gedient haben.
Gedichte wie „Ein Magd verdirbt an Ihrem leib von den Franzoſen“,)
„Ein Weib ertödt vnd frijt Ihren man“) und andere wären hier
ı) Bibl. Will. II, 784 Bl. 324 b mit dem Schluß: „O Gott dempffe des
deuffels ſchar.“
Ebenda, BI. 322 b.
3) Ebenda, Bl. 515 b.
So das Gedicht von zwei Mißgeburten im Pflugton Sigharts, Bibl.
will. II, 782 ©. 186; „Zwey Kinder in Mutterleib zuſam gewachſen“ in der
turzen Blühweis Onophrius Schwarzenbachs, Z Bl. 433 b und andere mehr.
>) E Bl. 528 a (fiehe unten).
6) God. berol. germ. fol. 24, Bl. 33.
‘) E 422 b.
28 Th. Hampe, Benedikt von Watt.
anzuſchließen. Uberall werden die Nachtjeiten des Lebens mit Vorliebe
behandelt, it über dem Dang zum Zenfationellen, zumeiſt mit einem
itarfen Stich ins Lehrhafte, Moralifierende, der hiftoriihe Zinn und
das poctiiche Gefühl zu kurz gekommen.
Allerlei „ſeltſame Geſchichten“ herrichen aud) in derjenigen Gruppe
jeiner Dieiftergefänge, welche noch zu beiprechen übrig bleibt, den
ſchwankartigen Dichtungen, bei weiten vor. Didaktiſchen Anftrich haben
darunter namentlid) Gedichte, wie „Ztraff zweier falſchend aid
jchwerer“, „Ztraff eines Meinaids“, „Ztraif eines Deuchlerg“ I oder
wie „Zee | ding jind den Menſchen angeboren“, „Drei ding find zu
ſchelten“, „Drei ding mag man hiliflos | nennen“, „dreyerlej Menſchen
begeren dz Sie nicht funden“, „Zwei Ting laſſen ſich nicht Setigen“,
„Vor drej dingen ſol Sich Jederman hüetten“,2, „Was zu einem
ſchönen Hauß gehöre” und andere mehr. Die Luft am Senſa—
tionellen und Grauſigen überwiegt in Yiedern wie „Ein Pörtner
ſcherzt mit einer Bättlerin in einer todtenbar, jie werden beide darin
veripert“,t „Einer wirt in der todtenbar wider lebendig”,’, „Etliche
erben die Peltin von andern“ oder in dem (Sedicht, das von einer
Prügelei bei einem Weihnachtsipiel handelt”, und ebenjo in dem letzten
der uns von Benedikt bisher befannt gewordenen Yicder „Ettliche
mördliche Geſchichten“, das er, wie bereits erwähnt murde, feinem
Freund und Gönner, dem Rotſchmied Dans Müller in deffen Meifter-
gejangbuch dedizierte.) Auch von den eigentlichen Schwänken jeien
nur einige der inhaltlich intereffantejten angeführt. Eines diejer Ge:
dichte „Ein weib verjpott den teuffel mit ein furg“ iſt kürzlich von
J. Bolte veröffentlicht worden.” Es zeigt, daß unjer Meiſterſinger
jeinem großen Vorbilde, Dans Sacs, auch in der Terbheit nach—
zueifern beitrebt war, freilich nur mit geringem Erfolge. Ähnliches
liege ich von der Seichichte von dem fruchtbaren Weibe, einen
flauen und pointelojen Abklatich des Dans Sachſiſchen Gedichts vom
Eiszapfen, in dem der betrogene Ehemann, von jeiner Meije heim:
iY Bibl. Will. III, 782 S. 905, 906 und 907.
2), Ebenda, Z. 1077, 1078, 1079, 1080,
+ God. berol. gerin. fol. 24, Bl. 246 a. Ähnliche Gedichte waren früh ber
liebt; vgl. 3.8. aud den Deitergefang Nunnenbeds, den ich n den Mitteilungen
des Bereing für Geſchichte der Stadt Nürnberg 11 (1895) S. 176 f. furz be-
ſprochen habe.
+), Bibl. Will. III, 784 31. 320 b.
>) Ebenda, Bl. 323 a.
*) Ebenda, UI. 322 b.
*) God. berol germ. fol, 24, Vl. 242 b.
*) Zıche oben 2. 23.
%) Zeitſchrift für vergleihende Lırteraturgeichichte. Neuc Folge 7 (1894),
2. 468, aus E Bl. 545 a. Bgl. auch Bibl. Will 111. 782 S. v2.
Th. Hampe, Benedilt von Watt. 29
gekehrt, zum Schluß Gott wegen der Fruchtbarkeit ſeines Weibes
lobt,) von dem Gedichte „Der Student mit dem Mörſer“?) und
anderen mehr jagen. Unter den übrigen hebe ich hervor „Ein
Jungkfraw nach verlierung {rer Ehr wirt von einer SHafeljtauden
gejtrafft”, die ihr eine Standrede hält; ganz gewandt in der Form,
aber in Gedanken und Wendungen feineswegs originell;?) ferner
„Von dreyen Selgamen Schügen”,') „Ein Ejel fo fich vol wein
trand fol die Zech bezalen“,“) „Einer bezahlt mit Eſſen eim Apt ein
ſchuld unmwiffend“,d, „Am Schneugen wirfft einer fein Kopff hin“,”)
„Warum die müller weiß tragen”®) u. ſ. f. Die Duelle, aus der
der Dichter jchöpfte, wird bei den Gedichten diejer dritten Gruppe
in der Pegel nicht namhaft gemadjt; es ijt eine Ausnahme, wenn,
wie bei einem ſolchen von A. Hartmann angeführten Gedicht, die
Norlage genannt wird.?)
Von größerer Bedeutung als wegen feiner poetifchen Erzeugnifje
iſt Benedikt von Watt für uns als Schreiber einer ganzen Reihe von
Meijterliederhandfchriften und durch feine jonjtigen Beitrebungen zur
Hebung der holdfeligen Kunft. Einige jener Handfchriften hat er
!) God. berol. germ. fol. 24, Bl. 228 b im Würgendrüfjel Frauenlobs, mit
Noten; Anfang: „Ein Burger faß zu Bretten.‘
2) Cod. dresd. M. 5, ©. 162 „In der Berenmweis B von Watt” Anfang:
„Run
Hört im Baicrland zu Ingolſtatt.“
3) Cod. berol. germ. fol. 24, Bl. 240 b.
+) Bibl. Will. II, 784 Bl. 322 a.
5) Ebenda, BI. 324 a. Die Geſchichte von dem Ejel, der, weil er beim Aus—
jaufen des Weines nicht gefeffen, fondern geftanden habe, nad) dem Ausſpruch des
weifen Richters als Standesperjon feine Zeche nicht zu bezahlen braudt. Der
Schwant wird vericdieden Iofalifiert; bier ift er ind Württembergiſche verlegt.
Nah H. Weichelt, Hannoverjche Geichichten und Sagen (Norden, 1895) 3, 239
fällt ein Bürgermeifter zu Hildesheim 1557 diefes falomonifche Urteil.
6, Cod. berol. germ. fol. 24, Bl. 238 b.
) E 3. 551. Es handelt ſich um einen Hingerichteten, dem fein Kopf
wieder angefroren war. Als er mit dem Henker in der warmen Stube figt und
fih ſchneuzen will, reißt er fih den Kopf herunter, der hinter die Thür fliegt:
Gleich wol ift die
aſchicht gar fchwer bie
Zu glauben, muß ich Sehen, —
Aber, wie Ir felbft Zum theil wift,
das der teuffel nachretig ift,
voll arger lift,
Soft e8 wol fein gejchehen. —
(Die Interpunktion ift von mir hinzugefügt.)
8%, E BI. 569 b.
N A. Hartmann, a. a. DO. ©. 57 Nr. 6; Anfang:
Im Buch der Heinen warheit fteht
wie ein bauer ein frantheit bett.
28 Th. Hampe, Benedikt von Watt.
anzuſchließen. Überall werden die Nachtieiten des Yebens mit Vorliebe
behandelt, ift über dem Hang zum Zenfationellen, zumeijt mit einen
itarfen Stich ins Lehrhafte, Moraliſierende, der hiftoriiche Zinn und
das poetiiche Gefühl zu Furz gekommen.
Allerlei „ſeltſame Geſchichten“ herrichen auch tıt derjenigen Gruppe
jeiner Meiſtergeſänge, welche noch zu beſprechen übrig bleibt, den
ſchwankartigen Dichtungen, bei weiten vor. T Didaktiſchen Anſtrich haben
darunter namentlich Gedichte, wie „Straff zweier falſchend aid
ſchwerer“, „Straff eines Meinaids“, „Straff eines Heuchlers“ oder
wie Sechs ding jind den Menſchen angeboren“, „Trei ding find zu
jchelten”, „Drei ding ntag man hiliflos | nennen“, „dreyerlej Menſchen
begeren dz Sie nicht finden“, „Zwei Ding laſſen ſich nicht Setigen“,
„Vor drej dingen ſol Sich Jederman hüetten“,2, „Was zu einem
ſchönen Hauß gehöre”? und andere mehr. Die Luſt am Senſa—
tionellen und Grauſigen überwiegt in Yiedern wie „Ein Pörtner
jcherzt mit einer Bättlerin in einer todtenbar, fie werden beide darin
verſpert“,“ „Einer wirt in der todtenbar wider lebendig”, „Etliche
erben die Peltin von andern“ oder in dem Gedicht, das von einer
Prügelei bei einem Weihnachtsipiel handelt”, und ebenjo in dem legten
der uns von Benedikt bisher bekannt gewordenen XYieder „Ettliche
mördliche Geſchichten“, das er, wie bereits erwähnt wurde, feinem
Freund und Gönner, dem Rotſchmied Dans Müller in deſſen Deeiiter:
gejangbuch dedizierte.“ Auch von den eigentlichen Schwänken ſeien
nur einige der inhaltlich interefjanteiten angeführt. Eines dieſer Ge:
dichte „Ein weib verjpott den teuffel mit ein furtz“ ift kürzlich von
J. Bolte veröffentlicht worden.’ Es zeigt, daß unjer Meiſterſinger
jeinem großen Qorbilde, Dans Sachs, auch in der Terbheit nad):
zueifern bejtrebt war, freilicdy nur mit geringem Grfolge. Ahnliches
liege ich von der Gejchichte von dem fruchtbaren Weibe, einem
flauen und pointelojen Abklatich des Dans Sachſiſchen Gedichts vom
Eiszapfen, in dem der betrogene Ehemann, von jeiner Reiſe heim:
) Bibl. Wil. Ill, 782 &. 205, 906 und 907.
2) Ebenda, Z. 1077, 1078, 1079, 1080.
ı God. berol. gern. fol. 24, Bl. 246 a. Ahnlıhe Gedichte waren friih be-
liebt ; vgl. 3.8. aud den Meiftergefang Nunnenbeds, den id ın den Mitteilungen
des Bereins für Geſchichte der Stadt Nürnberg 11 (1895) 2. 176 f. kurz be-
ſprochen babe.
+) Bibl. Will. II, 784 Bl. 320 bh.
3) Ebenda, U. 323 a.
*) Ebenda, Ui. 322 b.
?) God. berol. germ. fol. 24, ®t. 242 b.
*), Zıehe oben ©. 23.
) Zeitſchrift für vergteihend Litteraturgeſchichte. Neue Iase (1894),
S. 458, aus E Bl. 545 a Bol. auch Bibl. Will IN. 782 & 012
Th. Hampe, Benedilt von Watt. 29
gefehrt, zum Schluß Gott wegen der Fruchtbarkeit feines Weibes
lobt,') von dem Gedichte „Der Student mit dem Mörſer“?) und
anderen mehr jagen. Unter den übrigen hebe id) hervor „Ein
Jungkfraw nad) verlierung rer Ehr wirt von einer Hafelftauden
geitrafft“, die ihr eine Standrede hält; ganz gewandt in der Form,
aber in Gedanken und Wendungen feineswegs originell;®) ferner
„Bon dreyen Seltzamen Schügen“,') „Ein Ejel fo fich vol mein
trand fol die Zech bezalen“,5) „Einer bezahlt mit Efjen eim Apt ein
ſchuld onwifjend“, „Im Schneugen wirfft einer fein Kopff hin“,”)
„Warum die müller weiß tragen“®) u. |. f. Die Quelle, aus der
der Dichter ſchöpfte, wird bei den Gedichten diejer dritten Gruppe
in der Regel nicht namhaft gemacht; es ift eine Ausnahme, wenn,
wie bei einem foldhen von A. Hartmann angeführten Gedicht, die
Xorlage genannt wird.)
Von größerer Bedeutung als wegen feiner poetifchen Erzeugnifie
iſt Benedikt von Watt für uns als Schreiber einer ganzen Reihe von
Meijterliederhandichriften und durch feine fonftigen Beſirebungen zur
Hebung der holdfeligen Kunft. Einige jener Handſchriften hat er
1) Cod. berol. germ. fol. 24, Bf. 228 b im Würgendrüfjel Frauenfobs, mit
Noten; Anfang: „Ein Burger faß zu bretten.”
2) Cod. dresd. M. ö, ©. 162 „In der Berenweis B von Watt“ Anfang:
„Nun
Hört im Baierland zu Jugolſtatt.“
3) Cod. berol. germ. fol. 24, Bf. 240 b.
9 Bibl. Will. II, 784 Bl. 322 a.
3) Ebenda, Bl. 324 a. Die Geidjichte von dem Efel, der, weil er beim Aus-
faufen des Weines nicht gejeffen, jonderm gefanden habe, nach dem Aus ſpruch des
meifen Richters als Standesperjon jeine Zeche micht zu bezahlen braudt. Der
Schwant wird vericieden lofalifiert; bier iM er ins MWürttembergifche verlegt.
Nah H- Weihelt, Hammoverjce Gefdichten und Sagen (Norden, 1895) 3, 239
fällt ein Bürgermeifter zu Hildesheim 1557 diefes falomonifche Urteif.
%, Cod. berol. germ. fol. 24, Bl. 238 b.
) E &t. 551. Es handelt fih um einen Singerichteten, bem fein Kopf
wieber angefroren war. ALS er mit dem denter in der warmen Stube figt und
fich ſchneuzen will, reißt er ſich den Kopf herunter, der hinter die Thür fliegt:
Gleich wol if die
gſchicht gar ſchwer hie
Zu glauben, muß ich Jehen; —
Aber, wie Jr felbt Zum teil wift,
das der teuffel nachretig ift,
voll arger lift,
Soft es wol fein geihehen. —
(Die Interpunttion if} von mir hinzugefiigt.)
* E 8. 569 b.
9 A. Hartmann, a. a. O. ©. 57 Nr. 6; Anfang:
Im Buch der Meinen warheit fteht
twie ein bauer ein rankheit hett.
30 Th. Hampe, Benedikt von Watt.
wohl ohne Zweifel auf Beitellung und gegen Entgelt angefertigt.
Hat doch jelbit Dans Sachs gelegentlich auf Beitellung gedichtet umd
abgeichrieben und ſich dadurd) einen Nebenverdienſt verjchafft.!: Für
unjern Benedikt fommt dabei vor allem der fchon mehrfach citierte
Erlanger Eoder in Betracht. Es ift ein ftarfer TFolioband in Schweine:
leder mit Schlieren und Edbefchlag aus Mejiing. Die Goldpreffung
des vordern Dedeld zeigt in der Mitte den Patron der Deeijter-
finger, den König Tavid, zu Gott Nater betend, der ihm in den
Wolfen ericheint; darüber und darunter je ein biblilcher Spruch.
Die Aupenfeite des hintern Dedels jchmüdt ein gleich großes Bildnis
Martin Yuthers. Blatt 1 b enthält in falligraphiicher Schrift den
Spruch:
pruch Bhelſtu mich nit in deinem Haus
Vnd leſt mich viel ſpatziren auß
Leſt auch ein Jeden auß mir ſchreibn
So werdt Ich nit lang ſauber bleibn.
Blatt 2 a folgt das Titelblatt: „Ein ſchönes Meiſter Geſang
Buch .... in 3 theil oder Bücher .. . . durch Einen Meiſter vnd
liebhaber dieſer edlen Kunſt, in eyl ſo gut ers hat bekommen mögen
zuſammen getragen Im Jar Chriſtj 1617“, ebenfalls kalligraphiſch
und nicht von der Hand Venedikts geſchrieben, die überhaupt erſt
auf Blatt 26 einſetzt. Blatt 3 und 4 füllt die ziemlich wortreiche
Zorrede, ans welcher hervorgeht, daß der unterzeichnete „Hannß
Miller Rottſchmidt vnd Gewichtmacher“ das Buch auf ſeine Koſten
1) VBgl. die Vorrede zu dent von dan⸗ Sachs fir Sebaſtian Hilprant ge»
ſchriebenen Bud mu Meritergefängen cod. dresd. M 11 (Zchnorr v. Carolsfeld,
Ratalog der Dresdner Handschriften 2, 425), firner den von Dans Sachs für den
Schloſſergeſellen Rartel Weber geschriebenen und lange Zeit verichollen geweſenen,
1844 von mir zuerſt als die verſchwundene Dandichrift wiedererlannten Meiſter
liederroder der Nürnberger Stadtbibliothet (Goedeke 2, 250 n.), die für Hans
Venpdorfier geichricbene Göttinger Dandidhrift (Ms philol. 194. 4 umd einige
andere Meiſterliederbücher, in denen fih, wir im cod. weim. (0). 571, 4 oder
end. Ares M. 192, Yırder von Dans Zahfens Hand, zumaft je auf emen em:
zelnen Bogen Papier geichrieben, mit andern untermicht finden. Auf einem dieſer
Blätter Steht auch noch dir Beftellung, die, vermutlich von einem fpätern VBefiter
des Vandes, mit Nrede zu tilgen geiuscht und daher bisher liberichen worden ıft:
„em freundtlich grus und alles guets ber& lieber vatter Sachße ır wolt mir cin
ſchon Id ſchrenben anf die ofterın“ nur dieſes leſzte Wort nicht mehr recht Meier:
hd): vgl. vod. dresd. M. 192, 31.33 a. Unklar bleiben cın paar merhvitrdige
Preisbezeichnungen umter zwei Liedern des von Valentin Wildenauer geichriebenen
zweiten Teils des cal berol. zerm 49410, namlıch 1 unter dem Liede „Es ſprechen
Zweiüelere um Doften des „Edlen vnd veſten N. Marners“ ſteht auf Bl. 30 b:
„Anno 14 guichriben am ſuntag na aller heiligen I il 1 ort :3*, und 2. unter
dem Gedicht vom VBauern mu dem Zaffran ım Zvicgelton Ehrenbotens licht man
auf Bl. Sta: „Anno salutis 1550 geihribin am funtag nach allerheiligen tag:
#8 16.289 S“ Nıelteicht fommen dieſe fonderbaren Angaben ebenfalls für
die hier bereate Frageem Betradıt.
Th. Hampe, Benedikt von Watt. 31
hat fchreiben lafjen, „welches mir,” jo heißt es weiter, „viel müh
und arbeit, zu fampt dem vncoſten gemachet hat, fo gering es aud)
icheinet.” Tadeln ift aber leichter als Beſſermachen und
„diefe8 Bud) ift nicht zugericht für die hocherfahrnen kunftreichen Singer,
die ſich gedunden laſſen, die Kunſt gar gefrefien zu haben, ift auch nicht gemadıt
für die grübler, welche baldt diejes, baldt jenes finden, an welchem fie einen Edel
vnd grauen haben, Sonder es ıft gemacht für die frommen einfeltigen Singer,
welde der Kunft nachforjchen, ſolche recht zu lehrnen vnd diefelbige lieben mit
Snbrünftigkeit, on alles falſch, wie die einfeltigen Tauben ..... Aud fo wirdt
diefe edle ſchöne Kunft von tag zu tag je lenger je fcherffer und wird von vielen
Kunftreihen Singern täglich rainer an den tag gegeben.....
Es iſt aber nottwendig zumifien, daß diefe edle Schöne Kunft nit nad) art der
Muſic zuucerftehen ift, wie fie überall in den Kirchen gebraucht wirdt, fonder fie.
ıft ein ſtuck derſelben, vnnd wirdt genennet daß Meiftergefang, aus diefen Vrſachen
weil fie alle vnkunſt, in dem gejang außfchliefet und Hinmegjchaffet, welche vntunft
dan aus den 7 Freyen Künften artlich erfennet wurd ......
Vnnd findet im diefem Buch ordentlich zufinden, Erſtlich Geiftlihe vnnd
Schrifftliche [d. h. biblifche], dann, Weltlihe Hiftorien, unnd endlich Fabel Poſſen,
vnnd Stamponen.
Weil aber hierin Zweyerley Scrifften fein, daran wolle fi) der gutherzige
feffer, nit Irr machen laffen, wiewol Ich für meinen thail felbften gern gejehen,
das es in einer Schrifft were zu endt gebradt worden, Weil aber Gott der All-
mechtige nad) jenem Vnerforſchlichen Rath vnd willen, meinem erften Schreiber
mit einem plöczlichen todtsfahl vbereylet, und hinweg geriffen, hatt mid) derwegen
der rechtichaffene eyffer (jo Sch Zu diefer edlen Kunft getragen) getrieben, das Ich
dieſes Buch durch einen andern verferttigen vnd Zu endt bringen laffen....
Geſchehen in Nürnberg am Heiligen neuen Jarstag nad) der geburt Chrifti
vnſers Erlöjers und Seligmaders 1617 Jar.“
Jener erite Schreiber, von dem in diefem ohne Zweifel von
Hans Müller jelbjtändig verfagten, wenn auch nicht felbjt gejchrie-
benen Vorwort die Rede ift, war unfer Benedift von Watt. Seine
leicht zu erfennende Handschrift weift jtet3 der erjte, größere Zeil
eines jeden der drei in der Norrede genannten Abjchnitte des Buches
(geiftliche Lieder, weltliche Hijtorien und Pofjen) auf, die urjprünglid)
ein jeder für ſich beitanden und auch nod) je ihre bejondere Paginte-
rung haben. Als Benedikt dann im Mai 1616 plöglich ftarb, mußte
Hans Müller fi) nad) einem andern Schreiber umfehen, den er —
jo dürfen wir nad) dem Folgenden mit großer Wahrjcheinlichfeit an-
nehmen — in Hans Deifinger fand. Diejem blieb es vorbehalten,
zunächft die drei einzelnen Bände zu Ende zu führen und jeden mit
einem bejondern Negijter, den erjten außerdem mit Titel und Vor-
rede zu verjehen. Zwijchen dem jich an die Vorrede unmittelbar an-
ichliegenden Regiſter der geiftlichen Lieder und dem eigentlichen Beginn
des erjten Teiles wurden dann noch auf einigen leeren Blättern, wie cs
der Auftraggeber wünschte, ein Gedicht über den Urſprung des Meijter-
gejangs, ein weiteres von der „bewerung deß geſangs“ (Lied zu jeinen
Lobe), eines vom Unterfchied eines Dichters und Singers (von Hans
32 Th. Hampe, Benedikt von Watt.
Sadjs,, „Yon Zweyerley Dichtern ein gleichnus“ «von Caſpar Otten
dorfer, ein Gebet (von H. W. = Dans Weidner) und Dans Sachſens
Valete eingeichoben. An dieſes jchliegt ſich das mehrfach citierte
Klagelied über den „gehlingen Todtsfahl der Erjamen Benedict von
Watt“ und es blieb nun, bevor Teil 1 begann, gerade nod) ein ein
ziges Blatt frei. Tiefer Raum wurde am 7. Juni 1617 ausgefüllt
durd) ein Trauergedicht auf Dans Mülner ıwie er hier genannt
wird) „Burgern, Rotſchmidt vnd Gewichtmachern“, der wenige Tage
vorher gleichfall8 vom Tod ereilt und am 4. Juni beerdigt worden
war. Zomohl diejes als das voraufgehende Gedicht jind enger ge
ichrieben als die frühern, woraus ſich ergiebt, day ſie erit nad) dem
Einbinden des ganzen Buches auf einige leer gebliebene Seiten nad):
getragen wurden. Beide jind von Dans TDeifinger gedichtet, der ſich
auch durd) ausführlichere Zuſätze? in den von Benedikts Nachfolger
geichriebenen Teilen des Codex als eben diejer zweite Schreiber und
der Nollender des Buches verrät. Nody im Oktober desjelben Jahres
16:7 ift auch) Dans Deifinger geitorben.?)
Ich habe bei der Entjtehung dieſer Handſchrift Z abfichtlidh
etwas länger vermweilt, als für unſer Thema nötig geweſen wäre,
weil ſich dietelbe, obgleich etwas fompliziert, doch bejonders klar er:
fennen läßt und ihre Geſchichte auch manchen nicht unintereffanten
Ginbli in das Denken und Thun der Meilterjinger aus der Wende
des 16. Jahrhunderts gewährt. Von welchem ftolzen Selbjtgefühl
doc noch dieje Leute bejeelt waren!
Allerdings jetten ja unſere Überlegungen zum guten Teil die
Kenntnis der Schriftzüge Benediks von Watt, der nirgends aus
drücklich als Schreiber genannt wird, voraus. Zolche fidhere Kenntnis
erlangt man leicht aus Dandichriften wie cod. berol. gern. fol. 24
oder eod. nor. bibl. Will. II, 784, in denen fid) Benedikt jeltener
i) In der liberichrift heißt c8 von ıhm unter anderm: weil er „der löblichen
Kunſt des Meiftergelangs, bey 30 Jarn beygewohnt, Haben Ihme feine Hinderlaffene
Meifterfinger Zu chren, Ein Nlag vnd Traurliedt gemacht, weldes auf freyer
offener Singſchuel iſt gelungen worden, am Heiligen Pfinafifef. Weil er dann
dieſes Buch, mit grofer mühe und fleiß. Zufamm getragen, Iſt ſolches
Lıedt auch Herrin geichricben worden“.
2) 3. B. 8.98 h: „Dicht Hannß Deifinger Im 1608 Jar, den Carfreytag,
daß iſt der 25 Marti Ein groſſer wundertag.“
2) [Ratsprotofolle 1617, 7, 13 a] Samstag, 11. Oktober 1617:
Nah dem Hann Teufinger Hochzeitlader geftorben, ZN die Eupplicationen
vmb dig Embrlein anzınemen, und zu Referiren befchiden.
[Ratsprototolle 1617, 7, 48 a] Donnerstag, 23. Oktober 1617:
An ſtatt Hans Teüfingers Hochzeitladers ſeeligen. FR zu ſolchem ämbtlein
zugelaffen Michel Roht Paretmacher, doch das er feinem erbieten wegen der Deu:
fingerfchen wittib vnd Lenderiihen Kinder nahlommen vnd des dienfts mit fleiß
abmwarte. Vgl. auch Mitteilungen aus dem germaniſchen Nationalmujeum 1894, &. 41.
TH. Hampe, Benedikt von Watt. i 33
durch unumwundene Angabe, als durch weitläufige Behandlung feiner
eigenen Töne und lange Zufäge zu feinem Namen auf das deutlichite
als der Schreiber fund thut.‘) Wer fich einmal die feite, marfige,
ebenmäßige und originelle Schrift unfer8 Meijterfingers eingeprägt,
wird jie überall, wo fie ſonſt vorfommt, unschwer wieder erkennen.
Die genannten beiden Codices bilden mit dem cod. berol. germ.
fol. 25 zujammen eine bejondere Gruppe in dem Kreiſe der von
Benedikt gejchriebenen Meeifterliederbücher. Es find gleichjan Sammel—
bände angelegt mit bejonderer Rückſicht auf die meilterfingerifchen
Töne und ihre Notierung. Sie unterjcheiden fich dadurch mejentlich
von andern Meijterliederhandichriften und find daher wichtige Quellen
zur Kenntnis der meijterfingerischen Muſik, die ich ſchon an anderer
Stelle?) kurz charafterifiert habe und Die, foweit meine bisherige
Kenntnis reicht, keineswegs zu den erfreulichen Seiten diejer merf-
würdigen Erfcheinung gehört. Im cod. berol. germ. fol. 25 fcheint
es ihm ohne eigentlichen Plan befonders auf feltenere Töne ange-
fommen zu fein. Wir finden in dem Bande eine ganze Reihe von
Reifen, die fonjt überhaupt nie oder nur ganz ſporadiſch genannt
werden und gebraucht worden find.) Syſtematiſcher verfuhr er da-
gegen bei den zwei andern hier in Betracht kommenden Handichriften.
Hier muß es jeine Abficht gewejen fein, überhaupt ein Verzeichnis
aller Meifterjinger mit Beifpielen von ihren fümtlichen Tönen zu
liefern, wofür vielleicht der cod. 25 als eine Norarbeit angejehen
werden darf. Bei der Emſigkeit und Energie Benedifts iſt es nur
natürlich, daß die genannten Handichriften auch in diefer weitern
Beziehung von nicht geringer Bedeutung für die Gejchichte des
1) Bgl. namentlid) cod. berol. germ. fol. 24, Bl. 79: „NB. dijen Ton hab
ic benedict von watt, daher gefeßt, wie ich in von Chriftof Heinlein gelernet habe,
bat doch H. Sachs ein lied darrein gedicht, dz hat ein andere Form, faht an:” zc. —
Bl. 217, unter einem Gedicht des Nikolaus Zolner: „Corrig. Bened. v. Watt“
(die Korrekturen finden ſich in der Handſchrift jelbft vorgenommen). — BL. 218:
„Radyvolgende 6 thön jo auch dem Frauenlob zugerechnet werden hat Chrift. Heinle
mit von Augspurg genotiret, hieher gen Nürnberg bracht” ; ähnlich eine Notiz auf
Bl. 248. — Cod. berol. germ. fol. 25, Bl. 390: ‚Anno 1602 ... dichts Nicolaus
Zofner zu wehrd. &or.: B. v. W.“ (wie oben). Vgl. ferner die ausführlichen An-
gaben über Benedikt aus cod. nor. bibl. Will. III, 784, die S. 19 Anmerkung 1
wiedergegeben wurden, und andere mehr.
2) auitteifungen aus dem germanischen Nationalmujeum 1894, ©. 26.
9) Bol. 3. B. Bl. 330 den „geblümten Wunderton Simon Mayrs von
München”; Bl. 375 die „grüne Teppichweis Erhart Mayers von baſel“; BL. 414
die „gulden Wechfelreimmweis Martin Gümpels“ (von Straßburg); Bl. 433 die
„fröliche Faßnachtweis Frank Kalfürders von Mad B“ (Magdeburg); BI. 438 die
„Orgelweis Georg Rauhen“; BI. 441 die „ftumpffe Schloßweis Hans Müllers
Schloſſer“; Bl. 443 die „nidrige Richterweis Joachim Schultzen“; Bl. 446 dic
„gecrönte Hirſchweis M. Joſeph fangen” und anderes mehr.
Euphorion IV. 3
34 Th. Hampe, Benedilt von Watt.
Meiftergelangs find, wie denn den Arbeiten Benedifts von mir bereits
manche ergänzende Notiz entnommen worden Ut.!:
Bei oberflächlicher Betrachtung it man nun wohl geneigt, an
zunehmen, day beide Vodices zn einem einheitlichen Zammelwerte
gehörten, bejonders wenn man die Yirfenhaftigfeit, die ſpringende
Zeitenzählung und die Fehler beim Ginbinden, die beiden Büchern
Femeinſam find, beim Nürnberger Coder jedoch erſt dem 18. Jahr
hundert zur Laſt fallen, in Wetracht zieht.” Zorgfältigere 2er
gleihung lehrt indejjen, dan wir es mit zwei ziemlich gleich an
gelegten Zammlungen zu thun haben. Denn in der Berliner Dand
ſchrift beißen die Uberſchriften einfach: „Dans Grieſer hat 1 thon“
oder „Heinrich Endres hat 6 thön“, in dem Nürnberger Goder da
gegen lauten fie: „Der 11. Meiſter Wolfif Derolt hat 6 thön“ oder
„er 72. Meiſter, ‚sridrich Netter, bat 4 thön“. Außerdem finden
jich beiſpielsweiſe Benedifts von Watt Töne jowohl im Berliner
Koder 24 auf Blatt 110 a als auch in dem oder der ehemaligen
Willſchen Bibliothek in Nüruberg auf Nlatt 299 ff., und zwar
beidemale in genau derjelben Weiſe, nämlich die Benennungen zuerit
mit Rotſtift aufgeichrieben, dam mit Tinte nachgeführt und mit
zahlreichen Rajuren und Korrektnuren verjcehen. Nur it dort, wenig
jtens im der Überichrift Für den ganzen Abjchnitt von 22, hier von
24 Tönen die Nede, worans ſich eratebt, daß die Verliner Daud
jchrift früher geichrieben wurde als diejenige Sammlung, von der
jich in dem Nürnberger Bande Bruchſtücke vereinigt finden. Darauf
deuten auch einige andere Umſtände bin.’
Wenn die drei Mandjehriften dieler Gruppe aus wmancherlei
(Gründen, beionders auch, weil Ste bisher nur äußerſt wenig beachtet
und benuet worden fd, gleich dem Erlanger Koder eine etwas eim
gehendere Neiprechung zu erfordern ſchienen, ſo mag bei den von
Veneditt von Watt ganz oder teilweiſe geichriebenen Tresdner Dand
ichriften M. 5, M. 9, M. 16 und M. 17 die blope Erwähnung ge
nigen, zumal Nie ganz in der Art anderer Meiſterliederbücher gehalten,
und wir iiber Ste auch bereits Durch Schnorr v. Carolsields Arbeit
„jur Geſchichte des deutſchen Meiſtergeſangs 1872 und feinen Hand
iehrittenfatalogn 15 9 ausreichend orientiert worden find. Auch in
ı Bl aber div Tome des berühmten Nurnberger Zinngießers Nasvar
Enderlein in den Mitteuungen aus dem germanischen Nationalmuſeum 189%,
S. 40 x.
"ı Einige Bartıen der Nürnberger Handichrift muten Einen faſt an, als ol
der Buchbinder die Blätter umd Hefte, die er zu cmem Bande veremigen öollie.
zuvor wie ein Kartenſpiel gemiſcht babe
Adam Puſchmann werden in dir Berliner Handichrift «BL. 269 fj. 35.
in der Nürnberger (Bl. 5373 der modernen Rumerzerung 56 Tone zugeſchricben
2, 415. 4322. 428. 420
Th. Hampe, Benedikt von Watt. 35
ihnen finden ji), abgejehen von dem reichen Material an Meiſter—
liedern, unter denen die Gedichte von Hans Sachs und die der
Schwanffitteratur entlehnten Stoffe ftet3 ein allgemeineres Intereſſe
beanspruchen dürfen, andere mehr von lofalgeichichtlicher Bedeutung
jind, gar manche wertvollen Notizen oder Angaben, wie die von
Schnorr veröffentlichten über Benedikt Bekanntſchaft mit Jacob
Pregel, über deilen Beiig an Hans Sachs-Handſchriften er wohl
unterrichtet gewejen zu fein jcheint.!) Um feine großen Sammelwerfe
zu vervolljtändigen — fie find augenfcheinlich nur jehr fragmentarijd)
auf ung gefommen ?) — Scheute er feine Mühe, fcheint mit Adam
Puſchmann in Breslau in Verbindung gejtanden zu haben,?) unter-
1) Schnorr v. Carolsfeld, Zur Gedichte des Meiftergejangsd, S. 26; Hand-
ichriftenfatalog 2, 428; Edmund Goete, Die Handfchriften des Hans Sachs in
der sertiärift „Hans Sachs Forschungen” (Nürnberg 1894), ©. 194.
2) Ich führe die Meifter, die in dem Nürnberger Coder behandelt werden,
in der "eigen Meihenfolge an: Bf. 103: „Die 11 Meifter Wolff Herolt hat 6 thön;
21. 281: 72. Friedrich Ketner, 4 Töne; "Bl. 284: 73. Herr Wolffram, 7 Töne;
Bl. 288: 74. Heinrid) v. Efferting, 2 Töne; Bl. 289: 75. Hans Beidhter, 2 Töne:
31. 291: 76. Joſeph lang, 1 Ton; Bl. 291 b: 77. Hans Leychner, 3 Töne: Bl. 294:
iR. Michael Miller, 3 Töne; BL. 296: 79. Jeronimus Lind, 1 Ton; Bf. 297:
Hans Gelinger; BL. 299: 1. Benedict von Watt Goldreyßer, 24 Töne; BI. 325:
2. Lorentz Weſſel, 14 Töne; DB. 343: 3. Marthin Glmpel, ? Töne; Bf. 355:
7 Caspar bet, 3 Töne; Bl. 365: 14. Ulrich Eißlinger, 3 Töne; Bl. 373: 9. Adam
Puſchmann, 36 Töne; "Bl. 405: 162 Jopſt Zolner, 1 Ton (e8 werden aber drei
aufgezählt; Bl. 415: 20. Jeronimus Traibolt, 2 Töne; Bl. 417: 21. Marcus
Mesger, 1 Ton; Bl. 419: 22. Martin drilner, 2 Töne; "Bl. 421: 23. Hang von
Herborn 1 Ton; Bl. 423: 24. Raphael Dulner, 2 Töne: Bl. 425: 25. Andreas
Zcmmelbofer, 5 Töne; Bl. 431: 163. Catharina Hollin von Münden; Bl. 432:
165. Georg Wenner von Prag (Wanderichaftweil’); Bl. 433: 166. M. Johann
Blrich Seldner; Bl. 435: 167. „Lucas Gſelli thon“: hierauf ohne Numerierung
(vielleicht zu der andern Sammlung gehörend ?) die Töne von Daniel Steichelein,
Tobias Burtel, Benedict Hofer (alles Augsburger), Pangrag Sclehlein („Zu
Neumardt kandelgießer“,, Daniel Graner (Kürfchner von Straßburg), „Des
Suchenfinns thon’‘, Georg Amman von Straßburg, Send Burdart, Schneider
zu Straßburg, Hans Heinrich Windpuſch (Augsburger); Georg Nöttel (mir font
unbelannt); Auguftin Lefchenbrand von Ulm; Hans Wäber, Georg Model, Martin
Driller (das bier folgende Gefäß in feinem „Aberlangen Ton’ ift , ‚Bolendt durd)
Otmar Wetter, mefjerfhmid, und freyfechter von Danzig‘; dann Bl. ABA: A. Dno-
phrius Schwarzenbadh, 17 Töne; BL. 460: 12. Georg Hager, 16 Töne; Bl. 472:
3%. Georg Widram, 2 Töne; Bl. 473: 97. Friderich Zolner, 2 Töne; BI. 475:
98. Wolff Brantner, 1 Ton (die Brandweis; das betreffende Gedicht dichtete 1571
„A. Puſchman dem Brantner‘‘); Bl. 475 b: 99. M. Sebaſtian Meysner, 1 Ton;
Bl. 478: 81. Heinrich Endres, 6 Töne; Bl. 482: 82. Muscatblut, 2 Töne;
DI. 484: 83. Conrad Nadıtigal, 10 Töne; Bl. 490: 15. Hans Sachs, 13 Töne.
Selbftverftändlih ift der Inhalt des ganzen Bandes mit dieſen Bruchftüden aus
den Sammelwerlen nicht annähernd erjchöpft.
3) Cod. berol. germ. fol. 24, Bf. 32: „Diſer thon ift wie In Ad. Puſchman
gefünt hat, ab notiert‘; Bl 48: ‚ft wie In der puſchman notirt hat“. BI. 256:
„diſer thon ift dem Adam pujhman nad abnotiert.“ Aber auch ein Elias Freuden
3*
36 TH. Hampe, Benedikt von Watt.
hielt durch Chriſtoph Heinlein und Georg Winter Beziehungen zu
den Augsburger Meifteriingern 'ı und hatte auch unter den Straß
burgern Freunde wie Joachim Schulz, dem er 1604 am heiligen
Titertag ein Yied widmete.?; Aber nicht fritiflos nahm er, was ihm
am Tönen, Melodien und Yiedern zugebracdht wurde, in jeine Hände
und Hefte auf. Yon den nicht jeltenen Norrefturen von jeiner Hand
ijt bereits die Rede geweſen. Fin andermal heist es nach Beendigung
eines (Bedichts, das Martin Gümpel von Straßburg zum Verfaſſer
bat: „Diſes lied iſt jo falſch dz es mit wol zu corigiren ift, Leichter
wer ein newes zu machen.“ " Trotz dieſer weitverzweigten Be
zicehungen kommt jein Name in andern ala Nürnberger Meiſterlieder
bandjchriften doch nur verhältnismäßig jelten vor.“ In dieſen iſt er
aber ımm jo häufiger, wie denn unſern Meiſter namentlich mit Dans
Teilinger, Georg Hager ımd Wolf Bautner, den hauptjächlichiten
Zchreibern ſolcher ipätern Nürnberger Meiſtergeſangbücher, herzliche
Freundſchaft verbunden zu haben ſcheint.“ Non gemeintamen Unter
nehmumgen, d. h. Singſchulen — wir würden heute jagen: Konzert:
berg vermittelte ihm Tone, vgl od. nor. bibl. Will. III, 784 81. 395 b: „Zuniten
seo mir diſes Yıed cin der Wachtelweis Adam Puichmanns) auch von Preßlam gr
nottert von dem Elias Freudenberg zugefchidt worden vnd der Namen ın der
wüſtlingweiß aeiett worden. Ta bat der legte rem inn allen jtollen 9 Zuben,
dann Puichman ſelbſt Sept die Auerhanenweiß, Wüſtlingweiß wachtelweiß vnd
Sittig werte ſolen in Zzal maß vnd gebend einerlen art haben das were in allen
außgengen der ſtollen 9 Silben.“ Ahnliche Ausführungen kommen öfter vor.
Bal. Z 33 Anmerkung 1 und cod berol gerin. fol. 24, Bl. 157: ‚nad
nolgende (A) tböne bat Georg Runter meilerihm.d Anne 1615 mut von Augspın !
genotiert hieber gen Nürnberg gebracht“ und andere Ztellen.
2 God berol zerm. fol. 28, Bl. 139. Venedikt von War verrät dort (1.
167 ii augrden come genaue Nenmimst des Straßburger Meiſtergeſangs
3 God. berol zerin tl. 25, 9. 555 Sul. anterdem oben Anmerlung 1.
Ich nenne von Solchen Die iogenannte Dans Bırneriche Dandichrift, Div
cher BRreslauer oder Augsburger als Nürnberger Uriprungs zu fein ſcheint. A. 13
bis 15 finder ſich dafelbit ein Gedicht von „Wena Tidet Bon Wat.” epm. 51?
zum Augsburger Krefe gchorend, ſiehe Z 1% Anmerlung 3, 3. 205. Wenn bie und
da von „Walthalar von art“ der Wrede ıft, fo it damıt alcıchfalls unfer Beneditt
qgemeint. gem. 5103 gebore ohne Zweifel dem Nürnberger Nreie an: die Hand:
hrüft it von 11 veridedenen Handen geſchrieben: einen Dauptanteıl daran hat
wohl Hans Glockler, anf den das Kl. 194 1 banfig vorlommende „H G.“ zu
deuten ſcheint. Kan Venedilt von Watt finden ſich Bedichte auf MM. 1383, 135, 206,
2a und h. 215. Tier Ind vamtlich nachtraglich. wo noch Platz geblieben war,
ingeſchrieben, und zwar alle von ma und derielben Hand 2 Tiefe Hand 2 ıt
r1mauttiche- ich Rome mir, als ich ver einzgen Jahren den oder benußte, eine
Anmertung hieruber noch nich: machen dieſen:ze nniers Benedikt non Watt.
Betreiis Terſngers fommt wer beſonders das mehrfach eitierte Klagelicd
u Eals yuama in wacht, Air Veorg Hager unter anderm die Notiz auf
Al. 32 0m Hagers Mitinderbiß, cordl. dresd. Mo: „Nun volgen 16 lieder
Die mer zu gefallen Yendiv vom wat ein golt reiſer In meine 16 tbön gemacht
1, fur Weli Vautner der gleich zu erwähnende Stoßieufßzer.
Th. Hampe, Benedikt von Watt. 37
aufführungen — werden die von Dreicher aufgefundenen Protokolle
des Nürnberger Meiſtergeſangs gewiß mehrfach Zeugnis ablegen.
Aus den Liederbüchern ift mir nur eine derartige Notiz befannt, die
ſich auf eine gefangliche Vorführung der ganzen Hijtorie von Joͤſeph
durch 14 Singer im Jahre 1598 bezieht, wobei die Namen der vier
Freunde, vor allem derjenige unjers Benedikt, befonders häufig vor-
fommen.!) So war er alfo aud) für erneute Pflege der Singſchulen,
wie für Eintradht und Frieden innerhalb der Genoflenchaft, die ihn
1605 zu einem Merker erwählte, in hervorragendem Maße thätig,?ı
und wie ein Stoßjeufzer nehmen ſich die Verſe aus, die Wolf Bautner
wenige Jahre nad) dem Tode BenediftS von Watt, als Krieg und
innere Derwürfnihe der wenig lebensfräftigen Nachblüte des Nürn-
berger Meiſtergeſangs ein Ende bereitet hatten, unter eines von deſſen
Gedichten jegte:
„O Benedidt, foltu iz kumen,
Wie du bift von vns wegenumen
Zu gott in bein ſchlaffkemerlin,
der dir vnd vns wöl gnedig fein,
fo wirftu [würdet du] Sehen in den Dingen,
wie fich verander hat dz Singen:
auß dem allen, waß du theft liben,
wirt nur hohmut daraus gedriben.‘ 3)
Faſſen wir zum Schluß das NRejultat ins Auge, welches fid)
aus der Summe deſſen, was über Benedift von Watt und feinen Kreis
beigebracht werden fonnte, ergiebt, fo werden wir jagen müfjen, daß
bei der gänzlichen Veräußerlichung des Meiftergefangs au einen
eigentlichen Aufihwung aud) ohne die Bedrängniffe, in die er bald
nad) Benedikts Tode geriet, nicht mehr zu denfen geweſen wäre.
Seine Entwicklung verläuft ziemlich genau parallel mit dem Auf:
itreben, der Blütezeit und dem Niedergang des Handwerks und des
Handwerkerſtands. Bei beiden ift es zum guten Zeil das Haften an
überlebten Zraditionen, aljo die Ehrfurcht vor der Vergangenheit
geweien, welche jie einem verfnöcherten Schematismus in die Arme
getrieben, in Inſtitutionen und Hervorbringungen ihre freie Schaffens-
fraft gelähmt und fo den allmählichen Verfall angebahnt hat. Und
) Ms. 4, fol. 88 b der Breslauer Uniberfitätöbibfiotbel, 1. Band, BI. 86-
2) Deifinger jagt in dem Klagelied, & Bl.
bie ehrſame gjelichafft thet ſich " erpflichten,
weil er wuft alle ding Fünftlich zu fchlichten
namen auf zu eim Merder Ihn,
1600 funf Jar bin .....
3) Ms. IV, fol. 88 b der Breslauer Univerfitätsbibliothel, 2. Band, BI. 241,
unterzeichnet mit Wolf Bautners Monogramm WB. (Die Interpunktion ift von
mir hinzugefügt.)
38 FR. Asmus, Zur Entſtehungsgeſchichte von Leſſings Laokoon.
darin liegt doc) wieder etwas Schönes und Erhebendes. Schen wir
uns diejen Benedikt von Watt noch einmal an, der als Tichter nur
etwa auf der Stufe eines Adam Pujchntann, als echtes Prototyp
eines Meifterfingers der Spätzeit aber und gleichzeitig als Reprä—
jentant des damaligen Handwerkerſtands für uns bedeutjam wird.
Wo fände man heute in gleicher Yebensiphäre bei jo großer Armut
einen ſolchen Trang nach etwas Höherem, einen joldyen Wiffensdurit,
eine jolche Belejenheit? Daß er aber bei all jeiner Dingabe an die
überfommene meijterliche Dichtkunſt, bei all jeinem grimmigen Luther—
tum über die Anſchauungen des Wlittelalters erheblich hinaus-
gefommen wäre, wollen wir nicht behaupten. Tas Yeben war zu
hart, um den einfachen Handwerker zu einer Nertiefung jeiner Kennt:
niſſe, zu eigentlicher VBerinnerlichung der Religion Mupe und Samm—
lung finden zu laſſen, und die ftarre ‚yorm, der tote Buchitabe
haben jehr bald nad) Yırthers befreiender That den Geiſt des Volks
aufs neue im Feſſeln geichlagen, die jich von den frühern nidıt
wejentlid) unterichieden. Eben angeſichts joldyer Wahrnehmungen mus
uns namentlich die Gejtalt des Dans Sachs nur um jo größer und
bewunderungsiwiürdiger erjcheinen. Aber das einen jtarfen jittlichen
Dalt verleihende Ideal ging and) den vom Zchöpfer mit geringerm
Pfunde Begabten nicht verloren, und wenn etwas für die Treue, für
den fonjervativen Zinn des deutſchen Volks jpricht, jo iſt es Die
(Heichichte des alten Meiſtergeſangs, deſſen legte Vertreter heute nod)
in Memmingen leben, während er in andern Ztädten bereits wieder
neue Keime angeſetzt bat.
Sur Entſtehungsgeſchichte von Leffings
Laokoon.
Von J. R. Asmus in Tauberbiſchofsheim.
Die vergleichende Betrachtung der verſchiedenen Entwürfe zum
Laokoon zeigt, daß Leſſing urſprünglich einer „methodiſchen Gut:
wicklung allgemeiner Grundſätze“ und der Verarbeitung derſelben zu
einem „ſyſtematiſchen Buche“ nicht jo fern ſtand, wie es nad) der
Vorrede! jcheinen könnte. In dem eriten und zweiten Plan tritt
') 2.148, 11, 15 ın der Ausgabe von Blümner (2. Auflage), nach welcher
wir ım folgenden die Yaolooncitate ausichlienlich geben, wobei wır uns jedoch der
modrnen Schreibweiſe aubequemen.
J. R. Asınus, Zur Entflehfungsgeichichte von Leffings Laokoon. 39
vielmehr eine deduftive Anlage zu Tage; er vertaufchte diejelbe jedoch
ipäter mit einer, wenn auch nicht ftreng durchgeführten, induftiven
Sedanfenentwidlung, indem er ein Beijpiel voranjtellte und von diefem
ausgehend zu feinen Folgerungen gelangte. Freilich lag dies Beiſpiel,
die Laokoongruppe, nicht von Anfang an im Bereich feiner Gedanken:
es findet in den zwei erjten Entwürfen noch gar feine Berücdfichti-
gung. Den wahren Ausgangspunkt verrät Leſſing ſelbſt im 16. Kapitel,
wenn er S. 252, 6 ff. jagt, er habe die „trodene Schlußfette” feiner
Fundamentalfäge“ durch die Praxis des Homers volljtändig beftätigt
gefunden, und dieje habe ihn ſogar „darauf gebracht”.
Co begreift man es aud, daß dem Homer bereits im erjten
Entwurf (©. 355—357) ein verhältnismäßig fo breiter Raum ge-
gönnt ijt. In den hier vorangejtellten Grundſätzen hat man fomit
lediglich die Quinteſſenz von Leſſings Homerjtudien zu jehen; denn
daß Diele nicht bloß ganz allgemeiner Natur waren, fondern aud)
ins einzelne giengen, erjieht man aus der bereit3 im zweiten Ent-
wurf ©. 366 (vgl. 373 ff., 376 ff., 382) beginnenden und jpäter
in der definitiven Faſſung weiter ausgejponnenen Auseinanderjeßung
mit dem Grafen Caylus. Diefe Polemik giebt wohl zum Teil dag
Deaterial wieder, aus weldyem jene allgemeinen Sätze des erjten Ent-
wurfs gezogen find. Der erjte, im 7. Kapitel der endgültigen Tert-
geftaltung S. 204, 38 ff. enthaltene Ausfall gegen den Grafen zeigt,
daß es ſich hierbei darum handelte, wie der darjtellende Künftler die
förperliche Figur, welche einer Gottheit bei Homer verliehen werde,
von der förperlichen Figur eines Menſchen unterſcheiden könne, und
dies Problem wurde im weiteren Verlauf der Unterſuchung (Kapitel
11—16. 22) zu einer Erörterung darüber erweitert, wie die Künjtler
überhaupt den Homer ausgenugt hätten. Dieje Erörterung findet jich
im 22. Kapitel, und der Abjchnitt, welcher ihr in dem zweiten Ent-
wurf entipricht (13.), bildete dort den Schluß. Diefer Schluß enthält
auch das Beiſpiel, welches bei der urſprünglich deduftiven Gedanken—
entwidlung der vorangehenden Cchlußfette als ſchließliche Betätigung
dienen jollte.
Es heigt hier S. 381 ff. ..... „Wie die alten Künjtler den Homer
jtudiert, läßt fi unter andern aus dem Erempel des Phidias
lernen... Phidias geſtand, daß er . die Zeilen: (lliad. «. 528.
Ralerius Marimus, lib. II, cap.
H xai xvavencıv dn’ Öyovor vedoe Kooviwv'
Außgocını 6’ don yaitaı EneggW0avro &vantos,
Kocrog an’ adavaroıo‘ ueyav Ö’ EAkkıgev "Okvunov
bei Bildung feines olympifchen Jupiters begeijtert worden.“ Auf:
fallenderweije giebt das 22. Kapitel der Schlußfaſſung diefe Süße
38 J. R. Asmus, Zur Entſtehungsgeſchichte von Leifings Yaokoon.
darin liegt doc wieder etwas Schönes und Erhebendes. Sehen wir
uns diejen Benedikt von Watt nod) einmal an, der als Tichter nur
etwa auf der Stufe eines Adam Puſchmann, als echtes Prototyp
eines Meifterfingers der Spätzeit aber und gleichzeitig als Reprä—
jentant des damaligen Dandwerferjtands für ung bedeutjam wird.
Wo fände man heute in gleicher Yebensiphäre bei jo großer Armut
einen jolchen Trang nad etwas Höheren, einen ſolchen Wiffensdurit,
eine folche Belejenheit? Tan er aber bei all jeiner Dingabe an die
überfommene meifterliche Tichtfunjt, bei all jeinem grimmigen Yuther:
tum über die Anjchanungen des Mittelalters erheblich hinaus-
gefommen wäre, wollen wir nicht behaupten. Das Yeben war zu
hart, um den einfachen Dandwerfer zu einer Vertiefung jeiner Kennt:
niffe, zu eigentlicher Berinnerlicyung der Religion Muße und Samm:
lung finden zu fallen, und die jtarre Form, der tote Buchitabe
haben jehr bald nach Yuthers befreiender That den Geiſt des Volks
aufs neue in Feſſeln geichlagen, die ſich von den frühern nidt
wejentlich unterſchieden. Eben angefichts Joldher Wahrnehmungen mu
uns namentlich die Sejtalt des Dans Sachs nur um jo größer und
bewunderungsipürdiger erjcheinen. Aber das einen jtarfen Tittlichen
Dalt verleihende deal ging aud) den vom Zchöpfer mit geringerm
Pfunde Begabten nicht verloren, und wenn etwas fir die Treue, für
den fonjervativen Sinn des deutſchen Nolfs jpridht, jo ift es Die
(Heichichte des alten Meiſtergeſangs, deſſen lette Vertreter heute noch
in Memmingen leben, während er in andern Ztädten bereits wieder
neue Keime angelekt hat.
Zur Entſtehungsgeſchichte von Leſſings
Laokoon.
Ton J. R. Asmus in Tauberbiſchofsheim.
Die vergleichende Betrachtung der verſchiedenen Entwürfe zum
Laokoon zeigt, daR Leſſing urſprünglich einer „methodiſchen Ent—
wicklung allgemeiner Grundſätze“ und der Verarbeitung derſelben zu
einem „ſyſtematiſchen Buche“ nicht jo fern ſtand, wie es nad) der
Vorrede! jcheinen könnte. In dem eriten und zweiten Plan tritt
') 2.148, 11, 15 m der Ausgabe von Blümner (2. Auflage), nad) weldyer
wir ım folgenden die Yaofooncıtate ausichlienlich geben, wober wır uns jedoch der
modırnen Schreibweiſe aubequemen.
J. R. Asmus, Zur Entflehungsgefchichte von Leffings Laokoon. 39
vielmehr eine deduftive Anlage zu Tage; er vertaufchte diejelbe jedoch
\päter mit einer, wenn aud) nicht ftreng durchgeführten, induftiven
Gedanfenentwidlung, indem er ein Beiſpiel voranjtellte und von dieſem
ausgehend zu feinen Folgerungen gelangte. Freilich lag dies Beifpiel,
die Laokoongruppe, nicht von Anfang an im Bereid) feiner Gedanken:
es findet in den zwei erjten Entwürfen noch gar feine Berüdfichti-
gung. Den wahren Ausgangspunkt verrät Leſſing felbft im 16. Kapitel,
wenn er 5. 252, 6 ff. jagt, er habe die „trodene Schlußfette” feiner
Fzundamentaljäge” durch die Praxis des Homers volljtändig beftätigt
gefunden, und dieje habe ihn fogar „darauf gebradjt“.
So begreift man es aud), daß dem Homer bereits im erften
Entwurf (©. 355—357) ein verhältnisinäßtg jo breiter Raum ge-
gönnt ijt. In den hier vorangeitellten Grundfägen hat man fomit
lediglich die Tuintefjenz von Leſſings Homerjtudien zu fehen; denn
daß diefe nicht bloß ganz allgemeiner Natur waren, jondern aud)
ins einzelne giengen, erjieht man aus der bereit3 im zweiten Ent-
wurf ©. 366 (vgl. 373 ff., 376 ff., 382) beginnenden und fpäter
in der definitiven Faſſung weiter ausgejponnenen Auseinanderjeßung
mit dem Grafen Caylus. Dieje Polemif giebt wohl zum Teil dag
Material wieder, aus weldyem jene allgemeinen Zäte des erften Ent-
wurfs gezogen find. Der erfte, im 7. Kapitel der endgültigen Text:
geitaltung S. 204, 38 ff. enthaltene Ausfall gegen den Grafen zeigt,
daß e3 ich hierbei darum handelte, wie der darftellende Künjtler die
förperliche Figur, welche einer Gottheit bei Homer verliehen werde,
von der förperlichen Figur eines Menjchen unterjcheiden fünne, und
dies Problem wurde im weiteren Verlauf der Unterfuhung (Kapitel
11— 16. 22: zu einer Erörterung darüber erweitert, wie die Künjtler
überhaupt den Homer ausgenugt hätten. Dieje Erörterung findet ſich
im 22. Kapitel, und der Abfchnitt, welcher ihr in dem zweiten Ent:
wurf entipricht (13.), bildete dort den Schluß. Diefer Schluß enthält
auch das Beijpiel, welches bei der urjprünglid) deduftiven Gedanfen-
entwidlung der vorangehenden Schlußfette als fchließliche Bejtätigung
dienen jollte.
Es Heißt hier S. 381 ff. ... „Wie die alten Künftler den Homer
jtudiert, läßt jidy) unter andern aus dem Exempel des Phidias
lernen... Phidias gejtand, dag er durch die Zeilen: (Iliad. «. 528.
Ralerius Maximus, lib. II, cap. 7)
H xai xvavencıv dn’ Öpovaı vedce Kooviwv'
Außoocını Ö’ oa yaitcı Entggmoevro Ävanrog,
Koarog an’ adavaroıo' weyav Ö’ Eiklıgev "Okvunov
bei Bildung jeines olympifchen Jupiters begeijtert worden.“ Auf:
fallenderweije giebt das 22. Kapitel der Schlußfaffung diefe Sätze
40 I. R. Asmus, Zur Entflehungsgeicichte von Yeifings Laoloon.
faft wörtlid) wieder, und fie bilden hier ebenfalls, wenn aud nicht
äußerlich, ſo doch dem Hauptinhalt nad) den Abjchlug des Werke.
Dean hätte nun erwarten jollen, daß Yejling im Zuſammenhang mit
dem UÜbergang von der deduftiven zur induftiven Methode das Bei
ipiel vom Zeusbild des Phidias vorangeitellt und von den Ver
hältnis dieſes Kunſtwerks zu dem homeriichen Zeus ausgehend jeine
allgemeinen Sätze entwickelt hätte. Wenn er dies nicht that, jo war
daran vor altem die Polemik gegen Winckelmann ſchuld,“ die erit
nad) Abſchluß des zweiten Entwurfs einjegt. So fanı man daraus,
dan Yelling das Phidiasbeijpiel in der Zchlußpartie des Yaofoon
auch noch nad) der Wahl eines neuen, in vieler Beziehung beiier
geeigneten Ausgangspunfts nicht gänzlich fallen ließ, jondern bei
behielt, jicherlich ſoviel ichliegen, dan es während der ganzen
Taner jeiner Arbeit in jeinen Gedanken Feine geringe
Holle jpielte. Bielleicht gewinnen wir aus dem ‚yolgenden einen
Krflärungsgrumd fir dieſe auffallende Thatſache.
Es findet ſich nänilich in der 12. Rede des Dion Chryſo
ſtomos S. 221, 1 ff.“ eine Abhandlung, worin der Rhetor „eine
genauere Erwägung in philoſophiſcher Unterhaltung” anjtellen ill
„uber die Tichtung und Kunſt und natiirlicherweite auch darüber,
ob es irgendwie cin Zolces giebt, was die menſchliche Vorſtellung
iiber die Gottheit veriinnbildlicht und ansprägt auf dieje oder jene
Weiſe“. Dion behandelt demnach ſchon dieier Inhaltsangabe zufolge
im Grund das gleihe Thema wie Yeiling in ſeinem „Xaofoon:
oder ber die Grenzen der Malerei und Poeſie“, zumal ja der
wichtigjte Beſtandteil dieſes Werks, der auf Homer aufgebaut und
negen Caylus gerichtet ift, von der figürlichen Darſtellung der Gott
beit in beiden Künſten einen Ansgang nimmt. Die Abhandlung
Tions ftellt zudem 2. 219, 21 ff.: 220, 21 ff. das zZeusbild des
Phidias in den Vordergrund, da die ganze Nede „vom erften Gottes
begriff” vor der ‚yeitveriammlung in Olympia gehalten wurde an
nelichts des „ſchönſten und gottgefälligiten aller (Hötterbilder ... von
Phidias, wie es heißt, nach Homers Tichtung geichaffen, nach jener
Stelle, wo der Gott mir einem Heinen Zucken der Augenbrauen den
ganzen Olymp erichiittert, wie der Tichter überans anjchaulich und
überzeugend dies in den Verſen ausgeiprochen hat:
„Svrach's und winkte mit dunkelen BRrauen Nronion,
Und es walleten nieder des Heriſchers ambroftiche Locken
Von dem unſterblichen Hauvt, da erbebte der große Dlumpos.“
*
Siehe Blümners Emleitung, S. 95 fi.
2 Wir citieren um folgenden die dioneiiche Rede mit den Zeitens und {heilen
zahlen der Dindorfſchen Ausgabe, aber ın der deutichen Ubertragung von Stich
„zıio Chmieftomoes ” Programm, Z3weibrücken 18x00, S. 28 fin
J. R. Asmus, Zur Entſtehungsgeſchichte von Leffings Laokoon. al
Bei der Erörterung der verjchiedenen „Quellen der Vorjtellung und
der Annahme von Göttern“ erwähnt die Rede an zweiter Stelle
S. 225, 16 ff. die durch die Dichter vermittelte Göttervorjtellung
und an vierter ©. 227, 5 ff. „die Kunſt, foweit fie jih mit Götter:
itatuen bejchäftigt“. Darauf wird ein Prozeß fingiert, der unter
anderm zeigen ſoll, ob die darjtellende Kunft und die Dichtkunft mit:
einander übereinftimmen oder ſich widerfprechen, und welche von
beiden der Wahrheit am nächſten fommt. Hierbei muß Phidias im
Namen der bildenden Kunſt darüber NRechenichaft geben, ob er feiner
Gottheit einen geeigneten Ausdruf und eine würdige Gejtalt ver-
lichen habe.
In jeiner VBerteidigungsrede rechtfertigt er nun die von ihm
gewählte Geſtalt (S. 231, 16—233, 6) und Haltung (©. 233, 6 bis
238, 27) und betont dabei vor allem die Abhängigkeit der bildenden
Kunft von den durch die Dichter vorgebildeten Vorftellungen (S. 231,
24— 28), um jchließlid) an der Hand einer vergleichenden Betrachtung
der den beiden Künften gezogenen Grenzen (©. 233, 26—235, 20;
vgl. ©. 231, 28—30) das durch diejelbe bedingte Verhältnis feines
Zeusbildes zu dem homeriſchen (S. 236, 23—238, 27; vgl. ©. 233,
6— 25) Harzulegen.
Die Rede des Phidias fordert nun in manchen Einzelheiten
geradezu zu einem Vergleich mit dem Laofoon heraus: So fpricht
der Künjtler bei Dion S. 228, 2 ff. von einem „Wettbewerb des
fünjtleriihen Schaffens” zwiichen den Künftlern und Dichtern und
jtellt jich auch jelbit ©. 233, 22 (vgl. S. 233, 6 ff.; 236, 19 ff.;
236, 6) ausdrüdlich als einen Rivalen Homers hin, wobei er zum
Schluſſe ©. 239, 26 ff. meint, „die Griechen würden ihm mit Recht
den Kranz zuerfennen”. Denn er fei (S. 233, 24 ff.) ein „viel
beſſerer und bejonnenerer Künjtler als Homer, der doch aud) götter-
gleich an Weisheit (vgl. S. 231, 37; 236, 24) erſcheine“. Hiermit
vergleiche man die Worte Leſſings, Kapitel 29, S. 295, 25 ff.: „Nie
jind Malerei und Poefie in einen gleicjeren Wettftreit (vgl. Ka—
pitel 10, ©. 226, 4 ff.) gezogen worden. Der Sieg blieb unent-
Ichieden, und beide verdienten gekrönt zu werden." Wenn in diefem
Zuſammenhange auch unter dem „weiſen Dichter“ (S. 295, 29)
und dem „nicht minder weifen Maler" (S. 296, 2) Homer umd
Zeuris wegen ihrer Darftellung der Helena zu verftehen find, fo
icheint doch die eigentümliche Form, in welche die Gegenüberftellung
bei Leſſing wie bei Dion geflcidet iſt, eine nicht rein zufällige ühnlich—
keit zu verraten, zumal ſich in demſelben 22. Kapitel des Laokoon
auch noch manche inhaltlichen Anklänge an Dion finden.') Wir
') Hierauf hat nach Blümners Vorgang (a. a. O., ©. 9 fi.) bereits Stich
a. a. D., ©. 65 ff. aufmerkſam gemadt. Cine ziemlich — aber wenig
42 J. R. Asmus, Zur Entftehungsgeihichte von Leffings Laokoon.
jtellen fie im folgenden überfichtlich einander gegenüber, um ein um:
befangenes Urteil zu ermöglichen.
$faokoon Kapitel 22.
5.299, 1 fi. „Handlungen aus
dem Homer zıı malen, bloß weil fie eine
reihe Kompofition, vorzitglidhe Kontrafte,
künſtliche Beleuchtungen darbieten, ſchien
den alten Artiſten ihr Geſchmack nicht
zu ſein und konnte es auch nicht ſem,
ſo lange ſich noch die Kunſt in den
engen Grenzen ihrer höchſten Beftim:
mung hielt.” — Beiſpiele ſolcher yanı-
lungen giebt die nebenftehende Dion-
ftelle.]
S. 300, 3 fi. „Sie [die Künftter]
nährten fih ... mit den Geiſte des
Dichters, fie fülllten ihre Einbildungs—
fraft mit jenen erbabenften Zügen.“
S. 360, 7 fi. „So wurden ihre
[der Künftter] Werke Abdrücke der home-
riſchen ... ähnlich aber verſchieden.“
S. 300, 14 ff. „Da... die home:
riſchen Meiſterwerle der Poeſie älter
waren als irgendein Meiſterſtück der
Kunſt“ ſvgl. Kapitel 8, S. 216, 21 ff.
Bgl. Kapitel 11, S. 232, 11 fi. „Er
[der Künftler] blieb in dem engen Be
zirke weniger ihm und dem Publiko ge—
läufig gewordener Entwürfe“: S 233,
22 fj. „daß ein bekannter Vorwurf die
Dion oratio All.
S. 238, 7 fi. „Wie er [Zeus] aber
... Blitze ſchleudert ... oder wie er
den ... Regenbogen ſpannt ... wie er
das Geftirn, das unaufhörlich Funken
fprüht, ... oder wie er die... Göttin
des Streits ... fendet ... und wie er
das Todeslos .. .. in die Wagichale legt
... das konnte nicht durd die bildende
Kunft dargeftellt werden [vgl. S. 233,
25 ff.], und wäre es aud möglich qr-
wejen, ich hätte es nicht einmal gewollt
... Und weiter, wie die Erde erſchüttert
und der Olymp bemegt wird durch cın
einzige® Zuden der Augenbrauen, und
wie eın Wolkenkranz um dag Haupt des
Zeus gelegt ift, das hat ein Homer leicht
jagen, und der Dichter hat in folchen
Bildern volle Freiheit; unfere Kunft aber
ftceht dem gegenüber ratlos da.“
S. 237, 6 fi. „Sich [Anrede an
Homer] zu, ob das Bild nicht zu allın
Beiwörtern des Gotts ſtimmt! — [Trolat
eine Aufzählung homeriſcher — 2*
— S. 238, 6 ff. (vgl. S. 237, 24 ii.
„Dies alles verfuchte ich nun fo gut als
möglich durch die Kunſt darzuſtellen“ val.
S. 227, 26 ff, „wobei fie [die Künſtler)
zu den Dichtern ... nicht durchaus in
Gegenſaß traten”: &. 228, 1 ff. „Meiſt
ihufen fie [die Künfller]) ... im An-
ihlup an die Zagen und in libercin«
ſtimmung mit denſelben, teilweiſe brachten
fie auch Neues“ ſvgl. S. 233, 7 fi.
S. 231, 17 fi. „Bedenket, . . . daß
ich nicht der erſte war, der euch die
Wahrheit vorzuführen verſuchte . . ., ich
babe bei euch Künſtler vorgefunden ...
älter als ich ... die Dichter“: val. S.
227, 30 ff. „ſodann ſahen fie [die Künſt
ler], wie das Volk ſchon von den Dichtern
voreingenommen war und die Götter
bildnerer jener die ältere... war": 2.
236, 24 ff. „Domer ... weit voran...
klare und überfichtlihe Erörterung dieics Punkıa giebt Ehemann „Die XII. Rede
des Tion Chrnioftomos.” Programm, Kaiſerslautern 1895. Siche unfere Beſprechung
diefer Schrift ın der Wocenichrift für klaſſiſche Philologie 1896, Nr. 27.
J. R. Admus, Zur Entſtehungsgeſchichte von Leſſings Laokoon. „43
Wirkung feiner [des Künftlers] Kunſt
befördert uud erleichtert.)
S. 300, 15 ff. „Da Homer bie
Ratur eher mit einem malerischen Auge
betrachtet hatte al8 cin Phidias, fo ift
e8 nicht zu verwundern, daß die Artiften
verjchiedene ihnen bejonder8 nützliche
Bemerkungen ... ſchon bei Homer ge=
madt fanden, wo fie diefelben begicrig
ergriffen, um durch den Homer die Natur
nachzuahmen.“ [Folgt die oben ©. 39
mitgereilte Stelle mit den von Phidias
zum Borbild genommenen Homerverfen.]
©. 301, 12 ff. „Bielleiht, daß fie
[die Homerftelle] ihn [den Phıdias] auch
auf das Haar mehr Fleiß zu wenden be-
wegte, um daß auszudrüden, was Homer
ambrofijches Haar nennt.”
an Zeit”: ©. 234, 14 ff. „Run wollten
fie [die Künftter] der Menge nicht un
glaubwürdig erjcheinen, noch fie mit un⸗
lieben Neuerungen behelligen.”
©. 233,7 ff. „Er [Homer] hat...
die göttliche Geftalt [de8 Zeus] ganz
ähnlich wie in der bildenden Kunft dar-
geftellt.“
. ©. 233, 9 ff, „indem er Homer)]
die Locken des Gottes nennt.”
Diefe auffallenden Übereinftimmungen Leifings mit Dion be-
ihränfen fich aber feineswegs auf das 22. Kapitel des Laofoon: Es
finden ſich nicht nur in den Partien, die ſich fpeciell mit Homer
beichäftigen,!) fondern aud) ſonſt noch viele Anflänge, die allerdings
meijt Dinge betreifen, welche mit Homer in irgend eine Beziehung
gejeßt werden können. Es jind folgende:
faohoon Kapitel 2.
©. 159, 15 fi. „Dieſer [Leiden-
Ihaften] enthielten fi ... die alten
Künftler entweder ganz und gar, oder
fegten fie auf geringere Grade herunter‘
[vgl. Nachlaß ©. 364; 370; 389 I; 392;
398 V und Blümners Einleitung ©.
70/71].
©. 160, 3 fi. „Zorn ſetzten fie auf
Ernft herab. Bei dem Dichter war es
der zornige Jupiter, welcher den Blik
jchleuderte, bei dem Kiinftler nur der
a [vgl. Nachlaß ©. 414, 21; 415,
22].
Dion oratio All.
©. 236, 23 ff. „Du wirft nun jagen
... Homer, du habeſt .... viele und
ihöne Bilder ... . des größten der Götter
entworfen, teil ſanfte ... teils furcht=
bare und gewaltige.‘
©. 238, 7 ff. „Wie er (IJeus] aber
unabläffig feine Blitze jchleudert zum
Krieg und zum Berderben der Menge‘
... ©. 238, 17 fi. „das konnte nicht
duch die bildende Kunft dargeftellt
werden.‘
©. 236, 29 ff. „Unjer Zeus... ift
friedlihh und in allen Zügen mild‘;
©. 237, 29 ff. „der hehre und ernfte
Ausdrud.‘
) Wir haben einiges hierher Gehörige bereits oben vergleichsweiſe bei-
gezogen und werden es daher nicht mehr wiederholen. Dasjeibe Verfahren werden
wir im folgenden einhalten.
44,
£aokoon Kapitel 3.
S. 164, 16 fi. „Der einzige Augen-
blick, au den die matericllen Schranten
der Kunſt alle ihre Nachahmungen bin:
den‘ [vgl. Nachlaß ©. 446, 12]; S. 164,
19 fi. „Kann der Künſtler von der immer
veränderlihen Natur nie mehr als einen
einzigen Augenblid brauchen“ (vgl. Ras
pitel 4, ©. 169, 3 fi. „Jede dieſer Abän-
derungen, die dem Münftler vın ganzes
beionderes Stüd koſten wirde.“ — Na-
pitel 16, S. 253, 5 ff. „einem ausführ:
lihen &emälde, ... aus welchem der
Mater fünf, ſechs befondere Gemälde
madhen müßte. — Kapitel 15, ©. 214,
111. „Wenn... die Malerei vermöge
ihrer Zeichen oder Mittel ıhrer Nach—
ahmung ... der zeit gänzlich entfagen
muß, fo können fortichreitende Hand
Inngen .... unter ihre Gegenftände nicht
gehören, fondern fir muß fih mit...
bloßen Körpern ... . begnügen. Die Poeſie
hingegen — - [vgl. Kapitel 8, S. 214,
11 ff., Kapitel 16, S. 251, 26 ft.]ı.
2.164, 22 ij. „Sind aber ihre der
Künftler! Werte gemacht, ... erblidt
... zu werden.‘
SaoRoon Kapitel 4.
S. 168, 10 fi. „Das ganze umer-
meßliche Reich der Vollkommenheit ſſteht)
feiner [de8 Dichters) Nachahmung offen“
[vgl. Kapitel 10, &. 224, 21: 225, 12 fi,
OR HRS. 211, 145 213, 22]
2. 168, 29 fi. „Nichts nötigt
... ben Dichter, fein Gemälde ın cınen
J. R. Asmus, Zur Entflehungsgeichichte von Yeifings Yaoloon.
Dion oratio All.
S.235, 20 ff. „Unfere [der Künſiler)
Zunft ... gelangte durchaus nicht zu
ähnlicher Freiheit [wie der Tichter, wel
her nah S. 233, 30 ff. aud) „Band:
lungen‘ darfiellen fann — vgl. ©. 238,
24 fi, da er nah S. 233, 32 fi. „die
Freiheit in der Zeit“ beſitztſ. Wir be-
dürfen... eines Stoffes, der feft ıft und
beharren will.”
©. 233, 25 fi. „Zudem wird bei
jedem Bild notwendigerweiſe nur eine
Gehalt geſchafſen und dieſe bleibt un-
wandelbar“.
©. 231,30 ff. „Unſere [der Künſtler)
Werte [müfjen ſich] mit diefer Art von
finnfälliger Darftelung begnügen — S.
238, 28 ff. „Für die Dichter dagegen
..“ Was Peifing ın feiner Ableitung
als ſelbſtverſtändlich bloß mit Gedanken⸗
ſtrichen andeutet, wird hier des weiteren
ansgeführt.)
S. 238, 25 fj. „Unſere [der Künſtler)
Kunſt ... hat einen aus der Nähe und
Har prüfenden Richter: das Ange‘.
Dion oratio XII.
2.231, 28 ff. „Jene fünnen durch
die Dichtkunſt jede Vorſtellung hervor
rufen“ ıwgl. 3.234, 13 fi. „Der Menid)
[hat] die größte Machtfülle ım Bereiche
der Rede, das ihm Nahetretende dar
zuſtellen. Die Nunft der Dichter ... ıfl
gar ſelbſtgewiß und über Tadel erhaben.‘‘
S. 235, 18 fi „Rermöge dieſer Mort
Ihöpfung war er [Homer] ... imſtande,
jeden Eindrud ... anf die Seele hervor:
zubringen.“ &.236, 24 ff. „Homer...
weit voran durd die Macht deiner Tich
tung“). 9. 233, 26 fi. „Die Dichtung
if gar reich und mit Mitteln wohl ver-
fehen ... und ... ımflande ... alle
Gedanken der Zcele Mar zu machen. Und
welche Geſtalt, weile Handlung, Em
pfindung oder Größe der Dichter aus
drücken will, er iſt nicht verlegen um einen
Herold ſeiner Gedanken: die Sprache.“
2. 236, 2% fi. „Für die Dichter
.. iſt es cın leichtes, viele Formen und
J. R. Asmus, Zur Entftehungsgefchichte von Leſſiugs Laokoon. 45
einzigen Augenblid zu konzentrieren. Er
nimmt jede feiner Handlungen ... bei
ihrem Ursprung auf und führt fie durch
alle möglichen Abänderungen. Jede diefer
Abänderungen ... koſtet ihm einen ein-
zigen Zug. Und würde diefer Zug, für
fih betradhtet, die Eimbildung des Zu⸗
hörers beleidigen [vgl. Kapitel 15, S. 248,
5], fo war er entweder durd das Bor-
bergehende ... vorbereitet, oder er wird
durch das Folgende gemildert.‘‘
&taokoon Kapitel 9.
©. 210, 25 ff. „Wenn man in ein-
zelnen Fällen den Maler und Dichter
miteinander vergleichen will, jo muß man
vor allen Dingen wohl zufehen, ob fie
... obne allen äußerlihen Zwang auf
die höchſte Wirkung ihrer Kunft haben
a können“ [vgl. Nachlaß ©. 409,
8 f.|.
©. 217,3 fi. „Ein ſolch äußerlicher
Zwang war dem alten Künftler die Re⸗
ligion.‘
©. 217, 7 fi. „Der Aberglaube
überladete die Götter mit Sinnbildern.‘
©. 217, 14 ff. „Der freie Künftler
... hieß dieſe Sinnbilder weg.” ©. 218,
17 ff. „Ich [mil] ... nit ſagen ...,
daß fie [die religiöſe Kunft] nicht auch
öfters alles Bedeutende in das Schöne
gejett, oder aus Nachſicht für die Kunft
und den feinern Gefhmad des Jahrhun-
derts von jenem fo viel nachgelaffen habe,
daß dieſes allem zu herrjchen jcheinen
können.“
Jaoſtoon Kapilel 10.
S. 226, 12 ff. „Wenn der Dichter
Abſtrakta perſonifiziert, ſo ſind ſie durch
den Namen und durch das, was er ſie
thun läßt, genugſam charakteriſiert.“
[Hier fügt ſich paſſend eine Stelle
aus dem Entwurf zum dritten Teil ein:
5. 430, 3 ff. (fiehe Blümners Einlei-
tung ©. 111 ff., 114): „Anfangs ift es
mandherlei Erfcheinungsweifen in ihrer
Dichtung zujammen auszudriiden Sie
fönnen ihren Geftalten Bewegung und
Ruhe beilegen ... auch Handlungen...
und dazu kommt noch die Täuſchung der
hbudungsteaft und die Freiheit in der
eit.“
Dion oratio XII.
©. 227, 27 fi. „Denn einmal woll-
ten fie [die Künftler] nicht im Wider-
ſpruch mit den Gefegen erfcheinen und
den daraufitehenden Sırafen verfallen,
jodann fahen fie, wie das Volk ſchon
von den Dichtern voreingenommen war
und die Götterbildnerei jener die...
ehrwürdigere war. Nun wollten fie der
Menge nicht unglaubwürdig erjcheinen. ...
Meift jchufen fie alfo im Anſchluß an
die Sagen und in Übereinftimmung mit
denſelben“ [vgl. S. 231, 24 ff.].
©. 238, 18 ff. „Wie würde ein
ftummes Sinnbild des Donner oder
ein glanzlojes Abbild des Vlies und Ge—
witters nur vermittels unferer irdifchen
Metalle ausfallen!“
©. 238, 17 fi. „Das [Blitejchleu-
dern und anderes] konnte nicht durch
die bildende Kunft dargeftellt werden,
und wäre es auch möglich gewejen, id)
hätte es nicht gewollt.”
Dion oratio XI.
©. 237, 6 ff. werden die „Bei-
wörter und Beinamen des Got:
tes’ und ©. 238, 7 ff. feine Hand-
(ungen aufgezählt, wodurd) er bei Honter
harafterifiert wird.
S.234, 32 ff. „ [Homer] zeigte... .
fih ... al8 Schöpfer ... ferner Worte
. er ahmte ... die Stimmen der
46 J. R. Asmus, Zur Entſtehungsgeſchichte von Leifings Laotoon.
aewiß, daß die erften Sprachen aus der
Onomatopoeie entftanden find, und daß
dir erften erfundenen Wörter gewiſſe
Ahnlichkeiten mit den auszudrüdenden
Sachen gehabt haben . Aus dem
furzen Gebrauche diefer Wörter entfteht
das, was man den muftlalifchen Aus-
drud in der Poeſie nennt, von welchem
öfters und vielfältig Exempel angeführt
werden.” (Solche giebt die nebenftchende
Tionftelle.)]
.225, 15 fi. „Dem NRünftler fehlen
diefe Mittel [Namen und Handlungen].
Er muß alfo feinen perfonfizierten Ab:
ftrafti8 Sinnbilder zugeben, durch welche
fie tenntlich werden.“
S. 225, 25 fo „Die Zınnbilder
diefer Weſen bei dem Künftler bat dir
Not erfunden ... 226, 4 ff, um der
Poeſie nachzukommen.“
Laoſtoon Kapitel 12.
S. 236, 24 ji. „Dieſe Unſichtbar
feıt ſeiner poetiſchen Scene' erlaubt der
Einbildungskraft die Seene zu erweitern
und läßt ihr freies Spiel, ſich die Pers
ſonen der Götter und ihre Handlungen
fo groß und fiber das gemeine Menſch
liche ſoweit erhaben zu denken als fie
nur will.“
S. 236, 28 fi. „Die Malercı aber
muß eine fihtbare Scene annehmen,
deren verichiedene notiwendige Teile der
Maßſtab fiir die darauf handelnden Per:
fonen werden, en Maßftab, den das
Ange gleich daneben hat “
füffe, des Waldes, der Winde, der
Feuers und des Meeres nad, ferner den
Klang des Erzes und des Steines und
geradezu aller Geſchöpfe und Werkzeuge,
die Stimmen der Vierfüßler fe gut wie
die der Vögel, die Flöte jo gut wie dir
Hırtenpferfe. Die Wörter für Krachen und
Braufen, Getöſe nnd Schall und Ge
rafiel hat er erfunden. Er hat auch dir
Flüſſe murmelnd, die Geſchoſſe klirrend,
die Wellen brüllend und die Winde zür—
nend genannten. ſ. w. — S. 235, 20.“
S 238, 18 fj. iſt von einer even
tuellen Charakteriſierung des Zeus durch
„ein ſtummes Sinnbild des Donners
oder ein glanzloſes Abbild des Blitzes
und Gewitters““ die Rede, die es dem
Phidias allenfall8 ermöglichen würden,
die dem Zeus von Homer beigelegten
Handlungen „durch die bildende Numit
darzuſtellen“, wenn „es möglich geweſen“
ware.
Dion oratio XII.
S. 236, 14 ff. „Las Gehör ...
fann man recht wohl ... täuſchen ...
Die Dichter [tommen] ... dieſe [div ge
wohnlichen Werhältniie der Maße und
Größe] beliebig lagern Zo war 18
dein Homer leicht, Die Gröſte der Eris
... zu Schildern (Il. IV, 413.“
2.238, 21 fi. „Wie die Erde er—
ichüttert md der Tlymp bewegt wırd
durch ein kuürzes Zucken der Augenbrauen
.. das hat cın Homer leicht ſagen, und
der Fichter bat ın foldyen Bildern volle
Freiheit.“
S. 236, 12 fj. „Viel ſchwerer zu
überzengen find ſie [die Augen] ... denn
das Ange trıfit mı dem Geſehenen un
mittelbar zuſammen Und untere
[der Rünftter] Kunſt ıft den gewöhnlichen
Nerbältnifien der Mage und EGröße um-
bedingt unterworfen ... Ich ... muß
mich wohl oder übel beicheiden, den mır
. angemwielenen Plab auszufüllen.“
2.238, 25 ij. „Unſere [der Nünftler |
Kun... ficht dem gegenüber ſder Dar
ſtellung übermenſchlicher Handlungen
ratloe da, denn fie bat einen ans dei
Nähe prüfenden Richter: das Auge.“
J. R. Asmus, Zur Entſtehungsgeſchichte von Leffings Laokoon. 47
Dieje Gegenüberjtellung von Stellen aus Leſſings Laokoon und
Tions 12. Rede zeigt, einen wie geeigneten und fruchtbaren Aus-
gangspunft die Darjtellung des homerifchen Zeus durch Phidias für
eine Unterjuchung bilden fonnte, wie fie im Laokoon vorliegt. Da
wir nun oben jchon aus der bloßen Entftehungsgefchichte des Laokoon
diejen Ausgangspunkt als den urſprünglich in Aussicht genommenen
wahrjcheinlich gemacht Haben und die Ausführungen bei Dion mit
den Leſſingſchen nicht nur im allgemeinen, fondern aud) in charaf:
teriſtiſchen Einzelheiten eine ſo jchlagende Ahnlichkeit verraten, fo
halten wir den Schluß nicht für zu kühn, Leſſing ſei eben durd)
Tions Rede nicht nur zu der von ihm gewählten Form jeines Werks
veranlagt worden, jondern er habe ſich auch aus diejer Quelle nicht
weniges zu eigen gemacht. Vielleicht jogar, daß lediglich ein wieder-
hoftes und vertieftes Studium derjelben ihn auf die “dee brachte,
„päter an Stelle der deduftiven Methode die mehr induftive Ge-
danfenentwidlung zu wählen, wie wir fie jegt im Laokoon ... vor
uns haben.“!) Beide gehen ja von einer berühmten plaftiichen Daritel-
(ung eines aud) von einem nicht minder berühmten Dichter behandelten
Vorwurfs aus, um daran eine allgemeine Erörterung über den
Unterjchied der den beiden Künften gezogenen Grenzen anzujchließen.
Daß Leljing ſpäter die Laofoongruppe hierzu erfor, dazu mag ihn
abgejehen von der Polemik gegen Windelmann vor allem der Um-
jtand bewogen haben, daß diejem Kunjtwerf in jeiner bewegten, der
jichtbaren Welt entnommenen Handlung ein allgemeinerer, reicherer
und realerer Vorwurf zu Grunde liegt als dem rein zuftändlichen
idealen Götterbild des Phidias. Dann bot ji) in der zweifelhaften
Datierung der Laofoongruppe auch ein willfommener Anknüpfungs—
punft für die Frage, welcher von den beiden Künjtlern den andern
nachgeahmt habe, und in welchen Grenzen fic) eine derartige wechjel-
jeitige Nachahmung überhaupt halten müſſe, eine Unterjuchung, zu
welcher man von dem olympifchen Zeusbild aus nicht jo unge-
zwungen gelangen fonnte. Allerdings hätte im Zufammenhang mit
dein Laokoon Vergil durchgehends als Vertreter der Dichtfunft auf:
treten müſſen. Wenn an feiner Stelle vielmehr Homer im Vorder:
grunde jteht und der römijche Dichter des öftern jogar eher als ab-
ſchreckendes Beilpiel angeführt wird, jo ift dies eine Unzuträglichkeit,
welche die jpätere Wahl eines neuen Ausgangspunfts mit jich
brachte, nachdem die mwejentlich aus Homer gejchöpfte Theorie bereits
feititand.
Wenn. aber Leſſings urjprünglicyer Ausgangspunkt wirklich in
Dions 12. Rede zu ſuchen ift, fo follte man doch einen Hinweis
1) Siche Blümners Einleitung, ©. 77.
48 % R. Asmus, Zur Entftehungsgefchichte von Leifings Laokoon.
auf diejen Autor mindejtens im 22. Kapitel erwarten, wo er das
Zeusbild des Phidias erwähnt. Er citiert jedoch den Rhetor weder
hier noch an irgend einer andern Stelle des Yaofoon. Hieraus aber
nun jchliegen zu wollen, day Leſſing den Tion iiberhaupt nicht ge:
fanıt habe,!ı wäre gerade jo voreilig und verfehlt, al3 wenn man
dies aud) beziiglic) des Ztrabo und Mlacrobins? annehmen würde,
die er an der genannten Ztelle des 22. Kapitels ebenfalls nicht er:
wähnt, obgleich jie ihm, wie zahlreiche Gitate beweijen, recht woh!
befannt waren. Es läßt ſich vielmehr nachweiſen, daß er in der That
bei jeinen antiquariſchen Studien aud) den Dion durchforſchte; denn
in dem Fragment „ber die Mängel des antiquariihen Studiums“
citiert er die 31. und 37. Rede desselben.’ Wenn er aljo dieſe beiden
jehr entlegenen Reden fannte, warum follte er gerade die 12. nicht
gefannt haben? Hat er es doch auch nicht Für nötig gehalten, die
Neiträge jeines ‚greundes Mendelsſohn jeweils ausdrücklich als ſolche
lenntlich zu machen. Es gilt eben auch in Hinſicht auf Dion, was
sezüglich aller ſeiiner Vorarbeiten zu jagen iſt: „Von den vor ihm
gefundenen Geſetzen machte Leſſing ohne weiteres Gebrauch . . . Ka
iſt wahr, er hat es nirgends ausdrücklich ausgeſprochen oder durch
Citate darauf hingewieſen, daß er dieſe Fundamente ſeinen Vor
güngern entlehne: aber da... er glauben mußte, daß diejenigen,
welche ſich ernſtlich für das Problem intereſſierten, auch mit der Ge—
ſchichte desſelben vertrant waren, jo konnte er ſich damit begnügen . . .
auzudeuten, daß er... nichts Unbekanntes vortrage und nur Die
darauf gebauten Schlüſſe als ſein geiſtiges Eigentum beanſpruche.“*.
1) Stich a a. O., S. 66 läßt die Frage zwar unentſchieden, iſt jedoch mehr
geneigt, ſie zu vernemen Ehemann a. a. C., S. 4 nimmt an, daß Leſſing die
„12. Rede nicht geklannt oder nicht beachtet hat“.
2, Siehe Blümners Nommentar. ©. 646
>) Siehe Yellings Werke ın Nürfchners Dentſcher Nationalfitteratur. 9. Zeil,
2. Abteilung, berausgegeben von Blümner, Z. 442. — Ehemann, aa X, S. 4
hätte gut daran getban, die „ganz wenigen, nebenſächlichen Stellen“, an denen
Yelfing den Namen des Dion Chryſoſtomos nennt, einzeln genan zu bezeichnen:
Außer dem obengenannten fonnten wir fein weiteres Citat ausfindig machen.
ı, Siehe Blümners Laokoon Ausgabe bei Kürſchner, &. XVIII: vgl. die große
Ausgabe, S. 67.
Friederile Fricke, Die Quellen des Julius von Zarent. 49
Die Quellen des Zulius von Tarent.
Von Friederife Fride in Göttingen.
Am 21. Dezember 1799 jchrieb Leiſewitz an Neinwald: „Die
erite ‚dee zu meinem Stüde nahm id) aus der Gefchichte des Groß—
herzogs Cosmus I. von Florenz und feiner Söhne Johann und
Garſias. Weil mir aber hier weder die Charaftere noch das hifto-
riihe Detail jo ganz gefielen, fchlug ich diefen Mittelweg zwifchen
Geſchichte und Erdichtung ein. Hingegen glaubte ich die poetifch-
philofophiichen Sitten des Mediceitchen Hofes mit Recht zu behalten;
die Philofophie auf dem Pegafus gefiel mir.”
Der Biograph des Dichters, Kutſchera, teilt daS von Leiſewitz
behandelte, der Sage nad) im “fahre 1562 ftattgefundene Ereignis
in folgenden Worten mit:')
„Cosmus, Herzog von Florenz, hatte drei Söhne: Lorenz,
welchen er zu feinem Nachfolger beftimmte und den er ſpäter an
den fpanischen Hof ſchickte; Johann, welcher, obgleid, faum 16 Jahre
alt, Schon mit dem römiſchen Purpur befleidet war; Garſias, einen
jungen Prinzen von wilder Gemütsart. Dieje beiden letztern hatten
aus wecjjeljeitiger Eiferjucht und Neid ſchon in ihrer zartejten Kind-
heit einen Haß gegeneinander eingefogen, von dem man fie niemals
hatte abbringen können und der in jener Zeit auf eine tötliche Weife
ausbrad). Während Cosmus, begleitet von jeiner ganzen Familie,
die Häfen und Seeplätze feiner Staaten bejuchte, um feinem friege-
rijhen Orden eine fejte Form zu geben, entfernten fid) dieje beiden
Prinzen auf einer Jagdpartie, welche fie in einem Walde in der
Nähe von Grefetto mitmachten, da fie ſich gezankt hatten, nad)
gegenjeitiger Übereinfunft von dem Gefolge, vertieften fi) in das
Gehölz, Ichlugen jih und Garſias tötete mit einem Dolchſtoß den
Kardinal. Er holte darauf die Jagdgeſellſchaft wieder ein, ohne die
geringite Verwirrung zu zeigen, und als wenn er ſich nur verirrt
hätte, fragte er, was aus jeinem Bruder geworden wäre. Aber da
diejer junge Prinz nicht erjchten und die Nacht hereinbrad), verteilten
jich feine Diener, um ihn zu fuchen, und derjenige, der bejonders
mit feiner Bewachung beauftragt war, fand ihn endlich, nachdem er
das ganze Gehölz durdjlaufen Hatte, zu Boden gejtredt, tot und in
ı) geben Anton Leifewit. Von Gregor Kutſchera v. Hichbergen. Wien 1876
©. 76 ff.
Euphorion IV. 4
50 Friederike Fride, Die Tuellen des Julius von Zarent.
jeinem Blute gebadet. Er eilte jofort, um Cosmus eine jo traurige
Nachricht zu bringen. Diejer Fürſt vermutete alsbald die Hand, von
der ein jo graufamer Stop geführt worden war; aber obgleich von
dem lebhaftejten Schmerze durcpdrungen, hatte er Nraft genug, um
ihn zu verhehlen; er befahl jogar diejem Diener, die Sache geheim
zu halten und ihm unter dem Mantel der Tunfelheit die Yeiche
jeines Sohnes, in einen Teppich gehüllt und ohne dan es bemerkt
würde, in jein Zimmer zu bringen. Dean hatte ihm kaum gehordt,
als er Garſias rufen lien, und nachdem er ſich mit ihm eingejichloffen
hatte, fragte er ihn, was aus jeinem Bruder geworden wäre. Tiejer
junge Prinz antwortete ihm mit einer Zuverjicht, die feinem Alter
nicht natürlich iſt: er hätte ihm auf der Jagd und bei der Verfolgung
des Dirjches aus dem (Sejichte verloren. Cosmus befahl ihm nun,
den Teppich aufzuheben, welcher die Yeiche des Kardinals bededte,
deren Wunden nod eine ‚Fülle Blut ausitrömten. Bei diefem An:
bliete jagte der Herzog, der feinen Schmerz und feinen Zorn nid
mehr zurückhalten konnte, zu ihm: „Lnglitclicher, das ijt das Blut
deines Bruders, welches um Rache gegen dich zum Simmel jchreit:
muß id) einen Prudermörder in die Welt geſetzt haben, der durd
die Nernichtung feines Bruders ſich einen Weg gebahnt hat, um
jeinen Zater jelbft zu töten?” Garſias, eingejchüchtert, warf ſich ihm
zu ‚Füßen, befannte jein Verbrechen und gab vor, um das Gräßliche
desjelben zu mildern, daR jein Bruder ihn zuerſt angegriffen hätte,
und daß er ſein Yeben nur durch deſſen Tod hätte retten können.
Aber Cosmus, der jo ſchwache Entichuldigung verwarf und ihn mit
Augen voller Wut anjab, jagte zu ihm: „Ich muß jelbit den Tod
des Unſchuldigen durch die Nernichtung des Zchuldigen räden
und du mußt das Yeben demjenigen wieder bezahlen, von dem du
es halt.” Indem er dieje Worte tagte, entriß er ihm den Tolch, mit
welchen er jeinen Aruder getötet batte, nnd stieß ihm denjelben in
den Buſen. Man begrub fie darauf beide heimlich, und um ein fo
großes Unglück zu verbergen, Iprengte man aus, fie wären in einem
Landhauſe an einer anſteckenden Krankheit, von welcher Toscana
damals heimgeſucht wurde, geitorben. Zpäter veranstaltete man für
ſie ein großartiges Yeichenbegängnis in der Hauptkirche zu ‚Florenz,
zu welchen man ihre Yeichenrede fügte, und im derjelben gab ſich
der Prediger auf Cosmus' Befehl, um den Verdacht wegen dieſes
Mordes zu Ichwächen, beiondere Mihe, ſich hauptjächlich iiber das
Lob des Garſias zn verbreiten. Gleonore von Toledo, die Mutter
dieſer beiden jungen Prinzen, der man die Umſtände ihres Todes
nicht verbergen fonmte, ſtarb darüber vor Schmerz. Cosmus, ohne
ſich durch jo viel Mißgeſchick niederichlagen zu laſſen, ſuchte Troft in
der Zorge um de Regierungsgeſchäite.“
Friederike ride, Die Quellen des Julius von Tarent. 51
Dieje Erzählung findet ji) in Vertot, Histoire de l’Ordre de
Malthe.!) Mehrere Gründe ſprechen aber dafür, daß Kutjchera fie
nicht nad) diefem Originale, fondern nad) einer deutjchen Überjegung
angeführt hat. Kutjchera ſelbſt würde, hätte er die franzöfifche Er-
zählung vor ſich gehabt, ſie ſicherlich befier überjegt haben. Ferner
heit bei Vertot der ältefte Sohn (der in der Erzählung feine Rolle
ipielt) Francois, bei Kutjchera aber Lorenz, und jo aud) bei Bor-
berger,?) der von Kutjchera entlehnt zu haben jcheint. Endlich fehlt
in Kutjcheras Citat folgende wichtige Bemerkung Vertots: C’est
ainsi que Monsieur de Thou rapporte un evenement si tra-
gique, dans le trente-deuxi&me livre de son histoire; quoiqu’on
pretende que ce fait ne se trouve point dans sa premiere edi-
tion, et qu’il a ete insere par les Editeurs des Editions poste-
rieures.?) Wäre diejer Hinweis Vertot3 auf de Thou als feine
Quelle in der deutichen Uberſetzung, die Kutfchera vorlag, enthalten
gewejen, jo hätte Werner, der Kutſchera nacharbeitete, nicht erft
durch A. v. Reumonts Geichichte Toscanas auf de Thou geführt zu
werden brauchen.) Hierbei möchte ich bemerken, daß, wie ich glaube,
Werner eine auf die Quelle bezügliche Bemerfung Kutfcheras miß-
verstanden hat. Kutſchera jagt (S. 76): „Aus welchem Werfe Leifewig
die Kenntnis des Ereignijjes entnommen, ift mir nicht möglich) zu
beftimmen.“ Werner (S. XX) verfteht das jo, als jei e8 Kutſchera
unbefannt gewejen, daß de Thou Vertots Quelle jei. Kutichera will
aber — er jagt: „entnommen” und nicht: „entnommen haben
fann“ — nur fagen, daß es unmöglich fei, zu wifjen, welche Quelle
Leifewig faftifch benußt Habe. Und daß dies nicht feitzuftellen ift,
wußte Kutjchera aus den Ausleihelijten der Göttinger Yibliothef.?)
Unter den vielen durch Leiſewitz entliehenen Büchern befindet fich
nur eines, das eine Beziehung zu Julius von Zarent haben mag:
Die Istoria Fiorentina von Ammirato, die er am 16. Juli 1774
erhielt. Ammirato gehört aber offenbar zu denen, die den Bruder-
und Sohnesmord als Erdichtung betrachten; er berichtet furz, beide
Söhne feien einer Seuche erlegen. Es bleibt alfo immer eine offene
Frage, ob Leifewit die Erzählung in de Thou, oder in einer deut-
jchen Überjegung aus Vertot, oder im franzöſiſchen Vertot gelefen hat.
h aris 1726, 4, 410 ff.
ürſchner, Deutfche Nationallitteratur, Band 120. Einleitung zu den
Räuber, ©. VII.
3) Die ſer Satz bildet nicht den Schluß der Erzählung; es folgt auf ihn noch
die Nachricht von dem Tode der Mutter.
4) Julius von Tarent, herausgegeben von R. M. Werner, Deutſche Litteratur—
denkmale Nr. 32, S. XX.
5) Kutichera, ©. 14.
4*
52 Griederite ride, Die Quellen des Julius von Larent.
Die meiſte Wahrjcheinlichkeit hat wohl das letztere: die deutjche Liber
ſetzung erijtiert auf der Göttinger Bibliothek nicht; das Triginal,
l’'Histoire de l’Ordre de Malthe, ward zu jener Zeit wie aus den
Bibliotheksliſten erjichtlich: fleißig gelefen. Yeilewig jelbit hat es nic
entliehen; man darf vielleicht annehmen, day er es bejejien hat ale
Daupthilfsmittel für jeine Arbeit.
Werner bemerft (S. XX, daß ſich noch eine direkte Spur der
Entlehnung aus dieter Erzählung in dem Monolog des ‚zürften
(V, 7, findet, wo in der Pandſchrift Nonjtantin über gejtridyenen
Garſias jteht.
Yeifewig nahm aus jener Erzählung die Hauptthatjachen ſeines
Tramas: den Brudermord und die Beſtrafung durd) den Water;
dagegen ließ er den jeit der Kindheit bejtchenden Neid und Dan
fallen, oder legte wenigitens fein Gewicht auf ihn. Er ließ ferner
den Mord öffentlich aeichehen und durch den Mörder nicht geleugnet
werden und verlegte die Dandlung von Florenz nad) Tarent. Für
legtere Anderung läßt ich fein Grund nachweiſen; fie muß aber dic
einzige Urſache jein, ans der die Deutiche Monatsſchrift 17985 ſich
veranlapt jab, dem Julius von Tarent mit Maſſingers A very
Woman. or the Prince of Tarent zu vergleihen. Denn daß eine
Tame zwei Vewerber bat und daß der bevorzugte den abgewiejenen
von ihrer Thür zurückhalten will und tm Sweifampfe fällt, ift vom
Titel abgejehen die einzige Ahnlichfeit zwischen beiden.
Nad dem oben angeführten Worte Yeifewikens müßte man
eigentlid annehmen, dan Leiſewitz feine andere Quelle als jene Cage
benugt und die Übrigen Motive frei erfunden hätte. Aber Xeifewik
Schrieb jenen Zar etwa 25 Jahre nach dem Erſcheinen des Stüde
und hat vielleicht nur jeine PDauptquelle angeben wollen. Die
Kuticherajche Annahme, dag er noch eine zweite Tuelle benutzt habe,
hat gar zu viel Wahricheinlichkeit.
Dieſe zweite Quelle ijt nach Kutjchera die Erzählung von der
Verſchwörung der Pazzi gegen die Mediceer 11478), die er (S. 79:
in folgender Weije mitteilt:
„Zeine (Peters von Medict, unmindigen Söhne Yaurenz und
Julian, beide mit großen Anlagen geboren, nur daß jener mehr
Ehrgeiz und Feuer, dieſer Tanftere Empfindungen verriet, traten nun
unter Anführung Ihomas Zoderinis auf den Zchauplak.
— — Cosmus, der ihre der Pazzı, Eiferſucht kannte, hatte
einem unter ihnen, Wilhelm, Neffen ihres Alteiten, feine Gntelin
'y Kutſchera, S. 76.
Friederike Fride, Die Quellen des Julius von Tarent. 53
Blanka, Laurenz und Julians Schweiter, zur Ehe gegeben, und
unter dem Schirme diefer Verwandtichaft lebten beide Häufer einige
Zeit, dem Scheine nach im beiten Vernehmen. Nach Peters Tode
waren Julian Medici und Franz Pazzi tügliche, im Hang zum Ver—
gnügen jympathifierende Umgangsfreunde: aber leßterer trug bei
guter Zeit den Samen der Verräterei im Herzen, der nachher, dur)
eine gemeinfchaftliche Liebſchaft genährt, Schredliche Früchte trug und
die berufene Verſchwörung der Pazzi gegen die Medici hervorbradite.
Franz faßte gegen eine junge und fchöne Dame, Camilla Cafa-
relfi, von gutem Hauje, aber ohne Vermögen, die er bei einem von
den Medici angejtellten Turniere hatte kennen lernen, eine heftige
Leidenſchaft und bewarb ſich um ihre Hand; hielt aber dieje Leiden—
ihaft vor jeinem Freunde Julian verborgen. Julian liebte Camillen
nicht minder und ward vorgezogen. — — Familienſtolz und Wett:
eifer und perjönliche Eiferjucht vereinigten jih nun in Franzen und
fochten Rache, ehe er nod) die heimliche —5 erfuhr.“
Kutſchera bemerkt hierzu (S. 80): „Die kurze Charakteriſtik der
beiden Brüder Laurenz und Julian paßt ganz auf Guido und
Julius; das Verhältnis der beiden Freunde Julian Medici und
Franz Pazzi zu Camilla erſcheint auf die beiden Brüder über—
tragen.“
Zur Begründung jeiner Hypotheſe, daß Leiſewitz dieſe Geſchichte
benutzt und alſo das Motiv der Liebeseiferſucht nicht frei erfunden
habe, hätte Kutſchera eine Leiſewitz zugängliche Quelle angeben müſſen.
Er hat aber die obige Erzählung wörtlich nach einem Aufſatze Rein—
walds!) angeführt, der 1787 verfaßt ward und 1788 im erſten
Bande der von Schiller herausgegebenen „Gelchichte der merfwürdigften
Rebellionen und Berjchwörungen aus den mittlern und neuern Zeiten“
erjchien — und hat weiter feine Quelle genannt. Werner jucht dies
nachzuholen, indem er (S. XXIH) dazu bemerkt: „Die Kenntnis diejes
Stoffs haben wohl Macchiavellis florentinifche Gefchichten vermittelt,
wo die Verſchwörung der Pazzi im achten Bud) erzählt ift.“ Was
das „wohl“ vermuten läßt, bejtätigt das Nachlejen in Mackhiavelli:
Werner fann diefe Quelle nicht jelbjt geprüft haben; denn jo wie
Machiavelli die Geichichte erzählt, hat fie mit Julius von Zarent
nichts zu thun: alles Romantische fehlt darin. Übereinjtinnmend mit
Deacchiavelli erzählen alle guten Gefchichtsichreiber jener Zeit —
Stephano Infeſſura, Ammirato, Sismondi, Roscoe —
daß Francesco dei Pazzi die Anmaßung und das Übergewicht der
Medici nicht länger habe ertragen fünnen, nach Rom gegangen fei,
jich dort mit einem Verwandten des Papjtes Sirtus IV. befreundet
) Schillers Briefwechſel mit Reinwald und Chriftophine, S. 304.
54 Friederike ride, Die Quellen des Julius von Tarent.
und im Vereine mit diefem und unter Zuftimmung des Papftes die
Verſchwörung in Florenz angezettelt habe, der amı 26. April 1478
Giuliano de’ Medici zum Opfer fiel. Macchiavelli und aud) Ammi—
rato (den Leiſewitz kannte, Iprechen überdies von dem nachgeborenen
Sohne Giulianos, dem jpätern Papjte Klemens VII. — mie nahe
hätte es da gelegen, der Mutter diejes Kindes zu erwähnen, wenn
jie nad) Kenntnis dieſer Schriftiteller ein wichtiger ‚Jaftor der 2er
ſchwörung geweſen wäre.
Hat Leiſewitz die Verſchwörung der Pazzi benutzt, ſo hat er ſie
alſo jedesfalls nicht nach Macchiavelli noch nach irgend einem der
von den Geſchichtsſchreibern als vollgültig angeſehenen Chroniſten
benutzt, ſondern ihm werden dieſelben Quellen vorgelegen haben, aus
denen Reinwald der doch ſeine „Geſchichte“ nicht aus der Phantaſie
geſchöpft haben fann!: ſpäter ſeine Camilla Cafarelli nahm. Daß
dieſe Quellen nicht italieniſch ſein können, ſondern lateiniſch oder
franzöſiſch ſein müſſen, geht, wie ich meine, ſchon daraus hervor, daß
Reinwald den einen Bruder Laurenz nennt, gebildet aus Laurentius
oder Laurent, und nicht Lorenz.
In Reinwalds Briefwechſel werden die Quellen genannt, die er
benutzte: unter ihnen jind zwei, die den Yiebesroman enthalten:
Histoire generale des Gonjurations. Gonspiralions et Revolu-
tions eclebres von Tuport du Tertre, 1763 — und Histoire
seerete des plus fameuses Gonspirations von le Noble, 1698.
„u Tertre,“ jagt Neinwald in einem Briefe an Zdiller von
2. März 1788, „hat jeine Erzählung aus den Ye Noble, der jeine
Histoire de la Gonjuration des Pazzı nach dem Geſchmacke der
Zeit und des Hofes Yudwig XIV. mit Yiebesgejdhichten allzujehr
verzudert bat.” Tas Buch von le Noble, bei dem wir aljo endlid)
ankommen, iſt in der That eine Tuelle eigner Art! Wenn es nicht
auf Traditionen oder intimiten Wlemoiren beruht, was der Yeler
wohl nicht glauben wird, ijt es cine Ausgeburt kühner Phantaſie
und zugleich Tendenzichrift.
Es it wohl mit Zicherheit anzunehmen, day dieje Geſchichts
werfe zweites Nangs von le Noble und du Tertre damals, als
Leiſewitz Dichtete, befanmte Bücher waren, und daß er eines von ihnen
benußt hat. Ans der Bibliothek hat er feines der beiden entlichen.
Tie Beweiſe dafür, daß Yeilewig wirklich dieſe Geſchichte von
der Eiferſucht Francescos auf Ginliano fannte und nicht vielmehr,
was doch ichr nahe aclegen hätte, das Motiv der Yiebe und (ifer:
jucht frei erfunden bat, tcheinen mir Folgende zwei zu ſein:
Im Julius von Tarent fommen, worauf Werner hinweiſt, die
Namen Julian und Bianca vor, die ſich nicht in der Geſchichte von
Coſsmus und ſeinen Söhnen, ſondern in der Geſchichte von der Ver
H. Dünger, Über Goethes Gebrauch der Barticipien. b5
ſchwörung der Pazzi finden. Leifewig konnte ſich allerdings dieje
Namen ausgedadyt haben; aber ihre Beweisfraft wird verſtärkt durd)
ven Namen Camilla, den bei Klinger die Geliebte der beiden Neben-
buhler trägt. Klinger hat wohl nicht nur erfahren, welchen Stoff
Xeifewig bearbeitet, fondern auch, welche Quellen er benußt hatte.
Schiller hatte die Abjicht, ein Drama „Die Verſchwörung der
Pazzi” zu jchreiben. Man darf alfo wohl annehmen, daß damals
eine Darſtellung diefes Ereigniffes verhältnismäßig befannt war, die
ſich durch ihren romantischen und tragischen Charafter einem Dichter
empfahl. Das Buch von du Tertre, 1763 erichienen, entſprach dem
Geſchmacke der Zeit an Berjchwörungsgeichichten und bot dem drama—
tiſchen Dichter reichen Stoff. Dem fünnte man entgegnen, daß Alfieri
in der Verſchwörung der PBazzi aud) ohne le Nobles und du Tertres
Yiebesroman von Francesco, Giuliano und Camilla einen würdigen
Gegenſtand für ein Zrauerfpiel gefunden hat. Er behandelt nur den
Seelenfampf der Schweiter, deren Gatte der Mörder ihres Bruders
wird. Aber dieje bejchränfte Handlung würde fich einem Dichter wie
Schiller wohl nicht empfohlen haben; fie hängt eng zujammen mit
der Eigentümlichfeit Alfieris, der größte Einfachheit der Handlung
liebt und alles Gewicht auf die Charaktere legt.
ilber Goethes Gebrauch abgebogener
vorangehender oder nachtretender
Varticipien.
Von Heinrich Düntzer in Cöln.
Der Meiſter deutſcher Sprachforſchung Rudolf Hildebrand hat
hierüber eine eingehende Unterſuchung in der „Zeitſchrift für den
deutſchen Unterricht“ 4, 73—76 angeſtellt, mit deren Ergebnis ich
nicht ganz übereinjtimmen zu fünnen glaube. Er bezeichnet Goethes
Abweichungen von der gangbaren Regel als undeutid, aus dem
Rateinifchen herübergenommen. Und doch finden ich dieje ‘Freiheiten
gerade zu der Zeit, wo Goethe von griehifcher Sprache und Did)
tung jo beraufcht war, daß ihm in einem Briefe an Herder die
griechiich gedachten Worte aus der Feder flojfen: „Daß ich Euch von
den Griechen ſprechenden meiſt erreichte, hat mich ergößt.“ Diejer
Gebrauch des abgebogenen Participiums war ihm nicht nur aus den
griechiichen Dichtern, jondern auch aus Plato und Xenophon ge-
56 H. Dünger, Über Goethes Gebrauch der Barticipien.
läufig; jchon als Knabe hatte er ihn im neuen Tejtamente gefunden.
Ta ijt es nicht zu verwundern, daß er in dent gleichzeitigen Ge:
dichte „Wanderers Sturmlied“, worin er mit dithyrambiicher Aus:
gelatienheit Iheofrit, Anafkreon und Pindar feierte und den „Python
tötenden, leichten, großen Pythius Apollo”, wie er ihn aus dem
Domeriihen Hymnus fannte, über die Erde wandeln ließ, zum
Zwecke lebendig bewegter Tarjtellung, nicht aus eitler Yuft, ſich
jenes beneidenswerten Vorzugs der griechiſchen Sprache, den fie freilich
mit der lateinifchen gemein hat, jid) auf eigene Weije bediente. Es
ijt die erite Spur des betreffenden Abmweichens von dem jtehenden
deutichen Sprachgebrauche. Aber die Zache jelbit verhält ſich etwas
anders, als man bisher angenommen hat. Die Stelle lautet:
Nicht am Ulmenbaum
Haſt du ihn beſucht, 85
Dit dem Taubenpaar
In dem zärtlihen Arm,
Mit der freundlichen Roi’ umkränzt,
Zändelnden, ihn blumenglüdlichen
Analrvon,
Sturmathmende Gottheit!
Yeider tft die Angabe der „Yesarten“ in der Weimariichen Aus
gabe äußerſt lückenhaft, wie eine Vergleihung mit meinen „Erläute
rungen“ und dem „Jungen Goethe” von Bernays zeigt, ja die
ältejte Ilberlieferung vom Jahre 1774 ijt hier an die zweite Stelle
gejeßt; nad) der erjt in Weimar gemachten Zanımlung 'H,:, von
der alle übrigen Dandichriften mittelbar oder unmittelbar abhängig
jind. In jener ältejten Uberlieferung hat die angeführte Strophe kein
Zapzeichen außer dem Schlußpunkt, wovon die Yesarten nichts jagen.
Teshalb kann aud) das Schweigen von der Satzzeichnung der übrigen
Dandjchriften hier und ſonſt nichts beweiien. Zollte Herder in jeiner
Handſchrift HI.,ı Kommata eingefüihrt haben, jo folgte daraus
noch nicht, dag er die richtigen, Goethes Faſſung entipredyenden
überall gejeßt, vielmehr hat er fonjt bei der genauern Zaßzeichnung
von Goethes Gedichten wicht immer deffen Abjicht getroffen. &benfo:
wenig ift hierin zuverläſſig der Trud in der dritten Ausgabe, die
das (Hedicht zuerit in den „Werfen“ gegeben 11815. Ta nun in der
eriten lberlieferung 3. 89 gar kein Zatzeichen hat, jo fann man
das Komma entweder nah „Zändelnden“ oder, wie es in den
„Werken“ geichehen, nad) „ihn“ ſetzen. Ein „tändelnden ihn“ jcheint
uns gar zu fremd, wogegen „ihn biumenglüdlichen Anakreon“ jteht,
wie 63 f. „Glüh' ihm entgegen, Phöb' Apollen“, ähnlich in der
nächſten Ztrophe: Faßteſt du ihn / Ten Bienen jingenden, / Honig
laltenden, / / Freundlich wintenden / Theokrit.“ „Ihn“ ſteht hier ähnlich
d. Dünger, Über Goethes Gebraud) der Barticipien. 57
wie in der gleichzeitigen UÜberjegung von Pindars Olymp. 5 in:
„Züße Blüten empfange / ..... / Mit freudewarmem Herzen /
Sie unermüdeter Mäuler / Und des Pſaumis Belohnung.“ Scheint
hier der Ausfall des Artikels Hart, jo iſt er e8 nicht weniger, wenn
nad der andern Sakzeichnung „blumenglüdlicher Anafreon” an
„Zändelnden ihn” ohne ein „den“ fich anjchließt und auch ſonſt fehlt
hier der Artikel, wie bei „Caſtaliſcher Quell“ (77). Möglich wäre,
dag durch Verſehen „Zändelnden, ihn blumenglüdlichen“ irrig in
einen Vers gejchrieben wäre, wie dag wirklich bei 7 f. „Entgegen:
jingen wie die Lerche“ geſchehen iſt. „Tändelnden“ könnte als Ereticus
einen Vers für ſich bilden, wie wir einen folchen mehrfach in unjerer
Ode finden. Hiernach bezieht fid) „Zändelnden” auf das frühere
„ihn“ (85) zurück; um aber diejfe Beziehung auch äußerlich anzu-
deuten, gab der Dichter ihm die Abbiegung des Accujativ. Es joll
neu anhebend den feligen Nichtsthuer bezeichnen, während bisher nur
die Gejellichaft der Tauben, die Befränzung mit Rojen und die Ulme
erwähnt war, unter deren breitem Schatten er ruht. Freilich ijt die
Terbindung dithyrambifch fühn, jo dag der erjte Herausgeber in den
„Nordiſchen Miscellen“ (1810) frifchweg änderte: „Den Tändelnden“
mit Reglaffung von „ihn“, wofür es näher gelegen hätte, „ihn, den
tändelnden” zu jegen, wie es in der nädjiten Strophe heißt: „ihn,
den Bienen fingenden”, aber Goethe mollte die nicht, fondern die
charafteriftiiche Bezeichnung durd) die jchroffe Verbindung hervorheben.
Bon jehr verjchiedener Art ift das zweite Beijpiel, das ung
anderthalb Jahre fpäter in der Ode „An Schwager Kronos“ begegnet,
aber die Abweichung dient demſelben Zwecke. Hier ift e8 fein Parti-
cipium, jondern ein derfelben Negel unterworfenes Beiwort, das ſich
nicht auf ein weit vorhergehendes, jondern auf ein am Schluffe
jtehendes perfönliches Fürwort bezieht. Auch hier ijt die Rede lebhaft
bewegt. Trunknen vom letzten Strahl
Reiß' mich, em Feuermeer
Mir im ſchäumenden Aug',
Mid) geblendeten, taumelnden
In der Hölle nädhtliches Thor.
Die Strophe ift der Nachjag zu „Eh fie (die Sonne) jinft, ch’
mich Greiſen / Ergreift im Moore Nebelduft u. |. w.“ Es fann fein:
Trage jein, daß der deutiche Sprachgebrauch verlangt „Rei mid)
trunfen”, aber zur Lebendigern Anfnüpfung an die vorige Strophe
mußte diefe mit der Trunfenheit vom Strahle der untergehenden
Sonne beginnen. Hildebrand meinte, Goethe habe vielleicht urfprüng-
(ih „trunken“ geichrieben, aber dies wegen der Zweideutigkeit, daß
man e3 auf den angeredeten Schwager beziehen könnte, in „trunfnen“
geändert. Ich möchte glauben, daß der Dichter durch die Verbindung
58 d. Dünger, über Goethes Gebrauch der Participien.
mit der vorigen Strophe und den ganzen Ton veranlaßt, das ge:
wöhnfiche „mid) trunfen“ nad) „reiß'“ aufzugeben, und den Nachſatz
mit dem Zujtand, worin er jich befinde, zu beginnen und die Be
ziehung auf das nachfolgende „mich“ durd) die Abbiegung zu be:
zeichnen ſich jofort entſchloß. Und dieje Kühnheit möchte ich dem
Tichter ebenjowenig verdenfen, als daß er die Trennung des Genitivs
von dem Worte, von dem er abhängig tft, Schon in „Alexis und Tora“
und bejonders in „Hermann und Dorothea“ ſich gejtattete, obgleid)
Wielands Chr ſich daran nicht gewöhnen mochte. Aud) manches
andere wagte er in diejem herrlichen homeriſchen Zange, 3. B. den jub:
itantiviichen Gebrauch der Participien, wie „die Krankende“, „Die
Neinende”, „Die Sitzender, „die Verworrene“, „der willig Folgenden“,
„zu feiner Berwunderten“, „um jeine Vertriebene“, den er auch jchon
in der „Iphigenie“ jo glücdlich verwandt hatte. Joh. Aug. Yehmann
hält in jeinen verdienſtlichen Buche „Goethes Sprache und ihr Geiſt“
(1852), deſſen erjter Abjchnitt die Participtalfonftruftionen behandelt,
unjere Voranſtellung des abgebogenen Participinms freilid) für Fühner
als die Nachſetzung, finder fie aber doc dem Charakter des dithy
rambijchen Schwungs angemefien, zumal da gleich darauf noch eine
ähnliche Appofition folge und die Beziehung deutlid) genug durch die
Abbiegung ausgeprägt jet. Ich habe die Abweichung vom Zprad)
gebraud) anerfannt, nahm aber damals noch nad) der gangbaren
Satzzeichnung diejelbe Boranftellung in „Wanderers Sturmlied“ an.
Tadurd wurde Dildebrand veranlagt, im angezogenen Auflage dieje
„Merkwürdigkeit aus Goethes Grammatik” in Verbindung mit andern
mehr oder weniger ähnlichen ‚yällen zu behandeln. Die Bezeichnung
dieſes Gebrauchs als undeuntſch ſcheint uns zu weit zu gehen; dem
Geiſte unterer Sprache widerjtrebt er jo wenig, daß Hildebrand jelbit
auf das Altdeutiche hingewieſen hat, wo jogar das unmittelbar nad)
dem Hauptwort ſtehende Beiwort oder Participium abgebogen ift,
was auch Yehmann jchon angeführt hatte. Freilich dem gangbaren
deutſchen Sprachgebrauche entipricht dies nicht, aber es fragt Ticdh,
ob der Tichterjprache nicht in beſondern Fällen eine ſolche Freiheit
geitattet jei, wenn auch Goethe nicht mit diejer, wie mit andern
Schöpfungen feines Sprachgeiits durchgedrungen iſt. Dildebrand will
jogar „mich Trunknen“, „mich geblendeten Taumelnden“ ımwie 35
jtatt des uriprünglich geichriebenen „geblendeten, taumelnden“ gedrudt
iſt nicht als deutich anerfennen. Tas vorhergehende „mid, Greiſen“
«28 erwähnt er nicht, wo die ältere Abbiegung von „reis“ fich
findet, wie in der „Pandora“ :815: „des Greifen Aug” ftcht (ab-
weichend von „Iphigenie“ 1385:. Nach den perjönlichen Fürwörtern
können abgebogene jubjtantiviihe Beimörter und Participien folgen.
Klopftod braucht jo „wir Geweihten des Zchmerzeng*“, „wir des
H. Dünter, über Goethes Gebrauch der Barticipien. 59
Harfengeſangs Geweihte“, Goethe „mir Sterblichem“, „dich Fremden“,
„mich Erjtaunten”, „mich Unerfannten”, „mich Unaufmerfjamen und
Unmwifjenden“ (in Proſa im dritten Bande von „Wahrheit und Dich—
tung“). Freilich trunfnen mid, unmittelbar aufeinander wäre nicht
geitattet, aber durchaus nicht zu beanjtanden ift e8, wenn es in der
„sphigenie” Heißt: „Laßt allein und unbegleitet“ / Mid) zu den
Toten gehn: „Wieder eingejchifft / Ergreifen dic) die Wellen“, in
Hermann und Dorothea: „Unbeichenft doc, laß’ ich euch nicht.“
Zur Vermeidung der Ymeideutigfeit wagte der Dichter das abge:
bogene, die Beziehung auf das anſchließende „mich“ Fräftig andeutende
„zrunfnen”. Zwiſchen das lebhaft anhebende „Trunknen vom leßten
Strahl reiß' mich“ und das Einfahren in die Hölle tritt die nähere
Ausführung jeines Zujtands auf der weitern Fahrt. Zunächſt folgt
„ein Feuermeer / Mir im jchäumenden Aug’“, wo, wie „mir“ zeigt,
nicht nach häufigem Gebraud) ein „tragend“ zu ergänzen ijt, ſondern
etwa ein „entzündend“. Ye länger der Schwager den in die Sonne
Scauenden fährt, um jo glühender entzündet er das Feuer in feinem
davon fchäumenden Auge. Der Dichter fehrt aber dann zur Bezeich-
nung der noch weiter vor dem Cinfahren in die Hölle erfolgenden
Wirfung des Schauens in die untergehende Sonne auf das frühere
„mich“ zurüd, „mid, geblendeten, taumelnden“”. Zuletzt wird er ganz
gebiendet, ja gerät in vollen Zaumel, ift feiner nicht mehr mächtig
und jo von dem höchſten Lichtglanz überwältigt, fährt er in die
nächtliche Unterwelt. Hier tritt wieder die regelrechte Verbindung ein,
das jubjtantivifche durch „geblendete” näher bejtimmte Participium
tritt nad. Der wechjelnde daktyliſch-trochäiſche Rhythmus und der
ftürmifche Sturz der Rede entiprechen dem Drange des in höchite
Glut verjesten Paffagiers des Kronos.
Aud) in der anderthalb Jahre jpätern „Seefahrt“ fteht das ab-
gebogene Participium weit vor dem Fürwort, auf das es ſich bezieht,
bier aber tritt der ganz eigene Fall ein, daß der betreffende Sat der
legte von dreien ift, welche die Rede der Freunde enthalten und alle
auf das Fürwort der Anrede auslaufen, ohne daß auf ihnen der
Nachdruck läge, vielmehr werden die drei Zeiten, die Seefahrt, das
Verweilen jenfeit3 des Meer und der Empfang nad) der Heimkehr,
hervorgehoben, und den Inhalt bildet das Gute, das fie dem Schei-
denden jedesmal verfprechen, glüdliche, -‚genußreiche Fahrt, gute Ge—
ichäfte, lieben und jubelvollen Empfang bei der Rückkehr.
Gerne gönnen wir die fchnellfte Reife
Gern die hohe Fahrt dir; Güterfülle
Wartet drüben in den Welten deiner;
Wird rückkehrendem in unfern Armen
Lieb’ und Preis dir.
60 H. Dünger, Über Goethes Gebrauch der Participien.
Für „bei der Heimkehr“ ſetzt er bier nach freiem griechtiichen
Gebrauche „dir rückkehrendem“, läßt aber jeinem Zwecke gemäß das
bier jchwächere „dir” an den Schluß treten. Weit „rückkehrendem“
rurſprünglich hatte er das weniger pajlende „rückfahrendem“ ge:
jchrieben, würde er den Zap begonnen haben, hätte das trochätiche
Versmaß es erlaubt, das aud) ſonſt, beionders in Balladen oft
Einfluß auf die Wortjtellung übt, was man als dichteriiche Freiheit
nicht beanjtanden darf, jo wenig wie den Ausfall des „es“ vor
„wird“. Hildebrand meinte, Goethe ſei bier dem lateiniſchen tibı
redeunti gefolgt, dem es leineswegs genau entipricht. Dieſer Ge
braud) des Nomens mit Participium iſt icon dem Homer ganz
geläufig. So wenig ein unmittelbar aufeinander folgendes rüd-
fchrendem dir aud der Tichter jich gejtatten darf, jo wenig jind
wir berechtigt, ihm die hier genommene, die Kraft der Rede fürdernde
‚zreiheit zu entziehen. Etwas Gewaltſames erfennen wir darin nidıt,
wie wenn Mlopitod in der Ode „Dem Allgegenwärtigen“ den erg
„Aus der id) auferitehn werde“ jelbjt verballhornte zu „Und auf:
erftehen aus der“. Das Relativum mit der den alten Sprachen jo
unbejchränft geftatteten Freiheit erit an ſpäter Stelle folgen zu lafien,
darf der deutjche Dichter nicht wagen. Klopſtock jelbjt hatte ſich in
der Ode „Ter Kranz” ſtark gegen das den Griechen geitattete Durch:
einanderwerfen der Wörter erflärt.
(Ss it das leßtemal, dan Goethe ſich dieſes Vorantretens des
abgebogenen Participiums geftattete. Dagegen bat er jeit dem Ein
fluffe Salderons mehrfach das nachtretende Participium (auch ohne
den vorgejegßten Artikel, wie in „mich den lange Zchnenden” da,
wo der Vers es forderte, abgebogen. Zo heißt es im „Vorſpiel vont
Septeinber 1807” neben „das Wetter, das zerjtörende*, „Ahr Tonner,
ihr mich längſt verkündenden“, „Nräfte, / Dein Werk zerjtörend und
zerfnirichend“, auch: „Und dies die Pfade, längjt betretene”, in der
„Pandora” wicht blog: „vereint er ſich Tämonen, gottgeiandten“,
jondern aud) „Aus den Wogen / Tragenden »jpäter „Zragend ihn“:
die ſchöne Laſt“ in der chrijtlichen „Zragödie” :1810: „die Kinder ;
Zu jeinen Füßen, jeinen Segnungen ich beugende*, im zweiten
„Fauft“ außer „Ihätigfeit, vielfältige”, „Zälen, grenzenlojen”, aud)
„Wachfener glüihen, rothe ‚Flammen jpendende*. Anderer Art ift in
der „Achilleis” „Tieje bereiteten machdem fie bereitet ſind jtelle fie
auf“. Wenn wir jeet im „Rochusfeſt“, das 1817 erſchien, aber
vorher mehrfach umgeichrieben worden war, leien: „Zie ıdie jungen
Yeute-, im böfer Zeit geborene”, jo war dies vielleicht eine nad
trägliche Schlimmbeſſerung, ftatt des Relativſatzes „die in böjer Zeit
geboren waren“, Flagte ja Goethe jelbit gegen Riemer im Jahre 1818,
er verderbe oft jene Sachen durch zu vieles Verbeſſern, und geftand,
J. Riejahr, Ein Livianifches Motiv in Kleiſts „Prinz von Homburg“. 61
daß die Participialfonftruftionen ihn nicht geraten wollten. Sonder:
bar, obgleich von W. Schlegel nicht beanftandet, jcheint der Anfang
des fünften Venediger Epigramms, wo das zu „Sciffe” gehörende,
„viele befrachtete” in den Relativjag „die in dem großen Kanal ſtehn“
gezogen ijt.
Ganz eigen verhält es fich mit der Stelle des Gedichts „Schlecdjter
Troſt“ im „Divan” (III, 19):
Schluchzend und weinend
indet ihr mich, dem ihr ſonſt
chlafendem vorüberzogt.
Hier hatte Goethe früher richtig das den geraden Gegenſatz zu
„Schluchzend und weinend“ bildende „Schlafend“ geſchrieben, aber
wegen der durch die Form möglichen Beziehung des „Schlafend“
auf „ihr“ nachträglich die Endung em angehängt, wobei man fragen
könnte, ob das Relativ „dem“ nicht die ſchwache Form „en“ forderte,
da das Participium nach dem Relativ nicht ſo ſelbſtändig ſteht, wie
nach dem perſönlichen Fürwort.
Ein Livianifches Motiv in Kleiſts
„Bring von Homburg‘,
Bon Johannes Niejahr in Halle a. ©.
Es ijt die gewöhnliche Annahme, dag Kleift in feinem Prinzen
von Homburg die Form und den Verlauf des KonfliftS im mejent-
fichen felbjt erfunden hat. Auf der alten Schlachtlegende foll er die
Fabel feines Stücks frei aufgebaut haben. Indes diefe Sage, wenn:
gleich ſanktioniert durch die Autorität eines großen Namens, ift doc)
ſelbſt erft ein künſtliches Produkt, aus leicht erfennbaren Vorbildern
entiprungen. Darüber hinaus aber weift in dem Kleijtifchen Drama
der rüdjichtslofe Charakter des Streits, die bis zum äußerſten ge-
triebene unbarmberzige Strenge des Fürften, die, man fage e8 nur
frei heraus, dem modernen Empfinden aufs graufamjte widerjtrebt,
noch auf beftimmtere Mufter hin. Man denfe nur den Konflikt
einmal in geradem Verlauf bis zu Ende, man mache ſich klar, daß
e3 ſchließlich doch nur ein außer aller Berechnung liegender Zwiſchen—
fall ift, ver dem Kurfürjten die gewünjchte Gelegenheit giebt Gnade
zu üben, man jtelle ſich vor, wie diejes im Grunde jo „milde“ Herz
62 J. Niejahr, Ein Livianiſches Motiv in Kleiſts „Prinz von Homburg“.
nur zu leicht wirklich in die Yage kommen fonnte, mit der be-
abjichtigten Hinrichtung des geliebten Yünglings Ernft zu machen,
und das wegen eines zwar ftrajbaren, aber dod) jugendlich entichuld-
baren Vergehens, und man wird erfennen, eine folche piychologijche
(Hewaltjanfeit fonnte in dem Kopfe eines Kleiſt, des großen Kenners
der Menichenjeele, in freier und unbeeinflugter „Schöpferlaune” un-
möglich entipringent.
Kleift jelbit hat uns einen ‚yingerzeig in der Richtung gegeben,
wo wir jein Norbild zu juchen haben. Als der Kurfürft den Prinzen
wegen jeines Ungehorjams in der Schlacht verhaften läßt, madıt
dieter, aus allen Dimmeln gefallen, jeinem Ingrimm im Stillen
Yuft mit den Worten (vgl. 778 Zolling:
Mein Better Friedrid will den Brutus jpielen.
Er erinnert damit an das populärfte Vorbild altrömischer Geſetzes⸗
jtrenge, das „Itarr” und hart bis zur Granſamkeit, fein Anjchn der
Perjon und des Verdienjtes kennt, wenn es gilt, die beleidigte Ordnung
und Autorität im Ztaate wieder zu Ehren zu bringen. Dieje Erinnerung
ift, wie die folgenden Verſe (779 ff. lehren, zumächft gewedt durch den
Gedanken an eine bildliche Taarftellung, wahricheintich doch wohl das
befannte Gemälde des großen Klaſſiziſten David „Brutus die Leichen
feiner Söhne empfangend“, das Kleiſt jedenfalls in Paris bei jeinen
Beſuchen des Lonvre im Boot 1801 gejehen hat ı vgl. Kleifts Brief bei
E. v. Bülow, „Deinrich v. Kleiſts Yeben und Briefe” S. 216). Trotzdem
iſt es jicher, dan Kleiſt für das dramatiiche Problem jeines Stücks
nicht das Beiſpiel des alten „Königsaustreibers“, jondern dag eines
andern römiichen Helden vorgeichwebt hat. Zürn Ausgabe des
„Prinzen von Homburg“, S. 141 f. bat, wie id) ſoeben erft jehe,
unter den Fällen, die er aus der alten und neuen Geſchichte zur
Vergleichung heranzicht, auch diefen angeführt, hat aber feinerlei
Anwendung von ihm auf unjer Trama gemacht. Es fanı aber von
alt seinen Weiipielen überhaupt nur diejes eine hier in Betracht
fommen. Es ift, um es hiermit zu Tagen, der Ztreit des Diktators
l.. Papirius Gursor und jenes mäapister equitum Q. Fabius
Rullianus, der dem vielummptrittenen Motiv unſers Stücks von der
Nerurteilung und Begnadigung des Prinzen zu Grunde liegt. Die
(Seichichte Findet ſich ausführlich erzählt bei Livius VIII, 30—35,
fürzer bei Ralerius Maximus Il, 8: II, 9; u. A. Kleiſt hat, wie die
Vergleichung beweiit, den Bericht des Yivius benuet. Was ihn darauf
führte, läßt ſich leicht vermmten: die Zage von der „Fehrbelliner
Schlacht mußte von ſelbſt die Erinnerung an analoge Fälle aus der
römiſchen Geichichte wecken. Er ſchlug, um ſich näher zu unterrichten,
m irgend einem Kompendium oder Yertfon nad) und fand unter den
J. Riejahr, Ein Livianifches Motiv in Kleiſts „Prinz von Homburg“. 63
angeführten Beifpielen von „imperia Manliana” nur diejed eine
jeinen Abjichten entiprechend, das er nun im Livius oder in irgend
‚einer ausführlichen Nacherzählung nachlas. Es würde überflüſſig ſein,
die Stelle im Wortlaut wiederzugeben. Ich begnüge mich mit einer
kurzen Inhaltsangabe und hebe dabei die Punkte beſonders hervor,
die für unſer Stück vornehmlich in Betracht kommen.
Die Geſchichte ſpielt bekanntlich im zweiten Samniterkriege. Der
magister equitum Q. Fabius, der ein ferox adulescens ge—
nannt wird, hat ſich gegen den ausdrücklichen Befehl des oberſten
Kriegsherrn L. Papirius in deſſen Abweſenheit in eine Schlacht ein—
gelaſſen. Er erringt, dank des ungeſtümen Angriffs der Reiterei,
einen jo vollkommenen Sieg, wie er dem Diktator ſelbſt nicht beſſer
hätte gelingen können. Aber er hat nicht nur gegen das Verbot des
Hödjftfommandierenden gehandelt, jondern ſich auch leichtfinnig hinweg—
geſetzt über die religiöſen Bedenken, um derentwillen eben Papirius
das Heer für einige Zeit hatte verlaffen müffen. Kaum erfährt daher
diefer, was vorgefallen, als er in daS Lager eilt, entichlofien, eine
jo offenbare Verhöhnung der Disciplin an dem jugendlichen Sieger
aufs jtrengfte zu ahnden. Er fordert den Schuldigen vor feinen
Richterftuhl und giebt ihm auf, ſich vor verfammeltem Kriegsvolk zu
verantworten. Als darauf Fabius im Tone trogiger Anmaßung er-
widert, befiehlt er mit „nenerfrijchtem Horn“ feine fofortige Hin-
richtung. Schon reißen dem Entjegten die Liftoren die Kleider vom
Leibe, da gelingt es ihm, zu den hinten jtehenden Triariern zu ent-
fommen, die ihn fchügend in ihrer Mitte aufnehmen. Der Auftritt
erregt in der Menge zugleic) Bejtürzung und Empörung, man bittet,
man droht, es fehlt nicht viel, jo kommt es zu offener Meeuterei.
Selbft die höchiten Offiziere fchliegen fich, den Diktator auf dem
Zribunal umringend, den Bitten des Heeres an. Allein Papirius
heißt jie zurüdtreten und bleibt fejt bei jeinem Entſchluß. Dem
wachjenden Zumult macht endlich die Nacht ein Ende. Fabius, dem
der Diktator geboten, am folgenden Tage wieder zur Stelle zu fein,
bat den Ernft feiner Tage immer noch nicht begriffen, weil er jich
auf den Schuß des Heeres verläßt. Als ihm jekt alle eindringlich
vorjtellen, an ein NVachgeben des Diktators fei nicht zu denken,
flieht der Geängftigte unter dem Schutze der Nacht zu jeinem Vater
nah Rom. Auf dejjen Wunsch wird fofort eine Senatsfigung berufen.
Kaum hat der junge Fabius hier feine Sache vorzutragen begonnen,
al8 Bapirius, der dem Flüchtigen auf der Spur gefolgt ift, in die
Perfammlung tritt und Yabius zu verhaften befiehlt. Vergebens ein
Gnadengeſuch des gefamten Senats. Da appelliert der Vater an
das Volk. Auch diejes nimmt offen für den verfolgten Jüngling
Bartei. Inmitten diejes allgemeinen Aufruhrs bleibt Papirius un-
64 J. Niejahr, Ein Pivianifches Diotiv in Kleifts „Prinz von Homburg”.
erſchütterlich. Von der Ztrafe, die der Ungehorjame voll vermirft
babe, werde er nichts zurücknehmen. Ihm tet der Ztaat anvertraut
und er ſei nicht gejonnen, an feinen Doheitsrechten rütteln zu laſſen.
Bliebe jert nad) dem Wunſch der Tribunen und des Volts die
Serlegung der Mannszucht ungeahndet, jo werde das unabjehbare
Folgen haben, für welche die Nachwelt einft die Urheber verantwort-
(id) machen werde.
Unter dem Eindruck joldher Worte vollzicht fid) jchnell eine
gänzliche Umitimmung. Tas Bolt, dem die Tribunen ſich anjchlieren,
wendet ſich demütig bittend an den Tiftator, ihm zuliebe dem Schul
digen, der doch nur „menjchlich und jugendlich“ gefehlt, die Strafe
zu erlafien. Der junge Fabius jelbit wirft Sich mit feinem Nater
dem Tiftator zu Füßen und fleht ihn um (made an. Legt endlich
giebt jich dieſer zufrieden. Und nun erjt verjteht man jeine bie
dahin unbegriffene Därte, wenn er jagt: „bene habet. Quirites.
vieit diseiplina militaris, vieit imperii maiestas. quae in diseri-
mine fuerunt, an ulla post hane diem essent.” Er jchenft dem
genug Geſtraften das Leben und reicht ihm die Hand zur Ver:
jöhnung. Inter den lebhaften Glückwünſchen des Senats und des
Volks verlaſſen beide die Verſammlung.
Daß dieſe Erzählung anf die Behandlung des Problems in
Kleiſts Trama von beſtimmendem Einfluß geweien iſt, kann niemand
entgehen. Ich jche von den rein zufälligen äußern Ubereinſtim
mungen ab, dan man cs in beiden Fällen mit einem „Reiterobriſt“
au thun bat, dan es hier wie dort das Kingreifen der Kavallerie ift,
das den für die Führer verhängnisvolten Sieg enticheidet. Aber nicht
zufällig ift cs, wenn ebento, wie der römiſche Deld ein von ungezügelter
Kampfesluſt bejeelter Jüngling, ein ferox adulescens iſt, Kleiſt
auch feinen Homburg zu einem jungen Krieger mit ungebändigter
‚senerjeele gemacht bat -- der biltoriiche Yandgraf war damals ein
Mann von 42 Jahren, zum zweitenmal verheiratet, Vater zahl:
reicher Kinder —, nicht zufällig tt es, wenn beide Helden von dem
Gipfel übermütiger Hedanfen und Doffnungen jäh in un:
rühmliche Seelenangſt ſinken, wenn jie ängftlich alles verfuchen,
der verhängten Zodesitrafe zu entgehen, der eine, auf den Nat
SHohenzollerns, in der Tämmerung aus der Daft entweicht und
die Kurfürſtin, jeine mütterliche Freundin, Fläglic um ihren Beiftand
anfleht, der andere, von einen Kameraden gewarnt, während
der Nacht aus dem Yager nad) Rom flüchtet, um bei feinem
Vater und dem Senat Schutz zu ſuchen. Ubereinſtimmend auch ift
die offene Parteinahme dort des geſamten Heeres, hier der
Offiziere für die Verurteilten. Geradezu direkte Nachbildung aber
verrät die Paltung des Kurfürſten, ſeine ſchneidende Härte und
J. Niejahr, Ein Fivianifches Motiv in Kleift3 „Prinz von Homburg“. 65
sein Einlenfen, jein unbeirrbares Eintreten für die Satzung, folang
er fie mißachtet, und feine bereite Verföhnlichkeit, jobald er fie an-
erfannt ſieht. Bei Livius freilich fommt der innere Beweggrund
für die Begnadigung nicht rein zum Ausdrud. Der Diktator betont,
Fabius verdanfe fein Leben der Fürbitte des Volks. Aber das
eigentliche tiefere Motiv, das Kleiſt zu folder Schärfe heraus-
gearbeitet hat, klingt uns doch auch hier aus den vorher angeführten
lateiniichen Worten entjchieden und gemwichtig entgegen.
Durch die Einwirfung der Livianischen Erzählung erklärt ſich
auch eine auffallende Stelle bei Kleiſt, auf die bisher wohl noch nicht
hingemwiejen ift. Als der Kurfürft das Kriegsgericht beftellt, greift er
dem zu erwartenden Sprud) willfürlich vor mit den Worten „wer
immer aud) die Reiterei geführt“, „der ift des Todes jchuldig, das
erflär ich” (Vers 716, 721), „der hat den Kopf verwirkt“ (Vers 737).
Dieſes eigenmächtige Auftreten, das Urteil von vornherein feitzulegen,
hat dramatiſch den Sinn, daß der Kurfürft ſpäter durch fein Wort
dem Prinzen gegenüber gebunden erjcheinen joll (vgl. meinen Aufjat
„Kleift3 Prinz von Homburg”, BVierteljahrfchrift für Litteratur-
geihichte 6, 414). Trotzdem bleibt es eine Anomalie und man wird
den eriten Anjtoß dazu in dem Vorbild des römischen Diktators zu
juchen haben, der jelbjtändig und unabhängig von einem Kriegsgericht
das Todsurteil jpricht. Ä
Die Erzählung des Livius hat im Verein mit Motiven aus
Schillers Wallenftein (vgl. meinen Aufſatz a. a. O., ©. 410 ff.) im
wejentlichen das jtoffliche Gerüfte geliefert, mit dem Kleiſt die Dand-
lung in der zweiten Hälfte ſeines Stüds aufgerichtet hat. Daneben
fann von einer inhaltliden Einwirfung von Scillers „Kampf mit
dem Drachen”, die wiederholt behauptet iſt (vgl. Seiler, „Die Be:
handlung des fittlichen Problems in Schillers Kampf mit dem
Traden, der Erzählung von Livius VII, 7, Kleijt3 Prinz von
Homburg und Sophofles’ Antigone”, Programm des Gymnaſiums zu
Gitenberg 1890, ©. 11 ff.), im Ernſt nicht die Rede fein.
Das Livianifhe Motiv hat für uns nod) eine weitergehende
Bedeutung. Über die Auffafjung des Konflikts in unjerm Stüd
berricht immer noch feine volle Einigfeit, wenngleich man ſich ihr
in den legten SXahren bedeutend zu nähern begonnen hat. Die eigent-
(ide Natur des Problems hatte zuerſt Wilbrandt (Heinrich vd.
Kleijt, Nördlingen 1863, ©. 374 f.) mit ſcharfem Blick durchſchaut
und in den wefentlichjten Punkten, wenn auch mehr andentend als
ausführend, Flargeftellt. Seine Gedanfen blieben leider fange unbe—
achtet oder unverjtanden. 25 Jahre ſpäter hat Zürn in feiner Ausgabe
.S. 118 ff.) auf fie zurüdgegriffen und fie in den wichtigiten Zügen
richtig weiter entwidelt. Kürzlich find Gilow („Die Grundgedanfen in
Eupborion IV. 5
58 H. Dünger, Über Goethes Gebrauch der Particıpien.
mit der vorigen Strophe und den ganzen Ton veranlaft, das ge:
wöhnfidye „mich trunfen“ nad) „reiß'“ aufzugeben, und den Nachſas
mit dem Zuſtand, worin er jich befinde, zu beginnen und die We
ziehung auf das nachfolgende „mich“ durch die Abbiegung zu be
zeichnen ſich ſofort entſchloß. Und dieſe Kühnheit möchte ich dem
Dichter ebenjowenig verdenfen, als daß er die Trennung des (Henitivs
von dem Worte, von dem er abhängig tft, Ichon in „Aleris und Tora“
und bejonders in „Hermann und Dorothea“ ſich geitattete, obgleich
Wielands Chr ſich daran nicht gewöhnen mochte. Auch manches
andere wagte er in diejem herrlichen homeriichen Zange, 3. B. den jub
ſtantiviſchen Gebrauch der Participien, wie „die Nranfende”, „die
Weinende“, „die Zikende“, „die Verworrene“, „der willig Folgenden“,
„zu feiner Kerwunderten“, „um jeine Vertriebene“, den er auch jchon
in der „Iphigenie“ jo glüilid) verwandt hatte. Joh. Aug. Lehmann
hält im ſeinem verdientlichen Buche „Boethes Sprache und ihr Geiſt“
11852», dejien erjter Abſchnitt die Participtalfonitruftionen behandelt,
unjere Voranſtellung des abgebogenen Participinms freilich für Hübner
als die Nachſetzung, findet jie aber doch dem Charakter des dithy
rambiſchen Schwungs angemeſſen, zumal da gleich darauf noch eine
ähnliche Appofition folge und die Beziehung deutlich genug durch die
Abbiegung ansgeprägt je. Ich babe die Abweichung vom Sprach
gebraud) anerkannt, nahm aber damals nod mach der gangbaren
Surzeihnung dielelbe Zoranftellung in „Wanderers Sturmlied“ an.
Dadurch wurde Hildebrand veranlagt, im angezogenen Auflage Diele
„Merkwürdigkeit aus Goethes Grammatik“ in Berbindung mit andern
mehr oder weniger ühnlichen Fällen zn behandeln. Tie Bezeichnung
diejes Gebrauchs als undeutſch ſcheint uns zu weit zu gehen; den
Geiſte unierer Sprache wideritrebt er jo wenig, daß Dildebrand jelbit
auf das Altdeutiche hingewieſen hat, wo jogar das unmittelbar nadı
dem Hauptwort jtehende Beiwort oder Participium abgebogen ilt,
was auch Yehmann jchon angeführt hatte. Freilich dem gangbaren
dentichen Sprachgebrauche entipricht dies nicht, aber es fragt ich,
vb der Ticdhteriprache nicht in bejondern Fällen eine jolche ‚yreibeit
geitattet jet, wenn auch Goethe nicht mit dieler, wie mit andern
Schöpfungen jeines Sprachgeiits durchgedrungen iſt. Hildebrand till
jogar „mich Trunknen“, „mich geblendeten Zanmelnden“ «wie 35
jtatt des uriprünglich geichriebenen „geblendeten, taumelnden“ gedrudi
iſt nicht ale deutich anerfennen. Tas vorhergehende „mich Greiſen“
(28 erwähnt er nicht, wo die ältere Abbiegung von „Greis“ ſich
findet, wie in der „Bandora” 815: „des Greiſen Aug” ftcht ab
weichend von „Iphigenie“ 1385. Nach den perjönlichen Fürwörtern
können abgebogene jubftantiviiche Beimörter und Participien folgen.
Klopftod braucht jo „wir Geweihten des Zchmerzens“, „wir des
H. Dünger, über Goethes Gebrauch der Barticipien. 59
Harfengejangs Geweihte”, Goethe „mir Sterblichem”, „dich Fremden“,
„mic, Erjtaunten”, „mic, Unerfannten”, „mid) Unaufmerkſamen und
Unwijjenden“ (in Brofa im dritten Bande von „Wahrheit und Dich—
tung“). Freilich trunfnen mich unmittelbar aufeinander wäre nicht
gejtattet, aber durchaus nicht zu beanjtanden ift es, wenn es in der
„Iphigenie“ heißt: „Laßt allein und unbegleitet“ / Mid) zu den
Zoten gehn: „Wieder eingefchifft / Ergreifen dic) die Wellen“, in
Hermann und Dorothea: „Unbejchenft doc) laß’ ich euch nicht. “
Zur Vermeidung der YZweideutigfeit wagte der Dichter dag abge-
bogene, die Beziehung auf das anfchliegende „mich“ Fräftig andeutende
„Zzrunfnen“. Zwiſchen das lebhaft anhebende „Zrunfnen vom legten
Strahl reiß' mich” und das Einfahren in die Hölle tritt die nähere
Ausführung feines Zuftands auf der mweitern Fahrt. Zunächſt folgt
„ein Feuermeer / Mir im ſchäumenden Aug’”, wo, wie „mir“ zeigt,
nicht nad) häufigem Gebraud) ein „tragend” zu ergänzen ijt, jondern
etwa ein „entzündend“. Ye länger der Schwager den in die Sonne
Schauenden fährt, um fo glühender entzündet er das Teuer in jeinem
davon jchäumenden Auge. Der Dichter fehrt aber dann zur Bezeich-
nung der noch weiter vor dem Ginfahren in die Hölle erfolgenden
Wirfung des Schauens in die untergehende Sonne auf das frühere
„nich“ zurüd, „mic geblendeten, taumelnden“. Zulegt wird er ganz
gebiendet, ja gerät in vollen Taumel, iſt feiner nicht mehr mächtig
und jo von dem höchſten Lichtglanz überwältigt, fährt er in die
nächtliche Unterwelt. Hier tritt wieder die regelrechte Verbindung ein,
das ſubſtantiviſche durch „geblendete“ näher beſtimmte Participium
tritt nach. Der wechſelnde daktyliſch-trochäiſche Ryythmus und der
ſtürmiſche Sturz der Rede entſprechen dem Drange des in höchſte
Glut verſetzten Paſſagiers des Kronos.
Auch in der anderthalb Jahre ſpätern „Seefahrt“ ſteht das ab—
gebogene Participium weit vor dem Fürwort, auf das es ſich bezieht,
hier aber tritt der ganz eigene Fall ein, daß der betreffende Satz der
letzte von dreien iſt, welche die Rede der Freunde enthalten und alle
auf das Fürwort der Anrede auslaufen, ohne daß auf ihnen der
Nachdruck läge, vielmehr werden die drei Zeiten, die Seefahrt, das
Verweilen jenſeits des Meers und der Empfang nad) der Heimkehr,
hervorgehoben, und den Inhalt bildet das Gute, das fie dem Schei-
denden jedesmal verjprechen, glücliche, ‚genußreiche Fahrt, gute Ge—
ſchäfte, lieben und jubelvollen Empfang bei der Rückkehr.
Gerne gönnen wir die ſchnellſte Reiſe
Gern die hohe Fahrt dir; Güterfülle
Wartet drüben in den Welten deiner;
Wird rückkehrendem in unſern Armen
Lieb’ und Preis dir.
60 d. Dünger, Ülber Goethes Gebrauch der Participien.
Für „bei der Heimkehr“ jegt er hier nach freiem griechiichen
(Hebraudye „dir rückkehrendem“, läßt aber ſeinem Zwecke gemäß das
bier ichwächere „dir“ an den Schluß treten. Mit „rückkehrendem“
‚uriprünglidy hatte er das weniger pajiende „rückfahrendem“ ge:
ichrieben, würde er den Satz begonnen haben, hätte das trocdhätiche
Versmaß es erlaubt, das auch ſonſt, beionders in Walladen oft
Einfluß auf die Wortjtellung übt, was man als dichteriiche ‚yreiheit
nicht beanjtanden darf, jo wenig wie den Ausfall des „ea“ vor
„wird“. Hildebrand meinte, Goethe ſei bier dem lateintjchen tıbi
redeunti gefolgt, dem es leineswegs genan entipricht. Dieſer Ge
brauch des Nomens mit Participium it ſchon dem Homer ganz
geläufig. Zo wenig ein unmittelbar aufeinander folgendes rück
fchrendenm dir auch der Tichter jich geitatten darf, jo wenig find
wir berechtigt, ihm die hier genommene, die Kraft der Rede fördernde
Freiheit zu entziehen. Etwas Gewaltſames erfennen wir darin nid,
wie wenn Nlopjtod in der Ode „Ten Allgegenwärtigen“ den Ders
„Aus der ich anferitehn werde” ſelbſt verballhornte zu „Und auf.
erjtehen aus der”. Das Nelativum mit der den alten Sprachen jo
unbejchränft geftatteten Freiheit erſt an ſpäter Stelle folgen zu laſſen,
darf der deutſche Tichter nicht wagen. Klopſtock jelbit hatte ſich in
der Tde „Ter Kranz“ jtart gegen das den (riechen geitattete Durch
einanderwerfen der Wörter erklärt.
Es iſt Das leßtemal, day Goethe jich dieſes Vorantretens des
abgebogenen Participiums geftattete. Tagegen bat er jeit dem Ein
flujje Galderons mehrfach das nachtretende Participium «auch ohne
den vorgejegten Artikel, wie in „mich den lange Sehnenden“ da,
wo der Vers es forderte, abgebogen. Zo heißt cs im „Xorjpiel vom
Scptember 1807" neben „das Better, das zerjtörende*, „ihr Tonner,
ihr mich längſt verkündenden“, „Nräfte, / Dein Werk zeritörend und
zerknirſchende, auch: „Und dies die Pfade, längſt betretene”, in der
„Pandora“ nicht blog: „vereint er ſich Dämonen, gottgeiandten“,
jondern auch „Aus den Wogen / Tragenden ſpäter „Iragend ihn“
die jchöne Laſt“ in der chriftlichen „ Tragödie” 11810. „die Kinder
u feinen Füßen, jeinen Segnungen jich beugende*, im zweiten
„Fauft” auſſer „Ihätigfeit, vielfältige“, „Sälen, grenzenlojen“, auch
„Wachfeuer glühen, rothe Flammen jpendende“. Anderer Art it in
der „Achilleis“ „TDieje bereiteten «nachdem fie bereitet ſind ftelle ſie
auf“. Wenn wir jekt im „Rochusfeſt“, das 1817 erichien, aber
vorher mehrfach umgeichrieben worden war, leien: „ie die jungen
Xeute:, in böjer Zeit geborene”, jo war dies vielleicht eine nad)
trägliche Schlimmbeſſerung, Start des Kelativiates „die in böjer Zeit
geboren waren”, klagte ja Goethe jelbit gegen Riemer im jahre 1813,
er verderbe oft jene Sachen durch zu vieles Nerbeilern, und geitand,
J. Niejahr, Ein Livianifches Motiv in Kleifts „Prinz von Homburg“. 61
dag die Barticipialfonjtruftionen ihm nicht geraten wollten. Sonder:
bar, obgleich von W. Schlegel nicht beanjtandet, ſcheint der Anfang
des fünften Venediger Epigramms, wo das zu „Schiffe“ gehörende,
„viele befrachtete‘‘ in den Relativſatz ‚‚die in dem großen Kanal ftehn‘
gezogen ijt.
Ganz eigen verhält es ſich mit der Stelle des Gedichts „Schlechter
Troſt“ im „Divan” (II, 19):
Schluchzend und weinend
Findet ıhr mid, dem ihr fonft
Schlafendem vorüberzogt.
Hier hatte Goethe früher richtig das den geraden Gegenfag zu
„Schluchzend und weinend“ bildende „Schlafend” gejchrieben, aber
wegen der durch die Form möglichen Beziehung des „Schlafend“
auf „ihr“ nachträglicd) die Endung em angehängt, wobei man fragen
fönnte, ob das Relativ „dem“ nicht die jchwache Form „en“ forderte,
da das Participium nad) dem Relativ nicht jo jelbjtändig fteht, wic
nad) dem perjönlichen Fürmwort.
Ein Livianifcdyes Klotiv in Kleiſts
„VYrinz von Homburg‘,
Bon Kohannes Niejahr in Halle a. ©.
Es ijt die gewöhnliche Annahme, dag Kleijt in jeinem Prinzen
von Homburg die Form und den Verlauf des KonfliftS im wejent-
lichen felbjt erfunden hat. Auf der alten Schladhtlegende foll er die
Fabel feines Stüds frei aufgebaut haben. Indes diefe Sage, wenn:
gleich fanktioniert durch die Autorität eines großen Namens, ijt doc)
ſelbſt erſt ein Fünftliches Produkt, aus leicht erkennbaren Vorbildern
entjprungen. Darüber hinaus aber weiſt in dem SKleiftifchen Drama
der rüdjichtsloje Charakter des Streits, die bis zum äußerften ge-
triebene unbarmherzige Strenge des Fürften, die, man ſage e8 nur
frei heraus, dem modernen Empfinden aufs graufamfte widerjtrebt,
noch auf bejtimmtere Mufter hin. Man denfe nur den Konflikt
einmal in geradem Verlauf bis zu Ende, man mache fich Klar, daß
es jchlieglich doc nur ein außer aller Berechnung liegender Zwilchen-
falf ift, der dem Kurfürjten die gewünjchte Gelegenheit giebt Gnade
zu üben, man jtelle ſich vor, wie diejes im Grunde fo „milde“ Herz
62° Z.Niejehr, Ein Livianifches Motiv in Kleifts „Prinz von Homburg“.
nur zu leicht wirklich in die Yage kommen fonnte, mit der be
abjichtigten Hinrihtung des geliebten Jünglings Ernft zu machen,
und das wegen eines zwar ftrafbaren, aber doch jugendlich entichuld
baren Vergehens, und man wird erfennen, eine ſolche piychologijche
(Hewaltjanıfeit fonnte in dem Kopfe eines Kleiſt, des großen Kenners
der Menichenjeele, in freier und unbeeinflußter „Schöpferlaune” um
möglich entipringen.
Kleift jelbit hat uns einen Fingerzeig in der Richtung gegeben,
wo wir fein Vorbild zu juchen haben. Als der Kurfürjt den Prinzen
wegen jeines Ungehorjams in der Schlacht verhaften läßt, macht
diejer, aus allen Himmeln gefallen, ſeinem Ingrimm im Stillen
Luft mit den Worten vgl. 778 Yolling::
Mein Better Friedrich will den Brutus jpielen.
Er erinnert damit an das populärfte Vorbild altrömijcher Geſetzes
jtrenge, das „Itarr“ und hart bis zur Granſamkeit, Fein Anſehn der
Perjon und des VBerdientes kennt, wenn es gilt, die beleidigte Trdnung
und Antorität im Ztaate wieder zu Ehren zu bringen. Dieje Erinnerung
ift, wie die folgenden Verſe 1779 ff. : lehren, zunächſt gewedt durch den
Gedanken an eine bildliche Tarftellung, wahrſcheinlich doch wohl das
befannte Gemälde des großen Klaſſiziſten David „Brutus die Yeichen
feiner Söhne empfangend“, das Kleiſt jedenfalls in Paris bei jeinen
Vejuchen des Youore im Jahre 18x01 geſehen hat «vgl. Kleiſts Brief bei
E.v. Bülow, „Deinrich dv. Kleiſts Yeben und Briefe” S. 216). Trotzdem
it es jicher, dan Kleiſt für das dramatiiche Problem jeines Stücks
nicht das Betipiel des alten „Königsaustreibers“, ſondern das eines
andern römtichen Helden vorgeſchwebt hat. Zürn Ausgabe des
„Prinzen von Domburg“, S. 141 T.: hat, wie ich ſoeben erſt jebe,
unter den Fällen, die er aus der alten und neuen Geſchichte zur
Vergleichung beranzieht, auch dielen angeführt, hat aber feinerlei
Anwendung von ihm auf unſer Trama gemacht. Es kann aber von
alt seinen WBeiipielen überhaupt nur dieſes eine hier in Wetradht
foınmen. Es tit, um es hiermit zu tagen, der Ztreit des Diftators
l.. Papirius Gursor und feines magister equitum Q. Fabius
Rullianus, der dem vielumftrittenen Motiv unſers Ztüds von der
2erurteilung und Begnadigung des Prinzen zu Grunde liegt. Tie
(Seichichte findet ſich ausführlich erzählt bei Livius VIII, 30—35,
kürzer bei Zalerius Maximus IL, 8; II, 9: u. A. Kleiſt hat, wie dic
2ergleichung beweiſt, den Bericht des Yivins benugt. Was ihn darauf
führte, läßt Sich leicht vermuten: die Zage von der ‚yehrbelliner
Schlacht mußte von jelbit die Erinnerung an analoge Fälle aus der
römiſchen Geſchichte weden. Er ſchlug, um sich näher zu unterrichten,
in irgend einem Kompendium oder Lexikon nach und fand umter den
J. Riejahr, Ein Livianifches Motiv in Kleifts „Prinz von Homburg“. 63
angeführten Beifpielen von „imperia Manliana’” nur diefes eine
jeinen Abjichten entjprechend, das er nun im Livius oder in irgend
. einer ausführlichen Nacherzählung nachlas. Es würde überflüffig jein,
die Stelle im Wortlaut wiederzugeben. Ich begnüge mich mit einer
furzen Inhaltsangabe und hebe dabei die Punkte befonders hervor,
die für unjer Stüd vornehmlich in Betracht fommen.
Die Geſchichte fpielt bekanntlich im zweiten Samniterfriege. Der
magister equitum Q. Fabius, der ein ferox adulescens ge-
nannt wird, hat fi) gegen den ausdrüdlichen Befehl des oberjten
Kriegsherrn 2. Papirius in defjen Abwejenheit in eine Schlacht ein-
gelajjen. Er erringt, dank des ungejtiimen Angriffs der Neiterei,
einen fo vollfommenen Sieg, wie er dem Diktator jelbft nicht befier
hätte gelingen können. Aber er hat nicht nur gegen das Verbot des
Hödjitfommandierenden gehandelt, jondern ſich auch Leichtjinnig hinweg—
gefekt über die religiöfen Bedenken, um derentwillen eben Papirius
dag Heer für einige Zeit hatte verlaffen müfjen. Raum erfährt daher
diefer, was vorgefallen, als er in das Lager eilt, entichloffen, eine
jo offenbare Verhöhnung der Disciplin an dem jugendlichen Sieger
aufs jtrengfte zu ahnden. Er fordert den Schuldigen vor feinen
RichterftuHl und giebt ihm auf, fich vor verfammeltem Kriegsvolf zu
verantworten. Al darauf Fabius im Zone trogiger Anmaßung er-
widert, befiehlt er mit „neuerfrifchtem Zorn“ feine jofortige Hin-
richtung. Schon reißen dem Entjeßten die Liftoren die Kleider vom
Leibe, da gelingt es ihm, zu den hinten ftehenden ZTriariern zu ent-
fommen, die ihn ſchützend in ihrer Mitte aufnehmen. Der Auftritt
erregt in der Menge zugleich Beitürzung und Empörung, man bittet,
man droht, es fehlt nicht viel, jo fommt es zu offener Meuterei.
Selbit die höchſten Offiziere fchliegen fich, den Diktator auf dem
Tribunal umringend, den Bitten des Heeres an. Allein PBapirius
heißt fie zurüctreten und bleibt feſt bei jeinem Entichluß. Dem
wachſenden Tumult macht endlich die Nacht ein Ende. Fabius, dem
der Diktator geboten, am folgenden Tage wieder zur Stelle zu jein,
hat den Ernſt feiner Lage immer nod) nicht begriffen, weil er fich
auf den Schuß des Heeres verläßt. Als ihm jett alle eindringlid)
vorjtellen, an ein Nachgeben des Diktatord fei nicht zu denfen,
flieht der Geängftigte unter dem Schuge der Nacht zu feinem Later
nah Rom. Auf deifen Wunfch wird fofort eine Senatsfigung berufen.
Kaum hat der junge Fabius hier feine Sache vorzutragen begonnen,
al8 Papirius, der dem Flüchtigen auf der Spur gefolgt iſt, in die
Perfammlung tritt und Fabius zu verhaften befiehlt. Vergebens ein
Gnadengefud) des gejamten Senats. Da appelliert der Vater an
das Volk. Auch diejes nimmt offen für den verfolgten Jüngling
Partei. Inmitten diejes allgemeinen Aufruhrs bleibt Papirius un-
64°. Niejahr, Ein Livianiſches Motiv in Kleiſts „Prinz von Homburg“.
erichütterlic. Yon der Ztrafe, die der Ungehoriame voll verwirkt
babe, werde er nichts zurücknehmen. Ihm ſei der Ztaat anvertraut
und er jei nicht geionnen, an jeinen Doheitsrechten rütteln zu laiien.
Bliebe jetzt nad) dem Wunſch der Tribunen und des Wolfs die
Verletzung der Mannszucht ungeahndet, jo werde das unabiehbare
Folgen haben, für welche die Nachwelt einjt die Urheber verantwort
lid) machen werde.
Unter dem Eindruck ſolcher Worte vollzicht fich ſchnell eine
gänzliche Umſtimmung. Tas Bolt, dem die Tribunen ſich anichlieren,
wendet jich demütig bittend an den Diktator, ihm zuliebe dem Schul
digen, der doch nur „menichlidy und jugendlich“ gefehlt, die Strafe
zu erlajten. Ter junge Fabius jelbit wirft ſich mit jenem Vater
dem Tiftator zu Füßen und fleht ihn um Gnade an. Jest endlich
giebt ſich dieſer zufrieden. And nun erjt veritcht man jeine bis
dahin unbegriffene Därte, wenn er ſagt: „bene habet. Quirites.
vieit diseiplina militaris, vieit imperii inalestas, quae in diseri-
mine fuerunt, an ulla post hane diem essent.” Er jchentt dem
genug Geſtraiten das Yeben und reicht ihm die Hand zur Ber
jöhnung. Unter den lebhaften Glückwünſchen des Zenats und des
Volks verlatien beide die Verſammlung.
Tan dieſe Erzählung auf die Behandlung des Problems in
Kleiſts Drama von beitimmenden Einfluß geweien it, kann niemand
entgeben. Ich ſehe von den rein zufälligen anßern Ubereinſtim
nungen ab, dan man es in beiden Fällen mit einem „Reiterobriſt“
zu thun bat, dan es hier wie dort das Eingreifen der Kavallerie il,
das den fiir die Führer verhängnisvollen Zieg enticheidet. Aber nicht
zufällig ift cs, wenn ebenio, wie der römtiche Deld ein von ungezügelter
Nampfesiuft beieelter Jüngling, ein ferox aduleseens iſt, Kleiſt
auch jeinen Domburg zu einem jungen Mrieger mit ungebändigter
Feuerſeele gemacht bat - der hiltoriiche Yandgraf war damals ein
Mann von 42 Jahren, zum zweitenmal verheiratet, Vater zahl
reicher Rinder -, nicht zufällig ift es, wenn beide Helden von dem
Gipfel übermütiger Gedanken und Doffnungen jäh in un
rühmliche Seelenangſt ſinken, wenn fie ängitlich alles verjuchen,
der verhängten Zodesitrafe zu entachen, der eine, auf den Kat
Hohenzollerne, in der Dämmerung aus der Daft entweicht und
die Kurfürftin, jeine mütterliche Freundin, kläglich um ihren Beiltand
anfleht, der andere, von jeinen Kameraden gewarnt, während
der Nacht aus dem Yager nad Rom flüchtet, um bei jeinem
Vater und den Senat Schutz zu tuchen. bereinftimmend auch iſt
die offene Parteinahme dort des geſamten Heeres, bier der
Tffiziere für die Verurteilten. Geradezu direkte Nachbildung aber
verrät die Daltung des Nurfüriten, feine jchneidende Därte und
J. Niejahr, Ein Livianifches Motiv in Kleifts „Prinz von Homburg”. 65
ſein Einlenten, fein unbeirrbares Eintreten für die Sagung, folang
er tie mißachtet, und feine bereite Verjöhnlichkeit, jobald er fie an-
erfannt ſieht. Bei Livius freilich fommt der innere Beweggrund
für die Degnadigung nicht rein zum Ausdrud. Der Diktator betont,
Fabius verdanfe fein Leben der Fürbitte des Volks. Aber das
eigentliche tiefere Motiv, das Kleiſt zu folder Schärfe heraus:
gearbeitet hat, Flingt ung doch auch hier aus den vorher angeführten
lateinifchen Worten entjchieden und gewichtig entgegen.
Durch die Einwirkung der Livianifchen Erzählung erklärt ſich
auch eine auffallende Stelle bei Kleijt, auf die bisher wohl noch nicht
bingemwiejen ijt. Als der Kurfürft das Kriegsgericht beftellt, greift er
dem zu erwartenden Spruch willfürlid) vor mit den Worten „wer
immer auch die Reiterei geführt”, „der ift des Todes ſchuldig, dag
erflär ich” (Vers 716, 721), „der hat den Kopf verwirft” (Vers 737).
Diejes eigenmädjtige Auftreten, das Urteil von vornherein fejtzulegen,
hat dramatiſch den Sinn, daß der Kurfürft ſpäter durch fein Wort
dem Prinzen gegenüber gebunden erjcheinen joll (vgl. meinen Aufjag
„Kleift3 Prinz von Homburg”, PVierteljahrichrift für Litteratur—
geichichte 6, 414). Trotzdem bleibt es eine Anomalie und man wird
den erjten Anftoß dazu in dem Vorbild des römischen Diktators zu
juchen haben, der jelbjtändig und unabhängig von einen Striegsgericht
das Todsurteil ſpricht.
Die Erzählung des Livius hat im Verein mit Motiven aus
Schillers Wallenſtein (vgl. meinen Aufſatz a. a. O., ©. 410 ff.) im
weſentlichen das ſtoffliche Gerüſte geliefert, mit dem Kleiſt die Hand—
lung in der zweiten Hälfte ſeines Stücks aufgerichtet hat. Daneben
kann von einer inhaltlichen Einwirkung von Schillers „Kampf mit
dem Drachen“, die wiederholt behauptet iſt (vgl. Seiler, „Die Be—
handlung des ſittlichen Problems in Schillers Kampf mit dem
Drachen, der Erzählung von Livius VIII, 7, Kleiſts Prinz von
Homburg und Sophokles' Antigone“, Programm des Gymnaſiums zu
Eiſenberg 1890, ©. 11 ff.), im Ernſt nicht die Rede fein.
Das Livianische Motiv Hat für uns noch eine weitergehende
Bedeutung. Uber die Auffafjung des Konflikts in unjerm Stüd
berriceht immer noch feine volle Einigkeit, wenngleich man fich ihr
in den letten Jahren bedeutend zu nähern begonnen hat. Die eigent-
lihe Natur des Problems hatte zuerſt Wilbrandt (Heinrid v.
Kleift, Nördlingen 1863, ©. 374 f.) mit ſcharfem Blick durchſchaut
und in den mejentlichjten Punkten, wenn aud) mehr amdeutend als
ausführend, Flargejtellt. Seine Gedanken blieben leider lange unbe-
achtet oder unverjtanden. 25 Jahre jpäter hat Zürn in feiner Ausgabe
„S. 118 ff.) auf fie zurüdgegriffen und fie in den wichtigjten Zügen
richtig weiter entwidelt. Kürzlich find Gilow („Die Grundgedanken in
Euphorion IV. 5
66 E. Caſtle, Nicolaus Lenaus „Savonarola“.
Heinrich v. Kleiſts Prinz von Homburg“, Programm des König
fiädtiſchen Gymnaſiums zu Berlin 1893) und ich a. a. O., S. 416 ff.
unabhängig voneinander zu einer ſich durchweg deckenden Anſicht über
die Abſicht des Dichters gelangt. Gilow beſonders hat das Verdienſt,
durch eine ſcharfe und eingehende Analyſe des Stücks das Problem
in ſeinem ganzen Verlauf verfolgt und in allen Punkten zu einer
flaren Yöfung gebracht zu haben.
Die Nichtigkeit dieſer Auffaſſung wird nun durd) einen Vergleich
mit der Yivianiichen Ztelle dem legten Zweifel entrüdt. Dem Diktator
ijt e8 bitterer Ernjt mit der Hinrichtung. Die Strafe mag uns, wie
jeinen Yandeleuten, ſchwer, ja unmenſchlich erjcheinen, aber wir fönnen
wenigſtens nicht zweifeln, day jein Zorn gerecht, daß er der Anwalt
der guten Sache iſt: denn Fabius hat ficdh nicht bloß gegen dic
mentchliche, jondern auch gegen die göttliche Ordnung vergangen.
Aber Papirius iſt nicht ein pedantiicher, grillenhafter Nerfechter der
toten „Satzung“, jondern ihm iſt es allein darum zu thun, daß fich
der troßige Eigenwille der Autorität, die Selbſtſucht der „dee des
(Gemeinwohls“ beuge und innerlich unterordne. Zobald er dies er
reicht fieht, zeigt er ſich verſöhnlich. Er verzichtet auf die bintige
Exekution, die jetzt eine unnötige Grauſamkeit jein wiirde, und
begnügt ſich damit, Geſet und Recht zu vollen moraliſchen Ziege
geführt zu haben.
Die Parallele mit unſerm Stück ergiebt ſich hieraus von ſelbſi.
llicolans Fenaus „Savonarola“.
Von Eduard CEaſtle in Wien.“
Il. Kompoſition.
Bereits die Unterſuchung über die Entſtehungsgeſchichte des
Zavonarola bat gezeigt, daR Lenau, ohne ſeinen Stoff genauer die
poniert zu haben, ganz je nad Stimmung ausarbeitete, was ihn
gerade bejonders aniprach oder momentan aufregte: am Ende hatte
er eine Reihe größerer und Heinerer ‚sragmente, die nun, jo gut co
gieng, zu einem Ganzen vereinigt wurden. Daher kommt cs, dan
Bal. Eupborion, Band 8, 2. 74-92 ımd 2. 441 -464.
) Ganz Ahuliches erzähle A. Grün von der Entſtehung feines ‚„Lebten
Ritters“ (Deutſche Revne 1896, S. 338).
E. Caſtle, Nicolaus Lenans „Savonarola”. 67
ihm der Stoff „unter den Händen wächſt“, manchmal jogar (mie
beim Fauſt) über den Kopf gewachſen iſt. Davor ſchützte ihn auch
nicht die leitende Idee oder (wie er es nennt) das „organiſierende
Prinzip“, der „ſpekulative Schlüſſel“, die „Aufgabe“, welche er bei
jedem Plane vor dejfen Ausarbeitung feitzujtellen fuchte.
Als ſolche Aufgabe bezeichnete er für den Savonarola, „dic
phyſiologiſche Seite der Reformation darzuftellen“ (3,89), während
der „Ziska“ ihre pathologiiche entwideln jolite. Die Phyjiologie lehrt
die regelmäßigen, die Pathologie die abnormalen, franfhaften Lebens-
ericheinungen bei Menſch und Tier. Wenn ich aljo jene Außerung
Yenaus recht verjtehe, wollte er damit jagen: jein Savonarola folle
die gejunde, berechtigte Seite der Neformation zur Darjtellung bringen,
der Zisfa Dagegen die franfhafte Erregung, die Auswüchje; der
Zavonarola habe den Zündjtoff, der Ziska die Erplofion zır zeigen.
Non diejer authentifchen Erklärung müßten wir eigentlich bet
einer Unterjuchung der Kompofition des Savonarola ausgehen; es
jpielt aber hier ein Umftand mit, der nicht außer acht zu lafjen ift:
erit nach der Vollendung des Gedichts, als das Verhältnis der ein-
zelnen Teile jener früher geplanten epiichen Trilogie ziemlich getrübt
mar, wurde jie in der erwähnten Weije formuliert. Urjprünglid)
jollte ja der Savonarola das Mittelſtück bilden; Yenau hat darum
aud) einen Anfnüpfungspunft vorbereitet: er läßt die Novizen von
Sup und deſſen Freund Hieronymus ernjt und lang fprechen
6 289/96) und ſich dieſes Gejpräches erinnern, als ein ähnliches
Geſchick ihnen widerfährt (XX 3157/65). Nach Vollendung des
Zavonarola erihien dem Dichter der Hußitoff zu dürftig, nur für
cin fleines epijches Gedicht geeignet, deſſen Held nicht einmal Huß,
iondern Zisfa ward; jest vergaß er den urfprünglichen Plan oder
gab ihm auf: die zeitliche "Folge in der Konzeption der leitenden
Idee murde zu einer Art pragmatiicher Folge, das Verhältnis
zwiſchen den beiden epifchen Cyklen umgedreht; Huß, der nach dem
frühern Plane notwendigerweiſe die phyſiologiſche Seite der Refor—
mation hätte entwickeln müſſen, wurde jetzt als pathologiſches
Phänomen gefaßt. Die Fixierung der Aufgabe des Savonarola
it Daher nicht unabhängig, ſondern nachträglich in Beziehung
zum Ziska erfolgt, und jo gleicht denn auch die von Yenau aus:
geiprochene Formel einem Mäntelchen, das allenthalben zu kurz ge—
raten iſt: der Savonarola iſt nicht eine zu Fleiſch gewordene Idee,
ſondern die verſificierte Geſchichte eines von jener Idee geleiteten
Lebensganges; es liegt auch hier eine ſeltſame Vertauſchung von Grund
und Set Urfache und Wirkung vor.
Thatjählich ift die Rompofition des Savonarola durd)
eine litterarifche Tradition beftimmt, die Yenau jchon infolge
5*
5
68 E. Caſtle, Nicolaus Lenaus „Zavonarola”.
perjönlicher Beziehungen nahe lag: durch die Tradition der Balladen-
und Romanzenchklen, wie fie von der ſchwäbiſch öſterreichiſchen Dichter
jchule vorzüglich ausgebildet wurde.
Tas Muſter und Urbild diejer Gattung ift befanntlicd) Herders
„Eid“; alsbald bemächtigten ſich die Romantifer, vor allem Schlegel,
‚Fongue und Brentano der neuen Form. Dar v. Löwenthal, Uhland,
Zdywab und Grin, lauter perjönliche Freunde Lenaus, folgten nadı,
jelbft jein Schwager Schurz arbeitete an einem „Speckbacher“ in
Romanzen. Gharafteriftiich fir dieje cykliſchen Gedichte ift die Zer—
teilung eines fortlaufenden Ztoffs in Ztüde, um an das Faktum
Empfindungsgehalt anzufnüpien; die Ihatjadhe tritt in den Hinter
grund, fie wird in die Vergangenheit gerüdt und auch ſprachlich jo
ausgedrüdt :V 234 „ste haben ernit und lang geiprocdhen“; VI 341
„Thon hat die Prieiterweih empfangen Girolamo“; XVII 2753 „vier
Fackeln haben ste gezündet“: u. ö., die Empfindung dagegen iſt das
Wichtige und Weſentliche, ihr fommt die Gegenwart zu. Zehr
bald hat man zu Yebensbildern aus der vaterländiichen Geſchichte
gegriffen Graf Eberhard der (reiner, Herzog Chriftoph, Natier Mar,
Speckbacher, indem man entweder einzelne Erlebniſſe mit ſtarker
Pointe heraushob oder das Yeben des Helden bis zu einem gewiſſen
Wendepunft oder auch von der Wiege bis zum Grabe erzählte. In
den überwiegenden Fällen ericheine em einheitliches Meetrum durd)
geführt.
In dieſe Fußſtapfen ſeiner ſchwäbiſchen Freunde trat auch Lenan
mit dem Savonarola, nachdem er ſchon irüher tleinere Stoffe aut
ſolche Art behandelt hatte: manches Traditionelle wurde dabei über
nommen: auch der Savonarola iſt cin Lebensbild, ans dem nur
ſcharf pointierte Ereigniſſe herausgehoben iind: er ftellt ferner den
Yebenslanf einer hiſtoriſchen Beriöntichteit dar, Die der Tichter von
einem Wendepunkte ihres Yebens bis zu ihrem Tode begleitet. Wo
durch Sich aber Lenau von ſeinen Borgängern hauptiächlich unter
ſcheidet und worin er he überragt, das iſt die große Ausdehnung
des in den Erzählbereich einbezogenen (Webiets, die Turchdringung
und teilweiſe Uberwucherung des epiichen Kerns mit rein lyriſchen
Elementen und endlich Die eminent moderne Behandlung des
Ztoifes.
Wohl zeigen ih mande Springe und Riſſe in der Kompoſition,
wie bies bei der einmal gewählten Tichtungsgattung und der ar
wohnten Arbeitsweiie nicht leicht zu vermeiden war. Im allgemeinen
) Nur wenn ſvrunghaft Über Ereigniiſe hinmeggeaangen wırd, findet das
Kräteritum Anwendung: VI 343 „aus ſeinem Mund Viel fcgensreihe Worie
fangen“; XII 1813 „Girolamo war euch ein trüber Prophet“; u o.
E. Eaftle, Nicolaus Lenaus „Savonarola“. 69
iſt aber der Savonarola ein mohlgefügtes, möglichjt ftraff fonzen-
trierte8 Ganzes, das der angejtrebten Einheit ziemlich) nahefommt.
Um dies zu erreichen, hat Lenau zunächſt eine Reihe von Fakten
und Bildern jymbolifch-vordeutend aufgefaßt und nachträglich fich
erfüllen lafjen: die verlafjenen Eltern findet Savonarola in jeiner
Kerkerviſion wieder (II: XXI 3425 jf.); daß er am Tage des
Märtyrer3 Georg entwichen ijt, läßt in der Mutter die Vorahnung
an jeinen Märtyrertod auftauchen und aud) der Vater fcheint an die
Torherbeftimmung des Sohnes zu glauben (III 173/80); der Prior
vertieft jich in des Skünglings Angelicht und ahnt, „daß ein großes
Hoffen der Welt aus diefen Zügen ſpricht“ (V 253/6); das Gelöbnis
der Treue „in Kampf und Leid“, das die Novizen einander geleijtet
haben, findet auf dem Scheiterhaufen feine Erfüllung (V 337/40);
da man Savonarola und Domenico mit einem Strick zufammen-
fejjelt, erinnern ſie fi) des Geſprächs über Huß und Hieronymus,
das ſie einft, ähnliches Geſchick vorahnend, geführt haben (V 289/96:
XX 3152/64); wie Ahasverus, der Unglaube, dem Straud) zu Füßen
unter Blüten begraben, jein Stab zerbrocdhen auf dem grünen Rain
liegen wird, fo wirft Tubal feine Krücke auf den Raſen und ftirbt,
das Haupt ans Kreuz gelehnt (VII 689/96: XXV 3969/80); ein
deutjcher Ritter ſchließt fid) Savonarola Hingebend und treu an:
jo wird auch jeine Lehre jenjeitS der Alpen wieder aufleben (XX
069/76: XXV 3929/56).
Erjcheinen durch folche Vorahnungen und Vordeutungen zunächſt
hon die Anfangs: und Schlußromanzen miteinander verfnüpft, jo
lehrt ung ein weiterer Blid auf die Kompofition des ganzen Stoffes,
dag auch jonjt benachbarte Stüde infolge ihrer inhaltlichen Ver—
wandtjchaft in unferm Bewußtjein zu Gruppen zujammengefaßt
werden müſſen, zwijchen welche der Dichter Stimmungsbilder mit
vorwiegend Iyriichem Charakter gewiſſermaßen als Ruhepunfte in der
fortlaufenden Erzählung eingefchaltet Hat.
Lenaus Gedicht jet mit Savonarolas Entweichen, mit einen
Wendepunkt in dem Leben feines Helden, ein; die Eltern werden
hübſch Fontrajtierend gejchildert: der Vater hat unbedingtes Vertrauen
zu der Veranlagung feines Sohnes, Sinn für defjen höheren Beruf,
während fich die Mutter für das Irdiſche forgt und troß des Ge—
witters aufbricht, den Sohn zu juchen; fie findet ihn nicht; doch fein
Brief giebt Aufflärung über fein Verhalten. In diejen erjten drei
Romanzen tritt alfo der Held noch gar nicht auf; wir lernen ihn
nur mit den Augen feiner Eltern kennen, wir erfahren durd) fie feine
Vorgeſchichte; notwendigerweije jchließen ſich diefe Gedichte in unjerm
Denten zu einer Einheit zufammen: die Spannung, welde die erjte
Romanze erregt, wird in der dritten gelöjt. — Das Klofterleben zu
10 E. Caſtle, Nicolaus Lenaus „Savonarola“.
Bologna, der ‚zreundichaftsbund mit Domenico, die erjte Wirkſamkeit
zu Florenz und ihr Erfolg verknüpfen jich zu einer zweiten Gruppe. —
Die drei Predigten in den folgenden Romanzen werden wir wieder als
zujammengehörige Teile eines dritten (Hliedes der Nette auffaſſen können,
das uns mit dem „Inhalt der Yehre Savonarolas und mit jeinen
Gegnern befanntmachen joll. — Während die beiden erjten Gruppen
vorwiegend epiſch waren, haben wir hier eine große Iyrijche Partie,
eine längere Daltejtation für die fortlaufende Erzählung, welche mit
dem Tode Yorenzos des Wrlauchten wieder aufgenommen wird.
Zavonarola hat die Vertreibung der Medici voransgejagt: die Propbe
zeiung erfüllt jid) aber erjt in der übernächſten Romanze: dazwiſchen
ijt die Sejchichte des alten Tubal eingeichoben, zunächſt nur durch
die ‚Figur des deutichen Mitters mit dem Hanptgegenſtande verknüpit:
nad) einem pinchologiichen Gelege werden wir jedoch die beiden ſtofflich
miteinander zuſammenhängenden Romanzen mit Wberjchlagung des
epijodijtiichen Teils, gleichſam mur ein Abiprung vor dem legten Heim,
zu einer neuen Gruppe verbinden. — Ganz vereinzelt itcht „Der Troſt“,
während „Tas Gelage”, „Die Beitattung”, „Water und Sohn“ jene
Reihe römischer Bilder fortiegen, die uns „Tubal“ angekündigt hat.
An die Aufmerkamfeit des Yejers werden in dieſem Miittelſtücke des
Cyklus wohl die grönten Anforderungen geitellt: das fortwährende
Überipringen von Motiv zu Wotiv, von Yofal zu Lokal ſetzt bereits
das größte Intereſſe, die höchſtmögliche Spannung voraus; Dicie
Spannung zn Iteigern, kann aber nicht die Abſicht des epiſch lyriſchen
Tichters jein, der weniger Erregung ale Stimmung braucht; zur
Abdämpfung folgt darum wieder ein Stimmungsbild „Die Peſt“ in
vier Ztüden: mpiiche Fälle aus allen Ztänden in der originellen
Form eines Dialogs führt uns das erite vor: die Wirkung der Reit
zeigt uns das zweite, und eine beiondere Wirfung, die zugleich wieder
mit der Idee des Warzen zuſammenſtimmt, erzählt das dritte; im
vierten wird die Erzählung weiter fortgeiekt. - - Die beiden nächſten
Romanzen find ſchon äußerlich durch die Wiederholung einer Strophe
als zuſammengehörig gekennzeichnet: bisher it der Papſt in Bezug
anf Zavonarola nicht hbervorgetreten: die andern berufen ſich wohl
anf ihn, er ſelbſt aber Tteht im Hintergrunde der Gruppe der (Segen
jpieler: jet tritt aud er handelnd hervor; der Hann wird ans
geiproden und das Kunde des Delden vorbereitet: die Kataſtrophe
beginmt. - In der „Verhaftung“ und „Aleranders Freude“ iſt ‚yaktıım
nnd Eindruck einander gegemübergeitellt. „Zan Marco“ Ttebt als
Stimmungsbild wieder allein, ohne einen ‚yortichritt der Erzählung
zu bedeuten, die in den legten drei Homanzen zulammenbangend zu
(Ende gerührt wird: „Tie Tortur“ kann Zavonarola zu feinem (Se
ſtändniſſe bringen, die Nichter ſind ratlos, doch „Ceccone“ fennt die
E. Caftle, Nicolaus Lenaus „Savonarola”. 71
Mittel, durch welche man Savonarolas Tod erreichen Tann, den die
legte Romanze jdildert.!) |
Non der vierzehnten Romanze angefangen hat Lenau eine Zwei—
teilung bezüglich des Lokales der Erzählung vorgenommen: es wird
uns Savonarolas Wirken zu Florenz und dag Treiben feiner Gegen-
jpieler in Rom zum Zeil in parallel laufenden Scenen vorgeführt:
Lenau war zu diefem Ausfunftsmittel, das die epiſch-lyriſche Dich—
tungsgattung nur jchwer verträgt, gezwungen gewejen: es war not-
wendig, die Perjonen am päpftlichen Hofe handelnd auftreten zu
lafjen, zugleich mußte die Berechtigung der Reformationsgedanfen
Savonarolas durch illuftrierende Fakten gezeigt werden. Die Ber:
fnüpfung der Borgia-Epijode mit der Haupthandlung durch Giovannis
Erzählung ift aber doch faum mehr als äußerlich zu nennen.
In feinerem innern Zufammenhange fteht dagegen die Tubal—
Epijode: ſchon ihrer äußern Stellung nad) tjt fie die Einleitung zu
dem folgenden römiſchen Nachtjtücde. Bisher hatte man nur Savo-
narola anflagen hören; diefe Anklagen zu bewahrheiten, das Papſt—
tum zu gravieren, dazu dient die Geichichte Tubals. Sie bildet die
erite Stufe der Sünden des Papjttums: dem Eingriff ing fremde
Blut muß al3 Steigerung, un den ganzen Abgrund des Lafters
aufzuthun, die Blutjchande, in fetter Linie der Verwandtenmord
folgen. Aber jelbjt in Tubals Befehrung liegt eine boshafte Wendung
gegen das Papſttum: durd) den Herrn der Chrijtenheit ift Tubal
zum größten Feind der Kirche geworden, durch den Ketzer wird er
für fie gewonnen. Wenn jedod) der Dichter auf kraſſe Bilder, wie
tie uns die legten Romanzen entrollen, auf Effefticenen, welche die
heftigiten Leidenſchaften wachrufen, eine Idylle hervorzaubert: Fluß
und Wieſen in Abendbeleuchtung, ein Kreuz, vom letzten Sonnen—
ſtrahl vergoldet, und an ſeinen Stamm ein ſterbender Alter gelehnt
mit mildverklärtem Antlitz, der bekehrte Tubal: ſo können wir einen
ſolch ſentimentalen, nur auf kontraſtierende Wirkungen berechneten
Abſchluß einer Dichtung, welche an die höchſten Probleme herantreten
will, nicht rechtfertigen und nicht billigen.)
1) Ans diefer Darftellung ergiebt ſich fiir die Kompofition folgendes Schema:
I. I UI) HAV. VD + (VI.VIL.IX) + (X).X1.KID XII-
(XIV.XV.XVD + = + CEVIII. XIX) + XX. XXD + XXIT + (XXIH.
. XXIV. XXV).
Irgendwelche entftchungsgeihichtlihen Folgerungen daran zu Mnüpfen, halte ich jedoch
bei den bezeugten wiederholten Überarbeitungen nicht für angebradıt.
?) Nudelbad S. 63 deutet an, daß die Befriedigung der Sehnſucht des
gläubigen Iſraels zu einer der Lebensaufgaben Savonarolas gehörte; hat Lenan
vielleicht nur vergeſſen, dieſes Motiv zu erponieren, wonach die Belehrung Tubals
als typiſche Erfüllung einer Eriftenzbedingung feines Helden aufgefaßt werden fünnte”
12 E. Gaftle, Nicolaus Lenaus „Savonarola“.
Bon großer Bedeutung für das Verſtändnis der Idee des
Suvonarola und Lenaus gejamter Weltanſchauung ift die Be
fehrungsicene im Nünjtlerhain (XVII), auf die wir darum noch
einmal zurückkommen werden. Zum erjtenmal empfundener Menichen-
jchmerz und der Troft, den hierbei der (Hlaube an dag Kreuz gewährt,
erweden in Da Vinci und Michelangelo die Idee zu zwei Werfen
der chriſtlichen Kunſt. Einen hiſtoriſchen Nern hat dieje Epijode nicht,
und Yerau hat jie auch in jeinen Tuellen nicht angedeutet gefunden;
nur die Taten ſtimmen zufällig zuſammen «das Abendmahl iſt
1496/98, die Pietà 1499 entjtanden.. Wlichelangelo war auch
tatfächlich ein eifriger Anhänger Savonarolas, Yionardo da Vinci
dagegen hielt jich bereits jeit 1482 an dem Hofe Yudovico Zforzas
in Mailand auf umd jcheint von Savonarola feinen perjönlichen
Eindruck erfahren zu haben. —
Es iſt wahrſcheinlich, daß Yenau tm allgemeinen den Ideen
kreis und das Koſtiim des 15. Jahrhunderts wahren wollte: gerade
hierin hat er ſich jedoch vergriffen. Um recht charakteriſtiſch zu
ſein, führt er einmal die ſuchende Mutter an dem weithin ver
rufenen Hinterhalt der Räuberrotte vorbei, durch dunkle Grotten,
Felſenſpalten IE 73/6 ; ein andermal flammt ein Harniſch, blant
im Sonnenſchein, dem Heergedränge bel voran XII 1931/2-; Con
dottieri «NIT 1657605 XIV 2197:2409 , Dealer XI 1653,65 XVII!
2477.50: XVIE®, Buhlerinnen «NT 165365 XVI 2360 404: XVII-
2521/8: werden eingeführt, und jo iſt Lenan im jenes allgemein
romantische Koſtüm bineingeraten, das jede zZeit und jeden Segen
ſtand Fleider.
Ganz ähnlich iſt es ihm bei der plaftiichen Durchbildung feiner
Charaktere ergangen: indem er den ipefulativen Inhalt feines Werkes
iiber alles ftellte, vernachlätligte er cs, Ichon durch die Perionen,
die ihn auszuſprechen hatten, durch ihre Zitten, ihr Gehaben zu
feſſeln. Am wenigiten befriedigt in diefer Dinficht die Hauptfigur
jetbit: nirgends hat der Dichter Savonarolas Charakter aus
einandergefaltet, ibn bald in dieſer, bald im der andern jich jters
fomplementär ergänzenden Farbe leuchten lajien, jo dan am Zchlufie
im Auge des Yeiers die gelamte ‚yarbenharmonie haften wiirde. Bon
allem Anfang wird Zavonarola als Reformator hingeitellt; der Nater,
die Mutter, der Prior, alle glauben an jeine Beſtimmung, ichlienen
jih ihm deshalb an oder befümpfen ihn; aber auch er jelbit handelt
danach mit marionettenhafter Ztarre und Wleiernheit der Glieder:
er gleicht jenen ‚yignren auf Mindertheatern, die in einer gewilien
Poje gezeichnet find und nun unbeweglich in ihr verharren müſſen:
dazu kommt noch, daR er uns falt immer predigend vorgeführt
wird: man jicht ihn bald nur mehr wie Giovanni, mit Kapuz' und
€. Caſtle, Nicolaus Lenaus „Savonarola®. 13
Sfapulier aus dem dunklen Schatten tauchen und drohend den
Finger erheben. In feinem Weſen liegt etwas Kaltes, Totes, Ab-
jtogendes, das wir bei dem hijtorifchen Savonarola nicht einpfanden.
Ein unglüdliher Griff ift auch die Verdoppelung des Helden:
Domenico, der Savonarolas Schidjal teilt, mußte allerdings ex—
poniert werden; die breite Form, in der dies Lenau thut (V), läßt
aber nicht zu, daß man jeinen Anteil an dent Lebenswerfe Savo-
narolas mit ein paar Verſen abfertigt (VI 361/4), die Figur jpäter
wieder hervorzieht und aftiv an der Handlung jic) beteiligen läßt
ıXVII 2812/36). Daß jedoch Lenau feineswegs unfähig war,
padende Charaftere zu jchaffen, lehrt ung die Zeichnung von Savo—
narolas Gegnern, die vortrefflich gelungen iſt: dieſer aalglatte, fchlaue
Fuchs Mariano mit feinem Fafjischen Gefchwäge; die finjtere, dämo-
niſche Natur Ceſars und als Kontraftfigur ‘der Leichtlebige, frivofe
Herzog von Gandia, der aber doc) jchon einen Eindrud von Savo-
narola erfahren hat, das jind durchwegs Treffer. Weniger überzeugend
charakteriſiert ift der Bapft, defjen Handlungen bei weitem harınlojer er-
jcheinen als das, was von ihm erzählt wird. Aber geradezu fchablonen-
mäßig jind einzelne Nebenfiguren geraten: Karl von Frankreich ift
ganz der traditionelle Eroberer, der „ein faljches Heldentum verfolgt“ ;
Geccone wird gleid) al3 Schleicher und Rabuliſt eingeführt; ebenjo
werden die Richter durd) den Vergleich mit dem Strauchdieb fchon
von vornherein zu Mördern gejtempelt, ohne daß wir ung nod)
irgendein Urteil über fie gebildet haben fünnten. Am beiten und
ichönjten von diefen Nebenperjonen ijt Helena gezeichnet: mit Recht
hat man in ihr eine dichteriiche Verklärung Sophieng gejehen, ſowie
es faſt gewiß iſt, daß Lenau in dem Freundjchaftsverhältnis zwiſchen
Cavonarola und Domenico feinen eigenen Beziehungen zu Martenjen
ein Denkmal geſetzt hat.')
Nicht wie ſonſt im Epos Hinter, fondern neben diejen Gejtalten
jteht der Dichter, und was jenen an Leben abgeht, erjett er durd)
den UÜberſchuß feiner Kraft. Ihr Thun und Leiden iſt aud) das
feine, und er erzählt es bald elegiſch,“ bald hoch pathetildh,?)
dann wieder mit beißender Ironie und jcharfem Sarkasmus.) Mit
jeltener Kunſt verfteht e8 er feinen Leer mitzureißen und in die
') Zu weitergehenden Berfuchen, verſchiedenen Perjonen ihre Masken abzu—
nehmen, fehlen die nötigen Anhaltspunkte; dagegen Proſch S. 875/6; M. Koch 1,
S. VI: Proſch ©. 584.
2) I-IV; VI 341/64; VII 437/52; XII 2021/36; XVII; XVII 2721;8.
2) V 267/80: VI 397/412; vo 465/76: VII 696/708; IX 877/904; XI
1585/1624; XI; XVII '; XXV.
+, VII 621/4; VII 745;60, 869/76; NIT 18418; XIV 2117/21; XVII
2753 64; XIX 3009! 12; XX 3149/62; XXI 3177/80, 3221/44: XXV 3765/72.
14 E. Caſtle, Nicolaus Lenaus „Savonarola*.
Stimmung zu verſetzen, die er gerade braucht: häufig beginnt er in
ruhig erzählendem Tone, gleichſam ſeinen Gefühlen Feſſeln anlegend,
um ſie dann plötzlich ihrer Bande zu befreien und ſeinem gepreßten
Herzen Yuft zu macen;!, der einfach erzählende Stil wird leiden
ichaftlid) erregt, rhetorijd) gefärbt, ‚srage drängt ſich an Frage, Ausruf
folgt auf Ausruf.“ Der Tichter wendet jich direft an die Wejtalten
jeiner Phantafie, er redet tie an’: oder führt mit ihnen Wechſel
geſpräche.“ Tie Taritellung wird dadurd äußerſt lebendig, und der
Yeler üiberjieht dabei ganz, daR die Handlung am Zchlufle einer
Romanze oft nur um weniges fortgeichritten; °; iberjieht, wie ſchwach
und dürftig die Mlotivierung oft geraten ift: zumal, wo die Gr
zählung einen größern Sprung macht, biftoriiche Bindeglieder ver:
nachläjligt worden ind, muß er ſich durch ein paar troden über
leitende Verſe in die neue Zituation verſetzen laſſen.“ Aber auch
jonft jind die einzelnen Romanzen wiederholt ganz zuſammenhanglos
aneinandergereiht, und nur selten treffen wir einen ſiärkern Ubergang.'
Alle dieſe Mängel berühren jedoch vorwiegend die fortlaufende
eptiche Erzählung, nicht die Iyriichen Partien des Gedichtes. Hierin
liegt eben wieder die Bedeutung des Zavonarola, dar Yenan ohne
Rückſicht auf das grone Yeiepublifum, das viel leichter durch das
Geſchehnis an sich als durch die daran gefnupfte Reflexion gefeſſelt
wird, diejer den Korzug gab vor jenem umd den epilchen Kern jeines
(Hedichtes von Inriichen Blüten uberwuchern lien, jo reich, wie es
bisher in der cntlitchen ‚vorm fait unerbört war. Allerdings von
alten, die nach Herder dieſe TVichtungsgattung gepflegt hatten, war
wohl auch Lenau das bedeutendite, ausgeiprochen Inrüche Zalent:
feiner hatte ſich noch cine jo große Aufgabe geitellt, Feiner wollte der
Nation noch joviel jagen, feiner verstand es ſo zu jagen, gebot über
1, IN 878 0055 XI 1585 1608: XII 1841 52; XIV 2316 ii.
>, IN wor 4; X 1212 20: X1 1712 06: XVII: NN 3280 02: XXV 3805 ii
2), V 300 12 Zavonarola und Domenico; VII 465 76 Zavonarola mit der
Arte, den Dichter zu feanen und ihm zu Sagen, wie er die Weihnachtsvpredigt ur
zählen Soll: VIII 733 41 Mariano; XII 2005,20 Zavonarola; XVII? 2553
„Tu arme Mutter, zut're, zierte z NNV 3869 956 Zavonarola VI 5776
Zavonarola an die Naturvergotterer; VII 765 so Mariano an Zavonarola: I\
451 096 Zavonarola an Mauriano.
3 XVIII.
2) V 2800, ART 40: NT 34168: faſt gar kem ‚gortichritt der Handlung
in XIII. NVIEN, 2.2, XXII: fiche auch die folgende Anmerkung.
V: VIl 34168: VID: VIE 69% Te: XB: XII get 16: XVII: NV
721 4: XIX: NN 3013 40
") Fehlender Übergang: IV: V: IN: N: N: X, wober wir über das Yatal..
‚storenz oder Nom 7, aanı ım unklaren gelaiſen werden: N: NIT (Berbindun ;
X: XII, ſiebe oben): XIII: XIV: XVI: XVII: — iſchwacher Übergang VE: VI:
ſtarler Ubergang NIE: XIII; NN: NND: NND
E. Gajtle, Nicolaus Lenaus „Savonarola”. 75
eine jolche Fülle farbenglühender Bilder wie er. Faſt alle find jie
der Natur abgelaufcht und oft mit erftaunlicher Kühnheit, immer mit
ehter Originalität zu den verſchiedenſten Verhältniſſen aus dem
Tages- und Gemütsleben des Menſchen in Beziehung geſetzt. Wie
einfach, ſchlicht und doch die Situation der verlaſſenen Mutter ſcharf
charakteriſierend iſt das in Proſa gar nicht wiederzugebende: „Es bebt
der Brief in ihrer Hand, Wie 's welke Blatt am dürren Baume,
Dem all fein Shmud und Reihtum ſchwand“ (III 170/2); wie zart
ift die Heilige Begeifterung, welche von Savonarolas Antlitz jtrahit, mit
dem Anbruch eines ſchönen Frühlingsmorgens verglichen (VII 453/64);
wie fraftvoll der Haß, die verzehrendjte Leidenſchaft, mit einem Wald-
jtrom, der ſich „durch selten, bleich, gehöhlt, verwittert, wo Geier
nur und Stürme nahen”, wild, erbittert und immer Frisch die rauhe
Bahn bricht (XI 1701/8); wie bedeutend Savonarolas gewiſſen—
erwedendes Wort mit jenem ew’gen Lichtlein, durd) das die Seele
ihren teuern Leib beichauen fann (XX 3025/36). % Aber nicht allein
der Tichter, aud) feine Figuren jprechen in dieſem Stile; Tubals
großer Monolog gegen dag Chrijtentum (XI 1713/96) ift eine Kette
der fühnjten Bilder, die der tiefe furchtbare Haß dem alten Juden
eingiebt; auf ganz andere Weife als dieje heftige, tobende Wut,
wunderbar fein abgetönt, läßt der Dichter die nod) gefährlichere falte
Yeidenichaft eines Gefar in den zwei Fabeln von der unjaubern
Tirme-Tiber und dem ftachelrüftigen Bienenſchwarm (XVI 2389/402,
2440/56) zum Ausdrude fommen: dort jeder Sag ein Kolbenhieb,
hier jedes Wort ein Stich; wieder eine andere Tonart zeigen Savona—
rolas Predigten, zum größten Zeile aneinander gereihte Vergleiche.
Seine Weihnachtspredigt (VII) beginnt mit der hübjchen Barallele
zwijchen der jtillen, Fühlen Nacht, der Zeit des Mitleids und der
Güte, und jener Segensnacht, die auf Judäa niederjant (477/536),
da die Maria gewordene Sehnſucht nach Gott den Erlöfer gebar
537/60); troßdem bricht noch immer Ahasver alljährlich feinen
Wanderitab vom Dornjtrauche, noch immer beruft jich der Unglaube
auf die Natur, die doch nur finjter und kalt ift (561/96); jett hauſt
Ahasver-Unglaube jelbjt in Rom und Höhnt die frommen Pilger
ı597/652); doch wie Zugvögel gejchart den Winden troßen und
1) Außer den im Zert angeführten Vergleichen find noc hervorzuheben:
Vo 257/80 Beftändigfeit der Freundſchaft; V 296/312 Wald der Betrachtung;
VI 385/412 Savonarolas Predigt eine Onelle in der Daje; VI 433/6 Savona-
rolas Worte Herzensfaaten; VII 436/40 die Predigt ein Quell; VIII 869,76
Mariano Gedanken Reiher, niedergebeizt vom Falken des Girolamo; XII 2010/20
Gewalt eines heiligen Gedankens; XVII! 2485/500 die Peſt ein Bußprediger;
XXIII 3280/92 ungerecdhte Richter Strauchdiebe, das Geſetz in ihren Händen ein
Mordwertzeug XXV 3877/80 die Furche auf der Stirn ein Gedankenpfad.
16 E. Caſtle, Nicolaus Lenaus „Zavonarola”.
den Weg nad) dem Süden finden, jo wird dereinit, wenn ſich alle
Gläubigen vereint haben, die wahre Kirche Chrijti hienieden eritchen,
jener Straud) wird Blüten bringen und unter ihnen Ahasver jein
Grab finden 1653965. In ähnlicher Weile enthält die Antwort
predigt «IX: drei großangelegte Bilder: das Menſchenleben glich in
den „Zeiten des alten Bundes einer erfahrt auf dem Meere der
Sehnſucht, während der neue Bund die fichere Buflole, die Liebe,
gab (1001/24; ohne Ehriftus tft das Yeben ein Hang durch Wüſten
in der Nacht 1081/1165; unähnlich dem Trinker, dem man Ichlechten
Wein in einer fojtbaren Schale gereicht hat, und der ärgerlich ihren
Anhalt ausgießt, den goldnen Wecer aber ſorglich behält, wird
Hort auch das Geſchirr zerichlagen, Zinde und Zimder vernichten
(1181/92. Nur aus zwei Vergleichen beiteht die Troftpredigt NIT :
der Papit ıft der Teufel, der mit jeinen Freunden den Narneval feiert
2049/80: die Nirche gleicht jener jcheintoten ‚rau, die erwachte,
als ihre falſchen Freunde ſelbſt ihr Evangelienbuch ich aneignen
wollten :2080/115-. Tie ichöne Altegorie vom (Blaubensbaum XVII
2386/908: iſt in Zavonarolas letzte Predigt ceingeflochten. Wein
ſachlich, ohne dieſen höhern Schwung in das Weich der Phantaſie
ſpricht dagegen Mariano: nur ein naheliegender Vergleich wird ganz
kurz weitergeſponnen: der Strom der heiligen Geſchichte, der „in
Jeſu ſchallend, ein Nataratt herunterfloß“ VIII 339 68.. Hierin
mag es wohl gelegen ſein, daR manchen Leſern ans der Nontroveric
mit Zavonarola als Zieger Mariano md die jo Icharf angegriffene
Antife hervorzugehen jcheint: der ſtreug logtiche (Hedanfengang in den
Ausführungen des einen wirft eben bei weitem überzeugender als der
dunkle bilderreiche Stil der Predigten des andern, der mit Aufmert
ſamkeit geleien und überlegt fein will.! Neben dem einfachen er
gleiche, der tunitvolleren Parabel und Altegorie, Formen, auf welche
Yenan durch die Yeltiire der Bibel, jowie der bei Rudelbach mitgeteilten
Predigten Zavonarolas aufs beitimmtelte bingemwieien worden war,
finden wir aud die Viſion angewandt: großartig gewaltig im Ztile
der Apolalypie des Tonneriohns Johannes in der Schlacht zwiſchen
Antike und Chriſtentum, die Yorenzos Seele ausfämpien mu «X
1249/1340 :; frauenhaft zart, wie eine Zcene des Johannisevange
liums anmmtend, von wunderbarer Neuichheit der Yinienführung in
dem jüren Nertertraume Zavonarolas XXIII 3425 560 ; mephiſto
) Bılder, weile ſonſt noch Perionen ın den Mund gelcat find: IT 13 20,
36 48 (die Bibel en Maid) Savonarolas Vater: IV 225 36 (Blumenorden: Prior:
\ 1365 82 wie die Zonnenftrablen auf hoben Yergen an Nraft verlieren, fo vr
reiht der (Muadenitrabl Hortes den Freigeiſt nicht) Zavonarola: X 1559 72 :dı:
Alätter der Bibel Rofenblätter) Zavonarola: XIX 3000 12 (Zcheiterhanfen um
„zuündbares Konzilium“; Papft.
E. Eajtle, Nicolaus. Lenaus „Savonarola“. 77
pheliich-chnifch in der Viſion Aleranders, der den jüngjten der Pro—
pheten, der in Florenz fid) hören läßt, am Halje des ältejten Pro-
pheten der Griechen, des dodonäiſchen Eichenbaumes, fejthangen fieht
(XIX 2949/68). Dieje drei Scenen bezeichnen wohl den Höhepunft
Lenauſchen Könnens auf epijchen Gebiete, ihnen jind nur einzelne
Bilder der Albigenfer nod) an die Seite zu ftellen.
Nicht zum mindejten ift ihre Wirfung auf Rechnung des wunder:
baren Rhythmus der Lenauſchen Verje zu jegen, der den Schwung und
das Feuer des Violinvirtuoſen verrät und wie eine einjchmeichelnde
Melodie noc lange im Ohre nachflingt. Die Bewunderung, welche
die Zeitgenofjen der Kunſt des Dichters zollten, der es verjtand, eine
Philojophie mit der chwerfälligen Terminologie Hegels in Vers und
Reim zu bringen, iſt begreiflich. Lenaus Savonarola ijt aber aud)
die einzige feiner größeren Schöpfungen, in der ein Metrum allgemein
durchgeführt iſt. ES gehörte dies wohl zu jener Einheit und Ge:
ichlofjenheit der Form, die jchon der Titel „Ein Gedicht“ anfündigt.
Vier iambiſche Zetrapodien, abwecjjelnd katalektiſch und akatalektiſch,
mit den entiprechenden klingenden und ſtumpfen Neimen, find zu
einem Strophengebäude verbunden.!) Dieſes ausgejprochen Iyrijche
Metrum brachte freilich manchen Nachteil mit ſich: für die Erzählung
wollte es gar nicht recht pafjen, die Stimmung zwängte es in eine
vorgezeichnete Form und ihre Mannigfaltigfeit konnte nur durd)
Anwendung aller möglichen Stilmittel zum Ausdrucke gebracht werden.
Am ärgiten mitgenommen wurde jedod) die Sprache, die jid) gar oft
bloß recht widerwillig unter das Joch des Metrums jpannen ließ: mit
trennbaren Partikeln zuſammengeſetzte Verba mußten willfürlic), aber
gewöhnlich gegen die grammatifaliichen Negeln gebraucht werden ;?)
die Abtrennung des jubftantivischen Attributes?) und der Appofition?)
von ihren Beziehungswörtern durch Einfchiebung großer Saßglieder
) Anapäftiiche Füße finden fih: X 1327 (apofajlyptifchen); XIX 3009 (feu-
rigen); Trochäen an erfter Stelle: XII 1954; XII 1969; — Satz und Bersaccent
im Widerſpruch: XI 1745 (Warum thut er jegt feine Wunder?). Rührende Reime:
IV 221:223; VI 385:387; VII 557:559; VIII 725:727; IX 893 : 895; X
1406 : 1408; XI 1742: 1744; u. 6.
2) IX 1087/S (aus Hinterhalten . . fpringend an); 1185 (ausgießt den...
Wein der Zecher); XI 1596 (dann wiederkehrt die ftile Ruh’); XX 3055 (ein=
brechen jetst die Mordgefellen) u. ö.
?) VIII 699/700 (weil er das Licht der Wahrheit ehrlich Der Sünde ftredt
in ihre Nacht; VII 721,2 (bevor Mariano läßt erjchallen Der Predigt das Eror-
dium); VII 871/2 (Gedanken, Die um den Strom als feder Reiher Der heiligen
Geſchichte ziehen); X 1565/6 (fo Haft du diefer heil’gen Blätter Den ſüßen Duft
wohl nie aeipürt); XVI 2452 (empfängt Den Honig aud der Todesruh').
4) VII 635/6 (ein Affe, fie [die Seremonie] mıt Kopf und Tate Tieffinnige
Gebärden ahmt) faft unverftändfih; IX 11256 (drum ließ in Schmerz und Tod
die Armen Der treue Gott uns nicht allein); XVII? 2583/4; XX 3013.
78 E. Caſtle, Nicolaus Lenaus „Savonarola“.
ijt eine ganz gewöhnliche richeinung; Archaismen!; und „dio
tismen? begegnen nicht jelten; die Diftion, bei Yenau immer rauh
und jpröde, wird im Zavonarola hie und da für den eriten Blick
geradezu unverjtändlid).3:
Wenn aber troß jolcher offenbarer Mängel der Zavonarola den
enthufiaftiichen Beifall der Tichterfreunde Yenaus fand und auch noch
heute einen tiefen Eindruck zurückläßt, jo it dieſer Umſtand auf die
eminent moderne Behandlungsweiſe des Stoffes zurüdzuführen. Vor
nehmlich in religiös philojophitcher Dinficht tritt der Zavonarola als
Zeit:, Streit: und Tendenzgedicht hervor, doch aud) die polittichen
Tagsfämpfe finden in ihm einen ſchwachen Wiederhalt.
Durch die Hegelſche Philojophie Ichien mehr denn je das Chriſten
tum als die abjolute Religion, als Yollendung des göttlichen Selbſt
bewußtſeins in der Menſchheit, als Verſöhnung aller böchiten und
letzten Gegenſätze, als nonvendig (Sewordenes und daher notwendig
Anzuerkennendes gefeltet. Aber gerade die Weiterentwicklung des
Identitätsſyſtems schlenderte einen Feuerbrand gegen die pojitive
Keligion, deſſen verzehrende Wirkungen den Jeitgenolien ganz un
berechenbar schienen, die Evangelienkritikf durch D. F. Ztraug.*
Bald nach dem Tode Hegels war die Trennung einer Zihule in
einen rechten amd linken Flügel erfolgt: jener verblieb bei der
Yehre des Meifters und glanbte mit ibm, dan die Philoſophie in der
höheren Form des Begriffes dasſelbe beiike, was der Religion in der
YA 124 (weil du es nicht vor Weinen magſt fannft:: VII 546 mad
Gotten: VII 730 gedräng: X 1304 wuchten): N 1544 (unversühnts; NIX 2967
(sorchen).
) Ten Oſterreicher verraten die „Faſchtnaſwochen“ 1XIII 20553 und das
nnumgelautete „ſtoſtt“ ONN Dos, \\\ 8720) An Emzelheiuen im Wortgebraumde
find zu erwahnen: Vl371 Werkner; VI 460 niederſtrafen: IX 1052 geſchmadt
(=. einer, Der Geſchmact Ban: NL 1015 BRertleid: NIV 2231 überſchwenken: XVII:
2467 am Wort genommen; XVIII 200 unſchutterlich: NIN 2930 entratben - miß—
rathen): NXNIV 3639 verhageit — Aus der Jägeriprache icheinen herübergenommen
zu fen: XII 1850 Brame, XIV 2270 fummern 1 Schlucht gedeihen) Ab-
leitungen auf ig werden gern iynkoviert: VI 555 gefündet: NNIV 3623 das
Ubre. — Auch die Syntar weft manderleı Eigenheiten anf: der (Wen wird
durch eine Prapoſitionalformel umichrieben «XXII 1812 zeigt Ah von unserer {je
das Bild); anderericus zeigen ſich Freiheiten im Caſusgebrauch VIE 437 8 nich:
aber allen wird geſtillt Ter Quelle duritendes Verlangen: IN sa mw als dan ſie
Zeugen feinen ‚galle Und ſemes Gegners Ubermacht): cın „es“ fan ein folgendes
Masculinum determmieren XIV 2288 bise ich's verbrauft' und 'nunterzechte Ten
bitter ernſten Nachgeſchmachh: Hypotare ſtatt Paratar: würde man erwarten IN
2112; elliptiſch find X 1286, NE 1504 5.
) Vll 437 8: VII 693506: N 856 Gott ward Menih von Kugler:
X 12378 (der heure (Wotterorden, Ter Yult ward ın der alten Welt): XII
18T 1a00,
REN. Dantrah, T. Ztraug und die Theologie ſeiner Ja. Zwei
ande. Heidelberg 1876-1878.
E. Caſtle, Nicolaus Lenaus „Savonarola”. 79
untergeordneten Form der Vorftellung eigen tft; dieſer warf zunädjit
die Lehre von der individuellen Fortdauer nad) dem Tode über Bord
und wandte fich der Disfujjion des Begriffes „Gottmenſch“ zu, jenes
Punktes, wo das Bewußtjein um die Einheit von Gottheit und
Menſchheit Hiftorisch geworden jein follte. Die Kardinalunterfuchung
mußte jich jelbjtverjtändlih mit der Perſon Jeſu, in welcher jene
philojophifch conjtruierte Einheit vorlag, beichäftigen, und ihre Rejul-
tate jind in D. F. Strauß’ „Leben Jeſu“ (1835) niedergelegt: die
evangeliiche Geſchichte iſt danad) ein Produft der abſichtslos dichtenden
Sage, hervorgerufen durch die meſſianiſchen Erwartungen; fie ijt
nichts anderes als Einkleidung für die dee vom Gottinenjchen, vor-
jtellungsmäßige Anſchauung des Weltprozefjes, in welchem der ab—
jolute Geiſt menjchlicher Geift wird, mit einem Worte: fie it Mythus.
Dieſes Wort erfüllte die Zeitgenojien mit ungeahntem Schreden; das
Bud) erregte ungeheures Auffehen, man las e8 und las es nieder -
und war entjeßt: der feite Boden, das hijtoriiche Fundament des
Chriſtentums jchien zerjtört, Die chriſtliche Religion auf die Stufe
des Heidentums zurückgeſunken zu ſein. Am ſchwerſten fühlte ſich der
buchſtabengläubige Proteſtantismus getroffen; aber auch in den katho—
liſchen Kreiſen regte ſich lebhafter Widerſpruch. Hengſtenbergs „Evan—
geliſche Kirchenzeitung“ und die ganze Schule der Reſtaurations—
theologen trat gegen Strauß unter die Waffen, den man feiner
Stelle entjegte und dadurch nur verbittert machte. Dod) aud) Strauf
fand feine Anhänger, die jeine Lehre verteidigten und aus ihr die
legten Konjequenzen zogen: es giebt feinen Gott außer dem Menschen.
Ungefähr zur gleichen Zeit, da das „Leben Jeſu“ erjchien, ward
ein zweiter Feuerbrand gegen das Ghrijtentum, jpeciell gegen den
Katholicismus aus Frankreich über die Grenze gejchleudert: Heines
„Romantische Schule” (Anfang 1836) und die drei Bücher „Zur
Geſchichte der Religion und Philojophie in Deutichland” (Anfang
1835). Das „Leben Jeſu“ hatte ſich nur gegen die hijtorijchen
Tofumente des Chrijtentums, nicht gegen das Chriſtentum als folches
gefehrt; Deine griff diejes ſelbſt an, er ftellte, angeregt durch den
Saint-Simonisinus, dem Spiritualismugs der jüdiich-Hriftlichen Welt:
anſchauung den Senjualismus der Antife gegenüber, er forderte
Abfehr vom Nazarenismus und Rückkehr zum Hellenismus, er pre—
digte jtatt der Abtötung des Fleiſches deſſen Emancipation in einem
Reiche der eivigen Freude.
Was galt im Hinblick auf ſolche Sturmzeichen der Zeit die
Unionsfrage und der Konflikt wegen des Miſchehengeſetzes in Preußen,
die Verfolgung der Hermeſianiſten und die Internierung des Kölner
Erzbiſchofs Droſte zu Viſchering in Minden? Schien nicht das
religiös-ſittliche Bewußtſein der Zeit von Grund aus reformbedürftig,
80 E. Gaftle, Nicolaus Yenaus „Savonarola”.
um der immer weitergreifenden Tesorganijation Einhalt gebieten zu
fönnen? Tod) wer war dazıı berufen, der Nation die Augen zu
öffnen, jie zu warnen, ihr neue Ziele im Nahmen des Chriſtentums
vorzuſtecken? Der wahre Tichter, antwortete Martenjen 3, 77:, umd
Yenau ſtimmte ihm bei. Der wahre Tichter, dag fonnte nur der
moderne Tichter fein, der durd) den Geift der Gegenwart die (Hegen
wart bewegt. Was jollte uns der Dellenismus? Hatte er ſich nicht
ausgelebt? „Mögen die alten Griechen nur den menschlichen Körper
fir ſchön und einen würdigen Vorwurf der bildenden Künſte ge
halten haben, mögen ſie die Malerkunſt auf die oft nur zu lang-
weiligen Idealköpfe beichränft und einen Porträtmaler mit dem Ehren-
titel eines Ichyparographen belegt haben — was gebt das uns an? Und
wenn es in unſern Zagen Profejioren giebt, die dem antiken Unſinn
huldigen - was kümmert das uns?“ „Der Traum der Alten war
verloren, für fie jo ſchön, Fir uns zu ſchal. — Habt ihr ihn mur
heraufbeſchworen, Tan er ſich träume noch einmal?“ ıX 1485/90.
Die Antite iſt nur ein Ichöner Schutt, der uns auf unſerm eigenen
Vebensgrumde die Wurzel erſticken will XVII 264174. Darum weg
mit der Renaiſſancekunſt, weg mit dem großen Heiden Goethe, weg
mit allen Kokettieren mit der Antike! Lächelt ſie, die ewig klare und
heitere Anmut, Die von feinem Leid berührt, von feinem Schmerz
getrübt wird, lächelt fie unjeren Schmerzen und Leiden nicht Dohn?
Wußte Sie umere Qualen zu lindern? unſere Schmerzen zu ſtillen?
Taf fie am Schmerze mild vorüberführt, darin liegt ihr Zauber
X 150174 : doch „der Kompaß meiner Zeele zittert immer wieder
zurück nach dem Schmerze des Lebens: vielleicht kann mir alle Reli
gion und Yiebe nicht wetter helfen als dieten Schmerz zu verklären!“
Frankel, S. 14.
Tas iſt der Endpunkt des Lenauſchen Programme, konträr ent
genengelegt dem Zuknnftstraume Deines: dieſer veripottet und ver
nichtet das Chriſtentum, jener ſucht es anf und ſtellt Sich in jenen
Tienft: bier das eich der ewigen Freude, dort das Mirchenfren;,
„das tröftend den lagen hinüberweiſt in das Deimatland“ XVII«“
2631,2. Hellenismus und Nazarenismus, Heine und Lenau, das
ſind die Gegenſätze, die im Savonarola einander bekämpfen, gegen
einander predigen, am Totenbette Yorenzos anfeinanderpralten und
in der Epiſode im Künſtlerhain ihren ſchäriſten Ausdruck finden.
Weitaus zahmer als die Angriffe auf den Heineſchen Seuſnalis—
mus iſt die I ppofition gegen die Degeliche Schule IX 10571076
ausgefallen: Lenau ſelbſt Ichreibe ſie nur einem pruritus ingenii zu,
den er allerdings micht berene ſieh unten, und auch, was gegen
Schurz 1, 284 ı Ztuttgart, den 14. DTezember 1834 an Zophich.
E. Eaftle, Nicolaus Lenaus „Savonarola”. 8l
Strauß ing Treffen geführt wird (IX 1065/116), ift leidenjchaftlicher
ausgeiprochen, als e8 auf überzeugenden Argumenten beruht; diefelbe
heftige Sprache führt er gegen die Naturphilofophie und den ihr
nahe verwandten Pantheismus (VII 573/96), obwohl und weil er
von ihm ausgieng und zu ihm zurücfehrte; und mit gleicher Energie
proteftiert er gegen den Romanismus, von dem er fich äußerlich doc)
nie losfagte, dem er durd) Baader ebenfalls wieder näher trat. Zenau
ijt nicht leicht in einen der damals vorhandenen Anfchauungsfreife
einzuzwängen; die nächſte Verwandtichaft hat er noch zu jener Re-
jtaurationstheologie, die an den Pietismus früherer Tage anfnüpfte,
al3 fogenannte „Vermittlungstheologie” zwiſchen den Ertremen zu
vermitteln und auch mit der Wifjenjchaft in Fühlung zu bleiben
juchte, deren hervorragendjte Vertreter Auguft Tholuck und Karl
Ullmann waren; aber der Grundzug diefer Schule, ihre reaftionäre
Tendenz, iſt ihm fremd; vielmehr verficht er, wie auf firchlichem, fo
auch auf politiichem Gebiete die Freiheit des Individuums.
Wie faſt alle feiner Dichtergenoffen in Djterreich hatte aud)
Lenau unter dem Drude des Polizeiftaates zu leiden. Seit der Juli—
revolution waren die Preßpladereien geradezu unerträglich geworden;
jede liberale Regung ward in der empörenditen Weife mit Waffen:
gewalt unterdrüdt; überall zeigte ji) das Streben, die wenigen ver-
fajjungsrechtlichen Zugeftändnifje, weldje man gemacht hatte, einzu-
ihränfen und die Milttärdejpotie mit Hervorhebung der chriftlichen
Staatsidee durchzuführen. Der Hannoverjche Verfaſſungsbruch (5. Juli
1837) enthüllte die Ziele diefer Volitif, während die wahre Volks—
jtimme aus der Anerkennung, welde die Nation den Göttinger
Sieben zollte, zu entnehmen war. Es gewährte Yenau eine Herzens-
erleichterung, feine politiichen Anjichten einmal franf und frei aus-
Iprehen zu können. Den tiefen, grimmigen Haß gegen die Deipotie
hauchte er jeinem Savonarola ein, der, ein zweiter Marquis Poſa,
die Freiheit des Volkes von feinem Fürften zurücverlangt. Aber es
jind nicht mehr die flammenden Ziraden, die von der dee der
Humanität ausgehen und zum Weltbürgertum führen: der ganze
himmeljtürmende Radifalismus, der Freiheitsrauſch der Vorrevolu—
tiongepodje ift dahin; man ift ernüchtert, felbjt im liberalen Lager
reaktionärer geworden: man ftrebt zwar, die Feſſeln zu lodern, aber
ſich ihrer jemals ganz zu entledigen, hofft man gar nicht mehr; man
fordert nur die Nüdgabe der alten Rechte und verzichtet auf die
Gewinnung neuer. Diefen mäßigen Wünſchen, die damals freilich
ſchier unerfüllbar jchienen, hat auch Lenau Ausdrud verliehen und
damit allen jenen aus dem Herzen geredet, die nod) nicht jedes Hoffen
aufgegeben hatten, zugleich aber auch alle jene herausgefordert, die
ſich — natürlich zu ihrem Vorteil — mit dem Bejtehenden als dem
Euphorion IV. 6
82 E. Caſtle, Nicolaus Lenaus „Zavonarola”.
Notwendigen und einzig Vernünftigen oder in Befolgung ihrer ver
meintlichen chriſtlichen Unterthanenpflicht bereits abgefunden hatten.
Der Gedanke von der Notwendigkeit einer Wiedergeburt, welcher
Lenaus Geiſt ſolange bewegt hatte, der in den Geſprächen mir Var.
tenjen ausgereift worden war und fid) nun als llberzeugung cein-
gewurzelt hatte, fand im Zavonarola programmatijchen Ausdrud:
die jtaatlidhen und die religiöjen Zuſtände waren brüchig geworden,
fie bedurften einer Renaiſſance: doch nicht durch die Atederbelebung
der Antife, jondern durch das Chriſtentum Jollte fie zu jtande kommen.
Tas waren die „ricdhtenden und freimachenden Worte“, die Yenau
in jeine Zeit hineinzuiprechen vermochte. Aber wie Hamlet munte
wohl aud er denken:
„Die Zeit it aus den Fugen: Schmach und Sram,
Daß id) zur Welt, fie einzurichten, kam!“
IV. Aufnahme und Beurteilung.
„Dein Zavonarola iſt nun in die Welt gezogen aus der heim
lichen Selle, meinem Herzen: er wird übel fahren, denn an jeinen
Namen bat ſich das Unglück gehängt in einem Yeben, und cs wird
ihm tren bleiben auch in jeiner poetiſchen Wiedergeburt. Tas Unglück
it wohl die treueſte Zcele auf Erden. Alte diejenigen, welche bei
Yelung diejes Buches ſich ihrer ipefulativen und religiöjen Impotenz
bewusst werden, müſſen dasjelbe notwendig anfeinden, um ſich in
ihren eigenen Augen zu retten. Man wird Lieber ein Buch verwerfen
wollen als jich jelbit. Religiöſe und poctiiche Empfänglichkeit finden
jich jelten einzeln in den Meenichen, zuſammen aber gar jelten. Hiermit
find die Grenzen der Ropularität meines Werkes ſchon geftedt von
vornherein. Daß die Poeſie den profanen Schmutz wieder abwaichen
müſſe, den ihr Goethe durch 50 Jahre mit klaſſiſcher Dand gründlich
einzureiben bemüht war: daß die ‚zreiheitsgedanfen, wie fie jetzt ge
jungen werden, nichts jeien als ein konventioneller Trödel: day eine
Zeit fommen werde, wo das jert für Unſinn Geltende ſich als Tiei
jinn erweiſen joll, davon haben nur wenige eine Ahnung. Tie
Morgenſtrahlen einer wahrhaft geweihten Kunſt werden immer nur
die Dergesgipfel empfangen, in den Schluchten aber werden jie nie
populär werden, weil die Zonne in die leptern erit hinabichaut,
wann der Dlorgen bereits vorüber iſt.“!.
Yenau hatte fi) in dieſer Vorausſicht nicht getäuſcht.
1) Brief on Emilie (Wien, 30. Oktober 1837), fiche Zr. X. Zchlofiar, Nicolaue
Lenaus Briefe an Emilie von Reinbeck, Stuttgart 1896, 2.102. — Tiefe Publı
fatıon konnte erfi bei der Korreltur der leiten Bogen eingeſehen werben.
E. Caftle, Nicolaus Lenaus „Savonarola“. 83
Der erite, der den Savonarola fritifc beiprad), war Wolfgang
Menzel (Litteraturblatt 1837, 29. Dezember, Nr. 132). Wie einjt
Schlegel den jungen Tief und Adam Müller H. v. Kleift als die
Erfüllung ihrer Doftrinen ausgefpielt hatten, jo machte jett Menzel
Lenau wider Willen zu feinem Gefolgsmann und reflamierte ihn für
jeine Schule als teutfchchriftlichen Dichter; mit einem gewifjfen Scheine
von Berechtigung: war doch aud) er Strauß und Heine entgegen-
getreten, ein Feldzug, der ihm allerdings eine Scjlappe nad) der
andern eintrug. Menzel lobt den Savonarola über alle Maßen;
„das Gedicht ſei durchörungen von zarter Poefie wie von einer
chriſtlichen Kraft, die bei den Dichtern fo äußerſt felten geworden,
dag fie nicht verfehlen werde, als etwas Neues aufzufallen“. Nur
die Schlußſcene jcheint ihm zu jentimental, zu verjühnungs- und
rührjelig. Und nun jchlägt er in jeiner befannten Art gegen das
Zeitalter los, „in weldyem man mit allen möglichen, jelbjt den Fleinjten
Gefühlen poetifch Fofettiert und des ſtärkſten und tiefjten, des reli-
giöſen, jich jchämt, als ob es gleichſam unſchicklich wäre, ein Chrijt
zu fein. Bedenft man (fährt er fort), wie geflifientlic) nach und nad)
jede Erinnerung und hauptſächlich auch der Name Chriſti aus unferer
Poeſie verbannt worden ilt, jo darf man jich freilich nicht wundern,
daß zulegt die Sguden geglaubt haben, man werde ihnen die deutiche
Poeſie in Pacht geben“. In einem Schlußfapitelchen, deſſen Spige
natürlich gegen Heine gerichtet ift, Fündigt er eine chriftliche Reaktion
al3 unvermeidlid, an und erklärt, es Lenau Hoch anzurechnen, im
Beiſpiel vorangegangen zu jein.
Die Heine nahejtehenden Journale Liegen einen folchen Angriff
jelbftverftändlich nicht unbeantwortet, zumal ſie feinen Grund hatten,
Lenau, in dem fie nur Menzels „verjificierenden Scildfnappen“
ſahen, zu fchonen. Hatte er doc, fchon lange bei ihnen etwas auf
dem Kerbholz, war doch der Furzfichtige Rüdzug, den Schwab mit
Lenau und den fchwäbiicdhen Dichtern angetreten hatte, als Chamiſſo
den „Deutichen Muſenalmanach“ auf 1837 mit Heines Bildnis er:
ſcheinen laſſen wollte, noch unvergefjen und unvergolten. Gutzkows
„Zelegraph für Deutichland“ (März 1838, Nr. 39, ©. 305/8)
bradjte denn auch in einem mit €. v. d. H. gezeichneten Artikel die
Antwort, welche Menzel nicht minder galt als Lenau. Die Kritik,
heißt es hier, habe einen Dichter verdorben; der Savonarola fei
nicht zu Ende zu lefen; mit „Phrajen von Schemen der Wirklichkeit“
werde gegen die Wiflenichaft gefämpft und gegen Strauß eine metrifche
Differtation geliefert. Lenau, deſſen lyriſche Gedichte äußerjt lobend
beiprochen werden, jei vom Liberalismus abgefallen und zu Menzels
Apotheker herabgefunfen, habe nad) deſſen Herz einen Yauft gedichtet,
der mit dem Meifterwerfe Goethes — diejer verfleifchten Antipathie
6*
84 E. Caſtle, Nicolaus Fenaus „Zavonarola*.
Menzels — rivalijieren jollte. „Yenau verjündigte ji) an Deutich:
land, das ihm jo bereitwillig Thür und Thor geöffnet; es hatte ihn,
obgleid; er ald Mephifto kam, dennoc aufgenommen, und jich da,
der Mephiſto ward ein Pudel. TDerjelbe welke Yorbeerfranz, der
Tholuck und Ullmann fränzte, wurde auf Lenaus Schläfe gedrüdt,
und Lenau fühlte jich jelig und verpflichtet.“ Er habe viel ver:
ſprochen und dag Nerjprochene nicht gehalten, „es ift halt nichts!“
Lenau blieb die Antwort nicht jchuldig. Im „Stuttgarter
Morgenblatt” veröffentlichte er einzeln, in jeinen „Neueren Gedichten‘
(1838) gelammelt, eine Reihe Kleinerer Gedichte gegen jeine Recen—
jenten, die alle in der ſelbſtbewußten Abjage gipfeln:
Wenn mir's beliebt, werd’ ich hier Blumen pflüden,
Wenn mir’$ beliebt, werd' ic von Freiheit fingen;
Tod nimmermehr laſſ' ih von Eud mich dingen!
Und ‚Einem unberufenen Lober“ Menzel; widmete er den ier-
zeiler:
Ich trink' ihn ichon den Becher der Begeiſt'rung,
Jh brauche nicht, daß du mich muvitiereſt,
Daß du mit ekelnd jürer Lobeskleiſt'rung
Als Mundſchent mir den remen Rand beſchmiereſt.
(Eines dieſer Gedichte „An einen Dichter“ ſchenkte er im Manu
ſtript einem jungen deutſchböhmiſchen Dichter, der eben damals nad)
Wien übergeſiedelt und mit Lenau bekannt geworden war, dei heute ganz
vergellenen Uffo Dorn. Und dieier verfante, die günftige Gelegenheit,
mit einer der Größen der Seit anzubinden, benützend, ein „Offenes
Schreiben an Karl Gutzkow“ mir den langathmigen Titel: „Nicolaus
Lenau, jeine Anlichten und Tendenzen mit bejonderer Dindentung auf
fein neueſtes Werk Zavonarola” Hamburg, Hoffmann und Gampe
1838... Er verteidigt zunächſt Yenau gegen die wider ihn erhobenen
Vorwürfe, dan er von jeinen früheren liberalen Anfichten abgefallen
jet und zum Pietismus, fowie zur Myſtik hinneige; cr dementiert
in Yenans Namen jede Berbindung mit Menzel; der Zavonarola
ſelbſt ericheint ihm jo jelbitändig und eigentümlich, daß er mit keinem
Werke in der ganzen deutichen Yitteratur verglichen werden könne,
feines auch nur den Vergleich aushalte: er findet darin „Verſe, wie
fie noch fein Deutſcher gedacht und gemacht hat, etwas Derrliches
und Nollendetes in jener Art“ und stellt Lenau einfach auf eine
Ztufe mit Galderon.
Solch anmarender Ton erwarb dem Zchriftchen wenig Freunde
und jchadete mittelbar Yenaus Sache. Tieier ſchrieb Zophien aus
Wien am 23. Auguft 1838 - Schurz 1, 377.: „... Sie haben redit,
E. Eaftle, Nicolaus Lenaus „Savonarola”. 85
daß ich das ruhige Iſchl verlaffen habe, um mich in eine Welt des
Streited und Ärgers zu begeben. Man will mid) in meiner eigenen
Galle weich machen und zu einer fnetbaren Maffe macerieren. Man
wird aber nicht erreichen, wag man will. Meinen größten Streit
führe ich mit mir ſelbſt, indem ich der Galle den Fluß nicht geitatte.
Mein Savonarola hat mir die Meute an die Ferſen gezogen.
Kränfender bitterer Welthaß hat ſich bereit3 vor 300 Jahren an
diegen Namen geheftet; untrennbar und unverjöhnlich haftet er nod)
an demjelben. Indem ich ihn auf meine Leier nahm, ihn nod) ein-
mal durch die Welt zu tragen, Ind ich zugleich einen Kleinen geringen
Teil jeines Verhängniffes auf mein Leben, und wahrlich, der Held
müßte jich feines Sängers jchämen, wenn fich diejer dabei ungeberdig
anjtellte. Was mir auch an Mißhandlungen widerfahren mag, ich)
will es betrachten al3 die Beendigung meines Gedichts, als die legte
iharfe Feile, welche mein Geſchick daran legt.
„Es iſt feltfam und fieht einer Fügung nicht unähnlid, daß
“gerade in der Beit, wo in der Heimat die Verfolgung gegen mid)
losbricht, mir vom Ausland her Zeichen der höchſten Liebe und
Anerfennung fommen. In den Berliner Jahrbüchern für wiljen-
ihaftliche Kritik fand ich am erjten Tage meines Hierſeins eine
Necenfion meines Savonarola von dem ausgezeichneten Lange in
Duisburg, worin diefem Buche nicht bloß eine poetijche, fondern —
ſozuſagen — aud) eine welthijtoriiche Bedeutung beigelegt wird, worin
mein Gedicht als ein Gericht gegen den verftocdten Abjolutismus
meines Vaterlandes und als Zukunftszeichen für diejenige Sphäre
des geijtigen Lebens aufgefaßt wird, in welcher es gewadjen. Das
ift die höchſte Ehre, die mir jemals zuteil werden fonnte. Freilich
wird ji) das Organ ſolchen Gerichtes gefallen laſſen müſſen, daß es
vom Gerichteten hinwiederum gerichtet wird; doch der lektere ſetzt
damit nur das Geſchäft des erjteren fort, indem er fi) felbit
richtet.
Die erwähnte Necenfion Langes in dem Hauptorgan der Hegel:
ihen Schule (Jahrbücher für wiſſenſchaftliche Kritik, Juli 1838,
Nr. 17, XIV) ift thatjächlich überaus ehrenvoll, allerdings in ein-
feitig proteftantijchem Sinne. Lange erfannte richtig, daß Lenaus
Geiftesrichtung im Savonarola die des echten Protejtantismus ijt,
auf dem pofitiven chriftlihen Glauben und Lebensgrund beruhend.
„Und wenn auch hier das evangelifche Grunddogma von der Recht:
fertigung in Chrifto nicht ftarf und mit Klarheit entwidelt hervor:
tritt, jo beruht doch der ganze Gegenfat gegen die Satung und
Verderbnis in der Kirche auf fühlbarem Glaubensernft, auf der
Verinnerlihung des Chriſtenſinns durch den Geift des Gebets, auf
der alleinigen Erlöjung durch Chriftum, auf der Forderung, daß der
86 E. Caſtle, Nicolaus Lenaus „Zavonarola“.
Sinn und Wandel der Chriſten in Zucht und Sitte gereinigt und
geheiligt werde, beſonders aber auf der Hoffnung einer künftigen
Erneuerung der Kirche und chriftlichen Weltverklärung, für welche
aud) Zavonarola ein Vorzeichen und Xorarbeiter gemwejen tft.“ Der
Vorwurf der Sentimentalität in der Zubalcepijode, den jelbit Uffo
Horn als gerechtfertigt einräumte, führt er auf Menzels „ipecielle
Gereiztheit gegen das Judentum“ zurüd, jedenfalls jet er unbegründet
und ungerecht. Die Poejie Lenaus habe cine ideale Tendenz, durd)
welche jie jich über den Charakter der gemeinen Poejie erhebe. „Die
idealen (Srundtöne aber, Momente des Ewigen, find es, mweldye den
Tichtungen bleibenden Wert geben: den Wert zu bleiben.“
Ende diefes Jahres wurde Yenau auch eine Würdigung des
Savonarola von fatholiiher Seite befannt. Er jchrieb über jie am
15. Januar 1839 aus Wien an Emilie Schurz 2, 1,5: „Eine jehr
gründliche, geiftvolle und rühmliche Necenjion meines Zavonarola
und gejamten Tichterjtrebens findet ſich im 27. Defte der Bonner
Zeitichrift für Philoſophie und fatholiihe Theologie“ Koblenz,
Nädeler 1838. Wien bei Herold. Sie iſt von J. M. Koch verfant
und behandelt außer Yenaus Gedicht noch die Geſchichtswerke von
Rudelbad und Meier, ein Meifterjtiie in ihrer Art. sähe an des
Yehrbegriff der Kirche feithaltend, gelingt es dem Mecenjenten doch,
jeinen Dorizont weit und frei zu halten. Yenau iſt ihm der größte
unter den lebenden Tichtern; er rühmt ihm rnit der Geſinnung,
Reichtum und Glut der Taritellung, Innigkeit des Gefühle, Plaſt:it
der Gharaftere, Wahrheit und Tiefe der Naturanſchauung nad,
Elemente, die des höchiten Aufichwungs fähig jeien. Im Savonarola
habe er jicd) den Nampf des Chriſtentums gegen die heidnifche Weis
heit, irdijche Weltklugheit, rohe Gewalt zum (Hegenftand genommen;
einzelne Scenen dieſes Nampfes Weihnacht, Antwort, der Tod
Yorenzos, Tubal, die Peit: ericheinen ihm als Meiſterſtücke der
Sprache und des Gedankens. Tas Ghriftentum als jolches findet
Rod) kaum übertreffbar dargeftellt; „aber doc liegt eine Umahrbeit
in dem Wert, die jich jchon gleich im Gingang ausjpricht, da, mo
Savonarola ſich Huß zum Vorbild jeiner Wirkſamkeit wählt, und
diefe ift die Verfennung des organischen Charakters der Menſchheit,
der Notwendigkeit des hiftoriichen Staates und der hiftoriichen Kirche.“
Wie cs fein Heil ohne Chriſtum gebe, jo jei auch fein Chriſtus dent:
bar ohne cine fichtbare, vom Episkopat und dem ihm gegebenen
Primate abhängige Kirche, in welcher zwar jedem einzelnen freier
Kaum zum Guten wie zum Böſen gegeben, und ihm das Urteil
freiiteht über Gut und Schlecht, wo er aber eine von ihm unab
hängige Autorität anerfennen muß, der er zu gehorchen hat, auch
wenn er gern anders wollte. „Wer dann die Kirche in ihrem ob:
E. Caſtle, Nicolaus Lenaus „Savonarola®. 87
jettiven Beſtand erfaßt, dem fann am Ende aud die Erfenntnis des
Staates in feiner hijtorischen Gegebenheit nicht entgehen.“
Zwijchen diefen Polen von aufgedrängter und aufdringlicher
‚sreundfchaft, von Orthodorie hüben und drüben hält die Mitte die
Kritif eine Ungenannten in den „Blättern für Titerarijche Unter-
haltung” (1838, Nr. 217/8); aber darin geht fie wieder viel weiter
als jene, daß fie den Savonarola wohl als eine jchön gedachte,
empfundene und begonnene Dichtung, kunſtreich ausgeführt, aber
nidht als ein Kunſtwerk gelten lafjen will, al8 ein Gemachtes, Zu:
jammengefügtes, aber nicht „als ein geborene8 Organon‘‘, wo eines
aus dem andern entipringt, eines das andere bedingt, eine Not-
wendigfeit, deren Zwang man nicht fieht, von deren Kraft man hin-
geriljen wird. Der Recenſent meint, da3 Gedicht fei an dem Stoffe
gefcheitert; Savonarola jei ein herrichjüchtiger Demagoge geweſen,
tief unter einem Lorenzo ftehend. „Was (fragt er) gieng aus Savo-
narolas ſchmählichem Tod für Ktalien hervor? Der Dichter läßt einen
alten, in fürchterlichen Schmerzen abgejtorbenen, ingrimmtigen Juden
jich befehren und Chrift werden. Das ijt dichteriich ſchön erfunden,
aber was weiter?“
Endlich hielten ſich doch auch die Junghegelianer verpflichtet,
ihren Standpunkt klar zu machen. In ſechs Fortſetzungen brachten
die „Halliihen Jahrbücher” (1839, Nr. 211/6) eine Charafterijtif
Yenaus von R. E. Prutz, deren Länge fid) hinlänglid) aus dem
Mangel an neuen Gedanken erklärt. Kraft und Gabe, feinen Kampf
um Erfenntnis plaſtiſch zu geftalten, wird dem Dichter nicht be-
jtritten, aber diesmal jei es eine didaktische Polemik gegen die Er-
fenntnis der neueften Philofophie. In verdrießlicher Halbheit jtehen
bleibend, habe er die durch den politifchen Propagandismus des
fatholiichen Eiferers getrübte Geftalt Savonarolas und nicht Luther,
den fiegreichen Helden des Proteftantismus, zu jeinem Helden gemacht.
Schrittweile und doc) wie raſch jinfe er in die Blumenjümpfe
mpfticierender Borniertheit herunter. Bei der Abfichtlichfeit, welcher
der Lebenshauch, des Gedichtes jei, habe diejes felbit als Dichtung
feinen Wert. Überhaupt ſchwebe über dem Ganzen ein Nebel des
Zangweiligen, das poetiche Vermögen nehme zuſehends ab und ge-
blieben fei bloß die bänkelfängerifche Tyertigfeit des Neimens. Lenau
habe fih nicht zur Höhe feiner Zeit aufſchwingen wollen, er Tönne
jegi aicht mehr ihr Organ jein.
Aus Ofterreich liegen über den Savonarola feine Recenſionen
vor, da er hier nicht beiprochen werden durfte; die allgemeinen Geſichts—
punfte blieben jic übrigens diesfeits und jenfeits der Grenze gleich.!)
)y L. A. Franfl, Zur Biographie Nicolaus Lenaus, 2. Auflage, Wien 1885,
. 53; vgl. Schloffar, S. 10
858 E. Gaftle, Nicolaus Lenaus „Zavonarola*.
Martenſen ſchließlich (1, 216, hat im Zavonarola „Partien von
höchſter Schönheit‘ gefunden, das Ganze jei von inniger religiös
chriftliher Stimmung durcddrungen und an mehreren Stellen ſpreche
ſich eine tiefere Veyitif aus. Wenn das Gedicht trogßdem nicht An
fang gefunden habe, jo jet daran ſchuld einerjeits der gewählte
(Hegenitand, dejien reiner Eindruck durch die Vermengung des Reli-
giöjen mit dem Politiſchen getriibt werde, andererjeits die zu jtart
aufgetragene Tendenz gegen die Hegelſche Yinte.
Lenau jelbit verteidigte fi nochmals gegen alle Angriffe der
Kritif in dem Schreiben an Dermann Marggraff vom 1. November
1839 Zchurz 2, 16: „... Dan bat mich hier und dort des
Myſticismus bezüchtigt. Unverſtändiges gehäſſiges Unrecht. Daß in
meinem Savonarola mancher myſtiſche Paſſus mitunterläuft, iſt dem
Helden, nicht dem Verfaſſer des Gedichts beizumeſſen. Myſtik halte
ich für Krankheit. Myſtik iſt Schwindel. Die religiöſe Spekulation
kann allerdings eine Höhe erklettern, wo ihr wie der Sophia Acha
moth die Augen vergehen und ſie von unwiderſtehlicher Sehnſucht
getrieben wird, ſich in den Abgrund des Göttlichen zu ſtürzen; allein
jolber Zug nach der Tiefe tft eben cin Symptom des geiltigen wie
des körperlichen Schwindels. Auch babe ich dem Zaponarola nicht
geichrieben, nm eine amtibegeliche Chriltologie in Jamben zu geben.
Wenn id) mir ingenium zutranen darf, ſo war der Ausfall des
prophetiichen Zavonarola gegen die Hegelſchule nichts weiter als ein
pruritus ingeni. Die mutwilligen Strophen haben mir viel Ver
drum gemacht; doch ich berene fie nicht . . . . Durchaus unbegründet
iſt die umlaufende Meinung von einem innigern Verhältniſßt zwiſchen
Menzel und mir, als wäre ich deſſen verſificierender Schildknappe.
Ich babe alle meine Schriften ohne Rat, ja ohne Biffen des
Tr. Menzel konzipiert und ausgeführt." -- —
Tas Urteil der Zeitgenoſſen, jo problematijch es in ſeinem objektiven
Werte ijt, gehört mit zur Geſchichte eines Kunſtwerks und verdient
deshalb RBerückſichtigung in einer litterarbiltoriichen Unterſuchung.
Wir find heute durch verjchiedene Faktoren in den Ztand geiekt,
Lenaus Gedicht einiichtiger zu beurtetien, als jeine Yejer von damals:
wir wiſſen, wieſo der Tichter dazu kam, einen Zavonarola zu be
arbeiten, und welche Idee er mit diejer Arbeit verband; wir kennen
mit ziemlicher Yollitändigteit die Anregungen, die er von innen md
die er von außen empfieng: die Perſon des Dichters jelbit it für
uns eine abgeichlofiene Andividualität, wir fönnen daher dem
Savonarola den ihm gebührenden Plag in der Entwicklungs
gejhichte des Dichters anweiſen: vor allem aber: die Gegenſätze,
welche damals alle Welt bewegten, sie iind heute ein überwundener
€. Caſtle, Nicolaus Lenaus „Savonarola“ ˖ 89
Standpunkt, wir jtehen ihnen fremd und daher sine ira et studio
gegenüber.
Im Verlaufe unferer Darjtellung wurden bereits die Schön-
heiten und Mängel, welche in Kompofition und Diftion einander
gegenüberftehen, aufgezeigt und ebenjo wurde die Verzeichnung der
Charaftere und des Koſtüms feſtgeſtellt. All das hätte ſich wohl auch
dem jchärferblidenden Auge des Zeitgenoſſen nicht entzogen. Man
hat jedoch in erfter Linie die Stoffwahl als verfehlt, Savonarolas
Perjönlichkeit zu einer poetichen Behandlung als ungeeignet bezeichnet.
Es iſt richtig, daß Savonarola nicht nur religiöfe, jondern aud)
politijche Ziele verfolgte; daß jeine Politik, weldje einen engen An-
ihlug an Frankreich bezwedte, eine verfehlte war; daß bei feinem
Sturz aud) die politischen Motive den Ausichlag gaben. Aber wer
wollte es wagen, das Gebiet der Politif aus dem Stoffbereiche der
Dichtung auszuſcheiden? Auch der Einwand, hier handle es fich nicht
allein um rein politiiche Fakten, das religiöfe Moment biete die
Hauptichwierigfeit, ijt hinfällig. Wie da die Einheit herzuftellen ei,
wie fi Religion und Politif gegenfeitig beeinflufjen können, jo daß
die Handlungen auf beiden Gebieten immer aus einem Grundgedanfen
hervorzugehen jcheinen, dieje Schwierigfeit hat Lenau tadellos über-
mwunden, indem er die Xehre von der Freiheit eines Chriſtenmenſchen
in Kirde und Staat als ideelle Grundlage der Savonarolajchen
Staatsreform annahm. Was nun Savonarolas hijtorifchen Charafter
betrifft, jo hat Lenau diejen ganz richtig erfaßt, indem er Savona—
rola nicht einfeitig al3 Theologen oder Demagogen jchilderte. Der
slorentiner Mönch hat von beiden etwas: der Urquell feines Lebens
iit die Theologie; die Löſung ihrer Probleme fett er fich zur Haupt—
aufgabe; da wird er ins thätige Leben Hinausgejtoßen; ſofort als
führender Geiſt erfannt, jucht er mit nervöfer Haft und Unruhe feine
Ziele durchzufegen; getragen von der Volksgunſt, im jteigenden Ge—
fühle jeiner Geijtesjtärfe, mißt er fid) eine göttliche Sendung bei:
und nun im Augenblid der höchſten fpefulativen Erhebung gerät er
mit jich jelbit in Zwieſpalt: was beglaubigt ihn als Gefandten
Gottes? was bemweijt feine göttliche Miſſion? was offenbart, ob er
Betrogener oder Betrüger? Solche Zweifel ſchwächen, lähmen feine
Energie, er wird geftürzt; aber diejer jühe Glückswechſel giebt ihm
den Glauben an ſich ſelbſt zurüd, an jeine Wahrheit und Yauterfeit;
im Bemwußtjein, geirrt, aber nicht betrogen zu haben, geht er fröhlich
in den. Tod. Freilich hat Lenau von diefer Tragik nichts gewußt,
nichts wifjen wollen: fein Savonarola kennt feine Anfechtungen in
Stunden des Zweifels; er ijt vollfommen und gerecht, wie nur ein
Menſch überhaupt fein kann; mit einem Worte er ift ein Märtyrer,
er endet tragiſch ohne tragische Schuld. Dadurd) hat Lenau fein
90 E. Caſtle, Nicolaus Lenaus „Savonarola“.
Gedicht zu einem Märtyrerpoem gemacht, das feinen reinen Kunſt
genuß gewährt. Darum fonnte er aber auch die reellen politiichen
Siele Zuvonarolas nicht hervortreten laſſen; ſo lien er die breite
Straße der Geſchichte Links liegen und bejchritt einen Seitenweg, der
zwar jeinen Helden chriftlicher, aber weniger meuſchlich machte.
Nachdem er einmal den feiten hiftoriichen Boden verlaffen hatte,
wagte er als echter Moderner and) einen Streifzug in die Moderne:
das Koſtüm umd der Ideenkreis des 15. Jahrhunderts ſollte im
übrigen getreulich feitgehalten werden, und durd eine Erſcheinung,
welche ſich durch alle Jahrhunderte menjchlicher Geſchichte zieht und
ziehen wird, weil ſie mit den natürlichen Anlagen des Menſchen aufs
innigſte verwachſen iſt, durch die Myſtik, gedachte er dieſe heterogenen
Elemente miteinander zu verkitten: denn nicht immer war es Yenaus
Anſicht geweien, dan Wenitif Krankheit, Schwindel ſei; zur zeit
jeiner Berbindung mit Martenſen hat er jie viel höher bewertet.
Nas aber ift die ‚Folge dieler Verquickung der Vergangenheit mit
der Gegenwart? Tan der Zavonarola jenem enthaupteten Brab:
manen gleicht, den ein gültiger (Hott wieder zum Yeben erwedte; nur
hatte er ihm in der Eile den Nopf eines andern aufgejekt, jo daR
fortan Daupt und Rumpf in beitändiger Fehde lebten. Die Yitteratur:
geichichte lehrt, dan fich für Die poetiiche Nerwertung hiſtoriſcher Stoffe
nur zwei Wege als gangbar ermwicten haben: die Modernilierung des
Roftiims unter Beibehaltung des geſchichtlich überlieferten Ideen
freites oder die moderne Gefühle: und Gedankenwelt in hiftoriichem
Roftiim. Yenaus Verſuch, zwiichen dielen beiden Methoden einen
Mittelweg einzuichlagen, war von altem Anfang an lebensunfähig.
Dieſe Bedenfen, die jedem denfenden Leſer auflteigen müſſen,
einzuichläfern, hätte vielleicht doch dem Tichter gelingen können,
wenn er im Ztande geiweien wäre, ſeine dee durchzuführen. Damit
jtehen wir aber jchon wieder vor der offenen Frage: was var
venans dee? Tan ihre authentische ‚Formulierung den uriprüng
lihen Intentionen des Tichters nicht entipricht, haben wir bereits
oben gezeigt, umd unſere Unterſuchung bat zu dem Ergebniſſe
geführt, dan ee sich Yenau im Savonarola um Wenaijlance der
Moderne durch das Ghriftentum handelte. An ſich iſt dieſe Idee
natürlich nicht diskutierbar; ſie ift eine perjönliche Überzeugung, gegen
die man zwar Ztellung nehmen, die man aber nicmals vermerien
tanın. Fordern kann man jedoch, durch überzeugende Gründe möglicer-
weite jelbit für die dee gewonnen zu werden. Wer aber, frage ich,
iſt durch den Zavonarola von der Notwendigkeit einer Renaiſſance
des 15. Jahrhunderts, geichweige denn von der des neumzehnten
itberzeugt worden? Wer bat das Ruch mit innerer Berriedigung aus
der Hand gelegt? Wer hat ſich entichlofjfen, fiir den Dichter einzu
E. Schmidt, Guftav Freytag als Privatdocent. 91
treten, auf Grund feines Programms etwa eine Partei zu bilden?
Die große dee des Savonarola fand gar feinen Wiederhall, weil
man jie nidyt einmal begriff. Und der Dichter jelbjt — er hat fie
wenige Monate nad) der Vollendung jeines Werks von ſich gewiefen!
Damit fommen wir zu dem dritten Punkte, der Bedeutung des
Savonarola für die Entwidlung feines Dichters.
Lenaus Werdegang zeigt nicht den Typus: allmähliches Wachs—
tum, einen Augenblid der Größe und dann langjames Abwärts-
Ichreiten; er hat fich vielmehr mit einem Sprunge den Beſten feiner
Zeit zugefellt, aber zu einem Momente abjoluter Größe iſt es bei
ihm nicht gefommen: es ift beim Ringen nad) diejer Stellung ge-
blieben. Keines jeiner großen Werfe Tann al3 „vollkommen“ bezeichnet
werden: jie find nicht3 als Neflere jenes Kampfes, Stimmungsbilder,
Durdjgangsitationen; von diejen iſt die Gläubigfeitsepoche entichieden
die fürzejte; fie ält mit der Entſtehungszeit des Savonarola zu—
ſammen, und wir haben bereits gezeigt, wie Lenau durch äußere
Einflüſſe in dieſe Stimmung hineingetrieben wurde, in der er ſich
nie behaglich fühlte; die ihm erzwungene Ruhe gab und ihn ſchließlich
wieder nur unbefriedigt zurüdließ. Seine Domäne ijt der Schmerz,
der Zweifel; in jeinen Wunden zu wühlen, iſt ihm ein Vergnügen;
jie aber vom Balfam des Chriftentums beträufeln zu lafjen, war
jeiner Natur zumider, unerträglich. So werden wir denn aud) jenem
Gedichte, deffen Held der Zweifel ijt, in dag er feinen ganzen Schmerz,
die ganze Zerrifjenheit feiner Seele hineingelegt hat, den „Albigenjern“,
den erjten Plat unter Lenaus Dichtungen einräumen: dem Savona-
rola, einem UÜbergangsproduft, gebührt er nicht. — —
So vielgeftaltig wie dag Urteil der Beitgenojjen wird auch das
der Litteraturgejchichte über diejes Werf bleiben, je nad) der reli-
giöjen und politijchen Überzeugung des Kritifers; nie aber wird es
gelingen, einzig und allein aus äſthetiſchen Gefichtspunften eine Formel
für diejes ſeltſame Zeichen feiner Zeit zu finden, dejjen Los es iſt,
den einen ein Ärgernis, den andern ein Spott zu fein.
Guſtav Freytag als Brivatdorent.
Bon Erich Schmidt in Berlin.
Herr Geh. Oberregierungsrat Dr. Althoff hatte die große Güte,
mir aus freien Stüden drei Aktenfascifel über Freytags Docenten-
84 E. Caſtle, Nicolaus Lenaus „Zavonarola“.
Menzels — rivalifieren jollte. „Yenau verjündigte jid an Teutich-
land, das ihm jo bereitwillig Thür und Thor geöffnet; es hatte ihn,
obgleich er als Mephifto kam, dennoch aufgenommen, und jieh da,
der Mephiſto ward cin Pudel. Terjelbe welte Yorbeertranz, der
Tholuf und Ullmann fränzte, wurde auf Yenaus Schläfe gedrüdt,
und Lenau fühlte ſich jelig und verpflichtet.“ Er habe viel ver:
iprochen und das Verſprochene nicht gehalten, „es iſt halt nichts!“
Lenau blieb die Antwort nicht jchuldig. Im „Stuttgarter
Morgenblatt“ veröffentlichte er einzeln, in jeinen „Neueren Gedichten‘
(1838) gejammelt, eine Reihe Kleinerer Gedichte gegen jeine Mecen
jenten, die alle in der ſelbſtbewußten Abjage gipfeln:
Wenn mir's belicht, werd’ ich hier Blumen pflüden,
Wenn mir’s beliebt, werd" ich von Freiheit fingen;
Tod nimmermehr laſſ' ih von Euch mid dingen!
Und ‚Einem umberufenen Yober“ Menzel: widmete er den Xier
Zeiler:
Ih trink' ihn Schon den Becher der Begeiſt'rung,
Ic brauche nicht, dag du mid) invitiereft,
Za du mit efelnd ſüßer Lobeskleiſt'ruug
Als Mundſchenkt mır den reinen Rand beichmtereit.
Eines diejer Gedichte „An einen Dichter‘: jchenfte er im Manu
jfript einem jungen deutichböhmiichen Tichter, der eben damals nad)
Wien übergeſiedelt und mit Lenau bekannt geworden war, dem heute ganz
vergeifenen Alifo Dorn. Und dieſer verfaßte, die günftige Gelegenheit,
mit einer der Größen der Seit anzubinden, benügend, ein „Offenes
Schreiben an Karl Gutzkow“ mit dem langathmigen Titel: „Nicolaus
Yenau, jeine Anichten und Tendenzen mit bejonderer Dindentung auf
fein neueſtes Werk Zavonarola” Hamburg, Doffmann und Campe
1838. Er verteidigt zunächſt Yenau gegen die wider ihn erhobenen
Vorwürfe, dan er von jeinen früheren Liberalen Anjichten abgefallen
fei umd zum Pietismus, ſowie zur Myſtik hinmeige; er dementiert
in Lenaus Namen jede Nerbindung mit Veenzel; der Zavonarola
ſelbſt erſcheint ihm ſo Jelbjtändig und eigentümlich, day er mit feinem
Werke in der ganzen deutſchen Litteratur verglichen werden könne,
keines auch nur den Vergleich aushalte; er findet darin „Verſe, wie
ſie noch kein Deutſcher gedacht und gemacht hat, etwas Herrliches
und Vollendetes in ſeiner Art“ und jtellt Lenau einfach auf eine
Ztufe mit Galderon.
Solch anmanender Ton erwarb dem Zchriftchen wenig Freunde
und jchadete mittelbar Yenaus Zadje. Dieſer ſchrieb Zophien aus
Wien am 23. Auguit 1838 Schurz 1, 377: „u... Sie haben recht,
E. Caſtle, Nicolaus Lenaus „Savonarola”. 85
dag ich das ruhige Iſchl verlafjen habe, um mid, in eine Welt des
Streite3 und Argers zu begeben. Man will mid) in meiner eigenen
Galle weich machen und zu einer Inetbaren Maſſe macerieren. Man
wird aber nicht erreichen, wa8 man will. Meinen größten Streit
führe ich mit mir felbft, indem ich der Galle den Fluß nicht geitatte.
Mein Savonarola hat mir die Meute an die Ferſen gezogen.
Kränfender bitterer Welthaß hat ſich bereits vor 300 fahren an
diegen Namen geheftet; untrennbar und unverjöhnlich haftet er noch
an demſelben. Indem ich ihn auf meine Leier nahm, ihn noch ein—
mal durch die Welt zu tragen, lud ich zugleich einen kleinen geringen
Teil ſeines Verhängniſſes auf mein Leben, und wahrlich, der Held
müßte ſich ſeines Sängers ſchämen, wenn ſich dieſer dabei ungeberdig
anſtellte. Was mir auch an Mißhandlungen widerfahren mag, ich
will es betrachten als die Beendigung meines Gedichts, als die letzte
ſcharfe Feile, welche mein Geſchick daran legt.
„Es iſt ſeltſam und ſieht einer Fügung nicht unähnlich, daß
gerade in der Zeit, wo in der Heimat die Verfolgung gegen mich
losbricht, mir vom Ausland her Zeichen der höchſten Liebe und
Anerkennung kommen. In den Berliner Jahrbüchern für wiſſen⸗
ſchaftliche Kritik fand ich am erſten Tage meines Hierſeins eine
Recenſion meines Savonarola von dem ausgezeichneten Lange in
Duisburg, worin diefem Buche nicht bloß eine poetijche, Jondern —
jozufagen — aud) eine welthijtorijche Bedeutung beigelegt wird, worin
mein Gedicht als ein Gericht gegen den verjtodten Abjolutismus
meines Vaterlandes und al3 Zufunftszeihen für diejenige Sphäre
des geijtigen Lebens aufgefaßt wird, in welcher es gewachſen. Das
ijt die höchite Ehre, die mir jemals zuteil werden fonnte. Freilich
wird ſich das Organ folchen Gerichtes gefallen laſſen müffen, daß es
vom Gerichteten hinmwiederum gerichtet wird; doch der letztere jetzt
damit nur das Geichäft des erjteren fort, indem er fich ſelbſt
richtet .
Die erwähnte Necenfion Langes in dem Hauptorgan der Hegel:
ihen Schule ( (Jahrbücher für wiffenihaftliche Kritik, Juli 1838,
Nr. 17, XIV) iſt thatfächlic überaus ehrenvoll, allerdings in ein-
jeitig protejtantijchem Sinne. Lange erfannte richtig, daß Lenaus
Geijtesrihtung im Savonarola die des echten Protejtantismus ijt,
auf dem pofitiven chriftlichen Glauben und Lebensgrund beruhend.
„Und wenn auch hier das evangeliiche Grunddogma von der Recht:
fertigung in Ehrifto nicht jtarf und mit Klarheit entwidelt hervor-
tritt, jo beruht doch der ganze Gegenjat gegen die Sakung und
Verderbnig in der Kirche auf fühlbarem Glaubensernjt, auf der
Verinnerlihung des Ehrijtenfinns durch den Geiſt des Gebets, auf
der alleinigen Erlöfung durch Chriftum, auf der Forderung, daß der
86 E. Caſtle, Nicolaus Lenaus „Zavonarola”.
Sinn und Wandel der Chriſten in Zucht und Sitte gereinigt und
geheiligt werde, beſonders aber auf der Hoffnung einer künftigen
Erneuerung der Kirche und chriſtlichen Weltverklärung, für welche
auch Savonarola ein Vorzeichen und Vorarbeiter geweſen iſt.“ Der
Vorwurf der Sentimentalität in der Tubalepiſode, den ſelbſt Uffo
Horn als gerechtfertigt einräumte, führt er auf Menzels „ſpecielle
Gereiztheit gegen das Judentum“ zurück, jedenfalls ſei er unbegründet
und ungerecht. Die Poeſie Lenaus habe eine ideale Tendenz, durch
welche ſie ſich über den Charakter der gemeinen Poeſie erhebe. „Die
idealen Grundtöne aber, Momente des Ewigen, ſind es, welche den
Dichtungen bleibenden Wert geben: den Wert zu bleiben.“
Ende dieſes Jahres wurde Lenau auch eine Würdigung des
Savonarola von katholiſcher Seite bekannt. Er ſchrieb über ſie am
15. Januar 1839 aus Wien an Emilie Schurz 2, 1): „Eine ſehr
gründliche, geiſtvolle und rühmliche Recenſion meines Savonarola
und geſamten Dichterſtrebens findet ſich im 27. Hefte der Bonner
Zihrif firr Philoſophie und katholiſche Theologie“ Koblenz,
Bädeker 1838. Wien bei Gerold... Sic iſt von J. M. Koch verfaßt
und behandelt außer Lenaus Gedicht noch die Geſchichtswerke von
Rudelbach und Meier, ein Meiſterſtück in ihrer Art. Zähe an dem
Lehrbegriff der Kirche feſthaltend, gelingt es dem Recenſenten doch,
ſeinen Horizont weit und frei zu halten. Lenau iſt ihm der größte
unter den lebenden Dichtern; er rühmt ihm Ernſt der Geſinnung,
Reichtum und Glut der Darſtellung, Innigleit des Gefühls, Plaſtit
der Charaktere, Wahrheit und Tiefe der Naturanſchauung nach,
Elemente, die des höchſten Aufſchwungs fähig ſeien. Im Savonarola
habe er ſich den Kampf des Chriſtentums gegen die heidniſche Weis
heit, irdiſche Welttlugheit, rohe Gewalt zum Gegenſtand genommen;
einzelne Scenen dieſes Kampfes Weihnacht, Autwort, der Tod
Lorenzos, Tubal, die Peit: erſcheinen ihm als Meiſterſtücke der
Sprache und des Gedankens. Tas Ghriftentum als joldyes findet
Rod kaum übertreffbar dargeftellt; „aber doch liegt eine Inwahrheit
in den Wert, die ſich ſchon gleidy im Eingang ausſpricht, da, mo
Savonarola ſich Huß zum Vorbild jeiner Wirfiamteit wählt, und
dieje ift die Verfennung des organischen Charafters der Menſchheit,
der Notwendigkeit des hiftoriichen Staates und der hiftorifchen Kirche.“
Wie cs fein Heil ohne Ehriftum gebe, jo jei auch fein Chriſtus dent:
bar ohme eine fichtbare, vom Episkopat und dem ihm gegebenen
Primate abhängige Kirche, in welcher zwar jedem einzelnen freier
Raum zum Guten wie zum Böſen gegeben, und ihm das Urteil
freifteht über (Hut und Schlecht, wo er aber eine von ihm unab-
hängige Autorität anerkennen muß, der er zu gehorchen hat, auch
wenn er gern anders wollte. „Wer dann die Kirche in ihrem ob-
E. Caftle, Nicolaus Lenaus „Savonarola*. 87
jeftiven Beitand erfaßt, dem kann am Ende aud) die Erfenntnis des
Staates in jeiner hiftorischen Gegebenheit nicht entgehen.”
Zwiſchen diefen Polen von aufgedrängter und aufdringlicher
Freundſchaft, von Orthodorie hüben und drüben hält die Mitte die
Kritif eines Ungenannten in den „Blättern für literarifche Unter:
haltung“ (1838, Nr. 217/8); aber darin geht fie wieder viel weiter
als jene, daß fie den Savonarola wohl al3 eine jchön gedachte,
empfundene und begonnene Dichtung, kunſtreich ausgeführt, aber
nicht als ein KRunftwerf gelten lafjjen will, al3 ein Gemacdhtes, Zu:
jammengefügtes, aber nicht „ala ein geborene Organon‘‘, wo eines
aus dem andern entjpringt, eines das andere bedingt, eine Not-
wendigfeit, deren Zwang man nicht fieht, von deren Kraft man hin-
gerilien wird. Der Recenſent meint, das Gedicht fei an dem Stoffe
geicheitert; Savonarola ſei ein herrichjüchtiger Demagoge geweſen,
tief unter einem Lorenzo ftehend. „Was (fragt er) gieng aus Savo-
narolas ſchmählichem Tod für Italien hervor? Der Dichter läßt einen
alten, in fürdhterlichen Schmerzen abgejtorbenen, ingrimmigen Juden
ich befehren und Ehrift werden. Das ijt dichterifch jchön erfunden,
aber was weiter ?“
Endlih hielten jid) doch aud) die Junghegelianer verpflichtet,
ihren Standpunkt Har zu machen. In ſechs Fortjegungen brachten
die „Halliihen Jahrbücher“ (1839, Nr. 211/6) eine Charafterijtif
Lenaus von R. E. Pruß, deren Länge ſich hinlänglid) aus dem
Mangel an neuen Gedanken erklärt. Kraft und Gabe, feinen Kampf
um &rfenntnis plaſtiſch zu gejtalten, wird dem Dichter nicht be-
jtritten, aber diesmal jei es eine didaktiſche Polemik gegen die Er-
fenntnis der neueften Philofophie. In verdrieglicher Halbheit ftehen
bleibend, habe er die durch den politifchen Propagandismus des
fathofifchen Eiferer3 getrübte Geftalt Savonarolas und nicht Zuther,
den ſiegreichen Helden des Proteftantismus, zu jeinent Helden gemacht.
Scrittweile und doc) wie rajch ſinke er in die Blumenfümpfe
myſticierender Borniertheit herunter. Bei der Abfichtlichkeit, welcher
der Lebenshauch des Gedichtes jei, habe diejes ſelbſt als Dichtung
feinen Wert. Überhaupt fchwebe über dem Ganzen ein Nebel des
Langweiligen, das poetiiche Vermögen nehme zuſehends ab und ge-
blieben ſei bloß die bänfeljängeriiche Fertigkeit des NReimens. Lenau
habe ſich nicht zur Höhe feiner Zeit aufſchwingen wollen, er Tönne
jegi “icht mehr ihr Organ jein.
Aus Oſterreich Tiegen über den Savonarola feine Recenſionen
vor, da er hier nicht befprochen werden durfte; die allgemeinen Geſichts—
punkte blieben jich übrigens diesfeits und jenfeits der Grenze gleich.')
) L. A. Frankl, Zur Biographie Nicolaus Lenaus, 2. Auflage, Wien 1885,
S. 53; vgl. Schlofjar, S. 109.
88 E. Caftle, Nicolaus Lenaus „Zavonarola*.
Martenſen jchlieplich (1, 216; hat im Zavonarola „Partien von
höchſter Schönheit” gefunden, das Ganze jei von inniger religiös
chriftliher Stimmung durchdrungen und an mehreren Stellen ſpreche
jid) eine tiefere Deiyitit aus. Wenn das Gedicht tropdem nicht An
Hang gefunden habe, jo jet daran jchuld einerjeits der gewählte
(Hegenitand, dejien reiner Eindrud durd die Vermengung des Meli-
giöjen mit dem Politiſchen getrübt werde, andererjeits die zu ftart
aufgetragene Tendenz gegen die Hegelſche Yinte.
Yenau jelbit verteidigte ſich nochmals gegen alle Angriffe der
Kritik in dem Schreiben an Hermann Marggraff vom 1. November
1839 Schurz 2, 16: „... Man hat mid hier und dort des
Myſticismus bezüchtigt. Unverftändiges gehäjliges Unrecht. Daß in
meinem Zavonarola mancher myſtiſche Paſſus mitunterläuft, iſt dem
Helden, nicht dem Verfaſſer des Gedichts beizumeſſen. Weyſtik halte
ich für Krankheit. Venitik iſt Schwindel. Die religidie Spekulation
fann allerdings eine Höhe erflettern, wo ihr wie der Zophia Acha
moth vie Augen vergehen und fie von ummiderjtchlicher Sehnſucht
getrieben wird, fi in den Abgrund des (Hörtlichen zu ſtürzen;: allein
ſolcher Zug nach der Tiefe iſt eben cin Symptom des geiſtigen wie
des förperlichen Zchwindels. Auch babe ich den Zavonarola nicht
geichrieben, nm eine antihegeliche Chriitologie in Jamben zu geben.
Wenn ich mir ingenium zutrauen Dart, jo war der Ausfall des
prophetiihen Zavonarola gegen die Degelichule nichts weiter als ein
pruritus ingent. Die mutwilligen Ztropben haben mir viel Ber:
drum gemacht; doch ich bereue Sie nicht . . . Turcaus unbegründet
ift die umlaufende Meinung von einem inmigern Verhältniß zwiſchen
Menzel und mir, als wäre ich deſſen verfificterender Schildknappe.
Ich habe alle meine Schritten ohne Rat, ja ohne Yiffen des
Tr. Menzel konzipiert und ausgeführt." — —
Tas Urteil der Zeitgenoſſen, jo problematiich es in ſeinem objektiven
Werte iſt, gehört mit zur Geſchichte eines Kunſtwerks und verdient
deshalb Berückſichtigung in einer litterarhiſtoriſchen Unterſuchung.
Wir jind heute durch verjchiedene Faktoren in den Ztand geiekt,
Yenaus Gedicht einjichtiger zu beurteilen, als jeine Yeier von damals:
wir willen, wiejo der Tichter dazu kam, einen Zavonarola zu be
arbeiten, und welche Idee er mit dieſer Arbeit verband; wir kennen
mit ziemlicher Nollitändigfeit die Anregungen, die er von innen und
die er von auſten empfieng: die Perſon des Tichters jelbit iſt für
ms eine abgeichlojiene Imdividualttät, wir können daher dem
Cavonarola den ihm gebührenden Platz in der Entwicklungs—
geichichte des Tichters anweiſen; vor allem aber: die Gegenſätze,
welche damals alle Welt bewegten, fie find heute ein überwundener
€. Caftle, Nicolaus Lenaus „Savonarola*- 89
Standpunkt, wir jtehen ihnen fremd und daher sine ira et studio
gegenüber.
Im Verlaufe unjerer Darftellung wurden bereits die Schön-
heiten und Mängel, welche in Kompofition und Diftion einander
gegenüberftehen, aufgezeigt und ebenfo wurde die Verzeichnung der
Charaktere und des Koſtüms feſtgeſtellt. All das hätte ſich wohl aud)
dem jchärferblidenden Auge des Zeitgenoffen nicht entzogen. Man
hat jedoch in erfter Linie die Stoffwahl als verfehlt, Savonarolas
Perjönlichkeit zu einer poetijchen Behandlung als ungeeignet bezeichnet.
Es ijt richtig, daß Savonarola nicht nur religiöje, jondern auch
politiiche Ziele verfolgte; daß jeine Politik, welche einen engen An-
Ihluß an Frankreich bezwedte, eine verfehlte war; daß bei jeinem
Sturz aud) die politiihen Mofive den Ausfchlag gaben. Aber wer
wollte e8 wagen, das Gebiet der BPolitif aus dem Stoffbereiche der
Dichtung auszujcheiden? Auch der Einwand, hier handle es fich nicht
allein um rein politiiche Fakten, das religiöfe Moment biete die
Hauptjchwierigfeit, ijt hinfällig. Wie da die Einheit herzuftellen jet,
wie fich Religion und Politif gegenfeitig beeinfluffen können, jo daß
die Handlungen auf beiden Gebieten immer aus einem Grundgedanfen
hervorzugehen jcheinen, dieſe Schwierigfeit hat Lenau tadellos über-
wunden, indem er die Lehre von der Freiheit eines Chriftenmenfchen
in Kirdhe und Staat als ideelle Grundlage der Savonarolajchen
Staatsreform annahm. Was nun Savonarolas hiftorischen Charakter
betrifft, jo hat Lenau diejen ganz richtig erfaßt, indem er Savona-
rola nicht einjeitig al3 Theologen oder Demagogen fjchilderte. Der
‚slorentiner Mönch hat von beiden etwas: der Urquell feines Lebens
ijt die Theologie; die Löſung ihrer Probleme fett er fich zur Haupt-
aufgabe; da wird er ins thätige Leben hinausgejtoßen; fofort als
führender Geijt erfannt, jucht er mit nervöjer Haft und Unruhe feine
Ziele durdjzufegen; getragen von der Volksgunſt, im jteigenden Ge
fühle feiner Geiſtesſtärke, mißt er ſich eine göttliche Sendung bei:
und nun im Augenblid der höchſten jpefulativen Erhebung gerät er
mit ſich felbjt in Zwieſpalt: was beglaubigt ihn als Gefandten
Gottes? was beweijt feine göttliche Miffion? was offenbart, ob er
Betrogener oder Betrüger? Soldye Zweifel ſchwächen, lähmen feine
Energie, er wird gejtürzt; aber diejer jühe Glückswechſel giebt ihm
den Glauben an ſich jelbjt zurüd, an feine Wahrheit und Lauterfeit;
im Bewußtſein, geirrt, aber nicht betrogen zu haben, geht er fröhlich
in den. Zod. Freilich hat Lenau von diefer Tragif nichts gewußt,
nicht wiſſen wollen: fein Savonarola fennt feine Anfechtungen in
Stunden des YZweifels; er ijt vollflommen und gerecht, wie nur ein
Menſch überhaupt jein kann; mit einem Worte er ift ein Märtyrer,
er endet tragiih ohne tragische Schuld. Dadurch hat Lenau jein
90 E. Caſtle, Nicolaus Lenaus „Savonarola“.
(Hedicht zu einem Märtyrerpoem gemacht, das feinen reinen Kunſt
genug gewährt. Darum fonnte er aber aud) die reellen politiichen
siele Savonarolas nicht hervortreten laſſen: fo lien er die breite
Straße der Geſchichte links liegen und bejchritt einen Zeitenweg, der
jwar jeinen Helden chriftlicher, aber weniger menſchlich machte.
Nachdem er einmal den feiten hiltoriihen Boden verlafien hatte,
wagte er als echter Moderner auc einen Streifzug in die Moderne:
das Koſtüm und der Ideenkreis des 15. Jahrhunderts jollte tm
übrigen getreulich fejtgehalten werden, und durd eine Erſcheinung,
welche jich durch alle Jahrhunderte menjchlicher Geſchichte zieht und
ziehen wird, weil jie mit den natürlichen Anlagen des Menſchen aufs
innigjte verwachſen ijt, durch die Myſtik, gedachte er dieje heterogenen
(Elemente miteinander zu verfitten:; denn nicht immer war es Yenaus
Anficht gemweien, dan Myſtik Krankheit, Zchmwindel fei; zur Zeit
jeiner Perbindung mit Wartenjen bat er sie viel höher bewertet.
Was aber iſt die ‚Folge dieſer Verquickung der Nergangenheit mit
der Gegenwart? Daß der Zavonarola jenem enthaupteren Brah—
manen gleicht, den ein gütiger Gott wieder zum Leben erivecte; nur
hatte er ihm im der Eile den Kopf eines andern aufgejekt, jo dar
fortan Daupt und Rumpf in beftändiger Fehde lebten. Die Yitteratur-
geichichte lehrt, daß ſich Fiir die poetiiche Verwertung hiſtoriſcher Ztoife
nur zwei Wege als gangbar erwicien haben: die Modernifierung des
Koſtiims unter Beibehaltung des geichichtlicdy überlieferten Ideen:
freijes oder die moderne Gefühls- und Gedankenwelt in hijtoriichem
Koſtüm. Yenaus Verſuch, zwiſchen dielen beiden Methoden einen
Mittelweg einzuichlagen, war von allem Anfang an lebensunfähig.
Tieje Bedenten, die jedem denfenden Leſer anfiteigen müſſen,
einzujchläfern, hätte vielleicht dody dem Tichter gelingen können,
wenn er im Ztande geweien wäre, ſeine dee durchzuführen. Damit
jtehen wir aber jchon wieder vor der offenen Frage: was war
Lenaus dee? Daß ihre authentiiche Formulierung den uriprüng
lichen Intentionen des Tichters nicht entipricht, haben wir bereits
oben gezeigt, und umiere Unterſuchung bat zu dem (rgebnifie
geführt, dan ce ih Yenau im Savonarola um Wenaiflance der
Moderne durch das Chriſtentum handelte. An ſich iſt dieſe Idee
natürlich nicht diskutierbar; ſie iſt eine perſönliche Überzeugung, gegen
die man zwar Stellung nehmen, die man aber niemals verwerfen
ann. Fordern fann man jedoch, durch überzeugende Gründe möglicher:
weite jelbit für die dee gewonnen zu werden. Wer aber, frage ich,
it durch den Zavonarola von der Notwendigkeit einer Renaiſſance
des 15. Jahrhunderts, geichweige denn von der des neunzehnten
überzeugt worden? Wer hat das RBuch mit innerer Befriedigung aus
der Dand gelegt? Wer hat ſich entichloffen, Für den Lichter einzu:
E. Schmidt, Guſtav Freytag als Privatdocent. 91
treten, auf Grund ſeines Programms etwa eine Partei zu bilden?
Die große Idee des Savonarola fand gar feinen Wiederhall, weil
man jie nicht einmal begriff. Und der Dichter felbjt — er hat fie
wenige Monate nad) der Vollendung jeines Werks von ſich gewieſen!
Damit fommen wir zu dem dritten Punkte, der Bedeutung des
Savonarola für die Entwiclung jeines Dichters.
Lenaus Werdegang zeigt nicht den Typus: allmähliches Wachs—
tum, einen Augenblid der Größe und dann langjames Abwärts-
ichreiten; er hat jid) vielmehr mit einem Sprunge den Beten feiner
Zeit zugejellt, aber zu einem Momente abjoluter Größe iſt es bei
ihm nicht gefommen: es ift beim Ringen nad) diejer Stellung ge-
blieben. Keines jeiner großen Werfe kann als „vollfommen“ bezeichnet
werden: jie jind nichts als Neflere jenes Kampfes, Stimmungsbilder,
Durchgangsitationen; von diejen iſt die Gläubigfeitsepoche entfchieden
die kürzeſte; jie fälft mit der Entjtehungszeit de8 Savonarola zu:
jammen, und wir haben bereit3 gezeigt, wie Lenau durd) äußere
Einflüffe in diefe Stimmung hineingetrieben wurde, in der er fid)
nie behaglich fühlte; die ihm erzwungene Ruhe gab und ihn fchließlid)
wieder nur unbefriedigt zurüdließ. Seine Domäne ijt der Schmerz,
der Zweifel; in jeinen Wunden zu wühlen, ijt ihm ein Vergnügen;
jie aber vom Balfam des Chrijtentumsg beträufeln zu lajjen, war
jeiner Natur zumider, unerträglid. So werden wir denn aud) jenem
Gedichte, deſſen Held der Zweifel ift, in dag er feinen ganzen Schmerz,
die ganze Zerriffenheit feiner Seele hineingelegt hat, den „Albigenfern“,
den erjten. Plat unter Lenaus Dichtungen einräumen: dem Savona-
rofa, einem Übergangsproduft, gebührt er nicht. — —
So vielgejtaltig wie das Urteil der Zeitgenofjen wird auch das
der Litteraturgeichichte über diejes Werk bleiben, je nad) der reli-
giöjen und politijchen Überzeugung des Kritifers; nie aber wird eg
gelingen, einzig und allein aus äjthetijchen Gefihtspunften eine Formel
für diejes jeltfame Zeichen feiner Zeit zu_ finden, deſſen Los es ift,
den einen ein Ärgernis, den andern ein Spott zu fein.
Supav Freytag als Brivatdorent.
Ton Eri Schmidt in Berlin.
Herr Geh. Oberregierungsrat Dr. Althoff hatte die große Güte,
mir aus freien Stüden drei Aktenfascifel über Freytags Docenten-
92 E. Schmidt, Guftav Freytag als Privatdocent.
thätigfeit in Breslau zuzuitellen, die nicht bloß für einen Lebens
abjchnitt dieſes um deutſche Dichtung und deutiche Gefchichte gleid)
verdienten Mannes, jondern auc für die Entwidlung der deutichen
Philologie an unfern Hochichulen interejjant find und einzelne, nad)
Freytags Tod in Zeitſchriften mitgeteilte Nachrichten ausgiebig er:
ganzen.
An 10. Januar 1839 überreichte Freytag, damals in Breslau
Schmiedebrüde 56 wohnhaft, dem Kurator ein Geſuch um Erteilung
der venia docendi. An die philojophiiche Fakultät vermwielen, fchrieb
er diejer neun Tage jpäter wie folgt:
„Wenn ein junger Mann, deilen Name noc auf feinem Blatt
im Bude der Wiſſenſchaft verzeichnet it, nach dem Yehreramt an
einer Univerſität zu ftreben wagt, jo bat er große Urſache, jeine
Kühnheit zu entichuldigen und ſich die freumdliche Nachjicht anderer
zu erflehen. Möge mein inniger Wunjch, durch eine Stellung an der
Univerjität den Tuellen des Wiſſens und dem Umgange mit den
Häuptern der Wiſſenſchaft näher gebracht zu werden, meiner Witte
Nerzeihung und gütige Aufnahme bereiten. Ich babe meine afade:
miichen Yehrjahre in Breslau und Berlin dem Studium der deutichen
Sprache und Yitteratur gewidmet, bin nad Titern 183» in Berlin
durch eine Tijjertation „de initiis seenieae pocsis apud Germanos’”
promoviert worden und bitte deshalb Eine Hochlöbliche Philotophilche
Fakultät chrerbietigit, mir für folgende Disciplinen: 1. Teutiche
Grammatik, bejonders alt und mittelhochdentiche und Jnterpreta:
tion deuticher Klaſſiker: 2. Yitteraturgeichichte und 3. Wiytho-
logie der deutichen Nölferftämme die Habilitation als Privatdocent
hodhgeneigt bewilligen zu wollen“... .. . Für den Fall der Annahme
dieſes Geſuchs jchlägt er drei Gegenſtände zum Kolloquium vor:
Uber Gharafter und Neränderungen der epiichen Volkspoeſie des
Mittelalters: ber die Poeſie des 12. Jahrhunderts; Uber die Spuren
des Heidentums in der älteren deutichen Yitteratur.
Die Angelegenheit nahm einen glatten Verlauf: nur die am
23. März geitellte Bitte, man möge ihm zur Eriparnis an zzeit und
(Held die Drucklegung jeiner SDabilitationsichrift De Hrosuitha
poetria erlaffen, wurde von der Fakultät abgeichlagen. Am 6. März
fand das Kolloquium über das zweite vorgeichlagene Thema ſtatt.
Tas Protofoll meldet unter anderm, dag der Schüler Lachmanns
„die Xolfelieder, die eine Grundlage der Nibelungen bildeten“, be-
rührte und von der Lyrik jagte, fie „icheine nicht national einheimiſch
geweien zu jein, obwohl jie deshalb noch Norzüge vor der romani:
ichen habe”. Am +. Mai hielt er die öffentliche Vorleſung De studio
litteris germanieis in academia impendendo und befam Die
Erlaubnis, jchon vor der minijteriellen Beitätigung für das laufende
E. Schmidt, Guſtav Freytag als Privatdocent. 93
Sommerjemejter gratis deutſche Mythologie zweijtündig, privatim
deutiche Sprachlehre dreijtündig und privatissime althochdeutjche
Grammatif zweijtündig anzuzeigen. Für den Auguſt und September
ward ihm ein Urlaub zum Befuch der Bibliothefen in München und
Wien erteilt; im folgenden Jahr desgleichen zum Gebrauch der
ärztlich verordneten Seebäder und zu Studien in Berlin und
Wolfenbüttel. Am 3. Juli 1843 bat er, inzwijchen in feinen Hoff-
nungen auf ein Ertraordinariat getäufcht, mit Erfolg um einen
dreimonatlichen Urlaub: „Der Wunjch, die endliche Beendigung einer
weitläufigen litterariichen Arbeit, der Gefchichte der dramatiichen
Poeſie in Deutjchland, herbeizuführen, macht mir in diejem SXahre
den Beſuch der Bibliothefen zu Sanft-Gallen, und des dramatischen
Dichters Manuel wegen der Stadt- oder einzelner PBrivatbibliothefen
zu Bern notwendig, außerdem wünfche ich mit den Gelehrten Jubinal
und d'Amiens zu Paris, welche die franzöjiichen Myſterien bis zum
16. Jahrhundert, fowie die dafür wichtigen Bibliotheken durchjucht
haben, in perjönliche Verbindung zu treten und deshalb nad) Paris
zu reiien. Da dies Ziel meiner Reife noch in der erften Hälfte des
August zu eritreben tft, wenn nicht die Herbitferien den Schluß der
Bibliotheken und Exkurſe der mich angehenden Gelehrten herbeiführen
und dadurch meine Bemühungen erfolglos machen follen,“ jo müffe
er zu Anfang des Auguſt abreijen; „meine Vorlejungen hoffe ich bis
dahin durch Verdopplung der Stundenzahl, foweit dieje möglich,
ohne Nachteil für meine Zuhörer und ohne Pflichtverlegung meiner
Wiſſenſchaft gegenüber zu beendigen.“
Im April 1842 war Hoffmann fuspendiert, im Dezember ab-
geiegt worden. Am 4. Februar 1843 machte Freytag folgende Ein-
gabe an die Fakultät: „Die Erledigung der Profeſſur für deutjche
Sprache und Ritteratur berührt mich und meine Thätigfeit an der
Univerjität erregend oder jtörend. Profeſſor Hoffmanns Lehrer:
perfönlichfeit und mein Verhältnis zu ihm waren derart, daß id)
durch ihn auf Feine Weiſe gehindert wurde, ſoweit in meinen Kräften
itand, nüßlic) zu werden. Jetzt aber fürchte ich fehr, durd) eine
anderweitige Belegung jeiner Stelle mein Wirfen gejtört oder bei
der jehr mäßigen ‘Frequenz germanijtiicher Kollegien ganz vernichtet
zu jehen. Diefe Sorge zunächſt ift es, welche mir die Kühnheit giebt,
Eine Hodlöbliche Fakultät ganz gehorjamjt zu bitten: mid) der
Stellung eines außerordentlichen Profejjors nicht für unmwert zu er—
achten und deshalb bei Einem Hohen Minijterium geneigte Für—
ſprache einlegen zu wollen. Tief fühle ich, wie groß die Gunft ijt,
um welche ich bitte, und daß ich jo gar wenig Recht dazu Habe.
Möge Eine Hochlöbliche Fakultät verzeihen, wenn ich mic) unter:
fange furz anzuführen, was mir den Mut zu diejem gehorjamften
94 E. Schmidt, Guſtav Freytag als Privardocent.
Geſuche giebt. An Tftern 1839 habe id) mich für deutiche Sprache,
Yitteraturgeichichte, das Sejamtgebiet der deutichen Philologie habili
tiert und noch im Zommerjemeiter zu lejen begonnen. In diejen vier
Jahren iſt es mir nad) und mach gelungen, einiges Nertrauen umd
die Teilnahme der hiefigen akademischen Jugend für meine Dis—
ciplinen zu gewinnen; ich habe mich chrlich und nad) Kräften beitrebt,
den Zinn für unſere deutiche Nationalität, ſoweit dieſe in meiner
Wiſſenſchaft darftellbar it, zu weden und die Anfänge einer hiſto
riihen und künſtleriſchen Kritik des vorhandenen Sprad: und
Yitteraturjtoffes zu beleben. Ich habe in dieſer Zeit gratis und pri-
vatim gelehrt, die beiden erjten (Hebiete, Grammatik und Yitteratur
geichichte Faft in jedem Semeſter: Grammatif und Urganiemus der
deutfchen Sprache, nadı den verjchiedenen Perioden ihrer Entwidlung:
althochdeutich, mittelhocdydeutich cam häufigſten oder vergleichend mit
andern Zpraden. Dabei pflegte ich entweder einzelne Dichterwerke,
oder Proben aus verichiedener Zeit zu erklären. Geſchichte unſerer
Nationallitteratur, teils in vollftändiger Entwicklung, teils nad) ihrer
Hejtaltung in einzelnen Zeiträumen, oder nad) einzelnen Dichtungs
arten. Am bänfigiten das deutiche Epos, wobei ich die Nibelungen
zu runde legte. Deutſche und nordiiche Mythologie mit möglicher
Berückſichtigung der heidniichen Antiquitäten. Am hänfigiten aber,
jeit mehreren Semeſtern unnunterbrochen eine Kritik unſerer Poeſie in
ihren neueſten Geſtaltungen, von der Anſicht ausgehend, daß unſerer
Studentenwelt hiſtoriſche Begründung ihrer Dichterautoritäten, An-
regung zur Bildung des Geſchmacks und zur Erwerbung eines
äſthetiſchen Urteils nicht wenig not thue. Meine Lehrerthätigkeit
war, mit Beſcheidenheit ſpreche ich dies aus, feine ganz unfruchtbare
und mancher Beweis von freundlichem YZutrauen hat mich ermutigt.
Ron willenichaftlichen Arbeiten beichäftigt mid) jeit Jahren eine
(Heichichte der dramatiichen Poeſie und Kunſt, aus welcder ich auch
den Stoff für meine afademiichen Tifiertationen nahm. Cie lann
jelbft im folgenden Nahre noch nicht im Druck ericheinen, weil die
Bewältigung dieſes Stoffs aus unjerer Norzeit eine höchft jchwierige
ijt und fajt alles ans den äußerſten Winfeln der Bibliothefen mühlam
aujammengeiucht werden muß. Ich habe zu diejen 3weck mit Urlaub
Eines Hohen Miniſterii aus eigenen Mitteln zwei Foftipielige Heilen
nah Süd- und nach Norddentichland unternommen und namentlich
in der f. k. Sofbibliorhef zu Wien den gröpten Teil des Herbſtes
1841 zugebracht: noch bleibt mir Dlitteldeutichland, Zürich) und Baſel
zu bereijen. In der legten „Zeit hat mich die Arbeit an dem gronen
deutichen Wörterbuch, welches die Brüder (Grimm herauszugeben ge:
denfen, und für welches ich Jakob Anrer zu verarbeiten habe, be:
ſchäftigt. Daß ich den Wunich hege, unjere Yitteratur nicht nur au
.E. Schmidt, Guftav Freytag als Privatdocent. 95
lehren, jondern auch durd) eigenes Schaffen fortbilden zu helfen,
darf ich hier, wo es fi) um meine wijjenjchaftliche Brauchbarfeit
handelt, faun anzuführen wagen. Und jo übergebe ich mit Ber:
ehrung und mit Vertrauen E. 9. F. mid. und mein Schidjal. Ich
habe Breslau und den Heinen —* meiner Thätigkeit lieb gewonnen
und würde glücklich ſein, wenn E. H. %. geneigtes Wohlwollen mir
es möglich machte, meine Hütte im Schatten der Viadrina zu
bauen” ...
Am 13. Februar 1843 meldete ſich in der gleichen Angelegenheit
ver Privatdocent Theodor Jacobi, der, auf jeine vielverjprechenden
grammatifchen Studien gejtügt, zugleich einen wirfjamen Dieb gegen
ven bloß jchöngeiftigen Betrieb der deutjchen Philologie führte. Auch
er bat um eine außerordentliche Profefjur. „Sch thue diefen Schritt
nicht ohne das peinliche Gefühl, weldyes nad) der traurigen Art, wie
die vor furzem noch befegte ordentliche Profeſſur der deutjchen Sprache
erledigt worden ijt, bei einem jeden vorausgejeßt werden muß; id)
habe lange gezögert und würde noch länger angejtanden haben, wäre
es mir nicht zulegt als eine Pflicht erſchienen, der Hochlöblichen
‚safultät, welche mir bereit3 vor drei Jahren einen Wirfungsfreis
an der Univerfität eröffnete, Nechenjchaft abzulegen, inwiefern ich
meinem Berufe, die Wiſſenſchaft zu fördern und zu verbreiten nad)-
geitrebt und mid) einer höheren Stellung würdig zu machen bemüht
habe. Nun fann ich zwar nicht mit dem fichern Mute eines Mannes
auftreten, der Glänzendes zu berichten oder wiſſenſchaftliche Werke
von großem Umfange als reife Ergebnifje langer Studien vorzulegen
hat, doch darf ich jagen, daß id) mich nad) beiden Seiten redlid)
bemüht habe und in feiner Beziehung ganz ohne Erfolg geblieben
bin. Seit Ojtern 1840 habe ich, mit Ausnahme des letzten Sommer:
jemefters, Collegia über deutſche Sprache, Litteratur und Geſchichte
gelejen und mid) ganz bejonderd bemüht, durd) Privatvorträge und
Privarijfima Sinn und Luft für eine ganz ftrenge grammatijche
Kenntnis der ältejten germanischen Sprachen zu verbreiten, weil id)
der Überzeugung bin, daß nur dadurch ein wiflenichaftliches Studium
der jpätern deutjchen Sprache möglich ift und die deutiche Philologie
an den Univerfitäten zu einem wahren geiftigen Bildungsmittel werden
fann, während fie fonjt nur gar zu leicht zur Pflegerin eines gewiß
nicht gefahrlojen ſchöngeiſtigen Dilettantismus unter den Studierenden
wird. Bei meinen wiljenjchaftlichen Arbeiten hat mir die {dee vor:
geſchwebt, nicht eine einzelne Seite, jondern das gejamte Leben des
Mittelalters als Objekt aufzufaffen und zu verſuchen, inwiefern die
Sprache in ihrer grammatiſchen Form und in ihrer geſchichtlichen
Entfaltung, als das dem Geiſte einer Nation am nächſten ſtehende,
auf der einen Seite, die Geſchichtserzählungen, als das mehr auf
96 E. Schmidt, Guſtav Freytag als Privatdocent.
dem Boden des äußern Thuens beruhende, jich mechjeljeitig zu er:
flären und einen Begriff von der Fortbewegung der deutichen Kultur
zu geben im Stande ift. Das hat mid) bald hierhin, bald dorthin
ichweifen lajjen. Eine handichriftlide Brieffammlung des Könige
Johann von Böhmen, die ich fennen lernte, reizte mich durch die
in ihr enthaltenen Aufichlüjje über die Kulturverhältniffe diejes zum
größten Zeile germanijierten Yandes zu einer bejondern Bearbeitung.
Sie erjhien 1841 unter dem Titel: Godex epistolaris Johannis
regis Bohemiae. Tann beichäftigte mich lange Zeit die deutiche
Grammatik jelbjt. Der Gegenſatz der Meinungen der bedeutenditen
Srammatifer, Grimm und Hopp, über eine für alle Zeile der Zprad):
lehre wichtige Yautveräuderung, den Ablaut, trieb mich zu dem Ver:
juche einer neuen Begründung der Yehre von dem Verhältnis der
Vokale zu einander, welche die Zdjmierigfeiten bejeitigt, die den bisher
entwidelten Anjichten vom Ablaut entgegenftehen. Vergebliche Ver—
juche, einen Nerleger zu finden, haben mich lange aufgehalten, doch
hat jekt der Druck meiner Schrift „Uber den Ablaut” bereits be:
gonmen und ic) hoffe, fie in drei Wochen einer D. F. fertig vorlegen
zu können. An diefe Arbeit Ichnen ich einige Abhandlungen, teile
über ſpätere Yautveränderungen der deutichen Sprache, teils iiber
grammattiche und etymologiſche Bildungsmittel und ihre Bedeutung
und Anwendung, von denen ich zwei in wenigen Tagen an die
Redaktion der Zeitſchrift für dentiches Altertum abzuſchicken gedente.
Indem ich jo auch in Betreff deijen, was ich bereits gethan habe,
noch nicht einmal im Stande bin, cs vollitändig der Nenrteilung vor-
zulegen, jche ih mich noch nachträglich zu der Witte veranlaßt,
E. H. F. möge, im Falle Sie unmittelbar auf mein Geſuch einzugehen
nicht geneigt ift, eine definitive Enticheidung wenigſtens jo lange auf-
ſchieben, bis ich mein Buch iiber den Ablaut vorzulegen im Ztande bin.
Ich verharre” ....
Ein darauf ergangener Antrag der Fakultät auf Berufung
Moriz Dauptse und eventuche Anftellung Freitags oder Jacobis
wurde vom Miniſterinm den 27. März 1843 unter Anerfennung
der ausgezeichneten Tüchtigkeit Daupts abgelehnt, weil erit die Mittel
für eine jurijtiiche Profellur zu beichaffen seien, und die Fakultät
aufgefordert, beide Privatdocenten mit vorläufigem Beſcheide des
Aufſchubs zu verjehben. Während dieſes Proviſoriums erichienen
Jacobis ausgezeichnete „Beiträge“: er wurde zum (rtraordinarius
befördert und erhielt im Herbſt 1844 einen Ruf nach Marburg.
Am 2%. Oktober entwarf der Dekan Schneider deshalb die dringende
Bitte an den Miniſter, er möge der ‚yakultät „einen jungen Dann
erhalten, der teils durd die Gediegenheit ſeiner Kenntniſſe, teils
durch feinen chrenwerten und Liebenswiürdigen Gharalter den wohl:
E. Schmidt, Guſtav Freytag als Privatdocent. 97
thätigiten Einfluß auf die Studierenden feines Fachs übt und in
Zufunft eine große Zierde unferer Univerfität zu werden verfpricht“.
Zur Abwehr des Verluſtes wurde die Zuweiſung von Hoffmanns
Gehalt (600 rh.) und die Eröffnung „einer näheren Ausjicht” auf
das Ordinariat empfohlen, über Freytag ader nur bemerkt: „ein erjt
etwas verjprechendes Talent, wie wir in Dr. Freytag bereits zu
haben uns freuen“, fünnte auch in Verbindung mit einem Neu-
zuberufenden Jacobis durd) Lehre und Schrift erworbene Autorität
nicht erjegen. Gegen diefes Urteil, das Freytag bei der Behörde nur
nachteilig fein müſſe, reichte der Archäolog Ambrofc ein Separat-
votum ein, unterjtüßt von Elvenich. Aber allerdings durfte die Fakultät
am 27. Dezember wahrheitsgetreu erklären, fie jet nicht fähig, fich,
abgejehen von den angezeigten Kollegien, ein Urteil über Fortfchritt
und dermaligen Stand der wifjenjchaftlichen Thätigfeit des Docenten
Freytag zu bilden, da ihr feine fchriftitelleriiche Leiſtung vorliege.
Ein ſolches Urteil hatte das Minifterium auf Grund eines nicht in
den Akten befindlichen Gejuches Freytags um Beförderung (30. Of:
tober 1844) verlangt, nachdem ihm im Mai eine Remuneration von
50 rh. bewilligt worden war. Kühl wird der Erfolg der öffentlichen
Torlefungen,!, zumal des im legten Winter vor einem ziemlid) zahl-
reichen unafademijchen Zuhörerfreife gehaltenen publicum über neuejte
Dichtung, erwähnt. Daß Freytag im Verlauf einiger Jahre feine
Geſchichte des deutfchen Dramas zu bewältigen gedenfe und eine
andere Arbeit, „Hiſtoriſche Entwicklung der deutſchen Volkstümlichkeit“,
binnen einiger Monate zu vollenden hoffe, dieſe Wechſel auf die
!) Die Frequenzliſten muten uns heute ſehr traurig an. Jacobi brachte im
Winter 1840 die Erklärung althochdeuticher Denkmäler, im nächſten Sommer die
Geſchichte des Mittelalters, im Sommer 1842 die deutfche Litteraturgeichichte nicht
zu Stande; er hatte in Privatlollegien 2 oder 3, einmal 6, in den publicis (Hohen
ftaufen, deutfche Litteraturgeſchichte) je 16 Zuhörer. Bei Freytag heißt es gelegentlich
troß den Ziffern, das Kolleg „ſcheine nicht geleſen“; oder es wird bemerkt, der
Eine, ein katholiſcher Theologe, ſei weggeblieben, die drei für die Nibelungen an-
gemeldeten hätten feinen Tert gehabt. Nicht zu Stande famen vom Sommer 1839
bi8 zum Winter 1844 ausdrüdlih: Deutſche Sprachlehre, hochdeutſche Grammatik,
praftifche Übungen in der deutichen Philologie, Nibelungen, deutjche Antiquitäten, ja
jogar — im reimfrohen Schlefien doppelt erftaunficd — die im Sommer 1343 nad)
Uhlands ſchönem Tübinger Borgang angekündigte „Poetif mit praftifchen Übungen‘.
Ich verzeichne mit den nicht zuverläffigen Frequenzziffern: privatim das Nibe-
Iungenfied (11? 6), deutfche Litteraturgeichichte (6, 10, 6), altdeutjhe Grammatik
(8, 6), altdeutihe Grammatif und Erklärung einzelner Stellen der Nibelungen
(4, 1), Mythologie der germanischen Bölker (7); privatissime altdeutiche Gram—
matif (3), Geſetze des Organismus der deutschen Sprade (3); gratis deutjche
Mythologie (5), Geſchichte und Kunft der dramatifhen Poefie der Deutſchen (7),
über Geftaltung (oder: die neueften Erjcheinungen auf dem Gebiete) der deutfchen
Poefie (137 14, 24, 40, 6 — daneben las Freytag in demjelben Sommer 1843
über die heutige Dichtlunft vor 39 Zuhörern — 41, 68).
Eupborion IV. 7
98 Miscellen.
Zutunft, deren zweiten Freytag viel jpäter mit den „Bildern“ vollauf
und glänzend bezahlte, konnten die maßgebenden Kreije nicht für ihn
gewinnen. Er wurde am 18. Dezember mit einer neuen Remunera—
tion im gleichen Betrag abgefunden und durch ein Miniſterialreſkript
vom 4. ‚sebruar 1845 dahin beichieden, fein Sejuch vom Oktober
beruhe auf der unrichtigen Norausjekung, die Breslauer Profeijur
für deutiche Sprache und Yitteratur fei erledigt, während doch Pro-
jeifor „Jacobi den an ihm ergangenen auswärtigen Ruf abgelehnt habe.
Miscelen.
Zu 5chillers Anthologie.
In Schillers Anthologie für das Jahr 1782 lieſt man auf Seite 53 folgen⸗
des Epigramm:
Grab'chrift.
Hier liegt ein Mann, er ftarb zu früh
Für alle gute Chriſten:
Für Totengräber ſtarb er ſpät
Zu ſpät für — Journaliſten.
Es führt die Chiffre P., hinter der ſich der Herausgeber ſelbſt verſteckt.
Soweit herrſcht Einigkeit. Wie aber hat man die vier Verſe, deren Sinn ziemlich
rätſelhaft iſt, zu verſtehen? R. Weltrich Friedrich Schiller 1, 521) bat ſich zum
erſtenmal die Mühe genommen, eie Auslegung zu verſuchen. Er bringt das Epi—
gramm mit der bekannten litterariſchen Fehde in Verbindung. die damals zwiſchen
Gotthold Stäudlin, dem Herausgeber des Schwäbiſchen Muſenalmanachs, und
Schiller ausgefochten wurde. „Laß das Epigramm ‚Grabſchrift,“ heißt es bei
Weltrich, „gleichfalls auf Stäudlin und feine Freunde gemünzt iſt, ſcheint aus den
Schlußzeilen hervorzugehen: auch in dieſem Falle werden unter den Journaliſten'
die Mitarbeiter des Muſenalmanachs gemeint fein. Der Wir iſt geſucht und mit
Mühe läßt ſich der Sinn ertennen: Hier biegt cın Mann, dejfen vorzeitiger Tod
die Journaliſten von cınem Gegner befreu, ihnen fomm Vorteil gebracht hätte.
Als der Wegner aber, welder lange genug lebte, um die Schar Stäudlins zu
befänpfen. wäre kein anderer gedacht als Schiller *“ Demnach bätte der Dichter
die Grabſchrift für ſich ſelbſt verfertigt. Mit Recht wenden fih E. Müller (Schillers
Jugenddichtung und Jugendlichen, S. 44— 461 gegen die erzwungene und unmahr:
(heinlihe Deutung Weltrihs. Aber was er ſelbſt vorichlägt, will mır nicht vıcl
glücklicher erſcheinen Müller bezicht „Zournaliften“ direft auf Ziäudlin und nımmt
an, dag die Grab'ſchrift diefem, nicht Zchiller gelegt fer, was allerdings das
Natürlichere wäre. Er erlärt das Epigramm aljo: „Der Dann, dem die Wrab-
ſchrift gewidmet ıfl, war cın frommer Chrift; ‚er ftarb zu früb für alle guten
Chriſten': das heit fic bedaucrten feinen Tod als den eines waderen Genoſſen. Für
den Zotengräber farb cr ſpät, weil cben der ZXotengräber daranf aus iſt,
moglichſt viele Tote zu beerdigen. Und nun der Schluß: In ſpät fir — Jour
Miscellen. 99
naliften. Der Gedankenftrih vor Journaliſten giebt zu denfen. Er macht darauf
aufmerffam, daß etwas Unermwartetes kommt. ‚Zu fpät für — Journaliſten.'
Barum zu ſpät? Weil er als Frömmler gar nicht zum — Sournaliften paßte,
das Journaliſtenhandwerk gar nicht verftand. Er hätte aljo fterben jollen, ehe er
Fournalift wurde.” Dagegen ift hauptſächlich zu bemerken, daß Stäudlin eher alles
andere als ein Frömmler genannt werben kann; der Lebenswandel wie Charakter
dieſes begeifterten Anhängers der franzöfifhen Revolution ift ja befannt genug.
Müller beruft fi} bei feiner Vermutung, dag Stäudlin ein Frömmler geweſen
jei, auf defien Mitwirfung am mürttembergifchen Landesgefangbuh vom Jahr
1791. emnotogiihe Thätigkeit zwingt noch nicht zur Annahme von Frömmelei.
Jenes Gefangbuh, unter der Herrichaft des Nationalismus entftanden, fette es
fid) zur Aufgabe, die alten ſchlichten Lieder nad) den Grundjäten moderner Dicht-
funft umzuformen. Dieje Überarbeitungen waren namentlih Stäudlin zugeteilt
worden. Es handelte ſich alſo nur um einen poetifchen, nicht um einen theologiichen
Auftrag, zu welchem Stäudlin aud) gar nicht befähigt geweſen wäre. Ebenjo-
wenig läßt natürlich der Umftand, daß Stäudlin ein einziges Kirchenlied („Wenn
der Stifter der Geſchlechter“ 2c.; im jetigen evangelifchen Geſangbuch für Württem-
berg Nr. 623), und zwar für den beftimmten Zweck der Aufnahme in das von
ihm mitredigierte Geſangbuch, gedichtet hat, irgendwie einen Schluß auf Frömmigkeit
oder gar Frömmelei zu. Stäudlin war eine leicht entzlindbare und den verſchie⸗
denften Stimmungen und Eindrüden zugängliche Natur; überdies neigte er als
Dichter ftarf zum Pathetifchen. Wenn er aljo unter zahllojen weltlichen Klängen
gelegentlich auch chriftliche Töne onfchlug, jo war das nichts als eine Schwingung
unter den vielen Schwingungen feiner Seele. Will man durhaus daran feithalten,
dag Schillers Epigrammm auf Stäudlin und feinen Anhang gemünzt ei, fo muß
man e8 allgemeiner, als Müller gethan hat, faffen und die Frömmler ganz aus
dem Spiel Iaffen. Ungefähr folgendermaßen: „Er ftarb zu früh für alle guten
Chriften.” Warum? Weil e8 Pflicht eines guten Chriften ift, den Tod eines Mit
menjchen ftet3 zu beflagen. „Für Zotengräber ftarb er ſpät.“ Weil nämlich dem
ZTotengräber, der für jeıne Mühemwaltung bezahlt wird, der Tod eines Menfchen
Borteil bringt. „Zu fpät für — Journaliſten.“ Weil Stäudlin und feinesgleicheu
zu Sournaliften nicht taugen und durch ihre Leiftungen dem Stand Unehre machen.
Auch bei diefer Interpretation bleibt freilich, wie bei der Müllerichen, die ſprach—
liche Härte beftehen, dag Schiller „Journaliſten“ gejchrieben hätte, wo der Sinn
notwendig „einen Journaliſten“ erfordert hätte.
Muß nun aber die Grabfchrift durchaus mit der Stäudlin-Schillerjchen
Fehde in Zufammenhang gebracht werden? Nehmen wir einmal an, Schiller fpreche
von einem beliebigen berühmten Dann, einem Staatsmann, General, Künftler
oder wem immer! Er ftarb aus den oben angeführten Gründen „zu früh für alle
gute Ehriften, fpät für Totengräber” und „zu ſpät für — SJournaliften”, die
darauf lauerten, ihm den Nefrolog jchreiben zu können. Dan denfe
daran, wie viele Nachrufe heutzutage oft geraume Zeit fir und fertig in Jour—
naliftenmappen jchlummern, um im entiprechenden Augenblick möglichit raſch vor
der Offentlichkeit zu erjcheinen! Auch zu Schillers Zeiten ift diefer Unfug gewiß
fon geübt worden, wenn auch nicht in gleich ftarfem Grad, wie am Ende des
19. Sabrhunberts. Warum jollte ſich alſo der Dichter nicht dariiber luſtig gemacht
baben? Ich bin weit entfernt, diefe Auslegung für notwendig zu halten, aber eine
Möglichkeit unter andern ift fie immerhin. Schiller jelbft hat übrigens auf die
unter allen Umftänden ſchwache Grabjchrift, die, wie die Epigramme der Anthologie
überhaupt, nur ein Lückenbüßer tft, offenbar feinen Wert gelegt.
Noch eine Kleinigkeit. Miller wirft (S. 44) die Frage auf, warum Schiller
das Gedicht „Die Fournaliften und Minos” an die Spite feiner Anthologie geftellt
habe. Unter den Gründen, die er hierfür auffindet, ift der ganz zutreffend, daß
Schiller die Sammlung abſichtlich mit einem eigenen Stüd ſowohl eröffnet als
7
100 Miscellen.
geſchloſſen habe, um ſie als ein Erzeugnis ſemes Geiſtes kenntlich zu machen
Aber den wahren Grund, warum von den vielen Gedichten der Anthologie, die
von Schiller ſelbſt ſiaumen, gerade dieſes den erſten Platz erhalten bat, ſcheint
mir Müller doch überſehen zu haben. Mu der ganzen Anthologie verfolgte ja
Schiller den zZweck, Stäudlins Schwäbiſchen Muſenalmanach zu überbieten oder
vielmehr. um in ſeinem Sinn zu reden, zu „zermalmen“. Dies wollte er ſofort
auch äußerlich feſtgeſtellt wiſſen und überließ darum dem Kampfgedicht „Die
Journaliſten und Minos“, worin die gegneriſche Dichterzunft und ihr Oberhaupt
Stäudlin derb verſpottet ſind, den Voriritt.
Stuttgart. Rudolf Kranß.
Zu Arnim.
Als Schiller im Jahre 1792 dir „Meikwürdigen Rechtsfälle“, den dentichen
Auszug aus Pitavals „Gauses Gelebres”. bevorwortete, erfammte er ın dem Werl
eine reiche Fundgrube für den modernen Tichter. Deshalb iprad er, um Sinblid
auf die Schundletteratur, welche die Prummalittiichen Ztoffe für fih in Beſchlag
genommen zu babem ſchien, den Wunſch aus: „Kein geringer Gewinn wäre ce
fiir die Wahrheit, wenn beſſere Zchraftiteller fich herablaſſen mochten, den Schlechten
di Kunſtgrifie ahzuſehen, wodurch fir ſich Leſier erwerben und zum orte der
qguten Zache Davon Gebrauch zu maden.”
Er 'elbſt mar der erſte, der dieſen Wink beherzigte, und fo gingen denn
nicht nur eme Weihe von Pitaral Moöotiwene um die voetiſchen Entwürfe ſeiner
lebten Lebensſahre uber, ſondern er plante iogar, emzelne Stücke der Samm
lung unmittelbar zu dramatifieren nal. Kettner, Schillers dramanicher Nach
lan 2, son,
Unter den Erzahlingen des Franzoien, auf Me Schiller fen Augenmert
richtete, bhefaud ſich auch die Beichichte der Marquiie von Ganges“, ın der zwei
ariſtokratiſche Kerbrecher Die reiche Warm ibres Uruders min derien Vormiſien um
ihres Rermogens willen ermorden Puanal velbit hatte dieſen Stojj mit ſeinen
ichaurigen Einzelhenen den tur und Gremlbecten veiner Zeit mir den höhmichen
Worten empiohlen Ganzes elebres Ateticszinenty: .. . L'flistoire tragique
de Ta Margnmise de Ganzes anrest cl re tratee par un de nos Poötes
modernes. op a Vart de saisır sı bien Therrible; ıl anroit le barbare plaisir
de Gare eresser Jes cheveun oa Ja tete de ses Leeteurs.”
Auch Wilhelm Schlegel kanzite Div Gechtchte mohl. In Seiner Recenſion des
erwähnten Auszuas „Mrlniurdige Rechtsfetle“ 1Jrnauüche Allgemeine Litteratur
Zetung 1508, Mir 1763 abardrande Verke 11. 283 iennünndet ſich der Zap: „Nur
dann und winn hatten wir lieber den Text ohne Abkurzung beibehalten geſehen,
ı 98 beim Schluß der Geichſchte der Naraure von Ganges.“
led: murde durch Det Henneeis Arnems Auimerkiamkeint auf die Er
zahlung uf Tenn gerade der Zhlen der „Daran von Ganges“ jchernt die
Karlage zu ent: Gpiod iermer RNovelle „Die Verkleidungen des franzöftichen
Hoöoimeiſters und Seas denutichen yaahn son bilden
Dieter Schluß enthalt als Nachtrag zunegentlichen Nrimnmalfall die weiteren
eichide dir entlehenen Merder wie Dr Atuder ihres Opfers.
Som Sohn der Eimordeten. dem jungen Marantz von Wanges, wird ein
Erlebnis geichtldert, Dem fat bis in alle Einzelhenten cm wichtiger Beftandteil der
Armmichen Novelle entipricht. Es handelt Sich um Den Kern des Ganzen, den
Kericht des Hofmeiſters uber ſeine Kebensichidiale Werke ed. W. Grunm 2,
131-148. Hierm öbpielt eme verhängnisvolle Rolle der junge Dragonerrittmeiſter
Miscellen. 101
Marquis G., der gezwungen ift, die von ihm geliebte rau eines Meter Gold-
ſchmieds als Hugenottin mit Gewalt zum rechten Glauben zu belehren. Seine
Berjuche, fie in Güte zum Neligionsmwedjjel zu überreden, fcheitern an ihrer Stand-
haftigkeit. Infolgedefjen kann er es nicht verhindern, daß ſeine Dragoner vandaliſch
in ihrer Wohnung haufen. Da antſchließt fie ſich im höchſter Not zu einem letzten,
gemagten Mittel, ihrem Glauben treu zu bleiben, Sie will Die Wünſche des
arquig erhören, wenn er fie fiher in ein glanbengfreies Land führt. Dem jungen
Edelmann aber rührt dieſe religiöje Feſtigkeit. Er verzichtet darauf, ihre Ywangs-
lage auszubeuten, verjagt fi die Erfüllung feiner Sehnjucht und verhilft ihr zur
Flucht über die Grenze. Soweit Arnim.
Bei Pitaval aber (Causes celebres 1735, 5, 309 f.) heißt es: Le jeune
Marquis de Gange se fit estimer dans le service oü il fut Capitaine de
Dragons...... On raconte que le jeune Gapitaine de Dragons ayant recu
ordre de dragonner les Huguenots à Metz dans le tems que l’exercice de
leur Religion etoit aboli dans ie Royaume, on mit Garnison chez un Or-
fevre qui avoit une belle femme dont le Capitaine étoit amoureux: elle se
vit exposee à toute la fureur de ces Missionnaires bottes qui vouloient
l'obliger d’aller à la Messe, elle soutint ce choc, r&solue de ne point changer
de Religion: à la fin elle imagina un expedient pour se mettre à l’abri
des Dragons eu demeurant Huguenotte. Elle demanda à parler au Marquis
de Gange, les Dragons n’oserent refuser de l'aller chercher, il vint: des
qu’elle le vit, Marquis, lui dit-elle, vous avez dit que vous m’aimiez, voulez-
vous me le prouver? donnez-moi les moyens de sortir du Royaume, et
pour recompense de ce service, que votre amour en imagine le prix. Non,
Madame, dit le Marquis, je ne me prevaudrai point de votre situation; je
serois aux combles de mes voeux si vous accordiez à ma tendresse ce que
je pourrois obtenir de vous dans l'extremite oü vous ötes, mais je me
reprocherois toute ma vie d’abuser de votre etat; je vais vous en delivrer;
je ne vous demande pour recompense que la grace de penser quelquefois
a moi. Apres cela, il trouva des expediens pour la faire sortir de nuit
de sa maison et de la Ville, il la fit conduire en surete sur les fron-
tieres, malgr& le risque qu’il couroit en lui rendant un service de cette
nature .
Die Übereinftimmung im Verlauf der Begebenheit, im Ort der Handlung
im hiſtoriſchen Hintergrund der Hugenottenverfolgung, im Gewerbe des betrogenen
Gatten, in der militäriihen Stellung und andeutungsmweife — aud) im Namen
des Marquis lafjien eine Benntzung des Pitaval-Stoff3 durch die Novcle ;flar
erkennen.
Was die Ausführung betrifft, jo tritt natürlich an Stelle des etwas nüchternen
Protolollſtils Arnims lebensvolle, anſchauliche Erzählungstunft.
Intereſſant iſt ſeine Stellungnahme zu der ein wenig heiklen Ethik der ſchönen
Goldſchmiedsfrau. Schon Pitaval hegte Bedenken gegen ihre Handlungsweiſe, „qui
se plie & un adultere plutöt que de changer de Religion?" Aber er erledigte
diefe Zweifel mit einem leichtfertigen: „Voila la facon de penser des femmes
ent&tees dans un parti qu’elles ont pris. Dans la ne&cessite oü la femme
de l’Orfevre croyoit &tre de se damner, elle voulut du moins choisir la
maniere qui lui parut la plus agr&eable.” — Der Üiberfeger der „Derkwürdigen
Rechtsfälle“ Half fi), indem er feiner Heldin zur Aechtfertigung den Satz in den
Mund legte: „Der Himmel wird mir eine Sünde verzeihen, welche mic) des
Lafters, als Heuchlerinn zu eben, überhebt.“
Auh Arnim war fih der Anftößigkeit dieſes Ehebruchs aus Neligiofität
wohl bewußt umd fuchte fie zu mildern, troßdem er die Sinnlichkeit der Darftellung
fteigerte (bei ihm Täßt die VBerfolgte nicht den Marquis rufen, fondern dringt
nachts in fein Schlafgemach). Denn er befreit feine Heldin von hindernden Rück—
102 Miscellen.
fihten auf einen lebenden Gatten dadurd, daß cr im entjcheidenden Moment dic
Nachricht von jenem Tode zu ihr dringen läßt.
Unmittelbar vor dem Abenteuer des jungen Marquis (a. a. DO. ©. 304 ff.)
werden dic ferneren Schickſale feines verbrecheriſchen Oheims geichildert. Ob die
Geſchichte dieſes Abbe, der unter falfchem Namen aus Frankreich flieht, um in
Holland die Erziehung eines jungen Edelmanns zu üternehmen, nicht ebenfalls
wichtige Motive für die „Verfleidungen des franzöfiihen Hofmeifters und feines
deutschen Zoͤglings“ gegeben hat”?
Berlin. Montague Jacobs.
Ein Hohnlied auf die Calviniſten im Gone des „Linden-
ſchmidts“ (1609).
Am 10. Oltober 1601. dem Tage nah der Hinrichtung des kurſächſiſchen
Nanzler8 Dr. jur Wilolaus Krehl, hielt der Pfarrer zu Dobna, Wilolans Blum,
in der Frauenkirche zu Dresden, die m der Yırteratur oft angezogene Leichenpredig:
auf das Opfer des konfeſſionellen, mehr noch des polnischen Haſſes: „eins der
ſeltenſten Denlmale unduldſamer Zeit“. Vier Jahre ſpäter fam eine anonyme „Ant
wort und wahrhaftiger Gegenbericht“ auf jene Leichen „oder vielmehr Yügenpredigt”
heraus, welche Freunde Krells verfaßt hatten. Auch von diefer ıft in der Yıtteratur
bereits die Rede geweſen, wenn auch unerwähnt geblieben, daß derjelben,
fowie ihren Urhebern durch ein Mandat des Kaiſers Rudolph II, de dato “Prag,
12. April 1606 (vergeblih) nachgetrachtet wurde. In jenem äußerſt ſeltenen
Drucke befindet ſich nun S. 54 fi. ein Hohnlied auf die Calviniſten in ſechsund
fünfzig Strophen, nad) der Melodie des „Lindenſchmidts“, aus einet am 20. Maı
[15]92 ın Weftfalen aufgefundenen Prophezeiung „von einem Liebhaber ın Ge
ſangsweiſe verfaßt“, welches alfo anhebt: „ER gehet cın friiher Zommer daher“
u. ſ. w. Hier fol die Dichtung nicht wieder abgedrudt, nur auf Ddiefelbe bin:
acwiefen werden. jur angegebenen Melodie und dieſe felbft vergleihe man von
Liliencron, „Die hiftoriichen Volkslieder der Deutichen vom 13. bi 16. Jahr
hundert“ (1866), 2. 2809 fi. und ım „Nadtrage” dazu (1869) unter LIX
(3. 68 ff.)
Blaſewißt Tresden. Theodor Diſtel.
Kecenſionen und Keferate.
Weder B., Geiſtliches Schauſpiel und kirchliche Kunſt in ihrem Verhältnis
erläutert an einer Ikonographie der Kirche und Synagoge. Eine funit-
biftorifhe Studie. Mit 10 Abbildungen in Lichtdrud und 18 Text—
bildern. Stuttgart. Ebner und Seubert (Paul Neff). 189%. 4 M.
Der Gedanke, daß zwijchen der Kunft und dem Drama des Mittelalters
engere Beziehungen beftehen, daß die Künftler aus den Aufführungen geiftlicher
Spiele Anregungen und Vorbilder für ihre Schöpfungen entnahmen, ift feit
one wiederholt teils mehr allgemein außgefprochen, teils durch einzelne Beob—
achtungen, namentlid für die legten Jahrhunderte des Mittelalter und bie
Renaiffance, geitügt worden. Förmlich in die Methode der Kunſtforſchung ein=
gerührt wurde er durch A. Springer, der dag Myſterienſpiel neben Liturgie
und Predigt geradezu als eine Hauptquelle für die mittelalterlihen Kunſt—
darftellungen und deren Verſtändnis aufftellte. Für die erwähnte Zeit muiterte
dann Karl Meyer die neuteftamentlichen Cyklen und altteftamentliche Motive,
jowie Koſtüm und dergleihen auf den gedachten Zufammenhang hin durd,
und für Die- voraußliegende Zeit ging demjelben ein franzöfifcher Gelehrter
Sulien Durand, geftügt auf Sepets grundlegende Arbeit über die Propheten:
ipiele, bejonder8 für den Weihnachtscyklus, nad). Diejen reiht fih nun im
Geifte Springer und dem Fingerzeig Durands folgend der »eriaffer der vor⸗
liegenden, ebenjo lehrreichen als anregenden Studie über den Bilderkreis der
Kirche und Synagoge an, auf den ihn zuerit H. Janitſchek hinwies. Er, ver:
folgt dabei ein Doppelte Ziel: einmal eine Jlonographic der beiden in jo
mannigfahem Zufammenhang erjcheinenden Geftalten, die er an der Hand
einer reichen, teil durch eigene Bemühung, teild durch fremde Unterftügung
zujammengebrachten Denkmälerzahl durch acht Jahrhunderte hindurd) von ihrem
eriten Auftreten um die Mitte des 9. (in dem Drogofalramentar aus Mes) bis
zu ihrem Verſchwinden am Ausgang des 16. (legte Darftellung auf einem Holz:
ichnitt eines 1600 gedrudten Werks) verfolgt; zweitens — und dieſer Teil feiner
Arbeit rüdte ihm almählich immer mehr in den Mittelpunkt des Ganzen — den
Nachweis, dab auch auf die Entwidlung dieſes Bilderkreiſes das geiltliche
Schaufpiel einen maßgebenden Einfluß nahm, wozu er ſich auch auf dem ihm
von Haufe aus doch ferner liegenden litterarhiftorifchen Gebiet eine recht tüchtige
und anerfennensmwerte Denkmälerkenntnis erwarb. BE
Das eigentlich tragende Element für die Verbreitung der Perfonifilationen
pon Kirche und Synagoge fieht der Verfaffer in der pieundosauguftinifchen
Altercatio Ecclesiae et Synagogae (wohl noch aus römischer Zeit, vielleicht
104 Weber B., Geiftliches Schaufpiel und kirchliche Kunſt.
ipäter umgcarbeitet, S. 28. 37), die etwa in der geit Ludwigs des Frommen
in einigen Diözeſen des ranfenreiche, in den Mofel: und ‚obeingegenben, in
den Gottesdienſt aufgenommen, die Grundlage eines liturgifchen Dramas ge:
worden fei, das dann, vermijcht mit dem aleichfalls auf pfeudo-auguitinifcher
(rundlage, dem Weihnadhts:Sermo contra Papanos, Judaeos et Arianos (dor
600) entandenen, bon Berfafjer an der Hand Zepets eingehend befprodenen
und in feinen Wirkungen auf die Kunſt verfolgten Propbetenipiele, durch den
feit Beginn des 2. Jahrtaufends fih immer fteigernden Judenhaß unter Einfluß
der Kreuzzüge aus feiner ursprünglichen lofalen Beichränkung herausgehoben
und verbreitet worden ſei. Durch die Verſchmelzung der Altercatio mit dem
Prophetenspiel ſeien Kirche und Synagoge, deren Streit uriprünglid wohl
nur der Golgathaſcene ein- oder angefügt gewejen, die Eckſäulen und Angel:
punkte für die Aufführung der ganzen Seilageichichte geworden. Diele ganze
Bewegung und Entwicklung jpiegele fih aber auch in der bildenden unit, in
der dieje Geſtalten allmählich bald den Mittelpunkt, bald den Rahmen der
fünftleriichen Taritelung der Beilsgeichichte bilden. Im dies zu veranſchaulichen,
wird das Auftreten beider Geſtalten in den erhaltenen Dramen wie in Mumit:
denfmälern ſorgſam verfolgt und verglichen. Nun vermag Weber allerdings die
allmählihe Entwicklung des liturgifchen Dramas von Ztreit der Kirche und
Synagoge aus der Altereatio nicht ebenſo anihhaulih vor Augen zu führen,
wie Sepet die des Prophetenipiela aus dein Weibnacte:Sermo; ja die Aut:
nahme der Altercatio in den Gottesſsdienſt des Sharfreitags jelbft iſt vorläufig
nur Vermutung, wobei der Hinweis auf heidniſche Bräuche und ‚yeite, für Die
dem Volke (Friag geboten werden sollte (S. 34- 36), beiier ganz aus dem
Zpiele geblieben wäre. Dennoch ſcheint mir der Gedanke durchaus anipredend
und beadhtenawert, und vor allem der betonte zuſammenhang zwiichen dem
Yilderfreife von Mirche und Synagoge und dem Drama iſt, dünkt mich, nicht
zu bezweifelt, jo viel auch im einzelnen beitreitbar und unsicher jein mag. Und
darin liegt der Gewinn, den Kunſt- und Yitteraturgeichichte aus dem Bude
jieben können. Man erhält eine höchſt anregende Erklärung von Munftdaritel:
lungen, durd Die nicht nur auf jo ausgezeichnete Schöpfunaen wie die Kanzeln
der Piſani zu Piſa, Ziena und Piltoja, die wundervollen ‚yrauengeftalten am
Ziüdportal des Straßburger oder Die Zfulpturen der Vorhalle des ‚Freiburger
Ministers ein überraichendes Licht fällt, woron fih auch nod ein nicht minder
überrajchender Ausblick aut Michelangelo, die Brüder van (Ind, Türer und
andere eröftnet. Die Yirteraturgeichichte aber aewinnt einerfeit> für mandıes
ihr vielleicht im Terte verlorene geiltlihe Trama Erſatz in dem Bildſchmuck
der RAirchen (wofür, wenn die Verwertung der Wandgemälde von S. Angelo
in ‚yormis bei Capua aus Dem 11. Jahrhundert für Italien S. Bi tr. viel:
leiht Doch zu kühn iſt, namentlich wieder vor allen auf die ichöne Erklärung
des figurenreichen plaſtiſchen Schmucks der Freiburger Vorhalle Z. v5 f. ver:
wielen werden m), andererieita manchen wertvollen Aufſchluß über Die
fceniihe Taritellung. (Fa zeigt fich wieder einmal, wie anregend und fruchtbar
Die allerdings immer ichmierige Aebanıma von Wrenzaebieten werden kann.
Daß ſpeziell die Yitteraturgeichichte aus der Munftaeichichte ſich wertvolle Auf:
ſchlüſſe zu holen habe, hat ja unlängſt in aanz andern zuſammenhang auch
st. Yurdadı mit Recht eindringlich betont. Gleichwohl bleiben folche verheißungs:
volle Verſuche leider zu ſelten und vereinzelt infolge der Zchwierigfeit, fih auf
beiden (#ebieten die nötigen Menntmiiie zu erwerben, und der begreifliben Scheu
vor der Gefahr, ſich im Nachbarhanuſe nicht ebenio in allen Winkeln beimiich zu
eriwetien wie im eigenen. Dennoch follten Nie öfter gewagt werden.
Ter eben erwähnten Gefiahr gänzlich entaangen zu Sein, bilder fidh der
beicheidene Verfaſſer ſelbit nicht cin. (Fa wäre aber recht Kleinlich, ihm daraus
etwa einen Vorwurf zu macen; und mur weil ihm selbit und manchen feiner
Beber P., Geiftlihes Schaufpiel und kirchliche Kunft. 105
engeren Fachgenoſſen Berichtigung, wiltommen fein dürfte, berühre ich_bier
einige mir näher liegende Punkte. Vei dem Tegernfeer Antichriftipiel (ein „Ofterz
fpiel“ möchte ich es doc) Lieber nicht nennen) ift_er zu aus ſchließ lich von Zezſchwitz
abhängig, deffen ‚Datierungsverfuh, ſchon Scherer, Jeitſchrift für deutſches
Altertum 24, 451 ff. erſchůtterte es ift, wie hier und in der Ausgabe W. Meyers
(Mündener Sigungsberihte 1882, S. 13—15) gezeigt ift, entichieden älter, ohne
daß fi ein beftimmtes Jahr fihher anfegen ließe (um 1160). Dab dem Vers
fafjer biefe beiden Arbeiten entgingen, ift um jo weniger ungebührlic, zu bes
tonen, als dies aud) fogar Froning nicht zum Vorteil feines fonft fo fleißigen
Buchs begegnet war. — Wie in ber Kunft Synagoge vereinzelt als Mann
dargeftellt wird, fehlt aud; dem Drama der männliche Synagoga nicht. Einen
folgen nimmt Weber mit Recht aud) für das Aldfelder Paflionsfpiel an, bes
grünbet dieſe Aufftellung aber mit gar und gar nicht bemeisträftigen Verſen
S. 76). Entſcheidend für die Männlichkeit des Synagoga jind dagegen die
inreben Synagoga herre (1644; vgl. 1647 , Meynster Rabbi (2463; vgl. 2872.
23377. 2382. 2398 f.), (Caiphas dieit Sinagoge et suis:) Ir herren (7299;
ebenfo Herodes 4130) und die Bühnenmweifung nad) 5297 Jesus. deluditur per
cantica Sinagoge, qui eircumdans ipse cum Judeis cantat Die Weifung
nad) 7298 unterfcheidet ausdrüdlic die Synagoge ala Ort von der Perjon
des Shnagoga (sub isto rigmo Caiphas, Annas, Synagoga cum Judeis con-
veniunt ante sinagogam, wonach aud; andere wie bie nad 1705 und 1721
zu verftehen, vgl. 1703. Kollektiv für die gefamte Subenfchaft wird die sinagoge
alle gemeynn 1720 gebraudt). — Wenn ber Verfaſſer ©. 80 jagt „Selbit
nod in dem FFaftuachtjpiele Nr. 11, ©. 78 f.) ift „das puch” die Grund»
lage der Disputation“, ſo entſpricht das nicht ganz bem Sulammenhaug; dem
„das puch” ift hier nicht wie in ben eben boraußgehenden Fällen in ber
Sand ber Kirche, fondern in der des Rabbi, der den Kampf für die Synagoge
weiter führt; «8 ift vielmehr P vergleichen wie im Alsfelder Ratigmalbiel
Synagoga Moises buch (ober M. geless, librum Moisi, nicht wie S._77 fteht,
den Zalmub) lieft oder in dem franzöfiihen Spiel (Nr. 6, ©. 73) die Synagoge
dem ihr vorgehaltenen Buch gegenüber, das fie nicht zu leſen verfteht, ſich auf
ihre Gefegestafeln beruft, mit denen fie ja auch in ben Kunftdaritellungen er=
ideint. — ©. 86 ff. behandelt Weber das „Bühnenfof der Kirche und
Spnagoge* und beſpricht babei die interefjante Noti über im Donaueſchinger
Paffionsfpiel (Mone 2, 328. 329); hier hat Cristiana die küngin, cristenlich
und schon becleidet, ein rot klein venly mit einem güldinen crucz in der
hand; Judea, ein andry küngin dagegen, jüdisch kleidet, die hat ein venly in
der hand, ist gel mit eim schwartzen abgot. Damit will Weber eine Dar-
ftellung in einer Dresdener Bilderbibel ungefähr aus derjelben Zeit und Gegend
wie die Donauefhinger Handſchrift in Verbindung bringen, worin auf die Kirche
mit einem gleichen Fähnlein tie im Spiele abgebildet ift, auf der Schulter der
gelbgetleibeten Synagoge aber ein Kleiner Teufel figt, der ihr die Krone her-
untergerifjen hat und mit feinem Arm ihre Augen verdeckt. Das geht aber
doch nit wohl an. Im Donaueſchinger Spiele verbindet die cristenen kungin
ulegt felbft der jüdischen die ougen und zerbricht ir das banner (a. 0.0. 336),
ie jiebrigung der Synagoge auf dem Bilde und im Spiel ftimmen aljo
gar nicht zufammen, und ſchon dadurch wird der Schluß, der nach Weber „nicht
von der Hand zu weifen fein“ foll, „daß ber Maler Zufchauer dieſes Schau—
ſpiels geweſen IHR; jehr fraglich; dieſer müßte ſich mindeſtens gerade in einem
Hauptpunfte eine Änderung des Gefehenen erlaubt haben. Dann ift aber
überhaupt fein Grund mehr, ja es ift faun mehr zuäfie, den Bilde zuliebe
von der rein philologishen Interpretation ber, beiden Softümangaben in
Spiele abzugehen. Dieje entiprehen einander in ihrem Gegenfag ganz augen:
ſcheinlich EM um Zug; danach ift aber die Farbenbezeichnüng gel im Softünt
106 Weber B., Geiftlihes Schauſpiel und kirchliche Kunſt.
der Judea gewiß am richtigiten, auch der ſyntaktiſchen Fügung gemäß, auf das
venly zu beziehen, auf dem auch der schwarze abgot zu ſuchen ift, der Weber
irregeführt bat; cs iſt ganz das Gegenſtück zum roten „yähnlein mit dem
goldenen Mreuz in der Hand Griftianas. Der nicht näher bezeichnete, aber ala
gehäfliges Ibzeihen wohl verftändliche abgot vergleicht fih dem mehrfach
(2. 109. 117. 130) ala Wappentier auf der Fahne der Synagoge erſcheinenden
Skorpion (aud die Inſchrift „Jupiter” auf der Fahne der Gentilitas auf dem
Holzichnitt Hans Burgkmairs von 1508 darf man wohl heranziehem). — S. 116 ff.
behandelt der Verfaſſer auch das fogenannte lebende Kreuz mit feinen aus
den Armen und dem ‚Fuß bervorwacjenden Menfchenarmen, er vermehrt Die
nachweisbaren Taritellungen auf elf, vermag aber feine volllommen be:
friedigende Erklärung beizubringen; er hebt zwar unter anderm auch zwei
Stellen aus Frauenlobe Mreizleih (16. 20) aus, wagt aber doch nicht,
„beitimmte Zuſammenhänge bier anzunehmen“. Das war wohlangebradte Bor:
ficht; mit den lebenden Kreuz haben die Ztellen licher nichts zu thun; ich ſehe
in 16, worin der Xerfaffer fo große Unklarheit findet, einfach cine Deutung
des in der abendländifchen Kirche üblichen jogenannten lateiniichen Kreuzes—
zeihen®, das man mit der Hand fchlänt, indem man Stirn, Bruft und Die
beiden Zeiten links und rechts berührt. Nur auf einem Verſehen kann es be:
ruhen, wenn ans den eregetiichsfritiichen Bemerkungen F. Bechs zu ‚yrauenlob
in der Germania bei unierm Verfaſſer eine Ausgabe geworden iſt. — Ter Jeits
aniag Für Regenboge „13. Jahrhundert“ ıZ. 133, ) iſt ungenau; er hat den 1318
verſtorbenen Frauenlob überlebt. Auch muß ca in der Anbaltsangabe des ans
geführten Gedichts heißen: der Tichter erzäblt darin feinen Traum von dem
Baume der ficben Todſünden und ſieben Haben des heilinen Geiſtes ı ftatt des
ſinnloſen „und Steben heiligen Weiter“! Druckfehler find überhaupt nicht allzu
jeltend: und in der Ztelle von dem Prager Wandgemälde, darſtellend Die
Synagoge, der die ougen waren verbunden mit einem tuch, daz was drierlei
sinten iſt siut (31 siuwen) micht „Zeide*, wie Weber meint, fondern „Naht“,
alio „aus Ddreierlei (werichiedenfarbigen: rot, gelb und schwarz) zuſammen—⸗
genähten Ztüden. An der Handſchrift fteht allerdings siden. aber wie der Heim
zeigt, fehlerbatt. Auf Verſehen wie die Nerwehelung des Thomas von
(elano und Thomas von Aquino beim Dies irae (S. 105) und ähnliches laffe
ich mich nicht ein.
Mid noch auf das eigene Gebiet des Verfaſſers zu begeben und dabei
felbit gleichen (Wefahren auazuiegen, würde nich zu weit rühren. Alfo nur noch
eine Bemerkung über die Taritellung. Zie lieſt ſich nicht fo leicht, al® man ca
bei dem anregenden, gedanfenreichen Anhalt wünſchen möchte. Nicht ala ob der
Ztil des Verfaffers ohne alle Gewandtheit wäre, aber man behält nicht immer
ganz mühelos den Zuſammenhang und die liberlicht im Auge. Daran trägt
jedenfalls die erwähnte Nerquidung ziveier Aufgaben, die einander gelegentlich
im Wege fteben, und die almähliche Verrückung des Schwerpunkts während der
Arbeit, wie der Verfaſſer ſelbſt zu Fühlen fcheint, die Hauptſchuld. Geleſen
verdient das Huch aber jedenfalls au werden, nicht bloß von Munftforfchern,
fondern ebenio von Yitterarhbiftorifern. Der angeſichts der bübfchen Ausftattung
mit den intercffanten und im allgemeinen wohl gelungenen Abbildungen fehr
beidheibene Preis kann der Verbreitung des Buchs glüclicherweiie kein Hindernid
ereiten.
Prag. H. Yambel.
Hans Sachs⸗vLitteratur. 107
Schriften zum Sans Sads-Iubiläum. II. (Schluf.)
(Vgl. Euphorion 2, 379-896. 830839.)
Hans Sachs-Forſchungen. Feftichrift zur vierhundertften Geburtsfeier des
Dichters. Im NAuftrage der Stadt Nürnberg herausgegeben von A. L.
Stiefel. Nürnberg 1894. Im Kommiffionzverlag der Joh. Phil. Rawſchen
Buchhandlung 7 M. (jet 3 M.).
Hartmann A, Deutſche Meifterlieder-Handichriften in Ungarn. Ein Beitrag
zur Geſchichte des Meiftergefangs. Feſtgabe zum Hans Sachs-Jubiläum
5. November 1894. München, Chr. Kaijer. 1894. 2.40 M.
Friedrich Keinz giebt S. 320—351 ein für jeden, der ſich jet mit dem
Meiftergefange beichäftigen will, ſehr mwilllommenes Verzeichnis von Hans
Sachſens Zeitgenoffen und Nachfolger im Meiftergefang, worin er auß ge:
drudten Litteraturangaben und ihm zur Hand gekommenen fchriftlichen Lieder-
jammlungen die Meiiterfinger de3 16. Jahrhunderts zufammenftellt mit even-
tueller Hinzufügung von Heimat, Lebenszeit, Stand, Tönen und Liedern.
Jedoch itt Keinz in der Verwertung des Materials nicht gang fonjequent vor⸗
gegangen, da er die Dresdener Handichrift M 197 (100 c, Nürnberger Sing:
protofolle von 1583--94 enthaltend) in Unterſchätzung ihrer Angaben anzu
beuten unterließ. Doc hätte er ſich nicht fcheuen follen, aud) die vermeintlich
geringeren Namen aufzuzeichien, auch fie gehören in das figurenreiche Kultur-
bild des jpäteren Meifteraefangs, wenn auch nur in den Hintergrund. Es
zeigen aber außerdem die Weimarer Protokolle, daß eine Reihe in M 197 über-
lieferter, bisher noch) weniger befannter Namen nach vor- und rüdwärts eine
Aa unbedeutende Rolle in der Geſchichte des Meiftergefangs ihrer Zeit
pielen.
Auf den Nachweis der Quelle zu dem Schwanf „die Engelhut” (©. 352),
deſſen Verfaffer in angebradhter Befcheidenheit nur die Anfangsbuchftaben feines
Namens (M. S. giebt, folat Charles Schweiger? Abhandlung über „Sprich—
wörter und fprihwörtliche Redensarten bei Hans Sachs“ (S. 353—381). Hier
iit zum erftenmal der ſchon lange gewünfchte Berfuch gemacht, einem der volks⸗
tümlichen Elemente, die in der Hans Sachſiſchen Dichtung aufgejpeichert find,
zufammenfaffend nachzugehen. Trotzdem dad Gebotene nur eine Auswahl ift,
erfennen wir doch deutlich den Reichtum an Spridwörtern und fprichwörtlichen
Redensarten, über den Hana Sachs und mit ihn: feine Nürnberger Mitbürger
verfügten, und der ben moralifchen Neigungen de3 Dichters fo jehr entgegenkam
und der und lebensvoll daß jcherzfrohe, aber aud) derbicherzende, mit reichen
Mutterwig begabte Nürnberger Bürgertum der Hans Sadhfiichen Tage zeigt.
Gegen die ſprachlichen Erklärungen des Verfaſſers wird man aber hie und
da Wibderfpruch erheben, fo iſt 3. B. Kargas nicht = Karg—Aas, fondern
bedeutet nichts anderes ald etwa Kargus oder Karges bedeutet hätten umd
anderes mehr. — |
Die Meiftergefänge von Adam Puſchmann auf dag Straßburger Müniter
giebt Ernft Martin heraus, fie jind zugleich ein Beitrag zur Lebensgeſchichte
Vuſchmanns, da fie mit deflen Beſuch in Straßburg 1571 in Verbindung ftehen.
Die Lieder find metrifch zu beachten, da wir verichiedentlich auf die Verwendung
unbetonter Silben im Reime treffen mer: Münfter (S. 390), tempel : ſchnel
(5.395), cangel : zwingel (S. 396). Solche durd Stellung im Reim erwieſene
Zerlegung der natürlichen Betonung find für die Beurteilung der Verskunſt
der Meifterfinger zu verwerten.
108 Hans Sachs Litteratur.
Näheres über Ambroſius Oeſterreicher, Hans Sachſens Schüler oder beſſer
geſagt Nachahmer, da ein perfönliches Verhältnis zwiſchen beiden nicht eriftierte,
niebt Theodor Hampe S. 397 —406. Neben Broben und einer (Sharatteriftit
verfchiedener feiner (Wedichte werden eine Reihe von Ztellen au» Nürnberger
Ratsverläffen abgedrudt, die Oeſterreicher als eifriger Neranftalter von Komö⸗
bienauffübrungen zeigen. (Fine Verordnung des Rates endete feine bichterifche
und ſchauſpieleriſche Thätigkeit, bei der er unter Vernachläſſigung feines eigent:
lihen Berufs „die Vorrechte der Meitterfingergeiellfchatt zu feinem privaten
Vorteil auszubeuten fuchte”.
Auf <. 209—- 52 fchließlich beginnt Karl Dreſcher eine Unterſuchung über
dag Verhältnis der Spruchbücer des Sans Sachs zur eriten Folioausgabe.
Als Vorarbeit iſt der Inhalt der drei eriten (verlorenen) Spruchbücher refon:
itruiert, und es ergiebt fich hierbei, daß das erste Auch Meifterlieder und Spruch⸗
gebichte zugleich enthielt, und zwar in fortlaufender Blattnumerierung, fo daR
der Hans Sachſiſche ‚bandichriftlice Nachlaß nicht aus 34, jondern nur aus
33 Bänden beitand. Tie eigentliche Unterſuchung, der fih noch einiae metriſche
Erörterungen im Zinne der Abfaſſung der Verſe nah iambifhem Schema an⸗
ihloffen, ergab, daß zunäcit der erite Folioband ala ein Wert bewußter
Redaktion des Dichters ſelbſt anzuſehen iſt, daß er alſo textlich den Hand⸗
criften gegenüber eine ſelbſtändigere Stellung als, bisher einzunehmen bat.
Dagegen trıtt das Generalregiſter, ala auf den Einzelregiſtern der Spruch⸗
bücher und dem Geſamtregiſter über die fünf eriten Spruchbücher größtenteils
berubend, in jeiner Redeutung zurüd. Ties letztere Ergebnis ftand nun zunädit
im Widerſpruch mit der Arbeit Herrmanns (‚zeitichritt <. 407 A), der in dem
Beneralregiiter den Niederichlan eines älteren Zonderverzeichniffes der Dramen
erfennen will: die Ausführungen Herrnanns ſind jedoh vom Recenſenten
Guphorion 2, 30 8. ale anf alien Vorausſetzungen und fonftigen Fehlern
berubend nadgewicien worden. Hierbei eine andere Bemerkung. Es belicht
Herrmann gelegentlid der Necention einer Arbeit über Hieronymus Boner
(Seitichritt Für deutſches AUtertum 40, 2061 bei einer Quellenfrage zu Dans
Sachs ſich aunz allgemein an „unieren Dans Sachs-Forſchern“ zu reiben.
Wenn Derrmann gegen eine beitimmte Richtung in der Dans Sachse-Forſchung
auftreten will, mag er dies thun, mur toll er Daum Diejenigen, die getroffen
werden, auch often benennen. Die allgemeine Faſſung jener noch dazu an den
Haaren berbeinezogenen Bemerkung, mit welcher nur irgend einen gewifien
Jemand ein Dieb verjegt werden ſoll, it entichteden zurüdzumeiien.
Fbentalls ala ‚seitgabe zum Dana Zads: \ubiläum bradte N. Hart⸗
mann Kunde von deutichen Weiiterliederbandichriften, die fih auf der uns
gariihen Landesbibliothek in Reit befinden. Die Frage, wie jene urbeutfchen
vieder bis in die Hauptſtadt Des mannarifchen Yandes hinein verichlagen
werden konnten, beantwortet Hartmann dahin, Daß die Mantffripte aus der
Bibliothek des Nürnberger Yatriziers Hieronymus Wilhelm (Fbner von GEGſchen⸗
bah im Anfange dieſes Jahrhunderts in den Reſitz des Nitertumerorfchers
Jankevich von Jeſenicze nelangten, von dem sie dann 1836 für die ungariiche
Yandeabibliotbet fauflibd erworben wurden. Ter inhalt der Handichriften
bezicht fih auf den Meiſtergeſang Des 16. und 17. Juhrbunderts, alfo auf Die
namliche zeit, wie die in Weimar befindlichen rotofolle der Nürnberger
Zingichulen. Hartmann hat in richtiger Wurdiqung des mehr kulturhiſtoriſchen
ala poetiſchen Wertes des fpätern Meiſtergeſangs vorgezogen, nicht Die in
jenen Dandichriften aufgezeichneten WMeiiterlieder zum Abdruck zu bringen,
iondern giebt zunächſt nur eine Ilberficht des Anhbalta in der Weife, daß
zuerſt Die int den Dandichriiten genannten Namen in alpbabetiicher Ordnung
erscheinen und au Dem jedesmaligen Lerfaiter die ihm zugchörigen Yieder
mit ihren Zonen notiert werden. Zo eben ı 2. 11--63) die Namen von 134
Hans Sadj3-Litteratur. 109
ältern und neuern Meifterlingern an ung vorüber, von einzelnen derfelben, wie
von Baulus ‘Freudenlechner, Ambroſius Mebger erhalten wir eingehendere
Nachricht, bei — Sachs wird eine neue Vermutung über deſſen Lebens—
umſtände aufgeſtellt (ut. unten) und hübfche Nachweiſe über das %ortleben
jeiner Dichtungen im Wolfe gegeben. ©. 63—67 folgt ein Verzeihnig anonymer
Meifterlieder, fowie von Tönen, deren Erfinder nicht genannt jind. Die Beilage
enthält dann einen glücklich ausgewählten Abdrud von zwanzig Liedern
nebft zweien Blättern, Aktenſtücken der Nürnberger Singſchule, da3 eine ein
Schulzettel (S. 101), das andere eine Notiz über ein „freyfingen auf goris
ſchul“, d. 5. ein von Gregory Neher gehaltenes Freifingen, das Hartmann
vermutungsweife ind Sahr 1588 ſetzt. Es findet fid) in den Weimarer Proto—
tollen noch nicht, da dort die SFreifingen erft feit der Wende des Jahrhunderts
regelmäßig eingetragen werben. Dagegen finden wir da 3. 3. zum Sahre 1593
die Notiz: „Anno 1593 am Suntag oculj haben wir ein gablingen gehalten,
wer dar in gelungen hat und was ein ieder gewunen hat, ift in einem funder
zetel aufgezeichnet.” So ift jenes Blatt in Peſt wohl fo ein „under zetel“.
Am Einzelnen ift verſchiedenes zu beiprehen. ©. 6 ift eine Stelle citiert,
nad der Han? Sachs in einer Eingabe vom jahre 1624 von den Meiiter-
fingern „vnßer vatter hans fachlen feel.” genannt wird. Hartmann fieht in
diefer Bezeichnung den Ausdruck für die Thatfadhe, daB aud) noch die Meifter-
finger des 17. Jahrhunderts in Hand Sachs ihr anerkanntes Haupt ver-
ehrten. Doch bemerfe man, daß aucd andere, wie 3. B. Carol Braun,
„wiert und gaftgeb zum guelten rindfuß“, von den Meifterjingern als ihr
„datter“ bezeichnet werden (vgl. Euphorion 2, 833). Durch dieſe Stelle erledigt
fh aud die von Hartmann offen gelafjfene Frage, ob Carol Braun jelbit
Meifterfinger war (©. 8. 12), in verneinendem Sinne. Dagegen erfehen wir
aus den Protofollen, daß die von Hartınann als unficher eingereihten Abrahanı
Frey (©. 8. 18) und Ambrofi Herkog (S. 8. 22) thatfählid) Meifterfinger ge-
weſen find, fie laffen ſich 1674 ff. nachweifen. Vgl. ferner folgende Stellen
für Abraham Frey:
„Anno 1683 hat (!) Ioreng haffner und matheus frey beude barchetweber
jhren crang gehalten, haben volgende finger gefungen chriftoff haffner ...
wolff rojer ... . meldior frey ... andread frey.. .-abraham frey... .”,
für Ambrofi Herzog:
„Anno 1681 den 10 jully haben chriftoph engelhart bed ein merder und
loreng haffner einen fingerang gehalten und haben volgete finger geſungen
hriftoph haffner ... wolff roſſer ... conrath bed... ambrofi her&og die
meyenweiß eißlinger Keüſſer marcuß Anhaniuß”; auf der Zeche: „Ambrofi
hergog die klagweiß lochner Konig mannfoluß hate frey. Diſer gewahn den
zechkrantz.“i)
Der S. 13 genannte Danbeck Heißt nicht, wie Hartmann notiert,
„H. Danbed”, jondern Georg, wie auch die andern bei Hartmanı notierten
Stellen angeben, auch Sein; a. a. DO. S. 325 fennt unter den adt von.
ihm angeführten Danbeds einen H. Danbeck nidt. Das H. ift vielmehr
aufzulöjen in „Herr“, auch in den Protokollen fteht er gewöhnlich auf:
geführt als „h georg danbed” oder „herr georg danbed”. Ebenſo ftehen
neben einem „herr walter” und „herr wolfron“ ein „herr Ambroſius Metzger“,
1) Bgl. auch Mummenboff, die Singihulorduung vom Jahre 1616/35 und
die Singftätten der Nürnberger Meifterfinger. Nitrnberger Hans Sachs-Feſtſchrift
1894, ©. 311; die im Jahre 1635 revidierte Singſchulordnung wird im Jahre
1675 den 12. Dezember von Melchior Frey, Abraham Frey und Ambrofij Herzog
als Meifterfinger mit unterfchrieben.
110 Hans Sachs Litteratur.
„herr Chriſtoff Weyenmair“ und andere. Tiefe Bezeichnung ſollte alfo auch
jegt noch eine höhere fociale Stellung des Bezeihneten andeuten. Ambroiius
Diesger war in Nürnberg Dragifter, Chriſtoff Weyenmair Schreiber, dann
Notar in Augsburg (Meinz a. a. O. S. 343), Tanbed Brofurator ebendafelbit.
— Beſonders einzugehen ift auf den Abfchnitt über Hans Sachs. Tie Jahres:
jahl 1647 bei dem Meiftergefang „Plinius ſchreibt groß wunder“ (S. 37, Nr. 7)
it, nad freundlicher Mitteilung von E. Goege, verichrieben, das Tied ift that:
fächlich von Hans Sachs gedichtet, es fteht unter dem Zitel „Ter wunder:
parlich vntergang etlicher tat“ im neunten Meiſtergeſanabuch Bl. 83, desgleichen
beitätigt fi bei Nr. 12.15.38 die Merker mit Fiſchen verglichen) Hartmanns
Vermutung der Hans Sachſiſchen Urheberſchaft: das Gedicht ftand im eriten
(verlornen) Meiftergefangbuch. Dagegen rühren die 2.37 ala Nr. 9 und 10 ein:
gereihten Gedichte Ermahnung an die Eltern „Fa ift ein fehr gemeine Nlag”
und Urſprung der Weber „(Finca mals bei dem bier ich ſaß“) nicht von unierm
Hans Zadıs, ſondern — die Nichtigleit_der Angabe in den Peter Handſchriften
vorausgefegt — entweder von Hans Sachs dem jüngeren (1590 - 1594 nach⸗
jumeilen) oder von dem bei Hartmann S. 49 notierten Hans Heinrich Zadıa
um 1645 ber. Ich bemerke jedoch ausdrüdlic, daß dieſer leßtere, fomweit ich bie
jetzt fehe, in den Protokollen nicht erſcheint. An die Identität der beiden lesten
Dans Sachſe (Hartmann S. 30) glaube ich nicht, da zwiſchen beiden der fehr
bedeutende Zwilchenraum von rund 0 Jahren 1: 44 — 1649) liegt, und dieie
vüde auch nicht durd cine einzige Erwähnung eines Dans Sachs in den
Brotofollen unterbroden wird.
Für durchaus unglüdlib balte ich Hartmanns Verſuch S. 39 ff. dem
Yebenzbilde des ‚Dans Sachs dadurch einen neuen Zug einfügen zu wollen,
daß er ihn ala Jünger der Fechtkunſt anwirbt. Hartmann ſtützt ſich bei ſeinen
Ausführungen auf zwei Stellen in den Reiter Handſchriften („Hans Sachs ein
ihumader in Nürnberg wie auch ein fechter und finger“ und „Dans Sad»
ihuhmacer merker des meiſtergeſangs ſchull- und approbirt fedhtmeifter in
Nürnberg”) und auf eine von Hampe (Spruchſprecher, Meiſterſinger und Hoc:
zeitlader vornehmlich in Nürnberg, Anzeiger des germaniichen Nationalmuſeums
1894, £ 2.40) aus dem end. berol. gerin. 4° 583 Wlatt 248 beigebradte Notiz,
in der Dans Zadıs als „rechter, ichulmeiiter, poet und meifterlinger“ bezeichnet
wird. Zwar fucht Hartmann durch eine Neibe anderweitiger Belege, die ihn
ala Kenner jenes Gebiets zeigen, vorhandene Berübrungen zwischen Schub:
macherhandwerk und Fechtkunſt nachzuweiſen, fir Dans Sachs iſt aber damit
nichts gewonnen. Lie beiden Stellen der Reſter Handſchrift find ja fraglos
aus viel fpäterer Zeit, und Hans Sachs konnte ebenfo fälſchlich ein Fechter
nenannt werden, wie man ihn fälfchlih au einem Zchulmeifter gemadıt
bat. Vielleicht ift Das „sechter* und „ichulmeiſter“ urfprünglic durch hledhte
handſchriftliche liberlieterung aus „Lichter“ und „ichumacer“ entftanden. Und
was die Ztelle aus dem vod berol. H83 anbetriftt, fo hatte Hampe an:
geneben, daß beiagter Koder bauptiachlih von Georg Hager gefchrieben fei.
Georg Hager kam ala Aunge noh zu Dans Sachs ins Haus, er ftarb 1684
dgl. Protokolle , feine Dandichrift hatte jener Angabe über Dans Sachs wohl
Gewicht verliehen. F8 wäre nun Hartmanns Aufgabe geweſen, ſich zu ver:
gewiffern, ob Georg Hager auch Die bier in Mede ſtehende Ztelle wirflih ge:
ichrieben habe. Auf eine dabingebende Anfrage meinerieits erhielt ih nun aus
Berlin die Antwort, daß Hampes Angabe auf einem Irrtum berube. Zunächſt
ſei der Tert der Handichritt richt bauptiachlich von Georg Nager, fondern von
verfchiedenen Sünden acichrieben, terner liefen durch das ganze Manuftript
llberfchritten, Unterſchriften, Norrefturen u. Dal. hindurch, die von einer neuen
Sand herrührten, und dieſe habe auch die hier in ‚srane kommende Bemerkung
Blatt 248 beigeiegt, und zwar in zwei Zeilen, zuerst „anno falutis 1557 am
Hans Sachs⸗Litteratur. 111
9 tag des heumonats gedicdht von hanß ſachſen ſchuhmacher“ und dann nad)=
träglich, etwas verwiſcht „Fechter, jchulmeifter, poet und meifterfinger”. Bon
Georg Hager3 Hand fei die des Korrektor gänzlich verichieden. So verliert
alfo audy diefe Stelle für weitere Schlüffe ihren Wert.!) — Sehr intereffant
dagegen find die Mitteilungen über da3 Nachleben Hana Sadjfifher Dichtungen.
Hartmann zeigt, daß nicht nur in Kremnitz in den Sarpathen die Tragödie von
der Jungfrau Pura und Nitter Gottfried nad) einem dort aufgefundenen
„Zheaterbuche” bis in die neuere Zeit von Leuten aus dem Volke dargeſtellt
wurde, fondern daß auch ein Judasſpiel, das feit alter Zeit in Hallein auf-
geführt Fi werden pflegt, eine Reihe von Verſen des Hans Sachs enthält.
Sole Entlehnungen find alfo bis jeßt, dank den Arbeiten von Schröer und
Hartmann, nachgewiefen bei einen Sremniger Weihnachtipiel, dag mit der
„Sungfrau Pura“ den Anhalt jenes Theaterbuchs bildete, bei einem Spiel
aus Oberufer bei Preßburg, bei Spielen verfhiedenen Inhalts aus Schlelien,
— Oberbayern, aus dem Salzkammergut und aus dem Elſaß
(S. .). — —
Auf S. 50. 59 iſt ein Martin Schratt aufgeführt, er heißt richtig Schrott
Schrot' und feine Weiſe demnach „ſchrottweis“ (ſchrotweis) nicht ſchradtweis.
benſo führt Sichart (Sighart, Sieghart ꝛc.), der Erfinder des „pflugthones“ nicht
den Vornamen Hans (©. 51), ſondern Peter (Protokolle a. 1612, 12. Juli ſingt
Han? Deifinger im pflugthon petter fihart; ebenfo 22. November 1612, 22. Viai
1614 2c.). — Der ©. 58 unvollftändig angegebene Name Chriftoph Weinm...
lautet Weyenmair vgl. aud) Keinz a. a. O. ©. 348, jeit 1620 werden feine
Töne öfterd in Nürnberg gelungen. — Die Anfangsbuchftaben des Namens
des Erfinderd der „hohen Knabenweis“ find nicht p. h. und auf Philipp Hager
u deuten (©. 67), der Erfinder ift vielmehr Paulus Schmid. Im März 1617
ingt ein Sacob von Augsburg „in der Knaben weisz p. ſchmid Drey ding hab
ih vor allen“, Zuni 1618: „Kaspar Enderlein in der hohen Knabenweisz
Kunig David fpricht Hare“, November 1617: „Hans Stern in der hohen
Sfnabenweiaz p. en Got wolle fih erbarmen”; Adventtag 1617: „Kafpar
Enderla in der hohen Knabenweisz König David |pricht Klare” 2c. Er ift aud)
der Erfinder des nicht felten gebrauchten „verihidnen Tones“, während die bei
getan (S. 50) ihm nod) zugefchriebene „hohe gartweis“ von Jeronimus
Hmid herrührt. — ©. 67 ift „in der h... eweisz Wolfframß“ zu ergänzen
in den „henneweisz (hönweisz) wolfrans“. — Ebenfo find ©. 67 verjchiedene
Töne ala Töne ungenannter Urheber verzeichnet, deren Erfinder fich jedoch feit-
ftellen laffen. So dürfte fich die „Fünfte jungfraumeis” in „wilden jungfrau-
weiß“, d. h. jungfraumweis des Sebaltian Wild von Augsburg verwandeln,
über die „hobe Knabenweis“ fiehe oben, „Paladis lauden weis“ („Palladis
lautenweis“) rühren in der That, ebenſo wie „Apollinis harpfenweis“ und
die nnter Nr. 5 genannte „frifche pomerantzenweis“ von Ambroſius Mebger
her. — Ein „Ihwader thon“ von 9. Vogel (S. 37. 56) eriftiert nicht, es ift
der „Ihwarte thon”. — Der Meiftergefang von Orpheus (Beilage III, dazu
©. 38) ift nah Hand Sachſens Handichrift abgedrudtt bei Dreicher, Studien zu
Hans Sachs II, Anhang S. XLVI. Hartmanns Abdrud zeigt neben, der jüngeren
Orthographie auch tertlihe Abweichungen, ich hebe nur die Anderung der
Tuellenangabe hervor, bei Hans Sachs Bocacius (= De viris illustribus über:
1) Ich möchte bei diefer Gelegenheit noch einen andern Irrtum Hampes
berichtigen. A. a. DO. S. 38 fchreibt er auf Grund einer Handſchrift Benedikt von
Watts dem Thomas Grillenmair eine „ſtingete gryl- weiß” = „ſtinkende Grillen-
weiſe“ zu. Diefe Deutung ſchien von vornherein in jeder Weife bedenklich, ich
leſe (vgl. Prototolle Oftertag 1649) in ber „finget grilenweis thomas grilenmair”,
was auch, inhaltlich einen pafjenden Sinn giebt.
112 Angelus Silefins, Cherubinifher Bandersmann.
ſetzt als „Fürnemſte hiftorien und erempel von widerwertinem Glüd“ 1545), in
den Peiter Handichriften Ovidius. Schließlich rührt die „zugweis“ nicht von
‚prauenlob S. 82), fondern von Fritz Zorn ber, Hartmann folgte bier einer
Angabe von Heinz, der das Beilage VI wicdergegebene launige Lied („mas der
meiiterlinger weiber bißweilen prlegen vor thön zu fingen“) Zeitichrift für deut:
ihes Altertum 38, 159 nah einer Münchener Handidhritt abgedrudt hatte.
Bonn. Karl Dreſcher.
Angelus Sileſius, Gherubiniiher Wandersmann (Geiftreiche Zinn: und
Zchlußreime). Abdrucd der eriten Ausgabe von 1657. Mit Hinzufügung
des iechiten Buches nach der zweiten Auagabe von 1675. Gerausgegeben
von Georg Ellinger. (Braunes Neudrude Nr. 135—138.) Halle, Wie:
mener 1895. 240 M.
Aus dem Tichterfreis der Schleier iit Ziheitler bis heute eine der befann:
teiten Reriönlichkeiten geblieben. Zer Cherubiniſche Wandersmann erfchien bie
in unser Jahrhundert binein immer wieder aut dem Büchermarkte — nur meift
in modifch zugeſchnittenem Gewande, das ihm jeweils tendenziöfe Willfür um:
legte.) Roh im Jahre 18°8 frischen Minterer und Zprenger die etwas ver:
wellte Poeſie der heiligen Zeelenluit auf und machen aus Schefflers Dichtung
ein modernes Andachtsbuch.“) Alſo nicht allein die litterariihe Tradition bat
Die Menntnis der Zcheftlerihen Dichtungen erzoaen. Und der Cherubiniiche
Wanderemann verdiente in cimem ſaubern Weudrude mit reinlibem Zerte
wieder vorgelegt zu werden.
Ellinger giebt den Tert von 1657 wieder. Zeine litterarbiitorifhe Fin:
leitung ift zu einer eingebenden, genauen, etwas breit ausgeiponnenen Unter⸗
ſuchung ausgewachſen. Gllinger beichreibt zuerit den muſtiſchen Gedankenkreis,
in Den ſich Der Eherubiniſche Wanderdomann hineinſtellt;: dann ſucht er Die
Quellen des Kherubiniſchen Wandersmanne auf, weiſt auf die Vorbilder
bin für Die Form, in die Scheffler ſein Bert kleidete, beſtimmt annähernd
Die Abfaſſungezeit und schließt mit biblivgrapbiihen Notizen über Die
erben Ausgaben von 1657 14, beziehungeweiſe 1675 (23) feine Abhand-
ung ab. -
%or allem ubte die machtvolle Perſonlichkeit Frauckenbergo einen tiefen
Eindruck auf Scheffler. Heide Naturen waren ich feelenperwande Wie Francken⸗
berg erichütterten audı Scheñͤler ſchwere Zeelentümpfe. ci Beiden ift das
Ergebnie des harten, innern Ringen dDasielbe: Entrüſtete Abkehr vom falten,
ittarren und fraftloien Ruchſtabenglauben. Tie Ideen, Die estandenberg durch
Wort und Schrift in ſeinem Mreiie verbreitete, wucien im Cherubiniſchen
Wanderdmann wieder aut.
Tie „Gonelusiones" AJrandenbergs führen zu den übrigen Cuellen
Scheflers. Ellinger gewinnt das NReiultat, daß Scheffler namentlihb au®
Qalentin Weigel, Jacob Böhme, Tauler und den myſtiſchen Traftaten de®
16. und 17. Nabrbunderts Ichöpfte ıZ. XL.
Lie überreihen Witate liefern mandmal einen willkommenen Roms
mentar zu den knappgefaßten Ausiprüchen des (Sherubiniihen Wanders⸗
I) Bol. Goedele?3, 197 8. «Tie Sulzbacher Ausgabe datiert aus dem
Jahre 1824. 1
2) Eridien in Mannheim 138. Sınc andere Ausgabe lam 1845 ans
Ztuitgart
Angelus Silefius, Cherubinifcher Wandersmann. 113
mann!) und laffen auch die falfhen Verweiſungen Ellingers Elar er:
fennen.?)
Ellinger weift felbft darauf hin, wie fih in Franckenbergs Kreis all:
mählich eine gleihförmige Ausdrucksweiſe herausbilden mochte (S. XD. Die
Wendungen und Redensarten myſtiſcher Schriften und Traftate erftarrten wohl
in beſchränktem Maße zu feiter Formelhaftigkeit. Die ſprachliche Darftellung
der myſtiſchen Grundlehren jchliff ſich begreiflicherweiſe zu gewiſſer fatechetifcher
Gleichförmigkeit ab. Und da wird es etwas bedenklich fein, immer mit dem
‚Finger auf diefe oder jene Stelle zu deuten als die Proſaſkizze zur poetifchen
Ausführung Scefflers. Wir jehen fo in des Dichters Werktan, wie er figt
und von Zeit zu Zeit in feine Quelle hinüberjchielt. —
Gerade wie Ellinger die große Abhängigkeit Scheffler® von Weigel er:
fannte, fo entdedte Kern eine tiefe Verwandtichaft des Cherubinifchen Wanders-
manns mit Eckharts Schriften, jo jpürt der Heraußgeber einer modernifierten
Ausgabe einen Gedankenzufammenhang der Diftichen Scheffler mit Lehrſätzen
des Michael Molinos auf. u
Scheffler verſenkte fid mit ganzer Seele in den Myſticismus. Redeweiſe
und Borjtellungen der myſtiſchen Lehre mußten ihm, dabei geläufig werben.
Das erfte Buch des Cherubiniihen Wanderömanns dichtete Scheffler in vier
Tagen (ECllinger, XLVI). Während des freien, gefühlswarmen dichterifchen
Schaffen? mußte er gewiß nicht erft eine ſchwerfällige Notizengelehrfamfeit in
Bewegung fegen. Sch meine, der Heranögeber hätte daß etwas mehr betonen
müffen, nit damit und Sceffler ald ein Dichter mit Scheuflappen er-
iheint, der nie frei aufzubliden magte. — Immerhin gewährt Cllingers
anerahrtiche Unterſuchung einen intereffanten Bli auf die Wanderung myftifcher
Ideen.
Für die Form des Cherubiniſchen Wandersmanns fand Scheffler ein
Vorbild in den weitverbreiteten „Emblemata christiana“ der Georgette de
Nontenay. Den gewichtigften Einfluß fchreibt Ellinger den „Monodisticha
sexcenta sapientum” de3 Daniel von Ezepfo zu. Die Erfenntnig des Ver—
hältnifje® vom Cherubinifchen Wandersmann zu den „Monodisticha” @zepfos,
der Kahlert und Hoffmann ſchon vorgearbeitet hatten, hat Ellinger weſentlich
gefördert. Nur glaube ich, darf er für Ausrufe und Yormeln wie „Halt an!“
oder „Halt an, wo lauffftu hin?” (Quelle: — „wo millft du hin?“) I, 82
nicht den Daniel Czepko verantmwortlid; machen. Ellinger hätte die Worte feines
Gewährsmanns hier etwas mehr beherzigen jollen.
Der Herausgeber hat auch verjudt, die Abfaffungszeit des Cheru-
biniihen Wandersmanns abzugrenzen. Freilich vermochte auch er nirgends eine
unumftößliche Thatſache aufaufinben, an der man ſich feithalten könnte und es
bleiben und nur fchwantende Vermutungen. Danad) fiele die Entftehungszeit
des Cherubinifhen Wandersmanns zwifchen die Jahre 1651 und 1653. Ellinger
weiſt darauf hin, wie ſich ftufenmweife aus den einzelnen Büchern erkennen läßt,
daß fich des Dichters Gemüt unruhig bewegt und allmählich zum Katholicismus
hinneigt. Dabei liegt nun aber wieder das fünfte Buch mit feinen myſtiſch—
1) 3.8. 3. Weigel, Informatorium II, 12 zu IV, 158 (S. XXVI); Taufers
Nachfolgung (Buch der geiftlihen Armut) ©. 149 zu III, 188 (S. XXXID;
Zaulers Brediaten I, 139 zu I, 7 (S. XXXV); Taulers Predigten I, 147 ff. zu
I, 115 (S. XXXV). Scheffler empfand wohl felbft, daß feine poetifhe Kürze hie
und da eines erflärenden Zuſatzes bedürfe. Er fügt feinen Epigrammen felbft
Profjabemerfungen bei: Bgl. I, 7; IL, 199; III, 195. 214; IV, 50. 147; V, 92, 98.
23.8. ©. XLDO, 3. 13 von unten: V, 88 ftatt V, 77; ©. XVIL 8. 17 von
oben: II, 168 ftatt II, 189. Überhaupt fcheint der nedifche Drudfehlerteufel dem
flüchtigen Korrekturlefer arg auf dem Naden gejeffen zu haben.
Euphborion IV.
114 Berger 8., Die Entwidlung von Schillers Äſthetik.
pantbeiftiichen Ausiprüchen wie ein großer Stein im Wege, an dem man ärgerlich
Anftoß nimmt. Vielleicht hätte es fidh der Mühe verlohnt, den Cherubiniſchen
Wanderamann einmal im großen ZJufanımenbang mit der Scheiflerfchen Pro:
duftion überhaupt zu betradıten und dadurch den geiftigen und dichterifchen
(entwidlungsgang des merkwürdigen Manns zu beleuchten. Bei der unver:
droffenen Sründlichkeit, mit der er feine Unterſuchung führt, bätte Ellinger
gewiß noch da und dort Neues zum alten zugefügt.
Im legten Abjchnitt seiner Einleitung fpricht der Geransgeber noch von
der Nachwirkung des Werkes. Gottfried Arnolde „Neuer Göttlicher Funde“
(1700), das Buch „Der Weitzheit Garten-Gewächs“ 1170) namentlid) und
Serhard von Teritcegen Ichöpften au2 den (herubiniihen Wandersmann. —
Nur, meine ich, iſt auch bier (Fllinger wieder etwas zu Scharf auf die armen
Wörtchen losgefahren. Warum fonnte das „Garten-Gewächs“ nicht ebenfo gut
als Scheffler aus fih in einem Tiftihon den in der religiöjen Yitteratur io
abgenügten Qergleich der guten und böſen Menſchen mit Lämmern und Böden
anftelen (S. LXNID)Y So „ortenbar” tritt mir num Die Nachahmung Terfteegens
doch nicht immer aus der vergleichenden Yufanımenttellung heraus. (Vgl. 3.2.
Terfteegens „Wlumengärtlein” Nr. 183 mit V, 170; S. LXXIL) In Nr. 51
des „Wlumengärtleine“ und 11, 178 (2. LAND find zwei ganz verfchtedene
Gedanken niedergelegt. Teritcenen: Der Menih muB hienieden immer in
neiftigem Verkehr mit Gott leben, um zu wahrer Recticaffenheit zu gelangen.
Scheffler giebt eine pantbeiltiiche Formel wieder, die ausdrüdt, daß Gott
erft Durch ſeine Exiſtenz im Menſchen Gott wird und bleibt.
Einen Arrtum, der durch alle bisherigen bibliographifchen Notizen über
den (Sherubiniichen Wandersmann durchlief, bat (Fllinger befeitigt: (Eine Aus:
gabe von 1674 eriftiert nicht.
(Fllinger bat mit feiner Uuterſuchung die Abhängigkeitefrage des Cheru⸗
binifhen Wandersmanne - namentlich Kern gegenüber — auf eine neue
Grundlage gneitellt. Nur hat ihn dabei der Eifer des Norrektors etwas zum
llbermaß verleitet. Aber dem Studium Schefflers bat er mit feiner Ausgabe
gewiß einen tüchtigen Tienft geleiftet.
Paris. Karl Ott.
Berger K., Die Entwicklung von Schillers AÄſthetik. Gekrönte Preisfchrift.
Weimar. Hermann Böhlau. 1894. 4 M.
Arbeiten philoſophiegeſchichtlichen Inhalts pflegen naturgemäß zwei Seiten
darzubieten: eine rein oder eigentlich biftoritche, den Imfang, Die Neubeit und
Verläßlichkeit der thatiüchlichen ‚yeftitellungen betreffende, und daneben eine
philofophifchzfritiiche, Die wohl nur in den jeltenften ‚Fällen, nur dort etwa,
wo man fich mit dem Nachweiſe gewiſſer chronologiſcher Verhältniſſe, mit der
Publikation nen aufgefundener Handſchriiten und dergleihen begnügt, gänzlich
vermißt wird, wahrend haufig gerade in ihr das Schwergewicht der ganzen
Arbeit liegt und ſie zweitelaohne es iſt, weldhe dann in erfter Yinie über Wert
und Bedeutung der vorgelegten Unterſuchungen enticheidet. Schon jede Tert:
beitimmmung auf rund höherer innerer Wahrfcheinlichleit der einen oder andern
Yesart feßt fie voraus: gar unifaſſende Taritellungen eines größern Abfchnitta
ans der Philoſophiegeſchichte, ja selbit vollitändige Monographien find ohne
diefe fritiich:philofopbifhe Zeite faum denkbar: denn nur ihr fallen die allge:
meinen Geſichtöpunkte zu, nach melden die (Fricheinungen aruppiert und unters
einander verbunden werden, und fie tritt unfehlbar wieder in der Sefamtauffaffung
und :Mennzeihmmg des Denkers oder feines Werks hervor, mwelder anch Die
Specialftudie ſchwerlich wird aus dem Wege geben können, felbft wenn tbat-
Berger 8., Die Entwidiung von Schillers Äſthetik. 115
sählih nur eine einzelne hiftoriiche Perfönlichkeit oder gar nur eine befondere
Hervorbringung einer ſolchen Perſönlichkeit den Gegenftand ihrer Erörterung
bildet. Man würde fi) demnach einer ſchweren Täufchung hingeben, wenn man
in Unterfudungen des fraglichen Gebiet3, welchen e3 nicht um Kritik, Sondern
lediglich um die faktiſche Konftatierung defien, was zu einer gewiſſen Zeit von
gewiſſen Philofophen gelehrt wurde, zu thun ift, die ſich alfo fcheinbar ganz
und ausſchließlich auf dem hiftorifchen Boden bewegen, wirklich nur die allge=
meinen Methoden des Geſchichtsforſchers angewandt finden und das philo-
ſophiſche Moment völlig vermiffen wollte: Kenntnis eines Philofophen als
ſolchen ift ja doch wohl mit Verſtändnis feiner Lehre gleichbedeutend
oder fchließt zum allermindeften dieſes Verſtändnis ein, fo daß der Philo-
iopbie=hiftorifer, jene oben erwähnten, feltenen Ausnahmen abgerechnet, immer
—7— und von ſelber bis zu einem gewiſſen Grade wird Philoſoph fein
müffen.
Aber diefer Grad ift allerdings verſchieden. Es hält gewiß viel leichter,
eine philojophifche Zehre zu verftehen und die einzelnen Säße, worin fie formu=
liert wurde, finngemäß auszulegen, als ihren Wert, ihren Wahrheitögehalt,
das Maß von Denkkraft, welches ihre Begründung und Durchführung erheifchte,
ihre innern, logifchen Vorzüge und Mängel richtig zu beurteilen. Jenes ſtellt
an die philofophiiche Schulung weit geringere Anforderungen als diefes, und
die Begabung zu der bloß formalen Kritik, durch welche über die Zugehörigfeit
von Ideen zu einem beftimmten Gedankenſyſtem und deren Zuſammenhang
unteremander entfchieden wird, braucht fi alfo keineswegs immer mit der
Fähigkeit entſprechender fachlicher Sritif zu verbinden. So fann man innerhalb
der philofophifch=kritifchen Leiftung jelbft wieder eine im engeren Sinne philo-
fopbifhe Funktion von derjenigen unterfcheiden, die, wenn fie gleich philo-
ſophiſche Auffaffung erfordert, weil fie eben Thatſachen des philofophiichen
Denkens feftteßt, doch immerhin die Ermittlung von Thatſächlichem, geichicht-
li) Gegebenem zum Ziele hat, daher als hiftorifch in der weiteren Bedeutung
bezeichnet und unter eben diefem Geſichtspunkte der wahrhaft hiftorifchen Seite
der Arbeit zugerechnet oder vielmehr mit ber legtern zu einem etwas anders
aefaßten Begriffe des .geihichtlichen Faktor vereint werden kann. Eine in diefer
Weile vorgenommene Abgrenzung des philojophiichen von dem hiftorifchen
Moment empfiehlt ſich aber gar ſehr ſchon aus äußerlichen Gründen. Niemand
wird leugnen wollen, daß es Arbeiten geben kann und wirklich giebt, die nur
in demjenigen Lob verdienen, wa3 fich mit den Mitteln des Hiftorifers über:
haupt vollführen läßt, dagegen eine ebenſo fchiefe Auffaffung des wirklichen
Narr der Doktrinen oder Lehrſyſteme verraten, als ihre fritifchen Urteile
verfehlt und unzulänglich find; hundert- und hundertmale aber ftößt man aud
auf philofophifchegefchichtlihe Erzeugnifie, welche nicht nur infofern forreft nad
der hiftorifchen Seite genannt werden müffen, als fie von einer gewiffenhaften
Verwertung aller auffindbaren Quellen, fowie einer ausreichenden Technik in
der Benußung diefer Quellen Zeugnis geben, alö fie feine materiellen Irr—
tümer, feine falfchen bio und bibliographifchen Angaben, feine unrichtigen
Tertftellen und vergleichen bringen, jondern melden auch ein geniigendes
Eindringen in den Geift der dargeftellten PBhilofopheme, ein glüdliches
Srfaffen der Abfichten derfelben nicht ftreitig gemacht merden darf, während
fie viel, ja alles zu mwünfchen übrig laffen in Bezug auf die Schägung
% Wahrheitögehalts, der Bedeutung und Brauchbarfeit der vorgeführten
Ideen.
Wie wichtig es iſt, alles das auseinanderzuhalten, zeigt Karl Bergers
vreisſsgekröntes Buch. Es wäre ein Ding der Unmöglichkeit, über dieſe Schrift
furziweg ein ſei es lobendes ober tabelndez, anerfennendes oder verwerfendes
Urteil zu fällen, ohne die Forderungen der Gerechtigkeit aufs gröbſte ‚u ber=
8
116 Berger K., Die Entwicklung von Schillers Äſthetil.
legen; denn, wenn jie in der einen Hinjicht wirklich alles Yobes würdig ift, fo
tordert fie in der andern mancherlei ernite Bedenken heraus und ſcheint in der
dritten gar eine fcharfe und entichiedene Verurteilung des vom Verfaſſer ein:
genommenen Ztandpunfts am Plage, fo daß jich die Anerkennung der Arbeit
um ganzen nun weit zurüdbaltender geſtalten muß. Man fann nicht fagen, der
Preis, mit weldhem das Buch ausgezeichnet wurde, ſei ein unverdienter geweſen,
fofern man lediglich die biftorifhe Zeite in der engiten und einentlichiten Bes
deutung in Rüdjicht zicht. Ter Fleiß und die Sorgfalt, womit Verger nicht
nur die vom Tichter felbit ichon veröffentlihten Schriften durchgearbeitet,
jondern aud in die „Nallias“:,yragmente jich vertieft und aus dem gelamten
Briefwechfel mit Körner, Goethe, Fichte, W. von Humboldt 2c. alles herbei:
gezogen bat, was geeignet erſcheint, auf Schillers äſthetiſche Anfichten ein Licht
zu iverfen, können nicht warnt genug gerühmt werden. Daß er in der Jurate⸗
ziehung der Yitteratur über Schiller, d. b. über deſſen philojophiihe Bemühungen
ſich nicht einer ebenſolchen Vollſtändigkeit befleißigt, daß er, die Hauptſchriften
von Nuno Fiſcher, Tomaſchek und überweg abgerechnet, ſich einentlih nur mit
Hemſen auseinandergeiegt, ein paarmal Danzel — auf deſſen Aufſätze er übrigens
zuerft Z. 113 und dann öfters mit „a. a. O.“ verweilt, obne je den Titel der
bezogenen Abhandlung oder der ganzen Sammlung genannt zu haben — und
enen den Schluß bin (Weiße das Mort gegeben und in der Vorrede noch der
einer eigenen dDiametral entaenenitchenden Anichauung Harnacks von dem Ber:
hältnis der frübern zu den ſpätern Schriften Schillerd Frwähnung getban,
im übrigen jedod weder Nobert zimmermann noch defien Namensvetter Guſtav,
weder Lindner noch Montargis, ja nicht einmal Deinrih von Steins Dorträge
über Goethe und Zchiller anzuführen für nöthig eradıtet bat — Dies würde
Dagegen faum einen ernitlien Vorwurf bearünden können, wofern ſich nicht
etwa zeigen ließe, daß der Verfaſſer bei geböriger Rückſichtaahme auch aut
Diefe, von ihm ignorierten Schriſten Irrtümer in der Auffaſſung oder in der
Kritik, welchen er faktiſch auheimfiel, aller MWahrjcheinlichleit nach vermieden
baben würde. Aber die Monographien ganz beifeite aelegt, berührt cs immerhin
jeltiam, Daß sogar von den allgemeinen Werfen über Weichichte der Äſthetik
nur die Bucher von Stein und Yore cıtiert werden: Die großen Seiaumtdaritel-
lungen von Zchasler und zimmermann, Deren jede ih to eingehend und liebe:
pol mit dem Aſthetiker Schiller beichattiat, eriitieren anscheinend für M. Berger
gar nicht, ebeniowenig ala der erite biitoriich: fritiiche Teil der pon Hartmann—
ichen Aſthetik oder die nenern Werke der Engländer, weldhe allerdings haupt⸗
jahlih nur die „Brieſe über Die äſthetiſche Erziehung des Menſchen“ ihrer
(harakterittit zu runde legen, obne die verichiedenen Entwicklungephaſen der
Anfichten des Tichters zu beachten, jo wenig alio ala „A history of aestheties”
von Boſanquet, welcher im 11. Napitel Schiller ſehr ausführlich bebandelt, und
als Knighto Seichichtabuch „The philosophy of the beautiful”, das auf weit
knapperm Ranme ein Wild von dem Merne der äſthetiſchen Beitrebungen des
großen Kantſchülers zu zeichnen veriucht. Daß der Nerfaiier auf Arbeiten,
welche die Geſchichte cines einzelnen äſthetiſchen Regriüs zum Gegenſtande
haben und in welchen auch der ‚yaltıng des Vegriffs bei Schiller gedacht wird,
wie Zeidls „Sur Geſchichte des (Frhabenheitsbegrifts feit Kant“, oder auf Die
den Tichterphiloiophen erwähnenden hiſtoriſchen Abichnitte in nitematifchen
Grundlegungen der Hithetit, fo vor allem in den zwei iranzöſiſchen Werten:
Pictets „Du beau” und (Shaignets „La science du beau” — Yepeque, der
nur die Häupter der philoiopbiichen Aſthetik berücdtichtiat, läßt in dem gefchicht:
lichen, 4. Zeil feiner „Seienee du bean” anf want unmittelbar Schelliug folgen —
rerner in Zeiſinas „Aitbetiichen ‚yorichungen“ und viclen andern deutihen Bro:
duften feinen Blick wirft, veritcht fich biernach, anbetrachts der notgedrungenen
Kürze dieſer fänıtlichen, oft kaum eine Seite füllenden Kennzeichnungen, faft
Berger K., Die Entwicklung von Schillers Afthetik. 117
von felbft, wie ſchön und treffend troß aller Unausgeführtheit bei einigen der
genannten Schriftiteller, z. B. Chaignet, die Skizzierung ber äfthetifchen Theorien
Sciller® auch fein mag. An und für fich ift nun eine fol unvollftändige
Litteraturanführung, wie gefagt, ziemlich bedeutungslog — um fo bedeutung?
Lofer, als das Angeführte keineswegs einen fihern Rückſchluß auf die Menge
be3 wirklich Benugten geftattet: immerhin aber läßt fie den Verdacht auffeimen,
daß der Berfafjer vielleicht doch nicht ganz mit der zur Bewältigung feiner
Aufgabe unbedingt erforderten Fachbildung ausgerüftet fein möchte,
Diefer Verdacht verftärkt fih jedoch noch erheblich, wenn man die Be-
urteilung auf die hiſtoriſche Seite der Arbeit in jenem meitern Sinne bes
Wortes ausdehnt. Schon die Hauptabficht des Verfaffers macht ſchwere Zweifel
in Betreff ihrer Durchführbarfeit rege. Berger geht vor allem darauf aus,
einen innern Zujammenhang der verſchiedenen äfthetifchen Anfichten, wie fie
Schiller der Reihe nach vertreten ‚hat, untereinander zu erweifen, darzuthun,
daß zwiſchen den vorkantiſchen Außerungen des Poeten und den von Kant
beeinflußten, fowie innerhalb der Kantſchen Periode ſelbſt wieder zwiſchen der
Auffaffungsweife, welde fih in den Kallias“-Fragmenten, in der Schrift:
„Über Anmut und Würde“ und in den Auffägen der „Neuen Thalia” von
dem Erhabenen kundgiebt, und der in den „Briefen über die äfthetiiche Er-
ziehung des Menfchen” entwidelten Theorie durchaus nicht jener Gegenſatz
befteht, den manche gefunden haben wollen. Es ließe fi nun wohl vielleicht
einräumen, daß diefer Gegenfag dann und wann etwas gar zu fchroff Hin-
geftellt wurde; es darf ferner mit Recht geltend gemacht werden, daß bie
oe nebft verwandten Abhandlungen einerſeits und die „Briefe
über bie äfthetiihe Erziehung” andrerjeit® von verjchiedenen Richtungen aus
an das Schönheits- und Kunftproblem Herantreten, indem die Schriften der
erſtern Gruppe ſich mehr mit der objektiven, die „Briefe“ vorwiegend mit ber
inbjektiven Seite der Frage befchäftigen, fo daß diefer Verfchiedenheit der
Standpunkte auch mit Notwendigkeit eine gewiſſe Verfchiedenheit der Ergebniffe
entjpricht, welche durchaus nicht einen Widerſpruch, eine wirkliche Unvereinbar-
feit derjelben bedeuten müßte: vielmehr könnte e&, bloß nad) diefem Verhältniſſe
zu urteilen, recht wohl ein= und diefelbe Sache in wechſelnden Anfichten I
da3 einemal von diejer, daß andermal von jener Seite betrachtet, jest hier,
dann dort beleuchtet, was ſich anjcheinend fo ungleihartig präfentiert. Endlich
darf man ohne weiteres zugeben, daß gewiſſe Formulierungen bei Schiller eine
Zäufhung über das Maß der Verwandtſchaft zwiichen einzelnen feiner Kon:
zeptionen außerordentlid) nahelegen. Bloß die für fi) genommenen, aus dem
yulammenhange geriffenen Ausdrücde erwägend, möchte man in der That der
erſuchung ſchwer widerftehen, den Begriff der „Freiheit in der Erſcheinung“
aus dem „Kallias“- Fragment und denjenigen der „lebendigen Geftalt”, welchen
die „Briefe über die äfthetiihe Erziehung” aufftellen, mit Berger für identiſch
zu halten. Denn die „Erſcheinung“ läßt ji wohl auch ala „Geſtalt“ bezeichnen,
die Beftimmung „Freiheit“ durch Die großenteils ſinnesverwandte der „Qeben-
digkeit“ ohne Mühe erjfegen. Das hieße jedoch, wie beftechend eine ſolche Inter:
pretation auf den erften Blick ſich auch ausnehmen möge, die Begriffsfaffungen
Schillers in ihren tiefften Wurzeln mißverftehen. Daß es gleichwohl nur eine
Täuſchung durd die Worte geweſen ift, welcher Berger erlag, als er mittelft
Parallelifierung der een in der Erfcheinung“ und der „lebendigen Geftalt“
das unmwandelbare Feithalten Schiller an der nämlihen Definition plaufibel
machen wollte, davon fann er fi durd) eine genaue Prüfung feiner eigenen
Wiedergabe der Schillerfchen Gedankenentwicklung überzeugen: eine folche ſcharfe,
jorgfältige Analyfe feiner fehr eingehenden Darftellung wird es ihm bald zu
voller Bewißheit erheben, daß die Auslegung in der obigen Art falfch ift, daß,
wenn man jchon eine Zurüdführung der von Schiller zu verfchiedener Zeit ge-
118 Berger K., Die Entwidlung von Schillers Äſthetik.
brauchten Kategorien aufeinander verſuchen würde, die „Geſtalt“ als das Princip
des Formalen mit der „Freiheit“, das „Leben“ ale Princip des Stoftliden,
Materialen wit der „Sricheinung“ ich decken oder doch auf eine Zeite fallen
müßte. ‚Freilid) braucht man nun aus dem angeführten Grunde der ungleichen
Unterſuchungsſtandpunkte eine völlige Identität beider Beftiunmmgen auch gar
nicht zu verlangen: geht doch die eine auf den jchönen Gegenſtand, die andere
auf die Verfaſſung des äſthetiſch genießenden Gemüts! Um fo mehr aber muß
der von Berger beabfichtigte Nachweis als verunglüdt bezeichnet werden.
Vollends vergeblide Mühe wäre es, zwiichen den vorkantiichen, zuerit,
wie der Verfaſſer aut darlegt, durch Zhaftesburn und Ferguion angeregten
üfthetiichen Ideen Schillers und feiner don Nant abhängigen Kunſt- und Schön:
heitslchre eine tiefere Ubereinſtimmung berausflügeln zu wollen. Nur wer Die
Senügiamfeit hätte, jene vagen und entternten Beziehungen, welche mau
ſchließlich anch zwiſchen den beterogeniten Vorſtellungsarten entdedt, ale wirf:
lie Berwandtichaft oder Gleichheit der Principien hinzunehmen, fönnte glauben,
daß Die Aufzeigung eines von dem Wandlungen der Anſichten Schillers un:
berübrten, immer gleich gebliebenen Kerus äftbetiiher Auffaſſungen Berger
gelungen sei. Auf demſelben Wege und mit demſelben Erfolge ließe ſich beweiſen,
daß Tiderot ſeinen anfänglichen Überzeugungen niemals untren geworden oder
dag Schellings Weltanſchauung im Yanfe der Zeiten ſich eigentlich nicht ver:
ändert babe, Die wirklich durch ſämtliche Entwicklnugsphaſen des Tichters
bindurchgebenden, im dem philoiophtichen PBoem: „Die Künſtler“ fchon jo
wie in den jpatern Schriften anklingenden Gedanken, vor allem jener der Un—
abhängigfeit des aſthetiſchen Geunſſes von dem taftiihen Beſitze des Gegen:
jtande - einer Unabhängigkeit, wie tie mit den Die äſthetiſchen Eindrücke auf:
nchmenden Sinnesgebieten zuſammenhängt und in der Nantichen Beſtimmung
der Jutereſſeloſigkeit ihren Ausdruck finder - ind eben ſolche, die, weil voll:
fonmmen zutrefiend und in der Sache ſelbſt begrundet, bei ſehr vielen einiger:
maßen tieſerblickenden Aſthetitern Sich auffinden laſſen. Was aber Schiller
anlangt, ſo muß man es vielmehr lebhaft beklagen, daß er dieſe Grundmerk⸗
male des Äſthetiſchen nur zum Teil erfannte und, wenn er fie icon erlannte,
viel zu wenig ausunste, ja, Daß cr fie ſogar bei denjenigen feiner watern
Nonzeptionen, welche, gleich der Des „Spieltrieres“, eine Anknüpfung an jene
ſruchtbaren, den wahren Verhäaltniſſen entiprechenden Gedanken faſt unabweie:
lich fordern und bei modernen Philoſophen, wie Herbert Spencer, auch wirklich
im der richtigen Weiſe geſunden haben, abſeits liegen lich, wogegen er durch
gehaltloſe, oit geradezu wunderliche _Numiteleien, welche bloß die Renfamteit
ieiner Phantaſie and feine virtuoie Zprachbeberridung offenbarten, in allerlei
von Der NMuntichen (Frfenntuistheorie und Ethik erborgten Begriffen eine
ihmwanfende und zerbrechliche Arundlage Für ſeine altbetiichen Yebriäge gewann.
Aber noch im underer Hinſicht reizt VBergers Anterpretation der Schiller:
ſchen Ausführungen zum Widerſpruche. ewig wird miemand in Abrede ftellen,
daß der Tichter, wiewohl Die ‚Nullıae“ ‚ragmente zu feinen Yebzeiten nicht
veröffentlicht wurden, doch ſchon durch seine ganze, Das Ergebnie Diefer Frans
meinte beitändig dverratende Art, aſthetiiche Fragen zu behandeln, in erfter Linie
den Anſtoß zur Verwandlung Der Aithbetif aus einer piychologiſchen in eine
metaphyſiſche Wiſienſchäft gegeben, font dem äſthetiſchen Objektiviomus, der
ipelkulativen Schonbreits. und Kunſtlehre Der Schellina, Zolaer, Hegel ꝛc. recht
eigentlich Yabıı gebrochen bat. Es tragt ſich jeded nur, war man ale wahr
harte, zweiſelloſe Bkkundung Des ufthetiichen Cbjeftiviamus bet Schiller an—
sehen dürſe. Und zu dieſem werte muß man öich allererit über den Begriff
einer objeftiven, metaphmiichen Teutung oder Auftaltung Des Schönen felbit
verstandigen. Tie bier in Vetracht kommenden Berbattiiiie find in der That
ziemlich verwickelt und ſchwierig, io Daß fie ſich nur ciner etwas jnbtileren
Berger K., Die Eutwidlung von Schillers Äſthetit. 119
Unterfuhung erſchließen dürften. Es ift beifpielsweife kaum zu verfennen, daß
alle diejenigen, welche das durch Ziegler neueftens zu fo hohen wiſſenſchaft⸗
lien Ehren gebrachte „Einfühlen“ nicht bloß ala ein „Sich-verſenten“ in die
lufterwedende Vorftellung nad) ber gewöhnlichen Bebeutung des Worts, d. h.
als Fernehaltung aller ftörenden, abziehenden Eindrüde, jondern als wirkliche,
mehr oder minder, bemwußte, wenngleich unwillkürlich ftattfindende Erfüllung
des Gegenftands mit den eigenen Gemütöregungen betrachten und außerbent
diefe Objeftivierung der Stimmungen, dieſes Hineindichten ſeeliſcher Junerlich⸗
feit in die Dinge nicht allein für die höchfte Foxm, fondern für ein ganz all-
gemeines, nie fehlendes Kriterium der äfthetifhen Kontemplation erklären, damit,
ungeadjtet ber fraglofen Subjettivität des Vorgangs folder Grfüllung und
solches Hineindichtens, ſchon eine Art objektives Princip ber Äfthetit verkünden
würden; denn es befteht nun für fie die Möglichkeit einer einheitlichen Defini—
tion aller ſchönen Gegenftände: das Schöne überhaupt kann ala die ver—
menſchlichte, mit Zügen ſeeliſchen Lebens ausgeftattete Natur beftimmt werden,
wie unanfehtbar es auch bliebe, daß das Subjekt jene Gegenjtände ſich jelber
erit geihaffen und erſt [eineriei die Verbindung von Gemütsleben und äußerer
Stoffwelt bewertitelligt hat. „Metaphyſiſch“ indes wäre die Einfühlungsäſthetik
und die ihr fehr naheftehende Feuerbachiſch⸗ anthropologiſche“, deren Principien
Gubig in einer Heinen, wenig gefannten Schrift: „Der Menic und die Schön-
beit“ entwidelt hat, gleihwohl nicht zu nennen, eben weil ihr der Gedanke
einer wahrhaften Realität jener das gemeinfame Wejen aller Schönheit aus—
machpenden Naturvergeiftigung gänzlich fehlt; doch vermittelt fhon der Gubitzſche
Standpuntt zwifchen dem Einfühlungsprincip und einer metaphyfiihen Theorie
des Schönen, und durch eine Heine Wendung wird die anthropologiiche Afthetit
vollends in bie metaphhiifche — dieſes Wort jelbftredend nicht im Sinne trans—
icendenter, fupernaturaliftiiher Weltbetrahtung verftanden! — Äbergeflhrt,
wenn man nämlich, ausgehend von dem Grundfage, daß das dem Menfhen
Verwandte oder Entiprehende ſchön fei, eine wirkliche, nicht bloß erdichtete
Sleihjartigfeit mit der Menfchennatur in allen den Dingen fordert, welche als
ſchön gelten jollen, wobei es freilich unbenommen bleibt — foferu dies nicht
vielleit etwa durch eine ftrengere Logik verwehrt würde — die „Homogeneität“
mit dem menjhlihen Wejen auf alles auszudehnen, was dem Leben des
Menſchen förderlich, angemefjen, zuträglic ift ober was jelbft Iebenbig, d. h.
thätig, traftvoll. regſam, bewegt erjheint, wie das Jouffroy im „Cours
desthetique” und Niegfce in ber „Götzendämmerung“ gethan haben.
Anbererfeits ift es ar, daß die Herbartihe Schule trog der von ihr fo
ſcharf betonten Objektivität der äfthetiihen Urteile keineswegs nad). ber meta=
pHyfiichen Richtung gefteuert und einer ben pſfychologiſchen Boden völlig ver—
lafjenden Lehre vom Schönen Vorſchub geleiftet hat. Deun, wie ſich ſchon aus
Herbarts eigenen Ausführungen erjehen läßt, hatte hier die entſchiedene Forbes
rung einer Überwindung des Subjeltivismus nur ben Sinn und Zwed, bie
Athetit_von jenem Genügen an der bloßen Unterfcheidung und Definition ge»
wiffer Spezialbegriffe des Schönen, wie „rührend“, „pathetiich”, „Lieblih“,
„prächtig“ 2c. abzubringen, welches infolge der Gleichgültigkeit gegen die dieſe
Eindrüde des Nührenden, Pathetijchen, Lieblichen, Prachtigen hervorrufenden
Gegenftände die Kunſtlehre zu gänzlicher Unfruchtbarkeit gegenüber der wirt:
lichen Kunftübung verurteilen mußte, abgefehen davon, daß auch wiſſenſchaftlich
mit den erwähnten Definitionen nicht viel anzufangen war, da fie bei Ver
meidung bon Begriffsfpielereien über ziemlid) vage, an Tautologien reihe
Beſchreibungen der nur unmittelbar in innerer Änſchauung zu erfafjenden
Gefühlsregungen naturgemäß nicht Hinausfamen. Die Objektivität, von ber
Herbart nicht abftrahiert wiſſen wollte, bezog ſich aljo bloß auf bie einzelnen,
wechſelnden Gegenftände des äſthetiſchen Urteils, welches ohne ſolche objektive
120 Berger 8., Die Entwidlung von Schillers Äſthetik.
Baſis thatfählich in der Luft ſchwebt, mit andern Worten: auf deffen logiſch⸗
grammatifhe „Subjelte*, jedoh nit im ntfernteften auf die Prädikate
„Ihön“ und „häßlich“ nebft den mannigfaltigen Modifikationen des Schönen
und äßlihen, deren pſychologiſcher Urſprung und Charakter von Derbart troß
mander dahin mißzuderitchender, unglüdliher Ausiprüce im Ernite ſchwerlich
verkannt worden iſt. Es ſcheint in dieſer Hinſicht ungemein lehrreich, daß
immermann viel lieber den Geſchmacks- als den Geruchsempfindungen äfthe:
tifche Bedeutung zuerfennen wollte: da die erftern nur wenige, ſcharf beftimmte
Qualitäten aufweiſen, deren jede ihre fire fprachliche Bezeichnung hat, während
die Gerüche höchſtens nach den Nörpern oder Stoffen, von melden fie aus»
jtrömen, unfchreibend benannt werden können, deutliche tennzeihnungen, flare,
benriffliche Beſtimmungen der Urſachen des Sefühlseindrude bier demnach auf
viel größere Schwierigkeiten ftoßen, fo ergiebt ſich für eine Auffaffung, welche
von dem äfthetifchen Urteile in eriter Linie fefte und fichere Formulierbarkeit
fordert, auch ſchon von felbft die äfthetifhe Bevorzugung der einen und
die Zurüdfegung der andern Fmpfindungen. Man kann nun freilich fagen, daß
bei eben dieſem Poftulate der feſten ‚sormulierbarteit, fofern es auf dem
Herbartichen Objektivitätsgedanken beruhen fol, außerdem eine zu enge Ber:
fettung des ſprachlichen Moments mit dem rein logiichen mitſpielt, daß über
Wohlgerüche und Geſtänke ebenſogut objektive Urteile im Sinne Herbarts
möglich find wie über angenehme oder unangenehme Geſchmäcke. wenngleich für
jene wegen der großen Anzahl und unfihern, der Begriffe» und Wortbildung
nur geringe Handhaben bietenden Spezififation der Empfindungsqualitäten
unfere Sprachmittel zur einfachen, unmittelbaren Bezeichnung des äfthetifchen
Gegenstandes nicht ausreichen, die Urteile daher nicht in Zäße gefleidet werden
fönnen; man Dart ferner in der Berufung zZimmermanns auf Rumohr ein
Zeugnis finden, daß dasjenige, was der Wiener Hithetiter der populären An:
ihauung entſprechend dem Geſchmackoſinne zuwies, ſich Selber ſchon, ftreng
piychologiſch genommen, zum aroßen, ja vielleicht größten Zeile aus Geruchs⸗
geh zuſammenſetzt: immerhin aber läßt fih aus der Poſition
Simmermanng Sehr gut erlennen, worauf Die Herbartſche Schule mit ihrer
‚Forderung der „Cbieltivität“ einentlid hinaus will. Nicht im mindeften bezwedt
tie, das Schöne als eine eigene Weienaform oder als eine durch die blofe
theoretiihe Bermunit erfennbare Beſonderheit gewiffer Weien zur Geltung zu
bringen; fie zielt vielmehr einzig und allein Darauf ab, zu verhindern, daß die
Wiſſenſchaft vom Zchönen bei der die (Fmotion von ihrer Urſache ablöfenden,
rein innerlichen Betrachtung der Wirkungen üftbetiiher Gegenſtände allzugern
verweile und fidh um die Yeichaftenbeit dieſer Gegenſtände, von welcher doc
jene Wirkungen „abhängen, gar nicht kümmere, anitatt durch unausgeſetzte Jer:
gliederung des Znbitrats äftbetifcher Eindrücke die Weiege zu entbüllen, aus
welchen das Moblgefällige oder Mißfällige icdes einzelnen Eindrucks erflärt
wird. Aber felbit, wenn man dem Drängen der Serbartianer auf Cbjeltivität
noch eine andere Bedeutung beimißt als Die eben erörterte und außer dem
angegebenen noc ein weiteres Motiv in ihm wirkſam findet, nämlich die Mir:
nierung jenes Unterſchiedo individueller, ſchwankender, veränderlicher von all:
gemeinen, gleihförminen, unabänderlich in derſelben Weile fich einttellenden
Gefühloſchäzungen, welche zimmermann ſeinerzeit Lotze gegenüber hervorhob.
mit der erklärten Abſicht, die letztern, alſo die in gewiſſem Sinne „objektiven“
Gefühloſchätzungen ausſchließlich als die aftbetiihen gelten zu laſſen, auch
dann hat man noch keinen Grund, eine metaphyſiſche Theorie des Schönen
hinter den Beſtrebungen dieſer Schule au wittern: denn daß die um ihrer All⸗
gemeinheit und Monitanz willen wohl „objektiv“ zu nennenden Urteile deſſen⸗
ungeachtet Sefüblsurteile find, Züge, bei welchen eine beſtimmte Art ſubjektiver
Arfeftion anf gewiſſe Begenftände ala auf ihre Urſachen bezogen wird, bieß hat
Berger 8., Die Entwidlung von Schillers Äſthetik. 121
ja gerade Zimmermann, mag nun im übrigen feine Auffaffung berechtigt fein
oder nicht, mit dem größten Nachdrucke ausgeiproden.
‚ Die metaphyſiſche Afthetik, der äfthetifche Objektivismus im wahren Sinne
beginnt erft da, wo man ber Anficht huldigt, daß die mannigfach verfchiedenen
Gegenftände, welche als fchön oder häßlich beurteilt werden, noch durch etwas
anderes zufammengehalten und unter die Einheit des äfthetifchen Begriffs
gebeugt find als durch die gleichartige Luft: oder Unluftreaktion, welche fie bei
einem gewifjen gleichartigen Verhalten des Subjekt in diefem auslöfen. Die
Borftellung, daß die als ſchön uns anmutenden Formen nicht bloß die Er-
wedung von Luftgefühlen in dem auf eigene Weife neftimmten Bewußtſein, die
als häßlich erfcheinenden nicht bloß das Herporrufen von Unluftgefühlen in
dem auf die gleiche Art fich hingebenden Gemüte untereinander gemein haben,
daß es mithin eine einheitliche, metaphufifch=objeftive Beſtimmung, ein reales
Kriterium fowohl für das Schöne als für feinen Gegenfag: das Häßliche giebt,
it zweifellos die Grundvorausſetzung oder vielmehr das innerite Wefen des
echten äjthetifchen Obiektiviamus. Zu diefem hat fih nun Schiller allerdings
befannt; ſchon jein Schreiben an Filchenich, deſſen Bedeutung für das Ver:
ttändnis der philofophiich=äfthetifchen Intentionen des Dichters bereits Zeifing
newürdigt, erlaubt feinen Zweifel, daß er fich gerade in dem Haupt- und
Kernpuntte der Theorie des Schönen von Kant getrennt und zu bielem in
Gegenfaß geftellt hat; er fuchte eingeftandenermaßen einen objektiven Begriff
aller Schönheit und glaubte denſelben auch wirklich gefunden zu haben: indem
er an Stelle des Luft: und Unluſtgefühls, welches Sant für das notwendige
Prädikat jedes äfthetifchen Urteils erklärt hatte, die „Freiheit in der Erſcheinung“
jete, redete er ſich ein, e3 jei nun durch ihm die äfthetifche Theorie über Kant
hinaus weitergeführt und eine wejentlihe Lücke in der „Kritik der Urteilskraft“
ausgefüllt worden. Wäre dies anders, fo würde fid) wohl aud) das Verhältnis.
der metaphyſiſchen Afthetif zu Schiller minder freundlich geftaltet und wiirde fid)
ein moderner Vertreter der metaphufiihen Richtung wie von Hartmann, der
Naczügler des fpefulativen Scellingihen Idealismus, jedenfalls gehütet
haben, den Poeten als denjenigen zu preifen, welcher „unter allen Kantianern“
„am meiften für die Äſthetik neleiftet”. Infofern hat aljo Berger volles Recht,
hart mr fort auf die objektive Faſſung des Schönheitäbegriffs bei Schiller
inzuweifen.
Unrecht aber hat er, wenn er einerſeits Belege für die im Sinne des
Dichterphilofophen vorhandene Notwendigkeit einer ſolchen objektiven Deutung
nen auch dort erblidt, wo die innere Konjequenz der Schillerſchen
Anfichten höchftens fordert, daß für die Anwendbarkeit gewifier äfthetifcher Be—
griffe auf gewiſſe Gegenftände die Verhältniffe und Joe dieſer Gegenſtände
ſelbſt maßgebend fein müſſen, fo daß es nicht im bloßen Belieben des Subiekts
liegt, jede Ding erhaben, jeden Vorfall tragifch, jede Außerung pathetifch zu
finden, und wenn er andererfeit3 die eigentümliche Kant:Schillerfhe Theorie des
Erhabenen, die freilich gleichfalls eminent „ſubjektiviſtiſch‘“ heißen darf, mit
dem fonftigen „Subjektivismus”, d. h. mit der Ablehnung des Princip ber
metaphyſiſchen Afthetit von Seiten Kants völlig in einen Topf wirft. Offenbar
ift e8 gar fehr zweierlei, jeßt dafürzuhalten, daß in jeder Gruppe von Erſchei⸗
nungen bie ſchönen von den häßlichen, die erhabenen von den gemeinen durch
beftimmte Merkmale fih untericheiden und abfondern, daß mithin die Willkür
bes Betrachter aus einem häßlihen Ding nicht im nädjften Augenblide ein
in jeder Hinficht fhönes zu machen vermag — teilmweife ift da bei manchem
Häßlichen ja in der That möglidh, wenn man nämlich den Gegenftand unter
den Gefihtöpunft des Sharakteriftiichen rüdt — daß wohl für das YZuftande-
fommen äfthetiiher Schägungen überhaupt eine beftimmte Lage oder Stellung
des Subjelt3: diejenige der unmittelbaren, alle Zwedrüdfichten beifeite fegenden
122 Berger K., Die Entwidlung von Schillers Afthetik.
Anſchauung erfordert ift, daß aber, wenn dieie Ztellung einmal eingenomnten,
Die Abgrenzung nach äſthetiſchen Nategorien, Die Austeilung der Attribute
ichön, häßlich, Lieblich, erbaben ꝛc. auf die einzelnen Erſcheinungen in der
Banptiahe von dem beiondern Gepräge dieſer Erſcheinungen abhängt, kurz:
dan Die Verſchiedenheiten der äfthetilichen Schätzung nicht grundloſe, ſondern
in thatſächlichen Unterſchieden der geihägten Dinge, woraus ſich eben auch
verſchiedene Wirkungen auf das Für Luſt und Unluſt empfänglide Gemüt er:
geben, begründete ind — ca iſt zweierlei, ſich von alledem überzeugt zu halten,
und dann hinwiederum zu meinen, ſämtliche ſchönen Gegenſtände in der Welt
verbänden nicht nur die Gefühle des Wohlgefallens. welche tie übereinſtimmend
in dem unintereſſierten Beſchauer wirfen, Sondern auch erkennbare gemeinfame
Grundzüge ihrer realen Konſtitution, ein und dasſelbe innere Merkmal, die
nämliche objektive Beſchaffenheit, gleichwie der Mangel oder das Gegenteil
dieſer Beichaftenbeit, dieſes Merkmals allen bäßlichen, äfthetiich auwidernden
Gebilden ausnahmslos zukäme. Nur die leutere Meinung itellt, wie geſagt,
die obiektive, metaphyſiſche Auslegung des Zihönen vor: Die eritere wäre,
jofern Schiller durch irrtumsfreie Ideengänge unvermeidlich anf fie bingeführt
würde, wohl allenfalls eine Betätigung für Die Nichtigkeit der Herbartſchen
Grundſätze, aber ticherlich feine Anſchauung, in welder ſich eine Vertretung
des Princips der metaphyſiſchen Aſthetik erkennen ließe. Zu den ſchlimmſften
Fehlern, welche der Verfagöſer begeht, zählt es daher, daß er dieſe beiden Stand—
vunkte immerfort bermenatz nicht nur wird ſeine Darſtellnung der Schillerſchen
vchren dadurch ſchief und irreführend auch fur fein kritiſches Verhalten den
Schönheitetheorien Nants und Schillers gegenuber trägt dieſe Vermengung,
wie ſich zeigen wird, die verderblichſten Fruchte.
Allein, nicht minder geeignet, Die Mlarbeit, Deutlichkeit und Treue des
Bildes, welches Verger von der Schillerſchen Nirherif entwirft, an trüben und
zu beeinträchtigen, DE Die zweite oben erwahnte Verwechslung, Die ungenügende
Unterſcheidung ienes „Zubjeftivianms“, wie er ih in Kauts Theorie des Gr:
babenen anspragt, vom der frittichen, piintologiichen, anti: oder, weninftens
ummetapbofiichen Aufjfaſſung des Schönen. Man kann tief von der Uberzeugung
durchdrungen tert, daß Die Erhabenheit nichts Hit ale ein beitimmtter Gefühle
eindruck, Den einzelne Gegenſtande in ums beivorrnfen und welchen unſer
objeftivirendes Deuken binterber anf die Gegenſtande ſelber überträgt, mit
deren Vorſtellung Me Vorſtellung Der Gemutsanektion in eins verſchmelzend,
und man bhraucht noch lange nicht zu alanben, daß bei jedem Urteile über Er:
habenheit eine Reilerion aut Das eigene Ich und auf deſſen Mraft und Größe
acgenuber der Großze der Auſßendinge itatthabe. nd unigekehrt läßt ſich Die
Vertraglichkeit der Kant Zchillerichen Yebre vom Erhabenen mit den Principien
eier metaphnitichen Aithetik uſſchwer erwerten: man dürfte ich nur vporitellen,
daß eine gewiſſe, bei allen erhabenen Gegenſtanden in aleicher Weile anzu:
treftende reale Veſonderheit jene Ruckwendung des Subjekts auf ſich ſelbſt und
jene vergleichende Richaunng ſeiner Vermogen veranlaſie, und man hätte den
„Subiektiviemusd“ auf der einen Seite gerettet, ohne auf der andern von den
Forderungen des entſchiedenſten Objektiviomus anch nur ein Titelchen nachzu—
laſſen. Herner jedoch, beitochen von Dem bier wie dort an Tage tretenden
„Zubjeftivismmp“ uberbaupt, d. b. von der alentmasigen Amwendbarfeit Diefes
Madrid in beiden Fallen, merkt nicht die ganzliche, hierarceitende Verſchieden—
heit der zu Grunde liegenden Vorttellungsarten: er De nätlich eriſtannt Darüber,
Ba Schiller das Ergebnis der Nallias“ Fraqgmente bei Den Inter:
indungen uber Das Erhabene jo vollig vergeiöen vonnte: er Sant es gerade
berans, daiz er dem Zchillerichen, von Nant ubernammeten terhabenheitsbegrifi
mit einer objeftiven aitbetiihen Theorie tur unnerzeinbar balte, und da er auch
linüchtlich des Weiens der lebtern jo wenig Mlarheit gewonnen bat, daR er,
Berger K., Die Entwidlung von Schillers Afthetik. 123
wie gezeigt, die objektive Faſſung des Schönen fchon in der einfachen Geltend-
madung objektiver, fachlidyer Gründe für den bejondern Charafter der einzelnen
äfthetiihen Schägungen findet, fo kann man fid) auch nicht wundern, wenn er
Schiller beftändig innerer Widersprüche, eines unfichern Gin und Herſchwankens
zwifchen entgegengejegten Principien zeiht. Hier geht indes Berger Auslegung
und geſchichtliche Darftellung der Lehren unſers Klaſſikers bereits in Kritit
über, verbindet ſich das hiſtoriſche Moment mit dem kritifchen fo innig, daß
ih beide faum mehr voneinander fcheiden laffen.
In betreff der Hiftorifhen Seite jedod) darf, nachdem das Voranftehende
ein paar wejentlihe Mängel der Auffaſſung hervorgehoben hat, fchließlidh
wahrheitögemäß nicht verfhwiegen werden, daß vom Verfaffer auch eine äußerſt
folgen= und bedeutungsfchwere, für ſich allein faft alle Hauptgebrechen der
äfthetiichen Unternehmungen Schillers erflärende und doch bisher feltjamermeije
gar nicht beachtete Thatſache wenigftens zum Teile richtig erkannt wurde, und
man muß es nur tief bedauern, daß er für feine Perſon aus dieſer glüdlichen
Erkenntnis nicht mehr Gewinn gezogen hat. Ja, die ganz beiläufige, flüchtige
Art. in welcher er das Verhältnis zur Sprache bringt oder vielmehr ftreifend
berührt, läßt fofort wahrnehmen, daß er von der Tragweite des Gegenftands
feine Ahnung, gejchweige denn eine entiprechende Vorſtellung befigt. Schon im
6. Kapitel: „Die beiden Aufjäge über das Tragifche” bemerkt er gelegentlich,
dag „Schiller feine Beftimmung des Nührenden (Schönen) an die Kantjchen
Beftimmungen vom Wejen der praftifchen Vernunft anfnüpfte”, und in dem
folgenden 7. Abfchnitte „Kallias“ wird wieder, wenngleich nicht fo ausdrüdlid),
io dod an der Hand von Schillers eigenen Darlegungen fehr überzeugend der Zu⸗
jammenhang des Princips der Scillerfchen Äſthetik mit den Principien der
Kantſchen Moralphiloiophie aufgededt. Offenbar ift das in der Schule Kants
erworbene Gefallen an ſyſtematiſcher Negelmäßigfeit und an möglichit, er:
ihöpfenden Begriffzfombinationen die piychologifche Duelle für die im „Kallias“
entwicdelte Metaphnfit des Schönen. Steht der erfennenden, theoretifchen Ver:
nunft die praftiiche gegenüber und giebt es eine der Vernunfterfenntnis bloß
analoge Anihauung in der Betrahtung der Naturzwecmäßigteit, durch welche
den Dingen Vernunft gewiffermaßen geliehen wird, dann ftellt eö eben ein
Poſtulat der Synimetrie und der Vollſtändigkeit in dem Fonftruftiven Der:
tahren des Philojophen dar, auch nad einem Analogon für die Beurteilunge-
weite der praftiihen Vernunft zu fuchen und Erſcheinungen ausfindig zu
machen, welchen, gleihmwie den zweckmäßigen Natureinrichtungen die Form der
theoretifhen Vernunft, fo die Form der yreiheit, der Sittlichkeit leihweiſe ge—
geben wird. Auf diefem Wege die „Kallias”-Bruchftüde jelbft bezeichnen ihn
auf das Mlarfte und Unzweideutigſte — iſt Schiller zu feinem äfthetifchen
Grundgedanken der „Freiheit in der Erſcheinung“ gekommen. Das Bereich des
Afthetifchen mußte es fich gefallen laffen, für jene Summe von Thatſachen, ge:
nommen zu werden, welche der vierten, bei Kant noch auöftehenden Begriffs:
tombination entſprach, und ein etwaiges Bedenken gegen die Willkür, ohne
weiteres mit den Phänomenen der Schönheit und Kunſt die Lücke zu ftopfen,
welde fih für eine rein aprioriftiihe Konitruktion aufgethan hatte — tie
Schiller e3 übrigens fertig brachte, dieſe Willfür zu verdeden und den Schein
einer innern Notwendigkeit der Begriffsfaffung hervorzurufen, ſoll jpäter noch
gezeint werden — ein derartiges Bedenken bejaß um jo geringeres Gewidt,
als Kant felbft nit nur Schönheit und Zweckmäßigkeit parallelifiert, ſondern
auch bereits die Schönheit als „Symbol der Sittlichkeit” bezeichnet, und
mancherlei Übereinftimmungen zwiſchen dem äfthetifchen und dem moralifchen
Urteil angegeben hatte. So konnte e3 feinen, als wenn mit Schillers ein
tahem, durchfichtigem Schema erft die verftändlichen Grundzüge für Kants un—
vermittelte Specialanfichten gefunden wären, ala wenn jenes das innere Geritit
124 Berger 8., Die Entwicklung von Schillers Äſthetik.
abgäbe, das diefe Iegtern Anfichten trägt und fi wie von felber mit ihnen
umkleidet. Man darf daher über eine Genefis der Schillerfchen Theorie des
Schönen, welche der wiljenihaftlih dentende Menſch der Gegenwart zunädit
für unglaublich erflären möchte, jo fider aucd ihre Thatſächlichkeit bezeugt itt,
nidht allzu fehr in Grftaunen geraten; eben dieſe Geneſis aber — und fie mit
großer Deutlichkeit fihtbar gemacht zu haben, ift wohl das vornehmfte Ver:
dienft der Bergerfchen Schrift -- läßt es von vornherein begreiflich ericheinen, daß
ih die Äſthetik de» Dichters nicht bloß in der Lehre vom Nührenden, wo
Berger felbit das Verhältnis bemerkt, fondern überhaupt mit der Kantſchen
Moralphilofopbie auf das Innigſte verbinden, dak fie ihre Kategorien faft
durhaus der „Kritik der praktiihen Vernunft“, Tollten felbft deren Ergebniſſe
Schiller anfänglih nur aus der „Kritik der Urteilskraft“ bekannt gewejen fein,
entnehmen, daß fie mit einem Worte mehr an die Ethik als an die eigene
Afthetil des Königsberger Denkers lich anlehnen mußte. Und dieſe logiſche
Monfequenz, das wenn nicht ausgeſprochene, jo doch beftimmt hervortretende
Facit der Bergerihen Ausführungen in dem Kallias“-Kapitel, dedt ſich wirklich
mit der leicht zu fonitatierenden geichichtlihen Wahrheit: cs mußte, wie oben
gejagt, in der That befremden, daß bieber noch niemand auf den paradoren,
aber dent Neimer fogleih ins Auge fallenden Umſtand aufmerfiam gemacht bat,
demzufolge der Nitbetiter Schiller eigentlich mır ala Jünger des Moralphilos
ſophen Kant ericheint, immmerwährend nur die ethiihen Begriffe und Termini des
Meifters verwertet, dagegen deſſen wichtigfte äſthetiſche Konzeptionen fo gut
wie nar nicht zu Rate zieht. Tas allein, daß Berger diefe Beziehung, wenn
auch nur in einem befondern ‚yalle und alſo in beichränften Umfange, wahr⸗
nenommen, im übriaen jedoch ihre Erkenntnis Durch feine Darftellung weniaftend
ander außerordentli nabegelegt bat, würde ſein Buch trog aller Mängel,
die demielben ſonſt anbatten, des ihm verlichenen Preifed würdig machen.
Die Wichtigkeit dieſer acichichtlichen ‚Feitftellung aber berubt darauf, daß
ie auch ichon der philoſophiſchen Mritif ihr Geſchäft in bobem Maße erleichtert.
Mit der (Finiicht in das fragliche Verhältnis verknüpft ſich ja fait von jelbft
der Gedanke, daß ein foldhes Tverieren mit Begriffen, die Doch eigentlich einem
andern Gebiete entſtammen, Minfteleten und Zvielereien zur unausbleiblichen
Folge bat, noch mehr: daß das Nerfabren ich für eine ftrenge und völlig
adäquate Auffaſſung der Erſcheinungen ala eine fortlaufende Mette von Witzes⸗
und Phantaiieipielen, freilich jo abitrafter Art, Daß viele die Vhantafiebethätis
nung nicht merken, unvermeidlich Daritellen muß. Wer nun Schillers Schriften
einer beſonnenen und wiijenichaftlich erniten Beurteilung unterziebt, der wird
bald finden, wie vollitändig in der That auch Diele Borausiegung zutrifft, wie
die äftherifhen Abhandlungen des Zichters um ſo beffer und gehaltvoller find,
je weniger ſich eine Heranziehung Nanticher, d. b. der Ethik Kants angehöriger
Begriffe bei ihnen bemerken laßt, wie daher die ältern Autiäge dem Xefer viel:
fach weit mebr ‚yörderung bieten ala die jpätern, wie Dagegen die Behandlung
der Probleme immer unfruchtbarer, weil verkünſtelter wird, je merklicher der
Anſchluß an Kant bervortritt, je mehr gewiſſe, unter den Nantianern jener Jeit
nangbare Kategorien der Ideenentwickluug ziel und Richtung geben. Dem uns
vergleichlichen Mönigaberger Reifen aber dark trotzdem oder richtiger: eben
zufolge dieier Sachlage an dem Mißraten der Schillerſchen Aithetit mindeftens
nicht alle Schuld beigemelten werden. Wenn heute jemand die Geſichtspunkte
der ausgezeichnetiten modernen Ethiker. eines Jodl, Gizycki, Tönnies, Jiegler,
Wundt, Döring, Herbert Spencer, Sidawick. H. Höding, dazu mißbrauchen
wollte, ſämtliche äſthetiſche Thatiachen dieſen (#eiichtapumften unterzuordnen
und die Erſcheinungen der Welt des Schönen in Die Regrifie hineinzuzwängen,
mittelit welcher Die nenannten PRhiloiopben die eigentümlichen Werbüältniffe dee
ethiichen Yebens zum Auzdrude bringen, jo wurde fiherlih cin klägliches Miß—
Berger 8., Die Entwicklung von Schillers Afthetif. 125
gebilde entitehen, ohne daß daraus ein Schluß auf die Wertlofigkeit unferer
beutigen Moralphilofophie gezogen werden könnte. Sodann ift nicht zu über:
sehen, welchen perniziojen Einfluß Fichte zur Zeit, ala Schiller mit äfthetifchen
Forſchungen beſchäftigt war, bereit3 zu üben anfing, indem er bei teilweifer
Beibehaltung der Terminologie des Meifterd den Geift der Kantſchen Philo—
fophie ins völlige Gegenteil verkehrte, Wortkünfte und Phantafiefprünge an
Stelle des nüchternen Denkens jebte, und wie empfänglich gerade ein poetiſch
veranlagter Genius gleich dem Schillerichen für die beftridenden Reize einer
Methode fein mußte, die Herder jo ſchön und treffend, leider freilich mit un—
gerechten Beihuldigungen Kants, als „Abftraftionendichtung” gekennzeichnet
at. Für die Beziehung zwiſchen Schiller und Fichte findet man aud in
Berger Schrift mehrfadye Belege: der Verfaffer macht gelegentlich auf Anklänge
an die „Wiſſenſchaftslehre“, wie fie fih in Scillerfhen Ausdrüden verraten,
mit Recht aufmerkſam. Gleichgültig aber, ob nun Kant felbft ein größerer oder
geringerer Vorwurf treffen muß, gewiß ift e3, daß das Vertrautwerden mit
der Kantſchen Philofophie ſich für Schiller bei feinen äfthetiichen Bemühungen
verhängnisvoll erwiejen, daß feine Theorie des Schönen durch das Kantjche
Fundament, auf das fie geitellt wurde, nicht? gewonnen, im Gegenteile faft
gerzlich die Umſicht und natürliche Freiheit der Auffaſſung eingebüßt hat.
elch wertvolle Aufſchlüſſe über Kunſt- und Naturgenuß hätte bei anderer
@eifteshaltung, bei ſcharfer, gründlicher und doch ſchlichter, d. h. unverkünſtelter,
vorurteilsloſer Betrachtung der Thatſachen nicht gerade ein Denker gewinnen
tönnen, der die äfthetifchen Affektionen jo wahr und mächtig in dem eigenen
Innern erlebte! Anftatt deffen hat fih Schiller faſt ausfchließlic in willkür—
lihen Gedankengefpinften bewegt, nur dann und wann von den wirklichen
Erfahrungen aus dem Bereich des Schönen eine aufnehmend, die fi juft mit
einiger Gejchicllichkeit in jenes Gefpinft vermweben lieb.
Diefes Ergebnis einer ftreng ſachlichen, um die Tradition unbefümmerten
und vom Glanze des Namens nicht geblendeten Kritik, welches im Einzelnen
zu begründen bier jelbftverftändlidy nicht der Ort ift, wird wohl aud) fchon
antecipiert durch den unmittelbaren Eindrud, den die ſpätern Abhandlungen
des Dichter3 hervorbringen: man fühlt fozufagen inftinktiv, daß in dieſen fteten
Schematifierungen, in diefen kunſtvollen Antithejen, in diefen fcharf voneinander
fih abhebenden, zugefpigten Begriffsbeftimmungen eine unbefangene Darftellung
des wirklichen äfthetifchen Sachverhalts nicht vorliegt. Wohl darf die Ver:
faffung der realen Welt felber als „Inftematifch” gelten; aber fo ftreng ift die
Syftematit auf einem der höchften Dafeinägebiete, in der Sphäre der ver:
widelten und abgeleiteten Erfcheinungen des menschlichen Gefühlslebens ficher-
lich nicht durdgeführt, daß dieſe Erjcheinungen den ftarren Nubrifen der
Scillerihen Äfthetik fi) ohne Zwang, auf natürliche Weiſe einfügen könnten.
Alles das nun ſcheint Berger entgangen zu ſein: die richtige Auffaſſung der
geſchichtlichen Beziehungen hat bei ihm nicht, wie ſie könnte, auch die Kritik
geleitet und gefördert; der Schlüſſel zum Verſtändniſſe der größten Mißgriffe
und Abirrungen, die ſich der unſterbliche Poet als Aſthetiker zu ſchulden
kommen ließ, iſt in ſeinen Händen nutzlos und ohne Verwendung geblieben.
Die eingeftreuten kritiſchen Erörterungen find thatſächlich diejenigen Be—
ſtandteile des in anderer Hinſicht fo trefflichen Buchs, welche demſelben am
wenigften Ehre machen. Im Lichte der modernen, pſychologiſchen Aſthetik erſcheint
der eigene Standpunkt Berger? als ein prinzipiell falfher: wenn man nur
ährt, daß der Verfafler die Idee eines objektiven Schönen billigt, fo weiß
man im Grunde aud) ſchon, was man von feiner Kritik zu erwarten hat. Nun
find freilich die Beweggründe, aus welchen er fid auf die Seite des Objektivis⸗
mus fchlägt, an fich teilweife recht vernünftige und billigendwerte Voraus—
fegungen: es wiberftrebt ihm vor allem der Gedanke, dag die Formen und
126 Berger &., Die Entwidlung von Schillers Äſthetik.
(Kigenjchaften der Gegenſtände zu dem Charakter der Schönheit oder Häßlich⸗
fett, welcer diefen Segenitänden unhaftet, in gar feiner Beziebung fteben
ijollten, daß es nur das fouveräne Zubjeft wäre, welches ganz willtürlidh und
arundlos die ſich ihm darbietenden (Fricheinungen mit äſthetiſchen Attributen
ihwmüdt. Seine Abneigung gegen dieſe Art von Subjektiviamus tft an fid
beredhtigt und außerdem mag die Einwirkung Siebecks, den man nadı der
Widmung wohl als jeinen Lehrer anichen darf, mögen alfo mittelbare Ser:
bartiche Einflüſſe dazu beigetragen haben, ihn in foldher Abneigung zu beftärten.
Spuren Herbartider Denkweiſe in Fragen der Aſthetik fchimmern mehrfach
ziemlich deutlich durch die Raiſonnements des Verfaſſers hindurch. Daß er
gleichwohl in der Polemik gegen Tomaſchek an ein paar Stellen „Herbarts
Formaliemus“ bekämpft und der „Herbartianiſch-Zimmermannſchen“ Auffaſſung
Einſeitigkeit vorwirft, hat wenig Gewicht bei ſeinem Anſchluſſe gerade an den:
jenigen Serbart: Jünger, der innerhalb der ganzen Schule den, ſpekulativen
Schönheitephiloſophen am nächiten ſteht, indem er bekanntlich, wichtige Viſcherſche
Beftinmmungen ſich aneignend und ein richtiger „Finfühlungs*:Afthetiker, die
„äfthetiiche Apperzeption“ für das Gewahrwerden des in einem Zinnlichen
erfcheinenden WHeiltigen, für das Erfaſſen des „Ausdrucks“ der Tinge oder aber
tür eine Hineindichtung von “Werjönlichkeit, von „Ausdrud und Stimmung“
in das unbeſceelte Cbjeft erklärt. Ta aber auch eine foldhe Hineindichtung,
wie ſchon oben gezeigt, ein im gewilien Sinne, nämlich im Gegenſatze zur
bloßen Wefühlserregung „objeftives“, wenngleich erft vom Subſekt berbeis
aebrahtes und infofern nach einem beliebten Wortmufter der ſpekulativen
Philoſophie, freilich mit aanz anderer Bedeutung, „ſubjektiv-objeltivs zu nennens
des Merkmal ergiebt — abgeieben davon, daß fic jedesmal durch eine beftimmte
Heichaftenheit des Gegenſtauds ermöglidt oder veranlapt fein kann — fo darf
man wirklich jagen, daß bei Siebeck, welder ja auch andere wefentlihe Bor:
ttellungen der ſpekulativen Aſthetik, 3. 3. jene von dem erft im Kunſtwerke
vollendeten Zchönen unbedenklich vertritt, Die Derbarticen mit den Viſcherſchen
Anregungen Sich in einer Weiſe verbinden und ausqleichen, dak feine Schön;
heitstheorie, obihon auf der Grundlage der Herbarticen Bindologie aufgebaut,
faft mehr Hauptpunkte mit derjenigen Viſcher-Köftlins ala mit den äftbetifchen
Lehren von Herbart jelber gemein hat. Dieſe Verſchmelzung Herbartſcher und
Zifchericher Anlichten bei Ziebed it mın offenbar für die Richtung von Yergera
Nritif enticheidend geweſen und bat es dieſem erleichtert, von jener „objeltiven“
Rofition, wie ste auch der Formaliemnus fordert, zur eigentlich objeftiven, d. b.
metaphmiſchen Betrachtung des Schönen den unlogiihen Zprung zu tbun.
Denn in Wahrheit nnd prinzipiell dies kann micht oft genug wicderbolt
werden - Sind beide Ztandpunfte völlig verichieden. Tie Frage des äſthetiſchen
„I bjeftiviomus” in der ftrenaeren Bedentung iſt nicht die, ob an der wirklichen
Beichaffenbeit der Tinge die Schuld lieqt, Daß Die Montemplation der einen
vuit:, Die der andern Unluſtgefühle in uns entitchen laßt und ob infofern
alio die Tinae selber etwas an fich baben, Das fie ſchön oder häßlich macht,
jondern vielmehr Die, ob Die Schönheit, gleich der Häklichkeit, auch unabhängig
von Dielen Gefühleregungen, in welchen fie ſich zumachit kundgiebt, und obne
ide Rückſichinäahme darauf durch cin beitimmtes Merkmal definiert werden
fann, ob mithin ein einheitlicher objeltiver Begriff eriitiert, unter den alle
ichönen, und ein nicht minder einbeitlicher, unter Den alle häßlichen Gegenftände
tallen. Hatte Verger dies richtig erfanmt, fo wurde er ca wohl vielleicht unter:
lafjen baben, einer Vetrachtungdart das Wort zu reden, welche heute ſchon
nahezu als überwunden aelten Darf und deren Schwache am beiten durch Die
einfache Grivaguna Yains dargetban wird, datt, wenn es jold ein objeltives
Writerium Des Schonen gabe, dies in den zwei \ahrtaufenden, die man um Die
Auffindung desselben bemübt war, in dem zZeitraum von Plato bie zur Gegen»
Berger K., Die Entwicklung von Schillers üſthetik. 127
wart fiherlid) ſchon auf unbeftrittene Art hätte gefunden werden müffen.
Indem aber die zuvor beleuchtete Verwechslung ſich an dem Verfaffer dadurd
rädt, daß er arglos für die objektive Anfiht vom Schönen in deren vollem
Umfange einfteht, kann es natürlid nicht fehlen, daß er in außgefprochenen
Gegenjag zur wiſſenſchaftlichen Aſthetik unferer Zeit tritt, daß er dasjenige
lobt, was nad den Prinzipien dieſer Aſthetik als tadelnswert, dasjenige tabelt,
was nad) eben diefen Prinzipien als anerkennenswert erfcheinen müßte. So
wird durch Verſchwommenheit der Ideen, durch mangelhafte Diftinktion nicht
bloß Bergers geihichtlihe Darftellung, jondern namentlih auch und in nod)
höherm Maße feine philojophifche Kritik geichädigt. '
Neben der Unklarheit über den Begriff des objektiven Schönen liegt aber
ein weiterer Grund für das Unzulänglice der Fritiihen Gefichtspunkte des
Buchs wohl aud) in der verftedten, zwiejpältigen, einer ftrengen Logik wider:
ftreitenden, dagegen die dichteriihe Kühnheit der Imagination bezeugenden
Natur der Antriebe, von welchen ſich Schiller felbft bei der Außgeftaltung
jeiner Yundamentalidee leiten ließ. Jene Maß von Phantafieanipannung,
welches nötig fcheint, um über den Mangel an Eraftheit und Einheitlichkeit in
der Konzeption diefer Idee hinwegzutäuſchen, mag um jo leichter zu erreichen
jein, als die Einbildungskraft des Leſers der Schillerfchen Schriften wie im
Fluge von derjenigen des großen Dichter und Profaiften mit fortgeriffen wird,
und es findet ſich gewiß weit häufiger verwirklicht als der nur bei gründlicher
philoſophiſcher Schulung ſich einftellende Grad von Urteilsfchärfe, welcher unter
den glatten Wellen des Scillerfchen Nedefluffes die logiichen Klippen und Un:
ebenheiten gewahr werben läßt. So ift naturgemäß jogar dort, wo der Ber:
fafier am beften in die Grundgedanken des erfenntnisdurftigen Klaſſikers ein
zudringen fcheint, fein Begreifen derjelben fein gan erjhänfenbeß, d. h. es geht
mwenigftens nicht tiefer ald das des Urheber der Ideen felbft, es erfaßt nicht
die auch diefem felber verborgen gebliebenen Wurzeln und reicht daher wohl
zu einer guten, ftellenweife glänzenden Darftellung, aber nicht zu einer ein
Ihneidenden, die Wahrheit von der unmwiffenichaftlichen Verhüllung und Um—
bildung derfelben ablöjenden Kritik. Läßt man aber den einen, bereits oben
aufgededten, ſozuſagen formellen Hauptgrund der Schilleriden Be riffetaffung,
jene Befriedigung eines eigentümlichen architektoniſch-äſthetiſchen Geiftesbedürf:
niffeg, Durch welche der Welt des Schönen ihr bejonderer Pla neben den
andern Lebensgebieten angewieſen und die allfeitigen Beziehungen der äjtheti-
fhen Schäßung zur logiſchen und ethifchen Beurteilung, jowie zur teleologifchen
Naturanſicht feftgeftellt wurden, beijeite, dann ift, wie gejagt, eine innerlich
zwiefpältige Vorftellung, eine Art er Vertauſchung zweier heterogener
Begriffe als Quelle der unglüdlichen Denfart, durch welche Schiller einen jo
ſchlimmen Einfluß auf die Entwidlung der deutſchen Mfthetif genommen hat,
zu erfennen oder doch mit großer Wahrfcheinlichkeit zu erraten. Den Umftand,
aß in die äfthetifche Betrachtung eigentliche, Klar bemwußte, mit wirklicher
Überlegung einhergehende Zwedrüdfichten nicht hineinfpielen dürfen, daß der
äfthetiiche Gegenftand fohin nicht mit dem Nützlichkeitsmaßſtabe, nicht an einem
äußern Zwecke gemeffen werden darf, hat Schiller offenbar mit jener befondern
Eigentümlichkeit des Charakteriftiih-Schönen fombiniert oder vielmehr fonfun:
diert, vermöge welcher der Reiz des Charakteriftiichen aus der Übereinjtimmung
des Objekts mit einem bewußt oder unbewußt daneben gehaltenen Vorbilde,
alfo gewifjermaßen aus einer Vergleihung des reizvollen Dings mit ſich jelber
entiprinat. Dieje beiden, an ſich freilich ganz verfchiedenartigen, für eine kritiſche
und verftandesmäßige Auffaffung weit außeinanderliegenden Thatlachen, die
eme auf ein allgemeines, fubjeftives, die andere auf ein nur für gewiſſe Fälle
gültiges, mehr objektiveg Moment des Schönen fich beziehend, die erftere eine
Bedingung des üfthetifchen Verhaltens überhaupt, die zweite dagegen Umſtände
128 Berger K., Die Entwidlung von Schillers Afthetik.
ausdrücdend, unter welchen bei dieſem Verhalten Regungen des Wohlgefallens
jih einftellen oder poſitive äfthetifhe Wertjhägungen zu ftande fommen —
diefe beiden Thatſachen faßte der phantafievolle und fpradıgewaltige Tichter
mutmaßlich in der einzigen ‘yormel zufammen: „Beitimmt werden des fchönen
Obiekts dur ſich —*8* Es iſt allem Anſcheine nach wirklich die Anwendbar⸗
keit der Formel auch auf das durch Charakteriſtik Gefallende, das Typiſche wie
das individuell Ausgeprägte, in den eben gekennzeichneten Sinne, welche ed
Schiller ermöglichte, die Schönheit zur ſittlichen Freiheit, die äſthetiſche zur
ethiſchen Auffaſſung, die Urteilskraft zur praktiſchen Vernunft in eine fo ſeltſam
fünftliche und gefuchte Beziehung zu Segen. Allerdings war er ſich diefer erften
Keime feiner Vorftellungsart vielleicht felber gar nicht bewußt; wenigftene
betonte er ausdrücklich nur das Mufgehen der äfthetiichen Betrachtung in ihrem
jeweiligen Segenitande ohne ein Suchen nah Gründen oder Erwägen von
Sweden, wo es ihm darauf ankam, das Zchöne ala die fich ſelbſt erflärende
Form zu erweilen; auch die Beiſpiele, die er gewählt, wie die Zchlangenlinie,
find nach Kants Auddruck „freie Schönheiten” im Gegenſatze zı den charak⸗
teriftiichen, umd es veritebt fich übrigen» von felbit, daß bei der Unmittelbarkeit
des Gefallens am Schönen, bei der Berfchichenheit des üfthetiihen von dem
logiihen und dem Nüßlichleitsftandpunkte der vage Schilleriche Begriff wirklich
in jeder älthetiich anmmtenden Erſcheinung gefunden werden fonnte, modte
feine uriprüngliche Bildung auch ganz bejonders durch die verfanıte oder un:
wiſſenſchaftlich aufgefaßte Eigentümlichkeit der charakteriftiihen Schönheit nabe:
gelegt worden fern. Tabei bleibt jedod immer zu erwägen, was bier fchon
einmal angedeutet wurde, nämlich, Daß Mants bereits von Schopenhauer treiflich
beleuchtete allzugroße Worliebe für „iymmetriſche Architektonik“, fein „Tonder:
barea Wohlactallen an der Symmetrie“ einem derartigen Spielen mit Barallelen,
wie ca fih in Schillers Annäherung des Schönheits- an den ‚Freiheitsbegrift
verrät, mächtig Borichnd leiſten, ja ſolche gezwungene, unnatürlice Jufanımenr
ftellungen geradezu herausfordern mußte Und noch in anderer Hinſicht fällt
ein Teil der Schuld immterbin auf Mant Selber zurück: nicht nur feine ganze
metbodifche Art bat die Denk- oder, wenn man will, Phantaſieoperationen
begiimitigt, Durch welche Die Aſthetik in Teutichland die verhängnievolle objef:
tipiltiiche Wendung nahm; in manden Außerungen Der „Mritif der Urteils—
kraft“ — man leſe z. B. nur den von Yeraer auf Z. 143, allerdings nicht ganz
wörtlich, da „des Menichen” fiir „der Menſchheit“ ſteht, citierten Zag mit
Aufmerkſamkeit! liegt auch Schon inbaltlich ein ante» Ztüd jener Anſchauungs⸗
weiſe enthalten, mittelſt Deren Schiller und die ſpekulativen Aſthetiker, Schelling
an der Spise, die wertvollen Elemente der Mantihen Schönheitetheorie ver:
drängt baben. Endlich aber iſt Mant noch durch die faft wie ein liberbleibfel dee
Wolffichen Rationaliomus lich aunsnchmende Verknüpfung des Schönen mit dem
zweckmäßigen, der Aſthetik mit der teleologiichen Naturbetrachtung, welche Vers
mipfung ja die ganze Anlage der „Mritif der Urteilokraft“ beitimmte und bie,
wenn fie auch in der (Befühlsjeite Dieler Naturbetrachtung und in dem häufigen
Beitrag von mehr oder weniger Dunklen Siwedvorftellungen zum äftbetifchen
Zotaleindrud überhaupt eine teilweiſe Rechtfertigung findet, doch jedenfalle
darin fehlarift, daß fie nicht das auch aufs Gefühl wirkende Zweckmäßige dem
Schönen, d. b. dem üfthetiich Gefallenden unterordiete, fondern weit cher um:
gekehrt alles Schöne dem z3weckmäßinen ſubſumieren au wollen ſich den Aus
jhein gab — bierdurd, wie nicht minder durch die Vindikation einer gewiffen
Allgemeingültigfeit fürs äſthetiſche Urteil, welche doch der unmittelbare emotionale
(rund desselben ausschließen mußte - durch alles das iſt Kant in einen offen«
baren Wideripruch mit sich felbit getreten und hat er die SJerftörung feiner eigenen
vehre, die Errichtung des luftigen, fpefulativen Baus anf Den Trümmern feiner
trog aller ‚Fehler tüchtigen und toliden Schöpfung Durch die (Fpigonen beförbert.
Berger K., Die Entwidlung von Schillers Afthetik. 129
So läßt fid) die Thatjache, daß die äfthetiichen Verſuche Schillers aud)
in ihrem Sernpunfte mißglüdten, gewiß entjchuldigen, und in demſelben
Mabe zu entichuldigen iſt es, wenn Bergers Kritik diefer Verjuche jo wenig
gelungen und zutreffend erjcheint. Das Scheitern dieſer fichtlich erniten Be—
mübungen, nit nur die Schönheits- und Kunftlehren des Dichters richtig zu
erfaffen, ſondern aud) das Gute und Haltbare in Fr N von dem Unbraud):
baren und Hinfälligen zu trennen, zeigt recht deutlich, daß die kritiſche Dar:
ftellung der Schillerſchen Aſthetik ein Unternehmen vorftellt, welches die größte
Sicherheit des Urteils in philojophifchen Dingen, die vollftändigire Vertrautheit
mit den äfthetifchen Prinzipien der Gegenwart erheiicht und daher weit über
die Kräfte eines Anfängers, auch eines begabten, hinausgeht. Daß ſich Berger
in dem Labyrinth der „Kritik der Urteilöfraft“ gleihfallg nicht zurechtfindet,
daß daher jeine Erläuterung der Grundgedanken derfelben, wie jie das 7. Kapitel:
Kallias“ bietet, namentlih in der Präzifierung des Kantſchen Standpunkt
egenüber demjenigen der ältern Baumgartenjchen Lehre, nicht aufs beite aus—
Ra t, wird ihm bei ven thatſächlich ſo gewundenen und ſchwer überjchaubaren
Gedankenwegen, welche Kant gerade auf dem äfthetiichen Gebiete gewandelt ift,
ebenjowenig verargt werden dürfen. Zu verübeln wäre ihm auch hier wieder
nur, daß er ſich überhaupt an eine Aufgabe gemacht hat, von der er ſich doch
im vorhinein jagen konnte, er fei ihr nicht vollftändig gewaächſen.
Manchmal indes begeht er aud Fehler, die fogar der philojophiiche An=
fänger bei einiger Aufmerkjamfeit und logischen Sorgfalt redht wohl hätte
vermeiden fönnen. Ein jolches Beifpiel faum zu verzeihender Übereilung liefert
die Zurückweiſung der Kritik, welche Tomaſchek an Scillers Lehre vom Er:
babenen geübt Hat. Berger beitreitet, daß, wie Tomaſchek angeblich will, „in
einem bloßen Derhältniffe von Gewalt zu Gewalt, von Kraft zu Kraft” „ein
Erhabenes“ ſich zeigen könne. „ES kann,“ jo verjichert er demgegenüber, „nur
ein ſolches Verhältnis fein, worin gerade in dem ‚Unverhältnismäßigen’ eines
Glieds, in jeiner ganzen übermächtigen Individualität und Intenfität des Auf—
tretens das Erhabene, das fich über alle andern Gegenftände und VBorftellungen
Erhebende liegt.“ Das Mißverſtändnis läßt ſich währlich nicht weiter treiben;
es läßt ji) zur Widerlegung des Gegners nidyt genauer, nicht volljtändiger
eben dasjenige hervorfehren, was diefer Gegner ſelbſt behauptet hat. Denn daß
nicht Flöhe oder Zahnſtocher die Gemwalten repräfentieren dürfen, deren gegen—
feitige® Verhältnis den Eindrud des Erhabenen begründet, war Tomaſchek
fiherlih ebenfo klar wie dem Berfaffer, und dieſer tritt fowohl durch feine
eigenen, vorausgegangenen und folgenden Bemerkungen als durch die Anführung
aus liberweg rüdhalt3los gerade für dasjenige ein, auf dejjen Feititellung es
dem Wiener Litterarhiftorifer ausſchließlich ankam — dafür nämlich, daß das
Gefühl des Erhabenen aus der Hingabe an die Betrachtung objeftiver Größen
oder „Gewalten“, worunter mindeftens eine jelbftredend wirklich groß und ge=
waltig fein muß, entipringen könne, ohne dab das Subjekt des Beſchauers ſich
Ieinerieite diefen Größen gegenüberfegt und Vergleiche zwischen feinem eigenen
ermögen und der Kraft der Dinge anftellt.
Im ganzen ift das Buch Bergers damit fommen wir auf dad Ein:
gangs Geſagte zurück — eine Arbeit, die fait ebenfoviel Tadel als Lob verdient.
Wer fich über die geichichtlichen Thatfachen belehren, wer aus den Schriften,
welde die Dokumente für die Entwidlung der Schillerfchen Aſthetik daritellen,
dag Wichtigfte, Bezeichnendfte gefchicdt ausgezogen und zufammengeftellt finden
und fih auf diefe Weife_ein gutes Bild don den Wandlungen der Anlichten
Schiller über Kunſt und Schönheit verichaffen, wer endlich die äußern Lebens—
umftände, unter welchen dieſe einzelnen Theorien entftanden find, fennen lernen
will — und daß ſolche Umſtände tiefgreifenden Einfluß auf die Ideen bes
Dichters und die Abfaffung feiner äfthetifhen Studien genommen haben, beweift
Euphorion IV. 9
130 Berger K., Die Entwidlung von Schillers Afthetit.
anı beiten das Verhältnis zu Goethe, auf dag Berger fein und auſprechend den
Ursprung der Abhandlung „Über naive und jentimentalifhe Dichtung“ zurüd:
führt — fur: wer ſich über das rein Hiftoriihe gründlidy informieren will,
dem kann das Werk Karl Bergers auf das Wärmſte empfohlen werden. Aber
diejer Yejer wird fi gar jehr hüten müflen, auch die Verwertung, welche der
Autor den in reichiter Fülle und in jehr überfichtlicher Anordnung vorgeführten
hiſtoriſchen Thatfachen, d. b. den einzelnen Ausfprüchen und Yebrmeinungen
Schillers giebt, obne weiteres hinzunehmen; er wird, vorausgeießt, daß er ein
gereiftes philoſophiſches Urteil beſitzt, den tiefſten Sinn und die letzten Inten⸗
tionen der Schillerſchen Verſuche vielfach ganz anders deuten müſſen, ale vom
Verfaſſer neichehen tft, und er wird vollends mit dem von Werger angelegten
fritiihen Maßſtabe ſich kaum dann und mann, bei Nebentächlihem, befreunden.
Noch Eines darf zum Schluffe dieſer Beſprechung nicht unerwähnt bleiben,
weil damit eine Unart berührt wird, der man bei jungen Autoren immer
häufiger begennet: die oft ſorgloſe, ichleuderiiche, ja neradezu fehlerhafte Ztili-
jierung. Als die gerinaſten und barmloieiten Verſtöße in dieſer Richtung er:
icheinen umpaſſende Vergleiche, ſchlecht gewählte Bilder, gehäufte und einander
gegenseitig aufbebende Metaphern, wie ſie in großer Menge im Bergerſchen
Buche vorkommen. Ein ſehr empfindlicher Zinn wird vielleicht ſchon au Reden»:
arten wie: „in ihnen ſind verhüllt und miteinander verknotet die unſcheinbaren
Neime ſeiner geiſtigen Entwicklung unſicher audgeſtreut“ (S. 9) oder: „zwei
Idealen, die dem ingendlichen Gefühlomenſchen in ein und dasjelbe zerronnen
und verwachſen ſind“ 1S. 24) oder: „eine Anſicht. „mit der .. fein ganzes
geiſtiges Wachotum ſeit früher Jugend verwachſen war“ (<. 52) Anftof nehmen
und wird ſogar Anedrüde wie „Anbau des Fundaments feiner Theorie"
Ss) ala ungeichidt verpönen. Aber man braucht wirklich nicht huperbiffizil
ur jein. Man kann derartiges noch völlig unbeanftandet hingehen laſſen: man
kann ca kleinlich finden, einen Zchriftiteler etwa desbalb zu tadeln, weil er
ſchreibt: „im Der und RKopf leid ftarf wurzelnd“ (S. 308), obſchon „in Herz“
oder „im Herzen“ beſſer wäre, oder es ihm zum Vorwurfe zu machen, daß er
in dem Satze: „Was er (und Mörner) in dunklem Ahnen nur geſtreift oder
auch gefaßt hatten“ („S. 106) das „nur“ offenbar an falſche Ztelle fest, oder
fih nar darüber aufzubalten, daß in einem andern Zage: „Cine ganze Reihe
von Momenten aus Schillers aſthetiſcher Futwicklung werden in una wach⸗
geruien“ S. 182) nicht Formulierungen gewählt wurden, wie „werden uns
ins Gedächtnis, Bewußtſein, Die Erinnerung aerufen“ oder „day Gedächtnis,
die Erinnernng ciner ganzen Reihe ... wird im uns wachnerufen“, obichon
Diele Formulierungen cin ſozuſagen logisch ſchärferes und reineres Gepraͤge
hätten. Auch das erſte „worüber“ in den Relativiägen auf S. 315: „was ihn
jeit Jahren beichaftigt, worüber er Tage und Nächte seinen ſchwachen Xeibe
zum Troße gerungen und worüber er doch .mit ich nicht einig werden konnte“
mag man noch als untadelhaft ansehen, wenn jih gleich nicht verkennen läßt,
dan „womit“ bier einen günstigeren (Findrud bervorbrädte, und ebenſo mag
man Das „ſeiner“ Statt „ihrer (Friheimumgen“ in dem Paſſus: „Als Ge en⸗
beiwenumg erklärlich und in einzelnen ſeiner Erſcheinungen ſogar an ſich künſt⸗
leriſch bedeutend und kraftvoll, wirft dieſe neue Kunſt' mehr und mehr darauf
bin...“ unter Rückſichtnahme auſ den vorausgehenden Satz, wo vom Natu—
ralianına Die Rede iſt, der nun eben als „Diele ‚neue Kunſt'“ bezeichnet wird
und auf welchen daher auch das Roiieiivpronomen bezogen werden darf, ent:
ſchuldigen, wo nicht gutheißen. Wendungen ferner, die man prezidie Verftel:
lungen und Verzerrungen nennen könnte, iind beute ichon jo eingebürgert, daß
man kaum noch ein Recht bat, ſich gegen Monitrultionen zu ereitern wie:
„Allerdings nicht in unmittelbare Berührung kam Schiller mit der Yehre Des
(Fnglünders, jondern Durch Vermittlung von Ferguion-Garve“, was and wohl
Berger 8., Die Entwiclung von Schillers Afthetif. 131
als beredtigte Abkürzung gelten mag, oder: „Um jo mehr brachte der Dichter
warmberzigen jungen LZeuten wie dem Livländer Graß, der es in der Kunſt
des Zeichnens und Landſchaftmalens weiter gebracht hatte als in der Theologie,
jenem eigentlichen Fade, wie ferner den übrigen Santianern Niethammer,
Fiſcheniſch, der auch ein Schwabe war, dem Dänen Hornemann und andere —
er, der jelber fo gern jung war, einen empfänglichen und offenen Sinn ent:
gegen“ (S. 85). Jedenfalls aber jtört an dem legtangeführten Sage das
Schleppende, Schwerfällige der Spradhe und nicht weniger fchwerfällig Lieft
e3 ji, wenn Berger an anderer Stelle (S. 53) fragt: „Hatte da vielleicht
der Geift ahnıend vorauggegriffen, was er denfend Später langjanıer, aber
fiherer und feſter erfaffen ſollte?“ Solchen Unbeholfenheiten aus dem Wege
zu gehen, hat ein Autor, der im übrigen fehr gut zu jchreiben veriteht, ohne
Zweifel die Pflicht; fie find um fo bedauerlicher, mit je geringerer Mühe fie
behoben, bejeitigt werden können. Die Weglaffung des einzigen überflüjfigen
Worts „teilmeije” nimmt 3. B. dem Sate auf S. 104: „Jedenfalls find Die
ariftoteliihen Anklänge teilweife nur jcheinbar, oder fie find Durch die Leftüre
der Hamburgifchen Dramaturgie zu erklären” alle Ungefällige und Ungelenke.
Hätte der Verfafler hier alfo nur ein wenig gefeilt, a würde er auch den
ftrengeren ipradjlidhen Anforderungen genügt habeit. Das Unverzeihlichfte jedoch,
das, was jeder beflagen und verurteilen muß, dem daran liegt, daß die äußere
Form der wiſſenſchaftlichen Darſtellung nicht mehr und mehr verlottert — das
Schlimmſte und Unverzeihlichſte ſind wirkliche Inkorrektheiten, deren man leider
auch einige in dem Buche antrifft. Nachläſſigkeiten wie: „daß der Reiz als für
ſich allein hinreichend fei” (S. 128) oder „dies ſowie das von uns oben bei
der Unterscheidung Kants in vage und adhärierende Schönheit Geſagte“ (S. 130)
oder „in diefen Kants eigenen Worten” (©. 133) oder endlidy: „fie ift die
Juſgumenfaſuns aller der Eigenſchaften des Gegenſtands, welches meine
Perſon veranlaßt“ u. ſ. f. (S. 293) müßten in der That, wenn es ſich nicht
etwa um Drudfehler handelt, auf dad Schärfite und Unnachlichtigfte gerügt
werden.
Auf Rechnung geringer Sorgfalt in der Stilifierung ift auch die Dunkel:
heit einzelner Ausführungen des Verfaſſers zu fegen. Kuno Fiichers Frage,
warum Scilfer bei der tragifchen Wirkung das Moment des „Mitleid3” allein,
ohne die ariftoteliihe „Furcht“, ins Auge faffe, glaubt Berger mittelft gi:
weifung auf die allerdings zmeifellofe, durch den Brief an Goethe vom 5. Mai
1797 hinlänglid) bezeugte Thatfache, „daß Schiller nur durd) die Leflingfche
Erklärung den Ariftoteles kannte“, jehr einfach erledigen zu können und er be=
ründet Died nun des Näheren in folgenden Säßen: „Denn Lefjing erklärte die
Furcht als da3 auf una felbft bezogene Mitleid, ald die Furcht, wir möchten
der bemitleidete Gegenitand felbit werden können: alſo Furcht in einem engern
Sinne al? unfpmpathetiihe Furdt. Nach Schiller Theorie ift aber nur die
iompathetifhe Furcht (= Mitleid) äfthetifch wirfend, jene Furcht aljo implizite
in diefer enthalten, und fomit konnte er mit Mitleid allein ausreichen” u. 1. f.
Wie Soll man ſich das zurechtlegen? Soll man glauben, daß nad) Berger der
iheinbare, bloß ſprachliche Widerfinn der Leſſingſchen Definition der Furcht ala
des auf uns bezogenen Mitleids, wie ihn deren enthymematifche Kürze ber-
fchuldet, in einem wirklichen, innern Widerfinn gründe, daß Leſſing der Auf-
faſſung Bergers gemäß thatſächlich die unvollziehbare Subfumption des Affekts
der Jurcht unter denjenigen des Mitleids verſucht, alſo ein rein egoiſtiſches,
nur beim ch verweilendes, ſogar eines jeden Gegenſtands der Sympathie er-
mangelnded Mitleid angenommen habe? Aber die der Wiedergabe jener Defini—
tion unmittelbar folgende, ebenfalls dem 75. Stüd der „Hamburgjhen Drama:
turgie“ faft wörtlich entnommene Erläuterung, es fei die Furcht gemeint, daß
wir der bemitleidete Gegenftand felbft werben können, zeigt ja, daß joldes
9
132 Chamiſſo, ‚zortunat.
Mißverſtändnis dent Verfaſſer fern liegt, und zudem verſcheucht feine (in:
räumung der Erxiſtenz „uninmpathetiicher“ Furcht jeden „Zweifel in dieſer
Hinficht. Was heist es aber dann, „ine“, alio wohl die egoiftiihe Furcht ſei
in dieſer, der fonmathettichen, mit dent Plitleid zuiammenfallenden enthalten?
Es ift in der That faft unmöglich, zu enträtieln, wie Berger dieſe ſeine
Worte verftanden wiſſen will, jo gut ſich auch fein Gedankengang ſelbſt in der
Hauptſache erraten läßt. „Weil die Furcht“ — dies will er vermutlich ſagen
„welche Leſſing nach Ariftoteles Vorgang als Korrelativ des Mitleids defñnierte
und die neben dieſem legtern Affekt als die zweite pſychologiſche Grundwirkung
hingeftellt wurde, auf deren Erregung die Tragödie abzielt — weil dieſe Furcht
trog ihrer, begrifflihen Beziehung zum Mitleid etwas rein Ggoiftifches, In:
inmpatbetiiches ift, fir Schiller aber nur die Erweckung inmpathetifher Gefühle
fünftleriichen Wert hat, jo jtreicht der Tichter einfach die Furcht, d. h. Die durch
die Einbildungskraft vermittelte Furcht des Zuſchauers für ſich ſelber, und
behält er als tragiſche Potenz nur die inmpatbetiiche Furcht für den Helden
bei.” Man braucht bloß dieſen Zinn der Bergerſchen Ausführungen mit dem
MWortlaute dDerielben zu vergleihen, um fih an einem recht grellen Beilpiele zu
überzeugen, wie weit die Darlegungen des Verfafiers oft von logiiher Schärie
und Beſtimmtheit entfernt find. Suno Spiser.
Fortunati Glückſeckel und Wunichbütlein ein Zpiel von Adelbert von
Chamiſſo (SOG) aus der Bandichrift zum eritenmal herausgegeben
von E. F. Koßmann. Teutſche Yitteraturdenfinale heransgegeben von
Auguſt Sauer. Ar. 545. Neue Folge Wr. 45. Zruttgart, &. I. Göſchen.
1895. 1.20 M.
Von Ehamiſiſos Fortunatiragment waren una bis vor kurzem nur wenige
Bruchſtücke bekannt geworden: Mar Noch batte dieſe Bruchſtücke in feiner Aus:
gabe von Ehamiſſos Werfen (1, 2352 Ho zum eritenmal an einer Ztelle ver:
einigt. EChamiſſos Vriefe geſtatteten ferner einen, allerdings nur beſchränkten
(Kinblid in Die Cutſtehung des Fragments. Endlich hatte Ralm, der Heraus⸗
geber der dritten Triginalauegabe von Chamiſſos Werken, aus dem im Naclaite
de» Tichtera erhaltenen Schriftſtücken ein paar Notizchen über das Fragment
mitgeteilt (>, 9a 7.1. Moßmtanı, Der Ichon manches Aneditun derielben Cuelle
entnommen und zum Drucke gebracht bat, schenkt una jegt in Tauberer ‚Form
das ganze Fragment. Seine Beröftentlidung bezeugt, daß Chamiſſods Plan
nicht weit über Die erſten Anfänge hinaus gaedieben tit. Immerhin fteht Die
Forſchung, jeßt dem ‚Fragmente gegenüber auf feſtem Boden. Manche Iweijel
ſind enticichen, einige Vermutungen, Die ich in der Ginleitung meiner Chamiſſo⸗
ausgabe (2. XXX j. gewagt babe, widerlegen ſich von ſelbſt oder bedürfen
wenigitens einer Berichtigung. Zolde Berichtigungen nimmt Koßmanns fleißig
und kundig gearbeitete Finleitung dor: fie amalniiert dann das ‚Fragment,
vergleicht Die einzelnen Scenen mit der Celle und ſtellt ihre metriichen Formen
feit. (Fine eingebende Würdigung wird nicht versucht: Noßmanı bedauert, „DaB
die Norarbeiten fehlen, um ohne umfaſſende eigene Unterſuchungen den Jünger
an feinen Meiftern zu meſſen“, alio Chamiſſos ‚Fragment mit feinen romans
tiihen Vorbildern zu vergleichen. Auch ich möchte bier nicht umfaſſende Inter:
juchungen anstellen, jondern nur einiges zuſammentragen, teild zur Berichtigung
meiner oben citierten (Finleitung, teile zur (Frgangung der Vorrede Koßmanns.
Wie Ehamiſſo durch Fouquéso Geſellſchaft im Juli 1806 zu einer Dramas
tifierung des Volkobuchs von Fortungt angeregt worden it, habe ih a. a. C.
XXIX dargelegt. Fouqué batte im Jahre 1806 Jörg Wickrams „Ritter
Halmın“ in Die ‚yorm von Tiecks „Oetavian“ gebradt. Andere dramatiiche
Chamiſſo, Fortunat. | 133
Pläne hatte er unter der Hand. Die Freunde Chamiſſo nud Fonque_ vertieften
ſich begreiflicherweije in die Technik des Dramas. Sie geraten auf die Idee
eines Dramas, in dem die für ſich höchſt tragifchen Figuren das höchfte
Komiſche gebären, und wiederum die für fich höchft komiſchen das höchfte Tragiſche.
Tiefe Idee lag fo fern nicht; fie war nur eine legte Folgerung aus den
Tendenzen der romantishen Dramatik. Bon Shakeſpeare lernen die Romantiker,
lernt bejonder® Tied Tragit und Komik zu mifhen. Tiecks „Octavian“
gefällt ih in ſolchen Mifchungen, die der romantischen Sronie wohl zupaß
famen. Die romantifche Ironie mußte aber nahelegen, die Effekte nicht nur zu
mifchen, fondern geradezu zu vertaufchen. In ähnlichen Spiegelungen und
Brechungen hat ſich die Romantik immer gefallen. Fühlen wir una nicht fofort
an die Terminologie Fr. Schlegels und feiner Sragmente gemahnt, wenn wir
von einer Komik der Tragif, von einer Tragik der Komik fprehen? Verwandte
Vegrifzipiele, verwandte Antithefenfcherze begegnen in den Außerungen bes
geiftreihen Geſchlechts auf Schritt und Tritt.
Koßmann berührt die erörterte Idee Chamiſſos und Fouques und allzu
raſch jchließt er weiter, daß Chamiffo, von dieſer Idee ausgehend, auf den
‚zortunatitoff verfallen mußte. Außerlich ſchon, nod weit mehr aber innerlid)
enthält dag genannte Volksbuch Humor und Tragif in inniger Durchdringung,
meint Koßmann. „UL dieſe fürs Laienauge verkalkten Farben fonnten laut
aenug den Künftler um ihre Befreiung and Tageslicht anrufen.” Ich frage:
welches Volksbuch bietet nicht „Humor und Tragif in inniger Durchdrin unge
Gewiß, Koßmanns Schlußfolge ift nicht zwingend. Ich glaube aud, aß
Chamiſſos Wahl anderer Veranlaſſung entkeimt iſt. Chamiſſo iſt auf das
Volksbuch von Fortunat wahrſcheinlich durch Wilhelm Schlegels Berliner
Vorleſungen aufmerkſam gemacht worden. Im Winter von 1808 auf 1804 Die
Geihichte der romantischen Ritteratur befprechend, läßt Schlegel auch die Volks—
bücher an jeinen Zuhörern vorüberfchreiten (Deutſche LXitteraturdentmale 19,
143 ff.). Magelone und Octavian konnten an Tieds Bearbeitungen angehnüpft
werden. Melufine und Fortunat fielen fpäter demfelben Dichter zu. Der Stoff
des Volksbuchs von „Floris und Blanchefloeur” kehrt in Sophie Bernhardiz Er:
neuerung „eslore und Blanchefleur“ wieder (1822), die W. Schlegel einbegleitet
bat. Bon Ritter Galmy heißt es, er ſei unvergleichlich, nicht ſowohl durch Die
Erfindung der Begebenheiten, als durch das bejeelende Gefühl. Gewiß ift Fouqué
durch diefe Bemerkung feines Lehrer® Schlegel zu feiner Dramatifierung des
Galmy angeregt worden. Haben doch die Berliner Vorlefungen auf den ganzen
Kreis der Nordfternbündler, alfo auch auf Fouque, mächtig gewirkt. Die dem
Bolarfternbunde zu Grunde liegende Idee ift ja den genannten Vorlefungen ent=
nommen (vgl. die Einleitung meiner Shamiffoausgabe ©. X). Wenn dann Schlegel
energiih auf den Fortungt hinweift, ihn ein Meiſterwerk bis zum ſyſtematiſchen
Ziefiinn wißiger Compofition nennt, fönnen wir wohl faum mehr zögern, aud)
hier die Anregung zu Chamiſſos Fragmente zu fuchen. Fouqués Galmy, der
als Vorbild der Dichtung Chamiſſos in feinen Briefen erjcheint, entitammt
derjelben Quelle. Und ich hoffe noch nachzumeifen, daß ein oder das andere
Wort, dad Schlegel über den Fortunat geſprochen hat, in Chamiſſos Verſuch
wirklich verwertet worden ift. Entjdieden aber wurde Chamiſſos Stoffwahl
durch ein Moment, da fi) aus näherer Befichtigung feines Fragments er-
geben mird.
‚ Die Quelle Chamiſſos ift natürlid) das Volksbuch von Fortunat. Es
zerfällt befanntlich in zwei Teile, deren erfter die Schidjale Fortunats, deren
zweiter das Geſchick feiner Söhne Ampedo und Andolofia erzählt. Ehe Koß—
mann das ganze Fragment mitgeteilt hatte, fonnte man noc zweifeln, ob
Chamiſſo beide Teile behandeln wollte oder nicht. Jegt Scheint oh! mit einiger
Zicherheit feitzuftehen, daß er nur die zweite Hälfte, die Erzählung von den
126 Berger K., Die Entwidlung von Schillers Äſthetik.
Eigenſchaften der Segenftände zu dem Charakter der Schönheit oder Häßlich⸗
keit, welcher dieſen Gegenſtänden anhaftet, in gar feiner Beziehung fteben
jollten, daß es nur das fouveräne Subieft wäre, welches ganz willfürlich und
arımdlos die jih ihm darbietenden (Fricheinungen mit äfthetiichen Attributen
ihmüdt. Seine Abneigung genen dieſe Art von Subjektiviamus ift an ſich
berehtigt nnd außerden mag die Einwirkung Siebede, den man nad der
Widmung wohl als feinen Lehrer anfeben darf, mögen alfo mittelbare Her:
bartiche Einflüſſe dazu beigetragen haben, ihn in ſolcher Abneigung zu beſtärken.
Spuren Herbartſcher Denkweiſe in Fragen der Aſthetik ſchimmern mehrfach
ziemlich deutlich durch die Raiſonnements des Verfaſſers hindurch. Daß er
gleichwohl in der Polemik gegen Tomaſchek an cin paar Stellen „Herbarts
Formalismus“ bekämpft und der „Derbartianiich: Jimmermannichen“ Auffaſſung
Einſeitigkeit vorwirft, hat wenig Gewicht bei ſeinem Anſchluſſe gerade an den:
jenigen Serbart: Jünger, der innerhalb der ganzen Schule den, ſpekulativen
Zchönheitsphilotophben am nächiten ſteht, indem er bekanntlich, wichtige Viſcherſche
Beſtimmungen ſich aneignend und ein richtiger „Einfühlungs“⸗ :Aftbetiter, die
„äfthetiiche Apperzeption“ für das Gewahrwerden des in einem Sinnlichen
erſcheinenden Geiſtigen, für das Erfaſſen des „Ausdrucks“ der Dinac oder aber
für eine Sineindihtung von Perſönlichkeit, von „Ausdruck und Stimmung“
in das unbeſeelte Tbjeft erflärt. Ta aber auch eine foldhe Hineindichtung,
wie fhon oben gezeigt, ein im gewiſſen Sinne, nämlich im Wegeniage zur
bloßen Wefühlserregung „objektives“, wenngleih erft vom Subjeft berbeis
ebradtes und infotern mac einem beliebten Wortmufter der ſpekulativen
Ihilofophic, freilich mit nanz anderer Yedeutung, „Tubjeltivzobjeftiv* zu nennen:
des Merkmal ergiebt — abgeſehen davon, daß fie jedeamal durch eine beftimmte
DBeichaffenheit Des Gegenſtands ermöglicht oder veranlagt fein kann — jo darf
man wirklich fanen, daß bei Siebeck, welder ja auch andere weſentliche Vor⸗
ftelungen der ſpekulativen Ylithetil, 3. 3. jene von dem erft im Sunftiwerte
vollendeten Schönen unbedenklich vertritt, die Derbartichen mit den Vifcherfchen
Anregungen fich in einer Weile verbinden und ausgleihen, daß feine Schön:
heitöthbeoric, obſchon auf der Grundlage der Herbartichen Rſychol ogie aufgebaut,
faft mehr Hauptpunkte mit derjenigen Viſcher-Köſtlins ala mit den äſthetiſchen
Lehren von Herbart felber gemein bat. Dieſe Verichmelzung Serbarticher und
Qifchericher Anfichten bei Ziebed ift nun offenbar für die Richtung von Bergers
Nritit enticheidend geweſen und bat es dieſem erleichtert, von jener „objektiven“
Bofition, wie fie auch der ‚yormalismms fordert, zur eigentlich objeftiven, d. h.
metapbuitfhen Betrachtung, des Schönen den unlogiihen Sprung zu thun.
Denn in Wahrheit umd prinzipiell dies kann nicht oft genug wieberbolt
werden - find beide Ztandpunfte völlig verichieden. Tie ‚Frage des äfthetiichen
„Obijektiviomus“ in der ftrenneren Bedeutung ift nicht Die, ob an der wirklichen
Beichaffenheit der Tinge die Schuld liegt, daR Die Montemplation der einen
vuft:, Die der andern Unluſtgefühle in uns entitchen laßt und ob infofern
alto die Tinge Selber etwas an fih haben. das fie ſchon oder häßlich madıt,
jondern vielmehr die, ob die Schönheit, gleich der Häßlichkeit, auch unabhängig
von Dielen Gefühleregungen, in welcen fie ſich zumächit kundgiebt, und obne
jede Rückſichtnahme darauf Durch cin beftimmtes Merkmal definiert werben
kann, ob mithin ein einbeitlicher objeltiver Begriff ertitiert, unter den alle
ichönen, und ein nicht minder einheitlicher, unter den alle häßlichen Wenenftände
fallen. Hätte Herner dies richtig erfannt, jo würde er ea wohl vielleicht unter:
laffen haben, einer Betrachtungsart das Wort zu reden, welche heute ſchon
nabezu als überwunden aelten darf und deren Schwache am beiten durch Die
einfache Erwägung Bains dDargetban wird, daſt, wenn es old ein objeftives
Nriterinm de Schönen gäbe, Dies in den zwei Jahrtauſenden, die man um Die
Auffindung Desielben bemüht war, in dem Zeitraum von Plato bie zur Wegen:
Berger K., Die Entwidiung von Schillers Äftetif. 127
wart ficherlih ſchon auf unbeftrittene Art hätte gefunden werden müſſen.
Indem aber die zuvor beleuchtete Verwechslung ſich an dem Verfaffer dadurch
rächt, daß er arglos für die objektive Anfiht vom Schönen in deren vollem
Umfange einfteht, Tann es natürlid) nicht fehlen, daß er in ausgeſprochenen
Gegenſatz zur wiſſenſchaftlichen Afthetif unferer Zeit tritt, daß er basjenige
lobt, was nad den Prinzipien diefer Afthetif ala tadelnswert, dasjenige tabelt,
was nad) eben diejen Prinzipien als anerkennenswert erfcheinen müßte. So
wird Durch Verfhmommenheit der Ideen, durd mangelhafte Diftinktion nicht
bloß Berger geihichtlihe Darftellung, jondern namentlich aud und in nod)
höherm Maße feine philojophiiche Kritik geſchädigt. '
Neben der Untlarheit über den Begriff des objektiven Schönen liegt aber
ein weiterer Grund für das Unzulängliche der fritifchen Gefichtspunkte des
Buchs wohl auch in der verftedten, zwiejpältigen, einer ftrengen Logik wider:
ftreitenden, dagegen die dichterifche Kühnheit der Smagination bezeugenden
Natur der Antriebe, von melden ſich Schiller felbit bei der Ausgeſtaltung
feiner Fundamentalidee leiten ließ. Jenes Maß von Phantafieanfpannung,
welches nötig Jcheint, um über den Mangel an Exaktheit und Einheitlichfeit in
der Konzeption diefer Idee hinwegzutäufchen, mag um fo leichter zu erreichen
jein, als die Einbildungsfraft de Leſers der Schillerfhen Schriften wie im
Fluge von derjenigen des großen Dichter und Profaiften mit fortgeriffen wird,
und es findet fi) gewiß weit häufiger verwirklicht als der nur bei gründlicher
philoſophiſcher Schulung ſich einftellende Grad von Urteilöfchärfe, welcher unter
den glatten Wellen des Schillerſchen Redefluffes die Logifchen Klippen und Un—
ebenheiten gewahr werden läßt. So ift naturgemäß fogar dort, wo der Ver:
faffer am beften in die Grundgedanken des erfenntnisdurftigen Klaſſikers ein—
zudringen fcheint, fein Begreifen derſelben fein gan erjhjöpfenbeB, d. h. es geht
wenigftens nicht tiefer ala das des Urheber der Ideen felbft, es erfaßt nicht
die auch dieſem felber verborgen gebliebenen Wurzeln und reicht daher wohl
zu einer guten, ftellenweife glänzenden Darftellung, aber nicht zu einer ein-
ichneidenden, die Wahrheit von der unwiſſenſchaftlichen Verhüllung und Um—
bildung derjelben ablöfenden Kritik. Laßt man aber den einen, bereit3 oben
aufgedeckten, ſozuſagen formellen Hauptgrund der Schillerichen Begriffefaffung,
jene Befriedigung eines eigentümlichen ardhitektoniich-äfthetiichen Geiftesbedürf-
niffes, durd; welche der Welt des Schönen ihr bejonderer Pla neben den
andern Lebensgebieten angewieſen und die allfeitigen Beziehungen der äftheti-
Ihen Schäßung zur logiſchen und ethiichen Beurteilung, ſowie zur teleologijchen
NRaturanficht 7 geftellt wurden, beijeite, dann ift, wie gejagt, eine innerlid)
zwiefpältige Vorftellung, eine Art phantaftifher Vertaufchung zweier heterogener
Begriffe als Quelle der unglüdlihen Dentart, durch welche Schiller einen To
ihlimmen Einfluß auf die Entwidlung der deutichen Afthetit genommen hat,
zu erfennen oder doch mit großer MWahrjcheinlichkeit zu erraten. Den Umftand,
daß in die äfthetifhe Betrachtung eigentliche, klar bewußte, mit wirklicher
Überlegung einhergehende Zwedrüdfichten nicht hineinfpielen dürfen, daß, der
äfthetiiche Gegenftand fohin nicht mit dem Nützlichkeitsmaßſtabe, nicht an einem
äußern Zwecke gemeflen werden darf, hat Schiller offenbar mit jener befondern
Eigentümlichkeit des Charakteriſtiſch-Schönen kombiniert oder hielmehr fonfun-
diert, vermöge welcher der Reiz des Charafteriftifchen aus der Übereinftimmung
des Objekts mit einem bewußt oder unbemußt daneben gnehaltenen Vorbilde,
alſo gewiſſermaßen aus einer Vergleihung des reizvollen Dings mit fich jelber
entipringt. Diefe beiden, an fich freilich ganz verfchiedenartigen, für eine kritifche
und verftandesmäßige Auffaffung weit auseinanderliegenden Thatjachen, Die
eme auf ein allgemeines, jubjektives, die andere auf ein nur für gemille Fälle
gültiges, mehr objeltiveg Moment des Schönen fich beziehend, die erftere eine
Bedingung des äfthetifchen Verhaltens überhaupt, die zweite dagegen Umſtände
128 Berger &., Die Entwidlung von Schillers Aftherit.
ausdrüdend, unter welchen bei diefem Berhalten Regungen des Moblgefallens
ih einftellen oder positive äfthetifhe Wertihägungen zu ftande fommen —
diefe beiden Thatſachen faßte der phantafievolle und ſprachgewaltige Tichter
mutmaßlih in der einzigen Formel zufammen: „Beſtimmt werden des ichönen
Objekts durch ſich —38*— Es iſt allem Anſcheine nach wirklich die Anwendbar⸗
keit der Formel auch auf das durch Charakteriſtik Gefallende, das Typiſche wie
das individuell Ausgeprägte, in dem eben gekennzeichneten Sinne, welche ex
Schiller ermöglichte, die Schönheit zur ſittlichen Freiheit, die äfthetiſche zur
ethiſchen Auffaſſung, die Urteilskraft zur praktiſchen Vernunft in eine ſo ſeltſam
künſtliche und geſuchte Beziehung zu ſetzen. Allerdings war er ſich dieſer eriten
Keime feiner Vorſtellungsart vielleicht ſelber gar nicht bewußt; wenigſtens
betonte er ausdrüdlih nur das Aufgehen der äftbetiihen Betrachtung in ihrem
jeweiligen (#egenftande ohne ein Zuchen nah runden oder Erwägen von
Sweden, wo es ihm darauf ankam, dag Schöne als die ih ſelbſt erflärende
Form zu erweilen: auch die Veiſpiele, die er gewählt, wie die Schlangenlinie,
ſind nah Kants Ausdruck „freie Schönheiten“ im Gegeuſatze zu den charak⸗
teriftiihen, und es verfteht fich übrigens von felbit, daß bei der Unmittelbarkeit
dea Gefallens am Zcönen, bei der Verſchiedenheit des äfthetiihen von dem
logiihen und dem Nüßlichkeitaftandpunfte der vage Schillerſche Begriff wirklich
in jeder äfthetiich anmutenden (Fricheinung geſunden werden fonnte, mochte
feine uriprünglihe Aildung auch ganz befonders durch die verfannte oder un:
wiffenfhattlih aufgefaßte Eigentümlichkeit der charakteriftiihen Schönheit nabe:
gelegt worden fen. Dabei bleibt jedodh immer zu erwägen, was bier fchon
einmal angedeutet wurde, nämlich, daß Manta bereits von Schopenhauer trefflich
beleuchtete allzuaroße Worliebe tür „inmmerriiche Architektonik“, fein „Tonder:
bares Wohlgetallen an der Symmetrie“ einem derartigen Zpielen mit Barallelen,
wie es ih in Zcillers YInnäberung de» Schönheits- an den ‚Freiheitäbegrift
verrät, machtig Vorſchub leitten, ja ſolche gezwungene, unnatürliche Jufammenr
jtellungen geradezu herausfordern mußte. Und noch in anderer Hinfidht fällt
ein Zeil der Zchuld immerhin auf Mant felber zurüd: nicht nur feine ganze
methodifche Art bat die Denf: oder, wenn man will, Phantalieoperationen
begünftigt, durch welche die Mithetif in Deutſchland die verhängnisvolle objef:
twiſtiſche WMendung nahm; in mancden Äußerungen der „stritit der Urteils:
kraft“ — man leſe 3.2. mur den von Veraer auf Z. 143, allerdings nicht ganz
wörtlih, da „des Menſchen“ tür „Der Menſchheit“ fteht, citierten Zag mit
Aufmerkſamkeit! - lieat auch Schon inhaltlich ein autes Ztüd jener Anſchauungs⸗
weiſe enthalten, mittelſt deren Schiller und die ſpekulativen Aſthetiker, Schelling
an der Spise, die wertvollen Elemente der Kantſchen Schönheitetheorie ver:
drängt haben. Endlich aber iſt Kant noch durch die faft wie ein liberbleibfel des
Wolffihen Rationalismus fich auanehmende Verknüpfung des Schönen mit dem
Zwedmähigen, der Äſthetit mit der teleologiichen Naturbetracdtung, welche Ber:
knüpfung ja die ganze Anlage der „Kritik der Urteildkraft“ beftimmte und Die,
wenn fie auch in der Gefühlsſeite diefer Naturbetrachtung und in dem häufigen
Beitrag don mehr oder weniner dunklen Sivedvorftellungen zum äftbetifchen
TZotaleindrud überhaupt eine teilweife Rechtfertigung findet, doch jedenfalle
darin feblariff, daß fie nicht das auch aufs Gefühl wirkende Zweckmäßige dem
Schönen, d. h. dem üfthetiich Gefallenden unterordnete, fondern weit eber ums
gekehrt alles Schöne dem z3weckmäßigen iubfumieren zu wollen fih den Au:
fein gab — hierdurch, wie nicht minder durd die Vindikation einer gewiffen
Allgemeingültigteit fürs äftbetifche Urteil, wweldhe Doch der unmittelbare emotionale
rund desselben auafchließen mußte - durch alles das ift Mant in einen offen«
baren Widerfpruch mit fich ſelbſt getreten und bat er die Zerſtörung feiner eigenen
Lehre, die (Frrichtung des luftigen, fpelulativen Baus auf den Trümmern feiner
trog aller Fehler tüchtigen und foliden Schöpfung durch die (Fpigonen befördert.
Berger &., Die Entwicklung von Schillers Afthetik. 129
So läßt fi die Thatſache, daß die äfthetiichen Verſuche Schillers auch
in ihrem Kernpunkte mißglüdten, gewiß entjchuldigen, und in demſelben
Maße zu entichuldigen ift es, wenn Berger Kritik diejer Verjuche jo wenig
gelungen und zutreffend ericheint. Das Scheitern dieſer fichtlich ernften Be—
mühungen, nicht nur die Schönheits- und Kunftlehren des Dichters richtig zu
erfaflfen, fondern aud das Gute und Haltbare in PER N bon dem Unbraud):
baren und Hinfälligen zu trennen, zeigt recht deutlich, daß die kritiſche Dar⸗
ſtellung der Schillerſchen Aſthetik ein Unternehmen vorſtellt, welches die größte
Sicherheit des Urteils in philoſophiſchen Dingen, die vollſtändigſie Vertrautheit
mit den äfthetifchen Prinzipien der Gegenwart erheiſcht und daher weit über
die Kräfte eines Anfängers, aud) eines begabten, hinausgeht. Daß ſich Berger
in dem Labyrinth der „Kritik der Urteilöfraft“ gleichfalls nicht zurechtfindet,
daß daher jeine Erläuterung der Grundgedanken derfelben, wie ſie das 7. Kapitel:
Kallias“ bietet, namentlih in der Präzifierung des Kantſchen Standpunkts
egenüber demjenigen der ältern Baumgartenſchen Lehre, nicht aufs befte aus—
ällt, wird ihm bei den thatfädhlid) jo gewundenen und fchwer überjchaubaren
Gedantenwegen, welche Kant nerade auf dem äjthetifchen Gebiete gewandelt ift,
ebenjowenig verargt werden dürfen. Zu verübeln wäre ihm aud) bier wieder
nur, daß er fich überhaupt an eine Aufgabe gemadıt hat, von der er fid) doch
im vorhinein jagen fonnte, er fei ihr nicht vollftändig gewachſen.
Manchmal indes begeht er auch Fehler, die jogar der philojophiiche An—
fänger bei einiger Aufmerfjamteit und logifchen Sorgfalt recht wohl hätte
vermeiden fünnen. Ein ſolches Beiſpiel faum zu berzeihender Übereilung liefert
die Zurüdweilung der Sritif, welhe Tomaſchek an Sciller® Lehre vom Er:
habenen geübt Hat. Berger beitreitet, daß, wie Tomaſchek angeblich will, „in
einem bloßen Verhältnijfe von Gewalt zu Gewalt, von Kraft zu Kraft” „ein
Erhabenes“ ſich zeigen könne. „Es kann,“ fo verlichert er demgegenüber, „nur
ein ſolches Verhältnis fein, worin gerade in dem ‚Unverhältnismäßigen' eines
Glied, in feiner ganzen übermächtigen Individualität und Intenfität des Auf—
tretens das Erhabene, das ſich über alle andern Gegenjtände und Vorftellungen
Erhebende liegt.” Das Mißverſtändnis läßt fi) wahrlidy nicht weiter treiben;
e3 läßt ji zur Widerlegung des Gegners nidyt genauer, nicht vollitändiger
eben dasjenige hervorfehren, was dieſer Gegner ſelbſt behauptet hat. Denn daß
nicht Flöhe oder Zahnſtocher die Gewalten repräfentieren dürfen, deren gegen-
feitiged Verhältnis den Eindrud des Erhabenen begründet, war Tomaſchek
fiherli ebenjo klar wie dem erfaffer, und dieſer tritt ſowohl durch feine
eigenen, vorausgegangenen und folgenden Bemerkungen als durd die Anführung
aus liberweg rückhaltslos gerade für dasjenige ein, auf deffen Feititellung es
dem Wiener Litterarhiftorifer ausſchließlich ankam — dafür nämlich, daß das
Gefühl des Erhabenen aus der Hingabe an die Betrachtung objeftiver Größen
oder „Gewalten“, mworunter mindefteng eine felbitredend wirflid groß und ge-
waltig fein muß, entipringen könne, ohne daß das Subjekt des Beſchauers ſich
feinerjeits diejen Größen gegenüberfegt und Vergleiche zwiſchen feinem eigenen
Vermögen und der Sraft der Dinge anftellt.
Im ganzen iſt das Buch Bergers damit kommen wir auf das Ein—
gangs Geſagte zurück — eine Arbeit, die faſt ebenſoviel Tadel als Lob verdient.
Wer ſich über die geſchichtlichen Thatſachen belehren, wer aus den Schriften,
welche die Dokumente für die Entwicklung der Schillerſchen Aſthetik darſtellen,
das Wichtigſte, Bezeichnendſte geſchickt ausgezogen und zuſammengeſtellt finden
und fih auf dieſe Weiſe ein gutes Bild von den Wandlungen der Anſichten
Schillers über Kunft und Schönheit verichaffen, wer endlich die äußern Lebens:
umftände, unter welchen dieſe einzelnen Theorien entitanden jind, kennen lernen
will — und daß jolche Umſtände tiefgreifenden Einfluß auf die Ideen des
Dichters und die Abfafjung feiner äfthetiichen Studien genommen haben, bemeift
Eupborion IV. 9
130 Berger K., Die Entwidlung von Schillers Äſthetik.
anı beiten das Verhältnis zu, ‚Soethe, auf dag Berger fein und auiprechend den
Uriprung der Abhandlung „Über naive und jentimentalifhe Dichtung“ zurüd:
führt — furz: wer ſich über das rein Hiftoriiche gründlich informieren will,
dem kann das Werk Karl Bergers auf das Wärmſte empfohlen werden. Aber
diejer Leſer wird fih gar jehr hüten müſſen, auch die Verwertung, welche der
Autor den in reichfter ‚Fülle und in jehr überfichtlier Anordiiung vorgeführten
hiſtoriſchen Thatſachen, d. bh. den einzelnen Ausiprühen und Yehrmeinungen
Schillers giebt, ohne weiteres hinzunehmen; er wird, vorausgeiegt, daB er ein
nereifteö philoſophiſches Urteil beſitzt, den tiefiten Sinn und die legten Inten—
tionen der Zchillerihen Verſuche vielfah aanz anders deuten müffen, ala vom
Verfaſſer neicheben tft, und er wird vollends mit dem von Berger angelegten
fritiihen Maßſtabe ſich kaum dann und wann, bei Nebenſächlichem, befreunden.
Noch (Fines darf zum Schluſſe dieſer Beſprechung nicht unerwähnt bleiben,
weil damit eine Unart berührt wird, der man bei jungen Autoren immer
häufiger begegnet: die oft jorglofe, ſchleuderiſche, ja neradezu fehlerhafte Stili:
jierung. Als die geringiten und harmloieiten Veritöße in diefer Richtung er:
iheinen umpaſſende Zergleiche, ichlecht gewählte Bilder, gehäufte und einander
gegenſeitig aufhebende Metaphern, wie tie in großer Menge im Bergerſchen
Aue vorkommen. (Fin ſehr empfindlider Zinn wird vielleicht ſchon an Reden»:
arten wie: „in ihnen find verbüllt und miteinander verknotet die unſcheinbaren
Reime ſeiner geiſtigen Entwicklung unſicher ausgeitreut” (2.9) oder: „zwei
Idealen, die dein jugendlichen Gefühlomenſchen in ein und dasielbe jerronnen
und verwachſen iind“ (2.24) oder: „eine Anſicht . . ., mit der ... jein ganzes
geiſtiges Wachotum sent früher Jugend verwacdien war* (2.52 2) Anftoß nehmen
und wird ſogar Musdrüde wie „Anbau des ‚yundaments feiner Theorie“
(2.80) ala ungeſchickt verpönen. Aber man braudt wirklich nicht hyperdiffizil
zu fein. Man kann derartiges noch völlig unbeanitandet hingehen laffen; man
kann ca kleinlich finden, einen Schriftſteller etwa deshalb zu tadeln, weil er
ichreibt: „im Herz und Nopf gleich ſtark wurzelnd“ (<.308), obſchon „in Herz”
oder „im Herzen“ beſſer wäre, oder es ihm zum Vorwurfe zu machen, daß er
in dem Satze: „was er (nnd Körner) in dunklem Ahnen nur geſtreift oder
auch gefaßt hatten“ (2. 1006) das „nur“ offenbar an faliche Stelle fest, oder
ſich gar darüber aufzuhalten, daß in einem andern Zuge: „Fine nanze Reihe
von Momenten aus Schillers aſthetiſcher FEutwicklung werden in una wach—⸗
gerufen“ 1. 182) nicht Formulierungen gewählt wurden, wie „werden uns
ins Gedächtnid, Bewußtſein, die Erinnerung gerufen“ oder „das Gedächtnis,
die Erinnerung einer nanzen Heibe ... wird im ums machnerufen“, obihon
dieſe Formulierungen ein ſozuſagen logiſch fchärferes und reineres Gepraͤge
hätten. Auch das erſte „woruber“ in den Relativiägen auf S. 315: „was ihn
jeit Jahren beichäftigt, worüber er Tage und Nächte feinem ſchwachen Leibe
zum Trotze gerungen und worüber er doch .mit ſich nicht einig werden konnte“
mag man noch als untadelhaft anſehen, wenn ſich gleich nicht verkennen läßt,
daſz „womit“ bier einen günſtigeren Eindruck hervorbrächte, und ebenſo mag
man das „Seiner“ ſtatt „ihrer Erſcheinungen“ in dem Paſſus: „Als Gegen:
bewequng ertlärlih und in einzelnen feiner (Fricheinungen ſogar au lich künſt⸗
leriich bedeutend und kraftvoll, wirft dieſe ‚neue Kunſt' mehr und mehr darauf
hin ...“ unter Rückſichtnahme auf den vorausgebenden Satz, wo vom Natu:
raliems die Rede ilt, der nun eben al» „Diele „neue Kunſt'“ bezeichnet wird
und auf welchen daher auch das Poſſeſivpronomen bezogen werden darf, ent:
fhuldigen, wo nicht gutheißen. Wendungen ferner, die man preziöie Werftel:
lungen und Verzerrungen nennen könnte, find heute ichon t0 eingebürgert, daß
man faum noch ein Recht bat, ſich gegen Monitruktionen zu creifern wie:
„Allerdings nicht in unmittelbare Berührung fam Schiller mit der Lehre des
(Fnglanders, ſondern durch Zermittlung von Ferguſon-Garve“, was auch wohl
Berger 8., Die Entwicklung von Schillers Äſthetik. 131
als berechtigte Abkürzung gelten mag, oder: „Um jo mehr brachte der Dichter
warmbherzigen jungen Leuten wie dem Livländer Graß, der e3 in der unit
des Zeichnens und Landſchaftmalens weiter gebracht hatte als in der Theologie,
jeinem eigentlichen Sache; wie ferner den übrigen SKantianern Niethammer,
Fiſcheniſch, der auch ein Schwabe war, dem Dänen Hornemann und andere —
er, der jelber jo gern jung war, einen empfänglihen und offenen Sinn ent:
gegen“ (5. 85). Jedenfalls aber ftört an dem legtangeführten Satze das
Schleppende, Schwerfällige der Sprahe und nicht weniger ſchwerfällig Lieft
eö jich, wenn Berger an anderer Stelle (S. 53) fragt: „Hatte da vielleicht
der Geift ahnend voraudgegriffen, was er denkend fpäter langjamer, aber
jiherer und fefter erfajfen ſollte?“ Solchen Unbeholfenheiten aus dem Wege
zu gehen, hat ein Autor, der im übrigen ſehr gut zu jchreiben verjteht, ohne
Zweifel die Pflicht; fie find um fo bedauerlicher, mit je geringerer Mühe fie
behoben, bejeitigt werden können. Die Weglaffung des einzigen überflüffigen
Worts „teilmeife” nimmt 3. B. dem Sage auf S. 104: „Jedenfalls, find Die
ariftoteliihen Anklänge teilmeife nur fcheinbar, oder fie find durch die Lektüre
der Hamburgifchen Dramaturgie zu erklären” alles Ungefällige und Ungelenke.
Hätte der Verfafler hier alfo nur ein wenig gefeilt, o würde er aud den
ftrengeren fpradjlichen Anforderungen genügt haben. Das Unverzeihlichite jedoch,
das, was jeder beflagen und verurteilen muß, dem daran liegt, daß Die äußere
Form ber wiffenfchaftlihen Darftellung nicht mehr und mehr verlottert — das
Schlimmfte und Unverzeihlichfte find wirkliche Intorreftheiten, deren man leider
auch einige in dem Buche antrifft. Nachläſſigkeiten wie: „daß der Reiz als für
jich allein hinreichend fei” (S. 128) oder „Dies ſowie das von ung oben bei
der Unterfcheidung Kants in vage und adhärierende Schönheit Gejagte” (S. 130)
oder „in dieſen Kants eigenen Worten” (S. 133) oder endlich: „ſie ift die
Seh aller der Kigenfchaften des Gegenſtands, welches meine
Perſon veranlaßt“ u. S. f. (S. 293) müßten in der That, wenn es fi nicht
etma um Drudfehler handelt, auf dag Scärfite und Unnachſichtigſte gerügt
werden.
Auf Rechnung geringer Sorgfalt in der Stilijierung ift auch die Dunfel-
heit einzelner Ausrührungen des Verfaſſers zu jegen. Kuno Fiſchers Frage,
warum Sciller bei der tragischen Wirfung das Moment des „Mitleids“ allein,
ohne die ariftoteliihe „Furcht“, ins Auge faffe, glaubt Berger mittelft pin:
weiſung auf die allerdings zweifellofe, Durch den Brief an Goethe vom 5. Mai
1797 hinlänglich bezeugte Thatjache, „daß Schiller nur durch Die Leſſingſche
Erklärung den Ariftoteleg kannte“, ſehr einfach erledigen zu fönnen und er be-
gründet Dies nun des Näheren in folgenden Säten: „Denn Leſſing erklärte die
Furcht ala das auf uns felbft bezogene Mitleid, als die Furcht, wir möchten
der bemitleidete Gegenstand ſelbſt werden können: alfo Furcht in einem engern
Sinne als unfpmpathetiihe Furcht. Nach Schiller Theorie ift aber nur die
Iompathetifche Furcht (= Mitleid) äfthetifch wirfend, jene Furcht alſo implizite
in diejer enthalten, und fomit konnte er mit Mitleid allein ausreichen” u. 1. f.
Wie foll man fi) das zurechtlegen? Soll man glauben, daß nach Berger der
ſcheinbare, bloß ſprachliche Widerfinn der Leifingichen Definition der Surat als
des auf und bezogenen Mitleids, wie ihn deren enthymematiiche Kürze ver-
ſchuldet, in einem wirklichen, innern Widerfinn gründe, daß Leiling der Auf-
faflung Berger gemäß thatfählid die unvollziehbare Subfumption des Affekts
der Jurcht unter denjenigen des Mitleids verſucht, alſo ein rein egoiſtiſches,
nur beim Ich verweilendes, ſogar eines jeden Gegenſtands der Sympathie er⸗
mangelndes Mitleid angenonimen habe? Aber die der Wiedergabe jener Defini-
tion unmittelbar folgende, ebenfall® dem 75. Stüd der „Hamburgichen Drama:
turgie“ faft wörtlich entnommene Erläuterung, es fei die Furcht gemeint, dat
wir der bemitleidete Gegenftand felbft werden können, zeigt ja, daß joldes
9
132 Chamijjo, Fortunai.
Mißverſtändnis dem Verfaſſer fern liegt, und zudem verſcheucht ſeine Ein—
räumung der Eriſtenz „unſympathetiſcher“ Furcht jeden Zweifel in dieſer
Hinſicht. Was heißt es aber dann, „jene“, alio wohl die egoiſtiſche Furcht iei
in biefer, der inmpathetifchen, mit den Mitleid zuiammenfallenden enthalten?
Es ift in der That fait unmöglid, au enträtieln, wie Berger dieſe feine
Worte verftanden wiſſen will, jo gut ſich auch fein Gedankengang jelbit in der
Hauptſache erraten läßt. „Weil die „Furcht“ — Dies will er vermutlich ſagen
„welche Leſſing nach Ariſtoteles Vorgang ala Korrelativ des Mitleids definierte
und die neben dieſem legtern Affekt ala die zweite pfnchologiiche Grundwirkung
hingeftellt wurde, auf deren Erregung Die Tragödie abzielt — weil diele Furcht
trog ihrer begriffliben Beziehung zum Mitleid etwas rein Ggoiftiiches, In:
ſympathetiſches ift, für Zchiller aber nur die Erweckung Inmpathetiicher Gefühle
fiinftleriichen Bert bat, jo itreicht der Tichter einfacd die ‚Furcht, d. h. die durch
die Einbildungskraft vermittelte ‚yurcht des Zuſchauers für ſich telber, und
behält er ala tragiiche Potenz nur die innmpathetiihe Furcht für den Helden
bei.“ Dan brauct bloß dieſen Zinn der Bergerſchen Ausführungen mit dem
Wortlaute derjelben zu vergleichen, um ih an einem recht grellen Detipiele zu
überzeugen, wie weit die Darlegungen des Verfaſſers oft von logiiher Schärie
und Beſtimmtheit entfernt ind. Huno Spiser.
Fortunati Glückſeckel und Wunichbütlein cin Zpiel von Adelbert von
Chamiſſo (1806) aus der Handſchrift zum erftenmal herausgegeben
von E. F. Koßmann. (Teutiche Litteraturdenkmale herausgegeben von
Auguſt Sauer. Wr. 545. Neue Folge Nr. 45.9 Stuttgart, &. 3. Göſchen.
1895. 1. 20 M.
Von Ehamiſſos Fortunatiragment waren una bis vor kurzem nur wenige
Bruchitüfe bekannt geworden; Mar Koch hatte dieſe Aruchltüce in feiner Aus:
gabe von Ehamiſſos Werfen (1, 352 Ho zum eritenmal an einer Ztelle ver:
einigt. EGhamiſſos Briefe geſtatteten ferner einen, allerdings nur beſchränkten
Einblick in die Eutſtehung Des Fragmentdo. Endlich hatte Valm, der Heraus—
geber der dritten Triginalausgabe von Chamiſſos Werken, aus dem im Nadılasje
de» Tichters erhaltenen Schriftſtücken cin paar Notizschen über das Fragment
mitgeteilt (>, Da 1.1. Moßmanı, der ichon manches Ineditum derfelben Quelle
entnommen und zum Drucke gebracht bat, ſchenkt una jetzt in ſauberer Form
das ganze Fragment. Seine Veröffentlichung bezeugt, daß Chamiſſos Plan
nicht weit über die erſten Anfänge hinaus gediehen iſt. Immerhin ſteht die
Forſchung jest den Fragmente gegenüber auf feſtem Boden. Dance Zweite
jind entichieden, einige Vermutungen, Die ich in der (Hinleitung meiner Chamiſſo⸗
ausgabe (Z. XXX 1.) acwagt babe, widerlegen Sich von telbit oder bedürfen
wenigitena ciner Berichtiaung. Solche Berichtigungen nimmt Koßmanns fleikig
und kundig gearbeitete (Finleitung vor: ſie analviiert dann das ‚Fragment,
vergleicht Die einzelnen Scenen mit der Tuelle und ttellt ibre metriichen ‚Formen
feft. (Fine eingebende Wurdigung wird nicht veriucht: Koßmann bedauert, „Daß
die Norarbeiten tchlen, um ohne umfaſſende eigene Unterſuchungen den Jünger
an feinen Meiſtern zu meiten“, alio (Shamiflos ‚Fragment mit feinen romans
tiihen Vorbildern zu vergleichen. Nuch ich möchte bier nicht umfaſſende Unter:
iuchungen anitellen, jondern nur einiges zuſammentragen, teils zur Verichtigung
meiner oben citierten (Finleitung, teils zur (Frgängung der Vorrede Koßmannsd.
Wie Ehamiſſo durch Fouquéso Geſellſchaft im Juli 1806 zu einer Drama⸗
tiſieruug des Zolfabuche von Fortunat angeregt worden iſt, habe ih a. a. X.
<. XXIX dargelegt. Fouqué batte im Jahre 1805 Jörg Widrams „Ritter
Galmy“ im die ‚yorm von Tieds „Oetavian“ gebracdt. Andere dramatische
Chamiffo, Fortunat. | 133
Bläne hatte er unter der Hand. Die Freunde Chamiſſo und Youque_vertieften
ſich begreiflicherweije in die Technik des Dramas. Sie geraten auf die Idee
eines Dramas, in dem die für ji höchit tragiichen Figuren daS höchſte
Komische gebären, und wiederum die für fich hHöchft komischen das höchſte Tragiſche.
Tiefe Idee lag jo fern nicht; fie war nur eine legte Folgerung aus den
Tendenzen der romantifhen Dramatik. Von Shalefpeare lernen die Romantifer,
lernt befonder® Tied Tragik und Komik zu milden. Tiecks „Octavian“
gerällt ih in folhen Mifchungen, die der romantifchen Ironie wohl zupaß
famen. Die romantijche Ironie mußte aber nahelegen, die Effekte nicht nur zu
miſchen, fondern geradezu zu vertaufhen. In ähnlichen Spiegelungen und
Brechungen hat fid) die Romantik immer gefallen. Fühlen wir und nicht ſofort
an die Terminologie Fr. Schlegels und feiner Fragmente gemahnt, wenn wir
von einer Komik der Tragif, von einer Tragik der Komik fprehen? Verwandte
2 egrifäfpiele, verwandte WUntithefenfcherze begegnen in den Außerungen des
geiftreihen Geſchlechts auf Schritt und Tritt.
Koßmann berührt die erörterte Idee Chamiſſos und Fouqués und allzu
raſch fchließt er weiter, daß Chamiffo, von dieſer Idee ausgehend, auf den
‚yortunatftoff verfallen mußte. Außerlih ſchon, noch weit mehr aber innerlid)
enthält das genannte Volksbuch Humor und Tragif in inniger Durchdringung,
meint Koßmann. „A viele für Laienauge verfaltten Farben konnten laut
genug den Künftler um ihre Befreiung and Tageslicht anrufen.” Ich frage:
welches Volksbuch bietet nicht „Humor und Tragik in inniger Durddringung”?
Gewiß, Koßmanns Schlußfolge ift nicht zwingend. Ich glaube aud), daB
Chamiſſos Wahl anderer Veranlaſſung entfeimt ift. Chamiffo ift auf das
Volksbuch von Fortunat wahrſcheinlich durd Wilhelm Schlegela Berliner
Vorleſungen aufmerkfam gemacht worden. Im Winter von 1803 auf 1804 Die
Geihichte der romantischen Litteratur befprechend, läßt Scylegel auch die Volks—
bücher an jeinen Zuhörern vorüberfchreiten (Deutihe Litteraturdentmale 19,
143 ff.). Magelone und Octavian konnten an Tiecks Bearbeitungen angefnüpft
werden. Melufine und Yortunat fielen fpäter demfelben Dichter zu. Der Stoff
des Volksbuchs von „Floris und Blanchefloeur” kehrt in Sophie Bernhardis Er-
neuerung „Flore und Blanchefleur“ wieder (1822), die W. Schlegel einbegleitet
bat. Bon Ritter Galmy heißt es, er fei unvergleichlich, nicht jowohl durch Die
Erfindung der Begebenheiten, al& durch das befeelende Gefühl. Gewiß ift Fouqué
durch diefe Bemerkung feines Lehrers Schlegel zu feiner Dramatifierung des
Galmy angeregt worden. Haben doc die Berliner VBorlefungen auf den ganzen
Kreis der Nordfternbündler, alfo aud) auf Fouqué, mächtig gewirkt. Die dem
Bolarfternbunde zu Grunde liegende Idee ift ja den genannten Vorlejungen ent:
nommen (vgl. die Einleitung meiner Chamiffoausgabe S. X). Wenn dann Schlegel
energiſch auf den Fortungt hinweiſt, ihn ein Meifterwerf bi zum ſyſtematiſchen
Zieftinn witziger Compoſition nennt, können wir wohl faum mehr zögern, aud)
bier die Anregung zu Chamiſſos Fragmente zu juchen. Youques Galmy, der
als Vorbild der Dichtung Chamiſſos in feinen Briefen erjcheint, entitammt
derjelben Quelle. Und ich hoffe noch nachzuweiſen, daß ein oder das andere
Wort, dad Schlegel über den Fortunat geſprochen hat, in Chamiſſos Verſuch
wirklich verwertet worden ift. Entjchieden aber wurde Chamifjos Stoffwahl
durd ein Moment, das fih aus näherer Belichtigung ſeines Fragments er:
geben wird.
Die Quelle Chamiffos ift natürlich dag Volksbuch von Yortunat. Es
zerfällt bekanntlich in zwei Teile, deren eriter die Scidjale Fortungats, deren
zweiter das Geſchick feiner Söhne Ampedo und Andolojia erzählt. Ehe Koß—
manı das ganze Yragment mitgeteilt hatte, konnte man noch zweifeln, ob
Chamiſſo beide Teile behandeln wollte oder nicht. Jetzt ſcheint oh! nit einiger
Sicherheit feftzuftehen, daß er nur die zweite Hälfte, die Erzählung von den
134 Chamiſſo, Fortunat.
Söhnen, zu verwerten gedachte. Chamiſſo dürſte — fo weit ich es überſehen
kann — der erſte ſein, der nicht den ganzen Stoff einbezieht. Vor Chamiſſo
haben Tb. Decker und die engliſchen Komödianten, dann Haus Sachs und der
ſogenannte Kaſſeler Dichter das ganze Volksobuch nachgebildet. Uhlandes
epiſches Fragment „Fortunat und ſeine Söhne“ ſollte — wie aus dem Titel
geſchloſſen werden darf — gleiches anſtreben. Tieck und Bauernfeld dachten
nicht anders. Nur in Mattheus von Collins Nachlaß fand ſich ein Fragment
„Fortunats Abfahrt von Cypern“, das auf den zweiten Teil des Volkobuchee
verzichtet. Daß Chamiſſo fih anf den zweiten Teil beichränfte, ift begreiflich.
Tem jugendlichen Dichter bangte gewiß vor dem Umiang; hat er doch aud die
zaufttabel in jeinem Verſuche von 108 ſtark ſimplificiert. Romantiſche Art
war das freilich nicht; man denke nur an den Octavian Tieds. Sicherlich
haben die Nomantifer font aus techniſchen Gründen niemals die Stoffe ihrer
Tramen zı vereinfachen geſucht.
Tie unmittelbare Vorlage Eyamiſſos wurde durd Koßmann leider nicht
feitgeftellt. Tieie wichtigite methodiſche Forderung bleibt noch zu erfüllen. Yeider
kann ich cin abichliehendes Neiultat wicht bieten. Koßmann bemerft beiläufig
(S. XIX), daß ein „Nentlinger Trud aus dem Anfang des XIX. Jahrhun—
derts” der Vorlage Ehamiſſos am nächſten Steht. Thattächlich nennt diefer Druck
auch, gleichwie Ehamiſſo, einen der Gegner Des Helden Andoloſia: Lymoſi,
während Simrock die Namensform Limiſſo bietet. Ferner notiert Koßmann noch
eine auffallende Ubereinſtimmung: Scene 14, Vero 11 ff. heißt ea: „So geht ea
wohl mit Recht, wen... mar... Ein großer Dane fein will.“ Chamiſſo
batte, wie Noßmamı Z 64 mitteilt, zuerſt geichrieben: „Gin Starker Geiſt fich
dünket“ und dann erit jene Wendung gebraucht, Die fih auch im Reutlinger
Volkobuch rinden soll. Tie Ubereinſtimmung iſt Schlagend. Und trogdem kann
Roßmanns Reutlinger Truck mindeſtens nicht die alleinige Vorlage Chamiſſoe
geweien fein. Zcene 2, Ders 47 nennt Ehamiſſo das Schloß „Yorganıb genannt
zum Regenbogen“. Der Neutlinger Trud bat die ‚yorm „Yorgann“. Koßmann
citiert ana verichiedenen OQuellen 02. NIX), noch andere Formen, wie Yar:
gonube, Larchonnbe, Yarganube, Achannbe. Ich feine eine aanze Reihe von
Fortunatausgaben „Wedrudt in dieſem Jahr“, Die cine Chamiſſo am nächſten
ſtehende Form „Lorganube“ haben. Freilich fehlt alten die oben citierte Wen:
dung dom großen Mans.)
+ Bordeles umfaänglicher Fortunatusartikel 1°, 358 giebt über die neuern
Drucke wenig Eriprießliches Tarum Seren hier die mir befanmten genannt:
„Fortunatus mit jenem Seckel und Wun'ſch Hütlein, wie er daſſelbe be:
tommen, und ihm damıt ergangen, in einer uberaus luſtigen LebensBeſchreibung
vorgeſtellet. Mit ichoöonen Figuren arzieret Gedrudt m dieſem Jahr.“ 102 2. 8”.
Berlin: ad Vt 37.6 ans Heyſes Bucherichau« Wien, Hofbibliothet: Sa. 7. F. v5ñ.
„Fortunatus mir ſemem Seckel und Wunſch Hütlein . . .“ wie oben), Rechte
unten in Dev Ecke des Titelhlattes die Nummer: 10. 160 Z. 8% Berlin: Vn 2322.
Yn 1656 beide aus Menſebachs Zammlung Wunden: l'. o. germ. 1692 (2..
.Fortunatus mu veinem Zedel und Wünſch Hütlem . . . vorgeftellet. Köln
am Rhein, bin Chriſtian Evergeris in der Laurenzſtraß NR. 2040“ Rechts unten
die Rummer: 10. 160 S. 3. Ohne Juſtrationen. Verlin Vn 1651 (Vienſebach).
„Fortunatus mit ſeinem Sackel und Wirm'chhütlem, . . . . . und wie ihm
damit ergangen iſt, cu anmuthige Liebesgeichichte. Verbeſſerte und mit Figuren
gezierte Auflage. Gedruckt in dieſem Jahr.“ Rechts unten die Nummer: 9. 143 S.
x. Verlin: Vn 165%.
Mit Ausnahme des lentgenannten Trucks ichreiben alle: „Lorganube zum
Regenbogen”: der lebte nur: „Norganube*. Keiner kennt Die oben eitierte Wendung
des Reutlinger Iruds. Ich bemerke ausdrudlich, daß der von Chamiſſo dem
Chamifjo, Fortunat. 135
Ver von Chamifjo benugte Druck ſcheint alfo noch unbekannt zu ſein.
Oder jollte man gar annehmen, er habe zwei Vorlagen, die Reutlinger Aus—
gabe und eine jener in diefem Jahr gedrudten vor ſich gehabt? Koßmann ift
der Sadje nicht weiter nachgegangen, cr vergleicht in feiner Einleitung den
Text Chamiſſos forgfam und genau mit dem Volksbuche, hält fich aber im
aanzen an Simrocks ungenauen und wenig braudbaren Abdrud. Und er über:
jieht, daß gerade die neuen Drude, mindeften? die mir befannten, Lücken
bieten, die einiger Erwägung wohl wert wären. S. XXIV zu Scene 8 notiert
Koßmann: „Das zweite Motiv des Königs, die Geldgier („EB iſt ala jchöpfte
er aud einem Brunnen, daraus Geld zu fchöpfen märe, fo wollte ich ſelber
ichöpfen*) hat Chamiſſo faum angedeutet!” Die citierte Stelle fehlt in den mir
befannten Jahrmarftdruden. Chamiffo Icheint fie alfo nicht verwertet zu haben,
weil er fie nicht fannte. Nur einmal hat Koßmann (S. XXIX zu Scene 14)
ähnlihen Erwägungen Raum gegeben.
Noch eine andere Lücke fcheint mir erwähnenswert. Der Zeitraum, der
zwifchen Andolofiad Abreife von Cypern und feiner Ankunft in London liegt,
umfaßt zehn Jahre. Ihm find in den ältejten Drucken des Volksbuchs mehrere
Seiten gewidmet. Die Jahrmarksdrucke thun diefen Zeitraum ſehr raſch ab; fie
überfpringen ein paar Seiten der älteren Drude, melden in wenigen Zeilen von
Andolofiag Ankunft in Frankreich und beginnen, ohne eine Bindung zu ver—⸗
juchen, fofort ein neues Kapitel: „Wie Andolofia wieder aus Schotten zu dent
König in Engeland kam." Wie Andolofia von Frankreich nad) England, dann
nad Schottland und wieder zurüd nad England fommt, wird nicht erzählt.
Von feinem Aufenthalte in Aragonien, Saftilien, Portugal, Hifpanien hören
wir nichts. Wenn alfo nl die zwifchen Cypern und England fid) ab-
fpielenden Greignifje übergeht, jo that er es wohl nicht, wie Koßmann meint,
weil fie „der Daritellung feinen Stoff boten”, fondern weil feine Vorlage, ein
IJahrmarktsdrud, ihm überhaupt feinen Anhalt zu ihrer Darftellung bot. Um
fo mehr freilid müffen wir und wundern, daß Chamifjo an jenen zehn Jahren
teftgehalten hat. Wie unverftändliche lIberbleibjel früherer Geftaltung berühren
uns in den Jahrmarktädruden jpätere beiläufige Erwähnungen Ddiejer zehn
Sabre (vgl. Koßmann, S. XXT). Ich glaube faum, daß der naive Leſer aus
ihnen klug werden kann. Chamiffo hatte vollends — foweit ih die Sadjlage
überjehen fann feinen Anlaß, an der erwähnten hronologifchen Beitimmung
teftzuhalten. Sein Andolofia iſt in London keineswegs um zehn Jahre reifer
und Hüger. Hand Sachs konnte die zehn Jahre feiner Quelle entnehmen; jeiner
torglofen Scenenführung boten fie feine Schwierigkeit. Chamiffos Vorliebe für
Zimplification hat ſich hier nicht bethätigt.
Koßmann ift ſolchen und ähnlichen Crörterungen nicht geneigt; er vergleicht
Scene für Scene mit dem Simrodihen Drude, notiert Abweichung und
Übereinftimmung und gedentt nur ganz beiläufig der wirklichen Vorlage Cha:
mifjos. Seine von Scene zu Scene fortfchreitende Betrachtung erhebt fich weder
zu einer überjichtlihen Analyfe des Fragments, nod giebt fie ung ein klares
Bild des Verhältniffes von Fragment und Volksbuch. Wenigſtens in Diefer
Richtung möchte ich einige Schritte weitergehen und zur Bewertung der Arbeit
Chamiſſos einige Beiträge liefern.
Chamiffo hat, um den Aufgaben einer romantifhen Dramatilierung des
Volksbuchs gerecht zu werden, zunächit eine Expoſition vorangejtellt, Die tieferer
Motivierung dienen foll. Schon in diefer Erpolition arbeitet er den Gegenjaß
erften Teile des Volksbuchs entlehnte und von Leopold zu Lupoldus umgetaufte
Diener (vgl. Koßmann ©. AXVI) das Borbild feines Namens in Fouqués
„Galmy“ findet, aljo faum für die Frage nad) den cigentlihen Quellen Chamifjos
in Betracht zu ziehen ift.
136 Chamiſſo, Fortunat.
der beiden Brüder ſcharf heraus; in dem Gegenſatze beider Ipiegelt ſich der ge=
dankliche Juhalt des Fragments. Doch nicht nur auf die Charaktere der Beiden
wendete er feinen Fleiß; auch Die Geſtalt Agrippinas mußte neu geformt werden.
Endlich legte er dem Torſo ein reihes formales Gewand um und näherte feine
Dichtung den Vorbildern, dem Tctavian Tieds und dem Galmy Fouqués.
Ter Srpofition dient das Vorfpiel; es crftraft fi über vier Scenen.
Die erfte Scene jet ein Jahr nad dem Tode des Vaters Fortunat ein. In
enger Anlehnung an die Vorlage entwideln die Brüder Ampedo und Ans
doloiia ihre Yebensanfhanungen: Andoloiia fühlt fih in die Weite hinaus:
gelodt zu Nampf und Ruhm, YAmpedo vertritt auietiftifche Tendenzen. Ando⸗
loita führt den Water für ſich ins ‚Feld. An diefer Stelle mußte die Vorgeſchichte,
alfo der Anhalt der eriten Nolksbuchhälfte, angedeutet werden Chamiſſos
wenig entwidelte dramatifche Kunſt areift zu einen herzlich primitiven Mittel.
Er fingiert eine Schrift, in der Fortunat feine Zchidfale aufgezeichnet, und die
er sterbend feinen Söhnen übergeben babe. Gin allerälteites Volkoöbuch von
Fortunat wird erdichtet, damit es den Zwecken der Frpofition diene. Um dieſes
ſchwächliche dramatiſche Requiſit noch ſtärker zu belaiten, läht Chamiſſo feinen
Andoloſia jogar drei Verſe lang aus dieſer Zchrift citieren: . Ih werde geh'n
in fremdes Yand, ca iſt Des Glückes in der Welt noch viel, ih hoffe Zu Gott,
es wird mir jein auch noch ein Theil.“ Die Wendung ift beinahe wörtlich dem
eriten Mapitel des Volksbuchs entnommen. Wir belächeln die ungewandte Gr:
ponierung, die mit Citaten arbeitet. Sa wir begreifen faum, wie Chamiſſo auf
jenes Requiſit verfallen it; eine innere Notwendigkeit lag nicht vor. Gleich⸗
wohl läßt fich fein Verfahren menſchlich erklären, wenn auch nicht dramaturs
giſch rechtfertigen. Gerade jene orte des Volksbuchs icheinen Chamiſſo im
Innerſten getroften zu haben. Fand er doch im ihnen fein eiqnes Leid wieder!
Auch er war, als er an ſeinem ‚yortunat arbeitete, zu dem Entſchluß gelangt,
aus preußiichem Dienſte heraus in fremdes Yand au geben; in diefem Augen»
blide mag ihn Fortunate Ausruf mit feiner Glückozuverſicht wie ein günftiges
Umen berührt baben. Einige Jahre ipäter hat Chamiſſo eben jene Worte in
gleiher Situation brieflih angeführt. Als er den 6. Febrnar 1811 aus ‚Frank:
reih an Hitzig ſchrieb, fah er ih ja noch inımer in der problematifhen Zituas
tion des ausdziehenden ‚yortunat.')
Tie 1. Zcene fiihrt, dem Volkobuche entipredend, trog der Einwände
Ampedos zur libergube ded Zädels. Frei erfunden find Zcene 2, 3 und 4.
Sichtlich Tollen fie das Spätere motivieren, dienen sie zur Begründung von
Rartien des Ztüdes, Die unausgeführt geblichen iind. Die 2. Zcene führt einen
) In dem erwähnten Briefe heißt es: „Zagte dody der ſelige Fortunat: Ich
werde gehn“ u. 1. w. 5*, 326) Ehe Koßmanns Ausgabe die oben auscınander-
geſebte merkwürdige Berwendung des Citats aufdedte, mußte aus der Briefftelle
geſchloſſen werden, dan Fortunat felbit m dem Zrüde Chamiſſos auftreten, daß
alſo nicht bloß der zweite Zeil des Vollobuchs verarbeitet werden ſellte Denn
div ganz eigenartige Berwertung der Worie des Bollsbuchs, dir Chamiſſo ſich ge-
ſtattet, liegt Doch zu ferne, als daß die Forſchung aus freier Hand ıhr nahegelkommen
märc. Ter ‚gortunatplan war ja im Jahre 1811 für Chammio and ſchon felıg
entichlafen Liber die Angabe des unzupcrläffigen Palm ıwal. Nopmann 9. AN)
mich hinwegſetzend, baute ich ın meiner Einlenunqg aus jenem. tet binfälligen
runde weiter. Koßmann kann mir dieſe beiläufige Bermutung, der cr den folgen
Kamen der „Hypotheſe des rüngſten Chammiiobiographen“ leiht, nicht verzeihen.
Immer micder kommt er mıt friiher Entrüftung auf din Fehlichluß zu fprechen:
auch obne diesen Eifer verzichte ıch gern auf jene „Hypotheſe“. Daß und warum
die von Koßmann S. XXI') berangezogenen chronologiſchen Angaben mich nicht
irrig machen konnten, glaube ich oben Hargeftellt zu haben.
Chamiſſo, Fortunat. 137
Tropit ein, der — wie Koßmann darlegt — einer anderen Stelle des Volks—
buchs entitammt. Er jollte offenbar jpäter eine wichtigere Rolle fpielen, ebenſo
wie die Geftalten der 3. Scene, in der Andolofia fi) von den Könige von
Cypern beurlaubt. Da erfcheint ein fnabenhafter Prinz, der zu Andolotia be⸗
wundernd emporblickt, dann ein Nebenbuhler des Helden, eben jener Graf
Lymoſi, der am Schluß des Volksbuchs zum Mörder Andoloſias wird.
Lymoſis Abneigung wird fchon hier begründet: Andolofia Hat ihn einmal im
Zurnier aus dem Sattel gehoben. Ein beliebtes Motiv des romantischen
Kitterdramas! Auch Fouqués Galmy fchafft, lich durch gleiche Turniererfolge
eine dramatiihen Gegner und Gegenjpieler. Ubrigens verwertet Chamifjo um
ein weniges jpäter noch einmal dasjelbe Motiv. Auch am Londoner Hofe erweckt
Audolofia durd feine Turnierliege den Haß des englifhen Grafen Theodorus,
der im Volksbuch zulegt mit Lymofi gemeinſame Sade madıt. Wie am cypri⸗
ihen Hofe der Prinz, tritt hier ein Ritter Ninaldo auf Andolofiad Seite.
Obwohl alfo Chamiſſo feine Erfindungsgabe nicht übermäßig anftrengt, muß
doch der Verſuch anerfannt werden, aus dem läfligen Hinfchlendern des Volks—
buchverfaflers in eine ftrammere dramatische Gangart überaugehen. Die 4. Scene
des Vorſpiels bietet den und Schon vor Koßmann befannten Wechjelgefang, der bei
Andolofiad Abfahrt ertönt. Won den Abjegelnden und von den Zurüdbleiben-
den abwechjelnd gejungen, bewegt er fi) in den Gegenfägen, die fich fchon in
dem Stontrafte der beiden Brüder geoffenbart haben. Dort thatenluftiger Mut,
bier quietiftifche Mahnung. Der Schluß des Vorſpiels deutet mit dieſem Wedhfel-
gefange auf den Grundgedanten des folgenden Stücks.
Denn — um e3 gleich zu fagen — Chamiſſo baut fein Stück auf einer
Idee auf. Er entwidelt diefe Idee an dem vom Volksbuche gegebenen Gegen:
jage der beiden Brüder. Er begnügt fich nicht, wie Koßmann anzunchmen fcheint
(S. X), „die Rolle des Helden mit fchönen Rednerblumen zu umkränzen“,
jondern er madt den Helden Andolofia zum Gegenbild des von jener Idee
getragenen deals, während Ampedo der eigentliche Vertreter der Idee bleibt.
ie Idee felbft entjtammt der halb ftoiichen, halb cyniſchen Philoſophie des
Epiktet. Andolofia geht unter, weil er nicht auf der ethifchen Höhe Epiktets jteht.
Ein Ideenſtück follte „Fortunat”“ werden. Die Abficht berührt fih auf
innige Weiſe mit der Praxis, die Chamiffo bisher geübt hatte. Sein „Fauft“,
dann „Adelberts Fabel” bauen auf Ideen auf, haben einen philofophifden Ge—
halt. Den im Volksbuche gegebenen Gegenjag der beiden Brüder zum Piedeftal
eines in fontraftierender Charakteriftit durchgeführten ethiichen Gedankens zu
machen, konnte Chamiſſo jehr wohl durd eine Bemerkung W. Schlegeld ver
anlaßt worden fein. In den Berliner Vorlefungen (Deutihe Litteraturdenkmale
19, 151, 5) ftellt Schlegel feſt: „Fortunat hat ala parvenu noch eine Art von
Geſchick, aber feine Söhne find ganz untauglich, wiewohl man die Familienähnlich—
feit gar wohl erkennt, und fie ſich gleichfam in feine Eigenschaften theilen: nur ift
Ampedo bi! zur Blödigkeit vorfichtia, und Andolofia auf eine fantaftiiche Art
verwegen und hat redht genialifhe Ebben und Fluten von Klugheit uud Dumm:
heit!” Chamiffo hält feine Charalteriftit Andoloſias genau in den von Schlegel
vorgezeichneten Linien. Ampedos „bis zur Blödigkeit vorfichtige” Geſtalt wird
hingegen zu der anadeix des Stoiferd8 abgetönt.
Neander ſcheint Chamiffo auf Epiftet geleitet zu haben. Den 7. Sep-
tember 1806, wenige Tage nad) Beginn der Arbeit am Fortunat, meldet Chamifjo
dem Freunde Varnhagen, er habe Epiktets Encheiridion gelefen und fegt Hinzu:
„Zon dem Büchelchen vielleicht nocdy mehr an Neander.“
‚ Epiktet möchte den Menſchen durch Beſchränkung auf fein fittlihes Wefen
frei und glüdlid machen. In diefem Streben erkennen wir den Grundzug feiner
Sittenlehre. Zwei Forderungen entleimen ihm. Erſtens hat der Menſch alle
äußeren Erfolge mit unbedingter Ergebung zu ertragen, zweiten® muß er allen
138 Shamifio, Fortunat
anf das Aeußere gerichteten Begierden und Wünschen entiagen. Anfang und
Zumme aller Weisheit ift, da wir zu unterfcheiden wifjen, was in unſerer
Gewalt ift und was nicht in unjerer Gewalt iſt. In unjerer Gewalt it
nur Eines, unfer Wille. Richtiger vielleicht: der Gebrauch unferer Bor:
itellungen. Alles übrige, mie es aud heißen möge, it für uns ein Anßeres,
e3 steht nicht in unſerer Gewalt. Diele» Außere kann dem Menſchen völlia
gleichgültig fein; es betrifft nicht unfer Zelbit. Unſer Wille, unſer einent:
liches Weſen kann durch nichts, auch nicht durch die Gottheit gezwungen werden.
Nur auf dem Willen aber beruht unſere Glüdieligleit, nicht die äußeren Dinge
als ſolche machen ums glücklich, tondern allein unſere Zoritellungen von den
Dingen. Nicht darauf kommt ca an, wie fih unſere äußere Yage geftaltet,
fondern nur darant, wie wir unſere WBorftellungen zu beberichen und zu ge:
braudien willen. Zo lange wir etwas außer uns begehren oder meiden, hängen
wir vom Glück ab; haben wir dagegen erkannt, was unſer tft, und was nicht,
beſchränken wir uns mit unteren Wünſchen auf unſere eigene vernünftige Natur,
richten wir unſer Streben und Widerſtreben auf michte, was nicht von und
ſelbſt abhängt, dann find wir frei und glücdielig, und fein Schickſal kann une
etwas anbaben.
Epiktet ſchließt weiter: Je vollitändiger wir uns in unferer Geſinnung
von dem nern unabhängig gemacht baben, um fo weniger werden wir uns auch
der Einſicht verichließen, daß alles, was geliebt, im Zuſammenhang der
Dinge notwendig und alio an feinem Ürte marırgemäß ilt. Wir werden uns
aud Diejem Grunde in unſer Schickſal unbedingt ergeben, das, was die Gott:
heit will, für beiier halten, ale was wir wollen, und gerade darin uns frei
fühlen, daß wir mit allem zufrieden find, Fo wie ca iſt und gefchiebt. Ter Welt:
lauf wird unſern Wünſchen entiprecen, weil wir ihn unverfürzt in unferen
Willen aufgenommen baben.
Ten Meilen werden and die ichweriten Eriahrangen in diefer Stimmung
nicht irre machen. Wicht allein fein Vermögen, feinen Yeib, feine Geſundheit
und fein Yeben, auch ſeine Freunde, feine Angehorigen, fen Waterland wird
er als etwas betrachten, das ihm mir qelichen, nicht geichenft ift, deſſen Verluſt
fein inneres Weſen nicht berührt: und ebenſowenig wird er fich Durch fremde
‚yehler in ſeiner Gemüteruhe foren latten (Fr wird nicht verlangen, daß feine
Angehörigen fehlerfrei feien, er wird nicht verlangen, daß ihn felbit fein Un:
recht widerfahre, er wird ſelbt den größten Verbrecher nur fir einen Unglück
lien und Verblendeten halten, dem er nicht zurnen darf. Ten er findet alles,
worüber Die meiſten außer ich kommen, in der Natur der Tinge begründet.
So gewinnt der Menich ſeine ‚yreibeit, indem er ih mit feinem Willen
und Ztreben ſchlechthin anf ſich ſelbſt zurückzieht, alle äußeren (Friolge dagegen
als ein unvermeidliches Schickſal mit vollkommener Ergebung fich aneiqnet.
Die EGrundjſatze Epiktets ſind im ganzen ſtoiſch. Doch ſtarke Abweichungen
fehlen nicht. Eyniſch in feine Mihachtung theoretiſcher Wiſſenſchaft;: cyniſch iſt
ed, wenn feiner Gleichgültigkeit gegen das Außere und der Ergebung in den
Weltlauf der Unterſchied des Naturgemäßen und Naturwidrigen, des Winichens:
werten und des Verwerflichen ganz verloren gebt. Und manches andere. Anderer:
feita herricht bei Epiktet umitreitig eine weichere und mildere Ztimmung, ale in
der alteren Stoa. Nicht ala zürnender Zittenprediger tritt der Philofoph aut,
iondern als liebevoller Arzt.
Von feinen eriten Morten ab verttößt Chamiſſos Andolofia auf Schritt
und Tritt gegen die Lehre Epiktets. Unſichere Traumbilder von Ruhm und
(Fhre loden ihn von dem ſicheren heimatlichen Gerde weg. (Fr macht fein eigenes
Zelbit zum Sklaven des Zufalls, er opfert feinen freien Willen den Yannen
des Schickſals, er macht fih vom Mlüde abhängig; denn er begchrt nah Tingen,
die außerhalb feiner Willensfpbäre liegen. Schon in der erften der au London
Chamiſſo, Yortumat. 139
spielenden Scenen wird er ſich der Abhängigkeit und Unfreiheit bewußt, in die
fein Wille verfallen ift. Er ſpricht (Ver 106 ff.):
Feſt gebannt
Bon dunkler Schidung bin id) nody allhie.
Zu Luft, zu Schmerzen, ſchlummert unentdedt
Annoch in träger Zukunft ſchwangerm Schoß.
Trotz dieſes Augenblid3 der Selbitbejinnung läßt er ſich von der gefährlich
länzenden Erſcheinung Agrippinas feſſeln. Da er ihr in Scene 9 feine Liebe
befennt, jchildert er felbit feine ſtoiſcher Leibenfehatlofigteit enigehengeiebte
Natur: „Ein quälend unbegriffnes Sehnen trieb Mic in die weite Welt, und
ohne Raft Durch vieler Herren Höfe mußt ich zieh’n, Ind fort mid fehnen,
meit und weiter ziehn, Und unbefriedigt ein verzehrend Durften Nach Unbe—
fanntem tragen mit mir fort.” Er meint in Agrippina das Ziel diejer uner-
Härlichen Ruhelofigkeit gefunden zu haben, während er in Wirklichkeit ſchwerem
Berlufte entgegengeht. Unftoifch Tlagt er dann in Scene 12 über den Verluft
des Säckels; er verzweifelt ſchier; und ein langer Klagenonolog endet mit
unftoijchen Made edanfen. Epiktets Lehre hätte ihm mnahegelegt, bei dem
erjten Verlufte Ben zu bleiben, diefen Werluft leicht & ertragen, Vergeltung
und Wiedergewinn aus dem Kopfe fih zu fchlagen. Solde Gedanken jpricht
auch Ampedo aus, ala Andolofia in Scene 14 aud) noch das Wunschhütlein
fordert, um den Sackel wieder zu gewinnen. Ampedo erſcheint hier (Scene 18
und 14) als idealer Schüler Epiktets; die in der erſten Scene ſchon ange—
deuteten Charakterzüge kommen voll heraus. Um die reſignierte Daſeinsfreude
des Mannes draſtiſch darzuſtellen, geſtattet Chamiſſo ſich einen romantiſchen
Scherz— Ampedo ſitzt am offenen Fenſter und raucht ſeine Pfeife; und mit einer
der Schule von Tiecks geſtiefeltem Kater geläufigen Flufionsftoͤrung begründet
Ampedo zunächſt fein anachroniſtiſches Treiben dem Publikum gegenüber. Einen
ähnlichen, auf romantijche Sronie abzielenden Scherz verwertet Chamiffo noch
wenige Scenen fpäter: Scene 16 muß der Souffleur ein Sonett zu Ende
iprehen; denn Andolofia ift zwiſchen dem dritten und vierten Terzett ohn—
mädtig geworden. Solche harmloje Wige find auch den Jugendverſuchen der
ihmäbifhen Schule, der Uhland und Kerner nicht fremd. Ampedos ftoifche
Seelenruhe läßt ihn den Verluft des Glücksſäckels mäßig bedauern; er behält
jeine Faſſung bei der Unglücksbotſchaft. Als dann Andolofia ihm auch nod)
den Wunſchhut entführt, Schaut er nur beftürzt dem Entſchwindenden nad),
gönnt ſich ein erjtaunte® „So! und geht phlegmatiſch zu jeinem Rauchzeug
mit den Worten: „Sc habe heut’ mein Kalamos zerbroden Ich muß ein andres
wählen und es füllen.“ Andoloſias Rachſucht und Leidenſchaftlichkeit tritt in
den letzten ausgeführten Scenen immer ſtärker hervor. Er verliert den Wunſch—
hut_ auf dem im Volksbuch vorgezeichneten Wege; die ganze 17. Scene, in der
er ti den Folgen feines Verluft3 bewußt wird, ift eine Kette von Flüchen
wider das Hidjal. Bisher indes fügen fid) die von Volksbuch dargebotenen
Motive, ja gewiſſe Wendungen jo glüdlich und leicht der von jener epikteteiichen
Ethik getragenen Charafteriftif, dab id) des Einwands gewärtig fein muß, ob
Epiktet überhaupt zur Vertiefung der überfommenen Motive beigetragen habe.
Die enticeidenden Worte hat Chamiſſo den der Quelle entlehnten E inſiedler
in den Mund gelegt, der Andoloſia Troſt ſpendet. Umſonſt freilich predigt der
Eremit dem trotz allen böſen Erfahrungen noch immer nternehumingeluſtigen
die ſtoiſchen Tugenden. Vergeblich geſprochen ſind auch die Worte:
O hätteſt Dir getrunken aus dem Bronnen
Aus dem lebendige Gewäſſer quillen;
Der Wunden Schmerzen in des Himmels Wonnen
Zu kehren, und den ewigen Durſt zu ſtillen;
140 Chamiſſo, Fortunat.
Da wäre Freiheit Dir und Heil gewonnen,
Muwollend ruhigklar des Schöpfers Willen;
Auf Felſen feſt gegründet Deine Wohnung,
Ju Herzens Frieden wohnend die Belohnung.
„Mitwollend ruhigklar des Schöpfers Willen.” Der Vers giebt Wort für
Wort die jpecifiiche epifteteiihe Formulierung des Problems der Willens:
ireibeit. Wie oben angedeutet wurde, iſt für Epiktet die wahre Willensfreiheit
Eins mit einer wunſchloſen Ergebung in den Willen der Gottheit. Wir ſind
frei, wenn wir mit allem zufrieden ſind, ſo wie es iſt und geſchieht. Oder um
Epitktets eigene Worte zu citieren (Dissertationes 2, 17, 22. 23): Mnder diio fir.
„& 6 eos Dis... "Orav rordror Fyys ıyeuove ai toioir@ avr®rlyg
za avropkyy. Ti poßi, Ft any anorvyyg: ferner (l. ec. 4, 7, 20): Ageirtor
„ oduat 06 Otos Deisı, y Evo. IIpooxsıcouaı dtaxorog xal nslordog EXEivo,
or rOOU@, orropfyouat, ankag er» Dei.
Irrdiisn, des Zchöpfers Willen mit wollen, iſt das auch in feiner
Formulierung echt epifteteiihe Ideal Chamiifoe.')
In day Wort „Lrvdeisıer klingt aber auch „Ndelberts Fabel“ aus. Schon
Roßmann bemerft mit Recht (S. XXXIII), daß lich an diefer Stelle die Fortunat⸗
Dichtung mit dem Märchen berührt. ‚Freilich weiß er tür dieſes ors®dlsın ebenfo:
wenig eine Tuelle anzugeben, ala ich es gewußt habe, da ich über das Märchen
handelte. Jeut ergieht fich über beide Tichtungen ein helles Licht. Daß Chamiſſo
den Adcengebalt von „Adelberts Fabel“ feinem Freunde Neander dankt, glaube
ih ſchon damala (S. XXIII f. erbärtet zu haben. Jetzt kann ich binzufügen:
was Neander int April 1806 dem Freunde brietlich verfündet (Chamiſſos Werke
6°, 314), dar Platos Willensfreiheit mit abiolutem Fatalismus fih Paaren
laife, daß man in Die Zaiten der Anangke einftimmen müſſe, nicht fie uınftimmen
dürfe — all das ruht auf der Philofopbie (Fpiktete. Nachdem dann Chamiffo
in „Adelberts Fabel“ die Yehre des arsdrisın verfündet, geht er an das
Encheiridion jelbit heran und kann im „Fortunat“ nicht bloß die fahle Formel,
auch das ganze etbiihe Programm (Fpiltet> verwerten.
Jest begreiten wir auch, warum Chamiſſo den Fortunatſtoff gewählt bat.
Nicht, weil er zu einer romantifch tragitomifchen Rehandlung beifer paßt als
ein anderer Ztof, jondern weil er — und zwar ſchon nad der Bemerkung
W. Schlegele — zu einer von (Fpiktets Ideen getragenen Dichtung, zu einer
(Sharafteritierung des Ztoifers und ſeines Widerſpiels ansgezeihnet taugt.
) Bekanntlich bat Epiktet ſelbſt nichts Geſchriebenes binterlaifen; fen Schiller
Arrıan ftellte die Lehren Epiktets in dem Bude Sarg Tod "Erixrron
Bißita oxtw (MWissertationes Epieteti ab Arriano conceptae) zufammen. Aus
dieſem Hauptwerte ward dann der wohl zum Auswendiglernen beſtimmte Auszug
"Eyzsieidior Fturirore (Manuale Epietetiy veranftalter. Tas entſcheidende Wort
arsdräsın finder fih nur an den oben eitierten Stellen der Dissertationes. Da
es wobl unwahrſcheinlich iſt, daß Chamiſſo zucerft die Dissertationes und dann
den magern Auszug des Encheiridion geleſen habe, jo darf wohl angenommen
werden, dag Neander ıhm die auf jenes arsdrisır bezüglihen Anfchanungen
Epiktets mitgeteilt habe. Tarum finden wir auch dieſe Anſchauungen Ion vor der
Lektüre des Encheiridion ın „Adelberts Fabel“. Liber Epiktet vgl.: Zeller „Philo⸗
fopbie der Griechen“ 3, 1°, 747 HH. und Winnefeld ZJeitſchrift für Philoſophie und
philoſophiſche Kritit. Neue Folge 49, 1 fj. 193 ff., insbeſondere S. 223 f. Mit
welcher Verehrung man noch drei Zehniahre ſpäter neben dem künſtleriſch Schönen
der Rhiloſophie Platos das fitilich Ztarle Evpiktets betrachtete, ergiebt ſich ans
dem Vriefwechſel K. Enks von der Burg und W. Heinzels (Wien 1887, S. 23
und öfter).
Chamifjo, Fortunat. 141
Die legten ausgeführten Scenen, die bis zu dem Angenblide führen, da
Agrippina von Andolofia ind Kloſter gebracht wird, fügen den bisher ange:
führten Beweißmomenten epifteteijchen Einfluffes Fein neues hinzu. Andolotia
erfcheint gereifter; vielleicht Tarf angenommen werden, daß er am Schluſſe des
Stüds, furz vor feinem lintergang, zu einem rejignierten OÄ066 avvdeisıv
befehrt erjcheinen jollte. Die Annahme läßt fi) mit den Hypotheſen, die Koß—
mann (©. über den mwahrjcheinlihen Ausaang des Stücks aufitellt,
wohl vereinen. Die legten Scenen des Fragment halten fi) genau an die
Borlage und ergänzen im beiten Falle Die Charakterzeihnung Agrippinens.
Sehr richtig erfennt Koßmann, daß Chamiſſo einer erfolgreidhen Aus—
geitaltung Agrippinena nicht gewachſen war. Wenn Andolofia oder Anıpedo
oder der Klausner Spricht, fo fommt die dem Stüde eingeimpfte dee zu Wort;
e3 galt nur jene Gegenfäge mit mehr oder minder reihem MWortprunf auszu—
ftatten. Agrippina indes aus einer hahnebuchen derben Volfabuchfigur zu einer
menſchlich anziehenden Geſtalt zu machen, hätte Chamiſſo reichere pſychologiſche
Erfahrung, eine intimere Kenntnis des weiblichen Herzens beſitzen müſſen. Ein
Pendant zu Goethes Adelheid hätte erſtehen ſollen, eine Frauenerſcheinung von
beftridendem Liebreiz und eine rückſichtsloſe, ränkevolle Ichnatur. Goethe erzählt
uns: „Ih hatte mich, indem ich meine Adelheid liebenswürdig zu fchildern
trachtete, jelbft in fie verliebt, unmillfürlich war meine Feder nur ihr gewidmet,
das Intereſſe an ihrem Schidjal nahm überhand“ (Dichtung und Wahrheit,
Hempel 22, 117). Die reizende rau habe den ZTitelhelden bei dem Autor au®-
geitochen, fügt er hinzu. Shamiffo ſcheint diefen Prozeß gar nicht oder nur zum
Teil durchgemacht zu haben. Wenn in der 5. Scene am englijchen Hofe die
Ritter von Agrippina Sprechen, ericheint fie als Inbegriff beſtrickender Weiblich:
keit. „Die ware wahrlich! ſelbſt im Frankreich ſchön,“ meint ein Franzofe.
Rinaldo, der oben erwähnte, befennt dem bemwunderten Sieger Andolofia:
Es darf der Sieger weilen, noch fie fchauen,
Sid) wonnen noch in ihrer Augen Lichte,
E3 muß der Urme namenlofe fliehen
Mit fügen Schmerzen in veridloji'ner Bruft
D müßteft Du ...
Gr bridt ab. Andolofia erwidert: „sch ſeh'.“ Und in der folgenden Scene er:
Härt wiederum der Franzoſe:
Dank und Anerkennung tragen,
Herrin, wir aus diefem Lande,
Die wir jah’n auf fremden Strande
Solder Schönheit Sonne tagen
Blendenden Strahlen.
Tod wenn in derjelben Scene Agrippina zum erftenmale redend auftritt, To
fommt der gewünjchte Effekt nicht hervor. Was die Ritter über fie gefagt haben,
ſcheint uns unbegreiflid. Zunächſt erdrüdt die ſchwierige gorm, in die Shamifjo
ihre Worte gepreßt hat, jeden individuellen Ausdrud. Dann legt Agrippina
ihre Karten zu offen auf den Tifh. Die Wechſelwirkung der Geſchlechter er-
ſcheint in ihrem Liede als treibender Reiz der Feſte; ftatt firenenhaft, zu er-
ſcheinen, phitelonhiert fie jelbft über das Sirenenhafte der rauen. Wir hören
ein gereiftes Weib, das zu pſychologiſcher Analyje neigt, da mit ihrer Weis—
heit gern den Mann bemuttert, da3 dem Manne vorwegnimmt, was befier er
fagen follte. Und neben diefe Emanzipierte der 6. Scene tritt daun eine Fühl
blafierte Agrippina im nächſten Auftritt, eine Kofette, die ihrer Wirkung bewußt
ift und den Mann ala Spielzeug betrachtet: „Wurde doch ung nur zum Spiele
142 Chamiſſo, Fortuuat.
Dieſe Vogelart erſchaffen, Und wir üben unſre Waffen, Uns ergötzend, nach
dem Ziele” Sie will weibliche Liſt gegen männliche Stärke ausgeſpielt wiſſen.
An dieiem Hnbrisliede fcheitert die ganze Geftalt. Wie joll uns diefe Agrippina
menschlich nahe kommen? Iſt's doch ſchon eine ftarfe Zumutung, daß fie fpäter,
getren nad) dem Volksbuche, dem verliebten Andolofia Gegenliebe vorlügt, nur
um der fchoflen Geldgier ihres Vaters ala Werkzeug zu dienen. Chamiſſo, weit
entfernt, ihre Beweggründe in eine höhere Sphäre emporzubeben, läßt fie bie
froitige Rolle der kalt überlegten, bewußten Schwindlerin jpielen und legt ihr
ein unzweideutiges Bekenntnis ihrer mozdr,gie in den Mund! Das Lied, mit
dem Aarippina ihr Opfer in den Schlaf Singt, die von Chamiſſo fpäter in feine
Gedichte aufgenommene „Nagennatur“ it wenig geeignet, den Eindruck zu ändern.
In den legten Scenen 21 und 22 kann das verdiente Unglück dieſes Scheufals
uns wenig erjchüttern. Ariftoteleo hätte da nur die undramatiihe Wirkung der
giardporic Feitgeitellt. Chamiſſo ſucht den dramatiihen Eindruck zu vers
ſtärken, indem er ihren Schmerz zu einem wild leidenſchaftlichen macht. Um ſo
ſonderbarer, daß fie zuletzt in Worte der Reue ausbricht (Scene 21, Vers 109 ff.),
um gleich darauf in wildwütigen Anapäſten zu toben: „Wilbgrinmiger Leu,
du verdarbſt in der Bruſt Und der Yiebe Gewalt und den Mitleid ganz,
Richtender Wort, web, weh Naiender mir Tie zum Jorn ich gereizt den vers
derblichen Mann.
Chamiſſo ſcheint ſich bewußt geweſen zu ſein, daß er ein Unding in
Agrivpina aeihaften habe. (Fr hatte gewiß, eine energiſche Umarbeitung im
Zinne Trei Monate nah Abbrud der Arbeit, ala der ‚yortunatplan beinahe
ſchon aufgegeben war, macht er nadı dem Yeben neue Ztudien zu feiner Agrip⸗
pina (vgl. Nopmannı, S. N und XV). Er war wohl zur Erkenntnis gelommen,
daß ſeine bisherige Yebenzerfahrung gerade zu folder Schöpfung nicht aus:
reiche.)
Zoweit id die Frauengeſtalten überfhauen kann, die dem jungen Chamiſſo
nabe getreten find, finde ich vor der Arbeit am Fortungat nur eine, die ihm
zZüge zur Agrippinag lietern konnte. Ach meine (Sere» Tuvernay. Leider it
(Shamiiios Verhältnis zu Eeres trog vielfacher Nachrichten aus dem gedrudten
Materiale nit ganz Mlarzuitellen. Gorentlidh erzählt uns einmal ein Nenner
des Nachlaſſes dieſes Verhältnis nah den orininalen Tuellen. Ich babe mic
in meiner (Frörterung (Z. X ro ablihtlih auf das Xoriichtigfte ausgedrüdt.
Zo viel icheint sicher: unter Der Mofetterie der ‚yrau hat Ehamiſſo ernſtlich
gelitten. Und ich kann mir ganz ut denken, daß er in Ztunden des Unmuts
Dieſes veripätete Modell wırd ın Chamiſſos Briefe an Varnhagen vom
27. Januar 1807 als cine „Nofette, durch zablreihe Ziege berühmt“, dann als
em „lunges, eben nicht ſchönes Mädchen” geichildert. Chamiſſo erklärt feierlich:
„IA werde doch nicht fic lieben“; gieichwohl merkt jeder Rerfländige, dag Chamiflo
fih fiir das Mädchen intercifiert, dan er nicht unglücklich iſt, „Ion bei erfter
Sicht“ von ihr brachtet worden zu ſein. Sieben Wochen fpäter erzählt er dem-
ielben Freunde, daß ſeine Brüder ihm „ein junges, liebliihes Mädchen” mit vıelen
Tauſenden zur Gattin beſtimmt hätten, daß er fie aber ablehne. Ih nahm
(S. XXXV an, dag beide Mädchen eine Perſon feien. Koßmann fragt, woher ich
das wiſſe: woher wein Koßmann, daß ıch fchlgegangen bin? Sein piychologiſ ir
Rlick ſchemt wenig Scharf zu ſein, wenn er dıe beiden oben citierten Außerungen
unvercınbar hält. der ioll die Thatiadıe, daß der erſte Brief aus Vertus, der
anderer aus dem wenige Meilen entfernten Troyes ftammt, als Gegenbeweis
dienen? In Vertus war Chamiſſo bei feinem Bruder Karl, ın Troyes bei feiner
Schweſter; dennoch ichreibt er aus Troyes: „Deine guten, Tiebenden Brüder
ichen’s und ſtaunen“, daf er nämlich auf die Varne nicht emging. . lebrigens
fie ſeien nicht identiſch. Was liegt daran’
Shamifjo, Fortunat. 143
fih ala ihr Spielzeug empfunden habe. Rechnet man einige jugendliche Über:
treibung Hinzu, jo fann er auf Augenblide Ceres wenigſtens in feinem Innern
vorgeworfen haben, was Agrippina in der 7. Scene zu ihrem Programm
macht; in ſolcher Stimmung ruft er der Freundin dann ein pathetiſches „Vous,
vous m'avez trompe, Madame” zu, um wenige Tage |päter wieder, feine beſte
greundin in ihr zu fehen. Als er indes an die Schaffung Agrippinens ging,
mag feine Phantafie an den Reminiscenzen aus der Zeit, da er mit Ceres ge:
flirtet, jih genährt haben. Ob Gere in diefem Augenblide ihm in ganz andern
Lichte erichien, ift beinah’ gleihgültig (vgl. Koßmann, S. X). Ja vielleicht
trug Chamiſſo abfichtlih allerftärkfte Farben auf, um Agrippina mit Ceres
nicht ganz in Eins fließen zu laſſen. Jene Züge einer weltgewandten, über:
legenen, gereiften Stennerin des andern Geſchlechts teilt Agrippina gewiß mit
Ceres; günftig alfo hat dag Modell nicht eingewirkt. Bei der Fanny des
Schlemihlmärchens ward ihr Vorbild ohne Zweifel glücklicher verwertet.
Nicht die dem Stücke unterlegte Idee und nicht die zur Charakteriſtik
verwerteten Farben leihen dem Fragment fein romantifches Kolorit. Das reiche
Formengewand rückt es vor allem den Dichtungen Tiecks nahe. Koßmann jagt
mit Recht, Chamiffo habe es fi, dem Octavian in der Form nadheifernd, nicht
leiht gemadt (S. XII); der Herausgeber notiert auch forgfältig bei jeber
Scene ihre Maße. Er ftellt feft: Blantverfe, vierfüßige Trochäen, Alerandriner,
Trimeter, Anapäfte, Terzinen, Affonanzen, zwei Sonette, 21 Stanzen, acht. De⸗
cimen, vier Gedichte in lyriſchen Strophen. Ich glaube, wir können noch einige
Schritte über eine ſolche Aufzählung hinausgehen. Zunächſt reicht der Octavian
als Vorbild nicht aus; Chamiſſo verwertet Formen, die Tiecks Dichtung nicht
kennt. Der an Shakeſpeare gebildeten Praxis Tiecks entſpricht allerdings, daß
Chamiſſo — ebenſo wie Fouque im „Galmy“ — Proſa in die Versdichtung
einſchiebt und dieſe Proſa zu komiſchen Effekten ausnutzt. Doch ſchon in dieſer
Richtung geht er über ſein Vorbild hinaus. Nicht nur komiſche Figuren, wie
der Narr des Londoner Hofs, auch Andoloſias tragiſche Perſon verfällt in
tragiſchen Momenten auf eine derbklotzige, burleske Proſa, während fein Gegen⸗
part in Verſen ſpricht. Es find jene Momente, in denen — dem mit Fouqué
vereinbarten Programme entſprechend — die „an ſich höchſt tragiichen Figuren
das höchfte Komische gebären”. Chamifjo fcheint aud die Wirkſamkeit dieſer
Zyrit m jeiner Umgebung erprobt zu haben (vgl. Koßmann, S. XXVII zu
Scene 11).
Doch aud in den verfifizierten Vartien geht Chamiffo über das Vorbild
des Ictavian hinaus. Er mijcht antife und moderne Maße. Aus dem „Alarcos“
von Friedrich Schlegel holt er ſich Trimeter und wie Schlegel verquidt er das
Maß des antiken Dramas mit Affonanzen. Tied ift erft im Jahre 1812 in
jeinem „Däumchen“ zu diefer Form fortgeichritten, um fie dann in jeiner
gortunatbearbeitung 1815 feftzuhalten. Anapäfte entlehnt Chamiffo dem „Jon“
ilhelm Schlegels (vgl. feine Werte 2, 119); er gebraudt fie dem Vorbild
entfprediend an dramatiſch gefteigerter Stelle.
Die Benugung der modernen, romanischen Maße hält fi genau an bie
Vorſchriften der romantischen Theorie. Eine Scene am Londoner Hofe will
durd) ein Versfeuerwerk die Pracht des Hoffefts fchildern. Der Kanzler ergeht
fich in längerer Rede, halbmyſtiſch andeutend und ausdeutend, über den tieferen
Sinn der eben beendigten Zurnierfpiele. Die Rede ift in Terzinen gehalten;
denn Bernhardis Spradjlehre von 1803, das Lehrbuch romantiſcher Metrik,
bemerkt: „Der Charakter diefer Strophe ift ununterbrochene, Felge der Reim:
verfettung. Daher es ſich zur didaftifhen Darftellung, deren Weſen eine durch—
gängige Verfettung und Verknüpfung von Ideen ift, am beiten paßt... Auch
in kleineren, ermahnenden und belehrenden Iyrifchen Stücken wird diefe Strophe
mit großer Wirkung gebraudt, und fie führt, wegen ihrer ftrengen und doch
144 Chamiſſo, Fortunat.
verſteckten Regel in der Reimſtellung auf eine Zweckmäßigkeit für Gegenftände
mpfteriöfen Inhalts” (2, 427). Wie hier Chamiſſo der Vorfchrift Bernhardis
ſich fügt, jo läßt er ſich von ihm den Gebrauch der Decime im Drama lehren.
(FT verwertet fie „bei fteigender Yeidenfchaft, wo fie den Fluß und Sturm der:
selben gut ausdrückt“ (a. a. O., 9.435), alio etwa in Scene 7 au dem Triumph⸗
lied Agrippinas, das in übermütigfter Weite den Dann ala Sklaven der Frau
hinftellt. Auch die Scheidung, die Bernhardi (a. a. O., S. 425) 3wiſchen der
ruhigeren epiichen und der ſchwungvollen dDramatiichen Ztanze vornimmt, kommt
in den pathetifhen tanzen des zu Ruhm und Ehre ausziebenden Andolofta,
dann in Der ergreifenden Mahnung des Eremiten zu ihrer Geltung. Wenn
endlich der Alexandriner zu komiſcher Wirkung dem bornierten Nönige von
England und feinen vatloien Nat in den Mund gelegt wird, fo bat Bern:
hardi (a. a. O., 2. 391) auf den vortreffliben komiſchen Gebrauch bin:
gewieien, den der junge Woethe im Jahrmarktfeſt zu Wlundersmweilern von
ihm gemacht bat.
Hauptvers im Dialog iſt der Blankvers wie im „Octavian“. (Der „Salnıy“
nutzt den Knittelvers.) Neben ihm ericheinen vierhebige affonierende Trochäen
in Scene 11 ımd 20 — das Lieblingomaß des Anfänger Fouquè; feine unter
W. Schlegels Ägide veröffentlichten „Tramatiihen Zpiele von Pellegrin“
1804) verwerten ibn aern.
Zu den rein Inriichen Ginlagen benunte (Shamiflo zunächſt einfache
trochätiche und iambiſche Vierzeiler, die una auch im „Galmy“ begegnen; dann
eine komplicierte Strophe Tiecks (Werke 1, 321; val. Koßzmann S. XXIII).
(mdlih begegnen wir dem jedermann geläufigen Liede „Natzennatur“, da»
EChamiſſo in ſeine Gedichte aufgenommen und deſſen Form er ſich ſelbſt ge:
bildet hat.“
Ohne Z3weifel bat alio Ehamiſſo die Metrik ſeines Fragments ſich ehrlich
ſauer werden laſſen. Freilich krönt nur ſelten echter Erfolg ſeine Remühungen.
Mühſam fügt ſich ſeine an Galliciemen reihe Sprache der raffinierten Form.
(rin ſchülerhaftes (Frercitium, mehr iſt der Fortunat nicht; wenigſtens von
tormaler Seite. Um ſo intereſſanter iſt ma ſein Gedankengehalt. Leicht fügt
er ſich in den Rildungsgang des Dichters cin. Denn das Thema der Refligna:
tion wird von GShamiiio nod oft angeichlaaen. Gleich feine nächfte große
Dichtung, der Zihlemibt, predigt Die ‚yreuden reitgnierter Zelbitbeiinnung.
Und in dieſer Reſignationsſtimmung tritt Chamiſſo unſern Mlaffttern an bie
Zeite. „Bon der Gewalt, die alle Menichen bindet, befreit der Menſch ſich, der
ich überwindet“, die Ysarte hätte Chamiſſo ſeinem ‚Fortunat ala Motto nor:
sicht bloß in der Deetrit des Fragments liegt feine romantiiche Form.
Auch die Sprache wäre beranzuzıe"en. Koßmann notiert emige Eigentümlichkeiten
der Sprache in jenen frischen Anmerkungen (2. 66 fi.) Freilich hält er aus
Unkenntnis mandes fir Eigenheit Chammſos, das nur der Zprahe der Nomantıl
abgelauicht iſt. Der zu Scene 20, Vers 131 bervorgehobene „iuntaltfch loie Datıp“,
den Chamiſſo gern acbraudt, hätte fih auch vor Koßmanns Augen als (igen-
tümlıchleit des romantıihen Stils enthüllt, wenn er einen Blick ın Petrichs „Drei
Kapitel vom romantiihen Zul” ıdepzia 1878, S. 130 8.) gethan hätte. Perriche
fleißige Zuiammenſtellungen follten bar idrachlichen und ſtiliſtiſchen Unteriuchungen
aus dem Gebiete der Romantik überhaupt mehr beachtet werden Agrıppınas Lied,
Zcene 6, Bere 71 ij iſt ein glänzender Beleg für die muſikaliſchen Neigungeu
der Romantik vgl Vetrich aa. O, S. 19 fi). Auch Chaminmo fprıcht von einem
„Ningenden Glanze“, von „thauenden Blicken“: fürs Schmerzen entzünden fi
„in der Töne Meer“ u. I w. Um nicht meine Meine Studie noch mehr aus
zudehnen, begnüge ich mich mit dieſen Andeutungen.
Wolff E., Gefchichte der deutjchen Litteratur in der Gegenwart. 145
fegen können. Ein Epigone der Klaſſiker, Grillparzer, aber faßt fein fittliches
Programm in den echt epikteteifchen Verſen zufammen:
Schatten find des Lebens Güter,
Schatten jeiner Freuden Schaar,
Schatten Worte, Wünſche, Thaten,
Die Gedanken nur find wahr
Und die Liebe, die dur fühleft,
Und das Gute, das du thuft.
Wien. Oskar F. Walzel.
Wolff Eugen, Geſchichte der deutſchen Litteratur in der Gegenwart. Leipzig,
S. Hirzel. 53 M.
Wer noch in der Lage iſt, von Eugen Wolff enttäuſcht zu werden, den
wird dies Buch enttäuſchen. Schon der Titel erweckt falſche Erwartungen, denn
von einer wirklichen hiſtoriſchen Entwicklung iſt hier nicht die Rede; nur ein
kritiſcher oder ſagen wir beſſer kritiſierender Uberblick der neueren Litteratur in
ungefährer chronologiſcher Folge wird uns aufgetiſcht. Wie aber ſieht dieſe Kritik
aus! Nirgends wird auch nur der Verſuch gemacht, eine ganze Dichterfigur in
ihrer Eigenart hinzuftellen oder auch nur ein einzelnes Werk tiefgehend zu er:
faffen; dem Verfaſſer geht die pſychologiſche Feinfühligkeit, die er (S. 361)
Brandes nadhrühmt, jo völlig ab, wie was er ihm abfpricht: „die rein äſthe—
tiihen und rein litterarifchen Werhältniffe, ſowie Die gleichmäßige Bertiefung
in das Detail, welche für objektive Betrachtung unerläßlich ift.” Diejer feine
Kenner behauptet 3. B. (S. 83), Gerhart Hauptmann habe alles gethan, um
Loth cin „Vor Sonnenaufgang”) in ein glänzendes Licht zu ftellen, er beipricht
gebbel (S. 280) ala Lyriker ausführlich, al® Dramatiker nur in flüchtigſtem
orübergehen; er erklärt, Fritz Reuter habe „mit allen glänzenden Kunſtmitteln
des modernen Romans“ um das Herz des modernen Publikums geworben
5 168). Freilich iſt es bei Wolff ſchwer, zu entſcheiden, ob er aus Phraſen—
aftigkeit oder aus Verſtändnisloſigkeit ſo verblüffende Urteile abgiebt. Denn
ein Buch, wo die Phraſe ſich gemütlicher und banaler breit machte, iſt uns ſeit
Portigs „Schiller und Goethe“ nicht vorgekommen. „Charakteriſtik und Realiſtik
iſt das Weſen des germaniſchen Kunſtſtils“ (S. 22); fo etwas darf man ruhig
fagen, wenn man die „verwafchene Phrafe” von Real-Idealismus fo finnig
durch „Ideal-Realismus“ erjeßt (S. 28) oder fid) folgende Säße leiften kann:
„Realismus befunden nun ſchon Storms Stoffe und Motive. Namentlich ift
die Liebesglut in allen Stadien ihrer Entwidlung gezeichnet, wie fie flammend
heiß emporlodert” (S. 208). Bei fo fcharfer Erfaffung der Begriffe „Realismus“
und „Idealismus“ wird man über feinen Widerſpruch mehr ftaunen und e3
ganz natürlich finden, wenn Wolff (S. 86) Gerhart Hauptmann an denjelben
Schiller weift, deffen Stil (S. 15) lebenäfräftige Keime für das Drama der
Gegenwart nicht enthält oder wenn er das „Fragezeihen am Schluß”, das er
bei Ibſen (S. 120) tabelt, beit ©. Keller (S. 289) bewundert. — An andern
Stellen ift es überhaupt nicht möglich, fih bei Wolffs tönenden Redensarten
etwas Ernftes zu denken. „Die Wallung des Blutes fündet, was einit Die
Stimme de3 Herzens ſprach“ (©. 33). „Die Zufunft der deutfhen Volks- und
Nationalbühne liegt da, wo deutſches Volkstum wächſt: in der Familie und
bei der produftiven Arbeit, in der Urmwiüchfigfeit des deutfchen Stanmeöbemwußt-
ſeins“ (©. 140). Neben ſolchen Orakelfprüchen dienen zur „Uppermünterung”
des Stils, wie Reuter fagen würde, Schöne Worte wie „Idealiſtik“ (©. 8) und
„Pridelei" (S. 214) und beſonders föftlich gewählte Kitate: „Wie treffend
Euphorion IV. 10
146 Wolff E., Geſchichte ber deutfchen Fitteratur in der Gegenwart.
fagt Schiller —“ (S. 24). „Und wahrlidy! gerade heute wäre eine Wirkung
der Kunſt auf das Wolf vonnöten: denn nur
Wer der Didtung Stimme nicht vernimmt,
Iſt ein Barbar!* (Z. 137.)
„Nantentlih bewährt dies Epos die Berechtigung des Schillerſchen Entſetzens⸗
rufes: „Da werden Weiber zu Hyänen“ (S. 155). Auf der Höhe diefer fo
finnig angewandten Blüten und Perlen deutfher Dichtung fteht der Aus⸗
ruf: „Das neue Tichtergeichleht hätte lernen follen, daß der Kühnſte der
Größte iſt — habts a Schneid!“ (S. 68). Und dieſer fichere Geichmad, der
Herrn Wolff fo ganz beſonders zur Kritik befähigt und der ihm ſchon längft
einen ganz befondern Ruf verſchafft bat, zeigt fih auch in fo hübſchen Gleich»
niffen wie dem von „Parfüm: Talmiduft des Salons" (S. 60) oder in Wen
dungen wie Diele: „Sittlich und religiös ift Diele Ich-Lehre ſchon gar nicht“
2.15). „Nur die Hypotheſe fucht mit kühnen, freilich oft fchiefen Blicken bald
von der cinen, bald von einer andern Zeite (sic) den Nebel zu durchdringen“
(S.144); „Dieg Pradıteremplärden von Nulturbeitie* (5. 223; gemeint ift —
die Kommerzienrätin aus Fontanes „Fran Jenuy Treibel!*). „Wir fürchten, Diefe
Kuh wird an der jüngftdeutichen Poetik ala erfchredendes Wahrzeichen haften
bleiben“ (2. 251). „Am tiefiten ift wohl „Tas_Wcmeinbelind“ in die Seele
eine» völlig eigenartigen Weienz eingedrungen“ (2. 212). Endlich würzt der
Vertafler, der »S. 30 f. » jelbitveritändlich vor der puriftiihen Mode feine
Verbeugung macht, feine Daritellung noc durch die überflüffigften Fremdwörter,
fpricht nleich auf der nächſten Zrite (2.31) vom „tiers etat”. läßt eine Heldin
(S. 226) ſich „Decondrieren“ und Sagt (Z. 64) gut maccaronifh: „Für unfern
Dichter Mind naturalia immer non turpia.”
Ih hätte mich bei dieſen ergöglichen Außerlichkeiten nicht fo lang auf:
gebatten, wären fie nicht auch für Die innere ‚Form des Buches fo charakteriftifch.
Die gleihe Unfähigkeit Ilarer Erfaſſung führt ibn bei der Beurteilung früberer
3erioden irre, wenn er S. 104) das Wort „Nerven“ bei Klinger im modernften
Zinn nimmt; sonst leitet ihm freilich Unkenntnis dieſelben Tienite, wenn er
etwa in Tumas’ „Mameliendame” zuerit den Sieg der Zünderin und den uns
geiund empiindiamen Verſuch ihrer Nebabilitierung findet (und „Menſchenhaß
und Reue“?) oder wenn ihm (Z. 3259 5. Dart mit der Zdiilderung des Groß:
ftadttreibens „ein Ztüd modernes Yeben nen für die Lyrik gewonnen bat“.
Zie madıt es ihm unmöglich, are Analnjen zu geben, wofür die (Ffelabrüde
breiter Proben, befonders beim Roman aushelfen muß; fie läht ihn ftatt in⸗
dividueller Sharafteriftit Urteile wie „vinucholoniih ebenfalls fein gearbeitet”
(S. 216) und das breite inhaltsloje Gerede über Oskar Linke (S. 332) vor:
bringen. Der Chauviniemus, der fich in der ‚sremdivörterverfolgung und noch
mehr in den lagen über die „Antfittlihung” Deutſchlande durch die franzö⸗
jifhen Tramen (2. 112) bemerkbar macht - als ob Honfmannswaldau und
Beſſer, Kotzebue und Slauren den Dumas und Zardou auf die Kreide zu ſetzen
wären! — läßt ibm auch die geichmadloieite Teklamation von Nittershbaus
(2.317) ihres „patriotifhen“ Inhalts wegen „bedeutfan“ erfcheinen und giebt
ihm natürlih einen völlig einjeitigen Ztandpunft gegenüber Wildenbrudy
9.43 8.) und R. Wagner (2. 40). Dazu kommt noch der Yolalpatriotismus,
der Klaus Groth inımer wieder über Gebühr preift und für die Kieler Freie Bühne
(3. 138) Rellame madıt. Bei all dem laufen natürlid auch beffere Partien
mit. Es ift ein ganz auter Gedanke, den eiſernen Yühnenbeftand des beutfchen
Theaters (2. 122 f. hier zu muftern, wobci ich freilih Goethes Revolutionss
tuitipiele (Z. 125) auch dann nicht zur Wiederaufnahme empfeblen würde,
wenn ich mic berechtigt glaubte, fo ſchlankweg (S. 119) von ber „demokra⸗
Wolff E., Gefchichte der deutfchen Fitteratur in der Gegenwart. 147
tiihen Züge” zu reden. Auh daß Wolff das ausländische Drama auf der
deutfchen Bühne (S. 110 f.) mit einbezieht, ijt lobenswert. Die Kritik (©. 353 f.)
hätte ich nicht befprodhen, wenn ich nicht einmal für fo wichtige Litteratur-
gattungen wie Brief, Tagebuch, Aphorismus Raum gehabt hätte; und jeden-
falls hätte ich fie eher meggelafien, als die geſamte darftellende Litteratur,
Ranke und Mommfen und Treitſchke, Hermann Grinm und Scherer, Haedel
und Helmholg. Wolff aber ‘hatte hier zu viel auf dem Herzen. Schon vor der
Thür dieſes Schlußfapitelö poltert er gegen die böfe reife (S. 352), deren
Sünden id nicht leugne, die aber gerade für Anzengruber und gegen die Marlitt
getämpft hat. Es folgt ein Zerrbild der modernen Kritik, daS über ein paar
berechtigten Klagen alles, was an ihren Beſten zu loben ift, verfchweigt. Ich
denke, eine Recenfentenfchaar, die G. Freytag, Kürnberger, Julian Schmidt,
Yontane, Hermann Grimm, Scherer in Ihrer Mitte gefehen hat, läßt ſich nicht
lediglid) mit ein paar Späßen und Anklagen abthun. Aber Wolff hat nur
einmal zu loben — und da lobt er Bleibtreu, weil er Hauptmann entdedt
habe (©. 363), was aber Brahm gi.;an hat. — Troß alledem wäre es fchade,
wenn diefer Abfchnitt fehlte. Denn der Verfaffer hat hier aud) ein perfönliches
Erlebnis mitgeteilt: wie 8. 3. Schröer feinen „Goethe“ für das Litterarifche
Gentralblatt recenfieren wollte und mie ihn dann dort ein anderer beiprad)
(S. 369). Um an diefem klaſſiſchen Beifpiel fo recht deutlich die Wertlofigteit
der Kritik darzuthun, drucdt er voller Selbftverlengnung ein gute Stüd aus
der nicht8 weniger als fchmeichelhaften Necenfion des unerbetenen Richter ab;
denn dem andern hatte der über die Zuſendung bon Recenfionderemplaren
(S. 371) wetternde Verfaſſer fein Buch zugeſchickt. Durch diefen Zwiſchenakt
ift in da3 von Oberflädhlichkeit und Phrate bedeckte Buch doch einmal auch ein
fahliches Urteil Hereingelommen; und wir hoffen, daB das unzweifelhaft bald
eriheinende nächte Wert des Herrn Wolff in ähnlicher Weiſe einen Auszug
aus unferer Beſprechung zur Geltung bringen wird.
Berlin. Richard M. Meyer.
Berihtigung.
Zu Band 3, ©. 735 ff. Der Brief Bürgers an Karoline Biichoff ift, wie
err Baftor C. Nutzhorn in Biffingen leider erft zu fpät bemerkte, bereit8 von
trodtmann in der Illuſtrierten Frauenzeitung 1877, Nr. 42 („Zur Geſchichte von
Bürgers erjter Che‘), allerdings ohne das Fragment von Dorette, veröffentlicht
worden. Die Fortſetzung des Auffates (Nr. 44, 46) enthält Auszüge aus Briefen
von Molly und Dorette.
140 Chamiſſo, Fortunat.
Ta wäre Freihen Dir und Heil gewonnen,
Mitwollend ruhıgllar des Schöpfers Willen;
Auf Felſen feit gegründet Deine Wohnung,
In Herzens Frieden wohnend die Belohnung.
„Mitwollend rubigklar des Schöpfers Willen.” Ter Vers giebt Wort für
Wort die ſpecifiſche epikteteiſche Formulierung des Problems der Willens:
treiheit. Wie oben angedeutet wurde, iſt für Epiktet die wahre Willensfreiheit
Eins mit einer wunſchloſen Ergebung in den Willen der Gottheit. Wir ſind
frei, wenn wir mit allem zufrieden ſind, ſo wie es iſt und geſchieht. Oder um
Epilteto eigene Worte zu citieren (Dissertationes 2, 17, 22. 23): Mnder @iio Deär.
„a6 @205 Beier... Orar rotoũtor Exus yyEuova x rotovᷣrꝙ —A — — — —
xcei orvogkyy. ri goßi, ‚Fri uy cnrorigyg: ferner dl. c. 4, 7, 20): Ägeitror
„zyoducı 0 6 Otòs Drrsı, y Er@. ITpooxstooucı Ödıcxorog xcei cexoiordog Exeiro,
crro0uö, Orropsyoua, arkög avrÜrimw.
Irrdiisn, des Schöpfers Willen mit wollen, ift dad auch in feiner
‚sormulierung echt epikteteiihe Ideal Chamiſſos.)
In das Wort „Urvdeisın" Eingt aber auch „MNdelberts Fabel“ aus. Schon
Noßmanı bemerkt mit Recht (S. XXXIII), daß ih an diefer Stelle die ‚Fortunats
Dichtung mit dem Märchen berührt. Freilich weiß er für dieſes arrOrisır ebenfo:
wenig eine Quelle anzugeben, als ich ea gewußt habe, da ich über das Märchen
bandelte. Jetzt ergießt fich über beide Dichtungen cin helles Licht. Daß Chamiſſo
den Ideengehalt von „Adelberts Fabel“ jeinem ‚Freunde Neander dankt, glaube
idh icon damals (S. XXIII Fr erbärtet zu haben. Legt kann ich hinzufügen:
was Neander im April 1806 dem Freunde brieflic verkündet (hamiſſos Werte
6, 314), daß Platos MWillenzrreibeit mit abſolutem Fatalismus fih paaren
laiſe, daß man in Die Zaiten der Anangke einſtimmen müſſe, nicht ſie umſtimmen
dürfe — all das rubt auf der Philoſophie Epiktetos. Nachdem dann Chamiſſo
in „Adelberts Fabel“ die Yehre des orsdiisır verkündet, geht er an das
Encheiridion Selbit beran und kaun im „Fortungat“ nicht bloß die fahle Formel,
auch das ganze etbiiche Progranım (Fpiftets verwerten.
Jest begreiten wir auch, warum Chamiſſo den Fortunatſtoff gewählt bat.
Nicht, weil er zu einer romantisch tragifomiichen Behandlung beffer paßt ale
ein anderer Stoff, jondern weil er — und zwar fchon nah der Bemerkung
W. Schlegeld — zu einer von (Fpiktets Adeen getragenen Dichtung, au einer
(Sharakterilierung des Ztoilers und feines Widerfpiels ausgezeichnet taugt.
) Bekannilich bat Epiktet ſelbſt nichts Geſchriebenes binterlaifen; fen Schiller
Arrian ſtellte die Lehren Epiktets in dem Buche Jıcreßa Tod "Erıxrnror
Pißiia vxtw (Dissertationes Epieteti ab Arriano conceptae) zufammen. Aus
dieſem Haupiwerte ward dann der wohl zum Auswendiglernen beſtimmte Auszug
"Ergsordior "Eriarı,ror (Manuale Kpieteti) veranitaltet. Tas entfcheidende Wort
arıDrisır findet ſich nur an den oben citierten Stellen der Dissertationes. Da
es wohl ummwahriheinlih iſt, daß Chamiſſo zuerit die Dissertationes und dann
den magern Auszug des Encheiridion geleien babe, jo darf wohl angenommen
werden, daß Neander ihm die auf jenes orndrieır bezüglihen Anſchauungen
Epiktets mitgeteilt habe. Tarum finden wır auch diefe Anſchauungen ſchon vor ber
Yeltüre des Encheiridion ın „Adelberts Fabel“. Liber Epiktet vgl.: Zeller „Philo⸗
iſophie der (Arichen“ 3, 1°, 747 Hi. und Winnefeld Zeitichrift für Philoſophie und
philoſophiſche Kritik. Neue Folge 49, 1 ij. 193 ff., ınsbefondere 2. 223 f. Mit
weicher Verehrung man noch drei Zehnjahre ipäter neben dem künſtleriſch Schönen
der Philoſophie Platos das fittlih Starke Epilktets betrachtete, ergiebt fih auß
dem Vriefwechſel 8. Enks von der Yurgq und W. Heinzels WWien 1887, &. 23
und ofter).
Chamiſſo, Fortunat. 141
Die legten ausgeführten Scenen, die bis zu dem Augenblide führen, da
Agrippina von Andolojia ins Stlofter gebracht wird, fügen den biöher ange—
führten Beweismomenten epifteteiichen Einfluſſes fein neues hinzu. Andoloita
erſcheint gereifter; vielleicht Tarf angenommen werden, daß er am Schluſſe des
Stüd8, kurz vor feinem Untergang, zu einem rejignierten Re avvdelsıv
befehrt ericheinen follte. Die Annahme läßt ſich mit den Hypotheſen, die Koß—
mann (©. über den wahrjcheinlichen Ausaang des Stücks aufitellt,
wohl vereinen. Die legten Scenen des Sragment3 halten ſich genau an die
Vorlage und ergänzen im beiten alle die Charakterzeichnung Agrippinene.
Sehr richtig erfennt Koßmann, daß Chamiffo einer erfolgreichen Aus—
geftaltung Agrippinen® nicht gewachſen war. Wenn Andolofia oder Ampedo
oder der Klausner ſpricht, jo kommt die dem Stüde eingeimpfte Idee zu Wort;
es galt nur jene Gegenfäge mit mehr oder minder reihem Wortprunf auszu⸗
ſtatten. Agrippina indes aus einer hahnebuchen derben Volksbuchfigur zu einer
menſchlich anziehenden Geſtalt zu machen, hätte Chamiſſo reichere pſychologiſche
Erfahrung, eine intimere Kenntnis des weiblichen Herzens beſitzen müſſen. Ein
Pendant zu Goethes Adelheid hätte erſtehen ſollen, eine Frauenerſcheinung von
beitridendem Liebreiz und eine rückſichtsloſe, ränkevolle Ichnatur. Goethe erzählt
und: „Ic hatte mid, indem ich meine Adelheid liebenswürdig zu ſchildern
trachtete, felbft in fie verliebt, unmwillfürlid war meine Feder nur ihr gemidmet,
da3 Intereſſe an ihrem Schidjal nahm überhand“ (Dichtung und Wahrheit,
Hempel 22, 117). Die reizende Frau habe den Titelhelden bei dem Autor aus—⸗
geftochen, fügt er hinzu. Chamiſſo ſcheint dieſen Prozeß gar nicht oder nur zum
Teil durchgemacht zu haben. Wenn in der 5. Scene am engliſchen Hofe Die
Ritter von Agrippina jprechen, erfcheint fie ala Inbegriff beitridender Weiblich:
keit. „Die wäre wahrlich! felbit in Frankreich ſchoͤn,“ meint ein Yranzofe.
Rinaldo, der oben erwähnte, bekennt dem bemwunderten Sieger Andoloita:
Es darf der Sieger mweilen, nod fie ſchauen,
Sich wonnen noch in ihrer Augen Lichte,
E3 muß ber Arme namenlofe fliehen
Mit füßen Schmerzen in verſchloſſ'ner Bruft
O müßteft D
Er bricht ab. Andolofia erwidert: „Sch ſeh'.“ Und in der folgenden Scene er:
flärt wiederum der Franzoſe:
Dank und Anerfennung tragen,
Herrin, wir aus diefem Lande,
Die wir jah’n auf fremden Strande
Solder Schönheit Sonne tagen
Blendenden Strahlen.
Doch wenn in derfelben Scene Agrippina zum erſtenmale redend auftritt, fo
fommt der gemwünfchte Effekt nicht hervor. Was die Ritter über fie geſagt haben,
ſcheint ung unbegreiflih. Zunächft erdrückt die ſchwierige Form, in die Chamifjo
ihre Worte gepreßt hat, jeden individuellen Ausdrud. Dann legt Agrippina
ihre Karten zu offen auf den Tiſch. Die Wechſelwirkung der Gefchlechter er=
fcheint in ihrem Xiebe als treibender Reiz der Feſte; ftatt firenenhaft zu er:
ſcheinen, philo Fir fie jelbft über das Sirenenhafte der rauen. Wir hören
ein gereiftes Weib, das zu pſychologiſcher Analyje neigt, das mit ihrer Weis—
heit gern den Mann bemuttert, da8 dem Manne vorwegnimmt, was beſſer er
fagen follte. Und neben dieſe Gmangipierte der 6. Scene tritt dann eine fühl
blafierte Agrippina im nächften Auftritt, eine Kokette, die ihrer Wirkung bewußt
ift und den Mann als Spielzeug betrachtet: „Wurde Doch ung nur zum Spiele
142 Chamiſſo, Fortunat.
Dieie Zogelart erfchaften, Und wir üben unfre Waffen, Uns ergögend, nad)
dent Ziele.“ Sie will weibliche Lift gegen männliche Stärke ausgefpielt willen.
An dieiem Hybrisliede jcheitert die ganze Geltalt. Wie joll uns diefe Agrippina
menjchlic nahe fommen? Iſt's doch ſchon eine ftarfe Zumutung, daß fie fpäter,
getreu nad) dem Volksbuche, dem verliebten Andolofia Gegenliebe vorlügt, nur
un der jchoflen Geldgier ihres Vaters als Werkzeug zu dienen. Ghamiffo, weit
entfernt, ihre Beweggründe in eine höhere Sphäre emporzubeben, läßt fie Die
frojtige Rolle der kalt überlegten, bewußten Schwindlerin ipielen und legt ihr
ein unzweideutiges Bekenntnis ihrer wozdrgia in den Mund! Tag Lied, mit
dem Agrippina ihr Upfer in den Schlai iingt, die von Chamiſſo fpäter in feine
Gedichte aufgenommene „Nagennatur" iſt wenig geeignet, den Eindruck zu ändern.
In den legten Scenen 21 und 22 kann das verdiente Unglück diefes Scheuſals
una wenig erjchüttern. Ariftoteles hätte da nur die undramatiihe Wirkung der
gucardoonie feitgeitellt._ Chamiſſo ſucht den dramatiihen Gindrud zu vers:
itärfen, indem er ihren Schmerz zu einem wild leidenichaftlichen madıt. Um fo
tonderbarer, daß tie zulegt in Worte der Reue ausbridt (1 Scene 21, Vers 109 ff. ),
um gleih darauf in wildiwütigen Anapälten zu toben: „WBildgrinmiger eu,
du verdarbit in der Bruft Und der Liebe Gewalt und den Mitleid ganz,
Richtender Gott, web, weh Raiender mir Tie zum Zorn ich gereizt den ver:
derblichen Dann. “
Chamiſſo Scheint ſich bewirkt geweſen zu fein, daß er ein Unding in
Agrivpina geihaften habe. (Fr batte gewiß, eine energifche Imarbeirung im
Sinne. Drei Monate nach Abbruch der Arbeit, ala der ‚sortunatplan beinahe
ihon aufgegeben war, macht er nadı dem Yeben nee Studien au feiner Nariv:
pina vgl. voßzmann, ZXund XV). Gr war wohl zur Erkenntnis gekommen,
daß ſeine bisherige Yebenserfahrung gerade zu ſolcher Schöpfung nicht aus—
reiche.)
Soweit id die Frauengeſtalten überfhauen kann. Die dem jungen Chamiſſo
nahe getreten ſind, finde ich vor der Arbeit am Fortungt nur eine, die ihm
züge jur Agrivpina liefern konnte. Ach meine Ceres Tupernan. Leider iſt
iehamiſſos Verhältnis zu Eeres trog vielfacher Nachrichten aus dem gedruckten
Materiale nicht ganz klarzuſtellen. Hoffentlich erzählt uns einmal ein Kenner
des Nachlaſſes dieſes Verhältnis nach den originalen Onellen. Ich babe mich
in meiner (Frörterung (S. Vl fr ablichtlihb auf das Woriichtigite ausgedrüdt.
Zo viel icheint sicher: unter Der Mofetteric der ‚rau bat Chamiſſo ernitlich
gelitten. Und ich kann mir ganz aut dDenfen, dat; er in Ztunden des Unmuts
Dieſes verſpätete Modell wırd ın Chamiſios Vriefe an Varnhagen vom
27. Jannar 13807 als eine „Kokette, durch zahlreiche Ziege berühmt“, dann als
ein „junges, eben nicht ſchönes Mädchen“ geichildert. Chamiſſo erklärt feierlich:
„Ich werde doch nicht fir lichen“ ; gleichwohl merkt jeder Verfländige, daß Chamiſſo
fi fir das Mädchen ıntercifiert, daß cr nicht unglücklich iſt, „ſchon bei erfter
Sicht“ von ıbr beachtet worden zu fern. Zieben Wochen fpäter erzählt er dem⸗
ſelben Freunde, daß ſeine Brüder ıbın „ein junges, lieblihhes Mädchen” mir vielen
Tauſenden zur Wattın beſtimmt hätten, daß cr fie aber abichne. Ih nahm
(S. XXXV au, daß beide Mädchen eine Berion Seien. Koßmann fragt, woher id
das wiſſe; woher weiß Nopmann, daß ich fchlgcgangen bin? Gen, er
Ad Scheint wenig icharf zu sem, wenn er die beiden oben citierten Außerungen für
unvercınbar hält. der soft die Thatiache, daß der erſte Brief au® Bertus, der
andere aus dem wenige Meilen entfernten Troyes ftammt, als Gegenbeweis
dienen? In Vertus war Chamiſſo ber Seinem Bruder Karl, ın Troyes beı feiner
Schwefler; dennoh ichreibt er aus Troyes: „Memne guten, lebenden Vrüder
ichen's und ftaunen’, daß er nämlıh auf die Vartie nicht einging . . . llebrigens
ſie ſeien nicht identiſch. Was liegt daran”
Chamiſſo, Fortunat. 143
fich als ihr Spielzeug empfunden habe. Rechnet man einige jugendliche Über:
treibung hinzu, jo fann er auf Augenblide Geres wenigitend in feinem Innern
vorgeworfen haben, was Agrippina in der 7. Scene gu ihrem Programm
; in folder Stimmung ruft er der Freundin dann ein pathetiiches „Vous,
'avez trompe, Madame” zu, um wenige za fäter wieder feine befte
Freundin in ihr zu jehen. ALS er indes an die Schaffung Agrippinens ging,
mag feine Phantalie an den Reminiscenzen aus ber Zeit, da er mit Ceres ge=
firtet, jich genährt haben. Ob Geres in diefem Augenblicie ihm in ganz anberm
Lichte erichien, ift beinah' gleihgültig (vgl. Koßmann, S. X). Ja vielleicht
mug Ghamiffo abfictlic alerftärtfte Farben auf, um Agrippina mit Geres
nit ganz in Eins fliehen zu Iaffen. Jene Züge einer weltgewandten, über-
legenen, gereiiten Stennerin des andern Geſchlechts teilt Agrippina_gemiß mit
Geres; günftig alfo hat das Modell nidt eingewirkt. Wei ber Fanny des
Schlemihlmärhens ward ihr Vorbild ohne Zweifel glüdlicher verwertet,
Nicht die dem Stüde unterlegte Idee und nicht, bie zur Charatteriſtit
verwerteten Farben leihen dem Fragment fein romantiſches Kolorit, Das reihe
Formengewand rüdt es bor allem den Dichtungen Tieds nahe. Koßmann ion
mit Recht, Chamiffo habe es fih, dem Octavian in der Form nadjeifernb, nicht
leiht gemacht (©. XII); der Herausgeber notiert auch forgfältig bei jeder
Scene ihre Maße. Er ftellt feit: Blankoerfe, vierfüßige Trochäen, Alerandriner,
Zrimeter, Anapäfte, Terzinen, Affonanzen, zwei Sonette, 21 Stangen, adıt De:
cimen, vier Gedichte in Iprifhen Strophen. Ich glaube, wir können noch einige
Schritte über eine ſolche Aufzählung hinausgehen. Zunächft reicht der Octaviarı
ald Vorbild nicht aus; Chamiffo verwertet Formen, bie Tied3 Dichtung nicht
fennt. Der an Shafefpeare gebildeten Praxis Tieds entipriht allerdings, dab
Chamiſſo — ebenfo wie Fouque im „Galmp“ — Profa in die Verdichtung
einfhiebt und diefe Profa zu komiſchen Effekten ausnußt. Doc ſchon in dieſer
Richtung geht er über fein Vorbild hinaus. Nicht nur komiſche Figuren, wie
der Narr des Londoner Hofs, auch Andolofias tragiihe Perſon verfällt in
tragifhen Momenten auf eine derbklotzige, burleste Proſa, während fein Gegen—
vart in Verſen fpriht. Es find jene Momente, in denen — dem mit Fouqus
vereinbarten Programme entfprediend — bie „an ſich höchſt tragiihen Figuren
das höchfte Komiſche gebären”. Chamiſſo fcheint auch die Wirkjamteit biejer
zehmit, am feiner Umgebung erprobt zu haben (vgl. Koßmann, S. XXVII zu
Scene 11).
Dod) auch in ben verfifizierten Partien geht Chamiffo über das Vorbild
des Octavian hinaus. Er miſcht antite und moderne Maße. Aus dem „Alarcos"
von Friedrich Schlegel holt er fih Trimeter und wie Schlegel verquidt er das
Vaß des antifen Dramas mit Afjonanzen. Tieck ift erjt im Jahre 1812 in
feinem „Däumdhen“ zu diefer Form fortgeſchritten, um fie dann in jeiner
‚Fortunatbearbeitung 1815 feftzuhalten. Anapäfte entlehnt Chaniffo dem „Jon“
ilhelm Schlegels (vgl. feine Werte 2, 119); er gebraucht fie dem Vorbild
entfprehend an dramatiſch gefteigerter Stelle. fi
Die Benugung ber modernen, romanijhen Maße hält ſich genau an bie
Vorſchriften ber romantifhen Theorie. Eine Scene am Londoner Hofe will
durch ein Versfeuerwerk die Pracht des Hoffeits fhildern. Der Kanzler ergeht
ich in längerer Rede, halbmyftiih anbeufend und ausdeutend, über den tieferen
Sinn der eben beenbigten Zurnierfpiele. Die Rede ift in Terzinen gehalten;
denn Bernhardis Spradjlehre von 1803, da8 Lehrbuch romantijher Metrit,
bemerkt: „Der Charakter diefer Strophe ift umunterbrodene Folge der Reim:
verfettung. Daher es ſich a didattiſchen Darftellung, deren Weſen eine burd)=
gängige Verfettung und Verknüpfung von Ideen ift, am beften paßt... Auch
in, fleineren, ermahnenden und belehrenden Iprifhen Stücen wird dieſe Strophe
mit großer Wirkung gebraucht, und fie führt, wegen ihrer ftrengen und doch
vous
144 Chamiſſo, Fortunat.
verſteckten Regel in der Reimſtellung auf eine Zweckmäßigkeit für Gegenſtände
mpfteriöfen Inhalts“ (2, 427). Wie hier Chamiſſo der Vorſchrift Bernhardie
ſich fügt, ſo läßt er ſich von ihm den Gebrauch der Decime im Drama lehren.
Er verwertet ſie „bei ſteigender Leidenſchaft, wo ſie den Fluß und Sturm der⸗
ſelben gut ausdrückt“ (a. a. O., 9.435), alſo etwa in Scene 7 au dem Triumph⸗
lied Agrippinas, das in übermütigiter Weile den Mann as Zlaren der Frau
hiuſtellt. Auch die Scheidung, die Bernhardi (a. a. O., 25) zwiſchen der
ruhigeren epiſchen und der ſchwungvollen dramatiſchen Stange Gorıimmt, fommt
in den pathetifhen tanzen des zu Ruhm und Ehre ausziehenden Andolofia,
dann in der ergreifenden Mahnung des (Fremiten zu ihrer Geltung. Wenn
endlid der Alerandriner zu fomifcher Wirkung dem bornierten Könige von
England und ſeinem vatloien Nat in den Mund gelegt wird, fo bat Bern:
bardi (a. a. O., S. 391) auf den vortreftliden fomiihen Gebrauch hin:
gewieſen, den der junge Goethe im Jahrmarktfeſt zu Plundersweilern von
ihm gemacht bat.
Hauptvers im Dialog tt der Blankvers wie im „Uctavian“. (Ter „Galmy“
nugt den Knittelvers.) Neben ihm ericheinen vierbebige affonierende Trochäen
in Scene 11 und 20 — das Lieblingsmaß des Anfängers Fonque; feine unter
W. Schlegels Ylgide veröffentlichten „Dramatiihen Zpiele von Pellegrin“
1804) verwerten ihn gerit.
Zu den rein Inrihen (Finlagen benunte Chamiſſo zunädft eintace
trochäiſche und iambiſche Vierzeiler, die una auch im „Galmy“ beneanen; dann
eine komplicierte Strophe Tieda (Merle 1, 321; vol. Lohmann Z. XXIII).
Endlich benennen wir dem jedermann gelanfigen Liede „Nagennatur”, das
hanifio in feine Bedichte aufgenommen und deifen Form er fich felbit ge:
bildet hat.
Ohne z3weifel hat alſo Ehamiſſo die Metrik feines Fragments fich ehrlich
sauer werden haſſen. Freilich krönt nur ſelten echter Erfolg ſeine Bemühungen.
Mühſam fuügt ſich ſeine an Gallicismen reihe Sprache der raffinierten Form.
(Fin ſchülerhaftes Exercitium, mehr iſt der Fortunat nicht; wenigſtens von
tormaler Seite. Um fo intereſſanter iſt una ſein Gedankengehalt. Leicht fügt
er ſich in den Rildungogang des Dichters cin. Denn das Thema der Reſigna—
tion wird von Ehamiſſo noch oft angeſchlagen. Gleich feine nächſte große
Dichtung, der Schlemihl, predigt die Freuden reſignierter Selbſtbeſinnung.
Und in dieſer Refignationdſtimmung tritt Chamiſſo unſern Klaſſikern an bie
Zeite. „Non der Gewalt, die alle Menſchen bindet, befreit der Menſch ſich, der
ih überwindet“, die Morte hätte Chamiſſo einem ‚yortunat ala Motto vor:
sicht bloß im der Metrit des Fragments liegt ſeine romantiiche Form.
Auch die Sprache wäre heranzuzieren. Koßmann notiert einige Wıgentümlichleiten
der Sprache in seinen fritifshen Anmerkungen 12. 66 fi.). ‚greilich hält er aus
Unkenntnis mandes fir Eigenheit Chamiſſos, das nur der Zprahe der Romantik
abgelauicht iſt. Der zu Scene 20, Vers 131 hervorgehobene „Suntalnfch loſe Datıp“,
den Chamiſſo gern gebraucht. hätte fih aud vor Koßmanns Augen al® (igen-
tümlichkeit des romantiſchen Stils enthüllt, wenn er emen Bhd ın Petrichs „Drei
Kapitel vom romantnichen Stil“ ıYemzıa I1RTR, 2. 130 8.) gethan hätte. Petri
fleißige zZuſammenſtellungen follten bei iprahlidhen und ſitiliſtiſchen Unteriuchungen
aus dem (Webicte der Romantık iiberhaupt mehr beachtet werden Agrippinas Lied,
Scene 6, Vers 71 fi. iſt ein glängender Beleg für die muſikaliſchen Neigungeu
der Romantıf vgl Petrich a a. D., S. 19 fir. Auch Chamiſo ſpricht von einem
„Ningenden Glanze“, von „tbauenden Blicken“: für Schmerzen entzünden fi
„in der Töne Meer“ u. I mw. Um nicht meme Meine Studie noch mehr aus
zudehnen, begnüge ich mich mir dieſen Andeutungen.
Wolff E., Geſchichte der deutfchen Litteratur in der Gegenwart. 145
jegen können. Ein Epigone der Klaffiler, Grillparzer, aber faßt fein fittliches
Programm in den echt epikteteifchen Werfen zufammen:
Schatten find des Lebens Güter,
Schatten jeiner Freuden Schaar,
Schatten Worte, Wünfche, Thaten,
Die Gedanten nur find wahr
Und die Liebe, die du fühleft,
Und das Gute, das du thuft.
Wien. Oskar F. Walzel.
Wolff Eugen, Geſchichte der deutſchen Litteratur in der Gegenwart. Leipzig,
©. Hirzel. 53 M.
Wer noch in der Lage iſt, von Eugen Wolff enttäuſcht zu werden, den
wird dies Buch enttäufchen. Schon der Titel erweckt falſche Erwartungen, denn
von einer wirklichen hiftorifhen Entwidlung ift hier nicht die Nede; nur ein
fritifcher oder jagen wir befjer fritifierender Uberblick der neueren Litteratur in
ungeführer chronologiſcher Folge wird uns aufgetifcht. Wie aber fieht diefe Kritik
aus! Nirgends wird auch nur der Verſuch gemacht, eine ganze Dichterfigur in
ihrer Eigenart hinzuftellen oder auch nur ein einzelne Werk ttefgehend zu er:
faffen; dem Verfaſſer geht, die piychologiiche Seinfühligkeit, die er (©. 361)
Brandes nahrühmt, fo völlig ab, wie was er ihm abfpricht: „die rein äfthe:
tiihen und rein litterarifchen Verhältniffe, ſowie die gleihmäßige Vertiefung
in das Detail, weldye für objektive Betrachtung unerläßlich ift.” Diefer feine
Senner behauptet 3. B. (S. 83), Gerhart Hauptmann habe alles gethan, um
Loth cin „Vor Sonnenaufgang“) in ein glänzendes Licht zu ftellen, er beipricht
gebe (S. 280) ala Lyriker ausführlich, als Dramatiker nur in flüchtigſtem
orübergehen; er erklärt, Fritz Reuter habe „mit allen glänzenden Kunſtmitteln
des modernen Romans“ um das Herz des modernen Publikums geworben
5 168). Freilich ift es bei Wolff ſchwer, zu entſcheiden, ob er aus Phraſen—
aftigkeit oder aus Verftändnislofigkeit fo verblüffende Urteile abgiebt. Denn
ein Buch, wo die Phrafe fich gemütlicher und banaler breit machte, ift un? feit
Portigs „Schiller und Goethe” nicht vorgefommen. „Charafteriftif und Realiſtik
ift das Weſen des germaniſchen Kunſtſtils“ (S. 22); fo etwas darf man ruhig
jagen, wenn man die „verwaſchene Phrafe” vom Real-Idealismus fo finnig
durch „Ideal-Realismus“ erfegt (S. 28) oder fich folgende Sätze leiften kann:
„Realismus befunden num Schon Storms Stoffe und Motive. Namentlich ift
die Liebesglut in allen Stadien ihrer Entwiclung gezeichnet, wie fie flammend
heiß emporlodert” (S. 208). Bei fo fcharfer Erfaffung der Begriffe „Realismus“
und „Idealismus“ wird man über feinen Widerfprudy mehr ſtaunen und es
anz natürlich finden, wenn Wolff (S. 86) Gerhart Hauptmann an denfelben
ShNer weift, defjen Stil (S. 15) lebenäfräftige Keime für das Drama der
Gegenwart nicht enthält oder wenn er das „Fragezeichen am Schluß“, das er
bei Ibſen (S. 120) tabelt, bei G. Seller (S. 289) bewundert. — An andern
Stellen ift es überhaupt nicht möglich, fih bei Wolffs tönenden Redensarten
etwas Ernſtes zu denken. „Die Wallung des Blutes fündet, was einjt die
Stimme ded Herzens ſprach“ (S. 33). .Die Zukunft der deutfchen Volks- und
Nationalbühne liegt da, wo deutſches Volkstum wächſt: in der Syamilie und
bei der produftiven Arbeit, in der Urmwiüchfigfeit des deutfchen Stammesbemußt-
ſeins“ (©. 140). Neben ſolchen Orakelſprüchen dienen zur „Uppermünterung“
des Stils, wie Neuter jagen würde, Schöne Worte wie „Idealiſtik“ (S.8) und
„PBridelei* (S. 214) und beſonders köſtlich gewählte Gitate: „Wie treffend
Euphorion IV. 10
146 Wolff E., Geſchichte der deutfchen Fitteratur in der Gegenwart.
sagt Schiller —“ (5. 24). „Und wahrlidy! gerade heute wäre eine Wirkung
der Kunſt auf das Volk vonnöten: denn nur
Wer der Dichtung Stimme nicht vernimmt,
Iſt ein Barbar!* (Z. 137.)
„Namentlich bewährt dies Epos die Berechtigung des Schillerſchen Entfegenss
rufes: „Da werden Weiber zu Hyänen“ (S. 155). Auf der Höhe diefer fo
jinnig angewandten Blüten und Perlen deutiher Dichtung ftehbt der Aus:
ruf: „Das neue Tichtergeichledht bätte lernen jollen, daß der Kühnfte ber
Größte iſt — habts a Schneid!“ (S. 68). Und dieſer fidhere Geſchmack, der
Herrn Wolff jo ganz beſonders zur Kritik befähigt und der ihm ſchon längft
einen ganz befondern Ruf verſchafft bat, zeigt fih auch in fo hübfchen &leich-
niffen wie den vom „Parfüm-Talmiduft des Salons“ (5. 60) oder in Wen-
dungen wie diefe: „Zittlih und religiös iſt dieſe Ich-Lehre ſchon gar nicht“
(3.75). „Nur die Hypotheſe fucht mir kühnen, freilich oft fchiefen Blicken bald
von der einen, bald von einer andern Zeite (sic) den Nebel zu durchdringen“
(S. 144); „Dies Pracdıteremplärden von Nulturbeitie" (Z. 223; gemeint ift —
die NKommterzienrätin aus Fontanes „zyrau Jenny Treibel!“). „Wir fürdıten, diefe
Kuh wird an der jüngftdeutichen Poetik als crichredendes Mabrzeichen haften
bleiben” (2. 251). „Am tiefſten iſt wohl „Das Gemeindelind“ in die Seele
eines völlig eigenartigen Weſens eingedrungen“ (Z. 212). Endlich würzt Der
Verfaſſer, der »S. WW f.) jelbitveritändlich vor der puriftiihen Mode feine
Verbeugung macht, jeine Daritellung noch durch die überflüffigiten Fremdwörter,
ipricht aleich auf der nächſten Zrite (2.31) vom „tiers etat”, läßt eine Heldin
(2. 226) ſich „Decondrieren“ und jagt (Z. 64) gut maccaronifh: „Für unfern
Dichter find naturalia immer non turpia.
Ih hätte mich, bei Dielen ergöslichen Außerlichkeiten nicht fo lang aufs
nebalten, wären fie nicht auch für Die innere „Form des Buches fo harafteriftifch.
Die aleihe Unfähigkeit klarer Erfaſſung führt ihn bei der Beurteilung früberer
Perioden irre, wenn er (2.104) das Wort „Nerven“ bei Mlinger im mobdernften
Zinn nimmt; ſonſt leiitet ibm freilich Unkenntnis dieſelben Dienſte, wenn er
etwa in Tumasd' „Mameliendame” zuerit den Sieg der Zünderin und den un:
gejund empfindiamen Neriuch ihrer Rehabilitierung findet (und „Menſchenhaß
und Reue“?) oder wenn ihm (S. 3251 5. Dart mit der Schilderung des Groß—⸗
ftadttreibene „ein Stück modernes Yeben neun für die Lyrik gervonnen hat“.
Zie macht ea ihm unmöglich, Mare Analnfen zu geben, wofür die Eſelsbrücke
breiter Broben, befonders beim Noman aushelfen muß; tie läßt ihn ftatt ins
dividueller Charakteriſtik Urteile wie „pſychologiſch ebenfalls fein gearbeitet”
(3. 216) und das breite inhaltalofe Gerede über Oskar Linke (3. 332) vor:
bringen. Der Chauvinismus, der fich in der ‚Fremmdmwörterverfolgung und noch
mehr in den Mlagen über die „Entſittlichung“ Teutichlande durch die französ
fiihen Tramen (2. 112) bemerkbar naht - ala ob Hoffmannowaldau und
Deffer, Kotzebue und Klauren den Tumas und Zardou auf die Kreide zu ſetzen
wären! — läßt ibm auch die geihmadlotefte Tellamation von Nittershaus
(2.317) ihres „patriotiichen“ Inhalte wegen „bedeutfan“ erfcheinen und giebt
ihm matürlid einen völlig einseitigen Ztandpuntt gegenüber Wildenbrud
2.43.) und R. Wagner (2. 40). Dazu komme noch der Yolalpatriotismuß,
der Klaus Groth immer wieder iiber Gebühr preift und für die Rieler Freie Bühne
t<. 138) Nellame macht. Bei all dem laufen natürlih auch beffere Partien
mit. Es iſt ein ganz auter Gedanke, den ciiernen Bühnenbeſtand des deutſchen
Theaters (S. 122 j. bier zu muftern, wobei ich freilich (Woethes Revolutionss
Initipiele (Z. 125) auch danı nicht zur Wiederaufnabme empfeblen würde,
wenn ich mich berechtigt glaubte, fo ſchlankweg (S. 119) von der „bemofra»
Wolff E., Gejchichte der deutfchen Fitteratur in der Gegenwart. 147
tiſchen Lüge” zu reden. Auh daß Wolff das ausländifhe Drama auf der
deutihen Bühne (S. 110 f.) mit einbezieht, ijt lobenswert. Die Kritik (©. 353 f.)
hätte ich nicht befprochen, wenn ich nicht einmal für I wichtige Litteratur-
gattungen wie Brief, Tagebuch, Aphorismus Raum gehabt hätte; und jeden:
falls hätte ich fie eher weggelaſſen, als die gejamte darftellende Litteratur,
Ranke und Mommfen und Treitſchke, Hermann Grimm und Scherer, Haedel
und Helmholg. Wolff aber hatte hier zu viel auf dem Dan Schon vor der
Thür dieſes Schlußkapitels poltert er gegen die böfe reife (S. 352), deren
Sünden id) nicht leugne, die aber gerade für Anzengruber und gegen die Marlitt
gefämpft hat. Es folgt ein Zerrbild der modernen Kritik, da über ein paar
berechtigten Klagen alles, was an ihren Beſten zu loben ift, verjchmeigt. Ich
denke, eine Recenfentenihaar, die G. Freytag, Kürnberger, Julian Schmidt,
Yontane, Hermann Grimm, Scherer in Ihrer Mitte gefehen hat, läßt ſich nicht
lediglid; mit ein paar Späßen und Anklagen abthun. Aber Wolff hat nur
einmal zu loben — und da lobt er Bleibtreu, weil er Hauptmann entdedt
habe (5. 363), was aber Brahm ge.;an hat. — Troß alledem wäre es fchade,
wenn dieſer Abfchnitt fehlte. Denn der Verfaſſer hat hier aud) ein perjünliches
Erlebnis mitgeteilt: wie 8. 3. Schröer feinen „Soethe” für dag Litterarifche
Gentralblatt recenfieren wollte und wie ihn dann dort ein anderer beſprach
(ES. 369). Um an diefem klaſſiſchen Beiſpiel fo recht deutlich die Wertlofigfeit
der Kritik Darzuthun, drudt er voller Selbftverleugnung ein gutes Stüd aus
der nicht3 weniger als fchmeichelhaften Recenfion des unerbetenen Richterß ab;
denn dem andern hatte der über die Zufendung bon Recenliongeremplaren
(S. 371) wetternde Berfaifer fein Buch zugefhidt. Durch diefen Zwiſchenakt
ift in das von Oberflächlichkeit und Phraſe bededte Buch doch einmal auch ein
fadhliches Urteil hereingelommen; und wir hoffen, daß das unzweifelhaft bald
erfcheinende nächſte Werk des Herrn Wolff in ähnlicher Weile einen Auszug
aus unferer Beſprechung zur Geltung bringen wird.
Berlin. Richard M. Meyer.
Berihtigung.
Zu Band 3, ©. 735 ff. Der Brief Bürgers an Karoline Biſchoff ift, wie
err Baflor C. Nutzhorn in Bilfingen leider erft zu fpät bemerkte, bereit von
trodtmann in der Slluftrierten Frauenzeitung 1877, Nr. 42 („Zur Geſchichte von
Bürgers erfter Che‘), allerdings ohne das Fragment von Dorette, veröffentlicht
worden. Die Fortſetzung des Auffates (Nr. 44, 46) enthält Auszüge aus Briefen
von Molly und Dorette.
Bibliograppie.)
1. Beitfdriften.?)
Berhandlungen der 33. Verſammlung deutſcher Philologen und
chulmänner in Röln vom 24 bı8 28. September 1898.
Allgemeine Eruungen Ziegler, Die Philofophie ım Schulunterridt, ein
Kapitel aus der Geichichte der Hohen Karhsſchule in Stuttgart. — Wenter,
Über den Sprachatlas des Teutichen Reiches.
Nenphrlologifhe Sektion. Kellner, Goethe und Carlyle.
Germaniftiihe Sektion Rötteken, Uber die Dichtungsarten (vgl.
Eupborion 3, 336) — Schröder E., liber die ım erftien Bande der „Deutfchen
Sagen“ (2. Ausgabe, S. 275) enthaltene Geſchichte von den verfludten
Tänzern von Kölbigf.
Pädagogifhe Erektion. Kehrbach, Bericht über die wiſſenſchaftlichen Ber-
öffentlichungen der Sefellihaft für deutſche Erzichungs- und Schulgeſchichte.
Biographiſches Jahrbud für Altertumskunde. (Beiblatt zum Jahrce-
beriche über die Fortſchrute der claffiihen Altertumswifienschaft.) Jahr⸗
gang 19. Peft 1-5.
'y Ich wiederholte aus den früberen Banden, dag es der Zweck diefer Biblio
graphie iſt, die Leſer der Zeitſchrift über die für fte wertvollen und wichtigen neuen
Ericheinungen raſch zu orientieren. Es ıf daher jede Vollſtändigkeit aus-
geſchloſſen, Unweſentliches von vornheren ausgeſchieden. Wecenfionen
find ın der Regel nur dann aufgenonmten, wenn fie die Sache entihicden fördern
und neue YAchanptungen auch beweiſen. An abgelegenen Orten Gedrudtes iſt aus⸗
führticher wiedergegeben al® das allgemem Zugängliche, urkundliche Mitteilungen
find forafältiger gebucht als darftellende Artikel. - Mit Rückſicht anf den zur
Verfügung ftebenden Kaum wird von nun ab nod größere Nnappheit und firengere
Auswahl angeitrebt; Artıfel und Bücher über politiſche Geſchichte ꝛe. werden
feltener verzeichnet, aus der Luteratur des 18 und 19. Jahrhunderts werden
blope Nenanflagen ohne wüſenichaftlichen Wert cbenio wie Überfetungen ın fremde
Zprachen berserte bleiben Übrigens munten diesmal mehrere Abſchnitte der Biblio⸗
grapbıe für das nächſte Heft zurüdgelegt werden — Die Derren Autoren und
Berleger bite ıh um moglıhit raſche zZuſendung der einſchlägigen
Bücher, Tiiiertationen, Programme, Zonderabziige und Zeitungen,
weil nur m diesem Falle eine genügende Berichterflattung erfolgen fan.
A. Zauer,
Wo die Jahreszahl fehlt, ıft 1806 zu ergänzen.
1896. 149
Müller Albert, Ludwig Ferdinand Herbft, geb. 30. Juni 1811, geft.
23. November 1894.
Wolters B., H. &.Lolling, geb. 23. November 1848, geft. 22. Februar 1894.
Ziehen J. Robert Fröhlich, geb. 19. März 1844, geft. 23. Mai 1894.
Schulteß O. Konrad Meifterhans (1858—1894).
Schlee E., Chriftian Kirchhoff, geb. 11. Juni 1822, geft. 23. Auguft 1894.
Haeberlin &., Heinrih Keil, geb. 25. Mai 1822 zu Greſſow, geft. 27.
Auguft 1894 zu Friedrichrode.
Jahresberidyt über die Erjcheinungen auf dem Gebiete der germanifchen
Bhilologie. 17. Jahrgang 1895. Erſte Abteilung. Ä
I. Hartınann %., Allgemeine Lerifographie. — II. Werfche K, Namen-
tunde. — Ill. Hartmann %., Allgemeine und vergleichende Grammatik, Metrik.
Nr. 74 ff. Deutfhe Grammatik. — IV. Böttiher, Neuhochdeutſch. —
V. Seelmann ®., Deutfhe Mundartenforfchung (außer niederdeutih). —
VI. Böttiher, Litteraturgefchichte. — VII. Bohm, Alterthumskunde. Nr. 35 fi.
Deutihe Geſchichte. Nr. 59 ff. Einzelne Landfchaften. Nr. 81 ff. Städte. —
VII. Dann B., Kulturgeſchichte. Nr. 12 ff. Landichaften. 20 ff. Städte. 44 ff.
samilien. 56 ff. Buch- und Schriftwefen. 82 ff. Gottesdienft und Kirche. 128 ff.
Kunft. 158 f. Schule und Bildung. 170 Trachten. 171 f. Univerfitäten.
Jahresberidgte für nenere dentſche Litteraturgefchichte. Band 6.
(Fahr 1894). 1. Abteilung.
I. Allgemeiner Zeil. I, 1. Harnad O., Litteraturgeididte — J, 2.
Golther W., Geſchichte der deutfhen Philologie. — J, 3. Hafe ©. v.,
Schrift- und Buhmefen. — 1, 4. Liebe G., Kultur-Geſchichte. — 1, 5.
auffen A, Volkskunde. — IL 6. Naumann E., Die Litteratur in der
nr — 1,7. Scheel ®., Geſchichte der neuhochdeutſchen Scrift-
prade.
IV. Bon der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. IV, 1. Allge-
meines. a. Stern A., Titteraturgefhidhte. — b. Winter ©., Politiſche
Geſchichte. 1893, 1894.
Zahrbuch der deutihen Shakefpeare-Gefellfchaft. Jahrgang 32.
Fiſcher Kuno, Shakeſpeare und die Bacon-Mythen. Vortrag zur Jahresver⸗
jammlung 1895.
änfel 2., Shaleipeare an den deutſchen Hochſchulen der Gegenwart.
ilian E, Die Münchener Shalefpeare-Bühne. Umarbeitung eines in der
„Deutſchen Dramaturgie”, Jahrgang 1, Heft 7—9 erichienenen Aufjates.
Kilian E., Eine neue Bühnenbearbeitung von König Heinrich VI. Von
W. Buchholz. ,
Mauntz A. v., Zur Terterflärung und Überjetung ins Deutfche von Shake—
ſpeares deingih IV., erſter Teil.
ebler C., Zu dem Artikel: Die neueſte deutſche Hamlet-Litteratur im
Jahrbuch 1895 (vgl. Euphorion 1, 237 und 491).
Fellner R, „Was Ihr wollt“ auf einer neuen Shalefpeare- Bühne.
Nekrologe: Guſtav Freytag, — Tangerr G., Julius Zupita —
Bormann W., Eduard Wilhelm Sievers. Wiederholung und Ergänzung des
unvollfländig gebliebenen Nekrologs im vorigen Band.
Schwark R., Gedantenübereinftiimmung Shalejpeares mit einem pommerjchen
Geſchichtsſchreiber Thomas Kankom).
Koch M., Ludwig Tiecks Stellung zu Shakeſpeare. Vortrag zur Jahres⸗
verſammlung 1896.
Wechſung A., Statiſtiſcher Ueberblick über die Aufführungen Shakeſpeariſcher
Werke auf den deutſchen und einigen ausländiſchen Theatern im Jahre 1895.
Biblivgrappie.)
1. Beitfäriften.2)
Berhandlungen der 33. Verſammlung dentſcher Philologen und
dhulmanner ın Köln vom 24 bı8 28. September 1895.
Allgemeine Sitzungen Ziegler, Die PBhilofophie im Schulunterricht, ein
Kapitel aus der Geidhichte der Hohen Narlsichule ın Stuttgart. — Wenter,
Über den Sprahatlas des Deutſchen Keiches.
Neuphilologiſche Sektion. Kellner, Goethe und Carlyle.
Germaniſtiſche Sektion Höttelen, Uber die Dihtungsarten (vgl.
Euphorion 3, 336) — Schröder E., liber die ım erften Bande der „Deutſchen
Sagen” (2. Ausgabe, S. 275) enthaltene Geſchichte von den verfludten
Tänzern von Kölbigt.
Pädagogiſche Sektion. Kehrbady, Bericht über die wiflenichaftlichen Ver⸗
öffentlichungen der Sefellichaft für deutihe Erzichungs- und Schulgeſchichte.
Biographiſches Jahrbud; für Altertumskunde. (Beiblatt zum Jahres⸗
bericht fiber die Fortſchrute der claffiihen Altertumswiſſenſchaft.) Jahr⸗
gang 1%. Heft 1—5.
) Ich wiederhole aus den friiheren Bänden, daß es der Zweck diefer Biblio-
graphie ıft, die Leſer der Jeitſchrift Über die für fie wertvollen und wichtigen neuen
Erſcheinungen raſch zu orientieren. Es ıft daher jede Vollſtändigkeit aus—
geſchloſſen, Unweſentliches von vornherem ausgeſchieden. Recenfionen
find in der Regel nur dann aufgenommen, wenn fie die Sache entichieden fördern
und neue Behauptungen auch beweiſen. An abgelegenen Urten Gedrudtes ift aus⸗
führlicher wiedergegeben al® das allgeme Zugängliche, urkundliche Mitteilungen
find forgfältiger gebucht als darftellende Artikel. -—- Mir Rückſicht auf den zur
Verfiigung fichenden Raum wırd von nun ab nod größere Knappheit und ftrengere
Auswahl angeſtrebt: Artikel und Bücher über volitifche Geſchichte ꝛe. werden
ſeltener verzeichnet; aus der Luteratur des 18. und 19. Jahrhunderts werden
bloße Nenauflagen ohne wiſſenſchaftlichen Wert ebenſo wie Überfepungen in fremde
Sprachen beiſeite bleiben. Übrigens mußfiten diesmal mehrere Abſchnitte der Biblio⸗
graphie für das nächſte Heft zurückgelegt werden — Die Herren Autoren und
Berleger bitte ich um moglihft raſche Zuſendung der einſchlägigen
Bücher, Diſſertationen, Programme, Sonderabzüge und Zeitungen,
weil nur in dieſem Falle eine genügende Berichterſtattung erfolgen kann.
A. Zauer.
= Wo die Jahreszahl fehlt, iſt 1896 zu ergänzen.
1896. 149
Müller Albert, Ludwig Ferdinand Herbft, ‚geb. 30. Juni 1811, geft.
23. November 1894.
Wolters P., H. G. Lolling, geb. 23. November 1848, geft. 22. Februar 1894.
Shen J., Robert — geb. 19. März 1844, geft. 23. Mai 1894.
Schulteß D., Konrad Meifterhans (1858 — 1894).
Schlee E., Sheifion Kirchhoff, geb. 11. uni 1822, geft. 23. Auguft 1894.
Haeberlin &., Heinrih Keil, geb. 25. Mai 1822 zu Greſſow, geft. 27.
Auguft 1894 zu Friedrichroda.
Jahresbericht über die Erfcheinungen auf dem Gebiete der germaniſchen
Philologie. 17. Jahrgang 1895. Erſte Abteilung.
I. Hartınann %., Allgemeine Lexikographie. — II. Werſche K, Namen
tunde. — Ill. Hartmann F., Allgemeine und vergleichende Grammatik, Dietril.
Nr. 74 ff. Deutſche Grammatik. — IV. Böttider, Neuhochdeutſch.
V. Seelmann W., Deutſche Munbartenforfhung (außer niederdeutſch). —
VI. Bötticher, Sitteraturgefhicite. — VII. Bohm, Xfterthumstunde Nr. 35 fi.
Deutfhe Geſchichte. Nr. 59 ff. Einzelne Landfchaften. Nr. 81 fi. Städte. —
VII. Dann B., Kulturgeſchichte. Nr. 12 ff. Landichaften. 20 ff. Städte. 44 ff.
samilien. 56 ff. Buch- und Schriftweſen. 82 ff. Gottesdienft und Kirche. 128 ff.
Kunſt. 158 f. Schule und Bildung. 170 Trachten. 171 f. Univerfitäten.
Jahresberidte für nenere deutſche Litteraturgeſchichte. Band 5.
(Jahr 1894). 1. Abteilung.
I. Allgemeiner Zeil. I, 1. Harnad O., gitteraturgeſchichte — I, 2
Golther W., Geſchichte der deutſchen Bhilol ogie. — I, 3. Haſe —* v.,
Schrift⸗ und Buchweſen. — I], 4. Liebe G., Kultur-⸗-Gefchichte. — I, 5.
genfien A, Bollsfunde — J, 6. Naumann E., Die Litteratur in der
—28 — 1,7. Scheel W., Gefchichte der neuhochdeutſchen Sdrift-
ſprache
IV. Bon der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. IV, 1. Allge-
meines. a. Stern A., Litteraturgefhichte — b. Winter G., Politiſche
Geſchichte. 1893, 1894.
Zahrbuch der deutihen Syakeſpeare⸗Geſellſchaft. Jahrgang 32.
Fiſcher Kuno, Shalefpeare und die Bacon-Mythen. Vortrag zur Jahresver⸗
jammlung 1895.
ränfel 2, Shafelpeare an den deutjhen Hochſchulen der Gegenwart.
ilian E, Die Münchener Shalefpeare-Bühne. Umarbeitung eines in der
„Deutichen Dramaturgie, Jahrgang 1, Heft 7—9 erjchienenen Aufſatzes.
Kilian E., Eine neue Bühnenbear eitung von König Heinrich VI. Bon
W. Buchholz.
Maunt A v. Zur Terterflärung und üÜberſetzung ins Deutfche von Shake—
jpcares —* IV., erſter Zeil.
ler &., Zu dem Artikel: Die neuefte deutſche Hamlet-Litteratur im
Jahrbuch 1896 (vgl. Euphorion 1, 237 und 491).
Fellner R, „Was Ihr wollt“ auf einer neuen Shaleipeare- Bühne.
Netrologe: Guſtav Freytag, — ZTanger ©., Julius Zupita —
Bormann ®., Eduard Wilhelm Sievers, Wiederholung und Ergänzung des
unvollgandi gebliebenen Nekrologs im vorigen Band.
Schwartz R., Gedantenübereinftimmung Shalejpeares mit einem pommerſchen
Geihihtefchreiber [Thomas Kankom).
„Ludwig Tieds Stellung zu Shalejpeare. Vortrag zur Jahres-
verfomalang 1896.
Wechſung A., Statiftifcher Ueberblid über die Aufführungen Shakefpearifcher
Werke auf den deutſchen und einigen ausländiſchen Theatern im Jahre 1896.
150 Bibliographie. 1. Zeitfchriften.
Gerthe-IJahrbund. Band 17. Mit dem 11. Jahresbericht der Gorthe-
Geſellſchaft.
l. Neue Mitteilungen: J. Mitteilungen aus dem Soethe- und Schiller⸗Archiv.
1. Wahle J. Betrachtungen über ein dem Dichter Goethe in ſeiner Vaterſtadt zu
errichtendes Denkmal. Ein Aufſatz datiert Weimar 21. Mai 1821: das Reſultat von
Beiprehhungen Goethes mit H. Meyer und Ranzler v. Müller. — 2—4.Harmad D.,
Über Kunft- und Handiverf; liber die Gegenftände der bildenden Kunfl; Über firenge
Urteile. Drei Aufſätze Gocthe8 aus dem Gedanlenfreife der Bropyläen. —
5. Leitzmann A., Brichvechfel zwiihen Brindmann ıBaris, 29. November 179%;
Berlin, 4. October 1803, 15. Maı 1804 und (Goethe (Weimar, 1. Juli und
24. October 1803). Nebſt einem Briefe Arindmanns an Karoline von Rolzogen
(Berlin, 16. Mai 1804) — 6. Geiger %., Briefe er. Tieds an Goethe. 1802 bis
1828. — 7. Gräf 9. &., Zwei Briefe von Johann Heinrih Voß an Gocthr.
Jena, 27. April 1805 (meldet feinen Abgang nad) Heidelberg): Heidelberg, 26. Ci
tober 1806. — II. Otto F., Beſuch des Freiherrn Ludwig Yöm von und zu
Steinfurt bei Goethe am 3. Uftober des Jahres 18220. Nach einer fpäteren
Aufzeihnung des Freiherrn 8. F. ®. von und zu Steinfurt (1R03— 1868). Inter:
effante Ausipriiche Goethes fiber die theologiichen Streitigkeiten der Beit, über
feine Toleranz in religiösen Tingen, Über den Galitziu ſchen Kreis, das Frır-
Sclofferiche Ehepaar.
11. Abhandlungen: 1. Gräf 9. ©., Heinrich Voß der Jüngere und
ſein Verhältnis zu Goethe und Schiller. Charakteriſtik Heinrichs mit —88
ungedrudter Briefe von ibm au Goethes Sohn, an Chriſtiane, an ®. N.
Abeken umd F. K. Wolff, jowie der Manuffrivte von Goethes Herrmann
und Dorothea, Reinecke Fuchs und Achtlleis, an deren metrilcher Aus:
geftaltung Heinrich Voß Anteil hatte — 2. Meyer R. M. J 2. Edermann.
Charakteriſtik Eckermanns auf Grundlage feiner „Beiträge zur Poeſie mit befonderer
Hinweiſung auf Goethe“. Mit richtigem Bid habe Hocthe, der längft einen hın-
gebenden Schüler und Genoſſen, einen Verwalter und Heransgeber ſeines Nachlaſies
gefucht, um Schubarth ımd Zauper aber vergeblich geworben hatte, Edermann
al8 die dazu geeignete Prriönlichkeit erfannt, ihn feſtzuhalten und zu feiner wichtigen
Aufgabe beranzubılden weritanden. Marne Würdigung der Yerftungen und der %rz
deutung Eckermanns. — 3. Mitlowelt &., Der Erdgeiſt ım Fauſt. Geſpräch
zweier Goethefreunde. 4 Ztrzugowsti 3, Yeonardos Abendmahl und
Goethes Deutung. — 5. Zipper X, Ueber Goethes Zonette. Em Bortrag. —
6. Friedländer Mi, Goethes Gedichte in dev Mufik Für 24 Gedichte Ver
zeichnis aller Kompoſitionen. — 7. Ralentin V. Frankfurter Maler ım Goethe—
doph zu Frankfurt Im Anſchluſſe an die Frankfurter Goethe Ausſtellung vom
Jahre 1800.
III. Misceſlen, Chrom, Bibliographie. J. Niscellen. A. Einzelnes zu Goethes
Leben und Wırlen. 1. Zu Fauſt. a E. W Manning, Zur Chronologie des erſten
Paralipomenon zu MWoethes Fauſt imit Fakſimile. Kommt zu dem Schluß,
„dar Goethe kurz vor dem 1ä Oktober 1773 das |. Paralivpomenon geſchrieben
bat, daß etwas von ieinem Fauſt möglichermweiie ſchon zu Papier gebracht, daß
aber die Greichen Tragödie damals nicht ausgedacht war: und, daß cr ſchon den
Entſchluß gefaßt hatte, einen zweiten Theil zu ſeinem Fauſt zu dichten“. — h. Bau—⸗
meiſter A., Die mittelalterliche Ritterburg im 2. Teil, Alt III. Goethe
mußte genauere Kunde haben von der unweit von Sparta im Mutelalter er:
richteten, noch heute in Runen erhalienen fränfiichen Ritterburg Miſträ. —
e. VRaumeiſter A., Höchſt — iJd. Fürſt NR.,, Der Kampf mit den Meere ın
Goeihes zweitem Fauſt. Hinweis auf den italieniſchen Makrobiotiker Luigi Cor⸗
naro (1167 1566) und deſien im hodhiten Greiſenalter verfaſtten Trattato delle
acıme. - —e. Heidenhemer ©., Jum hiſtoriichen Fauſt. Erwähnung in einer
Relation des Nuntms Minncci Köln 1583 Nuntiaturberichte aus Deutſchland
1896. 151
1572 — 1585, 2, 617). — 2. Martinfen W., Zur Entftehungsgeichichte von Goethes
Singfpiel „Erwin und Elmire“. — 3. Diftel Th, Zur letzten Kleidung
Egmonts. — 4. Lorenz D., Zum Epimenides. Gegen H. Morſch, Goethe-
Jahrbuch 16, 182. — 5. Geiger L., Berlin und die Zenien. (Aus Briefen
Sanders an Böttiger.) — 6. GSeuffert B., Die ſchwimmenden Anfeln im
Megaprazon. Hinweis auf den Socialroman von Morelly Naufrage des Isles
flottantes, ou Basiliade du celebre Pilpai, Po&me herolque (Meifina 1753). —
7. Fränkel L, J. M. Tesdborpf. — 8. Geiger L., Zu Goethes Briefen an
Shadow. Bier ungedrudte Zettel Goethes 1816—1817. — 9. Geiger 2., Un—
gedrudtes aus Autographenfatalogen. — 10. Schüddelopf E., 3. ©. Schloſſer
über Goethe 1772. Aus einem Briefe an Gleim. - 11. Fund H., Karl Matthäi
über jenen Beſuch bei Goethe 1782. Aus einem Brief an Lavater. —
12. Jacoby D., Maria Mniod und ihre Urteile iiber deutjche Dichter, befonders
Goethe. — 13. Geiger 8., Stegmayer an Goethe. Wien, 13. Februar 1809. —
14. Stern A., Goethe und die Wartburgfeier. Der öfterreihifche Gefandte in
Berlin Graf Zihy an Metternich über feine Unterhaltungen mit Goethe und
Kotzebue. — 15. Geiger L., ©. Munk (1803 -1867) bei Goethe. Aus einem
Brief an Mor. Beit 24. September 1827. — 16. Weizſäcker B., Eihftädts
Gedächtnisrede auf Goethe, gehalten bei der akademiſchen Preisverteilung in Jena
1. October 1832. Auszug aus der lateinischen Nede. -- 17. Krauß R., Eduard
Mörike über den Briefwechſel zwiſchen Schiller und Gocthe. Aus Briefen an
Mährlen. — 18. Geiger 2., Aus Bauernfelds Tagebuch. Ans dem Jahrbuch
der Grillparzer-Gefellichaft. — 19. Geiger L., Edermann an eine Schaufpielerin. - -
B. Nachträge und Berichtigungen zu Band I, IV,V, X, XV, XVI. — 2. Chronit.
A. Netrologe. Bojanowsti B. v. Graf Leo Hendel Donnersmard, Sanitäts-
rat Dr. Felix Bulpius. — Geiger %. Robert Keil. — John Stuart
gladies. — Geiger 8, Dr. Heinrih Pröhle — Ellingr ©, Wilhelm
tiefer.
Burda 8., Goethes Weſtöſtlicher Divan. Feſtvortrag gehalten in der
11. Generalverſammlung der Goethe-Gejelichaft in Weimar am 30. Juni 1896.
Jahrbud der Grillgarger-Gefellfhaft. Jahrgang 6.
Schloſſar A, Anaftafins Grün (A. A. Graf v. Auerspera) und Carl
Gottfried Ritter von Leitner. Die Beziehungen der beiden Dichter durch deren
großenteil8 ungedrudten Briefwechſel dargelegt. 25 Briefe von Auersperg, 17 Briefe
von Leitner 1826—1876.
Gloſſy C., Aus Bauernfelds Tanebüchern. II. (1849 — 1879.)
Holland H., Briefe von Moriz v. Schwind an Eduard vd. Bauernfeld.
39 Briefe. 1832 — 1869. '
Zahrbuch des Vereins für niederdeutfhe Sprachforſchung. Jahr-
gang 1894. XX. Norden und Leipzig 1895.
Bernhardt J. Die Glüdftädter Mundart. Zweiter Teil. 88 37—81. —
Spradproben.
Woſſidlo R., Die Präpofitionen und präpofitionalen Adverbien in der Medlen-
burger Mundart.
Shell W., Zur Geſchichte der Bommerifhen Kanzleifprade im
16. Jahrhundert.
Zümpel H., Die Bielefelder Urkundenſprache. Vortrag.
Sprenger R., Zu John Brindmanns Erzählungen.
Köppen W., Die alten Ralenbergdrude und Überſetzungen. I. Wert der
Drude für die Tertfritit. — II. Der Perftellbare hochdeutiche Text des Kalen-
bergers. — III. Der niederländifhe Zert. — IV. Die englifhe Überfegung.
Diet X. Ch. F., Über die medlenburgifch-plattdeutfche Mundart in Bemer—
sungen zu Richeys Dialectologia Hamburgensis.
152 Bibliographie. 1. Zeitichriften.
Bolte J. Der Wegelörter von 1592. Beſchreibung, Inhaltsangabe. Zwei
Proben.
Berzeihnis der Mitarbeiter und ihrer Beiträge in Band 1—20.
Übersicht der in Band 1—20 abgedrudten niederdeutſchen und nieder:
ländifchen Terte.
Regifter zu den Bänden 1—20.
Borrelpondeusblatt des Vereins für niederdentſche Sprachforſchung.
Sahrgang 1893. Heft 17. Hamburg 1894.
Nr. 1. 3. 4. 6. Glöde O., Zum medienburgiihen Wortſchatz.
Nr. 1. Die Namen der Bögel im NRiederdeutichen. (Schluß.)
Schüddekopf E., Tas Breslauer Judenlied Jacobs von Ratingen.
Lugge G., Aus dem Belt Redlinghanfen.
Nr. 2. Koppmann K., Ju Konemann.
Sprenger R., Zu Fritz Reuters „Ur mine Feſtungstid“.
Glöde O., Zur Sage vom Blaumäntelchen.
Nr. 3. 4. Sprenger R. und 75. Frensdorfj, In „Fr. 8%. von Soltaus
Deutihe Hiftorifhe Volkslieder. weites Hundert, herausgegeben von R.
ildebrand“.
v Nr. 4. Peters 3 „ Zur Hiltorie van Lukevent. (Niederdeutihe Nauern
fomödien ©. 137 - 164.)
Lugge G. Trernamen aus dem Veſt Recklinghauſen.
Schumann C., Die Teile des Zpinnrades.
Nr. 5. Boullieme E., Zur Bibliographie der Trierer Heiligtumbüder.
Nr. 6. Koppmann 8, Reinhold Beditern.
Schröder E., Zur Yitteratur des Pfarrers vom Nalenberge.
Schumann C, Das Gleichnis vom verlorenen Sohn in lübſcher Mundart
aus dem Fiicherdorfe Gothmund.
Biographiſche Blätter. Band 2. Heft 3.
Griſebach E., Schopenhauer und feine Mutter.
Golther RR, Nachruf auf Ludwig Laıftner.
Rank %, Erinnerungen an Berthold Auerbad (1887) und Yudmwig Anzen-
gruber (1890).
Eine Abicyiedörede an Treitſchke von G. Freytag (1868).
Heft 4. Münz B., Ignaz von Töllinger.
Dletenel Blettelheim, Glabillon. Ludwig Gabillon. Geb. zu Guſtrow,
16. Juli 1825: geſt. zu Wien, 13. Februar 1896. Ferien ˖ Erinnerungen.
Stodminer K. Albredt Ritſchl.
Holland D., Briefe von Moriz von Schwind an den Bildhauer Ludwig
Schaller. 26 Briefe. 1834 — 1863.
Löſcher H., Beichichte der Familien Mylius.
Beiträge aut Geſchichte der deutſchen Sprache und Litterater. Band
21. Heft 3.
Pumper V., Die Leibiger Mundart.
Wochenſchrift für klaſſiſche Philologie. Jahrgang 13.
Nr. 12. Morih H, Thumen: Die Iphigenienſage.
Nr. 16. Ziehen J., N. F Arnold: Der deutſche Philhellenismus
(Euphorion, 2. Ergänzungsheft S. 71-181). Legt die Skizze einer eigenen Arbeit
iiber denſelben Gegenftand vor.
Anseiger für deutliches Altertum und Deutliche Litteratur. Band 22.
Heft 3. Henne M. Ztudentenipradhe und Ztudentenlied ın Halle vor
hundert Jahren: Meier: Halliſche Studentenſprache; Nluge: Deutſche Studenten⸗
ſprache.
1896. 153
Michels B. Spanier: Thomas Murners Narrenbeſchwörung.
Herrmann IR., Wethly: Hieronymus Boner. Nennt das Bud) nachläſſig
zuſammengeſchrieben und gelebt.
Hoenig B., Bolte: Die Singfpiele der englifden Komödianten.
Handelt ausführlich und auffhfußreidh über die Gefchichte des Singſpiels in Eng-
land und Deutfchland.
Reid Bee F., Berichte über G. Wenkers Sprahatlas des Deutfchen
eichs.
Pr 1 „Koefter A., Stern: Beiträge zur Litteraturgeſchichte des 17. und
18. Jahrhunderts. Mit grunblegenben bibliographiichen und litterarifhen Angaben
über Schönaidh. Über „Brandifon in Görlik“.
Meyer R. M., Bernays: Zur neueren Sitteraturgefdjichte. I.
Walzel DO. F., Uhlands Werke, herausgegeben von Fräntel; Körners
Werte, _ herausgegeben von Zimmer.
Seuffert B., Rentih: Rucianftudien. Hinweis auf eine Sammlung „Die
Geſchichte des jebigen Kriegs ... in Geſprächen im Reiche der Todten".
(Frankfurt und Leipzig 1757.)
St[einmeper], nei Briefe der Brüder Grimm an Frommann.
Zeitfchrift für deutſche Yhilelogie. Band 29.
Er 1. Dünger H, Goethes Jenaer Sonette vom Dezember 1807. Gegen
Kuno Fiſcher.
Haupt H., Oberrheinifche Sprichwörter und Nedensarten des ausgehenden
15. Sabrhunderts.
Meier John, Des Nigrinus Schrift „Wider die rechte Bacchanten“ (1559).
Sucht gegen Hauffen (Bierteljahrihrift für Sitteraturgefchichte 2, 501) zu ermeifen,
en Nigrinus’ Schrift fi) vorzugsweife auf Francks „Lafter der Zrunfen-
eit“ ſtützt.
Pick A., Ein Brief Jacob Grimms. An Heinrich Beyer. Caſſel
2. April 1840.
Heft 2. Jeitteles A., Aar und Adler. Belege für das Vorkommen von „Aar“
aus Schriften ſeit der zweiten Hälfte des 15. bis in den Anfang des 17. Jahr⸗
hunderts.
Bruinier J. W., Unterſuchungen zur Entwicklungsgeſchichte des Volksſchau—
ſpiels vom Dr. Fauft. I. Der große Monolog. Beftreitet auf Grund minutiöfer
Unterjuchungen, daß der deutiche Monolog aus dem Marloweſchen direft ab-
geleitet fei. ©. 189 f. Über den hiftorifhen Fauſt.
Steig R., Zu den Heineren Schriften der Brüder Grimm. 1. Die Anfündi-
gung der altdänifchen Heldenlieder. An der Hand de Konzeptes konnte Steig feft-
ftellen, daß diefe Ankündigung auf Grund eines Inapperen Brentanojcen
Entwurfes von Arnim ausgearbeitet und von W. Grimm nur für den Druck
abgejchrieben und erweitert wurde. — 2. Eine neue Benachrichtigung in Sachen
der altdänijchen Deibenlicher. Die Anzeige im Intelligenzblatt der Heidelberger
Jabrbücher 1810, Nr. XXII. ©. 93 rührt von W. Grimm her. — 3. Die Leipziger
Recenfion der Schottifchen Lieder von Henriette Schubart. Dieje Recenftion in
der Leipziger Litteratur-Zeitung für das Jahr 1818 (Wilhelm Grimms Kleinere
Schriften 2, 208) rührt nicht von Wilhelm, fondern von Jacob her. — 4. Be-
ziehungen zu Frau Hcnriette Hendel-Schüt. Verſe von Wilhelm Grimm. —
5. Bezichungen zu Ernft Wagner. Im Anſchluß an eine anonyme Recenfton
W. Grimms ous dem Jahre 1810 über Ernft Wagners „ABE eines vierzig-
jährigen Yenneexgiihen Fibelſchützen“ in den Heidelbergifchen Jahrbüchern 5, 2,
371 Wilhelm Grimm an Zimmer (Cafjel, 12. Mai 1811) und eine Bor-
anzeige der Altdänischen Heldenlieder von Friedrich Schlegel (im Oefterreichifchen
Beobachter 1810).
154 Bibliographie. 1. Zeitfchriften.
Necenfionen. Düntzer H., Goethes Werte Weimarer Ausgabe I. 18;
25, 1; III. 7; IV. 17, 18. Mit mannigfadhen wertvollen Beſſerungsvorſchlägen,
Ergänzungen, Erflärungen und Berichtigungen.
Zeitfchrift für vergleichende Litteraturgeldidte.
Band 9. Heft 6; Band 10. Heft 1. Sulger-Gebing E. Dante in ber
deutfchen Litteratur des 18. Jahrhunderts. 1. Die Yerilographen der erften
Hälfte des 18. Jahrhunderts ©. 457 (Mende S. 458, Jöcher ©. 459).
2. Einzelne Erwähnungen Dantes S. 460 (Boftel ©. 460, gelehrte Jeit⸗
ihriften S 463). — 3. Gottihed und Wodmer S. 466 (Gottſched flellt Dante
mit Marino „und andern hitzigen Stalicnern” zufammen ©. 467, Triller
5.470, Bodmer S. 471 f. erfennt in Deutfchland zuerft Dantes Größe S. 479).
— 4. Klopftod, Leffing, Duſch, GHerftenberg, Herder ©. 479 (Klopſtock
habe Dante nicht gelannt. Duſch ftellt 1756 Dante mit Shalelpeare zufammen
S. 484, „Ugolino“ 8.486). — 5. Die liberfegungen ©. 31 (3. Fr. Chrifts
Empfehlung der erften Ausgabe des Inferno in Deutſchland ©..31; 1756
Mendelssohn überſest Stellen nad) der engliichen Wiedergabe des Warton; 1763
Meinhard begleiter einen Auszug aus Dante mit Überſetzungsſtücken (fein Urtheil
über Dante 2.37 f, Bodmers und Meınhards Wiedergabe vergliden S. 43 f.,
Meinhard und das Original S. 45); 1764 3. & Jacobi giebt in den „Boctifchen
Verſuchen“ die Epifode von Ugolino: 1767— 69 die erfte vollfländige Überſetzung
der Divina Gommedia durch Bachenſchwanz: die Romantiler &. 68.
Band vo. Heft 6. Wünfhe A, Tas Rätſel vom Jahr und feinen
Zeitabihnitten ın der Weltliteratur. Über das Rätfel im Allgemeinen &. 425,
das Rätſel vom Jahr ım Rigveda 2. 427, griechiſch u. 1. w. &. 432; bei Se
baftıan Yrant S 437: Spätere deutſche Faſſungen S. 437 f.; bei Dänen,
Schweden und Finnen S. 440. — Turandot S. 441: neuere deutiche Faſſungen
S 443. — Tas Nütiel vom Monat S 447, von Tag und Nacht S. 448;
Schiller Z. 352: andere deutiche Faſſungen Z. 452 f.
Devay %, Nencas Sylvius' Euryalus und Yucretia und ihre
ungartichen Bearbeitungen 2. 431: Jufammenitellung der Entichnungen des Aeneas
Sylvius -. 403 f.
Band 10. Heft 1. Tonner J O. E, Widardion ın der deutichen Ro—
mantil Tiecks William Yovell und Arnims Gräfin Tolorcs auf Rıdard-
ſoniſche Elemente unterſucht (Zt S 8.
Stiefel A Y, Yu den Cnellen der Dane Zahfifhen Schwänke (die
Neunzahl bad Sachs Z. 18: „Mensa philosophiea” S. 18; Entlehnungen aus
Agricola Z 18. 23: Zeb. grand S 23)
Neue Mitteilungen Wlislockt H. v., Türkiſche Rolksmärchen aus Ana⸗
tolien. — Stemthal P., Aus den Weſchichten früherer Exiſtenzen Budhas.
Vermiſchtes. Skutſch F., Zu Hebbels Herodes und Mariamne (daß
Hebbels Herodes erſt dem Joſef, dann dem Sogemus denſelben Befehl mit dem⸗
ſelben Erfolg erteilt, beruht auf einem Fehler feiner Iuelle, des Joſephus). —
Schlöſſer R.. Eine Tichtung ın Jamben von 177% (Yulon und Agle von unbe:
tanntem Verfaſſer oder nach Gödele, von dem Berfalier der „Galora von Venedig“
Bergen
Beſprechungen. Bahlmann P.: Die lat. Dramen von Wimdhelings
Stylpho bis zur Mitte des 16 Jahrhunderts, von J. Bolte „In Summa, eine
mit äußerlichem Fleiße hergeſtellte und vielleicht micht ganz unnüte, aber unaus«
gereifte und unerfrenliche Arber“). — M. Bernays: Zchriften zur Kritif und
Vitteraturgeichichte JI. von F. Munder Mangel von Fıspoftion ın dem höchſt
Ichrreihen Wert Z. 109). - % Zchwering: ur Geichichte des mederländiſchen
und Ivanııhen Tramas ın Deutichland, von Deſſofj Flüchtigkeiten &. 111). —
D. F. Piuller: Beträge zum VWVerſtändnis der tragiihen Nunft, von A. Bieſe
(gelobt
1896. 155
Be L. P., Abwehr gegen Th. Süpfle.
Heft 2 und 3. Klarte 8. H. Lenz, Überfegungen aus dem Englijchen 1.
Love’s Labour's lost (engliſcher Einfluß auf die Fitteratur des 18. Jahrhunderts
S. 117; Lenz ©. 118; feine Kenntnis des Engliſchen ©. 119; „Amor vineit
omnia” © 122f.: a. Was flhrte Lenz gerade auf dieſes Stiid? b. Welde
Shalejpeare-Ausgabe Tegte er zu Grunde? c. Wann ift die Arbeit entftanden?
Goethes Gegenbehauptung ©. 127 — Bergleihung mit dem Original ©. 128 f.:
a. metrijhe Überſetzungen, b. Witze und Wortipiele, c. Euphuismus, d. die
Zufäge, e. Kürzungen, f. Irrthümer und Mißverftändniffe, g. Sprichwörter) —
Schlußurteil S. 150.
Sieper E., Die Geſchichte von Soliman und Perſeda in der neueren
Litteratur: 3. Die engliſchen Bearbeitungen.
Vormann W., Zwei Schillerpreiſe und Francois Ponſard. Lindners
„Brutus und Collatinus“ und Niſſels „Agnes von Meran“ gegen den Verdacht
des Plagiats verteidigt. — Gutzkows Stellung S. 177; Ponſard und Lindner
S. 179; Ponſard und Niſſel S. 186; Niſſels religiöſe Anſichten S. 197, über den
Schillerpreis S. 214 (beachtenswerte Vorſchläge).
Neue Mitteilungen. Verſe aus dem Guliſtan, überſetzt von F. Rückert,
herausgegeben von E. Bayer. — Chr. F. Weiſſes Briefe an Bertuch, mitge—
teilt von L. Geiger (aus dem Froriepſchen Archiv in Weimar. — Über Bertuchs
Überjegungen aus dem Spanishen ©. 237; Gellerts Beurtheiler ©. 238;
Wieland; Gleims Dicterportraits ©. 239; der Deutfhe Merkur ©. 239;
Wieland empfindlih, daß der „Agathon“ in der Bibliothet nicht beiprochen;
Garve ſei aber Schuld S. 240; engliihe Tragödien ©. 242; Wielands Alcefte;
Klo’ Briefmechjel S. 243; feine Verdienfte um das deutſche Theater ftänden
nur denen Leſſings nad ©. 245; Klopſtocks Gelehrtenrepublif ebenda; Seylers
Scaufpielergefellichaft: Alcefte ©. 246; der neue Menoza: „der Verfaſſer
ıft ein gewifler Lent (sic) aus Straßburg“; Klopftods Berufung nad) Baden;
Sulzers Wörterbud) ©. 247; Edhof ©. 248; „Ich weiß, Klopftod, Goethe,
Herder, Lavater und dann ihr ganzes Gefolge Bode, Claudins, alle Fabrikanten
des Göttinger Almanachs und auc außer Ihren Gleim und Jacobi find mir auf-
ſäßig, weil ich nicht in meiner Bibliothek habe loben wollen, um wicder gelobt zu
werden und tadeln wollen, um mid) zu fatbalgen oder mich mit Koth befpriten
zu laffen“, ebenda; Münter, „nicht mehr der falte Deklamator, der er vormals
in Gotha war" ©. 249; Leſſings Beſuch; Seylers Kontraft für Leipzig und
Dresden (1775) ©. 249; Mufäus ©. 250).
Bermifchtes. Braun E. G., Graf Tolftoi und Bernardin de St.
Bierre (ein Zufammentreffen der Frau von Ebner mit einem Motiv Tolftoiß).
— Balentin V. Ein franzöfifches Rätſel (vom Zahrı.
Beiprehungen. Kohler: Der Urjprung der Melufinenfage, von M.
Hippe ©. 257 (jehr gerühmt). — Juſt Bing: Novalis, von R. Weiſſenfels
(Bings Gegenjag zu Hayms und Diltheys Mothode ©. 261; Novalis’ Grund-
anjhauung durch Fichtes [nicht Hegels?] Syitem beeinflußt ©. 262; Novalig’
Neigung zum Botenzieren ©. 263; Novalis als Dichter und Denker ©. 265;
Nachthymnen und „Erinnerungen“ ©. 266). — 8. Miüller-Fraureuth: Die Ritters
und NRäuberromane, von C. Heine (ohne Erörterung des BVBerhäftniffes zu Appel
gerühmt. Stellung von Gellerts Schwediſcher Gräfin ©. 278: Hofmann
Fräulein von Scudery ©. 280). Richard M. Meyer.
Zeitſchrift für den dentſchen Unterricht. Jahrgang 10.
Hift 4. Siegemund R., Johann Fiſchart als Patriot und Politiker.
Dietrich R., Der deutſche Unterricht in der pädagogischen Preſſe des
Jahres 1894.
Dtto E., Zur Auffaffung des Charakters von Schillers „Jungfrau von
Orleans”. Gegen B. Valentin.
156 Bibliographie. 1. Zeitfchriften.
Blod F., Bemerkungen über Leffings Laokoon und feine Einführung in
die höheren Schulen als Lektüre.
Heft 5.6. Rolff E., Zur Methode des litteraturgeſchichtlichen Unterrichts.
Über die rüdichreitende Methode.
Träntel L., Ein neudeutſches Heldencpos altdeutihen Stofjs [Simrods
Amelungenlied], zunächſt der Schule und durd eine Auswahl kritiiher Stimmen
empfohlen.
auft R-, Proben deuticher Reden im älteren engliihden Drama.
üfler Carl, Ein Luftipiel aus dem Jahre 1540. Liber die Bearbeitung von
Maternus Steindorffers Comödia (vgl. Zeitichrift für deutfches Altertum
36, 226. 364).
Diftel Th, Sprachliches aus älteren k. ſächſiſchen Alten.
Freytag R., Zu dem Liede: Soldate nimm den Bettelfad, Soldat bift du
geweſt.
Heft 7. Lang C., „Chidher, der ewig junge.“
Fränkel L., Ein Blick in den deutſchen Unterricht der Siebenbürger
Sachſen.
ei R., Grillparzers Tagebücher.
Mertens F., zu Leſſings jungem Gelehrten. II. 11 „feine Sammlung de
malis Eruditorum uxoribus” ſcheine auf eine Schrift von Hommel zu zielen.
Nr. 8.9. Freybe A., Wie fünnen wir auf eine höhere Stufe der nationalen
Aneignung der Goetheſchen Jauft- Tragödie gelangen?
Nr. 8. Henkel H., Über Goethes „Zueignung“ Zur Ginführung in
die Maffiziftiiche Periode des Dichters.
Richter A., Die tragiihe Schuld in Schillers „Jungfrau von Orleans“.
Hampe Th, Über Hans Sachſens Traumgedidte.
Unbeicheid H., Anzeigen aus der Schillerlitteratur 1895 - 1896.
Zeitſchrift für Deutliche Sprade.
Jahrgang v. Heft 11. Februar. Sanders D., Die orthographifche Frage.
Der Berfafier verfidt jeine befannten Grundſätze ın diefer Trage, deren Behand⸗
lung er eine breite hiftoriihe Einleitung vorausſchickt. —, Goethes Beziehungen zu
J. und W. Grimm. Nach Reinhold ſnicht Rıdhard] Zteigs: Goethe und die Vrüder
Grimm.
Landau E., Gegenſinn. Abgeriſſene Bemerkungen über Bedeutungswandel.
Stickelberger H., Ein Brief an den Herausgeber. Drei Bemerkungen über
den Zchweizer Dialekt.
Sanders T., Ueber „N“ als Einſchaltungsbuchſtaben. — Hiſtoriſch. —
Wirklich (gefteigert).
Heft 12. März. Dünger H., Das Irrlicht. (Nahdrud aus jenem Buche:
Goethe, Karl Auauft und Ottokar Yorenz.)
Zanders T., Kurze ipradlıhe Bemerkungen zu Düngers Bud: „Goethe,
Karl Auguft und Ott. Vorenz.“
Schrader H., Tas C. Eme Art ſprachvergleichend⸗lexikographiſcher Betrach⸗
tung des O: jedoch weder ſyſtematiſch noch erſchöpfend.
Seidenberger, Unſere Kunſtgärtner und die deutſche Sprache.
Sanders D., Zwei Dutzend weitere Beiſpiele für Z3weideutigkeiten beim Ge⸗
brauch der bezüglichen Fürwörter oder Relativpronomina. — Sächſiſcher Genetiv.
Beſtreiten - Kurze ſprachliche Bemerkungen zu einer Stelle ın der National⸗
zeitung. — Wie eine deuriche Akademie der Wiſſeuſchaften ſich zu den Regeln der
Mutterfprache verhält. (Kıner Glückwunſchadreſſe der bayerifhen Akademie werden
Zprachfehler vorgeworfen; ob mit Red?)
Jahrgang 10. Heft 1. April. Karveles G, Rheiniſche Eigenthümlichkeiten bei
Heinrich Heine Eme Beiprehung der gleihnamigen Schrift von G. Zillgenz.
1896. 157
Schrader H., Sauer madıt fuftig. Gäng und gäbe. Abweifung des Berfuches,
die erfigenannte Redensart aus einem Geſchichtchen von einem Hannoveraner
Komiter, Sauer mit Namen, abzuleiten; Hinweis auf die erfrifchende Wirkung
fauerer Speifen und Getränke.
Sanders D., Eine Rede Stephans.
5 Dfüfel], Bismard als Redner.
anders D., Einige ſprachliche Bemerkungen zu den „Pfarrergejhichten” in
dem 4. Bande der von Friedr. Billau herausgegebenen Sammlung: „Seheime
Geſchichten und rätfelhafte Menſchen.“ — Bejahen und Berneinen. — Einige ſprach—
liche Bemerkungen zu der am 27. Januar 1896 gehaltenen vortrefflichen Feſtrede
von Hans Prutz: „Die Begründung des preußifchen Heeres durch den Großen
Kurfürften.” — Auf der Landftraße. Eine Erzählung aus dem Thüringer Walde
von 8. Trinius — Zur ſprichwörtlichen Nedensart: „Hunde nah Bauten
tragen”. Der Sinn foll fein: Bei Erfüllung einer übernommenen Pflicht noch Geld
zujegen. Denn „das Hundeführen ſtammt aus der Zeit, wo [!!] die Jagdhunde
nah Bauten geführt werden mußten, und zwar vom Meifener Bifchofsfite her
nach Dresden“. Ein anderer Erffärungsverfud: „Hunde tragen gehört zu den
ſymboliſchen Strafen.”
Heft 2. Mai. Sanders D., Eine Rede Stephans. (Nach dem Berichte der
Rationalzeitung.) — Die neuefte — und eine viertehalb Jahrhunderte alte Homer-
überfegung. (Aug. Dührs Niederdeutiche Ilias 1895 und Simon Sceidenraifjers
Überfeßung der Odyſſea 1538.)
Schrader H., Unausrottbare Unrichtigleiten der Sprache. Der Verfaſſer be-
zeichnet als unausrottbare Uinrichtigkeiten vielfach Fälle, in denen die eigentliche
und urjprüngliche Bedeutung nicht mehr Tebendig ift, vielmehr der übertragene
Sinn als gangbare Ausdrudsmweife gilt. 3. B. die VBorlejungen der Univerfi=
tätSprofefjoren jeien manchmal Vorträge, oder man fage entzwei, wo es fi
um mehr als zwei Bruchftlide handle u. ſ. w.
Sanders D., Relativpronomina. -- Sih ftart madjen. — An, bei, fi
untericheiden vor.
Heft 3. Juni. Sander D., Zum Berftändnis des Wörtchend: „außer“.
(Brobe aus dem die Formwörter 2c. umfafjenden zweiten Zeile ſeines Wörter-
uches.
eanneret L., Welches ſind die Hauptverſchiedenheiten zwiſchen der franzö—
fiſchen und der dentſchen Sprache?
Sanders D., Sprachliche Bemerkungen: Ein Erbprinz. Roman von J. D.
. Temme; Allerlei Geiſter von K. E. Franzos; Aus Carmen Sylvas
önigreich; Amtlich eröffnet von M. von Below; Der arme Krebs. Märchen von
Hans Hoffmann; Eine Gemitternadht. Novelle von Hermine Villinger.
Stidelberger H., Zu E. Landaus Aufjag: „Gegenfinn.”
Sanders D., Alldeutichland, Ganzdeutichland. — Erbleichen.
Heft 4 und 5. Sanders D., Schwefter-Seele. Roman von Ernft von
Wildenbruch.
Heft 4. Juli. Sanders D., Aus dunkler Zeit. Roman von Adolf Stred-
fuß. — Zu Johann Mathefius. Bon Georg Xoefche. — Zwei Briefe des Herrn
Dr. Rihard Rojenbaum in Berlin. (Die Redensart: adieu partie fcheint aus:
adieu patrie verballhornt zu fein. — „Auf des Teufeld Rinne” ergänze:
wohnen bedeutet fo viel als: an einem weit entfernten Teile der Stadt, an einem
ſchlechten PBlatze wohnen.) — Ein Brief des Herrn Dr. Stidelberger. (Das ſchweize—
riſche Adjectiv in Verbindung mit dem unbeftimmten Artikel bildet den Nominativ
nad dem Akkuſativ. — Peſtalozzi fcheint der Urheber des Wortes „Zweitel“ zu
fein.) — Ein Brief des Herrn Dr. Wagner. (Eine Bemerfung zu Schrader
Aufjag über das DO. — Über den Urfprung der Salveandaditen.) — Botenbrot ꝛc.
158 Bibliographie. 1. Zeitfchriften.
Für Botenbrot in der Bedeutung von Botenlohn findet fi) aud der Ausdrud:
Bedenbrod. Davon fogar mundartlidh: bedenbroden.
Heft 5. Auguft. Sanders D., Frau Hılde. Roman von Georg Hartwig.
Aus der Nationalzeitung.
Ebrard, Zur Allitteration bei Goethe. Allitteration in Goethes Göt
von Berlidyingen. E8 wird ziffermäßig nachgemwieien, daß Goethe von Be⸗
arbeitung zu Bearbeitung in immer ausgedehnterem Maße von der Allitteration
Gebrauch macht. In Zahlen ausgeftalter und die einzelnen Unterabteilungen nicht
beachtend ift das Ergebnis: Faſſung A 97, B 107, C 130 Alıtterationen.
Gründling E., Ein Brief an den Herausgeber. Über die Reubildung: Tuca-
nifieren ın der Bedeutung: durd Herrn von Lucanus feines Amtes entjegen.
Sanders D., Einige kurze ſprachliche Bemerfungen zu einem Auflage:
„Theater und Reihshauptftadt” von Paul Schlentber. In Th. Barths „Ration”
vom 20. Juni 1896.
Heft 6. Zeptember. Eanders D., Geifter und Menſchen. Gin Roman von
ad. Wilbrandt Dit einer Vorbemerkung über D. Sanders geielligen Kreis aus
dem Jahre 1848. — Sternichnuppen. Roman von Rob. Byr. Aus der Rationaf-
zeitung. — Abgründe des Lebens. Novellen von Ida Boy-Ed. — Einige Bemer:
fungen zu der im vorigen Hefte S. 198 angezeigten Auswahl aus Fr. Rüderts &e-
dichten aus dem Morgenlande von Herm. gietfau in Freytags Schulausgaben. —
Vom Unterichiede ſchlichtgewöhnlicher Rede und gehobener Dichterſprache. (Gezeigt
an emem Gedichte von Joh. Trojan, Zum Wınter 1870.)
Goethe und Straßburg. Abdrud aus der Nationalzeitung vom 26. Juli
1896. Erinnerung an Goethes Promotion zur 125. Wicderfchr des Tages
(6. Auguft 1771. Richard Rosenbaum.
Zeitſchrift des allgemeinen deutihen Sprachvereins. Jahrgang 11.
Nr. 4. Müller Carl, Volkstümliche Namen der Arzneimittel.
Nr. 5. Hordel, Etwas von der deutihen Scemannsiprade.
Nr. 78 Trapet A., Deutſche Sprache und deutihes Leben ın ihren
Wechſelbeziehungen. Bortrag.
Reuter I, Mitteilungen über Peſtalozzi. Nach einem kurzen Vortrage.
Wiſſenſchaftliche Beihefte zur Jeitſchrift des allgemeinen deutichen Sprach⸗
vereins. Heft 10
Schrader O., „Deutſches Reich“ und „Deuticher Kaifer“, eine ſprachlich⸗
geſchichtliche Betrachtung zum 18. Januar 1806.
Matthias Th, Te Mundart ım Spiegel der Schriftſprache. Vortrag.
Deutſche Wundarten. Zeitſchrift fiir Bearbeitung des mundartlichen
Materials. Band 1. Heft 1.
Nagl I. W., Vorwort
Grienberger Zh. v., Pronomınale Yocatıve.
Nagl I. W., Ter Name Wien.
Landau A. Tas Deminutivum der galıziid jüdiſchen Mundart.
Nagl J. W, Kın drei, cm vier.
Mitteilungen aus dem Fitteraturarchive ın Berlin.
Gedichte aus E M. Arndıs Wandermaion 2.
Briefe aus B. G. Niebuhrs Nachlaß 3. Ludivig von Ompteda anu B. G.
Niebuhr, Prag, 6. Dezember 1813; Berlm, 29. Januar 1817. — Baron von
Rhediger an B. G. Niebuhr, Strieſe ber Breslau, 16. Februar 1814.
Gedenkblatt Friedrich Chriſtobh Schloſſers. Heidelberg, 27. Dezember
1548. Aus dem Nachlaß Theodor Raurs.
Jahresbericht der Litteraturarchiv-⸗Seſellſchaftein Berlin für 1895.
Berlin 1806.
1896. | 159
Zuwachs: 1. 2376 Briefe an F. 9. Troſchel, Profefjor der Zoologie in
Zonn (1810—1882). — 2. 16 Briefe von Gelehrten an Profeffor Hahn. —
3. E. M. Arndts Nachlaß, beftehend aus 11 Sammelbücern, 3 Kollegienheften,
einer Sammlung der Alten zur Unterfuhung, 3 Heften Gedichte, 1 Heft Volls⸗
lieder und anderem. — 4. 20 Briefe von Arndt, Fouqué, Amalia Imhoff,
Seidl, Staegemann, Tiedge, Bechſtein 2c. — 5. 28 Briefe von Amalie
Imhoff an ihren Better F. von Stein und 313 Briefe von Frau von Stein
an denjelben.
Chronik des Wiener Goethe⸗Vereins. Band 10.
Nr. 4—5. Lützow ©. v., Goethes Beziehungen zur Kunft der Renaiffance.
Bortrag.
alzel O. F., Die Wiedergeburt des deutichen Volkslieds. Vortrag.
Blume L., a8 „Frankfurter Dachſtübchen“.
Mayer Friedrich, „Ein Recept Fauſtens für einen Ildhertn“. Aus dem
Büchlein —S Andacht zur Hl. Corona” (Einfiedeln O. J.).
Bayer R. v., Zum Goethifchen Wappen:
Nr. 6—7. Greizenad W., Die dramatischen Darftellungen der Fauftfage
von Goethe. Skizze eines Vortrags,
Fournier A., Goethe und Napoleon. Vortrag.
Zitteraturblatt für germanifcye und romaniſche Litteratur.
Nr. 3. Schullerus A., Reinhold Köhler: Aufjat über Märchen und Volks—⸗
lieder. Mit kleinen Nachträg en.
Nr. 4. Fräntel, eitteratur zur Hand Sadj3- Feier.
Mr. 5. eißenfels R., Knauth: Bon Goethes Stil und Sprache im Alter.
Nr. 6. Brenner D., Helm: Zur Rhythmik der Furzen Reimpaare; Spina:
Der Bers in den Dramen des Andrea Gryphius.
Zeitſchrift für die ͤſterreichiſchen Gymnaſten. Jahrgang 47.
Heft 6. Minor J., Feitichrift zum hebzigten Geburtstage Rudolf Hilde:
Brands. Herausgegeben von D. yon. ©. 505 Über die Kunft der Inter—
pretation neuhochdeutſcher Diotung en. — ©. 507 Kräftige Worte gegen
die Unterfhätung der öfterreichiichen Boltsipradhe.
Heft 7. Minor J. Ein Kapitel über deuiſche Sprache. Über A. Faulde:
Beiträge zur deutfchen Grammatit (1892). — Nachträge zur Unterfuhung über
den Gebrauch von „der” und „welcher“. Über den Einfluß von Auge und Ohr
auf den Stil. — Gegen zwei Schriften von Th. Gartner (1892, 1895).
— Über die Sprade Börnes und Heines mit Nachträgen zum Deutfchen
Wörterbuch.
Minor J., Schmeckebier: Abriß der deutſchen Verslehre. 3. Auflage.
Warnt die Schüler vor dem Gebrauch des Buches.
Wiener Studien. Zeitſchrift für Klaſſiſche Philologie. Supplement der
—— für öſterreichiſche Gymnaſien. Jahrgang 17. Heft 1. 1895.
Sternbach L., Leſſings Anmerkungen zu den Fabeln des Aeſop
kritiſch beleuchtet. Der umfangreiche Auffat über die von R. Förfter veröffentlichten
—— en Leſſings (vgl. Euphorion 2, 433) kommt zu folgendem Reſultat:
„Leifings g Tänzenber Gain bewährt fi auch in diefer Arbeit, doch werden
die Rejultate feiner Studien durch die geringe Kenntnis der griechiſchen Sprache
weſentlich beeinträchtigt; die Anmerkungen bringen demnach nur zu oft ſpitzfindige
Bermu en, welche vor einer ernften Kritik feinen Stand hatten. Bei aller dem
genialen Meifter jchuldigen Ehrfurdt muß alfo das Gejfammturteil durchaus un⸗
günftig lauten und der größte Teil feiner Bemerkungen zurückgewieſen werben.”
160 Bibliographie. 1. Zeitfchriften.
Öferreichifdge Mittelfdyule. Jahrgang 10.
Frank A., Der philologifhe Unterriht auf dem Gymmafium und die An-
ihauung. Vortrag.
Scheich R. Die nadjflaffige deutiche Litteratur im Obergymnafium.
glätter für das bayriſche Gymnaſtalſchulweſen. 1896. November,
ezember.
Joachim C., Allerhand zu Moſcheroſch. I. Der Unartig Teutſcher Sprach⸗
Berderber vom Fahre 1643.
Süddeutſche Blätter für höhere Uuterridtsanftalten. Band 4. Heft 2.
Scaufjler, Die Sage vom Schwanritter.
Kieffer, Yerihtigungen und Ergänzungen zu Bühmann$ geflügelten Worten.
Zeitſchrift für das Gymnaſtalweſen. Neue Folge. Zahrgang 50. April.
Cauer P., Deutsche Fitteratur und Pitteraturgefchichte in Prima.
Blatter fir das Gymnaſtalſchulweſen. Band 32.
Heft 3 und 4. Teuerling X, Ju Schillers Tell IV, ı.
Heft 7 und 8. Deuerling A, Nochmals Schillers Tell IV, 1, 27—20.
Ueue Jahrbücher für Yhilologie und PBadagogik. Jahrgang 46.
Band 153 und 154.
Heft 2. Huther N., Die Erziehung nad) den Grundfägen der Herbartſchen
Pädagogit.
Bieſe A., Das Problem des Tragiſchen.
Heft 3-5. Friedrich Mommien (geb. in Flensburg 1818, geſt. auf einer
Reife ın Rom 1802), Ein Gymnaſinm vor fünfzig Jahren und das jetzige Gym⸗
nafium. Schilderung des Gymnaſiums zu Flensburg.
Heft 3 und 4. Herner, Tie Cyropädie in Wielands Werten.
Heft 7. Schwabe E., zur Geſchichte der deutſchen Horaz- -Überfetung.
1. Die ältefte befannte Horaz⸗ Überiepung. Bon A. 9. Bucholtz 1639. Mit Beı-
trägen zu Bucholtz' Biographie und mit Proben feiner UÜberſetzung.
Haſſe E, Zur Erklärung von Schillers Lied von der Glocke.
Monatshefte der Comenius-Gelelllihaft. Band 6.
Heft 3 und 4. Keller ®, Die Berliner Mittwochs-Geſellſchaft. Ein
Beitrag zur Geſchichte der Geiſtesentwicklung Preußens am Ansgange des
18. Jahrhunderts. Ungedruckte Abhandlungen aus dieſer Geſellſchaft: J. Was iſt
zu thun zur Aufklärung der Mubürger? Em Aufſat von J. K. W. Möhſen.
Vorgeleſen den 17. Dezember 1783 Dit einem ſpäteren Zuſatz des Verfaſſers aus
dem Jahre 1784 und der Beſprechung dir Mitglieder (Bieſter, Klein, Svarez.
Zöllner, Schmied, Moſes Mendelsſohn, Diterich, Spalding, Selle, Engel, Ricolaı,
Zeller, Gedile, Struenſee, Dohm, Wloemer, K 7%. v. Irwing, v. Beneke).
Loeſche G., Ungedrudte Briefe zur Geſchichte des Comenius und ber
bohmiſchen Brüder. Aus dem de Geerichen Familien Ardive. — 1. De Geer an
Comentus, Stodholm, 9. 19. Oktober 1641; 2. De Geer an Wolzogen 11.21. De-
jember 1641: 3. Te Geer au Turacus zwiſchen 9.19. Dezember 1641 und
10.20. Wärı 1642; 4. Tie Semoren der nt an de Geer, Liſſa, 25. Yanıar
1646: 5 Komenms am de Geer, Elbing. 1.11. April 16473 6. Figulus au
de Geer, Elbing, 9. 19. November 1647: 7 En Scnioren der Umität an de Geer,
Yılla, 6. 15. Jannar 1650.
Set 5 umd 6. Müller J. Die Semeindeverfaffung der böhmiſchen
Brüder in ihren Grundzügen.
Nachrichten. S. 177 f. wird darauf aufmerliam gemacht, daß das Geheime
Staatsarchiv zu Berlin aus der Regiſtratur der Univerfität Frankfurt a. O
Aktenſtüche übernommen bat, die für die Beichichte der von Bortlob Wilhelm
1896. 161
Burmann dafelbft gegründeten Societät der „Freunde der Wiſſenſchaften“,
jowie für die Kenntnis der verwandten freien Gejellfhaften von Wert find. —
©. 178. In Gottſcheds Briefwechſel IV, 229 f. befindet ih ein Schreiben einer
Gejellichaft von Männern aus Halle, 5. Januar 1738, die ſich unterzeichnen:
„Die Srehmänrer: M. W. ER. 8.” Es wird die vage aufgeworfen, wer
diefe Männer waren und ob fie mit den Gründern des Maurerbundes in Deutjc-
land in Beziehung ftehen?
Pabagogifhes Archiv. Jahrgang 38.
. 8. Landmann K., Goethe im Lichte der Gegenwart.
Fr 5. Hermann E., Goethes Mutter in ihrem altteftamentlichen Gott-
vertrauen.
len & Ka Lehrgange aus der Praris der Gymnafien und Real-
ſchulen
Herberholz H, Das Glück von Edenhall.
Ardiv für Stenographie. Jahrgang 48. Nr. 608.
Dewiſcheit &., Goethes Beziehungen zu den tironifchen Noten, der Gejchwind-
ihrift des Mittelalter8 und der modernen Stenographie.
Revue des cours et conförences. Band 4.
Nr. 16. Texte J.. Les relations litteraires de la France avec l’Allemagne
avant le milieu du XVIII® siecle.
Nr. 20. Texte J., Les premiers vulgarisateurs de la litterature allemande
en France.
Nr. 22. Texte J., Klopstock, Wieland et Lessing en France au XVIIl’
siecle.
Archis für Geſchichte der Philoſophie. Band 9.
2—4. Grunwald M., Miscellen. 2. Jacob Friedr. Fries. Auszüge
aus feinem Briefmechjel mit Heinrich Schleiden. — 3. Leibniz. Briefe von
Leibniz aus der Uffenbach⸗Wolfſchen Brieffammlung auf der Hamburger Stadt:
bibliothef. — 4. Lau. Bon Lau „Meditationes philos. de Deo, Mundo et
homine” 1717 finden fid) Manufkripte in der Breslauer und Hamburger Stadt-
bibfiothet. — 5. Stofd. Nachweis von _Manufkripten. — 6. Wadter. Des-
gleichen. — 9. Chr. Wolf. Briefe. — 10. Spinoza. — 11. Ein Brief von Paulus
an Eh. Billers, Jena, 28. Juli 1802. — 12. Schelling. Briefe an Gries,
Brof. Meyer, Kerner, Prof. Pfaff und an einen Unbelannten. — 13. %. ©.
gidte Gerftenberg an Billers, Altona, 28. Auguft 1801, 5. Oktober 1802. —
aroline Schlegel über Fichte, Jena, 9. Juni 1794; A.W. Schlegel, Jena,
10. Mai 1799. - 14. Fr. 9. Jacobi. Jacobi an Baftor Schulze in Hamburg,
Eutin, 21. Juni 1804. — An Elife Reimarus, 2. Januar 1805. — Briefe
NReinhards an Billers. — 15. Schleiermader an Geheimratd Schulze,
28. März 1825.
Heft 4. Stein L., Zur Sozialphilofophie der „Staatsromane”. Ein Kapitel
des demnächſt erjcheinenden Werkes „Die foziale Frage im Lichte der Philofophie“.
Archiv für ſuſtematiſche Philoſophie. Neue Folge. Band 2. Heft 2.
Staudinger $., Über einige Grundfragen ber Kantiſchen Philojophie.
Natorp 8.8 Iſt das Sittengefeh ein Naturgefeg? Bemerkungen zum vor—
ftchenden Aufſatz F. Staudingers.
Jahrbuch für Philoſophie und ſpekulative Theologie. 2. Ergänzungsheft.
Wehofer Fr. Th. M. O. Praed., Das Lehrbuch der Metaphyſik für Kaiſer
Solef II. erfaßt von J. Franz. Zum erftenmal philofophiegefhichtlich er-
läutert.
Eupborion IV. 11
162 Bibliographie. 1. Zeitichriften.
. _ Zantfiudien. Philoſophiſche Zeitjchrift unter Mitwirkung von E. Adides,
E. Voutrour, Ediw. Caırd, C. Cantoni, 3. E. Greighton, W. Dilthen, ®. Erdmann,
8. Fiſcher, M. Heinze, R. Neide, A Riehl, W. Windelband und anderen Fach⸗
genofjen herausgegeben von Hans Baihinger. gemburg, Leopold Voß. Band 1.
Heft 1. 2. Adides E., Die bewegenden Kräfte in Kants philoſophiſcher Ent-
widlung und die beiden Pole ſeines Syſtems.
eft 1. Borländer K., Goethes Verhältnis zu Kant in feiner hiſtoriſchen
Entwidiung. 1.
Pinloche A.. Kant et Fichte et le probl&äme de l’education.
Inedita Kantiana. 1. Ein Brief Kants an J. Tr. Reichardt, 15. Oktober
1790. — 2. Ein Stammbucdhblatt Kants. 20. Juni 1798.
Die neue Kantausgabe.
pen! 2. Borländer K., Eine Sozialphiloſophie auf Kantifher Grundlage.
utoslawsti, Kant in Spanien.
Adides E., Lofe Blätter aus Kants Nachlaß.
Kügelgen C. W. v., Mitteilungen: 1. Kant als Prediger und feine Stellung
zur Homiletil. — 2. Kants Brief an die Kaiferin Eliſabeth von Rußland.
Aus den Zivungsberichten der gelchrten Eſtniſchen Gejellichaft bei der kaiſerlichen
Univerfität Torpat 1893, 9. 29 wiederholt.
— —
Allgemeine evangeliſch-intheriſche Rirchenzeitung. Nr. 34—39.
Luthers Verdienſte um die Erziehung ın der Schule 1—7.
Birdhliche Monatoſchrift. Jahrgang 15. Heft 12.
Tode, Hermann Olshauſen. Ein Gedenkblatt.
Meue kirchliche Zeitſchrift. Jahrgang 7. Heft 8.
Thimme N, vuthers Stellung zur Heiligen Schrift, ihrem Werth und ihrer
Autorität.
Proteſtantiſche Kirchenzeitung für das cvangeliihe Deutſchland.
Nr. 15. Siegfried R., Ermmerungen aus dem Veben Paul de Lagardes.
Nr. 24. Dechent H., Rod einmal Goethes ſchöne Seele Mit Nachſchrift
von R. Ehlers.
Nr. 3032 Ziegler H, Kants und Schleiermachers Reeligionsbegriff.
Nr. 3336. Freytag D., Indas Jicharıoth ın der deutſchen Wiſſenſchaft,
Predigt, Dichtung und bildenden Kunſt des 19. Jahrhunderts.
Römiſche Quartalſchrift für chriſtliche Altertumskunde und für
Kirchengeſchichte. Jahrgang 2. Heft 1 uud 2.
Schlecht, Der Hildesheimer Faſching 1545.
Studien und Mitteilungen aus dem Benedictiner- und dem Ciſtercienſer-
Orden. Jahrgang 17. Heft 1. 2.
Leiſtle D., Wiſſenſchafiliche und fünftleriiche Strebfamteit im St. Magnus
ftifte zu Füßen (Fortſebung'.
Heue Chriſtoterpe 1897.
und H., Ein Kondolenzbrief cıner Juaendfreundin Goethes. Sufanna von
Klettenberg an Yavater, ?. Zulı 1774.
Meounteihrift für Gottesdienſt und kirdlidge Aunft. Jahrgang 1.
Nr.
Brouiſch, Ein lutheriſcher Bottesdienft aus der 2 Hälfte des 17. Jahr⸗
hunderte.
Echmart, Ein vommerſcher Paifus.
Budde, Kleinigkeiten zum Kirchenliede.
Spitta, J. M. Bachs Choralmoteite „Ich weiß, daß mein Erlöfer lebt“.
1896. 163
Aunuſtchronik. Neue Folge. Band 7. Nr. 12—14.
Lützow C. v., Goethe» Kommentare zur Kunft und Kunftgefchichte.
Studien gu Beutfchen Kunſtgeſchichte.
Heft 6. Weisbach W., Der Meifter der Bergmannſchen Officin und Albert
Dürers Beziehungen zur Basler Budilluftration. Ein Beitrag zur Geſchichte
des deutichen yolalamities.
Heft 7. Kautzſch R., Die Holzfchnitte der Kölner Bibel von 1479.
Heft 8. Weisbach W., Die Basler Buchilluftration des 15. Jahrhunderts.
Jahrbud; der kunſthiſtoriſchen Sammluugen des allerhöchften Kaifer-
baufes. Band 17.
Theil I Wurzbah U. v., Das öfterreichiiche Wappen in den Stichen des
Meiſters E. ©. vom Jahre 1466.
Kenner F., Die Porträtfammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol. Die
italienischen Bildniſſe.
Chmelarz E., Georg (geb. 1542) und Jakob (geb. 1575) Hoefnagel.
ft C., Wiener Goldjchmiede und ihre Beziehungen zum faiferlichen Hofe.
I. Die Kornblum.
Modern H., Der Mönpelgarter Flügelaltar des Hans Leonhard Schäuff-
lein und der Meifter von Meßkirch.
Theil I. Schönherr D. R. v., Urkunden und Regeſten aus dem k.k. Statt-
baltereiarhiv zu Innsbruck (Fortſetzung) 1588— 1626.
Uhlirz K., Urkunden und Regeften aus dem Archive der k. k. Neichshaupt-
und Refidenzftadt Wien, II. (1440 — 1619).
Mitteilungen für die Mozart-Gemeinde in Berliu. Herausgegeben von
. enee.
Heft 1. November 1895. Die Mufikhandſchriften Mozarts in der Berliner
föniglihen Bibliothel.
Genée R., Conftanze v. Niffen, die Wittwe Mozarts.
Kleine Mitreilungen: Joh. Andre und Mozart al8 Rivalen in der „Ent-
führung“. — NAußerungen Mozarts über Mufit und muſikaliſche Leiftungen. —
Mozarts Hinterlaſſenſchaft.
eft 2. Genee R., Der Kapellmeifter. Singjpiel in einem Alt. Nach der
Muſik aus Mozarts „Schauſpieldirektor“ nebft anderen Compoſitionen Mozarts.
Zur Geſchichte des Mozartihen „Schaufpieldireftor” und der verjchtedenen
Bearbeitungen.
R. ©., „Una cosa rara” in Mozart8 Don Juan.
Kleine Mitteilungen: Eine Zeichnung Mozarts vom „Bäsle”. — Mozarts
erfie Klavierftüde.
Gentralblatt für Bibliotheksweſen. Jahrgang 13.
eft 4. April. Lechner K., Verzeichnis der in der Markgrafihaft Mähren
im Sabre 1567 zum Drud und Verkauf erlaubten Bücher.
Heft 5 ımd 6. Mai—Juni. Schuhhard E., Die Zeiller-Merianfcdhen
Topographien. Bibliographifch beichrieben.
Bahlmann B., Das ältefte fatholifhe Geſangbuch in niederdeutſcher
Sprade (1629). In der Paulinifchen Bibliothek zu Münfter aufgefunden umd be-
ſchrieben. Enthält nur Übertragungen aus dem Hochdeutichen.
Mayer A. %., Ein Generallatalog der Handichriften in Ofterreid).
Hampe Th., Aus der alten Ratsbibliothef zu Rothenburg ob der Zauber.
Berzeichnet den Inhalt zweier Sammelbände mit zum Teil jeltenen Flugſchriften
zumeift des 16. Jahrhunderts. .
11
164 Bibliographie. 1. Zeitjchriften.
Heft 7. Juli. Roth F. W. E., Eucharius Rößlin der Altere [1512
Stadtarzt zu Worms). Bio-bibliographifch geſchildert.
Nubenjohn M., Eines der älteften im Auslande gedrudten deutichen Bücher.
Wolfgang Hungers Uberjetung der Emblemata des Andrea Alciato
(Baris 1542).
Heft 8 und 9. Auguft - September. Eichler F., Jakob Bogel. Ein Blid
in die litterarifche Betriebfamteit des 17. Jahrhunderts. ©. 388 Ergänzungen
zu Eichler Artikel, Vierteljahrſchrift fiir Fitteraturgefhidhte 2, 246. Bortreffliche
Charakteriſtik der einzelnen Werte.
Heft 10 und 11. Oktober - November. Zteiff K., Zum erfin Buchdruck
in Tübingen. Weitere Nachträge zu des Verfaſſers Schrift: Der erſte Buchdruck
in Tübingen (1498 — 1534). Tübingen 1881.
Beiheft zum Eentralblatt für Bibliotheksweſen. XVI.
Heiberg J. L., Beiträge zur Geſchichte Georg Vallas und feiner Yıbliothet.
Nachrichten aus dom Buchhandel. Wr. 67.
Eliffen H, Rudolph Zacharias Beder. Nach Burbahs Schrift.
Werke und Echriften von F Dr. phil. Otto Roquette, geb. 19. April 1824
in Krotofchin in Poſen, geſt. 18. März 1896 in Darmftadt.
Nr. 69. 70. 73. 7%. 76. 112— 115. A. 8. J., Nenere Goethe» Litteratur.
Nr. 77. Werke und Schriften des Militärſchriftſtellers Julius von Widede,
geb. 11. Juli I819 in Zchwerin, geht. 22. März 1896 ebendajelbft.
Nr. 91. Werke und Zchriften von Tr. Ludwig von Strümpell, ordenti.
Honorar: Profeiior für Philoſophie an der Univerfität Leipzig (geb. 23. Juni 1812).
Nr. 102. Werke und Schriften von Dr. Heinrich) Treitfchke, geft. 28. April
1896. — Schriften über Heinrich von Treitſchke.
Eine Abichiedsrede an Heinrich von Treitſchke von Guſtav Freytag (Leipzig
1863, nach einem damals veranſtalieten Privatdruck).
Zum dritten Jahrhunderttage der Buchdruckerfamilie von Decker. (Aus der
Voſſiſchen Zeuung.)
Nr. 119. Dichtungen von Julius Sturm, geb. 21. Jul 1816 in Köftrik,
geſt. 2. Mai 1896 in Lewzig.
Merle und Sckriften des Oberkonſiſtorialrats Prof. D. Dr. Julius Koeſtlin
—
in Halle a. Z., geb. 17. Mai 1826 in Stuttgart.
Sinungoberichte der köͤniglich preußiſchen Akademie der Wiſſenſchaften zu
Berlin. XXIV. XXV.
Schmidt E., kauft und Luther. Sucht nach einem kritiſchen Überblick über
die Fauſtiorſchung ſeine ältere von W. Diener angezweifelte Behauptung, daß das
Fauſtbuch vom Geiſt des strengen Vuthertums erfüllt jei, durch reichliche Belege zu
erbärten und jpürt den Tuellen der Erzählung von der Geiſterbeſchwörung vor
Karl V. nad.
Berichte dir Freien Deutſchen Hodftiftes zu Frankfurt am Main.
Neue Folge. Band 12. Heft 2.
Friedländer M, Zchillers Gedichte ın der Muſik. Zu Schillers Geburts
tan 9 Movember 1895) 3Inuſammenſtellung der bedeutenderen KRompofttionen
Zchillernicher Gedichte. Zuerſt chronologiſch nach den Gedichten, dann nad) den
Üufitern geordnei.
Ziehen I, Byronſtudien zur Seichuht des Philhellenismusg in der
engliſchen Litteratur. 1 Byrons Vebrnsichidial und das neue Griechenland. 2. Eın
Vorgänger des Childe Harold in der Yırteratur 3. Die philhelleniſchen Stoffe und
das enaliihe Publikum.
Krüger A., Der kleviſche Shwanenritter.
1896. 165
Koh M., Neuere Goethe und Scillerlitteratur. X.
Blümlein E., Fauſtanalekten. Kleine Ergänzungen zu Engel. |
‚aiehorn 8., Zum Bildnis Peftalozzis. Zeichnung von Schöner (1800 bis
1804).
Abhandlungen der töniglichen Gefellichaft der Wiffenichaften zu Gattingen.
Philologifch-hiftorische Klaffe. Neue Folge. Band 1. Nr. 2.
Meyer aus Speyer W., Über Lauterbachs und Aurifabers Samm-
ungen der Tiſchreden Luthers. Kurze Gefchichte der Sammlungen Lauterbachs und
Aurifabers. — Handichriften und Drude Lauterbachs. — Die 4 Bearbeitungen
der Lauterbachſchen Sammlung. Lauterbach hat die Sammlung zufammengeftellt
und öfter umgearbeitet; dabei hat er jehr vieles geändert und mandjes fogar in
bedenfliher Weiſe; mitunter hat er Sprüche Anderer (Melanchthons, Allegorien,
zur Eroduß) eingemifcht. Aurifaber hat viele gefchriebene Sammlungen benut,
ınd Deutiche überſetzt und oft Terte gemifcht. Die deutfche Sammlung in Wolfen-
büttel (Helmftedt 878 von 1556) ift entweder Vorarbeit oder Vorlage Aurifabers
geweſen, während andere deutiche Sammlungen (München cgm 4502 und Karls-
ruhe 437) nur aus Aurifaber abgejchrieben find. — Lauterbachs Tagebuch für
1538 und die fogenannte Kummerjhe Sammlung: Handfariften und Zert-
verhältnifie.
Göttingifche gelehrte Anzeigen.
Nr. 6. Seuffert B., Hirzel: Wieland und Martin und Regula Künzli.
Umfaffende Befprehung mit jelbftändiger Benutzung des von Hirzel veriwerteten
Material und anderer Handjchriften, grundlegend für Wielands Jugendgeſchichte.
Ausführlih über „Grandijon in Görlitz“.
Nr. 8. Minor J., Forſchungen zur deutſchen Philologie. Feſtgabe für Rudolf
Hıldebrand. Gegen Sievers’ Auffag. — Wichtige Ergänzung zu Goebels Aufjat:
Amerila in der deutihen Dihtung. Börne und Heine Über Amerifa. —
TZadelt an Elſters Aufſatz über Goethes Pläne und Fragmente zum Singfpiel
„Die Myftificirten“, daß dabei die wichtiaften Quellen überjehen wurden und
polemifiert gegen Elſters Reconftruction des Planes und gegen feine prinzipiellen
Ausführungen.
Situngsberidyte der philojophifch-philologifchen und der hiftorifchen Klaffe
F tzniglich bayeriſchen Alademie der Wiſſenſchaften zu München.
Heft J.
Baumann Fr. L., Die Eidgenoſſen und der deutſche Bauernkrieg bis
März 1525.
Abhandlungen der hiſtoriſchen Klaffe der königlich bäayeriſchen Akademie
der Wifjenfchaften. Band 21. Abteilung 2.
Cornelius C. A., Die erften Jahre der Kirche Calvins. 1541—1546.
Revue de l’Universit6 de Bruxelles. I, 3.
Levy A., La philosophie de Goethe.
Zeitſchrift des Vereins für Wolkskunde. Band 6. Heft 2.
Amalfi &., Die Kraniche des Ibykus in der Sage.
Neiterer K. Volksſprüche aus dem Ennsthal.
Königsberger B., Aus dem Reiche der altjüdiichen Zabel.
Bolte $., Zu den von Laura Gonzenbady gejammelten ficiliihen Märchen,
aus dem Nachlaſſe R. Köhlers.
Kunze F., Volkskundliches vom Thüringer Walde aus der Wiedersbacher
Chronit des Pfarrer Möbius. („Bei einem Sterbefalle fingt der Wächter auf
166 Bibliographie. 1. Zeitfchriften.
feinen acht Ruforten einige Verſe aus dem Liede Ar. 728 [‚Einft gehe ich zc.']"
S. 181.)
Unger Th., Aus dem deutfchen Volks⸗ und Rechtsleben in Alt-Steiermart.
(Zohannes Minne ©. 184 f.)
Koffinna G., Folllore. (Urfprung und Bedeutung de8 Wortes in beredtigter
Polemik gegen einen Sat des Referenten dargelegt.)
Bederien % Zn den neuirifchen Zauberſprüchen.
Boerichel E., Abzählreime aus dem Poſenſchen.
Kofh Marie, Die adelihen Bauern von Turopol.
Bolte 3. (nad) R. Köhlers Kolleltaneen), Sch deinen Fuß auf meinen!
Kleine Mitteilungen. Zum Bahrgeriht. - Zum Berwunderungs-
fiede. — Der Tod der ift ein grober Dann (Goethes Gedicht vom 14. Februar 1814
und Young in den Nadıtgedanten von 8. W. verglichen). — Meideriher Rechts⸗
ſprichwörter — Beſchwörung des Alps. — Zur Bollsfunde aus Anhalt.
Aus den Situngsprotolollen des Berens: Eſſen und Trinken bei den
Germanen. — Kamm und Taichentuh im Volksleben. — Der Regenbogen.
R. M. Meyer.
Zeitſchrift für Ethnologie. Band 28. Heft 2.
Beſprechungen: Bartels M., Zeitſchrift für öfterreihifche Vollskunde. —
Virchow R., Hansjalob: Unſere Volkstrachten. Bartels M., Achelis: Moderne
Völkerkunde (behandelt auch Forſter und Chamiſſo, derder umb Schiller).
i eyer.
Globus. Band 69. ,
Nr. 7. Koſſinna &, Die geſchichtliche Entwidiung der germanijchen Bolts-
grenzen in Oſt und Weit.
Nr. 16. Rellen T., Neue Beiträge zur elfäffıfhen Volkskunde.
Nr. 18. 19. Schultheiß Fr. G., Die geſchichtliche Entwicklung des geogra⸗
phiſchen Begriffs „Deutſchland“.
Hilorifches Zahrbuch. Band 17.
Heft 1. Paulus N, Ter Dominilaner Johann Faber und fein Gutachten
über Luther.
Schmid Joſeph. Janſſen Paſtor: Geſchichte des deutſchen Boll feit dem
Ausgang des Mittelalters. Mancherlei quellenmäßige Ergänzungen. Neue Mit-
tetfungen zur Geſchichte der Centurien.
Det 2. Falt F., Zur Seichichte der öffentlihen Bücherfammlungen
Deutſchlands ım 15. Jahrhundert Nachtrag zu Jahrbuch 1, 297.
Heft 3. Funk F. 8, Reuchlins Aufenthalt un Klofter Dentendorf.
Recenfionen und Referate. Paulus M., Sorhein: Ignatius von Loyola und
die Gegenreformation.
Deutſche Zeitſchrift für Geſchichtswiſſenſchaft.
Band 12. Heft 2. Jahrgang 1894 5. Heft 4. Stern A., Hardenbergs
Inſtruct:'on für Jordan 1817 in Sachen des Artikels XIII der Bundesalte.
Neue Folge. Jahrgang 1. Wıerteliabrsheft 1. Zchmoller $., Das politifche
Teſtament Friedrich Wilhelms I. von 1722. Hide
Vierteliahrsheft 2. Lamprecht N, Was ift Kulturgeſchichte? Beitrag
zu gng empirischen Hiſtorik Nachtrag. Gegen Rachfahl, Preußiſche Jahrbücher
1496, um
Sander P., Ein Beitrag zur Kritik Peter Harers.
Monatsblätter Air 1.2 Heigel K. Th, Friedrich der Große und der
Uriprung des fiebemyährigen Krieges.
Nr. 3. Marks E., Heinrich von Treitſchke. Em Nachruf.
1896. 167
rdhiualifche Zeitſchrift. Neue Folge. Band 6.
ae v., Die Verwaltung der bayerifchen Landesarchive. Mit
einem gejchichtlihen Rückblick.
P. B., Berzeichniffe der in den Ländern der weftlichen Hälfte der öfterrei-
ifhen Monardie von Kaifer Joſeph II. 1782—1790 aufgehobenen Klöfter
—
Großmann J., Das Königlich Preußiſche Haus-Archiv zu Charlotten-
burg. Mit einer Geſchichte des Archivs.
The English hirtorical review. 1895. Band 10.
Tatham E. H. R., Erasmus in Italy.
Gergidteblätter des deutſchen Hugenotten-Bereius. V. Zehnt.
7-9.
eft.
Tollin —* Der hugenottiſche Lehrſtand, Wehrſtand und Nährſtand zu
Frankfurt a. d. Oder.
Bismarck Zahrbuch. Band 3. Heft 1. 2. |
Alta, betreffend den Kammergerichts-Auskultator 2. E. O. v. Bismard 1836.
Briefe von VBismard an jeinen Vater, 8. v. Gerlach, Graf Itzenplitz, Graf
Thun, Fr. Harlort, Freiherrn von Prokeſch, Graf Hatfeld, Minifter v. d. —
Walderſee, Miniſter von Schleinitz, Finanzminiſter von Patow, Erzbiſchof
Ledochowski, Fürſt Gortſchakow; an Bismarck von L. v. Gerlach, Graf Thun,
I Harkort, Freiherrn von Prokeſch, Graf Hatfeld, 3.2. Motley, Walderfee, von
elorw=Hohendorf, Dtto von Manteuffel, Harry von Arnim, General ©. von
Alvensleben, Minifter von Eulenberg, Roman Andreae, Erzbiſchof Ledochowski.
Alemannia. Jahrgang 24. Heft 1.
Sütterlin L, Sagen und Erzählungen aus Baden. a. Bon Gefpenftern
und umgebenden Toten. — b. Bon gefpenftiihen Tieren. — c. Vom milden
Jäger und feinem Heer. — d. Bon Heren — e. Bon Zauberern, dem Korn—
ihneider und Heuler. — f. Bon dem Wafferfräulein. — g. Bon verborgenen
Schätzen. — h. Geſchichtliches. — i. Bom Brauchen. — Anhang: Haus» und
Schutbrief.
Heilig O., Zum Vokalismus des Alemannifchen in der Mundart von For:
bad im Murgthal.
Bohnenberger K., Ueber Hermann Fiſchers Geographic der ſchwäbiſchen
Mundart.
Schmidt Friedrich, Deutfche Handichriften in Maihingen. Ein Nachtrag zu
Germania 8, 48 ff. Außer zahlreihen Handichriften des 15. Jahrhunderts auch
einige des 17. ©. 80: Ein Lied auf die Schlacht von Tuttlingen (24. No-
vember 1643) abgedrudt. — ©. 86 werden Feftfpiele aus dem 17. Jahrhundert
erwähnt, deren Ausgabe bevorfteht. „ES ift nicht unwahrſcheinlich, daß wir in dem
Berfafjer des erften Feſtſpieles Chriftian Weife vermuten dürfen.“
Altpreußiſche Monatsichrift. Neue Folge. Band 33. Heft 1 und 2.
Januar — März.
Froelich XR, Die Jeſuitenſchule zu Graudenz. Ergänzungen zu des
Berfafferd Geſchichte der Kreiſes Graudenz. Verzeichnis fämtliher Schüler im
Jahre 1742, Haffenmweife alphabetisch geordnet, nebft deren Herkunft und Lebensalter.
Tetzner F., Die Tolminlemiſchen Taufregifter des Chriftian Donalitius.
(1725 — 1779.)
Zaddach G., Ernft Meyer als Gelehrter [Botaniker] und Dichter (geb.
1. Januar 1791 in Hannover, geft. zu Königsberg 7. Auguft 1858). Öffentlicher
Bortrag, gehalten in Königsberg am 22. Februar 1870. Darin mehrere lyriſche
Gedichte mitgeteilt.
168 Bibliographie. 1. Zeitfchriften.
Schwenke B. Hans Weinreich und die Anfänge de8 Buchdrucks in
Königsberg. Anhang. I. Berzeihnis der Schriften und Ornamente. Il. 2er:
zeichnis der Königsberger Drude bis 1527.
Aalt-Wien. Monatsihrift für Wiener Art und Sprache. Herausgegeben und
redigiert von &. Stieböd. Jahrgang 5.
Nr. 1. Jaden H. zreiberr von, Ueber Theodor Körners Braut und deren
Familie.
Nr. 2. 3. 6--9. Priſching R., Wiener Stimmen über Litteratur, Kunſt,
Mufit und Theater.
Nr. 2. Urtmann R. Adalbert Zrifter (geft. 28. Januar 1868). Zum
Andenken eines Wiener Tichtere.
Nr 3.4.5.6. Arnold RF., Schriftiteller der Reftanrationszeit über Wien.
Auszüge aus Adolfvon Schadens „Pieter Fuchs“ (1821), W. Alexis' „Wiener
Bıldern“ 1839, 8.9. von Langs „Memoiren“ (1842), Spındlers „Ztädte und
Menſchen“ (1848).
Mareta H., Proben eines Wörterbuch der öſterreichiſchen Volksſprache.
Nr. 4 5. Caſtle E., Zedlitz' „Zwar Nächte zu Valladolid“. Eme litterar-
hiſtoriſche Unterſuchunug. Aus einer demnächſt erſchemenden Monographie über
Zedlitz.
Mr. 4. Jaden H. Freiberr von, Die „ſchwediſche Nachtigall“ in Wien.
Eldnard! Caſtle;, Deuiſch öſterreichiſche Litteraturgeichichte.
Ir. 5. Newald J., Wien im Jahre 1787. („Anekdoten und Bemerkungen
über Wien”. Wien 1787.)
Wr. 6. Jaden H. K. Freiherr von, Evakathel und Schnudi liber Beri-
nets Bearbeitung des Hafnerichen Stückes
Nr. 8. Reiter S. Gin Teuticher der Philologe Karl Lehrs) über Alt-Wien.
Jr. Newald J., Aus den Brieſen des Eipeldaners. Zur Geſchichte einer
Alt Wiener Zeitung. I. Tas Eweldauers Leben, Wirken und Weſen.
Alt Wiener Yırteraturblatt. Der lan der „Wiener Neudrude” wird bier
im engeren Rahmen wieder aufgenommen. „Unter den bisher ungedrudten
Itterarsichen Erzeugimiien, deren Berofientlihung ın Ausſicht genommen
ft, find Werke Geweys, deſſen geſammter litterariſche Nachla der Redat
ton zur Verfiigung Steht, ein Stück Neitvong, Cenſurakten und andere
mehr“
15 Rudel! Perieſchinge, Samuel Brinks leste Viebesgeſchichte.
Eine Erzablung von Schreyvogel.
Caſtle E, Tier Ingendgedichte Ranuernfelds. 1820 - 1826,
Nr. ? P, Allerley. Zum Nachtiſch für litterariiche Gourmands Cicade. 1820.
2, 31dı
Eme Sage von der „Spinnerin am Kreuz“, erzäblt von ‚gerdinand Rai—
mund. E Duller, Die maleriſchen und romantichen Tonauländer. Yeipzig, 0.3.)
Sr. 3. Meniſchenwüurde Bon J. B. Moser, 1839.
kr alte &, Verichollene Gedichte von Jedliv.
ir. 5 Caſtle E, Gedichte von Michael Enf von der Burg.
Kr. 6. Caſtle E. Nachdichtungen von M. Ent von der Burg. Nach dem
Zpantichen.
Caſtle E, Ter lebte Zeuen der Liebe Bon W. F. C. Meſſenhauſer.
Nr. 7. Arnold NF.. Ein Greiprach Ferdinand Raımunds mit Carl
Spindler Spindler „Stadte und Menſchen“, 2. Zeil, 8. Napıteh.
Kr. Kalte &, Aus „Orions Rückkehr zur friedlichen Inſel“ (1803) von
Verinet.
Mitteilnngen dis Verems für Geichichte von Annaberg und Umgegend.
V Jahrbuch fur 1895 106. 6Feſtichrüt zur vierbundertiäbrigen Jubel
fer der Siadt Annaberg am 21 Zeptember 1806.)
1896. | 169
Find E., Anfänge einer Ortsgefchichte der Stadt Annaberg.
Keller K., Bergmerköbefig ber Kölner Familie Bachofen von Edit im Erz-
ebirge.
— of B., Erbhuldigungen und Gedächtnisfeierlichkeiten für ſächſiſche Kur-
fürften in Annaberg (17. Jahrhundert). Nach zwei Chroniften, Fortjegern des Je—
nifius: Georg Wahl und Chriftoph Wolf.
Friſch N., Annaberg und feine Scidjale in den Sahren 1760 und 1761.
Ein Beitrag zur Geſchichte des Erzgebirges im Siebenjährigen Kriege.
Schriften des Bereins für Geſchichte und Naturgefchichte der Maar und ber
angrenzenden Landesteile in Vonaueſchingen. Heft 9.
Tumbült ©., Die Bermehrung des Fürſtenbergiſchen Beſitzes durch den
Grafen Friedrich (1510—1559).
Tumbült G., Kriegs-Tagebuh von 1799 —1802, nebft Aufzeichnungen aus
den Jahren 1809, 1813 und 1814 von Johann Baptift Müller, fürftlich
Fürftenbergichen Rate und Ardivar (Schluß).
Roder Ch., Ein merkwürdiger Herenprozeß in Dillingen 1641.
Reich Lucian (Maler in Hüfingen), Blätter aus meinem Denkbuch. Bio-
graphiiche Aufzeihnungen. S. 125 f. Eine hübſche Anekdote von Schwind.
. Kürz E ©. Das Bienenbüdjlein de8 Georg Pictorius von Billingen
Überfeßt und beransgegeben.
Mitteilungen des Vereins für die Geſchichte Werlins. Nr. 3.
Quantz W, Uber die Anfänge des Berliner Theaters.
Mitteilungen des Bereines für Geichichte der Deutihen in Böhmen.
Sahrgang 34. Heft 4 Weber O., „Diarium“ über die Belagerung und
Okkupation Prags durch die Preußen im Jahre 1744.
Neuwirth 3., Goldenfroner Grabdenfmale.
Horcicfa A., Kunftgeichichtliche Nachrichten über die Kirchen in Auffig.
Sahrgang 35. Heft 1. Lambel H., Plan und Anleitung zu mundartlider
Forſchung in Deutih-Böhmen.
Böhmens deutiche Pocfie und Kunft.
Heft 2—7. Hauded J., Mufiler und Tondichter Deutſch-Böhmens. (Schluß
und Nadıtrag.)
Heft 2. 3. Joß B., Einige hervorragende, m der Zeit von 1500—1700 in
böhmischen Offizinen gedrudte muſikaliſche Werke.
Heft 4-7. Kaftner E. F., Böhmerwalddiditer. H.
Konuer Iahrbüder. Heft 99.
Renard E., Die Bauten der Kurfürften Joſeph Clemens und Clemens Auguft
von Köln. Ein Beitrag zur Gejchichte des Rococo in Deutjchland. Erfter Teil.
SForſchnugen zur Braudenburgiſchen und Preußiſchen Geſchichte.
Band 9, erſte Hälfte.
Chrouft A., Aftenftüde zur brandenburgiichen Gefchichte unter Kurfürft
Kohann Sigismund. I. Zur Ebenbürtigfeit der Radziwill. — II. Zur Geſchichte
der Einführung des reformierten Belenntniffes in der Kurmark. 1. Bericht des
Snperintendenten zu Zerbſt, M. Martin Füſſel über feine erfte Berufung nad)
Berlin, 30. Zuli (9. Auguft) 1613. — 2. Kurfürft Johann Sigismund von
Brandenburg an Abraham von Dohna, Grimnit 5. (15.) Dezember 1613. —
3. Kurfürft Sigismund an einige vom [furmärlifchen] Adel auf dem Lande,
Grimnit, 12. (22.) Dezember 1613 (= Keller, Gegenreformation in Weftphalen und
am Niederrhein 3, 219). — 4. Bericht, Köln an der Spree, 13. (23.) April 1615.
Oncken ®., Sir Charles Hotham und Friedrich Wilhelm I. im Fahre 1730.
Urkundliche Auffchlüffe aus den Archiven zu London und Wien. III. Hothams
letzter Anlauf und Abreife.
170 Bibliographie. 1. Zeitfchriften.
Petersdorff H. v., Der Streit über den Urſprung des deutſch⸗franzöfiſchen
Krieges. Ein Bericht.
Naudé A., Beiträge zur Entftehungsgefchichte des Siebenjährigen Krieges. Teil II.
Braunſchweigiſches Magazin. Band 1. Jahrgang 1895.
Nr. 8. Plant] Zimmermann), Ein Brief des Abts Jeruſalem. Ber-
mutlid an Ernit Theodor Tanger, Braunſchweig, 10. Januar 1778. über das
Sollegium Carolinum.
Kr. 9. Leffing und Helmftedt. Nah einem Briefe des Malers Paſcha
Joh. Friedr. Weitſch an den geheimen Kammerrath v. Heineden, 24. Auguſt
1771 war Leſſing von Braunſchweig aus damals in Helmftedt.
Mureum Francisceum. Annalen. MDCCCXCV. Brünn.
Bretholz B., Die Carroniſche Manujtriptenfammlung des Franzens-
Mufeums.
Schram W., Die Jncunabeln des Franzens Mufeums.
Jahresbericht des hiftoriichen Bercins Dillingen. Jahrgang 8. 18985.
Specht Th., Die Privilegien der chemaligen Univerfität Dillingen.
Schröder A., Unterſuchungen gegen Dlag. Kaſpar Haslach, Prediger in
Dillingen, wegen Verdachts der Härefie 1522.
—* J., Zur Reformationsgeſchichte Augsburgs.
Wagner A, Der Auguſtiner Kaſpar Amman.
Schlecht J., Felician Ninguarda in Andechs 1583).
Specht Th., Matrikeln der Univerfität Dillingen.
Wagner 9, Brioren des Yanınger Auguſtinerkloſters bis 1540.
Schlecht 3, Zur Geſchichte der deutfhen Auguſtiner vor Luther.
Dresdener Geſchichtsblätter. Band 4. Heft 2.
Biedermann W. v., Eine Dresdener Yıebhaberbühne vor hundert Jahren.
Sammelblatt des hiftoruichen Vereins Eichſtätt. X.
Dürrwächter A, Das Jeſuitentheater in Eichſtätt.
Beiträge zur Geſchichte Eiſenachs.
II. Buchner W., Goethes Beziehungen zu Eiſenach.
III. Feſtungs Schloß Wartburg von Joh. Chriſtoph Kurz 1757. Neudruck.
IV. Kühn G., Tas Karthäuſertloſter in Eiſenach.
Mitteilungen des Geichichts und Altertumsforſchenden Vereins zu Eiſen⸗
berg. HefinnI.
Schirmer N., Eiſenbergiſche Statuten vom Jahre 1610.
Baufleine zur Elſaß-lothringiſchen Geſchichts und Landeskunde.
Heft 2. Tennter J. Em Hexenprozeß im Elſaß vom fahre 1616. Ein
Beitrag zur Rulturgeichichte des Elſaſſes. Nach dem Rarbuh von Enzheim.
Mitteilungen dis Vereins fir die Geſchichte und Altertumskunde von
&rfurt. Sch 17. 1805.
Veyer K., Die Nrämerbrüde und ihre Bewohner.
Erigebirgs-Jeitung. Jahrgang 17
Deft 4--8. Urban Ve, Dem Sagenbuch des Gerichtsbezirks Plan.
John B, Eaerländer Rodenftubenlicder
Wilhelm J., Trernamen und iprachlicher Verkehr mit Tieren im Saazer
Yande.
Heft 9. John B. Egerländer Hofnamen. H.
Beiträge zur Geſchichte von Ztadt und Zuft Een. Heft 16.
Ribbeck K., Geſchichte des Eſſener Gymnaſrſums, I. Teil bis 1564. 1. Die
Zuftsihule bs zum Jahre 150m. - 2 Die Zuftsichule 1500-1546. —
3 Las Gymnaſium von 1545 1566 — Urkunden.
1896. 171
Beiträge zur Kunde Efih-, Liv- und Kurlands. Band 5. Heft 1.
Winkler R., Über Kirchen und Kapellen Eſthlands in Gefchichte und Sage.
Weſtling ©. D. F., Kirchengeſetz und Kirchengefearbeiten in Efthland zur
Zeit der ſchwediſchen Herrichaft.
Sigungsbericdzte der Gelehrten Eſtniſchen Geſellſchaft 1895.
Toll Harald Baron, Biographifches iiber den Magifter Johannes Wetter-
mann. (16. Sahrhundert.)
Hausmann R., Ein vergeffener baltiicher Forſcher des 18. Jahrhunderts.
Karl Dtto von Gyllenſchmidt. |
Ardiv für Frankfurts Geſchichte und Kunft. Dritte Folge. Band 5.
Schnapper-Arndt G., Wanderjahre des Johann Philipps Münd als
Kaufmannsjunge und Handlungsdiener 1680-1694. Bon ihm felbft befchrieben
A* 1698. I. Einleitung des Herausgebers. II. Xebens-Memorial von Johann
Philipps Münd. III. Stammtafeln der Nadhfommen des Johann Anſelm Münch
(1600— 1658) und des Chriftian Hermsdorff.
Mentel E., Die drei älteften erhaltenen Frankfurter Theaterzettel. I. Zettel
zur Vorftelung „Die ftandhafte Mutter der Machabaer“ (1651 oder 1656).
— N. Textbuch zu der in oder nach der Oſtermeſſe 1698 von der Veldtheimi—
ſchen oder Velthenſchen Truppe abgehaltenen Ratkomödie: „Salomo oder bie
triumphirende Weißheit Salomonis.” — II. Tertbudy zu der von der Beldtheim-
ihen Bande 1711 gegebenen Feftvorftellung nach der glüdlichen Landung des er-
wählten römifchen Königs Karl VI. in den unmeit Genua gelegenen Heinen Häfen
Finale und Bado.
Tall, Johannes Indagine, Decan des St. Leonhardſtifts zu Frankfurt
a. M. (16. Jahrhundert).
Zeitſchrift der Gejellfchaft fir Beförderung der Geichichts-, Altertums- und
Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und deu angrenzenden Tand-
jchaften. Band 12. 1895.
Mayer H-, Abriß der Gefchichte der Freiburger Gymnaſiumbibliothek.
Mitteilungen des Bereins für Hamburgiſche Geſchichte. Jahrgang 17.
1895. Band 6. Heft 2.
Nr. 1. Hille G, Magnus Anderjen zu Klirbüllgaard in Hamburgifchen
Dienften. Brief an diefen von Dr. Wilhelm Moller, Hamburg, 18. März 1570.
Nr. 3. Wedelind O., Zur Geihichte des Zeitungsmwefens bei Begründung
der Stadt Altona (17. und 18. Jahrhundert).
Nr. 4. Rüdiger O., Lateinische Scherzverfe von Klopftod. Eine Zufat-
ftrophe zum Gaudeamus. Aus dem Jahre 1774 (nad) Schletterer, J. F. Reihardt
1, 160).
Walther C., Eine Radierung von Peter Suhr aus dem Fahre 1804.
Nr. 6. Rüdiger O. Williams Brades Tod und die Trauergedichte
darauf. Der englifhe Geiger W. Brade ftarb zu Hamburg 26. Februar 1630. Es
haben fich Leichentarmina erhalten, ein deutfches von Joachimus Petraeus,
lateiniſche von Reinerus Brocmann aus Schwann in Medlenburg, Dapıd
Cramer aus Stargard in Pommern, Andreas Cypraeus, Tyco a Seifen
aus Flensburg, Zaharias Lund; die Verfaffer waren wahrfceinlich alle Stu-
denten des Hamburger Gymnafiums. Ein anderes von P. M. rührt wahrſcheinlich
von Paulus Mooth aus Flensburg, ein anonymes vermutlih von Johann
Adolf Fabricius, Diakonus an der Jalobikirche von 1615—-1650, her.
Nr. 8. Silem W., Nachtrag zu den Trauergedichten auf William Brades
Tod. Johann Peträus dürfte identifch jein mit bem jpäteren Hamburger Syn-
dicus Joachim Peterjen, der an Lunds „Allerhand artigen deutfchen Gedichten”
mitgearbeitet hat; ftatt Kohann Adolf Fabricius dürfte aber vielmehr Lunds
172 Bibliographie. 1. Zeitichriften.
Buſenfreund, der im Jahre 1612 zu Hamburg geborene Bincent Fabricius als
der Berfajjer des anonymen Gedichts anzufeben je.
Lieboldt J. Mihael Geerkens aus Hamburg, verftorben 1732 als Haupt:
pajtor in Fleusburg.
ir. 11.12. Rubenjohn ©., Almiro e Glas Amburghesi. zwei vergefiene
Erforſcher Griechenlands. Die von Francesco Piacenza ın feinem Buch über die
Inſeln des Aegeiſchen Meeres und den Peloponnes (Modena 1688) al8 Gewährs—
männer citierten damburger Almiro und Clas dürften nad Rubenſohns wohlbegrün-
deter Bermutung ın dem Decennium van 1670—1680 als Forſchungsreiſende im
Dienft des holländiſchen Malers Taurent van der Hemm für die Neuausgabe
des Blaeuſchen Atlas thätig geweſen fein, laffen fi) aber bis jetzt urkundlich nicht
nachweiſen.
Walther C., Die Hamburger Clas und Almiro. Waltiher glaubt Clas in dem
Kapitän eines Hamburgiſchen Convoy- oder Orlogſchifſes Clas Marinſen oder
Martens nachweiſen zu können: dagegen erklärt er feine ältere Vermutung,
Almiro fer der 1662 nachgewieſene Vice Admiral der Damburgiichen Flotte Heinrich
Allmier, für unbaltbar, da dieter Name Allmier höchſt wahrſchemlich aus Meyer
entitellt oder verleien iſt.
Zeitſchrift des Vereins für Hamburgiſche Geſchichte. Band 10. Heft 1.
Ehrenberg R., Aus der Damburgiichen Handelsgeſchichte. 1. Berichte eines
Hamburgiſchen ‚saftors der Welſer 1611. — 11. Zur Hamburger Jslandsfahrt. —
Ill. Bom Roden Tollen.
Mad d., Jürgen Kalms Briefe aus der Lehre ın Hamburg an feine
Deuter ın Braunſchweig 40 Briefe 1623 — 1650.
von dev Ropp, Hamburger Studenten in Gießen. 1608 - 1707.
Zeitſchrift Harı-Vereins für Geſchichte und Altertumskunde. Jahr
gang 20. Heft 1.
Jacobs E, Die erſte bekannte, um die Mitte des ſechzehnten Jahrhunderts
zu wiſſenſchaftlichem Zwecke ausgeführte Brockenbeſteigung. Daten über Johann
Wilhelm Reiffenſtein (1510 29-1575), den erſten wiſſenſchaftlichen Beſucher
dr Baumannshöhle und über Til. Etolt «Stella, geſt. 158%), den erſten
winenſchaftlichen Veſteiger des Brocken
Jacobs E, Der Brocken und das dentiche Vaterlandsgefühl.
Moſer J. Iwei RMoßlaer Erſcheinungsgeſchichten aus dem 17. Jahrhundert.
Heue Heidelberger Zahrbücher. Jahrgang 5. Heft 2.
Hausrath N, Yurbers Belehrung.
Erdmannsdörffer B., Kleine Beiträge zur (Boethe- Biographie. 1. Goethe in
Heidelbera und die Familie Delph. Über Goethes Heidelberger Aufentbalt im
Serbft 1775: uber die Familien Delph md Wrede erhalten wir neue Mitte:
lungen aus Alten 2c.; die VReziehungen Goethes und feiner Familie zu Fräulein
Delph werden bis zu deren Tede 120. Oktober 1808) verfolgt. 2. Goethe und
Gagern 1704 Es wird überzeugend nachgewieſen, daß das im Goethe-Jahrbuch
16, 12 (Briefe 18, 70) mitgeteilte Konzept eines Briefe „an einen unbelannten
dentſchen Patrioten“ an den ‚rühren Dans Chriſtoph Ernſt von Gagern gerichtet,
durch deſſen Yroichire „Em denticher Edelmann an jeine Landéleute“ veranlaßt
und in den Anguſt oder Zeptember 1704 zu feßen iſt
Zeitſchrift des Periine für Hennebergiſche Geſchichte und Landeskunde
ın Schmalkalden. Heft 15.
Matthias R., Dir Ztadtlirche ın Schmallalden
Iahrbudg des deutichen Gebirgsvereins flir das Iefdghen- und Dfer-
gebirge. Jahrgang ©.
Sturm Y, Zpradliches aus dem Jieracbirgr.
Hübler x, Yaftlöfercime aus dem Gebiete des Iſer- und Jeſchlengebirgs.
1896. 173
Stelzig J., Ein Rückblick in vergangene Zeiten. (Mitteilung von alten
Volksſpielen und Reimen.)
Pohl A, Märchen und Geſchichten aus dem Iſergebirge. (Nach dem Volks—
munde, die Geſpräche in der Mundart.)
Taubmann J. A., Bollsmärchen und Sagen aus Nordböhmen. H.
Archir des Bereins für die Gefhichte des Herzogtums Lauenburg. Band 5.
e
1.
Der Dom zu Rateburg (Fortſetzung und Schluß).
Lüders A., Beiträge zur Chronik der Kirhen-Gemeinde Niendorf a. d.
Stednit. |
Dührfen W., Die fürftliden Schlöffer und Höfe im Herzogtum Lauenburg.
Nah alten Inventaren und Befchreibungen (1500 - 1662).
Schmidt-Rateburg M., Die litterarifhe Gejellihaft in Ratzeburg
zu Anfang des 19. Zahrhunderts. Gegründet 1807. Abdrud der Statuten ©. 88 fi.
Biographiiche Daten über die wichtigsten Mitglieder und Mitarbeiter an den „Rate:
burger Blättern”: Carl Reinhard, J. 9. B. Dräſeke, J. Chr. F. Dies,
L. G. C. Naumerd, oh. Friedrich Schink, Georg Chrift. Sponagel, Andreas
Wilke. Ende 1810 ging das Blatt und die Gefellichaft ein.
Jahr-Budy der Gefellihaft für lothringiſche Geihichte und Altertums-
funde. Jahrgang 7. (Erfte Hälfte.) 1895.
Hollaender A., Archivaliſche Beiträge zur Belagerung von Met 1552.
Ons Hömecht, Organ des Bercins für Luremburger Geichichte, Fitteratur
und Runft. II. 1—3.
Essai de la Lexicologie luxembourgeoise.
Burg B., Die Yuremburger Mundart.
Gerdhidhts-Blätter für Stadt und Land Magdeburg. Jahrgang 31. Heft 1.
Neubauer, Briefe aus dem Stadtarchiv zu Zerbft. „Auszug aus dem
Repertoir über die Aften, jomweit fie das Gebiet betreffen, daS der magdeburgijche
Gefhicht3verein zum Gegenftande jeiner Forſchungen macht.”
Mansfelder Blätter. Mitteilungen des Bereins für Gefchichte und Alter-
tümer der Grafihaft Manzfeld zu Eisleben. 9. Jahrgang. 1895.
Ehmidt F., Bayernaumburger Gemeindebud von 1711. Nach der
im Gemeindeardive zu Bayer-Naumburg vorhandenen Urjchrift herausgegeben.
Strümpfel E., Wittenberger Ordinierte aus der Grafſchaft Mansfeld
und der Herrſchaft Querfurt.
Könnede M., Ein Soldatenbrief aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges.
Gottfried Zahn aus Groditedt an feine Familie, Strehle, 27. Dftober 1756.
Schröter O. Theodor Körners Beziehungen zur Grafihaft Mansfeld.
Ein ungedrudter Brief von Kömer an feinen Freund Karl Schmid, Schmiede-
berg 29. Auguft 1809. 9 andere Briefe an denjelben Adreffaten werden aus der
„Poſt“ 1891 und aus der „Nationalzeitung“ 1889 wiederholt.
Zahrbuch der Hiftoriichen Gejellichaft für den Uetzediſtrikt zu Bromberg,
zugleich al8 Feftichrift der Stadt Bromberg zur ‘eier ihres 550jährigen
Beſtehens dargebradit.
Meyer Martin, Mitteilungen aus der Gefchichte der preußifchen Domainen-
verwaltung im Negediftrift zur Zeit Friedrichs des Großen.
Meyer Martin, Einige bisher noch nicht veröffentlichte CabinetSordres Friedrichs
des Großen an den Geheimen Finanzrath, von Brendenhoff, betreffend die Ver—
waltung des Nekediftrifts. S. 60. 63 Uber Kirchenbauten.
Niederlaufiker Mitteilungen. Band 4. Heft 5 und 6.
Werner A., Gubens Schule und Kirche ın ihrem Verhältnis zu einander.
Hohlfeld F., Blicke in die drei älteften Teile des Kirchenbuches zu Forft i. 2.
174 Bibliographie. 1. Zeitfchriften.
Stepkan &., Ritter Wormlitz, eine Sage.
T Adermann B., Jur Volkskunde des Kalauer Kreifes.
Mitteilungen dei nordböhmiſchen Ercurfionsclubs. Jahrgang 19.
Heft 1. Ankert H., Baftlöfereime aus Deutſch-Böhmen.
Kögler A., Boltstümliches aus Freudenberg. Darunter ein Singfpiel,
Der Bauer und bie Bergleute.
Nlapper M., Der Diebsjegen.
Naaff A. A., Zur neueren Lıtteraturbewegung in Deutih-VBöhmen.
Heft 2. Antert H., Bergmannslieder aus der Wernftädter Gegend.
Klapper M., Der Alp und die Ausgetauichten.
Bandiır A., Höllen aus Höllen. Zur Erklärung Goethes. Das „Rätjel“
Goethes (Hempel 3, 205) wird mit dem Hinweis auf die „Echneiderhölle” (der
Ort für die Stoffabfälle) glücklich erläutert.
Simm I, Diebsſegen.
Heft 3. Klapper M., Sagen.
Kögler A., Franzoſengeſchichten
Wiechowsky A. und Kögler A., Aus dem Volksmunde. Volkstümliche Lieder.
Paudler A. Jur Orisnamentunde. H.
Zeitſchrift für die Geſchichte des Oberrheins. Neue Folge. Band 11.
Heft 2. Mayerhofer J., Inhalt und Zuftand des Pfalz: Zweibrüdenihen
Archivs ım Jahre 1567.
Barreutrapp 8, Sebaſtian Brants Beſchreibung von Deutichland und
ihre Beröftentiichung durch Kaſpar Hedio.
Weech sr. von, Eduard Winkelmann }
Wackernagel R., Ter Stifter der Eolorhurner Madonna Hans Holbeins.
Mitteilungen der Badiſchen Diftoriichen Kommiſſion. Nr. 18.
Weiß J G., Freiherrl. von Gemmingen Hornbergſches Archiv in Hornberg
bei Nedarzımmern: ssreiberri. von (Memmingen Guttenbergſches Archiv zu Redar-
mühlbach «Arzirtsamt Mosbach).
Henck E, Freiherrl. von Venumgenſches Archiv zu Eichtersheim (Bezirksamt
Sinsheim.
Öferreidiihes Jahrbuch. Jahrgang 20.
Reinhart H, Wien gu memer jet. Kin Rück und Umblid. Neue Folge.
(Zieht S fterreichtichen Jahrbuch 17, 191 228; 18, 209— 258.)
Neer R. Kunſtbeſtrebhungen Karl V und Philipp MI.
Helfert J. A. Freiherr von, Kraf Yro Thun, k. k. Gubernialpräfident in
Böhmen. 3. Abſchnitt: Zlaventongrip-
Trurad. M., Ein Gedenkblait für Pfarrer Joſeph Maurer, geft. 19. No⸗
vember 1894. Gedichte von Maurer.
Anzeiger des Verems für ölterreichiſche Volkskunde, 1. Jahrgang
are) N. 5
richtmeßlied 's Burſchna, Ein Faſchingsſpiel. Beide aufgezeichnet von
Heinrich Moſes m Pottichach (Riederöſterreich. H.
Öferreih-ungarildie Neune. Yaud 20. Si 1.
Schloſſar A, Anaftafıns Grün umd Josef reiberr von Hammer-
Purgſtall Mi (2%, ungedrudtn Briefen Anaftafis (Hrüns aus den Fahren
I831--1N 4.
Jahrbuch der Geiellichaft für die Geſchichte des PWrotekantismns in
Oferreidy. Jahrgang 17 Heft 1 und 2.
bl B., Der Briefwechſel zwiſchen Flacius und Nıdbrud. Aus den
Sandichriften 9737 h. i und k der ft un. f. Hofbibliothel in Wien. Herausgegeben,
eingeleitet und erläutert. 41 Briefe, 26 von Flacius, 15 von Nidbruck aus den
Jahren 1552—1557 follen veröffentlicht werden. Hier die erſten acht Nummern.
1896. 175
Buchwald G., Beiträge zur Kenntnis der evangelifchen Geiftlihen und
Lehrer Ofterreich8 aus ben Wittenberger Orbiniertenblichern jeit dem Jahre 1573
(Fortjetung). Nr. 91-195. 1577—1581.
Unger Th., Uber eine Wiedertäufer-Handihrift des 17. Jahrhunderts. Die
Täuferlieder, nad Ländern geordnet (Fortſetzung). Schweiz.
Beder H., Böhmische Paftoren, ın Anhalt ordiniert 1583—1609.
Schalt 8, Die Wiener Gemeinde-Denuncianten gegen die Evangelifchen.
Notiz aus dem Archiv der Stadt Wien. Ans einer Oberfammeramtsrechnung 1586.
Meyer Chriftian, Gegenreformation in Steiermark. Beriht eines
tatholifchen Augenzeugen über die Ausrottung des Proteftantismus in Steiermar!
ım Sabre 1600.
Scheichl F., Bilder aus der Zeit der Gegenreformation (Fortſetzung).
1. Spradygrenzen. 2. Bergwerke. 3. Glaubensflüchtlinge. — Nachträge.
Schmidt Joh. G., Urkundliches aus der XToleranzzeit in Kärnten. Er-
innerungen an dem erften Baftor zu St. Ruprecht und nachmaligen PBaftor zu
Stoggenboi am Zlan, Samuel Sad (1784—1787).
54. gehresbericht des Mujeums Francisco:Carolinum. Nebft der 48.
ieferung der Beiträge zur Landesfunde von Hfterreidy ob der Guns.
Czerny A., Der Einfall des von Kaifer Rudolf II. in Paſſau angeworbenen
Kriegsvolt3 in Oberöfterreih und Böhmen (1610—1611). Bon Franz Kurz.
Aus defien Nachlaß mitgeteilt und mit neuer Einleitung verjehen. II. Teil.
Mitteilungen des hiftorifchen Vereins der Pfalz. XX.
Grünenwald L., Ein pfälzifcher Bauernlalender. Beitrag zur Volkskunde
der Hinterpfalz.
Roth F. W. E., Geſchichte der VBerlagsgefchäfte der Buhdrudereien und
des Buchhandels zu Speier im 17. Jahrhundert bis zur Zerftörung der
Stadt Speier 1689. Nebit Bibliographie der Druckwerke diefes Zeitraums. Mit
Nachträgen zur Speierer Buchdrudergejchichte 1471—1600. I. Biographifche Mit-
teilungen. I. Drudwerte.
Zeitlorigt der hiſtoriſchen Geſellſchaft für die Provinz Poſen. Jahrgang 11.
eft 1 und 2.
Feinemann D., Eine Ergänzung zur Chronik der, Stadtſchreiber von Poſen.
eisner J., Über den Berfaffer der lateiniſchen überſetzung des Preußischen
Allgemeinen Landrechts. Prediger Dr. theol. Bappelbaum in Berlin.
Deutſcher Bolkshalender des deutichen gemeinnütigen Vereins in Prag.
Fahrgang 17. 1897.
Joſef Rank, Der Böhmerwalddichter.
Hauffen A., Die arme und die reihe Braut im Volksliede.
Zeitſchrift des Vereins für Orts- und Heimatstunde in Veſte und Kreife
Berlingahaufen. V. |
Walter Fr., Plattdeutfhe Sprichwörter und fprichwörtliche Redens—
arten aus der Stadt Redlinghaufen.
Bahlmann P., Einige Dramen des Dorftener Franziskaner-Gym—
naſiums.
Schriften des Vereins für Sachſen-Meiningiſche Geichichte und Landes-
unde.
Heft 20. 22. Eichhorn, Die Grafihaft Camburg.
Heft 20. Jacob G., Berzeihnis der Studierenden aus dem Herzogtum
Sadjien=Deiningen, die in der Zeit von 1502—1560 die Univerfttät Wittenberg
ejuchten. |
guman A, Profeffor Dr. Mar Kleemann, Ein Lebens- und Charalterbild.
eemann M., Programm zur Neubearbeitung der Landeskunde des
Herzogstums Sachjen-Meiningen.
168 Bibliographie. 1. Zeitfehriften.
Schwenke P. Hans Weinreih und die Anfänge des Buhdruds in
Königsberg. Anhang. 1. Berzeihnis der Schriften und Ornamente II. Ber:
zeihnis der Königsberger Drude bis 1527.
Alt⸗Wien. Monatsſchrift für Wiener Art und Sprache. Herausgegeben und
redigiert von E°_ Stieböd. Jahrgang 5.
Nr. 1. Jaden H. Freiherr von, Ueber Theodor Körners Braut und deren
Familie.
Nr. 2. 3. 6--9. Priſching R., Wiener Stimmen über Litteratur, Kunſt,
Muſik und Theater.
Nr. 2. Ortmann R., Adalbert Stifter (geſt. 28. Januar 1868. Zum
Andenken eines Wiener Dichters.
Nr 3.4.5.6. Arnold RF., Schriftiteller der Reftaurationszeit über Wien.
Ausziige aus Adolfvon Schadens „Meter Fuchs“ 11821), W. Alerı8' „Wiener
Bildern“ 1839, C. H. von Yanas „Memoiren“ (1842), Spindlers „Städte und
Menfchen“ (1848).
Marcta H., Proben vınes Wörterbuchs der öſterreichiſchen Volksſprache.
Ar. 4 5. Caſtle E., Zedlitz' „Zweir Nächte zu Valladolid“. Eme litterar
hiſtoriſche Unterſuchung. Aus einer demnächſt erſcheinenden Monographie über
Jedlis.
Nr. 4. Jaden H. Freiberr von, Die „ichwediſche Nachtigall“ in Wien.
Eſduard! K.aitlej, Deutich öſterreichiſche Litteraturgeichichte.
Ar. 5. Newald J., Wien m Jahre 1787. („Anekdoten und Bemerkungen
über Wien“. Wien 1787. J
Mr. 6. Jaden D.N. Freiherr von, Evakathel und Schnudi UÜber Peri—
nets Bearbeitung des Hafnerſchen Stückes
Nr. 8. Reiter Z., Em Teniſcher der Philologe Karl Yehre] fiber Alt-Wien.
Nr. od. Newald J., Ans den Briefvn des Eipeldaners. Zur Geſchichte einer
Alt Wiener Zeitung. 1. Das Eweldauers Leben, Werken und Weſen.
Alt Wiener Yırteraturblatt Der Plan der . Wiener Neudrude” wird hier
im engeren Rahmen wieder aufgenommen. „Unter den bisher ungedrudten
litterariſchen Erzeugniſſen, deren Veröffentlichung ın Aussicht genommen
ft, ind Werke Geweys, deiien geſammter Intterariiche Nachlaß der Redal
tion zur Verfügung ſteht, ein Süd Neitrons, Cenſurakten und andere
mehr *
A 15 Rudolf, Writing‘, Samuel Brints lebte Viebesgeſchichte.
Eine Erzählung von Schreyvogel.
Kalte E, Dre Tugendgedichte Bauernfelds. 1820 - 1826.
Ar.2.9, Allerley. Zum Nachtiſch für litterariſche Gourmands Cicade. 1820.
2, 315).
Eine Sage von der „Spinnerm am Kreuz“, erzählt von ‚serdinand Rai
mund. (eE. Duller, Die malerischen und romantiſchen Zonauländer. Yepzig, 0.5.)
Nr. 3. Menſchenwüurde Bon %. BR. Mofer, 1830.
Vr 4 Caſtle E, Verichollene Gedichte von Zedlis.
Kr. 5. Caſtle E, Wedichte von Michael Ent von der Burg.
ir. 6. Caſtle E, Nachdichtungen von WM. Ent von der Yurg. Nad dem
Spantichen.
Caſtle &., Der lebte Segen der Liebe Bon W. F. C. Meifenhaufer.
Nr. 7. Arnold R 7. Ein Geiprach Ferdinand Raımunde mit Varl
Zpindler (Zpindler „Städte und Menichen“, 2. Teil, 8. Napiteli.
Ar. 8. Gaitle E., Aus „Orions Rückkehr zur friedlichen Inſel“ (1803) von
PBerinet.
Mitteilungen dis Vereins für Heichichte von Annaberg und Umgegend.
V. Xahrbuch für 1805 1806. 6Feſtichriüt zur wierbundertjährigen Jubel
feier der Stadt Annaberg am 21. September 1806.)
1896. 169
Find E., Anfänge einer Ortsgeſchichte der Stadt Annaberg.
bi Keller K., Bergwertsbefig ber Kölner Familie Bachofen von Echt im Erz-
gebirge.
Wolf B., Erbhuldigungen und Gedächtnisfeierlichkeiten für fächfifche Kur-
fürften in Annaberg Nr Fahrhundert). Nach zwei Chroniften, Fortjetern des Je—
nifius: Georg Wahl und Chriftoph Wolf.
Friſch A., Annaberg und feine Scidfale in den Jahren 1760 und 1761.
Ein Beitrag zur Geſchichte des Erzgebirges im Siebenjährigen Kriege.
Schriften des Bereins für Geſchichte und Naturgefchichte dev KBaar und ber
angrenzenden Landesteile in Vonaueſchingen. Heft 9.
Zumbült ©., Die Vermehrung des Fürſtenbergiſchen Befißes durch den
Grafen Friedrich (1510— 1559).
Zumbült ©., Kriegs-Tagebuch von 1799 —1802, nebft Aufzeichnungen aus
den Sahren 1809, 1813 und 1814 von Johann Baptift Müller, fürftlich
Fürftenbergfchen Rate und Ardivar (Schluß).
Noder Ch., Ein merbwürdiger Herenprozeß in Villingen 1641.
Reich Lucian (Maler in Hüfingen), Blätter aus meinem Denkbuch. Bio-
graphiiche Aufzeihnungen. ©. 125 f. Eine hübfche Anekdote von Schwind.
. Kür E. ©. Das Bienenbüdlein de8 Georg Pictorius von Billingen
Überfegt und herausgegeben.
Mitteilungen des Vereins für die Geſchichte Berlins. Nr. 3.
Quantz W, Uber die Anfänge des Berliner Theaters.
Mitteilungen des Vereines für Gejchichte der Deutfhen in Böhmen.
Jahrgang 34. Heft 4. Weber O., „Diarium“ über die Belagerung und
Okkupation Prags durd die Preußen im Jahre 1744.
Neuwirth J. Goldenfroner Grabdenfmale.
oa A., Kunftgeihichtliche Nachrichten über die Kirchen in Auffig.
ahrgang 35. Heft 1. Lambel H., Plan und Anleitung zu mundartlicher
Forſchung in Deutih-Böhmen.
Böhmens deutiche Poeſie und Kunft.
Heft 2—7. Hauded J., Muſiker und Tondichter Deutſch-Böhmens. (Schluß
und Nachtrag.)
Heft 2. 3. Joß B., Einige hervorragende, in der Zeit von 1500—1700 ın
böhmischen Offizinen gedrudte mufilalifche Werte.
Heft 4-7. Kaftner E. F., Böhmermwalddidter. H.
Bonner Iahrbüder. Heft 99.
Renard E., Die Bauten der Kurfürften Joſeph Clemens und Clemens Auguft
von Köln. Ein Beitrag zur Geſchichte des Rococo ın Deutfchland. Erfter Teil.
£orfhungen zur Brandenburgiſchen und Preußiſchen Geſchichte.
Band 9, erfte Hälfte.
Chrouft A., Aktenſtücke zur brandenburgiichen Geſchichte unter Kurfürft
Johann Sigismund. I. Zur Ebenbürtigkeit der Radziwill. — U. Zur Geſchichte
der Einführung des reformierten Belenntnifjes in der Kurmark. 1. Bericht des
Snperintendenten zu Zerbft, M. Martın Füſſel über feine erfte Berufung nad)
Berlin, 30. Juli (9. Auguft) 1613. — 2. Kurfürft Johann Sigismund von
Brandenburg an Abraham von Dohna, Grimnit 5. (15.) Dezember 1613. —
3. Kurfürſt Sigismund an einige vom [furmärlifhen] Adel auf dem Lande,
Grimniß, 12. (22.) Dezember 1613 (= Keller, Gegenreformation in Weftphalen und
am Niederrhein 3, 219). — 4. Bericht, Köln an der Spree, 13. (23.) April 1615.
Onden ®., Sir Charles Hotham und Friedrih Wilhelm I. im Jahre 1730.
Urkundliche Auffhlüffe aus den Archiven zu London und Wien. Ill. Hothams
Icgter Anlauf und Abreije.
170 Bibliographie. 1. Zeitfchriften.
Betersdorff H. v.,. Der Streit über den Urjprung des deutſch⸗franzöfiſchen
Krieges. Ein Bericht.
Naudé A., Beiträge zur Entftehungsgeichichte des Siebenjährigen Krieges. Teil 11.
raunſchweigiſches Magarin. Band 1. Jahrgang 1895.
en —8 ET nd: ei Ein Brief des Abts Jeruſalem. Ber-
mutlih an Ernft Theodor Langer, Braunfchweig, 10. Januar 1773. Über das
Collegium Carolinum.
Kr. 9. Leſſing und Helmftedt. Nah einem Briefe des Malers Paſcha
oh. Friedr. Weitſch an den geheimen Nammerrath v. Heineden, 24. Auguf
1771 war Leſſing von Braunſchweig aus damals in Helmftedt.
Museum Franciscenm. Annalen. MDCCCXGCV. Brünn.
Bretholz B., Die Carronifhe Manuftriptenfammlung des Franzens-
Muſeums.
Schram W., Die Incunabeln des Franzens Muſeums.
Jahresberidyt des hiſtoriſchen Bereins Dillingen. Jahrgang 8. 1896.
Specht Th, Die Privilegien der ehemaligen Univerfität Dillingen.
Schröder A., Unterfuhungen gegen Mag. Kaſpar Haslach, “Prediger in
Dillingen, wegen Verdachts der Härefie 1522.
File J., Zur Reformationdgeihichte Augsburgs.
Wagner A, Ter Auguſtiner Nafpar Amman.
Schlecht J. Felician Ninguarda in Andechs (1583).
Specht Th., Matrikeln der Univerſität Dillingen.
Wagner A, Prioren des Vauinger Auguſtinerkloſters bis 1540.
Schlecht J, Zur Geſchichte der deutſchen Auguſtiner vor Luther.
Dresdener Geſchichtsblätter. Vand 4. Heft 2.
Bırdermann W. v., Eine Dresdener Yıebhaberbühne vor hundert Jahren.
Sammelblatt dee hiftoriichen Vereins Eichſtätt. X.
Diirrwäcter N, Das Jeſuitentheater in Kichitätt.
Beiträge zur Geſchichte Eiſenachs.
1. Budner M., Goethes Beziehungen zu Eiſenach.
IM. Feſtungs Schloß Wartburg von Joh. Chriſtoph Kurz 1757. Neudrud.
IV. Kühn G., Das Nartbäufertlofter ın Eiſenach.
Mitteilungen des Geichichts- und Altertumsforichendın Bereins zu Eiſen⸗
berg. Sch 11.
Schirmer 9, Eiſenbergiſche Statuten vom Jahre 1610.
Baufleine zur Elſaß-lothringiſchen Geſchichts und Landeskunde.
Heft 2. Dennler J. Ein Hexenprozeß im Elſaß vom Jahre 1616. Ein
Beitrag zur Kulturgeſchichte des Elſaſſes. Nah dem Ratbuch von Enzheim.
Mitteilungen des Vereins fir die Geſchichte und Altertumskunde von
Erfurt. Heft 17. 1800.
Veyer K., Die Krämerbrüde und ihre Bewohner.
Erjgebirgs-Zritung. Dahrgaug 17.
Heft 4-8. Urban M., Dein Zagenbud des Gerichtsbezirks Plan.
Lohn B, Egerländer Rodenftubenlicder
Wilhelm J., Tiernamen und ipradhlider Verkehr mit Tieren im Saazer
Yande.
Heft 9. John B. Egerländer Hofnamen. H.
Beiträge zur Geſchichte von Ztadt und Ztift Een. Heft 16.
Ribbeck K., Heichichte des Eſſener Gumnaſiums, I Zeil bis 1564. 1. Die
Stiftsſchule b:8 zum Jahre 150m. - 2. Die Zuiftsichule 1500-1546. —
3 Das Gymnaſium von 1545--1568 — Urkunden.
1896. 171
Beiträge zur Kunde Efth-, Liv- und Zurlands. Band 5. Heft 1.
Winkler R., Uber Kirchen und Kapellen Efthlands in Geſchichte und Sage.
Weſtling G. O. F., Kirchengejeg und Kirchengefetarbeiten in Efthland zur
Zeit der ſchwediſchen Herrichaft.
Sikungsberichte der Gelehrten Eſtniſchen Geiellichaft 1895.
Zoll Harald Baron, Biographijches über den Magifter Johannes Wetter-
mann. (16. Sahrhundert.) |
Hausmann R., Ein vergeffener baltiicher Forjcher des 18. Jahrhunderts.
Karl Otto von Gyllenfhmidt.
Ardie für Frankfurts Geſchichte und Kunft. Dritte Folge. Band 5.
Schnapper-Arndt G., Wanderjahre des Johann Philipps Münd als
Kaufmannsjunge und Handlungsdiener 1680-1694. Bon ihm felbft befchrieben
A° 1698. I. Einleitung des Herausgebers. II. Lebens-Memorial von Johann
Philippe Münd;. III. Stammtafeln der Nachkommen des Johann Anjelm Münd
(1600—1658) und des Chriftian Hermspdorff. |
Mentel E., Die drei älteiten erhaltenen Frankfurter Theaterzettel. I. Zettel
zur Borftellung „Die ftandhafte Mutter der Machabaer“ (1651 oder 1656).
— I. Tertbud) zu der in oder nach der Oftermefje 1698 von der Veldtheimi-
ſchen oder Belthenjhen Truppe abgehaltenen Rattomödie: „Salomo oder die
triumphirende Weißheit Salomonis.” — II. Textbuch zu der von der Beldtheim-
ihen Bande 1711 gegebenen TFeftvorftellung nad) der glücklichen Landung des er-
wählten römischen Königs Kart VI. in ben unweit Genua gelegenen Heinen Häfen
Finale und Vado.
Fall, Johannes Indagine, Decan des St. Leonhardftifts zu Frankfurt
a. M. (16. Kahrhundert).
Zeitſchrift der Gcejellichaft für Beförderung der Geihichts-, Altertums- und
Bollstunde von Freiburg, den Breisgau und den angrenzenden Land-
ſchaften. Band 12. 1895.
Mayer H., Abriß der Geſchichte der Freiburger Gymnaſiumbibliothelk.
Mitteilungen des Vereins für Hamburgiſche Gedichte. Jahrgang 17.
1895. Band 6. Heft 2.
Nr. 1. Hille G, Magnus Anderjen zu Klirbüllgaard in Hamburgijchen
Dienften. Brief an diefen von Dr. Wilhelm Moller, Hamburg, 18. März 1570.
Nr. 3. Wedekind O., Zur Geſchichte des Zeitungsweſens bei Begründung
der Stadt Altona (17. und 18. Jahrhundert).
Nr. 4. Rüdiger O., Lateinische Scherzverje von Klopftod. Eine Zuſatz—
ftrophe zum Gaudeamus. Aus dem Jahre 1774 (na Scletterer, J. F. Reichardt
60)
Walther C., Eine Radierung von Peter Suhr aus dem Jahre 1804.
Nr. 6. Rüdiger D., Williams Brades Tod und die Trauergedichte
darauf. Der engliihe Geiger W. Brade ftarb zu Hamburg 26. Februar 1630. Es
haben fich Leichentarmina erhalten, ein bdeutjche8 von Joachimus Petraeus,
lateinifhe von Neinerus Brocmann aus Schwann in Medienburg, David
Cramer aus Stargard in Pommern, Andreas Cypraeus, Tydo a Jeſſen
aus Flensburg, Zacharias Lund; die Verfaſſer waren wahrſcheinlich alle Stu-
denten de8 Hamburger Symnafiums. Ein anderes von P. M. rührt wahrſcheinlich
von Paulus Mooth aus lensburg, ein anonymes vermutlih von Johann
Adolf Fabricius, Diakonus an der Jakobikirche von 1615—-1650, her.
Nr. 8. Sillem W., Nachtrag zu den Trauergedichten auf William Brades
Tod. Johann Peträus dürfte identifch fein mit dem jpäteren Hamburger Syn-
dicus Joachim Peterjen, der an Lunds „Allerhand artigen deutichen Gedichten”
mitgearbeitet hat; ſtatt Johann Adolf Fabricius dürfte aber vielmehr Lunds
172 Bibliographie. 1. Zeitichriften.
Bufenfreund, der im Fahre 1612 zu Hamburg geborene Bincent yabricius als
der Berfajjer des anonymen Gedichts anzuſehen je.
Lieboldt J. Michael Geertens aus Hamburg, verftorben 1732 al8 Haupt-
paftor in Flensburg.
Wr. 1112. Rubenjohn O. Almiro e Glas Amburghesi, zwei vergefiene
Erforiher Griechenlands. Die von Francesco Piacenza ın jeinem Buch über dir
Inſeln des Aegeiſchen Meeres und den Peloponnes (Modena 1688) als Gewährs-
männer citierten damburger Almiro und Clas dürften nad Rubenfohns wohlbegrün-
deter Bermutung ın dem Decennium van 1670—1680 als Forfcyungsreifende im
Dienft des holländischen Maler Laurent van der Hemm für die Neuausgabe
des Blaeuſchen Atlas thätıg geweſen fein, laffen fih aber bis jet urkundlich nicht
nachweiſen.
Walther C., Die Hamburger Clas und Almiro. Walther glaubt Clas in dem
Kapitän eines Hamburgiſchen Convoy oder Orlogſchiffes Clas Marinſen oder
Martens nachweiſen zu können: dagegen erklärt er feine ältere Vermutung,
Almiro fer der 1662 nachgewieſene Vice Admiral der Hamburgüchen Flotte Heinrich
Allmier, für unhaltbar, da dieſer Name Allmier höchſt wahrſcheinlich aus Meyer
entſtellt oder verleſen iſt.
Zeitſchrift des Vereins für Hamburgiſche Geſchichte. Band 10. Heft 1.
Ehrenberg R., Aus der Hamburgiſchen Dandelsgeichichte. I. Berichte eines
Hamburgiſchen Faktors der Welfer 1611. -- Il. jur Hamburger Islandsfahrt. —
Ill. Bom Roden Tollen.
Mad H., Jürgen Kalms Briefe aus der Vehre ın Hamburg an feine
Mutter ın Braunſchweig. 40 Briefe 1623 — 1630
von der Ropp, Hamburger Ztudenten in Sıehen. 1608 - 1707.
Zeitſchrift des Harı-Vereins für Geſchichte und Altertumstunde. Lahr:
gang 20. ft.
Jacobs Er, Die erfte bekannte, um die Mitte des ſechzehnten Jahrhunderts
zu wiſſenſchaftlichem Zwecke ausgeführte Rrockenbeſteigung. Taten über Johann
Wilhelm Reiffenſtern (1510 29-1575), den eriten wiſſenſchaftlichen Beſucher
dr Waumannshoble und über Til. Erole «Stella, geft. 589), den erften
wiſſenſchaftlichen Veſteiger des Brocken
Jacobs E, Der Brocken und das deutiche Vaterlandsgefühl.
Moſer I, mer Roſtlaer Ericheinungsgeſchichten aus dem 17. Jahrhundert.
Heuer Heidelberger Zahrbücher. Jahrgang 5. Heft 2.
Hausrath N, Luthers Belehrung.
Erdmannsdoörffer B., Kleine Beiträge zur Goethe Yıoqraphie. 1. Gocthe in
Heidelberg md die Familie Delph. Über Goethes Heidelberger Aufentbalt im
Herbſt 1775; uber die Familien Delph und rede: erhalten wir neue Mitten
ungen ans Altın sc: die Beziehungen Goethes und ſeiner Familie zu Fräulein
Detph werden bıa zu deren Tode 20. Oktober 1808) verfolgt. 2. Goethe und
Magern 1794 Es wırd überzeugend nachgewieſen. dat das im Goethe Jahrbuch
18, 1° (Vriefe 18, 70) mitgeteilte Nonyept eines Briefes „an cınen unbelannten
dentſchen Ratrioten“ an den Freiherrn Hans Chriftoph Ernſt von Gagern gerichtet,
durch deſſen Broſchüre „Ein deutſcher Edelmann an jene Landsleute“ veranlaßt
und in den Auguſt oder September 1794 zu ſeven iſt
Jeitſchrift der VRereine fir Hennebergiſche Geſchichte und Landeskunde
in Mchmallalden. Heft 13.
Matihiaa MRi, Div Stadtlirche in Schmallalden
dahrbuch des dentſchen Gebirgsvereins für das Zeſchken; und IRſer⸗
gebirge. Jahrgang ©.
zmm V. Zypraclihrs aus dem Iſergebirge.
Hntler J. Baſtloſererme aus dem Gebiete des Jier und Reichlengebirgs.
1896. 173
Stelzig J., Ein Rüdblid in vergangene Zeiten. (Mitteilung von alten
Volksſpielen und Keimen.)
Pohl A, Märchen und Gefhichten aus dem Sfergebirge. (Nach dem Volks—
mumde, die Geſpräche in der Mundart.)
Taubmann J. A., Volksmärchen und Sagen aus Nordböhmen. H.
Are des Vereins für die Gefchichte des Herzogtums Lauenburg. Band 5.
ert 1.
Der Dom zu Rakeburg (Fortfegung und Schluß).
Lüders A., Beiträge zur Chronik der Kirhen-Gemeinde Niendorf a. d.
Stednik.
Dührjen W., Die fürftliden Schlöjfer und Höfe im Herzogtum Lauenburg.
Nah alten Inventaren und Beichreibungen (1500 : 1662).
Schmidt-Rateburg M., Die litterariſche Gefellfhaft in Rakeburg
zu Anfang des 19. Jahrhunderts. Gegründet 1807. Abdrud der Statuten ©. 88 ff.
Biographiiche Daten über die wichtigften Mitglieder und Mitarbeiter an den „Ratz e—
burger Blättern”: Carl Reinhard, 3%. H. B. Dräfele, 3. Chr. F. Dies,
L. G. C. Naumerd, Koh. Friedrich Schinf, Georg Chrift. Sponagel, Andreas
Wille. Ende 1810 ging das Blatt und die Gefellfchaft ein.
Jahr-Budz der Gejellichaft für lothringiſche Geſchichte und Altertums-
funde. Jahrgang 7. (Erfte Hälfte.) 1895.
Hollaender A., Archivaliſche Beiträge zur Belagerung von Met 1552.
Ons Hömecht, Organ bes Vereins für Luremburger Geichichte, Litteratur
und Runft. II. 1—3.
Essai de la Lexicologie luxembourgeoise.
Burg P., Die Luremburger Mundart.
Geldhichts-Blatter für Stadt und Land Magdeburg. Jahrgang 31. Heft 1.
Neubauer, Briefe aus dem Stadtardiv zu Berbft. „Auszug aus dem
Repertoir über die Alten, fomeit fie daS Gebiet betreffen, da8 der magdeburgijche
Geſchichtsverein zum Gegenftande feiner Forſchungen macht.“
Mansfelder Blätter. Mitteilungen des Vereins für Geſchichte und Alter-
tümer der Grafſchaft Mansfeld zu Eisleben. 9. Jahrgang. 1895.
Schmidt 7%, Bayernaumburger Gemeindebucd von 1711. Nach der
im Gemeindeardive zu Bayer-Naumburg vorhandenen Urfchrift herausgegeben.
Strümpfel E., Wittenberger Ordinierte aus der Grafihaft Mansfeld
und der Herrſchaft Duerfurt.
Könnede M., Ein Soldatenbrief aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges.
Sottfried Zahn aus Grockſtedt an feine Familie, Strehle, 27. Oftober 1756.
Schröter O. Theodor Körners Beziehungen zur Grafihaft Manzfeld.
Ein ungedrudter Brief von Körner an feinen Freund Karl Schmid, Schmiede-
berg 29. Auguft 1809. 9 andere Briefe an denfelben Adreffaten merden aus der
„Poft“ 1891 und aus ber „Nationalzeitung” 1889 wiederholt.
Zahrbuch der Hiftorischen Gejellichaft für den Nekediftrikt zu Bromberg,
zugleich al8 Feſtſchrift der Stadt Bromberg zur Feier ihres 550jährigen
Beftehens dargebradit.
Meyer Martin, Mitteilungen aus der Gejchichte der preußischen Domainen-
verwaltung im Netediftrift zur Zeit Friedrichs des Großen.
Meyer Martin, Einige bisher noch nicht veröffentlichte CabinetSordres Friedrichs
des Großen an den Geheimen Yinanzrath, von Brendenhoff, betreffend die Ver—
mwaltung des Nekediftrifts. S. 60. 63 Über Kirchenbauten.
Niederlaufiker Mitteilungen. Band 4. Heft 5 und 6.
Werner A, Gubens Schule und Kirche ın ihrem Verhältnis zu einander.
Hohlfeld F., Blicke in die drei älteften Teile des Kirchenbuches zu Forſt i. L.
174 Bibliographie. 1. Zeitfchriften.
Stepkan &., Ritter Wormlitz, eine Sage.
F Adermann B., Zur Volkskunde des Calauer Kreifes.
Mitteilungen des nordböhmiſchen Ercurfionsclubs. Jahrgang 19.
Heft 1. Antert H., Baftlöfereime aus Deurfch-Böhnen.
Kögler A., Volkstümliches aus Freudenberg. Darunter ein Singfpiel,
Der Bauer und die Bergleute.
Klapper M., Der Dicbsfegen.
Naaff A. A., Zur neueren Lırteraturbewegung in Deutſch⸗Böhmen.
Heft 2. Antert H, Bergmannslieder aus der Wernftädter Gegend.
Klapper M., Der Alp und die Ausgetauichten.
Vaudler A., Höllen aus Hüllen. Zur Erllärung Gocthes. Das „Rätfel“
Goethes (Hempel 3, 205) wırd mit dem Hinweis auf die „Schneiderhölle* (der
Ort für die Stoffabfälle) glücklich erläutert.
Simm 3, Tiebsjegen.
Heft 3. Kilapper M., Sagen.
Kögler A., Franzoſengeſchichten
Wrechowsky A. und Kögler A., Aus dem Volksmunde. Volkstümliche Lieder.
Paudler A., Zur Ortsnamenkunde. H.
Zeitſchrift für die Beichichte des OGberrheins. Neue Folge. Band 11.
Heft 2. Manerbofer J. Inhalt und Zuftand des Pfalz Zweibrückenſchen
Archivs ım Jahre 156%.
Varrentrapp 8., Zrebaftian Brants Beſchreibung von Deutichland und
ihre Veröfientlichung durch Kaſpar Hedio.
Weech Fr. von, Eduard Winkelmannf.
Wackernagel R., Der Stifter der Solothurner Madonna Hans Holbeins.
Mitteilungen der Badıichen Hiſtoriſchen Kommiſſion. Wr. 18.
Weiß J 8, Freiherrl. von Gemmingen Dornbergiches Ardiv in Hornberg
ber Neckarzimmern: Freiherrl. von Hemmingen Guttenbergſches Archiv zu Redar-
mühlbady ı Yrzırtsamt Dosbadı).
Heyck E, Freiherrl. von Venumgenſches Archw zu Eichtersheim (Bezirksamt
Zinshem
Oſterreichiſches Zahrbuch. Jahrgang 20.
Reinhart H., Wien zu memer Jet. Em Rüd und Umblick. Reue Folge.
(Siehe Titerreichtiches Jahrbuch 17, 191- 228; 18, 209— 258.)
Beer R. Kunſtbeſtrebungen Karl V und Philipp II.
Helfert J. A. Freiherr von, Braf Leo Thun, k. k. Hubernialpräftdent in
Boͤhmen. 3. Abſchnitt: Slaventkongreß.
Irura H. M., Ein Gedenkblatt für Pfarrer Joſeph Maurer, geſt. 19. No⸗
vember 1804. Gedichte von Maurer.
Anseiger tus Verems für öſterreichiſche Bolkshunde. 1. Jahrgang
(I396). N. 5
Lichtmeßlied "x Burſchna, Ein Faſchingsſpiel. Beide aufgezeichnet von
Heinrich Moſes in Pottſchach (Riederöſterreich. H.
Ofterreich ungariſche Revne. Hand 20. Heft 1. 2.
Schloſſar A, Anaftafıus Grün und Joſef Freiherr von Hammer-
Purgſtall Mit (28) ungedrudtn Briefen Anaftafiıs (Wrüns aus den Fahren
1831--18°4.
Zahrbuch der Geſellichaft für die Geſchichte des Proteſtantismus in
Ofterreich. Jahrgang 17 Heft 1 und?
Bibl V., Der Briefwechſel zwichen Flacius und Nidbruck. Aus den
Handiſchriften 9737 h. i nnd k der tn. E Hoibibliothek in Wien. Herausgegeben,
eingeleitet umd erläutert. 41 Briefe, 26 von Flacius, 15 von Nidbrud aus den
Jahren 1552— 1557 follen veröffentlicht werden. Hier die erfien acht Nummern.
1896. 175
Buchwald G., Beiträ ige zur Kenntnis der evangeliichen Geiftlichen und
Lehrer Oſierreichs aus den ittenberger Ordiniertenblichern jeit dem Jahre 1573
(Fortſetzung). Nr. 91—195. 1577 —1581.
Unger Th., Über eine Wiedertäufer-Handfchrift des 17. Jahrhunderts. Die
Täuferlicher, nad Ländern geordnet (Fortſetzung). Schweiz.
Beder H., Böhmische Paftoren, ın Anhalt ordiniert 1583 —1609.
Schalt 8, Die Wiener Gemeinde-Denuncianten gegen die Evangelijchen.
Notiz aus dem Archiv der Stadt Wien. Aus einer Oberkammeramtsrechnung 1586.
Meyer Chriftian, Gegenreformation in Steiermark. Beriht eines
tatholifchen Augenzeugen über die Ausrottung des Proteftantismus in Steiermarf
im Sabre 1600.
Scheidt F., Bilder aus der Zeit der Gegenreformation (Fortſetzung).
1. Spradgrenzen. 2. Bergwerke. 3. Glaubensflüchtlinge. — Nachträge.
Schmidt Joh. ©., Urkundliches aus der XToleranzzeit in Kärnten. Er-
innerungen an den erften Paftor zu St. Rupredt und nadhmaligen PBaftor zu
erste! am Zlan, Samuel Sad (1784—1787).
51. Qahresberidt des Muſeums Franeisco;Carolinum. Nebft der 48.
ieferung der Beiträge zur Landeskunde von Öfterreid; ob der Guns.
Czerny A, Der Einfall des von Kaifer Rudolf II. in Paſſau angeworbenen
Kriegsvolls in Oberöfterreich und Böhmen (1610—1611). Bon Franz Kurz.
Aus deſſen Nachlaß mitgeteilt und mit neuer Einleitung verjehen. Il. Teil.
Mitteilungen des hiftoriichen Vereins der Pfalz. XX.
Grünenwald L., Ein pfälziſcher Bauernfafender. Beitrag zur Volkskunde
der We
5 W. E., Geſchichte der Berlagsgejchäfte der Buhdrudereien und
des Suhhandeis zu Speier im 17. Jahrhundert bis zur Zerftörung der
Stadt Speier 1689. Nebft Bibliographie der Druckwerke diefes Zeitraums. Mit
Nachträgen zur Speierer Buchdrudergefchichte 1471—1600. I. Biographiihe Mit-
teilungen. II. Drudwerle.
Se der Hiftorifggen Geſellſchaft für die Provinz Poſen. Jahrgang 11.
t 1 und
Qeinemann D,, ” Eine Ergänzung zur Chronik der, Stadtfchreiber von Poſen.
eisner J., Über den Berfaffer der lateinifchen Überjegung des Preußifchen
Allgemeinen Sandrechts. Prediger Dr. theol. Bappelbaum in Berlin.
Denutſcher Bolkskalender des deutſchen gemeinnütigen Vereins in Prag.
Sahrgang 17. 1897.
Joſef Rank, Der Böhmermwalddidter.
Hauffen A., Die arme und die reihe Braut im Volksliede.
Zeitſchrift des Vereins für Orts- und Heimatskunde in Veſte und Kreife
Berlinghanfen. V.
Walter Fr., PBlattdeutfhe Sprihmörter und fpriwörtliche Redens—
arten aus der Stadt Redlinghaufen.
Bahlmann P., Einige Dramen des Dorftener Franzisfaner-Gym-
nafiums.
Schriften bes Bereins für Sachfen-Meiningifcdge Gefchichte und Landes⸗
unde
Heft 20. 22. Eichhorn, Die Grafihaft Camburg.
Heft 20. Zacob G., Berzeichnis der Studierenden aus dem Herzogtum
Sachſen-Meiningen, die in der Zeit von 1502—1560 die Univerfität Wittenberg
bejuchten.
Qıman A, an ofeffor Dr. Mar Kleemann, Ein Lebens- und Charakterbild.
eemann M., Programm zur Neubearbeitung der Landeskunde des
Herzogstums Sachſen⸗Meiningen.
176 Bibliographie. 1. Zeitfchriften.
Heft 21. Jacob G., Heinrich, Herzog von Römhild 1676-1710. Lebent-,
Charatter- und Zeitbild.
Mitteilungen der ſchleſtſchen Geſellſchaft für Volkskunde.
. Heft II. Nr. 5. Drechsler P., Geiſtliche Volkslieder aus mündlicher
Überlieferung ın Katſcher.
Nr. 6. Scholz D., Ländliche Trachten Schlefien® aus dem Anfang dieſes
Jahrhunderts.
Nr. 8. Kühnan, Schleſiſche Märchen und Sagen.
Heft IN. Ar. 1. Nachruf auf L. Laiſtner und G. Stier.
Nehring W., Erfter Bericht über Aberglauben, Gebräudye, Sagen und
Märchen (der Polen) in Oberſchleſien.
Berblatt. Bogt F., Was leiſtet und beziwedt die Vollskunde? Zum zweiten
Stiftungsfeſte. H.
Zeitſchrift des Vereins für Geihichte und Altertum Schleſtens. Band 30.
Srünbagen C., Der ſchleſiſche Adel vor hundert Jahren im Lichte der
öffentlihen Meinung.
Grünhagen E., Der Ausgang der Zerboniſchen Prozefie. ©. 69 ff. (val.
S. 25) Uber cin Gedicht des Schleſiers Hans von Held (geb. 1764 zu Auras
bei Breslau) zur Feier des königlichen Geburtstages 1797. Vielfache Ergänzungen
zu dem Yeben Helds von Qarnhagen
Wutke 8, Tie Bewerbung der Brieger Herzöge um die Magdeburger Dom-
propftei. I. 1556--1562.
Bauch G., Beiträge zur Yırteraturgeichichte des fchlefiihen Humanısmus. 11.
1. Sigismundus Fagitlucus. Sigismund Buchwald, geb. 1483 in Breslau,
1497 in Leipzig ımmatrifultert, 1500 Yaccalanreus, kehrte 1502 nad Breslau
zurüd, ftarb 1510 Seine Gedichte, Extemporalitates vuratislauie (der erite
Breslauer Trud Konrad Baumgartens von Rothenburg aus dem Jahre 1503,
werden eingehend charakterıfiert. -- 2. Gregorius Agricola (Lengısfeln.
In Breslau geboren, ım Winterhalbiahr 1482.83 ın die Erfurter Matrikel einge-
tragen, 1485 Baccalaureus, 1489 Magifter, fpäter ın der Heimat thätig, 1504
Kanonıkus zu Zt. Johann, Notar der biſchöflichen Kanzlei, Oflicialis generalis und
Vicarius in spiritualibus des Biſchofs Johann V., 1517 Archidiakon; geft.
7. Ranuar 152%. — ©. 159 Beiträge zur Chronologie der Briefe de8 Con⸗
radus Mutianus Rufus nach der Kinficht ın die Uriginale.
Welvel, Tag Nollegialftift zum heiligen Bartholomäus in Cher-&logan.
Grünhagen C, Held als Ankläger Hoffs und „Bas gepriefene Preußen“.
Der Brief, welchen Held nad feiner Verhaftung ım Anhang zu feiner Berteidi-
gungsſchrift 2. Juli 1801 an den Gencralfistal von Hoff ſchrieb und worin er
diefen zu feinem Mitſchuldigen ftempelte, wird abgedrudt. Die anonyme Schmäb-
ihrift aus dem Jahre 1802 „Das geprieiene Preußen“, welde den Entwurf zu
diefem Brief mitteilt, muß zwar aus dem Heldifchen Kreiſe ftammen, rührt aber
nicht von ıhm felbft her.
Wachter, Aktenſtücke betreffend den Diinifter Grafen von Hoym. I. Geheime
Inſtruktion für den v. Hoym als Etatsminiſier von Schlefien. Verlin, 18. Januar
1770. — II. Gratnlationsichreiben Hoyms an König Friedrich Wilhelm I11. 1797.
Zeitſchrift der Weicllichaft für Schleswig-Holftein-Launenburgilde
Geſchichte Band 25.
4 Detlefſen, Eın Wevelsflether Mijſale mit Urkunden zur Geſchichte des Kirchen.
aders u. a.
Tetlefien, Ein Namenverzeihnis von Heiligftedtener Einwohnern aus der
Zeit um 150.
Hanien R., Die eiderſtedtiſchen Chroniften vor Peter Zar.
1896. 177
Hebemann P. v., Mitteilungen aus dem Ardiv von Deutjch-Nienhof.
(Sortjegung zu Band 24, ©. 153 ff.
ichelfen E., Zwei Briefe aus der Zeit des nordijchen Krieges. Ein Beitrag
zur fchleswigihen Kirchen geſchichte. Beter Clauſen (geb. in Tondern, 1717—
1732 Baftor zu Rodenäs in der Wiedingharde) an Propft Samuel Reimarus
im Tondern, Kopenhagen, 8. und 14. Auguft 1716.
Steffenhagen E., Das Reſkript des Herzogs Karl Friedrich zur Verordnung
„Ratione Bibliothecae” :1724).
Zeitſchrift des Hiftorifchen Bereins für Schwaben und Menburg. Yahr-
gang 22. 1895.
Radlkofer M., Die poetifhen und hiſtoriſchen Schriften eines Augsburger
Bürgers an der Grenzfcheide des 16. und 17. Jahıhunderts. Samuel Dilbaum
ıft zuerft urfundlich nachgemwiejen im Augsbu:ger Ratsprotofoll vom 3. Jannar 1561.
1555 ift er Lehrer an der lateinifhen Schule zu St. Anna. In den Briefmaler-
atten vom 9. November 1617 bis 16. Januar 1618 bezeichnet ihn fein damals erft
achtzehnjähriger, gleichnamiger Sohn [au8 zweiter Ehe), Illuminiſt oder Brief-
maler, al8 adhtundaditzigjährigen Greis. Nadllofer weiſt 16 Schriften von ihm
aus den Jahren 1584—1609 nad).
Correſpondenzblatt des Bereins für ſebenbürgiſche Landeskunde. Jahr⸗
gang 19.
Nr. 4. Teutſch Fr, Die Bilder und Altäre in den evangelifch-fächftschen
Kirchen.
Nr. 5. Herbert H., Eine Reife nad) Wien vor 200 Jahren.
Ein Nadıtrag zur Litteratur der Hameler Rattenfängerfage.
Nr. 6. Schullerus A., Aufnahmen des fiebenbürgifh-fähfifhen Bauern-
baufes.
Schullerus A., Baftlöfereime.
Beiträge zur Runde ſteiermärkiſcher Geichichtsquellen. Jahrgang 27.
Loferth J., Die fteirifche NReligionspacifilation 1572—1578. Nad) den
Driginalen des fteiermärlifchen Landesarchivs herausgegeben und mit einer Ein-
leitung verjehen.
Zwiedined 9. v. Das Reihsgräflih Wurmbrandfche Haus- und Familien-
Archiv zu Steyersberg. Vorläufige Überficht über die Beftände des geſchichtlich und
tulturgefhichtlich reichen Archivs. ZH erwähne S. 109 Johann Wilhelm Wurm-
brand, Korrejpondenz mit Gelehrten 1695—1750; Gundaler Thomas, Satiren,
Epigramme 1750—1800; ©. 110 f. Johann Wilhelm, Kollegienhefte.
Menue Mitteilungen aus dem Gebict hiftorifch-antiquarischer Forſchungen.
Namen des mit der königl. Univerfität Halle-Wittenberg verbundenen
hũringiſch⸗Sãchſiſchen Vereins für Erforfihung des vaterländiſchen
Altertum und Erhaltung jeiner Dentmale herausgegeben von dem zweiten
ecrfigenben desfelben Prof. Dr. ©. Herkberg in Halle a. S. Band 19.
eft 2.
Zitting H., Zur Geſchichte der Univerfitäten zu Halle und zu Wittenberg.
Brief von Samuel Michaëlides (Neosolii Nonis Septembris 1711) an ben
aus Ungarn ftammenden Profeflor der Theologie zu Wittenberg Martinus
Chladenius liber eine Stiftung für Studierende au Ungarn.
a Peyer Julius, Die Beziehungen der Univerſität Halle zu dem Lande
ranken.
Kohlmann Fr., Zur halliſchen Reformationsgeſchichte. Aktenmäßige
Ergänzung der bisherigen Arbeiten.
Schmidt Reinhold, Aus Zörbig und Umgegend. Kulturhiſtoriſche Mit—
teilungen auch aus neuerer Zeit. S. 171 eine Sage: Der betrogene Teufel.
Euphorion IV, 12
186 Bibliographie. 2. Bücher.
Geſchichte der Wiſſenſchaften. Gelehrtengeſchichte.
Markgraf H., Der Verein für Geſchichte und Altertum Schleſiens in
den erſten 50 Jahren ſeines Beſtehens. Mit den Bildern der fünf Präſidenten in
Radierungen von H. Wolff. Breslau, Max. 3 M.
Paulſen F., Geſchichte des gelehrten Unterrichts auf den deutichen Schulen
nnd Univerfitäten vom Ausgang des Mittelalter bis zur Gegenwart. Mit
befonderer Rüdfiht auf den Maffifchen Unterricht 2. Auflage. 3. Halbband.
Leipzig, Veit & Comp. 7 M.
J. C. Poggendorffs biographiſch litterariſches Handwörterbuch zur Geſchichte der
exakten Wiſſenſchaften. 3. Band. (Die Jahre 1858 bis 1883 umfaſſend.)
Herausgegeben von B. W. Fedderſen und A. J. von Oettingen. 1. Lieferung.
Leipzig, Barth.
a von Stradonig Rh. Ernft Curtius. Gedächtnisrede. Berlin, Spemann.
50 Pf.
Venndorf DO, Adolf Erner. Worte zu feinem Gedächtnis. Wien, Hölder.
18 Br.
Hehn V., Italien. Anfichten und Streiflidgter. Funfte Auflage. Mit Lebens-
nachrichten über den Berfaffer (von &. Dehio). Berlin, Gebrüder Borntraeger.
ui E., C. G. J. Jacobi und Helmholb auf dem Gymnafium. Beitrag
zur Geſchichte des Victoria Gymnaſiums zu Potsdam Programm. Leipzig,
Teubner. 1.60 M.
Günther S., Kepler, Galilei. (Geiſteshelden. — Führende Geiſter. — Eine
Sammlung von Biographien. Herausgegeben von A. Bettelheim. 22. Band.
Der IV. Sammlung 4. Band.) Berlin, E. Hofmann & Lo.
Miharlis C. Th, Guſtav Adolf Klix. Breslau, Hirt. 1.26 M.
Rolger 5, Bernhard von Yındenau als Gelchrter, Staatsmann, Menichen-
frennd umd ‚Förderer der ſchönen Künſte. Ein Lebensbild. Altenburg, Bonde. 2 M.
His W., Rede zum Gedächtnis an Karl Yudwig. Leipzig.
Merkel Adolf. (Trauerreden, gehalten am 1. Aprıl 1896.) Straßburg, Trübner.
50 Pf.
Knöpfler A., Johann Adam Möhler. Ein Gedenkblatt zu defien 100. Geburts
tan. München, Yentner. 2.50 M.
Siebold N. ‚seh. von, Tentwürdigfeiten aus dem Yeben und Wirfen von Bh. Fr.
von Ziebold, zur Feier feines 100jährigen Geburtstages Zufammengeflellt von
feinem älteiten Zohne. Würzburg, den 17. Februar 1896. Würzburg, Woerl. 1 DR.
Vogt W, La vie d'un homme. Carl Vogt. Avec 2 portraits par O. Vautier.
Stuttgart, Nägele. 12 M
Bannenborg N, Tes Göttinger Umverfitäts- Brofeifors und Gymnaſial-Direktors
Audolf Wedekind Tagregiſter aus dem gegemwärtigen Kriege. Als Beitrag
zur Geſchichte Göttingens im fiebenjährigen Kriege aus der Handichrift mitgeteilt.
Programm. (Höttingen.
Stoll A., Der Geſchichtſchreiber Friedrich Willen. Mu cınem Anbang,
enthaltend Aufzeichnungen von Narolıne Willen, geb. Tiſchbein, Über ihren Bater
Johann Friedrih Anguſt Tiſchbein und ıhr eigenes Jugendlichen, ſowie 5 Porträts.
Caſſel. Fiſher & Co 6 M.
Buddruk und Buchhandel. Pibliotheksweſen.
Serw B., Frankfurter und Maınzer Druder und Verlegerzeihen bis
in das 17. Jahrhundert. (Die Vüchermarken oder Buchdruder- und Berleger-
zeihen. Band 4.) Straßburg, Hab. 45 M.
1896. | 187
Mühlbrecht DO. Die Bücherliebhaberei (Bibliophilie-Bibliomanie) am Ende
des 19. Sahrhunderts. Berlin, Buttlammer & Mühlbredt. 6 M.
Inhalt: Allgemeine Bücherliebhaberei. — Geihichtlihe Grundlagen. —
Spezielle Bücherliebhaberei. — Die Bibliomanie. — Bücherliebhaberei ın England,
in Franfreih, in Holland. — Anhang: Bibliographie für Bücherfiebhaber.
Allgemeine und kritiſche Bibliographie. Allgemeine Biicherliebhaberei und Bücher⸗
kunde. Allgemeine Gefhichte der Buchdruderkunft und des Buchhandels. Speziai-
geichichte der Buchdruderkunft und des Buchhandels: 1. geographifch geordnet,
2. biographifch geordnet. Schriften für und gegen Gutenberg als Er-
finder. Inkunabeln, Kuriofitäten und Raritäten. Verbotene Bücher. Pfeudonyma
und Anonyma. Privatdrude. Bücherzeichen. Ex libris. Druderzeichen. Signete.
Büchereinbände. — Alphabetijches Berzeichnis der Druder bis zum Jahre 1500.
— Chronologiſches Berzeihnis der Drudorte bis zum Jahre 1830.
Der Anhang ift auch für Lirterarhiftoriker ſehr braudjbar.
Brerlags- Katalog von Adolf Bonz & Comp. in Stuttgart. (Gegründet
15. Mai 1876.) Ausgegeben 15. Mai 1896.
Reclam GC. v., Gefchichte der Familie Reclam. Leipzig, Ph. Reclam jun. 1895.
Guiard H., Katalog der Bibliothek des Vereins für die Geſchichte Berlins.
Berlin, Mittler & Sohn.
Ebrard F. C., Die Stadebibliothef in Frankfurt am Main. Im Auftrage der
jtädtiichen Behörden aus Anlaß der Vollendung des Ermweiterungsbaues heraus-
gegeben. Frankfurt a. M., Gebr. Kuauer. 20 M.
Hölfcher U., Berzeihnis der in der Marktfirhe zu Goslar (S. S. Cosmae et
Damiani) aufbewahrten alten Drudwerfe. Mit einem Verzeichnis der im Archive
zu Goslar vorhandenen alten Handidhriften und einem kurzen Vorworte über
die Gejchichte der Marktkirchen-Bibliothet. I. Teil. Lateinifche Werke. Programm.
Goslar.
Zedler G., Geſchichte der Univerſitätsbibliothek zu Marburg von 1527—1887.
Marburg, Elwert. 4.50 M. J
Grobe, Die Schätze der Herzoglichen Offentlichen Bibliothek in Meiningen. Pro-
gramm. Meiningen.
Richter W., Handſchriften-Verzeichnis der Theodorianiſchen Bibliothek zu Pader—
born. J. Teil. Programm. Paderborn.
Huch H. C. und S. Kleemann, Verzeichnis der Stadt-Bibliothek zu Quedlin—
burg. Herausgegeben im Auftrage der Stadtbehörden. Quedlinburg, Huch.
50 Bf. |
Iheater- und Auſikgeſchichte.
F’Arronge U, Deutjches Theater und Deutſche Schaufpieltunft. Berlin, Con-
cordia Deutiche Berlagsanftalt. 2 M.
Snhalt: An die ehemaligen Mitglieder des Deutfchen Theaters zu Berlin.
I. Die Theater-Freiheit. — I. Die Negiffeure. — II. Die Meininger. — IV.
Berlin. — V. Vorſchläge zur Befferung unjerer Theater-Zuftände. — VI. Bühnen-
Berein und Genofjenidhaft.
Burdhard M., Das Recht der Schaufpieler. Stuttgart, Cotta. 1.20 M.
Shamberlain H. St. 1876—1896. Die erften zwanzig Jahre der Bayreuther
Bühnenfeftipiele Bayreuth, Ellmanger.
Kloß J. E., 20 Zahre „Bayreuth“ 1876 —1896. Allerlei Betrachtungen. Berlin,
Scufter & Loeffler. 1.50 M.
Erdmann % Deutihe und Hamburger Theaterzuftände. Zwei Vorträge. Zu—⸗
glei) ein Beitrag zur Pathologie der Prefje. Hamburg, Herold. 50 Pf.
188 Bibliographie. 2. Bücher.
Eifenberg 2, Adolf Sonnenthal. Eine Künftlerlaufbahn als Beitrag zur
modernen Burgtheater-Weichichte. Mit einem Vorwort von 2. Speidel. Dresden,
Bierfon. 5 M.
Beetfhen A., Die Muſik im Spiegel zeitgenöffiiher Dichtung. Mit Original-
beiträgen von %. Dahn, DO. 3. Bierbaum, F. Adler ꝛc. Leipzig und Zürich.
2 Mm.
Frankenfelder A., Hiſtoriſche Elemente in der Oper und ihre äfthetifche Be-
deutung. Differtation. Würzburg.
Soubies M. A., Histoire de la musique allemande. Paris, Librairies-Impri-
meries reunies. 3 fr. 50 c.
Zelle F., Ein feite Burg ift unſer Gott. Zur Entwidlung des evangelifchen
Shoralgefangs. Programm. Berlin.
Grove G., Beethoven and his nine symphonies. London, Novello. 6 sh.
Braun G., Hofpianift Georg Liebling. Biographie. Berlin, Barihall. 45 Bf.
Lißt F., Geſammelte Schriften. Band 1. Friedrich Chopin. Frei ins Deutiche
übertragen von Ya Mara. Zweite, neubearbeitete Auflage. Leipzig, Breitkopf &
Härte. 6 M.
Weltner A. J. Mozarts Werke und die Wiener Hof-Theater. Statiſtiſches und
Hitorinen, nebft einem Anhang: Mozart betreffende Dichtungen. Wien, Künaft.
2.650
Find 9. T., Wagner und feine Werte. Die Geſchichte feines Yebens mit fritı-
hen Erläuterungen. Deutih von &. v. Sfal. Band 1. Breslau, Schiefiiche
Buchdruckerei. 3 M.
Glaſenapp E. 75, Das Leben Richard Wagners, in 6 Büchern dargeſtellt.
3. Ausgabe von „Richard Wagners Yeben und Wirken“. 2. Band. 1. Abteilung.
1843 — 1853. Leipzig, Breitlopf & Därtel. 7.50 M.
Weston J. L., The Legends of the Wagner Drama. London, Nutt. 6 sl.
Uunfſtgeſchichte.
Harnack O., Deutſches Kunſtleben m Rom ım Zeitalter der Klaffil. Ein
Beitrag zur Nulturgeichichte. Weimar, ‚gelber. 3.50 M.
Inhalt: 1. Die Regierungszeit Clemens des Vierzehnten 1769— 1774. --
2. Die Anfänge Pius' des Scheten Yegte ZTütigfeit von Rafael Mengs
1774-1779. -- 3 Die ZJeit des Ubergewichts der franzöfiihen Schule 1779 di
1786. — 4. Goethes erſter Aufenthalt n Rom 1786 -1787. — 5. Goethes
zweiter Aufenthalt ın Rom 1787 - 1788. -- 6 Die Nadmwirlungen (Hocthes.
Die erften Anfänge hiftorischer Munftbetrachtung 1788 - 1792. — 7. Sarften®'
römische Wirkſamkeit 1792- 1797 — 8. Die Zeu der Ummälzungen und die
Reftauration unter Pius dem Sichenten 1798 - 1802. — 9. Die Ichte Periode
Haifiicher Nunftübung unter den Einfluſßz Wilhelm von Humboldts.
Kaiſer V., Ter Humanısmus ın der Nunft. ‚rauenfeld, Huber. 120 M.
Neumann EC, Der Kampf um die neue Nunft Berlin, Walther. 5 M.
Inhalt: 1 Ter Nampf um die neue Kunſt. 1. Kunſt und Publilum. --
I. Die geichichtliche Rildung und die Munit III. Kunſt und NRaturmifien
ihaft — IV. Die Borberricaft der Yandichaftsmalereı — V. Die gegenwärtige
Yage. 2. Einzelftudien. VI Chriſtian Rauch. - VII. Anſelm Feuerbach
—- VIII. on moderner Malercı - IX Arnold Bödlın.
Renard E, Tie Bauten der KRurfuriten Joſepyh Klemens und Glemens Auguft
von Noln Ein Vertrag zur Geſchichte des Rococo ın Teutichland. 1. Teil.
Diſſertation Yerpzig.
1896. 189
Streiter R., Karl Böttihers Tektonik der Hellenen als äfthetiiche und kunſt⸗
ei httiche Theorie. (Beiträge zur Afthetil. Herausgegeben von Th. Lipps und
hr . Werner. II.) Hamburg, Voß. 3 M.
Albredt Dürers Wohnhaus und feine Geichichte. In Wort und Bild dargeftellt
im Auftrag der Berwaltung der Albrecht Dürer-Haus-Stiftung. Mit 29 Abbil-
dungen und einer Urkunde ın Tichtdrud. Nürnberg, Schrag. 1 M.
Sioehtner %-, Hans Holbein der Altere. I. Zeil. 1473—1504. Differtation.
erlin.
Kaufmann %., Andreas Müller. Ein Altmeifter der Düffeldorfer religiöjen
Malerſchule. (Frankfurter zeitgemäße Brojchliren. Neue Folge, herausgegeben von
J. M. Raid. 16. Band. Heft 12.) Frankfurt a. M., Foeßer. 50 Pf.
Tinte H., Carl Müller. Sein Leben und fünftlerifhes Schaffen (Erfte Vereins⸗
ſchrift der Görresgefellichaft für 1896.) Köln, Bachem. 2.70 M. |
Die Kitteratur in der Schule,
Klee ©., Grundzüge der deutichen Litteraturgefchichte. Für höhere Schulen und
zum Selbſtunterricht. Zweite, verbefferte Auflage. Dresden und Berlin, Bondi
1897.
Die deutſchen Klaffiler, erläutert und gewürdigt fir höhere Lehranftalten,
fowie zum Selbftftudium von E. Kuenen, M. Evers und einigen Mitarbeitern.
12. Bändchen. Leipzig, Bredt. 1.40 M. |
9} gaͤrhatt: Guſtav Freitags (!) Fabier, erläutert und gewürdigt von
. ToR.
Goethe, Hermann und Dorothea. Schulausgabe mit Einleitung und Anmerkungen
von 8. W. Straub. Stuttgart, Cotta. 60 Pf.
Haehnel K., Die Behandlung von Goethes „Fauſt“ in den oberen Klaffen höherer
Schulen. Zweite, verbefjerte und vermehrte Auflage. Gera, Th. Hoffmann.
75
Pr. |
Grimm, Twenty Stories. Edited with notes and vocubulary by W. Ripp-
mann. Cambridge: The University Press.
Kintel ©. Otto der Schütz. Eine rheinifche Gefchichte in zwölf Abenteuern. Mit
Noten und Erläuterungen für die niederländifhe Schule herausgegeben von
E. A. H. Seipgens. Dritte, durchaus umgearbeitete Auflage. Yeiden, A. 9.
Adriani. 50 c.
Lessing, La Dramaturgie de Hambourg. Avec notices et notes par L. Schmitt.
Paris, Delagrave.
Schilling ©., Dramaturgifche Propädeutit im Anſchluſſe an Leſſings „Ham-
burgifhe Dramaturgie* für den Unterricht in Gymnafial-Brima bearbeitet.
II. Brogramm. Züllichau.
Wichmann H., Die Hamburgifhe Dramaturgie im Unterricht der Prima.
Programm. Gart 1895.
Schiller, Die Verihmwörung des Fiesko zu Genua... für den Schulgebraud)
herausgegeben von D. Langer (Freytags Schulausgaben Eaififcher Werke für
den deutſchen Unterricht). Leipzig, Freytag. 80 Pf.
Schiller, Wallenstein ... edited with introduction, notes, appendices and
a map by K. Breul. II. Wallensteins Tod. Cambridge: At the Univer-
sity Press.
Mühlenbach M., Der Begriff des Glüdes in Schillers Braut von Meſ—
una Ein Beitrag zum deutfchen Unterrichte im Obergymnaftum. Programm.
atibor.
190 Bibliographie. 2. Bücher.
Bieland. Tberon ... für den Schulgebrauch herausgegeben von R. Bethge
Freytags Schulausgaben Haffiicher Werke für den deutichen Unterricht). Leipzig,
Freytag. 90 Pf.
— — — —
Stoff- und Sagengeſchichte. Volkstümliches.
Keidel G. C. A Manual of aesopic fable Literature. A First Book ot
Reference for the Period Ending A. D. 1500. first fascicule. With Three
Facsimiles (Romance and Other Studies Number Two). Baltimore, The
Friedenwald Company.
Bibliographifhe Verzeichniſſe von feltener Genauigkeit und Vollſtändigkeit.
Farinelli \.., Don Giovanni. Note critiche (Estratto dal Giornale storico
della letteratura italiana, vol. XXVII:. Loescher, Torino, Roma.
zeigmann. Merope ım italienischen und franzöfifhen Drama. Programm.
onn.
Lincke A, Die neueſten RUbezahl-Forſchungen. Ein Blick in die Werkftatt der
mpthologiihen Wiſſenſchaft. Dresden, v. Zahn & Jaenſch. 1.20 M.
Bayer Edmund, Schwan und Schwanengeſang (Sammlung gemeinnüßiger
Borträge. Herausgegeben vom deutihen Vereine zur Verbreitung gemeinnüßiger
Kennmiſſe in Prag, Nr. 210,. Prag. Härpfer. 40 Bf.
R at © Kelten und Nordgermanen ım 9. und 10. Jahrhunderte. Leipzig, B. G.
eubner.
In einer reichhaltigen, auf allen neneren Unterſuchungen und Quellen
ſchriften fußenden UÜberſicht ſchildert Mogk die lebhaften Beziehungen, die im 9.
und 10. Jahrhundert zwiſchen Irland und Island geherrſcht haben und weiſt
nach, wie groß der Einfluß der bereits lange dhriftianifierten hochgebildeten Iren
auf die ganze Kultur und Yitteratur der Mordgermanın war. Da die ganze
nordifche Yırteratur des Mittelalters nur anf Aland eine höhere Blüte erreicht
bat, muß dieſe als eine Frucht des engen Berfchrs mir den Kelten bezeichnet
werden. Auch alle größeren zufammenhängenden nordiſchen Muthen, dic eddifchen
Dichtungen, find uns nur in fpäten isländischen Aufzeichnungen erhalten. Mogk
zeigt, wie bereditigt Bugges Yiveifel an dem rem germanıfchen Urſprung der
eddiſchen Kosmogonie war. Manches wırd durch keltiſche Vermittlung auf chriſt⸗
liche und altklaſſiſche Einflüſſe zurückzuführen feom. te vorſichtig müſſen wir
daher verfahren, wenn wir die Edden und ihre Mythen als den Ausdrud alt-
germanischen Glaubens in die Zchule verpflanzen wollen . H.
Wick W., Geographiſche Ortsnamen und Sprichwörter, Einführung in das Ber—
ſtändnis derſelben II. Programm. :ıra.
Winteler J., Über Volkslied und Mundart. Ein Wort an die aargauiſche Lehrer⸗
ſchaft anläßlich der Kantonalkonferenz am 12. September 1895. Aarau, Wınteler.
50 Pf.
Wolf H., Mythus. Sage, Märchen (Sommer und Winter Programm. Duſſeldorf.
Neudrucke von Schriften und Karten über Meteorologie und Erdmagnetismus
herausgegeben von GG. Hellmann. Wr. 5. Die Bauernpraktik 1508. Fakſimile
druck mit einer Einleitung. Berlin. A. Asher & Go.
Berträge zur deutſch böhmiſchen Volkskunde Herausgegeben von der Gefell-
ſchaft zur Förderung deuticher Wiſſenſchaft, Munft und Yırteratur ın Böhmen.
Geleitet von A. Dauffen. Band 1 Heft 2. Prag, Calve. 1 M.
Inhalt: Laube G. C., Volkstümliche Uberlieferungen aus Teplitz und
Umgebung
Eine muſterhafte Beantwortung des von der „Geſellſchaft“ ausgeſandten
Fragebogens von emem genauen Kenner des Volkes und ſeiner Gebräuche.
1896. 191
Befonders hervorgehoben jeien die Abfchnitte Über Volksnahrung und Über alte
Hausgärten, die Kinderlieder und Kinderfpiele, ferner der Anhang von Sagen,
Märchen und Schwäntlen in der Mundart. — Das erfte unter der Preſſe befind-
fihe Heft der Beiträge wird eine Einleitung in die deutſch-böhmiſche Volkskunde
und eine Bibliographie derjelben enthalten.
Andres K., Braunſchweiger Bolfsfunde. Braunſchweig, Vieweg & Sohn.
7M.
Storch F., Die Sagen und Legenden des Gaſteinerthales. 2. Auflage. Salzburg,
Mayr. 1.60 M.
Gnau Sg Mythologie und Kyffhäuferiage. Programm. Sangerhaufen.
König 2. E., Der Kyffhäuser, feine deutſchen Kaiferfagen und deren ruhm-
reicher Abſchluß. Ein Gedenkblatt an die Errichtung des Kaiſer Wilhelm-Dent-
mals. veipaig, Th. Weber. 50 Pf.
Wohlfarth R., Die Sagen des Kyffhäufers. Frantenhaufen, Werneburg.
80 Pi.
Bahlmann B., Altmünfteriiche Bauernpraktik. Eine Sammlung münfterländi-
ſcher Sprichwörier und Erfahrungsſätze über Witterung und landwirtſchaftlichen
Betrieb. Münſter, Regensberg. 50 Pf.
Haas A., Aus pommerſchen Hexenprozeßakten. Ein Beitrag zur Geſchichte des
pommerſchen Volksglaubens. Programm. Stettin.
Bernard A. H., Eine Sammlung von Rhein-Sagen. 10. Auflage. Wiesbaden,
Duiel. 2.50 M.
Schnorrenberg G., Des Rheinlands Sagenbud). Köln, Neubauer. 1.50 M.
Koulen J., Der Stabreim im Munde des Volfes zwifhen Rhein und Ruhr.
Programm. Düren.
Hans A., Rügenihe Sagen und Märchen. Geſammelt und herausgegeben.
2. Auflage. Stettin, Burmeifter. 2.50 M.
Bibliographie der ſchweizeriſchen Landesfunde .... herausgegeben von der
Centralkommiſſion für ſchweizeriſche Landeskunde. V, wea Bibliographie der
evangelifch-reformierten HN in der Schweiz. Bern, Wyß.
Heft 1. Finsler G., Die deutſchen Kantone. 2 M.
Sduller ©., Der fiebenbürgifd- fähfifhe Bauernhof und feine Bewohner.
Eine kulturhiſtoriſche Skizze. Hermannſtadt (Leipzig. Michaelis). 80 Pf.
Bacmeiſter J., Sang und Sage vom Kochbrunnen in Wiesbaden. Geſammelt
und herausgegeben. Wiesbaden, Bacmeiſter. 1 M
Nenhochdeutſche Schriftfpradge. Mundarten.
Behaghel O., Schriftſprache und Mundart. Alademifche Rede. Gießen.
Gartner Th., Die überſetzbarkeit der Perſonennamen. Sonderabdruck aus ben
„Bulowiner Nachrichten“. Czernowitz.
Haberland F., Krieg im Frieden. ifi. Teil: Ritter und Turniere im heutigen
Deutſch. Eine ſprachlich⸗kulturgeſchichtliche Skizze. Programm. Lüdenſcheid.
Pisten, Über deutſche Deminutivbildung im 17. Jahrhundert. I. Programm.
einingen.
Saraber H., Aus dem Wundergarten der beutfchen Sprache. Weimar, Yelber.
3.50 M.
Wilmanns W., Deutihe Grammatif. Gotiſch, Alt, Mittel- und Neuhochdeutich.
2. Abteilung: Wortbildung. 2. Hälfte. Straßburg, Trübner. 6 M.
J. A. Eberhards ſynonymiſches Handwörterbud der beutichen Sprache. 15. Auf-
lage von D. Lyon. 1. Fieferung. Leipzig, Grieben. 1 M.
192 Bibliographie. 2. Bücher.
Grimm $. und W., Deutjches Wörterbuch .... Neunten Bandes fiebente Liefe⸗
rung. Schnad— Schnitt. Bearbeitet von und unter Leitung von M. Heyne.
Leipzig, Hirzel.
Des IX. Bandes 8. Lieferung (S) befindet fih im Drud.
Scheffler 8., Die Schule. Berdeutihung der hauptſächlichſten entbehrlichen Fremd⸗
wörter der Schulſprache (Berdeutichungsblicher de allgemeinen deutſchen Sprach⸗
vereins VII). Berlin, Jähns & Ernft.
Tetzner F., Wörterbudy finnverwandter Ausdrüde (Univerfalbibliothel Nr. 8506
bi8 3510). Leipzig, Reclam jun. 1.50 M.
Schiepek $., Unterfuchungen Über den Satbau der Egerländer Mundart. I.
odi. Programm. Saaz.
Boldmar E., Die Ortsnamen des Kreifes Hörter. Programm. Hörter.
Gradi H., Die Mundarten Weftböhmens. Lautlehre des nordgauiſchen Dialeftes
in Böhmen. Münden, Kaifer. 3 M.
Burdas V., Die Ohrdrufer Familiennamen nad Herkunft und Bedeutung.
Teil I. Programm. Ohrdruf.
Studer J. Schweizer Ortsnamen. Ein hiſtoriſch-etymologiſcher Berſuch. 2—4.
Schluß: Lieferung. Zirid, Schultheß. 2.60 M
Schweizeriſches Idiotikon. Wörterbuch der ſchweizerdeutſchen Sprade. Be-
arbeiter von F Ztaub, v. Tobler, R. Schoch, A. Bachmann und H. Bruppacher.
31. Heft Frauenfeld, Huber. 2 M.
SchneeaansY., Über die orthographiſche Anarchie im Schrifttum des Straß-
burger Dialektes und der nächſtverwandien elſäſſiſchen Mundarten. Ein Vor⸗
ſchlag zur Abhilfe. Straßburg, Hei. 1.60 M.
Albrecht J., Ausgewählte Kapitel zu einer Hans Sachs-⸗Grammatik. Differ
tation. Freiburg.
15. und 16. Zahrhundert.
Hertel Th, Mihacl Abel aus Frankfurt a. O., Humanift und gefrönter
Dichter des 16. Jahrhunderts. Fin Lebensbild. Porsdam, Döring. 50 Bf
Einger L., Die wiriſchaftlichen und politiichen Tendenzen des Narrenſchiffes
und einiger anderen Dichtungen des Schaftian Arant. Programm. Prag.
Helius Eobanus Hessus Noriberga illustrata und andere Städtegedidhte. Heraus:
gegeben von J Neff. Mit Fluftranonen de8 16. Jahrhunderts und kunſt-
biftorifchen Erläuterungen von Baler von Loga. (Lateiniſche Litteraturdenkmäler
des 15. und 16. Jahrhunderts. Herausgegeben von M. Herrmann 12.) Berlin,
Weidmann. 3 M.
Enthält noch: Friburgiea von Engentinns (Philipp Engelbredt)
und Lipsica von Bufdhıns (Hermann van dem Bufde).
Hans Folk, Meifterfänger und Barbıer. Tifes puchlein ſaget vns von allen paden
die vo natur heiß fein. Straßburg, Hein 1 M.
Fakſimile der um 1480 ın Nürnberg gedrudten Schrift nad) dem Eremplar
der königl. Hof und Zraatsbibliothek in Münden. Die Vorbemerkung if nuter-
jeihnet: P H.
Becker H., Zur Alexanderſage Der Brief Über die Wunder Indiens bei Johannes
Hartlieb und Sebaſtian Münfter. Königsberg.
Matheſius J., Ausgewählte Werke. 1. Band: Leichenreden. In Auswahl heraus-
aeqaeben, erläutert und eingeleitet von G. Yoeiche (Bibliothek deuticher Schrift-
jteller aus Böhmen. Herausgegeben ım Auftrage der Geſellſchaft zur Förderung
deutiher Wiſſenſchaft, Kunſt und Yırteratur in Böhmen. 4. Band). Leipzig,
Freytag. 2M.
1898. 193
MRurner Th., Die Gäuchmatt. (Bafel 1519.) Herausgegeben von W. Uhl. Mit
Einleitung, Anmerkungen und Erlurjen. Leipzig, Teubner. 2.80 M.
Bauch A., „Barbara Harfcherin”, Hans Sachſens zweite Frau. Beitrag zu
einer Biographie des Dichters. Nürnberg, Raw. 2.50 M.
Judas Nazarei, Bom alten und neuen Gott, Glauben und Lehre. (1521.) Mit
Abhandlung und Kommentar herausgegeben von E. Kück. Flugſchriften aus der
Reformationszeit. XII. (Neudrude deutſcher Litteraturwerke des 16. und 17. Jahr⸗
hundert3.) Halle a. ©., Niemeyer. 1.20 M.
Kid kündigt S. IV eine Abhandlung an, in der er nachweiſen wird, daß
Judas Nazarei ein Pjeudonym Jan von Watts (= J. Vadian arzet) if.
17. Zahrhundert.
Stern E., Das deutiche Epos des 17. Jahrhunderts. (II. Zeit.) Programm der
deutjchen Staats-Realſchule in Budweis.
Über den erften Teil diefes Programms vgl. Euphorion 3, 249. Der
zweite Teil behandelt nad) einem Exkurſe über W. H. v. Hohbergs Leben und
defien „Unvergnügte Proferpina” (1661) Hohbergs „Habsburgifhen Otto—
bert* und Chr. H. Boftels „Großen Wittelind“.
Nefultate: Der „Dttobert“ ift fein vollbürtiges NAenaiffanceepos, er zeigt
weit mehr den Charakter des zeitgenöffifchen Romans. Der „Große Witte-
find” ift ein echtes Renaiffanceepos. Darftelung: Inhalt. Ahnlichkeit der beiden
Werke mit den zeitgenöffiichen epifchen Dichtungen in Bezug auf Inhalt, Ber-
jonal, Motive und epijche Architektur. Vergleichende Zuſammenſtellung mit den
Epen und Romanen der europäifchen Renaifjancelitteraturen nad diefen Kate-
gorien 5. 15 ff. Daß der „Ottobert‘ außer alle epiſche Tradition zu ftellen
ıft (Stern 18 fj.), beweifen Hohbergs ablehnendes Verhalten zum Wunderbaren,
fowie der nüchterne Ton und Charakter des Werkes: plumpe Erpofition (dur
fünf Bücher!), die durch Erzählungen der Perjonen weitergeführt wird, Schwierig:
keit des Scenenwechſels (im Gegenſatz zur virtuojen Gewandtheit Arioft8), reali-
ftiiche Schilderung des Krieges, ſtrenge Beobachtung der ethnographiichen Ver—
hältnifje gerade wie im Hiftoriichen und im Reiſeroman, Realismus und enger
Anſchluß an die Wirklichkeit, was vielfady an die volfstümliche Richtung des
Romans erinnert; in manden Partien fteigt der „Ottobert“ durch kraſſen Natura-
lismus ſelbſt unter den heroifhen Roman hinab und mad)t jo, da andere
Partien den traditionellen Stil beibehalten, einen höchſt baroden Eindrud (©. 25)
©. 25 ff. einige Bemerkungen über Sprache und Metrit des „Ottobert“.
Poftels „Großer Wittefind“, den Gervinus jehr hochftellte (35, 654 ff.),
ift ein eigentliches Renaiffanceepos eines polyglotten, gelehrten Dichters, der,
wie er gewiffenhaft durch die „Anmerkungen zeigt, Motive und cpifchen
Apparat bloß aus den Werken diejer Dichtungsgattung entnimmt. ©. 31 Zu:
jammenftellung der zahlreichen franzöftichen, italienischen, ſpaniſchen, portugiefi=
ichen, englifchen und neulateinifchen T.uellen. Der Hauptteil des Gedichtes lehut
ſich jedod) an die Odyffee an und ift „eine Art mariniftiiches Kontrafakt“ der=
jelben. Auch die Sproche zeigt, befonders in den Naturjchilderungen, echteften
Marinismus. Den $rrtum bei Gervinus 3, 654 und in dem Artikel der Allgemeinen
Deutſchen Biographie, daß Poftel einen Roman von E. ©. Happel über bden-
felben Gegenftand als Duelle benutt habe (den „Europäiſchen Geſchichtsroman
auf das 1692. Jahr““), hat Koberftein, Litteraturgefchichte 2, 176, Anmerkung 41
nachgewieſen. Happel3 Held ift ein fächftiher Edelmann aus dem Ende des
17. Jahrhunderts
Euphorion IV. 13
194 Bibliographie. 2. Bücher.
Die treffliche, erihöpfende Darftellung erweitert fih, wie im erften Zeile,
immer zu einem &ejamtbilde des deutichen Henaiffanceepos, das in jeder Hinficht
in den Spuren Bergil® wandelt. F. Spina.
Chrouft A, Abraham von Dohna. Sein Leben und fein Gedicht auf den
Reichstag von 1613. Münden, Franz. 8 M.
Friebe C., Ehronologifhe Unterfuchungen zu Hofmansmwaldaus Dichtungen.
Programm. Greifswald.
18. Sahrhundert.
Borkenſtein H., Der Boofesbeutel. Luſtſpiel (1742). Herausgegeben von %. 9.
Heitmüller (Deutſche Litteraturdentmale des 18. und 19. Jahrhunderts heraus-
gegeben von A. Sauer Wr. 56,7. Neue Folge Nr. 6/7). Leipzig, Göſchen.
1.20 M.
Reichl A, Die Symmetrie im Aufbau von Bürgers Balladen und Romanzen.
Programm. Brir.
Bon der unverkennbar fuinmetrifchen Gliederung de8 „Wilden Jägers“
ausgehend, fucht Reicht fait in allen übrigen Balladen Bürgers cıne ähnliche
Gleichmäßigkeit nachzuweiſen, was ihm mit mehr oder wenıger Sicherheit audy
gelingt. Indem er den Gedanken an cinen Zufall von vornherein als unzuläffig
erflärt, wırft er die Frage auf, von welder Zcite eine Anregung dazu auf Bürger
ausgeübt worden fer (von Herder? vom Bollslicde? von den engliichen Balladen”)
und fordert zu weiteren Unterjuchungen anderer Balladen auf.
Yenier J. Joachim Heinrich Campe. Lin Lebensbild aus dem Zeitalter der
Aufflärung. 2. (Titel- Ausgabe. Braunschweig, Vieweg & Sohn. 6 M
Haynel W., Gellerts Yuffpiele En Beitrag zur deutichen Yırteraturgefchichte
des 18. Jahrhunderts. Emden, Haynel. 1.60 D.
Inhalt: 1. Allgemeine litterariſche Zuſtände der Zeit. — II. Gellerts
Theorie des Yuftipieis. — III. Gellerts Luſtſpiele ım einzelnen. — IV. Allge⸗
meine Ideen und Tendenzen Gellerts ın den Luſtſpielen mit Ausbliden auf ſeme
übrigen Schriften. - - V. Bemerkungen über Technik, Stil und Sprade. —
VI. Das ſpätere Verhältnis des Dichters und feiner Yen zu den Yuftipielen. —
VI. Zur Seichichte des Tertes der Yuftipieke.
Müller & 2, Ungedrudtes aus dem Goethe Kreiſe. Mit vielen Fakfimiles.
Handigriften von: Goethe. — Karl Auguft. -- Herzogin Amalia. — Eteg-
mayer — Leßmann. — Namiensfa - Zacharias Werner. Johanna Schopen-
bauer. Heinr. Meyer. — Edermann — Bertuch. — Oitilie von Goethe. —
„Werther“ Zernfalem. -- 3.8. und Fr. Jacobi. - - Yavater. — Yenz. — Soh.
Rıd. Salzmann. - Familie Brion. — Vulpius. — Carus. — Verfe. Münden,
Zei & Schauer. 8 M.
Aus dem Jnbalt: I. Vier Briefe von Bocthe: an Blumenthal 10. April
und ?8. Mai 1819; an Hirth 12. Auguft 1827; an Eihftädt 13. Juni 1800.
— 11. Stegmapyer an Goethe. Wien, 20. Juli 1808. — 11. 3. Werner an
Riemer 1. Februar Iron. - IV. H. Meder an Freiherrn von Wolzogen,
Wemar, 22. Zum 1805 - V. Johanna Schopenhauer an Prof. Wed,
Bonn, 15. Mai. -- VI Brief von Tan. Yehmann 24. Auguſt 1797. —
VI. Bricf der Künſtlerin Caroline Namıenala mit Notizen über das Leben ın
Weimar 1791 (Maumburg, 18. Dia; - - VIII. Zwei Briefe von J. G. Jacobi,
‚greiburg, 28. Aprıl 1791 und 31. Dezember 1800. — Fritz Jacobi an
Sailer, München, 2. März 1819. -- IN. Vier Briefe von Edermann (drei
an Rat Schmidt ın Weimar 1834). X. Yavater an den Theologen Meyer
aus Hamburg (20. September 1782) und Notizen des Letzteren über Goethe und
1896. 195
Schiller; an Bödmaun, Zürid, 1. November 1779; an Knebel 26. Auguft
1780. — XI. Drei Briefe von Bertud (einer an Schleiermader, Weimar,
24. Januar 1812). — XII. Holtei an Ottilie von Goethe. — XIII. XIV.
Ottilie von Goethe an Bauernfeld, Baron Bodelberg, Madame Märtens
Scafihaufen, Michael Angelo Gualandi. — XV. G. Carus an den König
von Sadjjen (1843). — XVI. Blätter aus dem Straßburger und Sejenheimer
Goethe-Kreis. A. Ein bisher unbelanntes Straßburger HochzeitSlied von Lenz
(Welch ein Geräuſch, das fich verbreitet!). B. Stammbuchblätter von Salome
Marr, Sofie Brion, Gloutier, 3. R. Salzmann (1574—1656). — XVIL Ein
Albumblatt von W. Jerufalem (Göttingen 1768). — XVII. Drei. Briefe des
Herzogs Karl Auguft von Weimar (1785. 1793. 1794). — XIX. Zwei Briefe
von Bulpius (1819. 1820). — XX. Eın Brief der Herzogin Amalia (1780).
— XXI. Berfe von Lerfe „An die Frau 2. v. Arnſtein bei Überreihung eines
engliihen Bleyſtiftes“ (1799). '
Müller ©. A., Goethe in Straßburg. Eine Nadjlefe zur Goethe- und Friede⸗
riken-Forſchung aus der Straßburger Zeit. Mit vielen neuen Abbildungen.
Leipzig, ©. Heyne.
Inhalt: 1 Nachleſe zur Friederikenbiographie und zur „Sejenheimer Idylle“
in „Dichtung und Wahrheit“. — II. Straßburger Erinnerungen in Goethes
au ft. — Il. Das Verhältnis zwifchen Goethe und Friederike. — IV. Zu
oethes Straßburger Studien und zur Salzmannſchen Geſellſchaft.
Haarhaus J. R., Auf Goethes Spuren in Stalien. 1. Teil. Ober-Stalien
(Kenuft du das Land? Eine Bücherſammlung für die Freunde Italiens. Heraus-
gegeben von %. R. Haarhaus. 1. Band.) Leipzig, C. G. Naumann.
Inhalt: Bon Innsbruck bis zum Gardafee. — Der Gardafee. — Verona.
— Bicenza. — Padua. — Benedig (Stadt und Leben; Kunft und Altertum;
Muſik und Theater). — Das Lido und Chioggia. — Ferrara. — Bologna.
Dünger Ex Erläuterungen zu den deutichen Klaſſikern. 64.—67. Bändchen.
Leipzig, Wartig. à 1 M.
Aufl Inhalt: Goethes Lyriſche Gedichte 4—7. Dritte, neubearbeitete
uflage.
Goethes lyriſche Dichtungen der erften Weimarifchen Jahre. In urfprüng-
licher Faſſung mit einer Einleitung herausgegeben von R. Koegel. Bafel,
Schwabe 1.20 M.
Inhalt: Anbahnung des Lebensbundes zwiſchen Goethe und Carl Auguft.
— Dichter und Staatsmann. — Gedichte der erften Weimarifchen Jahre.
Neudeder G., Die innere Kompofition in Goethes epifcher Dichtung „Hermann
und Dorothea” Zur erſten Bentennarfeier ihrer Entftehung. Programm.
Würzburg, Stahel. 80 Bf.
Althaus A., Der zweite und dritte Aufzug von Goethes $phigenie. Programm.
Berlin, Gaertner. 1 M.
Scheidemantel E., Zur Entflehungsgefchichte von Goethes Torquato Tajfo.
Programm. Weimar.
Goethe, Fauſt. Mit Einleitung und fortlaufenden Erklärungen herausgegeben
von 8. J. Schröer. 2. Teil. 3. Auflage. Leipzig. 5.60 M.
Collin J. Goethe Fauft in feiner älteften Geftalt. Unterfuchungen. Frankfurt
a. M., Litterarifche Anftalt Rütten & Toening. 5 M.
Inhalt: Einleitung. I. Der, erfte Monolog und die Erdgeiftfcene. — II.
Die fatirishen Scenen. — Eine Übergangsfcene. — III. Die Gretchentragöbdie.
— Ridblid.
Appell 3. W., Werther und feine Zeit. Zur Goethe-Fitteratur. Vierte, ver-
beiferte und vermehrte Auflage. Oldenburg, Schulze.
Schubert J., Die philofophiichen Grundlagen in Goethes Wilhelm Meifter.
Feipzig, Naumann. 2.50 M. .
13
1% Bibliographie. 2. Bücher.
Wieland. Oberon ... für den Schulgebrauch herausgegeben von R. Bethge
Freytags Edyulausgaben klaſſiſcher Werke für den deutfchen Unterricht). Leipzig,
Freytag. 90 Pf.
Stoff- und Sagengeſchichte. Volkstümliches.
Keidel G. C., A Manual of aesopie fable Literature. A First Book ot
Reference for the Period Ending A. D. 1500. first fascicule. With Three
Facsimiles (Romance and Other Studies Number Two). Baltimore, The
Friedenwald Company.
Xibliographifche Berzeichniije von feltener Genauigkeit und Vollſtändigkeit.
Farinelli A. Don Giovanni. Note critiche (Estratto dal Giornale storico
della letteratura italiana, vol. XXVII.. Loesceher, Torino, Roma.
zeihmann, Merope im italienischen und franzöfiihen Drama. Programm.
onn.
Linde A, Die neueften Rübezahl-Forſchungen. Ein Blick in die Werfftatt der
mpthologiichen Wiſſenſchaft. Dresden, v. Zahn & Jaenſch. 1.20 M.
Bayer Edmund, Schwan und Zhmanengefang (Sammlung gemeinnüßiger
Borträge. Herausgegeben vom deutihen Vereine zur Verbreitung gemeinnüßiger
Kenntnifie ın Prag, Nr. 210,. Prag, Härpfer. 40 Bf.
Nat E., Kelten und Nordgermanen ım 9. und 10. Jahrhunderte. Leipzig, B. G.
eubner.
In einer reichhaltigen, auf allen neueren Unterfuhungen und Quellen
fchriften fußenden Uberficht ſchüdert Mogt die lebhaften Beziehungen, die ım 9.
und 10. Jahrhundert zwifhen Irland und Island geherrſcht haben und weift
nad, wie groß der Einfluß der bereits lange chriftianifierten hodygebildeten Iren
auf die ganze Nultur und Yıtteratur der Nordgermanen war. Da dic ganze
nordiiche Yırteratur des Mittelalters nur auf Island cine höhere Vlüte erreicht
bat, muß dieſe als eine Frucht des engen Verkehrs mit den NMelten bezeichnet
werden. Auch alle größeren aujammmenhängenden nordiſchen Muthen, die eddilchen
Dichtungen, find uns nur in fpäten isländiſchen Aufzeichnungen erhalten. Mogt
zeigt, wie berechtigt Bugges Zweifel an dem rem germanischen Urfprung der
eddiſchen Kosmogonie war. Manches wırd durch keltiiche Vermittlung auf chriſt⸗
liche und altMlaifiiche Ernilüfie zurlidzufibren fen. Wie vorſichtig müſſen wir
daher verfahren, wenn mir die Edden und ihre Mythen ale den Ausdrud alt:
germaniſchen Glaubens in die Schule verpflanzen wollen. A. H.
Wick MW. Geographiſche Urtenamen und Sprihmwörter, Einführung in das Ber:
ſtändnis derſelben IT Brogramm. Ing.
Winteler J., Über Volkslied und Mundart. Ein Wort an die aargauiſche Lehrer⸗
ſchaft anläßlich der Kantonalkonferenz am 12. September 1895. Aarau, Wınteler.
60 Bf.
Wolf H., Diythus, Zaar, Märchen (Somnter und Winter: Programm. Düffeldorf.
Neudrude von Schriften und Karten iiber Meteorologie und Erdmagnetismus
berausgegeben von 9. Hellmann. Wr. 5. Die Yanernpraftit 1508. Fakſimile
drud mit einer Einleuung. Verlin, A. Ascher & Lo.
Beiträge zur deutſch böhmiſchen Volkskunde Herausgegeben von der Gefell-
fchaft zur Forderung denticher Wüſenſchaft, Kunſt und Yıtteratur in Böhmen.
Geleitet von A. Hauffen. Band 1 Heft 2. Prag, Valve 1M.
Inhalt: Laube G. C., Volkstümliche Überlieferungen aus Teplitz und
Umgebung
Eine muſterhafte Beautwortung des von der „Geſellſchaft“ ausgeſandten
Fragebogens von einem genauen Kenner des Volkes und ſeiner Gebräuche.
1896. 191
Befonders hervor egeboonn feien die Abfchnitte Über Volksnahrung und über alte
Dausgärten, die Kinderlieder und Kinderjpiele, ferner der Anhang von Sagen,
ärhen und Schwänken in der Mundart. — Das erfte unter der Prefje befind-
liche Heft der Beiträge wird eine Einleitung in die deutſch-böhmiſche Volkskunde
und eine Bibliographie derjelben enthalten.
Anbree K., Braunfhweiger Volkskunde. Braunfcdweig, Vieweg & Sohn.
7
Storch F., Die Sagen und Legenden des Gafteimerthales. 2. Auflage. Salzburg,
Mayr. 1.60 M.
Gnau E., Mythologie und Kyffhäuferjage. Programm. Sangerhaujen.
König ®. E., Der Kyffhäuser, jeine deutſchen Kaiferfagen und deren ruhm-
reicher Abſchluß Ein Gedenkblatt an die Errichtung des Kaiſer Wilhelm-Dent-
mals. Leipzig, Th. Weber. 50 Pf.
Wohlfarth R.. Die Sagen des Kyffhäufers. Frankenhaufen, Werneburg.
80 Pf.
Bahlmann P., Altmünfteriiche Bauernpraftit. Eine Sammlung münfterländi-
ſcher Sprichwörter und Erfahrungsſätze über Witterung und landwirtſchaftlichen
Betrieb. Münſter, Regensberg. 50 Pf.
Haas A., Aus pommerſchen Herenprozepaften. Ein Beitrag zur Geſchichte des
pommerfchen Bolksglaubens. Programm. Stettin.
Bernard A. H., Eine Sammlung von Rhein-Sagen. 10. Auflage. Wiesbaden,
Duiel. 2.50 M.
Schnorrenberg ©., Des Rheinlands Sagenbuch. Köln, Neubauer. 1.50 M.
Koulen $., Der Stabreim im Munde des Volkes zwiſchen Rhein und Ruhr.
Programm. Düren.
Haas A., Rügenſche Sagen und nen. Gefammelt und herausgegeben.
2. Auflage. Stettin, Burmeifter. 2.50M
Bibliographie der ſchweizeriſchen Sandestunde .... herausgegeben von der
Centralkommiſſion für jchmeizerifche Landeskunde. V, ea Bibliographie der
evangelifch-reformierten A in der Schweiz. Bern, Wyß.
Heft 1. Finsler G., Die deutſchen Kantone. 2 M.
Schuller G., Der fiebenbürgifd- ſächſiſche Bauernhof und feine Bewohner.
Eine fufturhiftorifche Skizze. Hermannftadt (Reipzig,. Michaelis). 80 Pf.
Bacmeifter J., Sang und Sage vom Kodhbrunnen in Wiesbaden. Gejammelt
und herausgegeben. Wiesbaden, Bacmeifter. 1 M.
Nenhochdentſche Schriftſprache. Mundarten.
Behaghel O., Schriftſprache und Mundart. Alademifche Rede. Gießen.
Gartner Th., Die überſetzbarkeit der Perſonennamen. Sonderabdruck aus den
„Bulowiner Nachrichten“. Czernowitz.
Haberland F., Krieg im Frieden. III. Zeil: Ritter und Turniere im heutigen
Deutſch. Eine Ipradhfic; tulturgefchichtliche Skizze. Programm. Lüdenſcheid.
Arten Über deutiche Deminutivbildung im 17. Zahrhundert. I. Programm.
einingen.
Saraber H., Aus dem Wundergarten der deutfchen Spradye. Weimar, Yelber.
3.50 M.
Wilmanns W., Deutihe Grammatik. Gotiſch, Alt-, Mittel- und Neuhochdeutſch.
2. Abteilung: Wortbildung. 2. Hälfte. Straßburg, Trübner. 6 M.
3.4 Eberhards ſynonymiſches Handmwörterbuch der deutichen Sprache. 15. Auſ⸗
lage von DO. Lyon. 1. Tieferung. Leipzig, Grieben. 1 M.
192 Bibliographie. 2. Bücher.
Grimm J. und W., Deutiches Wörterbuch .... Neunten Bandes fiebente Liefe
rung. Schnad— Schnitt. Bearbeitet von und unter Leitung von M. Heyne.
Leipzig, Hirzel.
Des IX. Bandes 8. Lieferung (S) befindet fi im Drud.
Scheffler 8, Die Schule. Verdeutſchung der hauptſächlichſten entbehrlichen Fremd⸗
wörter der Schulſprache (Verdeutſchungsbücher des allgemeinen deutichen Sprach⸗
verein VII). Berlin, Jähns & Ernft.
Tetzner F., Wörterbuch finnverwandter Ausdrüde (Univerfalbibliothet Nr. 3506
bi8 3510). Leipzig, Reclam jun. 1.50 M.
Schiepek J., Unterfudungen über den Satbau der Egerländer Mundart. I.
odi. Programm. Saaz.
Boldmar E., Die Ortsnamen des Kreifes Hörter. Programm. Hörter.
Gradi H., Die Mundarten Weitböhmens. Yautlehre des nordgauiſchen Dialektes
in Böhmen. Münden, Kaifer. 3 M.
Burdas V., Die Ohrdrufer Familiennamen nad) Herlunft und Bedeutung.
Teil 1. Programm. Ohrdruf.
Etuder %., Schweizer Ortsnamen. Ein hiftoriih-etymologifher Verſuch. 2—A4.
Schluß: Lieferung. Zürich, Schultheß. 2.60 M
Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der jchweizerdeutichen Sprache. Be-
arbeitet von FJ Ztaub, v. Tobler, R. Schoch, A. Bachmann und H. Bruppader.
31. Heft. Frauenfeld, Huber. 2 M.
Schneegans v., Über die orthographiſche Anarchie im Schrifttum des Straß-
burger Dialektes und der nächſtverwandten elſäſſiſchen Mundarten. Ein Bor:
fchlag zur Abhülfe. Straßburg, Hei. 1.50 M.
Albredt 3. Nusgewählte Kapitel zu emer Hans Sachs-⸗Grammatik. Differ-
tation. Freiburg.
15. und 16. Zahrhundert.
Hertel Th., Michagel Abel aus Frankfurt a. O., Humanıfl und gefrönter
Dichter des 16. Jahrhunderts. Fin Tebensbild. Potsdam, Döring. 50 Bf
Einger d,, Die wiriſchaftlichen und politischen Tendenzen de8 Narrenſchiffes
und einiger anderen Dichtungen des Sebaſtian Brant. Programm. Prag.
Helius Eohanus Hessus Noriberga illustrata und andere Städtegedichte. Herauß-
gegeben von J Neff. Dit Slluftrationen des 16. Jahrhunderts und kunf-
hiftorifchen Erläuterungen von Baler von Loga. (Lateiniſche Pitteraturdentmäler
des 15. und 16. Jahrhunderts. Herausgegeben von M. Herrmann 12.) Berlin,
Meidmann. 3 M.
Enthält neh: Friburgiea von Engentinus (Philipp Engelbredt)
und Lipsica von Bufhıns (Hermann van dem Bufde).
Hans Folg, Meifterfänger und Barbier. Diſes puchlein faget ons von allen paden
die vo natur heiß fein. Straßburg, Heißz 1 M.
galfimile der um 1480 ın Nürnberg gedrudten Ecrift nad dem Eremplar
der königl. Hof- und Zraatsbibliothet in Münden. Die Vorbemertung if unter-
zeichnet: P H.
Becker H., Zur Alexanderſage Der Brief iiber die Wunder Indiens bei Johannes
Hartlieb und Zebaftıan Münfter. Königsberg.
Marbefius J., Ausgewählte Werke. 1. Band: Yeichenreden. In Ausmahl beraus-
gegeben, erläutert und eingeleitet von &. Loeſche (Bibliothek deutfcher Schrift-
jteller aus Böhmen. Herausgegeben ım Auftrage der Geſellſchaft zur Förderung
deutſcher Wiſſenſchaft, Kunſt und Yırteratur in Böhmen. 4. Band). Leipzig,
Freytag. 2 M.
1898. 193
Murner Th., Die Gäuchmatt. (Bafel 1519.) Herausgegeben von W. Uhl. Mit
Einleitung, Anmerkungen und Erkurſen. Leipzig, Teubner. 2.80 M.
Baud A., „Barbara Harſcherin“, Hans Sachſens zweite Frau. Beitrag zu
einer Biographie des Dichters. Nürnberg, Raw. 2.50 M.
Judas Nazarei, Bom alten und neuen Gott, Glauben und Lehre. (1521.) Mit
Abhandlung und Kommentar herausgegeben von E. Kück. Flugichriften aus der
Reformationgzeit. XII. (Neudrude deutjcher Litteraturmwerte des 16. und 17. Jahr⸗
hunderts.) Halle a. ©., Niemeyer. 1.20 M.
Kück kündigt S. IV eine Abhandlung an, in der er nachweiſen wird, daß
Judas Nazarei ein Pjeudonym Jan von Watts (= J. Badian arzet) if.
17. Zahrhundert.
Stern E., Das deutjche Epos des 17. Jahrhunderts. (II. Teil.) Programm der
deutihen Staats-Realſchule in Budweis.
Über den erften Zeil diefes Programms vgl. Euphorion 3, 249. Der
zweite Zeil behandelt nach einem Erkurfe über W. 9. v. Hohbergs Leben und
deſſen „Unvergnügte Proferpina” (1661) Hohbergs „Habsburgifhen Otto-
bert“ und Chr. H. Poftels „Großen Wittelind“.
Refultate: Der „Ottobert“ ift fein vollbürtiges Renaiſſanceepos, er zeigt
weit mehr den Charalter des zeitgenöffiichen Romans. Der „Große Witte-
find“ ift ein echtes Renaifjfanceepos. Darftellung: Inhalt. Ahnlichkeit der beiden
Werke mit den zeitgenöfftichen epifchen Dichtungen in Bezug auf Inhalt, Ber-
jonal, Motive und epifhe Architektur. Vergleichende Zufammenftellung mit den
Epen und Romanen der europäischen Renaiffancelitteraturen nad diefen Kate-
gorien S. 15 fi. Daß der „„Ottobert” außer alle epifhe Tradition zu ftellen
ıft (Stern 18 ff.), beweifen Hohbergs ablehnendes Verhalten zum Wunberbaren,
jowie der nüchterne Ton und Charakter de8 Werkes: plumpe Erpofition (durch
fünf Bücher!), die durch Erzählungen der Perfonen weitergeführt wird, Schwierig:
keit des Scenenwechſels (im Gegenjag zur virtuojen Gewandtheit Ariofts), reali-
ftiihe Schilderung des Krieges, ftrenge Beobachtung der ethnographifchen Ver—
hältnifje gerade wie im Biftorifchen und im Reiferoman, Realismus und enger
Anihluß an die Wirklichkeit, was vielfah an die volkstümliche Richtung des
Romans erinnert; in manchen Partien fteigt der „Ottobert“ durch fraffen Natura=
lismus felbft unter den heroifhen Roman hinab und macht jo, da andere
Partien den traditionellen Stil beibehalten, einen höchſt baroden Eindrud (S. 25)
©. 25 ff. einige Bemerkungen über Sprache und Metrit des „Ottobert“.
Poftels „Großer Wittefind“, den Gervinugz jehr hodjftellte (3°, 654 ff.),
ift ein eigentliches Renaiffanceepos eines polyglotten, gelehrten Dichters, der,
wie er gewiſſenhaft durch die „Anmerkungen” zeigt, Motive und epifchen
Apparat bloß aus den Werfen diefer Dichtungsgattung entnimmt. ©. 31 Zu—
fammenftellung der zahlreichen franzöfifchen, italienischen, ſpaniſchen, portugieft-
ſchen, englifhen und neulateinifchen Quellen. Der Hauptteil des Gedichtes Tehnt
fi jedoh an die Odyffee an und ift ‚eine Art mariniftifches Kontrafakt“ der-
jelben. Auch die Sproche zeigt, bejonders in den Naturjchilderungen, echteften
Marinismus. Den Irrtum bei Gervinus 3, 654 und in dem Artikel der Allgemeinen
Deutihen Biographie, daß Poftel einen Roman von E. ©. Happel über den-
jelben Gegenftand als Duelle benutt habe (den „Europäiſchen Geihichtsroman
auf das 1692. Jahr“), hat Koberftein, Litteraturgeichichte 2, 176, Anmerkung 41
nachgewieſen. Happels Held ift ein fächfiicher Edelmann aus dem Ende des
17. Jahrhunderts
Euphorion IV. 13
194 Bibliographie. 2. Bücher.
Die treffliche, erichöpfende Darftellung erweitert ſich, wie im erften Teile,
immer zu einem Gejamtbilde des deutſchen HRenaiffanceepos, das in jeder Hinficht
in den Spuren Bergil® wandelt. F. Spina.
Chrouft A, Abraham von Dohna. Sein Leben und fein Gedicht auf den
Reichstag von 1613. Münden, Franz. 8 M.
Friebe C., Chronologifche Unterfuchungen zu Hofmanswaldaus Dichtungen.
Programm. Greifswald.
18. Zahrhundert.
Borkenſtein H., Der Boofesbeutel. Luſtſpiel (1742). Herausgegeben von F. H.
Heitmüller (Deutjche Litteraturdenkmale des 18. und 19. Sahrhunderts heraus:
gegeben von A. Sauer Nr. 56,7. Neue Folge Nr. 6/7). Leipzig, Göſchen.
1.20M.
Reichl A, Die Symmetrie im Aufbau von Bürgers Balladen und Romanzen.
Programm. Brür.
Bon der unverkennbar ſymmetriſchen Gliederung de8 „Wilden Jägers“
ausgehend, ſucht Reit falt in allen übrigen Balladen Bürgers cıne ähnliche
Gleichmäßigkeit nachzuweiſen, was ihm mit mehr oder weniger Sicherheit auch
gelingt. Indem er den Gedanken an einen Zufall von vornherein als unzuläffig
erflärt, wirft er die Frage auf, von welcher Zeite eine Anregung dazu auf Bürger
ausgeübt worden jei (von Herder? vom Volksliede? von den engliichen Balladen?)
und fordert zu weiteren Unterjuchungen anderer Balladen auf.
Leyſer J. Joachim Heinrich Campe. Ein Pebensbild aus dem Zeitalter der
Aufklärung. 2. (TitelAusgabe. Braunſchweig, Vieweg & Sohn. 6M.
Haynel W., Gellerts Luſtſpiele. Em Beitrag zur deutſchen Luteraturgeſchichte
des IN. Jahrhunderts. Emden, Hanne. 160 M.
Inhalt: 1. Allgemeine litterariſche Zuſtände der Zeit. — II. Gellerts
Theorie des Yuftipieie. — IH. Gellerts Luſtſpiele ım einzelnen. — IV. Allges
meine Jdeen und Tendenzen Gellerts ın den Yuftivielen mit Ausbliden auf feınc
übrigen Schriften. — V. Bemerkungen über Zenit, Stil und Sprade. —
VI. Das jpätere Verhältnis des Dichters und feiner Zeit zu den Yuftfpielen. —
VII Zur Seichichte des Tertes der Yuftipiele.
Müller $ N, Ungedrudtcs aus dem Goethe Kreiſe. Mit vielen Fakſimiles.
Handichriften von: Goethe. — Karl Auguft. -— Herzogin Amalıa. — Steg:
mayer — Veßmann. — Namiensla — Yadharias Werner. Johanna Schopen-
bauer. - Heinr. Meyer. — Edermann — Bertuch. — Ottilie von Goethe. —
„Werther“ Zernfatem. — 3. 8. und Fr. Jacobi. -- Yavater. — Lenz. — oh.
Rud. Salzmann. — Familie Brion. — Vulpius. — Carus. — Lerſe. Münden,
Zap & Schauer. 8 M.
Aus dem Inhalt: I. Bier Briefe von Goethe: an Blumenthal 10. Aprıl
und 28. Diat 1819; an Hırth 12. Auguft 1827; an Eichſtädt 13. Juni 180%.
— Il. Stegmayer an Goethe, Wien, 20. Juli 1808. — II. 3. Werner an
Niemer 1. Februar 1800. - IV. H. Meder an Freiherrn von Wolzogen,
Memar, 22. Juni 1805. -- V. Johanna Schopenhauer an Prof. Wed,
Bone, 15. Mai. -- VI Brief von Tan. Yeßmann 24. Auguft 1797. —
VI. Brief der Künſtlerin Karolınce Kamıensla mu Notizen Über das Leben ın
Weimar 1791 Naumburg, 18. Daı). -- VII. Ziwer Briefe von J. G. Jacobi,
Freiburg, 28. April 1791 und 31. Dezember 1800. — Fritz Jacobi an
Sailer, Münden, 2. März 1819. — IX. Vier Briefe von Edermann (drei
an Rat Echmidt ın Weimar 1834). - X. Yavater an den Theologen Meyer
aus Hamburg (20. September 1782) und Notizen des Letzteren über Goethe und
1896. 195
Schiller; an Böckmaun, Züri, 1. November 1779; an Knebel 26. Auguft
1780. — XI. Drei Briefe von Bertud (einer an Schleiermader, Weimar,
24. Januar 1812). — XII. Holtei an Ottilie von Goethe. — XIII. XIV.
Ottilie von Goethe an Bauernfeld, Baron Bodelberg, Madame Märtens
Schaffhausen, Michael Angelo Gualandi. — XV. G. Carus an den König
von Sachſen (1843). — XVI. Blätter aus dem Straßburger und Sejenheimer
Goethe-Kreis. A. Ein bisher unbelanntes Straßburger HochzeitSlied von Lenz
(Weld ein Geräuſch, das fich verbreitet!). B. Stammbucdblätter von Salome
Marr, Sofie Brion, Gloutier, J. R. Salzmann (1574—1656). — XVII. Ein
Albumblatt von W. Jerufalem (Göttingen 1768). — XVII. Drei. Briefe des
Herzogs Karl Auguft von Weimar (1785. 1793. 1794). — XIX. Zmei Briefe
von Bulpius (1819. 1820). — XX. Eın Brief der Herzogin Amalia (1780).
— XXI. Berfe von Lerſe „An die Frau 2. v. Arnjtein bei Überreichung eines
englifhen Bleyſtiftes“ (1799). '
Müller G. A., Goethe in Straßburg. Eine Nachleſe zur Goethe- und Friede-
riken-Forſchung aus der Straßburger Zeit. Mit vielen neuen Abbildungen.
Leipzig, G. Heyne.
Inhalt: I Nachlefe zur Friederikenbiographie und zur „Sejenheimer Idylle“
in „Dichtung und Wahrheit”. — II. Straßburger Erinnerungen in Goethes
Fauft. — II. Das Verhältnis zwiſchen Goethe und Friederike. — IV. Zu
Goethes Straßburger Studien und zur Salzmannſchen Gejellicaft.
Haarhaus J. R., Auf Goethes Spuren in Stalien. 1. Teil. Ober-Stalien
(Kennft du das Land? Eine Buͤcherſammlung für die Freunde Italiens. Heraus
gegeben von %. R. Haarhaus. 1. Band.) Leipzig, C. G. Naumann.
Inhalt: Bon Innsbruck bis zum Gardajee. — Der Gardajee. — Berona.
— Bicenza. — Padua. — Venedig (Stadt und Leben, Kunft und Altertum;
Muſik und Theater). — Das Lido und Chioggia. — Ferrara. — Bologna.
Dünger EX Erläuterungen zu den deutichen Klaffitern. 64.67. Bändchen.
Leipzig, Wartig. & 1 M.
y Inhalt: Goethes Lyriſche Gedichte 4—T. Dritte, neubearbeitete
Auflage.
Goethes lyriſche Dichtungen der erften Weimarifchen Jahre. In urjprüng-
licher Saffung mit einer Einleitung herausgegeben von R. Koegel. Bafel,
Schwabe 1.20 M.
Inhalt: Anbahnung des Lebensbundes zwifchen Goethe und Carl Auguft.
— Dichter und Staatsmann. — Gedichte der erſten Weimarifchen Jahre.
Neudeder G. Die innere Kompofition in Goethes epifher Dichtung ram.
und Dorothea” Zur erften Yentennarfeier ihrer Entftehung. Programm.
Würzburg, Stahel. 80 Pf.
Althaus A., Der zweite und dritte Aufzug von Goethes Fphigenie. Programm.
Berlin, Gaertner. 1 M.
Bu E., Zur Entftehungsgefchichte von Goethes Torquato Tafjo.
rogramm. Weimar.
Goethe, Fauſt. Mit Einleitung und fortlaufenden Erklärungen herausgegeben
von 8. J. Schröer. 2. Teil. 3. Auflage. Leipzig. 5.60 M.
Collin J, Goethes Fauft in feiner älteften Geftalt. Unterfuhungen. Frankfurt
a. M., Litterarifche Anftalt Rütten & Loening. 5 M.
Inhalt: Einleitung. I. Der erfte Monolog und die Erdgeiftfcene. — II.
Die fatirifchen Scenen. — Eine Übergangsjcene. — Ill. Die Gretchentragädie.
— Rüdblid.
Appell 3. W., Werther und feine Zeit. Zur Goethe-Fitteratur. Vierte, ver⸗
befferte und vermehrte Auflage. Oldenburg, Schulze.
Schubert J., Die philofophiihen Grundlagen in Goethes Wilhelm Meifter.
Leipzig, Naumann. 2.50 M. .
13
196 Bibliographie. 2. Bücher.
Inhalt: A. Die Lehrjahre. Einleitung. 1. Bom Werther zu Wilhelm
Meifters Lehrjahren. 2. Die äfthetiihe Moral der Lehrjahre. 3. Zur Entftehung
und Charakteriſtik der Lehrjahre. 4. Das religidfe Buch der Lehrjahre. 5. Die
Socialariftotratie der Lehrjahre. — B. Die Wanderjahre. Einleitung. 1. Hand-
werf. 2. Privarbefig. 3. Pädagogik und Weligionsphilofophie: a) Die Form der
Erziehung. b) Die Religion der Ehrfurdt. e) Die muſiſche Erziehung. d) Die
förperlihe Erziehung. 4. Geſellſchaft.
Yrau v. Stac@is Essai sur les fietions (1795) mit Goethes liberfegung (1796)
herausgegeben von $%. Imelmann. Berlin, &. Reimer. 2 M.
Suter 8. Das Vollkslied und fein Einfluß auf Goethes Epil. Vortrag. Aarau,
Sauerländer & Co. 80 Pf.
Graefe ®., An-Dante. Divina commedia al® Duelle für Shakeſpeare und
Goethe. Drei Plaudereien. Leipzig, Fock. 80 Pf.
Zipper A, O Przekladach Mickiewieza y (soethego. Lwöw 1895.
Goethe als Erzieher. Ein Wort an emanzıpierte Frauen. Bon einer Yrau.
Münden, Schupp. 50 Bf.
[Burdad *.], Zum Gedähmis der Jubiläumsvorſtellung im Theater zu Lauch—
ſtädt am 2. Juli 1896. Für die Teilnehmer des Koſtümfeſtes gedrudt. Halle,
Gebauer⸗Schwetſchleſche Buchdruckerei
Inhalt: Prolog. — Epilog. — Notiz über die Geſchichte des Lauchſtädter
Theaters. — Abbildung des im Jahre 1802 in Lauchſtädt erbauten Theaters
und der Anlagen im Bade.
Bloch D., Herder ale Aſthetiker. Berlin, Mayer und Müller. 1.20 M.
Inhalt: 1. Herders Anfichten über frühere und zeitgenöffiiche Afhetiler. —
Il. Herders Aſthetik. 1. Grundlage und Plan. 2. Aſthetiſches Gefühl, Phantafic.
3. Schönheit des Objeltes. 4. Die Künſte.
Zonen A, Über Herders nationale Gefinnung. Il. Teil. Programm. Brieg.
Wenzel G. Friedrich Hölderlin und John Keats als geiftesverwandte Dichter.
Programm. Magdeburg.
veitzmann A, Jugendbriefe Alerander von Humboldts an Wilhelm Gabriel
Wegener. Leipzig, Göſchen.
16 Briefe aus den Jahren 1788 -171W.
Humboldt W. v. Sechs ungedrudte Auffäte über das Hajfiiche Altertum beraus-
egeben von A. Leibmann (Deutiche Yıtteraturdentmale des 18. und 19. Jahr-
undert8 herausgegeben von A. Zauer. Nr. 58 62. Neue Folge Wr. 8 12).
Leipzig, Göſchen..
Inhalt: I. Uber das Studium des Altertum und der griechiſchen ins⸗
befondere mit Dalbergs und Schillers Randbemerkungen). — Il. PBindar.
— 111. Berradytungen über die Weltgefhichte. — IV. Über das antıle Theater
in Sagunt. An Goethe. — V. Yatıum und Hellas oder Betrachtungen über
das Haffifche Altertum. — VI. Geſchichte des Berfalls und Untergangs der
griechiſchen Freiſtaaten — Anhang: Bruchſtücke einer fpäteren Faſſung der
„Skizze Über die Griechen“.
Yeıpmann N., Briefwechſel zwiſchen Karoline von Humboldt, Rahel und
Barnhagen. Weimar, Böhlau.
3 Briefe aus den Jahren 1795-—1801, 1811 — 1815, 1818.
Klinger, Betrachtungen und Gedanken über verfchiedene Gegenſtände der Welt
und der Litteratur. In Auswahl herausgegeben von R. v. Gottſchall. (Alniverjal-
bibliothet Nr. 3524 25.) Yerpzig, Reclam. 40 Pf.
Grucker E., Lessing (Histoire des doetrines litteraires et esthetiqgues en
Allemagne». Paris, Nancy. Berger-Levrault et Cie.
Inhalt: I. Gritique litteraire. -— 11. Gritique esthetique. — III. Cri-
tique dramatique. — IV Gritique theologique et philosophique.
1896. 197
Hoyles E. A., Lessing: a brief account of his life and writings; with
representative selections including „Nathan the wise” with notes; an
indroduction by W. Bernhardt. Boston, Silver, Burdett & Co. 48 c.
Kettner ©., Über Lefjings Minna von Barnhelm. Sratulationsichrift der
töniglihen Landesichule Bforta zum dreihundertfünfzigjährigen Jubiläum der
Klofterichule Zıfeld. Berlin, Weidmann.
Grudzinsty St, Minna von Barnhelm und L’Ecole des Amis. Eine
Iitterarhiftorifche Abhandlung. Programm. Krafau.
Sucht mittelft einer ausführlichen Analyfe des franzöfiihen Stüdes nach⸗
zumweifen, daß Leſſing das Hauptmotiv feines Nuftfpiel3 der L’Ecole des Amis
von Nivelle de la Chauſſée entlehnt habe.
Zipper A, Lefjings Minna von Barnhelm. Erläutert. Erläuterungen zu
Meifterwerten der deutjchen Litteratur. 1. Band. (IUniverjalbibliothet Nr. 3576.)
Leipzig, Reclam. 20 Pf. 0
Nieten DO. Leſſings religionsphilojophifche Anfichten bis zum Jahre 1770 in
ihrem Hiftorifchen Zujammenhang und in ihren hiftorifchen Beziehungen. Nebft
Anhang: Grundzüge von Leffings Neligionsphilofophie. Dresden, Naumann.
1.50 M.
Inhalt: I. Orthodore Jugenderziehung. Die Schwäche der Vernunft. Der
Humanitätsgedante. — II. Das Chriftentum der Vernunft. — III. Bekanntſchaft
mit Mendelsfohn. Popularphilojophie, Deismus und englifche Gefühls-
philofophie. — IV. Die Fitteraturbriefe. — V. Die Entftehung der geoffenbarten
Religion. — VI. Breslau. Patriftif und Spinoza. — VII. Leibniz' nouveaux
essais. — Anhang. Ä
Loebell R., Der Anti-Necker 3. H. Merds und der Minifler Fr. 8. v. Mofer.
Ein Beitrag zur Beurteilung J. H. Merds. Darmftadt, Klingelhoeffer.
Inhalt: Merds Charakter und Widerjprüche bei feiner Beurteilung. —
Borgefhichte der Schrift Merds gegen Fr. K. von Mofer (Antis:Neder). — Der
Anti-Neder. — Merds Abficht bei Abfaffung des Anti-Neder und defien Schidjal.
— Merds Feindihaft gegen Moſer. — Bedeutung des Anti-Neder für die
a der Widerjprüche bei der Beurteilung Merds. — Merk und Mofer
(Barallele).
In höchſt dankenswerter Weife vermittelt uns Xoebell die Belanntichaft
mit der ungedruct gebliebenen Streitichrift Merd3 gegen Mofer, indem er cine
durch Auszüge belebte genaue Analyfe der Schrift vorlegt, ſowie deren Ent-
ftehungsgejchichte und fpätere Schickſale altenmäßig ſchildert. Wenn er aber ın
Fortſetzung feiner Schon frliher begonnenen Rettungsverfuche meint, gerade durd)
die Würdigung diefer Schrift die Widerſprüche in der Beurteilung Merds löſen
zu können, fo tragen wir Bedenken, uns feinem milden Urteile anzuichliegen und
find eher geneigt, auf die Seite von Merds Gegnern zu treten Bielleiht aber
find auch jetzt die Alten über ihn noch nicht gejchloffen. |
Mollenhauer 8, Juſtus Möfers Anteil an der Wiederbelebung des deutfchen
Geiftes. Programm. Braunſchweig.
Lehner T. P. Simon Rettenbadhers nationale Auffaffung im Gegenjage zur
franzojenfreundlichen Richtung feiner Zeit. Programm. Kremsmiünfter.
Laquiante A. Un hiver à Paris, sous le consulat (1802 —1803) d’apres
les lettres de J. F. Reichardt. Paris, Plon, Nourrit et Cie. 7.50 Fr.
Müller Ernft, Schillers AJugenddihtung und Jugendleben. Neue Beiträge aus
Schwaben. Stuttgart, Cotta. 2 M.
Snhalt: Eine unbekannte „Komödie“ Schillers: Der Student von
Naſſau. Univerfität und Akademie. — Möllers Schaufpiel!: „Sophie oder
der gerechte Fürft.” — Marmontels: „Zemire et Azor.” — Anthologie:
Fluch eines Eiferfüchtigen. Die ſchlimmen Monarchen Die Fournaliften und
Minos. Die Winternadht. Grabjchrift. — „Laura“ und Luiſe Bifher. Wil—
198 Bibliographie. 2. Bücher.
heimine Andrei. — Zu Kabale und Liebe I: Sharlotte von Wol-
ogen. — Oberſt Rieger. — Schubart. — Lieutenant Kapf. — Albredt
—8 Lempp (Lempp und Scharffenſtein). — Zu Kabale und Liebe ll.
— Anhana: Zwei Briefe von Lempp an Schiller Mainz, 22. April 1784;
Kichheim unter Ted, 10. September 1802). — Ein Brief von Eillers Mutter
an ihre Tochter Chriftophine.
Schillers Werke, herausgegeben von 2. VBellermann. 6. Band. Leipzig,
Zibliographifches Inſtitut. 2 M
affe E., Einteilung und Erklärung von Schillers „Glocke“. Programm.
Bartenftein.
Düntzer H., Erläuterungen zu den beutichen Klaffiteru. 50., 51. Bändchen.
M
Leipzig, Wartg. A ı M.
Inhalt: Schillers Jungfrau von Orleans. 5. Auflage.
Geyer P., Schillers äfthetifcyefitliche Meltanichauung, aus Ieinen Jphiloſophiſchen
Schrifien gemeinverſtändlich erkllärt. Berlin, Weidmann.
Briefwechſel zwiſchen Schiller und Körner. Von 1784 ie zum Tode
Schillers. Mit Einleitung von L. Geiger. 3. Band. (Cottafche Bibliothek der
Meltlitteratur Band 270.) Stuttgart, Cotta. 1 M.
Saul D., Schiller im Dichtermund. Stuttgart, Frommann. 1 M.
Müller &, Geſchichte der deutſchen Schillerverehrung. Vortrag. Tübingen,
Laupp. 50 Bf.
Moſapp H, Charlotte von Schiller. Lin Febens- und Gharalterbild. Mit
2 PFichtdrudtafeln und 3 Tertillufrationen. Heilbronn, Kielmann. 2.80 M.
Kern R., Beiträge zur Charakteriftil des Dichters Tiedge. Berlin, Speyer &
Reters. 1.80 M.
Inhalt: 1. Tiedge im Urteil der Zeitgenoffen. S. 3f. Ein Brief von
Gleim an Tiedge. Halberftadt, 16. März 1794; ©. 7 Ein Zettel aus Tiedges
banbiarifttichen Nachlaß: S. 10 Tiedge an Tlodius, Lobichau. 26. Auguſt
1818. — II. Tiedge im Verhältnis zu Scdiller. S. 15 werden ungedrudte
Briefe Tiedges an Gleim und W. G. Beder benupt. — III. Tiedges Lebens⸗
anſchanungen und Schillers Einfluß darauf. — IV. Andere Vorbilder Tiedges
(Schubart, Haller, Sellert, Bürger, Hölty, Horaz, Goerhe, Yeifing, Uſteri,
Uhland, Arnde). Benutzt find auch ungedrudte Gedichte Tiedges aus Yleıms
Nachlaß. — V. Wiederholungen bei Tiedge.
Eſcher 8, Joh. Martin Uſteris dichteriſcher und künſtleriſcher Nachlaß. Zürich,
Neujahrsblatt der Stadtbibliothek in Zürich.
Petzet E, Johann Peter Uz Zum 100. Todestage des Dichters. Ansbach,
BRrügel & Sohn. 2M.
Petzet hat bereits vor mehreren Jahren über Uzens Odenpoeſie und über
den „Sieg des Picbesgotte®” brauchbare Unterſuchungen veröffentlicht, deren
Ergebniffe er bier zu ciner lesbaren TDarftellung verwertet und durch eine
Schilderung des einfachen Lebenslaufes ergänzt. Mo ihn aber feine Älteren Bor-
arbeiten im Stiche laffen, da hat er ſich jetzt nicht Zeit und Mühe nenug ge
nommen, um die Lücken auszufüllen. Gewiß hätte er iiber das Verhältnis der
„Kunſt ſtets fröhlich zu fein“ zu der jpanifchen T.uelle mehr als ein paar allge
meine Bemerlungen vorgebradt, wenn er cıne VBergleihung im einzelnen vor:
genommen hätte. Merkwürdigerweiſe giebt es nämlidy über die didaktische Poefie
des 1%. Jahrhunderts noch Leine zuſammenhängende und abichließende Unter:
suchung. — Ta Pevbet in feıner Vorbemerkung Ergänzungen zu Goedeke bei-
brinat, fo will ich nicht unterlaffen, auf die aud von mir feinerzeit überſehene
Vemerkung bei Koberſtein 5, 262 hınaumeifen, daß dıe geiftlihen Gedichte von
Uz zuerſt ın Zollikofers „Neueſtem Geiangbuch“ (Leipzig 1766) aedrudt I fein
iollen.
1896. 199
Doell M., Wieland und die Antike. Beitrag zur Gefchichte der Entwidlung
der deutfchen Fitteratur im 18. Jahrhundert. Programm. München.
Herner H., Die Cyropädie in Wiclands Werfen. 2. Zeil. Programm. Berlin,
Gaertner. 1 M.
Köllmann A, Wieland und Shakeſpeare, mit befonderer Berückſichtigung der
lberjegung des Sommernad)tstraumes. Programm. Remſcheid.
Wilhelm G., Die zwei erften Ausgaben von Wielands Agathon vergliden.
(Sonderabdrud aus der Feſtſchrift des Deutichen Akademischen Philologenvereing
in Graz.) Graz, Leuſchner & Lubensky.
19. Zahrhundert.
Gloſſy C., Aus Bauernfelds Tagebüchern II. 1849 —1879. (Aus dem Jahr:
buch der Grillparzer-Gefellfchaft.) Bien, Konegen. 2 M.
waren 5 Nikolaus Beder, „der Dichter des Rheinliedes“. Bonn, Hanftein.
1.50 M.
Zardel H., Quellen zu Chamiſſos Gedichten. Programm. Graudenz. 70 Pf.
Suellenunterfuhungen zu folgenden Dichtungen Chamiſſos: Deutjche
Bollsfagen; Die Sonne bringt es an den Tag; Die Mutter und das Kind;
Hans im Glüd; Der Gemjenjäger und die Sennerin; Die Liebesprobe,; Der
arme Henri; Der Geift der Mutter; Nachtmwächterlied; Die Großmutter; Der
Kranke; Mateo Falconc, der Korfe; Ein Lied von der Weibertreue; Die litthauischen
Bolkslieder; Sage von Alcrandern; Die VBerbannten; Das Urteil des Schem-
jäfa; Ein Gerichtstag auf Huahine; Chios.
Drofte-HülsHoff A. Freiin von, Gedichte. 4. Auflage mit Erklärung ſchwer
verftändlicher Wörter. Baderborn, Schöningh. 1.80 M.
Riehemann ., Erläuternde Bemerkungen zu Annette von Drofte-Hülshoffs
Dichtungen. Zum 100jährigen Geburtstage der Dichterin. Osnabrüd, Schöningh.
1.30 M.
Breitfeld E., Ferdinand Freiligraths Übertragungen aus Bictor Hugo.
Programm. Plauen.
Fritz N, Guftav Freytag in den „Grenzboten“. II. Teil. Programm. Aachen.
Prem S. M., Der Lyriker Hermann von Gilm. Ein Vortrag. Mit einem An—
hange (Sonderabdrud aus der „Marburger Zeitung” 1x96, Nr. 26-28).
Diarburg, Selbftverlag. — Zweite Auflage (Sonderabdrud aus dem „Grazer
Wochenblatt“). Graz, Selbftverlag.
Anhang. Drei Gedichte Gilms: Nr. 1. An den Frühling. Ungedrudtes
Fugendacdiht (nur in der zweiten Auflage). — Nr. 2. Abjchiedsgruß. Dem
Herrn Profeſſor Weffely bei feiner Abreife nach) Prag am 12. November 1835
von feinen Schülern dargebradyt. — Nr. 3. Ein Lebewohl an Dr. Gröber, k.k.
Fistaladjunkten in Innsbruck, geſprochen von H. v. Gilm zu Unter-St. Veit
am 19. Dezember 1847.
Sepp J. N., Görres (Geifteshelden. — Führende Geifter. — Eine Sammlung
von Biographien. Herausgegeben von A. Bettelheim. 23. Band (der IV. Sanım-
fung 5. Band). Berlin, Ernft Hofmann & Co. 2.40 M.
Müller H. F., Euripides Medea und Das goldene Bließ von Grillparzer.
Il. Programm. Blankenburg.
Rohde E., Friedrih Creuzer und Karoline von Günderode. Briefe und
Dichtungen. Heidelberg, Winter. 3.50 M.
Rabenlechner M. M., Die erften poetiſchen Verſuche Hamerlings. Zur Ge-
Ihichte feines HYwettler Aufenthalts (Sammlung gemeinverftändlicher wijjens
200 Bibliegraphie. 2. Bücher.
ſchaftlicher Vorträge, herausgegeben von R. Virchow und W. Wattenbach. Neue
Folge. Heft 245). Hamburg, Verlagsanftalt und Druderei. 60 Pf.
1848. Ariefe von und an Georg Hermegh, herausgegeben von M. Herwegh.
Viüncen, Langen. 3 DM.
Inhalt: Vorwort des Herausgebers. — Michel Balunins Briefe an
Emma Siegmund (1843); an Georg und? Emma Herwegh (1847). —
Briefe von Emma und Georg Herwegh aus dem Jahre 1847. — Briefe an
G. Herwegh von Karl Marr, Dr. J. Henle — Briefe von Dr. Karl
Pfeufer an Emma und Georg Herwegh. — Briefe von G. Herwegh an Robert
Prutz, Robert Blum. — 6. Herwegh an Friedrich Heder. — ©. Her-
weghs Aufruf an die Polen. — Adreffe des polnischen Centralcomitéè zu Paris
an G. Herwegh. „Zur Geſchichte der deutſchen demokratiſchen
Legion von Paris“, von einer Hochverräterin. — Briefe an G. Herwegh von
Carl Vogt, Michel Bakunin (1847—1849), Julius Fröbel, Arnold
Ruge, Guſtav von Struve. — Briefe an Emma — von Friedrich
Heder, Theodor Mögling. — Briefe von Dr. Andr. Gottſchalk an
ermwegh. — Erinnerungen aus dem Jahre 1848 (Gedichte von G. Herwegh). —
„Verrat! (Gedicht von G. Herwegh). — Auszüge aus Briefen von Georg und
Emma Herwegh (1849). — Verſchiedene Briefe (auch aus fpäteren Jahren), die
fi) auf die revolutionäre Bewegung von 1848 beziehen: rau Emma Herwegh
an ihre Schwefter Mme. Fanny Piaget. — G. Herwegh an Dr. Bernd. Oppen-
heim; Ludwig Pfau an G Herwegh; G. Herwegh, in Ermwiderung auf die
Einladung, an der Gedädhtnisfeier des Gefechts von Doffenbady teil zu nehmen;
Dr. 3. Henle an Emma Herwegh. — Schlußwort (entnommen einer am
20. Diärz 1849 ın Köln gehaltenen Rede von Dr. med. Andr. Gottſchall). —
Anhang: Briefe von Arnold Ruge, Julius Fröbel. — „Wieder cıne
alte Yitge!“ (Nachwort zu: „Zur Geſchichte der deunichen demotratischen Legion
aus Paris“) von Prof. Krebs. — Auszüge aus Briefen von rau Henriette
Feuerbach. — Kleine Epıfode aus dem Leben G. Herweghs vom Jahre 1849.
Hülbrod A., Eine Erinnerung an Hoffmann von ‚sallersleben. (Kleine Stu
dien. Wiſſenswertes aus allen Yebensgebirten Herausgegeben von A. Schupp.
Heft 20. Minden, A. Schupp. 30 Pf.
Karl Immermann, Eine Gedächtnisſchrift zum 100. Geburtstage des Dichters.
Mir Beiträgen von R.Fellner, J. Beffden, C. H. Geffcken, R.M. Meyer
und F. Schulteß. Wir 1 Portrait Immermanns in Photogravure und 1 Licht⸗
drudtafel. Hamburg, Voß. 6 M.
Inhalt: Geficken TC. H., Karl Immermann als deutſcher Patriot. —
Meyer R. M., Tulifäntchen. — Schulteß F., Zeitgeſchichte und Zeitgenoſſen
in Immermanns Epigonen. Gefiden J., Beiträge zur Entſtehungsgeſchichte
des Münchhauſen. — Fellner R, Karl Immermann als Dramaturg. —
Geffcken 3, Marianne.
Nach Art der Hans Sachs Feſtſchrift werden hier cıne Reihe von ungleich⸗
wertigen Auflägen verfcdiedener Autoren in einem Bande zufammengeftellt; eine
wisfenfchaftlihhe Monographie, wıe ſie Immermann verdiente, fann uns dadurd
wicht erſeyt werden. Nicht alles ın dem Buch ıft nen: Schulteß' verdieuftvoller
Artikel ftand ſchon 1893 in den Preußiſchen Jahrbüchern, Fellners Auffag ifl
eine Mnappere und Harere Zufammenfafiung der Gedanken ſeines bekannten
Vuches über denjelben Ztoff mit Verwertung der von dem Berfafler inzwifchen
erworbenen praftiichen Erfahrungen; in dem Auffage von J. Geffcken über den
Münchhauſen iſt das neue Material aus Immermanns Nachlaß nicht verarbeitet;
dic beiden biographiſchen Artikel atmen warme Liebe zu dem edlen Paare, ohne
dag ınan alle norgebraditen Behauptungen billigen könnte. Das Bedrutendfte in
den Buch iſt Meyers Eſſay Über „Tulifäntchen“. Aber er lieſt fih wie manche
der weimariſchen Feſtreden aus den letzten Jahren, die den Heros mehr be-
1896. 201
fämpften als verehrten, und es will mir fcheinen, als ob Immermann, falls er
wirklich der Parodift unferer Kllajfiter wäre, zu dem Meyers bemunderungs-
würdiges Gedächtnis ihn ftempelt, diefer ihm gewidmeten Schrift gar nicht wert
wäre. Über das Gediht vom Tulifäntchen weiß Meyer jo vieles und grelles
Licht auszugießen, daß es ſich ihm unter den Händen in die einzelnen Atome
auflöſt; um aber in den Mittelpunkt von Immermanns Perfönlichkeit und Welt-
anſchauung einzudringen, dazu wäre einzig und allein der Merlin das richtige
Unterſuchungsobject gewejen.
Arnold R. F., Karl Immermann. Gedenkrede zur Zentennarfeier des Dichters.
Wien, Perles. 70 Bf.
Eine rafche, etwas ungleihmäßig geratene Charakteriftit des Dichters,
Ban der Merlin richtiger gewürdigt wird als in der Hamburger Gedädtnig-
rift.
Bauer %., Sternefher Humor in Immermanns „Mündhaufen”. Als Beitrag
zur Geſchichte des deutjchen Romans. Programm. Wien.
Lautenbacher %., Adolf Kolping als Scriftiteller (Frankfurter zeitgemäße
Broſchüren. Neue Folge, herausgegeben von J. M. Raich. Band 17. Heft 1).
Frankfurt a. M., Foeßer. 70 Pf.
Gedichte aus Adolf Kolpings Rheinischen Volksblättern. Bon Rhd. in Ehr.
Dsnabrüd, B. Wehberg. 2 M.
Faden H. R. Tzreih. von, Theodor Körner und feine Braut. Körner in Wien,
Antonie Adamberger und ihre Familie. Ein Beitrag zur Körnersfitteratur und
zur Geſchichte des ka k. Hof-Burgtheaters in Wien. Dresden, Verlag des Uni«
verfum. 3.60 M.
Schloſſar A., Nitolaus Lenaus Briefe an Emilie von Reinbed und deren
Gatten Georg von Neinbed 1832—1844 nebft Emilie von Reinbecks Aufzeich-
nungen über Lenaus Erfranfung 1844—1846 nad) den großenteils ungedrudten
Originalen herausgegeben. Mit einem Briefe Lenaus an Emilie von Reinbeck
in Yalfimile-Wiedergabe. Stuttgart, Bonz & Comp.
91 Briefe Lenaus aus den Jahren 1832 —1844.
Fehre E., Leben und Schriften des Kurländers Friedrih Ludwig Tindner,
mit befonderer Berückſichtigung des „Manuftripts aus Süddeutjchland”. (Separat-
abzug aus der Baltiihen Monatsichrift. Band 42.) Reval, Kluge 1895. 2 M.
C. von futterottis Gedichte in Tiroler Dialekten. 3. Auflage, bearbeitet von L. von
Hörmann. Innsbruck, Wagner. 3 M.
Trura H. M., Der öſterreichiſche Geſchichtsforſcher, Schriftfteller und Dichter
Pfarrer Joſef Maurer. Ein Borbild Titterariihen Wirkens und echt priefter-
lichen Lebens. Zugleich ein Beitrag zur vaterländifchen Litteraturgefchichte. Wien,
Mayer & Co. 3.20 M.
Rank $., Erinnerungen aus meinem Leben (Bibliothek deutfcher Schriftfteller aus
Böhmen. Herausgegeben im Auftrage der Gefellfchaft zur Förderung deutſcher
Wiſſenſchaft, Kunft und Fitteratur in Böhmen. Band 5). Wien und Prag,
Tempsy. 3M.
F. Rückerts Werke in 6 Bänden. Herausgegeben von 2. Taiftner. Lieferung 7—16.
Stuttgart, Cotta.
Inhalt des dritten Bandes: Heimat und Herd (Kindertotenlieder;
Stilleben). — Poetifches Tagebuch (1850—1866). Anhang: Aus dem hand-
Ihriftliden Nachlaß. — Jahreszeiten. -- Herz und Welt. — Mritil. —
Selbftichau. — Zahme XZenien. — Oftlihe Roſen (1819—1820). — Ghafelen.
— Morgenländiſche Sagen und Sprüche. — Brahmaniſche Erzählungen (nebft
Hidimba; Sawitri; Nal und Dajamanti). — Aus dem Schiking (hinefiches
Liederbuch). — Inhalt des vierten Bandes: Die Malamen des Hariri. —
Inhalt des fünften Bandes: Die Weisheit des Brahmanen. I.
Made K., Friedrich Rüdert als Überjeger. Programm. Siegburg.
202 Nachrichten.
Sturm J., In Freud und Leib. vepte Lieder. Leipzig, Brodhaus. 3 M.
Hepding 4, $ulius Sturm. Gedenkblatt nebft einem Liederfirauß, aus
den Werten des Dichters zufanımengeftellt. Gießen, Rider. 1.50 M.
Oswald J. G., —R Theodor Bifher als Dichter (Sammlung gemein:
verftändficher wiffenfchaftlicher Vorträge, herausgegeben von R. Virchow und
W. Wattenbach. 249. ef). Hamburg, Verlagsanftalt. 80 Pf.
Tibefar B. 2, Fr. Webers Dreizehnlinden. Eine Litterarifhe Gtubie.
2. Auflage. Paderborn, Schöningh. 1.20 M.
BR Fohannes Wedde. Eine litterarifhe Studie. Hamburg, Grüning.
75 Pf
Weil A, Zwei Jugenddramen. I. Alerander der Große. Ein Heldendrama in
fünf Aufzligen. (In feinem zweiundzwanzigften Jahre geichrieben.) — II. Haß
und Liebe. Ein Trauerfpiel in fünf Aufzüigen. (In feinem neunzehnten Jahre
geichrieben.) Zürich, Verlagsmagazin (J. Schabelig). 3 M.
Bon dem Berfaffer jelbft herausgegeben. S. 242 cine „Erflärung (In
Sachen der Wiener Breisluftfpiele)" aus der „Europa“ von 1851. — ©. 243 fi.
Neime und Träume von Alerander Weil. (Im zweiundadhtzigften Febensjahr.)
Zedlitz Frh. von, MWaldfräulein. Ein Märchen in 18 Abenteuern. Eingeleitet von
WB. Milller-Amorbad. (Univerfalbibliothet Nr. 3550.) Leipzig, Ph Reclam jun.
20 Bf.
Nahridten.
G. Zteinhaufenin Jena bereitet eine umfaffende Publikation von deut-
ſchen grmarbriefen de8 14. und 15. Jahrhunderts vor.
K. Diſſel ın Hamburg ıft mit Vorarbeiten zu einer Biographie Philipp
Zeſens beichäftigt.
Die königliche Geſellſchaft der Wiffenfhaften zu Söttingen bat in
ihrer Zitung vom 25. April den Preis für die Löoſung der von ıhr im Jahre 1893
ausgefchriebenen Aufgabe über A. &. Käſtners ſchönwiſſenſchaftliche Schriften
Herrn Bıbliothefar Dr. Scherer in Laffel zuerlannt, der auch eine Ausgabe
der betreffenden Werte Käſtners vorbereitet.
Ter Berwaltungsrat der Wedelindfhen Preisftiftung für deutſche
Geſchichte in Höttingen verlangt (bi 1. Auguft 1900) „eine archivaliſch be-
gründete Geichichte der inneren Berwaltung des Kurfürftentums Mainz unter
Emmerich Joſef (1763- -1774) und Friedrich Karl Joſeph (17741802). Befonderer
Wert wird auf die Ermittlung der Teilnahme von Johannes Müller gelegt.
Die Preußiihe Akademie der Wiffenfhaft in Berlin bereitet eine
große kritiiche Ausgabe der Werte Kants vor.
Star Planer in Yiißen bereitet eine Biographie Seumes vor.
Unter der Leitung von P. Schlenther in Berlin erſcheint bei &. Bondi
in Dresden in zmwanglofer Reihe von 1897 ab ein Sammelwer! „Das Neun-
achnte Jahrhundert in Deutichlands Entwidlung“, beftehend aus folgenden
Einzeldarftellungen: Geſchichte der geiftigen und fozialen Strömungen von Th.
guealer in Straßburg: Politiſche Geihichte von &. Kaufmann in Breslau;
efchichte der Fitteratur von R. M. Mener in Berlin; Geſchichte des Kriegs
und Dar von F. Hoenig in Berlin: Geſchichte der Naturwiffen ſchaften von
S. Günther in Munchen u. A.; Geſchichie der Technik von F. Reuleaur in
Charlottenburg: Geiſchichte der bildenden Künfte von C. Burlittin Dresden:
Geſchichte der Muſik von H. Welti in Berlin: Gefchichte des Theaters von dem
Herausgeber.
Nachrichten. | 203
An den Geburtshäufern von Zuftinus Kerner und Eduard Mörike in
Ludwigsburg follen Gebenktafeln angebracht werden.
Das Grab der Dichterin Annette von Drofte-Hülshoff auf dem Fried⸗
hof in Meersburg am Bodenſee foll mit einem wirdigen Denkftein geſchmückt
werben.
Zuftizrat H. Niemeyer in Ejfen erläßt einen Aufruf zur Erridtung von
Dentmälern für Karl Immermann.
Geſellſchaft für dentſche Litteratur.
Maiverfammlung: Reinhold Steig handelte über Wilhelm Grimms Fleinere
Schriften. Bgl. oben ©. 153. — Otto Hoffmann befprad ein Stammbuch⸗
blatt Kants. — Johannes Bolte wies auf eine vlämiſche Umbildung der
Ballade vom Erlkönig hin.
Juniverſammlung: Rihard Rojenbaum verfolgte die Tirolerin in ber
Litteratur des 18. Jahrhunderts und ftieg dabei vornehmlich in die Niederungen
der epifchen Litteratur herab. Es ergab ſich, daß die ideale Auffafjung der
„Sruticheln‘ in Norddeutichland keineswegs immer jo überwog, wie man ger
meinhin annimmt. Es bot fi) hierbei Gelegenheit für kulturhiſtoriſche Bemer⸗
N und für Hinweife auf minder befannte Titterarifche Erzeugniffe aus
jener Yeit.
In der Handſchrift abgeſchloſſen am 8., in Sat am 30. Oftober 1896.
8. u. E. Hofbuchdruckerei Carl Fromme in Wien.
Die innere form
Ton Jakob Minor in Wien.
— —
Damit diejer gerade um feiner Unbejtimmtheit und PVieldeutig-
feit willen von den modernen Boetifern vielgebraudjyte Ausdrud
wenigitens hiſtoriſch möglichſt bald klargeſtellt werde, teile ich das
Folgende mit. Man wird daraus erjehen, daß der Terminus weder
aus der juriftiichen Kunſtſprache ſtammt, nod) von Humboldt in der
Sprachbetradhtung erfunden worden und aud) nicht von Goethe in
die Pitteraturvergleichung eingeführt worden ijt.
In der 1776 zum erjten Mal erjchienenen „Bibliopoeie oder
Anweiſung für Schriftteller“ (überjegt Berlin und Stralfund 1783,
S. 184 ff.) von Denina handelt das erſte Kapitel des zweiten Teils
von der Wahl der Materie und der innern Form der Bücher. $ 7
ift überfchrieben:. „Verſchiedene Materien und Formen der Schriften,
die jich zu den verichiedenen Eigenjchaften und Umjtänden der Ver—
fajfer jchiden” und beginnt: „Wer jet im Begriff it, etwas in
Proja oder in Verſen zu jchreiben, muß jich nicht nur zu Anfang
jeines Unternehmens über die Wahl der Materie wohl bedenfen,
jondern oft iſt er auch zweifelhaft in Anfehung der innern und
wejentlichen Form, die er jeiner Arbeit geben will. Innere und
wejentliche Form des Buchs nenne ich hier nicht die Anordnung
und Stellung der Teile, noch aud) die Beichaffenheit der Schreibart,
die nur die Schale ausmacht, und noch viel weniger die Dice des
Buchs, jondern ich meine diejenige Form, nach welcher e8 vielmehr
zu der einen, al3 zu der anderen Maffe didaftijcher, poetijcher, Hijto-
riiher und oratoriicher Werfe gehört, indem dasjelbe Sujet, für
ji) genommen, auf gleiche Weiſe den Stoff einer Rede, einer Ab—
handlung, eines erzühlenden Romans, eines Gejprächs, eines Ge—
dicht oder einer Gejchichte abgeben kann.“ An Beilpielen wird nun
gezeigt, wie micht jeder Stoff ſich zu derjelben jchriftitelleriichen
Eupborion IV. 14
206 J. Minor, Tie innere Form.
Gattung eignet und wie auch die verjchiedene Anlage „die guten
Köpfe“ auf die verjchiedenen Darjtellungsformen weilt. Bier iſt aljo
die innere Form mit der Yitteraturgattung identiſch.
(Hleichzeitig damit redet Goethe im Anhang zu Merciers Ver—
juch über die Schanjpielfunjt von der „innern Form“; eine Stelle,
auf die ich zuerjt in der Zeitjchrift für die öſterreichiſchen Gymnaſien
1889, Z. 156, aufmerfjam gemacht habe ‘vgl. jpäter Weyer im
Goethe Jahrbuch 13, 229 FF. und 16, 190 f.. Hier werden bei
dramatijchen Stücken zwei Begriffe von Form aufgeſtellt, die jid)
voneinander unterjcheiden tie der innere Zinn vom äußern; die
eine wird bloß mit Händen gegriffen, die andere will gefühlt fein.
Rei der erjten redet man blog über Yänge und Mürze der Stüde,
ihre Einheiten, ihren Anfang, Veittel und Ende (alſo über die Technik
und die Nompojition:. Bei der andern, die alle Formen taljo auch
die erjte!: im jich begreift, geht man auch auf den Inhalt ein: unjer
Kopf muß überſehen, was ein anderer Nopf faflen kann; unier Herz
muß empfinden, was ein anderes fühlen mag. Tas rechte Gefühl
für dieſe innere Form würde uns verhindern, jede tragiiche Begeben
beit zum Drama zu ftreden und jeden Roman zum Scaujpiel zu
zerſtückeln . . . Bier it aljo innere ‚yorm der weitere, und das, was
man gewöhnlich unter Form verjtebt die Technik und die Geſetze der
Hattung:, der engere Begriff. Aber auch bier bezieht ſich das Gefühl
fiir die innere ‚yorm auf das Verhältnis zwiſchen dem Stoff einer»
jeits und dem Produzierenden und Genießenden andererjeite.
Ganz ebenjo jagt Goethe 1806 in der Recenſion des Wunder
horne Hempel 29, 397: „Das wahre Ddichteriiche (Yenie, wo es
auftritt, iſt in Sich vollendet: mag ibm Unvollkommenheit der
Zprade, der äußern Technik, oder was ſonſt will, entgegenitehen,
cd beſitzt die höhere, innere ‚yorm, der doch am Ende alles zu Ge—
bote steht, und wirkt ſelbſt im dunkeln und trüben Elemente oft
herrlicher, als cs ipäter im klaren vermag.” Auch bier aljo jekt
Goethe die innere ‚vorm einer äußern - Sprache, Technik: Direkt
entgegen. Misch bier bezieht Jich die innere ‚yorm auf die Auffaſſung
und Geſtaltung des Gegenſtandes, denn in den folgenden erläuternden
Zügen ſetzt Goethe die Folgenden geiſtigen Kperationen auf den
Konto der innern ‚vorm: das lebhafte poetiiche Anſchauen, wodurch
ein beichränkter Zuſtand, ein Einzelnes zum zwar begrenzten, dod)
ummmchräntten All wird und der (Senienende im Heimen Raume
die ganze Welt zu jeben glaubt: die tiefe Anschauung, die «im der
äuſern Form Lakonismus fordert; der Wahre poectiiche Zinn, der
jelbit ein in der Proſa unverzeihliches Minteritzuvörderit alſo Fehler
gegen das, was Denina die „Anordnung der Teile“ nennt und zur
äußern Form rechner und das Ungehörige nämlich in der äußern
%. Minor, Die innere Form. 207
Form) anregend zu gejtalten weiß. Auch hier fiegt alfo die innere
Form über die äußere. (Vgl. Goethe-Jahrbuch 14, 296.)
Körner in feinen Briefe an Schiller (19. September 1794,
3, 11 ff.) unterjcheidet ebenfo zwiſchen äußerer und innerer Form,
und er meint, daß fich der Sinn für die erftere in Individuen und
in ganzen Völfern früher entwidle al3 der letztere. In Schillers
früheren Produften, meint er, fei fait bloß Diftion und Versbau
(die äußere Form) poetifch, der Stoff hingegen mehr ein Produkt
des Verſtandes als der Phantajie geweſen. Schiller habe Poetiſch—
gedachtes in eine Schöne äußere Form gebradjt; der Sinn für die
innere poetijche Form fei noch nicht in ihm entwidelt gemweien.
Innere poetiiche Form nennt Körner das Produft der geiftigen
Schöpfung aus dem gegebenen Stoffe im Kopfe des Dichters. Zwei
Erforderniffe gehören dazu: 1. Die Phantafie muß das Produkt des
Berjtandes anſchaulich verförpern; der Stoff muß unter einer be-
ſtimmten Gejtalt, alles Abjtrafte muß in individuellen Formen erjcheinen.
2. Der Genius empfängt den jo verförperten Stoff aus der Hand
der Phantafie, und „die Schöpfung beginnt“ mit dem Planmachen,
der Anordnung des Ganzen (wie der Zufammenhang ergiebt) ...
Auch hier alſo jteht die innere Form zwiſchen der „Auffaffung (das
heißt Necipierung) des Stoffes” und der äußern Formgebung in
der Mitte.
In jeinen Vorlefungen über Gejchichte der alten und neuen
Litteratur 1812 (Sämtliche Werfe 1822, 2, 130) findet Schlegel
die äußere Form des Spanischen Dramas nit in gleihem Maße
für uns anwendbar, welche man von der innern Form wohl unter-
icheiden müfje; „denn dieje, in welcher eine mehr Iyrijche Entfaltung
und Entwicklung vorherricht, fteht uns allerdings näher als die
mehr epiich-hiftoriiche Gedrängtheit des Shakeſpeare“. Hier hanbdelt
e3 ſich aljo um die Technif oder den Stil des Dramas, ım Gegenjak
zu der „äußern Form und Dichterjpracdhe” mit ihrer blumenreichen
Bilderfülle.
Ludwig Robert jchreibt an Tieck (1822; bei Holtei 3, 150):
„Deine zweite Phififterei iſt eine abgöttiiche Anbetung der Form,
jowohl der, die auf der Oberfläche eine Dichterwerfes, als der,
die fich in feiner innern Stonftruftion offenbart. Die Form des
Worts und die Form des Plans. Ich laſſe mir nicht gern bei der
eritern die Feile, und bei der zweiten die Einigkeit einer fich dar-
thuenden Grundidee nehmen. Fehlt eines oder das andere bei fremden
Werfen, jo ift es mir zumider; oder fann ich es bei Werfen an:
erfannter Meiſter nicht auffinden, jo glaube ich jie nicht zu ver-
jtehen — und dies möchte mir bei Shafejpeare wohl hin und wieder
begegnen.” Hier jteht aljo der äupern Form des Wort3 die innere
14*
208 J. Minor, Tie innere Form.
Form des Plans, die Konjtruftion, die Einheit der Grundidee
gegenüber. Tas Wort Form iſt hier aljo in einem eingejchränfteren
Sinne gebraudyt wie bei Körner: bei Körner gehört dazu eritens
das Verförpern und das Geitalten einer dee; hier bedeutet es das
Zurüdführen des Konfreten auf eine einheitliche Grundidee, cinen
Plan, aljo was bei Körner zweites Erfordernis: ilt.
Immermann blickt in den Memorabilien Hempel 18, 160) in
die Zukunft: „Bis die deutiche Poeſie die Form findet, die fie bei
ihrem jubjeftiven Urſprunge noch nicht rein erlangen fonnte. Ach
meine nicht die äußere grammatiiche Form, jür die Platen lebte und
itarb, jondern eine innere, geiltige, eine, wie jie mir aus Shake—
ipeare, Tante, Cervantes deutlicher entgegentritt als aus Goethe.
Tie deutſche Poeſie als Kunft will mir als eine zweite Möglichkeit
unſerer großen Yitteratur ericheinen.” Auch hier ſteht aljo die innere
Form der äußern gegenüber, die durd) den Zuſatz „grammatifche”
und den Hinweis auf Platen als die jprachliche und metriiche ge:
kennzeichnet iſt. Wenn aber durch die innere ‚Form Die deutjche
Poeſie erjt Kunſt werden toll, das heit aus einer jubjeftiven eine
objeftive Dichtung, jo ift das Wort „Form“ hier wiederum im
Sinne von „Geſtalt“ gebraucht, wie bei Körner im erften Er:
fordernis.
Ter geiftreiche Poggel in feinen „Grundzügen einer Theorie des
Reimes und der Gleichklänge mit bejonderer Rückſicht auf Goethe“
Münſter 1836, S. 127 1 jagt: die wahre Form jei unzertrennlich
von dem Wejen und laſſe ſich ohne das Weſen cbenjomwenig denfen
und bilden, als ein Weſen, welches ericheinen toll, ohne Form.
„Form iſt das in zuunſere Sinne und unſer Bewußtſein fallende
Schema von den Anßerungen eines Lebendigen, ſei es nun im
Ranume oder in der Zeit oder in beiden zugleich. Diejenige ‚Form,
unter der die Yebensäugerung ins Bewußtſein tritt, will ich die
innere ‚vorm der Idee nennen: diejenige Form, im welche der
Künſtler dieſe innere ‚yorm der Idee, und mittelbar alſo die dee
ſelbſt hinüber bildet, die äupere ‚yorm der Idee. Will cin Menſchen—
geiſt nämlich etwas jchaffen, jo muß er ihm ein Schema anbilden,
wenn er anders will, dan das Geſchaffene ihm jelbjt und anderen
ericheine. Tas, wodurd es ihm jelbjt zur Ericheimung kommt, iſt
die innere Form: dasjenige, wodurch er es anderen ericheinen läßt,
die äußere Form. Ein ſolches Schema bedarf auch der Künſtler;
denn er bat die Abjicht, ſeine Lebensäußerungen, das heint jeine Ideen
ericheinen zu lallen. Der Menſch, als jolcher, wie er gewöhnlich ift,
bilder mit Bewußtſein. Am Bewußtſein aber findet und bat er nichte
ala Formen: denn Die Idee und das Weſen, welche hinter der ‚Form
ltegen, ericheinen ihm ſelbſt nicht. Er kann alſo ala jelbjtbewunrtes
J. Minor, Die innere Form. 209
Weſen nur Formen bilden; das Ideale, was er zugleich) mit der
Form und in der Form ſchafft, bildet er nicht als ſelbſtbewußtes
Wejen, jondern als Natur.... Die innere Form der “dee muß
jih unmittelbar, ohne die Vermittlung durchs Bewußtſein in die,
äußere Form des Kunſtmittels ergießen. Das Medium des Gefühls
vom Künftler, das heißt die innere Form, und das Medium, worein
er die dee hinein bildet, das heißt die Außere Form, müſſen jo
enge verbunden und jo innig vereinigt fein, daß er feine Idee nicht
zuvor in jenem gewahr wird, jondern daß er fich ihrer jogleich in
diefem bewußt wird... . Statt daß bei ung alle Gedanken unter
den toten zyormen des Raumes, der Zeit oder Bewegung ins Bewußt—⸗
jein treten, tritt beim Dichter jeder Gedanke mit Bild, Rhythmus
und Ton ins Bewußtſein. Sie brauchen oft das Bemwußtjein und die
Erfahrung nicht zu befragen, ob die rechte äußere Form getroffen
jet; nein, die äußere Form entjteht mit der innern Form und mit
dem Bewußtſein derjelben in einem und demfelben Augenblide;
und wie es jonjt auch damit fein mag, was Spinoza fagt, daß wir
nicht etwas thun, weil wir es willen und wollen, jondern etwas
wiſſen wollen, weil wir e3 eben thun, fo iſt es doch vom Künitler
im Augenblid des Schaffens offenbar richtig. Er wird fich feiner
Bildungen bewußt, weil er fie bildet, aber er bildet fie nicht,
weil er jich ihrer bewußt wäre. Eine foldhe Hervorbringung der
künſtleriſchen Form nun muß notwendig das Vollfommene Teijten;
denn die Form iſt vollfommen, wenn jie wahr und notwendig ijt.
Ihre Entftehung iſt reine Naturwirfung und fie hängt ebenjo enge
mit der Idee zuſammen, als der Kryſtall eines Steines mit deifen
chemiſchen Beitandtheilen. Diefes ftimmt damit überein, was von
jeher alle wahren Kiünjtler behauptet haben, daß fie in den Augen-
blicken ihrer jchöpferiichen ZThätigfeit ohne Bewußtſein bilden. Der
mit Bewußtjein und Abficht bildende, das heißt der nicht wahre
Künftler, bettelt Form und Inhalt zuſammen; die erjte an fich, als
jelbftbewuntem Meenjchen, den zweiten an fich als Natur; daher
fommt es, day jie felten oder nie zufammen pafjen. Anders die
Natur, was fie hervorbringt.“ Aus der Sprache Kants in die Sprache
Scellings übertragen, find das die Gedanfen Körners. Wie bei
diejem, bedeutet das Wort „Form“ auch hier „Geſtalt“ (Schema).
Aber der Umfang des Begriffes ift hier enger als bei Körner, deſſen
zweites Erfordernis Poggel ſchon zur äußern Form zählen würde.
Man ſieht aus den angeführten Stellen, daß ein allgemein
gültiger terminus technicus in dem Ausdruck „innere Form“ nicht
vorliegt. Das Wort „Form“ wird in doppeltem Sinn gebraucht:
einmal bezeichnet es das Körperliche, die Mannigfaltigkeit, die Geſtalt
im Gegenſatz zur Idee; dann wieder das Geiſtige, die Einheit, die
210 J. Minor, Stichreim und Treireim bei Hans Zadıe.
Zuſammenfaſſung im Gegenjag zur Mannigfaltigfeit. Weder der
‚Inhalt noch der Umfang des Begriffes find bei den verjchiedenen
Autoren gleich. Nur darin ſtimmen dieje insgejamt überein, daß fie
den Begriff „innere Form“ bloß im Gegenſatz zu dem geläufigern
„äußere Form“ aufjtellen, ohne daR indeljen die Sphüren der beiden
Begriffe von allen jcharf oder gleihmärig abgegrenzt würden.
Und jo darf id) wiederholen, was id) jchon vor fünf „Jahren
Göttingiſche Gelehrte Anzeigen 1892, Nr. 1, S. 26 f.) gejagt habe:
„Im 13. oder im beginnenden 19. Jahrhundert ijt oft von innerer
Form die Rede, ohne dan überall derjelbe oder aud) nur ein Flarer
Vegriff damit verbunden wiirde. Tiejer Zerminus iſt einfad aus
dem Gegenſatz zu dem deutlichern und bejtinmmtern „äußere Form“
entjtanden, unter dem man in eriter Yinie Sprache und Wort ver:
itand. Dean unterichied die Tichtung und die Wifjenichaft wie ‚Form
und Gehalt, und war weit genug vorgejchritten, um einzujchen, daß
nicht bloß die äußere Form den Unterſchied bilden könne. Alles, was
zwijchen dem rohen Stoff und der äußern ‚yormgebung in der Mitte
liegt, wird mit dem Geſamtnamen der „innern Form“ bezeichnet:
alſo die Auffaſſung des Stoffs das Thema, die Mlotivierung, die
Einkleidung im die Gattungen, die Kompojition u. ſ. m.“
Ganz aparte Wege, auf einer bejonderen Beitimmung des We:
griffe „Form“ berubend, wandeln Engel und Hebbel ı Werner, Yyrif
420 ff.. Ihr Begriff der „innern Form“ hat mit dem der obigen
gar nichts gemein. Wer ſich in Zukunft jener bedienen will, darf
mit ihm nicht wie mit eimem fertigen Begriff ichalten, ſondern er
muß ihn erſt neu jchaffen.
Stichreim und Dreireim bei Hans Sachs.
Von Jakob Minor in Wien!
I
Ich babe behauptet, daß die jtatiftiiche Methode, welche an die
Stelle von Kitaten bloße Zahlen ſetzt, nur dann einen Wert habe,
wenn Sich die Ziffern mit zweifelloier Zicherheit erheben und rubri-
zieren allen, und wenn ſie — nicht wie bei Herrmann falich, jondern
> richtig jind. Für dieje drei Behauptungen erbringe ich bier den
Neweis.
Kal. Euphorion 3, 6u2 ft.
J. Minor, Stichreim und Dreireim bei Hans Sachs. 211
Sch reige dabei nicht um des bloßen Effektes willen einzelne
Stellen aus dem Zuſammenhang heraus, ſondern verfolge die Auf—
ſtellungen des Verfaſſers einen ganzen Abſchnitt hindurch von Schritt
zu Schritt. Und ich wähle gleich das erſte Kapitel „Lehrjahre“
(Hans Sachs-Forſchungen, herausgegeben von A. 2. Stiefel, Nürn-
berg 1894, ©. 425— 429), weil Herrmann hier nicht (wie päter)
bloß mit den fertigen Ziffern operiert, jondern uns Gelegenheit giebt
zu fontrollieren, auf weldyem Wege er feine Beobachtungen in Ziffern
umgeſetzt hat.
Auf 1517 F (Faftnadhtipiel) Venus fomme ich |päter zurüd.
1527 T (Zrauerfpiel) Lukretia giebt mir zu feiner Bemerfung An-
laß. Deſto mehr aber
1530 C (Comödie) Ballas.
„Da hat Hans Sachs die zuletzt“ (an der Lufretia) „erprobte
Tehnit noch gut im Kopf, er beginnt mit unbedingter Durdführung
des Stichreims; nur die Prologreden des Ehrnholds enden wie in
1527 T Lufretia mit erfülltem Reim.“
Hier iſt überjehen, dag in der Lukretia noch das eigentliche
Stück mit dem Epilog durch Stichreim verbunden iſt (ſiehe unten),
hier aber der Epilog mit Vollreim beginnt, ſo daß das eigentliche
Stück weder mit dem Prolog, noch mit dem Epilog durch den Reim
zuſammenhängt. Das iſt doch gewiß ein weſentlicher Unterſchied in
der Technik.
„Während der Arbeit aber kommt ihm offenbar der Gedanke,
daß ſich die Unterlaſſung des Stichreims auch ſonſt künſtleriſch be—
wußt verwerten läßt. Während er in der erſten Hälfte Scenenanfang
und -ſchluß durchaus nicht kennzeichnet, hebt er ſie von der Mitte
des zweiten Aktes an durch Stichreimloſigkeit hervor, und fällt dabei
nur noch bei einem Abgang (24, 9) aus der neuen Technik.“
Hier muß zunächſt konſtatiert werden, daß gerade der Abgang
9 die „neue Technik“, das heißt Vollreim, zeigt. Tann muß
man ſich den Anhalt näher anjehen. Der zweite und der dritte
Aft enthalten nämlich Gerichtsjcenen: „Der Kaifer tritt ein und
jist zu Gericht.” Ein Teil der Perjonen iſt anmwejend, ohne
daß es ausdrüclich gelagt wird; fie treten vor und ergreifen das
Wort: jo Venus, Epifur, Saturn, Pallas, Herfules. Auch Herr:
mann hat ihre Reden ſicher nicht als Scenenanfänge betrachtet;
denn außer der Rede der Venus, die unmittelbar auf die Auf:
forderung des Kaijers zum Stilfjhweigen folgt, beginnen alle
ihre Reden mit Stichreim. Dann treten hintereinander vier Helden
auf, die mit Herkules ringen: Antheus beginnt mit Stichreim;
Gerion mit Vollreim; Hippolita mit Vollreim; Cacus wieder mit
212 3. Minor, Stichreim und Treireim bei Hans Sachs.
Stidyreim, aljo zwei Stichreime beim Auftreten zwiſchen zwei Xoll-
reimen. Mit den Auftritten der mittleren Perjonen (Gerion und
Dippolita, ‚fallen aber die Abgänge der vorhergehenden zujammen,
die daher aud) notwendig Vollreime zeigen müſſen; der Abgang der
dritten Perſon hat aus dem gleichen Grunde Stichreim; der Abgang
der legten kommt, da er ftilljchweigend in die Rede des Herkules fällt,
nicht in Betracht. Im dritten Akt wieder Gerichtsjcene: der Kaiſer reicht
der Pallas den Kranz Stichreim,, die ihn zurückweiſt ı Stichreim ı.
Der Kaijer wendet ſich zu Herkules umd legt ihm den Simmel auf
die Schultern ' Ztichreim:, den Herkules zurüdweiit ı Stichreim‘. Der
Kaijer erteilt Satan den Befehl, Venus in die Hölle zu führen
(Stichreim:; Venus Ztichreim und Eupido Stichreim) werden flagend
abgeführt in die Hölle ıhier trog Herrmann Vollreim) ... das ift
der einzige Abgang im ganzen dritten Akt; denn der Abgang des
Epikur fällt unmittelbar vor den Beſchluß des Herolds, der faft
immer mit einem neuen NReimpaar beginnt. Sollte aber Herrmann
das Dervortreten und Zurücktreten der bei der Gerichtsverhandlung
anmejenden Perjonen als Auftritt und Abgang betrachtet haben, jo
würde, wie die obige Zfizze zeigt, die Anzahl der Stichreime nod)
größer.
Ihatiächlich steht die Sache alſo jo: Auftritte kommen im
zweiten Aft vier vor, wovon 1 umd 4 mit Ztichreim, 2 und 3 mit
Vollreim beginnen; der dritte Akt hat gar feinen Auftritt. Abgänge
hat der zweite Akt zwei, Die mit den Auftritten zuiammtenfallen, die
Vollreim zeigen: einen, der mit einem Auftritt zufanımenfällt, der
Ztichreim hat: und cinen vierten, der mitten im die Rede fällt und
nicht durch eine ſceniſche Anweiſung bezeichnet tit.
Stellen wir ums das in chronologiicher Folge vor. Zweiter Aft:
Auftreten des Antheus : Ztichreim ; Abgang des Antheus und Auf:
treten des Gerion Vollreime: Abgang des Gerion und Auftreten
der Dippolita Vollreim: Abgang der Hippolita und Auftreten dee
Carus Stichreim. Dritter Akt: Abführung der Venus ıDaupt:
moment , tros Derrmann durch Vollreim markiert.
Es Stehen aljo jeit der Mitte des zweiten Altes ZStichreim und
Zollreim im Verhältnis von 2:3, und Herrmanns Behauptung,
dan der Tichter „von der Mitte des zweiten Aftes an” Zcenen:
anfang und ſchluß durch Vollreim kennzeichne, it eine Entſtellung
des wahren Sachverhaltes. Ich will gar nicht davon reden, daß die
Zertierung Derrmanns bei dem harımloien Yeler die Vorſtellung er
werden muß, als ob es Sich nicht um fünf, sondern um mehr Fälle
handelte.
„wer Fälle von Stichreimloſigkeit im eigentlihen Dialog
weten dann ebenfall® auf Die wachſende Ausbildung der richtigen
J. Minor, Stichreim und Dreireim bei Hans Sachs. 213
Erfenntnis hin, daß der Stichreim rafche Verbindung der Reden,
die Unterlafjung aljo eine Pauſe herbeiführt; an beiden Stellen haben
wir uns lange währende Prügel ohne Worte zu denfen.“
Im dritten Aft befiehlt nämlich der Katjer nach dem Abgange
der Venus, den Epifur zu pritichen (folgt Stichreim). Cacus thuts
Volfrein), Epifur jchreit Häglich (Stichreim), Satan redet dazwijchen
(Vollreim), Cacus pritjcht weiter... Bier jteht hinter dein Befehl
des Kaiſers die ſceniſche Anweiſung: „ie büden Epifurum über die
Banf, Cacus pritſcht ihn und ſpricht“; troß diefer fcenischen Aktion
jteht hier Stichreim. Später heißt es: „Cacus priticht und fingt
wieder vor” und hier fteht Vollreim. Die beiden Belegftellen heben
ſich alſo gegenfeitig auf und es iſt aud) aus den Text Klar, daß das
Anbinden an die Bank und das Prügeln während der Reden ohne
Pauje vollzogen wurden. Bei der zweiten Stelle, wo Epifurus Fläglich
zu jchreien anfängt, jteht gar feine fcenifche Anweifung; und wenn
Herrmann diejen Fall in die Rubrif „Vollreim bei fcenifcher Aktion“
jest, jo ijt das bloße Wilffür. Thatſächlich liegt vor, daß bei der-
jelben Aktion einmal Stichreim und das andere Mal Vollreim ver-
wendet wird, und daß das Flägliche Geichrei des Epifur, wo gar
feine Aktion angegeben ijt, troßdem mit Vollreim beginnt.
Herrmanns Angaben über die Pallas find aljo durch die Bank
faljch und irreführend. Neben dem pojitiven Irrtum muß aber aud)
in Betracht gezogen werden, was er anzugeben unterläßt. Daß es
jid) hier um Gerichtsicenen handelt, die Hans Sachs ſpäter befanntlid)
fajt immer in Vollreimen durchführt, wird nicht gefagt. Und für die
höchſt charafteriftiiche Verwendung des Vollreims in der legten Rede
des Cacus, wo diejer, während er den Epifurus pritjcht, in fieben-
maliger Abwechslung immer je vier Zeilen fingt und dann wieder
jpricht, wo ſich aljo die vollen Reimpaare zu Strophen gliedern, für
ſolche jinnfällige Dinge hat er feine Ziffer und feine Rubrik; das iſt
ja weder Dialogftelle, noch Scenenwechſel.
1530 T Birginia.
„Aber dieſe Technik iſt nun bei Haus Sachs nod) keineswegs
feſt, wie ſich ſchon elf Monate ſpäter bei 1530 T Virginia zeigt.
Zwar führt der Dichter den Kunfigriff, jede Scene mit vollem
Reimpaar zu beginnen und zu jchliegen, hier vollftändig durch.“.
Diejer Sag, jo ganz ohne weitere Erklärung gegeben, führt
uns auf die Zählung und Nubrizierung der einzeiligen Reden, über
die ji) Herrmann in bejtändigen Widerjprüchen ergeht und mit
denen er nichts anzufangen wußte. Es ſchließt nämlich eine Scene
nach einer kurzen Rede der Kupplerin mit einer einzeiligen Antwort
des Appius:
214 J. Minor, Stichreim und Treireim bei Hans Sachs.
Die Kupplerin.
| Ich weiß befcheid an diefen orten.
Apius Spricht
Süd zu, far hin mit wenig worten. || (Scenenfchluß.)
Tas legte Reimpaar iſt zwijchen zwei Perjonen geteilt, it ge:
brochen, aljo auch ein Stichreim. Herrmann dagegen betrachtet es
offenbar als einen Nollreim, indem er jagt, daß alle Scenen mit
einem vollen Reimpaar fchliegen; und dagegen tft fachlich ebenſo—
wenig einzuwenden, denn das Reimpaar kann nicht bloß entweder
nach dem erjten oder nach dem zweiten, jondern es kann nad) dem
erften und nad) dem zweiten Reime einen Abjchnitt zeigen. Es iſt
ein Widerjpruch, dem nicht wir in die Dinge hineingetragen haben,
jondern der in der Sache jelbit liegt, und den ji) Derrmann nur
hätte klarmachen müſſen. Es kann alio ein Keimpaar im Dialog
einen Ztichreim vorjtellen:; und dasjelbe Neimpaar fann im Scenen:
ſchluß als ein Vollreim gelten. Was folgt daraus für die Ztatiftif?
Daß LXollreim und Ztichreim im Tialog und im Scenenwechlel
unter einen ganz anderen Geſichtspunkt fallen, daß fie daher aud)
feine Disjunktion jind, und day die Kubrifen: „Scenenwechſel“ und
„Dialog“ sich nicht ausichlienen. Ter Scenenwechſel fann mit der
TDialogjtelle zujammenfallen, aber er muß es nicht. Der Statiſtiker
hätte daraus lernen jollen, daß er die Reimpaare, die im Scenen:
wechjel stehen, ebenjogut wie alle andern auch unter den Dialog:
jtellen, alfo zweimal, hätte buchen müſſen. Ich werde weiter unten
zeigen, daß der Ztandpunft der Betrachtung in beiden Fällen ein
ganz verichiedener it: vom metriſchen Ztandpunft liegt in dem
citierten Beiſpiel jedenfalls ein Ztichreim vor: wenn man es im
Scenenſchluß als Vollreim bucht, jo geichieht das auf Grund einer
jtiliftiichen, nicht einer metriichen Neobadhtung.
Aber auch dieſen Fall, der zweimal vorkommt, zugegeben, jo
fommt noch eim andrer vor, welder der Rubrizierung jpottet.
Claudins fordert jeine Gegner auf:
Komme mit mir ın Gerichtes Nıng. ||
und darauf gehen Sie zu Apius. Numiterius Tpricht aber auf dem
Weg:
Schwager, das ıft ein ſeltſam Ding,
Zol die Tochter der ichweſter mein
Deß ſchnöden Mana leyb ungen fen. ||
3. Minor, Stichreim und Dreireim bei Hans Sad. 215
Hier fallen der Schluß der vorhergehenden und der Beginn der
folgenden Scene nicht zufammen; denn. als den Schluß der Scene
betrachtet ja Herrmann nicht bloß das Auf- und Abtreten der Perjonen,
jondern auch die Veränderung des jveniichen Bildes, die gewiß
\hon dort vorliegt, wo ſich die Perjonen von einem Zeil de3 Schau-
platzes auf einen andern begeben. Hier liegt aljo daS gerade Gegen-
teil von einem die Scene abſchließenden Neimpaar vor: die Scene
ſchließt ſelber mit Stichreim und ijt mit der folgenden durd) ein
paar Verſe verbunden, die mit Vollreim jchliegen.
„.... und er wendet innerhalb des Dialogs den Stichreim
mit zwei Ausnahmen im erjten Zeil des Dramas auc wieder regel-
mäßig an.“
Zuerft muß man fich das Stüd auf den Dialog hin einmal
recht anjchauen! Es bejteht nämlich) faſt nur aus Scenen, es kommt
gar zu keinem Dialog. Es beginnt mit einem Monolog des Appius
Vollreim als Scenenſchluß); die Kupplerin kommt und der folgende
Dialog beſteht aus einem Vollreim und drei Stichreimen (Vollreim
als Scenenſchluß ſiehe S. 214); wieder Monolog (Vollreim); die Kupp—
lerin kommt wieder, im Dialog ein Stichreim (der als Vollreim
die Scene ſchließt); ein Dialog zwiſchen Appius und Claudius mit
einem Bollreim und zwei Stichreimen (Bollreim im Scenenjchlup);
Pirginia kommt, Dialog mit einem Stichreim und einem Vollreim
(Vollreim im Scenenfchluß); Numiterius und Icilius Tommen,
Vollreim im Dialog und Stichrein, als fie jich zum Gehen wenden...
Bis hierher alfo kann von einem Dialog noch gar nicht die Rede
jein, es fommen nicht mehr als ein oder zwei Werhjelreden in jeder
Scene vor. Es liegen im Ganzen eilf Dialogjtellen vor, von denen
vier Vollreime und fieben Stichreime, jind — und das nennt Herr—
mann: „er wendet den Stichreim innerhalb des Dialogs wieder
regelmäßig an.“ Er hat freilid) die einzeiligen Neden bloß als
Scenenichlüffe gebucht.
„Plötzlich aber von Keller 7, 13 an) entjchliegt er jich, es
wieder einmal mit dem entgegengejegten Verfahren zu verjuchen:
von zwei Rüdfällen abgejehen, die fich beide ganz im Anfang des
zweiten Teiles finden (7, 305 8, 9), hat er auch im Dialog den
Stichreim hier ganz verjchmäht. "
Zu den zwei „Nüdfällen‘ kommt ein dritter, die einzeilige
stage: „Nun, Camille, was jageit Du?“, mit der Herrmann wieder
nichts anzufangen weiß, weil er nicht flar mit fich ijt, ob er ihn
als Stichreim oder als Vollreim buchen joll.
Ferner aber hat Herrmann den Grund des „geänderten Der:
fahrens“ nicht erfannt, obwohl er fo nahe liegt, daß ihn ein Kind
mit Händen greifen kann. Nicht mit 7, 13 beginnt der Wechiel;
216 J. Minor, Stichreim und Treireim bei Hans Sachs.
denn es folgen unmittelbar darauf noch zwei Stichreime, jondern
ınit der Gerichtsverhandlung, in der nur die erjte Rede des Claudius
und der oben nachgetragene Frageſatz Ztichreim zeigen. Es iſt ein
deutlicyer Beweis, wie der Dichter nicht „es plöglich mit dem entgegen:
gejegten Nerfahren verfucht” —- dag klingt jelbjt für einen dichtenden
Schuſter zu einjältig — jondern wie ihm der Segenftand den Vollreim
nahe bringt. Die langen Reden der Götter in der „Pallas“ verband
er noch durch Ztichreine, die Fnappen und furzen Ausfagen und
Wechjelreden der Kläger und Zeugen in diefem Prozeß ftellt er wie
ipäter jelbjtändig in Rollreimen hin. Erſt, als die Parteien ab:
getreten jind und Appius jich mit den Schöffen berät, fommt noch
einmal eine einzeilige ‚grage vor. Für jo handgreifliche Dinge, wie
die verjchiedene ‚zorm der Gerichtsverhandlung, hat Herrmann fein
Auge und fein Chr, und daher auch feine Ziffer und feine Rubrif.
Er bemerft aud) nicht, dat das folgende Stück
1530 Deeliias
wiederum eine ähnliche Form, nämlich die des Beweisverfahrens,
hat: wieder werden die Ausſagen der einzelnen Zeugen, day Chrijtus
der wahre Meſſias jet, in Vollreimen gegeben. Erft nad) beendigtem
Beweisverfahren, ala der Toftor dem Juden vormwirft: „trotz dieſen
Zengen bleibjt Tu verjtodt!* füllt ihm der Rabbi beide Male mit
dem lebhaften: „Trawa“ in die Rede. Nach Herrmann „giebt der
Tichter das Prinzip Vollreim nur an zwei Stellen ganz am Ende
auf, als wäre der Verfaſſer jchlienlich der ewigen Eintönigkeit über:
drüſſig geworden“. Nie ftellt jüh der Mann das Dichten vor! hat
er denn nicht jelber jchon einmal einen Reim gemacht?
1531 T Charon.
„Auf dieſen Uberdruß dentet dann noch entjchiedener Charon.
Rod ift das Grundprinzip gewahrt: 44 von den 59 in Betracht
fommenden Ztellen find ohne Ztichreim.” . ..
Tie Ziffern, in die dieſes Mal freilich die Zcenenabgänge
mit eingerechnet find, find richtig, weil jich Derrmanı im:
zwiſchen entichlolien hat, die einzeiligen Neden als Ztichreime mit:
zuzählen liche S. 217: der Schluß, den Vollreim als bewußtes
Kunſtprinzip binzuftellen, au dem Dans Sachs Uberdruß zu em:
pfinden beginnt, natürlich eine blope Kinbildung Derrmanns, wie
dDieier ganz „plößliche Rückfall“ des Tichters aus den Ztichreimen
in die NBollreime, darüber fiche <. 23%.
„. . . aber immerhin finden jich doch jchon 15 Ausnahmen
- die Stelle 12, 34- 13, 26 jcheint jogar ganz den neuen Kurs
zu halten.” . . .
J. Minor, Stichreim unb Dreireim bei Hang Sachs. 217
Schlägt man diefe Stelle nad und zieht man auch die Um—
gebung in Betracht, die ſich Herrmann ganz willfürfich nad) feinen
Bedürfnijjen abgrenzt, fo findet man, daß auf fünf Vollreime zwei
Stichreime, dann wieder ein Bollreim, dann wieder zwei Stichreime
und wieder zwei Vollreime folgen. Alfo 5 V;] 2S; 1ı V;2S;
[?2 V. Es ftehen vier (jage vier Stichreime) unter acht Vollreimen!
und daraus glaubt Herrmann auf „den neuen Kurs“ (das heißt
Stichreim) fchliegen zu dürfen!
„... und darunter fünf, die das bei der Stichreimlofigfeit ja
unmögliche Vorkommen einzeiliger Reden ermöglichen.“
Hier wird Herrinann doch endlich auf die einzeiligen Reden
aufmerfjam, und daß der Stichreim mit der Einzeiligfeit in noth-
wendigem Zuſammenhang jteht. Aber wie beurteilt er Ddiefen Zu-
ſammenhang? Der Stichreim, meint er, ermögliche die einzeiligen
Reden; aljo der Stichreim ift der Grund, die Einzeiligfeit Die
Folge. Das ijt der Standpunft des Metrifers, aber nicht der des
Dichters; ijt Erflärungsgrund, aber nicht Erfenntnisgrund. Der
Dichter ijt immer in erfter Linie mit dem Anhalt beichäftigt; und
wenn diejfer, wie wir gleich jehen werden, eine einzeilige Rede ver-
langt, jo ijt der Stichreim als notwendige "Folge gegeben.
„Offenbar ijt es nur das Streben, Abwechslung in den Klang
des Dialogs zu bringen, das den Dichter leitet; innere Gründe für
die Bevorzugung jener 15 Stellen find durchaus nicht aufzu-
jpüren.“
Ton diefen 15 Stellen hat Herrmann ja eben fünf vergeben,
bei denen der Dichter ſich die Einzeiligfeit der Rede möglich gemacht
haben joll; hier faun aljo das hörbare Moment nicht mehr in Ber
tracht fonımen. Was es mit dieſem für eine Bewandtnis hat, werden
wir ja noch jehen. Den aber beneide ic) wahrlich nicht um feinen
Spürſinn, der in Verlegenheit ijt, nicht warum der Dichter hier dag
Kunjtmittel des Stichreims bewußt angewendet hat, fondern wie jid)
diefe Stichreime auch ohne bewußte Abjiht an den betreffenden
Stellen ergeben haben. E3 handelt ſich nämlich bei einer Flucht von
parallefen, durd) die gleiche zyorm der Frage (Wer ift denn der, der
iegt fommıt?), eingeleitete und durch die gleiche Aufforderung Mer:
furs (So tritt nun in das Schiff herein!) abgejchlojjenen Scenen
um die Variation des Dialogs. Wie nah diefe mit Stichreim und
Bollreim, oder jagen wir lieber wieder: mit der Reimbrechung zu:
jammenhängt, daS werde ich weiter unten an einem Beijpiele zeigen,
das weniger Raum in Anjpruch nimmt.
„Nur darin iſt Hans Sachs jicher, daß er Scenenanfang und
:ende ausnahmslos ohne Stichreim läßt.“
218 3. Minor, Stichreim und Treireim bei Hans Sachs.
Aus unjerem Stüd abgeleitet und ohne weitere Erklärung ge-
geben, ijt dieſer Sag entſchieden unrichtig. Bier jind zwei ganz ver:
ichiedene Fälle:
Lampichus zeucht ſich gar ab und ſpricht:
Nun will ic es als legen bin,
Schaw jekund id gar nadend bin.
Merkurius fpridt:
So tritt nun in das fchiff herein. ||
Merkurius kert fih zu Damafie und fpridt:
Wer mag nur diefer feifter feın....
und der Schluß diefer Scene:
Damaſias legt fein Krany bin, ftrenfit fein Arm, Bruft und Schendel und fpridt:
Da leit e8 mags nit anderft fein.
Merkurius fpridt:
Nun tritt auch in das fchiff herein! ||
worauf er jich zu einer neuen Perjon wendet.
Ich laſſe Herrmann zwiſchen den beiden Beijpielen die Wahl,
in einem von beiden fallen Scenenſchluß und Vollreim nicht zu:
jammen. Nimmt er ſich aber hier die ‚yreiheit, die Worte „So tritt
nun im das jchiff herein” zur folgenden Scene zu redynen, dann
darſ er auch in dem Euphorion 3, 698 citierten Beiſpiel nicht von
Stichreim reden, jondern muß den Ders „Din Miſer Yur, warn
her jo jpat?” zur folgenden Scene rechnen. Zelbit die Ausfludht, daR
Merkur dem Lampichus die Worte nachrufe, würde in unierm Falle
nicht paifen, da die Erlaubnis dem Abtreten ins Schiff hinein
vorausgehen muß. Wir ſehen hier alto wirflich eine Ausnahme vor
uns, Die aus dem Gefühl hervorgegangen iſt, gleichiörmiges bei
öfterer Wiederholung einmal zu variieren und das nadte Schema zu
vermeiden.
Wir haben aber hier zugleich wiederum ein Beitpiel, daß Noll:
reim oder Ztichreim im Dialog und im Zcenenichlun keineswegs
immer dasielbe find. In der Yufretia haben wir ein Beiſpiel gehabt,
day Ztichreim im Tialog mit Xollreim tim Zcenenjchluß in dem»
jelben Reimpaar zuſammentraf. Hier haben wir das limgefehrte:
Bollreim im Dialog und Ztichreim im Zcenenjchluß fallen in-
einander.
1532 C Paris.
Bier liegen die Widerſprüche Herrmanns auch ohne weitere
Nachprüfung offen zu Lage. Yon 55 Tialogitellen, jagt er, fehlt
der Stichreim im 31 Fällen: es bleiben aljo 24 Fälle für den
%. Minor, Stichreim und Dreireim bei Hans Sadjs. 219
Stichreim übrig, „immerhin jchon eine bedeutjame Minorität”.
Trotzdem er nun (jiehe unten) 16 Fälle aus ganz anderen Gründen
erklärt, behauptet er: „Das Streben, phonetiſche Abwechslung zu
bewerfjtelligen, mache weitere Fortichritte.” Es bleiben aber dann
nur 8 Fälle für diejes „Streben“ übrig, die gegenüber den 15 Fällen
des vorigen Stüdes doch unmöglich ein Fortichritt genannt werden
fönnen.
„Einen Fortſchritt aber ftellt diefe Komödie aud) darin dar, daß
der Dichter über die bloße Abwechslungstendenz hinaus jegt Hinter
eine weitere geheime Kraft des Stichreims zu fommen jeheint: die
Kraft, unmittelbar dem Sinne nad) zujanımengehörige Reden, die
direfte Anrede des Sprechenden an die nächjtfolgende Perſon, im
Gegenjaß zu innerlich lojerem Gefüge auch äußerlich zu verbinden:
unter 26 in diefem Sinne in Betracht fommenden Stellen weijen
16 den Stichreim auf.“
Hier findet ji) wenigjtens einmal eine Ahnung des wahren
Sachverhaltes, und ich will gar fein Gewicht darauf legen, daß
ähnliche Fälle auch ſchon früher vorfommen, namentlid) bei Frage
und Antwort. Hier fragt Jupiter der Reihe nad) die Götter und
Göttinnen: „Du, Juno, was ſagſtu darvon“; „Minerva, was
jagt Du denn mir...”; „Hör, Mars, was ſagſt denn Du
darzu“, oder gleichfall3 zur Antivort auffordernd „Saturne, Du
weißt es auch wol“. Im zweiten Akt reicht Jupiter den Apfel
der Zwietracht zuerjt dem Mars, der ihn an Saturn und diefer an
Bacchus weitergiebt; lauter Stichreime, dagegen bei Apollo und
Ceres Bollreime, wiederum der Variation wegen. Dann greifen die
Göttinnen Juno, Minerva und Venus der Reihe nach drein, feine
will ihn der andern lajien, bis Juno ihn dem Jupiter reicht, der
entjcheiden joll; lauter Sticjreime, erjt zulett vor Jupiter Sprud)
abjchliegend ein Vollreim. Es kann gar feine lehrreichere Stelle
geben als dieje! fie zeigt mie wenig es jich hier um ein formales
Prinzip handelt, fondern wie genau hier die Form mit dem Inhalt
verwachjen iſt und aus ihm heraus gleichjan geboren wird. Aus
ganz natürlichen Bedingungen ftellt jic) der Stichreim ein und aus
denjelben Bedingungen heraus wird er wieder aufgegeben. Der Apfel
wandert ordentlich hörbar von einem Gott zum andern, feiner will
ihn haben — Stichreime, die wie eine Hand in die andere greifen;
bei Apollo und bei Ceres geht er aus der Hand der Götter in die
der Göttinnen über, hier jtodt er — Vollreime; und nun greifen der
Reihe nach die begehrlichen Göttinnen nad) dem Apfel, der wieder
raid) wandert — Sticdjreim, bis er zu Jupiter zurüdfehrt — ab—
ihliegender Bollreim. Wer hier die Durchführung eines formalen
Prinzipes erwartet, und meint es follte überall Stichreim ftehen,
220 3%. Minor, Stichreim und Treireim bei Hans Sachs.
der raubt dem Dichter jeine jchönften Perlen. Und wie will man
denn ſolche Wirfungen, die ganz mit dem Inhalt verwachſen jind,
in Rubrifen bringen?
„Die Sicherheit in diefem Punkte Scenenanfang und ſchluß
ohne Stichreim) bewährt jid) aud) hier.“
Dean follte wirflid) meinen, dar Dans Sachs hier bejondere
Gelegenheit gehabt hätte, Herrmann jeine „Sicherheit“ zu zeigen. Man
harafterijiert die ganze Art jeiner Arbeit, wenn man darauf aufınerfiam
macht, daß in den drei mittleren Akten gar fein Auftritt und nur ein
einziger Abgang jtattfindet: nur den zweiten Aft beginnt die Tisfordia
mit einem furzen Monolog (Vollreim,, worauf jie abgeht. Der erite
Akt beiteht nach dem Prolog aus einer Scene zwijchen Jupiter und
Merkur ıRollreimı, aus einem Monolog Yupiters ı Nollreim) und
der Götterverſammlung, mit der der Akt jchlient. Der fünfte beginnt
mit einem Monolog von Paris ı„redt mit jm jelbit“), der zwar
mit Vollreim jchlient, aber in der zweiten Neimzeile wird jchon
Merkur angeredet, der inzwijchen eingetreten iſt — es fällt aljo
auch hier der Auftritt zwijchen die beiden Heime. Spüter verändert
ji) gar während der Reden der Schauplatz: Venus redet EStich—
reims Cupido an, auf Delena zu Ichiegen, deren Auftreten gar nicht
angezeigt wird, weil wir cs eben mit einem Nebeneinander der
Schauplätze zn thun haben, wicht mit einem Nacheinander. Cupido
thut's Vollreime, Helena reicht Paris die Hand und cs folgt eine
Yiebesjcene. Wer will denn bier feſtſetzen, wo der Auftritt anfängt
und ſchließt? das Charakteriſtiſche liegt hier wie in der Yulfretia ja
gerade dariıt, dan die Scenen ineinander übergehen vor den Augen
des Sujchauers.
„. . . Die beinahe ansnabmstoje Unterlaſſung des Stichreims
im letzten Akt zeigt, daß Hans Sachs ſich ſchließlich wieder auf
ſeinen eigentlichen Grundſats beſann.“
Der letzte Akt enthält nämlich außer der Gerichtsſcene eine
Liebesſcene zwiſchen Paris und Helena, deren lyriſcher Charakter
die vollen Reimpaare nahe legt. Er iſt ſo ſtizzenhaft dialogiſiert wie
die Virginia; und man kann immer beobachten, daß dort, wo Hans
Sachs den Stoff nicht eigentlich dramatiliert, jondern nur in ein
paar Wechſelreden umgeſetzt bat, die Vollreime ſich mit dem rheto-
rischen Charakter des Ztiles von jelbit einitellen. Es handelt ich
namlich auch bei Dieter „ansnahmsloien Unterlaſſung“ nicht etwa
um einen längeren Dialog, ſondern um lieben Tialogitellen, von denen
jechs Vollreime, eine Ztichreim zeigt. Nie ſtimmt denn aber dieſe
Umterlajjung des Ztichreims zu Merrmanns Prinzip der „phones
tiichen Abwechslung“, die bier weitere Fortſchritte gemacht haben
ſoll? Ta dürfte ja gerade nicht an einer Stelle der Stichreim ganz
%. Minor, Stihreim und Dreireim bei Hans Sachs. 221
aufgegeben jein, er müßte vielmehr mit den Vollreimen möglichft
gleichmäßig abwechjeln!
1533 GC Tobias,
„Ein Jahr jpäter freilich) zeigt Tobias das beginnende Ber:
ſtändnis für dieje feinere Kunjtübung wieder verdunfelt, ſonſt aber
die Fortſetzung der zulegt geübten Praxis: als Hauptregel Gtid):
reimlofigleit (45mal), als ſtark vertretene Ausnahme den Stichreim
(21 Fälle), ohne innere Gründe nur des Klanges wegen angebradt;
gänzlich fehlt er auch hier beim Auftritt oder Abgang.“
Ich gebe das Schema der Dialogitellen, das wir ſpäter nod)
brauchen werden, hier in Chiffren wieder: |
s vsvs v
S VSYVVVVVVVV | V
8 8 VV
s svvvv |vvsvv
vvssv ,VSVVVSVVV vsv
VSVS v vvv
v vvvv
v
Man ſieht daraus zunächſt, daß die Zahlen falſch ſind: es
handelt ſich bloß um 17 Stichreime und um 48 Vollreime. Aber
auch ſo wäre das Bild ein falſches; es kommt nämlich in der erſten
Hälfte gar fein Dialog in Gang, nad) einer oder ein paar Wechjel-
reden tritt eine neue Perjon auf oder eine Perfon ab. Man muß
aljo auch die Scenenjchlüffe dazu rechnen, die ebenjogut Dialogitellen
jind wie die andern, bejonders wenn es ſich, wie Herrmann meint,
bloß um den Klang handelt. Dann jtehen aber die 18 Stichreime
nicht 48, jondern 78 Bollreimen gegenüber und bilden aljo Feine
itarf vertretene Ausnahme mehr.
Am allerwenigjten fann natürlich davon die Nede fein, day das
Verjtändnis für feinere Kunſtübung hier wieder verdunfelt jei. Es
fommen hier eben feine Scenen und Situationen vor, wo es ſich
um ein Derumfragen im Kreife, um einen Streit um den Apfel u. dgl.
handelt. Der geänderte Anhalt bedingt die geänderte Form, die aljo
auch nicht ohne innere Gründe bloß des Klangiwecjjels wegen an-
gebracht ift.
1533 F Böſes Weib.
„Verloren aber war jenes Berftändnis nicht, und fchon im
Dftober desſelben Jahres führte e8 zu einer wichtigen Konjequenz‘...
Hier iſt „plögßlic” der Stichreim faft vollfommen durchgeführt mit
Ausnahme der Sceneneingänge und ſchlüſſe — unter 105 Dialog:
jtellen fehlt er nur in 15 Fällen.
Euphorion IV. 15
222 3. Minor, Stichreim und Treireim bei Hang Sachs.
Tiefe Zahlen find ganz falſch. Es jind 99 Dialogftellen; dazu
3 Auftritte; und der Anfang und Schluß des eigentlichen Stüdes
nad) dem Prolog und vor dem Epilog. Auch wenn wir alfo gegen
Herrmanns jonjtigen Gebrauch den Scenenwechſel dazu rechnen, er-
halten wir nur 104 Stellen. Der Vollreim kommt nicht öfter ale
5mal, nicht 18mal, im Dialog vor. Nämlich Götze 7. 58 f.,
V. 778,8. 85 f., 8.93 f., V. 246 f. Außerdem findet er ſich
am Ende des Prologs ı®. 17 ff. und des eigentlihen Stüdes
(®. 455 f.': und bei neuen Auftritten V. 114 f., 2.183 f., V. 310.
Ich habe den Fall Sauer zur Nachprüfung vorgelegt, der mir unter
dem 1. Tezember 1896 ſchreibt: „Wie ich auch hin- und herrechne,
ich kriege jene 18 Stellen nicht heraus. . . Das find 8 Stellen,
niht 18.” — Sauer rechnet nämlich die Scenenfchlüffe aud) mit.
„Auf 3 Stellen 157 f., 85 f., 93 f.) folgen einzeilige Reden, alfo
3 Stellen jtatt 16. Ich bringe aber aud) feine 105 Dialogſtellen heraus.
Es muß alio wohl von einem ganz andern Stüde die Rede fein.“
Ein Irrtum fann bier nicht vorliegen; der Zuſatz: daß
16 Fälle „id aus dem Beſtreben, im Intereſſe der Lebhaftigkeit
einzeilige Reden zu ermöglichen“ erflären jollen, giebt uns den
Fingerzeig, dan Herrmann Dialogitellen für Vollreime gehalten hat,
die es in der That gar nicht find. Er hat aljo eine 100 Seiten
lange Unterjuchung angejtellt, ohne ſich jelbjt über den Begriff des
Stihreims klar zu werden. Ich fann natürlich nicht wiffen, welche
Fälle er alle mitgezählt hat; vermute aber fälle wie 265 f., wo die
Frau nad längerer Rede jchlient:
Die raw.
Du habft die Magd lieber denn mid).
Der Mann.
Schweig das Wort! oder ih ham did.
und Die folgende Nede mit Xollreim beginnt. Solche Fälle hat er
ja, wie wir oben geiehen haben, aucd im Scenenwechſel, und dort
freilich mit Recht, ala Vollreim betrachtet.
Bleiben wir aber bier noch einen Augenblid jtehen! Was jagt
Derrmann? Die Fälle, wo der Stichreim fehlt, erklären fich aus
dem Beitreben, einzeilige Reden zu ermöglichen? Aljo der Vollreim
macht einzeilige Reden möglich? Trei viertel Zeiten weiter oben
ſiehe bier oben S. 217 und Eupborion 3, 699. hat er gerade umgelehrt
geſagt: „Fünf Stichreime, die das bei der Stichreimloſigkeit ja un»
mögliche Vorkommen einzelner Neden ermöglichen.“
J. Minor, Stichreim und Dreiveim bei Hans Sache. 223
So verjteht Herrmann den Gegenftand, über den er ftatiftiiche
Unterſuchungen anitellt! |
1536 C Either.
„Es fehlte vor allem noch die ergänzende Erfenntnis, daß nicht
nur die Durchführung, fondern daß umgefehrt aud) die Unterlaffung
des Stichreims nicht jelten künſtleriſch zu verwerten fei. Zu Diejer
Erfenntnis ſchwingt fid) Hans Sachs in den nächſten Jahren auf.“
Wir haben im Gegenteil ſchon oben wiederholt gefehen, wie
Hans Sachs uud) durch Vermeidung des Stichreims, z. DB. bei
Gerichtsverhandlungen, zu wirken verjteht; natürlich nicht bewußt,
ſondern unter dem jtofflichen Einfluß, und natürlich nicht conſequent,
das ift ja auch ſpäter nicht fein Fall, weil er recht gut fühlt, daß
die Variation das Schema beleben muß.
„In 1536 GC Ejther ſcheint er fogar faft ganz wieder zur alten
Stichreimlofigkeit zurüdgefehrt; nur 19 Stichreime unter 57 Dialog-
jtellen.‘
Ich zähle 60 Dialogftellen und 20 Stichreime, die Differenz
bildet offenbar wieder der einzeilige Vers:
Der Kunig jpridt:
Der?
Sie fagt:
Ka, er.
der offenbar als Stichreim im Dialog gebucht werden muß, wenn
er auch als Vollreim die Scene fchließt.
„Shatfächlich aber finden wir hier erjtens die Folgen jenes
Verjtändnifjes für des Stichreims dialogbeichleunigende Kraft: hier
handelt es ſich nicht um raschen Nedefluß, fondern um ganz furze
Scenen, die oft nur zwei oder drei Einzelreden umfafjen, und jo
(läßt der Dichter ihn als überflüflig gewöhnlich beifeite, während er
ihn in den jelteneren Auftritten von größerem Umfange verwertet.“
Dem widerfpricht in allem und jedem das folgende Schema der
Dialogitellen:
J VVSSS
88 VSSSV SV
vs
V VVSS
Vs S
ss vYr
VVVSV
VV 115
vVVVV
V vYvv
vsY
SVYV
15*
224 3. Minor, Stihreim und Dreireim bei Hans Sachs.
Es ift nicht zu erjehen, daß der Stihreim in kurzen Scenen
vermieden und nur in längeren verwertet wird. Und cs liegt aud)
feine neue Art der Verwendung des Stichreims vor, wie man jid)
aus dem Vergleich des obigen Schema mit den de8 Tobias
ıoben S. 221) leicht überzeugen kann.
„Zweitens aber zeigt ſich auch ſchon eine Berüdjichtigung der
Kraft der Stichreimlojigkeit im Werden: e8 beginnt fein Zufall
mehr zu fein, wenn Hans Sachs jie namentlich da verwendet, wo
uneigentlicher Dialog vorliegt, das heißt wo die beiden hintereinander
iprechenden Perſonen nicht miteinander ſprechen, und wo durch
jcenijche Benterfung eine mortloje Handlung vorgefchrieben iſt, die
den Tialog etwas unterbridht. Yon Konjequenz ijt freilid) noch feine
Rede.”
Der Nachſatz hebt eigentlich die ganze Beobadhtung wieder auf;
denn woher weig denn Herrmann, dag ca fein Zufall ift, wenn
nicht wenigſtens eine gewiſſe Kontequenz herrſcht? Dean hat zunädjit
zu beachten, dag in diefem Stück ſich faſt bei jeder Rede eine
ſceniſche Auweiſung findet; ich habe die betreffenden Stellen oben
fett gedruct. Es jtehen alſo 26 Vollreime mit jcentjcher Anweifung
5 Stichreimen mit jeenijcher Anweilung gegenüber. Da aber die
Anzahl der Vollreime jich zu den Stichreimen wie 2:1 verhält, To
it das Nerhältnis das von 26:10; cine jchr bedeutende Minorität,
würde Herrmann Tagen, die doch kaum geitattet, hier eine Regel zu
jtatnieren. Und aud) die Tualität der Fälle iſt nicht viel ſchwächer:
„Kither rührt den Zcepter au, jteht auf und ſpricht“ — das koſtet
doch gewin auch Zeit, und dennoch Stichreim; „Hammon neigt ſich
und ſpricht“ — Stichreim; „SDeiter zeigt auf Damon und jpricht“
— Stichreim: am ftärfften und Herrmann direct widerlegend ift die
folgende Stelle: anf die Frage des Königs, wer im Hof umgehe,
mun der Kämmerling erit binausjchauen, dann antwortet er — aljo
eine offenbare Pauſe und doch Ztichreim. Aber vielleicht hat Herr—
mann dieſe einzeiligen Reden gar nicht für Ztichreime gehalten.
Denn auch hier jpielt die fatale Einzeiligfeit ihre Rolle.
Der erſte Fürſt redet:
. das er vergeß
der erſten und ſein Trawren laß.
Der ander Fürſt ſpricht:
Wir wollen im fuͤrhalten das.
Sie tretten zu ihm.
Wieder treffen Stichreim im Dialog und Vollreim im Scenenſchluß
in demſelben Reimpaar zuſammen.
J. Minor, Stichreim und Dreireim bei Hans Sachs. 225
1536 F Rodenjtube.
„Deutlicher noch ift der Fortichritt in Rockenſtube: bei dem
naturgemäß lebhafteren Dialog des Stüdes ſtehen 27 Stichreime
10 ftichreimlojen Stellen gegenüber.“
Ich zähle nur 26 Stichreime und 8 VBollreime, wenn man
nad) Herrmanns fonjtiger Übung die Auftritte und Abgänge nicht
mitzählt. |
„. .. bis auf eine einzige aber erflären fich diefe zehn alle
dadurd), dag der eben charafterifierte umeigentliche Dialog vorliegt,
während nur drei Stellen im gleichen Fall Stichreim aufmeijen.“
Ich ſetze die fceniichen Anweijungen Her, um zu fehen, ob hier
wirflic) eine „wortloje Handlung“ den Dialog etwas unterbrechen
fann: der Zigeuner (der jchon während der Rede der Magd ein-
getreten ift) jpricht; die Bäuerin ſpricht (wiederholt fich); der
Zigeuner befchaut ihm die Hand und Spricht (zweimal mit Vollreim,
aber die Stellen werden aufgehoben durd) die dritte, wo der Zigeuner
ihr die Hand beſchaut, und wo Stichreim fteht!); die Bäuerin und
der Baner prügeln fi) zur Thür hinaus, aber nicht mit Unter-
brechung des Dialoges, fondern wie der Text zeigt, während jie
reden. Es iſt alfo nicht eine einzige Stelle, die ſich mit einiger
Sicherheit auf Unterbredung durd Aktion zurüdführen läßt.
Geſetzmäßig dagegen ift, daß der Zigeuner, fo oft er (viermal)
zu wahrjagen anfängt, mit einem neuen Neimpaar beginnt; und
nach der Unterbredjung durch den, dem er wahriagt, mit Stichreim
fortfährt. Die ihm ins Wort fallen, thuns dreimal mit Stichreim,
einmal mit Vollreim; alſo auch hier Variation, fein trockenes
Schema.
1537 F Narrenſchneiden.
„Wieder jchadet dann eine zehnmonatliche Pauſe einigermaßen
der ftrengen Ginhaltung und Fortbildung der neuen Technik.
1537 F Narrenjchneiden hat allerdings unter 84 in Betracht kom—
menden Stellen 34mal den Stichreim nit... .”
Ich zähle, den Auftritt des Kranfen und den Epilog mit ein-
begriffen, nur 82 Dialogitellen und 31 Vollreime.
„. . . aber im erjten Teil fcheint der Dichter die neue Er—
fenntnis von der Behandlung des uneigentlichen Dialogs vergeſſen
zu haben, und fich erjt im Werlaufe der Arbeit darauf zu bejinnen,
umgefehrt wird der eigentliche Dialog 14mal durdy Stichreimlofigfeit
aufgehalten. Dagegen ijt die abjichtliche Vermeidung des Stichreims
bei wortlofer Handlung zwiſchen den Neden entjchieden fortgebildet:
er fehlt in 17 Fällen von 27, und es weijt deutlich auf den feinen
Einn diefer Mapregel hin, daß zwar der Arzt hier und da raſch
226 J. Minor, Stichreim und Treireim bei Hans Sachs.
operiert und im Ztichreim weiter reden darf, daß dagegen der
stranfe, den der Tidhter offenbar langſam jpredyen hört und jid)
bewegen jieht, während der Operation abgejehen vom handlungslojen
Dialog ftets mit einen neuen Reimpaar beginnt.“
Dem miderjpricht der Tert des ganzen Spieles, der feinen
Zweifel darüber läßt, daß die Action und die Tperation während
der Reden vor ſich geht; es wäre auch gar zu undramatijich, hier
jedesmal zu pauſieren. Es widerjprechen aber aud) die Stichreime
jetbft, nicht blon im Anfang, jondern auch gegen das (Ende des
Stüdes. Der Arzt zeigt Brief und Ziegel vor, der Knecht ſchaut
ſich „hin und her“ nad) Kranfen um — dennod Stidyreim. Die
ſceniſche Anweiſung in Betreff des Auftretens des Kranken fällt
zwiſchen die Mede des Arztes und die mit ihr durch den Keim ver:
bundene Gegenrede des Knechtes hinein — aljo wicder ein Beweis,
daß bei Dans Sachs der Auftritt nicht immer dort beginnt, wo die
ſceniſche Anweiſung jteht, ſondern jchr oft bei den erjten Worten der
redenden Perjon vgl. aud) den Auftritt des Zigeuners in der Hoden:
ſtuben. Ter Kranke giebt dem Arzt auf Verlangen das Harnglas,
er bejicht es und jpriht — Stidyreim. Der Kranfe muß ſich im
Zpiegel bejehen — Sticdhreim. Im letzten Teil heftet ihm der Arzt,
wie der Wortlant zeigt: während jeiner folgenden Rede, den Bauch
zu — Ztidreim. Gar nicht davon verichieden jind die Beiſpiele,
wo Xollreim jteht: der Arzt will ihm den Magen fegen, das heißt
er giebt ihm Purgiermittel, von denen nachher die Rede ift, er trinkt
aljo während der Reden — Nollreim. Ter Kranke trinkt den Harn —
Vollreim: der Knecht jpricht, ohne jede Aktion — Xollreim, Der
Arzt antwortet auf die Frage, was er für die Tperation verlange,
ganz direft — dennoch Vollreim. Der Knecht legt die Inſtrumente
zurecht — Lollreim; bindet den Nranfen — Wollreim. Auch bei
der eigentlichen operation, die jich ja mehrmals wiederholt, ergiebt
jich nirgends ein Prinzip. Ter Arzt zieht den erften, zweiten Narren
berans — Vollreim: aber gerade bei den ſpätern — Ztichreim. Der
Nranfe jelbit oder der Knecht fordert ihn auf, nach neuen Narren
su juchen anch bier anfangs Xollreim, und man könnte erwarten,
dan die verfihiedenen Ztadien der Tperation dadurch markiert
werden jollen, aber — bein dritten und fünften wieder die Varia—
tion: Ztichreim. Tie Erflärung der herausgezogenen Narren feßt
ein paarmal ‚innerhalb der Rede des Arztes: mit einem neuen
Neimpaar em: aber auch dieſe ‚yorm hat der Meiſter zu variieren
veritanden, zu deſſen jchönften (Haben die Mannigfaltigkeit im Stil
gehört, und den man nicht tiefer herabjegen fann, als wenn man
ihn immer nach einer Regel inchen und die Megel wieder vergeffen
täft. Es iſt alio fein Sort wahr, daß ſich Dans Sachs hier erft
J. Minor, Stihreim und Dreireim bei Hans Sachs. 227
im Verlauf der Arbeit befinnt; die ftärkiten Fälle von Stichreim
während der Operation jtehen am Schluß. Unricdjtig iſt auch, daß
der Stichreim Hier in 17 Fällen von 27 fehle; bei fcenifcher An-
weifung halten ſich Stichreim und Vollreiyy ungefähr die Wage,
was bei dem Überwiegen der Stichreime zwar ein Heines Plus für
die Vollreime ergiebt, aber nach der Qualität der Fälle feine weiteren
Schlüſſe zuläßt.
Gar kühn ift Herrmanns Behauptung, daß der Kranke während
der Operation „stet3 mit einem neuen Reimpaar einſetze“. Er fchreit
nämlich anfangs Weh, und fpäter gar nicht mehr. Von diejen paar
Zeilen ift die erfte einzeilig und beginnt den Reim (aljo Stid)-
reim); die zweite iſt wieder einzeilig und erfüllt den Reim (alſo
Stichreim); die dritte wieder einzeilig und beginnt den Reim (aljo
Stichreim); die vierte zweizeilig und Stichreim; die fünfte daS ein-
zige volle Reimpaar in diejem Fall; die fechfte dreizeilig und beginnt
wieder mit Stichreim. So fteht es mit der Richtigkeit von Herr—
manns Behauptungen.
1539 F Bachenholen.
„Bietet nicht viel Beobachtungsmaterial: der jehr lebhafte und
handlungsarme Dialog ermeift ſich nur an einer Stelle als un:
eigentlich, was der Dichter freilich) nicht beachtet hat; ähnlid) ſteht
es um die dialogunterbrechende Handlung: die meiften fceniichen
Bemerfungen jchreiben nur Bewegungen vor, die den Redefluß nicht
eigentlich unterbrechen — trogdem iſt wenigſtens eine von ihnen
durch Stichreimunterlaffung gefennzeichnet ...“
Diejes „gekennzeichnet“ iſt wiederum eine Unterftellung Herr-
manns. In Wahrheit liegt der Fall jo. Flegel greift ans Meffer und
jpricht zornig — Stichreim. Der Kellner greift an fein Meſſer —
Stichreim. Simon ſcheidet beide — Stichreim. Die Bauern reden
ihre Finger auf — Stidhreim. Simon hält feinen Ead auf —
Stihreim. Simon fommt (zurüd) — Stichreim. Heinz lehnt ſich an
jeinen Spieg — Stichreim. Der Kellner jtöpt die Bauern —
Stihreim ... Diejen Stichreimen jteht nun der einzige Vollreim
gegenüber, und welcher! Simon zieht den andern und jpricht, wie
der Tert zeigt, während er ihn fortzicht: „Laß ung doch gehen!“
Es Handelt ſich aljo nicht einmal um eine Pauſe! Und aus diejem
Beipiel, dem ein Dutzend anderer gegemüberjteht, will Herrmann
auf eine Abjicht Ichliegen?
„... Und das gleiche gilt von der erjten der beiden Stellen,
an denen wirklich eine etwas längere Pauſe zu denfen it.“
Tas gleiche gilt auch von Herrmanns Behauptung. In den
beiden Stellen geht jedesmal eine Perfon zur Thür und wird dort
228 3. Minor, Stichreim und Dreireim bei Hans Sachs.
aufgehalten. Cinmal fteht Stichreim, das ander Mal Vollreim.
Die Stellen heben ſich aljo gegenjeitig auf; fie zeigen, daß feine
Abjicht waltet. Herrmann aber ftedt das eine Beiſpiel unter den
Tiſch, und jindet, daß wenigitens das andere die Paufe „kennzeichne!“
Uber den fchlauen Taftyenipieler und über die Bauern, die ihm auf:
figen! Er wird fünftig faum mehr einen finden, der ihm den Ge:
fallen thut.
„Wenn im übrigen nod) von 91 Dialogftellen 21 den Stichreim
vermiffen laſſen, jo liegt das bejonders wieder daran, dag Dans
Sachs nur fo die einzeiligen Reden herftellen konnte, auf die er für
die große ‚Frage: und Antworticene wohlweislich nicht verzichten
mochte.“
Es ſind aber von 76 Dialogſtellen nur 10 ohne Stichreim.
Hier befördert alio wieder der Vollreim die Einzeiligfeit; oben
S. 2171 hat es der Stichreim gethan.
(Herade dieſes Faſtnachtſpiel enthält eine Ztelle, die für einen
fühigeren Beobachter jehr lehrreich gewejen wäre; nämlich Heinzens
Aufzählung von den neun geiltlihen Orden, wo jich Frage umd
Antivort neunmal nacheinander wiederholen. ZSchemal bildet Die
Frage eine ſelbſtändige Zeile, die das Reimpaar vollmacht, während
die Antwort ein neues Reimpaar beginnt: alfo ..a.| a?b |b..
Reim jiebenten beginnt die Yariation: hier beginnt mit der ein
zeiligen ‚yrage das Reimpaar, und die Antwort erfüllt es; alſo
xx.]JaPalbb... Die adte Frage wieder wie die eriten ſechs,
Die nennte wie Die Tiebente, das Wanze alle nad) dem Schema
XXXXXXVXV, ganz geſetzmäßig vartiert.
Aus dieſem Beiſpiel hätte der Verfaſſer To manches lernen
fünnen. Gritens wie hinfällig anf dieſem Gebiet die Ttatifttiche
Methode it. Tenm wie will er demm ein tolches Beitpiel vernünftig
in ſeinen Rubriken unterbringen? Geſetzt, er bucht den Fall „.yrage
und Antwort“ ſiebenmal unter den Ztichreimen und zweimal unter den
Vollreimen. Iſt denm damit das Welen der Sache gefennzeichnet, die
doch gerade darin Liegt, dan der Tichter, nachdem er jechemal dic
nleihe Merbode befolgt bat, zur Wermeidung der ſtiliſtiſchen und
metriichen Einförmigkeit die Methode variiert? Kann man liberhaupt
den Fall richtig beleuchten, wenn man die neun Wiederholungen
auseinanderreit und in Maubriten bringt? Nein, ſolche metriſche
Probleme werden nur an glücklich gewählten Beiſpielen, niemals
durch die Statiſtik klar gemacht werden.
Zweitens aber hätte der Veriaſſer bier wieder eine Lektion über
die Bedeutung und den Wert der einzeiligen Reden erbalten können.
Es iſt nämlich klar, daß die beiden Fälle zwar der Art nach ver
ſchieden ſind, aber mit verſchiedenen Mitteln doch die gleiche Wirkung
J. Minor, Stichreim und Dreireim bei Hans Sachs. 229
hervorbringen. Im erften Falle ift die einzeilige Frage zwar die
Nede einer neuen Perjon und inhaltlih von der vorhergehenden
Reimzeile abgetrennt, aber durch den Reim mit ihr verbunden. Von
der folgenden Zeile ijt fie als die Rede einer andern Berjon und
durch den Reim abgetrenut, aber inhaltlicd) (als Frage und Antwort)
verbunden. Man fieht aljo auch hier wieder, daß die Kriterien für
den Stichreim und den Vollreim hier nicht ausreichen, ja ſich
widerjprechen. Ebenjo in dem zweiten alle. Hier jtehen Frage und
Antwort als Stichreim da, weil die beiden Neimzeilen von ver:
jhiedenen Perfonen gejprochen werden; fie fünnen aber ebenjogut
als Vollreim gelten, wenn jie inhaltlich von dem vorhergehenden
und dem nachfolgenden ſich loslöſen. Hier Hilft uns aljo das Bählen
und Aubrizieren, das doc) bloß auf dem Auge beruht, gar nichts
mehr, hier müpten Wir Die legte Inſtanz aller metrifchen Pro—
bleme, unſer Ohr, befragen. Hier ijt wieder nur eine Entſcheidung
von Fall zu Tall möglich. Was ſich prinzipielles über die einzeiligen
Reden jagen läßt, werde ich weiter unten erörtern. Hier habe id)
nur zeigen wollen, daß Herrmann diefe Dinge, ohne die jede Zählung
von Reimzeilen unmöglich it, gar nicht angerührt Hat.
Nachtrag. Zur fachlichen Entjcheidung der Frage und da id)
nad) den gemachten Erfahrungen erwarten durfte, daß Herrmann und
jeine Freunde meine Einwendungen unbejehen zurücweifen würden, habe
ich mich nadjträglich entjchlofjen, jeden Fall einem Fachkollegen zur
Nachprüfung vorzulegen, von dem id) vorausjegen durfte oder voraus—
fegte, daß ihm an der KKonjtatierung der Wahrheit gelegen fei. Es war
dabei ausdrüdlid) gejagt, daß nur die Ziffern in Betracht fommen umd
daß id) aud) dort cine Nachprüfung erbitte, wo id) gegen Herrmanns
Aufitellungen nichts einzuwenden habe; dag dies in dem ganzen langen
Kapitel nur dreimal der Fall it, wurde mit feinem Worte ange:
deutet. Worauf es mir hauptjächlich anfaın, das war: zu zeigen, daß
von dreien, die denjelben Fall behandeln, jeder andere Ziffern erhält;
die ganz einfachen und wenig fomplizierten alle ausgenommen. Das
fommt nur zum Teil daher, daß die einzeiligen Reden und die Scenen-
Ichlüfje von verjchiedenen eben verjchieden beurteilt werden. Erjt muß
man wifjen, wo Stichreim und wo Secenenſchluß vorhanden ijt, dann
kann man jie zählen. Beurteilt man die einzeiligen Reden ungleid)-
mäßig und knüpft man den Scenenfchluß das eine Wal an die ſceniſche
Anweitung, das andere Mal an den Dialog, jo fällt die Statijtif
natürlich ganz über den Haufen. Ich habe oben genügend gezeigt,
dag Herrmanns Angaben über die Thatfachen, die ſich zählen Lafjen,
mit wenig Ausnahmen falſch find. Das Nefultat der folgenden
230 3. Dinor, Stichreim und Treireim bei Hans Sachs.
Enguete iſt, daß feine Rubrifen nichts zwingendes haben, und daß
er ſich mit ſich jelbjt und mit dem Yejer über die Beurteilung der
einzeiligen Neden und der Scenenſchlüſſe hätte auseinanderjegen
müſſen. Dan wende mir nicht cin, dan es ſich Hier nur um Fleine
Tifferenzen handelt. Tas ijt nicht einmal bei den einzelnen Stücden
der Fall (jiehe das böje „Röſe Weib“); wenn man aber wie Herr—
mann die Summe von ganzen Perioden zuſammenfaßt und mit den
Siffern einfach weiter rechnet, dann iſt der Wert der Statiftif
offenbar ein ganz illujoriicher. Die eingelaufenen Antworten lauten
nach der Reihenfolge der Stüde:
Cukretia. Profefjor Munder München: „Herrmann hat,
äußerlich betrachtet, Mecht injoferne, als nur in den drei von ihm
S. 426 angeführten Fällen beim Schluß einer Rede erfüllter Reim
vorliegt. Zicht man aber näher zu, jo jind von den drei Stellen,
die er anführt, nur zwei beiweisfräftig, nämlich) 3, 15 und 10, 24.
Dagegen kann 8, 9 kaum in Betracht kommen, weil hier Sache mit
dem beiten Willen den erfüllten Reim vor dem Beginn einer neuen
Rede nicht vermeiden fonnte. Der Vers 8, 9 jteht für jic allein, die
Rede der Ancilla umfaßt nur diejen einzigen Ders, während fonft
alle Reden im Trama mindeltens zwei Verſe lang find. Somit mußte
das Reimpaar entweder mit dem vorauzgehenden Verſe, der die Rede
des Hausknechts abjchlient, oder mit dem Were 8, 9, der eben die
Rede der Ancilla abſchließt, erfüllt werden. Sachs thut das lektere
und macht jo durdy den Zinn einen jtärferen Ginjchnitt vor dem
neuen Auftreten der Yufretia, wie Herrmann richtig angiebt, aber
ohne zu bemerfen, dan diejer ftärfere Kinjchnitt hier nimmermehr zu
vermeiden war, höchſtens ungeſchickterweiſe auf einen Vers früher
hätte verlegt werden können.
Anders würde fich freilich die Frage beantworten, wenn man
die Unterlaſſung der Reimbrechung auc innerhalb der Reden je
einer Perjon in der .Yufretia’ untertucen wollte. Ta könnte von
einer ausnahmslojen Durchführung der Neimbrebung nicht mehr die
Rede jein. Denn, läßt man aud alle Verſe außer adıt, bei denen
der Zak nur eine einzige zzeile umfaßt, jo bleiben als volle Heim:
paare, die zugleich den logiichen Zar abjchlienen, noch immer 19 ‚Fälle
übrig. Beſonders die Fälle 9, 34. 36. 10, 16. 18. 11, 20. 22. 18,
28. 30. 34 jind zu beachten, weil bier unmittelbar aufeinander zwei
Keimpaare immer ohne Neimbrechung folgen, jo daß man dabei die
Abjicht, überall die Neimbrechung durchzuführen, nicht mehr behaupten
fann. Im Gegenteil, die Reime jcheinen bier recht abſichtlich „geſamnet“.
Aber das will ja auch Derrmann im dieſem Fall nicht leugnen.“
»alas. Tr. karl Treicher WBonn findet die Anfitellungen
Derrmanns in ihrer eriten Dälfte richtig. Für die zweite jei zu be:
J. Minor, Stihreim und Dreiveim bei Hans Sachs. 231
merken: 1. Dans Sachs falle nicht bei dem Abgang 24, 9 aus der
neuen Technik (der Stichreimlofigfeit) heraus, ſondern es herricht
vielmehr auch an diejer Stelle Stichreimlojigfeit; 2. es find nicht
nur zwei Fälle von Stichreimlofigfeit im eigentlichen Dialog vor-
handen, die auf „die wachſende Ausbildung der richtigen Erkenntnis
für den Wert des Nollreimes” (ſiehe oben S. 212 f.) hinweilen, jondern
Drejcher findet außer diejfen zwei Füllen noch neun andere. Nach
25, 14 fommt Stichreim überhaupt nicht mehr im Drama vor. Die
von Herrmann für die beiden Stellen gegebene Begründung (nämlich
Aktion [Prügel]) treffe auch für die andern angezogenen Stellen zu
(vgl. dazu oben ©. 213).
„Ferner,“ jchreibt Dreicher, „habe ic) noch Folgendes zu be-
merfen, das allerdings nicht mit ‚Pallas’ zufammenhängt: 1. Herr-
mann, ©. 441 unten, muß es heißen ‚faft ganz unterbrochen war’
jtatt ‚ununterbrochen‘. 2. Ebenjo jagt Herrmann ©. 442 das
Gegenteil von dem, was er meint: ‚Hans Sadıs hat nicht jo viel
Abgänge wie Auftritte, lettere machen vielmehr nur 35, 30 Procent
aus. 3. S. 433 Die ‚unnüß Fraw Sorg', die Herrmann hier vor
ih Hat Keller 4, 134), iſt nicht die urfprünglidhe Faſſung vom
Jahre 1537, jondern die um 100 Verſe erweiterte des Jahres 1557
(Nedaktionsjahres der erjten Folio), bei der bloß das Datum nidjt
geändert ward (vgl. Feitichrift ©. 219).
Birginia. Profejfor Stiefel (Nürnberg) findet gegen Herr-
manns Ausführungen, joweit jie dieſes Stüd betreffen, nichts ein-
zuwenden.
Sharon. Tr. M. H. Jellinek (Wien) erklärt Herrmanns An—
gaben über den Stichreim für richtig. „In die 59 in Betracht
fommenden Stellen jind offenbar die drei Fälle des Scenenſchluſſes
abjichtlich einbezogen.‘
Paris. Dr. N. Leitzmann (Jena) findet, daß die Angaben
iiber den Scenenſchluß ſtimmen. Dagegen jet 1. die Zahl der Dialog:
jtellen nicht 55, jondern 61; der Stichreim fehle nicht an 31, ſondern
an 36 Stellen; er jtehe, nicht an 24, jondern an 25 Stellen. 2. Die
Motivierung (jiche oben S. 219) findet Leigmann jehr unflar aus-
gedrücdt: ‚„‚itreng genommen jind alle Reden eines Dialoges dem
Sinne nach zujammengehörig. Fälle direkter Anrede an die nädjit-
folgende Perjon (ausgenommen natürlich, wenn überhaupt nur zwei
jih unterreden, fommen 30 vor. Der Stichreim jteht an 14 Stellen;
er jteht dagegen nicht an 16 Stellen. Bei dieſer Statiftif ijt der
Ausdrud ‚direfte Anrede’ gepreßt und es jind nur die Stellen ge-
zählt, wo der Name der angeredeten Perſon wirflid) genannt wird.
Die Statijtif leidet an der Unflarheit der Herrmannjchen Formu—
lierung.“
232 3. Minor, Stichreim und Treireim bei Hand Sachs.
Bobias. Ter Zuichrift von Dr. Karl Kraus ı Wien. jchide
ich voraus, daß ich meine Kollegen Kraus und Jellinef im Geſpräch
auf die einzeiligen Reden aufmerkſam gemacht habe. Beiſpiele, wie das
oben S. 214 citierte, hat der eine für Stichreim, der andere für Voll—
reim erklärt. — Kraus zählt 72 Vollreime, bringt davon 27 jichere
Abgänge Auftritte: in Abzug, bleiben 45 Bollreime. Fünf Fälle hat
er unter die Vollreime mit eingerechnet, aber nicht ohne Bedenken:
„es handelt jich um gewilje zweizeilig vollreimige Neden. Nun wird
in mehrzeiligen Reden ein Neimpaar als Wollreim gebucht, wenn es
am Schluß der Rede ſteht: dagegen nicht gebucht, wenn e8 am An-
fang derjelben jteht. Wie joll man die zweizeiligen Reden betrachten?
Wenn als Anfang, dann müſſen ſie außer Betracht bleiben: wenn
als Schluß, dann muß man ſie zählen“. Stichreime findet Krans 22,
unter denen er die direkten Fragen beſonders auszeichnet. „Die ein:
zeiligen Reden 142, 17 und 148, 1 laſſen jich nicht buchen, da ſie den
zweiten Zeil des Stichreims bilden: als jolche müßten fie übergangen
werden, da ja die vorhergehende Zeile ohnehin als Stichreim gebucht
wird. Aber andererſeits müßte man ſie wiederum rechnen, da ja die
folgende Rede dadurch mit einem Vollreim beginnt, ſie alſo dieſelbe
Wirkung äußern, als wenn ein Vollreim vorhergegangen wäre.“
Böſes Weib. Profeſſor Sauers Prag: Gutachten iſt mir
noch vor Abſchluß des Manuſkriptes zugegangen und daher oben im
Tat 2. 272 verwertet.
Eder. Profeſſor Hauffen Prag schreibt: „Die Zahlen find
richtig. Die Zahl 57 kommt allerdings mur zu Stande, wenn man
jtrenge auf die eigentlichen Dialogitellen ſich beichränft, wo die beiden
hinter einander Iprechenden Perſonen auch wirklich zu einander reden.
Tie Grenze zwiſchen dieſen und den ımeigentlichen Dialogitellen ift
freilich nicht immer ganz feſt. Umd jo könnte ein anderer auch etwas
mehr oder weniger als 57 zäüblen. Aber zwiſchen 55 und 6o liegt
die Wahrheit.“
In dieſem Gutachten, das die Willkür der Rubrizierung 10
richtig betont, nn ich bemerfen, dan Derrmann eigentlichen und
uneigentlichen Tialog unter den „Dialogſtellen“ zujammenfaßt; daR
alie nach ſeinen YZühlungsgrundiägen die Angaben nicht richtig find.
Bachen holen. Profeſſor Rache!l Tresden: jchreibt: „Zie
wünſchen von mir zu hören, ob ich Herrmanns Angaben über den
Stichreim im Bachenholen für richtig halte oder nicht. Dieſe Angaben
leiden meiner Anſicht nach erſtens an Unklarheit. Herrmann führt
zunächſt zwei Stellen ohne Versangabe an, über die er Bemerkungen
macht: ad eine Stelle, wo ſich der Dialog als nmeigentlich erweiſe,
was der Dichter nicht beachtet habe: b) eine Stelle, bei der eine
jcentiche Bemerkung durch Stichreimunterlaſſung aetennzeichnet werde.
J. Minor, Stichreim und Dreireim bei Hans Sachs. 233
Dann Spricht er von den beiden Stellen (Vers 110 und Vers 333),
an denen wirklich eine etwas längere Pauſe zu denken jei, von denen
die erjte durch Stichreimlofigfeit gekennzeichnet fei. — Ich finde aber
als einzige Stelle, auf die die zu a) gemachte Bemerkung paßt, nur
Vers 333, und die zu b) gemadhte Anmerkung paßt nur auf Vers 110.
Herrmann behandelt aber die Stellen unter a) und b) als von den
beiden Vers 110 und Vers 333 verfchieden. Bei beiden Stellen
liegen die Gründe der NReimbehandlung Elar zu Tage. Bei Vers 110
ind die Bauern im Begriff abzugehn, dann ruft fie der Kellner
zurüd. Hier zeigt der Vollreim, was erwartet werden foll, nämlid)
der Abgang der beiden; dadurch wird das Zurückrufen als un-
erwartete Wendung charafterifiert. Bei Vers 333 fchiebt der Keliner
den Bauer Heinz zur Thür, während Simon jeiner Freude über die
Wendung, die das Gefpräd der. beiden genommen hat, Ausdrud
giebt. Hier begleitet die Nede des Simon die Handlung, es liegt
alfo zur Markierung einer Paufe fein Grund vor.
Herrmann ijt aber zweitens auch unvollitändig in feinen An-
gaben. Unter den 21 (oder nad) meiner Zählung 23) Dialogitellen,
die den Stichreim vermiffen laffen, find allerdings nicht weniger
als 13, bei denen dies durch die Einzeiligfeit der Rede veranlaft
it. Die übrigen 10 aber konnten näher charafterijiert werden. Die
Hälfte davon nämlich findet fi) in dem Abfchnitt, wo Heinz dem
Kellner die neun Orden im ehelichen Stand auseinanderjegt. Von
dieſen Auseinanderjegungen jchliegen mehrere mit Vollreim,') mehrere
aber nicht.) Offenbar ijt es die Annäherung an den ‚uneigentlichen
Dialog’, die in diefen Auseinanderſetzungen ftattfindet, durch dic
die öftere Stichreimunterlaffung hier herbeigeführt worden iſt. Für
die anderen Stellen (Vers 88, 90, 326, 354) ließen fic) vielleicht
auch Gründe der Stichreimlofigfeit aufjtellen (am meilten für Vers
326, 354); dod) läuft man dabei Gefahr, allzu tüftlig zu werden.
Und da Hans Sadjs jelber jedenfall3 nicht getüftelt hat, jo kann
man mit Züfteleien leicht auf den Holzweg geraten.
Was Herrmann jonft noch über das Stüd jagt, daß nämlid)
die meiften ſceniſchen Bemerkungen nur Bewegungen vorfchreiben,
die den Nedefluß nicht eigentlich unterbrechen, und daß daher aud)
an diefen Stellen der Stichreim von Hans Sachs belafjen worden
iſt — das jcheint mir richtig zu fein.
Den größten Fehler macht Herrmann meiner Anjicht nad) damit,
daß er dem 13. Faſtnachtſpiel „Die fünf elenden Wanderer” eine jo
einjchneidende Wichtigkeit beilegt. Denn der Stichreim beim Abgang
1) Vers 264, 280, 290, 306, 322.
2) Vers 239, 249, 257, 297.
231 3. Minor, Ztichreim und Treireim bei Hans Sachs.
und Auftritt ergiebt Jich hier — wie id) auch in meiner Beſprechung
hervorgehoben habe — jo natürlid) aus dem Charakter des Stückes,
dag von einer neuen (Erkenntnis, die den Dans Sachs plöglid)
jwijchen dem 21. November und 15. Tezember 1539 gefonmen fein
müpte, nicht geiprochen zu werden braucht; zumal da er in den
beiden Faftnadıtipielen 14. und 15. vom 30. und 31. Dezember 1540
genau jo verführt wie vorher. In beiden jind die Auftritte durch
Stichreimlojigfeit gekennzeichnet, nur im Heuchler findet fich bei einem
Abgang ers 309 Stichreim; aber diejer Abgang unterbridyt den
Dialog nicht, der zwijchen den Zurückbleibenden fortgejegt wird.
Dean ſieht eben, daß mit der jchematijch-jtatiftiichen Methode
hier allein nicht gearbeitet werden kann; die Charafterijtif des ein-
zelnen Falles ift notwendig. Aber man muß jich auch dabei hüten,
dem TVichter allzuviel unterzulegen. Wenn der gute alte Dans Sachs
lejen müßte, was Z. 441 über jein Streben nach Befreiung von der
mechanijchen Regelhandhabung jteht, daß er zweimal ‚einen Auf:
ſchwung verjucht, das eine Mal etwas über, das andere Dial etwas
unter dem Durchſchnitte bleibend’; oder wenn er lejen müßte (S. 453,
day ‚die vierziger ‚Jahre bereits eine Höhe in der Zahl der Aus:
nahmen und eine Neigung nod zur Steigerung dieler Höhe zeigen,
die den Dichter ſtutzig werden lieg — jo würde der alte Knabe
wohl wirflid) jelbit jtutig werden über das, was man ihm unterlegt,
und wiirde dann herzlic über die allzu gelehrten Yeute lachen, die
ihn im Verdacht zu haben jcheinen, daß er ſich jelbjt bei feiner
dichteriichen Produktion mit jolchen feinen Tabellen und ftatijtiichen
Berechnungen über Stichreim und Vollreim fontrolliert habe, wie es
die grumdgelehrte neue Forſchung' thut.“
Spätere Einſendungen kann ich nicht mehr berückſichtigen; der
Nachtrag iſt am 5. Januar 1897 in die Korrektur eingeſchaltet
worden.
Man könnte nun vielleicht einwenden, daß man ſich eben nur
über einen Modus der Zählung einigen und ihn konſequent feſthalten
dürfte, um sichere Reinltate zu erhalten. Aber auch dieſe Doffnung
wird durch die obige Enquete zu Zchanden. Denn aus demjelben Bei:
jpiel - oben S. 212 f. und 230 f. trägt Derrmann 2, Trejcher dagegen
11 ‚zälle in dieſelbe Rubrik „Vollreim bei ſceniſcher Aktion“; ich
dagegen halte mich an die jeeniiche Anweiſung als einzig fichere
(Grundlage, und finde nur ein Beiſpiel dafür und eines dagegen, die
natürlich die Rubrik jelbit aufheben. Wenn man fid) aber von den
ſceniſchen Anweiſungen ganz abzuiehen erlaubt, ijt die ganze Zählung
völlig der Willkür preisgegeben: denn irgend einen Grund zu
jceniicher Aktion findet man bald, wenn man ihn bei jedem Noll:
reim ſucht, obwohl id) nebenbei gejagt, bei Dilettierenden Hand⸗
J. Minor, Stichreim und Dreireim bei Hans Sachs. 235
werfern immer mehr an begleitende al3 an jelbftändige Aktion glaube,
weil jtummes Spiel das Schmwierigere iſt. Vollends aber fteht die
Kubrif „Stichreim wegen phonctiicher Abwechslung‘ als Rettungs-
apparat immer zur Verfügung. Weiß einer gar feinen andern Grund,
jo steht ihm diefe Rubrik immer noch offen, und wenn er fich Die
Partie jchlau abzugrenzen verjteht (jiehe oben ©. 217), fann er, jo-
bald ich einmal ein paar Vollreime oder ein paar Stichreime zu-
Sammenfinden, felich von altem und von neuem Kurs reden, und
wenn es dann nicht mehr weiter geht, dus heißt die Stichreime und
Vollreime wieder abwechjeln, die „phonetifche Abwechslung‘ zu Hilfe
rufen.
Dieje Statijtif iſt aber nicht bloß willfürlich, fie leidet auch
unter einem Nechenfehler. Woher weiß denn der Gtatijtifer, daß
Hans Sachs nad) Bollreim bei jcenijcher Aktion jtrebt? doc bloß
aus der größeren Zahl der Beijpiele. Daher ijt eine jtatiftiiche Ent-
ſcheidung dod) bloß dann möglid,, wenn aud die Fälle gebucht
iverden, die dagegen jprechen; das heißt nicht bloß die pofitiven, jondern
auch die negativen Belege (wie id) es oben bei den einzelnen Stüden
gethan habe). Herrmann aber zeichnet, wern er einmal bei Bollreim
ſceniſche Aktion vermuten zu dürfen glaubt, den Fall in die Rubrik
„Vollreim bei jcenijcher Aktion”. Wenn er aber ein anderes Mal
bei derjelben jcenijchen Aktion Sticyreim findet, dann ſucht er nad)
einem pojitiven Grund für diefen, und bucht den Fall z.B. unter der
jtets3 geöffneten Nubrif „‚phonetifche Abwechslung‘. Ohne Nechenfehler
müßte er den Fall aber auch in der negativen Rubrik „fein Vollreim
troß fcenifcher Aktion‘ buchen. Dann erft würde fich, auf ftatiftifchen
Wege, durch das Uberwiegen der pojitiven Rubrik über die negative
ein „Geſetz“ ergeben. Hoffentlich aber wird nicht ein anderer auch
noch diefen Weg betreten. Denn hier entſcheidet nicht die Quantität,
jondern die Qualität der Beijpiele. — Ende des Nachtrages.]
II.
Aber nicht bloß das, mas diejes Kapitel enthält, fommt in
Betracht, ſondern noch viel mehr das, was es nicht enthält.
Ich habe nämlich bisher alle hiftoriichen und chronologiichen
Borausjegungen Herrmanns ftillichweigend gelten laffen und nur
nachzuweiſen gejucht, day I. aud) unter diejen Vorausjeungen die
prinzipiellen Schlüfje faljd) find, und daß II. die zu Grunde Tiegen-
den Thatſachen auf Entjtellung des wirklichen Sacjverhaltes beruhen.
Jetzt muß ich an dieſe Vorausfegungen jelber die kritiſche Art
legen. (Vgl. jett auch Nachel in der Zeitichrift für deutſche Philo-
logie 29, 389 ff.)
231 3. Minor, Ztichreim und Treireim bei Hans Sachs.
und Auftritt ergiebt ſich hier — wie ich auch im meiner Beiprechung
hervorgehoben habe — jo natürlid) aus dem Charafter des Stücdes,
dap von einer neuen (rfenntnis, die dem Dans Sachs plöslich
jwijchen dem 21. November und 15. Tezember 1539 gekommen fein
müpte, nicht geiprochen zu werden braucht; zumal da er in den
beiden FFaftnachtipielen 14. und 15. vom 30. und 31. Dezember 1540
genau jo verfährt wie vorher. In beiden jind die Auftritte durd)
Stichreimfofigfeit gekennzeichnet, nur im Heuchler findet ſich bei einem
Abgang Vers 309 Stichreim: aber diejer Abgang unterbridyt den
Dialog nicht, der zwiichen den Zurückbleibenden fortgejeßt wird.
Dean sicht eben, daß mit der jchematijch-tatiftiichen Wtethode
hier allein nicht gearbeitet werden kann: die Charafterijtif des ein-
zelnen Falles iit notwendig. Aber man muß fi) aud) dabei hüten,
dem Dichter allzuviel unterzulegen. Wenn der gute alte Dans Sachs
lejen müßte, was S. 441 über jein Streben nad) Befreiung von der
mechanischen Regelhandhabung iteht, dat er zweimal .einen Auf:
ſchwung verjucht, das eine Mal etwas iiber, das andere Mal etwas
unter dem Durchichnitte bleibend’; oder wenn er leien müßte S. 453 1,
dag .die vierziger ‚jahre bereits eine Höhe in der Zahl der Aus-
nahmen und cine Neigung noch zur Steigerung dieier Höhe zeigen,
die den Dichter jtukig werden lien’ — jo würde der alte Knabe
wohl wirklich jelbit jtußig werden iiber das, was man ihm unterlegt,
und würde damı herzlich über die allzu gelehrten Yeute lachen, die
ihn im Verdacht zu haben jcheinen, dan er ſich ſelbſt bei feiner
dichteriichen Produktion mit jolchen feinen Tabellen und ftatiftiichen
Berechnungen über Stichreim und Vollreim fontrolliert habe, wie es
die grundgelehrte nene Forſchung' thut.“
Spätere Einſendungen kann ich nicht mehr berückſichtigen; der
Nachtrag iſt am 5. Januar 1897 in die Korrektur eingeſchaltet
worden.
Man könnte nun vielleicht einwenden, daß man ſich eben nur
über einen Modus der Zählung einigen und ihn konſequent feſthalten
dürfte, um ſichere Reſultate zu erhalten. Aber auch dieſe Hoffnung
wird durch die obige Enquete zu Schanden. Denn aus demſelben Bei:
ſpiel oben S. 212 f. und 2830 f. trägt Derrmann 2, Treicher dagegen
11 ‚sälle in diejelbe Rubrif „Vollreim bei ſceniſcher Aktion‘; ich
dagegen halte mid) am die ſceniſche Anweiſung als einzig jichere
Grundlage, und finde nur ein Beijpiel dafür und eines dagegen, die
natürlich die Rubrif jelbit aufheben. Wenn man ſich aber von den
jcenifchen Anweilungen ganz abzuſehen erlaubt, ift die ganze Zählung
völlig der Willfür preisgegeben: denn irgend einen (rund zu
jceniicher Aktion findet man bald, wenn man ihm bei jedem Noll:
reim jucht, obwohl ich nebenbei geſagt, bei bdilettierenden Hand—
%. Minor, Stichreim und Dreireim bei Hans Sachs. 235
werfern immer mehr an begleitende als an felbjtändige Aktion glaube,
weil jtummes Spiel das Schwierigere iſt. Vollends aber fteht die
Rubrik „Stichreim wegen phonetiicher Abwechslung‘ alg Nettungs-
apparat immer zur Verfügung. Weig einer gar feinen andern Grund,
jo jteht ihm diefe Rubrik immer noch offen, und wenn er ſich die
Partie jchlau abzugrenzen verjteht (jiehe oben ©. 217), kann er, fo:
bald jic) einmal ein paar Vollreime oder ein paar Stichreime zu—
fammenfinden, felih von altem und von neuem Kurs reden, und
wenn es dann nidyt mehr weiter geht, daS heißt die Stichreime und
Vollreime wieder abwechjeln, die „phonetiſche Abwechslung‘ zu Hilfe
rufen.
Dieje Statiftif ift aber nicht bloß willkürlich, fie leidet aud)
unter einem Nechenfehler. Woher weiß denn der Statijtifer, daß
Hans Sachs nad) Bollreim bei jcenijher Aktion ftrebt? doch bloß
aus der größeren Zahl der Beijpiele. Daher ijt eine jtatiftijche Ent-
jcheidung doc blog dann möglich, wenn auch die Fälle gebucht
werden, die Dagegen jprechen; das heißt nicht bloß die pofitiven, jondern
auch die negativen Belege (wie id) es oben bei den einzelnen Stüden
gethan habe). Herrmann aber zeichnet, wenn er einmal bei Vollreim
jcenijche Aktion vermuten zu dürfen glaubt, den Fall in die Rubrik
„Vollreim bei jceniicher Aktion‘. Wenn er aber ein anderes Mal
bei derjelben jcenijchen Aktion Stichreim findet, dann ſucht er nad)
einem pojitiven Grund für diefen, und bucht den Fall 3. B. unter der
ſtets geöffneten Nubrif „phonetijche Abwechslung‘. Ohne Rechenfehler
müßte er den Fall aber auch in der negativen Rubrif „fein Vollreim
trotz jeenijcher Aktion‘ buchen. Dann erſt würde fi, auf ſtatiſtiſchem
Wege, durch das Überwiegen der poſitiven Rubrik über die negative
ein „Geſetz“ ergeben. Hoffentlich aber wird nicht ein anderer auch
noch dieſen Weg betreten. Denn hier entſcheidet nicht die Quantität,
ſondern die Qualität der Beiſpiele. — Ende des Nachtrages.
III.
Aber nicht bloß das, was dieſes Kapitel enthält, kommt in
Betracht, ſondern nod) viel mehr das, was e3 nicht enthält.
Ich habe nämlich bisher alle hijtoriichen und cdhronologijchen
Vorausjegungen Herrmanns ftilljchweigend gelten laffen und nur
nachzumeijen gefucht, daß I. auch unter diefen Vorausjekungen die
prinzipiellen Schlüfje faljch find, und daß II. die zu Grunde liegen-
den Thatſachen auf Entjtellung des wirklichen Sachverhaltes beruhen.
Jetzt muß ich an dieſe Vorausſetzungen ſelber die kritiſche Axt
legen. (Vgl. jetzt auch Rachel in der Zeitſchrift für deutſche Philo-
logie 29, 389 ff.)
236 J. Minor, Ztihreim und Treireim bei Hans Sachs.
Derrmann will ung nicht bloß den Stichreim und feine Gelege,
jondern auch jeine hiſtoriſche Entwicklung bei Hans Sachs vor:
führen. Er findet aber, dar in dem Generalregiſter des Dichters die
Verszahl nicht immer mit dem erhaltenen Terte der Stüde über:
einftimmt. Er vermutet aljo, daß dieſe Stücke jpäter überarbeitet jein
müffen; und da bei diejer Überarbeitung aud) dag Werhältnis
zwiichen den Stichreimen und den Vollreimen gelitten haben kann,
geht er hin, und fcheidet dieje zweifelhaften Nummern vollſtän—
dig aus.
Wohlgemerft! er legt fie nicht etwa bloß für den Augenbfid
zurüd, jondern er jcheidet fie einmal für allemal aue.
Nun wird man zumächjt zugeben müſſen: dieſe zahlreichen
Nummern find dod) auch Tichtungen von Dans Sachs, die Stid):
reime und Bollreime enthalten. Sie gehören doch auch zu dem
Material, auf Grund dejjen wir uns eine Zorjtellung über den
Gebrauch des Ztichreims machen können. Sie fönnten unter Um:
jtänden vielleicht jogar bejonders auffallende oder einzige Er:
jcheinungen enthalten. Gleichviel wann tie entftanden find, unjere
Betrachtung fordern jie jo gut wie alle andern heraus. Ya, fie find
auch für den umentbehrlich, der eine WSeichichte des Dans Sachs—
ſchen Stichreims jchreiben will: weil man die Geichichte einer Er:
ſcheinung nicht eher Ichreiben kann, als man fie jelber kennt. Wie in
jeder Geiſteswiſſenſchaft Führt nämlich aud) bier der Weg nicht von
dem Detail zum (Sanzen, jondern vom (Sröberen ins Feinere. Wir
hätten es Derrmann jchon Dank gewunt, wenn er uns das Weſen
des Ztichreims und jeine Geſetze klar gezeigt hätte; aber er hat ge:
glaubt, er müßte ihn mwachien hören, und dabei iſt er zum erften
Deal geitrauchelt.
Zweitens aber wird man auch zugeben müſſen, dan dieſe aus:
geichiedenen Ztichreime, mögen jie nun überarbeitet jein oder nicht,
denn doch aus einer bejtimmten Periode ftammen müſſen. Wenn
alſo Herrmanns hiſtoriſche Unterinchung ein Reſultat ergeben hat,
jo darf er doch dieſe Nummern wicht ohne weiteres ausicheiden;
jondern er muß zuletzt unterſuchen, ob die Ztichreime, jo wie fie
bier vorliegen, der älteren oder der jüngeren Zeit angehören. Erſt
damit wäre ja die bloße Vermutung, daR die Überarbeitung auch
die Ztichreime angegriffen habe, zur Wahrjcheinlichkeit erhoben.
(Endlich drittens könnte fich der Fall ergeben, daß der Forſcher
gezivungen wäre, ein jo ſtarkes Material, feiner chronologiichen Un:
jicherheit wegen, auszujcheiden, das; ihn nur mehr lückenhafte Heite und
fein stetig zujammenhängendes Material zu Gebote ſtünde. In dieſem
Fall würde er dem Manne gleichen, der ſich im Begriffe nieder-
sujegen jelber den Stuhl unter dem Yeib fortzieht oder den Aſt ab-
%. Minor, Stichreim und Dreireim bei Hans Sachs. 237
jägt, auf dem er fißt. Man denke fich beifpielsweije, der Götz und der
Werther lägen erft in der Göſcheniſchen Ausgabe vor, von der wir
wifjen, daß fie die Texte überarbeitet giebt. Es hätte ſich einer die
Aufgabe gejtellt, die Spradje des jungen Goethe zu behandeln. Und
er wollte nun den Göß und den Werther ausscheiden, weil fie feine
jichere Gewähr für die Chronologie bieten. Man würde ihm dann
jagen: „Lieber Freund, wenn Du die Sprache diefer beiden Did)-
tungen chronologijch nicht fixieren fannjt, dann gieb Deine Abjicht
auf, denn ohne diejes Material geht es ein- für allemal nicht, es
fehlen Dir die Quellen.“
Die praftijchen Folgen diefer Erwägungen fuche ic) wieder an
dem vielgeprüften Ktapitel „Lehrjahre” aufzuzeigen, und zwar an den
Aufjtellungen, die jich auf die Faſtnachtſpiele beziehen.
In die Zeit von 1517—1539 fallen nad) dem Generalregijter
Hans Sachſens 12 Faſtnachtſpiele, ein ohnedies jehr Tpärliches
Material gegenüber dem Reichtum folgender „Jahre und Jahrzehnte.
Bon diefem Dusgend kann Herrmann nur fünf brauchen, weil die
Anzahl der Verje von der Angabe des Generalregijters hier nur
wenig abiweiche, der Fehler aljo im jchlimmften Falle ein jehr geringer
jei: Frau Venus (214 Verſe, GR [Generalregifter] 216, Diffe-
renz 2); Bis Weib (480, GR 476, Differenz 4); und die drei
legten: Nodenjtube (214, GR 216, Differenz 2); Narrenfchneiden
(379, GR 380, Tifferenz 1); : Bachenholen (384, GR 389, Diffe-
renz 5). Ausgefchieden ben dagegen: Eigenſchaft der Lieb (396,
GR 372, Differenz 24 Verſe); Armyt und Reichtum (440, GR 364,
Differenz 76); Buhler, Spieler und Trinker (495, GR 494, Diffe-
venz 1); Ungerathene Sohn (368, GR 362, Differenz 6); der Karge
und der Milde (504, GR 506, Differenz 2); der Fürwitz (435,
GR 422, Differenz 13); die ſechs Klagenden (280, GR 266, Diffe-
renz 14).
Man jieht aus dieſer Zufammenftellung, daß Stüde mit der
Differenz von 1 bis 5 Verjen aufgenommen worden find; andere da—
gegen mit der Differenz von 1, 2, 6, 13, 14, 24 und 76 Verſen
weggelafjen wurden. um läßt ja Gerrmann jelbft einen gemifjen
Spielraum gelten, da ſich Hang Sachs aud) verzählen fonnte (und
auch verzählt hat, wie ſchon allein die ungeraden Zahlen beweifen),
und da ja mitunter auch veimloje Zeilen vorfommen, die man niit:
zählen kann oder nicht und dergleichen mehr. Diefe Dinge laffen wir
hier liegen, weil c& uns ja nur auf das Prinzip anfommt, nicht
darauf, den von Herrmann ins heillofe verfahrenen Karren wieder
aus dem Graben zu heben. Jedenfalls würde es der Sache nur
wenig jchaden können, wenn Herrmann alle dieje Fälle, vielleicht mit
Aysnahme der Differenz 76, in Betracht gezogen hätte, denn was
Euphorion IV. 16
238 J. Minor, Stichreim und Treireim bei Hans Sachs.
fünnen denn Zuſätze von 2, 6, 2, 14, 24 oder jelbjt 76 Verſen
ausmachen, wo es fi) blog um die Stichreime handelt?
Ganz andere, nämlich grundftürzende Folgen aber bringt es
mit fich, wenn wir die Stüde ganz ausjcheiden und das Material
für das Faſtnachtſpiel in dieſer ohnmedies fargen Zeit um mehr als
die Däte reduzieren. Ich werde nun einmal unterjuchen, wie fich
die Entwidlung des Stichreims in den Fajtnachtipielen des Dans
Sachs darjtellt, wenn wir das bißchen Material nicht fo flinf bei:
jeite Schaffen.
In dem älteften Faſtnachtſpiel „Non der Eigenſchaft der
Lieb“, das aus Wechjelgeiprächen zwiichen dem Alten und dem
Ritter, und dem Ritter und dem ‚Fräulein beiteht, fommen 40 Stich—
reime und 5 Vollreime vor; an diefem Verhältnis können, da es fich bei
den Volfreimen überall um Reden von mehreren Reimpaaren handelt.
aud) die 24 viclleicht jpäter hinzugefommenen Verſe nichts geändert
haben. Tas Auftreten des Ritters und des Fräuleins wird weder
durch jcenijche Anweifung, nod) durch Vollreim markiert; nicht einmal,
wo eine neue Perjon ins Geſpräch gezogen wird, fteht Nollreim.
Nur bei dem Auftritt des Knaben und vor dem Beichlup finden wir
Bollreim. Wenn irgend etwas über die Chronologie des Stichreims
in den ‚zaltnachtipielen ficher ift, jo ift es das cine: dar Hans Sachs
überall dort, wo er das Zpiel mit den Monolog einer „eingehenden“
Perſon eröffnet, die zugleich an Stelle des Prologes die Begrüßung
der Zuſchauer übernimmt, diejen Prolog jpäter mit einem Reimpaar
ichliept, während wir hier noch Stichreim haben. Das jcheint mir ein
unverkennbares Zeichen frühen Entjtchens, weil es mit der fpäteren
bewußten Kunſtübung in directem Gegenſatz fteht. Herrmann ignoriert
diejes Stück, in dem der Stichreim fait ganz durchgeführt ijt, und
beginnt die Entwidlung mit dem ungefähr gleichzeitigen oder wenig
\päteren
„Venus“, das im geradem Gegenſatz zu dem vorhergehenden
lauter Yollreime, und nur an zwei Stellen Stichreim zeigt, die er
noch dazu auf die |pätere Nedaftionsarbeit zurückführen will. Tanad)
hätte aljo Dans Sachs bei der Redaktion in dem erften Ztüd den
Ztidhreim ganz durchgeführt, in dem zweiten aber nur an zwei
Stellen, nod dazu „ganz ohne Grund“ angebradht, was mir
wenigjtens ein Widerſpruch zu jein jcheint. Denn wenn er bei dem
zweiten nicht energifcher eingegriffen hat, danı werden auch in dem
eriten nicht alle Stichreime aus der }päteren Zeit ſtammen. ch
fönnte nun den Wideripruch leicht nach der Methode Herrmanns
erflären umd jagen: Dans Sachs vergifit in dem zweiten die Grund—
regel des eriten. Ich jage aber lieber: hier iſt ein Grundprinzip
eben nicht zu erfennen. Jedenfalls aber iſt Herrmanns Ausgangs:
J. Minor, Stichreim und Dreireim bei Hans Sachs. 239
punft falih: „Dans Sachs jet zunächſt völlig im alten Stile ein“,
das heißt mit Vollreimen. Er hat mit Stichreimen begonnen.
2on da wendet jid) Herrmann zu den übrigen Dramen. Es
liegt aud) erjt wieder 1531 ein Faltnachtipiel vor: „Armut und
Pluto“, Herrmann verdächtig durd die Differenz von 76 Berjen,
die möglicherwetje auf jpäteren Zuſatz deutet. Aber den Charakter der
Dichtung in Bezug auf die Stichreime fann die Überarbeitung nicht
alteriert haben, da das Verhältnis von 35 Stichreimen zu 5 Boll-
reimen fein empfindliches iſt und es fich faſt immer um längere
Reden handelt. Das Spiel hat nod) ganz den Charafter des Dialoges
und bei eingreifender llberarbeitung würde Hans Sachs wohl aud)
die epijchen Formeln „Armut die ſprach“ aus dem Text entfernt
haben, mit denen er die redenden Perſonen jedesmal einführt. Von
den Bollreimen fteht einer, wo eine neue Perfon eingeführt wird;
und zwei nad) beendetem Streit, wo die Parteien an das Urteil
appellieren und das Urteil gefällt wird. Halten wir diejes Stüd
neben das gleichzeitige „Charon“, jo finden wir bei Herrmann die
Charafterijtif: hier ſei als Grundprinzip der Vollreim gewahrt, aber
ihon ein Biertel Ausnahmen zu finden. In unjerm Faftnachtipiel
ift aljo genau das Gegenteil der all.
Das „Böje Weib” führt Herrmann auf das Faſtnachtſpiel
zurüd und er findet hier „plöglich den Stichreim faſt vollftändig
durchgeführt”, während in den früheren Dramen noch der Volfreim
Pegel, der Stichreim jtarf vertretene Ausnahme war. Der Unterjchied
in den dramatiichen Gattungen, meint er, könne nicht Schuld jein,
denn weder das Nürnberger Faſtnachtſpiel habe dazu die Voraus-
jegung geboten, nod) habe ihn Hans Sachs in der Venus ver-
wendet... Dan er in den zwei früheren Stüden, die Herrmann
ausgejchieden hat, faſt ausnahmslos durchgeführt ift, fümmert ihu
nicht; er hat ſie entweder gar nicht näher angejehen oder der Auf:
merkjamfeit des Leſers abjichtlich entrüdt. Und nun unterjcheidet er
den Stichreim in der Qufretia 1527 und den im Böfen Weib 1533
unter dem Gejichtspunft: „mecjaniiche Verwendung eines erlernten
Verfahrens“ und „überlegte Benutzung für künſtleriſche Zwecke“,
nachdem er früher jelber gezeigt hat, dag Hans Sachs ihn eben
nicht erlernt, jondern tajtend und juchend gefunden habe.
Die aus der folgenden Zeit erhaltenen Fajtnachtipiele hat
Herrmann wieder beijeite gelegt, jehr zu feinem Schaden. Denn wenn
irgendwo in diejen Dingen Ubereinſtimmung zu finden ijt, jo iſt es
hier der Fall. Tas Spiel von „Richter, Buhler, Spieler und
Zrinfer“, bei der auf offenbarem Irrtum beruhenden Differenz von
einem Vers ganz unverdächtig, enthält wieder Streitreden. 30 Stid)-
reime und 3 Vollreime; der erite hier jchon nach den Begrüßungs-
16*
240 3. Minor, Stichreim und Treireim bei Hans Sachs.
monolog, der andere vor der Beſchlußrede, der dritte im Dialog vor
dem feierlihen Schwur der Parteien, die Wahrheit zu jagen. Aljo
genau jo wie in der Yufretia 1527 und ungefähr fo wie in den
früheren ?Faftnachtipielen. Der „ungeratene Sohn“, bei der Diffe—
renz von ſechs Verſen auch unverdädtig, enthält neben 52 Stich:
reimen 10 Vollreime, davon einen nad) der Begrüßungsrede und
einen vor der Beichlußrede — aljo genau dasfelbe Verhältnis wie
im vorigen Ztüd. Der „Karge und der Milde“, bei der Differenz
von zwei Xerien ganz unverdächtig, enthält bei 49 Ztichreimen
4 Rollreime. Ein Begrüßungsmonolog fehlt hier, der Vater tritt
glei) mit dem Zohn auf, es kommi daher gleich ein Dialog mit
Stichreim in Gang; vor der Beſchlußrede jchließt das Reimpaar,
aber mit einzeiliger Rede. Yon den Vollreimen jteht einer beim Auf:
treten des zweiten Zohnes, zwei andere an enticheidender Stelle:
dort wo der Vater den beiden Zöhnen in Bezug auf die Erbichaft
die Mahl läßt; und dort, wo er erklärt, Fremde zu Erben einjegen
zu wollen. In dem „Fürwitz“, bei der Tifferenz von 12 Verſen aud)
nicht jehr verdächtig, tt das Verhältnis der Ztichreime zu den Zoll
reinen das von 97:15. Nollreim nad der Begrüßung und vor dem
Beſchluß: beim Auftritt des Jünglings jchliept dag Neimpaar, aber
mit einzeiliger Mede; beim Abgang Eckarts Stichreim. Wei den
„Sechs Klagenden“ fallt die Differenz; von 14 Zerjen bei den maß»
[08 langen Meden gar nicht ins Gewicht. 10 Stichreime und 4 Roll:
reime: davon zwei nad) der Begrüßung und vor dem Beſchluß. Und
nun ſetzt wieder Herrmann ein: er meint, dar Hans Sachs in ber
„Rockenſtube“ nach ihm 27 Ztichreime zu 10 Wollreimen) die
Technik der Eſther fortbilde :19 Ztichreime zu 38 Nollreimen), wo
faft das entgegengejegßte Verhältnis herrſcht. Im „Narrenichneiden“
50 Stichreime zu 34 Vollreimen. Im „Bachenholen“ 70 Stichreime
zu 21 Vollreimen.
ch Stelle nun nach meiner Rechnunge die Zahlen zujanımen
in den SFaftnachtipielen und lafle nur die „Wenns“ auge, in der der
Tichter, mit Derrmann zu reden, in das andere Extrem fällt:
Stichreim Vollreim
Eigenſchaft der Liebe. . .. 40 : b
Armut und Bluto. . . .. 3b : 5
wol Meb. . 2 2 2 86 : 5
N 1 DT De 30 3
Ungeratener Zoh en 52 10
Narr een 40 : 4
Fürwitz . rn ir‘ ; 15
Sechs Nlagende . . 2... 10 :
Rodinfiube . 2 2 2 22. 26 : N
Marrenichneiden . W x2 31
Kachenholen on .. 66 : 10
3. Minor, Stihreim und Dreiveim bei Hans Sachs. 241
Das Verhältnis jchwanft, nad) dem Charafter der Stücke, der
ja ein jehr verjchiedener tjt. Aber jolche Sprünge wie in Herrmanns
Chronologie fommen doch nicht vor; das „Grundprinzip“ bleibt wenig-
ſtens dasfelbe. Und damit glaube ich nachgewiefen zu haben, daß aller-
dings in den Faſtnachtſpielen, und hier ganz allein, eine gleichmäßige
Entwidlung des Stichreimes ſich verfolgen läßt. Damit will ich
aber nicht jagen, dag Hans Sachs etwa ein „Grundprinzip“ wie
eine Brille auf die Naje gejtedft habe, wenn er an einem Faſtnacht—⸗
jpiele jchrieb, das er dann wieder in die Tajche ſteckte, wenn er eine
Tragödie jchried. Sondern nur: daß der Ton und Anhalt der
übrigen Dramen ein noch viel verjchiedenerer, und daß, worauf id)
das Hauptgewicht lege, die Arbeit des Dichters eine zu ungleid)-
wertige iſt. Es find ihm, wie überall, fo aud) mit dem Stichreim feine
Kunſtſtücke gelungen; aber ebenfo oft hat er ihn ganz funjtlos und
ſtumpf angewendet oder nicht angewendet. Wer uns die Kunſt des
Hans Sachs auch auf diejem Gebiete zeigen will, der muß, wie id)
e3 oben mehrmals gethan, Beifpiele und Belegftellen auswählen. Die
Maſſe und die Statiftif machts nicht aus.
IV,
Jede Statijtif, die nicht ein unfruchtbares Spiel mit Zahlen
bleiben joll, jegt ald Grundlage die genaue Kenntnis des eigentlichen
Mejens der Erjcheinung voraus, die fie zum Gegenjtand hat.
Was iſt denn der von Herrmann fo genannte „Stichreim“ und
wodurd) unterjcheidet er jich von dem gewöhnlichen Reim?
Ta iſt zunädjit Klar, dag der Unterfchied auf dem Gebiet des
Hörbaren nur ein jehr geringer ift. Das NReimwort fällt beint ge:
wöhnfichen Reim jo gut wie beim Stichreim, zur Erfüllung der
unvollkommenen Harmonie, die das hörbare Wejen des Reimes aus—
macht (denn befanntlich gelten die Gejege der Harınonie auch für
das Nacheinander, wie die Melodie zeigt). Der einzige Unterjchied
bejteht darin: daß die Neimworte beim Stichreim von verjchiedenen
Stimmen fallen, aljo möglicherwetje beim lauten Vortrag durch mehrere
Perjonen in der Tonhöhe und in der Tonfarbe unterfchieden jind.
Es iſt aber ebenjo flar, daß diejer Unterſchied erjt bei dem Vortrag
durch mehrere Perjonen zur Geltung kommen kann; daß ihn der
Dichter, auch wenn er jeine Gejtalten wirklich reden hört, gewiß nur
jehr undeutlid) empfindet. Höchſtens bei chargierten Charafteren oder
wenn er jelber zugleich) Scjaujpieler ijt, wird der Dichter ein jo
lebendiges Ohr bejigen, um den Unterfcjied der Stimmen während
de3 Schreibens zu hören. Aus diefem Grunde erkläre ich Herrmanns
Hypotheſe von einer bewurten Abwechslung zwifchen Stichreimen und
242 J. Minor, Ztihreim und Treireum bei Hans Sachs
Nollreimen in verjchiedenen Scenen für eine Utopie. Ebenjogut fönnte
man 3. B., wenn auf einen Monolog cin Tialog folgt, jagen: der
Dichter führt eine zweite Perjon ein, um die Eintönigfeit des Mono-
loged durch Zweiſtimmigkeit zu unterbrechen, was bei einem Kom—
poniſten richtig ſein mag, bei einem dramatiſchen Dichter aber niemand
zu behaupten einfallen wird; oder man könnte ebenſogut behaupten,
daß der Dichter die Abwecholung von hohen Frauenſtimmen mit
tiefern Männerſtimmen bezwecke und dergleichen mehr, wofür man
bei geſchickter Arrangierung der Zahlen immer einen Scheinbeweis
führen kann. Ebenſowenig iſt der Stichreim im ſtande, ganzen Scenen
eine „phonetiſche“ Färbung zu geben; denn er wirkt nur an Ort
und Stelle, ſeine Wirkung iſt zu Ende, ſobald das zweite Reimwort
gefallen iſt, jede Nachwirkung wird durch die weit überwiegende
Anzahl von Reimpaaren, die außerhalb des Dialogwechſels ſtehen,
geradezu unmöglich gemacht.
Die Wirkung des „Stichreimes“ liegt alſo nahezu ganz auf dem
(Hebiete des Sinnes. Leder Heim beiteht aus Erwartung und aus
Erfüllung; der Unterichied it, daR dieje Erfüllung des Klanges und
des Zinnes bier von einer anderen Perſon kommt und daher eine
Ichlagende Wirkung ausübt, die dem Dialog beim In die Rede fallen,
bei Frage und Antwort zu gute kommt und die engite Nerfnüpfung
von Rede und Gegenrede ermöglict.
Daraus folgt weiter, daß die Wirkung des „Stichreims“ feines:
wegs tiberali aleich ſtark tft. No bloß die Harmonie unerfüllt ift, wo
die erite Reimzeile feine Erwartung durch den Zinn erregt, da wirft
auch die zweite nicht als Erfüllung. Ter Zuſammenhang iſt hier
ein ganz äußerlicher. So kann der Stichreim bei einzeiligen Reden
jeine Kraft völlig einbüſſen, wenn die Sinnesabſchnitte zwijchen den
Keimpaaren jtärter jind als die zwiichen den Neimzeilen. 3. B.
a?a | b?’b. | e?e N
Dan dente ſich eine Reihe von einzeiligen Fragen und Antworten,
die verjchiedenen Perjonen in den Mund gelegt find. Hier rücken Die
durch die prechenden Perjonen getrennten Selen durch den Sinn jogleid)
näher aneinander, und die Wirtung iſt dieſelbe wie die der Xollreime.
Umgefehrt kann auch die Wirkung des Ztichreimes durch den
Rollreim erreicht werden. Man denke ſich das obige Beiſpiel jo
variiert, dan auf ein fragendes Reimpaar ein antiwortendes folgt:
aa? bb. | ee? dd.
der man denfe fich gleichgegliederte Paralleliüge, 3. B. die mit 1
bezeichneten als Nebenſatz, die mit 2 bezeichneten als Hauptſas, die
mit 3 bezeichneten als priamelartigen Schlußſatz:
a ad, bie, ed, d,.
J. Minor, Stichreim und Dreireim bei Hans Sachs. 243
In beiden Füllen wird der Zufammenhang zwijchen den Reimpaaren
ebenjo jtarf jein als jonjt bei den Stichreimen.
Der Stichreim iſt ein Kunjtmittel unter vielen, die der Dichter
in Bereitjchaft hat, mit dem er gewifjfe Wirfungen leicht erzielen
fann. Er kann aber diejelbe Wirkung aud) mit anderen, ftilijtifchen
oder metrifchen, Mitteln herbeiführen. Und er kann umgefehrt mit
demjelben Kunjtmittel auch jehr verjchtedenartige Wirfungen hervor-
rufen. Darum ift e8 gar nichts jo Auffälliges, wern Hans Sachs
bei derjelben Gelegenheit oft die Methode mechjelt und z. B. die
Gerichtsverhandlung in der „Pallas“ anders behandelt als in der
„Lukretia“. Verbindet er die aufeinanderfolgenden Reden durch Stid)-
reim, jo wird aus den einzelnen Reden ein zujammenhängendes
Ganze, eine Scene. Trennt er die Reden durch Vollreim, fo jondert
er jie von dem umgebenden Dialog ab und hebt fie al3 bejondere
Zeile heraus. Im erjten Falle gewinnt die Scene alg Ganzes, im
zweiten die einzelne Rede. Beide Methoden haben ihre Vorteile, die
man nur an dem bejonderen yall erfennen, nicht in fertige Rubrifen
bringen kann.
Der Bollreim dagegen unterjcheidet fih in gar nichts von dem
gewöhnlichen Reim; und Herrmann, den jchon der Name „Stichreim”
von der richtigen Erkenntnis abgeführt hat (fiehe unten), ift durch
den Namen „Vollreim“ noch mehr in die Irre geführt worden. Der
Vollreim iſt metriſch genau dasjelbe wie der gewöhnliche unge:
brochene Reim im Innern einer längeren Nede. Durd) den Schluß
der Nede wird er nicht berührt, weil jeine Wirfung im Innern
liegt, in dem jinnlichen und geiftigen Band, dag die Neim-
zeile a mit der Reimzeile a verbindet. Der VBollreim tft gar
nichts Pofitives, er tft nur das Fehlen des Stichreimes, deſſen
Wirkung umgekehrt darauf beruht, dag er den gewöhnlichen Reim
unterbricht.
Unter diejem, dem metrifchen, Geficdhtspunfte fommen daher für
die Statiftif die folgenden Momente in Betradht: 1. die Anzahl der
Reimpaare einer Dichtung; 2. die Anzahl der gebrochenen, dag heit
der zwijchen mehrere Perjonen verteilten Neimpaare; 3. die aus
einer einfachen Subtraftion hervorgehende Anzahl der ungebrochenen
Reimpaare.
Das find Hiffern, die jich mit zweifellofer Sicherheit fejtitellen
und rubrizieren lajjen.
An Stelle der Sejamtzahl der Reimpaare hat nun Herrmann
die Dialogitellen eingeführt, von denen er auf Grund eines Nechen-
fehlers die Scenenſchlüſſe abzieht (darüber jiehe oben ©. 214 f.). Diefer
Begriff ijt zunächſt jchon mathematisch) unjicherer: denn unter Dialog-
ſtelle kann doc) nur jede Stelle gemeint fein, wo die redenden Perjonen
244 J. Minor, Stichreim und Treireim bei Hans Sachs.
abwechſeln. Es wären aljo, wenn 3. B. zehn einzeilige Reden auf:
einander folgen,
a.a. .b. e.e. d.d. e.e.
123456 789
neun Tialogjtellen vorhanden und nur fünf Reimpaare. Wir können
affo, wo es fich um einzeilige Neden handelt, bei jedem Reimpaar
nur eine Dialogitelle zählen, weil dasjelbe Reimpaar im Dialog nicht
zugleid) als Stichreim und als Vollreim gebucht werden fann. Ich
bin aber gar nicht jo ficher, dag Herrmann aud hierin fonjequent ver:
fahren iſt; ich glaube vielmehr, daß manche Differenz zwiichen feinen
und meinen Ziffern darauf zurüdgeht, dar er oder vielmehr jeine
Dandlanger nicht konſequent verfahren jind und an foldyen Stellen
einmal neun, dann wieder fünf T Tialogftellen gezählt haben.
Th nun jo oder jo gezählt, jo iſt die Anzahl der Dialogſtellen
metrijch ganz wertlos. Denn die Anzahl derjenigen Dialogſtellen,
wo jich wirklich etwas Hörbares ereignet, ijt ja in der Anzahl der
Stichreime enthalten. An allen übrigen Stellen aber liegt eine pofitive
metriſche Erſcheinung innerhalb des Reimpaares gar nicht vor. Für
den Stil iſt es matürlich intereffant zu fonftatieren, wie oft die
Reden wecjeln: jelbitverftändlich muR man aber dann alle Tialog-
jtellen zählen, auch wenn zwei innerhalb des Reimpaares fallen, und
weil Herrmann dies nicht gethan bat, jo find die Angaben über die
Anzahl der Vollreime auch Itilifttich wertlos. Für die Metrik dagegen
iſt es ganz gleichgültig, wer jekt redet und wer dann, wenn nicht
der Wechſel der Rede innerhalb die metriſche Einheit des Verſes,
der Strophe, des Reimpaares) fällt. So buchen wir ja auch beim
rünffügigen Jambus zwar die Anzahl der Derje, die zwiſchen zwei
Perjonen verteilt find, aber nicht die Anzahl der ‚Fälle, wo die Rede
mit einem ganzen Vers ſchließt.
Aber die Zählung der Stichreime und der Vollreime wird bei
der Aufeinanderfolge von mehreren einzeiligen Neden überhaupt un:
durchführbar. Denn cine Ztelle wie dieſe
a.a. b.b. e.v. d.d. e.e.
kann ich natürlich ebenjogut als Vollreime
a.a.,b.b. | e.e.ı:d.d. | e.e.
wie ala Stichreime achten
a... Ib. e.le. d.]|d. e.ie.
Nun wird zwar atbematii die Entſcheidung durd die Umgebung
beſtimmt: ſchließt die vorhergehende Nede mit Vollreim, jo ergeben ſich
.xx..a.a.!b.b.fe e./d.d.le.levy.
J. Minor, Stichreim und Dreireim bei Hans Sachs. 245
Schließt fie mit Stichreim, fo ergeben ſich
.xxa.ja.b.|jb.e.je.d.|d.e.jeyy
und ähnliche Figuren am Schluß. E3 ift aber auch Har, daß dieſe
Abteilung bloß mathematijc und nicht in der Sache begründet ift. Wir
halten uns bloß an den logiichen Begriff und an das mathematijche
Kalful, wenn wir jolche Verſe ein- für allemal als Stichreime oder
als Vollreime betrachten. In Wirklichkeit ift e8 ganz von dem Inhalt
abhängig, welche von den ijolierten Zeilen untereinander das nähere
Berhältnis haben und ob alſo die Stichreime gehört werden oder nicht.
Daraus erklärt jid) nun auc der Widerjprud; Herrmanns, bei
dem die Einzeiligfeit einmal den Stichreim befördern, dann wieder
ihn aufhalten joll (S. 427. 428. 454. 466; Euphorion 3, 699). So
in Baufd) und Bogen, wie Herrmann jein Thema behandelt, vom
mathematitchen und vom logiichen Standpunkt aus, ift mit der Ein:
zeiligfeit natürlich immer Stichreim gegeben. Wenn Herrmann, ohne
den Widerſpruch zu bemerken, dann wieder fagt, die Einzeiligfeit
hemme den Stichreim, jo denft er an Fälle wie diefen:
1.
...a.ab.be.ce.[yyzz.
Hier hemmt ja die ijolierte Zeile c allerdings den Stichreim, das heißt
jie macht den libergang in Reimpaare möglich. Aber ein innerer
Zuſammenhang bejteht nicht. Denn der Dichter fünnte natürlich
ebenjogut mit y.y.z.z weiter fortfahren. Die ijolierte Zeile hat
feine andere Folge, als daß fie die gerade Zahl der Verſe voll mad)t.
Man müpte jonjt auch jagen: die legte Zeile einer Strophe hat den
Zwed, daß der Dichter eine neue anfangen kann, was inhaltlid)
gewiß oft richtig jein kann, metrifch aber unhaltbar ift. Dagegen ijt
mit jeder einzeiligen Rede ein Stichrein notwendig verbunden, ent:
weder mit der vorhergehenden oder mit der nachfolgenden Reimzeile.
Das hängt wieder damit zufammen, daß die Wirkung des Stid)-
reimes innerhalb des Reimpaares liegt. Iſt dieſes nicht voll, fo ift
er notwendig gegeben. Nad) außen hin aber hat er gar feine metrifche
Folge, das folgende Neimpaar vermag er nicht zu beſtimmen. Aud)
daraus ergiebt ji), daß der Vollreim gar nichts ift alg eben ein
Reim. Eine ganze Neihe von Irrtümern Herrmanns erklären fid)
daraus, daß er erjt die Gejeke für den Stichreim im Gegenjaß zum
gewöhnlichen Reim jucht, und dann wieder pofitive Gejege für den
Vollreim, während diejer doch nichts anderes als fein Stichreim tft.
Mit den Gejegen für den Pollreim hat die Metrif jo wenig zu
ihaffen als mit den Dialogitellen. Diefe Geſetze laſſen fich einfad)
dahin zujammenfafjen: dag der Stichreim nicht eintritt, wenn die
Bedingungen für ihn nicht gegeben jind.
246 3. Minor, Stichreim und Treiveim bei Hans Sachs.
Aber etwas anderes kommt für die Metrif in Betracht, das id)
zunächſt an einem Beiſpiel erläutern will. Herrmann behauptet, durch
den „Wolfreim” am Schlufje einer Zcene fomme der Tichter dem
Auge des Zujchauers mit einem Wink ans Chr zu Dülfe Dean
denfe ſich nun den all, daß die Scene mit einer längeren Rede
jchliegt, die aus ungebrochenen Reimpaaren beiteht, alſo
aa. bb.cec.dd.ee. MT. | (Scenenfhlup).
Ich frage, wo ergeht hier ein Wink an das Chr des Zuſchauers?
Entweder werden hier hintereinander jechs Winfe erteilt, die ſich in
ihrer Wirkung gegemieitig aufbeben, oder cs wird gar feiner erteilt.
Ganz anders aber liegt die Sache, wenn diefe Rede nicht aus um:
gebrochenen, jondern aus gebrochenen Reimpaaren bejteht und mit
einem Reimpaar jchlient; aljo
.a.ab.be.ed.de.ef.
In dieſem Falle iſt allerdings am Schluſſe etwas Hörbares und
Fühlbares zu beobachten. Während nämlich in dem vorhergehenden
KReimpaar einmal der innere Sinn feine Erfüllung fand, dann wieder
der äußere; während aber Erwartung und Erfüllung des Inneren
und des äußeren Sinnes niemals zuſammentrafen, finden zuletzt beide
ıhre Erfüllung. Es wird nichts mehr erwartet: weder cin hörbarer
Reim, noch ein zum Verſtändnis notwendiger Zap oder Zaßteil.
Jetzt iſt nicht dem Chr ein Wink au das Auge aufgetragen, aberı
wirklich ein Abſchluß markiert. Auch dieſe Markierung iſt nur etwas
Negativen.
Was Ichrt uns diejes legte Beiſpiel? Tan die Unterjuchung des
von Perrmann jogenannten „Ztichreimes" von der Reimbrechung
im Innern der Reden gar nicht loszutrennen iſt. Es iſt nicht der:
ſelbe Fall, wenn eine Rede oder eine Zrene mit „Bollreim“ jchliept,
ob in ihrem Innern Neimbrechung herrſcht oder nicht.
Tamit bin ich an den Ausgangspunkt Derrmanns zurüdgelchrt.
Herrmanns Norgänger, der bejcheidene Nadel und Sommer, haben
die unter zwei redende Perjonen verteilten Reimpaare als einen ‚all
der Reimbrechung betrachtet, und mit Recht. Herrmann bat damit
angefangen, dar er den bejonderen Fall von dem allgemeinen ganz
abgetrennt und mit dem Terminus „Stichreim“ verjehen hat. Metriſch
giebt es weder einen „Stichreim“ noch einen „Bollreim“, das ift
eine rein ſtiliſtiſche Unterſcheidung. Metriid) giebt cs bloß eine Reim:
brechung. Und zu der wollen wir auf einem langen, mübevollen, un:
erfreulichen Ummeg künftig aud wieder zurüdfehren. Herrmanns
Arbeit bat unſere Erkenntnis nicht gefördert, jondern nur verwirrt.
J. Minor, Stichreim und Dreireim bei Hans Sachs. 247
V.
Ich behaupte aber weiter auch, daß es Herrmann an dem guten
Willen gefehlt hat, meine Aufſtellungen richtig zu verſtehen, und daß
er ſie abſichtlich nicht verſtehen wollte. Dafür berufe ich mich auf
das folgende Beiſpiel.
Ich Habe in meiner Metrik den Satz aufgeſtellt (356): „Der
Abſchluß einer längeren Rede oder ein Scenenſchluß (beim Abgehen
einer Perſon) wird durch ein volles Reimpaar markiert, nur der
letzte Akt wird mitunter mit dem folgenden Epilog durch den Reim
verknüpft.“
Die Fälle, auf die ſich dieſe Behauptung gründet, ſind die
folgenden: 1. 1527 F Lukretia. 2. 1538 F Der Fürwitz. 3. 1539 F
Die fünf elenden Wanderer. 4. 1550 F Der Bauer mit dem Kuh:
dieb. 5. 1550 F Joſef und Meliffo. 6. 1551 F Der halbe Freund.
7. 1551 F SKefberbrüten. 8. 1551 F Die wählerifche Buhlerin.
9.1551 F Der fahrende Schüler. 10. 1551 F Das heiß Eiten.
11. 1552 F Partedenjad. 12. 1552 F Der Bauer im Tegfeuer.
13. 1553 F Der Giferer. 14. 1553 F Dionyjus und Damon.
15. 1553 F Das böje Weib gut zu machen. 16. 1553 F Kaiſer
Auguftus. 17. 1563 F Der Bauer mit dem Plerr. 18. 1563 F- Die
Bürgerin mit dem Dombherrn. 19. 1563: F Die Kupplerin mit dem
Domherrn. 20. 1564 F Der tote Mann. 21.1554. F Die wunder-
lichen Männer. 22. 1554 F Der liederliche Diann. 23. 1554 F Der
Pfarrer. 24. 1554 F Sanct Peter. |
Dieje Stellen waren Herrmann befannt (nur hat der Statijtifer
natürlich wieder die ungenaue Zahl 20 anjtatt 22 Faſtnachtſpiele),
als er mir entgegenhielt, mein Sag müßte in Gegenteil, um richtig
zu jein, lauten: „Der legte Aft wird niemals mit dem folgenden
Epilog durch den Keim verfnüpft. Welche Stellen Minor im Auge
hatte, als er diejes ‚mitunter’ jehrieb, iſt mir völlig rätjelhaft.“
In einer Anmerkung erinnert er fid) nun der „einzigen Aus-
nahme 1527 F Lufkretia“, die doch das ‚niemals‘ feines Textes
wieder aufhebt, und er meint: darauf könne ich mic) natürlich nicht
berufen! Aus dem Verweis auf eine andere Stelle feines Buches er-
giebt fich, dag er mir diejes Beilpiel darum entziehen will, weil in
der Lukretia aud) die Scenentchlüffe nicht durd) Vollreim markiert
find. Ich nehme es trogdem für mich in Anfpruch; denn id) habe
ganz im allgemeinen geredet und nicht behauptet, daß jich der Voll:
reim am Scenenſchluß und der Stichreim vor dem Epilog in dem:
felben Stüde immer zujammenfinden müfjen.
Auch die 22 inicht 20) Fajtnachtipiele will er mir entziehen und
jtellt ji) ganz verwundert: „Welche Stellen Minor im Auge hatte,
248 J. Minor, Stichreim und Treireim bei Hans Sache.
als er dieſes .mitunter’ jchrieb, iſt mir völlig rätjelhaft. Sollte er
etwa an die zwanzig zaltnachtipiele denfen, in denen die vorlegte
und die legte Rede durch Stichreim verbunden iſt? Hier handelt cs
jich aber niemals um einen Epilog, jondern jtets um eigentlichen
Dialog und da lag natürlich für die Einführung von Zweireim oder
Dreireim nicht der geringfte Grund vor.“
Ich Eonftatiere wieder, daß von Zweireim oder Treireim bei
mir gar nicht die Rede tit, jondern bloß von der Neimbrechung;
dar aljo Derrmann aud) hier wieder den Wortlaut und den Zinn
meiner Worte entitellt hat.
Glüclicherweije aber bejiet Hans Sachs eine ganz bejtimmte
Formel, durch die er den Epilog fennzeichner; nämlich die Worte:
„er beſchleußt“, die er in jeinen Tramen von dem Derold, in feinen
Faſtnachtſpielen aber von der Perjon gebraucht, die an die Stelle des
Herolds als Schlußredner tritt. Diete jcenijche Anweijung findet man
unter den oben citierten Weilpielen ſiebenmal: 1539 Wanderer ‚Der
Wirt beichleunt”: 1551 Der balbe Freund „Der halb Freund beut
ihm fein Hand und beſchleußt“: 1553 Der Eiferer „Ter Ciferer
beſchleußt“: 1553 Kaiſer Auguſtus „beichleußt‘‘; 1563 Der Bauer
mit dem Plerr beichleußt: 1563 Witrgerin mit dem Dombherrn „die
Mutter beſchleußt“; 1563 Die Nupptlerin „die ‚rau beichleußt‘‘;
1559 Zunet Peter „der Herr beſchleußt“. Daraus ergiebt ſich, daß
Dans Sachs die Schlußreden ebento wie die Reden des Ehrnholds
als Epitoge betrachtet hat. Mein „mitunter“ wäre alſo fchon durch
dieje fieben ‚zülle begründet. Ich nehme aber aud) die übrigen Bei:
jpiele für mid) in Anjpruch, weil fie alle entweder ſchon durd) die
Ychre oder durch den Glückwunſchreim auf Dans Zachs aus dem
Dialoge fallen. Seltſamerweiſe macht Derrmann, der ſonſt immer
von dem formalen GSejichtspunft, der Turcführung eines Prinzipes
ausgeht, bier auf einmal Kehrt, und jtellt jich auf den entgegen:
geiegten Ztandpunft. Tan der Epilog bier in den meiſten ‚Fällen,
durchaus nidyt immer, mit dem Dialog innig verbunden ift, das
weiß ich recht gut: darin beiteht ja eben die Wirkung des Stidy-
reims. Herrmann jagt: den Nollreim zu ſetzen, war hier fein rund.
sch jage: aber den Stichreim zu jeken, war ein Grund. Und daß
bier eine beachtenswerte Ericheinung vorliegt, wird jeder zugeben,
der etwas von der Sache verſteht. In den übrigen Faſtnachtſpielen,
wie in faſt allen Dramen, ift der Prolog und der Epilog von dem
eigentlichen Ztiide durch die Reime abgetrennt; das eigentliche Stück
beginnt umd endet mit einem ſelbſtändigen Reimpaar. In diejen
22 Stücken aber in mehr als einem Niertel: ſteht nur der Prolog
jelbftändig da, das Stück läuft in den Epilog aus. Aber jolche
TIhatjachen, die ſich wirklich ziffermärig feititellen laſſen, kümmern
3. Minor, Stichreim und Dreireim bei Hand Sachs. 249
unjeren Helden nicht. Ihm iſt nur wohl, wo er im trüben Waffer
fiſchen kann.
So ſteht es, wenn wir ſie einmal zwingen, anſtatt unter dem
Tiſche, vor unſeren Augen auf dem Tiſche zu arbeiten, mit dieſer Art
von Spezialforſchung, die auf unſer „ſchönes Streben nach Univer—
ſalität“ höhnend herunterſieht, und nur auf die „thönernen Füße“
unjerer Arbeiten aufmerfjam maden zu müfjfen glaubt. Gewiß! in
den, was jich nicht zählen läßt, jondern nur abjchägen, mag ich in
meiner Metrif mit meinen Vorgängern geirrt haben. Aber aud) Herr-
mann bat in feiner hundert Seiten langen Spezialjtudie dieje Dinge
nicht ins reine gebradt. Und in den, was jich zählen läßt, find
jeine Angaben durch die Banf falſch und unzuverläflig.
Das Einzige, was mid) über den Verluſt meiner wertvollen geit,
die ich zu etwas Befjerem hätte verwenden können, zu tröjten ver:
mag, iſt das Bewugtjein, dag diejer Kampf einmal hat ausgefocdhten
werden müjjen. Es hat ſich in neuerer Zeit eine Gattung von
Pleudophilologie durchzujegen gewußt, die unter dem Scheine der
Eraftheit immer nur mit Mefjungen und Zählungen aufwartet,
auch wo fich jeder Vernünftige von vornherein jagen kann, daß das
Meſſen und Zählen eine Unmöglichfeit ift. Ein Deineraloge hat mir
einmal gejagt, daß es möglicherweife eine Entdedung von unermep-
licher Zragmweite ergeben fünnte, wenn man die Summe und das
Gewicht aller Kieſelſteine auf Erden nicht bloß abſchätzen, fondern
genau bejtinmen fünnte — es werde aber hoffentlid) niemand fo
von feinen Sinnen verlajjen fein, diefe ausſichtsloſe Arbeit zu be-
ginnen. Man braucht nur ein paar Dramen von Hans Sachs in
Bezug auf den Stichreim durchgearbeitet zu haben, um zu erfennen,
daß jich eine Entjcheidung auf Grund der Ziffern nicht fällen läßt,
weil die Fälle zu verjchiedenartig und nur an Ort und Stelle
richtig zu beurteilen jind. Eid) nun aber gar mit fünf jungen Leuten
auf den Weg zu machen und eine heillofe Regiftrierung vorzunehmen,
ehe man noch über die Art der Zählung und der Nubrizierung im
Reinen ijt, das iſt eine von allen guten Geijtern verlafjene Methode.
Wenn dieſe Arbeit überhaupt gemacht werden kann, jo kann jie nur
von Einem gemacht werden; denn fie fordert die forgfältigfte und in-
dividuellite Erwägung jedes bejonderen Falles. Ich bedauere von
ganzem Herzen die armen jungen Leute, die dabei blog als Hand—
langer ausgenntzt worden jind und nichts, aber aud) gar nichts gelernt
haben, nicht einmal richtig zählen. Die Unterſuchung von Herrnann
iſt eine Arbeit, die in unſerer Wiſſenſchaft gottlob vereinzelt dajteht.
Aber wenn and) nicht dem Grade nad), fo hat ſie doc) der Methode
nad) mehr Verwandte, als jedem, dem es um die Sache zu thun tft,
250 J. Minor, Ztichreim und Treireim bei Hans Sachs.
lieb fein kann. Philologie ijt für viele eine Wiſſenſchaft, die auf einem
leeren Spiel mit Zahlen beruht und durch ein findiges Arrangement
von Ziffern Scheinrejultate erzielt. Aber die Thatſachen, die unjerer
Wiflenfchaft zu Grunde liegen, find nicht die Zahlen und nicht die
Ziffern, auch nicht die Citate und die Parallelftellen. Die fann man
fih fir jede Behauptung verichaffen, bejonders wenn man viele gute
Freunde hat, die einem nicht Scharf auf die Finger jehen! Die cchte
Philologie beruht auf der richtigen Geſtaltung und den richtigen
Verſtändnis des Tertes und auf der Empfindlichfeit gegenüber dent
Anhalt und der Form. Man braudyt aber nur einen Blick in unjere
neuere ‚zaujtlitteratur zu werfen, um zu jehen, wie dieſe Pieudo-
philologie jogar an Stellen jtrauchelt, bei denen es jelbjt einem ge—
bildeten Gymnaſiaſten nicht an Verſtändnis und an Empfindlichkeit
gefehlt hätte. Nur das Unſichere und das Umnfruchtbare reizt jie; und
jie glauben, dap man feinen guten Gedanken haben kann, der zugleich
auch wahr iſt. Tie fliegenden Brüden der Hypotheſen jchlagen fie
nicht iiber die Thatſachen hinüber, jondern auf die Hypotheſen legen
fie die Thatiachen darauf, um ihre fuftige Ware etwas zu be:
Ichweren. Auf dieſe Weiſe haben ſie die Philologie zu einer Wiſſen—
ſchaft gemacht, die den Thatſachen jchen aus dem Wege geht, und ein
Cliquenweſen großgezogen, wie es im der (Seichichte des geijtigen
Yebens in Deutſchland noch nicht dageweſen ift. Denn unter vier
Augen glaubt ja feiner, was der andere bewieſen hat; aber vor der
S ffentlichkeit jtehen fie wie Ein Mann vor dem Banner ihrer „Me:
thode“, die fiir fie immer und überall diejelbe tt und an der man
nicht rühren darf, auch wenn die Thatſachen auf Schritt und Tritt
fi) dagegen aufbäumen. Gebt uns Ziffern und Gitate, wo fie hin:
gehören und etwas bemeiten fünnen! An unfruchtbaren Sanımlungen
von Zahlen, Kitaten, Raraltelitellen, Tuellenbenugungen haben wir
jo viel, daß es nicht weniger Zeit foften wird, dieſen Zchutt hinweg
zu ränmen, als die Sache gleich von vornherein neu zu machen.
Auf diejer Branditatt werden wir nicht ernten!
Tamit nehme ich zugleich für längere Seit Abichied von meinen
gelehrten Yelern. Der Boden und die Mittel, auf dem und mit denen
gegenwärtig gearbeitet wird, locken mich nicht zu weiterer Mitarbeit.
Ich würde meine Erfahrung mit Herrmann fir einen vereinzelten
all halten, wenn mir nicht mehr als ein halbes Dutzend anderer
Beiſpiele, freilich von nicht ganz jo empörender ‚rorm, im Gedächtnis
wären, wo meine Arbeiten entweder verichwiegen oder entitellt oder mit
trügeriichen ($ründen befämpft worden find. Jedem, der ſich dafür
intereitiert, fann ich wie Derru Herrmann mit den Thatiachen auf:
warten. Man füme vor lauter Erklärungen, Berichtigungen und
Aiderlegungen gar nicht zur eigentlichen Arbeit. Und darauf haben
A. Hauffen, Fifhart- Studien. 251
e3 dieje Anbohrer nur abgejehen: weil jie jelber nichts leiften können,
möchten jie auch andre verhindern, zu gedeihlicher Arbeit zu fommen.
Künftig werde id) meinen eigenen Weg gehen, der, wie mir fcheint,
fürzer ijt und, was mir augenblidlich das nächjte Bedürfnis ift, in
reiner Luft Bewegung geftattet.
Fiſchart-Studien.
Von Adolf Hauffen in Prag.
III.
Der Malleus maleficarum und Bodins Démonomanie.)
Schluß.)
Fünf Jahre nad) dem Erſcheinen der erſten Auflage kam die
siichartiche Ubertragung der Dämonomanie in zweiter vermehrter
Auflage heraus.?) Die Vorrede in B ift nun dem Herrn Eberhard,
dem Sohne des inzwifchen verjtorbenen Egenolf von NRappoltitein
gewidmet und mußte dementjprechend mannigfadde Anderungen er-
fahren.) Eine neue Stelle daraus iſt für Fiſcharts Biographie
wichtig.) Unterzeichnet hat Fiſchart diefe Vorrede als Forbacher
Amtmann am 1. September 1586. Die „Vorwarnung“ hat bi auf
die erwähnte Unterjchrift (Invento Filio Gaudemus messia) den
alten Wortlaut behalten. Der Text und die Nandbemerfungen find
in B im wejentlicyen diejelben wie in A. Wenn es im Titel von B
heißt: „zum andernmal an vielen enden vermehrt vnd erklärt“, jo
bezieht jich dies nur ungefähr auf das erfte Drittel des Textes von B,
wo einige wenige, meijt Fürzere Stellen neu hinzugefommen find.
Bemerfenswerter jind darunter jene Zuſätze Fiſcharts, in denen er
neuerdings gegen einzelne dogmatijche Ausführungen Bodins Stel:
lung nimmt.
So B 61: „Hie aber fan id), der Bertent, gewifjenshalber den Lefer zu
bewaren nit vnderlaſſen, daß er diſer meynung, al8 daß der Herr die Engel zur
erſchaffung des Menſchen beruffen hab, nicht Schlechtlihy Beifall thun, feiteinmal fie
—
VBgl. oben S. 1 ff.
2) Bibliographifche Beichreibung im Centralblatt für Bibliothelsmefen 10, 453.
Eremplare in Berlin, Darmftadt, Hannover, Minden.
3) Bol. oben ©. 10 f.
1) Bol. Fiſchart-Studien I. Euphorion 3, 371.
252 A. Hauffen, Fiſchart-Studien.
jehr Judentzet !) vnnd auß dem fo Gotts Wort fagt: „Laßt uns Menſchen maden“
vbel gefchöpft wird, damit fie, die Juden, allein die Zreifaltigteit, melde auß ge⸗
dachtem Spruch die Chriften bewären, mögen widerjpreden.” B 63 f. ſucht Fiſchart
Bodin gegenüber in einem neuen längeren Zufat aus der heiligen Schrift zu er-
weijen, daß die Menichen keinen freien Willen haben. B 224 zu der von Bodin
erwähnten Macht des Teufels über die fleifchlichen Begierden fogı Sidart: „Welche
Reden wol mit beſcheidenheit find auffzunemen, dann ſolchs die Manicheiſch Ketzerei
zu bewärung jhrer vngegründter Meynung, daß der Teuffel die Ehe geſchaffen
und daß durch die Ehe ein fündlid) weien vnd fubftank entftanden, haben ge-
raucht.“
Unter den neuen litterariſchen und hiſtoriſchen Zuſätzen ſeien nur zwei hervor:
gehoben: Zu S. 146 (Man weiß nichts von dem Meiftas, den Abeneſra vorher:
gejagt) „cbenfo wenig, als von des Rabelais jeim König Picrodol; er hab’ dann
villeicht Hervog Karl von Burgund oder Karl den adıten in Franckreich gemeint,
welche vmb diefelbige ze mächtig waren“. Zu ©. 160 zum Flachskraut oder
Drant „di vermag, daß es einen Hüpfcher machet oder gut für Zauberey vnd
Geſpenſt je, wenn man's bey fid) trägt. (Andreas Mathiolus erzählt im Kräuter-
bu von einem Hunde, der durch Orant geheilt wurde) „von dieſem Orant oder
Orchant fchent, hab der Dichter des Amadys feine befte Fabeljpiderin die Brganda
erdichtet.“
Jedenfalls hat Fiſchart den Text für die zweite Ausgabe neuer—
dings durchgeiehen, aud in Einzelheiten Beſſerungen angebracht;
ferner hat er die lateiniiche Ausgabe mod) einmal herangezogen und
daraus einzelne Litate wörtlich herübergenommen.
Im jahre 1591 folgte die dritte Ausgabe ((5),“ die im Titel,
Vorwort, Zert und Randbemerkungen von orthographiiden Wer:
jchiedenheiten abgejehen: wörtlich mit B übereinſtimmt. Sie iſt jeden:
falls von Fiſchart nicht mehr durchgeiehen und wahrſcheinlich nad)
delien Tod herausgegeben worden. Tie unveränderte, von Fiſchart
unterzeichnete Norrede zeigt nocd) das alte Datum: „‚sorbad) 1586“.
Die DTrudfebler von B jind beibehalten und um neue vermehrt
worden. Nur die zahlreichen ſchon aus Bodin ſtammenden hebrät-
ſchen Ausdrüde in A und B find in C zuerjt (wahrjcheinlic zur
Bequemlichkeit des Druckers in lateinischen Yettern gedrudt. Der
Ausgabe C it von S. 301 ab beigedrudt: „Nechtliches bedenden,
In Malefitzſachen. Ob drey Weiber, der Zauberey halber angegeben,
in (Hefängliche Nerhafft angenommen vnnd Peinlich befragt werden
fönnen oder nicht?“ Gin ungeheuer weitichweifiges (Sutachten vom
1. September 1590 in Derenangelegenheiten eines ungenannten, wie
es scheint, ziemlich milden und vernünftigen Rechtsgelehrten. Die
Orts- und Schreibnamen find ausgelaſſen, jo dag man nicht erfährt,
7 d. h. judiſchen Meinungen folgt. Pal. dayu oben S. 7, Anmerkung 2.
2), Bibliographiſch beichricben von Nurz, Fiſcharts Dichtungen 3, XLVII f.
Mit Berichtigungen ım Centralblatt fir Bibliotheksweſen 10, 463. Exemplare be
finden fih ın Berlin, Tarınftadt, Treeden, Frankfurt, Göttingen, München, Wien,
Molfenbitttel.
A. Hauffen, Fiihart- Studien. 253
wo der Hexenprozeß vor ſich ging. Einmal (S. 324) find „Büdin—
giiche Käthe“ erwähnt und S. 312 heißt es: „Hiehero will id)
weilundt Herrn D. Johann Fiſcharts S. Teutſchen Rathichlagen
120 erholen, ceuius verba adseribam: —. — ." Dod ijt bier
(wie es ſich aus dem Weiteren Zufammenhang ergiebt) nicht unjer
Fiſchart gemeint, jondern (eine Verwechslung, die nicht jelten ijt)
der Franffurter Syndifus Johann Fiichard (1512— 1581) und deifen
nachgelafjene, 1590 veröffentlichte Schrift Consilia.
Kurz (a. a. DO.) erwähnt eine vierte Ausgabe vom Jahre 1598.
Das beruht auf einem Irrtum. E8 erijtiert nur nod) eine viel jpätere
Ausgabe vom Jahre 1698, die Fiſcharts Namen nirgends erwähnt,
die ſich aber bei näherer Betrachtung als eine jprachlich modernijierte,
mit Anhängen verjehene Neuauflage der Filchartichen Uberſetzung B
ergiebt. Dieje Schrift, die ſich, joweit eg mir befannt iſt, in Prag,
Weimar!) und Zürich?) befindet, hat folgenden Zitel: „Des weyland
Hochgelehrten ' Johannis Bodini | Der Rechten Doctoris und Bey—
jigers ı im Frantzöſiſchen Parlement Daemonomania, ' Oder
außführlihe Erzehlung | Des wütenden Teuffels in jeinen |
damahligen raſenden Heren und Hexen meiſtern, dero Bezauberungen,
Beſchwerungen, Bergifftungen, Gaudel und Poſſen-Wercke; auch Ver-'
bfendung jeiner ergebenen Unholden derjelben würdlichen Beifäntnijfen
und Abjtraffungen. . Welches der andere Theil | Nicolai Remigii |
Daemonolatria. Wobey gleichfalls angehänget: | Vielerhand
warhaftige und erichredliche | Gefchichte bejeifener Leute jo ſich
hin und wieder in Teutſcheland meijtentheils nod) vor furgen Jahren
zu groffer Verwun derung nnd Schreden begeben und zugetragen
haben. | Nebſt noch einigen betrieglihen und von Menlichen
practicirten Furgweiligen Begebenheiten. | Hamburg. | Gedrudt bey
Thomas von Wiering, im giilden A, B, C. Anno 1698. | Sind aud)
in Srandfurt und Yeipzig bey Zacharias Herteln zu befommen.“
Shne weitere Einführungen folgt auf Blatt 2 gleid) Bodins
Borrede. 14 Blätter Vorſtoß und 481 Geiten. Dieter Ausgabe iſt
beigebunden: „Anderer Theil oder Anhang Bodini Daemonomaniae.’
Diejer Teil enthält eine Unzahl Gedichten bejefjener und von Teufel
geplagter Leute aus Amerifa, Dänemark, Deutichland, Ofterreich u. ſ. w.
von einem ungenannten Sammler zujannnengetragen. 7 Blätter und
401 Seiten. Endlich folgt nod) ein: „Appendix oder Anhang des
anderen Iheils Beſtehendt in vielen Erdichteten Gejpenjt-Händeln
) Vgl. G. Witkowski, Die Walpurgisnacht im erjten Theile von Goethes
Fauft. Leipzig 1894, ©. 30 f.
2) Das Züricher Eremplar hat mir gütigft Herr Privatdozent Dr. E. Hoff:
mann=Kraner in Zürich beichrieben. Es ſtimmt genau überein mit dem Prager
Eremplar. Die geiperrten Worte gicbt das Original im Rotdrud.
Euphorion IV. 17
254 4. Hauffen, Fiſchart Studien.
und Yächerlichen Erzehlungen Sonderbarer Begebenheiten.“ 104 Seiten
und 4 Blätter Regiſter.
Ter ganze Band ift auf dem Titelblatt als der zweite Teil
der Dacmonolatria des Nemigius bezeichnet, was ganz unſinnig iſt.
Tie Daemonolatria iſt erjt mehrere Jahre nach Bodins Schrift 1596
in lateiniücher Sprache erjchtenen und hat mit ihr nur ganz im all
gemeinen den gleichen Stoff, nämlich das Hexenweſen. Nur in der
eben beiprochenen, aus dem Ende des 17. Jahrhunderts ſtammenden
Ausgabe iſt der Remigins dem Bodin als eriter Band vorangeitellt
worden.
Obwohl man es aus dem Titel entnehmen ſollte, iſt DD nidht
eine neue jelbitändige Übertragung der franzöltichen Demonomanie,
jondern nur eine in Einzelheiten ſprachlich erneuerte, gelegentlich ge
fürzte, im allgemeinen aber wörtlidye Wiedergabe der Fiſchartſchen
Uberſetzung mit allen lägen der erweiterten zweiten Ausgabe B.
Rieder ein Beiſpiel, daß Fiſchartſche Zchriiten, viel jpäter als man
bisher angenommen bat, nen aufgelegt wurden vgl. Euphorion 3,
110:. Goethe hat Fir feine Ztudien zur Walpurgisnacht fich auch
die Dämonomanie von 1698 aus der Weimarer Bibliothef entlichen
vgl. Witfowsft a. a. TC. 30 f., demnach hat er, freitid) ohne es zu
wiſſen, eine ‚yiichartiche Arbeit für den Fauſt mitbenukt.
Rodins Tümonomamie folgte, wie bereits erwähnt wurde,
dentlid den Zpuren des Malleus. Fiſchart mußte darum bei jeiner
Uberſetzung immer wieder auf das ältere, von Bodin jo häufig
herangezogene Werk aufmerkfiam werden, das bei den Juriſten der
Zeit jo großes Anſehen genoß und «weil es jchon fange nicht auf
gelegt worden war ". in einer Neuausgabe quten Abjag veriprechen
mußte. Ta Fiſchart damals eben als Advofat am Reichskammer
gericht zu wirken begann und als Anfänger beitrebt ſein mußte,
womöglich durch eine litterariiche juridiiche Leiſtung eine größere
Wirkſamkeit oder eine feite Ztellung zu gewinnen, jo gab er jchon
ans änßſeren Beweggründen dem Drängen des befreundeten Straf:
burger Buchbändlers Zetzner nach und führte deſſen Plan, die
Neuausgabe des Malleus und mehrerer inhaltlich verwandter
Schriften, auf das Maichefte durch. Ein Jahr nach der Tämonomanie,
Tftern 1582, erichten in Frankfurt a. M. bereits die erite Auflage
diefee neuen rein Luchhändleriichen Unternehmens unter dem Titel
Malleorum quorundam maleficarınn tan veternn quam recen-
ttorum aulorum, Tomi duo.? Der erite Band enthält den Mal-
!y Seit der Auflage 1530 ſcheint bis anf Fiſchart feine mehr erſchienen zu
jein, vgl. oben ©. 3.
+) Fine bibliographiih genaue Beſchreibung der erſten Ausgabe unterlafje
ich. denn fie finder ſich berens ber Wendeler, Meuſebachs Fiichart Ztudien 252 f.
A. Hauffen, Fifchart-Studien. | 255
leus und Nider$ Formicarius. Die von Zetner verfaßte, dem Straß-
burger Ndvofaten Ludwig Grempius von Frreudenjtein gewidmete Vor-
rede giebt unter anderem genau an, wie weit Fiſcharts Anteil bei diejer
Ausgabe reicht. Die darauf bezüglichen Stellen feien hier angeführt:
Cum proximo superiori mercatu Francofortensi, vir nobilissime..... vidis-
sem virum itidem clarissimum Joannem Fischartum, cognominatum Mentzer
V.J. Doctorem, Imperialisque Camerae modo Advocatum, & (qui, dum nobis- -
cum viveret, in T. Amplitudinis notitiam etiam venit) tunc temporis inter
alia, quae publicari curavit, etiam in nostrum idioma Germanicum ex lingua
Gallica quatuor doctissimos de Doemonomania Magorum libros excellen-
tissimi Jureconsuli Joh. Bodini feliciter versos, multisque locis explicatos &
locupletatos, publicasse: eoque nomine apud plerosque tam studiis doctrinis-
que deditos viros, quam alios ad gubernacula rerum sedentes, magnum
inivisse gratiam: Quia nostris hominibus hac ratione illa, quae penes uni-
cam solum modo rationem latuissent deposita, usus fecisset publici. . ...
Ego hac occasione illectus, cum praesentes hi autores et tractatus, antea in
Italia & Germania negligentissime & ad nauseam usque mendose excusi,
iterum recudendi sub manibus haberentur, intermittere non potui, nec sane
debui, publici commodi causa, . . .. quin eidem D. Doctori Fischarto, amicitiae
nostrae necessitudine fretus, auctor et suasor essem ne dedignaretur grava-
returve praesentes hos partim indigeste antea congestos, partim his ulterius
conjungendos autores, qui de maleficiis (ut loquuntur) Magorum et Sagarum,
scripserant, tum in ordinem discretum & iustos tomos redigere, tum im-
primis depravata corrigere, mendas, quae in illos extra numerum modum-
que irrepserant, tollere & in margine singularum paginarum ea, quae ma-
xime observatu digna viderentur, annotare, atque ubi dilucidiore explicatione
opus fuerit, aliquid perspicuitatis causa extra seriem textus addere. ....
Addens praeterea pro illo excitando; si assentiretur publicis posse pro-
desse commodis, & inde gratiam laudemque, non vulgarem apud bonos
solertesque viros sibi comparare. Hisce ergo tandem argumentis & ratio-
nibus inductus amicique precibus vietus, acquievit, singulos sequentes
libros & tractatus, quotquot his duobus tomis comprehenduntur, suceisivis
horis diligenter (ut omnes ii, qui in huiusmodi rebus sibi iudicium sumunt,
iudicant) relegit, expendit, castigavit, in paragraphos iustos distinxit, margi-
nalibus explicavit & auxit: attamen, res solum perpendens, stilum scriptionis
non mutavit, eam ob causam, ne variando phrases & verba, videretur etiam
res ipsas & sententias auctorum immutasse & innovasse. Die Borrede ift
unterzeichnet mit den Worten: Datae Argentorati, ultimo Martii Anno 1582.
A. T. studiosissimus et obsequentissimus Lazarus Zetzner Argentinensis
Bibliopola.
(Mit Berihtigungen im Centralblatt für Bibliothefsmweien 10, 454.) Erempfare
befinden fih in Berlin, Darınftadt, Dresden und Prag. Das Drudirfignet auf
dem Titelblatt des erſten Bandes ift im Darmftädter Eremplar anders als in
dem fonft völlig gleidhen ‘Prager Eremplar. In Darmftadt: Ein Medaillon; darin
eine halbbefleidete Frau, die in der linken Hand cin Blatt mit der Aufihrift
Deffendit ab annis, in der rehten Hand eine mit Weinlaub ummundene große
Kielfeder hält. Neben ihren Füßen ein großes, mit Weinfaub ummundenes Bud,
hinter ihr ein Stadtthor, Berge und Wollen. In Prag: Im Medaillon ein nadtes
Weib, das in der Linken cin Segel, in der Rechten ein Meffer hält und auf einem
(auf einer Waſſerfläche ſchwimmenden) Rade fteht. Hinter ihr die aufgehende Sonne
und das Ufer mit einer Stadt und Bergen.
17*
256 A. Hauffen, Fiſchart Studien.
Aus den angeführten Worten ergiebt es ſich, daR Fiſchart nicht
jelbjt auf dieje dee einer Sammlung von älteren und neueren latei-
niſchen Hexenſchriften verfallen ijt, jondern daR er von Zetzner zur
Turdführung diejer vom Verleger als höchſt danfensivert und zeit
gemäß bezeichneten Aufgabe nicht ohne Mühe überredet wurde. Ver
gleiht man die alten Drucke des Malleus mit Fiſcharts Ausgabe, fo
findet man, daß ‚üichart in der That nur den Anteil daran hat,
den ihm die Vorrede zuichreibt. Der Tert nebit den Beigaben ıder
Bulle des Papſtes Innocenz VII. und der Approbation der Kölner
Univerfität: iſt unverändert geblieben, weder gemehrt noch gefürzt
worden. Fiſchart hat nur die zahlloſen Druckfehler und Verichen der
älteren Ausgaben getilgt, die Kürzungen aufgelöft, wichtige Norte
in Yapidar , deutiche Citate in Schwabacher Yettern gedrudt, die
einzelnen Kapitel und Kolumnen mit Llberichriften verjehen, eine
jorgfältige Interpunktion durchgeführt, mit einem Sorte den Tert
geſäubert und überjichtlicher wiedergegeben. ‚verner bat er in Rand:
beinerfungen den Inhalt des Tertes kurz mitgeteilt, oder auf wichtige
Ztellen aufmerkſam gemacht. Gerade aus dieſen Nandbemerkungen
ergiebt cs ſich, daß er nicht mit innerem Anteil an dem Werke war,
daß er vielmehr nur im Muftrage des Verlegers teine Pflicht als
Norreftor und Redaktor ausgeübt bat. Ber den alberniten Miärlein,
bei den heitigiten Ausfällen gegen Nerer, die ihn empören, bei den
dentlichiten Ausführungen über die Freiheit des menschlichen Willeus,
die ſeiner dogmatiſchen Uberzeugung widerſtreben mußten, verzeichnet
er am Rande ruhig, ohne den geringſten Widerſpruch, ohne den
Verſuch einer ironiſchen Anipielung! den Inhalt in nuce, An
einer einzigen Ztelle kommt feine perjönliche Anſchauung leiſe zum
Vorſchein,“ an zwei, drei Zellen giebt er etymologiſche Erlänte
rungen,’ alte anderen Randbemerkungen find Ichlichte Negeiten.
In den erſten Band wurde ferner nocd aufgenommen das fünfte,
von Zauberern und Deren handelnde Buch aus dem Formicarius des
Tominitaners Johannes Nider 7 1438. Diele, um die seit des
Raſeler Konzils abgefafte Schrift schildert schon die meiiten der in
den Ipäteren Prozeſſen zu Tage tretenden Hexenkünſte. Der Formi—
carins wurde vor Fiſchart zweimal im 15. Jahrhundert und zuletzt
3) Flogels Ausſpruch (Geſchichte der komiichen Litteratur 5, 320, Fiichart
babe ın den Randgloſſen ſeme ſatiriiche Laune nicht gänzlich bekämpft, lann ich
nicht beſtätigen.
2.370 citiert der Mallens ohne Ramen zu nennen, Tells Antwort auf
die Frage Geßlers beziglih des zweiten eis. Fiſchart ſert. augenicheinlich
empört, an den Rand: Hov verpit in izeneminiaui Wilhelmi Tell. Helveticae
hhertatis assertori-, quası queque Magne fursset,
1418, 451 und andere.
A. Hauffen, Fiichart-Studien. 257
1517 in Straßburg durd) Wimpfeling veröffentlicht." Fiſcharts Anteil
an der Neuausgabe diejer Schrift ijt derfelbe wie beim Malleus.?)
Der zweite Band des Malleus hat den Titel: Tomus Secundus
Malleorum Quorundanı Maleficarum, Tam Veterum, Quam
Recentium Autorum Continens u. |. w.?) Er ijt wie der erfte
Band in Frankfurt a. M. 1582 bei Baſſäus erichienen. Die Vor:
rede iſt einem fatholiichen Priejter, dem Prior des Frankfurter Karme—
liter Klojterg Patri Joanni Myntzenbergio gewidmet und wahr:
ſcheinlich darum nicht von dem Verleger Zetner, jondern von dent
Druder Nikolaus Baſſäns unterzeichnet, und zwar Pridie Idus
Martii Anno MDLXXXI. Die Borrede erwähnt Fiſchart mit feinem
Worte, doc) es fann nad) den oben citierten Stellen der Borrede im
erften Bande feinem Zweifel unterliegen, daß Fiſchart auch für den
zweiten Band die Redaktion bejorgt hat. Diejer enthält neun latei-
nische Abhandlungen über das Zauber: und Hexenweſen von fieben
verjchtedenen Autoren: I. ©. 1—33. Das Opusculum de artibus
magieis ac magorum maleficiis von Bernhard Baſin, einem in
der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu Saragofja Lebenden
Domperrn. Sein Traftat wurde zu Paris 1485 und 1506, dann
bis auf Fiſchart (fo viel uns befannt iſt) nicht mehr gedruckt.)
II. S. 34—91. Der Dialogus De Lamiis et phytonicis mulieribus
von dem angejehenen Juriſten und SKonftanzer Profurator Ulrich
Molitoris. Ein im Jahre 1489 dem Erzherzog Sigismund von
Tirol erjtattete8 Gutachten, worin die Herenfünjte und Greuel als
Träume, Einbildungen und Fabeln bezeichnet, dod) zum Schluß den
Heren als Keßerinnen, die fich dem Teufel verbunden haben, die
Zodesitrafe zuerfannt wird. Die zum Zeil überrafchend aufgeflärten
und vernünftigen Erwägungen Molitoris’ hat Fiſchart ebenfo ohne
perſönliche Bemerkungen am Rande regijtriert, wie die geradezu ent-
gegengejegten Außerungen der übrigen Autoren. Daß er von Moli—
toris’ glücklicher Beweisführung gelegentlich jelbit überzeugt wurde,
ergiebt fi) aus der Randbemerfung ©. 86. Mofitoris ſucht Flar-
zulegen, daß die Teufel nicht im ftande jeien, mit Menſchen Kinder
zu zeugen und Fiſchart jest rühmend an den Rand: Pulchrum
1, Näheres über Nider und feine Schrift über die Heren vgl. Allgemeine
Deutiche Biographie 23, 645 f; Solden-Heppe 1, 244 f.; Schieler K., Magifter
Johannes Nider, Mainz 1885, ©. 216 —235.
2) ©. 755 ift ausführlid) von Jeanne d’Arc die Rede. Fiſchart fchreibt an
den Rand (756): De hac Johanna virgine (quam historici Gallici la poucelle
Joanne vocant) penes veteres & recentes Historicos adhuc sub iudice lis
versatur, an Maga fuerit, vel Divinitus pro salute Franciae contra Anglos
missa. Extant de ea integri libri hodie.
3) Vgl. Wendeler, Meuſebachs Fiidhart-Studien, S. 252 f.
) Bgl. Biographie universelle 3, 220.
258 A. Hauffen, Fiihart Studien.
argumentum ex Medieina desumptum contra generätionein in-
euborum., Molitoris’ Schrift eridien zu Köln 1489, dann in
deutſcher Überiegung 1489, 1544 und 1575. Tas Triginal jcheint
vor Fiichart nicht wieder aufgelegt worden zu jein."ı
Il. S. 92—335. Unter den alten Schriften eine litterariiche
Neuheit, die cin Jahr vor Fiſcharts Edition 1581 zu Bologna heraus:
gekommen war: Flagellum daemonum sen exoreismi eflieacissimi
&remedia probatissiima ad malienos spiritus expellendos eorum-
que faeturas & malefieia effuganda von dem Minoritenbruder
Hieronymus Mengus. Eine Zammlung von zahlreihen Beſchwö—
rungsformeln zur Austreibung der böſen Geiſter für alle Arten der
Bejejlenheit.
IV. 2. 336. 351. Non anderem Seite iſt die nachfolgende
Schrift De probatione spirituum von dem «1429 verjtorbenen
Rariſer Univerfitätstanzier Johannes von Gerſon. Ter befannte
Vorkämpfer der inneren kirchlichen Reformationsbeſtrebungen des
15. Jahrhunderts, der Nerteidiger der Jungfrau von rleans,
wendet ich in dem vorliegenden Traktate gegen den Mißbrauch der
Kiſionen.
V. 2.351 377. Thomas Murners Tractatus perutilis de
phytonico contraetu, ein Geſpräch, im dem der Verfaſſer erzählt,
daß er als Kind von einem alten Werbe lahm gehext und durch
Hegenzauber wieder geheilt worden jet. Der Zraftat erichien jelbit-
ſtändig nur einmal zu Freiburg 1499.° In einer Randbemerkung
S. 374 weiſt bier Fiſchart auf Bodins Dämonomanie hin.
- Vl. zZ. 378 - 421 und Vll. Z. 422 451 3wei Traftate von
dem Züricher Chorherrn Felixr Malteolus Hemmerlin, auch
einem Teilnehner am Konſtanzer und Baſeler Konzil, wie Nider
und Gerſon. In der erſten Schrif: De exoreisinis beſpricht Dem
merlin Die bei den ſüddeutſchen Landleuten ſeiner zZzeit üblichen
Zauberſegen und Beſchwörungsformeln zur Heilung von Menſch und
RKich.“ Er verteidigt dieſe abergläubiſchen zzaubermittel gegen ver
GBgl. ber Molitoris: Allgemeine Deutiche Biographie 22, 111: Solden;
Deppe 1, 272275: Janin, 512 und 552 f.
:; Die Vemerkung Gocdekes im Grundriß: 2, 215 Nr. 5 „Wiederabgedrudt
m Malleus 1600 1. 5. m.” muß dahm berichtigt werden, daß dieſe Augendichrift
Murners ſchon ın der erſten Ausgabe des Malleus 1582 abgedrudt wurde.
) Trei diefer aus dem Anfang des 15. Nahrhunderts ſtammenden Segens
formeln werden in denticher Zpradıe mitgeteilt. S. 37» Zur Heilung einer kranken
Kuh ſpricht man: „Ob das ſey, daß Maria Magd oder Jungfraw ein Kind Jeſum
gebar, jo komme dieſem Thier das Watt ab im Namen dei Vatters ꝛc.“ Vlatt
(in gutture quaedam pa-sioy) iſt eine Geiſchwulſt in der Kehle. Bal auch Stalder
1, 183 „Geſchwulſt des Häuichens unter dev Zunge” S. 300 Zur Herlung von
Winden:
A. Hauffen, Fiichart-Studien. 259
Ihiedene Angriffe und tucht fie mit Berufung auf das Evangelium
als zuläſſig und chriitlic) zu erweilen. In der zweiten Schrift De
eredulitate dacmonibus adhibenda handelt er über Gejpeniter-
und Teufelsericheinumgen. Dieje beiden Traftate wurden von Sebajtian
Brant in einer Geſamtausgabe der Scriften Hemmerling 1497
veröffentlicht.
VII. S. 152—619. Die Quaestio de strigibus von den
Piſaner Predigermönd Bartholomäus de Spina nad) dem erjten
Trude vom Jahre 1523. Spina giebt hier eine Überficht über das
Heren: und Dämonenweſen mit bejonderer Berückſichtigung der ober-
italijchen Verhältniſſe jeiner Zeit. Leidenfchaftlid) eifert er gegen
jene Yaien und Prieſter, die das Werf der Inquiſition zu jtören
oder zu verhindern trachten. Naiv in jenem Yanatismus beruft er
jih auf den gefunden Menſchenverſtand und behauptet, daß all die
‚sabeln, die er vorbringe nullus sanae mentis negare debet (500).
Das Außerſte in jeltjamer Beweisführung leijtet er mit der folgenden
Erwägung: Die Inquiſitoren, als gerechte und gottergebene Männer,
können natürlich niemanden wegen bloßer Zräume, Täuſchungen und
Liigenmärlein des Lebens berauben, da nun in Wirklichkeit zahllofe
Hexen von den Inquiſitoren zum Tode verurteilt werden, ift jomit
der fichere Beweis erbracht, daß die von ihnen erzählten Schandthaten
wirflic) begangen worden jind ı! 515 ff.).
IX. S. 520—704. Spina erhob nod) einmal jeine Stimme.
Ter zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Piacenza wirfende Juriſt
Johann Franz von Ponzinibins, ein weißer Nabe unter den
italieniſchen Nechtsgelehrten jeiner Zeit, hatte die meiſten Herengreuel,
die Tenfelsbuhlichaften, Yuftfahrten u. ſ. w. geleugnet. Gegen diejen
Frevler Ichrieb Spina 1525 feine In Ponzinibium de lamiis apo-
logia quadruplex, worin er den Gegner zu widerlegen ſuchte und
den Juriſten überhaupt das Recht abftritt, in Hexenangelegenheiten
mitzureden:; davon verjtünden nur die Theologen etwas.
Dieje Schriften nun, von denen die meijten jeit 60—80 Jahren
nicht mehr erjchienen waren, mußten bei ihrer Veröffentlichung Auf:
jehen erregen und im Kreiſe der SHerenrichter rafche Verbreitung
finden. Tie Hoffnungen des Verlegers jollten ſich aud) erfüllen, denn
„Chriſtus ward geborn,
Ehriftus ward verlorn,
Shritus ward gefunden,
Der gefegnet diefe Wunden
Im Namen dep Vatters ꝛc.“
S. 417. Gegen ſchädliche Würmer und Inſekten: „Ich beſchwöre eud) Wurm
bey dem Allmächtigen Gott, daß euch dife Statt oder Hauß als vnmähr feye, als
onmähr Gott ıft der Mann, der ein falfch Breheil fpricht vnd ein rechtes fan.
Im Namen def Batters ꝛc.“
260 A. Hauffen, Fiſchart Studien.
im Jahre 1588 erichien die zweite Ausgabe (B), im Jahre 1600 die
dritte Ausgabe (C) diejes eigenartigen Sammıelwerfes. Der erfte Band
von B hat einen von A zum Teil abweichenden ZXitel: Malleus
Maleticarum De Lamiis et Stri-'gibus et Sagis Aliisque . Magis
& Daemoniareis, eorumque arte : & potestate & poena Trac-
tatus Aliquot Tam ° veterum. quam reeentiorum auetorum: :
In Tomos Dvos distributi Quorum Primus continet ; ] Mal-
leum Malefiearum Jacobi Sprengeri & Henrieci Justi toris Inqui-
sitorum. 11 Joannis Nideri Theolosi Formiearmmn de Malefieis
earumqgue praestigijs ac deceplionibus. Secundus vero Tomus
eontinet Traetatus VI suo loeo singulariter enumeratos. :
Omnes ... Franeofurti iübereinſtimmend mit A, dann die Jahres:
zahl CI. Id. Kl! ,
Die Borrede Blatt 2a: hat die Uberſchrift: Ad reverendum
virum eruditione et virtute praeelarum Dr. Henrieum Schorum.
praepositum Sarburzium. Praefatio Lazarı Zetzneri bibliopolae
Argentoratensis. Die Vorrede weicht vollftändig von A ab. Jetzner
ergebt ſich bier im allgemeinen iiber Deren, Zauberer und Dämonen.
Bei der täglich zunehmenden Macht dieſer Teufelsbrut jei es den
Obrigkeiten und Richtern unerläßlich, ſich über dieſen Gegenſtand
näher zu unterrichten aus Schriften, wie ſie der Malleus bringe:
Guborunmm aliquet tractatus, ham velerum, quaiu rerenlium auctoörum.
qui de malefieij- sagarım et praestigiis daemonum seripserunt, in Italia,
Germanaque antehae aliquoties. sed perperam adımodum exeusos; ac de-
mum opera & Side Clar. V. Joannis Fischardi Jureeonsulti, iterum
recognitos & alicuhi castigatos & in duas partes distributos, publici com-
mod causa, quod merito nobis ommibus propositum maxime esse debet,
nune Jdenuo prelo subieetos in Jucem emittere nobis visum est... . Die
VBorrede ſchließt mit den Worten: Arpentorati Galendis Januarijj novi anni
ineuntis a Christo nato, Millesimo, qungentesimo, ortavagesimo octavo,
quem tıbi & nobis ommbus faustum & felicem eomcedat Ghristus Optimus
Maximus.
Ter zweite Rand von DB hat demjelben Titel wie A, nur unten
die Jahreszahl CIDIINME. Wörtlich die gleiche NVorrede mit A. Auf
dem legten Blatt: Francofurti ad Moenum ex Officina Typogra-
phiea Nieolai Bassaet. Anno MDENNNVI. EG. Der erite Band hat
denjelben Titel wie B, nur mit anderen Sjeilenabjäten. Unten MDCE.
Wörtlich die gleiche Norrede wie B, auch mit dem älteren Datum.
Auf dem letzten Blatt des Bandes: Francofurti ad Moenum apud
Wolfrangzum Richterum impensis Nieolat Bassaei. Anno MDG.
Ter zweite Band von €: hat den gleichen Titel wie B und alſo auch
Exemplare von B beftuden fih ın Berl, Zarınftadt, Dresden, Göttingen,
der zweite VBand allcın ın Prag. Das Berliner Exemplar bat Herr Dr. Wolfgang
Neller freundtitt fur mid verglichen.
A. Hauffen, Fiſchart-Studien. 261
wie A, mit der Jahreszahl MDGC, diejelbe VBorrede wie B und A;
auf dem legten Blatt: Francoforti. Ex Offieina Typographica
Joannis Sautii sumptibus Nicolai Bassaei MDC.!) Die Texte,
Kapitelüberjchriften und Nandbemerfungen find in allen drei Aus:
gaben diejelben. .
Wie Fiſcharts Übertragung des Bodin, jo erfuhr auch feine
Malleus-Ausgabe unberechtigten Nachdruck. Zu yon bei Beter Yandry
erihien 1614 ein Drud mit folgendem Titel: Malleus | Malefi-
earum. | Ex Variis Auctoribus | concinnatus & in tres To-
mos distincetus: | Quorum Postremus Qui | Fustis Daemo-
num Inseribitur , nunc primum reliquis adiectus est | cum
Fuga Satanae u. ſ. w. Lugduni MDCXIV. Ohne eine Vorrede.
Der erjte Band enthält den Herenhammer und das fünfte Bud) des
Formicarius. Der beigebundene zweite Band mit dem Titel: Mallei |
Maleficarum. : Ex plurimis Auctoribus | Coademati | Quo-
rum nomina sequens pagella exhibet | Tomus Secundus | u. f. w.
Lugduni MDCXIV. enthält die gleichen Schriften wie der zweite
Band des Fiſchartſchen Sammelwerfes mit Ausnahme des Flagellum
Daemonum von Mengus. Diejes Flagellum, fowie die Fustis
Daemonum desjelben Autors und die Fuga Satanae von P. A.
Stampa find mit je einem bejonderen Titelblatt der Lyoner Aus—
gabe beigebunden. Obwohl nun diefe Ausgabe weder Filchart3 noch
Zetzners Namen nennt, iſt fie nur ein Nachdruck der Frankfurter
Ausgabe und enthält jämtliche Nandbemerfungen Filcharts.2) Im
Jahre 1669 erſchien zu Lyon die lekte befannte Ausgabe des Mal-
leus unter dem Titel: Malleus maleficarum, maleficas et earum
haeresim framea conterens, ex variis auctoribus compilatus et
in quattuor tomos iuste distributus. Lugduni, sumptibus Claudii
Bourgeat M DC LXIX. Sie enthält zum Teil andere Schriften als
Fiſcharts Auswahl. Filcharts Randbemerkungen find auch hier wieder
verwertet worden. Nur einige wenige, jo die oben ©. 257 angegebene
Bemerfung über die Jungfrau von Orleans ift ausgefallen. Auch auf
diefem Gebiete reicht aljo Fiſcharts litterarijche Einwirkung weiter,
al3 es bisher befannt war.
!) Eremplare von C befinden fi in Berlin, Darmftadt, Dresden; der erſte
Band in Prag.
2) Die deutfche Sprache war den Lyoner Drudern, wie es jcheint, ſehr fremd.
ALS Beifpiel gebe id) deu oben S 258 Anmerkung erwähnten Segen nad) dem Tyoner
Drude 2, 101: „Ob des jen, daß Maria Magd goder Jungfrapn, ein Rind Jeſum
Jebahr, fotoman diefen Thier das Blatt ab, im Namen deß Batters ꝛc.“
262 v. Neubaur, Tobias Fleiſcher.
Tobias Zleifcher.
Von Leonhard Nenbaur in Elbing.
Neumeiſter erwähnt in jeinem Abrig der deutichen Yitteratur
geichichte des 17. Jahrhunderts and) Tobias Fleiſchers „Erjtlinge
von Tragödien”, denen er eine Anerfenmung nicht verjagt;" von
dem Yeben und ſonſtigen lirterariichen Wirfen des Mannes ift ihm
ohne Zweifel nichts befanmt geworden. Ebenſowenig wußte man in
jpüterer Seit etwas anderes über ihn, als was er jelbit auf dem
Titelblatt und im der Vorrede zu der genannten Schrift angiebt,
dan er nänilich in Beziehung zu dem oldenburgiichen Hofe geitanden
hatte,“ weil die Angaben, die ein Gelehrter jeiner Vaterſtadt, Seyler
im Jahre 1742 über ihm machte, unberückſichtigt geblieben waren.
Der Elbinger Rektor kannte freilich aud) nur zwei Jugendſchriften
Fleiſchers: wie cs jich mitt den beiden andern von ihm verzeichneten
Büchertiteln verbält, wird anı Schluß erwähnt werden. Im Folgenden
faſſe ich zuſammen, was fich über den Dichter hat ermitteln lajjen.?ı
Zobias Fleiſcher iſt 1650 zu Elbing geboren als der Zohn eines
Kleinbürgers,“ Philipp Fleiſcher, der jenen beiden Knaben, dem
Eridmann Neumeiſter, De poelis Germanieis 1695 p. 337 „Quihiis dum
prints fact, gravitate ormatuque ingenmioso, thure velut -uaveolenti con-
eiliatus factle ipsioridet totus Parnassicdum chorus.
) Adolf Yaun, Die älteſten deutichen Uberſezungen einiger Tramen von
Corneille (im Archiv filr Litteraturgeſchichte 3 61474), 2449- 269, über Fleiſcher
251. 252), giebt einige Auszüge aus der Vorrede zu den Erſtlingen und beſpricht
ganz kurz die Gedichte und Uberſeßungen. Bolte, Dlohere Überlegungen des
17. Jahrhunderts in Herrigs Archiv »2 (1880) gedenft auch (Z. 111. 112) ler
fchers libericgungen und nennt zuerit die handidhriftlicd, erhaltene Gedichtſammlung.
Goedeke kennt nur das m Göttingen befindliche Exemplar der „Erftlinge* (Grund
riß 3, 222).
Folgendes Material jtand mir zur Verfügung: Georgen Damelis Seyleri . .
Ellingen Latteratach. e. Kllingensimn sive nominis sen eruditionis ſama don
lorisqgue elaronuan qui diem sun obierunt, memorae. Elbingae 17323 4"
p- 125. 126. (Ich benuße das ın der Elbinger Stadtbibliothek befindliche Exemplar
des Verfaſſers mit feinen zuſäßen); Angaben aus dem Ztadtarchıiv zu Elbing.
dem Großherzoglichen Haus und Ceutralarchiv zu Tidenburg und dem Reichs
archiv zu Novenhagen. Herrn Ardivrat Sello zu Tldenburg und dem Borficher
der hiſtoriichen Abteilung des däniſchen Reichſarchivs, Herrn Dr 6. F. Briila
ſpreche ıh auch an diefer Stelle meinen verbindichfien Dank aus.
4) Zeyler nennt ihn .„civem honestum ac manubalistariae ut vocant
Iraternitatis seriban. alſo Schreiber der Zchiigenbrüderihaft. In dem Prototofl-
buch der Meißgerber zu Eibing von 1587 —1822 findet fi folgende Angabe:
„Im Jahr 1639 den 19. Jannarıı hatt E. E. W. den femihmader und Weis:
gerber einihreiber mit Nahmen phil p ‚Sleiicher angenommen. Sem lohn ıft 4 fl..
L. Neubaur, Tobias Fleischer. 263
ältern Tobias und dem jüngern Philipp eine gute Erziehung geben
lieg. Noch als Schüler gab Tobias fein, wie es jcheint, erjtes
Gedicht Heraus (Nr. 1,, das in ziemlid) fliegenden Verſen dic
Hochzeit eines Elbinger Patriziers verherrlichen jollte. Nachdem er
im Eingange die Teränderungen der Natur während der einzelnen
‚sahreszeiten furz erwähnt hat, führt er fort:
Zo geht es immer zu auff dieſem rund der Erden;
Bald lachet Yuft ınd Wonn , bald mütten die Beſchwerden
Nah Regen Zonnenihein ' nad) Fremde Schmerz vnd Teidt /
Beftändigers iſt mihts " als vnbeftändigteit.
Ihr o vertiebtes Paar / jhr Hergen jung an Jahren /
Yıd du o ſchönſte Braut / haft ſolches gnug erfahren /
Ta dir vor wenig zeit dein Dapbnis deine Wonne /
Der aller Schäffer ruhm muft gar zu früh davon.
Es folgen Lieder der Amarillis und des Mirtillus, die das
friihere herbe Geſchick beklagen und das gegenwärtige Glück preifen,
woran ſich zum Schluß Wünſche des Dichters und des „Chors der
Nympffen“ für das fernere Wohl der Neuvermählten anjchließen.
In jeinem 19. Jahre ging Tobias nach Bremen, um das afa=
demiſche Gymnaſium zu bejuchen,”) das ſich eines großen Rufs er—
als jeder quardal 1 fl. vnd fo ein knecht in die lehr geſchrieben, ſoll ihm geben
15 gr. vnd wen er frey geiagt 15 gr. Gott gebe gluck darzu.“ Im Jahre 1644
wird ein anderer gewählt. Seylers Angaben find deshalb nicht zu verwerfen, weil
‚Sleiicher beide Amter verwaltet haben kann. In einer anderen Angabe (fiche die
folgende Anmerkung) wird er Invitator, alfo wohl „Lohndiener“ genannt.
) Eimer Todter von ıhm wird in folgender Notiz eines Totenregiſters ges
dadıt: (ES ftarb am 8. Auguft 1655) Elisabeth, Petri Brands Uxor, Philippi
Fleischers, Invitatoris, f. — Nad) Senler befuchte Tobias das Elbinger Gym:
naſium und wurde hier von dem Rektor Michael Mylius, dem Konreftor Meninger
und dejien Nachfolger Cramer unterrichtet. Sch habe jeinen Namen in der noch
erhaltenen Matrifel des Gymmafiums nicht finden können, foudern nur den ſeines
Bruders Philipp, der am 13. Juni 1645 in die Classis VII, die unterste Klaſſe
(nad) den beiden Borjchulflaiien) aufgenommen wurde; im Winterjemefter 1649
wird er in den Schufgeldliften als Zögling der Classis V aufgeführt; die Liften
von 1650 fehlen; jeit 1651 iſt er nicht mehr genannt, wird aljo wohl abge—
gangen jein. Uber ihn, defjen Geburtsjahr nicht zu ermitteln ift, möge noch die
Bemerkung erlaubt fein, dag cr (nad) Seyler) Soldat wurde, in dänische Dienfte
trat, an verfchiedenen Kriegen teilnahın und als Oberft an einer Verwundung ftarb
(. a. 1681 aetat. quadragesimo lethali vulnere extinctus est.” Die Zahl 40 kann
nad) obiger Angabe ſchwerlich richtig fein). Dejcendenten desjelben leben nod in
Norwegen und find von Adel.
2) Seyler a. a. O.: eos in patrio Lyceo studiorum fecit progressus,
ut jam anno aetalis undevigesimo exteras Musas salutaret, ac cum primis
Bremae indefessamı litteris operam daret. Anmerkung von Seyler: Ut patet ex
carmine honoribus Frid. Hoffmanıı 1649 Bremae disputantis ab ipso com-
posito. Dazu macht Nicolaus Tolckemit (F 1759) in jeiner Uberjegung von
Seylers Schrift (Handicrift des Elbinger Archivs E 38) ©. 89 den Zufag: „Er
264 L. Neubaur, Tobias Fleiſcher.
freute !ı und aud) von andern Elbingern jener Zeit als Vorbereitungs-
anftalt für das eigentliche niverjitätsftudium gewählt wurde. Die
hier entjtandene poetiihe Stilübung (Nr. 2, in Hexametern ge:
jchrieben, weldjye die Argonautenfahrt zun Thema wählt und dabei
chriftliche Ethik Ichrt, enthält am Schluß in drei Sapphiichen Strophen
den eigentlichen Kern der Auseinanderjegung:
Christus est Jason reparans Salutis
Aureum vellus: Domuit barathri
leneos tauros: Domuit superno
Marte Dracones.
Mille per sortis dubiae procella-,
Mille per Fati rabidi phalange=
Aureas dotes dabit ille. coeli
Dulce brabeum.
Im Jahre 1651 finden wir Fleiſcher auf der Univerſität zu
Helmſtedt, zumächit mit juriſtiſchen Studien bejchäftigt, die ihn aber
nicht befriedigt zu haben jcheinen, weshalb er in einem an den Rat
der Stadt Elbing gerichteten Schreiben jeinen Entſchluß äußert, auf
Anraten des Xertreters der Mathematik in Helmſtedt diefem Studium
in Wittenberg ſich zu widmen, welches dajelbit zwei namhafte 2er:
treter habe; überdies jet das Yeben daſelbſt billiger; er hoffe, fein
Plan werde die Billigung des Rats finden”, Doch ſcheint derjelbe,
welcher ihm ein halbes Jahr vorher ein Stipendium von 70 Neiche:
thalern verliehen hatte,“ damit nicht einveritanden geweſen zu fein,
da der Brief, mit welchen gleicher ein Trauergedicdht auf den 1653
zu Blois als Studenten verftorbenen Zohn des Elbinger Burggrafen
Helwing einjender Nr. 4, wieder aus Helmſtedt datiert ijt.!, m
ıft desfelben (Hoffmann's + 1673 als Meltor ın Elbing vertrauter Freund Lebens⸗
lang geweſen, wie foldye8 dir nody vorhandenen Briefe von ihm ausweisen.” Diefe
Briefe find jet nicht mehr vorhanden.
i) Nach feiner Reorganijation 1584 kam c8 einer Meinen Univerfität gleich
und hatte alle vier Fakultäten: Paulſen, Geſchichte des geichrten Unterrichts ! 218;
Nöpe in der Encyllopädie des gefamten Erzichungs- und Unterrichtsweſens? 3, 298.
2) Helmstadii 53. 8. Febr.:.... . Placet itaque si Min. non displiceat
Senatui, autorem sequi elarissimum Nostrum Matheseos Professorem, qui
Wittebergam duobus jam non sane infimi subselii viris, altero superiorum,
altero inferiorum Mathematum doctore elaram. adire suasit ac persuasit.
Glaret Witteberga insigni hac Jaude, quod pauperum quoque Musarum libe-
rale sit hospitium. quale non possum non exoptare, qui exsanguem nunc
una cum enervato corpore circumfero erumenam. Dieſer Brief wie der gleid)
zu erwähnende ıf nur ın einer Abjchrift aus dem Anfange des 13. Jahrhunderts
vorhanden Elbinger Ardıp).
3) Hecessus Publicus de Anno 1637 bisz 1677, opera et studio Jacobi
Langii os. Zum 3. Juli 1652. (DManuftript )
) Helmsteti 54. 3. Febr. Eine Oratiov parentalis Francisco Helwingio
habita. Elbingae 1653 rührt von dem vorher erwähnten Friedrich Hoffmann ber.
?. Neubaur, Tobias Fleifcher. 265
die erjte Zeit jeines Aufenthaltes dafelbjt fällt die wohl ungedrudt
gebliebene Gedichtiammlung „Die geiftliche Galatee” (Nr. 3), welche
in 40 Sonetten das Thema von der Bergänglichfeit alles Irdiſchen
vartiert. Al3 Probe möge das erjte Gedicht folgen, das die auf dem -
Titelblatt befindliche Zeichnung erklären joll.
Die Geiftlihe Galatee.
Ade du Schiff der Zeit, ihr blinden Zaubereien
Die id nod) nie erfand, geb’ ich ſchon gute nacht
Dir tolle Venus-volk, id) bin von dir verladht
Weil mid) der Himmel$-durft left nach dem Liebſten freyen
Der mehr als irdiſch ift: Wie fan es mich gereuen
Der Himmel ift mein freund, mein Jeſus mir zuladht
Er meiner Seelen Schatz: jeht was die liebe macht
id buhl nad) ewig-ſein, mem lieb gibt mir auf freuen
zum Brautichaß feinen Thron: jedoch wo werd’ id) finden
en meine Seele liebt: die ſchwere bürd der Sünden
leſt mid) nicht Himmel-an, der erd-kreis ift zu weit
Doch bleibt er mein, ich fein, auch Klotho ſoll nicht ſcheiden
mein herz von feiner lieb weil ein herz in ung beyden
Drum weg mit jener lieb, Ade du gifft der Zeit.
Im November des Jahres 1654 erhielt Fleiſcher die Berufung
an das Elbinger Gymnaſium.!) Da er aber inzwijchen nach Heidel-
berg gegangen war (Meatrifel der Univerfität, herausgegeben von
G. Toepke 2, 320. 1654 Nr. 36: Tobias Fleiſcher, Elbingä-
Prussus. Oftober 25), fo fonnte oder wollte er derjelben nicht jofort
nachfommen, weshalb die Stelle bei feiner Rückkehr ohne Zweifel
bejegt und er auf Wartegeld angeiwiejen war.) Dagegen hatte
ein Xoblied (Nr. 7) auf den jchwedilchen &eneralgouverneur von
Preugen, Erich Oxenitierna, den Sohn des großen Kanzlers, den
„teichbegabten Helden“, „dem Sieg, Glück, Ruhm und Ehr jid) Hat
zu Dienjt gejtelt,“ der den Vater in allen Stüden gleid) jet, „vor
dem jich eben wol die frembden Häupter beugen,” die Folge, daß er
in die jchwediiche Kanzelei aufgenommen wurde.?) In demjelben
Jahre jchrieb er fein Trauergedicht auf den Tod der jugendlichen
Gattin des unglüclichen jchwediichen Oberjten von Roſen (Nr. 8),
der nicht lange darauf wegen der gegen ihn erhobenen Anklage des
heimlichen Einverjtändnifjes mit den Polen zu Marienburg auf dem
Schafott ſtarb. Am Schluſſe wendet ſich der Dichter an den Gatten:
1) Lange a. a. O. zum 11. November 1654: „Tobias Fleifher ad functio-
nem scholasticam vociret worden.‘
2) Lange zum 29. Oftober 1655: „Tobias Fleiſcher 20 Thaler Wartegelder
hier bekommen.“
3) Lange zum 23. März 1656.
4) Theatrum Europaeum 8, 132. — D. v. Hoogstraten en M. Brou£rius
van Nidek, Groot algemeen historisch Woorden-Boeck. Amsterdam 1732. 9,
266 L. Neubaur, Tobias Fleiſcher.
Und ihr O Held bemt eure Echmerten
Stelt euer blaſſes Trauren ein
Geht ſchon ein ftüd von eurem Hergen
Es wird euch unverlohren feun |
Dendt eure Roſe ift verjeßet
Da wo des Himmels Tau fie leßzet.
Im Anfange des Jahres 1657 iſt Fleiſcher nod in Elbing
(Gedicht Nr. 91; dann jcheint er die Reife nach Holland angetreten
zu haben, von der Schyler jpridht.", 1661 finden wir ihn in Olden
burg;?: doch hat er vielleicht erjt im Folgenden Jahre eine Stellung
bei Hofe erhalten, zunächſt als Zefretär des natürlichen Sohnes des
Grafen Anton Günther, Antone von Aldenburg, als welder er
(Auguft 21. — Dezember 6.1662 in politiicher Million nad) Schweden
ging.’: Zeit 1663 gräflicyer Privatjetretär, befand er ſich in diejem
und dem nächjten Jahre mit dem Troften von Wißendorf in Regens
burg, ebenjo war er 1665 im Negensburg, dann in Wien. In
Oldenburg entitand auch die Überjegung zweier Dramen Gorneilles,
die er gleichzeitig mit einer Zanımlung von Iyriichen und epiſchen
Tichtungen herausgab. Tie Übertragung der franzöſiſchen Tragödien
it, wie Vaun bemerkte,“ „trogdem, daß fie genan den Nlerandriner
mit wechjelnden männlichen und weiblichen Weimpaaren und der
jtehenden Cäſur innehält, auffallend wortgetreu, jie bekundet, day
der Verfaſſer fein Original meiſt richtig verstanden hat und einc
gewijie Virtuoſität in der Verskunſt beſitzt“. Die jelbftändigen Dich
tungen preiſen bejonders Deitglieder des oldenburgiichen Hofes, in
138. — C. Theodor Zamehl (7 1698) Zeitregiſter 1, 109 (Manuftript des Elbinger
Archivs).
) S. 125: Inde (von Bremen au) lustrati- variis Germaniae Belpiique
provinelis.
2, Die Gedichte der Sammlung von 1666 Kr. XII an die regierende Gräfin
von Oldenburg umd Wr. XVIII an die Gemahlm des Yanddroften von Cötterit
ffammen aus dem Jahre 1661.
>) Das Folgende, met nah Lldenburger Archwalien, it entnommen dem
Diarium Fleiſchers, ſowie feinen Briefen an den Grafen Anton Günther, den
Hat Heipen und den Droft von Götterig. Für die Sendung im Jahre 1662 weiß
Joh. Juſt Winfelmann, Oldenburgiſche ‚zricden- und der benachbarten Orter
Kriegs-handlungen «Oldenburg 1671) nur folgenden Grund anzugeben: Fol. 604,
505 (zum Jahre 1662, „Die Königin zu Schweden, Fr. Hedwig Gleonora, hat,
u ſtets wehrendem Andenden, bishero ıhrer hohen Anverwanden und fürnehmer
Treunden Contrefaiten geſamlet, und unter andern auch den Herrn Grafen zu
Uldenburg um UÜberſendung feines und feiner Fürſtl. Gemahlin Contrefaiten er-
jucher. Als nun ben gegemmärtiger Herbftzeit der H. Graf foldhe begehrte beyde
Sontrefaiten durch ſemes Sohns H. Graf Antbons Zecretarium Tobiam Fleiſchern
gehorſamſt überichidt, find ſelbige ſehr angenehm geweſen, gleich Ihrer Kon. M.
Hand und Dankbrieflein bezeuget“ u. I m. Frleiſcher überbrachte dann auch die
Bilder ihrer Familie dem Lldenburgiichen Defr.
Wa ©. 202.
v. Neubaur, Tobias Fleifcher. 267
erfter Reihe den regierenden Grafen, deſſen überjchiwengliches, uns etwas
jeltfanı anmutendes Lob in den Munde eines Hofmanns jener Zeit
doch verjtändlich erjcheint, bejonders wenn man erwägt, daß der Graf
es verftand, unter den ſchwierigſten Verhältniffen für die Wohlfahrt
jeines Landes in erfolgreicher Weife zu wirken, fo daß er „jet nod)
im oldenburgijchen Volksbewußtſein populär fortlebt“, daß er „für
jih jede Standeserhöhung abjchlug, obgleich ihm, wie von Halem
jagt, weiter nichts fehlte als ein Königreich, um als großer König
zu glänzen”.!) Außer ihm werden in Fleiſchers Dichtungen aud)
andere einflußreiche Berfönlichkeiten verherrlicht, fo der chur-mainzifche
Abgejandte auf dem Regensburger NReichstage von 1664, Baron von
Boineburg (Gediht XIV):
dem die gante Seel vertraut das Teutſche Reich;
Sein ungeheurer Fleiß und feine Wachſamkeit
Berdient das / warn nur Gott Glüd Sieg und Heil verleiht /
Man dem von Boineburg fi ewiglich verpflichtet /
Tas gantze Haupt-Werd hat erſt auff die Bein gerichtet.
Die Totenflage über den Grafen Königsmarf (Nr. XIII) preiſt
in erſter Neihe den Eroberer Prags:
Die ward dem tapfern Held zur Neides-wehrten Beute;
Prag ſag' id) abermahl / der Königlidye Thron /
Der Ziß der Tapferkeit / das Beughauß der Bellon /
Das fidy befeftigt hielt mit Ketten an den Himmel /
Fiel fonder Blutftürkung / ohn’ alles Morödgetimmel /
hn Schwerbd-fcdlag in die Hand dem großen Sieges-Mann /
Den fonder Heucheley ich fo wol nennen fan:
Drumb daß Er hie den Duell des Krieges zugeftopffet
Das Er den golden Palm des Friedens hie gepropfiet /
Ter „Lob-Reim“ auf Friedrid) von Cötterik, feinen „höchſt—
geneigten grofjen Patron und Beförderer”, einen Mann, den aud)
Balthafar Schuppins zu ſchätzen wußte,2) wurde nad) deſſen Tode
(7 13. Auguft 1666)?) wörtlich in das „Ehren-Gedächtniß“ aufge:
') Merzdorf in der Allgemeinen Deutfchen Biographie 1, 493.
2) In der Vorrede zu der Schrift: „Salomo oder Negenten-Spiegel, vor=
geftellet aus denen cilff erjten Capituln deß erften Buchs der Könige‘ jagt er, er
halte fid) nicht für „fufficient“, das Leben der Könige von Juda und Iſrael vom
politiihen und theologischen Geſichtspunkt aus zu betradhten; das könnten aber
Frei dvornehme Freunde von ihm, die Univerfttätsbildung hätten, außerdem noch
„beutige8 Tages in dem groffen Welten-Bud lernen, an groffer Herren Höfen
leben und Be jehen, was in Politicis für ein Unterichied ſey inter Theoriam
et Praxin”. Dazu gehöre auch Cötterit, „defien hohen Qualitäten Ihre Hoc Gräfl.
Gn. von Oldenburg in unterjchiedenen Legationen und Erpeditionen gar nützlich
gebraucht haben“. Ä
3) Gein Reben ift beichrieben in dem Cippus memorialis ... Sebastiano
Friderico a Cötteritz „.. erectus a Johanne Justo Winkelmanno. Oldenburgi
268 v. Neubaur, Tobias Fleiſcher.
nommen (circa 450 Verſe), nur mit einer Einleitung und einem Schluß
verjehen. In ihm wird jein Studiengang zu Wittenberg unter Buchner,
dem „teutichen Cicero” — er jtudierte, was nicht erwähnt ift, auch
in Leipzig — die Reifen und politifche Thätigfeit des oldenburgiichen
Landdroften als Geſandten an den Höfen von Schweden, Tänemarf,
England hervorgehoben und der hohen Geiſtesgaben des Neritorbenen
gedacht. Dabei findet jich eine Charakteriſtik der Herrſcher, in deren
Yändern Cötteritz vorübergehend weilte, aud) eine Schilderung des
ſchwediſch-däniſchen Krieges von 1657/58. Yon Cromwell, dem „glück
lien Tyrannen“, heißt es, dan ihn
gleichſam muft anberen
Las ftolze Zpanıen der Schreck der meiſten Welt
Bnd der dem Waſſer Lön jo in das Aug getreten
Tas aud fein Schatten faſt ihn noch ın Furchten heit.
Ich weiß nicht welcher hie und dort der Potentaten
Ihn mir des Bruders Nahm unweißlich bat bechrt
Ter lezt doch meiſt verfault vor feine Schelmen-thaten
Durch eines Büttels Hand ward an den Baum cınpört.
Tod fen er wer er will die ungemeınen Gaben
Die waren wunderbar bey aller Welt geacht't
Und dürften künftig mod) fo wol den Nachruhm haben
Als ihm fein böfes Werd die Unehr ewig mad.
Tie nad) dem Tode des legten (Hrafen von Oldenburg 19. Juni
1667 1 infolge der Teilung des Neiches entitandenen (rbjtreitig:
feiten, welche der Herzog von Schleswig -Dolitein Plön als näher be
rechtigter Agnat veranlapt hatte, icheinen bei ‚zleiicher den Entſchluß
hervorgerufen zu haben, Oldenburg zu verlafien. In einem Schreiben,
das am 17. Zcptember 1669 in einer Natslieung zu Elbing verfeien
wurde, hatte er „ſich zu der Ztadt Dienſten oiferirt“ Lange a.a.T...
Tod) wurde jein Geſuch ohne Sweifel nicht berüdiichtigt. Deshalb
blieb er vorläufig im Dienſte des Grafen Anton |. von Aldenburg,
als deifen WBevollmächtigter er 1671 „bei der Ausionderung der
Vareler Archivalien aus dem oldenburgiichen Archiv beteiligt war.’
Er kam darauf — das Jahr und die Veranlaſſung find unbefannt —
an die von dem Herzog Johann ‚sriedrich zu Nannover begründete
0.3. 40 9. 4"; davon eine deutsche Überlegung: Gedächtnis Seule .. Herrn ..
von Cötteritz . . anfgerichtet . . . Aus dem Yateiniichen ms Zeutiche verfeßet
durh Johonn Schmidten. Oldenburg 0. 3. 565 2. 4°. M. Cadovi-. Visio dei
beatilica. das iſt Chriftlicher Leich Zermon . . Ben hochanſehnlicher . . Yeihbegängnis
des Sebaſtian Friedrich von Kötterig. Oldenburg 0. J. 4, darın Z. 29—51 dıe
Berfonalien. (Ale drei Schriften auf der Koͤnigl. Bibliothek zu Nopenhagen.)
) Barel und Nniphaufen achörten dem Grafen zu Aldenburg, während
Uldenburg und Delmenhorſt zunächſt an Dänemark, darauf an den oben genannten
Herzog von Schleswig-Holſtein famen, der die Yander 16%6 an Tincmart abtrat.
L. Neubaur, Tobias Fleischer. 269
Bibliothek.) In einem Briefe des erften Bibliothefarg zu Wolfen-
büttel, David Haniſius (1666—1682) an Fleiicher vom 25. Auguft
1676 wird diejem unter anderem nahegelegt, zu Gunjten der deut-
ihen Gemeinde in Chrijtiania, die einen eigenen Prediger zu halten
wünjche und dem Haniſius im Falle des Gelingens ein bedeutendes
Geldgeſchenk in Ausjicht gejtelit hätte, bei dem Herzog ‘Johann Friedrich
zu intervenieren.?) Es ijt mir nicht befannt, wie Fleiſcher ſich dazu
ſtellte. Im September desjelben Jahres gab er jeine Stelle auf, in die
dann Leibniz trat, und ging nad) Kopenhagen,?) und zwar als Kammer—
jefretär des Prinzen Georg.) Als der däniſche König ſich 1684 des
Scloffes Gottorp in Scjleswig bemächtigte, wurde Fleiſcher nebjt
einigen andern mit der Durchjicht des dortigen Archivs beauftragt.
1685 ſchickte man ihn nad) Norwegen, um die Protofolle für eine
Bergfommifjion zu führen. Yun Bergrat ernannt, fand er zwar
wegen feines Eifer Anerfennung; aber fein jchroffes Weſen entzweite
ihn bald mit feinem Vorgefegten, dem Berghauptmann Schlanbuſch.
Das veranlaßte ihn ohne Zweifel, jih nod) einmal an feine Vater⸗
jtadt zu wenden, aber wieder ohne Erfolg.) Am 8. uni 1689
auf feinen Antrag entlaffen, begab er fi) von feinem bisherigen
Wohnorte Kongsberg in Normegen nach Kopenhagen zurüd, wo er
als Privatmann lebte und in den letten Tagen des Novenber 1690
jtarb. Seine Witwe Urfula, die nod) 1708 am Leben war, bat in
einer an den König gerichteten Bittichrift vom 1. Dezember um die
rüdjtändige Bejoldung ihres Mannes, damit fie die Koften für jein
Begräbnis und den Unterhalt für jid und ihre Kinder beftreiten
fönnte. Ein Cohn, Georg Ehriltian, geboren am 11. Auguft 1684
in Ropenhagen, ftarb am 26. September 1746 zu Altona als
Prediger.
Im Folgenden gebe id) ein Berzeichnis der Fleiſcherſchen Schriften,
ſoweit ſie mir bekannt geworden ſind:
1) Commereii epistolici Leibnitiani tomi prodromi pars altera. Recen-
suit J. D. Gruber 1745, p. 1293: Quo fato Hannoveram venerit [Fleischer],
nescio, bemerkt der Biblioıhefar Gruber. — H. J. Bytemeister, Commentarius
historicus de Augustae Domus Brunsvigio-Luneburgensis meritis in rem
litterariam. Helmstadii 1730, p. 164.
2) Bei Gruber a. a. O. 1293— 1296. Briefe von Fleiſcher an Haniſius aus
den Jahren 1675, 1676, 1680 befinden fi) in Wolfenbüttel vgl. Heinemann, Die
ganbiarifen der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel. Fünfter Band (1895),
. 2150 (f. 197 - 219). Mir waren fie nicht zugänglid).
3) Bodemann, G. W. Leibniz. Feftrede. Hannover 1876, ©. 7.
4) Das Folgende nad) den Mitteilungen aus Kopenhagen, teilweife im
Wortlaut.
>) Elbinger Ratsprotofolle vom Jahre 1687. Sigung vom 4. April, fol. 101:
„Literae Tobiae Fleischers vorgetragen. Goncl. Daß die Beantivortung auff
fernere überlegung außgeftellt bleibe.”
Eupborion IV. 18
270 L. Neubaur, Tobias (Fleischer.
1. Hochzeit-Gedichte zu . . Ehren . . Herrn Andres Braunen des Jungen
.. vnd der... Cordulä Wolfin H. Alerander Braunen Gel. hinterlaffenen Fr.
Wirtwe . . den 29. December . . 1648 gehalten. Gedrudt zu Elbing bey Adyat
Gorcllen 0. 3. 8 Blätter 4°.
Enthält zwei Gedichte, dad crfle von Jacob Schmidt Elb; darauf folgt:
Hochzeitlich Ehrengetichte. Bnter entlehnten Nahmen der Schäffer und Schäffe-
rinnen; da denn mit dem Rahmen Daphnis der abgelebte Mann Herr Alerander
Braun; Mirtillus der Hochgechrte Herr Bräutigam Andreas Braun, und Amarillis,
die Tugend — Bolllommene und mit reicher Schönheit von dem milden Himmel
begabte Fraw Braut Cordula Wolfin bezeichnen. (Am Schluß:) Zu Ehren auff-
gelegt Bon Tobias Fleiſcher Elb: (12 Seiten umfafjend). Stadtbibliothel zu Danzig
XV. q. 76 (135).
2. AUREUM VELLUS VIR- TUTIS : Garmine Heroico descriptum
a TOBIA KWISCHER | Elbingä-Borusso. ! Quod permissu Superiorum
publicè reci- tabitur in Auditorio Majori Hlustris Bre- mensium Athensi Ad
diem 23. Jan. hor. à meridie prima. Ad cujus benevolam auscultationem
reverenter & , officiose invitantur omnes bonarum artium . Mecoenates,
Patroni, Cives. (Bignetted | BREMMÆ. | Typis Bertholdi de Villiers, ibidem
Schol® Typogr. ' Anno MDÜ.L. '
Die Vignette zeigt cine weibliche Figur, die ın der linken Hand ein Schwert
hält und fich mit der rechten auf einen Schild ſtützt; um bdiefelbe zieht ſich die
Juſchrift: VIVE UT VIVAS.
24 Seiten 4". Sign. A 2 — i 2.
Elbinger Stadebibl. ıJ 4) und Stadtardiv (Misc. 25). Königl. Bibl. zu
Kopenhagen (75'—14?7).
3. Die geiſtliche Galatee (Tirelbiid) Tobias Fleiſchers. (Auf dem zweiten
Batt:) Der Erfte Theil Der Geiftlihenn Galatce ı Im Jahr | 1651 ı (Auf
der Rückſeite dieſes Blatt8:) Der Durdlauchtigen und Hochgebornen Fürſtinn und
Fraun. Fraun. Sofia Eliſabeth, gebornen Hervoginn zu Mellen⸗burg etc.
Hertzoginn zu Braunſch. und Luneb. etc. Meiner gnädigſten Fürſtinn und Fraun.
übergiebet Dieſes im höchſter unterthänigkeit, Tobias Fleiſcher. Von Elbing
aus Preußen. (Links davon:) Helmſtatt.
Die auf dem aus Pergament beſtehenden Titelblatt befindliche Zeichnung
ſtellt im Vordergrunde cine weibliche Geſtalt dar, die nach dem Kreuze emporfieht,
das fie in der linken Hand hält. Vor derſelben ein großes Schiff im Hafen; rechts
davon cın Caſtell und weiter ein zweites kleineres Schiff; im Hintergrunde Gebäude.
Sehr Mein und zierlich geſchriebenes Manuffript. 23 gez. Blätter. quer 8°.
Königl. Bibliothek zu Berlin «Ms. gerin. Oetav 110).
4. Elogium oratormm in Franeiseum Helvingum Elb. (Mich. Prae Cos.
til.) in Gallia mortuum. Helmstadii 1658. 4°. (Nicht gefchen und nah Scyler
aufgeführt )
5. Ehren-Geticht Aufl Deren Georg Yardıngg Bräutigams Bund
Jungfr. Elnabeth Ztrefaun , Braut Hochzeitliches Frewden fe : Auffaclent |
Bon Tobias Fleiſcher. Gedrudt zu Elbing, bei Achatz GCorellen. o. J. (22.
Juni 1656. :
2 later 4”. Elbing, Stadtbibt (1, 7. Hochzeitsgedichte von 1646— 1662
Nr. 105]:.
6 Pre pollinetura seu funebris eura, nam manibus beatissimis Elisa-
bethae Hoppiae, Syzismnndi Meienreisii. oliin in republ. Elbingensi Burg-
grabii et Praeconsulis viduae, eu anno MDELV. 4 Septembris ultimum
Vale dieeret. piae mans honoris et inemoriae caussa adornarunt. Elbingae,
Tipis Gorellianis. 8 Blatter 4. Darın auf Bl. 6:
L. Neubaur, Tobias Fleijcher. 271
Troſt-Schrifft über den Seligen hintritt Der... Fr. ELFEABETH HOPFPIN
Tes ... Sigismund Meyenreiß, Bürgermeiftern, hinterlaffenen Wittiben.
En Schöner Apffel ift die Welt / u. ſ. w.
(24 jechgzeilige Strophen.)
Auffgejeget von
T. Fleiſcher.
Elbing, Stadtardjiv (Misc. 12. fol. 239— 245).
7. Treusgemeinter Willtom | An den || Erlaudten Hod-Wol-Gebornen ||
Hrn: ERTCH DIENSTIAN ALELSOHN || Der Königliden Maytt und dero
Reihe Schweden Rath / Canglern || und Präsidenten des Reichs Commercien-
Collegii, fampt General Gouverneur in || Preuffen . . . || Als Ihre Hod-Gräffl.
Excellentz nad glüdfich-getroffenen NRuheftand || mit Ihrer Churfl. Durchl. zu
Brandenb. abermahl Ahr || beliebtes Elbing erjucdhete: || Sonnette: || (Am Fuß
rechts:.) Demütigft fibergeben durch T. Fleifcher 1656. 3. Yebr. ||
D. O. 1 Blatt fol. in zwei Spalten gedrudt.
Elbing, Stadtbibl. X. 1. Misc. 1 [Rr. 4].
8. Wahrer Chriften wahre Freude . . Bey der . . Feichbeftätigung der...
Fr. Anna Magdalenen von Bngern, Des. . Heren Zohan von Roſens, Seiner
HochGräffl. Ercell. des Hu: Reichs-Cantzlers Orenftiern Leib Regiments zu Roß
Wolbeftalten Herrn Obriften . . Ehe-frauen. Welche den 1. Auguft Monats Tag
dieſes jetlauffenden 1656ften Jahres in der Neu-Städtifchen Kirchen zu Elbing..
beygefeget ward. Borgeftellet .. von CYRIACO MARTINI zu St. . . Excell. Leib⸗
Regiment beruffenen Prediger. Gedrudt zu Elbing .. 1656. 4%. Darin auf B. Gb:
Zraur-Gedidt.
DEr müf ein Herk von Eifen haben /
(12 fechszeilige Strophen.)
Auß mitlegdendem Gemiüthe || eylfertig aufigefetet |]
von || Tobias Fleifcher. ||
Elbing, Stadtbibl. SS 3 (Leihen-Predigten [Bl. 501 und 502]).
9. Lobgeticht || Auff Hochzeitliche Ehren-Freude || . . . || Herın Michael
Sieferts || Bürgermeiftern || und ||. . . || Framen Dorothea Henningin ||. - . |
Herrn Zohan Jungſchultzen / weyland . . || Rahtsverwandten der Stadt Eibing ||
binterlajfenen Wittiben / || So den 9. Januarii des 1657. Jahres gehalten || ın
Eibing. || im Schluß:) Tobias Yyleifcher. ||
D. O. u.%. 2 Blätter 4°. Elbing, Stabtbibl. L7 (Hochzeitsgedichte von
1646 -1662 [Rr. 118]) und Stadtardjiv (Misc. 10).
10 a. Glaubens-Gnaden-Helden- und || Liebes-Spiegel || Durch || Zwo Zraur-
fviele || Polieyt und Cinna || In || Hpranzöfifchen Reymen || dargeftellet. || Bon ||
Dem berümbteften Poiten || Herrn Corneille. || und in \ gleichſylbige Teutſche
Reimart überſetzet Bon | T. Fleifher / Gräfl: Oldenb: || Meife-Secretar. ||
(Kleing Bignette.) || Oldenburg ; gedrudt bey oh: Erih Zimmer. || Im Jahr
Chrifti 1666. ||
4 Blätter Borrede und 344 Seiten. 8%. Sign. Jo( ji HA — Ni). ©. 1-97
Polieyt; S. 99—192 Cinna: ©. 193—344: T. F. | Erftlinge | Bon | Helden
Reimen und | anderen | Tichtereyen. |
Großherzogi. Bibl. zu Oldenburg (O. 132).
10 b. T. 5. || Erfilinge von Tragedien / || Helden-Reimen / || Vnd andern ||
ZTichtereyen. || (Kleine Bignette.) || In Berlegung Peter Kohlers || 1666. ||
18*
272 J. Niejahr, Kritifche Unterfuchungen zu Goetbes Fauſt.
336 Seiten 8”. Sign. A — xXv. Königl. Bibl. zu Berlin (Yi 6361). Ein
unvollfändiger Nachdruck von 10 a. Es fehlt ihm die Vorrede; aud enthält er von
den Gedichten nur Nr. I-XXI. Doch finden fi von letzterem nicht die 16 letzten
Bere, fowie Gediht Nr. XXIV, auf den Tod der Frau Suſanna Meyfläternn,
Gattin des Tldenburgifchen Rats Ghriftophorus Gryphiander. Trotzdem fcheint
das Berliner Eremplar ın diefer Ausgabe vollftändig zu fein. — Das Eremplar
der Univerfitätsbibliothet zu Göttingen (Poet. Dram. 6000 (Dram. 5947, umfaßt
nur die Seiten von 1—- 192, auf denen die beiden Dramen fichen, ift aber ın
diejer Form mit dem Berliner Eremplar identifch.
11. Ehren-Gedädtnis : Des | Weiland HochEdelgebohrnen Geftrengen : und
Beten Herrn |; Sebaftian Friedri- hen von Götterig ' Chur Sächfiſchen Rahts
auh Hoh&räfl: Oldenburgſchen gehaimbten Rahts:Directorn und Land Droften
der Grafihaft Oldenburg : | Erbgefeffen auf Beihau und | Froburg z2c. | auf
ejeßet |. Bon ° Tobias Fleiſcher Gräfl: Ol- denburgichen Reiſe Secretar : ı
Kibenburg Gedruckt bey Johan:Erid Zimmer Hodh&räfl : Buchdrucker
daſelbſt im Jahr 1667. |
16 Blätter 4". Sign. Ai — D ii) Königlihe Bibliothel zu Kopenhagen
(44— 216).
Seyler erwähnt außer den Nummern 2 und 4 noch ohne jede
nähere Angabe folgende zwei Schriften Fleiſchers:
Die geiftlihe Amarillie.
Der Cypreſſen Häyn.
Erjtere ijt ohne Zweifel identisch mit Pr. 3; der zweite Titel
ift vielleicht durch eine dunkle Erinnerung an Gedicht Wr. XIII der
„Erſtlinge“: „Vortrab der HochGräfl. Leich Cypreſſen des .. Herrn
.. Königsmarcken“ entſtanden, wobei des Königsbergers Mich. Kongehls
Immergrünender Cypreſſen-Hayn. Dantzig 1694 mitbeſtimmend ge
weſen ſein kann. Mir wenigſtens iſt es nicht möglich, Dichtungen
Fleiſchers unter dieſem Titel nachzuweiſen.
RKritiſche Unterſuchungen zu Goethes
Fauſt.
Von Johannes Niejahr in Halle a. S.
1.
Altefte Geſtalt.
Zcherers Analyie des Eingangsmonologs hat immer noch nicht
die gebührende Beachtung gefunden. Eine jo ſcharfſinnig eindringende
Beweisführung läßt fich nicht mit der Dervorbebung einzelner Mängel
3. Niejahr, Kritifche Unterfuchungen zu Goethes Fauft. 273
oder mit einer allgemeinen Verdammung der kritiſchen Methode ab-
thun. Scherers Gründe müſſen einzeln geprüft und entweder widerlegt
oder anerfannt werden. Ich werde im folgenden den Verſuch diejer
Nachprobe madıen.
Zuerjt die formalen Argumente. Scherer („Auffäte über Goethe“
Berlin 1886, ©. 316. 321) ſchließt aus dem verjchiedenen metrifchen
Charatter der Verſe 1—32 und 33—74, beide Gruppen müßten. in
einent größeren Zeitabjtande gedichtet fein. Erid) Schmidt (Goethes
Fauſt in urfprünglicher Geftalt, 3. Auflage, S. XXVI) weiſt hier-
gegen auf das analoge Beijpiel in Goethes „Ewigem Juden“ hin,
wo ähnlich wie an unferer Stelle „hart und. ruckweis“ auftretende
Verje von „janften” Rhythmen abgelöft würden, die „Congruenz
von Inhalt und Form gebäre im rajchen Wechjel aud) mannigfachen
Ausdruck”. Aber diefe Einwendung paßt nur für die Verje 33 —44,
feinesweg3 für die folgenden. Welcher Unterfchied der Stimmung iſt
denn erfennbar zwijchen Berg 1—32 und Vers 45—64? Hier wie
dort leidenjchaftliche Auflehnung gegen alles tote unfruchtbare Wiffen,
ein drangvolles unbezwingliches Verlangen nad) unmittelbarer lebens—
voller Erfenntniß. der Natur. Hier ijt gleicher „Geift“, aber nicht
gleicher „Körper“. Alfo die metriiche Anomalie ift nicht zu bejtreiten,
aber was beweijt fie für unſern Monolog? Die Frage ift, hat Goethe
den Knittelvers wirklich „mit deutlicher Fortentwickelung“ geübt? Leider
fehlt es bisher nocd an einer erjchöpfenden Unterjuchung über diefen
Punkt, Flohr macht mit jeiner „Geſchichte des Kenittelverjes“. („Berliner
Beiträge zur Germanijchen und Romaniſchen Philologie* Nr. 1,
Berlin 1893) gerade bei Goethe Halt. Indes genügt e3 für unfern
Tall, die weſentlichſten Erjcheinungen der Jugendperiode (bis 1775),
die ſich leicht überjehen lajjen, zuſammenzuſtellen.
In den Fleineren Dichtungen diefer Art, meiſt leichten Augen:
blidsimprovifationen, bedient fich Goethe in diefer Zeit ausjchlieplich
der loſeren, volfstümlicheren Form des Knittelverfes mit wechjelnder
Zahl der Senfungen. Die Reimftellung ijt, wie |päter (jeit 1776)
jtets, aabb. Nur zweimal findet fi) ab ab (vgl. „Der junge
Soethe” 3, 156. 175). Auch in den größer angelegten Dichtungen,
im „Ewigen Juden“, „Satyros” und in „Dans Wurſts Hochzeit“
it die Versform mit fchwanfender Senfungszahl die maßgebende.
Nur die Reimbindungn abab und abba iſt hier weſentlich
häufiger. Daneben aber zeigen dieje Stüde die bejondere Eigentünt-
(ichfeit, dag an einzelnen Stellen der Vers eine über feine gegebene
Form frei hinausſchwebende Entfaltung mit rein iambiſchem Rhythmus
annimmt. ES wechjeln Verje mit 4, 5 und 6 Hebungen (Alerandriner).
Dieſe Erjcheinung pflegt einen Wechjel der Stimmung auszuprägen,
fie zeigt ji), wo die Empfindung ins Weiche, Lyriſche, auch wohl
274 3. Niejahr, Kritiiche Unterfuchungen zu Goethes Fauſt.
Lehrhafte umſchlägt (vgl. „Der junge Goethe“ 3, 438, 440 ff. 418.
491. 498).
Alle die angeführten Formen des Kuittelverjes finden fi) im
Urfaujt vereint. Ungemijchte Reimpaare mit 4 Hebungen und ungleidyer
Senkung finden ji) nur im Eingangsmonolog Vers 1—32, in der
Schülerjcene Vers 249 —394, in der erſten Grethehenfcene Vers
457—535 und im Walentinmonolog Vers 1372—1397. Die Reim:
bindung aabb ift die Regel, konfequent beobadıtet nur in den
ersten Werfen des Monologs, in der Schülerſcene und in Valentins
Monolog zweimal, in der Grethchenſcene oft abgelöjt durd) abab
oder ab b a. In allen andern Scenen herricht willkürlicher Wechſel
zwifchen Knittelvers und fünf: und fechstaftigen (Alerandrinern)
Zeilen.
i Mag gewinnen wir nun aus diejen Ihatbeitand für unjern
Monolog? Tie Verſe 1—32 können nad) ihrem metrijchen Charafter
jehr wohl mit der im Nahr 1773 entitandenen Epiſtel „an Gotter“
zujammengeitellt werden, aber jtimmen jie nicht ebenjogut zu dem
„Dine in Coblenz“, das ins Jahr 1774 fallt? Sie könnten jo gut
gleichzeitig mit dieſem als mit jenem gedichtet jein. Ferner die Verſe
33—74. Ter Übergang von den holperigen Rhythmen der Verſe
1—32 zu den harmoniſch geglätteten von Vers 33—44 findet jeine
ausreichende Erklärung, wie die vorher angeführten Beiſpiele aus dem
„Ewigen Juden“ u. ſ. w. Ichren, in dem plößlichen Umlenken der
Ztimmung. Eigentümlich it hier mur, dan die Grundform des
Kmittelveries von 4 Hebungen dabei nicht aufgegeben wird. Es ift
dag aber eine ganz tjolierte Erjcheinung, die chen deswegen für die
Beſtimmung der Abfaflungszeit fich nicht verwerten läßt. Die Verſe
45—74 jind zunächſt auffallend wegen ihrer ausichlienlich klingenden
Meime, die in einer jo fangen Folge nur noch im Prolog zum „Neu:
eröffneten moraliſch politischen Puppenipiel” ı„Ter junge Goethe“ 3,
195 f. begegnen. Dagegen iſt der nur an zwei Stellen WVers 51. 561
unterbrochene rein iambiſche Rhythmus dieſer Partie ncben dem
rauberen Charakter der Kingangsverfe 1—- 32 nicht jo unerhört, wie
es Icheinen möchte. Ks finder Sich ein ſolcher Wechjel, wenn auch
nicht gerade in jo ausgeprägtem Gegenſasßz wie hier, auch jonit häufig
genug vgl. „Der junge Goethe“ 3, 106. 445 umd oft, in früheren
wie ſpäteren (Wedichten, und zwar an Ztellen, die jeden Gedanken
an ungleichmäßige Entſtehung fernhalten. Tas Ergebnis it, die an:
geführten Erſcheinungen berechtigen nicht zu den Schlüſſen, die Scherer
aus ihnen für uniern Monolog gezogen bat. Es ſteht, rein metrild)
betrachtet, nichts im Wege, ihn für das Produkt einer und derielben
Jeit anzuſehen: nur ſoviel wird man folgern dürfen, daR er nicht
in einem ‘Zuge niedergeichrieben iſt.
J. Niejahr, Kritifche Unterfuchungen zu Goethes Fauſt. 275
Noch weniger können die ſtiliſtiſchen Unterſchiede, die Scherer
mit beſonderer Schärfe hervorgekehrt hat, beweiſen. Es iſt ſicher, die
Verſe 1— 32 zeigen eine „niedrigere“, proſaiſchere, derbere Sprechweiſe
als die ſpäteren. Die erſten ſprechen den Gedanken nüchtern, knapp
und geradezu aus, die folgenden geben der Sehnſucht weichen, ſeelen—
vollen, dem Unmut reicher ſtiliſierten Ausdruck. Aber dieſer Stil—
wechjel bequemt fich in naturgemäßer Folge dem jedesmaligen Wechjel
der Empfindung an und er ift am wenigjten auffallend bei den
Verſen 1—32 und 33—44, die zwei völlig getrennte „Gefühlswelten“
darjtellen (vgl. Eri Schmidt a. a. O., ©. XXVIf.). Er ift aber
andererjeitS zwijchen Vers 1—32 und 45—74 nicht jo groß, wie
Scherer behauptet (a. a. O., S. 317 f.). Die reichere Fülle der
Epitheta in den letten Verjen, wie „dunpfes Mauerloch“, das „Liebe
Himmelslicht“, die. „gemalten Scheiben” ift durch die ſarkaſtiſche
Gegenüberftellung des natürlichen und des eingeferferten Gelehrten-
lebens von jelbjt gegeben. Andere Unterjchiede fließen aus der gänzlic)
widerjprechenden Tendenz der beiden Gruppen, worüber päter zu
reden fein wird. |
Entjcheidend ijt allein der Inhalt. Scherer (a. a. O., ©. 310)
formuliert den Kardinalgedanfen der erften 32 Verſe richtig dahın:
„Fauſt hat jich der Magie ergeben, aber fie offenbar noch nicht ge-
handhabt. Die Vortheile, die er von ihr erwartet, liegen in der
Zukunft.” Hiermit, jo meint er, jtehen die Verfe 33—74 in einem
unauflöslichen Widerjpruch. Er jagt (S. 314): „Während im Eingange
Fauſt über die Urjachen jeines Schmerzes vollfommen im Klaren ift
und darüber, als über eine befannte und abgefchlofjene Sache zu-
jammenhängend berichtet, fommt er hier erjt vor unjern Augen zur
Klarheit über eine bisher unflare Sache, über die Urfachen des Druds,
der auf ihm laftet. Während im Eingange die Magie jchlehthin
helfen joll, während an eine neue Lehrthätigfeit mit vermehrter Einficht
gedacht wird, joll jest die Flucht nothwendig fein; ein geheimnißvolles
Bud) jteht ihm zur Verfügung, wird aber, wie es fcheint, erjt unter
Anweifung der Natur jelbft jeine Macht erzeigen.” Der erjte Ein-
wand ftüßt ſich, wie leicht zu bemerfen, vornehmlich auf Vers 57
bis 64. Die Verſe 33—56 chliegen fi, wenn man fie für ſich be-
trachtet, an die Eingangsgruppe widerftandglos an. Nad) dent erften
ungeftümen Ausbruch einer tiefen leidenjchaftlidden Verſtimmung
ergiept ji) unter dem verföhnenden Schein des einfallenden Mond:
licht die frampfhaft zudende Seele in fanfte elegiiche Klage, weiche
Sehnſucht nad) heftigem Begehren, beides auf dasfelbe Ziel gerichtet,
die Erlöfung von der Welt des toten Wiffens und den Verkehr mit den
Geijtern. Hierauf wieder ein jäher Umjchlag der Stimmung. Der
Sedanfe an die Zauber der Mondnacht weckt von felbft den Vergleich)
276 X. Kıejabr, Kritiiche Unteriuhungen zu Goctbed Fauft.
mit der engen und dumpfen Umgebung des Ztudierzimmerd. Ver
ungeduldige Ruf „Web! ited id in dem Kerkerloch“, der die gallige
Zcjilderung des „verfludten Mauerlochs“ einleitet, deutet ichon auf
den Entichluß hinauszujtürmen ins Freie. Nad den Worten
Tas iſt deine Welt, das heit eine Welt!
erwarten mir die reiolute Wendung: aljo, fort in die freie Gottes:
welt! und was folgt?
Und fragft du noch, warum dein Herz
Sich ınn deinem Buſen klemmt
Warum em unerklärter Schmerz
Dir alle Lebensregung hemmt.
Aber woher der Schmerz in ſeiner Bruſt ſtammt, darüber iſt
er ſich ja längſt „vollkommen im Klaren“. Eben erſt bat er den
(Grund ſeiner Qual angegeben, „daß wir nichts wiſſen können“. Hier
haben wir demnach einen Widerſtand, an dem wir nicht vorbei können.
Und nun die Antwort auf die auffallende Frage:
Ztatt all der Icbenden Natur
Da Gott die Menichen ſchuf hinein
Umgiebt ın Rauch und Moder nur
DTich Tiergerwp und Todtenbrin.
Tie Erwähnmug von „Ziergeripp und Zodtenbein” hinkt etwas
hinter der detaillierten Schilderung des Ztudierzimmers her. Tod)
das nebenbei. Aber wie? Fauſts ganze Bern rührt daher, dar er ftatt
in der lebenden Natur in einer toren Welt jtcht? Vorher war es
der umbefriedigte Trang nach unmittelbariter Maturerfenntnis, was
ihn drückte. Die Sedanfen decken ſich doch nur ſehr unvollfonmen.
Sollte aber eine Zinnesänderung Fauſts mit dieien Worten ange:
deutet werden, jo ar fie doch irgendwie zu motivieren; er mußte
äußern, er jebe cin, auch die Magie, von der cr eben noch alles Heil
erwartete, könne nicht oder nicht allein helfen; nur die Natur felbft
könne die Aufſchlüſſe gewähren, die er verlange.
Was jollen wir aljo annehmen? Daß die Verſe 57—64 ur:
iprümglich nicht hierher gehörten, vielleicht ein jpäterer Zujag teien?
Aber sie erfüllen ja ihren wert als lberleitung zu dem ‚ylucht:
gedanken volltommen, md ste können micht fehlen, ohne dan eine
Härte des Übergangs entitcht. Zu kommen wir nicht weiter.
Tie Verſe 33— 56 Ttellen nur eine conjequente pinchologifche
Entwicklung, einen plamiiblen Ztimmungsverlauf dar, aber den in
den Verſen 1-- 32 angejchlagenen Gedanken führen fie nicht weiter.
Nehmen wir Dagegen mit Scherer Vers 33 —74 zuſammen, jo haben
wir jotort einen einheitlichen Yubaltscompler, der der Gruppe 1 — 82
J. Niejahr, Kritiiche Unterfuhungen zu Gocthes Fauft. 277
gegenüberjteht. Aber der Gegenjag ijt ein anderer als wie ihn Scherer
formuliert. Dort (Vers 1— 32) ſpricht Fauſt nur von der Magie;
von ihr allein hofft er Befriedigung jeines Wiſſensdurſtes. Was er
verlangt, ift nur der ungehenmte Einblid in die Tiefen der Natur,
ein erfennendes Eindringen in die Gründe alles Seins, Hier
(Vers 33 — 74) dänmert ihm eben die neue Wahrheit auf, es giebt
nur einen Weg, die Natur recht zu verftehen, wenn ınan fie felbit
befragt. Für den jungen Goethe, den Dichter des „Werther“ und des
„Ganymed“, heipt das: dem nad unendlicher Erweiterung brennen-
den Geiſt genügt nicht ein erfennendes Ergreifen der Natur, er
will mit feinem ganzen Wefen rühlend und ahnend in fie eindringen,
er will jie gottgleih empfinden, in ji nachſchaffen.
Dies ind zwei gänzlich verjchiedene Anjchauungswelten.. Dort
ſpricht zu uns der dumpfe Wahn einer vergangenen Zeit, die „init
grilfenhafter Mühe“ und abjtrujen Künften der Natur ihr Geheimnis
abzulocken jtrebte, hier bricht der Zitanendrang einer gährenden, die
Naturanſchauung von Grund aus ummälzenden Epoche hervor,
deren genialjter, bald führend voranschreitender Vertreter der Dichter
jelbjt ijt. Eollin, einer von den Modernen, die den Kriegspfad gegen
pie Kritik bejchritten haben, hebt den Gegenfat ganz richtig hervor
(„Goethes Fauſt in jeiner ältejten Geſtalt“, Frankfurt a. We. 1896,
©. 16 f.); aber die Art, wie er den, natürlich nur „Scheinbaren
Widerſpruch“ zu erklären verjucht, iſt charakteriſtiſch. Er thut jehr
wichtig mit einem „fruchtbaren Gejichtspunft“, den er entdedt hat.
Widerjprüche in Dichtungen, die einen Sagenjtoff behandeln, find
nad ihm „gerade ein Beweis für die Einheit im Geiſte des Dichters,
aus der fie entjprungen ſind“. Das eine Mal hält fid) der Poet in
„den Schranfen“ der Sage, ein andermal durchbricht er jie und
jtellt jich feinem Gegenſtand mit feinen „eigenjten Empfindungen“
gegenüber. So hören wir denn an unjerer Stelle erjt Fauſt, den
Magier der Sage, darauf durd den Mund ebendesjelben Fauſt
Goethe, den Zeitgenofjen Roufjeaus, den modernen Menſchen. Aber
von den Ketzereien, die der Dichter feinen Kauft „im Widerjtreit
mit dem düſtern Aberglauben einer vergangenen Zeit” vortragen
läßt, von diejen darf Fauſt, der eingefleijchte alte Zauberer, beileibe
nod nichts wiſſen. Goethe will ung (womöglid) aud) Fauſt felbit!)
nur „ahnen lafjen“, wie jehr ſich jein Held mit feinem magiſchen
Beitreben auf dem Holzweg befindet. So natürlich aljo löſt ſich dieſer
Widerſpruch! Und nun wiſſen wir es, unter dieſem „fruchtbaren
Geſichtspunkt“ braucht man künftig nur „Homers Epen und das
Nibelungenlied zu betrachten“ umd die Theorie von „päteren Zuſätzen
und Einjchiebjeln” wird für immer, wie fich gebührt, bejeitigt fein.
Es jcheint danad), wir müſſen ung nod) auf etwas gefaßt machen.
278 J. Niejahr, Kritiiche Unterfuchungen zu Goethes Fauſt.
Einer ernfihaften Widerlegung bedürfen dieje ebenjo prätentiöfen wie
unflaren Auslafjungen natürlid) nicht.
Es ift vergeblich, die angeführten Gegenjäte unter einen Hut
bringen zu wollen. Wir haben hier zwei gejonderte Auffafjungen des
Stoffe vor ung, zwei verjdjiedene Anläufe, den Inhalt der Cage
geiftig zu durchdringen und zu gejtalten. Als Goethe begann „Habe
num ad)! Surijterei” ftand er noch unter dem Einfluß des Puppen
ſpiels, die traditionelle Geſtalt des alten Zauberers jchwebte ihm
nod) vor, der im Bann volfstümlic, chriftlicher Vorſtellungen, wenn
aud) in trogiger Auflehnung gegen jie ı Vers 16:, jeine Zeele dem
Teufel verichreibt. Als er fortfuhr „O ſähſt du voller Wonden-
ſchein“, ſchritt er kühn aus den Grenzen der Sage hinaus, er war
entichlofjen, dem Stoff nur jein altes Kleid zu laſſen, aber im
übrigen ihn ganz mit modernem Geiſt zu erfüllen und jein eigenes
Herzblut in ihn überzuftrömen. Poch erhebt fich diejer neue Fauſt
über die Scjredbilder von Hölle und Teufel, getroft blidt er auf
zu ſeinen eigenen (Höttern, und tritt freien Geiſtes, um feinen quälen:
den Trang nad) Naturerfenntnis zu stillen, vor die Natur jelbft.
Hier klafft der Segenjag zweier Weltanjchauungen, die der Dichter
aus jeiner eigenen Bruſt in jein Werf und hier in den Monolog
übertrug. Es it mir unbegreiflich, wie Kuno Fiſcher Goethes Fauſt“,
3. Auflage, 2, 215 f. dieſen Gegenſatz jo ſcharf durchſchauen und
entwideln kann, ohne zugleich die Unvereinbarkeit der beiden Theile
unjers Monologs zu erfennen oder anzuerfennen.
Unter den mannigjachen Wendungen und Wandlungen, welche
die Fanſtſchöpfung erfahren, giebt es feine, die enticheidender geweſen
wäre als dieſe. Ter Schritt, der noch zu thun war, die Sage aus
ihren ſcholaſtiſch-lutheriſchen Feſſeln zu befreien und ihren unermeß—
lihen menſchlich geiltigen Gehalt zu volliter ergreifenditer Wirkung
zu bringen, ihm fonnte nur ein weltumjpannender prometheiſcher
(Henins erfolgreidy wagen. Erjt indem Goethe mit genialem Inſtinkt
dem fühnen, aber wunderlichen Gebilde der Volksphantaſie jeinen
eigenen Tdem einhauchte, ichuf er aus ihm jenes tiefſinnige Gemälde
der großen Weenichbeitstragödie, deſſen Boritellung wir heute mit
dem Begriff der Fauſtſage und Faufiidichtung zwingend verbinden.
Wir können jegt den Punkt beitimmen, wo diele erite und folgen:
reichite Wendung im unſerm „Fauſt“ eintrat.
Es wäre allerdings verlorene Weihe, ans den eriten 323 Verſen
einen uriprünglichen Plan ennwideln zu wollen. Zo viel aber wird
man dod wohl behaupten dürfen, dan alle Scenen, die ca mit Fauſts
Stellung als Yehrer zu thun haben, auf Elemente des Urentwurfs
zurücdgehen. Sie lehnen ſich, wenn auch frei an die Tradition der
Zage an. Tas it jedenfalls charafteriftiich, seitdem Goethe jeiner
J. Niejahr, Kritifche Unterfuchungen zu Goethes Fauft. 279
Dichtung jene jubjeftiv perjönliche Richtung gegeben hatte, verloren
diefe an die Überlieferung anfnüpfenden Scenen das Intereſſe für
ihn. Den Disputationsaft nahm er erſt ſehr viel ſpäter in Angriff
und ließ ihn bald für immer fallen; die Schwierigkeiten, die Fauft
als Xehrer findet, die „widerwärtigen Streiche“ der Studenten (Teil II,
Vers 6233 ff.) find nicht einmal angedeutet. Der Urfauft, mitge⸗
rechnet die noch erkennbar zu ihm gehörigen Fragmente, enthält,
abgeſehen von den erſten 32 Verſen und der Scene in Auerbachs
Keller, nur Motive ganz freier, von der Tradition losgelöfter Er-
findung, in denen perfönliches Erleben, Empfinden und Denken des
Dichters ſelbſt zu uns ſpricht.
Wann dieſer Umſchwung in unſerer Dichtung eingetreten iſt, das
wird ſich freilich ſchwer entſcheiden laſſen. Er hängt jedenfalls zuſammen
mit Goethes Abwendung vom Chriſtenthum, die doch wohl nicht
plötzlich erfolgte, ſondern ſich in allmählicher Entwicklung vollzog.
Der Bruch war jedenfalls entſchieden, ſeitdem Spinoza beſtimmter
in ſeinen Geſichtskreis trat, alſo etwa ſeit dem Jahr 1774. Aber zu
irgend einer ſicheren Zeitbeſtimmung gelangen wir damit nicht. Auch
metriſche und ſtiliſtiſche Kriterien geben, wie wir geſehen haben, keinen
verläßlichen Anhalt. Selbſtverſtändlich aber ſind dic Verſe 1—32
älter als die folgenden 33—74; das liegt in der Natur der Sache.
Sie find mit den früheiten Elementen der Schülerfcene, dem Kern
der Kellerjcene und vielleicht Werd 77—100 (Urfauft) die alleinigen
Reſte und Zeugen der wahren Urfonzeption des Fauſt.
Die beiden fi) in der Grundanſchauung ausfchließenden Zeile
des Monologs fonnten natürlich nicht unvermittelt nebeneinander
treten. Ein vollfommenes Bindemittel, das jeden Widerfprud) be:
jeitigt hätte, gab es nicht. Goethe bediente ſich eines Kunftgriffs,
den ihm die Tradition des Puppenfpiels an die Hand gab: er blieb
in den Grenzen der Sage, indem er Fauſt alles von einem Zauber—
bud hoffen ließ, und er trug Rechnung der modernen Anſchauung,
indem er ihm die Erfenntnis aufgehen ließ, das Bud) fünne nur
unter Anweiſung der Natur jelbjt verjtanden werden. Die Zweiheit
ift freilich) damit nicht bejeitigt, und fie beherricht auch nod) dic
folgende Scene.
Aber die Schwierigkeiten jegen fid) fort und vermehren fid).
Scherer (a. a. D., S. 324) macht darauf aufmerffam, in der zweiten
Partie des Monologs (Vers 33—74) jei alles auf Fauſts Flucht
berechnet, dieje Flucht aber werde weder ausgeführt noch auf ein-.
leuchtende Weile gehindert, mithin jeten bei jtrenger Interpretation
die zweite und die dritte Partie (Vers 77—114) unvereinbar. Es
fommen hauptjächlid) die Verſe 65— 74 in Betracht. Vorher äußert
ji) Fauſts Ungeduld und Widerwille, noch länger in dem „dumpfen
280 J. Niejahr, Nritifche Unterjuchungen zu Goethes Fauſt.
Mauerloch“ zu ſtecken, der Entichluß, aus dem Studierzimmer ins
Freie zu flüchten, bereitet fidh vor. Die Worte „zlieh! Auf! hinaus
ing weite Land!“ können danad) nur die Ausführung dieies Vor⸗
ſatzes als unmittelbor bevorjtehend ankündigen. Auf dieſer Flucht joll
Fauſt das geheimnisvolle Zauberbuch des Noſtradamus begleiten,
ein Beweis, das es ſich um eine wirkliche Bewegung, eine Wande—
rung handelt. Die „heiligen Zeichen“ bleiben tot in der Studier—
jtube, fie erhalten erjt Yeben im Anichaun der Natur jelbit. Der
Gegenſatz iſt jo klar wie möglich. Trotzdem glaubt Collin (a. a. O.,
©. 20 f., Scherer hier ſehr überlegen abfertigen zu können. Das
Buch ſolle Fauſt „nicht auf ſeinem GGange zur Natur draußen be:
gleiten, ſondern auf dem Wege, den er jetzt einſchlagen will, der ihn
mittelbar auch zu ihr das heißt zur Natur geleiten ſoll“. Hier wird
uns nämlich ein großes Geheimnis enthüllt: „Natur kann man
beides nennen und find auch beide, die alchemiſtiſche wie die in der
Auffaſſung md dem Sinne jeiner (Goethes Zeit" a. a. O., S. 18h.
Allo, wenn das Buch Fauſt als Geleiter zur Natur dienen joll, jo
heist das zu der Natur, wie jie die Alchemie, die Magie veriteht.
Um eine Begleitung im geiitigen Sinne alio handelt es jich, ſowie
um cine bloß gedadhte, künſtlich Fonjtruierte Natur. Wirflih? Und
wenn Fauſt vorher „ins weite Yand“ flichen will, to heißt das auch
„im das weite Yand der Alchemie*? Und wenn Fauſt vorher ſich
aus dem dumpien Nerfer jemes Muſenms hinausichnt in die Natur,
jo heist auch das wieder in „die Natur der Magie“? Und dod hat
Gollin dort ſelbſt a. a. O., S. 15: den Gegenſatz richtig hervor:
gehoben „Die Natur draußen und die für den Gelehrten To charak—
teriſtiſche Phyſiognomie ſeiner Umgebung“. Tenielben Gegenſatz aber
haben wir auch hier Vers 70—74 in der Wegenüberſtellung des
„trocknen Sinnens bier“ und der „Unterweiſung durch die Natur“,
will Collin das leugnen? Wr beſtreitet cs in der That, wie wir
jehen, er bat ja zwei Eiſen im Fener, Die Natur ift ibm zur Abs
wechstung bier nicht „Die Natur draußen“, jondern „die alchemi-
ſtiſcher. Tas iſt zwar gegen alle Yogif, aber was thut das, wenn
nur der Gegenſatz zwiſchen dem „hier“ und der „Natur“ damit
beieitigt iſt. Es verlohnt ſich nicht, anf dieſe wichtigen Künſteleien
weiter einzugeben, ſie richten ſich durch ſich ſelbſt.
Es muß dabei bleiben, Fauſt hat wirklich die Abſicht, ſein
Studierzimmer zu verlaſſen, um mit Hilfie des Zauberbuchs draußen
tm Freien die Geiſter zu beſchwören. Tem alſo emphatiſch ange:
kündigten Entſchluß, was folgt ihm? die Worte
Ihr ſchwebtet ihr Geiſter neben mir
Antwortet mir wenn ıbr mich bort.
J. Nieiahr, Kritiiche Unterfuchungen zu Goethes Fauft. 281
Eben erſt haben wir von Fauſt vernomneen, nicht das Grübeln
in der engen Klauje, nur die Natur jelbjt vermöge die Seele zu
öffnen für das Verftändnis der Geifter, und jegt umjchweben ihn
dieje ganz plöglich jogar ungerufen, er wendet ſich ohne alle Ver—
legenheit an jie und es bedarf weder der Natur noch einer erhöhten
Seelenkraft, um mit ihnen in Verfehr zu treten. Dies ijt und bleibt
ein Widerfpruch, deffen Spigen fic) zwar durch Interpretation und
geſchickten jchaufpielerifchen Vortrag (vgl. Erih Schmidt a. a. O.,
S. XX, abjdhleifen lafjen, der aber jelbit nimmermehr aus der Welt
u Schaffen iſt. Hier ift es fein bloßes „philologiiches Witzſpiel“,
jondern ein gegebenes Recht der Kritik, wenn fie zu einer „älteren
Faſſung“, zu einer „fallen gelaffenen Scene” vorzudringen ſucht.
Als Goethe die Verſe 65—74 Ichrieb, hatte er die Abficht, dem
Monolog eine Scene folgen zu laffen, in der Fauſt im Freien Die
Geijter mit Hilfe des HYauberbuches beihmwört. Was ihn beftimmte,
jie aufzugeben, wird jid), wie wir fpäter jehen werden, wenigitens
erraten lafjen.
Scherer hat zwiſchen dem Monolog und der Erdgeiſtbeſchwörung
noch eine Zwiſchenſtene angenommen (a. a. O., ©. 311. 322 f.).
Er nimmt Anſtoß daran, daß Fauſt „das Zauberbuch nur aufzu—
ſchlagen braucht, um ſich ſofort von Geiſtern umgeben zu fühlen“.
Er fragt: „Warum hat er das nicht längſt gethan, wenn er es
konnte?“ Er verlangt daher nach dem Vorbilde des Volksdramas und
des Puppenſpiels noch eine Scene, in der das Buch auf eine ge—
heimnisvolle Weiſe erſt gebracht wird. Dagegen iſt folgendes einzu—
wenden. Wie lange und woher Fauſt das Buch hat, darauf kommt
es, wie auch Collin mit Recht betont (a. a. O., S. 19 f.), nicht
an. Er hat, wir hören es aus ſeinem eigenen Munde (Bers 24),
den erſten Schritt zur Magie bereits gethan, damit ijt gejagt, daß
er fi) vor allem in den Bejig der Mittel gejett hat, die zur Aus:
übung der Zauberfunft und zur Geifterbeihwörung nötig find. Zu
ihnen gehört auch unjer Bud. Er hat es bereit3 und braucht es
nicht erſt zu bekommen. Befragt hat er es auch ſchon, wir müſſen
uns ihn vorſtellen, wie er eben in dieſer Nacht wieder über den
magiſchen Zeichen brütet — Collin ſchildert die Scene im allge—
meinen richtig (a. a. O., ©. 19) — aber er hat den Schlüſſel zu
diejer Geheimichrift 8* nicht gefunden. Da plötzlich dringt der volle
Schein des Mondes in die Nacht ſeines Kerkers und ſeiner Seele,
es wird licht in ihm, es überkommt ihn wie eine Offenbarung, nur
die Natur vermag dir zu helfen. Eben will er dieſem inneren Rufe
folgen, da umſchweben ihn ſchon die Geiſter. Er hat ſie nicht citiert,
er hat ja das Buch zugeſchlagen in der Hand, er öffnet es
erſt wieder, nachdem er der Anweſenheit der Geiſter bereits inne
282 I. Niejahr, Kritifche Unterjuchungen zu Goethes Fauſt.
geworden (vgl. jcenariiche Bemerkung zu Vers 76). Alſo der von
Scherer geforderten Zwiſchenſcene bedarf es nicht; fie wäre über:
flüjfig, ja fie wäre jtörend, weil, wie wir gleich jehen werden, das
Zauberbuch jelbjt nur eine untergeordnete Rolle jpielt.
Scherers Einwände gegen die urjprüngliche Einheit de8 Mono—
logs haben wir bejtätigt gefunden. Es fragt ſich, ob wir auf Dielen
Wege noch weiter vordringen fünnen. Es iſt eine Hypotheſe, viel:
leicht eine jehr kühne, die ich vorbringe; aber fie jcheint ſich mir
aus der Situation und aus den Worten des Tichters mit Noth-
wendigfeit zu ergeben. Es handelt ſich um die Scene der Geifter:
beihwörung. Wie entipricht fie dem Monolog und was ließ dieſer
erwarten?
Fauſt wollte mit dem Buch des Nojtradamus ins Freie, zu:
nächſt um „der Sterne Lauf“ zu erfennen. Bon aftronomijchen Be-
obadytungen iſt nachher weiter nicht die Rede, was auffallend it,
aber hier nicht urgiert werden joll. Es bietet fich Fauſt ein größeres
Schauipiel. Sein Blid fällt zuerft auf das Zeichen des Makrokos—
mos, er ſieht, indem er es betrachtet, die gejanımte „würdende
Natur“ vor jeiner Scele liegen, die Welt enthüllt fih ihm als ein
Geiſterall, „Himmelskräfte“ jteigen als Genien auf und nieder und
ipenden Yebensiäfte in „goldenen Eimern“. Es erfüllt fi ihm jeßt
buchjtäblich, worum er vorher gefleht (Vers 29— 32), er ſchaut
„ale Würdungsfraft und Samen”, er erfenut, „was die Welt
im innerjten zujammenhält”. Darum fühlt er „junges heilges
Yebensglüd” und ungewohnt „Wonne durch alle jeine Sinnen
dringen“, das hödjite Schnen jeines Herzens icheint erreicht. Und
diejes Glück, dieſer Blick in die Tiefen der Natur ijt ihm geichenki
bloß vermöge des Jauberbudhs, der Magie. Sie leiftet ihm
jeßt, was er von ihr erwartet, die Natur bleibt ganz aus dem
Spiel. Mit einem Wort, Vers 77—100 jtimmt zu Vers 1—82,
aber nicht zu Vers 33—74 des Monologs, die Verſe gehören zu
der älteiten Monzeption. Dies wird falt zur Gewißheit durd) den
Charafter des Bildes, unter dem ſich das Univerſum Fauſt offen-
bart. Tas iſt feine freie poetiich inmboliiche Umſchreibung für das
harmonische Zuſammenwirken der Naturfräfte, das iſt eine der
myſtiſchen Worftellungen, die Goethe noch aus der Zeit feiner
alchemiittich:fabbaliltiichen Ztudien gegenwärtig war. Er fand ſie bei
Delmont, den er während feiner Krankheit 1770 gelefen Dichtung
und Wahrheit, Auch 8, S. 119, Hempel: vgl. Graffunder, Preußiiche
Jahrbücher 65, 705, und übertrug fie jegt, mit cinem Anklang an
die Kosmologie der Pythagorerr Vers 100:, bewußt auf uniere
Scene. Tie Möglichkeit einer Beziehung auf Anjchauungen Herders
leugne ich nicht vgl. Collin a. a. O., S. 25 ff... Aber mußte
J. Niejahr, Kritijche Unterfuchungen zu Goethes Fauft. 283
Goethe jeine Erklärung der göttlichen Hieroglyphe erjt aus der „Alteften
Urfunde des Menſchengeſchlechts“ erfahren? Herder jpielte ſchon 1770
in Stragburg mit dieſer dee und, mitteilfam wie er ar, wird
er jie gewiß Goethe nicht vorenthalten haben, der fie nach feiner Art
mit Begier ergriff. Auch die Verſe 9U— 93, in denen Scherer („Aus
Goethes Frühzeit”, S. 71 ff.) den Einfluß der „Altejten Urkunde“
entdeden wollte, haben, wie wir jegt wifjen, mit diejer nichts zu
thun. „Der Weiſe“ iſt natürlid) eine bejtimmte Perjon, wie der
jonjtige Gebraud) diejeg Wortes bei Goethe lehrt, 3. B. in „Hans—
wurjts Hochzeit“ (= Sofrates; „Der junge Goethe” 3, 498) und in
dem Gedicht „Vermächtniß“, Strophe 2 (= Kopernifus). Aber an
unjerer Stelle tjt nicht Herder, jondern, wie Eri Schmidt un:
zweifelhaft gemacht hat (a. a. O., ©. XXXVII, Anmerkung),
Swedenborg gemeint. Diejer von Erid) Schmidt gegebene Fingerzeig
ijt von bejonderer Wichtigkeit und wird in jeinem ganzen Umfange
erſt nod) fruchtbar zu machen fein. Jedenfalls ift der Einfluß des
grogen nordilchen Phantajten auf den jungen Goethe ein ungewöhn—
licher gewejen, und nirgends nimmt man ihn beftimmter wahr als
in den älteren Partien des Fauſt. Das „Morgenroth“ in Vers 93
weit nun nicht mehr auf die Moſaiſche Schöpfungsgeicichte,
jondern auf die dem Schüler Swedenborgs neu aufgehende „Geijter-
welt“ hin. Der Ausdruck fpielt auch nicht, wie ich früher glaubte
und Kuno Fiſcher (a. a. ©. 1, 143) andeutet, auf die Stelle bei
Widmanı an (Kapitel 1), wonad) Fauſt „an hohen Feſttägen,
wenn die Sonn Morgends frühe aufgienge, das jo genannte cre-
pusculum matutinum, und andere abergläubiiche Sachen mehr ge-
brauchte”. Das würde ja eine wirkliche Verlegung der Scene in die
Frühzeit vorausjegen, die ſich wenigſtens für diefe Stelle verbietet.
Das Wort ijt rein metaphorisch aufzufaffen, von einem höheren,
überweltlichen Zujtand; das beweift der Gegenſatz, der in dem Epi-
theton „irdiſch“ („die irdſche Bruſt“, Vers 93) liegt. Alfo Sweden:
borg ijt der Weije,!) dem der Dichter den Ausspruch) Vers 90—93
in den Mund legt, jowie immerhin Herder vorher es fein mag, dem
er Vers 81 die Idee von dem göttlichen Urjprung des Zeichens
verdankt. Meiner Anjiht von dem Alter der Verfe 77—100 fteht
beides nicht im Wege. Denn aud) Swedenborg ift Goethe, wie die
von Erich Schmidt citierte dithyrambifche Stelle aus den Frankfurter
gelehrten Anzeigen beweijt („Der junge Goethe“ 2, 466), bereitS im
) Smwedenborgiihen Einfluß verraten auch die Worte: „Bin ich ein Gott?
mir wird fo licht!“ (Vers 86). Nach der Schrift „de coelo et eius Mirabilibus”
(Überjegung von 1774), cap. 127 ff., ftammt alle menſchliche Erfenntnis und Weis-
heit aus dem göttlichen „Licht“. Gott jelbft ift das vollkommene Licht und bie
Duelle alles Lichts. |
284 I. Niejahr, Kritiiche Unterſuchungen zu Goethes Fauſt.
Jahr 1772 befannt, alfo zu einer Zeit, wo die eigentliche Arbeit am
Fauſt wahrjcheinlid, überhaupt nod) nicht begonnen hatte.
In Entzüden verloren ftcht Fauſt vor dem Zeichen des Mafro:
fosmus. Da auf einmal wendet er jich im tiefſten unbefriedigt ab.
Was ihm eben noch mit jeliger Glut durchwärmte, iſt ihm plötzlich
ein leeres Schaufpiel, das bloße Erfennen, der betraditende Ein:
blid in die geheimnisvolle Werkjtatt des Weltalls gilt ihm nichts,
er wendet jich wie von einer unfruchtbaren Spekulation davon ab;
er ſehnt ſich nach unmittelbarften lebensvollen Erfafjen der Natur,
er möchte mit jeinem ganzen Sein in jie überfließen, er möchte fie
gottgleich „Tühlen“ und erfahren :Bers 102,. Die Verje 101—106
führen uns damit in eine ganz nene Anſchauungswelt, die in ihrem
Weſen ebenjo dem zweiten Zeil des Monologs Vers 33—74 ent:
jpricht, wie Vers 77—100 auf Vers 1 —32 zurüdwies, dort Magie,
hiev Rouſſeauiſcher Naturdrang. Bon jenen erdfernen Weiten des
Univerfums jenft ſich nun der Geiſt herab auf den Boden, aus dem
allein der dürſtenden Weenichenjeele die Tuellen des Lebens
flienen. Jenes herrliche Schauſpiel war doch nur ein bloßes Sauber:
gebilde, ein täujchender Zchein des verborgenen Weltinnern, das in
Wirklichkeit nur „ein Bott“ zu ſchauen vermag; dem Weenichen iſt
als Reich die Erde angewieſen, diejer irdischen Natur darf er nahen,
wie der Zohn der Wiutter, in der Hoffnung, fie mehr als bloß
begrifflich zu veritehen, er darf ſich erfühnen, Jich ihrem Weſen zu
allimiliren und, ala ein anderer Zwedenborgiicher „grönter Menſch“,
jie in jich aufzunehmen und darzmitellen.
Fauſt erblickt das Zeichen des Geiſtes, der gerade den Inbegriff
defien bildet, wonach er ſelbſt mir glühendſter Zeeleninbrunft ver:
langt, den Natur und Meunſchheit umipannenden, raftlos Ichaffenden
Genius der Erde. Zogleich glaubt er ſich von dem Wehen eines
neuen Yebens hingerilien, eine ganz andere Wirkung gebt von diejen
geheimmisvollen Yinien aus. Er fühlt feine Zeele über ihre gejekten
Grenzen gejchwellt, ſein Daſein jcheint ihm erweitert zur ganzen
Dienichbeit, all ihr Weh, alt ihr Glück zu tragen it ihm Deut und
Kraft gegeben, er genient ein im Mitempfinden mit der Natur um
endlich erhöhtes, gährend ausbrechendes Lebensgefühl. Und nun findet
auch die wogende Bruſt den Ruf, dem ich jelbit der große Geiſt
ummiderftehlich beugen muß. Nortreiflic und wirkfiam hat Muno
Fiſcher a. a. C. 2, 219 j. den Zinn dieſer einzig erhabenen Stelle
ausgeiprochen. 3zwar muß Fauſt erit das jeichen des Geiſtes „ge
heimnisvoll“ ansinrechen, che Dieter in der ‚slamıme ericheint: dennoch
it es, wenn wir ſeinen eigenen IXorten glauben wollen Vers 136),
nicht das tote „Dermurmeln“ der Jauberformel, tondern „das mächtige
Zcelenflehn”, das ihn zwingt ſich zu enthüllen, es iſt die „natürliche
J. Niejahr, Kritifche Unterfuchungen zu Goethes Fauft. 285
Magie des Menſchen“, die erft das Leichen verftehen lehrt, der
techzende Aufichrei „Du mußt! Du mußt! Und foftet es mein Leben“,
die unbezwinglihe Kraft eines Willens, der Himmel und Erde aus
den Angeln hebt. Dem jehnfüchtig Berlangenden iſt endlich „Die
GSeelenfraft” aufgegangen, „wie ein Geift zu dem andern fpricht“.
Wer hat ihn darin unterwiefen? Wo ijt ihm das Erflehte endlich
gelungen? Im Studierzimmer, in dem dumpfen Kerfer, in der fragen-
haften Umgebung eines toten Gelehrtendafeins. Da, wo eben noch
alles Sinnen „umſonſt“ und verloren war, da ift ihm die Kraft der
Seele plöglid) gejchenkt, Schöpfung und Menjchheit ahnend zu erfaſſen,
da, in dieſer gruftähnlichen unnatürlichen Welt fühlt ſich der „in
Lebensfluthen? auf- und abwallende Geiſt der Natur gezwungen
zu erſcheinen? Und die Worte, Vers 102 ff.
Wo faff ich did) unendliche Natur!
Euch Brüfte wo! Ihr Quellen alles Lebens
An denen Himmel und Erde hängt
Dahin die welfe Bruft fid) drängt.
Ihr quellt, ihr tränft, und (hmadıt id) fo vergebens!
jie find nicht angeſichts der jo unit angeredeten Natur geiprochen,
fie find deflamiert in einem Loch, wohin ‚fein ungetrübter Strahl
des Himmels dringt? Und aljo hat fid) Fauſt vorher getäufcht, als
er all dies Glück nur von der Unterweiſung der Natur erwartete?
Was bedarf es weiter der Worte. Die Scene der Erdgeiſtbeſchwörung,
„der gewaltigite Ausbrud) der deutjchen Sturm: und Drangzeit“,
jteht, wie fie tft, nicht in ihrem Elemente. Sie erhält erjt Leben und
Wahrheit, wenn fie ins Freie verlegt wird. Dorthin gehörte fie
aud) urfprünglih. Wir fönnen die ganze Stelle Vers 102 — 164
herausheben und als eine befondere Scene für jic betrachten. Sie
ijt nicht vollitändig, es fehlt der Anfang und Schluß, aber was
dafteht, paßt vollfonımen für die Situation einer Geiſterbeſchwörung
an irgend einem einfamen Punft im Freien. ES widerftrebt nur
Vers 115—121. Das ijt eben jene vielberufene Stelle in freien
Rhythmen, die Scherer wegen ihrer Reimlofigfeit zu der unhaltbaren
Annahme einer anfänglichen projaifchen Geftalt der Scene verleitete.
Wir hätten, falls die hier vertretene allgemeine Auffaffung richtig
ift, gerade die umgefehrte Erklärung für die Abweichung. Es jtanden
hier Verſe, die für cinen freien Schaupla& berechnet waren; als
Goethe die Scene ind Studierzimmer verlegte, mußten jie entfernt
und durd) neue, für einen gejchloffenen Raum geeignete erjet werden.
War es Zufall, war es künſtleriſche Abficht, daß er ſich dabei reim-
lojer Zeilen bediente? ch vermag es nicht zu jagen.
Wir ſehen aljo, die Zweiheit des Monologs jeßt fich in einer
Geteiltheit der Geijterjcene fort. Ver8 77—100 gehört zu Berg
Enphorion IV. 19
286 J. Niejahr, Kritifche Unterfuchungen zu Goethes Fauſt.
1—32, wie 101—164 zu Vers 33- 74. Die beiden eriten Teile
jind Brucjftüce der Urconception. Wir haben von diejer demnach
ein Monologfragment (Vers 1— 32), in dem Fauſt erklärt, er habe
ji der Magie ergeben, und darauf jpäter den Reit einer Scene, in
der er id) in jeinem Studierzimmer zuerft des Zauberbuchs mit dem
gewünschten Erfolg bedient Wers 77— 100). Ich ergänze die Zwiichen:
glieder nicht. Genug, die „Folge der Scenen würde dem Gange des
Volksſchauſpiels entiprechen. Wir haben daneben als (Elemente der
zweiten Faſſung einen andern Monologteil Vers 33 - 74, der
mit dem Entſchluß zur ‚Flucht endigt, und jpäter ein Scenenfragneent,
in dem Fauſt feiner Abjicht gemän im Freien den Erdgeiſt beſchwört.
Dieſe Scenenanlage geht, wenn aud frei, auf das Volksbuch und
die gewöhnliche Faſſung der Puppenſpiele zurück.
Kine nebenjächliche Frage ift eg, wann die Citierung des Geiſtes
ſtattfinden ſollte. Fauſt will Vers 66 mit dem Buch in die Nacht
binausftürmen. Wie will er es leſen? Zoll dazu das Mondlicdht ge:
nügen? Zollte er, wie der Zchaggräber, „wenn es zwölfe ſchlug“,
„wunderbare Flammen” zuſammenſtellen? Bon jolchen Anjtalten iſt
nicht die Rede. Tas Volksbuch verlegte die erite Beichwörung
„gegen Abend“: ſollte ſie umgekehrt bei Goethe nach dem vorher an
geführten Bericht Widmanns „wenn die Zonne morgens früh auf-
ging“ erfolgen?
Die bezeichneten Parallelſcenen bilden verjchiedene Anſätze in
der Fauſtdichtung und naturgemäß war die jpäter entjtandene zweite
(Sruppe Vers 33 --74 und 101--164 bejtimmt, an die Stelle der
erjten zu treten. Aber Goethe fombinierte die beiden Faſſungen noch
vor ihrer geionderten gänzlichen Ausarbeitung und ſchuf ſo ein
Toppelgebilde, bei dem man wechjelnd aus dem einen Anichauungs-
freis in den andern tritt. \n dem Weonolog konnte er die beiden
ungleichartigen Elemente nebeneinander jtellen, ohne dan der (Hegen-
jag allzu ſtark fühlbar wurde. Arch in der zweiten Zcene war ein
vermittelnder Übergang leicht gefunden, der Vers
Welch Schauſpiel! aber ah ein Schanſpiel nur,
vereinigt in ebenſo fnapper wie volltommener Weiſe Vor und Rückblick,
Fort und Hinwendung. Aber die jühe Kluft zwiichen dem Geſamt
monolog und der (Seiltericene war nicht zu überbrücken. Bier Itand
erst der Entichlun zur Flucht und danı das Bleiben im Ztudier:
immer ſich jchroff gegenüber. (Soethe, jchon damals wenig peinlich
in der Zulaſſung wideripruchsvolfer, problematiicher Züge in einen
Tichtungen, hat es ſich hier ganz beionders bequem gemacht. Er
jucht feine Xermittlung, feinen UÜbergang, ſondern ignoriert einfad)
N, er FJunn and N. une. 8.
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288 A. Reichl, Goethes Fauſt und Agrippa von Nettesheim.
(Es iſt mir jedod) mehr als zweifelhaft, dar Goethe an Agrippa
einzig und allein dejjen magiſch-kabbaliſtiſche Schriftftellerei interejliert;
ichon darum, weil ſich die obige Stelle nidyt auf Agrippas magiſch—
fabbaliftiiche Werke, jondern auf feine declamatio de incertitudine
et vanitate omnium seientiarunı et arlium bezieht, welche ſich nur
oberflächlich mit Magie und Verwandtem befant.
Was war cs nun, das den jungen Dichter zu dem im vorigen
Jahrhundert fait verichollenen Deanne jo jehr hinzog? Tie Frage
beantwortet jich durch eine kurze Betrachtung der Schickſale und der
MWefensart des merfwürdigen Mannes. Heinrich Cornelius Agrippa
von Nettesheim,"; geboren zu Köln im Jahre 1486, ijt in all feinen
Vorzügen und Schwächen cin echtes Kind einer Yieblingsepoche
Goethes, der Keformationsperiode. Er verfügt über eine Vielſeitigkeit,
die ſelbſt im Zeitalter der Renaiſſance Aufjcehen erregt. Yu Wort
und Schrift gleich gewandt, der Feder wie des Schwertes gleich
mächtig, jtebt er in eifrigem Briefwechſel mit den angejeheniten (Se:
Ichrten, und die mächtigjten Fürſten bewerben fid) um feine Dienfte;
er erregt durch Schriften ungeheures Aufjehen: er gehört zu den
eriten — erfolggefrönten — Bekämpfern der Hexenprozeſſe.
Auch die Zage hat ſich des einſt vielgenannten Namens be:
mächtigt, fie macht den düſtern, geheimnisvollen Mann zum Zauberer
und nennt ihn in einem Athem mit ‚sanft. Dier cine gedrängte
Skizze ſeines Lebens.
Wir finden ihn nacheinander in Köln, ſeiner Vaterſtadt, dann
am Hofe Kaiſer Maximilians, dann zu Paris, nachher in Katalonien,
hierauf zu Tole in Burgund, in der Folge in England und in der
Heimat, bernac in Italien Trieſt, Pija, Pavia, Marignanoi, dann
in Metz, von hier vertrieben nach längerem Aufenthalt in der Vater—
jtadt, am framzöltichen Dofe in Dienſten der Mönigin: Mutter Yonife
von Savoyen zu don: bei ihr in Ungnade gefallen, will er in die
Dienſte des Konmetables Narl von Bourbon treten. Karls jäher
Tod beraubt ihn auch dieſer Hoffnung. Er licht ſich der Not, faſt
der Verzweiflung anbeimgegeben :1525 . Cine Frucht diefer tim:
mung dit die eingangs genannte Schrift. Endlich finden wir ihn zu
Antiverpen als Arzt, Ipäter in Dienſten Margaretas, der Statt
halterin der Niederlande. Ta wird jene Schrift in der Hand jeiner
(Gegner zur furchtbaren Waffe wider ihn. Zeine Gönnerin jtirbt.
Aus den Niederlanden ausgewieien, findet er zu Vonn ein Ayl.
Nicht lange duldet es ihn bier: abermals will er fein Glück in
The life ot Henry Gornelin- von Nettesheim, doctor and kuieht,
vommmenb known as a magielan” 2 Bande Yandon 1256. -- Zigivart,
„Agrıpva von Nettesheim“ („Rleme Schrüten, 1. Rebe,” yeburg ı 3. und
Iudingen, Z. 1-29
A. Reicht, Goethes Fauft und Agrippa von Nettesheim. 289
Frankreich verſuchen. Ta wird er auf Befehl Franz I. an der Grenze
aufgehoben. Freunde erwirfen jeine Befreiung. Zu Grenoble im
Haufe eines Freundes gaftlich aufgenommen, erliegt er 1534 einer
Krankheit.
Dieſer keineswegs erſchöpfenden Aufzählung ſeiner Irrfahrten
mögen noch einige Lebensumſtände hinzugefügt werden, die ſpäterhin
in Betracht kommen. In Köln und Paris treibt er außer dem
Studium der Medizin und der Nechte mit größtem Eifer das der
Magie. Zu Töle hält er theologifche Vorlejungen, und zwar mit
ſolchem Erfolge, daß er zum Doktor der Theologie promoviert wird.
Zu dieſem Doftorate erwirbt er jpäter noch zwei andere, das der
Medizin und der Rechte, an der Univerfität Pavia, wo er theo-
logiſche und philojophiiche Vorlejungen hält. In der Zwiſchenzeit
(1511— 1514) ijt er in Piſa als Theologe hervorgetreten und hat
auf dem Schlacdhtfelde zum Lohn fir joldatifche Tapferkeit den Ritter-
ſchlag erhalten.
In der Zeit der Bedrängnis, nad) dem Tode des Connetables,
befagt er jich mit der Erfindung und Verbefjerung von Geſchützen
und mit weitausjchanenden Finanzplänen.
Kein Wunder, dag ſich die gejchäftige Fama einer abergläubi-
ihen Zeit bald genug der rätjelvollen Gejtalt des unheimlichen
Mannes bemächtigte, um ihn nicht jo leicht wieder aus den Augen
zu verlieren.
Sicher hat Agrippa das Grufeln abjichtlich nicht wenig verftärft,
das feine Zeitgenofjen vor ihm empfunden haben müffen. So rühmt
er jih in Bittjchreiben an Voruchme gern feiner Vertrautheit mit
den verjchiedenjten Künjten und Wifjenjchaften und läßt dabei durd)-
bliden, dag er aud Mächtigen ein gefährlicher Feind werden fünne.
Durd) flug berechnete Weigerung verfteht er die Begierde nad) jeinen
Horoffopen und Prophezeiungen noch zu jteigern. Louiſe von Savoyen
jo gut wie Kaijer Marimilian traut ihm übernatürliche Gaben zu.
Mächtig gehoben wird diejes fein Anjehen durd) das magiſch-kabba—
lijtiiche Werf de ozculta philosophia libri tres.
Das größte Auffehen aber erregte die vielbefämpfte Schrift de
incertitudine etc. Der Titel und das Motto — nihil scire feli-
eissima vita — fennzeichnen das düjtere Werk nur zur Hälfte. Mit
dem Aufgebote alles Scharffinnes müht ſich Agrippa darzuthun, daß
alles Wiffen und Können eitel und hohl fei, daß Wilfen weder
glücklich noch gut mache, daß es nicht nur das zeitliche Wohl des
Menſchen vielfad) gefährde, jondern ihn aud mit ewigen Verderben
bedrohe. Habe doc, jchon die Schlange im Paradiefe das erjte
Menſchenpaar dadurd verführt, daß fie ihm Wiſſen verhieß .....
Da fei nur ein Ausweg, unerjchütterliches Feſthalten an der Lehre
290 A. Reichl, Goethes Fauſt und Agrippa von Nettesheim.
Ehrifti, ein einfältiger Glaube und geduldiges Ertragen des auf-
erlegten Yojes. Und diefer Gedanke jchlägt die Brücke zu einem höchſt
barocden, aber völlig ernjt gemeinten encomium asini.
In den hundertundzwei Kapiteln feines weitichichtigen Werkes
befämpft denn auch Agrippa manches als Wiſſenſchaft oder Kunſt,
was uns Heutigen diejer Namen nicht eben würdig ericheint. Und
nicht nur Kunſt und Wiffenichaft und Wifjenichaft allein, auch ihre
Bertreter überhänft er mit den bitterjten Normwürfen. Wir haben eine
„Satire auf alle Stände” vor uns. Morley vergleicht das Werk
pafjend mit Erasmus' „encomium moriae", durch dag es zweifellos
angeregt und beeinflußt worden ijt.
Agrippas ſonſtige Ichriftitelleriiche Ihätigfeit darf hier über-
gangen werden.
Air wenden uns nunmehr zu den Zagen und Zaubergeſchichten,
die an den Namen des Mannes anknüpfen.
Einjt bat Agrippas Famulus in des Meiſters Abmejenbeit
dejien Arbeitszimmer betreten und laut in einem Beſchwörungsbuche
gelejen. Es erjcheint ein Dämon umd fragt den unvorfichtigen Jüng-
ling, warum er ihm gerufen: diejer wein nichts zu antivorten, und
der Geiſt erdrofielt ihn. Zurückgekehrt, erfährt der Hexenmeiſter, was
geichehen. Am von fich und ſeinen Künſten den Verdacht abzufenten,
befiehlt er dem Geiſte, in den toten Yeib zu fahren, mehrmals über
den Markt zu gehen und dann die Hülle zu verlafjen. Dies geſchieht:
der Körper bricht zuſammen, der Geiſt verſchwindet.!)
Nach anderer Zage haben er und Fauſt Auf ihren ‚Fahrten
dem Wirte icheinbar echtes richtiges (Hold aufgezählt, das ſich jedoch
jpäter in Dornipäne und Tonftigen wertloſen Trödel verwandelt.?)
Man erzählte ſich auch, er habe von 9 bis 10 Uhr in Frei—
burg i. B. und unmittelbar darauf um 10 Ihr zu Pont-a-Mousson
in Yothringen Vorleſungen gehalten.’
Es wird ihm die Kunſt zugejchrieben, vom Monde abzulefen,
was jich in weiten Entfernungen zuträgt. So hat er des Nachts zu
Paris ſchon erfahren, was ſich am jelben Tage während des Krieges
Franz I. mit Karl V. im Mailändiſchen begeben hat.*)
', Martinus Delrio (disquisitionum magicarım lihri sex, Lovanii 1599)
liber 11. quaestio XIX. sectio I. pag. 360 »e1.
2) Ebendort, lib. II. quae-t. XII. pay. 167 24.
2) Echelhorn (amoenitates literariae, Frantfurt und Leipzig 1725—1780,
S. 589), nad der Mitteilung eines sreundes mu dem Zufage: ..Unde haec
hausta »int ignoro.
s. Natali» Comes «mythologiar . libri X. Frankfurt 1581), lib. I,
cap 17. pag 235%.
A. Reichl, Goethes Fauſt und Agrippa von Nettesheim. .291
Aber nicht nur auf franzöfiicher Seite, aud) als treuen Diener
Karls V. zeigt ihn uns die Sage. Er hat diefem durd Zauberei zu
friegerijchen Erfolgen verholfen, er ift auch bereit, ihm geheime, auf
magiichem Wege entdeckte Schäße zu verjchaffen. Doch gerade auf
Grund defjen wird er verurteilt und aus dem Neiche verbannt.!)
Wie jehr Agrippa Hunde Tiebte, zeigen jeine Briefe. Auch dicjer
Zug wird begierig aufgegriffen: man erinnert fich, daß all den be-
rühmten Schwarzfünjtlern Dämonen in Hundegeftalt gefolgt, jo Simon
Magus, jo Sylvefter, Fauſt und anderen. Auch Agrippas Hund, der
mit feinem Herrn das Lager teilen durfte, mußte folgerichtiger Weije
ein böjer Geift jein, und man gefiel fich in Ausmalung der fchaurigen
Scene, wie Agrippa vor feiner nahen Auflöjung dem dienftbaren
Seite unter Verwünſchungen die Freiheit zurückgiebt.2)
Sicher haben feine Briefe, die erjt lange nach feinem Tode im
Drud gejammelt erfchienen, viel dazu beigetragen, die Nachwelt zwar
nicht erjt auf den Gedanken zu bringen, wohl aber darin zu bejtärfen,
dag er ſich mit Zauberei befaßt und den Stein der Weijen gejucht
habe.3ı
— — — —
Wir haben oben geſehen, daß ein Spanier, Delrio, ein und
denſelben Zauberſchwank auf Agrippa und Fauſt bezieht. Delrios
Werk erſchien 1599. Aber ſchon bedeutend früher werden beide
Männer in eine Reihe gejtellt; jo ſchon um 1588 von dem Eng—
länder Marlowe,“) dann 1583 von Minucci’) und 1564 von Johannes
Manlius.b/
Und nun müſſen wir fragen: wäre es nicht wunderbar, wenn
gerade dem jungen Goethe die ſchlagende Ähnlichkeit zwifchen Fauſt
und Agrippa entgangen wäre?
— —
') Nach Morley 2, 318, deſſen Quelle (Thevet, portraits et vies des
hommes illustres, Paris 1584) mir nicht zugänglid) ift.
2) Morley, a. a. O.; L. Fränkel im Euphorion 2, 766 und J. Manlius, loco-
rum communium collectanea. Basel 1564, pag. 166.
3) Bgl. befonders Scheihorn, amoenitates Äiterariae, 1725—1730, ©. 563 ff.
%) Reclam, Nr. 1128 (Doktor Fauftus ... überfegt von Wilhelm Müller),
©. 14, unten, jagt Fauſt:
„Ich will nun werden, wie Agrippa war,
Des Name ganz Europa nod) verehrt.”
5) Für den Hinweis auf diefe Stelle (Goethe-Jahrbuch 16, 222) bin ich
Herrn Brofefior Sauer zu Dank verpflichtet.
#) Manlius, locorum commun. collect. lib. I, pag. 43: „Vivens (Faustus)
adhuc habebat secum canem, qui erat diabolus, sieut iste nebulo, qui
scripsit de vanitate artium, etiam habebat canem secum currentem, qui
erat diabolus.
284 J. Niejabr, Kritiiche Unteriuchungen zu Goethes Fauſt.
Jahr 1772 bekannt, aljo zu einer seit, wo die eigentliche Arbeit am
Fauſt wahrjcheinlich iiberhaupt noch nicht begonnen hatte.
In Entzüden verloren ftcht Fauſt vor dem Zeichen des Makro—
fosmus. Da auf einmal wendet er jich im tiefiten unbefricdigt ab.
Was ihn eben noch mit jeliger Glut durchwärmte, ift ihm plötlid)
ein leeres Schaufpiel, das bloße Erfennen, der betrachtende Ein:
blid in die geheimnisvolle Werkitatt des Weltalls gilt ihm nichts,
er wendet ji) wie von einer unfruchtbaren Spefulation davon ab;
er jehnt ji) nach unmittelbaritem lebensvollen Erfaffen der Natur,
er möchte mit jeinem ganzen Sein in fie überflichen, er mödhte fie
gottgleich „Fühlen“ und erfahren »Vers 102. Tie Verſe 101—106
führen ung damit in eine ganz neue Anſchauungswelt, die in ihrem
Weſen ebenjo dem zweiten Zeil des Monologs Vers 33—74 ent:
jpricht, wie Vers 77—100 auf Vers 1—32 zurücwies, dort Dlagie,
hier Rouſſeauiſcher Naturdrang. Non jenen erdfernen Weiten des
Univerjums jenft ſich nun der Geiſt herab auf den Yoden, aus dein
allein der dirjtenden Meenichenicele die Quellen des Yebens
fliegen. Jenes herrliche Schauſpiel war doch nur ein bloßes YJauber-
nebilde, ein tänichender Schein des verborgenen WWeltinnern, das in
Wirklichkeit nur „ein Gott“ zu Ichauen vermag: dem Meenſchen iſt
als Reich die Erde angewieſen, diejer irdiichen Natur darf er nahen,
wie der Zohn der Viutter, in der Hoffnung, ſie mehr als bloß
begrifflich zu verftchen, er darf Sich erkühnen, ich ihrem Wejen zu
aſſimiliren und, als ein anderer Zwedenborgiicher „größter Menſch“,
fie in jich aufzunehmen und darzuitelten.
Fauſft erblickt das Zeichen des Geiſtes, der gerade den Inbegriff
defien bilder, wonach er jelbit mit glühendſter Zeeleninbrunit ver:
langt, den Natur und Menjchheit umſpannenden, ratlos ſchaffenden
Genius der Erde. Zogleidh glaubt er ſich von dem Wehen eines
neuen Yebens hingerifien, eine ganz andere Wirkung gebt von dieien
geheimnisvollen Yinien aus. Er fühlt jeine Zcele über ihre geiegten
Grenzen geichmellt, ſein Tajein jcheint ihm erweitert zur ganzen
Menichheit, all ihr Web, all ihr Glück zu tragen ijt ihm Deut und
Kraft gegeben, er genient ein im Mitempfinden mit der Natur um
endlich erhöhtes, gährend ausbrechendes Yebensgerühl. Und nun finder
auch die wogende Bruit den Ruf, dem sich jelbit der große Geiſt
unmiderstehlicdh beugen muß. Wortrefflid und wirkam bat Kuno
‚licher a. a. TC. 2, 219 j. den Zum dieler einzig erhabenen Ztelle
ausgeiprochen. Zwar muß Fauſt erit das jeichen des Geiſtes „ge
heimnisvoll“ ausjprechen, che dieſer in der Flamme ericheint: dennoch
iſt es, wenn mir ſeinen eigenen Worten glauben wollen Vers 136;,
nicht das tote „Hermurmeln“ der Jauberformel, ſondern „das mächtige
Seelenflehn“, das ihm zwingt fich zu enthüllen, es ift die „natürliche
J. Niejahr, Kritifche Unterfucdhungen zu Goethes Fauſt. 285
Magie des Menſchen“, die erft das Leichen verftehen lehrt, der
lechzende Aufichrei „Du mußt! Du mußt! Und fojtet es mein Leben”,
die unbezwingliche Kraft eines Willens, der Himmel und Erde aus
den Angeln hebt. Dem jehnjüchtig Berlangenden it endlich „die
Seelenfraft“ aufgegangen, „wie ein Geift zu dem andern fpricht”.
Wer hat ihn darin unterwiefen? Wo tft ihm das Erflehte endlich)
gelungen? Im Studierzimmer, in dem dumpfen Kerfer, in der fragen-
haften Umgebung eines toten Gelehrtendajeing. Da, wo eben nod)
alles Sinnen „umſonſt“ und verloren war, da ift ihm die Kraft der
Seele plöglid) geſchenkt, Schöpfung und Menjchheit ahnend zu erfaſſen,
da, in dieſer gruftähnlichen unnatürlichen Welt fühlt ſich der „in
Lebensfluthen auf- und abwallende Geiſt der Natur gezwungen
zu erſcheinen? Und die Worte, Vers 102 ff.
Wo faff ich dich unendlihe Natur!
Euch Brüfte wo! Ihr Quellen alles Lebens
An denen Himmel und Erde hängt
Dahin die welke Bruft fid) drängt.
Ihr quellt, ihr tränkt, und (hmadt ich fo vergebens!
jie ſind nicht angejichts der jo brünftig angeredeten Natur gejprochen,
fie jind deflamiert in einem Loch, wohin kein ungetrübter Strahl
des Himmels dringt? Und aljo hat ſich Fauſt vorher getäufcht, als
er all dies Glück nur von der Unterweilung der Natur erwartete?
Mas bedarf es weiter der Worte. Die Scene der Erdgeiſtbeſchwörung,
„der gewaltigijte Ausbruch der deutichen Sturm: und Drangzeit“,
jteht, wie fie ijt, nicht in ihrem Elemente. Sie erhält erjt Leben und
Wahrheit, wenn fie ins Freie verlegt wird. Dorthin gehörte fie
auch urſprünglich. Wir können die ganze Stelle Vers 102 — 164
herausheben und als eine bejondere Scene für jid) betrachten. Sie
it nicht volljtändig, es fehlt der Anfang und Schluß, aber was
dafteht, paßt vollfommen für die Situation einer Geiſterbeſchwörung
an irgend einen einjamen Punkt im Freien. Es widerjtrebt nur
Vers 115—121. Das ijt eben jene vielberufene Stelle in freien
Rhythmen, die Scherer wegen ihrer Reimlofigfeit zu der unhaltbaren
Annahme einer anfänglidyen profaifchen Geftalt der Scene verleitete.
Wir hätten, falls die hier vertretene allgemeine Auffafjung richtig
it, gerade die umgefehrte Erklärung für die Abweichung. ES jtanden
hier Verſe, die für einen freien Schauplag berechnet waren; als
Goethe die Scene ind Studierzimmer verlegte, mußten fie entfernt
und durch neue, für einen gejchloffenen Raum geeignete erjettt werden.
War es Zufall, war es Fünftlerifche Abficht, daß er fid) dabei reim-
lofer Zeilen bediente? Ich vermag es nicht zu ſagen.
Wir ſehen alſo, die Zweiheit des Monologs ſetzt ſich in einer
Geteiltheit der Geijterjcene fort. Vers 77—100 gehört zu Vers
Euphorion IV. 19
286 J. Riejabr, Kritiſche Unteriuchungen zu Goethes Fauit.
1—32, wie 101—164 zu Vers 33- 74. Tie beiden ceriten Teile
jind Bruchjtüde der Urconception. Wir haben von diejer demnach
ein VWeonologfragment ı Vers 1—32 1, in dem Fauſt erklärt, er habe
ji) der Magie ergeben, und darauf jpäter den Reit einer Zcene, in
der er jich in jeinem Studierzimmer zuerjt des Zauberbuchs mit dem
gewünjchten Erfolg bedient Vers 77— 1001. Ich ergänze die Zwiſchen
glieder nicht. Genug, die ‚Folge der Scenen würde dem Gange des
Volksſchauſpiels entiprechen. Wir haben daneben als Elemente der
zweiten Faſſung einen andern Weonologteil Vers 33 - 74, der
mit dem Entſchluß zur ‚Flucht endigt, und ipäter cin Zcenenfragment,
in dem Fauſt jeiner Abficht gemän im ‚sreien den Erdgeijt beichwört.
Tiefe Scenenanlage gebt, wenn aud frei, auf das Volksbuch und
die gewöhnliche Faſſung der Puppenjpiele zurück.
Kine nebentächliche Frage ift es, wann die Kitierung des Geiſtes
jtattfinden sollte. ‚sanft will Vers 66 mit dem Buch in die Nacht
hinausſtürmen. Wie will er es leſen? Zoll dazu das Mondlidht ge-
nügen? Zollte er, wie der Zchaggräber, „werm es zwölfe ſchlug“,
„wintderbare Flammen“ zuſammenſtellen? Bon jolchen Anftalten it
nicht die Rede. Tas Woltsbud) verlegte die erite Beſchwörung
„gegen Abend”: Tollte fie nmgefehrt bei Goethe nach dem vorher an
geführten VRericht Midmanns „wenn die Zonne morgens früh auf
ging” erfolgen?
Tie bezeichneten Paralleljcenen bilden verjchiedene Anſätze in
der ‚zanftdichtung und naturgemäß war die ipäter entitandene zweite
EGruppe Vers 53 --74 und 101 -164; bejtimmt, an die Ztelle der
erjten zu treten. Aber Goethe kombinierte die beiden Faſſungen noch
vor ihrer geionderten günzlicyen Ausarbeitung und jchuf jo ein
Toppelgebilde, bei dem man wechielnd aus dem einen Auſchauungs
freis im den andern tritt. |n dem Monolog konnte er die beiden
ungleichartigen Elemente nebeneinander jtellen, ohne dan der (Wegen
ſatz allzu ſtark fühlbar wurde. Auch in der zweiten Zcene war ein
vermittelnder Albergang leicht gefunden, der ers
Welch Schauſpiel! aber ah ein Zchaniprel mur,
vereinigt in ebenſo fnapper wie volltommener Weite Bor und Rückblick,
Fort und Hinwendung. Aber die jühe Kluft zwiichen dem Geſamt
monolog umd der (Seijtericene war nicht zu überbrücken. Dier ſtand
erit der Entichlun zur ‚Flucht und dann das Bleiben im Ztudier
zimmer ich jehroif gegenüber. Goethe, jchon damals wenig peinlich
in der Zulaſſung mwideripruchsvolter, problematiicher Züge in seinen
Dichtungen, bat es ſich bier ganz beionders bequem gemacht. Er
iucht feine Nermittlung, feinen Ubergang, jondern ignoriert einiach
A. Reichl, Goethes. Fauft und Agrippa von Nettesheint. 287
die vorher gegebene Vorausſetzung. Unbefünmert um die Anfündi-
gung der Flucht fährt er gänzlich nen ausholend fort:
Ihr ſchwebtet ihr Geifter neben mir
Antwortet mir wenn ıhr mich hört.
Aber das ijt nicht nur ein Widerjprud) gegen die unmittelbar vor=:
hergehenden Worte, fondern paßt nicht einmal zu der gleich darauf
folgenden Scene. Fauſt ruft ja die Geilter zunächſt gar nicht an
und jie haben nichts zu antivorten, er verfenft fid) ruhig in die
Betrachtung des kosmiſchen Zeichens. Die Verje erhalten ihre Be—
ziehung erjt in dem Augenblid, wo die Beſchwörung des Erdgeiftes-
beginnt.
Was Goethe veranlaßte, die Geijterjcene nicht ins Freie,
jondern in das Studierzimmer zu verlegen, läßt fich wohl vermuten.
Es wäre dramatifch geradezu unerträglid) gewejen, wenn Fauft,
nachdem er ſeinen Prolog geſprochen, die Bühne verlajjen hätte und
nad) vollzogenem Scenenwechſel zu einem neuen Monolog wieder
aufgetreten wäre. Ferner mußte ſich an die Beſchwörung das Ge—
prä mit Wagner als Kontrajticene unmittelbar anjchliegen, und
diefe fonnte nur im Zimmer jtattfinden. E3 war aljo das Bedürfnis,
einen einheitlichen Schauplag zu fchaffen, das den jchweren Wider-
jpruch zwilchen dem Monolog und denn folgenden Auftritt herbei-
geführt hat.
Goethes Fauſt und Agrippa von Zlettes-
heim.
Bon Anton Reichl in Saaz (Böhmen).
In Goethes „Ephemerides“, die bis in das Jahr 1770 zurück—
reichen, finden jich zwei Notizen, die jich auf Agrippa von Nettesheim
beziehen.!) Die eine lautet: De libri Nettesheimiani editione in-
tegerrima vid. Schellhorn in Amoen. litter. Tom. II. Os. V.
Editionem integerrimam ferunt, quam de anno 1532 in 8 repe-
rimus. Hierzu bemerkt der erfte Herausgeber (Schölf): „Aus Agrippa
wollte Goethe wohl jeine Kenntnis der Magie vermehren.“ °
1) Deutjche Litteraturdentmale des 18. und 19. Jahrhunderts 14, 14. (Martin,
Goethes Ephemerides und Volkslieder.)
2) Schöll, Briefe und Auffäte von Goethe. Weimar 1857, ©. 98.
19*
288 A. Neicht, Goethes Fauſt und Agrivpa von Nettesheim.
Es iſt mir jedoch mehr als zweifelhaft, daR (Woethe an Agrippa
einzig und allein deſſen magiſch-kabbaliſtiſche Schriftftellerei interefjiert;
ſchon darum, weil fid) die obige Stelle nicht auf Agrippas magiſch—
fabbaliftiiche Werke, jondern auf feine declamatio de incertitudine
et vanitate omnium scientiarum et artium bezieht, weldye ſich nur
oberflächlic) mit Magie und Verwandtem befaft.
Was war cs nun, das den jungen Dichter zu den im vorigen
Kahrhundert fat verjchollenen Manne jo jehr Hinzog? Die Trage
beantwortet ſich durch eine kurze Betrachtung der Echidjale und der
Wejensart des merfwürdigen Mannes. Heinrich Cornelius Agrippa
von Nettesheim,'; geboren zu Köln im Jahre 1486, iſt in all jeinen
Vorzügen und Schwächen ein echtes Kind einer Yieblingsepodhe
Goethes, der Keforimationsperiode. Er verfügt über eine Vieljeitigfeit,
die jelbit im Zeitalter der Renaiſſance Aufjchen erregt. Yu Wort
und Schrift gleich gewandt, der Feder wie des Schwertes gleid)
mächtig, ſteht er in eifrigem Wriefwechiel mit den angejehenften (Se:
lehrten, und die mächtigiten ‚yürften bewerben fid) um feine Dienfte;
er erregt durd Schriften ungeheures Aufjehen; er gehört zu den
ersten -- erfolggefrönten — Belämpfern der Hexenprozeſſe.
And) die Zage bat sich des einſt vielgenannten Namens bes
mächtigt, jie macht den diiltern, geheimmisvollen Mann zum Zauberer
und nennt ihn im einem Athem mit Fauſt. Dier eine gedrängte
Zfizze jeines Yebens.
Wir finden ihm nacheinander in Köln, jeiner Qaterjtadt, dann
am Dofe Kaiſer Maximilians, dann zu Paris, nachher in Katalonien,
hierauf zu Tote in Burgund, in der Folge in England und in der
Heimat, hernach in Italien Trieſt, Pila, Pavia, Marignauo'n, dann
in Dep, von hier vertrieben nach längerem Aufenthalt in der Nater:
jtadt, am franzöſiſchen Hofe in Dienſten der Nönigin-Mutter Youije
von Savoyen zu Lyon: bei ihr im Ungnade gefallen, will er in die
Tienfte des Connetables Karl von Bourbon treten. Karls jäher
Tod beranbt ihn auch Dieter Hoffnung. Er licht ſich der Not, faſt
der Verzweiflung anbeimgegeben :1525 . Kine Frucht diefer Stim
mung iſt Die eingangs genannte Schrift. Endlich finden wir ihm zu
Autwerpen ala Arzt, jpäter in Tienften Margaretas, der Statt
balterin der Niederlande. Ta wird jene Schrift in der Dand ſeiuner
Gegner zur jurdhtbaren Waffe wider ihn. Zeine Gönnerin ſtirbt.
Aus den Niederlanden ausgewieſen, findet er zu Bonn ein Alyl.
Richt lange duldet cs ibn bier: abermals will er fen Glück in
The hte ot Henry Gornelm- vor Nette-heim, doetor and nieht,
connmonly known as a mapleian. 2 Bande Yondon Ir56. Sigwart,
„Agrıpva von RNettesheim“ („Kleine Schrüten, 1. Reihe,” Freiburg i. 3. und
Tutengen, 2. 1-24).
A. Reicht, Goethes Fauft und Agrippa von Nettesheim. 289
Frankreich verjuchen. Ta wird er auf Befehl Franz I. an der Grenze
aufgehoben. Freunde erwirfen jeine Befreiung. Zu Grenoble im
Haufe eines Freundes gaftlid) aufgenommen, erliegt er 1534 einer
Krankheit.
Diejer keineswegs erjchöpfenden Aufzählung feiner Irrfahrten
mögen noch einige Lebensumſtände hinzugefügt werden, die ſpäterhin
in Betracht kommen. In Köln und Paris treibt er außer dem
Etudium der Medizin und der Rechte mit größten Eifer das der
Magie. Zu Döle hält er theologifche Vorlejungen, und zwar mit
ſolchem Grfolge, daß er zum Doftor der Theologie promoviert wird.
Zu dieſem Doftorate erwirbt er ſpäter noch zwei andere, das der
Medizin und der Rechte, an der Univerſität Pavia, wo er theo-
logiiche und philojophiiche Norlefungen hält. In der Zwiſchenzeit
(1511 — 1514) ijt er in Pija als Theologe hervorgetreten und hat
auf dem Schladhtfelde zum Lohn fir joldatiiche Tapferfeit den Ritter:
ſchlag erhalten.
In der Zeit der Bedrängnis, nad) dem Tode des Connetables,
befaßt er ſich mit der Erfindung und Verbeſſerung von Gefchügen
und mit weitausjchauenden Finanzplänen.
Kein Wunder, dag ſich die gefchäftige Fama einer abergläubi-
jhen Zeit bald genug der rätjelvollen Geftalt des unheimlichen
Mannes bemächtigte, um ihn nicht fo leicht wieder aus den Augen
zu verlieren.
Sicher hat Agrippa das Gruſeln abſichtlich nicht wenig verftärft,
das feine Zeitgenofjen vor ihm empfunden haben müffen. So rühmt
er ſich in Bittjchreiben an Vornehme gern jeiner Bertrautheit mit
den verjchiedenjten Künſten und Wiffenjchaften und läßt dabei durd)-
bliden, daß er auch Weächtigen ein gefährlicher Feind werden könne.
Durch flug berechnete Weigerung verjteht er die Begierde nach feinen
Horojfopen und Prophezeiungen nod) zu ſteigern. Louiſe von Savoyen
ſo gut wie Kaiſer Diarimilian traut ihm übernatürlicde Gaben zu.
Mächtig gehoben wird diejes fein Anſehen durch das magiſch-kabba—
liftiihe Werf de ozculta philosophia libri tres.
Das größte Aufiehen aber erregte die vielbefämpfte Schrift de
incertitudine ete. Der Titel und daS Motto — nihil scire feli-
eissima vita — fennzeichnen das düjtere Merk nur zur Hälfte. Mit
dem Aufgebote alles Scharfjinnes müht ji) Agrippa darzuthun, daß
alles Wiſſen und Können eitel und hohl fei, daß Wilfen weder
glüdlich noch gut mache, daß es nicht nur dag zeitliche Wohl des
Menſchen vielfach) gefährde, jondern ihn aud mit ewigem Verderben
bedrohe. Habe dod) ſchon die Schlange im Paradiefe das erite
Menjchenpaar dadurch verführt, daß fie ihm Wiſſen verhieß ......
Da fei nur ein Answeg, unerjchütterliches Feithalten an der Lehre
298 A. Reichl, Goethes Fauſt und Agrippa von Nettesheim.
Und bejonders weiterhin:
... . praetendentes studia eorum. quorum opera initiati sunt
doctrinis, et iurantes in verba magistri ceterox spernunt non
quid sed a quo quid dieatur attendentes. 6
Die Medizin endlich überjchüttet Agrippa mit den Pfeilen ſeines
ſchärfſten Spottes, und gar manche Stelle des 83. Kapiteld braudıt
den Vergleich mit den Goetheſchen Verſen nicht zu jcheuen. Man leje:
.... medieinarum notitia deleetabilis est ut reliquorum om-
nium. quae arte et remilis constant: operatio autem seeundum medi-
einanı a casu est. . . . . . . . . .. Magnae quoque praestantiae medicus est,
quem usurpata pomposa vestis et intermieantes erebris hyacinthis digiti
eommmendant. et eui remota patria vel longa peregrinatio.....,,ad fallen-
dum eflicaeissima frontis impudentia inagmorumque reinediorum constans
meomeussis mendaciis lactantia auetoritatem famanm fideinque coneiliant, et
eni pertinax contentio ac’ multa semper in ore cum sint semigraeculae tum
barbarae voces et multa auetorum suorum nomina doetrinae fecerunt opi-
nionem: alque sie instructus plus quamı plumbea gravitäate sed audaeia paene
militari inedendi praetienm tune hae hypoerisi aggreditur.?)
Mephiſtos Ratſchläge bei Goethe beziehen id) fajt ausſchließlich
auf die Behandlung weiblicher Patienten, daher auch die mannig:
fachen Abweichungen. „immerhin bleiben der Ahnlichkeiten noch genug.
2. 64 1. Ichrt Mephiſto:
Der Geift der Medizin ift leicht zu fallen;
Ihr durchſtudiert die groß und fleine Welt,
Im es am Ende gehn zu lafien,
Wie's Sort gefällt.
Ihr ſeid noch ziemlich wohlgebaut,
An Kühnheit wird's Euch auch nicht fehlen,
Und wenn Ihr Euch nur ſelbſt vertraut,
Vertrauen Euch die andern Seelen.
Beſonders lernt die Weiber führen:
Dann habt Ihr ſie all' unterm Hut.
Ein Titel muß ſie erſt vertraulich machen,
Daß Eure Kunſt viel' Künſte überſteigt.
Zum Aılllomm tappt Ihr dann nach allen Siebenſachen,
Um die ein andrer viele Jahre ſtreicht,
Berſteht das Pülslein wohl zu drücken u. ſ. w.
Wie bei Agrippa zwar medieinarum notitia deleetabilis
....... operatio autem secundum medieinam a easu est,
io bleibt bei (Soethe dem Arzte nichts übrig, als „es am Ende gehn
‘, Ebendort, Z. 284 Mitte
3 Gap. 83 (de medieina operatrice), ©. 238 f.
A. Reichl, Goethes Fauft und Agrippa von Nettesheim. | 299
zu lajjen, wie's Gott gefällt”. Meephifto hält ein jtattliches, empfehlen-
des Außeres für unerläßlich, bei Agrippa — anders und dod) ähn-
lid) — gehören zum Arzte das poinphafte Kleid und die bligenden
Ringe. Tem Selbjtvertrauen, das Vertrauen bei andern erweckt,
vergleicht jich bejonders gut die constans inconcussis mendaeiis
jactantia, weldje Anjehen, Ruf und Vertrauen jchafft. Und die
Forderung, nit der nötigen Kühnheit den Schein der Ehrbarfeit zu
verbinden, findet ſich vorgebildet in den beißenden Worten: „In-
structus plus quam plumbea gravitate sed audacia paene mili-
tari medendi practicam tunc hac hypoecrisi aggreditur. Alſo als
Heuchler ijt der Arzt gedacht hüben wie drüben.
Die Unterfuhung des Patienten thut Goethe zwar kurz ab,
erinnert aber doch an den in diefem Stüde ausführlicheren Agrippa:
„Primum invisit aegrum, respieit urinam, tangit arteriam’’;')
bei Goethe: „Berfteht das Pülslein wohl zu drüden.” Eben-
fall3 an Agrippas Worte: „palpitat latera ........ et si qua
secretiora sunt, exquirit’ jcjeinen anzuflingen die Verfe:
. Und faffet fie mit feurig fchlauen Blicken
Wohl um die fchlanke Hüfte frei,
Zu ſeh'n, wie feſt gejchnürt fie fei.
Behaupten möchte ich) es aber nicht, obwohl eine jpätere Stelle,
wo den Arzten adulteria in prineipum domibus nachgejagt werden,
aud) hinter den obigen Worten etwas Mephiftos Verſen Analoges
vermuten läßt.
Bemerkenswert ijt endlich noch, daß Agrippa bei jeinen fatirijchen
Ausfällen gegen die Meedizin diefelbe Reihenfolge einhält wie Goethe.
Zum Abjchiede erbittet der Schüler im „Fauſt“ von dem ge:
lehrten Profejjor nod) einen Vers insg Stammbud und Mephifto
jchreibt ihm (mit leichter Anderung: deus ftatt dii) die Worte ein,
durch welche die Schlange im Paradiefe das erſte Menjchenpaar ver-
(odt hat: Eritis sicut dii, scientes bonum et malum.’
Gerade diejer Sat gehört aber zu den immer wiederfehrenden
Grundgedanken von de incertitudine, 3. B.:
...... scientias tanı ımalas esse quam bonas nec aliam nobis afferre
. deitatis heatitudinem nisi illam forte quam antiquus ille serpens pollice-
batur primis parentibus inquiens: ‚Eritis sicut dii, seientes bonum et malum.'
In hoc itaque serpente glorietur. qui gloriatur se scire scientiam. Und:
. Adam nunquam e beatitudinis paradiso pulsus fuisset, nisi serpente
magistro didieisset scire bonunm et malum und a. a.
y Ebendort. S. 250 unten.
2) Gap. I (de scientiis in generali), S. 3 und ©. 9 unten.
300 A. Reicht, Goethes Fauft und Agrippa von Nettesheim.
Aud) die Magie wird im „Fauſt“ jo aufgefagt wie von Agrippa.
Bei jeinem Zauberſtückchen in Auerbachs Keller fpricht Mephiſto
(S. 73::
Ein tiefer Blid in die Natur!
Hier it ein Wunder, glaubet nur!
Und bei Agrippa "ı heipt es:
Magia naturalis est, quae rerum onmımium motuum naturalium atque
caelestium vires contemplata earundemque sympathiam curiosa indagine
scerutata reconditas ac latentes in natura potestates .. in aper-
tum producit . . . . . . .. non tam arte quam natura ......... Nam magi
ut naturae accuratissimi exploratores conducentes ea, quae a natura prae-
parata sunt. ....... saepissime ante tempus a natura ordinatum
affectum produeunt,. quae vulgus putat miracula, cum tamen
naturalia opera sint, interveniente sola temıporis praeventione, ut si quis in
mense Martio rosas producat et maturas uvas.’)
Wenn aber Fauſt von der Magie Befriedigung feines ungeftillten
Wiſſensdurſtes erivartet:
.. Daß ich erkenne, was die Wett
Im Inneriten zufammenbhält,
Schau' alle Wiſſenstraft und Zamen
Und thu' nicht mehr in Worten kramen,
ſo verrät er damit eine Auffaſſung der geheimen Wiſſenſchaften,
welche kaum von der abweicht, die Agrippa in ſeiner occulta philo-
sophia vertritt. Statt vieler Belegitellen nur eine! Man halte neben
„Fauſt“ S. 20:
Wie alles ſich zum Ganzen webt,
Eins in dem Andern wirkt und ſtrebt,
Wie Himmelskräfte auf- und niederſteigen
Und ſich die goldnen Eimer reichen,
Mit ſegenduftenden Schwingen
Vom Himmel bis zur Erde dringen,
Harmonid all das All durchklingen,
man halte neben dieje Verſe Goethes die Proja Agrippas:
Ka enim est naturae colligantia et continmitas. ut ommis virtus supe-
rior per singula inferiora longa et continua serie radios suos dispertiendo
use ad ultima Nuat: et inferiora per singula sua superiora ad suprema
perveniant. Sie enim inferiora ad superiora invieem eonnexa sunt, ut in-
Nuxus ab eorum eapite prima eausa tamquam chorda quaedam tensa
usque adınfıma praecedat, euius si unum extremum tangatur,
') Gap. 42 (de ınapia naturaliı. 2. 3 und Z. 9 unten.
2) Könnte diefer Zug wohl den weiteren Berlauf der (Woethefhen Scene
beeinflupt haben? Dan denle an die Trauben, welche Mephiſto den Studenten
vorgaulelt.
C. N. Eggert, Goethe und Diderot. 301
tota subito tremat et tactus eiusmodi usque ad alterum ex-
tremum resonet ac moto uno inferiori moveatur et superius,
eui illud correspondet. sive nerviin cithara bene concordata.!)
Hiermit wäre erjchöpft, was Jid) an ähnlidyen Gedanken und
Paralleljtellen zwiichen der Tragödie erjtem Zeil und Schriften
Agrippas ausfindig machen ließ; der zweite Zeil bot in diejer Hin-
jicht Feine Ausbente. Denn die Nerfe im zweiten Akt (©. 68):
Wer fanı was Dummes, wer was Kluges denken,
Das nicht die Vorwelt ſchon gedacht,
werden wohl nicht auf Agrippa („Terentiana sententia est nihil
esse iam dictum prius ita forte nec factum, quod non sit
factum prius’’),?) jondern unmittelbar auf den römischen Komiker
zurüdgehen.
Aud aus dem „Ur-Fauſt“ und den „Paralipomena” war für
unſere Unterſuchung nichts zu gewinnen.
Wir wären hiermit am Ziele angelangt. Zieferes Eindringen
wird vielleicht noch reiche Nachlefe an Analogien zwijchen Goethes
Fauſt und Agrippa ergeben. Wäre e8 nicht aud) an der Zeit, zu
unterfuchen, ob nicht noch andere neulateiniihe Schriftiteller und
Dichter — außer Johannes Secundus — auf Goethe eingewirft
haben?
Vielleicht findet der Nerfaffer jpäter Muße, diefer Yrage näher
zu treten.
Goethe und Diderot: Über Schaufpieler
und die Bunft des Schauſpielers.)
Bon E. A. Eggert in Vermillion (South Dakota, U. S. A.).
Die Schanfpielerlanfbahn Wilhelm Meiſters in Goethes Roman
bilder in demjelben ein jo wejentliches Element und giebt Anlaß zu
jo mandyen djarafteriftiichen Bemerkungen über die Kunjt des Schau-
jpielers, daß man fi) ganz natürlich fragt, wie fam der Dichter
dazu, diefen Zug jo hervorftechend zu machen? Die gewöhnliche
) De oceulta philosophia, lib. I, cap. 37 (©. 66).
?2) De incertitudine, cap. 100 (de verbo Dei). _
3) Für feine engeren PandSleute hat der Herr Verfaſſer benfelben Stoff be=
handelt in dem Auffage: „Goethe and Diderot on Actors and Acting,” Modern
Language Notes 11, 205—220. A. Sauer.
Euphorion IV. 20
302 C. A. Eggert, Goethe und Tiderot.
Antwort auf dieſe Frage ijt, dan er fich nicht nur viel als drama-
tiicher Dichter verjucht, jondern and) als Theaterdirektor praftiiche
Erfahrungen eingejammelt hatte, jo daß er nicht umhin fonnte, ſich
direft und lebhaft für alles zu interejlieren, was auf das Iheater
und die Kunſt des Zchanfpielers Bezug hatte. Man könnte auch
jagen, wie es ja ſchon geichehen iſt, day er durch Scarron auf dieje
‚dee verfallen jei, aber feine von diejen Erflärnngen genügt, meiner
Anſicht nach, fir die eigentüumliche Behandlung, die dem Gegenſtand
in dieſem Roman zu teil geworden tit.
Wilhelm it fein Schauſpieler, wenn er and) einigemale auf der
Bühne ericheint: denn die Geſamtheit ſeiner Erfahrungen als Schau:
ipieler länft auf eine ſtarke Enttäuſchung hinans. Er macht bald die
Entdeckung, daß er ſich geirrt und dan die Natur ihn für ein
anderes Geſchäft bejtimmmt hat. Er ſieht ein, daß jeine Erfahrung
ale Schanipieler einer von den Kinderkrankheiten ähnlich war, die
man unverſehens befommm und über welche eine gejunde Natur doch
zuletzt noch rechtzeitig binausbilft.
Man gewahrt leicht, daß Wilhelm, to lange er die Schauſpieler⸗
funit als feinen eigentlichen Beruf verfolgte, als ein entjchiedener
Repräſentant des Dilettantismus erjcheint. Als ſolchen hat ihn
R. M. Meyer im ſeinem intereflanten Aufſatz: „Wilhelm Meifters
vehrjahre und der Nampf gegen den Dilettantismus“ Eupho—
rion 2, >29 jij. vortrefflich gekennzeichnet.
Er nennt ihn den „geborenen Dilettanten“. Dies iſt vielleicht
zu viel geſagt, obgleich uns Goethe nicht genügend dariiber aufflärt,
inwiefern Wilhelm ſchließlich als Wundarzt einen wirklichen Beruf
gefunden bat. Andrerjeits zwingt uns nichts, die Folgerung abzu:
weiten, dan Wilhelm wohl to wenig em natürlicher Tilettant war
wie der Tichter telbit. In dem befanmten Epigramm jcherzt Goethe
über sich amd eine Verſuche in vielen Künſten, indem er gefteht,
dar er es doch mur im einer der Meiſterſchaft nahegebracht habe.
Dir scheint vielmehr die oifenbare Bedeutſamkeit der Yanjbahn
Wilhelm Meisters darin zn beiteben, daß feine Erzichnig von vor
herein ein Irrtum war: daß man ihm geitattet hatte, ausſchließlich
den Eingebungen und Trieben feines Herzens und feiner Yeidenichaft
zu Folgen, ſtatt ſeine Willenskraft auszubilden und es ihm möglich
zu machen, durch eine Folaerichtige Neritandesbildung rein impulſivee
Mandeln zu vermeiden. Wilhelm war was Die Franzoſen „sensible’
nennen, ein ort, das ſich nicht ganz mit dem deutſchen „empfind:
ſam“ deckt.
Seine „Sensibilite" zeige ſich irüh, nicht nur in seiner Liebe
zu Marianne, ſondern auch in feiner Vorliebe für das Bild des
tranten Königſohns: ſpäter in der Iebbaften Sympathie, die er dem
C. U. Eggert, Goethe und Diderot. 303
unglüdlichen Liebespaar entgegenträgt (Bud) I, Kapitel 13), und
überall in jeinen Beziehungen zu ſeinem Freunde Werner, jo oft des
letzteren praftiihe Art die Saucen zu beurteilen den Widerjpruch
Wilhelms hervorruft. Sie erjcheint in der Folge, und in höherem
Grade, als er jeine Härtlichfeit auf Mignon und den alten Harfner
überträgt; als er der Vertraute Aureliens wird; in der Bereitwillig-
feit, mit welcher er ſich Lothario zur Verfügung jtellt, nachdem Diejer
jeine Bewunderung und Freundſchaft erworben hat, und in der Aus-
führung des jonderbaren Auftrags, welcher zu feiner Bekanntſchaft
mit Therejen führt, einem weiblichen Wejen, das in jeden Sinne den
geraden Gegenſatz zu ihm bildet, befonders darin, daß fie feine Spur
von Empfindſamkeit bejitt, die er aber trotzdem heiraten will, da er
annimmt, daß die unbefannte Amazone, die fein Herz gewonnen, für
ihn unerreichbar ift.
Aber während dies vorgeht, iſt Wilhelm immer nod) ein jehr
junger Mann und es beſteht Fein Grund anzunehmen, daß ein
junger Mann von folder Begabung in feinen Irrungen und impul-
jiven Handlungen beharren wird. Dieſe Irrungen dienen ihm zur
Belehrung und er ijt ein fühiger Schüler. Wir wiffen ja, daß Goethe
ihn zuerit als Wilhelm „Schüler“ einführen wollte, und Schüler ift
und bleibt er bis zulegt. Auch Dilettant ift er wie jeder Schüler,
aber eben nur aus Mangel an geeigneter Erziehung. Sobald er dieje
Erziehung hat, gewahrt er die Irrtümer, in welche ihn jein impul-
jiver und empfindfamer Charakter geleitet hat. Er fieht ein, daß fein
wirklicher Beruf der eines Wundarztes ift, und mit diefer Entdeckung
erreicht der weſentliche Zeil der Erzählung feinen berechtigten
Schluß.
Wenn wir die empfindſame Natur Wilhelms im Auge behalten
und die im Roman eingeſtreuten Bemerkungen über Schauſpieler
und die Kunſt des Schauſpielers aufmerkſam prüfen, ſo dürfte es
nicht ſchwer ſein, darin den Einfluß eines Schriftſtellers zu entdecken,
den Goethe ſehr hochſchätzte, nämlich Diderots.
Ich ſetze voraus, daß ich nicht nötig habe, hier im einzelnen
zu zeigen, wie genau Goethe mit Diderots Werken bekannt war.
Durch Grimms Vermittlung kam er in ſchnellen Beſitz aller Pariſer
Neuigkeiten auf litterariſchem Gebiet,) denn Grimm verſorgte den
Hof von Gotha damit, und wir wiljen, daß die beiden Männer ſich
wiederholt bejuchten.
Noch im fpätern Alter erfaltete Goethes Bewunderung für Diderot
nicht, wie die Stelle in einem feiner Briefe an Zelter bemeift:
') iiber den Einfluß von Grimms Correspondance litteraire auf Goethe
vgl. Morſch im Goethe-Jahrbuch 14, 221 fi. A. Sauer.-
20 *
304 E. X. Eggert, Goethe und Tiderot.
„Diderot ijt Diderot, ein einzig Individuum; wer an ihm oder feinen
Sachen mäfelt, iſt ein Philifter, und deren find Yegionen. Wiſſen doch
die Menſchen weder von Gott noch von der Natur, nod) von ihres»
gleichen dankbar zu empfangen, was unichägbar ijt.“ (Briefwechſel
zwijchen Goethe und Zzelter 6, 161.)
Wir dürfen wohl annehmen, dag Grimm, der es ſich angelegent:
lich fein ließ, Goethen eine Abjchrift der Handſchrift von Voltaires
Pasquill auf Friedrich den Großen zu verichaffen, ehe dasjelbe im
Trud erſchien, als bejonderer Vertrauter Tiderots es nicht unter-
lajien haben wird, jeinen Weimarer Freund, der ſich ja nod) dazu
viel mit dem Theater beichäftigte, auch mit einem jo intereflanten
und charafteriftiichen Auflag befannt zu machen, wie Diderot$ „Para-
doxe sur le Gomedien’.
Es iſt mir freilich nicht möglich geweſen, in den gedrudten
Werken Goethes eine Ipezielle Andentung zn finden, daß er diejen
bejonderen Aufſatz gelejen, denn die ganz allgemein gehaltene Be-
merfung in der „Campagne in Frankreich“, in der von Diderots
Paradoren die Rede ilt, kann nicht als eine foldhe Andeutung
gelten; aber ebenjowenig finden wir darin jpezielle Vermerke über
das Yejen jo vieler anderer von Tiderots Sachen. Es erfchienen
deren zu viele umd der Umſtand, dan fie allgemein verbreitet und
gelejen wurden, mochte wohl der Grund fein, daß Goethe es nidht
fir nöthig Fand, eine bejondere Notiz davon in feinen Tagebüchern
und Deften zu bavahren.!:
Tiderot betitelte jeinen Auflap „Paradoxe sur le Gomedien’.
Das Paradore bejteht in der Behauptung, daß ein Schaufpieler in
dem Grade wie er sensible" ift, fein guter Zcjaujpieler jein fann;
und day der beite Zchauipieler der ift, der ganz frei von „Sensi-
bilite"" iſt.
Dies ift die Theje, die er mit großem Geſchick und großer Be:
harrlichkeit durchführt. Ob Goethe hier die Anregung empfangen hat,
dieje Theſe FKiinftleriich im dem Gharafter Wilhelms zu verwerten,
mag ſchwer zu ermitteln jein, da es uns an dem pofitiven Beweiſe
fehlt. Tan aber jeine Behandlung dieſes Charakters thatjädhlich darauf
hinauslänft, ſcheint mir nicht zweifelhaft.
) Es mag wünjchensiwert je, dic folgenden Daten zu beachten. Goethe
fing feinen Wilhelm Meiſter an im Jahre 1777, kam aber nur bis zum Anfang
des zweiten Buchs; er überarbeitete da8 Ganze ſpäter. Die Jahre 1787, 17%,
1794 bezeichnen wiederholte Aufnahme und Fortſebung des Romans; das
1796 die endliche Beröffentlihung (vgl. Dünger). Diderots Aufſatz erſchien ver-
mutlıh zwiſchen 1775 und 1776. Tiderot farb 1784.
be m Jahre 1781, Anfang Lltober, hatte Goethe Grimm auf der Wartburg
eſucht.
C. N. Eggert, Goethe und Diderot. 305
Ehe id) jedoch hier darzulegen fuche,. was mir als Beweis
den Anficht gilt, fühle ich mic) genötigt, eine Erklärung zu
machen.
Der Einfluß Diderot3 auf Goethe, den ich befprechen will, ift
jpezifiich, und ftreng auf die Frage beichränft: „Was verfteht man
unter einem guten Schaujpieler ?“
sch erfenne vollfommen an, daß in Goethes Plan dieje falfche
Richtung Wilhelms recht gut in andrer Form hätte dargeftellt werden
fönnen; dag, was er über Wilhelms Irrtum jagt, ebenjogut für
jeden andern Irrtum gelten würde, zum Beijpiel, wenn ein geborner
Schauſpieler es fich einfallen liege, eine militärifche oder faufmännifche
Laufbahn zu betreten.
Der mwejentlihe und Grundirrtum: Wilhelms ift nicht, daß er
Schaujpieler wird, jondern daß er feinem Impulſe folgt, einem Zu—
fall gejtattet, feine Handlungsweije zu bejtimmen, und fortwährend
bereit ijt, feine Zeit zu vergeuden, wenn er ſich gefühlvoll für einen
Gegenſtand oder eine Perſon intereljiert.
In diefem Sinne ijt fein Charakter der Ausdrud der menfd)-
lichen Natur, denn diejelbe Schwäche haftet ung allen an und wir
haben alle diefelben oder ähnliche Krrtümer begangen wie Wilhelm,
und begehen fie vielleicht nod).
Aber Wilhelin iſt ein fonfretes Individuum, nicht eine allge-
meine Kopie oder eine Abjtraktion. Deshalb läßt ihn der Dichter
eine beſtimmte Yaufbahn verfolgen, Fehler begehen, die fich aus be-
jtimmten Umſtänden erklären, und, ohne feinen Charakter zu ver-
leugnen, eine Richtung verfolgen, die ganz bejonders feine eigne ift
und ganz fpeziell für ihn paßt.
Mit andern Worten: Wilhelm ift eine funjtgemäße Schöpfung
eines der größten Meijter, den die Litteraturgefcjichte kennt, und die
Originalität diejer Schöpfung ift in feiner Hinſicht in Frage geitellt,
wenn es fi) ergeben follte, daß einige Anfichten, die im Verlauf
des Werks zur Sprache kommen, fi) ſchon bei einem Vorgänger
finden, und deshalb volle Originalität nicht beanfpruchen dürfen.
Sch betone aljo: Indem Goethe „Wilhelm Meiſter“ fchrieb, war
jeine Abjicht nicht jowohl, das Publikum mit feinen Gedanken über
Schaufpielerei und Schaufpieler vertraut zu machen, als vielmehr
die Laufbahn und die Eigenschaften eines Schauspielers als ein
Mittel zu gebrauchen, um eine Grundwahrheit in einer lebensvollen
und funftgemäßen Form zum Ausdrud zu bringen.
Der Schlüſſel des ganzen Werks findet fich, wie ich glaube, in
den Bemerfungen des Fremden im erften Bud) (Kapitel 17). Der
Fremde hatte die Bildergallerie von Wilhelms Großvater erwähnt,
welche Wilhelm, wegen feiner Jugend, nicht zu jchägen verjtand, als
306 E. X. Eggert, Goethe und Tiderot.
jie verfauft wurde. Er erimmert ſich jedoch eines ziemlich unbedeuten—
den Bildes wegen des dargeftellten Gegenitandes. Hieranf jagt nun
der Fremde:
„Dieſe Gefühle find freilich fchr weit von jenen Betrachtungen entfernt,
unter denen cın Kunftlicbhaber die Werke großer Meifter anzufchen pflegt; wahr-
icheinlid; wiirde Ihnen aber, wenn das Kabinett cın Eigentum Ihres Haufes ge-
blieben wäre, nach und nach der Zinn für die Werke ſelbſt aufgegangen fein, fo
day Zie nicht ımmer nur Zıd) telbft und Ihre Neigung in den Nunitiwerfen geſehen
hätten.“
„„Gewiß that mir der Verkauf des Kabinetts gleich ſehr leid, und ich habe
es auch in reifern Jahren öfters vermißt: wenn ich aber bedenke, daß es gleichſam
ſo ſein mußte, um eine Liebhaberei, um ein Talent in mir zu entwickeln, die weit
mehr auf mein Leben wirken ſollten, als jene lebloſen Bilder je gethan hätten, fo
beicheide ich mich dann geru und verchre das Schickſal, das mem Beſtes und cine
Jeden Beſtes einzuleiten weiß.”
„Leider höre id) ſchon wieder das Wort Zchidfal von einem jungen Mannc
ausiprechen, der fih eben ın einem Alter befindet, wo man gewöhnlich feinen Ich"
haften Neigungen den Willen höherer Weſen unterzuſchieben pflegt.“
„„So alauben Zıe kem Zchidiat? keine Madıt, die iiber uns waltet und
alles zu unſerm Beften lentt?““
„Es iſt hier die Rede nicht von einem Glauben, noch der Urt, auszulegen,
wie ih mir Die Dinge, Die uns allen unbegreiflich find, einigermaßen denfbar zu
machen suche: bier it nur die Frage, welche Vorftellungsart zu unſerm Beten
gereicht. Tas Gewebe dieſer Welt iſt aus Notwendigkeit und Zzufall gebildet; Die
Vernunft des Menö'chen ſiellt ſich zwiſchen beide und weiß fie zu beberrichen; fie
behandelt das Notwendige als den Grund ıhres Taicıns, das Zufällige weiß fir
zu lenken, zu leiten und zu untzen, und nur, indem ſie feft und americhiitterlich ftebt,
verdient der Menſch cin Gott der Erde genannt zu werden. Wehe dem, der ſich von
Jugend auf gewöhnt, ın dem Notwendigen etwas Willkürliches finden zu wollen, der
dem Zufälligen eine Art von Vernunft zuichreben möchte, wilder zu folgen fogar
eine Religion fer. Heißt das etwas wetter, als ſeinem eigenen Berftande entfagen
und fernen Neigungen unbedingten Raum geben? Wir bilden uns cin, fromm zu
ſein, udem wir ohne Uberlegung binichlendern, uns durch angenehme Zufälle
determinieren laſſen und endlich Dem Reiunltate eines ſolchen ſchwankenden Feben:
den Namen emer göttlichen Führung geben.“
Dieſe Stelle beſtätigt, was übrigens wohl nicht bezweifelt wird,
dan uns Goethe im Wilhelm einen jungen Mann vorführt, deſſen
Charakter unter den Vegriff eines „coenr sensible" fällt.
Um jedoch die tiefiinnige Idee Goethes in der Tarftellung
dieſes Charakters vollſtändiger zu würdigen, iſt cs nötig, mit dem
eben geſagten die Folgende gedankenvolle Stelle zu vergleichen:
„—— —nuicmand glaube die eriten Eindrüche der Jugend verwinden zu
köunen. Iſt er in einer löblichen Freihru, umgeben von ſichönen und edlen Gegen«
ſtäuden, in dem Umgange mit guten Men'ſchen aufgewachſen, haben ihn feine Meiſter
das gelehrt, was er zuerst wiſſen mußte, um das Übrige leichter zu begreifen, bat
er gelernt, was er nie zu verlernen braucht, wurden ſeine erſten pandlungen fo
arleiter, dag er das Gnie künftig Leichter und bequemer vollbringen kann, ohne fid)
irgend eiwas abgewöhnen zu milien, To wird dieſer Menich em reineres, voll⸗
lommneres und glücklicheres Leben führen, als cın anderer, der feine erſten Jugend⸗
C. N. Eggert, Goethe und Diderot. 307
fräfte ım Widerſtand und im Irrtum zugeſetzt hat. ES wird fo viel von Er-
ziehung geiprochen und gefchrieben, und ich fehe nur wenige Menſchen, die den
einfachen, aber grogen Begriff, den alles andere in fid) ſchließt, faſſen und im die
Ausführung übertragen künnen.” (Bud) IL, Kapitel 9.)
Diejer „große Begriff“ iſt cs, unter welchem die bejondern
Betrachtungen über die Kunſt des Schaujpielers eine zwar wichtige
und intereffante, aber troßdem untergeordnete Stelle einnehmen.
In einer Unterhaltung mit jeinem Freunde Werner drückt fid)
Wilhelm auf eine Weile aus, daß wir fajt glauben müjjen, er habe
feine eigne Schwäche bejjer erkannt als irgend ein anderer. Er zer:
jtört jeine jugendlichen Gedichte und Schriften und jagt zu Werner
(Bud) II, Kapitel 2): „Ich gebe einen Beweis, daß es mir ernit
jei, ein Handwerk aufzugeben, wozu ich nicht geboren ward.” — —
„Ich ehe nicht ein, wie du zu diejem Extrem kommſt,“ jagte Werner.
„Warum jollen denn nun dieſe Arbeiten, wenn jie nicht vortrefflich
find, gar vernichtet werden?" — „Weil ein Gedicht entweder vor—
trefflich jein oder gar nicht exijtieren joll; weil jeder, der feine An-
lage hat, das Beſte zu leijten, jich der Kunft enthalten und ſich vor
jeder Verführung dazu ernftlich in Acht nehmen ſoll.“ Er fügt hierzu
die Bemerkung, daß in jedem Menſchen ein unbejtimmtes Verlangen
jich regt, dasjenige, was er fieht, nachzuahmen, fei es nun die Gelchid-
lichfeit des Seiltänzers oder die Kunſt des Piolinvirtuofen. „Glück—
lich, wer den Fehlſchluß von jeinen Wünjchen auf jeine Kräfte bald
gewahr wird!“ — Obgleich er die allgemeine Wahrheit diejes
Ausipruchs erfennt, gelingt es ihm doch nicht, die paſſende Anwen—
dung auf ſich jelbit zu machen. Das Ruppentheater in früher Jugend,
jeine Neigung für die Schaujpielerin Marianne, und eine natürliche
Vorliebe für dramatische Borftellungen haben in ihm den Glanben
erwect und genährt, day die Bühne fein eigentlicher Beruf jei. Sein
Herz erwärmt jich an der großen dee, jeinem Volke ein Wohlthäter
zu werden, indem er ihm die erhabenen Werke der dramatijchen
Dichtung auf eine wirdige Art vorftellt. Kurz, er ift ein Gefühls-
menſch.
Sehen wir nun wie Diderot von ſolchen Gefühlsmenſchen
urteilt, wenn die Frage iſt, welche Eigenſchaften den großen Schau—
ſpieler kenuzeichnen. Er jagt in feinem „Paradoxe'“ (id) citiere aus
der Pariſer Ausgabe von Firmin-Didot, 1874):
Le Premier. .... le point important, sur lequel nous avons des
opinions tout-ä-fait opposces, votre auteur et moi, ce sont les qualites
premieres d'un grand comedien, Moi, je lui veux beauconp de jugement; il
me faut dans cet hommme un spectateur froid et tranquille; jeen exige,
par consequent, de la penetration et nulle sensibilite, l’art de tout
imiter, ou. ce qui revient au möme, une égale aptitude a toutes sortes de
caractere-= et de röles. (©. 217.)
308 C. 9. Eggert, Goethe und Tiderot.
Man jicht leicht, dan dieſe Bedingungen bei Serlo erfüllt find,
und dag nicht eine einzige für Wilhelm zutrifft. In Bezug auf des
legteren .„.jugement’' und „penctration” muß man an Aurcliens
Urteil über ihn denfen:
Zenn wahrhaftig, fuhr fie fort, von außen kommt nichts in Sie hinein.
Ich habe nicht Leicht jemanden gefehen, der die Menfchen, mit denen cr lebt, fo
wenig Emm, fo von Grund aus verlennt wie Zw. Erlauben Zie mir, es zu
fagen: wenn man Sie Ihren Shakeſpeare erflären hört, glaubt man, Sie kämen
eben aus dem Mate der Götter und hätten zugebört, wie man fich dajelbft berebdet,
Menſchen zu bilden: wenn Sie dagegen mit Leuten umgehen, ſeh id in Ihnen
gleichſam das erſte, großgeberne Kind der Schöpfung, das mit fonderlicher Ber-
wunderung und erbaulicher Gutmütigkeit Löwen umd Affen, Schafe und Elefanten
anftauı und fie treuherzig als ſeinesgleichen anspricht, weil fie eben aud da find
und fid) bewegen.
Wilhelm muß bald bemerken, dar ſein Spiel nicht jonderlidh
feſſelt. Buch III, Kapitel 8. Trotzdem er jeine Nollen „mit Fleiß
memorierte nnd mit Wärme und Yebbaftigfeit vortrug“, fand
er nicht den gehöfften Beifall und die beſſere Klaſſe der Zuſchauer,
darunter der Prinz ſelber, blieben ſchließlich ganz fort.
Tiderot ſagt S. 220:
IA- hommes ehands, violent-, sensibles, sont en seene: is dannent
le peetacle, mai il men jenissent pas Gest d’apres cux que
Uhomme de genie Kat sa copie. Les zrand> poötes, les grands acteur-,
et pent-etre en general ton> les graned- imitattur— de la nature, quels qu'il
soyent. dauss dune belle nnazınatlon. d'u ziand pieement. d'un taet In,
d'ui zent het, ont les etres le moin sensible=.
Man erimmert ſich hierbei daran, wie Goethe, in feiner jenfiblen
Periode, den Werther doch erit dann fertig brachte, als jeine Yeiden:
ſchaft für Charlotte Buff eine Zuche des Verſtandes und der objef:
tiven Betrachtung geworden war. Dies konnten feine Yeler lange
nicht begreifen. Wilhelm ſpricht ans ſeinem Gefühl heraus, nicht aus
Beobachtung der Sprache und (Weiten eines andern, der von dem
befondern Gefühl beberricht wird, das der Dramatiker in feinen
Helden darjtellt. Wie Ariofto ruhig beobachtend zuhört, während ihm
jein zornerregter Nater die heftigiten Vorwürfe macht, um fich recht
ſcharf einzuprägen, wie ein zormiger Water ansieht, damit er Die
Erfahrung tpäter benutzen kann, jo wird Zerlo von Goethe geichildert,
jteta beobacdhtend und nachahmend, als der denkbar größte Kontraft
mit Wilhelm.
Wilhelm ſpielt fich jelber, giebt feine eigene Wärme, jeine eigene
Erregung zum beiten. Deshalb gelingt es ihm auf die Dauer nicht,
jein Publikum zu befriedigen. Nac der dritten Qorftellung des
Damtet, feiner beiten Holle, muß er es zufällig mit anhören, wie
C. A. Eggert, Goethe und Diderot. 309
man ihn mit Laertes verwedjjelt, deifen Spiel lobt, und von dem
jeinigen fat mit Achjelzuden redet.
Dies ift ganz nad) der Idee Diderots. Er jagt (©. 217):
Si Ice comedien etait sensible. de bonne foi lui serait-il permis de
Jouer deux fois de suite un m&me röle avec la même chaleur et
le meme sucees? Tres-chaud à la premiere representation, il serait
epuise et froid comme un marbre à la troisieme.
Wie dics auf Wilhelm passt, jo das folgende auf Serlo:
Au lieu qu imitateur attentif et diseiple reflechi de la nature, la
premiere fois qu'il se presentera sur la scene... . copiste rigoureux de
lui-m@me ou de ses etudes. et observateur continu de no. sensations, son
jeu. loin de s’affaiblir. se fortifiera des reflexions nouvelles qu’il aurait
recueillies; il s’exalterera ou se temperera, et vous en serez de plus en plus
satisfait. S’il est lui quand il joue, comment cessera-t-il d’ötre lu? S'il
veut cesser d’etre lui. comment saisira-t-il le point juste auquel il faut quil
se place et ='arrete”
Der Unterjchied zwiſchen Wilhelm und Serlo läßt ſich faum Elarer
und bezeichnender ausdrüden.
Vergleichen wir, was Goethe über Serlo jagt (Bud) IV, Ka-
pitel 15):
Man fühlte bald, daß Zerlo die Secle des Ganzen war, und cr zeidynete
fih fehr zu feinem Vorteil aus. Eine heitere Laune, cine gemäßigte Lebhaftigleit,
ein beſtimmtes Gefühl des Scidlihen bei einer großen Gabe der Nad-
ahmung mußte man an ihm, wie er aufs Theater trat, wie er den Mund
öffnete, Deiwundern. Die innere Behaglichkeit feines Daſeins ſchien fid) über alle
Zuhörer auszubreiten, und die geiftreide Art, mit der er die feinften Schat—
tierungen der Rollen leicht und gefällig ausdrüdte, erwedte um fo viel
nıchr Freude, al8 er die Kunft zu verbergen wußte, dic er fih durch
eine anhaltende Übung eigen gemadt hatte.
Das heißt: was Serlo auf der Bühne zeigte, war Nahahmung,
Übung, Darftellung von etwas, das nicht in feinen eigenen
Gefühlen wurzelte; denn wir erfahren zur Genüge, daß er im Leben
ganz anders geartet war.
Diderot, nachdem er auf S. 217/218 von Scaufpielern ge-
jprochen, die nur fich ſelber fpielen, woraus fich die Ungleichheit
ihres Spiels erklärt (l’inegalite des acteurs qui jouent d’äme),
jagt von dem echten Schaujpieler:
.. .. Je comedien qui jouera de reflexion, d'etude de la nature
humaine, d'imitation constante d’apr&es quelques modele d'ideal,
d’imagination, de memoire, sera un, le m&me ä toutes les representations,
toujours 6galeınent parfait: tout a ete mesure, combine, appris, ordonne
dans sa tete; .... s'il ya quelque difference d’une representation à l’autre.
c'est ordinairement à l’avantare de la derniere .... Ainsi que le poete il
va sans cexsse puiser dans le fonds inepuisable de lanature; au
lieu qu’il aurait bientöt vuleterme de sa propre richesse. (©. 218.)
—
..0 3 21 .. .»
25.. MILE ATI SE
(a
314 4
Eernn Goethe die Abſicht gehalt hatte, die Wahrheit dieier Re—
merfung in einer Charakteritudie zu veranichaulichen. hätte er etwas
beileres und ichlagenderes erimnen koönnen ats ieinen Withelm und
icinen Zerlo? Wie bald mar Wilhelm am Ende feines Reichtums!
Wie uneiichöpilich war Zerlo in der Venutzung ſeiner Hilisauellen!
Und roh war Wilhelm cine unendlich reichere Kerr als Zerlo.
(seerbe tagt ven Serlo:
zih m Sinam icheinende, aber ganz narüriihe Werkung und (Hegen-
wirfeng Ag durch Sini:!cht und ılLung Kam Rezitanion, Zellamanon und fcın
Yandeng lo zu einer hohen Zintenon Wahrheit, Freiheit und Offen—
Yet, nm am “br mer heimlicher, kunit! cher, 1a verſtellt une
ungulich „ ern ichten. each IV, Mapitel 180
Diderot betont aufs ſitärkſte Dieien Unterichied smiichen dent
wirklichen Sharatter eines Schanuſpielers und dent Gharafter feines
Zpiels. Er zeige uns einen Schanſpiecter und eine Zchauipielerin,
Die miteinander verheiratet ſind und auf der Bühne in Molieres
Depil unonrenn als Liebhaber und Geliebte auftreten. Er Ichildert,
wie ne m Fer dritten Scene des vierten Atts Die Worte Mlolieres
ſprechen und ihre Rollen vorzüglich ſpielen, zu gleicher Zeit aber ein
Wechſeljſenen geballiger Reden mit leiter Stimme unterhalten, indem
der Mäann auf Die Frau ſchimpft, während fie Ihre Molle rezitiert,
und die Frau ihm antwortet, Wahrend er von seiner Wolle in Arts
wich genommen wird. Als der Yiebhaber ſchließlich die (Beliebte
von der Bühne führt, kneift der (Hatte die Gattin derartig in den
Aum, dan er ihr einen Teil der Haut abreiit S. 277-229.
Tan Me vollkommene Leichtigkeit des Zpiels eine Folge der
bir iſt, Scheint ſelhſtverſtändlich. Warnum aber zeigt Goethe in dem
EGegenat zwiſchen Wilhelm und Serlo, daß des eriteren Spiel durch
Wiederholung nicht beiter wird, während Zerlos immer taturmwahrer
und Free wird? Goethe muß dieſelbe Idee wie Tiderot gehabt
haben und mehrere Umſtande treſſen zuſammen, um uns glauben zu
machen, Dan er die eigentümliche Ausführung dieſer Idee, wenn nicht
die Idee ielber, Diderot verdantt.
Dien zeigt jſich beſonders in der Bebandtung Wilhelms. Wilhelms
Anſtrenqungen ſcheitern, weil er immer fühlte, was er ſagte und
mut, wie Serlo, ſein Spviel zu einer blonen Gedächtnisſache machte.
Wilheluf konnte Mes nicht, weil ſeine Gedächtnisübung Sich auf das
Wiemorieren der Nolte beſchränkte, und das Nachahmen beobachteter
Züge andſchloſz. Ber Serlo, wie bei den Zihmmpielern, die Diderot
uns voriuhnrt ſo S. 220 230, nach der ſchon ermühnten Zcene
Z. 227 22%, 1 Me NRachahmung. das beift das vollkommen ein-
genbte Geſnumtiptel. Schlientuh eine Llone Gedächtuisſache. Zobald
E. A. Eggert, Goethe und Diderot. 311
das Reſultat erzielt iſt, hört die eigentliche Arbeit auf, und die
ſchließliche Ermüdung iſt rein phyſiſcher Natur.
Wilhelms erſte Darſtellung des Hamlet war erfolgreich geweſen,
weil er in Hamlet fo ziemlich ſich ſelber geben konnte. Von der dritten
haben wir die Andeutung, daß fie einen Theil der Zuhörer Falt lief.
Was aber am meilten auffallen muß, ift, daß Wilhelm, nad) feiner
Rückkehr zur Gejellichaft von feinem Ausflug zu Lothario und
Zhereje, die Entdefung macht, daß Laertes und Horatio, die feine
Rollen übernommen hatten, „den Yufchauern einen weit leb-
hafteren Beifall ablodten, al$ er jemals hatte erlangen
können“ (Buch VII, Kapitel 8).
Mir fragen: Wie war das möglich)? und finden die Antwort
jo volljtändig bei Diderot, daß Goethe nicht3 wefentliches Hinzufügen
fonnte.
Diderot macht ung in einer fingierten Unterhaltung mit einem
Befannten (Le Second) mit einer Schaufpielerin, Madame Ricco-
boni, befannt (S. 239). Sie hat verfchiedene Werfe verfagt, die
reizend und voll Genie, Dezenz, Zartfinn und Anmut find. Sie
zeigt, Jowohl in ihren Schriften wie in ihrem Betragen, daß fie
„sensible’’ ijt, das heißt impuljiv und einpfindfam. „Ein trauriger
Umjtand in ihrem Leben Hatte jie fait an den Rand des Grabes
gebracht. Seit zwanzig Jahren Haben ihre Thränen nicht aufgehört
zu fliegen.” — „Gut! Diefe Frau, eine der gefühlvolljten (plus
sensibles), welche die Natur gebildet, ijt eine der Ichlechteften Schau:
jpielerinnen gewejen, die je die Bühne betreten haben. Niemand
ipricht befjer über die Kunjt, niemand jpielt Schlechter.” — — „Und
doch ift jie nicht unjchön (elle n’est pas mal de figure); fie beſitzt
Geiſt; ihr Auftreten ift dezent; ihre Stimme hat nicht$ unangenehmes
(rien de choquant). Alle guten Eigenschaften, die eine gute
Erziehung verleiht (qu’on tient de l’education), beſaß fie. In ihrem
Außern zeigte jie in der Gejellichaft nichts verlegendes (de cho-
quant). — — Man Hört ihr mit dem größten Vergnügen zu.” —
„sch kann es nicht begreifen; — alles was ich weiß, ift, daß das
Publikum ſich nie mit ihr verſöhnen fonnte, und daß fie zwanzig
Jahre hintereinander das Opfer ihres Berufs (profession) war.“
— — — „Und ihrer Empfindfamfeit („sensibilite”’), über die fie
jih nie zu erheben verjtand. Weil fie fortwährend fie jelbit
blieb, hat das Publifum fie fortwährend mit Geringfchätung be-
handelt.“
Vergleichen wir hiermit den Charakter Wilhelms, jo finden wir
eine auffällige Samilienähnlichfeit zwifchen ihm und der Niccoboni;
freilich nicht in ihrem Endſchickſal, da Wilhelms Reichtum ihm aus
der Verlegenheit half. Wilhelm war empfindfam, gefühlvoll, impulfiv.
312 C. A. Eggert, Goethe und Tiderot.
Zeine Thränen börten wicht auf zu fliegen iman vergleiche
Buch VII, Kapitel 7, au) Bud V, Kapitel 15: megen jeiner
ichmerzlichen Erfahrung mit Marianne, und das Ereignis, wie wir
im erſten Napitel des zweiten Buchs beiehrt werden, brachte ihn an
den Rand des Grabes. Er hatte eine angenchme Geſtalt, eine gute
Stimme, und wenn er jpradı, hörte man ihm mit dem größten Ver:
gnügen zu. Er beſaß alle Vorzüge, die eine gute Erziehung gewährt;
er betrug ſich mit Anſtand und Anmut — aber er konnte nur ſich
ſelbſt jpielen. Gerade wie Madame Niccoboni fpriddt er ganz
vorzüglidy über die Kunſt des Zchanipielers, aber c$ war jein
Shit, dan er die Geduld des Publikums nicht auf die Probe zu
jtellen brauchte, es wäre ihm wohricheintich nicht beſſer gegangen
als ihr.
Wie Sich Diderot bemüht zu zeigen, daß die „Sensibilite” wahre
Kunſt unmöglich macht, fo lehrt Goethe auf die mannigfadjite Weije,
dan alte Irrtümer Wilhelms ihren Urſprung in derjelben Eigenjchaft
haben. Ter tiefe Sinn dieſes wunderbaren modernen Epos iſt gerade
der, dan das Yeben uns früher oder Ipäter lehrt, daß der Berltand,
und micht die Gefühle, unſere Handlungsweiſe beſtimmen muß,
wenn wir in Dieter Welt etwas ansrichten wollen, was ein Weifer
ſchützen kann.
Um jedoch zu unſerer engeren Unterſuchung zurückzukehren, ſei
hier noch das Folgende in Bezug auf Wilhelm erwähnt. Es ergiebt
ſich daraus mit noch größerer Beſtimmtheit, daß Goethe im weſent—
lichen wie Diderot dentt.
Wilhelm teilt Jarno ſeine Meinung mit über den Eindrud,
den ſeine frühern Nollegen auf ibn gemacht haben ıVIL, 8). Die
Beſchreibung iſt wicht ſchmeichelhaft, denn Wilhelm iſt voll Unwillen.
Jarno unterbricht ihn mit einem unmäßigen Gelächter:
„Dir armen Schau'pieler!“ rief er aus ... „die armen, guten Schauſpieler!“
„geilen Sie denn, mem Send.” fuhr er fort, .... „daR Sie nit das Zheater,
sondern die Welt beichrieben babın? .... Wahrbaftig, ich verzeihe dem Schau-
pieler jeden ‚yehler, der aus dem Selbſtbetrug und aus der Begierde zu gefallen
‚ntipringt: denm wenn er ſich und andern nicht etwas Scheint, fo iſt er nichts. Zum
Schein iſt er berufen: er muß den augenblidlihen Beifall hoch ſchätzen; denn er
hätt feinen andern Lohn: er muß zu alanzen ſuchen, denn deswegen iſt er de.
.Alle Fehler des Menſchen verzeib" ıh dem Schauſpieler; feine Fehler des
Zihanfprelers verzeih' ich dem Menichen“
Man kann nicht ſchärier betonen, was Tiderot auf andere Art
und mit beionderer Rückſicht auf den Zchaufpieler jagt, daß nämlid)
der eigentliche Charakter des ausübenden Künſtlers ganz unabhängig
von dem von ihm dargeitellten Charakter it, und dag im Aus:
cinanderhalten der beiden eigentlich das Gehrimnis der ausübenden
Kunſt beiteht.
C. N. Eggert, Goethe und Diderot. 313
Yın fünften Kapitel des achten Buchs drüdt jid) Jarno noch
bezeichnender aus.
„Sie haben mich wenig gejchont,” fagte Wilhelm... . „Was ift denn da
zu ſchonen,“ verjette Jarno, „wenn ein junger Menjd) von mancherlei guten An—
lagen eine ganz falfche Richtung nimmt?“
„Berzeihen Sie,” fagte Wilhelm, „Sie haben mir ftreng genug alle Fähig—
feit zum Schanfpieler abgejprochen; ich geftehe Ihnen, ob ic) gleich diefer Kunft
ganz entjagt habe, jo kann ich mid) doch unmöglich bei mir felbft dazu für ganz
unfähig erklären.“
„Und bei mir,” fagte Jarno, „ist es doch fo rein entjchieden, daß, wer nur
fich felbft fpielen fann, fein Schaujpieler ift. Wer fi) nicht dem Sinn
und der Geftalt nad in viele Geftalten verwandeln kann, verdient nicht diefen
Namen. So haben Sie zum Beijpiel den Hamlet und einige andere Nollen red
ut gefpielt, bei denen Ihr Charakter, Ihre Geftalt und die Stimmung des Augen-
Drics Ihnen zu gute fam. Das wäre nun für ein Licbhabertheater und für einen
jeden gut genug, der feinen andern Weg vor fich ſähe.“
Wenn wir in der Riccoboni das Vorbild, in dem engeren und
ganz jpeziellen Einne, in welchem wir diefe Unterfuchung führen,
von Goethes Wilhelm erbliden dürfen, fo fann ung Diderots furze
Kennzeichnung Garrids zu einem Vergleich mit Serlo dienen:
Garrid ftedt den Kopf hervor zwischen den zwei Flügeln einer Thür, und
in dem Zwiſchenraum von vier big fünf Sekunden zeigt fein Geſicht der Reihe
nad) den Ausdruck einer tollen Freude, dann den der Ruhe, hiernady den der
Überrafhung, des Erftaunens, der Trauer, der Niedergejchlagenheit, des Schredens,
des Entjetens, der Verzweiflung, und fehrt dann von dieſem legten Ausdrud in
Tin Ordnung zurück bis zu dem, welchen e8 zuerft angenommen hatte.
©. 231.)
Vergleichen wir hiermit, was Goethe von Serlo fagt (IV, 18,:
Er wuchs heran und zeigte außerordentliche Fähigkeiten des Geiftes und
Tertigfeiten des Körpers, und dabei eine große Biegſamkeit ſowohl in feiner
Borftellungsart al3 in Handlungen und Gebärden. Seine Nachahmungs—
gabe überfticg allen Glauben. Schon al® Knabe ahmte er Berfonen
nad, fo daß man jie zu ſehen glaubte, ob fie ihm ſchon an Geftalt, Alter
und Weſen völlig unähnlich und untereinander verjchieden waren.
On est soi de nature, fagt Diderot (S. 238), on est un autre d’imi-
tation; le coeur qu’on se suppose n’est pas le coeur qu'on a. Qu’est-ce done
que le vrai talent” CGelui de bien connaitre les symptömes exterieurs
de l'äme d’emprunt, de s’adresser à la sensation de ceux qui nous
entendent, qui nous voient, et de les tromper par l’imitation de ces
symptömes, par une imitation qui agrandisse tout dans leurs tetex, et
qui devienne la regle de leur jugement .... Celui donc qui connait le
mieux et qui rend le plus parfaitement ces signes exterieur:s,
d’aprex le model ideal le mieux concu est le plus grand comedien.
Und ferner (S. 222):
C'est l’extr&me sensibilit# qui fait les acteurs mediocres; c'est le
sensibilite mediocre qui fait la multitude des mauvais acteurs; et c'est la
manque absolu de sensibilite quiprepare les acteurs sublimes.
314 E. A. Eggert, Goethe und Tiderot.
Von Zerlo jagt Goethe:
Bei der innerlihden Kälte seines Gemütes liebte er —
niemanden; bei der Klarheit ſeines Blicks konnte cr niemand achten; denn er ja
nur immer die äußern Eigenschaften der Menjhen und trug fie im
jeine mimiide Sammlung ein.
Tem, was wir cben von Tiderot citierten, können wir wieder:
holend hinzufügen, day er von jeinem vollfommenen Schauſpieler
verlangt, er müſſe ein Falter und ruhiger Beobachter (spectateur)
ſein, müſſe einen durchdringenden eritand (de la penetration),
feine Empfindjamfeit (sensibilite), wohl aber Nachahmungsgabe
bejigen u. ſ. w.
Ohne dietelben Worte zu gebrauchen, jagt Goethe in jeiner
Charafterzeihnung Zerlos wejentlid) dasielbe wie Tiderot.
Wenn Goethe Serlos „heitere Laune, gemäßigte Yebhaftigkeit, ein
beſtimmtes Gefühl des Schicklichen“ lobt, wenn er betont, daß „die
geiltreiche Art, mit der er die jeiniten Zchattierungen der Rollen leicht
und gefällig ausdrücte, um jo mehr Freude erwedte, als er die
Kunſt zu verbergen wußte, die er ſich durd) eine anhaltende Übung
zu eigen gemacht hatte”, jo rühmt Tiderot an der Schauipielerin
Klairon S. 218: das vollendete Zpiel, das ihr nad) der fechiten
Boritellung leicht wird, weil fie „alle Einzelheiten ihres Zpiels fo
gut auswendig wein wie alle Worte ihrer Rolle“. „Sans doute,
elle s’est fait um modele . . .. Quand a force de travail,
elle a approche de cette idee de plus pres qu’elle a pu, tout
est fini: se tenir ferme la, e'est une pure affaire d’exereise
et de meimolte.
Zomohl Goethe wie Diderot Itellen ihre guten Zchaufpieler in
Gontrait mit mittelmäßigen und Ichlechten. Sie beide betonen, daß
der gute Schauſpieler ſich ganz objektiv gegen jene Rolle verhält;
dan jeine eignen Gefühle gar nichts damit zu thun haben, und daß
icharfes Anufmerten, Nachahmung und Wiederholung den Künftler
jchlierglich unabhängig von teiner Rolle machen, dergeitalt, daß er
während des Zpiels ſeine Eigenheit als Individnum bewahrt und
trogdem fir den Inſchauer eine ganz andere Perſon iſt: daß er mit
Yeichtigleit eine Rolle gegen eine andere vertauscht und jeder gerecht
wird, weil Seine periönlichen Gefühle nichts damit zu thun haben,
jondern alles das Netultat einer ein. fir allemal abgethanen Ubung üt.
Tiderot macht in dieſem Zinne cinige fernere Bemerkungen,
die es verdienen, ihrer Nichtigfeit und originellen ‚yorm wegen, citiert
zu werden.
“Miu que! dira-b-on, ces acrents 1 plaintifs. »1 dunlourenx, que cette
miere (aut der Vühne arrache du fand de es entrailles. et dlont les iniennes
sont i vielemamment seeonee-, ve west pas le desespoir 1 le⸗ inspire ?
C. A. Eggert, Goethe und Diderot. 315
„Nullement; et la preuve, c’est qu’ils sont mesures; qu’ils font partie d’un
systeme de deelamation; que, plus bas ou plus aigus de la vingtieme partie
d’un quart de ton, ils sont faux; qu'ils sont soumis ä une loi d’unite;
qu'ils sont. comme dans l'harmonie, prepares et sauves; qu’ils ne satisfont
a toutes les conditions requises que par une longue etude; qu’ils concourent
a la solution d’un probleine propose; que, pour &tre pousse& justes,
ils ont ete repetes cent fois, et que malgre ces frequentes- repeti-
tion, on les manque encore. C'est qu’avant de dire: Zaire, vous pleurez!
ou: vous y serez, ma fille, l’acteur s’est longtemps &coute lui-m&me;
c'est qu'il ecoute au moment oü il vous trouble, et que tout son talent
eonsiste non pas à sentir, comme vous le supposez, mais à rendre si
serupuleusement les signes exterieurs du sentiment, que vous vous
v trompiez.'
Diderot begegnet hiermit dem weitverbreiteten Irrtum, daß ein
Redner oder Vorleſer fühlen muß, was er fpricht oder Tieft. Der
vollfommene Redner bereitet feine Rolle vor wie der Schaufpieler
feine Rolle. Das verhindert nicht, daß der gewöhnliche Menſch, in
einer gewiſſen Lage, unter Umjtänden durd) feinen natürlichen Ge—
fühlsausdruck beredjam jein kann. Aber von dem DBerufsredner oder
Vorleſer zu erwarten, daß er fühlen muß, was er ausfpricht, heißt
die Kunſt des Vortrags verfennen. Das Horaziſche si vis me
flere.... hat wohl fchwerlidh den Sinn, den man der Stelle ge-
wöhnlid) beilegt; jedenfalls faßt Diderot in feinem „Paradoxe’’,
und nach ihm Goethe in „Wilhelm Meijter“, die Sache anders auf.
Diderot drüct jeine Meinung ſehr amüfant aus, indem er zwei
Yiebhaber vorführt (3. 235/236). Der eine, ganz von feinem Ge—
fühl beherrjcht, ijt verwirrt; er nähert fid) der geliebten Berfon mit
Zittern; das Herz klopft ihn, jeine Begriffe veriwirren fi), er jtottert
und bringt alles verfehrt heraus; ſagt ja, wo er nein jagen follte,
und umgekehrt, und begeht taujend ungefchidte Handlungen (gau-
cheries). Sein Nebenbuhler will fih nur amüfieren; feine Gefühle
beängitigen ihn nicht, er iſt luftig, unterhaltend und leichtfertig, lobt
auf eine feine Art, unterhält, amüjiert; nimmt fich allerhand Frei—
heiten heraus, die ihm gewährt werden, kurz: während der gefühl-
volle Liebhaber verlegen in einer Ede verzweifelt, nimmt der andere
vor feinen Augen von der von ihm angebeteten Dame Befig. An
dieje Schilderung fnüpft der Verfaſſer folgende Bemerkung, die
freilich nun mit anderen Worten wiederholt, was fchon gejagt wurde:
„Der empfindſame Menſch gehorcht den Eingebungen der Natur und
giebt genau nur den Schrei feines Herzen! wieder; in dem Augen—
blick, wo er dieſen Schrei mäßigt oder verjtärkt, ijt er nicht länger
er jelbit; er ijt ein Schaufpieler, der fpielt.” (S. 236.)
Goethe fpriht einmal (Dichtung und Wahrheit, Buch ILL,
S. 148 der Weimarer Ausgabe) von einer Zeit, „wo nad)
Diderots Grundſätzen und Beifpielen die natürlichjte Natür-
316 C. A. Eggert, Goethe und Tiderot.
lichkeit auf der Bühne gefordert und eine vollkommene Täuſchung
als das eigentliche Ziel der theatraliſchen Kunſt angegeben wurde”.
Es jcheint, day er Tiderot Unrecht thut. Man kann kaum jchärfer
als Tiderot es thut hervorheben, wie groß der Unterſchied zwiichen
der Bühnenwahrheit und der Wahrheit des gewöhnlichen Yebens tt.
(Er wendet ſich Ipeziell gegen die falſche Auffaſſung im der folgenden
Stelle 2. 225 — 226:
Retlechissez un imoinent sur ee qWion appelle au theatre etre vraı.
E-t-cey montrer les choses comme elles sont en nature? Au-
eunement. Le vrai. en ce sens, ne serait que le commun. Qu’est-
ve done que Je vrai de Ja -eene? GCest la conformite des actions, des dis-
eonts, de Ta fire, (le Ta voixn. du mmeouvement, du geste, avee un mocdele
ideal imagzine par Je poete, et souvent exagere par le comedien. Voila le
merveilleun Ce modele n'inthne pas seulement sur le ton: il modifie jusqu'à
la demarche, jusquian miintien. De la vient que le eomedien dans la mie
ou ur Ta seene sont deux personnazes 1 differentes, qu’on a peine a le»
reeonnailte,
Hiermit käßt ſich vergleichen, was Goethe in „Dichtung und
Wahrheit“ im elften Buche S. #7 der Weimarer Ausgabe, fagt:
„Die höchite Aufgabe einer jeden Kunſt ift, Durch den Schein die
Täuſchung einer höhern Wirklichkeit zu geben. Ein faliches
Reitreben aber tt, den Schein jo lange zu verwirklichen, bis endlich
nur ein gemeines Wirkliche übrig bleibt.” Dies gemeine Wirkliche
wäre dann dasielbe wie Tiderots „Le vrai. en ce sens, ne serait
lie le vormmmm.'
Tan Goethe Diderots Aufſatz tiber den Schauſpieler geleien,
jcheint mir nach den Geſagten wicht zweifelhaft. Wenn man zu
ſammenhält, was Goethe an verjchiedenen Orten über Tiderot gejagt
hat, in „Wahrheit und Dichtung“, in den Anmerkungen zu feiner
Überietzung von Tiderots „Nameaus Neife“, in jeinen Briefen u. |. w.,
nnd dabei die Eingangs erwähnte Bekanntſchaft mit Grimm in Be:
tracht zicht, jo wird man kaum eines weitern Beweiſes bedürfen.
Goethes Intereſſe am Theater zu Weimar mußte ihn emen Auffag
uber Zchamipieler ans der Feder Tiderors wenigitens ebenſo fchägen
laſſen, wie Sein Intereſſe an der Malerei ihn zu einer Wberfekung
von Tiderots Aufiag über Malerei anregte. al. Goethes Werfe,
Dempel 28, 47—102. Auch Schiller intereitierte Sich fiir Tiderot,
wie jeine Uberſetzung einer Epifode ans Jaqnes le fataliste bemeift,
die er 1785 für jeine Riheiniſche Thalia verfertigte. Schillers Werte,
Hempel 14, 2441 — 277.
Es verftcht ſich von jelbit, daß von irgend etwas, das wie ein
Plagiat aussieht, hier nicht die Nede ſein kanu. (Hoethes Charaktere,
und mas fie über den Gegenſtand Tagen, machen ein Ganzes aus,
das aus vielen Zügen zuſammengeſetzt iſt. In Wilhelm Meiſter ift
W. Biedermann, Ein Antirenion. 317
alles organijche Entwicklung. Das jchließt aber nicht aus, daß der
Verfaſſer jein Eigentum, wie Moliere, genommen hat, wo er es fand.
Daß TDiderot auf eine extreme Art jeine Theſe zu beweifen Jucht,
macht die Wirkung feiner Schrift nicht geringer, ja mag wohl fogar
dazu beigetragen haben, dag dieſe Wirfung beſonders nachhaltig
wurde, Das oberfläclichite Lefen des Aufjates genügt, den Haupt:
begriff, nn den es dem Verfaſſer zu thun ift, Far zu machen. Die
Xebhaftigfeit des Stils, das Schlagende der gewählten Beiipiele und
die beharrliche Wiederholung desjelben Grundgedanfen in verjchiedener
Form bewirfen, dar ınan ſich vollfoınmen deutlich wird, was Diderot
ſagen will, und daß man es nicht leicht vergißt. Und man darf
nicht außer Acht laſſen, daß das, was Diderot jagt, wahr ijt, daß
er wirflich einen weitverbreiteten Irrtum angriff, ihn auf das flarjte
umd entjchiedenjte nachtwies, und eine wichtige Wahrheit gewandt und
jtegreich verteidigte.
Fin Antixenion.
Düitgeteilt von Woldemar Freiherr von Biedermanı
in Dresden.
Die Zahl der Goethe: Schillerichen Xenien iſt mit der Wer:
öffentlichung im achten Bande der Schriften der Goethe-Geſellſchaft
erichöpft; cs bleibt nur noch übrig, die Verfajlerjchaft der Xenien,
bei denen ſie noch nicht fejtjtcht, jowie manche noch zweifelhafte
Deutung zu erforjchen. Dagegen läßt ſich erwarten, daß nod) mehr
Antirenien zu Tage fommen, als Boas und Freiherr von Maltzahn
ermittelt haben; denn die durd) die Xenien hervorgerufene Erregung
ihlug Wellen weit über die litterarifchen Kreiſe, auf die jene haupt:
jächlich berechnet waren, hinaus, jo daß nur durd) Zufall in abjeits
gelegenen Gebieten Zeugnijfe davon aufzufinden jein werden. S
überrajcht e8, dag ein Xenion den Zorn eines Jägereibefliſſenen er-
weden und zur Abwehr veranlajfen fonnte. Ein Neffe von mir, der
den Jagdſport pflegt und darüber jchreibt, aber auch mit Goethe
vertraut ijt, machte mic) auf den in einem Antirenion gipfelnden
Herzenserguß anfmerkſam, der ſich im „Neujahrsgefchenf für Forſt—
und Jagdliebhaber auf das Jahr 1798, herausgegeben von CLEHF
von Wildungen, Fürftl. Heil. Regierungsratd — Marburg in der
neuen academijchen Buchhandlung” S. 177—180 findet und lautet:
Euphorion IV. 21
318 W. Biedermann, Ein Antirenion.
AUothſchuß.
Sur Hülie, zur Hülfe, traute Mithrüder in Tianen! Unter jenem Rudel von
Tenien,“ das im letzten Winter durchgebrochen iſt und mehr Unfug, als das ſtärkſte
Rudel wilder Schweine Schon verübt, manchen Ehrenniaun umgerennt, verwundet,
oder doch wenigſtens beiudelt bat, war auch vines dieſer Unthiere fo verwegen,
umiere ganze ebriame zZunft anzufallen! Meiſterlich hat es war unser Freund
Nicolai, gleich andere, Die ihm auch grimmig zu Yerbe gieugen, ſchon abgefangen —**)
doch Sehr! es regt ſich no inmmer! Was das kleine Monſtrum nicht für ein Naten
eben bat. Mir dev Zchreibfeder alten ss hier ireilich nicht gethan — werden
ihm wobl mit dev Zchwernafedert noch den Weit geben müſſen! Hier iſt es!
Wahr u:
Die Weidtaſche
Reget üch was. gieech ichteßt der Jäger: ihm ſche:net Die Schöpiung,
Wie hebendig Tre iſt, mar für den Schnackſad gemacht.
Mächt:ge Tiana, welche Bosheit! Wir mancherley Feiude haben Teine
Auserwählten nicht zu Ledampfen? Tort verwünſcht man uns, weil wir nicht
genug Ihrer, nicht alles, was ſich regt, von dev Erde vertilgen wollen. Hier
veripottet man uns, daß wir alles morden mochten Die ganze lebendige
Schopinng ie iur unſern Schnappiack gemacht glaubten. Welche Widerſprüche!
Welche ſichteiſe Begriiſe von der Natur des wahren Jägers!
iBlaubt hr uolzen Herrn in euern Soeha's denn wirtlich, daß mu Weid
manner alles, was nur von Wilde ſich noch regt. von Amtswegen morden müßten,
oder ſo gerne jnordeten, als Ihr alles, was von andern Schriftſtellern, Die Euch nicht
aubeten, ſich regt, gerne morden mochtet? Rein! Benm Apoll und jeiner oft janftern
Zimveiter! Ein Jager, der durch Mordſucht und Blutdurſi unſern edlen Orden ent
weihet, gehort, wenn er auch ein Tiadem trüge, eben jo gewiß zum Jägerpöbel,
ala das erhabenſte Wente zum Schriftſteltlerpobel herabüntt, jo bald es das
Heiligthum dev Muien durch eitle Ruhmſucht und Verſolgungswuth entweihet
Ju bien Hei! haben brave Weidmänner, die ihn hoher Beruf, Bir
Schopiung, wie lebendig ölenhit, grundlicher als Ahr zu ſtudieren, weit
nun licher beichaftigt, nie ible Laune oder Laugweile genug, um auch Jenien zu
fertigen ** en ende würde es ferne manchen on, deren emige nicht minder
brſige Rinppe! auf Euch iortzuhenen Wie kraitig ; Buwurde Euch dieſe nicht
vaden:
An die Jeniendichter. gewiſſe Jonrnalfaßrikanten und Dergleiden.
Uns entzuckt die Natur Euch Stolzen iſche:untedit Scherfung.
Yen lebendig ſie ſit, Euch mm zum Rauchfaüz gemacht
Som Herauogebver
Was in Das fm cm Wildpret? werden viele unter euch fragen NRin
voetziches“ Say kleine, aber eybinge Bedichtchen ind es, die zur niedern
Serie Jagd gehören, und womit, wenn eines Saat Du manchem con Schr under
dauliches Auchengrichent gemacht wird Ziebe Schellerzs beraten Anienalmanach
fin 1707
es Im Anhang vum erwahnten Rnienalmanach. 2 10% 188
»Tas ecrigentliche AUnſſwort Z Noll wahnten KRachtrag S 170.
Zanipieh, Fangeiien
E. Müller, 6. Reinbeck als Borbild von W. Hauff. 319
Es berührt jonderbar, wie der Schreiber — da ihm fein Gott
gab, alles, was er litt, zur jagen — den mangelhaften Ausdrud
durch Sperrdrud zu ergänzen jucht. Der Jägerzorn gegen Goethe
fam aber nad mehreren Jahren nochmals zum Ausbruch. In
Wildungens Forst: und Jagdtaſchenbuch auf 1803 und 1804, S. 215,
bindet wiederum ein Weidmann mit ihm an, und zwar wegen einer
Stelle des Aufjakes über die Weimarifche Kunftausitellung von 1801.
Es genügt, darauf hinzumeijen; die ſpöttiſchen Dijtichen hier wieder
abzudruden, fünnen wir uns jedoch erjparen.
G. Beinberk als Borbild von W. Hauff.
Ton Ernjt Müller in Tübingen.
Georg Reinbeck, ein geborener Berliner (1766), übernahm 1808
die Mitredaftion am Cottaſchen Meorgenblatt, wurde jpäter Profeſſor
am oberen Gymnaſium und am Katharinenftift in Stuttgart. Er ift
der Gründer des Stuttgarter Schillervereins und Berfaffer von
Dramen, Erzählungen, Gedichten und Neijefchilderungen. Er ftarb
1827, in demfelben Jahre wie W. Hauff. Seine Dichtungen find
heutzutage jo ziemlich vergejjen; aber von feinen Zeitgenoſſen wurden
fie Hochgeichägt. Bejonders aud) von W. Hauff. Diefer ſtand Reinbeck
zweifellos näher. Bei den gemeinschaftlichen gleichen Bejtrebungen
und Beziehungen der beiden zum Meorgenblatt ift daS eigentlich für
damals jelbjtverjtändlich. Hauff kannte ficherlid) Reinbecks Producte
fämtlih. Und wenn er fi) nun da oder dort an denjelben ange:
ichloffen Hat, jo darf uns das um fo weniger wundern, als der
lebensfrohe Dichter ſchon mit 25 Jahren von hinnen fcheiden mußte.
Hauffs Werfe jind freilid) nach ihren Quellen noch nicht genauer
unterjucht. Aber es jteht doch 3. B. feit, daß er in feinem Lichten-
jtein ih W. Scott zum Vorbild genommen hat. Bobertag !) jagt:
„Er hat verjchiedene Mujter oder Vorbilder gehabt, und ift zu einer
ihm eigenen Behandfungsweije nicht gelangt.“ Dann fährt er mit
\pezieller Beziehung auf zwei Hauffihe Novellen fort: „In der
Bettlerin und dem lebten Ritter von Marienburg erfennt man
Tief.” In wie weit legteres der Fall ift, weiß ich nicht; Bobertag
giebt dariiber feine näheren Angaben. Für die erfte der genannten
), S. Einleitung zu Hauff3 Novellen in Kürjchner8 Deuticher Nutional:
literatur.
21*
320) E. Müller, G. Reinbed als Xorbild von W. Hauff.
Novellen, beziehungsmeije einen Abſchnitt derjelben, ijt aber einc
vielleicht noch näher liegende Quelle vorhanden, die, joviel ich ſehe,
bis jetzt unbefannt geblieben ijt. Ich meine G. Reinbeds Erzählung
„Schwärmerei“. Tiejelbe, etwas breit gehalten, aber nicht ohne
Intereſſe und Spannung hat, wie ich glaube, Hauffs bejondere Auf:
merkſamkeit erregt. Zie erjchien zuerit, wenn auch fragmentariich, im
Meorgenblatt von 1807, Wr. 101 ff. „Schwärmerei“ iſt die Er:
zählung betitelt, weil darin ausgeführt wird, wie ein gebildetes der
engliihen Hochtirche angehöriges Mädchen durch Schwärmerei für
die katholiſche Kirche zu Fall kommt. Liddy — ſo heißt das Mädchen
— iſt die Tochter eines engliſchen Geiſtlichen. Sie iſt die Braut
eines jungen Vetters von ihr. Ju ihrer weiteren Ausbildung kam
jie zu Verwandten nach Irlaud, die insgeheim statholifen waren.
Von dieſen wurde auch ſie für den Natholizismus gewonnen. Liddy,
eine etwas Ichwärmeriicdhe Natur, gab ſich mit ganzer Scele ihrem
nennen Glauben bin. Natürlich ebenfalls insgeheim und ohne Wiſſen
ihres Zaters. Turch cite „Geſpielin“ Fam fie nun auf Beſuch in
das Haus eines Narons. Während ihrer Anweſenheit fand jich ein
Derzog von Ch. ebendajelbit ein. Ihm gefiel das ſchöne Mädchen
und mit Hilfe eines fatholiichen Priefters entführte er fie und lieh
jie in Yondon hilflos — allerdings nicht abjichtlih — zurüd. In
diejer Not - sie batte nach eigenen Geſtändnis zwei Tage nichts
gegeiten — ging ſie nachts auf die Straße, um ihren Yebensunterhalt
zu gewinnen. Zie wußte feinen anderen Ansiweg mehr; fie ſchämte
ſich, ſich ihrem Later anzuvertrauen. \ett traf sie ein junger
Teuticher, der von einem seiner Freunde weg, bei dem „ihn ein
unterhaltendes Geſpräch bei einem las Punſch bis gegen 12 Uhr
gefeſſelt hielt“, nadı Dane ging. Tie Straßen waren bercits „ziemlich
öde“. Wernhard, jo bien der junge Manu, erzählt: „Ztille vor fich
ber ging cin Mädchen von hoher edler Geſtalt. Ihr ganzer Anftand
trug ebento ſehr das Gepräge der Zittiamfeit ala er bei den itbrigen
Nymphen der Themſe das entgegengelekte Gepräge trug: ihr Anzug
war Feit amd beicheiden. Ihre Ericheimung zog mich unwillkürlich an:
ich ging langiamer und erwartete, dan fie mich anreden jollte. Ver—
gebens! Ein ſchüchterner Wit war alles, was mir zu teil wurde...
Ta redete ich ſie an und fragte, ob ich ſie nach Dante bringen Sollte?
Zie ſchrak zuſammen, als fie meine Stimme hörte, und doc ſchien
jie meine Anrede erwartet zu haben; denn ſie lispelte mir zu: „Wenn
Zie die Güte haben wollen“... Ich bot ihr den Arm. Sie lehnte
ſich To Leite darauf, als ſchiene er ihr eben feine der zuverfichtlichften
Stützen, umd ich fühlte, wie ihr Arm zitterte. „Iſt Ihnen nicht
wohl, liebes Kind?” fragte ich betorgt. „Es tft etwas fühl,“ war ihre
ganze Antivort, nnd kaum dar ich nod) die Anzeige ihrer Wohnung
E. Müller, G. Reinbek als Vorbild von W. Hauff. 321
herausbringen fonnte.” In ihrer Wohnung angelangt, brad)te Bern-
hard von ihr heraus, daß jie die Not, der Hunger, zu diefem Schritt
getrieben. Da eilte er fort und holte Xebensmittel und Wein. Dadurd)
gefräftigt, fapte das Mädchen wieder neuen Lebensmut. Sie entdedte
ihrem Netter ihre Lage, natürlich) ohne auf das Einzelne einzugehen.
Sie bezeichnete jid) al3 einen Ball des Schidjals; den Namen und
Wohnort ihres Vaters verfchwieg fie; fie fühlte fich feiner nicht mehr
wert. Durch Zufall erfuhr aber Bernhard von ihr, daß fie in
Birmingham eimen Oheim habe. Er wandte ji) nun an ihn, der
ebenfalls Geiftlicdyer war, und vertraute ihn Liddys Lage an. Der
heim nahm jic jeiner Nichte an und ging mit ihr nad) Schottland
zu einer Verwandten. Dort erhielt fie die Nachricht von dem Tode
ihres Vaters, den der Gram nm die Einzige das Herz gebrochen
hatte, und ſank ind Grab. — Damit vergleiche man die eigentliche in
Paris jpielende Gejchichte der Bettlerin vom Pont des arts, Kapitel
22— 26. Der Held der Gejchichte, Fröben, kommt, wie er jelbft erzählt,
ſpät nachts mit feinen Freunde Faldner vom Beſuch eines andern
‚sreundes zurüd. Es war „nicht mehr viel Leben“ auf der Straße.
Ihr Weg führte fie über die Brüde. „An die Brüde gelehnt ftand
eine jchlanfe, ziemlich Hohe weibliche Seftalt“ ... „fie war von feiner
ichlanfer Zaille, fie trug ein einfaches... fehr reinliches Kleid.“
„Aus dem Mantel ragte eine Kleine Hand hervor, die einen Zeller
hielt; vor ihr aber jtand ein Kleines Laternchen” ... Fröben wurde
durh den Anblick „unwiderftehlich gefeflelt.“ Es war falt. Das
Mädchen fror; aber fein Wort der Klage oder Bitte fam über ihre
Lippen. Sie „ließ ihr Elend und den falten Nachtwind für fid)
reden”. Fröben trat näher (Faldner entfernte fich) und redete fie an.
Er jagte: „Mein Kind, Sie haben hier einen Ichlechten Standpunft
gewählt, hier werden heute Abend nicht mehr viele Menfchen vorüber:
gehen.“ Sie erwiderte „nad einer Weile”: „Wenn nur diejfe wenigen
Gefühl für Unglüd haben!“ Auf feine weiteren Fragen erfuhr Fröben
von ihr, daß fie eine kranke Mutter habe und daß die Not fie
gezwungen habe — heute zum erjten Mal — die Hilfe anderer in
Anſpruch zu nehmen. Er bat fie, ihn zu ihrer Mutter zu führen.
Sie willfuhr ihm. Er bot ihr feinen Arm, fie jchlug ihn aber aus.
Sie gingen jtill nebeneinander. Plötzlich bat fie ihn — man fieht
allerdings nidjyt recht ein, weshalb — fie allein zu laffen und von
feinem Vorhaben abzuftehen. Fröben erfüllte ihren Wunſch. Er ver>
abjchiedete fich von ihr, nachdem er ihr „das wenige Gold, das er
bei fi) trug“, gegeben, und nachdem er fie gebeten hatte, acht Tage
nachher ſich anı gleichen Plate wie heute wieder einzufinden. Sie
fam und kam wieder. Fröben unterjtügte fie und ihre kranke Mutter
reichlich jedesmal. Allmählich entwidelt ſich ein Liebesverhältnis
322 E. Vuller, 8. Reinbeck ats Korbilo von 8. Hauif.
zwiſchen beiden. Doch das weitere iſt für uniern Zweck ohne Relang,
da es feine Heziehungen mehr auf Meinbeds Erzühlung Ddarbietet.
Für uns ift weientlich von Wichtigkeit die Situation tm Beginne
der Erzählung. Ta herridyt eine merkwürdige Ubereinſtimmung im
jo manchen Punkten trotz zweitellorer Nerichiedenbeit in anderem.
Schon die Abnlichkeit der äußeren Yage iſt zu bemerken. Beidemal
geht die Handlung bei Nacht vor ſich, und zwar in falter Nacht
auf eimtamer Ztrane. Zodann beachte man, wie beide, Reinbeck wie
Hauff, mir Nontraiten arbeiten. Wie Bernhard, 10 fonımt auch Fröben
vom Vergnügen ber und stört auf das bitterite Elend. Weide iind
Teutiche. TDie Mädchen, den beiieren Ztänden angehörig, werden
durch die äußerſte Not zu Ihren verzweifelten Zchritt getrieben. Gleich
beim eriten Mal finder fich der Netter in der Not. Die Mädchen,
ill und ſchweigſam, laſſen ihr Elend für ſich reden. Erit ala fie
aufgefordert werden, ergreiten tie das Wort. Dadurch machen tie
einen vorzüglicdhen Eindrud und gewinnen das Vertrauen der beiden
Männer. Soweit herröcht Ubereinſtimmung in beiden Erzählungen.
Im Folgenden weicht Hauif ab und gebt jeine eigenen Wege. Er
ündert volltommen, aber jeine Tarftellung bat dadurd) entichieden
gewonnen. Zeine UÜberlegenheit zeigt Tich indes ſchon im Anfang.
Dan ertennt mit Yeichtigkeit, wie er arbeitet. Er ſchafft um, er
macht Sich den gefundenen Ztoff zurecht, ganz jo wie er ihn braucht
und Fir gut ſindet. Er laßt dem ganzen (Hang feiner Erzählung
entipredhend zwei Frennde auf das unglückliche Mädchen ſtoßen.
Durch die Noheit des einen — man beachte wieder den icharfen
Kontraſt wird die Menſchenfreundlichkeit des andern deſto klarer
hervorgehoben. Sodann weiter. RNeinbecks Bernhard begleitet das
Mädchen nach aus, Hauif finder in vollem Gegenſatz dazu dies
nicht paſſend. Er läßt feinen ‚sröben das Mädchen nur eine Ztrede
weit begleiten und dann umkehren. Tan er dies thut, war allerdings
an amd Fiir ſich nicht nötig; aber es liegt auf der Band, warum er
es thut: Tie Erzählung bätte jonit einen andern Verlauf nchmen,
Pauff hätte ändern müſſen. Das Mädchen jelbft macht er zu einer
Yandemänni ihres Retters. Tadurcd gewinnt er an fruchtbaren
Wotiven tür feine Erzählung. Zo bilder er das uriprünglicdhe Vor—
bild weiter um. Im Ichärfiten Gegenſatz zu Reinbeck befindet fid)
Paufi in der Art, wie er das unglückliche Mädchen jeinen Lebens
unterhalt tuchen läſtt. Auch die religiöje Zeite ift noch hervorzuheben.
Bei Reinbeck iſt die Religionsſchwärmerei Liddys ſchuld an ihrem
Unglück. Hauff hat dieſes Motiv auch herangezogen, aber in ganz
anderer Weiſe. Er bat die Verſchiedenheit des religiöſen Bekenntniſſes
dazu benugt, um zu zeigen, daß den Yicbenden fein Hindernis zu
groß iſt, um es zu überwinden.
J. Bolte, Lenaus Gedicht Anna. 323
Die Anderungen, die Hauff vorgenommen hat, ſind durchweg
Verbeſſerungen. Daß es aber wirklich Anderungen ſind nach Rein—
becks Erzählung, dieſe Annahme ſcheint mir nicht unbegründet. Ich
glaube in der That den Nachweis geliefert zu haben, daß Hauff
Reinbecks „Schwärmerei“ einige Züge abgelauſcht, daß er die dort
empfangene Anregung, die dort vorgefundenen Gedanken weiter
gebildet und ausgeführt hat. Hauffs Erzählung, „die ſpannendſte
ſeiner Novellen“, fand beim Publikum eine gute Aufnahme. Hat er
doc „wenig geſchrieben, das jo unmittelbar packt und feilelt“ ') als
die Bettlerin vom Pont des arts. °)
Zum Schluſſe drängt ſich noch die Frage auf, ob Hauff nicht
auch jonjt noch von Reinbeck beeinflußt ift. Ich bin überzeugt, daß
weitere Anterfuchungen darüber nicht ohne Erfolg jein werden. Es
jcheint mir ziemlich wahricheinlich, daß der jüngere Dichter ſich auch
jonft noc) bei dem älteren erfahreneren Reinbeck Nats geholt hat.
Mögen meine Worte die Anregung zu weiteren Gtudien
darüber geben!
Lenuus Gedicht Anna.
Mit Benutzung von Reinhold Köhlers Kolleftaneen
von Johannes Bolte in Berlin.
Ar einem Winterabende des Jahres 1835 fanden jic im
ſilbernen Kaffeehaufe zu Wien, dem befannten Sammelpunfte der
litterariichen Kreife, zwei junge Schweden, E. W. Böttiger?) und
E. A. Hagberg?) ein, die auf der Neije nad Italien die Wiener
Dichtergenoffen begrüifien wollten. Lenau forderte, wie uns fein
Freund Frankloͤ) berichtet, den fließend deutſch ſprechenden Paabern
auf, ſchauerliche Geichichten aus jeiner Heimat zu erzählen. Hagberg
ſchlug vor, aus den hellerleuchteten, menjchengefüllten Räumen in
eine einſame Weinſtube zu gehen, und als dies geſchehen war, er—
) Worie Ernſt Wechslers in feiner „litterariſchen Studie” über Wilhelm
Hauff; fiche Weftermanns Monatshefte 1894, ©. 704 ff.
2) Hauffs Novelle hat auch ihrerjeits ein Litterarifches Vorbild abgegeben, und
zwar, wie id) glaube, feinem Geringeren als Th. Storm in feiner berühmteften
Erzählung „Immenſee“. Eine genaue Vergleichung der beiden Erzählungen dürfte
meine Behauptung leicht beftätigen.
3) Geboren 1807, ipäter Profeffor in Upfala und ae Tegners.
# Geboren 1810, geitorben 1864, Profeffor in Lund.
5) Zur Biographie Nicolaus Fenaug, 2. Auflage, 1885, 41.
324 J. Bolte, Lenaus Gedicht Ara.
zählte er ein anmmtiges Märchen von den Elfen, die nachts Eis
blumen an die Fenſter der vom Frühling träumenden Weenichen
zaubern, dann auch Geſchichten düſterer Färbung. Eine von dieſen
Erzählungen ergriff Lenau und ſeinen Freund Frankl jo, daß beide
ſie in dichteriſcher Form zu behandeln beſchloſſen: zuerſt Frankl in
ſeiner Ballade „Die Ninderloje”,!- dann Lenau in ſeinem Gedichte
„Anna“,? dem er die Quellenangabe „Nach einer ſchwediſchen Sage”
beifügte.
(Kine Bergleichung Dieter beiden aus der gleichen Quelle hervor:
gegangenen Tichtungen bietet manches Intereſſante fir den Yitterar:
hiſtoriter. Frankl verſetzt uns nach Trontheim, wo zur Ainterszeit
eine frohe Geſellſchaft beim Dochzeitsmahle ſitzt. Eine Ztunde vor
Mitternacht erhebt jid) die Wraut vom Tiſch und enteilt insgeheim
aus der Ztadt zu einer eiuſamen Windmühle. Dort erwartet ein
altes Weib fie zu ſchauerlichem Werke. Aus Furcht, ihre viel.
bewunderte Schönheit zu verlieren, will die Braut nie einem Kinde
das Veben geben amd bat die Alte gebeten, ihren Yeib zn feien.
Zwölf Weizenkörner muß ſie nun ter den Mühlſtein legen,
während jene dazu dumpfe Beſchwörungen murmelt. Als ſie das erite
Korn hinlegt, erhebt ſich plötzlich ein Sturm, der die Mühle in
Vewegung ſetzt, und indem das Korn zermalmt wird, ertönt ein
Schrei. Die Braut ſchaudert, aber auf das Dräugen ihrer Beraterin
wirfit ſie auch die übrigen Körner nacheinander zwiſchen die Steine.
Dann eilt ſie in den Hochzeitsſaal zurück, ehe ſie jemand dort ver—
mißt hatte. — Viele Jahre ſpäter ſitzt ſie mit ihrem Manne abends
in der halb verſchneiſen Hütte zuſammen. Wie er ihre Einſamkeit
und Kinderloſigteit unmutig grollend erwähnt, ſchreitet ſie trüb:
geſtimmt hinaus. Von Mitleid bewegt, folgt er ihr: da gewahrt er
im Deondlichte, dan ihre Geſtalt auf der weißen Fläche feinen
Zihatten wirft, und ahnt einen ungeheuren ‚srevel. Zein Trängen
nötigt ic zum Gefſtändnis Ihrer That, und ergrimmt verltößt er fie
ans ieinem Hauſe:
Zo öern verilucht, wie du mich nicht beglückt! ..
wWeipenit, was willſt Die meine Knie umſchließen!
Ic du verſtießſt Die menſchliche Ratur,
Juerſt, wie mir Tr M. Arnold freundlich nachweiſt, in der von Witthauer
herauſsgegebenen Wiener Zetichrift für Kunſt, vitteratur, Theater und Mode 1836,
Kr. 66685 dann in feinen gefammtelten poetiſchen Werten 2, 116 (1880: gedrudk.
? Reuere Gedichte. Stuttgart 1838, 2. 275-308 = Zämtliche Werte,
herausgegeben von Analtafius Grün 3, 45 : Ztuttgart, um 1886. — Werle, beraus-
gegeben von Piar Noch 2, 47 BRerlin und Ztuttgart, 1888: — Auch Yenaus
Wedidht „Ter traurige Mond“ berubt auf einer damals von Hagberg erzählten
ſchwediichen Zage.
J. Bolte, Lenaus Gedicht Anna. 325
Stoß id) did) fort von mir, und cher fprießen
Des Frühlings Nofen auf aus dürrem Grund,
Eh ſich der Gnade Quellen dir ergießen,
Und zwifchen mir und dir iſt mehr fein Bund. —
Wieder find Jahre verjtrichen, da fniet die Büßerin betend in
einer Kirche und achtet nicht darauf, daß abends alle Andächtigen
heimgehen. Um Mitternacht Jieht fie ſechs Knaben und jehs Mädchen
zum Altare jchreiten; fie erfennt in ihnen die Kinder, die fie einft-
mals zu gebären bejtimmt war, fleht fie um Vergebung an und
jinft, nachdem dieje ihr gewährt, tot zur Erde. Zur felben Stunde
erwacht daheim ihr Gatte aus dem Schlummer, gewahrt auf den
Ejtrid der Kammer Nojen aufgejproßt und weiß nun, daß die Ver-
jtoßene bei Gott Gnade gefunden hat.
VLenaus Gedicht brauche ich hier wohl nicht ausführlich zu
analyjieren. Während ſich Frankl offenbar ziemlich genau an die ihm
durch; Hagberg mitgeteilte Volfsjage hielt, hat Lenau die Handlung
aus den bäuerlichen Verhältnifjen in die vornehmen Adelgfreife, aus
dem eifigen Norden in den romantiſchen Süden verlegt. Eingehender
als Franfl, der den Stoff ganz naturgemäß in die drei Akte:
Schuld — Entdeckung — Entjühnung!) gliedert und den Lefer gleich)
in den Hochzeitsjubel hineinführt, motiviert er in drei Gefängen
die Entjtehung diefer Schuld. Schön Anna, die im See badend
verzüct wie Narziſſus ihr Spiegelbild beftaunt, empfängt von einer
alten Frau die Verheigung, ihre Schönheit von der Entitellung zu
ihügen, die ein Kindbett mit fich bringe. Als dann Ritter Erich
durch nächtlichen Geſang vor ihrem Yenjter ihr Herz gewinnt, eilt
jie zu der Alten in die Windmühle. Die verhängnisvolle That findet
aljo vor der Hochzeit ftatt; beim feitlihen Mahle aber glaubt die
Braut wiederum das leiſe Wimmern aus der Heidemühle zu ver-
nehmen. Der vierte und fünfte Gefang entiprechen dein zweiten und
dritten Abjchnitte bei Frankl. Nur findet die Entdeckung in etwas
anderer Weije jtatt. Als Eric) und Anna eines Abends von einer
Kindtaufe zu ihrem Schloffe zurüdreiten, erblidt Erich, in trüben
Gedanken hinter feinem Weibe zurücbleibend, im Mondſchein „ihres
Pferdes Schatten um die NReiterin verfürzt“ und verlangt ſchaudernd
Aufklärung diefes Wunders. Die Kirche, in der Anna die Schatten
ihrer „ungebornen Waiſen“ erblidt, ift eine einſame Waldfapelle;;
dorthin geleitet fie ein ihr begegnender Eremit, der jich zum Schluffe
als der Tod, der barmherzige Erldjer von allem Erdenleide, enthüllt.
Lenaus Eigentum ijt endlich aud) die Hervorhebung der müftifchen
!) Er betitelt fie jelber: Tie Windmühle — Der Schatten — Die Sühne,
während Lenau feine fünf Abjchnitte nur mumeriert.
318 W. Biedermann, Ein Antırenion
UNothſchuß.
JZur Hülie, zur Hülie, traute Vnbriider in Danuen' Unter jenen Rudel von
Tenien,“ das im leuten Winter durchgebrochen iſt und mehr Unfug, als das ſtärkſte
Hudel wilder Schweine ſchon verübt, manchen Ehrenmann umgerennt, verwundet,
oder doch wenigſtens beſudelt bat, war auch eines dieſer Unthiere jo verwegen,
unſere ganze ehrſame Zunft anzufallen! Meiſterlich hat es zwar unſer Freund
Ricotai. gleich andere, die ihm auch arg zu Leibe giengen, ſchon abgefangen -—**ı
doh ſeht! va regt Tuch ned immer! Was das kleine Monſtrum nicht jur ein Naben
teben bat. Mir der Schreibieder allein iſt's hier ireilich nicht gethan - - werden
ibn wohl mit Dev Zchwernaftdert mob den Net geben müſſen!? Hier iſt cs!
Wahr au!
u
Die Weidtarch:
Reget ſich was gietch ſcheßt Dev Jager: ihm ſcherneund:e Schöpfang,
Wie hebendig Streit, nur für den Zihnadiad gemacht
Mächt:ge Drana. melche Bosbeit! Wie mancherley Feinde baben Teine
Anserwahlten nicht zu Petampfen? Tort verwimicht man ums, wel wir nicht
genug Ahern, nicht alles, was ſich regt. von der Erde vertilgen wollen Hier
veripottet man uns, Daß mn alles morden mochten die ganze lebendige
ZSZchopfung mu Fin unſern Schnappiack gemacht glaubten. Welche ANıderipriche!
Welche ichtieie Bagrine von der Natur des wahren Jagers!
tanbt tr uolzen Herrn in cuern Zopba’s denn mintlich, daß wir Wei
manner alles, war nur von Wilde ſich mod regt, von Amtswegen morden müßten,
ader jo gerue mordeten, als Ihr alles, was von andern Schriftſtellern, Die Euch nicht
anbeten, ſich zegt, gerue morden mochtet? Nein' VReym Apolt und winner oft jauftern
Zchweſter! Ent Jager, da durch Mordſucht und BRutduri unſern edien Orden ent
weihet, gehert, wenn er auch ein Tindem trüge, vbun io gewiß zum Jägerpobel,
als Das erbabenſte Gente zum Schriftſtellärrobel herabſinkt, ſo bald va das
Heiligthum der Muſen durch eitle Ruhmincht und Veriolgungswuth entweihet
Zu rhream Heit haben brave Weidmanne:, die ihn hoher Beruf, Die
Schöpfung, wie Iebendig Ste iſt, grundliche: als Ihr zu ſtudieren, wett
nuündlicher beichgötigt, uie uble Laun oder Langweile geuug, um auch Venten zu
fertigen *** en eicht würde es ſonit manchem Senn, deren en:ge nicht minder
brige Kipa at Euch iortzuhenen Wie krafitig z Bumurde Euch dieſe nicht
packen:
An die Jeniendichter, gewiſſe Ionrnalfaßrikanten und dergſeiden.
Uns entzuckt die Natur Euch Stolzen ichein di Scherinng.
Wir lebendig ſie iit, Euch min zum Nauchtkaß gemacht
Son Herausgeber
Was in das Air ein Wildpret? werden vi unter euch fragen Nu
poetiiches“ any kleine, aber erzbiſige Bodichtchen ſind es. die zur niedern
VRerie Jagd geboren, und womit, wenn emes Nagt Dt, nianchem ein jem unver
dauliches Anchengeichent gemacht wird Siche Scheuts beruhmten MNuiſenalmanach
fir 1747
e Im Anhang zum erwahnten Nunienalmanich, 2 107 Jon
e Tas eigenrlich Kunſtwovrt S Nicolat' »wabnten Rachtrag S 170.
Sauwaeen, Fangelien
E. Müller, 6. Reinbeck als Borbild von W. Hauff. 319
Es berührt jonderbar, wie der Schreiber — da ihm fein Gott
gab, alles, was er litt, zu jagen — den mangelhaften Ausdrud
durch Zperrdrud zu ergänzen jucht. Der Jägerzorn gegen Goethe
fam aber nad) mehreren Jahren nocdmal3 zum: Ausbruch. In
Wildungens Forit: und Jagdtaſchenbuch auf 1803 und 1804, S. 215,
bindet wiederum ein Weidmann mit ihm an, und zwar wegen einer
Stelle des Aufjages über die Weimariſche Kunftausitellung von 1801.
Es genügt, darauf hinzuweiſen; die ſpöttiſchen Dijtichen hier wieder
abzudrucken, fünnen wir ung jedoch erjparen.
G. Reinbek als Borbild von W. Hauff.
Bon Ernjt Müller in Tübingen.
Georg Reinbeck, ein geborener Berliner (1766), übernahm 1808
die Mitredaftion am Cottajchen Morgenblatt, wurde jpäter Profejjor
am oberen Gymnaſium und am Katharinenftift in Stuttgart. Er ift
der Gründer de8 Stuttgarter Schillervereing und Berfaffer von
Dramen, Grzählungen, Gedichten und Reijejchilderungen. Er ftarb
1827, im demſelben jahre wie W. Hauff. Seine Dichtungen find
heutzutage jo ziemlich vergeſſen; aber von feinen Zeitgenoffen wurden
ſie hochgeſchätzt. Bejonders aud) von W. Hauff. Dieſer ftand Reinbeck
zweifellos näher. Bei den gemeinjchaftlichen gleichen Bejtrebungen
und Beziehungen der beiden zum Morgenblatt iſt dag eigentlich für
damals jelbjtverjtändlich. Hauff fannte ſicherlich Reinbecks Producte
fämtlih. Und wenn er ji) nun da oder dort an denjelben ange:
ichloffen Hat, jo darf uns das um fo weniger wundern, als der
febensfrohe Dichter ſchon mit 25 Jahren von hinnen fcheiden mußte.
Hauffs Werfe jind freilid nad ihren Quellen noch nicht genauer
unterjucht. Aber es ftcht doch z. DB. feit, daß er im jeinem Lichten-
ſtein ih W. Scott zum Vorbild genommen hat. Bobertag ') fagt:
„Er hat verjchtedene Muſter oder Vorbilder gehabt, und ift zu einer
ihn eigenen Behandlungsweile nicht gelangt.“ Dann führt er mit
jpezieller Beziehung auf zwei Hauffihe Novellen fort: „In der
Bettlerin und dem letzten Ritter von Marienburg erkennt man
Tieck.“ In wie weit letzteres der Fall iſt, weiß ich nicht; Bobertag
giebt darüber feine näheren Angaben. Für die erjte der genannten
1) & Einfeitung zu Hanffs Novellen in Kürfchner8 Deutiher National:
literatur.
21*
320 E. Müller, ©. Reinbed als Rorbild von W. Hauff.
Novellen, beziehungsweije einen Abſchnitt derjelben, iſt aber eine
vielleicht noch näher liegende Quelle vorhanden, die, ſoviel ich ſehe,
bis jett unbefannt geblieben ijt. Ich meine G. Reinbeds Erzählung
„Schwärmerei“. TDiejelbe, etwas breit gehalten, aber nicht ohne
Intereffe und Spannung hat, wie ich glaube, Hauffs bejondere Auf:
merfjamteit erregt. Sie erichien zuerjt, wenn auch fragmentariſch, im
Meorgenblatt von 1807, Nr. 101 ff. „Schwärmerei“ ijt die Er—
zählung betitelt, weil darin ausgeführt wird, wie ein gebildetes der
engliihen Hochfirche angehöriges Mädchen durd) Schwärmerei für
die fatholiiche Kirche zu ‚all kommt. Liddy — jo heißt das Mädchen
— iſt die Tochter eines engliichen Geiſtlichen. Sie iſt die Braut
eines jungen Vetters von ihr. Zu ihrer weiteren Ausbildung kam
jie zu Verwandten nach Irlaud, die insgeheim statholifen waren.
Bon dieſen wurde auch fie für den Katholizismus gewonnen. Yiddy,
eine etwas jchwärmeriiche Natur, gab ſich mit ganzer Zcele ihrem
nennen Glauben bin. Natürlich ebenfalls insgeheim und ohne Wiſſen
ihres Vaters. Turd eine „Geſpielin“ Fam fie nun auf Beluch in
das Haus eines Warons. Während ihrer Anmejenheit fand jich ein
Derzog von Ch. ebendajelbjt ein. Ihm gefiel das jchöne Mädchen
und mit Hilfe eines katholiſchen Priejters entführte er fie und ließ
fie in Yondon hilflos — allerdings nicht abſichtlich — zurüd. In
diefer Not — Sie hatte mach eigenem Geſtändnis zwei Tage nichts
gegeſſen — ging fie nachts auf die Straße, um ihren Yebensunterhalt
zu gewinnen. Sie wußte feinen anderen Ausweg mehr; fie fchämte
ſich, Sich ihrem Vater anzuvertrauen. Jest traf fie ein junger
TDeuticher, der von einem ſeiner Freunde weg, bei dem „ihn ein
unterhaltendes Geſpräch bei einen Glas Punsch bis gegen 12 Uhr
gefeijelt hielt”, nach Hauſe ging. Tie Straßen waren bereits „ziemlich
öde”. Bernhard, jo bien der junge Mann, erzählt: „Ztille vor fich
ber ging cin Mädchen von hoher edler Geſtalt. Ihr ganzer Anftand
trug ebenſo ſehr das Gepräge der Zittjamfeit als er bei den übrigen
Nymphen der Themſe das entgegengeſetzte Gepräge trug; ihr Anzug
war Felt und beieheiden. Ihre Ericheinung zog mich unwillfürlid an:
ich ging langiamer und erwartete, daß ſie mich anreden jollte. er:
gebens! Ein ichüchterner Blick war alles, was mir zu teil wurde...
Ta redete ich fie an und fragte, ob ich fie nad) Danje bringen jollte?
Zie jchrat zuſammen, als fie meine Stimme hörte, und doch Ichien
fie meine Anrede erwartet zu haben; denn fie lispelte mir zu: „Wenn
Zie die Güte haben wollen”... Ich bot ihr den Arın. Zie lehnte
ſich jo leiſe daraui, als jchiene er ihr eben feine der zuverſichtlichſten
Stützen, und ich fühlte, wie ihr Arm zitterte. „sit Ihnen nicht
wohl, liebes Kind?” fragte ich betorgt. „Es iſt etwas kühl,“ mar ihre
ganze Antwort, und kaum dar ich noch die Anzeige ihrer Wohnung
E. Müller, G. Reinbek als Vorbild von W. Hauff. 321
herausbringen konnte.“ In ihrer Wohnung angelangt, brad)te Bern-
hard von ihr heraus, daß fie die Not, der Hunger, zu diefem Schritt
getrieben. Da eilte er fort und holte Lebensmittel und Wein. Dadurd)
gefräftigt, fapte das Mädchen wieder neuen Lebensmut. Sie entdedte
ihrem Retter ihre Lage, natürlich ohne auf das Einzelne einzugehen.
Sie bezeichnete jid) al3 einen Ball des Schidjals; den Namen und
Wohnort ihres Vaters verfchiwieg jie; fie fühlte fich feiner nicht mehr
wert. Durch Zufall erfuhr aber Bernhard von ihr, dag fie in
Birmingham eimen Oheim habe. Er wandte fi) nun an ihn, der
ebenfalls Geijtlicdyer war, und vertraute ihm Liddys Lage an. Der
Oheim nahm fid) jeiner Nichte an und ging mit ihr nach Schottland
zu einer Verwandten. Dort erhielt fie die Nachricht von dem Tode
ihres Vaters, dem der Sram nm die Einzige das Herz gebrochen
hatte, und janf ins Grab. — Damit vergleiche man die eigentliche in
Paris fpielende Gejchichte der Bettlerin vom Pont des arts, Kapitel
22— 26. Der Held der Gejchichte, Fröben, kommt, wie er jelbjt erzählt,
jpüt nachts mit feinem Freunde Faldner vom Beſuch eines andern
Freundes zurüd. Es war „nicht mehr viel Leben“ auf der Straße.
Ihr Weg führte fie über die Brüde. „An die Brüde gelehnt ftand
eine jchlanfe, ziemlich hohe weibliche Geftalt“ ... „fie war von feiner
Ichlanfer Taille, fie trug ein einfaches... fehr reinliches Kleid.“
„Aus dem Mantel ragte eine Kleine Hand hervor, die einen Zeller
hielt; vor ihr aber jtand ein Fleines Laternchen” ... Fröben wurde
durch den Aublid „unwiderftehlich gefejlelt.“ ES war Ffalt. Das
Mädchen fror; aber fein Wort der Klage oder Bitte fam über ihre
Lippen. Sie „ließ ihr Elend und den falten Nachtwind für fi)
reden”. Fröben trat näher (Faldner entfernte ſich) und redete fie an.
Er jagte: „Mein Kind, Sie haben hier einen ſchlechten Standpunft
gewählt, hier werden heute Abend nicht mehr viele Menſchen vorüber:
gehen.” Sie erwiderte „nad) einer Weile“: „Wenn nur diefe wenigen
Gefühl für Unglüd haben!” Auf feine weiteren Fragen erfuhr Fröben
von ihr, daß fie eine franfe Mutter habe und daß die Not fie
gezwungen habe — heute zum erjften Mal — die Hilfe anderer in
Anfpruch zu nehmen. Er bat fie, ihn zu ihrer Mutter zu führen.
Sie willfuhr ihm. Er bot ihr feinen Arm, fie jchlug ihn aber aus.
Sie gingen jtill nebeneinander. Plötzlich bat fie ihn — man fieht
allerdings nicht recht ein, weshalb — fie allein zu laffen und von
feinem Vorhaben abzuftehen. Fröben erfüllte ihren Wunfd. Er ver-
abjchiedete ji) von ihr, nachden: er ihr „das wenige Gold, das er
bei jich trug“, gegeben, und nadydem er fie gebeten hatte, acht Tage
nachher ſich am gleichen Plate wie heute wieder einzufinden. Sie
fam und faın wieder. Fröben unterftügte fie und ihre kranke Mutter
reichlich jedesmal. Allmählich entwidelt ſich ein Liebesverhältnis
322 E. Müller, 8. Reinbeck als Vorbild von W. Dauff.
zwijchen beiden. Doch das weitere iſt für unjern Swed ohme Belang,
da es feine Nezichungen mehr auf Neinbeds Erzählung darbietet.
Für uns iſt weſentlich von Wichtigkeit die Zitnation im Beginne
der Erzählung. Da herrſcht eine merkwürdige Übereinftimmung im
jo manchen Punkten trog zweifelloſer Verſchiedenheit in anderem.
Schon die Ahnlichkeit der äußeren Yage ift zu bemerfen. Beidemal
geht die Handlung bei Nacht vor ſich, und zwar in falter Nacht
auf einſamer Straße. Zodann beachte man, wie beide, Reinbeck wie
Hauff, mit Nontrajten arbeiten. Wie Bernhard, jo kommt auch Fröben
vom Vergnügen her und ſtößt auf das bitterfte Elend. Beide iind
Deutſche. Tie Mädchen, den bejieren Ztänden angehörig, werden
durch die äußerſte Not zu ihrem verzweifelten Schritt getrieben. Gleich
beim eriten Mal Finder fich der Wetter in der Not. Die Mädchen,
till und ſchweigſam, fallen ihr Elend für ſich reden. Erſt ala fie
aufgefordert werden, ergreifen Nie das Wort. Dadurch machen fie
einen vorzüglicen Eindrud und gewinnen das Vertranen der beiden
Männer. Zoweit berricht Ubereinſtimmung in beiden Erzählungen.
Im folgenden weicht Hauff ab und geht teine cigenen Wege. Gr
ändert volltonmmen, aber jeine Tarftellung hat dadurch entichieden
gewonnen. Zeine UÜberlegenheit zeigt Sich indes ſchon im Anfang.
Man erkennt mit Yeichtigkeit, wie er arbeitet. Er jchafft um, er
macht ſich den gefundenen Ztoif zurecht, ganz jo wie er ihn braucht
und Fir gut Findet. Er länt dem ganzen Gang feiner Erzählung
entiprechend zwei Freunde auf das unglückliche Mädchen ſtoßen.
Durch die Roheit des einen — man beachte wieder den jcharfen
Rontrajt - wird die Menichenfreumdlichkeit des andern deſto flarer
hervorgehoben. Zodann weiter. Reinbecks Bernhard begleitet das
Diädchen nad Dans, Hauff finder in vollen Gegenſatz dazu dies
nicht paliend. Er läßt ſeinen Fröhen das Mädchen nur cine Ztrede
weit begleiten und dann umkehren. Daß er dies thut, war allerdings
an und Fiir sich nicht nötig: aber es liegt auf der Pand, warım er
es thut: Die Erzählung bätte jonit einen andern Nerlauf nehmen,
Hauff hätte ändern müſſen. Tas Mädchen jelbft macht er zu einer
Yandemännin ihres Wetters. Dadurch gewinnt er an truchtbaren
Motiven für jeine Erzählung. Zo bildet er das uriprüngliche Xor-
bild weiter um. Im jchärfiten Gegenſatz zu Reinbeck befindet fid)
Hanfi in der Art, wie er das umnglüdliche Mädchen feinen Yebens
unterhalt ſuchen länt. Auch die religiöjfe Seite ift noch hervorzuheben.
Bei Reinbed iſt die Neligionsichwärmerei Yiddys jchuld an ihrem
Unglück. Hauff hat dieies Motiv auch herangezogen, aber in ganz
anderer Weile. Er hat die Nerichiedenheit des religidien Belenntniſſes
dazu benupt, um zu zeigen, dan den Yiebenden fein Hindernis zu
groß iſt, um es zu überwinden.
J. Bolte, Yeraus Gedicht Anna. 323
Tie Anderungen, die Hauff vorgenommen Hat, find durchweg
Berbejferungen. Daß e3 aber wirflic) Anderungen jind nad) Rein-
becks Erzählung, dieje Annahme jcheint mir nicht unbegründet. Ich
glanbe in der That den Nachweis geliefert zu haben, daß Hauff
Reinbecks „Schwärmeret” einige Züge abgelaujcht, daß er die dort
empfangene Anregung, die dort vorgefundenen Gedanken weiter
gebildet und ausgeführt hat. Hauffs Erzählung, „die jpannendfte
\einer Novellen“, fand beim Publikum eine gute Aufnahme. Hat er
doch „wenig geichrieben, das jo unmittelbar padt und feilelt“ ') als
die Bettlerin vom Pont des arts. *)
Zum Schluffe drängt jid) noch die Frage auf, ob Hauff nicht
auch jonjt noch von Reinbeck beeinflußt ijt. Ich bin überzeugt, daß
weitere Unterſuchungen darüber nicht ohne Erfolg jein werden. Es
jcheint mir ziemlich wahrjcheinfich, daß der jüngere Dichter fic auch
jonft noch bei dem älteren erfahreneren Neinbed Rats geholt hat.
Mögen meine Worte die Anregung zu weiteren Studien
darüber geben!
Lenaus Gedicht Anna.
Dit Benugung von Reinhold Köhlers Kolleftaneen
von Johannes Bolte in Berlin.
Ar einem Winterabende des Jahres 1835 fanden ſich im
jülbernen Kaffechaufe zu Wien, dem befannten Sammelpunfte der
litterariichen Kreiie, zwei junge Schweden, C. W. Böttiger?) und
E. U. Hagberg?) ein, die auf der Reife nad) alien die Wiener
Dichtergenoffen begrüßen wollten. Lenau forderte, wie uns fein
Freund Sranfl?) berichtet, den fließend deutſch jprechenden Passen
auf, ſchauerliche Geichichten aus jeiner Heimat zu erzählen. Hagberg
Ihfug vor, aus den heilerleuchteten, menjchengefüliten Räumen in
eine einjame Weinſtube zu gehen, und als dies gejchehen war, er-
N) Worte Ernſt Wechslers in feiner „litterarifchen Studie” iiber Wilhelm
Hauff; fiche Weftermanns Monatshefte 1894, ©. 704 ff.
>) Hauffs Novelle hat and) ihrerfeitS ein Titterarifches Vorbild abgegeben, und
zwar, wie id) glaube, feinem Geringeren al8 Th. Storm in feiner berühmteften
Erzählung „Immenſee“. Eine genaue Vergleichung der beiden Erzählungen dürfte
meine Behanptung leicht beftätigen.
3) Geboren 1807, ipäter Profeffor in Upfala und een Tegners.
4) Geboren 1810, geitorben 1864, Profeffor in Fund.
5) Zur Biographie Nicolaus Yeraug, 2. Auflage, 1885, 41.
324 3. Bolte, Lenaus Gedicht Anna.
zählte er ein anmutiges Märchen von den Elfen, die nachts Eis
blumen an die Fenſter der vom Frühling träumenden Menſchen
zaubern, dann auch Geſchichten düſterer Fürbung. Kine von dieſen
Erzählungen ergriff Lenau und ſeinen Freund Fraukl ſo, daß beide
ſie in dichteriſcher Form zu behandeln beſchloſſen: zuerſt Frankl in
ſeiner Ballade „Die Kinderloſe“, dann Lenau in ſeinem Gedichte
„Anna“,? dem er die Quellenangabe „Nach einer ſchwediſchen Sage“
beifüigte.
Eine Bergleihung diefer beiden aus der gleiden Quelle hervor:
gegangenen Dichtungen bietet manches Intereſſante für den Yitterar-
biftorifer. ‚yrankt verfegt ns nach Trontheim, wo zur Winterszeit
eine frohe (seiellichaft beim Dochzeitsmable ſitzt. Eine Stunde vor
Mitternacht erhebt ſich die Braut vom Tiſch und enteile insgeheim
aus der Ztadt zu einer einſamen Windmühle. Dort erivartet ein
altes Weib fie zu Schanerlichen Werke. Aus Furcht, ihre viel:
bewiunderte Schönheit zu verlieren, will die Braut mie einem Kinde
das Leben geben und bat die te gebeten, ihren Yeib zu feien.
Zwölf Weizenförner muß ſie nun unter den Mühlſtein legen,
während jene dazu dumpfe BVeſchwörungen murmelt. Als fie das erſte
Korn hinlegt, erhebt ſich plötzlich ein Sturm, der die Mühle in
Bewegung ſetzt, und indem das Korn zermalmt wird, ertönt ein
Schrei. Die VBraut ſchaudert, aber auf das Drängen ihrer Beraterin
wirft ſie anch die übrigen Körner nacheinander zwiſchen die Steine.
Tanı eilt fie in den Pochzeitsſaal zurück, che ſie jemand dort ver-
mißt hatte. — Viele Jahre ſpäter jiet fie mit ihrem Maune abends
in der halb verſchneiten Hütte zuſammen. Wie er ihre Einſamkeit
und Kinderloſigteit unmutig grollend erwähnt, ſchreitet ſie trüb—
geſtimmt hinaus. Yon Mitleid bewegt, folgt er ihr: da gewahrt er
im Meondlichte, daß ihre Geſtalt anf der weißen Fläche feinen
Schatten wirft, und ahnt einen ungeheuren Frevel. Zein Trängen
nötige fie zum Geſtändnis ihrer That, und ergrimmt veritößt er fie
ans feinem Hauſe:
Zo fcı verflucht, wie du mich nicht beglindt!
eipenit, was willit du meine Niue umſchließen!
Wie Dir verjtießft die menichliche Natur,
juerit, wie mir Fr. R. Arnold freundlich nachweiſt, ın der von MWitthauer
berausgegebenen Wiener Zeitſchrift für Kunſt, Yitterasur, Ibeater und Mode 1836,
Ar. 66 - 68; dann in feinen gefammelten poetischen Werten 2, 116 (1880: gedrudk.
2, Neuere Gedichte. Stuttgart 1838, 2. 275--304 = Zämtlihe Werte,
berausgegeben von Anaftafius Grün 3, 45 ı Stuttgart, um 1886: — Werte, heraus⸗
argeben von Par Noch 2, 47 (Berlin und Ziuttgart, 1RABı. — Auch venaus
Wediht „Ter traurige Monch“ berubt auf einer Damals von Hagberg erzählten
ſchwediſchen Zage.
3. Bolte, Lenaus Gedicht Anna. 325
Stoß ich did) fort von mir, und cher fprießen
Des Frühlings Rojen auf aus dürrem Grund,
Eh fid der Gnade Quellen dir ergießen,
Und zwijchen mir und dir ift mehr fein Bund. —
Wieder find Jahre verjtrichen, da niet die Büßerin betend in
einer Kirche und achtet nicht darauf, daß abends alle Andächtigen
heimgehen. Um Mitternacht fieht fie jechs Knaben und ſechs Mädchen
zum Altare jchreiten; ſie erfennt in ihnen die Kinder, die fie einft-
mals zu gebären beſtimmt war, fleht ſie um Vergebung an und
ſinkt, nachdem dieſe ihr gewährt, tot zur Erde. Zur ſelben Stunde
erwacht daheim ihr Gatte aus dem Schlummer, gewahrt auf dem
Ejtrid) der Kammer Nojen aufgefproßt und weiß nun, daß die Ver-
jtogene bei Gott Gnade gefunden hat.
Lenaus Gedicht brauche ich hier wohl nicht ausführlich zu
analyjieren. Während ſich Frankl offenbar ziemlid) genau an die ihm
durch Hagberg mitgeteilte Volfsjage hielt, hat Lenau die Handlung
aus den bäuerlichen Verhältniſſen in die vornehmen Adelskreiſe, aus
dem eiligen Norden in den romantiſchen Süden verlegt. Eingehender
als Franfl, der den Stoff ganz naturgemäß in die drei Akte:
Schuld — Entdedung — Entjühnung!) gliedert und den Leſer gleid)
in den Sochzeitsjubel hineinführt, motiviert er in drei Geſängen
die Entftehung dieſer Schuld. Schön Anna, die im See badend
verzüct wie Narziſſus ihr Spiegelbild bejtaunt, empfängt von einer
alten Frau die Verheißung, ihre Schönheit von der Entjtellung zu
Ihüßen, die ein Kindbett mit fich bringe. Als dann Ritter Eric)
durch nächtlichen Geſaug vor ihrem Fenſter ihr Herz gewinnt, eilt
fie zu der Alten in die Windmühle. Die verhängnisvolle That findet
aljo vor der Hochzeit jtatt; beim fejtlichen Mahle aber glaubt die
Braut wiederum das leiſe Wimmern aus der Heidemühle zu ver—
nehmen. Der vierte und fünfte Geſang entſprechen dem zweiten und
dritten Abſchnitte bei Frankl. Nur findet die Entdeckung in etwas
anderer Weiſe ſtatt. Als Erich und Anna eines Abends von einer
Kindtaufe zu ihrem Schloſſe zurückreiten, erblickt Erich, in trüben
Gedanken hinter ſeinem Weibe zurückbleibend, im Mondſchein „ihres
Pferdes Schatten um die Reiterin verkürzt“ und verlangt ſchaudernd
Aufklärung dieſes Wunders. Die Kirche, in der Anna die Schatten
ihrer „ungebornen Waiſen“ erblickt, iſt eine einſame Waldkapelle;
dorthin geleitet ſie ein ihr begegnender Eremit, der ſich zum Schluſſe
als der Tod, der barmherzige Erlöſer von allem Erdenleide, enthüllt.
Lenaus Eigentum iſt endlich auch die Hervorhebung der myſtiſchen
) Er betitelt fie ſelber: Die Windmühle — Der Schatten — Die Sühne,
während Lenau ſeine fünf Abſchnitte nur numeriert.
326 J. Bolte, Lenaus Gedicht Anna.
Siebenzahl: sieben Körner wirft Anna durch ihren Verlobungsriug
anf die Mühlſteine, fieben Jahre lang durchwandert fie als Büßerin
die Welt, ſieben Kerzen brennen auf dem Altare der Kapelle, im der
Die Sieben Yichtgeitalten ihr ericheinen.
Lenaus Tichtung übertrifft durd Glanz und Reinheit der
Sprache ſowohl, wie durch viele Ichöne Einzelheiten zweifellos die
etwas ſchwülſtige ‚sranfliche Ballade, obſchon sie in ihrer lyriſchen
Weichheit ſcharfe Umriſſe und ſtraffe epiiche Haltung vermiſſen läßt.
Tod) möchte ich nicht auf dieſe Unterſchiede, bei denen auch das
Metrum Terzinen md vierzeilige trochäiſche Ztropben: eine Wolle
jpielt, näher eingeben, tondern mich der Verbreitung des Zagenitoffes
zumenden, tiber den ſich im Nachlaſſe Reinhold Köhlers einige wert
volle Notizen vorfanden.!
1830, wenige Jahre alte, nachdem die ſchwediſche Erzählung in
Wien befanmt geworden war, veröffentlichte der däniſche Theologe
srederif Dammerid 1809 —1877- in feinen „Ntandinapiichen Reife
erinnerungen“ ?. folgende ans dem ſchwediſchen Volksmunde anf
gezeichnete Faſſung:
Es war ein Madeben hier in Dalarne, Die einen Piarrer heiraten follte: aber
da ihre Muri om Kindbett geſtorben war, war ihr vor drin gleichen Schickſal ſehr
angit. Sie ging darum zu einer Wahriagerun, m ſich Rats zu erholen. Die Alte
zah ihr in div Haud und sagte ganz bedachtig: „Ja, zwolf Kinder wirft du be
tlommen: doch komm nmorgen gleich nach dev Trauung mit Kranz und Mrone au
mir, und dann will ich iehen, was ich fir dich thun fann“ Sie that das auch:
gleich mach der Tranung ichüute ſie Unwohlſein vor und hatte To Gelegenheit, zur
Bere zu eilen: Die ſümte Ne zu einer Windminhle in dev Nabe und gab ihr zwölf
Koöorner „Schluck dieſe jedes einzeln hinunter, und dir wird geholfen ſein,“ ſagte
fe Tas tbar ſie, aber vor jedem Moin, das ſie hinunterichluckte, jammerte es
drinnenum der Mühle Daraui lebte Ne lange zZeit aubig mir ihrem Kante.
Rede waren alt und au, ala Ne einſt bei Mondichein von einen Schmauſe beim
fchrien, der Wann zuhinterit. „Aber Butter,” vater mit einem Male, „du halt ıa
fen Schatten, jeh ich Was halt dur, um Jrin willen, für eine ſchreckliche Sünde
begangen?” Tas Gewiſſen ichlug ihr, Ne iiel ihm zu Füſſten und erzählte alles:
aber dem Pfarrer graute: „Hebe dich aus meinen Augen, du Hexe,“ rief er, „Bi
zrhältit mie Rergebung weder bier noch droben, io warr die zwolf Körner, Die Du
werichludteit, mie in unirer Schlaſlammer aufiprießen“ Zie gung nun mit lauten
Klagen ft und cite von Bor zu Not zu allen Heiligen, cber feiner von ihnen
Auf eine ung von Haus Nuller von Dev Yınpe, Dem Sohne Wolfgang
Müllers von Königsminter, in ſeinem Kronberger Yırdabude Frankfurt a. IR Int,
Z 62: „‚sluch der Eitelkeit“ veronentlichte Hchbandtung des Ztoffee weiit mich
Herr Tr. War Friedlander Arennmdischit bin Alles Wunderbare it bier getilgt: ale
der Krinz auf das Vekenntnis seiner viren Gattin ſie verilucht, vucht und finder fir
um nahen Teiche den Tod.
Bragre og Idun, berausgegeben von Ar Barfod 3, oo 111 1m
Die Kerdeutichung ruhrt von nr bei, ebenio die der folgenden norwegiſchen Er
wblungen, von denen Köhler dnich viren ikandmaviichen Freund Abichriften er
talten batte
J. Bolte, Yenaus Gedicht Anna. 327
konnte ihr beiten. Endlich fan fie zu einem ‘Pfarrer, ber wegen jeiner Frömmigkeit
im ganzen Yande bekannt war: der veriprad) ihr, dag Seine für ihr Seelenheil zu
thun. In dev nächtten Nacht führte er fie zu einer Kirche. „Nun will ich dich,“
jagte er, „Die zwölf Kinder jeben laſſen, die du befommen follteit. Bitte jedes um
Vergebung, und erbältit dur ſie von ihnen, jo bift du gerettet.” Damit ftellte er fie
oben in den Chorraum. Nad) einer fleinen "Weile fam einer, ſchwarz gekleidet wie ein
Harrer, und mehrere folgten ibm. Zie ſah nicht, woher fie famen, jondern ftill
ichwebten die Geſtalten auf fie zu, um ganzen ſechs im Chor und ſechs davor, jo-
viel wie fie hatte gebären follen, und alle Pfarrer. Sie ging zu ihnen und faßte
ieden bei der Hand und Lat ihn flehentlich um Vergebung. Dit Diienen voll ſtillen
Vorwurfs biidten ſie auf fie, allmählich wurden die Dlienen freundlicher und zeigten
berzliche Yırbe, in Jeſu Namen veriprachen alle ihr Zündenvergebung, und als fie
die erhalten batte, ward es ıbr vor den Augen dunkel, fie ſank nieder und ftarb. —
In derjelben Nacht erwachte ihr Mann, der alte Pfarrer, da drang es zu ihm wie
ein Duft von friichen Roſen, ev jchaute um fid) und fiche, zwölf ſchöne große
Roſen ſproßten aus dem Fußboden auf. Betend faltete er feine Hände. „Nun ıft
meine Fran selig,” rief er, umd damit hauchte der Tod aud ihn an.
Anffallenderweije tft hier der Gatte, den Frankl zu einem Yand-
manne, Yenan zu einem Ritter macht, ein Pfarrer; aud) der Eremit
Yenaus hat hier feine genane Entſprechung in einem protejtantijchen
Yandgeiftlichen. Viel weiter entfernt fi) eine über vierzig Jahre
jpäter von DO. T. Olſeny im Dunderlandsdal (Nordland) auf:
gezeichnete norwegische Yegende von den deutjchen Gedichten:
Tre grau, die keine Kinder gebären wollte; oder Gottes Gnade tft
größer als die Zünde.
Es waren emmal vier Zchweitern. Drei heirateten und jtarben, eine nad) der
andern, im erſten Nindbert. Als die vierte Schweſter das jah, ward ihr vor dem
gleichen Zcidial bange, und ihr Grauen wuchs von Tag zu Tag. Heiraten wollte
ite wohl, aber nicht Kinder bekommen. Als ſie eines Tages ihres Weges ging, traf
ſie einen Mann. Der bemerkte ihre traurige Miene und fragte, warum 4 be-
tümmert fer. Da erzählte fie ihren Nummer und bat um Wat. „Den will ich dir
geben,” fagte er. „Seh an die Gräber deiner Schweſtern umd ruf bei jedem Grabe
dreimal: Ich will feine Kinder haben!“ Und jo that fie. — Nach einiger Zeit trat
jie bei einem Pfarrer in Dienſt, und bier verheiratete fie fi) mit dem benachbarten
farrer, der Junggeſelle war und einmal zu ihrem Herrn auf Beſuch kam. hr
Mann war reich, und fie befam Geld und Gut und alles, was fie fid) wünichen
mochte, aber Kinder befam fir nicht. Ta begann fie ihre frühere unbefonnene That
zu reuen, und fie ging Tag für Tag hin und grämte fi); aber, was auch ihr
Dann, der Pfarrer, ihr ſagte, ſie wollte ihm nie ihren Kummer offenbaren. Tarüber
ward er zornig, und als fir eines Tages auf dem Boden ihre Siebenſachen in der
Yade ordnete, paßte er auf, ließ den Yadendedel auf ihren Hals fallen und fagte,
er werde fie töten, wenn fie nicht fofort befenne, was fie vor ihm verheimliche.
So mußte fie beichten, und als der ‘Pfarrer hörte, was ſie gethan, ward er.jo auf⸗
gebracht, daß er ſie aus dem Hauſe jagte und ihr einen alten Schuh mit den
Worten nachwarf: „So wenig wie in dieſem Schuh Gras und Blumen wachſen
werden, ſo wenig erhältſt du Gnade.“ — Verzweifelt wankte ſie hierhin und dorthin
und kam ent Lich zu tem Pfarrer, bei dem fie früher gedient hatte, und. trat
J NY iuslreret Tidende 9, Nr. 53, S. 478 (Kriſtiania, 31. Dezember 1882).
328 J. Bolte, venaus Gedicht Anna.
wiederum in ſeinen Dienſt. Tagsüber war ſie fleißig und treu, aber wenn die Nacht
dam, ſtahl ſie ſich fort und ſchlich in die Kirche. Hier ging ſie zum Altare, nahm
das Altarbuch, las ein Gebet daraus und zum Schluſſe das Vaterunſer. Aber wenn
fie zur ſiebenten Bitte kam und ſagte: „Erlöſe uns von dem Übel,“ antwortete es
immer dreimal in der Kirchenmauer: „Für dich iſt keine Gnade, weder hier noch
dort“ Traurig legte ſie dann das Buch hin und ging heim, aber immer kam ſie
in der folgenden Nacht wieder. — Dieſe ihre Nachtwanderungen wurden inzwiſchen
von den andern Mägden bemerkt, die darüber zu ihrem Herrn, dem Pfarrer,
ſchwaſbten. So ging er bin, verbarg ſich in der Kirche und gab auf alles acht, was
ſie vornahm, und als er bei der ſiebenten Bitte hörte, wie es in der Kirchenmauer
antwortete, trat er vor und ſprach mit lauter Stimme: „Ja, wahrlich finder ſich
Gnade für dich hier und dort.“ Er beiahl ihr, das Altarbuch zu nehmen, damit
auf den Turm zu geben und Die Wacht über da zu bleiben: Ne dürfe unter keinen
Umſtänden den Turm verlaſſen, bevor er jelbit fonmme und ihr das Auch abnähme.
Ihr Dann, ıbre Eltern, Verwandten md Freunde tpürden, sagte er, im Berlauf
der Nacht fonmmen und fe herauszuloden ſachen, ader ſie ſolle ihnen nur das Yud)
entgegenhalten, dann erde feier Macht über ſie haben. Zie ging in den Turm
hinaufi, und alles fan, wie der ‘Pfarrer geſiagt hatte. Ihre Eltern, Berwandten und
Freunde, ihr Mann und ihr Tienitberr, alle kamen ſie berauszuloden, aber ſie bielt
ihnen immer das Buch entgegen, und dann verſchwanden ſie. Ta kam der Böſe
ſelber in greulicher Geſtalt und ſuchte ſie aus dem Turme zu verſcheuchen, um ſie
zu ergreifen, und zugleich ſchien es ihr, als ob der Turm über ihr und rings um
fie brenne: aber ala ſie das Buch um ſich bewegte, entiloh der Röſße und das Feuer
erloſch Als nun der Tag ſoweit graute, daß ſie durch den Turm in die Kirche
hinabviehen tonmte, ſah ſie plotzlich eune Züuelle am Altar hervorbrechen und durch
Die Kirche hinmfliezen Auf dem Waſſer ſchwamm vun weißes Brett, und auf Dem
Brette ſatzen ſieben Knaben, Die alle ihre Arme nach ihr ausitvedten und „Mutter,
Matter, Vetter” ricien: und als alle ſieben Te ſo angerufen batten, verſchwand Die
Ericheinung Tann kam ihr Herr und nahm ſie und das Altarbuch mit ſich in
Die Kirche und zum Altare Hier iprach er ihre Sündenvergebung aus und ſegnete
fr Tarauf beiahl er ihr, ſogleich heim zu ihrem Manne zu laufen und vor
ZSonnenauigang in iem Haus zu kommen zu ſuchen Und ſie eilte fort Als ſie aber zum
Hofe kam, war die Korte geichloſſen, und dev Wächter jagte Nie fort. So mußte
fir ſich unter dem Hauie hinemgraben und war jchen fo weit wie zum Nadofen
gelommen, als div Sonne auiging Aber bevor ſie ganz Ins Daus kommen lonnte,
ward fir von einem ZSonnenſtrahle getoften und ttarb Raid darauf kam ibr
Mann, dev Warıcı, heraus Er ging trübſinnig number und blieb ofter fteben, und
als er zum Thore fan, erzäblte der Wächter, daß ſerue Frau dagriveien fer und
babe hereinſommen wollen Zugleich fiel das Auge des ‘Pfarrers auf den Zchuh,
den er ihr aufs Freid nachgeworfen batte, und Tich, er ſtand voll von grünem (Wrafe
und fchonen Riumen Erſchrocken fragte er den Wächter, wohin Die Frau gegangen
ſei; denn er merlte, daß ihr eiwas Wunderbares begegnet fein müſie. Der Wächter
wies auf Dir andere Seite des Hauies, der Pfarrer lief bin und ſuchte, bis er fie
tot im Badofen fand Zem Gewiſien ichlug ihm, weil er fir fo ſtreng verurteilt
batte, und bitter mußte ev ca nun bereuen, daß er fein Thor vor ıhr verichloffen
bielt, wihrend fie das Thor der Gnade offen fand Aus dem blumengefliüten Zchuh
nänilich erlannte er, dan, wenn aud ihre Sünde groß geweien war, Die Gnade
doch noch groſßter ieı
Ich reihe eine aus Faaberg im Gudbrandodal ſtammende Er—
zählung aus P. Chr. Aobjörnſens ungedruckten Sammlungen an:
Wleiches wind ſonſi von den Elben und Zwergen erzählt. Grimm, Deutſche
Muthologie 3, 435
J. Bolte, Lenaus Gedicht Anna. 329
„
Die Pfarrersfrau.
Es war einmal ein Pfarrer, der hatte eine Frau, die feufzte, jo oft fie ſich
abends niederlegte. Als er fie fragte, warum fie das thue, antwortete fie: „Ich
habe viel zu ſeufzen über das, was du nicht weißt.“ Als er fie inſtändig bat, dies
zu offenbaren, jagte fie: „ch habe meine drei Zöhne getötet, Sort vergebe mirs.“
Der Pfarrer jagte, ſie jolle drei Tonnerstagsabende hintereinander in der Kirche
fitten und jeden Abend einen der Setöteten fragen, ob fie Vergebung empfangen
könne. Am erſten Tonnerstagsabend rief fie nad) dem Altejten und fragte ihn, als
er zu ihr Fam, ob fie Vergebung erhalten könne; aber er fpie anf ſie mit den
Worten: „Pfui, Ihäme dich“ und verſchwand. Tas erzählte fie dem ‘Pfarrer; der
fagte, fie müfle am zweiten Tonnerstagsabend wieder hingehen, um zu jehen, ob
e3 beffer ginge; aber es geſchah dasjelbe wie am erjten Abend, außer daß der
Nächſte kam. Am dritten Ponnerstagsabend ging fie in die Kirche und rief den
Züngften an und fragte, ob fie Vergebung erhalten fünne. Er ſprach: „Arme
Mutter, deine Zinden find dir vergeben.” Damit verſchwand er. Als fie heimkam
und es ihrem Manne erzählte, jagte er zu ihr, fie müſſe fich von ihn ſcheiden und
fortgehen und wandern. Zie befam viel Geld, und bevor fie ging, ftieß ev mit
feinen Ztode an den Schornſtein und ſprach zu ihr: „So wenig wie aus dieſem
Steine Yilien wachſen können, jo wenig kannſt du feltg werden.“ — Nach Berlauf
vieler Jahre kam ſie eines Abends zum Pfarrer, der wieder geheiratet hatte, und
fragte, ob ſie ins Haus dürfe und ob ſie am Schornſtein liegen dürfe, mit dem
älteſten Node des Pfarrers zugedeckt. Tas ward ihr erlaubt. Am Morgen lag fie
tot da, und aus dem Schornſteine waren um fie herum Lilien gewadjfen. Nun er—
fannte er fie wieder und brach in Thränen aus. Ber ihrem Begräbnis hieft er
eine Rede.
In NRingerife Hat Moltfe Moe 1880 folgende bisher gleichfalls
ungedruckte Erzählung gehört:
Das Mädchen, das ſich davor fürdhtete, Kinder zu befommen.
Es war einmal cin Mädchen, das hatte ſich vorgenommen, nie zu heiraten. ie
war beides, ſchön und veich, und Freier hatte fie vollauf, jo daß es nicht deswegen
war. Aber fie war jo bange davor, Kinder zu gebären, und darım wollte fie nicht
heiraten, fo gern ſie aud) ſonſt wollte. Als fie eines Tages ausging, traf fie ein
altes Weib, das ſie fragte, warum fie jo gedankenvoll ſei. „Ad, es mußt wenig,
dirs zu fagen, Mutter,“ ſagte das Mädchen, „es giebt feine Hilfe für das, was
mir im Sinne liegt.” — „Zag das nicht, mein Kind,“ jagte die Frau, „oft ift
die Hilfe am nächiten, wenn mang am wenigiten denkt.” — a, jie könne es
übrigens auch gern erzählen, jagte das Mädchen. Als die Frau alles gehört hatte,
jprad) fie: „Ra, einen Nat giebts dafür wohl.” — „Was für cin Rat ift dag?“
fragte das Mädchen. „Tu folltejt zwölf Kinder befommen Haben; mm mußt du
zwölf Apfel von dieſem Baume deines Vaters nehmen und fie in den Brunnen
werfen; zugleich mußt du Sagen: Zo unmöglich wie diefe Apfel wieder an ihren Ort
fommen und wachjen können, jo unmöglich ift, daß ich Kinder gebäre: aber ebenſo
unmöglich ıft auch, dag meine Seele ins Himmelreich kommt.“ Tas Müdchen that
jo. — Bald darauf verheiratete fie ſich und lebte gut und glücklich mir ihrem
Manne, aber Kinder befam fte nicht. Tas bedauerte der Dann fehr, und er wilnfchte
mit der Zeit, daß fte ein Kind befämen. Aber die Frau jagte ſtets: „Mir bekommen
feine Kinder.” Das ſchien dem Manne ſonderbar, und er wollte wijjen, warum fie
nicht wie andere ein Kind bekommen jollten; aber damit wollte die Frau nicht
heraus. Zo ſetzte denn der Mann ihr eines Tages guten ſüßen Mein.vor. Der
330 J. Bolte, Yenaus Gedicht Anng
ſchmectte ihr ya gut, daß ſie etwas berauſcht ward, und jo entichlupite ihr, warum
ſie keine Kinder bekommen könne. Ter Mann erſchral und iagte: „Gott tröſte did,
fir die Sünde, Die du gethan! Ta hilfe nichts, du mußt eine Walliahrt nach Rom
anf dich nehmen, um don deinen Sünden erlöſt zu werden” Er glaubte ſo wenig.
daß es Vergebung für ſie gäbe, daR er ſagte: „Eber werden Noien und Yıllen aus
dieſem Zteinfußpboden wachſen, als daß du gerettet wirit und in Den Mumie
kommſt“ Als dev Mann fo ſprach, ward ſeiner Frau De ſchreckliche Sünde klar.
und Ne nahm mit ſchwerem Herzen die ſchwere Wanderung auf Ah Manches Un
gemach traf fir, ehe Nie gen Rom kam. Ta fuchte ſie den Bapıit auf umd beichtete
ihm ihre Zünde Er betete amd redete mit ihr, Dis er glaubte., ſie je wohl bereitet:
dann nahm er ſie mit ſich in Die Kirche und og ea es um ſie und ſagte, ſie
dürie nicht heraustreten, was da auch aeibeln , To mußt hier die ganze
Nacht allein bleiben,“ Sagte er. „Es werden viele fommen, die dich berauslorden
wollen, Engel dev Finſternis und des Lichts: aber du mupt Te nur bitten in den
Ring zu tommen md das Vaterunſer zu leſen“ Sie tbar wie der Papft geiagt
batte u. So Much die Kinder, die Ste hatte betemmn jellen, kamen uud idien auf
fie und ichalten ſie und ſagten: „Wir hätten alleſamt RÄinder bis vichts Sein können.
aber man müſſen nur m Die Finſternis und um deinetwillen Böſes leiden — pfui!“
Aber als die Mutter ſie nun bat, in den Ring zu kommen und ein Vaterunſer zu
leſen, mußten ſie weichen Endlich erichien der Morgen Als dev Papſt kam, ſagte
ev. ſie ferner adloit, obichon es ſchwer gehalten habe Nach langer Wanderung
kam ſie eines Abends heim zu ihres Mannes Dame Tort war Weiſellſchaft, und
darum wollte Ne nicht hmeingehen, Sonden bat mm die Wirtſchaiterin um Er
laubnis, ſich in Dev Küche niederzulegen Ta ſtarb Atem Der Nacht. Morgens, als
dev Mann erwachte, waren Roſen und ſchone Yılmn aus den Steinilieien vor dem
Rette auigeiproßzt a, wo auch meme grau dr, er st Ne ſelig und bei Gott tm
Himmeh“ Und so Fand er Neon Dev Riiche
Andere norwegtiche Verſionen Tteben bei K. Janſon |= Zörenien],
Folke-Eventvr fra Sandeherad Kriftiania 1878 Nr. u: „Die rau,
die nicht Minder haben wollte” und, vermiſcht mit einem andern
Märchen „Grünbart“, das M. Moe im K. U Winter Hjelms Aeven-
tyrhoz Kriſtiauia o. J. S. 167 erzählt bat, m T. Str. Daniens
Byzdefort: elling, Optermelser fra Trdalen. Anneks til Saelbu-
Tromsö 1873, 2.117. — in däniiches Märchen von der Pfarrers
trau, 1857 m Ihn gehört, teilte Grundtvig 1861 Ganle danske
Minder 3, 1% und erweitert umter dem Titel „Zimde und Gnade“
in seinen Danske Folke-aeventyr, N Sarmlinz 1878, Nr. 17
-Däniſche Polfsmärchen, iberjegt von Leo und Strodtmann 2,258.
1879 mit: vgl. auch Die Zeitichrite Skaltezraveren 1, 166 und
1,2. — Eine abgeblaßte Ichweditche Uberliererung veröffentlichte Fran
Eva Wigſtröm 1880 Folkdiktninz sanmladı Skane, 2.194 1.
Aus all dieien Erzählungen leuchten zwar vie gleichen (rund
linien der Dandlung deutlich hervor, aber die Ausmalung wedhielt
mannigfach. Tas janbermittel beitcht bisweilen dertn, day die Braut
mehrere Nörner verichludt, mehrere Apiel, Pflöcke oder Zteine in den
Brunnen wirft oder auf dem Mirchbofe ihren Wunſch dunklen Ge
walten überträgt, oder endlich jährlich einntal un: Mitternacht ihre
Handmühle viermal verfchrt herumdreht. Die Entdeckung ihrer Schnuld
3. Bolte, Yenaus Gedicht Anna. 331
wird nicht immer durd) den Verluſt des Schatteng, !, dejjen Be:
deutung ja aus Chamiſſos Peter Schlemihl jedem geläufig ift, ver:
anlapt. In der Kirche endlid) hat die Büperin einen Kampf mit
feindlichen Geiſtern zu bejtehen, die ihr das ſchützende Bibelbuch ent:
reigen wollen, und fie findet ihr Ende nicht anı jelben Orte, ſondern
vor dem Hauſe des Hatten, der fie von jich geſtoßen hatte.
Den Tfandinavijchen Lberlieferungen läßt ſich nod) eine breto-
nische Sage? zur Seite Stellen, in der die Büßerin nad) dem Gebote
ihres Beichtvaters drei Nächte nadt im Fluſſe jtehen und einen
Eichenzweig fejthalten muß, den ihr verfchiedene Tiere zu entreigen
juchen. Auf dem Heimwege begegnen ihr ein Priefter, ein Mönd)
und eine Nonne und grüpen jie freundlich: es find die Kinder, die
ihr beſtimmt geweien waren. Es fehlt hier die Verjtogung durch den
(Hatten und die an den Stab des Tannhäuſers?) gemahnenden Roſen
aus hartem Steine.
In einer andern Gruppe von Sagen erfcheint dagegen Die
Schuld der Sünderin dem Volfsgewiijen jo groß, daß diele ſelbſt
beim Papſte feine Vergebung erlangt, jondern ein geheimnisvolles,
ichreefliches Ende erleidet; denn aus fträflicher Weichlichfeit und
Selbjtjucht hat ſie ſich dem Heiligen Berufe des Weibes entzogen,
der in den bibliichen Worten ausgedrückt it: „Du ſollſt mit
Schmerzen Kinder gebären”, und ihrer Nachfommenjchaft Yeben und
Seligfeit vorenthalten. So erzählt man in Süditalien?) von einem
Mädchen, die erit im Alter heiraten wollte, um kinderlos zu bleiben,
Der Beichtvater jandte fie zum Rapfte, der fie in ein Gefängnis
einjchliegen lieg. Dort gewahrte jie nachts zuerjt einen jungen
Priefter, der vergeblich zu beten verjuchte, dann eine Nonne, die das
Gleiche verſuchte, und endlid) einen Mönch; dieſer padte die, die
ihm nicht hatte Mutter fein wollen, an den Haaren und ſchleppte
ſie in die Hölle. In Korfifa) kennt man eine Geſchichte von einer
ſolchen Frau, der vom Prieſter auferlegt wurde, an der von einem
jiebenföpfigen Drachen bewachten Quelle einen Becher zu füllen. Sie
verſucht mit einem Schwertſchlage den Drachen zu töten, aber
J Vgl. darüber Rochholz, Deutſcher Brauch und Glaube 1, 59; Gaiter,
Germania 26, 210; Grimm, Deutſche Mythologie 3, 302.
=} Yırzel, La ferume qui ne voulait pas avoir d’enfants. Melusine 1, 325
18771 = Yuzel, Legendes chretiennes de la Basse-Bretagne 2, 207 (1881).
>) Uhland, Schriften 4, 286 zu Nr. 297. Erich Schmibdt, „Zum 8. Oktober
1892”, 3.85 = „Nord und Süd“ 1893, 3.183. A. Sauer.] Ähnlich die ſchwe—
dische Zage vom Ned und Pfarrer bei Afzelins, Volksſagen und Volkslieder, deutſch
von Ungewitter 2, 328 (1842).
4) Corazsini, l componimenti minori della letteratura popolare italiana
1877, p. 470: „La bigotta” (aus Benevent.
>, Ortoli, CGontes populaires de l'ile de Corse 1883, p. 5, nr. 2: „Les
trois erapauds.”
332 J. Bolte, vLenaus Wedicht Anna. |
jedesmal jpringen drei Kröten dazwiichen, und als jie dieje erlegt,
verjchlingt der Trade die Mörderin ihrer Ninder; denn dies waren
jene Kröten. Eine Schlange vollzieht auch in einem deutichen Märchen,
das in drei Aufzeichnungen aus der Schweiz, aus der Tberpfalz
und aus Heilen vorliegt,!) die Strafe an der durd eigene Schuld
finderlojen rau, die mit ihrem Manne nad) Rom gewallfahrtet
war. Gemäß dem Gebote des Papjtes küßt jie auf dem Heimwege
die ihr entgegenfommende Schlange: diele jchlingt ſich um ihren
Dals und erwürgt fie in der folgenden Nacht in ihrer Schlafkammer,
die nad) der Weiſung des Papites niemand vor Tagesanbruch be-
treten jollte.?'
Es Lienen fi) noch manche Belege für die Nerbreitung der den
angeführten Erzählungen zu Grunde liegenden Volksanſchauungen
beibringen: in einer Erfurter Zage?: erjcheinen die nicht geborenen
ninder auf der Yeiche der ‚ran in Geſtalt von acht Mänslein, in
einer bretoniichen UÜUberlieferung“ als fieben Schweinen, in einer
indischen’: als Fiſche: anderwärts müſſen Die Verwandten, welche
eine Ehe verhinderten, von den Geiſtern der micht zum Daſein ge-
langten Kinder Vorwürfe hören.® Indes möchten uns jolche Streif:
züge in das weite Gebiet des Volksglanbens zu weit von unſerm
litterarbiltoriichen Thema ablenken. Verweilen wir vielmehr noch
einen Augenblick bei einer Tiroler Geſchichte, Die ums ein heiteres
Gegenſtück zu der ganz ähnlich beginnenden, aber tragtich verlaufen-
vutoli, Zagen und Braäauche aus den iuni Orten 1862, 2 538, Sir. Bun:
„ninderloiigleit verschuldet und geiubmt” aus Hergiswit Schonwerih, Aus der
Tberpfaly 1, 111 18557 Hoifmeiſter, Heiſiiche Volkodichtung 1869, Z 50, Nr de:
„It Zihlangr ” Eine eigentümliche Verquicktung veriſchiedenaruger Zagen
lemente finder Ich ber SM von Atpenbing, Teutſche Alpenſagen 1461, Nr. 91:
hier wallſahrtet eine Aindesmorderin mu ihrem anne zum Eapite, wırd auf dem
Rückwege in eine Krete verwandelt und erhalt öſchließlich un einer Nirche von den
Ueiſtern ihrer ungeborenen Kmder Vergebung und ihre men'ichliche Geſtalt.
Die gleiche Strafe trüit auf Dev Heimlehr von Rom einen Burichen, Der
ein Mädchen verinhrt und ne den Tod getrieben hatte, ber Made, Gentes popu-
laires reeneillis en Aeenais 1874, p 667 „Le jeune herume ehätie.”
Witzichel, Veitrage zur deutichen Rytholog:e aus Thürmgen 1, 315,
Nr 330 1566
LCaliſte de Vanglte. Le tirillou: Iezendes bretonnes 1860, p. 139: „La
vicrze Berhette aux <ept petils cochons” = Wolland, Faune populaire de
la Franee 5, 251, nr 521882 0gl Sermantia DS, 118
Ztofs, Indian Fairy tales 1880, p 236
Ticheinen und Ruppen, Waller Sagen 1871. Z 10 Nompert, Aus dem
spitto 1850, Z 367 In dein altindiſchen veſetzbuche Yınmanralkya. beransgegeben
von Stenzler 1849, 1,63, heißt es, daß div Kerwandten, Die ein mannbares
Riädchen nicht zur Ehe geben, ber eder VRenſtruation die Schuld einer Totung Der
Yerbeofrucht auf ſich laden
—Zingerle, Sagen, Märchen amd Gebräuche aus Tirot 1850, Z 459
Ir 755: „Tie Unverebelnhte ”
Miscellen. 333
den jüditalienischen Sage bietet und launig gegen die Uberſchätzung
des freiwilligen Cölibates proteftiert. Eine unbeicholtene alte Jungfer,
der ihr Beichtvater auferlegt hat, drei Nächte betend im Gotteshauje
zuzubringen, erblidt dort um Mitternacht einen Zug unbefannter
Männer, Weiber und Kinder in fremder Tracht vorüberjchwebend.
Sie glaubt die Seelen Abgejchiedener gejehen zu haben; aber der
Geiſtliche belehrt jie eines Beſſeren: „Es waren die Nachkommen bis
ins dritte und vierte Gejchlecht, die du Hättejt haben fünnen, wenn
du einjt der Werbung des waderen Jünglings gefolgt wäreft. Aber
du biſt chelos geblieben nicht aus reiner Liebe zu Gott, jondern
weil did) die Beichwerden des Eheſtandes jchredten und du zu ge-
mächlid) wareſt, dich ſeinen Pflichten zu unterziehen.“
Wie eine moderne Parodie der alten ſtandinaviſchen Sage nimmt
ſich endlich ein in der ſchwediſchen Provinz Schonen aufgezeichneter
Schwank!, aus, in dem eine alte Jungfer allnächtlich fünf Kleine
Kinder vor ſich fieht, die ihr zurufen: „Pfui, du hätteſt unire
Deutter jein fünnen, wenn du gewollt hätteſt.“ Auf den Rat des
Pfarrers nimmt fie das nächite Mal eine Aute und ruft: „Ich Ichlage
meine Kinder, id) Strafe meine Kinder.“ Und jiehe, der Spuk ver-
ſchwand.
— — — —
Miscellen.
Amor und Fod.
Zwei jehr ausführliche Berfionen dieies Stoffes find R. Köhler und Bolte
(Euphorion 3, 354 ff.) entgangen. Zie gehen auf die Lusus poetiei allegoriei
des franzöſiſchen Jeſuiten Pierre Juſte Zautel zurüd, die nad) Gräße (6, 9 und 11)
zuerſt 1656 erichienen find, mir aber nur in zwei fpäteren, durch Drudfehler ent-
ftellten Truden München 1717, Köln 1752) vorliegen. Ganz neu ift, außer vielen
Detailzügen in der eigentlichen Erzählung, die durchgeführte Parallele zwifchen der
Liebe und dem Tod in der allegorifchen Zugabe. Der Tert lautet:
Mortis et Amoris Foedur.
Lusus Allegoriecus.
Elegia sexta. -
Dulcia tranduillae pepigerunt foedera pacis,
Et Mors, et penna præpete pulcher Amor,
Ibäntque assuetis arınis instructus uterque.
Mors »ua tela, comes tela gerebat Amor.
1 Wigſtröm, Folkdiktning samlad i Skäne 1880, S. 193.
Euphorion IV. 22
334 Vꝛiscellen.
Dumque iter accelerant ambo, solantur euntes
Alterna farilem garrulitate via.
Namı quanquam teneris infans vieleatur in annis:
Est tamen arguta voce disertus Amor.
Interea clauso Vesper procedit Olympo.
Et placida suadent astra quiete frui.
Divertere via pariter, teetoque sub une.
Unus, qui peminos exeipit. hospes erat.
Mox ubi se modier recrearunt munere mens.
Fortuito pliaretram deposuere loco.
Inue vicem partterque data, acceptaque -alute.
Compositi thalamis eontieuere suis.
Jam medium nox atra polum -ubvecta tenebat.
Vox hominum auditur mulla, nee ulla canımm
Eree tibi verso bipatentes eardine valva..
Non expeetato conerepnere sono.
Kxanimes trepidare metn, linza atria eircum.
Et ruere aneipiti. qua data porta, via.
Dumm fugritant. vepetuntgne suarmı zibi quisque pharetrun,
Alter in alterius spienla forte ruit
Mortis Armor pharetrim sumsit. Mors Sumsit Ameoris.
Morsque uam falrem anutat, Amorque facein
Aanque rule seebat pulsis Amora tenelnis,
Mors. Amor varlas corripuere vias.
FE mode W facta in contraria télis.
Sanelat hae juvenes. san tat iete senes.
Mine datur humane hüdlibrin eermere ibn,
Kt rerum inversas diseere passe \leos
Gar juvems prareptus ohit. Norentibus antüs,
Gur Nlagrat infanıt turpi> amore <ene\
Scilicet ex illo Jam teinpore vibrat Sineris
Spienla Mor-, vibrat <pieula Meortiz Amor
\peolosı- Allezoriae
Ex ıllo Gantıe 8, Fortis, ut Mor-, Dileetio
Lezerat Iiee allquis. qua, duleibus ıllita chärtis.
Seripsimm= innoeuo earmina Insa joch
man bene, at. Morti rates <oelayit Amorem,
Ft junete eomites tradiedit esse vie
Mor. et aunor similes ten diserimine distan‘
Lumine Mors eupta est, Iumine eaptus Amer
Arber pares ua tela zerunt, ,iaenlatur uterqui.
Nee fera Mor- errat: nee ferus errat Amor
Sceptra pedo. famnloseqme us Mors Reszibus equat:
x eptra pedo, et famulos Btezibus rgmat Arıon
Mor- nuda est: est nudus Amor: pharetratu ntergne,
Ma sunm jaculum torgnet: et ıste sun.
Alter maznilicos contemmit, et alter honores:
Altera eonzestas spermit, et alter opes
Falce senes. juvenesgne na Mor- falce trmeidat:
Et face Amor Juvenes urit. Amorue sene-
Miscellen. 335
Palleseit moriens; pallesceit et omnis Amator:
Triste silet moriens; triste sileseit amans.
Mors moritur nullo (nam quis queat esse peremtor ”)
Sic moritur nullo tempore verus Amor.
Et lacrymx. et gemitus alimenta feruntur Amoris:
His alitur pariter Mors macilenta cibis.
Nec prece. nee pretio vis vincitur effera Mortis,
Nec prece, nec pretio vincitur acer Amor.
Seil tamen id diserimen habent, Mors omnia vineit.
Virtutem neseit vincere turpis Amor.
Auf diefer lateinischen Berfion beruht die Erzählung des Wiener Dichters
Ratſchky «Gedichte von Joſef Franz Ratſchky, neue, vermehrte und verbejjerte Auf-
lage, Wien 1791, Z. 228 ff.), der einen burlesten Ton anſchlägt und div allegorifche
Zugabe wieder fallen läßt.
Amor und Der God.
Nach dem Yateinifchen des Zautel.
Wien im Jänner 1786.
Ter Tod, ein alter hagrer Mann,
Traf einſt zur Nachtzeit auf der Reife
Der jungen Heinen Amor an.
Ein Regenguß, der eimermeife
Aus einer Wetterrvolfe drang,
Und Rheens irdenes Gehäuſe
Tem Weltineer ähnlich machte, zwang
Tie zween beritmen Bogenſchützen
Nor einem Gasthof abzufigen.
Weil es fein klügres Mittel gab,
AS völlig hier zu übernachten,
So legten fie die Köcher ab,
Und ließen fich ein Ferkel Schlachten.
Nachdem ihr Keiner Abendſchmaus
Verzehrt war, zogen die zween Gäfte,
Bor Schlummer gähnend, die durchnäßte,
Vom Megen ſchwere Kleidung aus,
Verſenkten tief fih in ein niedlich
Bepfülbtes Bett, und pflegten friedfid)
Des Schlafes, der mit rajchem Flug
Zie bald in's Reich der Träume trug.
Tie Wirthin, der der biinde Bube
Zamt dem verdorrten reis, der ihn
Begleitete, verdächtig ſchien,
Schlich nun aus Neugier in die Stube,
Sie ſteckte bald in Amors Pack,
Bald in des Todes Mantelſack
Die mit dem feinſten Brillenglaſe
Zu dieſem Zweck verſeh'ne Naſe,
2
0
*
336 Miscellen.
Und leert', als fie die Köcher fand,
Auf's Tiſchchen, wo die Lampe ſtand,
Die Pfeile forſchend hin, als plöslich
Der ſchelmiſche Beelzebub
Kupido träumend ein entyöeslich
Geheul in ſeinem Bett erhub.
Betrofjen las fie nun in Eile
Die blindlings ausgeleerten Pfeile
zZuſammen, die beym matten Schein
Der Lampe ſich jo arg verwirrten,
Daß in Kupidens Köcherlein
Des Todes Pieile ſich verirrten
Und manches Pfeilchen Amors Sich
Mir im des Todes Köcher ſchlich.
Zeit dieien feinen Abentbener
Zieht man, daR, gleich dem jüngſten Freyer,
Der Graukopf nun um Yiebe wirbt,
Und oft zu früb der Jüngling ſtirbt,
Weil itzt der Tod aus jenen Mocher
Kupidens Peil' auf alte Schächer
Aus Irrthum oft zu Schleudern piflegt,
Und mit des Knochenmannes Pieiten
Der kleine blinde Gott zuweilen
Ten Jüngling Todeswunden öchlagt.
Aui Alciati geht die Überießung von Ernſt Friedrich Schmidt, dem frühver—
ſiorbenen Sohne des Klamer Schmidt, zurück, die zuerſt in Veckers Taſchenbuch
1806, S. 304, gedruckt, dann m den „Wehmuthslauten eines Früh Verblichenen“
aus Klamer Schmidts litterariſchem Nachtaſſe herausgegeben und mit einer
rebensbeſchreibung begleitet von Wilh. Wern. Joh. Schmidt, Braunſchweig 1829),
S. 364, wieder abgedrudt Dr. An dem legteren Orte findet man eine ganze Samm⸗
lung von freien UÜberietzungen aus Andreae . leiati Emblemata, die in dent Jahren
1805 md 1804 eutſtanden ſind amd denen Die bei Plantin zu Yenden 1599 er-
ſchienene Sedezausgabe zu Grunde liegt. Hier lauter der Text jo!
„Vrüderlich wanderten einſt dev Tod und Amor zuſammen:
Jeglicher mug, wie ſichs ziemt, Bogen und RKöcher und Bett.
Veide ſchwarmten ber Tag': ein Lager faßte Die Müden
nd, wie Der Paphier, war ſelbiger Zeit auch dev Iod;
Drum aus Veriehen nimmt dev Eine die Waiien des Andern:
Amor's Pete der Tod, Amor das Todesgeſchoß.
Sieh, und der wankende Greis, Ichon nabe den ſiugiichen Aratlern,
Yrebt nun jugendlich frob, Franzt ſich mit Roſen das Maupt;
Doch ich Getrofener jet von Amor's vertauſchtem Weichofit,
Well', und die raiche Regier ſehnender Liebe vertsicht'
Zion, o Amor! ichone, Mi Tod nut ſiegendem Breit! gebt
Mir de Liebe zurnct, ſendet zum Ortus den Greis!“
Wien J. Miunor.
Discellen. 337
Zu Hoffmannswaldan.
Ettlinger in feiner Monographie Über Hoffmannswaldan 5, 118 eitiert aus
der Neutirchſchen Sammlung (1, 16) den ſinnloſen Vers:
„Es möchte ſonſt allhier zu viel dergleichen geben“
und läßt dabei offen, ob ein Drudfehler vorliegt, Aber die erite Auflage (1697)
giebt den ganz richtigen Text:
„Es möchte ſonſt allhier zu viel der Leichen geben“.
Dagegen ift Ettlinger im Rechte gegenüber Borinsfi (B. Gracian und R=
Hoflitteranu in Deutfchland, Halle a. ©. 1894), der ©, 133, Anmerkung 4 bi
Autorfchaftsfrage mir verwirrt, wenn er jagt: „Yon €, 9. d. 9. 1721, —
nicht Hoffmannswaldau, obwohl fein Monograph J. Eilinger jagt, die alio ber
zeichneten Nummern können als zuwerläffig gelten. C. H., dev beim 4. Bande als
Herausgeber zeichnet, Fönnte Ch. d. Humold von Hauburg Kin. Aufichluß darüber
bat Gttlinger nicht erbracht.” Aber an dem vom Bo eitierten Ort (Neu
Erle Sammlung 7, 164—169) fteht gar nicht die Chiffe ©. 9. ©, H,, Tondern
6 d., die natürlich nicht auf Hofimanmswalden gebt, und guch beim vierten
Tat (1725) befindet fid, wenigſtens in meinem Exemplar, feine Chiffre eines
Herausgebers,
Wien Minor,
Schiſſer und Egmonds lehtes Schreiben an Philipp II.
In der erſten der der Geſchichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von
der Hpanifchen Regierung angefügten Beilagen teilt Schiller das Schreiben Egmonds
an Philipp II. vom 5. Jum 1568 mit. Sein Anhalt weicht twejentlid von bene
durch den jpanifchen Hauptmann, Yulian, ber das Sriginal vor ſich gehabt hat, auf uns
gebraten ab. Diejes denholindige Schriftitiit (öwiglich fächfiches Hauptitaats-
archiv III, 67a ol. 387 b Nr. 10 Bl. 160) lafje ich daher bier folgen:
„Es wiſſen ſich cf m. ohn zweifel wol „u erinnern ae ich in
Hein und groſfen zugen, jcharmubeln, ſchlachten, beiegerung, anlaufen und ſturmen,
innemung der fiat, vor derielbigen heil und wolfart mein leib und Teben mie wer
ſchonet, daraus biefelbige leichtlich vernemen fönnen, daß id) auf ben A bot
‚gar wenig achte. Dieweil aber ich alhie und bei €. mm. im nıeiner vechtinäfigen ſahen
zu feiner audienz kommen fanm, beruf ich mich def mt den allmechtigen, ewigen
gott, dofelbft ich auch e. f. m. citire, daß der Hehe gott znytichen uns eiben, was
recht ift, decidire. Vale.”
Blafewig- Dresden. Theodor Diſtel
Mecenfionen und Referate.
Watadinovre Z,, Prior in Teutichland Grazer Sindien zur dentſchen Philologie.
Herarnsgegeben von A. E. Schönbach und B. Seufiert. IV. Heft). Graz,
.Zunta” 1845.
In einer 'orgiältig und feinſinnig gearbeileten Unterſuchung'n bebandelt Spiri
dion Wutadtnevie den Einiluſt eines minder gekannten engliſchen Dichters, der aber in
der Yarteratın iernes Katerlandes emes feſten Rufes genießt, auf die deutſche Dichtung.
an begnugt ſich oft Der derartigen Unterſuchimngen mit Nachweiſen von
Uberemitim:mangen, ohne unmer danach zu fragen, od ſolche Nachweiſe von irgend
welcher Benno iind So ſind gewiſſe Entlehnungen mehr äußerlicher Art, wie
Id nat unveranderter Stellen, Renußung von Rebenmotwen der Vorlage, welche
ber TR irinelung des Emiluſſes eines Tichteis anf den anderen mit Vorliebe auf
geze'g: werden, nur midiern wichtig, als ſie Bilege dafin find, daR der Nachabıner
day Drtgena, annte Auch ſind ſie es nur Damm, wenn außerdem Beeinfluſſumg
mehr mueliche: Art itattgefunden bat: et.pa Ubernahme vater charatteriſtiſchen Welt
anichauimg und Produltion ans dieſer ubernommenen Anſchanungsweiſe heraus,
Uberſpringen der Grunditimmung des Vordildes auf die Nachahmung, eigenartige
Auieegſung verwickelter ethiſcher Konnitkte ſteis eine der tiefſten Aufgaben der
Borit nen umgeſtaltende Auifaſiung dev Charaktere, oft jo fihroff Die Anſichten
andernd, Dat bisher verachtete 'Beriönlichteiten bis zum Heldentum erboben werden
können Grillparzer: Ter arme Spielmann: Bancbamı, tiefergehende Motivumgeſtal
tungen In Solche Faällen wird der Entlehner, oft dev größere Künſtler, zwar
ihr ven ww Vorlage beeinflußt, wahrt ſich aber feine Eigenart derart, daß
etwas ganz Neues, oft Bedentenderes entſteht Freilich bieten Unterſuchungen, dic
at mehr außerliche Ericheinungen bañert ſind, den Vorteil, daß dieſe leuteren gezählt
werden konnen, und werden deshalb nicht ſelten bevorzugt: doch darf wohl nicht
anf. Acht gerlaiſen werden, daß die Unterſachug innerlicher Beziehungen an der
Yoqır und Kinchologie ebenſognt cine wiſſenichaftliche Regründung finden kann wie
win an der Mathematik Na vielleicht ließe ſich bei derartigen Forſchungen cin
ahnliches sera auiſtellen wie bei lautlichen und etqmologiſchen Problemen; nicht fo
ſehn außere Ahnlichkeit als gewiſie Berichiedenbeiten jeien für Zufammengebörigfeit
beweiiend
Ein bubicher Betrag zu dieſer Art mehr innerlicher Veeinilnſſung findet ſich
in der vorliegenden Arbeit an dem Abſchnitte über Wieland: die Beziehungen des
Man vergleiche auch unieren vorläufigen Hinweis auf dieſes Buch in
Band 2, Z Tom. A. Zauer.
Wukadinovié S., Prior in Deutfchland. 339
deutſchen Klaſſikers zu Prior in feiner Abhängigkeit und gleichzeitigen Originalität
find vom Verfaſſer in jharffinniger und treffficherer Weife beleuchtet.
Gegen die getroffene Anordnung des Stoffes ließe fid) einmwenden, daß die
erjten Abfchnitte nach Dichtern und Dichterkreiſen gejchieden find, einige der folgenden
aber nad) Dichtungen und Dichtungsgattungen. Durch diefe Anderung des Teilungs-
grundes ergiebt fid) die logiſche Unzutömmlichkeit, daß fpäter im Yufammenhang
betrachtete Tichtungsgattungen ſchon zum Teil in den Abfchnitten über die einzelnen
Tichter in Betracht kamen. Ein Abjchnitt handelt 3. B. von den „Kleineren welt»
lichen Gedichten“. Nun wurden dag Epigramm und die komische Erzählung fchon um
Abſchnitt I (Hagedorn, die Bremer Beiträge) in die Unterfuchung einbezogen. Aud)
wird eine jcharfe Abgrenzung des „Liedes“ (Abjchnitt III) von der Anofreontif (Ab-
jchnitt IL) nicht immer ftreng durchführbar fein.
Der Berfaffer ftellt im Eingang feine Arbeit als eine Ergänzung zu dem
Vortrag von Mar Rod) über die Beziehungen der englifchen Pitteratur zur beutjchen
im 18. Jahrhundert hin, infofern als fie auch die kürzeren Dichtungsarten: bie
Yyrif, die Fabel, das didaktifche und fatirische Gedicht in den Kreis ihrer Betrach⸗
tungen zieht. Hierauf wird auf das hohe Anjchen hingewiejen, das Prior feiner
Zeit in England genoß.
Bei der Spezialunterfuchung wird Hagedorn als der erfte der deutſchen Dichter,
welche der Muſe Priors venvandt find, an die Spige geftellt und in einer fein
durchgeführten ‘Parallele dem deutjchen Dichter bei aller Ahnlicjleit mit Prior mehr
Natürlichkeit und Gemüt zugefprochen (Abſchnitt I).
Der Verfaſſer ſtellt feit, daß erjt feit Hagedorns Aufenthalt in England cin
Einfluß Priors fühlbar werde, der zunächſt für drei Gedichte (1732 in Weich-
manns „Poeſie der Niederjachfen“ erjchienen) nachgewiefen wird. Es find dies die
Erzählungen: „Aurelius und Beelzebub“, „Paulus Purganti und Agnefe“ und das
Sinngediht: „Suſanne“. Nach des Verfaſſers Darftellung würde das Priorjche in
Hagedorns Aurelius und Beelzebub die „humoriſtiſch-ſatiriſche Färbung“ fein.
Aus der Gegenüberftellung des Hagedornſchen Epigrammes „Sufanne“ und
des Priorſchen Originals leitet der Verfaſſer die Überlegenheit des Engländers in
Zufvigung der ‘Pointe ab.
Ein anderes Epigramm Hagedorns „Arift und Suffen“ geht in ähnlicher
Weiſe auf ein Priorjches Sinngedicht zurüd. Der Verfaſſer hätte vielleicht hinzu-
fügen fönnen, daß im englifchen Criginal, wie in dem angezogenen Martialjchen
Epigramm (Ill, 45), der Dichter felbft das Opfer der egoiftiich geübten Saftfreund-
ſchaft iſt, da „Mat“ in den englifchen Gedichte wie ftändig und häufig für Matthew
Prior, den Dichter felbit, fteht.
Ter Einfluß des Engländer auf andere Dichtungen Hagedorns wird aufgededt
und dabei Eonftatiert, daß Hagedorn feinem Vorbilde an (Hedantenfchärfe nachſtehe.
Der Verfajfer hebt in einer Schlußbemerfung hervor, daß Hagedorn zwar
noch auf dem Standpunft des 17. Jahrhunderts fteht, indem er nie —* erfindet,
daß er aber ſeine Vorlage (hier Prior) nach ſeiner Individualität umgeſtaltet. Von
einer ſtetigen Entwicklung der Überſetzungskunſt Hagedorns könne man nicht ſprechen,
aber an der Bearbeitung von Priors A lover's anger erſehe man, daß Hagedorn
immer mehr einer originellen Behandlung feiner Vorlage zuftrebe.
Die Unterſuchung des Berhältniffes der Bremer Beiträger zu Prior (S. 19)
ergiebt geringe Ausbeute.
J In dem Abſchnitt über die Hallenſer (S. 21) wird zunächſt dargelegt, warum
Überſetzungen Priors in dieſem Dichterkreiſe ſelten find, dann aber aus Briefſtellen
der Nachweis erbracht, daß Prior den Hallenſern trotzdem bekannt war. Wuladi-
novie führt nun zundchft aus, in welcher Weiſe fich die Welt in Priors Dichtungen
wiederjpiegelt. Er hebt hervor, daß ſich die Schilderung der Natur in konventionellen
Bahnen bewegt: Bäume, Blumen, Vögel, Winde erfcheinen in ftereotgpen Vertretern,
erhalten beftimmte Beiwörter und werben in feftftehende Umfchreibungen gefleidet.
340 Wukadinoviée Z., Prior in Teatichland.
Tie geſiamte Natur stellt ſich weichlich und zahm dar, felbit das Meer. Rauhes
uͤnwener und gewaltiger Sturm werden fait nur zu NBergleichen berangezogen. An
Perſonen und Vertretern des liberfinnlichen findet Kufadinovic bei Prior Schäfer,
Zchäferinnen, Venus, Amor und Yırbesgötter. Tie Zdilderumg der Schönen bewegt
ſich in ähnlichen engen Grenzen wie Die der Yandichaft. Sie ſind lieblich und weich
lich, eine gewiſſe ſpieleriſche Sinnlichkeit scheint ſtark durch. Auch von Geiſtes und
(Gemütseigenſchaften wird einſeitig das Temperament, Anmut und Gutmütiglen
bervorgehoben. Die Liebe erſcheint ebenfalls ſpieleriſch, fchr galant, ſehr ſchwärmeriſch
und endet leicht in Tod und Verzweiflung. Charaklteriſtiich und komiiſch zugleich iſt
die vom Veriaſier angezogene Ziele 2.25: „He how'd. ohex'd and dy’d.”
:Desp. Shepherd.
Durch Heranziehung von Varallelſtellen aus deutschen Dichtungen, beionders
ans denen dev Hallenſer wert dev Veriafer eine ähnliche könventionelle Tariteltungs
werie nach. Auch Amor, Venns und die Yıebesgatter Iptelen in dev Anakreontik der
Deutichen eine verwandte Wolle.
Auf Einzelnheiten eingehend, führt er aus Priors „Imitation of Anaerenn”
16 Verie an »S. 26, welche vier Hauptmotive der Anakreontik ausführen: Ser
achtung dev Kritik: Beſchränkung des Publikums auf Geſinnungsgeuoſen ‚und auf
die GGeliebte; des Gegenſtandes auf Liebe und vuſt: Verachtung des Ruhnmis.
Übrigens acht die Anakreontik von Italien und Frantreich ans, und and bei den
iranzoſiſchen Anakreontikern iinden ſich Dieelbeit Züge.
Feruer werden noch als anakreonttiche Motwe hervorgehoben: Abneigung
gegen das Feilen dev Gedichte: Künen ums Pfand, das Einſchneiden des Namens
um Rinde: bereite Motipe, Dev Wirklichkeit und dem geſelligen vVeben entnommen,
dürften aber wohl uher den engeren Rahnien der Anokreontik hinausgehen.
zum Schluß dieſes Tetiles wird noch Sotens unbedeutende Uberietzung des
„Entwafineten nor“ erwahnt, und daß x vielleicht ein Motin daraus ım „Wer
lohrenen Antor” benutzt babe: ferner Gleims ZSinngedicht „Eva“, eine zienilich ſalz
loie Verherrlichung Klopuocks, das eine auifallige Ubereinſiiummung mit emigen
rien Priors auiweiſt.
Im Abschnitt IIB „Kleinere weltliche Od der. Deich und Emma“ 2.32
wenden Ih Dev Keriafer beſonders dem Epigramm, Den Yıcd und Der fonmichen
Erzahlung zu
Tie mannigiachen Ubertragungen des Yıdes „To loe weeping”. beionders
Die Herders, ſind sehr feinſinnig und eingehend unternucht Es dräugt nur Die Frage
anf, ob eine eingehendere Bebandtung des „Klageliedes“ nicht ein lohnendes Er
gebnis bote: denn gerade Umgeſtaltungen waren ber Unterinchung des Guntluiies
mtereſianter als Uberſeumgen
Son Uberetzungen komiſcher Erzahlungen w: vd auf Piderits Übertragung non
„The done” amd vawens „Der Tieh md Sen Veichtiger“ Kriors „The tief and
tbe eordeher genauer eingegangen Erwatnıng nnden former Überießungen bon
„Protorenes and Apelle-" und „Love disnanel 2 die auigezahlten Kroiaüber
ragen in den „Reuen Eiweiterungen“ Dein von geringer Artenung zZ 418:
Prior bat die Gerchmacklengkett hegangen, Das friiche Vollslied .„„Ballad
ot the neotbronme ipelee' uin den verichnorteiten Sin Saar Jeit zu über
ragen und es mit it zu verrehen, die dent Driginale die charafteriitiiche
Unmutelbarkeitn nemmen Fretlich hat Div Tichtumg in dem modernen Gewande
Befall gefunden, un zwei tnchtigen Uberüeuungen auch in Teutichland S. 43 A ı
Fer Veriafer rugt Die Wahl des Herameters fur die deutiche Uberſeunng wohl mit
Unrecht: denn der romanzenhafte Charakter der Triginalballade vr ichon durch den
heroje verse Priors im Engliſchen zeritärt, und bei der Knappheit der engliſchen
Zvprache, reipeltive Dev Hinneigung derielben zur Einſitlbigkeit vit ente Erweiterung
Per ZSubenzahl der Serie beiſeiner Ubernaqung ins demſche fait ummer geboten
Recenſent glanbt iogar, daß die Gengainglen der Ubertragung, die der Verfaſſer
Wuladinovie S., Prior in Deutfchland. 341
an dem Ztraliunder Üiberfeger (A) rühmt, zum Teil eine Folge der Wahl diefes
Sersmaßes ift. J
Der Vergleich der Überſetzungen untereinander iſt genau und ſcharfſinnig
durchgeführt. Ein ſprachlicher Irrtum iſt bei der ſonſtigen Verläßlichkeit des Ver—
faſſers auffallend. Er vergleicht Vers 227: prying; A: betend, B: neugierig (!) und
icheint letztere Übertragung durd) das Ausrufungszeichen zu bemängeln. Prying bat
nun aber mit praying nichts zu thun und heißt wirklich jpähend, alfo etwa: neu-
gierig. Hier könute gleich auch eine Ingenauigleit der Übertragung Erwähnung finden.
2.23 fteht für blushing roses, „blühende Rofen“.
Von den deutjchen Dichtern hat wohl Wieland Prior am meiften zu ver-
danken gehabt; denn feinem deutjchen Dichter von Bedeutung ift das Galant⸗
Zinnliche Priors, wie ic) e8 nennen möchte, wenigftens zu Zeiten, fo eigen gewefen
wie Wieland, obwohl der Einfluß La Fontaines, Boccacios ımd anderer nicht
iiberjehen werden darf.
Tie Ausgabe der Werke Priors von 1751 fand ſich — wie Wuladinovic an-
führt — nad) Wielands Tod in feiner Bibliothek vor, feit 1758 wendet ſich Wieland
immer mehr Prior zu.
Überzeugend und geſchickt gemacht ift die Zurüdführung der Wielandichen
„Nadine“ auf Motive von Prior „Love disarmed”. Das herangezogene Gedicht
„The dove”, wie auch Song XVII machen diefen Einfluß noch deutlicher.
Beſonders wichtig ift der Einfluß der „Alma“ Prior auf Wieland, welcher
von Wieland jelbit beftätigt wird, und zivar auf feine Muſarion, dann aud) auf
jeine Entwürfe: „Adon“, „Die Republif der Schatten” oder „Die glüdfeligen
Inſeln“ und auf „Pſyche“.
Wieland nennt die „Muſarion“ in einer von Wuladinovie angeführten Brief-
jtelle eine Art von komiſchem Yehrgedicht, die „Alma“ Priors könnte man ähnlich
ein „Mock-didactie” nad) der Analogie von Mock-heroic nennen.
Überzeugend iſt die Ausführung, daß der Streit der Philofophen im zweiten
Geſange der Mujarion auf die Alma Priors zurlidgeht, fpeziell auf den philofo-
phifchen Streit Mats und Fils, wobei Dat wieder den Tichter Matthew Prior
bezeichnet. Tod) wahrt Wieland jeine Selbftändigfeit. Seine Dichtung ift epiich;
die darın waltende Yebensanichaunng wächſt aus der Gegenwart heraus; denn ihre
Zpite kehrt fich gegen die „feierlich ſtoiſchen, moraliſchen Zauertöpfe” und einer
freieren fünftleriichen Auffafjung der Bezichungen der Geſchlechter zu einander wird
das Wort geredet. Andererjeits ift die Muſarion aus Priors fibermütiger, paro-
diftiich witziger Auffajjung der Philoſophie geboren, fo daß fie wohl faum je ge—
ichrieben worden wäre, wenn Wieland nicht den Anftoß dazu von dem Engländer
erhalten hätte. Der Hergang wäre alfo etwa der: Wieland lernt von Prior die
Wirkſamkeit der humoriftifchen Behandlung philoſophiſcher Gegenftände fennen, der
Ztoff gewinnt bei ihm Geſtaltung, indem er feine Anfichten in eine beftimmte Zeit
und auf beſtimmte Vorgänge proiiziert; endlich hat er aus feiner Perfönfichkeit und
aus feiner Zeit heraus diefe Anfichten felbft verändert, indem er nicht von meta-
phyſiſchen Wahrheiten, jfondern von anmutiger und freier Auffaffung - der Lebens⸗
moral handelt.
Ferner bebt Wukadinovié richtig hervor, daß die Methode, ernfte, pedantifche
vehren dadurd) lächerlich zu machen, daß man fie mit fcheinbar ftrengem Ernit vor⸗
trägt, aus. Prior herübergenommen ift. Wielands Dichtung wird dadurd) noch
wirkfamer, daß jene Theorien nicht nur durch Beweisgründe, fondern vielmehr durch
die Braris ad absurdum geführt werden.
Treffend führt der Berfajfer aus, daß das Motiv des dem Geliebten folgenden
Mädchens in den jechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts jehr zeitgemäß war,
daß der Inhalt der Muſarion auf den Pucianifchen „Timon“ und auf zwei Briefe
des Ariftänet und des Alkiphron zurückgeht, daß aber Wieland gleichzeitig feine
ganze geiftige Perfönfichkeit in der Heldin Mufarion auszugeftalten fuchte.
312 Wukadinovie Z., Prior in Teutichland.
Ter letzte Abichnirt der Terailunteriuchung it wieder nach der Tichtimgsart
überschrieben: Geiſtliche und didaktiſche Tichtungen S. 59 fi... Zo viel Talent
Prior für die flotte, wißige Manier beiiet, jo wenig liegt ibm die ermite, ſtrenge
Velehrung. Es tit natürlich, daß Priors geiitliche Tichtungen für Teutichland von
umso geringerer Bedeutung blieben als, wie Wuladinovié richtig bervorbebt, ſich die
deutiche Yirteratur im 18. Jahrhundert immer mebr von dieier Richtung abwendet
Es kommt bier fait nur Priors Vebrdichtung „Salomon on the vanity of
the world” in Betracht. Der Verfaſſer führt zwei unzulängliche Überietimgen an
und beſpricht dann Gleims Nachahmung „Zalome, der Prediger”. Tas GWedicht
Wiens bat mir dem englüichen Original das Maskenart:ge gemeiniſam, daß mäntlich
Zalemon vedend eingeführt wird: die Treiteilung, wenn auch mit Umſiellung der
Tispoftttonspuntte: Macht, Bergnügen, Weisheit wırd beibehalten; Ubereinſtimmungen
im einzelnen And nachgewieſen. Amt ganzen bat man bier ein Veiſpiel mehr äußer
licher Nachahmung Nicht ein Meiſter Schafft angeregt Neues, fondern ein Talent
zweiten Rauges ſucht ſich einem Originale, das er fir ein Meiſterwerk hält, zu
nahern.
In einem Schlußabſatz wird einer verſpätet 17831 erſchienenen „Veſamt
überießung“, die 46 Gedichte Priors umfaßtt, Erwähnung gethan: endlich in einem
Schlußworte darauf hingewieſen, daß, wie ſich die Geichmacksrichtung in Deutſch
land von den Franzoſen ab und den Englaäandern zuwendet, ‘Brior ein Vermittlumgs
glied daritellt, indem er zu jenen engliſchen Tichtern qebört, die viel Bennvandtichaft
mit den Franzoſen aufweiven: auch pflegte Prior mit Vorliebe das anafrcontiiche
vied und die kom'ſiche Erzählung, zwei Tichtungsgattangen, die dem damaligen
GBeichmacke in Deutichland naheſtanden
Richtig wird auigezeigt, daß die Anatrvontit ber all ihrer Geziertheit und
Beſuchtheit mehr auf dent Yeben amd Dem geöiellichgitlichen Formen beruhe als auf
der Antike Tee Diode gewordene Anatreontik hatte Kriors Einfluß in Teutichland
herauigeführt.
Ter Schwerpunkt der an Ergebniſſen reichen Arbeit liegt der Anſicht des
Reccnienten nad ut Dem zweiten Abſchnitt über Die Angkreontiker und in dem
vierten uber Wieland: bei dent erſten über Haäagedorn, wie intereſſant er auch iſt,
kommen mehr Entlehnungen äußterlicher Raturem Betracht: doch bat der Verfſaſſer
auch aus dieſen Entlehnungen eine weiter reichende und für die Charakteriſtik der
damaligen Litteratur in DTeutichland wichtige Folgerung zu ziehen verſtanden.
Ant intereſanteſten eunbent den Recenſenten die Tarlegung des Einfluſſes
der „Alma“ Priors auf Wıelands „Muſarion“ und „Nadine“. Auch die leutgenammtr
Entlehnung iſt ein Fall von ſchlagender Beweiskraft, in dem ein bedeutender
Dichter von emem verwandten Wert beeinilußt wird, Motive übernimmt und doch
originell bleibt Tem obwohl der ſpielertiche Apparat der Prioriſchen Manier bei
behalten it, Jo iit Wieland Doch füibner md wabrer, Ttellt ein Motiv dar, das beı
alt ſeiner Sinmnlichkeit doch ernſt bleibt, weil die Uriprünglichkten dev Yiebesteiden
ichait bis zur denen Nomeaueny geführt wırd Ter inteleriiche Apparat dient bier
nur dazu, einen ſchwierigen Berwart mit Schaltheu und Grazie vorzutragen, was
ber Prior Gegenſtand Selbst nit, ve ber Wieland nur Tarſtellungsmittel.
Wenn ichon der Berfatler far den „Reuen Amadis“ Priors Emſfluß in mebr
auſterlichen Dingen jeſtſtellt und nachweiſt, dan Vrior ber Abfaftung diefer Tichtung
rine von Wielands Lieblingslelturen war, jo hieſte ſich vielleicht, ähnlich wie bei der
Radine, auch eine ſiellenweie tieſergehende Beeiniluſiung auffinden.
Wien Yıdwıqg Wuvlel.
Tevrient H., 3. F. Schönemann und feine Schauſpielergeſellſchaft. 343
Zevrient H., Johann Friedrich Schönemann und feine Schaufpielergejellfchaft.
Ein Beitrag zur Theatergefchichte des 18. Jahrhunderts. Hamburg und
Yeipzig, Verlag von Leopold Voß. 1895. (Theatergeſchichtliche Forſchungen.
Herausgegeben von Berthold Litzmann. XL) 9 M.
Die Schönemannsche Geſellſchaft hat in der Geſchichte des deutfchen Theaters
feine eigentlich enticheidende Rolle gejpielt. Als fie ins Yeben trat, fand fie bereits
die Bfade gewieſen, auf welchen die deutiche Schaufpieltunft ihrer Zukunft entgegen-
zugehen hatte, denn die Neuberin, die fiegreihe Borfämpferin für Gottjcheds Ge-
Ihmad, war ihr unmittelbar voraufgegangen; jpäter aber, al3 die Berhältniffe ein
Abweicyen von Gottſcheds Wege dringend geboten, hat zwar Schönemanns Truppe
den erjten Schritt hierzu gewagt, aber es iſt ihr nicht vergönnt gewejen mehr zu
thun, weil fie ſchon bald darauf von ihren Verhängnis ereilt wurde.
Dennoch darf man die Bedeutung der Truppe nicht gering anſchlagen. Sie
hat längere Zeit hindurch unter Sottjcheds perſönlichem Schuge das Werk der Neu:
berin eifrig fortgejeßt, fie hat während der achtzehn Jahre ihres Beſtehens (1740 bis
1757) den bedeutendſten Tariteller jener Zeit, Konrad Ethof, an fid) gefeſſelt, drei
nanıhafte Schanjpielerinnen, Dem. Schönemann, Dem. Gerhardt und Dem. Schulz,
jpäter als Mad. Löwen, Mad. Starke und Mad. Bit weitberühmt, verdanken ihr
die erite Schule, und aus ihr ift der erjte Verſuch des Schaufpielerftandes hervor:
gegangen, ſich durch Selbſtzucht künſtleriſch und fittlid) zu heben. Eine eingehende
Zarjtellung ihrer Schickſale und Yeiftungen hat fie daher wohl verdient, und Die
liebevolle ud ſorgſame Monographie, die Devrient ihr gewidmet hat, ift alles
Tanfes wert.
Tem Berfafjer haben einige vortreffliche und reichlichen Ertrag fpendende
Quellen zur Verfügung gejtanden. Vie Briefe Schönemanns und Uhlichs an Gottſched,
die teils in der großen Gottſchedſchen Briefſammlung der Leipziger Univerfitäts-
bibliotbef, teils in deren Kopie auf der Dresdener Bibliothek erhalten find; die forg-
ſamen und unbedingt zuverläfligen Aufzeihnungen Ekhofs iiber die Aufenthalte der
Zruppe von 1745— 1750, welche F. L. W. Meyer in feinem „Schröder“ (II, 2, ©. 37 ff.)
mitteilt; cine unjchäßbare Sammlung Schönemannfcher Zettel auf der Hamburger
Stadtbibliothek: das Journal von Ekhofs Schaufpielerafademie, von dem die Gothaer
Bibliothek eine Abichrift bewahrt; endlich die Vorreden zu den verichiedenen Bänden
der Schönemannſchen Schaubühne: alles dies eriweift fi) für die äußere und innere
Geſchichte der Truppe jehr ergiebig, und aud) fonit hat fi) hie und da mandjes
Wertvolle finden laſſen. Im allgemeinen aber hat Devrient allen Anlaß, liber
Mangel an Material zu flagen; für ganze Zeiträume ift er auf Mitteilung rein
äußerlicher Dinge angewieien, und wenn von den zahlreichen Archiven, die er befragt
bat, einmal ausnahmsweiſe das eine oder andere etwas von Schönemanns Scid-
jalen verrät, jo jtcht der gewaltige Umfang feiner Meitteilungen gewiß im umge:
kehrten Verhältniſſe zu ihrem Werte. Devrient® Buch) bat unter diefer Lingleich-
mäßigfeit des Materials gelitten, was aber natürlich nicht des Verfaffers Schuld ift.
Im Gegenteil muß man diefem nachrühmen, daß er fich redlich bemüht hat, die
Unterfchiede auszugleichen, und wenn dies nicht überall geglüdt ift, fo ift das bei
einem wifienjchaftlichen Werke nicht mehr als natürlich.
Verhältnißmäßig lüdentos hat fi) die äußere Geſchichte der Truppe ſchildern
lafjen, was befonders deshalb nicht unwichtig ift, als ſich von ihr aus wenigfteng
mittelbare Schlüffe auf die Bedeutung und die Tendenzen der Geſellſchaft ziehen
lajfen. Unter adeligem Schutze tritt fie 1740 zu Pünchurg ing Leben, befteht in der
mecklenburgiſchen Univerſität und Hefidenz die erfte Feuerprobe, und holt fi dann
(1741) in Yeipzig den heißerflchten Segen Gottſcheds. In Hamburg tritt fie un-
mittelbar darauf jchon ziemlid) ficher auf, wird aber bier von einem böjen Unfall
erreicht, indem die begabteſten Dlitglieder unter Sophie Schröders und Adermanns
Führung eine eigene Iruppe begründen. Mit dem Reit feiner Kräfte zieht Schöne:
344 Tevrient H., J. F. Zchönemann und feine Schau'pielergeiellſchaft.
mann nach Berlin, wo er 1742—1744 verweilt, den „Starten Dann“ mühelos
verdrängt und den Schutz der (Wortichedianer genießt. In Breslau, welches er 1744
zum erjten Mal amd ſpäter oft wieder beſucht, bat er fich mit dem berüchtigten
Nomödtantenbäuptling Franz Zchuch dem Alteren auseinanderzuiegen: Leider Ind wir
nur über Die materielle Seite dieſer Kämpfe unterrichtet. Gottiched weiſt ihn dann
ı1744--174J5: nach Königsberg und Danzig, und dort führt er, teilweiſe unter des
Meiſters eigenen Augen, den reinen Geſchmack cin. Schon kurz darauf hört leider
der Hrienvechiel mit Gottiched außf warum, iſt nicht erſichtlich. Es beginnt nun
für Jahre ein Hin und Herwandern, welches für gewöhnlich von Breslau nach
Niederſachien über Leipzig Halle Rraunſchweig und wieder zurück führt, bis Die
Truppe 1750 am Schwermer Hofe enie feſte Ztätte und dauernde Zubventton
finder und von nun ab in Dev Dauptiache nur noch den Weg von Mecklenburg nach
Hamburg zurücklegt. Zwar bezeichnen dieſe Jahre den Höhepunkt von Schönemanns
Thätigkeit und das Jahr 1753 ſient im Schoße Seiner Truppe Ekhofs berühmte
Zchauipielerakademie entſtehen, aber auf die Tauer erwert ſich die größere Ruhe ale
verderblich: im Dezember 1757 löit Schönemann ieine Geſiellichaft in Hamburg auf.
el weniger als über das Schickial der Truppe eriahren wir über das Wie
ihrer fünitteriichen Leiſtungen In der Ihat tit bier Tevrients Material ſehr dürftig
geweien, ich kann ihn aber auch von dem Korwurßie mitt ganz freiiprechen, es nicht
ullerwwärts genügend ausgenunt zu haben Tas Buch veripricht auf jenen Titel,
nicht nur von der Truvpe, Sonden auch von ihrem Vrinzipal zu bandeln, und das
wire ganz richt:g geweiſen, denn erſtens war Schonemann, abgeieben von der Irkten
sent, offenbar nicht nur Dem kamen nach dev Yerter der Geiellſchaft, amd zweit né⸗
ſind wir gerade Aber Terme kunitleröchen Yemamaat and Veſtrebungen verbälme
mäßig aut unterrichtet Tas Urteil aber ihn harte Dabın zuſammengefaßt werden
tünnen, daß Schonemann ein geichnitskundiger und geichickter Prinzwal, aber ein
Mei und Kunſtler ven durite guem Mittelmaß geweien Serz auf dirie Charakteriſtil
hätte Tevrient mm zurnckkonemen minſien und Ne wurde vieles erklart haben Er
bat es veriäumt, weiber zunkeiner genügend klaren Keriſellung von ſeinem Helden
gelangt vr, den cc bald vellkommen richtig benrteilt. hald bedentlich iberichärt. Er
hebt ganz richt:g bhervor, daßz Schönemann als Priuzirat Nam Game Meinung bat,
iondern ich dem Geichmacke Des Publikums iſat 2 5621327, er ſieht auch, wie
grichickt ca of Be Reegungen eintlüftzreicher Mäinrer 6Iriedrichs Bes Großen,
Rückſicht zu nebhnuen acer Z 6: SE. aba an bemertt nicht. wie dieie Züge mit
Schonemanns gemnenevraktiicher Kat mm zuammenhang eben, er nimmt Die
plumvpen Schmeichkletenn des Komodtanten gegen wortiched S 23 Für bare Münze,
und gebt uber die gemeinen Rerleumdungen, Dre Schoönemann gegen Some Konkurrenten
ſchleudert Z 70: 76 und oiter, arglos hinmeg: auch den Wideripruch zwüchen
der Frommelei Des alternden Schhomnann 2 Iso und dem elenden Egoismus,
dent er namentlich ber Verabichtedung ver Tripre S 281 betundet, bat Devrient
ungeloſt grlaſfſen Sehr uberichaut hat ei ver allem den gaetit:gen Hornzont Veine®
Helden Er heurteilt ihn hauptiachlich nach Den Vorreden zu der 17418 1751 er
ſchienenen Schhönemannchen Schanbuhne, ver datt derenigen zu Band? Sin
großen Ausziigen mitteut 2 10 m: 1281 187 RI 200 5 Betrachter man Die
Korreden 36, jo wird man ünden, day Neon ihrem Stile nicht allzuiehr von
ZSchoönemanns Briefen abweichen. und daß ihr michterner, Selbitgefalliger Schein—
Idealiomus zu Schäanemanns Weren Schr wohl rast Wie anders aber ſieht es mit
der Borrede zum zweiten Bande" Wo bar Schonemann Dielen leichten meſtenden
Stil, dieſen eleganten Verrodenhau gelternt? Wie kommt er ya Divier rubigen, klaren,
auch um Korwurf noch milden Vortragsart? WVorm Soll ca ſeinen rund haben,
daß gerade er mit jo heionderem Rachdruck die gemütliche Zeite Dev Aunſinirkung
betont, daß er fo beicheiden dem frauzoinchen Theater vor dem deutichen den Nor
rang einräumt, daß er gegen allzu eirige Theolegen Me arzitoteliiche Nathbartis ın®
Feld fuhrt? Alles Das icheint mm weder Semi gemnutlichen noch geiitigen BRildung
Tevrient 9., I. 5. Schönemann und feine Schaufpielergejellfchaft. 345
zu entjprechen, und ich verjtehe vollfommen, wie Gottfched im „Nöthigen Borrath“
(3. 329; Tevrient 2. 146 Anmerkung) behaupten konnte, die Vorrede fei nur in
Schönemanns Namen abgefagt. Leider hat fi) Devrient davon nur infofern beein-
fluſſen laſſen, als er (S. 150) einen „intellettuellen Anteil“ Ekhofs an der Vorrede
für „nicht unwahrſcheinlich“ hält. Ich will mid) hier fir oder gegen Ekhofs Autor-
ſchaft — für die allerdings manches fpricht — nicht enticheiden; foviel aber iſt
fiher: von Schönemann iſt diefe edle und glänzende Nechtfertigung des Schau-
fpielerftandes nicht verfaßt!
Tag beweijen jchon die vier Übrigen Vorreden. Die zum dritten Bande enthält
eine Ztrafpredigt an das Publikum, die von dem würdigen Tone der friiheren Vor-
rede greil abjticht. Mit Ausdrüden wie „Barbarey”, „elender Geſchmack“, „Nieder:
trächtigfeit”, „Rhinoceros“, die Schönemann wohl aud) im mündlichen Verkehr nicht
ungeläufig jein mochten, iſt der Verfaſſer Schnell zur Hand. Beſonders ſchlimm ergeht
es den Ztudenten, die „den niedrigften Pöbel an gemeinen Sitten itbertreffen”, weıl
fie in Schönemanns Theater geraucht haben. Wie viel würdiger wußte Adermanı
in Halle (wo wohl aud) Schönemann feine böfen Erfahrungen gemacht hatte) diefer
Unfitte entgegenzutveren Litzmann, Schröder 1, 87)! Dan thut kaum zu viel, wenn
man jagt, daß derjenige, der eine jo pöbelhafte Vorrede fchreiben konnte, der er-
littenen Behandlung volltommen würdig war. — Eitel und felbftgefällig ift auch
die Borrede zum nächſten Bande, welche die Vorurteile gegen den Komödiantenftand
bekämpfen joll: an Ztelle der Katharfis wird hier die Erheiterung des Publikums
als Hauptverdienjt des Zchaufpielerd gepriefen, und das Ganze endet mit der Ber-
fiherung: „Hear, ich bin ein ehrlicher Dann!” Die nächſte Vorrede — deren Unwert
übrigens auch Devrient richtig hervorhebt — handelt denn us folgerichtig von ben
minder würdigen Nomödianten, natürlich mit den nötigen Ceitenbliden auf bes
Berfafjers eigene Vortrefflichfeit, und im fechiten Bande endlich lieft man eine Ab-
handlung über den Zuſammenhang zwiſchen Freibillets, Beifallklatſchen und Schau-
fpielerverbildung. — Nad) alledeın komme ich im Gegenfaß zu Devrient zu dem
Ergebnis, daß dieſe Vorreden weder für den Menichen nod für den Künſtler
Schönemann ehrend find, und daß es eritaunlid) ift, wie aus ein und demfelben
Kreife zwei jo verjchiedene Deinungsäußerungen haben hervorgehen können, wie die
Borrede zum zweiten Bande, die in der That ein Meifterftüd ift, und die vier
übrigen.
ß Richtig urteilt dagegen meines Erachtens Devrient über Schönemanns ſchau—
ſpieleriſche Leiſtungen. Er hebt iS. 12) hervor, wie der Prinzipal an der Aufgabe
fcheiterte, das brüllende Nezitierpathog der Haupt- und StaatSaftionen der eleganten
Schönheit der Franzoſen unterzuordnen. Uhlich äußerte gelegentlich gegen Gottfched,
Schönemannn ſchicke ſich bejjer zum Anmelder als zum Cäſar (S. 74), und nod)
in feiner letten Zeit erbrachte der Tireftor den Beweis, daß er im Laufe ber Jahre
nichts hinzugelernt babe ı £. 248 fe). — Schwieriger war die Frage zu beantworten,
was es mit dem vielberufenen gezierten Ztil der Schönemannjden Schule auf fid)
habe. Devrient vertritt den Ztandpunkt, daß der gezierte Stil durch Eindämmung
der alten Zpielart in die Regeln des franzöfifchen Geſchmacks entfianden jei, jo daR
alfo Schönemann jelbit fein Hauptvertreter wäre. Im Yaufe der Zeit habe dann
aber, wenigiteng im Luſtiſpiel, die Geziertheit größerer Natürlichkeit weichen müſſen,
und ſei nur zur Seit des Verfalls, wo das Ballet wieder eine Rolle fpielte, in
ſtärkerem Maße wieder bervorgetreten (5. 12. 134. 183. 250 f.). Im wejentlichen
ftimme ic) dem durchaus bei: Ekhofs Lehre in der Afademie (namentlich ©. 236 f.)
wie fein ganzes Leben bewerjen, daß wenigftens er fid) von der gezierten: Art frei
gehalten oder wahrjcheinticher noch frei gemacht hat, und es ift faum anzunehmen,
daß er mit dieſem Beſtreben follte allein geftanden haben. — Ebenſo berechtigt finde
ich es, daß Devrient das Zeugnis Brandes’ für die angebliche Verbildung junger
Yeute in Schönemanns Truppe für nicht gültig erachtet: was an Brandes in diefer
Beziehung geſündigt worden iſt, wird er wohl feinem geringen Talente zu verdanken
346 Devrient H., I. 5. Schönemann und eine Schauivielergeiellichaft.
gehabt haben »S. 2771. -- Troß meiner UÜUbereinſtimmung mit Devrient in Dieier
(GGrundirage und ihren Einzelheiten bätte ich aber gewünſcht, daß Devrient den
Erbiehler dev Truppe etwas ſtärker betont hätte. Es waren keineswegs mm der
Prinzipal und wenige andere »S. 12), Die an geziertem Spiel litten: noch 1767
iſtellte Leiſing in der Dramaturgie Stück 8; vgl. auch Stück 26: Schönemanns
Tochter Wat. Yöwen ein Zeugnis aus, das, To ehrenvoll cs fein mag, den ſicherſten
Veweis dafiir hiefert, daß in ihr der Weit der Schönemannſchen Schule fortiebte
Na, telbit Wiad. Ztarfe ſcheint ſich nicht ganz frei von dieſem Einiluß gebalten zu
haben: 1777, alio wanzig Jahre nach ıbrem Abgang von Schönemann, ündet
Schröder Libmann, Schröder und Gotter Z 30: noch Dinge an ihr zu vügen, die
anf Div alte Schule zurückzuwenen ſcheien.
Es ft zu bedauern, daß Devrients Quellen über die beiden letztgenannten
Rünſtlerinnen sowie über Tem. Schulz Mad. Bob nicht mehr geboten haben.
Tat von den übrigen Mitgliedern Ekhof ausgenommen nicht viel in Er
iahrung zu bringen war, iſt beim Schade: Uhlich und das Ehevaar Koch haben der
Truppe mir vorübergehend angebört. Krüger iſt irüh geiterben, und Die andern, an
Kr Spine Mad. Schönemann, ſind offenbar bloße Nullen geweſen. Tagegen
uwiindet man es wieder Schr ichmerelich. daß über Efbofs künſtleriiche Thaten To
wenig zu ermetteln geweſen vit Freitlich weiß uns Tevrient dafr zu entſichädigen
durch Div reichhaltigen Mitteilungen, Die er aus den Akten der ſogenannten Theater
akademie macht Er bat ſich dadurch, daß er dieie iberaus wichtige Tuelle allgemein
ugänglich gemacht bat 2 206 iin, cm außerordentliches Verdienit erworben
wehdes durch die engehende und treifende Wurdigung des bedeutiſamen Materials
red meint erhebt nnd mas Uhde in ſeiner Ekhef Bwographie Wottſichalls
Kama Flutarcheh. 1876, 2 112 ij ber die Alademie metgeteilt hatte, war gänzlich
anqgenugend sd hbentes nur, wie wenig dieier Bogrtaeh auf Dev Höhe feiner Huf
gabe ſtand Tirie Alade mite brdeutet im dev That einen rrülebeuden und enticheidenden
WVenderunkte ion der deunchen Theatergeſchtichte, denn bie begiunt der Zchauipieler
nand, db Ser außeren und mneren Würde zum erſten Mal vollaui bewußt z3u
Werde, Dia mad zu erten Niat die Selbſitzucht zum Hauptgrundiasß dev Filme
side and nmonschtatin Ausbeidung des Zchaumieters erhoben Allerdinas Bait
tan Nah urſhhi svıbekien und Devriein !T wud wiert entiernt Davon dan v3
mh been Pete trage SET te ablgemerne der auch nur innerhalb der Truppe
allgemeine Bergung vandelt: Ekhot it nahr nur die Zerle dis GVanzen, iondern
uberhaupt der ingige, in dein De muüen Gedanken lebendig wirken Ber rührendem
ter bemubht or N, der Uernisgenofien Bi wine Ideale don Kunſt und Leben zu
Eegriſtern und ne Kermirtlichung kraftuoll anzuhahnen Was kennte ev aber von
SR erwarten, Ar melihe es erit der Borschriften bedurfte, Dantıt fc nicht betrunfen
And ungerva'chen art Dev Bühne wrichtenen 2 2523572 Ne Wunder, Daft unter
Yoldıen Anmranden die Akademtie nur kurzen Veſtand baute Ein geringes War
der Schuld daran Afmant mir aher freudem auch auf Ethof zun iallen, der in ſeinen
Akademteriden Beh ab und su cfivas vom Selburberricher und Schulmeiſter verrät.
AR einen beionderen Borzua von Ten icuts uch halte ich Die öorgfältige
Veruckiichtigung von Schönemanns Zrmivine Da th von den neun Anfenthalten
SZchhoöonemanns in Hamlurg 1741 1757 wertans die meiſten ZJettel erhalten haben
und andere Tenellen wenigſteus ab und zu zur Ergänzung herbeigezogen werden
toten, So tan ein zwar durchaus nicht vollitandiars, in dev Hauptiache aber doch
ansreichendes Uöaterial vor Zihemamann begmunt mit emem Zpielplane, Der Ztaate
attionen und Harlekrnaden in hunter BRichung nut regelmaſtigen Stücken bietet
Z 17182 wilhit unmittelbar nachdem er ſich in Leipzig bei Wottiched veriönlich
eingeführt bar, taten in Hamburg noch Haupt und Stgatsaftionen auf, Die auch
1717 noch nicht vollig verichwunden And zZ 32 7: 340 Stucke min dem Harlefin
halten iich qleichiallzs bus 17872136, vereinzelt De Vlrles Timon zZ >10
ipaar bis 1750 obwohl Tevrient Z 17° das heitrunmt: der verkappte Dane
Drvrient 9., I. F. Schünemann und feine Schaufpielergejellfchaft. 347
wurst wird ſein Zpiel wohl nod) beträchtlich länger getrieben haben. — Was die
Zufuhr neuer Stücke anbetrifft, To glaubt Devrient großen Nachdrud darauf legen
zu müſſen, daß Schönemann jchon 1741 in Hamburg Molières 5 „Preciöſe“, Holbergs
„Bramarbas“ und Rorkeniteins „Hoofesbeutel“ aufgeführt habe (S. 35 fi.). Ich gebe
u, daß damit ein Weg eingeichlagen wurde, der ſchließlich von Bottiched abführen
mußte, hätte aber einen nachdrücklicheren Hinweis darauf gewünſcht, daß es fich hier
nicht im entfernteiten um eine bewußte Abkehr von Gottfched Handelt. Molière
ſowohl als Holberg baben in der Schaubühne Gottſcheds ihren Pla gefunden, und
auf den „Bramarbas” wird Schönemann fogar durch die „Echaubühne” geführt
worden jein. Überhaupt wäre es angebracht geweſen, bei der Beurteilung des Ber:
hältniſſes zwiſchen Schönemann und Sottiched den Zpielplan des erfteren mehr im
Auge zu behalten: von den 37 Ztüden der „Schaubühne“ hat Schönemann minde-
jtens 26, wabricheinlich jogar 29, nad und nach zur Aufführung gebracht. In
Devrients alpbabertichem Verzeichnis, S. 372 ff, vermiſſe ich Gottfcheds „Blut:
hochzeit“ [ugl. Z. 356], Holbergs „Kannengießer“ S. 97; 127.) und die, nad) S. 90,
doch wohl audı 3 zu nennenden Ztüde „Dido“ von Schlegel, „Mahomet IV. “ von Krüger
und „Eliſie“ von Uhlich. — Weniger noch als in dem Hamburger Spielplan von
1741 vermag ich in Dem von 1747 (S. 123 ff.) eine entſcheidende Abkehr von
Gottſched zu erkennen. Wenn schon jich unter den Stücken, die bier zum erften Mal
nachweisbar ſind, nur drei Tragödien, dagegen 30 Luſtſpiele (nicht 315; der „Kannen—
gieper“ war nach 2.97 jchon in Danzig aufgeführt) und zwei Zchäferjpiele befinden,
jo darf man nicht überſehen, daß von diejen 32 heiteren Stücken nicht weniger als
20 Einafter find. Dieſes ſtarke Anwachſen der regelmäßigen Eleinen Yuftipiele —
denm um ſolche handelt es ſich meiſt — ſcheint mir mit dem offenbaren Rückgang
der Harlekinaden und improviſierten Nachipiefe im Zuſammenhang zu ſtehen, bedeutet
aljo fein Abweichen von Wortiched, jondern im Gegenteil ein Fortſchreiten auf jeinen
Bahnen. Yon den übrigen 12 vuſtſpielen begegnen wir vieren überhaupt nur in
dieſem Jahre, drei weitere baben fich nur bis 1751 gehalten: das Luſtſpiel „Der
Wilde“, welches längere ZJeit beliebt blieb, war allerdings unregelmäßig (Z. 128 if.
aber der Reſt, Molieres „Geiz iger” und „Tartüffe“, Regnards „Zpieler” und Tes-
touches' „vertiebter Philoſoph“, iſt nichts weniger als revolutionär. Wie lange noch
zeigt überdies der Inhalt der Schönemannſchen Schaubühne den Prinzipal in voller
Abhängigkeit von Gottſcheds Geſchmack! Dagegen ſtimme ich mit Devrient vollkommen
überein, wenn ev großes Gewicht auf das immer ſtärkere Eindringen des rührenden
Luſtſpiels legt. Zeit 1750. S. 178 8.5 221.) Hatte auch die Gottſchedin ſelbſt noch
die Céènie überſetzt, To führte doch dieſer Weg unmittelbar ins feindliche Yager, das
heißt für Schönemann zur Aufführung des Georg Barnwell“ von 1754, der erſten
in Deutſchland 1 Z. 2411, welcher Schönemann zwei Jahre ſpäter den „Spieler“
von Moore und, nach Ackermanns Vorgang, Leſſings „Miß Sara“ folgen ließ
(S. 266 ff.. — Unklar iſt nur, wie Devrient (3. 179) Werke von Regnard, Ye
Grand, de l'Isle, und das „Teſtament“ der Gottſchedin zu den rührenden Luſt—
ſpielen rechnen kann. Verſtehe ich etwa die Stelle falſch? — Bemerkenswert iſt
endlich, wie bei fortſchreitendem Verfall der Truppe (1756) neben dem ſtattlich an—
wachſenden bürgerlichen Trauerſpiel und der Rührkomödie auf einmal wieder Ballet
und Pantomime auftauchen 12. 264 ff.). Es iſt das auf der Bühne ber gleiche
Widerjpruch, dev in Leben ın dem Bruch zwischen Schönemann und Efhof (2. 279 f.)
zum Ausdruck konimt. —
Im einzelnen laſſen ſich die Angaben Devrients, namentlich die über den
Spielplan, bie und da ergänzen und berichtigen. Tas Z. 157 und öfter erwähnte
Luſtſpiel „Die Familie“ iſt identiſch mit dem von Leſſing im 17. Stück der Tramaturgie
bejprochenen „Iſt er von Familie?“ Der Verfaſſer iſt richtiger L'Affichard als Ya
Fichard zu jchreiben. Bon ihm ging zu feinen Lebzeiten der fchöne Bers:
(Juand Tafficheur affiche L’Affichard,
L’afficheur affiche le poete sans art.
348 Devrient H., I. F. Schönemann und ſeine Schauſpielergeſellſchaft.
Wenn S. 194 f. Devrients Quelle der Gottſchedin einen „Triumph der guten
Frauen“ und dem Destouches einen „Spieler“ audichtet, jo hätte der Verfaſſer ſich
nicht verleiten laſſen ſollen, daraufhin in ſeinen Tabellen dieſe beiden Stücke neben
den entſprechenden von Schlegel und Regnard beſonders auzuſetzen: auch ſehe ich
nicht ein, warum der S. 235 erwäbnte „Demoeritus“ nicht das Stück Regnards
ſein ſoll. Ebendort ſetzt Devrient auf Grund eines offenbaren Schreibfehlers der
Altademiealten einen beſonderen Tichter Saint Voix neben Saint Foix an, des
gleichen in den Tabellen. Dev S. 364 1und öfterı erwähnte Dichter des vuſtipiels „Der
viebhaber als Schriftſteller“ heißt Gerou, nicht Keron, wenn ſchon ibn die älteſte
deutiche Überſetzung :1755, o. O. Ceéeron ſchreibt; Yeiting im 14. Zrüd der Trama
turgie giebt die richtige Form. Tas in der Tabelle S. 359 angeführte Ztid
„Hamburger Vorzüge“ iſt nach Tevrients eigener früberer Angabe S. 46: von Treyer:
Veriaſſer der „Braten“ - Z. 362 und öfter It Zamt Foir, des Traueriptels „Cajus
Fabrieins“ »S. 356. 365: nad Wordele 35, 359 Müller, der „Pariſiſchen Blut
hochzeit“ - 2. 355. 367 Gottſched. Die „Inſel der Vernunft“, Die „Stlavenmſel“
und „Ter andere Betrug der vLiebe“ »S. 356 1.2367 ſind von Marivaur verfaßt
und von Krüger überiegt, dev „Amphitruo“ »S. 357. 367 iſt von Moliere, der
„Verläumder“ «ebenda- von Testouches. Der an den gleichen Stellen erwähnte
„Hulla“ wird wohl identiſch fein am dem 1747 in Erfärt erichienenen Einakter:
„Die zſollte heißen: Ter vergnügte Hulla oder das verſtoßene Eheweib, aus dem
Franzöſiichen überießkt“ Goedeke 35, 2.566. Es nit offenbar eine verkürzte Br
arbeitung von Worzis „glücklichen Yettlern”. Unter den „Papinianus“S. 366
377, der von der Schauipieleratademie als veraltet falltert wınrde, wird man wohl
- MOB der irrtümlichen Bezeichnung „Luſtipiel“ die Tragödie des Wrupbius zu
deriteben baben, und zwar m einer abulehen Bearbeitung wie dieienige, die Heine
entdedt hat Zzeitichriit fur deutſches Altertum 25, 156. Zu Hagen babe ich über
Die alphabetiiche Tabelle S. 372 ii. Zo fehlen Gotticheds „Rluthochzeit“ und Holbergo
„Rannengieſter“, wie ich zufallig gefunden babe, gauz darin: ber andern Stücken
felut Dev Veriaſier, obwohl DTevrieut ihn kenut: So 2.374 beim „Nengierigen Ehe
mann“ Allampal, beun „Ehemann durch Betrug“ Boiſin, S. 377 bei der „Panthea“
Die Gottichednunnn Tie beiden andern Tabellen Z 558129069 18: babe ıch, ab
qrieben von den bereits genannten Hemen Irrtumern und Yiden, bewährt gefunden
Aber kann Das Z 550 und 572 erwähnte Stüch „Ter Unempfindliche“ von Chri
man Felix Weiße Z 372 Itcht durch Truckfehler Joh. Acta jein, wenn es nadı
S. 45 Anmerkung ſchon 1711 auf Schönemanns Bühne war?
Z 161 finde ich Die Angabe, Wortbe babe von Weblar aus den „Goöb“ au
Gotter nach Worba geiandt, damit er ihn der Zenterichen Truppe zur Aufführung
ühergebe Schon Uhde bat Reichards Zelbitbiograpbie S. 09 Anmerkunge die Un
richtigkeit dieiſer Augabe dargethau: Die belannte Epiſtel BGoethes Henpel 3, 146 fj
bezieht Ib ebenso wie Gotters Antwort «ebenda auf Wotters Prwattheater in
wWorbaz übrigens kann nad Dev ganzen Haltung Dev Epitelt von etuem ernſt
haften Klane den „wor auizuinhren, gar nicht Die Rede ſein vgl meinen Gotter,
zZ nf 2.170 kommt Tevrient auf eine unanſtandige Hanswuritfaree zu
ſprechen. Die nach Flogels Geichichte des rotes! Komſchen Schönemann ſich im
Sabre 1719 aui der Breslauer Bühne erlaubt haben ſoll. Devrieut meint, daß Te
wohl eher Schuch als Schonemann zuzutraäuen er Ich ſtimme nicht nur dieſjer
Rermutung zu, ſondern erinnere mich Sogar auis beſtimmteſite, dieie Weſchichte
irgendwo unter Schuchs Ramen qefauden zu haben: leider vermag ich nicht mehr
anzugeben, wo? Ter un'anbere Scherz selben übrigens alt. VRgl. Zen'chrift für
deutiche Fhrlologie 21, 280.
Devrients Mertonit ilott und ſicher geichrieben Ter Verigfer hält ſich von
feutlletomitiſcher Zchönrednerer ebenſo Fern wie vom trockenen Schulmeiſterton. Nur
wenn er „Solitter aus der Vergangenheit wetter” -Z 102 oder Halle für „Das
Zanlneit zwiſchen der piettichen Unwerütat und den Komödiantenbanden“ erklärt,
Ellinger G., Friedrich Nicolais Briefe. 349
möchte ich gegen den Stil Einſpruch erheben; auch anderwärts find die Bilder nicht
immer forgjam durchgeführt. Doc, will ic) dem Berfaffer darum ebenjowenig grollen
wie wegen der Drudfehler, die hie und da ftehen geblieben find und von denen ic)
mm das „Sauſpielhaus“ (5. 317) zur Freude harmlojer Gemüter mitteilen will.
Zum Schluſſe wiederhole ich, daß Devrients Buch eine fehr dantenswerte
Yeiftung ift. Daß es frei von Fehlern fei, wird bei der Schwierigkeit der obendrein
nicht einmal allzu dankbaren Aufgabe billigerweife niemand verlangen können. Es
verrät, von einigen Ausnahmen abgejehen, ein gereiftes Urteil, und. wenn id) ihm
außerdem noch Fleiß nachrühme, fo gefchicht das keineswegs in dem Sinne, in
welchem heutzutage jeder Ignorant fie berufen fühlt, über ernfthafte Werke abzu-
urteilen.
Rena. Rudolf Echlöfjer.
Ellinger G. Friedrich Nicofais Briefe über den igigen Zuftand der ſchönen
Wiſſenſchaften in Deutfchland..1755. (Berliner Neudrude. Herausgegeben
von Yudivig Geiger und Georg Ellinger. Dritte Serie. Zweiter Band.)
Berlin, Gebrüder Bactel. 1894. 5 M.
Altenkrüger E., Friedrich Nicolais ugendfchriften. Berlin, Heymann. 1894.
2 MM.
Nicolais Anfänge entbehrten bisher einer jelbftändigen Unterſuchung. Bloß
mit und neben Leſſings Thätigkeit gejchah ihrer Erwähnung. Wir begrüßen bie
beiden vorliegenden Arbeiten, die einander gegenfeitig ergänzen, mit Freude. Ellin⸗
gers Neudrud legt diegenige Schrift Nicolais vor, die ganz mit Leffings Art genährt,
berechtigt als Vorläuferin der Yitteraturbriefe gilt. Ihr Verdienſt liegt in dem ernften
Ztreben, die Reime litterarifchen Schaffens durch eine gefunde, über den Parteien
ftehende Nricif zu befruchten. Daß es zuvor galt, die noch unverwejten Knorren und
Hezweige der Yeipziger und Züricher Schule auszuroden, entging Nicolai ebenfos
wenig, wie er ſich aud) darüber Far war, dag an die Stelle des Alten ein Neues
treten müſſe, dem die Wege zu bahnen und Richtung zu geben die pofitive Seite
der programmatischen Arbeiten fein jollte. Und mit mehr Mut als Nenntniffen
ausgerüftet, ſetzt der Einundzwanzigjährige die fcharfe Art der Dialektif an den
Eichenitrunf im Leipziger Poetenwalde und thut feinen Hieb umjonjt; denn twohl-
geführt treffen die wichtigen Schläge auch jchon beim jedesmaligen Ausholen eine
der Dryaden Schönaich, Friller, Naumann und Genoſſen. Und che nod) in den
Schweizer Bergen ein Lachen des Beifalls vernehmbar wird, trägt jchon ber Wieder:
ball die gleichen Klänge des Reutſpatens auch von bier aus in die Lüfte. Doc) fie
verhallen nicht erfolglos, fondern treffen unter vielen anderen eines Lejfing Ohr,
der von nun ao fi des unbelannten Mitarbeiters zu gemeinſamem Schaffen ver-
gewiſſert. Wieviele der Hiebe jagen, wo Nicolai über das Ziel traf, und wo er
mitunter auch zu rückſichtsvoll vorging, wie gegen Wieland, dag rechnet ihm der
Herausgeber in der knapp gehaltenen Einleitung gewiffenhaft und treffend nad)
und kaun unſerer Zuſtimmung gewiß jein. Seine Ergebniffe verfhieben ja auch die
gelänfigen Vvehrſätze der Yitteraturgejchichte fiber diefen Zeitraum nicht, wohl aber
haben ſie den Wert erneuter Betätigung.
Tie „Briefe über den itzigen Zuſtand“ zeigen Nicolai einen Schritt hinter
Leſſing, für einen Augenblick faſt neben ihm in einer Reihe, alſo von der vorteils -
hafteſten Zeite, die fein litterariſches Porträt aufzumeifen hat. Sie bilden demnach
ganz naturgemäß den Mittelpunkt von Altenkrügers Schrift Über den jungen Nicolai.
Und da feine Publikation gleichzeitig mit und unabhängig von der Ellingers ent-
ftand, jo liegt eine Vergleichung dev beiderjeitigen Refultate nur allzu nahe. Einig
find ſich beide Verfaſſer fiber den völligen Mangel an muſikaliſchem Berjtändnis
bei Gottſched, der im III. Briefe fich desivegen eine ſcharfe Zurechtweifung gefallen
Euphorion IV. 23
350 Ellinger &., Friedrich Nicolais Briefe.
laſſen muß. Sie ſtimmen auch darin überein, daß der Vorwurf des X. Vriefes,
Gottſched babe um die Veröffentlichung des Neologiſchen Wörterbuches gewußt und
erſt nachträglich ivde Teilnahme daran abzuleugnen geiucht, berechtigt ſei, wenn auch
Ellinger S. Vlr aus Briefen Schönaichs und Reichels an ihren Meiſter mildernde
Umſtände für den Beichuldigten geltend zu machen weiß, während Altenkrüger
Nicolais ichroifer Aburteilung zuſtimmt. Einig find fich ferner beide — was filr die
gewonnenen Reſultate am meiſten von Bedeutung iſt — über das Maß des Yeifing
ichen Einfluſſes, der ſich mebr auf die allgemeinen Geſichtspunlte der Kritik und
einzelne Ausdrucksweiſen, weniger auf die Stilform der Briefe als ſolcher kurz be
ſtimmen läßt. Wir baben feinen Grund, an den Worten der Vorrede zu zweifeln.
daß Die Vollendung der „Briefe“ in das Jahr 1754 falle und bloß Umſtände
halber fich verzögert babe. Dadurch iſt eine dirette Einflußnahme Yellings ohne
weiteres ausgeſchloſſen. Der wiederholte Hinweis darauf, „daß Die meiſten
deutſchen Schrütſteller aus dem Innerſten ihres Kabinetts ſchreiben, und die Welt
wenig oder gar nicht kennen“, dev umausgeiette Ruf nach einer ſelbſtäudigen, um
beeinflüßten Kritik und Empfehlung des engliſchen Zchauipiels unter gleichzeitiger
Verdammung dev Franzöttichen Regelmäßigkeit zeigen Ricolai ſchon auf den Zpuren.
die nachber ein Leiſing als Vorkämpfer unentwegt gewandelt if. Die Hindeutung
darauf hätte ſich Alteutrüger nicht eutgehen laſſen ſollen, dem gerade dieſe Punlte
gehören zu den wenigen poſitwen, aufbauenden Ergebniſſen dev „Briefe“, deren
weitaus größere Zahl m dev Richtung zerſtörenden Negierens Liegt. Ber dev Br
ſprechung Dev Uberſetzung des Batteux durch EGottiched gehen die Meinungen der
RKeriaſer ansemander Nicolai bezichtigt den Uberiekzer der Fälſchung, und zwar der
wüſentlichen Fälſchung. Altentruger S. 19 schließt ſich ihm an und beruft ſich
daraui, daR „bon vie bloß oberilächliche KRergleichung“, die an zwei nicht eben
beweiskräftigen Veiiptelen durchgeiuhrt wird, zu Dieier Uberzeugung führe Ellinger
dagegen Z V wer De Beſchuldigung unter Rezuguahme auf „eine genaue Ber
aleichung“ Des WBortihrdihen Auszuges mit dem franzyoisien Original nid und
verſichert, daß der Unterschied Ach nur auf wenige Miſtverſtänduiſſe des ſprachlichen
Ausdructes beichränke oder aus dem Veitreben nach moöglichſter Kürze entiprungen
won allgememen kann mar indeſſen Sage, daß fh Derartige Stellen nicht
allzu bung Anden und dar ſie Fat nirgends prinzipelle Fragen berühren.“ Ja er
jindet, Dev Uuszug ielbit ſet mit unleugbarem eich gearbeitet und gebe, wenn
auch maunnigiache ob nicht iehlen, ein zutreifendes Bild des Vatteuxſchen
Zuſtems.
Uber die geplaute Umarbeitung der „Briefe durite Attentrüger aus einem
auigeſundenen Danderemmlar des Veriaſfiers Rechenichaät geben DTie Andeutungen
ſind aber nur iparlich. Es Sollte die gezwungene Scheinvertieidigung Dev Schweizer
VI und XIV Brircit, die Auscinanderienung über Wernickens und anderer Epi
Aramme AN and Fallen geladen werden, desgleichen die Probe der engliſchen
Uberienung aus Klents Frühliug me XVI Briefe, die aus Nicolais Frühzeit
herruhrt Tafur waren geplant „Ein Briei, uber Patriotismus, oder die Erkenntniß;
unmeres Werthes, beſonders gegen die Franz wie nothig Meta . . . . Wie nöthig
aber auch Erkenniniß deſen, was uns fehlt“ „Ein Brut über die franz. und engl.
vettür, Dive Teutichland zummmt“ amd „Ein Vrief von dem Umgange der (We
lehrten nt den Großen“ „u dieien Tueln“, Sagt Altenkrüger S 60, „kommen
meiit weitere itizzierte Uusſuhrungen, Die den Gedanlengang dev Briefe wenigſtens
tellwene richteten laſſen“ Warum tbut nun Dr Veriaſier dieſe Schlüſſe nicht oder
deutet Ne wenzgitens nicht an? Ellingers daraui zielende Anmerkung ; 2 VT- batte
uns ja ichon recht neugterig gemacht Darauf
Altentrüger bat in ſeinem eriten Kapitel Nıcolars äußeren Lebensgang bis 1765
gezeichnet, im zweiten die litterarüchen Anfange geichridert, worut von zwei bisher
unbekannten Jugendverinchen Iwolars Nachricht gegeben wird. DTer erite tt der
Kram eines Heldengedichtes auf Klopſtoch, in nachahmender Manter gehalten, etwa
Hodermann R., Geſchichte des Gothaiſchen Hoftheaters 1775-1779. HL
aus dem Jahre 1748/9 ftanımend (gedruct 1752 in 6. Nicolals „Sammlung einiger
Schriften der Gefelljcaft der Freunde der ſchönen Wiffenjcaften in Halle ac.“), der
andere ein Beitrag von vier Briefen zu J. S. Patzles Freundſchaftüchen Briefen“
(1754), und zwar die Briefe Nr. 38. 39. 40. 77. Alr die beiden mittleren ift der
Beweis durch Briefſtellen Ewalds aus äuferen Dierkmalen leicht zu erbringen; file
dei erſten hat Altenrüger mit anertennenswertem Eifer die Zuweiſung aus inneren
Grüunden verfucht, fiir dem letzten mit Gewandtheit und Sicherheit durchgefuhrt Der
yofitive Gewinn aus den Briefen fetbit ift allerdings micht body ensufclagen: Der dritte
Abfchnitt ift, wie oben erwähnt wide, den „Briefen“ getvidinet, die beiden feisten
handeln von der „Bibliothet der jhönen Wiſfenſchaften und freien Kinfte“ ınıd dem
Anteil an den „Fitteraturbriefen“. Im Verlauf der ganzen Abhandlung ift viel ums
gedructes Briefmaterial mit (obenswerter Zurlichaltung herbeigezogen, die Unter-
fushung forrett und angejichts des Yobes, das Nicolai ım der eriten Hälfte zu teil
wird, maßvoll gereht, wo «8 jpäterhin auch zu tadeln galt. Die Darjtellung jelbit
ft flott, ja manchmal fait zu flott, und id) fan cs dem befreumbdeten Mutor nicht
erfparen, aus meiner anfehnlihen Sammlung „Spradjlihes” Einiges vorzufübren:
2.25: „ernftbaft gemeinteften“ für „ernfthafteit gemeinten“. &, 37; „feinen Mann
fand“ ftatt „itellte*. S. 52: „Die Briefe enthalten eine poetifche Stelle, die Ewald
allerdings ſehr bewunderte, [sc. die] uns aber für den Dichter micht eben ſehr ber
geiftert.” ©. 73: „wo fie fich einander dem Mang ſtreitig machten“ und andere.)
An Drudfehlern herrſcht gerade aud) Fein Mangel.
Ellingers Neudrud dagegen it mufterhaft gedruckt und hat mit Recht auf die
Erneuerung der Epigramme zwijchen dem IX. ud X. Briefe?) verzichten, —
die fangatınige Vorrede von Nicolais Bruder Gottlob Sammel übergangen. J
möchte ergänzend daraus nur ein treffliches Wort heransheben, das gleihjam al
Motto den „Briefen“ vorangeftellt zu werden verdiente: „Wir erfemen im dem Heid)
enjchaften feinen Papft und feinen Monarchen, deffen Machtipriche wir als
4 verchren müffen.“ Ein ähnlicher Gedante fehrt in Nicolais vorangefchicter
„Nachricht“ wieder. — Die Benutung des Neudruds wird dadurd) jehr eichiwert,
daß die Zeitenzahlen des Originals met vermert find, noch mehr durch das Fehlen
der Nummern der einzelnen Briefe auf jeder Seite, jo daß man gezwtingen Äft,
allemal vor oder vichwirts zu blättern, bis man ſich orientiert hat, im erft von
da aus zu dem gefuchten Briefe langfam vorzudringen. Schon ein Inhaltswerzeichnis
it Angabe der Zeitenzahten hätte dem Mangel abgehoffen.
Berlin Richard Rofenbaun.
Hodermann R, Gefchichte des Gorhaifchen Hoftheaters 1775-1779, Nach deu
Quellen, Theatergeſchichtliche Forihungen herausgegeben von B. Yismann,
IX.) Hamburg und Yeipzig, Yeopold Voß. 1894. 3.50 M.
In diefem IX. Hefte der jo werdienftlichen theatergejhichtlichen Forſchungen
Yismanns liefert Hoderimann, der feine Berrrautbeit mit Sorbaichen Theaterverhälte
nifen neuerlich in jeiner Gelegenheitsfehrift Über Georg Benda dargethan hat, eine,
wie wir annehmen wollen, gründliche und geniffenhafte arhivalifche Arbeit: nicht
mehr und nicht weniger. Wir werden ganz gut und ausreichend ovientiert, wie Motte
den Sinn für theatraliiche Yeiftungen in Cokha zu wecfen werftand und im vichtigen
Augenblid Seyler herbeinurufen wußte. Die einzelnen Dütglieber der Seylerichen
Sefellichaft, zu der damals noch Ethof gehörte, werden vorgeführt und ihrer Fabige
') Diefe Bemerkungen verfehlen ihren Zwech da der junge Autor impwifchen
einen tücliſchen Yeiden erlegen ift.
2) Bql. Berliner Nendrude II, 4
aan
353 Hodermann R., Geſchichte des Gothaiſchen Hoftheaters 1775— 1779.
tert und Beliebtheit nach dharakterifiert, die wwichtigiten auch in knappen Yebens-
abriiien mit manchem wiſſenswerten Intterarbiftoriichen Detail dargeſtellt, das
Repertoire wird mitgeteilt und auf Die GErftaufführungen mit Recht beionderes
Gewicht gelegt. Wir erfahren, wie dann Zenter plöglich fich ſeiner Gothaer Ber
sflichtungen entledigte und wie bei der raſch theaterfreundlich gewordenen Gothaer
(Sejellichaft der Plan, unter der Leitung Ekhofs und Reichards ein Hoftheater zu
gründen, Anklang fand. In etwas weitichweifiger Weiſe und unter Zuziehung der
Triginalaften wird ſodann die Gründung und Einrichtung des Hoftheaters und die
Aldung des neuen Enſembles dargelegt Hier macht ſich die Freude am Stoije,
wie fie Archivforſchungen häufig im GGefolge baben, mitnuter in einem ſtörenden
Uberfluß des Details bemerkbar: iſt ſchon div Gewiſſenhaftigleit, mit der über die
Finanzgebarung des neuen Inſtitutes berichtet wird, etwas ermüdend, jo dürite
namentlich Die Aufzählung jener Gothaer Familien, die dev Eröfinungsvorſtellung
anwohnten «»S. 31, außerhalb Gothas nur ſehr geruiges Jutereſie erregen. Witt
großer Genauigleit wird dann eine Art Diarium fir dieſes erſte Theateriahr ent
worfen, Premieren. Tebuts, auswärtige Beſuche, Veränderungen im Enſemble
werden verzeichnet, Gagenbücher und ſonſtige Tohumente abgedruckt, auf die Grün
dung emer Penſionskaſiag fir Zchanidieter wird beſonderes Gewicht gelegt, Ta der
geiſamte dieſes Inſtitut betreſſende Altenwechſel wird mitgeteilt. Tas zweite Theater
ſahr wird durch Den recht anichaulich aeichitderten Veſuch des Wiener Hofſchaufpielers
Müller eigeleitet, dev über Auitrag des Fürſten Kaunits eine Nee durch Deutjch
land unternahm, um öriiche junge Kräfte für das Wiener Hoftheater zu gewinnen.
Rachdem hierauf das Hoitheater durch das gemeinſame Wirtken der vortrefflichen
Zchauipieler Pot, Bat und WVJiiland ieinen Hohepunktt erreicht batte, zeigten
ch bald die eriteni Unzuirredenen Gehalterhöahung wird verlangt, Anderungen in
zen Penſionsverhaltiizien werden angenrert Tas dritte Theateriahr beginnt mit
an vergrblichen Bache von BD Mer, in Gotha cur Eugagement zu finden
Finzelne Bühnendichter treierenn Rauges bewerbein ſich um dv Aufführung ihrer
Ztucke un Gotha Fie Unzuiriedenheit unter den Theatermitgliedern nimmt aber
mtr mehr zu: Geruch um Vegleichhung von Schalden, um Vorichütie mehren ſich,
der Oberdirettor üeht Mb genetigt, zu CARE act Ola Div Tisviplinardor
hyrüten zu erlauterun Ter Tod Ethois tragt weleattatt sin Yorterung aller Bande
st An Ethois Sielle als Unterderektor keitt mit einem Mean Nontralte Dev Schau
plan Put, der 'otor: Netfarmen Deine Aher inteidrſien hatten ſich Die
raumbariten itzliedern Di State berzaiei SED amt "on Stelle waren IT ver
»uzelt mein riaenimiee geteet nn Sue Sahara ide dieſes leüten Jahres
vildete eine Murtubang des Ham!et Er eine: Fratu Madame bt im der
Titelröalle Xur; daraui im VParz des Jalnes 17732 warde den Thealer
ritetgtieder:s die A Midas icitaeritte “laiteltitig Des Poitheaters zur Kenntins
gebracht Ta Ws At dieicit? chrit: U dm nach zeetaeneaiſtichen Autoren dar
deuelit and war rand tes Marta and Drovan bit Zmanrieler nochmals
charatiereuer? So. dest trat ereiten tt Volgaaptett at Mantubeint Sypatere
srl, das Teat, nbovente pri, dot bei ade bein Herzog „Toy Dot
Beate,” do POTTER Do Boa. DT Joerheing zammen, „beiaß gute
Prrgladır und DEE Mein beit Tre Dantaende TER. ES ZRCLIE und veredeln
md du Pmtenzanta le Dr Zend der Zbastiniir. blenein:tich und Sretlich "Mu
Heöoderinanns Zattiiang ich!teut! born SET, der ueieren Pratäigehditlichen
NORDEN DE sr ME qere oalest ed Valle in und Auegabe mt Den vier
brain. 0 WITT HEPIENEE Da KT bee Dip, das Recrrtone
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Di Leni fon Me tiltbahal UNO ei. 0. AU eobtisiheai STD ill ade
duo Boy AED. abkbibitoacn Sal Zhdi. . .. Bor Jer:geni LBeiung
Portig G., Schiller in ’einem Verhältnis zur Freundfchaft und Liebe. 359
find die dürftigen Auszlige aus den Alten des Oberhofmarfchallamtes, deffen Archiv
Hodermann übrigens’ feither in anderer Weiſe verwertet hat.
Eo giebt denn, wie gefagt, das Buch Hodermanns ein recht Flares Bild von
der Gründung, Entwidlung und Auflöfung der Gothaer Hofbühne, ein Bild, das
durch eins der nächften Hefte der theatergefchichtlichen Forſchungen, SC chlößers „Bom
Hamburger Nationaltheater zur Gothaer Hofbühne”, ſeither noch an Deutlichkeit
und Bielfeitigfeit gewonnen hat. In der Darftellung wäre, ‚wie bereitS bemerft
wurde, cine feftere Bejchräntung auf das Weſentliche wünjchenswert; jo tonnte
manches Aktenſtück nach entjprechender Verwertung feines Inhaltes getroft in den
Anhang verwiefen werden. Außerdem fällt ein Hang zur Flüchtigkeit allenthalben
auf. Zo wird einmal (5. 35) der PVerfaffer ‚der „großen Batterie” Ayrenhöfer
genannt. Nachläſſige Konftruktionen giebts im Ülberfluß. Es findet fi) auf ©. 10
eine wunderliche, halb an die Inverfion, halb ans Anafoluth gemahnende Spaltung
des Zubjeftes: „Ernft II. gelangte zur Regierung, Seyler fam nad) der Nefidenz,
Brandes und feine rau.“ Ein völliges Anatoluth bringt S. 37: „Mad. Mecour
ging mit einem poetifchen Abfchiedsgruß von Gotha. Gotter und Dauer waren fo
galant, fie waren auch fo galant gewefen, Rollen für die Mecour bau fereien
Daß Gotter und Dauer offenbar aud) fo galant waren, für den poetifchen Abſchieds⸗
gruß zu jorgen, muß der Yefer ergänzen, fo gut er fann. Ebenjo wirr heißt es auf
Z. 119, als vom Verſuche Bellomos, in Gotha ein Theater zu gründen, die Rede
it: „Er bat um die Erlaubnig [was zu thun?) und das Hoftheater und fie [mer?]
erhielten nichts als die Erlaubniß.“ Im fchönften Telegrammftil ift auch der zweite
Abſatz auf S. 67 abgefaßt. Ziemlich gedankenlos wird auf ©. 110 die Qualififation
der Madem. Preifing und der Madem. Hartmann zweimal hintereinander gegeben.
Zermutlich Liegt der Jrrtum in der von Hodermann citierten Quelle (Koffla, Iffland
und Talberg). Ab und zu, fallen Abfonderlickeiten auf: jo ©. 117 die ſchöne
puriſtiſche Neubildung „er briefwechjelt“, die im 18. Jahrhundert beliebte itafienifche
Schreibweiſe „Zinfonie” (während S. 100 das „pfychopatiſch“ wohl zu den Druck⸗
fehlern gehört), das wunderlich fremd anmutende „Ephraim Leffing“ auf S. 41 und
einiges andere. Eine recht papierene Phrafe ift die „noble wiffenjchaftliche Popula⸗
rität“, die auf S. 86 dem Buche Uhdes iiber Ekhof nachgerühmt wird. Endlich
wäre bei dem fichtlihen Streben des BVerfaffers, fein Buch brauchbar und handlich
zu geftalten, ein Regifter nicht von Nachteil geweien.
Prag. Rudolf Fürft.
Portig G., Schiller in feinem Verhältnis zur Freundſchaft und Liebe, forwie in
jeinem inneren Verhältnis zu Goethe. Hamburg und Leipzig, Leop. Voß.
1894. 16 M. '
Der Berfaffer bezeichnet fein Buch als ein gefchichtsphilofophifches Merk. Das
Grundproblem der heutigen Philofophie, das Verhältnis des unbewußten Geiftes
zum bewußten, joll darin feiner Löſung näher gebracht werden (710). Die Wichtig-
feit, welche Bortig diefen beiden Begriffen beifegt, läßt es als rätlich erfcheinen, fidh
nit der Bedeutung, die er mit diefen Ausdrüden verbindet, befannt zu machen.
Dan erwartet zunächit, daß es fid) um den Unterjchied zweier Arten pfychifcher
Thätigfeit handle, von denen die eine nur ein Bewußtſein von etwas, die andere
zugleih ein Bewußtſein von fich ſelbſt iſt (vgl. S. 712). Allein der Autor meint
etwas anderes. „Alle urfprünglichen Thätigfeiten unferes Geiftes müffen zunädhft
die Form von Anſchauungen und Bildern annehmen, damit fie nachher verarbeitet
werden fünnen zu reinen Gedanken, reinen Gefühlen und Willensakten” (712). Wir
erfahren dann weiterhin, daß die Dämmernden Umriſſe diefer Anſchauungen durch den
bewußten Geiſt zu feiten Gejtalten durchgebildet werden miüffen, um dem Ich ale
wirkliche Objekte gegenübertreten zu können. Tiefe Ausführungen legen wiederum
344 Tevrient D., J. F. Zchönemann und feine Schauipietergeiellichaft.
manı nach Berlin, wo er 1742—1744 vermeitt, den „arten Mann“ mühelos
verdrängt md Den Zchuß der (Wottichedianer genießt. An Breslau, welches er 1744
zum eriten Mal und ſpäter oft wieder beiucht, hat er fih mit dem berüchtigten
Nomödiantenbäuptling ‚yranz Schuch dem Alteren auseinanderzuſetzen: leider find wir
mr über Die materielle Zeite dieſer Nänıpfe unterrichtet. Gottſched weiſt ihn dann
1744-1735: nach Königsberg und Tanziq, und dort führt er, teilweiſe inter des
Weiters eigenen Angen, den reinen Geſchmack ein. Zchon kurz darauf hört leider
der Briefivechiet mit Wottiched auf -- warum, wit nicht erlichtliich. Es beginnt nun
für Nabre em Hunt und Herwandern, welches für gewöhnlih von Breslau nach
Niederiachien über Leipzig Dalle BRraunſchweige und wieder zurück führt, bis Die
Truppe 1759 am Schweriner Hofe eme feſte Stätte und dauernde Subvention
finder und von nun ab in der Hauptiache nur noch den Iraq von Mecklenburg nach
Hamburg zurücklegt. zzwar bezeichnen dieſe Jahre den HSöbepunft von Schönemanno
Thätigkeit und das Jahr 1753 ſieht im Zchone feiner Truppe Ekhofs berühnite
Schauipielerakademie entitehen, aber auf die Tauer eniverit ſich Die größere Ruhe als
verderblich: um Tezember 1757 löſt Schönemann feine Geiellichaft in Hamburg auf.
Riel weniger als Über das Schickſal der Truppe erfahren wir über das Wie
ihrer fünitleriichen Leiſtungen In dev That vie biev Tevrients Material ichr dürftig
geweien, ich kaun ihn aber auch von den Vorwurie mit ganz freiiprechen, vs nicht
ullerwärts genügend ausgenuſzt zu baben Tas Buch veripricht anf feinen Titel,
nicht nur von der Truppe, Sondern and von ihrem Prinzipal zu handeln, und das
wäre ganz richtig geweſen, Dem erſtens war Schonemann, abgeichen von der leuten
‚jet, offenbar nicht nur dem Namen nach Dev Yerter Der Welellichaft, md zweit ne
jind wir gerade ber Terme künſtlernichen Leiſtungen und Veſtrebungen verbättne
mäßtig aut unterrichtet Tas Urteil über ihn batte dahin zuſammengefaßt werden
fünnen, dar Schönemann ein geichäftekundiger und ge'chickter Prinzipal, aber ein
Menſch und Aunſtler von diritigſtem Bittelmaßz geweien ier: auf dieie Charakteriſtil
hätte Tevrieut immer zurückkommen müniſen und ſte wurde vieles erklärt haben Wr
bat es verinumt, weil er zu keiner genügend Haven Vorſtellung von ſeinem Helden
gelangt ſit, den cr bald vollkommen richtig heurteilt, hald bedentlich überichäßt Er
hebt ganz richt:a hervor, daß Schonemann als Prinzival hen eigene Meinung bat,
ſondern ſich dem Geichmacke des Publikums inat 2 562322, er ehr auch, ic
geſchidt er auf Die Re:gqungen einluſtreicher Minner. RFriedrichs Des Großen,
Rückſicht zu urbmen weh Z 65: SE. aber er bemerkt nicht, wie diee Züge mit
Schoönemanns gememin vpraktiicher Natur in Zuiammenhang ſtehen. u nimmt De
plumven Schmeicheleten des Komedianten gegen Gotiched Z 23 Fir bare Münze,
und acht uber die gemeinen Verleumdungen, Die Schvnemann gegen ſeine Konkurrenten
ſchleudert 2 70: 76 und viter, arglos hinweg: auch den Wideripruch zwiichen
der Frommelei des alternden Schöoönemann zZ 260 und Dem elenden Egoismus,
den er namentlich bei Verabichtedung iriner Truvppe S 284 beider. bat Devrient
ungeloit gelafſen Sehr irßerichänut bar er vor allem den aciitigen Horizont ſemes
Helden Wr heurteilt ihn hauptiächlich nach den Vorreden zu der 1718 1751 er
ſchienenen Schöonemannichen Schaubüuhne, von denen ev Dvienigen ya Band 2 sn
großen Auszigen mitteilt 2 117 1: 158 : 187 82 201 5 Betrachtet man Die
Korreden 36, jo wird man Anden, daß Ne am ihrem Stile nicht altzuiebr von
Zchoönemanns Briefen abwerhen, und daß ihr nuchterner, telbitgefaltiger Schem—
Idealismus zu Schönemanns Weien iehr wohl vaſtt Wir anders aber steht vs mit
der Vorrede zum zweiten Bande! Wo bat Schonemann dieien leichten ilieſtenden
Stil, dieſen eleganten Periodenbanu gelernt? Wie kommt er zu dieſer ruhigen, Haren,
auch im Vorwurf noch milden Vortragsart? Worin soll vs ieinen Grund baben,
daß gerade er mt fo beionderem Nachdruck die gemütliche Seite der Kuniwirkung
betont, daR er jo bricheiden Dem iranzoſtichen Theater vor dem denutichen den Vor
rang einraumt, daß er gegen allzu eifrige Theotogen die ariitoteliche Matharlto ıne
Feld fuhrt? Altea Das icheint mir weder iener gemütlichen noch geiingen Bildung
Tevrient 9., J. F. Schünemann und feine Schauſpielergeſellſchaft. 345
ı entjprechen, und ich verjtehe vollfommen, wie Gottfched im „Röthigen Vorrat“
>. 329; Tevrient 2. 146 Anmerkung) behaupten konnte, die Vorrede fei nur in
chöneınanns Namen abgefaßt. Yeider hat fi) Devrient davon nur infofern beein-
uſſen laſſen, als er (2. 150) einen „intelleftuellen Anteil” Efhofs an der Vorrede
ir „nicht unwahrſcheinlich“ hält. Ich will mich hier für oder gegen Ekhofs Autor:
haft — für die allerdings manches ſpricht — nicht entfcheiden; ſoviel aber ijt
her: von Schönemann iſt diefe edle und glänzende Rechtfertigung des Schau-
ielerſtandes nicht verfaßt!
Tag beweijen jchon die vier übrigen Vorreden. Die zum dritten Bande enthält
ne Ztrafpredigt an das Publikum, die von dem würdigen Tone der früheren Bor-
de greil abjticht. Mit Ausdrüden wie „Barbarey“, „elender Geihmad”, „Nieder:
ächtigkeit“, „Rhinoceros“, die Schönemann wohl auch im mindlichen Verkehr nicht
geläufig ſein mochten, iſt der Berfafjer fchnell zur Hand. Beſonders jchlimm ergeht
den Ztudenten, die „den niedrigſten Pöbel an gemeinen Sitten libertreffen“, weıl
: im Schönemanns Theater geraudjt haben. Wie viel würdiger wußte Adermanı
Halle (mo wohl aud) Schönemann feine böfen Erfahrungen gemacht hatte) diejer
nſitte entgegenzutreten Litzmann, Schröder 1, 87)! Dan thut kaum zu viel, wenn
an fagt, daß derjenige, der eine jo pöbelhafte Vorrede jchreiben konnte, der er-
ttenen Behandlung volltommen würdig war. — Eitel und jelbftgefällig ift auch
e Borrede zum nächſten Bande, welche die Vorurteile gegen den Komödiantenftand
kämpfen joll: an Ztelle dev Katharſis wird hier die Erheiterung des Publikums
s Hauptverdienit des Zchaufpielers gepriefen, und das Ganze endet mit der Ber-
herung: „Herr, ich bin ein ehrlicher Dann!” Die nächfte Vorrede — deren Unwert
prigeng auch Devrient richtig hervorhebt — handelt denn auch folgerichtig von den
inder würdigen Romödianten, natürlich) mit den nötigen Seitenbliden auf des
erfajiers eigene Vortrefflichkeit, und im fechften Bande endlich lieſt man eine Ab-
indlung über den Zuſammenhang zwischen Freibillets, Beifallflatichen und Schau-
ielerverbildung. — Nad) alledem komme ich im Gegenſatz zu Devrient zu dem
rgebnig, daß dieſe Vorreden weder für den Menſchen nod) für den Künſtler
ſchönemann chrend find, und daß es erjtaunlid) ift, wie aus ein und demfelben
reife zwei jo verichiedene Dieinungsäußerungen haben hervorgehen können, wie die
orrede zum zweiten Bande, die in der That ein Meiſterſtück ift, und Die vier
rigen.
i Richtig urteilt dagegen meines Erachtens Devrient fiber Schönemanns fchaus
telerifche Yeiftungen. Er hebt (3. 12) hervor, wie der Prinzipal an der Aufgabe
jeiterte, das brüllende Rezitierpathos der Haupt- und Staatsaftionen der eleganten
hönheit der Franzoſen unterzuordnen. Uhlich äußerte gelegentlicd) gegen Gottjched,
chönemannn ſchicke ſich bejier zum Anmelder als zum Cäſar (5. 74), und noch
ſeiner letzten Zeit erbrachte der Tireltor den Beweis, daß er im Laufe der Jahre
cht3 Hinzugelernt habe ı 2. 248 f.). — Schiwieriger war die Frage zu beantworten,
as es mit dem vielberufenen gezierten Ztil der Schönemannſchen Schule auf fid)
be. Devrient vertritt den Ztandpunft, daß der gezierte Stil durch Eindämmung
r alten Zpielart in die Regeln des franzöfiichen Öchmads entfianden jet, fo daß
jo Schönemann ſelbſt ſein Hauptvertreter wäre. Im Yaufe der Zeit babe dann
rer, wenigitens im Yujtipiel, die Geziertheit größerer Natürlichkeit weichen müſſen,
1d ſei nur zur Seit des Verfalls, wo das Ballet wieder eine Holle jpielte, in
irkerem Maße wieder hervorgetreten (9.12. 134. 183. 250 f.). Im wefentlichen
imme ich dem durchaus bei: Ekhofs Lehre in der Akademie (namentlih ©. 236 f.)
te fein ganzes Peben beweijen, daß wenigftens er fich von der gezierten Art frei
halten oder wahrjcheinlicher nod) frei gemacht hat, und es ift kaum anzunehmen,
iß er mit diejem Beſtreben jollte allein geftanden haben. — Ebenſo bereditigt finde
) 08, daß Devrient dag Zeugnis Brandes’ für die angebliche Verbildung junger
ute ın Schönemanns Truppe für nicht giftig erachtet: was an Brandes ın diefer
eziehung geiündigt worden ijt, wird er wohl feinen geringen Zalente zu verdanfen
346 Tevrient H., 3. 3. Zchönemann und feine Schauipielergeiellichaft.
gehabt haben : =. 277°. -- Tros meiner Übereinitimmung mit Devrient in dieſer
Wrundfragr und ihren Entzelbeiten bätte ich aber gewünicht, daß Devrient den
Erbfehler der Truppe etwas ftärker betont hätte. Es waren keineswegs nur der
RKrinzipal und wenige andere »S. 12), Die an geyiertem Zpiel litten: nod 1767
jtellte Yeiling in der Tramaturgie ı Ztüd 8: vgl. auch Ztüd 261 Zchönemanns
Tochter Mad. vöwen ein zeugnis aus, das, ſo ehrenvoll es ſein mag, den ſicherſten
Reweis dafür liefert, daß in ihr der Geiſt der Schönemannſchen Schnle fortlebte.
Ja, ielbſt Mad. Starke ſcheint ſich nicht ganz frei von dieſem Einfluß gehalten zu
haben: 1777, alio z zwanzig Jahre nad ihrem Abgang von Schönemaun, findet
Schröder Litzmann, Schröder und Gotter S. 393 noch Dinge an ihr zu rügen, die
auf die alte Zeile zurückzuweiſen icheinen.
Es iſt zu bedauern, Daß Devrients Quellen über die beiden letztgenannten
RKünſtlerinnen ſomie über Tem. Schulz Mad. Bob nicht mehr geboten haben.
Ta von den iibrigen Mitgliedern Ekhoöf ausgenommen - - micht viel in Er
iahrung zu bringen war, iſt kein Schade: Uhlich und das Ehepaar Nod baben der
Truppe nur voriibergebend angebört. Krüger ut früb qeitorben, und die andern, an
der Zpite Mad Schönemann, md offenbar bloſze Nullen geweien. Tagegen
empfindet man es Wieder Schr ſchmerelich, daß über Ekhofs Huritleriiche Thaten ſo
wenig zu ernitteln geweſen iſt. Freilich weiß uns Devrient dafür zu entſchädigen
durch die reichhaltigen Mitteilungen, Die er aus den Akten der ſogenannten Theater
akademie macht Er bat ſich dadurch, daß er dieſe überaus wichtige Zuelle allgemein
zugänglich gemacht Int 2 266 17, ein außerordentliches Verdienſit erworben,
welches durch die eingehende und treiiende Wuürdigung Des hedeutſamen Materials
noch weſentlich erhöht wird: was Uhde in öeiner Ethof Biographie Wottichalls
Kerner Plutarche 8, 1876, 2.142 ii ber de Akadentie mitgeteilt hatte, war gänzlich
ungenügend und bewies mar, wie wenig dieirr Ntomaeb auf Dev Höhe öeiner Auf
gabe and. Tirie Akademie bedeutet in der That einen erbebenden und enticheidenden
Wendepunkt un dev drutichen Theatergeichichte, deun mer beginnt dev Zchau'pieler
ſtand, ſich ſeiner außeren und mineren Würde zum erſſen Mat vollauf bewußt zu
werden, hier werd zum erſten Mal die Selhſtzucht zum Hauptgrundias Der künſt
eriichen und meuſchlichen Ausbildung des Schauiptelers erhoben Allerdings darf
man tech nicht verhehlen und Devrient iarich weit entiernt davon Dat es
ch burn keineäzregs um eine alblgenterne eder auch mn innerhalb der Truppe
allgemeine Rnegung haudeit: Ekhof ve nicht nur De Zeile Bes Ganzen, ſondern
tberbaumt Der Einzige, un dem die neuen Gedanken lebendig wirken Wir ruührendem
Fer bemuht er ſich, die Bruisgenoſſen fin wine Ideale von Aunſt und Yeben zu
begeiſtern md ihre Kerwirktichung kraftvoll auzubahnen Was fonmte er aber von
“un erwarten, Fir Welche es erit Dev Borschriften bedurfte, damit ſie nicht betrunken
und ungewaichen auf Dev Birbne erichunen S 252.357: Neun Wunder, daſt unter
iolchen Umnmanden Die Akademie mw kurzen Beitand hatte Ein geringes Maß
Der Schuld daran ichenut mir aber wotden auch auf Elhof zu fallen, der ın jenen
Aadınmeredin doch ab und zu einas vom Zeibseberriiher und Schulmeiiter verrät.
Für einen beſonderen Vorzug don Tevrients Buch halte ich die sorgfältige
Kerückſichtigung von Schönemanns Spielplan Ta ſich von den neun Anfenthalten
Schönemanns in Hamburg 1741 1757 weertaus die meiſten zJettel erhalten haben
und andere Tuellen wenigſtens ab und zu zur Eigänzung herbeigezogen werden
konnten, Jo lag ein zwar durchaus nicht volliſtändiges, in Dev Hanptſache aber doch
ausreichendes Material vor Schönemann bveginnt mit einem Spielplaue, Der Ztante
altionen und Harlekinaden in bunter BRichung mit regelmäſtigen Stücken bietet
Z 17 fer lb unmittelbar nachdem er üich in Leipzig bei Gottiched veröönlich
eingeführt bat, tauchen un Hamhurg ned Haupt und Ztaatsaftionen auf, div auch
1747 noch nicht vollig verichwunden And S 32 8: 34 Stucke mit dem Harlekin
balteın ich gleichhjhals bis 17472136, vercinzelt De VI-les Tinmon 2 549
ioqur bis 1750, obwohl Tenrient zZ 1728 das beitreitet: der verkappte Dans
Pevrient 9., I. 5. Schönemann und feine Schaufpielergejellichaft. 347
wurſt wird Sein Zpiel wohl noch beträchtlich länger getrieben haben. — Was die
Zufuhr neuer Stücke anbetrifit, jo glaubt Devrient großen Nachdruck darauf legen
zu müſſen, daß Schönemann schon 1741 in Hamburg Molieres s „Breciöſe, Holbergs
„Bramarbas“ und Vorkenſteins „Bookesbeutel“ aufgeführt habe (S. 35 ff.). Ich gebe
su, daß damit ein Weg eingeſchlagen wurde, der jchlierlic) von "Sottiched abführen
mußte, hätte aber einen nachdrücklicheren Hinweis darauf gewünſcht, daß es fich hier
nicht im entfernteiten um eine bewußte Abkehr von Gottiched handelt. Moliere
jowobl als Holberg baben ın der Schaubühne Gottſcheds ihren Blat gefunden, und
auf den „Yramarbas“ wird Schönemann fogar durch die „Schaubühne” geführt
worden jein. Überhaupt wäre es angebracht geweſen, bei der Beurteilung des Ber:
hältniſſes zwischen Schönemann und Gottjched den Spielplan des erjteren mehr im
Auge zu Cehalten: von den 37 Ztüden der „Schaubühne“ hat Schönemann minde-
ſtens 36, wahricheintich jogar 29, nach und nad zur Aufführung gebracht. In
Teprients alphabertichem Nerzeichnis, S. 372 ff., vermiſſe id) Gottſcheds Blu
hochzeit“ vgl. S. 356), Holbergs „Kannengießer“ S. 97; 127) und die, nad) S. 90,
doch wohl auch zu nennenden Stücke „Dido“ von Schlegel, „Mahomet IV.“ von Krüger
und „Eliſie“ von Uhlich. — Weniger noch als ın dent Hamburger Zpielplan von
1741 vermag id) in dem von 1747 (Z. 123 ff.) eine enticheidende Abkehr von
Gottſched zu erkennen. Wenn ſchon fich unter den Stücken, die bier zum erjten Mat
nachweisbar find, nur drei Tragödien, dagegen 30 Yuftipiele (nicht 315 der „Kannen—
gießer” war nach S. 97 ichon in Danzig aufgeführt) und zwei Zchäferjpiele befinden,
jo darf man nicht überichen, daß von diefen 32 heiteren Stücken nicht weniger als
20 Einalter find. Dieſes ſtarke Anwachſen der regelmäßigen Eleinen Luſtſpiele —
denn um solche handelt es ſich meiſt — jcheint mir mit dem offenbaren Rüdgang
der Harlekinaden und improviſierten Nachipiele int Zuſammenhang zu ftehen, bedeutet
alſo kein Abweichen von Gottſched, jondern im Gegenteil ein Fortſchreiten auf feinen
Bahnen. Bon den übrigen 12 Yultipielen begegnen wir vieren überhaupt mur in
dieſem Jahre, drei weitere baben ſich nur bis 1751 gehalten: das Luſtſpiel „Der
Wilde“, welches längere ZJeit beliebt blieb, war allerdings unregelmäßig (2.128 ff..,
aber dev Reit, Moheres „Geiziger“ und „Tartüffe“, Regnards „Spieler“ und Des—
touches’ „verliebter Philoſoph“, iſt icht3 weniger als vevoluttonär. Wie lange noch
zeigt überdies der Anhalt dev Schönemannſchen Zchaubühne den Prinzipal in voller
Abhängigkeit von Gottſcheds Geſchmack! Tagegen ſtimme ich mit Tevrient vollfommen
überein, wenn er großes Gewicht auf das immer ftärkere Eindringen des rührenden
vuſtſpiels legt. ı Zeit 1750. 2.178 f.: 221.) Hatte auch die Gottſchedin jelbir noch
die Cénie überießt, jo fübrte doch diefer Weg unmittelbar ins feindliche Yager, das
heißt fir Schönemann zur Aufführung des „Georg Barmvell” von 1754, der erſten
in Teutichland 1. 2411, welcher Schönemann zwei Jahre ſpäter den „Zpieler“
von Moore md, nad) Adermanns Vorgang, Yellings „Miß Zara” folgen ließ
(S. 266 ff.. — Unklar iſt nur, wie Devrient (S. 179) Werke von Reguard, Ye
Grand, de l'Isle, und das „Teſtament“ der Gottſchedin zu den rührenden vuſt⸗
ſpielen rechnen kann. Verſtehe ich etwa die Stelle falſch? — Bemerkenswert iſt
endlich, wie bei fortſchreitendem Verfall der Truppe (1756) neben dem ſtattlich an—
wachſenden bürgerlichen Trauerſpiel und der Rührkomödie auf einmal wieder Yallet
und Pantomime auftauchen S. 264 ff). Es iſt das auf der Bühne der gleiche
Widerſpruch, dev im Yeben in dem Bruch zwiichen Schönemann und Efhof (2. 279 f.)
zum Ausdruck komimt. —
Im einzelnen laffen ſich die Angaben Zevrients, namentlid) die über den
Zpielplan, bie und da ergänzen und berichtigen. Das 2. 157 und öfter erwähnte
Yuftiviel „Die Familie“ iſt identiſch mit dem von Leſſing im 17. Stück der Dramaturgie
bejprochenen „it ev von Familie?“ Der Verfaſſer iſt richtiger L'Affichard als Ya
Fichard zu Schreiben. Bon ihm ging zu feinen Yebzeiten der fchöne Vers:
Quand l’afficheur affiche L’Affichard,
L’afficheur affiche le poete sans art.
318 Devrient H., I. 5. Schönemann und jeine Schauipielergeiellichaft.
u
Wenn 2. 104 f. Tevrients Quelle der Wortichedin einen „Triumph der guten
rauen“ und dem Destouches einen „Zpieler“ andichtet, jo hätte der Verfaſſer ſich
nicht verleiten laſſen jollen, daraufhin im jenen Tabellen dieſe beiden Stücke neben
den entſprechenden von Zchlegel und Regnard beſonders anzuſeben: auch ſehe ich
nicht ein, warum der S. 235 erwähnte „Democritus“ nicht das Stück Regnards
ſein ſoll. Ebendort ſett Devrient auf Grund eines offenbaren <chreibfeblers der
Akademieatten einen beſonderen Dichter Saint Bow neben Saint Foix an, des
gleichen in den Zabellen. Fer 2.364 zund öfter: erwähnte Tichter des Yunstipiels „Der
Yiebbaber als Zchriftiteller” beißt Cerou, nicht Keron, wenn Schon ihn die älteſite
deutiche Uberießung :1755, 0. O. Keron ichreibez Leſſing im 14. Ztüd der Trama
turgie giebt die vichtige Form Tas in der Tabelle 2. 359 angeführte Stüct
„Hamburger Borzüge“ iſt nach Tevrients eigener früberer Angabe 2. 46 von Treyer:
Veriaſſer der „Braten “S. 362 und öfters iſt Saut ‚yon, Des Ivaueripiels „Uapıs
Fabriceius“ ı 2. 356. 365: nach Wordele 55, 359 Müller, dev „Paritichen Alt
hochzeit“ » Z. 356. 367 Wortiched. Tie „Inſel dev Sermunft“, die „Zklavenmmiel”
und „Der andere Betrug der Yırbe” S. 356 1.2367: Sud don Marivaux verfaßt
und von Krüger überießt, dev „Amphitrno“ S. 357. 36%: 11 von Moliere, der
„Berläumder” «ebenda von Destouches. Ter an den gleichen Ziellen erwähnte
„Hüulla“ wird wohl identüch ſein mit dem 1747 ın Erfurt erichienenen Einatter:
„Die »ſollte heißen: Ter vergnügte Hulla oder das veritoßene Eheweib, aus dein
Franmzöſiſchen überſet“ Goedele 3*. 2.5366. Es iſt offenbar eine verkürzte Be
arbeitung von Gozzis „glücklichen Wettlern”. Unter den „Papinianus“ »S. 366
377, der von der Schauipielerakademie als veraltet taiſiert wurde, wird man woh!
wog der irrtümlichen Bezeichnung „Fuſtipiel“ die Tragoͤdie des Grypluus u
verstehen babe, und zwar un einer ahnlichen Bearbeitang wie dielenige, Die Deine
entdecht hat Jeitichriit iur deutiches Altertum 25, 155 Zu Hagen babe ich über
Div alphabetiiche Tabelle 2.372 18. Zo iehlen Gotticheds „Bluthochzeit“ und Holbergo
„Rannengießer“, wie ich zufällig geiunden babe, ganz darin: ber andem Stücken
fehlt der Veriaſſer, oabwohl Devrient ihn ent: So 2 371 vum 2 Neugierigen Ehe
mann“ Allainval, ben „Ehemann durch Vetrug“ Bovin, Z 377 bet der „Panthea“
die Gottichedin Tier beiden andern Tabellen 2 558 18: 335 jj babe ich, ab
geiehen von Den hereits genannten kletmen Jixtumern und vücken, bewährt geiunden
Aber fait das Z 550 und 372 ermahnte Zt „Ter Unempfindliche“ von Chri
ſtian Felix Weize 20572 iieht durch Trucktiehler Joh Felix« ſein, wenn es nach
Z 13 Anmerkung ſchon 1711 aui Schönemanns Bühne war?
Z 161 ſinde ich die Angabe, Goethe babe von Weblar aus den „WR“ an
Gotter nad Gotha geiandt, damit er uhn der Zeoteriiben Truppe zur Aufführung
übergebe Schon Uhde bar Reichards Zeibitbiegraphir S. 90 Anmerlklunge die Un
richtigleit dieser Angabe dargethan: die befammte Epiſtel Wortbes Hempel 3, 146 fi
bestehe ſich ebenio wie Gotters Autwort ebenda auf Gotters Prwattheater ın
GVotha: übrigens kaun nach Div ganzen Haltuug der Epiſſteln von einem ernſt
haften Klane den „Boßt“ aufzufnhren, gar nicht Die Rede ſein vgl meinen Wotter,
z 051 Z 170 fommt Tevrient auf ente unauſtaäudige Hauswurſtiarce zu
ſprechen, die unach Flogels Geichichte des Grotesl Nommichrn Zchonemamm ſich im
Jahre 1719 aaf Der Breslauer Bühne erlaubt haben ſoll. Tevrient went, daR Ne
wohl eher Schuch als Schönemann zitzutrauen Ser Ich ſtimme nmicht nur dieſer
Vermutung zu, Sondern eriuere mich ſogar auis beitimmteite, dieie Geſchichte
irgendmo unter Schuchs Namen geinnden zu haben: Leider vermag ich nicht mehr
anzugeben, wo? Ter ungubere Scherz ſelbit iu abugens alt Bat Jerichrift für
deutiche FPhilologie 21, 280
Tevrients Wert out Hot und ſicher geichrieben Ter Berfaifer balt dh von
jeulletonntiicher STchonrednerei ebenio Fern wie dont wodenen Schulmeiſterton. Nur
win er „Solittier aus dev Vergangenheit rettet“ S 102 oder Dalle für „das
Jan?neit zwiſchen Der pretiitſchen Unwerſitat und den Komodiantenbanden“ erklärt,
Ellinger G., Friedrich Nicolais Briefe. 349
möchte ich gegen den Stil Einfprud) erheben; aud) anderwärts find die Bilder nicht
immer forgjam durchgeführt. Dody will ich dem Berfaifer darum ebenfowenig grollen
wie wegen der Drudfehler, die bie und da ftehen geblieben find und von denen ich
nur das „Saufpielhaus” (Z. 317) zur Freude harmlojer Gemüter mitteilen will.
Zum Schluſſe wiederhole ich, dag Devrient® Buch, eine ſehr danlenswerte
Yeiftung ift. Daß es frei von Fehlern fei, wird bei der Schwierigkeit der obendrein
nicht einmal allzu dantbaren Aufgabe billigerweife niemand verlangen fünnen. Es
verrät, von einigen Ausnahmen abgejehen, ein gereiftes Urteil, und. wenn ich ihm
außerdem noch Fleiß nachrühme, jo gejchicht das Teineswegs in dem Sinne, in
welchem heutzutage jeder Ignorant ſich berufen fühlt, über ernfthafte Werke abzu-
urteilen.
Jena. Rudolf Sclöffer.
Elfinger G., Friedrich Nicolais Briefe Über den igigen Zuftand der fchönen
Wiſſenſchaften in Deutfchland..1755. (Berliner Neudrude. Herausgegeben
von Ludwig Geiger und Georg Ellinger. Dritte Serie. Zweiter Band.)
Berlin, Gebrüder Paetel. 1894. 5 M.
Altenfrüger E, Friedrich Nicolais Augendfchriften. Berlin, Heymann. 1894.
2 m.
Nicolais Anfänge entbehrten bisher einer felbftändigen Unterſuchung. Bloß
mit und neben Yeffings IThätigkeit geichah ihrer Erwähnung. Wir begrüßen die
beiden vorliegenden Arbeiten, die einander gegemjeitig ergänzen, mit Freude. Ellin-
gers Nendruck legt diejenige Schrift Nicolai vor, die ganz mit Leffings Art genührt,
berechtigt als Borläuferin der Yitteraturbriefe gilt. Ihr Verdienft liegt in dem ernften
Streben, die Keime litterarifchen Schaffens durch eine gejunde, über den Parteien
ſtehende Kritif zu befrudjten. Daß es zuvor galt, die noch unverweiten Knorren und
Gezweige der Yeipziger und Zitricher Schule auszuroden, entging Nicolai ebenjo-
wenig, wie er fi) aud) darüber Har war, daß an die Stelle des Alten ein Neues
treten müffe, dein die Wege zu bahnen und Richtung zu geben die pofitive Seite
der programmatiichen Arbeiten fein follte. Und mit mehr Mut als Kenntniffen
ausgerüftet, jeßt der Einumdzwanzigiährige die jcharfe Art der Dialektik an den
Eichenftrund im Yeipziger Poetenwalde und thut Keinen Hieb umjonjt; denn wohl:
geführt treffen die wuchtigen Schläge auch ſchon beim jedesmaligen Ausholen eine
der Dryaden Schönaih, Triller, Naumann und Genoſſen. Und ehe noch in den
Schweizer Bergen ein Lachen des Beifalls vernehmbar wird, trägt fchon der Wieder:
half die gehen Klänge des Reutſpatens aud von hier aus in die Lüfte. Doch fic
verhallen nicht erfolglos, fondern treffen unter vielen anderen eines Leffing Ohr,
der von nun ao fich des unbeiannten Mitarbeiters zu gemeinſamem Schaffen ver:
gewifjert. Wieviele der Diebe faßen, wo Nicolai über das Ziel traf, und wo er
mitunter auch zu viidjichtsvoll vorging, wie gegen Wieland, das rechnet ihm der
Herausgeber in der fnapp gehaltenen Einleitung gewilfenhaft und treffend nad)
und kann unjerer Zuſtimmung gewiß fein. Seine Ergedniffe verjchieben ja auch die
gelänfigen Lehrſätze der Yirteraturgeichichte Über diefen Zeitraum nicht, wohl aber
haben ſie den Wert erneuter Beſtätigung.
Tie „Briefe über den itzigen Zuſtand“ zeigen Nicolai einen Schritt hinter
veiing, für einen Augenbtick fait neben ihm in eier Weihe, alfo von der vorteil -
hafteſten Seite, die fein litterariiches Porträt aufzuveifen hat. Sie bilden demnach
ganz naturgemäß den Mittelpunkt von Altenkrügers Schrift über den jungen Nicolai.
Ind da feine Publikation gleichzeitig mit und unabhängig von der Ellingers ent⸗
ftand, fo liegt eine Vergleichung der beiderfeitigen Reſultate nur allzu nahe. Einig
find ſich beide Verfaſſer iiber den völligen angel an muſikaliſchem Berjtändnis
bei &ottiched, der im III. Briefe fi) deswegen eine ſcharfe Zurechtweiſung gefallen
Eupborion IV. 23
350 Ellinger G, Friedrich Nicolais Briefe.
laſſen muß. Sie ſtimmen auch darin überein, daß der Vorwurf des X. Vriefes,
(Wortiched babe um die Veröffentlichung des Neologiſchen Wörterbuches gewußt und
erſt nachträglich jede Teilnahme daran abzuleugnen geſucht, berechtigt ſei, wenn auch
Ellinger 1S. VI aus Briefen Schönaichs und Reichels an ihren Meiſter mildernde
Umstände für den Beſchuldigten geltend zu machen weiß, während Altenkrüger
Nicolais ſchroffer Aburteilung zuſtimmt. Einig ſind ſich ferner beide — was für Div
gewonnenen Reſultate am meiſten von Bedeutung iſt — über das Maß des Leſſing
ſchen Einfluſſes, der ſich mehr auf Die allgemeinen Seftchtspunfte der Kritik und
einzelne Ausdrucksweiſen, weniger auf die Stilform der Briefe als ſolcher kurz br
ſtimmen läßt. Wir haben keinen Grund, an den Worten dev Vorrede zu zweifeln,
daß div Vollendung der „Briefe in das Jahr 1754 falle und bloß Umstände
halber fich verzögert babe Dadurch ut eine direkte Emilußnahme Leſſings obne
weiteres ausgeſchloſſen DTer wiederholte Hinweis darauf, „daß die meiſten
deutſchen Schriütiteller aus dem Inuerſten ihres Kabinetts ſchreiben, und die Welt
wenig oder gar nicht kennen“, Dev nnausgeſetzte Ruf nach einer ſelbſtändigen, um
beeinflußten Kritik und Empfehlung des engliſchen Schauipiels ter gleichzeitiger
Verdammung dev franzöltichen Regelmäßigkeit zeigen Nicolai ſchon auf den Spuren.
die nachher von Leſſing ats Vorkämpfer unentwegt gewandelt iſt. Tie Hindentung
darauf hatte Such Altenkrüger nicht entgehen laſſen ſollen, denn gerade dieſe Punkte
gehören zu den wenigen voſitwen, aufbauenden Ergebniſſen dev „Vriefe“, Deren
weitaus großer Hahl m der Richtung zerſtäreuden Negierens biegt. Bar der Ve—
ſprechung der Uberſeuung des Vatteur durch Gottiched geben die Meinungen der
SBerfalier auseinander Ricolafhezichtigt den Uberiener der Fälichung, und zwar der
wifentlichen Falichunq. Altenktruger S. 490 schließt ſich ihm an und beruft ſich
daraui, daß „don ie bloß oberilachliche Vergleichung“, die an zwei nicht eben
beweisträftigen Berbitelen durchgeiührt wird, zu dieſer Uberzeugung führe. Ellmger
dagegen 2 V wen Me Beichuldigung unter Bezugnahme auf „eine genaue Ber
Aleichung“ des wettchediichen Auszuges mit dem franyoisichen Original zurüct und
verüichert, Dar der Unterichted ſich nur auf wenige Mißveritanduiſſe des ſprachlichen
Ausdruches beianante oder aus dem VNeitreben nach möglichſter Kürze entiprungen
„sm allaumeinen kaun man indeſſen ſagen, dar fich derartige Stellen nicht
allzu burn imden und dar ſie Fat nirgends prinzivelle Fragen berühren.“ Ja er
jindet, der ray Selbst won unteugbarem Beichut grarbeitet und gebe, wenn
auch manmgiſache VBiehen nicht iehlen. eun zutreffendes Bild des Vatteuxichen
Znitems
Uber die geplaute Umarbeuung der „rare“ durite Altenkrüger aus einem
anigefundenen Haudexeniplar des Berfafers Reichenichegit geben Tie Andeutungen
md aher mm iparlich. Es ſollte Die gezwungene Schenwerteidigung der Schweizer
»VI und XIV Vrici, die Auscinanderiekung ber Wernickens und anderer Evi
gramm IN BRriei Falten ge lasivn werden, desgleichen die Probe der engliſchen
UÜberienung is üClerits Fruhling im XVI Briefe, die aus Nicolais Frühzert
herrührt Tafur waren geplant „Ein Brici, uber Patriotismus, oder die Erlenntnißt
unſeres Werthes, bevonders gegen die Frauz wie nothig dieies . . . . Wie nöthig
aber auch Erkenntum Dot, was uns iehlt“ „Ein Rrici über die fra. und engl
veltür, die in Teutichland yet“ amd „Sun Yan von dem Umgange der (We
lehrteu mit den Broßen“ „In dieien Titeln”, Sagt Altentriger 60, „Tommen
merſt mieitere itizzierte Ausiührungen, Dee Den Gedankeugang dev Briefe werigitens
tiert erichlieſen laitın “ Warum thutenun dr Keriaſier dieſe Zchlitfie nicht oder
deutet Me wentgilens nicht an? Ellingers daraui yntende Ammerting 2 VI: batte
um» da ichon recht neugierig gemacht daraui
Altentruger bat un ſeinem erſten Kapitel Ricolais äuſteren Lebensgang bis 1769
gezeichnet, zun eiten die litterarüchen Aniinge qeichtldert, morin von zwei bieher
unbekanuten Jugendyerſiuchen Nicolais Nachricht gegeben wird Ter erſite iit Der
Reg cuts Heldengedichtes auf Klopſtock, in nachahmender Manier grhalten, etwa
Hodermann R., Geſchichte des Gothaifchen Hoftheaters 1775—1779. 35061
aug dem Jahre 17489 ſtammend (gedrudt 1752 in &. Nicolai „Sammlung einiger
Schriften der Gejelljchaft der Freunde der ſchönen Wiffenjchaften in Halle ꝛc.“), der
andere ein Beitrag von vier Briefen zu %. S. Patzkes „Freundſchaftlichen Briefen“
(1754), und zwar die Briefe Wr. 383. 39. 40. 77. Für die beiden mittleren ift der
Reweis durch Briefſtellen Ewalds aus äußeren Merkmalen leicht zu erbringen; für
den erjten hat Altenkrüger mit anerfennensiwertem Eifer die Zuweiſung aus -inneren
Gründen verjucht, für den letten mit Gewandtheit und Sicherheit durchgeführt. Der
poſitive Gewinn aus den Briefen ſelbſt ift allerdings nicht hoch anzufchlagen. Der dritte
Abſchnitt ift, wie oben erwähnt wurde, den „Briefen“ gewidmet, die beiden lebten
bandeln von der „Bibliothek der ſchönen Wiffenjchaften und freien Künfte“ und dem
Anteil an den „Vitteraturbriefen“. Im Verlauf der ganzen Abhandlung ift viel un-
gedructes Briefmateriat mit lobenswerter Zurückhaltung herbeigezogen, die Unter⸗
ſuchung forreft und angelichts des Yobes, das Nicolai ın der erjten Hälfte zu teil
wird, maßvoll gerecht, wo es Ipäterhin auch zu tadeln galt. Die Darſtellung jelbft
iſt flott, ja manchmal fait zu flott, und ich kann es dem befreundeten Autor nicht
eriparen, aus meiner anjehnlichen Zanunlung „Sprachliches“ Einiges vorzuführen:
2.25: „ernithaft gemeinteſten“ für „ernfthafteit gemeinten“. 5.37: „feinen Dann
ſtand“ ſtatt „ſtellte“. Z. 52: „Tie Briefe enthalten eine poctifche Stelle, die Ewald
allerdings fehr bewunderte, |sc. die] und aber fiir den Dichter nicht eben ſehr be-
geiftert.“ S. 73: „wo fie ji einander den Rang ftreitig machten“ und andere.')
An Druckfehlern herricht gerade and) Fein Mangel.
Ellingers Neudruck dagegen iſt mufterhaft gedrudt und hat mit Recht auf die
Erneuerung der Epigramme zivifchen dem IX. und X. Briefe?) verzichtet, desgleichen
die langatınige Borrede von Nicolais Bruder Gottlob Zamuel übergangen. Ich
möchte ergänzend darans nur ein treffliches Wort berausheben, das gleichlam als
Motto den „Briefen“ vorangeftellt zu werden verdiente: „Wir erfennen in dem Reid)
der Wilfenjchaften feinen Papſt und feinen Monarchen, deſſen Machtiprüiche wir als
Geſetz verehren müſſen.“ Gin ähnlicher Gedanke fehrt in Nicolais vorangeſchickter
„Nachricht“ wieder. — Die Benutzung des Neudruds wird dadurd) fehr erſchwert,
dag die Zritenzahlen des Triginals nicht vermerkt find, noch mehr durch das Fehlen
der Nummern der einzeinen Briefe auf jeder Zeite, jo daB man gezwungen ift,
allemal vor- oder rückwärts zu blättern, bis man ſich orientiert hat, um erft von
da aus zu dem geſuchten Briefe langſam vorzudringen. Schon ein Inhaltsverzeichnis
mit Angale dev Zeitenzahlen hätte dem Mangel abgehoffen.
Berlin. Richard Rojenbaum.
Hodermann PR, Geſchichte des Gothaiſchen Hoftheaters 1775—1779. Nach den
Quellen. ı Theatergeichichtliche Forichungen herausgegeben von B. Litzmann.
IX.) Hamburg und Yeipzig, Leopold Voß. 1894. 3.50 M.
In diefem IX. Hefte der jo verdientlichen thratergefchichtlichen Forſchungen
Litzmanns liefert Hodermann, dev feine Vertrautheit mit Gothaſchen Thraterverhält-
niſſen neuerlich in ſeiner Selegenheitsjchrift über Georg Benda dargethan hat, eine,
wie wir annehmen wollen, gründliche und gewiſſenhafte archivalifche Arbeit: nicht
mehr und nicht weniger. Wir werden ganz gut und ausreichend orientiert, wie Gotter
den Zinn für tbeatratiiche Leiſtungen ın Gotha zu weden verftand und im richtigen
Augenblick Seyler herbeizurufen wußte Die einzelnen Mitglieder der Seylerſchen
wWeiellichaft, zu der damals noch Efhof gehörte, werden vorgeführt und ihrer Fähig⸗
!; Tiere Bemerkungen verfehlen ihren Zweck, da ber junge Autor inzwifchen
einem tückiſchen Leiden erlegen tft.
2, Bgl. Berliner Neudrucke IT, 4.
23*
392 Hodermann R., Geſchichte des Gothaiſchen Hoftheaters 1775—1779.
beit und Beliebtheit nach chavafterifiert, die wichtigiten auch in knappen Yebens-
abriiien mut manchem wiſſenswerten Titterarbiftoriichen Detail dargeitellt, das
Repertoire wird mitgeteilt und auf die Erſtaufführungen mit Hecht beionderes
Gewicht gelegt. Wir erfahren, wie dam Seyler plöglich ſich feuer Wothaer Ber
prlichtungen entledigte und wie bei der raſch theaterfreundtidh gewordenen Gotbaer
weiellfchaft der Plan, unter der Yertung Ekhofs und Reichards eu Softbeater zu
gründen, Anklang fand. Ju etwas weitichwwerfiger Weiſe und unter Zuziehung der
Iriginalaften wırd fodann die Gründung und Einrichtung des Hoftheaters und dir
Aıldung des neuen Enſembles dargelegt Hier macht ich die Freude am Ztofie,
wie fie Archivforichungen bäufig um Gefolge baben, mitunter in einem ftörenden
Uberiluß des Details beinertbar: iſt ſchon die Gewiſſenhaftigkeit, mit dev über dir
Finanzgebarung Des neuen Inſtitutes berichtet wird, eiwas ermüdend, jo dürfite
namentlich die Aufzählung jener Gothaer Familien, die der Eröffnungsvorſtellung
anwohnten ı 2. 31, außerbalb Gothas nur jehr geringes Intereſſe erregen. Mit
großer Genauigkeit wird dan cine Urt Diarum für dieſes erſte Theaterſahr ent
worfen, Premieren, Debuts, auswärtige Beſuche, Veränderungen im Enſemble
werden verzeichnet, Gagenbücher und ſonſtige Totumente abgedrudt, auf Me Grün
dung einer Penſionskaſſa für Schauſpieler wird beſouderes Gewicht gelegt, ja der
geſamte dieſes titan betrefiende Altenwechſel wird mitgeietlt Tas zweite Theater
ſahr wird durch Den recht auſchaulich geſcherlderten VReinch des Wiener Hoffchauipielere
Müller eingeleitet, der Über Auftrag des Füriten Naume eine Reiſe durch Teutich
land unternahm, um iriſche ſunge Nrafte fir das Wiener Hoftheater zu gewinnen.
Rachdem hieraui Das Hoitheater durch das gemeinniame Wirken der vortreftlichen
ZSchauibleler Beil, Bech und WM Jiiland ſeinen Hohepunkt erreicht batte, zeigten
ch bald die erſten Unzuſriedenen Gehalterhöohung mird verlangt, Anderungen u
a PVeuſtonsverhaltarien werden augeſtrert Tas dritte Theaterlaähr beginnt mit
ent vergeblichen KFerrche von Bb Bier, nt othanein Engagement zu finden
Eiuzelue Bühnendichter taten Rauges hemerbeu ſich um die Aufführung ihrer
Ztucke in Wotba Die Unzuiriedenheit inter den Theatermitgliedern nummt aber
mer inehr zit: Geiuch. um VBegleichnug von Schalden, une Vorichitiſe mehren ſich,
der Oherdnettor Seht ſich genötigt, am nem Garmin Erlanßn die Tiaciplimardor
hrüten zu erlautern Der Tod Ethois tragt weſentneh nr Lockerung aller Bande
ver An Ethois Zelte als Unterdtrektor teittemit einem nenen Kontralte der Schau
Aula Bat, der ofen Neem vertucdit Aber mid sten hatten ſich Die
aaudbart in Mita Dr Tue Driidst it SD an ti. Zrib baren nur Der
ainzelt bvollgqultige rabimiinger getreten Das Sale > diees lekten Jahres
Edge eine Uniuheung Des „Hamlete mat Silva Fra Madame Abt m Der
Titelrovilhe Sun, Dur m Marz des altes 1770 wearde den Theater
uiid div iur haelis ieſtageictite Lk tan Des Doftinattts zur Keuntuie
dehracht Ta amd. An Dit ? chreint werdeu nach zeitgeneiftichen Autoren Dar
lin nd dat Sram VNieies mid die intzeinen Schauöpieler nochmals
mharatteriuert Par vori trat niit ein Engagentent in Mannheim Spätere
eriuche, Das Iboar. nd eat, inirden NDR ad Pl Herzog „Tas Hof
terater,“ de Fri DSBGHhBht Do 0oq spe Dniop bug .Destnt, „beiaßt arte
mirtaltieder und but ein beit Dr Berl: Lit: te OPER und veredeln
md du Penitoenstöna Too Dit Ztaind der Zaren otfoönentiich und Trehich “ An—
Vöadirmanns Tarilang hient unh rin Anlang, der neeiezen thveatergeichichtlichen
NORD SE zuum art print SD MN Zar und Ausgabe in den vier
Theat n road DD Todd der ME 8.2. be dargethau, das Reerrtoire
modoneh enter: Tade iltu mittqetett. Des ort 1572 one don Belbers Veinarer
Ion JE PET EHEN IN ade ah atinanaent hatitch
AD alla Sa nah die die... Broonı ageriletit Shtüche lt
ai Sei Mittablane ED Do; Lid. er >odehlle ou und ein bel
Sl Nero Di. au LU get aa Zar... Von geringem Belang
Portig G., Schiller in ’einem Verhäftnis zur Freundſchaft und Siebe. -353
find die dürftigen Auszüge aus den Alten des Oberhofmarfcjallamtes, deffen Archiv
Hodermann Übrigens’ feither in anderer Weije verwertet hat.
&o giebt denn, wie gefagt, das Buch Hodermanns ein recht flars Bild von
der Gründung, Enttwidlung umd Auflöfung der Gothaer Hofblihme, ein Wild, das
durch eins der nächften Hefte der thentergeichichtlichen Forihungen, Schlöhers „Won
Hamburger Nationaltheater zur Gotha Hofbühne“, feither noch; am Deutlichkeit
und Bieljeitigleit gewonnen hat. In der Dartellung wäre, wie bereits bemertt
wurde, eine feftere Beicränfung auf das Wefentliche twünjchenswert; jo tonnte
manches Aktenftüc nad) entſprech nder Verwertung jeines Quhaltes getroft in den
Anhang verwiefen werden. Auferdem füllt ei Yang zu Flüchtigteit allenthalben
auf. So wird einmal (©. 36) der Berfaffer der „großen Batterie” Ayrenhöfer
genannt. Nachläffige Konftruktionen giebts im Überfluß. Es finder fih anf S. 10
eine wunberliche, hatt an die Snverkon, halb ans Anafohırh gemahnende Spaltung
des Zubjeltes: „Ermft II. gelangte zur Negierung, Seyler Tam nach ber Nefidenz,
Vrandes und feine Frau.“ Ein völliges Analolurh bringt ©. 87: „Mad. Mecom
ging mit einem poetischen Abjdiedsgruß von Gotha. Gotter und Dauer waren jo
getan, fie waren aud) fo gelant gawejen, Nollen für die Mecour abzuichreiben.”
aß Gotter und Dauer offenbar aud) jo galant waren, für dem poetiſchen Abjchieds-
gruß zu forgen, muß der Lejer ergänzen, jo gut er fan. Ebenjo wire heißt es auf
2. 119, als vom Verſuche Bellomos, in Gotha ein Theater zu grlinden, die Nede
it: „Er bat um bie Erfaubniß [was zu tbun?] und das Softhkater und jie [wer?]
erhielten nichts als die Erlaubniß.“ um jchönfien Telegrammımftil ift au) der weite
Abjag auf S. 67 abgefaßt. Ziemlich, gedanfenlos wird auf ©. 110 die Qualififation
der Madem. Preifing und der Madem. Hartmann zweimal hintereinander gegeben.
Bermutlich liegt der Irrtum in der von Hodermann eitierten Duelle (Rofifa, Afiland
und Dalberg). Ab und zu fallen Abjonberlichfeiten auf: jo ©. 117 die jchöne
puriſtiſche Neubildung „er briefwechjelt“, die im 18. Jahrhundert befiebte italienifche
Schreibweife „Sinfonie“ (während S. 100 das „pfuhopatifch” wohl zu den Drud-
fehlern gehört), daS wunderlid) fremd anmutende „Eohraim Yeffing“ auf ©. 41 und
einiges andere. Eine recht papierene Ehrafe ift die „nobfe wiffenichaftliche Bopula-
vität®, die auf ©. 86 dem Vuche des über Elhof nacjgerühu wird. Enblid)
wäre bei dem fichtlihen Streben des Berfafers, jein Buch brauchbar und handlid,
zu geftaften, ein Negifter nicht von Nachteil geweſen.
Prag. Rudolf Fürft.
Portig G., Schiller in feinem Verhälmis zur Freundſchaft und Liebe, ſowie in
feinem inneren Verhältnis zu Goethe. Hamburg und Leipzig, Leop. Voß.
1894. 16 M. “
Der Berfaffer bezeichnet fein Buch als ein geſchichtsphiloſophiſches Wert, Das
Grmdproblem der heutigen Philofophie, das Verhältnis des unbewußten Geiites
zum bewußten, joll darin feiner Young näher gebracht werden (710). Die Wichtig
feit, welche Bortig diefen beiden Begriffen beilegt, läßt cs als rätlich eriheinen, fich
mit der Bedeutung, die er mit diejen Ausdrilden verbindet, befannt zu machen.
Man erwartet zunächit, daß es ſich um den Unterſchied zweier Arten piuchiicher
Thätigfeit handle, von denen die eine nur ein Bewußtſein von etwas, die andere
zugleich ein Bewuftfein von fid) jelbft ift (vgl. S. 772). Allein der Autor meint
etwas anderes, „Alle uriprünglichen Thätigleiten unferes Geiftes müffen zundchit
die Form von Anfchauungen und Bildern annehmen, damit fie nachher verarbeitet
werden fönnen zu reinen Gedanken, reinen Gefühlen und Willensakten“ (712). Mir
erfahren dann weiterhin, daß die bämmernden Umriſſe diefer Anſchauungen durch ben
bewußten Geift zu feſten Geftalten durchgebilbet werben mifen, um bem ‘dh als
wirkliche Ihjefte gegenübertreten zu Können. Diefe Ausführungen legen wiedermn
354 Yortig G., Schiller in jeinem Verhältnis zur Freundſchaft und Yicbr.
die Vermutung nahe, daß Portig an den Unterſchied des anichastlichen und unanſchau
tichen Vorſtellens denke. Dafür Ipricht eine weitere Außerung, nach der dasjenige, was
um unbewußten Geiſte beſchloſſen bleibt, auch in ibm als Beſitztum des einzelnen
Menſchen verbarren muß, während das Eigentum des bewußten Geiſtes in den Beftt
der Menſchheit übergeben fann: in der That vermögen wir ja unſere unanſchaulichen
Rrgrifie, nicht aber auch unsere anichaulichen Vorſtellungen mitzuteilen. Jedoch mit
diejer Auffaſſung Steben andere Ausführungen in Widerſpruch. In jeder Thätigfeit des
mibewußten Geiſtes joll das Erkennen vorberrichen 1764, ev wird mit der theore
tiſchen Vernunit gleichgeießt 17863, ja ihm die Befähigung zugeſchrieben, analutiſche
Urteite zu füllen ‚Ton. Analntiſche Urteite aber, jo ſcheint mir es wenigitens, baben
Begriffe zu ihrer notwendigen Vorausſetzung. Freilich, wenn wir S. 714 belehrt
werden, daß eine Erkenntnis Des unbewußten Wertes, wozu alſo auch die analyı
tifchen Urteile gehören, nicht wiſſenſchaftlich geſichert ſei, dann bleibt uns angefichts dei
Unmöglichkeit des Verſtändniſſes kaum etwas anderes übrig, als mit Schiller aus
zurufen: „Kühne Zrglerin Bbantafte, wirf ein mutloſes Anker bie!” Auch die negative
Aeftummmng, daß der unbewußte Wert von dev Bewußtloſigkeit, dem Gedächtniſſe und
ter Zeele zu umtericheiden ſei 17115, bringt fein Licht in das Tunlel.
Tas Weien des bewußten Wertes Toll im Willen beitehben. Er bat die Auf
gabe, Dem Inhalte des unbewußten Geiſtes, ſemer „ichattenhaften Bilderwelt“ (713)
feſte, bleibeude Form zu geben. Er allem vermag dies, da jede ‚ormgebung Br
grenzung iſt und jede begrenzende Individualiſterung nur durch den Willen erfolgen
tanun Leider werden wir Durch Die Erinnerung daran, daß nad S. 711 die Seele
dem Menſchen div Individnalität verleiht, möianit aus dem dogmatiſchen Schlummer
gewedteem den ums Dev Veriaſſer emgewiegt bat. und ſehen uns plößzlich zu unſerem
Schrecfen zwiſchen zwei indvidualiſiſerende Prinzipien in drangvoll fürchterliche Enge
eingekeilt
Mit dem Ausdructe unbewußter Bert gleichbedentend verwendet Portig die
Worte Natur, Vernanit, Tenlen, Vernunftphantaſie und vergleicht dieſes Prinzip
nit Dein Weibtlichen, Den bewnßtten (Wert uennt er auch Sein, Freiheit oder Willen
und betrachtet ihn als etwas dent Männlichen Analoges VL 198. 550. 70%. 705.
753 Unter Freiheit verſteht Kortig Die Fälugkeit des Geiſtes, ſich rein aus ſich
jelbit Dentend und handelnd zu beſtimmen, Dabeı aber auch anders zu fönnen (6181,
alio etwas Irrationales 982, ente yaltıng, welche Dem Ztandpuntte des In
determinismus entipricht Anderwmarts 708: mird Die Freiheit als der ſich feibit
wollende Wille bezeichnet, aud als eine Dem bewußten remen Geiſte zukommende
Notwendigkeit Der Veriaſier meint damit, daß die Ausſprüche des Gewiſſens ums
eine unentrinnbare Notigung auferlegen, zwingender als alle Folgerichtigkeit des
Mon formalen Tenlens
Dieie Gedanken vertragen Tb weder unteremander noch nut dev Erfahrung
Wo bleibt einer unentrinnbaren Rotigung gegenuber div Möglichkeit, Dei jeder
Selbitheſtimmung auch anders zu komen? Und von welchem PBiuchologen bat der
Sofa den Sau entlehnt. daß die Mahmungen des Gewiſſens zwingende Not
wendigkeit fin uns hahen? Zeigt denn nicht die Eriahrung, daß fie gar oft in den
Wind geichlagen werden? Tan ſich das Gewiliſen, wir Portig 2. 733 bemerkt,
auch in einem Dem Willen des Menöchen entqraengeießten Sum äußert, verleiht
ihm weder den Charalter der Rotwendigkent, not vermag ich etwas ihm allein
Eigentumliches darm zu erblicken: auch Die „Folgerichtigkeit des bloß formalen
Deulens“ drangt une manches auf, was mu unierem Wunichen und Wollen keines
wegs in Einklang ſiteht
Traten uns ſchon ber dem Veriuche, den Sun der Ausdrücke bewußter und
unbewuſiter Bent zu ermitteln, unflare KVedanten und ofenbare Widerſprüche
henimend un den Weg, io beünden wir uns in keinew günſtigeren Lage ſenen Aus
jumungen gegenuber,. in denen Kortig das Rerhaltuus der beiden zu einander
erörtert
Yortig G., Schiller in feinem Verhäftnis zur Freundſchaft und Liebe. 355
Diefe von ihm als Grundproblem der heutigen Philofophie bezeichnete Frage
bat, wie er bemerft, zwei Hauptformen von Föfungsverfuchen hervorgerufen, nämlich) die
moniftijchen Naturfyfteme und die dualiftifchen ‚Freibeitsfofteme. Nadı den erfteren ift
Gott die unbewußte Bermunftjeele des Weltalls, eine umd diefelbe Urſubſtanz Fehrt in
wechjeinden Formen wieder, jo bei Schelling, wo Natur und Geift, ar "er um
Wirtlichteit einander gleichftehend, ihren gemeinfamen Urjprung aus dent Abfohıten
nehmen, das weder Geift mod, Natur ift (698). Rad) der dualiftijchen Auffafjung bin-
gegen, als deren Vertreter neben Kant befonders Schiller genannt wird, bilden Freiheit
und Natur, die eine das qualitative, die andere das quantitative lied eines Gegen-
fages, ohne jemals in einem indifferenten Dritten unterſchiedslos aufzugeben, Gott
iſt abfofuter Freiheitswille. Unter dem Quantitativen verjteht Tortig bier das Be
dingte, in unfere Erfahrung Fallende, unter dem Qualitativen das Unbedingte, als
Ding an ſich hinter dem Ouantitativen Verborgene. Den Ausdrud Gegenjat ge-
braucht er in einem von der fonftigen Übung abweidjenden Sinne. Er unterjdeidet
ihm fowohl vom Widerjprud) (fontradilterifher Gegenfat 490), als aud won der
realen Entgegenfeung Starts. Nach der Anficht des Berfafjers beruht die reafe
Entgegenfegung auf der Selbftentzweiung einer und berfeiben Subftanz, ihre Glieder
nennt er. egenftlite oder Segenbilder. Die Glieder eines Gegenfaßes in feinem
Zinne hingegen mitffen jo weſentlich voneinander verjchieben fein, daf; jelbt die
Vorſehung fie nicht im die reale Einheit einer Subftanz zu bringen vermag umd
andererfeits fo zufammengehörig, dafı fie unter die Einheit einer Idee gebradht werden
tönnen (682).
Portig entfcheidet ſich für den Dualismus. Es jteht ihm von vornherein fejt,
daß eine bloße Entfaltung der einen Subftanz ein Widerfpruch in fid) felbft wär
(719), weil cin folder Prozeß immer nur ſich felbft, niemals aber ein Ergebnis
hervorbringen könnte. Wenn die beiden Grundformen, in welden ums nad) moni«
fischer Auffaffung die eine Subftanz erfcheint, nämlich, Vernunft (Ausdehrmg) sd
Wille (696 — Denten, allerdings im Widerſpruch mit der fonftigen Terminologie
des Buches) nichts anderes find, als zwei Formen ihrer Thätigkeit, dann fan mid)
eine Form in die andere und beide in die Urfubftang übergehen, moburdh fid) der
Weitprozeh als zwedios, aljo als ein Widerfprud) in fich jelbit darftellen wiirde,
Zur Erläuterung dieſes Gedanteus jei bemerkt, daß der bloße ormenwedjfel na
Portig feinen Wert befißt, eine Behauptung, die meines Erad)tens feinesiwegs din
fich jelbft einfeuchtet, fondern gar jeln des Deweifes bedarf. Aus dem erwähnten Ge-
danfen folgert Portig nun vveiter, der Weltprogeh müffe ein Umbildungsprozeh fein (720)
und fid) in auffteigender Nichtung beivegen. Kann auch das Quantum der ftofflichen
Weit nicht erhöht werden, jo lann doch die Menge und Bejchaffenheit der geiftigen
Welt eine Steigerung ins Unendliche erfahren. Eine ſolche Steigerung ift nur darum
möglich, weil die Glieder eines Gegenjates (im Sinme des Berfafers) einander
zwar einf—ränfen und dadurch vor dem Schidjale bewahren, in einem indifferenten
Tritten unterfchiedslos aufzugeben, innerhalb diefer Schranfen jedoch) und. dud)
diefelben eine Steigerung ihrer Kraft erfahren. Es muß demnad) ſowohl eine bedingte
Urſubſtanz geben, welche umgebilbet wird, als aud) eine umbebingte, welche biejen
Prozeß leitet und erfüllt. Die Urſubſtang — Urkaft = umbedingter Geift oder das
qualitativ Unbedingte muß das Bedingte — Quantitative als reales gegenfätsliches
Glied im fich haben (701), Gott uf in fid) felbft eine Natur (Welt des unbewufite
Geiſtes oder Vernunftphantafie) als realen Hegenja haben, feine Freiheit (ethijche
Notwendigkeit) ift nur dann gewährleiftet, wem ihr eine metaphifiiche Notwendigkeit
als Objekt gegenliberjtcht (705). Seinen Zwed ſoll der Weltprogeß darin haben, den
werdenden Zeil des Abfoluten zu einem möglichit feienden oder lebenden zu madjen.
Eine jolche Feiftung, das Setsen eines lebten Jwedes kann nicht ah werben
ohne die Annahme eines bewußten Geiftes, während eine einzige Urjubftanz mit
zwei Formen der Thätigleit nur unbevußt wirlen lann (701). Wir wenn Denken
(Wille) und Ausdehnung (Vernunft) als zwei Faltoren von ungleicher Größe und
356 Portig &., Schiller in feinem Verhältnis zur reundichaft und Yicbe.
Neichaffenheit angeichen werden, die nach einer beitummten Proportion aneinander
gegliedert Mind 7151, Fünnmen fie in das Verhältnis der Wechſelwirkung zu einander
treten; gleichartig dürfen fie nur der Zubitany nach fein 491).
Der Umbildungsprozeh, dein die Welt der ftofflichen Zubftanz unterworfen
wird, erfolgt dadurch, daß die zweckſetzende geiſtige Urkraft = Zubjtang 7011 einen.
Teil ihres Weſens als unbewußten Geiſt ausſtrahlt und mit ibm die organifierte
Materie beieelt 72015 zu der bewegenden Zubitanz kommt noch eine andere böhere,
der unbewußte Geiſt oder Die Naturicele 71%. So beiteht die Welt dev Endlichkeit
aus zwei weientlich verichiedenen Zubitanyen, Die organtich als Glieder eines Gegen
jates miteinander verbunden ind, ohne chemmich ineinander zu vperfließen. Tas
quantitativ größere Glied dieſes Gegenſatzes bildet die Welt der Yeiblichfeit, das
aualitativ größere und quantitativ mie unmittelbar meßbare die Melt des Geiſtes:
dieſe Ausftrablung oder Sendung des göttlichen unbewußten Lebensgeiſtes iſt Der
erite Alt der Zeibitbingabe an die Nrcatur.
Zoll der Umbildungsprozeß nicht anf den unbewußten Geiſt beſchränkt bleiben,
io muß das Geſetz Des Gegenſabzes auch umerhalb des menſchlichen Selbſtbewußt
ſeins gelten 723. 759, wie denn überhaupt dev Zweck der kreatürlichen Schöpfumg
kein anderer ſein kann, als daß das Verhältnis, welches in Bose urſprünglich zwüſchen
Natur und Freiheit beſteht, ſich in Den endlichen Weſen nachbilde «750°. Ebenſo
wie der abſolute Geiſt ſich jelbſt beſtimmt, jo better auch Der menſchliche Geiſt dir
Fähigkeit und Die Beſtimmung, die phyñiſche Rotwendigkeit zu einer freien ethiſchen
u erbeben 688%. Die ganze Welt des unbewüßten Geiſtes Natur bildet nur die
Vorbedinqung, aus welcher durch cut unvorſtellbares Urwunder der reine Geiſt
Freiheit =. der ſich ielbſt wolleude Wille hervorgeben kann, aber nicht hervorgehen
muß 657 Ter mienöſchliche Wille vermeg ſich durch freie Eutſcheidung dem gött
lichen Willen zuzrwenden, das heißt ihun zu befolgen und ebenſo von ihm abzu
wenden. In erſterem Falle wird Die uripüngliche metaphyſiiche Weſenseinheit
zwiſchen Gott und Dem Menſchen der menichliche Geiſt iſt eune Teilſubſtanz des
göttlichen zu einer fc gewollten, das beit aus einer naturhaften zu einer ſitt
iichen 18.
Was qut 08, Das beißt was den Inhalt des gottlichen Willens ausmacht,
dariiber belehrt ums teils Das Gemiſien, welches Portig als die Stuume des ab
ſoluten Geiſtes auiſaßt, teils Div qrichnhttehe Oifenbarung, eine Reihe von ſittlich
religioſen Eriſcheinungen, durch welche Gott für die Menſichen dem Inhalt feines
Willens daritellt Imen Gwiel bildet ein Menſch, in welchem die Idee Des Guten
persönliche Leben geworden iit An manchen Stellen tritt Me Bedentung des Ge—
wüiens gegen die Diſenbarung ganz zurüct, fo wenn Vortig in Vezug auf die fünf
Ideen Herbarts bemerkt, ſie jeien nmichts anderes als Auslagen des Chriſtentume
aber Wort und Durch üich allein vermege Me Philoſophie nimmermehr auf ſie zu
tonimen 6498, vgl Tin
In ſeinen philoiophiſchen Anſchanungen, Die ihren Grundzügen nach bier
eutwicktelt worden ſind, bekundet ſich dev Verfafier als Epigone jener Metaphwyſit,
welche einige zzeit für die Blüte aller Philoiophie galt, obwohl ſchon früh von ein—
zelnen ſchariblickenden Mannern ihre Unzulanglichlent erlannt wurde, fo von A. von
Humboldt, Der 1811 an Rarnhagen ichreibt: „Es Hit cine beſammernswerthe Evoche
geweien, in der Teutſchland hinter England und Frankreich tief hinabgeſunken it.”
Ten eutzelnen kritüchen Bemerlungen, die m den Verlauf der bisberigen Tar
mellung eingelochten wurden, eine ausführliche Widerlegurg des Ganzen auzuſchließen,
icheint mir übernürſig zu ſein Lobe, der durch ieinen VBildungsgang mit den ver
ichlungenen Kiaden dieſer Art von Spekulation wohl vertnraut war, fonnte bei alter
Rehutſamleit und Zurückhaltung, Die in ſeinem Weien lag, die Anßernng nicht
unterdrüchen, daß im Gegenianue zu ihrer phantaſtiichen Damer, die Welt mut einer
gewiſſen poetiichen Gerechtigleit zu konütruieren, erſit Herbart wieder dic Manier
Per Unteriuchung eingeführt babe, Dre miit rerſtändlichen Reweiſen Die Gewißheit
Portig G., Schiller in feinem Verhältnis zur Freundſchaft und Liebe. 357
ihrer Behauptungen zu begründen fucht. Es diirfte darum nicht die Metaphyſikſchen
des philofophifchen Publikums, wie ein Recenſent des Portigichen Buches vermutet,
fondern die weit verbreitete Scheu vor fpefulativer teten den Verfaſſer be-
wogen „Haben, jeine philofophifchen Anſchauungen einem Werte über Schiller ein-
zuverleiben.
Indeſſen ift die Verbindung der beiden Dichterfürften mit fo viel Metaphufit
bet Portig nicht eine vein äußerliche. Goethe und Schiller ericheinen ihm als
eine einzig daſtehende Verkörperung von Natur und Freiheit, eine Auffaffung,
mit welcher, wie der Verfaſſer hervorhebt, Gerpinus vorangegangen war (461).
Ihre Zuſammengehörigkeit ftellt fi) ihm als die Verwirklichung eines Weltgeſetzes
dar, welches er das Geſetz des Gegenfates nennt, in ihrer Einheit findet der Ur⸗
gegenfag von Natur und Freiheit jeine thatfächliche Löfung (VID. Dieſe Zurück⸗
führung der dichterifchen Eigenart Ecjiller8 auf die Freiheit oder den bemußten
Geiſt und der von Goethe auf die Natur oder den unbewußten Geift Klingt ja recht
geiitreich, eine wahrhafte Belchrung empfangen wir durd) fie jedod) ebenſowenig als
durch die Metaphufit, welche ihre Grundlage bildet. Das Wahre an dieſer Gegen-
überftellung dürfte darin beftehen, daß Goethe mehr auf die Zugehörigkeit des
Menſchen zu dem Naturganzen adjtete, Schiller hingegen mehr auf den Kampf, den
der Dienjch zu führen hat, um fich gegenüber den andern Elementen des Naturlaufes
zur bekaupten. Goethe fieht den Menjchen mit dem Auge des Epifers, Schiller mit
dem des Tramatifers. Mollte man Gocthe darum des Quietismus anflagen, jo
ließe fich diefer Vorwurf leicht widerlegen. Ich erirmere an feine fchöne Bemerkung,
„daR dem Menſchen in feinem zerbrechlidien Kahn eben deshalb das Ruder in die
Hand gegeben ift, damit er nicht der Willfür der Wellen, fondern dem Willen feiner
Einſicht Folge leifte” (Sprüche in Profa), fowie an die befannten Worte aus den
weſt⸗öſtlichen Divan, „ich bin ein Menſch gemwejen und das heißt ein Kämpfer fein“.
In dem löblichen Bemühen, Schillern geredht zu werden, wird Portig ungerecht
gegen &oethe. So jpricht er mit Beziehung auf diefen von Kleinen Iyrifchen Erzeug-
niſſen, die einer Fleinen Stimmung Ausdrud verleihen und hebt ihnen gegenüber den
Wert der großen Formen hervor (481). Nun bildet ohne Zweifel die Gliederung eines
Gedichts ein äſthetiſches Moment, doch möge man nicht vergeffen, daß e8 eben jenes
it, welches die Werke der Poefte mit denen der Profa, ja fogar mit jenen der
Ichrhaften Profa gemein haben, während das rein Poetifche den erfteren allein zu-
fommt. Wer in der Beherrfhung der Form in dem angedeuteten Sinne den ent-
jheidenden Vorzug erblickt, wird nicht vermeiden können, Scribe und Sardou fiber
Shakeſpeare, Kotebue und Raupad) über Schiller zu ftellen.
Auch dem Menſchen Goethe Spielt Portig mitunter recht übel mit. So heißt
8 2. 224: „Wie Häglic die materiellen Verhältniffe diefer außerordentlichen Bro-
feffur der Philofophie in Jenna waren, ift befannt. Goethe, welcher Schillern feinen
Gegenbeſuch machte, überließ dieſen feinen aufreibenden Kämpfen um das tägliche
Drot, und mag wohl auch im ftillen gehofft haben, daß der einzige zu fürchtende
Nebenbuhler durd) das Studium der Geſchichte von feinem eigentlichen Dichterberuf
abgelentt werden wirde.“ Wie jagt doc; Goethe einmal ın ben Sprüchen in
NReimen? „Und was ic) auch für Dege geloffen, aufm Neidpfad habt ihr mid)
nie betroffen.” Zeine merkwürdige Voreingenommenheit führt den Berfaffer auch
dazu, Außerungen Körners in einem Briefe an Schiller von 1. Dezember 1797 auf
Goethe zu beziehen und darauf eine fcharfe Verurteilung von Goethes fittlichen
Berhalten zu gründen, obwohl längft feftgeftellt ift, daß nicht Goethe, jondern ein
Graf Geßler gemeint ift. (Vgl. O. Harnads Beiprehung des Portigichen Buches
in der Beitfchrift für deutiches Altertum und deutfche Yitteratur 89, 154.
Zum Schluffe möchte ich noch darauf hinweisen, daß das Verſtändnis bes
Buches durch einen unbegreiflichen Fehler in der —— ſehr erſchwert wird.
Der Verfaſſer wendet nämlich ſowohl ſeine eigentümliche philoſophiſche Terminologie
als auch feine Metaphyſik bereits an, bevor er noch den Leſer mit ihr bekannt ge
358 Fried. Erenzer und Karoline v. Günderode, Briefe und Tichtungen.
macht bat, während doch wohl das umgelkehrte Verfahren am Plate geweſen wäre.
Daß er 775 Zeiten großen ‚zormates verbraucht bat, um das zu jagen, was ſich
auf 200 beſſer jagen ließ, ſoll ihm in Hinblick auf die Zeitläufte nicht Übel vermerkt
werden; wird Doch bei uns Teutjchen von beute nur allzuoft der Mann „gezäblt“
nach der Menge der Trudbogen und „gavogen“ nach dem Papiergewicht. Portig
hat ſich vor der Gefahr, in dieſer Beziehung zu leicht befunden zu werden, aus
giebig gejchlikt.
Prag. Emil Arleth.
Sriedrih Greuzer und Naroline von Günderode. Briefe umd
Dichtungen. Herausgegeben von Erwin Rohde. Heidelberg. Carl
Winters Univerfitätsbuchhandlung. 1896. 3.50 M.
1. Allgemeine Betrachtung.
Mit Schmerz und Teilnahme Habe ich die in Kohdes Buche ver-
öffentlichten Briefe und Gedichte gelefen, deren dunkle, gedämpfte Töne
ung an all den Erdenjammer gemahnen, der edle Herzen brechen kann.
Zwei auf das Höchſte, Ewige gerichtete Menfchen, Friedrich Creuzer und
Ntaroline von Günderode, den von dichterifcher Phantafie erfüllten Ge:
lehrten und die der Wiſſenſchaft ſchwärmeriſch fich hingebende Dichterin,
jchen wir in dem Auf- und Niederwogen eines Verhängniſſes, das alle
Seligkeit zugleih und alles Elend irdischen Daſeins auf fie ftrömt, ihre
Lebenskraft erſchöpfen und verfinfen. Mohlthätig umfängt ihn die Nacht
tödtlicher Krankheit, aus der er langjam genejend wie aus dunklem
Traume zu einem neuen Yeben erwacht, an deſſen Schwelle Entfagung
gebietet. Die Jungfrau befreit der Tod von ihrem Leid, den fie fich längſt
eriehnte als den ihr gewiſſen Eingang zu einer höheren Ztufe ihres
Tajeins, wo fein Schmerz mehr fein werte. Was an menihlihen Ber:
ſchulden fih in ihr Schickſal mischte, haben Beide menschlich gefühnt. Bor
der Schweigenden Macht des Todes halten wir den Schritt inne und ent
blößen in Ehrfurcht unfer Haupt.
IH babe nicht die Abficht, die einzelnen Momente diefer unergränd-
lien, vomangleihen Wirklichkeit hier vorzuführen: es fcheint mir aud
gegenüber dem gejamten, bis jegt vorliegenden Materiale, das weder voll⸗
ftändig ift noch feiner Natur nach das verborgene Walten innerfter
Seelenmächte erfegen fann, kaum mit einiger Ausfiht auf Allgemein-
verbindlichlett möglich zu fein. Die eigene Phantafie und das eigene Gefühl
müßte doch das Beſte dabei thun. Ich vertraue aber: Greuzer und die
Gunderode ftehen jedem, der deutfche Geiſtesgeſchichte achtet, hoch genug.
um davor behütet zu fein, daß eine niedrige Ausdeutung deflen, was dag
Auch mitteilt, fih vor ein maßgebendes Publilum hervorwagen dürfte.
Es ift eine frendige Pflicht für mich zu befennen, daß Erwin Rohde bei
der Herausgabe würdig umd menichlichedel verfahren ift.
Fried. Ereuzer und Naroline v. Glnderode, Briefe und Dichtungen. 359
2. Yitterarhiftorifhe Betrachtung.
Es war befannt (vgl. Euphorion 2, 417), daß Creuzers Briefe an
die Günderode erhalten feien: nur einzelne find, wie wir jegt erfahren,
beftimmungsgemäß vernichtet worden. Aus ihnen fhöpfte eine von
Creuzers Berwandten zur Abwehr veranlaßte Darftellung in dem Frank
furter Converfationsblatt 1862, Nr. 164—166. Die Driginale befinden
fich jetzt auf der Heidelberger Univerfitätsbibliothef. Sie enthalten neben
der eigentlichen Hauptmafle unter anderm noch eine Reihe für uns fehr
wichtiger Ergänzungsberichte Friedrich Creuzers an feinen von Anfang an
in das Bertrauen gezogenen Better Leonhard Ereuzer in Marburg, ein
paar Briefbillets der Frau Sophie Creuzer an die Günderode, und
wenige Blätter der Icgteren an Greuzer. Rohde giebt in feinem Buche
ein ausgewähltes Material. Ie nach feiner Vorſtellung von der Be:
deutſamkeit desjelben bietet er c8 uns im Wortlaut, in Verkürzung oder in
berichtendem Auszug dar. Eo muß verfahren, wer handfchriftlihe Maſſen
zu bewältigen hat, und es verfchmäht der drudende Sklave ungebrudter
Schrift zu fein. Bemerkungen vor, zwifchen und unter dem Terte helfen
wohl dem Leſer weiter, ohne ihm doch ebne Bahn zu fchaffen.
Die Briefe fördern faum erwartete Funde für uns zu Tage und er-
weitern die litterarhiftorifche Kenntnis deſſen, was zur poetichen Schrift-
ftellerei der Günderode gehört. Ihr Eigentum if, nah ©. 58, die
„Ziann“ unterzeichnete „Geſchichte eines Brahminen“ in den Herbfttagen
der Frau Eophie von Yarode, 1805, S. 24—27.1) Eine Anmerkung
Rohdes auf ©. 14 regt die Frage an, ob ihr ein anonymes Gedicht in
Bertuchs Journal des Yurus und der Moden, Auguft 1806, zuzujchreiben
fei. Was ſich fonft an poetifhen Beilagen von ihr innerhalb der Briefe
felbft erhalten Hat, war ſchon früher anderweitig befannt geworden. Wenn
fih aber Rohde auf S. 57 gegen die Echtheit des Gedichtes „It alles
jtumm und leer“ erklärt, fo verweife ih auf Minor (im Defterreichiichen
Pitteratur-Blatt 1896. 5, 12), der gleich mir (Euphorion 3, 478) die von
Helmine von Chezy erhobenen Anſprüche für nicht begründet Hält. ‘Das
gegen nehmen Creuzers Briefe oft auf Gedichte der Günderode Bezug,
die fie ihm, wie fie fertig waren, unverzüglich mitteilte, und die mit
Zugaben Greuzers verbunden als ein befonderes Bändchen unter dem
Titel „Melete“ bei Mohr und Zimmer in Heidelberg erjcheinen follten.
Der Druck war bereits zu dem fünften Bogen vorgerüädt, ald er nad)
dem Hinfcheiden der Günderode eingeftellt wurde. Im Befige des Frei⸗
herin von Bernus auf Etift Neuburg haben fich nun die vier erften
Korreltarbogen, fowie der fünfte in Abſchrift vorgefunden, und in einem
1) Und es wäre danfenswert, von Deere zu erfahren, ob fi im
Nachlaß Sophiens von Laroche vielleicht noch weitere Spuren ihrer durch Bettina
ja befannten Freundſchaft für die Günderode finden.
360 Fried. Ereuser und Naroline v. Günderode, Briefe und Tichtungen.
nachträglih von Rohde zugefügten Anhange find einige Ztüde aus diefen
Bogen abgedrudt worden. Yeider nicht ihr gefamter Inhalt, der denn
dod für das volle Verftändnis der Briefe nötig wäre. Immer dringender
wird jet das Bedürfnis nah einer hiſtoriſch-kritiſchen Gefamtansgabe
der Dichtungen. Ihr müßte auch zu gute kommen, was ſich etiva aus ber,
von Rohde nicht aufgenommenen, Unterfuchung ergäbe, ob und inwieweit
Sedanfen der Guünderode fih in Creuzers Schriften nachweiſen ließen.
Denn das flingt aus manden feiner Außerungen heraus, und flimmt
merfwürdig genug mit Bettinens Grinnerung Schwartz bei Erſch und
(Sruber I 97, 216, zufammen.
Wie ich andeutete, ift e8 ein Schade für die Publikation und unfere
Venutzung derfelben, daß Rohde erft nah dem Abſchluß feiner Brief.
ausgabe, die er — bis auf Hinzufegung neuer Fußnoten — unverändert
lich, Keuntnis von dem Vorhandenſein der Melete erhielt. Sie hätte ihn
. 2. fiherlih vor folgendem, ohnehin vermeidbaren, „Irrtum bewahrt.
Am 20. November 1804 fchrieb Greuzer an die Günderode S. 22::
„Ih hab Ahr Gedicht gelefen und zwar in derjelben Stunde der Mitter-
nacht, im der fih das Schickſal feines Helden entfcheidet. Der Glückliche!
— wer do auch fo das Schönſte gewönne — ich habe recht mit ihm
gelitten — um hernach, ihn beneidend, allem zu leiden. Die Anwendung
lag auch gar zu nah, denn ob ich wohl fein Held bin, bin ih doch ein
Yiebender.“ Rohde mat dazı an: „Vielleicht Timur' Goctz ©. 19 ff.).“
Nun aber paßt erſtens die „Proſa“ Erzählung, nit „Gedicht“, von
Timur überhaupt nicht inhaltlich. König Timur wird von der Geliebten,
Ste ſich ihm unerkannt zu nächtlichen Freudenrauſche hingegeben hatte, an
derfelben Stelle, von wo er ihren Vater in das Meer fticß, umfchlungen
und mit in die Flut hinabgezogen. Wo tft die Stunde der „Mitter-
nacht“? was „leider“ Timur, daß Creuzer mit ihm leiden konnte? wer
wollte in der Art der Hingabe der Geliebten überhaupt, wer in der ge-
meinſamen Vernichtung beider damals ſchon cine „Anwendung“ auf
CEreuzer und die Günderode fehen? Ter von Greuzer mit Ernft befämpfte
Gedanke an freiwilligen Tod tritt ſeitens der Günderode erft ein halbes
Jahr Später hervor, S. 33. Zweitens war der „Timur“ ſchon feit
dem Frühjahr 1804 im ihrem crften Gedichtbändchen gedrudt, alſo
durchaus vor ihrer Yiebe zu Grenzer und fomit ohne „Anwendung“ auf
dieſe entitanden, während Dod aus dem ganzen Sufammenhange des
PBriefes klar ift, daß nur ein neues, friich in „Anwendung“ auf ihn und
fie geſchriebenes Gedicht gemeint fein kann. Es iſt überhaupt mit der
veralteten Meinung zu brechen, als bezögen fid) einzelne ihrer Gedichte in
dem früheften Yändchen, von 1804, auf dag Verhältnis zu Creuzer. Das
(Kedicht, um melden es fih in der obigen Bricfftelle handelt, war alſo
gar nicht in Götz' Sammlung zu fuchen, fondern muß, wenn es erhalten
ft, ın dev Melete gefunden werden.
Fried. Creuzer und Karoline v. Glinderode, Briefe und Dichtungen. 361
Ich reihe Hier gleich weitere Berichtigungen, Zufäge und Bedenken
an. Der am „Samstag“ geſchriebene Brief Creuzers, S. 17—18, läßt
ſich genau und fiher auf den 27. Oftober 1804 datieren. Der Schluß-
ſatz lautet nämlich: „Clemens ift Heute fort über Würzburg“, und damit
ift der Beginn einer Reife bezeichnet, die Brentano im Herbfte 1804 zu
Arnim nad Berlin unternahm; dieje Reiſe aber .trat er am 27.. Ofto«
ber 1804 über Würzburg an (Arnim und Brentano, ©. 117); und fo-
mit wäre aud für die bei Rohde, bis ©. 13, vorhergehenden Briefe
oder Briefteile, die die Aufſchrift „Freitags fpät“ oder „Montags zc.“.
tragen, ebenfo wie für die auf ©. 18 nachfolgende „Sonntags“-Mit-
teilung das beftimmte Datum gegeben, vorausgefegt, daß dieje einzelnen
Stüde wie in Rohdes Druck fo aud im Original diefelbe Lüdenloje
Aufeinanderfolge haben. — Nad dem Briefe Ereuzerd vom 17. Auguſt
1804 (S. 2) kam „erft Brentano allein... . dann vorgeftern Bren-
tano mit Weib und Kind“. Rohdes Anmerkung dazu läßt den die Dinge
ſtraffer faſſenden Hinweis auf Bartſch' „Nomantifer und germaniftiiche
Studien in Heidelberg“, ©. 41, vermiſſen, wo Kayfer am 5. Augujt
1804 meldet, daß Brentano, welder ſich mit feiner Frau in Heidelberg
miederlaffen wolle, feit acht Tagen bei Creuzer fei, da Heißt: bei ıhm,
mit dem er durch Savigny von Marburg Her damals ſehr gut befaunt
war, abgeftiegen fei. — Faſt gleichzeitig mit Brentanos erftem Beſuche
war die Günderode in Heidelberg. Creuzer ſchreibt feinem Better Leonhard
über fie ald über „eine Poetin, Verfaſſerin des Tian, den er aus der
Jenaiſchen Litteratur- Zeitung kennen werde“ (©. 2). Wiewohl man an
der Stelle durchfühlt, daß die Günderode perſönlich auf Creuzer Eindrud
gemacht hat, fo merft man doch auch, daß er ihr einziges bis dahin er⸗
ſchienenes Gedichtbandchen und die Jenaiſche Recenfion desjelben kaum
anders als vom Hörenfagen kannte, ob er ſchon hinzufegt: „ihre Gedichte
las ich erft nachher.“ Denn dieje „Gedichte und Phantafien“ waren von
ihr, ald von Tian, nit ald „der Tian“ erichienen. So hätte ſich der
in litteris geübte Mann nicht ausdrüden können, wenn das Büchlein auf
feinem Tiſche lag: wohl aber war dies die im Freundestreiſe ber Günde-
rode geläufige Ausdrudsweile, der auch Betting folgte, z. DB. in ihrer
Günderode 2, 129. Was die anonyme Jeusger Necenfion anlangt, jo habe
ih im Euphorion 2, 411 auseinandergejest, daß fie wahrjheinlic von
Yifette Nees gejchrieben ſei, und ich freue mich, dag Rohde im der Note
auf S. 2 meine Auſicht zu der feinigen macht. Dagegen ift bei Nohde
unbemerkt geblieben, daß diefe Necenfion mit dem „Göthijchen Urteil über
die Günderode* auf S. 9 und 10 ibentiich fein mie. Man ficht aljo
deutlih: Creuzer kanute die betreffende Nummer der Senaer Yilteratır
Zeitung vom Juli inhaltlich nicht, erhielt fie aber vom ber Gauderode
fpäter tm Dftober gejhidt und gab fie Saviguys und Brentanos zu lejen,
deven Auffafjungen ex ihr zurüdberichtet. Cs war ja damals allgemein
362 Fried. Ereuzer und Karoline dv. Günderode, Briefe und Dichtungen.
üblich, Jenaiſche ecenfionen als Goetheſche Mecenfionen hinzunehmen
‚vgl. auch Neue Heidelberger Jahrbücher 5, 75), ebenjo wie von den
Sseidelbergern, worüber einmal bei anderer Gelegenheit, die Frankfurter
jelehrten Anzeigen vom Jahre 1772 als Goetheſche betrachtet wurden.
Es ergiebt fid) das wunderlihe Kejultat, daß jelbft die (Hünderode und
Creuzer nicht über die eigentliche Herkunft der Jenaiſchen Recenſion
unterrichtet waren. — Am 9. Mai 1805 fchreibt Greuzer der Günde-
rode S. 43: „Das ſchlechte Gedicht, Das fhon in feinem Urfprung
unpoetifch, jollten Sie nicht begehren. Indeſſen hier iſt's, wie ich's ge-
ſchwind abgejchrieben, unverändert.” Rohde jagt dazu: „Tas Greuzeriche
(Wedicht fehlt.“ Im Gegenfag zu ihm glaube ich, daß es mit dem ihr
unter dem 2. Mur ın Frankfurt gewidmeten Gedichte S. 36:
Ich war in Deinem Garten,
Die Rosen Schienen bläffer,
Ta weint das treue Herz u. f. w.
das er ıhr, wie er ſogleich gefteht, eigentlidy nicht „wegen feines poetifchen
Unwertes“ mitteilen ſollte, identiſch iſt. Darauf bezieht ſich auch jpäter
die Anſpielung „Roſen ſterben“ und das wörtliche Citat zweier Verſe
S. 45. 46: und in Creuzers Bericht am feinen Better vom ſelben
2. Mai 1805 ©. 415: „hier, in Frankfurt, fand ih auch manche
ofen nicht mehr, die noch im vorigen Herbſt blühten; Lina hat das
ganze Frühjahr getränkelt, und wird gewiß einſt ſterben an kranker
Bruſt,“ iſt der Schlüſſel zum Verſtändniſſe des Gedichtes gegeben, ohne
den wir nicht zu erkennen vermöchten, wie die Eingangsworte vom Garten
und den Roſen gemeint ſind. Die Günderode muß alſo, nach meiner
Auffaſſung, das von ihr vielleicht verlegte Gedicht noch einmal von
Creuzer ſich ausgebeten haben. Bedenklich bin ich wegen Rohdes
Datierung des S. 35 abgedruckten Briefes auf „den 18. April 1805
Nachmittags“. Warum ergänzt er „April“? Ich erfeime in dem Briefe
feinen inneren Anhalt, feine innere Nötigung dazu. Nahm Rohde viel-
leicht feine Gründe aus dem, was er fortgelajlen har? oder find ſchon
Me Urigmale To aneinander gereiht gewelen? Ter von ıhm betonte
Anklang des Schluſſes an das Gedicht der Günderode „Tie !: Yiebe“
hilft gar nicht vorwärts. Denn diefe Note zu Creuzers Worten „Muth...
Zagheit“, um Die es ſich handelt, hätte ev cbento gut zu S. 39 Muth
und Sagheit oder zu S. 14: Muth und Sagheit: geben können: die
Wendung iſt eben beiden gemeinſam. — Tie Zchreibung „Tie:!: Viebe“
deutet mir auch äußerlich auf etwas hin, das ich nach meiner Zinnes-
und Arbeitzart wenigiten® bei derartigen Publikationen für tadelnswert
erachte: daß nämlich Rohde immertort die willenichaftlihen Forderungen
nicht genügende Götzſche Sammlung der Poeſien der Gunderode, anftatt
dr gewiß in Heidelberg leicht zugänglichen Originaldrucke, benutzt. Im
Trigmal 1804. S. 128 heißt das Gedicht bloß „Liebe“: auch den
Fried. Creuzer und Karoline v. Ginderode, Briefe und Dichtungen. 363
Titel diefes Originale, Gedichte und Phantafien, hat Rohde nicht ohne
einen Heinen Fehler auf S. 23 hingefchrieben. Eins der. beiden Original⸗
bändchen der Günderode, entweder die „Gedichte und Phantafien“ (1804)
oder die „Poetifchen Fragmente“ (1805), muß nun Creuzer an der Stelle
meinen, wo er, ©. 41 den 2. Mai 1805, feinem Better fchreibt: „Dieje
|beigelegten] Gedichte fchenfe ih Dir. Lies fie im Stillen mit Deiner
Yotte. Ih bin nicht blind, fie Haben ihre Mängel. Das erfte ift aber
auch ſechs Jahre alt. Daher die metriſche Unvollendung. Metrik und
Technik aber ift überhaupt nicht ihre Sache. Laß es Niemand willen, daß
Du diefe Gedichte von mir Haft.“ Sch zweifle nicht, daß es fih um das
Bändchen von 1804 Handelt, ſchon wegen der zwiefachen Benennung
„Gedichte“: über die Poetiihen Fragmente, die der Hauptmaffe nad)
dramatifh und in Profaform gehalten find, hätte er fo nicht ſprechen
können. Dann gewinnen wir aber aus der Briefftele für das erfte Ge-
dicht „Darthula, nah Oſſian“ ein chronologifches Moment: daß es da»
mals vor ſechs Jahren, alfo etwa 1799, gedichtet wurbe. Ich mag dieſe
offenbar doc aus der Erinnerung der Günderode geflojjene Angabe nicht
al8 eine unbedingt exakte prefien; doch die in Klang und Sprade uns
verfennbare Nachahmung des Schillerſchen Gedichts „Will fih Hektor
ewig von miv wenden”, die nod jeglichen Charakters bare Unfelbftändig-
feit diefer reimenden Nachdichtung Oſſians weijen das Stüd durchaus
ihren jugendlichen Anfängen zu, und dem widerftrebt auch nicht die Art,
wie Bettina es, mit einer bemerfenswerten Abweihung von der Drud-
geftalt, in ihrem Buche über die Günderode verwertet und zum Abdruck
bringt. — Am 7. Februar 1805 fchreibt Creuzer an die Günderode
S. 32): „Clemens, dem ich neulich über feine Yaulheit tüchtig ins Ge⸗
wiſſen geredet, fängt an zu dichten. Sie fennen die Romanzen; dazu hat
er wieder eine neue und zwar fehr jchöne gemacht ꝛc.“ Rohde bemerkt
dazu: „Die ‚Nomanzen vom Roſenkranz' waren aljo bereit® damals
18059 im Werk, zum Theil ſchon ausgeführt. Das ift meines
Wiſſens fonft nicht bekannt.” Dies ift freilich ein Irrtum. Ich brauche
Rohde nur auf Soedefe ? 6, 54 zu verweilen, wo ausgefprochen ift, daß diefe
Nomanzen wenigftens fchon 1803 in Marburg begonnen wurden. Aber
auch das Bud) über Arnim und Brentano hätte ihn eines Beſſeren belehren
fönnen; da fchreibt Brentano, S. 131, am 15. Yebruar 1805 Arnim:
„Ich habe die befannten Romanzen wieder vorgenommen und noch drei
hinzugedichtet ꝛc.“ Wir erhalten hier zugleich ein lehrreiches Beifpiel, wie
Briefe überhaupt zu lefen und zu verftehen find. Denn die Bergleichung
mit Brentano felbft entzieht der Äußerung Ereuzers, ob ihr Kern gleid)
richtig ift, doc) in ihrem vollen Umfange den eraften Wert, den wir heute
brieflihen Nachrichten beizulegen gar zu leicht bereit find.
Ich breche mit derartigen Bemerkungen ab. &8 foll dod) nicht den
Anſchein gewinnen, als hätte ich an der Publikation bloß auszuſetzen.
364 Fried. Ereuzer und Karoline v. Biinderode, Briefe und Dichtungen.
Nein, fie enthält auch litterarhiftoriich viel Tüchtiges, das ich anerkenne.
Id will wenigftens Einiges davon noch kennzeichnen.
Kohdes Material berührt fi) natürlich mit dem 1894 von Geiger
veröffentlichten. Die Leſer des Euphorion können leicht meine Recenſion
des letzteren nachleſen. Ich fehe jegt mit Senugthung, daß dem neueften
Material gegenüber die Ergebnifje meiner Kritik beftehen und von Rohde
angenommen werden. Er jelber betradgtet aud von feinem Etandpunfte
aus Geigers Arbeit und liefert weitere Derichtigungen. Auch dieje muß
derjenige fennen, der die im Geigers Buche veröffentlichten Papiere willen:
ſchaftlich benugen will.
Über dieje Dinge darf ich mich um jo freier ausfprechen, als Rohdes
Arbeitsweiie mich periöntih nad feiner Richtung bin verpflichtet oder
inengt. Ich bin hier durchaus feiner Meinung. Wo die Sache anerkannt
wird, ift eine ornamentale Ausftattung des Anerkenntniſſes überfläjlig und
für Männer, die auf ſich halten, wertlos. Dod darüber habe ich meine
(Wedanten, wie Rohde zum eriten Male meinen Namen neunt. Er ipricht
in feiner Vorrede, S. AV, von dem ſchon Eingangs erwähnten Frank—⸗
furter Zertungsartitil des Jahres 1862. Diejer wurde, ald im Bud:
handel und Bibliotheksverkehr nicht erhältlich, ım Dat 1895 von dem
Heidelberger Univerſitätsbuchhjändler Karl Groos, einem Verwandten
Yeonhard Greuzers, neu aufgelegt: ich habe ihn mit ganz wenigen Worten
um Euphorion 2, 840 angezeigt. Nun kommt jegt, 1806, im bequemen
Vefige des Neudrucks Erwin Rohde und erklärt, diefen Zeitungsartikel
hätte Schwarg nicht benugt, Geiger nicht benugt: „ebenjowenig fein
Necenjent R. Zteig, Euphorion 2, 406 —419“. Ich führe bier nur
allein meine Angelegenheit. tt Rohdes Bemerkung kann ein Bormwurf
liegen; wenn emer darın Liegt, dann iſt er leicht zu widerlegen. Als ich
meine Recenſion ſchrieb, war der Zeitungsartikel im Triginal für mid)
nicht da: die Konigliche Bibliothek Berlin enthält fogar nicht die heutige
Frankfurter Zeitung. Aber fowohl feiner Eriſtenz wie jeinem Inhalte nach
war nur der Artikel doch befannt. Zeine Eriſtenz, und ein wenig mehr,
ſteht in Adolf Stolls Rrogrammabhandlung über Savignys Sächſiſche
Studienreiſe 1890. S. 5 vermerkt; eine — früher nicht, jetzt freilich
kontrollierbare — Benutzung des, in Heidelberg wahrſcheinlich vorhandenen.
Originals lag in Georg Webers Heidelberger Erinnerungen - 1886,
S. 118 ff. vor. Ein kritiſches Mittel für meine Recenſion flog mir
aber nicht zu: offenbar aud) Rohde nicht, der es mir fonft geſag:
haben würde. Weil aber bei Weber cin Mehr gegenüber der (Wünderode-
Biographie von Schwartz gegeben war, babe ich Weber im Neuen Goe—
>efe (6, 66 ſeinerzeit citiert. Es entfällt aljo das Litterariihe Recht zu
cum Mouitum.
Aundererſeits erllare ich mir nur Schwer Rohdes Verhalten zu
Geigers Buche. Zwar nicht alles, aber vieles, was er über oder
Fried. Creuzer und Karoline dv. Gilnderode, Briefe und Dichtungen. 365
gegen diefen vorbringt, fühlt fi) wattenweih an. ©. 75 läßt ex ihn
fogar einen Brief „rihtig auf Ende 1805“ datieren, während diefer
thatſächlich ihn ſchwankend auf „Ende 1805 oder Anfang 1806“ angeſetzt
hatte. Geiger glaubte daher, Rohde als einen Gefinnungsgenofien von
fih betrachten zu fünnen. In diefem inne, zugleih in erfennbarem,
wenn auch nicht offen ausgejprochenem Gegenſatze gegen mich, fchrieb er
einen Feuilletonartikel über das Rohdeſche Buch in die Frankfurter
Zeitung 1896, Nr. 222. Mich laffen journaliſtiſche Peiftungen dieſer
Art volftändig Falt, folange nicht meine in einem wiſſenſchaftlichen
Fachorgan gegebene Kecenfion vor demfelben litterarhiftoriich maßgebenden
Publikum widerlegt ift. Geiger hat gefcehwiegen. Ich richtete mid) gegen
die wiſſenſchaftliche Qualität feines Buches und gegen feine Behandlung
der beteiligten Perjonen, namentlih "Greuzers. Rohde hat nun Geigers
Frankfurter Feuilleton nicht ertragen können und ihm an berfelben
Stelle, unter dem 12. Auguft 1896, feine Abſage gethan. Ich hebe
Zweierlei daraus hervor: „Herr Geiger fcheint Dem, was fi) aus Greuzers
Briefen von dem Verhalten und den ganzen Weſen der beiden Menfchen
erfehen ließ, nicht unbefangen gegenübergetreten zu fein. Wie hätte ſich
ihm fonft auf Greiszers Seite Alles, Gedanken, Motive und Handlungen,
jo gänzlich) ing Niedrige und Triviale herabgezogen zeigen fünnen; wie
hätte er fonft ihn zum Schluß mit dem Urteil auf rohen Egoismus und
Gefühlsheuchelei fo Shimpflich entlaffen mögen? Co häßliche und vulgäre
Züge trägt Creuzer nur in Geigers fubjeftiver Auffaſſung.“ — — und:
„Ob e8 irgendwo Bettinomanen giebt wie die, von denen ſich Herr
Geiger ungerecht verfegert glaubt, weiß ich nicht. Immer möchte ich noch
fteber mit folchen al8 mit etwaigen Bettinomaftiges auf Einer Bank
figen.“'ı
Und mit rende habe ich in der Abfage weiter gelejen, was Rohde
im allgemeinen über Bettina jagt. Es entjpricht dies fchärfer der Gründ-
lichfeit, mit der er Bertinens ihrer eigenen Jugendzeit gewidmeten Werke,
joweit fie mit feinem Stoffe in Berbindung ftehen, beurteilt und auch
in der fogenannten Echtheitsfrage gut beobachtete Thatjachen feftftellt, die
feiner überfehen darf, der ſich mit diefen Dingen befaffen will; und die
mit fehr viel anderen, welche ein jegt faft üÜberreich zuftrömendes Material
fonft noch ergeben Hat und ergeben wird, ſämtlich vorbereitend wirken
) (Bufaß vom 21. Dezember 1896:) Geiger hat jett über diefe Dinge in
den Anmerkungen zu den „Dichtern und rauen”, S. 379, nad) feiner Weife geredet.
Kein Wort fachlicher Widerlegung. Was er ©. 173 f. iiber ein neu produgiertes
Briefhen Brentanos fagt, ift wieder Alles wertlos und falih. Ich ftelle einfach
das Richtige hin: „Clemens' Brief ift an feine Schwefter Gunda (Gundel, Kuni-
gunde) Brentano gerichtet, gehört in den Februar 1801, und ftellt fi als eine
feiner Antworten auf diejenigen Briefe Gundas dar, aus denen ic) das Wichtigere
in Arnim und Brentano ©. 22 mitgeteilt habe.
Euphorion IV. 24
366 Fried. Creuzer und Karoline v. Günderode, Briefe und Tichtungen.
auf eine Hiftorifch-Eritiiche Ausgabe der Werte Hertinens, die einmal doch
hervortreten wird. Rohde bekennt fich frei zu der Anſchauung, daß Bettina
das Bild ihrer Ingendfreundin im großen Stile lebensvoll und, von un-
bewußten Verſchiebungen chronologiiher Art abgejehen, auch wahrheite-
gemäß geftaltet habe.
vaſſen wir innerhalb der Grenzen des neuen Meaterial® den Blid
auch noch auf die Creuzer und NMaroline von Günderode umlebenden
Rerſonen fallen, jo bemerten wir einen jehr geringen Grad von Teil
nahme für alles das, was von dieſen geiſtig gethan und angeftrebt wird.
So ausfchlieglih find eben jene beiden Menichen in ihren Briefen auf
fich felbit gerichtet. Fir die damals jung aufipriegende Heidelberger Yitte
vatur und Poeſie ergiebt fid) jo gut wie fein (Newinn. Tas Wunderhorn,
das doch in Creuzers unmittelbarer Nähe geichaffen wurde, wird mit
feinem Worte erwähnt. Es liegt nicht daran, dag Greuzers Haltung ven
Vrentanos, namentlich Betiinen und Klemens, gegenüber in einem
menſchlich begreiflichen Streben nach alleinigem Einfluß auf die Günde—
vode immer abdrängender wird. Für Arms Perſönlichkeit aber, ala fie
ihm im Heidelberg entgegen tritt, hegt ev neidlofe Bewunderung: „Arnim
vedet jehr wenig; was er fagt, iſt gewöhnlich heiterer Scherz. Aber im
Ztillen, wenn ich To ihm auf dem Zpaztergange Teitwärts ging, hab ich
mic an feiner Ericheimung geweidet. Zuverſicht und Kraft find ihr auf
geprägt. Es iſt doch was Herrliches um dieſes fräftige Auftreten auf den
Erdboden, um dieſes heitere, Have, feite Alien in die Welt hinaus, wie
wenn fie Einem dienen müßte. Zehen Zie, das vermag Arnim, und zwar
ohne geſuchte Mraft, ohne Brutaliiieren, ſondern ſo, daß die Kraft freund-
id) iſt und gemildert und Folglih ſchon. Zo ſoll der Mann fein“
Z. 48. Tief und herrlich und gerecht iſt auch die volle Charakteriſtik
Savignys, Z. 25-28, Me wie der Sonnenſchein alles Trübe, dag der
vergängliche Unmut des Augenblicks wohl auch gegen ihn und feine
mäßigenden Abmahnungen anueſprach, leuchtend überwindet. So, wie hier
und an vielen anderen Stellen, kann wur ein edel angelegter Menſch
denfen, empfinden und ſich ausdrücken. Ein Mann wie Creuzer konnte
wohl irren, denn cr war ein Menſch, doch nie ſich ſelbſt verlieren. Keiner
feiner bedeutenden und großen Seitgenoiien, deren Namen wir heute mit
Achtung und Ehrfurcht nennen. iſt am ihm irre geworden, obgleich fie um
das ichwere Verhängnis Seiner vVebens Schr wohl wußten. Ter alte Voß,
jein späterer wiſſenſchaftlicher Gegner, ſchlang um ihn die Arme, wie er
wieder in das Yeben eintrat. Daub, Schwarz, Willen, ! Yeonhard Creuzer,
Savigny, Arnim, Gorres hielten ihm unentwegt ihre Freundſchaft. Und
auch Goethe, in deſſen Weltanſchauung das Smmboliſche eine mit den
Jahren des Alters zunehmende Macht war, hat noch 1815 in Heidelberg
) Siche Adolf Stolls wichtiges Auch uber Wuten. Caſſel 1890, 2. 37.
Faden H. K., Theodor Körner und feine Braut. 367
Greuzers perfönlide Nähe aufgeſucht. Diefe lebendigen Zeugniſſe fprechen
eine höhere Sprache für uns, als das lüdenhafte Stückwerk papierner
Nachrichten. Wer im Sinne Goethes und der Seinigen feine Arbeit thut,
wird auch heute und fortan das Andenken Briedrih Creuzers in Ehren
halten.
Berlin. Reinhold Steig.
Iaden 9.8. Freiherr von, Theodor Körner und feine Braut. Körner
in Wien, Antonie Adamberger und ihre Yamilie. Ein Beitrag zur
Körner-Ritteratur und zur Gefchichte des k. k. Hofburgtheaters in
Wien. Mit 16 Iluftrationen. Dresden, Berlag des Univerfum
(Alfred Haufhild) 1896. 3.60 M.
1. Bemerkungen zu Jadens Bude.
Für Theodor Körner und feine Braut Antonie Wdamberger wird
die Bereitwilligfeit, immer neu von ihnen zu hören, bei allen Deutjchen
fortbeftehen. Es liegt in Körners Leben und Dichten zwar nichts Probles
matisches, das im höheren geiftigen Sinne unſre Anteilnahme ſich
erzwänge, und Toni Adamberger, fo liebenswert auch ihre Kunft erjcheint,
gehört nicht eigentlich im die Zahl der unvergeßlich großen Scaujpiele-
rinnen aus dem Anfang des Jahrhunderts. Allein der Glanz der Jugend,
der Viebe und des Heldentums umſchwebt ihre Geftalten und fchentt ihnen
immer frifches Yeben. Iſt doh Theodor Körner, wie kein anderer, aus .
Ditermunde gefeiert worden. Die noch von Körnerd Vater begonnene
und Später fortgefegte Sammlung diefer poetifhen Stimmen ließe fich
jehr beträchtlich vermehren, zöge man namentlich die Tageslitteratur jener
Jahre in weiterem Umfange heran, als bisher gefchehen ift. Seine
dramatifhen Dichtungen wurden nicht nur in Wien, Weimar und Berlin,
wo auch das Moment der perfönlihen Verehrung für ihn und bie
Seinigen mitjpielte, freundlih aufgenommen, fondern fie fanden felbit
frühen Eingang in das füdlihe Deutjchland, dem es damals fchwerer
werben mochte, fi für den preußifchen FreiheitShelden zu begeiftern. Mir
liegen, während ich diefe Betrachtungen niederfchreibe, aus der Zeit bald
nad den Freiheitskriegen, in einem Journal, da8 die Charis heißt, eine
Maſſe von Iheaterberihten der Mannheimer Bühne vor, auf die noch
damals von dem Glanze der Dalberg-SchillersFfflandiihen Epoche ein
Schimmer fiel. Dana) wurden Körners Dramen in Mannheim häufig
aufgeführt, und in der Charis begegnet man förmlich ſchon einem Koͤrner⸗
- Kult. Als Lyriker wird er neben Ernft Schulze, dem muftifch-liebenden
Dichter der bezauberten Roſe, genannt, der gleichfalls als freiwilliger
Jäger in den Yreiheitöfampf „gezogen war. Als „Nachklänge an Theodor
24 *
368 Jaden H. K., Theodor Körner und ſeme Braut.
Körner“ erſcheint dort 11823: eine Folge von zehn Zonetten, die in
Hoffnung für die Zukunft ausklingend ſchließt:
Yangit Ihläfft Du unter ihren Schattenzweigen
Im ungeftörten, friedensvollen Zraume,
Und Schwert und Leier in dem heil’gen Raume
Zind Feines Grabes ewig laute Zeugen.
Bier wollen wir, will uns der Zweifel beugen:
Lie Ipfer fielen einem leeren Traum —
Den Schwur erneu'n, hier an dem heil’gen Baume,
Tem Baterlande Gut und Bit zu reichen.
Dies ſei nun Deine Shönite Todienfeier,
Tem ivärften Enkel, unauslöſchbar theuer,
Durchglüht von Deiner Lieder heil'gem Feuer.
Ze ſchlummre ſanft im kühlen Schattenwehen,
Und wen wir treu, bis ım den Tod beſtehen,
Blüht uns ein ſchön'res, ew'ges Wiederſehen.
Die hier ausgeſprochene patriotiſche Geſinnung war es, die Theodor
Körner 1853 bei ſeinem fünfzigſten Todestage in Wort und Schrift und
Yied wieder feterte: ging man damals dod nad allgemeinem Gefühle
gewaltigeren Ereigniſſen entgegen, die nod) größere I pfer zu fordern, aber auch
größere Erfolge zu verſprechen ſchienen. Und abermals erwachte, wenn
vielleicht auch mehr litterariſch begrenzt, 1891 das Andenken an ihn, als
hundert Jahre ſeit ſeiner Geburt verfloſſen waren. Schriften über Theodor,
ſeine Braut und die Eltern Koͤrner erſchienen. Vorau Fritz Jonas' die
ganze Familie umfaſſendes Mörner-Bud). Latendorfs wichtige Unterſuchungen
und Liedes- und Liebesgrüße. Dann Rudolf Brockhaus' koſtbare Koͤrner⸗
Babe und Emm Peſchels willkommene Veröffentlichung des Kriegstage—
buches. Einzelne Aufſätze dazwiſchen und nebenher. Noch iſt die BRewegung
nicht zum Stillſtand gekommen, und als die jüngfte Leiſtung tritt ietzt
das Buch des Freiherrn von Jaden hervor, deifen Zammelbeflijjenheit
umd gutem Willen, wie vorweg erklärt fei, jede Anerkennung von meiner
Seite widerfabren Toll.
Um indeſſen als beaueme Yeltire empfohlen zu werden, müßte es
viel allgemeiner und weniger im Ztile einer alles irgendwo, Gefundene
nutmchmenden Studienarbeit gehalten fein. Der Verfaſſer ift Titerreicher,
und darum ſei ihm cine gewiſſe Freiheit in Bethätigung eines Wiener
Lokalpatriotismus gern zugeſtanden. Ihm ſchienen die dortigen mit Körner
irgendwie in Verbindung ſtehenden Ortlichkeiten wichtig genug, um genau
erforſcht und im Bilde reproduziert zu werden. Wenn man jedoch z. B.
die beigegebenen Porträts Theodors und Tonis mit den gleichen bei
Reſchel und Latendorf vergleicht, jo wird man ſich von der Güte der
Jaden H. K., Theodor Körner und feine Braut. 369
16 Illuſtrationen in dem Buche feine zu günftige Vorftellung bilden
dürfen.!, Den eigentlichen Kern des Buches follte wohl eine Darftellung
von Körners Aufenthalt in Wien, 1811—1813, bilden. Wozu dann eine
zwiefahe Studie über die Yamilie und die Bühnenthätigfeit dev Toni
Adamberger treten konnte. Die ganz lofe Kompofition ließ die Mitnahme
von allerhand Einzelnotizen, Nachrichten von ungebrudten Briefen u. f. w.
möglich erfcheinen. Meines Erachtens ift der Kern nicht groß genug, das
Übrige zu groß geworden. Es gilt dies insbefondere auch von der in das
Überlieferungsdetail tief eingehenden Benachrichtigung, die wir über Tonis
Eltern Aamberger und ihre Großeltern Jaquet, ſämtlich einft der
Wiener Bühne angehörig, in dem Buch empfangen.
Es wird fih nod) mande Frage an Jadens Aufftellungen knüpfen.
Denn was die völlige Durchdringung und innere Verbindung anbelangt,
jo hätte eine ruhig und geduldig wiederholte Arbeit dem weitichichtigen
Stoffe nicht gefchadet. Wer derartige Studien treibt, darf doc nicht er⸗
Hären, daß er ein fo wichtiges Hilfsmittel wie Adolf Wolfe vierbändiges
Körner-Wert unbenutzt gelafjen habe. Ein guter Stern hat ihn vor Irr⸗
tum zwar bewahrt, aber manche Beziehung ift ihm doch nicht aufgegangen:
er würde 3. 3. feine Nachrichten über den Tod der Schaufpielerin
‚Krüger mit Tonis fchmerzlihem Brief an Theodor (Wolf 4, 299) zu
verbinden nicht unterlaffen haben. Berfehlt fcheint mir Jadens Deutung des
EC. 79 abgedrudten, undatierten Briefes von Theodor an feinen Freund
Fritz Henod zu fein. Mit jugendlicher Überſchwenglichkeit ſpricht Theodor
von einem „weiblichen Weſen“, in dem „alle Harmonien des Himmels,
alle Geſtalten der hellenischen Poefie, alles Göttliche, Exrhabene, was das
Weltall nicht begreifen fönne, was nur in der Ideenwelt eines lieben-
den Herzens ſich entfalte, das Unausſprechliche an Gott, mit einem Wort,
die Vollendung der „reinen ätherifch poetifchen Form“ enthalten fei, und
„möge auch zwifchen ihm und ihr eine Kluft fein, die nur der Tod über-
Ipringen könne, fo könne er doc) fernftehen, fie anbeten, den Staub füffen,
den ihr Fuß getreten, und die Luft umfangen, die fie gefühlt habe“;
„habe fie ihm doch fchwefterlih die Hand gedrüdt und ihm, o Seligkeit
des unendlichen Gottes, die Wange gereicht zum Kuſſe“. Es hieße doc
alle natürliche Erklärung beifeite laſſen, wollte man wirklich mit Jaden
an Körners Freiberger Studentenliebchen denken. Die „Kluft zwifchen ihm
und ihr“ kann doch wohl nur von einer viel älteren, verheirateten Dame
verftanden werden. Nach meinem Dafürhalten würden diefe Worte auf die
gefeierte Frau Profefforin Hendel-Schäg paflen, über deren mimiſch⸗
1) Zu S. 9 ſei bemerkt, daß jet (1896) auch in dem von der Wiener Ge⸗
jellihaft für vervielfältigende Kunft herausgegebenen Werke über „Die Theater
Wiens“, Abſchnitt Burgtheater, eine Radierung W. Ungers „Maria Anna Adams
ke er“ enthalten ift, und fpäter gewiß nicht das Bortrait Toni Adambergers
fehlen wird.
370 Jaden H. K., Theodor Körner und feine Braut.
detlamatorische Darjtellungen antiker wie neuerer Munftgebilde und Theodors
Sonett an fie 1811 in Berlin ih im Grgänzungsbeft des Euphorion
1895, S. 92, geſprochen habe. Er wäre nidyt der einzige geweſen, deſſen
Einne die klaſſiſch ſchöne Frau bezaubert hätte. Der merhvürdige Brief
gehörte dann nach Berlin in den April 1811, und nicht ſchäumende
Iugendliebe, fondern viel mehr fchwärmerishe Bewunderung machte feinen
Inhalt aus. Seit Wackenroders Tagen waren den Nomantifern Wendungen
wie „jern ftehen und anbeten“ oder „auf die Knie des Herzens miederfallen“
geläufig, um ihren Stunftempfindungen den höchſten Ausdrud zu geben.
Litterarhiſtoriſch und theatergefhichtliih von Wert ift in Jadens
Buch die Vilte, die er von den Wiener Aufführungen der dramatifchen
Tichtungen Mörners giebt. Dasſelbe gilt von dem Verzeichnis der Kollen,
die Tomi Adamberger von 1805—1817, wo fie fid) mit Ritter von
Arneth verheiratete und von der Bühne fchied, am Burgtheater fpielte.
Schon Yatendorf hatte, fern von den einschlägigen Wiener Hilfemitteln,
eine genane Lberfiht über das Repertoire der Künftlerin für die Er—
Märung feiner „Liedes und Viebeagrüße* Theodors S. 129: fehr ver»
mißt. Gern empfangen wir von Jaden, im Anſchluß daran, ihr Bildnis
ale Emilia Galotti, vielleiht das ähnlichſte, das von ihr exifttert haben
mag. Wenn wir diefe regelmäßigen, nicht weichen Züge in dem Fräftigen
Oval des Geſichtes mit den großen — nad) Theodor dunklen — Augen
betrachten, jo glauben wir willig an „die große Seele, den feften Einn,
den gefegten, ans Männliche grenzenden Mut und dic herzerjchütternde
Wirkung“, womit fie ihre Nolte als Emilia nah dem Zeugnis des
Threaterrecenjenten durchgeführt habe. Deswegen aber eradhte id) da® fein
und lieblich idealiſierte Medaillonporträt von ihr feinedwegs für unecht,
und Jadens vorläufig ablchnende Wemerkungen gegen dasfelbe, auf
Z. 50, wären beſſer fortgeblieben, zumal ev doch felber eine Nach—
bildung bringt. Außer Yelfing finden wir in ihrem Rollenverzeichnis von
den Klaſſikern noch Goethe und Schiller, von den zeitgenöfftihen Drama-
tilern fait alle bedeutenderen Namen vertreten, wie auch folche, die
heutigentags vergelien find. Sie dellamierte 1811 „mit der ihr eigenen
Anmuth und Liebenswürdigkeit“ vor Napoleon in Schönbrunn Schillers
Teilung der Erde. Im folgenden Jahre fpielte fie zuerft in einem Etüde
Theodor Körners, und zwar im grünen Domino die Rolle der Maria:
es ift bekannt, wie ein Vorfall bei der Probe, als fie verficherte, daß
fie niemal& einem Menſchen das Wort brechen würde, ihre und Theodors
Liebe entſchied.
Mit dieſen letzteren raſch hingeworfenen Bemerlungen wollte ich nur
zeigen, wie das ſcheinbar ſpröde Material bei Jaden uns doch intereſſante
Dinge aus dem Leben der Künftlerin erzählen kann, und wie danfbar wir
ihm für die Mühe des Zammelns fein müflen. Es wird jedoch immerhin
noch eine lohnende Nachleſe und eine größere Auswertung des bereits Ge⸗
Faden H. K., Theodor Körner und feine Braut. 371
fundenen möglich, fein, Yatendorf hatte zu Nr. 15 der Fiedesgrüße (Ent-
zädung) bemerft S. 139 vgl. 131), Toni Mamberger deine in der
von Körner begeiftert gejchilderten mufifalifcgen Aufführung während der
Paffionszeit im März 1812 eine hervorragende Solopartie durchgeführt
zu haben, Genaueres müffe aus gleichzeitigen Wiener Tages
blättern ermittelt werden: bei Jaden findet man feine Auskunft,
obwohl er ums doch S. 39 zu einer Kritik ihres etwas päteren Spiels
in Kotzebues Erbſchaft daranf, daß „fie auch im Geſange ſchöne Erfolge
errungen“, als auf „etwas Neues“ hinweiſt, Ich verfuche, von Jadens
Lifte aus, zwei Sonette ber Liedesgrüße mäher zu beftimmen,
2. Die Sonette 4 und 5 der Liedesgrüße.
Die beiden Sonette „an Toni“, von denen ich fpreden will, tragen
in Theodors Original den eigenhändigen VBermerf, daß fie am „17. Bes
bruar 1812“ gedichtet feien. Da im dem erfteren zweimal von „des
Dritten Liedern“, deſſen „Rieſengeiſt durch das Haus gehe“, die Rede
ift, fo mußte Yatendorf, ©. 131, vorausfegen, daß Toni an jenem Abend
in einem Stüce Shafejpeares aufgetreten fei, In welchem ? ließ ſich aus
dem Sonette jelber nicht beftimmen; und diefe Unbequemlichteit für die
Interpretation mußte um fo verdrießlicher fein, als das folgende fünfte
Sonett — das doch Körners Vermerk auf den gleichen Abend batiert
— trog feiner Handgreiflichen Anfpichungen erft recht nicht auf ein Stitd
Shatejpenres gedeutet werden konnte.
Nun beſagt Iadens Lifte, daß Toni Adamberger am 17. Febrnar
1812, und fpäter wiederholt, die Role der Yırlia in Karl Wolfarts
Trauerfpiel „Die Katalomben“ gegeben habe. Wolfart gehörte ber
Berliner Geſellſchaft an, war ein gelehrter Arzt, Mufit- und Litteratur-
freund; als Mitglied der Zelterjchen Piebertafel wohl auch Körner in
Perfon befannt geworden. Sein Stüd behandelt 1810 — natitrlich im
verhullten Hinblit auf Napoleon — des entjeßlichen Nero Untergang,
den bie Feine Chriſtenſchar mit hexbeiführt, welche fich, geleitet vom edlen
Konful Metellus und geftärkt durch den flegreichen Glauben feiner Tochter
Yulia, vor Neros Rache in die Katalomben geborgen hat. Ich geftehe
nun, daß ich das erſtere, vierte Sonett ber Piedesgrüße: „Ein Niefengeift
geht durch das Haus, es beben sc.“ mit dem Inhalt des Wolfartichen
Trauerjpieles nicht zu reimen vermag, ſoviel halbe Möglichkeiten ſich
Anfangs auch zu öffnen fchienen, Es muß für das Sonen eine Shale-
fpearefche Tragödie, deren Niefengeift Toni durch die Anmut ihres Spieles
mildernd bezwungen habe, horansgejegt werden. Nach Jadens Lifte aber
iſt fie nur im Othello als Desdemona, und zivar öfters, aufgetreten.)
1) Nach den Liedesgrüßen aud; am 25, Juni 1812, eine Notiz, die in Jadens
Kite fehlt oder, wenn irrig, vom ihm zu berichtigen war.
— 4
372 saden H. K., Theodor Norner md feine Braut.
Auf diefe Rolle werden wir alio doch das jehr allgemein gehaltene Zonett
bezichen müſſen, ungeachtet defjen, daß Mörner feine Braut ſpäter noch
einmal, in Mr. 45 der Liedesgrüße, ala Desdemona gefeiert hat. Gr
hätte fi) alsdann bei nachträglichen Fixierung des Eonetts auf den 17. Ne
bruar 1812 geirrt.
Tagegen paßt das andere der beiden Zonette auf die Statafomıben,
und am fo ftärfer tritt die Ummöglichteit hervor, dag Körner an demielben
Abend außerdem noch jenes vierte Sonett an Tom gedichtet haben Fönne.
Ich deute die erjte Strophe
Erwartend ſtand ich vor Thaliens Ballen.
Ich ſah ein Bild mit reichem Frühlingsweben
JIu Scherz und Anmuth zart vorüberſchweben,
Ich ſah es noch, der Vorhang iſt gefallen
als die lebhaft vergegenwärtigte Erinnerung an eine frühere Vorſtellung,
in der Toni Adamberger Scherz und Anmut entfaltete, während Theodor
ſelber erwartungsvoll im Theater war. Welche Aufführung konnte er
damals wohl im Sinne haben? Ich denke: nur die einen Monat früher
ftattgehabte Aufführung feines grünen Tomino, deſſen beide Rollen, Maria
und Pauline, mut Ton Adamberger und Anna Krüger beſetzt geweien
waren. Welche tiefe, ihn aus der natürlichen Spannung, ob fein Leichtes
Stück beſtehen werde, befreiende Empfindung ibm das bezaubernde Zpiel
der Adamberger gegeben habe, rühmen aud) feine Wriefe von jenem
Abend und ans Ipäterer Zeit an den Vater. Trifft dies zu: fo ſchließt
ich unser Zonett, Mr. 5 der Liedesgrüße, unmittelbar an das Conett
Nr. 3 0, welcher ans Anlaß der Aufführung des grünen Domino „an
Varia und Pauline“, das heißt an die beiden genannten Tarftellerinnen
diefer Mollen, gerichtet iſt; und wir müſſen glauben, daß das zwiſchen—
geihobene Zonen Nr. 4 Cm Rieſengeiſt sc wicht an der richtigen
Stelle jteht.
Tas heitre NRühnenbild, das Tom ım grünen Tomino gewährte,
nimmt Korner nun ala Gegenſatz zu der erniten Wolle, die fie in Erfüllung
ihrer ſtrengen Yebenspflict ala Julia in den Katakomben darzuftellen hat.
Tie Aufführung des Traneripiels nimmt nun ihren Anfang:
Bald aber her' ich düſtre Lieder ſchallen,
Ich Kiege hin, mich faßte ticfes Neben,
Das heure Bild, beñegt vom ſtrengen Yeben,
GBeht mit dem Schmud der Thranen durch die Hallen.
Die „düſtren Lieder“ find nämlich die Geſänge, die — bei Eröffnung
des Stückes — die Chriſtengemeinde in den Katakomben aus Aundacht
glühendem Herzen zu Gottes einzigem Sohn emporſendet. Nicht mehr in
heitrer Anmut: nein, mit dem Schmuck der Thränen geht Toni jetzt als
Julia, die gefangen mit der Mutter vor Nero geführt wird, durch die
Jaden 9. ., Theodor Kbrner und feine Braut. 373
Hallen des Gäfarenpalaftes. Und, ruft ber Dichter bezaubert von der
Schönheit ihres Spieles aus;
Und welde Thränen, welche rtönel
Die heitre Anmuth, dieſe ernfte Schöne:
Ich ſtaune nod), id) weiß nicht, was ich kröne.
Er weiß nicht, ob er ihrem heiten oder jegt dem ernften Spiel den Preis
zuerlennen fole, Doch, jelig im Beſitze der Geliebten,
Der Lieder Ahnbung mich wicht betrogen.
& iber des — Be °
teht meiner Träume goldner Yrisbogen, ')
3. Toni Adamberger und Clemens Brentano.
Iaden hat, wo er es nad) feinen Quellen vermochte, jedem Bühnen«
ftüde in der Aufführungstifte den Autornamen beigefegt. Diefer fehlt
jedoch zu der Eintragung, daß Toni Adamberger am 18. Februar 1814
im dem fünfaktigen Luſtſpiele „VBalerin* die Titelrolle gefpielt habe. Es
mag eine Entſchuldigung fein, daß die Valeria als ſolche nicht im Drud
erſchienen ift; fie war die — — von Clemens Brentanos
Vonce de Leon, die während des Dichters Anwefenheit in Wien ide
an jenem Abend, wie wir fchon aus andrer Quelle wußten, am
theater aufgeführt wurde. Das Wichtige und Neue aber für mic war,
dag Toni Adamberger in der entjdeidenden Rolle mitgewirkt und
daß ſich daraus ein feft beftimmbares Verhältnis zwiſchen ihr und diefem
Dichter gewinnen lieh.
Wenn die Bühnenbearbeitung des Ponce Heute etwa aus dem Alten-
material des Burgtheaters auftauchte, fo wurde fie in mehr als einem
Sinne für uns lehrreich fein. Sie würde ung erfennen faffen, worin es
lag, daß felbjt eine Schaufpielerin wie Antonie Adamberger, deren
Theodor Körner doch zumeift feine Erfolge dankte, "bie
nicht vetten fonnte, Das gedrudte Luftjpiel, 18 v
Goethe zur Beurteilung vorgelegen hatte, war
eigner Meinung nicht bühmenfähig. Die innere
.n Bee war wohl darzuftellen, wie der junge
Herzen aller Mädchen fpielt, felbft der e Bein
ernftlich um die edle Jſidora wirbt. Die ſaſt tr
1) Ich bemerte Ri daß il
D
Aufführung des grünen Domino (1
der Pauline gefbielt Habe, bei dem
Gründen für die erfte Ar
Verſchreibung denfe. Mein:
„Schöne“ cin Kolon anftatt
374 Laden ©. K., Ibeodor Körner und feine Braut.
Charakters läßt das unfihtbare Eingreifen Anderer für ihn um fo leichter
geihehen und Intrigen, Bermummungen, Irrniſſe aller Art möglich
werden. Gleichſam das Opfer für diefen ang der Dichtung war die
Geſtalt der armen Baleria, die ſchmerzvoll dem Ponce entiagt und fi
ihrem treuen Porporino wiedergiebt. Die Zcene, wie fie unerlannt dem
von Heimweh ergriffenen Water fein ftilles Häuschen zu Zevilla vor die
Sinne gaufelt: nicht wo die hohen Prachtgebäude in den breiten Straßen,
jondern draußen, wo die letzten Häuſer ſtehen — tft von rührender, doch
nicht luſtſpielmäßiger Wirkung. Und über die ganze Dichtung fliegt ein
überfharfes Spiel cher befremdenden, als anzichenden Wortwitzes.
Irogdem war Brentano nur allzu gern bereit, feinen Ponce auf die
Nühne zu bringen. Ter Verkehr mit den Wiener Schauſpielern verführte
ihn. Nach vorheriger Werteilung und Bejegung der Rollen arbeitete er
in leichtem Einvernehmen mit ihnen den Ponce um. Tie Rolle der Baleria
erhielt Tomi Aramberger, deren „wehmütig-ſüße“ Sprache vortrefflich für
fie paßte. Aber dadurch, daß er, nad) dem neuen Titel zu fchließen, die
(Feftalt der Valeria jet gänzlih in die Mitte rückte, ſchwächte er noch
viel mehr das Yuftipielmäßige feines Ztüdes, und trog des Spiels der Toni
Adamberger fiel es durch. Wiewohl er in Bernards dramaturgifhem Bes
obachter damals bittre Worte gegen die Schauſpieler fagte: die Darftellerin
der Valeria hielt er außerhalb des Streits, cin Beweis, daß fie in feinen
Augen an tem Wiißerfolg nicht Schuldig war.
Ihrer künſtleriſchen Bedeutung hat ev bei einer anderen Gelegenheit
öffentlich achnldigt. Es war im Januar 1814, ala fie die Beatrice in
Schillers Braut von Meſſina jpielte: eine Tarftellung, die wieder nicht
in „Ladens Yılte verzeichnet iſt. Brentano berichtete über die Vorftellung
im Tramaturgiihen Beobachter. Nachdem er die Yerftungen der übrigen
Schauſpieler einzeln gemiirdigt bat, fahrt ev über Toni Adamberger alfo
fort:!. „Sulept wende ih mid) an die liche, ſüß flehende, veine, oft ganz
zauberiſch tönende Neatrice, denn fie iſt anders gedacht in diefem Gedicht
ala alles; die Abrigen find die Züulenhalle, die über dem Schuldloſen,
Melodiſchen, Menichlihen zuſammenſtürzt, ſie darf allein ganz Menſch
fein, eine Jungfrau, eine Yiebende, eine Braut, das ift die (Nrenze — da
fie Tochter, da fie Schweſter wird, bricht das Geſchick herein, und fie
muß fälter, ruhiger werden; dort tritt fie in den Styl des Gedichte, das
Haupt der Meduſe verftennert die Blume, die ji in dem Schilde des
tragiichen Schickſals jpiegelt. Tag mir nichts bleibe ala ihr Yob, daß ich
von diejen „Zeilen ganz freudig fcheide, ftche der Tadel zuerft. In deflas
mirten Ztellen cin beinah, jage beinab falihes Zteigen dea Tons am
Ich nehme dieie Stelle des Dramarurgiihen Yeobadıterd aus Zaners mır
frenndlich anvertrauten Abichriften und verweiſe zugleich auf ſeinen Bericht fiber
dies Joninal im Ergänzungsheft dea 2. Bandes des Euphorion.
Jaden 9. K., Theodor Körner und feine Braut. 375
Schluſſe einzelnen Theils ım Perioden; in den Erwartung, Ueberrafhung
bezeichnenden Stellen des Monologs ım Garten einigemahl zu fchnell,
heftig, laut und kühn, und dadurch unwahr. Das ift das Etrengfte, und
alles, war ich tadlen kann, und diefes gilt nur in deklamirten Stellen,
wo das Herz nicht ſpricht. Aber wo diefes fpricht. welches Herz, welde
Sprache, welcher unendlich kindlich, ſchuldlos, mild und menſchlich rei
flingende Ton der Stimme; fein Geſang fanıı fo rühren, und doc ſpricht
fie nur. Das Herzlichfte aber ift, wenn ihre Stimme aus dem füßeften
Flehen, das je aus einer jungfräulichen Bruft hervorgegangen, in einen
gewifien leifen, ruhigen Ton der heiligften Selbftbefriedigung finkt, die
wie der Blick eines Leidenden in fein bejcheivenes, ruhiges, reines Herz
wirkt. In diefen Momenten ift fie ganz die eigene Natur, da hört alle
Kunft auf, da ift der Menſch reicher als die Kunſt. Ich Habe nie eine
Schauſpielerin gejehen von folhen Herrlihden Gaben. Unter der
Yeitung der größten Meifter Eönnte fie die größte werden, Sitte und
Natur haben ihr alles gegeben, möge es aud) die Kunft, denn ich weiß
nicht ob fie genial iſt . . . Beatrice ſoll nie eitel werden, jo wird fie den
Göttern ewig für die freundlichften Gaben aus goldenen Händen
danfen können, und auf einer durd) Natur und Sitte und Schönheit ge-
heiligten Stufe ihren Gipfel finden. Eie fünnte einen Genius fpielen, fie
it der ıhrige, und wendet fie fi) nie von ihm, jo wird ihr vickleicht
auch der Genius aller, die Kunft erjcheinen..... ic) mußte reden, wenn
gleidy von folder Anmuth mit Schweigen mehr gejagt wird; da aber ein
Harer Spiegel ſich durd) jede Rede trübt, fo wife fie, daß dies fein Yob,
iondern helle klare Partherlichkeit ift. Yebe wohl Braut von Meſſina!“ —
Dan darf wohl fragen, ob außer Theodor Körner jemals ein Dichter
ihöner über Toni Adamberger als Künftlerin gefprochen hat, wie hier
Clemens Brentano.
4. Iheodor Körner und Toni Adamberger in Brentanos
klingendem Epiele, 1813.
Alfo Brentano und Toni Adamberger kannten fih. In Berlin hatte
er auch mit Theodor Körner gemeinfam an Zelters Liedertafel gefellen.
In Wien, wohin er 1813 nad) Körners Fortgang kam, verkehrte ev in
derjelben Gejellichaft, der das Brautpaar in den Tagen des Glückes und
der Hoffnung angehört hatte, und die jegt um das eben des jungen
Krieger bangte. Da kam die Stunde feines Todes zu den Miener
Fremden; die Trauer um Theodor und die Teilnahme für feine Braut
war tief und allgemenn.
Rrentano, felbft von diefer Stimmung berührt, fand das Wort
fie auszusprechen. Er dichtete damals in Wien, zwiſchen den Siegen bei
Gum und Yeipzig, fein klingendes Spiel Bictoria. Nach Art des Vor⸗
876 Jaden 9. K., Theodor Körner und feine Braut.
ſpiels zum Wallenftein war es als ein großes Yagerbild von Zruppen
der verbündeten Heere gedacht, und zwar vor und während und nad
einer fiegreih durchgelämpften Schlacht: Theodor Körner und Toni
Adamberger machte er zu Trägern feiner Handlung.
Unter den Eoldaten tritt nämlich ein Yügower Jäger auf, mit
Namen Ciegemuth: er ift der begeifternde Poet des Heeres, der Kampfes:
lieder für die Stameraden dichtet, fein Herz geteilt in Yiebe zu dem
Baterlande und zu feiner treuen Braut. Als er von ihr Abjchied nimmt,
ift fie fi dejjen fronm und jtolz bewußt, wie eine deutfche Jungfrau
denfen müſſe:
Soll der Herr den Steg uns ſchenken,
Eo muß aud geopfert werden,
Wär's mein Freund, o ıheurer Preis!
Wächft ein Yorbeer aus der Erden,
Daß id) ihn zu finden wei.
Draußen tobt die wilde Schlacht. Am Kopfe verwundet fehrt der Yüßomer
zurüd ins Lager. Aber die Yiebe zu der Braut vermag ihm nicht daheim
zu halten. Er jah ja jchon des Sieges Schimmer:
Ken, geneien bin ich wieder,
Und muß wieder in das Feld!: — —
Laßt mich, laßt mich, denn mein Heil
tom ſolchen Schictialsſtunden
An des Hauptes leichte Wunden.,
An ein Mädchen nicht gebunden
Me:nes Deutſchlands Blut zu ſtillen,
Ceuellend aus der Wunde Schmerz,
Muß ich fie mit Feinden fallen
Oder ſinken an fen Herz!
Es iſt keine Frage: Die Geſtalten Theodors und ſeiner Braut haben hier
Brentano vorgeſchwebt. Körners Verwundung an dem Kopfe bei Kitzen
an der Elbe, feine Geneſung und der Wiedereintritt in das Korps, ſehen
wir, war ihm bekannt. Und jo mut— und liebevoll, wie die Jungfrau in
Brentanos Zpiel ſich zeigt, tritt das Bild der Tom Mdamberger aus
Ariefen und Erinnerungen jener Tage uns heut entgegen.
Aber Arentanos flingenden Feſtipiel follte, der urſprünglichen Be—
ſtimmung gemäß, ein Spiel der Freude fein. Zein Yügower Jäger durfte
nicht bleiben ınm den Kampfe, jondern mußte fiegreich heimtehren und die
Geliebte als Preis erhalten. Wollte der Dichter aljo Körners Heldentum
bis an das Ende feiern, fo blieb nichts andre übrig, ala feine Perjon
gewillermaßen zu verdoppeln und fortan von Theodor felbit als dem in
der Schlacht gefallenen Freunde Ziegemuths zu ſprechen. Noch während
der Lützower draußen kämpft, wird Anne — diefen Namen führt die
Braut in dem Spiele — ſchmerzlich erinnert:
Faden 9. K., Ihendor Körner und feine Braut. 377
Doch im Krieg fommt Freud’ und Leid,
Denkſt Du noch an Theodor?
Ja, beftätigt fie,
Siegmuths Freund im heißen Streit!
fie weiß noch nicht, daß er gefallen ift; aber fein trauernder Befcheid wird
ihr, fondern die ftolz erhebende Tröſtung: er
Dichtet nun im hohen Chor,
Bor der Helden Ehrenpforte,
und von droben, heißt es weiter zu Anne gewandt,
Schrieb er an Di) diefe Worte,
die nun Anne im Kreife derer, die fie teilnahmsvoll umdrängen, laut und
feierlich verlieft, die befannten Berfe: „Theodor Körner an Viktoria“ :
„Ich weiß es wohl, Du Haft um mich geweint“ u. ſ. w.
Dean muß das Gedicht nachlefen. Sein inneres Leben ift zu zart,
als daß es nicht über dem Verſuche eines kürzenden Auszuges vergehen
müßte. Der Dichter wendet ſich in der Geftalt der Viktoria (Strophe 3)
unmittelbar an Körner Braut und deutet zulegt wieder mit der jung»
fränlihen Myrthe, die er dem dichterifchen Epheu, dem kriegeriſchen
Yorbeer und dem Eichenfranz des Todten zugefellt, gar Herzlich auf Toni
Adamberger Hin. Und wie in ihrem Namen fpricht dann Anne über ihn
die Weihe:
Schön war jein Tod, id) traure nicht um ihn,
Der Frühling fümmt und macht die Bäume grün,
Der Bogel fingt, die griinen Bäume blühn,
Die Blüthe fällt, die reifen Früchte glühn,
Sie bricht der Herbft, die Sänger weiter ziehn:
Still wird die Welt, es neiget fid) der Winter,
Und zu des ew'gen Feuers Licht Führt Gott die Kinder!
Wahrlich, To echt Hat Fein Anderer das Jugendlich-Yortwirkende und
uns Erhebende von Körners kurzem Erdenleben aufgefaßt, und niemals
jonft Hat ſich fo rein verflärend die Dichtung auf feine Liebe zu Toni
herabgejentt. Wenn diefe Worte, ihrer erften Abfiht nad, damals in
Wien von einer Bühne herab zum Publikum gefprochen worden wären:
wie hätten fie lebendig wirken müflen! Welche Liebe aber mußte auch im
Wien für Theodor und feine Braut vorhanden fein, wenn ein Dichter
mit der Darftellung ihres Geſchickes auf ein allgemeines Verſtändnis und
auf allgemeinen Beifall vechnen durfte.
Berlin. Reinhold Steig.
378 Grieſebach E., Wilhelm Waiblingers Gedichte aus Italien.
Wilhelm Waiblingers Gedichte aus Italien. Nach den erſten vom Dichter
ſelbſt beſorgten Trucken, ſowie aus dem bandichriftlichen Nachlaß heraus
gegeben von Eduard Griſebach. Zwei Teile. Leipzig, Truck und Verlag
von Philipp Reclam jun.
Zofort nah dem am 17. Januar 1830 erfolgten Tod Wilhelm Waiblingers
traf der innge Philologe Zchluttig, der den Tichter in feiner letzten ſchweren Nrant
beit zu Nom mit Freundestreue gepflegt hatte, Nortebrungen, um die Werke des
allzu früb aus dem Yeben Abgerufenen in einer Sammelausgabe ericheinen zu laden.
Tod das Verhängnis wollte, dar Schluttig noch in demjelben Jahr dein Freunde
in das Grab nachfolgte. Ter Plan wurde ipäter von H. v. Canitz wieder aufge
nommen, md im Kabre 1830 40 murden Waiblingers geiammelte Werle in neun
Bändchen der LDifentlichkteit übergeben Hamburg bei Georg Heubeli. Die in jeder
Hinficht ungenügende Art, im der ſich der Herausgeber ſeiner Aufgabe eutledigt
hatte, veranlaßte Eduard Mörike, den vertrauten Jugendfreund Waiblingers, deſſen
Schöpfungen wenigitens teilweiſe um neuer Form dem Publikum zugänglich zu
machen. Er beſorgte 1444 Hamburg bei G. Heubel die Edition eines BRands
„Gedichte von Wilhelm IBarblinger”. Indeſſen hatte Mörike bei der Auswahl leine
ganz glückliche Hand, und namentlich mußten die Verbeſſerungen des Texts, Die er
ſich geſtattete, ſcchwere Vedenkten erregen Erſt Eduard Griſebachs Veichäftigung mut
Waiblinger bat ums die Yorit Des Dichters in befriedigenden Ausgaben beichert.
Griſebach bat zuerſt die „RBilder aus Neapel amd Sieilien“ 1870 Leipzig bet Richard
Eckſtein und hernach die „Lieder des Römchen Carnevals und andere Gedichte
aus Latium und den Zabinadegen” 18281 veipzig bei Philipp Reelam jun. Wan
verialbibliothet Nr. 1170 herausgegeben Reucitens bat er Die „Oden und Elegien
aus Kon, Neapel und SZietlien“ 1845 ebenda, Univerialbibliothet ir 3351 und 33525
folgen laſſen und dirſes VBandchen mit den Licdern des Romtichen Carnevals u. ĩ. w.,
Die gleichzeitig ur zweiter vermehrter Auflage erichtenen, unter dem gemeinſamen
Titel „Wilhelm Waibtlingers Gedichte aus Italien“ zuſammengefaßt.
Neben der iatiriichen Nopelle „Tie Britten in Won”, die von Waiblingers
Erzeugniſien heutzutage ned am mölſten geleien wird, und den „Wanderungen in
Italien“, die durch nie amd keche Tarſtellungsweiie anziehen, ſind es die Inriichen
Gedichte, Div dem leider nicht zur vollen Werte gediehenen Tichter einen beichen
denen Plab in der deutichen Litteraturgeichichte Ahern Von Matthiiſon ausgehend,
fit dem er als Knabe geſchwarmt hatte, belachelte er bald dieſe Angendtborbeit.
eben dem bewunderten Goethe waren Byron und Höolderlin Fortan ſeine Vorbilder
Mit zunehmendem Alter huldigte er immer mehr der klaſſciitiſchen Richtung, md
als cs ihm vollends vergonnt war, in Italien, dent Land ſeiner Träume, zu leben,
gab dieſes mit ieinen vergangenen und gegenwärtigen Herrlichteiten Die einzige
Seenerie für ieine Bot ab Ihm ielbit galten Seren Teutichland entitandenen
Yırder für nichtig, und in der That darf iein Können nur an Seiner italieniſchen
yvnrik gemeſſen werden Zum künſtleryjchen Genießen, wie wenige befähigt, veritcht
er jeine Eindrucke nt großer Anſchaulichkeit und Kraft wiederzugeben Der erhabene
und vathetüſche Stil iu der ihm naturgemaße: nach volkstümlichen Weiſen Sucht
man vergeblich ber ihm Torch haben das anmutige Tlevano und die liebenswürdige
HKazarına ihm auch artige Tändeleien entlodt Leider bringt das Hineinzerren verion
licher Berbataniie oft in Die ſchönſten poetiichen Schilderungen Waiblingers emen
Meißtlang Zeiner ganzen Lyrik haitet eine gewüſe nervöſe Unruhe an, die ſich aus
jenen zeriahrenen veben und ſeiner noch unvollendeten inneren Entwicklung erklärt
Hinter Dem ſubſeltiv Indwiduellen trut das allgemem Menſchliche zurück So wien
dieie Lieder wohl für Die Perion ihres Tichters Teilnahme zu wecken, aber den
veſer in der Tiefe der eigenen Seele nur jelten zu treften In der Form hat Waib
linger die autiken Peetren Schr. bevorzugte Mit der Leichtigkeit und Flüſſigkeit der
Matuszewski J., Tas Zauberweien und der Mediumismus. 379
Produktion halten Zorgfalt in Kleinigkeiten und geläuterter Geſchmack nicht gleichen
Schritt, was übrigens bei der Jugend des Tichters nicht eben verwunderfid ift.
Tie beiden bei Reclam erjchienenen Bändchen und die „Bilder aus Neapel
und Zicilien“ vereinigen zujammen alles in fid), was Waiblinger auf italifchem
Boden gedichtet hat. Griſebach hat ſich nicht damit begnligt, einen Nachdrud der
Ganigjchen Geſamtausgabe zu liefern, vielmehr ift ev überall auf die erften Drude,
teihweife fogar auf die Triginalhandjchriften des Dichters zurückgegangen. Überdies
bat er eine Anzahl bisfang unbefannter Gedichte darbieten können. Der Tert ijt mit
roßer Zorgfalt hergeftellt, und aud) gegen die Anordnung läßt ſich nichts einwenden.
Anmerkungen, bibliographijche Notizen umd Beiträge zur Tertkritit erhöhen den Wert
der Reclamichen Ausgabe, um die e8 fich hier in erfter Linie Handelt. Als Anhang
zum zweiten Teil hat Griſebach auch) eine biographifche Skizze Waiblingers gegeben,
die auf Vollſtändigkeit Feinerlei Anſpruch erhebt, aber einzelne wertvolle Nachrichten
und verſchiedene intereifante unedierte Stücke bietet. Einige unweſentliche Irrtümer
jollen im folgenden richtig gejtellt werden. Zu S. 179: Den in Tübingen entjtan-
denen Roman Feodor hat Waiblinger felbft vernichtet. Zu ©. 185: Nicht Cotta
machte Maiblinger den Antrag, in Italien zu reifen, vielmehr bat diefer jenen
darıım. (Ich babe die Beziehungen zwijchen Cotta und Waiblinger in einen Aufjat
geſchildert, der demnächſt in der Deutfchen Revue erjcheinen wird.) Zu S. 206:
Joſeph Kopf, nicht Theodor Wagner hat das Grabmal des Dichters angefertigt.
Aus vertraulichen Briefen von Zeitgenoifen, und zwar auch von folchen, die Waib-
linger durchaus nicht feindlid) gefinnt waren, habe ich den Eindrud gewonnen, daß
jeine „Unordnung in der Liebe“ denn doch weit größer war, als Griſebach an-
nimmt. Im übrigen wäre es eine ſehr lohnende Aufgabe, aus dem noch nicht
genügend ausgebeuteten reichlichen Briefwechjel, der fi) erhalten hat, eine aus⸗
führliche Biographie MWaiblingers zujammenzuftellen. Denn was der genialiſch ver-
anlagte Jüngling erlebt hat, iſt zum mindeften fo intereffant wie das, was er
gedichte hat. Die Yebensihilderung, die Ganitz feiner Ausgabe vorangeftellt hat,
fußt zwar auf trefflichem Material, das aber durdaus nicht trefflich verwertet
worden til.
Ztuttgart. 5 Rudolf Krauß.
Berichte über neuere litterardiflorifhe Arbeiten in polniſcher
Sprade.
1. Matuszewski J., Tas Zauberiwefen und der Mediumismus. Die Berfon Faufts
im Lichte der neueſten Forſchungen. In der Illuſtrierten Wochenſchrift
Warſchau 1895. Nr. 1—24. (Czarnoksiestwo i medyumizm. Osoba
Fausta w öwietle najnowszych badan. Tygodnik illustrowany. War-
szawa 1895. No 1—24.)
AU die Erjcheinungen der Magie, Nigromantie, Theurgie, die man nad
Voltaires Vorgang als cine Art jubjeltiven Aberglaubens, vor ihm als eine
Teufelsinvention anzuſehen pflegte, wurden gewöhnlid nach ihrer hiſtoriſchen oder
hiſtoriſch ethnographiſchen Bedentung geprüft und unterfucht, ihre naturmwiffenjchaft-
liche Zeite blieb lange unerörtert. Es ließen ſich zwar ſchon frühzeitig Stimmen
vernehmen, die die verfolgten Hexen cher einem Arzte als einem Richter Üüberweijen
wollten, indem fie jtatt der dämoniſchen Einwirkung eine telepathifche und telefine-
tische Wirkung des Willens bei ihnen annahmen. Doch verhallten ihre Stimmen
ungehört. Erſt die neueften Zeiten gaben der Sache eine neue Wendung, da die
380 Matuszewsti J. Das Janberiweien und dev Medinmismus.
auifalleude Analogie zwiſchen den Zaubererſcheinungen, wre ſie uns überliefert
wurden und all den iviritiſtiſchen hppnotiſchen und mediumiſtiſchen Erſcheinungen
nicht leicht überſehen werden forte Dieſe Ideutität einzelner mediumiſtiſcher und
Zaubererſcheinungen nachzuweiſen, unternimmt dev rühmlichſi betannte Berfatfer in der
vorliegenden Arbeit. Ta jene Arbeit nicht nur die Zauberei un allgemeinen, tondern
auch die Person yanits in neuer Veleuchtung erſcheinen läßt, verdient fie in hohem
Mae unſer Intereöſe
Er wert an der Band zahlreicher Betibriele nach, daß ſowohl dir Jauberen
als auch der Redinmismus ur ihren Phänomenen identiich ſelen. Beide demſelben
oder entiproſſen, gelten Me Darm auseinander, indem die eritete gewiſſe Krichei
nungen vrättiicher Zzweche wegen, die andere um ihrer Selbe willen hervorruft
Alles, Was man von Hexen und Tamonen attenmäaßig berichtet, läßt ſich auf die
mediumftiichen Ericheinungen zurſginhren, abgeiehen höchſtens von den Füällen,
in denen De Abücht des Betrugs nicht zu verkennen wäre Natürliche Klänge,
Cricheinengen dev Tamenen, das Fliegen und Schweben in der Yıft, das Veſitehen
der Früiervrobe erklart der Berigfer inr mediumiſiiche ECrichemungen dev Svaltung
des Ichs, der fwvitatt!en: uand der künſtlich durch magnetiſche Zuggeſtion hervor
dernienen Schmerzlviigter! Was man vom Herenabbath erzaäahlt, fan dev Verfaiſer
nicht umben, in den meinten Fallen durch Zuiſammentünite Dev religiöſen Zeftiere
yet ertlären, Die uber tern Kiitonen als die Fotgen der genorſenen Rartotika au
zehen Tieie HEN entünite kentien daher nie als mediumimiiche Er ſcheinungen
anigeiaßt werden Was men Den DL vbe unndee Herennn entlegenen Orten er
bir, veriih,i ar 0 Ei %. npatbinben Io zoma vr erklaren, olgleab er Telbit
WAniE Brodit ron Pnsnbiab 8. mM AN Be erſoricht ſei. Er
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la ya NE a de Zitat Nonedogmcht verbatinn Tive Voritellungen
NR ISUE MEIST RT HR Apr 9 EODMD erhne!ten einen eigentümlichen
Saatuı T Dren,. Do Ndtent ont Str nr Bon waren. trieben im Mittel
Br, PNA NIE REN. AND eitalt, »2. ans fort Zac Urt van medumn
EÄ eranzagtenn Fratten unter'iche'detn der Keriaiſer von demenigen, die ihre
md Anlage wehl zum Vorte'l, abe. av wie die erſteren zum Nachteil
der Menden lenatzten Tar aber mehr Fratieun als Männer als Hexen und Zaube
rinnen perichrien wurden, erklaärt dev Beorfasier durch den Hnweis darauf, daß auch
heutzutage weibliche Medien viel hanfiger ats mannliche find, dieſe freilich find dann
el ſrarler Teshalle wurden von io virlen Millionen verbrannter Hexen nur wenige
Kamen uns überlickſert, wihrend das Andenten Fauſis, eines Dev ſtärkſten Medien,
mh bis hrute erhalten bat
Die Frage, ob Fauft wirtlich gelebt babe, beantwortet der Nerfalter briabend,
she vr ſich auf Das von Ateiewetter gelieferte VBeweiematerial beruft Er unter
Miatuszewskti J., Tas Zauberweſen und der Mediumismus. 381
ſcheidet doch an ihm, jo wie er vor unſeren Augen daſteht, zwei voneinander
grundverſchiedene Perſonen, einen poetiſchen und einen hiſtoriſchen Fauſt. Mit dem
erſteren bat man ſich ſchon weidlich beſchäftigt. Der Verfaſſer will hingegen nur unter—
ſuchen, was Fauſt in der Wirklichkeit war.
Fauſt war ſeiner Anſicht nach ein höchſt mediumiſtiſch veranlagtes Individuum
und außerdem ein gelehrter Theologe und theoretiſcher und prattiſcher Okkultiſt. Dod;
dafür, daß er auch ein Abenteurer und Charlatan geweſen wäre, ſcheinen ihm keine
genügenden Beweiſe vorzuliegen, denn in diefer Hinficht müßte man über viele Ge—
lehrte des 16. Jahrhunderts ein abfülliges Urteil fällen, wie er an Iheophraftus
Karacelſus und an Agrippa von Nettesheim zeigt. Daß die medinmiſtiſchen Erſchei—
nungen den damaligen Arzten und Naturforſchern bekannt waren, ſucht der Verfaſſer
durch Citate aus Paracelſus und Agrippa nachzuweiſen. Die theoretiiche Reichäfti>
ung mit dieſen Erſcheinungen müſſe damals auf der Tagesordnung geftanden haben
Deshalb kaun es uns nicht Wunder nehmen, daß auch Fauſt ſeine mediumiſtiſche
Anlage zu prüfen beſchloß und dieſe dann, da ſie eine außergewöhnliche war, zu
eigenen wecen ausbeutete, indem er öffentlich al3 Zauberer und Wunderthäter
auftrat. Damit ſteht ſeine Gelehrſamkeit wicht im Widerfpruche, wenn auch zu:
qrgeben werden muß, daß gelebrie Männer viel jeltener als ungelehrte auftreten,
denn auch an den eriteren feblt es wicht, wie dev Berfajfer an den Beifpielen von
Cardanus, Tee und Zwedenborg darthut. Mit Fauſt verglichen, unterſcheidet ſich
z. B. Tee durch ein ideelleres Streben, das tief in ſeinem Charakter begründet lag
und auch in ſeinen mediumiſtiſchen Erſcheimmgen zu Tage trat. Doch von dieſer
ſubjeltiven Färbung abgeſehen, iſt der Mephiſtophiles Fauſts mit den Engeln oder
mit den Geiſtern anderer Medien faſt identiſch. Seine Disputationen mit Fauſt
ließen ſich ebenſogut in Giel et l'enfer Allan Kardees leſen, wenn er auch ſonſt
in den Volksbüchern als ein dummer geſchwätziger Geiſt erſcheint. Seine Gelehr—
ſamkeit, die in den langweiligen moraliſchen Predigten, die er im Volksbuche hält,
unverkennbar iſt, erklärt der Verfaſſer durch den Blick auf Fauſts Gelehrſamkeit, der
ſelbſt em gelehrter Theologe war. Man hraucht dieſe gar nicht erſt den gelehrten Be—
arbeitern der Fauſtſage in die Schuhe zu ſchieben, ſondern kann eher annehmen, daß
Fauſt ſeinem Interlokutor ſelbſt den Stoff zu Geſprächen lieferte. Sein ganzes veben
glaubte auch Fauſt an ſeinen Verkehr mit dem Teufel, und die Furcht vor dieſem
foltert ibn nuausgeſetzt. As Sohn ſeines Zeitalters ſchwankt auch Fauſt zwiſchen
brutalen ſinnlichen Ausbrüchen und myſtiſchen Aſpirationen, zwiſchen Yeidenichaft
und Wear, und Dies Schwanken tt 05, das den Fauſt des Bolfsbuches zu einer
pinchologiich wahren Figur macht. Alles, was das Volksbuch von ihm bringt, läßt
ſich auf Grund des Mediumismus vollſtändig erklären. Die Spaltung des Ichs
gehört bei nervöſen Perſonen nicht zu den Seltenheiten, wie von Ribot, Balle,
Taine bewieſen wurde. Die eine Hälfte des geſpaltenen Ichs hypoſtaſiert ſich dann
bei Fauſft als ein spiritus fainiliaris, Und dazu braucht man ſich eine Krankheit
nicht erſt hinzuzudenken, eine moraliſche oder phyſiſche Erſchütterung reicht vollſtändig
aus, um mediumiſtiſche Erſcheinungen hervorzurufen. Es kann uns auch gar nicht
befremden, daß Fauſt ſich ſein Wiſſen von Mephiſtopheles holt, da auch Cardanus
von ſeinem Famitiargeiſt das Wiſſen zu erhalten glaubt, Davis und Stainton
Moses ſich als Tragane höherer Intelligenzen betrachteten. Zu den jubjeftiven mediumi—
ſtuchen ürſcheimmgen muß auch die Höllenfahrt Fauſts im Volksbuch gerechnet
werden, wenn ſie auch auf den Verfaſſer eher den Eindruck eines qualvollen Traumes
zu machen Scheint, trotzdem Kieſewetter dieſe dem Verfaſſer des Volksbuches zu—
ſchreiben möchte.
Auf der Grenze zwiſchen ſuübjektiven und objektiven Erſcheinungen ſteht die
fir Die Wetter jo charakteriſtiſche Unſicherheit und Doppelſinnigkeit mancher Ant—
worten don Mephiſtopheles. ı Zcheibfe I, 1, 974: laß mich auch zufrieden mit
deinen ragen. „Ich darf davon micht reden: darnach frage mid) nicht; dies fann
ich nicht beantworten“ kehren in den Antworten Mephiſtopheles' häufig wieder.
.,-
Surborton IV. 25
BViatuszewsti J., Tas zZauberweſen und dev Medinmismus.
Anden ww auf analoges Venehmen dev Yı uitgeiſter von Cardanus, des Engels Uriel
von Teer und Meilen verweiſt, ſieht der Verjaſſer darin nichts anderes als einen
Kewais für die Abhängigteit dieſer „Geiſter“ vom Organismus und von den
geiſtigen Nraften dev Medien. Nicht anders auch heute, denn dieſe Geiſter haben ich
in keinem Yande verändert. Kom Harz bis Hellas alles Vetter!
Von dieien Ericheinungen geht der Berfasfer zu den objektiven über, die von Fauſt
ſelbit hervorgerufen winden. Turch die Kryſtallomagntie inchte er zuerit zu erproben, ob
er auch mit den Geiſtern zu verlebren Fübrg wäre oder nut anderen Worten, ob er
medunmmtiiche Komolexion beſibe. Tie Beschreibung dieſer Borgänge iſtimmt mit deut
font betanmten volltommen überein Nachden er Die Uberze eugung gewonnen, daß er
fie beitise, that er alles mögliche, um ihre Ennvatlung u beſchleunmgen. Endlich ſchritt
er zur Teuielsbeichwöruug Es kanu ums zwar die langſame Eutwicklung der Phä—
nomene bei Dieter auffallend erichenen, doch ſpricht dieſer Umſtand gerade fir ihre
MKögluhtert amd Wahrſcheinlichtet! Tas Giepolter, das Ericheinen der Feuerkugein,
die dann Die Umrivſe beſtimmter Geſtalten annehmen, Ind nicht Velten in dev mediumt
itiſchen Vitizratur, wir beigebrachte analoge Falle zur Genüge beweiſven So gelang
es nach der Anſicht des Keriafers yet, durch eine lange und inſtematiiche Tre
jeine priehen Cigenichaiten nicht am on paſſtver, Sondern auch in altiver Richtung
auszaubilden, So dar er Stege: ſiermaßen zu beherrichen mt Ztande war. Tavou
Feugen auch ine Abeutener und Kanſtüuche In Uner Beſchreibung ſcheint dem
Veriaiſer das Fauilbuch gewiie Nückiichten aui dar Wahrichemliche nicht ganz
außer achmgzafen zu haben So det er analoge Falle zu Fauſts Abenteuern mit
den „pol Fass in Ehat ots. Webers VBerken Tor Errichtung eines Jauber
blos dead Januſgieltt anch Dam Falluhitche at von Sinnesverbiendung Was
De ont peter Thanentene betrintt one DBaout der vprritiſtiſchen Litteratur
WERDET tureite, glaubt Der erfand der auodittiichen Vehauptung cut
balance, Da Be weöenſhait!iche Unkterutitia alicher —hänomene Div
Ku. uvelentaitt Ian and die im Fauttiiche begeinhrten Fälle Die Grenuze
des Wirterfreiue za uüheiichreetenn beim, Seat dei tt med nicht Die pbanta
le Sbrearinc hg Abk. be Meeris, Tarr outd in den Marchen von
1007 Yacht
Tamet nhlacöt DU Krrianer ſeine JSPABTIRCERCRHG medunniitücher Wricher-
liest ZUR Fauniuhititit, dat Ne Nah darin anal oge Falle belegen laſſen Bon den
EL die nubergangen, vernteat: vee dat gen So star Erichenungen entweder
gar Made Mantia perin ihten ed. Dar ſie vom Fautbuche übertrieben werden.
DTie 'eblere mas eriheint dm WA. vein!tiher, da der zuueite und dritte Teil
des VBidmanuiiehein Fanutuches Wort Thatbachen ads note Hand enthalt, Sondern
cher aus dern aite!detenhaiten Sfonn, der einen Ich des Jauberinventars ans
nachte innd un Kol!smunde kb, geichevöt hatt
ar Vo MORDES, irine UÜenteuer eriunuern SIE vieien zugenau deut volnſchen
Iwa.d wet, Dehborbrde Veriau in ihnmlediglich cine vrantautich mythniche Figur,
da Kette Sebenionte Na audere Anfianang nrerhauden Ind Er bestreitet jedoch
%, Deebttat. Po, Damon A!iche Figur nunablhangig von Fauit auch auf polm:
dom Pd a nt sin. ti haben ta Tino von tat uberkeieitn Zuge, Dir
hal HUN, Dich Rd. anertenn:, Tee ſich jedoch nicht af
Dar nn SRH Paar Taher vinbentibm Iwardomstt mohl ala
nal ar. a. Dh 3... detadin pda Wert inr Div Geichichte Dev Magie
de TER ale
NEnENGREOSME. ET Io Dr enn Sort nanigenelten Behauptungen
HUT 0 DT amosgar beim, dreh hab uünghine Dia Keriagiſers anfechten,
be Narama ct Darst IISD, OBERST a Werke gegangen,
VE on.. tea EOT ZEN IN. DIE Ten DER) le reiite pub verlennen Wenn
— . MU AETDN TI REN m Dei Geſchichte und
Koi. Dr. SE DSDS ap Bebitiv Meint der meihe;
Tarnowsti Zr, Über Schillers Dramen. 383
gebörigen Litteratur, Die mir in einer Heimen galiztichen Ztadt unmöglich war auf:
zutreiben. Die Ergebniſſe, zu denen ev in jeiner Arbeit gelangt tft, geben in mebreren
Puntten weit über Nieiewertev binaus, wie der vorliegende Bericht im einzelnen zu
zeigen ſich beitrebte.
+
>. Tarnowsfi Zr, O dramatach Schillera. (Uber Schillers Dramen.) Nratau.
Bachhaudlung der polniſchen Berlagsgejellichaft. 1896.
Wie der Berfaffer, Proieſſor dev polniſchen Yitteraturgejchichte an der Jagel—
lontichen Univerſität, zu dieſem Werke fam, erzählt er ausführlich in jeiner Vorrede.
Als nämlich mac dem Rücktritt des Prof. Bratranet der Lehrſtuhl der deutichen
Sprache und Litteratur in Krakau längere Zeit unbeſetzt blieb, übertrug die philojo-
phiſche Fatultät die Auigabe, Vorleſungen über die deutſche Litteratur zu halten,
dem Verfaſſer. In dieſen beſchäftigte er ſich mit den Dramen Schillers, zu denen
er ſich ſchon längſt hingezogen fühlte. Die Früchte dieſer Beſchäftigung legte ev in
einer Rebe von Aufſätzen nieder, die im einzelnen Jahrgängen der „Polniſchen
Revue“ evichtenen, jegt aber in Bırchform geſammelt wurden. Dit dem vorliegenden
Werke beadfichtigt der Verfaſſer, wie er ſelbſt verftchert, nichts weiter, als eine
empfindliche Yücfe in der polntichen Litteratur auszufüllen und den deutjchen Tichter
auch denjenigen näher zu bringen, denen jene Werke in deutfher Sprache unzu—
gänglich nd. Wir bärten alle das vorliegende Werk in erſter Linie daraufhin zu
verraten, ob es auch geeignet jet, das Verſtändnis Schillers zu erleichtern. Doc
muß bier chen darauf aufmerbam gemacht werden, daß Graf Tarnowski an
mehreren Ztelten weit Über das jelbit geitellte Ziel Dinausgegangen ift. Die Arbeit
verdunt eine ausführlichere und eingehendere Bejprechung, al3 der knapp bemeſſene
Raum im Euvhorion es Somit zulaſſen würde, zumal da ſie wegen der polniſchen
Sprache nicht alten Fachgenoſſen zugänglich ſein kann.
Die Arbeit zerfällt in elf Kavitel, von denen jedes eine für ſich beinahe ab—
geichloſſene Studie bilder. Am erſten Kapitel bemüht ſich der Verfaſſer, uns einen liber:
bit Des Zuſtandes der deutſchen Litteratur int 18. Jahrhundert zu geben. Die
Rückſicht auf den gewählten Gegenſtand legte dem Verfaſſer von vornherein eine
que Gedrängtheit amd Kürze auf, doch ſcheint er mir in dieſer allzuweit gegangen
zu ſein, da das vorliegende Kapitel, in allgemeinſten Umriſſen gehalten, uns ein
überſichtliches Bild der damaligen Litteratur nicht zu geben vermag. Man muß ſich
im Gegenteit eine unrichtige Vorſtellung von der damaligen Litteratur bilden, wenn
einerieits Leſſings Bedeutung überöſchätzt, andererſeits Herder kaum erwähnt wird.
Ohne ſich auf den Zuſammenhang zwiſchen der damaligen Zeit, der Litteratur und dem
Dichter näher einzulaſſen, geht der Verfaſſer zur Darſtellung der Entwicklung des
Dichters über, die ſich leider auf eine trockene Zuſammenſtellung einzelner Taten
aus Schillers Jugend beichräntte Der Gewährsmann des Verfaſſers iſt Kuno Fiſcher,
und nach deſſen Vorgang ſucht er anch den Herzog von Württemberg nicht nur zu
entiſchuldigen, ſondern ihn zu rühmen.
Vom zweiten Kavitel an unterzieht Tarnowsti ale Dramen Schillers einer
eingehenden Analyſe und hält mit ſeinem oft ſehr ſtrengen Urteile nicht zurück.
Dabei gebt ev vom moraliſchen und rein äſthetiſchen Standvunkte aus. Ob und
inwiefern der erſtere einem Kunſtwerle gegenüber berechtigt ſei, können wir dahin—
geſiellt ſein laſſen, da die Entſcheidung darüber eine zu weit ausholende Auseinander:
ſetzung erfordern würde. Daß er aber eine richtige Wertſchätzung und Beurteilung
eines Werkes beeinträchtigen und trüven kann, iſt meiner Anſicht nach über jeden
Zweifel erhaben.
Non dieſem Standpuntte aus betrachtet, mußte jedoch dem Verfaſſer das erſte
Traiteripiel Schillers wideriimmg erſcheinen. Auch in äſthetiſcher Hinficht erichien es
ihm als vollſtändig veriehlt, wir er in einer jehr eingehenden Analyfe zu zeigen ſich
bemüht. Er ſieht in ihm nichts 'weiter als eme Reihe von verförperten Indigna—
25*
384 Tarnowoti St., Über Schillers Tranıen.
tionen und Aſpirationen einer Epoche und vermißt an den handeinden Perſonen cben
das, was vine Grundbedingung des dramatiſchen tt, ein ſelbſtändiges Yeben
Auch das nächſte Traueripiel Schillers, Fiesco, kounte keine Gnade von Dem
Verfaſſer finden. Wan iſt auch ſonſt über Die zahlreichen Ubertreibungen, Geſchraubt.
heiten, handgreiflichen Fehler gegen die Nichtigkeit italieniſcher Berhättmiie einig,
deshalb glaube ich der Mühe überhoben zu fein, ſie bier noch einmal aufzuyäblen.
Non den einzelnen Alkten öicheint dem Berfater der erite Alt, von den Perſonen der
Mohr am beiten gelingen zu Sein. Die Entitebungsgeichtichte Des Fiesco wird in
dieſem Napitel nur flüchtig berührt.
Wonach der Berfaiter vergeblich in den Räubern und im Fieseo geiucht zu
haben vorgiebt, das finder er erſt in mehreren Figuren von Kabale und Yıebe,
nämlich Wahrheit und Empfindung. Daß dieſes Traueripiel nicht alten jmmpathijch
erſcheinen kann, erklärt er dadurch, daR cs als ein bürgerliches Trauerſpiel von
vornherein ſeinen Figuren den Stempel des Alltäglichen und Gewöhnlichen auf
drücken mußte, das weder Antereite erwecken noch unſere Aufmerkſamkeit in höherem
Wrade zu ipannen vermag. Ten Verfiaſier erſcheint überhaupt ein bürgerliches
Trauerſpiel als eine poettiche 3Zwittergattung, als „Poeſte ohne Voeſier. Wenn man
es aber ſchon gelten lade, dann behauptet dev Veriaſſer nirgends cin beſſeres Trauer
ipiel Finden zu konnen als Schillers Kabale und Liebe, trobdem es viele keineswegs
unerhebliche Fehler Towobl in Seiner Kompoſition, als in dev Zeichnung der Charattere
aufweiſi.
As das erüte eigentliche Traueripiel Schillers vetrachtet der Berfatier den
Ton Kartos. Tenn wit hier eutdectt er ſenen hoben poetiſchen, tragiſchen Charakter,
den er in allen vorhergegangenen vermißzte Ungeachtet dieſer Bebauptung weiſt er
zahlreiche Fehler dieſes Trauerſpieles nach. div durch die Entſtehungsgeichichte Des
Tramas ſich weht erklaren ließen, ven der aber der Verfaſſer abiehen zu können
meint. Ubrigens Lerch Die Reihe Der von den Veriafſer ausgeſtellten Wängel noch
um enge vermehren Vortreiflich iit in ieiner Tarſtellung Die Analne Der Rede des
Marquis Bola und die Art, wie er tee Behauptungen widerlegt: er weiſt nach,
da ß Marauis Poia und eme Throrie einer vernünftigen Kritik nicht Stand zu
nalten vermogen, daß er in moralücher und patriotiicher Hinſicht keineswegs das
vob verdient, welches ihm gezollt wird Was den Charakter des Königs betriit,
rechnet es der Veriaiſer dem Tichter als einen großen Fehler an, daß er zwei jo
verschiedene Begriiie wie Natboliziemms und Tewotismus zuiſammengeworfen, und
den König zu einem Werhkzeug Dev Kirche gemacht babe, während das Wegenteil
teicht an der Hand der Geichichte bewieſen werden könnte
In die zeit, die iſchen Tom Carlos und Wallenſitein liegt fälle cum
Menge von Anreguugen nud Emwirkungen um Leben Zchillere Tie Betrachtung
Dieiev hatte auch Der Anale Seiner Gedichte vorangeben ſollen, doch - Leider iſt fir
unterblieben Statt see baben wir m Dem vorliegenden Werke mw eine Ihryen
bafte Anfzahlung biographiicher Kotzen, von Denen manche ganz qetroft übergangen
werden könnten Tas Urten! des Serfafiers uber die wiltenichaftliche Thaͤtigleit
Zzchillers ſcheint mn jedoch zu einſeitig ausgeiallen ya ſein, da er in ihr nur einen
unerieulichen zeitverinn ſiebt, ohgleich er elle zugtebt, Daß dadurch die Welt
denntuus Schillers verteeit wurde Tas Verhaltuis Goethes zu Schiller wird bei
nahe gar nicht zrwahnt Tiere Mingel scheinen mir den Wert der Analve des
Wallenſtein herabzuſeten, die als eine der treülichſiten im ganzen Werke angeiehen
werden muß Er betrachtet den Wallenſtein ats das beſte hiſtoriſche Traueröpiet,
welches die neueven Litteratmen aller Volker auizuweien haben „Alles fer m ihr:
der böſe Gedanke. Das ſtete Wollen der Handlung wie m einer antılen Tragödie,
ein min möraliichen Sinne ausgeſtattetes Schickial, eine wichtige Zeit, ein großer
Man" Bon den Enmwendungen, die man gewöhnlich gegen dieie Tragödie erhebt,
nuder cr m jene berechtigt, welche Die Kerteilung Des Stofes betrifit, obgleich er
diesen Fehler durch die Fulle Bes dramatiſchen Stoifes, der in dieſer Tragödie um
Tarnowski St., Über Schillers Dramen. 385
bedingt unterkommen mußte, zu entjchuldigen fucht. Auf die Analyfe der Handlung
können wir nicht näher eingeben, fondern heben nur die Stellung des Berfajiers
einzeinen Fragen gegenüber hervor, fiber die noch feine Einigkeit erzielt wurde. In
erſier Linie kommt die Auffaffung der Schickſalsidee in Betracht. Bon einer folchen
im Sinne der antiken Tragödie iſt im Wallenftein nad) der Anficht des Verfafjers
feine Rede. Die jtete Aufeinanderfolge von Schuld und Sühne könne nichts anderes
beweiien, ala was ſonſt in religiöfen Rudimenten gegeben tft, da der Menſch aud)
eogitatione jündigen kann. Nur fei die Kunſt des Dichters zu bewundern, mit
welcher er dieje Gerechtigkeit itbt. Es fcheint, als ob er die ganze Macht und Reife
jeines Genies, die ganze moralifche und hiftorifche Welt zufammengepreßt hätte, um
daraus die Quinteſſenz der Weltweisheit zıı befommten. Die Auffaffung Wallenfteins
jelbit tft dem Helden im ganzen gerecht geworden, doch jcheint mir deſſen Glaube an
die Macht der Geſtirne nicht gehörig beleuchtet, die Miſchung der allerverfchiedenften
Charafterzüge nicht ſtreng auseinandergehalten worden zu fein.
In Octavio ijt der Verfaſſer weit entfernt, den perfideften Verräter zu er-
blicken, ſondern fieht in ihm einen treuen Diener feines Herrn, der fi) in einer
ichreeflichen Rollifion befindet und felbft nicht wiffe, wie er dag Vertrauen, das ihm
ſowohl vom Naijer als aud von feinem Feldherrn aufgedrängt wird, täufche.
Tie Yiebesepifode, die der neneren Kritik fo viele Sorgen bereitet, erjcheint
dem Verfaſſer im Trauerſpiele unentbehrlid. Ohne Mar würde Wallenftein felbft
ſeine Schönften Zeiten einbüßen. Dar allein bezeichnet hier den fchlichten Weg der
Ehre und des Gewiſſens, er ſei der einzige Bürge der guten und liebenswürdigen
Zeiten in Wallenjteins Charakter, er allein vermöge die harten egoiftifchen Züge des
ehrgeizigen Mannes zu mildern. Im allgemeinen aber zeichne fi) das S ilerfche
Trauerſpiel dur) Maß und Proportion in der Technik, dur) den Stil aus und
verbinde die Weisheit der antiken Tragödien mit der allgemeinmenſchlichen Wahrheit
in dev Zeichnung der Charaktere.
Einen viel weichlicheren Charakter fcheint dein Berfaffer Maria Stuart zu
beiten, da ſich von den beiden Heldinnen die eine paffiv verhalten muß, die andere
es zu thun vorgiebt, während von den Männern feiner handelnd auftritt. Dan
vermiſſe daher in dieſem Zrauerjpiel das VBorwärtsdrängen zu einer Krife, dag den
Hauptvorzug des Wallenſtein bildet. Die rhetoriiche Behandlung pathetifcher Situa—
tionen, die idealiſierende Zeichnung der Charaktere, die Aufrechterhaltung der drei
Einheiten in Maria Stuart gemahnen den Verfaſſer an die Hafficiftifche Tragödie
Korneilles, obgleich fie nicht jo konventionell wie diefe tft. Die Einführung Morti—
mers und Yeicefters findet der Verfaſſer anftößig, da durch diefe die Königin in
unjeren Augen berabgejegt erſcheint und an die Stelle des Antagonismus zweier
Völker, zweier Religionen die niedrige Eiferfucht zweier Weiber in den Vordergrund
gerüdt werde. Ztatt Yeicefters bätte der Verfaffer Don Juan d’Auftria Schon lieber
im Ivaueripiel geſehen, da Leiceſter in äſthetiſcher Hinficht fiir ihn geradezu ab-
jtoßend ſei. Die Yiebeserflärung Mortimers jcheint ihn aud) den mächtigen Eindrud,
den Die vorhergehende Zcene in ung zurlidgelajjen Hat, zu ſchwächen. Bon diefen
Mängeln abgejeben, scheint ihm jedod) der Lichter in Maria Stuart eine in jeder
Richtung klaſſiſche Tragödie geichaffen zu haben.
Wie der Tichter von diejem Haffischen Trauerjpiel zu einem vomantifchen,
wie er die Jungfrau von Orleans genannt hat, überging, erllärt ung der Verfaffer
nicht. Doch hält er es für eine der ſchwächſten, widerſinnigſten Schöpfungen Schillers,
was er durch eine jehr eingebende Analyje zu beweiſen ich beftrebt. Nicht nur der
Stoff ſelbſt trägt daran ſchuld, da diefer cher eine epische als eine dramatifche
Rehandlung verträgt, jondern auch der Tichter felbft, da, was er jelbftändig er-
Dichtete, weder glücklich noch tragiich genannt werden könne. Das Schidfal Johannas
muß nach der Anſicht des Berfajjers jedes Herz empören, da man fid) umfonft be=
mühen würde, an ihr eine Schuld zu entdeden. Schiller hätte feiner Anſicht nad)
beifer daran getban, auf dem biftoriichen Boden zu bleiben.
378 Grieſebach E., Wilhelm Warblingers Gedichte aus Italien.
Wilhelm Waiblingers Gedichte aus Italien. Nach den eriten vom Dichter
ſelbſt beſorgten Trucken, ſowie aus dem bandichriftlihen Rachlaß heraus
gegeben von Eduard Griſebach. Zwei Teile. veipzig, Truck und Verlag
von Philipp Reclam jun.
Zofort nach dem am 17. Januar 1830 erfolgten Tod Wilhelm Waiblingers
traf der junge Philologe Schluttig, der den Dichter ın jener leuten ſchweren Nrant
beit zu Rom mit Freundestreue gepflegt batte, Bortebrunmgen, um die Werke dis
allzu früh aus dem vLeben Abgernfenen ın einer Sammelausgabe erichemen zu laſſen
Tor das Werbängnis wollte, daß Zchluttig noch in demielben Jahr dem Freunde
in das Grab nachfolgte Ter Plan wurde ſpäter von D. dv Canis wieder aufge
nommen, und im Jahre 1850 40 wurden Waiblingers geſammelte Werke in nem
Bändchen der Oifentlichkeit übergeben Hamburg ber Georg Heubel. Die in jeder
Hinſicht ungenügende Art, im dev ſich der Herausgeber ſeiner Aufgabe entledigt
hatte, veranlaßte Ednard Mörike, den vertrauten Jugendfreund Waiblingers, Deiten
Schöpfungen wenigſtens teilweiſe in neuer Form dem Publikum zugänglich zu
machen. Er beſorgte 1844 »Hamburg ber GHeubel die Edition eines Vands
„Gedichte von Wilhelm Waiblinger“. Indeiſen hatte Mörike bei der Auswahl leine
ganz glückliche Hand, und namentlich mußten die Verbeſſerungen des Texts, Die er
ſich geſtattete, ſchwere Redenten errrgen Erit Eduard Grüebachs Beſchäftigung mit
Waiblinger bat uns die Ynit des Techters in befriedigenden Ausgaben beichert.
Grifebach bat zuerit die „BVilder aus Reapel und Sicilien“ 1879 vVeipzig bet Richard
Kelten und hernach die „Lieder des Romtichen Carnevals und andere Gedichte
aus Latium md Dem Sabinerbergen“ 1881 Lewzig De FPhilipp Werlam jun Um
veriatbibtiorbrt Nr 1870 herausgegehen Reueſtens Dat ar die „den und Elegien
aus Rom, Neapel und Zicitn” 1805 ebenda, Univerialbibliothek Nr 3351 und 3352)
folgen laſſen amd Des Bandihen met Den Yırdan des Romiſchen Carnevals u. i. w..,
die gleichzeitige in zweiter vermehrter Auilage erſchenen, unter dem gemeiniamen
Titel „Wilhelm Waiblingers Gedichte aus Italien“ zuſammengeiaſit
Neben der iatrrachen ARovelle „Tier Britien iu Nom“, div von Waiblingers
Erzeugen heutzutage od am metiten geleien wird, und den „Wanderungen in
alten”, Div durch Ale and fee Tarellungswetie ausziehen, ſind es Die irischen
Bedichte, die dem leider nicht zur vollzgen Retie gediehenen Tichter emen beichei
Denen Plau in Dev deutichen etteraturgenchichte ſhhern Von Matihiiſon ausgehend,
für den er als Knabe geſchwarmt hatte, belachelte er bald dieſe Jugendthorheit
Neben dem bewunderten Goethe waren Bmon und Holderlin fortan ſeme Vorbilder
Mir zunehmendem Alter huldigte er immer mehr der klaiſiciitüchen Richtung, und
als es ihm vollends vergönnt war, in Italien, dem Yand ſeiner Traänme, zu leben,
gab dieies mit Femme vergangenen uid gegenwartigen Herrlichkeiten Die einzige
Scenerie inr ſeine Korite ah Abm Selbst galten ſeine m Teutichland entſtandenen
vieder fur nichtig, und in er That dari sen Konnen nur am ſeiner italiemchen
vurik gemeiſſen werden Jum kunſtlerrichen Genießen, wie wenige hefähigt, versteht
er dene Eindrucke amt more Anſchaulichteit und Krait wiederzugeben Der erhabene
und pathetiiche Zune der ihm naturgemaße: nad vollstümlichen Weiſen Sucht
man vergeblich bewmihm Tod baden das amımmmge Olevano und die liebenowürdige
Kazarına ihin auch artige Tändeleien entlockt Leider bringt Das Hinemzerren perion
licher Kerhälintiie oft in die ſchoniten poetiſichen Schilderungen Waiblingers einen
Mrklang. Semer ganzen vyit haëtet com que nervoſe Unruhe an, Die ſich aus
jenem zerfahrenen Leben und ieiner noch unvollendeten inneren Entwicklung erklärt
Suter dem ſuübleltiv Individuellen trut Das allgemein Menſchliche zurück Zo weisen
dieſe Yırder wohl für die Verion ihres Tichters Teilnahme zu wecken, aber den
vreſer in Der Tiefe der eigenen Seele nur selten zu treffen. In der Form bat Waib
linger die antiken Metren Schr bevorzugt Mit dev Leichtigkeit und Flüſſigkeit der
Matuszewski I., Das Zauberwejen und der Mediumismus. 379
Produftion halten Zorgfalt in Nleinigfeiten und geläuterter Geſchmack nicht gleichen
Schritt, was übrigens bei der Jugend des Tichters nicht eben —— iſt.
Die beiden bei Reclam erſchienenen Bändchen und die „Bilder aus Neapel
und Zicilien” vereinigen zuſammen alles in fi, was Waiblinger auf italiſchem
Boden gedichtet hat. Griſebach hat fi nicht damit begnügt, einen Nachdruck der
Ganigihen Geſamtausgabe zu liefern, vielmehr ift er liberal auf die erſten Drude,
teilweiſe jogar auf die Trigmmalhandjchriften des Dichters zuriidgegangen. Überdies
hat er eine Anzahl bislang unbekannter Gedichte darbieten fünnen. Der Tert ift mit
großer Zorgfalt hergeftellt, und auch gegen die Anordnung läßt ſich nichts einwenden.
Anmerkungen, bibliographijche Notizen und Beiträge zur Textkritik erhöhen den Wert
der Reclamſchen Ausgabe, um die es fich Hier in erfter Finte handelt. Als Anhang
zum zweiten Teil hat Srifebach auch eine biographifche Skizze Waiblingers gegeben,
die auf Vollſtändigkeit keinerlei Anſpruch erhebt, aber einzelne wertvolle Nachrichten
und verjchiedene intereifante unedierte Stücke bietet. Einige unweſentliche Irrtümer
jollen im folgenden richtig geitellt werden. Zu Z. 179: Den in Tübingen entftan-
denen Roman Feodor hat Waiblinger felbft vernichtet. Zu S. 185: Nicht Cotta
machte Maiblinger den Antrag, in Italien zu reifen, vielmehr bat dieſer jenen
darum. iIch habe die Beziehungen zwischen Cotta und Waiblinger in einem Aufjat
geichildert, der demnächit in der Deutſchen Revue erfcheinen wird.) Zu S. 206:
Joſeph Kopf, nicht Theodor Wagner hat das Grabmal de8 Dichters angefertigt.
Aus vertraulichen Briefen von Zeitgenoffen, und zwar auch von folchen, die Waib-
linger durchaus nicht feindlich gefinmt waren, habe ich den Eindrud gewonnen, daß
feine „Unordnung im der Yiebe” denn dod) weit größer war, als Griſebach an-
nimmt. Im übrigen wäre es eine jehr lohnende Aufgabe, aus dem noch nidjt
genügend ausgebeuteten veichlichen Briefwechſel, der ih erhalten hat, eine aus⸗
führtiche Biographie Waiblingers zuſammenzuſtellen. Denn was der genialifch ver-
anlagte Jüngling ertebt bat, iſt zum mindeſten jo intereffant wie das, was er
gedichtet bat. Tie Yebensjchilderung, die Canitz feiner Ausgabe vorangeftellt hat,
fußt zwar auf trefflihem Material, das aber durdjaus nicht trefflich verwertet
worden tt.
Ztuttgart. Bu Rudolf Krauß.
Berichte über neuere litterardiftorifhe Arbeiten in polnischer
Sprade.
1. Matuszewsfi J., Tas Zauberweien und der Mediumismus. Die Perſon Fauſts
im Vichte dev nenejten Forſchungen. In der Jlluftrierten Wochenfchrift
Warſchau 1895. Nr. 1-—24. (Czarnoksiestwo i medyumizm. Osoba
Fausta w Swietle najnowszych badan. Tygodnik illustrowany. War-
szawa 1895. No 1—24.)
AU die Ericheinungen der Magie, Nigromantie, Theurgie, die man nad
Voltaires Vorgang als eine Art jubjektiven Aberglaubens, vor ihm als eine
Zeufelsinvention anzujchen pflegte, wurden gewöhnlich nad) ihrer biftorifchen oder
hiſtoriſch ethnographiſchen Bedeutung geprüft und unterfucht, ihre naturwiffenfchaft-
liche Seite blieb lange unerörtert. Es liegen ſich zwar fchon frühzeitig Stimmen
vernehmen, die die verfolgten Heren cher einem Arzte als einem Richter überweiſen
wollten, indem jte ftatt der dämoniſchen Einwirkung eine telepathifche und telefine-
tische Wirkung des Willens bei ihnen annahmen. Doch verhalten ihre Stimmen
ungehört. Erjt die neuejten Zeiten gaben der Sache eine neue Wendung, da bie
380 BMatuszewsti J., Das Zauberweſen und div Mediumtsmus.
auifalleude Analogie zwiſchen den JZaubererichemungen, wie Ne uns überliefert
zvurden und all den iviritiſtiſjchen hwpnotiichen und mediumiſtiichen Erſcheinungen
nicht leicht überiehen werden fonmte. Tieſe Identität einzelner mediumiſtiſcher und
Jauberericheinungen nachzuwetſen, unternimmt der rühmlichſt bekanunte Berfatter in Der
vorliegenden Arbeit. Ta seine Arbeit nicht nur Die Zauberei um allgemeinen, jondern
auch die RPerion Faufis en neuer Veleuchtung ericheinen läßt, verdient Ne ın bobem
Mar er Jutereüe.
Er owert an Dev Hand able. Beziriele ta, daß ſowohl die ZJauberer
als auch der Mediumismus m ien Phanomenen identiſch ieten. Beide demielben
Voden entiproiſen, gehen Se Damm auszinander, indem die erſtere gewiſſe Kricher
nungen präkticher ide wegen, die andere um ihrer ſelbit willen hervorruft
Alles, was man von Hexen ziind Tamonen attenmaßig herichtet, läßt ſich anf Div
mediumtütiidieen Eriſcheinungen madiklven, abgeiehen hochitens von den Fällen,
in denen Die Abſicht des Betrugs niht zu verkennen wäre. RNatürliche Klänge,
Ericheinungen dv Tamenuen, das Fliegen und Schwebenem der Yurt, das Veſtehen
der Feuerprobe erklart der I file Hd medirmitdie ciche:neingen der Zpaltung
des Jehs, dee Veptictien nd der kunitiiihüdurch miegnetiiche SZuggeſtion herwvor
deruienen Schierzloitgtett War man vom Hercmabbatheerzahlt, kann Dev Verjaiier
abe mbar, in deinen Aller darch Zzuiammentunite Dev religiöſen Seltierer
u GR, Die nt, Part NS Moanstads Meogehpit der qrnelivien Nartotila an
zurchen Tioess au. Dehiin dB tentien DBanetoteoala medinmſtiiche Ericheiunngen
hart werden a mot. DEINTOSTIED Set tt entlegenen Orten er
walır, vrritiebt an DUSDON nbpan sb Berzng 9 er!!aren, pelqlead ev Selbit
wur. daz Dt OR GEDIENT. IE Hy wenig erforicht iei. Er
"ont tebehooie U. 2 report om Phanmtemes of the
len by free. Verttmereoot Myers 277 Halberraom> telepathtepnes. Di
Mod. om heogertkpinsn Nor u ae Aber ren in der diretten
ZI. d. . Urne ren put sehon mun des Zataus
Drehen LTR, hm mul alles, was
Sri tt Dan Tao. ot ven Karedle Der
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Yun nd Por, 27, De Zub Näante: nich: perlenuen Tirie Borttellimgen
NEEDGLGER BETT RET IST" OBT an an*xgrettdeiind rheetten einen eigentümlichen
had, Tv Wen Diebe SERatzen an m. . tvieben um Mittel
BET, ID ROONT TO MIN. Ta OSAann, aber. Tot Fo Zee Urt von Damm
rd Vak NEN ut Ant der arte von denienigen, die ihre
medtnuinttiche Anlage wert sen Stil, aben at wir die eiſteren zum Nachteil
der Wenden betateren Tan aber neh Kran ats Manier als Seren und Zanbe
rinnen verichtien wurden, erklart der Veriaier durch Den Hnnveis darauf, Daß auch
lelitzutage weibliche Medien viel bauüger als mannliche find, dieſe freilich find Bann
viel irarter Teshalb wurden von jo vielen Millionen verbrannter Deren mr wenige
Kamen ums überliefert, mährend das Audenken Fauſis, eines Der ſtarkſten Medien,
ich bis hente erhalten hat
Tier Frage, ob Fauit wirllich gelebt babe, beantwortet der Berfatfer bejahend,
zudem er ſich auf das von Kieſewetter gelieferte Ueweismaterial beruft. Er unter
-.
Matuszewsli J., Tas Zauberweſen und der Mediumismus. 381
ſcheidet iedoch an ihm, ſo wie er vor unſeren Augen daſteht, zwei voneinander
grundverſchiedene Perſonen, einen poetiſchen und einen hiſtoriſchen Fauſt. Mit dem
erſteren hat man ſich ſchon weidlich beſchäftigt. Der Verfaſſer will Hingegen nur unter⸗
ſuchen, was Fauſt in der Wirklichkeit war.
Fauſt war feiner Anficht nach ein höchft mediumiftifch veranlagtes Individuum
und außerdem ein gelebrter Theologe und theoretifcher und praktiſcher Okkultiſt. Tod;
dafiir, daß er auch ein Abenteurer und Charlatan geweſen wäre, fcheinen ihm keine
genügenden Beweiſe vorzuliegen, denn in diefer Hinfiht müßte man über viele Ge—
Iehrte des 16. Jahrhunderts ein abfälliges Urteil fällen, wie er an Theophraſtus
Paracelſus und an Agrippa von Nettesheim zeigt. Daß die mediumiſtiſchen Erfchei:
nungen den damaligen Arzten und Naturforjchern befannt waren, ſucht der Verfaſſer
durch Citate aus Paracelſus und Agrippa nachzuweiſen. Die theoretifche Befchäfti»
gung mit diejen Ericheimmgen müſſe damals auf der Tagesordnung geftanden haben-
Deshalb kann es uns nicht Wunder nehmen, daß auch Fauſt feine medinmiftifche
Anlage zu prüfen bejchloß und dieſe dann, da fie eine außergewöhnliche war, zu
eigenen Zwecken ausbeutete, indem er öffentlich als Zauberer und Wunderthäter
auftrat. Damit fteht feine Gelehrſamkeit nicht im Widerfpruche, wenn auch zu—
gegeben werden muß, dar gelehrte Männer viel feltener als ungelehrte auftreten,
denn aud) an den erſteren fehlt es nicht, wie der Berfaffer an den Beifpielen von
Cardanus, Tee und Zwedenborg darthut. Mit Fauſt verglichen, unterjcheidet fich
3. B. Dee durch ein tdeelleres Ztreben, das tief ın feinen Charakter begründet lag
und auch in jeinen mediumiſtiſchen Erfcheinungen zu Zage trat. Doch von diefer
fubjeftiven Färbung abgejeben, tft der Mepbiftophiles Fauſts mit den Engeln oder
nit den Geiſtern anderer Medien faſt identiih. Seine Disputationen mit Fauſt
ließen ſich ebenſogut in Ciel et l’enfer Allan Kardees lejen, wenn er auch fonft
in den Bolfsbiihern als ein dummer geichwätiger Geift erfcheint. Seine Gelehr-
jamfeit, die in den langweiligen moraliichen ‘Predigten, die er im Bolksbuche hätt,
unverkennbar tt, erklärt der Verfaſſer durch den Blick auf Fauſts Gelchrfamteit, der
ſelbſt ein gelehrter Theologe war. Dan braucht diefe gar nicht erit den gelehrten Be—
arbeitern dev Fauſtſage in die Zchuhe zu jchieben, fondern kann cher annehmen, daß
Fauſt ſeinem Interlokutor ſelbſt den Ztoff zu Gefprächen lieferte. Sein ganzes Leben
glaubte auch Fauſt an feinen Berfehr mit dem Teufel, und die Furcht vor diefem
fottere ihn unausgeſetzt. As Sohn jeines Zeitalters ſchwankt auch Kauft zwiſchen
brutalen ſinnlichen Ausbrüchen und muüſtiſchen Afpirationen, zwifchen Yeidenjchaft
und Reue, und dies Schwanken iſt c$, das den Fauſt des Volksbuches zu einer
pivchologiich wahren Figur macht. Alles, was das Volksbuch von ihm bringt, läßt
fih auf Grund des Mediumismus vollitändig erklären. Die Spaltung des Ichs
gebört bei nervöſen Perjonen nicht zu den Zeltenheiten, wie von Wibot, Balle,
Taine bewieſen wurde. Die eine Hälfte des gefpaltenen Ichs hypoſtaſiert fid) dann
bei Fauſt als ein spiritus familiaris. Und dazu braucht man fich eine Krankheit
nicht erſt binzuzudenfen, eine moralische oder — 8 — Erſchütterung reicht vollſtändig
aus, um medinmiſtiſche Erſcheinungen hervorzurufen. Es kann uns auch gar nicht
befremden, daß Fauſt ſich ſein Wiſſen von Mephiſtopheles holt, da auch Cardanus
von ſeinem Familiargeiſt das Wiſſen zu erhalten glaubt, Davis und Stainton
Moies lic als Organe böberer \ntelligenzen betrachteten. Zu den fubjeltiven mediumi-
ſtiſchen Erſcheinungen muß auch die Höllenfahrt Fauſts im Volksbuch gerechnet
werden, wenn ſie auch auf den Verfaſſer eher den Eindruck eines qualvollen Traumes
zu machen ſcheint, trotzdem Kieſewetter dieſe den Verfaſſer des Volksbuches zu—⸗
ſchreiben möchte.
Auf dev Grenze zwiſchen ſubjektiven und objektiven Erſcheinungen fteht die
fir die Geiſter jo charakteriſtiſche Unſicherheit und Doppelfinnigfeit mancher Ant⸗
worten von Mepbiitopheles. Scheible I, 1, 974: laß mid) auch zufrieden mit
deinen Fragen. „Ach darf davon nicht reden; darnach frage mid) nicht; dies kann
ich nicht beantworten” fehren in den Antworten Mephiſtopheles' häufig wieder.
Suphorion IV. 25
382 Wkarmısywott J., Tas Zauberweſen und dev Vediumismus.
Anden er aui analoges Venehmen der yurtgeifter von Kardanıs, Dres Engels Uriel
von Teer und Meilen verweiſt, Nebt der Verfaſſer darin uiſchts anderes als einen
Beweis für die Abhängigten dieſer „Geiſter“ vom Organismus md von den
geiftigen Kraiten dev Vedien. Nicht anders auch heute, denn dieſe Geifter haben ſich
m lteinem Yande verändert. Bon Harz bis Hellas alles Vetter!
Bon dieien Erſcheinungen gebt dev Berfaier zu den obieftiven über, die von auf
ielbit bervorgerufen warden. Turch die Kryſtallomautie juchte er zuerit zu erproben, ob
er auch m.t den Weritern zu verfehren fübig wäre oder mit anderen Sorten, ob vr
mediumiſtiſche Nomplerton beitee Iie Reſchreihung dieſer Borgange ſtunmt mit den
ſonſt betannten volltonnmmen übern Rachdem er die Übers eugung gewonnen, dat er
ſie Leite, that er allvs mögliche, um ihre Entwicklung zu beichleunigen Endlich Schritt
er zur Tenielsrichworung Es kann uns zwar die laugſame Entwicktkiung der Pha—
Nomen ver Dieivc aufgilend erichemen, doch Spricht dieſer Umſtand gerade für ihre
Möglichtein and Wahrſcheinlichteit Tas (Eeypolter, Das Ericheinen der Feuertugeln,
die dann Div Umriſſe beſtimmter tSeſtalten annehmen, ſind nicht Selten in der medium:
ſtiſchen Luüteratur, ir beigebrachte analoge alle zur Geninge beweiſen So gelang
es nach der Anſicht des Keriaſſers Fauit, durch cine lange und imiematiiche Iren
ieine WERTE ichen Eigen'chait. in nicht mm in paĩſiver, jondern auch in attwer Richtung
auszuübilden, id das ad Me geprſermaßen zu beherrichen um Ztande war. Tavon
wegen auch See Abenteuner und Kanſtituckte In ten Veſchreibung jcheint dem
Keriaſſer das Fauſtbuch audi, ücktüichten anf das Wahricheimliche nicht gan;
außer acht teten zu haben Ze indet vr aualoge Falle zu Fauits Abentenern mt
dei „solle aanerat in Ehateets, Nihets Iserlan Tie Errichtung eines Jauber
ichlöüen dd Faun gilt auch dent Fafttuche als eine Zumwanerbiendung. Was
Deo: proben Phänontene benimt on Brote der öpiritiſtiſchen Yıtteratin
MB. nat, glaubt der VReriafner Ih Der avedittihben Bebauptung ent
haltert ya alte, da De wiſenichnaiticht \lenmysntmerg abnticher Phauomene Die
Aut ueber nie Narr ad Miet Fauuvbreiche vrigrinaten Fälle Die Grenze
des Wirttichen zau ubherichreiten ſchernen. So err chen to ned nicht Die pbante
riche Steerienatang ahitrichee Ua Urioito, Taf md in den Marchen von
juat Kat
Tamer blatt iv Keriaiſer See Jianimenötellnng mediumtitiicher Eriche;⸗
EEE BE Fauubuche, Seit Ne iich dareh angloge Falle Belegen laiten Bon Den
wre, Deo. Uhergangen, vermute: va datz WIE to mic Erichemungen enutweder
gar nicht reurzurkieeneverm'ihten ED das ſte vom Fauitbuche uübertrieben werden.
Die ießtere Unnanni erichenut ibn va einlicher, Da der zweite und Dritte Teil
des Vidmannicheir Jauſbüches leine Thatachen aus eeuer Hand enthalt, iondern
mh ons Dt auetdeteutigiten Zeit, dee einen Ice des Jauberinventars aus
made und mt Voltsmunde lebte, Feiſcherit hatte
Far Yoga, ſeine ÄAhenteuer erenuern BEDIENT qua den volniichen
Iwan. dest, doch nebte der Verianee it ihm lediglich ce plmntaniich mythiſche Figur,
Da keriie Tolanente Au ine andere Auffanung vorhanden und Er beſtreitet ſedoch
de nirgitn! tumtiht, Datirt ahnliche Jiqur ungbbangig ver Fauf auch anf pol:
fun Sag ettimeg wett haben tag Tie von stm ubertieterten Zuge, Die
J Bu Mint N ‚tier Kunde anteuni., Tata üich doch nicht auf
BEDGSE Ude as on SEE ct a tteahreit Daber erchernnt ibn Twardowsti wohl ala
aim. 1eb. Iron, Debichie jeden Ne. tonn Die Geichichte Dev Magie
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Tarnowski St., Über Schillers Dramen. 383
gebörigen Litteratur, die mir in einer Heinen galizifhen Stadt unmöglich war auf:
zutreiben. Die Ergebniſſe, zu denen ev in feiner Arbeit gelangt ift, gehen in mehreren
Punkten weit über Kieſewetter binaus, wie der vorliegende Bericht im einzelnen zu
zeigen ſich bejtrebte.
3. Tarnowsfi Zt, O dramatach Schillera. (Über Schiller Dramen.) Krakau.
Buchhandlung der polniſchen Verlagsgejellichaft. 1896.
Wie der Verfaſſer, Profeffor der polnischen Litteratu eſchichte an der Jagel⸗
lomichen Univerfität, zu diejem Werke kam, erzählt er ausführlid) in feiner VBorrede.
As nämlich nad) dem Rücktritt des Prof. Bratranet der Lehrſtuhl der deutichen
Sprache und Yitteratur in Krakau längere Zeit unbejeßt biieb, itbertrug die philofo-
phiſche Fakultät die Aufgabe, Vorleſungen über die deutſche Pitteratur zu halten,
dem Berfaifer. In dieſen beichäftigte er fid) mit den Dramen Schillers, zu denen
er ſich ichon längſt hingezogen fühlte. Die Früchte diefer Beſchäftigung legte er in
einer Reihe von Aufiägen nieder, die in einzelnen Kahrgängen der „Bolnifchen
Revue“ erichienen, jet aber in Buchform gejammelt wurden. Mit dem vorliegenden
Werke beabfichtigt der Verfaſſer, wie er felbft verfichert, nichts weiter, als eine
empfindliche Lücke in der polnischen Yitteratur auszufüllen und den deutſchen Dichter
auch denienigen näher zu bringen, denen feine Werke in deutfcher Sprache unzu=
gänglich find. Wir hätten aljo das vorliegende Werk in erfter Linie daraufhin zu
berrachten, ob es auch geeignet jei, das Verſtändnis Schillers zu erleichtern. Doc)
muß bier schon darauf aufmerfiam gemacht werden, daß Graf Tarnowsfi an
mehreren Ztellen weit über das ſelbſt gejtellte Ziel hinausgegangen ift. Die Arbeit
verdient eine ausführlichere und eingehendere Beſprechung, als der knapp bemeilene
Raum im Eupborion es ſonſt zulaſſen wiirde, zumal da fie wegen der polnifchen
Sprache nicht allen Fachgenoſſen zugänglich fein fann.
Tie Arbeit zerfällt in elf Kapitel, von denen jedes eine für fi) beinahe ab-
geichtoitene Studie bildet. Im eriten Kapitel bemüht jich der Berfaffer, uns einen Über⸗
biid des Zuſtandes der deutſchen Yitteratur im 18. Rahrhundert zu geben. Die
Rückſicht auf den gewählten Gegenſtand legte dem Berfaffer von vornherein eine
gewiſſe Gedrängtheit und Nürze auf, doch fcheint er mir in diefer allzumweit gegangen
zu fein, da das vorliegende Napitel, in allgemeinjten Umriffen gehalten, ung ein
iiberfichtliches Bild der damaligen Yitteratur nicht zu geben vermag. Man muß ſich
im Gegenteil eine unrichtige Vorstellung von der damaligen Yitteratur bilden, wenn
einerseits Peliings Bedeutung überichäßt, andererjeit8 Herder faum erwähnt wird.
Ohne fich auf den Zuſammenhang zwiſchen der damaligen Zeit, der Yitteratur und dem
Tichter näher eimzulafien, gebt der Verfaſſer zur Darftellung der Entwidlung des
Tichters über, die ſich leider auf eine trodene Zuſammenſtellung einzelner Daten
aus Schillers Jugend beichräntt. Der Gewährsmann des Verfaſſers ift Kuno „Fischer,
und nad) deſſen Vorgang ſucht er auch den Herzog von Württemberg nicht nur zu
entichnldigen, jondern ihn zu rühmen.
Vom zweiten Napitel an unterzieht Tarnowsli alle Dramen Schillers einer
eingehenden Analyſe und bält mit feinem oft jehr firengen Urteile nicht zuräd.
Dabei geht er vom moraliichen und rein äfthetiichen Standpunfte aus. Ob und
imdicfern der eritere einem Kunſtwerke gegenüber berechtigt fei, können wir dahin⸗
geſtellt fein lajlen, da die Enticheidung darüber eine zu weit ausholende Auseinanders
jetzung erfordern würde Daß er aber eine richtige Wertſchätzung und Beurteilüng
eines Werkes beeinträchtigen und trüven fann, it meiner Anficht nach über jeden
Zweifel erbabent.
Ron diefem Standpunkte aus betradhtet, mußte jedoch dem Verfaſſer das erite
Trauerſpiel Schillers wideriinnig ericheinen. Auch in äfthetifcher Hinficht erfchien es
ihm als vollitändig verfebit, wir er in einer fehr eingehenden Analyfe zu zeigen ſich
bemübt. Er fteht in ibm nichts weiter als eine Reihe von verlörperten Andigna=
25*
384 Tarnowsti St., Über Schillers Tramen.
tionen und Aſpirationen einer Epoche und vermißt an den handelnden Perſonen eben
das, was eine Grundbedingung des dramatiſchen iſt, ein ſelbſtändiges Yeben
Auch das nächſte Traueripiel Schillers, Fiesco, konnte keine Gnade von dem
Verfaſſer finden. Man iſt auch ſonſt über Die zahlreichen Ubertreibungen, Geſchraubt
heiten, handgreiflichen Fehler gegen die Wichtigkeit italieniſcher Verhältniſſe einig,
deshalb glaube ich der Mühe überhoben zu ſein, ſie hier noch einmal aufzuzählen.
Ron den einzelnen Alten icheint dem Verfaſſer der erſte At, von den Perionen der
Mohr am beſten gelungen zu ſein. Die Entſtehungsgeſchichte des Fiesco wird in
dieſem Kapitel nur ilüchtig berührt.
Wonach der Berfarter vergeblich in den Räubern und im Fiesco geiucht zu
haben vorgiebt, das finder er erſt im mehreren Figuren von Kabale und Yıcbe,
nämlich Wahrheit und Empfindung. Daß dieſes Trauer'öpiel nicht allen juntparbiich
ericheinen kann, erklärt er dadurch, daß es als ein bürgerliches Iraneriviel von
vornherein iemen Figuren den Stempel des Alltäglichen und Gewöhnlichen auf
drücken mußte, Das weder Intereſiſe erwecken noch unijere Aufmerkſamkeit in böherem
ürade zu ſpannen vermag. Tem Verfaſſer erſcheint überhaupt em bürgerliches
Traueripiel als eine poetiſche Zwittergattung, als „Poeſite ohne Poeſie“. Wenn man
es aber ſchon gelten laſſe, dann behauptet dev Verfaſſer nirgends ein beiferes Trauer
ipiel finden zu können als Schillers Kabale und Liebe, trozzdem es viele leineswegs
unerhebliche Fehler ſowohl un ſeiner Kompoſition, ala in der Zeichnung Dev Charattere
aufivent.
As das erite eigentliche Traueripiel Schillers vetrachtet dev Berfafier den
Ton Karlos. Term mit bier entdeckt er jenen hohen poettichen, tragiichen Cbarafter,
den er m allen vorhergegangenen vermißte Ungeachtet dieſer Bebauptung weit er
zahlreiche Fehler dieſes Traueripieles nad, die durch div Entſtehungogeſchichte des
Tramas ſich wohl erklaren ließen, von der aber der Verfaſſer abſehen zu tomen
ment. Ubrigens ließe ſich Die Reihe der von dem Keriaſier ausgeſtellten Mängel noch
um emige vermehren Vortreijlich iit in Semer Tavitellimg Die Analvſe der Rede des
Varquis Poĩia und die Art, wie er ieine Behauptungen widerlegt: er weit nach,
da ß Marauis Koia und ſeine Throrie einer vernüningen Kritikl nicht Stand zu
halten vermogen, daß er in moraliſcher und patriotiſcher Hinſicht leineswegs das
Yob verdient, welches ihm gezollt mird. Was den Charatter des Ronigs betrmit,
rechnet es der Veriaſier dem Tichter als einen großen Fehler an, daß er zwei To
verſchiedene Negro wie Katholiztöamus und Deipotismus zuiammengeworien, und
den König zu einem Werkzeug dev Kirche gemacht babe, wäbrend das Wegenteil
leicht an der Hand Der Geichichte bewirien werden konnte.
In die Seit, die Miſchen Ton Carlos und Wallenſtein liegt jaällt eine
Menge von Anregungen und Einwirklungen mm Yeben Schillers. Ti Betrachtung
dieser bätte auch der Analvie ieiner Gedichte vorangeben ſollen, doch - - Leider it fie
unterblieben. Statt ihrer baben wir in dem vorliegenden Werke mm eine jſtizzen
bafte Aufzählung biographncher Notizen, von denen manche ganz getroft übergangen
werden konnten Tas Urteil des Verfaſiſers über Die wiſſenſchaftliche Thätigkeit
ZSchillers icheint mm jedoch nr einſeitig ausgefallen zu jent, da er in ihr nur einen
unerieklichen zetverluſt ſieht, obgleich er ielbſt zugiebt, daß dadurch Die Welt
teunminis Schillers vertieit wurde Tas Verhalturs GVoethes zu Schiller wird be
nahe gar nicht erwahnt Tirie Mängel icheinen mir den Wert dev Analne des
Wallenſtent herahzuſetzen, die als eine Der treülichſten im ganzen werte angeichen
werden muß Er betrachtet den Wallenſtem ata das beite biitorniche Iraueripiel,
welches die neueren Litteraturen aller Völker aufziweſſen baben „Alles ter ım ihr:
der böie Gedanke, das tet! Wollen dev Haudinug wie in emer antılen Tragödie,
car mit moraliichem Sinmne ausgeſtattetes Schicthjal, eine wichtige et, ein großer
Kann" Bon den Einwendungen, die man gewöhnlich gegen dieie Tragadır erhebt,
der er nur jene berechtigt, welche Die Rerteilung des Stoiies beit, obgleich er
dieien Fehler Durch Die Fülle Des dramatiſchen Stoiſes, dev in dieier Tragodie un
Tarnowsfi St., über Schiller Dramen. 385
bedingt unterkommen mußte, zu entichuldigen ſucht. Auf die Analyfe der Handlung
fönnen wir nicht näher eingeben, fondern heben nur die Stellung des Verfaſſers
einzelnen ‚sragen gegenüber hervor, fiber die noch feine Einigkeit erzielt wurde. In
erſter Linie fommt die Auffaſſung der Scidjalsidee in Betracht. Von einer ſolchen
um Sinne der antiken Tragödie tft im Wallenftein nach der Anficht des Verfaſſers
feine Rede. Die ftete Aufeinanderfolge von Schuld und Sühne könne nichts anderes
beweiſen, als was jonit in veligiöjen Rudimenten gegeben tft, daß der Menſch auch
eogitatione jündigen kann. Nur fei die Kunſt des Dichters zu bewundern, mit
welcher er dieje Gerechtigkeit übt. Es fcheint, als ob er die ganze Macht und Reife
jenes Genies, die ganze moraliſche und Hiftorifche Welt zufammengepreßt hätte, um
daraus die Quinteſſenz der Weltweisheit zu befoimmen. Die Auffaffung Wallenfteins
ſelbſt it dem Helden im ganzen gerecht geworden, doch fcheint mir deffen Glaube an
die Macht der Geſtirne nicht gehörig beleuchtet, die Miſchung der allerverjchiedenften
Charafterzüge nicht ſtreng auseinandergehalten worden zu fein.
In Octavio iſt der Verfaſſer weit entfernt, den perfideften Verräter zu er-
blicken, ſondern fteht in ihm einen treuen Diener jeines Herrn, der fih in einer
ſchrecklichen Kollifion befindet und felbjt nicht wifle, wie er das Vertrauen, das ihm
ſowohl vom Naijer als aud) von jeinem Feldherrn aufgedrängt wird, täufche.
Tie Yiebesepifode, die der neueren Kritik jo viele Sorgen bereitet, erfcheint
dem Verfaſſer im Zraueripiele unentbehrlid. Ohne Dar würde Wallenftein felbjt
jeine ſchönſten Zeiten einbüßen. Mar allein bezeichnet bier den fchlichten Weg der
Ehre und des Gewiſſens, er jet der einzige Bürge der guten und liebenswirdigen
Zeiten in Wallenjteing Charafter, er allein vermöge die harten egoiftifchen Züge des
ehrgeizigen Mannes zu mildern. Im allgemeimen aber zeichne fid) das S ilerfche
Traueripiel durch Maß und Proportion in der Technik, durch den Stil aus und
verbinde die Weisheit der antiken Zragödien mit der allgemeininenfchlichen Wahrheit
in der Zeichnung der Charaftere.
Einen viel weichlicheren Charafter fcheint dein Verfaſſer Maria Stuart zu
beiten, da fih von den beiden Heldinnen die eine paffiv verhaften muß, die andere
es zu thun dvorgiebt, während von den Männern feiner handelnd auftritt. Dan
vermiſſe daher in dieſem Irauerjpiel das VBormwärtsdrängen zu einer Krife, das den
Dauptvorzug des Wallenjtein bildet. Die rhetoriſche Behandlung pathetifcher Situa⸗
tionen, die tdealiiterende Zeichnung der Charaktere, die Aufrechterhaltung der drei
Einheiten m Maria Stuart gemahnen den Berfaffer an die Hafficiftifrhe Tragödie
Korneilles, obgleich ſie nicht jo fonventionell wie diefe iit. Die Einführung Morti-
mers und Yeicefters findet der Verfaſſer anftößig, da durch dieſe die Königin in
unſeren Augen berabgeießt erjcheint und an die Stelle des Antagonismus ziveier
Völker, zweier Religionen die niedrige Eiferfucht ziveier Weiber in den Vordergrund
gerückt werde. Ztatt Yeiceiters hätte der Verfaſſer Don Juan d’Auftria jchon lieber
um Ivaueripiel gejeben, da Yeicefter in äfthetifcher Hinficht fiir ihn geradezu ab-
ſtoßend jet. Die Yiebeserflärung Mortimers ſcheint ihm auch den mächtigen Eindrud,
den Die vorhergehende Zcene in uns zurückgelaſſen bat, zu Schwächen. Bon dieſen
Mängeln abgejcehen, icheint ihm jedod) der Fichter in Maria Stuart eine in jeder
Richtung klaſſiſche Tragödie geſchaffen zu haben.
Wie dev Tichter von dieſem Haffiichen Trauerjpiel zu eimem romantischen,
mie er die Jungfran von Orleans genannt hat, Überging, erllärt uns der Verfaſſer
nicht. Doch hält er es für eine der ſchwächſten, widerfinnigiten Schöpfungen Schillers,
was er durch eine jehr eingebende Analyſe zu beweifen jich beftrebt. Nicht nur der
Stoff ſelbſt trägt daran schuld, da diejer cher eine epifche als eine dramatifche
Behandlung verträgt, jondern auch der Dichter felbft, da, was cr jelbitändig er-
Dichtete, weder glüdlich noch tragisch genammt werden könne. Das Schidfal Johannas
muß nach dev Anficht des Verfaſſers jedes Herz empören, da man fidh umſonſt bes
mühen wirde, an ihr eine Schuld zu entdeden. Schiller bätte feiner Anficht nad)
beſſer daran getban, auf dem biftoriichen Boden zu bleiben.
386 Tarnowsti Zt, Über Schillers Tranıen.
Ablehnend verbatt Sich dev Berfaiter auch der Braut von Meiſina gegemiber.
Tier ipeziellen Analvſe ichicht er eine Erörterung von zwei prinzipiellen Fragen
roraus. Tie erſte betrifit die Einführung des Chors Ungeachtet der Vegründung
Schillers hält er Den antiken Chor un modernen Iramvipiel fir unberechtigt. da er
gegen das individnelle und viychologiſche Element des modirnen Tramas verſtoße,
einem ungebildeten zZuhörer ſtörend und langweilig vorlommen müßte. Anſtatt Div
zragiiche Wirkung des Traueripieles zu erhöhen, zeritreuen und foltern daher Div
Shorgeiänge in der Rraut von Meſſina den Zuſchauer mehr, als es alle Greuel
en würden Turch Tas Ubergar‘ dt der Chorlieder büſten auch die handelnden
Kerionen ihre indiniduelle Freiheit in Teshatb erklart der Berfafter dv Ennührung
des Chors iur keinen alucklichen Einfall Die andere Frage betriit Tas Schickial nn
Iraneripiele Schillers Ter Berfaster erbebt einen ichweren Korwurse qeaen den Tichter,
daß er das antike Fatum ialich auigefſaßzt und durchagciuhrt babe Er babe männlich
Aberiehen, Dat! wahrend das anutike Fatum bon mit dein mmihſichen Ston gegeben
war, iein Fatum hingegen m einen rer prinudenen Stoiie willturlich und
grauiſam ericheinen muß und deshalb m nint Miſtrauen angeichen werden kann
Wahrend in vr antiten Tragödte Das Fatum weht wird, ſcheiden wa von
dem Schillerichen Traurripiele mit einter gewtſſen VReriiummung, da Das ‚at nicht
durch ein neues Verbrechen video werden dann Zihlarftih ware De Schald des
Füriten auch an üſch Sbst mitt 2 mer, um ſothe Greuef herauizubeichwören
Durch dieire falicke Auiſginng wi aueh der ganze Baundes Tramas ins Wanten
geraten, das want dr NY Farin mm einzelnen nach Under riens giebt er zu, daß
von der Autite entteabnte ZUR in doer yo during der Figuren, Die Steigerumg
in vi nagndon ac dririn Frakeitpiiot unerieichte Zihönbeit verleihen
At ab ah Klane marende gber Sem Exbbifiieet nach nur im Wilhelm Tell
qgeneen, mar“ Sn Qerrte Kett za vertreten z3u: Ta Aunsuellungen, die der Ber
da; an Der Trama maiht, Brenn die Monet Dar Bergleit des Schiller
den Tramas mit der kormmidhen Taer hen shot bp ugs sn PMADTGT Des
andern Tichtere ausziallen, denn dev Zen vertrug Hm dramattiche RSehandlimg
Im enze!nen cheint Nin u Zcdweigen der Zn... meld der VIEH in >
it an'toit:q, der eneeget ells 'meint f ha N zuftatden Neben sit vitt
Mean, die Katrteidaicene nur Lotte >antsh, nicht 577 Dom are orgaunch ver:
reren ya tem
Zst leſttes Narihe widnie: D.C Dom 2b Fraamenten und
Sitten kurzen zanmeniaſinug der vitro rm, ie andern Bat den erſtereit
nennt er wem auch Varhech, To Maren tuid Die she des Hanies, doch Dr
diaitigt er ſich veinahe ausihblieltid nen der zAna.en u men Anſtoßzig fir
oe Mir irden Kolen muen biterpde Ungenannletten Som, De Seh Zeller
1 d: Warbetmng dries Steres zu ZDTED U Tosinin 1 op der Tarstelling
ra vringe Zwrrinund HE als cms re, daß Dam Iiherunm veto heinahe ein
"alter Jalnhundert zu iru!wangeietet mird, Dei arraıb, Sem yndimpshe, der vor dent
Der td eskan erwahnt mind, vi Kedtinaend. ne Des Mosatenbemats
Ni. a Tuer Sean tennten jiedoch den rt di Tenaudte nach nicht herintrachtigen
rer aim gbrebonuf md der wem Zube: bin“ rlaſſenen Noten erlaub:
Tin, dlanbe di Kerianern, dat Das gute de Zcherbett des Walleninernn unicht trend
"er NIT DIE ABTEI Zusheitond or tm Di Zum Der Marta am pradı
tod J at ten und Dr cibtt a Seirtanze te Sbakeipeares Nolte
Adam roten
T Erdebntüie ieiner Unterinmhitng geaeot gta, Millt an Schillernder auf
uu Gebteteender Aunif gegenwäartig — tüetendammernug und Kerwirrung
Kegqrtue gegenuhner ats em Borliid hin, das ib Tichter nachahmen vollten.
Aris Dat vorlicqenden Beriche fm oem 8, Bosse md Fehler des Werkes
rer Inieiern es üich nicht damit beguttat. Sb ander Arbeiten mit
Senn Senden ann ielhtandige Unteriuhung nr nenn alas ver
7
rs
Tentiche PLitteratur in Annerifa. 387
iprochen: inſofern es verſäumt, die Dramen Schillers aud) vom biitorischen Ztand-
punkt zu betrachten, leitet es weniger als es verſprochen bat. Denn das Urteil,
welches vom ven moralischen oder vom rein äfthetifchen Ztandpunft gefällt wird,
muß einſeitig ericheimen. Zu bedauern tit es auch, daß der Berfajjer, der wie nie
mand somit dazu berufen erſcheint, keine Zilbe vom Einfluſſe Schillers auf die
polniſche Litteratur ſagt.
Drohobyez. Witold Barcwicz,.
Bericht über die während der Jahre 1895—1895 in Amerika
veröffentlihten Aufjäße über deutfche Pitteratur.
Teer zehnte Yand der „Publieations of the Modern Language
Association of America” Baltimore, 1895, enthält nur einen einzigen
Aufſatz, der fih mit deutscher Yitteratur bejchäftigt, KR. Frankes „The
social aspect of early German Bomanticism (©. 83— 96). Da aber
Meier Vortrag fi) mit geringen Abweichungen in desfelben Verfaſſers
deutſcher Vitteraturgeichichte Social Forces in German Literature, New:
ort 1896, S. 412 ff. wiederfindet, ıft es nicht nötig, hier näher
daranf einzugehen.
sm elften Jahrgang ee Zeitfchrift in der zweiten Nummer
Baltimore, 1596 erörtert I. T. Hatfield die Beziehungen Wesleys zu
Zinzendorf und jener Gemeinde und vergleicht in eingehender Weiſe die—
jenigen Kirchenlieder, die der Stifter der Methodiſten aus dem Herrn—
hutſchen Geſangbuch ins Engliſche überſetzt hat John Wesley's trans-
lations of German Ixmus'“, S. 171—199). Westen hatte auf feiner
Überfahrt nach Amerika die Refanntjchaft von mehreren Mitgliedern der
mähriichen Brüdergemeinde gemadt, die ihn jo intereffierten, daß er ſich
auf der langen Reiſe eifrig dem Studium der deutfchen Sprache widmete
und ſich mit ihnen, fo gut es ging, unterhielt, um mehr von ihren reli-
gröien Anfichten und Cimrichtungen zu erfahren. Auch nad, feiner Ankunft
in Savannah jegte er dieſe Veziehungen mit den Herinhutern fort und
begann einige ihrer religiöſen Yieder ins Englische zu überſetzen. Die erſten
fünf erſchienen nebſt 65 engliſchen Originalliedern im Jahre 1737 (Col-
lection of Psalms and Hymns. Charles-Town by Lewis Timothy‘.
Fünf andere folgten im nächſten Jahre in einen Gejangbud), das im
Yondon erjchien, wohin ev mittlerweile wieder zurüdgefchrt war. Seine
Thätigfeit als Ülberfeger reicht bi8 zum Jahre 1742, während welder
Periode er im ganzen 29 Lieder aus dem Herrnhuter Geſangbuch überfegt
und bearbeitet hat. — Wesleys Autorſchaft iſt eine Zeitlang beſtritten
worden, doch giebt Hatfield S. 179 die Gründe an, welche die Frage
außer Zweifel ſtellen. Der Schluß des Aufſatzes beſchäftigt ſich mit einer
eingehenden Vergleichung der Überſetzungen mit den Originalliedern und
einer Tarlegung der Motive, welche Wesley zu Auslaſſungen und Ande-
rungen bewogen haben.
388 Teutſche Litteratur in Amerita.
In derjelben Nummer der „Publieations” beſpricht G. Gruener in
einem „The Nibelungenlied and Sage in Modern Poetry” S. 2230
bis 257: betitelten Auffage die Neubearbeitungen der Zage in dramatifcher
und cpifcher Form. Er befchräntt ſich dabei hauptjächlid auf Geibels
„Brunhilde“, Hebbels „Nibelungen“, Wagners „Ring der Nibelungen“,
Jordans „Die Nibelunge* und Morris’ „The »torv of Sigurd the
Volsungx and the Fall of the Niblungs”. Bon den Dramen ausgehend,
wirft Gruener die Frage auf, woher es fomme, daß es feinem der ges
nannten Dichter gelungen jet, ein Werk zu Schaffen, das fi an Beliebt:
heit dem alten Epos vergleichen laſſe. Er erörtert zu dem Zwecke die
Schwierigfeiten, die der Ztoff der Tramatifierung entgegenftellt, fi hierin
ven Anfichten von Weitbrecht, Röpe, Prölß, Yulthaupt und anderen an«
ichliegend, und weit namentlich darauf bin, dag die Charaktere und Er—
eigniſſe des Liedes uns jo vertraut geworden find, daß die geringiten
Abweihungen vom Original dem modernen Yefer oder Zuſchauer fogleid)
auffallen und ihm im ungehinderten Genuſſe des Dichtwerkes ftören würden.
Der Verfaſſer verfolgt dann weiter dieſen Sedanfen, der in allgemeinerer
Form ſchon von Kuno Fiſcher Goethes Fauſt ausgeſprochen tft, und
prüft von dieſem Standpunkte aus die Königsdramen Shaleſpeares,
Schillers hiſtoriſche Tramen und das griechiſche Drama. — Auch die
Neubearbeitungen des Liedes und der Sage in epiſcher Form, wie Jordans
Nibelunge und The story of Sigurd the Volbung von W. Morris
leiden nad Grnener unter derſelben Schwierigkeit. Wenn Jordans Epos
auch voll poetiſcher Schoönheiten iſt, fo beweiſt es doch andererſeits die
Uunmöglichteit, das alte Yıed zu erneuern und zu verbeſſern. Wo Jordan
der Sage folat, „bat er ſie ins Kleinliche herabgezogen und fie ihrer
großartigen Einfachheit entklerdet. Alle ihre rauhen heroiichen Charaktere
bat er in die farblofen, ſentunentalen oder intrigierenden Charaktere eines
armfeligen modernen Romans verändert, obgleih er in ihnen große ethifche
und moraliſche Prinzipien zu verforpern und ſinnbildlich darzuftellen ver
fucht hat“ 2. 217. Auch das engliihe Epos, das Gruener als Dichtung
hoher stellt als die Jordanſchen Nibelungen, kann fid) mit dem alten Yıede
wicht meſſen. „Es wird ſitets bleiben, was es ſein will, eine ernſte würdige
poetiſche Berfion der Weliungenfage und nichts mehr“ S. 251. Dieſe
Reubearbeittungen des Nibelungenliedes Führen den Verfaſſer zu einer Ber
ſprechung derjenigen modernen englüchen Epen, die aus dem Artus Gnklus
geichopft find, hanptſachlich der „TAslis of the King’ von Tennnſon
Z. 251 256. -- In einem Appendir werden dann noc die dichtes
riichen Werke auigezablt, die auf Lied und Sage bafiert find.
Ten Schluß der zweiten Nummer S. 258-- 274 bildet der Ab:
druck einer kurzen Erzahlung in Werfen, die der Herausgeber x. G. G.
Schmidt einer noch nicht veröffentlichten Haudſchrift dea 15. Jahrhunderts
aus der Ottingen-Walleiſteinſchen Bibliothek zu Maihingen entnommen
Deutſche Yitteratur in Amerika. 389
hat. Die Handfchrift, die fi mit mehreren anderen zufammengebunden
findet, ift Fatalogifiert al8 III. Deutſch, 1, 8°, 14; die Erzählung felbft
befindet fih Blatt 79a—35b. Auf der legten Seite, 95 b, heißt es:
„Das ift ein hwbſche Hijtori von einem Riter bie er pwflet.“ Gierin wird
erzählt, wie ein Nitter, von Reue über feine vielen Sünden überlommen,
ih zu einem Einfiedler begiebt, feine Frevelthaten beichtet und als Suhne
fieben Jahre lang Buße thun fol. Nach vielem Feilihen und Bitten
jeiteng des Ritters wird die Strafe auf eine Nacht herabgefett, die er
mit Gebet in einer Kapelle zuzubringen hat. Lucifer, der feine Beute nicht
gern fahren laſſen will, fendet mehrere feiner Teufel, die in verichieden-
artigften Geſtalten den Ritter aus der heiligen Stätte heranszuloden
juchen. Ihre Berfuchungstünfte find aber vergebens; trog aller Anfech⸗
tungen vollendet der Ritter feine Buße. — Schmidt glaubt, daß biefe
Geſchichte mit einer andern identifch ift, welche nach Keller, Bibliothek des
litterariichen Bereind in Stuttgart 1853, Band 80, in einer Münchener
Handſchrift enthalten fein fol. Der Schreiber der Maihinger Handſchrift
ift ein Bayer. Hinfihtlih de8 Berfafjers der Hiftorie ift der Herausgeber
über vage Vermutungen nicht hinausgelommen.
Die dritte Nummer der Zeitjchrift enthält einen interefjanten Beitrag
zur Öoethe-Pitteratur von I. Schipper: „über Goethes Sonette“ (S. 275
bi8 306:. Nach einer kurzen Einleitung über die Form des Sonettd und
feine Gefchichte auf deutihem Boden, geht der Berfafler auf Goethes
Stellungnahme in dem Streite ein, der hauptſächlich zwiſchen Joh. Heinr.
Voß und den Nomantifern über diefe Dichtungsform entbrannt war, und
erwähnt dann die beiden Goetheſchen Sonette, welche in direkter Beziehung
zu dieſem Sonettenfrieg ftehen. Schipper nimmt an, daß dieje beiden
Conette, „Natur und Kunft“ und „Das Sonett“ betitelt, ungefähr zu
gleicher Zeit verfaßt fein müſſen, da fie fi wie zwei Pendants verhalten,
„in denen der Tichter in objektiver Weiſe zuerft die Schattenfeite und
dann die Pichtjeite der Zonettendihtung vorführt.“ Hervorgerufen feien fie
duch A. W. von Schlegels befanntes Sonett vom Jahre 1800, welches
gleichfalls die lberichrift „Das Sonett* trägt und in welchem das Wefen
diefer Dichtungsform charakterifiert wird. Fünf Jahre verfloffen, ehe Goethe
fi) wieder dem Sonett zuwandte; 1807 dichtete er 17 an Zahl, deren
äußere Veranlaſſung eine neue Ausgabe der „Rime di Francesco
Petrarea” durch den Buchhändler Frommann war, in deflen Haufe auch
Zacharias Werners Zonette vorgelefen wurden, die ihrerjeitd nicht ohne
Einwirfung auf Gocthe blieben. (Vgl. Riemer, Mitteilungen 1841, 1,
34—36.: Ten innern Anlaß gab des Dichters Verhältnis zu Minna
Herzlieb und Bettina Brentano, und Schipper geht dann dazu über, die
viebesfonette auf ihre Beziehungen zu diefen beiden rauen Bin in ein-
gehendfter Weiſe zu unterſuchen. Er kommt dabei zu dem Rejultate, daß
das vierte Das Märchen fpricht), das fiebente (Abſchied), das achte (Die
390 Tentiche Litteratur ın Amerika.
Yıebende jchreibt:, das neunte Die Yiebende abeımals , das zehnte Sie
fann nicht enden: und vielleicht das crite Machtiges Überraſchen von
Bettina infpiriert worden, während die übrigen auf Minna Herzliebs An-
vegung zurüdzuführen find. Yerwandtichaft des Stoffes und gemeiniame
Angehörigkeit an eine bedeutiame Epode in Goethes Yeben und feiner
dichteriichen Thätigfeit Entftehungszeit der Wahlverwandtichaften: hätten
denn nach Schippers Anficht den Tichter verantaßt, die beiden Eonettens
gruppen zu einem Cyklus zu verbinden. Mir einer Würdigung diefer 17
Sonette, jowie einer furzen Beipredung von drei Gelegenheitsſonetten
(Goethes, den einzigen, die ev nachher noch verfaßt hat, ſchließt der treff-
liche Aufſatz.
In dieſer dritten Nummer befindet ſich noch ein Neudruck von Thomas
Murners „Antwurt vnd klag mit entichuldigung wider bruder M. Stifel“
S. 336-9348, Der Herausgeber Ernſt Voß weiſt darauf hin. daß
(GGoedeke nur cin einziges Exemplar dieſes Pamphlets anführe British
Museum 3905. d. 106, das aber ſelbſt den Biographen Murners,
(GB. E. Waldau Machrichten über Thomas Murners Leben und Schriften
1775, Charles Schmidt in ſeiner Ilistoire de VAlsace littéraire ımd
RE Kawerau Th. Murner und die Kirche des Mittelalters 1890 und
Th. Minrner und die deutſche Neſormation 1891 und andern Litterar⸗
hiſtorikern nicht zuganglich geweſen ſei und welches er deshalb nen abdrucke.
sn dieſer Erwiderungsſchrift auf Stifels „Wider doctor Murners falſch
erdicht med“ heſindet ſich eine Stelle, durch welche die oft umſtrittene
Kane, ana welchen Gründen der unermudliche Gegner Vuthers des letztern
„Pe Capuivitate HBabxloönien BKeelesine Praehwlinm” verdentſcht habe,
ins rechte Yıcht geſteut wird und Me von Voß durch geiperrten Trud
hervorgehoben iſt. Die Stelle lauter: ... dez bezug ich mid vif das
buch der babtlontichen gefencknis daz uch ſelbs vertutſchet hab / vff das
doch der gemein Chriſt ſehe vwer gotz leſterung vnd ſchendung der heiligen
ſacrament.
In den „Modern Language Noten Baltimore, Yand X, 1895:
wert N. Francke A parallel to Goethes Euphorion, Z. 129—131-
auf eine Ztelle ın Tiecks Phantaſus bin, in welder der „Schers“ auf
eine Weiſe beichrieben wird, welche lebhaft an Goethes Kuphorion erinnert.
Die Stelle befindet ſich in der Auegabe von Tide Schriften aus dem
Jahre 1828 m vierten Bande, S. 150 ff. Arande finder die Ähnlichkeit
nichen beiden Geſtalten nicht mar in Der allgememen Auffaſſung der
Charaktere, jondern fogar ın einzelnen Züigen und halt die Annahme nidt
für ausgeſchloſſen. daß Tiede „Scherz“ Goethe vor Augen Ttand, als er
den Euphorion ſchuf.
Im Anſchluß an dieſen Artikel lenktt A. Gerber Kaphaels Loesv
anıl Poesv in Faust, Modern Laumage Notes, 11. 111 —113 unſere
Auimerkiamteit auf den ers des Chors in Goethes Fauſt, Tel 2,
Teuriche Fitteratur in Amerifa. 391
welder mit den Worten beginnt: „Heilige Boefie, Himmelan fteige fie“
(Vers 9863 — 98691. Im Gegenjag zu Schröer (Anmerkung ©. 271) hält
(Gerber Poefie und Euphorion für identiſch und findet eine Erklärung für
diefe Zubftituierung des kriegeriſchen Euphorion durch die Poefie in dem
Eindrud, den Raffaels berühmtes vatilanifhes Gemälde, die Dichtkunft
darftellend, auf Goethe gemadt hat.
In einer eingehenden Unterfuchung befpriht C. A. Eggert den Ein-
fluß, den Diderot auf Goethes Anfichten über die Schaufpieler und die
Schaujpielfunft ausgeübt hat (Goethe and Diderot on Actors and
Acting, Modern Language Notes, 11, 205—220); vgl. oben ©. 301 ff.
Es iſt erfreulich zu fonftatieren, daß das Intereſſe des amerikaniſchen
Publikums für die Erzeugniffe der deutfchen Litteratur und ihr Studium
ein Immer vegeres wird. Bon Franckes Titteraturgefchichte (Social Forces
in (rerman Literature, New-York 1896), die an anderer Stelle in
dieſer Zeitſchrift beſprochen werden wird, ift bereit eine zweite Auflage
in Vorbereitung. Es verlautet, daß der von F. Paulfen gelegentlich der
Anzeige dieſes Werkes in der Deutfchen Litteraturzeitung geäußerte Wunſch, es
aud) in deutjcher Sprache veröffentlicht zu fehen, in Erfüllung gehen wird.
Ron demjelben Berfaffer ftammen auch drei Kleinere Auffäge, die im Laufe
diefes Jahres in der „Nation’ (New⸗York, Band 52 und 53) erfchienen
find und ſomit Zeugnis für das Intereſſe ablegen, mit dem auch die
weiteren Kreiſe des Yefepublifums die Erjcheinungen auf dem Gebiet der
deutichen Pitteratur verfolgen. Im erften diefer Auffäge, welcher den Titel
„Iwo new German tragedies’ (€. 451—452) führt, werden Haupt-
manns „Florian Geyer“ und Wildenbruhs „Heinrich und Heinrichs
Seichledht” einer genauen Analyfe unterzogen; in „Johanna Ambrosius:
a Iyrie Sudermann” S. 155—156) wird uns ein ebensbild der
Dichterin entrollt seine englifche Überſetzung ihrer Gedichte durdh Mary
J. Safford iſt von Robert Bros., Bofton, angezeigt). Der dritte Artikel
„A new chapter in German Romantieism’’ (©. 248—249) ift durd)
Erwin Ahodes Herausgabe von den Briefen Friedrich Creuzers und von
Karolinens von Günderode (vgl. oben ©. 342 ff.) legten Dichtungen
veranlaßt.
M. D. Yearned, Profeffor der deutfchen Sprade und Litteratur an
der Umiverfität von Pennfplvanien, wird von nun an eine neue Zeitichrift
herausgeben, die ausſchließlich den litterariichen, linguiſtiſchen und kultur⸗
hiftorifchen Beziehungen Deutſchlands zu Amerika gewidmet fein fol. Ihr
ame ift: „Americana Germanica”. Sie wird in vierteljährigen Liefes
rungen bei Macmillan in New⸗-York erfcheinen.
Cambridge, Majf. Mar Poll.
Bibliographie.
1. Beitfäriften.
Jahresbericht über dir Erſcheummgen auf dem Gebiete der germaniſchen
Yhilologie. Jahrgaug 17. 1805. ZIweite Abtenung.
IN. Behm, RNecht. X. Schullerus A. und J. Bolte, Pintbotogie und
Soettstunde Mr 53m Zagenkunde. Kr 149 ij. Märchen. Nr. 168 ij. Legenden.
Kr 173 ii Tiermarchen. dr. 1860 ii. Roltstunde. dir. 310 ii. Roltstied. Nr. 403 fr.
Kottsſchauſniel Jr 425. Zprüche und Sprichwörtér. Nr. 454. Roltswit. - -
\V Bolte, Tas 16. Jahrhundert NV. Zeelmann, Riederdeutich. Wr. 64 M.
Reuntederdeutiche vitteratur. XVIII. Bremer T., Frieüſch. Rr. fi. Zeit
ichriiten auch altere Jahrgange. XX. Natſer, Yateım. Sir. 351. Humaniſten
seit, patere Zeit. XXI. Geichichte Der germaniſchen Rhilotogie.
Yı.6 m. Riographie Ar. 47 m. Ribliographie.
Jahresberichte tiv neuere Deutliche Litteraturgeſchichte. Hand 5.
Jahr 1894. 2. Abterting.
Il. Bon der Mitte des 15. bis zum Anfaug des 17 Nabrbunderte.
I, ı Toborn 3, Allgemeines 11, 2. Elliuger 8, Yınıt Al, 3. Haufien X,
Epos 1,4 a Creizenach W., Trama. b> Treicher K, Dans Sachs —
Il. 5 Hofmeiſter 4, Tidaktik. 1803, 1804. - II, 6. Nawerau G., Yutber und
die Reformation 1, 7. Eltinger G., Dumanıiten und Neutateiner. —
IH Kom Anfang des 17. bis zur Mitte des IN Jahrhunderts. IH, 1.
Rietiericherd A., Allgemeines III, 2. ‘Bartier Y, York. II, 3. Rewiericheid N,
Swos — IH, 4 Bolte J., Trama. Il, 5. Michels R, Tidattıt. - IV, 1 be
Winter 8, Allgemeines Des 18. 10. Jahrhunderts: Volitiſche Geſchichte.
IV, 10 mMauncker F, Memoirren, Tagebücher und Briefwediel. —
lV, 14 Siern A, Die dentiche Yıtteratur und das Ausland.
Biographiſche Blätter. VRand 2.
Het 5. Bettelheim N, Neue Beiträge zur Biographie von Judwig Anzen—
aruber 158 öehr intereſſante Briefe an jenen Jugendfreund und nachmaligen
Schwager Franz vipta aus ſemer Schauſpielerzeit 1860-1865. IE jur Chrono—
swgte der Werke Amengrubers. Eigenhändiges Verzeichnis.
Fuchs E, Tenkrede auf Arht. Gehalten amd. Juli 1896 bei der Euthuillung
üenes Tentmals un Arcadenhof der Univerütät Wien.
Wo die Jahreszahl fehlt, vie 1896 u ergänzen.
1896. 393
Bieſe A, Rochus ‚Freiherr von Pilieneron. (Zu feinen 75. Geburtstage,
den 8. Dezember 1895.) Ein Yebensbild. Nach Yiliencrons Erzählung zuerft in der
litterariſchen Beilage des Hamburgiſchen Correipondenten von diefem Zage.
Fränkel v., Otto Roquette.
van't Hofi J. H, Auguſt Kekuléèé (wiederholt aus der Nation 1896, Nr. 43).
Grunwald P., Briefe von D. Fr. Strauß (an Prof. Wurm in Hamburg,
Heilbronn, 17. Juni 18445 an 3.4. Brodhaus, Tübingen, 4. Juli 1840, kurzer
Yebensabriß), Guſtav Freytag (an Oberregiffeur Marr, Breslau, 2. März 1847;
an Profeſſor Wurm (?), Siebleben, 8. November 1857; an Holtei, Yeipzig, 6. Ja⸗
nuar 1850), Friedrich Hebbel (an unbefannte Adreffe in Hamburg, Wien,
15. November 1847, und Emanuel Seibel (an Hübbe; an Heinrih Schleiden,
Lübeck, 7. November 1847).
Heft 6. Kralik R., Schopenhauer.
Zwiedieneck-Südenhorſt 9. von, Heinrih von Treitjchke.
Minor J., Adolf Eonnenthal.
Schönbach A. E., Friedrich gernde
Frey A., Francois Wille. Wiederholt aus der „Neuen Zürcher Zeitung“,
von Verfaſſer durchgejehen und ergänzt.
Kraus R., PBeregrina. Eine Epifode aus Mörickes Augendleben nad
jeinen Briefen.
Beiträge zur Nunde der indogermaniſchen Sprachen. Band 22. Heft
1 und 2.
Warbe R. Rudolf Roth F. Verzeichnis von Roths Echriften.
IAndogermaniſche Forſchungen. Band 7. Anzeiger Heft 1 und 2.
Ribliographie des Jahres 1895. IX. Germanifdh. A. Streitberg W., Allge-
meines. D. Meng F., Weftgermanifch. Deutſch. 1. Grammatik. a) Im Ganzen. d.
Neuhochdeutſch. 2. Zu... . neuhochdeutſchen Terten. 3. Geſchichte der neus
bochdeutihen Schriftſprache. 4. Dialekte (aud) Bolkstunde) 5. Namen—
funde. a) Ortsnamen. b) Perjonennamen. 6. Wörterbücher und Behandlung
einzelner Wörter und Ausdrüde 3. Metrif.
Acta Germanica. ,
Band 3. Heft 4. und Band 4. Mayer F. A. und Rietſch H., Die Mondſee⸗
Wiener Vieder-Handidrift und der Mönch von Ealzburg.
Rand 5. Heft 1. Richter Konrad, Der deuttihe S. Chriftoph. Eine
hiftoriich-Eritiiche Unterjuchung. I. Die Vorgejchichte der Chriftophlegende. — I. Die
Ausbildung der GChrijtophlegende in Deutjchland. S. 146—149 Neuere Zeit bis
sum 19. Rahrbundert. — II. Die Darftellung der Legende. — IV. Niederichlag der
Yegende in Bolksbraud) und Volksmeinung. S. 221 Wirkung der Reformation;
2. 225 Allegoriiche Umdentung [Z. 228 Andreas Schönwaldt]; S. 233 Re-
action; Z. 234 Ansdeutungen des 19. Jahrhunderts; S. 236 Berfuche mytholo-
giſcher Anknüpfung.
arten fir deutſches Altertum und dentſche Litteratur. Band 41.
Heft 1.
Zwierzina N., Trei Yieder aus Wiener Handjchriften. 1. Carmen. „Ich
vorcht fain windter nye jo hart.” 2. „Wer, Els wer! und nt guet fleys.“ „Zwei
frische und übermütige Volksliedchen, .. das erfte, ein zur Zeit der Turkenkriege
des 15. Jahrhunderts in Ungarn entftandenes Soldatenlied, in dem ein Salz
burger jeinem Unmut über das Yagerleben in der Fremde Luft machte, das andere
ein Yotterlied in befannter Manier, in dem der Mann fich über ehelichen Zwift
und üble Hausmwirtichaft humorvoll tröftet.“ 3. Haberjad. „Man bat gar lang
geſungen vom haberſack genant.“ „Die geiftiihe Contrafactur eines jehr
loderen Liedchens vom Haberjad” (Wunderhorn 1808 2, 392). — Beichreibung und
Inhaltsangabe der betreffenden Handichriften.
394 Bibliographie. 1. Jeitſchriften.
rau R., Zur Biographie einiger Würtembergiſcher Tichter. 3. Naivar
Huber Huberinus 1500 —1553. -- 4. Jakob Friſchlin zNicodemus' Bruder),
getauft 1556, geitorben bald nach 1621.
Anseiger für dentſches Altertum und Deutliche Litteratur. Hand 23.
Heft 1. ‚grand, Bremer: Beiträge zur Geographie der Deutichen Mundarten;
Wencker und Wrede: Der Sprachatlas des Teutichen Reiches.
Hofmann Nrayer E., Hanifen: Die Deutiche Sprachinſel Hotticher.
Haufen A., Frantzen: Kritiſche Remerkungen zu Fiſcharts Uberſeßung von
Rabelais Gargantua.
Strauch ‘Eh, Kippenberg: Robinſon in Teutöſchland bis zur Inſel Felſen—
burg 1731 43%.
Walzel O. F., Studien zur Yırteranirgeichichte. Michael Bernays gewidmet
von Schülern und Freunden.
Minor J., Geiger: Berlin 1688 1810.
. 8R. Edward Schröder, Priefe der Brüder Grimm an Albert von
Roumcburg 17851868. 1. Wilhelm, Caiſel 22. Oktober 1816: 2. Jacob, Katiel
x. November 1817: 3. Jacob, Kaftel 21 Juni 1827: 4. Jacob, Kaflel 16. Juli
1827: 5. Incob, Caſiel 21. Zeptember 1828: 6. Wilhelm, Göttingen 3. Dezember
1835 Ter uUtterariiche Kachlaf Des Freiherrn von Voyneburg iſt tm Warburger
t. Staatsarchity deponiert: Darumter Sem Briefiwechſel mit J. von Hormayr.
Zeitſchrift für deutſche Philologie. Yand 20. Heit 3.
Krutmier X We, Unteriuchungen zur Entwictlungsgeichichte des Nolte
ihansptels von Tr. Fauit II Die erite Geiſiteritimmenicene. III. Tie Studenten
mt den zauberbüchern
Boſfert 0, Noch einmal zu den „Putherana“ Vand 26, 30 if.
Recenſronen Rachel Pi, Stieiel: Dana Sachs Forſchungen: EGBoeue:
Dans Sachs' jantliche Fabeln und Schwänke: Neller und Worte: Dans Sachs
Rand 22 24.
Spanſer N, Üble: Thomas Murner, Tie Gauchmatt Wir bemerkens
werten Kacıtragen.
Zeitſchrift für vergleichende Fitteraturgeſchichte. Rand 10. Seit 4
Wüniche md Mevandan, Ju Dans Zachs' Tuellen Für Haus Sachs'
54. Schwant eſengegen Stieiel nrcht Agricoha, Sondern dize Anthologie des Ztobatos
und darin Simonides von Amorgos als Tnelle anzunehmen: Dana Sachs
habe SZtobaios durch Froelichs Uberiennung schen vor der Veroientlichung gekannt.
Tas Monv von Dans Zahe „Watb zwiſchen einem Alten Mann und Jungen
Meiellen” ber Rittakus, Derder, rabbintichen Duellen
Bedermann W. Freiherr von Tas Entitchen von Wortbies Elpenor—
dichtung Fer Brief am Frau von Stein vom $. Auguſt 1750 meine mit Dem
Aneuen Trama“ den Elpenor: Reubrarbeitung bis Anfang 1785, Riederichriit —
5 Marz LI
Renet E, Tas Uzriche Aribtinasmerrum Freies Metruni, das aber
zum Herameter lertet Uz' Stellung zum Reim
Ztilgebauer E, Wieland als Tramatiker 1 Tie Tramen -- me
Rerioden: 175860 und 177° 79, 2502 I Johanna Grau S. 308. —
ur
2 Klementina von Boretta Z 307: Emung Yeliinge 2. O8: beremitim-
mungen zwiſchen beiden Tramen 2
nn
300 3. Mleeite Z 311: „Wielauda drama-
tiiche Tichtung ragt ein entichieden weibliches Gepräge und it viel mehr Inriich ald
dramatisch“ 2312 1. Tie Wabl des Herkules Z. 315: Wieland zeige bier
eine eigenartige wuchtige Zorache und babe ın Herknles eine Kraitnatur zu wichnen
dewmuſtt 5 Tas Urtheil Des Midas Z 316.GRMoiemunde S. 317
zeige Fortichritt zum eigentlichen Trama Z 31%. 7. Kandora Z 330.
vobect CT, 16 Briefe des Flavptus Hlondis,
1896. 395
Kluge F., Fauſts Zauberroß: „Pfeiffering” aus dem Namen des Yauber-
ferdes für einen Ortsnamen mißveritanden.
Beiger Y., Eine deutjche Zeitichrift in Frankreich (1805): Plan einer biblio-
1eque germanique. von Talberg und angeblid) von Napoleon zuerjt gefördert,
ann aufgegeben: ein anderer Plan follte von C. B. Hafe und Schweighäufer
usgeführt werden.
Beſprechungen. Golther W., Parzival translated by Jessie L. Weston.
zabr J., Zur Hans Sachs: Yitteratur: Bechftein, Kawerau, Schweiter.
Kurze Anzeigen. Nivelle de la Chauffees „Ecole des Amis” eine Quelle
u „Minna von Barnhelm“? — Zanders Nibelungenlid. NR. M. Meyer.
Monatsblätter fir deutſche Litteraturgelchicdte. Jahrgang 1. Heft 1.
Wilhelm Raabe.
Hermann und Torothea.
Allerlei Opis.
Zeitſchrift für den deutſchen AUnterricht.
Jahrgang 10. Heft 10. Heintze A., Drei Volkslieder. 1. Lied vom Roſen⸗
arten. — 2. Tas Yied vom Fräulein Sjabell. — 83. Auswandererlied. (Für
Suropamiüde. )
VBalentin B., Die Behandlung von Schillers „Jungfrau von Orleans“
n Wiſſenſchaft und Schule.
Miller Karl, Zu Schillers Wallenſteins Tod. IH. 7 und 10.
Tünter D., Ju Goethes „Baria“.
Sprenger R., Zu Schillers Tell (I, 3, 70 ff.).
Pick A., Flurgänge. — Flurzugs-Lied (gedidhtet von Stadtrat Pohle,
Erfurt 1832).
Heft 11. Hildebrand R., Marimen und Sentenzen. Aus dem Nachlafje
18351.
Hildebrand R., Vermiſchte Kleinigkeiten. Aus dem Nachlaffe. 1. Die Mode
n dev Sprache (1584). — 2. Fremdwörter (1884). — 3. Zu Zeitſchrift 7, 877 fi.
1834 1. — 4. 11875 — 1884). — 5. Der Humor in der Sprache (1883). — 6. Schule
neifterei in der Sprache (1888).
Glöde O., Medlenburgiiche Ztraßennamen: Sackgaſſen, Bergitraßen,
Diebsſtraßen, Hegede, an der Hege.
Hampe Th., Zämtliche Fabeln und Schwänke von Hans Sachs, heraus»
jigeben von E. Goetze. Zu Nr. 230 wird der Sprud) des Hand Sachs aus dem
15. Band der Meiſtergeſänge abgedrudt.
Kemmer Y., Zu Eichendorffs Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“.
Düntzer H., Ter Schlußchor des Goethes „Epimenides“. (Zu 9, 785—807.)
Müller Karl, Politiſch «9, 26 ff.).
Mönch 5. H., Altes Bolkslied (Dany Danz, Quijelde).
Zprenger R., Zu Nüderts „Der betrogene Teufel”.
Heft 12. Franke K., Die Nibelungenliedfrage im Briefmechjel der Gebrlider
Grimm mit Yachmann.
Edel A., Über die biblischen Beziehungen in Schillers eleuſyſchem Feſte.
Unruh F., Tie Umſtimmung des Kurfürjten in 9. von Kleifts Schaufpiel
„zer Bring von Homburg“.
Glöde T., Zur niederdeutjchen Pitteratur im 19. Jahrhundert.
Knötel P., Zur Erklärung von Uhlands „König Karls Meerfahrt“.
Jahrgang 11. 1897. Heft 1. Lyon O., Rudolf Hıldebrands Beiträge zum
deutſchen Unterrichte.
Landmann K., Die Fabier in G. Freytags gleichnamigem Trauerjſpiele.
Gloel H., Die nachgoethiſche vLitteratur in den oberen Klaſſen.
Kullmann A, UÜber die Stellung des Deutſchen an den höheren Schulen.
396 Bibliographie. 1. ZJeitſchriften.
Albrecht C., Tie Wacht am Rhein. Eine litteratur md tertgeichichtliche
Betrachtung.
vöſchhorn H., Zum Egmont. Parallelſtelle aus Diderots Le Pöre de Fumille.
Weiſe O., Zu Schillers Sprache.
Kern RR. Rückerts Spruch aus „den angereihten Perlen“ 47 inße auf
Herders Vrief an die Gräfin Maria von Schaumburg vippe Erinnerungen 1, 375 .
Zeitſchrift für deutſche Svrache. Jahrgang 10.
Heft 7-—10. Sanders T., Geiſter und Menſchen. Ein Roman von Adolf
Wilbrandt.
Heft 7. Thtober. Sanders T., Kohinor. - Mal "Tchie. - Tie Trovatella.
-- Te Dolzbauer. Novellen von A. Baron von Roberts - Baus und Ninder
märchen der Gebrüder Grimm. Abdruck eines älteren Aufiatzes Über Nindermärchen
im allgememen aus der Zeitichrift: Die Frauenarbeit. Geiſteren und Zuſammen
rungen. — Frau Bilde. Roman von Weorg Hartwig.
Riſchoff D., Tre deutſche Sprache ın Belgien.
Zanders T., Fügung nad dem Sinne.
Heft 8. November. Tüſel ,g., Joh. Peter Uz. Erimmert im Anſchluß an das
Reierat über Erich ‘Betets Wonograpbie an den 100. Todestag des Tichtere.
Zunders T., Helmbolgens Vater. Himweis auf Ernit Nuichs Programm:
SSL. Jacobi und Belmbolg. - Enge Bemerkungen zu einer Kriminalnovelle
von H. Roſentha! Bonn: Ter große Fall des Aſſeſſors Dar Fredeborn. --
Sächſiſcher Geuetiw. Stellung von Genetiv und Tatw. - 3Iwei ſprachliche Be
merkungen zu einem Aufiſalßz von Eugen Zabel: „Zu Schiff nach Italien.“ —
G'wächte Kenn. = die Gewechte = ein vom Wind zuſammengewehter Haufen
Schnee und Sand, auch in dev Bedenutung: überragender Schnee. — Bonben
haus »— ein bombenvolles Maus. Aus ſtudentiſchen Ausdrücken, wie Bor Romben
md EGranaten 'ſollen ſich in der Sprache der Schauipieler eigenartige Aezeichnungen
wie div obige entwickelt haben Gekentert. Novelle von Celeſte von Hippel.
Schniter und Schneider. Erzahlung von Jiolde Kurz.
St — Tezemher. Sanders T., Kein. Schule und Politik. Eine Abitu
rientenentlaäaſungsrede von Otto KRämmel an Leipzig Nonparation von „Leid“.
Romnunktiwv des Imperfetts von „Sterben”. Vorzuztehen find die Formen: „mebr
1d“ mm „Leder, „mirbe” vor „Ntärbe” Zu einigen Züßen don Georg Dart
wid. Zu emigen Zeilen Virngs Gemeit ſind die „Zerſtreuten Anmerkungen
uber das Epigramm“, 4 Alychnitt „Priapeia“. Der gehörnte Siegiried. Son
N Debbel. Die Entwicklung des Ausſtellungsoweſens. Sony Reuleanx.
Zu dem in der Rationalzeitung 40, 190 enthaltenen Bericht über die 63. Zißung
des deutichen Neichstages 18. Mary 1800. Schuſter, Schuſterei. Einzelne
Vemerkungen zu einer Erzählung in der „Illnitrierten Zeitung“ Nr. 2763, Z 720 i
R. Ro-enbamn
Zeitſchrift dis allgemeinen deutichen Sprachvereins.
Nr11 12 Denke A, Tie Rechte dev dentichen Sprache um Barth erd
kundlicher Eigennamen
Wiſſenſchaftliche Beihefte un zeitichrüt des allgemenien deutichen Sprach-
vereins. Heit 11
Schnader CT, Ti Deutichen und day Meer, eine wrachlich geschichtliche
Vetrachtung Feſtvortrag.
Echhardt E, Tie deutiche Sprache 'n den Tſtieeprovinzen.
Mitteilungen aus dem Fitteraturarchive in Berlin. 1816
Jugenderinuerungen von Henriette Dery 1825 1820 Die Dandichrift ıft
ven J Furſt Fur ieme Biograpbıc zwar bennbot, aber nicht nur ſind Die angeblich
Kwortlich angeiuhrten Stellen daraus von ba itiliſtiſch vollſtändig umgearbeitet
werden, ſondern Ne enthalten auch willtüurliche Jän und Weglafftungen, je nach
1896. 397
dem Belieben des Bearbeiter. Es finden fid) aber in dem volljtändigen Tert aud)
Epifoden, die Fürſt nicht benutzt oder gar nicht einmal erwähnt hat und außerdem
iſt die Niederſchrift Henriettens viel anmutiger und für die Schreiberin charakteri⸗
ſtiſcher als die Umarbeitung. S. 170, 3. 27 fehlt „Briefe“!
Chronik des Wiener Goethe-VYereins. Band 10.
Ar. 8-10. Burkhardt C. A. H., Zur Kenntnis der Goethe⸗-Handſchriften.
Nach den Quellen bearbeiten Dit Faefimilien von Handjchriften Goethefcher Hilfs-
arbeiter. Vorwort. 1. Philipp Friedrich Zeidel. 2. Chriftoph Erhard
Zutor.
Ar. 89. Vinor %., Goethe unter Herders Einfluß in Straßburg von weis
land Profeſſor Dr. Carl Tomajchel. Aus den Vorarbeiten zu einem groß ange-
legten Werk über Goethes äſthetiſchen Entwicklungsgang.
Nr. 10. Arnold R. F, Oſterreichs Trauer bei Goethes Tod. Skizze eines
Vortrags.
Iu Goethes Mondlied. Hinweis auf J. Jelineks Aufſatz in der Chronik
1888, Wr. 3
Ardjiu für das Studium der neueren Sprachen und Sitteraturen.
Band 96. Meyer Richard M., Snidien zu Gocthes Wortgebraud. „Bon
vornherein“; dumpf, Dumpfbeit; Aperan: Mittelpunkt; Folge, Stetigfeit; Erpftalli-
jieren; Dauer verleihen; „entjtehen“; Gegenwart; Wirtung in die Ferne; Merlin;
Freiheit (die ganze Kette von Begriffen zufammengejtellt); im höchiten Sinne u. dgl.;
abiurd; bedeutend; geiftreich; die Menge;: der Kreis; ins "Gemeine heben; das Stille;
verrucht: Zuſtand, Weſen; Tonne wälzen; fiͤgelmänniſch; „papierne Scheide-
wand“; „eher“; „Genießen macht gemein“.
Bleich O., Entftehung und Tuclen der Märchen Clemens Brentanos.
Schröder Richard, Thomas Carlyles Abhandlung Über den Goetheſchen
Fauſt. Abdruck diejfer Abhandlung aus der New Edinburgh Review, Januar—
April 1322.
Henkel H., Jur Feſtſtellung des Goetheſchen Anteils an den Xenien des
Muſenalmanach fir 1797.
Willert H., Zur deutſchen Handwerkerpoeſie. Gruppierung und kritiſche
Sichtung der von A. Schmidt Band 95 des Ardhivs aus dem Meijterbuch der
Frankfurter Gotdſchmiede Innung veröffentlichten poetiichen Aufzeichnungen.
Band 97. Heft 1 und 2. Schmidt E. und M. ‚zriedländer, Kleine Blumen,
Heine Blätter. Berfolgen die Wandtungen, die das Goethiſche Gedicht in Volkslyrik
und Bolfsgejang erfahren bat.
Zitteraturblatt für germaniſche und romaniſche Philologie.
Nr. 8. Betz v. P., Naſſen: Heinrich Heines Familienleben nebft einer Heine-
Litteratur. Mit Ergänzungen zur Bibliographie.
Revue «le l'enseissnement des langues vivantes XII. 1—3.
Grucker &, La dramaturgie de Les-ing: Voltaire et son theätre.
Anzlia.
Band 18. 1895. Wülker R., Julius Zupißa.
Flügel E., The Irreverent Doctor Fawstus.
Borinski N, Tante und Shakeſpeare. Wetrifft das Wort Honorificabili-
tudinitatibus. Rt. Kupborion 1, 283.
Band 19. Heft 1. Boriuski K., Noch einmal von Honorificabilitudinitatibus.
Romaniſche Forſchungen. Band 9. Heft 3.
Bollmöller K., Über Plan und Einrihtung des Romaniſchen Jahres—
berichtes.
Zeitſchrift für franzöſiſche Sprache und Fitteratur. Band 18.
Betz v. P., Kritiſche Betrachtungen über Weſen, Aufgabe und Bedeutung der
vergleichenden vitteraturgeſchichte. Giebt eine raſche liberficht über die big-
Eıphorion IV. 26
3498 Ribliograpbie. 1. Jeitichriften.
berigen Veſtrebungen auf diejem Gebiete und ſtizziert die wichnigften zu löjenden
Aufgaben.
‚Förster, Friedrich Diez.
Revue d’Histoire litteraire de la France. Ill. 3.
Joret Ch., J. B. (iaspard d'Ansse de Villoison et la cour de Weimar.
Schluß.
Betz %,, Henri Heine et Eugene Renduel. G. Senil.
Giornale storico della letteratura Itallanua. XXVIII. 1 e 2. :Faxc.
x? e 83.)
Farinelli. Flamini: Aureliv Bertola ei suoi studi intorno alla Hitte-
ratura tede-va.
Giornale Dantesco IV. 1. 2.
Lettere di Dantisti: Giov. Prati eG Witte a G. Ferrazzi: a vura di
A. Fiammazzeo.
Revista Critica de Historia y Literatura Espanmolas, Portuguesas
e Hinpano-Americanas. Tome I, müm. 12.
Farinelli A., Schwering: Zur Beichichte des niederländiichen und ſpani
ſchen Dramas in Teutichland iablehnend).
Ardie für Slaviſche Vhilologie. Band 18.
Bolte J., Zwei böhmiſche Flugblätter des 16. Jahrhunderts. 1. Nemo.
Freie Nachahmung des deutichen Zpruchgedichtes vom Niemand. — 2. Der
Altweiberofen. Abdrud eines deutſchen Gedichtes nach einem zu Augsburg
ber „Anthony Formſchneider“ um die Mitte des 16. Jahrhunderts bergeitellten
Blatt. Weichichtr des Motivs. Abdrud des böhmiſchen Gedichtes.
Zeitſchrift fir dic öſterreichiſchen Gymnaſten. Jabigang 47. Heft 10.
Nıdb El., Regierungsrat Tr. Sigismund Gſchwandner f.
Garmer Ih. und Winor, Entgegnungen.
Zeitſchrift für das öſterreichiſche Volkoſchulweſen. Jahrgang 7.
Heft 2. Schmidhuber J. Dans Zachs, cin Lehrer ſeines Vollkes.
Heft 5. 6. Proich F., Vemerkungen zur öſterreichiſchen Schulorthographie.
Heft 6. Kraniy F., Ein Wiener Namenbüchlein, welches etwa dreißig
Jabhre vor der allgemeinen Schnlordnung der Narerin Maria Thereſia erichienen
iſt Veſchrieben und beiprochen.
Heft 8. 9. Weiß A. Zur Geſchichte des öfterreihifchen Elementarunterrichtes.
Teilt cine Abſchrift von Felbigers verichollenen Auch „Die wahre Saganiſche
Yebrart in den niedrigen Schulen“ Wien 1774: mit.
suppentiähe Rlätter für höhere Unterrichtsanſtalten. Jahrgang +.
Heft 11. 12.
Daag, Tie untere Schule zu Bern im 17. Rabrbundert und dir Hrarbeitung
der Jamua limenarum reserata des Contents für dieielbe.
Spieſer J. Eine neue und wirkliche Biblia pauperum
Banyeriſche Zeitſchrift fir Realſchulweſen. Band 17. Heit 3.
Englert A, Adolf Pichler.
Zeitſchrift für das Gymnaſtalweſen. Jahrgang 50. Dezember
Hanncke R., Friedrich Rückert.
Uenr Zahrbücher für Philologie und Päüdagogik. Jahrgang 46. Band
153 und 154.
Heft R. Stein F, Vag Seidenſtücker und der Yippftädter Schut und
Kirchenſtreit von 1797.
1896. 399
Yandınanı K., Die Behandiung von Goethes Fauſt in den oberen Klaſſen
höherer Schulen.
Heft 9—11. Müller Cart, Bella grammaticalia. Johannes Spaugen—
berg iſt nicht der Verfaifer des von ihm 1534 herausgegebenen Bellun gramma-
ticale, eines Werkes, das mindefteng bereits jeit 1511 die Gelehrten erfreut hatte.
Miller vergleicht Zpangenbergs Ausgabe mit der Straßburger Ausgabe von 1514,
beipricht die Uberſezung von Johannes Buno (Danzig 1540), die Nachahmungen
von Harsdörffer und Zchotteling (1673) und das Drama von Gilhujius
(15971. — S. 519 Anmerkung 19 Zı Goethes Dichtung und Wahrheit.
Heft 9 ımd 10. Cohen H., Yeopold Schmidt, geboren den 29. Mai 1824,
geitorben den 6. Mär, 1892.
Scheel W., gr. Aug. Wolfs Collectaneen zur deutfchen Spradje. Ein Bei-
trag zur Kenntnis neuhochdeutſcher Schriftſprache und deutſchen Unterrichts am
Anfang des 19. Jahrhunderts. Die Collectaneen befinden ſich im Nachlaß Wolfs
auf der königl. Bibliothek zu Berlin. „Sie zeigen uns eine rege und eindringende
Veſchäftigung vieler Jahre mit deutſchem Stil und deutſcher Formenlehre und geben
uns die merhvirdige Thatſache fund, daß man viele der Sprachichäden, die heute
befümpft werden, auch ſchon damals geſehen und zu heilen verjudht hat.“
Bieſe A., Zum deutjchen Unterricht. Behandelt im Anfchluß an die Zamım-
lungen von Rudolf Franz und Cart Yindede, H. Kluge, A. Puls die Frage, „inwie⸗
weit die nachgoethiſche Yitteratur in höheren Maße als bisher fiir die Schule
fruchtbar gemacht werden jolle, und zwar nicht nur für die Schülerbibliotheken,
iondern auch für den Unterricht jelbjt.“
Monatshefte dir ComeninsGeſellſchaft. Band 5.
Heft T und 8. Spieß 2, Zebaftion Gajtellio. Ein Vorkämpfer der
Glaubensfreiheit im 16. Jahrhundert.
VBegemann W., Zum Gebrauche des Wortes „Pansophia” vor Comenius.
Keller Y., Zur Erinnerung, an Daniel Sudermann, geboren 1850 Fe—
bruar 24., gejtorben 1632 (?). Über eine Sammlung von Liedern (Spruchgedichten
Zudermanns. „Zicher tft, daß Zudermann Mitglied einer Gemeinde war, die in
Schwendfeld ihren Wortführer erkannt. In der Gefchichte der ſchwenckfeldiſchen
Yiederdichter gebührt ihm ein hervorragender Platz.“
Neubanr Y., Ein Trauergediht von Comenius. Auf den Tod des präfidie-
renden Bürgermeiters von Elbing Johann Koy (25. Juni 1647).
Heft 9 und 10. Keller %, Die Anfänge der Reformation und die Keter-
schufen. Unterſuchungen zur Gejchichte der Waldenfer beim Beginn der Kefor-
nation.
Zur Haltung Straßburgs in den NReligionshändeln des 16. Jahrhunderts.
Paãdagogiſches Archiv. Jahrgang 38.
Nr. 7. 8. 10. 11. Pandınann K., Goethe im Lichte der Gegenwart. I. Die
neuen Goethe-Biographien. II. Goethe und Guftav Freytag. II. Goethe und
Richard Wagner. IV. Goethe und Grillparzer.
Ar. 10. Schoenfeld H., Die Bedeutung der Univerfität von Bennfyl-
vanien fir deutjche Kultur und Geſchichte.
Bevue internationale de Venseignement. 15 Janvier.
Parmentier J. La vie et les oeuvres du pedagogue allemand Lorenz
Viellner (1811—1892ı. C. Senil.
Revue des cours et conförences. Band 4.
Terte J. Les premiers vulgarisateurs de la litterature allemande en
France.
Zerte J., Les relations litteraires de la France et de l’Allemagne avant
le milieu du 18” siecle. C. Senil.
Terte J. Le theätre de tioethe et de Schiller en France au XVII siecle.
— 26*
400 Bibliographie. 1. Zeitſchriften.
Archiv fir Geſchichte der Philoſophie. Reue Folge. Band 10.
Heft 1. Wahle R., Metaphyſik und Geſchichte dev Philoſophie.
Greiner D., Der Begriff der ‘Periöntichleit bei Kant.
Grunwald M., Miscellen 16. Gerſtenberg. An Villers, Altona, 28. August
1801. — 17. Zuabediiien. Selbſtanzeige ſeines Werkes „Die Betrachtung des
Menichen Caſſel und Leipzig 1815 --1818: in einem Brit an Billers, Caiſel,
31. Dezember 1814. — 1». Bolder Mamwfrive in Damburg:. — 19. Zhwim
mer »desgleichen. — 20. Boecher wdesgleichen .- - 25. Jungius und andere Mann
itripte und Nollegienbefte von Jungs, R. Beltbemtus, Joh. Bagelius ı Lob.
Nlamina?. md anderen.
Archiv für ſuſtematiſche Vhiloſophie "cu Folge. Band. 2. Heft 4.
Vergmann J., Wolfis vehre vom Complementum pos-ıhilitati=.
Vierteljahrſchrift für wiſſenſchaftliche Vhiloſophie. Jahrgaug 20
Heft 2. Karitanien Fri, Entwictlungsiaktoren der nieberländiichen Frün
renaiſſance. Ein Veriuch zur in chologie des künſtrerrichen Zchaffens. z3weiter
Artidel. Schluß.
Heft 3. Achelis Th, Adolf Baſtian.
Heft bo Carſtanſen F, NRachrui an Richard Avenarius
Avenarius' Berichtigungen zur „Kritik dev ven Eriahrung“.
Zeitſchrift für Uſychologie und Phyſtologie der Sinnesorgane.
Rand 11.
Hemnans 6%, Aithetriche Unteriuchungen in Anuichluß an die Yıppaiche Theorie
des Komiſchen
vandmann Z. zZin Tiagnoie riuchtſcher Vorgänge mit beionderer Bezugnahme
anf Hamlets HE. znſtand.
International Journal Ethies. 1800 Juli.
Od F, Geesz von (uryeki and Hr -erenee etliiee
Allgemeine evangeliſch-lutheriſche Rircdenseitung.
r. 10 1 vuthers Verdienſte um die Erttichung un der Zihule. 8. 9.
Kr. dl: Jur CEharatteriitt AUbrecht Nimihis
Airdlihe Monaterärift Jahrgang 16. Heit 2.
Roy E, Tier Adventstieder der vvang.tinhen Kirche
Heuer kirchliche Zeitſchrift. Jabrgang 7. Heit 19
Walther IE, Reiſormiterte Taltik im Sacramentsirreit der Reforma
tronszeut
Proteſtantiſche Rirchenzeitung für Das evangeliche Teutſchland. Nr. 40
Zuülze E, Jol Mrevenbuhl über die Notwendigkleit und Geſtalt einer
firchlichen Reſiorm.
Zeitſchrift fu. den evangeliſchen Veligionsunterricht. Nabrgang 8.
Heit el
Windel R, gar Wurdtgang oz Lutheriſchen Ribelüberießbung.
Stoewer, Methodrſche Beuterlungen zur VRBehandlung des Kirchenliedes im
Unterricht.
Theologiſcher Zahresbericht. 15 Band, enthaltend div Litteratur des
Jahres IS 3werte eüthertenug Hrunoriiche Theologie
ehrmger B, Airchengeichtchte des Mittelauters mit Ausichluß Dev bman—
tischen Lateratar.
vociche 8, Airchengeſchihte vein Begenn der Reformation bis 1618
Werner I, Kirchengeichichte von 1648 an und Allarmeines.
1896. 401
Theologiſche Studien und Aritiken 1897. Heft 1.
bi Becker, Des Zerbſter Superintendenten Wolfg. Amling Ordinationen (1578
is 1606).
Knaake, Bemerkungen zu Briefen der Reformatoren.
Enders, War vuther am 24. Februar 1539 in Grimma?
Köſtlin, Zur Frage über Yuthers Grab.
Zeitſchrift für Zirchengeſchichte.
Band 16. Heft 4. Kluckhohn A., Urkundliche Beiträge zur Geſchichte der
tirchlichen Zuſtände, insbeſondere des fittlichen Yebens der katholiſchen Seiftlichen in
der Diöceſe Konſtanz während des 16. Jahrhunderts.
Haupt H., Zur Gefchichte der Kindermwallfahrten der Jahre 1455 —1459
Krüger G, Textkritiſches zu Luthers Schrift: An die Pfarrherrn, wider den
Wucher zu predigen. 1540.
Land 17. Heft 1.2. Schröder E, Die Tänzer von Kölbigk. Ein Mirakel
des 11. Jahrhunderts. Geſchichte der Ausbreitung diefer aus den „deutſchen Zagen”
der Brüder Grimm bekannten Sagt.
Brieger Th., Kritische Erörterungen zur neuen Luther- Ausgabe. II. Zu
einigen Einleitungen Knaakes int L., II. und VI. Bande. 6. Tie Refolutionen von 1518.
MI. Zur Kritik bes Tertes der Refofutionen von 1518.
Boſſert G., Sangerhaufen in dem Brief Luthers vom 19. November 1521.
Meyer Shriftian, Wiedertäufer n Schwaben.
Kolde Th., über einen römiſchen Reunionsverſuch vom Jahre 1531.
Heft 3. Albrecht O., Studien zu Luthers Sendjchreiben an die Ehrijten
A Riga und in Yiefland vom Jahre 1524. 1. Bibliographifches und Tertkritijches.
2. Sejchichtliche Vorausſetzungen, Abfajfungszeit.
Tichadert P., Nachträge zur preußiſchen Reformationsgejchichte. 1. Johann
von Sch warzenberg, Yandhofmeifter des Markgrafen Kafimir von Brandenburg:
Kulmbach geſtorben 1528), als muthmaßlicher Verfaſſer der Königsberger Reforma
tiensichrift „Des heiligen Weiftes beutliher Warnungsbrief“ vom Jahre 1526.
— 2. Paul Speratus, nicht der Verfaſſer der fatiriihen Flugſchrift „Abfag oder
vhedſchrift des helliſchen Fürſten Lucifers u. ſ. w.“ vom Jahre 1524.
Beiträge zur bayeriſchen Kirchengeſchichte. Band 2.
Weſtermeyer H., Zur Bannangelegenheit Pirkheimers und Spenglers.
aıter Th., Religions⸗ und Gewiſſensfreiheit im fimuftanen Herzogthum
Sulzba
Kolde Th., Briefwechſel zwiſchen Urban Rhegius und Markgraf Georg
von Brandenburg.
Enders L., Caſp. Löners Briefbuch (Fortſetzung).
Herold R Ter Marfrbreiter Kalenderitreit a. 1697 —1699.
Kolde Ih., Markgraf Georg von Brandenburg und das Glaubenglied
der Königin Maria von Ungarn.
Boſſert G., Caipar Ejterer. Ein Charalterbild aus der Zeit der Kelchbewe⸗
gung im Herzogtum Bayern.
Albrecht, Tie Briefe des Wigo. Zur Kirchengejchichte Keuchtwangen®.
Kawerau G., Zur Reformationsgejchichte Augsburgs.
Kolde Th., Zun Glaubensliede der Königin Maria von Ungarn.
Hopf, Hans Nacob Wehe, erfter Putherifcher Pfarrer in .Leipheim.
Friedensburg W. Dr. Johann Ecks Denlſchriften zur deutſchen Kirchen⸗
reformation 1523. Aus Vaticaniſchen Handfchriften.
Vogtherr F., Die Verfaifung der evangelifch-futherifchen Kirche in den ches
maligen Fürſtentümern Ansbad und Yayreuth.
Kolde Th., Zum Gedächtnis D. Wilhelm Pregers.
402 Ribliographie. 1. Zeitſchriften.
sordan, Tas Rürnberger Heilig Geiſt Zpital und der Orden der
BRrüder vom heil. Geiſt.
Miller G., Zur Geſchichte des Wicdertäufers Georg Wagner.
Deutliche Zeitſchrift für Kirchenrechtt. Yand 6. Heft 2
Verbig, Zur Kompoſition der cafimirianiichen Nirdenordnung vom
sahre 1626.
Diſtel Tb, Aus Furtächfiichen Ehefachen 11667, 1729 und 1746 f.ı.
Römiſche Auartalicrift fir chriſtliche Altertumsknunde und
Zirchengeſchichte. Supplement Heft.
inte H., Die kirchenpolitiſchen und kirchlichen Verhältniſſe zu Ende Des
Mittelalters adı der Taritelung 8. Lamprechts. Eine Kritik feiner „Tentichen
Weichichte”.
Studien und Mitteilunaen aus dem Benediktiner- un) dem Eifter-
cienfer- Grden. Jahrgang 17. Heft 3.
Leiſtle D., Wiſſenſchaitliche und künſtleriiche Strebſamleit im Zt. Magnus
ſtiſte zu Siiien. 5.
Schneider &, Johannes Bertels, O. 8 B. Abt von Münſter und
Echternach. Ein Beitrag zur Geſchichte des Benediktinerordens auf vuxemburger
Boden. Schluß. Geſtorben 19. Juni 1607
Deutſcher Merkur. Jahrgang?
Kr. 38 51. Briefe Adolf Kolpings, des Gründers der Geſellenvereine, an
Döllinger.
Ir. 4Ennd 45. Aus dev Gegenreformation u ISeitfalen und am Niederrhein.
Ar. 47 51. J v. Töllinger und die neuen Togmen vom Jahre 1870.
Raphael. Vand 18. Sir. 42.
A Kolving als Sindent.
Der Beweis des Glaubens. Reue Folge. VBand 17. Heit 11 und 12.
Vendiren, Nachklänge zu Geibels Judas Jicharioth.
Repertorium fiir Runſtwiſſenſchaft. Rand 19.
Heft 4. Schmid Heinrich Alfred, Uber objektive Nriterien der Nunft-
geichichte. zJugleich eine Recenſion Im Anichluß an F. Stoedtners Tifiertation
„Dans Dolbein der ÄAltere“, erſter Zeit. 1473 1504
Schnidt Wilhelm, Notizen zu deutichen Malern. 1. Jörg Breu. 2. Am—
berger. 3. Wolf Huber
Heft 5. Panlı 8, Dans Sebald Bebam ım jener Entwicklung als
Nupferitecher.
Neuwirth J, Em Nachtrag zu den Kopien des Türerichen Wofen-
kranzfeſtes
Yaban F, Bibltographie. Vom 1. Mat bis 31. Auguit 1806.
Zeitſchrift fur bildende Kunuſt. Jahrgang 8. Heft 1 und 2.
Haumgarten Fr, Olberg und C fteripiei m ſüdweñilichen Tentichland.
Zahrbücher dir konigl. Alademie zu Erfart. Neue Folge Heft 22.
Thiele R., Ein Brief von Eva Leöſfing. An ihre in Eſchweiler lebende
Schwägerin Frau Anna Magdalena Stoltenhbofi, geborene König: Wolfenbüttel,
31 Oltober 1776.
Thiele, Aus eines Tichters Werkſtatt: Em Beitrag zur Charakteriſtik von
Ferdinand Freiligrath Beipricht acht Gedichte, deren Manuſkripte Freiligrath am
1896. 403
30. Juli 1862 an Preuß für die Detimolder Yardesbibliothet liberjandte (Buchner
2, 343 ff... .
Neubauer, Zur Erinnerung an Guftav Freytag.
Berichte des Freien Deutſchen Zochſtiftes zu Frankfurt am Main.
Neue Folge. Jahrgang 1897. Band 13. Heft 1.
Koh M., Goethe als religiöſer Epifer.
Techent, Die autobiographiihe Quelle der Bekenntniſſe einer ſchönen
Zcele. Will insbejondere durch eine eingehende ſtiliſtiſche Unterſuchung beweiſen,
daß dem ſechſten Buche von Wilhelm Meiſters Lehrjahren die biographiſchen Auf⸗
zeichnungen des Fräuleins von Klettenberg ſelbſt zu Grunde liegen.
Karpeles G., Goethe und der Maler Moritz Oppenheim. Berichte iiber
Oppenheims Beſuch in Weimar im Mai 1827 nad) feinen eigenen Tagebüchern
und Memoiren. Ein Brief (9. Dezember 1826) und zwei Karten (4. und 8. Mai
1827) Goethes, ein Brief des Kanzlers von Müller (28. Oftober 1828) an
Oppenheim.
Heuer O., Ein unbekanntes Originalbildnis Goethes. Eine für Lavaters
Phyſiognomik beſtimmte, dort aber nicht reproduzierte Tuſchzeichnung (Profil) von
Lips aus dem November-Dezember 1779 mit einem Begleitſpruch Lavaters.
,Uachrichten von der königl. Gejellichaft der Wiffenfchaften zu Göttingen.
Philologiſch⸗hiſtoriſche Klaffe. 1896. Heft 2.
Lehmann M., Tenhvürdigkeiten des Freihern vom Stein aus dem Jahre
1812. Manuskript in dem Zteinfchen Familienarchiv. Die Quelle von Bert’ Dar-
jtellung für dieſes Jahr.
Göttingiſche aelehrte Angeigen.
Ar. 8. Bon Wilamowig-Moellendorfi, P. 2. [B. Louys): Les chansons, de
Bilitis traduites du Gree pour la premiere fois. S. 633, Anmerkung: liber
Grillparzers Zappho.
Kr. 9. Nolde Ih, Drews P.: Disputationen Tr. Martin Luthers.
Anzeiger der Akademie der Wiffenfchaften in Arakau.
April. Dickſtein S., Der Briefivechfel zwifchen Kodhansfi und Leibnip.
Vorläufige Mitteilung.
bhandlungen der philologiſch-hiſtoriſchen Klaſſe der königl. Füchſtſchen
a Geſellſchaft der ERBACH zu Leipzig. Band XVII Nr. 5. 4
Bücher R., Arbeit und Rhythmus. I. Die Arbeitsweife der Naturvölter.
11. Rhythmiſche Geftaltung der Arbeit. II. Arbeitsgefänge. 1. Einzelarbeit und
Beiellichaftsarbeit. 2. Arbeiten im Wechfeltatt. 3. Arbeiten im Gleichtaft. (Darin auch)
bisher ımbefannte deutiche Yieder. 9. 40 ein Flachsrefflied aus Dortmund;
S. 465 cin Baitlöfelied aus Naſſau; S. 47 ein Lied beim Beiern aus Oftfriesiand;
E. 65 Yied der Bremer Zimmerleute; S. 66 Oftfriefifche Rammverfe und ein
Rammliedchen aus Weſtpreußen.) — IV. Urfprung der Boefie und Muſik. (S. 80
„es iſt die energiſche rhythmiſche Körperbewegung, die zur Entftehung der Poeſie
geführt hat, insbejondere diejenige Bewegung, weldye wir Arbeit nennen. Es gilt
dies ebenſowohl von der formellen al8 von der materiellen Seite der Poeſie“.) —
V. Ter Rhythmus als ökonomiſches Entwidlungsprincip. — Anhang (Schiffsgefänge).
Sihungsberichte der philoſophiſch-philologiſchen und der hiſtoriſchen Kaffe
der f. bayeriſchen Atademie der Wiffenichaften zu München. Heft I.
Cornelius N. von, Nekrolog auf Wilhelm Preger.
Mitteilungen aus dem germanihen Mationalmmufenm zu Nürnberg.
1896.
Bauch A., Ein vergefjener Schüler Albrecht Dürers (Georg Schlent).
Hampe Th. Oswald und Kaspar Krell. (Bgl. Dürers Porträt Owalds
in der Münchener Alten Pinakothek.)
404 Bibliographie. 1. Zeitichriften.
Araun E., Zu Raldungs „Madonna mut der Meerkatze“.
Bezold G. von, Ter Wetter der nürnberger Madonna.
Th. 9. (Th. Hampe', Tas Gedenkbuch des Weorg Friedrid Bezold,
Pfarrers zu Mitdentbierbach im Rothenburgiſchen. Meiſt Abichriften aus Zeitungen
und Flugſchriften des 18. Jahrhunderts, beionders aus der Zeit des ſiebenjährigen
Krieges: Zatiren, Epigramme, Gedichte auf Friedrich den Großen ac.
Bauch A., Tie tepten Tage des Malers Georg Pentz ıgeftorben in den
Tagen vom 11.—13. Oktober 1550 zu Leipzig.
Hampe ITh., Initialen in Solyichnie von dem MRechenmeifter Baulus Franuk
mm 1600:.
Schaefer K., Albrecht Türer umd dev Rahmen des Allerbeitigenbildes.
Dampe Th., Teutiche Pilgerfahrten nach Zantiage de Kompoitella und das
Reiſetagebuch des Sebald Trtel 1521 1522.
Hampe Th., Über ein Proſatraktätlein Hans Folzens von der Peitilene;
„Item von der peſtilenez ein hübich nüeczlich und kurcz begrifies traetetlin getrutt
im UGCCEG vnd in dem IXXXII. iare hans folez“ 11482.
Braun E., Eine Nürnberger raburinthdarſtellung aus dem Anfange des 16.
Jahrhunderts. Reproduetion eines iliegenden Blattes nut Text von Sebſtianus
Kalcidins, Joannes Stabius, Andreas Nunbofer
Th. 9. Th. Dampe, Notiz über Türer aus den Nürnberger Natsprotototten
x. Fuhſe, Türer. Kleine Mitteilungen
Sinungoberichte dir ta. Atadenic dev Wifienſchaften in Mien. Phitoio
phich hitoriiche Claſſe. Band 154.
Sergei Ri, Abhandlungen zum alideutichen Trama. J. Zu den geiſtlichen
Schau'pielen ds Mittelalters als Teite betrachtet. IE Über die Schauſpieler der
gelitlichen Tramen im Merttelatter TE Uber die Bühne der geiſtlichen Tramen im
Mittelalter. IV. Raum und Jet auf der a!lten Bühne. V. Über das Medicusſpiel
amd die mitige Perion der alten Buhne VI. Beziehungen zwüchen dem altfranzöſiſchen
und dem altdeutichen Trama. VIE Uber das Mantellied Magdalenens. VII. Uber
die Wolardenverie Des altdentichen Tramas. Aus der Borbemertung: „Seit
längerer zeit mit den Vorarbeiten su einer Beolchrerbung des gerſtlichen Schau
Spiels im deutſchen Mittetalter beichäit:gt, babe ich enuge Beobachtungen
gemacht, welche einerieits uber Das algegreuſte Gebiet hinausgehen, ſich auf Das
weltliche Trama des 15. Jahrhunderts oder aui die Bühne des 16. Jahr
hunderts beziehen . . . . . Indem ad ſie hier mitteile, babe ich zu benerten, daß
Die angeführten Betipiele nur in Bezug auf die dramatiſche Yıtteratur Deutich
lauds bis zum Ende des 16 Jahrhunderto aus zuiammenhängender Lectüre
hervorgegangen find, während, was ich aus iremden Litteraturen oder aus der deut
ſichen jenſelts dieſes Zeitraumes aniühre, Nuhr zuiallig angeichloiien bat” ıZ. 36
Zihtllers Wilhelm Tell: 2.58 Wielande Elementuig von Voretta: S. 52
—
—
Die Kiccolomini: Anzengrübers Flect auf Ber Ehr: S. 83 Grillvarzers
JIudin von Toledo.
Kalender dis Deutfchen Schnlvereins aui das Jahr 1897. Jahrgang 11.
Tamm Vergler O., Wiener Schubert Häuier.
Frendant ron R, Annette rer von Droſte Hülshoff.
Keter J. Wie man un Böhmerwalde lebt Ein Veitrag zur denutſchen
Voltstunde.
Foglar Ai, Uber Grillparzers Verhaltnis zur Natur.
AMnortz N., Teutich und amerikamich.
Himmelbauer F., Ter Streit zwiſchen Sommer und Winter Nach den volks
tümlichen Uberlreferungen erneuert und erliutert.
Wrasbage H, in Gerchrchte vom Weihnachtosbaum.
1896. 405
Zeitſchrift des Vereins für Poliskunde. Band 6.
Heft 3. 4. Lehmann-Filhés M., Rulturgeichichtliches aus Island (zum Fliegen:
den Holländer S. 383).
Piger F. P., Geburt, Hochzeit und Tod in der Iglauer Spradinjel in
Diähren. (Verbreitung von Gebeten durch Fliegende Blätter S. 252; Hochzeits-
verie S. 256; Brautiprud, der mit Adam und Eva beginnt S. 257; Tiſch⸗
gebet S. 260; Brautlieder S. 262 f. Sammlungen von — zum Teil prote-
itantiichen — Totenliedern nod) im Gebrauch S. 409, Anmerkung; Grabvers
S. 411.)
Unger Th., Aus dem deutichen Volks- und Rechtsfeben in Altfteiermarf.
Rehſener Marie, Das Peben in der Auffaffung der Goſſenſaſſer (Grabichrift
S. 311; Schlaflied S. 313; Kinderverje S. 314 f. Allerlei Volksverſe,
Rätſel und Jmproviſationen S. 404.
Heft 3. Tſchiedel J., Italieniſche Volksrätſel.
Schukowitz H., Kinderreime aus dem Marchfelde.
Englert A., Zum Volkslied, Spruch und Kinderreim (zum Ehezuchtbüchlein
und zu der Clara Hätzlerin; Abraham a St. Clara, Roſenblut; zu dem
vied „Geſtern Abend in der ſtillen Ruh: Roſts Schäferſpiel; Verſe aus einem
vindauer Stammbuch; zu Fiſcharts Spielverzeichnis.
Kleine Mitteilungen. (Märchen von dahneiten — Steiriſche Sagen
vom Schratel. — Kleine Yiedeln aus dem oberen Kainachthal in Steiermart
niit Melodien. — Ein Pakt mit dem Teufel.)
Biicheranzeigen. Mythes. Cultes et Religion par A. Lang. traduit par
L. Marillier. — Reiſer: Sagen, Gebräuche, Sprihwörter des Allgäus. — Knötel:
Aus der Franzoſenzeit. — Yaube: Voltstiimliche Überlieferungen aus Teplit und
Umgebung. — Yınde: Die neueften Rübezahl-Forſchungen. — Schneller: Beiträge
ur Ortsnamenkunde Tirols. — Mielke: Volkskunſt.
Aus den Zißungsprotofollen des Vereins S. 343: Erich Schmidt Über dir
Aufnahme von NRunftliedern in den voltstümlichen Liederſchatz (Goethe,
G. Keller, Koßebue, Klamer Schmidt).
K. W. K. Weinhold], Zum jogenannten Verwunderungstlied und dem
Yiede von den drei Jungfern.
Heft 4. Schröder E., Die Gerichtslinde von Basdorf in der Herrſchaft Itter.
Andree R., Volkstundiiches aus dem Boldeder und Knejebeder Yande.
Volksreim 2. 362; Bauernfpottverie S. 367; Pfingftgelang S. 370.)
Carſtens H., Volksrätſel, befonders aus Schleswig-Holftein S. 412.
Hartung T., Zur Volkskunde aus Anhalt S. 428. Meujahrsliedchen
2. 432; Wandervershen 2. 433. 436.)
Kleine Mitteilungen 9. 439. („Blut dider als Waſſer“ S. 442.) —
MWirtichaftsverie; Gegen Bücherdiebe; Klofterinihrift ©. 446; Nekrolog auf
F. Staub, den Begründer des Echweizerdeutfchen Idiotikons S. 447.
Bücheranzeigen. K. W., Andree: Braunſchweiger Volkskunde. (Zum „Eri-
könig“ 2.4541: Teutiche Mundarten, herausgegeben von J.W. Nagl. R.M. Meyer.
Zeitſchrift für Ethnologie. Band 28.
Heft 3. Schulenburg W. von, Volkskundliche Dütteilungen aus der Mark:
Frau Harfe — ein Brotiegen — Bäume beſchenken.
Heft 4. Schwartz W., Volfstümliches aus Tauterberg am Harz. (Sagen.
— Hiſtoriſche Reminiscenzen: Yuther S. 161. — Aberglauben und Gebräuche.
Schulenburg W. von, Beiträge zur Volkskunde. (Das Vierzeihen; Ofterjpict
mit Eiern; Kornmutter; Zeche küßen, mit Volksſpruch.)
Bartels M., Altes und Neues vom Mitterberge; Treichel A., Über fogenannte
Wikingerſchiffe: Schulenburg W. von, Buchwerk am Niederrhein (Bolksvers
S. 342). R. M. Meyer.
406 Ribliograpbie. 1. Zeitſchriften.
Globus. Hand Tv.
Nr. 18. Dittrich P., Schleſiſcher Hausbau und Schtefiiche Hofanlage.
Kr. 23 und 24. Schultheiß Fr. G., Tas Haberfeldtreiben in Ober
Sayern.
Zeitfchrift für Rulturgeſchichte.
Band 3. Heft 46. Adam K., Kulturgeſchichtliche Ztreitzüge durch das Jahr
1548— 1849 auf rund von Ddeutichen Yebensänßerungen und Geiſteserzeugniſſen
aus jener Zeit. Mitteilungen aus pommerſchen Zeitungen und dergleichen mit
Venutzung dev Sammlungen des früheren Abgeordneten BRaumſtark. — E WM.
Arndts ‚plugblatt gegen den Polenlärm 2. 251: der Prozeß Freiligrath Z. 254.
Uberficht der ‘Parteien in der Paulsklirche 2. 421 f.: Einzelporträts: von Zerzog
2.4235: Jahn 2. 427: E. M. Arndt 2. 42%: Raveaur Z. 430: die ultra
—
montanen Mritifer 2. 429 f., 30:8. Blum 2.431: N. Bogt 2. 433; die Hüte
in der Paulskirche, der volitiſche Bart S. 454. Eiſenmanns Bericht S. 436 f.:
andere Parteiſchriftſteller Z. 430 f.; W. zimmermann S. 442: F. Lichnowsky
. 445: die Zeitungen dev Abgeordneten S. 447 f.: die drei deutichen Farben
448 f. unter Pitteilung von Berl.
Heft 4 5. Roth F. W. E., Zur Weichichte der Meiſterſäuger zu Mainz
und Nürnberg. I Mainz. Frauenlob S. 263: ſociale Nreie der Veteiligung
2.264: Aufführungen S. 265: Singichnle S. 264: Anlagen: Ordnung der Singer
geiellichaſiten S. 271: Namensverzeichnis S. 279: Verzeichnis der Töne ebenda. —
—
(vu
I NRürnberg. Are Schnlordnung Z. 281.
Tebner x, Donalitius und Tolminkemen. Bild eines halb deutichen, halb
sitanuichen Tories im vorigen Jahrhundert. Litterariſche Thätigkeit des Predigers
Tonalitius S. 207. Zu. Non,
Schönfeldt 8., Die „Hoge“ der Hamburger Vrauerknechte.
Vernheim E und G. Steinhauien, Ein meter Gegner der Kulturgeichichte
Venedetto Croee
Miscellen Schmitt Albert. Zur Geſchichte der Univerſit iten Jena und
Halle im dev Mitte des 18. Jahrhunderts. Briefe zwiſchen dem Profeſſor Reuſch
nn Jena und Dem Rektor des Gymnaſiumsem Weilburg, Cramer, gewechſelt, über
dr Rrauchbarkeit beider Hochſchulen für Theologen.
Reiprehungen Stieda, Fabricius: Die aladenmche Depoñtion: Struck:
Die äalteſten Jeiten des Theaters zu Straliund: Schlöſſer R., Fürſit: A. G. Meißner:
Stemhauſen, Wuitmann: Quellen zur Geichichte Leipzigs: Voos: Geiſchichte der
Freimaurerei: „Rollkommen recht bat er mit der Behauptung, daß die Kultur und
Yırteraturbiiteriter die Wichtigkeit der Freimaurerei als bedeutenden Faktors im
geringen und geiellichafticchen Yeben des vorigen Jahrhunderts nicht genügend erkannt
aber”; Berger: Berlin 1688-1848; Noctihau K., R. Weber: Geiſtliches Schau
wet amd kirchliche Kunſi.
Aleinere Notizen. Zur Vollslunde
qraphte Auge -Tezember 1495. S. 362 f.
Det 6. Knorich W., Litterariſch geiellige Beitrebungen, beſonders der Tamen,
ind ihr Vorbild, ſowie die Frauen Emanzipatton in Frankreich während der eriten
Halite des 17 Jahrhunderts. Eme litterar und kulturhiſtoriſiche Studie (sie: dies
die Uberichrüt zu einem Aufias von 30 Zeiten. Marquiſe de Rambouillet S. 387;
non Caſtiglianos Cortigiano beeinflußtt 2. 388: der Ausdruck „treue Noten“ für
div Augen fer aus dem Kortigiano entlehnt S. 394: Madame des Yoges S. 308;
Somart 2. 3%: Rne Barıs Esprit de Gour Z. 398: Rambonillets Madrigale
md anderes S. 403%; Artitofratie und Bourgeoiſie Z. 407: la Precieuse von Abbe
dr Vure 2. 400: Emanzipationsbeſtrebungen 2. 410.
viebe (G., Ritter und Zchreiber. Kine kulturgeſchichtliche Parallele ungeordnete
Yelefrüchte ohne Kritik, 3. 3. iit ein Späte Apolrvphuum 2.457 nod Reidhari zu⸗
qeiſchrieben:. — Liebesbrief eines bürgerlichen Antsſchreibers zu Zerjen am Harz an
. 359: Aus Zeitichriften. Riblio
(v
1896. 407
ein heiftiches Edelfräutein S. 4575 krauſe Worte Über den „tugendhaften Schreiber”
=. 459: Schreiberverſe Z. 461.
Miscellen. Wegele Fr. X., Ein Bewerbungsgefud) Friedrich Schlegels.
Dieſer bittet 1305 den Senerallandestommifjär Grafen von Thurheim um An-
jtellung an dev Univerfität Würzburg. „Die Gollegia, welche meine bisherigen
Ztudien mich in Ztand fegen zu leiften, wiirden außer interpretierenden Vorleſungen
iiber alte Autoren und außer allgememer und fpezieller Yitteraturgefchichte noch
folgende fein: Univerſalgeſchichte, beſonders alte Geſchichte der Philojophie und
orientaliiche Sprachen, imjofern diejenigen, mit welcher (sic) ich mich bejchäftigt
babe (die Indiſche und Perfiiche), dem Bedürfnis und Zweck der Univerfität ange-
mejjen fein oder derjelben zur Zierde gereihen können. Sollte zu einem mit der
Profeſſur der Philologie zu verbindenden philologiſchen Seminarium ſchon ein
Plan entworfen fein, fo werde ich, fobald mir dieſer bekannt ift, mit Gewiſſen⸗
haftigkeit bejtummen, was ich nad) meinen Sträften dafür zu leilten vermag“
(SZ. 4661.
Beſprechungen. Ztieda, P. Gehrke: Danzigs Schützenbrüderſchaften; J. Can-
dreia: Das Bündneriſche Zeitungsweſen im 18. Jahrhundert (die Beſchränkung auf
politiſche Zeitungen wird bedauert); Steinhauſen &., Thomaſius: Bon Nachahmung
der Franzoſen, herausgegeben von A. Sauer; Schlöffer R., Gerhard: Joh. P. de
Memels Yultige Geſellſchaft (ſehr gelobt; die Autorichaft dein Mag. Yoh. Praeto-
vins abgeitritten); Lofafftudien, angezeigt von G. Liebe.
Band 4. Heft 1—2. Treufch von Buttlar K., Das tägliche Leben an den deut-
ſchen Fürſtenhöfen des 16. Jahrhunderts. Über Hofordnungen ©. 1 f. der
Ausdruck „Bagen“ und Zynonyma S. 8, Anmerkung 1; „Unzucht“; Grobianijches
S. 12 f., S. 20 f.; Burgfrieden (vgl. die Herausforderung im „Taſſo“) ©. 14,
Tagesverlauf 2. 17, das Trinken 2. 25 f., Briefe der Hofdamen S. 30.
Hampe Th., Zittenbildliche8 aus Meifterlieder-Handfchriften (da8 Trinken
E. 42; Dans Sachs ebenda; Badlieder ©. 46.)
Otto E., Die Mehrverfaflung einer Heinen deutfchen Stadt im ſpäteren Mittel:
alter Rutzbach in der Wetterau).
Römer A., Die deutihen Humaniften und das weibliche Geſchlecht
(Aeneas Zylvius 2. 95; Albrecht von Eyb 5. 96; Peter Luder aus
Kislau 2. 98; Jakob Yoher Philomuſus S. 99; Heinrich Bebel ©. 101;
Conrad Celtes S. 103: Wilibald Pirkheimer Z.106; Conrad Peutinger
S. 107; Eobanus Heifus Z. 108; Crotus Rubianug ©. 111).
Miscellen. Neubauer E., Fürſt Philipps von Anhalt Mohr. — Diſtel Th.,
Aus einem Ballette am Tresdener Hofe 1672. R. M. Meyer.
Hirorifches Zahrbuch. Yand 17. Heft 4.
Mayerhofer J., Beiträge zur Pebensgefchichte des Hieronymus Bod, genannt
Tragus (1498 — 1554). Neue Mitteilungen aus dem t. Kreißarchiv Speier. Abdrud
eines Zcndichreibens, „welches Bod unterm 4. November 1550 aus feiner Zufluchts⸗
ftätte in Zaarbrüden an feine alte, während feiner Abwefenheit wieder fatholifc)
gewordene Pfarrgemeinde Hornbach gerichtet hat, und worin er ausführlich fein
veligiöjes, evangelifch gläubiges Bekenntnis, um beffenwilfen er ‚Ichäden vnd verfol-
gung erlitten‘, darlegt und begründet.“
Fiialet J. Über das wahre Jahr der Erftlingsausgabe des großen Kate-
chismus des felgen Petrus Caniſius. Sudt das Jahr 1554 als das richtige
zu erweiſen.
Kaindl R. F., Zwei Urkunden zur Gefchichte des breißigjährigen Krieges.
Zwei Urkunden des Kaiſers Matthias aus dem Jahre 1618.
Biſtoriſche Zeitfchrift. Neue Folge.
Band 41. Heft 1—3. Pit A., Briefe des Feldmarſchalls Grafen Neithardt
von Gneiſenau an jeinen Schwiegerfohn Wilhelm von. Scharnhorſt. Im Auf-
408 Pibliograpbie. 1. Zeitſchriften.
trage von Agnes Freifrau von Münchhauſen, geborene von Zchamborit heraus
gegeben. 27 Briefe aus den Jahren 1822 — 1831.
Heft 1. Koſer R., Neue Neröffentlihungen zur Vorgeſchichte des Sieben
jährigen Nrieges Maudé, Acer.
Meinede Fr. Heinrich von Treitichfe F.
Heft. 2. Goetz W., Ter„Nompromip: Katholizismus“ und Kaiſer Marı
miltan 1.
Meinede F, VBoyen und Roon. wer preußtiche Nriegsminifter.
Yampredt 8., Zum Unterichiede der älteren und jüngeren Richtungen der
Geſchichtswiſſenſchaft.
Meinecke Fr. Erwiderung.
Rand 42. Heft 1. Hintze O., Über individunaliſtiſche und kollektiviſtiſche
Geſchichts auffaſſung.
Ritter M., Meine Anſicht Dev deutichen Geſchichte im Zeitalter der Gegen
reformation. iGegen A. Chrouſt.
Hiſtoriſche Bibliothek. Herausgegeben von der Redaktion der Hiſtoriſchen
Jeitſchrift. Hand 1.
Schiemann Tb., Heinrich von Treitichtes Yehr und Wanderiahre 1834
bis 1866.
Deutſche Zeitſchrift fin Geſchichts wiſſenſchaft. Monatsblätter Nr. 5—8.
Breyſig X, Über Entwicklungogeichichte. I. Tas Obiekt. II. Die Methode
Beiträge zur deutſchen Territorial-und Stadtgeſchichte. 1. Serie.
Heit 1 Heidrich P., Der geldriiche Erbfolgeitreit 1537-- 1543.
Heit 2. Haate P., Brandenburgiſche Pohtt und Kriegführung in den Jahren
1688 und 1680.
Neues Archivr der Geſellſchaft fir ältere dentſche Geſchichte.
And 22. Heit 1.
Yorrtb J., Formularbücher dev Grazer Umverüitätsbibliothet. II. Fortießung «
Gerhidtsblätter dis deutjichen Hugenotten-Vereins.
V. zZehnt. 10. Seit. Tollin, Urlunden zur Geichichte hugenottiicher Gemeinden
in Treutichland.
VI. Zehnt. 1. und ? Heit. Brandes, Die Konioderation reformierter Nirchen
m Niederſachſen.
Bismarch Zahrbuch. VBand > Heit3 5
I. Urkunden und Briefe Schluſßße 29. Ein Brut des Grafen von der Volt
an Vismarck 1866. - 30. Yiwanyıg Briefe Albredhts von Roon an Yısmard 1852
bis 1874, 1878. - 31. Achtunddreißig Briefe Yısmards an Roon 1857 1873.
II. Reden, Vorträge, Abbandlungen. 3. Jacobi H., Der Wardejäger von 1838.
8 (Herion, Iwei Erlaffe des großen Kurfürſten zu Gunſten Terer von Yısmard
Zihönhanien 1669. 5. Bogel Tb, jur Cbaratteriint der volitiichen Reden
Rıamards. 6. Walther E, Bon Woctbe zu PBıontard. — 7. Zchwetichle E,
Ruöomarck und die Tichtkunſt. I 8. Kohl H., Herr von Biomarckt Schönhaufen
als Mitarbeiter der Kreuzzeimmug. 9. Kohl H., Entwurf u einer Rede des
Abgeordneten von Viomarck Schönhau'en.
Zahrbücher ir Nationalökonomie und Statiik. Tre Folge.
Band 11.
Rarth 8, Tie ſogenannte matcrialiitiiche Weiſchſchtsphiloſophie.
Abhandinngen aus dem faats wiſſenſchaftlichen Zcininar zu Straß-
burg i. €. Heft 16.
vudwig Th., Der Badiſche Bauer im 18. Jahrhundert.
1896. 409
Archis fir riviliftifche Praris. Band 85. Heft 3.
Kohler J. Autorrechtliche Ztudien.
Barkrubun der hiftoriichen Gefellichaft de8 Kantons Aargan für das
‚sahr 1896.
Merz W. Roh. Burger, Kupferftecher, geboren 1829. Verzeichnis der Burger-
schen Nupferftiche.
Fleiner F., Aargauishe Kirchenpolitik in der Rejtaurationgzeit.
Frey A., Sagen und Bolfslieder aus dem Wynenthale. 1841. Gejam-
melt von Jacob Frey (1824—1875). Wr. IX. „Uf em Bergle bin ich g’jeife.“
Keller J. Joſephs des Zweiten Schweizerreife. Beſuch bei Salfer
A bei Pfeffel S. 97; Geſpräch mit Lavater und Verſe Lavaters
98
(sl
Wind A, Die Reformation im Kelleramt (Bremgarten, Lunkhhofen,
Oberwil, Zufifon).
Alemannia. Jahrgang 24. Heft 2.
Sütterlin L., Sitten md Gebräude und abergläubifche Borftellungen
aus Baden. I. Aus Buchen, Bodersiweiler, Tiftelhaujen, Donauefhingen. Mudau,
Nidlashaufen, Urloffen, Schludhtern, Schricsheim, FT Winzenhofen. — I. Aus
Bodersweiler, Tiftelhaujen, Eifingen, Gutach, Nicklashauſen, Nußloch, Schluchtern,
Wiesloch, Urloffen.
Heilig O., Tottor Fraſtus TTheophraſtus Paraceljus]. Nach dem Be-
richte eines Mannes aus Kenzingen.
Beck P. und A. Holder, Eine unbekannte Lesart von Sebaſtian Sailers
„Schöpfung“.
Bolte J. Schwäbiſche Hochzeitsabrede. Ein Kupferſtich des 17. Jahr⸗
hunderts, die Vorlage für das von Rango iOrigines Pomeraniae 1684 ©. 228)
mitgeteitte Yauerngejpräd (vgl. Alemannia 8, 84).
Bed P., Der Buchauer Apojtel.
Beck P. Eine alte Kirchenbauſ age.
Unſeld W., Allerlei Reimſprüche aus Schwaben.
Klemm A., Neues über deutſche Baumeiſter und Bildhauer aus älterer Zeit.
Fortſetzung zu Alemannia 19, 177—183.) 2. Safob von Schweinfurt in Anne-
berg 1515- 1525.
Bolte J., Zu den Maibinger Handſchriften. „An Chr. Weifes Ber:
fafferichaft des S. 86 erwähnten Feſtſpieles erlaube ich mir vorläufig zu ziveifeln.“
Pfaff %, Märchen aus Lobenfeld 7—9 (1—6 in der Feftichrift fir Wein-
bold, Straßburg, Trübner 1896, 2. 62—83).
Anzeigen und Nadricten. Kluge F., Borchardt-Wuſtmann: Die ſprich⸗
wörtlicen Redensarten im deutichen Volksmunde. Mit Nachträgen.
Altpreußilche Monatsſchrift. Neue Folge.
Band 32. Heft 7. 8. 1895. Neubaur L., Leon Gomperz. 1. Biographiſches.
2. Verzeichnis ſeiner Schriften.
Treichel A., Nachtrag zum Liede vom Krambambuli.
Torppen M., Tie Entdedung von Bogelfang (bei Elbing). Aus Johann Jakob
Convents [geboren 1779, geftorben 1813] Chronik mitgeteilt.
Conrad G., Regeſten ausgewählter Urkunden des reichs räflich und
gräflich Dohnaſchen Maijoratsarchivs in Lauck (Oſtpreußen). Mit Anmerkungen.
1392 - 1653.
Reicke R., Kant Bibliographie für die Jahre 1890—1894.
Beilagen. Ehrenberg H., Italieniſche Beiträge zur Geſchichte der Provinz
Oſtpreußen. Im Auftrage des Provinzialausſchuſſes der Provinz Oſtpreußen in
410 Pibliograpbie. 1. Jeitfchriftee
Italieniſchen Handſchriftenſammlungen, vornehmlich dem Vatikaniſchen Archive gr
jſammelt und herausgegeben. Aus den Jahren 1263—- 1800.
Altpreußiſche Bibliographie für 1894.
Band 33. Heft 3 und 4. April-Juni 1896. Toeppen M., JIwei zeitgenöſſiſche
Berichte über die Beſetzung der Stadt Elbing durch die Brandenburger im Jahre
1698. I. Bericht des Ratsheren DTominie Meyer: Brandenburger Anlauf und nach
malige Eroberung. II. Bericht des Bürgers Friedrich Hersberg.
Tetzuer F., Die Tolminkemiſchen Kirchenbauakten aus der Zeit des Chriſtian
Tonalitiuns.
vohmeyer 8., Albrecht Bibliographie. Zuſammenſtellung dev auf Die Ge
ichichte des Herzogs Albrecht von Preußen, ſeiner Perſon und jener Regierung
bezüglichen Schriften. Enthält auch Gedichte, Flugſchriften, Briefe der Reformatoren ze.
Schöne 9. H., Tier Ztellung Immanuel Nantes innerhalb der grographi-
hen Wiſſenſchaft.
Alt-Wien. Vionarsichrift fir Wiener Art und Sprache. Jahrgang 5.
Kr. 10--12. Newald J., Ans den Briefen des Eipeldauers. Zur Ge—
ichichte einer Alt Wiener Zeitung. II. Aus schweren Tagen 1794-1814. TIL. Eipel
dauer und dev Wiener Congreß.
Jr. 10. Kars R., Eine jonderbare Exekution in At Wien. Verbrennung einer
franzöſiſchen Zchmäbichrift 1730.
Girhab Th, Tas „Kafe Wrienſteidt“
Nr. 11. 12. Aus Hugo Maretas „Proben eines Wörterbuches dev diter
reichiſchen Bolfsipracde”.
xr. 12. Prüchiug R. Kupborton.
Alt Wiener Yırteraturblatt.
Jr. 10. Aus „Scherz und Fruit” m Liedern. Zweyter Theil. Berfaßt von
PFhiliwp Hafner. Wien 1764.
Aus „VRriefe eines Eipeldauers“. 22. Heft. Wien 1795.
Nr. 11. Aus „Wien und die Wiener“ in Bildern aus dem Leben. Peſth 1844.
Aus „Der Humoriſt“. Bon V. G. Saphir. 1844.
Forſchnuugen zur Cultur und Yırreratingeichichte Bayerns. Buch 4.
Günther S, Jakob Ziegler, ein bayeriſcher Geograph und Wathentatifer.
Reinhardſtötiner 8 dv, Rädagognches aus der Ritterakademie zu Ettal
117115 1744.
du Moulin Edmt Graf R, Wien amd Muünchen. Eine Ztudie zur bayert
hen Aufklärungspolitik 1800 -1805°.
Dandichriftidhe Münchener und andere lateiniche Jeſunrtendramen der
rt Nıbtiotbet zu Petersburg.
Vayern und ſeine Hauptſtadt im Yıchte von Reiſeſchlderungen und fremden
Nundgebungen. III
Regiſter zu Buch III und IV
Mitteilungen und Anfragen zur bayeriſchen Volkslunde. Jahrgang 2.
Kr. 1. Emige Winke für vollskundliche Arbeiten.
Englert A, Zu dem Volkslied „Ufm Berglı bin ı geeile. Eine Umfrage.
Nr. 2. Schmidkonz J., Der Pollsliderichae eines Zperfartdorfee ber die
Pflege des Vollsgeianges ım Torfe Wieien nebſt der Verteilung von 17 Anfängen
der dort üblichen Lieder.
Veybhl JI, „Etwas auf dem Kerbholz baben “ H.
Neujahreblatt dir litterarichen wWeicllichaft in Wer für 18096.
Tobter (9, BRincenz Vernhard Ticharner 1728 -1778 1. Enthält die Be
ziehungen ITicharners zu Av Haller, Ntopitod, Wieland und zummer
manı Ik. Willy.
1896. 411
Mitteilungen des Vereines für Gefchichte der Deutichen in Zöhmen.
Jahrgang 35. Wr. 2.
Jah Horeicta A., Die Geſchichte der Stadt Auſſig von der Gründung bis zum
„Jahre 1526.
Meber O., Die Entwicklung der keramischen Induſtrie in Böhmen.
Bachmann A., Über König Georg von Böhmen und Gregor Heimburg.
Mayer W., Ein berühmter Egerer Ardjiteft. Batthafar Neumann (18. Jahr⸗
hundert:.
Schmidt Valentin, Das Urbar der Herrihaft Rofenberg von 1598.
XXVI.-XXVIII. Jahresbericht des Hiftorifchen Vereins zu Wranden-
burg a. d. 9.
Pomtow P., Guſtav Adolf und Kurbrandenburg im dreißigjährigen Kriege.
Tihirh O., Das älteſte Bild der Altftadt Brandenburg (von 1582).
Braunfdjweigifches Magasin.
Wr. 15. Zimmermann P., Ein Brief Joh. Arnold Eberts an Yefjing.
Kr. 23. Schüddekopf C., Briefe von Schiller (Ludwigsburg, 1. Oltober 1793),
Herder (Weimar, 12. Februar 1795) und Wieland (Ojmannftätt, 1. September
1799) an Friedrich Vieweg.
4. Jahresbericht des Mujeumsvereins in Gele. 1895/96.
Nöldefe, Haus- und Denkinfchriften in Celle, gefamimnelt.
Beiträge zur Yandes- und Volkskunde von Elfap-Lothringen.
Heft 21. Vulpinus Th, Ritter Friedrich Kappler ein ellälfiicher Feld⸗
hauptmann aus dem 15. Jahrhundert.
EA 22. Millenheim und Rechberg H. Freiherr von, Die Annerion des Elſaß
durch Frankreich und Rückblicke auf die Berwaltung des Landes vom weftphäliichen
‚srieden bis zum Ryswicker Frieden (1648— 1697).
Sahehudı für Weichichte, Sprache und Yitteratur Elfaß-Lothringens.
„Jahrgang 12.
Walter Th., Die Herenpläge dev Rufacher Herenurkunden (1586—1627).
Martin E. Vriefe von Johann Peter Hebel an Frau Weiler [geborene
Schneegans] in Straßburg. „Ihr Sohn Daniel war ein Schüler Hebel ın Karls-
ruhe... Bon jener Aufnahıne in das Karlsruher Gymnaſium 1806 handeln
wejentlich dieje (5) Briefe Hebels. Doch berühren fie auch Kitterarifche Dinge, jo die
Werke Jean Pauls: ſelbſt die Politik wird geitreift.“
E. Mi. [E. Martin], Gedichte eines Frühvollendeten. „Friedrich Julius
Culmann, geboren 1827 zu Landau, fand im Juli 1849 durch einen Herzichlag einen
plößlichen Tod in den Wellen der ZU zu Straßburg, wo er feinen Studien oblag.“
Menges F., Die Rufaher Bornamen. Unterjucdhung. IH.
Spieſer J. Münfterthäler Volkslieder. A. Satirifches. B. Melkerlieder.
Zpieier, Die Münfterthäler Grußformeln einft und jett.
Weiß C. Ih, Tas Elſäſſer Judendeutſch. Wörterbuch. Ein Protokoll aus
dein Gerichtsbuche des Nabbiners in Mubig von 1746.
Stehle B., Boltstümliche Feſte, Sitten und Gebräude im Eljaß. 1890.
Erdmann M., Petrus Dajypodius. Mitteilung aus den Straßburger
Ratsprotofollen über deſſen Berufung als Schuflehrer von Frauenfeld nad Straß-
burg im ‚Jahre 1533, wonach er Petrus Hafenfus geheißen bat.
Überficht über den Inhalt der Bände I—XU
Ersgebirgs-Zritung. Jahrgang 17. Heft 12.
Tietel Y., Ein Weihnachtsſpiel im Erzgebirge. Tert und Dielodien.
© Urban M., Goethes Beſuch des Gymnafiums zu Eger und Pränniant
Schmid. .
412 Ribliographie. 1. Jeitichriften.
Beiträge zur Geſchichte von Ztadt und Ztift Effen. Hefi 17.
Schroeder F., Ans dem mittelalterlichen Eſſen. 2. 21 Anmerkung 1 tt eine
dramatiſche Aufführung aus dem Jahre 1504 erwähnt.
Arens F., Tas Ho'pital zum beitigen Geiſt in Eſſen. Nach den Urkunden und
Akten des Ztadt und Münſterkirchenarchivs.
Arens F., Die Eiiener Armenordnung vom Jahre 1581.
Arens F., Die Statuten des Gräflichen Tamenkapitels des Stiftes Eſſen.
Uene Beiträge zur Geſchichte des deutichen Altertums. Herausgegeben von
den hennebergiſchen altertumsſorichenden Verein in Meiningen.
Lieferung 8.
Germann W., Aus Waſungens vergangenen Tagen. 2. Hälfte. Gedenkblätter
as drei Jahrhunderten des herzoglich 2. Louiſen Frhl. Marichatfihen Tameu
sts Waſungen.
Situngsberichte dir kurländiſchen Geſellſchait für Litteratur und Kunit
und Jahresbericht des küurländiſchen Krovinzialmuſeums aus den Jahre 1805
ROH SZißung. H. Tiederich, Über den kurländiichen Bildhauer Nikolaus
Soifrens geſtorben 1710. Nach dem Aufſas von W. Reumann in den Rigalchen
ZSriadtblättern 1805, Av
11. Zinung. ArbnioweV, Beitrag zur vebensgeichichte des Rurkard Waldıc
Aane bisher nicht vereiſentlichte Stelle aus deſien Brief an ſeine Schwägerin CEhri
ns Schultte Riga, 31. Mar 1531.
215 Sinnumg. Diederichs H, Über das Stammbuch von Friedrich Albers
1775-1825 Ter allergrößte Tat der Eintragungen ſtammt aus den Jahren
1701 1795 und nr am RNiga, dann beſonders in Jena und auch in Berlin gemacht
den Zweinvereinzelte Ermzerchliungen aus dem Jahre 1817.
Diederichs B, Bruchunck einer Veichrebung kurländücher Zuſtände am Anfang
2.48 Jarrhinderte Aus einem Manu'ikript im kuüurlandöchen Provinzialmuſeum
:getertt Em Stuch Mein Beichreibung bon von J. H Woidemar tm Inlaund
18II, Ne pPeröſientticht.
Zumtm A, Altenſtucke yn bo und kärlandichen Geichichte 1602 1678.
Ucues Lauſthiſches Wlagnsin. |
Fand 71. WW 2 Baumgeutel, Geihrchte der „Karin Marthenkirche“ zu
„uanlen
omg Sr, Vann war dee Dichtee Johann Elhriit:an GGüuther qrioren?
Zatt den X Auri! 1698 nis Guiitbers Geburtstagezun erwerien
Bructner, Medina, De Beuiner des Rittergutes Geroſdoriebhei Reichen
cd \ Y
Band 72 Heit 1 Feſchreit zunt 550. Sedenltage des Oherlanſtker Zechs
rdtecbhundnes am IE Aungnu 1x06 Arras EB, Regeſitenbeitrage zur Geichichte
Yo Bundes Der Soechsitadte der Obrr Yandte, zuiammengeitellt auf Grund Der Ur
nd ir, weh ed Bauminietr Ratrarchive Fund Ermuch voriniden 1356-1915
ZÄtle e, POT ao zur Geneglogie dio Laubauer Geſchlechts der „Jeidter“
a Nena Hauetint Das hand'chriitliche „Protocollum domestienm oder
van-tuüdet des 16557 a!s Yabanı NYingeumenter veritorbeuen Martin Zeidle;
z 900 hr),
Boetticher Wwvon, Veitzage zur Greichehte des Fratizislaner Mlolters zu
Rauten; 12 Urkunden 1443 1565
Zchreuiter, Tie werrébauer Conventhicher. Auch Eintragungenem Verien
de R, er lauen ſich die Gorliner EGeſchoößboncher für die emhermäöche
iechichtsichreelung nußbar nad?
Schriften des Brreins inr die Geichichte Leipsige. Band 5
"rt, UEhr:tunran Taum Welter su z3wicdan und Seine Leipziger gelehrten
Jernde Jarıaı von NBastk, Thomas Neineyſins, Ehriſtof Preibro,
1896. 413
Jacob Thomaſius, Marcus Tauſcher, Joachim Feller). Vortrag auf
Grund feines Briefwechſels.
Kroker E., Leipzig in Liedern und Gedichten des Dreißigjährigen
Nrieges. 5.38 Ein Vied des Truders Juſtus Janfonius 1620; 9.41.45. 46 (?).
51 (7). 68. 76 f. 91 Lieder des Truderd Gregorius Rigich (geboren 1584 zu
Skitahl in Böhmen, geitorben 1643) 1620/21; S. 46 Ein Lied von Johann Depffel-
bad, Pfarrer ın Lößnig 1621; S. 53. 55. 57. 67. Gedichte von Georg Gloger,
dem Freunde Flemings 16315 S. 60. 69 ff. 76--79 von Fleming; S. 74 f.
von Adam Olearius; 9.75 von David Puſchmann 1633; 5.76. 83. 86 fi.
von Martin Rindart; Z. 90 von Timotheus Ritzſch 1637; 5. 93 von
Chrijtian Ulrich Illenhöfer 1643; S. 96 von Johann Thomaſius.
Mangner E, Die Familien Kunze, Körner und Tiſchbein. Mit Benukung
von urkundlichen Forſchungen und Briefen der Familie Körner an Kunze. S. 177 ff.
ein Brief von Frau Sophie Tifchbein an ihre Tochter Karoline Wilken,
’eipzig, 19. November 1813 über die Schlacht bei Leipzig. — Ausführlich über
Theodor Körner und jein Ende.
Kroker E., Kleinere Mitteilungen. 1. Historia von Erhart Braunen. Michael
Yindener. Valentin Schumann. Abdrud eines Gedichtes nad) einer Handjchrift
aus der erjten Hälfte des 17. Jahrhunderts: „Historia von Erhart Braunen
Burgern alhier vfm alten Neumark vnd einen Fuhrmann sub annum 1541."
Erhart Bram läßt ſich urkundlich nachweiſen. Auf der Suche nach dem Dichter
des Schwankes muſtert Kroker Yindeners und Balentin Schumanus Lebensumſtände
und ergänzt Bolte, indem er den Stoff zu Nr. 32 des Nachtbüchleins in den Acta
Rectorum (1545) nachweiſt. Er tft nicht abgeneigt, Schumann für den Verfaſſer
des Schwankes zu halten. — 2. Hottfried Finckelthaus. Aus einer Grabſchrift
und anderen Quellen gelingt es Krofer, die wichtigften Taten für Finckelthaus'
Yoben zu gewinnen und eimen furzen Stammbaum der Familie aufzuftellen. Er
wurde anı 23. Februar (alten Ztils) 1614 in Yeipzig geboren und ftarb am 4. Auguſt
(neuen Ztils) 1648 als Kammerprokurator dev Cherlaufiß in Bauten. 1633 wurde
er Magiſter in Yeipzig, ſcheint alſo Fleming jchon während jeiner Studienzeit da-
jeibjt kennen gelernt zur haben. Mindeſtens bis 1638 muß ev in Yeipzig geblieben
ſein: 16. Zeptember 1639 war er in Hamburg, bald darauf muß er feine große
Reiſe durch die Niederlande und Frankreich nad) Braftlien angetreten haben. 1642
dürfte eu wieder in Leipzig geweſen fein. — 3. Napoleon I. in Leipzig. 1807.
Abdruck eines ſatiriſchen Sedichtes: „Der Kaiſer vor Abderas Thoren.“
Publications de la Section historique de l'institut grandducal de
Luxembourg. Volume XLIV. 1898.
Knaff A., Bericht eines Augenzeugen über die Beſetzung Yuremburgs durd)
die Franzoſen im Jahre 1684.
Betry H., L’Obituaire de l’eglise collegiale de Nassogne. Mit Taten
von 1303—1610.
Te Munſer E., Les ruex de Luxembourg du 16* siecle par rapport à
eelles d’aujourd'hui.
Engels DM, Hans Yüßelburger. Em kunſthiſtoriſches Gedeukblatt.
Mansfelder Blatter. Mitteilungen des Vereins fir Geſchichte und Alter:
—tüürner der Grafichaft Mansfetd zu Eisleben. Jahrgang 10.
Roſenburg H., Johaun Agricola von Eisleben. I. Zeine Entwidlung
zu einem Freunde und Gehülfen Yuthers. 1494—1525. II. Als erfter Gymnaſial⸗
reltor in Eisleben. 1525— 1536. II. Als erjter Sammler deutſcher Sprichwörter.
IV. Aus erjter evangeliſcher Hof- und Tomprediger in Berlin. 1540— 1566.
Blümel &, D. Martin Luthers Anwefenheit in Eisleben.
Könnecke D., Zwei Hexenprozeſſe aus der Grafſchaft Mansfeld. 1. Zu-
quiſitionsakten wider die Pfarrwitwe Auna Kluge zu Uhlsdorf in Sachen befchul-
Enphorion IV. 27
414 Bibliographie. 1. "Jeitichriften.
digter Hexerei. 1652 und 1655. II. \nyuifitionsatten wider Anna Traute Frohertzin
und Marie Größeln in (Werbitedt wegen beichuldigter Hexerei. 1680.
Größler H., Tentiwürdigfeiten des Pfarrers Schulze, weiland zu ‚greift,
Böſenburg und Elben im Diansfelder Seekreiſe. -- 2. 79 „Verzeichnis derer
Prediger zu ‚zreiit, wie jelbige nach der Reformation auf einander gefolget find.”
C. Th, Zuſammenſtellung von Dansfelder Urkunden in Yilnigs „Deutſchem
Reichsarchiv“ (1205 —16961.
Trippenbah DM, Tie Erlebniſſe des Zchulzen 8. Funke zu Pansfelde
Mansfelder Gebirgskreis) im Jahre 1813. Nach Aufzeichnungen des Yericht
eritatters mitgeteilt.
(Wrößler H., Zechite Nachieie von Sagen und Webräuchen der (#rafichaft
Mansfeld und deren nächiter Umgebung. - Schröter T., Tanteröder Zagen. -
Tfter, Johannis und Herbitfener. stide W, Kinderlieder aus Helfta.
Zeitſchrift des hiſtoriſchen Vereins für den Reg. Bezir Marienwerder.
Heit 34.
Flauß R. von, Tas ehemalige Amt Marienwerder, inſonderheit die Amts
Niederung.
Schlake F., Sittengeſchichtliches aus Koniber Gerichtobüchern. 4. Je
initenjchillerieben «17. Jahrhundert;
Mitteilungen dis Vereius für Geſchichte der Ztadt Meißen. Band 4.
Heft 2
Wuttle I, Kine Veſchwerdeichriit der Peißner Junungen von 1500.
Nibſche H, Nachtrag Sum Weſchichte des Volksſchulweſenso der Ztadt
Meißen
Mirbach FE, Tie alteren Werner ZJunitorduungen. 3 Tie Fiſcher. Beilage.
Die Elbinche Des 16 Jahrhunderts nach einem Verzeichufſe des Fabricius.
Zimt TG, Maler Norepb IE m Meißen 11766
Wittich SD, Tier Erbhuldigung su Meißen im Jahre 1602
vebeuslauie verdienter Deep. 6 Leicht A, Vontre Otto Prtery 1819 bie
1895. Anhang: Verzeichnis ihrer ſelbſtandigen und unter ihrem Ramen erſchienenen
Publikäauonen 180 1808:
Marlus P, Meißen zur jet des dreißigſahrigen Krieges.
vovie W, Ter Meißner Tomklerus zur zheit Dev Reformation
Zahrbücher des Vereins tn meklenburgiſche Geichichte und Altertums
tunde Jahrgang 61
Stieda W, Eine Hugenottenkolonie in Meklenburg Attenſtücke 1-36.
1683 1521:
Tragendorn 8, Angelus Sala geſſorben 163%, Leibarzt des Herzogs
Johann Albrecht von MWehenburg Güſtrom, Tem Vedeutung für Miedizin md
Chemie Vortrag
Beim A, Tas Lied vom Känig Anthyrtus Hält cs für wahricheinlich,
daß Eltas Schede geboren 1615 zu Kaaden in Böhmen, geſtorben 1641 auf
einer Merci Warſichau dev Verfjaiſer des Liedes Te.
Quartalberichte des Vereins jür meklenburgiſche Geichichte und Alter
tumskunde Jahrgang 61.
Ar. 1 Bor W, Einzeldrucke gertlicher Gedichte des Herzogs Guſtav
Adoltlphvon Pellenburg 17 Jahrhundert.
Niederöſterreichiſcher Landesfreund. Vand 6.
Nr 3. STchnkomib, Proben ans dem Zchimpfwörteridhau dev March
frldbanern
4. Em irommer Brauch aus dem Marchöelde.
JZeitſchrift des Hiſtorrichen Irene für Uiederſachſen. Jamgang 1806.
1896. 415
Krieg R., Das Alter und der Beſtand der Kirchenbücher in der Provinz
Hannover.
Krieg R., Alter und Beitand der katholiſchen Kirchenbücher im Bistum
Hildesheim und den Diözefen Osnabrüd und Schleswig-Holftein.
Jacobs E., Heinrih Windel und die Einführung der Reformation in den
niederjächfifcehen Städten Halberftadt, Braunfchweig, Göttingen, Hannover
und Hildesheim. 1. Die nordharzifche Familie Windel. 2. Heinrich Windel und
das Johanueskloſter zu galberftabt. 3. Windel als Stadtprediger zu Halberſtadt
und jein Studium in Wittenberg. 4. Windel als Coadjutor zu Braunfchweig.
5. Windel in Göttingen. 6. Windel in Hannover. 7. Windel in Hildesheim. 8. Windels
jpätere Yebensjahre. — Ausführungen. — Urkundliche Anlagen. Nr. 1—16 aus den
Jahren 1525— 1542.
Doebner, Alfelder Statuten und Willküren des 15. und 16. Jahr⸗
hunderte.
Doebuer, Relation Bischof Franz Egons von Hildesheim an Papft Pius VI.
über den Zuſtand feiner Diögele vom 15. Dezember 1790.
Jürgens O., Die Quellen der ſtadthannoverſchen Geſchichte. “
Vodemann E—., Niederſächſiſche Litteratur des Jahres 1898.
I. Bericht des norboberfränkifchen Vereins für Natur⸗, Geſchichts⸗ und
Yandestunde (Hof in Bayern) erftattet im Juli 1896.
Schweuk R., Über einige Fichtelgebirgsiagen. wei Vorträge.
Angerer 2, Nulturbilder aus der Bayreuther Geſchichte in den lebten De⸗
cennien vor der Reformation.
Oberbayerifihes Archir fiir vaterländiiche Gejchichte._ Band 49. Heft 2.
Fugger E. Graf von, Schloß Biederftein.
Wiedemann Th., Die Bienzenauer. Eine biftorijch-genealogifche Aöpenbfung.
Schluß.) Oswald von Pienzenau gab 1541 zu ngolftadt die zweite Ausgabe:
der Nlerandreis von Philippus Gualterus a Gaftillione heraus ©. 355. — Der
Venzenauwer des Boltstiedes (Hauns von Pienzenau, der Schloßhauptmann -
von Kufſtein) S. 370 ff.
Zemper 9, Die Sammlung alttiroliſcher Tafelbitder im erzbiſchöflichen
Kleritalſeminar zu Freiſing. Eine Studie.
Mitteilungen des Gberheſſiſchen Geſchichtsvereins. Neue Folge. Band 6.
vucius, Zur Geſchichte Lisbergs aus der Zeit von 1600—1800. Nach dem
Kirchenbuch und den Kaftenrechnungen. 1. Yisberg im 30jährigen Krieg, — 1. Die
Zeit nad) dem 30jährigen Krieg big 1700. — Pisberg verpfändet. — IH. Die Zeit
von 1700— 1745. — IV. Die Zeit von 1745—1800.
Heufer E., Fr. Thom. Chaſtels Tagebuch itber die Friegerifchen Ereigniſſe in
und um Gießen vom 6. Juli bis 18. Ecptember 1796 (Fortſetzung).
Klewitz E. und K. Ebel, Tie Gießener Matritel. (; rtjeung) 1608—1683.
Könnede und Buchner O., Wer war Gießens erfter Druder? Buchners
Angabe, daß Paul Egenolph der erfte Druder in Gießen geweſen jei, ift un-
richtig; die dafür angezogenen Urkunden beziehen fi vielmehr auf Marburg. In
Gießen dructe zuerft Nikolaus Hampel feit 1608.
Klewitz E., Zwei Briefe des Prinzen Georg, nachmaligen Großherzogs Georg
von Medienburg: Strelig mı8 dem Jahre 1792. An die Frau Pfarrerin Daut zu
Schaafheim.
Auszüge aus den gehaltenen Borträgen: Martinſen, Zur Geſchichte
der Familie Senkenberg. — Buchner, Aus der heſſiſchen Franzoſenzeit. — Knab,
Wetterauer Kriegsereigniſſe und Kriegsleiden im 17. und 18. & rhundert. —
Buchner, Ein Beitrag zur Sefchichte von Yaubad) nad) Alten des Weblarer Staats-
arhivg (17. Jahrhundert). — Hoffmann, Mitteilungen aus der Gefchichte von
27*
416 Sıbliograpbie. 1. Zeitſchriften.
Blidinagen. - Fribſche, F. G. Welder in Gießen. — Bock A., Blücher in
Gieſen. Em Stinmmungsbild aus den Freiheitskriegen.
Archir fir öferreichiſche Geſchichte Band 83. Erſte Hälfte.
Turba G., Verhaftung und Gefangenſchaft des Yandgrafen Philipp von Heſſen
1547 --1550.
Fontes rerum austrilacarım. Oſterreichiſche Geſchichtsquellen.
weite Abteilung. Diplomataria et Acta Band 43. Zweite Hälfte.
Yofertb J., Tie Regiſtratur Erzberzog Marimilians (Maximilian IL.).
Aus den Jahren 1547--1551. Aus der Handſchrift des Ztiftes Neun beraus
gegeben. Vorwort. 1. Aus dem Feldlager im Feldzuge gegen die Schmallaldner.
Reiſe zum Neichstage nach Augsburg. II. Bon Reichstage in Augsburg. III. Die
Reiſe nach Spanien. IV. Die Ztattbalterichaft in Spanien. V. Heimkehr nach
Deutſchland. Aufenthalt in Augsburg und WMien. Zweite Reiſe nach Spanien uud
Heimtebr. Nicht nur politiſch, ſondern auch kulturgeſchichtlich werwoll.
Mitteilungen dis Inſtituts fir öſterreichiſche Geſchichtsforſchung.
5. Ergänzungsband. Heft 1.
Schönherr T. v., Ein vergeffenes Werl Guido Renis für die Kapuzinerlirche
in Breiſach.
Hirn J., Archivaliſche Veiträge zu „Wallenſtein“.
Maur Adlwang M., Ein Vorſchlag zur Ermordung Wallenſteins vom
Jahre 1628.
Zeitſchrift sin öſterreichiſche VBolkokunde. Jahrgang 2.
Heft 1. Helfert sch. v., Votlksnachbarliche Wechſelſeitigleit. Eine Anregung
Piger F. R., Las Oſterei m der Iglauer Sprachinſel.
Schukowitß 9., „Gfatter Bitten“.
Heft 2, 3 und 9° Schukowiß H., Muthen und Sagen des Marchfeldes.
Heft 2 und 3. Pobiſch v., Vollskundliches von Schiltern mı Währen.
Moſe H., Kinderreime beim „Pfeiferlmachen“ unen ö. Schneeberggebiete.
Reiterer X, Alte Volkstäuze aus dem ſtererrſchen Ennsthale.
Heft 4. Rent A, Kinderreime aus Tirol.
id v., Der ausgebrütete Teufel.
Pener I, Ter Töchiroler.
Heft 5 8. Spanißb Maria, „D'Aniweigt“ der Rame co GWeſpenſtes u
den Alpenn. Eine Geipenſterge'chichte.
Heft 5 und 6 Widmann H, Die Tamsweger Prang mr den „Samſon“
im 18. Jahrhundert Aus der ſogenannten „Mapuzinerchronf von Tamoweg“,
geichrieben von Andrä Kocher, Reiterbauer am Yalaberg «7 19. April 17861.
Kraus F., Höhlenſagen aus Nraın
Dorler AF, Zauberiprüche und Symwathienittel aus Tırol
bla A, Sitten und Gebräuche m jüdweſtlichen Mähren Landbezirl Znaim'd
Keiter W, Der Verggeiſt dar erzgebirgiſchen Vergleute
Schwarzhach J., Todtendichtung
PHeit 7 und Od. Neubauer X, Tie Tiere in Sprache, Brauch und Glauben
des Egerlandes
Heit 7 Motiv H, Tas öeitlihe Nat ım Semmeringgebiete.
Hein A, Ein oberefterrenbiiches Märchen
Schulowiß 9, 's Rat'ch'n Ein Kmderbrauch aus dem Marchſelde
Warzer R, Bon der LVeichtra Vaba
Warzer R, Heiligentage m Narnten
Heit Mauerhoier JI, Fir Tracht der Dauer bei Baden
Heft ) Mermger R, Tas oberdeutiche Bauernhaus und ſein Geräthe.
win Skizze
Klar C. Heilzanber
1896. 417
Blätter fir Pommerſche Bolkshunde. Jahrgang 5.
Ar. 1 und 2. Haas A., Die Eibe in Pommern.
Kuoop T., Neue Bollsjagen aus Pommern. XX. Wiedererjcheinende Tote.
ıammmrow 75, Schwank und Streich in Bommerit.
Knoop T., Allerhand Scherz, Nedereien, Reime und Erzählungen über pommer-
ihe Orte und ihre Bewohner. Volkstümliches aus der Tierwelt.
Haas A., Volkstümliche Drittel gegen Zahnſchmerzen.
Haas A., Volkstinze in Pommern. 2. Dev Webertanz.
Karbe A., Volksmärchen in Pommern. 1.
Wehrmann D., Einige alte Hausmittel.
Haas R., Polniſche Bicht. H.
Deutſcher Wolkshalender für 1897. Herausgegeben vom „Deutjchen
Verein zur Verbreitung gemeinnüßiger Kenntniffe” in Prag. Jahrgang 27
Joſef Rank, Der Böhmerwalddiditer.
Haufen A., Pie arıne und die reiche Braut ım Volksliede.
Rheinifhe Geſchichtsblätter. Nr. 10.
Yerehänfer I, Uber die Wuppertaler Mundart.
Jahrbüdjer des Vereines von Altertiinsfreunden im Rheinlande. Heft 100.
Renard E., Die Bauten der Kurfürſten Joſeph Klemens und Klemens Augujt
von Non. Ein Beitrag zur Geſchichte des Nococo in Deutſchland. 2. Teil.
Menjahrsblatt des hiſtoriſch-antiquariſchen Vereins und des Kunſtvereins
in Schaffhaufen. 1896.
Pebenserimmerungen des Bürgermeiſters Franz, Anfelm von Meyenburg-
Rauich 11785—1850).
Mitteilungen der ſchleſiſchen Seicilichaft für Molkskunde. 1896. Heft 3.
Kr. 4. Scholz T., Veiprechungsformeln.
Trechster $., Ich mag fie nicht. Ein Volkslied mit Bartianten.
Kühnau, Eine „Pauerhurt“ (Bauernhochzeit) in Woitz bei Neiſſe ums Jahr 1850
Jr. 5. Vogt N, Vermächtniſſe der Vorzeit in Bräuchen, Sagen und Yiedern
des ſchleſiſchen Volks.
Stäſche, Sagen aus der Gegend von Ols.
Warnatich V., Schleſiſche Legenden. II.
Schlehens Vorzeit in Bild und Schrift. Band 7. Heft 1.
Friedensburg F., Ztudien zur ſchleſiſchen Medaillenkunde. IV. Münzen md
Medaitleure. „Alphabetiſche Zuſammenſtellung aller auf ſchleſiſche Münzbeamte und
Stempelſchneider bezüglichen Daten“. — V. Schluß.
Sonimerfeldt G., Zur Biograyhie des Münzmedailleurs Anton Friedrich
. Nönig (1796— 18381.
Schulz 9, „Kurtze Verzaichnuß deß Proceß fo an dem Fürftlichen Beylager
alhier zu Jägerndorff gehaitenn werden ſoll“. Betrifft die Verinählung des Mari:
grafen Johann Georg von Brandenburg Jägerndorf mit Eva Chriſtine, Tochter
dis Herzogs Friedrich don Wirtemberg und der Zibylle von Auhalt (14. bis
19. Juni 1610).
Anseiger fir Schweizeriſche Geſchichte.
Jr. 1 und 2. Zur Seichichte Albredts von Bonjtetten (Briefe aus dem
Jahre 1491).
Nr. 3. Fluri IE, Zur Biographie des Chroniſten Balerius Anjhelm.
Büchi A, Ende und Nachlaß des Ehroniften Hans Zalat. Zalat lebte von
1554 bis zu Seinen Tode um den 20. Oktober 1561) „zurückgezogen ohne öffent:
liches Amt in Freiburg, ſich der Heilkunde, den Studien der Alchemie und Aftrologie
und verwandten Tingen ergebend“.
Ztridfer X, Ein Zeitungsartikel von Miniſter Ztapfer. 1801. Aprit.
418 Ribliograpbie. 1. :jritichriften.
Ir. 4. Burckhardt Yırdermanı Ib., Zur Publication des erſten Baster
Glaubensbekenntniſfſes.
viebenau Th. v., Aus den Jahrzeitbuch von Küßnacht. Abſchrift aus
dem Jahre 1639. Nad)ichrift 1886.
Schwerigerifches Archiv für Volkskunde. Nierteliahrichrift unter Mit
wirfung des Vorſtandes herausgegeben von Ed. Hoffmann Nrayer. Griter
Jahrgang. Heft 1. Zürich 1897.
Jur Einführung.
Hunziker J. Vom Schweizerdorf in dev Yandesausftellung in Genf.
Martin R., Ziele und Vethoden einer Raſſenlunde der Schweiz.
Singer Z., Karl unter den Weibern. Eine Schweizerſage, die uns die in der
Kaiſerchronik ed. Schröder 14, 915 fi.) berichtete Erzählung von Karl dem Großen
und dem Jungfrauenheer als auf volkstümlicher Überlieferung berubend nachiweiit.
Fient G., Begräbmefeieriuhleten in Prüttigau.
Hoffmann Krayer E., Die Faſinachtsgebräuche in der Schweiz. J. Mit hiſto
riiche: Rückblicken und vergleichenden Bemerkungen.
‚eben Anna, Volkstümliches aus dem Manton ug. J.
Miscellen, Iotenichau F. Ztaub 7 und anderes. A. H.
Korreſpondenzblatt dis Vereines fir ſtebenbürgiſche vandeskunde.
Jahrgang 19.
Nr. 7 8. H. H, Inniötrecht
Haun J, Ter Hexennieiſter
Litteratur. Schemer A, Yunter: Die Yerbiker Mundart.
Winterield N, MM. Filii, To Sommitich, J. Liebhart, (GG. Brandſch und
C. Kiriuger, Mehrere Faſſungen Des Kinderſpiels „Dame von Rinive“.
Ar. 912. Keintel G. und A. Scheiner, Zur Herkunitsirage dev Zipier
Zadhien.
hr. 9. Kölner S, Minderipiele und Aniderreinie. 1-32 aus Zcholten.
Theiß D., Hexen'age.
Wagner H., Tas Märchen von der ga ga untsam fra
Kr. 10. F. F, Schwerttanz der Kürſchner. Aufzeichnungen im Groß
Zihenerner Rfarramtsarchiv : Archiv, Neue Folge 9, 187 To.
Schullerus A, Rochmals die Tochter des Kömmandanten don Großtwardein.
Zeitſchrift der Ferdinandenns inr Tirol und Vorarlberg. Tritte Fotge.
Seit 10.
Semper 8, Reues über Alerander Colin.
Fichnaler C, Ein verichollenes Altarwerl des Bett Ztoß.
RKerzeichus dev vom 50 Dar 18595 bis 22. Mat 1396 erworbenen Gegen
iſtande, jowie der geſpendeten Tunhverke Archwalien und Handichriftliches. 8. Bottle
iſchaurpiele: . Agapıtus, Martn Tragodie b Tas Wunder zu Yandef. Tramati
ſierte Legende. 1 Abichriit des Charfretagipieles und zweier kleiner Rruchſtücke aus
dem Kalmionutag und Titer'amstagsipiel aus 2 Boziter Spielhandichriten von
1514. „.J Der vandſtinm oder div Beirerung Tyrols Yadiprel 10. (8. Wirtem
berger: Haller BVergheichreibung vom Jahre 1675-18 Mutograpben: ar Aus
dent litterarechen Nachlaſz des Tichters Ttto Krechtter. be Bricf dev Angelica
Naufmtann aus Ron, 1790, April 7 hut Des ler Fürit Hohenlohe
at Joh vw Burton Bruucck, 1845, Titebiv 13
Ethnologiſche Alitiheilungen aus Ungarn. Hand 5. Seht 13.
Thirring Waisbecher Irene, zur Voltlstunde Dev Hrenzen. 1 Über die Ab
ſtammung und Den kamen Bes Volkes I Bolfsalauben und Krauch
Jum Valriech: in Zubenbingen
Herb J. A Scheiner, TU Schüullerus Anirus zur Peitarbeit am ſiebenbürgtich
Beer ton Er a budı
1896. 419
Teutſch F., A. Schullerus, Aufnahmen zur Geſchichte des ſiebenbürgiſch-
ſächſiſchen Bauernhauſes.
Archiv bes Hiftorifchen Vereins von Unterfranken und Aſchaffenburg.
Band 38.
Wieland M., Die Karthauſe Oftheim und ihre Bewohner. I. Die Karthauſe
Oſtheim. II. Die Rarthäufer in Oſtheim 1413—1790. — Regeften 1413— 1608.
Aumrhein A., Gejchichte des chemaligen Benediktinerkloſters Holzlirden.
Reihenfolge der Pröbſte bis 1802. Konventuale (aus den Urkunden) bis 1805.
Göbl S., Zur Gejdjichte der Prejfe in Würzburg bis zum Jahre 1816.
I. Tas Würzburger ntelligenzblatt. A. Entftehung und Fortgang. Plan des Buch—
händlers Fuggart oder Fuckert aus Innsbruck im Jahre 1728, die Einrichtung
der Kundſchaftszettel un Würzburg einzuführen. Grindung dev „Hodj- Fürftlich- Mürz-
burgtichen Wochentlichen Frage und Anzeigungs-Nachrichten” durch die jüdiichen
Berger Hirſch Schmuhl und Schmuhl Jonas aus Heidingsfeld, ſowie Fauſt
Kaulbach aus Heidelberg 1749. Als Verleger zeichnen: 1750-1763 Winther,
1753— 1761 Johann Michael Ztapf, 1761—1762 der Faktor Kohles in der
Kleyerſchen Buchhandlung, 1762—1767 Ztabel, daun Göbhard; jpäter Rinner
bis 1801; 1801—1803 Scharold, jpäter Bonitas- Bauer. Der Titel wechjelt:
von 1786 ab: „Wirzburger Antelligenzblatt”. — B. Das ntelligenzblatt als Ge—
ſchichtsquelle. — G. Tas Intelligenzblatt unter Cenſur. — I. Die Anfänge der
politijchen Preſſe in Würzburg. Pläne von dem Buchdruderr Haus Wilhelm
Baumann 116881, von Bonifazius Schampöckhel aus München (1743), von
Blanc (17871, von M. Wolf (1795), von dem Iniverjtäts-Auchdruder ran;
Eruſt Nitribitt 117951. 1804 wird von Prof. Wiebe die „Fränkiſche Staats—
und Gelehrten Zeitung“ gegründet, die bald darauf Eigentinn des Buchhändlers
Stahel wurde und als „Neue Würzburger Zeitung“ noch heute bejteht. — Beilage I.
Avertissement. Tie neu aufzilegende jogenannte Fürſtt. Wirtzburgiſche Anfrag:
und Anzeigungs Nachrichten betreffend. 20. Dezember 1748. (Nat) einem gleid)-
zeitigen Trude im f. Kreisarchive Würzburg.) -- Beilage H. Protokoll des Würz—
burger Gebrechenamts vom 30. Oktober 1792, die Mainzer Zeitung und bejonders
das neue Vebenblatt, dev Bürger Freund, betverfend.
Weſtdeutſche Zeitfchrift für Geſchichte und Nut. IX. Ergänzungsheft.
Reich D., Erasmus von Motterdam. Unterſuchungen zu ſeinem Briefwechſel
und Leben in den Jahren 1500 1518.
Zeitſchrift des Weſtpreußiſchen Geſchichtsvereins. Heft 35.
Inhaltsverzeichnis dev Jeitſchrift. Heft 1-35.
Württenbergiſche Uenjahrsblätter. RNeue Folge. 2. Blatt. 1897.
Eggert &, Oberamtmann Schäffer von Sulz. Ein Zeit und Lebensbild aus
dem Ende des vorigen Jahrhunderts.
Ueujahrsblatt der Stadtbibliothet Zürich auf das Jahr 1896.
Eſcher E., Johann Martin Uſteris dichteriſcher und künſtleriſcher Nachlaß.
Deutſcher Riuſen-Almanach für das Jahr 1897. Blätter neuer deutſcher
Litteratur und Kunſt. Herausgegeben von Wilhelm Arent.
Tas Märchen von Glück. Ans den Moskaner Leuz-Nachlaß.) „Yebe wohl,
Manſarden Zimmer.“
Jultius W. Brann. Em Nachruf aus der Feder dev Gemahlin des ver—
ſtorbenen Schriftſtellers.
Ernſt Wilhelm Ackermann. Zwei Bilder. (Aus Maler-Dämon.) Novelle
und Gedichte. Vgl. Ackermanns Nachlaß. Leipzig 1848. Gebrüder Reichenbach.
Braun Aut IE, Zchilter in Bauerbach. Dritter Akt. Vierte Scene.
420 ibtiograpbie. 1. Jeitichriften.
Deutfcye Rundſchau.
April — Juni. Fontane Th. Ter Tunnel fiber der Zprec. Aus dein Berliner
litterariichen Yeben der vierziger und fiinfziger Jahre. 1. Ter Tumel, feine
Mitglieder und feine Einrichtungen. — 2. Mein Eintritt in den Tunnel. Sraf
Morie Ztrahwig. — 3. Franz Nugler. — Paul Heyfe — Friedrich
Eggers. — Richard Yucae. — Wollbein da Fonſeca. -- 4. Theodor
Storm. Mit Briefen Storms an Fontane. Huſum, 23. März 1853. Üüber feine
Novelle „Tas grüne Blatt“. „Ach war damit befchäftigt, es in Heramcter
umzufchreiben und babe bei dieſem schließlich wieder aufgegebenen Umarbeitungs-
verſuch altes Urteil über meine Arbeit verloren.” -— Huſum, Cftermontag 18883.
„as grüne Blatt.” Devices „Francesca von Nimini“. Roquette. Kleiſts
ZJerbrocdhener Nrug. -- Huſum, 5. Juni 1803. „Las Pflanzenartige in meiner
Natur.“ — Hinm, 25. Juli 1853. „Hiatus.“ Uber feine Stellung zwiſchen
Moerite und Heine. -- S. 220 f. Ein undatierter Brief über fein Gedicht
„Geſchwiſterliebe“. 5. Veo Goldammer. Schulrat Metbfeffel. George
Heſekiel.
April. Grimm H., Vettinas fetter Beſuch bei Goethe. Ausführlicher
Vrief Aettinas am ihre Nichte Sophie Vrentano nach Frankfurt über ihren
Reich bei Goethe im Juli 1824. Vebendige Schilderung des Goethiſchen Weſens.
Zahlreiche ieiner Ausſprüche genau wiedergegeben. Wichtig beſonders über ſein Ber
hältnis zu Frankfurt. H. Gramm verlegt in Die Zeit dieſes Reſuches Die non Ruland
rublizierte Tchmetteriſche Zeichnung Vettinas
ar Grimm H, Tas zweihundertiahrige VBeſtehen der königlichen Akademie
der Künſte zu Berlin Annſthiſtoriiche Vetrachtungen. J Griechiſche Schönheit.
1 Franzoſiſiche Eleganz. III Tier heutige dentiche Kunſt IV Die Zutunft.
Schmidt Erich, Karl Immermann
Juni Hausrath A., Vuthers erſtes Verhör zu Vorms
Meyer R. De, Ter Kampf um den Einzelnen
Se Auguſt. Friedlander Y, Mus Königsberger Gelehrtenkreifen.
Im Auſchluſß an das Buch von Prus Die königl. Albertus Umveritit zu Königs
bergen P. m 19. Jahrhundert und an den von A Ludwich herausgegebenen Aus
gewählten Briciwechiel von und an Chr N Yobed und N. Lehrs. Geiſtreiche
Charalteriſtilen zahlreicher farm die Weſchiihte der Unwerũütät und des geiſtigen
vebens in Konigshberg michtigen Perſönlichketen: auch mit VBenußfung von Familien
papieren, Alten des Nontagkränzchens sc. Ein ungedruckter Brut von Bismarck
an Profeſſor Neumanung 18. April 1892.
Auguſt. Schöne A, Tie Emmeihnug des Goethe Schiller Archive zu
Weimar am 28. Juni 1896
Erimm H, Fand Curtius. 7 11. Sul 1806. Ein Brief an ſeine Freunde.
September. Rabbel pr, Die Dentiche Yandichait.
röbl E, Tie Taacsprefie m ihren Veziemugen zum geiſtigen veben der
GBegenwart
Wegener 18, Ein verſchollenes Yu. Elnza Willes „Johannes Tlaf“.
Oltober Tezeuber Aus den Tagebüchern Theodor von Bernbardisl li.
I. Im Mat 1866. IT Italien ber Ausbruch des Krieges. TIL TV. Im ttaltenischen
Hauptauartier Juni 1866
Oltober Kovenber. Vaillen KR, Heiurich Treitöchte. Briefe on G. Freytag,
an Jolty, » Sybel, v. v. Ranke, an Frau von Treiticte.
November. Schmidt Erich, KRlateus Selbſtbekenntniſſe.
DTezember EGrimm D., JIutran Schmidt der Litterarwiſtoriker.
Suphan B, VKon der Grimm eier zu Hanau. Kt Brief an den Heraus
geher der „Teutichen Rundſchau
Beneralregrſter su BD dt a0 NE XX Janmgang
1896. 421
Nord nnd Süd.
April. Glücksmann H., Rudolf Yothar.
Mai. Wagner 9., Dalberg am Hofe Napoleons 1.
uni. Brachvogel U, Oswald Ottendorfer und feine deutjch-amerifanifche
Zeitungs Scyöpfung.
Bor E., Ein Urbild von Goethes „Wahlvermwandtjchaften“ Bon
Groos' Schrift „Friedrich Ereuzer und Saroline von Glinderode” ausgehend,
ſucht Wolff Caroline als das Urbild der Ottilie in den Wahlverwandtſchaften zu
erweisen; es jeien Berichte fiber fie an Goethe gelangt.
Inli. Deeisner H., Ernft Moritz Arndt und Charlotte Quiſtorp. Neue
biographijche Beiträge. Die Gefhichte von Arndts erfter Ehe auf Grund unbelannter
Briefichaften.
Tftober. Kronenberg M., Ludwig Bamberger.
Schjelderup G., Roman, Drama und Mufitdrama.
November. Jacobowoti v., J. G Fiſcher. Eine Studie. I. Yeben und Werte.
II. Der Dichter. IH. Sein til.
Dentſche Revue.
April. Epften 2. Z., Hermann von Helmbholß als Menſch und Gelehrter.
Schloſſar A., Ungedrudte Briefe Anaſtaſius Grüns. Anaſtaſius Grün
und Guſtav Schwab. II. 1. Wien, 21. Februar 1834. „Fünf Oſtern.“
„Blätter der vLiebe.“ — 2. Thurn am Hart, 2. April 1835. Über den Tod des
Kaiſer Franz. — 3. Thurn am Hart, 14. November 1836. Beitrag zum Eciller-
album. Rückerts „Lehrgedicht“. — 4. Thum am Hart, 22. Auguft 1837.
Yenaus Savonarola „Dogmatik in Verſen.“ — 5. Thurn am Hart, 12. Juni
1339. lage über die Zenſurverhältniſſe. — 6. Thurn am Dart, 19. April 1840.
Über den dritten Band von Schwabs „klaſſiſchen“ Sagen. — 7. Thurn am
Hart, 10. Juli 1843. „Nibelungen im Frack.“ Aber die publiziſtiſchen Angriffe
wegen feiner angeblichen Geſinnungsänderung.
Juni— Zeptember. Poſchinger H. von, Fürſt Bismarck und der Bundesrat des
Norddeutſchen Bundes.
Juli — September. Henrici, Aus den Lebeuserinnerungen eines Schleswig—
Holſteiners.
Juli. Rcuß E. Hans von Bülow über den Tannhäuſer in Paris.
Her, Die Rocjie um Recht.
Auguſt. September. Lemmermeyer F., Perſönliche Erimmerungen an Robert
Hamerling.
Pfiſter A, Ter Untergang der Vützower bei Kitzen.
Auguſt. Wiedemann Tb., Yeopold von Ranke und Varnhagen von En ec
vor Rankes italienischer Reiſe. Mit Briefen Nanfes an Spener und Varnhagen.
September. Reinecke C., Erinnerungen an Robert Schumann.
November. Po'chinger 9. von, Fürſt Bismarck und der Bundesrat des deutjchen
Jollvereins.
Waſielewski W. J. v., Am Rhein. Aus Waſielewskis Lebenserinnerungen.
Dir einem Brief von Schumann aus den Jahre 1852.
Dezember. Melser H., Ernft Moriß Arndt im Parlament.
Vreuhilce Jahrbücher,
April. Deilbrück H, Friedrich dev Große und der Urjprung des ſiebenjährigen
Krieges —* Raudès Buch, Band 1.
von Pt, Florian Geyer. „Ich beabſichtige nichts weiter als feitzuftellen,
was in den Quellen, ſoweit fie gedrudt find, über den fränkiſchen Ritter überliefert
iſt, der ſeit (Seneratiouen ein Liebling unſerer romautiſchen Poeten war.“
Mai. Künkter H., David Friedrich Strauß' Briefe.
422 Bibliographie. 1. Jeitichriften.
Rößler C, Tas Iajiorätjel. 1,ylicher M., (Hoetbes Taſſo. Hermann Grimms
Auf atz. | Deutiche Ruudſchau. November 1802. Rielſchowsty: Goethe.)
Juni. Yenz M., Heinrich von Treitſchke. Anſprache an die Berliner
Ztudentenichaft ‚bei ihrer Trauerfeier am 17. Mat 1896.
Rachfahl F. Karl vVamprecht: Alte und neue Hichtungen in dev Geichichts
wiſſenſchaft.
Vielſchows?!) N, Ju Rößlers „Taſſorätſjel“.
Juli -Tftober. Xantbippus, Gute alte deutſche Sprüche. Ausgeleſen und
erläutert für Schule und Haus.
Juli. Müller H., Erinnernngen an die älteſten Zeiten der königlichen Alademie
dev Küuſte zu Berlin.
ktober. Meinardus T., Die vegenden vom Grafen Zchwar; zenberg.
Dezember. Broicher Charlotte, Erinnerungen an Erititt Curtius. Pit unge
druckten Gedichten von Curtius.
Neue deutſche Rundſchau.
November. Servaes AU, Goethe am Ausgang des Jahrhunderts. Ein Epilog
zu den jüngſt erichienenen Biographien.
Heckel K, Dans von Pillows ‘lan vınes deutſichen Nationaltheaters. Mit
Ariefen Riltoos aus dem Jahre 1872.
Monatoſchrift fir Mene Litteratur u Run. Heit I. Ottober.
Sur Enführung
Osborn Mi, Die neue Kunſt.
Düiel 5, Tetlev von viliencron IL.
voeweufeld DS, Danthesieinidaft ud Muſiklritik.
Baerwald U, Tie Begabung für künſtleriiche Nut l.
Ueue Litterarifde Blätter. Wonatsichriie jur Freunde zeitgendilticher
vitteratur und Kunſte. Jargang 5. Heft1
Cisler I, Tas Weſen der Kunſi
Rleibtren N, Tie dentiche Yırt var in dev Gegeuwart
Yangauth, Wielands „Boldner Spregel“
Weſtermanne JIllnitrierte Teutiche Monatshefte.
April. Rai Teiler DM, Tas Kunitgefühl dev Gegenwart 1. Der
Naturalimus ? Tier Umſchwung um Dev Litteratur. 3. Der Fortſchrut ar den
bildenden Kunſten und in Dev Pant 4 Tie neuen Ideale im Zuſammenhang des
iReiſteslebeus
Mar Pre O, Andrea«s Zchluter
Betas IE, Cm Demmin Liederdichtes Graf Albert von Schlippen
Wach Iso 1886,
Inin Schroder A. So then Berti md Potsdam
Augun September Meran og 8, Albrecht Türer Ein Rimnſtlerbildnis.
Angun Sm Y, Ohto Roauette
zutimbe Polo Eliſe, Aus Tuſreldoris Glauzzeit Eine Slizze.
Frendenterg I Ein marlucher Adeyt Yoonbard Thurieniier, geboren 1530.
Dltoaber November Mn 8, Tie Präñdenten des deutichen Neichetags
Erinnerungen und Skizzen
Olktober Koldewen Ju, Soadım Heinrich Campe
Rovember Stamper 8, Heinrich von Treitichte
Velhagen 8 Blainge Wonatshefte.
November DUEN, Alerpander von Koverts 7 dent September IN06:.
Dom £ele zu m AMeer. Jahrgaug 15. Heit 15
Z, Briefe Veritorbener Ein Brici Inſtuns verners Au Prälat von
Nenarklen 1537 2 Uber die Seherin von Prevorit
1896. 423
heimgarten.
April. Mai. Roſegger K., Anna. Ein Andenken aus vergangenen Tagen.
Uber ſeine erſte Gattin.
April. Reiterer K, Bauernhumor aus dem Eunsthale.
Ein „alter Schutzbrief“ für Mariazell (1429).
Mai. Rloſegger], Beſuch bei einem guten Kameraden. Am Grabe Anzen-
grubers.
d. Sn, Bezeichnungen des Weibes.
Kult. Rabenlechner M. D., Aus Hamerlings Gymnafatzeit. Mitteilungen.
Tagebuchnotizen. Gereimte Schulaufſätze.
Neumann Strela, Goethe im Kreiſe jener Familie. (Aus der Täüglichen
Rundichau.)
Reiterer K, Jugendjprüce. Aus den Ennsthaler Alpen gefammelt.
Schukowitz H., „Sfatter- Bitten“. (Aus der Zeitichrift fiir öfterreichiiche Volks—
hunde.) Beiſatz von R.
Sum. Roſegger, Wie ich meine Schriften zu verbeffern ſuche. Antivort-
jchreiben an einen Litteraten.
Dezember. Rabenlechner DE D., Bon Hamerlings Aufenthalt im Süden.
Mitteilungen. Bebandelt vorwiegend den Aufenthatt in Trieft und Venedig.
Zpanier M., Tie Jungen. Etwas von Sturm und Drang. („In eben:
ſächlichem etwas gekürzt“ dev Zeitſchrift „Die Kritik“ entnommen.)
Immergrün. Zcptember.
Baueruhochzeiten in Oberſchwaben.
Ofſterreichiſch Angariſche Revne. Jahrgang 10. Band 19.
Heft 4. Radies P. von, Johann Weikhard Freiherr von Valvaſor.
Heft 56. Guglia E, Arneth über Schmerling.
N. R., Ein ſiebenbürgiſcher Forſcher. Yudwig Reiſſenberger. 1819-—1895.
Ueue Bahnen. Jahrgang 6. Heft 10.
Hildebrand: Heft. Bearbeitet von R. Dietrich.
Univerfum. Jahrgang 13. Heft 2.
Buſſe, Platten.
Das zwanzigſte Jahrhundert. Jahrgang 7. Heft 3.
Naaff IC. %., Ter Weihnachtsfeſtkreis ın Brauch und Zitte.
Die Aluſen. Monatshefte fir Produktion und Kritik.
Heft 5. Tüdtliche Triebe. Em Fragment. Aus dem Nachtaß Grillparzers.
Sinnloſe Myſtification
[rent Wel, Freiherr von Sonnenberg (1779 - -- 22. November 1805).
Heft 6. Arent W.el, Berichollene Tichter. Quellenmaterial zu einer Anthologie.
Auguſt Freſenius. J. G. Wetzel, J. Wi. Freiherr von Sonnenberg.
Deutſche Dramaturgie. Jahrgang 2.
Nr. band 5. Nicchbad, Goethebetrachtungen.
Nr. 6. Valentin B., Die Seenerie des Prologs im Himmel in Goethes
Fauſt.
Nr. 7. 8. Bormaun WW, Der Shakeſpeareforſcher Eduard Wilhelm
Sievers.
Nr. 8. 9. Wittowstki G., Der tragiſche Einakter.
Nr. 12. Iſolani E., Goethe als Yehrer der Schauſpielkunſt.
Cosmopolis.
Juni. Hobbes J. O., The case against Goethe.
Auguſt. Meyſenbug Malvida von, Genius und Welt (Briefe von Richard
Wagner;.
Septeniber. Mezieres, Lessing.
424 Bibliographie. 1. Seitichriften.
Tktober. Miller War, Musical Recollections.
‚sontane Th., Der achtzehnte März.
venz M., Jahrhunderts: Ende vor hundert Jahren und jebt.
Te,einber. Müller Max. Literary Recollections.
Revne des deux Mander.
1 Janvier. Valbert G., David Friedrich Strauss et za correspondance.
ı Fevrier. Valbert G., La jeunesse de Frederie Nietzsche.
25 Mai. Thorel J., La puesie et lex poctes eontemporain= en Allemagne.
15 Juin. Goyau G. La Carte relizieuse de FAlleinagne contemporaine.
C. Senil.
Nonvolle Rovue. 16 arril.
Un foyer de realisme en Allemagne. Senil.
Rerne Bloue. 15 ferrier
Besson P., La jeunesse de Goethe.
Nuova Antologia. Anno XXXI.
Gorra E, In Dramma di Federiro Schlesel ıAlarcosı.
( del Lunge, Goethe scienziato
La Cultura. Nuova Serie Anno XV. Nr. 11.
Rosmini (G.. X. Far: F. A. Lange e il Materialisino
Tho Forum. 1890.
„ai. Rein We. Per-talozzi and Ilerbart
COltober Solin 4. Robert Selumann a lyrieal poet.
Ranee LH. The study of tolklore
Sierns Fitterariſches Bulletin der Achwei;. Jahrgang 5
Nr 1.? Fald P, Eme neut Auregabe des Parlaemonmum Germanieum
von MN Yen, Eine Ergänzungsſtudie.
Kr. 5. Fels MM, Som Monolog
Jr. 6. bel 8, Platen, zzum bundertitsa (9 ynrtstag Mus der „Jeit“
Nr. 108. 109.1
Deniſche Dichtung.
Band 29 ft 1.5 12 Band 21 Heft 1-4. 6 7 Aus umngedrudten
Aricfen Anaſtaſrus Grüns und vudwig Anquſi Frankls.
VBand 20. Heft 1 Hand 21. Heft 1 Die Weſchichte Des Eritlingswerlks.
Roberto A. Baron von, Meine Erſtlinge. Wolzogen E von, Meine erſie
Novelle
Hand 20. Seit 1--$ 7. LArronge A, Teutiches Theater uud dentſche
Schaufpielkunſt
Heft 1. ME Ftrauzos, Nachr.ie an Otio Moquette und Huacinth
Wäckerle
Heft 0. 11. Safer Gr 14 Jani 1806, Gedichte
. Band 21 Seit 3. Vteyer HM, Vom Schuttetreim
Offerreichiſches Litteraturblatt. Jahrgang 5.
Nr 7 Rage‘ W, Piifter: Idiotikon von Bellen
Hr 8 Minor, Bamberg: Friedrich Hebbels VRriefwechiel Weiſt auf Die
zerſireut gedruckten Briefe bu md zieht auf Grund wer Vergleichung einzelner
Briefe mit früheren Truchen die Genauigkeit Des Tertes in Zweifel
Nr. 90 Minor I, Weſtphal: Allgemeine Betril der indogermaniſchen und
ſemitiſchen Wolle
Minor I, Waldmann: venz ın Briefe
Kr 10 Wackernell J. E, Reich: Grillparzers Trauien
NT 11 Minor N, Altenkrüger: FIr NRicolaus Jugendſchriften
. Senil.
1896. 425
*l., Sucher: : Sie kirchliche Dichtung, vornehmlich in Deutfchland.
Piffl R., Leſſings Laokoon, herausgegeben von J. Pölzl.
Diner, Erklärung. Gegen M. Herrmann.
Nr. 12. Minor %, Friedrich Creuzer und Karoline von Günderode;
Jeep: Karoline von Günderode.
Kr. 13. Schönbach N. E., Hübner: J. Grimm und das deutjche Recht.
Deituitan D., Erklärung. — Minor %., Entgegnung.
Nr. 16. , Bernays: Schriften I.
Nagl X. a Heyne: Deutfches Wörterbuch. TI. Band.
Ar. 19. Minor, Devrient: Rohann Friedrich Schönemann.
Jr. 20. Nagl J. W., Hörmann: Biographiſch-kritiſche Beiträge zur Dialekt:
litteratur.
Blätter für litterariſche Unterhaltung.
Wr. 17. Opitz R. Karl J mmermann.
Ar. 25. Mogk E., Die Sage von Kaiſer Friedrich im Kyffhäuſer.
Nr. 38. Opitz R. Adalbert Stifter.
Nr. 40. Heinemann K., waroline von Sünderode.
Nr. 42. Jacobowski OR Karl Spindler.
Jr. 44. Opitz NR, Auguſt von Platen. (Zum 24. Tftober 1896.)
Kr. 48. Brandt v. O., Friedrich Yıft. (Zum 30. November 1896.)
Die Grensboten.
Nr. 12. Heil A, Iertbearbeitungen muſikaliſcher Meifteriverte.
Nr. 19. Heinrich von Treitſchke.
Nr. 20. Ernft A. W, Lenau umd Sophie Schwab. Dit ungedrudten
Briefen Yenaus. Wichtige Publication, obgleid) einzelne Briefe nur im Auszuge
wiedergegeben werden. Lenaus Briefe an die Familie Schwab ſtammen aus dem
Jahre 1831.52; am wichtigſten ein langer Brief aus Heidelberg, 11/12. November
1831 mit einer ausführlichen Selbſtcharakteriſtik („ich halte mich für eine fatale
Abnormität dev Menſchennatur, und darin mag es liegen, daß ich mir meinen
Untergang mut einer Art wollüſtigen Grauens denke“). Lenaus Briefe werden ergänzt
durch ausführliche Berichte von Frau Sophie Schwab an ihre Freundin Lucie
Meier in Bremen über Yenaus Aufenthalt im Schwabifchen Haufe und über fein
Verhältnis zu Yotte Gmelin.
Wr. 23. 25. 32. 38. Yeipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahr:
hunderts. Mit beinerkenswerten neuen Mitteilungen über Yeipziger Pitteraten.
Ar. 23. Tie Recenfion über Petzet: Uz und über die Immermann—
Gedächtnisſchrift ergänzt R. M. Meyers Artikel über das Tulifäntchen in einer
Kleinigkeit, indem fir einen Gedanken Immermanns in den Epigonen über Lichten—
berg auf Juſtus Möjer zurückleitet.
Nr. 3137. Bartels A, Die Alten und die Jungen. Ein Beitrag zur
deutichen Yitteraturgejchichte der Gegenwart.
Ar. 37. Braffunder P. Ballade und Nomanze.
Nr. 38. Elijaberh Charlotte als Philoſophin.
Ar. 39. Tevrient Louiſe, Ungedruckte Briefe Seumes.
Albert Dulk.
ir. 50. Ziie ann G., Aus Clara Schumanns Brautzeit. Nach den Alten
des gegen Wieck geführten Prozeſſes mit Briefen von Schumann und ſeiner Braut.
Deutſches Wochenblatt. Jahrgang 9.
Nr. 16. Pröll K, Joſef Rank 7
Nr. 21. Matthaei G., Deutſche Sprachreinigung im Jahre 1813. Im
Anſchluß an die Beſprechung des Ruſſiſch-deutſchen Volksblattes.
426 Bibliographie. 1. Jeitichriftei.
Nr. 23. Steig R. Ein Schreiben Jacob Grimms über die Frage: was
bedeutet: „binnen acht Tagen“? An den Tbertribunalrat Blumentbal. Berlin,
29. Juni 1855.
Nr. 26-—28. Meister H., 3wei ungedrudte Borträge von C. G. Svarez.
Aug der Mirmvochgeiellichaft. I. Borjchläge zu enfurgeiegen. Borgelejen am
5. Mai 1784. - - IL. Über die Befreiung von Ztaatsabgaben, infofern diefelbe als
ein Privilegumm gewiſſer Ztände im Ztaate betrachtet wird. Borgelefen am 21. Te:
zeniber 1792.
Kr. 33. 31. Wornicelus DI, Klaus Groth.
Kr. 37. Steig R., Georg Perwegh.
Nr. 39. M. ZN. Steig!, Stoll: Der Weichichtichreiber Friedrich Wilken.
Nr. 40. Steig R, Karl Immermann.
Kr. 47. 48. Cornicelius M., Keller und Böcklin.
Kr 49. Wolzogen H. von, Gedanken über deutiche Muſit und Ballade.
Im Anschluß an die Hundertjahrsfeier Karl Yöwes.
Ar. 5152. Naufnamı G., Treitichfes Teiche Weichichte und der Rorwurf
der Tendenz. Vortrag.
Nr. 51. Koch Be, zuſchruüt Gegen E. Schmidts Artikel, Guſtav Freytag als
Krivatdocent, oben Z 91 m.
Die Nation.
Jahrgang 13. 1895096. Nr. 25.2306. Seller v., Goethe und Carlule.
Kr. 27 28 Meyer IE DE, Ter Engländer ın der deutichen Yitteranur.
Yr. 20. ***, tan Freytag md ſeine Ermnerungen an den Nron
oruzen Friedrech nad O Lorenz Segen deiien Artikeleim der Allgemeinen Zeitung
Ar. 31 *75, Heinrich von Treitichke
Kr. 34 Ziegler Ib, Jahresberichte inr neuere deutiche Litteraturgeſchichte.
Jahrgang IE 1806.07. Ar 5 Zaun tb, Zur Geichichte des Philhelle
nismus Uber Arnolds Aufn im zweiten Erganzungoheft des Euphorion.
Ar 8Seweit A, Te Tinerseie m veſſingo Minna von Barnheim.
Kr 0 Schlenther R, Trachäen, Trüumeter und Yındous „Abend“,
Das Magasin »in Litteratur.
kr 12 Vleibtren K, Tas ‘Nationale tn der Bode.
Kr 13 Zpiethagen 5, Tier Wablverwandticaften und Effi Brieſt
Kine litterarhiſtortiche Ztudie
x E, Otto Roquette.
Kr. 19 Falle G, Lvyriſche Tichtung und neuere Deutiche York ı Beier.
Kr. A1. Ring De, elite Schmidit Wine Erinnerung.
Vleibtreu N, Tie Zukunit des Tramas Wolfii, Weſchichte der deutſchen
vitteratur in Dev Gegenwart
Kr 49 Harnact E, Tas Vroblem dev Bererbung ın Schillers „Braut
von Prerisiita”
Die Gegenwart.
Kr 12 18 Nabe I, Te Teufel in dir Korite
Kr 15 Büchner Y, Otto Roquette.
Kr 16 Weiß A, Charles Sealsfteld Koitt und Wırliparsen Zeit
Div Grillparzer betreffende Stelle aus der Flugichrut Austria as at is me und
wert nad, daß Roſtl weder mit Grillparzers Verhaltuiſſen näher vertraut war,
noch deſſen dramatiſcher Thatigkeit beionderes Kerſtändnie entgegenbrachte.
Kr 17. Albfällige Recenſon der „Weichichte der deutſchen Litteratur“ non
Node Geichenkausgabe
Kr iR Semiarthe We Peſtalozzi uber ſich ſelbſt Ungedrucktes Anfang
tea daten ber ſeine KVahnehmungen und Vedaulen wahrend jemer Nrantheit
1896. 427
1812. Wahrſcheinlich cin Bruchſtück der fange ſchon gefuchten Schrift „Der kranke
Peſtalozzi an dag gefunde Publitum“.
Nr. 19. 20. Seliger P, Immermanns Bühnenleitung in Düſſeldorf. Zu
ſeinem hundertjährigen Geburtstage.
Nr. 19. Zuppinger K., Gottfried Keller als Maler.
Nr. 23. Trinius W., Geineinde Gabelbach und ihre Dichter.
Nr. 29. Ein ſocialpolitiſches Geſpräch zwiſchen Goethe und Eckermann
Satire).
Jr. 33. Nein W., Goethe als Erzieher.
Nr. 58. Ernſt A. W., Zwei ungedrudte Briefe Yenaus. An Schwab,
Heidelberg, Samstag, 5. November 1831. — An Sophie und Guſtav Schwab,
Heidelberg, angefangen Freitag, am 11. November, geendet Samstag, den 12. No—
vember 1831.
Kr. 40. Aus Georg Herweghs Nachlaß. Mitgeteilt von einem Freunde
des Dichters. Tihter amd Ztaat 11843). — Spießbürgers reiheitslieder I—1V
(18433. — Notizen aus den Taſchenbüchern (1848). — Die dentſchen, Profeſſoren.
Eine zoologiſche Abhandlung 118391. — Polemik (Gedicht) 1850. — über Demo—
kratie a0
Ar. Berg V., Einererfolge. Ein Beitrag zur Pſychologie des Erfolges.
— Vuͤchner über ſich ſelbſt.
Nr. 42. Niejahr J., Über philologiſche und pſychologiſche Kritik (Abdruck
aus Niejahrs Artikel, Euphorion 3, 652 fi.).
Nr. 43. Zolluig Th., In (Heorg Herweghs GChrenrettung. (Im Anſchluß
an ſeinen Briefwechſel.
Nr. 46. Kleinpaul, Fremde Wörter in unſerer Sprache.
Herwegh Georg, Zwei Balladen in Proſa. J. Die Reiherbeize. — Aus dem
Portefenille eines Freundes. Jugendarbeiten (1838) aus den ungedruckten Nachlaß
des Dichters.
Nr. 50. Zolling Th., vVaſſalle, Herwegh und die Socialdemokratie. Im
Anſchluß au das Buch „F. Laſſalles Briefe an G. Herwegh“ vergleicht Jolling
Herweghs „Bundeslied für den Allgemeinen deutſchen Arbeiterverein“ mit deſſen
angeblichem Original, Shelleys Gedicht „Au Englands Männer“, und weiſt —
auch durch einen Brief von Herweghs Witwe - das diejent zugejchriebene Gedicht
„Am Grabe Ferdinand Yaflalles“ „„Wohl mag den Blick ein Tranerflor umfangen“
als apokryph nad).
Die Zukunft. Jahrgang 4.
Nr. 28. M. 9. |. Barden), Hebbels Judith.
Nr. 35. Jodl F, Muſik und Metaphyſik.
Jahrgang 5. Nr. 1. Nietzſche F., Gedanken aus der Jeit der Morgenröthe
1880).
Kr. 3. Tille A, Karh Adolf Buchheim(geboren in Mähren 22. Januar 1828)
Kr. 4. Spielhagen F., Die epiſche Dichtung im Zeichen des Verkehrs.
Nr. 6. 7. Lamprecht K., Geſchichtwiſſenſchaftliche Probleme der Gegenwart.
Nr. 7. M. N [M. Harden, Theodor Zchiemann.
Ar. 8. Di. 9. [DM. Harden], Herr Brofejjor Schiemann.
Ar. 9. Holz“ Arno, Zelbftanzeige feines Dramas Zozialariftotraten. Yitterar
nitorijch wichtig. Er nimmt die Zchaffung des neuen Bühnenjpiels für die von
ihm und Schlaf herausgegebenen Neuen Gleiſe in Anſpruch.
Die Zeit.
Nr. 76. Servaes Ar., Nietzſche, Wagner und Hellas.
Bahr H., Alfred Freiherr von Berger.
Nr. 77. 78. Muther R., Das geihichtlih „Schöne“ in jenen Gegenſätzen.
Yr. 83. Taun Bergler O., Joſef Raufk.
428 Pibliographir. 1. Jeitichriften.
Hank J. Aus dem Elternbaus, Erinnerungen.
Nr. 92. Anaſtaſius Gruͤn als Politiker. ılingedrudte Briefe des Grafen
Anton Auersperg.) An Frankl
RNr. 108. 109. Ubell H, Platten. Zum bundertiten ($eburtstag. ı
Nr. 112 114. Zervacs F, Jung- Berlin. Zeyn Jahre Yıtteratur- Bewegung.
Nr. 116. Meyer Richard Ve., Tie „Ewige Yanıpe“. Berliuer Cppofit.ous-
blatt aus dem Jahre 1848 herausgegeben von Tr. Arthur Wueller.
Neue Beune. Jahrgang 7.
Nr. 10. Pauli P., Heiurich von Treitichke.
xt. 41-52. Müüller Guttenbrunn A, Das Naımund- Theater. Paſſions
geſchichte einer deutichen Volkobühne.
Dentſches Dichterheim XVI, 20
Platen Gedichte vor K. Beyer, Ella Durichla und Anderen.
Ethiſche Cultur. Jahrgang 4. Nr. 47 48.
Mener R. De, Yellıngs dogmatiiche Ztellung tm ‚ragntentenftre.t
Die Gartenlanbe.
Ar. 35—38. Proelß J., Friv Neuters Irzeie an Seine Braut. Rach dei
Triginalen im Nachlaß dev Witwe.
Nr. 45. Ein Künſtlerſchickſal und jene Zühne Aus den Payieren eines allen
Weimaraners.
Kr. 48. Proelz N, Mus Karl Vogts Jrgendert
Ylufrierte Zeitung.
Vand 106 Nr. 2757
Kolhnet MU, Kar! Immermann und die ya cv
Vand 107. Nr IT.
Koppel E. Auguſt Graf von Flaten Hatte.:und
Daheim. Jahrgaug 33. ir 5
Fuchs N, Anuguſt Graif von Platen zhur 166zahr gen Gedenlferer ieines
Geburts!ages
Das Land. Jahrgang 5
Kr ı Glillhojij, Tas Brot ım Bollsglauben
Ar 2 Reichhardt, Kirchwerh mn Rordthüringen
Aus deufſchen Bergen. Jahrgang 11
Heft 6 Klapper Mirza, Neuichloß md ieine Sagen
Haudeck J, Vollstypen aus dem Erzgebirge
Heit 7 und 8 Völcher F. O, Reiſen md Wandern im deuntſchen Bottle
mund.
Die Wacht. Sahrgang © Air. 15
Ir Moſengeil Feſtrede
Die Moſengeinfeier in Memingen
Wanderhlied von Möojengeil.
WMontags-Beune Wien ir 14 und 26 6 April und 20 Jun 13u5.
Veer R, Unperoftentlichte Brieſe Ekermanns an eme Freundiu
cTiroler Wochenſchrift. Jahrgangen
Kr 7.15 November: Jung, Tre:tichte
tr 12 20 Tezember Pichler A, Tas Bogner Yurgele. Gedichte von Wal
burga Schirndel, Bir Techter dis Wutes ven Abiam, geboren 1825, geitorbeu
so Ai 1872 zu Nucnnmt
Litterariſches Centralblatt.
Kr 23 Enders: \olamı Ebertin von wunzhurg, Ausgewänlte Schriften
Frl Mi Tertwerbeiierungen
1896. 429
Nr. 30. Scherer: Karl Müllenboff.
Nr. 50. C. [Ereizenah], Warkentin: Fauftdichtungen. Vermißt vor allem
die Erwähnung Schmieders.
c [Sreizenadj], Michels: Studien über die älteften deutfhen Faſtnacht⸗
jpiele.
Deutfche Zitteraturgeitung.
Nr. 18. Kamwerau ©., Enders: Johann Eberlin von Günzburg. Aus-
gewählte Schriften. Mit Ergänzungen zu dem XTerte und zu den Anmerkungen.
Ar. 20. Martin E., Stöber-Mündel: Die Sagen des Elſaſſes. Über die
Zage vom Rieſenfräulein auf Nieded und deren erfte dichterifche Bearbeitung
durch Charlotte Engelhardt.
Nr. 28. Kawerau G., Uhl: Thomas Murner, Die Gäuchmatt.
Ar. 32. Munder F., Fragmente des Wolfenbüttelfchen Ungenannten. Heraus⸗
gegeben von Leſſing.
Ar. 43. Herrmann M., Schnorr von Carolsfeld: Erasmus Alberus
(abfprechend).
Bniower O., Wolff: Geſchichte der deutfchen Fitteratur der Gegen-
wart (ablehnend).
Kr. 45. Minor J., Eifenberg: Adolf Sonnenthal.
Nr. 46. Hirzel 2., Gocdele: Grundriß der Gefchichte der deutfchen Dichtung.
15. Heft.
Nr. 48. Paulſen F., Jrande: Social forces in German Litterature.
Mr. 49. Sauer A, Richard M. Meyer: Goethe; Bielfhowsiy: Goethe.
at. 50. Paulſen F., K. A. Schmid: Gefchichte der Erziehung. 4. Band.
. Abteilung.
Steig R., Jung: Goethes Priefivechfel mit Antonie Brentano.
Herrinann M., „Unehrliche Fehde“. Gegen Minors Auffat, Euphorion 3,
692 fi.
Wr. 52. Steig R., Sepp: Görres.
Minor, „Unchrliche Fehde“. Antwort auf Herrmanns Erklärung in Nr. 50;
Berue critique.
Mr. 22. A. C., Joret: Le comte du Manoir et la cour de Weimar.
Nr. 29. Kont, Gruder: Feffing.
ir. 39. N. C., Bouvier: Un cahier d’eleves du precepteur Wieland.
Voſſiſche Zeitung (Berlin). u
9. Mai. [M. Rubenfohn], Über Leffings Epigramm „Das Pferd Friedrich
Wilhelms (III) auf der Brüde zu Berlin“ und feine Quelle.
— ae gebeilage Wr. 23 (7. Zuni). Minor J., Das ältefte Fauſtbuch und
Dans Sachs.
EZonntagsbeilage Wr. 31 (2. Auguft). Ken R., Gleim über Goethes
„Herrmann und Dorothea”. Ein Brief der ga Amalie von Eteden an Gleim,
Neinftedt, 8. November 1797, aus dem die Meinung der älteren Dichtergeneration
über das Epos deutlich erfichtlich ift.
Sonntagsblatt de3 Bund’ ‘ sen). 1897. Rr. 1 (2. Januar).
J. B. (%. Baechtold), Eine Selbitbiographie Gottfried Kellers ans dem
Jahre 1847. Mit einem Briefe Keller8 an Gerold Meyer von Knonau,
Hottingen, 22. März 1847.
Deutſche Macht (Dresden). 9. April. '
—f—r. Recenfion von Batla: Altnordifhe Stoffe und Studien im
zweiten Ergänzungsheft des Euphorion. Bemerkt, daß Joh. Elias Schlegel in
feiner Kopenhagener Wochenſchrift „Der Fremde“ ſich bereits 1745/46 eingehend
Cupborien IV. 28
418 Hibliograpbie. 1. :Jeitichriften.
Ir. 4. Burckhardt Biedermann Ib., Zur Publlation des eriten Basıer
Glaubensbekenntnifſes.
viebenau Th. v., Aus dem Jahrzeitbuch von Rüßnacht. Abſchrift aus
dem Jahre 1639. Nadjichrift 1656.
Schweigerifches Archis fir Volkskunde. Vierteliahrſchrift unter Mit
wirfung des Vorſtandes herausgegeben von Ed. Hoffmann Krayer. Grijter
Jahrgang. Heft 1. Zürich 1807.
Jur Einführung.
Hunziker J. Vom Schweizerdori in der Yandesausjtellung in Genf.
Martin R., Ziele und Methoden einer Raſſentkunde der Schweiz.
Zinger Z., Karl unter den Weiber. Eine Schweizerſage, die uns die in der
Naiferchronif ed. Schröder 14, 915 fi.ı berichtete Erzählung von Karl dem Großeun
und den Jungfrauenheer als auf volfstilmticher Liberlieferung bernhend nachweiit.
Fient G., Begräbmisfeierlichfeten in Prüttigan.
Hoffmann Krayer &, Die Faſinachtsgebräuche in der Schweiz. 1. Mit bite
riſchen Rückblicken und vergleichenden Bemerkungen.
Ithen Anna, Vollstümliches aus dem Kanton Zug. I
Miscellen, Totenſchau F. Staub 3 und anderes. A. H.
Norreſponden;blatt des Vereines für ſebenbürgiſche Landeskunde.
Jahrgang 19.
Nr. 7 8. H. H, Innftrecht
Hann J, Der Hexenmeiſter.
vitteratur. Schemer A, vLunsßer: Die Leibinßer Mundart.
Winterield N. MM. Filii, To Sommitich, J. Yiebbart, (G. Brandſch und
C. Piringer, Mehrere Faſſuugen des Minderipiels „Dame von Rinive“.
Kr. 9 12. Keinkel G. und A. Zcheiner, Zur Herlunftsfrage der \Jipier
Zadien.
Ir. 9. Koller S, Minderipiele amd Minderremte. 1-32 aus Zcholten.
Theiß D., Hexen'age.
Wagner H., Tav Märchen von der gen gg geuntsonn Ira.
Nr. 10. F. F, Zibwerttany der Kürſchner Aufzeichnungen im Groß
Schenerner Klarramtsardim «== Archin, Neue Folge 9, 187 fi
Schullerus A, Nochmals die Tochter des Kommandanten von Groſtwardein
Zeitſchrift dis Ferdinandenms iur Tirol und Vorarlberg. Tritte Folge.
Heft 10.
Semager H., Reues uber Nlerandır Kolım.
Fiſchnaler C, Ein verſchollenes Altarwiert des VReit Stoß
VKerzeichnis der vom 30 Mat 1895 bis 22. War 18096 erworbeuen Gegen
Hände, Sowie dev geſpendeten Truckwerle Archwalien und Dandichriftliches. 8. Wolfe
ichaänſprete: a Agapitus, Martiv Tragödie b Tas Wunder zu Laudeck. Tramati
ſterte Legende. 1 Abſchriit des Charfreitagisiehes und zweier Hemer Bruchſtücke aus
dem Palmionntag und Diter'amotagsſipiel aus 2 Bozner Svielhaudichriften von
1514. d. Der Yanditinm oder div Veremug Tyrols Puſtipiel 10. (8. Wirtem
berger: Haller Vergheichreibung vom Jahre 1673. > 18. Autographen: ar Aus
dein luterariichen Rachlaß des Tichters Otto Prechtter. I Brief der Angelica
Nanfıtanı aus Rem, 1740, Auril 7. 0 anf des Aler gürt Hohentohe
an oh v. Bnelin Brunect, 1845, Titebst 17
Ethnolegiſche Alitiheilungen aus Ungarn. Hand 5. Heit 1 8.
Thirring Waisbecher Irene, zur Vollskunde der Hienzen. I Uber die Ab
ſiammung und den Namen des Volkes II Voltsg!auben und Krauch
Zum Babrrecht un Ziebenburgen.
Rot JI. A. Scheiner, U Schullerus Auirni zur Mitarbeit am üiebenbürgiich
deutschen Worterhuch
1896. 419
Teutſch F., A. Schullerus, Aufnahmen zur Gefchichte des ſiebenbürgiſch⸗
ſächſiſchen Bauernhauſes.
Archiv bes Hiſtoriſchen Vereins von Unterfranken und Aſchaffenburg.
and 38
Wieland M., Die Karthauje Oftheim und ihre Bewohner. I. Die Karthaufe
Oſtheim. II. Die Karthäufer in Oftheim 1418—1790. — — 1413—1608.
Amchein A., Geichichte des ehemaligen Htinerliofterd Holzkirchen.
Neihenfolge der Pröbfte bis 1802. Konventuale (aus den Urkunden) bi8 1808.
Söbl S., Zur Gejchichte der Preſſe u Whrzburg bis zum Jahre 1816.
I. Das Würzburger Intelligenzblatt. A. Eutſtehung und ang. Blan des Buch⸗
händlers Fuggart oder Fuckert aus Innsbruck im Jahre 1728, die Einri
der Kundichaftszettel in Würzburg einzuführen. Gründung der „Hoch- Fürftlich-Würz-
burgifchen Wochentlichen Frag⸗ und Anzeigungs-Nachrichten“ durch die jübiichen
Berleger Hirſch Shmuhl und Schmuhl Jonas aus Heidingsfeld, fowie Fauſt
Kaulbach aus Heidelberg 1749. Als Verleger zeichnen: 1750—1758 Winther,
1755 —1761 Johann Michael Stapf, 1761—1762 der Faktor Kohles in ber
Kleyerſchen Buchhandlung, 1762—1767 Stahel, dann Göbhard; ſpäter Rinner
bis 1801; 1801—1803 Scarold, fpäter Bonitas-Baner. Der Titel wechfelt;
von 1786 ab: „Airzburger Intelligenzblatt“. — B. Das Intelligenzblatt als Ge⸗
ihichtsquelle. — C. Tas ntelligenzblatt unter Cenſur. — IL. Die Anfänge ber
politiichen Preſſe in Würzburg. Pläne von dem Buchdruder Hans Wilhelm
Baumann (1688), von Bonifazius Schampöckhel aus München (1743), von
Blanck (1787), von M. Wolf (1795), von dem Univerfitäts-Buchdruder Kranz
Ernjt Nitribitt (1795). 1804 wird von Brof. Klebe die „Fränkiſche Staats-
und (Welchrten: Zeitung” gegründet, die bald darauf Eigentum des Buchhändlers
Stahel wurde und als „Neue Würzburger Zeitung“ nod) Dente befteht. — Beilage I.
Avertissement. Tie neu aufzilegende jogenannte Fürſtl. Wirtzburgiſche Anfrag-
und Anzeigungs: Nadjrichten betreffend. 20. Dezember 1748. (Nah einem gleich-
zeitigen Drucde im f. Kreisacchive Würzburg.) — Beilage IL. Protokoll des Würz-
burger Gebrechenanits vom 30. Oktober 1792, die Mainzer Zeitung und befonders
das neue Nebenblatt, der Yürger: Fremd, betreffend.
MWendeutiche Zeitfchrift für Seichichte und Kunſt. IX. Ergänzungsheft.
Reich M., Erasmus von Notterdam. Unterfucdungen zu feinem Briefwechſel
und Yeben in den Jahren 1509- -1518.
Zeitſchrift des Weſtpreußiſchen Geſchichtsvereins. Heft 35.
Inhaltsverzeichnis der Jeitſchrift. Heft 1—80.
MWürttembergifche Jenjahrsblätter. Neuc Folge. 2. Watt. 1897.
Eggert E., Oberamtmann Schäffer von Sulz. Ein Zeit: und Yebensbild aus
dem Ende des vorigen Jahrhunderts.
Beujahrsblatt dev Ztadtbibliothet Zürich auf das Nahr 1896.
Eicher C., Johann Martin Ufteris dichterifcher und Fünftterifcher Nachlaß.
Deutſcher Mufen-Almanady für das Jahr 1897. Blätter neuer deutſcher
Litteratur und Kunſt. Herausgegeben von Wilhelm Arent.
Tas Märchen vom Glück. (Aus den Moskauer Yenz-Radjlap.) „Lebe wohl,
Manſarden-zZimmer.“
Julius W. Braun. Ein Nachruf aus der Feder der Gemahlin des ver⸗
ttorbenen Schriftſtellers.
Ernuſt Wilhelm Ackermann. Zwei Bilder. (Aus Maler- Dämon.) Novelle
und Gedichte. Vgl. Adermamıs Nachlaß. Yeipzig 1848. Gebrüder Reichenbach.
Braun ul. W., Schiller in Bauerbach. Dritter Alt. Vierte Sceue.
420 Bibliograpbie. 1. ;Jeitichriften
Denutſche Rundſchau.
April — Juni. Fontane Th., Der Tunnel über der Spree. Aus den Berliner
titterariſchen Yeben der vierziger und fünfziger Jahre. 1. Der Tumel, feine
Mitglieder und ſeine Einrichumgen. — 2. Mein Eintritt in den Tunnel. Graf
Morit Strachwitz. — 3. Franz Kugler. — Paul Heyſe. — Friedrich
Eggers. — Richard Yıcac. — Wollheim da Fonſeca. — 4. Theodor
Storm. Mit Briefen Storms an Fontane. Huſum, 23. März 1853. Über feine
Novelle „Tas grüne Blatt”. „Ich war damit befchäftigt, es in Heramcter
umzufchreiben und babe bei dieſem ichließlich wieder aufgegebenen Umarbeitungs
verſuch alles Urteil über meine Arbeit verloren.” — Huſum, Uftermontag 1888.
„Das grüne Blatt.” Heyſes „Fraucesca von Rimini“. Roquette Kleiſts
Zerbrochener Krug. — Huſum, 5. Juni 1853. „Das Pflanzenartige in meiner
Natur.“ Sam, 25. Juli 1853. Hiatus.“ Über feine Stellung zwiſchen
PMocrile und Beine -- 2. 220 f. Ein undatierter Brief über fein Gedicht
„Geſchwiſterliebe“. 5. Leo Goldammer. Schulrat Methfefſel. George
Heſßekiel.
April. Grimm H., Vettinas letzter Beſuch bei Goethe. Ausführlicher
Vrief Vettinas an ihre Nichte Sophie Brentano nach Frankfurt über ihren
Veſuch bei Goethe im Juli 1824 Lebendige Schilderung des Goethiſchen Weſens.
JZahlreiche ſeiner Ausſprüche genau wiedergegeben. Wichtig beſonders über fein Ver
hältnis zu Franukfurt. H. Grimm verlegt in die zZeit dieſes Reſuches die von Ruland
rublizierte Schmelteriiche Zeichnung Bettinas.
Var. Grimm D, Tas zweihundertlährige Veſtehen der königlichen Akademie
der Künſie zu Verlin. Kunſthiſtortiche Betrachtungen. I. Griechiſche Schönheit.
1 Franzöſiſche Eleganz. ITE Die heutige dentiche Kunſt IV. Die Zukunft.
Schmidt Erich, Karl Immermann
sin. Hausrath A., Vuthers erſtes Kerhör zu Worms.
Meyer R. M., Der Kampf um den Emzelnen.
Al Anguſt. Friedläander Y, Aus Rönigsberger Gelehrtenkreiſen.
Im Anſchluß an das Buch von Prag Die königl. Albertus Univerſität zu Königs
bag ı Em 19. Jalrluundert und an den von A. vLudwich beransgegebenen Aus
gewählten Briciwechſel von md an Chr. A. Lobeck und N. Lehrs. Geiſtreiche
Charalteriſtilen zahlreicher fur die Geichiihte der Unwerñtät und des geiſtigen
vebens in Königsberg wichtigen Keriönlichleiten: auch mit Rennbung von Familien
papieren, Alten des Montagkränzchens sc Ki ungedindter Brief von Bismarck
an Profeſſor Reumanng, 18. Aprıl 1892.
Auguft. Schöne A, DTie Einweihung des Goethe Zchiller Archivs zu
Weimar am 28. Yu 1806.
Erimm D, Krnit Curtius. F II. Juli 1896. Ein Brief an jene ‚Freunde.
September. Rabel Fr., Tie deutſche Yandichart.
röbl E, DTie Tageopreſſe in ihren Veziehnngen zum geiſtigen Yeben der
Gegenwart.
Wegener #8, Ein verichoflenes Buch. Eliza Willes „Johannes Taf“.
Sftober Tezember. Aus den Tagebüchern Theodor von Vernhardis LII.
I. Im Mai 1866. II Italien bei Ausbruch des Krieges. DIE IV. Im statienischen
Hauptauartier ı Jum 1866
Oktober Rovember. Baillen P, Heinrich Treitſchke. Briefe on U. Freytag,
an Jolly, H. v. Sybel, dv. Ranke, an Frau von Treitichte.
November. Schmidt Erich, Platens Selbſtbekenntiniſſe.
Tezember Grimm H, Inlian Schmidt der vitterarhiſtoriler.
Suphan A, Von der Grimm Feier zu Hanau. Ein Brief an den Heraus
eier dev „Teutichen Rundichau
“encrafreaifter zu BD 41 80. XD XX Jahrgang
1896. 421
Mord nnd Sid.
April. Glücksmann H., Rudolf Lothar.
Mai. Wagner 9., Dalberg am Hofe Napoleons 1.
Juni. Brachvogel U, Oswald Ottendorfer und feine deutich-amerilanifche
Zeitungs: Schöpfung.
zolff E, Ein Urbild von Goethes „Wahlvermwandtichaften“. Von
Groos' Schrift „Friedrich Creuzer und Caroline von Günderode“ ausgehend,
ſucht Wolff Caroline als das Urbild der Ottilie in den Wahlverwandtichaft: n zu
erweijen; es ſeien Berichte über fie an Goethe gelangt.
Juli. Meisner H., Ernft Mori Arndt und Charlotte Guiftorp. Neue
biographiſche Beiträge. Die Geſchichte von Arndts erſter Ehe auf Grund unbekannter
Briefſchaſten.
Oktober. Kronenberg M., Ludwig Bamberger.
Schjelderup G., Roman, Drama und Muſikdrama.
November. Jacobowski v., J. G. Fiſcher. Eine Studie. I. veben und Werke.
II. Der Dichter. IH. Sein Stil. |
Dentſche Revne.
April. Epſtein S. S. Hermann von Helmhols als Menſch und Gelehrter.
Schloſſar R., Ungedrudte Briefe Anaſtaſius Grüns. Anaſtaſius Grün
und Guſtav Schwab. II. 1. Wien, 21. Februar 1834. „Fünf Oſtern.“
„Blätter der Yiebe” — 2. Thurn am Hart, 2. Aprit 1835. über den Tod des
Naifer Franz. — 3. Thurn am Hart, 14. November 1836. Beitrag zum Schiller—
album. Rückerts „vehrgedicht“. — 4. Thurn am Hart, 22. Auguft 1837.
Yenaus Zavotarola „Dogmatik in Verſen.“ — 5. Thurn am Hart, 12. Juni
1339. Klage über die Zenſurverhältniſſe. — 6. Thurn am Hart, 19. April 1840.
Über den dritten Band von Schwabs „klaſſiſchen“ Sagen. — 7. Thurn am
Hart, 10. Juli 1843. „Nibelungen im Frack.“ Über die publiziſtiſchen Angriffe
wegen jeiner angeblichen Geſinnungsänderung.
Juni— Zeptember. Poſchinger H. von, Fürſt Rismarck und der Yundesrat des
Norddeutſchen Bundes.
Juli — September. Henriei, Aus den Lebenserinnerungen eines Schleswig—
Holſteiners.
Juli. Reuß E., Dans von Bülow über den Tannhäuſer in Paris.
Herz, Die Poeſie im Recht.
Auguſt. September. Lemmermeyer F., Perſönliche Erinnerungen an Robert
Hamerling.
Pfiſter A., Der Untergang der vVützower bei Kitzen.
.Auguſt. Wiedemaun Tb., veopold von Ranke und Varnhagen von En ec
vor Rankes italieniſcher Reiſe. Dit Nriefen Nanfes au Zpener und Varnhagen.
September. Reinecke E., Erimerungen an Nobert Schumann.
November. Poſchinger 9. von, Fürſt Bismarck und der Yundesrat des deutſchen
Jollvereins.
Waſielewski W. J. v., Am Rhein. Aus Waſielewskis Lebenserinnernungen.
Mit einem Brief von Schumann aus dem Jahre 1852.
Dezember. Melsner H., Ernſt Moriß Arndt im Parlament.
Vreußiſche Zahrbücher.
April. Deibrück H, Friedrich der Große und der Urſprung des ſieben ährigen
Krieges. Gegen Raudés Buch, Band 1.
venz DM, Florian Geyer. „Ich beabſichtige nichts weiter als feſt zuſtellen,
was in den Quellen, joweit fie gedrudt find, über den fränkiſchen Ritter überliefert
it, der jeit Henerationen ein Yiebling unſerer vomantiiches orten war.“
Veai. Künkler H., Tavıd Friedrih Strauß' Priefe.
422 Bibtiograpbie. 1. Jeitſchriften.
Rößler C, Tas Iaitlorätiet. Fiſcher K., Goethes Taſſo. Hermann Grimms
Auf atz. Deutſche Rundſchau. November 1892.) Bielſchowsty: Goethen
Juni. vLenz DM., Heinrich von Treitichle. Anſprache an die Verliner
Studentenſchaft bei ihrer Trauerfeier am 17. Mai 1896.
Rachfahl F., Karl Lamprecht: Alte und neue Richtungen in der Geſchichts
wiſſenſchaft.
Bielſchows!y A, Ju Röplers „Tajio rätſel“.
Juli Tltober. Xantbippus, Gute alte deutiche Sprüche. Ausgeleſen und
erläutert für Schule und Haus.
Juli. Müller H., Ermnerungen an die älteſten Zeiten der königlichen Alademie
der Künſte zu Berlin.
Tftober. Meinardus T., Die Legenden vom Grafen Schwarzenberg.
Dezember. Broicher Charlotte, Erinnerungen au Ernſt Eurtins. Mit unge
druckten (Bedichten von Curtius.
Vene deutliche Rundſchan.
Noveniber. Servaes AU, Goethe am Ausgang des Jahrhunderts. Ein Epilog
zu den piingie erichienenen Biographien.
Heckel K,. Dans von Fillows Klar eines deutichen Nationaltheaters. Mit
riefen Rülows aus dem Jahure 1872.
Monatsichrift fir Rene Litteratur un Aunk. heit 1. Oktober.
Zur Gmführimg.
Toboru 3, Tie neue KAunſi.
Tiriet x, Detlev von Yıllenceron I.
voewenfeld SD, NMunükwiſenſchaft und Mauttiritit.
BRaenvald Ri, Tie Begabung für künſtleriſche Nr L.
AUene Fitterariſche Blätter. Monatsſchrüt für Freunde zeitgenöſñſcher
vitteratur und Vünſte. Jahrgang 5. Seft 1.
Eisler R, Tas Weſen der Kunſit
Bleibtreu N, Die deutſche Litteratur in dev Gegenwart
Yangantb, Wielauds „Boldner Spiegel“
MWeltermanns Illuſtrierte Teutiche Monatshefte.
April. Dat Teer MM, Tas Nunitgefübl der Gegenwart. 1. Der
Naturalismus 2. Der Umſchwung u der Litteratur. 3. Der Fortſchritt in den
bildenden Künſten und m Dev Mitt 4 Tie neuen Ideale im Zuiſammenhang des
Geiſleslebens.
Dar Bie O, Andreas Schluter
Hoiaus I, Ein deuticher Liederdichter Graf Albert von Schlippen
bad 1800 ISS6
nut Schroder D. Worthe m Berlin und Potsdam
Auguit September Beet oy 8, Albrecht Türer Ein Nitmitterbitdite.
Augnſt Serge Y, Otto Roauette
Sertember Bello Clne, Aus Tuiveldoris Glanzzeit. Eme Stizze.
Frendenterg X, Ein marlocher Adept Yeoonbard Thurnenöſer, geboren 1530,
Oktoher November Bm 8, Tie Präñdenten des deutichen Reichotags
Crumerungen und Stizzen
Oktober KRoldewen 1, Sonim Heinrich Campe
Konember Stamper 8, HBeoinrich von Treitöichte
Velhagen X Alainge Wonntehefte.
Roöovember Hart , AUleyander von Roherto 7 den Sertentber 18962
Vom Felse zum Micer. Kalngaug 15. Sit 15
zZ, Vricie Beritorbener Ein Pre Juſtinus Kerners N Vrilat void
Bart is?T 7 Uber Ne Zeberm von Prevorst
1896. 423
Heimgarten. |
. Mpril. Mai. Rojegger 8, Anna. Ein Andenken aus vergangenen Tagen.
Über feine erfte Gattin.
April. Reiterer K, Banernhumor aus dem Ennsthale.
Ein „alter Schubbrief“ fir Mariazell (1429).
ai. Rloſegger]), Beſuch bei einem guten Kameraden. Am Grabe Anzen-
grubers.
H. Sin, Bezeichnungen des Weibes.
Su Rabenlechner M. M., Aus Hamerlings Gymnaſialzeit. Mitteilungen.
Tagebuchnotizen. Gereimte Schulauffäte,
Neumann: Ztrela, Goethe im Nreife feiner Yamilie. (Aus der Tägfichen
Rundſchau.)
Reiterer 8., Jugendſprüche. Aus den Ennsthaler Alpen geſammelt.
Schukowitz H., „Sfatter-Bitten“. (Aus der Zeitichrift für öſterreichiſche Volts-
kunde.) Beiſatz von R.
Juni. Rojegger, Wie ich meine Schriften zu verbeſſern ſuche. Antwort⸗
ichreiben an einen Yitteraten.
Dezember. Rabenlehner M. M., Bon Hamerlings Aufenthalt im Süden.
Mitteilungen. Behandelt vorwiegend den Aufenthatt in Trieſt und Venedig.
Spanier M., Die Jungen. Etwas von Zturm und Drang. („In Neben⸗
ſächlichem etwas gekürzt“ der Zeitjchrift „Die Kritit“ entnommen.) .
Immergrän. Zcptenber.
Banernuhochzeiten in Oberſchwaben.
EGfterreichiſch Angariſche RAevne. Jahrgang 10. Band 10.
Heft 4. Radies P. von, Zohan Weikhard iherr von Valvaſor.
Heft 56. Guglia E., Arneth Über Schmerling.
K. R., Ein ſiebenbürgiſcher Forſcher Ludwig Reiſſenberger. 1819 — 1895.
Vene Bahnen. Jahrgang 6. Heft 10.
Hildebrand= Heft. Bearbeitet von R. Tietrid).
Aniverſum. Jahrgang 13. Heft 2.
Buſſe, Platten.
as zwanzigſte Jahrhundert. Jahrgang 7. Heft 3.
un: A. Ye —A ne In ale und Sitte.
Die Muſen. Monatshefte fir Produktion und Kritik.
Heft 5. Tödtliche Triebe. Ein Fragment. Aus dem Nachlaß Grillparzers.
ZSinnloſe Myſtification
Arent WW], Freiherr von Sonnenberg (1779 — 22. November 1806).
Heft 6. Arent W.l, Verſchollene Dichter. Quellenmaterial zu einer Anthologie.
Auguſt Freſenins. J. G. Wetzel, J. M. Freiherr von Sonnenberg.
Dentſche Dramaturgie. Jahrgang 2.
Kr. 4 und 5. Kirchbach, Goethebetrachtungen.
Ar. 6. VBalentin B., Tie Zcenerie des Profogs im Himmel in Goethes
Fanſi.
Nr. 7. 8. Bormann W., Der Shakeſpeareforſcher Eduard Wilhelm
Sievers.
Ar. 8. 9. Wittowstli G., Der tragiſche Einalter.
Nr. 12. Jſolani E. Goethe als Lehrer der Schauſpielkunſt.
Cosmopolis.
uni. Hobbes J. O., The case against Goethe.
Auguſt. Meyſenbug Malvida von, Genius und Welt (Briefe von Richard
Wagner.
Zeptember. Mezieres, Lessing.
424 Aibliographie. 1. Zeitjchriften.
Oktober. Vlüiler Dar, Musical Recolleetions=.
Fontane Th., Der achtzehnte März.
Lenz M., Jahrhunderts-Ende vor hundert Jahren und jet.
De,ember. Müller Max, Literary Recollections.
Rerne des deux Monder.
1 Janvier. Valbert G., David Friedrich Strauss et sa correspondance.
ı Ferrier. Valbert G., La jeunesse de Frederie Nietzsche.
25 Mai. Thorel J., La poesie et les poctes eontemporain- en Allemagne.
15 Juin. Goyau G.. La Garte religieuse de VAllemagne contemporaine.
G. Senil.
Nonvelle Revue. 15 arril.
Un foyer de realisne en Allemagne. ( Senil.
Revne Bleue. 15 fevrier
Besson P., La jeunesse de Goethe.
Nuova Antologia. Anno XXXI.
Gorra E., Un Dramma di Federigo Schle:rel ıAlarcosı.
del Lunge. Goethe scienziato
Ja Gultura. Nuova Serie Anno XV. Nr. 11.
Rosmini (.. A. Far: F. A. Lange e il Materialisine
Tho Forum. 1836.
Dat. Bein We.. Pe-talozzi and IHerbart
Oltober Solm 4. Robert Schumann a Iyrieal poet.
Rance L. H.. The study of folklore.
Sierns LFitterariſches Bulletin der Schweiz. Jahrgang 5
Kr 1.2 Falck R, Eme men Ausgabe des l'andaenionium (Grerinanieum
von WER. venz Eine Ergänzungsſtudie.
Nr 5. Fels F. W, VRom Monolog.
Nr. 6. Ubell H, Platen. un hundectiten Gereirtstag Aus der „Jeit“
Nr. JO. 109.)
Deniſche Dichtung.
Yand 29. Heft 1. 5 12 Band 21. Heft 1-4. 6.7. Aus ungedrudten
Briefen Analtafınse Grüns md vudwig Auguſt Frankls.
Vand 20. Heft 1. Band 21. Heft1 Die Geſchichte des Critlingsiverle.
Roberts N. Baron von, Meine Kritlinge. Wolzogen E von, Meine erjte
Novelle.
Rand 20. Seit 1--4 7. Nrronge W, Tentiches Theater und dentſche
Schaufpielkunſi
Heft 1. X. E Ftranzos', Nachrafe an Otto Roquette und Hyacinth
Wäckerle
Heft 9. 11. Häcker 8 07 14 Kun 1800, Gedichte
.Vand 21. Heft 3. RNeyer HM, Vom Schüttelreim
Oſterreichiſches Litteraturblatt. Jahrgang 5.
Kr 7. Nagl J. 8, Pfiſter: Idiotikon von Heilen
Ks. Manor, Vaniberg: Friedrich Hebbels VNriefwechſel. Weiſt anf Die
zerſtreut gedruckten Briefe hin und zieht auf Grund ver Vergleichung einzelner
Briefe mit früheren Trucken die Genauigleit des Textes in Z3weifel
Kr. “ Mnor I, Weſtphal: Allgemeine Metril dev indogermaniſchen und
ſemitiſchen Voller
Minor J, Waldmann: Yenz in Vriefen
Wr 10. Wackernell J. E, Reich: Grillparzers Trauien
Nr 11 Pinor J, Altentrüger: Fr Rrcolaue Augendichriften
⸗
. Senil.
1890. 425
*., ‚sicher: Die kirchliche Dichtung, vornehmlich in Deutſchland.
Pifil R., veſſings Laokoon, herausgegeben von J. Pölzl.
Dinor, Erklärung. Gegen M. Herrmann.
Ar. 12. Minor %, Friedrich Greuzer und Karoline von Sünderode;
Jeep: Naroline von Günderode.
Ar. 13. Schönbach A. E., Hübner: 3. Grimm und das deutjche Recht.
Hermann D., Erklärung. — Minor %., Entgegnung.
Kr. 16. x, Bernays: Schriften I.
Nagl X. W., Heyne: Deutſches Wörterbud). TII. Yan.
Ar. 19. Minor, Tevrient: Johann Friedrich Schönemann.
Nr. 20. Nagl J. W., Hörmann: Biographiſch-kritiſche Beiträge zur Dialekt
litteratur.
Blätter für litterariſche Unterhaltung.
Nr. 17. Opitz R. Karl Immermann.
Wr. 25. Mogk E., Die Sage von Kaiſer Friedrich im Kyffhäuſer.
Ar. 38. Opitz R. Adalbert Stifter.
Nr. 40. Heinemann K., Karoline von Günderode.
Ar. 42. Zacobowsti Y., Karl Spindler.
Ar. 44. Opitz WR, Auguſt von Blaten. (Zum 24. Tftober 1896.)
Nr. 48. Brandt Y. C., Friedrich Yıjt. (Zum 30. November 1896.)
Die Grensboten.
Nr. 12. Heil A, Textbearbeitungen muſikaliſcher Meifterwerte.
Nr. 19. Heinrich von Treitſchke.
Ar. 20. Ernſt A. W., Lenau und Sophie Schwab. Miit ungedruckten
Briefen Yenaus. Wichtige Publication, obgleid) einzelne Briefe nur um Auszuge
wiedergegeben werden. Lenaus Briefe an die Familie Schwab jtanınzen aus dem
Jahre 1831 52: am wichtigſten ein langer Brief aus Heidelberg, 11/12. November
1831 mit einer ausführlichen Selbjtcharatteriftit („id) halte mid) für eine fatale
Abnormität der Menſchennatur, und darin mag es liegen, daß id) mir meinen
Untergang mit einer Art wollüftigen Grauens denfe”). Yenaus Briefe werden ergänst
dur ausführliche Berichte von Frau Zophie Schwab an ihre Freundin Lucie
Meier in Bremen über Yenaus Aufenthalt im Schwabifchen Haufe und über ſein
Verhältnis zu Yotte Gmelin.
Nr. 23. 25. 32. 38. Yeipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahr—
bunderts. Mit bemerkenswerten neuen Mitteilungen über Yeipziger Yitteraten.
Wr. 23. Die Recenfion über Petzet: Uz und über die Immermann—
Gedächtnisſchrift ergänzt R. M. Meyers Artikel über das Tulifäntchen in einer
Kleinigkeit, indem fir einen Gedanken Immermanns in den Epigonen über Fidyten-
berg auf Juftus Möfer zurückleitet.
Ar. 31-37. Bartels A., Die Alten und die Zungen. Ein Beitrag zur
deutjchen Yitteraturgeichichte dev Gegenwart.
Ar. 37. Graffunder P. Ballade und Romanze.
Wr. 38. Eltjabeth Charlotte als Philoſophin.
Nr. 39. Tevrient Yonife, Ungedrudte Briefe Seumes.
Albert Dulk.
Nr. 50. Wuſtnann G. Aus Clara Schumanns Brautzeit. Nach den Alten
des gegen Wied geführten Prozeffes mit Briefen von Schumann und feiner Brant.
Deutſches MWodjenblatt. Jahrgang 9.
Jr. 16. Pröll K, Joſef Rank fr.
Kr. 21. Matthaei G., Deutſche Sprachreinigung im Jahre 1813. Im
Anſchluß an die Beſprechung des Ruſſiſch-deutſchen Volksblattes.
426 Bibliograpbie. 1. Zeitichriften.
Kr. 23. Steig R., Ein Schreiben Jacob Grimms über die Frage: was
bedenter: „binnen acht Tagen“? An den Tbertribunatrat Blumenthal. Berlin,
29. Juni 1855.
Nr. 26-—28. Meisner H., Zwei umgedrudte Borträge von E. MH. Zvarez.
Aus der Wittmochgeiellichaft. I. Vorſchläge zu Zenſurgeſetzen. Vorgeleſen am
5. Mai 1784. -- II. Über die Befreiung von Ztaatsabgaben, infofern diejelbe als
ein Privilegium gewilfer Ztände im Ztaate betrachtet wird. Borgelefen am 21. Te:
zember 1792.
Nr. 33. 34. Cornicelius M, Klaus Groth.
Nr. 37. Steig R., Georg Herwegh.
Kr. u39. M. S. R. Steig!, Stoll: Der Geſchichtſchreiber Friedrich Wilken.
Nr. 40. Steig R, Karl Immermann.
Nr. 47. 48. Cornicelius M., Keller und Bödliun.
Nr. 49. Wolzogen H. von, Gedanken über deutiche WMuſit und Ballade.
Im Anschluß an die Hundertjahrsfeier Karl Yöwes.
Nr. 5152. Kaufmann G., Treitſchkes Teutiche Geſchichte und der Borivurf
der Tendenz. Vortrag.
ANr. 51. Noch W., Zuſchriit Gegen E. Schmidts Artikel, Guſtav Freytag als
—
Krivatdocent, oben Z 11.
Die Nation.
Jahrgang 13. 1895 06. Kr. 25.26. Nellmer Y., Goethe md Carlyle.
Ar. IT. 28 Meyer R. D, Ter Engländer in der dDeutichen Yitteratur.
Kr. 20 ***, Guſtav Freytag und ſeine Erinnerungen an den Nrou
prinzen Friedrich nach To Lorenz Gegen deſſen Artikel in der Allgemeinen Zeituug.
Nr. 31 ***, Herurich von Treitöichke
Nr. 34. Jiegler Tb, Jahresberichte für neuere deutöche Litteraturgeſchichte.
Jahrgang 11 180697. Nr 5 Sieru 2b, Zur Geſchichte des Philhelle
nismus Uber Arnolds Auflag mm zweiten Erganzungsheit des Euphorion.
rs Zivert A, Ti Oifßiersehre in Leſſings Munna von Barnhelm.
ir. 0 Schlenther P, Trochäen, Trimeter und Yındans „Abend“.
Das Magazinſni Fitteratur.
RNr. 12. Rleibtreu K, Tas Nationale in der Borhie.
Nr. 13 Zpielbagen x, Tier Wablverwandtichaften und Effi Bricht
Eine litterarhiſtoriſche Studie
x, Oitto Wontette
vr 10 alle G, Lyriiche Tichtung nud neuere dentiche Lyrik WBieien.
Kr. 41. Ring Di, Etiſe Schmidt Kine Erinnerung.
Vleibtren N, Tie zInkunit des Tramas. Wolfi, Weſchichte der deutſchen
vitteratur in Dev Wegemont
Kr 4a Harnack E, Tas Vroblem dev Vererbung in Schillers „Braut
von Meiſiina“
Die Gegenwari.
Ar. 12. 13. Kahle 4, DTer Teufelmm der Poeſie.
Ir. 15. Büchner Y, Otto Roquette
16 Weiß A, Charles Sealsfreld Koſtl md Grillparzer. Teilt
die Grillparzer betreſiende Stelle aus der Flugichrift Austria as it is mit und
wert nad, daß “Bolt weder mit Grillparzers Verhältniſſen näber vertrant war,
noch deiien dramatiſcher Thätigleit beſonderes Verſtänduis entgegenbrachte.
Kr. 17. Abfällige Recenſion der „Geſchichte der deutſchen Litteratur“ von
Ned Geichenkausgabe
Kr 8. Seyniartihe We, Peſtalozzi über ſich ſelbſt Ungedrudtee. Anfang
cs Auffahes über Seine Wahrnehmungen und Gedanken während öeiner Krankheit
1896. 427
1812. Wahrſcheinlich ein Bruchſtück der lange ſchon gefuchten Schrift „Der krante
Peſtalozzi an das gejunde Publikum“.
Ar. 19. 20. Seliger P., Immermanns Bühnenfeitung in Düffeldorf. Zu
jeinem bundertjährigen Geburtstage.
Mr. 19. Zuppinger K., Gottfried Keller als Maler.
Nr. 23. Trinius A., Gemeinde Gabelbach und ihre Dichter.
Nr. 29. Ein focialpolitifches Geſpräch zwiſchen Goethe und Edermann
Satire).
\ Nr. 33. Rein W., Goethe als Erzieher.
Jr. 58. ruft A. W., Zwei ungedrudte Briefe Yenaus. An Schwab,
Heidelberg, Samstag, 5. November 1831. — An Sophie und Guſtav Schwab,
—R angefangen Freitag, am 11. November, geendet Samstag, den 12. No⸗
vember 1831. '
Nr. 40. Aus Georg Herweghs Nachlaß. Mitgeteilt von einem Fremde
des Tichters. Tichter und Staat (1843). — Spießblirgers zyreiheitsfieder I—IV
(1843). — Notizen aus den Tafchenblichern (1848). — Die deutfchen, Profefforen.
Eine zoologijche Abhandlung (1839). — Polemik (Gedicht) 1850. — Über :Deino-
kratie (1840).
Jr. 41. Berg v., Einererfolge. Ein Beitrag zur Piychologie des (Erfolges.
Yıdwig Büchuner über ſich felbit.
Nr. 42. Niejahr J., über philologiiche und piychofogifche Kritik (Abbrud
aus Niejahrs Artikel, Euphorion 3, 662 ff.).
Nr. 43. Zolling Th, Zu Georg Herweghs Ehrenrettung. (Im Anſchluß
an ſeinen Briefwechſel.)
Nr. 46. Kleinpaul, Freinde Wörter in unſerer Sprache.
Herwegh Georg, Zwei Balladen in Proſa. I. Die Reiherbeize. — Aus dem
Kortefeuille eines Freundes. Ingendarbeiten (1838) aus dem ungedrudten Nachlaß
des Dichters.
Kr. 50. Zulling Th, Yajjalle, Herwegh und die Socialdemofratie. Im
Anuſchluß an das Buch „x. Yallalles Briefe an G. Herivegh“ vergleicht, Zolling
Herweghs „Bundestied für den Allgemeinen deutſchen Arbeiterverein“ mit deſſen
angeblichen Triginal, Zhelleys Gedicht „Au Englands Männer“, und weit —
and) durd einen Brief von Herweghs Witwe -— das dieſem zugefchriebene (Wedicht
„Am Grabe Ferdinand Yafjalles” („Wohl mag den Ali ein Trauerflor umfangen“)
als apokryph nad).
Die Zukunft. Jahrgang 4.
Ar. 28. M. 9. IM. Harden), Hebbels Judith.
Mr. 35. Jod 5, Muſik und Metaphufit.
Jahrgang 5. Nr. 1. Wiejche F., Gedanken aus der Seit der Worgenröthe
1880).
Kr. 3. Tille A, Karl Adolf Buchheim geboren in Mähren 22. Januar 1828)
Wr. 4. Spielbagen F., Die epiſche Dichtung im Zeichen des BVerkehrs.
Nr. 6. 7. Lamprecht K., Geichichtwiffenichaftliche Probleme der Gegenwart.
Mr. 7. M. H. IA arbenl, Theodor Schiemann.
Nr. 8. Di. 9. [D. Harden), Herr Profeffor Schiemann.
Nr. 9. Holz Arno, Selbſtanzeige feines Dramas ZSozialariftotraten. Pitterar-
biftorifch wichtig. Er nimmt die Schaffung des neuen Bühnenjpiels für die von
ihm und Schlaf herausgegebenen Neuen Gteife in Anfprud).
Die Zeit. |
Ar. 76. Servars Fr., Nietzſche, Wagner und Hellas.
Bahr 9., Alfred Freiherr von Berger.
Ar. 77. 78. Muther R., Das geichichtlih „Schöne* in feinen Gegenſätzen.
Jr. 83. Taun Bergler O., Joſef Kant.
428 Ribliographie. 1. Zeitſchriften.
Rank J., Aus dem Elternhaus, Erinnerungen.
Nr. 92. Anaſtaſius Grün als Politiker. AUngedruckte Briefe des Grafen
Anton Auersperg. An Frankl
Kr. 108. 109. Ubell H, Platen. R3um hundertſten Geburtstag.
Nr. 112-114. Servaes F, Jung Berlin. Zehn Jahre Yitteratur- Bewegung.
Nr. 116. Meyer Richard Ve., Die „Ewige Lampe“. Berliner Cppofit.ons-
blatt aus dem Jahre 1848 herausgegeben von Tr. Arthur Mueller.
Uene Rerune. Jahrgang 7.
Nr. 19. Pauli R, Heinrich von Treitſchle.
dir. 4152. Müller Guttenbrunn A, Tas Naimund- Theater. Paiſions
gejchichte einer deutichen Solfsbihne.
Dentſches Dichterheim XVI, 20
Platen Gedichte von K. Veyer, Ella Hruſch“'a und Anderen.
Ethiſche Cultur. Jahrgang 4. Mir. 47 48.
Meyer R. De, Leſſings dogmatiſche Stellung um Fragmentenſiret
Die Gartenlaube.
Kr. 35—38. Proelß J., Friv Reuters Iriefe an ſeine Braut. Rach den
Originalen im Nachlaß der Witwe.
Nr. 45. Ein Künſtlerſichickſal und ſene Sühme Ans den Papieren eines alte:
Weimaraners.
Kr. 48. Proelßz I, Aus Narl Vogts Jrgendert.
Aluſtrierte Zeitung.
Band 106 Nr 2757
Nobut 9, Narı Immermann und die ya ca
Band 107. Ir. 2781.
Koppel E., August Graf von Platen Hallerrrund
Daheim. Jabrgang 33. ir. 5
Fuchs I, Auguſi Graf von Platen. jur 100zühr gen Gedenlferer ſeines
Geburtetages
Das Land. Jahrgang 5
RNr 1. Witlbon, Tas Brot im Nollsglauben
Nr 2 Reichhardt, Kirchwerh in Nordthüringen
Aus deutſchen Bergen. Jahrgang 11
Heft 16 Klapper Mirza, Nenſchloſt und jene Zagen.
Haudeck J, Vollstupen aus dem Erzgebirge
Heit 7 und 8 vöſcher 9, Reiſen und Wandern im deutichen Sotfe
mund.
Die Wacht. Jahrgang 9 ir. 15.
AT. Moſengeil Feſtrede
Tier Moſengeiliſeier in Memingen.
Wanderlied von Moſengeil
Montags-Heuue Wien ir 18 und 26. 3 April und 29. Au 1806.
Veer R, Unveröifentlichte Brieſe Eckermanns an cu Freundin.
Tiroler Wochenſchrift. Jahgangen
Kr 7 15. November Samy, Trertöichte
Jr. 12 120. Tezember Lichler A, Tas Begnuer Burgele. Gedichte von Wal
burga Schindel, der Tochter dis Wutes von Abiam, geboren 1825, geitorben
30 April 1872 zu Nice
Litterariſches Kentralblatt.
Kr. 23 Enders: Solanıı Ebertin von Gunzburg, Ausgewählte Schriften
Fr I Mt Teitverbeierrngen
1896. 429
Nr. 30. Scherer: Karl Müllenhoff.
Nr. 50. C. [Ereizenah], Wartentin: Yauftdichtungen. Vermißt vor allem
die Erwähnung Schmieders.
C. [Creizenachj, Michels: Studien Über die älteſten deutfchen Faſtnacht⸗
ſpiele.
Deutfche Litteraturzeitung.
Nr. 18. Kawerau G, Enders: Johann Eberlin von Günzburg. Aus—
gewählte Schriften. Diit Ergänzungen zu dem Zerte und zu den Anmerkungen.
Nr. 20. Martin E., Stöber-Miündel: Die Sagen des Elſaſſes. Über die
Zage vom Rieſenfräulein auf Nieded und deren erfte dichterifche Bearbeitung
durch” Charlotte Engelhardt.
Ar. 28. Kawerau G., Uhl: Thomas Murner, Die Gäuchmatt.
Ar. 32. Munder F., Fragmente des Wolfenbüttelichen Ungenannten. Heraus⸗
gegeben von Yejjing.
Ar. 43. Herrmann M., Schnorr von Larolsfeld: Erasınus Alberus
(abjprechend).
Pniower O., Wolff: Geſchichte der deutfchen Yitteratur der Gegen-
wart (ablehnend).
Kr. 45. Minor J., Eifenberg: Adolf Sonneuthal.
Nr. 46. Hirzel %., Goedele: Grundriß der Geſchichte der deutfchen Dichtung.
15. Heft.
— 48. Paulſen F., Yrande: Social forces in German Litterature.
Nr. 49. Sauer A, Richard M. Meyer: Goethe; Bielfhowsiy: Goethe.
Nr. 50. Bauljen F., K. A. Schmid: Geſchichte der Erziehung. 4. Band.
. Abteilung.
Steg R., Jung: Goethes Priefivechfel mit Antonie Brentano.
Herrmann M., „Unehrliche Fehde”. Gegen Minors Aufſatz, Euphorion 8,
692 fi.
Nr. 52. Steig R., Sepp: Görres.
Minor, „Unehrliche Fehde“. Antivort auf Herrmanns Erklärung in Wr. 50,
Revue critique.
Nr. 22. A. C., Joret: Le comte du Manoir et la cour de Weimar.
Mr. 29. Kont, Gruder: Leſſing.
Nr. 39. N. C., Bouvier: Un cahier d’eleves du precepteur Wieland.
Voſſiſche Zeitung (Berlin).
9. Mai. Km Rubenfohn], Über Feffings Epigramm „Das Pferd Friedrih
Wilhelms (HI) auf der Brüde zu Berlin“ und feine Quelle.
Sonntagsbeilage Nr. 23 (7. Zuni). Minor J., Das ältefte Fauſtbuch und
dans Sachs.
Zonntagsbeilage Nr. 31 (2. Auguſt). Kern R., Gleim über Goethes
„Herrmann und Dorothea“. Ein Brief der ge Amalie von Etedern an Gleim,
Neinftedt, 8. November 1797, aus dem die Meinung der älteren Dichtergeneration
über das Epos deutlich erfichtlich ift.
Sonntagsblatt des Bund’ dern). 1897. Nr. 1 (2. Januar).
J. B. (J. Baechtold), Eine Selbftbiographie Gottfried Kellers ans dem
Jahre 1847. Dit einem Briefe Kellers an Gerold Meyer von Knonau,
Hottingen, 22. März 1847.
eutfche Wacht (Dresden). 9. April.
® —f—r. naht (Dre Batla: Altnordifche Stoffe und Studien im
zweiten Ergänzungsheft des Euphorion. Bemerkt, daß Joh. Elias Schlegel in
jeiner Kopenhagener Wochenſchrift „Der Fremde“ fi} bereits 1745/46 eingehend
Eupborion IV. 28
430 Ribliographie. 1. Zeitſchriften.
mit dem nordiſchen Altertum beſchäftigt hat. —f—r finder Schlegel au unrichtiger
Stelle 12. 461 erwähnt, wo natürtichenweiie fein Bruder J. 9. Schlegel ge
meint iſt.
Aölniſche Bolksseitung. 17. Auguit. Erſtes Blatt.
Zeitungs und Zeitichriftentitel. Schluß: „Einen jchönen Nanıen trägt
die von N. Sauer herausgegebene Zeitichrift für Vitteraturgeichichte: Euphorion.
Wenn es einmal ein Organ für wiffenichaftliche Yitteraturgefchichte ımter den
Natholifen deuticher Zunge geben follte, jo würde ſich hierfür beionders dev Name
eignen, der nicht nur schön klingt, Sondern durch feine Weihe und ſein Vorbild die
Sache und die Zachtwatter auf dem rechten Wege, im vechten Geiſte und im rechten
Tone zu halten vermöchte: Die Jeitichrift müßte heißen: Eichendorff.
Hanauer Zeitung. Beilage zu ir. 250.
Schröder E., reft- Vortrag, gebalten zur Feier der Entbüllung des National
Senfmals dev Brüder Grimm zu Dana am 18. Uftober 1896.
Wiſſenſchaftliche Beilage dir Leipriger ZJeitung.
Kr. 38. Üble P., Tafielgeſpräche Kaiſer Ferdinands 1.
Kr. 47. Em Nirdmweibfeit im Eliaß.
Kr. 48. Ibeodor Wortlicb von Hippel.
Kr. 40. Yılle M., Ter Tichter des Oberhof.
vr. 50. Johaun ‚griedrich Gotta.
Nr 51. 95. 130. Haarhaus J. R, Auf Boctbes Spuren im Zübden.
Yr. 5b Friedrich von Knigge.
Ar. 96. Bruchmüller 38, Tie Verwaltung dev Untverſitäten Leipzig
und Wittenberg nach den Codex Angrusten-.
Kr 97 Biedermann W. Freiherr von, Theaterzettel fir Goethes „Natür
liche Tochter“.
Kr. 105 188. Gläſter R., Tas dentiche Kriegslhied Seit dem fiebenjäbrigen
Kriege.
Kleinpaut, Novalis, em Frühlingsſäuger ım Garten Wottes.
nune x, Tas Erntedantköeſt. Culturgeichichtliche Skizze.
Albrecht G, Tie Rodenſteinſage.
Nr. 117. 133. 111. 151 Löhn Ziegel Anna, Aus meinem Tagebuche
vom Tresdier Hoitheater.
Ar. 126 Bruchmüller W,, Die Univerſitäten Yripyig und Wittenberg
in den erſten DTezennien des 16. Jahrhunderts.
Nr. 127. Roſt R, Anguſt Graf von Platen Ju feinem 100jährigen
Geburtstage.
Kr. 138. Voigt A., Zum Gedächtniß (Juſtav Theodor Fechners. cum
19. November
Ar. 130 Krebs K., Tas ſächſiiche Yandbandieerf zur Jeit Yutbers.
Kr. 140. Kunze F, Ter vVeichen oder Todten Vogel. »:JZum Todtenfeſte,
den 22. November
Kr. 143. rebs N, Der ſächſriche Pfarrer vor dem Auftreten Yutrbers.
Kr. 153 Wünſche A, Die Pflanzenfahel im Unterichiede von der
Shbierfabel
Mündjener Allgemeine Zeitung.
21 und 25 April Morgenblatt Buſſe 8 8, Mari Immermann zum
om (Seburtstage
%r 185. 186 Morgenblatt Volderndorif T. Freiherr von, Erinnerungen an
Ostar von Kedwin
203 Oktoher Morgenblatt H. Zwei Erimerungen an J R. don Scheifel.
1896. 431
Nr. 294. Deorgenblatt. Winterfeld A. von, Graf Auguft von Platen als
Kadett, Page und Offizier in München.
eilage zur Allgemeinen Zeitung.
Ar. 63. Kornelius K. A. von, Wilhelm Preger }. Alademiſcher Nachruf.
Ar. 65. 66. Bechmann A. von, Der cdurbayerifche Kanzler Alois Freiherr
von Kreittmayr. Rede.
Nr. 69. 70. Lorenz O., Guſtav Freytags politiſche Thätigkeit.
Ar. 95. Falckenberg R., H. votzes Briefe an L. Strümpell. Sieben Briefe
aus den Kahren 1871, 1872 und 1876.
Ar. 99. Thimme F., Die Univerfität Göttingen unter der franzöftjch-weit-
phätifchen Herrfchaft. 1803—1813.
Nr. 103. 104. Külpe O., Über Richard Wagners Kunfitheorie.
Nr. 104. Geiger L., Zu den Briefen Hubers an Schiller. änzungen
zum 4. Band feiner Ausgabe des Sciller-Körnerfchen Briefwechſels. Die Briefe
vom 11. und 15. Oftober 1785 werden vervollitändigt; faft ganz ungedrudt war
bisher der Brief vom 3. Oktober 1785. — Eine Notiz aus dem Brief des Kriegsrat
Bertram an einen Freund 18. Januar 1783 über die erfte Aufführung der
Räuber in Berlin.
Ar. 104. 105. Yoferth J., Aus den Yehrjahren Kaifer Marimilians I.
Kr. 107. Kilian E., Zur Theatergeſchichte des 18. Jahrhunderts.
Brief von Treitfchle an Egelhaaf, Berlin, 7. April 1883, aus dem
„Schwäbiſchen Merkur” abgedrudt.
Jr. 108. Hänßner J., Die Kiffhäuferfage.
Kr. 112.113. 116,117. Edwin Freiherr von Manteuffel an Yeopold
von Ranke.
Ar. 115. E. Yandsberg, Beit Yudivig von Sedendorff als Pubtizift.
Nr. 122. Lindner Th, Rede bei der Weihe des Yeopold von Kante in
Wiehe errichteten Denkmals. Am 27. Mai gehalten.
Nr. 133. Bettelheim A., Zu den Quellen von Anzengrubers „Pfarrer
von Kirchfeld“.
Nr. 142. Kohlrauſch R., Der Monolog. Dramaturgiſche Studie.
Kr. 151—153. Schmoller G., Gedächtnisrede auf Heinrich von Sybel
md Heinrich von Treitſchke.
Jr. 182 184. Fr. W. Rauſchenberg, Süddeutſche Architektur und Ornamentik
im 18. Jahrhundert. .
Ar. 183. Katholiſche Seelſorge in Schwaben vor 50 Jahren.
Ar. 185. Scherrer 9., Joahim Heinrid Campe.
Nr. 188.189. Wagner A., Die Entwickelung der Univerfität Berlin
1810— 1896.
Nr. 207. Krauß R., Ztäudlin md Sdifler.
Ar. 228.229. Geiger Y., Zu Goethes Tagebüchern und Briefen. Weiſt
mehrere in den Tagebüchern erwähnte Werke mit genauerem Titel nad); citiert un-
gedrudte Ztellen aus den Briefen Bertuhs an Böttiger über die Allgemeine
Yitteratinzeitung, über Weimar und Rena; verweiſt für den Brief an Klein
ı18, 36) auf Goethe Jahrbuch 8, 278 und 10, 257, wo er als gefälfcht nachgewiejen
wurde; citiert Briefe von Karl Bertuh dem Sohn und von Rochlitz an Böt-
tiger über Hubers Tod.
Jir. 234 235. Buff A., Ein augsburger Herenprozeß.
Ar. 237. Winter, Moris Wilhelm Drobiſchef. -
Ar. 238. Tielo 9. N. T. Otto Roquette als Lyriker.
Ar. 252. Achelis Th, Guftav Theodor Fechner.
Wegele, rau Baronin von Oberkirch.
ir. 260. Horner E., Das Melodram „Die Waife und der Mörder“
und „Der Traum cin Yeben“. .
28
432 Bibliograpbie. 1. ;Jeitichriften.
Nr. 268 269. Bollat V., Die deutjche Geiſtesbewegung 1840 — 1848.
Wr. 271. Ranegg H., Goethes „Märchen“.
Kr. 275. Yange K., Mufilaliich:ornamentale Walerei.
Ar. 232. Wiedemann Tb., Yeopold von Hanke ilber die Einteilung der
Geſchichte.
Nr. 285. Schwering J., Unbekannte Jugendgedichte und Überſetzungen von
Ferdinand Freiligrath. Nachleſe aus den zu Münſter erſchienenen „Allge-
meinen Unterhaltungsblättern 1829 — 1832“. (Rgl. Euphorion, Ergänzungsheft zum
zweiten Bande, S. 122 fi.)
Ar. 286. Gebhardt B., Tie Palatina und Heidelberg.
Ar. 288. Ebrard F. C., Die Guſtav Freytag Bibliothek in Frankfurt
am Main.
Ar. 290. A. B., Jugendbriefe Platens. An Natbanacl von Schlichte—
groli. 1. Nitry in Burgund, 14. September 1815. — 2. Würzburg, am 16. Wonne
monats 1818 -- 3. Würzburg, 19. Januar 1819 in 2 und 3 Erwähnung des
Heldengedichtes „doaler” und Mitteilung mebrerer Ztropben darandı). — 4. Ans-
bad), am 31. März 1819. Uber feine (Hedichte. Uber Zchulzes bezauberte Roſe.
— 5. Erlangen, 21. November 1819.
Kr. 294. Knapp 8. F., Ernſt Engel TR Teyember 1896. Erinnerungen
eines Schülers aus dem Jahre 1865'66.
Kr. 299,300. Nadllofer Die, Tie dramatiſche Ibätigkeit des Ayitus Betulius.
VBohemia (Braga).
20. März Sauer A, Über Conrad Ferdinand Meyer. Skizze eines Bortrages.
Beilage Nr. S5 58 Vormärz und März Aus ungedrückten Briefen Aua
ſtaſins Grünus und Vudwig Auguſt Frankls.
Beilage. Nr. 112. Zabel &, Karl Immermann. (3m 100. Wiederkehr
ſeines Geburtstages, 24. April.
Rerlage. Nr. 170. Batfa R., Zur Erinnerung an Klara Schumann.
Beilage. Nr. 293. Wolkan R. Auguſt Graf von Flaten.
Eepliß-3chönaner Angeiger.
Kr. 80. 4. November. Zauer A, Woctbe in Böhmen. Skizze eines Vortrags.
Nr. 90. 7. November. Zauer R., Goethe in Teplie. Nach einem Xortrage.
Wiener Abendpof. ir. 32. x3. 0. 10. April.
Schloſſar A, Anaſtaſius Mriin u Anaſtaſius Grüns 90. Geburtstage.
Ungedruckte Brieſe An G. Schwab. Ergänzung zu den Miitteilungen in der
Deutſchen Revue. Em langer inhaltsreicher Brief vom 14. Mat 1832.
Fremdenblatt (Mien). ir. 325. 25 November.
Horner E&., Tier Pantomime vom König Macbeth. „Aufgefübrt im k. k. priv.
Theater näcit dem Närntnertbov von der Wolliichen Geiellſchaft“ (Wien 17771.
Bearbeiter war der „Yuftipringer Bienfait“
Uenes Wiener Journal.
1895. Nr. 733. 734. 749. 754. 769 Tann Bergler T., Aus Friedrich
Schloglts Nachlaß. Tarın auch Briefe von Anzengruber.
2%. Februar 1896. Nr. 842. Aus dem Nachlaſſe Berlae.
1. April 1896 Nr 876. SC. T. B. ‚Tann Bergler!, Joſef Rank ats Atten
titer RNach umveröftentiichten Manu'fkripten.
Neue Freie Preſſe (Wien).
Kir. 11210. 8. November 1895. Narpeles 8. Neues von und über Heine
Ungedindte Briefe von Heine an Sarınbagen von Ense uud Friederike Robert
Nr 11211. 9. Kovember 1895. Briefe von F. Vaſſalle. An Cberit Rüſtom,
Weorg und Enma Herwegh An den Anmerkungen Briefe von Tingelftedt
md Hermegh everwerter
1896. 433
Nr. 11336. 15. März 1896. Griflparzers „Goldenes Bließ“. 75 Jahre
jeit der erjten Aufführung.
18. 19. März. Yübom 8. von, Goethes Beziehungen zur Kunſt der
Renaiſſance.
Nr. 11355/56. 3. 4. April. Caſtle E., Briefe eines Wiener Officioſus aus
dein Jahre 1848. Ungedruckte Berichte und Briefe von Zedlik an die Redaktion
der Allgemeinen Zeitung. Uber Grillparzers Gedicht an Radetzky.
nn 11359. 8. April. Thaler 8. von, Joſeph Rank. (Ein Blatt der Er-
innerung.
9* 11379/80. 28. und 29. April. Mſoriz] N[edelr, Moriz von Schwinds
Briefe. Mit drei ungedrudten Briefen. An Bauernfeld. 16. März 1851; 23. April
1866; 15. April 1870.
6. Mai. S. Mlünſz, Briefe von Gregorovius an Gräfin Erfilia Caetani—
Yovatelfli 1882 —1886.
Nr. 11428. 17. Juni. Schloffar A., Aus der Korrefpondenz eines öfter-
reichischen Diplomaten (Graf Prokeſch von Often).
Jr. 11430. 19. Zuni. Abendblatt. Fürft R., Stoffgefchichtliches zur „Jüdin
von Toledo“. Über Bfeffels gereimte Erzählung „Alpbons und Rabe“ 1797).
25. Juli. Woerz J. G. von, Am Scheidewege. AJugenderinnerungen eines
alten Hofrathes
Nr. 11467. 27. Juli 1896. Abendblatt. ſCaſtle E.], Eine Einkehr. Dingel⸗
ſtedt in Wien 1842. Zedlis an Kolb, Königswart, 24. Auguft 1842.
30. Juli. Yorm H., Zedlitz: Über den Nendrud des Waldfräufeins.
Wr. 11567. 5. November. Schütz F., Deutjches Boltstheater. (Hrillparzer,
jeine Zeit und „Die Jüdin von Toledo“) Abdrud einiger Notizen Grillparzers
für das Stüd. Grillparzers Beziehungen zu Jüdinnen werden verfolgt (Helene
Bacher-Wolfram, Rahel, Frau Rothjchild, Sräulein Figdor, Geymüller).
Nr. 11508/60. 27. 29. Tftober. Ed. H., Aus Robert Shumanns lebten
Tagen. Mit ungedrudten Briefen von ihm. An Clara aus den Jahren 1854/56.
Mehrere Briefe an Brahms, einer an Joachim.
Nr. 11560. 29. Tftober. Abendblatt. Ein ungedrudtes Gedicht Theodor
Körners („O rufe die Thränen“) auf der Tetten Seite der gejchichtlichen Auszüge
für fein Drama Roſamunde (1812).
Ar. 11579. 17. November. Schloſſar A., Aus ungedrudten Briefen C. N.
Böttigers an Hammer: Purgjtall. (Ein Gedenkblatt zum 17. November, als
den Todestage Böttigers.) Über Weimarifche Berhältniffe 1796— 1808.
Nr. 11581. 11604. 11611. Briefe von Anaſtaſius Grün. (An Frankl.)
Nr. 11617. 25. Dezember. Briefe Guſtav Freytags an einen jungen Bild»
bauer (1888 - 1894).
Ofdeutiche Rundſchau (Mien).
Nr. 20. 22. 24. Eine Barbarofja-Sage.
Nr. 112. 23. April. Stüber F., Ein Bergeffener. (Zu Theodor Gottlich
von Hippels 100. Todestag.)
Wiener Bagblatt. Wr. 141. 22. Mai.
Zur Erinnerung an Friedrich Halm. Zum 25. Jahrestage feines Todes,
22. Mai 1871.
Menes Wiener Tagblatt.
Nr. 70. 17. März. Kißling H. C. von, Nach fünfsig Jahren. Erinnerungen
aus meinem Yeben. I. Aus der Studentenzeit: 1844— 1848.
Ar. 88. 29. März. Weltner A. J. Das goldene Bließ am Wiener
Burgtheater.
Ar. 101. 12. April. Bon einem Heimgegangenen Nah Rank).
Nr. 326. 26. November. Kuh E, Die verſtoßene Libuſſa.
434 Nachrichten.
Deutſches Bolksblatt (Min). Nr. 2668. 7. Juni.
's Röſerl und 's Ningerl. Epifode aus dem Yeben des öfterreichtichen Dialelt
Dichters Anton Baron von Klesheim.
Deutſche Zeitung (Wien).
Ar. 8712. 31. März. H. Y—r, Joſef Kant.
Ar. 8713. 1. April. 8. P., Ein vergeſſener Tichter. «3 Senns bundertiten
Geburtstag.)
Nr. 8789. 18. Juni. Madiera W., Hermann von Gilm.
NT. 8838. 8830. 8. und 9. Auguſt. Bom Böhmerwald zur Paulskirche. Aus
Zoff Rauks Yebenserinnerungen.
12. Tezember. Kagl J. W., Altdentiche Jauberiprüche und ihr Fortleben
un Nolfsmunde.
16. Dezember. Wilferth F, Eine Erinnerung an Julius Zturm.
Wiener Zeitung.
Nr. 99. 100. 29. 30. April. Dr. G. L, Die Tellſage.
Nr. 118. 21. Mai. Schlitter H., Vor der Nongrenzeit. Aus der Wiener
Geſellſchaft 1813 und 1814.
Ar. 139. 17. um. Hannak, Ei Verein zur Erforichung der Erziebungs
und Schulgeſchichte in Oeſterreich.
Nr. 149. 28. Nut. Kars R., Veibnißs in Wien. um 250. Jahrestage
ſeiner Geburt.
Ar. 1.2.5 138 Jannar 1897. Jodt Fri, Grillparzer und Die
Rhitoſophie Nach einemem dev Grillparzer Geſellichaft gehaltenen Bortrag. ı
2. Bücher.
Folgt wegen Raummangels im nachiten Seit
Nadridten.
Die zweite Auflage von Rrumbachero Vyzautiniſcher Yıtteratur
geichrchte Miinchen 1897, ber Reit enthält einen reichhaltigen bibliographiſchen
Appendu, worin S. 1138 auch Das (Webiet des byzantiniichen Foltlore, Aberglauben,
Zagenkunde, geiitliche Lieder, Legenden, Apokrmhenlitteratur u ſ. w. berückſichtigt
ind Z 1142 iit „Byzanzem der ichönen Litteratur“ behandelt Die blutigen und
intriguenvollen Staatsaktionen der byzantiniſchen Geſchichte fanden bei den Dichtern
der zweiten ſchleſiichen Schnle reichliche Rewunderung. So ichrieb Andreas
Gryphrus ch Trama „Yo Armemus“ VRal A Heilſenberg, die byzantiniſchen
Cuellen von Gryphius' „Leo Armenins“, Feitichrijt für vergleichende Litteratur
geſchchte ee Folge 8 41895, 439448 Später wurden in Feiuitenſchulen
byzantiniſche Ztofie zu dramatiſchen Schulaufinhrungen verarbeitet Wine Bühnen
anwenung Fir vn Tolches Stück beim Die Münchener Staatsbibliothel Der Titel
lautet: Mauritius Orientis umperator Datus linlis Autummnalibus a
Gaesareon Archilucah Gyinnasio S. 4. Oeniponti 4 und 5 September 1725.
Maäaunritrus Kanier im Trient zu End des Jahres borgeltellt non dem Kauſer
Nachrichten. 455
lichen Erz Herkoglichen (ymnasio Soc. Jesu zu Pnjprugg, den 4. und 5. Herbſt⸗
monat 1725. — Auch der Belifarftoff ift jchon im 18. Jahrhundert zu einem
damals viel gelejenen Romane von %. T. Marmontel (1766) verarbeitet worden;
es folgte das Traneripiel von Ed. von Schenk (1826), dann die Oper von Doni-
zetti (1836). J. Jung.
In Scemanns „Vitterarifchen Jahresbericht und Weihnachts-Katälog für
1896” (Rahrgang 26) befinden ſich folgende Eſſays: Buſſe 8, Karl Immer—
mann; Meitbredt R., 3. G. Fiſcher; Neder M., Emil Marriot.
Die Handſchriftenſammlung des Schwäbifhen Scillervereins
ijt durch eine nichr als 600 Nummern umfaffende neue Sammlung vermehrt
worden. Darunter befinden fi) 20 Briefe Echillers (an Körner, rau von
Imhof und Andere), zahlreiche Briefe der ſämtlichen Angehörigen der Familie,
mit den Eltern und Geſchwiſtern beginnend, Briefe der Gattin, ihrer Familie und
der Familie Wolzogen. Außerdem find folgende Namen in der neuen Sammlung
vertreten: Bertuch, Beder, Beil, von Beulwitz, Konz, Cotta, Danneder, Dalberg,
Erhard, Fichte, Fiichenisch, Großmann, Grießbach, Wilhehn und Karoline von Hum—
boldt, Huber, Heideloff, Haug, Herder, Hölderlin, Fr. W. von yova, Iffland,
J. F. Jünger, Körner, Klopſtock, von Kübel, Yampe, Lempp, Sophie Laroche,
J. G. von Müller, Nicolai, Reichardt, Reinhart, Reinhold, Streicher, Schubart,
Schelling, Chr. Fr. Schwan, Graf und Gräfin Schimmelmann, A. Fr. Chriſtian
Herzog von Schleswig-Holſtein-Sonderburg, Frau von Stein, A. W. und Dorothea
von Schlegel, Fr. Leopold von Stolberg, Stäudlin, Voigt, Joh. Heinrich Voß,
Karl Eugen von Württemberg, Karl Auguſt von Weimar, Wieland, Fr. A. Wolf,
Weckherlin, Zumſteeg, Zelter. — Ferner wurde dem Verein der litterartfche Nachlaß
Berthold Auerbachs übergeben, darunter aud einige hundert Briefe des Dichters
jetbjt und gegen 3000 an Auerbad).
Treisaufgaben der Greifswalder Rubenow-Stiftung. 1. Geſchichte
der öffentfihen Meinung in Preußen und fpeziell in Berlin während der Jahre
1795--1806. — 2. Die Entwidlung des deutjchen Kirchenftaatsrecht8 im 16. Jahr⸗
bundert. — 3. Entwidlung der Yandwirtichaft in Pommern nad) der Bauern-
befreiung. — 4. Eine kritiſche Unterſuchung der Handjchriften und Recenfionen der
jogenannten Pomerania, wie fie W. Böhmer in feinem Buch „Thomas Kantzows
Shronit von Pommern in niederdeutfcher Mundart” (Einleitung S. 89 ff.) ange:
bahnıt hat, Soll ſoweit durchgeführt werden, daß damit die Grundlage für cine
künftige Fritiiche Aufgabe geivonnen ift (1. März 1901).
9. Anz in Quedlinburg bat einen alten niederdeutichen Drud vom „Broder
Ruſche“ aufgefunden, den er zur Grundlage einer Neubearbeitung des darin liber-
lieferten Gedichtes madyen wird. Borunterfuchungen dazu werden in einem der
nächſten Hefte diefer Zeitichrift erfcheinen.
K. Dijfel in Hamburg iſt mit den Vorarbeiten zu einer Biographie Philipp
Zeſens beſchäftigt.
Im Berlage dieſer Zeitſchrift Carl Fromme in Wien) beginnt demnächſt zu
erſcheinen: Deutſch Oſterreichiſche Litteraturgeſchichte. Ein Handbuch zur
Geſchichte der deutſchen Dichtung in Oſterreich⸗ Ungarn. Unter Mitwirkung hervor⸗
ragender Fachgenoſſen herausgegeben von J. W. Nagl und J. Zeidler in Wien.
Als Mitarbeiter nennt der Proſpekt: Cl. Aigner, H. Grasberger, R. von Kralik,
F. Lemmernieyer, E. Liban, A. Matoſch, Fr. A. Mayer, R. von Payer, J. Pommer,
W. Pötzl, R. Priſching, H. Rietſch und H. Wagner in Wien; A. Bell in Salzburg;
W. Gawalowski und F. Khull in Graz; M. Grolig jun. in Prag-Brünn; F. ©.
Hann in Klagenfurt; Y. von Hörmann in Innsbruck; T. Lehner, F. Maner und
9. Schachner in Rremsinünfter; N. Neßler in Briren; J. Reubauer ı Elbogen;
K. Petelenz in Stryj; 2. M. Prem in Marburg; T. von Radicd in Laibach;
436 Kachrichten
*
J. Schiepet in Saaz: J. Schlinger m T. Beba: A. Schullerns und O. Wittitod
in Hermannſtadt: Fr. Streinz in Ung. Hradiſch: S. Weber in Szepes Bela;
R. De Werner in Lemberg und R. Wolkan in Czernowis.
x. Schick in München und WM. Freiherr von Waldberg in Heidelberg
geben bei & ‚gelber in Weimar „Yirterarbiitoriiche ‚sorichungen“ in zwang
loien Heften heraus, deren erſtes: „Machiavelli and the Elizabethau Drama” von
Edward Piever bereits erſchienen it. Aus dem Bereiche der deutjchen Yitteratur
it für die folgenden Hefte in Ausiicht genommen: ber ‚sriedrih Nicolas Woman
„Zrbaldus Nothanker“. Em Betrag zur Weichichte der Aufllärnng. Ion
%. Schwinger. — Bemamin Neukirch, das Haupt der dritten ichleflichen
Zchule. Bon Wilhelm Tor. -- Tas deutihe Zoldatenitüd des achtzehnten
Jahrhunderts ſeit Leſſings Vinna von Barnhelm. Bon N. H. von Ztod
maner. — Zirt Birck und die dramatiſche Technik ſeiner Zeit. Bon V. Aubertin.
—Die Tobiasdramen des Reiormationszeitalters. Kon A. Wick. — J. Ib.
PHermes Roman „La paysanne non parvenue”. Herausgegeben und eingeleitet
von M. Freiherrn von Waldberg. -- Tas Jiflandſche Rührſtück. Ein Veitrag
sur Geſchichte der dramatiſchen Technik. Bon A. Stiehler.
F. Munder in München giebt im dem dortigen Verlag von Franke und
Haushalter „Forſchungen zur neueren Verteraturgeichichte” heraus.
Erichienen iſt bisher Heft 1: Wartentm R., „Nachllänge der Sturm und Trang
veriode in Fanſtdichtungen Des achtzehnten und neunzebnten Jahrhunderts“.
Im Berlanfe der nächiten Monate werden folgen: IL Em ungedrudtes Werl
Patientia von Moſcheroſch. Bon vudwig Pariſer. Il. Zulzer Gebing E,
Tee rider Augui Wilheln mad Friedrich Schlegel in ihrem Verhältnis
sur bildenden Kunſt
Unter dein Til the American journal of Germaniec philology
heginnt mit dem Jahre 189% eine Zeitichrüt zu erſcheinen, berausgegeben von
Buſtav E. Nariten, Profeſiſor der University of Indiana «Bloomingtom. Sie
ioll vor allem die neuen Erſcheinungen auf dem Gebiete der dentichen und engliichen
Philologie durch enropätiche Gelehrte fiir Amerika anzeigen, und zwar ſowohl in
Form eingehender Kritik, wie in Dev von Referaten. Auch die verwandten (Webicte
(Geſchichte, vergleichende Sprachmiſenichaft, Haiti und romaniſche Philologie,
Zprachphiloſophie und Phonetit sollen berückſichtigt werden.
Im März 1397 ericheint, den Jahrgang mit dem Aprilheit beginnend, im
Verlage von Relhagen & Nlafıng in Bielefeld und Leipzig und unter der Yeitung
von Fedor von Zobeltiß die „Jertichrift für Bücherfreunde“, Monatshefte
tür Vibliophilie und verwandte Intereſſen sgäbrlich 24 DM.
In Münſter i. W. wırde am 9. November 1896 ein Denkmal der Tichterin
Annette von Troite Hülshoff entbüllt.
In Bonn soll Narl Simrocd ein Tentmal errichtet werden. Beiträge wolle
man an den Schaumeiſter Des geichaftsführenden Ausſchuſſes Herrn Karl Kahn,
Bonn, Vieredsplau 10, Anfragen an den Schriftführer Deren Profeſſor Yıymann,
Vonn, Koblenzeritrane 83a, aulangen asien.
Geſellſchaft für dentſche Litteratur.
Oktoberverrammlung: Richard Roſenbaunm analuiierte einen von Tavid
Schiebeler herausgegebenen Eyklus von Neben Wedichten, dic ſich auf eine zwölf⸗
jährige Komodiantin aus dev Truppe eines gewiſſen Caratta beziehen. Sie hieß
Nachrichten. 437
Perronella. In ihr haben wir die Keime zu Goethes Mignon vor ung Die
Unterjuchung darüber wird in den Preußischen Jahrbüchern veröffentlicht werden.
— Erich Schmidt gedachte des hundertiten Geburtstages Platens, verwies
auf die Ausgabe der Tagebücher des Dichters und kennzeichnete feine Arbeitsmweife
an einen Vergleich beider Fafjungen des Gedichtes „Das Grab im Bufento“. —
Albert Cohn legte den einzigen vorhandenen Originalbrief Goethes an Frau
von Stael vor. Er ſtammt aus dem Jahre 1808.
Novemberverfammlung: Yudwig Geiger madıte auf Grund einer Fülle
neuen Briefmaterials höchſt intereffante Mitteilungen Über Therefe Huber und
den weiten Befanntenfreis, zu dem fie während ihres fangen Lebens in Beziehung
ſtand. — Alois Brandl fprach die Vermutung aus, daß in der Maria aus
PYaurence Sternes Triftram Shandy und Yoriks Empfindfamer Reife
ein litterariſches Vorbild für Goethes Mignon zu erbliden jei. Hierauf verwies
er auf die Nachahmungen der Diignonfigur bei Byron md Walter Scott. —
Erich Schmidt legte eim nen aufgefundenes Goetheſches Jugendgedicht
von vier Zeilen vor.
Dezemberverfammiung: ©. Pouet:Minde berichtigte vorerjt einzelne An—
gaben über H. von Kleiſts Yeben. Die Erzählung „Mord aus Liebe“ ift dem
Tichter abzufprechen. Aus Anklängen und Barallelftellen läßt fich ein annäherndes
Urteil über Kleiſts Yeltive bilden. Neben der zeitgenöjifchen und deutſchen
Hafitschen Yıtteratur kommen vornehmlich Shakefpeare und die Franzoſen in Betradht.
— 9. Gilow nahm zu H. Gaudigs Schulausgabe von Kleifts Werfen Stellung.
Er empfahl das Buch, polemifierte bloß gegen unbedeutende Einzelheiten. —
J. Bolte wies auf die weite Berdreitung des Stoffes hin, der in Fr. Halıns
Ballade „Die Brautnacht“ in Deutfchland die endgiltige Ausführung er—
fahren hat.
sannarverjammlung: Mar Friedlaender legte ein Heft Kompofitionen des
Weimaraners C. Moltke (eigentlich: Molke, 17811831) vor, worin ſich zwei
Vieder finden, die als von Goethe herrührend bezeichnet werden. Innere Gründe
machen es ſehr unwahrſcheinlich, daß es fi) um unbelannte Goetheſche Gedichte
handelt; die Texte jcheinen cher auf Goethes Zohn surlichzugehen. — Otto
Pniower entwickelte an der Hand reicher Beifpiele Eigentümlichkeiten Goethe—
chen Wortgebrauds. Es wurden verfolgt die Bedeutungen von: anftändig,
gelaſſen, zweifelhaft, bedenklich, fündig, widerwärtig und anderen. — Johannes
Bohte deutete kurz auf das Motiv von Hiobs Weib in der Weltlitteratuv hin.
R. Rosenbaum
13.8. Appell.
Am 8. Jannar 1896 ſtarb in einer Vorſtadt Yondong cin einſamer, in ſeinem
Baterlande halb verichollener deuticher Gelehrter, J. W. Appell, der Berfafler des
altbefannten, eben neu anfgelegten Buches „Werther und feine Zeit“. Sein Hinſchied
erinnerte mich ſchmerzlich an längst vergangene Frühlingstage, die ich 1872 in Yondon
zugebrad)t, da der treffliche feingebildete Dan, an den ich durch feinen Tugend:
freund Otto Müller empfohlen war, ſich meiner aufs freimdlichite angenommen
batte. Tamals lebte ev in tiefer Trauer um feine Gattin. Seither blieben wir in
Verbindung, und nad feinem Tode, von dem die Tffentlichkeit kaum Notiz ge-
nommen haben Wird, jandte mir die treue Pflegerin des Oheims, der feit Jahren
gefränfelt hatte, jeine Nichte Fräulein Yaura Butler, einige von Appell jelbjt nieder-
gejchriebene Taten jeines Yebens, deren Mitteilung an diefen Orte nicht unerwünſcht
jein wird.
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Darmwar NP dade deren Zur auto comme, etnbi Ter wer Jadre 1867
Nachrichten. 439
Tamals war id) aud) in Zürich und verweilte jogar einige Zeit in dieſer ſchönen
Ztadt. Der Ütli-Berg jteht mir noch vor dem innern Auge, und es ift mir, als
ſei es geftern gewejen, daß ich in einer mondbeglänzten Sommernadht am Rande
des Züricher Sces ftand in Gemeinſchaft mit Gottfried Keller "und einem lüngſt
verjcholfenen deutſchen klin, , namens ie be Keller wohnte: in ee in
demfelben Haufe mit Wilhelm Syu, und ich eſuchte ihn auf- feiner &
pet Hauptiverke find:
1. „2er Rhein und die Rheinlande, RR ae Be Don
J. W. Appell.” Darmftadt: G. ©. Lange. 1847—18651. (Wur ins GEnglifche
* Tranzöfifche überſetzt.)
- 2. „Honor; or, the story of the 'brave Caspar and ‚the fair ‚Annegl. By
Clemens Breutano. With a biographical Notice of the Author, by.J.W Appell.
Translated from the German.” London: John Chapman. 1847. Yen
Westminster and Foreign Quarterly Review, vol. XLVIH, 1847, p. 687 —
„Aathenaeum”, 1847, No. 1049, p. 1248.)
© * Haus mit den drei Lyren und dag Goethedenkmal in Frankfurt a. M.
von J. W. Appell.” Frankfurt a. M.: Friedrich Wilmans. 1840.
4. „Werther. und feine Zeit. Zur Goethe-Piteratur. Bon J. W. Appell.” eine
Wilhelm Engelmann. 1855. Zweite Auflage Yeipzig 1866; —* Auflage Olden⸗
burg 1082: vierte verbejjerte und vermehrte Auflage Oldenburg 1896.
| 5. „Zophie Ya Roche. Eine biographiich-literarifche Skizze von J. W. Appell.“
Im „Rheinischen Taſchenbuch“, Frankfurt a. M.: Sauerländtr 1856.)
6. „Tie Ritter, Räuber- und Schauerromantik. Zur Geſchichte der deutjchen
Unterhaltungs-titeratur. Bon J. W. Appell.“ Leipzig: Wilhelm Gngelmann 1889.
7. „Tona Diana. Yujtfpiel in drei Alten. ad) dem Spanien des Don
Auguſtin Viorelo von C. A. Weft. Mit einer Einleitung von J. W. Appell.” Bien:
J. B. Wallishaujer 1862.
8. Emilia Galotti. Mit einer Einleitung: Emilia Galotti auf der Bühne.
Ztuttgart 1872.
Taneben lieferte Appell zahlreiche Beiträge vornehmlich zur Yitteratur= und Kunſt⸗
geichichte für das Frankfurter „Nonverjationg- Blatt“, das „granffurter Muſeum“,
den Hamburger „Telegraph”, das Aremer „ Sonntagsblatt“, die „Blätter für littera⸗
rifche Unterhaltung” und die „Beilage zur "Allgemeinen Zeitung“.
Auf dem legten ſchweren und entbehrungsreichen Krankenlager bejorgte Appell
noch dic Korrekturen jeines vieblingsbuches „Werther“ bis auf bie letzten zwei
Bogen. Seinen Tod erfuhr ich erjt im Yaufe bes fetten Februars durch feine Nichte.
Nlanglos ijt er von hinnen gegangen; aber feinem Namen gebührt ein freundliches
Hedächtnis.
Zürtd). a J. Baechtold.
Erklärung.
Meine ausführliche Entgegnung auf die Angriffe, die Herr Jakob Minor,
$rofejjor an der Wiener Univerkäät, mm auch in diger Zeitſchrift Dit Sand R ven) 4)
gegen meine perfönliche Ehre gerichtet hat, ift in Nr. 50 der Deutichen Li
zeitung (vom 12. Dezember 1896) veröffentlicht.
Berlin, 20. Dezember 1896. War Herrmann.
u — — ——
440 Rachr: chten
Zur Abwehr.
Wir haben ums im Jahre 1804 an der für die Haus Sachs Feſtichrujt be-
it mmten Arbeit des Herrn Tr M. Herrmann: Stichreim und Treireim be Dans
Zachs x.” mit wrmenichaftlichen Vorarbeiten bereit:gt Im Verlaufe der an dieie Arbeit
nh anfnupfenden Koiemi zwrichen Herrn Proieſñor Rinor und Herrn Tr. Herr⸗
mann bat uns Herr Krofeſſor Minor Euphorton 3, 703: als 5 iaubere (Webälfen“
Te Herrmanns bezeichnet, ohme daß wir ch za Dieter belerdigenden Ausdruds
werte Die mindene Beranlamıma gegeben hätten
Auf eine ander Art der Ahr tr versited, begnügen wir uns damit, Die
Thatiache feſtzuſrellenn, und dv tartsır Das Urter! über eine derartige Tonart den
vriern des wunpborzen
art Alt
riet Zurtiıc: Ir edenb TEN, Adolf Nlabre
aut :ıl van. phil
Hnmann Zicdbansen
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3 > nen ® ” ”. ur 1 t » > Z no Ms: 25 FJebrua:; 18937
ut ca: ® .runrin 3*
Sophie Brofzßerzogin von Sachfen
geftorben am 25. März (897.
R is vor zwölf Jahren der letzte Goethe den treu behüteten
5 Nachlaß des Dichters in die Hände der frau Großheizogin
Sophie von Sachſen legte, da wurde in den erften orten, mit denen
die hohe Frau das Pöftliche Erbe übernahm, allen offenkundig, daß
fie, die Gönnerin deutfcher. Künfte, die Befchüßerin der Shakefpeare-
Geſellſchaft, gewillt und ohne Zaudern entſchloſſen war, die Bocther
Forſchung in der allumfaffenden Weite zu fördern, die fein Name
bedeutet.
Wieder wie vor hundert Jahren richteten fich alle Blicke nach
Weimar, die Blicke aller, die das Vermächmis einer wunderbar
reichen Zeit als einen Hort deutfchen Geiftes und deutfcher Kunft
hoch halten.
Dort waltete eine Fürftin, eingelebt in die das überfommene
Ideal wahrenden und fortleitenden „Gefinnungen ihres erlauchten
Gemahls, durchdrungen wie er vom den lebendigen Pflichten der
großen Weimarifchen Überlieferung, voll des feinften Derftänd-
niffes, der tiefften Empfindung für das geiftig-Fünftlerifhe Erbgut,
eine Fürftin, der des Herzogs von Ferrara Worte Gefeb warın:
„Und ftellen wir denn Welt und Wadhwelt vor, 5
50 ziemt es nicht, nur mäßig zu empfangen.“
Euphorion IV. 29
ET
442 Sophie Großherzogin von Sachſen.
Uns Gefhichtsfchreibern der fchönen Kitteratur allen ift gegen:
wärtig, wie fi zu dem Gocthifchen Nachlaß Edelftein auf Edel:
jtein fügte. Koftbare Handfchriften Bocthes kehrten von anderen
Stätten zu ihrem Ausgangsorte zurüd; zu ihnen gefellte fich
Schillers Hinterlafienfhaft, und Wielands, und cin Leil der Herde:
rifchen; jüngere große Tote und jüngere große Kebende reihten
ih ins Gefolge der Größten.
Wenn fo das Gosthifhe Hausarhiv zum Archive deuffcher
Mationallitteratur ſich ausdehnte, fo war cs der hohen Fürſtin
Werk. Sie wußte zu werben, zu erwerben. Sie wußte zu geben,
indem fie empfing. Sie dankte mit‘ glüllichen und darum be
glücdenden Worte; fie lohnte mit reichgefüllter Hand, wenn ces
die Gelegenheit gebot. Wachfam fpähte ihr Blid, begleitet von
dem des cifriaften Teilnehmers ihrer Beftrebungen, des Groß.
berzogs, und baftete unperrüdbar auf dent erfpähten Gute, bis
es in der Schatzkammer geberaen werden konnte.
Sie nahm zu ihren landesmütterlihen Sorgen die neue
Aufsabe, nahm jie als liebe und heilige Pflicht, ernfter und
höher, denn das Dermädtnis Goethes fie ihr auferlegt hatte.
Wahrlich, das Dertrauen des Erblaffers war „tief begründel*:
ſie rechifertigte feine SHSuperfiht vor den Augen der ganzen
delt.
Des fieahaften Erfolges Urfprung war die echte Begeifterung
der erhabenen Frau; Begeilterung, die aus inniger und hin-
gebender, reiner und Plarer Erkenntnis des unvergänglichen natio«
malen Wertes der verwahrten Blätter entfprang. Wer immer ihr
nahen durfte — und wie zugänglih war die fürftin allen, welche
wahrhafter Sinn für deutfhe Didtung genießend, forfchend,
fböpferifh erfüllte — wer ihr nahen durfte, jeden begeifterte
ihre Begeifterung. Wie glücklich geftinmmt fahen wir fie noch im
legten, ach: ihren legten Sonmter, als fie das ftolze neue Archiv»
Sophie Großherzogin von Sadjfen. 443
gebäude eröffnete, das fie als Heimftätte den nationalen Geijles-
ſchätzen errichtete: ein fürftlich Haus den Geiftesfürften, die fie bis
dahin im Schloffe felbft beherbergt hatte. Auch es ein Feichen
ihrer höchften Derehrung für die Dichter des deutfchen Volkes,
ihrer befcheidenen Danfbarfeit für die Spender des Grundftodes
diefes Archivs. Deren Namen grub fie in marmorne Tafeln; was
fie felbft gelhan, dafür durfte fein Merkmal gefett werden. Es
erzählt aber der ſtumme Bau davon, es erzählen die reichgefüllten
Schreine den Jahrhunderten.
Doch, nicht ruhenden Beſitz trachtete die fürftliche Frau auf-
zufpeichern, nicht mir, die feuern Reſte vergangener, die Feugen
neuer Tage ehrfürchtig der Zufumft zu bewahren. Don Anfang an
war ihr Abfehen darauf gerichtet, das Archiv der gelehrten Arbeit
dienftbar und fo Allen fruchtbar zu machen. Auch darin groß
unter den Großen, daß fie ſich vom den Fundigften Männern
beraten ließ, ordnete fie nach deren Urteil die Ausführung einer
wiffenfchaftlichen Ausgabe der Werfe Goethes an und nahm die
Darftellung von Goethes Leben im größten Stile in Ausficht, Und
wie fie die Bearbeitung diefes ihres eigenften Erbes felbft in die
Wege leitete, fo öffnete fie den Zugang zu allen andern ihr ans
vertrauten, von ihr gefammelten Schäten jedem, den Neigung und
Befähigung in die Räume des Archives führte,
So ward fie die Förderin der deutfchen Eitteraturgefchichte,
fo ward fie die ftarfe Stütze der Forſchung deuffchen Geiftes- und
Kunftlebens. Und darum haben wir ein Recht, in diefen Blättern
den Namen der hohen Frau, die uns nun verlaffen hat, dankend
zu feiern.
Wir feiern ihn voll Trauer, doch ohne Klage. Spricht der
Dichter wahr, fo mußte fie glücklich fein:
„Wem wohl das Glüc die ſchönſte Palme beut?
Wer freudig thut, ſich des Gethanen freut.”
200
436 Nachrichten
I. Schiepek in Saaz: J. Schlinger in T. Beba: N. Zchullerus und I. Wittitod
im SDermannjtadt; Fr. Ztreinz in Ung. Hradiſch: 2. Weber in Szepes Bela:
R. De. Werner in Yernberg und R. Wollan in Czernowis.
J. Schick in München und D. Freiherr von Waldberg in Heidelberg
geben bei & ‚gelber in Weimar „Yitterarbiftorifche Forſchungen“ in zwang
loſen Deften heraus, deren erites: „Machiavelli and the Elizabethan Drama” von
Edivard Meyer bereits erjchienen iſt. Aus dem Bereiche der deutfchen Yitteratur
it flir die folgenden Hefte in Ausficht genommen: Über Friedrich Nicolais Roman
„Zebaldus Nothanker“. Ein Beitrag zur Heichichte der Aufllärung. Ron
R. Schwinger. — Benjiamin Neukirch, das Haupt der dritten ſchleſiſchen
Schule. Bon Wilhelm Dorn. — Tas deutſche Soldatenſtück des achtzehnten
Jahrhunderts ſeit VLeſſings Minna von Barnhelm. Bon N. H. von Stock
mayer. — Zirt Rirck und die dramatiſche Technik ſeiner Zeit. Bon V. Aubertin.
- Tie Tobiasdramen des Reformationszeitalters. Yon A. Wick. — X. Th.
Dermes Roman „La paysanne non parvenue”. Herausgegeben und eingeleitet
von M. Freiherrn von Waldberg. -- Tas Afflandiche Rührſtück. Ein Yeitrag
sur Geſchichte der drantatiichen Technit. Son A. Zriebler.
F. Muncker in München giebt in dem dortigen Berlag von Franke und
Sanshalter „Forſchungen zur neueren Litteraturgeſchichte“ heraus.
Erſchienen iſt bisber Heft I: Warfentin R., „Nadıklänge der Zturin- und Tirana
periode in Fauſtdichtungen des achtzchnten und neunzehnten Jahrhunderts“.
Im Berlaufe der nüchiten Monate werden folgen: IE Ein ungedrudtes Bert
ı Patientiar von Moicheroicd. Bon Yudiwig Pariſer. - IL Zulzer Sebing E,
Die Brüder Auguit Wilhelm und Friedrich Schlegel in ihrem Verhältnis
sur bildenden Kunſt.,
Unter dem Titel the American journal of Germanie philvology
beginnt mit dem Jahre 1897 eine Jeitſchrift zu eriiheinen, bevausgegeben von
(Guüuſtav E. Karſten, Profeſior der University of Indiana (Bloomington. Sie
joll vor allem die neuen Erſcheinungen auf dem Gebiete dev deutſchen und eugliſchen
Philologie durch europäiſche Gelehrte fir Amerika anzeigen, und zwar ſowohl in
Form eingehender Kritik, wie in der von Referaten. Auch die verwandten Gebiete
Geſchichte, vergleichende Sprachwiſſenſchaft, klaſſiiche und romaniſche Philologie,
Zprachphiloſophie und Phonetil ſollen berückſichtigt werden.
Im März 1897 erſcheint, den Jahrgang mit dem Aprilheft beginnend, im
Verlage von Velhagen Klaſing im Bielefeld und Leipzig und unter der Leitung
von Fedor von Zobeltir die „Zeitſchrift für Bücherfreunde“, Monatshefte
für VBibliophilie und verwandte Intereſſen mährlich 24 Di:
sa Münſter i. W. wurde am 9. November 1896 cin Denkmal der Dichterin
Annette von Troite Hülshoff enthüllt.
In Bonn soll Karl Simrock ein Denkmal errichtet werden. Beiträge wolle
man an den Schabmeiſter des neichäftsführenden Ausichufics Herrn Kari Cahn,
Bonn, Vierecksplaß 10, Anfragen an den Schriftführer Herrn Profeſſor Yıpınann,
Bonn, Koblenzeritraße 8a, arlangen laiten.
Geleliichaft Für dentſche SKitteratur.
Sttoberrertammlung: Richard Roſenbaum analyfierte einen von David
Zchiebeler herausgegebenen Cyllus von ſieben Gedichten, die ſich auf eine zwölf—
zährige Komödiantin ans der Truppe eines gewiſſen Caratta beziehen. Sie hieß
Nachrichten 437
Letronella. In ihr haben wir die Keime zu — Mignon vor ung. Die
Unterfuchung darüber wird in den Preußiſchen lichern veröffentlicht werben,
— Erid Schmidt gedadte des iwtstages Platens, verwies
auf die Ausgabe der Tagebiicher bes Dichtevs und feine Arbeitsweife
an einem Vergleich beider Faffungen des Gedichtes „Das Grab im Burfento“, —
Albert Cohn legte den einzigen vorhandenen Originalbrief Goethes an Frau
von Stael vor. Er ftammt aus dem Jahre 1808.
Novemberverfammlung: Yudwig Geiger machte auf Grund einer Fülle
neuen Briefmaterials höchſt interefjante Diitteilungen Über Thereje Huber und
den weiten Betanntenkreis, zu dem fie während ihres langen Yebens in Beziehung
fand. — Alois Brand! fprad) die Vermutung aus, daß in der Maria aus
Yaurence Sternes Triftram — und Yorils Empfindſamer Reife
ein litterariſches Vorbild für Goethes Mi non zu erblicten jei. Hieranf verwies
er auf die Nahabmungen der Diignonfigur bei Byron und Walter Scott, —
Erich Schmidt legte eim meu anfgefundenes Goetheſches Tugendgedicht
von vier Feilen vor.
Dezemberverjammlung: ©. Bonet-Minde beridhtigte borerjt einzelne Hr
Ban über 9. von Rleijts Yeben. Die Erzählung „Mord aus Yiebe“ iſt dem
ichter abzufprechen. Aus Anklängen und Parallefftellen läßt ſich ein ann des
Urteil über eifts Feltive bilden. Neben der ‚eitgenöfchen und beutfchen
tlaſſiſchen Litteratur tommen vornehmlich Shalejprare die Franzoſen in Betracht,
— 9. Gitow nahm zu 9. Gaudigs Schulausgabe von Kleifts Berker Srellung,
Gr empfahl das Buch, polemifierte bloß gegen umbebeutende ee _
3: Bolte wies auf die weite Verbreitung des Stoffes hin, der im gt. Halıns
Ballade „Die Brautnacht“ in Deutſchland die endgültige Aust
fahren bat.
Jannarverfammlung: Mar Friedlaender legte ein Heft Compofitionen des
Weimaraners C. Moltfe (eigentlich): Molke, 1781—1831) dor, worin ” des
Pieder finden, die als von Goethe — bezeichnet werden. Inuere inde
machen «8 jehr unwahricheintich, da; «8 ſich um ımbetamte Goetheſche Gedichte
handelt; die Terte jcheinen cher auf Goethes Sohn —5 el — Otto
Biriomwer entwidelte an der Hand reicher Beifpiele Eigentiimlichteiten Goethe—
ihen Wortgebrauds. Es wurden verfolgt die Bedeutungen bon; anftändig,
gelafjen, zweifelhaft, bedenklich, fündig, widerwärtig und anderen. — Johanıes
Bolte deutete kurz auf das Motiv von Hiobs Weib in der Weltliteratur hin,
Rt. Rosenbaum
rung cv
73. W. Appell.
Am 8. Januar 1896 ftarb in einer Borftadt Yondons ein einjamer, in feinen
Saterlande halb verichollener deutfcher Gelehrter, F. W. Appell, ber Berfafier dis
allbefannten, eben neu aufgelegten Buches „Werther und feine Pr Sein ich
erinnerte mich jchmerzlich an fängft vergangene (Frilblingstage, die id) 1872 in Yon
zugebracht, da der tveffliche feingebildete Mann, an den Id) di jeinen Jugend⸗
freumd Otto Miller empfohlen war, fid) meine aufs freumdlichite angenommen
hatte, Damals lebte er in tiefer Trauer man feine ae Seither blieben wir in
Verbindung, und nad) feinem Tode, von dem bie Offentlichfeie kam Notiz ger
nommen haben wird, jandte mir die trene Pflegerin des Oheims, ber jeit 3
getruntelt hatte, ſeine Nichte Fräulein daura Butler, einige von Appell felbft nie
gejchriebene Daten feines ebens, deren Mitteilung an biefem Orte nicht merrolinfcht
jein. wird,
u
428 Ribliographie. 1. Zeitſchriften.
Rank J., Aus dem Elternhaus, Erinnerungen.
Nr. 92. Anaſtaſius Grün als Politiker. AUngedrucktte Briefe des Grafen
Anton Auersperg. An Fraukl
Nr. 108. 109. Ubell H, Platen. Zum hundertſten Geburtstag.
Nr. 112-114. Servaes F, Jung: Berlin. Jean Jahre Yıtteratur- Bervegung.
Nr. 116. Meyer Richard M., Die „Ewige Lampe“. Berliner Cppofit.ons
blatt aus dem Aakre 1848 herausgegeben von Tr. Arthur Mueller.
,Uene Revue. Jabrgang 7. |
xr. 19. Pauli P, Heinrich von TreitichEe.
dir. 41-52. Müller Guttenbrunn 9, Das Raimund-Theater. Baifions
geichichte einer deutichen Bolksbibne.
Dentſches Dichterheim XVI, 20
Platen Wedichte von N. Beyer, Ella Hruſch“a md Anderen.
Ethiſche Cultur. Jahrgang 4. Ar. 47 48. | |
Meyer R. M, Yellings dogmatiche Stellung um Fragmentenſireit
Die Gartenlaube. u
Nr. 35—38. Proelß J., Friv Reuters Iriefe an Seine Braut. Rach den
Triginalen im Nachlaß der Witwe.
Nr. 45. Em Künſtlerſchickſal und feine Sihne Aus den Papieren eines alten
Weimaraners.
Nr. 48. Proeltz I, Aus Karl Vogts Jegend et
Yluftrierte Zeitung.
Band 106 Sir. 2757.
Nobut A, Narı Immermann umd die ya cı
Yaud 107. Ar. 2781.
Koppel &, Auguſt Graf von Platen Haller::und
Daheim. Jahrgang 33. ir 5 |
Fuchs N, Anguſt Graf von Blaten. ur 103uähr gen Gedenlferer ſeines
Geburtstages
Das Land. Nabrgang 5
Nr 1. Gillhoij, Tas Brot im Bolflsglauben
Nr 2 Reichhardt, Kirchweih in Nordthürtugen
Aus deuntſchen Bergen. Jahrgang 11
Heft 16 Nlappır Mirza, Reuſchloß md ſeine Zagen.
Haudeck X, Volkstypen aus dem Erzgebirge
Det 7 und 8 Yöicher F. H, Reiſen und Wandern ım dentſchen Bolfe
mund.
Die Wacht. Jahrgang 9 Nr 15.
Ir Moſengeil Feſtrede
Die Moſengeilfeier in Weiningen
Wanderlied von Moſengeil.
Montags-Heuue Wien; Nr 14 amd 36.6 April und 20. Juni 1896.
Ver R, Unveröffentlichte Briefe Eckerurnannv an cine Freundiu.
Eiroler Wochenſchrift. Tabıgang 1
Ar 7 115. Novenbers. Rung, Treitichke
Nr. 12 120. Tezember Pichler A, Tas Bogner Burgele. Hedichte von Wal
burga Schindel, der Tochter des Wutes von Abſam, geboren 1825, geftorbeu
30 April 1872 zu Kremniv
Litterariſches Centralblatt.
Nr. 23. Enders: Johaun Eberlin von Gunzburg, Ausgewählte Schriften.
En I Weit Terwerbeöerrngen
1896, 429
Jr. 30. Scherer: Karl Müllenhoff.
Ar. 50. G. [Ereszenad)), Warkentin: Fauſt dichtungen. Vermißt vor allem
die Erwähnung Zchmieders.
G. [Ereizenah|], Michels: Studien über die ältejten deutfhen Faſtnacht—
ſpiele.
Deutſche Litteraturseitung.
Nr. 18. Kawerau G., Enders: Johann Eberlin von Günzburg. Aus—
gewählte Schriften. Mit Ergänzungen zu dem Terte und zu den Anmerkungen.
Ar. 20. Martin E., Stöber-Mündel: Die Sagen des Elſaſſes. Über die
Sage vom Riefenfräuiem auf Niedeck und deren erſte dichteriſche Bearbeitung
durch Charlotte Engelhardt.
Nr. 28. Kawerau G., Uhl: Thomas Murner, Die Gäuchmatt.
Wr. 32. Muncker F., Fragmente des Wolfenbüttelfchen Ungenannten. Heraus
gegeben von \ Leſſing.
Jr. 48. Herrmanu D., Schnorr von Barolsfeld: Erasmus Alberus
(abiprechend).
Pniower T., Wolff: Geſchichte der deutjchen Yitteratur der Segen:
wart (ablehnend).
8 45. Minor J N ., Eifenberg: Adolf Sonnenthat.
Nr. 46. Hirzel Y., " (Socdete: Grundriß der Sefchichte der deutfchen Dichtung.
15. Heft.
Nr. 48. Fauljen F., Francke: Social forces in German Litterature.
N. 49. Sauer A., Richard M. Meyer: Goethe: Bielſchowsky: Goethe.
Jr. 50. Paulſen F, K. A. Schmid: Geſchichte der Erziehung. 4. Band.
J. Abteilung.
Steig R., Jung: Goethes Briefwechſel mit Antonie Brentano.
Herrmann M., „Unehrliche Fehde“. Gegen Minors Aufſatz, Euphorion 3,
692 ff.
Ar. 52. Steig R., Sepp: Görres.
Peinor, „Unehrliche Fehde“. Antwort anf Herrmanns Erklärung in Nr. 50,
Rerue eritiqueo.
Wr. 22. A. C., Joret: Le comte du Manoir et la cour de Weimar.
Nr. 29. Kont, Gruder: Yeffing.
Nr. 39. 9. C., Bouvier: Un cahier d’eleves du precepteur Wieland.
Voſſiſche Zeitung (Berlin) .
9. Mai. [M. Rubenjohn], Über Leſſings Epigramm „Das Pferd Friedrich
Wilhelms (TI. ) auf dev Brücke zu Berlin“ und feine Quelle.
Zonntagsbeilage Mr. 23 (7. Jun). Minor J., Das ältefte Fauſtbuch und
Dans Zads.
Zonntagsbeilage Ar. 31 (2. Auguſt). Kom R., Gleim über Goethes
„Herrmann md Dorothea”. Ein Brief der Frau Amalie von Ztedern an Gleim,
Neinſtedt, 8. November 1797, aus dem die Neinung der älteren Dichtergeneration
iiber das Epos deutlich erfichtlich iſt.
Sonntagsblatt des „Bund’ (Bern). 1897. Nr. 1 (2. Januar).
(J. Baedıtotd), Eine Zelbftbiographie Gottfried Kellers ans dem
Jahre ish Dit einem Briefe Kellers an Gerold Meyer von Knonau,
Hottingen, 22. März 1847.
Deutſche Wacht (Dresden). 9. April.
—f—r. Recenſion von Batla: Altnordiſche Stoffe und Studien im
zweiten Ergänzungsbeft des Euphorion. Bemerkt, daß Joh. Elias Schlegel in
jener Ropenhagener Wochenſchrift „Der Fremde“ fi} bereits 1745/46 eingehend
Cuphorion IV. 28
428 Ribliographie. 1. Jeitſchriften.
Rank J., Aus dem Elternhaus, Erinnerungen.
Nr. 92. Anaſtaſius Grüͤn als Politiker. ılingedrudte Briefe des Grafen
Anton Anersperg. Au Fraukl
Nr. 108. 109. Ubell H., Platen. (Zum hundertſten Geburtstag.
Nr. 112 — 114. Servaes F, Jung: Berlin. Zehn Jahre LitteraturBewegung.
Nr. 116. Meyer Richard M., Die „Ewige Lampe“. Berliner Cppofit.ons:
blatt ars dem Nakre 1848 berausgegeben von Tr. Arthur Mueller.
Heuer Henne. Jahrgang 7.
Nr. 19. Pauli P., Heinrich von Treitſchke.
dr. 41- 52. Müller Guttenbrunn A, Das Raimund- Theater. Paiſions
geichichte einer deutichen Volksbühme.
Dentſches Dicdhterheim XVI, 20
Platen Gedichte vor N. Beyer, Ella Hrnich?a und Anderen.
Ethiſche Cultur. Jahrgang 4. ir. 47 48. |
Meyer R. M., Leſſings dogmatiche Ztelung im Fragmentenſtre!t
Die Gartenlaube. | u
X. 35—38. Proelß J., Arie Reuters Triefe an jeine Braut. Rach den
Triginaten im Nachlaß der Witwe.
Nr. 45. Ein Künſtlerſchickſal und feine Sühme Aus den Papieren eines altcı
Weimaraners.
Nr. 48. Proelß JI, Aus Marl Vogts Jrgendert.
Alluſtrierte Zeitung.
Band 106 Nr. 2757.
Nobut A., Karl Immermann und die racı
Band 107. Nr. 2781.
Koppel E. Auguſt Graf von Platen Hallernmund
Daheim. Jahrgang 33. Rr. 5.
Fuchs I, Auguſt Graf von Platen ur 100jähr ges Gedeulferer ſeines
Geburts!ages.
Das Land. Jaurgang 5.
Nr 1. Gillhoif, Tas Brot im Bollsglauben
Ar. 2. Reichhardt, Kirchweih in Nordebürngen
Aus dentſchen Bergen. Jahrgang 11.
Heft 16 Nlapper Mirza, Neuichloſt und jene Zagen.
Handel J, Volkstypen aus dem Erzgebirge.
Heft T und 8. Yöicher 5.9, Reisen md Wandern um deutichen Bolfe
mund. H.
Die Wacht. Tabinang 9. ir. 15.
Ir. Moſengeil Feſtrede.
Die Moſengeunfeier in Meiningen.
Wanderlied von Moöſengeil.
Montags Heuur Wien; Kr 14 und 26. 6 April und 20. Juni 1896.
Veer R, Unveröffentichte Briefe Ekermannus an cine Freundin.
Eiroler Wochenſchrift. \alıgaug 1.
Kr. 7 115. Novenbers Rrung!, Treitichke
Xr. 12 120. Tegember Pichler A., Das Bogner Burgele. Gedichte von Wal
burga Schindel, der Tochter des Wutes von Abſam, geboren 1825, geftorben
30 April 1872 zu Nm
Litterariſches Centralblatt.
Nr. 23. Enders: Johann Ebertin von Gunzburg, Ausgewäblte Schriften.
Ed I Mit Tertverbiiierrigen
1806. 429
Nr. 30. Scherer: Karl Müllenhoff.
Jr. 50. E. [Creizenachj, Warkentin: Fauſt dichtungen. Vermißt vor allem
die Erwähnung Schmieders.
C. [Creizenachj, Michels: Studien über die älteſten deutſchen Faſtnacht—
ſpiele. |
Dentfche Litteraturzeitung.
Nr. Kawerau G., Enders: Johann Eberlin von Günzburg. Aus—
gewählte < zarten Mit Ergänzungen zu dem Texte und zu den Anmerkungen.
Ar. Martin E, Stöber-Mündel: Die Sagen des Elſaſſes. ber die
Sage * Shefenfräulein auf Nieded und deren erfte dichterifche Bearbeitung
durch argott Engelhardt.
Nr. 28. Kawerau G., Uhl: Thomas Murner, Die Gäuchmatt.
Nr. Muncker F., Fragmente des Wolfenbüttelichen Ungenannten. Heraus=
gegeben von \ 'eſſing.
Nr. 43. Herrmann M., Schnorr von Carolsfeld: Erasmus Alberus
(abjprechend).
Pniower T., Wolff: Geſchichte der deutſchen Yıtteratur der Gegen:
wart (abichnend).
Jr. 45. Minor J., Eifenberg: Adolf Sonnenthal.
Nr. 46. Hirzel Y., Goedeke: Grundriß der Geſchichte der deutſchen Dichtung.
15. Heft.
"Nr. 48. Paulſen 7%, Frande: Social forces in German Litterature.
Nr. 49. Sauer A., Richard M. Meyer: Goethe; Bielſchowsky: Goethe.
Jir. 50. Pauſen ., K. A. Schmid: Geſchichte der Erziehung. 4. Band.
I. Abteilung.
Steig R., Jung: Goethes Briefwechſel mit Antonie Brentano.
Herrmann M., „Unehrliche Fehde“. Gegen Minors Aufſatz, Euphorion 3,
692 fi.
Wr. 52. Steig R. Sepp: Görres.
Minor, „Unehrliche Fehde“. Antwort auf Herrmann Erklärung in Nr. 50,
Revue critique.
Wr. 22. A. E., Doret: Le comte du Manoir et la cour de Weimar.
Ar. 29. Kont, Gruder: Pejfing.
Nr. 39. A. E., Bouvier: Un cahier d’eleves du precepteur Wieland.
Borhrdhe Zeitung (Berlin).
Mai. [M. Rubenjohn], Über Leffings Epigramın „Das Pferd Friedrich
Wilhelns (III.) auf der Brücke zu Berlin” und feine Quelle.
Zonntagsbeilage Nr. 23 (7. Zuni). Minor J., Das ältefte Fauſtbuch und
Sans Sachs.
Zonntagsbeifage Nr. 31. (2. Auguft). Kern R., Gleim über Goethes
„Herrmann und Dorothea“. Ein Brief der Frau Amalie von Stedern an Gleim,
Neinſtedt, 8. November 1797, aus dem die Meinung der älteren Dichtergeneration
iiber das Epos deutlid) erfichtlich iſt.
Sonntagsblait des „Bund (Bern). 1897. Nr. 1 (2. Januar).
B. (3. Baechtold), Eine Selbftbiographie Gottfried Kellers ans dem
Jahre ish Mit einem Briefe Kellers an Gerold Meyer von Knonau,
Hottingen, 22. März 1847.
Deutſche Wacht (Dresden). 9. April.
—f—r. Recenſion von Batla: Altnordifhe Stoffe und Studien im
zweiten Ergänzungsheft des Euphorion. Bemerft, daß Joh. Elias Schlegel in
jeiner Kopenhagener Wochenschrift „Der Fremde“ fi) bereit® 1745/46 eingehend
Euphorion IV. 28
430 Aıbliograpbie. 1. Zeitſchriften.
mit dem nordiichen Altertum beichäftigt bat. —f—r finder Schlegel au unrichtiger
Stelle 1S. 463 erwähnt, wo natürlicherweiſe fen Bruder J. 9. Schlegel ge
meint ill.
Kölniſche Volkszeitung. 17. Auguit. Erites Blatt.
Zeitungs und Jettichriftentitet. Schluß: „Einen jchönen Namen trägt
die von A. Zauer brrausgegebene Zeitschrift für Pitteraturgefchichte: Eupborion.
Wenn cs einmal em Urgan für wiflenichaftliche Yirteraturgefchichte unter den
Katholiken deuticher Zunge geben follte, fo würde ſich bierfiir befonders der Name
eignen, der nicht nur schön klingt, ſondern durch feine Weihe umd fein Vorbild dic
Zahe und die Zachmwalter auf dent vechten Wege, un vechten Geiſte und im rechten
Tone zu balten vermöchte: Die Jeitichrift müßte heißen: Eichendorff.
Hanauer Zeitung. Beilage zu Mir. 250.
Schröder E., Feſt Vortrag, gehalten zur Feier der Enthüllung des National
Dentmals der Brüder Grimm zu Hanau am 18. Oktober 1896.
Wiſſenſchaftliche Beilage der Leipriger Zeitung.
Nr. 38. Üble P., Tafelgeſpräche Kaiſer Ferdinands |].
Nr. 47. Ein Kirchweihfeſt im Elſaß.
Nr. 48. Theodor Gottlieb von Hippel.
Nr. 49. Lilie M., Ter Tichter des Oberhof.
Nr. 50. Johann Friedrich Cotta.
Nr. 51. 95. 130. Haarhaus J. W, Auf Goethes Spureun im Süden.
Kr. 5b Friedrich von Knigge.
Ir. 96. Vruchmüller W., Die Verwaltung dev Ummverittäten Yeıpyig
und Wittenberg nach dem Codex Augeustets.
kr. 97. Biedermann W. Freiherr von, Theaterzettel fir Boethes „Natür
liche Tochter“.
Kr. 105 111. Gläſter R., Tas deutiche Nriegstied set dem fiebenjährigen
Kriege.
Nleinpaul, Novalis, em Frühlingsſäuger um Garten Wottes.
Kunze F, Tas Erntedankfeſt. Culturgeichichtliche Skizze.
Albrecht (J.. Tie Rodeniteiniage.
RNr. 117. 133. 141. 151. Yöbn Ziegel Anna, Aus meinem Tagebuche
vom Tresdner Hoftheater.
Kr. 126. Bruchmüller W., Tie Ummpersttäten Yerpyig und Wittenberg
in den eriten Tezenmen des 16. Rabrbunderts.
Nr. 127. Rot R., Auguſt Graf von Platen Ju ſeinem 100jährigen
Geburtstage.
Nr. 133. Voigt R, Zum Gedächtniß Guſtav Theodor Fechners. (m
19. November ı
Kr. 130. Krebs K, Tas jächſiſche Yandbandiverf zur Zeit Yırtbere.
Kr. 110 Kunze F, Ser veichen oder Todten Bogel. um Todtenfeite,
den 22 Noveuber
Nr. 143. Krebs K, Ter ſächſriche Rfarrer vor dem Auftreten Yutbers.
Kr. 153 WBüniſche A, Tie Pflanzenfabel im Unterſchiede von der
Ihrerfabel
Münchener Allgemeine Zeitung.
21 und 25. April Morgenblatt Ruſſe H 9, Nart Immermann zum
100 GSeburtotage
Kr 185. 186 Morgenblatt Völderndorij I. Freiherr von, Erinnerungen an
Oskar von Nedwit
20 Ottober Morgenblatt MH. wer Erinnerungen an J R. von Zcheffel
1806. 431
Mr. 294. Mlorgenblatt. Ainterfeld X. von, Graf Auguft von PBlaten als
Nadett, Page und Uffiziev in München.
Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
Nr. 63. Cornelius 8. A. von, Wilhelm Preger f. Alademifcher Nachruf.
Kr. 65. 66. Bechmann N. von, Der dyurbayerifche Kanzler Alois Freiherr
von Kreittmayr. Rede.
Wr. 69. 70. Lorenz O., Guftav Freytags politifche Thätigkeit.
Wr. 95. Falckenberg R., H. Yotes Briefe an X. Strümpell. Sieben Briefe
aus den Jahren 1871, 1872 und 1876.
Ar. 99. Thimme %., Die Univerfität Göttingen unter der franzöfifch-weft-
phätifchen Herrſchaft. 18083—1818.
Nr. 108. 104. Kulpe O., Über Rihard Wagners Kunfttheorie.
Wr. 104. Geiger Y., Zu den Briefen Quber an Schiller. änzungen
zum 4. Band feiner Ausgabe des Sciller-Körnerjchen Briefwechſels. Die Briefe
vom 11. und 15. Oftober 1785 werden vervollitändigt; faft ganz ungedrudt war
bisher der Brief vom 3. CHtober 1785. — Eine Notiz aus dem Brief des Kriegsrat
Bertram an einen Freund 18. Kannar 1783 über die erfte Aufführung der
Räuber in Berlin.
Jr. 104. 105. Yojertb J., Aus den Yehrjahren Kaifer Marimilians UL.
Nr. 107. Nilian E., Zur Theatergefchicdhte des 18. Jahrhunderts.
Brief von Treitfchfe an Egelhaaf, Berlin, 7. April 1883, aus dem
„Schwäbiſchen Merkur“ abgedrudt.
Nr. 108. Häußner J. Die Kiffhäuſerſage.
Nr. 112 113. 116,117. Edwin Freiherr von Manteuffel an Yeopold
von Ranke.
Jr. 115. E. Landsberg, Veit vndwig von Seckendorff als Publiziſt.
Nr. 122. Lindner Ih., Rede bei der Weihe des Leopold von Ranke in
Miche errichteten Dentmals. Am 27. Mai gehalten.
Ar. 133. Bettelhbeim %., Zu den Quellen von Anzengrubers „Pfarrer
von Kirchfeld“.
Nr. 142. Kohlrauſch R, Der Monolog. Dramaturgiſche Stubie.
Nr. 151-153. Schmoller G., Sedächtnisrede auf Heinrich von Sybel
und Heinrich von Treitjchke.
Jr. 182 184. Fr. W. Rauſchenberg, Süddeutſche Architektur und Ornamentik
im 18. Jahrhundert.
Nr. 183. Ratholifche Zeeljorge in Schwaben vor 50 Jahren.
Nr. 185. Scherrer H., Joachim Heinrih Campe.
Mr. 188.189. Magier %., Die Entwidelimg der Univerfität Berlin
1810— 1896.
Nr. 207. Krauß R., Ztäudlin und Schiller.
Wr. 228'229. Geiger Y., Zu Goethes Tagebüchern und Briefen. Weift
mehrere in den Tagebüchern erwähnte Werke mit genauerem Titel nad); citiert un⸗
gedrudte Ztellen aus den Briefen Bertuchs an Böttiger Über die Allgemeine
Yitteraturzeitung, über Meimar und Rena; verweiſt für den Brief an Klein
ı18, 36) auf Goethe Jahrbuch 3, 278 und 10, 257, wo cr als gefälfcht nachgewieſen
wurde; citiert Briefe von Karl Bertud dem Zohn und von Rodlik an Böt-
tiger über Hubers Tod.
Ar. 234 235. Buff A, Ein Augsburger Herenprozeß.
Nr. 237. Winter, Moritz Wilhelm Drobifc T. -
Ir. 238. Tielo 9. N. T., Otto Roquette als Yyrifer.
Nr. 252. Achelis Th., Guſtav Theodor Fedner.
Megele, Frau Baronin von Oberkirch.
Ar. 260. Horner E., Tas Melodram „Die Waife und der Mörder”
md „Der Traum cin Yeben“. g*
2
432 Bibliographie. 1. Zeitichriften.
Nr. 268269. Pollak B., Tie deutjdye Geiſtesbewegung 1840 —1848.
Nr. 271. Ranegg H., Goethes „Märchen“.
Nr. 275. Yange N., Muftlaliich-ornamentale Malerei.
Jr. 282. Wiedemann Ih, Yeopold von Ranke liber die Einteilung der
Geſchichte.
Ar. 285. Schwering J., Unbekannte Jugendgedichte und liberfetungen von
Ferdinand Freiligrath. Nachleſe aus den zu Miünjter erjchienenen „Allge-
meinen Unterhaltungsblättern 1829—1832“. (Bgt. Euphorion, Ergänzungsheft zum
zweiten Yande, Z. 122 fi.)
Nr. 286. Gebhardt B. Tie Palatina und Heidelberg.
Ar. 288. Ebrard F. C., Tie Buftav Freytag Bibliothek in Frankfurt
am Main.
Nr. 290. A. B., Jugendbriefe Platens. An Nathanael von Schlichte
groli. 1. Nitry in Burgund, 14. September 1815. — 2. Würzburg, am 16. Wonne
monats 18183 — 3. Würzburg, 19. Jannar 1819 cin 2 und 3 Erwähnung des
Heldengedichtes „I doafer” und Mitteilung mebrerer Strophen daraus). — 4. Ans-
bad, am 31. :Wärz 1819. ber feine (Wedichte. Über Zchulzes bezanberte Roſe.
— 5. Erlangen, 21. November 1819.
Nr. 204. Knapp 8. F., Ernſt Engel +8. Dezember 1896. Grinnerungen
eines Schülers aus den Jahre 186566.
Kr. 299,300. Radlfofer Di, Tie dramatiiche Tätigkeit des Xyitus Betulius.
Bohemia (Brag).
20.Ddäry Sauer A,jUber Conrad Ferdinand Diener. Skizze eines Bortrages.
Beilage Nr. S5 88. Vormärz und März Aus ungedrudten Briefen Ara
ttajıne Grünus md Yudwıg Auguſt Frankls.
Beilage. Kr. 112. Zabel &, Narı Immermann cr 100. Wiederlebr
ſeines Geburtstages, 24. Npril.ı
Berlage. Nr. 170. Vatka R., Zur Erinnerung an Clara Schumann.
Bellage. Nr. 293. Wollan R., Auguſt Graf von Platen.
Erplib-Schönaner Angeiger.
Nr. 89. 4. November. Sauer A, Goethe in Böhmen. Skizze eines Vortrags.
Nr. 90. 7. November. Sauer A.i, Goethe in Teplie. Nach einen Vortrage.
Wiener Abendpofl. ir. 82. 33. 0. 10. April.
Schloſſar A, Anaſtafrus Briin u Anaſtaſius Grüns 90 Weburtstage.
Ungedrudte Bruie. Au 8. Schwab. Ergänzung zu den WMiitteilungen in der
Tentichen Revue. Em langer inhaltsreicher Brief vom 14. Mai 1832.
£remdenblatt (Mien). ir. 325. 25. November.
Horner E., Tie Pantomime vom König Macbeth. „Aufgefübre im E. R. priv.
Theater nächſt dem Närntnertbor von der Molliſchen Geiellſchaft“ (Wien 1777).
Bearbeiter war der „Yuftipringer BRienfait“
Henes Wiener Journal.
1895. Wr. 733. 734. 749. 754. 769. Tann Bergler T., Aus Friedrich
Zcdtögls Nadılaf. Tarın auch Briefe von Anzeugruber
27. Februar I896. Sir. 842. Ans dem Nachlaſſe Verlas.
I. April 1896 Ir. 876. C. T. 2. ‚Tann Perglerl, Joſef Hanf als Atten
täter. Mach unperöfientlichten Dlannjlripten. ı
AUene £reie Preſſe (Mien).
Nr. 11210. 8. November 1895. Karpeles GG. Neues von und Über Heine
Ungedrudte Briefe von Heine an Barnbagen von Enie und griederile Robert
Kr. 11211. 9 November 1895. Briefe von F. Vaſſalle. An Oberſt RUſtow,
Horn und Emma Herwegh An den Anmerhingen Briefe von Tingelftedt
und Deripegb berwerte
18986. 433
Nr. 11336. 15. März 1896. Grillparzers „Soldenes Bließ“. 75 Jahre
jeit der erften Aufführung.
18. 19. März. Yübow 8. von, Goethes Beziehungen zur Kunft der
Renaiſſance.
Nr. 11356/ 66. 3. 4. April. Caſtle E., Briefe eines Wiener Officioſus aus
den Jahre 1848. Ungedruckte Berichte und Briefe von Zeblit an bie Redaktion
der Allgemeinen Zeitung. Über Grillparzers Gedicht an Radetzky.
1) 11359. 8. April. Thaler K. von, Joſeph Rank. (Ein Blatt der Er-
innerung.
Wr. 11379/80. 28. und 29. April. Mf[oriz] N[edejr, Doriz von Shwinds
Briefe. Mit drei ungedrudten Briefen. An Bauernfeld. 16. Diärz 1851; 23. April
1866; 15. April 1870.
6. Mai. S. Mlün]z, Briefe von Gregorovius an Gräfin Erfilia Caetani-
Yovatelli 1882—1886.
Mr. 11428. 17. Juni. Scloffar A., Aus der Korrefpondenz eines öfter-
reihifchen Diplomaten (Graf Prokeſch von Dften).
Jr. 11430. 19. Juni. Abendblatt. Fürft R., Stoffgefchichtliches zur „Jüdin
von Toledo“. Liber Bfeffels gereimte Erzählung „Alphons und Rahel“ (1797).
25. Juli. Woerz %. ©. von, Am Scheidewege. ugenderinnerungen eines
alten Hofrathes.
Nr. 11467. 27. Juli 1896. Abendblatt. [Eaftle E.], Eine Einkehr. Dingel-
jtedt in Wien 1842. Zedlitz an Kolb, Königsmwart, 24. Auguft 1842.
30. Juli. Yorm H., Zedliß: Über den Nendrud des Waldfräuleins.
Jr. 11567. 5. November. Schütz F., Deutiches Volkstheater. (Hrillparzer,
jeine Zeit und „Die Jüdin von Toledo“) Abdrud einiger Notizen Grillparzers
für das Stüd. Grillparzers Beziehungen zu Jüdinnen werden verfolgt (Helene
Bacher: Wolfram, Rahel, Frau Rothſchild, gräulein Figdor, Geymüller).
Nr. 11508/60. 27. 29. Oktober. Ed. H, Aus Robert Schumanns letzten
Tagen. Mit ungedrudten Briefen von ihm. An Clara aus den Jahren 1854/58.
Mehrere Briefe an Brahms, einer an Joachim.
Nr. 11560. 29. Oktober. Abendblatt. Ein ungedrudtes Gedicht Theodor
Körners („O rufe die Thränen“) auf der letzten Seite der gefchichtlichen Auszüge
für fein Drama Roſamunde (1812).
Wr. 11579. 17. November. Schloſſar A., Aus ungedrudten Briefen C. N.
Böttigers an Hammer: Purgitalt. (Ein Gedenkblatt zum 17. November, als
dem Todestage Wöttigers.) Über Weimariſche Berhältniffe 1796— 1808.
Wr. 11581. 11604. 11611. Briefe von Anaftafins Grün. (An Frank.)
Nr. 11617. 25. Dezember. Briefe Guſtav Freytags an einen jungen VBild-
bauer (1888— 1894).
Ofdentfche Rundſchau (Mien).
Ar. 20. 22. 24. Eine Barbarofja-Sage.
Nr. 112. 23. April. Stüber F., Ein Bergeffener. (u Theodor Gottlieb
von Hippels 100. Todestage.)
Wiener Tagblatt. Nr. 141. 22. Mai.
Zur Erinnerung an Friedrich Halm. Zum 25. Jahrestage feines Todes,
22. Diai 1871.
Nenes Wiener Sagblatt.
Nr. 70. 17. März. Kißling 9. E. von, Nach fünfgig Jahren. Erinnerungen
aus meinem Peben. I. Aus der Studentenzeit: 1844— 1848.
Ir. 88. 29. März. Weltner A. J. Das goldene Bließ am Wiener
Burgtheater.
Ar. 101. 12. April. Bon einem Heimgegangenen (Joſef Ran.
Nr. 326. 26. November. Kuh E, Die verftoßene Yıbuffa.
434 Nachrichten
Deutſches Volksblatt (Mien). Yir 2u68. 3. Juni.
's Roſerl und 's Ringerl. Eviiode ans dem Yeben des diterreichſichen Dialelt
dichters Anton Aaron von Klesheim.
Deutliche Zeitung (Mien).
Kr. 8712. 31. März. DS. Y- vr, Solch Kant.
Kr. 8713. 1. April. 8%, Ein vergefiener Tichter Ju Senns bundertiten
(Beburtätag.
Mr. 879. 18. Juni. Madiera W. Hermann von (il.
Kr. Xää sun und 9. Magier Dom Bohmerwald zur Baulsfirche Aus
Joſeſj Ranks Lebenseriuerungen.
12. Tezember NRagl J We, Arrdeiuntiche zauberirruche und ihr Fortlehen
im Roltsmunde
15. Tezember. Wilierth F, Eine Ermnerung an Jutzus Sturm
Wicuer Zeitung.
Kr. 09. 100. 29. 30. Aprıt Dr. 5 L. Tie Teltliage
Nr. 118. 21. Mai Schlitter D, Nor dir Lengreßzeit Aus der Wiener
“rietlichaft 1813 und 1814
Kr 139. 1%. um Hannak, En Verem ya Frerichung der Erziehungs
und Schulgeich:ſote in Teiterreich
Art140 28 Junz Kars KW, Norte om len Zum 250 Nabrestade
ierner webur:
Nr1? 5148 Januar 1807 Jed: Fa. Vrillparzer und Die
Prriovorrte Tach etnen en der Brlvnarzet G iecbaſ: gebaltenen Rortrag
Büder.
Jo.a: TREO Raunmmangeist N Sdern Hei:
Nahridten.
Taomen Mflag ven No zmtadıcs Wirantemiin vpittratur
geich:t. Müunchen 1807, ve NY EM Ned LIE HEBEN LLIT De Zaun Yaapgtapbithen
Aupenda, wor:n Z 1158 aut Das iVebie: des brzant:niihen Fotttere. Aberglauben,
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18
|
2}
Nachrichten. 455
lichen Erz Herkoglichen (ymnasio Soc. Jesu zu Ymfprugg, den 4. und 5. Herbſt⸗
monat 1725. — uch der Belifarftoff ift Schon im 18. Jahrhundert zu einem
damals viel gelejenen Romane von J. T. Marmontel (1766) verarbeitet worden;
es folgte das Trauerjpiel von Ed. von Schent (1826), dann die Oper von Doni-
zetti (1836). J. Jung.
In Scemanns „Vitterarifcem Jahresbericht und Weihnachts- Katalog für
1896“ (Jahrgang 26) befinden ſich folgende Effays: Buſſe K, Karl Immer—
mann; Meitbreht R., %. G. Fiſcher; Neder M., Emil Marriot.
Lie Handidriftenfammlung des Schwäbifhen Scillervereing
ift durch eine mehr als 600 Nummern umfaffende neue Sammfung vermehrt
worden. Darunter befinden ſich 20 Briefe Echillers (an Körner, rau von
Imhof und Andere), zahlreiche Briefe der ſämtlichen Angehörigen der Familie,
mit den Eltern und Geſchwiſtern beginnend, Briefe der Hattin, ihrer Familie und
der Familie Wolzogen. Außerdem find folgende Namen in der neuen Sammlung
vertreten: Bertuch, Beder, Beil, von Beuhvit, Conz, Cotta, Danneder, Dalberg,
Erhard, Fichte, Fiſcheniſch, Großmann, Grießbach, Wilhelm und Karoline von Hum⸗
boldt, Huber, Heidelofj, Haug, Herder, Hölderlin, Fr. W. von even, ffland,
J. F. Jünger, Körner, Nlopftod, von Nübel, Yampe, Lempp, Sophie Yaroche,
J. 8. von Müller, Nicolai, Reichardt, Reinhart, Reinhold, Streicher, Schubart,
Schelling, Chr. Fr. Schwan, Graf und Gräfin Schimmelmann, A. Fr. Chriftian
Herzog von Zdjleswig-Holftein-Sonderburg, rau von Stein, A. W. und Dorothea
von Schlegel, Fr. Peopold von Etolberg, Stäudlin, Voigt, Koh. Heinrich Voß,
Karl Eugen von Witrttemberg, Narl Auguft von Weimar, Wieland, Fr. A. Wolf,
Weckherlin, Zumſteeg, Zelter. — Ferner wurde dem Verein der litterariſche Nachlaß
Berthold Auerbachs übergeben, darunter aud) einige hundert Briefe des Dichters
jelbjt und gegen 3000 an Auerbad). '
Freisaufgaben der Hreifswalder Rubenow- Stiftung. 1. Geſchichte
der öffentlichen Meimung in Preußen und fpeziell in Berlin während der Jahre
1795— 1806. — 2. Die Entwicklung des deutjchen Kirchenftaatsrecht3 im 16. Jahr:
bundert. — 3. Entwidlung der Yandwirtfchaft in Pommern nad) der Baucrit-
befreiung. — 4. Eine kritiſche Unterſuchung der Handjchriften und Recenfionen ber
jogenannten Pomerania, wie fie W. Böhmer in feinem Bud „Thomas Kantorws
Chronik von Pommern in niederdeuticher Mundart“ (Einleitung S. 89 ff.) ange:
bahnt hat, joll joweit durchgeführt werden, daß damit die Örundfage für eme
künftige fritifche Aufgabe gewonnen ift (1. März 1901).
9. Anz in Cuedfinburg hat einen alten niederdeutichen Drud vom „Broder
Rufche“ aufgefunden, den er zur Grundlage einer Neubearbeitung des darin Über:
lieferten Gedichtes machen wird. Vorunterſuchungen dazu werben in einem ber
nächſten Hefte diejer Zeitſchrift erfcheinen.
K. Dijfel in Hamburg ift mit den Vorarbeiten zu einer Biographie Philipp
Zeſens beichäftigt.
Zn Berlage diejer Zeitfchrift (Carl gromme in Wien) beginnt demnächſt zu
erſcheinen: Deutſch Oſterreichiſche Yitteraturgefhicdhte. Ein Handbud) zur
Geſchichte der deutſchen Tichtung in Ofterreich-Ungarn. Inter Mitwirkung hervor-
vagender Fachgenoſſen herausgegeben von J. W. Nagl und J. Zeidler in Wien.
Als Mitarbeiter nennt der ‘Profpelt: CI. Aigner, H. Grasberger, R. von Kralit,
F. Yenunermeyer, E. Yuban, A. Matoſch, Fr. A. Mayer, R. von Payer, J. Bommer,
W. Pötzl, R. Prifching, H. Rietfh und H. Wagner in Wien; A. Belt in Salzburg;
W. Gawalowski und F. Khull in Graz; M. Srolig jun. in Prag⸗Brünn; F. ©.
Hann im Klagenfurt; Y. von Hörmann in Innsbruck; €. Lehner, F. Mayer und
9. Schachner in Rremsmünfter; N. Neßler in Briren; J. Neubauer ı Efbogen;
N. Petelenz in Ztwi; 2. M. Pren in Marburg; T. von Radies in Yaibadı) ;
436 Nachrichten.
J. Schiepek in Saaz: J. Schlinger in TC. Beba; A. Schullerus und O. Wittitod
in Hermannftadt; Fr. Streinz in Ung. Hradiſch; S. Weber in Szepes Bela:
R. M. Werner in Yemberg und R. Wollan in Czernowitz.
x. Schick in München und DM. Freiherr von Waldberg in Heidelberg
geben bei E. gelber in Weimar „Yitterarbiftoriiche Forſchungen“ im zwang
tofen Heften heraus, deren erſtes: „Machiavelli aud the Elizabethan Drama” von
Edward Meyer bereits erjchienen ift. Aus dem Bereiche der deutichen Yitteratur
ijt flir die folgenden Hefte in Augficht genommen: Über ‚griedrih Nicolais Roman
„Zcbaldus Notbanker“. Kin Beitrag zur Gefchichte der Aufllärung. Von
R. Schwinger. — Benjamin Neukirch, das Haupt der dritten ichleftichen
Schule. Bon Wilbeln Torn. — Tas deutiche Zoldatenftüd des achtzehnten
Jahrhunderts feit Yefiings Minna von Baruhelm. Bon N. 9. von Ztod
mayer. — Zirt Bird und die dramatische Technik jeiner Zeit. Bon V. Aubertin.
— Tie Tobiasdramen des Reformationgzeitalters. Bon A. Wid. — J. Th.
Hermes Roman „La paysanne non parvenue”. Herausgegeben und eingeleitet
von DM. Freiherrn von Waldberg. — Tas Ifflandſche Rührſtück. Ein Yeitrag
zur Geſchichte der dramatiichen Technik. Ton A. Ztichler.
F. Munder in München giebt in dem dortigen Verlag von ‚granfe und
Daushalter „Forſchungen zur neneren Vıitteraturgefchichte” heraus.
Erſchienen iſt bisher Heft I: Warkentin R., „Nachklänge der Zturm- und Trang
periode in Fauſtdichtungen des achtzehnten und neunzebnten Jahrhunderts“.
Im Berlaufe der nächſten Donate werden folgen: II. Ein ungedrudtes Wert
(Patientia von Moſcheroſch. Yon Yudiwig Partier. - - IH. Zulzer Gebing E,
Tie Brüder Auguſt Wilhelm und Friedrich Schlegel in ibrem Verhältnis
sur bildenden Kunſt.
Unter dem Titel the Aınerican journal of Germanic philology
begimmt mit dem Jahre 1897 eine ZJeitſchrift zu erſcheinen, bevausgegeben von
GEGuſtav E. Karſten, Profeſſor der University of Indiana «Bloomington. Zie
ſoll vor allen die neuen Erſcheinungen auf dem Gebiete der deutichen und englijchen
Philologie durch europäiſche Gelehrte für Amerika anzeigen, und zwar fowohl in
Form eingehender Kritik, wie in der von Referaten. Auch die verwandten Gebiete
(eſchichte, vergleichende Sprachwiſſenſchaft, klaſſiſche und romaniſche Philologie,
Syvrachphiloſophie und Phonetike Sollen berückſichtigt werden.
Im März 1897 erſcheint, den Jahrgang mit dem Aprilheft beginnend, im
Verlage von Velhagen EKlaſing in Bielefeld und Leipzig und unter der Leitung
von Fedor von Zobeltisß die „Zeitſchrift für Bücherfreunde“, Monatshefte
fir Wibliopbilie und verwandte Intereſſen (jährlich 24 Di.
In Münſter i. W. wurde am ®. November 1896 cin Denkmal der Tichterin
Annette von Droſte Hülshoff enthüllt.
In Boun ſoll Karl Simroch ein Tenkmal errichtet werden. Beiträge wolle
man an den Schaumeiſter des geſchäftsführenden Ausſchuſſes Herrn Karl Cahn,
Bonn, Viereckoplaß 10, Anfragen an den Schriftführer Herrn Profeſſor Yınınann,
Bonn, Koblenzeritrafe R3 a, arlangen laſſen.
Geſell ſchaft Für dentſche Sitterater.
Tltoberveriamminng: Richard Roſenbaum analuſierte einen von David
Echiebeler herausgegebenen Cyklus von ſieben EGedichten, die ſich auf eine zwölf⸗
jährige Komödiautin aus der Truppe eines gewiſſen Caratta beziehen. Sie hieß
Nachrichten. 437
Petrouella. In ihr haben wir die Keime zu Goethes Mignon vor uns. Die
Unterfuhung darüber wird in den Preußifchen Jahrbüchern veröffentlicht werden.
— Erich Schmidt gedachte des bundertften Geburtstages Blatens, verwies
auf die Ausgabe der Tageblicher des Dichters und kennzeichnete feine Arbeitsweiſe
an einem Xergleich beider Faſſungen des Gedichtes „Das Grab im Bufento“. —
Albert Cohn legte den einzigen vorhandenen Originalbrief Goethes an Frau
von Sta&l vor. Er ſtammt aus dem Jahre 1808.
Novemberverfammlung: Yudwig Geiger madte auf Grund einer Fülle
neuen Briefmaterials höchſt intereffante Mitteilungen über Therefe Huber und
den weiten Belanntenfreis, zu dem fie während i langen Xebens in Beziehung
ſtand. — Alois Brand! fprad die Vermutung aus, daß in der Maria aus
Yaurence Sternes Triftram Shandy und Noris Empfindfamer Reife
ein litterarisches Borbild für Goethes Mignon zu erbliden fei. Hierauf verwies
er auf die Nahahmungen der Dignonfigur bei Byron ınd Walter Scott. —
Erich Schmidt legte ein neu aufgefundenes Goetheſches Tugendgedicht
von vier Zeilen vor.
Dezemberverfammlung: G. Pouet-Minde berichtigte vorerft einzelne An⸗
aben über H. von Kleifts Yeben. Die Erzählung „Mord aus Liebe“ ift dem
Dichter abzufprechen. Aus Anklängen und PBarallelftellen läßt fich ein annäherndes
Urteil über Mleifts Lektüre bilden. Neben der zeitgenöffifchen und deutſchen
Haffischen Yıtteratur fommen vornehmlich Shafefpeare und bie Srangofen in Betracht.
— 9. Gilow nahm zu H. Gaudigs Schulausgabe von Kleifts Werken Stellung.
Er empfahl das Bud), polemifierte bloß gegen unbedeutende Ginzelheiten. —
3. Bolte wies auf die weite Berdreitung des Stoffes bin, der in Fr. Halms
Ballade „Die Brautnacht“ in Deutichland bie endgiltige Ausführung er-
fahren hat.
Januarverfammiung: Mar Friedlaender legte ein Heft Sompofitionen bes
Weimaraners C. Moltke (eigentlich: Molke, 1781—1881) vor, worin ſich zwei
Yieder finden, die al8 von Goethe ne begeichnet werden. Innere Gründe
machen es ſehr unwahrſcheinlich, daß es ſich um unbelannte Goetheſche Gedichte
handelt: die Texte jcheinen eher auf Goethes Sohn zurüdzugehen. — Otto
Pniower entwickelte an der Hand reicher Beifpiele Eigentüm Icteiten Goethe-
jhen Wortgebrauds. Es wurden verfolgt die Bedeutungen von: anftändig,
gelafjen, zweifelhaft, bedenklich, fündig, widerwärtig und anderen. — Johannes
Bolte deutete hırz auf das Motiv von Hiobs Weib in der Weltlitteratur hin.
R. Rosenbaum
t 3. 39. Appell.
Am 8. Januar 1896 ftarb in einer Vorſtadt Pondons ein einfamer, in feinem
Zaterlande halb verſchollener deutſcher Gelehrter, J. W. Appell, der Berfaſſer des
allbekannten, eben neu aufgelegten Buches „Werther und feine Zeit”. Sein dinfihieh
erinnerte mid) ſchmerzlich an längft vergangene Frühlingstage, Die ich 1872 in London
zugebradit, da der treffliche feingebildete Dann, an den ich d feinen Jugend⸗
freund Otto Müller empfohlen war, fi) meiner aufs freunblichfte angenommen
batte. Damals lebte er in tiefer Trauer um feine Gattin. Seither blieben wir in
Verbindung, und nad feinem Tode, von dem die Offentlichteit kaum Notiz ge-
nommen haben wird, jandte mir die treue Pflegerin des Oheims, ber feit Jahren
gekränkelt hatte, jeine Nichte Fräulein Paura Butler, einige von Appell jelbft nieder-
geichriebene Daten jeines Pebens, deren Mitteilung an diefem Orte nicht unermwünfcht
jein wird.
438 Nachrichten.
Johaun Wilhelm Appell wurde geboren am 17. April 1829 auf dem
alten fürſtlich Jienburgiſchen Schloſſe zu Ofenbach am Main als Sohn eines
Pialers, der jpäter eine lithographiiche Anſtalt verrichtet hat. Er beſuchte erſt die
Realſchule feiner VRaterſtadt von 1836—1844. Yon 1844—1846 bereitete er ſich
unter Yeitung von Dr. X. Pieffinger auf die Hochſchule vor, bezog dann 1846 die
Univerſität Erlangen, wo cr bis 1849 blicb. Pit Borlicbe betrieb er das Knglifche,
dejien er jchon mit achtzehn Jahren in dem Grade mächtig war, daß er Arentanos
Kovelle „Nom braven Cajſperl“ überteßte und im Truck ericheinen ließ. 1853 leitete
er vorübergehend die „Mittelrheiniſche Zeitung” in Wiesbaden. Sonſi bielt er fidh
bis 1858 meiſt zu Frankfurt a. De. auf und beteiligte fich an dem dortigen „Kon
veriationsblatt” und dem „Fraukfurter Puſeum“ mit Beiträgen aus den (Webiete
der Litteratur und Kunſtgeſchichte. Sein älteiter und nächiter ‚preund war der 1804
verſtorbene Romandichter Otto Mittler. Bon 1858- -1860 war Appell Redakteur der
Wochenſchrift „Necenſionen und Mitteilungen über Theater und Muſik“, die unter
den Anipizien der Fürſten Georg und Conſtantin Czartoryski in Wien erichten.
Mit einer Engländerm verheiratet, ſiedelte Appelt 1860 nad Yondon über.
1862 gehörte er zu den Heamten der königlich Großbritanniſchen Kommiſſion für
die Yondoner Weltausſtellung: und in Anerkennung dev Tienite, die ev den fremden
Ausitellungstonmmilionen leiſtete, wurde ihm das Rittertreuz des Franz Joſeph
Ordens verliehen Im Jahre 1564 wurde Appelt Kuſtos In der Abteilung fir Kunſt
und Wiſſenichaft am South Keuſington Dana: dieſe Vibliothekarſtelle bat er bis
zu ſeiner Penſtoniernug beibebatten Er veröffentlichte für das Muſenm:
„Monmnents of Karly Christian Art INlhnsteative Notes, colleeteil
in order to promote the reprodnchon of Bennuns of Art belorgeng to Ihe
etly ventnries of the Christian era” 1872
„Christian Mositie Pietures. A Gatalorne of Beprodnetions of Christian
Mosities exhilste in the South Ken-mmelon Mnsenin.” 1877
IN67 wınde er von Der engltichen Negtenungatonummfton als Bertchteritatter
zur Weltansnellung nach Karis geſandt Iniolge andauernder Mränttichleit ſah
ih Appell mm Spatſahre 1808 genötigt, ſeine Stelle am Kenſington Vnſenum nieder
zulegen Er zog ſich nach dreißig arheitsnollen und eriuhrungsreichen Tienuſtjahren
mit einen knappen Ruhegehali uach Wandsworth Kommen, un Zudweiten Yondons
zurück SZeme Wertheranmtung, ſellene amd koubare Ztüde enthaltend, mußte ev ver
lanfen Sie kam an die Stadthibliotheken Uremen „In einer oden Vorſtadt des
nenen VBabptons“ vechrieb u mn un Frühlahre 1895 „Nee ich mn, und ſehe
feinen Freund, lein nenes Bad, kein deutiches Zertungsblatt“ Als er um dieſelbe
jet Hand an die vierte Auflage vemes Wertherluiches legte, berorgte ich ihm einige
vitieratur „Lange, lange in es ber” dankte er mir am 26 Februar „daß wir
ut meinem kleinen Hauie Kr 0 SUsso\N place, Kensisgeton W., das uch ichen
Auno 1877 verlasien babe, bis into die Nacht ireundichaftlich und gemüttich zu
ARE vaßeit, aus langen weißen Thonvieifen, vogenannten Anrchenvorüeheropfeifen
ichinauchend Ich ba mideſien ein alterograuer Juvalide geworden und leiblich
ein gar ichwaches Suhſelt In den lekten Jalnen war ich ganz nahe darau, in
den auigeſperrien Rachen ſenes befanmten großen Hatitiches zun fallen, dev im Ozean
des vVebens unſerem armen Schiflein beitändig folgt Win Yıcblingebud von mir,
betäung geiagt Aber am Ende lommie ıch doch noch einmat nach Zürich und balte
wm die Hand Ihrer inngiten Tochter au“ Und am 10 April kamen folgende web
miltige Zeilen: „Ter holde vLenz mi erichtenen auch anf dev britiſchen Iniel -
und die Erde bar ſich waährſicheinlich auch verüngt Tas letter läßt ſich jedoch
echt behaupten von dem nmielanucholiichen Einſiedler in Wandsworth Kommon. ch
will nicht klagen: uber Won heit mich brummen', wie ein alter ehemaliger
Huöarenoffizier zu ſagen pulegte, dem ach in meinen Knabenjahren mi Oijenbach a. M
gelaunt babe Ich bafie, das ichönſſe Fruhlingswetter hat Sie am KRierwaldüätterjer
beguüninigt Ich babe dieſen See auch emmal beiucht Tas war ım Jahre 1847
Nachrichten. 439
Tamals war ich aud) in Zürich und verweilte ſogar einige Zeit in biejer Ihönen
Stadt. Der ütli— Berg ſteht mir noch vor dem: innern Auge; und es ift mix, a
ſei 08 geftern geweſen, daß ich in einer mondbeglängten Sommernadt am Rande
des Züricher Sces ftand in Gemeinſchaft mit Wottfried Keller "und einem lärigft
verſchollenen deutſchen Inqrung namens Ludolf. Keller wohnte in Hottingen in
demſelben Hauſe mit Bithelm schutz, und ich eſuchte ihn aitf feiner. & Stube. ;
ppete Hauptiverke find:
„Der Rhein und die Mheinlande, hiſtoriſch⸗ top u daı eRellt don
J. W. orn “Darmſtadt: G. ©. Lange. 18171881. (&urde ur ins Eugliſche
und Tranzöfifche überfet.)
2.,Honor; or, the story of the brave Caspar and the fair Annegl. Ey
Clemens Breutano. With a biographical Notice of the Author, by.J. W. Appel
Translated from the German.” London: John Chapman. 1847. (Bgl.
Westminster and Foreign Quarterly Review, vol. XLVII, 1847, p. ie —
Athenaeum“, 1847, No. 1049, p. 1243.)
3. „Tas Haus mit den drei Yyren und das Goethedenkmal in Frantfurt a. M.
von J. W. Appell.“ Frankfurt a. M.: Friedrich Wilmans. 1840.
4. „Werther-und ſeine Zeit. Zur Goethe⸗viteratur. Bon J. W. Appell’ veipzig:
Wilhelm Engelmann. 1866. Zweite Auflage Leipzig 1866; dritte Auflage Olden⸗
burg 1982: vierte verbejjerte md vermehrte Auflage Oldenburg 1896.
5. „Sophie Ya Roche. Eine biographiich-fiterarifche Skizze von J. W. Appell.“
(Im „Rheinischen Taſchenbuch“, Frantfurt a. M.: Sauerländer 1856.)
6. „Die Nitter-, Räuber- und ZSchauerromantil. Zur Geſchichte der deutjchen
Unterhaltungs-Literatur. Bon J. W. Appell.“ Leipzig: Wilhelm Engelmann 1859.
7. „Tona Diana. Yuftipiel in drei Alten. Nach dem Spanifchen des Don
Auguftin Moreto, von C. A. Welt. Mit einer Einleitung von J. W. Appell.“ Wien:
% 2. Wallishaujer 1862.
8. Emilia Galotti. Mit einer Einleitung: Emilia Salotti auf der Bühne.
Ztuttgart 1872.
Taneben lieferte Appell zahlreiche Beiträge vornehmlich zur Yitteratur- und Kunjt= -
geichichte fir das Frankfurter „Nonverjations-Blatt“, das „Frankfurter Muſeum“,
den Hamburger „Telegraph“, das Bremer „Zonntagsblatt“, die „Blätter für littera-
rijche Unterhaltung” und die „Veilage zur Allgemeinen Feitung“.
Auf den fegten ſchweren und entbehrungsreihen Krankenlager beforgte Appell
nod) die Korrelturen jeines Lieblingsbuches „Werther“ bis auf bie feßten zwei
Bogen. Seinen Tod erfuhr ich erſt im Laufe des letzten Februars durch feine Ni *
Klanglos iſt er von hinnen gegangen; aber feinem Namen gebührt ein freundliches
Wedächtnis.
Zürich. nn J. Baechtold.
Erklärung.
Meine ausführliche Entgegnung auf die Angriffe, die Herr Jatob Rinor
Krofeſſor an der Wiener Univerfität, nun auch in diefer geitfeprift ( V Heft 4)
gegen meine perſönliche Ehre gerichtet hat, ift in Nr. 50 der Deutichen Litteratur⸗
zeitung (vom 12. Dezember 1896) veröffentlicht.
Berlin, 20. Dezember 1896. Dar Herrmann.
ne. — — ——4
440 Machrichten.
Zur Abwehr.
Wir haben uns im Jahre 1894 an der für die Hans Sachs-Feſtſchrift be-
ſtimmten Arbeit des Herrn Dr. M. Herrmann: „Ztichreim und Dreireim bei Hans
Sachs :c.” mit wiſſenſchaftlichen Borarbeiten beteiligt. Im Berlaufe der an diefe Arbeit
fid) antnüpfenden Polemik zwiſchen Herrn Profeſſor Minor und Herrn Dr. Herr:
mann bat uns Herr Profeſſor Minor (Eupborion 3, 703) als „5 ſaubere Gehülfen“
Tr. Herrnanns bezeichnet, ohne daß wir ihm zu diefer befeidigenden Ausdruds-
weife die mindeite Beranlaifung gegeben bätten.
Auf eine andere Art der Abwehr verzichtend, begnügen wir uns damit, Die
Thatſache feſtzuſtellen, und überlaſſen das Urteil über eine derartige Tonart den
Yelern des Euphorion.
Kart Alt
eand. phil.
Kraft Caſſirer Dr. phil. Friedrich Düſel Rudolf Niabre
ean«d. phil. vanıl. phil.
Hermann Ztodbauien
vand. phil.
In dev Dandichrift abgeichloiien am 13. Jannar, um Sasß am 25. Februar 1897.
Rn. f. Beftuserude Karl Aremme ın Win
Sophie Brofzberzogin. von Sachfen
geftorben anı 25. März 1897.
—
Wells vor zwölf Jahren der lebte Goethe den treu behüteten
ON
BT Nachlaß des Dichters in die Hände der Frau Großherzogin
Sophie von Sachfen legte, da wurde in den erften Worten, mit denen
die hohe Frau das Föftlihe Erbe übernahm, allen offenkundig, ‘daß
fie, die Gönnerin dentfcher Hünfte, die Beſchützerin der Shafefpeare-
Befellfchaft, gewillt und ohne Haudern entfchloffen war, die Goethe⸗
Forſchung in der allumfaffenden Weite zu fördern, die fein Name
bedeutet.
Wieder wie vor hundert Jahren richteten fich alle Blide nach
Weimar, die Blicke aller, die das Vermächtnis einer wunderbar
reichen Seit als einen Hort deutfchen Beiftes und deutfcher Kunft
hoch halten. |
Dort waltete eine Fürſtin, cingelebt in die das überfommene
deal wahrenden und fortleitenden Gefinnungen ihres erlauchten
Gemahls, durchdrmgen wie er von den lebendigen Pflichten der
großen Weimarifchen Überlieferung, voll des feinften Verſtänd⸗
nilfes, der tiefften Empfindung für das geiftig-fünftlerifche Erbaut,
eine Fürftin, der des Herzogs von Ferrara Worte Gefeß waren:
„Und ſtellen wir denn Welt und Nachwelt vor,
So ziemt es nicht, nur mäßig zu empfangen.”
Suvhorian IV. 29
442 Sophie Großherzogin von Sachſen.
Uns Gefchichtsfchreibern der Schönen Kitteratur allen ift gegen:
wärtig, wie fid) zu dem Goethiſchen Nachlaß Edelftein auf Edel:
ftein fügte. Koftbare Handfchriften Goethes Pehrten von anderen
Stätten zu ihrem Ausgangsorte zurüd; zu ihnen gefellte fich
Schillers Hinterlafienfchaft, und Wielands, und ein Leil der Herde:
rifchen; jüngere große Tote und jüngere große Lebende reihten
fih ins Gefolge der Größten.
Wenn fo das Gosthifhe Hausarhiv zum Archive deuffcher
NHationallitteratur ſich ausdehnte, fo war es der hohen Fürftin
Werk. Sie wußte zu werben, zu erwerben. Sie wußte zu geben,
indem fie empfing. Sie dankte mit‘ glüdllichen und darun be
glücdenden Worte; fie lohnte mit reichgefüllter Hand, wenn cs
die Gelegenheit gebot. Wachſam fpähte ihr Blick, begleitet von
dent des cifrigften Teilnehmers ihrer Beftrebungen, des Groß.
berzoas, und haftete unverrücdbar auf dem erfpähten Gute, bis
es in der Schatzkammer gebersen werden konnte.
Sie nahm zu ihren landesmütterliden Sorgen die neue
Aufsabe, nahm jie als liebe und heilige Pflicht, ernfter und
höher, denn das Vermächtnis Goethes fie ihr auferlegt hatte.
Wahrlih, das Dertrauen des Erblaffers war „tief begründet“:
ſie rechtfertigte feine Zuverſicht vor den Augen der ganzen
Melt.
Des ſieghaften Erfolges Urfprung war die echte Begeifterung
der erhabenen Sran; Begeifterung, die aus inniger und hin-
gebender, reiner und klarer Erkenntnis des unvergänglichen natio«
nalen Wertes der verwahrten Blätter entfprang. Wer immer ihr
nahen durfte — und wie zugänglich war die Fürftin allen, welche
wahrhafter Sinn für deutfche Dichtung genießend, forfchend,
fhöpferifh erfüllte — wer ihr nahen durfte, jeden begeifterte
ihre Begeifterung. Wie glüdlich geftinmit fahen wir fie noch im
lesten, ab! ihrem legten Sommer, als fie das ftolze neue Archiv
Sophie Großherzogin von Sadıfen. 43
gebäude eröffnete, das fie als Heimftätte den nationalen Geijtes-
ſchätzen errichtete: ein fürftlich Haus den Geiftesfürften, die fie bis
dahin im Schloffe felbft beherbergt hatte. Auch es ein Zeichen
ihrer höchften Derehrung für die Dichter des deutfchen Dolkes,
ihrer befcheidenen Dankbarkeit für die Spender des Grundftodes
diefes Archivs. Deren Namen grub fie in marmorne Tafeln; was
fie felbft gethan, dafür durfte fein Merkmal gefebt werden. Es
erzählt aber der ftumme Bau davon, es erzählen die reichgefüllten
Schreine den Jahrhunderten.
Doch, nicht ruhenden Befis tradhtete die fürftliche Frau auf-
zufpeichern, nicht nur, die feuern Reſte vergangener, die Zeugen
meuer Tage chrfürchtig der Zufunft zu bewahren. Don Anfang an
war ihr Abfehen darauf gerichtet, das Archiv der gelehrten Arbeit
dienftbar und fo Allen fruchtbar zu machen. Auch darin groß
unter den Großen, daß fie fich von den Pundigften Männern
beraten ließ, ordnete fie nach deren Urteil die Ausführung einer
wiffenfchaftlihen Ausgabe der Werke Gosthes an und nahm die
Darftellung von Goethes Leben im größten Stile in Ausficht. Und
wie fie die Bearbeitung diefes ihres eigenften Erbes felbft in die
Wege leitete, fo öffnete fie den Zugang zu allen andern ihr an«
vertrauten, von ihr gefammelten Schäten jedem, den Neigung und
Befähigung in die Räume des Archives führte.
So ward fie die Förderin der deuffchen Eitteraturgefchichte,
fo ward fie die ftarfe Stütze der Forſchung deutfhen Geiftes» und
Kunftlebens. Und darum haben wir ein Recht, in diefen Blättern
den Namen der hohen Frau, die uns nun verlaffen hat, dankend
zu feiern.
Wir feiern ihm voll Trauer, doch ohme Klage. Spricht der
Dichter wahr, fo mußte fie glücklich fein:
„Wem wohl das Glück die ſchönſte Palme beut?
Wer freudig thnt, ſich des Gethanen frei“
29%
444 Sophie Großberzogin von Sachſen.
Freudig that fie, freute fich des Gethanen, und durfte fich
freuen.
Und wie im Engen fo in: IDeiten. Es will nicht ziemen
bier zu reden von dem, was Sophie von Sachſen ihrem hohen
Baufe, ihrem Kande, dem Reiche war. Überall gilt das Wort für
jie: „Unermüdet fchuf fie das Nützliche, Rechte." Wir befcheiden
uns des uns allein zuftehenden Rühmens, daß fie mehr zur
Unterftügung der wiffenfchaftlihen Erforſchung deutfcher Dichtung
gethan als je ein einzelner Menſch, als je eine gelehrte Gemein-
ſchaft.
So wird ihr Andenken unter uns geſegnet fortleben und fort⸗
wirken wie ihr feft gegründetes Werk.
Zur „Inneren Form”,
Von Richard M. Meyer in Berlin.
Zu Minors Belegen für die Gejchichte diejes wichtigen Schlag-
worts (oben S. 205 f.), die ja feine Vollſtändigkeit beanfpruchen,
möchte ich noch ein zwar jpätes, aber charakteriftifches Beifpiel hinzu⸗
fügen. Hebbel in feinem Gedicht auf Platen (Werfe 8, 143) jagt:
Vieles haft dir gethan, man foll e$ mit Liebe dir danfen,
get der äußeren Form ftreng, wie fein Zweiter, genligt,
Haft die inm’re erfannt und alle Keifen der Sprache,
Welche der Leichtſinn fprengt, wieder zufammen geſchweißt,
Eines fehlt dir jedod), die faufte Wallung des Lebens,
Die in ein reigendes Spiel gaufelnder Willfirr den Exnft
Des Gejeges verwandelt und das im tiefften Gebumd’ne
So weit löft, biß es fcheint, bafı «& fi) felbft mır gehordht.
Dennoch verſchmilzt nur dies die Äußere Form mit der mern,
Und man erreicht es nur jo, daß die Webilde der Kunft
Wirken, wie die der Natur, und daß, wie Blumen und Bäume,
Keiner fid) aud) ein Gedicht anders noch denft, als es ifl.
Die Stelle iſt zunächſt intereffant, weil fie der von Minor
(a. a. O., ©. 208) citierten Immermanns widerfpricht: diejer ſpricht
Platen nur um die äußere Form ein Verdienft zu, Hebbel um äußere
und innere. Freilich, was er ihm ſchließlich abjpricht, das möchte doch
etwa dasjelbe jein, was auch Immermann vermißte: die innere
Einheit von Stoff und Form, die gerade dieſem Thema gerade
dieje Geftaltung mit Notwendigkeit erwachien läßt. Hebbel befehränft
den Ausdruf „innere Form“ auf die Handhabung der Spradie,
„äußere Form“ auf die des Metrums, während Immermann gerade
die grammatifche Form für mehr äußerlich erklärt.
Welche Bedeutung der Kunftausdrud für Goethes Technit, ins-
befondere des Dramas hat, fuchte ich 1891 im einem Vortrag zu
446 Richard M. Meyer, Zur „Inneren Form“.
erörtern, für den id) auf das Neferat der Deuiſchen Literatur—
Zeitung (1892, Nr. 5, ©. 170) verweije. Die „innere Form“ ijt
danad) die „Seele“ des einzelnen Tramas, die Hanptempfindung,
die nad) Herder jedes Shakeſpeareſche Stück beherricht und wie eine
Weltjeele durchftrömt. Es ijt nun dieſer Geiſt, der jich den Körper
baut, diejer „Mittelpunkt“, der um jich herum das ganze Werk zu
einem „organiichen Ganzen“ „kryſtalliſieren“ läßt (vgl. meine „Studien
zu Goethes Wortgebrauch”, Derrigs Archiv 96, 7 f., „Mittelpunkt“,
S. 11 f. „kryſtalliſieren“, „organiſch“.
Tiefe Yehre iſt befanntlid) von den Nomantifern weiter aus:
gebaut worden und aus ihren jeugnilfen will id) nur eins hier
beifügen, gerade weil es feiner älthetiichen oder kunſtkritiſchen Schrift
angehört. Scjleiermacher lehrt in der zweiten feiner Reden über die
Peligion iherausgegeben von Lommatzſch, S. 1575: „Hemme id) in
(Sedanfen den Yauf jenes raſtloſen (Setricbes, wodurc alles Menſch—
liche ineinander verichlungen und voneinander abhängig gemacht wird,
jo ijt jedes Individuum jeinem inneren Weſen nad) ein notwendige
Ergänzungsſtück zur vollfommenen Anjchanung der Meenjchheit. Der
eine zeigt mir, Wie jedes abgerifiene Zeichen derjelben, wenn nur
der innere Bildungstrieb, der das Ganze beſeelt, ruhig darin fort:
wirfen kann, ſich geftaltet in zarte und regelmäßige ‚Formen: der
andere, wie aus Mangel an belebender und vereinigender Wärme
die Härte des irdiichen Stoſfs nicht bezwungen werden fann, oder
wie im einer zu heftig bewegten Atmoiphäre der innerite Geiſt in
jeinem Dandeln gejtört wird, daR alles untcheinbar und unfenntlid)
ans Yicht kommt . . .“ Hier treffen wir alio Goethes naturwiſſen—
ſchaftlichen Hauptbegriff des „inneren Bildungstriebes“ in allgemeinſter
Verwendung: er wohnt als „innerſter Geiſt“ in den Menſchen wie
in den Kunſtwerken, und was er will, das eben iſt die „innere
Form“. Kann er ruhig fortwirken, jo kryſtalliſiert ſich ein harmoniſches
Ganze: wird er in ſeinem Handeln geſtört, jo kommt alles unſcheinbar
und unkenntlich ans Licht. Und eben deshalb hat nach Goethes
Ausſpruch Natur weder Kern noch Schale: Alles iſt ſie mit einem
Male: denn bier iſt alles ungeſtörtes, ſtetig wirkendes Geſetz und
hier iſt die äußere Form nothwendiges Abbild der inneren, geieß:
mäßiges Ergebnis des Bildungstriebes. Tas menſchliche Wert aber
mißlingt nur zu oft im Guß, und dann bleibt zwiſchen innerer
und äußerer Form jene luft, die Hebbel an Platen zeigt und die
wir jo oft an Hebbel eupfinden.
8. d. Wurzbach, Zur dramatifden Behandiung der Grheldisſage 447
Zur dramatifcjen Behandlung der
Grijeldisjuge.
Ton Wolfgang von Wurzbad in Wien.
Die Grifeldisfage war in den legten Jahren wiederholt Gegen-
ſtand umfafjender Erörterungen. Dr. F. von Weftenhofz!) hat fie im
einem bejonderen Buche behandelt, und jchon vor ihm gruppierte
Neinhold Köhler in einem eingehenden Artifel der Nealencyklopädie
von Erſch und Gruber (I, 91, ©, 413) das ganze befannte Materiale.
Der vorliegende Aufſatz hat auch nicht die Abſicht, dasſelbe —
obwohl auch diejes mod) lange nicht erfchöpft it — zu vermehren,
Sondern lediglich die der Sage durch Zope de Vega und Friedrid)
Halm zu teil gewordene Auffaffung näher zu befenchten.
Die zahllofen Novellen, Fabliauxr und Dichtungen, welche die
edlen Eigenjchaften der Frau durch herbe Prüfungen im der herz-
gewinnendften Weije zum Ausdruck bringen, jcheinen eine von der
anderen injpiriert zu jein. Es it unmöglich, das erſte Urbild dere
jelben zu finden, aber die inmere VBerwandtichaft der Grijeldis, der
Senofeva, der Melufine umd anderer läßt ſich nicht verfennen, wenn
auch die Unterjchiede deutlicher zu Tage treten, als die Ahnlichkeiten.
Sie find ſämtlich auch dramatiſch behandelt worden, und Grifeldis
hat eine gewiffe Berühmtheit als Bühnenfigur erlangt. Friedrich
Halın bemühte ſich, durch die Einfügung fremder Elemente eines ans
deren Sagenfreijes den urjprünglicyen, herben Charakter der Dichtung
zu mildern, aber es gelang ihm nur, die Motive zu ändern, ohne
der Handlung das geringjte von ihrer originellen Roheit zu nehmen.
Die befanntejte Faſſung der Sage enthält Voccaccios Novelle
(Decamerone X, 10), welche folgendes erzählt:
Graf Walther von Saluzjo, ein Mann von jchöner Gejtalt
und in den beiten Jahren, hat eine heftige Abneigung gegen bie
Ehe. Schon Lange liegen ihm die mm jeine Nachfolge und das
Schickſal feines Yandes bejorgten Großen mit der Bitte an, ſich zu
verheiraten. Allein er, der lediglich feinem Lieblingsvergnügen, der
Jagd, nachgeht, kennt feinen widrigeren Gedanken, als den an jeine
Verheiratung, durch welche er feine Freiheit zu verlieren fürchtet,
Endlich giebt er ihren Drängen nad) und verfpricht ihnen, jich zu
vermähfen, aber nur unter der Bedingung, daß jie die, weiche er zu
) Die Grifeldisfage in der Literatturgefchichte. Heidelberg 1888,
HS W. v. Wurzbach, Zur dramatiichen Behandlung der Grifeldisfage.
jeiner Gattin erwählen wiirde — welchem Stande fie immer an
gehörte — als ihre rehtmäßige Fürſtin anerfennen wollten. Sie
willigen darein. Gines Tages fordert fie der Graf auf, ihm zu
folgen, und führt fie zu einem Baueruhanſe. Hier ſehen fie ein
Ichlichtes Mädchen, welches eben, den Krug in der Hand, vom
Brummen kommt. „Wo iſt dein Nater, Griſeldis?“ ruft der Graf
das Mädchen an. „Herr, er iſt im Hanſe,“ antwortete fie erröthend.
Der Graf jteigt vom Pferde und tritt im die Dütte, wo er den
alten Janicula Findet, dem er im kurzen Worten erflärt, daß er ge-
fommen ſei, jeine Tochter zu beiraten. Der alte Bauer kaun ſich
über das Anerbieten des Grafen nicht falfen, giebt ihm aber feine
zZuſtimmung. Walther wendet ſich nun an das Mädchen ſelbſt mit
der Frage, ob fie ihn heiraten wolle. Als fie darauf mit Ja geant
wortet, fragt er fie, ob tie ihm and in allem gehorſam jein, und
alles mit Gleichmmt ertragen wolle, was immer er von ihr ver
langen würde. Als fie auch dies frendigen Derzens verſprochen, jtellt
ſie der Graf den vor der Mitte wartenden Großen als jeine Braut
vor. Darauf führt er fie anf fein Schloß, und feiert die Hochzeit.
(Srijeldis findet ſich leicht in dei neuen Ztand und erwirbt jid)
durch ihre Yentieligteit Die Liebe aller ihrer Unterthanen.
So leben Walther und Griſeldis ein Jahr in der glüdlichiten
Ehe. Sie bringt eine Tochter zur Welt, woriiber im Lande die
größte Freude herricht. Mur mit Walther jelbit jcheint eine Ver
Änderung vorgegangen zu ſein. Er teilt jeiner Frau mit, daß jeine
Untertbanen über die Geburt der Tochter höchſt erzürnt ſeien, da
alle einen Sohn erwartet hätten. Zodann fragt er fie, ob fie nod)
immer desielben Sinnes jet, wie zu Anfang ihres Ehejtandes, da fic
ihm veriprocen, alles ſtandhaft und geduldig anf ſich zu nehmen,
was er über fie verhängen würde. Griſeldis antwortet ruhig, daß
jie ſich vollkommen bewurt ei, wieviel fie ihm verdanfe, und daß
er über ſie und ihr Rind zu verfügen das Recht habe.
Bald nach diejer Unterredung jendet der Graf einen Diener zu
(Srijeldis, nm ihr das Mind abzunehmen. Zie giebt cs ruhig hin,
und fügt ſich in ihr Geſchick. Der Graf läßt das Kind zu einer
Verwandten nach Bologna bringen, mit dem Auftrage, es ſtandes⸗
gemäß zı erziehen.
Als Griſeldis vier Jahre ſpäter einem Zohne dag Leben fchentt,
tritt der Graf in ähnlicher Weite an jie heran. Auch diefes Kind
läßt er ihr entreigen, unter dem Vorwande, daß feine Unterthanen
nach jeinem Tode nicht von dem Enkel des Bauern YJanicula regiert
werden wollten, Wieder fügt ſich Griſeldis und trennt fid) nun von
ihrem Zohne, den der Graf gleichfalls heimlich nad) Bologna
bringen läßt.
®. d. Wurzbach, Zur dramatischen Behandlung der Griſeldisſage. 44.)
Doch ihrer wartet noch größeres: Leid. Der Graf läßt im
Lande ausiprengen, daß er im Nom die Trennung feiner Ehe durd)-
gejegßt habe, und er erflärt jeiner rau in Gegenwart des ganzen
Hofes, daß er fie mit Zuftimmung des Papftes nach Hanje ſchicken,
und an ihrer Stelle eine jeiner würdige Prinzeffin ehelichen wolle.
Griſeldis gehorcht und Walther ſelbſt, der jeiner Bewegung nur mit
Mühe Herr werden kann, ſieht fie mit feuchten Augen jcheiden. Arm,
wie fie in das Schloß gefommen, verläßt fie «8, um in die Hütte
ihres Vaters zurüdzufehren; der Graf läßt num alle Vorbereitungen
zu feiner neuen Vermählung treffen, und benutzt dieſe Gelegenheit,
um Grijeldis die ſchwerſte Prüfung aufzuerlegen, indem er jie aus
ihrem Dorfe holen läßt, damit jie zu dem Feſilichleiten die Zimmer
fege. Auch dies nimmt Grijeldis auf ſich, ja fie bereitet ſelbſt das
Yager für ihre Nachfolgerin,
ALS die Braut, die faum 12 Jahre alt iſt, anlangt, fragt der
Graf Grifeldis, ob ihr feine zufünftige Gattin gefalle; fie bejaht die
Frage, und fügt den Wunſch bei, der Graf möge mit ihr glücklicher
werden, als er es bisher geweſen.
Da endlich wendet ſich der Sinn Walthers. Er führt Grijeldis
zu feiner vermeintlichen Braut und erflärt ihr, daß es niemand
anderer jei, als ihre eigene Tochter, und daß er alles dies nur
gethan habe, um jie auf die Probe zu jtellen. Nur fie allein jei
jeine rechtmäßige Gattin. Unter reudenthränen umarmt Grijeldis
ihren Gemahl und ihre Kinder — denn mit ihrer Tochter war auch
ihr Sohn aus Bologna gefommen. Walther läßt fich vom neuem mit
ihr trauen, umd febt von nun am mit ihr im der denkbar glüd-
lichſten Ehe. ⸗
Dies die novelliſtiſche Geſtalt der Sage, Ältere Autoren be—
haupten, daß die Fabel und der Name Griſeldis nicht bloß erfunden
ſeien, ſondern daß dieſer Phönix des weiblichen Geſchlechtes wirklich
eriftiert habe, und Jean Bouchet erzählt die Geſchichte wie eine
wahre Begebenheit.
Dramatijd) bearbeitet finden wir fie ſchon zu Ende des XIV. Yahr-
hunderts in dem Mystere de Griselidis, Marquise de Saluces
ä 35 personnages (Paris, Bonfons um 1548, 4°), und in alten
Fabliang und Novellen erjcheint fie unzählige Male unter den Titeln:
Miroir des dames, Enseignements des femmes mariees etc. ele,
Welcher Quelle Boccaccio feine Novelle entnahm, iſt nicht zu
erwieren. Gleichzeitig mit ihm hat Petrarca 1373 — ein Jahr vor
jeinem Tode — diejelde Gejchichte in lateiniſche Verje umgedichtet
und fie dem Boccaccio mit dem Bemerfen geihidt: „Cum et mihi
semper ante multos annos plaeuisset.” Daß damit nicht die
Verfion des Voccaccio gemeint fein könne, geht aus dem „ante
0 W. v. Wurzkach, Zur dramatischen Yehandiung der Grifeldisfage.
multos annos’’ hervor, und cs jcheint, dag die Quelle Petrarcas
eine andere geweſen jei als die, welche Boccaccio vor id) hatte, da
der lettere manche Umjtände, wie 3. B. die zarte und naive Anrede
der Vaſallen an ihren Herrn, da fie ihm bitten, ſich zu vermählen,
die Schilderung des Charakters der Griſeldis, die Zorgfalt, mit
der ſie ihren alten Vater pflegte u. a. m. übergangen hat.
Als Romöpdie behandelte den Stoff zuerit Dans Sachs, deifen
Dichtung bereits Weitenholz :S. 37 ff. eingehend darlegte; als der
nächjte nad) ihm, der Jeit nad, Yope de Vega unter dem Titel:
El ejemplo de easadas yv prueba de paciencia (das Muſter der
Shegattinnen oder die Probe der Geduld'. Er folgt ziemlich genau
dem Gange der Fabel, mur hat er die Handlung auf mannigfadıe
Weiſe mit neuen Suthaten dramatisch ausgeſchmückt. Da der Anhalt
diejer Komödie bisher nur aus den Notizen Grillparzers befannt it
umd dieſe Nomödie Yope de Vegas nur in dem äußerſt Teltenen
fiinften Bande jeiner dramattichen Werke abgedrudft und daher dem
Yitterarbiitoriter beionders ſchwer zugänglich iſt, erzäblen wir den
Inhalt eingehender.
Ten Grafen Walther von Zaluszo macht Yope zu einem
Grafen Enrique aus dem (Sejichlechte der Moncada, das iiber Barce:
lona und Nonilillon bericht. Ten alten Janicula nennt er Yauro,
die Griſeldis Yanrencia. Außerdem finden sich noch zahlreiche Neben:
perſonen: einige Bauernburſche, die fich vor der Nerbeiratung Lau—
rencias mit dem Grafen um ihre Gunſt bewarben, ſorgen fir Die
heiteren Intermezzos. Unter ihnen ragt beſonders Belardo hervor.
Lope de Vega hatte die Gewohnheit, ſich unter dieſer ſtereotypen
Figur ſelbſt in ſeine Stücke einzuführen. Am Schluſſe heißt es:
Vjur Belardo da fin bier endet Velardo Die Nomödie..
Trotzdem Yanrencia ans einer armen Bäuerin zur Gräfin erhoben
wurde, vergint fie ihre ‚sreumde aus dem Dorfe nicht, und Belardo
und die übrigen haben freien Zutritt in den Palaſt. Als jedoch die
Prüfungszeit für sie kommt und ihr Gatte ihr beide Minder ſchon
entreißen lien, da nimmt er auch an dem Berfchre feiner Gattin
mit den Yandlenten Anton. Da er Griſeldis Yaurencia: einmal
um Geſpräch mit den Bauern trifft, jagt er dieſe, die er bisher
ruhig am Hofe geduldet, ans dem Palaſte. Zcine Gemahlin beſchimpft
er in der gröblichiten Weiſe, inden er ihr jagt, dieje bäuriſche Geſell
ichaft jet ihrer ganz würdig. In einer Parabel vergleicht er ſie mit
einer Mage, die in ein Mädchen verwandelt wurde umd fich auch
als solches ganz menichlich betrug: als tie aber einjt eine Maus
erblidtte, alles vergaß, und auf fie lositürzte: To jei auch bei Lau—
rencia Griieldis die alte, unedle Natur zum Durchbruche gefommten.
W. v. Wurzbach, Zur dramatifchen Behandlung der Griſeldisſage. 451
Nachdem ihm Laurencia in der demüthigſten Weiſe zugeftanden,
daß ihr ſehr wohl bewußt ſei, wieviel ſie ihm zu danken habe, ant⸗
wortet fie ihm auch in einem &leichnis: Ein Bauer befaß einen
Bauınjtanım, auf dem er zu figen pflegte. Seine Gemeinde bat ihn
darum, und ein Künftler madjte eine Statue des Jupiter daraus,
die in der Folge unzählige Wunder wirkte. Das Volk ftrömte an-
betend nad) dem Gnadenbilde, nur jener Landmann bezeigte ihm
jeine Verehrung nicht. Als ihn einft einer um ben Grund diefes
ſeines Verhaltens fragte, antwortete er: „Ich verliere die ganze
Achtung vor den Wundern diefes Bildes, wenn id) bedenke, daß es
vor meiner Thür ftand und mir zum Siten diente.”
Zope de Vega illujtriert auch die Abneigung des Grafen Enrique
gegen die Ehe. Wir fehen ihn ſchon am Anfang der Komödie Gericht
halten. Unter anderen wird ihm ein Dann vorgeführt, der bereits
zum jiebentenmal verheiratet ijt, und gegen den die Anklage er-
hoben wird, daß er feine ſechs früheren Gemahlinnen durch Gift
und Dolch aus dem Wege gejchafft habe. So fehr Enrique über die
Verbrechen diejes Mannes erzürnt ift, ift er ihm auch in feiner
Dandlungsiweije ein Rätſel, und er läßt ihn durch feinen Hofmaler
al3 ein nie dagemwejenes Monftrum porträtieren. Freilich zieht er
daraus auch einen Schluß auf die Freuden des ehelichen Lebens,
die den Mann bewogen, ſich jechsmal feiner Gattinnen zu entledigen, '
und immer wieder zu heiraten.
Eine der jchönften Scenen der Komödie ift wohl die Anfangs-
jcene des dritten Aftes, da Grijeldis, von ihrem Gemahl verftoßen,
zu ihrem armen Vater zurüdfehrt, der fie weinend empfängt.
Im Gange der Handlung zeigt befonders der Schluß merkliche
Abweichungen.
Nachdem der Graf Laurencia ihrem Bater zurüdgefchidt hat,
nimmt er das Kreuz aus den Händen Richards I. Löwenherz und
deſſen Schwiegerjohnes Don Alfonfo VII. von Caſtilien, die ſich
eben zum Zuge in das heilige Land anfchiden. Der Dichter ge-
jtattet uns hiermit auf die Zeit (1189—1192) zu fchliegen, in
der Lope jid) die Handlung ſeines Dramas dachte. Nun vergehen
lange Jahre. Laurencia hat fi) durch die Geduld und den Gehorjan,
mit dem fie ihr Unglück ertrug, großen Ruhm erworben, fo daß
man ihr Porträt bei fid) trug, jo wie man heute von Berühmtheiten
eine Photographie beſitzt.
Auch zum Herzog Gottfried (Gofredo) von Bearne (Biarne,
Vierna), deſſen Gattin, die ſchöne Alfreda, eben geftorben iſt, und
ihn als kinderloſen Witwer zurückgelaſſen hat, iſt der Ruf ihrer
Schönheit und Vortrefflichkeit gedrungen, und er läßt ihr ſeine
Hand antragen. Sein Geſandter weilt noch in ihrer Hütte, als ein.
452 W. v. Wurzbach, Zur dramatischen Behandlung der Griſeldisſage.
anderer von ihrem Gatten, der indes aus dem heiligen Lande zurück—
gekehrt iſt, anlangt, und ſie in deſſen Namen auffordert, als Magd in
den Palaſt zu kommen, um zu ſeiner bevorſtehenden Hochzeit mit
der Tochter des Königs von Frankreich die Zimmer zu kehren.
Yaurencia, dag Muſter der Ehegattinnen, weijt die Werbung
des Herzogs von Bearne zurück und folgt dem brutalen Befchle des
(Hatten. Gleich daranf zeigt fie uns Yope, wie fie den Bejen in der
Dand, das Schloß Fegt.
Der Schluß hält fich wieder an die Erzählung. Die Braut, die
aud hier ausdrüdlic, als Kind (mina) bezeichnet wird, tft Laurencias
eigene Tochter Roſimunda: der Wrautführer, der fie geleitet, iſt ihr
Sohn Ton Ramon. Mit der NNiedervermählung des Grafen mit
Yaurencia jchliept die Dandlung.
Yope benügte als Quelle wahricheinlic) die Novelle Boccaccios,
deſſen Decamerone bereits 1496 zu Zevilla in ſpaniſcher Uberſetzung
erichien. Gewiß waren ihm aber auch drei ſpaniſche Romanzen
bekannt, welche, eine ziemlich getrene Verſifizierung der Novelle,
lange vor feiner Komödie erichienen. Sie Führen den Titel: Griselda
Romance de la peregrina historia de esta pastoreilla. y de
eomo el margues Gualtero trato en easamiento con ella, y
sallö el mas singular ejemplo de la obedienea,. que deben tener
las mujeres casadas a sus maridos (6 Blatt..!)
Zie weiten nod feine jener Abweichungen anf, welche ſich bei
Yope finden, aber es genügt den Titel der Comedian Yopes „EI
ejemplo de casadas y prueba de pacieneia’ mit dem „mas
singular ejeimpl» de la obedieneia que deben tener las mujeres
vasadas’ des Titels der Nomanzen, zu vergleichen, um den Gedanken
nahezulegen, daß Yope dieſe Tichtungen gefannt habe.
Die ältejte engliiche Bearbeitung desjelben Stoffes ift wahr:
Icheinlid) jene, welche Geoffroy Ehaucer :1328 bis 1400, in feinen
Ganterbury Tales unter dem Titel The Glerkes Tale giebt. Der
Clerke, dem die Erzählung in den Mund gelegt iſt, berichtet im
Prolog, dan fie ihm Petrarca, the laureat poete in Padua erzählt
habe. Auffallend aber iſt cs, daR ſich Chaucer in jeiner Erzählung
oft wortgetren an Boccaccio bält.
Auf Chaucers (Hedicht beruht die dramatiiche Bearbeitung: „The
pleasant Cormmedie of patient Grissel” von Chettle, Teder und
Houghton '1603;, welche die tämtlichen Noheiten der alten Novelle,
die Entführung der Kinder, die Unmahricheinlichfeit der mehr ale
zehnjährigen Trennung der (Ehegatten wie bei Yope, und die Vrutalität
der vorgeblichen zweiten Heirat des Grafen aufweilt, wofür die herr»
1. Abgedruidt im Komancero general von T. Aug. Turan 2, 1273—1275.
W. v. Wurzbach, Zur dramatifchen Behandlung der Griſeldisſage. 453
lichen Ausbrüche des Mutterſchmerzes und die ſtille Klage der tief-
verwundeten Gattin faum einen Erſatz zu bieten vermögen. Die
dichtende Compagnie hat durch eine heitere Nebenhandlung dem Stoff
mehr Würze zu verleihen gejucht, jedoch ohne den Zweck zu er-
reihen. Die Handlungsweiſe des Grafen ift jo feudal⸗roh, daß fich
unjere feinere und befjere gejellichaftliche Anjchauung unmöglich mit
ihr verſöhnen kann.
Die „Patient Grissel’’ wurde von Collier 1841 für bie alte
„Shakespeare-Society" publiziert, und erfuhr 18983 eine abermalige
Auferjtehung in den „Erlanger Beiträgen zur englifchen Philologie“,
wojelbjt Gottlieb Hübſch in einer eingehenden Vorrede dag Quellen-
materiale der engliichen Komödie erörtert.
Den Dentſchen ift die naive, alte Novelle durch das deutfche
Volksbuch Grijeldis, welches nur eine — jtellenweife freie, ſtellenweiſe
wörtliche — Nachbildung der Erzählung Boccaccios ijt, hinreichend
befannt, aber an die dramatijche Behandlung wagte ſich feit Hans
Sachs fein deutjcher Dichter. Erft Friedrich Halm madjte wieder
einen Verſuch. Er befaß hinreichend feine Empfindung, um die
Widerhaarigfeiten dieſes Stoffes zu fühlen, und es foftete ihn -
wahrlich Mühe, fie zu mildern.
Aus dem Grafen von Saluzzo wird Percival von Wales, ein
Ritter der Tafelrunde des Königs Artus — denn die Handlung
verlegt der Dichter nad) England. Im erften Afte jehen wir den
ganzen Hof bei einem prachtvollen Feſte vereinigt. Auch Percivat iſt
erjchienen, der während der letzten drei Jahre den Hof gemieden hat.
Erſtaunt fragt die Königin Ginevra bei feinem Anblide, warum
man den Helden fo jelten am Hofe jehe. Niemand weiß ihr Auskunft
zu geben; ihr gejchwäßiges Hoffräulein Oriane aber erzählt, Percival
habe jeit feiner Vermählung jeine feite Burg Pendennys nicht ver:
lajjen. Dadurd) neugierig gemacht, ruft die Königin PBercival zu ſich
und fordert ihn auf, ihr zu berichten, weiche Dame er heimgeführt
habe. Wie erjtaunt jedoch fie und der ganze Hof, als Percival
erzählt, day er Griſeldis, die Tochter des armen blinden Köhlers
Cedric in Wales, zu feiner Gattin erhoben habe, und daß fein häus:
liches Glück ihn die Zerſtreuungen des Hofes gerin ſchätzen lehre.
Seine unbegrenzte Liebe zu Griſeldis, die der „get in den leb-
haftejten Farben jchildert, fanıı in den Augen des Hofes dieſen
Fehltritt nicht entichuldigen, und wenn Ginevra früher darüber
erſtäunt war, daß Percival feinen alten Adel durd) -diefe Mißheirat
ſchändete, jo ift fie im höchften Grade darüber erzürnt, wenn er jagt,
daß er jeine Gemahlin, die gleichwohl von niederer Abfunft jet, den
Damen des Hofes in jeder Hinſicht vorziehe. Lachend fordert fie ihn
auf, die Geſchichte jeiner Liebe zu .erzählen, und die flolze Königin,
454 W. v. Wurzbach, Zur dramatiſchen Behandlung der Griſeldisſage.
ſowie die anderen verſäumen nicht, während Percivals Rede ſpöttiſche
Bemerkungen über die Köhlerin fallen zu laſſen. Endlich kann ſich
Percival nicht mehr zurückhalten. Er zieht ſein Schwert. Lanzelot,
der Galan der Königin, nimmt ihre Partei. Schon ſtürzen die beiden
aufeinander los, als König Artus ericheint, und fie wegen der
Störung des Feſtes zur Rede ftellt. Ginevra jpielt die VBeleidigte,
Percival joll widerrufen; er weigert fich jedoch, es zu thun, und
bezeichnet den Spott der Königin al3 dic Urſache jeines gerechten
Zorned. Ta ergreift Ginevra jelbit das Wort und verpflichtet ſich
vor dem Köhlerfinde zu mien:
„Wenn Ihr mir Proben gebt, daß Eure Hausfrau
So tugendreicdh und treu umd liebvoll iſt,
Und Euch und Eurem Wohl jo fehr ergeben,
Daß, ging's auf Erden nach Verdienſt und Recht,
Sie Kön'gin wär', und Englands Krone trüge!
Erprobt Ihr dies, ſo will ich vor ihr knieen.
Das Motiv iſt hier alſo eine Wette.
Percival beſchließt, ſeine Frau zu prüfen, um die hochmüthige
Königin, die ihrer geſpottet, zu ſtrafen und zu beſchämen. Ginevra
verlangt nun zuerſt, daß er ihr den Sohn entreiße. Schwer trennt
ſich Griſeldis von ihrem Kinde: nicht ſo leicht, nicht mit demſelben
frohen Gehorſam wie bei Lope de Vega oder bei Boccaccio. Erſt
als Percival ihr ſagt, daß er dem Bann verfalle, wenn er das Kind
nicht dem Könige ausliefere, giebt ſie es hin, um ihn zu retten.
Zweitens muß er ſie verſtoßen, jo hilflos, arm und nadt, wie er fie
aufnahm. Die Yehensmannen, in deren (Gegenwart jich diefer Alt
vollzieht, nehmen zwar in ſtürmiſcher Weiſe für ihre Herrin Partei,
doch Percival hält fie in Schranfen und Griſeldis ſcheidet betrübt
von der Burg.
Zu ihrem Vater heimgefehrt, wird jie von ihn nicht liebevoll
empfangen. Cedric ift fein Janicula und fein Yauro. Er hatte alle
Deweije, die Griſeldis dem Percival bisher von ihrer Gattenliebe
gegeben, als LXieblofigfeit gegen ihre Eltern aufgenommen. Sie hatte
ſtumm geduldet, dan Percival ihren Vater von feinem Hofe ver:
bannte; fie hatte verfäunt, zu ihrer fterbenden Mutter zu eilen, da
jie am Bette ihres gleichfalls ſchwer ertrauften Gatten ausharrte:
Er jah darin nur eine Pietätlofigleit gegen ihre Mutter, nicht Auf⸗
opferung für ihren Gemahl. Nun, da die Tochter ſich ihm naht,
wendet er fich von ihr ab.
ALS dritte Probe hatte (Hinevra verlangt, day Griſeldis ihrem
(Hatten nach all den harten Umbilden, die er ihr zugefügt, noch ihre
Yiebe bewahren jollte, ohne ihm zu zürnen.
W. dv. Wurzbach, Zur dramatifchen Behandlung der Grifeldisinge.. Wÿñ
Zu diefem Ende wird fingiert, daß Percival von den Mannen
des Königs verfolgt werde. Fliehend kommt er zu Grifeldis und
fleht fie an, ihn vor feinen Berfolgern in Schuß zu nehmen.
Griſeldis beitcht aud) diefe Probe. Sie verbirgt ihn im einer Höhle,
nahe im Walde. Dann ſinkt fie auf die Knie und betet zum Himmel
um feine Rettung. Darauf fommt Ginevra, um jeine Auslieferung
von ihr zu verlangen, da man den Flüchtigen hier habe vorüber-
eilen jehen. Grifeldis liefert ihn nicht aus. Vergebens bemüht fich
die Königin, ihr vorzuftellen, weld) undankbarem Manne fie folche
Wohlthaten erweije, wie fchlecht ihr Percival bis jet ihre Liebe
gelohnt habe. Er habe ihr ihr Kind geraubt, fie felbft verftoßen —
Griſeldis verrät ihn nicht.
Damit hat Grifeldis alle drei Proben glänzend beftanden.
Ginevra ift beſchämt und ſoll der Wette gemäß dem Köhlerfinde
fniend Abbitte leiſten. Percival jauchzt vor Freude. Der Schwer:
geprüften erklärt aber König Artus vor dem verfammelten Hofe, daß
all ihre Dual nur erlogen gewejen, um einer Wette willen. Dies -
trifft Grijeldis fchwer. Zwar leiftet ihr die Königin kniend Abbitte,
aber fie hat nun ihren Sinn gewandt. Enttäufcht wendet fie ſich mit
bitteren Vorwürfen an ihren Gemahl. Nun kann fie nicht mehr zu
ihm zurüdfehren, da er mit ihrer Liebe ein fo freventliches Spiel
getrieben. Sie fehrt mit ihrem armen alten Vater in die Hütte
zurüd, wo fie chedem fo zufrieden gelebt. Bercival eilt ihr nad), fie
zurüdzuhalten, aber König Artus heißt ihn bleiben, denn jett hat
er das Recht verwirkt, fie zu befigen.
Halms gefünftelte Dichtung erreicht ihren Zwed, die Herbheit
der urfprünglichen Form zu mildern, nicht, und bleibt weit hinter
Lope zurüd, der ihr mit größerer Treue folgt. Den mächtigiten
Konflikt, Grijeldis Prüfung durch die Vermählung ihres Gatten
mit einer anderen, läßt fi) Haln vollends entgehen. Das ‘Drama
entbehrt nicht der Nührung, nad) dem Gefchmade jener Zeit,
aber e3 giebt den gewaltigen Stoff nur verwällert und verzudert.
Das Motiv, die verlegte Eigenliebe der Königin Ginevra, it aus
dem Sagenfreife der Ritter der Zafelrunde, dem Lai de Lanval der
Marie de France!) entnommen.
Dort heißt der Held Lanval (Percival). Er. hält fi), wiewohl
von vornehmem Gejchlechte, vom Hofe, an defien Freuden er feinen
Anteil nimmt, fern. Er fühlt fi) glüdlich im heimlichen Befige
einer bezaubernd ſchönen Fee, welche ihm verfpricht, jederzeit auf
jeinen Wunſch bei ihm zu fein, nur dürfe er niemandem etwas von
jeinem Glücke mitteilen.
1, Legrand d'Au'ſi T.
439638. v. Wurzbach, Zur dramatischen Behandlung der Srifeldisfage.
(Segen feine Gewohnheit erjcheint Yanval eines Tages bei
einem Feſte, welches König Artus veranjtaltet. Königin Sinevra,
die eine heftige Neigung zu ihm empfindet, benutzt die Gelegenheit,
um ihm diejelbe zu offenbaren. Yanval vergißt in dieſem Augenblick
jein der Fee gegebenes Nerjprechen, und tagt der ftolzen Königin,
dan er bereits liebe, und dan die Tame jeines Herzens weit jchöner
iei, als jie jelbit. Tamit hat er das geheimnisvolle Band, welches
die Fee mit ihm verfnüpfte, zerrilien. Ginevra, durd die Zurück—
weiſung Yanvals verlegt, Flagt ihrem Gemahl, daR Yanval fie zum
Ehebruche verleiten wollte. König Artus läßt ihn auf der Stelle ge:
fangen nehmen, und Yanval joll fein Nergehen gegen Ginevra mit
dem Tode büßen. Ta die Richter jedod) diefen Spruch für zu ftreng
erachten, einige man fich dahin, daR er Gnade finden folle, wenn
er Seine Schöne dem Hofe zeige. Die ‚see ericheint wirflich, und
von ihrer Schönheit jind alte jo entzückt, daß Yanval freigeſprochen
wird.
Nas Halm dem Yar entlebnte, it deutlich genug. Auch hier iſt
cs die auf jede andere Schönheit und Weiblichfeit eiferfüchtige
Königin Ginevra, nur heist der Deld ſtatt Lanval Percival, aber
auch er hält sich, ſelbſtzufrieden mit ſeinem Yicbesglüde, fern von Ge—
räuſche des Hofes. Tie Königin veranlaßt ihn zur Probe jeiner
(seliebten, die ſich in dem Yat einfacher geltaltet, und mit dem
blogen Erſcheinen der Fee vor dem Nofe erledigt fit.
Ter Graf Walther Pereival -- der in der uriprünglichen
Dichtung Seine ‚rau prüft mit Bezug auf all die ‚ragen, Die
er ihr bei jeiner ISerbung vorgelegt bat, it ein roher, aber im Geiſte
jeiner Zeit möglicher Charaktter: Halm aber macht aus ihm den
Zpielball einer Weiberlanne, einen Tyrannen, der feine ‚grau in
ter abichenlichiten Weiſe quält, weil eine andere dies wünſcht.
Dieſer jcheinbar höchſt dramatiiche Stoff ift in Wahrheit drama:
tiſch ſpröde, denn es liegt fein zu entichuldigender Grund für den
Grafen vor, jeine treue und ihm lebende Sattin in jo grauſamer
Weiſe zu martern, und er iſt ein unſympathiſcher Bühnencharakter,
den wir ohne Teilnahme alleinſtehen ſehen, wenn Griſeldis ihm
ſchließlich verläßt, wie Halm dies im dramatischen Gerechtigkeits—
gefühle geſchehen läſzt. Andere ähnliche Bühnenheldinnen ſtehen unter
dem Verdachte des Ehebruches, auf Griſeldis aber fällt fein Ver—
dacht. Zie hat jelbit in den Augen ihres Gatten nicht die geringfte
Schuld auf jich geladen.
All diefe Umstände machen den Stoff geeigneter für eine novelli-
ittiche, als für eine dramatiiche Behandlung. Halm aber hatte bei
der Bearbeitung noch eine andere Fabel im Sinne. Ihm ſchwebte
Maſſingers Nomödie „The pieture” vor Augen,
Th. Hampe, Der blinde Yandstnecht-Dichter Jörg Graff. 457
Bier zieht Mathias, ein böhmischer Ritter, unter König Ladislaus
von Ungarn in den Krieg gegen die Türfen, im unerfchütterlichen
Zertrauen auf die Treue feiner Gattin Sophia, welche er auf der
väterlichen Burg zurüdläßt. Die Königin Honoria verliebt fi) in
den tapferen Ritter, und als fie ihn die Treue feiner Gattin rühmen
hört, veranlaßt jie ihn zu einer Wette, auf Grund deren fie die
Treue Sophias durch zwei Kavaliere auf die Probe ftellen läßt.
Die beiden begeben ſich auf das Schloß und fuchen fie in ihrer
Treue wanfend zu machen, werden aber von ihr in einen Turm
geiperrt und zu weiblichen Arbeiten angehalten, bis endlich der Gatte
und mit ihm König Ladislaus und die Königin Honoria erfcheinen,
bei welcher Gelegenheit Sophiens Treue glänzend dargethan und die
Königin, jowie ihre beiden Kavaliere bejchämt werden.
Mafjingers Komödie beruht auf einer Novelle Bandellos [I, 21]
und es ijt nicht deutlich, ob Halm feine Grifeldis auf Grund der
Novelle oder auf Grund der Komödie aufbaute. Jedenfalls kannte
er die eine oder die andere, denn auch hier ſpielt die Wette die
Hauptrolle, nur der Gegenjtand ift ein anderer; bei Bandello und
Maſſinger iſt es die eheliche Treue, in Halms Grijeldis dagegen die
Demut und Unterwürfigfeit; aber die Königin Honoria fann ihre
Ahnlichfeit mit der Ginevra bei Halm und der Königin im Lai de
Lanval nicht verleugnen. Die Prüfung, welche der treuen Gattin
zugedacht wird, ijt derart, wie fie einer verheirateten Frau wohl be-
gegnen fann, aber die Prüfung der armen Grifeldis ift unmenfchliche,
mittelalterliche Peinigung. Die Sitten ändern fi) und mit ihnen
auch die Anſchauungen über die Pflichten und Rechte der Frau.
Der blinde Landsknecht-Dichter Jörg
Graf und fein Aufenthalt in Nürnberg
(1517-1542).
Ton Theodor Hampe in Nürnberg.
Ein Yandsfnecht zur Zeit Kaifer Marimilians, bejeelt von wilder
Begeiiterung für das freie, verwegene Leben feines Standes, dazu
von urjprünglicher dichterijcher Begabung, Beitereigniffe und Sitten
anfchaulic und formgewandt ſchildernd, Katjer und Fürften in kraft⸗
voller Sprache jeine Mahnungen, die Wünjche des Volkes zurufend;
30
Euphorion IV.
458 Th. Hampe, Der blinde vandsknecht⸗-Dichter Jörg Graff.
dann plötzlich, wie es ſcheint, durch einen unglücklichen Zufall in
folge eines Brandes, des Augenlichts beraubt und dadurch genötigt,
dem ungebundenen Landsknechtsleben zu entſagen, in jeder Beziehung
von nun an auf die Gutherzigkeit und die milde Hand fremder
Leute angewieſen: wie wird ein Hitzkopf und Feuergeiſt wie Jörg
Graff ſolch raſchen Glückswechſel ertragen, wie wird er ſich in die
gänzlich veränderte Lage gefunden haben?
Wenn die Löſung dieſes Problems ſchon ein rein menſchliches,
piychologiſches Intereſſe für ſich beanſpruchen dürfte und, fie zu
finden, ſich leicht ein Dichter, ein großer Novelliſt, hätte berufen
fühlen können, ſo iſt die Frage doch auch von kulturgeſchichtlicher
und ſpeziell von litterarhiſtoriſcher Bedeutung. Denn Jörg Graff
gehört zu jenen verhältnismäßig wenigen Dichtern echter, viel ge
ſungener Volkslieder aus der Blütezeit dieſes Zweiges unſerer ſchönen
Litteratur, von denen uns der Name bekannt iſt, und repräſentiert
zugleich, wie bereits angedeutet, ein nicht zu unterſchätzendes poeti
jches Talent. Zudem find wir über das Yeben und Treiben joldjer
Bolfstiederdichter bisher jo ungenügend unterrichtet, daß auch aus
diefem Grunde ausführliche Mitteilungen über Jörg Graff und feinen
langjährigen Aufenthalt in Nürnberg vielleicht nicht unwillkommen
fein werden. Freilich als tnpiich fiir die Yebensverhältnifie der volks
tümlichen Zänger des 16. Nahrhunderts überhaupt können die Daten,
die ic) aus Jörg Graffs Yeben beizubringen habe, nur zum Heinften
Teil gelten; dafiir aber geben fie in ihrer Geſamtheit eine jo voll:
fommene und, wie wir hinzujegen müſſen, erjchütternde Löſung der
pinchologiichen Zeite unjerer ‚Frage, daß auch dichteriiche Intuition
faum eine draftiichere und ipannendere Entwicklung geichaut haben
würde. Die anf Jörg Graff beziiglichen Nürnberger Ratsverläſſe —
dies tjt die Quelle, der wir die erweiterte Keuntnis fait ausichlieglich
verdanfen - leſen ſich fat wie ein Roman: die großen Umrißlinien
wenigitens laſſen jie ſcharf umd deutlich hervortreten, wenn auch die
Ausführung der feineren Yinien innerhalb der Nonturen, die innere
Verknüpfung der einzelnen Umſtände, nad) wie vor Weniger der ver:
jtandesmäßigen Kombination, als dichteriichem Kinfühlen und Nach:
ſchaffen vorbehalten bleibt. Vielleicht findet ſich dazu einmal der
richtige Meeiiter. Wir haben bier nur von dem Thatjächlichen zu
bandeln.!:
J w zas man bisher über Jörg Grafis Yeben wußte, war aus ſeinen Liedern
geihöpft Woher er gebürtig war, ſteht nicht völlig feſt und ergiebt ſich auch aus
den Hatsprotolollen nicht. star Schade : Korg Graff und Hans Wibftat, zwei
Yiederdichter aus Der eriten Halfte des 16. Jabrbunderts um Weimariſchen Jahr-
buch 4, 1856, 418 ſchloß ans verichicdenen Andeutungen, daß er ım Ottingiſchen, im
ſogenannten Rieß, zu Dauie geweſen ſei Goedeke Grundriß 2, 255: dagegen läßt
Th. Hape, Der blinde Landstnecht Dichter Förg Graff 450
Zu Anfang des Jahres 1517 ift der Dichter zuerjt urkundlich
in Nürnberg nachzuweiſen. Daß in der That Erbfindung der Unfall
war, der ihm, wie er in einem wohl ziemlich gleichzeitigen Licde
fingt, feine Freude gewendet und ihn gezwungen habe, aus „der
friegsleut orden“ auszuſcheiden,) geht aus diejem erften wie aus
den folgenden einjchlägigen Natsverläffen, in denen er faft durchweg
als bfind bezeichnet wird, zur Genüge hervor.
ihm aus dem Württembergijchen ftammen, indem er ihm das Pied: Daß ic) nit fan
fünd lan“ beifegte, das in dem jogenannten Froſchöwerſchen Gefangbücle (Ziri
1540) fteht und hier dem Grafen ‘Jörg von Württemberg zugeſchrieben wird. Bartji
(in der Allgemeinen Deutſchen Biographie) ift ihm darin ‚gear, während andere
dere, namentlich Philipp Wadernagel (Das deutjche Kicdhenfied 3, 370), mit
Recht auf die ungenligende Wtisierung diefer Zufchreibung bingewiefen haben. —
Die Beziehungen und fofalen Anfpielungen auf Nürnberg, bie in örg Graffs
Liedern enthalten find, hat ebenfalls Schade (a. a. DO, er fräftiger betont.
Einige Ergänzungen und nähere Ausführungen dazu brachte Yochner (Erläuterungen
zu Jörg Graffs Liedern im Anzeiger für Runde der deutſchen Vorzeit 3, 1856,
Spalte 171 f.). Sichergeftellt ift ferner bisher ein Aufenthalt des Dichters in Straf-
burg durch das bei Goͤedele unter q aufgeführte Lied, das mit dem Worten jchließt:
„dem Löblichen Nhat im Straßburg zu vnderthon id Nörg Graf gedichtet”. Es
ergiebt ſich aber aus dem Citat bei Goedefe nicht, im wel jeit dieſes Gedicht
fällt. Ein Aufenthalt in Augsburg ift nicht nachweisbar. efe nimmt einen
folhen an, ohne zu fagen, worauf fid) dieſe Annahme fitst. Dit dem Kugsbunge
Kürjchner und Neiteringer Jerg Graff (cod. aug. 4" 218, Nr. 24; vgl. Keinz in
der Feftichrift Hans Sadys-Forihungen, Nikrnberg 1894, &. 330) hat unfer Sander
Mmeht-Dichter ficherlic gar nichts zu thun. Weder von dem einen noch von dem
andern findet fih in den mir befannten Meifterliederhandfchriften irgend ein Gedicht.
Um die Herausgabe von Jürg Graffs Piedern haben ſich, nachdem eines derjelben
bereits zu Ende des vorigen Jahrhunderts in Eggers deutſchem Magazin (Altona
1794) 8, 94—100 (vgl. Soedete 0.a.D., 5.255 umter d) publiziert worden war,
vor allem Ludwig Uhland (Boltslieder, Stuttgart 1844/45), Osfar Schade (a. a. D.),
N. von Silieneron (Hifteriiche Bollslieder, 3. Band, Yeipzig 1867) umdb Philipp
Wadernagel (Kirchenlied, 3. Band, Leipzig 1870) verdient gemadht. Seitdem aber
find eine ganze Reihe weiterer Yieder Jörg Graffs, namentlid) aus alten Einblatt-
drucken und Flugſchriften, bekannt geworden, und es wäre zu wünfchen, daß einmal
ein Neudrud, eine Fritijche Ausgabe fämtlicher erhaltener Fıeder des in feinem Leben
wie im Dichten fo eigenartigen deutichen Poeten veranftaltet würde, wozu «8 freilich)
noch, erneuter Nachforfhungen in den größeren Bibliotheten bebürfen wiirde. ihr
die Datierung und Snsrbnumg ber Fieder bieten die Mitteilungen aus den Nats-
protofollen gleichfalls manchen Anhaltspunkt. So find die vom der Hergotin — ihre
Thätigteit fällt nach Schade (a. a. D., S. 423) zwiſchen 1528—1537 — gebrudten
Lieder Graffs aller Wahrfcheinlichteit nad auch erft in eben diefer Zeit gebichtet.
Starb doc; der Dichter nicht etwa, wie Schade (a. a. D., ©. 420) annimmt, bald
nad) 1523, oder, wie Bartſch (a. a. O) meint, bald nad) 1525, jondern er lebte
nod) 1542 (fiehe unten)
') Schade a. a. D., 5. 422 (in „Ein lied vom ber friegsleut orden“):
„Das iſt der kriegsleut obfervanz und redjte,
fang Jörg Grafj ein brüder aller Iandafnechte.
unfal bat im fein freub gewendt:
wer junjt im orden bliben
willig biß an fein end,“
30*
460 Th. Hampe, Der blinde Landsknecht-Dichter Jörg Graff.
Dazu bieten nun verſchiedene handſchriftliche Nürnberger Chro-
niten eine willfommene Ergänzung, indem jie, merfwürdigerweije
aber erjt zum Jahre 1518, berichten: „Es ilt auch diß Ihar daß
hau am Weijen Thurn abgeprunnen vnnd Georg Graff ein Gürtler
lin anderen Chronifen: „beitler”] jo alda gewohnet, für fchredhen
blindt worden.‘ "; An der Identität unjeres Yandsfnecht: Tichters mit
diejem Gürtler oder Beutler kann troß der abweichenden Jahreszahl
nicht wohl gezweifelt werden, und wenn jich auch der Chronift, wie
ja leicht neichehen Konnte, im Jahr geirrt bat, jo läßt doch eine
jpäterhin zu erwähnende, urkundlich bezeugte Beziehung Jörg Graffs
zu dem Handwerk der Bentler auf die allgemeine Nichtigkeit jeiner
jonftigen Angaben jchliegen. Ein gelernter (Hürtler, wird Jörg Graff
gleihywohl nur die geringjte Zeit zu Hauſe zugebracht haben, meift
war er wohl auf Striegszügen in mancher Derren Yändern abwejend.
Tennod) aljo war cs nicht etwa cine Verwundung, die ihn für
immer fampfunfähig machte, jondern plögliche Erblindung beim
Brand jenes Daujes am weisen Turm, in dem er jich damals eben
aufhielt, das vielleicht auc) jeiner Familie zur ftändigen Wohnung
gedient hatte. Auch nach dem ſchweren Schickſalsſchlag jcheint er feinen
Angenbli daran gedadht zu haben, jein Brot etwa durd) Hand:
reichungen in jeinem alten Dandwerf zu verdienen. Dazu fehlte es
ihm wohl an Geduld, ‚sertigfeiten und zumächit auch an Mitteln.
In den Matsprotofollen wird er daher niemals als Gürtler oder
Neutler bezeichnet.
Aus mittellojen Blinden aber haben jid) das ganze Mittelalter
hindurd) namentlich die Bänkelſänger der Städte rekrutiert. In
Nürnberg Icheinen fie mit den verjchiedenen Arten von Spielleuten
zuſammen unter den Oberbegriff der „Nofierer“ gefallen zu jein.
Und wie nun die von der Stadt angeltellten oder zugelafjenen Spiel:
leute, Pfeifer, Lautenſchläger und „Portitifer“,“ ein mit dein Stadt-
wappen geſchmücktes Schild tragen mußten,“ jo galt es wohl über»
haupt als eine Empfehlung, wenn ein Hofierer, ein fahrender Zänger,
'ı Nach Dandichrift 920 der im Germaniſchen Muſeum deponierten Wertel-
idyen Sammlung, Blatt 460 b.
2ı Tiefe drei Arten von Ztadtipielleuten werden in den Rürnberger Kate»
protofollen des 15. Jahrhunderts mehrfad namentlicd angeführt. Dabei find ihre
Inſtrumente häufig ın flüchtiger Skizze mit abgebildet. Tasienige der „Rortitifer“
war das Portativ, eine Heine Dandorgel nicht Treborgeli, wie man fie auch nicht
gar selten auf gleichzeitigen (#entälden, Dlimaturen, Teppichen sc. erbliden lann.
"+ Rgl. Reats Pırotololles 1449 Hefte IT» Blattı 1a] 1. Jan. 1449 ıder
dritte aller ın den Nürnberger NWatsprotolollen enthaltenen Einträge:
Item fen aufwendigen ſpil man mer ber Biten vnd zu feiner hohczeit
feınrlan ipillewten mer zu eiſen geben denn die dev ftat ichilt tragen vnd der fürjten
ſpil lewten.
Th. Hampe, Der blinde dandslnecht · Dichter Jürg Graff- 461
etwa ein jilbernes Schild ſolcher Art, das ihm von Freunden und
Gönmern gejtiftet worden war, aufzuweiſen hatte.!) Darauf bezieht
ſich unfere erfte Notiz. Sein Talent Hatte den erblindeten Lands—
tuecht auf eben diefe Bahn gewiejen, und der Ruf, der ihm als
Dichter voraufging,?) und die Kunde von feinem Mißgeſchick mögen
dazu beigetragen haben, zahlreiche Perjonen für ihn zu interefjieren.
Eine Kollefte ward eröffnet und dem blinden Sänger mit Einwilli-
gung des Rates ein ſilbernes Schild verehrt.?) Der Nat that jogar
ein UÜbriges: er erteilte noch im Herbit desjelben Jahres dem Dichter
ein Privileg, laut deffen den Buchdruckern bei Strafe verboten war,
Jörg Graffs Lieder innerhalb eines Vierteljahres nachzudrucken.“
Jörg Graff wohnte wahrjcheinlich ſchon damals bei einem Stein»
meg namens Hermann Unfug) zue Miete — zufammen mit einem
gleichfalls blinden Gejelten, jo könnte man aus einer Stelle in den
er [M-B. 1526, XII, B, 6b] Secunda 8 Aprilis:
Dem frembden hofierer ablaynen bibal [das ift ein Trinfgeld] zugeben, dieweil
er fein filberin jchildt hat. Burgermeifter,
2) Von den bisher veröffentlichten Yiedern des Dichters lann freilich nur ein
einziges mit einiger Wahrfcheinfichteit nod) im die Zeit vor feinem „Unfall“ gejet
werden, nämlich das Yied „Bon dem funige Karl, wie im der funig von Frankreich
fein tochter gab und wider nam“ (Goedete 1, 289; Lilieneron 3, Nr. 305), in
welchen noch Strophe 16 und 17 per „wir lanzknecht“ geſprochen wird. Es find
aber ohme Zweifel manche Lieder Förg Graffs verloren gegangen, beziehungsmeife
noch nicht wieder aufgetaucht.
’) Anhang, Nr. 1.
*) Anhang, Nr. 2. Ein ähnliches Privileg ift uns bereits aus einem der alten
Drude, einem „tractetfin“ befannt, in dem „drey hübjcje lieder“ Jorg Grafis vers
eimigt find (vgl. Goedele 2, 256 n—p; Schade, S. 441 ff, Nr. es. Sie fallen,
wie Schade ©. 419 nachgewieſen hat, in die Jahre 1520 und 1521. Rum findet
ſich aber in den Natsverläfien Feine weitere Notiz der Art mehr und das fpätere
Verhalten Jörg Graffs mußte ihn aud in den Augen des Nürnberger Rats als
einer Erneuerung folder Begüinftigung ummviirdig erjheinen fajfen, Wir fönnen
daher nur annehmen, daß entweder eine andere Obrigfeit jenes zweite Privileg ex-
teilte, oder aber, und das ift wohl das Wahrſcheinlichere, dag +8 überhaupt nicht
erteilt worden ift, jondern da wir €$, wie auch aus der Überfchrift („new gemacht
in Chriftus namen“) bervorzugehen ſcheint, mit zeitgemäß teten und er=
weiterten älteren Liedern Jörg Grafis (vielleicht Handelt es fi nur um eim
Vied, etwa um das erfte) zu thum Haben, zu denen er ſich num ben Yujats erlaubte:
„barumb ic; Jörg Graff (nämlich): einft, vor Jahren, im September 1547!) begnad
bin mit einem priuilegio foldhS mir mit nadhzubruden“. Das Wort „jole fehlt
allerdings in dein von Schade benutsten Drucke, in dem ſich anftatt deſſen mod; der
Zufats findet „wer fold)s überflir wolt ich beflagen nad) lautung meines priwiles
giums“. Gleichwohl ift nad) der damaligen Yage der Dinge und bei den Grafis
Stande ſchwerlich anzunehmen, daf ein derartiges Privilegium für alle —
und zukünftigen Schriften erteilt worden ſei. Es wird fid) ohne Zweifel auf be—
ftinmte Lieder bezogen und bejchränft haben.
>) Wenn er einmal, in Notiz 4 des Anhangs, als „Herman Förgen“ erſcheint,
jo haben wir hier in Jörg wohl den Vornamen feines Baters zu ertennen.
462 Th. Hampe, Der blinde Yandstncht- Dichter Jörg Graff.
Ratsprotofollen fchliegen.!; Ta indeifen ein Gejelle fpäter nie wieder
erwähnt wird und der gedachte Fall doc allzujehr ans Groteste
und ‚zabelhafte ftreifen würde, jo werden wir jene Notiz wohl eher
jo zu veritehen haben, daß Jörg Graff ſich nur vorübergehend zum
Zwede eines Spektafeljpieles mit einem andern Blinden zuſammen⸗
gethan hatte. Welcher Art diejes „Spiel mit einer Sau“ fein follte,
ift wiederum nicht recht klar. Vermutlich wollten die beiden Blinden
zum Gaudinm des Nolkes öffentlicd) miteinander un die Sau fämpfen,
wie uns denn von rohen Beluftigungen diejer Art, die namentlich in
Frankreich zu Hauſe geweſen zu jein ſcheinen, mittelalterliche Tuellen
mehrfad) berichten. ‚Fiir Nürnberger Verhältniſſe muß das betreffende
Geſuch Jörg Graffs — vielleicht eine Frucht jeiner Kriegszüge in
Frankreich und der dort geiammelten Erfahrungen — jedenfalls
etwas ganz Unerhörtes gewejen jein; jonjt würde die Verweigerung
der Epielerlanbnis von Eeiten des Rates gewig nicht mit der merk—
würdigen Begründung, „um einen Aufruhr zu verhüten,“ erfolgt
jein. Zugleich läßt uns diefer ganze Ratsverlaß die ungeftüme, bizarre
AildHeit des chemaligen Yandsefncchtes ahnen, die in verheerende
Flammen ausbrechen zu fallen, denn and ein an fich ganz gering:
fügiger Umſtand hinreichen jollte.
Nach einer gelelligen Zulammentunft in Unfugs Hauſe mag es
geweſen jein, day ſich — ſei es durcd Zufall, jei cs in böswilliger
Abficht — trotz des von dem blinden Sänger geäußerten Wunjches
niemand bereit finden lien, ihn fortzuführen.“ Das wird ihm, wie
wir uns denken können, das ganze Elend feiner Eriftenz aufs neue
far zum Bewußtſein gebracht, wird aber gleichzeitig auch einen
lodernden Zorn in jeinem Innern entfacht haben. Mit der erjten
beiten Waffe, die ihm zur Dand war, muß er in einem leidenichaft-
lichen Ausbruch um ſich gehauen und gejtogen haben. Tabei traf er
unglücklicherweiſe ſeinen Hauswirt Hermann Unfug tödlich. Nachdem
der Ichwer Verwundete noch jeine Ausjagen vor Gericht hatte machen
fönnen, jtarb er nad) längerem Kranfenlager, ‚rau und Sohn zurüd:
laffend, die nun im Verein mit des (ntleibten Freundſchaft auf
jtrenges erfahren gegen den Thäter drangen.
Was war inzwiſchen aus dieiem, aus Jörg Graff geworden?
Gleich nach der That war er verichwunden und nicht ohne Weiteres
aufzufinden, jo dan den Ztadtfnechten ein Trinkgeld veriprodyen
wurde, wenn jie ihn „zu Banden brächten“.“ Ta entdedte man ihn
im Angnjtinerflofter, wo er zuerit Miene gemacht zu haben fcheint,
Siehe Anbang, Nr. 3.
2, Anbang, Sir. IN.
*. Anhang, Nr. 4.
Th. Hampe, Der blinde Landstnecht ⸗ Dichter Jörg Graff. 463
ſich zur Wehr zu ſetzen.) Als der Nat ihn mit jeiner Bitte um
freies Geleit abweiit?) und das Aſylrecht des Klofters ihn nicht länger
ſchützen fann, flieht er zu den Karthäuſermönchen. Daß diefe ihn
aufnehinen, ihm bei ich beherbergen und ſich beim Nat für ihn ber»
wenden,?) hat er wohl hauptſächlich feiner Blindheit, vielleicht aber
aud) jeiner Popularität zu danken. Obgleich) ihm mun aber vom
Rat anf Drängen der Väter Sicherung für die Dauer eines Tages
gewährteijtet wurde) finden wir Jörg Graff einige Monate fpäter
wieder an einer dritten Aſylſtätte, in der St. Kunigundenkapelle,
einem Kirchlein, das ſich ehemals in unmittelbarer Nähe der Lorenz-
fire erhob. Was fich in der Zwiſchenzeit begeben, ob und melde
Verhandlungen gepflogen worden find, entzieht fich unferer Kenntnis.
Erjt jetst, nach Ablauf von beinahe ſechs Monaten ſcheint der Nat
Ernjt in der Sade gemacht zu haben, die er bisher wohl nur
ziemlich lau betrieben Hatte. Geht doc) auch aus manchem ber folgen-
den Ratsverläffe deutlich hervor, daß fid) der Blinde auch hier einiger
Sympathien erfreut hat, daß man feiner als eines zornmütigen und
unbequemen Menſchen zwar ledig zu werden, aber ihm das peinfiche
erfahren, das die Freundicaft des getöteten Hermann Unfug gegen
den arınen Blinden angewandt wijfen wollte, auf alle Weife zu er—
fparen gejucht hat. Man glaubte augeniheinlic nicht an eine Vor-
fäglichteit jeiner That.
Am 18. Juni 1519 wurden etliche Schützen zur St. Kumigunden-
fapelle abgeordnet, um diejelbe zur bewachen und aufzupafien, daß
dem in der Kapelle Eingejchloffenen weder Eſſen noch Trinfen zu⸗
gebracht und er auf dieje Weife gezwungen werde, das Aſyl zu ver«
laſſen und ſich dem Gerichte zu jtellen.?) Die Freunde des Verfolgten
icheinen aber doch Mittel und Wege gefunden zu haben, ihm mit
Speije zu verjorgen. Den Pafjus in einem Ratsverlaß von der
„Unruhe in St. Kunigundenfapellen“*) könnte man jo deuten.
Außerdem befand ich Jörg Graff noch amı 22. Juni in der Kapelle.
An diejem Tage legte der Probft von St. Yorenz — e8 war der durch
Frömmigkeit und reinen Wandel ausgezeichnete Georg Beheim?) —
mhang, Nr. 5.
2) Anhang, 9 Der ganze Verlauf der Angelegenheit ift auch rechts.
geſchichtlich von Antereffe und würde nad) diefer Seite noch einiger weiterer Ails«
führungen, ie ad die ich mich jedoch hier nicht einlaſſen Fan.
#) Anhang, Nr. 8.
N Er hätte im diefer Zeit frei hingehen lönnen, wohin er wollte, hätte ſich
der Gerichtsbarteit des Nürnberger Rates überhaupt entziehen Fönnen. Seine Blind⸗
heit und Hilflofigkeit ſcheint ihn daran gehindert zu haben (fiehe unten).
404 Th. Hampe ‚Der blinde Yandstnecht- Dichter Jörg Graff.
Fürſprache für ihn cin, der er es zu verdanken hatte, day ihm der
Rat im Einverftändnig mit der ‚sreundichaft des Erjtochenen '!) Die
peinliche Bejtrafung erlieg, ihm aber den Aufenthalt in der Reichs
ftadt Nürnberg und deren Sebiet für alle Zukunft verbot. Werde er
der letzteren Verfügung entgegen handeln, aufs neue herfommen und
bier betreten werden, jo jolle ihn die jett gewährte Sicherheit vor
peinlicher Strafe nicht ſchützen fünnen.?.
Bei jedem andern als cinem Jörg Graff wäre damit nun
wohl jeine Holle in Nürnberg ausgejpielt gemwejen; er wäre einfad)
aus der Stadt und jein Name alabald aus den Natsprotofollen ver-
ſchwunden. Uuſeren Poeten aber hinderte ſein Gebrechen an leichter
Beweglichkeit und vielleicht empörte ſich auch ſein Trotz gegen ſolche
Nachgiebigkeit. Er nahm von dem an ihn ergangenen gnädigen Rats—
verlaß gar keine Notiz, ſondern blieb ruhig in Nürnberg. Der Rat
ließ ihn warnen, jand aber erſt nach Ablauf eines Monats Zeit
und Luſt, ſich aufs neue mit der Angelegenheit zu beichäftigen. Am
20, Juli ward Jörg Graif durd die Stadtknechte nächtens in der
Vorſtadt Goſtenhof aufgegriffen und jonderbarerweije gleichzeitig noch
ein anderer Blinder wegen eines ganz ähnlichen Nergeheng — die
Blinden Icheinen in jener Zeit überhaupt merfwirdig rabiat geweſen
zu jein in das Yochgefängnis eingeliefert.?:
Bei den folgenden Verhandlungen ift es wiederum intereflant
zu beobadhten, wie ſich der Rat alle Mühe giebt, die Peintichkeit
von dem Arreitanten abzuwenden. Es wird ihm zwar einmal mit
der ‚yolter gedroht — vielleicht ein „Zeichen, daß er aud) im Verhör
zunächſt ein trogiges und veritocdtes Benchmen an den Tag gelegt
bat aber nebenher laufen Unterhandlungen mit des Entleibten
Familie und Freundſchaft, „ob man Sy zu nadlaffung der peinlicheit
bewegen fönndt,“® und es wird ſchließlich jogar erwogen, ob nicht
durch die ziweimalige Zicherheitserteilung der ‚Fall bereits als ein
joldher anerkannt jei, bei dem den Verklagten eine jchwerere Schuld
nicht treffe, vielmehr lediglich eine Tötung durch unglücklichen Zufall
oder in Notwehr vorliege, und ob, wenn es ſich alſo verhalte, die
Anwendung peinlichen Verfahrens nicht überhaupt unftatthaft jei.?
Erit solche Uberlegungen jcheinen die Gegenpartei endlich zum Nach—
geben bewogen zu haben. Zie begnügten ſich damit, day Jörg Graff
Anhang, Wr. 10.
2. Anbang, Wr. 11.
3) Anbang, Rr. 12
ı Anhang, Kr. 14 und 15
Anbang, rt. 16
Anbang, Kr 17, 18
* Anhang, Nr. 1%.
Th. Hape, Der blinde Yandstnecht-Dichter Jörg Graff. 465
zu einem Jahr Turmbaft verurteift wurde") — abzubüßen im dem
„Zurme hinter dem Wildbad“, den der Dichter mit einem Narren,
das heißt einem Verrüdten, einen Befeffenen, teilen mußte,) — und
gaben dann auch ihre Einwilligung dazu, daß Jörg Graff bereits
vor Ablauf diejes Jahres wieder auf freien Fuß gejegt wurde. Er
mußte aber Urfehde jchwören und ward „mit einer Zehrung gen
Regensburg gefertigt“ mit dem ansdrüdlichen Verbot, das „Land
über die Donau“, das heit diesſeits der Donau, je wieder zu be
treten. Das war am 30. Juni 1620.
Genan zwei Jahre fang hören wir hierauf nichts von Yörg
Graff. Zum 30. Juni 1522 taucht jein Name aber aufs neue
in den Natsprotofollen auf. Es ift vermutlich eine Geldangelegen-
heit — vielleicht dieſelbe Schuldenſache, wegen deren er auch während
feiner Gefangenschaft einigemale mit jeinem Schwiegerſohne Hans
Scherlin hatte forrefpondieren dürfen‘) — um welche es fich bei dem
Ratsverlaß vom 30. Juni 1522 handelt.) Daß Jörg Graff damals
ſchon wieder in Nürnberg anmwejend war, geht daraus nicht hervor,
ift jogar unwahrſcheinlich, da feine Verwarnung hinzugefügt wurde.
Im übrigen intereffieren uns diefe zulegtgenannten Notizen lediglich
durch den in ihnen gegebenen Anhaltspunkt zur Bejtimmung des
ungefähren Alters unſeres Dichters. Wenn Jörg Graff zu Anfang
des Jahres 1520 bereits einen Eidam hatte, muß jeine Tochter doch
mindejtens 1503 und er ſelbſt in der erften Hälfte der achtziger
Jahre des 15. Jahrhunderts, wahrjcheinlid aber jogar noch früher,
geboren jein, woraus wir wiederum mit ziemlicher Sicherheit ſchließen
dürfen, daß manche gerade feiner früheften Lieder uns nicht erhalten
geblieben oder noch nicht wieder aufgefunden, beziehungsweije als
jein Eigentum erfannt worden find. Denm es ijt nicht wohl anzu-
nehmen, daß ein Talent wie Jörg Graff erft in den dreißiger Jahren
feines Lebens zum Produzieren ſollte gelangt fein.
Daß aber auch jeine jpäteren Lieder nicht ſämtlich auf uns ges
kommen find, ergiebt ſich aus einigen weiteren Notizen, in denen
3. B. von einem Gedicht über „das landgräfliche Ausſchreiben“ die
Rede ift,°) das mit feinem der unter Jörg Graffs Namen erhaltenen
Lieder identifiziert werden kann. Fraglich ift aud), ob mit dem „Liebe
von den Bijchöfen“, welches erwähnt wird,’) etwa das erjte der in
:) Anhang, Nr. 20
2) Anhang, Nr. 21
3) Anhang, Nr. 24
4) Anhang, Nr.
*) Anhang, Nr.
%) Anhang, Nr
”) Anhang, Nr. 36.
22 umd 23.
466 Th. Hampe, Der blinde Yandstnecht-Tichter Jörg Graff.
dem „tractetlin“ vereinigten „drei hübjchen Lieder“ oder ein anderes,
verloren gegangenes gemeint iſt. Dieje Frage berührt fich nahe mit
den weiteren nad) den verjchiedenen Ausgaben des betreifenden Traftatg,
jowie nad) der Art des Privilegiums, welches Jörg Graff --- dod)
wohl nur einmal — erteilt worden war.!) Bei dem gegenwärtigen
Stande der Forſchung iſt Hier eine alljeitig befriedigende Löſung noch
nicht wohl möglich. Zu den „Schmadhliedern” dagegen und „jchänd-
lihen Büchlein“, wegen deren Jörg Graff mehrfach und einmal
außer ihm auch die Hergotin gerügt und verwarnt wird,?, mögen
unter anderem auch (Hedichte wie das im Herzog Ernits:Ton „von
der Buhlerei“, das durch feinen ungewöhnlichen Realismus auffällt,“
zu rechnen jein.
Seit dem Ende des Jahres 1522 ift Jörg Graff wieder in
Nürnberg nadyweisbar. Obgleich mehrmals Ausweilungsbefchle gegen
ihn ergehen nnd ihm 1528 ſogar, weil er einem ausdrüdlichen
Verbot zuwider jenes Yied von den Wijchöfen gejungen, die Stadt
und zehn Meilen im Umkreis auf vier Jahre verboten werden,*)
iheint er ſich doch mie anf längere Zeit wieder aus Nürnberg zu
entfernen fir nötig befunden zu haben. Alle Bedrohungen und Aus:
wetjungen?: jruchteten nur wenig oder gar nichts, und daß der Rat
nicht jtrengere Zaiten gegen ihn aufzog, läßt fich wieder faum anders
als durch die große Volkstümlichkeit des blinden Zängers erklären.
Eben darin mag auch jene Anmaßnng ihren Grund haben, mit
der er ſich einmal herausnahn, den Mat au bitten, ein anderes
Eheweib nehmen zu dürfen, „derweil die jein an Im prüchig
worden“ md ihm, Jörg Graff, in dieſer Angelegenheit jeinen Nat
zu erteilen, ein Anſinnen, das von der hohen Tbrigfeit, wie billig,
mit Entrüftung zurückgewieſen wurde.“ Wilden und zügellojen Sinnes
blieb er and nad jenen unglüclichen Zufällen, die am Gingang
jeiner eriten Niirnberger Epoche ftehen, und es iſt nicht unwahr:
icheinlich, dat damit aud die Ablehnung zuiammenhängt, welche
Jörg Graffs Eidam mit einem Geſuch, in der Kotgaſſe ein „Bäcken⸗
hans" « Bärferei oder Bäckerherberge? zu errichten, erfuhr.’ Diejelbe
ward mit den Beſorgniſſen, welche die Nachbarichaft dagegen vor:
gebracht habe, motiviert. Die WReziehungen des Tichterse zu dem
Siebhe Z. 461, Anmerkung 4.
= Anbang, ir 31, 39, 40 und 4.
Echade a a X, 2. 40.
Anhang, Wr. 80.
Anhang, Wr. 26, 28, 34,35, 36, 58.
“ Anhang, VNr. 2%.
*ı Anbang, Vr 30.
Th. Hampe, Der blinde Landstnecht ⸗Dichter Jörg Graff. 467
Pfalzgrafen⸗K ürften (Ludwig V.), von denen im einer andern
Notiz die Rede ift,!) bleiben leider ebenfalls duntel.
Jörg Graffs —* ſcheint, wie nad) jeinem Leben und Charakter
zu erwarten war, ein elendes und trauriges geweſen zu fein. Über
die Untreue feiner Fran freilich tröftete er ſich vermutlich bald.
Wenigjtens lebte er bereits ein Jahr nad) jenem unverfhämten Be:
gehren an den Nat zufammen mit einem anderen Frauenzimmer —
augenjcheinlicd einer Dirne niedrigfter Sorte, denn der Ausdruck
„Zrumpelmege“, der im dem betreffenden Natsverlaf?) gebraucht
wird, ift fehwerlich anders zu verſtehen. Es wurde ihm damals aud),
eben wegen jenes unfittlichen Verhältniffes, das er unterhielt, feine
Bitte um ein Almojen abgelehnt. In diejer Bitte ſelbſt haben wir
vielleicht ein Anzeichen für die allmähliche Abnahme feiner Energie
zum Leben und Wirfen, für den beginnenden Verfall, zu erbficen.
Seine Kraft erlahmte in dem beftändigen Kampf gegen die Wider:
wärtigfeiten feiner äußeren Lage und gegen den Feind in der eigenen
Bruft. In den Ausgang der zwanziger Jahre fällt eine Fürbitte
feiner alten Handwerfsgenoffen, der Beutler, die ſich wohl auf einen
neuen Ausweifungsbefehl gegen Jörg Graff bezog, aber vom Mat
abjclägig beichieden wurde.) Einige Jahre päter ſuchte Jörg Graff
ſelbſt um Aufnahme in das Spital nad), aber auch mit diefer Bitte
fand er damals noch beim Nat fein Gehör, er wurde kurzer Hand
damit abgewiefen (23. März 1534). Die gänzliche Verlotterung
und wüjte Verwahrlojung, der Jörg Graff in den Testen Yahreıt
anheimgefallen zu jein jcheint, mag ihn jeglicher Sympathien beraubt
und auch jeiner einftigen Popularität jehr erheblid; Abbruch gethan
haben. Erſt volle acht Jahre fpäter, als er zu allem auch noch franf
und bettlägerig geworden war, hat man ihn endlid in das Spital
aufgenommen, und da wird er denm auch vermutlic, jehr bald ge-
ftorben fein. In den Nürnberger Natsprotofollen wenigitens kommt
jein Name fernerhin nicht mehr vor: der Verlag vom 6. Mat 15425)
ift die, leiste Notiz, die von Ihrg Graff Handelt.
Überbliden wir nun noch einmal das in Vorſtehendem Deit-
geteilte und faſſen wir ins Auge, was außer der erweiterten Kenntnis
von dent Leben unjeres Poeten an allgemeinen, litteraturgejchichtlichen
Geſichtspunlten daraus zu gewinnen iſt, ſo treten uns Jörg Graff
und ſeine Lieder zunächſt als ein beredtes Zeugnis für die Thatſache
entgegen, daß die Pflege der eigentlich deutjch-nationafen Poeſie ſich
') Anbang, 9
468 Ih. Hampe, Ter blinde Yandsfnecht-Tichter Jörg Graff.
zu Ausgang des 15. und zu Anfang des 16. Jahrhunderts aus den
oberen Geſellſchaftskreiſen faſt völlig zurüdgezogen hatte. Wenig be:
achtet, ja teilweije jogar verachtet von den Vornehmen wie von den
Gelehrten iſt die Wunderblume des deutſchen Volksliedes erblüht,
und eben dieje Mißachtung hat weſentlich dazu beigetragen, den Er:
zeugnilfen diejer Poeſie jene Herzenstöne unmittelbaren, ureigenen
(Empfindens zu verleihen, welche fie uns heute nicht nur vom fünft-
leriichen Ztandpunft aus jo überaus reizvoll, jondern vor allem
auch hiſtoriſch betrachtet jo wertvoll für die Erfenmtnis der Volks⸗
jeele in einer der wichtigiten Epochen unjerer vaterländiichen Ge—
ſchichte ericheinen Lafien.
Aber Jörg Graffs Yeben und Wirfen lehrt uns auch deutlid)
genug die Kehrſeite der Medaille kennen. Wenn ein fahrender Student,
ein frijcher, freier Meitersmann mit hellen Augen in den erivachenden
Frühling jchauend jein Yied jubelnd in die Yüfte jang, jo mag es
wohl anders geflungen haben als die Worte, die wir aus dem Munde
des blinden Jörg, des trokigen und verbitterten Volksſängers von
Profeſſion, vernehmen. Wer aller Zorge ledig in die jchöne Gottes—
natur hinauszieht, der hat es leicht. Wer aber dazu verdammt ift,
jich durch ſeinen Geſang jeinen Yebensunterhbalt verdienen zu müflen:
it es ein Wunder, ja liegt es nicht jchon in der Natur der Sache,
daß deilen Kunſt nad) Brot geht? Daher der fait gänzliche Mangel
an eigentlich lyriſchen Klementen in Jörg Graffs Liedern und feine
Vorliebe fir jenjationelle, derb- wirkungsvolle Stoffe nad) dem Sinne
des Pöbels, aus dem fich doch jein Publikum zum guten Theil zu:
ſammenſetzte und auf dejlen Gunſt er daher mit jeinem Verdienſt
vornehmlich angewieſen war. Und diejer Umſtand giebt auch jeinen
Tendenzgedichten und der Molle, die er als Vorkämpfer der Refor⸗
mation geipielt hat, einen bitteren Beigeſchmack. Ich möchte daher
diejer cite in Jörg Grafis Wirken nicht den moraliichen Wert
beizulegen wagen, der ihr bisher vielfach beigemeifen worden ift.
Sekt, wo wir über den Yebensaang des Poeten bejjer unterrichtet
jind, müſſen wir, mögen auch manche Zwiſchenglieder in der Reihe
der Thatjachen und der leitenden Motive fehlen, dennoch zugeftehen,
dan Jörg Graff zum Zittenprediger und Reformator nur wenig
geeignet und berufen war; und wenn man ſich dann jo manche Aus-
jchreitungen entfejielter Pöbelhaftigfeit vergegenwärtigt, wie fie gerade
auch in Nürnberg die eriten Nahre nad dem Beginn der großen
Kirchenipaltung gezeitigt haben, jo wird man jid) ſogar der Zweifel
an der Echtheit und Tiefe jeines religiojen Eiſers ſchwer erwehren
fönnen.
Tod die Löſung der ‚yrage, wie weit es Jörg Graff mit feiner
Entrüſtung über die Schäden der alten Kirche Ernit war, wie weit
To. Hampe, Der blinde Landsincht-Dichter Jörg Graff. 469
er damit lediglich dem Geſchmack feines Publifums fröhnen, den
Stimmungen, welche damals die große Maſſe des Volkes beherrichten,
entgegenfommen wollte, mag einem eingehenderen Studium des
Dichters, das heißt in erfter Linie feiner Werke, auf die hier näher
einzugehen nicht in meiner Abjicht lag, vorbehalten bleiben. Ahnliches
wie hier von Jörg Graff gejagt wurde, gilt aber möglicherweije aud)
von anderen gleichzeitigen Erjcheinungen derjelben Art. Vielleicht daß
diejer Aufſatz Anlaß giebt, weiterhin den noch größtenteils ganz im
Durfel liegenden Lebensumftänden jolcher Dichter jorgfältiger nach-
zuforjchen: denn zuletzt bleibt doch das Leben des Dichters und feine
Scidjale jtets der wichtigfte und zuverläffigite Kommentar für jeine
Schöpfungen.
Anbang.
Auszüge ans den im Fönigl. Mreisardiv Nürnberg bewahrten
Ratsprotofoilen.
(Die Interpunktion ift von mir hinzugefügt.)
1. (1516, XII, 23 a] Secunda vig. Mathei (23. Februar) 1517:
ein vat hat zugelaffen, das dem plindten Jörg grauen aim filberer Schilt ge-
macht werd, darzu vil perjonen ſtewr geben.
2. [1517, VI, 6b] Sexta post nativitatis Marie (11. September) 1517:
Den puchtrüdern vnndterſagen und werpieten, das Su der granen bei
plindten feiner gedicht fains nachdrucken in ainem biertail Jars, bei ains rats ftraff,
er) W. pirdhamer,
3. [1517, XI, 10b] (uarta Blasij (3. Februar) 1818:
Förgeri grauen vnd fein plindten gejellen ift abgelaint, ain Spil mit ainer
Saw je haben, zuuerhlten ein auffrur.
4. |1518, X, 9b] Quinta post Innocentium (29. Dezember) 1518;
Zu erfumdigen, wie die ſach zwifchen dem plinbten Jürg Grauen vnd feinem
Haufwirt Herman Jürgen ftainmeben, den er tödtlich verwundt hat, ergangen fey.
Vnd daneben vleiß thun laffen, ob man Nörgen grauen mög zu Handen
pringen, den knechten darumb ein trindgelt verſprechen
5. [1518, X, 10 h) Sexta vigilia Gircumeisionis domini (81. Dezember)
1518:
Dem plindten Jörgen grauen Im auguftiner clofter fein wehr nemen laffen.
6. [1518, XI, 1b] Quinta post Erhardj (14. Januar) 1519:
Den verwundten Herman Vufug vnd mer mer barbej gemeit, als er von dem
plindten org grauen it geftodhen worden, verhören und herwibderpringen.
7. [1518, XI, 4a] Sabato post felieis in pineis alias ante Anthony
(16. Janıtar) 1519:
Jörg grauen dem plindten ber geuerlichen vnd tobtlichen verwundtung halb
am Herman Vnfug geubt, glayt ablaynen.
8. [1518, XII, 6a] Quinta post Inuocavit alias in die Gertrudis
(a7. März) 1519:
470 Th. Hampe, Ter blinde vandsknecht Dichter Jörg Graff.
auff der väter zu den Cartheuſern pittliches anſuchen ſoll man in vertröften,
Souerr Sy den plindten Jörg grauen auf Irem Cloſter füren lafien werden, das
ein rat denfelben tag nicht wol geitatten, von obrifaut wegen hand an Ine zelegen.
Hierr] E. Im Hof
R. Haller.
9. [1519, II, 17 b} Sabato post Vit) 118. Juni: 1519:
Jorgen Grauen gleyt ablaunen vnd darzu etlih ſchützen verordnen fur Zannt
Kungunden capellen, zunerhbüten, das im weder eflen oder trinden zugepracht werd,
vnd doch nichezit deſtmynder toll man feine Zeugen hören, welche vormals nicht
gehört worden fein.
10. [1519, II, 19 a! Secunda post Trinitatis .20. Juni 1519:
Mit des entleybten Freuntichafit handeln vnd vrſach zu bewilligen, das Förigen
grafen dem plindten fur ſeine mißhandlung zu ainer ſtrafi die Stat ewigen ver:
potten werd, damit man ſein vnd der vnruw In ſannt Küngund capellen mit dem
behawren der ſchützen abkonini.
11. 1519, II, 20 b! Quarta post Trinitatis 22. Juni: 1519:
Auff vleiifig pit des Brobits zu Zannt Yorenzen fol man den plindten Jorg
grauen von ains erbern rats wegen ficherung zuiagen, dag er ih auf Zannt Kun-
gunden capellen von hynnen thun mög, vnd Ine darbey zuuertröften, jouerr er diſe
Stat vnd annder ains rats Flecken vnd gepiet meyd, das er ſich vor eim Rat nicht
dörjj beſorgen Wo er aber iolhs verprechen und widerherlommen vnd betretten
würd, ſollt Ine diſe ſicherung wider peinlicher ſtraff nicht mer furtragen.
N. Haller.
12. 1519, III, 11hQuinta Wilibaldi 7. Nutiı 1519:
Tem plindten Jörg Grauen laſſen warnen, ſich furderlich hindan zuthun, oder
man werd In annemen, derweil er ſich der beſchechnen vertroſtung nicht gemeß halt.
Schöpfen.
13. :1519, III, 15 2° Seeunda post Kilian; : 11. Jultı 1519:
Ten plindten Jorg grauen anzunemen tt in rw geitelt biß die Vehmiſch und
polmich potſchafit von hunnen kommen.
14. 1519, Il, 23a Tereia post Alexij - 1%. Juti 1519:
u erkundigen, ob der gefangen puck den peter lincken geſtochen hab.
Zchopfen.
15. 1519, III, 23 bh’ Quarta post Alexij :20. Juli: 1519:
Sen vlindten vuden Im loch wentter zu ved halten.
Tengleichen den plindten Nörg grauen, fo nechtin zu goitenhof ıft angenomen.
S chöpfen.
16. [151%, IV, 1h' Quinta post Alexij 21. Juli 151%:
Ten plindten Jörg Grauen mwenter zu red balten, vnd wo er gutlich nicht
jagen will, Im wee thun lasien. |
Tarneben jene angezargte Zeugen auch verbören. Zchöpfen.
17. 151%, IV, 2b Sabato post Marie Magdalene :23. Jultı 1519:
Jörg grauen In benierm des vichters auf ſein leßere ſag widerumb beftettigen
vnd darzu auch von Im alten auffichreiben, mit was vorbebaimus Im die fidher-
heit In ſant Numigunden Capellen durch niclaſen aller jen zugelagt.
Schopfen.
Tarneben mit des entlejbten Herman Knfugs Hawsfrawen vnd freuntſchafft
handeln, Tb man Zu zu naclaitıng der vemlicheit bewegen könndt.
Schopfen.
Th. Hampe, Der blinde Landstnedht- Dichter Jörg Braff. 471
18. [1519, IV, 6a] Sabato post Jacobi (30. Juli) 1519:
Den plinten jorg grauen foll man enger ligen laſſen vnnd mit des abge
leibten freuntfchaft nochmal handeln vnnd im fein entjchuldigung —— das er
nimancz hab konnen finden, der in wegt hab wollen furen, vunnd herwider pringen,
Hlerr] endereß tucher
wolff pemer.
19. [1519, IV, 10a] Sabato Sixtj (6. Auguft) 1519:
Des plinten jürgen halben Soll man_rat Kay eß nit von ber pein-
lydeit fumen jey, die weill man im zwm erften zun fern vnnd zwm andern
mail zw jant lorengzen hat heiffen wegt ziehen, vnnd ber wider pringen.
‚Hlert] nidlaß Haller.
20. [1519, V, 3a] Sabato post Sebaldj (20. Auguft) 1519:
Jorg grauen den plindten ein Jar lanngk auff ain thurn fengklich enthalten
laſſen, doch ein offenn Hanndt behalten, wie man es mitler Zeyt oder zu auffigangt
des Jars mit Im halten wöll. Schöpfen.
21. [1519, V, 4a] Secunda post Sebaldj (22. Augufi) 1519:
Forgen grauen vndten In den thurn bindter dem Wilpadt vnd den Narren
herauff fegen Tafjen.
22. [1519, XII, 214) Quarta Benedietj (21. März) 1520;
dem plindten Jorg grauen auff dem thurn vergönnen, feinen aiden ein vnnder⸗
richt zufcheeiben, wie er fi) mit bezalung feiner fdhulden halten foll.
28. [1519, XII, 23a] Sexta post Letare (23. März) 1520;
Des plindten Jorg grauen begern feinen aiden anzaigen und beuelhen, darob
ze fein, damit der wirt zu Veſtenberg entricht werd. €. Coler.
24. [1520, 11, 19a] Sabato post Petrj et Paulj (30. Juni) 1520:
Auff bewilligung des entleibten Herman Bafugs hausfrawen vnd jons foll
man den pfindten Jorg grauen auf ain vrfehd auß Feng Taffen vd Im das
land vber die thiinam ewiglich verpieten vnd darauf mit ainer fart oder Zerung
gein regenfpurg fertigen.
vnd der obgemelten frawen ir aufgeben arcztgelt wiber geben. Schöpfen.
25. [1522, II, 9a] Sexta post petrj vnd paulj, Vltima Junij 1522:
Den plindten Jörg graue feins aidens Hanns Scherlins antwurt hören laffen
und, wo er der nicht gejettigt ift, an das recht weyffen W. Stomer.
26. [1522, IX, 17 b] Tereia post Inocentum 30. Decembris 1522:
Jorg, Grauen ze jagen, derweil er wiß, das er ainen pojen todſchlag geitbt
bab, fo foll er ſich furderlic von dannen machen, oder ain Mate woll zu Inte
greiffen vnd ine mit verdienter ftraff belenen
27. (1523, XI, 2b] Sabato ante Anthony 16 Jannarı 1524:
beden perjonen, Jörg grauen und Enndres Hofman, iv pit an den pfatzgrauen
Ehurfürften lapnen mit anzaigung irer verhandfung.
28, [1524, IV, 12a] Quarta post Vdalriej 6 Julu 1624;
Den plindten Jörg grauen warnen, ſich fürderfich vom hynnen zethun
29. [1525, I, 17a] Quinta post erueis 4 May 1525;
Dem plindten Jörg grauen auff fein Suplieirn vmb rat vud erlaubnuf, ein
annder eeweyb zenemen, derweil bie jein an Im prlichig worben, Sagen, das es eins
rats ampt nicht jey, müg funft rat juchen.
412 Th. Hampe, Der blinde vandstnecht⸗Dichter Jörg Graff.
30. 1525, VI, 21 al Tercia post michaelis 3 Tctobris 1525:
des plindten Jörg grauen aiden laynıen, an der fotgaffen ein pedenhams
auffzerichten, derweil die nachparichafft vil ferlichait anzaig vnd des groffe Beſwe—⸗
rung haben.
31. |1526, VIII, 23 b) Secunda 5 Nouembris 1526:
Tem plynten Jorgen fol man jagen, der jchentlichen buchlin muſſig zufteen,
vnd die budlin, jo bey me erfünden, follen abgetban werden.
32. ‚1526, VIII, 26 al Tercia 6 Nouembris 1526:
Tem plinten Jorgen ift feiner trumpel meßen halben das almufen zegeben
abgelaindt.
3:3. 1528, III, 14a] Quinta 25 Juni 1528:
Ten plinten ‘orgen auffs hauß beſchicken vnd ze ved halten, wie es mit
feinem gedicht des landgrefiichen ausichreibeng geitalt.
34. :1528, IV, 20 b' Secunda 27 Juli 1528:
Tem plynnten Jorgen jol man die ftat verpieten, doch vor Ins lochlegen zu
red halten.
35. 1152», IV, 22h! Quarta 29 Juli 1528:
Tem plinten Jorgen drumb, das cr vber das verpieten cin Yiede von ben
viichouen geiungen, Zul man 4 Jar vnd 10, meil bin dan dic ftatt verpieten.
36. 1529, VII, 14 a) Dienſtag 5 Tetobris 1520:
Jorgen grafen mit betrobung wider hynaus weyſſen.
37. |1529, VII, 16. a° Freitag 8 Tctobris 1529:
Jorgen grafen halb den peutlern die furpiet noch ableynen.
Yazarııs Holtfchuber.
38. 11530, I, 4 bj Freitag 22 Aprilis 1530:
Tem plindten Jorgen Sagen, ſich von dannen zumachen.
39. 1530, XI, 5b) Freitag 3. März 1531:
Ten plindten Jorgen poſer ved und lieds halben beſchicken.
Merten loffelholtz.
40. 1530, XII, 7b! Montag 6. März 1513:
Tem plindten Jorgen ein ftrefliche red Tagen, ſich binfur zu hüten.
Werten Leffelholz.
41. ‚1532, III, 23 b) Quinta 20 Juni 1532:
Tem plinnden Jorgen verpieten, kain fchmachlied zu fingen, druden zu laffen
oder fait zubaben, oder ain Rate woll mit ftraff gegen Ime banndeln.
Auch die hergottin beichidfen und Ars drudens halb zu red halten.
42. :1533, XIII, 4b) Dlontag 23 MWartij 1634:
Jorgen Grauen ablainen, Ine In den Zpittal einzunemen.
Hr. €. teßel.
43. .1542, I, 37 a’ Zamftag 6. Wan 1542:
Zen plınten Nörgen, dweil er legerhafit, In Spitl ſchaffen.
Rurgermeiſter Junior.
N. Schlöffer, Neue Beiträge zur Geſchichte des fünffüßigen Jambus. 473
Uene Beiträge mr Gefchichte des fünf-
füßigen Tambus.
Ton Rudolf Schlöfjer in Jena.
1.
Reimlofe Jamben von 1664,
Die Herzogliche Bibliothef in Gotha befist unter der Signatur
Poes. et Lit. 2171 zwei jtarfe Sammelbände in Quart, die eine An—⸗
zahl Dramen, vorwiegend aus dem 17, Jahrhundert, enthalten. Unter
den 17 Stüden des zweiten Bandes befindet ſich an jechjter Stelle
ein Heftchen von zehn Blättern: „Die fingenden / AUFINITTE /
und / EHONE / in der Abigail / ANNO 1664 / Hall in Sadıjen, /
Gedruckt bey Ehriftoph Salfelden.” — Aus den Schluffe des unter
anderem darin enthaltenen Prologs erfahren wir, daß die Abigail“
zur Namenstagsfeier der Gattin des Herzogs Auguft von Sachſen,
Adıniniftrators des Stiftes Magdeburg, aufgeführt wurde,
Der Inhalt des Tertbuches belehrt uns ſchnell darüber, daß
das zugehörige Drama eine Tragödie im Renaiſſanceſtil war,
Abgejehen von den Prologe enthält das Heft fünf Chöre, die am
Schluſſe der fünf Afte gejungen wurden, und außerdem zwei, be—
ziehungsweiſe drei Auftritte des eigentlichen Stüdes, in denen Geifter
und alfegorijche Figuren auftreten Alt I, 7; Akt IV, 6—7),
Mit einziger Ausnahme des letzten Chores beftehen alle dieje
Nummern aus gentijchten, drei- und fünffüßigen Yamben, die aus—
nahmslos Klingenden Ausgang haben. In den Ehören find die Verſe
gereimt und in Strophen von 10 oder 12 Zeilen zuſammengefaßt;
jeder Chor hat drei Strophen. In dem „Vorredner“ dagegen umd
den beiden Geifterauftritten find die drei» umd fünffüßigen Berſe
reimfos und willkürlich miteinander vermifcht, Ausnahmen von
der Neimfofigkeit bilden die letzten Verſe jeder Scene; hie umd da iſt
auch das Ende einer Rede gereimt. Cine bemerfenswerte Ausnahme
von der willfürfichen Miſchung der Verfe weiſt der Schluß des
Prologs auf, wo 20 fünffüpige Jamben ohme Unterbrechung auf⸗
einander folgen. Überhaupt bevorzugt der Profog im Vergleich)
zu den beiden andern Auftritten den Fünffüßler ziemlich ftark.
(Prolog :57 Fünffüßler, 33 Dreifüßlerz I, 7:43 Fünffünler, 51 Drei-
fünfer; IV, 6—7: 63 Fünffüßler, 53 Dreifüpler, Außerdem findet
a
Suphorion IV.
474 N. Schtöffer, Reue Vritrige zur Geſchichte des fünffügigen Jambus.
jich in den beiden Geiiterjcenen — wohl durch Irrtum oder Flüchtig⸗
feit — je ein Vierfüßler.)
Fragen wir nad) der Herkunft dicjer merkwürdigen Bere, fo
kann es wohl feinem Zweifel unterliegen, daß fie, mittelbar ober
unmittelbar, aus Stalien jtammen. Spricht hierfür jchon die Miſchung
von Fünffüßlern und Treifürlern überhaupt, befonder8 wenn jie
nur Eingenden Ausgang aufweiſen, jo bejeitigt ein Blick auf die
Chorſtrophen jeden Zweifel: die Abwechslung zwijchen fünffügigen
und dreifürigen Verſen iſt bier jo mannigfaltig, die Stellung der
Reime jo künſtlich, daß nur ein italienijches Norbild fie zu erklären
vermag. Als Beijpiel diene die Strophe des dritten Chores: 3a 5b
3b 3a 3c 5d 3c 3e 5d 3e. — Nur der legte Chor weilt auf
die deutiche Oper hin: jeine Strophe — ſechs vierfühige Trochäen mit
der Reimſtellung ababba. wobei b männlich ausgeht und die letzte
Zerszeile der erſten gleich iſt — iſt eine Arienform, die man in
gleicher oder verwandter Geſtalt fajt in jeder Dper des 17. Jahr⸗
hunderts finden fann. Erwähnt jei auch noch, dar im Necitativ der
dentihen Tper frei wechjelnde fünf- und dreifüßige Jamben eine
ichr beliebte ‚zorm ind, aber immer gereimt. Ubrigens werden aud)
jte wohl auf italieniiche Muſter zurücgehen.
Um nun zu unieren reinojen Jamben zurüdzufehren, To
haben wir über die Anzahl der Verſe, die Verteilung der Fünf: und
Dreifüpler, jowie über Verſe von unregelmäpiger Yänge bereits Aus:
kunft gegeben. Zonit läßt fich nur wenig Bemerkenswertes fagen. Der
Versausgang wird im allgemeinen jtreng regelrecht gehandhabt:
Formen wie „gewöhnet“, „ehret”, aud) „nimmer“ fönnen im
17. Jahrhundert faum auffallen; Wörter mit etwas höher als
gewöhnlich betonter Schlußſilbe find jelten: „Verfolgung“; „Thor⸗
heit”, oder Eigennamen, wie: „David“; „Nabal*. — Anapäfte
finden jich zweimal: „Purpur-Roje und Weine Yilje“; „Comete und
Nlige”. Ta mit beiden Fällen Diaten verbunden find, die fonft
jtreng vermieden werden, jo darf man das Schluß⸗e in „Rofe” und
„Comete“ wohl unbedenklich elidieren. Im übrigen wird dem Anapäft
jorgiam ausgewichen: „Des grimmgen Könige“; „Die Höltiche Fackel“;
ja, jogar „Tas Debreeiche Reich“. — Enjanbenent im eigentlichen
Zinne fommt nicht vor: wenn aud das Xersende lange nicht im
allen Fällen mit dem Satzende zuſammenfällt, jo doch ftets mit dem
Ende eines Satztaktes. — Trorden möchte id) das Rorhandenjein
jogenannter rhythmiſcher Perioden annehmen in folchen Fällen,
wo fich ein Satz auch ohne Beihilfe des Enjambements durch mehrere
Verſe hinzicht, 3. B. „Abigail, die Kluge, / Die hat durch Tugend
ich darzu bereitet, / Und ihr gronmüthig Hertze / Mit Frömmigkeit
geſchmücket, Dar tie dadurd im Schatten diejer Wälder / Die Brebe
R. Schlöffer, Neue Beiträge zur Geſchichte des fünffüfigen Jambus. 475
meiner Lehren / An dem verfolgten David / Genugſam blicken Lafjen.”
Längere Perioden als ſolche zu acht Verjen fommen nicht vor; ziem—
lich häufig find von ausgedehnteren die zu vier umd ſechs Verſen.
— Sogenannte Bredung des Rhythmus (Loslöfung eines Bers-
teils und defjen Hinüberziehung zum folgenden oder voraufgehenden
Verſe) findet ſich nicht, teils weil hierzu ftärferes Enjambement
notwendig ift, teils weil die Einfügung der Dreifüßler zwifchen die
Fünffünfer felbft eine Art rhythmiſcher Brechung ijt. — Die Cäſur
wird im den fünffüßigen Verſen nicht gewahrt. — Auf unregel-
mäßige Betonung innerhalb des Verjes gehe ich micht näher ein,
weil ſich der Verfaſſer der „Abigail“ hierin von den reimenden Dichtern
jeiner Zeit in nichts unterfcheidet. — Zum Schluffe laſſe id) die
reinen ßler folgen, mit welchen die „Klugheit“ als VBorredner
ihren Geſang jchließt:
„Und, weil, Durchlanchtge Heldin,
Du gleichfals Dein Gemüt) hängft an den Himmel,
Und meine Würdigfeit mit Eyfer liebeft;
Weil, kluge Fürftin, Du jo mandje Proben
Nach meinen Wundſch und Willen haft verrichtet,
So joll fi) Dir zu umterthängen Ehren.
Abigail anigt noch einmal zeigen.
Dein Namens-Feft, das uns der Himmel machet,
Verdienets wol, eim Mufter fürzuftellen,
Bir, Hertogin, Du Deinen Sium gewöhnet.
Wir wollen fünfftig mehr Dich jo bedienen
Der ewge Rath des großen Himmels Königs,
Den Deine Gottesfurdt mit Andacht ehret,
Berfpricht nod) eine Frift vom vielen Fahren.
Die debens Taffel ift mit Heil erffllet
Es wündſchts Dein ganges Tand: damit dein Leben,
Der Held Auguft und Deine Fürften-Kinder,
Berftärdte Krafft aus Deinem Leben haben!
GOtt, der erhörts. Dein Furſtlich Wolergehen
Soll Teiner Zeiten Leid mit Noth verlegen,
Dieweit id) jelbit den Grund halff Higlic jeen.“
Ich glaube namentlich für diefe Versgruppe einiges Jutereſſe
in Anſpruch nehnen zu dürfen. Denn wenn aud) die „Abigail“ den
Ruhm, die älteften fünffürigen Jamben im deutſchen Drama zu
beiten, dem „speculum aisthetieum” des Johannes Nhenamus
(1618) überlaffen muß, jo find doch ihre Jamben unter den bis
jet befannten die erjten, welche nad; Opisens Regeln gebaut und
wohl nicht minder die erften, die zum Drucde gelangt find.
Sehr bedauerlich iſt es, daß die gejprodenen Auftritte der
„Abigail” nicht erhalten find. Daß fie in Alerandrinern abgefaßt
gewefen jeien, möchte ic) ſehr ftarf bezweifeln. Waren vielleicht auch
air
476 R. Schlöſſer, Neue Beiträge zur Beichichte des fünffüßigen Jambus.
ihre Verſe reimlos? Ta cs möglid) war, den gejungenen Auftritten
den Heim zu entziehen, jo wäre eine joldye Annahme durdaus nid)t
jo unerhört wie sie jonit wohl Klingen möchte.
ll.
Cöwens Überſetzungen von Voltaires, Mahomet“ und „Scythen“.
Nach den Zeugniſſe von Chr. H. Schmid in ſeiner „Chronologie
des deutſchen Theaters“ '; bat Johann Friedrich Yöwen 1768°. von
Zoltaires Tragödien „Mahomet“ md Tie Scythen“ Überſetzungen
in fünffüßigen Jamben angefertigt. Dieſe Ubertragungen galten
bisher für ungedruckt, 3 jedoch mit Unrecht, denn ich habe im
Herbſt 1845 bet einem Leipziger Antiquar einen gemeinſamen Druck
beider Stücke aufgefunden: er befindet ſich jetzt in meinem Beſitz.
Das Oktavbändchen 2 Bl. — 154 S. fiihrt den Titel: „Mahomet,
der Prophet, "md 7 die Seythen. / 3wey Zrauerjpiele ; des
Derrn von Woltaire |Nignerte] / Yeipzig, / bey Heineck und
Faber, / Buchh. in Koppenhagen. 176.“ Yoöwens Xerfaflerichaft
wird gejichert Durch die Jahreszahl, die Verwendung des finffürigen
Jambus und die Bemerkung des Norberichtes, daß der „Mahomet“
in der vorliegenden ‚yorn bereits in Damburg mit guten Erfolge
sur Aufführung gelangt ſei.
Von den beiden UÜberſetzungen darf wenigitens die des „Weahomet“
einige Beachtung Leanipruchen, weniger weit fie ſich an eine Aufgabe
wagt, welche ſpäter Goethe glänzend gelöit hat, als weil fie für Die
Geſchichte des reimloſen Jambus auf der deutichen Bühne vou
Wichtigkeit iſt. Als Löwens „Mahomet“ am 4. Dezember 1767 auf
dem Damburgiichen Nationaltheater zum erften Mal zur Aufführung
gelangte, war der fiünifüßige Jambus trog jeiner Verbreitung in
der Yitteratiiv auf dem Theater nocd jo gut wie ganz etwas Neues.
Nur zwei Jambenſtücke hatten bisher auf dentichen Bühnen das
Yanpenlicht erblickt: Wielands „Johanna Gray“, bei Adermanna
Geſelliſchaft in Winterthur am 20. Juli 1758 I: und Weißes „Atreus
und Thyeſt“, bet Kochs Truppe in Yeipzig am 28. Januar 1767.
1775 0 TU) 2. 2%
2) Wenigſtens für den „Mahemet“ triijt dieſe Angabe nicht ganz zu: er
erschien bereits am 4. Dezember 1767 anf dev Hamburger Bühne. Zal. des Ber:
faiiers Schrift: „Bam Hamburger Nationaltheater zur Gothaer Hofblihne” Litz
manns Theatergeſchichtliche Forſchungen XIII. Hamburg 1895, S. 19 und S. 67
y Bordele : 6, 2.28% A. Sauer, „Uber den fünffüßigen Jambus vor
veiſinge Nathan“ (Sibungsberichte der Wiener Alademie, philoſophiſch hiſtoriſche
Alaiſe, Rand 90, ISTS), 2. 718.
iy viemann. sv. % Zchröder, 1 Hamburg 1890), 157 fi.
)Minor, Ch F. Weiße Inusbruck 1880), S. 230.
R. Schlöffer, Neue Beiträge zur Geſchichte des fünffüßigen Jambus 477
Es war alſo bei der Aufführung des „Mahomet” das erjte Mat,
daß Efhof, Böt, Madam Henjel ihre Deflamationsfunft an dem
ungewohnten Verje verfuchten, es war vor allem auch das erfte Mat,
daß Lejling, der Dramaturg des Hamburgifchen Unternehmens, von
der Bühne herab jenen Vers erklingen hörte, für deffen fiegreiches
Durchdringen fein „Nathan“ entſcheidend werden jollte,
In NRüdficht hierauf habe ich die Jamben Löwens einer ein-
gehenderen Unterfuchung unterzogen, deren Ergebniffe id) im Folgenden
mitteilen will. Ich beichränfe mich dabei in der Hanptjache auf den
° „Mahomet“, ſchon weil er das wichtigere Stüd ift; auf die „Schthen",
welche trog Löwens beftinmter Erwartung!) wohl nie zur Auf
führung gelangt find, gehe ich nur dort ein, wo le vom „Mahontet“
ftärfer abweichen.
1. Was zunächſt die Länge der Verje anbetrifft, jo hält ſich
Löwen im Mahomet ängftlic an den regelmäßigen Fünffüßler. Nur
einmal hat jich ein jechsfüßiger Vers eingeſchlichen: 392) „Ich lenne
deines Herzens Neigung num genug.“ Drei zu furze Verſe mit
Anapäft, nämlic 12 „Verdient, jprich, was wilfft du? Bir verzeihnt;"
53 „Sieht unfre Herzen, zählt unſre Seufzer;“ 72 „Und lernt
endlich euren ig kennen,“ laſſen ſich leicht verbeffern, wenn man
„verdienet“, „zählet“, „lernet“ lieſt. Es handelt ſich offenbar um
bloße Druckfehler. — Viel freier verführt Löwen in den „Scythen“.
Ich zähle dafelbjt vier Vierfüßler [103; 107; 149; 162] und acht
Schsfüßler [80; 93; 104; 112; 181; 132; 136; 144]. Dazu
fommen wieder zwei Verſe, die durch Druckfehler unregelmäßig ges
worden find [94; 121]. -
2. Der Bersausgang ift gemijcht, und zwar bevorzugte der
„Mahomet“ den ftumpfen Ausgang [auf über 1300 Verſe rumd
700 ftumpfe], während die „Schthen“ mehr zum Eingenden neigen
lauf ungefähr gleich viel Verſe nur 600 ftumpfe]. Die Verteilung
der Verſe auf die einzelnen Afte ift im „Mahomet“ höchſt ungejchiekt:
im erften Aufzuge bilden die klingenden Verſe kaum mehr als ein
Viertel, auch im zweiten und dritten wiegen die ftumpfen noch vor,
mährend die beiden legten Akte die Hlingenden überwiegen iaſſen
Diejer legteren Praxis folgen auch die „Schthen* in allen fünf
Anfzügen, fo daf fie den Vorzug befjerer Ausgfeihung haben.
Beiden Stücken gemeinfam dagegen ift das unglaubfiche Un-
geichid in der Miſchung der Verje untereinander: Alle Augenblide
finden fic längere Partien mit mur oder doch ganz vorwiegend
ftumpfen, beziehungsweije klingendem Ausgange; die Behauptung,
‘) Borbericht, BL. 2 b.
>) Die Zahlen bezeichnen die Seitem des Drudes.
IHR R. Schlöſſer, Neue Beiträge zur Geichichte des fünffügigen Jambus.
dag Yömwen Abwechslung im Gebraudje des Versausgangs förmlich
vermeide, wäre kaum übertrieben. Ich greife, ganz aufs Geratewohl,
aus dem „Mahomet“ Folgende Stellen heraus: 7: Eine Rede mit
9 ſtumpfen, einem Elingenden Zerje; 27, V. 6 ff.: 14 Verſe, worunter
nur 2 ftumpfe; 43: 10 Verſe hintereinander mit ſtumpfem Ausgange ;
51: Tesgleichen 8 Verſe mit Elingendem Ausgange; 654: Desgleichen
9 ftumpfe; 68: Desgleichen 8 Elingende. Dieſe Beijpiele liegen fich
ohne Schwierigkeit reichlich vermehren.
Beim Flingenden Ausgange wiegen die Fälle vor, in denen
die letzte Silbe ein unbetontes e hat: 4 dämpfen; 4 mache; 4 Be:
trüger u. j. w. Much Worte wie 6 heilig; 6 ſchimpflich; 16 Königs;
oder 37 Ahndung; 20 Yiebling; 24 Geſtändnis bieten nichts Auf:
fallendes. Taneben finden fid) aber and) Versausgänge mit mehr oder
minder ſtarkem Nebenton auf der legten Zilbe: 26 Kühnpeit;
51 Bereitichaft; 46 Abſcheu; 57 Unglüd; 69 Eindrud; 47 ftrafbar;
25 Kunſtgriff; 29 Blendwerk; 20 einflört: 35 mohlthut; 28 herrid)
ich; 59 ruft mid) und viele dieſer Art. Im weſentlichen befolgt
Löwen bier die gleiche Praris wie zwölf Jahre jpäter Leſſing im
Nathan.'ı
Im ſtumpfen Ausgange finden ſich natürlich vorwiegend
hanpttonige Zilben, häufig aber and) jolche mit Nebenton: 6 Tugenden:
9 Sterbliché. Auch eigentlich umbetonte iind nicht gerade jelten:
16 Wütrichen: 41 zZurüſtüng. Vierſilbige Wörter fallen öfter in
gleicher Weile durch unrichtige Vertonung wie durd) ungenügende
Schwere der Schlußſilbe auf: 29 Notwendigkeit; 51 Unwiſſenheit.
Noch unleidlicher Hingen für unjer Chr Ausgänge wie 26 Familien;
25 Arabien. Tod) verfährt Yöwen in all diefen ‚Fällen nicht freier
wie die meiſten ſeiner Zeitgenoſſen. Dagegen werden ſich Betonungen
wie 20 ſeyn will; 63 eil, ind: und ähnliche wohl nicht jo leicht ander:
wärts finden. Kine beiondere Ungezogenheit Löwens iſt aud) Die
künſtliche Herſtellung ſtumpfen Ausgangs durch Synkope; faft vegel
mäßig nach eu: 9 Greul: 9 Ungeheur; 21 Feur: dazu 17 befreyn:
9 baun, oder 24 Kriegs: 33 Mords. Seltener kommt Apokope vor:
15 gehorch Monjunttiv der 3. Perſone; 21 Zopir iſtatt Zopire).
3. Beſondere Harthörigkeit verrät Löwen da, wo es ſich um
Piatus und Eliſion handelt. Regelmäßig wird nur das e des
zugehörigen Verbs vor ich elidiert: 7 verzeih ich; 7 könnt ich u. |. w.:
jonjt unterbleibt die Elifion in majlenhaften Fällen, faſt auf jeder
Seite einmal: 3 Träume ehren; 5 Ztaate auf; 6 dieje Unschuld.
Umgekehrt wird kaum minder häufig vor Nonjonanten elidiert:
1) Zarnde, Über den fünffürgen Jambns. Leipzig 1865 (Peipziger Univerfitäts
Feſtjchrifi), S. 38.
N. Schlöffer, Reue Beiträge zur Geſchichte bes Fünffühigen Jambus. 479
13 fanın did; 15 Ahm nicht; 44 ohn Waffen, Beide Fülle in jchöner
Vereinigung findet man ©. 6: Wär niedre Eiferfucht; Falſche und
richtige Elifion nebeneinander S. 8: Ohn Vaterland, ohn Eltern;
15: theil Größ umd,
4. Enjambement fommt in den verjchiedenften Formen vor:
a) Trennung des Subjefts vom Prädifat: «) Das Sub-
jeft geht voranf: 44 Dein Sohn / War ſchon bejtimmt; 70 Des
Vaters Schatten / Verfolget dich. — Bejonders ftarf wird das Enjam⸗
bement, wenn das Subjeft ein Perſonalpronomen ijt: 24 Sie / find;
64 Ich / Umarme. B) Das Prüdifat geht vorauf: 9 mic rührt /
Dein Herz; 37 gleichwohl bebt / Geheim das bange
b) Trennung des Objefts vom Berb: @) a8 Objekt
geht voranf: 19 deine Ketten / Zerbrechen wir; 65 mich / Zur
itrafen. 8) Das Verb geht voranf: 30 willſt dur / Mein Leben;
so ich ichleifte / Sein graues Haupt.
e) Trennung des Hilfsverbs vom Prädifatsnomen:
31 [ich] werde / Dein Schwiegerjohn; 64 Seide ift / Sein Sohn.
d) Trennung eines Genetivs vom zugehörigen Kafus:
20 Liebling / Des furchtbarn Gottes; 59 Töne / Des Schredens.
[dm den „Scythen“ häufiger als im „Mahomet“.]
e) Durchſchneidung eines Nelativfages: 3 woraus / Ich
ihn verbannt; 7 die / Der Himmel zu vergießen mich verdammt;
8 von dem / Man mich getrennt,
f) Trennung einer Konjunftion oder eines Adverbs
vom zugehörigen Satze: 10 wie / Des Mitleids Zähr' um
deinen Jerthum fließt; 15 Vielleicht / Wär er ein Held; 31 oder /
Ob ich die Kinder ſelbſt erwürgen foll.
g) Trennung des Verbs vom Hilfeverb: 29 willft dur /
Die jchanervolle Band der Freundſchaft müpfen; 45 ich will /
Ihn töten.
h) Lostrennung der beweglichen Bräpojition vom Verb:
4 betet Iniend / Die Frevel an; 16 Du verlangft / Palmiren unter
fein Geſetz zurück.
i) Trennung des Particips vom Hilfsverb: 9 noch mie
hab ich / Dergleichen fühne Läſterung gehört.
k) Trennung des Particips von feiner näheren Be
ſtimmung: 4 Bon falſchen Wundern Getänſchet; 8 gewöhnt /
Zur Stlaverei.
Alte dieſe Fülle, d und i ausgenommen, lommen vedt häufig
vor. Nur jelten —5 ftärfere und auffallendere Arten des Enjam-
bements gebraudt. (
N) Einjchnitt * oder nad) „und“: 17 Vaterland / Und Welt;
63 Eil, und / Entreiß den Dolch, [N den „Seythen“ viel hänfiger.|
ISO R. Schlöſſer, Neue Beiträge zur Geſchichte des fünffüßigen Jambus.
m) Trennung des Adjettivs vom Zubjtantiv. Nur in
den „Scythen“: 106 Ihre zitternden Gefährden; 112 das ftolze /
Egypten.
n) Trennung einer Präpoſition vom Zubftantiv. Nur
in den „Scythen“: 95 für 7 Mein Baterland.
o) Trennung des Artifelse vom Zubftantiv. Nur im
„Mahomet“: 34 die Meligion.
p) Adverbia der Bergleichung ſtehen am Versende:
26 gleih 7 Dem Donner: 127 Seythen]) wie / Das dumme Zieh.
q) „Zelbit“ wird vom zugehörigen Perfonalprononen
abgetrennt Nur im „Mahomet”: 9 Gehör ich mir / Wohl
ſelbſt.
r) „Am“ wird vom Infinitiv abgetrennt. Nur in den
„Seythen“: 147 um / Zie mehr zu jtrafen.
Zeigt ſich Löwen jomit in der Dandhabung des Enjambemente
ziemlich geſchickt und nicht allzu ängftlich, So iſt es dagegen ver-
wunderlich, wie äußerſt ſparſam er dieſes Kunſtmittel verwertet. Ich
glaube ziemlich richtig zu ſchätzen, wenn ich auf je 10 Verſe nur
cin einziges Enjambement rechne.
>. Jnjolgedeſſen iſt die Entwicklung der rhythmiſchen Periode
jo dürftig wie nur irgend denkbar. In jeder Scene, ja, auf jeder
Zcite finder man in ganzen Reihen Verſe, deren jeder mit einer
jtärteren \nterpunttion ſchließt: die Verbindung von auch nur zwei
pder drei Verſen zu einer Periode iſt im Berhältnis zu den mafjen:
haften im sich abgeichlojlenen Verſen ſchon als jelten zu bezeichnen,
Perioden, die über dieſes Maß hinausgehen, giebt cs eigentlich gar
nicht. Denn wenn jich auch zumeilen ein Zap über 6 bis 8 Berfe
eritredt, jo trifft in diejen ‚yällen doch Immer wenigitens einmal
der Versſchluß mit dem Ende eines Zakteiles zujanımen, während
der Begriff der rhythmiſchen Periode, ftreng genommen, einen dauern:
den Widerſpruch zwiſchen Rhythmus und Wortſinn erfordert. Die
Jamben Löwens ſind infolge dieſer Mäugel von der größten Ein—
tönigkeit, die auch durch die ſpärlichen Enjambements nicht beſeitigt
wird. Uberhaupt können dieſe nur ſtörend wirken, da fie den gewöhn-
lichen, ſtreug regelrechten Versbau nur in weiten Abſtänden und
daher ſtets unerwartet unterbrechen.
6. Auch die BRrechung des Rhythmus, ſonſt ein vortreffliches
Mittel zur Belebung des Jambus, paßt bei Löwen durchaus nicht
in den Stil. Wo der Rhythmus für gewöhnlich ſo ungeſtört und
ruhig dahinfließt, machen ſolche Kühnheiten in ſeiner Hemmung faſt
den Eindruck von Fehlern. Trotzdem liebt Löwen die Brechungen,
wenn auch natürlich ihre Anzahl ichon durch die jeltene Verwendung
des Enjambements beſchränkt iſt.
R. Schloſſer, Neue Beiträge zur Gefchichte des fünffüßigen Jambus 481
a) Mit bejonderer Vorliebe wird das Ende eines Verſes
abgetrennt und mit dem nächſten verbunden: «) Abtrennung
einer Hebung: 6 verfuche / Die Nacht des düftern Schmerzens zu
zerftreun; 7 die / Der Himmel zu vergießen mid) verdammt. 8) Ab-
trennung mehrerer Hebungen: 3 Ein ftandhaft Widerftreben / Neizt
nur die Nache, ftatt fie zu vermeiden, 8 einen Schredensgott / Glaub
ic voll Furcht in Mahomet zu jehn. Dieje beiden Fälle find weitaus
die häufigften, weil fie die bequemſte Gelegenheit bieten, jofort nad)
der Unterbrechung zum regelrechten Rhythmus zurückzukehren.
b) Beträchtlich jeltener wird der Anfang eines Verjes mit
dem vorhergehenden verbunden: «) Abtrennung einer Hebung:
5 Wenn diefe Gegenden die Näuberfauft / Verheert; 17 Ich will Gejek,
und Gott und Vaterland / Verfechten. ß) Abtrennung mehrerer
Hebungen: 4 Fajt dreyfig Nationen beten fniend / Die Frevel an,
14 Wie glüclich, wie gerecht und kühn griffſt du / Den Wütrich an.
e) Der Fall, daß in mehreren aufeinander folgenden
Verfen die abgetrennte Schlüßhebung die Bajis des folgen-
den Berſes abgiebt (Häufung von a), tritt nur ganz ausnahms-
weife ein. Die beiden ftärkten Beijpiele finden ſich in den Scythen:
127 hat die Natur, die du befeidigt, uns / So an den Erdentloß
gefeffelt, wie / Das dumme Vieh. 152 Ad; er ift / Mein König! —
ja noch mehr; — ich lieb ihn! — ihm / Allein Hab ich geliebet; —
und noch igt / Fühlt diefes Herz für ihm die reinften Flammen, —
Dieje legte Stelle, jo wenig verwegen ihr Bau tft, bezeichnet den
Gipfel der Kühnheit in Löwens Jamben!
d) Wiederhoftes Einjhneiden des vorderen Verſes in
den folgenden (Häufung von b) kommt nicht vor.
©) Dagegen finden fi) zumeilen beide Arten von Brehung
vereint, jo daß alſo einem Verſe je ein Abſchnitt voraufgeht und
folgt: 10 Kann ich dich / Dem Wütrich, den dein zartes Herz be—
trog / Wohl wiedergeben; 80 [Seythen] es / Erſcheint, den Delzweig
in der Hand, ein Jüngling / Voll Pomp.
f) Nicht felten ift die Bereinigung eines Bersſchlufſes und
eines VBersanfanges zu einem neuen Ganzen: 9 Gehör id; mir /
Wohl jelbft; 13 hör igt / Nur die Vernunft.
Zur Brehung des Rhythmus gehört ſchließlich auch die Ber-
teilung eines Berjes auf mehrere Berjomen; aud) dieſes
Kımftmittel wendet Löwen fpärlid an: im „Mahomet“ find nur 62,
in den Schthen 98 Verje geteilt, das Heißt rund jeder Zifte, bezie-
hungsweife 13te Vers, während z. B. im „Nathan“ ungefähr jeder
fünfte, in Gotters „Merope* (erfte Ausgabe, 1774) jeder fiebente
Vers geteilt ift. Eine Teilung in mehr als zwei Glieder wagt Löwen
äußert jelten, dreiteilige Verſe ftehen im „Mahomet“ Amal, in den
IR Zzoleñter, Reue Bertrage sur Reihe des Fanfukigen Jambus
Scythen“ 12mal: zu einem funfrach geteilten ichwingt ſich nur der
„Mahomet“ ein einzigesmal aut #3. Auch von einer Scene zur
andern leiter der geteilte Pers mur selten ber: sınal im „Mahomet“
und “mal in den „Scythen“.
Es erübrigt noch auf die Verhältniſſe im Nersinnern
einen Blick zu werfen. Gerade hier tit cs, wo Löwens Armut am
nadteiten zu Tage tritt. Für cine Reihe von Kricheinungen führe ich
im ‚volgenden Betivicle an, Die ausichlierlih aus dem eriten und
zweiten Auizuge des „Mabomer genommen ind. zZunächſt unregel:
märige Retonungen: verzeihliche Fälle, wie 3 huldigen, 7 alte
und ähntiche ubergebe ich, da an unverzeiblichen fein Mangel itt.
So 10 fuhlbartten: 23 Irrthümer: x Erbarme dich, Derr: 23 Sie
dienen dir blind: 27 jo mie du: 28 Medi, und vier Zeilen daran?
Medina! Aber auch tonit find Löwen alle Mittel heilig, um Die
orte in den Vers zu ywingen, x. B. ttarte Znnfope: 7 Wreul:
perblendte: 2% vedt. Anderwärts wieder ſchiebt er das hier ver
ihmäbre » ein: 16Getäuichet: 7 fieleitz in der zZeile vorber dagegen:
siert. 15 gicbeit [obwohl in der Seile verber giebſt ſtehtſ. Part ein
Name nicht ın den NBers, to vekommt cr den Artikel: 21 den
Mabome:: 22 den Zovpire: oder er wırd verimmmelt: 37 Sad,
sont Zeide. Wo cine rlidittbe notwendig vr wird ferner der Ge
netiv mit „von” umſchrieben: 15 Mer von lceren Träumen:
33 Zohn ven deinem tolzen Feind. Zu alenbem Zwecke wird „im“
zerdehnt zu „in dem’: 20 In dem Narhz 26 mitten in den
Frieden. Umgekehrt wırd, um eine Zube zu waren, Dem Berb das
Rerſonalpronomen genommen: 24 Und beit dich nicht gerãcht⸗
so Und göſieit deinen Zorn nicht uber Ste. In beiden Fällen iſt es
nicht mealih, das „da aus Dem Vorhergehenden zu ergänzen.) Wei
nebengeordneten Zutitantiven wird der Nrtifel cinmal
acietzt, Das anderemal nicht, ge nad dem Versbtedürinis: 24 Irag
ich das Rauchiaß. zzevter und Die Waifen: 34 dar Ich einen Thron,
Altar amd per tuche. - - wedloie Flickworte begegnen maſſen
haft: 15 Sprich mir nicht mehr von ieiner Gnade vor; 19 Verzeih mir
Diese ſtolze Hofinung Doch: ?s Willit du alte bier einen Gott uns
Ichren: ?2# Eon Norden bis zu Zuden !: 20 Eh werden Höll
und Simmel selbit verein: Reiſpiele hieriür fichen io ziemlich auf
jeder Zee.
In Rückſicht auf all die zahlreihen, in die Augen ipringenden
Mangel des Löwenichen Jambus mutien wir das Ergebnis unierer
Untertuhbung als ein negatives bezeichnen: der Vers des „Mahomet“
tonnte weder iür die :Juhörer noch fur die Tariteller von enticheidenden:
Eindrud jan, von Yeting ganz zu geichweigen. Ka ti merkwürdig.
dag „Mahomer‘ ce trosdem in den menigen Monaten von jeinem
Daniel Jacoby, Zu einer Fabel Willamovs. 483
erjten Erjcheinen bis zum Ende des hamburgiſchen Unternehmens auf
fünf Aufführungen (teils in Hamburg, teils in Hannover) gebracht hat,
nod) merhwürdiger freilich, daß er allem Anjchein mac noch 1779
auf dem Gothaer Hoftheater eine zweimalige Aufwärmung erfuhr.!)
Was Löwen angeht, jo habe ich ihn trog des erträglich, guten
Nufes, den er noch immer genießt, von dem Augenblick an, wo id)
die erfte feiner Nomanzen in die Hand befam, für einen der efendejten
Stümper gehalten, die je im deutſchen Dichtermalde ihre Stimme
haben ertönen Laffen. Möge ihm die voraufgehende Unterſuchung
dieſen Ruf endgiftig Tem!
Zu einer Fabel Willamons.
Von Daniel — in Berlin.
I Theodor Echtermeyers vielgelejener „Auswahl deutjcher Ge
dichte für höhere Schulen“, von der im Jahre 1893 bereits die 31,,
von 9. Maſius herausgegebene Auflage erfchien, findet fi) das
Gedicht „Die Sonne und die Tiere“ von ‘oh. Gottl. Willamov
(Nr. 54, ©. 81, 31. Auflage). Die Taufende, die die jchöne Fabel
gelejen, haben ſicherlich nicht gewußt, daß fie in diefer Form nur zur
einem Teil dem Landsmanne Herders angehört. Wer aber hat fie
bearbeitet? Weder Echtermeyer noch die folgenden Herausgeber jeines
Werfes, nod) andere, die das Gedicht in ihre Sammlungen aufge-
nommen, haben meines Wiſſens angemerkt, daß es Nanıler gewejen
it. In der Vorrede zu feiner „Fabelleſe“ (erfter Band, Leipzig 1783)
jagt Ramler: „Ohne die Freiheit, einige Stellen zu ändern, würde
ich an feine Sammlung gedacht haben.“ Diefen Sak ſchrieb er wohl
in Erinnerung an die vor 22 Jahren mit der Bearbeitung der
Fabeln Lichtwers gemachte Erfahrung. Lichtwer hatte ſich derb über
ihm beflagt, und Mendelsjohn hatte im 233. Litteraturbrief betont,
dag wir den Schriftiteller jamt feinen Fehlen im feinen Werfen
wieberfinden wollen; eine fremde Hand aber verändere immer jeimen
Charakter. Verändern und verbejfern jei Sache des Stunftrichters und
gehöre in eine Kritif.2) Weiter äußert Mamler 1783, er habe die Namen
nicht unter die Fabeln geiett, damit ohne Vorurteil gelejen werde,
Schon der Titel „dialogiſche Fabeln“, den Willamov feinen
einft vielgeleſenen Verfchen gegeben (Berlin 1765, 93 ©., 8.), zeigt,
) Bom Hamburger Nationaltheater zur Gothaer Hofbihne, S. 67 uud 77.
(Bl. die enge — am Schi Mare) —
Deutſche —— 73. Banb. Herausgegeben von J. Minor, 70.
434 Daniel Jacoby, Zu einer aber Willamovs.
dan die handelnden Weſen bei.ihm reden, ohne daß der Tichter er-
zählend eimleitet. Zeinen Zeitgenoſſen war es freilich jchon fraglich,
„ob dieje Art immer angebradht jei, da der Ort der Scene zur
Wahrſcheinlichkeit viel beiträgt und den Yeler nicht jelten angenehm
vorbereitet.“ Im ganzen hat Namler in jeiner „Fabelleſe“ achtzehn
Fabeln Willamovs aufgenommen: im V. Buch ı Band 3, Yeipzig 1790)
jtcht unter Nr. 332: unſer Gedicht. Seine Anderungen, wag den ein»
zelnen Ausdruck wie ganze Wendungen betrifft, zeigen fich am deut:
lichiten durch Folgende Gegenüberſtellung:
Wiſſamov a. a. O., 2. 15-- 16: Rambler a. a. O., S. 65 f.:
Der Eſel. Die Schlange. Die
Nachteule, Die Feldmaus. Die
Sonne.
1. SC Sonne! ſcheine nicht jo heiß!
Ich werde noch vor Mattigkeit und 2 Ich muß vor M. u 2.
Schweiß
Der meiner Arbeit unterliegen. 3. Beynm. A. ſchier erliegen.
Dank ſei dem Zevs für ſeinen Son 4. So rief der Eſel. „Dank für deinen
nenſchein! heitern Schein,
5. Es liegt darin ſich mit Vergnügen. 5. O Sonne,“ rief die Schlange. „Mit
Vergnügen
Du mußt wol ausgelaſſen ieyn. 6 Leg' ich mich ſtundenlang hinein.“
Dir deinem mir verhaſiten Lichte, 7. Die Eule ſchrie: „Verſchone mein
Geſicht
C Sonne! ichone mein Geſichte! x. Wit d. m. verbaßten Yicht,
Ich ſive bier mit allem Fleiß ver vo. TC Sonne! kann ich doch fein Zchlupf-
hüllt loch iinden,
10. In memer Wohnung tiefſten Grinn 10. Wohin dem Stral nicht dringt; ich
den, werde noch erblinden.“
Und doch bar fie dein Stral erfüllte 11 „Wohlthät'ge Sonne, ſei mir lange
ſo geneigt,”
Ich werde noch verblinden. 12. Hub eine Feldmaus an: „es reifen
meine Ahren:
I jſei mir lange jo geneigt, 13. Zollauf kann ich mid wieder
nähren,“ —
Wohlthätger Sonnenichem! es reifen 14. Tie Sonne hört es an, ſcheint fort
meine Aehren. und ſchweigt.
15. Schweigt, unverſtändge,
ichweigt!
16 Ich werde mich an euch nicht
tchren.
'ı Rene Yibliotbet der ihnen Wiſſenſchaften und der freyen Künſte 1,1, 2.123 f.
* Sucht Ur. 38, wie Jördens Yerilon 5, 400 ftcht.
= ‘m Crigmal lateinischer Trud. In der nach Willamovs Tode erichienenen
neuen Ausgabe der Fabeln, Berlin 1791. 8. 6 Z. ıberausgegeben von 8. H.
örd And die Redenden beionders angedeutet: fonft, von „Interpunftion und
⸗ »a abgeieben, feine Anderungen.
Richard M. Meyer, Günther und Bürger. 485
Echtermeyer folgte Namler wörtlich; nur fteht Vers 3 „Faft“
ftatt „ichier“, Vers 11 „stets“ ftatt „lange jo“, Vers 13 fehlt
„wieder“,
Günther und Bürger.
Von Richard M. Meyer in Berlin.
In feiner Abhandlung über Bürgers „Lenore* (Charakterijtiken
S. 199 f.), deren Neichhaltigfeit und Vieljeitigfeit immer von neuem
überraſcht und beihämt, hat Erid; Schmidt natürlich nicht überjehen,
daß die Heldin ihren Namen der Geliebten J. Ch. — ver⸗
dantt (S. 230). Wenn er aber ausſchließlich auf das leidenſchaftliche
Abſchiedslied (in Fuldas Ausgabe, ©. 206 f. hinweiſt, das aud die
Strophenform für die berühmte Ballade geliefert hat, jo möchte ic)
außerdem noch an das Gedicht „An Leomoren bei Abfterben ihres
Karl Wilhelms" (Fulda, S. 157) erinnern. Die ſtehende Anfangs-
zeile „Eher tot als ungetreu!“ wiederholt jich in der Eingangsitrophe
Bürgers: „Bit unten, Wilhelm, oder todt?* Nun liegt in dem
Stoff urjprünglich fein Schatten von diejer Alternative, Die Geliebte
Hagt um den verlorenen Liebjten — an jeiner Treue zu zweifeln,
liegt ihr fern. Die Alternative „Lieber tot als ungetreu“ gehört
durchaus der Kunftpoefie an. Unter den Themen der provencaliichen
Tenzonen führt Diez (Poeſie der Troubadours, S. 192) jie zivar
nicht an; aber fie iſt jo völlig im deren Charakter, dag Uhland, der
große Kenner der mittelalterlichen Liebesdichtung, bei feinem „Sänger-
ſtreit“ mit Rückert (Fränkels Ausgabe 1, 447) jofort auf dieje
Streitfrage geriet:
nger, fprecht mir einen t
Sagt mir, was ift mindre Roi
Der Geliebten Treuebruch
Oder der Geliebten Tod?
Nun ift es merkwürdig, daß er als Beifpiel für bas erfte gerade
Günther gewählt zu haben fcheint. Denn ſollte diefer nicht gemeint
fein, wenn Uhland fingt:
Wenn Verrat — was Gott dechlite! —
Einen edeln Sänger trifft,
Wanpdelt ſich fein Fied in Gift,
Stirbt ihm aller Dichtung Blüte:
4x0 Richard DM. Dieyer, Güuther und Bürger.
Es iſt wohl unzweifelhaft, dan die zweite Hälfte der Strophe,
das Beiipiel für der Geliebten Tod, auf Novalis geht:
Wenn die Braut von reiner Güte,
Hingerafit durch frühen Tod,
Ihm entſchwebt ins Morgenroth:
AU jein Blick iſt dann nach oben,
Und in heil'gem Zang enthoben
Fühlt er Sich der ird'ſchen Noth.
Es entipricht durchaus der Art des ſchwäbiſchen Tichters, be:
ſtimmte Figuren zu Typen Litterariicher Zchiefiale zu machen; wie
er es in der Poeſie mit Theodor Körner „Wenn heut ein Geiſt
berniederitiege“ oder Narl Mayer Merlin der Wilde: gethan hat,
jo hat er in feiner litterarhifterijchen Taritellung etwa Deine Styli
ſticum, herausgegeben von Holland, 2.50. 36. 54, im Auge, wen
er Icheinbar ganz allgemeine Betrachtungen aufftellt. Ich glaube aljo
and in dem von Verrat betroffenen edlen Zänger ein Porträt juchen
su tollen, und wüßte dann micht, wem ſie cher gelten follten ala
(Günther: „Mit der Hoffnung anf Yeonorens Beſitz jchwand ſein
letzter Halt und die letzte Leuchte ſeines Lebens,“ jagt auch Fulda
S. XXIII.
Erich Schmidt bat «a. a. O., S. 221 die liberlieferung, wie
Bürger fie vorfand, retonitrniert: „Tas Mädchen weiß nicht, ob der
(Beliebte, ein Kriegsmann, noch am Yeben it, und erjchöpft fich im
lagen.“ Wir glauben fir den Moment, wo es ſich um den Über:
gang in Bürgers Kunſtdichtung handelt, fortfahren zu dürfen: eine
Erinnerung au Günthers leidenſchaftliche Poclie bringt das Motiv
der Eiferiucht hinein. Denn die Strophe, die Würger an jeinen Vor—
günger heranzog, war wohl die Schlußſtrophe jenes Gedichtes:
Eber tor ala ungetreu!
Glaube das, du treue Seele,
In der finſtern Grabeshöhle
Schlaft mir auch deim Schatten bei.
Alto and bier, wie ſo oft in der Volksdichtung Erich
Schmidt, 2. 223 1. das Motiv, dan die Liebe, ſtark wie der
Tod, die Pforten des Todes überwindet und die Getrennten zur
tegten Nereinigung bringt. Das ganze Gedicht Günthers wird num
aber von dem stehenden Gingangsvers „Yieber tot als ungetreu!“
beberricht, und von da fam dieſe Alternative in die Gröffnunge:
itrophbe der „Yenore”, die thatiächlich zuerſt entitanden iſt Erich
Schmidt, S. 215. 6Glücklich wirkt fie da nicht: es darf gar fein
Ar der gegemicitigen Yicbe der Beiden aufkommen. Aber
Richard DM. Meyer, Günther und Bürger, 487
fie fag Vürgers eigenem Naturelf jo nahe, daß er jpäterhin ein
Segenjtüc zur „Lenore“ gedichtet hat gleichjam auf die Moral, es
ſei ficherer, die verlorene Geliebte nicht wieder zu gewinnen: ihr
Verluſt ſei bejfer als ihre Untreue. Es ift das „Lied von Treue“,
das mit jeiner grotesfen Gegenüberftellung von Hundetrene und
Weiberfinn wohl ganz bejonders dazu beigetragen hat, Schopen-
hauers übertriebene Vorliebe für Bürger zu erweden: „Denn es be
ihämet zu oft leider den Menjchen der Hund“ (Paralipomena 2,
696). Das Motiv des „Liedes von Treue“ hat dann im umjeren
Tagen Hieronymus Yorm in der witigen Ballade „Donna Blanca”
(Gedichte, ©. 186 f.) noch klarer zu einem Gegenbild der „Lenore”
verarbeitet: der treue Namiglio erweckt feine Blanca vom Tode, holt
fie auf jein Schloß.
Und wie ex fchläft, da bringen
Ein prächtig Schiff die Wellen her,
Don Guzman fommt gezogen,
Der jhönfte Mann zu Yand md Meer.
„D fühe Donna Blanca,
I) fieb dich Heiß md. ewigtich,
Verlag den blöden Schäfer
Und jlich mit mir, begliide mich!“ »
Was jie dann natürlich auch thnt, und woraus ſich die Moral
ergiebt:
In dir ein Weib geftorben,
So Mage jehr — und Taf «8 ruhn
Aber day mit diefem „Biſt untren, Wilhelm?” ein faljcher Ton
hineingebracht wird, hören wohl nur wenige. Und dod) hat das hier
leiſe angefchlagene Motiv die ganze Tendenz des Gedichtes ver—
ändert!
Selbjt Grieſebach, der auch in der Bürgerſchwärmerei Schopen-
hauers getreuer Schüler ift, fann nicht umbin, das zu tadeln, daß
der Tod als Beſtrafer lommt (Bürgers Werfe 1, S. XXX). In der
That hätte das den Sängern der Bolfsballaden ſicherlich fern ge»
fegen: ihnen ift die Sehnſucht des Liebenden, die die Pforte des
Grabes fprengt, nur ein rühmliches Zeichen der Treue und vers
ſchlungen wachjen Blumen aus den Sürgen der bei Yebzeit Getrennten
hervor. Bürger aber war durch jenen erjten falſchen Ton auf eine
andere Bahn gerathen: nicht die Treue Yenorens malt er, jondern
ihre Leidenshaftlichfeit. Sie ift nicht nur von Liebe erfüllt,
jondern auch von Giferfucht; fie ergiebt ſich der Verzweiflung und
hadert mit Gott. Und deshalb fügte der Dichter jenen unheilvollen
488 Richard M. VPieyer, Günther und Bürger.
predigenden Schluß bei. Lenore iſt eine Liebesſünderin und deshalb
wird die Vereinigung jenſeits des Grabes bei ihr zum Fluch, zur
Ztrafe wie bei Francesca da Rimini und Paolo Malateſta. — Es
braucht wohl wicht hervorgehoben zu werden, daß die ganze Ver—
jchiebung nicht blos auf der Reminiscenz beruht, jondern vielmehr
auf Bürgers eigener leidenjchaftlicher Natur. Eben dadurd) war er
mit Günther verwandt, eben dadurch deſſen Dichtung mit der jeinen —
eine Berwandtichaft, die von Franz Dorn Poeſie und Beredtjamteit
der Deutſchen 2, 355: bis zu Grieſebach a.a. O., S. XIX: immer
wieder betont worden iſt. Wenn Mauvillon, wie id) aus Meiſters
Charakteriſtik deuticher Ticbter «2, 57. entnehme, Günther wie folgt
fritijiert: „Alle Ausdrücke ſind da gleich gut: kein Unterichied zwiſchen
Proja und Poeſie: man findet oft unter einem Tugend Verſe, die
pindariſch Hingen, ein pöbelbaftes Zpridwort” -- jo hätte Schiller
in jeiner Recenſion Bürgers ſich das wörtlich aneignen mögen.
Bürger jelbit bat mertwürdigerweiſe Günther nicht einmal in ſeinem
Vehrbuch der Aſthetit herausgegeben von Reinhard erwähnt: wo
er dom lyriſchen Gedicht ſpricht 2, 234 f., hält er ſich ängſtlich an
„talitiche” Muſter wie Ramler und 13.
Weil eben die Beziehungen beider Dichter vorzugsweiſe aus
ihrer ganzen Anlage hervorgehen, dari man Me äußeren Uberein—
ſtimmungen nicht überſchätzen. Der Name „Wilhelm“ für den Ge—
liebten ſtammt natürlich nicht aus jener UÜberſchrift „An Leonoren
bei Abſterben ihres Karl Wilhelms“, ſondern von „Sweet William's
hot" Erich Schmidt, S. 250, wobei der kriegeriſche Klang des
dentſchen Namens mitwirkte. Aber Bürgers Aneiguung hatte die
Folge, dar „Wilhelm“ der typiſche Name fur den treuen Liebhaber
ward, von Goethes „Yehrzabren” und „Geſchwiſtern“ bis zu Deines
„Wallfahrt nad Kevelaar“. Ebenſo nahm Boie den Namen Yeonore
gleich Fir eine Verdentſchung von Ramſays „Vretiv Sally Mein:
hold, VBoie, Z. 565 7; Friedländer, Commersbuch, Z. 162: auf.
Tie Verkürzung „Yore” die auch Günther bat: „Daß Yorchen auf
der Erde durch mich zur Witwen werde," bei ‚Fulda, Z. 208 ı forderte
der Vers: für die Wahl Ipielte freilich Die Alltteration mit:
Yacht mir die lachende Yorv.
Im „Pater Brey“ iſt der Name ſchon ein wenig parodiſtiſch
für die nach dem fernen Krieger ſich ſehnende Liebhaberin gewählt vgl.
über andere Einwirkungen der „Lenore“ auf Goethe Collin, Goethes
Fauſt im ſeiner älteſten Geſtalt, S. 218.
Die treue Geliebte bat den Bürgerſchen Namen dann bis in
das Yibretto des „Fidelio“ hinein behalten; jpäter hat die Pracht
des Namens aus dem lautiymboliichen Gefühl heraus den Charakter
I. Niejahr, Kritiſche Unterfuhungen zu Goethes Fanft. 439
der Trägerinnen verändert, wenn etwa Scheffel in jeinen „Trompeter*
die ftolze „Yeanor Montfort du Piefjis* einführt oder Franz Hirſch
in der Nachbildung unjerer älteften Minneftrophen den von dem
Baganten vermiedenen Namen der Eleonore von Poitou in den Vers
bringt. Es iſt derfelbe Wechjel, wie wenn aus dem „Clärchen“ im
Egmont, der hingebenden demütigen Geliebten des vornehmen Herrn,
die adelsftolze Lady Clara Bere de Vere bei Tennyjon und Spiel-
Hagen wird. Selbjt Namen flingen verfchiedenen ‚Zeiten verſchieden;
wie viel mehr müffen poetijche Motive bei jedem Dichter von aus-
geiprochenem Charakter eine neue Färbung annehmen!
Britifche Unterſuchungen u Goethes
Fauſt.
Von Johannes Niejahr in Halle a, ©.!)
Il.
Das fragment.
Niemals hat Goethe der jugendlichen Konzeption feines Fauſt
fremder, ratlojer gegemübergeftanden als damals, wo er zuerjt au die
Ergänzung und Vollendung des Werkes ging. Es ſcheint, als wenn
die große Wandlung, die damals gerade feine Kunſt- und Natur-
anſchauung erfuhr, erſt völlig zum Äbſchluß gelangt jein mußte, ehe
er an den Geijt der fahre feiner frühen Gährung wieder anknüpfen
tonnte. Man hört es förmlich, wie ſchwer es ihm wird, fich in dem
alten Plan wieder Hineinzufinden, wenn er aus Jialien dem
1. März 1788 (Italieniſche Reife, S. 480, Hempel) berichtet, er
hoffe, „diefe Operation ſolle ihm geglückt fein“, er glaube, „den Naben
wieder gefunden zu haben“. Cr wollte offenbar feine Anderungen,
feine neuen Motive in dem ihm entfremdeten Entwurf einführen,
ſondern lediglich diejen fortjegen. Aber feine damalige Geiftesrichtung,
widerjtrebte auch der beiten Abficht, fi) „mit Sinnen und Ahnen in
eine ſelbſtgelebte Vorzeit wieder zu verjegen“, Bu erjten glüd-
lichen Anlauf, bei dem die Hexenküche in einem Wurfe gelang, er⸗
lahmte Kraft und nterejfe bald wieder, er taftete unficher herum,
ſuchte durch Zufammenfügung und Ergänzung alter Bruchſtücke und
') Bal. oben 3. 272 ff.
Euphorion IV. 32
490 J. Niejahr, Kritiſche Unterfuchungen zu Goethes Fauſt.
Stizzen neue Scenen zu bilden, redigierte und erweiterte hier und
da, und verbaute ſich ſo unvermerkt immer mehr den Weg zu dem
‚Ziel, dem er zuſtrebte. Er erkannte endlich die Unmöglichkeit, aus
Volchen Elementen ein Ganzes zu ftande zu bringen und veröffent
lichte, was ceinigermapen als Zfizze des fiinftigen Werkes bejtchen
> fünnen schien, als Fragment. Es ift die dritte Phaje in der
„Fauſtdichtung, Fir die Einheit des Ztitefes die verhängnisvollſte von
alten. Sie führte faſt gewaltſam Widerſprüche und Mängel in den
“Men, die Sich nie wieder gänzlich daraus entfernen Lienen.
Tie Widerſprüche waren zum Theil mit dem vorwiegend ſub
jefriven Gharafter des Werkes nothwendig verbunden. War Fauſt
einmal Goethe, jo mußte er auch mit dem Tichter ein anderer ge-
worden fein. Zollen wir uns ihn im „Urfauſt“ zwar nicht als einen
Jüngling, aber doch als einen jüngeren Mamt vorjtellen, der erit
zehn Jahr ſein Lehramt betleidet, ſo ſteht ev jetzt in vorgerückterem
Alter und zeigt auch äußerlich die Phyſiognomie des bejahrteren
ernſten Gelehrten. Er trägt wie cin antiter barbalus den langen
hiloiopbenbart ers 2055, Weimarer Ausgabe . Natürlich bedarj
es nun ach eier Verjüngung, einer Neubelebung, um ihm die
30 Jahre vom Yerbe zu ſchaifen und Ibn dem Liebesglück, das ihn
erwartet, zugänglich zu machen. Die Scene in der Hexeuküche hat
weder im Voltsbuch mod im Puppenſpiel ihr Vorbild, ſie hatte
natürlich ach im Urfauſt keinen Raum, ſie iſt ganz ein Erzeugnis
und eine Eriindung dieſer Epoche, und eben das iſt wohl der wahre
Grund für ihre beſondere Abrundung und Vollendung.
An dem Wandel, der ſich inzwiſchen in den Lebensanſchanungen,
in der Welthildung, in der ſozialen Lage des Dichters vollzogen, bat
natürlich auch Fauft ſeinen Autheil erhalten. Er iſt aus einer ge
wiſſen genialen Ungebundenheit in eine edlere gewähltere Sphäre
gerückt. Matte er ſich irüher in der Kellerſcene ſelbſt mit ſeinen
Jauberkünſten prodnmziert und ſich mit der platten WGeſellſchaft ſeinen
Spaß gemacht, Jo verbot ihm jetzt eine gemeſſeuere, weltmänuiſchere
Yebensart en ſolches marktöichreieriſches Auftreten. Seine Rolle
wurde aui Mephiſto übertragen, der von nun an allein die aus.
iührende Hand bei allen magiſchen Verauſtaltungen bleibt. Fauſt
ſelbſt hält Such in Der vornehmen Reſerve des zZzuſchauers, der ſich
unterhalten last. Ungezwungene, derbe Burſchikoſitäten wie „Stille
Maſtichwein“, würden ihm nun nicht mehr anſtehen. Die „Sndel
köcherei“ erregt ihm Etel, das „tolle zzanberweſen“, die Fratzen der
Hexenküche läſzt er nur mit abweiſendem Widerwillen über ſich er
gehen.
Einen tieieren IR zog Goethes beranderte Stellung zur Natur.
Jene uüberichwängliche ſchwärmeriſche Wertherſtimmung, fühlend und
3. Niejahr, Kritifche Unterjuchungen zu Goethes Fauft. 491
ahnend in dag Herz der Natur einzudringen, hatte fid) allmählid)
abgeklärt zu der jtillen Begeijterung des ernften Forſchers, der in
der Zucht eines unermüdeten, zur Kunft erhobenen Beobachtens den
Weg gefunden hatte, die Fülle der Erjcheinungen auf ihre typifchen
Urformen zurüdzuführen. Eben erſt in Italien hatte ich ihm fo
das Geheimnis der Urpflanze enthüllt und jchon rang ſich ihn die
Ahnung eines legten verborgenen Zuſammenhanges alles organijchen
Yebens dunfel in der Seele empor. Das bejeligende Gefühl des neu
gewonnenen Einblides in die Tiefen der Natur ftrömt nun in feier:
lichen Tönen in jenem herrliden Monolog aus, der die Scene
„Wald und Höhle“ einleitet. Aber wenn der Erdgeift Fauſt „Alles,
Alles” gegeben hat, worum er bat, warum, jo fragen wir, hat er
ihn dann anfangs von ſich gejtoßen, warum hat er ihm den Dämon
zum „Gefährten“ gejandt, der ihn mit teufliicher Bosheit gerade
von dem abzuloden trachtet, was er als fein höchſtes, fein edelftes
Glück empfinder? Hier ift eine der bedenklichſten Verfehlungen, die
gerade in dag Herz des Urplanes trifft, das Verhältnis Mephiſtos
zum Erdgeiſt.
Ich muß hier mit Rückſicht auf die ſpätere Auseinanderſetzung
meine Stellung zu dieſer allmählich brennend gewordenen Frage im
Vorübergehen mit einigen Worten darlegen. In der Urkonzeption, die
ſich noch weſentlich enger an die Sage anſchloß. war Mephiſto
gewiß auch ganz als Teufel gedacht. Fauſt „fürchtet ſich weder vor
Hölle noch Teufel“, das heißt, er zweifelt nicht an ihrer Exiſtenz,
aber der Gedanke an ſie hat ſeine Schrecken für ihn verloren; er
würde ſich, wenn es ihm ſonſt gefiele, auch mit dem leibhaftigen
Böſen verbinden. Nur dieſer Sinn kann in den Worten liegen,
anderenfalls hätte es geradezu heißen müſſen, Fauſt glaube weder
an Hölle noch Teufel. Mephiſto war alſo damals, im Einklang mit
dem Volksbuch und dem Puppenſpiel, ein Abgejandter des Satans,
ein echter Höllenjohn.
Aber mit der Einführung des Erdgeijtes in die Dichtung mußte
naturgemäß auch die Rolle des böfen Geijtes wechſeln. In Ddiefer,
der zweiten Phaje des Werkes, gab Goethe die chriſtliche Grund-
lage der Sage völlig auf und ſchuf fich eine eigene Miythologie, die
jich bis zu einem gewifjen Grade aus dem Stüd felbft refonftruieren
läßt. Den Gedanfen eines perfönlichen Gottes jcheint Vers 163 (Urfauft)
anzudenten. Aber „der Allumfafjer, der Allerhalter“ in der Beichtſcene
zeigt rein ſpinoziſtiſche Züge. „Jedenfalls, welches aud) die Vorſtel⸗
lung von ihr jein mag, jteht Die Gottheit ſelbſt ganz im intergrund
der Handlung und greift nirgends ſelbſt in ſie ein. Nicht an ſie,
ſondern an den ihr untergeordneten Gott der Erde wendet ſich „der
Erdenſohn“ Fauſt. Über das Weſen dieſes Genius kann, da er ſich
32*
482 R. Schlöfter, Neue Beiträge zur Geichichte des fünffüßigen Jambus.
„Scythen“ 12 mal; zu einem fünffach geteilten ſchwingt jich nur der
„Mahomet“ ein einzigesinal auf 63°. Auch von einer Zcene zur
andern leitet der geteilte Ders nur jelten über: smal im „Mahomet“
und 9mal in den „Zchthen‘.
ve) Es erübrigt nod) auf die Verhältniſſe im VBersinnern
einen Blick zu werfen. Gerade hier ift cs, wo Yöwens Armut am
nackteſten zu Lage tritt. ‚zir eine Neibe von Erſcheinungen führe ich
im Folgenden Beilpiele an, die ausichlierlich aus dem erjten und
zweiten Aufzuge des „Mahomet“ genommen find. Zunächſt unregel:
mäßige Betonungen: verzeihliche Fälle, wie 3 buldigen, 7 alje
und ähnliche übergehe ich, da an unverzeiblichen Fein Mangel ift.
Zo 10 fühlbariten; 23 Irrthüméer: 8 Erbarme dich, Herr; 23 Zie
dienen dir blind: 27 jo wie du: 28 Medi, umd vier Zeilen darani
Medina! Aber auch jonit find Löwen alle Mittel heilig, um die
Worte in den Vers zu zwingen, 3.8. ftarfe Synkope: 7 Greul:
9 verblendte: 29 redt. Anderwärts wieder Ichtebt er dag hier ver
ſchmähte e ein: 4 Getäuſchet: 7 fieleſt; Jin der Zeile vorher dagegen:
siert] 15 giebeit [obwohl im der Zeile vorber giebſt ſtehtſ. Part ein
Ramte nicht in den Bers, jo bekommt er den NArtifel: 21 den
Mahomet: 22 den Yopire: oder er wird verſtümmelt: 37 Seſĩd,
ſonſt Zeide. Wo eine Flickſilbe notwendig bit, wird ferner der (Ge
netiv mit „don“ ummchrieben: 13 Merz von leeren Träumen;
33 Zohn von deinem ſtolzen Feind. Zu gleichem Zwecke wird „im“
serdehnt zu „in dem’: 20 In dem Math; 26 mitten in dem
Frieden. Umgekehrt wird, um eine Ztlbe zu iparen, dem Verb dac
Terjonalpronomen genommen: 24 Und haſt did) wicht gerädht?
30 Und goſſeſt deinen zorn nicht über sie. In beiden Fällen tft es
nicht möglich, das „du“ aus dem Vorhergehenden zu ergänzen.| Bei
nebengeordueten Zubjtantiven wird der Artifel einmal
gelegt, Das anderemalnicht, je nach dem Zersbedürfnis: 24 Iran
ih das Rauchfaß, Zepter und die Waffen; 34 |dan] Ich einen Thron,
Altar nnd Opier inche. -- 3weckloſe Flickworte begegnen maſſen
haft: 15 Sprich mir nicht mehr von jeiner Gnade vor; 19 Verzeih mir
dieſe ſtolze Hoffnung doch: 26 Willit du alio bier cinen Gott uns
Ichren: 265 Von Norden bis zu Züden :!; 29 Eh werden Höll
und Himmel jetbit vereint: Weitpiele hierfür ſtehen ſo ziemlich auf
jeder Seite.
In Mückſicht anf all die zahlreichen, in die Augen jpringenden
Weängel des Yöwenichen Jambus müſſen wir das Ergebnis unſerer
Unterſuchung als ein negatives bezeichnen: der Vers des „Wahomet‘
tonnte weder für die Zuhörer noch für die Tariteller von entjcheidenden
Eindrud ein, von Leiſing ganz zu geichweigen. Ka ift merhvürdig,
dan „Mahomet“ ca tropdem in den wenigen Monaten von feinem
Daniel Jacoby, Zu einer Fabel Willamovs. 485
erjten Erjcheinen bis zum Ende des hamburgiſchen Unternehmens auf
fünf Aufführungen (teils in Hamburg, teils in Hannover) gebracht hat,
nod) merfwürdiger freilich, daß er allem Anjchein nach noch 1779
auf dem Gothaer Hoftheater eine zweimafige Aufwärmung erfuhr.!)
Was Löwen angeht, jo habe id) ihm trog des erträglich guten
Nufes, den er noch immer genießt, von dem Augenblid an, wo ich
die erſte ſeiner Romanzen in die Hand bekam, für einen der elendeiten
Stümper gehalten, die je im deutjchen Dirhterwalde ihre Stimme
haben ertönen laſſen. Möge ihm die voraufgehende Unterſuchung
diejen Auf endgiftig jichern!
Bu einer Fabel Willamons,
Lon Daniel Jacoby in Berlin.
In Theodor Echtermeyers vielgeleſener „Auswahl deutſcher Ge—
dichte für höhere Schulen“, von der im Jahre 1893 bereits die 31.,
von D. Dafins herausgegebene Auflage erſchien, findet ſich das
Sebi, „Die me und die Tiere“ von oh. Gottl. Willamon
Mr. ©. 51, 31. Auflage). Die Taufende, die die ſchöne Fabel
Belle, han ficherlich nicht gewußt, daf fie im diefer Norm nur zu
einem Teil den Landsmanne Herders angehört. Wer aber hat fie
bearbeitet? Weder Echtermeyer noch die ‚Folgenden Herausgeber jeines
Werfes, noch andere, die das Gedicht in ihre Sammlungen aufge
nommen, haben meines Wiffens angemerkt, daß es Mamler geweſen
it. In der Vorrede zu feiner „Fabelleſe“ (erfter Band, Yeipzig 1753)
jagt Ramler me die Freiheit, einige Stellen zu ändern, würde
id) an feine Sammlung gedacht haben.“ Diejen Sag ſchrieb er wohl
in Erinnerung an die vor 22 Jahren mit der Bearbeitung der
Fabeln Lichtwers gemachte Erfahrung. Lichtwer hatte ſich derb über
ihm beklagt, und Mendelsjohn Hatte int 233, Litteraturbrief betont,
dag wir den Schriftteller jamt jeinen Fehlern in feinen Werten
wiederfinden wollen; eine fremde Hand aber verändere immer ſeinen
Charakter. Verändern und verbeffeen jei Sache des Kunſtrichters und
gehöre in eine Kritif.2) Weiter äufert Namler 1788, er habe die Namen
nicht unter die Fabeln gejest, damit ohne Vorurteil gelejen werde,
Schon der Titel „dialogiſche Fabeln“, den Willamon jeinent
einst vielgeleſenen Werfchen gegeben (Berlin 1765, 93 S. 8.), zeigt,
') Bom Hamburger Nationaltheater zur Gothaer Hefbühne, S. 67 und 77.
(Qgl. die Berigtigungen am Schiufe.)
2) Deutjhe Nationallitteratur. 73. Band. Herausgegeben von J. Minor, S.7—0.
+34
Daniel Jacoby, Zu einer Fabel
Willamovs.
daß die handelnden Weſen bei ihm reden, ohne daß der Dichter er-
zählend einleitet.
„ob dieſe Art immer angebracht ſei,
Seinen Zeitgenoſfen war es freilich ſchon fraglich,
da der Ort der Scene zur
Wahrſcheinlichkeit viel beiträgt und den Leſer nicht ſelten angenehm
vorbereitet.“!
Im ganzen hat Ramler in ſeiner „Fabelleſe“ achtzehn
Fabeln Willamdvs aufgenommen: im V. Buch «Band 3, Yeipzig 1790)
Seine Änderungen, was den ein⸗
zelnen Ausdruck wie ganze Wendungen betrifft, zeigen fich am deut:
lichiten durch ende Gegenüberſtellung:
ſteht unter Nr. 332 unſer Gedicht.
Wiſſamov a. a. O., S. 15-- 16:
Der Eſel. Sie Schlange. Die
Nachteule. Die Feldmans. Die
Sonne.n
1. EC Sonne! ſcheine nicht jo heiß!
Ich werde noch vor Mattigfeit und
Zchweiß
Ari meiner Arbeit unterliegen.
Dank tet dem Zevs für feinen Zon
nenſchein!
>. Es liegt darin ſich mir Vergnügen.
Zu mußt wol ausgelaiien Ten.
Mit deinem mir verbaßten Yıchtr,
C Zonne! ichone mein (Beftdhte!
Ich ſibe hier mit allem Fleiß ver
hüllt
10. In meiner Wohnung tiefiten Grün
den,
Und doch bat ſie drin Stral erfüllt.
Ich werde noch verblinden.
SO fer mir lange io geneigt,
Wohlthätger Zonnenichein! es veifen
meine Achren.
15. Zhmweigt,
ichweigt!
16. Ich werde mich an euch nicht
lehren.
unverſtändge,
Ich muß vor M. u S.
‚Am m.
. Bub eine Feldmaus an:
. Sollauf
iamfer a. a. ©. 2.65 f.:
1
A. ſchier erliegen.
. Zo rief der Ejel. „Tank für deinen
heiten Schein,
T Sonne,“ rief Die Schlange.
Vergnügen
„Mit
3 vo ich mich ſtundenlang hinein.“
. Tw
Eule
Geſicht
ſchrie: „Verſchone mein
.Mit d. m. verbaßten Yicht,
. TE Zonne! ann ich doch fein Zchlupf-
loch finden,
Wohin Dein Ztral nicht ‚dringt; ich
werde noch erblinden.“
„Wohlthät'ge Zonne, fei mir lange
jo geneigt,”
„es reifen
meine Abren;
tanı id
näbren, ——
mich wieder
Die Sonne hört es an, ſcheint fort
und ſchweigt.
Neue Bibliothel der ſchönen Wiſſenſchaften und der freyen Künſte l, 1, S. 128 f.
:; Nicht Nr. 38, wie Jördens Yeriton 5, 499 ſteht.
4 Im Original lateinifcher Trud. In der nach Willamovs Tode erjchienenen
neuen Ausgabe der Fabeln, Berlin 17101.
Jördens find die Redenden beionders angedeutet:
R. R6 2.
Rechtichreibung abgeichen, feine Änderungen.
iberausgegeben von 8. 9.
fonft, von Interpunktion und
Richard M. Meyer, Günther und Bürger. 485
Echtermeyer folgte Namler wörtlich; nur fteht Vers 3 „Fajt“
statt „ichier“, Vers 11 „jtets“ jtatt „lange jo“, Vers 18 fehlt
„wieder“.
Günther und Bürger.
Ton Richard M. Meyer in Berlin.
In feiner Abhandlung über Bürgers „Lenore“ (Charakteriftifen
S. 199 f.), deren Neichhaltigkeit und BVieljeitigfeit immer von neuem
überraſcht und beſchämt, hat Eric) Schmidt natürlich nicht überjehen,
daß die Heldin ihren Namen der Geliebten X. Ch. Günthers ver-
danft (S. 230). Wenn er aber ausſchließlich auf das leidenſchaftliche
Abſchiedslied (in Fuldas Ausgabe, ©. 206 f.) hinweit, das auch die
Strophenform für die berühmte Ballade geliefert hat, fo möchte id)
außerdem noch an das Gedicht „An Leonoren bei Abfterben ihres
Karl Wilhelms“ (Fulda, S. 157) erinnern. Die ſtehende Anfangs-
zeile „Eher tot als ungetreu!“ wiederholt ſich in der Eingangsjtrophe
Bürgers: „Bit untreu, Wilhelm, oder todt?* Nım fiegt in dem
Stoff urſprünglich fein Schatten von diejer Alternative. Die Geliebte
tagt um den verlorenen Liebjten — an jeiner Treue zu zweifeln,
liegt ihr fern. Die Alternative „Leber tot als ungetren“ gehört
durchaus der Kunftpoefie an. Unter den Themen der provencaliicen
Tenzonen führt Diez (Poeſie der Troubadours, S. 192) jie zwar
nicht an; aber fie ijt fo völlig in deren Charakter, daß Uhland, der
große Kenner der mittelalterlichen Liebesdichtung, bei feinem „Sänger-
ftreit“ mit Rückert (Fränkels Ausgabe 1, 447) jofort auf dieje
Streitfrage geriet:
Sänger, ſprecht mir einen Spruch!
Sagt mir, was ift mindre Not:
Der Geliebten Treuebru
Oder dev Geliebten Tod
Nun ift es merfwürdig, daß er als Beiipiel für das erſte gerade
Günther gewählt zu haben ſcheint. Denn folte diefer nicht gemeint
jein, wenn Uhland fingt:
Wenn Verrat — mas Gott verhiitel —
5— a a —
Wandelt ein im
Ztixbt ihm aller Dichtung. Blüte,
480 Richard M. Meyer, Günther und Bürger.
Es iſt wohl unzweifelhaft, dar die zweite Hälfte der Strophe,
das Beiſpiel für der Geliebten Tod, anf Novalig geht:
Wenn die Braut von reiner Güte,
Dingerafit durch frühen Tod,
Ihm entichhwebt ind Morgenroth:
AU jein Blick iſt dann nach oben,
Und im heil'gem Zang entboben
Fühlt er fich der ird'iſchen Noth.
Es entipricht durchaus der Art des ſchwäbiſchen Dichters, be-
ſtimmte Figuren zu Typen Litterariicher Schickſale zu machen; wie
er cs in der Poeſie mit Theodor Körner „Wenn heut ein Geiſt
hermiederitiege“ oder Narl Mayer Merlin der Wilde: gethan hat,
jo hat er im ſeiner litterarhiltorischen Taritellung etwa Deine Styli—
ſticum, herausgegeben von Dolland, Z. 30. 36. 54, im Auge, wenn
er icheinbar ganz allgemeine Betrachtungen aufſtellt. Ich glaube aljo
auch in dem von Nerrat betroffenen edlen Zänger ein Porträt juchen
zu Sollen, und wüßte Damm nicht, wem fie cher gelten follten ala
(GGBünther: „Dit der Doffmung auf Yeonorens Beſitz Ichwand fein
leerer Halt und die legte Yenchte ſeines Yebens,“ jagt aud ‚Fulda
S. XXI. ,
Erich Schmidt bat sa. a. O., S. 221 die liberlieferung, wie
Bürger fie vorfand, rektonſtruiert: „Tas Mädchen weiß nicht, ob der
(Beliebte, ein Kriegsmann, noch am Yeben tt, und erjchöpft ſich in
lagen.” Wir glauben für den Moment, wo es ſich um den Über:
gang in Bürgers Kunſtdichtung bandelt, fortfahren zu dürfen: eine
Erinnerung an Günthers leidenichaftliche Pociie bringt das Motiv
der Eiferſucht hinein. Denn de Strophe, die Bürger an jeinen Vor:
gänger heranzog, war wohl die Schlußſtrophe jenes Gedichtes:
Eher tot als ungetren!
(Wanbe das, du treue Ziele,
In der ſinſtern Grabeshöhle
Zihläft mir auch Bein Schatten bei.
Alſo and bier, wie jo oft in der Wolfsdichtung (Grid)
Schmidt, 2. 223 1. das Motiv, dan die Liebe, ſtark wie der
Tod, die Riorten des Todes überwindet und Die Getrennten zur
lceten Vereinigung bringt. Tas ganze Gedicht Günthers wird nun
aber von dem stehenden Eingangsvers „Yicber tot als ungetreu!“
beberricht, md von da fam dieſe Alternative in die Eröffnungs—
ſtrophe der „Yenore”, Die thatfächlich zuerit entitanden iſt Erich
Schmidt, 2. 215. 6Gluücklich wirt fie da nicht: es darf gar fein
Zweifel an der gegenſeitigen Yicbe der Weiden auffonmen. Aber
Richard M. Meyer, Gihntber und Bihrger. 487
fie lag Bürgers eigenem Naturell jo nahe, daß er jpäterhin ein
Gegenjtücd zur „Lenore“ gedichtet hat gleichjam auf die Moral, es
jei ficherer, die verlorene Geliebte nicht wieder zu gewinnen: ihr
Verluſt jei bejfer als ihre Untreue. Es ift das „Lied von Treue”,
das mit feiner grotesfen Gegenüberftellung von Hundetrene und
Weiberfinn wohl ganz bejonders dazu beigetragen hat, Schopen-
hauers übertriebene Vorliebe für Bürger zu erweden: „Denn es be:
ſchämet zu oft leider den Menſchen der Hund“ (Paralipomena 2,
696). Das Motiv des „Liedes von Treue“ hat dann im unſeren
Tagen Dieronymus Yorm in der wigigen Ballade „Donna Blanca”
Gedichte, ©. 186 f.) noch klarer zu einem Gegenbild der „Lenore”
verarbeitet: der treue Namiglio erweckt jeine Blanca vom Tode, holt
fie auf jein Schloß.
Und wie er ſchlaft, da bringen
Ein prädhtig Schiff die Wellen ber,
Don Guzman kommt gezogen,
Der fchönfte Mann zu Land und Meer.
O fühe Don Blanca,
Ich lieb dich heik umd ewiglich,
Berfaß den blöden Schäfer
uͤnd Mich mit mir, beglüche mich!“ -
Was fie dann natürlich auch thut, und woraus fi die Morat
ergiebt:
M dir ein Weib geftorben,
©o Klage jeher — und (af «8 ruhn
Aber day mit dieſem „Bit untren, Wilhelm?” ein falſcher Ton
bhineingebracht wird, hören wohl wur wenige. Und dod) hat das hier
leife angeſchlagene Wotiv die ganze Tendenz des Gedichtes ver-
ändert!
Selbſt Grieſebach, der aud) in der Bürgerſchwärmerei Schopen-
hauers getrener Schüler ift, kann nicht umbin, das zu tabeln, daß
der Tod als Bejtrafer kommt (Bürgers Werfe 1, ©. XXX). In ber
That hätte das den Sängern der Volfsballaden ſicherlich fern ge+
legen: ihmen ift die Sehnjucht des Liebenden, die die Pforte des
Grabes jprengt, nur ein rühmliches Zeichen der Treue und ver«
ſchlungen wachjen Blumen aus den Särgen der bei Yebzeit Getrennten
hervor. Bürger aber war durch jenen erjten falſchen Ton auf eine
andere Bahn gerathen: nicht die Treue Lenorens malt er, ſondern
ihre Leidenjhaftlichkeit. Sie ift nicht nur von Liebe erfüllt,
jondern auch von Eiferfucht; fie ergiebt ſich der Verzweiflung und
hadert mit Gott. Und deshalb fügte der Dichter jenen umheilvolen
488 Richard M. Vieyher, Günther und Vürger.
predigenden Schluß bei. Lenore iſt eine Liebesſünderin und deshalb
wird die Vereinigung jenſeits des Grabes bei ihr zum Fluch, zur
Ztrafe wie bei Francesca da Rimini und Paolo Malateſta. — Es
braucht wohl nicht hervorgehoben zu werden, daß die ganze Ver—
ichtebung nicht blog auf der Neminiscenz berubt, jondern vielmehr
auf Bürgers eigener leidenichaftlicher Natur. Eben dadurd war er
mir Günther verwandt, eben dadırd deſſen Tichtung mit der feinen —
cine Verwandtſchaft, die von Franz Dorn Poeſie und Bercdtſamkeit
der Tentichen 2, 335 bis zu Grieſebach a. a. O., S. XIX: immer
wieder betont worden iſt. Wenn Mauvillon, wie ich aus Meiſters
Charatteriſtik deutſcher Tichter 2, 57 entnehme, Guünther wie folgt
kritiſiert: „Alle Ausdrücke ſind da gleich gut: kein Unterſchied zwiſchen
Proſa und Poeſie: man findet ort unter einen Dutzend Verſe, die
pindariſch klingen, ein pöbelhaftes Sprichwort“ -- to hätte Schiller
in ſeiner Recenſion Bürgers ſich das wörtlich aneignen mögen.
Bürger ſelbſt hat mertwürdigerweiſe Günther nicht einmal im ſeinem
Lehrbuch der Aſthetit herausgegeben von Reinhard erwähnt: wo
er vom lyriſchen Gedicht ſpricht 2, 231j., hält er ſich ängſtlich an
„tlaſſiſcher Muſter wie Ramler und Uz.
Weil eben die Beziehungen beider Dichter vorzugsweiſe aus
ihrer ganzen Anlage hervorgehen, dari man die äußeren Uberein
ſtimmungen nicht iberſchäten. Der Name „Wilhelm“ Für den (We
liebten ſtammt natürlich nicht aus jener UÜUberſchriit „An Leonoren
vei Abſterben ihres Karl Wilhelms“, ſondern von „Sweet Willians
host Erich Schmidt, S. 250, woher der kriegeriſche Klang des
deutſchen Namens mitwirkte. ber Bürgers Aneignung hatte die
Folge, daß „Wilhelm“ der typiche Name fur den treuen Liebhaber
ward, von Goethes „Yehrzabren” und „Geſchwiſtern“ bis zu Heines
„Walliahrt nach Kevelaar“. Ebenſo nahm Bote den Namen Yeonore
gleich Fir jeine Verdeutſchung von Ramſays „Pretty Sally" Wein—
hotd, Boie, S. 365 j.: Friedländer, Commersbuch, S. 162: anf.
Die Verkürzung „Yore” die auch Günuther bat: „Daß Lorchen auf
der Erde durch mich zur Witwen werde,” bei Fulda, S. 208. forderte
der Ders; fir die Wahl Ipielte freilich Die Alliteration mit:
D
x
Yardıt mir die lachende Yore.
Im „Pater Brey“ iſt der Name ſchon ein wenig parodiſtiſch
für Die nach dent fernen Krieger ſich ſehnende Liebhaberin gewählt vgl.
uber andere Einwirkinngen der „Lenore“ auf Goethe Collin, Goethes
sanft in ſeiner älteſten Geſtalt, S. 218.
Die treue Geliebte hat den Bürgerſchen Namen dann bis in
das Libretio des „Fidelio“ hinein behalten: ſpäter bat die Pracht
des Namens aus dem lautſymboliſchen Gefühl berans den Charakter
J. Niejahr, Kritifche Unterfuchungen zu Goethes Fauft. 489
der Trägerinnen verändert, wenn etwa Scheffel in feinen „Trompeter“
die ftolze „Yeanor Montfort du Plejjis“ einführt oder Franz Hirſch
in der Nachbildung unjerer älteſten Minnejtrophen den von den
Vaganten vermiedenen Namen der Eleonore von Poitou in den Vers
bringt. Es iſt derfelbe Wechjel, wie wenn aus dem „Clärchen“ im
Egmont, der hingebenden demütigen Geliebten des vornehmen Herrn,
die adelsftolze Lady Clara Were de Vere bei Tennyſon umd Spiel-
hagen wird. Selbft Namen fingen verfcjiedenen „Zeiten verſchieden;
wie viel mehr müffen poetifche Motive bei jedem Dichter von aus-
geiprochenem Charakter eine neue Färbung annehmen!
Gritifche Unterfuchungen m Goethes
Fauſt.
Ton Johannes Niejahr in Halle a. ©.
I.
Das Sragment,
Niemals hat Goethe der jugendlichen Konzeption feines Fauſt
fremder, ratloſer gegenübergeſtanden als damals, wo er zuerſt an die
Ergänzung und Vollendung des Werkes ging. Es fcheint, als wenn
die große Wandlung, die damals gerade jeine Kunſt- und Natur-
anſchauung erfuhr, erſt völlig zum Äbſchluß gelangt jein mußte, ehe
er an dem Geift der Jahre jeiner frühen Gährung wieder ankrüpfen
fomnte. Man hört es förmlich, wie ſchwer es ihm wird, fich in dem
alten Plan wieder hineinzufinden, wenn er aus ‘ytalien den
1. März 1788 (talienifhe Reife, S. 480, Hempel) berichtet, er
hoffe, „dieſe Operation folle ihm geglitdt fein“, er glaube „den Faden
wieder gefunden zu haben“. Ex wollte offenbar feine Änderungen,
feine meuen Motive in den ihm entfremdeten Entwurf einführen,
jondern lediglich dieſen fortjegen. Aber feine damalige Geiftesrichtung
mwiderftrebte auch der beiten Abficht, ſich „nit Sinnen und Ahnen in
eine ſelbſtgelebte Vorzeit wieder zu verjegen“. Nach dem erſten glück
lichen Anlauf, bei den die Herenfüche in einem Wurfe gelang, er⸗
lahmte Kraft und Intereſſe bald wieder, er tajtete umnficher herum,
suchte durch Zuſammenfügung und Ergänzung alter Bruchftüde und
») Bol, oben S. 272 ff
Euphorion IV 2
490 J. Nieiahr, Kritiſche Unterſuchungen zu Goethes Fauſi.
Skizzen nene Seenen zu bilden, redigierte und erweiterte hier und
da, und verbante fich jo unvermerkt immer mehr den Weg zu dem
Stel, dem er zuftrebte. Er erkannte endlich die Unmöglichkeit, aus
jolchen Elementen ein Ganzes zu Stande zu bringen und veröffent
lichte, was einigermapen als Zfizze des künftigen Werkes bejtchen
»u fünnen ſchien, als Fragment. Es ift die dritte Phaſe in der
„Fauſtdichtung, Fir Die Einheit des Ztitefes die verhängnisvollite von
alten. Zie führte Falt gewaltſam Widerſprüche und Mängel in den
Klan, De ſich nie wieder gänzlich daraus entfernen lieſßen.
Die Widerſprüche waren zum Theil mit dem vorwiegend ſub
jettiven Charatter des Wertes nothwendig verbunden. War Fauſt
einmal Goethe, ſo mußte er auch mit dem Dichter ein anderer ge—
worden ſein. Sollen wir uus ihn im „Urfanſt“ zwar nicht als einen
Jüngling, aber doch als einen jüngeren Mann vorjtellen, der erit
zehn Jahr ſein Lehramt betleidet, ſo ſteht ev jeßt in vorgerückterem
Alter und zeigt auch äußerlich Die Phyſiognomie des bejahrteren
ernſten Gelehrten. Er trägt wie ein antiker barbaltus den langen
RPhiloſophenbart ers 2055, Wermarer Ausgabe. Natürlich bedarf
es mm auch einer Verjüngung, einer Meubelebung, um ihm Die
30 Jahre von Yerbe zu ſchaifen und Ibn dem Yiebesglüdf, das Ihn
erwartet, zugänglich zu machen. Die Zeene in der Hexentüche hat
weder im Voltsbuch mod um Puppenſpiel ihr Vorbild, ſie hatte
natürlich auch im Uriauſt keinen Raum, ſie iſt ganz ein Erzeugnis
und eine Erfindung Dieter Epoche, und eben das iſt wohl der wahre
Grund Fr Ihre beſondere Abrundung und Bollendung.
Au dem Wandel, der ſich inzwiſchen in den Lebensanſchanungen,
in der Welthildung, in der ſozialen Lage des Dichters vollzogen, hat
natürlich auch Fanſt Seinen Antheil erhalten. Er iſt ans einer ge
wiſſen genialen Ungebundenheit in eine edlere gewähltere Sphäre
gerückt. Hatte er ſich früher in der Kellerſecene ſelbſt mit ſeinen
Zauberkünſten produziert und ſich mit dev platten Geſellſchaft ſeinen
Spaß aemacht, jo verbot ihm jetzt eine gemeſſenere, weltmänniſchere
Yebensart ein ſolches marfüichreiertiiches Auftreten. Seine Wolle
wurde aut Mephiſto Ubertragen, der von nun an allein die aus-
inhrende Hand bet allen magiidben Verauſtaltungen bleibt. Fauſt
ſelbſt hält Such in Der vornehmen Rieſerve des zzuſchauers, der ſich
unterhalteun läſtzt. Ungezwungene, derbe Burſchikoſitäten wie „Stille
Miaſtichwein“, würden ihm nun wicht mehr anſtehen. Die „Zude-
kocherei“ erregt ihm Ekel, das „tolle Zzauberweſen“, die Fratzen der
Hexenküche läſtt er nur mit abweiſendem Widerwillen über ſich er-
gehen.
Einen tieferen iR zog Goethes veränderte Stellung zur Natur.
Jene überſchwängliche Ichmarmertiche Wertherſtimmung, fühlend und
3. Niejahr, Kritiſche Unterfuchungen zu Goethes Yauft. 491
ahnend in das Herz der Natur einzudringen, hatte ſich allmählich
abgeklärt zu der jtillen Begeijterung des ernjten Forſchers, der in
der Zucht eines unermüdeten, zur Kunft erhobenen Beobachten den
Weg gefunden Hatte, die Fülle der Erfcheinungen auf ihre typiſchen
Urfornen zurüdzuführen. Eben erft in Italien hatte ſich ihm fo
das Geheimnis der Urpflanze enthüllt und fchon rang ſich ihın die
Ahnung eines legten verborgenen Zufammenhanges alles organischen
Yebens dunfel in der Seele empor. Das befjeligende Gefühl des neu
gewonnenen Einblides in die Tiefen der Natur ftrömt nun in feier-
lichen Tönen in jenem herrlichen Monolog aus, der die Scene
„Wald und Höhle“ einleitet. Aber wenn der Erdgeiſt Fauſt „Alles,
Alles“ gegeben hat, worum er bat, warum, jo fragen wir, hat er
ihn dann anfangs von fich gejtoßen, warum hat er ihm den Dämon
zum „Gefährten“ gejandt, der ihn mit teuflifcher Bosheit gerade
von dem abzuloden trachtet, was er als fein höchftes, fein edeljtes
Glück empfindet? Bier ijt eine der bedenklichiten Werfehlungen, bie
gerade in das Herz des Urplanes trifft, das Verhältnis Mephiſtos
zum Erdgeiſt.
Sch muß hier mit Rüdjicht auf die fpätere Auseinanderjegung
meine Stellung zu diejer allmählicdy brennend gewordenen Frage im
Vorübergehen mit einigen Worten darlegen. In der Urfonzeption, die
ſich noch wejentlich enger an die Sage anſchloß, war Mephiſto
gewiß auch ganz als Teufel gedacht. Fauſt „fürchtet fi) weder vor
Hölle noch Teufel”, das heißt, er zweifelt nicht an ihrer Eriftenz,
aber der Gedanfe an ſie hat feine Schreden für ihn verloren; er
würde jich, wenn es ihm fonft gefiele, auch mit den leibhaftigen
Böſen verbinden. Nur diefer Sinn fann in den Worten liegen,
anderenfalls hätte e3 geradezu heigen müfjen, Fauſt glaube weder
an Hölle noch Teufel. Mephiſto war aljo damals, im Einklang mit
dem Volksbuch und dem Puppenipiel, ein Abgejandter des Satans,
ein echter Höllenſohn.
Aber mit der Einführung des Erdgeijtes in die Dichtung mußte
naturgemäß auch die Nolle des böjen Geiſtes wechjeln. In diefer,
der zweiten Phaje des Werkes, gab Goethe die chrijtliche Grund-
lage der Sage völlig auf und ſchuf fich eine eigene Miythologie, die
jih Dis zu einem gewiſſen Grade aus dem Stüd ſelbſt refonftruieren
läßt. Ten Gedanken eines perfönlichen Gottes fcheint Vers 163 (Urfauft)
anzudenten. Aber „der Allumfaffer, der Allerhalter” in der Beichtjcene
zeigt rein jpinoziitiiche Züge. Jedenfalls, welches auch die Vorſtel⸗
lung von ihr jein mag, jteht die Gottheit ſelbſt ganz im Hintergrund -
der Handlung und greift nirgends felbft in fie ein. Nicht an fie,
jondern an den ihr untergeordneten Gott der Erde wendet fich „der
Erdenſohn“ Fauſt. ber das Weſen diefesg Genius fann, da er fid)
32*
402 J. Nicjahr, Nritiiche Unteriuchungen zu Goethes Fauſi.
jelbjt deutlich genug charafterijiert hat, fein Zweifel obwalten. Er
hat mit der mipitiichsalchemijtiichen Vorſtellung des „beichrieenen
spiritus mundi. wie and) Gwinner „Goethes Fauſtidee“, Frank—
furt a. DM. 1892, Z. 196), in diefem Punkt richtig bemerkt, nichts
weiter als den Namen gemein, er ijt ganz eine Schöpfung des jungen
Goethe. Er ift die irdiſche Erjcheinung der Gottheit, die Per:
jonififation der raftlos ſchaffenden, zwijchen Werden und Vergehen
ewig auf. und abwallenden Kraft der Erdnatur, Natur im weitejten,
auch das geſamte Mienjchenleben nınjpannenden Zinne genonmen.
Nenn Goethe jelbjt jpüter ihn einen „Welt und Thatengenius“ ge:
nannt hat, jo beruht dies auf nachträglicher und zwar mißverſtänd—
licher Abjtraftion aus ers 149, die für die Teutung nicht in
Betracht kommen kann: denn von dem jugendlichen Urjprung des
Paralipomenon 1 wird Manning wohl niemand überzeugen (vgl.
(Hoethe Jahrbud 17, 209 ff. . Die Wirkung des Naturgeijtes auch
auf das Meich des Bewußten, das menſchliche Dandeln und die
Geſchichte auszudehnen vgl. Graffunder, Preußiſche Jahrbücher,
Rand 68, 707 j., iſt ein Gedanke, der dem jungen Goethe jeden—
falls ſehr fern gelegen hat.
Dieter Geiſt abo endet den Wecpbiftopbeles. So klar und
beſtinimt wie möglich bat dies der Dichter ausgeiprochen in Fauſts
flagenden Aufſchrei „Großer herrlicher eilt, warum mußteſt Du
mich an den Zihandgetellen ſchmieden“. Ztiller ı „Soethes Entwürfe
zum Fanſt“, Programm des Berliner Gymnaſiums zum Grauen
Kloſter 1811, S. 15: und Graffunder a. a. O. S. 7141, die jede
Beziehung Mephiſtos zum Erdgeiſt lenguen, kommen um dieſe Stelle
nicht hernm. Der Ausdruck „anſchmieden“ kann niemals ein bloßes
Zulaſſen, ſondern mn ſtets ein direktes thätiges Verhalten be:
zeichnen. Wenn der Erdgeiſt „den Schandgeſellen“ wieder in ſeine
HPundsgeſtalt wandeln ſoll, jo muR er doch unmittelbare Macht
iiber ihn haben. Auch Kögels Anſicht Vierteljahrſchrift für Yitteratur:
geichichte 2, 549, Anmertung , der Dichter habe uriprünglid) wohl
die Abficht gehabt, Mephiſto vom Erdgeiſt ausgehen zu lajjen, habe
fie aber ‚zweifellos in der Grethchenepiſode aufgegeben“, ift natür-
lich) unhaltbar. Denn gerade eine Scene der Grethchentragödie
„Trüber Tag” iſt es ja, ans der wir die Beziehnng der beiden
Dümonen zu emander kennen lernen.
Was iſt nun aber Mephiſto? it er ein bloßer Naturdämon,
wie Kund Fiſcher immer noch behauptet? Tem widerſprechen, wie
oft genug nachgewieſen, Die zablreichen Stellen, wo er jid) jelbit
Teniel, einen Tiener des Yuzifer nennt oder jo genannt wird Urfauſt,
Nellericene 65, Vers 405, 577, 66? und andere. Gr muß aljo von
beiden etwas haben, vom Naturgeiſt und vom Teufel. Wirklich iſt
J. Niejahr, Kritiſche Unterfuchungen zu Goethes Fauft. 493
er in feinem Stadium der Dichtung, aud nicht in der legten
GSejtalt, weder das eine nod) das andere ganz gewejen. Er ver-
einigt deutlich zwei Naturen im fi, eine phyſiſche und eine fittliche,
Im Neiche der Natur ift fein Element „die Zerftörung“. Er iſt der
Feind alles Seins und Wirfens, er „weidet ſich am Schaden und
fett ſich am Verderben“. Da num der Genius alles irdiichen Lebens
dieje beiden Seiten des Naturdajeins, „Geburt und Grab“, im feiner
Perjon umfpannt, jo iſt auch Mephijto in den Kreis feiner Kräfte
gezogen und feinem unmittelbaren Einfluß untergeben (vgl, Wit-
towsti, „Der Erdgeift im Fauſt“, Goethe-Jahrbuch 17, 124). Aber
Mephiſtos Wirfen greift auch auf die Welt des Sittlichen über. Er
ift „der Geift, der jtets verneint“, Alles, was man „Sünde, das
Böje“ nennt, ift fein eigentliches Elehıent. Er hat jeine Freude jo
gut am wmoraliichen „Schaden und Verderben” wie am phyfiichen.
Mit wie jatanifcher Konfequenz er diejen Charakter gerade im
Augendentwurf, vor alfem im der Grethehentragödie, offenbart, hat
Graffunder (a. a. O. ©. 710) treffend entwidelt. Alle feine Veran-
ftaltungen laufen in gleichmäßiger Folge darauf hinaus, daß Fauſt
Schuld auf Schuld häufe, als Verführer, als doppelter und dreifacher
Mörder, daß er Grethchen in Verzweiflung und Verderben ftürge.
Wir jehen „in der That im eimen Abgrund von Bosheit“ hinab.
Nach beiden Seiten gehört Mephifto urfprünglic in die Sphüre
des Erdgeiftes, dem damit zugleich eine fittliche Debentumg gegeben
war, das Wort nur in dem Sinme einer elementaren, an das Natur
leben aufnüpfenden Tendenz genommen. Aber die Verfuchung lag
nahe, den böfen Geift nad) diefer Seite der Vorftellung des chrift-
lichen Teufels anzugleichen, der denn auch ſchon im Urfauft oft
genug durch die Maske des Naturgeiftes hindurchblickt. Er fpricht
von jeiner „Muhme, der Schlange” (Vers 2049), er arbeitet für bie
Hölle (Vers 3361), ja, er nennt ſich geradezu einen Diener des
Luzifer (Urfauft, Vers 527). Wie vereinigt ſich dies, fragen wir,
mit jeinem Verhältnis zum Erdgeijt ?
D. Harnad (Preußische Jahrbücher 75, 91 ff.) hat, um den
Widerſpruch zu löſen, auf die ——— — des
jungen Goethe hingewieſen (Dichtung und Wahrheit, Buch 8, ©. 126,
Hempel); er will „die Doppelnatur Luzifers“ in den beiden Dä-
moneh des „Fauſt“ wiederfinden, identifiziert aber, wenn ich ihn
recht verftehe, im wejentlichen den Erdgeift mit dem Luzifer. Aber
diejer ift nicht „der Erdengott“, fondern der Urheber der ge
jamten Schöpfung, ein Unterfchied, der gerade in den alten
Teilen umferer Dichtung fehr genam zu nehmen ijt. Der Erdgeiſt
fteht auch nicht wie jener abgefallene Geift in einem feindlichen Ver-
hältnis zur Gottheit, jondern ift-jelbft nur ihre ſichtbare Darftellung
4114 J. Riejahr, Kritiſche Untertuchungen zu Goethes ‚yauit.
in der irdiſchen Natur, er „wirft ihr lebendiges Kleid“. Man muß
ſich überhaupt hüten, jenen jugendlichen Phantafien wegen einiger
ubereinmitimmender Elemente eine beiondere Bedentung für unſere Frage
beizulegen: man hat von der Tichtung telbit auszugehen, und man
muß Sich in unſerem Falle leider auch im weientlichen anf fie beichranfen,
wenn man zu einigermanen geficherten Neiultaten gelangen will.
Wir müſſen ums beicheiden, die Dichtung giebt feinen Anhalt
dafiir, wie wir uns das Doppelverhältnis des Mephiſto zum Erdgeiſt
und zugleich zu Yuzifer zu denten haben. Es ergiebt ſich demnach
die Alternative: (Woetbe dachte ſich auch Luzifer, den oberjten der
Teufel, als einen Untergebenen des Erdgeiltes, oder aber, cs gelang
ihm nicht die intendierte Rolle Mephiſtos feit zu halten, ſondern er
Ichwanfte zwischen feiner Yubjettiven freien und der volts-
thümlichen Vorſtellung ummwillturtid und obne cs zu
wollen hin und ber. Tas erite wiirde eine Swyſtematiſierungsſucht
vorausiegen, die der dichteriſchen Natur Goethes zu allen Zeiten
fremd geweſen iſt. Ich zweifle denn auch nicht, daß Mephiſto, wie
wir ihn haben, tm eigentlichſten Sinne zwei verſchiedenen Herren
dient. Der Erdgeiſt bar ihn geſandt und ihm it er anfangs allein
unterthan. Aber je mehr im Wange der Handtinng der Diener als
eine ſelbſiändig bandelmde Perſon in den Vordergrund tritt, um ſo
mebr lodert ſich das Band zwiſchen ihm und ſeinem Auftraggeber.
Immer mehr entwickelt Mephiſto ſeine Ienfelsnatur und es iſt bei
der Natur des Stoffſes nicht zu verwundern, wenn er unvermerkt
dabei ſich in den chriſtlichen Vorſtellungskreis einichleicht und ge
legentlich ielbſt ſtatt jſeines eigentlichen Herrn den Erzteufel ſeinen
Gebieter nennt. So iſt es im Urfauſt. In der ſpäteren Entwickelung
der Dichtung wächſt dann der Abſtand zwiſchen dem Erdgeiſt und
ſeinem Sendboten immer mehr, bis endlich der erſte ganz aus dem
Geſichtstreis entichwindet.
Welches iſt nun Mephiſtos Stellung zu Fanſt? Er iſt Fanſts
Diener, ihm zur unbedingten Erfüllung all ſeiner Wünſche bei
gegeben. Tas muß auf einem Vertrage bernhen, denn Fauſt droht,
ihn um Mitternacht zu entlaſſen, wenn er ibm Greithchen nicht
jofort in Die Arme ſchaife Vers 2636 fj. . Alio Mephiſto iſt durch
einen RPakt gebunden, und kann, wenn er ihm bricht, nach Ablauf
eines Tages um Die nächſte Mitternacht verabichieder werden. Welche
Verpflichtung iſt Fauſt dagegen eingegangen? Graffunder -a. a. CT.
Z. 712 behauptet Sehr tategortich, es babe ſchon im Plan der
Jugendkonzeption gelegen, dar er eine Seele dem Teufel verichreiben
jolte. Er ichlient dies beionders aus den Worten Uriauft, Bere 526 ff. :
Bart Yırfer ie ein Tußrd Prinzen,
Tie ſollten ıbın ichen was verminzen.
J. Niejahr, Kritifche Unterfuchungen zu Goethes Fauſt. 49
Yuzifers Prinz fünne unr jemand genannt werden, der ihm feine
Seele überlaſſen habe. Sraffunder fühlt richtig, daß ein ſolches Ver-
hältnis zu Luzifer die Entjendung Mephiſtos vom Erdgeiſt un-
möglid) mache, und es iſt im Grunde feine Anficht damit ſchon
widerlegt. Denn au der legten Thatjache ift nun einmal nicht zu
zweifeln. Die Verſe 526 f. müſſen alfo eine andere Auslegung ge:
statten. Unter dem Ausdrud Luzifers „Prinz“ ift zu verftehen ein
prüätentiöjer Meuſch, fiir den Luzifer zu forgen, deſſen hochfahrende
Forderungen er zu erfüllen hat. Ich Tann nad) dem vorher Gejagten
von der abnormen Rolle, die hier der Beherrſcher der Teufel ſpielt,
abſehen. Setzen wir ſtatt Luzifer Mephiſto ein! Konnte er denn
nicht einen ſolchen Vertrag eingehen auf die bloße Hoffnung hin,
durch jeine Yatanijchen Künſte ji) die Seele Fauſts zu gewinnen?
In Wahrheit iſt der Vertrag einfeitig. Der Erdgeift hat Mephiſto
gefandt, nicht um Fauſt zu trafen oder zu verderben, jondern um
jein andringendes Flehen zu erfüllen. Das beweift der enthnſiaſtiſche
Ton, mit dem Fauſt fpäter von dem „Großen, herrlichen Geiſt“
Ipricyt („Zrüber Tag”). Ich laſſe es dahingeftellt, warum es gerade
„der Schandgeſelle“ ſein muß, dem die Aufgabe des Dieners zu
teil wird; aber jedenfalls entipringt eg nur feinem eigenen teuf-
liſchen Inſtinkt, wenn Mephifto befchließt, feinen neuen Herrn zu
grumde zu richten. Er läßt fich eine drüdende Bedingung gefallen
in dem Bewußtſein, daß er jid) an der Perjon des begünftigten
Kontrahenten jelbjt werde fchadlos Halten können. Um eine Seele
wie dieje verlohnt es ſich ſchon einiger Mühe, fie wird ihm fo leicht
nicht wieder ind Garn laufen. Daher feine raftlofe Gefchäftigfeit,
die immer neuen Intriguen und Anftalten, um fid) ein jo feltenes
Opfer nicht entjchliipfen zu laffen. War ihm Fauſts Seele ficher, fo
bedurfte cs ja einer jo athenlofen Jagd nad) Verderben und Ver-
führung gar nit. Wir Haben demnad in dem Jugend—
entwurf bereits das fpätere Motiv der Wette vorgebildet,
und wir begreifen jeßt, wie Goethe in der legten Phaje der
Dichtung überhaupt auf diefe verfallen konnte. Hier wic
dort muß Mephijto erft Fauſts Seele fangen, wenn er jie haben
will. Aber dort ift durch die Form der Wette die Rettung des Bes .
drohten von vornherein in Ausficht genommen, hier ijt fein Unter-
gang von allem Anfang an ficher. Der Urfauft follte tragifdh-
enden. „Mag ihr Geſchick auf mid) zufammenftürzen und fie mit
mir zu grunde gehen,“ ruft Fauſt unter der marternden Laſt
feiner Schuld und in dem Bewußtſein, daß ihm das Verderben
gewiß jei: Zitanijchem Lbermut follte titanifcher Fall folgen; auf
welche Weile, das läßt fich nicht mehr erfennen. Durch diefes ver-
jchiedene Ziel der Handlung ift jener große Riß entitanden, der fidh
490 J. Niejabr, Kritische Unterfuchungen zu Goethes Fauſt.
durdy den eriten Teil der Tichtung in ihrer vollendeten Geſtalt
hindurchzicht. Jıı dem Augendentwurf tft die Srethchenepiiode
an ihrer Stelle, jie begründet Fauſts Schuld, in der end:
giltigen Faſſung iſt ſie ein fortgeiegter Widertprucd, denn
fortwährend verliert in ihr Fanſt jeine Wette, ohne daß Mephiſto
nur einmal daran därhte, von jeinem dein Gebrauch zu machen
dgl. Kuno Fiſcher a. a. CT. 2, 200 ff...
Ich Fehre zu dem „Fragment“ zurüd. Nieder iſt Mephiſto cin
anderer geworden. Zwar in der Zcene „Wald und Höhle“, die, wie
Scherer gejeben, an das bekannte Motiv „Irüber Tag“ anknüpft,
it er noch der Abgejandte des Erdgeiltes; aber in der „Hexenküche“
it jeine Metamorphoſe zum chriitlichen Zatan vollzogen. Er wird
als jolcher angereder ers 2504: umd identifiziert ich ſelbſt mit ihn
Vers 2507 ho, wenn er ſich den Namen verbittet. Hier erhält er
num zuerſt auch ſein Teufelsattribut, den Pferdefnſß, das Dinfen.
Es dit nicht zufällig, wenn im Urfamit nirgends von eigentlidhyer
Teufelserſcheinung bei ihm die Rede ut. Man hört von jeinen „tenf-
liichen Augen“, ſeinem „grimmigen“ Geſicht, einen „gefräßigen
Zähnen“, zZügen, die doch nur ſehr oberflächlich an den volfstünt-
lichen Gottſeibeiuns erinnern. Nirgends iſt ſeines verräteriſcheſten
Kennzeichens, des mißgeſchaffenen Beines, gedacht, auch in der Keller
ſcene nicht, wo der Dichter es dem ſcharfen Blick und dem leicht:
geweckten Spott der luſtigen Geſellen gewiß nicht hätte entgehen
laſſen. Es iſt beachtenswert, daß num im Fragment, wie zur Er-
gänzung, der Vers eingeſchoben wurde Vers 2184:
Was hintt der Kerl auf Einem Fuß?
Son jest an ſteht nun dieſer äußere Mephiſtotypus feſt, zugleich mit
der charakteriſtiſchen Tracht, dem „rothen Wamms“ WVers 2485), der
„Mabnenfeder auf dein Hut“, dem „Mäntelchen von ſtarrer Seide“
Vers 1537 7...
Auch ſein Verhältnis zu Fauſt bat ſich geändert. Im „Urfanſt“
it er der Diener amd wird dementſprechend behandelt. Er ſelbſt
nennt Fauſt „Herr“ ers 2856, „gnädiger Herr“ »Vers 286hı
und, allerdings halbironiſch, „Derr Doktor“ Vers 3523). Fauft
ſeinerſeits kehrt den Gebieter durchaus hervor, er fordert und befiehlt,
ohne Einwendungen zu dulden, ja er tpart gelegentlich nicht die
Schimpiworte und Anferungen des Abichens, wie „Ihier“, „Unge
heuer“, „Dund“ u. 1. w. vgl. Stiller a. a. O., 2. 16). Anders
mm Fragment. Der in cine edlere Yebenstphäre gehobene Fauſt
durite ſich in einem ſo niederen Ton nicht ergehen, und dem neuen
Mephiſto ſtand die Rolle des gemeinen Dieners nicht an. Die ge:
länterte Kunſt des angehenden Klaſſiziſten milderte an beiden die
J. Niejahr, Kritifche Unterfuchungen zu Goethes Fauft. 497
allzu grellen Züge und näherte fie dadurch. Mephijto wurde von
dem Diener der „Gefährte” Fauſts (Vers 3243). Der Ausdrud
deutet ein neues Verhältnis an, Mephiſto ift nicht mehr Diener,
jondern Begleiter, Gejelle Fauſts geworden; er gehordjt
weniger, als er führt und bejtimmt. Damit haben fid) auch die Ver:
fehrsformen zwijchen beiden geändert, was fid) fogar auf die Anrede
erſtreckt. Während fi Fauſt ftatt einer beftimmteren Rufform in der
Hegel mit dem bloßen Fürwort begnügt, bedient ſich Mephifto fortan’
gern des vertraulihen „mein Freund“ (Vers 2347, 2516, 2559,
2061, vgl. Vers 2528, 2580). Dieje jcheinbar nebenfächliche That-
jache ift für die Kritif von befonderer Wichtigkeit, wie jich zeigen
wird; jie iſt ein untrügliches Kennzeichen für die Unterfcheidung der
alten und der jüngeren Beitandtheile der Dichtung. Denn aud in
der legten Faſſung iſt diefe Art der Anrede beibehalten (Vers 1436,
1690, 4055), die allerdings mit „Doktor“ (Vers 4024), und einmal
jogar wieder mit „Herr Doktor“ (Vers 3704) wechſelt.)
Die Kritif hat es vor allem mit zwei Scenen zu thun, der
erjten Unterredung zwijchen Fauſt und Mepbhijto und „Wald
und Höhle”. ber, die Entjtehungszeit der erjten Scene herricht
jegt wohl ziemliche Übereinftimmung; ein Zweifel kann in der That
nicht bejtehen. Wir finden Fauft ganz in der Stimmung des Sturmes
und Dranges. Alle „Schäte des Menjchengeiftes“, die er auf ſich
„herbeigerafft" hat, können den verzehrenden Durft feiner Seele
nicht jtillen, er möchte erfahrend und erfennend in feinem „inneren
Selbft geniegen, was der ganzen Menjchheit zugeteilt ift“. So
redet der junge Goethe (vgl. Kögel a. a.D., ©. 551), fo denft und
empfindet auch der junge Fauſt, wenn er vor dem Zeichen des Erd-
geiftes Deut fühlt, „all Erden Weh und all ihr Glück zu tragen”.
Der Fauſt des Fragments ift über diefen Taumel, über dieſen
jugendlichen Seelenrauſch hinaus, ein fo überfchwängliches, fchwär-
mendes Verlangen wirde dem ruhigen Forſcher, dem gefaßten Manne
ihlecht zu Geficht ftehen. Das Geſpräch paßt demnach nur in die
Jugendfonzeption hinein, wohin es auch die Anrede „mein guter
Herr” (Vers 1816) verweift, die das Dienerverhältnis vorausfekt.
Kögel (a. a. ©. S. 552) erflärt es mit großer Sicherheit für „eine
Frucht des Herbftes 1774”, Pniower (Vierteljahrjchrift für Kitteratur-
geichichte 2, 151) fett feine Entftehung um die Wende des Jahres 1774.
Mir ijt das Vermögen einer folchen Helffichtigkeit nicht gegeben; id)
weiß nur, daß Kögels und Pniowers Barallelftellen gar nichts be-
!) Hierdurch wird aucd das Paralipomenon 7 „Mein db, wenn je ber
Teufel Tein begehrt“ u. ſ. w. chronologisch beftimmt. Doch ift es nicht „in Stalien
auf dem alten Blatte nadjgetragen” (vgl. Graffunder a. a. O., ©. 721), ſondern
erjt bei der letsten Ausarbeitung, da es das Motiv der Wette vorausfekt.
US J. RNieiahr, Arttiſche Unteriuchungen su Goethes Fauft.
ſagen wollen. Dieſem Unweſen der chronologiſchen Analogienjagd hat
Erich Schmidt a. a. C., S. NA ff. hofientlich für immer ein Ende
gemacht. Im übrigen wird man eine leichte ſtiliftiſche Uberarbeitung
der Scene Pniower gerne zugeben.
Tas Geſpräch iſt ein Fragment, es fehle der Anfang, ces ſetzt
mitten im Zar ein. Tie Verſe, die Die letzte Faſſung als Einleitung
dazu bracte „Du höreſt ja, von rend iſt nicht Die Rede“ u. ſ. w.,
ind erit damals ergänzend hinzungekommen. Sie jtehen in geraden
Gegenſatz zu dem Inhalt des Weiprächs, wie Scherer : „Anfiäge über
Goethe“, Z. 258 i. zuerſt nachgewieſen Dat. Fauſt behauptet, sein
Buſen tet vom Wiſſensdrang geheilt, er wolle Tich fortan „dem
Taumel“ weihen, er wolle Me Widerſprüche des Yebens, das Schmerz
lichite wie das Erquidendite, wie in einem Suge genießend Durch
raien. Man sticht, Goethe juchte den Auſchluß an die Worte „ihr
Wohl und Weh auf meinen Buſen bauten” Ders 1773, mobei
er Die Sorte „mit meinem Geiſt das Höchſt und Tieifte greifen“
Vers 1772 als gleichbedentend mir dieſen nahm. Aber in der Fol
genden Unterredung handelt es Such fir Fauſt ebemio um das Er.
tennen wie um Das Genießen, Meepbiito muß ihm erſt das
Spetnlieren verleiden. Tas brem Wideripruch, der nicht von Anfang
an im der Scene biegen könnte: wir miuſien annehmen, der Tichter
fand das Geipräch in dem Manu'tript to abgertiien einiegend, vie
wir es in dem Fragment haben, vor. Die voraugebende (Hedanten:
reibe zu ergänzen wagte er nicht: es aelang ihm nicht, bier mitten
im der groſſen Yırde den Jaden aufzunehmen, er war der Geiſtes
und Geiühlsrichtung, De Sich bier ausiprach, zu ſehr entfremdet.
Aber der Scene, wie er Ne voriand, fehlte auch der Zchlun.
Wir erwarten ven Fauſft, bevor er Sich zur Weltiahrt entichliert,
aut Mephiſtos Korichlag doch irgend eine Gegenäußerung, die eine
jo plötzliche Sinnesänderung motivierte, Statt deſſen zieht er, ohne
eine Einwendung zu wagen, wie ein verlegener, geſtrafter Schüler
ab, ame ſich zur Nette bereit zu machen. Die Sceue brach bier offenbar
unfertig ab und endete mitt den Verſen 1-40 f.:
=
12
Ina Bote, was Tu miüſen kanniit,
Tariit Tu den Haben dech muht 'agen.
Tie darauf Folgenden Kerſe 18542 — 1850 haben mit dem vorher:
gehenden Werpräch nichts mehr zu thun. Sie verraten ſich durchaus
ala ein jüngerer Zulag und haben nur den zZwect, die Verbindung
mit der Schüleriſcene berziitellen. Ihren heterogenen Charakter hat
ſchon Kögel a. a. O., S. 552 bemerkt. Er macht mit Recht auf
den Wideripruch von Vers 1846 und der icenariichen Bemerkung
vor der Schülerſcene im Arfauit aufmerbam. Tort mastfiert ſich
I. Niejahr, Kritifche Unterfuchungen zu Goethes Fauſt. 499
Mephiſto mit Fauſts „Rod und Mütze“, hier erfcheint er „im
Zdjlufrod, eine große Perrüde auf“. Der junge Goethe hatte ſich
mit echter Künjtlernaivetät um das Zeitcolorit fehr wenig gefümmert:
jein Stück fonnte ebenjo gut im 18. wie im 16. SYahrhundert fpielen.
Cr gab Meppifto eine Profejforenmasfe, wie fie ihm aus feiner
Studentenzeit von feinem Beſuch bei Gottſched in heiterfter Erinne>
rung war. Jetzt iſt er auc hierin jorgfältiger geworden. Fauſt
ericheint al3 Profejfor, in der Tracht des 16. Jahrhunderts mit
„langem Kleide” und „Mütze“ oder Barett, fowie er fpäter für die
Weltfahrt nad) dem Beiſpiele Mephiftos die vornehmere ſpaniſche
Kleidung anlegt (Vers 1556 ff.). Diefer Widerfpruch fchließt alfo
das Stüd, Vers 1842— 1850, von der Jugenddichtung aus und weiſt
es in die Zeit de Fragments. Die Härte und Außerlichfeit des.
Uberganges von Vers 1841 zu 1842, ſowie der Widerfpruch zwiſchen
Vers 1842 „gleich Hör’ ich einen auf dem Gange“ und Vers 1544
„der arme Knabe wartet lange” jet eben nur erwähnt.
Es folgt Mephijtos Monolog Vers 1x51—1867. Er ift für
die ergänzende Nefonjtruftion des Jugendplanes von befonderer
Wichtigfeit und muß daher aufs genauejte geprüft werden. Wir er:
fennen zwei Theile: in dem erjten äußert Mephifto die Hoffnung,
es werde ihm gelingen, Yanjt zu verderben; in dem zweiten erklärt
er, wie er dabei zu Werke gehen will. Die erften Verſe geben uns
deutlich zu verftehen, daß Fauſt feine Seele dem Teufel nicht
verjchrieben hat. Sie enthalten in der Form der Aufforderung
den Sinn: Wenn Du nur jo fortfährft, die Wiffenfchaft zu ver-
achten und den Teufelsfünjten zu trauen, dann bift Du mir verfallen.
So fanı niemand fprechen, dem das, was er wünſcht, jchon ficher
iſt. Damit jteht auch nicht in Widerſpruch, wenn Mephifto fpäter
Vers 1866) jagt, Fauſt habe ſich „den Teufel übergeben”. Warum
muß das gerade heigen, Fauſt habe ihm feine Seele verichrieben?
Kann es nicht ebenjo gut bedeuten, er habe ſich der Gejellichaft und
der Yeitung des Teufels überlafjen? Und daß es hier thatſächlich fo
verjtanden werden muß, das beweilen eben die erften Worte. Mephiſto
aljo hat feinen „blutgejchriebenen Titel”, keine Zuſage von Fauſt;
ob er ihn in jeine Gewalt bringen wird, hängt erjt von feiner
eigenen Geichieklichfeit ab. Dieſer Punkt fteht demnady im genauen
Einklang mit dem Jugendentwurf.
Mephiſto Jicht Fauſts Untergang als ficher voraus (Vers 1866 f.),
er ftellt ihn als eine nothwendige Folge feiner Charakteranlage Hin
Vers 1856— 1859):
Und hätt’ er fi) auch nicht dem Teufel übergeben,
Er müßte dody zu grunde gehn.
ALLE J. Niejahr, Nritiiche Unterſuchungen zu Goethes Fauſt.
Es iſt der Dichter ſelbſt, der aus der Maske Mephiſtos ſo zu uns
ſpricht, der mit deutlichem Fingerzeig auf den geplanten tragiſchen
Ausgang des Stückes hinweiſt. Anch dies deckt ſich mit der
Jugendkonzeption.
Mephiſtos Charakteriftif Vers 1856- 18591 zeigt Fauſt als den
„ungebändigt vorwärts dringenden“ Geift, dent die beichränften,
irdiſchen „Freuden“ nicht gemiigen, der im Grfennen und Genießen
das Unendliche begehrt. Tas iſt nicht der Fauſt des Fragments,
jondern der titantiche Zchwärmer, der jein ‘ch zu einem Univerjum
erweitern möchte. Mit einem Wort, der Monolog gehört der
Epoche der Ingenddichtung an."
Aber war er auch fir die Stelle, die er jekt einnimmt, urjprüng-
(ich beitimmt? Mephiſto nennt „Vernunft md Wiflentchaft des
Menjchen alterböchite Atraft”. Man könnte Fauſts ungeduldiges
Hinausſtreben über die Grenzen des menſchlichen Denkens und
Forſchens, wie er es im vorigen Geſpräch bekundet, an ſich wohl
als eine Verachtung von Vernunfit und Wiſſenſchaft bezeichnen. Aber
dieſe Erklärung wäre bier nach dem Zuſammenhang nuhaltbar, ganz
adgeieben davon, dar die ſonſtigen Widerſprüche damit nicht bejeitigt
würden. „Vernunft und Wiſſenſchait“ steht bier im Segenjaß zu
„end und HJauberwerten" Vers 1853. Fauſt, ſo bheikt es,
verſchmäht cs auf dem Wege vernunftgemäßer, wiſſenſchaftlicher
Forichung feinen Drang nach Erkenntnis zu befriedigen, er fucht und
erwartet Dilfe nur bei der Magie. Er hat ſich mit ıhr ſchon ab-
gegeben, denn Mephiſto hofft ihn darin zu beftärfen. Daß fie nur
Blendwerk tt und Ttatt des wahren Weſens der Tinge nur einen
täuichenden Zihein voripiegelt, verhehlt natürlich der „Nügengetit“
dem aläubigen Adepten. Tas iſt alſo etwa der Ztandpunft, auf den
wir Fauſt im Gingangsmonolog treifen. Aber in unjerem Geſpräch
iſt ſein Sinnen und Verlangen auf ein ganz anderes Ziel gerichtet.
(Fr verachter nicht die Kraft der Vernunft, jondern er überjchäßt jie,
er trant ihr die ‚yühigfeit einer unendlichen Erweiterung zu und
glaubt, durch ſeinen blopen Aillen vgl. Ders 1785: „in die Adern
der Natur fliegen” und das Ewige fallen zu können. Yon der Magie
iſt überhaupt nicht die Rede, er denkt nicht einmal an fie. Das ift
der Fauſft, der kühn vor die Erſcheinung des Grödgeiltes tritt und
ſich ihm gleichauftelten wagt. Kurz, die eriten fünf Verſe find mit dem
vorbergehenden Geſpräch nicht zu vereinbaren. Es folgen die erfe:
Die Reimtechnil forscht nicht, wie Pniomer - Biertellahrichrift für Yitteratur-
griichuchee 5, 427 ment, dagegen, Sondern eher Dafür. Über die Technil und den
Ton des Knittewerſies bat ſich Boethe nirgends freier erhoben alg gerade im Urfauft.
Mir unerem Wonolog mag man vergleichen Urfauſt, ers 547 1. und beſonders
Kers 06 ft.
3. Niejahr, Kritifche Unterfuchungen zu Goethes Fauft. 501
Zen jchlepp’ ich durd) das wilde Leben,
Durch flache Umbedeutenheit,
Er ſoll mir zappeln, ſtarren, kleben,
Und ſeiner Unerſättlichkeit,
Soll Speiſ' und Trank vor gier'gen Lippen ſchweben;
Er wird Erquickung ſich umſonſt erflehn.
Dieſe Verſe ſetzen wieder ein neues Motiv, eine vorhergegangene
Verabredung voraus. Mephiſto muß ſich verpflichtet haben, Fauſt
in das Leben zu führen und ihm die Gelegenheit zu ſchaffen, in
jeinem „inneren Selbſt zu genießen, was der ganzen Menſchheit
zugeteilt ijt“. Diejes Motiv jpielt in der That in der vorigen
Scene feine Rolle, Mephiſtos ganze Abficht läuft ja darauf hinaus,
Fauſt in die Welt zu loden. Aber diejer felbit verhält fich dabei
ganz paſſiv. Er giebt endlich halbunſchlüſſig nach, aber von irgend
welchen Bedingungen oder Forderungen hören wir von feiner Ceite
nichts. Mephiſto braucht gar fein unehrliches Spiel zu treiben, wie
er es hier im Monolog anfündigt. Fauſt hat ſich ihm ohne Wider-
jprud), auf Gnade und Ungnade, anvertraut, und er Tann fich nicht
beflagen, wenn ihm das nicht wird, was er fucht. "
Es ijt wohl hinlänglich ar, der Monolog paßt in Feiner
Weiſe für die Scene, hinter der er fteht. Er jet zweierlei
voraus, was dieje nicht enthält. Fauſt muß feierlich der Wifjen-
haft entjagt und fid) der Magie ergeben haben, er muß
ferner einen Paft mit dem Teufel gejchloffen haben, der diejen ver:
bindet, ihn auf der Weltfahrt zu begleiten und feinen Drang nad)
unendlichen Lebensgenuß zu befriedigen. Iſt es denkbar, daß unjere
Scene von Hauſe aus jo geplant war, daß fie dieſe Elemente in
jic) aufnehmen fonnte? Goethe hat fpäter, in der letzten Phaje der
Dichtung, verjucht, fie um die erwähnten Motive zu erweitern und
fie zu einer wirklichen Vertragsfcene zu machen. Aber wie wenig ijt
das Experiment gelungen. Es ift eine der verwirrteften Scenen im
ganzen Fauſt geworden. Die Anlage unjere8 Geſprächs geftattet in
der That eine jolche Erweiterung nicht. Daraus folgt, e8 muß unfer
Monolog urjprünglid, als Abſchluß für eine Scene beftimmt gewejen
fein, die geplant war, aber nicht ausgeführt ift. Goethe er-
fannte dann bei jeiner Einordnung in das Fragment die anfäng-
liche Abjicht nicht mehr, er ließ ihn der Scene folgen, hinter der er
ihn im Manujfript zunächſt las und ſchuf jo einen fpäter fort»
wirfenden jchweren Mipijtand.
Dieſem Fauſt, der eben noch jo entjchlojfen das hohe Streben
jeines Geijtes vertreten hat, fönnen wir unmöglid) zutrauen, daß er
es im Handumdrehen für eitel Dunft erflären und e8 der Magie
zum Opfer bringen werde. Diefe Sinnesänderung fonnte nur durch
u J. Niejahr, Kritiiche Unteriichungen zu Goethes Fauſi.
eine neue Scene motiviert werden. Man mag ſich die Lücke etwa
jo ergänzen. Unſer Geſpräch Vers 1770—1N41ı war als ein erſter
Verſuch der Verlockung gedacht, es hatte nur vorbereitende, ſon—
dierende Bedeutung, Fauſt ſollte ſich durch Mephiſto nicht gleich be—
tehren, ſondern nur irremachen laſſen. Er hört ja den Vorſchlag,
das Spekulieren aufzugeben und ſich friſch den Freuden der Welt
zu widmen, nur mit halber Teilnahme an. Das iſt ja gar nicht,
was er wünſcht, das hat ja fir ihn gar feinen Reiz, das Leben wie
der erite beite None zu durchtoben. Air ſahen ſchon vorher, wie die
Scene in ihrer alten Geſtalt mit Vers 1841 unfertig ausging. Wir
mögen annehmen, es ſollten mac der erſten Abſicht danach noch
einige Worte gewechlett werden, im denen Fauſt erklärte, was Wie:
philto ibm vorgeichlagen, ſei nicht nach einem Sinne. Der Tialog
verlier demnach äußerlich fir den Teufel reiultatlos.
Nun eine andere Zcene. Ter Neriucher tritt von neuem an
Fauſt heran. Diesmal iſt ev ſchlauer. Fanſt beiteht immer noch auf
reinem Kopf. Meepbilto acht zum Schein anf jeine Wünſche ein. Er
will ihm alles, Naturerkenntnis und Weltgenuß, genau jo, wie er
es begehrt, verichaffen. Er vreiſt als den einzigen Weg dazu Die
Magie und distreditiert Me Wiſſenſchait. Fauſt läßt ſich bethören,
Se zauber der Magie umgarnen ihn ſtärker denn je: er macht ſich
zur Weltiahrt bereit. Und nun öſchließt ſich unſer Monolog an, in
Dem wir den Lügengeiſt Triumph rufen hören: die Magie iſt nur
tendiert, anf der Weltiahrt wird Fauſt nur jchaale, gemeine Ser
ſrreuungen finden, Diefer hohe Weit iſt dem Untergang rettungsloe
vreriallen.
Von dieſer nicht zur Musführnng gelangten Seene ſind uns
vielleicht noch einige Bruchſtücke erbalten. In der eripeiterten Geſtalt
der Bertragsicene von 1808 Finden Sich Kleimente, die nach ‚Form
und Gedanken jugendlichen Urſprung verraten, die Berie 1639 — 1648
und Vers 1740 - 1750, In dem eriten Ztinf handelt es ſich um
den Vertrag. Mephiſto bietet ſich ſelbſt unaufgefordert Fauſt ala
Vegleiter, „Geſelle“ aus mache er es ihm als ſolcher recht, To ſei
er bereit ſin Diener zu werden. Ga iſt nur ein Mißverſtändnis,
wen Goethe darauf Vers 1640 17. Fanſt fragen läßt, was er ihm
dagegen erfüllen Tolle. Mephiſto bat ja feinen Vorſchlag freiwillig und
bedingungslos gemacht, ihn zunächſt anf die Probe, und dann erit,
wenn es Fauſt gefalle, danernd als Diener anzımehmen. Das jtimmt
jedenialls eher zu der einſeitigen Verabreduug der Jugendkonzeption
als zu der ipäteren Wette. Tas andere Stück Vers 1749 — 1750
zeigt Fauſt, wie er ſich voll „Ekel“ von dem „Wiſſen“ losiagt und
ſich den Wundern der Magie in die Arme wirft: er will ſich einem valt-
toten, alle Empfindungen umiaſſenden Yebensgenun widmen. Tas weilt
J. Niejahr, Kritiiche Unterſuchungen zu Goethes Fauft. 503
direkt auf umjeren Monolog hin. Die Verſe bieten freilich ander:
weitige Schwierigfeiten, die hier nicht berührt werden follen.
Tie zu der Weltfahrt überleitende kurze Scene (Vers
2051 — 2072) ift natürlih junger Zuſatz. Fauſt ift als Mann in
reiferen Jahren gedacht (Vers 2055 ff.), der Zaubermantel ift ein
Motiv, das die alte Dichtung nod) nicht fennt. Auch die „Feuerluft“
Vers 2069, deutet, nad) Kögels Beobachtung (a. a. O., ©. 552),
auf eine jpätere Entjtehung, da Goethe „die Montgolfierfchen Ver⸗
juche nicht vor 1783 in den Kreis jeiner ntereffen gezogen“. Mit
abjoluter Beitimmtheit endlich weift die Anrede „mein guter Freund“
Vers 2061) auf die Zeit des Fragments hin.
„Wald und Höhle“ ijt von allen Fauſtſcenen am ſchlimmſten
fontaminiert, aber zugleich am leichtejten zu entwirren. Wir haben
auf den erſten Blick drei Bejtandtheile, den Monolog (Vers 3217
—3250;, ein mittleres Dialogftüd Vers 3251 - 3341, und endlid)
ein durch vier Verſe erweitertes Dialogfragment aus dem Urfaujt
Vers 3342— 3373. Daß der Monolog nad) Spracde, Metrum und
Inhalt das Produft einer neuen Entwidlung, eine Frucht der
italienischen Pteite tft, mag er während oder nach ihr entitanden fein,
darüber fanı fein Zweifel beſtehen. Wer ihn, wie Koch (Zeitjchrift
für vergleichende Yitteraturgejhichte 8, 125 ff.), früher, in das
‚jahr 1783/84, jekt, verzichtet auf jede Berüdjichtigung der Beweiſe,
die die einfachite philologiiche Beobachtung an die Hand giebt. Aber
wie verhält es jich mit den großen mittleren Abjchnitt Vers
3251 —3341? Erich Schmidt (a. a. ©. ©. LIX) meint, er ſetze
„unleugbar unjeren Monolog und jeine Scenerie voraus“ und nehme
Bezug auf die „Hexenküche“, auf die wenigjteng der erjte Teil des
Zwiegeſprächs (Vers 3251 —3302) urjprünglid) aud) habe folgen
jolten. Nach jeiner Anficht ift danad) diefe ganze Partie Vers 3251
— 3341 jungen, das ift italienischen oder nachitalieniichen Urſprungs.
Aber muß denn wirklich, wer dieſes Stück „zurüddatiert, aud) ein
älteres Zwiegejpräd) entwerfen“? Könnte nicht ungefehrt der Monolog
erſt nachträglicd) aus den Dialog herausgeſponnen jein?
Die Beziehung auf die „Hexenküche“ findet Erih Schmidt in
dem Verſe 3277. Die Worte „dir ſteckt der Doktor nod) im Leib“
jollen „die Verjüngung meinen“. Ich will nicht erwidern, daß genau
genommen der Doktor dem nicht mehr im Leibe fteden fann, dem
er eben erit durd einen Zaubertrank förmlich ausgetrieben ift. Aber
jener Vers muß aus dem HZufammenhang ınit den unmittelbar
vorhergehenden Verſen erflärt werden. Vers 3268 ff. rühmt fid)
Mephiſto:
Vom Kribskrabs der Imagination
Hab’ ich did) doch auf Zeiten lang curiert.
204 . I. Nieiahr, Kritiiche Unterſuchungen zu Goethes Fauſt.
Fauſt hat demnach der Zpefulation Valet gejagt, aber zunächſt
nur wie auf die Probe. Nachdem er einige Zeit das neue Yeben ge:
nojjen, erfährt er zu Mephiſtos Verdruß einen Rückſchlag in das
alte Yeiden. Der Toftor fommt wieder zum Vorſchein. Dieſem Fauſt
merfen wir nichts an von einem „wilden Feuer“ der Sinnlichkeit,
der Verjüngungstranf, das „ichöne Wild“ müßten ohne alte Wirkung
auf ihn geblieben jein. ine Beziehung des Nerjes 3277 auf die
„Hexenküche“ ift danach ausgeſchloſſen.
Kögel a. a. T. 2.554 empfindet richtig, wenn er die ganze
mittlere Partie Ders 53251- 3357 in die dorweimariiche
Seit ſetzen will. Aber die Beweiſe dafiir find noch erit zu erbringen,
und außerdem, „bier gilts zu unterscheiden“. Wir haben zunächit bie
Vers 3502 eine mach ihrem inhaltlichen wie rhythmiſchen Charakter
einheitliche Rartie. Der regelmäßige tambiiche Hang der Verſe wird
um einmal Vers 3287 durch gehänfte Zenfungen unterbrochen. In
dieſem Stück fällt ein ſcharfer, faſt feindfeliger Ton zwiichen den
Unterreduern auf. Fauſt behandelt Mephiſto von oben herab, halb
verächtlich fertigt er ibn ab Vers 3265, „er will nod) Dank, daß
er mich ennuyirt“. Für feine Gemeinheiten hat er nur ein „Put“
ers 3295. Mephiſto jeinerjeits läßt es nicht an den verletzendſten,
frechiten Entgegnungen fehlen. Er beflagt Sich über Fauſts herriſche
Art ers 3250, und nennt ihn einen „Geſellen unhold, barjd) und
toll“. Kurz, wir hören nicht den „Gefährten“, jondern den Diener.
Er würde micht wagen, Fauſt ſeinen „Freund“ zu nennen, er jagt
reipeftvoll „der Herr“ »Vers 3263.
Aber weiter. Ans der, eyniſchen Parodie, mit der Mephiſto Fauſt
jeinen „Wandel im der Ode“ verleiden will, Hingen uns befannte
Töne entgegen, Fauſt „durchwühlt der Erde Mark mit Ahmungs-
drang“, er möchte ſich „zu einer Gottheit aufichwelten laſſen“ und
„Lebewonmiglich in alles überflichen"“. Tas it der ſtürmiſche Stand:
punkt des jungen Fauſt, der, ſtatt die Natur dentend zu erfaſſen,
jühlend und ahnend in fie eindringen will. Wie weit ijt Ddiejer
ſchwärmeriſche Drang von der reifen rt der Naturbetradytung
entfernt, Die tich im Monolog, den Erich Schmidt ſchön nnd treffend
parapbrafiert a. a. O., S. LVIE, in Worten lanterfter Weihe enthüllt!
Tie reine Wonne, die der Fanſt des Monologs tm Antchanen der
vertraut Sich ihm erjchliegenden Natur genießt, it doch von anderer
Art als das Glück, welches das Sejuhl einer „neuen Lebenskraft“
"ers 3278 dem Fauſt des Tialogs bereitet. Jener empfindet im
befünitigten Herzen cine ſtille Zeligfeit, die ihn „den Göttern nah
und näher bringt“, diejer in jeinem tor allem Glück wühlend fort:
arbeitenden Innern ift, wenn wir Mephiſto glauben ſollen : Ders
3300 7, , „sehon wieder abgetrieben und, wührt es länger, aufgerieben
J. Niejahr, Kritifche Unterfuchungen zu Goethes Fauſt. 505
in Zolfheit oder Angit und Graus“. Das ftimmt nicht zu-
jammen, Monolog und Dialog fallen von felbft auseinander, diefer
gehört dem Fragment, jener der Kugenddichtung an.
Erih Schmidt (a.a. D., ©. LIX) will in den Verſen 3294 ff.
„ihr habt das Recht gejittet pfui zu jagen“ u. f. w. einen „Seitenhieb“
jehen auf „die neuerdings gegen Egmonts Clärchen verftimmte
Überfittlichfeit und andere frauenzimmerlich-höfifche Prüderien“. Die
Worte mögen immerhin eine perjönliche Spite enthalten, aber auf
Goethes nachitalienijche Erfahrungen beziehen fie fid) nicht. Schon in
„Hanswurſts Hochzeit” (Der Junge Goethe 3, 498) läßt Goethe
Kilian Bruftflek einen verwandten Gedanken ausiprechen in der
Mahnung:
Daß ihr euch fittlidy ftellen follt,
Und thut dann alles, was ihr wollt.
Kein leicht unfertig Wort wird von der Welt vertheidigt,
Tod) thut, das Niedrigfte umd fie wird nie beleidigt.
Bor allem aber haben wir einen fprachlichen Anhalt für den vor-
weimarijchen Urjprung der Stelle. Mephifto redet Fauſt in den
unmittelbar folgenden Verjen zweimal mit „er” an (Vers 3297,
3299). Diefe Art der Anrede war zu der Zeit, wo das Fragment
entitand, in den guten Streifen nicht mehr üblich oder wenigſtens
jtarf im Abnehmen begriffen (vgl. Edjtein, „Zur Geichichte der An-
rede im Deutſchen durd) die Fürwörter“, Neue Jahrbücher für Philo-
logie und Püdagogif 100, 477). Dementiprechend findet es fich im
den neuen Teilen des Fragments und in der fpäteren Phafe
der Dichtung nirgends mehr, dafür nur noch, willfürlich wechielnd,
„ihr“ und „du“. Hingegen im Urfauft it „er“ in der Anrede noch
häufig (Urfauſt, Vers 195, 196, 486, 487, 767, 893, Keller 168,
185), und cbenjo „fie“ (Urfauſt, Vers 735, 737, 755, 756, 765, 769,
785). Die Stelle Vers 3294—3302 jpricht alfo nicht gegen,
ſondern für jugendliche Entjtehung.
Tas Zujammenftimmen all diefer Momente ſetzt es außer
Zweifel, dag das Dialogftüd Vers 3251—3302 ein Produft
der Jugendepoche iſt, und zwar haben wir es, abgejehen von
einer jelbftverjtändlichen leichten ftiliftifchen Redaktion, im wefentlichen
jo, wie (Soethe es in dem alten Manujfript vorfand. Denn gegen
die Annahme von inhaltlichen Zufäten und Erweiterungen ſpricht
jein einheitlicher Charakter. Am wenigften natürlid) kann, wie auch
Kögel ca. a. O., S. 554) bemerft, die Anipielung auf Faufts
Selbſtmordverſuch jett erjt erfunden und eingefügt fein, da biefes
Motiv im Fragment ganz ohne Folge bleibt. Die Scene jelbft
jollte mit Vers 3251 neu einfeken, fie erponiert fich fo vollfommen,
wie es nur gejchehen kann, fie orientiert über Schauplag und Situation.
Euphorion IV. 88
906 J. Niejahr, Kritifche Unteriuchungen zu Goethes Fauft.
Aber tie war ohne Schluß, ſie brach mit Vers 3302 unfertig ab,
gerade da, wo ihre Stellung innerhalb des Gejamtentwurfes erit
hätte hervortreten müſſen. Es gelang Goethe daher nicht, jo wenig
wie es uns gelingt, ihre urſprüngliche Beſtimmung noch klar zu
erfennen, er ſetzte fie, indem er den Monolog aus ihr entwickelte,
in Beziehung zur „Herenküche. Aber wie wenig ſie ſich damit verträgt,
haben wir vorher geſehen. Tb er wirklich anfangs die Abſicht hatte,
jie mit dem Monolog vereinigt als cine beiondere Scene der Grethchen—
ragödie voranzuichiefen, läßt ſich nicht mehr erfennen. Jedenfalls
gab er dieſen Gedanken bald auf und legte fie mit ernentem Wider:
ſprnch um einige alte und nene Elemente erweitert mitten in die
Liebesepiſode hinein.
Mit Vers 3303 folgt ein neuer Abſchnitt, der bis Vers
3325 reicht. Er ſondert ſich durch ſeinen rhythmiſchen Charakter
deutlich von ſeiner Umgebung ab. Vorher wie nachher rein iambiſcher
Versbau, bier plöglich freies Zentungs und zugleich ſehr unregel-
mäßiges Hebungsprinziv. Schon dieſer Umſtand würde geniigen, das
Bruchftück aus Der Seit des Fragments zu verweiſen, das in ſeinen
neuen Zeilen den Mitittelvers nur ſtreng iambiſch behandelt. Aber
auch inbaltlich gebt Das Element auf den Jugendentwurf zurück. Es
gebört in Die Grethchentragödie und ſchlägt ein Motiv an, das jetzt
nicht zu voller Ausgeſtaltung getangt Dt. Fauſt bat, von Neue erfaßt,
(sreihiben verlaſſen und ſich im die Einſamteit zurückgezogen. Wir
finden ihn, wie vorher, „in Wäldern thronen“. Mephiſto ſucht ſein
Gewiſſen zum Schweigen zu bringen und ſeine Leidenſchait für
wre hhen neu zu entflammen, indem er ihren Liebesgram ſchildert.
Dies liegt ganz in der urtprünglicen Richtung der Charaktere.
Wir können cs Fauft, der ſchon nach dem eriten ſinnlichen Aufflanımen
in Grethchens Zihlafyimmer Vers 2730, 2738: ‚halb willens tft
umzutkehren, wohl zutrauen, wenn er, bevor co zum Außerſten fommt,
noch einen letzten Verſuch macht, ſich loszureiſen. Auf der anderen
Seite iſt Mephiſto ganz in einer Nolte, wenn er alte Künſte der
Kuppelei ſpielen läßt, um einen Ausgang zu verbüten, der jeine
diaboliſchen Anſchläge mit einem Mat zu nichte machen würde Wir
ſtehen alio mit unſerem Scenenſtück anf dem Boden der Jugend-
Dichtung. Es führt in die zzeit, wo Grethchen noch nicht verführt
it, was Kögel a. a. O., 2.554, Anmerting: nicht hätte verfennen
jollen; es war demnach ungeiähr für de Stelle beſtimmt, welche die
Scene „Wald und Höhle“ ſpäter 1808 erhalten hat.
Wie ich die beiden Vialogfragmente ers 3251-3302 und
era 55055325 zu einander verbalten, it Ichwer zu jagen. Troß
der Ahntichteit der Sitnation und der Übereinftimmung des Schau—
platzes innen Ne micht Fur ein und dieſelbe Scene berechnet geweien
3. Niejahr, Kritifche Unterfuchungen zu Goethes Fauſt. 507
jein; dagegen jpricht ſchon die ungleiche metrijche Form, vor allem
aber der Umſtand, daB in dem erjten Abfchnitt jeder Hinweis auf
Grethchen fehlt. Ich begnüge mic, die Thatfache zu Ffonftatieren -
und enthalte mich jeder weiteren Vermutung.
Erih Schmidt meint, mit dem Vers 3303 habe Goethe die
beiden Teile der Meittelpartie dur eine Notbrüde verbunden.
Aber die Worte „dein Liebchen fit dadrinne” find alt. Das beweiit
das halbvulgäre „dadrinne*, das dem Stil des Fragments wider:
jtrebt und wohl nur aus Verſehen nicht getilgt ift. Aber dies „da⸗
drinne” bietet freilich ſeine Schwierigfeiten. „Wo drinne? Wo find
wir?“ fragt mit Recht Erich Schmidt (a. a. O. ©. LX). Sind
wir vor Srethchens Thür, wohin uns allerdings fpäter Vers 3867
fuhrt? Das kann nicht jein, da Vers 3311 die Scene ja ausdrüd-
(ich in den Wald verlegt. Ich weiß hier feine andere Erklärung als
diefe. Der Schanplag muß in der Nähe von Grethchens Vaterftadt
gedacht werden und dieje in der Ferne fichtbar fein. Mephifto meift,
indem er die erwähnten Worte fpricht, mit einer Handbewegung
nach jener Richtung, und „dadrinne” heißt: „dort in ihrer Kammer
in der Stadt”. An ein nacdjträgliches Einfchieben des Verſes 3311
fann ich nicht glauben.
ES folgt Vers 3326—3341. Dieje Stelle trägt wieder ein
ganz nenes Gepräge. Neinfter Jambenfluß und eine wohl‘ ftilifierte
Sprache. Ter junge Fauſt hätte den Teufel nicht abgewiejen mit
ſo gewählten Worten „hebe dic) von Hinnen” (Vers 3326) oder dem
matten „entfliche” (Vers 3338), er hätte vor allem das gute
Grethchen mimmermehr „das jchöne Weib” (Vers 3327) genannt.
Hier vernehmen wir den zum Klaſſizismus befehrten Dichter, wir.
ipiiren den Einflug Staliens. Auf eine inhaltliche Inkoncinnität hat
ihon Scherer („Aus Goethes Frühzeit”, S. 105) aufmerkjam
gemacht. Fauſt läßt Mephijto, der von Grethchens Liebesfummer
erzählt, ruhig ausiprechen. Er durchichaut die fuppferifche Abficht,
traut fi) aber nicht die Stärfe des Widerftandes zu, daher jein
gereizter Ruf „Schlange! Schlange!”“. Das ift durchaus verftänd-
ih. Wenn er aber gleich darauf Vers 3327 Mephiſto ver-
bietet „das ſchöne Weib” zu nennen, jo ijt das in mehr als einer
Beziehung auffallend. Denn Mephiſto hat inzwiichen überhaupt nichts
erwidert — die Worte „Gelt! daß ich dic) fange“ ſpricht er für
ſich — und für die Xerje 3303 ff. kommt die Unterbredjung zu
jpüt. Die Stelle Vers 5326—3341 füllt alfo nad Stil und Anhalt
ans dem Nahmen, und daß fie in der That erft jest hinzu—
gedichtet jein fann, beweiſt Mephijtos vertrauliches „mein Freund”
(Vers 3336). Die Heine Partie ift hier bei der Zufammenordnnung
der Scene eingelegt, um den Anſchluß an das letzte Stüd Vers
33*
DOR Albert veismann, Zu Schillers Temetrins.
3342 — 3369 herzuitellen. Dort jehen wir Fauſt bereits auf dem Wege
zu Srethehens „Kammer“, dieſes Unterliegen des cben noch Wider:
jtrebenden mußte motiviert werden. Die derben Cynismen gegen das
Chriſtentum, die dabei unterlanfen, weilen, wie aud) Erich Schmidt
sa.0.°%. S. 1X. andentet, ebenfalls auf nachitalienische Entftehung
hin. Übrigens vermag ich mit der Anſpielung auf das Abendmahl,
das Grethchen „indes“ nehmen Joll Vers 3334 f., nichts anzu
fangen.
Tie legte Partie Vers 33423369 iſt gewaltiam aus ihrer
uriprimglichen Ztellung nach Valentins Monolog hierher übertragen.
Die erſten Verſe, Die einen ſtädtiſchen Zchanplag in der Nähe von
(sretbehens Wohnung vorausiegen, mußten bier fortgelaſſen werden,
um die ‚yiftion, dar wir uns noch im Walde befinden, einigermaßen
zu ermöglichen. Aber der Widerſpruch iſt trogden geblieben, denn
die Aufforderung Vers 3567 „geh ein“ kann nur unmittelbar vor
der Thür Grethchens geiprocen werden. Auch Fauſts Verzweiflung
iſt nur recht zu verstehen, wenn er ſich noch einer größeren Schuld
bewußt iſt als der, den Zeelenfrieden der Geliebten geltört zu haben.
Die Berie, die nad der eriten Abſicht zu der Ermordung Valentine
überführen Sollten, baben Die Sich Fortichleppenden Widerjprüche in
unſerer Scene auf die Zptee getrieben.
Demnach iſt die Scene „Wald und Höhle“ ans folgenden Ele—
menten zuſammengeſetzt: Der Monolog Vers 3217—3250 neu,
Vers 32513502 alt, Pers 3305-- 53525 alt, Vers 3326 23341
neu, Vers 53542 3369 alt, Vers 5570 3373 neu.
Keine Scene im ganzen Fauſt iſt inſtruktiver für Goethes Ver
fahren bei der Kompoſition der Dichtung ala dieſe. An ihr müſſen
alle Harmoniſierungsverſuche Häglich zu Schanden werden.
Zu Schillers Demmetrins.')
Yon Albert Leitmann in Jena.
J. Die Quellen
I. Uber die Danptanellen, de Schiller für ſeine dichteriſche
Rearbeitung der Geichichte des jalichen Temerrins benutzt Hat, find
Zul: dramatiſcher Nachtaß, nach den Handichriiten herausgegeben von
BRer 1 Baid: Schillers Temetrins, nach den Dondichriften des Goethe
raus Vermar, Bohlau 1805. Schriften Dev Goethegeſellichaft 9;
Albert Leitzmann, Zu Schillers Demetrius 509
wir durch ihn ſelbſt genau unterrichtet. Zu dent, was ſich aus den
Papieren feines Nachlaſſes ergiebt, kommen dann beftätigend und er-
weiternd die Hinweije hinzu, die jein Schwager Wilhelm von Wol-
zogen dem Dichter brieflich gab.
Schillers Kolleftancen enthalten mehr oder weniger aus-
führliche Auszüge ans folgenden Werfen (vgl. Goedele, Schillers
fämtliche Schriften 15, 2, 324 ımd Kettner, ©: 309):
Treuer, Einleitung zur mostowitiſchen Hiftorie; Yeipzig und Wolfenblittel 1720;
Connor, Beicreibung des Königreichs Polen, Leipzig 1700;
Yevesgue, Histoire de Russie, Band 3 und 4, Hamburg md Braunſchweig
1800;
Olearius, Bermehrte neue Befchreibung der mostowitiſchen und perſiſchen Reife,
zweite Ausgabe, Schleswig 1656;
Müller, Sammlung rujfifcher Gejcjichte, Band 4 und 5, Petersburg 1760.
Bon diefen Büchern jind Connor, Olearius und Müller ſowohl auf
der Weimarer als auf der Jenaer Bibliothef vorhanden; Treuer
fehlt in Weimar, ift jedod in Jena vorhanden; der Nachdrud des
Levesque fehlt beiden Bibliothelen, weshalb Kettners Vermutung
(S. LXV), daß Schilter ihn durch Wolzogen erhielt, jehr viel Wahr-
icheinlichfeit für ſich hat. Schillers Notizen find teils hiſtoriſchen
Juhalts, indem er ſich einzelne Daten oder Charakterzüge zu fünftiger
Verwertung anmerfte, teils dienen fie. dem von ihm jtets jehr ernſt
genommenen Zwed, ſich in das Milien einzuleben, wie wir es heute
bezeichnen würden, und Yofalfarben für jeine Zeichnung im einzelnen
zu gewinnen. Daß derfei Einzelzüge abfichtslos in das poetiiche San,
verwebt werden müſſen und nirgends als Zeugniffe für die hiftoriiche
oder jonftige wifjenjchaftliche Belejenheit des Dichters anſpruchsvoll
in den Vordergrumd gejtellt werden dürfen, darüber war er ſich im
Unterjchieve von vielen modernen Dichtern von vornherein klar.
„le über Rußland nötige Notizen, heißt es in dem großen Szenar
(123, 21), „müffen an den gehörigen Orten verteilt werden, jo daß
man jedesmal, wo man es braucht, vollfommen unterrichtet iſt und
daß Feine zu große Maffe folder hiſtoriſcher Notizen zujammen:
fommt; alles, was um des Ganzen willen notwendig wird, wuß
and) um feiner ſelbſt willen dafein und intereffieren.“ Leilgehm Tell
fann uns als Mujter dienen, wie er diejer jelbftgeftellten Forderung
gerecht wurde, da ung für diefes Stüd die meiften Kolleftancen noch
erhalten find. Daß Yevesques Darftellung Schillers leitende Quelle
für den Demetrius gewejen ift, hat Kettner in der Einleitung aus—
führlich dargelegt; auc die Benusung der übrigen vier Quellen-
ichriften hat er im wejentlichen richtig beſtimmt. Doch lafjen ſich im
einzelnen mancherlei Berichtigungen und Crgäuzungen zu feiner
Darftellung geben.
Pr
>10 Albert veitzmann, Zu Schillers Demetrius.
2. Die Auszüge aus Treuer S. 244 hat Kettner S. 310
nachgewiejen.
244, 4 „er zerbricht endlich dieſes tartariſche Joch und bezwingt Najan“ ent
ſpricht jedoch nicht S. 9, ſondern S. 20 bei Treuer: „er hatte . . . . Kaſan
be ezwungen. “
244, 11. Die ezariſche Brautleſe wird nicht nur 2.49, jondern genauer aud)
S. 161 erwähnt.
Ich bemerfe bier gleich immer, wenn von Schiller aus einer
Quelle notierte Tinge auch in andern jeiner Quellen vorkommen.
Tie eben erwähnte Brautleſe -244, 11: kennt auch Yevesque (ich citiere nad)
der bier in Nena allem vorbandenen Ausgabe Merdun 1783) 2, 289. 2%.
3,213. 4, 139.
30 245, 6 val. die Erzählung von Dmitri Utſchimin bei Yevesaue 3, 147.
u 245, 15 „Aprisna“ vgl. Levesque 3, 65 „opritchina (exception).”
Ten Ritus des Kreuzküſſens 245, 18 erwähnt Treuer aud) Z. 112. 284.
396. 415. 416. 418. 425. 438.
Die Notizen aus Connor iZ. 245 und die Bemerkungen über
Kiew aus Müller »S. 249. jind von Kettner Z. 310 vollftändig
nachgewieſen.
Von den Koſaken, über die ſich Schiller aus Müller Auszüge
machte S. 250, Nachweiſe bei Kettner, S. 3115, beſonders von den
Saporogern handelt auch Yevesaue in einem beſondern Kapitel 4, 152:
vgl. auch 2. 46.
Bine befondere Bemerkung erheiſcht die Notiz „es giebt barba—
riſche Ungeheuer unter ihnen: Ztenfo Razin“ 251, 8). Bei Müller
wird dieſe Perſönlichkeit, deren Namen Shiuer im Demetrius ver:
wendete, nicht erwähnt: Kettner S. 311. verweilt auf Yevesque
4, 66, der ausführlich von Ztenfa Razın berichtet, und hält
Schillers Namensform Ztenfo für „verichrieben“ aus Levesques
Ztenfa. Das iſt micht der ‚all, denn Schiller kannte den Räuber
aus andern Gmellen und entnahm daber auch den Namen Stenfo.
Tie Weimarer Bibliothek befigt ein Heftchen, Emden 1671 erjchienen,
das den Titel trägt: „Kurze, doch wahrhaftige Erzählung von der _
blutigen Rebellion in der Moskan, angerichtet durch den großen
Verräter und Betrieger Ztento Razin, doniichen Koſacken“; dies kann
leicht Schiller einmal in die Hände gefallen ein. Aber auch fonft,
ja fait überall begegnet dieie ‚yorm des Namens: jo werden in
Bacmeiſters Ruſſiſcher Bibliothef 3, 244. 247 eine „Kurzgefaßte Er:
zdblung von Stento NRazın, Petersburg 1774 und ein Aufjak über
ihn von dem tpäter zu erwähnenden Tichter Sumarokow bejprodhen.
Nur in einem Auflage Daics in Büſchings Magazin für die neue
Diltorie und Geographie 9, 77 „Nachricht _ von dem Aufruhr und
den Freveltaten des doniichen Nojaden Stenka Razin“ finde ich
Levesques Zchreibung.
Albert Yeigmann, Zu Schillers Demetrius 511
Für die kurzen Notizen aus Levesque (S. 251) hätte Kettner |
(S. 311) ftatt feiner allgemeinen Angabe die genaueren Nachweiſe
Goedefes (S. 334) aufnehmen follen.
Am eingehendften hat Schiller Olearius ereerpiert (S. a:
Kettners Bemerkung „Schiller excerpiert das ganze dritte Bud) . .
nur zu Anfang bfättert er flüchtig in den Schluß des zweiten zurü
(S. 311) trifft nicht das Richtige. Vielmehr beginnen jeine Auszüge
mit dem Ende des zweiten Buches (für 252, 3 ift nicht ©. 144,
jondern ©. 121 die Quelle) und gehen dann der Reihe nach weiter
ins dritte. Schließlich las aber Schiller auch die furze Durchreiſe
durch Rußland auf der Nüdfehr aus Perfien am Ende des ganzen
Werfes und entnahm hierher (S. 758) die Notiz „Wafferweihe im
Januar“ (254, 8), wofür Kettner feine Quelle angiebt, — Den
Urfprung zweier anderer Bemerkungen, die Kettner ohne Anmerkung
gelaffen hat, haben wir uns folgendermaßen vorzujtellen. 256, 3
„Czare vollziehen oft jelbft die Todesurteile“ ſtammt ans Treuer,
S. 111 (vgl. auch 245, 13) umd iſt micht, wie Ketiner zweifelnd
meint, eine Reminiszenz aus Voltaire, der dies von Peter dem Großen
erzähle; 256, 7 „Ausländer, die ihre Sprache nicht reden, heißen die
Stummen, welches das synonyme von etranger it" entnahm Schiller
Levesque 4, 121 „Les Grees et les Romains appelaient les
etrangers barbares. les Russes les appelaient muets”, In beiden
Fällen fühlte ſich Schiller durch die Gedanfenverknüpfung im Kontext
des Olearius an jene früher anderswo gefefenen an ertimert,
wodurch zugleich erwieſen wird, daß er Slearius nad) Trener und
Levesque Ins, wozu das von Ketiner (S. LXV) mitgeteilte Datum
Stimmt.
Die Quelle zu 252, 28 „often oder — and) Goſen“ fehlt bei Stettiner;
Soften fieht S. 219. 268. 269, Gojen ©. 32. 148,
Zu 253, 1 „Brifafe, Kanzlei“ vgl. ©. 32. 159. 200. 222. 236. 297. 268.
265. 266-270. 374; zu 258, 2 „Priftaff, Schaffuer“ vgl. S.11. 15. 16.
18. 19. 23. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 35, 36. 37. 38. 40, 41. 42, 48,
49. 50. 120. 121. 123. 126. 127. 128. 129.182 185. 186. 198, 140. 189.
226. 292. 309. 333. 334. 33®. 351. 357. 808. 859. 379. 384.
760.
3 bat, Hund“ hat ©. 191, nicht S, 198 zur Quelle,
„Ruffen gute Soldaten in Feſtungen“ fteht ſchon ©. 15.
Ih ‚Zimmer Zobeln“ begegnet auch ©. 50. 138. —
254, 24 hat ©. 244 zur Quelle, 254, 29 ©. 247. 249. 250.
Zu 254, 36 vgl. ©, 285. 287; zu 205, 5 ©. 254; zu 256, 7 ©. 28.120.
55, 8 * —e— if eine Strafe“ ift nicht Mifverfländnis von S. 273,
wie — Quelle ift ©. 261 „als die brei ... de
jandten .... anfamen, füffet fie der Beiwode in Fußeifen fegen.
255, 34 „Öroßfürft unterjhreibt nie jelbft“ begegnet ©. 248.
Die —— 10 ftebt auch ©. 20. 247. 204. 310; zu 256, 11
vgl. ©. 27
512 Albert Leitzmann, Zu Schillers Demetrius.
257, 8 „Igumen iſt der Prior“ ſteht S. 300. 3056.
Zu 257, 10. 12 vgl. S. 302.
258, 1 „an der Hand des Czars fein“ begegnet auh S. 134. 760.
Ich füge Hier nod) an, was aud) von andern Quellen be-
richtet wird.
Bon der Glocke des Boris Godunow 1252, 21. 256, 19 berichtet auch
Yevesaue 3, 207.
Ten Turm Jwan Weliki (252, 22) erwähnt Müller 5, 121. 171: die Prikaſe
(253, 1: 5, 78. 149. 270.
Zur Einrichtung der Priftafis (253, 2) vgl. Yevesque 3, 89. 4, 124 und
Müller 5, 130. 145. 146. 168. 160.
Vom Glauben der Rufen an Yauberei (253, 26) fpricht auch Treuer
Z. 180. 266.
Von Boris’ Ernennung eines Doktors 1254, 6) ſpricht Treuer S. 243 und
Witller 5, 91.
Tie Vuiterwoche 254, 7. 257, 31: erwähnt Müller 5, 74; die Feitungs:
tüchtigkeit der Rufen (254, 9) Ireuer 2. 34.
Zu „Zimmer Zobeln“ 1254, 13) vgl. Miller 5, 153. 166.
Son der Antipatbie der Ruſſen gegen Kalbfleiſch ſprechen Levesque 3, 168;
Treuer S. 274. 280; Müller 5, 342.
Tie Bezeichnung monastir (255, 7: bat auch Levesque 8, 226. 229. 248;
die „Patoggen“ «255, 101 erwähnt er 3, 165. 172.
3u ocolnitschei 1255, 19) vgl. Yenesaue 3, 193. 4, 132.
Tie Hofämter 255, 26--28 ermwäbnt Müller 5, 79: 30. 109. 153. 154. 165
dgl. auch Levesque 3, 2241: 79.
Su 255, 35 roserädni vgl. auch Müller 5, 12.
Ten Ausdrud swacha (256, 32) und den Hochzeitsbrauch 256, 34 kennt
auch Müller 5, 30. 336.
Tas Kloiter Troiza 1257, 9) erwähnen Yevesaue 3, 3; Müller 5, 58: Treuer
304. 311. 321. 322. 332.
um Totenpaß «257, 32: vgl. Yevesane 4, 111.
Tie 258, 5 bemerkte Sitte kennt auch Treuer S. 3536.
u 258, 11 vgl. Levesque 3, 142.
Aus endlich die Auszüge aus Müller betrifft ı<. 199. 227
jo hätte Kettner auch für ſie S. 305. 307: die genaueren Angaben.
Goedekes S. 330) aufnehmen jollen.
Die durch die Hofetiquette vorgeichriebenen drei Begegnungen (199, 18)
werden nicht, wie Kettuer angiebt, 5, 130, fondern 5, 9%. 149 erwähnt.
3u 200, 1 „Temetrius im Ztand feiner Niedrigfeit will als Czar wenigftene
begraben werden“ bedurfte es nicht der Heranziehung von Yenesque; auch
Müller 5, 200 erzählt das.
u 200, 6 vgl. 5, 202.
201, 3 ſtammt aus 5, 242: 201, 27 bat ieine Quelle in 5, 280; zu 204,5
vgl. 5, 323.
204, 1 Einen mit Zobelpelz gefütterten Wagen erwähnt auch Olearius
S. 255.
3. Somit dürften wohl ziemlich alle Stellen bezeichnet ſein, an
denen Schiller ſeinen fünf Hauptquellen Einzelheiten entnommen hat,
Albert Leitzmann, Zu Schillers Demetrius. 513
wenigſtens joweit er diefe ſyſtematiſch ausgebentet hat. Anderes
mehr Vereinzeltes hat Kettner an verjchiedenen Stellen der Ein-
leitung und der Anmerkungen angeführt. Einiges, was ihm entgangen
iſt, will ich hier zuſammenſtellen
Die Sitte des Eintritts Sterbender in den Mönchsſtand, die
Schiller beim Tode des Boris in fein Stüd einführen wollte (vgl.
14%, 28. 152, 18. 200, 3), wird im den Quellen häufig erwäh
vgl. Treuer S. 183, 224; Levesque 2, 288. 312. 8, 131. 248;
Ofearius ©. 313.
Den Eintritt des Frühlings in Rußland, der als ſtimmender
Afford die große Marfaſcene eröffnet umd der aud) in der Scene
des Demetrius an der Desna eine wejentliche Nolte ſpielt, ſchildert
Dlearius ©. 152: Obſchon die Kälte des Winters fo groß, kommen
doch die Kräuter und Laub im Frühling geſchwinde hervor und giebt
an der Zeit des Wachſens und Neifens umjerm Deutjchland nichts
zuvor; dann weil allezeit viel und hoher Schnee fällt, wird Erde
und Bujc gleich als mit einem Kleide bededet und vor der jcharfen
Kälte bewahret.*
Bu den Scenen der Marina mit den polnijchen Edelfeuten und
den von ihr zu deren Gewinnung angewandten Praftifen fünnte
hilfer durch das angeregt jein, was Treuer von ihrem Eintreten
für den zweiten faljchen Demetrins erzählt: „Dieje ſcheuete fich nicht
mitten unter die Soldaten herumzugehen, fie zur Treue zu ermahnen,
ihnen viele Verſprechungen zu thun und dem Demetrio zu gewinnen,
jogar daß fie manchmal den Wohlftand und die Schambaftigkeit bei
Seite jegte, um ſich nur einen Anhang zu machen“ (S. 331); „dieje
Marina war eines herrichjüchtigen und ambitienfen Gemüts, das
ſich guter und böjer Mittel zu Erlangung ſolches Endzweds zu
bedienen wußte; fie ließ jich allen Betrug mit dem andern Demetrio
gefallen, überließ fich endlich dem Zarusty, weil fie durd ihn zu
berrichen dachte; oft jegte fie jih in Mannskleidern zu Pferde, vief,
ſchalt, ermahnte, ftrafte und befchenfte die Soldaten, nachdem fie es
gut fand, und wußte ſich ihrer nad) Gefallen zu bemächtigen“ (©. 392).
Dit derlei Zügen follte Marina urfprünglich, als fie goch die Scene
mit den Piaſten in der Trinfitube haben ſollte, ausgejtattet werden;
jpäter hat fie Schiller dann doch etwas arijtofratijcher und vornehmer
gehalten.
Das die Gerechtigkeit des Himmels anrufende Gebet des Deme-
trius, das Schiller aus Miller fi) notierte (200, 335 vgl, Kettner,
S. XLV), erwähnt auch Trener: „Es war jehr merkwürdig, daß
Demetrius ein ungemeines Vertrauen auf feine gerechte Sache in
allen Fällen blicken ließe, auch als er geſchlagen wurde, ſich mit der
größten Standhaftigfeit tröftete und, wenn es zur Schlacht fam, mit
>14 Albert Leitmann, Zu Schiller Temetrius.
gefaltenen Banden und gen Himmel geichlagenen Augen meiltenteils
cin ſolch Gebet verrichtete: Gerechter Nichter, wo du ſieheſt, daß ich
unrecht oder aus Geiz und Bosheit dieſer Sache mich unterfange,
ſo ſchlage mich zwar mit deinen Blitzen nieder, vertilg mich von
der Erden und ſchone dieſes chriſtlichen Bluts der Soldaten! Aber
du weißt meine Unſchuld. Stehe meiner gerechten Sache bei! Dir,
du Königin der Himmel, empfehle ich mich und meine Soldaten“
S. 252.
Zu Neimers Bemerkung über den urſprünglichen Titel des
Stückes „Die Bluthodyzeit zu Mosfkau“ ı<. JLXIV jei erwähnt, day
auch Treuer S. 511: von der „blutigen Hochzeit des eriten Te
metrii“ redet.
4. Ich wende much zu den Dimveilen anf ruſſiſche Geſchichte
und Litteratur, die Schiller Fir jein geplantes Trama durd Briefe
jeines Schwagers Wolzogen empfing, der jeit dem Zommer 1803
zum dritten Mal in der Angelegenheit der Bermählung des Weima-
riichen Erbprumen mit der Großfürſtin Maria Paulowna in Peters
burg weilte. Schiller ſelbſt ging ibn, da er 10 gewiſſermaßen an der
Quelle ſaß, wohl zunächſt durch Vermittlung jeiner Schwägerin
Karoline, gleich nachdem er den Plan zur Ausarbeitung des Deme
trins gefaßt hatte, um Litteraturnachweiſe an und erbat ſich dann
im Inni 18014 von ihm dirett „Koſtiimes aus jener zzeit ....
Münzen, Proſpette von Städten und dergleichen” « Schillers Briefe
7, 158. Es tommen Ztellen aus drei Briefen Wolzogens bier in
Retradıt, von deren Die beiden ceriten an Nuaroline, der letzte an
Schiller ſelbſt gerichtet iſt.
„Folgendes kann ich vorläufig über Schillers Plan des falſchen
Demetri ſagen. Schiller muß Olearius, Hebenſtreit, Core u. ſ. w.
uber Rußland leſen: in letzterm findet er viel über ſein Sujet,
erſtere rrden von den Sitten und Gebräuchen der damaligen Seiten:
Neſtor könnte ihm in letzter Hinſicht auch nützlich ſein. Müllers und
Racmeiſters Zammlung entbalten vielleicht auch Einiges über jenen
(Gegenſtand. Am intereſſanteſten aber jind die Miemoires von einem
gewilten Marcherais ich glaube, jo it jein Mamte:: Tie find franzöftich
geichrieben, der Autor war ſelbſt ein ‚granzote und Hauptmann ımter
der Yerbwache des Falichen Temetrt: ich habe das Werk nicht geleien,
aber oft davon reden hören“ 15. Mat 1804 an Naroline ı Schwenfe,
Kleine Beiträge zur Zchillerlitteratur, S. 24.. „Ein Ruſſe Zume:
rotow hat ebenfalls einen falichen Dimitri gefertigt; ſeine übrigen
Zdmmipiele ſind in das ‚yranzöliiche überſetzt, aber nicht dieſes:
vieleicht erfahre ich noch das Moment der Dandlung“ 25. Mai 1804
cn Naroline ihr Yitteraritcher Nachlan ? 2, 162... „An SKareline
Albert Leitzmann, Zu Schillers Demetrius. 515
jchriebe Jon, was ich von Demetri weiß. Ein Franzofe war Kapitän
in jeiner Xeibwade; man hat Memoires von ihn, fie jind aber
jelten; er hieß, wenn ich mich recht entjinne, Mardjeret. Eine ruſſiſche
Beichreibung von Scherbatof unter dem Titel Les imposteurs
erijtiert auch, ferner ein Trauerſpiel Der faliche Demetri von Suma—
rokow: ich werde beide mitbringen und vielleicht einen Auszug daraus
machen lafjen, wenn ich Zeit und Gelegenheit finde. Überhaupt muß
man mehr auf Polen bei diejer Periode hinbliden; denn alles, was
in Rußland damals gährte, kam aus jenem Land her. Was ich nod)
vorfinden fann, bringe ic) dir mit“ 2. Auguft 1804 an Schiller
(Briefe an Schiller, ©. 572). Von den hier erwähnten Schriften
bedürfen Olearius und Müller feiner weiteren Bemerkung. Die Titel
der übrigen mit Ausnahme von Hebenjtreit, den ich nicht nachweijen
fann, find folgende:
Core, Voyage en Pologne, Russie, Suede, Danemarc, überjett von Mallet,
Band 1—3, Genf 1786 (auf den Vibliothefen in Weimar und Jena vor:
banden; die Meimarifche Bibliothek befitt .außerdem eine deutſche Über:
jegung von Pezzl, Zürid) 1785—86);
Schlözer, Neftor, Ruffifhe Annalen, Yand 1—4, Göttingen 1802—5 (in
. Weimar und Jena vorhanden);
Bacmeijter, Ruſſiſche Bibliothek zur Kenntnis des gegenwärtigen Zuſtandes
der Litteratur in Rußland, 12 Bände, Petersburg, Riga und Leipzig 1772
—89 (in Weimar, die erſten 11 Bände auch in Nena vorhanden):
Margeret, Extat de l’empire de Russie et grand duche de Moscovie
avec ce qui s’est passe de plus memorable et tragique pendant lc
regne de quatre empereurs, Paris 1607 (auf beiden Bibliothelen nicht
vorhanden);
Zumarofow, Der falfhe Dimitri, Tragödie, Petersburg 1771 (ruffiich; vgl.
Bacmeiſter, Ruſſiſche Bibliothek 5, 152; auf beiden Bibliotheken nicht vor⸗
handen);
Scherbatow, Kurze Erzählung von den in Rußland geweſenen Anıtsperjonen,
Petersburg 1774 (ruſſiſch; vgl. Bacmeifter, Ruſſiſche Bibliothek 3, 244;
auf beiden Bibliothefen nicht vorhanden).
Daß Schiller Margerets interefjantes Memoirenwerf, auf das
ihn Wolzogen in zwei verjchiedenen Briefen beſonders aufmerkſam
gemacht hatte, gelejen und benugt hat, erhellt, meine id), ſchon daraus,
daß er ihn in der Scene im Kreml jelbft handelnd einführen wollte
(dgl. im Szenar 161, 29 und Kettner, S. LV). Wenn die Benugung
ji) im einzelnen weniger belegen läßt, als man denken follte, jo liegt
das wohl vor allem daran, daß Levesque, Schillerd Hauptquelle, in
jeiner Darjtellung erheblich von Margeret abhängt. Im ganzen auf-
jteigenden Teile des Dramas aber follte Demetrius fo auftreten, wie
ihn Margeret charafterifiert. Das Eremplar des ziemlich feltenen
Werkchens, das Schiller benußte, dürfte ihm Wolzogen bei jeiner
Heimkehr aus Rußland mitgebradyt haben. |
516 Albert Leitzmann, Zu Schillers Demetrius.
Bacmeiſters Ruſſiſche Bibliothek, die ich oben ſchon an drei
Stellen citiert habe, ein ziemlich witltes Hepertorium der gejamten
ruſſiſchen Yitteratur der betreffenden Jahre von Werfen Ttrengiten
wiſſenſchaftlichen Inhalts bis hinab zu ephemerer Tageslitteratur und
ABC-Büchern, hat Schiller vielleicht diejen oder jenen Hinweis ge:
liefert und ich) werde jie im folgenden noch einmal vermutungameiie
als Quelle beranziehen. Indeſſen it feiner dieſer Anbaltspunfte ge:
nügend geiichert, da ums and) andere Meöglichkeiten der Herleitung
in dieſen Fällen offen Ttchen. Durchaus zweifelhaft iſt ebenſo die
Benutzung der Reiſebeſchreibung von Coxe. Derſelbe giebt am Schluſſe
ſeines dritten Buches ausführliche Nachrichten über Leben und Tod
des Czaren Boris, an die er eine längere Auseinanderſetzung über
Demetrius und die Frage ſeiner Echtheit anknüpft. In Rückſicht auf
das inzwiſchen erſchienene Buch Levesques bat der franzöſiſche Uber—
ſetzer Mallet dieſe ganze Partie ausgelaſſen vgl. 1, 3255. Etwas
wahrſcheinlicher iſt die Benutzung des Buches von Gore an einer
ſpäter zu beiprechenden Stelle der Schillerſchen Kolleftancen. — Sicher
nicht benutzt hat Schiller die Werke von Schlözer und Scherbatow:
den erſteren verlangt er noch Ende Februar 1805 von Goethe ı: Schillers
Briefe 7, 216, der letztere iſt nichts als eine unfelbftändige Ver—
wäſſerung des Petrejus oder eines Petrejaners.
Was endlich das Iraueripiet Sumarokows angeht, aus dem
Nacmeilter an der oben erwähnten Stelle einen kurzen Auszug giebt,
jo iſt bei einem Demetriusdrama ohne jede pPinchologiiche Ent:
wicklung wie dieſes, das im Mreml furz vor der Schlußkataſtrophe
des Prätendenten anfängt, in dem weder Marina noch Maria vor»
tommt, jeder Gedanke an eine Vergleichung mit Schiller von vorn-
herein ausgeſchloſſen. Mur zu einer -chronologiichen Beftimmung läßt
ſich der Hinweis Wolzogens, der das Stück übrigens jelbit nicht
kaunte, verwerten: che Schiller von dem Vorhandenſein desjelben
erfuhr, alſo wohl vor dem Juni 1804 muß derjenige Teil des
Studienheftes niedergeichrieben ſein, im dem sid) die Notiz findet:
„Das ganz Nene des Stoifs, welcher noch nie auf der Bühne ge:
weſen, empfiehlt ihn auch“ 220, 7..
5, Kettner jucht in den Anmerkungen zn jeiner Einleitung die We:
nutzung noch folgender weiterer Quellen durd Schiller nachzuweiſen:
(#revenbruch, Tragoedia moscovitica sive de vita et mmorte Demetrii, qui
nuper apud Ruthenos imperium tenuit, narratio,. Nöln 1608:
Yarochelle, G:zar Demetrius, histoire moseovite, Barts 171%;
Relation eurieuse de Vestat present de la Kussie, Paris 1679.
Ich bemerfe, dan Grevenbruch und die Relation weder in Weimar
noch in Lena, Yarochelle nur in Jena auf der Ribliothek vorhanden
Albert Leitzmann, Zu Schillers Demetrins. 517
iſt. Die Benugung aller drei Werke ift jedoch), wie id) gleich im ein-
zelnen darlegen will, durchaus problematifch, wenn auch furforifche
Lektüre oder flüchtige Anficht der Novelle von Larochelle nicht in
Abrede geftellt werden joll. Unbedingt abzuweiſen aber ijt die allge-
meine methodijche Bemerkung, die Kettner bei diejer Gelegenheit
(S. LXVI) madt: „Im allgemeinen muß man ſich cher hüten, das
Quellenſtudium Schillers, wenigjtens in diejer Beriode jeines Schaffens,
zu gering als zu groß anzunehmen.“ Daß Schiller bei den Quellen:
jtudien für jeine Dramen irgendwelche Vollftändigkeit in der Kenntnis
der vorhandenen Litteratur angejtrebt habe, habe jie nun abhandelnd-
wiſſenſchaftliche oder dichteriiche Form, widerfpricht geradezu allem,
was wir von jeiner Arbeitsweife wiſſen. Bei allen jeinen ſpäteren
Dramen jehen wir folgenden Prozek: aus ein Paar Hauptquellen
orien iert er ſich über den hiſtoriſchen Stoff; nebenher läuft Studium
des Milieus, mit dem er es ſehr ernft zu nehmen pflegt, aus andern
Quellenſchriften; nirgends iſt auch nur der Schein einer Abficht
wahrnehmbar, alles einfchlägliche zu berückſichtigen und etwa an den
Quellen verjtandesmäßige Kritik zu üben, auf dem Wege vefleftierender
Betrachtung ein Gefamtbild feines Sujets zu gewinnen; unmittelbar
im Anſchluß an die hiftorifche Orientierung beginnt auch gleich die
iſche und ordnende Thätigfeit der Phantafie, die dem toten
Stoff belebt, die freie Ausgeftaltung; mit ihren wachjenden ort-
jchritten verjchwindet naturgemäß das Jutereſſe an den Quellen und
i geringeren Reichhaltigleit mehr und mehr, Wenn
Kettner dann fortfährt: „In welchem Umfange er damals die vor-
handene Yitteratur über einen dramtatijchen Stoff heranzog, hat eben
erſt im überrafchender Weiſe Noethe fir den Tell gezeigt“, jo muß ich
gejtchen, daß mic in Noethes Abhandlung, wovon ausführlider zu
reden ic mir ein andermal vorgejeßt habe, vieles nicht überzeugt und
daß mir feine negativen Nejultate geficherter jcheinen als die pojitiven.
Was id) bejonders Ktettner gegenüber betonen möchte, ift der mehr oder
weniger rein zufällige Charakter von Schillers Quellenſtudium, das
er wie Roethe mir zu ſyſtematiſch-wiſſenſchaftlich faßt. Dieſer Charakter
ift ſchon durch den zufälligen Beſtand der ihm für feine Zwecke zu⸗
gänglichen Bü herfammbungen bedingt; denm nur jelten hatte er, wie
bein Demetrius in Wolzogen, eine direkte auferbibliothefarijche Hilfe
zur Seite, die ſyſtematiſch ſuchen Fonnte. Ferner jcheint es mir
methodijch faljch, wenn Keitner die Benugung entlegenerer, bei der
ganzen Anlage des Stüds nicht berüdtjichtigter Quellen durch
Varallelismus einzelner Worte oder Wendungen aus der fertigen
Dichtung beweifen will: das heißt doch der gejtaltenden Phantaſie
Schillers und der rhetoriſchen Fülle ſeiner Diktton ſtlaviſche Feijeln
anlegen.
518 Albert Leißbmann, Zu Schillers Demetrius.
Daß Schiller an Larochelles Novelle nicht achtlos vorüber
gegangen ſein mag, kann man zugeben, ohne mit Kettner S. XXXIII.
LUNVIL ihn für die große Meichstagstcene oder fir den Abſchied
des Demetrius von Yodoisfa als beeinflugende Quelle heran
zuziehen; denn Schiller hätte die dichtertiche Potenz, den Grad
poetiicher Intuition micht bejellen, die er beſaß, wenn er für die
naheliegenden, unmittelbar aus der jedesinaligen Zitnation fliesen
den Gedankenreihen jener Scenen einer vorzeichnenden Hand be
durfte hätte.
Die Antlänge, die Kettner S. LAVII zwiſchen Schiller und
der Itelation eurieuse fonftatiert haben will, gebören teils zu der
eben erwähnten Kategorie gewiſſermaßſen der Zitnatten immanenter
(Gedauken, deren Paraltelisnus fernen bitoritchen Zuſammenhang
bedingt: teils finder man fie, wie Mettner ſelbſt angiebt, auch in
jeinen Hauptquellen. galt wie Ironie auf die philologiiche Methode
aber Sicht es aus, wenn Netter das Vorkommen der franzöfiichen
Worte bonne for in Schillers deutſchem Stontert 168, 23: vgl. aber
auch 146, 12. 180, 18. 186, 4. 220, 10, 230, 12. als Beweis für
Die Benutzung einer Ztelle der Irelation eurieuse anführt, wo Die
jelben Worte begegnen. Ich gebe bier, ohne Vollſtändigkeit besweden zu
wollen, was ich mir von derartigen ‚yremdivorten aus dem Demetrins
notiert babe. Franzöſiſche: subornenr Sb, 597 [örore sv, 18; sans
aven 90, 1.255, 57 devonement 90, 6.152, 4. 211, 26.233, 13;
avantitrier 95,10: 1nences 132, 9 auch bter wird von Kettner Z. 301
Margeret als Quelle jür nötig befinden : sous minin 156, 162 geriefs
136, 31. 137, 7 vl. auch Schillers Wriefe 7, 17: Geards 140,
7: ombraze 147, 31: soulevement 189, 19: aperen 156, 3%;
sinistre 157, 21: omnbrureux 161, 20: attent 162, 4: loynntè
162, 10: hruféenent 169, 3%: dupe 171, ®. 173, 55: haranıme
195, 255 presonnplion 195, 53 ressentiment 213, 13: elablisses
ment 225, 21: corps de grarde 231, 6: fover 258, 123 point
dWhonneur 252, 75 dazn die Inteiniichen: alinea 134, 303 inridia
110, 25. 180, 35: per nefas 150, 16; SUSpenstis 158, 45 aells
161, 27: syinbolmm 176, 557 sinistra Gnina 205, 153 fabrieator
doli 206, 33. 207, 52: forbuna 213, 20: eamdide 21%, 18: doli
faber 22», 55: objeetive 256, 5: fora 25%, 532: unanimia
243,2: Iiteras instenelionis 215, 12 eomiliohs 247, 245 asylum
210, 11,
Ten zwei von Kemer 2. LNVIE: behaupteten Anltängen
Schillers an Grevenbruch -arx incendio deletur = „Die ganze
Burg den Flammen übergeben” und abjerto monachali habitu ==
„das Mönchgewand warf ich entichlojfen ab“' kann ich keinerlei Be—
weisſskraft zuerkennen.
Albert Yeigmann, Zu Schillers Demetrius. 519
6. Das große Szenar wird in feiner machtvollen epiſch⸗drama⸗
tijchen Ausführung auf S. 134 —137 durch eingehende Notizen über
den polnischen Reichstag und den König Sigismund unterbrochen,
die ji) auf den erjten Blick als Excerpte aug einer Hiftorijchen Quelle
erweijen. Schiller fühlte die Notwendigkeit, den polniichen Verhält-
nijjen und ihrem Zufammenhange mit dem Scidjal des Demetriug
genauere Aufmerffamfeit zu widmen; wir erinnern uns, daß ihm
auch Wolzogen in einen der oben citierten Briefe geichrieben hatte,
man müſſe bei Betrachtung diejes Abſchnitts der rujjiichen Gefchichte
mehr auf Polen, von wo die erregenden Momente ausgegangen feien,
als auf Nupland hinbliden. Daß Schiller hier einer bejtimmten
Quelle folgt, hat auch Kettner (S. LXIX) gejehen; er vermutet Be-
nugung von Solignacs Allgemeiner Geihichte von Polen oder
Spittler3 Entwurf der Gefchichte der europäiichen Staaten, geht
aber damit in der Irre. Von einer Seitenzahl aus, die mitten in
diejen Excerpten (137, 14) jteht, die freilich Goedeke (S. 538),
obwohl fie nicht ftimmt, unbejehen auf Connor, Schillers jonitige
Dauptquelle für polnifche Dinge, bezieht, war die richtige Spur un-
ſchwer zu gewinnen. Schillers Quelle für diefe ganzen vier Seiten
des Szenars war Samuel Friedrih Lauterbachs Bolnijche
Chronife oder Hiltorifche Nahriht von dem Leben und Thaten
aller Herzoge und Könige in Polen, Frankfurt und Leipzig 1727.
Dieraus ercerpierte er die beiden Kapitel über Sigismund II. und
Vladislaus VI. Ich Stelle im folgenden die Entjprechungen tabellarijch
einander gegenüber.
Schiller. £auterdad.
134, 33 Päpftliher Nuntius auf dem S. 490: Dahero wähleten jene ....
Reichstag. Sigismundum aus Schweden, die
andern aber... .. imgleichen der päpft-
liche Nuntius Franciscus Malafpina
.... den Erzherzog DMarimilianum
(vgl. au ©. 563).
134, 34 Yateiniiche Zprüche. Haec est ©. 523: Der biichof von Lemberg
dies, quam fecit dominus (vgl. auch .... als damals der Bornehmite im
137, 6 Lateiniſcher Spruch de8 Erz Neichsrat hielte auch eine Rede von
biichofs). der Einigfeit, die er alſo anfing: haec
est dies, quam fecit dominus.
135, 1 Radziwill, Opalinski. Der Kardinal Rabdziwill wird S. 499.
507. 540, der Woiwode Opalinsky
©. 522 erwähnt.
135, 3 Bwanzigjähriger Friede mit S. 509: Die Mostowiter ſcheueten aud)
Moskau nad) einem dreigigjährigen Sigismundum als einen mächtigen
Kriegselend. Nachbar und gingen auf fein Anhalten
gerne mit Schweben einen Frieden
auf zwanzig Jahr ein, dergleichen er
diefem eich die ganze dreißig Jahr
520
135, 5 Sigismund hat die ſchwediſche
Krone verloren anno 1602 ivgl. auch
135, 33 er ſelbſt bat über dem Wahl⸗
reich ſein Erbreich verloren:.
135, 7 Nrieg mit den Schweden in Lief—
land.
135, 9 Ber verianmmeltem Reichstag
ipricht er felbjt nie «vgl. auch 136, 1
er iſt ſtumm umd zurückhaltend von
Natur.
135, 30 Sigismund muß ſich vorwerfen
hören, daß er in den zwanzig Jahren
ſeiner Regierung ſeine Kapitulation
nicht recht gehalten, daß er ſeinen
Zohn Vladislaus zum Erbkönig zu
machen ſtrebe vgl. auch 136, 31 was
fir griefs batte man gegen den König?
Aruch öieiner Napitulation: vgl. auch
37, 18.
135, 35 Sigismund kriegt noch unmer
mit den Schweden in Liefland.
136, 1 Er iſi . ein Feind Des Kriegs,
ein Freund der Weiber.
136, 21
134, 21
136, 33 Ter König wollte heuraten und
zwar cine Tfterrenhern
Ranzler „jamostt vgl. auch
137, 1 Emwiiehlt feine Kinder Der Me
publit.
137, 7 EGriefs gegen den Konig: 1 daß
a ſeinen Prinzen Reichsamter gebe,
einem Kind das Biſstum Ermeland
Albert Leitzmann, Yu
Schillers Demetrius.
her, ſolange als der Krieg ſchon ge
währet, nicht zuſtehen wollen.
Wird S. 512 erzählt; doch kam es end
lich dahin, daß König Sigismundus
ſein Erbkönigreich mit dem Rücken
anſehen müſſen.
S. 512: König Sigismund ließ inzwi
ſchen ſeine Feldherren . . . den Krieg
in Liefland mit den Schweden führen.
S. 497: Daher kam es, daß ſich der
nöng ſo ſtumm und wenig redende
angewöhnet und auch hernach bei rei-
feren Jahren, ja gar im Alter, wenn
er gleich angeredet worden, lange :zeit
ſtille geichwiegen und allererit nadı
einer guten Weile etwas geantwortet.
S. 522: Doch gaben jene viel Beſchwer
den wider den König ein, unter denen
ſie überhaupt klagten, er hätte dieſe
zwanzig Jahr ſeiner Regierung noch
nicht angefangen ſeine beſchworene
Reichspuntte zu erfüllen: beſonders
aber beſchuldigten ſie den König, er
ſuche hiedurch nichts anders als ſeinen
neumgährigen Prinz krönen zu laſſen
und ſie um ihre Freiheit zu bringen.
Wird ausfuhrlich S. 540 eryäblt.
S. 510: Er war auch lieber beim ‚grauen
zimmer als da, wo die Soldaten ge—
muſtert werden.
Wird Z. 501. 513. 517 erwähnt.
S. 516: Inzwiſchen dieſem allen ging
Konig Sigismundus mit andern (We
danten um, nemtlich Sich wieder zu
verberraten .... wieder nach XÜiter:
reich zu geben und dev veritorbenen
Koͤnigin leibliche Zweiter zu bei
raten.
Z 551: Endlich hielte der König feinen
lebten Reichstag . . . . da er ....
zugleich Feine Kiuder der Republik aufs
beste relommendierte.
ziemliche Klagen wider
ihn ſelbſt aufs Tapet kamen, als daß
er das ermländiſche Bisſstum ſeinem
Prinzen Johanni Alberto tonferieret,
jo doch wider Die Reichsgeſebe, welche
die Krinzen vom tGGeblüte von allen
Reichvämtern ausſichliehßen, zumalen
auch beiagter Prinz noch micht von
gebührendem Alter faſt wortlich ebenio
nochmals S. Die.
” “
m. ode!
u
Albert Feigmann, Zu Schillers Demeteius. 521
137, 9 Munzrecht.
137, 10 Jeſuiten find vielgewaltig
137, 11 Diffidenten werden ſehr zurück⸗
gefegt.
137, 12 Lubomirsti. Offolinsti..
137, 13 Zaporaviiche Koſalen.
137, 14 Vrachttleider der Polen 579.
137, 15 Spion in einen Baum verffeidet
Goedete wie Kettner Iefen „Bauern“
fiir „Baum“, die Handichrift hat deut-
lich „Baum“).
137, 16 Sigismund ift file bie Deuts
fchen.
137, 17 Einer jagt, fein Kutſcher fei auch
ein Biaft.
137, 22 Stanislaus diabolus (mie aus
6 hervorgeht, wollte Schiller
in der Scene zwiſchen Marina
und den Cbelleuten” einführen ober
dod) von ihm reden Laffen).
137, 23 König erfauft Güter wider die
Reichsverfaffung.
Guphorion IV.
©. 551: Der König Be guten
Willen ber —— Müngeedht
ab, welches — die aan nur
als ein Regale für ſich
©. neh —— ze
ei el in ihm die Jeſuiten
fehe Härten, die ftets um ihn waren;
jo daß — ſelbſt laugnen
m «8 wäre alles am Hofe durch
— jangen und, wer fie
zu * t, EN auch alles
©. 553: die Difidenten zu
keinen — Amern mehr gelaffen
wurden, viel weniger in ben Reichsrat,
Der Felbherr Yubomixsti wird ©. 538.
570, der Geſandte Offolinsti ©. 562.
577 erwähnt,
©. — Die zaporavienfiichen Koſalen;
igion "war er
Sala nam I emein — * *
geteil a fie
5 anne —* uid zaboro«
©. 579 werben bie einer
39 Sejand!
ei he
es: Es gebrauchte fid der König
eines —— — der Stadt von
KR —
wiſſer Soll verfleidet alio,
er jeinen ganzen feib mit —
em von — umwaud und
feinen Bamne ziemlid) Sinti jahr.
©. 509: Die Folen Hagten, daß ...
nun ber Germanismus und die teutiche
Gewohnheiten durch die auslandiſchen
Könige und ihre Miniſtros bei Hofe
2. und nach — feien.
—
"ie — re
17 auf fol
der ein Pia
— J——
ern würde
— Stadnici, den ——
wegen boshaf tigen Unart
———— Mann
nennen pflegte.
539: Darnach hatte die Königin bie
abermals >
die den Königen exbeige
fü zu bringen nicht en
722 Albert Yeitinann, Zu Schiller Temetrius.
Nebenbei mag noch erwähnt fein, dar Yauterbad, S. 524 in
der Geſchichte Sigismunds II. aud) einen kurzen Überblick über die
Schidjale des falſchen Demetrius giebt, der natürlid für Schiller
feine weitere Bedeutung gewinnen Fonnte. Chronologiſch dürfte man
mit der Annahme jchwerlich fehlgehen, day der Tichter die Chronik
Lauterbachs jpäter las als alle jeine übrigen Dauptquellen, wahr-
Scheinlich erit während der Arbeit an dem großen Zcenar und infolge
jeines Entſchluſſes mit der NReichstagsicene und dem Einblid in die
polniichen Wirren jein Ztüd zu eröffnen. Leider Icheint feine abfolute
Zeitbeſtimmung möglich.
1. Noch an einer andern Stelle von Schillers Nachlaß treffen
wir auf eine Spur jeiner Yeftüre der Yauterbadhihen Chronit.
Goedeke veröffentlichte Sämtliche Schriften 11, 416: unter Gedicht:
entwürjen und ‚fragmenten Aufzeichnungen für eine Ballade „Her:
zogin Vanda“. Die ſagenhafte Gejchichte dieſer polniſchen Herzogin
erzählt Lauterbach, S. 21, während ſtrengere Hiſtoriker, wie z. B.
Lengnich, dieſe ganze mythiſche Periode fortlafien, und aus ſeiner
Faſſung iſt Schillers Entwurf teilweiſe wörtlich hervorgegangen, wie
die folgende Vergleichung lehrt.
Schiffer. Santerdah.
Herzogin Vanda. Zutenüberichrift S. 21 - 28.
Vanda heißt die Angel: Ne beißt fo, wel S 25: Sie ioll eine ausbündig ſchöne
ſie ſehr bezaubernd war. und dabe: hochverſtändige Vrinzeſſin
geweſen fen, davon fie auch ihren
Kamen berbaben ioll, der fo viel heißt
als hamus. ein Daten oder Angel,
werl fe durch ihre ungemeine Freund
lichte.! aller Gemüter an ſich ge
zogen.
25: Tenn als ſie Lechum um des
(u
Sie tit Die Tochter von Cracas, drs Er
bauers von Krakau Datte zwei Bruder, Arıders Mords willen ins (lend
Davon Lechus Der jungere Den alteren jagten, machten Ne dieſer beiden leib
ermordet, ihm in der Regierung ge liche Schweiter Randam . . . . zu ihrer
folgt, aber zulent vertrieben worden Herzogin vom Herzog Cracus iſt
»Cracas nt wohl fin Cracus vr 2. 12, von der Erbauung Krakaus
Ivien Z 15, von Yabuz und ſeinem Bruder
BJ
meord Z. 19 Die Rede.
Zi ſichlagt den deutichen Füriten Ru 26: Inter andern ſoll auch ein ge
{u
diger aus, Der ſie heftig liebt Erſthat winer teuticher Fürit mit Ramen Wi
daraui einen Feldzug gegen Nr. end diger oder Ritogarus ſich nm ihre
aber geichlagen oder auch von rnen viebe bewerben, aber allezeit eine ab
Koltern vrerlalien, werauf cr uboweibst ichlagichte Antwort erhalten haben . ...
entleibt, mehr aus vichbeschmerz als Und als jener mer Gewalt ſich holen
andrer Uriach Vanda mar. Vanelbı wollen, was ihm ın Der Güte verfaget
terra. Varıda arıı umpernatoete wwüurde, auch deswegen wider Polen zu
Felde zog, kam ihm die umerichrodene
Albert Leigmann, Zu Schiller Demetrius, 523
Auf der Weichjelbrhete zeigt fie ſich
fireftlich gejchmlict dem verfammelten
olf, weldes in fie gebrungen, ſich zu
vermählen. Man erwartet, daf fie aus
den erjten des Landes einen Gemahl
wählen werde... Sie will nichts
wiffen von Siebe; auf Freiheit und
Banda mit Volfe ſogleich ent
em und jagte fein gaı er in
Be ht, — — Sder
nad) anderer Bericht hatten ſeine eigene
Leute feine Luft wider ein ſolch herdiſch
uenbild zu fechten und legten das
ewehr nieder. Darob ſich der lift
fo gegrämet, daß er auch nicht mehr
leben mögen und ſich angefichts feiner
ganzen Armee mit diefen Worten felbft
entfeibet: Vanda mari, Vanda terrae,
Vanda aeri imperat, pro suis victi-
met et ego pro vobis, o mei pro-
eeres, solennem inferis hostiam
— Riht fängt darf ha f
S. 26: Nicht aranf hat fie die
Sandftände berufen und auf heidniſche
Weiſe ein großes Feſt mit Aufopfe-
rung vieles Viehes begangen und fo
denn ſich von der Britete in Die Weichjel
eftütezet und extränfet. Umiffend, was
k Fr diefer Tat beweget, ob, weil
feine Yuft zum Heuratin gehabt,
Ruhm ift einzig ihr Sinn gebeftet. fie
dazu fie doch die Stände möti
wollen, oder ob fie bejorget, il ulm
möchte durch widrige Ai le verge
ringert werden, oder ob fie ſich hientit
bei der Nachwelt gar verewigen wollen
..., läßt man umenterfuchet.
Die übrigen Säge: „Sie fit auf einem ſchönen weißen Pferd
in jumgfräulichem Staat mit Edeljteinen u. |. w. So haranguiert fie
das Volk, erzählt von ihrem Vater, von Krafaus Erbauung u. ſ. w.“
find jchon die Anfänge einer Inventio (vgl. auch Demetrius Vers
756) und haben bei Lauterbach feine Entfprehung. Dlugoſſus' Historia
Poloniae, die Goedefe anführt, fann nad) dieſer Zufammenftellung
Schillers Quelle nicht gewejen fein; zudem bringt fie die lateiniſchen
Worte nicht ganz im der obigen Faſſung. Nun wird es and) möglich,
die Entjtehungszeit des Entwurfs näher zu beftimmen: er gehört in
die Zeit der Arbeit am Demetrius, alſo in den Ausgang 1804 oder
Anfang 1805.
8. Es bleiben nun nur noch die Quellen für vier Abſchnitte
des Studiendeftes zu beftimmen, zumächit für die Überjicht über
die vier Vorgänger des Boris (©. 218). Slettner bemerkt
( ‚Aus welcher Quelle Schiller diefe kurze Überſicht jchöpfte,
weiß ic, nicht. Auffallend ift die Zahl der Gemahlinnen Jwans 11,
Eine beftimmte gejchichtliche Quelle kann hier ſchon deshalb nicht zu
Grunde liegen, weil Schiller, der die Aufzeichnung wahrſcheinlich aus
34*
524 Albert Leitzmann, Zu Schillers Demetrius.
dem Gedächtniſſe machte, hier Iwan Waijiljewitich II. mit feinem
gleichnamigen Großvater verwechſelt hat: Sophia Palaeologa, grie:
chiſche Prinzejfin, die er (214, 12) als zweite Semahlin Iwans des
Schredlichen aufführt, war die Frau Iwans I., wie alle hiftorijchen
Quellen richtig angeben (vgl. Levesque 2, 2841. Ach halte den llber-
bli@ im wejentlichen für eine freie Relapitulation der gelefenen Ge⸗
Ichichtswerfe (Treuer, Müller, Yevesque u. |. w.). Auch die Zahl
der Gemahlinnen Awans des Schredlichen it nicht auffallend, wie
Kettner meint. Schiller fchrieb: „Er hat mehrere Gemahlinnen“
und verbejferte dann das „mehrere“ in „ſechs“. Levesque giebt an
(3, 1311: „Les etrangers ont cerit. qu’il avait eu successivement
sept femmes:; il est certain, qu’il en eut cinq'“: vgl. ferner 3,
164. 5, 273. Dies leptere nahm Schiller in den Demetrius auf
(Vers 82; doch vergleiche die Yesarten,. Bei Müller (5, 191 heißt es:
„verichiedene Gemahlinnen“; doch jagt er jpäter 5, 461, Temetriug
jet aus der jedhiten Ehe geboren worden. Daß Iwan mandperlei
Maximen Peters des Großen hatte 214, 4), erzählt gleichfalts Müller
5, 9115; ebenjo 15, 19: die Annahme des Gzarentitels ı 214, 34).
Tie Erzählung von dem dem Geſandten auf den Nopf genagkiten
Hute «214, 6: konnte Schiller z. B. in Schmidt-Phiſeldecks Verſuch
einer neuen Einleitung im die ruſſiſche Geſchichte 1, 235 leſen; mit
diejem früheren Braunfchweiger Profeſſor, damaligem Wolfenbütteler
Arcivar, war Goethe gerade damals im Juli 1804 in brieflidhe
Beziehung getreten «vgl. Goethes Briefe 17, 156.
Woher entnahm Schiller die Poloniea S. 2421? Goedeke
2.335: citiert Parallelftellen aus Connor, Schillers jonftiger Tuellc
für altes Poluiſche, ſoweit es die Reichsverfaſſung betrifft; doch teils
will das, was er anführt, nicht recht ſtimmen, teils findet er, wie
z. B. für 242, 33 „Ansländer können gar nichts darin bejiken“,
bei ibm nichts entiprechendes. NKettner :Z. 309: lärt die Zchwierigfeit
ungelölt und jagt nur: „Jedenfalls nicht Connor, wenn fich bei ihm
natürlich auch ähnliche Angaben finden.” Meine erite Vermutung
ging auf eine der viclen lateiniichen Bearbeitungen der polniichen
Veriaſſung, da mir die lateinischen Wendungen wie herübergenonmene
terinini teehniei erichienen, obwohl mir andererieits der (Hejamt:
inhalt dieſer Notizenreihe denn dod) zu mager, zuſammengewürfelt
und unvollſtändig vorkam, um Benutzung einer jo vollkommenen
Quelle zuzulaſſen. Doch ſah id) bald, dan 3. B. die königlichen
Zcendbrieie bei feinem Antor literae instruetionis heißen, und mußte
daher zu einer andern Auffaffung fommen. Ich halte auch diefen
Abſchnitt wie den vorher beiprocenen für eine ganz oder teilweiſe
gedächtnismärige Niederichrift von Bemerkungen über Polen aus
verichiedenen geleienen Tuellenichriften und nehme zugleich) an, daR
Albert Leigmann, Zu Schillers Demetrius. 525
er die frühelte Aufzeichnung Schillers über dieſen Teil. feiner. Auf:
gabe repräjentiert, der ihm in feiner Wichtigfeit und feinem künftige
Umfang noch nicht klar geworden war. Daß vereinzeltes aus Connor
ſtummt, fjcheint mir doch annehmbar: fo 3. B. der außer Connor:
©. 548 nicht vorfonımende „Trommelſchläger“ (242, 29). Für eine
Reihe von Gedanken war, wie die wörtliche übereinſtiminung zeigt,
Archenholzens im 12. Stüd der Horen 1795 erſchienenes hiftorifches
Fragment „Sobiesky“, bejonders die allgemeine Einleitung dazu, die
Quelle. „Das Lokal und Koftüme ift lebendig und treffend dar-
gejtellt,“ hatte Schiller feiner Zeit dem Verfaſſer gejchrieben (Briefe
4, 380). ch ftelle wieder die Entiprechungen einander gegenüber.
Sdiller. Arhenbol;.
242, 28 Polniſche Edle können gemeine ©. 65: Edelleute, die den Handel für
Dienfte verrichten, nur fein Handwert entehrend hielten, nicht aber Die niedrig-
treiben. Ztallfnedhte ... . fönnen zu ften Dienfle und Peitjchenhiebe, die Be
den höchſten Würden gelangen. als Stalltnechte empfingen.
242, 32 Der Bauer iſt leibeigen in S. 64: Der Landmann lebte in der tief-
Polen. ſten Sklaverei; vgl. auch S. 60: Neger⸗
artige Sklaverei der bei weitem groͤße⸗
ren Anzahl der Einwohner Polens.
242, 34 Auf den Reichſstag kommen die S. 67: Innerhalb dieſem Wahltheater
Senatoren .... ferner die Nuntien befanden ſich alle Großen des Neichg,
oder Fandboten. die Senatoren und Landboten.
213, 2 Ein Reichsſchluß erfordert unani- S. 65: Und doch war es dem ärmften
mia. jchon ein einzige8 Veto zerreißt Landboten erlaubt durch fein einfaches
den Reichstag; vgl. auch 243, 12 Ein Beto die durch die ganze gefetsgebende
gemeiner Yandbote zerreißt den Reichs⸗ Macht befchloffenen Geſetze zu her
tag. 5 und einen Reichstag zu zer⸗
reißen.
Hier iſt der einzige Punkt, mo auch das erſte Bud) von Coxes
Neijebefchreibung benugt fein könnte. Dort heißt e8 1, 64: „aucune
resolution n’est valide qu’autant que la diete l’a approuvee
unanimement, et chaque nonce a le pouvoir de suspendre
toutes les operations de la diete”; 1, 76: „si les paysans -
n’etaient pas esclaves et attaches a la terre de leur seigneur”;
auch ſtellt jich fein „officiers de la couronne” (1, 62, 66. 89) zu
Schillers „Kronoffiziere“ (242, 35). Doch jcheint auf Archenholz,
S.65: „Der Landbote Sycinsty war der erfte, der auf dem Reichs⸗
tag zu Warſchau 1652 fein Veto ausſprach; man wollte ihn dafür
in Stüden hauen; er entging den Säbelhieben“ auch die Scene im
Demetrius zurüdgeführt werden zu müffen, wo die über fein Veto
wütenden Landboten mit den Säbeln auf Sapieha eindringen (dgl.
beijonders Vers 471 „Nieder mit ihm! Haut ihn in Stüden!*), wonon
feine Duelle jonit berichtet.
26 Albert Leitzmann, Zu Schillers Demetriuß.
Wir fommen zu den „Redensarten, Zügen, Partifularien“
(S. 258), die natürlich nicht zur gleichen Zeit aufgezeichnet wurden,
uns alfo einen Schluß geftatten, in welcher Reihenfolge Schiller die
Tuellen las.
258, 17 Tas weiß Gott und der große
Fürſt; vgl. auch 145, 15.
258, 18 Muffen ftatt murren: 19 lau-
ftern Statt lauern.
268, 20 Brod und Zalz bedeuten nad’
und Liebe; vgl. auch 145, 14.
58, 21 Die Haren Augen des Czars
erbliden.
208, 22 Wer kann wider Gott und Groß:
neugart?
258, 23 Muntere Vrüder ftatt junge
Krüder: vgl. auch 145, 14.
Olearius S. 221: Tas weiß Gott un
der große Fürft; Kettner (3. 312
führt nur Yevesque an.
Nach den Wörterblichern find beide Worte
im 16. und 17. Nabrhundert ganz ge⸗
bräuchlich und bei verichiedenen Schrift:
ftellern belegt. Jch vermute daher, daz
fie aus Olcarius notiert find; obwohl
fie in dem Rußland betreffenden Teile
feiner Reife nicht vorfommen, Könnten
fie doch in dem Berfien betreffenden
gebraucht fein, den ich darauf nicht
durchgeieien habe. Tie Worte lehren
uns, daß Zchiller die Sprache feiner
rufftichen Yauern durch archatfche deut:
ihe Worte dharafterifteren wollte.
Steht fo nirgends in Schillers Cuellen;
die Zitte erwähnen Müller 5, 277 und
Treuer Z. 336.
Olearius S. 221: Bor den Großfürſten
ericheinen heiſſen fie ihrer cyarifchen
Maieſtät Mare Augen ſehen; ähnlich
auch S. 129. 199. 222 Kettners
Jablen S. 312 find falſch. Auch
Ireuer 2.24 braucht die Wendung.
Steht außer den von Kettner (2. 312)
angeführten Ztellen auch bei Treuer
2. 12 ıvgl. 244, 61 und bei Yauter-
bah Z. 00.
Miller 4, 448: Alsdenn fräget der Ko:
fhewoi: mie, meine muntere Brüder?
Im Ruiftichen wird allezeit Das Wert
Molodzi gebrauchet, welches junge
Männer bedeutet.
Tie ruitiihen Sprichwörter endlih S. 258%, entnahm
Schiller nicht aus Roddes Ruſſiſcher Sprachlehre oder aus Hupels
Nordiichen Miscellaneen 8, 232, wo er eine reiche Auswahl ins
Teutiche überiegt finden Eonnte, fondern aus einem Petersburg 1783
erichienenen, nur einen Bogen ftarfen anonymen Heftchen, bas ben
Zitel trägt: „V'yvbornyja vossijskija posloviev” ı „Ausgewählte ruffifche
Sprichwörter": vgl. Bacmeiſter, Ruſſiſche Ribliothek 8, 207). Die
Heihenfolge erweilt die Benutzung. Wolzogen wird das Heftchen aus
Rußland mitgebracht und Schiller, der nicht ruſſiſch konnte, die UÜber⸗
ſetzung von ihm Lefommen haben.
Albert Leitzmann, Zu Schillers Demetring. 527
Sdilfer.
358, 25 Ein Reid) zertrennt nimmt bald
ein End; vgl. aud) 145, 3.
258, 26 Der Fluchtige hat Einen Weg,
wer ihm nadjfezt, hundert; vgl. aud)
145, 3.
258, 27 Aſtrachan ift reich an Stören,
Sibirien an Zobeln.
259, 1 Die Sad) ift recht, nur ſieh fie
red.
259, 2 Die grline Traube ift herb, der
Yüngting ſchwach =
u Ein Zeitungsträger hat deg wenig
te.
259, 4 Bruderliebe ift beffer als fteinerne
Mauern; vgl. aud) 145, 4.
259, 5 Der Naden der Gemeinde ift
far; vgl. auch 145, 5.
259, 6 Verftand beim Yüngling, Eis im
Frühling; vgl. aud) 145, 10.
Raten iſt ftolz worden,
es will nicht vom Ofen herab.
259, 8 Wenn kein Pfliiger wär, wär
auch kein Sammetweber.
259, 9 Du wirft micht alles auffangen,
was auf dem Wafjer ſchwimmt; vgl.
auch) 145, 6.
259, 10 Der Hund ift raud), drum friert
ihm nicht, der Bauer it veich, drum
Hagt ex nicht; vgl. aud) 145, 7.
259, 12 Gewinn und Berluſt wohnen
in Einem Haufe; vgl. aud) 145, 7.
259, 13 Man nimmt did, auf nach dei⸗
nem Rod, und begleitet dich weg nad)
deinem Berftand.
259, 15 Die alten Propheten find tobt,
die neuen fagen nicht wahr; vgl: audy
148, 8.
259, 16 Mit Stilleftchen erobert man
fein Schloß.
259, 17 Er zielt nar einem. Kranich und
traf einen Sperling.
259, 18 Dem Stehenden wirds ſauer
mit dem Sitzenden zu reden.
259, 19 Das ift wohl wunderbar, was
auf dem Eis gefotten war; vgl. auch
145, 10.
259, 20 Der Morgen ift Miiger als der
Abend; vgl. aud) 145, 9.
259, 21 Womit man jpielt dran ftößt
man ſich.
Poslovioy,
Nr. 1 (S. 3): Ase carstvo razdelitsja,
vskore razoritsja.
Nr. 2 (2.3): Beglomu odna doroga,
a pogonsiku sto.
osetrami,
Nr. 24 (©. 5): Delo pravo, tolko
razsmatrivaj geramg:
Nr. 25 (S. 5): Zelen vinograd ne sla-
dok, a mlad tschelovek ne krepok.
Nr. 41 (S. 7): Kto perenosit vesti,
tomu ne mnogo tschesti.
Ar. 47 (S. 8): Ljuboy bratskaja
Intschsche kamennych sten.
Nr. 50 (S.8): Mirskaja scheja tolsta.
Nr. 51 (©. 8): Molodenkoj umok,
tschto veschnej ledok.
Nr. 55 (©. 8): Napala na koschku
spes, ne chotschet i su petschi slezt.
Nr. 60 (. 9): Ne budet pachatnika,
ne budet i barchatnika,
Nr. 61 (S. 9): Ne vsju to perenjat,
tschto po reke plyvet.
Nr. 76 \ 11): Pes kosmat, jemu
a 10; a muzik bogat, jemu Zi
Rı N F ): Pribs ub;
t. 80 (S. 11): Pribyl su ju na
odnom Zivut ver 7
Nr. 81 (S. 11): Razumnoj vidit, tschto
za tschem idet.
Nr. 86 (S. 12): Staryje proroki po-
merli, a novyje pravdy ne skazy-
vajut.
Ne. 57 (2. 12): Stojanjem goroda ne
vozmesch.
Nr. 89 (S. 12): Streljal vu zuravlja,
a popal vu vorobja.
Nr. 88 (S. 12): Stojatschemu su
sidjatschim tradno govorit,
Nr. 96 © 13): To mudreno, tschto
na ledu sv;
0.
Nr. 108 (&. 14): Utro velschera ınu-
m sie ): Tschı ajesch,
(x. 123 (S. 15): Tschem pojigrajesch,
tem 1 eischibeschea,
_—
528 Albert Leitzmann, Zu Schillers Demetrius.
ll. Sur Tertkritik.
1. Goedekes Ausgabe des Demetrius und der übrigen nad)-
gelafjenen Entwürfe Schillerd war wiflenjchaftlid unbraudybar vor
allen aus dem Grunde, weil er die einzelnen Blätter nicht jo ab:
druckte, wie er fie vorfand, wonit der Forſchung ein feiter Boden
dargeboten worden wäre, auf dem ſich weiterbauen ließ. Er unterzog
vielmehr den dramatischen Nachlaß einer mehr oder weniger gewalt-
jamen Nedaftion, zu der ihn eine vorgefante Meinung über Schillers
Arbeitsweiſe beftimmte: „Ich bin beftrebt geweien, vom Allgeineinen
in das Specielle zu führen, um dem Wege zu folgen, den der Dichter
gegangen ijt“, jagt er Schillers jüntliche Schriften 15, 2, VII (vgl.
auch Kettner, Schillers Warbed, ©. 4). Für einen neuen Heraus—
geber war es eine jich von jelbft verftchende “Forderung, überall auf
die Handichriften zuriüdzugehen und jie mit jtrengfter philologiicher
Treue zu reproduzieren. So liegt uns denn in Kettners Ausgabe
der erfte wiſſenſchaftlich brauchbare Abdrud der drama:
tiihen Entwürfe Schillers vor. Was insbefondere den Demetrius
betrifft, jo treten ung bei Kettner die einzelnen Ztufen der Formung
und Geſtaltung des gewaltigen Ztoifes aufs Harjte vor Augen. Er
läßt in jeiner Ausgabe den ansgearbeiteten Torjo, die Skizzenblätter
und die Vorſtudien aufeinander folgen: „aus äußeren Gründen“
(2. 261: iſt dieie dem hiltortichen Gange der Arbeit Ichnurftrade
zumwiderlanjende Anordnung gewählt worden, die ich lieber durch Die
ungefchrte naturgemäße erjeßt geichen hätte. Die Lesarten zu den
fertig ausgearbeiteten Scenen leiden dadurd an großer Unüberſicht-
lichkeit, day; die der letzten Neinjchrift vorhergehenden Redaktionen in
fie hineingearbeitet ſind. Hier war überall ein volfftändiger Abdrud
der einzelnen Medaktionen, wenn er aud) ein paar Seiten mehr ein«
genommen hätte, unbedingt vorzuziehen: denn an manchen Stellen
tft cs für den Yeier eine wahre Qual, durch den Wald der Einzel-
lesarten ſich zu einem klaren Ausblid auf längere Streden des fort:
laufenden Tertes durchjuarbeiten, und man athmet an den wenigen
Ztellen auf, wo der Derausgeber, von derjelben Empfindung geleitet,
uns anf Heine Entfernungen ungehindertes Fortleſen vergönnt. Für
Die Scene des Abjchieds des Demetrius von Yodoiela hätten S. 291
neben Zuphans Aufſatz auch der erſte Trud Minors ı Aus dem
Schillerarchiv, S. 117, und der Auftakt Düntzers ı Vierteljahrichrift
für Yitteraturgeichichte 4, 173 genannt werden follen.
An einigen Ztellen iſt Nettner unnötigerweiſe von der
Yesart der Handſchrift abgewichen. Ders 160 iſt doch wohl
„Das Herz“ ftatt „den Wunſch“ zu leien. Vers 216 braucht „Wafili“
vor „Philaret” nicht entfernt zu werden: die metriiche Form des
Albert Leitzmann, Zu Schillers Demetrius. 929 |
Zorfo ift auch in der fogenannten Reinſchrift noch nicht überalf
endgültig revidiert und auch ſonſt finden fich mehrfach jechsfüßige
Verſe (vgl. 113. 570. 822. 955. 1803 und Zarncke, Kleine
Schriften 1, 416). Nach Vers 606 ift das Komma zu bejeitigen,
denn „Iwan Bafilowiz“ ijt der Genetiv; die Stelle liegt nur in
Rudolfs Abjchrift vor. Vers 684 ift doch vielleicht nur „ſprich,
Königin” zu leſen; Schiller Hat „sprich“ irrtümlich doppelt für
„gebiete” und für „meine“ Hineinforrigiert. Warum. ift vor Vers
700 das Handichriftliche „was vorgeht” ausgelafien und damit der
Sinn des Sates verftümmelt worden? Nach Vers 769 find die
handichriftlichen Worte „und id) erfchrede, wenn es uns mis“ als
Variation des Gedanken beizubehalten (vgl. darüber Kettner, S. 262).
Vers 1302 ift „jo was heucheln, lügnerifch erfinden“ mit der Hand»
ichrift zu lefen, die fo zwei aufeinander folgende Sechsfüßler bietet.
Den Hörfehler Lottens „in jeden Zeiten” für „in jenen Zeiten“ in
der Lodoiskaſcene Vers 245 durch eine Parallelſtelle aus Balthafar
Schupp zu retten verjuchen fcheint mir ein von vornherein unglück⸗
lidhesS Unterfangen, zumal aud der Plural „auf jeden Atomen“ im
„Spaziergang unter den Linden“ (Sämtliche Schriften 2, 353, 830)
jicher nichts iſt als ein Drudfchler, eine Auffaſſung, auf welche fchon
der ganze rhetoriiche Parallelismus der Stelle mit Notwendigfeit
hinführt („jeder Tropfe .... jeder wehende Staub .... auf jeden
Bunft .... auf jedem Atomen”). Endlich ift 220, 12 „wahrhaftig
dramatiſch“ ohne Grund in „wahrhaft dramatiſch“ geändert. Kleinere
Regulierungen der Interpunktion, die an ein paar Stellen (Bers 22.
83. 287. 462. 1303; ferner 96, 2. 178, 6. 194, 85) troß de3 gegen-
teiligen richtigen Prinzips des Herausgebers (vgl. S. 263) vor-
genommen worden find, will ich hier nur der Volfjtändigfeit halber
mit erwähnt haben.
2. Ich komme zu der Frage der Zuverläffigkeit des Kettner-
hen Tertes, was die einzelnen Worte anlangt. Selbſtverſtändlich
habe id) nicht feinen ganzen Text nach den Handichriften des Schiller:
archivs nachverglichen. Ich that dies jedoch in einer fehr großen Zahl
von einzelnen ‘Füllen und wählte dazu alle diejenigen, bei denen id)
mir bei einer volljtändigen PVergleihung des Kettnerfchen Tertes mit
dem Goedekeſchen Disfrepanzen beider notiert hatte. Sn den weitaus
meiften Füllen fand id) die falfche Lesart bei Goedeke, die richtige
bei Kettner; in einer nicht geringen Zahl von anderen Fällen ftellte
ſich jedoch heraus, daß Goedeke die Handichrift genauer gelefen hat und \.
gegen Kettner im Rechte ijt; an ein paar vereinzelten Stellen endlich
fand ich, daß fie beide anders lefen als Schillers deutliche ‚penbiartt,
die Kettner (Schillers Warbed, ©. 4) mit Recht „jehr Har“ nennt.
H30
Albert Leitzmann, Zu Schillers Demetrius.
Die Fälle der erſten Art führe ich ſelbſtverſtändlich hier nicht auf,
gebe dagegen ein volljzändiges Verzeichnis derjenigen der zweiten und
dritten Art.
In der folgenden Tabelle ſteht Goedekes mit der Handichrift
übereinftimmende Lesart immer in der linten, Kettners faljche Les⸗
art in der rechten Kolumne.
vesart zu Vers 44 würd
Yesart zu Vers 44 ein erlaudt
Yesart zu Pers 67 Erbes
Yesart zu Vers 106 Bette
Yesart zu Vers 189 Hofgeſinds
Vers 420 anders?
Yesart zu Vers 438 Im
Ye8art zu Pers 459 Hört
Yesart zu Vers 496 vergeß
Yesart zu Vers 547 Mög ichs
Vers 662 (Fr
Rers 670 Tu
Yesart zu Vers 672 beſitzen
Yesart zu Vers 672 beiigen
530, 14 3. Marina
Bers 780 Hülfsheer
Vers 757 öchießt ...
giert aus „von“:
Vers 761 ct
Vers 727 Moscowitiſchen
Vers 734 Ichlccht!
VKers 787 Nanda nah Yauterbachs
Schreibung, wie auch in dem Hat-
labenenmwurf:
Vers 745 Band
Vers KIN vertrauen die
ers 60 Eispol, wo
Yısart zu Vera 275 Ausſchäumen
Yesart zu Vers 291 knrurſchte
Vers 302 jezt
Vers 319 Jahr
Vers 301 hmunter ziehn
Lesart zu Vers 413 furchtharn
Yesart zu Vers 417 lezte
vesart zu Vers 430 lauft
Yerart zu Vers 431 ber?
Yeaart zu Vers 431 da vom
Vor Vers 441 entgegengeſezten
Vers 485 Treu
"ers 491 ziehn
408, 23 nuzte
411, 42 dieſes .Yisarten'
412, 95 Vorfſicht?
vesart zu 412, 107 Gotterſtimmte
413, 120 unbegrifinee
314, 132 Griichta vergeßt
ber ' „ber“ forrı-
Yesart zu Vers 40 nur d
Yısart zu Vers 41 nie erlaudt
Yesart zu Bers 58 Habes
Yısart zu Vers 95 Bett
vesart zu Vers 174 Hofgefindes
Bers 406 anders!
vesart zu Vers 423 In
Yesart zu Vers 445 Höret
Yısarı zu Vers 488 vergeffe
Yesart zu Vers 531 Mag ichs
ers 645 Er
Vers 653 Tu
Yesart zu Vers 655 befizen
Yesarı zu Vers 658 beſitzen
Z. 275 4. ‘Marina
2ers 713 Dilfsbeer
Vers 720 ſchießt .. .. vor
VRers 724 jetzt
Vers 735 Moslowitiſchen
Vers 742 ichledht
Vers 757 Wanda ıauh S. 276 in
der bei Goedelke fehlenden Ztelle ıfl
„Wanda“ in „Vanda“ zu beffern)
Lesart zu Vers 742 Hände
Vers 806 vertrauen, Die
Vers 012 Eispol wo
Yesart su Ders 1112 Ausftrömen
Yısarı zu Vers 1123 Inırichte
Kers 1131 jetzt
Niere 1147 Jahr,
Vers 1207 hinunterziehn
vesart zu Vers 1230 furchtbaren
Yesart zu Vers 1234 lepte
vesart zu Vers 1247 läuft
Lesart zu Vers 1247 bir
Yesart zu Vers 1247 da von
Vor Vers 1258 entgegengeichten
ers 1300 Treue
"ers 1305 z1chn?
64, 72 müszte
GR, 13% dies
68, 141 NRorficht!
Yesart zu 64, 153 Bötterfiimmen
69, 166 unbegrifnes
70, 177 WWrıfchla, vergeßt
Albert Feigmann, Zu Schillers Demetrins.
S. 486 Feodor
S. 486 gegeben,
©. 486 Yiebei
S. 486 einen Mord
Lesart zu 484, 20 verfagen,
513, 19 fomeit
578, 1 Manifeft
tüctfich
arı fährt nicht wie er
579, 18 Moscowitifhen
401, 34 diß
390, 12 Marina kommt nun und Lo-
doißfa zeigt ihr das Kleinod
393, 18 äuferfte
Fesart zu 394, 25 unſchmactes
398, 2 äufre
477, 28 außer der Marfa
516, 8 erecutieren
520, 9 af
521, 17 Zusf oder diefer
524, 3 edei?
527, 13 andre, nebſt
535, 10 jährige
535, 27 30jährigen
636, 29 ano
538, 12 unterbrüde
541, 10 Borgeben
547, 12 tiederhoßft
547, 21
567, 38 haben; daher
560, 14 dieß
560, 22 jezt
563, 22 draußen, mit
564, 30 Freiheit
565, 32 andres
566, 25 Mittagſchlafs
570, 35 2ten
417, 28 Landleute
420, 17 Grenzen
418, 27 abgeihieden war!
481, 5 entfezlic)
356, 3 Glüdsgöttinn
862, 1 ift aber keineswegs
362, 29 Eröfnung
362, 32 Czaarowiʒ
584, 10 Zolticov
379, 17_an daß
380, 1 Zusti
®esart zu 565, 24 oder dort fih
326, 24 Maria
364, 4 vorausgefezt
364, 10. 374, 16 vis a vis
365, 22 unterftügt
590, 2 Sophie
53L
79, 62 Fedor
79, 68 gegeben
79, 77 Yierbei
79, 78 einen Mord
3 295 verfagen
, 26 fo weit
& 32 Das Banifef
, 38 glüldhaf
9%, 9 9 Han erfährt nicht, wie er.
2 11 Mostomitifhen
18 di
Fehr nad) 96, 8
104, 10 äußerfte
108, 18 unfhmadhaftes
106, 8 äußre
113, 11 außer Marfa
115, 34 erefutieren
120, 8 trefflic)
121, 20 Zusfy, oder dieſer
124, 34 Redet!
127, 10 andre nebſt
134, 20 zwanzi Hari
135, 3 ei
135, & anno
187, 20 unterbrüdte
140, 18 Borgehen
144, 29 wiederholt
145, 4 hundert
154, 18 fchaden, daher:
187, 1 die
157, 9 jegt
160, 6 draußen mit
161, 13 Freiheit
162, 16 anderes
163, 9 Mittagsichlafs
167, 20 zweiten
171, 26 Yandsleute
173, 31 Grenze
191, 11 abgeichieden war“
194, Pi i
199, 4 ttin
205, 34 —X
206, 13 Eröffnung
206, 15 Gaaromwiz
208, 31 Softitow
211,5 an
211, 18
Lesart zu 212, 22 ober ſich
214, 18 Berina
215, 82 worandg: verautgeieht
208, 1 a, 18 vis d vie
ra
332 Albert Yeitinann, Zu Schillers Demetrius.
367, 24 hervor der 219, 30 berwor, der
369, 19 entgegengeiezteiten 221, 23 entgegengeiegten
370, 6 Ruſſen 222, 10 Ruſſen?
370, 9 vom Demetrius 222, 13 von Demetrius
371, 23 Hauß vielleicht Hauſſe) 222, 28 Hauſe
74, 18 im Hauß 225, 15 im Haus
375, 1 Schweſtern 226, 4 Zchmweiter
333, 5 Sieger ſchickt 230, 17 Sieger, jchidt
376, 10 Lohns 231, 20 Yebeng
377, 3 von ibm und unterschrieben 231, 23 von ihm unterichrieben
581, 18 Tod 234, 4 Tode
382, 5 zur Marına 237, 2 zu Marina
576, 9 zeigt 240, 33 zeigte
576, 28 Are 241, 25 Arın
576, 30 Moscowitiſchen 241, 29 Mosgtomitiichen
328, 30 Mostowiter 245, 5 Mogcomiter
346, 5 darinn 250, 31 darın
334, 9 4tenmal 251, 13 viertenmal
334, 10 5mal 251, 14 fünfmal
334, 26 chmalige 251, 23 ehemalige
329, 33 Cʒar 254, 29 Czars
345, 8 20iährigen 258, 14 3wanzigiährigen
326, 30 ihm nachſezt 255, 26 ıbn nachſezt.
Es bleiben endlich nody die zchn Stellen, an welchen Schillers
Dandichrift deutlich anderes bietet, als beide Herausgeber gelejen
haben.
Hordele Lesart zu Vers 4096 „An eurer Brut vergeß ich jedes Leids:“ Kettner
Yosart zu Vers 488 „An eurer Vruſt vergeß ich ſedes veides.“ Die Hand-
ſchrift hat „Leiden“.
Goedeke Lesart zu Vers 536 „Weil mir Die Volksregung zuwider iſt:“ Ketmer
Yısart zu Vers 321 „Weil mir die Volksneigung vegung?) zuwider iſt.“
Der Vers verlangt ein auf der legten Silbe betontes Wort, die Handſchrift
bat „Rollsreligton”. Nömg Sigismund war fatboliich und verlor fein Erb-
land Schweden bauptiählich deshalb, wein ev dort Verſuche machte, die
lutheriche Konfeſſion durch Die katholiſche zu verdrangen evgl. Yauterbadh,
Z. B4ı.
Goedeke Yesart zu Vers 821 und Nettmer Lesart zu Vers 788 „nachſchauen“;
die Dandichrift bat „noch ichauen“. Die beabfichtigte Anderung des Satzes
iſt nicht vollendet: „Wer kann noch ſchauen“.
oedele 528, 16 und Mettner 128, 14 „dieſer antwortet ihm, daß er fein
Herr und Fürſt fer” Die Dandichrift hat „daß er bier Herr und Fürſt fer“.
Goedeke 538, 7 und Nettmer 137, 15 „Zpion in emen Wanern verkleidet“;
die Dandichrift bat „Raum“, was, wie schon oben beinerlt, zur Quelle
vauterbach, S. 580 ſtimmt.
Goedeke 563, 8 und Netiner 159, 28 „Bin ich dein Sohn nicht, fo bin ich
der Kar”; Die Handichrift hat „io bin ıch dein Kar“.
Goedele 336, 236 und Ketiner 214, 15 „Fedor Iwanowiz, vermäblt mit Anna
oder Irene“: Die Bandichrift bat „Arına oder Irene“ richtig nach Müller
5, 26
AHordele 363, 15 und Netter 214, 20 „ſein“: die Handſchrift bat „Ten“.
Albert Leigmann, Zu Schiller Demetrius. 533
Goedeke 343, 33 „Es beliebt einer nicht“; Kettner 248, 25 „Es beliebt einem
nit“. Die Handſchrift hat „Es beliebt mir nicht“. Schillers Quelle Connor
I (2. 526) die Formel des Beto in der Geftalt „ES beliebt mir diefes-
nicht“ an.
Gocdele 334, 6 und Kettner 255, 28 „Strägzi, reifige Hofjunker“; die Hand-
ſchrift Hat „Sträpzi“. Schiller bat aus feiner Quelle (Olearius, &. 268):
richtig abgefchrieben.
III. Bemerkungen zu Kettners Einleitung.
Die Skizze der äußeren und inneren Gefchichte des Schillerfchen
Demetrius, die Kettner in der Einleitung zu feiner Ausgabe ent-
wirft, kann man im ganzen und einzelnen als wohlgelungen bezeichnen...
Auch das maßvolle und bejonnene Urteil, mit dem er die Entwid-
lungsgeſchichte des Stüdes und Schillers Arbeit an vielen Stellen.
begleitet, fann wohl meift auf allgemeine Zuftimmung rechnen. Ein⸗
ſpruch möchte id) nur gegen den Anfang des fünften Abfchnitts er-
heben: den Einblid in die Mühen der Arbeit an der Erpofition
findet Kettner hier (S. XXXII, „mitunter faft peinlich”; da8 ändere
fid) von der großen Reichsſstagsſcene an, wo die Skizzierung aufhöre..
Es jcheint mir eine vorgefaßte und unbemweisbare Anficht, daß uns
jedes Blatt der Vorarbeiten erhalten jein foll: die Skizzen zu dieſer
Scene, die ausgearbeitet fertig ‚vorliegt, können vernichtet fein. Mir
beweijen die vielen Skizzen zu dem leider dann ganz geftrichenen.
Samborvorfpiel in erjter Linie nicht fo fehr die Schwierigkeit der
Arbeit, als das Tiebevolle intenfive Intereſſe, das Schiller diefer
piychologifchen Erpofition des Demetriuscharakters widmete, die in +1
dem jpäteren Drama entichieden zu kurz fommt. Daß die überall
die notwendigen Grenzen einer gejchlofjjenen dramatiichen Handlung.
überflutende Stoffmafje in ihrem mannigfad) epijchen und epifoden-
haften Charakter vielfach bejchnitten werden mußte, fagte jih Schiller
bei jeiner dramatifch-technifchen Routine felbft. Daß er den reizvoll.
angelegten, pſychologiſch eigentlich unentbehrlichen Samboratt feiner
Zorliebe für ein gewaltiges Erpofitionsgemälde mit der Weite Hifto- ‘
riicher Perfpeftive opferte, ift und bleibt bedauerlich; auch hierin
fann id, Kettners Anſicht (S. XXXIII) nit teilen. Wie Schiller
etwa dem Demetrius in jpäteren Monologen oder Scenen Gelegen-
heit zur Selbftcharafteriftif geben und damit für das ausgefallene
Borfpiel gewiſſermaßen Erjag leiften wollte, wer kann das willen?
Ich ſchließe mit einigen Bemerkungen zu einzelnen Stellen. der
Einleitung.
S. XVI. Daß Schiller den im Oftoberheft 1789 der Archen⸗
holzſchen Zeitichrift „Neue Litteratur und Völkerkunde“ erichienenen
Auffag über den falfchen Demetrius gelefen haben muß, läßt ſich
534 Albert vLeitzmann, Zu Schillers Demetrius.
nicht mit Sicherheit behaupten. Daß er die Zeitſchrift regelmäßig
las, dafür haben wir fein Zeugnis. Das Mai- und Septemberheft
desjelben „Jahrgangs, in denen Forſters und Benkowitzens Auffäge
über die „Götter Griechenlands“ ftehen, kann er ſehr wohl einzeln,
vielleiht durd Körner vgl. Briefwechjel 2, 109. 130, erhalten
‚haben, wenn er fie überhaupt jah; beide Anregungen Körnerg er:
fahren in Schillers Briefen feine Antwort.
S. XVII. LXIV. Es beredhtigt uns nichts, die Erwähnung des
Entſchluſſes, den Warbed zu bearbeiten, in Schillers Biller an Böttiger
Briefe 7, 123: und jeine Antwort anf die ragen der Frau von
Staël mit Kettner „humoriſtiſch“ aufzufaſſen, als ob er fpottend auf
einen ſchon halb aufgegebenen Stoff hinweiſe; auch Kettner felbft
that dies früher Schillers Warbed, S. 11: nit. Wie ung zwei
‘Briefe an Jffland ı Briefe 7, 35. 99, beweiſen, ſollte Warbed im
Sommer 1803 ausgeführt werden, wurde dann aber dein Tell nad):
gejegt und für Frühjahr und Zommer 1804 in Ausjicht genommen.
Die legte Bemerfung iſt vom 5. Dezember 1893, dag Billet an
Böttiger vom 10, ;yebruar 1804, rau von Ztacl war vom De:
zember 1803 bis ‚yebruar 1804 in Weimar, den Entſchluß zum
Temetrius verzeichnet der Kalender 2. 159, unter dem 10. Wär;
1804. Nehmen wir die Abwägung der Vor und Nachteile des
Warbedjtoifes im Gingang zum Scenar des Temetrius ı 2. 115;
vgl. auch Minor, Mus dem Schillerarchiv, S. 118: noch hinzu, jo
fann iiber die abiolute Glaubwürdigkeit der obigen Außerungen und
die Irrigkeit der neueren Anſicht Kettners fein Zweifel mehr ob-
malten.
S. XVII lXIV. An den Titel „Binthochzeit zu Moskanu“ unter
den dramatiichen Ylänen von 180? Zümtliche Schriften 15, 2, 5u4h
fnüpft Nettmer die Bemertung: „Der urſprüngliche Titel beweift am
beiten, wie fern dem Tichter bei der Konzeption jeines Tramas jede
äußere Rückſicht auf die Verbindung der beiden ‚yürftenhöfe lag.“
In der Anmerkung zu Dieter Stelle polemiſiert er dann gegen Grill:
parzers Worte: „Schiller fante den Ztoff vielleicht nur au, um das
Daus Nomanom zu verberrlichen, weil er dortber Unterftügung für
Weib und Nind hoffen durfte” Frantkl, jur Yebensgeichtichte Grill:
varzers, 2.34. Daß Schiller bei der eriten Konzeption Des Ztoffes,
bei ſeiner Einzeichnung in das Plaunverzeichnis an die künftigen ver-
wandtichaftlichen Neziehungen zwiſchen Weimar und Petersburg ge
dacht habe, hat niemand behauptet. Tan er jedoch bei der ſchließlichen
Wahl ſeines nächſten Tramas nach dem Tell ſich für den Demetrius,
nicht Fiir den eigentlich in Aussicht genommenen Warbeck entichied,
that er mit Rückſicht auf jene Beziehungen und bezeugt und das
ſelbſt im Scenar, wo er unter den Vorzügen dieles Stoffes vor
De
Albert Leitzmann, Zu Sciller8 Demetrius. 535
Warbeck „Beziehung auf Rußland“ befonders mit aufführt (vgl. 115,
30). Er erwog aljo doch diefen Umſtand mit, wie died auch Kettner
jelbjt früher (Schillers Warbed, S. 13) behauptete. Wenn bdiefer
dann weiter in diefer Annahme eine Taftlofigfeit fieht, jo geftehe ich
das nicht zu begreifen; denn mit Goethes Elpenor, den er als
Parallele anführt, war es doc) ein ganz anderer Fall. In der Perſon
des jungen Nomanow, dem eine himmlische Erfcheinung feine künftige
Thronbefteigung vorausjagen jollte, eröffnete fich dem Zufchauer aus
den Greueln der Tragödie und der politifchen Verwirrung ein ver-
jöhnlicher Ausblid auf eine kommende reinere und beffere Zeit, ein
Abſchluß, wie ihn Shakeſpeare liebt, und darin lag allerdings eine,
wenn auch nur indirekte „Verherrlichung“ auch des Haufes Romanow,
des regierenden Kaiſerſtammes. Will man dem Dichter idealer Ge:
jinnung, der Schiller zweifellos ebenjo jehr war wie ein ſparſamer
rechnender Haus: und YFantilienvater, jede nebenherlaufende Rückſicht
auf etwaige materielle Vorteile, die doch auch der edle Körner in
feinen Briefe vom 25. September 1803 (Briefwechjel 4, 339) ihın
nahelegte, zum moralijchen Verbrechen anrechnen? Nichts anderes als
eine jolche weder taftloje noch moralisch verwerfliche Nebenrüdjicht
hat Grillparzer behauptet. Wenn Schiller, wie Karoline von Wolzogen
(Schillers Leben, S. 258) berichtet, um die Dichtung ganz rein zu
halten, die Gelegenheit in der Perfon Romanows der Kaijerfamilie viel
ſchönes zu jagen nicht benugen zu wollen erflärte, fo wollte er damit
wohl nur eine ausgeführtere vaticinatio ex eventu als für ihn un-
möglich von der Hand weijen. Am fräftigften beweiſt ung aber jein
eigenes, oben angeführtes Zeugnis, dag eine Rüdjicht auf die ruffi-
ihen Beziehungen zu Weimar bei der endgiltigen Wahl des Stoffes
mitiprad).
S. XVIII. LXIV. „Bei einer Fahrt nad Jena ſucht er auf
der dortigen Bibliothek ſich die Litteratur über die Zeit des Deme-
trius zuſammen.“ Das it Vermutung, was gejagt werden mußte.
Der Kalender (S. 166) giebt zum 18. Juni 1804 nur an: „Nad)
Yena gefahren und zurüd.“ Über den Zweck diefer Reiſe fehlt jede
Notiz; ob jie den von Kettner angenommenen thatſächlich hatte, willen
wir nid.
S. XXI. LXVI Es mag fein, daß Goethes vielcitierte Deit- .
teilungen über Schillers jtändige Beſprechung feines Demetrius mit
ihm in den Annalen von 1805 (Werke 35, 190 Weimarijche Aus:
gabe) in chronologiicher Beziehung auf etwas unficher gewordener
Erinnerung beruhen. Dem Inhalte nad) ftimmen fie ganz zu den
erhaltenen Nachlaßpapieren: mein Eindrud ift darin von dem Kettners,
der dies nur teihweije zugiebt, verjchieden. Ferner nimmt Kettner an
Goethes Worten Anſtoß, Schiller habe die Erpofition in- einem Vor:
536 Albert Leitzmann, Zu Schillers Demetrius.
ſpiel bald den Wallenfteiniichen (,2!“ Kettner:, bald dem Orleanifchen
ähnlich ausbilden wollen. Tieier Nergleih fanı nur bedeuten, daß
Schiller, wie wir ja aud) willen, zwijchen einer Erpoiition in einem
großen hijtoriich-deforativen Gemälde mit vielen Perjonen (hier die
Heichstagsjcene, im Wallenftein das Yagerı und einer jolchen mit
idylliſch-einfachem Hintergrund, bei der nur wenige Perionen beteiligt
waren hier der Zamboraft, in der Jungfrau das Zoripiel:, ſchwankte.
Das Tertium des Vergleiches, der natürlich nicht ins einzelne geführt
werden darf, jehe ich In der in dem einen ‚Falle mehr indirekten, in
dem anderen mehr direkten Gharakterijtif des Helden. — An der
Mahrheit des Goetheichen Berichtes, dan Schiller „von dem Vorſas
an bis in die legte Zeit“ den Plan mit ihm öfters durchgeſprochen
habe, dürfen wir feinen Augenblid zweifeln. Ja die Rhrafeologie
der Scillerihen Entwürfe erlaubt uns jogar an einem Punkte eine
deutliche pur (Hoetheicher Ausdrudemweile, einen im Anfang des
Jahrhunderts ihm charafteriftiich eigenen Terminus zu erkennen. Ich
hatte mir bei Bearbeitung der Briefe Goethes aus den Jahren 1804
nnd 1805 den häufigen Gebrauch des Wortes „Weſen“ in Wendungen
wie „Rolngnotiiches, Winckelmanniſches, Pejtalozziiches Weſen“ notiert:
jert hat Richard M. Meyer in jeinen vorzüglichen „Studien zu
Goethes Wortgebrauch“ in grönerem zuſammenhange auch dieje Er
ſcheinung eingehend beiprochen vgl. Archiv für neuere Sprachen »e,
3. Dieſer Schiller ſonſt wicht eigene Ausdrud nun begegnet au
einer Reihe von Ztellen in den Temetrinsplänen umd wir Dürfen
ihn mohl mit Zicherheit auf Geſpräche mit Goethe zurüdführen.
Tie Belege find folgende: „Polniſcher Reichstag und anderes polnitches
Weſen“ 84, 34 vgl. auch 168, 4. 254, 21:: „NRojadenmweien“ 84, 85.
115, 19. 185, 34: „Mosfan und ruſſiſches Weſen“ 84, 36. 115, 20:
„das eigene Woiwodenweſen“ 122, 17 vgl. auch 241, 12,5 „Er
poittion des mosfowitiichen Weſens“ 123, 2; „das... . abgezogenc
Kloſterweſen“ 138,3. — Zufall iſt natürlich der Fanjtanklang in
Vers 972 „Meine Ruh ift hin“ «vgl. auch 191, 16..
S. XXXII. Woher hatte Schiller den Namen der Lodoiska,
den ſeine Quellen wie die ganze ‚Figur nicht fernen? „In die Maske
der Lodoiska hüllt ſich eine auch im Namen nur leicht polonifierte
Lotte,“ tagt Rettner, ohne damit, wie er «SZ. XII vorjichtshalber
bemerkt, die Identität beider Namen behaupten zu wollen. Tie ganze
Parallele Yodoisfas mit Yotte icheint mir ganz abgeiehen vom Namen
geſucht md unglaubhaft. Urſprünglich hatte Yodoista in Schillers
Aufzeichnungen noch gar feinen Namen: im Anfang des Studien:
heftes nennt er ſie die „Liebende Polin“ :207, 18, des Demetrius
„erite Geliebter“ 208, 22, die „gemeine Rolin* 209, 351, das
„unichuldige Mädchen“ -210, 4, das „arme Mädchen“ 1221, 3).
Georg Minde-Bouet, Zu Heinrich von Kleift. 537
Dann ſcheint er Martha (207, 12), vielleicht auch Paulina (208, 88)
als Namen in Ausſicht genommen zu haben, bis endlich in der
zweiten Hälfte des Studienheftes und in Nandbemerfungen der erſten
(3. B. 210, 31) der Name Lodoisfa eintritt. Diejer Umftand läßt
fih zur relativen Chronologie einzelner Blätter verwerten: fo beftätigt
ih Kettners Vermutung (S. 306), daß S. 130 im Studienheft
jpäterer Einſchub zwiſchen ©. 129 und ©. 131 ift, da 211, 30.
Lodoiska genannt wird, während die umgebenden Seiten noch feinen
Namen Tennen. Woher jtammt aber der Name Lodoiska? Ich glaube
nicht fehlzugehen, wenn ich ihn auf den Titel von Cherubinis Oper
zurüdführe, deren Anhalt und Perjonal freilich außer diefem einen
Namen feinerlei Berührung mit dem Demetrius aufweilt. In Weimar
fam Lodoisfa, zuerft 1791 in Paris aufgeführt, freilich erft nad
Schillers Tode am 26. Oftober 1805 zum erften Mal auf die Bühne
(vgl. Burkhardt, Das NRepertoir des weimariichen Theaters unter
Goethes Leitung, S. 57; ipätere Aufführungen ©. 58. 60. 61).
Tod) war im Dezember 1803 und während des Jahres 1804 der
„Wafferträger“ desfelben Komponiſten achtmal aufgeführt worden
(vgl. Burkhardt, S. 50. 51. 52. 53. 54), den Schiller wiederholt
jah (vgl. Kalender, ©. 155. 156. 159. 177. 178). Vielleicht wurde
aud) Lodoisfa damals jchon vorbereitet oder Schiller hörte doch den
Namen der düjteren Polenoper nennen und eignete fich den echter
als Martha oder Paulina Flingenden Frauennamen an. Bol. jetzt
auch Köjter im Anzeiger für deutjches Altertum 23, 188 Anmer:
fung. 191.
S. LXIN. Den Ausdrud „homme de neant’’ (237, 14) fonnte
Schiller aud) bei Levesque 3, 169 lefen. Eine Quellenbeziehung kann
man aber durd) das Borfommen diejes im Franzöfiichen allgemein
gebräuchlichen Ausdruds bei Schiller nicht beweilen.
Bu Heinrich von Bleift.
Ton Georg Minde-Pouet in Berlin.
I. Rleifts Dienftzeit.
Tie folgenden genauen Angaben und Daten über Kleiſts Dienft-
zeit erheben nicht den Anſpruch darauf, der Kleiſtforſchung einen
beſonderen Gewinn zuzuführen, ſondern ſollen nur dazu dienen, die
Euphorion IV. 85
- .)
538 Georg Minde⸗Pouet, Zu Heinrich von Kleiſt.
von Wilbrandt, Brahm und Zolling gemachten Angaben über des
Dichters Eintritt in die preußiſche Armee, über ſein Avancement
und ſeinen Abſchied aus dem Heere zu ergänzen und teilweiſe zu be—
richtigen. Dieſe hier gegebenen Mitteilungen ſind der Geheimen
Kriegskanzlei des Kriegsminiſteriums entnommen.
In die „Rang und Quartier Liſte der Officiere von dem Kal.
Preußiſchen 2. und 3. Bataillon Garde Nr. 15, Juni 1792 iſt als
5. Gefreiter Korporal eingetragen: Heinr. Bernt Wilhelm Dietrich
von Kleiſt. Tas Alter iſt fälſchlich mit 16 Jahren, als Vaterland die
Mittelmark angegeben. Da die Liſten von Monat zu Monat erſchienen,
und außerdem die Rubrik für die Dauer der Dienſtzeit unausgefüllt
geblieben iſt, muß Kleiſt Juni 1792 in das Neer eingetreten jein.
Ter Vorname Dietrich findet ſich nur im der eriten Yiite vom Juni
und verichwindet jpäter, ilt aljo wohl auf einen Irrtum des Aue:
jtellers dieſer Liſten zurüdzufüihren. Die Rangliſte vom Juli 1792
giebt richtiger, aber immer noch falſch, das Alter mit 14 Jahren
4 Monaten au. Bis zum Tezember 1792 gehen dieje Liſten weiter.
Von da ab fchlen ſie. Der Rheinfeldzug iſt daran ſchuld. Dieſe Zeit
it ja überhaupt für Kleiſts Yeben in Dunkel gehültt. Ein Verſuch,
Yicht himeinzubringen, bejtände darin, die Geſchichte des Regiments
einzuſehen, um auf dieſe Weile Genaueres über die Beteiligung des
Regiments an den Kämpfen jener Tage zu erfahren. Diermit wären
dann eventuell die Angaben Fongues in jeinem Aufſatz: „Die drei
Kleiſte“ in der Zeitung für die elegante Welt vom 24. Dezember
1821 md in jeiner militäriichen Biographie des Generals Rüchel
zu vergleichen. Ein paar Notizen über das ‘Regiment während des
‚seldzuges geben ſchon die Aften der Geheimen Atriegsfanzlei. Das
Regiment jtand bereits vor dem März 1793 in der Armee. (Eine
Ranglifte vom 28. Jannar 1794 nennt Frankfurt am Main ale
Kantonnementsquartier. Und in dieſer Yilte ericheint auch Kleiſt
wieder. Er iſt umterdeilen avanciert: denn bier wird er geführt als
>. Portepee Fähnrich. Das Datum des Patents lautet ebenfalls
auf den 28. Januar 1794. Tie Dauer der Tienitzeit iſt, mit dem
Juni 1792 als TVienjteintritt genau übereinjtimmend, auf 1 Jahr
7 Monate angegeben. Juli 1794 hatte jodann Kleiſts Korps, nad)
Fouques Bericht, bei Trippitadt in der bayeriichen Pfalz einen
Angriff der Franzoſen abzuichlagen. Den 25. Februar 1795 war
Kleiſt in Eichborn im naſſauiſchen Amte Höchſt. Von hier iſt der
erſte uns erhaltene Bricf an Ulrike datiert. Die hier ausgeſprochene
Hoffnung, der Schweſter bald Nachricht von ſeinem Avancement
ſchicken zu können, war berechtigt, wenn tie ſich auch nicht ſogleich
erfüllte. Erſt am 7. Mai 1795 wurde Kleiſt durch den General⸗
major und Kommandeur der beiden Bataillone von Roeder zum
Georg Minde-Pouet, Zu Heinrich von Kleift. 539
wirklichen Fähurich vorgefchlagen. Das Regiment ftand damals,
wie aus dieſem Schreiben hervorgeht, in der Komthurei Lage. Das
Patent erhielt er am 14. Mai. Aus den Aften ift dann nur nod)
erjichtlich, daß das Regiment vor Juni 1796 wieder in Potsdam war,
Für die Beförderung Kleiſts zum Selondelieutenant geben die
Akten folgendes an die Hand. Der damalige Oberit und Kommandeur
der beiden Bataillone Garde, Schwerin, teilt dem derzeitigen Direktor
der Geheimen Kriegsfanzlei in einem Schreiben vom 24. Februar
1797 unter anderen Beförderungen diejenige Kleifts zum Sekonde⸗
ltieutenant mit. Kleiſt war alfo am 24. Februar bereits zum Sekonde⸗
lieutenant vorgerüdt. Ein am 7. März ausgefertigtes Patent zählt
alle Veränderungen im Regiment jeit dem 6. Februar auf, darunter
die Beförderung Kleiſts. Er ift aljo in der Zeit vom 6. bis zum
24. Februar zum Sefondelieutenant avanciert,
Die Dimiſſion ift Kleift am 4. April 1799 erteilt und, nachdem
er am 17. April den üblichen Revers ausgeftellt hatte, am 26. April
an ihn nad) Frankfurt an der Oder gefandt worden,
Tiefer Revers, ein loſes Tuartblatt, in dem übrigens der jehr
jorgfältig und ſchön gejchriebene Name auffällt, wird in der Ge-
heimen Kriegsfanzlei aufbewahrt und Hat folgenden Wortlaut:
Nachdem Zr. Königlichen Majeftät von Preußen mir Endesunterfchricbenem
den aus freier Entichließung u aus eignem Antriebe um meine Studia zu vollenden
allerunterthänigſt nachgeſuchten Abjchied aus Höchft Dero Kriegsdienften in Gnaden
bewilliger: io veverfire ich mich Hierdurch auf Höchſt Dero ausdrüdlichen Befehl:
daß ich weder ohne Dero allerhöchſten Conjens jemals in auswärtige Krieges- oder
Kivil-Tienfte treten, noch in Höchſtdero Staaten wiederum in Königl. Kriegsdienfte
aufgenommen zu werden, anhalten will; dagegen ich mir vorbehalte, nach Abfolvi-
rung meiner Studia Sr. Maieftät dem Könige und dem Baterlande im Givilftande
zu dienen. Dieſen mohlüberdachten Revers habe ich eigenhändig ge- und unterfchrieben.
Eo geichehen Francfurt a.Oder den 17!" Aprill 1799.
Heinrich v. Kleist
vormals Lieut. im Regt. Garde.
ll. Mord aus kiebe.
Rudolf Köpfe hat 1862 KleiftS politifche Schriften und andere
Nachträge zu feinen Werfen veröffentlicht. Jene anderen Nachträge
ichöpfte er aus den jeit dem 1, Oftober 1810 von Kleift heraus-
gegebenen „Berliner Abendblättern“. Ihm lag aber nur ein unvoll-
ftändiges Eremplar diefer jet fo überaus jeltenen Zeitſchrift vor,
und zwar nur dag erfte Cuartal vom 1. Oftober bis 28. Dezember,
und auch diefes noch lüdenhaft. Es fehlen das Crtrablatt zum
14. Blatt vom 16. Oftober, Blatt 22 vom 25. Oftober, Blatt 54
vom 1. Dezember, Blatt 61 vom 10. Dezember. Köpfe erhielt diejes
85*
74) Beorg Minde⸗Pouet, Zu Heinrich von Kleiſt.
Eremplar aus dem Belige W. von Maltzahns. Jetzt bewahrt es die
Kgl. Bibliothek in Berlin als ein Unitum. Zum 72. Blatt iſt die Er-
Härung des Xerlegers Dieig in Abichrift von Maltzahn beigeheftet.
Ein glüdliher Zufall hat Reinhold Zteig in Wiepersdorf einige
diejer fehlenden Stücke des erſten Tuartals finden laſſen. Steig hat
Abjchriften davon genommen und diefe ebenfalls dem Maltzahnichen
Exemplar beiheiten lajien, jo dan die Lücken nun zum Teil aus:
gefüllt jind.
Von den „Abendblättern‘‘ eriitiert noch cin zweites Eremplar,
welches die Port Wartenburgiche Majoratsbibliothef in Klein⸗Ols
in Schleſien beiiet. Es enthält auch das zweite Quartal, ift aber
ebenfalls unvollitändig, und beide Exemplare ergänzen ſich leider
nicht. Zolling bat dieſes Yorkſche Exemplar für jeine Kleift:
Ausgabe bemupen dürfen und ihm mehrere bisher unbefannte
Stüde entnommen, als deren Autor er Kleiſt ohne Zweifel an-
jicht. Zu Dielen Stücken gebört „Mord aus Liebe“, jene Heine
Erzählung von dem Toppelielbitmord zweier Yicbenden. Zolling
jagt darüber «4, 266 : „Endlich it Mord aus Xiebe, eine an:
gebliche Uberſetzung einer iranzöſiſchen Zeitungsnotiz, nicht nur um
zahlreicher Wendungen anf... geitiiet, hierauf, indem, ſogleich,
indejlen, darauf, jondern aud um des Inhalts willen unjerem
Tichter zuzuschreiben. Der Tod des, wie Adolfine Togel, unheilbar
franten und daher lebensmüden Fechtmeiſters und jeiner Geliebten
hat eine erichütternde Ähnlichkeit mit Kleiſts und jeiner Todesgefährtin
tragiſchem Ende.“
Die Erzählung beginnt: „Man hat vor einiger Zeit in den
öffentlichen Blättern geleſen, daß ein Paar Liebende ſich gegenſeitig
aus Verzweiitung in einem Augenblicke getödtet hatten. Ein ganz
aleicher Vorfall ereignete sich im Jahre 1770 zu Won. Die Er:
zählung desielben finder ſich in dem Journal Eneyelopedique von
dieſem Jahre.“ Wenn Zolling dieſe Erzählung eine „angebliche
Uberſetzung einer franzöfiichen Seitungsnotis nennt, jo will er damit
jagen, dan tie in Wahrheit feine Alberjerung it, ſondern day Kleift,
wie öfters, wieder das beliebte Verſteckſpielen mit dem Leſer treibe,
und mir daher die Erzählung als ein ureignes Geiſtesprodukt des
Tichters betrachten nunien. Tas iſt aber nicht der ‚yall. Wenn
3olling ſich der Mühe unterzogen hätte, dis acht Wände des Journal
Enevelopedigne von 1770 zu durchblättern, hätte er im +4. Bande,
Z. 153 jj. folgendes gefunden:
Lettre de Lyon. du 31 Mar au =ujet d’un double ıneurtre entre amant
et maltresse I viert de se passen der une scene affreuse. Un Italien.
nommme Faldoni. Matte en Kat Varımes. avant fnit un violent effort dans
un de ses exereiees. les Chuurzien> In annoneerent de se pröparer A une
ort qui ne pouvon Klre eloizuee. Ge malhenreux etoit depuis quelque tems
Georg Minde-Pouet, Zu Heinrich von Meift. 541
passionne pour une demoiselle qui l'aimoit ayee une &gale ardeur. L’avis
des Chirurgiens fit d’abord naitre entre ces deux amans les transports du
desespoir. L’Italien, jaloux, ne pouvoit se resoudre ä laisser son amante
apres hi; et celle-ci protestoit qu'elle ne pourroit li survivre. Sur ces
assurances, Faldoni roule dans sa tete lidee la plus funeste; mais avant
de l’executer, il veut &prouver la sineerite des sentimens de sa mailresse.
Dans un moment de tendresse et de douleur, il lui fait repeter plusieurs
fois, que sans lui la vie lui est odieuse; alors tirant de sa poche un flacon:
c'est du poison, dit et ä linstant il l’avale. Son amante perdue lui
arrache le reste, et le boit avec aviditö; mais il Ini avoue qu'il n’a voulu
qu’eprouver son amour et son courage. Cruellement satisfait, il eommunique
ä un ami l’epreuve qu'il vient de faire. Get ami lui enleye ses armes, et
täche de le detourner des sombres idees qui l'agitoient; mais ce forcen&
affectant d’&tre rendu a lui-m&me, comme s'jl esperoit, contre l’avis des
Chirurgiens, de suryivre a son aceident, feint un voyage dans une ville du
Foret, oü un Chirurgien, dit-il, hi promet de conserver sa vie. Quelques
jours’apres la demoiselle demande & ses parens, lemoins de son douleureux
ötat, d’aller prendre l’air dans leur maison de campagne au village d’Ivigny,
sur les bords du Rhöne, & 2 lieues d’iei; I’Italien ne tarde pas ä s’y rendre
muni de deux pistolets, et de concert avec lui, elle &erit ä sa mere
lui faire de fünestes adieux. Apres avoir ecart& les domestiques, ils se
renferment dans la chapelle de la maison. Lä, ces deux amans assis au
pied de l'autel, sont lies ensemble par le bras gauche avec un ruban,
de maniere qu'ils avoient chacun un pistolet appuy® contre le caur, et en
s’ecartant un peu, le ruban a fait — les detentes; ils se sont tues tous
les denx au m&me instant. Cependant ia mere «’toit hatee pour prevenir
cet affreux projet; mais elle ne tronye plus que les deux cadavres. Sa fille
avoit les yeux bandes avec un mouchoir, et Faldoni la täte couverte du
coin de <a redingote. Ce miserable qui a entrains ä un si eruel sacrifice
une vietime digne d'un meilleur sort, avoit 30 ans, et son amante ä peine 20.
Cette scene tragique a transpire, et la justiee a envoy& sur les lieux pour
faire exhumer ces deux cadavres,
Ein Vergleich diejes Berichtes mit unferer Erzählung lehrt, daß
diefe nicht eine angebliche, jondern die wortgetrene Überjegung diejer
franzöfiichen Journalnotiz iſt.
Nun iſt aber unſere Erzählung nicht nur nicht ein Geiftes-
produft Kleifts, jondern auch die Uberjegung darf, meiner Anficht
nad), nicht als des Dichters Werf gelten. „Aus inneren Gründen
und da nichts im Stil der Art Meifts wideripricht,‘ weiſt Bolling
diefe Erzählung unferem Dichter zu. Das jagt gar nichts. Viel
wichtiger ift, daß nichts im Stil für die Art Kleiſts ſpricht. Die
Autorjchaft unjeres Dichters damit begründen zu wollen, daß bie
Participialwendung auf... geftübt, die Konſunktionen hierauf,
indem, ſogleich, indeffen, darauf begegnen, ift zum mindejten jehr
gewagt. Jede diejer Konjunktionen erſcheint ein einziges Mal, und
zwar nicht im einer bejonders auffälligen und ungewöhnlichen Vers
wendung, wie Kleiſt fie zu gebrauchen pflegt, ſondern wie jeder
Menic ji ihrer in der Erzählung bedient. Stil verrät Kleiſts
Verfaſſerſchaft keineswegs.
42 Georg Vinde Pouet, Zu Heinrih von Rleiſt.
2iel überzengender ipricht aber ein anderer Umſtand gegen
Kleiſts Autorichaft. „Mord aus Liebe“ ift in den Abendblättern vom
7. Januar 1*11 gedrudt. Ungefähr drei Wochen früher finden wir
dieielbe Erzählung mit derielben Überichrift und demielben Wortlaut
in der Zeitung für die elegante Welt vom 18. Dezember 1810.
Abgeichen von der Interpunktion und zwei ganz nichtejagenden
Varianten 3»1, 18 den] verichiedenen. 382, 38 Geliebte 20] Geliebte
kaum 20 ftimmt der Inhalt in beiden Truden Wort für Wort
itberein. Hätte Kleiſt die llberiegung dieſer beim Publikum doch
immerhin Jutereſſe erregenden Erzählung jelbit angefertigt, dann
wird niemand annehmen wollen, dar er dicie im einer Zeit, wo
er jelbit für eine Zeitung jorgen munte, erjt einer anderen Zeitung
überlaſſen und dann in jeiner cigenen gedrudt haben jollte. Folglich
it „Mord aus Yiebe” ein Nachdruck aus der Zeitung für die elegante
Belt und aus der Zahl der Kleiſtſchen Erzählungen und Anekdoten
zu Itreichen.
II. Sur Marquife von O....
Xavier Marmier tagt in jeinem Aufſatz über Heinrich von Kleiſt
in der „Nouvelle revue gerinanique” 1853. Toine 14°, p. 118:
„La Marguise de O. est, a tres-pen de details pres. le meine
sujet que M. de Keratrv a developpe plus au large dans son
Dernier des Besimanoirs. Jene sals lequel des deux eerivains
a einprunte Vielee de l'autre.“
Es iſt wunderbar, daß Mearmier das Gricheinungsjahr von
Keratrys Roman nicht gewunt haben Toll, oder dasjelbe zu ermitteln
jich nicht bemüht hat, um auf dieſe Weiſe die von ihm anfgeworfene
Frage zu enticheiden. Neratrys Roman, deſſen genauer Titel lautet:
„Les Dermiers des Beanmmanoir ou la Tour d’Helvin.” erſchien,
meines Wiſſens, erit 1825 (Paris. 4 Tomes. 8" min.) Falls eine
Entlehnung stattgefunden bat, kann alſo nur Neratry aus Keift
entichnt haben. Ter Roman iſt ein neues Beiſpiel fir die grone
2erbreitung des Stoffes der Nleiltiihen Novelle. Sein Inhalt hat
übrigens ganz auffallende Ahnlichkeit mit dem Prozeß, den Pitaval
in jeinen „Gauses eelebres’" erzäblt, und nicht minder zahlreiche
Berihrungspuntte mit der Novelle der ‚rau von Gomez „L’Amant
Rival et Contident de Lui Mesine”. Uber diele Dinge hat bekanntlich
Richard Maria Werner in feiner Antertuchung über die Quelle der
Marguiie von T.... ſehr ausführlich nnd gründlich berichtet
Seufferts Bierteljabrichrift 3, 483 ff. . Es kann faum einem Zweifel
unterliegen, dan Keratry Diele Erzählungen kannte Ob er aud
Kleiſte Novelle kannte, it ſchwer zu beweiten. Auffällig iſt es nur,
daß wir den bei Kleiſt ſo beliebten und in verſchiedenen Variationen
Georg Diinde-Bouet, Zu Heinrich von Kleift. 543
wiederkehrenden Vergleih vom übellaunigen. Kinde aud) bei Keratry
wiederfinden. Kleiſt jchreibt in dem erjchütternden Briefe aus St.
Omer vom 26. Oftober 1803 an feine Schweiter Ulrike: „Der
Himmel verfagt mir den Ruhm, das größte der Güter. der. ‚Erde;
ich werfe ihm, wie ein eigenfinniges Kind, alle übrigen hin.“ AÄhnlich
ſagt Agnes in der „Familie Schroffenſtein“:
Die Krone ſank ins Meer,
Gleich einem nackten Fürſten werf' ich ihr
Das Leben nach.
Hiermit ſind noch zwei Stellen aus der „Bentefen 3 zu vergleichen.
Pentheſilea zu ſich ſelbſt: |
Rarım auch wie ein Kind gleich,
Weil fi ein flücht'ger Wu nic) mir nicht gewährt, -
Dit meinen Göttern bredhen?
Und Prothoe zu Pentheſilea:
Weil unerfüllt ein Wunſch, ich weiß nicht welcher,
Tir im geheimen Herzen blieb,.den Segen,
Gleich einem übellaunigen Kind, hinweg,
Ter deines Volks Gebete trönte, werfen?
Bei Keratey heißt es an einer Stelle (1, 116): „Me souvenant
toutefois qu’il me restait une amie, et que je ne devais pas
ressembler ä l’enfant qui, de depit de se voir arracher un objet
precieux. rejette avec dedain tous les autres. —
Der Hinweis Marmiers auf Kératrys Roman ift noch in anderer
Hinſicht wertvoll für mich geworden. Er hat mich wieder zu Mon—
taigne geführt, deſſen Anekdote von der Bäuerin, die ſich als Witwe
ſchwanger fühlt, ohne ſich einer Schuld bewußt zu fein (Essais 1793.
2, 15), Otto Brahm als Quelle der Kleiftiihen Novelle genannt hat.
Im —2 des franzöſiſchen Romans wird nämlich erzählt, wie
der junge Geiftliche, Jonathas Dermot, nad) den langen Irrfahrten
einer freiwilligen Verbannung, die eine Sühne für ſein unentdeckt
gebliebenes Verbrechen jein follte, in jein Vaterhaus zurüdfchrt.
Der Vater ijt tot. Er hat aber für feinen Sohn ein Buch zurüd-
gelegt, das ſich in einem Umſchlage befindet. „Le papier est bientöt
dechire, le livre est feuillete; c’etait un volume des Essais de
Michel Montaigne: au chapitre V du livre III, en regard de la
page oü il est parl&e -du roi Periander et de son epouse Me-
lissa. se presente un billet....” (4, 217). An ber bezeichneten
Stelle nun (Essais 3, 153) erzählt Montaigne über Periander, den
Tyrann von Korinth, wie er feine eheliche Liebe auf feine verftorbene
Frau ausdehnte: „... estendit l’affection conjugale, plus reigl&e
- +.)
538 Seo Minde-RPouet, Zu Heinridy von Kleiſt.
pon Wilbrandt, Brahm und Zolling gemachten Angaben über des
Dichters Eintritt in die preußiſche Armee, über ſein Avancement
und feinen Abſchied aus dem Heere zu ergänzen und teilweiſe zu be:
richtigen. Dieſe hier gegebenen Mitteilungen sind der. Geheimen
Kriegsfanzlei des Kriegsminiſteriunms entnommen.
In die „Rang und Quartier Liſte der Officiere von dem Kal.
Preuß ichen 2. und 3. Bataillon Garde Nr. 15, Juni 1792 iſt als
5. Gefreiter Korporal eingetragen: Heinr. Bernt Wilhelm Dietrid)
von Kleiſt. Tas Alter iſt fälſchlich mit 16 Jahren, als Vaterland die
Mittelmark angegeben. Ta die Liſten von Monat zu Dlonat erjchienen,
umd außerdem die Rubrik für die Dauer der Dienitzeit unausgefüllt
geblieben tft, muß Kleiſt Juni 1792 in das Deer eingetreten jein.
Ter Vorname Dietrid) findet ſich nur in der eriten Liſte vom Juni
und verichiwindet jpäter, iſt aljo wohl auf einen Irrtum des Aug:
jtellers dieier Lijten zurüczuführen. Die Manglifte vom Juli 1792
giebt richtiger, aber immer noch falſch, das Alter mit 14 Jahren
4 Monaten an. Bis zum Tezember 1792 gehen dieje Liſten meiter.
Von da ab fehlen fie. Ter Rheinfeldzug it daran ſchuld. Diele Zeit
iit ja überhaupt für Kleiſts Yeben in Dunkel gehültt. Ein Verſuch,
Yicht hineinzubringen, bejtände darin, die Geichichte des Regiments
einzufchen, um auf diefe Weile Genaueres liber die Beteiligung des
Kegiments an den Kämpfen jener Tage zu erfahren. Hiermit wären
dann eventuell die Angaben Fouqués in ſeinem Anfjag: „Die drei
Kleiſte“ im der Zeitung für Die elegante Welt vom 24. Dezember
1821 und in jeiner militäriichen Biographie des Geuerals Rüchel
zu vergleichen. Ein paar Notizen über das Regimeut während des
Feldzuges geben ſchon die Akten der Geheimen Kriegskanzlei. Tao
Regiment ſtand bereits vor dem März 1793 in der Armee. (Eine
Hanglifte vom 28. Nannar 1794 nennt ‚sranffurt am Main als
Kantonnementsquartier. Und im dieſer Yilte erjcheint auch Kleiſt
wieder. Er iſt unterdeſſen avanciert: denn bier wird er geführt als
>, Portepee ‚yähnrid. Tas Tatum des Patents lautet ebenfalls
auf den 28. Januar 1794. Die Dauer der TVienitzeit it, mit dem
Juni 1792 als Tienjteintritt genau übereinftimmend, auf 1 Jahr
7 Monate angegeben. Juli 1794 hatte jodann Nleilts Norps, nach
Fouqus Bericht, bei "Trippftudt in der bayeriichen Pfalz einen
Angriff der Franzoſen abzuichlagen. Ten 25. Februar 1795 war
Kleiſt in Eſchborn im naſſauiſchen Amte Höchſt. Bon hier ift der
erste uns erhaltene Brief an Ulrike datiert. Die hier auggeiprochene
Hoffnung, der Schweſter bald Nachricht von jeinem Avancenıent
ihiden zu fönnen, war beredtigt, wenn ſie ſich auch nicht fogleich
erfüllte. Erit am 7. Mai 1795 wurde Kleiſt durch den General»
major und Mommandeur der beiden Bataillone von Roeder zum
Georg Minde-Pouet, Zu Heinrid) von Kleift. 539
wirklichen Fähurich vorgefchlagen. Das Regiment ftand damals,
wie aus diejem Schreiben hervorgeht, in der Komthurei Lage. Das
Patent erhielt er am 14. Mai, Aus den Alten ift dann nur nod)
erjichtlich, daß das Regiment vor Juni 1796 wieder in Potsdam war,
Für die Beförderung Kleiſts zum Sefondelieutenant geben die
Akten folgendes an die Hand. Der damalige Oberft und Kommandeur
der beiden Bataillone Garde, Schwerin, teilt dem derzeitigen Direktor
der Geheimen Kriegsfanzlei in einem Schreiben vom 24. Februar
1797 unter anderen Beförderungen diejenige Kleift3 zum Selfonde-
lieutenant mit. Kleijt war aljo am 24. Februar bereits zum Sekonde⸗
lieutenant vorgerüdt. Ein am 7. März ausgefertigtes Patent zählt
alfe Veränderungen im Regiment jeit dem 6. Februar auf, darımter
die Beförderung Kleijts, Er ift aljo in der Zeit vom 6. bis zum
24. Februar zum Sefondelieutenant avanciert.
Die Dimiſſion ift Kleift am 4. April 1799 erteilt und, nachdem
er am 17. April den üblichen Revers ausgeftellt hatte, am 26. April
an ihn nad) Frankfurt an der Oder gefandt worden,
Tiefer Revers, ein loſes Tuartblatt, in dem übrigens der jehr
jorgfältig und ſchön gejchriebene Name auffällt, wird in der Ge»
heimen Kriegsfanzlei aufbewahrt und hat folgenden Wortlaut:
Nachdem Er. Königlichen Majeftät von Preußen mir Enbdesunterfchrichbenem
den aus freier Entichliegung u aus eignem Antriebe um meine Ztudia zu vollenden
alferunterthänigft nachgeſuchten Abſchied aus Höchſt Dero Kriegsdienften in Gnaden
bewilliger: jo veverfire ih mid) bierdurh auf Höchſt Dero ausdrüdlichen Befehl:
daß ich weder ohne Dero allerhöchſten Confens jemals in auswärtige Krieges- oder
Civil-Dienſte treten, noch in Hödjftdero Staaten wiederum in Königl. Kriegsdienfte
aufgenommen zu werden, anhalten will; dagegen ich mir vorbehalte, nach Abfolvi-
rung meiner Studia Sr. Maieftät dem Könige und dem Baterlande im Givilftande
zu dienen. Diefen wohlüberdachten Revers habe ic) eigenhändig ge- und unterfchrieben.
Eo geicheben Francfurt a.Oder den 17!" Aprill 1799.
Heinrich v. Kleist
vormals ?ieut. im Regt. Garde.
Il. Mord aus kiebe.
Rudolf Köpfe hat 1862 Kleiſts politiiche Schriften und andere
Nachträge zu jeinen Werfen veröffentlicht. Jene anderen Nachträge
Ihöpfte er aus den jeit dem 1, Oftober 1810 von Kleift heraus-
gegebenen „Berliner Abendblättern‘, Ihm lag aber nur ein unvolls
ftändiges Exemplar diefer jegt fo überaus jeltenen Zeitjchrift vor,
und zwar nur das erjte Cuartal vom 1. Oltober bis 28. Dezember,
und auch diejes noch Tüdenhaft. Es fehlen das Ertrablatt zum
14. Blatt vom 16. Oktober, Blatt 22 vom 25. Oftober, Blatt 54
vom 1. Dezember, Blatt 61 vom 10. Dezember. Köpfe erhielt dieſes
36*
IR. F. Arnold, Zu Goethes „neugricchiich epirotifchen Heldenliedern“.
in welcher Jean Alerandre Buchon, Mitredafteur der Zeitung," auf
die „poesies nationales des Grecs modernes” anfmerfjam madıt.
„4WAlleınand Goethe.” heißt es, „qui a imite avec tant de
eharmes quelques odes sanscrites.?. a deelare souvent. qu’au-
eune nation moderne n'a posscde de ballades historiques aussi
heureusement inspirees.” Im weiteren Verlaufe des jehr gut ge-
Ichriebenen Aufſatzes bejchäftigt jid) der kenntnisreiche Franzoſe mit
englijchen, franzöjtichen und autochthonen Stimmen über Yand und
Leute des neuen Hellas: Hanuptquelle ift natürlich Die Bibel des Phil:
hellenismus, Pouquevilles „Vovare en Greece”, damals eben mitten
im Ericheinen begriffen. Der „Gonstitutionnel” vom 1. Öftober 1821,
ebenfalls im Goethe-Archiv, enthält die Hedichte 1., 3. und 6. in fran-
zöſiſcher Uberſetzung: Yoepers Angaben 3, 430 ff.) erfahren fomit
eine Korrektur.
Woher wußte Buchon 1821 von Goethes Bewunderung der
nengriechiichen Volkslieder, da diejer doch erit ein Jahr jpäter fich
öffentlich über jie äuperte?? Buchon jelbit teilt es ung mit, m
einem Briefe vom 3. Februar 1822 an Goethe, welchem eben jene
beiden Nummern des „Constitutionnel” beilagen: id) laſſe ihn hier
auszugsweiſe und mit berichtigter Orthographie folgen:
Mon-ieur,
Mr. Gou-in® ...ın'a dit que vens etiez oeeupe de reunir les chants
des eleftes de la Thessalie et de l’Epire. Depmi- «melgue teinps j'etais
oceupe du meme projet, et Javais eerit a elque- amis grecs de ce pays
pour les prier de ine faire pas-er tout ce qu'ils pourroient reunir dans ce
genre Je mai pu toutelois jusque iei eu obtenir qu’environ une douzaine
Rlan einer Uberiebung dieſer Yırder. Je ne connais que deux hommes
eapable- d’entreprendre avee -ucees eette tache ditfieile. Le premier est le
eelebre Goethe, qui a su dans tous ses ontrages »“emparer lellement de
J’esprit du »peetateur ou du lJeeteur. qu'il Te foreait a sentir comme lui et le
rendait a son pre Uhabitant de son univers Tier andere ſei der Buchen perfönlich
befannte Thomas Moore. Er babe ibm cbenfaus einige Der charakteriſtiſcheſten
Ztücke geſchickt. Je les ai fait enpier et traduire litteralement par un Girec
pour qu'ils fussent plus Iisibles Zpride von ſemen Artikein im „Constitu-
tionnel ): Les eiseanux de la eensure francaise les ont muutiles
1791 1846: unter dem Julikonigtum mit einer Müſion nach Griechen
land betraut 1843 „La Greve eontinentale et la Moree” ı; ın feinen wiſſenſchaft
lichen Intereſen merlwürdig verwandt mit Fauriel, dev Cuelle With, Müllers.
=. Hier wird mißverſtändlich auf „Ter Gott und die Bajadere“ hingewieſen
1797 gedructte: was den Paria Cytlus anlangt, kann der Plau zu demſelben freilich
‚dgl. Hempel 1, 267 Schr wohl vor 1821 zurückreichen und z. A durch Coufin fiehe
unten Buchon bekannt geworden Ten.
sql. Eupborion aa CT, 2 10.
4 Nıctor Couſin war Serbit 1817 zum eritenmale Goethes Gaſt geweien.
In ſeinem Berichte über die Begegnung — Geiprache 3, 28 ijn geichieht der
griechtichen Bollspoeite keine Erwahnung
R. 5. Arnold, Zu Goethes „ueugriechiſch-ebirotiſchen Hefdenficdern“. DIT
An diefen Brief und jeine Beilagen ſchließt fich ergänzend ein
Steifband von mäßiger Größe, gleichfalls im Beſitze des Archivs; auf
der erjten weißen Seite von Johns Hand „Originale Neugriechiſch-
epirotiſcher Heldenlieder. Mit franzöſiſcher Überfegung. Erhalten von
Bari: *, das heißt als weitere Beilage zu jenem Briefe Buchons.
Er enthält die Texte der Gedichte von 1 bis 6, dann nod) ein
Lied aus Pouquevilles „Voyage en Grece” 3, 16 f., beginnend
„Maovroßdiog & umge", eine Variante zum Gedichte 4, —
Texte folgt die frauzoſiſche Überſetung; zum Schluffe einzelne Wort-
erflärungen, meift aus Ponqueville, in franzöfiicher, neugriechiicher,
auch deutjcher Sprache, eine von der Hand Niemers, Die franzöſiſche
Verfion hat, wie ich Euphorion a. a. O., ©. 110 vermutete, mandje
Irrtümer Goethes zu verantworten. Gedicht 1, Vers 1 überträgt
fie degßevie (Engpäffe) irrig mit „prevötes’” (Goethe „Gefilde“);
dahingegen ift jie an Goethes Mifverftändnis in der zweiten Hälfte
diejes Verfes unfchuldig. Vers 7 giebt fie Auuepiefouer (lagern wir)
falſch wieder durch „placons nos ayant-postes” (Goethe „Setzet
eure Vorhut dahin“). Das zweite Gedicht hat Goethe, wie wir nun
jehen, nicht jelbjtändig erweitert. Im Gedichte 5 wird uedeiven
(melden) richtig und einfach durch „avertir"” überjegt: Goethe hat,
zu Wilhelm Müllers Verdruß, die Nachtigall an diejer Stelle „Aller-
lieblichſtes berichten” Tafjen.?)
Um jomit eine furze Darlegung kurz zufammenzufafien: Goethe
wird 1815 durch Werner von Harthaufen auf das neugriechiiche
Volkslied hingewiejen, erhält jedenfalls den Tert des Gedichtes 7
von ihm;?) 1817 erzählt er Victor Couſin von jeinen Arbeiten auf
dieſem Gebiet, diefer berichtet darüber nad) der Heimkehr an J. A.
Buchon, welcher 1822 die Terte 1—6 mit einer nicht ganz fehler-
freien Überjegung, dem Werfe eines Neugriechen, überſendet. Die
Überfegungsarbeit Goethes fällt 1822—1823;*) die Überjegungen er-
icheinen im Drude 1823 im 4. Bande von „Kunft und Altertum‘,
') Das betreffende Bändchen ſcheint von Loeper ganz iberjehen worden zu fein,
2) Bei diefer Gelegenheit jei der Interefjent auf einen allgemein zugänglichen
Ort der Originale zu den Heldenliedern verwiefen: Pafjow, Popularia carmina
Graeciae recentis. Gediht 1. — LIV, 2. = XIV, 3. = LXXXVII, 4. = Il,
5. = CV, 6. = CXANL 7. — CCCCIX bei Baſſow, wofelbft weitere Pitteratun,
3) Kgl. oben und Euphorion a. a. O, 3. 106. 108,
*) Vgl. jest auch Sopbienausgabe I 8, &. 181, 199. 210,
>48 Discellen.
Miscellen.
Zur Geſchichte der Telſſage.
In einem mir gehörenden Exemplare des berühmten — oder berüchtigten —
Buches: „Malleorum quorundam maleficarum, tam veterum quam recentiorum
authorum, tomi duo. Quorum primus continet: I. Malleum maleficarum Fr.
Jacobi Sprenger etc. etc. Francofurti ad Moenum, 1582. 8.” wird 1, 367 f. von
Leuten geſprochen, die ſich durch Eingehen eines Bündniſſes mit dem Teufel große
Fertigkeit im Schießen mit der Armbruſt erworben. Es werden dann einige Proben
der übernarürlichen Runft, die ein gewiſſer Runder, der unter (Eberhard mit dem
Barte von Württemberg lebte, beſaß, berichtet. Daran Ichließt ſich folgender Bericht,
der in getrener Abſchrift des Uriginaltertes mitgeteilt wird:
Fertur denique de ipso,. quod yuidam de optima-
tibus, dum artis suae experientiam certaım capere voluisset
eidem proprium filium parvulum ad metam posuit, et pro
sieno super biretum pueri denarium. ipsique mandavit, ut
denarium sine bireto per sapittam amoveret. Gum aulem
Maletieus id se faeturum, sed eum diffieultate, asxereret,
libentius ab=-tinere. ne per Diabolum xeduceretur in «ui
interitum: verhis tamen prineipis induetus sagittam unaın
Hoc vergit in ızno- collari sun eirea collum immisit, et alteram ballistae sup-
winiam Wilbelmi penens, denarium bireto pueri sine omni nocumento ex-
Tell. Helvetsae eussit. Quo viso, dum ille Maletieum interrogasset, cur
libertatis assertori, Sapittamm colları imposuisset”? respondit: Si deceptus, per
ynası quoque Diabolum puermm oeeidissem, eum me mori necesse fuisset,
Magur fuisset. -ubito cum <ayritta altera vos trans-fixissem, ut vel sic
mortem mean vindieassenm.
Ih begnüge mich mit dieſer Mitteilung, Verufeneren es überlaffend, Die
Fragen, zu denen ſie anregen mag, weiter zu verfolgen.
Themnis. H. 9
Sidibus. Runda.
Welche Rolle ın Den „irölichen zuiammenkuniiten“ der Pleißenſchäfer der
Tabalk ipielte, wird ein Bud in die Sammlungen der hervorragendſten Mitglieder
dieies Tichterverens, Tavıd Schirmer und Johann Georg Schoch ıHilidor,,
ledem zeigen: ein von mir jüngſt entdecktes flemes Epos „Nauch- und Zchnupff-
Tabacca“ o C. 1642, das ich dem Yerpziger G. Finckelthaus zuweiſen möchte,
vi ſicherlich Die erſte poetiſche VRerherrlichung dieſes edlen Krautes in Dentſchland.
Die Lieder jſener beiden Tichter find meiſt kurz vor 1650 oder wenige Jahre
ſpäter entſtanden, ſo auch Schohs „Sauff vred“ das LXXXV. feiner „Hundert
ZSchañer Hirten Liebes und Tugend Lieder“, der J. Abteilung feines „Poetiſchen
vruſt und Blumen UGartens“, Leipzig 1660. Hier lautet Die 4. Strophe:
Vergleiche z. Raus Schirmers Liede: „Lieber treue ‚sreundichafft, als
ſalſche Yuhlichafft” Strophe v:
Discellen. 549
Wer fan dod) einander, laß ſpüren,
Bravieren
erieren.
Wer macht doc) das beſte Gelad,
Schneidt Foth-Tabad.
Stedt alle die Pfeiffen und!) Fibibirs an,
Wie ich gethan,
&o lang der Hahn
Noch Lauffen fanın.
Die vier festen Zeilen fiehen auch im Grimmſchen Wörterbud; als Belegftelle
für Fidibus, aber ohne Angabe des Verfafjers,?) vielmehr aus einer mir jonft nicht
befannten Schrift vom Jahre 1673 entnommen („Der pedantische Jrrthum des...
Schulfuchſes“ ©. 205). Gehören fie aber einem um 1650 entftandenen Gedichte
an, jo find fie unzweifelhaft das erfte Beiſpiel der Berwend des vielum⸗
frittenen Wortes und geben zugleid, da Schoch, wie die anderen Mitglieder jenes
poetiſchen Vereins (auch Kaspar Stieler, der „Erfforder” Filidor, Köfter, S. 90)
Studenten Teacen einen deutlichen Fingerzeig, im welchen Kreiſen ber Ausdrud
aufgefommen ift.
die Vorzüge des einiger Filidors Liegen, wie id) an anderer Stelle nach⸗
weife, in dem Genreartigen, Renliftiihen der Ausführung. Mit RE Streichen
weiß er eine Situation zu ſchildern. So zeigt er im zwei Berſen desjelben „Saufi-
Liedes“ aufs fürzefte und doch anfhaulichite, wann und zu welchem Zwed damals
in Leipzig die „Rumba“ gefungen wurde (Strophe 2):
Ich bring dir drey Glaſer auff: Du!
Runda darzu.
Die auf die beiden genannten noch folgenden Verſe derielben Strophe:
Ihr Brüder, fo wäre verrichtet die Zahl
Auff diefesmat,
Schend cin Penal,
Steh nicht fo fahl.
womit der Dichter doch mur feine (übrigens ganz rejpeltable) Leiſtung bezeichnen
fann, zeigen deutlich, daß es fi bier nicht um einen Umtrunt Handelt, der
Refrain alfo nicht beim Rundgehen des Beders angeftimmt wurde, fondern beim
einfachen Zutrunf. Damit ftimmt die Situation überein, die das im Grimmſchen
Nim ingleihen den Tabac,
Das Gelag,
Muh ET *
laſe von dir einen Schmauch,
Dampf und Rauch
Bleiben doch auff Erden,
Bruder, frifch daran,
Weil er glimmen Tan,
Wird. ihr Athem mir
Gar nicht Fommen fir
ae Mit Liebs · Geberden
') „Mit“?
®) Auch nicht als Verſe abgefett,
550 Miscellen.
Wörterbuch eitierte Runda von H. Luſtig vorausſetzt Dunger, Rundäs und Reim:
ſprüche aus dem Vogtland, Plauen 1876, Ar. XV:
Er zog das Gläslein wieder herfür,
Runda dinellula!
Mein guter Geſell, das bring' ich dir!
Runda dinellula!
Umſo bedauerlicher iſt es, daß auch dieſe Strophe des Schochſchen „Sauff—
Liedes“ bei Grimm nicht angeführt iſt.
Berlin. M. Rubenſohn.
Rachträge zu J. G. Zimmermann.
In meinem Buche „Johann Georg Zimmermanns Yeben und Werle“, Bern
1803, “habe ih 2. 9—-23 cine vollftändige Bibliographie zu geben verfudht. Die
ſelbe ıft noch um folgende Kummer zu vermebren;
Dei Zimmermanns Werken iſt zu dem Bud „Über die Einjamteit“ bei-
zufügen: Recenſion in der Allgemeinen deutſchen Bibliothet, Band 61, 2. 141— 157.
Der Recenient war PDiutenbecher, Generalſuperintendent in C — "Zu den
Schriften über Zimmermann:
1799 erichten eine engliſche Überiegung des Wertes „Über die Cinfamteit“
unter den Titel: Solitude, written oririnally by J. G@. Zimmermann. To which
are added the hilfe of the author: notes historieal and explanatory etc.
London: printed for Vernor and Hood.
Ter Inhalt iſt folgendermaßen eingeteilt:
Kapitel I. Emführung.
Kapitel II Einiluß der Emſamteit auf den Geiſt
Kapitel II. Einiluß der Einſamkeit auf das Herz.
Rapitel IV. Allgemeine Vorteile der Einiamkeit.
Kapitel V Verrachtung dev Frage: Wo iſt es leichter, tugendhaft zu ſein,
in der Einſamteit oder in der Melt?
Napıtel VI. Vorteile der Einſamkten in der Verbannung.
Kapitel VII. Vorteile der Emſamkeit um hoben Alter und auf dem Totene
bette.
Ich füge Anfang und Schluß der Vorrede ım deuricher Überſetzung bei:
„Weiche und zarte Gemüter mögen vielleicht durch den Titel dieſes Werkes
allarınıır werden. Tas Wort Emſamken mag vielleicht melancholiſche Ideen er-
weden. Aber man braucht nur einige Zeiten zu leien, um anderer Meinung zu
werden. Ter Antor iſt feiner von den cxtravaganten Vliſanthropen, die erwarten,
daß der :Wenich, welcher von Nanır für die Freuden dev Geſelligkeit geichaflen
ft und unaufhörlich dazu angetrieben wird durch cine Menge von kräftigen und
nnüberwindlichen Neigungen, ſich in Wälder und traurige Hoͤhlen zuriidzichen oder
einiame Zellen bewohnen fol: er iſt cin Freund Dieter Ideen, cin vernünftiger
Fhrloioph umd ein tüchtiger Bürger, der, ermutigt durch die Achtung ſeines Herrn,
ſich beſtrebt, den Geiſt ſeiner Diinmenichen zu erleuchten über einen Gegenitand von
unendlicher Wichtigkeit für ſie, die Erreichung des wahren Glückes.
Rem Schriftfteler ichemt volitändiger davon ilberzeugt als Zimmermann,
dag der Menſch für die Gejellichaft geboren ıft, oder fühlt feine Pflichten mit
reinerer Empfanglichkeit. Tie Natur der menschlichen Geiellſchaft und ihre ent-
ſprechenden Pilichten, das iſt's, mas cr mer zu unteriuchen unternunm.“ — — —
DNiscellen. 551
Der Schluß lautet: „Das Driginahverk, aus dem die folgenden Seiten ausgewählt
find, befteht aus vier umfangreichen Bänden, welche fih den allgemeinen Beifall
des Deutichen Reiches und die Stimme einer Naijerin gewonnen haben, die wegen
ihres glänzenden Beiftes gefeiert wird und ihre Billigung auf die ſchmeichelhafteſte
Art tundgegeben hat.
Am 26. Januar 1785_ftellte fid) ein Courier, geichidt von der ruffiichen
Gefandtihaft in Hamburg, Herrn Zimmermann vor im Namen ihrer Majeftät,
der ruſſiſchen Kaiſerin, mit einem Beinen Käftchen. Diejes Käftchen enthielt einen
Ring, rund beſetzt mit Diamanten von außerordentlicher Größe uud bejonderem
Glanz, und eine goldene Medaille, welche auf der einen Seite das Bild der Halferin.
und auf der andern das Datum der glüctichen Umgeftaltung (reformation) des
ruſſiſchen Meiches trug. Dieſes Gefchenf begleitete die Raiferin mit einem eigen»
händigen Briefe, welcher die bemertenswerten Worte enthielt: An Herrn Zimmer
mann, Staatsrat md Arzt ihrer großbritt. Majeftät, zum Dank fite die ausgezeich-
neten Reg die er der Menfchheit im feiner Abhandlung über die Einjamteit ge-
geben hat.”
Soweit die engliſche Vorrede. Zimmermann ſelbſt ſchreibt in ber Vorrede
zum 4. Bande feines Werkes: — — — „Ein Ring lag im dem Käftdhen, mit
einem einzigen Brillanten von ungewöhnlicher Größe und Schönheit. Auch eine
goldene Medaille mit dem ſchonen faiferlihen Bilbnig anf der einen Seite, und
auf der andern mit dem Denkmal der Vermehrung der Ruffischen Monarchie durch
ein neues Königreich; und dann, was id, faum glauben fonnte, als ich cs jah, ein
eigenhändiges Billet der Katferinn, das biefe unfterbliche Worte enthält: An den
föniglich Großbritanniichen Hofrat und Seibarzt, Herrn — aus Dank-
barteit für manche jhöne Recepte, die der Menſchheit im Buche von der Einjamfeit
perordnet werden.“
Vergleicht man dieſe Worte ——— mit dem, was ber engliſche Über-
feger zu berichten weiß, fo erhält man einen Begriff von der Genauigkeit ber
ganzen Überſetzung
&s folgt dann; the life of Zimmermann, 36 S. umfaſſend, hauptjächtich,
nach Tiffet. Das Buch felbft zählt nur 310 ©, und ift, wie übrigens ber Über
jetser felbft jagt, nur eim Auszug. Weggefallen find hauptjählic, die umfangreichen
Kapitel iiber das Leben der Mönd)e und Einfiedler, das Kapitel gegen Obereit und
überhaupt fo ziemlich alles, was von den Nachteilen der Einjamfeit handelt.
70.) Abeten, Reliquien von Möſer. Möfers jümtliche Werke, Berlin 1843,
10, 254. Enthält familiäre Mitteilungen, datiert vom 22. Juli 1790. Antwort auf
einen Vrief Möfers vom 1. Februar 1789. Er — emlich abſprechend über
die Schrift eines gewiſſen Freſſon, die ihm fer geliehen, und erinnert an
einen Bejuc bei Möjer im November 1788, auf einer „fi ichen und angſtvollen
Reife“, Über dieſe Reife Zimmermanns, wie feine fonftigen — au
Möfer ift mir nichts weiteres befannt geworben, da in der Korre ſpondenz mit
Rengger von 1787—1790 eine Pauſe eintrat, welche durch feine andern mir
befannten Briefe ausgefüllt werden Fan. Zimmermann nennt Möfer nur zweimal,
„Einfamfeit“ 3, 347 umd — —— ee
71.) Schweizerische Nationalbiblioi au sen 8 r
1984. "Sand 4 und 5. Auszüge aus. „sahonalfolge und „Uber ie Einfamlete
2. 3—8 biographiſche Einleitung nad; Tiſſot und Bobemantt. 5
72.) Juftrierte Schweiz, 1873. S. 106 fi. Dr. I. Bihler: 3 6 J—
mann, „ein Lebensbild aus dem vorigen Jahrhundert Populäre des
Yebens, ohne Quellenangabe, circa 17 Seiten Großoftav, hauptjächlich nad Zirfot
und engen, doch I ner Aen ——
73.) Neujahrsblatt für Jung und At, en zun Auftrag der Tchrer«
fonfevenz und mit Unterftiigung der — des Bezirts Brugg.
1895. Darin S. 1-12 Dr. J.'G. Zimmermann von Brugg (vom Dr: Anısien)
2
292 Miscellen.
74.) Neue Zürcher Zeitung ı Montag, 7. Oktober 1895, Morgenblatt. Montag,
7. Chtober. Zweites Abendblatt. Tienstag, &. Oktober, Morgenblatt'. I. &. Zimmer:
‚mann von Tr. W. Bolza.. Ohne Quellenangabe.
75.) Aargauiſcher Hausfreund. Brugg, 9. Tltober 1895. Zur Erinnerung an
J. &. Zimmermann. Bon Zramueli D-euberger:.
76.) Neuiahrsblatt der Yitterariichen Geſellſchaft Bern auf das Jahr 1896.
‚Xern, K. J. Wyß.
Darin: Tobler: V. B. Ticharner. — Tobler hat 97 Briefe (der königlichen
Ribliothek in Hannover: von Ticharner an Zimmermann benutt, weiche indeſſen
fir Zimmermann nichts neues bieren. Bgl. ingbeiondere 2. 52 fi. Immerhin ift
meine Angabe, dag der Briefwechſel zwischen Ticharner und Zimmermann fich nicht
‘über das Jahr 1763 binaus critredt zu baben ſcheine, dabin zu berichtigen, daß
num Briefe Ticharners bis 1768 vorliegen
77. J. Temole und E. Zeeretan: Le niedeein Zimmermann. Galerie
‚Suisse. Biographies nationales 2, 33—41 ınadh Tiiiot und Rengger).
TR. vuß Nefrolog denfwürdiger Schweizer aus dem 18. Nabrbundert,
Aarau 1812. Uber Zimmermann, 2. 591 12.
Tie Stadt Brugg bat am 7. Oktober 1895, als am bundertiäbrigen Todes’
tage des Zchriftitellerg an Zimmermanns Dauie eine einfache Gedenktafel anbringen
laſſen Dieſes Haus, 1737 von Zimmermann verfauft, ſtieß „vorne an die vordere
Gaß und hinten an die Hofitadt” laut den ‚zertigungsprotofollen und war „genannt
zum Krebs“. Meine Angabe, das Haus habe an der Zurzacherſtraße geftanden, ift
:alio dahin zu berichtigen.
177980 richten in Tarınitadt: „Vademecum für Tichterfreunde“ in zwei
Teilen, mit Gedichten von Ztolberg, Bürger, Pifeiel, Hölty, Gleim, Yelfing, Niop-
ſtock, Rammler, Schmitt, Clandius, Gotter, Gichenburg, Miller, Blum, Kreiſch
mann, Campe, Goeckingk, Nältner, Thümmel, Heusler, Andre, Gerſtenberg, of;
und Ebert
Herausgeber war ein J G. zJimmermann, und deshalb wurde die Zamın
lung irrigerweiſe immer dem berühmten J G. Zimmermann zugeſchrieben. Goedekes
GGrundriß 4, 367 und Namenregiſter icheint auch anf uniern Zimmermann zu
deuten. Die ſehr derbe und aggreſſive Vorrede bat auch viel Ahnlichkeit mit Zimmer
manns Stil Wenn ferner Näftner in ſeinem „Sendichreiben“ verächtlich von
Vademecumsſiammlern övpricht, ſcheint dies die Vermutung noch zu ſtüren. Aber
drei Gründe beweiſen, daß nicht unſer zummermann der Herausgeber iſt:
1. Zimmermann erwähnt ein derartiges Unternehmen nie, während er doch
ſonſt von all ſemen Zchriiten ielbſt zu ſprechen pilegt.
2. 1779 30 war Zimmermann mit Kaſtner in einen heftigen Streit verwickelt,
im Vademecnum aber finden ſich 1, 268 #. drei Evigramme von Käſtner.
3. Tie mit J. 8 Zimmermann bezeichneten Gedichte um Bademecum find
nach Form und Stil, nach Der ganzen Mamer zu gut für uniern Zimmermann,
der ja in der Roefte em Stümver war TDer Heransgeber des „Vademecum“ iſt
vielmehr ein J. (B. Zuimmermann, Gymnaſialdirektor in Tarmſtadt, geſtorben 1829,
ſonſt in der Litteratur unbekannt, Vater des Theologen E. Zimmermann, der
1=32 ſtarb.
Jımmermann ımd vavater Schon den eirſten Anton zu ſeinen phyſio
anommichen Studien verdankt Lavater unſerm zummermann (Er fchreibt darüber
Khynognomiiche Fragmente 1, 10°:
„Von ungeiahr fügte es ſich, daß ich einmal neben Herrn Zimmermann,
tigen königlich großbrittanchen veibarzt un Hannover, da er noch in Brugg war,
am Fenſter ſtand, einem militariichen Zuge zuiahe -- und durch eine mir völlig
imbelaunte Fhnſtognomie, meines kurzen Geſichts ungeachtet, von der Gaſſe herauf
gedrungen wurde, ohne Die mindeſte Uberlegung, ohne den inındeften Gedanken,
daß ich etwas Merhvirdiges ſagte, ein ſehr enticheidendes Urtheul zu fällen. Herr
Miscellen. 553
Zimmermann fragte mich mit einigem Erſtaunen, worauf ſich mein Urtheil gründe?
Ich las es aus dem Halſe, war meine Antwort. Dieſes war eigentlich die Geburts⸗
jtunde meines phyfiognomischen Studiums.“ -
Das große Werf Yavaters giebt aud) nähern Aufichluß über den erften Verf
„Zon der Phyfiognomil“, den Zimmermann 1772 im „Hannöverſchen Dagazın“
druden ließ und nod im nämlidhen Jahre in Leipzig geſondert herausgab (vgl.
„Zimmermanns Leben und Werke”, ©. 298). Lavater fährt (a. a. DO.) fort:
„Herr Zimmermann verfuchte alles, mich aufzumuntern; er zwang mir Ur⸗
theile ab. Erbärmlich waren die meiften eben deswegen, weil fie nicht fchneller
Ausdrud fchnellen unftudierten Gefühls waren — und ich kann bis auf den heutigen
Tag nicht begreifen, wie diefer große Geift fich nicht dadurch abj en ließ, mid
immer fort zu nötigen, meine Beobachtungen aufzujchreiben. Ich fing an, mit ihm
Briefe zu wechjeln, Gefichter aus der Imagination zu zeichnen u. ſ. w. Aber bald
ließ ich c8 wieder, ließ es Jahre lang liegen, lachte über alle diefe Berfuche — las
nichts und ſchrieb nicht ein Wort mehr darüber. Auf einmal, da die Reihe wer
traf, der naturforfchenden Gejellihaft in Züri eine VBorlefung zu halten, und i
nicht wußte, worüber? — fiel ich wieder auf die Phyfiognomit und ſchrieb, Gott
weiß, mit welcher Flüchtigfeit, dieſe Borlelung; Herr Klodenbring von Hannover
bat mid drum für Zimmermann. Ich gab fie ihm in aller der Unvolllommenheit
eines unbrauchbaren Manuffriptes. Herr Simmermann ließ fie ohne mein minbeftes
Wiſſen druden. Und fo ſah ich mich auf einmal als Berteidiger der Bhyfiognomil
in die offene Welt hineingeftellt.“
Fragmente 1, 146 jchreibt Lavater: „Der weifeite Dann fieht gerade aus,
wie ein Dununfopf, wenn er Langeweile hat,” — fagt Zimmermann, und er mag
Recht haben, wenn er fein Augenmerk blos auf die aktuelle Lage der beweglichen
und mustulöfen Zeile eines Angefichts richtet.” Diefe Stelle iſt ein ungenaues
Citat aus der kleinen Schrift „Von der Einfamteit“, ©. 15 („Ein Mann von
Verſtand“ :c.).
Dei Belegen hein da er von den Phyſiognomiſten ſpricht (Fragmente 1, 188),
jagt Yavater: „Bon Zimmermann fage ich nichts. So er's fi und der Welt ver-
bergen und mir ableugnen will, es ift nichts gewiſſer, als daß er's in der Menſchen⸗
fenntmig vermittelft der PBhyfiognomie auf einen en hohen Grad gebradht,
und daß ich ihm allein fehr viel mehr hierin zu verdanken habe, als feinem andern,
weder mündlichen nod) jchriftlichen Unterrichte der beiten Menfchenlenner.” Diefe
Stelle deutet unter anderem direkt auf die Worte des ungebrudten Briefes Zimmer⸗
manns an Yavater vom 14. März 1767: „OD bie verdammten Komplimente! Ich
veritcehe von der Phyfiognomif nichts und Du mehr als alle Menichen.“
4, 366 der phyſiognomiſchen Fragmente ruft Lavater aus: „Eine phyſio⸗
gnomijche Diätetil, Zimmermann! fo ein Wert wäre deiner würdig!” Er verweift
dabei auf „Von, der Erfahrung“ 1, 8 und 2, 11, woraus er Auszüge bringt.
Für die Überſendung von Schattenriffen und phyfiognomiſchen Urteilen ein
Beiſpiel Phnfiognomifche Fragmente 2, 194:
„Bert Yeibarzt Zimmermann fandte mir bie vorlberftehende Silhouette von
einem Menſchen, deffen Möglichkeit ich mir nie gebacht hätte, und erivartete mit
Ungeduld mein Urteil. Tas war: das größte, fchöpferifche Genie, dabei brollig und
boshaft witzreich.“ Zimmermanns Berichtigung ift beigefügt, und der ganze bort
folgende Abjchnitt rührt von Zimmermann ber.
4, 486 dankt Yavater Zimmermann.
Bei der befannten, oft citierten Charakteriſtik Zimmermanns d Lavater
‘a. a. ©. 3, 339) fteht ein Bild Zimmermanns. Eine andere Charalteriſtik findet
ich a. a. O. 2, 58:
„Wer ſieht nicht ..........
In Zimmermann das ſeltenſte Gemiſch der edelſten Fei und der
malmendſten Stärke? — die tiefſte Kenntnis der menſchlichen unter
Euphorion IV. 86
554 Miscellen.
Laubgewand des philoſophiſchen Satyrs verborgen? — fo viel warmes Herz mit
jo viel Weisheitsheiterkeit. — fo viel Yauıne als Ernit und foviel Ernſt als Yaunc”“
Zimmermann und Heinzmann. Gin Beweis für die Verbreitung von
Zimmermanns Schriften ıft die Thatlache, dag J. 9. Heinzmann aus Ulm 11767
— 1802), jener Buchbändier und Schrifſteller in Bern, der „Kaufmannsdiener“, wir
ihn Zimmermann veräcdtlih nennt, in feinen zahlreichen Zchriften Zimmermann
jehr oft ercerpiert und citiert bat. ö
Aus dem 10. Napitel des Werkes „Liber die Einſamkeit“ guet er in feiner
„Beſchreibung der Stadt und Republik Bern“, Bern 1794, S. 195 die Stelle:
„Diele Menſchen (ſagt Zimmermann jehr treffend) möchten immer nur wichtige
Tinge thun, ſich nur mit großen Gegenſtänden beſchäftigen, und weil ſie dazu die
Zeit ſich nicht nehmen wollen, jo thun fie nichts. Alſo erreichen ſie auch die Vor
trefflichleit nie wovon fie das Ideal immer im Nopfe behalten, niemals zur Wirk
lichkeit bringen, und nach demjelben doch beinahe alles verjchmähen, was in der
Welt geichiebt. Ich babe in der Zchmweiz, und nirgends jo häufig, wie in Bent,
eine Menge fübiger Köpfe diefer Art gekannt. Sie bätten Zchriftiteller von der erften
Größe werden fünnen, umd ließen nie feine Seile druden; blos aus Liebe zur Be
baglichkeit, oder aus Furcht, daß man fie alsdann weniger groß finde, als fie
wirklich find.” Heinzmann citiert ohne Angabe des Werke, geſchweige denn der
Stelle. Die Nuffindung derielben foftete daber viel Mühe, befonders da Heinzmann
in der 2. Auflage feines Buches, Yerm 1706, Z. 306, wo er überhaupt offenbar
aus dem Gedächtnis eitiert, Zimmermann, diefe Norte fchon „vor 30 Jahren“
geiagt haben läßt. Tie Stelle findet ſich „Über die Einſamkeit“, Yeipzig 1784 85,
3, 344 f. In feiner Schwerserchronit, ern 1801, 2.941 cittert er aus Zimmer:
manns „Nationalſtolz“, 2.86 die Ztelle von der Auswanderung: „Die Schweizer
werden nun auch bald ın den Augen der Spanier Bettler fen; denn mit innigſtem
Bedauern ſehe ich iest, da ich dieſes fchreibe, vor meinem Hauſe vorbei, täglich
ganze Scharen baumſtarker katholiſcher Schweizer . . . . . aus Hunger nach Spanien
ziehen
In dem Buche „Appell an meine Nation“, Vern 1795, übernimmt Heinzmann
jogar Die Verteidigung Zimmermanns gegen die Verliner Aufklärer. Gr fchreibt
. 102::
„Tu muß ein Mann auftreten, von kecker Bruſt und mit berfuliichen Arme,
der ſich lange schon an das tolle Geſchrei gewöhnt hat und unter den leuten Mitteln
das einzige noch ergreift: Gewalt mit Gewalt zu vertreiben. Zo kam Jinmermann;
er blibte mit Jupiters Zorn unter das Gequäke - -- da ſtund der Haufen voller
Verwunderung ſtill und konnte Sich kaum drein üinden, wie ein Menſchenſohn es
wagen durfte, an dieſe BRretterwand von Papier zu ſtoßen und den Stall des
Augias mit Navenpulver zu beräuchern, daß der Geſtank ich weit umber mitteilte.
Aber da ſtürzten fie denn freitich wie die ralend gewordenen Tiere auf Zimmer
mann los, ſtachen, Fragten ihn von bunten amd vorn, worüber das Publikum Augen
und Ohren aufiperrie: aber dieſes Speltakel war des Gegenſtandes wohl wert.
"her ein auffallendes Veiſpiel ſehen will, wie man aus der (Wade der
Recenſenten fallen fan, Dev leſe die ältere Recenfionen von Zimmermanns Werk
von der Einſamkeit und vergleiche ſie mit denen ſeiner ſpätern Werke in der Allge
meinen Deutichen Vibliothet. Schon damals iſt mir Die geſuchte, die hofmachende.
durchaus beifallgebende, gar nicht urteilende, jondern alles lobende Zprache des
Recenienten aufgefallen: da das Urteil des unpartenichen Publikums über das
Werk von der Emiamkeit mit einigen Modiükationen das weit richtigere war.
Vlan hielt cs für eine Geniecarbeit; die Grundlage war locker, blendend: in den
einzelnen Teilen fanden ſich freilich viele ſchone Gemälde, kecke, aber auch über
triebene Schilderungen: die Geichichte der Emſiedler, der Gelehrten, der Zelten
ward durch Wachtiprüche jo entſtellt. daß cs dem wahren Wenichenfchäger wehe
tbat, wie Zimmermann ſich jo hinreißen laften konnte aus Yırbe zum Zonderbaren
Miscellen. 555
und Beigenden. Bei allen diefen Fehlern konnte man das Werk nicht ohne Enthur
ſiasmus leſen; man fühlte ſich dabei erwärmt, und es ſchien, als follten die großen
Schönheiten, die ſich auf allen Seiten fanden, fir die genialifhen Sprünge und
Jrrtimer die Leſer ſchadlos halten. Ein braver Necenjerte hätte dies alles bemerfen
ſollen, aber weit davon machte im Gegenteil die Berliner Bibliothef folgende
captatio benevolentiae an den Berfafier“:
(folgt die Stelle: Fehlerfrei ift fein menschliches Wert ..... Bis „beſchuldigt
zu werden“ aus der Allgemeinen Deutſchen Bibliothet 61, 14: —
„And dieſer große, bewunderte, ohne alle Nüdjicht und Vorbehalt gelobte
Schrifiſteller konnte bei dieſen Kunftrichtern in einem Beitranme von 3 Nabren
ſpater allen jeinen Kredit, alle feine Kunſt, alle jeine Schriftftellerwiirde verlieren!
Nun ift ec der elemdefte Anekdotenjäger, der häflichfte Pasquillant, der fredhefte
Denfeh und der unfinnigfte Verteidiger der Finfternis, &es Aberglaubens und ber
Tirannei. Sie fanden im den 3 Heinen Bündchen: genannt Fragmente über
Friedrich den Großen, jo viele Widerfprüche, jo offenbar faliche Sachen, jo er
dichtete Schlechtigfeiten, daß fie mur zur Recenfton eines Heinen Teils diefes Werk
hens 2 Binde von beinahe 50 Bögen Berihtigungen und Unterfnhungen zu
geben ſich gezwungen ſahen, die fie aus allen Wınfeln zujammenjagten, wm bem
Mann odiös zu machen, und ihrer Bibliothet einvlidten, Nie ift ein Schriftiteller
fo plögfich von feiner Höhe zum tiefften Verächtlichteit berabgefallen, als Zimmer:
mann in dem Sinne dieſer Menfchen! Aber man weiß wohl bie unreine Quelle!
So wie ihr Yob — jo ihr Tadel; dieſes gehäffige, niedrige Betragen ift niemand
befremdend, der dieſe Waldmenfden tennt, die warın umd falt aus einem. Munde
blojen. Zinumermann, wofltr ibn jeder redliche Menich bantt, hat ben Kolben gegen
fie aufgehoben, womit er vorher oft würdige Männer füllte, und damit hat er viele
Schriftfteller-Sünden gut gemadıt, und Deutjchland umd die Schweiz banft ihm
dafür. Hier gegen dieje aroße Despoten fonnte er ſich wicht verfehlen, denn es ift
noch jede Art mit ihnen zu verfahren unendlich offener, und edler, als fie es ſich
erfauben! Da fünnen fid) denn dieſe Großhanfen ‚gar nicht barein finden, wein
ihnen mit dem Maße gemefjen wird, womit fie andern meſſen; aber nicht heimlich,
fondern mit offener Bruft und mit freier Stirne trat Jimmermann auf, ex nannte
fidh zu jeinem Buche, fie nicht alfo! Er hat aud), welches viele Fente fehr loben, auf
alle Beſchuldigungen mit Stillſchweigen geantiwortet. Die Anekdoten, welche Friedrich
den Großen betrefjen, fönnen faljch fein, aber falſch ift es nicht, wie er gegen die
Aufttärerbande, gegen die Weltilluminaten in diefem Buche fpradh. Dazır hat er die
größte Stimmenmehrheit von Deutichland und von Europa überhaupt.‘
Die Stelle beweift auch, wie jehr a) feinen Stil demjenigen
gimmermanns machbildet: ein gewiffes Haſchen nach SKraftausprüden if under»
tennbar.
5. 529 desjelben Buches citiert Heinzmann: „Weider vernünftige Mann,
welcher Deutiche, der im Ernft dem denfenden und edlen Teif feiner Nation ge-
böven will, ann ſich vor ſolchen Schreiern bien?“ zc. ze. Die Stelle ftammt aus
Fragment 3, 302 f.
In dem 4. Bande der „Feierſtunden der Grazien”, Bern 1786-92, wo
Heinzmann Ärztliche Ratjchläge erteilt, bat er Zimmermanns „Erfahrung“ benütt,
woraus er wenigftens eine Stelle mit Zimmermams Namen citiert (S. 236 aus
Erfahrung 2, 358). P
Ju der „Neuen Berner-eitung“ 1798-99, . 345 foricht Heinzmarı bon
dem Heimweh der Schweizer md fügt bei: „Nm Ausnahmen machen Mürner
von hellem Kopf und wahrer Kult und Welttenntmis ı.,...... Beweis befien
Zimmermann, Sulzer“ ıc. =
„Bemälde aus dem aufgeflärten 15. Jahrhundert“, Bern 1780, 2, 91 wird
Zimmermanns „Einjamfeit“, 2, 497 eitiert. („Toben gegen bie Keter war freilich,
ädhter fatholifcher Geift“ 2c.)
30*
556 Miscellen.
„Rürger-Journal“, Bern 1790—92 (3 Bände), enthält mehrere Citate und
Auszüge. 2, 387 wird „Nationalſtolz“ 17683, S. 124 citiert 1Brief des Zerres
an den Berg Athos).
2, 548 desjelben Werkes: „Da c8 bei gewiſſen Leuten Entichuldigung bedarf,
wenn man frei von der Bruſt ipricht, fo mag ein geiftvoller Schweizer und großer
Weltkenner meine Verteidigung über fi nebmen, denn ih bin em Teusicher.
Zimmermann jagt: Seinem Yeler Geſellſchaft machen, iſt weiter nichts, als in
Schriften rund und frei, wie unter vier Augen berausjagen, was man im allge-
meinen Umgang mit Anstand ud Glück fo nicht fagen kann' u. j. w.“ Einſamkeit
3, 421 f. und 508 f.ı.
2, 622°— 663 iſt ein Auszug aus Zimmermanns „Nom Nationalftolge”“ unter
dein Titel: „Beiſpiele aus der Beichichte des Stolzes, der wahren und falichen
Nationalehre, der Wationallucht, des Nationalwahns und der Wationalnarrheit.
Vorgetragen von Herrn Yinmermann aus Brugg, in feinem Buche fiber den
Nationalſtolz.“ Dazu ſetzt Heinzmann die Anmerkung: „Wer ſelbſt viel Ztoly bat,
kann am beſten über den Stolz ſchreiben. Man findet auch wirklich Seele und
Thatkraft in dem Vortrage des Verfaſſers, dies müſſen ihm auch alle feine Feinde
befennen.“ Ber Gelegenheit des Yobes, das Zimmermann den „freien Zeelen“ der
Franzoſen erteilt, bemerlt Heinzmann: „Herr Zimmermann ſchrieb die vor 30
Jahren. Noch Iebbafter wird er beute ſprechen.“ Heinzmann fcheint damals noch
nicht gewußt zu baben, daß Zummermann Teit der Revolution in den ‚yranzoien
nur die Feinde aller Ordnung lab.
In demieiben Buche 3, 90-108 giebt Heinzmann Auszüge aus Zimmer—⸗
manns Fragnienten iiber ‚sriedrich den Großen 13, 252--328 1 mit der Einleitung:
„Zimmermann in Hannover, Der das Schwerd qrgen die Berliner Auftlärer nicht
immer im blauen Dunſte führt, jondern oft nur gar zu ficher und derb den rechten
Fleck trifit, Den er weiten will, ſagt unter anderem in jenem Buche iiber ‚griedrid)
den Großſen“ ꝛc. Tas Kapitel iſt Überichrieben: „Rild der Berliner und Potsdamer
Aufklärung.“
3, 203 des Bürger Nonrnals jagt Heinzmann: „Zimmermann, dem ich immer
ger nenne, wert er ber ung wohlbelanmt iſt, umd jene Weltlenntnis often und
ungeheuchelt tit, ſagt“ . . . . . Es folgt das Citat: „Falich iſt es, daß man nur in
Republiken Herz und Seele habe“ ww. aus „Einiamkeit“ 3, 511 und 514.
3, 420 440: „Yebens und DTenkungsweiſe in kleinen, zuweilen auch in großen
Städten, geſchildert von J. G. zimmermann aus Brugg, jert Ritter und Yeibarzt
in Hannover.“ Ks ſind Auszüge aus dem 7. und 10. Kapitel der „Einſamkeit“.
Heinzmann leitet das Napıtel ein amt den Sorten, es lei ein „moraliiches Medi
kament von einem bekannten Yerb und Geiſtesarzt, dev Yandamänniiche (Hebrechen
wohl einſieht und ſelbſt zum Theil Damit bebafter it“.
sm dem gleichen Buche wird Zzummermann noch eitiert 3, 479 und 486, wo
ſich Heinzmann auf das Buch „Bon der Erfahrung in der Arzneilunſt“ beruft,
ferner 2.505 und 658, wo Zimmermanns „Einiamkeit“, Die befannte Ztelle über
die Binititer ‚yenelon und Muralt 4, 388 11° cattert wird.
Tas Auch „Weichäftigungen für Kranke“, Baiel 1795, enthält S. 146 —154
Auszüge aus Zimmermanns Einſamteit 3, 173-180, 183—186 und 187 —191.
„Meine Frühſiunden in Karis“, Baſel 1800, bat 2.169 ff. die Stelle: „Mir
ſiel cine Ztelle aus inunerimanm cin, obgleich ev über die Revolution mißvergnügt,
doch ichon vor dreißig Jahren den üchten Republilanerton in der Franken Wunde
zu bören glaubte und ihre öffeneliden Meder als Water anpries” sie. Es folgt
Citat aus „Nattonalſtolz“ 1768, 2.267 und 271 f. Ebenda in den Beilagen, S. 132
finder ſich ein Citat ans „Einſamkeit“ 4, 156 f., die Ztelle über den Yandprrdiger.
Man ſieht, wie vielfach Heinzmann die Werle Zunmermanns benutt bat.
Aber er eitiert immer ungenau, andert willkürlich und giebt me Zeitenzabl, Velten
day Werlk an, jo dat der Rachweis mühevoll ıft.
Discellen. 557
„Dem Ritter von Zimmermann, Präfidenten von Kotzebue und Erprofeffor
Hofmann“ ift als den Gegnern der Aufklärung in_einer ivonifchen, in Berjen ab-
efapten Vorrede gewibinet das Buch: „Bifionen, Dialogen und Erzälungen. Bom
Berfaffer der Scenen aus Faufts Yeben. Odi profanum vulgus et arceo. Horat.
Bremen bei Friedrich Wilmans 1795.” Das Bud) wurde mir von Herrn ——
%. Hirzel mitgeteilt. Kotzebue wird darin hergenommen wegen feines Ausſf 18,
daß die Menjchen nicht zu beifern feien. Die Schrift "Bahrbt mit der eifernen
Stirn“ wird eine „Rloafe* genant. Hofmann wird als Spion bezeichnet, Auf
Bimmermann felbft geht die Stelle: „So — si parvis licet componere magna!
— ftand der Ritter von Zimmermann vor dem Spiegel, als zum erften Male der
St. Wladimirorden der dritten Klaſſe in feinem Knopflodje ing, umd beantlitte
fein wertes Selbft” (S. 280), Der Berfaffer ift Aoys Wilhelm Schreiber (vgl.
Gocdete 4, 229 und 5, 367/68). # r N,
„ Einige Citate jeien hier noch angeführt. Heinric N em Auffat:
„Über die Urjachen des Sretinismus“, Suse EG Aarau 1825, 10,
257: „Wie übertrieben und „unzuverläffig jelbft Schweizer in Balen Dingen ge⸗
urteilt haben, mag Zimmermann zum Beifpiel bienen. Er 1 it im feinem Buch don
der Erfahrung, 2, ©. 150: „In unferm Walliferfand müfjen die Einwohner im
Sommer ihre Kinder auf die hohen Gebirge verichiden, damit fie nicht in den
zwischen hohen Marmorwänden liegenden Thälern ihr Gedächtnis verlieren ober
wahnmwitig werden.“ 5
In feiner Borrede zu Lavaters Heiner Schrift „Bon ber Phhfiognomif“ 1772
jchreibt Zimmermann unter anderem: „Eine Phyfiognomanie iſt durch die Belannte
machung diefer Blätter nicht leicht zu befürchten, wenn man erwäget, was mir
neulich ein Phifofoph ohne Bildjäule, Mantel und Bart, aber ein eben jo großer
Phifofoph als irgend einer aus dem Altertume (Herr Sulzer in Berlin) gejehrieben
bat: in Yavaters Phufiognomit find wirklich tiefjumige Einfichten“ ze. Goethe in
feiner abfchäßigen Kritif Über Sulgers Theorie der jchönen Kinfte, jpecielt Über den
Auffat: „Die {Mönen Rünfte in ihrem Urfprunge* zc., Seipzig 1772, citiert (was
bisher unbemerft geblieben ift) dieſe Benennung Sulzers durch Zimmermann ziens
Lich höhniſch mit den Worten: „Here Sulzer, der nad dem Zeugnis eines
unferer berühmten Mäuner ein eben fo großer Bhilojoph if, als
irgend einer aus dem Alterthum, feheint in jeiner Theorie, nad) Art der
Alten, mit einer eroterijchen Lehre das arıne Publikum angafyeilen, und dieſe Bogen
find, womöglic, unbebeutender al8 alles andere.“ Die Recenfton seien in
Frankfurter Gelehrten Anzeigen 1772. Bgl. Sämtliche Werke, Ausgabe lebier Hand,
Stuttgart 1830, 33, 24. Yeimaritgie Ausgabe 37, 206. -
Wie nachhaltig Zimmermann doch gewirtt hat und wie viel Anklang einzelne
feiner Schlagworte fanden, das beweift ber Umftand, daf C Börne in feinen „ je
menten und Aphorismen“ (Reflam 2, 560) mod; auf Nicolais „‚ejuitenriederel”
anfpielt mit den Worten: „Nikolai, der in jedem Beilden einen Jefuiten rod“ zc.
Auch ſonſt eitiert Börne Zimmermanng Namen als einen allbefannten. Bol.
Schilderungen aus Paris (1822/23. Nellanr 1, 432): „Man fan dort (im den
Tuilerien) fangen: Habjucht, Unbuldjamfeit, Gottlofigkeit, feinen Geſchmack, und des
verftorbenen Ritters von Zimmermann Perjonal- und Nationalftol;.“
In feinen Roman „Der grüne Heinzidh“ erzählt &. Keller (1, 289 f.), wie
ein Freund den jungen Heinrich, zu einem immer höher geftei Briefwechſe
veranlaßt, indem dieſer Freund Zimmermanns „Einjamteit“ ausſchreibt und dabuxd)
Heinrich in Erftaunen fett, der im gutem Ge an die Originalität feines
Freundes fih aufs höchſte anftrengt. Diefer ift faftiich. Der betreffende Freund
Kellers war 3. Müller aus Frauenfeld. Vgl. Bächtold, Keller (Berlin, Her 1894)
1, 60. 62. 68 fi. — ein Beweis, wie fange Zimmermann gewirft hat,
Bern. Rudolf Jicder.
558 Miscellen.
Zu Goethes Mignon.
Ta gegenwärtig wieder von den Vorbildern zu Goethes Mignonfigur ge-
fprochen wird, fer aus einem ungedrudten Briefe Johann Chriſtian Auguft Grob:
manns (vgl. über ihn Prantl, Allgemeine deutiche_ Biographie 9, 709 fi.) an
Nicolai, Wittenberg den 24. April 1805 folgende Ztelle mitgeteilt: „Ich wurde
dor einigen Tagen ſehr Iebbaft an Zie erinnert, da ich in der Berliner Monat—
Schrift Ihre Rerichtigung der Lebensumſtände der berühmten Mara laß (vgl. Über
einige Rachrichten von dem verſtorbenen Tonkünſtler Hiller. Rerliniſche Monate»
ichrift, 1805 Januar, Z. 3—31 Goedeke?, 174, 30%. te oft bat mir nicht der
betannte Detlamator Schocher in Naumburg erzählt, daß die Mara von Hiller
zur Sängerin fen gebildet, ja von ihm erzogen worden, dag fie als ein armes
Mädchen mir ihren Bater, der die Harfe geipielt babe, ın Leipzig ‚berumgezogen ſen,
und daß er ſelbſt oft, oft ihr einen Sechier auf das Kodenblatt ı!ı gelegt habe. Es
freute mich, eine ſolche Berichtigung zu leien, aber ich ſtaunte zugleich auch, mie
Lebens Umſtände können verdreber werden.“
Natürlich läßt Sich nicht bebaupten, daß auch Goethe troß feiner Bewunderung
für die Mara von diejem Gerüchte zu Yeipzig gehört baben müſſe, da jedoch ın
Roſenbaums ſchönem Nachweis der Hariner fehlt, mag die Parallele wenigftens
verzeichnet werden. Dem Dichter fliegen 1a Motive von verichiedenen Zeiten zu,
verbinden und beeinflußen ſich, ehe ſie feite Geſtalt in feiner Phantaſie gewinnen.
vemberg. Richard Maria Werner.
Q
Ein Seineldes Plagiat.
In einem in den Münchner Neueſten Nachrichten :6. Februar 1896, Nr. 61)
veröftentlichten Aufiaße über „Klagiate“ weiſt DT. Dach darauf bin, daß der folgende
Heineiche Vierzeiler, welcher zuerſt in Engels „MPemoiren“ mitgeteilt wurde und
dort die Aufichrife trägt „Bei (selegenbent eines Beſuches ın Yatignolles ı2. Januar
1845“, eine zum Tel woörtliche Wiedergabe des Yogauichen Zinngedichtes „Se:
ſchminkte Freundichaft“ mit:
Hände küſſen, Hite rücken,
Kniee beugen, Häupter bücken:
Kind, das tt nur Gaulelei,
Denn das Herz dentt nichts dabei.
Der Wortlaut des Evigrammes von Yogan iſt nach der Eitnerichen Ausgabe
von Logaus iamtlichen Werten, Stuttgart 1872, S. 122, folgender:
Weihmündte Freundſchafft.
Band. hüten, Hüte rücken,
Knie beugen, Haupter bücken,
Worte Schrauben, Rede ichmücken,
Wer, dat dieie Gauckeley,
Menter, rechte Freundichaft ſey,
Rennet nicht Retriegeren.
Tier beiden alten Verszeilen des vogauichen Spruches bat Deine wörtlich
bennuet. Ten Inhalt der zweiten Dälfte des Epigrammes bat er in cine Zeile zur
fammengefaßt. Nur die 4.
Allein auch biezu iſt er —
ſchen Vers angeregt worden.
einer zu
Curiositatis sive Anti
Germano Warheit, Veritatis S
Sammlung von al
fi unter dem Artitel „De Politieis”, &
Nennung des Verfaſſers in folgendem Zuſe
Darauf folgen — auf ©. —
il Profa, jowie ein
ae Sehe —
Bei de au
mit dem geſpe gedruckten
fraglichen Gatus der Schola Gi
Verſen Yogaus auch den eben
Münden.
Kecenſionen und Fheferate.
Francke Kuno, Social forces in German Literature. A Study
in the history of eivilisation. New York, Henry Noll and
Co. 1846.
Francke beabfichtigt mit diefem Wert, wie fhon Titel und Untertitel
zeigen, die Gefchichte der deutfchen Yitteratur als ein Profilbild der deut⸗
ſchen Geiſtesgeſchichte und der Kulturgefchichte überhaupt zu zeichnen. Die
furze Einleitung ı<. 1—6, erläutert dies weiter dahin, daß die periodifchen
Ablöſungen der individualiftifchen und kollektiviſtiſchen Tendenz, die für die
Entwidlung germanischen Weſens bezeichnend feien, an der Geſchichte
unferer Yitteratur gezeigt werden follen. Jene Antithefe wird ferner gleich»
gefegt mit einer ganzen Weihe von andern (Hegenfägen: Menſch und
Geſellſchaft, Freiheit und Einheit, Weltbürgertum und Nationalgefühl,
Idealismus und Realismus. Daß in beftimmten Epochen eine VBerföhnung
der fämpfenden Zendenzen erreicht wurde, wird nicht abgeleugnet, fonft
aber jeder Periode die beftimmte Vorherrichaft der einen Richtung zuge⸗
ſchrieben. Einen ähnlichen Verſuch machte, war Francke unbelannt ge:
blieben zu fein fcheint, vor fchon zehn Jahren Posnett in feiner „Com-
perative Literature”; es iſt bezeichnend, daß der erfte Verſuch, die
Litteraturgeſchichte auf eine ſoziologiſche Baſis zu ftellen, aus Auſtralien
kam, der zweite aus Amerika. Posnett hält ſich völlig an die Stufen
Zir Henn Sumner Mainet.
Müſſen wir geftchen, dag uns die Cummierung al der aufgezählten
ethiichen, politischen, äfthetiichen Kontrafte in eine Formel gewagt er-
fcheint, jo räumen wir doc ein, daß fie völlig mit der jegt berrichenden
Geſchichtsauffaſſung übereinftimmt. Methodologiſch-kritiſche Aufſätze der
jüngeren hiſtoriſchen Schule wie Lamprechts ausgezeichnete Unterſuchung
„Was iſt Kulturgeſchichte?“ Deutſche Zeitſchrift für Geſchichtéewiſſenſchaft
1896797, S. 75 f.) und Breyſigs Eſſay über „Die ſoziale Entwicklung
der führenden Völker Europas in der neueren und neueften Zeit” (Schmol⸗
Francke Kuno, Social forces in German Literature. 561
lers Jahrbuch 20, 1091 f.) arbeiten mit ähnlicher ober auch ganz der»
jelben Formel. Der Verſuch, fie auf die Pitteraturgefhichte anzuwenden,
ift gewiß berechtigt; und geht es nicht ohne allen Zwang, jo fann man
erwidern, das jei bei Scherers Wechſel vom männlichen und frauenhaften
Perioden oder bei A. W. Schlegels vier Epochen, die Frande (©. 459
Anmerkung) mit Unrecht als die feitdem vorwaltend angenommenen be—
zeichnet, aud) der Fall. Nur freilich ift die Gefahr, daß der Charakter einer
Zeit dem Syſtemzwang zu Yiebe mißdeutet wird, mod; größer, wenn bie
Kriterien aus einer fremden oder doch aus einer allgemeineren Entwicklun—
geholt find ftatt aus der fpecififch litterariſchen. Man wird denn Pe
nicht beftreiten können, daß bei Francke nicht felten die Charakteriftif
unter der vorgefaßten Meinung leidet, diefe oder jene Tendenz fei num
gerade am ber Reihe. Darf man behaupten, Gottfried von Straßburg
bedeute die Auflöfung ber ritterlihen Geſellſchaft: Leidenſchaft renne alle
Schranken der Sitte mieder und vernichte den Sinn der alten Ideale
(S. 99)? ift wirklich Liebe und Minne jo durchgängig entgegengejegt, wie
(S. 69) allerdings hübſch auseinandergefegt wird, jo dag der Sieg der
Liebe den Tod der Minne bedeuten Könnte? Kann man Spee und Angelus
Sileſius S. 193) der „individualiftiicen Unterftrömung“ (5. 187) zus
rechnen — fie, die fo leidenfchaftlih nad Ruhe vor der eigenen Seele,
nad) Unterdrücung der eigenen Imdividualität ringen? Würde in ähnlicher
Weife nicht auch für Kant (S. 328 f.) der Titel eines „Klaffiters des
Individualismus* (©. 318) anzuzweifeln fein? Man kann erwidern, ım
Gottfried, in Spee und Scheffler, in Kant rege ſich eine ftarfe Iudivi⸗
dualität — ganz gewiß; aber im diefem Sinn bedarf man nicht des Hin
weifes auf periodiſchen Ausbruch des Realismus (©. 128) oder des In«
dividualismus (S. 187); dann genügt es zu erwähnen, dag Epochen, ur
denen große Männer auftreten, mit ſolchen wechjeln, denen fie fehlen.
Soll der große Mann aber durch die Stellung, die er zw der eigenen
Individualität einnimmt, für bie Tendenzen ber Zeit ein Merkmal bilden,
jo würde ich jene vier insgefamt mar ber „lollelliviſtiſchen“ Richtung zu⸗
weifen fönnen,
Id) glaube aber, felbft wenn die Nollenverteilung allgemein gebilligt
würde, fönnten wir aus diefer Zurüdführung der großen Zeitbewegungen
auf je zwei Tendenzen nicht allzu viel lernen, Gewiß ift es lehrreich, ben
Dichter mit andern Leiftungen feiner Zeit zu vergleichen. Sehr hubſch
werden jo (S. 125) Meifter Wilhelm von Köln, (©, 136) Dürer und
Brüggemann oder (S. 484) Memling zur Erläuterung der poerifchen
Fortichritte herangezogen. Überall wird auf die politiichen Strömungen
Nüdjicht genonmen und vielleicht läßt Frande fid hier von feiner eigenen,
amerilaniſch· liberalen Parteiſtellung jelbft zu jehe beeinfluffen, wenn bem
ihönen Nachruf auf Platen (S, 506) oder der Nechtfertigung Heines
und Börnes (S. 514) die Verbannung der großen Anmette don Drofte
962 Franeke Kuno. Social forces in German Literature.
in eine Anmerkung S. 513) gegemüberfteht. Nur kommen bei diejer aus⸗
ihlieglihen Berüdfihtigung der allgemeinen Strömungen die fpesifilch-
litterariſchen zu kurz: die Wirkungen der poetifchen Tradition, die Ztoff-
wahl, die Formgebung werden, weil fie einer direkten Zurüädführung auf
jene Haupt'endenzen nicht fähig find, beinahe ganz verfchwiegen.
Eieht man von diefem großen Mangel ab, den aber Yrandes Wert
mit vielen teilt, denen feine Entihuldigung fehlt, jo fann man es als
eine vortreffliche Darftellung der deutichen Pitteraturgefchichte bezeichnen.
Für das amerilaniihe Publikum find Proben eingeftreut, die mit fehr
großen Geſchick und entichiedenfter Celbitändigkeit iz. B. bei Klopftod,
S. 236 f. ausgewählt find; für diefe Yefer würde das Auch an Braud)-
barfeit nocd; gewinnen, wenn das Wiographifche nicht immer vorausgefegt
würde. Oft gelingen dem Nerfaller treffende Charakteriſtiken, fo für das
Rolandslid S. Hu: und für das Redentiner Unteripiel S. 1351, für
Yelfings Tupen Z.282 f. und R. Wagners Zoz alphılofophie S. 549 f.:.
Auch lehrreiche Vergleiche fehlen nicht, wie zwiſchen Meier Eckharts und
Schillers moraliſch-äſthetiſchem deal S. 111, zwiſchen Parcival und
Simpliciſſimus S. 204, zwiſchen dem wahren Mittelalter und der falſchen
Vorſtellung der Nonantifer davon S. 424. 446 und, bejonders glüd«
lid, zwiichen Schillers und Goethes Ingendwerten S. 341. Vielfach
ſind dieſe Parallelen ſchon von andern gezogen, zum Teil auch weiter
geführt als von Francke, z. B. die zwiſchen der jüngſten Richtung und
Sturm und Drang S. 5515, die neuerdings Vollmöller in einem un-
erlaubt ſchlechten Hefte totgehetzt hat; aber immer hat Francke fie Mar und
verftändig nachgezeichnet. Zuweilen natürlich) müſſen wir auch opponieren.
Francke wird S. 115 Anmerkung: den vigentümlichen Reizen der Imitatio
nicht gerecht, ev wirft S. 185 Romane von vecht verfchiedener Art und
(Guüte durcheinander; er giebt von I. Paul S. 409, ein ganz verzeichnetce
Bild und behandelt S. 413 f. die Romantik viel zu fchledht; wobei den
Verehrern der Nomantifer, die immer die „Berliner Aufflärung“ als Feind
dieſer Richtung verkegern, der Tort geſchieht, daß S. 452, Anmerkung 82:
Tieck ſelbſt als unheilbar aufgeflärter Berliner darakterifiert wird. Ganz
talih iſt es zu behaupten, Luther habe fich je zu der Yehre befannt „cuius
regio eius et religio”" 2. 140 und die Schilderung des „mpifchen
Menſchen“ ber Goethe und Schiller S. 335: paßt viel eher auf Wieland
oder Grillparzer. während er für die beiden Tiosfuren nur etwa auf den
ans Goethes berinflußter Jugend ftammenden „Kauft“ und auf die romans
tiſierende „Jungfranu“ Schillers anwendbar ift: wie gewaltiam, ala Motiv
der „Maria Stuart“ S. 385 ihren Kampf zwiſchen irdiicher Yeidenfchaft
und aufopfernder Neſignation anzugeben! Wirkliche Unrichtigkeiten! find
Einiges ct in Dev inzwiſchen erichtenenen, ſonſt unveränderten zweiten
Auflage bereits berichtigt worden. A. Zauer.
Schmidt Julian, Gefhichte der Deutſchen Litteratur won Leibniz 5 D6B
dagegen fehr felten (Angelus Sileſius war nicht Iewit ©. 193, fondern
Minorit; S. 90 Freiberg Drudjehler für Freiburg). Der kurze Epilog,
der die neuefte Pitteratur muftert, ftrebt (S. 5485—559) Objektivität an
und bejchränkt fich in lobenswerter Weile auf die bedeutendjten Erſchei—
nungen; R. Wagners Name beherrjeht für dem Verfaffer die neuere Ent-
widlung aller deutfchen Kunſt. — Neu ift der Himveis auf die raſche
Wirlung des deutſchen Pietismus auf Nordamerifn im Beginn des 18,
Jahrhunderts (S. 175 Anmerkung), beachtenswert auch der auf den Eins
fluß deutfcher Auswanderer auf die norbamerifanifchen Umiverfitäten (S. 496
Anmerkung). Möge dies gute Buch) (da8 ung freilich da am beften jcheint,
wo e3 nicht durchaus neu jein will) die Wechjelbezichungen zwiſchen Deutſch⸗
land und der größten germanifchen Kolonie, die es jo hübſch ausprüdt,
verftärfen und vertiefen!
Berlin. Nidard M. Meyer.
Schmidt Julian, Gedichte der Deutſchen Litteratur von Leibniz bis
auf unfere Zeit. V. Band, 1814—1866. Berlin, Wilhelm Her.
1896. 8 M.
H. Grimm hat vor furzem (im der Deutfchen Nundican) geäußert,
daß mit Julian Schmidts Werk die Ara der Pitteraturgefchichten gleichfam
für immer abgeſchloſſen ſei. Man wird zu diefer Behauptung nur ver-
wundert den Kopf "jcütteln können; richtig aber bleibt, dag eine be—
stimmte Epoche der deutjchen Litteraturgeſchichtſchreibung in I. Schmidts
Buch ihren abjchliegenden Ausdruck gefunden hat. Jene ftarf fubjeftive
Richtung, für die alle Litteratur im Grunde lediglich als Bekundung ber
ſtimmter politiſcher, religiöfer, ethiſcher Nichtungen Bedeutung hat, fand
hier nod) ſtärlere Belundung als bei Gervinus oder Bilmar. Es ift bes
zeichnend, daß alle drei nicht von Beruf fitterarhiftorifer waren wie
Koberftein, Goedele, Scherer. Es find Pitteratwrgejchichten, von eifrigen
Leſern geſchrieben. Der Hiftorifer, der Theolog, der kämpfende Yournalift
ſuchen und finden auch bei Wolfram und Goethe mehr noch Unterftügung
für ihre mit Leidenſchaft gepredigten Programme als reinen Genuß oder
„zwedlofe Erfenntnis“, Eben dies giebt aber ihren Darftellungen auch
eine Wärme, die der kühleren Betrachtung des lange Entwidlungereihen
überfchauenden Forſchers leicht abgeht. Yulian Schmidt insbejondere ift
recht eigentlich ein Vorlefer in jedem Sinne des Worts; mit dem Puch
in der Hand fit ev vor ung, greift Stellen heraus, demonftriert Lchhaft
mit erhobener Hand und fchleudert dann das Buch in die Ede.
Wie nun dies Mitleben des Kritilers mit dem befprochenen Büchern
Vorteile und Nachteile mit ſich bringt, fo auch ein anderer Punkt, der bamit
eng zujammenhängt. Das Bedurfnis entjchiedener Parteinahme drängte
überall Freund und Feind aufeinander, und recht im Gegenfag zu ben
556 Miscellen.
„Bürger-Journal“, Bern 1790—92 i3 Bände), enthält mehrere Citate und
Auszüge. 2, 387 wird „Nationaljtolz” 11768), 2. 124 citiert (Brief des Zerres
an den Berg Athos).
2, 548 desfelben Wertes: „Ta es bei gewiſſen Yeuten Entichuldigung bedarf,
wenn ınan frei von der Bruſt ipricht, jo mag ein geiftvoller Schweizer und großer
Weltkenner meine Berteidigung iiber fih nehmen, denn ih bin ein Teuticher.
yimnermann fagt: .Zeinem Leſer Geſellſchaft machen, ift weiter nichts, als in
Schriften rund und frei, wie unter vier Augen berausiagen, was man im allge-
meinen Umgang mit Anftand und Glück fo nicht jagen kann' u. ſ. w.“ (Kinjarmteit
8, 421 f. ımd 508 f.ı.
2, 625— 663 iſt ein Auszug aus Zimmermanns „Vom Wationalftolge” unter
dem Titel: „Beifpiele aus der Beichichte des Ztolzes, der wahren und falfchen
Nationalehre, der Nationaliudht, des Rationalwahns und der Nationalnarrheit.
Zorgetragen von Herrn Zimmermann aus Brugg, in feinem Auche liber den
Nationalſtolz.“ Dazu ſetzt Heinzmann die Anmerkung: „Wer ſelbſt viel Ztoly bat,
kann am beiten über den Ztoly ichreiben. Dan finder auch wirklich Zeele und
Thatkraft in dem Vortrage des Verfaſſers, dies müſſen ihm auch alle feine ‚yeinde
befennen.“ Bei Gelegenheit des Yobes, das Zimmermann den „freien Seelen“ der
Franzoſen erteilt, bemerkt Heinzmann: „Herr Zimmermann fjchrieb dies vor 30
Jahren. Noch lebbafter wırd er heute ſprechen.“ Heinzmann fcheint damals noch
nicht gewußt zu baben, daß Zimmermann ſeit der Revolution in den Franzoſen
nur die Feinde aller Ordnung ah.
In demſelben Buche 3, 99—108 giebt Heinzmann Auszüge aus Zimmer:
manns Fragmenten über ‚griedrich den Großen ı3, 252-—3281 mit der Einleitung:
„yunmermanm in Hannover, dev das Schwerd gegen die Berliner Aufllärer nicht
immer im blauen Dunite führt, ſondern oft nur gar zu ficher und derb den rechten
‚sled trifft, den er weiten will, Sagt unter anderen in jenem Buche liber ‚sriedrid)
den Großen“ zc. Tag Kapitel iſt Überichrieben: „Wild der Berliner und Potsdamer
Aufklärung.“
3, 203 des Bürger Journals Sagt Heinzmann: „Junmermann, den ich immer
gern nenne, weil er ber ung wohlbekannt iſt, und ſeine Weltlenntmnis offen und
ungeheuchelt iſt, ſagt“ . . . .. Es folgt das Citat: „Falſch iſt es, daß man nur in
Hepubliten Herz und Seele babe” ıc. aus „Einſamkeit“ 3, 511 und 514.
3, 429 - 440: „Yebens und Denkungsweiie in kleinen, zuweilen auch in großen
Städten, geichildert von J. 8. zimmermann aus Prugg, jevt Ritter und Yeibarzt
in Hannover.” Es find Auszüge aus dem 7. und 10. Napitel der „Einſamtkeit“.
Heinzmann leitet das Napıtel cum mit den orten, es ſei ein „moraliiches Medi—
tament von einem belannten Yeıb und Geiſtesarzt, der Landsmänniſche Gebrechen
wohl einſieht und ſelbſt zum Theil damit bebaftet ıft“.
In dem gleichen Ruche wird Zimmermann noch eitiert 3, 479 und 486, wo
fih Heinzmann auf das Buch „Son der Erfahrung in der Arzneitunft“ beruft,
ferner S. 505 und 658, wo Zimmermanns „Einſamkeit“, die befannte Ztelle über
die Dinitiker ‚yenclon und Muralt 4, 388 ff. eitiert wird.
Tas Auch „Weichäftigumgen für Kranle“, Baiel 1795, enthält 2. 146—154
Auszüge aus Zimmermanns Ernſamkeit 3, 173—180, 183—186 und 187—191.
„Meine Frühſtunden in Karis“, Basel 1800, hat Z. 160 fi. die Ztelle: „Wir
fiel eine Zelle aus Jinmmermann ein, obgleich er über die Revolution mißvergnügt,
doch ichon vor dreißig Jahren den äcten Republilanerton in der Franken Munde
zu bören glaubte und ıbre öffentlichen Medner als Muſier anpries” sic. Es folgt
Kitat aus „Nationalſtolz“ 176= , 2.267 und 271 f. Ebenda in den Yeilagen, 2. 132
finder ſich ein Citat aus „Einiamkeit“ 4, 156 f., Die Ztelle über den Yandprediger.
Wan ficht, wie vielfach Hemzmann die Werke Zimmermanns benubt bat.
Aber er eitiert immer ungenau, ändert willlürlich und giebt nie Zeitenzabl, jelten
das Werk an, io dan der Nachweis mühevoll ilt.
Miscellen, 557
„Dem Ritter von Zimmermann, Präfidenten von Kotzebue und Erprofeſſor
Hofinann“ ift als den Gegnern ber Aufklärung in einer wwoniichen, in Verfen ab⸗
gefaßten Vorrede gewidmet das Buch: „Vifionen, Dialogen und Erzälungen. Bom
Berfaffer der Scenen aus Faufis Leben. Odi profanum vulgus et areeo. Horat.
Bremen bei Friedrih Wilmans 1795.” Das Bud) wurde mir von Herrn Brofeffor
8. Hirzel_mitgeteilt. Kotzebue wird darin hergenommen wegen feines Ausfy
dafı die Menſchen micht zu beſſern fein. Die Schrift ‚aihar mit der eifernenm
Stirn“ wird eine „Roafe* genannt. Hofmann wird als Spion bezeichnet. Auf
Zimmermann jelbft gebt die En „So — si Ber arvis lieet componere magna!
— ftand der Ritter von Zimmermann vor dem a als ga erften Male der
St. Wladimivorden der dritten Mafje in feinem Sropflodhe Ki, mb beanttitste
fein wertes Selbft” (3. 28"), Der Verfaffer ift oe Wilhelm Schreiber (vgl.
Bocdete 4, 229 und 5, 367/68).
Einige Citate jeien bier noch any gefühnt: einvich Ziholfe in dem Auffatz:
„Über die Urfachen des Sretinismmus", wählte Schriften, Aarau 1825, 10,
257: „Wie übertrieben und — elbſt Schweizer in dieſen Dingen ge
urteilt haben, mag Zimmermann zum Beifpiel dienen. va! t in feinem Buch von
der Erfahrung, 2, ©. 150: „In unjerm Walliferland hen die Einwohner im
Sommer ihre Kinder auf die hoben La verſchiden, damit fie micht In den
zwijchen hohen Narmorwanden — Thllern hr Gedachtnis verlieren oder
wahnwitzig werden.“
In jeiner Vorrede zu Lavaters Heiner Schrift „Bon ber Bhnfiognomit” 1772
ichreibt Zimmermann unter anderem: „Eine Vyfiognomanie ift durch bie Belannt-
machung diefer Bfätter nicht leicht zu befürd)ten, wenn man ee was mir
neulich ein Phifofoph ohne Bildjänle, Mantel und Ben aber ein jo großer
Philoſoph als ingend einer aus dem Altertume (Hexe Aue in Berlin) aeifeichen
hat: in Lavaters Phyfiognomik find wirklich tiefl => —— x. Goethe im
feiner abjchäigen Kritif Über Sulers Theorie der fchänen Künfte, fpeciell über den
Aufſatz: „Die jhönen Kinfte im ihrem Urfprunge* 2c,, geil 1772, eitiert (was
bisher unbemerkt geblieben it) diefe Benennung Sulzers durd, Zimmermann ziems
lid) böhnifch mit den Worten: „Herr Sulzer, der mad) dem Zeugnis eines
unferer berühmten Männer ein eben jo großer —— — als
irgend einer aus dem Alterthum, fcheint in feiner Th (vt ber
Alten, mit einer eroterifchen Lehre das arme —— al le, in mb —* ——
find, womöglich, unbedeutender als alles andere.” en
Srantfurter Gelehrten Anzeigen 1772. Vgl. —S Berk, —E — Hand,
Stuttgart 1830, 33, 24. Weimariſche — 37, 206.
Vie nachhaltig Zimmermann doch g tt hat und wie viel Anklang einzelne
feiner Schlagworte fanden, das beweift 8: 3 daß 2. Börne in ſeinen stop;
menten und Aphorismen“ (Rellam 2, 560) tod auf Ricolais gelten
anfpielt mit den Worten: „Nitolai, der in jedem Beilden einen * ic.
Auch, font citiert Wörne Zimmermanns Namen als einen a mie Dal.
Schilderungen aus Paris (1822/23. Nellam 1, 432): „Man fann dort (in den
Tuilerien) fangen: Habfucht, Undulbfamteit, ————— feinen Gefchmad, und des
verftorbenen Ritters von Zimmermann Perfonal- und Nation
In jeinem Roman „Der grüne Heinrich“ erzählt ©. Keller (1, 289 ff.), wie
ein Freund den jungen Seins zu einem immer höher gejteigerten Briefwechſel
veranlaßt, indem biejer Freund Zimmermanns „Einjamteit“ ausfchreibt und baducdh
Heineid in Erftaunen fett, der im gutem Glauben an bie — ſeines
Freundes ſich aufs höchſte anftrengt. Diefer Be ift fattiſch. Der betreffende Freund
Kellers war I. Müller aus Frauenfeld. Vgl. Bächtord, Keller (Berlin, 1894)
1, 60. 62. 68 fi. — ein Beweis, wie lange Zimmermann nod) gewirkt hat.
Bern. Nudoif der.
558 Miscellen.
Zu Goethes Mignon.
Ta gegenwärtig wieder von den Vorbildern zu Goethes Mignonfigur ge:
fprochen wird, ſei aus einem ungedrudten Briefe Johann Ehriftian Auguft Grob:
manns (vgl. über ihn Prantl, Allgemeine deutſche Biographie 9, 709 fi.) an
Nicolai, Wittenberg den 24. April 1805 folgende Ztelle mitgeteilt: „Ich Wurde
vor einigen Tagen ſehr lebhaft an Sie erinnert, da ich in der Verliner Monat:
Schrift Ihre Berichtigung der Yebensumftände der berühmten Mara laß (vgl. über
einige Nachrichten von dem veritorbenen Tonfünftter Hiller. Berliniſche Monate»
ichrift, 1805 Januar, Z. 3—31 Socdefe?, 174, 301. Wie oft bat mir nicht der
befammte Deklamator Schocher in Naumburg erzäblt, daß die Mara von Hiller
zur Sängerin ſey gebildet, ja von ihm erzogen worden, daß fie als em armes
Mädchen mit ihren Vater, der die Harfe geipielt babe, ın Leipzig ‚berumgezogen ion,
und daß er jelbit oft, oft ihr einen Sechſer auf das Nodenblatt 1: gelegt habe. Es
freute mich, cine ſolche Berichtigung zu leſen, aber ich ſtaunte zugleich auch, wie
Lebens Umſtände können verdrehet werden.“
Natürlich läßt ſich nicht behaupten, daß auch Goethe trotz feiner Bewunderung
für die Mara von diefem Gerüchte zu veipzig gehört haben müſſe, da jedoch in
Roſenbaums ſchönem Nachweis der Harfner fehlt, mag die Parallele wenigſtens
verzeichnet werden. Dem Dichter fliegen ja Motive von verſchiedenen Zeiten zu,
verbinden und beeinflußen ich, ehe fie feſte Geftalt in feiner Phantaſie gewinnen.
Yenberg. Richard Maria Werner.
Ein Heineldes Plagiat.
In einem ın den Münchner Neueſten Nachrichten 16. ‚gebruar 1896, Nr. 61)
veröffentlichten Aufſave über „Blagiate” weiſt D. Hack darauf bin, daß der folgende
Heineſche Vierzeiler, weicher zuerſt in Engels „Memotven“ mitgeteilt wurde und
dort die Anfichrift trägt „Her Gelegenheit eines Beſuches in Yatignolles ı2. Januar
1845, cine zum Teil wörtlihe Wiedergabe des Yoganichen Zinngedichte8 „Ge:
ſchminkte Freundichait“ it:
Hände küſſen, Hüte rücken,
Kniee beugen, Häupter bücken;
Kind, das iſt nur GWaunkelei,
Denn das Herz dentt nichts dabei.
Der Wortlaut des Evigrammes von Logau tt nadı der Eitnerſchen Ausgabe
von Logaus Samtlihen Werken, Ztuttgart 1872, S. 122, folgender:
Geſchmünckte Freundſchafft.
Hande küſſen, Hüte rücken,
Niue beugen, Häupter büden,
Worte ſchrauben, Rede Ichmitden,
Wer, daß dieie Gauckeley,
Meinet, rechte Freundichaft Ten,
Kennet nicht Vetriegerey.
Tie beiden erſten Verszeilen des Logauichen Spruches bat Heine wörtlich
benust. Ten Inbalt Der zweiten Hälfte des Epigrammes bat er in eine Jeile zu
Miscellen. 559
fammengefaßt. Nur die 4. Zeile bei Heine erfcheint als eigener Zufag des Dichters.
Allein auch hiezu iſt er wahrſcheinlich durch einen fremden, wenn auch nicht Logan
ſchen Vers angeregt worden.
In einer zu ie: des letzten Jahrhunderts unter dem Titel „Schola
Curiositatis sive Antitodum [sie] Melancholiae Joco-Serium . . . Authore
Germano Warheit, Veritatis Studioso” (3. Auflage, 0. D. u. 3.) erfchienenen
Zammlung von allerlei Anekdoten, Schnurten, Sprüdyen, Epigrammen sc. findet
ſich unter dem Artikel „De Politieis”, &. 206 f. das Yogaufde Epigramm ohne
Nennung des Berfafjers in folgendem Zuſammenhang:
Katen, die vornen lecken und hinten kratzen,
gar füflen, Hlite ruden,
nye bligen, Häupter buden,
Worte jdrauben, Rede ſchmucken,
Ber, daß diefe Gauekfere),
Deynet, dechte Freundichafft ſeh,
Kennet nicht Betrügerey.
Judas-Kuß ift worden neu?
Gute Wort und faliche Treu,
Laß mic) an, und gib mid, bin,
II jebund der Welt ihr
Darauf folgen noch auf S. 207 zwei denjelben Gegenftand betreffende Dent-
jprüche in Profa, jowie ein fateinijches Sifichon gleichen Inhalts, und darnach auf
der nämlichen Seite die nadjfiehenden Berje:
Bas ift mit Compfementen pradjen,
Und viel unniite Worte machen, —
Davon das Herb do nicht viel weiß,
Nur Falſchheit und zerſchmoltzen Eyh .» --
Bei der auffallenden Ähnlichteit der legten Zeile bes Heineichen Spruches
mit dem gejperrt gedructen Berje liegt es fehr nahe anzunehmen, ba Heine den
fraglichen vaſſus der Schola Curiositatis gefannt umb muper den dort angeführte
fen Yogays and) den eben genannten —* benutzt hat,
Münden Anton Engiert.
Mecenfionen und Üeferate.
Francke Kuno, Social forces in German Literature. A Study
in the history of ceivilisation. New York, Henry Noll and
Co. 1846.
Francke beabfihtigt mit diefem Merk, wie fhon Titel und Untertitel
zeigen, die Geſchichte der deutfchen Yitteratur als ein Profilbild der deut⸗
hen Geiftesgejchichte mund der Kulturgeichichte überhaupt zu zeichnen. Die
furze Einleitung :<. 1—6) erläutert dies weiter dahin, daß die periodifchen
Ablöfungen der individualiftifchen und kollektiviſtiſchen Tendenz, die für die
Entwidlung germanishen Weſens bezeichnend fein, an der Geſchichte
unjerer Vitteratur gezeigt werden follen. Jene Antitheje wird ferner gleich«
gelegt mit einer ganzen Weihe von andern (Hegenfägen: Menſch und
Geſellſchaft, Freiheit und Einheit, MWeltbürgertum und Nationalgefühl,
Idealismus und Kealismus. Daß in beftimmten Epochen eine Berföhnung
der kämpfenden Tendenzen erreicht wurde, wird nicht abgeleugnet, fonft
aber jeder Periode die beftimmte Vorherrſchaft der einen Richtung zuger
Ichrieben. Einen ähnlihen Verſuch machte, war Francke unbelannt ge
blieben zu fein fcheint, vor fchon zehn Jahren Posnett in feiner „Com-
perative Literature: es iſt bezeichnend, daß der eiſte Verſuch, dıe
Yitteraturgejchichte auf eine foziologifhe Baſis zu ftellen, aus Auftralien
fam, der zweite aus Amerila. Posnett hält fih völlig an die Etufen
Sir Henry Sumner Maines.
Müſſen wir geſtehen, daß uns die Summierung all der aufgezählten
ethiſchen, politiſchen, äſthetiſchen Kontraſte in eine Formel gewagt er-
ſcheint, ſo räumen wir doch ein, daß ſie völlig mit der jetzt herrſchenden
Geſchichtsauffaſſung übereinſtimmt. Methodologiſch⸗-kritiſche Aufſätze der
jungeren hiſtoriſchen Schule wie Lamprechts ausgezeichnete Unterſuchung
„Was iſt Kulturgeſchichte?“ Deutſche Zeitſchrift für Geſchichtewiſſenſchaft
1896797, S. 75 f., und Breyſigs Eſſay über „Die ſoziale Entwicklung
der führenden Vöolker Europas in der neueren und neueften Zeit” (Schmol⸗
Francke Kuno, Social forces in German Literature, 561
lers Jahrbuch 20, 1091 F.) arbeiten mit ähnlicher oder auch ganz der-
felben Formel. Der Verſuch, fie auf die Pitteraturgefcichte anzımenden,
iſt gewiß berechtigt; und geht es nicht ohne allen Zwang, jo fann man
erwidern, das jei bei Scherer Wechſel von männlichen und frauenhaften
Perioden oder bei U. W. Schlegels vier Epoden, die Grande (S. 459
Anmerkung) mit Unrecht als die ſeitdem vormwaltend angenommenen bes
zeichnet, aud) der Fall. Nur freilich ift die Gefahr, daß der Charakter einer
Zeit dem Syſtemzwang zu Liebe mißdeutet wird, noch größer, wenn die
Kriterien aus einer fremden oder doch aus einer allgemeineren Entwicklung
geholt find ftatt aus der ſpecifiſch litterariſchen. Mau wird denn auch
nicht beftreiten fönmen, daß bei Fraucke nicht felten die Charakteriftif
unter der vorgefaßten Meinung leidet, dieje oder jene Tendenz fei nun
gerade an der Neihe. Darf man behaupten, Gottfried von Straßburg
bedeute die Auflöfung der ritterlihen Geſellſchaft: Leidenſchaft renne alle
Schranken der Sitte nieder und vernichte den Sinn der alten Ideale
(S. 99)? ift wirklich Liebe und Minne fo durchgängig entgegengejegt, wie
(S. 69) allerdings hübſch auseinandergejegt wird, jo daß der Sieg der
Liebe den Tod der Minne bedeuten Könnte? Kann man Spee und Angelus
Silefius (©. 193) der „individualiftiichen Unterftrömung* (S. 187) zus
rechnen — fie, die jo leidenſchaftlich nach Ruhe vor der eigerien Seele,
nad Unterbrüdung der eigenen Individualität ringen? Würde in ähnlicher
Weiſe nicht aud für Kant (S. 328 f.) der Titel eines „Klaſſilers des
Individualismus“ (©. 318) anzuzweifeln fein? Man fan erwidern, in
Gottfried, in Spee und Scheffler, in Kant rege fi eine ftarfe Indivi⸗
dualität — ganz gewiß; aber im diefem Sinn bedarf man nicht des Hin
weifes auf periodiſchen Ausbruch des Realismus (S. 128) ober des ns
dividualısmus (S. 187); dann genügt es zu erwähnen, daß Epochen, in
denen große Männer auftreten, mit folchen wechſeln, denen fie fehlen.
Soll der große Mann aber durch die Stellung, die er zu der cigenen
Individualität einnimmt, fir die Tendenzen der Zeit ein Merkmal bilden,
fo würde ich jene vier insgefamt mur der „Lollektiiftiihen“ Nichtung zu⸗
weifen fönnen.
Id glaube aber, jelbft wenn die Nollenverteilung allgemein gebilligt
würde, fönnten wir aus dieſer Zurüdführung der großen Zeitbewegungen
auf je zwei Tendenzen nicht allzu viel lernen. Gewiß ift es Iehrveich, den
Dichter mit andern Leiftungen feiner Zeit zu vergleichen, Sehr hubſch
werden fo (S. 125) Meifter Wilhelm von Köln, (S. 136) Dürer und
Brüggemann oder (S. 484) Memling zur Erläuterung der poetifchen
Fortichritte herangezogen. Überall wird auf die politifchen Strömungen
Nüdjicht genon:men und vieleicht läßt France ſich hier von feiner eigenen,
amerifanifc-liberalen Parteiftellung felbft zu jehe beeinfluffen, wenn dem
fchönen Nachruf auf Platen (S. 506) oder ber Kedtfertigung Heines
und Börnes (©. 514) die Verbannung der großen Annette von Drofte
362 Francke Kuno. Social forces in German Literature.
in eine Anmerkung iS. 513: gegenüberfteht. Nur kommen bei dieler aus⸗
ichlieglihen Berüdfihtigung der allgemeinen Strömungen die fpesififch®
(itterariichen zu furz: die Wirkungen der poetifhen Tradition, die Stoff»
wahl, die Formgebung werden, weil fie einer direften Zurädführung auf
jene Haupt’endenzen nicht fähig find, beinahe ganz verfchwiegen.
Cieht man von diejem großen Mangel ab, den aber Yrandes Werl
mit vielen teilt, denen jeine Entſchuldigung fehlt, fo fann man es als
eine vortrefrlihe Darftellung der deutſchen Pitteraturgefchichte bezeichnen.
Für das amerikaniſche Publikum find Proben eingeftreut, die mit fehr
großem Geſchick und entichiedenfter Selbjtändigkeit (3. B. bei Klopftod,
S. 236 f. anggewählt find; für diefe Yefer würde das Buch an Brauch—⸗
barkeit nod) gewinnen, wenn das Biographiſche nicht immer vorausgelegt
würde. Oft gelingen dem Verfaſſer treffende Charakteriſtiken, jo für das
Rolandslied :S. 56: und für das Kedentiner Titeripiel »S. 135, für
Yellings Typen Z.282 f. und R. Wagners Soz alphılofophie S. 549 f.:.
Auch lehrreihe Vergleiche fehlen nicht, wie zwiſchen Meiiter Edharts und
Schiller moraliſch-äſthetiſchem „deal »S. 111, zwiſchen Parcival und
Zimplicijfimus S. 204, zwiſchen dem wahren Mittelalter und der falichen
Rorftelung der Nomantıler davon S. 424. 4465 und, bejonders glüd-
lich, zwiichen Schillers und Goethes Jugendwerken :Z. 341:. Vielfach
find dieſe Parallelen ſchon von andern gezogen, zum Teil auch weiter
geführt ale von Francke, z. B. die zwiichen der jüngften Richtung und
Sturm und Trang »S. 554, die neuerdings Bollmöller in einem un-
erlaubt jchlechten Hefte totgehegt hat; aber immer hat Francke fie Mar und
verftändig machgezeichnet. Zuweilen natürlich müſſen wir auch opponieren.
Francke wird :Z. 115 Anmerfung den cigentümlihen Weizen der Imitatio
nicht gerecht, er wuft S. 155: Nomane von recht verjchiedener Art und
Ste durcheinander; er giebt von I. Paul ıZ. 409) ein ganz verzeichnetee
ld und behandelt ⸗S. 413 f. die Romantik viel zu fchlecht; wobei den
Nerehrern der Romantifer, die immer die „Berliner Aufflärung“ als Feind
Mejer Nichtung verfegern, der Tort geichieht, daß :<. 452, Anmerkung 82)
Tieck jelbft als unheilbar aufgellärter Berliner charalterifiert wird. Ganz
falſch iſt es zu behaupten, Yurher habe ſich je zu der Yehre befannt „cuius
regio eius et religio" S. 140 und die Schilderung des „tnpifchen
Menſchen“ bei Goethe und Schiller S. 335: paßt viel cher auf Wieland
oder (Nrillparzer, während er für die beiden Dioskuren nur etwa auf den
ans Goethes berinflußter Jugend jtammenden „Fauſt“ und auf die romans
tiſierende „Jungfrau“ Schillers anwendbar ift; wie gemwaltiam, ala Motiv
der „Maria Stuart“ 2.385 ihren Kampf wilchen irdiicher Leidenſchaft
und aufopfernder Reſignation anzugeben! Wirkliche Unrichtigkeiten I: find
Fmiges ft in der inwiichen erichtenenen, ſonſt unveränderten zweiten
Auflage bereits berichtigt worden. A. Zauer.
Schmidt Julian, Geſchichte der Deutſchen Litteratue von Yeibniz sc. 563
dagegen fehr felten (Angelus Sileſius war nicht Jeſuit ©. 193, fondern
Minorit; S. 90 Freiberg Drudfehler für Freiburg). Der kurze Epilog,
der die neuefte Litteratur muftert, jtrebt (S. 548—559) Objeftivität an
und bejcränft ſich im lobenswerter Weile auf die bedeutendften Erjchei-
nungen; R. Wagners Name beherrjcht für den Verfaſſer die neuere Ent-
widlung aller deutſchen Kunſt. — Neu ift der Hinweis auf die raſche
Wirkung des deutjchen Pietismus auf Nordamerifn im Beginn des 18.
Jahrhunderts (S. 175 Anmerkung), beadjtenswert auch der auf den Eins
fluß deutfcher Auswanderer auf die nordamerifanifchen Univerfitäten (S. 496
Anmerkung). Dlöge dies gute Buch das ung freilich da am beiten jcheint,
wo e8 nicht durchaus neu fein will) die Wechfelbeziehungen zwißchen Deutſch⸗
fand und der größten germanifchen Kolonie, die es jo hübſch ausbrüdt,
verftärfen und vertiefen!
Berlin. Richard M. Meyer.
Schmidt Iulian, Gefchihte der Deutfchen Pitteratur von Leibnig bis
auf unfere Zeit. V. Band. 1814— 1866. Berlin. Wilhelm Herk.
1896. 8 M.
H. Grimm hat vor kurzem (in der Deutfchen Nundjchau) geäußert,
daß mit Julian Schmidts Wert die Ira der Litternturgefchichten gleichſam
für immer abgeichlofen fe. Man wird zu diefer Behauptung nur ver-
wundert den Kopf "schütteln önnen; richtig aber bleibt, dag eine be
stimmte Epoche der deutjchen Litteraturgefchichtihreibung in I. Schmidts
Bud) ihren abjchliegenden Ausdrud gefunden hat. Vene ftark fubjektive
Richtung, für die alle Yitteratur im Grunde lediglich als Belundung bes
ftimmter politiſcher, veligiöfer, ethifcher Richtungen Bedeutung hat, fand
hier noch ſtärlere Bekundung als bei Gervinus oder Bilmar. Es ift bes
zeihnend, daß alle drei nicht von Beruf Yitterarhiftorifer waren wie
Koberftein, Goedele, Scherer. Es find Litteraturgefhichten, von eifrigen
Leſern geſchrieben. Der Hiftorifer, der Theofog, der fämpfende Yournalift
ſuchen und finden and bei Wolfram und Goethe mehr noch Unterftügung
für ihre mit Leidenſchaft gepredigten Programme als reinen Genuß ober
„zwedlofe Extenntnis“. Eben dies giebt aber ihren Darftellungen aud)
eine Wärme, die der fühleren Betrachtung des lange Entwidlungsreihen
überfchauenden Forſchers leicht abgeht. Yultan Schmidt insbejondere ift
recht eigentlich ein Vorlefer im jedem Sinne des Worts; mit dem Bud)
in der Hand figt ev vor uns, greift Stellen heraus, demonftriert Ichhaft
mit erhobener Hand und ſchleudert dann das Buch in die Ede.
Wie nun dies Mitleben des Kritilers mit dem beſprochenen Büchern
Vorteile und Nachteile mit fi bringt, jo aud) ein anderer Punkt, der damit
eng zufammenhängt. Das Bedurfuis enticiedener Parteinahme drängte
überall Freund und Feind aufeinander, und vecht im Gegenſatz zu dem
4 u.
564 Schmidt Julian, Geſchichte der Deutſchen Litteratur von Leibniz zc.
ſchlanken Konſtruktionen der Hegeliſchen Schule ward man überall der
Breite der Wirklichkeit gewahr. Gutzlow erfand den „Roman des Neben-
einander“, oder doc den Titel, mit dem „Middlemarch' und felbft „Nötre
Dame de Paris” treffender bezeichnet werden können als die „Ritter vom
Geiſt“. Kaulbach wandelte die zeitlojen Gefchichtsbilder Rafaels (denn
muß man nicht die „Schule von Athen“ ud die „Disputa“ mit diefem
icheinbar paradoren Namen belegen?) in ſynchroniſtiſche Portraitgruppen;
und wie er im „Zeitalter der Reformation“, To juchten Rauch und Rietſchel
die ganze Zeitgenoſſenſchaft Yuthers oder Friedrich des Großen mon:
mental um die’e zu verfammeln. Die Tichter waren nicht glüdlicher, als
wenn fie den Tektoſagen der Griechin von Maffilia den Hof maden,
den Irokeſen aus Schwarzwälder Krügen trinfen oder allermindeftens den
ſchwäbiſchen Oberamtmann eine weſtphäliſche Bauernhochzeit feiern laſſen
konnten. In dieſen Zuſammenhang einer Neuentdeckung der hiſtoriſchen
Breite gehört nun vor allem auch Julian Schmidts Werk; es iſt ſo recht
eigentlich die „Litteraturgeſchichte des Nebeneinander“. Zu zeigen, wie in
einem bejtimmten Zeitabfchnitt verwandte Tendenzen aus weiter Ferne ſich
begegnen, Gegenſätze in dichtefter Nachbarſchaft fid) aufthun, das ift feine
Hauptfreude; das iſt auch fein Hauptverdienft. Wer fi in die litterarijche,
ja überhaupt in die geiftige Atmoſphäre eines beitimmten engeren Zeit⸗
abſchnitts veriegen will, wird nicht leicht einen bejieren Führer finden als
Julian Schmidt; denn was von jeinen Einfeitigfeiten abzuziehen ıft, lernt
man ſchuell genug. Nur freilich geht einem über dieitr Fülle und Breite
die großartige Einheitlichkeit der Entwidlung verloren, die Gervinus und
Scherer aus all der Buntheit der Erſcheinungen herausfühlen; zu der
Gründlichkeit eines Goedele, zu der Vielſeitigkeit eines Koberſtein, zu der
meifterhaften Durcharbeitung eines Hettner bleibt dem ſich Teidenfchaftlich
durch das Wüchermeer hindurch ringenden tapferen Schwimmer feine Zeit.
Hat man dad Werk beendet, jo hat man die Empfindung, als habe man
eine ftarfe Bibliothek durchgelejen, und nun möchte man gern eine fitte-
raturgeſchichte dazu ſchreiben.
Aus al dem erklärt ſich leicht die geringe Beachtung, die J. Schmidts
Merk bei den heut Yernenden zu finden pflegt; aber aus all dem erfieht
man auch, daß fie bedauerlih ift. Tie großen Mängel des Buches —
häufige Tberflädjlichkeit, beftändige Einſeitigkeit, mangelhafte Durcharbei⸗
tung, gewaltſame Verbindungen — fieht man auf den erften Blick: die
bedeutenden Vorzüge muß man erft kennen lernen. Ich habe dad an mir
jelbft erfahren. Ale ih vor nun bald zwanzig Jahren dad Buch zuerft in
die Hand nahm, fühlte ih mich fo abgeftoßen, daß ich lange mid nicht
entfchliegen konnte, es wieder anzufehen; und dabei hatte ih Scherers
Vewunderung für Julian Schmidt zu überwinden, da fein Urteil mir faft
unbedingt maßgebend war. Tann fpäter kehrte ich zu dem Werk zurüd,
fam öfter wieder, und möchte es jegt in dem reichhaltigen Kreis unferer
Schmidt Julian, Geſchichte der Deutſchen Litteratur von Feibniz ac. D6D
„großen Litteraturgefchichten” feinesfalls entbehren. Es wird Andern
ähnlich gehen; und das eutſchuldige mic).
Die neue Ausgabe ift num durchaus dazu angethan, bie fehler des
Werkes zurüdtreten, feine Vorzüge ins Licht lommen zu laſſen. Mit
größter Sorgfalt hat die Witwe des Verfafjers den Tert und befonders
die Citate durchgejehen; und mit rühmenswertem Anteil hat ber Verleger
das traurig blaſſe Gran des alten Grunowiſchen Druds durch fchöne,
kräftig ſchwarze Schrift erſetzt. Bor allenı aber zeigt ſich im Text felbft
die umermüdliche Thätigfeit des Verfaffert, Ich Habe einen der wichtigften
Abichnitte des Bandes, die Dichtung von 1840—48 (©. 393—459)
‚Zeile für Zeile mit der fünften Auflage verglichen, im ber die beiden
Stüde „Politiſche Lyrit“ und „Roman und Drama ber vierziger Jahre“
noch ohne jelbftändige Abgrenzung in dem „Zeitalter Friedrich Wilhelms IV."
S. 316—400, ſpeziell S. 377) enthalten find. Der Vergleich ergab
ebenfo viel Änderungen im einzelnen, in Ausdruck und Gliederung, als er
im ganzen, in Anſchauung und Konftruktion, wenig Unterichiede zwiſchen
beiden Auflagen zeigte.
Bejonders charalteriſtiſch iſt die Umgeflaltung des Paſſus über
N. Wagner. Wo V (S. 332) mit entfchiedener Abneigung gegen den
Komponiften über die fhwitle Sinnlichkeit feiner Poeſie und feiner Mufit
ipricht (gelegentlich erimmern die Ausdrüde an den „Fall Wagner*), da
begiebt fih VI (S. 424—425) fühl des Urteil® umd zieht fich auf bie
Unbehagligkeit des Eindruds zurüd. Kapitulierte der Verfafer vor dem
Erfolg? war ihm die Mufit gleichgiftiger geworden? Den Eindrud hat
man jedenfalls nicht, als fei von der tiefgreifenden Bedeutung Wagners
dem I. Schmidt der legten Jahre eine Ahnung aufgegangen. Nen ift
dagegen ein längerer Einfhub (VI 404—412), der in der Nevolutiond-
Iprit eim berechtigte® Bedürfnis mad) Bewegung aufzeigt und fie mit
analogen Forderungen ihrer ſchroffſten Gegner, wie H. Yeo, in treffende
Verbindung ftellt. Dabei wird Freiligrathe Entwidlung mit neuen Beob-
achtungen nachgetragen, hierbei übrigens (S. 411) Herweghs Reiterlied
Freiligrath zugeſchoben. Die Beſprechung Hebbels (V 335 f., VI 428 f.)
iſt durch Umftellungen und Zufäge, namentlich aber durch bie Nachſtellung
des urſprunglich epifodifch eingeflidten. Stdes über 5. Laube (V 338,
VI 437. 439 f.) abgerundet; an ihrer Schärfe hat Julien Schmidt nichts
gemildert, fo viel Angriffe ihm auch gerade diefe herbe Kritik in der mir
vieles ganz ausgezeichnet ſcheint, ſo der Sag V 336: „Hebbel denkt und
empfindet in Epigrammen*) zugezogen hatte, Heines Atts Troll und
Bintermärhen (V 367 f., VI 413 f) find am eine andere Stelle gerüdt,
wobei die Betrachtungen über dad Romantifch-Abenteuerliche (V 369) ger
fteihen, dafür aber die über feinen politiichen Dualismus (VI 416 f.)
vervolljtändigt find. Auch Wilibatd Aleris (V 376, VI 453) ift au einen
andern Plag gefommen, von Hebbels Nachbarſchaft zu der Auerbachs
566 Bernays M., Schriften zur Kritit und Litteraturgeſchichte.
wobei feine Mitarbeiterihaft am Neuen Pitaval und was daraus folgt
(V 377; übergangen wurde. Dagegen wurde cine raifonnicrende Analyje
des „Uriel Acofta“ (VI 444— 465) neu in den Zufammenhang eingefügt.
UÜberflüffige Gitate (\ 327 aus Gocıhe, 316 aus Strauß' Friſchlin
wurden getilgt, die Überſicht über Friedrich Wilhelm IV. und feine Um⸗
gebung :V 353 f. am befiere Stelle in ein anders Kapitel verfegt und
den Abfchnitten cin wirfiamerer Schluß gegeben. Noch hebe ich von
Kleinigkeiten hervor, wie «VI 402 = V 323: an Annettens „Eterbendem
General“ die Humanität neu herausgehoben wird.
Faßt man alles zujammen, fo wird man unſer vorausgefcdidtes
Urteil betätigt finden. 3. Echmidt war vedlich bemüht, die Millfär feiner
ſynchroniſtiſchen Gliederung durch Einfügen gelegentliher Entwicklungs⸗
bilder zu mildern; er fuchte ihm unſympathiſchen Geſtalten beſſere Seiten
abzugewinnen; er ftrebte von dem YJujammentragen politiiher und litte-
rarifher Deomente, von dem Anbringen entbehrlider Citate, von der
Sucht, alles zu berüdfichtigen zu energiiher Konzentration auf das Yitterars
biftorische hin. In feinen Grundanſchauungen umzulernen war er zu alt,
empfand auch wohl fo wenig wie die meiften feiner Zeitgenofien ein Be⸗
därfnis dazu. ‚
Natürlich gefellen fi) Anderungen diefer Art noch mande von rein
zeitliher Bedingtheit: die lange Beſprechung des „Eritis sicut deus”
V 444448: 3. B., welde ſchon damals, als di:fer Nahfahr Puſt⸗
tuchens noch „aktuelles Intereſſe“ befaß, Erſtaunen erregte, iſt nun
(VI 504—505 ſtark gekürzt, ſeit jenes „ewige Werk“ längſt vergeſſen if.
Aber das weſentliche Gepräge geben der neuen Ausgabe doch jene Vers
ſuche, die Manier der älteren zu lindern, der allgemeinen Auffaſſung ſich
in Einzelheiten wenigftens anzunähern. Bon der Art find fie nicht, daß
das eigenartige VBerdienft des Werles darunter litte: fie machen es braud)-
barer, ohne es weniger individuell zu machen. Nichts günftigeres war dem
doch immer b:deutjamen Buch zu wünſchen. Einer Zeit, die all feine betes
noirer auf das Schild erhoben hat, R. Wagner und Hebbel und neuer—⸗
dings beinah auch Gutzkow, tritt der alte Kämpfer neu ausgerüflet cnt-
gegen; jeine Einjeitigfeit iſt geiftveih genug, um mit der modernften Ein⸗
feitigfiit wieder cin Tänzchen wagen zu können. |
Nerlin. Richard M. Meyer.
Bernane M., Schriften zur Kritif und Yitteraturgeihichte. Erfter Band.
Zur neneren Yitteraturgeichichte. Stuttgart. Göſchen. 1895. 9 M.
Wenn cin Autor feine bisher veröffentlichten, zerftreuten Schriften
fammelt und fie daber vielleicht noch um cinige gleich gearicte bereichert.
jo muß er entweder fein Lebenswerk jchon ale vollendet betrachten,
oder er wird fühlen, dag cr vorläufig, wie Yeifing um die Mitte der
Bernays M., Schriften zur Kritit und Litteraturgeſchichte. 567
fünfziger, Goethe um die Mitte der achtziger Jahre des vorigen Jahr-
hunderts, an einem Meilenftein angelangt fei, wo es gut thue, einmal
NRüd- und Umſchau zu Halten, um dann mit neuer Kraft weiteren
Zielen zuzuftreben. In diefer Weiſe abrechnend gewahren wir Bernays.
Die Aufgabe des Lehramts, die Überfiedelung nad) Karlsruhe bildet eine
Epoche in feinem Leben. Und die erſte Publifation des gelehrten Forfchers,
der nun wieder ein freier Schriftfieller geworden, ift begreiflicherweije
das Werk einer Übergangszeit. Mit älteren Anfjägen verbinden fich zwei
bisher unbefannte Abhandlungen, die aber ftojflid mit jenen jo eng zu«
fammenhangen, daß fie, ob auch fpät vollendet und ſcheinbar zufällig ent-
fanden, ihrer Konzeption nach dod) wohl noch in Bernays’ Mündjener Zeit
zurückreichen.
Ein Aufſatz von Bernays iſt niemals bloß um der Mitteilung ges
lehrter Thatſachen willen gejchrieben, fondern ift ftets bis zu einem gewifjen
Grade cin Bekenntnis. Nicht nur der Forſcher, fondern der ganze Menſch
hat uns etwas zu jagen. Und nicht an cin beliebiges, gleichgültiges
Bublitum wendet ex ſich, jondern verfegt fich in Austanjch mit der viel⸗
leicht nicht allzu großen Gruppe derer, die ihn verſtehen wollen und können.
In Austaufh! Denn obwohl er der zehnfady reicher Gebende ift, jo muß
doch der Lefer, um den Sinn mander Süße und den Wert mander
Ausführung zu begreifen, auch aus Eigenem Mandjes hinzuthun, Wer
bloß empfangen will, etwa Exzerpte für jeine Sammelhefte, der findet bei
Bernays feine Rechnung nicht und läßt das Beſte, was diefer Mann zu
bieten vermag, umberührt. Es gehört eine eigene Kunft des Lejens dazu,
um aus Bernays’ Arbeiten rechten Gewinn zu ziehen, eine Kunſt, die
Bernays felbft reichlich geübt Hat und für die — das ift zwilchen den
Zeilen zu leſen — Goethe der Lehrer gewejen ift, Bernays hat nie im
Yeben feine Lektüre bloß unter dem Gefichtspunft einer möglichen litte-
tarifhen Verwertung begonnen und erweitert; vielmehr ift die ganze uns
geheure Maſſe des Gelejenen ihm immer nur Mittel zum Zwed einer
harmoniſchen Ausbildung feiner Perfönlichkeit. Und wenn er mum erlefene
Früchte jener jahrzehntelangen Lebensſtudien darbietet, fo erwartet er von
feinem Lefer nicht falt ftaunenden Beſuch, fondern Mitarbeit, Hingabe
und ein Gefühl dafür, daß wohl ein Buch, aber in dem Buche auch ein
Menſch Hier vede.
Bei folder Beichaffenheit des Autors wird es Mar, daß es ihm
reichlich fo fehr auf den Vortrag wie auf den Gewinn neuer Thatjachen
anfommt. Die Art der Betrachtung ift ihm bie Hauptfache; Ruhe, Samm-
lung, Grundlichteit ift ihm da donnöten. Ex läßt ſich Zeit. Der gerade
Weg ift zwar der fürzefte, aber die köftlichiten Ausblide gewähren dem
Wanderer die Umwege. Bernays bezeichnet felbft eimmal (S. 123) fein
Verfahren als eine „weit umberfchweifende und doch immer auf einem
beftimmten Punkt zurüdgeführte Erörterung“, In der That, Geduld muß
w —
68 Bernays M., Schriften zur Kritif und Pitteraturgefchichte.
man oft bei ihm haben. Er jagt uns nicht gleih im Anfang, wohin er
ung geleiten will; aber wir folgen ihm dennoch freudig; willen wir doch,
er führt uns gut.
Ein echtes Muſterſtück Bernaysihen Vortrags ift der Aufſatz über
Goethe und Walter Ecott. Geiger hat im 14. Band des Goethe: Fahrbuchs
Briefe von Barnhagen veröffentlicht, in denen diefer fi als Vermittler
zwiichen Goethe und dem Publitum, das der in „Kunft und Altertum“
niedergelegten Greiſenweisheit ſchwer zugänglih war, darftellt. Die Geiger-
ihen Anmerkungen zu den intereflanten Briefen erforderten von Bernaye’
Seite ein paar geringfügine Norrefturen. Dabei fällt des Forſchers Aid
auf jene Ztelle, wo Varnhagen fi) Goethe gegenüber wegen feiner abs
jprechenden Stritif über Walter Scotts Buonaparte entjchuldigt; und fo
gleich fieht Bernays fid) aufgefordert, die Notwendigkeit einer folchen
Entfhuldigung nachzuweiien. Sie beruht auf Goethes perfönlichen Ber
siehungen zu dem großen britiihen Schrijtfteller, Beziehungen, die leider
nur durch zwei zwiſchen ihnen gewechjelte Briefe bezeugt find. Um aber
an diefen Briefen alles, Schreiber und Empfänger, Inhalt, Stimmung,
Stil und Wirkung zu begreifen, ift es nötig, weiter auszuholen. Und
nun wächſt bei Bernays Eines aus dem Andern organiſch heraus; die
Ztofffülle, die andrängt, fcheint zu mädtig zn werden. Aber der Darfteller
zwingt fie. Er fmüpft die Menge des Detail nit als Kommentar an
einzelne Briefſtellen an, fondern er erzählt, jchlicht, aber umſtändlich. Und
in der Erzählung erjt werden jene zwei Briefe, die den Ausgangspunft
bildeten, nmichr und mehr Nebenfahe: Tie Menſchen, die diefe Ariefe
gejchrieben haben, treten in ihr volles Recht. Ta erfahren wir von Ecott8
bedrängter Yage in den „Jahren 18267, von den Unterbrechungen der
Arbeit am Napoleon, von dem Aufjag über E. T. A. Hoffmann, den Goethe
ihägte, aber ſälſchlich Carlyle zufchrieb, und endlih von der Bedeutung
des Briefes, den Scott nad) Abſchluß des Buonaparte an Goethe richtete.
Daß übrigens Goethe durch den heiteren Ton von Scotts Rüdblid
auf feine Dugendarbeit, die Götz-Uberſetzung, jelbft wieder heiter geftimmt
worden jei, jcheint mir zu viel geſagt. Hat dod) (Hoethe, wie wir willen,
den Brief gar nicht im Triginal, jondern in Edermanns bumorlofer
Überſetzung geleſen. Zwanglos ſchließt ſich der Bericht über Goethes
Veſchäftigung mit der Napoleon-Biographie des Waverley-Dichters an;
der große Uberblick über die abſprechenden und die verſtändnisvoll aner⸗
tennenden Kritilen, die das Werk fand, dient nur zum Beweife dafür,
wie Goethe an Unbefangenheit alle jene Beurteiler überragte, dank feiner
großen Kunſt zu lefen. Das giebt dann Gelegenheit, Goethes Auffaffung
der welthiltoriichen Erſcheinung des Morjen Fritiich zu würdigen; denn erft
dadurd) wird es Mar, warum und in welcher Bunften das Urteil des
Weimarer Leſers und Sir Walter? über Buonaparte zufammentreffen
mußten. Bei der Darlegung des Schickſals von Walter Scotts Buch ſteigert
Bernays M., Schriften zur Kritit und Litteraturgeſchichte 569
ſich Bernays’ Vortrag zu großer Wärme und nimmt oft den Ton einer
Rettung am. Und doch, bei aller Sympathie für dem ſchottiſchen Dichter
ift Bernays unbefangen genug, weitläufig zu begründen: warum Scott
das Yebenswerk des deutſchen Meifters nie begriffen hat und begreifen
konnte. Und indem num der Blick vergleihend auf Carlyle fält, der fo
tief wie Wenige die Weisheit Goethes erfaßt hat, Hingt der Aufjag
in vollen Tönen aus, und man läßt das Bud) finfen, um weiter zu
finnen.
Ich bin weitläufig geworden; aber id; mußte einmal zeigen, daß der
icheinbar lodere Bau Bernaysjcher Abhandlungen fehr wohl neben ftrenger
innerer Einheitlichfeit beſtehen lann. Allerdings ift nicht jede Abhandlung
jo feſt gefügt; und ebenfo offen wie meine Bewunderung werde ich auch
meine Bedenfen gegen die gefährliche Form der gelehrten Cauferie aus-
ſprechen. Hier vorweg das Eine, daß folhen Abhandlungen, in denen
taufend Dinge berührt werben, jehr ſchwer eim einheitlicher Titel gegeben
werden fann. So lenft die Überfhrift gleich des erften Muffages, „Die
erfte Aufführung des Mahomet“, die Erwartung des Leſers in eine ganz
verfehrte Richtung. Von der erften Darftellung des Boltaireſchen Dramas
in Goethes Überjegung (80. Januar 1800) ift nur bei Gelegenheit der
Berichtigung eines Irrtums von X. Geiger (GoetherJahrbud) 14, 111)
flüchtig die Rede. Der Eſſay erörtert vielmehr die Frage, mit welchem
Necht Marianne Eybenberg am 10. Dezember 1800 in ihrem Brief an
Goethe Goethe⸗Jahrbuch 14, 37) von der Wiener Cenſur ausjagen
fonnte, fie habe in dem Voltaire-Goetheſchen Propheten Züge des jungen
Bonaparte erfannt und deshalb die Erlanbnis zur Aufführung des Stüdes
verweigert. Wieder ift es meifterhaft, wie Bernays hier vorgeht, wie er
den Umftand benugt, daß Goethe ja gerade die für dieſe Frage ausichlag-
gebende Scene II 5 im den Propyläen ifoliert herausgegeben hat, wie
Vernays ferner aus dem originalen Wortlaut und den Ghoetheichen Ber-
änderungen bei der LÜberjegung, unter Zuhilfenahme von Yußerungen
franzoſiſcher Kritiker die harakteriftiichiten Stellen hervorhebt und ung aufe
mertſam macht, welchen Eindrud ſolche Wendungen auf jeden aufmert -
jamen Zeitgenofjen Goethes angefihts der Jahre 1799/1800 madjen
mußten. Nur im einer Kleinigleit kann ich nicht zuftimmen. Die Worte
Mariannens „daß mir die freude nicht werden jollt, Mahomet aus
Ihren Händen zu erhalten, ärgert mich rechtichaffen“ darf man wohl nicht
ganz wörtlich im dem Sinne deuten, als handle es ſich hier um ein
Manuſtript oder einen Drudbogen, Ich möchte fie nur als eine wenig
glüclihe, Umjchreibung nehmen für „daß ich den Mahomet nun nicht in
Ihrer Überfegung auf der Bühne ſehen und im diefer neuen Geftalt von
Ihnen erhalten fol, ärgert mich“. Denn das „Ärgert mid“ durfte ſich
Marianne doch nur im Hinblid anf die Wiener Cenſur, nicht gegen
Goethe erlauben, felbft wenn er ein Verfprechen unerfüllt gelajien hätte,
Er
Euphorion IV.
570 Bernays M., Schriften zur Kritik und Yitteraturgefchichte.
Der größte, aber nach meiner Meinung nicht der organisch vollendetite
Aufjag handelt von dem franzöfiichen und dem deutfchen Mahomet. Da
er gleihen Charakters ift, wie die kürzeren Eſſaye, fo fann man fchon
von vornherein ahnen, welch eine Fülle von Anregungen und Ausblicken
er auf feinen 250 Eeiten bringt. Hier ift wirflih mandmal des Details
und der Einzelbelehrung etwas zu viel geboten. Nur in der Perjönlichfeit
Goethes, und mehr noch in derjenigen Boltaires Tiegt die Einheit. Mit
vollem Recht hat daher Bernays feine Aufjäge ganz allgemein „Zur
neueren Pitteratargefhichte* betitelt, nicht zur „deutichen“. Denn bier
wird nicht bloß von unferer Nationallitteratur, aud) nicht von dem, was
man landläufig vergleichende Yirteraturgefhichte nennt, jondern von Welt
litteratur im großen Zinne gehandelt.
Bernays teilt jenen Aufjag in vier Kapitel ein, und niemand wird
verfennen, wie ev von cinem zum andern fih immer auf cinen höheren
Standpunkt ftellt und dadurch einen immer weiteren Geſichtskreis beherrict.
Dennoch bedeuten die vier Kapitel feine jtetige Steigerung des Intereſſe,
weil Bernans nicht überall des buntichedigen Stoffes in gleihen Maße
Herr geworden iſt.
Som Schlußvers zum Schlußatt rückſchreitend leitet Bernays im
erſten Kapitel die Betrachtung ein. Die Schwächen dieſes fünften Aufzuges
und Goethes Berechtigung zu ſelbſtändigem Eingreifen werden klar; auch
einige Stellen ans früheren Akten, die im engem Zuſammenhang mit den
Schlußſcenen jtchen, ftreift der Forſcher. Als Reſultat tritt unmiderleglich
su Tage, wie die grelle Rhetorik des Franzoſen zu reineren poetifchen
Wirkungen von Goethe gemildert wird. Im Einzelnen freilich) denkt dabei
Vernays doch wohl von Goethes Veränderungen gelegentlid) zu gänftig.
Von der im ganzen eimheitlichen Wirkung dieſes erften Kapitels ıft
num aber leider im zweiten wenig zu ſpüren. So anfrichtig mein Eifer
su folgen war, hier bin id) doch ermüdet. Oft genug dachte ich bei Ver⸗
naye' Vortrag an die Kathederichre Rudolf Hildebrands. Der liebe alte
Meifter mußte ſich and hundertmal ein Halt zurufen, wenn ihn fein Stoff
zu weit fortriß; er lächelte dann gutmütig über fid) felbft, kehrte zu feinem
Ausgangspunkt zurüd und war nad fünf Minuten auf einem anderen
anmutigen Nebenweg. Mit Hildebrand teilt Bernays dieſe Puft zu fchmeifen
und zurückzulehren: aber ich glaube, er lächelt nicht über feine Eigenart.
Ihm iſt es feierlicher Ernſt, gerade in dieſer Weiſe anzuregen; die Kunft
eines ſtraff disciplinierten Vortrags überläßt er Anderen, nicht nolens
volens, aud) nicht mit Humor, jondern offenbar in den flaren Bewußt⸗
jein, hier die Norm gefunden zu haben, die feiner Eigenart entipridt.
Urteile ich bier aber richtig, iſt wirklich die vornchme Ausführlichkeit
Bernaysſcher Aufiäge nicht Nachgiebigfeit gegenüber den Stoffmaſſen,
fondern Berechnung, bat er abfichtlih die einzelnen Teile jeiner Auriäge
gelegentlidd mehr ameinander ale ineinander gearbeitet — dann behält
Bernays M., Schriften zur Kritit und Fitteraturgeidhichte. 57
der Leſer auch das Recht zu fordern, daß folde Ausführlichkeit in Eintlaug
ftehe mit der Größe des Stoffes umd dem Wert der Nefultate. Das war
in der Abhandlung über Walter Scott der Fall; hier aber im dem zweiten
Kapitel des Mahomet liegt das Mifverhältnis Har am Tage: Mehr als
30 Eeiten umipannt diefer Abjchnitt, ein paar Goetheſche Schniger fordern
zehn Seiten, immer ferner rüdt der Mahomet aus unjerem Gefihhtsfreis,
40—50 Seiten handeln von La Harpe, ‘andere von Chatenubriand umd
Le Maiftre; auf ganzen Drudbogen hören wir von Voltaire und Goethe
fo gut wie nichts mehr, dafür freilich mandes andere Belchrende. Und
gerade heraus, Bernays felbft hat das Mifverhältuis zwiſchen Inhalt
und Breite der Darftellung empfunden. Auf ©. 186 entſchuidigt er ſich;
ein fi ſelbſt vechtfertigendes Verfahren aber Hätte der Entſchuldigung
nicht bedurft.
Erſt im dritten Kapitel findet Bernays ſich wieder. Bei ber Leltüre
des zweiten bebauerte ich, ihm die Zeit über ſolchen Aufgaben verzehren
zu fehen, die auch Andere löjen können. Hier aber bietet er und dag, was
eben nur er zu bieten hat: nicht Studien, die Einer von heut auf morgen
erreichen fanr, fondern veiche Früchte eines ganzen Gelehrtenlebens. So
hat ſich faum Einer in die franzöfichen Tragiter eingelejen, um ſolche
vergleichenden Charakteriftiten Corneilles, Nacines und Boltaires geben
zu fönnen, wie Bernays ©. 256 ff. thut. Sehr fein ift vor allem Nacines
Sprache gefennzeichnet, ©. 243 ff.; zugleich findet ſich hier dns Vollendetfte,
was bisher über Schillers Phädra gejagt if. Das ift alles mus dem
Vollen gejchöpft.
Und noch einmal erweitert fich, immer um bem gleichen Mittelpuntt,
der Horizont im vierten Kapitel. Bis zu Euripides richtet fich der Blick
zurüd. In diefen Partien ift aud die Darftellungsart Bernays' am uns
geiuchteften, farbenreich, hiureißend. Es Liegt etwas Feſtliches über dem
Abjchnitt. Das macht, es vebet hier ein Menjch, der zeitlebens nach einem
Ausgleich feiner moraliſchen und jeiner wiſſenſchaftlichen Bildung ge—
trachtet hat. Und wenn ich vorhin von Belenntnifjen ſprach, jo habe ich
bejonders am das vierte Mahomet-Fapitel gedacht, 5. B. an die Seiten
298 ff., 337 und 352.
Ob die beiden älteren Aufjäge, die den Schluß machen [„Der Brief-
wechfel zwißchen Schiller und Goethe in der Ausgabe von 1881“ (1882)
und „Die Urfhriften der Briefe Schillers an Dalberg“ (1887)], im gamen
Umfange wieder abgedrudt werben mußten, bleibe dahingeftellt, Die Ab-
ichnitte, in denen ſehr antegend von dem BVriefwechjel großer Dichter
geiprochen wird und vom dem Ansgaben ihrer Briefe, dieſe Abfchmitte
waren felbftverftändlich aus den Spalten der Tagesblätter Herüberzuretten.
Aber die langen Paraden über Schreib-, Druck⸗ und Yejefehler, aus denen
wir früher dankbar gelernt haben, wie Varianten zu fammeln und zu
verwerten feien, fie gehören doch ſchon ber Geſchichte am. Berändert ift
a7*
uch
812 Hernays M., Schriften zur Kritit und Yıtteraturgeichichte.
an dem früheren Tert fo gut wie nidhts. Zoll ih, wenigiten® für die
Dalberg-Briefe, auch darüber Bericht eritatten, jo muß ich ſchon fehr ins
Heine gehen: außer orthographiihen Anderungen find vier Zuſätzchen
1337, 408, 434 f.:, ein verbeilertes Citat 428:, ein forrefterer Dramen-
titel 412: u. ſ. mw. zu verzeichnen. Cine Feine Inkonſequenz ift aber zu
bemängeln: Schon in der Allgemeinen Zeitung hatte Bernays das Wort
„Buchſtab“ ein einziges Dial stark fleftiert jetzt S. 406, 3. 10; ım
Neudruck führt er diele Flexion weiter durch S. 405, 3. 18:, aber
ſein beijeres Gefühl fträubt fi doc dagegen, vgl. S. 421, 3. 18. —
Und dann em tragifomicher all: Zeitenlang müht fid) Bernays, eine
Briefſtelle Schillere 24. Auguſt 1754: von Fleden und Fehlern zu jäubern;
derweil jäet der Feind Unkraut unter den Weizen, und jegt fteht bei
Bernays S. 450, 3. 6 ftatt der alten ein neuer Lapſus, der ein ganz
unfinniges Bild ergiebt. —
Wir haben bis hierher uns fait ausfchließlih mit dem Inhalt der
Aufſätze beſaßt. Ein paar Worte über die Form müſſen zur Ergänzung
hinzutreten. Denn für Dernans iſt mit der Erforſchung des Thatfächlichen
erſt die halbe Arbeit gethan. Ihm genügt es nicht, feine Nejultate dann
in einer nur einigermaßen annchmbaren Faſſung vorzulegen. Vielmehr.
hat er im der Unteriuchung jede witienschaftliche Strenge gezeigt, jo verrät
er in der Tarftelung ein bewußt künſtleriſches Beſtreben. Nirgends be»
gegnet ein bloßes Aufzählen und Regiſtrieren: alles roh Stoffliche iſt bie
zum letzten Reſt anfgearbeitet und durch die Form gemeiſtert. Und ich
fürchte faſt, dieſe Formſchonheit der tauſend Einzelheiten it es, die den
KReriaſſer hindert, bei einer Schlußredattion um der Harmonie des Ganzen
willen den Motjtift walten zu laſſen.
Denn ichön find diefe Einzelheiten in der That; als an dem zweiten
Mahomet-Kapitel mein Intereſſe lahm wurde, hat es ſich an der Har—
monie im Detail fur die zeitweilige Tieharmonie des Ganzen entichädigt.
Es iſt in dem ſtattlichen Buche kein Wort gejucht geiftreih, fein rhe⸗
torifcher Zierat iſt aus bloßer Verlegenheit angebracht: wo erhöhte Rede
einjegt, wirkt fie niemals forciert. Zo oft auch der Berfajier von feinem
eigentlihen Stoff abbiegt, fo wird doch die Konzentration des Leſers auf
das jeweilig behandelte Thema durd feine Anipielung auf entbehrliche,
abjeitt liegende Tinge geftört, womit ſelbſt namhaſte Schriftſteller ihren
Stil entitellen.
Der umjtändlihen Grörterung entipridgt die Vorſicht des Urteils,
die Ruhe des Vortrags und die Fülle der Ausdrucks. Es liegt etwar
von Goetheſcher Sprechweiſe im beiten und im weniger guten Einne über
den fererlihen Perioden mit ihren reichlichen Umfchreibungen, mit den
vielen Hüljsverben beſonders „Ichernen“ ıft ein reines Hülſsverb geworden .
dem leichten Anklang an franzöfiihe Znntar, den Konjuuftiven in ab-
hängigen Zügen. Tem Begriff wird durch Foordinierte Prädikate und
Bernays M., Schriften zur Kritit und Litteraturgeichichte, 573
Artribute möglichite Nundung verliehen, dem Gedanlen durch reichliche und
gewählte Veiwörter noch eben, che man ihm auf den Weg fchidt, ein
letztes Tüpfchen Farbe gegeben. Ich habe den Eindrud, als feien diefe
Aufjäge ſehr langiam umd, auch wenn die Spuren der Mühe vertilgt
find, nicht ganz mühelos gejchrieben und als müfje man fie langjam,
am liebſten laut lejen. Ia, da es mir faum möglich fceint, im fo vollen
Rhnthmen zu reden, wenn man nur fein inneres Ohr befragt, jo halte
ih es nicht für ausgeſchloſſen, daß Bernays felbft ſich jeine Abhandlungen
laut vorgelefen hat.
AS ich dieje Anzeige fhrieb, war Michael Bernays noch unter dem
Lebenden. Er wußte, daß ich feine „Schriften“ beſprechen follte; wenige
Wochen vor feinem Tode bat er mic, brieflih um eim offenes Urteil,
Und fo Hab ich denn obige Zeilen am ihm felbft gerichtet und jetzt fein
Wort daran geändert. Es hätte ja nahe gelegen, in einem legten Gruß
die wenigen Ausftellungen, die zu machen waren, zu tilgen. Aber ich wäre
dadurch gegen ihm und mich felbft untreu geworden. Er fonnte begründeten
Tadel vertragen; nur Misverftändnis ſchmerzte ihn,
Die Erfolge, die Michael Bernays als Menſch und Gelehrter er—
rungen hat, entiprangen daraus, daß er von Anfang an gewußt hat, wo
jeine Lebensaufgabe lag. Ein Suchen, ein Taften, wie es zwiejpältig ver⸗
anlagte Menfchen hemmt und quält, hat ex nicht gefannt. Als er, ber
am 27. November 1834 in Hamburg geboren war, im Jahre 1853 die
Univerfität bezog, war fein Plan, die Litteratur im weiteften Umfange zu
ftudieren, nicht etwa die eines einzelnen Volfes, hinter dem alle übrigen
zurüdtreten mußten, ſondern die Weltliteratur, die große Hinterlaſſenſchaft
aller Zeitalter und Nationen, Hiſtoriſche, theologiſche und philoſophiſche
Studien traten Hinzu, damit der junge Forſcher gleich die Bedingungen
und Probleme erfannte, die im der Pitteratur ihren Niederfchlag gefunden
hatten. Der Umftand, daß der ältere Bruder, Jacob Bernays, Haffiicher
Philologe war, gab auch Michael die Anregung, fih mit aller Hingabe
den Alten zuzuwenden. Und fie find, Homer an der Spige, ihm freunde
und Lebensbegleiter geblieben, lebende Gefährten, bei denen er mod; in
feiner legten Krankheit Troft fand. Im ihm wurzelte feſt der Glaube: jo
lange die Meifterwerfe der Antile lebendig bfieben, jo fange Lönme ber
Menſchheit ein erfriichendes Yugendgefühl nicht verloren gehen.
Als 1856 die Univerfitätsftudien beendet waren, hätte Bernays
ficherlich durch fein veiches Wiffen ſchon bald eine Habilitation durchſetzen
fönnen. Aber er übereilte diefen Schritt nicht; mod; mehr als anderthalb
Jahrzehnte wandte er am eine Vorbereitung, die ſich in ftiller ernfter
Sammlung volljog. Das Docendo discimus behielt bei Bernays unter
allen Umftänden und fürs ganze Leben feine innere gewichtige Wahrheit.
214 Bernays M., Schriften zur Kritik und Yitteraturgeichichte.
Aber er war weit entfernt, e8 fo zu nehmen, wie es leider fo oft gefaßt
wird, als ein Pojungswort der Selbſtſucht. Er fagte fi: wenn aud) dem
voreiligen Tocenten vielleicht das Yehren frommen möge, jo dürfe doch nie
der Etudierende dem allzu jugendlichen Lehrer als ein Verſuchsobjekt über-
geben werden, daran diefer jeine unentwidelten Kräfte prüfen jolle.
In den ſechzehn Jahren, die zwiſchen der Toltorpromotion und der
Habilitation lagen, hat jid) Bernays feine wahrhaft verbläffende Litteratur⸗
kenntnis erworben. Griehen und Römer, Franzoſen, Engländer und
Deutſche ftehen obenan; aber auch die Italiener, die Epanier und andre
Kulturvölfer wurden eingehend ftudiert. Am hellſten leuchten immer zwei
Sterne: Shakeſpeare und Goethe. Schriftftelleriich verwertet aber wurde
dies große Wiſſen faft gar nicht, lieber fhon ſuchte Bernays durch dag
gefprochene Wort zu wirfen, in Vorträgen und Xecitationen.
Erft 1872 betrat er das Katheder. Er habilitierte fi in Leipzig
und faßte num ſchnell in akademischen Kreifen feſten Fuß. 1873 wurde
er außerordentlicher, 1874 ordentliher Profejlor in München. Und damit
ftand er am rechten ‘laß. Hier fand er, wonadh er lechzte: Wiederhall.
Wenn er feinen, oft wörtlich memorierten Vortrag ſprach, der reichlich
mit Recitationen durchiegt war, und nun an der lautlofen Stille und den
gelpannten Mienen den Eindrud jener Worte jpürte, dann fühlte er fich
auf der Menjchheit Höhen. Er faßte fein Amt in großem Cinne auf.
In perfönliher Würde und Würdigfeit das künſtleriſche Erbe der Ber-
gangenheit zu hüten und eine Ehrfurcht vor der Herrlichkeit diefer Schäße
in jungen Seelen zu erweden, das jah er als jeine Aufgabe an, ja, man
darf das feierlihe Wort wagen: als jeine Miſſion.
Yieber jedod, als auf dem Katheder, jpendete er feine Anregung in
privaten Seipräd. Tem Hilfbereiten war das Geben ein Genuß; Stunden
und Tage konnte er dem tragenden widmen, und immer gab er mehr,
als man erbeten hatte. Er jah gern Gäſte bei fih. Und ihnen ftand auch
feine Pıbliorhef zur Benugung frei, jene reihe Zahl von Bänden, die der
Beſitzer nicht als Material betrachtete, fondern die er deshalb fo liebevoll
begte, weil fie ihm Genoſſen und Zeugen feiner Yebensbildung waren.
Es iſt eine Schöne Beſtimmung der Witwe, daß diefe Bibliothek auch in
Zukunft dem Yitteraturforicher zugänglich bleiben fol. Wie Bernans bier
in feinem Ztudienzimmer von Kunit und Menfchen ſprach, wie er manchen
Unentjchiedenen wohl gar erjt für jeine Studien gewann, das zu childern
muß denen überlajien bleiben, die fid) feine Zchüler nennen dürfen. Cs
leben viele, die ſich dieſen Charakter beilegen, und doch iſt gewiß nicht
jeder von ihnen dazu beredtigt. Denn wohl gab es in diefer Zchule
einen Vehrer, der den vertranenevollen Jünger zur Erkenntnis des Maßes
jener sähigfeiten zu führen ſuchte. Schüler aber ım Zinne des Meiſters
wurde nur der, der ihm mit einer kräftig ausgeprägten Ligenart gegen-
übertrat. Wer ım fpäteren Yıben immer nur die jpärlichen Zinſen von
Bernays M., Schriften zur Kriti und Litteraturgeſchichte 575
des Lehrers geiftigem Kapital zurüdzahlen konnte, der hatte den Wert
Bernaysſcher Anregungen nicht begriffen und mußte non dem eigentlichen
Schülern feitab jtehen.
Neben der Wirkung durch das geiprochene Wort fpielt die fchrifte
ſtelleriſche Tätigkeit von Michael Bernays nur eine untergeordnete Rolle,
Die Zahl feiner Werke ift nicht groß; meiſt find es kurze, aber inhalt
reiche Geleitfehriften zu den Werfen oder Briefen großer Dichter, zum
Briefwechfel Goethes mit Friedrich Auguſt Wolf, zur Boffiichen Homer-
Überfegung, zum Schlegelihen Shafejpeare, zum jungen Goethe. Größere
ftrenge Kompofitionen find Bernays mie gelungen; feine Lebeusbeſchreibung
Gotiſcheds in der Allgemeinen deutfchen Biographie gehört nicht zu feinen
teifften Schöpfungen; und feine Darftellung Goethes am gleichen Orte
beginnt zwar verheigungsvoll, hat aber in fpäteren Partien, wohl unter
dem Drängen des Herausgebers und Setzers, Schaden genommen, Gin
Werk vollends, das in Bernays’ Testen Lebensjahren fait ſprichwörtlich
geworden war, „Homer in der Weltliteratur“, lag wohl im Bereich
feiner Wünfche, aber niemals jeiner Kraft, Was oben zur Charakteriftit
des erſten Bandes der „Schriften“ gejagt worden ift, gilt im allgemeinen
für alle Werke, die wir aus feiner Feder haben. Seine Schriftitellerei hat
feine Geſchichte gehabt; fein erftes Werk ift gerade jo geartet und jo reif
wie fein fegtee. Nur die Fülle des Wiſſens Hat fih von Yahr zu Jahr
gemehrt, die Lektüre fich ertenfiv und intenfiv bereichert, Michael Bernays
hate die Miene des Necenfenten, des meifternden Kritifers; nur zur Be—
trachtung, zum Genuß der hohen Kunſt, zum geiftigen Verkehr mit den
großen Menfchen vergangener Zeit will ex einladen. Seine Arbeiten haben
daher auch nie ein blofes Tagesinterefje gehabt; allem Barteigetriebe und
litterariſchen Seltenweſen ftand Bernays fern. Umd nur ein einziges Mat
hat er ein unmittelbares, momentanes Bebürfnis der Wiſſenſchaft im Auge
gehabt: in der Heinen Schrift „Uber Kritik und Geſchichte des Goetheſchen
Terte® (1867)*, wo er die Ebditionsmethode, die man den Dichtungen des
Hafiiichen Altertum angedeihen Tief, auc für die Werke der Neuzeit
forderte.
Was Bernays bei längerem Leben auch als Schriftfteller noch hätte
leiften fönnen, entzieht fi unferer Kenntnis. Es drängte ihn nad) Aus—
ſprache, das ift gewiß. AS er 1890 fein Lehramt niederlegte, begründete
er dieſen Schritt vor allem mit dem Wunjche, Muße für jeine gelehrten
Arbeiten zu gewinnen, Und der ermunternde Zuruf, der ihm dafür von
einen Freunden zuteil wurde, ift eine feiner veinften Vebensfreuden gewejen.
itdem lebte er in Karlsruhe, ftets im Austauſch mit gleichjtrebenden
Vertretern feiner Wifjenfchaft, gern aufgeſucht von der jüngeren Genera-
tion. Mit Stolz erfüllte 8 ihm befonbers, daß auch im badiſchen Herrſcher⸗
hauſe jeine Vortragsfunft gewürdigt wurde. Unvergeßlich find ihm bie
ftilten Sonntagabendftunden gewejen, an denen er der Irenfelin Carl
576 Tropſch Zt., Flemings Verhältnis zur römiſchen Dichtung.
Auguſts und ihrem edlen Gemahl den Taſſo oder die natürliche Tochter
voriprechen durfte.
Tann fränkelte er im legten Jahre und ut am 25. Februar 1897
entichlafen. Ter erfte Band der „Schriften“ iſt aljo doch das Ende feines
vebenswerkes geworden. Und wenn wir einen zweiten Band, der in Aus—
fiht iteht, auch freudig erwarten, jo wiſſen wir doch voraus: aud er
wird nur ein unzulänglicher Eriag für das fein, was unwiderbringlich iſt,
für die ftarfe Perſönlichkeit, die fi) lebendig mitteilen mußte. .
Marburg ı. 9. Albert Köfter.
Trovid Zt, Flemings Verhältnis zur römiſchen Tichtung. Grazer Studien zur
deutichen ‘Philologie, II. Heft. Gray. 1895. 4 M.
Ter Verfaſſer bat ich eine weitichichtige umd mühevolle, aber wichtige und
ergiebige Aufgabe geftellt. Er bat, was Yappenberg im kleinen, im großen getban
und dadurch vinen werwollen Beitrag zur Geſchichte unſerer Renaiſſancelyrik ge
liefert. Wenn Goethe einſt dazu aufforderte, daß „ein junger geiſtreicher Gelehrter
das wahrhaft poetiſche Verdienſt zu würdigen unternähme, welches deutſche Dichter
in der lateintichen Syrache ſeit drei Jahrhunderten an den Tag gegeben” Hempel
29, 24%, fo bat Tropichs Unterſuchung, ſoweit fie dem Neulateiner Fleming
gilt, von dieſem Ziel ſich Leiten laſſen, aber ſie beichreibt einen weiteren Kreis und
prüft Die game Watte der Flemungichen Tichtuung auf ihren Gehalt an antiten
Elementen, und eben dies, die Anwendung desielben Geſichtspunkltes auf die Deut:
ſchen und Die lateinischen Gedichte, Die To betrachtet bald zuſammen bald ausein:
anderrücken, bald in gleichem bald ın verichtedenem Verhältnis zu römiſchen Muſtern
ſtehen und miederum unter ſich lehrreiche Beziehungen haben, ſcheint mir das
Originelle und das methodiſch Fruchtbare in dieſer umſichtigen, gründliche Sorg—
falt und tüchtige Schulung erweiſenden Zchrift Hätte dev Verfaſſer ſich auch un
ganzen kürzer faſſen und ſeiner dem Leſer nichts übrig laſienden, gelegentlich bis
zur Konfrontation eines „ac mit einem „amd“ herabreichenden Aualyſe Zügel an
legen ſollen, je iſt er Doch überall bemüht geweſen, für Die longueurs, Die Ztoff
oder Behandlung mit Sich brachte, durch gebaltvolle Einzelbeobachtungen oder weitere
Ausblide zu entichädigen, den ſitatiſtiſchen Parallelenregiſtern Ergebniſſe abzu
gewinnen und vor allem den auch wo er nt Feſſeln gebt, elaſtiſch beweglichen,
auch wo er nachahmt, eigenartigen orten jelbit, deiien Sprache und Zr, Ideen
und Stimmungen ev ſeeiert, als lebendige Einheit und indwiduelle Größe in Zicht
zu erbatten. Und auch über das nachite Ziel einer tieferen md genaneren Erkenntnis
von Flemings Mint und Art hinaus bringt die Arbeit Gewinn, inſofern fie Die
formelle Technik, ſowie den piuchtichen Vorgang dichteriſchen Bildens an einem
beionders Ichrreichen, ja einem dev dentbar lehrreichſten Fülle der Yırteratirgeichichte
anihaulıch macht.
Der Berfaiier veritebt 08, den in ungeichidter Hand meiſt fo leblos ſtarren
Begriit des „Einſluſſes“ oder der „Entlehnung“ in lebendigen Fluß zu bringen und
bunter dieſen und ahnlichen Worten ane reiche Fülle künſtleriſcher Serbaltungs-
weiſen aufzuzeigen. Jede mögliche Art und Abwandlung des Vegrifjs und jedes
Wiaſt dev Verbindung von Eigenem und Angeeignetem, Uberliefertem und Erlebtem
begegnet bei Fleming, auch wenn Die vergleichende Betrachtung wie in der vor-
lwgenden Schrit ſich anf Sem Verhältnis zur romiſchen Dichtung beichräntt und
von anderwertigen „niederen“ oder „höheren Veeinfluſſungen“ des Dichters abſicht.
Was als Flemings „Eigengut“ bleibt, meint dev Verfaſſer, werde man genau erit
beſtimmen können, wenn die UEnterinchung auch auf fen Verhältnis zu deutichen,
Riddershoff K., Sophie von Ya Roche. 577
franzöfiichen, holländischen und itafieniichen Dichtern ausgedehnt jein werde. Gewi,
aber irgend wejentliche Züge zu dem Bilde feiner Perſonlichteit und feiner Schaffens»
weife find von dorther faum zu erwarten,
Berlin. 3 Imelmann.
Riddershoff K., Sophie von Fa Rode, die Scillerin Richardſons und
Rouſſeaus. Inaugural-Difjertation. Eimbed, 1895.
Schon 1575 Hat Erich Schmidt im feinem Werke „Wielauds Ber—
haltnis zu Richardſon, Noufjenu und Goethe* dem tiefgehenden Einfluß
beſprochen, den Nichardjon und Rouſſeau auf die Schriftjtellerei der Frau
von La Node ausgeübt hat; hierbei war er zu dem Nefultate gefommen,
daß in der „Geſchichte des Frauleins von Sternheim“, dem Erſtlingswerle
der genannten Dame, dor allem der Einfluß des Engländer Richardſon
vorwaltet, und daneben auch (freilich in bejchränfterer Weife) Rouſſeaus
Vorbild eingewirkt hat, daß dagegen im zweiten Hauptwerle (wir meinen
„Rofaliens Briefe an ihre Freundin Mariane von St.“, bie von 1779—1781
eridienen jind) eine andere Erſcheinung zu Tage tritt. Allerdings lehm
Äh auch diefes Werk im der Anlage am Richardſon an, aber in der
Charatterifiit der Verfonen und im der ganzen Darftellung berrät ſich die
Nomanfcriftftellerin als begeifterte Verehrerin Rouſſeaus, und zwar zeigt
ſich im zweiten Teile des Wertes der Einfluß des Genfer Philojophen
noch mehr, wie im erſten Teile. Wenn ſich nun unfer Berfafier die Auf-
gabe geftelt hat, auch nad) Eric Schmidt das Verhältnis der Ya Node
zu den beiden Schriftftellern darzuflellen, fo war dies, trotzdem im all»
gemeinen au den Nefultaten Schmidts fejtgehaltem wird, doch feine nutz⸗
loje Arbeit; denn diefer hat die Eimwirfung der beiden Ausländer auf
die Schrififtellerin nur en passant bejproden, wicht eingehend behandelt.
Riddershoſ analyfiert dagegen die beiden ebengenamnten Hauptwerfe auf
das Sorgfältigfte und zeigt mit philologiſcher Genauigkeit, was in dem
Aufbau, in der Charakteriftif der Berfonen, im den einzelnen Ecenen und
Situationen dort dem Engländer, und was dem Frattzoſen entlehnt ift.
So werden die ſchon von Schmidt gewonnenen Mejultate durch dieſe
gründliche Abhandlung befeftigt. Da die fehriftftelleriiche Entwidlung der
Ya Rode eigentlid; mit den beiven Werfen abgeſchloſſen ift, wie mafjenz
haft aud ihre Feder noch nachher bes Vroterwerbed wegen produziert
bat, jo hätte fid-der Verfaſſer auf die Analyfe der beiden Nomane bes
ichränfen fönnen; der Vollftändigkeit halber hat er auch die anderem
Schriften beſprochen und and; bier, obme ſich freilich in Detailunters
iuchungen einzulaſſen, nachzuweiſen verſucht, wie auch bei den lleineren
und fhwäderen Schriften die Ya Roche völlig unter dem Panne von
Rouſſrau und Richardſon fteht; allerdings ift die Uberficht Uber die ein»
zelnen Werte unvollftändig: So ift 5. B. die 1787 zu Mannheim er-
ichienene Nachlefe der moralischen Erzählungen unberddfihtigt geblieben,
DIS Riddershoff K., Zopbie von Ya Roche.
während die früheren Bändchen der moralifhen Erzählungen behandelt
werden, auch einige der Neijetagebücher find übergangen worden.
Der eigentümliche Umjtand, daß die Geſchichte der Sternheim, die
in ihren Grundzügen 1769 entjtanden ift, nur eine verhältnismäßig ge:
ringe Einwirkung Rouſſeaus bekundet, dagegen Roſaliens Briefe, die zuerft
1774 ım Briefwechfel Goethes erwähnt werden," ganz von den Einflüſſen
Rouſſeaus durchdrungen find, giebt dem Berfaffer Anlaß zu einer Unters
ſuchung über die Urfachen dieſer Einnesänderung; hier fommt er zu der
Annahme, daß es wefentlih Goethes Berdienft iſt, Eophie von Ya Rode
zu einer glühenden Verehrerin Rouſſeaus gemadt zu haben. Die Haupt«
einwirkung Rouſſeaus auf diefe Schriftftelerin zeigt ſich erſt mit dem
fünfzigften Stücke der Briefe Roſaliens, und diefer Abſchnitt Fällt gerade
in die Zeit, als Zophie eben den Werther ihres Freundes empfangen
hatte, der ſeinerſeits nicht bloß eine jpringende Ahnlichkeit mit Rouſſeaus
neuer Heloiſe bekundet, fondern auch felbft deutlih die Einwirkung des
(Senfer Fhilofophen verrät. Tem Einfluffe des jungen Goethe iſt c& aber
nah der Mutmaßung Riddershofs weientlid zuzufchreiben, daß Rouſſeaus
Geiſt gerade den zweiten Teil des Romanes der Ya Roche durchweht.
Wir wollen nun die von Goethe auf Eophie in diefem Sinne geübte
Cinwirfung durchaus nicht unterichägen, meinen indeijen, daß auch noch
von einer anderen Zeite Zophie von Ya Roche beeinflußt und für Rouſſeau
begeiitert worden iſt; wir haben Julie von Wondeli im Auge, die ehe
malige Geliebte Wielande, die nad) ihrer Trennung von dem deutſchen
Tichter Rouſſeaus Schriften zu ftudieren begann: bald hatte diefer Philos
foph, der jelbjt mit Julie in einen Briefwechſel trat, deren hohe geiftige
Bedeutung erfannt, daß er über fie das Urteil abgab, Fräulein von Bondeli
vereinige in einer Perſon die Feder Voltaires und den Geiſt Peibnizene.?,
Julie ſelbſt hatte ſich ſchon 1762 an Zophie von Ya Rode gewandt
und fie aufgefordert, ihr von dem gemeinſchaftlichen Freunde Wieland
Nachricht zu geben. Zophie beantwortete Juliens Schreiben,’ und fo
fnüpfte ſich an dieſe Anfrage jener Briefiwechjel an, der bis zu dem 1778
erfolgten Tode der Vondeli fort dauerte. Dieſe geiftvolle Schweizerin war
es nun, welde Zophie zuerjt und nod lange vor Goethe für Rouſſeau
zu begeiftern wußte. Und zwar gejchah dies nicht mur durch die Über⸗
jendung eines Schon 1761 von der Bondeli angefertigten Aufjates über
die neue Heloiſe, jondern auch durch zahlreiche brieſliche Mitteilungen über
Rouſſeaus Leben und Schriften. Anf diejen Einfluß hat Riddershof, und
ı „Briefe Goethes an Sophie von Ya Roche.“ Herausgegeben von v. Yoeper.
Aerlm 1870. 2. 30.
= Rodemann, „Julie von Bondelt und ihr Freundeskreis“. Hannover 1874.
2.12
Not. „Nene Briefe Wielands, vornehmlich an Zophie von Ya Roche“.
Sreransgegeben von Hafencamp. Stutigart 1814. 2. 14.
Niddershoff K., Sophie von La Roche, 579
dies erſcheint als ein Mangel in der ſonſt fo gebiegenen Abhandlung,
durchaus nicht gebührend geachtet; und doch Hätte ev mit Yeichtigfeit aus
den Bondeli-Briefen, die zum großen Teile in dem auch von ihm benugten
Berke „Mein Schreibtiſch“ abgedrudt find, diefen Einfluß der Bondeli auf
die La Roche feftitellen fönnen.
Anbang.
Über die Briefe der Julie von Bondeli an Sophie von La Node.
Im Nachlaſſe der 9a Noche findet fih auch eine Sammlung von Briefen ber
Zondeli, nicht im franzöfifchen Originale, jondern in der beutjchen Mbentegung, die
der Dichter von Goedingt angefertigt hatte, als er den Briefmerhfel der Ya Roche
herauszugeben beabficjtigte. Diefe Edition unterbiieb aber, und jo it jene Briefe
fammtung teilweiſe noch unbelannt. Ein Teil der Briefe det fich freilich mit dem
in dem Ya Rocefchen Werke „Mein Schreibtifch“ mitgeteilten Auszügen; in einigen
Briefen liegt in den Aufzeichnungen Goedingts ber erweiterte Tert vor, in anderen
Fälen ift die Faffung im „Schreibtifche“ die ausführlichere; einige Briefe der
Soedingti—hen Sammlung find im Schreibtifche gar micht ober mir bödt unvoll-
ftändig wiedergegeben; von ihnen wollen wir diejenigen mitteilen, von denen wir
annehmen, daß ji ein allgemeineres Intereffe beanfpruden Können,
Brief 1.
Könit den 14. Jan. 1709,
... Zeit Anfang des Winters werden die Nachrichten von Roufjeau feltener;
von Zeit zu Zeit erfahre ich etwas vom ihm aus Genf oder Zurich Alles uf
darauf hinaus, daß er an feiner Schensgeidjichte‘) fAhreibt, die aber erft nach) feinem
Tode herausfommen foll; daß ex einige Weweile für das Chriftentum bios in ber
Abficht entfräftet habe, um dem einzigen, der nad) feiner Meimumg unumftönlic Üt,
(nemtich die Vortrefflichfeit der hriftlichen Moral) defto mehr Stärke zu geben. Übrigens
verlüinzt ex ih die Zeit damit, daß) er Schnütrbänder macht umd unter Begleitung
des Klavier dieder der Savoyarden fingt. Er ſcheint ruhig umd zufrieden zu jein,
ob er gleich, faft ununterbrochen feibet. Diefe Nadprichten rühren von zwei Genfern
ber, die gegen Ende des Dftobers acht Tage bey ihm zugebracht haben.
Jemand, mit dem ich in Berbindung jteht, wänjchte Roufſeau im No-
vember von einem Landhauſe aus, das 8 Meilen von Motier entfernt ift, zu ber
fuchen; der Mann ift ein Berner und Offizier, — zwei Dinge, um R. zu misfallen.
Auch erhielt er auf die jhriftliche Bitte um Erlaubnis, ihm auf eine halbe Stunde
feine Aufiwartung machen zu durfen, die mündliche kuze und trodne Antwort; „Er
iann fommen, wenn er will, aber ic) bin krank; ich Fam nicht viel forechen.” Dies
hätte Herrn Kicchberger?) beinahe zuricgebalten, indeifen ging er bod) nadjımnittags
um 2 Uhr zu ihm, ward gut aufgenommen, und im einer n Stunde waren
ic ſo gute Freunde, daß N, als er wieder gehen wollte, ihm bat, den Met des
Tages mit ihm auzubringen, und noch den folgender Tag vom Morgen bis zum
Abend ihm Geſellſchaft zu leiften, worin St. gern willigte. DR, fejentte ihm im ber
') Semeint find die „Gonfessions”, die 1770 beendigt wurden. .
2) Kichberger Sam., Sohn bes Berner Ratjchreibers E., Freund von Wie
land und der Julie Bondeli; itber feine Zufammenkmft mit Honffeau jchrieb_er
am 22. Nov. 1762 einen ausführlichen Brief an Julie, der bei Bodemann a. a. D.,
2. 244 abgebrudt ift.
580 Riddershoff K., Sophie von Ya Roche.
nämlichen halben Stunde ein Exemplar von ſeinem Contrat social, und bald
darauf fragte er ihn, ob er mich kenne. Als K. jagte, er kenne mich ſehr genau,
that jener eine Menge ragen über mid, daR dies cin neues Mittel wurde, ich
einander zu nähern, welches K. um fo lieber war, da er nichts von dem Priefe
über die Heloiſe wußte, den R. von mir verlangt hatte." Amt folgenden Tage trant
ihm R. auf meine Geſundheit zu umd trug ihm auf, mir wiffen zu lajien, daß er
es gethan habe.
Tiefe beiden Tage vergingen ohnſtreitig in wechſelſeitiger Zufriedenheit, denn
N. ging mit Nicchbergern, als wie mit einen alten Befannten um, erzäblte ibm
Anekdoten, las ihm aus feinen Handichriften etwas vor, unter anderem eine ‚ort:
ſetzung des Emil in Briefform. Emil ſchreibt ſelbſt an feinen chemaligen Lehrer
aus Paris, wo er ſich mit ſeiner Frau aufhielt, und an dieſem Orte voller Ab-
ſcheulichkeit und Verderben geitehbt Zopbie ihrem Manne, fie fer — ratın Zie,
was! — Eine Ebebrecherin, ja wirklich eine Ehebrecherin! Tiefe Stelle iſt von
ſolchem Nachdruck, daß Kirchberger, der doch gar nicht werchlich tft, fich der Thränen
nicht enthalten fonnte, und jene Rührung machte auf Rouſſeau, ihrer Wabrbeit
wegen, ſoviel Eindrud, daß auch er ſie mit ihm teilen mußte. Ach vermute, daß
R. in der Folge aus Zopbien eine recht tugendbafte Frau maden wird, und be
greife die mancherlei Abfichten, Die er gebabt baben mag, ſie vinen jo ftarken und
unerwarteten ‚schltvitt begeben zu falten. Aber dennoch ſöhnt mid alles dies mit
der Begebenheit nicht aus, und ich will lieber auf die ‚yortiegung des Emil Ber:
zicht thun, als einigen Teil an dem Skandal nehmen, den fie in diefer Art ver:
anlaſſen wird.
Vei dieſer Gelegenheit muß ich Ihnen ſagen, daß Nonifcau noch cin anderes
Argernis durch ſeine armeniiche Kleidung giebt, in die er, um ihrer VRequemlichkeit
willen, ganz verliebt iſt. Sie kleidet ihn so gut, daß man ibn ſogar im Verdacht
hat, er bilde ſich etwas darauf ein. Eine meiner Freundinnen, die zwei Tage mit
ıbın bei Yord Marchal? geweſen iſt, ſah ihn zum erſten Mate im einem gewöhn—
lichen Kleide, und er gefiel ihr nicht: als ſie ihn aber zum zweiten Male als
Armenier ſah, gewannen jſeine ſehr ſchönen Augen durch die Nachbarichaft des
Turbans noch To ſehr, daß die Tame ſeitdem behauptet, Rouſſeau fer Zt. Preux
geweſen.“ Dies iſt auch nach den Anekdoten jeines Lebens ziemlich ———
Die mir mach Dev Herausgabe ſeiner Heloiſe bekannt geworden ſind, und Die ich
Ihnen cin andermal mitteilen werde, wenn Sie ſie zu wiſſen wünſchen.
.)
Kön:ttä, d. 4. Nov. 1762.
„Am nämlichen Tage, an dem mei leuter Brief abgegangen war, erhielt ich
einen von Rouſſeau Er ſpricht von neuem don einer Rerie nach zürich, die er im
künftigen Frühlahre vornehmen will und mir das Vergnügen verichaften wird, ihn
zu ſehen Sch weiß nicht, ob es human iſt, ibm ein langes Yeben zu wiinichen: ſonſt
hatte er ſahrlich nur ein oder zweimal einen Anfall von dem grauiamen Übel, woran
er leidet, wer aber kommt es alle 14 Tage wieder. Zwei Schweizer, die vor
4 Irochen S Tage bei ıbın zubvachten, haben mir mehrere intereſſante Anekdoten von
hm erzählt. Er bat fie wie Freunde bebandelt, und das umt Hecht. Der cine,
obſchon ein Geiſtlicher, verteidigt ihn öffentlich. Sch beitte einen 27 Zeiten langen
Gemeint dt jener Brief, dev auch im „Schreibtiſch“ 2, 150--161 mit—
geteilt wird.
: Yord Georg Marchal Keith war damals der Statthalter des vreußiiſchen
Fürſtentums Meu'chatel.
Dieie Bemerkung über Roumſeaus armeniſche Kleidung iſt der einzige Teil
des Brieies, der ſchon publiziert iſi. Ptein Schreibtiſch 2, 161.)
Riddershoff K. Sophie von La Node. 581
Auffag über ihn, worin jene ihre Bemerkungen zu Miotier aufgezeichnet haben. Jeh
habe sehr in der Eile eine Abſchrift davon genommen, werde He aber ins PRH
ſchreiben und Ihnen zufenden, damit Sie ihm gemreinfchaftlicd mit Herrn v. Ia
Rode und Wicand Lefen fönnen, doc, fonft niemanden daran teil nehmen laffen,
denn es ift eine verbotene Frucht, und id) würde mir — Händel zuzichen.
Vorläufig will ih Ihnen indefen ein paar Züge daraus mitteilen.“
Es folgen nun Mitteilungen über die Beziehungen von Diderot und D’Alembert
zu Rouffenu, desgleichen über defjen Berfuche, den Emil fortzufegen, die dem Genfer
Vhiloſophen von allen Seiten entgegengebrachten Feindjeligleiten, endlich über eine
— der franzöſiſchen und englifchen Romane; dieſe Abſchnitte find ſchon
im „Schreibtiiche” ') abgedrudt.
3 (fragmentarifch).
Neufjatel den 27. März 1766.
Rouſſeau hält fich zwei Meilen von —— wo man ihm mod) je B
ebenfo auffucht, als bei jeiner Anfumft. Cr ift noch amentichlaffen, ob er fid) ni
in der Provinz Wallis niederlafjen wird._ Ich ichrieb Jhnen ſchon einmal de
von jeiner Fortjegung des Emil, und Sie willen, daß Sophie, hingerifjen umd
verführt von der großen Welt, eine cheliche Untreue begeht, daß fie dies —
und daß ihr Mann ihr verzeiht. Soweit ift die Geſchichte zwar ausgearbeitet, ni
aber der ganze Plan, den er einem feiner hiefigen Freunde mitgeteilt hat. Omi
und feine Frau follen darnad) um ihr Vermögen fommen; ev will fie au einer
wijten Inſel Schiffbruch leiden laſſen. Hier fühlt die ihmangere Sophie Luſt nach
Auſtern, die fie am Felſen kleben ſieht. Der ſünte Emil es — — zu
boten; indeſſen will Sophie felbit einige (08 machen, und dem Are
Der Dam wagt es wicht fie zu zufen; Sophie glitjcht aus und a und ertrinkt,
ehe ihr jener zu Hilfe tommen tann. Grade bei diefer Kataftrophe foll fi das
Nefultat der Erziehung zeigen, die Emil empfangen hat.
Nenfchatel d. 24. Apr. 1775.
+. Wir haben uns beidg nicht recht _verjtanden, liebe — ———
bat cine nicht recht deutlich aflegebrügte Stelle meines leisten Briefes di
anlaſſung gegeben. Ich bejchmerte mich micht über Leuchjenrings®) Stillf a
und wünjchte nicht, daß er am mich jchreiben möchte, jondern meine Meinung war
die, dafı er mir endlich einmal meine Bapiere zurlcgübe, bie ih fhon fo oft, und
immer vergeblid, von ihm verlangt habe, bejonders Jhre Briefe, über deren Be
raubung ic) mic gar nicht zufrieden u fann. Allein grade das Gegenteil von
dem, was ıch wunſchte, ift erfolgt. hat zwar am mid) gejchrieben, 8 ae
nichts zurücgejchidt. Ex jchreibt, Se, — mir Aare — , daß ex die
nicht bei ſich hätte. Darin irrt er ſich
und über dies hatte er fie jo el i er bei Yo er oft AN
aus jeiner Brieftaſche genommen und an Leuten
die mich nachher beſucht umd mir diejes — In u act
mich dies nicht wenig, und wenn ex bei —* Müdtehr von
ſollte, jo bitte ich inftänbigft, wenden Sie allen — ee a
vität an, daß er meine Papiere und Ihre Briefe heransgebe.
') Siehe 2, 178-181.
9 Socdingt bemerft zu dieſer Stelle: „Was bier A be ich um des⸗
willen aufgenommen, weil es das beftätigt, was Knete ‚einem Yeben von
Leuchjenring umd feiner Manie, aus feiner Brieftaihe — erzählt,“
—
582 Riddershoff K., Sophie von Ya Roche.
hat er auch die von Rouſſeau, meine Antworten darauf, und andere Concepte, unter
anderen die einzige in der Schweiz exiſtierende Abſchrift meines Briefes über die
neue Heloise an ſich behalten. Im Falle Sie etwa zufällig von letzterem eine
Abichrift befißen jollten, jo würden Sie mich ſehr verbinden, fie mir zufommen zu
laifen, denn ich bin darum erjucht worden Ihre Briefe ftellte ich ibn im Jahre
1772 zu; er hatte 6 Monate Zeit, fie zu leſen und fie mir zurückzugeben, ebe er
die Schweiz verließ; aber er fand es für gut, Nie mitzunehmen. Ich verlangte fie
hernach mit allen den anderen ‘Papieren zurück, die ich ihm im Jahre 1771 zuge⸗
jtelt batte. Tieie babe er in Tarımitadt!) gelajten, ſagte er, in der Zwiſchenzeit
jeiner erſten und zweiten Schweizerreiſe. Als er zum zweiten Wale zurüdgelehrt
war, erinnerte ich ihn mebrere Mate an die Rückgabe, alleın auf dieien Punkt ant-
wortete er mie eine Zube Hierauf reiſte er nadı Holland und Paris und las
unterwegs jedem, dev nur bören wollte, dort vor, was er, wie er jagt, nicht bei
ih bat. Wielleicht wollte er gen mein Miſſionär fein, und allen Nationen, um fie
aufzuklären, meine Yebren verfindigen. Zebr verbunden, Herr Apoftel! Aber ich
babe nun einmal die Manier, dag mir nur der Ruf etwas wert tft, den ich mir
jelber zu verichaften juchen würde, wenn cs mir darum zu thun wäre Übrigens
möchte ich doch wohl wilien, warum er ſeine dicke Brieftaiche noch mit Ihren und
Rouſſeaus Briefen aufichwellt, die ich doch auf jeden Fall unter feinem anderen
Titel ihm gegeben baben konnte, als daß ich ſie ihm auf kurze Zeit gelteben batte.
Goethes Schauſpiel? hatte ich lange ſchon zuvor geleien, che Ich mir feinen
Roman verschaffen konnte. Bei dieiem Drama glaubte ich, Shakeipeare ſei wieder
auferitanden, welche Ztüde und Simplicität um Ausdrude! Welche Beftimtbeit ın
der Taritellung eines Charalters, der uns jo fremd und gleichzeitig in einem
Schau'piele To ſchwer zu zeichnen iſt!
In dem Romane fand ich einen zweiten Rouſſeau, nur mit einem ſtärkeren,
vielleicht elbſt eun wenig harten Colorit, Dies mag nun vom Verfaſſer, von der
Sprache oder vom National Charakter berrübren. Aber es iſt doch immer cin Aerf
Des Genies, daher ih es noch oft leſen und ſicher jedes Dat neue Zchönbeiten
finden werde, Die ich zuvor nicht bemerkt bare. Aber — — Schade für dieſes
„Aber — Aber doch kann ich es nicht unterdrücken, und es betrifft einigermaßen
die moraliiche Zeite des Werls. Vewahre Wort, daß ich darın das geringite von
Atheismus gefunden haben sollte! Und Sie baben much ın fein geringes Erſtaunen
gelegt, Daß Sie mir zwei Perſonen anführen, Die do etwas darin centdedt bätten.
sch für meinen Zeit bin ſo wert davon entfernt, Daß ich darin cine gar zu ſchwär⸗
meriſche Religion gefunden babe. Aber man kann feit an Gott glauben und dabei
dennoch große Iborbeiten begeben. Ten Zelbitmord predigen, iſt gefährlich, wenig:
tens eine Unſchicklichkeit m der bürgerlichen Weiellichaft, zu der man niemand
Veranlaſſung geben sollte - - Dies iſt das Einzige, worüber ich Goethe zu
tadeln wage. Ich begreife nicht, wie Jacobi den Frauenzimmern vaten fan, dieſes
Buch mehr als einmal zu leſen. Will er ihnen etwa Leidenſchaften und Liebende
in Werthers Geichmack vorzüglich empfehlen? Oder ſie gegen Leidenſchaften und
Yırbbaber in Werthers Geſchmact durch dieſes Genälde verwahren?
veuchienring unterrichtete den beiten darmſtädtiſchen Erbprinzen von Heſſen
und begleitete dieſen nachher auf ſeinen Were.
= Wort von Berlichingen.
„Es folgt bier ein Geſchichthen“ — dieſe Notiz macht Hocdingk zu diefer
Ztelle — „das man Julie erzäüblt hatte, von emem Frauenzimmer ın Berlin, das
ſich nach Dem Yeien dev Yerden Werthers jelbſt Das Yeben genommen babe. Tod)
babe ch mich bei mehreren Berionen, Die damals in Berim lebten, darnach erfundigt,
aber niemand wußte ſich deſſen zu erinnern“
° Ter VPaſins ber Goethes Werther war ichon im „Zehreibtiiche” 2, 326—
325 abgedructt.
Riddershoff K., Sophie von Ya Noche, 583
5
Auf dem Sande bei Neufchatel d. 17. Aug. 1777.
22. Ihr Borfchlag, liebe Sophie, würde mid) fehr reizen, wenn id) in einem
Zuftande wäre, baf id) leichter transportiert werden fönnte. Aber fchon feit zwei
Jahren hat man mir die Bäder von Plombieres verordnet, ohne daß cs mir
möglich geworden wäre, wegen der heftigen Erjcütterung, die das Fahren meinen
Nerven verurſacht, dahin zu gehen. Bald leide id; ar einem Huften zum Erjtiden,
bald an ſolchen Zahnjchmerzen, daß ich Krämpfe davon befomme,. Sie jehen jelbft
ein, dag man ‘in einer folden Yage wohl nicht am eine Ortsveränderung
denten fanın.
Ich muß Ahnen dod die weitere Geſchichte von den Refleetions sur le tact
moral, par Mselle B. erzählen. or einem balben Jahre bekam id) etwas Wind
von der Sache, und id) wandte mic an eine gemeinfehaftliche Kreumdin, an Fräulein
von Wangenheim in Gotha, mir blos einige Stellen aus ben erwähnten Aufjabe
mitzuteilen. Sie hatte aber die Gefäligkeit, ihn ganz abzujchreiben, und ic, tan
Ihnen mein Erftaunen nid)t ausdrüden, mein eignes Machtwerk zu erhalten. Aber
was für ein Madjwerf! Zum Glüde war id grade in einem Auftande gänzlider
Grihöpfung; denn ſonſt glaube ic), daß ich am litteraricher Galle hätte auf der
Stelle erjtiden fünnen. Ein folder Mihmajh von Unfinn, von verſtümmelten,
auf einander gehäuften widerfinnigen Phrafen ift ini noch, nicht vorgefommnten, jo
da id) mit dem Corveltor wegen jeines Berftandes Mitleiden haben muß, gefdweige
denn mit dem Herausgeber. Dan bat ;. ®. Chatiment ftatt Sentiment u. f. w.
eſetzt. Ich weiß nicht, am wen id) mich wegen dieſer Sottife (wenden) halten joll.
Der Herausgeber gibt dein Aufſatze die Aufſchrift, Reflexions sur. . „; e# ift aber
nur eine trodene Antwort auf trodene laloniſche Fragen, die Zimmermann in feinen
Briefen oder in einer Nachſchrift an mich gethai hatte. Es war einem Katechismus
oder einer Handelsforrespondenz ziemlid) anti: denn id} antwortete in eben dem
Tone, welden 3. angejtimmt hatte, und ich dachte au weiter nichts, als auf eine
hurze Frage eine hirze Antwort zu geben. Ich erinnere mic) noch, daß 3. einen
Auszug darans gemacht und diefen ich weiß nicht mebt, wem gezeigt hatte. As
ich dies erfuhr, shmoltte ich mit ihm dariiber. „Was glauben Sie den, daf mar
wit einer Sache machen foll, wovon fie den Faden in der Hand haben? Es find
ia höchftens nur Inhaltsanzeigen einiger Abhandlungen, Die über den Begenftand
geichrieben werden Könnten; anfländiger wäre «8 nod) gewefen, wenn fie mich ver-
mocht hätten, die Abbandfungen felbit zu fchreiben, wovon Sie jebt nur den Titel
erhalten baben, und dann hätten Sie allenfalls mit etwas mehr Fug indisfret jein
tönnen.“ Das war 8 ungefähr, was id), foviel ic) mich erinnere, ibm darüber fchrieb.
3. antwortete, das werde feine Folgen haben; id) glaubte ihm auf jein Wort und
ließ mic nicht träumen, daß 12 —F ſpäter dieſe Inhaltsanzeige vom mod zu
ichreibenden Abhandlungen im Bublitum exjcheinen würde, Leuchſenring verteidigt
füch, daß er nicht jhuld daran fei, und doc) habe ich nicht daran gehadht, ihn beffen
zu beichufdigen. Er wollte, ba ich ihm ben von 3. gemachten Auszug, von dem
ich damals eine Abichrift genommen hatte, jo geben möchte, wie er war, oder er
wollte ihm für fein Journal!) umarbeiten. Ic) hatte aber zu beiden feine Yuft, das
Umarbeiten würde ihn nu weitfchweifig gemacht haben, und dies liebe id) nicht.
Am Ende würde man erfahren baben, daß er vom mir jei, umd dies mag ich mad)
weniger. Daher habe ic) mid) audı blos darauf beichränft, Sräul v. Wangenheim:
für ihre Gefälfigteit zu danten, ohme fo wenig bie wiberfinnigen Stellen als von
den Ürſachen, warum ich den Aufjag zu erhalten winjchte, ein Wort zu erwähnen,
¶ Die Schreiberin hat das von Leuchenting begrlindete „Journal de lecture
et de morale” im Auge, das zu Baris von 1775—1179 erfdjien.
584 Riddershoij K., Sophie von Ya Roche.
und jo bofie ich, werde dieſe Thorheit in verdienter Vergeſſenheit bleiben. Glüͤd
licher Weiſe weiß Wieland nichts davon, denn der würde noch etwas Schlimmeres
davon ſagen.
Nach einem Zwiſchenraume von 12 Jahren ſah ich Lavater zu Neufchatel
im vorigen Frühiahre wieder. Er war Geichäfte wegen auf einige Tage dahin ge-
kommen. Ganz ficher hat dieſer Mann ebenſogut zwei Nöpfe, al8 Johann Calvin
und ich deren zwei haben. Den emen, oder wenigitens ein Ztüd von dem einen
baben Sie gefeben, weit es durch Exorciſten zum Vorſchein zu kommen veranlaft
wurde, die ihm Sehr ähnlich waren. Ich hingegen bin in drei langen Abendgeicl-
fchaften auch nicht einmal einen Zcdatten davon gewahr geworden. Wohl aber jſah
ih einen anderen Kopf, der eviterem io unähnlich war, daß ein Metaphyſiker den
vollen Beweis bätte führen können, dieſer bier ichließe den anderen notwendig aus,
und jo auch umgekehrt. Er war ın dev That recht hlebenswürdig, und dafür hielten
ibn alle, die ibn ſahen. Bejonders wußte man es ihm ſehr dank, daß er die Ge—
fülligteit batte, franzöſiſch zu ſprechen, und bewunderte das glückliche Talent, immer
das uachdrüdlichite Wort zu finden, ob ihm gleich Die Zprache nicht geläufig üt.
Yavaters zweiten Nopf fannte man bir durch bloße Gerichte, und Dielen gemäß
wurde er denn auch beurteilt. Aber als man ihn ganz anders fand, als man vr»
wartet hatte, fing man an zu zweifeln, ob es der männliche ſei, und bald ward
behauptet, Dies ſei an ſich unmögtich. Ztand ich doch jelbit auf dein Punkte, mir
einzureden, ich hätte alles das ausgelöicht, was ıch glaubte, von ihm geichen, ge:
leien und gebört zu baben. Tie Generaliu Sandoz, die das, was Sie von ihm
qriagt haben, geleien batte, war höchſit neugierig, ihn von Ihnen jprechen zu hören.
Ich sagte es ihr vorber, daß er, Seiner jo oft unüberlegten Freimütigkeit unerachtet,
dieſer Frage ausweichen würde. Wirklich fannte er auch uniere Verbindung zu gut,
als dar er ſich bätte fangen lafien Sollen, umd jo antwortete er bloß im allge-
meinen.
sch muß Ihnen doch einige Anekdoten von der Reiſe Ihres Nariers t mit
teilen. Tie Gaſtwirtin im einer Heimen Ztadt in Yanguedoc fragte ihn: „Was macht
denn Ihre liebe Mama?” In Nimes war er ungnädig auf den wachtbabenden
Tfiizter, wett dieſer vier Herrn auf den Hausflur eingelaſſen batte, aber auf der
Straße gung cs ihm noch Schlimmer; denn ev mußte fich mit dein Ellbogen Plas
machen. In Toulouſe verweilte er ſich zwei Stunden bei dem Ersbiichof, einem
geiſtreichen, verdienſtvollen Manne. Auf deifen inſtändiges Bitten ging der (Nraf
v. Fallenſteinein Die vier Zummier, worin fich Die ichöne Belt aus der Ztadt ver
ſammelt hatte. Der Erzbiichof Ttellte ihm ſeine junge bübiche Nichte vor, und feute
hinzu: Sie iit jeit zwei Uhr morgens ſchon auf „Zo bat denn, antivortete Der
Graf, die Nengier Die Liebe zur Bequemlichteit überwunden.“ --- ı Ter Wegenſtand
verdiente es wobl — „Schmeichelhaft, fuhr er fort, iſt dies eben nicht: denn man
würde eben dag thun, m cm > Fuß hohes Herd vorbeygehen zu sehen.“ Beim
Weggehen fagte er laut zum Erzbiichof: „Erinnern Sie ſich an das, was ich Ihnen
geiagt habe: ich empfehle Ihnen meine Schweſter, Te bedarf Ihres Rats.“
Turch Ferney ging ir grade Durch und unterhielt Fich mit dem Ingenieur,
der den Plan zur Anlage einer Stadt ber Verſorx abzeichnet, drei Ztunden lang
über das Proſett, das man ausführen will, Dort eine Handelsſtadt oder vielmehr
eine Centralniederlage für Div aus Frankreich, dev Schwetrz und Italien kommenden
Waren anzulegen. Geni und ſein dortiges gutes C.uartier ging der Graf von
Falkenſtein ebenſo vorbei, als Fernen und ſtieg auferbalb der Stadt in einem
kleinen iſchlehten Wirtehanie ab. Ties nahm man fir Mistrauen oder für Ber
Joſevh II. unternahm im Jahre 1777 incognito unter dem Namen eines
Grafen von Faltenſtein eme Reiie durch Frantreich und die Schweiz.
: Krybrichot von Toulonie war Damals Charles Etienne Yomente de Vrienne
let 1763, Der ipätere yutanzınımmter vudwigs XVI
Niddershoff K., Sophie von Ya Roche. 585
achtung, und beiläufig gejagt, die Heren Genfer beſitzen ein wenig viel Stolz. Den
Tag darauf ging er indeſſen in die Stadt und bejah dns Naturalienfabinet des
Heren v. Saufjure.') Hier warteten hübjche Frauenzimmer anf ihn, denen er
mandje Artigfeit jagte. Er wollte eine Spazierfahrt auf dem See machen; eine
Menge zudringlicher Menſchen lief vor und Hinter ihm auf die Brüde, um ms
Schiff zu fteigen. Die Briicte gab nach, und mehr als vierzig Perfonen fielen ins
Vafier, und der Graf ward am Beine leicht beſchadigt, Daher er auf die Spazier-
fahrt Verzicht that. Das war die erſte Probe von Schweizeriicher Unartigfeit.
Er ſchlug die Nelaispferde aus, die ihm der Staat Bern durch fein ganzes
Gebiet in Genf antragen lief. Sein Agent für Bajel und Schaffhaufen, (ber für
die übrige Schweiz mit feinem Beglaubigungsſchreiben verfehen war) hatte indejjen
direft an die Hegierung gejdhrieben und von 4 zu 4 Meilen 36 Pferde, mithin
grade noch einmal fo viel, als nötig waren, und 14 Tage vor der Zeit verlangt,
ein Beweis, daß der Herr Agent michts von der Sadje verftand.
Der Grat von Falfenftein reifte in der Nacht von Genf ab. Als er morgens
früh in Role anfam, mußten die Thitren des Wirtshanjes verrammelt werden.
Am Abend diefes Tages traf er in Yaufanme ein. Er jagte, hier jei man ihm auf
den Füßen herumfvaziert; indeffen fhien er doch auf der Terraffe der Frau von
Blaquiere, wohin man ihm der Ausficht wegen geführt hatte, fehr gufeieden. Dieje
Dame (die, fowie ihre Schwefter, Frau d. riesheim, Here ©. %a Roche verfönlich
tennt) hat einen Sohn in faijerlichen Dienften, und mit einer hübſchen Wendung
bat fie den Herrn Grafen, ihm dem Kaiſer zu empfehlen, welches jo gut aufgenommen
wurde, daß er des jungen Mannes Adreſſe verlangte, und von einer jeiner Schweitern
bat ſich Herr v. Colloredo einen Brief an den Bruder aus, deifen Veftelluug er
übernahm. Der hohe Reifende ward nad) allen Oftreichern befragt, die fidh in
Saufanne aufgehalten hatten, md er gab darüber die genauefte Auskunft. Eine
hübfche Frau, die fih auf ihre Schönheit viel einbildere, hatte nichts angelegent-
Sicheres zu thun als ihm zu unterrichten, daß fie jchon fieben Kinder gehabt habe,
und daß ein gewiſſer, nad) dem fie ſich exfumdigte, in fie verliebt gewejen jei.
In DMoudon fichl ihm fein Menfch zur Laft, aber des Gafttwirts Tochter, die
er freundlich um einen Kuß bat, antwortete ihm: Nein, bei Yeibe nicht! Der Graf
drang noch weiter in fie; „Nein, nein, fowas durchaus nicht!” „Ei mir fagte der
Later, thue es nur! Wenn ich dabei bin, wird dir der Herr fein Leid’ zufligen.“
Und nun gehordjte fie. x -
In Sanrıne (Beterlingen) fand ex im Wirtshaufe ein paar bübfche Mädchen,
die mit Plätten beichäftigt waren und, ohne fih Dur feine Gegenwart jtören zu
taffen, in ihrer Arbeit fortfuhren. Er nahm ihr Plätteifen in die Hand, fand ı#
aber zu heiß, und als er die kurze Unterhaltung endigte, gab er ihnen einem
Youisdor.
Als er durch die Ebene von Avenches (Winisburg) fährt, fomınt eine
fpornftreich quer über Feld bis am den Wagen gelaufen, worin der Graf allein
jaß. Zie macht einen langen Hals und gleich darauf eine Beweg; die ihre Ber-
achtung ausdruckt und, etwas für fich murmelnd, fehrt fie ganz fadhte wieder um.
Der Graf wünichte, daß man ihm dies erklären möchte. Die — hatte ‚gi:
„Dachte ich doch, da gäbe es etwas redht’8 zu jehen, umd «8 ift eim Denfch, wie
man ihrer hier jo viele_fieht,“ Zu Morat (Murten) ging er zu zwei biibichen
Franzöfinnen, die er am Fenſier gejehen hatte; fie gebrauchten bort sıne vom Axpte
in Pangnau vorgeichriebene Eur. „Sind Sie, fragte er, mit der Arzuei des Liuadh
fatbers Mihen zufrieden?” „Ja, antworteten diefe, umb in dem MAugenblide, wo
wir den Grafen von Faltenftein fehen, befinden wir uns noch beffer.“ „Nun, gut!
1) Hor. Benedict de Sauffure (geb, 1740, geft. 1709 zu Genf), berlihinter
Geolog, ve ſich namentlich durch, eine rometrijchen ——— einen Namen
gemacht hatte.
Euphorion IV. Er}
DSG Collin J., Goethes Fauſt in feiner älteſten Geſtalt.
So ſind Sie dann gewiß eben nicht krank!“ Er redete hier bald dieſen, bald jenen
an, um ſich das, was er ſah, erklären zu laſſen.
Am folgenden Tage, den 17. Julius, kam er in Bern an. Er litt ſehr von
der Hite, dem Staube und der Menge Menſchen, die er am Eingange des Galt-
bofes fand. Drei unglüdliche Teierteurs lagen auf den Knieen umd flehten um
Gnade, die der Graf aber zweimal abiwies, wie man fagt, deshalb, um jeim In—
cognito nicht zu verlegen. Mir ſcheint died aber fein genügender Grund zu fein;
denn zu eben der Jeit erteilte er eimigen in Bern auf Koften der Yandftände
itudierenden Ungarn Audienz. Mit Fug Ichnte er alle Beſuche ab und fette es bis
auf den Nachmittag aus, die Banquiers zu Iprechen, von denen ciner ihn als
Eicerone begleitete, alg er die Stadt beiab. Es wäre zwar möglich geweſen, ihn
des Läftigen Zudranges des Wolfs zu überbeben, allein jo bald er jab, daß man
bierzu Anftalt machte, wollte ev es nicht haben. Tie Folge davon war, daß er fid)
durch Menſchen umd Wagen auf der Ztraße zuweilen ınit Gewalt durchdrängen
mußte. Endlid) balf man ihm, ohne ſein Wiſſen, in der Art, daß einige Tffiziers
der Garniſon ihn als Schuwache begleiteten. Im Zeughauſe bielt er ſich zwei
Stunden auf und fand, man babe einen jolchen Überfluß an Kanonen, daß man
den Inſurgenten weldhe davon verlaufen fünnte Er berührte den Apfel von Tells
Sohn mit dem Finger und ſagte: „Tas tft der Grundſtein der Schweizer Frei—
beit.” Bei Herrn dv. Haller brachte er eine Ztunde zu und jeute bier einen gewiſſen
Herrn in große Verlegenbeit. As Herr v. Daller_ aus dem Zimmer gegangen war,
fragte der (Hraf jenen in einem verdrieplichen Tone: „Zind Zie and) ein Arzt,“
und da dieier feine Zube antwortete, jo tagte der Banquier: „Nein, es ift ein
Freund vom Dauie.“ .
Düſſeldorf. R. Haſſencamp.
Collin J., Goethes Fauſt in ſeiner älteſten Geſtalt. Frankfurt a. M.
Litterariſche Anſtalt. 1896.
Collin hat die in feiner, Diſſertation und in feiner Habilitations⸗
hrift begonnenen Forſchungen zur älteften Geftalt von Goethes Fauſt
auch auf den mod übrigen Zeil der Jugenddichtung ausgedehnt und er
hat jegt die Reſultate diefev neuen Unterfuchungen mit den früheren zu
einen Bande vereinigt der Offentlichkeit vorgelegt. Wir finden hier zunächſt
als eriten und zweiten Teil die alten, im wejentlichen unveränderten
Betrachtungen über den Cingangsmonolog, die Erdgeifticene und die
„ſatiriſchen Scenen“, neu hinzugekommen ift als dritter Teil die Grethchen⸗
tragödie.
Der Verfaſſer gehört jener jungen litterarhiftorifhen Richtung an,
die fich die Bekämpfung der fogenannten fritiichen Methode zur Aufgabe
gemacht hat und die felbft einen nody nie betretenen Weg fucht, um das
Wert des Tichters in feinen Tiefen zu erfaffen. Die Kritil, jo meinen
diefe Bekenner einer nenen Schule, vermag nur zu trennen und zu 3er.
jtüdeln, jie wollen begreifen und erflären, fie ringen nad) einer Art von
innmanenter Analyfe, um ın das Herz des Kunftwerfs felbft einzubringen
Von dieſem langen Briefe iſt nur ein kleiner Abſchnitt Über die „Roflexions
sur le Tact moral im Zchreibtiihe 2, 345— 347 abgedrudt.
Colin 3, Goethes Fauſt in feiner älteften Geftalt. 587
und es im ganzen wie in feinen Teilen aus der ſchaffenden Dichterſeele
von neuem exftehen zu laſſen. Ein ftoles Ziel, wen nur erft der Weg,
der dahin führt, gefunden wäre!
So will denn auch Collin bei feiner Behandlung des Urfauft von
der Scheidekunft der Kritik nichts wifjen, zumal es ſich bier um das Wert
eines Dichters Handelt, dem „das erteilen umd Zerjtüceln als einem
chten Künftler ganz und gar nicht gemäß war“. Überhaupt barf man
nad) feiner Meinung ein „Kunftwerk nicht bloß mit den Augen des Phi-
lologen anfehen“, die „philologiſche Arbeit" ift nur „borbereitender”
Natur. Er ſelbſt ſtellt ſich die Aufgabe, „de älteftem Fauſt auf feinen
Gedankengang zu prüfen, ihn mit den übrigen Werken des Dichters und
fonftigen Außerungen jeines Geiftes aus jenen Jahren in Verbindung zu
bringen, die leitenden Ydeen des Jahrhunderts, ſoweit fie in Betracht
kommen, dazu in Beziehung zu jegen und fo einen Überblid über bie
geiftige Entwidlung des jungen Goethe zu gewinnen“. „Die leitenden
‚een des Jahrhunderts“ ift ein großes Wort, das zu der Auffafjung
verführen Fönnte, als ob Collin feinen Betrachtungen einen beſonders weiten
Hintergrund hätte geben wollen, Das ijt nicht der Fall. Ex befchränkt
fich auf das Nächitliegende, hebt gebührend den Einfluß Herders hervor
und entwidelt vor allem aus Goethes gleichzeitigem Dichten und Leben
die Fäden, die zu dem Fauſt hinüberführen. Innerhalb dieſes Rahmens,
man muß es anerkennen, hat Colin mit großem Fleiß und, wenn man
es nicht zu genau nimmt, aud mit Umjicht das in Betracht fommende
Material zufammengetragen und für das Verftändnis der Dichtung manchen
beachtenswerten neuen Fingerzeig gegeben. Und hierin befteht ein wirklicher
Vorzug feines Buches,
Neu Hingegen ift die große Sicherheit, mit welder der Verfaſſer, als
ob es fih um eine glatte arithmetiſche Ausrechnung handelte, feine Zeug-
niſſe benugt, um die Abfaffungszeit der einzelnen Scenen zu beftimmen,
Er weift mit Recht jene früher graffierende, ſchon von Erih Schmidt
Urfauft 1894, ©. XXII f.) genügend gekennzeichnete Manier zurüd,
aus einzelnen zufälligen Parallelen von Worten und Gedanfen deu Ur—
ſprung ganzer Ecenen zeitlich firieren zu wollen. Aber er ſelbſt verfällt
in einen anderen Fehler. Niemand wird etwas dagegem einwenden, wenn
Werke, in denen eine lonkrete Gleichheit der gefamten Anſchauungen zu
Tage tritt, einer und derjelben Epoche zugeiwiejen werden. Aber dieſes
zeitlihe Zufammenfallen auf Monate, ja Tage ımd Stunden eingrenzen
zu wollen, das ift ein Umding; es müßten denn befondere äußere Zeug«
niffe Hinzutveten. Die chronologichen Anfäge Collins find denn aud) in
ihrer übergroßen Beftimmtheit fait alle hinfällig, und man wird ſich nad)
wie vor mit der Exfenntnis begnügen müflen, daß der Urfauft, abgefehen
von einigen älteren Elementen, ein Prodult der Jahre 1774—1775 ift.
Dean kann fi auch getroft dabei beruhigen; denn für das Berftändnis
33*
588 Collin J., Goethes Fauſt in ſeiner älteſten Geſtalt.
einer Dichtung von der Art des Fauſt, die einen ſo langen Reifeprozeß
durchgemacht hat, iſt es wahrlich von geringem Belang, ob eine Scene
an dieſem oder jenem Tage endlich niedergeſchrieben iſt.
Schwerer ins Gewicht natürlich fallen die Fehler, die der methodiſch
einſeitige Standpunkt des Verfaſſers im Gefolge gehabt hat. Zwar ſpielt
die kritiſche Frage im engeren Sinne nicht die Rolle im Urfauſt wie in
der ausgeführten Dichtung. Gleichwohl hat ſie auch hier ihre Bedeutung.
Und überhaupt iſt es ſelbſtverſtändlich ein fundamentaler Irrtum, wenn
man glaubt, die litterarhiſtoriſche Betrachtung irgendwo von der kritiſchen
trennen zu können. Weide ergänzen ſich gegenſeitig und können ohne ein»
ander nicht bejtehen. Jede Behandlung der Yauftfrage, die fich in bewußten
Segenfag zur Kritik ftellt, ift auf Zand gebaut, und nun und nimmer-
mehr kann fie zu Reſultaten führen, die vor einer ernften, wiſſenſchaft⸗
lichen Prüfung Stand halten.
Co viel über den Standpunkt des Berfailers im allgemeinen. Im
einzelnen jei folgendes bemerkt. Die Analyſe des erſten Monologs leidet
an großer Unklarheit, und bejonders ift die Polemik gegen Scherer fläg-
(ih mißlungen, worüber ih im 2. Heft laufenden Jahrgangs dieſer
Zeitſchrift, <. 277 f. geiprocdhen Habe. Collin beftätigt mit feinen Ein⸗
wendungen lediglich die Bedenken gegen die urſprüngliche Einheit des
Monologs. Seine eigenen Yöjungsverfuche find außerdem fo abftrus-
wunderlicher Natur, dag es ſchwer fällt, fie überhaupt ernft zu nehmen. —
Goethes „Werther* als einen Borläufer des Fauſt anzufehen, ift jegt
Modeanfidt, der auh Colin huldigt :S. 9 F.ı. Gewiß find Werther und
Fauſt Schidfalsbrüder. Trogdem wie verfchieden ift die paffive Natur-
ſchwärmerei des Helden des Gefühlskultus von dem erfenniniedurftigen
Trang des Magiers, forfchend in die Tiefen der Schöpfung einzu:
dringen! Nicht die „allgemeinen Erdenſchranken“ find es, in denen
ſich der vermeintliche andere Yauft „unbehaglich“ fühlt, die künſtlichen,
die unnatürlichen Perhältniffe innerhalb des Menfchenlebens
find es, die ihm unerträglid werden, und ſchließlich ift e8 fein Charafter,
nicht das Libermenjchliche feines Streben, an dem er erliegt. Gewiß
bat Werther fauſtiſche Züge, aber diefe würden nie binreichen, ihn in
Wirflicfeit zu einem Fauſt zu machen, fowenig wie aus den Keimen
des Romans fi je der Stoff zu dem Weltbilde unfere Dramas ent-
wideln ließe.
Eine ſchiefe Auffaffung iſt es ferner, daß Fauſt „nicht Wiffensdrang,
fondern Schaffensdrang“ befeele :S. 12. Was joll es heißen, Fauſt
verlange „Iebhaft nah Erkenntnis der Natur und ihrer fchöpferifchen
Kräfte, um jo in das Geheimnis lebendiger künftleriicher Darftellung ein-
zudringen“? Wo ift Hierfür in der Dichtung der geringfte Anhalt gegeben ?
Fauſt ift Forſcher, nicht Nünftler, und jein vermeilenes Etreben fließt
lediglih aus jenem unendliden Wiffenedrange, von deilen Befriedigung er
Collin J. Goethes Fauft in feiner älteften Geftalt. 589
allerdings eine der göttlichen Schöpferluft verwandte Wonne erwartet (vgl.
Fauft 620 Weimarer Ausgabe).
Der „Weiſe“ (Vers 89) ift, wie id nachgewieſen habe (a. a. D.,
©. 283), fein anderer als Swedenborg, defjen maßgebenden Einfluß auf
die erfte Fauſtſeene Colin nicht entfernt zu würdigen gewußt hat. Das
vieleicht nicht jo unergründliche Weſen des Erdgeiſtes hat Colin nicht
aufzuklären vermocht, Am wenigften fann man dem Naturgott mit Goethes
prattiſcher und fittlicher Febensanfhauung (©, 52 f.) beifommen. Es mag
niemal® gelingen, die Elemente genau zu beftimmen, aus denen er zuſammen⸗
geſetzt ift, aber jedenfalls ift er ganz eine Schöpfung Goethiſchen Geiftes.
Wie fih Colin das Weſen des Mephifto denkt, bleibt unklar. Es ſoll
kein „Unterfehied“ jein „wiſchen dem Abgefandten des Erdgeiftes und dem
Teufel, aud nicht im Sinne Faufts* (S. 156 Anmerkung). Wenn damit
der Hriftliche Teufel gemeint ift, fo ift diefe Behauptung faiſch. Der Send-
bote des Erdgeiftes ift ein Naturdämon, der allerdings dem Bilde bes
Hriftlichen Teufels angeglichen ift. Denn von vornherein war es wohl
nicht des Dichters Abſicht, die von ihm felbft geſchaffene Geifterwelt allzır-
weit von dem chriſtlichen Vorftellungsfeeis zu entfernen, Aber ver Diener
Yuzifers Vers 527) fann nur in der Sphäre des hriftlihen Teufels
geſucht werden. Wir miüfjen alfo annehmen, daß Goethe ſchon im Ur
fauft die urfprüngliche Rolle des Mephifto nicht feftgehalten hat, und
ganz verkehrt natürlich ift cs, wenn Collin gar annimmt, man hätte
es nicht nur im Urfauft, fondern auch noch im Fragment ausſchließlich
mit dem „Gejellen und Diener des Erdgeiſtes“ zu thun. Und bie Heren-
füde?
Der Herderiche Einfluß im der Wagnerſcene ift gut entwidelt. Das
eigentümlich Problematifche der Scene ift freilich damit wicht erſchöpft und
wird fi wohl überhaupt nicht gänzlic, löfen laſſen. Yır der Datierung
des Auftritt beweift Collin felbft einmal eine Vorficht, vom der man nur
wüuſchen könnte, daß fie and) fonjt angewandt wäre,
Die ältefte Geſtalt der Schülerfeene wird man ſchwerlich von dem
Verdacht einer geteilten Entftehung reinigen fönnen; ich perſonlich ber
zweifle nicht, daß wir im der erften, bis etwa Vers 338 reichenden Partie
eines der älteften Elemente des Fauſt vor uns haben, wenn ich auch) eine
Entftehung vor dem Jahr 1772 für ausgeſchloſſen Halte, Was Collin
gegen Pniowers und Seufferts Gründe vorbringt, ift ganz ohne Belang.
Hans Sachſens Borbild kann hier gar nichts beweijen, es fommt nicht
die „niedrigederbe“, fondern die unreife Art des Spottes in Betracht. —
Angefichts der Kellerfcene hat fi die Datierungsfuft von je mit bejonderer
Zuverficht ergangen und man ift ſich jet fo ziemlich einig darin, fie fei
„in der Morgenfrühe des 17, September 1775” entitanden. Ich habe
darüber eine etwas andere Anficht, die ich mir aber verfagen muß bier
zu entwideln.
590 Collin J., Goethes Fauſt in feiner älteſten Geſtalt.
Der dritte Teil des Buches, die Analyſe der Grethchentragödie, ſteht
hinter den früheren Abſchnitten an Fülle des Stoffes zurück. Das iſt
nicht zu verwundern, da es hier inhaltlich nur wenig zu erklären giebt.
Mehrfach beſchränkt ſich denn auch Collin auf die bloße Paraphraſe, die
hier eigentlich überflüſſig erſcheint, zumal ſie nicht einmal im Ausdruck
immer ſehr glücklich iſt. Der Mangel an Stoff iſt es wohl, der den Ber:
fafier, um nichts ſchuldig zu bleiben, bisweilen verleitet, auch die natür-
fichften und elementarften Motive an Norgänge im Leben des Dichters
und an Parallelen aus feinen früheren Werten anzufnüpfen. Co berührt
e8 doch jeltiam, wenn Mephiſtos Gelegenheitsmacherei oder Yaufts Ver—
ſuche, durch Geſchenke Greihchens Gunſt zu gewinnen, auf des alten
Yugendverderbers Behriſch Unterweilungen in Liebesſachen zurüdgeführt
werden S. 185. Tas Verfahren, ganze Gruppen von Zcenen zufammens
sufaffen und ihnen gemeinſame Entftehung zuzujchreiben, it völlig will
fürlich, die Beweiſe für die Datierung find hier noch weniger greifbar
als bei den früheren Scenen. Gern aber jtimmt man der gelegentlichen
Bemerkung zu, daß ſich ans der veränderten Faſſung des Yiedes vom
„König von Thule* nichts für cine Redaktion der älteften TFauftgeftalt
ergiebt S. 2081. Man begreift in der Ihar nicht, wie ein folder Trug-
ſchluß jemals hat Beifall finden können.
In der Erklärung der Zwingerfcene finden fid erhebliche Irrtümer.
Fauſt fol Grethchen verlaiien haben und Diele, wenn ich recht verjtehe
S. 220, fol die „ängjtlihe Furcht“ in ihrem Gebet äußern, den Ge—
liebten dauernd zu verlieren. Ich kann davon nichts entdeden und über-
haupt Halte ich es für ummöglid), daß die Unglüdliche in diefer Eituation
noch mit ihrem Liebesgram befchäftigt fein ſollte. Der Tod der Mutter ut
freilich nicht eine erlaubte, fondern eine notwendige Norausjegung für
die Scene. Denn wenn Grethchen um Wettung von „Schmach und Tod“
betet, jo denkt fie bei dem erſten an die Folgen ihres Vergehens, bei dem
zweiten an ihre Schuld ala Muttermörderin. Tas furdtbare Ereignis hat
joeben erſt ftattgefunden, denn die Brunnenſcene kennt es noch nidt.
Natürlich hängt es zuſammen mit Grethchens Liebesverkehr, alfo kann
Fauſt die Geliebte noch nicht verlaſſen haben. Er weiß um dat
Geſchehene und iſt fidh feiner Werantwortung bewußt «Vers 1414 ff.:.
Die Scene Vers 1398%— 1435 betrachtet mit echt auch Colin ale
Überleitung zu Yalentins Tod. Erſt nah dieſem entfernt WMephifto,
um Grethchen gänzlih in Nerzweiflung zu ftürzen, Fauſt aus der
Ztadt. Erſt jo gewinnen wir in der lakoniſchen Gedrängtheit der
Zcenen jene furchtbare tragiiche Zteigerung, die Goethe offenbar in
der Grethchentragödie gewollt hat. Er jelbft hat fpäter die bier ver«
tretene Auffaſſung beitätigt, indem er Fauſts Flucht vor Grethchens
Fall, und die „abgeſchmackten Zerſtreuungen“ nad Valentins Tod
verlegte.
Tünger H., Karl Auguft und Ottofar Lorenz. 591
Die Frage, welche Stüde der ausgeführten Dichtung dem uefprüng-
lichen Beftande der ülteften Fauftgeftalt etwa nocd angehört haben, hat
Collin abfihtlih nicht berührt (vgl. ©. VI). Er hätte freilich dabei das
Gebiet der verhaßten Kritik betreten müffen, die fid ja auch wicht immer
ohne Grund jpotten läßt.
Ganz verdienftlic, find die hier und da eingeftveuten Beobachtungen
zum Sprachgebraud des jungen Goethe. So werden die Ausdrüde „ge-
ſchaftig“ (©. 58), „dumpf” ( 7), „Verworrenheiten“ (©. 246) richtig
erklart oder als Lieblingsworte erwieſen. Auch die S. 115 gegebene Deutung
von „Schnitzel kräuſein“ genügt immer noch am meiſten dem Sinn der
Stelle (Vers 201 f.).
Es ift bedauerlich zu jehen, wie ein ernfter, gewiſſenhafter Forſcher,
durch falſche VBorausjegungen geleitet, in die Sere gerät. Für die Wifjen-
Schaft können die Nefultate eines fo fehlgehenden Strebens immer mir
bedingten Wert haben.
Halle a. ©. Bohannes Niejahr,
Dünger H., Karl Auguft und DOttofar Lorenz. Ein Dentmal. Dresden
1895. Dresdener Berlagsanftalt B. W. Ehe).
Dünger wendet ſich Hier gegen die Schrift von O. Lorenz „Goethes
politische Lehrjahre“. Der Titel deutet ſchon an, daß wir es hier mit einer
Polemik der ſchärfſten Art zu thun haben, das Motto läßt uns keinen
Zweifel darüber:
Wenn ganz was Umermartetes begegnet,
Wenn unfer Blit was Ungebeures ficht,
Steht unfer Geift auf eine Weile ftill,
Wir wien nicht, Womit wir das vergleichen.
Wirllich wird gleich im Anfang von der „jonderbaren Entdedung
des Jenaer Profeſſors Ottolar Yorenz“ geſprochen, dann von einer „willlur⸗
lichen Unterlegungsweife“, von einem „entjchiedenen Mangel am voll-
ftändiger Kenntnis“, von einer „willkürlichen Auslegung der wirklich, benußten
Quellen“, von „leichtfertiger Flüchtigkeit und behaglicher Oberflächlichkeit“.
Und fo geht es fort, die bitterjten, die hävteften Worte werden wicht ge-
ipart, eine Entrüftung, wie fie nur der hegt, dem man an einen heiligen
Glauben gegriffen Hat, fpricht fich faſt auf jedem Blatte des Buches aus,
zufegt wird die Schrift von Lorenz ein halte und bodenlojes „Gerede ge-
nannt, „ohne ale nähere Kenntnis eiligft zufammengerafft und mit breitejter
Selbftgefälligkeit zum beten gegeben“.
Es ift nichts feltenes, daß junge Gelehrte fid in Mecenfionen eines
ſolchen Tones befleigen, man wird ihn vielleicht bisweilen wohl angebradit
finden, wenn es fi um das Produft eines durchaus Unberujenen handelt.
Hier aber ſtimmt der aditzigjährige Neftor der deutfchen Goethephilologie
594 Schiemann Th., Heinrich von Treitichles Lehr- und Wanderjahre.
politiichen Dingen, wie geſagt h hätte ſich Goethe zuerſt lediglich receptiv
verhalten.“ Nein, was man Lorenz vorwerfen konnte, war doch nur ein
paar kühne Hypotheſen gewagt und dabei den ſicheren Boden der Über
lieferung verlaffen zu haben. Daß Dünger alles mit Eifer zufammenträgt,
was fi gegen die Hypotheſen von Lorenz einwenden läßt, ift gewiß
danfenswert — er hat ja da fait durchwegs recht — aber mußte er es
in der Norm eines Pamphletes Heiden, eines Pamphletes mit einem io
ironiſch-gehäſſigen Titel? Nein, das verdiente die wohlgemeinte Schrift
von Yorenz, die Übrigens — man vergeite nicht — eigentlih ein Vortrag
ist, und fi) auch ganz ohne Prätenſion giebt — nit. Schließlich Tann
man ihr jogar cin gewiſſes Verdienſt nicht abjtreiten: fie regte dazu an,
die Briefe, die Tagebücdper Goethes auf? neue vorzunehmen und von einem
neuen Geſichtspunkt ans zu prüfen; fie trug dazu bei, die in weiteren
Kreiſen nody immer verbreiteten irrigen Anfichten über Goethes politiiche
Apathie im allgemeinen zu berichtigen. Won Düntzers Schrift hingegen
wird man faum jagen fünnen, daß ſie anregend wirft: hat man einmal
die erſten Blätter hinter fich, die pifant find, weil da jo viel gefchimpft
wird, fo langweilt man jich bald entieglih: es wird einem Goethe und
die ganze (Noethelitteratur auf lange Zeit hinaus gründlich verleidet.
Wien. E. Guglia.
Hiſtoriſche Bibliothek. Band 1. Schiemann Th., Heinrich von
Treitſchkes Lehr- und Wanderjahre. München. Oldenbourg 1896.
. M.
Die Redaktion der hiſtoriſchen Zeitſchrift hat den guten Gedanken
gehabt, längere Aufſatze, die nur Schwer dem Rahmen der Zeitſchrift ſich
hätten einſügen laſſen, einer beſonderen Sammlung zuzuweiſen, als deren
erſter Band uns Profeſſor Schiemann in Berlin eine überaus feſſelnde
Darſtellung der Jugend- und Entwiclungszeit des großen Geſchichts⸗
ſchreibers der neuen deutſchen Geſchichte beſchert hat.
Schiemann iſt in vorliegenden Blättern nicht nur dem Hiftoriler,
fondern auch dem Menſchen gerecht geworden und es iſt jchwer zu jagen,
welcher von Beiden und wärmere Zympathie und Bewunderung abge-
winnt. Treitichfe ward am 15. Zeptember 1834 geboren; einer ange:
fehenen Familie entfprofien, wurde er von feinen Eltern — bei denen die
ſonnige Natur des Vaters gegenüber dem trüben Ernfle der Mutter ein
Widerſpiel zu Goethes Eltern bildete —— zu dem herangezogen, was für
ihn dann fein ganzes Veben lang Yeitftern geweſen: zu Vilichtgefühl und
Wahrhaftigkeit. Er war ein ſelten begabter Knabe, der mit Bedauern den
Ausfall von Yehritunden ſah uud oft gegen den Wunſch der Eltern in
der Schule vorrückte. Verhältnismäßig ſehr jung fam er an die Univerfität,
jchr jung verließ er fie; mit 2o1., Jahren bereits Toltor, war er —
Schiemann Th., Heinrich von Treitſchtes Lehr · und Wanderjahre, 505
auch äußgerlih — ein jertiger Mann, Ein Gehörleiden, aus einer frühen
Krankheit zu ungeahnten Dimenfionen, in fpäteren Jahren zu voller Taubs
heit ſich entwidelnd, warf tiefen Schatten auf dieſes fonnige, Herrliche
Leben. Es zwang ihn zu tief innerer Konzentration zu einer Zeit, wo
dies font ſtürmiſcher Jugend noch ferne Liegt; es zwang ihn, auf bie
Wirkung des geiprodenen Wortes im Hörſaale zu verzichten und nad)
Kollegienheften und Büchern zu fludieren. Er hatte wohl auch nicht das
Glück unter feinen Lehrern auf eine großartige, führende Perfönlichteit zu
ftoßen, er ward fein eigener Lehrer, fein eigener Führer, In vielen Diszi-
pfinen war er veiner Autodidaltz was er mühjam fid errungen, hielt er
mit Zähigfeit feft (S. 95). Daher dann oft feine Teidenfchaftliche Übers
zeugungstreue, der Eigenfinn vorgefaßter Meinungen, Nicht aber als ob
er dabei eine grüblerifche, vergrämte Natur geworden, nichts lag ihm
ferner; er lonnte heiter, luſtig, ausgelaffen fein, war ein gewaltiger Zecher
vor dem Herrn und konnte, was heißwallend im Herzen ihm anfjtieg,
feinen Sinn glühend bewegte, in hinreißender Nede äußern. Wie er immer
und ſtets ein glänzender, großartiger Nedner geweſen ijt, bis in den legten
Jahren die Unfähigkeit fich jelbft zu Hören, eine gewifje Monotonie des
Ausdruds erzeugt hat. Treitſchle hat aber nicht nur nach ernfter Wiffen-
ſchaftlichkeit geftvebt, jondern er fühlte ſich auch als Dichter; er hat im
feiner Jugend zwei Bände Gedichte veröffentlicht: „Vaterlandiſche Gedichte”
und „Studien“; er trug ſich mit manchen Plänen für die Ausgeftaltung
hiſtoriſcher Etoffe zu Dramen. (Im Anhange zu diefem Buche giebt
Schiemann ein Paar ungedrudte Pieder und den Entwurf zu einen
Trauerjpiele, Heinrid) von Plauen.)
In vollem Ernfte hat Treitſchle lange daran gedacht, ſich ganz dem
dichteriichen Berufe, dann eine Zeitlang jid der Journaliſtit zu widmen,
glüdlicherweije hielt er bei der Wiſſenſchaft aus. Im Januar 1859 begann
er feine Lehrthätigfeit in Peipzig; raſch gewann er durch, die Themata feiner
Vorleſungen, die meift der neneften Zeit entnommen waren und durch die
großartige Art der Behandlung derjelben einen bedeutenden Ruf, Doch
fonnte ev in der Heimat nicht feiten Fuß fallen, zu ſehr ftanden feine Un-
ſichten dem „völlig naiven ſächſiſchen Partitulariemus* (S, 8) entgegen.
Ein einiges großes Deutſchland unter Breufens Führung, ohne Oſterreich,
wenn möglid; unter Vernichtung der Mittelftanten, im denen „oſtliche
Früchte nutzlos vergeudet wurden“ (S. 190), im denen „biplomatijche
Landsfnechte“ S. 190) regierten, war fein Ideal. Schon 1850, noch als
Gymnaſiaſt, hat ex diefen Gedanfen verfochten und jein Lebelang bis zu
feiner Verwirklichung dafür gefämpft, am fcärfiten wohl in der 1866 er-
ſchienenen Schrift „Die Zukunft der deutſchen Mittelftanten“. „Diefes (des
preußiſchen/ Staates Macht zu mehren halte ich für die exfte Pflicht des
deutſchen Patrioten,“ (S, 231) äußerte er 1865. Solche Anfihten mußten
ihm eine Garriere in einem der deutſchen Mittelftanten, deren Negierung
95 Schiemann Th., Heinrich) von Treitſchtes Yehr- und Wanderjahre.
er brandmarkte, deren Eriftenzberechtigung er beftritt, unmöglid machen.
Zunädjt rettete ıhm die Berufung in einen anderen Mittelitaat aus der
ſächſiſchen Miſere; 1863 wurde er Exrtraordinarius in Freiburg. Als aber
in der großen Krife von 1866 Paden auf die Seite Oſterreichs treten
mußte, war auch feines Bleibens hier nicht mehr. Und obwohl er gerade
damals daran dachte, fi einen häuslichen Herd zu gründen, er darum
an fichere Verhältniſſe fich hätte Kammern dürfen, ließ cr doch feine Über-
zeugung feinen Augenblid beugen. Cine große Perſpektive eröffnete fi
ihm damals, Cr Hatte zunächſt als Yiberaler (denn Treitfchle iſt einft-
malen liberal gewefen und Hat danıı die politiihen Wandlungen durch⸗
gemacht, die feinem Manne erjpart bleiben — folltenı Bismard bekämpft,
bis ihn dejjen Politik in Schleswig-Holſtein befehrt Hat, wenigftene was
die äußeren Berhältniffe belangt: noch vor Bismard hat Treitfchle die
Annerion diejer Provinzen, das Zuridftehen des augufterburgifchen Rechte
vor den Wohle des Vaterlands gefordert S. 229). Bismard bat raſch
die große Bedeutung diefes Mannes erkannt, ihn nad Berlin zu rufen,
an jein Syſtem zu feſſeln gedacht, zunächft zur publiziftifchen Verteidigung
feiner auswärtigen Politik; aber Treitſchke konn’e feine folhen Feſſeln
tragen, auch dieſes Anerbieten Ichnte er ab, fi) dann mit einer beichei-
denen Stellung in Kiel begnügend.
Während diefer Wanders und Kampfjahre ift Treitfchle unermüd-
ih mit der Feder thätig geweſen; aber fein großes Geſchichtswerk hat
er den Deutſchen in diefer Zeit geſchenkt, fondern eine ganze Weihe tief
durchdachter, glänzend gefügter Auffäge. „Uber die Freiheit“, „Uber
das deutihe Ordensland“, „Yundeeftaat und Ginhei'sftaat“, „Uber den
Bonapartismus“, über Hagern, Wangenheim, Cavour, dann die wichtigen
litterarhiftorifchen Aufjäge, um derenwillen Treitichle in diefen Blättern
beionders genannt werden muß, über Kleiſt, Otto Yudwig, Hebbel,
Neller, Milton, Byron. Daß er den erjten, Kleiſt, eigentlich erſt entdedt
habe, wie Schiemann fagt S. 131:, iſt hiitorifh nicht ganz richtig.
Früh reifte in Treitfchle der Gedanke, eine Geſchichte des deutſchen
Bundes zu ſchreiben, zunähft ohne Aftenbenugung nur auf Grund der
beitehenden Yitteratur: ſchon 1861 bat er den erften Vertrag darüber mit
dem Verleger Hirzel geſchloſſen; je weiter er aber im feinen Forſchungen
vortrang, deſto mehr mußte er erkennen, dag eine folche Arbeit unthunlich,
ja unmöglich jei, und aus der Geſchichte dee Bundes wurde feine groß-
artige „Deutſche Geſchichte im 19. Jahrhundert“, deren erfter Yand 1879
eridıien, deren Vollendung er aber nicht erleben follte — zum größten
Schaden der deutſchen Hıftoriographie.
Erhalten wir, wie anzudenten verjucht worden ıft, durch Schiemann
ein vortreffliches Bıld von dem litterarifchen, wiſſenſchaftlichen und poli⸗
tiichen Werdegang Treitichfes, fo befommen wir nicht minder tiefe Einfchau
in eim reiches, edles Menfchenherz. Wohl die fchönfte Saite menſchlichen
Krumbach ©. 3, Geſchichte und Kritik der deutſchen Schulfefeblicher. 597
Charakters Klingt an, wenn wir auf das wunderjchöne Verhältnis Treitfchles
zu feinem Vater aufmerfiam werden. Der Vater — Difizier in hohen umd
höchften Stellungen, tief gläubig in dogmatijchem Glauben, feinem Königs-
haufe bis zum legten Bfutstropfen ergeben, gewiß auch ein Deutfcher,
aber zunächſt doch ſächſiſcher Patriot, mit einem Reftchen heimlicher
Liebe zum alten Ofterreich — der Sohn, nicht nur wie wir gejehen in
politiiher Hinficht eim überzeugter Gegner, fonderm auch in religiöfer Be-
ziehung den Formen des Vaters entfremdet, beide dabei Menſchen, die
hart und feſt für ihre Überzeugung einzuftehen als Pflicht anfehen und
ſich nit ſcheuen, das öffentlich zu befennen, Und trogden daß tiefe Diſſo—
nanzen da erklingen mußten, trogdem daß jogar der Vater den härteften
Angriff des Sohnes auf den jächfijchen Staat und die jächfiiche Dynaſtie
öffentlich in den Dresdener Zeitungen brandmarkte (1866), fo blieben das
doch nur vorübergehende Verftimmungen, die fich Beide mannhaft von der
Seele ſprachen oder fchrieben, und in innigem Glücke über den trefflichen
Sohn konnte der alte Generallieutenant von Treitfchle 1867 aus dem
Leben ſcheiden.
Mit dem großen Schritte, den Preußen auf der ihm borbeftimmten
Bahn, Einiger Deutjchlands zu werden, vorwärts gethan hat, mit der
Überfiedlung Treitſchles nad) Kiel, mit dem Tode des Vaters, Ereigniffe,
die fih in die Spanne weniger Monate eindrängen, ſchließt das vor
liegende Bud). Mau kann ihm fein größeres Lob angedeihen laſſen, als
indem man jagt: es ift feinem großen Gegenftande gerecht geworden und
hat dem Andenken Treitichtes Genüge gethan. Man wird es immer wieder
lefen und Treitjchles Größe fi zum Vorbilde nehmen wollen. War er
doch mit 32 Jahren ſchon mehr geworden, ald mander in feinem langen
bibliſchen Leben!
Prag. Dttocar Weber
Krumbach C. J. Geſchichte und Kritit der deutſchen Scyultefeblicer, Leipzig,
Teubner. 1. Teil, 189. 160 M.
In der „Borgeichichte” behandelt der Verfaſſer die bis zum fetten Drittel
des vorigen Jahrhunderts reichende Zeit, in ber es feine beutjchen Schullefeblicher
im wahren Sinne des Wortes gab, jondern Bücher vorwiegend religiöjen Inhalts
deren Stelle vertraten, und verzeichnet bie einzelnen Berjuche, weltliche Fejeitoffe
einzuführen. Diejer Abjchnitt jchließt mit einer Würdigung Bajeborws, ber für das
Fejebuc) dem nächften Anfhauungsfreife der Kinder entnommene Stoffe verlangte,
Für die Betrachtung der folgenden Zeit wählt der Berfajjer nicht die en
von Perioden, jondern bechränft fi) auf die Charafteriftit der wichtigften Mevi
fentanten der einzelnen Hauptrichtungen. Zunächt beicveibt er Nodoms „SKinber-
freund“ mit befonderem Hinweife auf beifen Tendenz, bie Moralıtät w fördern
und den Zerftand zu bilden; jodann charakterifiert er die mehr in das Gebiet der
Nealienbücher gehörenden, von jeder moralif—hen Tendenz freien Yejebücher von
Heder und Eulzer, indem er bei dent letsteren den Jujammenhang mit dem herr
ſchenden Nationalismus der Zeit nachweiſt. Hierauf werden die Yeiftungen ber
598 Krumbah E. J., Geichichte und Kritik der deurfchen Schulleſebücher.
Philanthbropiften Zalzmann, Guts-Muths und Campe bejprochen, und auch die
Verirrungen dev Baſedowichen Schule werden an einem Beiſpiele gezeigt. Bon den
Berfaiiern „gemeinnügiger” Yejebücher erfabren Wilmſen, der es übrigens verftand,
in verichiedenen ‚sahrwaijern zu ſegeln, und Schlez mit feinen auf das Zchönleien
gerichteten Beftrebungen entiprehende Würdigung. Im folgenden Abjchnitt legt der
Verfaſſer dar, inwiefern Peſtalozzi und Herbart die Leſebuchfrage gefürdert haben,
erörtert die ;yorderungen der Herbartianer YZiller und Törpfeld und führt die Ber:
ſuche an, dieſe Forderungen praktiich zu verwirklichen. Tas Kapitel „Diefterweg
und feine zeit“ entbält cine Darlegung der in der behandelten Periode einander
freuzenden verjchtedenartigen Richtungen, unter denen Dieſterweg der deflamatori«
jchen, der grammatiichen und der an „Normalftofte” fich „anlehnenden“ folgte, obne
in der Peiebuchlache etwas Erbebliches zu leiſten. Der Verfaſſer ſchließt mit den
der „litterartichen“ Periode angebörenden Yejebüdern von Diede und Wadernagel,
denen er hohes Yob zu teil werden läßt. Tie Folgezeit ift ganz kurz behandelt, da
die Geſchichte Des Leſebuchs im dieſer Periode Neues von Beſtand nicht aufmweift
und die neue Zeit wieder zur Nichtung Hiecke Wadernagel zuridgetebrt ift. Die
Neime zu einer Weiterentwicklung des Leſebuchs liegen nach der Dleinung des Ver—
faſſers in den Törpfeldichen Gedanken.
2. Teil. Peirbearbeitet, nach dem Tode des Nerfaffers vollendet und herauf
gegeben von J. G. Zieber. 1806. 1.60 D.
Ten Eingang bilden auf drei Kapitel verteilte tbeoretifche Erörterungen, bei
denen mir Leſebücher für Volksſchulen, fir allgemeine ‚gortbildungsichulen und fir
die unteren und mittleren Klaſſen böberer Yebranitalten ınd Auge gefaßt worden
find. Wach dem erſten Napitel, das vom Zweck des deutichen Schulleſebuchs
bandelt, ſoll das Yeicbuch im allgemeinen ſolche Sprachſtücke bieten, welche die Aus»
geitaltung einer richtigen Weltanſchauung und einer idealen Yebensauffafjung an⸗
bahnen und den Schüler befäbtgen und geneigt machen, fih zum Zeibftunterricht
und zur Zelbiterzichung des Mittels einer geiſt und fprachbildenden Lektüre zu
bedienen: das deutiche Leſebuch im beiondern soll von den im Bereiche der lind-
lien Faſſungskraft liegenden und den Bedürfniſſen des Findlichen Geiftes ent-
jprechenden Deutschen Schriftwerken diejenigen darbieten, welche deutiche Zinnes- und
Tenhverie pflanzen und pflegen und den Zchüler befähigen und geneigt machen,
ih Durch die Lektüre edler und schöner deuticher Epradjichöpfungen weiter zu
bilden. Über die Stellung des Yeicbuchs zum Sprachunterricht äußern ſich die Ver⸗
faſſer um zweiten Napıtel folgendermaßen: „Das Yejebuch erfüllt feine Aufgabe dem
Zprachunterricht gegenüber, wenn es mir ſolche Ztüde entbält, die in mufterhaftem
Teutich qrichrieben find, und wenn es Die Dauptformen fprachlicher Tarftellung zur
Anihauung bringt. Es wideripricht feinem Zwecke, wenn man Stücke aufnimmt,
die für den grammatiichen oder den ortbographtichen Unterricht beionders zuredht-
geituer And.“ Hinſichtlich der Ztellung des Leſebuchs zum „Zachunterricht ver
teidigen die Verfaſſer die Anficht, daß dag Yeichuch feinen Z3weck in fih felbft hat
und den Sachunterricht nur inioweit unterſtützen kann, als dies feiner eigentlichen
Aufgabe nicht widerspricht: fie wollen daher, dan in das eigentliche, „litterariiche“
vejebuch realiſtiſche Stücke im Sinne Dörpfelds nicht aufgenommen werden, und
enticherden ſich fir Benubung eines beiondern „Nealtefebuchs”. In dem dritten
Napıtel, das von der Auswahl der Yelcitofie bandelt, wird zunächſt Rüdficht auf
den Zweck der Erzichung, alio cıne Auswahl von Yeieftliden verlangt, die auf die
intellettuelle, äſthetiiche, moraliiche und religiöſe Auffaſſung der Belt und des Lebens
bildend einwirken, jodann Rückſicht auf die Natur und die Vedürfniſſe des kindlichen
Wertes; der Erläuterung der vertretenen Grundſätze dient eine Veſprechung bäuftg
vorfommender ‚zebler. Es folgt cine Ausceinanderietung über die Art, wie das
veicbuch der Aufgabe, der Konzentration des Unterrichts zu dienen, gerecht werden
Wiener Beiträge zur engliſchen Philologie. 599
könne; die Berfaffer winjchen für jede Stufe einen Centraltejeftoff, um ben andere
Stoffe, die zu ihm in Beziehung ftehen, gruppiert werben, und finden, daß, wenn
in den verbreiteten Lefebüchern noch) nicht in dem erwünſchten Maße für eine Ber-
bindung der Sachgebiete gejorgt jei, dies ben —— nicht ohne weiteres
zur Laſi gelegt werden dürfe, weil es noch feinen allgemein anerfannten Lehrplan
gebe, bei dem die nebeneinander zu betreibenden Fächer in innerem Zujammenhange
ftünden. Veigegeben it eine für jächiijche Gymnafftır bevecnete Verteilung von
realiftifchen Yefeftüden. Die bei der Auswahl der Yejejtoffe nötigen Nüdfichten auf
befondere Schulverhältnifie werden eingehend erörtert: die Werfaffer vertreten die
Anficht, bei der Darreichung der Feftiire jei der Unterſchied der Geſchlechter zu
berüdfichtigen, dem Leſebuche muſſe ferner zwar fein tonfejfioneller Charakter ge-
wahrt bfeiben, es dürfe aber nichts enthalten, was zur Unduldſamleit oder gar
zum Religionshaß führen könnte; auch landfchaftlichen Charakter müe das Yejebud)
tragen, da es vertehrt wäre, ein Leſebuch für ganz Deutichland beftimmen zu wollen;
die für Fortbildungsjchulen und höhere Ychranftalten beftimmten Yejebiicher müßten
ſich den jpecieflen Beftimmungen anbequemen. Das vierte Kapitel enthält Grumd«
linien für den Aufbau eines Leſebuchs für eine adhtklaffige Bollsſchule und als
Anhang einen Kanon poctifcher und profaiicher Yejeftlide. Daran reiht ſich ein Ber-
zeihnis von Stellen, an denen manche Pejebliher von den Quellen abweichen; die
meiften diefer Abweichungen werden mit Necht getabelt, Die Berfaſſer wenden ſich
aud) gegen den Mißbrauch der Anführungszeichen und bes Apoftrophs. Bepiiglich
„auftöhiger“ Stellen befenmen fie, der freieren Richtung anzugehören, die Zunpere
lichteiten nicht gelten läßt. In der Fremdwörterfrage ftehen fie auf dem Stand»
puntte des Deutihen Spradvereins, für altertümliche Ausprüce dagegen verlangen
fie Pilege und Schonung. Willfiirliche Anderung von Überſchriften erfährt Dih-
billigung. Eine große Anzahl aus Lefeblichern ausgehobener Stellen zeigt, daß viele
von den der Fugend gebotenen Sprachftücten ftiliftifche und grammatiihe Mängel,
ſowie jachliche Unrichtigfeiten enthalten. Der Berfuh, auch im der achtklaffigen
Vürgerichule einige größere Werke umferer Maffiter im Original zu Ieien, findet
den Beifall der Verfaſſer; fie machen dann eine Reihe von Gedichten nambaft,
denen feine Stelle in deutichen Schullefebücern einzuräumen fei, und witnichen,
daß Sprüche und Sprichwörter in Gruppen dorthin geitellt werden, wo fie ihrem
Inhalte nad) hingehören. Die Verwendung der Bilder im Lefebucje bildet den
Segenftand der Erörterungen des 6, Hapitels. Im 7, jbwechen fich die Verfaller
für die Aufnahme von humoriftiichen Stilden, Boltsliedern, Dialogen und dialel-
tifchen Stücken aus; das 8. bringt die an Drud und Papier zu ftellenden An
forderungen. — Nadı den aufgefiellten Ghundfägen wird hierauf eine große Reihe
von Yeiebüchern geprüft.
Ta die in dem Buche entwidelten Anfichten zum größten Zeile recht geſund
find, jo iſt zu wünſchen, dafı es auf die Abfaſung vom Yefeblichern und Tchrplänen
Einfluß gewinne.
Frag. 3 Ulfsperger.
Wiener Peiträge zur englifhen Philologie unter Mitwirkung von E. tur
und A. Pogatſcher herausgegeben von 3. Schipper. Wien und Leipzig.
Braumüller.
1. Wurth 2, Das Wortjpiel bei Shatſpere 1895. GM.
Der Verfaſſer bietet weit mehr, als man im dieſem Buche fucht. (Einen
jlüchtigen Abrif; der Gefchichte des Wortipiels von den älteften Zeiten am, ein«
gehende, oft etwas fpitsfindige Unterfuchumgen über das Wejen und die Arten Des
Wortipiels, die auf Gerbers Bud „Die ende als Kunft“ aufgebaut find und
in denen neben Schlegel, W. von Humboldt umd Nean Paul aud Kuno Fiicher
600 Litteraturbericht aus Tirol.
einen aß hätte finden ſollen, eine Überſicht über dag Wortſpiel bei den Bor:
gängern und Yeitgenojien Shaliveres und endlid) das Wortipiel bei <halipere
jelbjt. Zn dem Abjchnitte: „Frühere Antichten über Shakſperes Mortipiele” (S. 151)
vermißt man Aielands charafteriftiiche Außerungen. Neben Herder und A. W. Schlegel
wäre als Verteidiger der Shakſpereſchen Wortſpiele wohl auch Gerftenberg zu nennen
gewefen. (Briefe über Merkwürdigkeiten der Yitteratur. Yitteraturdenfmale 20, 126 ff.)
Bon Engländern vermißt nman Home ıEleinents of criticisin, deutih von Mein-
bard 1763— 1766: und YJacartas Gren (Critical and explanatory notes on
Shakespeare. Yondon 1755: Für den zweiten Teil, der Arbeit, in welchem „bie
Aiedergabe der Zhafipereichen Wortſpiele bei den Überſetzern“ unterfucht werben
fol (S. Vl', darf man nad dem Rorliegenden die beften Erwartungen begen.
. Zchipper J., Grundriß der englifchen Metrik. 1895. 12 M.
—5 „Grundriß“ iſt jene „aus; sugsweiie Nearbeitung des Inhalts“ der
„Engliſchen Metrik“ KKRonn I881—1888, 2 Teile in 3 Bänden, die der Berfafier
bereits in feinem Hauptwerle in Ausſicht geitellt bat. Er joll den Lehrern an Mittel⸗
ſchulen eine bequeme Handhabe für den Unterricht bieten, dabei aber auch ein Hand⸗
buch für Univerſitätsvorleſungen bilden, insbeſondere auch den Studierenden der
engliſchen Philologie die unbeftwittenen Ergebniſſe der Aifjenichaft, dem gegen:
wärtigen Ztande der Förſchung eutſprechend, in überſichtlicher Form und möglichſt
tnapper Darſtellung vermitteln S. IX f.. Daher fehlt gegenüber dem früheren
Buche nichts Weſentliches, obwohl deiien Umfang bier ungefähr auf den vierten
Teil reduciert ift. Im Gegenteil zeigt eine Vergleihung, daß — befonders im erften,
die Verslehre bebandelnden Zeile — die inywiichen erſchienenen neueren Arbeiten
auf dem Gebiete der englischen Petrik forgfältig verwertet worden find. Die eriten
Abjchnitte, die unter der Überschrift , ‚Tas nationale Metrum“ zufammengefaßt find,
mußten aus dieſem (runde einer gänzlichen Umarbeitung unterzogen werden.
Schipper jtellt ſich bier von vornberein auf den Ztandpunft der Zweihebung®-
theorie, ohne jedoch die abweichenden Anfichten über den Allitterationsvers mit Ztill-
ſchweigen zu übergeben. Er verfolgt deffen geichichtliche Entwicklung von den äfteften
Zeiten bis auf den neuengliichen vierbebigen Vers ı befannt durch die Yallade King
John and the abbat of Canterbury und Bürgers deutiche Yearbeitung im gleichen
Metrum' und fucht schließlich die Gieichartigkeit des rhythmiſchen Baues der vier-
bebigen Yangzeile durch eine Reihe von — merhwürdigerweife — rüdläufig ge
ordneten Beripielen „von dev Gegenwart bis zu den älteiten Dentmälern“ zuſammen⸗
fafiend zu veranichaulichen. Der weiten Hälfte des eriten Teiles, welche die fremden
Metra zum Wegenitande bat, find die Tarlegungen des Verfaſſers in Pauls
„Grundriß“ Tichtlich zu gute gelommen. Nach der Anlicht des Meferenten wäre aber
bier, wie im zweiten Zeile, der über den Strophenbau handelt, durch öfteres Ber:
weiten auf das Hauptwerk noch manche eripriegliche Kürzung zu erzielen geweſen.
Seinen Vorgängern gegenüber befindet ſich Zchippers Buch mehrfach im Borteite.
Vor der großen Metrif bat es den Vorzug der größeren Nürze und liberfichtlich-
keit voraus, vor der Taritellung in Pauls „Srundriß“ den der Einheitlichkeit und
der breiteren Grundlage, da es das gefamte Gebiet der englifchen Metrik umfaßt.
Z. W.
Citteraturbericht aus Riref. III.
Im verlaufenen Jahre ift auf dem (Webiete der deutichtirolifchen Litteratur
wieder mancherlei erichienen. In der „Erminia“, dem Urgane des Alfabundes,
ward ein Älterer anonymer Auffav , ‚Ter Ztand Walthers von der Bogelweide
abgedrudt 118961, der die Anficht verficht, der große Deinnefänger fei bürgerlichen
Fitteraturberiht aus Tirof. 601
Standes gewefen. I. Scemüller veröffentlichte im der Zeitfehrift des Ferdinan⸗
deums 3. Folge 40, 199 ein „Pfunderer Brucftüd aus Walthers von Nheinau
Mavienteben“, nad) einer guten und darum wichtigen (4.) Hanbichrift des Gebichts (P),
Zeit Jahresfriſt bereits fertig und ausgedrudt winden enblid) Ende 1896 auch bie
altdeutichen Pajfionsipiele aus Tirol von J. E. Wadernell mit einem „neueften
Zuwachs als 1. Band der Quellen und Foridungen von Hirn und Wadernelf
WGraz 1897) ausgegeben und in den Buchhandel gebracht, jedenfalls weitaus die
größte und wichtigfte Arbeit des Berichtsjahres.
Zahfreicher find die Beröffentlihungen aus der neueren Pitteratur. In einen
Artilel der Junsbruder Nachrichten 1896, Nr. 12 „Erbs-Anfprüiche nad) Patriardjat-
Erzbifchof J. Yad. Porter von Erlau“ wurde an die tirolifche Abſtanimung des
Tichters erinnert umd den firolifhen Seitenverwanbdten desjelben amtlich hunde
getban, daß es für fie nichts zu erben gebe. Jim abgelaufenen Sommer feierte man
m Tirol das Feſt des 100jährigen Berlöbniffes zum Herzen Jeſu, wozu J. Seeber
einen poctifchen „Feftgruß“ und I. €. Bauer friegsfieber von 1796 und 1797
"Zrnebrud, Edlinger 1896) herausgab. Dagegen jheint man von der urjpringlich
geplanten Verwendung der zuerft 1799 in Wien jeführten Kantate von Joſef
Franz Natihfy „Der Tiroler Yandfturm“ (Mufit von U, Salieri) bald abgelommen
zu fein. Die Dialektgedichte von Karl d. Yutterotti find 1896 von !. v. Hörmann
in durchaus verbefferter 3. Auflage mit einer biographiſchen Einleitung und dem
Bilde Yutterottis herausgegeben worden. Bei dieſer Gelegenheit erfuhren auch bie
Geburtsdaten dieſes virtuofen Dialektpoeten eine Heine Berichtigung; biefer wurde
nämlid) nicht in Salurn am 10, fondern am 17. „Hornung“ 1793 in Bozen ge⸗
boren (Bozner Nachrichten 1895, Nr. 87). Hörmann entſchied fich aber für den
16. Februar 1793, weil biefer Tag in der Familie als Geburtstag Yutterottis ge-
feiert wurde. Die Deutiche Zeitung brachte am 1. April 1896 — leider um vier
Jahre zu jpät — „zum 100. Gchurtstag* einen größeren Aufjat fiber Johannes
Senn (1792—1857) von 8. B. Über Gilm erſchien ein urjprlnglich in der Mar
burger Zeitung abgedrudter Vortrag von S. M. Prem „Der Iyrifer Hermann
v. Gilm” gefondert (1. Auflage Marburg, 2. Auflage Graz 1896, 3. verbejferte
Auflage Imſt 1897), in dem aud) die neuefte Litteratur iiber Gilm unb zwei bisher
ungedrudte Gedichte zu finden find. Einige bemerfenswerte Aufjäge erichienen über
Adolf Pichler, zunädjft ein größerer Artifel von B. Münz im dene Babe
und ein „Vortrag“ von A. Stodmair in ber Maı jer Zeitung (Dezember 189:
bis Januar 1896), Friedrich Bed hat Pichlers Schaffen in einer Artifetreihe der
Wiener Zeitung 1896, Nr. 34—36 verfolgt und gefunden, bafi der Tiroler —
viel zu wenig befannt und beachtet ſei. Er meint: „Es wäre eine traurig-banlbare
Aufgabe, einmal zufammenfaffend die Lebensgeichichten der Ber
Tichter im Zeitalter Grillparzers zu erzählen.“ Zrauriger aber ift mandjmal die
Behandlung der öfterreihiichen Dichter im ber Yitterntur jelbft Eugen Wolff
nennt in feiner übrigens unbraubaren Geſchichte ber deutjhen Literatur in ber
Gegenwart (Leipzig 1896) feinen einzigen tirolifhen Dichter außer Pichler — mit
einer Zeile S. 319. Dagegen hat A. Breje in feinem Buche über if und neuere
Yorifer (1896) Bichler, Gilm, Vintler, A. von Hörmann und A. von berlid-
ſichtigt Beda Weber erfuhr durch W. Bäumer im 41, Hans von Bintler birch,
A. Schloſſar im 40. Band der a eine gute Ber
arheitung, dagegen hat Pagel vom dem tweitaus jeren A. Weſſſenbach
«ebenda 41, 601) nur mebizinijche Schriften und bie Reife ‚Kongreß, aber
licherweife feines feiner poetifchen Werte genannt Ein trefflicher Aufjab Über Weiffen-
bachs Yeben und Wirken (diffeiert) erjdhien bagegem im „Ziroler Boten“ 1898,
Nr. 258— 259. In den „Neuen Tiroler Stimmen“ 1896, Nr. 174 wurde Weiffen-
bachs Reife nad) Tirol 1816 beſprochen. 5
Eine treffliche Geſchichte der inneren — Pichlers gab A. Englert,
Adolf Yichler, in der Vaheriſchen Zeitfcheift fir Mealichulwefen 17, 154-167
Guphorion IV. 39
602 Lothar R., Kritiiche Studien zur Piychologie der Yitteratur.
(1896). Profefjor A. Brandl in Berlin nüpfte an eine Beſprechung der „Zpät
früchte“ in der Beilage 21 der Allgemeinen Jeitung 1897 einige jehr wichtige al
gemeine Bemerkungen fiber Pichlers Schriften, namentlid) über feine Gedanfeniyrit
S. M. Prem erinnerte in einer Anzeige desjelben Werkes (im Märzbeft 1896 von
Roſeggers „Heimgarten“) an das Erjcheinen der „Frühlieder“ vor einem halben
Zahrhundert und Enipfte daran eine vergleichende Betrachtung Pichlerſchen Schaffens
Mehr in das Gebiet der Kulturgeichichte gebören folgende Abhandlungen und
Aufſätze. S. M. Prem, „Ter tiroliiche Freiheitsktrieg 1809. Neue Yeiträge zur
Geſchichte der leßten Kämpfe” (Programm der Ztaatsrealichule in Marburg a. T
1896) benutzte ungedrudte Kriegstagebücher von 1809 ı4 Hefte von Aufzeichnungen
des Schützenoffiziers I. Thurnwalder, und b.ingt gelegentlich auch litterarbiftoriiche
Notizen. Im Tiroler Boten 1896, Nr. 289 wurde cin fonfufer Brief von El. Bren
tano an Arnim (1813) über Zpedbacer aus Zteig 1, 330 mit kurzer Bemertung
abgedrudt. Aus dem Werke von Troſt und Leiſt, Pfalzgraf Friedrich Michael von
Pfalz Zmeibrücden 11892) wurden die Tirol betreifenden Ztellen aus dein Tagebuche
des Hoffouriers K. Jörg unter dem Titel „Eine Reife durch Tirol Mitte des
vorigen Jahrhunderts” mit Anmerkungen von S. M. Prem tim Tiroler Boten 18396,
ir. 232—233 abgedrudt: intereiiant iſt auch bier die Goethe fo ſehr perübelt:
Verwechslung des Eiſak mit der Erich. A. Renk berichtete in verfchiedenen Blättern
über tivoliiche Bauerntheater (Grinzens, Brixlegg, wo im Zommer IROG ein
Speckbacher Bolksjtüd von A. Foltin gegegen wurde, Ebbs, 2. M. Prem beipradı
in den Innsbrucker Nachrichten 1897, Ar. 15 die Aufführung des Euftadhiusipieles
in Inzing inach dem Terte des Zpielbuches von Oberperfuß 1828 im Ferdinandeum
zu Junsbruckth. Derſelbe bat endlich in feinen Briefen tiber tirolifche Yitteratur
15—20 1 „Yandzeitung” das litterarifche Streben der zeitgenöſſiſchen Dichter Tirol
verfolgt.
Telfs in Tirol, um Februar 180%. S. M. Prem.
Lothar R., Kritiſche Studien zur Piychologie der Litteratur. Breslau. Schleſiſche
g
Buchdruckerei, Kunſt- und Verlagsanſtalt von S. Schottländer. 1895.
Dieſe Studien beſchäftigen ſich in Anlehnung an die Werke Brunetieres und
Tiſſots mit der Geſchichte der Kritik in Franlreich, mit der Bekämpfung des Natura
lismus durch den myſtiſchen Sunbolismus und mit den hervorragendſten Erſchei
nungen der Romanlitteratur, wie mit Dauders und Jolas Zpätlingen oder mit
Lotis erotiichen Produlten. Die Betrachtung deuticher Verhältniſſe wird durch eine
Studie „Die Alten und die Jungen” eingeleitet, der dann Aufſfätze über Paul Heyſe,
Frau von Zuttner, Herrmann Sudermann, C. F. Meyer, Noiegger und Ferdinand
von Zaar folgen. Nach einigen mehr ing Weite gebenden Ausführungen fiber deut
fen Humor, über das deutiche Trama und das Geheimnis des dramatiichen
Schaffens wird die Sammlung mit cinigen Gedenkblättern gejchlojien, die Otto
vudwig, Bodenſtedt, Ti gelitedt, Auerbach und Neller gewidmet find. — Dieſe Auffähr
fielen die veritändigen, nicht ſehr ſelbſtändigen Meinungen eines vorurteilsloſen der
modernen Entwicklung geneigten Mannes dar, Der viel gelefen bat, viel gereiit tt,
der mt Zola an einem Tiſche gefeiien und mit mehreren berühmten Yeuten Briefe
cwechjelt bat. Jedermann hat das Necht, feine geiammtelten Auffäte herauszugeben.
amit aber aus einer folhen Sammlung eim Auch werde, dazu gebört entweder
cin Vorxrat leitender Gedanken, orientierender Jdeen, oder eine PBerfönlichkeit, welche
dieien Außerungen einen individuellen Stempel giebt. Tem Buche von Rubdolt
Lothar fehlen beide Arten von Charalter.
A. E.
Bibliographie,
2. Büder.')
Allgemeines. Litteraturgeſchichte. Poetik. Sammelwerke,
Baumgartner A. 8. J. Gefchichte der Weltliteratur. 1. Lieferung. Freiburg i. B.,
Herder. 1.20 M.
Das groß angelegte Werk ſoll in 6 Bänden behandeln: 1. Die Litteraturen
Weſtaſiens und der Nilländer. 2. Die Literaturen Indiens und Oftafiens. 3. Die
griechi ſche und lateiniſche Pitteratur des Hlaffiichen Altertums umd der fpäteren
‚Zeiten. 4. Die Yitteraturen der romanischen Völter. 5. Die Yitteraturen der nord⸗
germanücen und flavifchen Bolter. 6. Die deutjche Literatur. — Die erfte Liefer
rung enthält: 1. Buch:, Die Stammpvölter der älteften Bildung: eliten, Baby-
lonter, Afiyrer und Ägypter. 1. Bibel und Weltliteratur. 2. Die geichichtlichen
Bücher des Alten Bundes. 3. Die Dicjtungen des Alten Bundes. 4. Jsraris
Propheten. 5. Babyloniiche und affmiihe Schreiftderelmäler. — Über, den wifjen-
ihaftlichen Wert der einzelnen Teile des Wertes merdem fid) die zuitändigen
Fachleute zu äußern haben; wir begnügen uns, aus dem einleitenden Cijay,
„Bibel und Weltliteratur die bezeichnendſte Stelle zu eitieren: „Diefen Begriff
der Jufpiration weiter auszuführen und zu begründen ift Sadje des Theofogen,
nicht des Yitteraturbiftorifers; allein die Thatſache der Inſpiration darf der fatho-
liſche Litteraturhiſtoxiter nicht verſchweigen, noch um on wenn er, Mt It die ger
fanıte Yitteraturgeichichte auf eine faliche und irrige Gars züden will. Die Bibel
iſt fein bloßes Menſchenwert, wie die Beden und Puränas der Inder, das Avefta
oder der N fie ragt am geiftigen Gehalt, fittlicher Fruchtbatteit und er
Würde hoch über alle Werke des biogen Menjchengeiftes empor; fie ift recht
eigentlich dev Leuchtthurm und ber Mittelpunkt, vor dem aus wir die ganze
ge Fitteratur zu betrachten haben, wenm wir nicht im die Srre gehen wollen,
erſt hat, indem fie zum lebendigen Eigentum aller Bölter wurde, die jAro|
nationalen Gegenſatze ausgeglichen und "der geſchichtlichen Weltbetrachtung jene
höhere Einheit verliehen, die Abendland und Morgenland zu einem großen
verfnüpfte und jo eine einheitliche Gejdjichte bei Bene 34 mad)
verkörpert das Göttliche im dev itteratur, das fei erreichen
oder erjegen kann. Titanenftolz und Kinftlerijches —
und Menicenvergötterung finden bier eine umüberfteiglice Er
) Wo die Jahreszahl fehlt, ift 1897 zu ergänzen. * F
604 Bibliographie. 2. Bücher.
Hahn W., Gefchichte der poetifchen Yitteratur der Deutſchen. 13. Auflage, beraus-
gegeben von G. Kreyenberg. Berlin, Beiler. 3.60 M.
Zeit 1860 gehört das Buch von Hahn zu den verbreitetften Handbüchern
und die neue jorgfältige Bearbeitung wird feine Beliebtheit noch erböhen. Liber das
Mehr oder Weniger an Namen und Zahlen, das in einem folchen Werke dar:
zubieten ift, dürften die Meinungen allerdings auseinandergehen; audy wäre es
endlich einmal an der Zeit, alte Ervübel, wie die Einfchadhtelung des ganzen
Grillparzer in die Schickſalstragödie, auszumerzen: aber im großen und ganzen
hat der Bearbeiter aud) mit der Forſchung gleihen Schritt gebalten. Bedenken
babe ih nur gegen den Leuten «won Kreyenberg binzugefügten) Paragraph:
„Neuere und neueſte Ericheimungen der poctiichen Yıtteratur” in feiner gegen:
wärtigen Geſtalt, weil das Ardentende vom Unbedeutenden gar nicht geichieden
ft und weil die Gruppierung gar zu äußerlih und manchmal direkt unrictig
ift. Gottfried Keller (der, nebenbei gefagt, als noch lebend angeführt ift: ſteht
unter den politiichen Yurifern der vierziger Jahre, obne daß in dem NAbichnitt
Epik auch nur auf ihn verwieſen it, und als Zchiveizer iſt ihm Konrad dinand
Meyer ebendort zugeſellt! Annette von Droſie iſt mit Scherenberg, Feuchters
leben, Viktor Strauß und Tornay, Marl Gerok, Julius Sturm, Gottfried und
Johanna Kinkel, Emanuel Geibel, Graf Strachwis, Bodenſtedt, Julius Hammer,
Wolfgang Müller, Klaus Groth, Otto Roquette, I. G. Fiſcher, Julius Groſſe,
Emil Rittershaus, Rudolf Baumbach ı!ı, Hermann Lingg, Friedrich Wilhelm
Weber und Julius Wolffen! in dem Abſchnitt: „vyrik und Epik mit verſchie—
denen Tendenzen” zuſammengekoppelt: während aber Weber wenigfteng die
Spitmarke: „katholiſche Tendenz“ angebefter iſt, muß fie ſich die unllare und
wideripruchsvolle Charakteriſtik gefallen lafien: „Teuichlande nambaftefte Tichterin,
wenn auch auf bejtimmte Anichauungen beichränft.” Tap der Name Anzen-
gruber fehlt, kann mit berübmten Muſtern entichuldigt werden, oder rechnet der
Derausgeber deiien Tätigkeit zu den „ungellärten äftbetiichen Nämpfen der Gegen—
wart, die einem Yebrbuche fern bleiben müſſen“? — Die Schreibung „Gargantoa“
(2. 101 f. und Regiſter iſt ungemöhntic.
Feirner &. von, Geichichte der deutichen Yırtevatur. 4. Auflage. Mit 423 Tert
abbildungen umd 55 teilweiſe mebrfarbigen Betlagen. Leipzig, Zvamer. 16 WM.
Möbins P., Teutiche Yırteraturgeichichte. 7. Auflage von G. Klee. Yeipzig, Weber.
2 mM.
Noenig R., Teutiche Yırteranurgeichichte. Jubiläums Ausgabe. 25. Auflage. Mit
E)
*
x’
126 zum Teil farbigen Beilagen, 2 Yichtdruden und 433 Abbildungen im Tert.
Bielefeld, Velhagen & Nlaling. 20 WM.
ogt F. und M. Noch, Geſchichte der deutfchen Yitteratur von den Älteften seiten
bis zur Gegenwart. 1.—0. Heft. Leipzig, Bibliographiſches Inſtitut. A 1 M.
Scherers Yitteraturgejchichte war der letzte auf volftändiger Beherrichung
und Turchdringung des weitichichtigen Materials berubende, ernit zu nehmende
und woblgelungene Verſuch eines einzelnen dDeutichen Gelehrten, die Entwicklung
der deutſchen Yıtteratur von ıbren Anfängen bis an die Schwelle der Wegen
wart beran im einheitlicher Auffaifung zu behandeln. Zeitden iſt auch die
Yırteraturgeichichte der Zweiteilung rettungslos verfallen und cs foll uns nicht
wundern, wenn nächftens cin ganzer Ztab von Mitarbeitern zur Yewältigung der
gewaltigen Aufgabe aufgeboten wird, wie dies in Frankreich bereits geicheben tt.
So hat auch das bibliographiſche Inſtitut ſich veranlaßt gefeben, fir die Reihe
ieiner illuſtrierten Yıtteraturgeichichten die Vehandlung der Ddeutichen Yitteratur
mer Fachmännern anzuvertranen. Vogts Auffaifung der mittelalterlichen Pitteratur-
geichichte iſt aus Pauls Grundriß befannt. Tas 16. Nahrbundert, da bier der
älteren Periode zugerechnet wird, fteht noch aus. An dem 6. Heft feht der zweite
Bearbeiter mu dem Anfang dis 17. Jahrhunderts ein. Mit Wielands Gharalte-
riſtik bricht das 9. Heft ab. — Tie Ausitattung ift glänzend; die Proben aus
1897. 605
mittelalterlichen Handſchriften find Meifterwerte der Technit, auch die Fatſumiles
moderner Handjchriften ausgezeichnet. Dagegen find die Dichterbilbnife nicht:
immer nad) den Originalen wiedergegeben. Schr lehrreich finde id) bie Zufantmen-
ftellung der Hauptvertveter der beutjchen Romantit, des jungen Deutjchlands und
der politichen Lyrit, von Lefing, Herder, Klopſtock und Wieland auf je einem
Blatte, cbenjo das Blatt: „Schiller in verichiedenen Fehensaltern* lit 6 Bild-
niffen. Das Buch kann dem Wettfampf mit den ähnlichen illuftrierten Werfen
getroft aufnehmen.
Bahlınann P, Die Erneuerer des antiken Dramas und ihre erſten dramatiſchen
Verſuche 1314—1478. Cine bio-bibfiographiice Darftellung der Anfänge ber
modernen Dramendichtung. Minfter, Negensberg. 2 DI.
Bartels A, Die deutſche Dichtung der Gegenwart, Die Alten und die Jungen.
Eine litteraturgejchichtliche Studie. Leipzig, Avenarius. 1.50 M.
Inhalt; 1. Einleitung. — 2. Das filberne Zeitalter der deutſchen Di r
— 3. Seele Hebbel und Otto Ludwig — 4. Die großen Talente ber fünf:
ziger md fechziger Jahre. — 5. Die Wihncner. — 6. Die Frühdecadenee, —
7. Der Krieg von 1871 und die großen Talente der febgiger und achtziger Jahre.
— 8. Der Fenilletonismms und die arhäologifche Dichtung. — 9. Nidjard
Wagner und die Homdecadence. — 10. Die Herrichaft des Auslandes, — 11. Der
Sturm und Drang des jlngften Deutſchlands — 12. Der fonjequente Natura
lismus. — 13. Der Symbolismus und die Spätdecadence, x
Der Verfafer geht friich und ſchneidig ins Zeug, und es ift eine Freude
ihm zu folgen, aud wenn man ihm nicht überall zuftimmen kann, Der ber
leitenden Gedanfen, die hohe Wertihägung Hebbels und Otto Yubnigs und die
Forderung, daß unfere litterariſche Produftion an biefe beiden Meifter anknipfen
joll, darf bedingungstos gutgebeißen werden. Der zweite, daß jedesmal in 15 oder
30 Jahren die Alten und die Sen in Gegenfat treten, it eine gung
der Vorenzifchen Generationenlehre auf die Geſchichte der Dichkung, wobei biel«
leicht nur der Ausgangspunkt der Periodifierung falid gewählt ift; denn das
Jahr 1860 als Höhepunkt eines fülbernen Zeitalters anzunehmen, dem widerſtrebt
alles, was wir bisher von diefer Epodje gehalten haben, und die Aufzählung aller
damals nod) lebenden — wenn auch geiftig bereits abgethanen Größen ber Yitter
ratur wird niemanden zu diefer Anficht befehren. Jinmerhin bedeutet es einen
geoßen Fortfehritt in der hiftorif—hen Betramtung, doß die vom ben mobernften
jo übermäßig gejchmähte Ei zwiichen 1850—1880 einer vorurteilsfreien, vielfad)
gerechten Würdigung zugeführt worden ift. Von den begabten, wohlunterrichteten,
feinfinnigen Berfaffer dürfen wir größeres und veiferes ervarten,
Bauer 3. €, Tiroler Kriegslieder aus den Jahren 1796 md 1797. Seleamacit
und zur Fahrhundertfeier herausgegeben. Jnnsbrud, Eblinger 1896. 3 M.
Im Jahre 1836 begann Anton Emmert die Tirofer Kriegslieder des Jahres
1796 aus den zerſtreuten Flugblättern zu janmeln in dem exften (und einzigen)
Jahrgang jeines „Almanacds fir Geſchichte, Kumft umd Yitteratur von Tirol und
Vorarlberg“ S. 117—168. Die Fortjegung unterblieb, da der Almanad) ein-
ging. Gegenwärtig ift der genaueſte Nenner biefer — pro ent
der befannte Direktor der Annsbruder Univerfitätsbibliothek
mann. Yeider hat feine oft angefündigte (much als bereits erichienenen angezeigte)
Sammlung der Fieder das Tageslicht nicht exblikt. hat aus.
eig des
—
er
führlic und Iehrveich darüber gehandelt in ber je
Tirol und Vorarlberg“ 1879, Ar. T5-78. 81. 87, 88. 90 mb 92.
Anſchluß daran hat J. Feder in dem Programm bes Staateg
Tejchen für das Jahr 1881/82 denjelben Stoff behandelt. Obivohl biefe Urbei
auf Hörmanns Einſpruch aus dem Buchhandel werden mußte,
werden Eremplare davon an den Tiroler Biblion gew
ee
606 Bibliographie. 2. Bücher.
Dieſe ſeine Vorläufer ignoriert Bauer gänzlich. Weder ſagt er ein Wort über
ſeine Geſtaltung des Textes, in der er von Emmert oftmals und ſichtlich nicht
mit Recht abweicht, noch berückſichtigt er von Hörmanns genaue chronologiſche
Angaben, noch jeßt er ſich mit Feders beachtenswertem Nachweis auseinander,
daß die unter dem Namen Primiſſer gehenden Lieder ſämtlich von Johann
Friedrich Primiſſer und nicht von deſſen Vetter Joh. Baptiſt Primiſſer her—
rühren. Auch beſitzt von Hörmann einige handſchriftliche Yieder, die bei Bauer
fehlen. Bedenken erregt ferner feine willfürtiche Schreibung des Dialekts und
unangenehm berührt ung die Nachläſſigleit, nut der er an den leicht aufzulöfenden
Chiffern von 1797, Ar. 3 (F. 8. = Franz Galler ımd Jr. 21 (J. v. N. —
%. von Aperger: vorbeigeht, die bei Wurzbach bequem zugänglichen Angaben über
den Gubernialrat Zcherer 1. 146 beijeite läßt und ums über dag Verhältnis
des PBerfaffers von 179, Wr. 23, J. P. von Unterridhter, zu dem belannten
Epiker Franz von Unterrichter von Rechtentbal (Wurzbach 49, 96: Mayrs Tyroler
Dichterbuch, S. 96 f.) nicht aufflärt. Tas Lied „Waffen für die Töchter Tyrols“
(1796, Nr. 119 jchreibt von Hörmann nach einer bandichriftlichen Notiz auf feinem
Eremplar dem Liftercienjergeiitlihen Balentin Launbacher 117711838), dem
Verfaſſer zablreicher genitliher Yieder zu: die „Anrede der Gemeinde Arams“
(1797, Nr. 18 rührt nach Feder, 2. 41 von dem Schuſterdichter Franz Jordan
aus Ames ber, während beide Gedichte bei Hauer ohne Berfaifer bleiben. Zo tft
diefe Sammlung, jo freudig fie auch begrüßt werden muß, weil fie ſchwer er-
reihbares Material endlich allgenem zugänglid) macht, dennoch ganz danach
angethan, die litterarbiftoriiche Yofal und Provinzialforſchung, von der wir reiche
Ernte zu erwarten bätten, in Verruf zu bringen. Hoffentlich dient dies Herrn
von Hörmann zum Anlaß, Tem lang gehegtes umfaſſendes Werk endlich der
TS frentlichleit zu übergeben. A. Sauer
van Duyſe ‚gl, Het eensteimmiz fransch en nederlandsch wereldlijk lied in
de belgische gewesten van de 11. eeuw tot heden. wit een ınuzıkaal
ooppunt beschouwd. Bekroond door de koniklijke belgische akademie.
Bent, J. Vunlſtele 1896.
Tie gründtiche, mit vielen Notenbeiſpielen und Falſimiles geichmitdte
Arbeit des Sorgfältigen beigiichen Muñkforſchers umfaßt folgende Ab'chnitte:
J. Tas 11. 13. Jahrhundert: Die Poeſie der Tromderes. Die Melodie
der Zrouvered Monodiiten:. Tie Trouveres Harmoniſten. Die volfstümliche
Melodie Adam de la Hallen. Tie Form der Delodien. — II. Tas 14.—15
Jahrhundert: Die Melodie des niederländtichen weltlichen VYiedes nach gleich
zeitigen Handichriften oder ſpäteren Truden. Metrik, Notation, Tonart, Form.
Tas mehrſtimmige weltliche Lied mit Bezug auf die Melodie. Tie Melodie des
weltlichen Yiedes im Volksmunde. Yıeder ın franzöfticher Zprace. - 111. Das
16. Kabrbumdert: Die Zontertiedefeng geiſtliche Terte zu weltlichen Were.
Die Melodie bei den Rederijters. Jan Fruntiers' Eceleſiaſtieus 1565 (Yicder
nach Jeins Sirach mit älteren Volksweiſene. Mielodien der Geuzenlieder. Melo—
dien fremder Herkunft. Notation, Tonart, Lautenbegleitung. — IV. Tas 17. Jahr
hundert: Die geiſtlichen Liederſammlungen ats Tuellen für die Kenntnis des
weltlichen Liedes. Tie muſilaliſiche Wenamiance ın Italien, Caceini, italieniſche
Velodien. Franzöſiſche Weiſen Engliſche und andre ausländiiche Weiſen. Glöckner
lieder. Urſprüngliche Melodien. V. Tas 18. Jahrhundert: Kuellen, Lieder
bücher und Flugblätter, franzöſiiche Tpern, Lieder aus dem Vollsmunde aufge
zeichnet. Tie Flugblätter und die Ausgaben von Willems, Couſſemaker, Yootens
und Feys. Die Yürticher Cramignons und Voltolieder. Charafter der Melodien
des I8. Jahrhunderts Liederianmlungen mit Bezug auf die franzöitiche per.
— VI Tas 19 Jahrhundert: Tas Yırd vor 1830 und nach 1830. — Regiſter
der Namen und der Yırderanfinge. u d.
Frey Y, Ter Eros und Die Mint. Ethiſche Ztudien. Leipzig, Spohr. 6 M.
«
1897. [üirz
Aus dem Inhalt: S. 199. Windelmann. — ©. 235 fi. Zidotfe
und Hößli. Johannes von Müller. — ©. 250 ff. Blaten. Der röurifche
Keiner. Diederic Gries. — S. 264 fi. Jffland. Bacano, Holtei.
Mojenthal.— S Griltparzer (vgl. das oben S. 182 Gefagte. Urheber
der fonderbaren Behauptung weint de Pour zu fein). — S. 288 ff. Graf Scad.
Schopenhauer, Niebſche
Frib G., Der Spieler im deutſchen Drama des 18. Jahrhunderts. Berliner Differ-
tation. 1896.
Tas gewählte Thema ift fireng abgegrenzt und erſchhpfend behandelt. Die
Unterfuhung fett ein mit E Moores „Ihe Gamester” (1758). Das Stüd
wird anafyfiert, jeine Geſchichte und Entwiglung auf deutjchen Boden furz ans
gedeutet. J 3. Ch. Bodes Überfegung von 1754 — bei Gocdete nicht verzeichnet —
iſt die älteſte. Die erſte Aufführung in Deutfchland fand am 1. Oftober 1754 in
Breslau ftatt. Durd) Diderot angersat, nahın Saurin eine Umarbeitung in
freien Verſen vor, Paris 1768. Der Charakter der Sanpttinue ift darin vertieft
worden. Saurins Bearbeitung verdrängte auch in Deutjchland das ältere enoiiche
Trama. Ein deuticher Anonymus verpflanzte den Stoff auf die Yuftfpielbühne:
„Die Verdächtige Freundichaft“, München 1784. urzere —— widınet
der Berfaffer Kegnards Fuftfpiel „Le Joueur” (1696), von Yeffing und Weihe
überjebt; de8 älteren Niccoboni „Jouenr” (1718), von Schu in der
Theatraliſchen Bibliothel“ (1758) eingehend zergliedert; Goldonis „Il Giaca-
tore”; 3. ©. Dyts Luftfpiel „Das Spielerglüid“ (1773); den Spielerjeenen in
Maler Müllers „Raufts Geben“ (1778); Klingers flnfaltigem Yuftfpiel „Die
falſchen Spieler“ (1750 entftanden, 1782 gedrudt, 1815 mit verändertem Auge
gang); A. G. Meiß ners einaftigem Luftipiel „Der Schadhfpieler“ (1782): des
Schaufpielerd David Beil fünfaltigem Schaufpiel „Die Spieler“ (1785, jpäter
„Die Gauner“ betitelt); endlid, Ifflands „Spieler“ (1796, gedrudt 1798) und
Rovebncs Suftfpielen „Binde Liebe“ (1806) und „Der Gimpel auf der Meffe”
(1808), das lettere an Holbergs „Elften Jumins“ ſich aufchnend. Ein — wie
mir scheint, nur zu hurzer — Seitenblid ftreift die Beriwertung des Spieler-
motives im der ebiſchen Litteratur, die Yostöfung von Erzeugniffen ähnlichen
Iuhalts in früheren Jahrhunderten geidjieht zu gewaltfaut. Mit einer zujanmens
fajienden Betrachtung über die Entwiclung des Motivs und der Charaktere im
den behandelten Stüden (S: 38-43) jcdließt die gut gejchriebene Abhand⸗
tung ab. RR.
Hanttein X. von, Die foziale Frage im der Poefie. (Erweiterter Abdruck aus der
ademiichen Rundichaut.) Leipzig, Akabenrifcher Yeitjchriftenverlag. 1.00 M.
Sardwide 9., History of oratory and orators: a study of the influence of
oratory upon politics, literature ete, Fondon, Putnam- 10 sh. 6 d.
Hersfeld G., William Taylor von Norwid;. Eine Studie über den Einfhuf
der neueren deutjhen Yitteratur im England (Studien zur englifchen Philologie
herausgegeben von Yorenz Morsbach). Halle a. S., Niemeyer, .
Nanjer Ch. G., Bollftändiges Bücher-Lerifon. Sach und — un
27. ımd 28. Ban 1891— 1894, bearbeitet von A. Dreffel und ‚Hilbert,
2. Yieferung. 2. Hälfte. Yeipzig, Tauchnit. 5 M. “
Mielke H., Der deutiche Roman des 19. Jahrhunderts, 2. Auflage. Braunſchweig,
chwetſchte & Sohn. 4 M.
Murko M., Deutjce Einflüffe auf die —— der ſſaviſchen Romantik. 1. DE
Einftüre auf die Anfänge der böhnifchen Nomantit. Mit einem Anhang: Soll
in Jena und beim Wartburgfeft. Graz, „Styria“. 5 M,
Inhalt. I. Einleitung. — Die erften Meflere der deutjchen Nomantit bei
den Züdjlaven. II. Das Wiederaufleben der böhmmjdhen Sprade und tun.
— Tobrovsty. II. Jungmann. — Die Folgen ber a NE Die
erite böhmifche romantiiche Zeitfcheift in Wien. — Hanta. — Die iginhofer
HUN Bibliographie. 2. Bücher.
und Grünberger Handicdhrift. V. Tie Gründung des böbmijchen Muſeums. —
Tie erite romantischnationale Ztreitichrift. VI. Die „patriotiiche”, das iſt roman-
tiiche Schule. — Die neue Poeſie. — Gelakovstx und fein Freundeskreis.
VII. Fr. Balacky, der daterländijche Hiſtoriker, Organiſator der nationalen Arbeit
und Politiker. VIII. P. J. Safarit, der romantiſche Altertumsforſcher, Philologe
umd Yinguift, der Dedeutendfte Vertreter des wiſſenſchaftlichen Panſlavismus.
IN. Yan Nollär, der Dichter und pbilofophifche Begründer des litterarifchen
Panſlavismus. X. Schlußbemerkungen. — Tie fozialen und volitiichen Folgen
der böhmischen Romantil. — Der Prager Zlavenfongreß. — Anbang. Rollär in
Jena und beim Wartburgfeſt. Bruchſtück aus deſſen Autobiographie: Pameti
z mladsich let zivota (Tenkvirdigfeiten aus den jüngeren Yebensjahren:.
Napitel VIII Yeben auf den deutichen Hochſchulen. lüberſebung. 1. Reiſe nach
Jena. 2. Die beiden Ruſſen Karaſey und ihr Führer. 3. Die Umgebung von
Jena. 4. Das a! ademiſche oder Burſchenleyen in Jena. 5. Die Profeſſoren und
die Wiſſenſchaften in Jena. Gabler. 6. Harms. Der Kampf der Theologen. 7. Die
deutſchen Pietiſten. 8. Heinrich vuden. 9. Yorenz Oken. 10. Jakob Friedrich Fries.
Kleine Urjachen, große Wirkungen. 11. Wolfgang oethe. 12. Jan Benedikti.
Vorbereitung zum 3weikampf. 13. vichtenhain. Eine Racchuſiade. 14. Erholungs
geielichaft. Louiſe Brahmann. 15. Wartburg. Tas pri Jubiläum der Refor:
mation. 16. Zchnepfentbal. Gotha. Erfurt. Weimar. Tas dritte und lebte
Semeſter in Jena. Die philologiſche Weiellichaft Kin reis 18. Kobebue und
Zand. 19. Botanik. Yiebe zu den Blumen. Tie Natur. 20. %. G. Marezoll.
2]. Winzerle. Yobeda. Wölnisz. 22. Tie Reife in die Heimat.
Murkos Buch empfing man mit begreiflichen Intereſſe. Vom deutichen
Einfluſſe auf das geiſtige Yeben der BRöhmen wurde viel umd oft geiprochen,
oft wurde er konſtatiert und oft geleugnet, allein alles das geſchah nur im
allgemeinen: man war ſich bewußt, daß es da einen Einfluß gebe, aber die
Frage, worm er Sich beionders Äußere, blieb mit geringen Ausnahmen unbe:
antwortet.
Und nun überreicht uns Murko eine Arbeit, in der er fich zur Aufgabe ge
macht bat, den deutſchen Einfluß in großem Umfange und un der wichtigiten Periode
des böhmiſchen Lebens, in der ‘Periode feiner Wiedergeburt zu unteriuchen, und
es begreift ſich leicht, daß man von seinem Buche einen wichtigen Beitrag zur
Löſung der ganzen Frage erwartete „Romantik“ nennt cr die Periode der böhmi
jchen „Wiedergeburt“, nämlich die Beriode der böhmiſchen Yitteratur vom Beginn
unseres Jahrhunderts, beionders von den zwanziger Jabren bis zum Jahre 184X,
die man ſonſt „patriotiſche Schule“ zu nennen pilegt, und beweiſt, daß der be
deutendſte litterariſche Anſtoß zu dieier Bewegung, welche neues Yeben unter die
Böhmen und alle Zlaven überbaupt gebracht bat, von der deutichen Romantik
und von dev Deutichen Yıttevatur überhaupt ausging.
Ter ganze Umſchwung im geiitigen Leben Teutſchlands mit dem Ende des
vorigen Jahrhunderts war für die Zlaven bedeutungsvoll. Tas deutiche Bolt
ſtieg bei ihnen im Ansehen, imponierte durch ſeine eigenartige Nultur und feine
Kämpfe gegen die Napoleoniſche Weltmonarchie; ſeine auf das höchſte geſteigerte
Yırde zum Vaterlande, zur eigenen Nation und allen ihren Eigentümlichkeiten
wurde für ſie vorbildlich: die öſterreichiſchen Slaven wurden durch die patrio
tiſche Erregung der Tentichen aufgerüttelt. Es war ein wichtiger Umſtand, daR
gerade zu dieſer Zeit die deutiche Romantik ihren Zig in Wien hatte und die
Zlaven daber an dem geiſtigen Leben der Teutichen teilnabmen. Die Wiener
Borleiungen der Brüder Schlegel mußten auf die öfterreichifdhen Zlaven mächtig
einwirken, indem fte auf die Yıebe zum Baterlande, auf die nationalen Erinne
rungen, div Zprache und Die große Nergangenheit der Bölfer, ſowie auf ibre eigene
Yıtteratur hinwieſen. Hormayrs Urgane förderten den Brovinzial- und Yolal
patriotismus, deutich-öfterreihiiche Tichter waren mit der ſchwäbiſchen Zchule,
1897. 609
die für die Slaven wie gejhaffen war, im innigen Zufammenhange und auch
die orientalijchen Studien fanden in Wien einen Dittelpunft, in den „Funde
gruben de3 Orients“. Epodjemadend war für die deutſchen und jlavifchen Alpen
länder die Thätigteit des Erzherzogs Johann, welcher der geiftigen und mare
riellen Hebung der Länder große Pflege widmete und in deifen Sinne auch
die Zeitihriften der füdlichen Provinzen redigiert wurden, die auch die jlavifche
Geſchichte und das ſlaviſche Bolfstum liebevoll pflegten. Ein echtes Mind der
Romantit war Kopitar, deſſen Thätigfeit fir alle Slaven jo wichtig war; das
beweift feine Vorliebe für Dialelte als Schriftſorachen, feine Anhänglichkeit am
den Katholicismus, fein weitflavifcher Patriotismus und jein ganzes Brogramım,
wie er es im feinen „Patriotiichen Phantafien eines Staven“ für das Gebier der
Grammatit, Geidhichte und Yitteraturgeichichte entwicelt hat. Und ein fiberaus
Ichrreiches Beijpiel für die Entwidlung der flaviichen Romamit bilden die
Böhmen (Chen).
Das Auftreten der böhmischen Romantik fett man um das Jahr 1920 an.
Das Intereſſe um die böhmifche Sprache und Vitteratur begann zwar ſchon in
den legten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts und jchom im dem Zeitalter
des Jofefinismus war auf dem Gebiete der Gejchichte und Lirteratur eine Thätig-
keit, allerdings in lateinischer und deuticher Sprache, entwidelt, ſchon damals
trat die ruhmvolle Vergangenheit des Volles ans Tageslicht und dachte man
an deren Wiederbelebung. Aber diefe ganze wiſſenſchaftliche und fitterarijche
Thätigkeit war noch nicht von romantiich-patriotijchiem Geifte getragen, indem fie
mehr drattiſche Zwede verfolgte, wie dies aud) bei der Grlindung der eriten Lehr-
tanzein der böhmischen Sprache in Wien (1775) und rag 1798) der Fall war.
Auch Dobrovsty hatte für die romantifchen Beftrebungen und An-
ſchauungen nod) fein Verftändnis und jehnt fich als aufgeflärter Eneytlopädiſt
nod) im Jahre 1820 nad) den „tempora Josephi” zur; bei jeinem Kriticismus
faßte er die ganze Vergangenheit feines Volles mit einer gewiſſen Kühle und
einem Steptieisinus auf, der fid mit der romantifchen Begeifterung twenig dere
trug. Aber gänzlich entzog er fid) dem Geifte der Zeit doc) nicht: um „Slavin”
verbreitet er Herders idylliiche Schilderung der Siaven; er it Mitarbeiter der
Wiener romantiicen Organs, er jchreibt: jeine altjlaviihe Grammatit; au) er
glaubt an die große Zukunft der Slaven, und romantich ift auch jein Intereſſe
für Indien und der Glaube an eine große Berwandiſchaft dev indiſchen und
ſlaviſchen Mythologie.
Die Vorliebe für die indifche Boeſie, Metrit- und Sprache charatteriſieren
auch den Romantismus bei Jungmanı, wozu fi die Nachahmung des
Bardentums geſellt. Jungmann war es vor allem wm bie Bereicherung der
böhmiichen Sprache zu tbun; mit feiner Anthologie (Slovesnost), jeiner Littes
vaturgejchichte und feinem Wörterbuche fteht er auf der Höhe ber Zeit, und zu
dieſen Feiftungen befam er die Anregung von den Deutjchen; das zeigt eine Stelle
in jeiner Pob- und Berteidigungsichrift „über die böhmijche Sprache” geſchrieben
1803), wo ber fiber den Verfall feiner Spradje und feines Baterlandes in der
Unterwelt Hagende Daniel Adam Beleslavin von einem Deutjchen getröftet wird,
der ihm auf jein eigenes Volt hinweiſt umd ihm zu Gemlite führt, daß mod) nicht
alles verloren jei; md in der zweiten Unterredung fordert Slavomit eine joldhe
Emanzipation di laven von den Deutjchen, wie fie die Deutjchen von den Fran⸗
zoien volführt hätten. Die Befreiung Deutichlands vom Joche Napoleons, fir weldhe
die ſlaviſchen Völler mittämpften, mußte aud) für ihre Emanzipation von den
Deutjchen einen mächtigen Anftoß geben und der Haß der Deutjchen gegen alles
Franzöſiſche mußte natürlic) bei den Slaven die Abneigung gegen alles ebenjo
aufgezwungene Deutjche hervorrufen und fördern. Qungmann giebt biefen An-
jchauungen beredten Ausdrud. Durch ihm befamen auch die Bohnen faft gleiche
zeitig mit den Deutichen die ehren vom der Wertlofigfeit eines Stantsweiens
610 Bibliographie. 2. Bücher.
ohne Nationalität und die Mahnung zu hören, daß der, der die Geſchichte ſeines
Volkes kennt, fie auch schreiben müſſe und daß jedes Bolf in feiner Sprache
ich jelbjt chre. ‚zür Jungmann war dag Beiipiel der Deutichen überhaupt maß-
ebend.
i Die erite Verkündigerin des romantischen Geiftes fiir die Böhmen war
Hromadtos Feitimg „Videnske Noviny“ 1812- 18165 mit einer litterariſchen
Beilage „Prvotiny peknych umeni“ (1413- 1817). Bier wurde zuerſt auf die
Notwendigfeit bingewieien, auch böhmiſche Volkslieder zu fammeln; „unterbeifen
iammelten ſchon Palacty und Benediftt ſlovakiſche Volkslieder und Safarif ver-
öffentlichte durch den ganzen legten Jahrgang Volkslieder feiner Heimat; Palacky
überjeßte 1817 zwei Sehänge Oſſians.
Im Jahre 1813—1814 lebte im Wien auch Hanfa, vertraut nicht nur
mit den ſlaviſtiſchen Intereſſen Kopitars, jondern auch mit den Heftrebungen der
deutichen Romantiker. Seine Zammtung altböhmiſcher Gedichte ıStarobyla
skläadanie 1817: jtattete er nach dem Vorbilde der Nommmentatoren des Nibe—
lungenliedes und der deutſchen Minneſänger mit einem möglichft gelchrten
Apparat aus, vor allem aber weckte er das Intereſſe für das Volkslied, wie er denn
von den Weſt und Zidilaven überhaupt der erjte iſt, der die jlarifche Wolfe:
poeſie in Seinen Tichtungen bewußt und konſequent nachahmt. Sanz im National:
geiſte wirkte auch die entdeckte Königinhofer und die Grünberger Handiſchrift;
man kann wirklich jagen, daß im ihnen das Programm der Friedrich Zchlegel:
jchen Univerſalpoeſie erfüllt war, yum mundeiten waren da Befchichte und Mutho⸗
logie mit der Roeſie ganz vereinigt: in ihnen erblidte man den Beweis einer
großen Trigimalfultur und meinte in ihnen wirkliche Vollspoeſie zu befiten.
Tas erſte unverfälichte, ftchtbare und dauernde Reſultat der vaterlündiichen
Geſinnung war die Gründung des Baterländiichen Muſeums in Böhmen, welches
durch ſeine Einrichtung und ſeine Zwecke ganz den Bedürfniſſen der Zeit entſprach.
Es wurde auch \n erſte wiſſenſchaftliche böhmiſche Zertichrift Krok”, an Okens
enenklopädriche ts erinnernd, von rest begrüudet und in dieie Zeit fällt auch
div Derausgabe der von Palacky und Safarı! verfaßten Schrift „Porätkove
eeskeho hasnietvi'“ 11818, auf welche die metriſchen Neuerungen Klopſtocks
wirkten und welche eine nationale, auf dem Zeitmaß beruhende Wietrik ſchafien
wollte. Tas Werk verkündete überhaupt nationalpatriotiiche Tendenzen und man
findet da nicht bloß Klovſtockiche, ſondern auch romantiſche Schlagworte.
Die angeſammelten nationalpatriotiſchen Gefühle kamen nun in einer Fülle
von versuchen Erguüſſen zum Ausdrud.
elafovsfy vor allem und ſein Freundeskreis hielten ſich an des Volks—
led: er und Die ganze „batriotiiche Schule“ jchloiten Ach an Goethe und an die
ſüngere deutiche Romantik an. Tas Intereſſe für das Volkelied und deiien Nad)-
ahmung in Inhalt und Form tft eine große That der böhmischen Romantik, und
dieſe große That iſt mehr als irgend etwas auf das deutiche Muſter zurüdzuführen:
und div neuere böhmüche Litteratur ſebtte eigentlich nur dort cin, wo die deutſche
vyrik des 19 Jahrhunderts über Zchiller und Goethe hinausgegangen ıft.
Kın Beweis dafür, daß das Intereſe fir das Volkslied durch deutſchen
Einfluß geweckt wurde, iſt der Umſtand, daß man auch im Böhmen Volkslieder
ichon lange von antswegen jammmelte. In (elalovstxs und Kamarxts Korre
ipondenz tt von Herders Vollsliedern öfters die Hede, beide haben aber ichon
einen weit volltommeneren Begriff von dem Bolfsliede als er, Arnim und Aren-
tano, und da stehen fie bereite auf dem geläuterten Ztandpunft |. Grimms:
denn die Leiſtungen beider Brüder fannten fie gewiß direft und cs sit begreiflich,
daß fie mit ihnen und mit Der ganzen Romantik auch dic Fehler bezüglich des
Triginaldharafters des Vollsliedes und des ganzen SBollstums teilen. Als
echter Herderianer und Romantiker verpilanuzte Ceiatovsty auch die Lieder anderer
Voͤlker auf beimatlichen Hoden.
1897. 611
Wie die Begeifterung, das Volfstum hauptſächlich auf deutichen Einfluß
zurüdzuführen ift, ebenjo ift die dadurch bedingte Nachahmung des Bollsliedes
deutichen Beifpielen und Ideen zu verdanfen; hier üft sogar jeder ſlaviſche Einfluß
ariprünglich ausgeichloffen. Der „Nachhall ruffiicher Fieber“ machte aud; auf
deutjcher Seite mehr Auffehen als bei den Stammesgenoffen, und der Aritifer
Anton Muͤller mußte bei der Würdigung von Celakovstys laviſchen Bollslicdern
der jüngeren Generation predigen, % jollte dod) dieſem Lobenswerten Beifpiele
folgen, wobei er Bürger md Yölty zu Muftern empfiehlt; und Bereit Miller
erwedte in vielen Böhmen das nationale Bewußtſein badurd), daß er Celatovsty
für feinen Nachhall rufficher dieder ein begeifiertes Lob fpendete.
Auf ihre neuen Bahnen wurden Celafovsty und feine Freunde von Herder
und Goethe geführt, Er weift in der Vorrede zu den flavijchen Bollsliedern auf
ihren nationalen Charakter hin, überſebt — Dichtungen aus der morgen⸗
landiſchen Sage; er und Kamaryt interejfieren ſich auch für den im National-
geift wirtenden Dichter Bürger, aus dem der feßtere überfet und den Celafovs)
in jener Ballade „Die Hod)zeit“ nachahnt. And ganz als Romantifer jigten fü
beide durch ihre unbegrenzte Verehrung Gocthes; er ift ihnen lieber chiller,
fie nennen ihn lieb und lieblich, die meiften Citate in ihrer Sorrefponbenz
ſtammen aus Goethe. Beide nehmen fih ein Mufter an feinen Piedern, kennen
jeim Interefe für das Volfslied und willen, was er biefem zu werbanfen hat.
Celatovstys boͤhmiſche Nomanzen und Balladen jtehen unter Goethes Einfluß,
es find Motive aus dem Erifönig, dem Fiſcher, aus der Fauftiichen Herentüche,
von Celatovstys Epigrammen ift ein Drittel mad) Goethe, er Überfette „Die
ichwifter“ und Namaryt dachte fogar an vine Fauftüberfesung. Und fo äußert
ſich Goethes Einfluß auf den Nachhall ruffiiher und böhmifcher Yieder und auch
f den Liedereyklus „Rüze stolistä”, wie ſchon jein Nebentitel „Dichtung und
hrheit“ beweiſt, und auf welde aud E Schulzes „Bezauberte Roje“ ein-
irtt hat. Ein Berdienft der Momantif ift es Se daß Petrarca Cetatovstss
Yieblingsdichter wurde und er daher vom feiner unglüdlichen Liebe in Sonetten ſingt
Zur Verbreitung diefer romantiſchen Form und des romantiſchen Fühlen
enfens tberhaupt half jedoch Celatovsty auch durd) jeine „Smisene büsne"
; ex ſehnt fid da nad) Zeiten, in denen die Bhantafie bie Welt regierte, möchte
Burg zur anderen wandern, ſchwere Träume verbrennen jein Inneres,
hier äußert fich jein Gottvertranen, feine Möftit, feine Berherclichung des tatholifchen
Sortesdienftes und feine Schuiuht nach dem Ideal und ber jönheit, Auch
Namaryt fingt das Vied des Schönheitsideals. "Als das find Nachllänge der
deurichen Romantifer, deren Yeltüre wir direft Tonftatieren fönnen, wie es bei
Zitulze, Fouque, Novalis, Stolberg und anderen der Fall ift. Natürlich interejr
ſierten fich Celatovsty und Kamarft auch fiir bie Prager deutchen Dichter, welche
nationale böhmifche "Stoffe in romantischer Weiſe erlih teten. u
Auch in ihrer, Weltanfchauung berührt fid) die mene Schule mit ber
deutichen Nomantit, in welder das den Berftand überwindet, wie deun
wiſch⸗ alovstz, Kamaryt und Chmelenstg eine beſondere Herzensivärne
und Gefuhlsſchwärinerei überhaupt ſich Außerte, "Die deutſche Romantit vermittelte
bei ihmen auch die Vorliebe fir die Spamier und die orientalijche Di
für Shateſreare und Walter Ecott, jowie eine direkte Ablehnung ber is
zojen. Die Deutichen gaben auch das Mufter je der ipation der jüngeren
vomantijchen Generation von den Dentjchen, umd wenn fich, mit
Freunden in dem Entjcjeidungstampf zwiihen Polen umb Rufen auf bie Seite
olen stellt, fo iſt das ein Beweis dafiir, wie jehr die beutichen Frreiheits-
rebungen, die namentlich in der Begeifterumg für bie Polen und Griechen
Ausdrud fanden, aud) auf ihn übergegangen find.
Die Wiener romantischen Organe wirkten auch auf Palacky, aber viele
nenen Ideen famen ihm direft aus Deutichland zu, durch bie von bort zurüc-
u
612 Bibliographie. 2. Bücher.
tehrenden Zlovaten Fabry, Simto und beionder8 durch Safarit, mit welchem er
brieflih und nach jener Rückkehr aus Jena perfönlid viel verkehrte; in feiner
Autobiographie befennt er diejen wobhlthuenden Einfluß felbit. Nant und Herder
bildeten den Gegenſtand jeiner Ztudien und Herderd Humanitätsidee fand auch
in Palacky einen entichtedenen Anhänger. Ten Wunſch, jeinem Bolfe auch durch
eine hiftorifche Schrift einen Tienjt zu erweiien, erregte in ibn Jahns „Teut-
jhes Volfstum“. Ter Pangermanismus verfehlte auch auf ihn feine Wirtung
nicht, er verweiſt auf die Einheit der Slaven in Abſtammung und Sprache, und
wenn wir im Nachwort zum erſten Jahrgang der Muſeumszeitſchrift 1817
Icten, daß die Geſchichte, Sprache und Yitteratur Die teuerſten Schäbe find, Die
wir von unieren Ahnen geerbr baben, jo iſt es cin Zab, der bereits von Fr.
Schlegel übernommen werden konnte. Der romantiſche Nationalgeift durchweht
auch die älteren Partien jener Seichichte.
Alle bisher genannten Gelehrten und Fichter nahmen an dem gejamten
geiftigen Yeben des Deutichen Wolfe Anteil, foweit dieſes nach Oſterreich ge:
drungen war, und das geichab gerade in den geiten der Romantik in bervor:
ragendem Maße. Aber zwei Männer baben ihre Yedeutung und ihren Einfluß
auf die geiamte Zlavenwelt Nena zu verdanfen, einer der hervorragendfien
deutschen Geiſtesſtätten, dem Hauptſitze der idealijtiichen “hilofopbie und dem
Mittelpunkte der freibeitlichen und patriotiichen Bewegung der deutichen Jugend
Safarik jegnete das Zchidial, weiches ihn in dieſe Ztadt bradıte, "en
war ibm exilium corporis. paradisus animae. Tie größte Wirfung übte auf
ihn der Philoſoph Fries aus, von deſſen religiös philofophiichen Anſchauungen er
völlig durchdrungen tt. Ter Jenaer Ztudienzeit verdankt Safaril jenen Univer
ſalismus, Div alldeutiche, pangermantiche Begeiſterung der dortigen Profefioren
und Ztudenten verfeblten ihre Wirkung auf ihn micht und erwedten fen
nationales Selbſtbewußtſein und ſeinen Panſlavismus.
As Aſthetiker ſtützt ſich Safarıt auf deutiche äſthetiſche Kompendien. Sein
Romantismus dupert ſich in der ‚yorderung euer nationalen Proſodie und des
Rationalgeiſtes in der. Litteratur und namentlich in der Verehrung der Volts
poeſie. In Neuſar blieb er im Fühlung mit dem deutichen wiſſenſchaftlichen
Leben, itudierte rechtzeitig und gründlich die Schriften Niebuhre, Grimms, Yopps
und W. von Humboldts, und auch indiveft wirkten die Teutichen auf ihn, inde::
er durch die Polen Yınde, Majewsti, Potocki, Rakowiecki und andere vielfadhe
Anregung betam, die ſelbſt in ihren Leiſtungen unter deutſchem Einfluſſe ftanden.
In Seiner „Geſchichte der Hlavtichen Sprache und Litteratur nach allen Mund
arten” nahm cr ſich neben Tobrovsty die Deutichen Adelung, Vater und Wachler
zum Muſter: fein erſtes und panſlaviſches Jugendwerk verrät den ausgeſprochenen
Anhänger der Herderſchen Ideen und der Romantik, vor allem den romantiſchen
Nationalpatrioten: echt romantiich iſt ſeine Liebe zur Volkspoeſie Ju der Frage
von jlaviſchen Natioualcharakter, ſowie in der Auffaſſung der Rolle, welche das
Zlaventum in der Gegenwart und Zukunft zu jvrelen habe, übernimmt er die
Ideen Herders. Ten deutichen Homantiter verrät Safarık als Hiſtoriler, indem er
in das graue Altertum flüchtet und Wejchichte aus Ratriotismus fchreibt, und als
Archäolog, indem er auch un Seinen Altertümern Herders Charakteriſtik der Zlaven
übernimmt und bei der Zchilderung ihrer Zitten und Nultur fih neben Herder
auch auf W. von Humboldt und J. Grimm beruft. Jakob Grimm iſt überbaupt
ſein unzweifelhaftes Diuiter, deiſen geſamte Thätigfeit er bezüglich der Slaven
nadızuabmen ſuchte. Safarıf glaubte ım Zinne der Romantifer an die C rigina:
lität der Zvrachen, an die Mriprünglichteit der Völler und an einen Nationalgeift,
der ın grauer Vorzeit div Sprache, die Vintbologie, die Roche und das Recht aus
ſich Selbit geichafien bat, und fordert eine originelle Nationalkuitur auch für die
EGegenwart. Echt grimmiſch iſt fein Urteil über die Dialekte, feine Erforſchung
des ilaniichen Rechtes und der nationalen Namen, wie ihm denn üÜberhaupt eine
1897. 613
von der deutjchen Romantit geſchaffene Philologie vor Augen ſchwebte, wie fie
W. von Humboldt als die Wiſſenſchaft der Nationalität definierte.
Auch Kollär eröffnete fih in Jena eine neue Welt, Er fam dorthin gerade
zu der Zeit (1817), als die ſtudentiſche Bewegung ihren Höhepunkt erreichte, umd
mit Begeifterung nimmt ex an dem Wartburgfeite teil. Wiſſenſchaftlich wirkten
auf ihn der Theologe Gabler, der Philofoph Fries, der Naturforicher un der
Hitorifer Yuden, der Bhilofoge Hand. Dort verehrte er mit den erften Ber-
tretern der Intelligenz, lernte Goethe perfönlich Tennen, beſuchte das Theater in
Weimar und die Stätten, welde ihn an Schiller, Wieland und Herder erinnerten.
Zeine Yettiire bilden Goethe, vor allem Wilhelm Meiter und Wahrheit und
Dichtung, Offian, Klopftochjche Oden, er intereifiert fi) für,die Minnefänger, Ana»
freontiter, die Dichter des — amd die Romantiter. Er ftudiert die romamiiſche
Aſthetit, vor allem can Pauls Vorſchule, leitet die Sonettenflut nach Böhmen,
aus Yudens Äjthetif lernte er das Volfslied ſchäten, ER fich auch Fr. Schlegels
und W. von Humboldts äfthetiiche Lehren an und bi für die Woche
des chriſtlichen Kultus. Und ſchon aus Jena holte en eine je Ideen, die
er dann mehr oder weniger glüdlic, verwirklicht. Ganz und gar fieht man —
ben Zögling der deutſchen Romantif darin, daß bie Umgebung von Jena fi
liche Gefühle über die Vergangenheit der Slaven in ihm wedte, Und die —
deſſen, was er in Jena gelernt und erlebt, finden wir in feinen Werfen.
Xollär verjuchte in feiner „Slävy Deera” eine Spnthefe der Sinti und
Nomantit praktijch zu betbätigen, wie er fie jpäter in feiner Schrift iiber bie
litterariſche Wechjeljeitigkeit theoretifch begrlindete und forderte. Die Stavifierung
ber klaſſiſchen Mythologie ift das Erbe Hopftods und der Barden, die Göttin Slava
ift dem deutſchen Teuto oder Tuislo nachgebildet und im romantiichen Geift mit
der indiichen Mythologie in Zujanmenhang gebracht, der ſlaviſche Himmel ent-
ſpricht der Walhalla, romantijc) iſt die Verklärung der Stäva und il Tochter
Madonna, fowie die grohe Vorliebe für das Flayiiche eidentum. Im dieſem
te fpiegeln fidh die Einheitsbeftrebungen der A end. wieder.
Kollaͤr jelbft geieht einige Neminiscenzen, jei es aus €, — Grill
var zer oder Goethe. Die meiften Neminiscenzen finden ſich in ber „Slävy Deera”
aus Herder, und zwar aus feinen Ideen zur Belleihe der Be der
Menjchheit, IV. Teil, 4. Kapitel. Man fann ruhig jagen, daß eigentlich) das ganze
Kapitel Herbers über die Slaven nebſt anderen hierher gehörigen Stellen von
Kollär umgedichtet worden ift.
Mit Herder predigt Kollar das Evangelium ber Liebe, herderiſch it fein
Patriotismus, fein Verhältnis zur Boltspoefie, herberifch, ift es, wenn Kollär eine
gemeinfame jlaviiche Yitteratur fordert, welche einen rein menjchlichen —
annehmen würde. Phantaſtiſche deutſche Momantif außert ſich in den
jchen Gefängen, romantiſch ift Kollärg ————— Und unter dem Einflu fe
der Herderſchen Hımanität verflüchtigte fid) auch Kollärs Jenaer Radilalismus,
Auf Kollars Schrift „Über die litterariiche Wed wirlte die
deutfche vergleichende —— umb der zen Bangermanis-
mus. Wenn Kollär die Erforſchung und Berechnung ber reinen Slabicität umd
die Schöpfung einer wahren Nationallitteratur fordert, — er in der
beit“ das Mufter dafür, und er operiert mit herderiſchen und romantiſchen Be-
griffen, wenn er die Mahnung erteilt, alle Siaven follten fid) dazu vereinigen,
um ihre große, ihnen von ber Barjehung bei beftimmte Aufgabe im — der
Menſchheit zu erfüllen, um eine neue Kufı zu begründen. Und wenn ſich
Kollär über alle fpradhlichen, hitorifchen, — und politiſchen Unterſchiede
bimwegfegte und fein Berftändriß fir politifche ſequengen feiner Theorien
jo fand er aud) daflir wirdige Mufter an beutjchen Lehrern im —
ſeinen Jenaer Profeſſoren insbefondere, die alle eines politischen Vaterland
entbehrten, namentlich Fries.
ee
614 Bibliographie. 2. Bücher.
Herdern folgt Kollar auch in feinen Predigten, in denen wir denſelben
Ideen begegnen wie in Slävy Deera und in der Schrift fiber die litterariiche
Wechſelſeitigkeit.
In feinen Altertumsſtudien, Etymologien und in feiner Muthologie hält
Kollaͤr an den phantaſtiſchen Tollheiten von Creutzer, Görres und Kanne feſt,
ein beſonders ſchlechtes Beiſpiel war für ihn der Orientaliſt Hammer. Und wie
die meiſten Romantiker endete auch Kollaͤr im Dienſte der Reaktion, denn fein
seithalten au der grauen Vorzeit und an einer erträumten Welt entfremdeten
ihn den Thatiadhen der Gegenwart
Zo gebt denn aus allen Ausführungen Murkos hervor, daß das Haupt-
verdienjt an der Wiedergeburt des böhmiſchen Volkes deutichen Einflititen, ſpeciell
aber der Romantik und ihrem Vorläufer Derder zu verdanken tit.
Murko bat das unbeitreitbare Verdienſt, dieien allgemeinen Einfluß im
großen Umfange zum erſten Male erforfcht und ihn durch litterarhiftoriiche
Thatſachen geſtützt zu haben; das, was man gleihiam mir geahnt hatte, hat er
mit ſeltener Uberredungskunſt bewieſen. And in dieier Beziehung überzeugt er
auch. So iſt es feitgeitellt, daß die neuen Strömungen, welche in Teutfchland
auftauchten, zu den Yöhmen und Zlaven überhaupt gelangten und auch gelangen
mußten; c8 ift erwieſen, daß Münner wie Safarit und Nolär aus der vollen
Quelle diefer Strömungen ſchöpften und ihnen ihren Ausblid und neue Welt:
anichauung verdanken: und es jteht namentlich bei Nolär feit, daß er von
Herders Ideen völlıg durchdrungen iſt und ihr WBermittier bei den Yöhmen wurde.
Und iniofern kann von einen Einfluß tbatiächlidh die Rede fein.
Allein gerade die Art und Weiſe, in der Murko den Einiluß auffaßt, ift es,
worin wir nicht überall mit ihm übereinſtimmen können. Auch Murlko entging dem
verführeriſchen Fehler nicht, daR er den wahren Einfluß mit bloßer Nachahmung,
den prinzipiellen mit reinen Außerlichkeiten ıdentifiziert, und wo er mr zufällige
Ahulichkeit vorfand, ſie für einen Einfluß bält. Inter wahrem Einfluß kann man
doh wohl nur 'olche Einwirkung eines Geiſtes auf den anderen veriteben,
welche in dem lesteren tiefe Spuren binterläßt, welche in ibm ſozuſagen eine
analoge Thätigfeit hervorruft, analog ſowohl der Richtung als auch dem Erfolge
nadı — und das iſt cin wichtiges Montent. Zo kann man von einem Einfluſſe
Herders auf Nollar reden: er bat Herders Ideen zweifelsohne übernommen, lebte
fi im dieſe Ideen cin, auf ihrer Grundlage entfaltete er jeine eigene littera-
riſche Thätigkeit, und diefe Tbätigfeit wurde von wweitgreifendem Crfolge gekrönt.
Tas ift unferer Meinung nach cin wahrer Einfluß. Aber keinen Einfluß darf
man in dem Umſtande juchen, daß 3. B. Fouqué in den Jahren 1R12— 1815 in
Alien zu den geleieniten Tichtern gehörte: es iſt fein Einfluß, wenn Celatovsit
feine Zammiung von Bolfsliedern nach Herders „Ztimmen der Völfer in
Yiedern“ nennen wollte und es nur deshalb nicht getban bat, weil ihm der ur-
ſprüngliche Herderſche Titel audı nicht unbelannt geblicben icın dürfte: man fann
auf feinen Einfluß schließen ans der UÜbereinſtimmung von Titeln, wie E. Schulzes
„Die bezauberte Role” und Celatovstys „Ruüze stolista”. Zoldye und ähnliche
Sachen haben auf das geiſtige Yeben der Böhmen fiher feine Wirkung ausgeübt,
das tit ein belangloies Yuianımentreffen, an das doc ein anderer Maßftab an-
gelegt werden follte.
Ich zweifle auch, ob man auch für Celatovey einen wahren Einfluß
Goethes wird annchmen tönnen, durch den er auf neue Yahnen feiner dichte-
riihen Thätigkeit gebracht werden ſollte. Zeine ganze dichteriiche Individualität
wurzelt in der Volkspoeſie, fiir die er ein angeborenes feines (Kefüibl hatte, und
dies allein Ienkte ihn auf ihre Rahnen umd er brauchte nicht dazu Goethes Vieder
nachzuahmen. Ter Umſtand, daR er fidh diesbezüglich auf Goethe beruft, bat
wohl andere Bedeutung: er wert bei feiner neuen Richtung auf (Woetbe als den⸗
jenigen Tichter bin, der in derielben Richtung wunderbare Erfolge erzielte, er
1897. 615
zeigt, wie ſich der Einfluß der Bollspoeſie auch auf ihm bewährte und hoffte das:
jelbe von der Volfspoefie für jeine eigene Thätigfeit. Nur fo viel fann man
jagen: die Voltspoefie wirkte auf Goethe md fie wirkte auch auf Cefatonsty,
und feıne Erfolge in diejer Beziehung verdankt er nicht dem Einfluffe Goethes,
fondern Tediglich der Vollspoeſte felbit; denn freng genommen ift «8 ja anders
gar nicht möglich. Im Vergleich mit der eigentlichen Individnalität Celatovstys
fonft einige Goethifche Motive reht in den Hintergrumd umd daher ift ein
5 Goethes (im wahren Sinne des Wortes) auf ihn jehr fraglich, Ja, ich
trage fein Bedenken die Frage aufzumerfen, ob es in der betreffenden Periode
der böhmischen Yitteratur Überhaupt einen Dichter gab, auf den Goethe einen
wahren Einfluß ausgelibt haben fönnte; allerdings muß man dabei zwiſchen
Einfluß md Nachahmung treng untericheiden.
Was Safarit betrifft, jo it e8 zweifellos, daß fi) ihm eine neue Melt
erſt dur) den Jenaer Aufenthalt eröffnete, daf; ex von dort Anregung zur Arbeit
befam und dort jeine Muſter fennen lernte, Aber damit ift auch diejer ganze
deutjche Einfluß erichöpft, denn, Fam hat ſich jemand von biefen Einflüffen jo
bald emanzipiert, wie gerade Safafil. Und auf dieje Emanzipation von den
Deutfchen legt Diurto doch zu wenig Nacdrud, wohl deshalb, weil er auch die
Emanzipation der jüngeren & miantilhen Schule auf deutjche Mufter zuriicführt,
auf ihre Emanzivation von den Franzojen. Diefe Behauptung wird jAwerlid, Be-
ftand_haben, ſchon deshalb, weil die Grundlage dieſer ganzen Emanzipation und
ihre Tendenzen bei den Böhmen ganz andere find als bei den Deutfdhen; dort
Tegte man doch Grundfteine zu einem neuen Leben, und die Analogie mit ber
deutfchen Bervegung ift zu gering, als daß man aud, darin ihren Einfluß finden
und behaupten fönnte, daf; der Had der Deutichen gegen die Franzojen natiirlich,
auch den der Böhmen gegen die Deutfchen weden mußte. Der Antagonismus
der beiden Völler hat weit tiefere Wurzeln — das find ja befanmte Dinge —
und wäre zum Durchbruch auch ohne die Emanzipation der Deutjchen gelangt.
Und Safarits Fühlen und Streben, welches in Jena allerdings aufgemuntert
wur, ging fehr bald feine eigenen Wege. Das äußert fi in feiner ganzen
Thatigten
Id tann bei ſafatit auch darin keinen Einfluß finden, daß er ſich im
feinen Arbeiten auf deutſche Gelehrte beruft, fei es auf Humboldt, Grimm oder
andere. So weift Durto —3* der Auffaffung des Jlaviichen Nationaldjarafters
auf Herder hin. Mit vollem Recht kann er dies thun, allein «8 ift fein Einfluß;
bier wie anderwärts ift e$ nun eine Übereinftimmung in Meinungen, LÜberein-
jtimmung von Forſchern, und wäre Safarif bei feinen Sritieismus zu anderen
Neiuftaten gelangt, hätte ex fid) auf fie aud) nicht berufen fönnen. &s ift baher
nicht gerade pajfend zu jagen, dah Safatif bemüht war, X. Grimm in feiner
ganzen Thätigfeit nach zuah men, denn nadhahmen läßt ſich ja im der Wifjen-
ſchaft nichts.
Und jo ift es auch faum richtig zu behaupten, daß Palacky feine Gejchichte
deshalb nicht Über das Jahr 1526 binausgeführt hat, weil er umb feine Zeit
genoffen, die ihm in der Sammlung und Bearbeitung von Materiatien behilflich,
waren, für die ältere Zeit der böhmifejen Geſchichte als Romantiler eine be
— Vorliebe haben inußten. Die ern — um mit er
nichts zu thun, ber jic mit Palaetys Perjönlichteit überhaı icht gut verträgt.
In folhen und ähnlichen Behauptungen gebt Murko zu hei fo namentlich auch
da, wo er innige reundjchaftsverhältuiffe, die Rechte des Herzens ober politifche
Geſinnung auf die deutjche Romantik zurlicführen will, was dod) rein menich-
liche Tinge find, die ſich ſchwerlich an etwas ein Muſter nehmen können, jondern
ganz unabhängig zum Ausdrude gelangen; aus der Inhaltsangabe, die wir andy
deshalb jo ausführlich geboten haben, wird ja — einleuchten, was alles
hierher gehört, und wir brauchen es wohl nicht bejonders hervorzußeben,
616 Bibliographie. 2. Bücher.
Es drängt ſich auch die Frage auf, ob man berechtigt iſt, die böhmiſche
Wiedergeburt Romantik zu nennen? Die Frage iſt deshalb wichtig, weil dadurch in
die böhmiſche vitteraturgeſchichte inſofern ein neuer Geſichtspunkt eingeführt wird, als
eine ihrer wichtigſten Perioden im Rahmen der geſamten Weltlitteratur betrachtet
wird und ihre engeren Grenzen verläßt, wobei gerade der deutſchen Litteratur
eine ſo bedeutende Rolle zukommt. Gewiß kann man ſie ſo nennen, und es bleibt
ein Verdienſt Murkos, dieſe neue Auffaſſung zur Geltung gebracht zu haben.
Nur muß dabei berückſichtigt werden, daß der Schwerpunkt dabei auf die wiſſen—
ichaftlihe Seite füllt: denn die wiifenichaftlichen ‚grüchte der romantischen Be⸗
itrebungen in Böhmen find ohne Zweifel bedeutender als ihre poetifchen Erfolge.
Und das bängt eben mit dem Umſtande zujammen, daß in mancher Beziehung
die böhmischen Veſtrebungen dennoch ihren eigenen eg gingen.
Murkos Buch iſt jachlich, ſtreng wiſſenſchaftlich gebalten; er bat darin
das Verhältnis der beiden ſeit jeher ſo ſehr aneinander gewieſenen Nationen in
einer der bedeutendſten Perioden des geiſtigen Yebens ing Mare gebracht. Zwar
haben wir geſehen und hervorgehoben, daß Murko mitunter etwas Übers Ziel
geſchoſſen hat, indem er auf Koſten des unbeſtreitbaren und wahren Einfluſſes
m gewiſſer Beziehung zu geſuchten und gezwungenen Ausführungen griff. Allein
dieſe betrafen meiſt prinzivielle ragen, die ſich bei einer vergleichenden literar-
hiſtoriſchen Arbeit leicht erklären fallen, wohl auch dadurch, daß fih Murko auf
die deutſchen Einflüſſe beichränfe und jo etwas einieitig wird; feine Ausflibrungen
werden ergänzt amd in gewiſſen Punkten wohl auch modifiziert tverden, bis man
auch die anderen Einflüſſe, die antiken, ilavsschen, englischen und welche immer
ſich auffinden laſſen, unterjucht haben wird. Es iſt ein treftliches Buch.
Berlin. Johann Krejei.
Nagl J. W. und Zeidler J., Teutich-öfterreichiiche Yitteraturgeichichte. Ein Hand-
buch zur Geschichte der deutichen Dichtung in Tfterreich-Ungarn. Unter Mit
wirkung bervorragender ‚sachgenoiten berausgegeben. Wit circa 200 Abbildungen
im Text, 15 Tafeln in Farbendruck und Holzſchnitten und 10 Fakſimilebeilagen.
1. und 2. Lieferung. Wien, C. Fromme. ä 1 M.
Inhalt: 1. Abſchnitt. Von der älteſten Zeit bis zur Reformation. I. Die
deutiche Koloniſation in Oſterreich Ungarn. 1. Öſterreich. 2. Ungarn. — II. Tas
nationale Erbe. 1. Sprache und Glaube. 2. Die Sage und die aus ihr ent⸗
iprungenen epiſchen Tichtungen. Tie Klage. Tas Nibelungenlied. Biterolf und
Dietleib. Waltber und Hildegunde. Die Hleineren Even über Dietrich von Bern.
An dem 1. Heft baben mitgearbeiter: Nagl, Neßler, Bekk, Altinger, gann,
bull, von Radies, Ebenipanger, Hackel, Woltan, Grolig, Weber, Schullerus,
Schwicker.
Olith €. Ernſt Thilo, Vademekum dramatiicher Werke, alphabetiſch geordnet
mit Angabe der Verleger, Preiiſe und teilweiſer Perſonenangabe. Hannover,
Yidemann. 7.50 MM.
land E, Tie Yprifer des ſchwäbiſchen Mlaffizismus ı Ztäudlin; Conz;
Neuffer; Hölderlind Nugenddichtung). Ztuttgart, Nohlbammer. 1 M.
Sohbammer P., Tante und die Schweiz. Yin Wort an Einheimiſche und
‚rende. Mit einer Skizze für Dante Leſer. Zürich, Rauften. 80 Bf.
Roſſel V., Histoire des relations litteraires entre la France et l’Allemagne.
Paris, Fiſchbacher. 7.00 Fres.
Schulve S., Wege und Ziele deutſcher Litteratur und Kunſt. Berlin, Duncker.
2.40 M.
Teuber ST. und F. Schöchtner, Unſer Kaiſerlied. Eine Denkſchrift zum Cente⸗
narium der Vollshymine. Wien, Seidel & Sohn. 1.650 M.
Die Entſtehung und die verwickelte Geſchichte der öſterreichiſchen Bolls-
hnmne, des von Haſchka herrührenden Textes und der von Haudn ſtammenden
Melodie werden bier von fachlundiger Zeite für weitere Nreife erzäblt. Die Geſchichte
1897. 617
des volfstümlichen Liedes darf an ben zahlreichen — bes Tertes, die
von Dichtern wie Grillparzer, Zedlin, Holtet, Seidl und amberen her-
rühren, nidjt vorlbergehen. Yeiber find den Berfaffern des Blichleins einige fehe
merkwürdige Umarbeitungen entgangen, fo die von &. E. Ebert, die id) in den
Mitteilungen des Vereins für die Geſchichte der Deutichen in Böhmen, Nabr-
gang 33, ©. 354 f. mitgeteilt habe, die beiden von Berthaler in dejien
erfejenen Schriften 1, 273 und 275 f. mitgeteilten, und die jchmwungvolle Neu
dichtung des Erzherzogs Mar, die diefer am 17. Auguft 1853 als Befel ber der
Minerva im Hafen von Durazzo improvifierte, als des Kaijers —
werden follte und niemand den Tezt vollftändig hatte (Reite Zeit. Olmiiter
Zeitung, 19. Auguft 1864). Ergänzt wird diefe Schrift kon die gleichzeitig er ·
Schienene jorgfältige Studie von F. Böd im Wiener Neujahrs-Almanad; 1897,
©. 51 ff. — Der Anhang über die Mamuffripte und Drude ift jest zu wer
mehren duch das Programm der „seitvortellung zur eier des Centenariums
der öſterreichiſchen Voltshymne, veranftaltet von der f. f Meicjsi und Re⸗
fidenzftadt Wien im f. £. priv. Carltheater, 12. Februar 1897“, dem ein Fakfimile
der Originalhandichrift beigegeben ift. A. Sauer,
Urban M., Zur Sitteratur Wertböhmens. Ein Beitrag zur Yitteratungefchichte
Destäßkhaing. Plan 1896. Drud und Verlag von Andreas Haold in Mies,
AM.
Wadernell J. E, Altdeutjde — aus Tirol mit Abhand-
Lungen über ihre Entwilung, Kompoſition, Onellen, Aufführungen und litterar-
hiftorifche, Stellung (Quellen und Forſchungen zur Gejhichte, Titteratur und
Sprade Oſſerreichs und feiner Kronländer duch bie Veo-ejellichaft herausgegeben
von J. Hirn und I. E. Wadernell), Graz, „Styria“ 1897. 13.50 M.
Inhalt: Abhandlungen I. Benebitt Debs, Vigil Naber und ihre Spiel-
fammtungen. II. Der Bozener Pajfion. IM, Der Amerifaner Paifion. IV. Die
gemeinjame Vorlage des Bozener und Amerifaner Paſſions. V. Bajlionsaufs
führungen in Bozen. VI. Der Sterzinger Pajfton (St). VIT. DEREN en)
Paffion md. fein Verhältnis zum Sterginger. . Suterpolationen und Über-
arbeitungen in St und Pf und ihre Quellen, IX. Die gemeinjame Vorlage des
Sterzinger und Pfarrficcher Paifions. X. Bajfionsaufführungen im Stering von
1455—1580. XI. Das Verhältnis der Sterzinger zur Bozener Gruppe, XIL Roms
pofition und Quellen des Tiroler Paffions. Sein Eimvirken auf andere Spiele,
XI. Der Haller Paſſion. XIV. Paffionsaufführungen in es und Schwaz von
1430— 1551. XV. Das Vorſpiel und feine Aufführung zu Bozen mit dem Baifton
von 1614. XVI. Die Miichhandjchrift. NV. Der vaſſion und feine
Quellen. XVII. Gedächtnismäßige Überlieferung. XIX. Kacı iel. XX. Der
Berfaffer des Tiroler Paſſions Ort und Jeit besjelben. logie der
altdeutichen Spiele. XXI. Stellung des Tiroler Paffions im tzujammenhang
der Bajfionsipiele Deutſchlands h Tertbi diefer Ausgabe.
XXI. Neuefter Zuwachs. — Terte. — erfungen und jar.
Warfentin R, Nachflänge der Sturm- und Drangperiode in ai
des 18. und 19. Jahrhunderts. (Gorfetungen neueren te,
‚Herausgegeben von F. Munder.) München, 1896. Arante & Haushalter. 2.40
Inhalt: Einleitung. Das — Drama Paul Weidmanns und die
Fauftdihtungen der Stürmer und iger. — ı —— welche
unmittelbar an die Stürmer und Dränger anfnlipfen. Graf Soden. X. von Char
mitjo. €. €. 2. Schöne 4. Klingemann. Braun von Braunthal —
Kapitel IL Fauftdichter, welche nur äußerlich an bie Stiirmer und
Dranger an-
fnitpfen und ihren Fauftdichtungen einen meuen Inhalt zu geben
MR Spreiber Joh Mey Komnted K Ye Benfowiki Kine St
40
[9 abbe. — Kapitel IM. Die Fauftdichtungen von Job. Fr. Schin!
Euphorion I.
618 Bibliographie. 2. Bücher.
Julius von Voß. — Kapitel IV. Die erſte Aufnahme von Goethes Fauſt-
fragment und fremde Fortſetzungen feines erſten Teils.
Wrede R. und Hans von Reinfels, Das geiſtige Berlin. Eine Encyliopädie des
geiftigen Yebens Berlins. 1. Band: Yeben und Wirken der Architekten, Bildhauer,
Bühnenkünſtler, Rournaliften, Maler, Muſiker, Schriftſteller, Zeichner. Berlin,
Ztorn. 10 M.
Wolff Eugen, Die bleibenden Ergebniſſe der neuern litterariſchen Bewegung in
Deutſchland. Vortrag Fragen des öffentlichen Lebens. Herausgegeben von R.
Wrede, Heft 103. Berlin, Kritik Verlag. 50 Pf.
Zielinski Th, Cicero im Wandel der Jahrhunderte. Ein Vortrag. Leipzig,
Teubner. 2.40 M.
Barthel G. E., Neuer poetiſcher Hausſchatz. Hochdeutſche Gedichte aus der Zeit
vom Beginne der Romantik bis auf unſere Tage in ſyſtematiſch geordneter Aus:
wahl aus den Quellen ıBibliothet der Hejamtlitteratur des In und Auslandes
Nr. 983 -998. Halle, Hendel. A Nr. 25 Pf.
1355 Gedichte von 266 Tichtern, fachlidh geordnet. Am Schluſſe bio-
graphiſche Nachrichten über die Fichter.
Eichberg F., Märkiſches Yiederbud. Im Auftrage des Touriften- Clubs für Die
Mark Brandenburg zu Berlin gejammtelt und berausgegeben. Berlin, Fontane
& Co. 50 BE.
Gundlach F., Italieniſche Lyrik ſeit der Mitte des 13. Jahrhunderts bis auf
die (Gegenwart. In deutichen Übertragungen berausgegeben und mit biograpbifchen
Notizen verieben. Merlin, Alerander Timder 1897. 7.50 M.
In Sehr verdienjtlicher Weiſe bietet uns ein verftändiger Sammler eine
Anthologie italieniſcher Gedichte in deutſchen Uberiegungen. Zw umfaßt 298 Se
dichte von 128 Tichtern und 52 Volkslieder, von 49 Tichtern überſeßt. Die
Mehrzahl der Überieger gebört der Gegenwart au; aber aud die Romantiker
Gries, A W. Schlegeb und Herder find vertreten. Vielleicht hätte man anbangs:
weiſe Proben von Überjegungen aus früheren Jahrhunderten beifügen fünnen.
Goethes Uberſerung der Ode an Napoleon von Manzoni hätte neben der mo
dernen Ubertragung nicht fehlen dürfen. Aber unſer Schaß an Liberjeßungen
aus dem JItalieniſchen iſt noch viel veicher als Diele Anthologie abnen läßt. Eine
Hauptauelle iſt dem Herausgeber leider ganz unbetannt geblieben: die 25 Bände
des „Litterariichen Jahrbuches des rien allgeaneinen Beamtenvereines der
öfterreichtich ungarsichen Monarchie Tie Dioskuren“, worin nadı dem Regiſter
nicht weniger als 81 italieniſche Dichter in deutichen Mberiepungen vertreten find,
von denen 41 Namen im unſerer Antbologie fehlen. Die meiſten diefer Liber
tragungen rühren von Kaletan Cerri, einem geborenen Italiener, ber: einzelnes
baben beigeitenert: Louiſe Breisky, N. Boczek, 8. E. Eder, Tb. Elze, C. Fidler,
x. von Gernerih, H. Grasberger, Freiherr von Kübeck, F. Lentner, W. du Nord
und Wem Kaotlit. Vermißt babe ich eine Krobe aus Gregorovius' Uberſeßung
der Gedichte Melis. Ib. Wontmiens Uberſeßung des Carducei iſt leider nur als
WKammitriot gedrudt. AS.
Yırderbich der Getreuen ın Never. Verlin, Mittler & Sohn. 1.20 M.
Deutiches Kommersbuch. Hiſtoriſch kritiſche Yearbeitung, beiorgt von 8. Reifert.
Freiburg i. B., Herder 1896. 4 WM.
Terner F., Unſere Tichter in Wort und Bild. 6. Yand. Leipzig, Claußner 1896.
3.40 8.
Thom %, Tentichbe Dichter in Sort und Bild. Poetiſcher Hausichat. Leipzig,
H. R. Thom. 106
Veliſchner Ci, Im Aampf des Lebens. Eine lyriſche Anthologie. Nach ſittlichen
und äſthetiſchen Grundſären zuſammengeſtellt. Stuttgart, Noblhammer. 3.50 WM.
1897. 619
Illuſtrierte Elzevier- Ausgaben. Nr. 12. Leipzig, Seemann. 2 M.
Inhalt: Neligiöje Luͤril. Ausgewählt von R. Weitbredit. luftriert
von 9. Yoojchen.
Ariftoteles’ Poetif, überſetzt und eingeleitet von Th. Gomperz. Mit einer Ab-
handlung: Wahrheit und Irrtum in der Natharfis-Theorie des Ariftoteles von
Alfred Sröherrn von Berger. Leipzig, Beit & Co, 3 D.
Düfel Fr., Der dramatiiche Monolog in der Poetif des 17. und 18. Jahrhunderts
und in den Dramen Fejjings (Sonderabdrud aus „Iheatergeichjichtliche For«
Hungen“, Band 14). Born, Georgi 1896. f
Bulthaupt 9., Dramaturgie des Scaufpiels. 1. Band. Leſſing, Goethe,
Schiler, Keiit. 6. Auflage, ——— Schulze. 5 M.
Hausegger 5. von, Die Hinfileriiche Perfönlichteit. Wien, Konegen. 1.50 Di.
Yelwig B. J. Eine Theorie des Schönen. Mathentatiic-piyhologiihe Studie.
Amfterdam, Delsman & Nolthenius. 3 M.
Hirn 9), Förstndier till en konstfilosofi pä psykologisk grundval. Helfingfors,
Söderftröm & 8.1.50 fr.
Dberländer H., Die Theorie der deutſchen Schaufpieltunft im 18, Jahrhundert,
ihr Urjprung und ihre Entwihung. Rojtoder Differtation. Bonn 1896,
Inhalt: 1. Die Darftellung der Tragödie im Klafficismus ichs
2. Dudos und Batteur. 3. Die reine Natur nad) ihrem ürſprung aus ber
Komödie. 4. Das theätre francais und feine Theoretifer in der eriten Hälfte
En 18. Jahrhunderts. 5. Gottſched und die deutſche Schanfpieltunft; Fohanır
ias Schlegel.
Frobft 9, Deutfche Redelehre (Sammlung Göfchen. Bändchen 61). Feibzig,
Sölden. 80 Bf.
Raub er A, Der Naturafismus in der Kunſt. Alademiſche Mebe. Leipzig, Georgi.
IM.
Ricardou W., La critique litteraire (ötude philosophique). Avee une preface
de F. Brunetiere. Paris, Hachette et Cie. 3.50 Fres.
ẽgitzr 9, Kritiſche Studien zur Äſthetit der Gegenwart, Wien, C. Fromme.
23
Enthält die wichtigen Recenfionen Spigers aus dem Euphorion über bie
Werke von Th. Alt, A. Bieje, M. Dejjoir, 8. — und K. Lange
Bolfelt 3, Ahetit des Tragiichen. Minden, Ye. 8 Dt,
Zuccaro Y., Marinismo, gongorismo, preziosismo. Ravenna. 8,
Allgemeine Deutſche Biographie. 204.—208, Lieferung. (Band XLI, Yirfe-
rung 4 und 5, Band XLI, Vieferung 1—3.) Weigl-Weffenberg. Leivsig, Dunsker
& Humblot 1896 H
Wir heben folgende Namen hervor: Johann Wolfe — Nurn⸗
berger Dichter, geboren 1778 (Dummenhoff). — Sof eit, Mitter von
Weiten, dramaticher Dichter und Scheftftellee 1323-1880 (Alerander von
Weiten). — Ludwig Weigand, beuticher Hiltorifer 1841—1895 ——
— Zigismund Weingärtner, Berſaſſer des 1607 gebrudten 8: „Auf
Jeſum Ehrift fteht all mein — (u). — Hans Weinreich, Buchdruder
des 16. Jahrhunderts (K. Fohmener)., — Chriition Weife, N amd
Dichter 1642— 1708 (Erid Schmidt und D. — — eiſe
Volisdichter 1813—1888 . Mränfel), — Adam Weishaupt, Stifter des
Iluminatenordens und philofopbijcher Schriftiteller 1748—1830 (Daniel Jar
coby). — Friedrich Wilhelm Weisfern, Scaujpielee 1711—1 a
vie 38 9. Weismann, Dichter 1808-1890. (M, Jung). — Adam
heologe circa 1480164 (&, Boffert), — A. Chrifioph Rh. Beh,
Fichten und Jugendichriftfteller 18191888 (5. Brlinmer;
teitungen). — Gebhard Weiß, Bregenzer Dialektbichter 1800-1874 (9. U.
vier). — ©. 3. Weiß, Hofopernfänger und Bhifolog 1822-1899 (9. U Vier).
40*
620 Pibliograpbie. 2. Bücher.
— Johannes Weiß, Yucdruder zu Wittenberg in der Reformationgzeit und
Prototypograph von Berlin ı8. Zteiffi. — Johann Paul Weiß, Mitarbeiter
Sinzendorfs bei der Begründung der Brüdergemeine 1695—1779 ı9. X. vier).
— Johann Gottlieb Chriſtian Weiß, Schanipieler 17%W—1853 19. N. Pier).
— Joß Weiß, der Neformator Rentlingens, geitorben 1542 Votteler: aften-
mäßig). — Karl Weiß, Tirektor des Archivs und der Bibliothek der Ztadt Wien
1826—1895 Uhlirzi. — Hermann Weißbach, Buchhändler IR44-—I889 (8. Fer.
Mani. — Chriſtian Felix Weiße, Tichter, Nedalteur, Überſetzer, Jugendſchrift⸗
ſteller 1726 — 1804 WVeinorn. — Chriſtian Hermann Weiße, Philoſoph 1801 —
1866 (Beim. — Michael Weiße, Kirchenliederdichter des 16. Jahrhunderts
R. Wolkan«. — V. F. Weißel, Dichter, UÜberſeber und Nachdichter 1841— 1886
V. Fränkel.-Alois Weißenbach, öſterreichiſcher Militärarzt und Dichter 1766
1821 Pagel: ohne Würdigung ſeiner poetiſchen Leiſtungen). — Johann Kafpar
Weißenbach, Dichter 1633 - 1678 «Y. Fränkel — Georg F. L. Weißenborn,
Philoſoph 1816—1874 Heinze: Mitteilungen von v. Buſſei. — Hermann J. Chr.
Weißenborn, Philologe 1813-1886 vothholzy. — Wilhelm Weißenborn,
Khilolog und Schulmann 1303 — 1878 ıYotbbaly,. — Weiſſenhorn, eine Buch—
drucker und Buchhändlerfamilie des 16. Jahrhunderts &K. Steiff). — Friedrich
Chriſtoph Weiſſer, Schriftſteller und Dichter 1761--1836 CR. Mendheimi. —
Ebriftoph Weißgärber, der Dichter eines 1560 gedruckten vierſtrophigen
Weihnachtsliedes: „Sing, du werthe Chriſtenheit“ l. 1. — Chriſtian Eber—
hard Weißmann, evangeliſcher Theologe 1677--1747 P. Tſchackerti. — Karl
B. Weinmann, Dialekidichter 1767 — 1828 Hermann Fiicher). — Julius v. Fr.
Weiziäcker, Hiſtoriker 1828 1880 E. Vernheim mit Benutzung von NAuf-
zeichnungen und Familienvapierenn. Wilhelm vudwig Wekhrlin, ſüddeutſcher
Aufklärer und Journaliſt 1739 -1792 Knoblauch von Habbach anf Grund neuer
urlundlicher Forichungen . - - Friedrich Gottlieb Welcker, FPhilologe 178 4 — 18608
A. Ranmenter: - Narı Theodor Welder, PVroieſior der Rechtswiſſenſchaft
1790 1860 von Weech!. Auguſt Wellaner, Philologe ITOR—-I1831 (Leopold
Kohn. Mares ISelier, Welchichtichreiber und Altertumsforſcher 1558-- 1614
F. Roth. Oskar W. Welten »Weorg Toleidal , Velletriſt 1844— 1804
v. Fränkel. Helfrich Bernbard Send, Schulmann und Biftoriker 1739 —
1803 18 Send mit Venunung bandichriftlicher Nachrichten aus Idſteiner und
Zarmitadter Nirihenbiichern und aus den von H. Heidenheimer fir jene
Woferbiograpbie geſammelten Materialien des Tarımitüdter Archivar. — Johann
Martin end, Schulmann 1704 1761 . Send, mit Venubung bandichrift
licher Nachrichtenu. — Johann Wenckter, Straßburger Chrontit 15900 — 1659
W. Wiegand — Gebhard Fr. A. Wendeborn, Prediger und Kulturhiſtoriker
1742 1811 18 Frantk Johann Kraft Wenigk, evangeliicher Theolog und
geiſtlicher Yrederdichter 17031745 »A. Zchumanm. — Joſef Wenzig, deutſcher
und ezechiſcher Tichter 1807-1876 A. Daten. -—- Emilie Wepler, heſſiſche
Ratriotin und Schriftſtellerin, IRI8- 1803 Fränkel auf Grund von Mit—
teilungen Der Familie. -—- Johann Augui Weppen, Zchriftiteller 1741—1R12
IM Mendheint— Johann Angelus Werdenhagen, lateiniſcher Dichter und
Schriftſteller 1581-1652 P. zZimmermann Tiederich von dem Werder
15*4 — 1657 (G6 Witlowsti --Ernſit Wechsler, Schriftſteller 1861-1893
v. aränlel- - - Narl Friedrich Wegener, Schriftſteller, Yebrer, Prediger 1734
- 1782 Y Berger. — Erneitine Wegner, Zonbrette 1850 —1882 V. Aräntel:.
— Karl Weichſelbaumer, Ticter 1701 -1871 ıY. Fränkeli. — Ghriitiane
Friederile Weidner, verwitwete uber, qeborene Lorenz, Zchanipielerin 1730
— 1709 1.9. Vier — Peter Werenfels, Antites der Nirche und Profeſſor
an der Univerſität ya Baiel 1627 - 17039. von Zalie, mit Benutung von
Manuſerwten — Samuel Wereniels, Srofeflor der Theologie zu Baſel
1I657 - 1740 1A. von Salisꝛ. - - Albert Werfer, latholiſcher Schriftſteller und
1897. 621
Dichter 1815— 1885 (P. Bed). — Benediet Maria Leonhard von Werfmeifter,
tatholiſcher Theolog 1745—1823 (von Schulte). — Beit Werler, Humanift und
Bhilologe, geboren in den achziger Jahren des 15. Rahrhunderts(K. Haztfelber).
— Paul Gottlieb Werthof, Arzt ud Dichter 1699-1767 (Bagel). — Adanı
Werner von Themar, Humanififcher Dichter, ungeführ 1470-1587 (&, Sur
felder). — Adam Friedrich Werner, der deutiche e Yolpoet König
von Dänemart, geitorben 1672 (3. Bolte). — Franz von ee hie
Murad Efendi 1836— 1881 (P. u dudwig Werner,
Dichter — —*8 aa ſebing hriſtian Wernide, tier
1661— 1725 hmidt). — Sodann Chriftian Senn Ebilolog
1723—1793 ( —— — Auguft von Werjebe, Gei 151
—1881 RR Frensdorff). Gehe — Clemens wen es, ſter 1748
— 1817 (M. Mendheim). —HSeinrich Berfaſſer einer lenen
deutfchen Komödie aus dem Jahre 1575 8 "u —— — don Weſten⸗
rieder, Hiſtoriler 1748—1829 (Heigel). George pe:
buchhändfer 1810—1879 (Bimmtermanı, nad, en bi —
Elifabeth, Johanna von Weften, Iateinifche Dichterin 1 So
— Andreas Weftphal, Hiftorifer 1685—1747 (Pl). — ac
tutherifcher Theologe 1510 oder 1511—1574 (I. u). mas 6. 55 > 6
Philologe, beſonders Metriler 1826—1892 (A. MR
Weſtphalen, Dichterin 17608 1840 (DM. Mendheim). — —— en
Hymnolog 1691—1755 (I. 1.). — Friedrich Carl Wer, yanırı amd Pi log
1801—1865 (9. Klenz). — Weyer, U —— E.
— Abreht Weyermann, Theolog umd el 1763—1 FE
— Friedrid) Weyermiller, Dichter geiftlicher Yieder 1810—1877 en
— Zoſef Weyl, Humorift und Überjeger 1821—1895 A:
N. von Weyrother, Schriftſteller — (Aut
Wenffenburger, ein Briefter, der in den — Fe des 11
die Buchdruckertunſt ausübte (K. Steiff). — —J— teinif
Dichter des 16. Jahrhunderts J. Bolte). — von Widede, ——
fteller 1819—1896 (B. Boten). — lei fm Bigenburg Ak
Dichterin 1845— 1890 (A. Schloſſa Fehr dram, Dichter des Be
bunderts (Erich Schmidt). — Friedrich ebram, veformierter en,
Inteinieher Dichter und Theologe —— a Sa Jafon Wid-
mann, er en —— — u da Aa
mann, der Bearbeiter des jan
Widmann, Dichter 1818 - 1a 4 — gt elanb,
Dichter, geboren 1590, geftorben bat
— Chriftoph, Martin on, Die 1733—1813
Chriftian Wienbarg, Sı iftfiellee 1802 —1872 (Car Biss,
Buchhändier 1808—1858 (K. Fr. Pfau), — Otto ne nd, Bu
te IC Br Ma). ig Zt, iafop und Steak ——
(€. Fräntef). — Chriftian — beodor Wilbrandt, Äſthetiler, Vater
Dichters 1801—1867
a
Renaiffance, ee Studien zur Kritit der Moderne: Berlin, Fiſcher
0
berger £, Gefanumelte Stifte 5 Band: Poritifche Schriften von 1879—
Berlin, Rofenbaum &
. Freiherr von, Stui * — onen der
al „gen —— — — ehe J
1896. 4.20 M
Aus dem "Inpalt: Der Hamlı
— Der Hamler Mounet-Sullys, — Otte et Miller.
— Fiaterideen (Gedanten über Grillparger), — enther
622 Bibliographie. 2. Bücher.
filea. Gelegentlich der Nachricht, daß fie aufgeführt werden foll. — Anzen:
gruber im Burgtheater). — liber den Monolog. — Über Schauſpielkunſt. —
Von italienischer und deutfcher Zchaufpiellunit.
Bonier E. G., Saggi di letterature straniere. Meſſina, Principato 1896.
Aus dem Inhalt: Natale e Capo d' anno nella letteratura moderna.
— L'intluenza italiana sulla linpua tedesca.
Foà A., Studi di letteratura tedesca Florenz. Ye Monnter. 4 Y.
Aus dem Inhalt: L’ideale estetico di Federigo Schiller. — Libertä
e Sorte secondo Federigo Schiller. — Dalla Primavera d' Amore di Fe-
derigo Rückert.
Fäßler C., Trei Eſſays. Gottfried Keller. — Nikolaus Yenau. — Der
Stil. St. Ballen. Fehr. 1 M.
Tiefe drei flott gqeichriebenen Eſſays verdienen es entichieden, auch von
anderen als den engeren Yandslenten des Verfaſſers gelejen zu werden. Pie
Charakteriſtik Keller iſt ſehr vielfeitig und tief, daber von landsmannjchaftlicher
Wärme durchzogen. Er fiebt die ſtarke Wirkung der Nellerihen Tichtung vor
allem in der gejunden, normalen Beziehung zwiſchen Ztoff und Bearbeitung,
Urfprung, Verfahren und Ziel feiner Hinitleriichen Arbeit, „in der künſtleriſchen
Wahrhaftigkeit, welche nur das als Tichtung wiedergiebt, was wirklich eigenftes
inneres Erlebnis des Tichter& geworden, ihm völlig ajftmiliert ıft in Thema
und Stil“ und überficbt neben Kellers Phantaſie und Humor feinen „Zpracdhreipelt”
und feine „Sprachdurchbildung“ nicht. Inſofern iſt der dritte Eſſay fiber den Stil
gewiſſermaßen Die theoretiiche Wegründung des erften, indem er den Ztil als
den Ausflug und Abdruck der Individualität des Zchriftitellers beredt analnfiert.
Viel einfeitiger tt der Eſſay über Lenau. Die Briefe an Zophie find ihm nicht
nur die Hauptquelle, jondern fait die einzige Quelle für Lenaus Weſen und der
Tichter iſt inn von Anfang an der Nrante, als der er doch erit nad „Jahren
fräftiger umd geſunder Wirkſamkeit geendet bat. Aber auch diejer Aufſas ıft mit
großer Yiebe und Inuigkeit geichrieben, voll von feinen Beobachtungen und guten
Bemerkungen.
Geiger Y., Tichter und Frauen. Vorträge und Abhandlungen. Xerlin, Gebrüder
Raetel. 7 M.
Aus dent Inhalt: II. Ein lateiniſches Evos Über die Jungfrau von
Orleans ıValerandi Varanii de gestis Joanne virginis 15161. -— IV. Goethes
Zchmeiter. — V. Charlotte von Zchiller. — VI. Torotbea Schlegel.
— VII. Varoline von Günderode. — VII. Fürſit und Künſtlerin Herzog
Auguſt von Sachſen Gotha und Altenburg und Thereſe aus dem Windel.
— IX. Sobanna Motberbn. — X. Teutiche Tichtung in den Befreiungs—
triegen. — XI. Rettina von Arnım und Doris Veit. — XI. Heinrich
und Charlottv Ztieglie. — XII. Veopold Schefer und Karl Merder.
- XIV. Otto Pudwig. - - XV. Fanny Yewald.
Gildemeiſter O., Eſſays. Derausgegeben von Freunden. 2 Wände. Berlin,
Veſſer. 12 WM.
Aus dem Inhalt: Yand 1. Ter Nampf gegen die Fremdwörter. — Aller
band Nörgeleien meiſt Über fpracliche Tinge. — Band 2. Pilrgermeifter Jo:
hann Smidt. ‚yeitrede, gebalten bei der Smidtfeier im Nünftlerverein zu Kremen
am 5. November 1873.
Grimm H., Beiträge zur deutſchen Kulturgeſchichte. Yerlin, Beſſer. 7 M.
Inhalt: 1. Heinrich von Treitichles Teutiche (Weichichte. Erinnerungen
und Betrachtungen über nationale Beichichtsichreibung. — 2. Yeonore von Eſte.
3. Bettinas letter Beſuch bet Goethe. — 4. Erinnerungen und Ausblide. —
5. Lie Brüder Grimm und die Nınder- und Hausmärchen. — 6. Achim von
Arnims Briefwechlel mit Clemens Brentano. — 7. Tie Ilngeftaltung der
1897. 623
Univerfitätsvoriefungen über Neuere Kumfigefchichte buch die Anwendung des
Stioptifons. — 8. Heinrih, Brunn}. — 9. Ernft Eurtius F. — 10. Das zwei⸗
bundertjäbrige Beftehen der niglicjen Mabensie der Künfte zu Berlin.
Der Inhalt diejes neueften Bandes Grimmſcher As ift bereits Ge-
meingut des deutjchen Publitums; fait alle Aufjäte find a in der —
Rundſchau erſchienen. Nr. 4 und 5 find außerdem als Ei
Auflagen der Borlefungen über Goethe und der Grimmfchen n Dre dc heigegeben.
Nr. 2 ift Grimms Beitrag zu der Feſtſchrift der Medaftoren der an,
Goethe-Ausgabe zur Goldenen Hochzeit des Weimaricen Fürftenpaars (,, pm
8. Oltober 1892“). Der warmen — le He en — mes
monumentale Worte: „Rad; feinem Tode“ hinzugefügt.
über ihren lebten Beuch bei Goethe find in ——
vemer iungen · angereibt, in denen 9. Grimm Goethe ya
ausgeſprochen hatte, „im Yinblit auf eine zufitnftige %ı era sin des
19. Jahrhunderts, die wohl ımgefchrieben bleiben twird“ (S. 161), meift Mecen-
fionen aus der Deutſchen Fitteratunzeitung; der Anzeige des Buches „Lcbenss
bilder“ von Moriz Carriere ift eim lurzes Nachwort nen jefügt. Die Auf
füge über das Sfioptiton leiten von ber erften fait jugendli Begeifterung,
in der ſich 9. Grimm bis zux Verurteilung feiner alten biebemthehn Unter
richtsmethode hinveißen fieß, zu gevechterer befonnener —— —
unvergleichlichen Hilfsmittels beim Runge liche Unterrichte über
wie neben der unentbehrlichen Schulung mannes im rn die
‚allgemeinen Borlefungen über —— und Künſtler
gewinnen können. Hermann Grimm ſcheint eine ähmliche a mdlung Ar für den
Üitterarbiftorüfchen Unterridt zu verlangen und zu envarten: „eitterafurge) ——
‚alte und neue, zu lehren, giebt es mir eime rationelle Art: die Art
Wertes erft dann eintreten zu faffen, wen der Zuhörer es in ſich fenmt. Das
Wert ift ihm erft in feinen Umriffen und in feinem Bau zu zeigen und dann
erft fritifch zu erflären. Wenn bier eim fiherer Grund se en if, ir
auf Einzelbeiten eingegangen werden.” An diejem richtigen ſabe hat
jeine Vorfefungen auch Scherer feftgehalten und 9. Grunms Polemit A I
ift im diejem Sufammenhang am beredjtigt. Wol aber vn jeine Austinander⸗
jegungen die Frage an, ob «8 auch für den Yitterarhiftorifer ein Mittel gäbe,
das im ftande wäre, den Nuben des für ihm leider unverwenbbaren Sfoptifons
zu erjegen, fo daß er ſich nicht allein auf die Privatlektitre des Stubierenden
verlaffen müßte; ob ganze Kmftwerfe ober einzelne Teile davon noch mehr als
8 durch den Vortrag eingeftrenter Proben, durch Fnterpretationsfollegien, durch
Seminaribungen möglich tft, in dem Hörer lebendig gemacht werben könnten. Ein
foiches Mittel ließe fih in der That finden; man gebe bem Profeijor der neueren
Litteraturgeſchichte einen gefchulten Recitator au Seite, der — * Anordnung
und Auswahl im Anſchluß am das betreffende Kolleg, wen tn
anderen Stunden, die wichtigiten von PR behandelten —
bringen muite Da ea ſich nicht bloß um — 55 —
die vitteraturgeſchichte wichtigen Dramen der
angehören, jo wären foldhe Necitationen ei Mr re a ae ae
wie Wien und Berlin keineswegs lberfliifig; in
Auffaffung des Kunſtwerles den Anordnungen
zu fügen, auch von der Verwendung zu vieler — en
Ganz wohl fünnte er aber als Vortragsmeifter dem deutichen Seminaren ehenjo
eingefügt werden, wie die Yeftoren fiir moderne Epradyen unferer ——
und englischen Seminaren. Die Ausbildung der Spradje — des
ia ohnehin bei umferer heutigen 3* im ber aurigſten Weiſe
Zu ſolchen und anderen Gedanken vegt Hermann Grimme geiftreiches Buch ben
danfbaren Leſer an.
238
424 Pihliographie. 2. Yücher.
Harden M., Yitteratur und Theater. Berlin, Freund & Jedel. 1896. 3 M.
Aus dem Anhalt: Gottfried Keller. — Paul Heyfe — Meyerbeer.
— Nlaffiiche und moderne Ausftattungsjtüde. — Fontane. — Naturalismus. —
Zum bundertften Male: Der Fliegende Holländer. — Roſſi und Sonnenthal.
— Hans von Bülow. — Neronismus. Parfifal.
Kobell Yonijfe von, Münchener Porträts nach dem Yeben gezeichnet. München 1897,
Bed. 2.50 M.
Aus dem Inhalt: Dar von Pettenfofer. — Karl von Boit und
das Münchener phyſiologiſche Inſtitut. — Jakob Heinrich von Hefner-
Altened. — Franz von Yenbadh. — Friedridh Auguft von Kaulbach.
— Franz Tefregger. — Eduard Grützner. — Hermann von Fingg.
— Wilhelm Berk.
Kraus F. X, Eſſays. Erjte Zammlung. Berlin, Gebrüder Paetel 1896. 10 M.
Daraus hier bervorzubeben: Yudwig Zpad) 11880).
Meyer R. M., Teutiche Charaktere. Yerlin, E. Hofmann & Co. 5.50 M.
Inhalt: Vorwort. — 1. Ter germanifche Nationalcharakter. — 2. Über
den Begriff der Individualität. — 3. Tannhäuſer. — 4. Der Kampf un den Ein-
seinen. — 5. Michael Reinb. Yenz. — 6. Friedrich Wilbelm IV. — 7. Karl
Immermann. — 8. Augujt Graf von Blaten. — d. Annette von Trofte
Hülshoff. — 10. Ferdinand Freiligrath. — 11. Viktor Hehn. —
12. Friedrich Rohmer. — 13. Paul de Yagarde. — 14. Schzig Zelbit-
porträts. — 15. Tie Gerechtigkeit der Nachwelt.
born A., Tentiches Dichterbuch. Yebensbilder aus der deutſchen Yitteratur:
geichichte. Yeinzig, Zvamer. 6 M'
hönbab A. E., ber Leſen und Bildung. Umschau und Ratſchläge. 5. ftarf
enveiterte Auflage i7. bis 9. Tauſend. Graz, Leuſchner & Yubensiy. 3 M.
Tas schöne Buch, das in weiten Kreiſen ichon jo vielen Zegen geftiftet bat,
liegt im Fünfter Stark erweiterter Auflage vor. Neu eingefügt ift als Kapitel 4
ein lichtvoller begeiſterter Eſſan „Ralph Waldo Emerion und jein Kreis“, aus
weitläufigen Vorarbeiten des Verfaſſers zu einer Geſchichte der amerikaniſchen
Yırteratur des 19. Jahrhunderts hervorgegangen, zu denen er, wie ſeine Freunde
hoffen, eines Tages mut neuer vuſt und Kraft wieder zurückiebren wird. Die
übrigen Abſchnitte ſind, Soweit es anging, bis zur Gegenwart berauf fortgeführt,
dem fünften: „Die neue dentiche Tichtung“ iſt eine gerecht abwägende Vetrachtung
über Roſegger hinzugefügt worden. Tie Bücherliſten find durchgeſehen und er—
gänzt, die Zuſammenſtellung aus der modernen franzöſiſchen Litteratur zum Zeile
unter der Mithilfe N. Bettelheims. Wir wünſchen dem Buch immer neue danl:
bare Leſer und ſehen dem Erſcheinen des zehnten Tauſends in nicht ferner Zeit
mit Sicherheit entgegen.
vgre Carlo, Sazazi eritiei de Letterature atraniere. Floreuz, Ye Monnier. 3 L.
Aus dem Inhalt: Goethe e 7 „Amleto”. — Tasso nel pensiero del
Goethe e nella Storia. — Goethe e „Le baruffe chiozzotte”.
Ehrlologtiche Ztudien. Feſigabe für Eduard Zievers zum 1. Cftober 1896.
Halle a. Z. Niemeyer 1806. 10 M.
Aus dem Anbalt: Naritın G. E, yauftitudien. 1. Tas Vorſpiel auf dem
Theater. 2. Vemerkungen zu einzelnen Ztellen, Bero 67-74: 1935 447 — 453;
1742— 3: 1744--7; Raralwomenon 54; Vers 5441. — Yebmann N, Die Wid—⸗
mung von Georg Forſters „Antichten von Niederrhein“. — Ztidelberger H.,
Tee Tenmmutva in der Berner Wundart. -- Zcheiner W, Tie jicbenbürgi-
iche Rofalfürzung. -- Wittſtock O., Über den Zchwerttanz der Ztebenbürger
Zuchien. — Hohnenberger N., Zu den Flurnamen. — Kehrbach K., Teutiche
Sprache und Litteratur am Philanthropin zu Deſſau 1775 - 1793). —
Meier John, Eine populäre Synonymil des 16. Jahrhunderts.
47)
(v
(v
1897. [223
t des dei fademijchen Pi ins in .
BE ei Mr a 5
As dem Antalt: Huber A, Friedrich Schlegels mei
a er
Gefchichte der Wiſſenſchaften. Gelehrtengeſchichte.
Billroth Th, Briefe. 3. Auflage. Hannover, Hahn 12 M.
Stölzle R., Karl Ernſt von — und feine
BEAT TEN kei Bm nal
eiger ontad Celtis in fei
— ae Herausgegeben von S. u
(dermanın.
Kohlſchütter B,, Ernft —— Chlad
ug wiffenfcpaftlicher * u
Fa Folge, 261 und
Sir Joſeph Erome, Pebenserinnerungen
Kunitforichers 1825— 1860. 1
Eingeleitet von M, Jordan. m zen Bere dene *
Baer K. E von, Lebensgeſchichte Guviers, en.
Braunfchrveig, Bierve,
Cohn Hermann, Dreikig Jahre und
Yan Breslau, Re Fan E
Sarnap Ana, geborene e
Leben und Wirken. Bon ie Lac Best Brei.
Seine M., Morik Wilhelm Drobij, B
— an 2
Erinnerun⸗ I 1b. en
En, Sr Frauenbild. — te
Erinnerung an
zu Yaufifchfen (Oftpreußen), geftorben als
verfität Kiel am 22. März 1895
Dierauer , Ernft Öößinger.
Verein in St. Gallen.
ges mn Br sen zrie
Caetani, ee Sue Cactan
von Gregorovius au Gräfin Caetani-
und erläutert.) (1866—1891.) — V.
und Piyche von Erfilia Caetani Fopatı
⸗
26 Bibliographie. 2. Bücher.
Schmidt F., Feſiſchrift zur Feier der Enthüllung des Nationaldentmals der
Brüder Grimm in ihrer Baterftadt Hanau am 18. Oftober 1896. Anhalt:
I. Yeben und Wirken der Brüder Grimm. II. Seichichte des Denkmals. II. Rotizen
über das Denkmal und den Schöpfer desjelben. Im NAuftrage des Komitees ver-
faßt. Hanau, Trud von Lechleder & Stroh.
Schell H. und N. Ehrhard, Gedenk-Blätter zu Ehren des hochw. geiftlichen
Rates Tr. Joſeph Srimm, weil. Profeſſor der neuteftamentlichen Exegeſe an
der Univerfität Würzburg. Zum 1. Jahrestag feines Todes gewidmet. Würzburg,
(Höbel. 1.20 M.
Auguft Hagen, Eine ebächtnisicheift zu feinem 100. Geburtstage 12. IV. 1897.
Berlin, Mittler & Sohn. 4.50 MM.
Yoojer H., Entwicklung und Syſtem der politiichen Anfchauungen Karl Ludwig
von Halters. Differtation. Bern 1896.
Haie K. von, Erinnerungen an Italien in Briefen an die künftige Geliebte. 3. Ab-
drud. Yeipzig, Breitfopf & Härtel. 4 M.
du Bois-Reymond E, Gedächtnisrede auf Hermann von Helmholtz. Berlin.
Hausrath N., Karl Holiten, orte der Erinnerung. Heidelberg, Petters. 50 Pf.
Graf J. H., Racob Steiner ımd Yudwig Schläfli, Briefwechſel. Feſtgabe der
Berniſchen Naturforſchenden Geſellſchaft anläßlich der Feier des 150jährigen
Beſtehens der lesteren, Auguſt 1896. Yern, Wyß 1896. 2.60 M.
Stenzel K. G. W., Guſtav Adolf Haͤraud Stenzels Leben. Mit Porträt.
Gotha, Perthes. 9 M.
Inhalt: Eltern. Jugendiahre 1792— 1810. Univerſitätsiahre 1810—1813.
Jugendfreunde. Feldzug 1813. Leipzig 1814—1817. Berlin 1817 — 1320. Breslau
1820—1827. — Wiſſenſchaftliche Arbeiten. — Vorleſungen an der
Univerſität. Wiſſenſchaftliche Rrüfungskommiſſion. Häusliches Leben 1828 —
1845. Germaniſtentage. weite Verheiratung. Nationalverſammlung zu Frankfurt
am Main. Erfurter Reichstag. zweite Kammer in Berlin. Yeßte Lebenszeit. —
Beilagen. A. Stenzels Schriften nach dem Inhalt geordnet. B. Seine wichti⸗
geren Schriften nach der Zeitfolge. G. Briefe an Stenzel von Fr. vd. Raumer
(115. Januar 18519 und Ar. Chr. Schloſſer 6 Hriefe 1828— 1850).
Yampe &., Narl Weierſtraß. Hedächtnisrede. Leipzig, J. A. Yarth. 60 Bf.
Yınz, EC. Toter Johann Weyer, ein rbeiniicher Arzt, der erfte Yelümpfer des
Hexenwahns. Em Beitrag zur Geichichte der Aufllärung und der Heilkunde.
2. Auflage. Dit dem BRildniſſe Johann Weyers. Berlin, Hirichwald. 3.60 M.
Yiſtoriographie. Politifhe und Aulturgeſchichte.
Finke H., Henetiiche und klerikale Geſchichtsauffaſſung. Kine Antwort an Profeffor
Tr. Karl Yampredit. Plüniter, Hegensberg. Ko Pf.
vamprecht K., Alte und neue Richtungen in der Geſchichtswiſſenſchaft. 1. Über
geichichtliche Auffaifung und geichichtliche Metbode. II. Rankes Ideenlehre und
die Sungrantianer, Aerlin, Saertner 1896. 1.50.
Yorenz Üttomar, Tie matertaliftiiche Geſchichtsauffaſſung, zum erſten Male ſyſte⸗
matiich dargeitellt und kritiſch beleuchtet. Leipzig, Ruchhandlung des Evangeliſchen
Aundeg von C. Yraun. 1.50 WM.
Bibliothel deutiher Geſchichte .. . .. Herausgegeben von H. v. 3wiedinechk
Ziüdenborft. Yirferung 107--111. Stuttgart, Cotta. a 1M.
Inbalt: Heigel 8. Th., Teutiche Seichichte vom Tode Friedrichs des
Groſten bis zur Auflöſung des alten Heads. V. — ZJwiedinet-ZUüdenborft H.,
Deutſche Beichichte von der Auflöfung des alten bis zur Gründung des neuen
Reiches. IN— VI.
1897. 627
Günther R., Deutiche Autturefige (Sammlung Göjhen. 56. Bändden).
Leipzig, Göichen. 80 Bf.
Heigel &. Th., Geſchichtliche Bilder und Skizzen. Münden, 3. 5. Yehmam. 6 DM.
Inhalt: Hippolyte Taine. — Der geweihte Degen des Marſchalls Daun.
— Ein osmanifcher Abenteurer am Aurpfälzifchen Hofe. — Die beutfche Bolitit
währenb des Krimtrieges. — Zur Charakteriftit Kaijer Veopolds I — deut ·
ſcher Bericht Über den Hof Peter des Großen. — Die Eheſcheidung Napoleons I,
und Joſephinens. — Die Wittelsbachiſche Hausunion von 1724. — Ardivweien
und Geſchichtsforſchung. — Der augebliche Mannheimer Berrat von 1791. —
Erinnerungen eines alten Soldaten aus den zügen von 1809—1815. — Die
franzöfiiche Revolution und die bildende Kun as Grabmal Kaifer Ludwigs
des Bayern in der Minchener Frauentirche. ie Bavaria auf der Hofgarten-
zetunbe zu Münden. — Der Grabitein des Orlando Laffe. — Ein Reid —
ein Redıt.
Aus dem reihen und bunten Inhalt diejes anregend geſchriebenen Buches
feſſeln uns Yitterarbiftorifer vor allem die (mehr veferierende als kritifierende)
Rede auf Taine und der an Löhers und anderer Borſchlage anfnüpfende Efjay
über Archivweſen und Gejchichtsforichung. Fur die möglichfte Freiheit in der
Benutzung der Archive uns einzujeßen, haben mir alle ürſoche. Die Geſchichte
des geiftigen Yebens, der Journaliſtit, insbejondere der Cenjur lann ohne grind-
tie und ſyſtematiſche Durchforihung der Ardhive nicht gejchrieben werden. Und
zwar witrden wir umfaſſender Publifationen bedixfen, wie die ——
und hiſtoriſchen Kommiſſionen ſie für politiſche, fozialpolitiiche, firchengejdhichtliche
Zwede aller Orten mit großem Aufwand won och , Zeit und Mihe veranftalten.
Diefe Einſicht ſcheint noch nicht Überall au maßgebender Stelle durchgedrungen zu
fein. Unfere neu entflandenen Sitteraturarchive baben uns außerordentliche Förderung
gebracht aber ohne die Zuhilfenahme der großen ftaatlihen Archive genigen | fe
unferen Anforderungen nicht. Ich habe Gelegenheit gehabt, in die reiche Ausbeute,
die eine mehr als dezennienlange Durchforſch aller in Betracht fommenden
Wiener Archive für die Fitteraturgejchichte zu Tage gefördert, hat, Einblid zu
nchmen und id) fann nur wiinjchen, daß diejes michtige Material nicht verzettelt
und and) nicht bloß in verarbeiteter Form uns vorgelegt werde, ſondern daß ein
groß angelegtes Megeftenwerf dieſe Schäbe in ungeninzter Geftalt, wenn aud)
in woblüberlsgter Auswahl und Anordrung, allgemeiw zugänglich made Fiir
ſolche Zwecke müßten aber bie Grenzen viel weiter gesogen werden, als fie die
Yeitungen der Archive der politijchen und befonders der Techts- und vermögens-
geſchichtlichen Forihung im faatlichen Jutereſſe abzufteden gezwungen find und
in diefem Sinne jähe ic) ‚Heigels verftändige und Mare Siscnaner ungen bei
gebotener Gelegenheit gerne erweitert umd ergänzt.
Hölicher &., Die öffentliche Meimung in Deutfcyland über den Fall Strap —
während dir Jahre 1681—1684. Nach Drucwerfen und ——— der i. Hof-
und Staarsbibliothet zu München. München, Kaifer 1896, 3.60 M.
Forenz DO, Staatsmänner und Geidhichtidveiber des 19. Jahrhunderts. Aus
gewählte Bilder. Berlin, Beier. 6 M.
Aus dem Inhalt: I. Furſt Metternich, Bon 1. 1. Beim en
icpeinen von Metternich nachgelaffenen Bapieren. 2, Eigene Aufzeichmmgen
Berfuche, 3. Sturz und Nubeftand. 4. Mettemid, Bismard und weten,
Metternich und Gent. — IL Aus der Öfterreichifchen Mevı
di. Friedrich Wilhelm IV. 1. Neue Beurteiler 1884. — Br
hefms IV. gefunden und franfen Tagen. 3. Der General-Adjutant Yeopold von
Serlad). — IV. Sachſiſche Erinnerungen. 1. Freiherr no Briefen rat
Veuft und Graf Pigthum. 2, Nee Di feiten von Graf Blgtbum.
3. Zur Erinnerung an Graf K. 5. Litsthum von ', geftorben 1895, —
V. Ein Lebenslauf von Julius Fröbel, — VI 6 1. 1. Kaiſer
528 Bibliographie. 2. Bücher.
Wilhelms cerite Yiebe. 2. König Yudwig 1. von Baiern. 5. Eine fürftliche
Stammmutter «Herzogin Augufte von Coburg, geborene Prinzeſſin von Reuß
Ebersdorffi. 6. Herzog Ernit I. von Sachſen-Coburg-Gotha, geitorben
1893. 7. Guſtav Freytags politiiche Thätigkeit.
Ausgewählte Zeibftbiographien aus dem 15. bi8 18. Rahrhundert. Heraus:
gegeben von Chriftian Mener. Yeipzig, J. J. Weber. 5 M.
Inhalt: I. Die Zeibftbiographie des Burkhart Zink (Chroniken der deutfchen
Zrädte. Band 5. 1865. — II. Chronik der Familie Türer Campes „Reliquien“
Nürnberg 1828). — III. Aus der Zeibitbiograpbie von Thomas und Felix
Platter (Fechters Ausgabe 18401. — IV. Aus der Zelbjtbiographie des Yartbo-
lomäus Saſtrow ı Mohnifes Ausgabe 1823 24. — V. Aus der Zelbitbiograpbie
des Yulas Geizkofler Ausgabe von A. Molf 18731. — VI. Aus der Zeilbft-
biographie des Eliag Holl ıChr. Meyers Ausgabe 18731. — VIE Aus dem
Yebenggang eines evangelischen Weiftlichen und Gelehrten im 17. und 18. Jahr
hundert ı Johann vudwig Hockers Zelbitbiograpbie, Meyers Zeitichrift für deutſche
Nulturgeichichte. Neue Folge. Band 3. 1893.
Dieſe geichiett getroffene Ausivabl aus deutichen Zelbitbiograpbien, die einen
rein populären Zweck verfolgt, ift, wie die Borrede angiebt, nach einem doppelten
Keichtspunft getroifen worden: nach einem zeitiichen und einen örtlichen. „Der
Jeit nach umfaßt die Sammlung das 15. bis 18. Jabrhundert, der Örtlichtei
ach, der die einzelnen Autoren angebören, find fait alle Yandichaften .... von
der Oſtſee im Norden bis in dag Schweizer Hochland im Süden vertreten. Da—
neben kommen auch noch die verichiedeniten Berufsſtände yum orte: der Kauf
mann, der Küuſtler, dev Gelehrte, Dev mitten im vpraftiichen Leben jtebende und
wirkende qereifte Bürger wie der junge, wandernde und ſich bildende Schiller.”
Kurze Einleitungen vor jedem Ztüd Hären den Yeler über alles Wiſſenswerte
auf. Gegen eine Lenie Moderniſierung der Texte wırd man nut Rückſicht auf den
we des Buches nichts einzuwenden haben. Wohl aber fteigt angeſichts dieſer
Auswahl der Wunſch in mir auf, es möchte ſich ein thatkräftiger Verleger finden,
der die bekannten deutichen Selbſtbiographien, durch ungedrudte vermehrt, in
einer einheitlichen Sammlung ungekürzt und unverändert vereinigen möchte. Ich
babe einen Plan dazu, den er ohne weitere Hilfe eines Herausgebers hätte durch
fiihren können, einmal einem deutichen Verleger unterbreitet, aber feinen Anklaug
damit gefunden. Vielleicht it ein anderer Fachgenoſſe in der Yage, die Anregung
zur Turchführung zu bringen. A. 8.
Richter P. E., Bibliotleea geographieca Grermaniae. Litteratur der Landes und
Voltskunde des Deutichen Reichs. Lepzig, Engelmann 22 M.
Treitſchle H. von, Hiſtoriſche und politiiche Aufſäbe. 4. ı Schluß» Yand. Riogra
phiiche und hiſtoriche Abhandlungen, vornehmlich aus der neueren deutichen
Geſchichte. Veipzig, Hirzel. 8 WM.
Aus dem Inhalt: Gottfried Keller. — Kaiſer Franz und Rotteck. —
Stein. — Kanzleiſtil auns den Rapoleontichen Tagen. -- A. L. von Rochaun.
Samuel Rufendorf. -— Pufendorfiana. — Kneſebeck und Schön. —
Aus den Papieren des Staatsminiſters von Mo. — Erinnerung an Alphons
Oppenheim. Vuther und die deutſche Nation. — Way Duncker. — Adreſſe
an Guſtav Freytag zum 30. Juni 1888. — Die Aufgabe des Geichichts-
ichrribers.
—
Treitſchle H. von, Tentiche Kämpfe. Neue Folge. Schriften zur Tagespolitik
vewzig, Hirzel. 6 Mi.
Aus dem Inhalt: Die Univerſitäten und die Preſſe 13321. — Einige Re⸗
merfungen über unſer Gumnaſialweſen 18831. — Die königliche Bibliothek in
Verlin 118849. — Die Zukunft des deutichen Gmunaſiums 118901. — Der Ent
wurf des Preußiſchen Bollsſchulgeſebes 118921.
1897. 629
volitiſche Korrefpondenz Karl Friedrichs von Baden 1783—1808. Her-
ausgegeben von der badijchen hiſtoriſchen Kommiſſion, bearbeitet von B.
mannsdörffer und K. Objer. 4. Band (1801—1804). Wearbeitet von K. Ober.
Heideiberg, Winter 1896. 20 M.
Briefe und Aften zum Geſchichte des 16. Jahrhunderts mit befonderer Ridfidit
auf Bayerns Füirjtenhaus. 4. Band. Herausgegeben durch die hiftoriiche Kom-
miffton bei der Fönigl. Aademie der Wiffenichaften. München, Nieger 1896.
20 M.
Inhalt: Beiträge zur Meichsgefchichte 1553—1555 von U. v. Druffel,
ergänzt und bearbeitet von 8. Brandi.
Neudegger M. J. Geſchichte der bayeriſchen umd Pfalz-bayeriſchen Archive
der. —— V. Das herzogliche — zu Zweybrucken mie feinen N
archiven Veldenz, Sponheim und Nappoltftein. München, Adermanım. 3.50 DM.
Niezler S., Gedichte der Herenprozeffe in Bayern. Im Lichte der allge-
meinen Entwidlung dargeftellt. Stuttgart, Cotta. 6 M.
Inventare hanſiſcher Archive des chrhunderts. Herai jeben vom
Zen für hanfische Geſchichte. Band ipzig, Dunder Ester 1896.
22 Mm.
Inhalt: Kölner Inventare. 1. Band. 1631—1571. Bearbeitet von R. Höbl-
baum unter irfung don % euſſen. Mit einem Akten-Anhang. y
Grebe ER, Der heſſiſche BVoltscharakter im Lichte der Vergangenheit und
Gegenwart. Vortrag. Melfungen, Hopf. 30 Bf.
Adermann K., Bibliotheca hassiaca. Nepertorium der Tandesfundfichen Yitte-
ratur für den preußiichen Meg-Bez. Kaffel, das ehemalige Kurfürftentum Heſſen
7. Nachtrag. Sclbftverlag 1896. 40 Bf.
Niemann F ®., Gefehichte des Jederlands. 1. Band. Jever, Mettder &
Söhne. 7 M.
Riemann % ®., Pie chronica Jeuerensis. Geſchreuen tho Varel dorch Eilerdt
Springer Anrıo 1592. Programm. Fever 1896.
Bocihau M, Die livländifhe Gefchichtslitteratur im Jahre 1895. Niga,
Kummel 1896. 1 M.
Beidtel I, Gefhichte der Öfterreihifmen Stantsvermaltung 1740-1848. Mit
einer Biographie desfelben aus feinem Nachlaffe herausgegeben von A. Huber,
1. Band (1740-1792). Innsbrud, Wagner, 4 fl.
Politiſche Korrefpondenz Friebrics des Großen. Band 23. Berlin,
Dunder_ 14 M. ars Be —
Linz F, Friedrich der Große und Voltaire Sammlung gemeinverftäi
wifjenichaftficher Vorträge, herausgegeben von N. Birdom und W. Wattenbadh.
Neue Folge. 263. Heft). Hamburg, Verfagsanfatt und Drudei. 60 Pf.
Die Geſchichte der perjönlichen — beider Männer wird an der
Hand des Brieftwechfels und der jonfligen Lanbläufigen Cuuellen — Eine
Darftellung des inneren Einfluffes Voltaires auf den König und feine Schrift“
ftellerei verntißgt man. 5 — —
Gejhichtsquwellen der Provinz Sadıfen Heraus-
gegeben von der biftorifdhen Ener ber. Provinz, fen. Hendel.
Band 28. Hertel G., Urtundenbuch der Stabt Magdeburg, 3. Band
(1465— 1513). 12 M.
Band 35. Neiche R, Die Chronit Cammermeifters, 4 M.
DObert F., Sähfifche Yebensbilder, Mit dem e rang Gebbels. Wien,
Graefer. 2,50 M. gi =
Inhalt: Im Weinland — allmann —
Herruhuterei im Sachjenland LEN — nie ieren
(1865/66). — Zur Erntegeit (1893), — Johann Friedrid) Geltjd) (i
630 Bibliographie. 2. Bücher.
Tie Magranten (1858). — Thereſe Jileli (1894). — Zur Einmweibung des Franz
Gebbei- Denkmals (1880). — Traugott Teutich 11891).
Hundert Jahre ſächſiſcher Kämpfe Zehn Vorträge aus der Geſchichte der
Ziebenbürger Zadjfen im legten Jahrhundert. Hermannjtadt, Nrafft 1896.
3 M.
Inhalt: Schuller Fr., Die Reaktion gegen die Joſefiniſchen Reformen und
die Regulation 1790—1805. — Teutih Fr., Ztille Jahre 1805—1830. —
Schuler A., Neues Yeben 18301848. — Wittftod O., Tas litterarifche Yeben
der vierziger Tabre. — Schiller W., Tie Revolution von 1848 49. — Teutſch
Fr., Die Zahlen im Jabre 1R48 49. — Briebrecher R., Unter dem Abjolutis-
mus 1850 — 1860. — Bruckner W., Die volttiiche Entividelung von 1860— 1876.
— Schullerus A., Unjere geiſtige Entvidelung fett den 50er Jahren. — Teutſch
Fr., Um und Borichan.
Zah A., Tas Herzogtum Schleswig in feiner etbnograpbtichen und nationalen
Entwidlung. 1. Abteilung. Sale, Buchhandlung des Waiſenhauſes 1896.
2.80 M.
Frölich W., Geſchichte Schleswig Holſteins von der älteften Zeit bis zum
Wiener Frieden. Flensburg, Huwald. 2 M.
Janſen K., Schleswig Holſteins Befreiung. Herausgegeben aus den Nachlaß
und ergänzt von N. Samwer. Mit einem Bilde des Herzogs Friedrich von
Schleswig Dolftein und zahlreichen Urklunden. Wiesbaden, Bergmann. 9 M.
Bibliographie der ſchweizeriſchen Yandesfiunde. Unter Mitwirkung der hoben
Aundesbebörden, eidgenöſſiſcher und kantonaler Aıntsitellen und zahlreicher &e
lehrter herausgegeben von der Centraltommiſſion für ſchweizeriſche Yandesktunde.
Fascikel Ib und Ild. Wern, Wyß.
Ib. Yranditetter J. Y., Bibliographie der Sejellichaftsichriften, Zeitungen
und Nalender in der Schweiz. 3.
Id. Generalregiſter, Ergänzungen nnd Nachträge zu den ‚gascileln Il a—e,
entbaltend Yandesvermeitung, Nataloge der Kartenſammlungen, Marten, Pläne,
Reliefs und Panoramen. Herausgegeben vom cidgendifiichen topograpbifchen
Bureau «Chef: Oberſt J. J. Yohmanm. Red. von J. H. Graf. 3.
Zahn J. v., Styriaca. Gedrucktes und Ungedrudtes zur ſteiermärkiſchen Ge—
ſchichte und Kulturgeſchichte Neue Folge. Graz, Moſer 1896. 3.60 M.
Daraus für uns hervorzuheben: „Vuchdructernöthe“ zWiener Jeitung 1894,
36-4415 Martin Zeiller aus Ranten (Montags Revue 1895, 24- 26).
Müller Guttenbrunn A, JTentiche Kulturbilder aus Ungarn. 1. und 2. Auf
lage. Veipzig, 8. 9. Bieper 1396. 3 M.
Inhalt: Borwort. -— Tie Teutichen und dag Temeſcher Banat. — Deut
ſches Torfleben um Banat: 1. Ter Schnitt. 2. Die „Kirchweih“. 3. Die Zpinn-
reih'. 4. Weihnacht, Neuſahr und Treitömg. 5. Tie „große“ Hochzeit. -—- Geſtalten
und Erinnerungen: 1 In dev Torfichue. 2. Unsere Fraala. 3. Tie Macht der
Heimat. &. Im Geburtsorte Lenaus. -- Tie Nachbar der Teutichen: 1. Die
Walachen um Banat 2. Tie Zerben ım Manat.
Württembergiſche Geſchichtsguetlen. SDeransgegeben von T. Schäfer.
3. Band. Zruttgart, Kohlhammer. 6.
Inhalt: Urkundenbuch dev Stadt Rottweil. 1. Band. Wearbeitet von
9 Sitten 6.
Grohmann D., yeitichriit zur 4mogäbrıgen Aubelfeter der Ztadt Annaberg.
1406-1506. Im Auftrage des Stadtrats birausgegeben. Annaberg 1896. 2 M.
Die Chroniken der ichwäbiſchen Städte. Augsburg. 5. Yand ıdıe Chro
niten dev deutichen Ztädte vom 14. bis 16 Jahrhundert Herausgegeben durch
die hiſtoriſche Kommüſion ber der königl. Alademie der Wiſſenſchaften. 25. Rand
Leipzig, Hirzel. 14 3.
1897. 631
Urkundenbuc, der Stadt Auffig bis zum Jahre 1626. — von W. Hieke.
Bollendet von A. Horeicka. (Herausgegeben vom Verein fr Gejdhichte der Deut-
hen in Böhmen.) Prag, Dominicus 1896. 2 M
Pufahl Katharina, Berliner Patrioten während der Franzoſenzeit von 1806
bis 1808. Programm. Berlin, Gärtner 1896. 1 M.
ZTrautenberger &., Die Chronik der Landeshauptftabt Brünn. Im Verein mit
mehreren Gejdhichtsfreunden zufammengeftellt. IV. Band. (Bom Beginn des 18.
Jahrhunderts bis zur Auflöfung des vömtjchen Neihs deutjcher Nation.) Briinn,
Verein „Deutiches Haus“.
Grupe €, Aus Bucdsweilers Geſchichte zu Ende des vorigen Jahrhunderts. }
1788— 1795. Programm. Bucjsweiler 1896. 1
Auermann G., Beitrag zur Geſchichte Erfurts zur Zeit ber Furſtenrebolution )
(Sch Briefe des Lazarus Freiheren von Schwendi.) Programm. Erfurt 1896.
Lucas 9, Erfurt in den Tagen vom 27, September bis zum 14. Oftober 1808.
Ein Beitrag zur Geſchichte der Erfurter Fürftenderfammkung. Brogranım. Mheine
1896.
Dieß A, Frankfurter Bürgerbuch, Gejchichtliche Mitteilungen über 600 be
Tonne re amiten Su8 der-dei ae Frankfurt a. M., Ofterrieib.
8
Gurnit X., Die Urtunden des Stadt-Archios zu Frankfurt a. d. OD. IL (1377—
1512). Programm. Frankfurt a. d. D,
Jung R., Das hifterijge Archiv der Stadt Frankfurt am Main, feine Be-
ände und jeine Gejdjichte. Herausgegeben von dem Verein EB — und
Altertumstunde zu Frankfurt am Main. Frankfurt a. M, Bölder. 4 M.
NReiffenftein €. Tb, Frankfurt am Main, die freie Stadt, in Bauwerken
und Straßenbildern. Nad) des Künftlers Aquarellen und Peichnungen aus dem
Make itorifcen Mufeum und aus Privatbefig. 3. Heft: Frantfurt a. M.,
fügel. 12 M
Ziegler J. Geſchichte der Stadt Greifswald, Greifswald, J. Abel 6 M.
Vod A, Aus einer Heinen Univerfitätsftabt. Kulturgeſchichtliche Bilder L Gießen, |
€. Roth. 1,50 M. 7 |
Aus dem Inhalt: Goethe und Profeffor Hoepfmer in Gießen. Klinger
auf der Univerfität. Börne als Gichener Student. Goethe und Profefjor Wil-
brand. Fichte, Schleiermacher md Profefjor Schmidt in Gießen. Karl
Vogt im Jahre 1848. r - ne
Ein liebenswürdiger und wohlunterrichteter Lolalforſcher teilt uns hier die
vorläufigen Ergebniffe jeiner Bemühungen mit. Am bes eerteſten find bie
Auffäße über Öoethe, befonders. der bisher ungedrudte Brief von ‘Profefjor Wil-
brand an Goethe über die Farbenlehre und die Briefe von Fichte und Schleier-
macher an den ausgezeichneten Giepener Theologieprofeffor Johan Exnft —
ſtian Schmidt, deſſen Berufung an die geugegründete Berliner Univerfitüt I
nicht gelang. Wir jehen der Fortfeßung biejer Stubien mit Freuden entgegen.
Hartenfee H., Beiträge zur Geſchichte der Emigranten in Hanıburg. I. Das |
franzöfijche Theater. Progranım. Hamburg. 240 WM, |
Henning Brandis’ Diarium. Hildesbeimifde Gef, — aus den Jahren
1471-1528, herausgegeben von %, Harnjelmanı. heim, Gerjtenberg.
13.50 Mi
Zuellen zur Geidhichte der Stadt Hof. Neue Folge, Herausgegeben von Chr
h Diener. Dof Yion 1896, 11 M ( " ja haft
Reuter Ch., Das Kieler Erbebud) (HA1T—1604). je der Gefelli
für Kicler Stadtgejchichte bearbeitet und heran F il Gran. Em.
Yaible I, Geidichte der Stadt Konftany und j. Kom
ftanz, €. Adermam. 4 M.
652 Aibliographie. 2. Bücher.
Ruppert Ph., Konftanzer geichichtliche Beiträge. Heft 4. Konſtanz, Zelbftverlag
18095.
Aus dem Inhalt: Tie erite ſtädtiſche Vollsſchule in Konftanz (Städtiſche
Schulordnung von 1540). — Konjtanzer Biographieen. Tr. Utrich Molitorig
geitorben 1508). — Konſtanz vor hundert Jahren. — Nonjtanzer Nulturflizzen.
— Ritter Sebaſtian Zchärtlin von Yurtenbach. — Nadıträge zur Konftanzer
(#lasmalerei und Malerei. — Nonftanzer Baumeiſter und Bildhauer. 1. Pic
Zteinmege. — Ein Brief aus ichliimmer yeit. 30. Zeptember 1689.
nunbardt Wwe., rau Paſtorin J., geborene Ape-Yallement, Vübecks Vorſtädte
vor ſiebenzig Jahren. Erinnerungen einer alten Frau. Lübeck, Yübde & Hart:
mann. 50 Pf.
Volt C. L., Alt Mainzer Erinnerimgen. Bilder aus dem Mainzer VYeben um die
Mitte unjeres Jahrhunderts. Illuſtriert von C. Kiſſel. Mainz, Wilckens. 1.50 M.
Rerthen E& und H. R. Nreibid, Der Hutberg bei Mertendorf und deſſen
Umgebung. Touriſtiſches, Geſchichtliches und Heiteres aus dem Hutberggebiete.
Mertendorf 1896. Verlag der Vereinigung der Naturfreunde in Mertendorf.
Aus dem Inhalt: Mertendorf und deſſen kulturelle Verhältniſſe von einſt
und jeßt. — Zur Entwicklung des lokalen Schulweſens. — Zur Geſchichte
der Gemeinde Mertendorf. Nach den Aufzeichnungen des Herrn Profeſſors A.
Raudler. — Der Hahn Hön und das „Gärtlein der weißen Frau“.
Müller Rudolf, Reichenberger Yeben und Weben vor ſiebzig Jahren iSamm—
lung gemeinnütziger Vorträge. Herausgegeben vom TDeutſchen Vereine zur Ver:
breitung gemenmigiger Kenntniſſe in Krag. Nr. 2141 -2161. Prag, Härpfer
1896. 30 fr.
Inhalt: I. Tas Tuchmachergewerbe. Familienleben und Familienfeſte. —
II. Bolfstünmiche Bräuche an den kirchlichen Feſttagen.
Hanſen G. von, Natalog des NHepaler Stadtarchws. Neval, Nluge 5 M.
Rheidter Chronik. Geichichte der Derrichaft und Stadt Rhend. 2. Band. Rheydt,
vangewieſche. 150 8.
Inhalt: Strauß 38, Geſchichte der Stadt Rheydt.
Zt. Galliſche Gemeinde Archive. Herausgegeben vom hiſtoriichen Verein des
Kantons Zt. Gallen. Zt. Gallen, Fehr. DM.
Inhalt: Göldi X, Der Hof Bermang.
Yorenten Tb., Aus Zchleufingens Vergangenheit, vornehmlich im 17. Jahr:
bundert. Schleuſingen, Adler 00 Pf.
Hernekamp R. Siegburgs WVergangenbeit und Gegenwart. Ziegburg, Tiepgen.
58
Zpielmann (., Geſchichte der Ztadt umd Herrichaft Weilburg von den älteſten
Jeiten bis zur Gegenwart. Weilburg, Dieſterweg 1896. 3 MW.
Habernal WM, Unier Wien in alter und neuer eit. Topographiſch hiftorifches
— Die 31 Abbildungen und 2 Plänen. Wien, Freiburg i. B., Herder.
2.50 MM. "
Zergiebel &, Chronik von Zeir und den Törfern des Zeitzer Nreiies, nach Ur:
kunden und Alten aus den Jahren 968 Dia 1805 herausgegeben. 3 Bünde. eig,
Ronneburger 1896. 9 M.
Gundlach T., Bibliothera familiarum nobilium. Revertorium gedrudter Fami—-
engeichichten und Familiennachrichten. 3. Auflage. Neuſtrelis, Barnewitz.
28.50 M.
Feilivſch H. E. F. von, Zur Familiengeſchichte des deutichen inſonderheit bes
Meißniſchen Adels von 1570 bis circa 1820. Nirchenbuchanszüge der ganzen
Ephorie Großenhain, ſowie der Orte Annaburg, Boris, Caniß 2c. (Großenhain,
H. Starke. 12 M.
Schön Tb., Weichichte und Stammreihe des Reutluinger Bürgergeſchlechts Kurt.
AS Rentlinger Geſchichtsblätter. Stuttgart, Lindemann. 4 WM.
1897, 633
Müllenheim von Rech berg Freiherr H. von, Familienbuch der Freiherren von
Mültenheim-Nehberg. Straßburg, Heit. 25 M.
von Alefeldt D, Memoiren aus den Fahren 1617—1659, nad) der Originalhand-
Schrift um Hafeldorfer Archiv herausgegeben von L. Bobe. Kopenhagen, Höft 1896.
4 kr. 50 0.
Behrend R., Aus dem — meines Vaters Theodor Behrend in Danzig.
Königsberg, Bon. 1896. 2 DM.
Aus dem Leben Theodor von Bernhardis, 6. Teil; Aus den lebten Tagen
Fr — Bundes. Tagebuchblatier ans den Jahren 1864—1866. Yeipjig,
irzel. 7 OD.
Bismards Briefe an den General Leopold von Gerlach. Mit Genehmigun
Sr. Durdhlaudht des ürften von Bismard neu herausgegeben von 9. Kohl,
Berlin, Häring. 6 W
Bufh W., Bismard und die politijchen Anjhauungen in Deutichland von 1847
bis 1862. Wademrifce Antrittsrede. Tübingen, Yaupp. 60 Pf.
Poſchinger 9. von, Fürft Bismard umd der Bundesrat, 2, Band. Der Bundes-
rat des Zollvereins (1868—1870) und ber Bundesrat des Deutjchen Reichs
(1871— 1873). Stuttgart, Deutiche Berlagsanftalt. 8 M.
Müller Willibatd, Iot don Engel. Ein Lebensbild. Zugleich; Erinnerungsblatt
an feine Thätigfeit als Stadtverordneter und Birgermeifter der Lönigl, Hauvtftadt
Olmüt. Wien, Graefer 1896. 1.40 M.
Rhult F, Des Pfarrers von Dttingen Wolfgang Gebhardt — von
1 M.
1569 und 1570. Sprachlich erneuert N Graz, „Styria*,
söhler I. €, Traugott von Gersdorffs Meife durd) das Ersgebiege im Jahre
1765. Na) dem dabei geführten Tagebuche bearbeitet. [Aus „Glidauf*.] Schnee
berg, Goedſche. 40 Pf.
Henrici, Lebenserinnerungen eines Schleswig-Holfteiners. Stuttgart, Deutſche
Berlagsanftalt. 3 M.
Khull F., Des Nitters Hans von Hirnheim Reifetagebud) aus dem Jahre 1609
Program. Graz 1896. e
Gebhardt B., Wilhelm von Humboldt als Staatsmann. 1. Band. Bis zum
Ausgang des Prager Kongrefies. Stuttgart, Cotta 1896. 10 M.
IA) habe nicht den Eindrud, dafj durch diefen ftattlichen Band, dem wohl
noch ein gleid) ftarter folgen foll, das Gefamtbild, das wir dom der Berfönfich-
feit und Thätigfeit W. von Humboldts bis jet haben, in irgenb einem Yuge
mobificiert werden fönnte, Die Einleitung, die Über bie Vorbereitung Humboldts
zu einer ſtaatsmanniſchen Wirffamteit und über die hiftorifch-politiihen Schriften
feiner Frühzeit handelt, giebt feinen meuen Gefidytspunft und ift deshalb —
31 Seiten! — meiner Empfindung nad) viel zu breit. Auf 61 Seiten find dann
die römischen Jahre 1802—1808 gefchildert. Auch bier ift das neue Material,
das Gebhardt benugen konnte, nicht darnach, um den Mann vom einer neuen
Seite fnnen fernen zu laffen, biftorifc;e Details zur Gedichte der Beziehungen
des preußischen Staats zur Kurie mögen ja mandje baraus ge; werden, Aut
bedeutendften erſcheint mir das zweite Buch, die Humboldtjche Uni ſtsver⸗
waltung jAhildernd. Auch bier if} der Berfaffer jehr breit (S. 96—368), aber
hier mag ihm auch der Litterarbiftorifer Dan dafür wiffen, da ja nun einmal it
Deutjchland, umd befonders im jener Zeit, Schule umd Litteratur in jo engen
Beziehungen ftehen. Freilich find hier eımige gute Vorarbeiten da: Rönnes umd
Wieſes Vücher über das Höhere Schulweien in Preußen, die Monographie von
Rethwiſch über Zedlig und die Univerfitätsgefchichten won Köpfe, Pruß, Nocpell:
Gebhardt eitiert fie alle. Wie weit er biefen fen gegenüber eine e
unferes Wiffens über die Sache bedeutet, kann ich nicht beurteilen, aber wir er
fahren von allen Detailfragen, mit denen fid; Humboldt befaßt und feine ee
Über eine jede und häufig auch feine Entjcheidungen. Wie gejagt, bas Befamtbil
guphorion IV. 4
634 Bibliographie. 2. Bücher.
feines Weſens, wie es und Haym (in einem QYand!) vorgeführt hat, wird da—
durch nicht alteriert, aber c8 mag hier doch alles von Bert fein. Das dritte
Auch — Humboldt diplomatiſche Thätigleit in Wien und Prag umfaſſend —
berührt uns bier nicht, für die Wiener Gelellichaftsgeichichte fällt wider Erwarten
dabei nichts ab. Übrigens blich hier Gebhardt nad) Häuſſer, der ſchon Humboldts
Wiener Berichte für jeine Deutſche (Hefchichte benugen konnte, und Unden auch
im Politiichen nur eine Nachleje übrig.
Eine überaus fleißige Arbeit, die vieles Aktenmaterial benutt: darüber ift
fein Zweifel. Zu loben iſt auch, daß der Verfaifer feinen Augenblid den Gegen-
ftand jeiner Mrbeit aus den Augen verliert, alles in jenem Buch hat wirklich
Beziehung zu Humboldt. E. Guglia.
Zpielmann C., Karl von Ibell. Yebensbild eines deutichen Staatsmanns.
1780—1834. Mit zahlreichen urtundlichen und brieflihen Beilagen, 1 Stamm:
tafel und 1 Bildniffe in Heliograv. Wiesbaden, Nreidel. 4 M.
Jentſch C. Wandtungen. Yebenserinnerungen. Leipzig, Grunow 1896. 4 M.
Inhalt: 1. Vaterhaus, Familie und Schule. 2. Die erſie religiöſe Krifis.
3. Tag Gymnaſium. Die Überbürdungsfrage. 4. Die Univerſität. Profeſſoren.
Unſtudentiſches. Studentenleben. 5. Tas Alumnat. Familienſachen. 6. In Pfarr
häuſern. 7. Tas Jahr 1870. 8. Ein idylliſches Ruheplätzchen. 9. Die Erkom—
munlation.
Ilwof F., Franz Freiherr von Naldhberg (1807—1890:. Zein Yeben und Wirken
im Ständeweſen der Steiermark und im Dienſte des Staates. Graz, Moſer 1896.
1.80 M.
Kerſchbaumer A., Ein Pilgerleben. Memoiren. Wien, Kirſch. 2.40 M.
Bechmann N. von, Der churbayeriſche Kanzler Alois Freiherr von Kreittmayr.
Feſtirede. München, Franz 1896. 1 M.
Aus den Briefen des Grafen Prokeſch von Oſten, k. u. k. öſterreichiſchen
Botſchafters und Feldzengmeiſters 1449 — 18555. Wien, Gerold 1896. 9 M.
Ringseis Emilie, Erinnerungsblätter. Mit Ergänzungen von Bettina Ringseis.
Freiburg i. B., Herder. 2 M.
Geyer M., Chriſtoph Friedrich Rinck, Hof und Stadwikarius zu Karlsruhe,
Studienreiſe 1783 84, unternommen im Auftrage des Markgrafen Karl Friedrich
von Baden. Nach dem Tagebuch des Verfaſſers herausgegeben. Altenburg, Geibel.
3.60 M.
Zunächjt eine wertvolle Quelle für #eichichte der Prediger und Predigt
jener Zeit, aber auch litterarhiſtoriſch interefiant. In Zürich Iernt Rind während
eines monatlichen Aufentbaltes insbeſondere Yapater genauer Tonnen; Die Aus:
züge, die er aus deſſen handichriftlichem Werl „Einmaleins der menichlidhen
Kenntniſie“ seinem Tagebuch anvertrauen darf, bat der Derausgeber nur zum
kleinſten Zeit abdruden alien. An Weimar bört der unge PBilarıus wiederholt
Herder predigen und beiucht ihn: „von Yavater denkt Herder gut, befonders
wegen feinem warmen Eifer für die Ehre Wortes und das Mlüd der Menfchen,
er freute fich, von mir gute Nachrichten von ibm zu vernebmen,“ ichreibt Rind
zu einer Zeit, da das Freundſchaftsperhältnis der beiden berübinten (Hottee-
gelehrten fich schon getrübt hatte. Liber Serder, fowie über Goethe und ben
Herzog läft ſich Rind von dem Geheinten Kanzliſten Wotb allerlei Klatſch zu-
tragen; er jelbit urteilt über Goethe nach einem kurzen Beſuch bei ihm: „Zein
Anſehen it gar nicht einnehmend, ſeine Miene mehr fein und liftig, al® leutſelig.“
In Yeipzig macht unser Theologe dem Zchauipieldichter Weiße feine Aufiwartung,
den er bezeichnenderweiſe über Goethe Stellt! „Der ine Goethe' fchreibt witzig,
aber ohne Herz: will er gut Schreiben, fo iſte gezwungen, ihm fließt nur Zpott
fiber Religion und Tugend leicht. Ter andere (Weiße nicht weniger mit Wit
und Geiſtes Nraft begabt, und dies veredelt mit dem beften Herzen.“ An Teflau
finder er BRaſedow das eine Mal „ziemlich benebelt“, das andere Mal „tout
1897. 635
befofjen“, das dritte Mal endlich „wirklich nüchtern“. „In meinem Leben fah id)
feine jo fürchterlichen Augenbrauen, als die feinen; wie ein Wald fiber einen
Hohlweg hängen fie über die Augen fürchterlich, herunter. Ir Hamburg fand er
„an Klopftod wirkic, den großen Dann, deifen Name ſchon eine große Fdee
erregt“; doch muß er von deſſen äußerer Erſcheinung befennen: „Er iſt im Haus
ſehr ſchlecht gefleidet, hatte 2 Schlafröde übereinander an, eine weile, ganz
ſchmutzige Müte auf.“ Klopſtock behauptete gegen Rind, feine Meffiade, jomie
feine Lieder und Oden feien populärer als die entjpredhenden Dichtungen des
„guten“ Yavater, umd die Gellertichen Fieder enthiekten mehr bunte Stellen als
feine. — In Weimar hatte Rind nod mit Wieland, Bode und Bertud,
vertehrt, in Berlin machte er mit Nicolai, Nanıler, Mendelsjohn, in Gdt-
fingen mit Michaelis, Feder, Lichtenberg, Meiners und anderen Belannt-
fhalt. Aud) wurden Ebert in Vraunfcweig, Claudius in Wandsbed und
gimmermann im Hannover von ibm aufgefucht. — Der Herzogin Luife von
eimar mußte ex „einiges aus der Schweiz, befonders von Yavater erzählen”.
Die Fürftin von Deffau fagte zu ihm, „Herder jei ein fdöner, aber fein guter
Prediger“; fie las ihm ein großes Stüd von Yavaters Meffiade aus eimem
Manujtripte vor, daS jener ihr bei ihrer Abreife von Zürich, mitgegeben hatte.
Gernsbach (Murgthal). Heinriel Funk.
Obert F., Stevban dudwig Roth. Sein Leben und feine Schriften. 2 Bände,
Bien, Graeſer. J M.
1. Band: Roths Leben. 2. Band: Roths Schriften.
Sam von, Zur Knaben und Füngfingszeit Theodor von Schöns nad) deſſen
japieren. Zufammengeftellt von feinem Sohne. Berlin, Simion. 2 M.
Briefwechſel des Miniſters und Burggrafen von Marienburg Theodor von
Schön mit ©. H. Pertz und J. ©. Droyjen. Herausgegeben von Fran;
Nühl. (Publifation des Bereins für Geſchichte won Oft- und Weftpreufien.
Leipzig, Dunder & Humblot 1896, 5.60 M. 3 <
Unter den 106 Nummern, melde dieje Publikation bris find 55 Briefe
Schöns zumeift aus den Jahren 1840—1855; daneben cine Reihe von Briefen
Perk’ und Droyjens, endlich noch eine Anzahl von anderen Korrefpondenten
berrüührend (Briefe von Schön an Bunjen, Friceius, Graf Kielmansegge, Geh.
Kabinetsrat Müller und Schwint; Briefe an Schön von Bunfen, Friccius
Gersdorfi, Graf Kielmansegge, Müller, von Nordenflycht, Reid, Schubert; vom
Niebuhr an Bunſen; von Dronfen an General von Below und Magnus von
Brührned) und einige andere Stüde, die ih aber alle dem SHauptgegenftande
trefilich angliedern. Man wird dem Herausgeber auftichtigen Dank jagen dlirfen
für die Edition diefer Briefe; er hat und damit micht mur einen interejjanten
Beitrag zur Kenntnis von Schön, Berk umd Droyfen gegeben: es fallen dabei
auch manche Steeiflichter auf die große Zeit von ens Erhebung, über die
ja diefer Briefwechſel vor allem handelt, Berk und Droyjen, mit der Abfafjung
der Biographien über Stein und ort beihäftigt, wandten ſich beide am ben
alten Schön, um von ihm, ber Schulter an Schulter mit jenen Männern ger
tämpft umd geraten hatte, Thatjachen, Auftlärungen, Bi jen Über dieje
wightigfte Periode aus ihrer Thätigfeit zu erhalten. Schön ent F er. Arte
forderung feineswegs. Mit freigebiger Hand eröffnet er den ef die
reihen Schabe jeiner Erinnerung und fdjentt ihnen wertvolles Dateriafe. Aber
er fhhenft es mit beftimmter Abk. Er ift im Laufe feines an ge 1
felbf S. 81: mein ee mein Leben in er — m Mn
ihön) und Enttäufchungen reichen Lebens zu einer ganz be 2)
über Stein und Norf gefommen, einer Auffar die durchaus nicht —
von Berfleinerungsfucht zu Gunſten der eigenen it der ganzen r
feit einer groß angelegten, reichen, äußerjt impulfiven Natur hält er am dem
geiftigen Bilde, das er ſich von ihnen geichaffen, fejt und juct mun die Bio-
41*
636 Bibliographie. 2. Bücher.
graphen in feinem Sinne zu beeinflußen. Erſt vorſichtig, dann immer deutlicher;
am Widerſpruch erſtarkt feine Meinung noch mehr; fein Zorn über die vermeint⸗
liche Überihägung der anderen wächſt (vergleiche die verjchiedenen immer böferen
Urteile über Stein auf Z. 19, 103, 117 oder die boshafte Anderung in der
Tarftellung der Frage, ob Work feine deutſche Abftammung gelannt hatte 3. 120
und 182). Aber weder Perg noch Droyfen laffen fih durch Schön beeinflußen,
da wird der alte Herr unmillig und bricht die Korreipondenz mit beiden ab.
Zein Verbältnis zu Perg war cin kühles, äußerliches geblieben; dafür
hatte er an Droyſen Ichhaftes Gefallen gefunden, fie lernten fich auch perfönlich
fennen und Schön war von dem jungen Profeffor ganz entzüdt, als diefer,
offenbar unter der Einwirkung von Schöns merkwürdiger Perfönlichkeit ftehend,
dag Urteil fällte: York würde wohl ein Räuber geworden fein, wenn er nicht
preußifcher Tffizier geweien wäre (S. 243). Echön denkt bereit3 daran, dem
ſympathiſchen Gelehrten feine eigene Yiographie anzuvertrauen; da erfcheint der
zweite Band der Dronſenſchen Biographie und bringt Schön eine ſolche Ent-
täufchung, daß er nad) kühlem Tantesbriefe die Verbindung kurz abreißt. Troufen
meinte darüber ı 2. 233): „Der Alte hatte nun einmal in Betreff Norts fidh
eingeredet, daR cr gar nichts tauge; und weil ich nicht geneigt war, die Bio—
graphir auf feine Mahnung bin fo zu färben, fo tauge ich natürlich auch nichts.“
Und der „Alte“ urteilt über das Buch Tronfens S. 243), „es ift ein fchlechter
Roman, ohne Konftruftion und Konſequenz.“
Weitaus richtiger hat Schön iiber das Werk Perg’ geurteilt, das fih ja
wirklich nur als eine große, freilich wertvolle Materialienſammlung präfentiert.
Intereſſant ift es aber dabeı die Briefe zu vergleichen, die er an Pert felbft
über ſein Auch fchreibt vitber den 4. Band S. 36: ich babe auch diefen Band
mit hohem Intereſſe gelefen, ja! er wurde mir dadurch noch wichtiger, als es
die früheren waren, weil er das Bild volllommen beftätigt, welches id; von Stein
habe, mit den Außerungen darüber an Trovien 12.209: der 4. Teil von Stein
liefert allerdings eine Plenge Notizen, wären fie nur nicht fo durch und dur
ſchlecht.
Der Herausgeber wendet ſich im Vorworte gegen die ſcharfe Auffaſſung
Zreitichles über Schön: es kann wirklich ſein, daß da Zreitichle dem alten
Aurggrafen von Marienburg bitter Unrecht getban hat, wenn er feine Mabrheits-
ficbe ın Abrede geitellt hat: man gewinnt oft den Eindrud, als ſei Zchöns leb
hafte, ftartgefärbte Phantaſie mit feiner Feder durchgegangen, als belüge er ſich
ſelbſt, ohne es zu empfinden; cin reines, ganz mwohlthuendes Charalterbild wird
dh aber von Zchön niemals konſtruieren laffen.
Der Briefwechſel bringt in feinem Berlaufe viele überaus intereffante und
ichätensmwerte Bemerkungen, jo über das Verhältnis Steins zum preußifchen
Königspaare S. 16; obmohl eine andere diesbezügliche Stelle: Stein babe nie
mand fo ftarf gehaßt wie Friedrich Wilhelm III, ficherlich weit über das Ziel
hinausſchießt S. 53), über den Gegenſatz zwiſchen militärifcher und politifcher
Weichidlichlent bei großen Männern ı 2. 56), das Urteil über die heutigen (1853)
Pietiſten (2 95), die Yemerfung Über Biographien im allgemeinen (3. 99),
jeıne jonderbare Anſicht fiber Deutſchlands Einheit (Z. 140), ebenfo die über
Schleswig⸗Holſtein (SZ. 148), über die Sendung des unfähigften preußifchen
Diplomaten nach Frankfurt 1816 S. 1591, fiber die fo verbängnisvolle Ber:
wechslung zweier oftpreußifcher Urte feitens der ruſſiſchen Heeresleitung beim
Rückzuge der Franzoſen 1812 13 (2. 181). Tie Yefer diefer Zeitjchrift wird noch
befonders cine Ztelle über Stein intereffieren (3. 111). Schön fchildert darin
deifen Ztellung zu Goethe: „feine poetiiche Wildung war dermaßen vernadhläffigt
wie es überhaupt cin Ariom Schöns iſt, daß Steins philofophifche und poli⸗
tiiche RBildung durchaus ungenügend gemefen fei), daß es Mühe machte, ihn im
Jahre 1808 dahin zu bringen, daß er Fauſt von Goethe las, und er las ihn
1897. 637
nur als Geſchichtsbuch, hintereinander fort, ärgerte ſich über die darin vor-
tommenden zweideutigen Scenen, welde einen widrigen Eindrud auf ihn gemacht
harten, ig ſchidte das Bud) zurüd, ohne ſonſt etwas vom Goethe nod) Iefen zu
wollen.“
Tag Schön zu wiederholten Malen auf bie — des ſogenanuten
politischen Teftaments von Stein zu reden fommt umd dabei feine eigene Mit-
wirtung, die ja wohl jetst außer Frage if, in — Sicht, rüct, {ft begreiflic.
gant in Hand mit der Unterftügung Steins geht dann die Überichätung Harbene
ergs, den cr für dem größten Politifer feiner Zeit hält, während auf ihm
Tropfen das ſchöne Wort von der „Medanifierung bes Staatsweſens“ (S. 170)
anmenbdet.
Vieles lehrt in dieſen Briefen wieder, twas bereits in den „Papteren“ ent⸗
halten iR, aber in durchaus Iebensvollerer Darftellung; während dort, danf der
Sorglofigteit der Hersusgehe die Farben wüft durcheinanderlaufen, jo fügt fidh
hier ein wenn auch) nicht immer anfpredhenbes, fo dad) fiets feifeindes Si von
Schön vor ben Augen des Leſers zufammen. Die Herausgabe ift ben gegen-
wärtigen Anforderungen entiprehend, das Vorwort genügt vollauf jeinem Zmede,
die Anmerkungen find forgfältig und mit großer Zurliefhaltung beigegeben, feines-
fa08 find ihrer zu viele. Ein Megifter fclieft ſig an. Alles in allem ein Buch,
dem man weite Verbreitung wlniden möchte, Ottocar Weber.
Rottmanner M., Thaddäus Sibers Selbftbiographie bis zum Jahre 1803.
Herausgegeben. München, Yentner. 1.20 M.
Erzherzog Stephan: Briefe an Wilhelm Haidinger, Direktor ber I. f. geolo-
giichen Reichsanftalt. 1850—66. Mit einer Einleitung umb einem Porträt des
Erzherzogs Wien, Kende. 6 M.
Struve Heinrich von, Ein Pebensbild. Erinnerungen aus bem eben eines Zivei-
undachtzigjährigen in der alten und neuen Welt. 2. Huflage. Leipzig, Ungleic.
3.50 M.
Treirſchie H. von, Reden im deutſchen Meichst 9 1871 Issa. Mit Einleitung
und Erlauterungen herausgegeben von O. Mittelftädt. Leipzig, ©. Hirzel.
240 M.
Airnpengefcjichte. Theologie.
Nealencnllopädie fir proteftantifche Theologie und Sirde. Begrundet von
3. gs In 3. Auflage herausgegeben von U. Haud, 2. Band. Leipzig,
inrichs.
v S. 225— 241. Der Artilel: Auftlarung von Troeltſch, eine nappe aber
alles Wejentliche berüfichtigende Darftellung Biefer Bewegung in ihrer politiichen,
wirtſchaftlichen, jocialen, wiffenfcaftlihen und ieteras;/gen nmidtung
IR rg.
Beiträge zur Reformationsgeſchichte Herrn Oberlonfiftorialtat Brofefior D. Köftlin
bei der gin feines fiebzigften Geburtstages ehrerbietigft gewidmet. Gotha, verthes
1896. 5 M.
1. Albrecht D., Beiträge zum Verftändnis bes Briefmechjels Luthers im
Jahre 1824. — 2. Brieger Th., Über bie hanbichriftlichen Wrotofolle der Lei
iger Tisputation. — 3. Buchwald G, Die legten Wittenberger Katechismus-
predigten vor dem Erſcheinen bes Heinen Katechismus Luthers. — 4. Kamera
!) In der Parallefftelle aus der älteren Samınl nſcher Schriften
„Aus den Papieren“ ıc., die der Herausgeber dazu anzieht ehe che «8 freifich, daß
Stein mehr von Goethe haben wollte, aber es ſcheint da eim „nichts“ ausgefallen
zı fein, der Sinn ift offenbar derjelbe wie oben.
4 nic
638 Bıbliographie. 2. Bücher.
G., Beiträge zur Seichichte des antinomittifchen Zrreites. — 5. Koffmane G.,
Zu Yuthers Arbeiten an den Pſalmen. — 6. Kolde Th. Ter Tag von Schleiz
und die Entitehbung der Schwabacher Artikel. — 7. Müller Nikol. Zur Chrono⸗
logie und Bibliographie der Reden Melanchthons 11545—15601. — 8. Niet-
ſchel G., Luthers Lehre von der Kindertaufe und das lutherifche Taufformular.
— 9. Schubert H. von, Zwei Predigten Martin Bucers.
Ritſchl A., Geſammelte Aufiäge. Neue Folge. Freiburg i. 2. Mohr. 5.40 M.
Rodeil R., Geſchichte der evangeliihen Kirche in Deutſchland. Leipzig, Deichert.
8.50 M.
Schellhorn R., Über das Verhältnis der ;zreiberger und Tepler Bibelhandſchrift
zu einander und zum erjten vorlutheriichen Bibeldrucke. J. Programm. Freiburg.
1896.
Smend J., Tie evangeliichen deutihen Meſſen bis zu Luthers deutſcher Meſſe.
Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. 8 M.
Thudichum F., Die Einführung der Reformation und die Religionsfrieden von
1552, 1555 und 1648. Tübingen, Heckenhauer. 1.20 M.
Start. F., Tie Reformation im unteren Allgäu: in Memmingen und beffen
Umgebung (Schriften für das deutiche Bolt, herausgegeben vom Berein für Re-
formationsgeihichte Ar. 27°. Halle, Niemener 1396. 15 Pf.
Minges P., Geſchichte der Franzislaner in BRayern. Nach gedrudten und unge
druckten Quellen bearbeitet. München, Lentner 1896. 5 M.
Quellenſchriften der elſäſſiſchen Kirchengeſchichte Band 3 und 4. Straßburg,
ve Hour & Co. 1896. 12 M.
Inhalt: Geny J., Jahrbücher der Jeſuiten zu Schlettftadt und Rufach
1615—1762. 2. Yand.
Wieſe 9. von, Per Kampf um laß. Aus der Geichichte der Gegenreformation
in der Grafichaft Glat. ı Schriften des Vereins für Reformationsgefdichte. Ar. 64.)
Halle, Aıemeyer 1896. 1.20 DM.
Dieh! W., Zur Seichichte der Konfirmation. Yeiträge aus der heififchen Kirchen-
geichichte. Gieſſen, Rider. 2.60 M.
Jacobs E., Heinrich Windel und die Reformation im füdlihen Niederſachſen.
Sorten des Vereins für Reformationsgeihichte. Nr. 53.) Halle, Rieineyer 1896.
1.20 Dt.
Hansen J. Rheiniſche Akten zur Seichichte des Jeſuitenordens 1542—1582
Zud itationen der Geſellſchaft für rheiniiche Geihichtstunde XIV). Bonn, Behrendt.
20 MM.
Naber E., Tas cvangelifchlutberiiche Kirchenweſen der fähfifhen Cherlaufig.
veipzig, Wigand. 9 M.
Mayer F. M., Cine falzburgiihe Lifitationsreife in Steiermark und
Kärnten im Jahre 1657. Programm. Graz 1896.
Zoffner, Die Altranftädtiihe Konvention :1707) und die Katfer Joſephiniſche
Parrfundation für Zchlefien 117101. [Aus: „Schlefiſches Baltoralblart”.)
Breslau, Aderholz. 80 Pf.
Nedermann G., Geſchichte des Simultaneum Religionis Exercitium im vor-
maligen Herzogtum Sulzbach. Regensburg, Habbel. 2 M.
Ranfer 8, Tie reformatoriichen Kirchenvifitationen in den welfifhen Landen
1542— 1544. Jnitruftionen, Protokolle, Abichiede und Berichte der Reformatoren,
herauögegeben und mit zablreihen Anmerkungen verfehen. Göttingen, Vanden⸗
bocd & Ruprecht. 12 M.
Sted R., Tie Pistatorbibel und ihre Einführung in Bern im Jahre 1684. Eine
Ztudie zur Vorgeſchichte der Schweizer Bibelüberſetzung. Rektoratſsrede. Mit
1 Bildnis Pisfarors und einem Anhang von Altenftüden aus dem bernifchen
Ztaatsardhiv. Yern, Wuß 1896. 1 M.
1897. 639
Weiß B. Bilder aus der Bremijchen Kirchengeſchichte um die Mitte des 19.
Jahrhunderts. Bremen, Nöfler 1896. 80 Pf.
Brölt 2., Die Gegenreformation in der L+f. Stadt Brud a. b. 2, ein typiſches
Bild, nah den Aufgeiämumgen des Stadtichreibers Georg Khirmeir entworfen.
Bien, Mayer & Co. 2.20 M.
Illigens E., Gejhichte der lübedifhen Kirche vom 1580-1896, das ift Ge⸗
schichte des ehemals fatholiichen Bistums und der nunmehr fathofischen Gemeinde,
fowie ber katholiſchen Biidhöfe, Domberren und Seelforger zu Fübert von 1530
—1896. Paderborn, Scöningh. 3 M.
Richter B., Die Benedittinerabtei Maria-Faacı. Ein geichichtlicher Rücbtict auf
acht Jahrhunderte (1093—1893). (Sammlung gemeinverftändlicher wiſſenſchaft
licher Vorträge, herausgegeben von R. Birhow und W, Wattenbad). Nr. 264.
255.) Hamburg, Verlagsanftalt und Druderei. 1.60 M.
Abreht ©., Die evangeliihe Gemeinde Miltenberg und ihr erſter Prediger.
Ein Zeitbild aus dem 16. Jahrhundert (Schriften file das deutiche Wolf. Heraus-
yon dom Serein für Meformationsgeichichte. Nr. 28). Halle, Niemeyer.
15 Bf.
Geyer Chr, Die Nördlinger evangeliſchen Kirhenorbmumngen des 16. Jahr
hunderts. Ein Beitrag zu der Geſchichte des proteftantiichen Kirchentweiens.
München, Bed. 1.60 M.
Hittmair R., Die Lehre von der unbefledten Empfängnis an der Univerfität
Salzburg. Linz, Ebenhöc 1896. 5 M. u
Schlumberger I. von, Seraphin Dietlers Chronit des Kloſters Schönen-
fteinbad. Gebweiler, Bolte. 10 M.
Herold M., Kuftusbilder ans vier Jahrhunderten. Eine Jubiltumsgabe. Mit dem
Tert beigedrudten Mufilnoten und einer Anfiht der Pfarrfirhe St. Johannis in
Schwabad). Erlangen, Junge 1896. 2.80 M. 1, n
Detvos Ch. 9. Ih., Geichichte der Pfarreien des Defanates Siegburg Geſchichte
der Pfarreien der Erzdiöceje Köln. — von K. Th. Dumont. Nach
den einzelnen Defanaten geordnet. NXXIX). Köln, Bachem. 5.25 M.
Binhack F., Geſchichte des Eifterzienfer-Stiftes Waldjafjen umter dem Abte
Wigand von Deitich (17561792) nad) Handichriftlichen Quellen bearbeitet.
Programm. Eichftätt 1896. 3 4 P
Hillmann J. Die evangelifche Gemeinde Wefel und ihre Willibrordfirde. Beir
träge zur Gefchichte derfelben. Düffeldorf, Bagel 1896. 2.25 M. X
De Loe Fr. P. M. O. Pr, Die Dominikaner zu Wefel, Nach handſchrifuuchen
und gedrudten Quellen gejchildert. (Baufteine zur Geſchichte des Predigerordens
in Deutidland. I.) Köln, Möcner & Mausberg 1896. 1 M.
Brendler A, Das BWirfen der P, P. Piariften feit ihrer Anfiedelung in Wien
im Kollegium in der Yofefftabt, zu St. Thella auf der Wieden und im Lönen-
burgſchen Konifte. Wien, Nirih. 6 M. , 5
Sidel ®., Geihichte der St. Trinitatis-Kirhe zu Zerbft. —— zwei⸗
wnden ihrgen Jubelfeier der Einweihung am 16. Oftober 1696. Zerbit, Gaft.
1.25 M.
Ammendorf Bh. J. Vorlefungen, an der Univerfität ——— über
die Reformationsverfuche der Herzöge von Kleve, Jülich, Berg, Mark und Ravens-
berg, mebft Vorwort und Schlußwort. Herausgegeben von 9. 3. Sraeber,
Dursburg, Ewich. 75 Pf.
vejatag W., Aus meinem Leben. Erinnerungen und Erfabritugen ber jüngeren
Jahre. Halle, Strien. 7.50 M. « n —
Graepp R. W. Johannes Bugenhagen. Ein Lebensbild aus der Reformations-
zeit, nad) Biftorifchen Quellen zufammengeftellt und new bearbeitet, Giltersioh,
Bertelsmann. 1.60 M.
038 Bibliographie. 2. Bücher.
G., Beiträge zur Geichichte des antinomiitifhen Streites. — 5. Roffinane G.,
Zu Yuthers Arbeiten an den Pialmen. — 6. Kolde Th. Ter Tag von Schleiz
und die Entſtehung der Schwabacher Artilel. — 7. Müller Wilot., Zur Chrono»
logie und Bibliographie der Reden Melanchthons 11545—15601. — 8. Niet:
ſchel &., Luthers Lehre von der Kindertaufe und das lutherifche Taufformular.
— 9. Schubert H. von, Zwei Predigten Martin Bucers.
Ritſchl A., Geſammelte Aufläge. Neue Folge. Freiburg i. 2. Mohr. 5.40 M.
Rocholl R., Geſchichte der evangeliſchen Kirche in Deutſchland. Leipzig, Deichert.
8.50 M
Schellhorn R., Über das Verhältnis der ‚Freiberger und Tepler Bibelhandſchrift
zu einander und zum eriten vorlutheriichen Zibeldrude. I. Programm. Freiburg.
1896.
Smend J., Tie cvangeliichen deutichen Meſſen bis zu Luthers deutſcher Meſſe.
Böttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. 8 M.
Thudihum F. Tie Einführung der Reformation und die Religionsfrieden von
1552, 1555 und 1648. Tübingen, Hedenbauer. 1.20 M.
Start &. F., Tie Reformation im unteren Allgäu: in Memmingen und deffen
Umgebung (Schriften für das deutiche Volk, herausgegeben von Berein für Re-
formationsgeichichte Ar. 27%. Halle, Niemener 1896. 15 Pf.
Minges P. Geſchichte der Yyranzisfaner in BRayern. Nach gedrudten und unge-
drudten Quellen bearbeitet. München, Yentner 1896. 5 M.
Quellenſchriften der eljäffiichen Kırdengeichichte. Band 3 und 4. Straßburg,
ve Rour & Co. 1896. 12 M.
Inhalt: Senn J., Jahrbücher der Jeſuiten zu Schlettſtadt und Rufach
1615— 1762. 2. Band.
Wieſe 9. von, Ter Kampf um Glavb. Aus der Geſchichte der Gegenreformation
ın der Srafichaft Glatz. : Schriften des Vereins für Reformationsgefchichte. Nr. 64.)
Halle, Niemeyer 1896. 1.20 M.
Ticht W., Zur Seichichte der Konfirmation. Yeiträge aus der heffifhen Kirchen-
geihichte. Gieſſen, Rider. 2.60 M.
Jacobs (E., Heinrih Mındel und die Reformation um füdlihen Niederſachſen.
Sahriien des Vereins für Reformationsgeihichte. Nr. 53.) Halle, Riemeyer 1896.
1.20%.
Hanſen J., Rheiniſche Akten zur Seichichte des Jeſuitenordens 1542—1582
Zudzitationen der Geſellſchaft für rheinriche Geſchichtslunde XIV). Bonn, Behrendt.
20 DM.
Nager E., Tas evangeliſch-lutheriſche Kirchenweſen der fähfifhen Cherlaufig.
reipzig, Wigand. 9 M.
Mayer % DM. (ine ſalzburgiſche Nifitationsreife in Steiermark und
Närnten tm Jahre 1657. Programm. Graz 1896.
Zoffner, Tie Altranftädtiihe Ronvention 1707) und die Kaifer Yofephinifche
Larrfundation für Zchlefien 117101. [Aus: „Schichiches Paftoralblart”.)
Dreslau, Aderholz. 80 Bf.
Nedermann G., Geſchichte des Simultaneum Religionis Exercitium im vor-
maligen Herzogtum Sulzbach. Regensburg, Habbel. 2 M.
Kanſer 8, Tie reformatoriihen Kirchenvifitationen in den welfifchen Landen
1542— 1544. Inftruftionen, Vrorololle, Abichiede und Berichte der Reformatoren,
herausgegeben und mit zahlreichen Anmerkungen verfehen. Göttingen, Banden-
hoeck & Ruprecht. 12 M.
Sted R. Tie Pistatorbibel und ihre Einführung in Bern im Jahre 1684. Eine
Studie zur Vorgeſchichte der Schweizer Bibelüberſetzung. Rektoratsrede. Mit
1 Bildnis Piskators und einem Anhang von Altenftüden aus dem berniſchen
Staatsarchiv. Yern, Wnß 1896. 1 M.
1897. 639
BWeiß B, Bilder aus der Bremifchen Kirchengeſchichte um bie Mitte des 19.
Jahrhunderts. Bremen, Nößler 1896. 80 Pf.
Brölt 8, Die Gegenreformation in der L.-f. Stadt Brud a. b. &, ein typiſches
Bid, nad ben Kufgigmungen des Stadtfchreibers Georg Khirmeir entworfen.
Bien, Mayer & Co. 2.20 M.
Iltigens €, Gefhichte der lübedifhen Kirche vom 1530-1896, das ift Ge-
schichte des ehemals fatholischen Bistums und der nunmehr Fathofifchen Gemeinde,
ſowie der fatholiichen Biſchöfe, Domberren und Seelforger zu Fübe von 1530
—1896. Paderborn, Schöningh, 3m.
Richter P., Die Benediltinerabtei Maria-Faacı. Ein geichichtlicher Ritetblict auf
acht Jahrhunderte (1093—1893). (Sammlung gemeinverftändlicher wiſſenſchaft
lidjer Vorträge, herausgegeben von R. Virchow und W. Wattenbad). Nr. 264.
255.) Hamburg, Berlagsanftalt und Druderei. 1.80 M.
Abreht D., Die ewangefiiche Gemeinde Miltenberg und ihr erſter Brebiger.
Ein Zeitbild aus dem 16. Jahrhundert (Schriften für das beutiche Bolt, Heraus
gegeben vom Rerein fir Reformationsgefchichte. Nr. 28). Halle, Niemeyer.
15 Bf.
Geyer Chr, Die Nördlinger evangeliſchen Kirchenordnungen des 16. Jahr-
hundertd. Ein Beitrag zu der Geſchichte des proteftantiichen Kiccdhentwejens.
Münden, Bed. 1.60 M.
Hittmair R., Die Lehre von der umbefleften Empfängnis an der Univerfität
Salzburg. Linz, Ebenhöd 1896. 5 M, -
Schlumberger X. von, Seraphin Dietlers Chromit des Kloſters Schönen-
fteinbad. Gebweiler, Bolte. 10 M.
Herold M., Aultusbilder aus vier Jahrhunderten. Eine Fubildumsgabe. Dit dem
Tert beigebrudten Mufinoten und einer Anti der Pfarrfiche St. Johannis in
Schwabach. Erlangen, Junge 1896. 2.80 M.
Delvos Ch. H. Th., Geſchichte der Pfarreien des Defanates Siegburg (Gefchichte
der Pfarreien der Erzdiöceje Köln. Qernusgegeben von 8. Th, Dumont. Nach
den einzelnen Defanaten geordnet. XXXIX). Köln, Baden. 5.25 M.
Binhack F., Geſchichte des Eifterzienfer-Stiftes Waldfaffen unter dem Abte
Wigand von Deitich (1756—1792) nad) hanbiehriftlichen Quellen bearbeitet.
Programm. Eichftätt 1896.
Hillmann J. Die evangelifhe Gemeinde Wefel und ihre Willibrordfirche. Bei-
träge zur Geichichte derjelben. Düffeldorf, Bagel 1896. 2.25 M, *
De Loe Fr. BP. M. O. Pr, Die Dominikaner zu Weſel, Rach handihriftlichen
und gedrudten Quellen geichildert. (Baufteine zue Geſchichte des Predigerordens
in Deutſchland. 1.) Köln, Mlödner & DMausberg 1896. 1 M.
Brendlex A, Das Wirken der P. P. Piariften feit ihrer Anfiebelung in Wien
im Kollegium in der Joſefſtadt, zu St. Thella auf der Wieden und im Lüwen-
burgichen Konvilte. Wien, Kirih. 6 M. r -
Sidel ®., Geſchichte der St. Trinitatis-Kirhe zu Zerbit. Menrichrift iu vr
unbertläßrigen Jubelfeier der Einweihung am 16. Oftober 1696. Zerbft, Saft.
1.25 M.
Ammendorf Bh. I, Vorfefungen, an der Univerfität Duisburg gehalten, über
die Reformationsverfuche der Herzöge von Kleve, Julich Berg, und Ravend-
berg, nebft Vorwort umd Schlußwort. Herausgegel von J. Graeber.
Dinsburg, Ewic. 75 Bi.
Beyſchlag W., Aus meinem eben. Erinnerungen und Erfahrungen ber jüngeren
Jahre. Halle, Strien. 7.50 M, . x 7
Gracpp Ü.B., Johannes Bugenhagen. Ein Lebensbild aus der Reformations-
zeit, nad) hiftoriihen Quellen zufommengeftellt und neu bearbeitet. Giterstoh,
Bertelsmann. 1.60 M.
640 Bibliographie. 2. Bücher.
Joa. Calvini opera quae supersunt omnia. Edd. G. Baum, E. Cunitz, E.
Reuss. Vol. 55. 56 (Corpus Reformatorum. Vol. 83. 84). Qraunfchweig,
Schmwetidte & Zohn 1896. & 12 M.
Canisii Beati Petri, S. J., epistulae et acta. CGollegit et adnotationibus
illustravit O. Braunsberger, S. J. Vol. I. 1541—1556. Freiburg i.B.,
Herder 1896. 14 M.
Berbig ©. C. B., D. Johann Gerhards Bifitationswert in Thüringen und
Tranten. Tiffertation. Yeipzig 1896.
Bunz P., Johann Ludwig Hager. Ein Lebensbild aus den Papieren meines
Großvaters. Mit 3 Anfichten von Miühlhaufen. Stuttgart, Buchhandlung der
Evangeliſchen Geſellſchaft. 25 Pf.
Höhsmann J., Johannes Honter, der Reformator Siebenbürgens und des
ſächſiſchen Volkes. Ein Lebensbild aus der erſten Hälfte des 16. Jahrhunderts.
Wien, Graeſer. 2 M.
Winter F. J., Karl Friedrich Auguſt Kahnis. Ein theologiſches Lebens⸗ und
Charafterbild, ieinen ehemaligen Schülern dargeboten. Yeipzig, Dörffling & Franke
1896. 1.50 MM.
Luther's Primary Works together with his shorter and larger Catechism
translated into English. Edited with Theological and Historical Essays.
by Henry Wace, and C. H. Buchheim. London 1896. Hodder and
Stoughton.
Yutber M., Enchiridion. Geiftliter Leder vnde Pfalmen ' na ordeninge der
Kartndt vppet nye mit velen fchönen Wefengen / gebetert vnde vormehret.
Gedrücket tho Magdebord. iReprodultion der Ausgabe von 1596.) Magdeburg,
Faber. 14 M.
Tisputattionen Tr. Martin Yutbers, in den Jahren 1585—1545 an der
Univerfität Wittenberg gebalten. Zum erften Male herausgegeben von P. Drews.
2. Hälfte. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 1896. 23 äR.
Köhler W. E., Tie Quellen zu Yutbers Schrift „An den chriftfichen Adel deut-
iher Nation“. Ein Beitrag zum Verftändnis diefer Schrift Luthers. Differtation.
Heidelberg 1896.
Morgenroth T., Martinus Luther quomodo initio theologiae suae inter-
pretatus sit Psalmos. Jena 1896.
Paulus N., Yutbers YVebensende und der Eislebener Apotheler Johann Yandau.
Mainz, Kirchheim. 60 Pf.
Schäfer E., Luther als Nirchenhiftoriter. Ein Zeitrag zur Geſchichte der Wiſſen⸗
fchaft. Gütersloh, Yertelsmann. 9 M.
Beyſchlag W., Philipp Melanchthon und fein Anteil an der deutichen Refor⸗
mation. ‚zeftichrift zum 400jährigen Geburtstag des Reformators.!) Freiburg i. B.,
Raebel. 1 M.
Yornemann, Melandhtbon als Schulmann. Rede. Magdeburg, Creutz. 50 Bf.
Gohrs F., Philipp Melanchthon. Teutichlands Yehrer. Ein Veitrag zur feier
des 16. 11. 189%. ı Schriften des Vereins für Reformationsgefhicte. Nr. 56.)
Halle, Niemever. 1.20 M.
Torner X., Feſtrede zur 400jäbrigen Geburtstagsfeier Melanchthons. Königs⸗
berg, Bartung. 50 Pf.
Evers G., Einige Napitel aus dem Leben Philipp Melanchthons. Regensburg,
Nationale Perlagsanftalt. 1 M.
Haußleiter J. Aus der Schule Melanchthons. Theologiſche Tisputatiome.i
und Promotionen zu Wittenberg in den Jahren 1546—1560. Tyefichrift der
', Im folgenden nur eine Meine Auswahl aus der mafienhaften, zu bieler
‚eier erichienenen Flugſchriftenlitteratur.
1897. 641
tonigl. Univerfität Greifswald zu Melandtbons 400jährigem Geburtstag. Greifs-
wald, Abel. 2.80 M.
Harnad A, Philipp Melanchthon. Alademifhe Feſtrede. Berlin, Beder.
75
Kirn D., Melanchthons Berdienſt um die Reformation. Rede. Yeipzig, Dörffling
& Frante. 50 Pf.
Krizto P., Ein Brief Philipp Melandthons. Eigenhändig planen an den
Magiftrat der Finigt, Vergftabt Kremmits im Jahre 1553 nad) Chrifte. Entbedt
und mitgeteilt (XXVII. Edition der Luther-Gefellichaft in Budapeft.) Budapeft,
Köfai. 25 Pf.
Neubert 8.9, Bhilippus Melanchthons Beziehungen zu en Ein Bei⸗
trag zur Ao0jährigen Wiederkehr feines Geburtstages am 16. II. Dresden, 9.
Naumann. 30 Bf.
Kinn 9, Melanchthons Beziehungen zu Hamburg. Hamburg, Gräfe & Sillem
0 Pi.
Roası 8, Melandthon- Büchlein. Zur 400jährigen Gebäcjtnisfeier bes Ge—
Biristages seine Melandthons am 16. Februar 1897 herausgegeben. Hannover,
€. Meyer. 25 Pf.
HR R., Philipp Meianäthone Leben, aus den Quellen dargeftellt. Güters-
ob, Bertelsmann. 3.60 M
Sell K., Philipp Melandthon, der Fehrmeifter des proteftantiichen Deutjchland.
Rede. Freiburg 1./®., Mohr. 30 Pf.
Sell f., Philipp Melanhthon und die deutiche Meformation bis 1531 (Schriften
des Bereins für Reformationsgefhichte. Nr. 56). Halle, Niemeyer. 1.20 M.
Simons, Melandthon in Bonn. Vortrag. Bonn, Röhrſcheid & Ebbede.
so,
Spanuth-Pöhlde, Philipp Melanchthon und feine Wirfamteit in der Mefor-
mation. Zum 400jährigen Geburtstag (Zeitfragen des chriſtlichen Voltstebens.
Heft 161). Stuttgart, Belfer. 1 M.
Stein A., Philipp Melandthon. Ein Lebensbild. Dem deutjchen Bolt vor die
Augen gemalt Berlin, Buchhandlung der Berliner Stadtmiffion. 50 Pf.
Zahn A, Philipp Melanchthon umd das Gejeg Mofes. Aud ein Wort zum
16. 11. 1897. Güterstoh, Bertelsmann. 30 Pf.
Biegier Th, Philipp Melondtbon, der humaniftiiche Genoffe Luthers. Vortrag.
Straßburg, €. 5. Schmidt. 50 Pf.
Kaltoff B., Pirfheimers und Spenglers Föfung vom Banne 1521, Ein Bel
trag zur Reformationsgeichichte Niürnbergs, Programm. Breslau.
Rogge B, Aus fieben Jahrzehnten, Erin en aus meinem Leben. 1. Band.
Von 1831—1862. Hannover, C. Meyer. 4
Ralthoff A, Schleiermaders Vermächtnis an ii Zeit. Neligidfe Reden.
Lraunichroeig, C. A. Schwetichte & Sohn. 2.50 M
Bowindel €, Religion und Religionen bei Schleiermadjer und Hegel. Eine
Verbältnisbeftimmung. Erlangen, Merfel. 1.60 M.
Behrmann, Paftor Heinrich Matthias Sengelmann Dr. Eine biograpbifde
zze. Hamburg, Gräfe & Sillem, mM.
er 9., Pater Don Ferdinand Sterzingers Leben und Schriften. Ein Bei-
trag zur Beihichte der Aufflärungsepodhe in Bayern. Programm. Münden 1896,
Tr. Albert Stödl, Domlapitular umd Iycealprofefjor in en, Eine Lebens»
ſtizze, verfaßt von einem feiner Schiller, Mainz, —
Krieg E., Ferdinand Geminian Wanter, eſor A Ties-ıe.
Lebensbild eines Theologen ber Übergangszeit.
Finsler ©., Zwingli-Bibliographie, an
von und über Utrich Zwingli. Heraugge iR — die — Schunder don
Wartenfee Zürich, Art. Intitut Orell um.
642 Bibliographie. 2. Bücher.
Nagel E., Zwinglis Stellung zur Schrift. zyreiburg ı. ®., Mohr 1896. 1.80 M.
Wunderli G., Huldrych Zwingli und die Reformation in Züri nad) den
Zagiagungs- Protofollen und zürdperiichen-obrigfeitlichen Krlaifen. Züri, Selbſt⸗
verlag. 4 M.
Buchdruck und Buchhandel. Bibliotheksmefen.
Weisbah W., Ter Meifter der Bergmannichen Cffizin. Ein Beitrag zur Ge:
ihichte der Raſeler Yuchilluitration. Diſſertation. Yeipzig 1896.
Hiftorifher Kalender oder der Hinkende Bor. Zeine Entitebung und Geſchichte.
Ein Beitrag zur bernifhen Buchdrucker- und Kalendergeichichte. Herausgegeben
von der Ztämpfliihen Buchdruckerei. Mit mehreren Tafeln und vielen Jlluftre-
tionen im Text. Bern 1896. 5.25 WM.
Heiß P., Ter Initialſchmuck in den eliäffiichen Truden des 15. und 16. Jahr-
hunderts. 2. Reihe. Straßburg, Hei.
Inhalt: Zierinitiafen in Druden des Johann Grüninger, 1. Teil (Ztraß-
burg 1483— 1531) und des Johann Herwagen ı Ztraßburg 1522—1528).
Angermayer jun. C., Die Geichichte der „Preßburger Seitung“. Ungariſch
und deutſch.) Nebſt Fakſimiledruck der 1. Nr. vom 14. Juli 1764. Yregburg,
Hedenaft. 75 ‘Pf.
Die ſchweizeriſche Preife. Herausgegeben vom Verein der fchweizeriihen Preffe.
— La presse suisse. Publie par la societe de la presse suisse. Vern,
Haller. 10 M.
Schmidt Ch., Repertoire bibliographique Strasbourgenis jusque vers 1530.
VII. Matthias Schürer 1508— 1520. Ztraßburg, I. 9. E. Heiß. 15 M.
Berdrom C., Friedrich Perthes, cin deuticher Buchhändler. Dem Rolle und der
reiferen Jugend dargeftellt. Gotha, Perthes. 3 M.
Leitſchuh F., Natalog der Handſchriften der Fönigl. Bibliothek zu Yamberg.
J. Yand. 2. Abteilung. II. Yieferung Hiſtoriſche Handichriften). Yamberg, ©. &
Buchner. 4 M.
Bücherverzeichnis der Ztadtbibliothet Koblenz, aufgenommen dur Alb. Mar-
hoffer 1896. Koblenz, F. Hölſcher. 2 M.
Reifenkugel K., Tie k. k. Univerſitätsbibliothel in Czernowitz 1885—1898.
Czernowitt, Pardini. 60 Pf.
Die Handſchriften der großherzoglich badiſchen Hof- und Landesbibliothek in
Karlsruhe. IV. Die Karlsruher Handichriften. Karlsruhe, Groos. 5 M.
Grupp G., Oettingen-Wallerſteiniſche Sammlungen in Maihingen.
1. Hälfte. Nördlingen, Reiſchle. 1 M.
Theater und MAuſikgeſchichte.
Yeon V., Regie. Notizen zu einem Handbuch. Mit einem Geleitwort von H. Vahr.
Muünchen, Bralls Rubin: Verlag. 1 M.
Opet C., Teutiches Theaterrecht. Unter Berüdfichtigung der fremden Rechte ſyſte⸗
matiſch dargeftellt. Berlin, Salvam. 10 M.
Crüwell E., Tas Stadttheater zu Annaberg im Erzgebirge. Ein Gedenkblatt
zum Tage der UWjährigen Jubelfeier der Gründung der Stadt Annaberg. Anne-
berg, Graeſer. 2 M.
Genée R., Jfflands Berliner ZTheaterleitung 1796—1814. Dit Ben
handichriftliher Tolumente. Aus der „National- Zeitung“. Berlin, Bloch.
1.20 M.
1897. 643
Er hier ah 10. und 11. Heft. Wien, Geſellſchaft für vervielfältigende
unfl. a6 M.
Inhalt: Bayer J. Das neue £ f. Hofburgtheater als Bauwerk mit feinem
Skulpturen und Bilderhmud. 7. und 8. Heft (Schluß).
Hennig G. R., Die Afthetif der Tonkunft. Leipzig, Barth. 4 M.
rome %, Die Anfänge des mufifaliihen Journalismus in Deutfhland. Differ-
tation. Yeipzig, Breitlopf & Härtel. 1.50 M.
Ref R, Die Collegia musica im der deutfdhen reformierten Schweig bon ihrer
Entftehung bis zum Beginm des 19. Jahrhunderts. Mit einer Einleitung, über
den reformierten Rinchengefang, und die Pflege der Profanmufit im ber Schweiz
in den frühern Zeiten. len, Fehr. 2 M.
Pfordten H. Freiberr v. d., Mufitaliihe Effays. Münden, Bed. 4.50 M.
Inhalt nft und Dilettantismus. — Grundlagen der Geſangskunſt. —
Leonore im „Fidelio“ und Elja im „Lohengrin“. — Weber und Schu-
mann als Schriftiteller.
Polto Eliſe, Meifter der Tonkunft. Ein Stiid Mufitgefhichte in Biographien.
Wiesbaden, Lütenfirhen & Bröding. 5 M.
Prochazka R. Freiherr, Arpeggien, Mufilalifces aus alten und neuen Tagen.
Dresden, O. Damm. 3 M. ,
Muſiol R, Hugo Bridler, Ein Beitrag zur Gefchichte des muſilaliſch-deutſchen
Liedes. Dresden, Hoffarth. 75 Pf.
Bülow H. von, Briefe und Schriften. II. — Schriften 1850-1892 heraus ·
gegeben von Marie von Bülow. Leipzig, Breitfopf und Härtel 1896. 6 M.
. Aus den zahlreichen chronologiſch geordneten Aufjägen und Kritifen feien
bier nur einige litterarifchen und allgemeinen Jnhalts hervorgehoben; „Der
Proceß.“ Bruchftüc aus ber Befprehung eines Fuftipiels von Roderich Benedir
(7. Juni 1850). — Das mufitafische Yeipzig in feinem Verhalten N Richard
Wagner I. (Manufeipt.) II. Entgeguung auf die im Nr. 24 der „Örenzboten”
erſchienene Beurteilung Richard Wagners (10. und 17. Oltober 1851). — —
riette Sontag. Ein — taten. — Friedrich Hebbel. Agnes Ber-
nauer, Trauerfpiel in 5 Aften I, II. (24. und 26. September 1852). — Robert
Bolimann (3. Juli 1858). — Die Oppofition in Süibbeutfchland I-V. (No-
vember, Dezember 1853). — Theater- und Konzertberichte aus der „Berliner
Zuerhpiue” (September—Novenber 1853). — Über Richard Wagners Fauft-
udertüre. Eine erläuternde Mitteilung an bie Dirigenten, Spieler und Hörer
dieſes Wertes (1. umd 8. Auguft 1856). — Das Litteratentum „mit Gewalt“ in
der Mufit (4. Dezember 1857). — Karl ©. Ritter. Ein Schüler Robert
Schumanns (5. März 1858). — Epigonen und Progonen. Situation
(12. Januar 1859). — Eduard Fifhel. Zum Gebächtnis eines . Ein
Stud mufitalifcher Zeitgefcjichte (25. September 1863). — Taufig
(22. Auguft 1871). — Fohengrin in Bologna. Kein Leitartifel, jondern ein
vertraufiches Geſpräch (im auſtraliſchen Stile) (Januar 1872). — Publikum und
— ae Januar —— — — — ———— J
Röj: , Mufitüfthetiiche Streitfragen. iffichter um fagjchatten zu den
ausgewählten Schriften von pn von Billow. Ein teitifee Baffengang.
Yeipzig, Hofmeifter. 3 M.
Söhler ©., Cornelius Freund. Ein Beitrag zur Geididte der evangelifchen
Kirhenmufit, insbejondere der fächfifchen Hantoreien in der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts. Differtation. Feipzig 1806.
Wendſchuh 2, Über Joſ Haydns Öbem. Differtation. Roftod 1896.
Ritter 9., Franz Schubert (geboren 31. Janıar 1797). Gebentfchrift zur 100:
Geburtstagsfeier. Bamberg, Hanbelsbruderei. 60 Pf.
(Gloffn 8), Schubert-Ausftellung dee t. £ Reichehaupte und Refibenzr
ſtadt Wien, verbunden mit einer Ausftellung vom Werfen ber Dialer Morız
(44 Bibliographıe. 2. Bücher.
von Zchwind, Joſef Tanhaufer und Leopold Kupelmwieler. Wien (Leipzig, A.
Schulze). 1 M.
Tie Ausftellung, von der der vorliegende Katalog dauernde Kunde giebt,
if eine jener großartigen Leiftungen, wie fie der Tireltor des Muſeums und
Bibliothek der Ztadt Wien mit bemunderswerter Umſicht und Geſchicklichkeit in der
fürzeften Zeit aus dem Nichts hervorzuzaubern verfteht. Mit großer Vollſtändigkeit
wurde alles herbeigeſchafft, was ein möglichſt anjchauliches Bild von Schubert
Berfönlichkeit und Wirkſamkeit, von dem Milieu, in dem er lebte, von feinen
Zeitgenofjen und Freunden zu geben im ftande war: vor allem andern zahl:
reihe Abbildungen, dann Handidhriften, Noten und Andenken der verichiedeniten
Art. In glüdtiher Weife wurde gleichzeitig mit dem Andenten an Schubert
die Erinnerung an feine ‚zreunde Schwind und Kupelwieſer und an den
zeitgenöſſiſchen Maler Danhauſer erneuert, fo dag Altwien in Tönen und
Farben vor uns auferftand. Ter Katalog liefert nicht nur ein genaues Ver:
zeichnis aller Ausftellungsgegenftände, fondern enthält wertvolle Taten über alle
berührten Perfönlichkeiten, auch Mitteilungen aus bandfchriftlihen Quellen
(Akten, Briefen 2c.), befonders aus den Aufzeichnungen eines der nächſten Freunde
Scuberts, des Freiherrn Fofef von Spaun und ift mit ausgezeichneten Repro:
dultionen mehrerer Zeichnungen geſchmückt, unter denen bier die Bildniffe von
F. von Schober (nadı einer Zeichnung von Kupelwieſer 1821), von Grillparzer,
Bauernfeld und Raimund (alle drei nad) Zeichnungen von Schwind) hervor:
gehoben ſeien.
Kajtner E., Briefe von Richard Magner an feine Beitgenoffen 1830—1883.
Zufammengeftellt, chronologiich geordnet, mit biographiſchen Notizen über die
Adreffaten. Berlin, Yiepmannsfohn. 10 M.
MWolzogen 9. von, Rihard Wagners Heldengeftalten. Grläutert. Hannover,
Oertei. 1.60 M.
Pfohl F., Die Nibelungen in Bayrenth. Neue Bayreuther Fanfaren. Mit
einem Anbang: Bayreuther Fanfaren (1891). Dresden, Reißner. 1.50 M.
Motta J. V. da, Zur Einführung in Richard Wagners Bühnenweihfeſtſpiel
Parſifal. Üüberſicht des Zagenftofies, Geſchichte der Entſtehung des Dramas,
Erläuterung der Dichtung. Bayreuth, Niehrenheim & Bayerlein. 60 Pf.
Waſielewski W. J. von, Aus ſiebzig Jahren. Lebenserinnerungen. Stuttgart,
Deutſche Verlagsanſtalt. 5 M.
— —
Aunfſtgeſchichte.
Schmarſow N., Beiträge zur Aſthetik der bildenden Künſte. II. Varock und
Rololo. Kine kritiſche Auseinanderfegung fiber das Maleriſche in der Architektur.
Yeipzig, Hirzel. 6 M.
Boettger ©., Tie challograpbiiche GSefellichaft in Teffau. ine Grinnerungs:-
ihriftt an die 100jährige Gründung am 1. Oltober 1796. Deſſau, Yaumann.
so Pf.
Schneeli G., Renaifiance in der Schweiz. Studien Über bas Eindringen ber
Renaiſſance in die Kunſt diesjeits der Alpen. München, Arudmann. 10 M.
Halın P. M., Tie Nilnftlerfamilie der Afam. Kin Beitrag zur Qunfigeichichte
Eiiddeutichlands im 17. und 18. Jahrbundert. Tiifertation. Minden 1896.
Eonr. Fiedlers Schriften Über Kunſt. Herausgegeben von H. Marbadj. Leipzig,
Hirzel. 6 M.
Goette A, Holbeins Todtentanz und feine Vorbilder. Mit 95 Abbildungen im
Tert, 2 Wetlagen und 9 Tafeln Ztraßburg, Zrübner. 20 M.
Zaun B., Adam Nrafft und die Künſtler feiner Zeit. Ein Veitrag zur Kunſt⸗
gefchichte Nürnbergs. Werlin, Weiler. 7 M.
1897. 645
Rirſchner A, Raphael Mengs. Selbftverlag. Auffig a. d. Elbe 1896.
Keller v. 3, Balthafar Neumann. Eine Studie zur Kunfigeidichte des 18,
Jahrhunderts. Differtation. Wirzburg 1896.
Geſchichte der Philofophie.
Euden R, Die Lebensanſchauumgen ber großen Denfer, Eine GEntwidlungs-
geihichte des Lchensproblems der Menjchheit von Plato bis zur Gegenwart.
2. Auflage, Leipzig, Veit & Co. 10 M.
Haas A, Über den Einfluß der epilureiſchen Staats- und Rechtsphiloſophie auf
die Philofophie des 16. und 17. Jahrhunderts. Ein — je Geſchchte der
Lehre vom Staatsvertrag. Differtation. Berlin, Mayer & 2 M,
Mayer M. €, Das Verhältnis des Sigismumd Bed zu Kant. Heidelberg,
Winter 1896. 2 M.
raßwitz K, Guftav Theodor Fechner (Frommanns Klaffiler der anitefontie,
herausgegeben von R. Faldenberg. Band 1). Stuttgart, Frommann. 1.76 M.
Wotſchke Th, Fichte und Erigene. Darftellung und Nritit zweier verwandter
Typen eines idealiftifchen Pantheismus. Halle, Kraufe 1896. 1.50 M.
Brahn M, Die Sntmietung des Seelenbegriffes bei Kant. Differtation. Yeibzig,
Fol 1896. 1 M.
Eleutheropulos A, Kritit der reinen rechtlichgeſetzgebenden Vernunft oder Kants
Rechtsphilofophie. Yeipzig, Strübigs Verlag 1896. 2.50 M
Greiner D,, Der Begriff der Berfönfichleit bei Kamt. Differtation. Giehen 1896.
Hads J. er Kants fynthetifche Urteile a priori. II. Teil. Programm. Hattos
wit 1896
Rintel W., Die Jdealität und Apriorität des Raumes und der Zeit, nad) Kant.
Differtation. Jena 1896. >
Kronenberg M, Kant. Sein Leben umd feine Fehre. München, Bed. 4.50 M,
Inhalt: I. Kants Peben, Charakter und ußeiige Entwidlung. 1. Kants
geſchichtliche Stellung. 2. Kants Jugendentwidlung und Auferer Yebensgang.
3. Kants Charakter und Geiftesart, 4. Entwiclung Kants bis zur Kritit ber
veinen Vernunft. — II. Kants Ghifplonniides Suftem. 5. Erfenntnislehre.
6. Ethit. 7. Religionsphilofophie. 8. Ajıhetit: 9. Fortwirfung Kants bis zur
Gegenwart. — Anhang. Anmerkungen. Chronologie für Kants deben und Schriften.
nügelgen €. W. von, Jmmanuel Kants Anffaffng von der Bibel —
Auslegung derfelben, Ein Kompendium Kantſcher Theologie. Leipzig, Deichert.
1.60 M.
Neumark D., Die Freiheitslchre bei Kant und Schopenhauer. Hamburg, Voß,
2M.
Schöne G. 9, Die Stellung Jumanuel Kants innerhalb der geographifchen
Wiffenicaft. Differtation, Leipzig 1896,
Scöngut %., Über Kants mathematiide Hypotheje. Programm. Weichenberg
1896
Stehr 9, Über Immanuel Kant, Der hat feine Bernunft im Sinne
Kants. Eine Abhandlung Über dem Geift — ——
Metaphnfiten und der Vernunft. Keitit Kants für bie jedes Standes.
Yeipyig, Friedrich. 2 M.
Wallenberg ©, Kants Zeitichre, Programm. Berlin, Haertner 1896. I M.
Kraufe 8. Ch. F, Grundriß der biftorifchen Logit file Worlefungen. Ans bem
bandfchriftlicen Nachlaffe des Serfaens_ Deraugegeben von B- Hohffelb umb
a Winfche. 2. Auflage. Weimar, Felber 1896. 8.00 MM,
646 Bibliographie. 2. Bücher.
Kraufe 8. Ch. 55, Fragmente und Aphorismen zum analytiichen Teile des
Syftems der Philoſophie. Aus dem handſchriftlichen Nachlafte des Verfaſſers
herausgegeben von P. Hohlfeld und A. Wünſche. Weimar, Felber. 5 M.
Yange P., Tie Lehre vom Jnftinkte bei Yoße und Tarwin. Programm. Berlin,
Gaertner 1896. 1 M.
Tienes X, Loses Gedanten zu den Prinzipienfragen der Ethik. Heidelberg,
Hörning 1896. 1 M.
Förſter-Nietzſche Eliſabeth, Tas Leben Friedrich Nietzſches. Zweiter Band.
Erſte Abteilung. veipzig, C. G. Naumann. 8 M.
Inhalt: Im Banne der Freundſchaft. 1. Baſel. 2. Tribſchen. 3. Kriegs⸗
jahre (1870— 71). 4. Die Urſachen der Krankheit. 5. Die Entſtehung der „Geburt
der Tragödie”. 6. Tas erſte Buch. 7. Freund und Feind. 8. Zelbfrkrititen über
die Geburt der Tragödie. 9. Im Yande der Bildung. 10. Der Yildungspbilifter.
11. Tie zweite „Unzeitgemäße Betrachtung”. 12. Schopenhauer als Erzieher.
13. Yebenspläne. 14. Richard Wagner in Bayreuth. — 15. Der Ring des Nibe-
lungen. 16. Menſchliches, Allzumenichliches. 17. Nriiis und Trennung. 18. Der
Abichied.
Tiefer Yand erzählt Nietiches Yeben von 1869—1880 und gipfelt in der
altenmäßigen Taritellung jeines Freundſchaftsverhältniſſes zu Rihard Wagner,
einem der denfwürdigiten Kapitel unierer neueren Runitgeichichte. Zablreiche Briefe
von Wagner (2.15. 21. 23. 68. 85. 130. 144. 229. 234. 238. 241; auch eine
verftficierte Widmung der Geſamtausgabe feiner Werle 2. 228) und Frau
Cofima (2. 21. 23. 26. 68. 312) werden mitgeteilt. Nietzſches Briefe an Wagner
fcheinen verloren zu fein S. 22: nur einige Entwürfe zu folhen Briefen baben
fi) erhalten (Z. 249. 2931. Außerdem Briefe von Nietzſche an Erwin Robde,
Treibern von Gersdorff, ‚yräulein von Menienbug, Engelmann, Yißt,
Profefior Hagen aus Bern, Freiherrn von Seydlis, Th. Opis, Peter Gaſt,
Fräulein Yon Zalome, Frau Marie Baumgartner, Profeſſor Niedel in
Yeipzig und an die Familie: Briefe an ihn von Hans von Bülow, Jakob
Burdbardt und Riticht.
Duboc J., Anti Nietzſche. Erweiterter Zeparatabdrud aus des Verfaſſers „Ien-
feit8 vom Wirklichen“. Tresden, Henkler. 1 M.
Kaftan J., Tas Chriltentum und Niebſches Herrenmoral. Vortrag. Berlin,
Nauck. 50 Pf.
Ritſchl O., Niebſſches Welt und Lebensanſchauung in ihrer Entſtehung und
Entwicklung dargeſtellt und beurteilt. Freiburg i. B. Mohr. 1 M.
Tönnies F. Der Niebſche Kultus. Eine Kritik. Yeipzig, Reisland. 2 M.
Schmidt, Tas Lebensideal Karl Chriſtian Plancks Philoſophiſche Borträge,
herausgegeben von der philoſophiſchen Geſellſchaft zu Berlin. 3. Folge. 5. Heft)
Berlin, Gaertner. 1 M.
Vowinckel E., Tas Verhältnis des einbeitlihen Weſens der Religion zur hiſto⸗
riihen Mannigfaltigkeit der Religionen bei Schleiermacher und Hegel.
Tiffertation. Erlangen 1896.
Arth. Schopenhauers ſämtliche Werte in 12 Yänden. Wit Einleitung von R.
Steiner. 12. Band (Cottaſche Bibliothek der Weltlitteratur. Band 271). Ztutt-
gart, Cotta. 1 M.
Fiſcher Nuno, Ter Philoſoph des Peſſimismus. Gin Charafterproblem (Kleine
Schriften 7). Heidelberg, Winter. 1.20 M.
Griſebach E., Schopenhauer. Geſchichte feines Yeben® (Geiſteshelden — Führende
Weifter — Eine Sammlung von Viograpbien. Herausgegeben von A. Bettel-
beim. 25. und 26. Band. Ter 5. Zammlung 1. und 2. Band.ı Berlin, E. Hof-
mann & Ko. 4.80 M.
Heder M. F, Schopenhauer und die indiiche Philofophie. Köln, Hübner &
Zeufel. 3.60 M.
1897. 647
Zojeph M., Die pfochologiihe Grundanſchauung a EEE Eine kritiſche
Unterfuchung. Berlin, Mayer & Müller, 3.60
Stein E. Philoſophiſche Studien. Entwürfe, — und Aphorismen aus dem
Nachlaffe. Yeidzig, yriedrih. 1.50 M.
Arnfperger ®., Ehriftian Wolfs Verhältnis zu Leibniz. Heidelberg.
Pädagogik. Geſchichte des Unterrichts.
Brunner 9, Der Anteil des deutichen Rechtes an der Entwidlung ber Univers
fitäten. —— — Berlin, Beder. 60 Pf.
Dubr 2. S. J., Die Studienordnung der Gejellichaft Jeſu, mit einer Einleitung.
ng, Herder 1896. 3 M.
Das Verdienſt der Arbeit liegt in der Einleitung (S. 1—174). Sie giebt
eine furze jüftematifhe Darftellung alles deffen, was die 4 Bände der ratio
studiorum S. J. in den monumenta Germaniae paedagogica an Quellen
material liefern. Fur die deutjche — ſind — die zen „Mutters
fprade“, „Deflamation*, „Afademie* und „Theater“ von grö eutung
Durch) die Schrift wird ein raſcher und ſicheree Aufjchluß ilber die einzelnen
Einrichtungen der alten Jeſuitenſchulen ermöglicht.
Friſch F., Biographien öfterreihiiher Schulmänner. Als Beitrag zur Felder
der fetten 100 Jahre herausgegeben. Wien, A. Pichlers Witwe. 4 DM.
Horn €, Kolleg und Honorar. Ein Beitrag zur Berfftungsgeidüte der deutſchen
Univerfitäten. "tademifeher Verlag. Münden. 2.50
Inhalt: 1. Der politische und der ——— — der deutſchen
Univerſitaten beſonders feit dem 16. Jahrhundert. — 2. Die Urſachen des Nieder-
ganges der öffentlichen Leltionen und die Grlinde für den —— F Privat-
follegia. — 3. Die geſchichtliche Entwicllung der öffentlichen und bi
Vorlefungen bei einzefnen deutjchen Univerfitäten. — 4. Überblidt iiber Be ſonorar
geſetzggebung. Beilagen. — A. Hauß und Tiid-Leges. Bon Profeſſor Math. Jobus
Yudolff in Erfurt um 1697. B. Erfter Isgeimäßiger Jenaer —
für das Winterhalbjahr 1591/2..C. Jena. Tabula ingratorum 1
Kaufmann G. Die Geſchichte der deutichen Univerfitäten. 2. Sand: —
und Entwidlung der deutjchen Univeritäten bis zum Ausgang des ters.
Stuttgart, Cotta. 12 M.
Inhalt: Verzeichnis der deutjchen Univerfitäten mit Angaben über die
Jahre der Grindung, die Stiftungsbriefe, die Matrifel, die — den Kanzler
und den Patron, der die Oberleitung ausübte, I. Die ‚ber deutjchen Unie
verfitäten von Prag bis Wittenberg und Fran — Die
II. Die Organe der Verfaffung. IV. Die V. Die Entwidlung
der deutjchen Univerfitäten um daufe der — — I. md la. . Kaiferliche
Stiftungsbriefe für Tübingen und Püneburg. II.
für Breslau, III. Ernennung des Kanzler von Breslau. eines Ber
ſchluffes und einer Einladung zur Öeneralverjami der I in Prag.
V. Ein Beichluß der Wiener Univerktät von 1420. — en von
Baccalaren der juriftifchen — Ein ——— und ein u
verzeichnis von Wittenberg. VIIL facultatis medicae
bone: IX. Dentigrift des ale — ——— x — der
Heidelberger Univerfität flir ihren Gejandten am den Papft.
Nohle E., Geidjichte des beutichen im An aa
Hopädiichent Handbuch der Päbogeoit). Sangı
Langermann I, Stein — — ozzi ⸗ See
focialen Frage der Gegenwart. Barmen, orn & Co. = Pf.
ne
640 Bibliographie. 2. Bücher.
Joa. Calvini opera quae supersunt omnia. Edd. G. Baum, E. Cunitz, E.
Reuss. Vol. 55. 56 (Corpus Reformatorum. Vol. 83. 84). Qraunfchweig,
Schwetihte & Zohn 1896. à 12 D.
Canisii Beati Petri, S. J., epistulae et acta. Collegit et adnotationibus
illustravit O. Braunsberger, S. J. Vol. I. 1541—1856. Freiburg i. B.,
Herder 1896. 14 M.
Berbig ©. €. B., D. Johann Gerhards PBifitationswert in Thüringen und
Franken. Tilfertation. Leipzig 1896.
Bunz P., Johann Ludwig Hager. Ein Lebensbild aus den Papieren meines
Großvaters. Mit 3 Anfihten von Mühlhaufen. Stuttgart, Buchhandlung der
Evangelifchen Geſellſchaft. 25 Pf.
Höchsmann J., Johannes Honter, der Reformator Sicebenbürgen® und des
ſächſiſchen Volles. Ein Yebensbild aus der erften Hälfte des 16. Jahrhunderts.
Wien, Graeſer. 2 M.
Winter F. J., Karl Friedrich Auguft Kahnis. Ein theologifches Lebens- und
Charatterbild, einen ehemaligen Schülern dargeboten. Yeipzig, Dörffling & Franke
1896. 1.50 M.
Luther's Primary Works together with his shorter and larger Catechism
translated into English. Edited with Theological and Historical Essays.
by Henry Wace, and C. H. Buchheim. London 1896. Hodder and
Stoughton.
Yıtber M., Enchiridion. Geiftlifer Yeder vnde Palmen / na orbdeninge der
Jarmdt vppet nme mit velen ſchönen Gefengen ’ gebetert vnde vormehret.
Gedrücket tho Magdeborch. (Reproduktion der Ausgabe von 1596.) Magdeburg,
aber. 14 M.
Tisputationen Tr. Martin Yutbers, in den Xahrın 1535—1545 an der
Univerfität Wittenberg gehalten. Zum erften Dale herausgegeben von P. Drews.
2. Hälfte. Göttingen, Yandenhocd & Ruprecht 1896. 23 N
Köhler W. E., Die Tuellen zu Luthers Schrift „An den chriftlichen Adel deut-
ſcher Nation”. Ein Beitrag zum PVerftändnis diefer Schrift Yuthers. Differtation.
Heidelberg 1896.
Worgenrotb T., Martinus Luther quomodo initio theologiae suae inter-
pretatus sit P’salmos. Jena 1896.
Paulus R., Yutbers Yebensende und der Eislebener Apotheker Johann Landau.
Mainz, Kirchheim. 60 ‘Pf.
Schäfer E.,, Yutber als Kirchenbiftorifer. Ein Beitrag zur Gefchichte der Wiſſen⸗
ſchaft. Gütersloh, Bertelsmann. 9 M.
Beyſchlag W. Philipp Melandhtbon und fein Anteil an der deutſchen Refor⸗
mation. ‚zeftfchrift zum 400jährigen Geburtstag des Reformators.!) Freiburg i. B.,
Waetzel. 1 M.
Yornemann, Melandhtbon ale Zchulmann. Rede. Diagdeburg, Creutz. 50 Bf.
Cohrs F., Philipp Melanchthon. Teutfchlande Yehrer. Ein Peitrag zur eier
des 16. II. 189%. 1 Schriften des Vereins für Heformationsgefchichte. Nr. 56.)
Halle, Niemeyer. 1.20 M.
Torner A., Feſtrede zur 400jährigen Geburtstagsfeier Melanchthons. Königs-
berg, Hartung. 50 Pf.
Evers G., Einige Kapitel aus dem Leben Philipp Melanchthons. Regensburg,
Nationale Berlagsanitalt. 1 M.
Haußleiter J. Aus der Schule Melanchtbons. Theologifche Tisputatione.s
und Promotionen zu Wittenberg in den Jahren 1546—1560. Fefſiſchrift ber
!ı, Im folgenden nur eine Meine Auswahl aus der mafienhaften, zu biefer
Feier erichienenen Ylugichriftenlitteratur.
1897. 641
tonigl. Univerfität Ge zu Melanchthons 400jährigem Geburtstag. Greifs-
wald, Abel. 2.80
Harnıe U, Se Melandthon. Alademifche Feſtrede Berlin, Becer
5 Bf.
Kirn DO, Melanchthons Berdienft um die Reformation. Rede. Leipzig, Dörffling
& Frante. 50
Krizto P., Ein Bf Philipp Melanchthons Cigenhändig F wieben an den
Magiftrat der Fönii Mr Kremnig im Jahre 1553 nach Chrifto. Entdedt
itgetei —J dition ber Luther-⸗Geſeilſchaft in Bubapeft.) Budapeſt,
Neubert 8.9, "BHitippus Melanhtbons Beziehumgen zu Dresden. Ein Beir
trag zur d0Ojährigen Wiederfehr feines Geburtstages am 16. I. Dresden, 9.
Naumanı. 30 Pf.
Rand: Melanchthons Beziehungen zu Hamburg. Hamburg, Gräfe & Sillem
0
Rogge B, Melandhthon-Büchlein. Zur 400jährigen Gedächtnisfeier des Ge-
Gurtstagis Philipp Melanchthons am 16. Februar 1897 herausgegeben, Hannover,
C. Meyer. 25 Pf.
Schaefer R., Philipp ——— Leben, aus den Quellen dargeftellt. Guters⸗
ob, Bertelsmann. 3.60 W
Sell K., Philipp ——— der Lehrmeiſter bes proteſtantiſchen Deutſchland
Rede. Freiburg i./B., Mohr. 70 Pf.
Sell &., Philipp Melandhthon und die deutſche Neformation bis 1531 ——
des vbrans für Reformationsgeichichte, Nr. 56). Halle, Niemeyer,
Simons, Melandthon in Bonn. Portrag. Bonn Nöhriceid & Cbbede.
60 Pf.
Spanuth-Pöhlde, Philipp Melanchthon und feine Wirffamkeit im der Refor-
mation. Zum 40Djährigen Geburtstag (Zeitfragen des chriſtlichen Vollslebens.
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Stein A, Philipp Melanchthon. Ein Lebensbild. Dem deutſchen Bolt vor die
Augen gemalt. Berlin, Buchhandlung der Berliner Stadtmiffion. 50 Pf.
Zahn A, Philipp Melandhtbom und das Gejeg Mojes. And; ein Wort zum
16. 11.1897. Gütersloh, Bertelsman. 30 Bf.
Ziegler Th, Philipp Melandtbon, der humaniftifche Genoſſe Luthers Vortrag.
Strapburg, €. 5. Schmidt. 50 Pr.
Kaltoff P., Birfheimers und Spenglers Yung vom Banne 1521. Ein Bei-
trag zur Reformationsgeichichte Nürnbergs. Programm. Breslau.
Rogge B. Aus fieben Jahrzehnten. Erinnerungen aus meinem Leben. 1. Band.
Von 1831—1862. Hannover, C. Meyer, 4
KRalthoff A, Schieiermahers Vermächtnis an Bub Zeit. Neligiöfe Reden.
Braunichmeig, C. A. Schmetihle & Sohn. 2.50 M
Vowindel €, Religion und Religionen bei Schleiermader und Hegel. Eine
Berhältnisbeftinmung Erlangen, Merkel. 1.60 M.
Behrmann, Paftor Geinich Matthias — Eine biographiſche
Stigge. Hamburg, Gräfe & Sillem. 3 M.
Fieger 9., Pater Don Ferdinand Sterzingers Leben und Schriften. Ein Beir
tung zur Befchichte der uftlärungsepoche in Bayern. Programm. Münden 1896.
Dr. Albert Stödl, Domtkapitular und Yycealprofefior in — — Lebende
ſtizze, verfaßt von einem feiner Schüler. Mainz, Kirchheim.
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Lebensbild eines Theologen der Übergangszeit. Feftichrift. 1596.
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von und über Ulrich, Biwing Bert Ne rt die —
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Nagel E., Zwinglis Stellung zur Schrift. Freiburg i. B. Mohr 1896. 1.80 M.
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Zagiatungsn"rotofollen und zürderiichen-obrigfeitlihen Erlaſſen. Zürih, Zelbft-
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Weisbach W., Ter Meifter der Bergmannichen ffizin. Ein Beitrag zur Ge:
ihichte der Baſeler Buchilluſtration. Tiifertation. Yeipzig 1896.
Hiftorifcher Kalender oder der Hinfende Rot. Zeine Entitehung und Geichichte.
Ein Leitrag zur berniihen Buchdrucker- und Nalendergeichichte. Herausgegeben
von der Ztämpfliichen YBuchdruderei. Mit mehreren Tafeln und vielen Illuſtra⸗
tionen im Zert. Bern 1896. 5.25 WM.
Heiß P., Ter Initialſchmuck in den eljäifiichen Truden des 15. und 16. Jahr-
hunderts. 2. Reihe. Straßburg, Heit.
Inhalt: Zierinitialen in Truden des Johann Grüninger, 1. Teil (Straß⸗
burg 1483— 1531) und des Johann Hermwagen i Ztraßburg 1522—1528).
Angermapder jun. C., Die Beichichte der „Vreßburger Seitung“. Ungariſch
und deutſch.) Nebſt Fakſimiledruck der 1. Nr. vom 14. Juli 1764. Preßburg,
Heckenaſt. 75 Pf.
Die ſchweizeriſche Preſſe. Herausgegeben von Verein der ſchweizeriſchen Prefie.
— La presse suisse. Publie par la societe de la presse suisse. ®ern,
Haller. 10 M.
Schmidt Ch., Repertoire bibliographique Straxbourgenis jusque vers 18530.
VIN. Matthias Schürer 1508—1520. Ztraßburg, J. H. E. Hei. 15 M.
Berdrow C., Friedrih Perthes, cin deuticher Buchhändler. Dem Vollke und der
reiferen Jugend dargeftellt. (#otba, Verthes. 3 M.
Leitſchuh F., Natalog der Handichriften der königl. Pibliotbet zu Bamberg.
J. Yand. 2. Abteilung. II. Yıeferung Hiſtoriſche Handichriftens. Yamberg, G. g
Buchner. 4 DM.
Bücherverzeichnis der Ztadtbibliothef Koblenz, aufgenommen dur Alb. Mar-
hoffer 1896. Koblenz, F. Hölſcher. 2 M.
Reifenkugel K., Tie RE Univerñtätsbibliothek in Eyernomwig 1885—1898.
Czernowit, Bardini. 60 Pf.
Tie Handidriften der großberzogiih badischen KHof- und Yandesbibliothel in
Karlsruhe. IV. Tie Narlsruber Handichriften. Narlsruhe, Groos. 5 M.
Grupp G., Tettingen-Walterfteiniihe Zammlungen in Maibingen.
J. Hälfte. Nördlingen, Neiichte. 1 M.
Cheater- und MWuſikgeſchichte.
veon V., Regie. Notizen zu cinem Handbuch. Mit einem Geleitwort von H. Vahr.
Münden, Brakls Rubin-Berlag. 1 M.
Opet ©., Teutiches Theaterrecht. Unter Berückſichtigung der fremden Rechte ſyſte⸗
matiſch dargeftellt. Zerlin, Calvary. 10 M.
Krümel! C., Tas Ztadttbeater zu Annaberg im Erzgebirge. Gin Gedenkblatt
zum Tage der 4uVjährıgen Aubelfeier der Gründung der Stadt Annaberg. Anne-
berg, Graeſer. 2 M.
Genée R., Rfflands Berliner Tbeaterleitung 1796—1814. Dit Ben
bandichriftliher Totumente. Aus der „Rational: Zeitung”.) Berlin, Bloch.
1.20 M.
1897. 645
Die Theater Wiens 10. umd 11. Heft. Wien, Geſellſchaft für vervielfältigende
Kunſt. A6M.
Inhalt: Bayer J, Das neue ff. Hofburgtheater als Bauwert mit feinem
Stulpturen- und Bilderihmud. 7. und 8, Heft (Schluß).
Hennig ©. R, Die Ahetit der Tonkunft. Leipzig, Bartt, 4
Krome F. Die Anfänge des muſilaliſchen Journalismus in Deutihland. Differ-
tation. Yeipzig, Breitlopf & Härte. 1.50 M.
Nef &, Die Collegia musica in der deutichen reformierten Schweiz don ihrer
Entfichung bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Mit einer Einfeitung über
den reformierten Kichengefang und die Pflege der Profanmufil in der Schweiz
in den frühen Zeiten. St. Gallen, Fehr. ? M.
Pfordten 9. Freiherr v. d., Muftafiiche ans, Münden, Bed. 4.50 M.
Inhalt: Kunft und Dilettantismus. — Grundlagen der Gefangskunft. —
Leonore im „Fidelio“ und Ela im „Lohengrin“. — Weber und Schu-
mann als Schriftfteler.
Polfo Eliſe, Meifter der Tonkunſt. Ein — Mufitgefdjichte in Biographien.
Wiesbaden, Füyenkirhen & Bröding. 5 M.
Prohäzfa R. ‚Freiber, Arpeggien. Nuftalifces aus alten und neuen Tagen.
Dresden, O. Damm. 3 M.
Müfiol R., Hugo Brüder. Ein Beitrag — des muñialiſch deutſchen
Liedes. Dresden, Hoffarth. 75 Pf.
Bitlow H. von, Briefe und Schriften. IT. Ausgewählte St 1850—1892 heraus ·
gegeben von Marie von Billonw, Leipzig, Breitfopf und Härtel 1896. 6 M.
Aus den zahlreichen chronologiſch geordneten Aufjägen und Kritilen feien
bier nur einige litterariichen und allgemeinen Inhalts hervorgehoben: „Der
Proceh.“ Bruchſtüd aus der Beprechung | eines uſtſpiels von Roderich ln
(7. Juni 1850). — Das muſilaliſche Yeipzig in jeinem Verhalten —
Bagner 1. (Manuftript.) II. Eutgegnung auf bie in Nr. 24 ber —
erſchienene Beurteilung Richard Wagners (10. und 17. Oktober 1851). 3
riette Sontag. Ein Minoritätsgutachten. — Friedrich Hebbel ——
nauer, Trauerſpiel in 5 Atten I, II. (24. und 26. September 1852). —
Bolimann (3. Juli 1853). — Die —— in u de iv de
vember, 5 1853). — Theater · und —S—
Feuerfprite” (September— November 1853). — I — 3*3 Fauft-
Ouvertüre. Eine erläuternde Mitteilung a die Dirigenten, Spieler und Hörer
diefes Wertes (1. umd 8. Auguft 1866). — Das Litteratentum „mit Gewalt“ in
der Muſit (4. Dezember 1857). — Karl G. Ritter. Ein Schüler Robert
Schumanns (5. März 1858). — Epigonen und Progonen. Zur Situation
(12. Januar 1859). — Eduard Fifcel. — Gedächtnis eines . Ein
Stüd“ mufifaliicher Zeitgefchichte (25. September 1863). — Taufig
(22. Auguft 1871). — Fohengrin in Bologna. Kein Leitartikel, jondern ein
vertraufiches Gefpräh (im ufgälifcen Stile) (Januar 1872). — Publitum und
ritil (19. Januar 1890). — Aphorismen.
Röfch F, Mufil-äftbetifche Streitfragen. Streflichter und — zu den
ausgewählten Schriften von Hans von Billow. Ein Mitifder Waflengang-
Sei, Sofmeike, 3m. — Br
Söbler ornelius Freund. Ein Beit ihichte
Kirchenmufit, ——— der jdn Kanten m in ber a
16. Jahrhunderts, Differtation. —
Wendichuh L., Über Io. Haybns Opern, Differtation. Roß
Ritter 9, Franz Schubert (geboren 31. Jamıar 1797). nk zur 100.
Geburtstagsfeier. — delsdruckerei. 60 Bf.
Gloſihe 8), Schubert-Ausftellung der & f. Reichshaupt und
ſtadt Wien, verbunden mit einer Ausftellung vom Merten ber Maler
644 Bibliographie. 2. Bücher.
von Schwind, Joſef Danhauſer und Yeopold Kupelwieſer. Wien (Leipzig, A.
Schulze). 1 M.
Die Ausſtellung, von der der vorliegende Katalog dauernde Kunde giebt,
iſt eine jener großartigen Leiſtungen, wie ſie der Direktor des Muſeums und
Bibliothek der Stadt Wien mit bewunderswerter Umſicht und Geſchicklichkeit in der
kürzeſten Zeit aus dem Nichts hervorzuzaubern verſteht. Mit großer Vollſtändigkeit
wurde alles herbeigeſchafft, was ein möglichſt anſchauliches Bild von Schuberts
Perſönlichkeit und Wirkſamkeit, von dem Miilieun, in dem er lebte, von feinen
Zeitgenojien und Freunden zu geben im ftande war: vor allem andern zahl:
reihe Abbildungen, dann Handichriften, Noten und Andenken der verſchiedenſten
Art. In glüclicher Weiſe wurde gleichzeitig mit dem Andenten an Schubert
die Erinnerung an feine Freunde Schwind und Kupelwieſer und an den
zeitgendjftichen Dealer Danhbaufer erneuert, fo dag Altwien in Tönen und
Farben vor und auferftand. Ter Katalog liefert nicht nur ein genaues Per:
zeichnis aller Ausftellungsgegenftände, fondern enthält wertvolle Taten über allc
berührten Perſönlichkeiten, aud Mitteilungen aus handfchriftlihen Duellen
(Alten, Briefen 2c.), befonders aus den Aufzeichnungen eines der nächſten Freunde
Schuberts, des Freiherrn Joſef von Spaun und ift mit ausgezeichneten Repro-
duktionen mebrerer Zeihnungen geſchmückt, unter denen bier die Bildniffe von
F. von Schober (nadı einer Zeichnung von Kupelwieſer 1821), von Griliparzer,
Bauernfeld und Raimund (alle drei nach Zeichnungen von Schwind) hervor:
gehoben feien.
Kaftner E., Briefe von Richard Wagner an feine Beitgenofien 1830-1883.
Zufammengeftellt, chronologiich geordnet, mit biographiſchen Notizen über die
Adreſſaten. Xerlin, Liepmannsſohn. 10 M.
Wolzogen H. von, Richard Wagners Heldengeſtalten. Erläutert. Hannover,
Oertel. 1.60 M.
Pfohl F., Tie Nibelungen in Bayreuth. Neue Bayreuther Fanfaren. Mit
einem Anhang: Bayreuther Fanfaren (1891). Tresden, Reißner. 1.50 M.
Motta J. V. da, Zur Einführung in Richard Wagners Bilhnenweihfeſtſpiel
Parſifal. UÜberſicht des Sagenſtoffes, Geſchichte der Entſtehung des Dramas,
Erläuterung der Dichtung. Bayreuth, Niehrenheim & Bayerlein. 60 Pf.
Waſielewski W. J. von, Aus fiebzig Jahren. Yebenserinnerungen. Ztuttgart,
Deutſche Berlagsanftalt. 5 M.
—
Aunftgefchichte.
Schmarſow ., Beiträge zur Aſthetik der bildenden Künfte. II. Yarod und
Rokoko. Eine kritiiche Auseinanderiewung Über das Maleriiche in der Architektur.
Yeipzig, Hirzel. 6 M.
Boettger G., Tie chalkographiſche Geſellſchaft in Deſſau. Eine Erinnerungs⸗
ſchrift an die 100jährige Gründung am 1. Oktober 1796. Deſſau, Baumann.
60 Pf.
Schneeli G., Renaiſſance in der Schweiz. Studien Über das Eindringen der
Renaiſſance in die Kunſt diesſeits der Alpen. München, Brudmann. 10 M.
Halm P. M, Die Künſtlerfamilie der Aſam. Gin Veitrag zur Kunfigefchichte
Eüddeutihlands im 17. und 18. Jahrhundert. Diſſertation. München 1896.
Conr. Fiedlers Schriften fiber Nunft. Gerausgegeben von H. Marbach. Leipzig,
Hirzel. 6 M.
Goette A, Holbeins Todtentanz und feine Vorbilder. Mit 95 Abbildungen im
Tert, 2 Verlagen und 9 Tafeln Ztraßburg, Trübner. 20 M.
Zaun B., Adam Nrafft und die Nünftler feiner Zeit. Ein Beitrag zur Kunſt⸗
geichichte Nürnbergs. Berlin, Beſſer. 7 M.
1897. 645
Kirfchner A, Raphael DMengs. Selbftverlag. Auffig a, d. Elbe 1896.
Keller v. 3, Balthafar Neumann. Eine Studie zur Kunſigeſchichte des 18.
Jahrhunderts. Differtation. Würzburg 1896.
Geſchichte der Philoſophie.
Enden R., Die Lebensanſchauungen der großen Denter. Eine Entwiclungs
geſchichte des Pebensproblems der Meet von Plato bis zur Gegenwart.
2. Auflage, Leipzig, Veit & Co. 10 M.
Haas A., Über den Einfluß der epitureifchen Staats- und NER ie el
die Whilofophie des 16. und 17. Jahrhunderts. Ein Beil 14 een te ber
Lehre vom Staatsvertrag. Differtation. Berlin, Mayer & le %
Mayer M. €, Das Verhältnis des Sigismund Bed zu Kant. ——
Winter 1896. 2 M.
Fahwig K, Guftav Theodor Fechner (Frommanns Maffiker der J ie,
herausgegeben von R. Faldenberg. Band 1). Stuttgart, Frommann.
Botjchte Th, Fichte und Erigena. Darftellung und Kritit zweier —
Typen eines idealiſtiſchen Pantheismus. Halle, Kauſe 1896. 160 M.
Ben M., 3% Entwidlung des Seelenbegriffes bei Kant. Differtation. Leipzig,
od 1896. 1 M.
Eleutheropulos A, Kritil der reinen re tfasfetaebenben Vernunft oder Kants
Rechtsphilofonhie. Feipgig, Strübigs Verlag 1896. 2.60
Greiner D., Der Begriff der Perfönlichfeit bei Kant. Giehen 1896.
Hads J, Über Kants ſynthetiſche Urteile a priori, II. Teil. Programm. Kattor
wits 1896.
Kintel W., Die Jdealität und Apriorität des Maumes und der Zeit, nad) Kant.
Differtation. Jena 1896.
Nronenberg M, Kant. Sein Leben und feine Lehre. Minden, Bed. 4.0 M.
Inhalt: I. Kants Leben, Charakter umd geiftige Entwidlung. 1. Kants
geſchichtliche Stellung. 2. Kants Jugendentwiglung * äuferer Lebens, en.
3. Kants Charalter und Geiftesart. 4. Entwidlung Hants bis Rn Kit
veinen Vernunft. — II. Sants philofophiiches — ——
6. Ethit. 7 Religionsphitofopgie 8. Aftbetit, 9. — Kants bis, zur
Vegenwart. — Anhang. Anmerkungen. Chronologie für Kants Yeben und —
Nütgelgen C. W. von, Immanuel Kants Auffaſſung von der Bibel und
Auslegung derfelben. Ein Kompendium Kantjcher Theologie, Leipzig, Dei
1,60 M.
Rcumart D., Die Freiheitslehre bei Kant und Schopenhauer. Hamburg, ze
23
Schöne G. H., Die Stellung —— Kants innerhalb der geographiſchen
Wiffenfchaft. Differtatiom. Yeipzig 1896.
Schöngut 2, Über Kants a ematiice Hypotheje. Programm, Reichenberg
1896.
Stehr 9., Über Immanuel Kant. Der Menjd hat feine Vernunft im Sinne
Kants. Eine Abhandlung über dem Geift er, i einer ber neueſten
Metabhyfilen umd der Vernunft. Kritit Kants für die jedes Standes.
Yeipzig, Friedrich. 2 M.
Wallenberg ©, Kants Beitlehre. Programm. Berlin, Gaertner 1896. * ne,
Kraufe 8. Ch. %, Grundriß der hiforifehen Logik fur —06
bandchriftlichen Nachlaffe des Berfaffers ——— von VHohlfeld —
A Wünſche. 2. Auflage, Weimar, Feiber 1896. 8,50 M.
646 Bibliographie. 2. Bücher.
Kraufe 8. Ch. F., Fragmente und Aphorismen zum analytijhen Zeile des
Syſtems der Philoſophie. Aus dem handfchriftlihen Nachlaife des Berfaflers
herausgegeben von P. Hohlfeld und A. Wünſche. Weimar, Felber. 5 M.
Lange $., Tie Pehre vom Inſtinkte bei Yoge und Tarwin. Progranım. Berlin,
Gacrtner 1896. 1 M.
Tienes Q., Lotzes Gedanken zu den Prinzipienfragen der Ethik. Heidelberg,
Hörming 1896. ı M.
Förſter-Niesſche Elifabeth, Tas Leben Friedrich Nietzſches. Zweiter Band,
Erfte Abteilung. Yeipzig, C. G. Naumann. 8 M.
Inhalt: Im Banne der Freundſchaft. 1. Baſel. 2. Tribjchen. 3. Kriegs⸗
jahre (1870— 71). 4. Tie Urſachen der Nrantheit. 5. Die Entitehbung der „Geburt
der Tragödie”. 6. Tag erſte Auch. 7. Freund und Feind. 8. Selbſtkritiken über
die Geburt der Tragödie. 9. Im Yande der Bildung. 10. Ter Yildungspbilifter.
11. Die zweite „Unzeitgemäße Betrachtung“. 12. Zchopenhauer als Erzieher.
13. Yebenspläne. 14. Richard Wagner in Yayreutb. — 15. Der Ring des Nibe-
lungen. 16. Menſchliches, Allzumenichliches. 17. Nrifis und Trennung. 18. Der
Abſchied.
s Tiejer Yand erzählt Nietiches Yeben von 1869—1880 und gipfelt in der
altenmäßigen Tarjtelung jeines ‚sreundichaftsverbältnifies zu Richard Wagner,
einem der denkwürdigſten Napitel unserer neueren Nunitgeichichte. Zahlreiche Briefe
von Wagner S. 15. 21. 23. 68. 85. 130. 144. 229. 234. 238. 241; auch eine
verfificierte Widinung der Geſamtausgabe seiner Werke 2. 228) und Frau
Coſima (S. 21. 23. 26. 68. 312) werden mitgeteilt. Nietiches Briefe an Wagner
fcheinen verloren zu fein S. 2%): nur einige Entwürfe zu folchen Briefen baben
fih erbalten (1. 249. 2931. Außerdein Briefe von Nietzſche an Erwin Rohde,
Freiherrn von Gersdorff, Fräulein von Mevnienbug, Engelmann, Yißt,
Profeflor Hagen aus Bern, Freiherrn von Zendliß, Tb. Cpip, Peter Gaſt,
Trräulein Yon Zalome, ‚grau Marie Baumgartner, Profeſſor Riedel in
Yeipzig und an die Familie; Briefe an ihn von Hans von Bülow, Jakob
Burdbardt und Hiticht.
Tuboc J., Anti-Riegiche. Ermweiterter Zceparatabdrud aus des Verfaſſers „Jen:
ſeits vom Mirklichen”. Dresden, Henkler. 1.
Naftan J., Tas Chriftentum und Nietiches Herrenmoral. Vortrag. Berlin,
Nauck. 50 Pif.
Ritſchl O., Niebbſches Welt und Yebensanichauung in ihrer Entſtehung und
Entwicklung dargeſtellt und beurteilt. Freiburg i. B. Mohr. 1 M.
Tönnies F., Der Nießzſche-Kultus. Eine Kritik. Leipzig, Reisland. 2 M.
Schmidt, Tas Yebensideal Karl Chriſtian Rlancks Philoſophiſche Borträge,
herausgegeben von der philoſophiſchen Geſellſchaft zu Berlin. 3. Folge. 5. Heft)
Berlin, Gaertner. 1 MM.
Vowinckel E, Tas Verhältnis des cinbeitlichen Weiens der Religion zur bifte-
riihen Mannigfaltigleit der Religionen bei Schleiermacher und Hegel.
Tiffertation. Erlangen 1896.
Arth. Zhovenbaners Sämtliche Werke in 12 Bänden. Pit Einleitung von W.
Steiner. 12. Band (Kottaiche Bibliotbef der MWeitlitteratur. Band 271). Ztutt-
gart, Cotta. 1 M.
Fiſcher Nuno, Ter Philoſopyh des Peſſimismus. Kin Charafterproblem (Kleine
Schriften 7». Heidelberg, Winter. 1.20 W.
Griſebach E., Schopenhauer. (Heichichte feines Yebens ı Beifteshelden — Führende
Geiſter — Eine Sammlung von Xiograpbien. Herausgegeben von A. Bettel⸗
beim. 25. und 26. Band. Ter 5. Zammilung 1. und 2. Band.) Berlin, E. Hof ⸗
mann & Go. 4.80 MM.
Heder M. F, Schopenbauer und die indische Pbilofopbie. Köln, Hübner &
Zeufel. 3.60 M.
1897. 647
Joſeph M., Die pſychologiſche Grundanſchauung —— Eine tritiſche
Unterfuchung. Berlin, Mayer & Müller, 3.60
Stein E., Philoſophiſche Studien. Entwürfe, Shen und Aphorismen aus dem
Nachlaffe. Leipzig, Friedrich. 1.50 M.
Arnfperger ®., Chriffian Woifs Verhältnis zu Leibniz. Heidelberg.
Pädagogik. Geſchichte des Unterrichts,
Brunner H., Der Anteil des deutſchen Meı F an der Entwidlung der Univer⸗
täten. KeBsratgeebe. Berlin, Beder. 60
Duhr 8. 8. J., Die Studienordnung der Serilfäaft Jeſu, mit einer Einleitung.
Freiburg, Herder 1896. 3 M.
Das Berdienft der Arbeit liegt in der Einfeitung (3. 1—174). Sie giebt
eine kurze oftematifche Darftelung alles dejjen, mas bie 4 Bünde der ratio
studiorum S. J. in den monumenta Germaniae paedagogica an Quellen
material liefern. Für die deutſche Pitteratur find insbejondere die Kapitel „;
ſprache“, „Deflamation“, „Afademie“ und „Theater“ von größerer Bebeuturig.
Durch die Schrift wird ein raſchet und ficherer Aufjchluß iiber die einzelnen
Einrichtungen der alten Fejuitenjchulen ermöglicht,
Frisch F., Biographien öfterreidhiicher Schulmänner. Als Beitrag zur Fautgeiaiäte
der leisten 100 Jahre herausgegeben. Wien, A. Bichlers Witwe,
Horn €, Kolleg und Honorar. Ein Beitrag zur Serteifungsgefhläte der deutſchen
Univerfitäten. Atademiſcher Verlag. Münden. 2.50
Eee 1. Der politiſche und der —— — der deutſchen
Univerfitäten, beſonders ſeit dem 16. Jahrhundert. — 2. Die Urſachen des Nieder«
garges der Öffentlichen Sektionen und die Grunde für den Yufgang — Private
'ollegia. — 3. Die gejchichtliche Entwidlung der öffentlichen und ber privaten
Vorlefungen bei einzelnen deutjchen Univerfitäten. — 4. Überblidt über die Honorar«
g.jetsgebung. Beilagen. — A. Hauß und Tiid-Leges. Bon Profefior Math. Nobus
Yubolff in Erfurt um 1697. B. Erſter regelmäßiger Jenaer gettionstatalog
für das Winterhalbjahr 1591/2. C. Jena. Tabula ingratorum 1745.
Kaufmann G., Die Geſchichte der deutichen Univerfitäten. 2, Band: Entftehung
und Satwidtung der deutichen Univerfitäten bis zum Ausgang des Mittelalters.
Stuttgart, Cotta. 12 M.
Inhalt: Berzeichnis der deutſchen IUniverfitäten mit Angaben über die
Jahre der Gründung, die Stiftungsbriefe, die —— die Statuten, den Kanzler
Und den Patron, der’die Oberfeitung muslibte. I, Die Srünbung der deutichen
verfitäten von Prag bis Wittenberg ES IL Die Berfa
II. Die Organe der Berfaffung. IV. Die Die Entwi
der deutjchen Univerfitäten im Laufe der Periode, ie Lund la. Kaiferliche
Stiftungsbriefe für Tübingen umd ohneburg, I. licher Stiftungsbrief
für Bresiau. III. Ernennung des Nanglers von
Ächluffes und einer Einladung zur Gen tät in Prag.
© Ein — m nal Vi Gm von 1429. En em von
accalaren der juriftiichen h Sin Dottordiplem um ein
verzeichnis von — VI. Aus den Acta facultatis medicae
bonensis. IX. Dentichrift des Kölner — 57 — der
Heidelberger Univerhität für ihren Gefanbten am den
Noble C., Gejhichte des beutichen jens im Umviß (Aus:
lopädiichem hondbuch der Päbagogif). Lan —— € Söhne. 1.20
Fangermann I, Stein — Beftalogzi — Fichte in
focialen Frage der Gegenwart Barmen, Steinborn & Co, * Fa
648 Bibliographie. 2. Bücher.
Paulſen F., Geichichte des gelehrten Unterrichts auf den deutſchen Schulen und
Univerſitäten vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart. Mit beſonderer
Rückſicht auf den klaſſiſchen Unterricht. 2. Auflage. 4. (Schluß⸗Halbband. Leipzig,
Veit & Co. IM.
Raumer K. von, Geſchichte der Pädagogik vom Wiederaufblühen klaſſiſcher Stu⸗
dien bis auf unſere Zeit. Fortgeführt und ergänzt von G. vothholz. 5. Teil.
(Hittersloh, Bertelsmann. 8 M.
Inhalt: Yorbbolz G., Pädagogik der Neuzeit in Pebensbildern.
Zupprian N., Frauengeſtalten in der Geſchichte der Fädagogif. Nulturgefchichtliche
Zfizzen zur ‚grauenfrage. Yeipzig, Fir. 4 M.
Hanſchmann B., Pädagogische Strömungen an der Wende des Tahrhunderts im
Gebiete der Volksſchule. Eine Würdigung Peſtalozzis, Fröbels, Zillers.
‚seitichrift im Peſtalozzijahr. 1896. Yerpzig, Wunderlid. 60 Bf.
Scherer H., Tie Pädagogik in ihrer Entvidiung im Zuſammenhange mit dem
Kultur und Geiſtesleben und ihrem Einfluß auf die Seftaltung des Erziehungs:
und Bildungsweſens mit beionderer Berüdjichtigung der Votlsjchulpädagogit und
des Volksſchulweſens. 1. Band: Tie Pädagogik vor Peſtalozzi. Leipzig, Brand-
ftetter. 8 M.
Schmid 8. N, Geichichte der Erziehung vom Anfang an bis auf unfere Zeit,
bearbeitet in (Hemeinichaft mit einer Anzahl von Gelehrten und Schulmännern.
Fortgeführt von 9. Zchmid. Vierter Band. Erſte Abteilung. Ztuttgart, Gotta
1806.
Aus dem Inhalt: Brügel J., Bildungsbeitrebungen in Deuticyland während
des Treißigjäbrigen Krieges: Tie Reform im Herzogtum Gotha. V. Y. von
Zrdendorft. J. M. Dilberr. 3. M. Moſcheroſch. 3.2. Schupp. — Der
RPietismus, feine Pädagogik und seine Schulen: R., A. 9. Frande und die
Halleſchen Schulen. — Schmid 8,3 Bengel -- Gundert E, F. Chr. Otinger.
— Gundert E. J. Fr. Flattich
Wendt G., Didaktik und Meihodik des deutſchen Unterrichts und der philoſophi—
ſchen Propädeutik. jAus „AN. Baumeiſters Handbuch” der Erziehungs und Unter
richtslehre für höhere Schulen. München, Beck. 350 MM.
Künoldt E, Caradeurx de Ya Chalotais und fein Verhältnis zu Baſedow. Ein
van zur Beichichte der Bädagogik im 18. Jahrhundert. Oldenburg, Schulze
1%.
Neſemann %, Gomenii Panegryrieus Carolo Gustavo. Programm. riſſa 1896
Bibliothek der katholiſchen Pädagogit Argründet unter Mitwirkung von v. Nellner,
Knecht, H. Rolfus und herausgegeben von F. X. Kunz. Band 8. Freiburg i. B.,
Herder. 5 M.
Aus dem Inhalt! Ausgewählte vädagogiihe Schriften des Defiderius
Erasmus. Allgemeine Finleitung, Biograpbie, Überfetung und Erläuterungen
von D. Reichling.
Tögel 9, Die pädagogischen Anſchauungen des Erasmus in ihrer pfychologifchen
Begründung. Tresden, Pleyl und Kaemmerer 1896. 1.80 M.
Neudrucke pädagogiicher Schriften Nerausgegeben von N. Richter. Yand 15
veipzig, R. Nichter
Inhalt: Die allgemeine Schulordnung der Kaiſerin Maria Therefia und
I: 2. Felbigers Forderungen an Schulmeiſter und Yehrer. Herausgegeben von
A. Weiß.
Friedrich J., Jalob Frohſchammer. Ein Pädagoge unter den modernen Philo
‘ophen Cinführung ın das philoſophiſch pädagogische Zuftem Frohſchammers
Fürth, Rosenberg. 1.50 M
Jaunmiüller X, Kritik des Herbartichen Unterrichtsinitenes, enthaltend die
Widerlegung dieſes und die Grundlegung eines neuen Syſtems. Programm
Freiſtadt 1896
1897. 64
arts padagogiſche Schriften. Mit Herbarts Bi ie herausgegeben
artholomäi. 6. Auflage, neu — N Ans
merfüngen verjehen von E von Sallwirt. 2, Band (Bibliothek pädagopifcher
Majfiler. Eine Sammlung der bedeutendften idagsifen Schriften älterer und,
euerer En i herausgegeben von F. Mann. 9. Band). Yangenfalza, Beyer &
ne 3 M.
ur Erinnerung an den Geheimen Schulrat Dr. Wil. Kiefer.
granım. Fenbershauten 1896. —
Bect W, Dr. K. J Yorinjer, Regierungs- und Geheimer Medizinal-Rat. Sein
Leben und ſeine Verdienſte um das Turnen, Zur 100jährigen Wiederkehr feines
Geburtstages bearbeitet. Oppeln, Masfe, 50 a
Estuhe ©, Melandthon und das Siegener Realgymnaſium. Zu Melanchthons
400jährigem Geburtstage. Ein Gebenfblatt. Siegen, % Montanus. 40 Pf.
Nichm ©., Otto Nafemann, derserfte Direktor des Stadtgymnafiums zu Halle
a./S. Programm. Halle 1896.
Freyer B., Michael Neanders Carmen scholastieum. Alfeld 1896.
Bauıngarten F-, Friedrid) —* Rühtin Freiburg i/B. 1 M.
Nnöppel A, Bernhard Heinrie verberg, der Lehrer des Dinfterlandes (Kebens-
bilder katholiſcher —— eransgegeben von W. E Hubert. Band 5). Mainz,
Kirchheim. 1.60 M.
Beftalozzis füntliche Werke, Unter Mitwirkung von 9. Morf und DO. Yun
zifer herausgegeben von d. W. Seyffarth. 19. und 20. Band. Piegnik,
Seyfartl)
Inhalt: Peſtalozzi und Anna Schultheß. Briefe aus der Zeit ihrer Ber-
fobung. Herausgegeben von H. Dorf und U. W. Seyffai 2
Burlfley J. E, Der Einfluß Peftalozzis auf Herbart. Differtation. ging 1896,
Dierauer 2., Heinrich —3 ortrag. St. Gallen, Huber & Co. 40 Pf.
Greyerz D. von, Heinrich Peftalozzi. Programm. Bern 1896.
Seyffarth v.®., Beftalozzi in feiner Gr Near Bedeutung. Nach Bor-
ige zur feier des 160. Beburtstages Veſialozzis Yiegnig, C. Seyffart 1896.
50 Bf.
Waldmann %, Peftalozzi und Muralt. Pverdon und St. urg. Ein
Beitrag zum 150. Geburtstage (03518 12. Januar 1896 (mit bisher
nod) ungedrudten Briefen Peftalozzis). (Mus: „St. Petersburger Zeitung“)
Scaffhaujen, Schod) 1896. 80 Pf.
Balfiger €, Hans Hudolf Nücgg. Febensbilb eines f ſchen Schulmannes
und Patrioten, zugtei em —— Geſchichte des Vol NS. I,
Art. Iuftitut Orel Füßti. 2.50 M. 2
Säred E, Heinrich Schaumberger, ein deuticher Bolt aus dent
Yehrerftande. (Sammlung päbagogiicher Vorträge. em vom MW. Meyer
Marlau. Band 8.) Bielefeld, ke . 50 Bf. n
Sahje N, Das Zagehud des Neftors Jakob Thomafius. Programm. Leipzig,
Hinrichs 1896. 1.20 M.
Brußtern 3. €, Zwei Kinladungsſchriften des Gymnaſiums ju Attendorn aus,
dem 18. Jahrhundert. Programm. id 1896. d
Heynaher M., Feitfchrift zu der 250jährigen ler des Tönigt. Gymna—
fiums zu Aurich am 17. September 1896, Aurich), 1. 1,50 M.
Bohren N, Das ehemalige Auguftiner-Öymnafinm zu Bedburg. Programm.
Bedburg 1896. ”
Fiicher b, Geſchichte des Biſtritzer evangelifhen Gyınnaftums A. 8. bis zum
Jahre 1762. Programm. Biftrits 1896. 3 *
Hellmann ®., Über die Anfänge des mathematiſchen Unterrichts an den Erfurter
ewangeliicen Schulen im 16. und 17. Jahrhundert und bis eiwa 1774. Teil II,
Programm. Erfurt 1896. J
Eubhorton IV. 42
650 Bibliographie. 2. Bücher.
Thiele R. Die Gründung des evangeliſchen Ratsgumnaſiums zu Erfurt 11561)
und die erſten Schickſale desſelben. Ein Beitrag zur Schul und Gelehrten
geſchichte des 16. Jahrhunderts. Mit urkundlichen Beilagen und Unellenaus-
zügen, nebſt einer Abbildung des ehemaligen Auguſtinerkloſters. Erfurt, Neumann
1896. 2 M.
Ribbeck K., Geſchichte des Eſſener Gymnaſiums. J. Zeit bis 1564. Rrogramm.
Eſſen 1896.
Besler, Beiträge zur Geſchichte der höheren Schule zu Forbach. Programm.
Forbach 1896.
Heinemann F., Tas ſogenannte Katharinenbuch vom Jahre 1577. Im Auftrage
und auf Koſten der Freiburgiſchen Schulherrenkammer zum erſten Wale ber:
ausgegeben. Miit biitortich kritiſcher Einleitung, einem Gloſſar und 6 artiſtiſchen
Beilagen. Freiburg Schweiz), Veit 1896. 7.50 M.
sehtichrift zu der am 7. Januar 189% itattfindenden Eimmeibung des Goethe
Gymnaſiums in Frankfurt a. M. Herausgegeben vom Yehrer-Nollegium. ‚yrant-
furt a. M., Knauer. 3M.
Aus dem Anbalt: Reinhardt R., Goethe Gymnaſium. — Reinhardt N.,
Amos Comenius und das Goethe Gymnaſium. — Liermann C., Ein Beitrag
zur Seichichte des Gymnaſiums und zur Frankfurter Gelehrtengeſchichte. —
Ziehen J., Studien zur Geſchichte des Philhellenismus in der franzöſiſchen
Litteratur.
Braun PR., Mlustris scholae Hanoviensis leges et album eivium academico-
rum inde ab anne 1665 usque ad annum 1812. II. 1724— 1812. Programm.
Hanau 1896.
Feſtſchrift zu dev anı 24. und 25. Tftober 1896 jtattfindenden 350jährigen
Jubelijeier des großberzoglichen Gymnaſiums in Heidelberg. Heidelberg, Winter.
160 WM.
Albrieh E. sen. Geſchichte Des evangeliſchen Sunmallums A. ®. in Hermann—
jtadt. Hermannſtadt 1896.
Dietſch K., Beiträge zur Geſchichte des Gymnaſiums in Hof. J. Teil. Aus Anlaß
der 350jährigen JIubelfeier des Gymnaſiums. Programm. Hof 1896.
Feſtſchrift der im Jahre 1546 gegründeten und am 3. Juli 1896 ihr 350jähriges
Beſtehen jeiernden königl Kloſterſchule Ilfeld Nordbauien, Kirchners AYuch-
druckerei
Aus dem Inhalt: Freyer P., Michael Yeanders carmen scholasticum.
Tüſelmann T., Kine Zmudienreriie durch Italien im Jahre 1562. Nach Briefen
des Johann Caſelius aus einer Ilfelder Handſchrift. — Drei Urkunden.
Seisß, Aktenſtücke zur Geſchichte der früheren lateiniſchen Schule zu ILehoe.
VII. Schluß Krogramm. Ibehoe 1896.
zZahlieldt F., Beiträge zur Geſchichte des höheren Schulweſens in Kirn an ber
Nahe. Feſtſchrift zur Feier des 75jährigen Beſtehens der höheren Stadtſchule zu
Nun am 26 November 1896. Kirn, Schleich. 50 Pf.
zahlieldt F, Verzeichnis der Rektoren, ordentlichen Yehrer und Schüler an der
böberen Ztadtichule zu Kiurn an der Rabe in den Jahren 1821—1896. Yet
Helegenbeit der Feier des 75jährigen Weftebens der Anſtalt zuſammengeſiellt.
Nun, Schleich 50 Pi
Klimeich J. 9, ur Geichichte des Laibacher GGSymnaſiums. Programm. Yai-
bach 184.
Biſchoffi E. F., Tas Yehrertollegum des Nicolaigmnnaſiums in Leipzig 1816—
1896 97. Biographiſch bibliographiſche Verträge zur Schulgeſchichte. Programm.
Leipzig, Türr. 150 Mi
Waſtner J., Geſchichte der erſten 50 Jahre der Lauenburgiſchen Gelehrtenſchule
zu Rabeburg. Programm. vauenburg.
1897. 651
Schrivver, Geſchichte der Schulen und des Schulweſens im Defanate und Kreiſe
Yingen. eticrift zum 5Ojährigen Priefterjubiläum des hochwurdigften Heren
Biſchofs Bernard Höting zu Osnabrüd. Lingen, van Aden. 2 M.
Schuller 6. F, Geidhichte des ebangeliſchen Gymnafiums U, B. in Medinfd).
Programm. Media 1896.
Baumann %, Geihichte des evangeliſchen Gymnaſiums A. B. in Muhlbach
1. Brogramm. Mühlbad) 1896.
Zordan N, Veiträge zur Gefchichte des ſtädtiſchen Gymnaſiums in Mihlhaufen
i. Thür. Programm. Mühlbaufen 1896.
Gebete 3, Das Schutweſen der Lönigl. hayeriſchen Haupt: und Nefdenzitadt
Münden in feiner gefchichtlichen Entwidlung und unter Berüdfichtigung der
älteren bayerifhen Schulzuftände. München, Kellerer 1896. 2.50 M.
Schrorter ©., Beiträge zur Gejchichte des Neiffer Gymnaſiums. Programm.
Neiffe 1896.
Beyer Th., Die älteften Schüler des Neuftettiner Oymnafiums. III. Zeit.
Neuftettin, Ediftein 1896.
Matthes, Altenſtüde zur Geſchichte der Schule und Kirche Kofler Nofleben.
I. Programm. Roßleben 1896.
Renoward DM. von, Erinnerungen eines alten Roßlebers aus den Jahren 1938
— 1842. Berlin, Schall & Grund. 1 M.
Lang R., Das Son gium humanitatis in Schaffhaujen. Ein Beitrag
Schuigeichichte. : 1727— 1851. Bereinsgabe des irren
Vereins des aa Sgaffhaufe. Leipzig, Fod 1896. 2 M.
Schulter R., Geſchichte des Schäßburger Gymnaſiums Programm. Schaß ·
burg 1896.
Jung R., Beitrag zur Geſchichte der evangeliihen Bollsſchulen des Sieger
Landes. (Aus „Sieg-Fahn Zeitung“) Siegen, Montanus. 75 Bf.
Gutſche, Urkunden zur Gefchichte des Gymmaſiums zu Stendal. 1. Progymnas-
mata Eiarina. Neudrud von dem Programm des Gymnaſiums zu Skendat aus
dem Jahre 1606. Programm. Stendal 1896.
Krimmel DO, Beiträge zur Beurteilung dev hohen Karis-Schule in Stuttgart.
Brogramın. Cannftatt 1896.
Das Schulweſen der Stadt Züri in feiner geſchichtlichen Entwidlung. Auf
Anordnung des Schulvorftandes bearbeitet für bie ſchweherſche Lanbesausjtellung
in Genf 1896. Zürich, Nauflein. 1.60 M.
zädmann A., Die Univerfität Bafel in ihrer Entwidiung in den Jahren 1885
Aus "Antafi der Schweizerifhen Fandesausftellung in Genf. Programm.
Bafel 1896.
Wagner A. Die Entwidlung der Univerfität Berkim — —
Vl Noten und ftatiftiichen Anhang. Berlin, Beder 1896. 1.50
Bienemann- Freiburg Fr, Dorpater Süängerbilnde 112 18IB. Se aus der
Jugendzeit der alma mater Dorpatensis. Herausgegeben und eingeleitet, Meval,
Ktuge._ 2.50 M.
In der Bibtiothel ber Geſellſchaft für Geiste und Altertums tunde ‚ie
Dftjeeprovinzen zu Riga ER Bienemann die Alten zweier — Student
verbindungen aus den Jahren 1812—1816, die ſich bisher den Blicen Be kl
forſcher entzogen hatten und die neben den Statuten und ——
poetiichen Erzeugniſſe der Mitglieder enthielten. Bienemann wählte 63 gi
als die beften und bezeichnetjten aus, erzählte im der Borrede die Gej
beiden Bünde und fiellte die Perfonalien der einzelnen Dichter feit,
weniger ber Litteratur⸗ als der — dienen — ee sea N: ii
„bezwecten nicht den Stand des Poetiichen St
Veiftungsfäbigfeit unferer Heimat im den Jahren Tess m
Sie wollen nur Nachricht geben vom geiftigen Gehalt, vom — — ft
652 Bibliographie. 2. Bücher.
lichen Streben der akademiſchen Jugend im zweiten Decennium unierer Hod-
ſchule“. Bienemann jelbit giebt als die Vorbilder der Gedichte an: Bürger in
den Balladen, Nlopftod in den Oden, Matthiſſon, Geßner, Schiller in den philo-
ſophiſchen Gedichten, Goethe (zwei Parodien des Mignonliedes: Nr. 6 „Kennſt
du den Ort, der öde, ſtill und düſter Tem Wandrer dennoch Hoffnung winkt“,
Nr. 17 „Kennſt du das Eiland, wo die Freude thront”; Nr. 53 Tas Bliimlein
Berberrren: Schlegel im Zommett, Krummacher in der Parabel. Er hätte den
Kreis der Vorbilder noch weiter ziehen müjjen big auf Yeffing (Nr. 1 „Höret,
was mich geitern Nacht Traurig und auch froh gemacht“) und die Anatreontiter
zurüd und bätte auf die zahlreichen Anflänge an die Tichter des Hains (3. B.
Nr. 7 „Mein Herz bat Mut, mein Arm iſt ſtark“n, dev das Mufter für dieſe
Züngerbiinde war, hinweiſen follen. Merhvürdig ift die Verehrung für Cpis, deifen
Geburtstag als Stifrungstag des jüngeren Bundes gefeiert wird: bedeutfam Die
Mijchung von deutichem und eſtniſchem Nationalgefühl; auch Überjegungen finden
fih: Tr. 38 „Das Yird dev Meiſe. Freie Überietung aus dem Yettifchen“;
Nr. 45 „Itintlied. Nach einer Überfegung aus dem NArabiichen“. Bon den
Tichtern find die wenigiten fpäter noch litterariich aufgetreten, nur die folgenden:
N. E. Raupach 1794-1882: A. 9. Neus 1798 — 1876; Narl Burfy 1791 —
1870: K. K. Krauktling 1792 - 1873, kurze Zeit Mitherausgeber der Dresdner
Morgenzeitung; N. F. don der Borg 1794-— 1848 und W. J. K. von Titmar
I794- 1326. Die begabteſten: A. G. Boſſe, UN. F. Kolbe, K. J. Korb und
H. Trey verſchwinden jpäter aus der Litteratur.
Reuter F., Die Erlanger Burſchenſchaft 1816 — 1833. Ein Beitrag zur inneren
GBeſchichte der Reſtaurationszeit Erlangen, Diende. 6 DM.
Die Litteratur in der Schule.
Arugtier 8, Abriß der Gejchichte der deutſchen National Yitteratiir. Nach Brugier
A
zum Gebrauche an höberen Unterrichtsanftalten umd zur Zelbftbelehrung bearbeitet
von EM. Harms 2 Auflage. Freiburg i. B., Herder. 2.20 M.
Ich babe cine Ztichprobe gemacht 2. 260 wird Grillparzer für den Privat-
ſetretär Der Katjerin ausgegeben und wird von ihm gefagt, der erfhütternde Tod der
Mutter babe ihn !1819: nach Italien, dann [1843!! nach Griechenland getrichen,
wo ihm die Revolution den Aufenthalt verteidet hätte: ipäter jalfo nad) 1843]
ſei er bei feinem Fürſten in Ungnade gefallen Tergleichen Unvichtigfeiten jollte
man doch heute ın einem Handbuche nicht mehr darbieten dürfen. Ter Schluß des
jelben Abſaßes: „In der Yitteratur wie im Volle fteht Grillparzers eigenartiger,
ſelbſtändiger Charakter da wie eine Geſtalt von Granit: feſt und dauerhaft, dem
Anpralle der verſchiedenſten Strömungen gewachſen“, iſt eine freie Wiedergabe
des Schluſſes der Laubeſchen Einleitung zu Grillparzers Werten: „Eigen und
ſelbſtändig war er durchweg, eigen und ſelbſtändig wird er in unſrer Litteratur
daſtehen, eine Geſtalt von Granit. Sie ſchimmert nicht, aber fie iſt feſt, fie
dauert.” Aber warum fehlt dann Laubes Name unter den Quellen, wo als
Mrillvarzers Rıographen neben Fänlhammer und Goedele: Litzmann und
Waeboldt verzeichnet find? Möchten Andere beifere Erfahrungen mit dem Buche
machen! AS,
Herbſts Hilfsbuch für die deutiche Yırteraturgeichichte. 7 Auflage von Emil
KRrenning Gotha, F. N. Perthes. 3 M.
Kinzel K., Gedichte des 18 und 19. Jahrhunderts, ausgewählt und erläutert. 1.
Dale, Yuchbandlung des Warienbauies. 120 M
Inhalt: Gedichte des 18 Jahrhunderts
1897. 653
Zanthippus (F. Sandvoß), Gute alte deutſche Sprüdje, ausgelefen und erläutert
für Schule und Haus. Berlin, Stille. 1.50 M.
Heinze H. und W. Schröder, Aufgaben aus deutſchen Dramen und Eyen.
Leipzig, Engelmann. ı M.
8. Schröder, Aufgaben aus „Die Braut von Mejfina*.
Heinze, Aufgaben aus Scheffels und Freytags Romanen.
W. Königs Erläuterungen zu den Majfilern für den Schul und Hausgebraud;.
Leipzig, 9. Beyer.
3. 4. Stecher M. R., Erläuterungen zu Schillers Wallenftein,
5. Stecher M. R., Erläuterungen zu Schillers Maria Stuart.
7. Dingeldein O., Erläuterungen zu Goethes Hermann und Dorothea.
11. Böhme W., Erläuterungen zu Uhlands Ernſt, Herzog von Schwaben.
Deutsche Schulausgaben von 9 Schiller und B. Valentin. Dresden,
Ehlermann. a 50 Pf
19. Ziehen J, Die Dichtung der Durrelungslyiene (Auswahl).
20. Schiller, Die Braut von Meffina . ——— von Balentin
23. Goethe, "Hecmann und Dorothea. Serausgegel en von B. Balentin.
24. Luthers deutſche Schriften (Auswahl). Herausgegeben von €. Schler
Schöninghs Ausgaben deutſcher Mlaffiter mit ausführlichen Erläuterungen. Bader
born, 3. Schöningl.
23. Schillers ausgewählte Gedichte. Mit ausführlichen Erläuterungen Fir
den Schulgebraud) und das Privatftudium von A. Weinftod. 1.40 M.
1. Ergänzungsband. Henfe J., Sammlung deutjcher Dufterdichtungen für
Schule und Haus. Methodiich geordnet, 1 M.
Schulausgaben pädagogischer Klaffiker. Hrausgeaeben von Th. Tupes. 5. Heft.
Wien und Prag, Tempaty. — Leiggig, Fregtag.
5. Comenius A, Orbis pietus,
Sammlung deutjcher Dichtungen * Proſawerle für den Schulgebrauch, heraus-
gegeben von A. Brunner. Bamberg, Buchner 1 M.
NX. Goethe. Aus meinem Yeben, Dichtung und Wahrheit, Ausgewählt
und erläutert von I. Kamann. 1. Bändchen.
Goethe W. von, Clavigo. Ein Trauerfpiel, A den Schulgebrauch heraus-
gegeben von &. Bötticher. Yeipzig, Freytag.
Goethe W. von, Kleinere Schriften zur Ef u und Literatur. Fler den Schul⸗
gebrauch herausgegeben von (. Bötticher. Yeipzig, Freutag.
Sroße E, Zufäbe zu Herders Nemefis, ein Ichrendes Sinnbild aus Lehrs
populären Auffären” und Bunjen: Gott in der Geſchichte Zum Schuigebrauch
zufamnmengefteilt. Programm. Königsberg 1896.
Nörner Th., Zriny. Ein Tranerjpiel. zit den Schulgebrauch herausgegeben von
. vudwig. Yeipzig, Freytag. 70 Bf.
Rüdert F, Gedichte (Auswahl). Fur ben —— herausgegeben von 9.
Fiettan. 2 Bände. Leipzig, Freytag. 1.50 M.
1. Gedichte deutfcher Art. — 2, Aus dem Morgenlande.
Rüdert 7, Gedichte. Fr Haus und Sa ausgewählt und erläutert von B,
Kuttner. Mit einem Yebensabrig und ben Bildnis des Dichters: rankfurt a. M.,
Sauerländer. 1.50 M.
Schiller, Philojopbifche Schriften —— oo den Schulgebrauch heraus»
gegeben von ©. Bötticher, Yeipyig,
— Sm u Schulgebrauch heraus⸗
Schiller, Wallenftein Ein dramati
gegeben von F. Ulliverger. Yeipzig, eg
Wegener Fr., Schillers Lied von der @lode, ir den Schulgebrauch bearbeitet.
Gotha, Perthes. 80 Pf.
654 Bibliographie. 2. Bücher.
Stoffgeſchichte. Volkskunde.
Arfert P., Tas Motiv von der unterlgeſſchobenen Braut in der internatio-
nalen Frzählungstitteratur, niit einem Anhang: Uber den Urſprung und die Ent-
wicklung der Bertaſage. Roſtocker Diſſertation. Schwerin.
Carſted A., Unſere Vögel in Sage, Geſchichte und Yeben. Jung und alt zur Unter:
haltung und Belehrung dargeboten. Mit vielen Abbildungen nach Zeichnungen
von F. Flinzer, Leipzig, Hirt & Sohn. 6 M.
Eſchelbach H., Über die poetiſchen Bearbeitungen der Sage vom ewigen Juden.
vitterarhiſtoriſche Studie. Baden Baden, Weber. 1 M.
Kohn C., Zur litterariſchen Geſchichte des REinhorns. Programm. 2 Teile. Berlin,
Gaertner. 1 M.
Grafifunder P., Die Roſe in Sage und Dichtung. Sammlung gemeinnügiger
Vorträge. Herausgegeben vom Teutichen Vereine zur Verbreitung gemeinnütziger
Kenntniſſe m Prag Nr. 217. Prag, Härpfner 1896.
Kampers F., dDie deutſche Kaiferidee in Prophetie und Sage. München, Lüne
burg 1806. 6 M.
Wulf H., De fahellis cum eollegii septem sapientium memoria conjunetis
quaestiones eriticae. Tiifertation Halle 1896.
Bancaları Ge, ‚gorjchungen und Ztudien über das Haus. I. Nauchbaus, Herd,
Tfen, Wauchfang, Kamin. Aus „Mitteilungen der antbropologtichen Weiclichaft
in Wien“. Wien, A. Hölder. 4 M.
laut W., Teutiches Yand und Bolt im Volksmund. Eine Sammlung von Sprich
wörtern, Sprüchen und Nedensarten als Beitrag zur Kunde des deutſchen vandes
und Volkes. Breslau, Dirt. DM.
Pommer J., Wegweiier durch die Litteratur des deutſchen Volksliedes. iFlug—
schriften. herausgegeben von dem deutichen Volksgeſangvereine in Wien. Heft 3
Wien, Veremsverlag 1896.
Wie die geſamte eben genannte Flugſchrütenreihe, fo verfolgt auch die vor
liegende empfehlenswerte Veröffentlichung den löblichen Zwect, die Kenntnis der
Pilege Des deutichen Volksliedes in den weiteſten Kreiſen zu fürdern. Die Ein
leitung erlautert den Begriff des echten Vollksliedes, dieſes vom Bänkelſange,
den volkstümlichen viedern und den künſtlichen Tearbeitungen und Fälſchungen
ſcharf ſondernd. Die angeſchloöſene bericht über die Volksliedlitteratur will nicht
eine wiifenichaftliche, vollitindige Bibliographie je, ſondern eine Auswahl der
empiehlenswerteſten Ausgaben und Schriften, und zwar tm Gegenſat zu den
bisherigen Zuſammenſtellungen mit beſonderer Berückſichtigung der Melodien.
Verzeichnet finden wir zahlreiche Ausgaben von Volksliedern mit vier (und
mehr ſtimmigen Weiſen, dndiamuntumgen mit einſtimmigen oder ohne Weiſen,
Schnadahüpfeln, Jodler und Juchezer, Vollstäuze, Kommersbücher und endlich
einige Schriften über das deutiche Kolfslich A. H.
Kommer \, Vierundzwanzig Nolfstteder für gemuichten Chor. ı‚ylugichriften
berausgegeben von dem deutichen Vollsgeſangvereine in Wien. Wr. 4.1 Rien,
Vereinsverlag INU6.
Kommer \., Über das älpleriſche Volkslied und wie man es findet. ı Zonder:
abdrud aus der Zeuſchrift Des deutichen und öfterreichtichen Alpenvereins. Band 27,
2. s3--131 :
Kine unterhaltende und zugleich beichrende Plauderei über das Weſen bes
Volls amd des voltstümlichen Yırdes, über Jodler und Juchezer, über Tänze,
Schnadahüpfel und Yırbestieder der Alpenwelt mit Mitteilung von fchönen neuen
Terten und Peelodien Gelegentlich werden die jüßlichen Rearbeitungen Nofchats,
ſowie Die vielen erkünſtelten unechten Rummern der Tiroler Vollsliederſammlung
von Greinz und Kapferer kritiſiert A. H
1897. 655
Ziede E, Über die Bedeutung der Grimmſchen Märchen für unfer Boltstum.
Rede. (Sammlung gemeinverftändlicher wirfenfhaftlicher Vorträge, herausgegeben
von R. Birhom und W. Wattenbadh. Neue Folge. Heft 2531 Hamburg, Ber»
lagsanftalt und Druderei. 80 Bf.
Die Grimmſchen Märchen werden hier ziemlich einfeitig dazu mißbraucht,
um im Sinne einiger mythologifcher Kieblingsideen bes Berfaifers, wie ex fie in
feinem Buche „Die Yiebesgefdichte des Himmels (Strafburg 1892) nieberlegt
hat, aus= und umgedeutet zu werden. Es hätte dies auch im Titel des Vortrags
zum Ausbrud kommen follen, der dem Anhalt leineswegs entjpricht.
Thimme Lied und Märe. Studien de Charalteriſtit der deutſchen Bolfs-
poeſie. ersloh, Bertelsmann. 2 M.
Inhalt: Zum Gejchichte der Vollsporfie. — Zur Charakterifiit des Volls
liedes. — Blumen und Bänme im Volisliede. — Yand und Yeute im Märchen,
Gebt, Hochzeit, Tod und Ewigkeit. — Fabel- und Wumderwejen. — Antife
färdhen in deutſchein Gewande
Winteler I., Über Boltslied und Mundart. Zürich und Leipzig, K. Hendel
& Co. 1896. 50 Bf.
Der bekannte Berfaffer einer muftergiltigen Darftellung der Kerenzer Mund-
art (1876) wendet ſich in biefem fmapp vor feinem Tode vollendeten Bortrage
an die aargauiſche Lehrerſchaft. Der Titel trüft allerdings wicht zu, deun vom
Voltsliede ift jo qut wie gar nicht die Rede Winteler winjcht die Einführung
mundartlicher Boltslieder in den Schulgefang und zur Förderung diefes Yivedes
preift er mit warmen Worten den Wert umd die Bedeutung der Mundart ins-
bejonders für die Schweizer. Ex will dazu beitragen, daß die finfende Achtung
vor der Mundart wieder hergeftellt und deren angeftammte Rechte vor andauernder
Schmälerung gefihert wilden. Winteler weit jedem Teile, der Schriftipradhe
und der Diundart ihr befonberes Gebiet zu. Jeder Schweizer müffe der Schrift»
ſprache mächtig fein, ohme die Mumdart zu vernacdläffigen. Die Mundart jet ber
treue Spiegel des Wejens und der Gejdhichte eines jeden Stammes. „Unfere
Mundart vernacjläffigen und verwifchen beißt unjere geidichtliche Eigenart ge-
führden.“ Ohne geiftige Eigenart hätte aber auch die politische Selbitänbigeit
der Schweizer Feine Veredhtigung. „Den melobiichen Keiz ber Schriftfpradhe
in gebildetem, namentlich norbmeitdeutfchem Munde, zimal werm e8 rauen
ipredhen,“ erfennt Winteler ohnemweiters an. Cr zeigt aber, ba der Schweiger,
den der Mund anders gewachſen jei, diefe Ausjprahe nicht erlernen könne. Er
hätte alſo nur die Auswahl zwiichen „einer ſchönen Mundart“, im der ex ſich
gewandt und jchlagfertig ausdrüde, und einem mu muhſam zu beherrſchenden
„bäglihen Schriftdentich”.
Einzelne Bemerkungen allgemeinerer Natur find eingeftreut. So erklärt
Winteler S. 9 die Thatjadıe, daß «8 jo wenige deutfche Pumorifien giebt, aus
dem uͤmſtande dat unfere Scheiftiprache ehuas Steiffei SEEN iin,
Geipreiztes umd Bollmundiges habe und ſich darum befonders fiir em} che
und paihetiſche Stoffe eigne. In der That dichten umfere bejten neueren Humor
riften meift in ihrer heimijchen Mundart; man dente at den Nieberdeutichen
Reuter, an den Elſaſfer Arnold, den Alenmannen Hebel, die Bayern von Kobell,
und Ztieler, den Wiener Caftelli umd viele andere. AH.
Feſtprogramm, Sr. königl. Hoheit Großber; —S Feier des 70 Ge⸗
burtstages —— an der —— * zu Freiburg. Frei⸗
bung i. B. Mohr, 8 M.
Darin: 5* zur bad iſchen Geſchichte und Bollstunde. — Belträgr
zur badifchen Yandestunde,
Mener E d-, Der badiſche Hodhzeitsbraud) des Borſpannes Feitjchrift rei-
burg 1896
__
656 Bibliographie. 2. Bücher.
Panizza T., Die Haberfeldtreiben im bairiſchen Gebirge. Eine ſittengeſchichtliche
Ztudie. Berlin, 2. Fiſcher. 2 MM.
Hauffen A., Einführung in die deutſch-böhmiſche Volkskunde nebit einer
Bibliographie. (Beiträge zur deutſch böhmiſchen Volkskunde. Herausgegeben von
der (Selellichaft zur ‚yörderung deuticher Wiſſenſchaft und Pitteratur ın Böhmen.
(SHeleitet von A. Haufen. Yand 1. Heft 1.1 Frag, Salve. 2.30 DM.
Zrit drei Jahren ſammle ich um Auftvage der im Zitel genannten Geſell
ichaft die volkstümlichen Uberlieferungen in Teutih- Böhmen für eine geplante
größere Arbeit. Ta dieſes Werk naturgemäß erjt in einer Reihe von Jahren
vollendet werden kann, ericheint mun als cine Art Vorbereitung und Entlaftung
desielben eine zwangloje Folge von „Beiträgen zur deutſch böhmiſchen Bolts-
tunde”, in der einzelne Teilſammlungen von jachlih oder örtlich abgerundeten
Inhalt und jelbjtändigem litterariſchen Wert ericheinen Tollen. Tas vorliegende
Heft dient zum Einführung in dag ganze Unternehmen. Die erften Napitel geben
eine nappe Lberficht über Begriff, Geſchichte und den jetzigen Betrieb der deut
ihen Volkskunde überbaupt, ferner eine zuſammenfaſſende Skizze über dag
Tentichtum in Böhmen: die Sefchichte der Beſiedlung, den deutichen Anteil an
der Entwicklung, Nultur und Politik des ganzen Yandes, die vier Deutfchen
Stämme und den weclelnden Umfang des geichloffenen deutſchen Sprachgebietes
in Böhmen. Amt dritten Abſchnitt babe ich im einzelnen den bisherigen Betrieb
der Volkskunde in Röbmen und die auf dieſem Gebiete noch winfenden Aufgaben
umd Ziele um Anſchluß an meinen 1894 veröffentlichten ‚gragebogen crörtert.
In dieien tbeoretiichen Veſprechungen babe ich ſchwierigere Gegenſtände, die erft
eine ganz junge Yırteranır auizuweiſen baben, wie Hausbau, Bollgsinduftrie, Volks
tracht, ausführlicher bebamdelt Ich babe va aber vermieden, bereits vorliegende
gute Ausführungen x. B. über Begriif und Geöchichte des deutichen Vollksliedes,
des Volksichauipiels und Ahnliches zu wiederholen.
Der zweite Teil, Me Biblrographie, bringt eine Zuſammenſtellung aller
Schriften und Aufſätze zur Statiſtik und Bollsfunde und zur allgememen und
Beſiedlungsgeſchichte der Teutſch Böhmen. Es ſind im ganzen 1200 Nummern,
die ich in füni Abichnitten (Ganz DTeutſch RBöhmen und die vier deutſchen Volks.
anne angeordnet babe. Jeder dieſer Abſchnitte zeriällt wieder in zwölf Unter
abteilungen Allgemeines: Mundart, Wortichatz, Namen: Haus, Hof und Torf
anlage: Vollstracht: Erwerbsverhältiniſe, Volksinduſtrie, Nabrung: Sitten, Bräuche
und Feſte: Voltsrecht: Minthiſches, Aberglaube und Zauberei: Sagen und Märchen;
Vollslieder und Sprüche: Volksſchauipiele: Nörperbeichafienbeit‘. Bei wichtigeren
Zchriften wird dem Titel noch cine kürzere oder längere Bemerkung über Wert
md Inhalt hinzugefügt
Fir veſer des Euphorion kommen natürlich die Abſchnitte über Volkspoefie
zunachſt in Betracht. Aufmerlſam zu machen erlaube ich mir beſonders auf
2.122 Teutöſch böhnmiche Volkslieder, Z 156 jij. Volkslieder, S. 152 fi. Tolle
ichauſpiele des Egerlandes, Z 190 ij, Z 192 ii. Vollslieder und Vollsſchau
piele des mittleren Nordbohmen, S. 208 f Rübezahliagen, S. 210 f. Toftor
Nittel, eine nordböohmiiche Fauſtſage, 5 211 8, S 213 f. Voltslieder und
Vollsſchauipiele in Titbohmen.
Nachträge und jährliche Ergänzungen zu dieſer Bibliographie werde ich in
der zeitſchrift für öſterreichiſche Bolfstunde veröffentlichen. A. H
Woſſördlo R. Medtenburgiiche Boltsiberlieferungen. Im Auftrage des Ver
eins für medlenburgtice Geſchichte md Altertumslunde gefammelt und heraus—⸗
qracben. Eriter Band: Rätiel. Wismar, Biniterit. 5 M.
Anhalt: Vorwort. -- Urts und Mitarbeiterverzeichnis — Zachenrätiel:
I Wetprächsrätiel. 2 Mehrere Tiere. 3. Ortsnamenrätſel. 4. Tor fteit 'ne blooın,
n bom m ü 5 Ich Mate. 6 Tor Hood 'n vagel. Tor Ieep 'n bumd.
3. Poldervoladtr, ISıppup un Wappupen a x Wuge ruge rein ä 9. Ber
1897, 657
wandtfehaft/iche Berbältniffe. 10. Geftalt, Körperteile, Ausjehen, Tracht,
11. Kleinere Rätfel. 12. Verfcjiebene Rätjel. 18. Voltstimliche Rätjel. —
vätfel und Nätjelfragen. Aufgaberätfel. Mortjpiefrätfel. — =
löfungsrätjel und Nätjelmärden. — Anmerkungen. — Verzeichnis
tungen.
Köhler C, Volfstieder von der Mofel und Saar. Mit —— —
Voltemmnde gefammelt. Mit vergleichenden Am und einer Abhandlung
herausgegeben von J. Meier. 1. Band. Terte und terfungen. Halle, Nie-
meyer. 10 M.
Hefiel 8, Sagen und Gefcichten des Mofeltbals. Kreuznach, Harrad, 1 M,
Haberlandt M., Katalog der Sammlungen des Muſeums für öfterreihiidhe
Boltsfunde in Wien, Unter Mitwirkung von W. Hein und F. &. Größl. Wien,
Vereinsverlag. 30 fr. ehe ER — cine
Aus diefem reichhaltigen Verzeichnis volfs) er
fite die Litteraturgeſchichte unter anderem in Betracht S 95 f. die aus Holz w
chnitzten und gemalten Tarven, echte Exgeugniffe der prü ven Vorltstunft,
bei der Aufführung von Boltsicaufpielen in den Alpen zur tamen.
Tas Mufeum birgt Teufels», Hexen» und Tiermasfen aus rg, eine Go—
liathmaste aus Brirlegg, eine Buttiermaste aus Mihlau bei Jı und andere.
©. 147 ff, die mit deutichen Sprüchen verfehenen Oftereiev aus Mähren, S. 01
die zumeift aus Steiermarf ftammenden Bauernlalender. AH.
Tvofibn F, Deutiche Kinderreime und Verwandtes, aus dem Munde des volles
vornehmlich in Pommern gejanmelt, Nach feinen Tode herausgegeben vom
C. Bolle und F. Polle. Feipzig, Teubner. 2 M,
Inhalt: Vorwort des Heransgebers. Drofihns Yeben. Vorwort des —
ters. 1. Über * Volls⸗ und — 2. nt —* wilden — * ber die
Bat cter. 4. Wiederholungen, Ablant. 5. Berfaifer. 6. Reim ffonanz.
Bersmaß. 8. Stimmung anregende Eingänge. 9. Bom Schat. 10. Berhält“
nis zur Tierwelt, 11, Die Mimdart, I. Wiegenliedden Nr, 1-39. II. Allerhand
zu Scherz ımd Spiel Nr. 4075, TIL. Fufeliehiien Mr, 76-93. IV. —
tanzlieder Nr. 94—102. V. Gute Nadjbarn umd re in Hof und
Nr. 103—131. VI. Zierftimmen und Berwandtes — VIL De
— und Ähnliches Nr. — — 188,
IN. Zum Huppupflopfen Nr. 189— (reine Pr.
Nr. 267. Dos, x Tanzlieder Nr, 307—315. XIII. ra ——
XIV. Allerhand zu — El Nr. 319-369.
XV. Kinderprebigten (Settenseime) Nr. B20- SR U Tbemäreen ta:
alter, Kinderwüniche Nr. 375—386. XVII, Zur Feier vom —
Feſten. Reſte von Dreifönigsliedern Nr. 387—407. e Sorten
Scherzfragen Nr. 408475. 11. Spridwörter und tlicdhe Wendungen:
Nr. 476-567.
Partic 3, Schlefien. Eine Landestunde —— Bott auf wifſen
ſchaftlicher Grundlage. 1. Teil: Das ganze in Bresfau 1
Tamroth 8, Die älteren Ortsnamen Sclefiens, et
deutung. Mit einem Anhang über bie ſchleſiſe
zur ſchleſiſchen Gefchichte und E—
Meiborg R., Das Bauernhaus im Herzogtum S und das |
"Bauerrftandes im — 18. idert. ee von
R. Haupt. Steh, Bergas 1896.
Estuche ©., Sirgerländifche at no Aus Vortenmnd gefommelt und
erläutert. Ziegen, Montanıs.
658 Bibliographie. 2. Bücher.
Ueuhochdeutſche Schriftſprache. Mundarten. Aletrik.
Deml F., Betrachtung der Mittel zur Erreichung klarer und gewandter Ausdrucks
weiſe in der deutſchen Sprache. Programm. Prag 1896.
Erler J., Die Sprache des neuen Bürgerlichen Geſetzbuchs. Verlag des allgemeinen
deutſchen Sprachvereins Jähns und Ernſt in Berlim 1806.
Gombert A., Beiträge zur Altersbeſtimmung neuhochdeuticher Wortformen. Groß—
Strehlitz, A. Wilpert. 1.20 M.
Hetzel S., Wie der TDeutſche ſpricht. Phraſeologie der vollstümlichen Sprache.
Ausdrücke, Redensarten, Sprichwörter und Citate, aus dem Volksmunde und den
Werken der Voltsſchriftſteller geſammelt und erläutert. Leipzig, Grunow. 3 M.
Aus dem Vorwort: „Eine kurzgefaßte Phraſeologie der deutſchen Alltags
ſprache, wie fie in Werktagskleidern wirklich geſprochen wird, möchte ich bieten.
Weder die deutichen Idiotika, noch die Sprichwörterſammlungen, nod) die philo⸗
logiſch-kulturhiſtoriſchen Werke über Entitehung und Bedeutung der Wörter und
Redensarten, nod aber über dentiche Smonyme u. ſ. w. können .... eine
Phraſeologie der volfstümlidhen Sprache erieuen, die fiir den Bedarf der
Yehrer des deutſchen Zvpracdhfaches, der populariſierenden Leutichen Zchriftfteller,
wie fir den Gebrauch aller derer beitimmt it, die mit dem deutichen Volle um:
mittelbar verkehren. Ein das Weſeuntlichſte dieſer deutſchen Zprachwerfe in ge:
drängter Kürze umfaſſendes praftiiches Hilfsbuch ın der Geſtalt eines leicht zu
bandbabenden Nacichlagebuces feblte bis et.“
Rleinpaul R, Tas Fremdwort im Dentſchen Zammlung Göſchen. 55. Bändchen).
veipzig, Göſchen. 30 Pf.
Regenhardt E, Tee deutſchen Mundarten. Auserleſenes aus den Werken der
beiten Dichter alter amd neuer Zeit. 2. Band. Miitteldeutſch. Verlin, Regenhardt.
2 WW.
Steiskal K., Vorſchläge zur Ergänzung und Verbeſſerung der amtlich feſtgeſtellten
Regeln für die deutſche Rechtſchreibung. As Manufſkript gedruckt. Wien, Manz
1896.
Wilmanns W., Teutſche Grammatik. Gotiſch, Alt, Mittel und Neuhochdeutſch.
1. Abteilung. Yantlebre. 2. Auflage. Straßbarg, Trübner 8 DM.
Wuſtmann G., Allerband Sprachdummheiten. Kleine deutiche Grammatik des
Zwerfelbaften, Des Falſchen und des Häßtlichen. Ein Hilisbuch für alle, die fi
öffentlich der deutſchen Zprache bedienen. ZIweite, verbeiferte und vermehrte Aus
gabe. Yerpzig, (runow 1800. 2.50 M.
Aus dem Bonvort: „Für die vorliegende neue Ausgabe babe ich das Buch
mt Zuüſtimmung des Berlegers einer durchgreifenden Umarbeitung unterzogen,
Ter Ztofi it beiter und richtiger angeordnet als früher; die drei Abſchnitte „Zur
Formenlehre“, „Sur Wortbildungslehre“ und „Zur Zaßlehre” haben jeder etwas
an den neu binzugelommenen vierten Abſchnitt „Zum Wortihau und zur Wort:
bedentung” abgegeben, die 150 Kapitel der eriten Auflage find auf 178 vermehrt,
dafiir it dev lange Herzenserguß, der die erfte Auflage als „Einleitung“ eröffnete
und worm sch unſre heutigen Sprachzuftände zu schildern und ihre Alrfachen zu
zeigen versucht hatte, weggefallen, zu den vielen unfreiwilligen Mitarbeitern des
Auces aber bat fih Diesmal eine Anzabl freiwilliger gefellt, denn Die große
Male von Zuſendungen, die mir day Buch eingetragen bat Fragen, Wünſche,
Bedenken u. ſ. w. iſt um monatelanger Arbeit gefichtet und was mir davon
brauchbar erſchien umd mich überwugt bat, gewilienbaft und dankbar benutt
worden.”
Aruna N. Ti Amtsiprache. Berdeutichung der banpriächlichiten im Verlehre ber
Aerichts und Berwaltungsbebörden gebrauchten Fremdwörter. 2. Auflage Ver⸗
dentichungsbücher Des allgemeinen deutichen Zprachverenis V.'. erlin, Verlag
des allgemeinen deutichen Sprachvereins. 60 Pi.
1897. 659
Iohann Auguſt Eberhards ſynonymiſches Handwörterbud; der beutjchen
Sprache. Fünfzehnte Auflage. Nach der von Dr. Friedrich Rüdert beforgten
12. Ausgabe durchgängig umgearbeitet, vermehrt umb verbeffert von O. Iyon,
Mir Überfeßung dev Wörter in die engliſche, franzöfiiche, itafienijche und ruffiiche
Sprache und eitier vergleichenden Darftellung der bentjchen Bor- und Nachfilben
unter erläuternder Beziehung auf die englifche, franzöfiiche, italienifche und ruffijche
Sprache. Leipzig, Grieben 1896.
Das nüßliche Bud, wird bald ein Jahrhundert alt fein (1802 zum erften
Male erichienen). Scit der 13. Auflage (1882) und noch mehr feit der 14. (1888)
hat «8 eine gründliche Umgeftaltung und Modernifierung erfahren, die ihin eine
neue Beliebtheit in weiten Kreifen des In- und Auslands verfchafft hat. And)
in der vorliegeuden Auflage fehlt es nicht an Verbefferungen und Zulägen, die
feine praftiiche Verwendbarkeit erhöhen. M
Grimm J. und W., Deutjches Wörterbud). Neunten Bandes achte umd neunte
Yieferung. Schnitt Schreiner. Bearbeitet von und unter Yeitung von M. Heyne.
Feipzig, Sir 2m
Des IV. Bandes I. Abteilung II. Hälfte 12. Yieferumg (G) und des IX.
Bandes 10. Lieferung (S) befinden ſich in Druck
Heyne M., Deutſches Wörterbuch. Meine Ausgabe. Yeipzig, Hirgel 10 M.
Pant H., Deutjches Wörterbuch. 2.4. (Schluß-)Lieferung: gebühren — zwölf,
Halle, Niemeyer 189. ALM.
Tragi A, Peipacr Familiennamen. Programm. Böhm-Leipa 1896.
Blumer %., Die Familiennamen von Yeitmerit und Umgebung. II, Teil, Die
deutjchen Familiennamen der neueren Zeit (1, und IT. Abjchnitt. Familiennamen,
die auf altdeutiche und bibtifch-chriftliche Berfonennamen zurüicgehen). Programm.
Yeitmerig 1896.
Wismar J. Die Ortsnamen der Snaimer Bezitlshauptmannſchaft (Schluß).
Ein toponymiſcher Berſuch. Programm. Znaim 1896.
Weigand G., Der Banater Dialelt. Yeipzig, Barth. 3 M.
venz, Die Fremdwörter des Hanbihuhshrimer Dialettes. T. Programm,
Baben Vaden 1896.
terlin L., Die expiratoriſche Betonung in der Heidelberger Voltsmundart.
Feſtſchrift. Heidelberg 1896,
ZSchatz J., Die Mundart von Im ſt. Pant und Flerionsiehre. Straßburg, Trübner.
450.0.
Nübler A, Die Mundart der Kiffinger Gegend. Ein Beitrag zur Kenntnis des
Yautitandes der Dialekte Unterfranfens. Fetichrift. Kiffingen 1896,
Srecelius W,, Oberheffifhies Wörterbud. Auf Grund der Borarbeiten Weir
gands, Diefenbahs und YHainebad)s, fowie eigener Materialien bearbeitet im
des hiſtoriſchen Vereins für das Großherzogtum Heſſen. 2. Yieferung.
Darmıfadt, Bergfträßer. 5 M,
Herger G., Der Dialeft dev Südoft- Pfalz. I. Teil. Die Yaute, Progranmı,
Yanbau 1896.
Nobiling F., Volalismus des Dialelis der Stadt ESTER, em): Nach
den im fünigl. Staatsarchis zu Cobleng liegenden Urlunden Dautfe rdens
Commende Saarburg. Differtation. Berlin 1896.
Zchweizerifhes Jdiotifon, 32%, umd 83. Heft. Frauenfeld, Huber, 2 M.
Gerbet E, Die Mundart des Vogtlandes. Leipziger Differtation 1806.
Hertel T., Die Sprache Luthers im Sermon von den guten Werken (1520)
nach der handichriftlichen Überlieferung. Differtation, Jena,
von, Über die Sprache der Gottſchedin im ihren Briefen, I. Differtation,
Upſala.
660 Bibliographie. 2. Bücher.
Kauffmann Fr., Deutſche Metrik und ihre geichichtliche Entwidlung. Neue We
arbeitung der aus dem Nachlaß N. F. C. Rilmars von C. W. M. Grein heraus
gegebenen „Deutſchen Verskunſt“. Marburg, Elwert. 3.60 M.
Roſengren E., Sprakliga undersökningar. Oeſterſund. Schulprogramm.
Inhalt: 1. Vom Verhältnis zwiſchen antikem und modernem Versbau.
2. Von Melodie und Rhythmus in der Sprache.
Walſer J., Der Vers als Mortlompler oder die Verkörperung rhuthmiſcher Formen
in der ſprachlichen Darſtellung. Rrogramm. Wien 1896.
15. und 16. Tahrhundert.
Schorbach N. Seltene Drucke in Nachbildungen. Mit emleitendem Text. III.
veipzig, Spirgatis. 15 M.
Indhalt: Eden außfart. Augsburg 1491. Mit bibliographiſchen Nach
weiſen.
Milchſact G., Historia D. Johannis Fausti des Zanberers. Erſter Teil. tüber
lieferungen zur Litteratur, Geſchichte und Kunſt herausgegeben von G. Milchſack
und P. Zimmermann 2.3 Wolfenbüttel, z3wißler 18x02 — 1897. 10 WM.
Inhalt: Vorbemerlung: Zur Geſchichte des Volksbuches vom T. Fauſt
Quellen des Bollsbuches. — Mittelbare Quellen des Volksbuches. Der Processus
Belial des Jacobus de Theramo. Tie Qualuor novissima des Dionyſius van
veeuwen und der Zpiegel der ſündigen Seele. Der Yauberteufel des vndovicus
Milichius. Der Tbitzauber. Tas Kapitel vom Tonner. Tas Veſchwörungskavitel
Zimon Magus. Helena. Die Berichreibungen Tie Zchaßgrabung. Die Tümo
nologie des Milichius und ihre Anwendung durch den Verfaſſer des Fauft
buches. — Zuiäße: Tag Vüchlein von Lucifers mit ſeiner Geſellichaft Fall. Zur
Simonſage Tas Fauſtbhuch und Lercheimer — Die Tendenz des Volksbuches.
Tas Problem. Die Kompoſition des Fauſtbuches. Die Expoñtion. Die theologi
ſchen Disputationen. Abdruck der Wolfenbiittler Dandjchrift.
a‘
Jatob Freys Wartengelellichaft 1556. Serausgegeben von J. Bolte. ı Hibliorhet
des litterariſchen Vereins in Ztuttgart GEIX + Tübingen, Zelbitverlag 1896.
Inhalt: Entertung. 1. Freys veben. IT Frens Werke. II. Die Garten
qeiellichaft - Trude: Quellen: Rachwirkung. — &artengelellidhaft 11557: Wr. 1
bis 120. — Zuſätze ipäterer Ausgaben. — Regiſter. — Anhang verwandter Er
zäblungen I-ÿXXXIX. -- Anmerkungen zu Nr. 1--131. — 1. Sugabe: Über Die
Schwankſammtung T. PMahrolds ‚1608. 2. Zugabe: Nachträge zu Val. Schu
manns Nachtbüchlein. Wort md Zachregiiter.
Schröder E, Joanni- Lorielm Hadamarii lobus comoedia (ed Marpurgi
a. 1543) demuo edita Programm. Warburg.
Macropedius 8, Rebelles und Aluta. Herausgegeben von J. Bolte. Mit
Adern und Notenbeigaben. Lateiniſche Yıtteraturdentmäler des 15. und 16.
Jahrhunderts. Herausgegeben von DM. Herrmann 13. Berlin, Weidmann. 3%
Neudrucke Deuticher Litteraturwerle des 16. und 17. Jahrhunderts. Wr. 144 — 148.
Halle, Niemeyer. à 60 Pf.
Inhalt: Tie Pſalmeniberietzung des Paul Schede Meltiine 11672.
Herausgegeben von M. H. Jellinel. — Die ausführliche Einleitung zerfällt in
folgende Abſchnitte: J. Schedes Yeben und Werke. IT. Triginal, und Reudrud
IN. Zur Geichichte der Pialmenüberſeßbung. IV. Verhältnis der liberfetung zum
Original. V. Bershunit. VI. Orthographie VII Korbilder und Wirkungen dei
Orthographie.
Kilmar 3, Dietrich von Pleningen. Ein Überſetzer aus dem Heidelberger
Hunmianiſtentreis. Tiſſertation. Marburg 1896.
1897. 661
Zimmerer 9, Hans Sachs und jein Gedicht von den 110 Fluſſen des deutſchen
Yandes (1559) mit einer zeitgenöfftf—hen Landtarte herausgegeben und erläutert.
Programm. Münden 1896.
Foft Amans Stände und Handwerker, mit Verſen von Hans Sadjs. Kını
a. M. bei S. Feyerabend 1568. 2. nauge (Lieb! “ en after Sun
töten in Faffimite-Reproduftionen. VIL. Bändehen.) Mi h. 7.50
Griechiſche Dramen in deutjhen Bearbeitungen von "Bolt art Spangen-
berg um 3 Jſaac Fröreifen. Nebft deutſchen Argumenten Aeranagegeten von
ähnbardt. Erſter Band. (Bibliothek des Yitterariichen Vereins in Stuttgart
ECXI.) Tübingen, nt 1896.
Iuhatt: Einleitung, eefiis 1604. — Hecuba 1605. — Anmerkungen.
Die Neife der Söhne Giaffers aus dem Italieniſchen 8* Ehriftoforo ren
überjetst duch Johann Wetzel 1583, herausgegeben on her und J.
Bolte. (Bibliothek des Fitterarifchen Vereins in nen CEVIL.) Tübingen,
Selbitverlag 1896.
Inhalt: Tert. — Anmerkungen. A. Zur Geſchichte des deutichen Wertes.
1. Das itafienifhe Original. 2, Webels Aberfpung, 3. Spätere Auflagen von
Begels Werl, 4 Auherdeutfehe Bearbeitungen des italienijcyen Ein
B, Zur Geſchichte der einzelnen Novellen, — Regifter,
17. Sahthundert.
Zertvo B. Abraham a Sancta Elara, Eine Skizze. Programm. Sigma-
vingen 1896
Shan C., Angelus Silefius und feine Myftil. Breslau, Aderholz.
3m.
Sonnenbu
Berlin,
Inhalt: Vorwort. — Zur Yitteratur. — Verzeichnis ber Werke des Herzogs
Anton Ui. — — der Ausgaben und Handfe ten, melde auf der
Blbliothet zu Wolfenbüttel vorhanden find. — Anton Uri: en
jahre 1633—1655. Chrift-fürftliches Davids Harfenfpiel. — Se
Jahre nad) dem Mufenthalte in Paris 1656-1666. Die Dramen.
Zeit der Megentjchaft 1667-1704. Die Romane: YAramena; Octavia. Die
Iprifchen Gedichte. Die Sprache der Dichtungen. — IV. Die — Jahre 1705
1714.
Mathejius F, Ausgewählte Werke, 2. Band:
erläutert umd eingeleitet vom. &. Woeſch kon. |
Böhmen. Herausgegeben im Auftrage ber jur ürbenung
Wiſſenſchaft — und Kunft in ee Ä Band.) Prag. ——
Yeipjig, Freytag. 3 M
Inhalt; CEinfeitum, ten IX. — main ga:
Wem Gott ein chelic) Be“ Are X Ric,
Hermans Vied: Wie man eine Braut 8
in Nie. Hermans Überfegung. — NVI. : Bon und feinem
gechten Brauch. — Anhang: Exfäu
Yanger $, Der Bejuvius von Martin Programm. Brunn 1896.
Möfter A., Der Dichter der — Eine lutterarhiſtoriſche Unter⸗
iing Marburg, Elwert. 2 M. “ —
nt — w — 5 a
halt: Einleitung. 1.
fitterarifche PBerfönlichteit. 1. * ‚Heimat, 2. Seine 2 "yrpängige von Fleming umd
3, Herzog Anton Ulrid von Braunſchweig als Dichter.
ion 1896.
male, 2. Rhythmiſches ©
662 Bibliographie. 2. Bücher.
jeinen Nachahmern. 3. Abhängigkeit von Zimon Tach und den Zeinen. —
III. Filidors bürgerliche Persönlichkeit. 1. Beziehungen zu Königsberg. 2. Ur
ziebungen zu Erfurt. 3. Tie Nönigsberger Matrikel. — IV. Nachprüfung
1. vebensſchickſale. 2. Tie mufttaliichen Beigaben. 3. Ter teutiche Zprachichan.
4. Tas centiheidende Anagramm ıFeillaraftres-Nafpar Zticler). — Schluß.
18. Tahrhundert.
Chr. F. Gellerts fämtliche ‚yabeln und Erzählungen in 3 Yüchern. Nach den
älteften Ausgaben. Neue Ausgabe. Mit 16 Alluftrationen von H. Yeutemann.
Hannover, Dahn. 2 M.
Ehrtiih M., Goethe und Zchilter, ibr Yeben und ihre Werke. Mit Illuſtrationen
von W. Friedrich, F. Zfarbina, Nopfleiften von R. Püttner und Porträts in
Holzſchnitt. 1. Yıeferung. Berlin, Grote. 2 M.
Im Gegenſatz zu den zahlreichen Einzelbiographien macht das vorliegende
Werk den Beriuch, „Das Weſen der beiden Tichter in ein Toppellebenebild zu—
jammenzufasien, nicht nur das Werden und Wachien jedes Einzelnen darzuftellen,
jondern auch die Notwendigkeit ihrer Anfeinanderfolge, ihres Gegenſatzes, ihres
mwechjelivitigen Einfluſſes und ihrer Vereinigung”. Die Einleitung zieht daber
eine sicht allzu tiefgebender ‘Barallele yotichen beiden Tichtern. Ter Anfang des
Goethiſchen Yebens iſt im berfömmticher Weiſe erzäblt. — Auch die illuftrative
Austattung ſest ſich in Gegenſatz zu der „regt beliebten, bäufig bis zur Manie
getriebenen Überladung der Bücher mit veproduftiven Alluftrationen, Die den
Tert beinabe zur Rebenſache macht, dem Verſtändnis und der Yeltiire binderlich
it“ und will vielmehr die Yeltüre dadurch unterjtügen, daß die bedeutenditen
Momente aus dem Yeben der beiden Tichter durch moderne Nünftler (8. Friedrich,
R. Püttner, F. Ztarbina: dargeitellt und Porträts mur von folchen Perſonen
beigegeben werden ſollen, die wirklich einen bedeutenden Einfluß ausübten oder
mit denen die Tichter in engerer Verbindung jtanden. — So gelungen aud die
modernen Taritellungen an und für fich jein mögen, To wirken diefe Phantafie
bilder wie „Tas Puppentheater”, „Am Zchöntonfichen Weinhaus“, „Zchiller
mit Streicher auf der Flucht“, „Schiller und Zireicher im Gaſthof zu Oggers
beim“ unſeres Grachtens im biltoriichen Zuſammenhang mehr ftörend als
fürdernd. Tie hiſtoriichen Porträts: Goethes Eltern, Cornelie, Tejer, Herder find
jehr gut wiedergegeben.
Friedlaender ML, Gedichte von Goethe in Nompofitionen jener Yeitgenofien.
Schriften der Goethe Seiellichaft. Nm Auftrage des Borftandes herausgegeben
von A. Zuphan. 11. BYand.ı Weimar, Verlag der GWoethe Geſellſchaft 1396.
subalt: Vorwort von B. Zuphan. -- Vorwort des Herausgebers. —
TR Nompolttionen Goethiſcher Lieder von Andre, Herzogin Anna Amalia, Vettina
von Arnim, Weetboven, Berger, Verlioz, Breitkopf, Cimaroſa, Graf Zierrichftein,
Eberwein, Ehlers, Gabler, Goerner, Walther von Goethe, Grönland, Himmel,
Kayſer, Kienlen, Klein, Kreuber, Loewe, Mendelsſohn, Woltle, Mozart, Nägeli,
Fürſt Radziwill, Reichardt, Homberg, Ruſt, Corona Schröter, Schubert, Secken
dorii, Spohr, Spontini, Stefſjan, Tomaſchelk, Walter, I. A. Weber, Jelter,
Zumſteeg. — Anmerkungen. — viederanfänge.
Friedlaenders Vorwort ipricht ſich über den Z3weck und die Anlage dieſer
Ausgabe ſehr klar aus: „Ein Bändchen Goethiſcher Hausmuſil ſoll in den nach⸗
folgenden Blättern den Mitgliedern der Goethe Geſellſchaft geboten werden. Wie
mancherlet auch über des Dichters Verhältnis zur Tonkunſt geichrieben worden
iſt, To feblte bisher doch eine Zuiammenſtellung des Ztofis, cine Zammlung der
1897, 668
in verſchiedenen Werfen zerftreuten wichtigeren Kompofitionen, von denen manche
ſchwer, andere iiberhaupt nicht zugünglich waren. Diefe Lie auszufüllen wird
in der vorliegenden Ausgabe verfucht; fie bietet zunähft die Melodien, die
Gocthes Gefallen in foldem Grade erregt haben, da er ihnen jelbft Gebichte
unterlegte, dann eine größere Neihe von Kompofitionen Goethifcher Texte, die zu
feinen Lebzeiten entfianden find. Der Vorzug gegeben wurde dabei denjenigen,
für die der Dichter befondere Vorliebe hatte, die fir feinen mufifatifchen Gejchmad
bezeichnend find, ferner den Melodien, unter denen feine Berje Überhaupt zuext
befannt wurden, endlid) den beften Werfen der ihm befreundeten Mufiler, jowie
aller derer, die ſich ihm perſhnlich ober jhriftlich genähert haben. Und da bei
der Auswahl die hiſtoriſchen Gefichtspunkte nicht allein entſcheidend waren, find
außerdem auch einige bemerfenswerte Kompofitionen aus ber Zeit des Dichters
aufgenommen worden, bei denen nid)t ängitlich geprüft worden ift, ob Goethe fie
gefannt oder ihren Wert erfanmt hat. Als Ziel hat dem Herausgeber vorgejchwebt,
ein Bild der Mufit zu geben, die Goethes Gedichte von den erften Verfjuchen in
der Leipziger Studentenzeit an bis zum Weftöftlichen Divan begleitet hat. Aller-
dings war des Raumes wegen ein Verzicht auf diejenigen Side notwendig, die
in ausgeführteren Formen komponiert fund; Duette, Terzette, Ouartette, Chöre,
Spernfcenen, Kantaten sc. fonnten zunächft nicht bevüctfichtigt werden, umd unfere
Sammlung hat ſich auf einftimmige Gefänge beichränfen mäfen.“ Die eigen-
artige Gabe hat auch bei ſolchen Mitgliedern ber Goethe Gejellſchaft Anklang
gefunden, die den papierenen Schäben des Goethe- und Schillerardivs kühler
gegemüberftehen und der Wunjd des Herausgebers, unfere eigene Hausmufif
da durch zu beleben, ift in fhöufter Weife in Erflillung gegangen, wozu bie ver-
fändige Art feiner Tertbehandhung viel beigetragen hat. den Anmerhmgen
ift daneben viel litterar- und muſithiſtoriſches Material Sufgelpeidiert, wie es
mur der auf beiden wiffenichaftlihen Gebieten fo gut bewanderte Heransgeber
zujammentragen konnte. Wir hoffen, daß er nicht das leiste Mal in den Schriften
der Gocthe-ejellichaft zu Worte gefommen iſt. — Flix eine Neuauflage machen wir
auf den Druckfehler 1765 ftatt 1775 ©. 52 aufmerkjam und tragen zu ©. 30
nadı, da Graf Moriz Dietrichftein am 27. Auguft 1864 geflorben ih (Burg
badı 14, 423).
Genjihen D. F, Das Haiberöslein von Sejenheim. Berlin, Gebrüder Paetel
1896. 4.50 Di.
Inhalt: 1. Goethes Feben bis zur Überfieblung nad) Straßburg, —
2. Goethe in Straßburg. — 3. Goethes Lieder am Friederike. — 4. frieberife
Xrion. — 5. Friederite Brion und Reinhold Yenz. — 6. Berlaffen! Werlafen!
— 7. Hermann und Dorothen. — 8. Feierabend. — 9. Bertirumg,
Haarhaus J. R. Auf Goethes Spuren im alien. I. Zeil: Dittel-Ftalien.
Kennſt du das Yand? Eine Bucher ammlung für die Freunde Ftaliens, Heraus-
gegeben von I. R. Haarhaus. 8. Band.) Leipzig, Naumann. 2.50 M.
Henje Paul, Das Gocthe-Haus in Weimar. Berlm, Hert. 1 M.
Tas befannte ſtimmungsvolle Gedicht Heyſes in reigender Ausſtattung mit
gelungenen Alluftrationen.
Tas Gocth cheimmis. Eine fenfationelle Enthillung von P. P. Hamtet.
Lerlin, A. Hofmann & Co. 1 M, =
Kermann €. &., Ein Interview Goethes im Jahre 1896. Authentifche Bruch-
ftüde einer, jpiritiftiichen Unterhaltung. Erlangen, Junge 1 M. x
Kraus E., Goethe und Böhmen (Goethe a Gechy). Prag 1896. In Kommilften
von Burſit und Kobout.
€. Kraus hatte ſich die jchöne Aufgabe geftellt, darzulegen einerfeits, was
Vöhnen und fein Volt fr Goethe bedeutete, anbererfeits zu zeigen, ivas das
geiftige Leben Böhmens dem Didjter werdankt, was «$ vom ihm übernommen
und welchen Einfluß er überhaupt auf dasjelbe ausgenbt hat. Diefes vielver-
664 Bibliographie. 2. Bücher
ſprechende Thema, von dem wir über die wechſelſeitigen Beziehungen der beiden
ſo vielfach aneinander gewieſenen Nationen in einem gewichtigen Punkte ins
klare verſetzt zu werden hofften, ſollte in zwei Büchern behaudelt werden.
Während nun der erſte Teil, der die Beziehungen Goethes zu Böhmen ſchildert,
bereits vor zwei Jahren unter gleichnamigem Titel erſchien und der zweite,
Goethes Einfluß auf die böhmiſche Litteratur enthaltend, nachfolgen iollte, giebt
nunmehr der Verfaſſer einen Band heraus, in welchem beide Momente des ge
ſtellten Themas zugleich behandelt werden.
Der Berfatler verzichtete daher auf cine beſondere Herausgabe des zweiten
Teiles. Dev Grund davon? Er ſah ſich dazu durch dein negativen Erfolg feiner
müblamen umd jorgfältig qeführten ‚yorichung veranlaßt. Er geitebt ofien, daß
es einfach unmöglich it, Die Zpuren von Goethes Wirkung anf die böhmiiche
Yırteratuv zu verfolgen und auszufinden: jen Einfluß äußert fi) bloß als ein
und nicht gerade das jtärfite Element Der ganzen mächtigen Einwirkung der.
deutichen Yırteratur auf die böhmiſche und cs wäre zwecklos, das Einzelne dieiem
Geſamtbilde, das allerdings der Zchilderung noch barrt, zu entuehmen.
Tas wird wohl auch die einzig vichtige Yöfung der Aufgabe fein; denn
wenn auc die Beziebungen Goethes zu Böhmen und feinen bervorragenden
Männern ziemlich zahlreich waren, So Scheint dennoch fein ganzes Intereſſe an dem
böhmiſchen Bolte und seiner Litteratur ein bloß äußerliches, formelles, ınan
möchte jagen fonventionelles geweſen zu fein, von dem man cime tiefere innere
Einwirkung kaum erwarten dürfte Verfolgte doch das gleichzeitige Streben der
böhmiſchen Litteratur ganz andere Ziele, als daR cs dabei gerade von Goethes
Ideen beeinflußt werden konnte; Ste lagen ibm au fern. Und ats fich die böbmifche
Litteratur aus den ſchwierigen Anfüngen emporgearbeitet batte, da ftanden ihr
neuere, moderne Michtungen viel näber und dort kann man von einem Einfluß
der deutichen Litteratur reden. Denn das iſt noch fein Beweis von einer Be-
einfluüſſung, wenn die böbmmiche Yırteranır eine Reihe von Überlegungen der Werle
des Dichters aufiverit, wie fie Kraus in einem beionderen Napitel beipridht, um
welches die ewige Bearbeitung gegenüber der alten vermehrt if.
Was die eigentlichen Veziehungen Goethes zu Böhmen anbelangt, fo waren
ſie, wie geſagt, recht zahlreich, und Kraus hat ſich die Mühe gegeben, dieſelben
möglichſt detailliert zu ſchildern Er handelt über Goethes Reiſen nach Böhmen,
über ſeine Freunde und Bekannte daielbit Graf Kaſpar Sternberg, Purlkyné,
Tobrovstky, Nollär und andere, er führt an, was Goethe in Böhmen gedichtet,
wie er da ſeine mineralogiichen Studien betrieben und welches Intereſſe er der
böhmischen Kultur entgrgenbradte Alles das trägt, wie geiagt, den Charakter
des Zufälligen, Formellen umd genügte sucht bei dem Tichter, ein tieferes und
erfolgreicheres Intereſſe für die böbmmichen Veſtrebungen hervorzurufen Allein
es iſt die Pflicht des böhmiſchen Volkes, den Dichter ſozuſagen Schritt für Schritt
anf böhmiſchem Boden zu verfolgen und ſich daran genügen zu laſſen, was es
fir Goethe bedeuten konnte, mag es zufolge Der damaligen Verhältniſſe noch fo
wenig geweien ſein Kraus bat va unternommen, dieſer Pflicht gerecht zu werden
und jeine Aufgabe ın ganz anerfennenswerter Weie durchgeführt Joh. Krejei.
Milde Natalie von, Woethe und Schiller und die ‚grauenfrage. Weimar,
Seippel. 60 Pf.
Preiß O, Die Maſſenmühle im Körnbachthal Ein Goethe Gedenkblatt aus dem
Thüringer Walde. Berlin, Moße. 1.20 M
Mehr Reklame für des jebigen Beſibers der Maſſenmühle, Dr. med. €.
Fran, Waiferbeit und Nuranftalt als eme ‚görderung ımieres Wiſſens über
Horthr.
Schubart W., Franco de Theas Gomte de Thorane Goethes Nönıgslieun-
tenant. Dichtung und Wahrheit drittes Buch Weitteilungen und Weiträge.
Münden, Rerlagsanitalt 5 Hrudmann AG 1896 15 M
1897, 665
Inhalt: 1. Ein Geſprüch mit Wolf Goethe. — II. Fundbericht
Graſſe Monans. — II. „Der — nn — Karl ar en
IV. Thorane. Thorene. Thoranc. — V. Das Porträt
lieutenant du Roy umd das Goethiiche Haus. — VII Die — Fronffurte
nad) Thorancs Darftellung. — VII. Gefchenkanerbietungen — marques de
reconnaissance — des Seanffurter Senats. — IX, Die Berwei eigenung bes Colonel»
vatentes. — N. Briefwechſel mit dem Marſchall von Belleisle und anderen. —
XI. Reflexions aus Thorancs „journal pour moy". — XIL ——
xXi Die Erhebung in den Reichsgrafenftand. — ax ‚am Die
fetten Theas-Thorane. — XV. Die Maler. — Ib; are —
Konrad Seetag. — XVII. Junter, —
NVIIL. Die Joiephsbilber. — XIX. D a Mer ii, Ba
Sobefroid. — NX. Charlotte von Saetpene sheet X. Sam a
Wahrheit, Wahrheit und Dichtung. — Al — — Bilderfol hoto⸗
gravüren. 1. Das Porträt des Grafeı — TDraut⸗
mann. Joſeph als Statthalter von — den JJ—— überwachend.
— 3. Derſelbe. Der Verkauf des Joſephinaben am die Mibianiter, — 4. Der-
jelbe. Joſephs Brüder legen dem Pater Jakob den biutgetränften Nod vor,
— 5. Derjelbe. Fa empfängt die zum Getreidefauf gefommenen Brüder.
— 6. Ehriftian Georg Schütt. Landſchaft mit Staffage. — 7. Kopf — ver«
größert — des Sofephfnaben aus Nr. 3. — eichtbuude. 1 Johann Konrad
Seetatz Selbftporträt. — 2. Derjelbe, ER amd bie — des Potiphar. —
3. Sum Junker. Blumenſtück — 4. br ea Sole Dorfbrand.
Derjelbe. Auferwetung des — — 6. oſephtnaben oo
ven Sodsyfchen Stiche nad) Angefifa Kauffmaun. — Era ithographie. Das
Thoraneſche Grafenwappen.
Unfere Kenntnis von Goethes Jugend hat durch diejes anmuthig gejchrichene
md lururids ausgeftattete Werk eine ungeahnte Bereicherung erfahren. Aus ber
Heimat des Grafen Thorane hat Schubart nicht bloß die aus ee und
Wahrheit befamnten Wilder ber Frankfurter Maler heimgeholt, font auch
interefjante handſchriftliche Aufzeihuungen und andere Dokumente mit ht,
die Goethes Grzählung beleben, berichtigen und ergänzen, das Schidjal des
Rönigslientenants bis zu feinem Ende verfolgen und jo fiber den Goethiſchen
Kreis hinaus der Kulturgeſchichte des 18. Jahrhunderis Dienfte leiften. Freilich
fteigen ums leife Zweifel auf, ob alles fo wollftändig vorgelegt und jo breit er
zählt zu werden brauchte; aber da der Werfaffer jogar im die Gejchichte jeiner
Studien eine Charakteriftif vom Goethes Enkel einzuflechten weis und ums flets
im Banne Goethiſchen — ei — 9 ei Ten u uns auch er
Srkurje gerne gefallen. In mehreren Eingelfragen, Die aufroirft, wurde
von verichiedenen Seiten gegen Schubart entichieben Stellung genommen. Ein
milderes Urteil fiber hochverdiente ältere Forſcher toäre gewiß am iefem.
Unbedingtes Yob aber verdient der prahtvolle Drud umd die
der oben aufgezählten Bilder, die der beriiimten Berlagsanftalt * ‚hohen Ehre
gereichen.
Servars F, Goethe am von (ec or 75 Bf.
Zarnde F, Goetheſchriften (Heine Schri Siem Side
Zarndes und einem Walftmife in Lichtbruek. Ceiygi Ehe: Bu de
Inhalt: Allgemeines über Bocthe. — Sara Bil F
Goethes Leben. — Zu Goethes Werfen, — ir an
Über den fünffiißigen Jambus bei eeiting, | „os ie und Goethe. —
zeichnis der fibrigen Schriften zur Soethe- und Fauftli
Auch derjenige, welcher Jarndes durch ein Heer —
ſchaftigung mit Goethe vom Anfang an durch; die fllfe der mehr als 150 Einzel«
beiträge und Recenfionen verfolgt hat, wird: ae um jein, einen fo umfang»
uphorion IV. 4
666 Bibliographie. 2. Bücher.
reichen Band als das reiche Erträgnis dieſer mit fo vieler Yıcbe betriebenen Studien
vor fih zu ſehen. Mehrere wichtige Beftandteile des Bandes weiſen allerdings
über Goethe hinaus, umfaſſen die Ztudien über die vorgoethifche zauftdichtung,
beionders die Geichichte des Vollsbuches und die grundlegenden Unterjuchungen über
den reimlojen fünffüßigen Jambus, die gerade dort abbrechen, wo der Verfaſſer fich
dem Goethiſchen Vers zuwenden wollte. Da aber Goethe auch für diefe Studien
den Ausgangspunkt und den idealen Mittelpunft bildete, jo iſt gegen ihre Ein
reibung an diejer Stelle der Sammlung durchaus nichts einzuwenden; es tit
vielmehr ſehr erfreulich, daß die jo felten gewordene Schrift über den Jambus
ichon jet allgemein zugänglich gemacht worden tit und die metrifchen Ztudien,
auf die fie fo anregend eingewirkt bat, von neuen befruchten kann. — Zarnckes
umfaſſende Kenntnis Goethiſchen Lebens und Dichtens, ſeine einzig daftebende
Vertrautheit mit Goethes Bildniſſen, ſeine große Zuverläſſigkeit und Genauigkeit,
ſein Streben, das einmal gewählte Forſchungsobielt immer wieder zu betrachten
und womöglich erſchöpfend zu behandeln, ſeine glückliche Art, das Weſentliche in
einer neuen Publikation raſch zu erlennen und in knapper, allgemein verſtändlicher
Weiſe darzuſtellen, alles dag tritt in dieſen gefammtelten Auffäßen vecht deutlich
hervor. — Tier Herausgabe durch den Sohn iſt muſterhaft. Hie und da fonnten
Ergänzungen aus Jarnckes Banderemplaren verwertet werden. — Zie folgenden
Rinde jollen die Anfläße und Reden zur Kultur und Zeitgeſchichte und Die
Arbeiten über das Nıbelungenticd entbalten.
Goethes Werfe Herausgegeben im Auftrage der Großberzogin Sophie von
Sachſen. Weimar, Höblaıı.
I. Abteilung. 37. Rand
Inhalt: Knabengedichte — Böllenfahrt Jeſu Chriſtt — Annette. —
Belſazar. - Ter Yügner Corneille. TDer Tugendſpiegel. — An Händel. —
Judenpredigt Romanbriefe. Die Geſänge von Zeima COſfſian) — Ephie-
inerides Külar Positione- juri- Zum Shakeſpeares Tag. — Yon
deuticher Bautımit - > Brief des ‘Paltors Iwo biblifche Fragen. - Frank
furter gelehrte Anzeigen Karabeln Hohes Yırd Aus Woethes Vrief
taiche: Nach Falconet und über Falconet Dritte Wallfahrt nach Erwins Grabe.
- - Phnfiognommchr Fragmente Yırgers Homer - Tie Yesarten zu dieſem
Rande ſtehen ım 38° Band
47. Band.
Inhalt: Zihriften zur Kunſt 1788- - 1800 Darin fünf ungedrudte Aufläße.
Faraliwomena Rorarbeiten und Bruchſtücke fait lauter Ungedrudtes). — Her
ausgeber: C Harnack: Nedaltor: N Zupban.
1 Abtretung Naturwiſſenichaftliche Zchrifteen 12. Wand. Zur Ratur
wiiienichait Allgemeine Naturlehre IE Teil Dir einer Ittbograpbierten Tafel,
en Bilde in Lichtdruc und Ramen- und Zachregiiter zu Band 6—12.
Inhalt: Meteorologie Beriuch einer Witterungslehre Naturwiſſenſchaftliche
Einzelheiten Rachträgliches Karalipomena, auch zu Band 6 md 8. Heraus
geber: Ro Zeemer; Redaktor: 2 Zunben
IT Abteilung Goethes Tagebücher » Band 1821 --22 Herausgeber:
HHetuiller unter J. Wahles Veihilie: Redaltor: A Zupban.
IV Abteilung Goethes Briecie Band 19- 21 9. Mai 1R05 bis Dezember
12160 Herausgeber: AVeibmnann: Redatltor: WR Zupbean
Rand 19 enthalt Sortbes VBricie von Schillers Tod iv. Mai 18051 bis
Ende 1807: er bietet 126 hisher ungedruckte Rummern. Es beginnen in dieſer
Jet die tangeren regelmaßigen Berichte Geethes an Chriſtiane während feiner
allianrchen Baderciien oder ionitiger langerer Abweſenheiten, z 3. ın Jena:
vieberell.s Eigehen en' das Kleinleben des Tages, geiundbritliche Remerlungen,
=
mar Furiorge An D5° Ergehen Der Zurückgebliebenen, der berzlihe Ton un
1897.
bedingteften Vertrauens und liebevoller Hingabe find,
teriftila; das höhere und höchfte geiftige des
feltener zu Worte, wo es auftritt, mit einer meifterhaften
und Einfachheit; zur Beurteilung des Verhältmiffes
Frau ift der Ton und halt diefer Berichte von Jahr zu Fahe
bare Quelle. Der vorliegende Band enthält über ein viertel‘
Chriſtiane: Zwei von der Reife mit Wolf 1805 (5129. 51:
bad 1806 (5217. 5218. 5220. 5222. 5224), zwei
fürter Aufenthalt 1807 (5337. 5339), vierzehn don der.
(5371. 5373 [mit einer interejfanten Huf iiber
5385. 5386. 5391. 5393. 5396 [über den Grafen und
5401. 5404); ein paar weniger inhaltvolle iben (5108,
fowie ein Briefhen an Auguft (5400) föliehen an. Ein
gedentt dankbar der Tage von 1775, „die ic) unter die
fühle‘. An Karl Auguft ergehen Berichte aus
erlehr mit Wolf, Gall, Reil und
Reife mit Wolf (5131); weitere Briefe
am Frauenplan (6298), die Hinterlaf
ſchwerer Zeit 1806 gewinnt Goethes
vührenden Ausdxug (5301. 5311. 5316. 5408). Die
Dtobertage nach der Schladht von Jena fpiegeln ein
(5250) un za * * west ——
wieder. Künſtleriſch⸗ techniſche Dinge u ber
handeln die Briefe an Geinrich Meyer (5216. 5241. 5260,
5390 [über muftfafifchen und malerifchen
5462 (über den Maler Runge]. 5465 [über
Berfönlichleiten und Einrichtungen der Um E und
fihen Anjtalten befchäftigen ſich Schreiben an Voigt (5106.
5435. 5447), Venz (5109. 5114. 5192. 5264. 5320. J
5150. 5165), Hendrich (5324). Die Briefe an Blumen
(5189), Mineralogiiches (5228. 5249. 6366), Perfönliches
graphenſammlung (5204). Wichtig it ein =
von Humboldt (5340), Den hauptjählichen it 2
neben litterarifchen Urteilen: emäß Goethes damals iı
Schriften, befonders Plan und der Ausgabe A (ü
5271. 5272. 5295. — 5331. 0 *
einen durch teils faiſche,
heraufbeſchworenen Konflikt zwiſchen dem Dichter
ein ſchon um letzten Goetheſahrbuch
wie vier weitere Nummern (5302. 5315. 5347. 5429
auf idealen Gebiete]); auch empfiehlt Gi Cotta
(5194). Den Adrefjaten eines veat N
Ber eines wertherifievenden Romans
Goethes Anfihten von Disziplin des C
Jenaer und Weimarer Bolizeidireftion (622
lichen Werte find die fibrigen
5314), an Kivms (5117, 5141. 5108,
an Knebel (5156. 5268. 5267),
Rothe in Yauhftädt (5243°), an
Hofimann (5308), an Sche
befannten, den Maler Klotz betreff
(5443. 5444), an Sriminalvat
gänzungen aus den Originafem und den &ı
an den Grafen Reinhard.
HEN " Bibliographie. 2. Bücher.
Vand 20 enthält die Briefe von Anfang 18x08 bis Juni 1809, darunter
95 bisher ungedrudte Nummern. An Chriſtiane find von der Karlsbader Keile
1808 jechzehn Nummern gerichtet 155236. 5527. 5520. 5540. 5543. 5545. 5547.
5553 ‚über weimartichen Klatich Chriftiane betreifendi. 5564. 5567. 5572 ‚mit
einem Gutachten Napps über Chriltianens Geſundheitszuſtand]). 5575. 5586 ımit
einer prächtigen Außerung über die Mißgunſt der Menichen und wie man ſich
zu ihr zu ſtellen habel. 5590. 5592. 5593: ſechs Nummern gebören in die Zeit,
während der Chriſtiane zur Regelung der Erbichaft der ‚grau Rat im Herbit 1808
in ‚granffurt war 5605 über die Begegnung mit Napolcon]. 5609. 8615. 5620
lüber Nikolaus Meyer!. 5624. 5627 über die ITbeatertrifish; dreizehn Briefe
entitammen dem ‚yrülnabrsaufentbalt Goethes in Jena 1809, der ihm ftatt einer
Hadereife dienen mußte 57145716. 5718. 5721. 5723. 5725. 5728. 58431.
5736. 5738. 5730. 57411. Tie Briefe an Bettina erſcheinen jeßt zum eriten Dal
m ihrer autbentiichen Geſtalt, To daß die an fie ſich anknüpfenden Ztreitfragen
nun einer endgiltigen Yölung entgegengehen: der vorliegende Band bringt zwei
Nummern "5481. 55511. Der Gedankenkreis der Schreiben an Heinrich Mever
bleibt derjelbe 15552. 5556. 5571. 5584 über Kaaz und Bury)]. 3707. 5711.
57423. Siebzehn Briefe und Billette an Silvie von Ziegeſar ind meiſt ephemeren
Inhalts, mit Ausnahme nur einiger Karlobader Berichte 15558— 5560. 6573
über die Karlsbader Geſellſchaft'. 5574. 5604. 5614. 5617. 5619 ;fälichlich ichon
15, 269 gedructt; 5636. 5642. 56T. 5681. 5720. 5745. 5747. 57501. Bedeutend
tt cin langer Brief am Kacolı :5505 über Friedrich Schlegel, Zchelling, Zacha⸗
rias Werner mit Vetrachtungen über antifen und modernen Mimitcharalter, Towie
ein cine Einladung nach Tresden ablebnendes Schreiben an ‚rau von Ztaötl
15542 mit bewundernden orten über Corinna und Dax Buch Über Teutichland.
Die Ariefe an Cotta werden von nun an nur nad den im Archiv vorbandenen
Nonzepten migeteilt: In dem emen 5659 beipricht Goethe von Kotta ihm
überfandee Schauiprele, m dem andern 5645 feine Auszeichnung beim Grfurter
Nongreg und die Amveienbeit des Fauftüberieners Yenarauand in Weimar. Für
die Verleihung des Ordens der Ehrenlegion danten Briefe an Maret und Yacepede
613. 5637, fir den der Frau Nat in ihrer letzten Krankheit gelstiteten Bei
itand ſolche an Schloſſer und Melber 15507. 5508. Mineralogiſches behandeln
kurze Briefe an Lenz 5536. 5595: und ein Dantichreiben an Karſten in Verlin
5643. Auf Goethes Aufiaſfiung der Tisziplinarverhältniſſe beim Theater werfen
mens Vice die Bricie an Die Höoitheaterkommiſſion 5709. 5713: und an Karl
Augnſt (5605. Mit der neuen Entdetung des Münchener Zteimdruds beichäftigen
ih Schreiben an Aretin in München 15604 und an Narl Auguſt 157061, Anter-
eſſant nd ferner Briefe an ZJacharias Werner 55321, an den Arzt Napp ı 5684
und an Dirt in Berlin 5748. Non geringerem mhaltlichen Werte find Die
übrigen Rummern: An Voigt :5480. 57375, an Karl Auguſt «5488, an Zacha
rias Werner 155013, an Kirms 559223-, an den jüngeren Voigt 15557), an Rienter
19561 9963, an Vertuch 5585, an einen Unbelannten 15625, an Profeſſor
Fuchs in Jena 5634, an Kanzler Müller 5638, an Zelter (56681, an Wille
ner 56590, an Zihlosier in Frankfurt 5724.
Band 21 enthält Die Briefe von Rule 1809 bis Ende 1810, darunter 173
bwaber ungedruchte Nummern. An Kbriitiane find and dem Jenger Sommer—
und Herbſtanfenthalt 1809, der im weientiichen der Trucklegung der Wahlver
wandtichaften gewidmet war, 19 Nummern gerichtet 15762. 5764. 6766. 5770.
5774 HT ATOLL. HT. 5745. 5790 BROT. 5803. ARO5. 5815 jüther Anguft).
A816 5820 über Auguſt'. 5827. 5834. 5836: aus dem Jenaer ‚yrübjahrs
aufentbalt 1810 Ntanımen 18 Nummern 5931. 5933. 5037. 5942. 6943. 5945
über Nuquit. 5946 5048. 5950. 5051. 5055 5u61. 5962. 5067. 5971. 5074.
SITE. VA. von der unmittelbar ich anichliehenden Vadereiie nach Karlsbad
md Teplie erbält die Dausfrau 15 ausführliche und von allen Ginzelbeiten des
Badelebens erzählende Be * (6001
4022— 8026. 6028. 6034). n
S zwei Schreiben an Karl Auguft 6030 ) zu h
u Nat fnüpfen ſich gejhäftliche —— ri
itfurter Verwandten, don denen vi
allem mit brieflichen Nachrichten. bin m
Die Briefe an Bettina bringt dieſer
Nummern find drei ımgedructe (6988,
an Charlotte Schiller (6970)
Humboldt. Die 15 Billers au Silo
5870—5880. 5882. 5910. 5970. En
meren Charakters; nur ein Brief aus
bader Belamntichaften jegen die Briefe
Althann (6067) fort. Mit Pi
feiner Biographie bejchäftigen ?
(5928) und Behrends (5936).
(5833), in dem Gh ihr
Auguſt find nur Ye Sehr
wiederum in erfter Eine dein
5915. 5923. 5982. 3* 5952.
und Madonnenhaften]. 5975. 5991.
deihenjchule hat es * Brief —
eſprechen Schreiben an Sry (ri
Erlaffe an die Theaterfommiffton —
Sie u — — )
disziplinarifche und fonftige Berwaltungsangel
n — iffenfhaftichen | Freunden find ‚es, B
(5785. 5838) und ein ausführlicher an
dalogiſches behanpelt. ein Schreiben an Voigt
(8) und Graf Boſe (6037), Köfteiter
Sturm in Jena —35 Mit
gien, bejchäftigen fi Briefe an. Cotta
geringerem inhaltlichen Werte find bie ib
5782. 5797. 5814. 5817. —
#074. 6075), an Wulpius (6° Ir
5 5934. 5956. —
oigt. (5852), an
an Riemer (kann), ne (oson), an
5901. 5906. 5909), an die 9
an Keverberg (6922), an Strid
an Süigelgen (6082), an Snieb
Goethes Werte. 36. Teil. 1.
Nattonal-Yitteratur. Hif 1
219. Band.) Stuttgart, Union.
A von KGebip),
ion, Lechner
Zipper A, Erläuterungen pr
Bocthes ee auf Taı
670 Bibliographie. 2. Bücher.
Publikum, das durch Jaroslav Vrchliekys UÜberſetzung den ganzen Fauſt beſißt,
Fingerzeige zur Beurteilung des großen Werkes geben. F. Spina.
Louvier F. A., Chiffre und Kabbala in Goethes Fauſt. Neue Beiträge zur
neuen Fauſtforſchung. Tresden, H. Henkler. 3 M.
Goethe und Schiller in Briefen von Heinrich Voß dem jüngeren. Briefaus
züge in Tagebuchform zeitlich geordnet und mit Erläuterungen heransgegeben von
H. G. Gräf. Mit Heinrich Pop’ Bildnis (Univerſal Bibliothek Nr. 3581. 3682).
Yeipzig, Reclam jun. 40 Pf.
Goethes VBriefwechſel mit Antonie Prentano 1814—1821. Herausgegeben don
Rudolf Jung. Schriften des Freien Deutſchen Hofſtiftes in Frankfurt a. M. VII.
Weimar, Hermann Böhlaus Nachfolger 1896. 2.40 M.
Die Goetheforſchung zeitigt zuweilen jo ſonderbare Blüten, daß man ihre
Ableger meiſt mit geringer Erwartung in die Hand nimmt. Eine ihrer unglanb-
lichten Leiſtungen Liegt ımdes in Jungs Deftchen vor. Neinbold Steig bat ın der
Teutfchen Yitteraturzeitung (1896, Nr. 50: die Wertloſigkeit des Büchleins zur
Genüge dargethan und Die unzureichende Tetailfenntnis des Herausgebers er
wieien. Ich kann nur feine Worte wiederholen. Einundzwanzig Böflichfeitsbriefchen
Goethes an cine ‚gran, die ihm geiftig nichts gewähren konnte, wären in der
Weimariſchen Ausgabe noch friib genug abgedrudt worden. Tie paar Antwort
ichreiben der Adreſſatin konnten füqglich ter den Tiich fallen. Tieies Material
wird mit philologiſcher Hyperakribie uns vorgelegt, jeder Fehler von Goethes
Schreiber ſorgiam gebucht Wenn Goethe einem dikttierten Briefe drei eigen
händige Zeilen anfügt, bekommen wir S. 27 noch eine gleich lange Anmerkung
des Herausgebers mit in den Kauf Uberhaupt, dieſe Anmerkungen! Zie find
geradezu don einer befeidigenden Ausführlichkeit. Wenn Goethe im Juli 1815
von „großen Welträthieln“ ipricht, ſo muß Jung ausdrücklich an Belle Alliance
u‘. w. erinnern 2.50%. Was Jung nicht ertklären kann, begleitet er mit einem
langen Gewäſche von Frageſitzen. Am ſchwerſten rechne ich aber dem Heraus
geber an, was er S. 10 begeht. „Nur ungern unterziebe ich mich der felbft
verſtändlichen Verpflichtung, auch Frau Brentano über ihre Beziehungen zu
Goethe zu Worte kommen zu laſien,“ heißt es Da. Und nach dieſer ſcheinheiligen
Einleitung werden zwei Zeiten Antonie Brentauos abgedruckt, die Goethe Schlecht
weg als Säufer und Vielfraß darſtellen! War es wirklich eine „ſelbſtverſtändliche
Verpflichtung“, das alberne Gekeife einer verbitterten Greiſin dem Publikum vor
zulegen? Oder sollte Meer Senf Die ichale Speiie würzen? Wir Dürfen uns
wahrlich nicht wundern, wenn man uns das Wort „Goethewaſchzettellitteratur“
entgegenhält! Oder ſoll die Thatiache uns bernhigen, daß dieſer neueſte Veitrag
zu beſagter Litteratur uns von einem Hiſtoriler geichenkt wird?
Zwei mäßige Lichtdrucke, Antoniens Porträt und eine Nachbildung des ron
ihr und von Goethe dev Zt Rochus Kapelle zu Bingen geſtifteten Bildes find
dem Büchlein beigegeben. Oskar F. Walzel.
Kocthbes Geipräche Herausgeber Woldenar Freiherr von Biedermann.
10. Band: Nachtwige, 1755-1852 Lewzig, Fe W. von Biedermann 1896. 5 M
Inhalt: Geiprache Ser. 1571 Iren. BRerichtigungen zu Band I--X. —
Quellen des X. Yandes Nummerverteilung ın den Bänden. Zzeitfolge der Ge
iprache. Regiſter für Band IX. 2 Hälfte und Band X - - Erläuterungen.
Iumarfın Ü, Herder und Nant Tiſſertation. Vern 1806.
Hölderlins geiammeite DTichtungen. Ren durchgeſehene und vermehrte Ausgabe
m 2 Bänden Bit Diograpbricher Einleitung berausgegeben von 2. Yıtımann.
Cottaſche Vibliothet der Weltliteratur. Band 274 und 276.1 Ztuttgart, Gotta.
a1
Inhalt: Eriter Yand. Gedichte -- weiter Vand: l Hyperion mit
iolgenden Bruchitüden: 1. Metriſches Fraguent 2 Hwoerions Jugend Erſter
Teil. 3. Tas Thaliafragment. 4. Erſie Tiotimafaſiung — 11. Empedoflcs
1897. 671
1. Plan zum Empedofles. 2. Entwirfe zur Tragödie ber feindlichen Brüder.
3. Empedofles auf dem Aetna. 4. Der Tod des Empedotles
Die vorliegende Ausgabe von Hölderlins Dichtungen ift zwar nicht die
lang erwartete große kritiſche Ausgabe mit allen Lesarten der erhaltenen Hand-
friften, wohl aber eine dhromofogifch geordnete, auf Vergleihung aller Drude
und Handjchriften berubende Tertansgabe mit Mmapper Lriticher Begründung.
Figmann fußt auf den wertvollen Vorarbeiten feines Vaters, die für den exiten
Band fehr beträchtlich waren; die fchwerfte Aufgabe, die Enttoi der Empe-
dolles-Bapiere, hat er felbft dinchgeführt. So viel marı ohne ei ne Kenntnis der
Papiere urteilen fan, ift die Ausgabe die erfte geniigende, die Hölderlin erfahren
hat. Bon den Gedichten find die Ueberfeßungen aus Sophofles, Pindar ımd Dvid,
ſowie die zahlreichen Brucjftüde zufammenhangslofer Bersreihen, endlich, die Ge
dichte aus der Zeit des Jrrfinns, was jedermann billigen wird, ——
dagegen iſt manches bisher umbefannte Gedicht ans guter Zeit mitgeteilt. Dem
Hyperion find die erhaltenen Bruchftiide älterer Fafjungen voransgejchidt. Die
faubere Ausgabe wird Hölderlin viele neue Lefer und Bevunderer zuführen. Aber
auch die Forſchung hat für die Erfenntnis feiner Entwidlung und fir die Charaf-
terifierung feiner Kunft jet eine weit feftere und zuverläffigere Grundlage als bisher.
Nieger M., Klinger in feiner Reife bargefiellt. Dit einem Briefbuc (Friedrid,
Marimilian Klinger, Sein Leben und Werfe (1), Zweiter Teil,) Darmjtadt, Berg-
fträßer 1896. 8 M.
Inhalt: Nachträge zu „Ringer in der Sturm- und Drangperiode.” —
1. Im Hofdienfte des Großfürften Paul. — II. Bei der Arınee und wieder beim
Großfürſten. — I. Beim Kadettentorps. — IV. fernere Dramen bes Theaters.
— V. Das neue Theater. Heirat. — VI. Die lehten Dramen. — VII. Yittera-
riſchet Erfolg. Die Auswahl. — VII. Berfönliche Beziehungen. Miüczugspläne,
Erlebniſſe bis zum Thronwechſel von 1801. — IX. Bambino. — X. Yyauft und
feine Seitenftüde. — XI. Reifen vor der Simdflut und Fauft der Morgenländer.
— XI. Das zu frühe Erwachen des Genius der Menſchheit Gejchichte eines
Teutſchen der neuften Zeit — XI. Sahir, — XIV, Der Weltmann umd der
Dichter. — NV. Die Vorrede zu den Momanen. Das neunte Werk ber Defade.
Erfolg der Romane. — XVL. Neue Verhältnifje unter Alegander bis 1816, —
XVII Die Betrachtungen. —- NV. Die Gefamtausgabe. Ihre Wirkung. —
Beziehungen zu Perſonen. Hänsliches. — XX. Dörptiiche Dinge. —
1. Abſchied vom Hadettenforps. Urteile über Mingers Leitung desjelben, —
N. Feierabend und Ende. 3
Rieger M., Briefbuch zu ih Darimilian Klinger Sein Yeben und
Werfe II. Darınftadt, Bergfträßer 1896. 4 M.
226 Briefe non IT81—1830 an Claus, die Gräfin Karoline von Egloff-
fein, Goethe, Frau Rat Goethe, 3. ©. Hallier, Harttnod, Hans von
Held, David Heß, Kayjer, die Mutter Klinger, Agnes Klinger, Morgen
stern, den Kanzler von Mitller, Nicofonius, Elife von der Rede,
Schleiermader, Schlojfers Witwe, Shäbß, Fanny Tarnow, Thlim-
mel, Willemer, ®. von Wolzogen. — Anhang. I, 29 Briefe au Barrot
und 2 Briefe Parrots an Klinger. — 11.22 Briefe an Örindei. — III. 5 Briefe
an Sonntag. — IV. 7 furatorifche Erlaſſe an bie Univerfität Dotpat, einer
an Burdadı
Müller G. A, Aus Yavaters Brieftafche Neues von Johann Kajpar Yavater.
Ungedrudte Handichriften nebft anderen Pabater-Erinnerungen mit Falfımiles
herausgegeben. München, Seit & Schauer, 5 M. Pr f
Ankatt Handjchriftliches. T Yavater an Pfarrer Siegel hentwiel.
24. November 1774. II. Aus Yavaters Brieftajche; 1. 6 Billers oder Denkzeichen
nach meinem Tode für Augufte Bernsdorf Stolberg-Erfenbach, 29. Juli 1800. —
2. 24 Sprüche an biejelbe, 19. Juli 1798. — 3. Ein Yavater-Aquarel (mit
=
eu
672 Bibliographie. 2. Bücher.
Abbildunge: „Der Erlöſte an ſeine Beweynerin“. — 4. Lavater an Präſident
Ruoeich, Zürich 19. Oktober 1792 über Pfenningers Hinſcheiden. — 5.,„Veſchluß
meiner Predigt” 16. Rovember 1795 über Johannes IX. 1—5. Ill. Yavaters
Brief an Jean Marie Hérault de Zechelles über die Hinrichtung Youis XVI.
und die franzofiiche Revolution. — B. Zeltene Yavareriche Flugblätter und
Anderes. 1. Alpbaberh an einen Jüngling. 2. Denkmal der 25jährigen Freund—
ichaft zwiichen Yavarer und Karg den 26. Diay, Nürnberg 1793. — 11. En
Troftgedicht den 6. Oktober 1779. — IV. Ein Triginal Briefbogen Yapaters mit
den Zpruche: Schreib, als wärs dein Leztes.
Tie Schriftſtücke find von ungleichem Wert. Tas lebte iſt cine bloße Nurio-
jirät. Nach neuen Berfen Yadaters tragen wir auch gerade kein Berlangen. Sprüche
Yavaters find jo viele veröffentlicht, dag man bei neu aufgefundenen jedesmal
erſt feintellen müßte, ob ſie ſich nicht mit bereits befanmten decken. Dagegen ind
die Briefe ſehr willlommen, beionders der höchtt mertwürdige an Derault. ‚yait
ale Schriftſtücke find falſimiliert und das verleiht dem VBuche für jeden, Der
Yapatırs Dandichrift beſiven will, einen beſonderen Wert. Einleitung und Er
läuterungen find in ſenem überichwänglichen Ion gebalten, den wır an dem
Herausgeber von früheren Beröffenttichungen her bennen. N.
Haug E., Aus dent Yapaterichen Kreiſe. II Joh Seorg Mittler als Student
in Göttingen und als Vermittler zwiichen den Zürichern und Herder. Verlage
vun Kabresberuht des Gymnaſiums Schafihauſen 1506 97. Zchaffbauien.
Nachdem Eduard Haug, dev verdiente Herausgeber des Briefwechſels der
Vrüder J G Müller und Johannes von Müller, ın der Programmbeilage des
Schafhauſer Gymnaſiums 1594 ſtehe Cuphorion 1, 4814 Joh. Georg Peüller
ala Lavaterſchüler geſchldert und damit einen wertvollen Beitrag zur Kenntnis
des vVavaterzanismus gelicjiert bat, unternimmt er es u dem vorliegenden zweiten
Te iemer intereiianten Arbeit, ein volles Bild des Seelen ud Geiſteszuſtandes
des Gottinger Studenten Joh. Georg Müller zu entwerien und die Bermuttlerrolle
darzuſtellen, die Müller in dem Verhältnis Lavaters und ieines Züricher Kreiſes
zu Herder ſpielte in Dev Jeit, als dieiſes Verhältnis ſich getrübt hatte. Tieſe Rolle
begann Müller zu ipielen als Student in Wöoöttingen, und ev führte ſie fort bis
zum Tode Lavaters. — Haugs auellenmäßige Darſtellung beruht fait ganz auf
bis mut ungedruüctten Urkunden, welche teils auf dev Schafihauſer Mmiſterial
bibliothet, teils auf der Züricher Stadthibliothet und im Finslerſchen Lavater
archiv zu Zürtch auibewahrt werden: es üind dies: Die Korreſpondenz Müllers
und Mäfclis, die Briefe Deillers an ſeine Murten, Das Tagebuch Müllers, der
Arunvechiet Rüllers und Yavarers, ſowie die Briefe Müllers an Derder.
Gern»bach Murzthal. Heinrich Funck.
ME Leſſings Sämtliche Zihriften. Herausgegeben von Karl Yahmann.
3 Auflage, beſorgt durch sy Muncker 12. Band. Leipzig, Göſchen. 4.50 M.
Inhalt: Zur Geichichte und Litteratur Aus den ZSchäßen der Derzoglichen
Wbhorbet zu Isolfenbüttel. ? 3 und 4. Betrag 1773 -1777 ımmt vollitändigem
Abdruc Der erſten Sechs Fragmente eines Ungenannten‘. — Vom Alter der Tel
maleren 1774. — Vorrede und Zufſäbbe zu den Philoiophiſchen Aufiäben von Narl
Wilhelin Jeruialein 1776. — Aus: Bricie an Arzte von Marcus Herz 1777.
sicher Kuno, Yeollıngs Nathan dev Serie. Tie dee und die Charaltere der
Tichtung. 4. Auflage. Ztuttgart, Cotta. 5 WM
Reuberin Friederica Carolina, Ein deutiches Vorſpiel ı1734-, zur Feier ihres
Annahrigen Geburtstags 9. Mary 1807 mir einem Verzeichnis ihrer Dichtungen
herausgegeben von A Michter Teutiche Yırtevatuirdentmale des Ir. und 19.
Jahrhunderts, herausgegeben von A. Zauer. Nr. 65. RNeue Folge. Nr. 18).
veipzig, Goichen 60 vVi
In dem Verzetichnis der Dichtungen von Friederile Caroline Neuber, das
ich als Einleitung zu ihrem „Deutichen Voripiel“ zuiammengeſtellt babe, find
1897. “ 673
nod) folgende Ergänzungen na Zwijchen Nr. 5 und 6 find
Widnrungsgedichte — en — in den —
———— 3 1889) Bond 1, ©. 475 — Das.
Senecas Dialogen (Baus; 1536), das
(Frankfurt a. M. 1542), "das dritte im der „I
1702). Die Bücher wurden. von der — *
eſchenlt und befinden ſich jetzt in der Yeipzi
Keinen aus dem Dezember 1733. Das
den Grenzboten Jahrgang 46, 2 — ©.
herausgegeben worden. — Nr. 20 Bere
Gejdhichte des Hoftheaters zu en 55
von Prölß der Neuberſchen Gejellichaft zugeje
wurde aber nicht von dev Neuberjchen, jonderu un
geflhee (ut, —— ——
evrient in ſeiner Sei er Euch,
ein größeres Citat, die wichtigiten St ——— rn
Burggraf 3, Schillers Frauengeftalten. — Krabbe: 5 M.
Fisher &., Feffings Einfluß auf Bailten nachgewieſen —
und Briefen. Diſſertation Bern 1896,
Holder A, Die Schillerftadt Marbad), fowie das Bo
jebung. huftriert von Aug. Miller,
nberger %., Das Motiv des Gegenfatses in den Zug.
Free: Teplig- Schönau 1896.
Schillers Werte, Geransgegeben, von 2. Bellermann. 12 Bon. —
ibhiographifches Inftitut. A 2 M. .
illers Briefe. ee — mit Anme
ritifche Geſaintausgade 7. Band, Stu D
Der vorliegende Schlußband der
den Jahren 1803—1805, Nadhträge, ein Schlußtwort und
gedrudt waren: Zwei Briefe am Piethammer vom 23.
und 2. April 1805 (Nr. 2044); ein vielleicht un eine
Dame vom September 1803 (Ar. 1897); ein Brief at Brinfmanır
1804 (Nr. 1969); ein Sie an Ro vom 10. — 1804
sin Brief an den jüngeren Voß vom 26. 1
Anmerkungen ift S. 317 das
24. Juli 1904 mitgeteilt. Als Rad
ungedrudt waren: Dreizehn Si an — ia
Ende März, 1. — 17. April, 21. Mai
1. März, 7. April, 1. Mai 1788 und —
Jun 1799; ziwei Briefe an Erufius
ur 1805 (2. 327), ein Brief an
Kammerrat Yuttner vom 9. Oftober
nuar 1804. Ungern vermißt man ein
gefälichten Briefe Schillers. Die beiden
hen Werfe und Berjonenregifter) find von
Briefwechfel zwiſchen EN: — Körner.
Mit Einleitung von $ S B
chen Schiller und Basel fie
tigart, Cotte ım.
Ztadelmann F
yimmermann P., Friedrich Wilhelm
jur Yıtteratur, Geſchichte und
Zunmermann. Nr. 1.) ® Q
674 Bibliographie. 2. Bücher.
Zimmermann bat zur Feier des 150jährigen Beſtandes der „Braunſchweigi—
chen Anzeigen“ eine gedrängte Geſchichte dieler Zeitichrift geliefert, die mit nad)-
drüdlichem Eifer die Anfänge des Blattes Harlegt. Ter Aufſatz war in den erfien
Nummern der „Braunfchweigijchen Anzeigen“ vom Jahre 1895 abgedrudt. Schon
diefer Etudie merkte man die gründliche Einzelforſchung an. Ter Raum, der darin
der Thätigfeit Zachariaes mit gutem Fug gewidmet war, verriet auch das Intereſſe,
das der Berfaffer gerade jener Epoche der „Braunichweigiichen Anzeigen” ent
gegenbrachte. In diefem Artikel wurden wir zum eriten Male gründlich darüber
beichrt, welcher Art Zachariaes Mitarbeit geweien ift. Der Fleiß, Die rege Zorge
und die bebarrlidhe Mühe, die der Fichter dem publiziftiichen Urgan zuwandie,
vervollftändigen das Wild des jtrebfamen Mannes, der heute im Gedächtnis der
Gebildeten gemeinbin mur als der Berfaifer des „Renommiſten“ fortiebt. Zimmer
mann hat Zachariaes Anteil dokumentariſch feitgeitellt und wir dürfen ihn
gemäß feiner gerehten Würdigung fortan recht boch anichlagen, zumal uns der
Einblick in die wichtigſten Archiwalten, die der Darftellung zu (runde liegen,
nunmehr durch Zimmermanns Abdrud die Nachprüfung geftattet. Tieier Abſchnitt
bildet den Kernpunkt der Ansernanderjegungen ın zZimmermannus zu beipredhendem
Buche. Von da aus mag er auch die Anregung erbalten baben, cine Reihe anderer
Quellenpapiere zu veröffentlichen, Die des Tichters Beſtrebungen fiir andere öffent.
liche Anjtalten Braunſchweigs kennzeichnen. Die knappen, ſachgemäßen Erörte
rungen zZimmermanns, die die vorgelegten Tokumente verbinden, bringen vLicht
m bisher duntle Stellen nicht nur des dentichen Zeitungsweſens jener Jeit,
iondern auch des deutſchen Buchhandels, da Zachariage lange Jahre an der Spite
der Waiſenhansbuchdruckerei fand. Ebenſo werden wir zum erjten Wale genauer
darüber unterrichtet, welche Ztellung der Dichter als Lehrer des Collegium Karo
linum einnahm amd wie wir uns feine Lehrthätigken im einzelnen ya denten
babe. Ans all dieſen Alten, dem Berzoglichen Yandeabaudtardiv entnommen,
wit für die beteiligten Wiſſenszweige nur zu lernen. Es läßt fich nichts binzufügen,
nichts bezweifeln. Die peinliche Zorgfalt des Herausgebers verdient alle Anerlen
nung. Fer bisher gekennzeichnete Teil der Unteriuchung ıftapitet V und VI darf
als abjchließend gelten in Bezug auf die behandelten Themen
Die übrigen Publikationen des Buches find Materialien für cine Mono
graphie Zachariaes. Tier Berbandlungen über des Tichters Berufung nad Braun
ſchweig belt ein Brief des Probſtes Jeruialem an den Hofrat Zchrader von
Schlieſtädt auf, Der mt bedeutiamen Randbemerkungen des Empfängers verfeben
tt. Was voranging, läßt ſich aus dieſem einzigen Schriftſtücke leicht ergänzen,
was nachfolgte, bringt Zimmermann bei. Tas freundjchaftiiche Verhältnis Zacha
riaes zu dem Profeſſor Ernit Auguſt Bertling ın Helmſtädt ift durch zehn kurze
Briefe darakterıltert, die uns gleichzeitig in eine Herzensangelegenheit des Dichters
Einblick geſtatten, div nicht ohne Einfluß blieb auf Zachariges lyriſche Produltion.
Der Gegenſtand jeiner Verehrung iſt die Gattin des Hofrats Ernſt Ferdinand
voice in Gelliehanſen bet Göttingen, der auch von Gemmingen, Yürger und Miiller
gehuldigt worden iſt So stellt ſich heraus, daß die „vucinde“ der Gedichte auf
jene Tame zu deuten iſt. Eine Stelle in dein Brief an Gleim vom 21. November
1749 befommt Dadurch erit ihre ruhtige Erflärung und kann felbit wicder als
VReweis für die obige Hypotheſe ausgenußt werden.
Für Zachariges Beziehungen zu Gleim war bisher Heinrich Pröhles Ber-
öffentlihung der Briefe ın den Neuen Jahrbüchern für Philologie und Fidagogif
1876 77 die einzige Quelle. Jımmermann bat nun das dem älteren Serausgeber
zugängliche Material nohmals aufs Zich genommen und zwar auf ein etwas
dichtercs als fen Vorgänger und noch recht viel brauchbare Nörner aus dem
Rückſtand gerettet. Tazu reinigte er die Mberlieferung von Leſe und Zchreib-
feblern, ergänzte manche Lücke und klärte dadurch zahlreiche Anipielungen auf,
die nicht von vornherein verftändlich waren Es ijt damit gleichzeitig wieder ein
1897. 675
bantenswerter Schritt unternommen, die Schäbe der Gleimftiftung der gelchrten
Forſchung nutzbar zu machen. Bejondere Aufmerkamfeit verdient eine Stelle in
dem Briefe Zachariaes vom 2. September 1749, worin voll dichterijchen Enthufias-
mus über eine aufzuführende Pantomime vom Dr. Fauft gefpröden wird. Diejen
Aufführungen, von Nicolini ın Braumfchtveig veranftaktet, ift aud ein Gedicht
Zacharias gewidmet (Boetifche Schriften 3, 147), deffen erfte, ausführlihere Faffung
wir jegt dem Herausgeber danken. Fur Zacharias eigene und feiner mde
litterariſche Thätigfeit fällt in diefem Briefwechel noch mandje wertvolle 04
tung ab. Sie einzeln aufzählen darf man mit Nücfiht auf das vorzüglicdhe
Negifter des Buches unterlafjen. An zwei Stellen jedoch ſcheint mir bie Yesart
Pröhles entſprechender zu fein als Znmermanns — Ohne Einblit
in die Manuftrivte genommen zu haben, mag id, matüxfid des Baauggeben
Sorgfalt nicht im Zweifel ziehen. S. 41 im dem Briefe vom 9. April 1759
fie Pröble: „Und er gefällt mir defto mehr, da er fich dürch einen Meift nicht
bat verführen lafjen, die englifchen Verje, jo wie Ciffibes und Paches zu reden,
die meiner Anfidht nad) in der That efwas unharmonifch if.“ Yimmermann
fie: .... ud) einen Seift «...- Zu dem Briefe Gleims an Jadariae von
28. November 1761 macht Pröhfe an einer Stelle die Anmerkung (Nr. 29), er
habe ein Wort nicht entziffern können. Hier hätten wir von Zimmermann erwarten
dürfen, daf ex eingreife oder uns wenigftens fein „non possumus” zur Berubl-
ung zurufe
J Gründlichite Auftlärung erhalten wir über den Streit Zachariacs mit
Gottfched wegen des Gedichts auf Hagedorns Tod. Sans Zimmer hatte con in
feiner Schrift „Auft Friedrich Wilhelm Zacharig und fein Renommift“ in einem
genen Exturs (S. 31 ff.) die_ganze Angelegenheit zu erörtern gefucht. Es fehlten
ihm die Dokumente für die Slehungnahne der vorgejeßten Behörden Zachariaes
Dieſe Schriftfiiide legt nun Zimmermann vor Jadıariaes „Bertheidigung gegen
einige Sereniffimo von dem Herrn Profefjor Gottſched wider den Hoffmeil
Zadaviä eingereichte Beſchwerden (S 60 fi.) ift ein Meifterftüd an Dialeftit
und überiegener Überredungsfunft. Die Schnörkel des Amtsfiles abgeredinet zeigt
fie auch des Dichters Fähigkeit, die Profa mit einem über das Mittelmai feiner
Zeit binausgehenden Gejhidt zu handhaben. Weber für Gottjcheb noch fit Zacha-
viae fommen im eingelnen neue Litterarijdjre Nachweiſe zur Geltung. Das dieje
BVertheidigung“ begleitende Schreiben am den Geheumrat von der quilkt
über vor ntritftung und gerechten Umvillen, ja von offenbaren Haf ge
Gottiched und zeigt die mahre Bhufiognomie des Beidulbigten viel bentlicher
als das immerhin in gemejjenem Tone gehaltene anıtlidie Schriftjtüd. ja
mann bat die Gelegenheit benutzt, um den Nachweis zu führen, daß Zadariac
auch vor der Öffentlichkeit feinem Bebränger bie Antwort wicht f
Tas anonyme Gedicht „Die Pochte und Germanien“ (Berlin 1755) ıjt nadı
dem von Zimmermann exbradjten Beweis, der ſich bormehnilich auf die Bri
an Gleim vom 23. September und 10. November 1755 ftlitst, mit Sicjerhe
auf Zadjariae als den Verfaffer zurliczufliwen. Der Dichter hat damit fein
lebtes Wort in dem Streite mit Gotiſched gefproden md auch darin an Hafı
und Spott nicht fehlen laſſen. Das Gedicht ift jelten — und wir ders
danfen Zimmermann eine gedrängte Anafyie bes Tuhalis Proben daraus.
Kapitel VII handelt von Zacharines Tod und Hinterbliebenen. Im Sapitel
VII, dem foftbarften Einfchlag der ganzen Verdi 1 mir eine
gründliche und mit unverbroffener Mühe zufammtengeftellte der Schriften
Zachariaes, zu der Berichtigungen zu bringen oder anfzuverfen Zimmers
mann nur als Danfeszeichen des Neferenten auffaffen möge.
Unter den volltändigen Abbruden des „Neommi — gleich an
zweiter Stelle der Druck in den wenig gefarnten „So ei aus der
atadenifchen Welt. Yeipyig, Naug 1832. 8° (3, 54 —145), einem Sammelband,
76 Ripkographıe. 2. Bücher.
der dreischn größere und Fleinere Ztadentica aus den 17. und 13. Jahrhundert
enthält. Die Borrede iſt mit „Mariannus” gezeichnet. Sie rühmt S. VII den
„Renommiſten“ als „ein wahres Meiiteritüd in feiner Art“ und entichuldigt den
weitläufigen Abdruck der Tichtung mit dev gegen alle Gebühr großen Zeltenbeit
der Schriften Jacdartaes (7). Ich verdanfe die Kenntnis und den Veſit Des
wenig beachteten Büchleins der beionderen Liebenswürdigkteit Erich Schmidts. —
3 dem Titelbild der unter 6a bei Zimmermann verzeichneten Ausgabe verweiie
ich auf das von mir im Anzeiger für deutiches Altertum 19, 264 Geſagte. Tas
Exemplar der biefigen Königlichen Bibliothet, das ich nunmehr als drittes zum
Vergleich bevanzog, bat ein Bild, das mit dem von zZimmer S. 67 bejchriebenen
übereinſtimmt. Sch kann al'o auch heute noch nicht ertiären, wielo mem Exemplar
von 1754 mit einem Titelbilde geziert ft, das mit dem von 1761 fait ıdenttich
it. — Die Scheidung der Ausaaben 10 b und 100. Tie Tageszeiten,, die ſich nur
durch Kleinigkeiten auf dem erſten Tradbogen zu unterſcheiden ſcheinen, möchte
ih durch Die gleiche Vermutung erklären, Me ich für das analoge Verhältnis
weichen den Ausgaben A und a dev Thümmelſchen „Wilhelmine“ um Euphorion
3, 519 ausgetprochen babe. Kine genaue Reuvergleichung tonnte ich allerdings
nicht durchführen, weit nem Exemplar mit dem der Nöntglichen Bibliothet genau
übereinſimmt nad Zimmermann beide unter 10 b emzureihenn — In einem
ähnlichen Falle, vr 13 a und 15 b Murner in dev Dölle:, hab ich neu vergleichen
können. Ich stelle das Ergebnis dev Vergleichung zwiſchen a und b bier tnapp
zuiammen. 1. Geſang, Vers 25 Tod: Todt: Vers 12 Uberfarth: UÜberfart: 2. 5
RKolumnentitel: ur a feblt der VRuntt nach „Geſang“: Bers 132 Weiellſchaft!:
Geiellſchait: Vers 140 ergetzen: ergotzen. 2. Geſang, Vers 33 fehlt in a das
Sauzeichen am Ende der Zeile: Vers 96 fehlt in a Das Nomma binter „Ruder“.
3. Geiang, Vers 24 biüinen: öfnen: Vers 104 fehlt in a das Komma am Zchluife
der Jeile. 5. Geiang, Vers 50 Tode: Todte: Vers 73 Lehramts,: Lehranits.: ſonſt
finden ſich aber umgetehrt wieder gememiame Fehler, namentlich der verdrudte
Rolumnentitel auf S. 11 iſt auffällig Trotzdem haben wir cs nach all den Voraus
gegangenen that'achlich mit zwei verichtedenen Trucken zu thun. — Tas Ergebnis
der Vergleichung von Kr. Ida und b Tie vier Ztufen des weiblichen Alters:
itellt ſich dem eben Erlauterten ähnlich zur Seite 1. Welang, Vers 30 ihn: m;
Vers 86 Kleinen:: Kleinen, — 2. Geiang, Vers 108 vorüber.: vorüber —
5. Geiang, Bers 45 Soudern: Zondern - + Geſang, Vers 27 Vetſchweſtern:
Bethſchweſtern: Vers 31 erzahlenden: erzehlenden: Vers 52 ileißigern: ſleiſigern:
ers »9 Tem: Ten. — ji ir. 244: Ter VIE Band der „Poetüchen“ Schriften
zählt 4 nicht 123 unbezeichnete Blätter vor dem Tat. — Zu Wr. 24 fi Der
l. Rand bat 6 nicht 5, der IE bat 3 nicht 4: unpagmierte Boriagblätter. —
Die Nutorichaft ZJachariacs als beriegers Dis Romans „Tier Ichöne Ruſſinn
oder wunderbare Geichichte der AzZema. Braunſchweig 1766” «Nr. 26: bat \Jinmmer
mann unwiderleglich nachgewieien. Die Zweifel über ZJachariaes Beteiligung
an der Ueriebung des „Spanüchen Theaters“ von Linguet teil ich mit Zimmer
mann umſomehe, da auch in Jachariges Werken keinerlei Zpur von der Kenntnis
derer Tramen nachzuwetien iſt. Ubrigens iſt Die deutiche Uberietzung ſehr ſelten
zuganglich. wegen unſere gemeinſame Annahme ſpricht allerdings day Zeugnis
eines Rannes, Dev lange Zeit hindurch in naher Veziehung zu Zacharige geſtanden
und un allgemeinen recht glaubwürdige litterarhiſtoriiche Nachrichten uns hinter.
taiſen bat. J. J. Eichenburg, Dev Herausgeber des Nachlaiſes Zachariaes, ſchreibt
in jeiner Sammlung „Dramatiiche Bibliothek, eine charakteriſtiſche und mit
Rroben ihrer Schaupiele begleitete Anzeige der vorzüglichſten dramatiichen Dichter
älterer und neuerer Zeit Verlin und Stettm 17930 S. 132 über Ausgaben
ſpaniſcher vuſtipiele: „ und zulert vinguetem dom Theatre Expagnol: Paris
1765 4 Voll 12° mu der ipamichen Bühne, durch Auszüge und freie
Uberietongen näber betanmt zu machen geiucht. Dies leütere wurde von Zachariä
1897. 677
und Gärtner, Braunfchweig 1770. 3 Bände 8% deutich herausgegeben, wozu noch
Riga 1772. 8% ein Beitrag von Gärtner Fam.“ Sollte ae Dei Boch Eichen burg Hr
haben? — In der befannten Anthologie von Si 251) ift —
Bierzeiler Zahariaes „An Herrn Meinhardt“, wahrſcheinlich den ‚ber der
Berjuche“ aus dem Jtalienifchen abgedrudt, Braunſchweig den 2. A
1762“ datiert, in ein Widmungseremplar ber „Epiihen unb
eingejchrieben, das ih im der Sammlung der Gedichte — —
Id will c$ der Einfachheit halber yirher Teen, da ich
Belenntnis des Dichters halte, das im einer Samm — erte nicht nicht fehl In
darf:
„Wie ſehr bift du mit alle dem befannt,
Was je der Alten Geift, der Neuen Wit erfand!
„Sieh dieje Lieder nicht zu fcharf, zu Fritiich an,
„Qiel, was der Jüngling fang, misfällt — dem Mann.“
Für die Beurteilung der — und des Dichters 13 en
dazu gewiß ein wichtiges Zeugnis, das hier ein Plägden um jo
ſpruchen darf, als Zimmermann feiner Bibliographie auch andere
einverleibt hat, die nur als Gelegenheitsgedichte auf loſe Blätter — leine
Aufnahme in die Werke fanden, wie die Nr. 3, 4, 5 umb andere.
darf au) bei diefer Gelegenheit darauf hingerwiefen werden, dafı aufer den von
Pröhle und von Zimmermann abgedruckten Briefen nur noch drei
Briefe des Dichters an Klotz gebrudt vorliegen (in Hagens 1, Halle
1773, 2, 15—24) aus Brauner weig vom 29. November und 19. 1767
und vom 1. Mai 1768. Dazu kommen nur mod) bie bei Zimmer ©, 13 ber
zeichneten Briefe, eigentlich ein recht unbedeutendes Vermächtnis an Korrefpondenz
für einen jo hervorragenden Vertreter des 18. Jahrhunderts, als ben wir Zadar
riae immerhin fir feine Zeit anfehen miljen. — — lit
reichhaltige: Quellenſchrift mıt einer Itonographie jariaes (Kapitel
erlin.
19. Sahrhundert.
Srun &, X, Adelbert de Chamisso de Boncourt (1781—1838). yon, Fegendre
&
Wormitalt I, Annette von Drone-Sutaharnit im reife ihrer Verwandten und
Freunde, Pünfter, Regensberg. 1.00 M.
Beier €, Gedichte. Aus dem Nachlaß. Stuttgart, — aM
Inbatt: Fugendgedichte. — Bermil
Montanus. Wartburglegende. — Lieder I—.
d’äntioche. Sonett nad) Lope * a. Soneit des Ö) 153
9 Fuentes, Kind und Dichter. Altitafieniiches Sonett
„Berlorenes Paradies“: Licht. Odyffeus (nad) Tennyjon).
Das kurze Vorwort giebt über die Herkunft an oe
folgende Auskunft: „Als Geibel feine ae
fah er von der Einfügung ungebrudter @i — te ana —
Hoffnung Ausdrud, ‚daß noch ein attlicher
herausgegeben werden möge." Die Ordnung ber
die volle Berechtigung Bnae aa aa Fa R
Wunſches erwielen. — Mande — Mi ren vor,
andere waren als für dem Drud: nicht wohl — dem Dar“
’
liegenden Bande find nur diejenigen ae
678 Bibliographie. 2. Bücher.
von welchen angenommen werden darf, daß der Dichter jelbſt ihre Veröffentlichung
gutgeheigen oder doch zugelaifen haben würde; daneben haben einige wenige Ge—
dichte Aufnahme gefunden, welche, in YZeitichriften veritrent, ſchwer zugänglich
ind. Tie hie und da beigefügten Jahreszablen ſtammen von des Dichters Hand;
Die frithefte Zeitbeſtimmung füllt in die Schulzeit (18311, die ſpäteſte in das
Jahr 1879. Wo mehrere Faſſungen der Handjchrift vorlagen, wurde die ſpäteſte
gewählt. Bei der Anordnung find diejenigen Geſichtspunkte berückſichtigt worden,
welche Geibel bei feinen Zuſammenſtellungen geleitet haben. Die im Nachlaſſe
vorbandenen dramatiichen Fragmente und eine abgeichloffene Zammlung von
Aphorismen find beionderer Veröffentlichung vorbebalten worden.” - - Yeider find
die Jahreszahlen Geibels ſehr dünn geſät und find die bereits gedrudten Ge—
dichte nicht bezeichnet. Die Sammlung fügt dem Charafterbild Geibels feine neuen
Züge bei: doc) finder ſich manches melodische und ichöne Gedicht darin. Der ge
ihmadvoll ausgeſtattete Band bat raſch nacheinander mehrere Auflagen erlebt
Gaeders N. Tb, Emanuel Seibel, Zänger dev Liebe, Herold des Neiches. Ein
deutiſches Dichterieben. Pit Abbildungen und Falſimiles. Yeipzig, Wiegand. 6 M.
Prem S. M. Ter Yırifev Hermann von Gilm. Ein Bortrag. 3. Auflage. Mit
einem Anbange. Imſt, Lampe.
Große J. W., Uriachen und Wirkungen. Yebenserinnerungen. Braunſchweig, Wefter
mann 1896. 10 MD.
Farinelli A, Grillparzer und Naimund. Zwei Vorträge Mit dem Bildnis
der Lichter. Leipzig, G. H Meyer. 1.600.
Inhalt: 1. Grillparzers Welt und Lebensanſchauung. 2. Ferdinand Kat:
munds Yırbes und Leidensgeſchichte.
Die beiden öſterreichſchen Tichter haben in Farmelli emen begeiſterten
Verehrer gefunden Als gründlicher Kenner ihres Yebens und ihrer Werke gebt
er daranf aus, den ſpruigenden Puntt auizufinden, von dem aus ihr Charakter,
ihr geheimſtes Tenken und Fühlen erfaßt werden muß. Die Verallgemeinerung
und knappe Formulierung bringt es zwar mit ſich, daß manche Behauptungen
weit übers Ziel ſchießen; in den Grundzügen wird man dem Vortragenden aber
jaſt immer beiſtimmen müſſen Sehr fein veritcht er manchen Vers der Tramen
perſonlich auszudeuten und die glänzendſten Zeiten öeiner reichen Begabung zeigt
er, wenn er Karallelen aus der Weltlitteratur heranzieht, wenn er 3. B. Grillparzer
mit Tate, mit Byron vergleicht Die Vorträge waren wohl jehr geeignet, bet
fremden Nationen fir unsere Dichter Ztummung zu machen; vielleicht ſchreibt fie
Farinelli un eine andere der ihnmgelaufigen Weltſprachen um. Nicht unermwäbnt
ſoll bleiben, daß der thatkräftige Bertegev, der nm kurzer zzeit für die oſterreichiſche
Yıtteratur ſchon öehr viel geleitet bat, auf dem Umſchlag dieſes Schön ausgeitatteten
Heftes erklärt, ev fer gerne bereit, „der Verofentlichung von Schriften zum Ber
jtandızs Grillparzers und Raimunds, Some ihrer Werke Seine verlegeriſchen
Dienſte zu widmen“
Aricfwechiel zwiſchen Anaſtaſirus Grun und vudwig Auguſit Frankl
1445 1876 Herausgegeben von Brimo von Frantl Hochwart. »Aus dein 19
Jahrhunder: Briefe und Aufzeichnungen Herausgegeben von 8 WE Franzos
I Hand Berlin, Concordra
Inkhalt: I Kormar;z und Mary 1845 1848. IH. Über Yenan, Hebbet,
Halm und Deime 1850 1855 III Reren Beriontahrs - 1856 — 18591. —
IV Aueriverg als Poltilvl 18601865 V Nach Niniggrit 118661867:
— VI. Tas Schiller Tentmal 1868 1871 VIE YeRte Jahre 11872 18761
Sylvanus Eine Novelle aus den Abruzzen, Bes Tomenico Ciampol:. Teutſch
von R Damerting Allgemeine Katonalitketbreti Neue Folge der deutich
aſterreichichen Kationalbirzettit Bon ww Ko tale gegründet ım Jahre 1882,
Kr 14 Wien, Tabetow 20 i
— — —
1897. 679
Helmer 9, Das Symboliſche in — Kr tmanns Märhendrama „Die
verjunfene Glode“. Breslau, Serntenh
Aus Hebbels Tagebüchern. Auswahl eibti mt 0 9
und Auslandes, Nr, 1011—1015). Halle, Hendel. A 25 2
Ber ee vs: —— — Muffet, Eine Bingepfiffiterriähe
Parallele. er. 3.
Sungmann —3 — Heine ein Nationaljude. Eine kritiſche Syntheſe. Berlin,
tonbad). 75 }
— M,, au Heines Liebestragädien. Litterar-hiftorijche Studie. Zurich,
term. 1.10
Yegras 3, Heart Heine poste. Paris, Calmanı
—— ee “ Le rythme.
2. cor. 3, e. 4.
Heine ä Paris. 2. Neuer Frühling et ——— —
edichte. — III. L’agonie du poete. 1.
onchuston — Appendice: Documents
je vorher in Überjegung in der Di
wei franzöftiche rofalberfegumgen des
ibliographie.
Poristy J.E, Wie jollen — Heine verſtehen — Bine fiel
Studie. Berlin, C. Sauter 1,5
offmanns Werte. don
sn eine Ausgal F — — De
fitut. 6
Jubal Band. Hoffmanns Leben und Were. Märchen: Der
Topf. Der Nuffnader und Maufelönig. — Kun tmovellen:
Juan. Die Fermate, Rat Krejvel. Der a n— 2. uns N sr Eu
Doge und Dogareife. Das Majorat, yiefer ala in der
iellen. Das Fräulen von Scuberi. Die Bergwerle von
Betters Edfenfter. — 3. Band. Die Eliri an
feider fteht uns bie Me A
bibfiograpbifche Inſtitut ni 3 En — rn
im einzelnen nicht mit ihr. vergleich
ebers ift fie um einen dritten Band berm
dricafien wurde, aud) Hoffmanns =
zire des Teufels‘, dev Sammlung
neue Ausgabe durd) Aufnahme bes
tönig“, das dem Dichter nächft dem „Woldnen — ‚am. bei
ift, von ber bisherigen, RN b
zählungen ausgefdjieben how
insbefondere ift es ——
nicht fehlt. Vielleicht hätte ——
Hoffmanns Jugendbriefen Sue
tadellos. Warum aber fehlen
Immermanns ausgewählte
1—3. Band (Eotinjar ac der
Stuttgart, Cotta. 1 DM,
Bachtold Z., a
Band: 1861— 1890. Berlin, Beſſer
Juhalt: 7, Der Herr &
Briefe Nr. 136-216. — 8.
mulla 9 Auerbach, Anton
von (Eder, Adolf Exner,
hard
680 Bibliographie. 2. Bücher.
Emilie Heim, Hermann Hettner und feine Witwe, Regula Keller, Kaethe Kroeker
Freiligrath, Emil Kuh und ſeine Witwe, Fris Mauthner, Marie Melos, C. F.
Diener, J. Moleſchott, Eduard Münch, Ernſt Münch, Paul Nerriih, MR. Peterſen,
Julius Rodenberg, Alfred Roſenbaum, Sigmund Schott, X. Nalpar Zicher, Adolf
Ztern, F. Ib. Viſcher, Hans Weber, 75. Weibert, I. 3. Widmann, an Die erfte
Zeftion der philojopbifchen Fakultät der Hochſchule Zürich und den Ztadtrat
gürid. — Anbang: Gedichte und Gedichtentwürfe; Materialien zu „Martin
Zalander”. — Nadıtrag: 3 Briefe an Jalob Tube, Gottfried Ninkel und Yırd-
milla A ifing.
Winde Pouet G., Heinrich von Kleiſt. Zeine Sprache und jein til. Weimar,
selber. 6 M.
Grid‘ Schmidt bat einmal über Kleiſt geäußert: „Alles, was er geichaffen,
jagt uns Sofort: ich bin Kleiſtiſch . . . Zen Stil iſt ganz fein umd auch dem
Ztumpfiinnigen fofort kenutlich.“ Tie weithin auffallenden Eigenheiten feiner
Syprache und feines Stils find denn auch in der umfangreichen Kleiſtlitteratur
mebr als einmal bald in größerem, bald in geringerem Umfange teils geftreift,
teils eindringlicher erörtert worden. Feinſinnige einschlägige Apereus, Früchte fcharfer
Beobachtung, finden ih ın den Büchern und Eſſays, ın den Abhandlungen und
Miscellen, die der Erkenntnis Kleiſts gewidmet find. AL dies zerſtreute Material
zuſammenzutragen, aus Eigenem und Fremdem einen einheitlichen Yau zu ge
jtalten, bat Minde Pouet ſich zur Auigabe geitellt. Ein mühſames, ja cin undanl:
bares Beginnen! Tas beite, das zu jagen war, iſt längſt gefagt. Zoviel unleug-
baren Fleiß, ſoviel Beobachtung Winde Bonet auf tem Thema gewendet bat,
viel Neues kann er uns nicht erzäblen; Da und dort wird eine Linie fchärfer ge
sogen, Kerſchwommenes Har bingezeichnet, Unnötiges weggelöicht. Tod im ganzen
erinöglicht Rinde Bouets testimonimm dilirentiae mir, das gewaltige, ichter
richöpfend behandelte Material in jauber georditeten, nicht immer ganz, einmand-
freien Rubriken bequem zu berieben. Wberraichende Reſultate Fonnten nicht er⸗
zielt werden. And das um jo weniger, als der Veriaſiſer fih auf die ‚geititellung
der Thatiachen und auf ihre gefühlsäftbetiiche Bewertung beichränft, hiſtoriſchen
Erwägungen, alio insbejondere dem Momente des Ubernommenen und Erlernten
feinen Raum gewährt. Jene gefüblsäfthertichen Bewertungen konnten obendrein
füglich wegbleiben Welche Bedentung fir Tabellen jtihiticher ‚sormen bat es
etwa, wenn Beiſpielen der zur Belebung des Tialogs Kleiſt jo lieben Wißper-
ſtändniſſe S 33: die Fable Bemer!ung folgt: „Tiefe Miſwerſtändniſſe haben
freilich den Fehler, ſich zu lang hinzuziehen, und ericheinen dadurch gefünitelt.“
Khraie bleibt es doch wohl auch, wenn es ein andermal beißt: „Unter den Zen-
tenzen, die Kleiſts Eigentum find, finden jich einige, die gedanklich und ſtiliſtiſch
nicht bervorragen Aber der größte Teil find tiefſinnige Neilerionen, denen er
and ein prüchtiges Kleid gegeben bat. Es find Rerlen in Gold gefaßt“ ı 2 134°.
In einem ‚genilleton mag ein ſolches Urteil, das nicht gehauen und nicht geitochen
st, nebenher mitlaufen: wenn es indes achthalb Zeiten WBeifpiele als einzige
Meinungsauſßerung des Zammlers charafteriiieren Toll, dann reicht es doch mohl
nicht bin Endlich verfüllt Minde Bonet -Z 186 fe) gar in jene längſtüber⸗
wundene, im Frankreich einſit beliebte Art preeiöier Austüftelung nicht flilgerechter
Serie, wenn er aus den Tramen Kleiſts Zäte zuſammenſücht, „die Durch cine
gewiſſe Trwialität auffallen,” und beflagt, daß den herrlichen Berfen des „Robert
Winsfard“ em „Baar recht vulgäre Säbe“ beigemscht ſind
Den Vorbildern Nletiihben Stus iſt Minde Kouet nicht nachgegangen
Beiläufig wird der Name Klovſtods, vLeſſings oder Schillers genannt Die Er
örterung von Kleiſts epiſchem Stile abichließend, weiſt er anf Cervantes und
Boccaceio hin S. 94 Kleiſts Sachlichkeit Ser von jenem abhängig: dieſer habe
auf des Dichters nappen und prägnanten Rovellenſtil Einfluß genommen. Ten
Nachweis beider Behauptungen, der natürlich nur an dein vollen, ın dem ganzen
1897. 681
Kapitel aufgeſpeicherten Materiale zu führen geweſen m hat Minde Kouet
nicht verſucht Sachlichteit bei hnabpein prägnanten ei inch — *
guch von dem jungen Schiller und an jeinen Novellen
Iufamie* und „Spiel des Scidjals* lernen. Fa, die deln one
von &*** ift — um ein Beifpiel zu nennen — von Schiller mit eben jener
Keaft pfaftijcher Detailjcilderung erzählt worden — 499 f.), die Minde⸗
Pouet in Übereinftinnmung mit allen Steiftforichern, —* —*—
an dem Schöpfer des Kohlhaas“ rühmt S, 69 fi.). Ei
unfer Berfaffer hat ähnliche Erörterungen wohl abſichtlich bei PH Kein, ja
er poleimiftert, vorfichtig und zuxlichaltend, gegen den gelegentlich wi schen
Weibenfels, der den franzöfijchen > — Elementen 2 — (8
arten Male in größerem Zujanment Kur nachgegangen war —
Scparatabdrud aus Herrigs Archiv, Band 80; vgl. — 8 un
Ale meine Ausftellungen treffen den gefunden Kern der Arbeit
kurze Anatyje wird ihm Leicht offenbaren, ve Stoff ij ai jechs Kapitel Henaz
dramatijcher (a) und epifcher (b) Stil, poetiſche Ku (6), &
Zbrache (d), Wiederholungen (2), Grammatifcyes
erörternd, ftellt der Verfafier zunächft fet, daß wo Et, die Fam
nicht aber fr das „Näthdhen don Heilbronn“ ein, al m
Blanvers und Proja feitzuftellen jei. Vorbilb diefes Abedhf lebt
Shafefpeare. Ich meine indes, man jollte von formalen
zu Anfang unferes Jahrhunderts nicht veden, ohne —— len
gedenfen; grade dieſe romantijche That hat die formale Seite
Deutjchen in rechtes Licht gerüct. Ferner fee ich feit, daf; dor Steift ——
etwa in ſeiner enoveva von 1800, zwiſchen Bers — 'roja wechſelt.
Schlüffe gewinnt Minde-Ponet bei der Erörterwmg des Monologs: nur
monologifteren bei Heift, alle Monologe werden von Ren jonen gejprochen,
fie find auffallend frz; häufig find Scheinmonologe, die in anderer
geiprodjen werden; gern bedienen ſich feine — der Apoj
togijch-raifonnierende Elemente fehlen ihnen, fes Toatfachen
Entjejlüjie; die Stellen, an denen er fie anbringt 1 am, daß fie nicht
berecjnet find. Alle diefe Momente Den Klee — us
Gegenſatz Aud) Kleiſts Dialog lonnte Zug für Bi Bug br
ſchen Kededramas entgegeng jeietst werben. En iner Studie über dem
bemertt Dinde-Bonet: RN — 1, mit und Eifer Kleſſt daran
ausging, durch Berfchurelz zung des Stils mit dem der Antike ein
ideales Drama zu fchafien“ (S. 5 —— iR auf die Nomantit ‚ka
weifen; diefe Verjchmelzung war. ein Saale — Dramatit. So ift
der „Alartos* gedacht und die von — enzent getragene
von Meffina“, Ausführlid) erörtert werben die EHRE des hen
YParallelisumus in Rede und Gegenzede, Wi Ni
ortſpiele, unterbrodhene Rede, Apofiopefe,
Momente. Leſſings Vorbild follte —
Abſchniute berangezogen werden N —
„tonmt durch Fragen und en der log
feiner föftlichen Charattsrifit der Meiftihen. D quit
Antäßlich des Blaniverſes und ſeiner ive Lei
S. 52 und 58 zu nennen ee ©.
beiment bei — und & om
deutjcher 9
Be fi.) in ——
—
werden —
finde ich Kleiſts umbenbfichtigte Stagonten
(2. 55') gerühmten A. W
Worte „mitfprechen“, „nichts twiffen“,
Euphoriom IV.
HR Bibliographie. 2. Bücher.
fallenden Rhythmus als Dakttylen, und ich kann Ste nur mit Mühe nach dem
Zchenma u lien.
Tie Behandlung von Kleiſts epiſchem Stile br eröffnet dag Verdikt: „das
Schema der Marfiie von O . . . wäre faum denfbar vor der Homantil, aber
die Geſtaltung konnte nur Kleiſt gelingen, der im Gegenſatze zum Troınantiichen)
Wirrwarr dev Gattungen und Formen die ftrengite Epik ausbildete” (2. 65).
Ich meine, dieſes Urtell thut doch den Novellen Tiecks und insbefondere Iren:
tanos wohl von Kleiſt beeinflußten „Bravem Kasperl und ſchönem Annerl“
Unrecht. Die Romantik iſt ſo ſchwer mit ſolchen Schlagworten, wie „Wirrwarr
von Gattungen und Formen“, zu ſchildern! Mag Arnim immerhin Epiſches ins
Drama hinenwerſetzen, fo wären doch Hoffmann ſeine ſtarken Wirkungen ohne
eine ſtrengſtiliſierte epiſche Technik nicht möglich geweſen. Sachlichleit, Detait-
ſchilderunng, Tbreltivität werden mit gelegentlichem Ausblicken auf Kleiſts roman—
tiichen Vrauch erfolgreich und geſchichtt ſeiner Epik nachgewieſen. Nach fremdem
Vorgang zeige Minde Pouet gut und in einer fir die Geſchichte der Graäblungs:
technit gewinnbringenden Weiſe, wieweit die Perſon des Dichters in ſeinen
epiſchen Schöpfungen ſich geltend macht.
Als poetiſche Kunſtmittel dev Kleiſtiſchen Sprache 101 kommen in Retrach«
tung: Miſchung von Schrecklichem und Lieblichem, dann volkstümliche Elemente
in der Sprache: wenn nuter dieſen auch archaiſtiſche Formen angeführt werden,
hätte der Verfaſſer nicht verſäumen ſollen, Petrichs treffliches zweites „Kapitel
vom romantiſchen Stil“ veibzig 1878 zu Rate zu ziehen. Auch fir die nächſten
RParagraphen wäre aus Petrihs Zuſammenſtellungen mandes zum Bergleiche
benußbar geweſen. So begegnet ſich gleich innerhalb der „Beionderbeiten der
Koniugation“ der den Regeln moderner Schriftiprache widerſprechende tranſitive
Gebrauch intranſitiver Verben mit romantiſchen Eigenheiten. Kleiſt konſtruiert
nicht nur Z. 10095. nach Klopſtochs Muſter denken mut einem innern Altufativ
obiett: den Akkuſatiwv vegiert ber ihm auch: vernarben, weinen, glühen, ftarren,
niederregnen um Sinne von: vernarben machen, glühen nmiachen, ſtarr machen
u. ſj m. Minde Pouet ſtellt nad Grimm und Sanders Belege ang Goethe,
Wieland, Alxinger, VRoß, dann aus Holtei und Mundt zuſammen. Nur zu
„Hatichen” und „herniederregnen“ wird dev Romantiker Tieck herbeibemüht, zu
„erſtarren“ daun Görres. Gleichwohl liegt ein Der Romantik vor anderen lieber
BRrauch vor Petrich führt an: erbarmen S. 675, erlabmen, erröten, erſtarren 12.08),
irren SͥS. 7168, iaugen S >11, ſchweigen S 82, verſſummen S 881. Nicht nur
Tiech, auch W. Schlegel verwendet dieie Verba tranſitiv. Auch der von Minde
RPouet (S. 119 hervorgehobene Kleiſtiſche Gebrauch eines dativus ethieus iſt
der Romantik lieb (vgl. Petrich S. 130 und, Chamiſſo betreffend, Euphorion 4,
111). * In dem der Wortitelling gewidmeten Raragrapheu (S. 113 ff.)
beipricht Minde Paiet, übereinitummend mit Weißenfels, Die autikiſierende Stel
lung der Berzwörter. Ich möchte da doch Die Frage aufwerten, ob Kleiſt zu dieſem
Wagniſie nicht durch Die Erörterungen des 18. vaokoonſtückes angeregt worden
it. Tier Anichaulichkeit und Prägnanz des Kleiſtiſchen Ausdrucks wird alücklich
an einem Vergleiche des „Amphitryon“ und feiner framzöſiſchen Korlage (S. 123 f.)
gezeigt Ten Ausdruck zu verfinnlichen, jeut Kleiſt gerne das Verbum mit einer
Prävpofition zuſammen (anweinen, ſich emporſträuben, entgegenwüthen, heran
ſchlichzen)jy: wiederum erinnere ich an Petrich (S. 130 f), der aus Tiechk citiert:
fortängitigen, dahmängitigen, ſich thalwärts härmen, hinſehnen, hinwegzittern.
JZuſammengeielzte Adjeltwa (Z 127 18.) ſind ſelten im „zZerbrochenen Nrug“ und
im „Amolhuitryon“, Tebr häuiig in dev „Pentheſilea“, Die aber - wie fein bemerlt
wird — auf Homeriſche (das het Roſtiſche) BRildungen fait durchweg verzichtet.
Femſinnig wird auch beobachtet (Z 1:32), daß „Kleiſts Sentenzen und Nellerionen
ein jo individuelles Gepräge haben und jo in den zzuſammenhang hineingewebt
ſind, daß man fie nur mit Anderungen herausheben fann: fie fönnen nicht für
688
fich beftchen“, Schillers Sentenzen fann man — wie der vom Berfaffer citierte
Dtto Ludwig fagt — herunternehmen von dem Chriftbaum feiner und
dort am einen am Zweig hängen, — a: dem Baume dem 3
zu Schaden. Die fleißig zufammengeftellten „RI hen —
die „Tropen“ (5. 155) geben zu Zufäßen feinen Anlafı. Wie X
In. das Bild Haken da Ace fa ale 171), wie er Gleichniſſe fort oder
(3. 172), das haben ja ſchon fa
Die Eigenheiten der Mleifti ol (4) werden im —
abgehandelt: Answichie der Bill , Duperbeln, zu md triviale
drücte, unyafjende Wendungen und —
verfchränfung. Ich weiß nicht, warum der Berfa
ihrlnfung nicht — wie jonft — den terminus
Huperbaton hätte ihm wohl darauf hingefeitet, aaa in
Hungen mit der Gewohnheit nmtiter Dichter ich, tif ’
Ergebnisreidh ift das Kapitel von den Wi im Stile Kcifis (e
Fiebfingswörter und Vieblingswendungen werden in y
zufanmengetragen. Über die Wicderholungen gleicher Me dann
Wendungen überhaupt in Briefen und ir Dichtungen, — der
er
. 227) doch it das e
I Se
dieſe opien einfach al leift war
Ei enleben ben, i k
zeichen Stoffe feines Innenlebens om Mi Heiben, ion . leer
Und doch ift er wiederum. ein 7 ein
gitgenoien Naturbeobachtung in Worte umnzujeen Äft —
voblem. Daß aljo die mühjam gefundene,
feiner Ratureindrücte fid) in fein engem er äng|
au ihr feſthielt, um nicht von meuem jene
üfen, ein folder Vorgang jeheint mir. wenig, Beat
Sinne fann ich Kleiſts „ütberjagde vn ide
(2. 221). Jeder Künftter fpeichert Materin
von Stiggen und Studien, die er in enkl
Wenn ic) nad) diefer Richt —
Wiomeht Beifall feinen einfchlägi
(2. a — 3 id)
umerbalb verſchiedener a
Bouer m Annahme, die — J
i hältigen Gründen ab; wie wenig
auS den obigen Ausführungen,
Das Schluffapitel, „Sram
einftinumung mit Weißenfels bie
Kleiſt die Elemente der deutſchen
umfangreichen Abjchnitte, der — A
Nubviten nicht unanfechtbar find,
wenn ev Petrich herangezogen, ar er
NA) gebe nur ein paar Wı
daß Kleiſts ungewöhnliche —
politionen, die den Altufativ_ober 3
einer „beitinmten, energiſch
das Zuide gilt von dem in —
Arbeiten Äuch die Auslaffung des
(2. 123) als vomantijdh n
Fonet lt als ———
ſelbſt bewußt ward“ (S. TA)
erwahne mod: ſich —
684 Bibliographie. 2. Bücher.
-
⸗
Eigner (S. 286; Peirich S. 66 aus Tieck und Wilhelm Sclegen: überall =
überhauvt ıZ. 295), in ‚sr. Schlegels Ingendbriefen häufig. Tie Vorliebe ferner
für uns ungewohnte Wenetipreftion iſt echt vontantiich, mindeitens echt Tieckiſch
(gewahren, lächeln, ſtaunen u... mw.) Jedesfalls harrt das im letzten Kapitel auf-
gehäufte Material einer eindringlichen ſprachhiſtoriſchen Bearbeitung, die freilich
bei Kleiſt und bei den Wörterbüchern dev Grimm und von Sanders nicht ftehen
bieiben darf. Tiefe Arbeit wollte und konnte ich bier nicht teiften. Ich wollte
nur nachweiſen, daß Kleiſts Stil amd Sprache mit der Romantik fich viel enger
berührt, als dev Verfaſſer (ͥS u ff.) annimmt Kleiſt hat mit der Romantik doch
wohl noch mehr gemein, als den „einen ug: die Neigung ſich zu überfliegen“.
Ich reiumiere: Broia und Vers im Drama miſchen Tieck und Kleiſt: modernen
md antiken Stil verichmelzen wollen Fr Schlegel und Kleiſt. Streng epiſche
Erzählungstechnik beobachten Tieck, Hoifmann, Brentano und Kleiſt. Archaismen,
dann eine Reihe grammatiſcher Eigenheiten (tranſitiver Gebrauch intranftiver
Verba, dativus ethicus, ungewehnliche Kompoſition von Verben mit Präpoſi
tionen, bewußter Wechſel im Gebrauch des Tatıv und Atkuſativ bei Präpoſitionen,
Eigenheiten des Wortichabes) find der Romantik und Kleiſt gemeinsam. Zieht
man auch die Thatiache in Betracht, daß Tieck und Kleiſt beide Märker waren,
es bleibt des Übereinſtimmenden noch genug. Binde Ponet hatte alſo nicht nötig,
den Gegeniaß aufzuſtellen: „Tie Romantik mied ſtrenge Scheidung der Dichtungs—
arten und rührte Dieiv gern in eine Art Urbrei zuſammen. Yon dieſer Form
loſigkeit iſt Kleiſt weit entfernt.“ Und noch unmvorſichtiger war es, auf dieſes
Aperen geſtützt, jede weitere Vergleichung abzulehlmen. Grade Petrichs Rüchlein
hälte dem Berfaiter zeigen lönnen, wo Romantit und Kleiſt anseinandergehen.
Petrich hat ununſtöſtlich nachgewiesen, dag mindeſtens die ältere Romantik vom
Sinnlichen zum Uberfinnlichen weiterichreitet, vom verſtandesmäßig Deutlichen,
ſiunlich Klaren zum gefühlomäßig Verichwommenen. Kleiſt bewegt ſich meiſt in
enigegengeießter Richtung. Taß auch ev gelegentlich Konkretes durch Abſtraktes
ichildert, Sinnliches durch Unſinnliches, dieſe Thatſache iſt Minde Ponet nicht
entgangen S. 166 8.) Nur denkt er an Klopiſtock, nicht an die näher liegende
Homann. Hier hätte Te Vergleich romantichen und Kleiſtiſchen Stils einſetzen
milſſen, Sollte ein ileißiges und brauchbares Vuch nicht Durch Mißurteile ver
unziert werden. O-kar F. Walzel.
8, Rrauer, Der Dichter des Witt Yırdes und feine Seit. 2. vermehrte Auf-
lage. Aarau, Zanerländer 1506. 3.6038
Untericheidet fh von der eriten Auflage Durch einige Zuſätze und Rerichti.
gungen, von denen die bedentenditen 2 335 - 351 das Wiltli Yicd fetbft be-
wreiten.
Nürnberger F., Tas Kind mit dem Rriefe. Ein Wintermärchen — Ein Braut
baar in Polen. Novelle. Allgemeine Nationalbibliothet Ser. 148%. 1493 Alien,
Taberfow. 10 Pjf.
Ernſt AM, Neue Beiträge zu Heinrich Leutholds Tichterporträt. Mit 40 Cri-
amalüberiekungen und mit litterarhiſtoriſchen Aufſätzen Yeutbolde. Hamburg,
Kloſ. ? M
Inhalt: I Aufſäbbe Leutholds: Auguſte Varbier. — Ein bretoniſcher Dichter
Anguſte UBrizeux Lamartine Uber franzöſiſche Romantiker Alfred de
Stamm.) Ter Wegeniatz zwiſchen deutſcher und franzöſiſcher Romantik. — Die
ri epiſche Tichtung bei den neueren Frauzoſen - - Zchillers EUlocke von Emil
Deschamps. — Der Emiluſt Byrons auf dir Aranzoien — Zainte Reuve. —
Kictor Hugo II Ubertragungen Leutholds: Gedichte von Burns, Tb. Moore,
Retöfy, Czuczor, Manzoni, unit, J Retit Senn, G. Lafeneſtre, Y. E. Gerard,
A. de Vigny, Brian, Varbier, X. Marmier, vamartine, A. de Muſſet, Chenedolle,
vord Bmon, Emile Teochamps, Saimte Beuve, 8. Hugo — III Eigene Tichtung
veutkolds: Auf Geibels Jugenddichtungen.
1897 685
Diefe wiederaufgefundenen und bier neugedrusten Eſſays und Überfetsungen
find eine willfonmene Ergänzung zu Leutholds Gedichtfanmung und zu sus
Monographie iiber Yenthold. Wir hoffen aber, daft wir alles diejes und —
hier endgiltig feſtgeſtellten Anteil Leutholds an den mit Geibel herau— Bone
„Kling Büchern frangöfiicher Ayeil” in einer abfchlichenden Ausgabe von
Werten einmal vereinigt finden werden.
Trura HM, Der öſterreichiſche Geſchichtsforſcher und Dichter Pfarrer Joſ
Maurer. 2. Auflage. Wien, Seldftverlag.
Moßner I, Ausgewählte Werke. 1. und 2. Band. Herausgegeben und üngeitet
von B. Meßmer. Pradatit. Im Selbftverlage des Heraus kachers. a3
Inhalt: 1. Band, Einleitung Handwerlsburſe aus dem Volls⸗
teben (1857). — Waldgeſchichten. — Hantierer im hmerwalde. Keine au
nad) Ne Natur gezeichnet. — 2. Band: Der — er —
Margarethe Maultajch. — Yan von Barenberg: Din!
inde
Die verdienftvolle Ausgabe ift auf vier Bi das An⸗
denten des begabten Böhmerwaldfchriftitellers nicht bie et der a einntat
wieder erneuern. Der erfte Band der Auswahl ift zu ee Zeit au nd —
der Bibliothet deuticher Schriftfteller aus — egeben im
der Geſellſchaft zur Förderung deutſcher Wiſſenſchaft, Kunft und Litteraum
Voͤhmen Prag, Tempsty) erſhienen
Trog 9, Conrad Ferdinand Meyer, Sechs Vorträge. Baſel. Neid, 240 M.
Sudelberger 9, Die_Kumftmittel in Conrad imand Meyers Novellen.
Burgdorf, Fanglois & C&. 1M.
Yaubmann ©. von und L. von Scheffler, Die Tagebücher des Grafen Auguft
von Platen. Aus der Handſchrift des Dichters herausgegeben. Erfter Band.
Stuttgart, Cotta 1896. 14 M.
bar die erften 16 Blicher des Tagebuches bis Ende des Jahres 1817.
Gerbe— em Raabe. Eine Witrdigung feiner Dichtungen. Leipzig, W.
Ar ti 5
Andrejanoff ®. von, Graf Nifolai B———— Ein baltiſches Dichterbild.
Aus „B ie Monatsichrift”.) Riga, Stieda. 2 M.
Bacdert „Aus Fri Reuters Jungen md alten Tagen, Neues Über des
Dichters ” nd Werden, auf Grund unged Has "u je und Heiner Dich⸗
* tungen = — an — wo digien
ömer nterhaltungsbfatt für bei mern, x von
Ari Renter. Geſchichten und Anekdoten. Mit Kg u Bene, lerausgegeben.
Berlin, Mayer & Muller
Schädel 4, 9. von Niehl, der Poet der ——— — en Bor⸗
wort über feine refigiöfen Stubien sines Welttinbes
Voltsiebens. Herausgegeben von Frhr, von Ungern und —— Diet,
159. Heft). Stuttgart, Beljer. 1 M.
Ein 1848er Kämpfer fiir pofitifche md fon) Rizzis
gelaffene Gedichte) Sei des © — — Seit
Roquette O, Bon Tay Dichtungen. Aus dem Nadylaf des ſters
herausgepeben von. 2. Yulda: ti Cotta 1806. re .
Inhalt: Zur —— San; in al, 20 Tönen. 1. et
miſchte Gedichte. — Aus großer Zeit m —2 —
Tag zu Tage —— —— ——— im Slurnwogel —
Das Wormjer Schießen. — Eine . — Ein
Teufel auf Urlaub. — IV. Pe: Schauſpiel in ſunf N).
F. Nüderts Werte in 6 Banden. — Beyer, Mit, ftterar-
biftoriichen Anmerkungen, Rücterts Porteät, 2 ebichten it
einer Einteitung: Friedrich, Ricterts Leben und Serenrung- IM,
ss
HRG Bibliograpbie. 2. Büchei.
Friedrich Rückerts Werke in 6 Banden Herausgegeben von Y. Yailiner.
17. bis 20. Yieferung. Stuttgart, Cotta. "
Mit der in diefen Yieferungen enthaltenen „Weisheit des Rrahmauen“ ift
diefe Ausgabe, auf die wir bereits öfter hingewieſen haben, nunmehr abgefchloffen.
Rüdert F., Gedichte. In neuer Auswahl. 24. Auflage. Frankfurt a. M., Zauer-
länder. 3 M.
Es iſt ſehr erfreulich, daß neben den zahlreichen neuen Angaben von
Rückerts Gedichten auch die alte Triginalausgabe nen aufgelegt und in fchöner
Ausftattung um bedentend billigeren Preis als friiher dargeboten wird. Einer
befonderen Empfeblung bedarf ſie nicht ,
Nolsdorfer DI, Friedrich Zchlegels Abhandlung „Uber das Ztudium der
griechiſchen Poeſie“. Programm. Bakowice 1896.
Fauſt A. B., Charles Sealsfield (Karl Poſil), Der Dichter beider Hemi—
ſphären. Sein Leben und ſeine Werle. Mit dem Bildnis des Dichters und den
Anſichten ſeines Geburts-, und Wohnhauſes. Weimar, Felber 5 M.
Inhalt: Einleitung. Sealsfields Stellung in der Litteratur. — Napitel J.
1793 - 1823. Von Sealsfields Geburt big zu ſeiner Flucht ans dem Ordenshaus
der Kreuzherren in Prag. — Kapitel IT. 1823- 1832. Überſeeiſche Reifen und Auf
enthalt in den Bereinigten Staaten. -- Mapitel III. 1832-1848. Zeit der größten
litterariſchen Thätigkeit des Tichters. — Napıtet IV. 1840 — 1864. Tes Dichters
abnebinende Popularität, Alter und Vereinſamung. — Die Briefe Sealsfields: An
Freiherrn von Cotta, Heinrich Erbard (J. B. Mesbler), srl. Eliſe Meyer,
rl. Marie Mever- Tas Teſtanent Sealsfields. - - Gedichte von Elite Meyer.
Franz Ztelzbamers mundartliche Tichtungen. Bearbeitet von R. Hanrieder
und G. Weibenböck. Der muſikaliſche Teil durchgeſehen von Y. Z3öhrer. Erfter
Yand. (Aus da Hoamät. Vollsausgabe ausgewählter öſterreichiſcher Dialelt
dichtungen. Herausgegeben von H. Zötl, A. Matoſch, H. Commenda. Der ganzen
Reihe ſiebenter Band. 18. bis 21. Tauſeud.) Linz Am Zelbitverlage der Heraus
geber als Stelzhamer Bund. Druck von J. Wimmer.
Abſeits von Der Heerſtraße Dev modernen vitteratur entfaltet der ober:
öfterreichtiche Stelzhamer Bund im Stillen cine höchſt eriprießliche Thätig-
keit, indem ev im Wort und Schrift für die Verbreitung der heimiſchen Volls
Dichtung und für das Andenken ihres größten Vertreters unermüdlich wirlt. Bom
Anfang an war das eigentliche Ziel der Kündler die Beranitaltung einer Geſamt
ausgabe von Stelzhamers Werken und die Crrichtung eines Tentmals für ıbn.
Acıde Pläne find jet ter Turchführung nahe gerücdt Taf die Ausgabe mit den
mundartlichen Tichtungen eröffnet wird, ift ſelbſtverſtändlich; daß fich Die hoch
deutſchen anichtiegen, ein Gebot der Gerechtigkeit und Rietät. Der vorliegende
erſte Vand enthält in chronologiſcher Folge Stelzhamers erſte Veröffentlichungen:
„Lieder in obderenns’fcher Bollamundart” (Mien 1837) und „Neue Geſänge in
obderenns’icher Vollsmundart“ (Wien 1841) im Anſchluß an die alten Trude,
and mir deren Widmungen und Borreden, nur mit Normalifierung der Zchrei
bung nach den für das ganze Sammelwerk anfgeitellten Grundſären, womit
man jich durchaus vinverftanden erltären fan. Es fcheinen aber doch auch Ipätere
Anderungen Ztelsbamers „nach dem Danderemplar” (vgl. 3. B. S. 172) auf:
genommen Worden zu jein. Darüber erbielten wir gerne genauere Auslunft und
es wiirde dent volkstümlichen Charalter der Sammlung Tleinen Abbruch tbun,
aber den anf die wiiieni.haftlihe Erforſchung ihres beimatlichen Bollstum® ge-
richteten Reſtrebungen der Herausgeber ichr förderlich fein, wenn fie jedem Bande
einen Anhang mit knappen tertiritiichen Bemerkungen beigäben. Tem er:
ſtändnis des Terxtes dienen wohlgelungene Erklärungen, ſeiner Kelebung eine
Fülle von Kompoſitionen und reicher budlicher Schmnd. Tag ganze macht einen
wohltbuenden, berzerfreuenden Eindruck und wir wünſchen dem aufopfernden Ve:
müben der Herausgeber cinen gedeihlichen ‚zortgang und den verdienten Grfolg.
Nachrichten. 687
Poems of Uhland, selected and edited by W. T. Hewett. New York,
Macmillan and Company 1896.
Die Ausgabi lich und. praltijch, wie alle ——
nifchen Susgaden; " Yin m — — —
vonologifchem Verzeichnis dem Benutzer alles bar, im Augenblide
ER. Unrichtiges ift laum mit — Sir Sr Saiten ‚aber werden
uns gerade bei Uhland — aud, zum 3 Sue Aue
— at
wahl feiner Gedichte ſchwerlich gewöhnen A a — Bau, in
man jie unterbringen fan, wollen wir ihr
Vielleicht bietet uns eine zweite Auflage den ganzen ame in
arbeitung dar.
Weill W, Noch zwei Jugendtheaterfllide. I. Drei Deutiche iu Paris
Futi-Regierung. Er 11. Ein Ehrenmann. —— Mit einem Yadınort
zu „Haß umd iebe*. Zürich, Berfagsmagazin. 2
Werner, Carl Conrad, Vertlungen — nicht —
Nachlaß gejammelt Hit einem Vorwort von w u 2
vatl. 2.50
Zipper A, Zacharias Werner und die Familien ——
Programm. Yemberg 1896.
Die Briefe Werners, die ung bier mit a Kann
danfenstwerter Weiſe vorgelegt werden, ee! — 8
und find für Werners fromme Periode — —
Religion und der religiöjen Propaganda waren, die
Fanulien verbanden. m lebten Briefe S. 36, Ba 1 von iſt wohl
„Zgeesey” zu leſen Szeheny.
Schweizer B, Yudolf Wienbarg als jungdeutſcher Äfthetifer md Sunfttritifer.
Differtation. Yeipyig 1896.
Rahridten.
Die Biographifcen Blätter, die bisher im
& Cie. in Berlin von A. Vertelheim
1897 in den Verlag von Georg Neimer im sun
fortan als Biograpbijches Jahrbud und a en
jedes Jahres ericheinen.
Im Berlage von B. &, Teubner
der — von J —* re EN
Haffiihe Altertum, Gejchichte mm) i
goal die beſtimmt find, die
abzutdjen.
Kart Müller im Dresden bereitet eine ai i
gers deutiche Grammatik und ihre Cinellen wor. —
Schwerings Abhandlung über das nicderiä
land ift von de la Montagne ins niederfän e Al
Breisaufgabe der —
1909 (Ablieferumgsterumin 31. Auguſt
Alncbaulen auf die Hebung des
erold im Muſter beveitet:
a 3 Arnold in Wien
deutſche Bolendichtung (18. und 19.
688 Nachrichten.
In Hanau iſt eine Geſellſchaft zur Gründung eines Grimm-Muſeums
zuſammengetreten. In dieſem Muſeum ſollen Erinnerungszeichen jeglicher Art, die
auf die Brüder, ihr Leben, ihre Perſönlichkeit, ihre Arbeit und deren Erfolge Yezug
haben: Briefe, Abbildungen von ihnen oder ihren Angehörigen, Handſchriften, Zage:
bücher, zuſammen mit allen, was die beiden ſelbſt in Schriften veröffentlicht haben,
geſammelt werden. Zendungen find an den Borligenden, Tberbürgermeifter Tr
Gebeſchus in Hanau zu richten.
Uhlands litterariſcher Nachlaß iſt in den Beſitz des Schwäbiſchen
Schillervereins übergegangen.
Julius Schwering in Münſter iſt mit einer Riographie Friedrich Wil-
beim Webers beſchäftigt.
Theodor Storm ſoll in Huſum cin Denkmal errichtet werden.
Am 5. Februar 1897 ftarb in Berlin, 64 Jahre alt, der Hiftorifer Tr.
Theodor Wiedemann, der Gehilfe Yeopold von Rankes, dem and) unfere Zeit-
Schrift einen wertvollen Beitrag aus Rankes Nachlaß verdanit.
Am 3. April 1897 ſtarb in Wien der Profeſſor am alademiihen Gymnaſium
Yudwig Blume (geboren 31. Jannar 1846), deiten Ztudien fiber Goethe in
feiner fommmentierten Ausgabe ausgewäblter Goethiſcher Sedichte (1892) cine ſchöne
Frucht getragen baben.
Geſellſchaft Für dentſche Kitteratur.
‚sebruarveriammiung: Richard DM. Meyer charalterifierte cinen „neuen
Dichterkreis“ in jenen Hauptvertretern, dem Heſſen Ztefan George und dem
Wiener Hugo von Hofmannsthal -auch Loris), an der Hand ihrer nicht
allgemein zugänglichen Werke. Dev Vortrag iſt in den „Preußiſchen Jahrbüchern“
gedrudt worden.
Fris Jonas las die Einleitung zu einer Zchillerbiograpbie, die ihm
als Ideal vorſchwebt. —- Er findet in Vniſe BRrachmanns Gedicht „Die Haben
der Göttin“ Ubereinſtimmungen mit Zchillers „Tas Std“. — Tie tell
m Charlotte von Kalbs „Memoiren“ über den Tod ihres Brudere (1803)
joll auf jene Scene des „Ton Carlos” eingewirkt haben, worin Poſa den
Brief zerreißt md zum Fenſter hinauswirft. -—- Aug zwei Briefen des Arztes
RPauli an den Dofrat Zömmering vom 20. und 27. Juni 1803 erfahren wir
Wichtiges über Heinſes Tod.
Yudwig Geiger legte einen Bruf Adam Müllers an Rühle von
vilienſtern aus dem Jahre 1810 vor, woraus ſich intereflante Angaben für
die Mitarbeiterihaft an Kleiſts „Abendblättern” ergeben. Adam Müller felbft
zeichnete gewöhnlich: PS.
Märzverſammlung: Georg Karel beiprach die eigentümliche Ticytungegattung
der modernen Zpanier, div Toloras, eine Art Fabeln zeitgemäßen Inhalts in
entiprechender ‚sorm und las eine reiche Auswahl eigener Überfegungen aus den
werten Campoamors und G. A. Berauers vor,
Johannes Bolte wies auf cin bibliographiſches Curioſum bin, den Abdrud
der Fremdenbücher dev Schneeloppenwirtſchaft aus den Jahren 1696 bie
1337.
Aprilverfammlung: Georg Carel entwidelte den Yebens- und Bildungs
gang des ſpaniſchen Tichter Guſtavo Adolfo Becquer (1835 —1870) und
tennzeichnete feine Kunſt an der Hand zahlreicher felbitliberfegter Proben aus
den lyriſchen Werken des Frühverſtorbenen.
J Imelmann legte drei unbelannte Briefe Gottſchede aus den Jahren
1740 42 am den Stettiner Prediger Mauclere vor, die vornehmlich über
die , Zhanbühne” handeln.
Fer Seiß Jonas er
en zu haben. I
Seen res Gedichts entdedt zu
„Das Een Ani — ng‘
anie aco! chare
Eileen gie ehe und
ysmannes —A
Maiverfammlung: Eric Sm
aus dem endlich, jenen 5
und Schaffen des chen und Di
welch intimen Reigen bie —
Ludwig Geiger einen
September 1797, worin Man
der Kenien verteibigt wird.
8. bis 16. Auguft 1802 darf
menschlichen und litterariſchen
werden.
Berlin,
—
Mei Eiphorion 3, 46
Zeuden Lada na 108 von ahee
» Au Band 4, S. 319. Neinber farb
In der Handihift abgefehfeen
Widerſprüche in Runftdichtungen und
höhere Britik an ſich.
Bon Mar Hermann Jellinek und Carl Kraus in Wien.
Im dritten Bande diejer Zeitichrift, ©. 653 ff., hat Niejahr
im Anſchluß an einen Aufjag über Kleiſts Benthefilen feine Anfichten
über die piychologiiche Richtung umter den Litterarhiftorifern, fiber
die Liedertheorie, über die Homerfritif, über die alttejtamentliche
Kritit, über die Löjung der Fauftfrage, über die Aufgaben der
Philologie, Über den Unterjchied von Volfs- und SKunftpoejie und
noch über allerlei anderes zum beſten gegeben, darumter least nol
last aud) über einen Aufjas, den wir 1898 im der Zeitſchrift für
die öfterreichiichen Gymmajien veröffentlicht haben.
Welche Fülle des Stoffes Niejahrs Aufſatz über den Leſer aus-
ſchüttet, läßt ſich ſchon aus diefer trodenen Aufzählung entfernt
ahnen. Dazu kommt ein erftaunlicher Reichtum am neuen Ideen, die
große Kunſt, auch viel behandelte Probleme unter ganz neuen Ge-
fihtspunften zu betrachten und eine ſchier unermeßüche Belefenheit,
deren Proben dem Lejer auf Schritt und Tritt bfendend in die
Augen fallen, obwohl der Autor ficjtlich bemüht ift, jie in Diskreter
Weife im Verborgenen zu halten.
Diefe glänzenden Fähigkeiten würden einen andern verloden,
feine Meinung auch über Materien abzugeben, im denen ihm die
alferlegten umd intimften Details der Forſchung nicht durchweg Har
vor Augen ſtehen. Vor diejer Gefahr hat unjeren Autor der ftrenge
Maßitab, den er an wiſſenſchaftliche Leiſtungen zu legen gewohnt
ift, glüdlicdh behütet, Nur in einem, ganz umtergeorbneten, Punkte
hat er eine bewußte Ausnahme gemacht, indem er gezwungen war,
die verunglüdte \nterpretation einiger mittelhochdewtidher Citate
richtig zu ſtellen. Aber hier verföhnt wiederum die heragewinmende
Offenheit, mit der der Verfaffer fich jelbft als „Nichtfahmann” bes
Eupborion IV 4
692 M. Jellinek und C. Kraus, Widerſprüche in Kunſtdichtungen ꝛc.
zeichnet. Und zudem handelt es ſich ja um ganz untergeordnete
Details: denn es wird gewiß niemand im Ernſte behaupten wollen,
daß man im Mittelhochdeutſchen Fachmann ſein müſſe, um über die
höhere Kritik der Nibelungen ein entſchiedenes Wort zu ſprechen,
oder daß man gar die kritiſchen Arbeiten Lachmanns, Mrütlenhorrs,
ten Brinfs und anderer ftudiert haben müffe, um durch richterliches
Urteil fejtzuftellen, in welchen Punkten die genannten Gelehrten, in
welchen ihre Gegner das Kichtige getroffen haben. Tas wäre im
(Gegenteil geradezu verächtliche Kärrnerarbeit, die einen Gelehrten
wie Niejahr nicht geziemen würde, der gewohnt ift, „vom allgemeinen
Standpunft der Philologie” aus zu urteilen „S. 677) und feine
Aufgabe darin erblidt, die „kritiſche Methode an ſich“ (ebenda, vor
den „ohnmächtigen Verkleinerungsverſuchen“ 2. 688) böſer Menſchen
zu beſchützen.
Nicht genug zu rühmen it die anjpruchsloje Beicheidenheit, die
aus jeder „Zeile dieſes Aufſatzes dem Leſer entgegentritt. Es ift ja
wahr, der Berfaffer hat nod) nicht viel Gelegenheit gehabt, die philo-
logische Wiſſenſchaft mit neuen Reſultaten zu bereichern: aber dieſer
Umſtand trifft bei vielen andern Menſchen gleichfalls zu, ohne dag
jie daraus diejelbe rühmliche Conſequenz gezogen hätten wie Niejahr.
Erwähnen wir endlich nod) die jchöne Begeiſterung, die den ganzen
Aufſatz durchzieht, und fich bejonders gegen den Schluß hin zu einem
Pathos erhebt, das aus der höheren Sphäre der Tifchreden nur zu
jelten jeinen Weg in die Niederungen philologiſcher Arbeiten zu
nehmen pflegt, jo hoffen wir, den Norziigen unſeres Autors foweit
geredyt geworden zu jein, daß wir uns erlauben dürfen, in einem
Heinen Punkte unjerer abweichenden Meinung Ausdrud zu geben.
Wir würden dies unter den obmaltenden Umftänden nicht gemagt
haben, wenn nicht Niejahr ſelbſt uns den freundichaftlichen Mat
ertheilt hätte, uns „Itill der Ausbildung in der Kritif zu widmen“
»S. #801: nun wir dies gethan haben, ift es nur billig, daß wir
die erſten Früchte dieſer Ausbildung umjeren verehrten Yehrmeifter
darbringen.
Im Eingang der auf unſeren Aufſatz bezüglidyen Erörterungen
2. 672: bemerkt Niejahr, dat die Art, wie wir uns wiederholt
gegen die Methode der höheren Kritif wenden, beſonders die all
gemeine Schlußfolgerung, die wir ans unſeren Beifpielen ziehen,
doch leicht über unſere eigentliche Abiicht, die doch wohl nur mög-
lichen Auswüchſen entgegentreten will, irre führen könnte. Es gelte
daher, einer fäljchlichen ‚zruktifizierung der hier etwa gewonnenen
Hejultate vorzubeugen.
Dier zeigt fid) die Liebenswürdigkeit unferes Sallenfer im
ſchönſien Lichte. Es kann gewiß jedermann zuſtoßen, daß feine
N. Jelinek und C. Kraus, Widerfprüche in Kunſtdichtungen . 693
„eigentlichen Abſichten“ mißdeutet werden. Wenn diefer Fall bei uns
in Zufunft eintreten follte, und wir uns außer jtande fühlen, dem
entgegenzutreten, dan werden wir uns der freundlichen Hilfsbereit-
ſchaft Niejahrs dankbar erinnern und ihm bitten, ung gütigft Bei-
ſtand zu leiften. Diesmal haben wir ihn nicht gebeten, find auch
bei der eigentümlichen Sachlage gun auf unjere bejcheidenen Kräfte
angewiefen, denn der einzige Menſch, der unſeres Wiſſens über
unſere „eigentlichen Abfichten“ ſich im Irrtum befindet, iſt unſer ver⸗
ehrter Gönner ſelbſt.
Dieſer Irrtum meldet ſich ſchon ſchüchtern an, wenn Niejahr
meint, wir hätten den Auſpruch erhoben, „die Frage der Widerſprüche
endgiltig gelöft zu haben“ (S. 673). Wir, die gar nicht wiffen, was
das bedeutet: „die frage der Widerjprüche Löjen“? Wir, die ©. 715
bemerkt hatten: „Das Material ift genügend groß, um einige Ans
deutungen, die ſich umferes Ermeffens mit Notwendigteit ergeben,
nicht ungerechtfertigt erſcheinen zu lafjen“? „Einige andeutende Be-
merfungen“, „unferes Ermeffens“, „nicht ungerechtfertigt”: find das
die Wendungen, mit denen Niejahr den Anſpruch auf die endgültige
Loſung irgend einer Frage geltend macht? Man fönnte faft auf den
Gedanken fommen, die Sprache der Beſcheidenheit jei für Niejahr
eine fremde Sprache, wenn nicht andere Thatjachen (fiehe oben) diejer
Vermutung jede Stüge entzögen, Wir wollen aljo Lieber eine Ungunjt
des Zufalls annehmen.
"Eben fie wird es and) verſchutdet haben, da Niejahr un⸗
mittelbar darauf umfere Folgerungen in einer Weiſe wiedergiebt, die
deutlich zeigt, daß er unſere „eigentlichen Abſichten“ wiederum nicht
ertannt hat. Da er jedod) die Aufdeckung der „großen VBedenklichkeit"
unferer vermeintlichen Folgerung großmütig für fpäter verſchiebt,
und eine Gefälligfeit der andern wert it, jo gehen auch wir einft-
weilen weiter, freilid nur einen Schritt: denn Niejahr giebt gleich
im folgenden feiner Verwunderung Ausdrud, daß wir in unfere
Sammlung eine Rubrik: „nicht eigentliche, jondern nur ſcheinbare
Widerjprüche, veranlaßt durd) Läffigfeit des Ausdruds oder der
Erzählung“ aufgenommen haben. „Will man im Ernite behaupten,
daß die Kritik fich folder Erſcheinungen als Argument bedient, nur
aus ihnen Contamination verſchiedener Quellen zu bemeifen ? Dean
darf das wohl einfach zurüdweifen.” Ob Day das „im —
behaupten wollen? Doch nicht im Scherze! giebts geeit
Obielte als die Liedertheorie. Nun denn Nie io 5 det Fi er
im Irrtum: die Kritit hat jich in der That „; cheinung en“
bedient. Aber die Schuld am diefem N an nicht —
ſondern uns jelbft: der Fall gehört im die von uns behandelte Ka=
tegorie von Beijpielen, wo der Autor bei feinen Leſern „ein Willen
a46*
684 Bibliographie. 2. Bücher.
w⸗
4
Eigner (2. 2865 Petrich S. 66 ans Tieck und Wilhelm Schlegel; überall =
überhaupt S. 296), in Fr. Schlegels Jugendbriefen häufig. Die Borliche ferner
für ung ungewohnte Genetivrektion iſt echt romantiſch, mindeſtens echt Tiecliſch
(gewahren, lächeln, ſtaunen u. ſ. w.). Jedesfalls harrt das im Ießten Kapitel auf.
gehäuite Material einer eindringlichen ſprachhiſtoriſchen Bearbeitung, die freilich
bei Kleiſt und bei den Wörterbüchern der Grinim und von Sanders nicht ſtehen
bleiben darf. Dieſe Arbeit wollte und konnte ich bier nicht leiſten. Ich wollte
nur nachweiſen, daß Kleiſts Stil und Sprache mit der Romantik fih viel enger
berührt, als der Verfaſſer (Z. 1 8.) aunimmt Kleiſt bat mit der Romantik doch
wobl noch mehr gemein, als den „einen Zug: die Neigung ſich zu überfliegen“.
Ich re'umiere: Proia und Vers im Trama miichen Tieck und Kleiſt: modernen
und antiten Stil verſchmelzen wollen Av. Schlegel und Kleiſt. Streng epiſche
Erzählungstechnik beobachten Tieck, Hoffmann, Brentano und Kleiſt. Archaismen,
dann eine Reihe grammatiſcher Eigenheiten (tranſitiver Gebrauch intranſitiver
Verba, dativuüs ethicus, ungewehnliche Kompoſition von Verben mit Präpoſi
tionen, bewußter Wechſel im Gebrauch des Dativ und Akkuſativ bei Präpoſitionen,
Eigenheiten des Wortſchatzes) find der Romantik und Kleiſt gemeinsam. Zieht
man auch div Thatſache in Betracht, daß Tieck und Kleiſt beide Märker waren,
es bleibt des Übereinſtimmenden noch genug. Minde Pouet hatte alio nicht nötig,
den Gegenian aufzuſtellen: „Tie Nomantit mied ſtreunge Scheidung der Dichtungs
arten und rührte dieſe gern in eine Art Urbrei zuſammen. Bon dieſer Form
loſigkeit iit Kleiſt wert entfernt.” Und noch unvorſichtiger war es, auf dieſes
Aperen geſtützt, jede weitere Vergleichung abzulehnen. Grade Petrichs Achten
hätte dem Veriaſſer zeigen können, wo Romantik und Kleiſt auseinandergehen.
Petrich bat unnſuſtößlich nachgewieſen, daß mindeſtens die ältere Romantik vom
Siunlichen zum UÜberüinnlichen weiterſchreitet, vom verſtandesmäßtig Deutlichen,
ſiunlich Klaren zum gefühlsmäßig Verichwommenen. Kleiſt bewegt ſich met in
entgegengeietzster Richtung. Taß auch ev gelegentlich Konkretes durch Abſtraltes
ichtldert, Simnliches durch Unſinnliches, dieſe Thatiſache iſt Minde Pouet nicht
entgangen S. 166 f.J. Nur denkt er an Klopftock, nicht an die näher liegende
Romantitk. Hier hätte Sem Vergleich vemantichen und Kleiſtiſchen Stils einſeben
müſſen, Sollte ein ileißiges und brauchbares Buch nicht durch Mißurteile ver
unziert werden. O-kar F. Walzel.
(GB. Rrauer, Ter Dichter des Mitte Yıdes und seine zeit. 2. vermehrte Auf
lage. Aarau, Sauerländer 18096 3.060. M
Untericheidet Sich von der erſten Auflage durch einige Yuläße und Berichti
gungen, von Denen die bedentendſten 335-351 Das Willi Yicd felbft be-
treffen.
Küruberger F., Tas Kind mit dem tiefe. Em Wintermärchen — Ein Braut
paar in Bolten. Novelle. »Allgemeine Nationalbibliothel Mr. 148. 149 1 Bien,
Taberfow. 10 Pf
Ernſi A. W., Neue Beiträge zu Heinrich Leutholds Dichterporträt. Mit 409 Orr
gainalüberſezungen und mit hitterarhiſtoriichen Aufſären vLentholde. Hamburg,
KRloſß 2 M.
Inhalt: I. Aufiäte Leutholds: Anguſte Yarbier. — Ein bretonischer Tichter
Augnſte Vrizeur. vamartine Über franzöfſſche Romantiker (Alfred de
Kigiwe) TDer Wegenſaßs zwiſchen deuticher und franzöfiicher Romantik. — Die
luriich epiſche Tichtung ber den neueren Franzoſen Schillers (#lode von Emil
DTeschamps — Ter Emiluß Bmous auf die Franzoſen Sainte Beuve. —
Rictor Hugo I Ubertraqgungen Yentbolds: Gedichte von Burns, Th. Moore,
etöfn, Czuczor, Manzoni, Suite, X Petit Senn, 89. Yafencitre, Y. E. Gerard,
A. de Kigny, Prim, Varbdier, X. Marmier, Lamartine, A. de Munſſet, Chenebolle,
vord Byron, Emile Tebschamps, Sainmte VBeuve, R. Hugo. — IT Eigene Tichtung
Veutholds: Auf Geibels Jugenddichtungen.
1897 685
Dieje wieberaufgefundenen und hier neugedructen Effays und Überfeisungen
find eine willfommene Ergänzung zu Leutholds Gedichtfanmlung und zu Erufts
Monographie über Yeutbold. Wir hoffen aber, da wir alles biejes und and) den
bier endgültig feſtgeſtellten Anteil Yeutholds an ben mit Geibel hi ie
„Fünf Büchern frangöfiicher Fyril“ in einer abfchliehenden Ausgabe von Yeuthotbs
Werfen einmal vereinigt finden werden.
Truxa H. M., Der öfterreidhifche Geſchichtsforſcher und Dichter Pfarrer Joſ
Maurer. 2. Auflage. Wien, Selb 341 ae &
Meiner I, Ausgewählte Werke. 1. und 2. Band. Herausgegeben und eingeleitet
von P. WHefner. Prachatitz Im Selbftverlage des — as
Juhalt: 1. Band. Einleitung. Handwerisburſchen Bilder aus bem vous
leben (1857). — Waldgeſchichten. — Hantierer im Omerwalde. Kleine Bilder,
nad) der Natur gezeichnet. — 2. Band: Der Brimator. ion Erzählung. —
Margarethe Maultajch. — Yan von Wartenberg, Hiftoriicdhe Erzählung.
Die verdienftvolle Ausgabe ift auf vier Bände angelegt und BE das An:
denten des begabten Böhnermalbfehriftftelers nicht vos in der en einmat
wieder erneuern. Der eofte Band der Auswahl ift zu gleicher Zeit aue als nd 7
der Bibliothek deutjcher Schriftiteller aus Böhmen (Herausgegeben im Auftrage
der Geſellſchaft zur Förderung denticher Wiſſenſchaft, Kunſt und Yitteratur im
Böhmen. Prag, Tempsty) erjchienen.
Trog 9, Conrad Ferdinand Meyer. Sechs Vorträge. Bafel, Reid. 240 M.
Stidelberger 9, Die Kunſtmittel in Conrad inand Meners Novellen.
Burgdorf, Panglois & Co. I M.
Yanbmann ®. von und L. von Scheffler, Die Tagebücher des Grafen 8
von Platen. Aus der Haubjchrift des Dichters herausgegeben. Erſter Band.
Stuttgart, Cotta 1896. 14 M.
Enthält die erfien 15 Bücher des Tagebuches bis Ende des Jahres I
Gerber P, Wilhelm Raabe. Eine Würdigung feiner Dichtungen. veipzig, W
Ariedrid. 5 M.
Andreianoff_®. von, Graf Nifolai Nehbinder. Ein baltiſches Dichterbild,
(Aus „Baltiſche Monatsichrift“.) Niga, Sticda. 2 M.
Sacderb &. Th, Aus Fri Reuters — und alten Tagen. Neues Über des
Dichters Leben und Werden, auf Grund ungebrudt — je und Heiner Dich-
tungen mitgeteilt. 2. Auflage. Wismar, Fi .
Römer A, Unterhaltungsblatt für beide Medien gm Bommern, vedigiert bon
Kris Reuter. Geſchichten und Anekdoten, Mit einl Alettenber Studie herausgegeben.
Berlin, Mayer & Miller,
Schädel %, W.H. von Niehl, der Poet der deutichen Novelle. Mit einem Bor
wort ber feine religibſen Studien eines Weltfindes je des chrifttii
Vollslebens Herausgegeben von €. Frhr. von Ung: erg und 9. Die,
159. Heft). Stuttgart, —— I — Eonfeflondie Bernie Riyzla made
ein 1848er Kämpfer für pofitifche um!
gelaffene Bedichte). Veröffentlichung des an Yeien fir 1806
Noquette O, Bon Tag zu Tage. Dicht Aus er des — *
ES a pa a
‚halt: Zur —— — Sn, in allerlei an Ei
mijchte 6 vedichte Aus großer 0 9. ⸗ Satyripiel. ——
Tag zu Tage (3 — _ 2. 1 Seine in Berfen: Sturmvogel, —
Das Wormjer Schiegen. — — ans — Ein
Tenfel auf Urtaub. — IV. — a a in fünf J
EN ——— in 6 — ben von C, — Mit litteran-
biftorifchen Anmerkungen, Riderts Porträt, 2 Gebichten in bchrift und
einer Einleitung: Friedrich Nüderts Yeben umb Fedeutung. Sen Der 480 M.
Ha Bibliographie. 2. Bücher.
Friedrich Rückerts Werke in 6 Bänden Herausgegeben von Y. Yaiftuer.
17. bis 20. Yieferung. Ztuttgart, Cotta.
Mit der in diefen Yieferungen enthaltenen „Weisheit des Brahmanen“ ift
diefe Ausgabe, auf die wir bereits öfter hingewieſen haben, nunmehr abgeichloifen.
Rückert 75, Gedichte. In ueuer Auswahl. 24. Auflage. Frankfurt a. M., Zauer-
länder. 3 MM.
Es iſt ſehr erfreutich, daß neben den zablreichen neuen Anegaben von
Rückerts Sedichten auch die alte Triginalansgabe nen aufgelegt und in fchöner
Ausstattung um bedeutend billigeren Preis als früher dargeboten wird. Einer
beſonderen Empfehlung bedarf ſie nicht
Kolsdorfer M, Friedrich Schlegels Abhandlung „über das Studium der
griechiſchen Poeſie“. Rrogramm. Balowice 1896.
Fauſt A. B. Charles Sealsfield (Karl Poſil), Fer Dichter beider Hemi—
ſphären. Sein Leben und ſeine Werke. Mit dem Bildnis des Dichters und den
Anſichten ſeines Geburts und Wohnhauſes. Weimar, Felber. 5 M.
Inhalt: Einleitung. Zealsfields Stellung in der Litteratur. — Kapitel J.
1793 -1823. Bon Sealsfields Geburt bis zu feiner Flucht aus dem Ordenshaus
der Kreuzherren iu Prag. — Kapitel IT. 1823—: 1832. Überſeeiſche Reiſen und Auf
enthalt in denn Bereinigten Staaten. -- Napitel III. 1832-1848. seit der größten
litterariſchen ITbätigteit des Tichters. — Mapıtel IV. 1849 —1864. Des Dichters
abnehmende ‘Popularität, Alter und Vereinſamung. — Die Briefe Sealsfields: An
Freiherrn von Cotta, Heinrich Erbard (J. B. Mebler), Frl. Eliſe Meyer,
tl. Marie Meyer - Tas Teſtament Zralsfielde. - - Hedichte von Eliſe Meyer.
Frauz Stelzhamers mundartliche Dichtungen. Vearbeitet von R. Danrieder
und (8, Neitenböd. Ter muſitaliſche Teil durchgeſehen von Y. Zöhrer. Erfter
Band. (Aus dA Hoamaät. Sollsansgabe ausgewäblter öfterreichiicher Tialelt
dichtungen. Herausgegeben von H. Zötl, A. Matoſch, H. Commenda. Der ganzen
Reihe ſiebenter Rand. 18. bis 21. Tauſend.) Yinz. Im Zelbſtwerlage der Heraus.
geber als Stelzhamer Bund. Druck von J. Wimmer.
Abieits von Dev Heerſtraße Der modernen Litteratur entfaltet der ober:
öfterreichtiche Ztelsbamer Bund im Ztillen eine höchſt eriprießliche Tätig:
keit, indem er in ort und Zchrift für Die Verbretitung der beimtichen Volls
Dichtung und für das Andenken ihres größten Vertreters unermüdlich wirft. Vom
Anfang an war das eigentliche Ziel der Ründler die Beranitaltung einer Geſaut
ausgabe von Ztelsbamers Werken und die Errichtung eines Denlmals für ihn.
VReide Pläne find jebt ter Turcchführung nahe gerückt Tap die Ausgabe mit den
mindartlichen Dichtungen eröffnet wird, iſt ſelbſtverſtändlich: daſt ſich die hoch
deutſchen anschließen, ein Gebot der Gerechtigleit und Pietät. Der vorliegende
erſte Yand enthält in chronologiicher ‚Folge Ztelzbamers erſte Veröifentlichungen:
„Lieder in obderenns'ſcher Rollsmundart“ (Wien 1837) und „Neue (Sefänge in
obderenns’icher Vollsmundart“ (Mien IS41) im Anſchluß an die alten Drude,
auch mit deren Widmungen und Borreden, mr mit Normalifierung der Zchrei
bung nach den für das ganze Sammelwerk aufgeſtellten Erundſätzen, womit
man fich durchaus einverstanden erklären fan. Es fcheinen aber dod) auch ſpätere
Anderungen Ztelsbamers „nach dem Handeremplar“ (vgl. z. B. Z. 172) auf:
genommen worden zu fein. Tarliber erbielten wir gerne genauere Auslunft und
es würde dem voltstümlichen Charakter der Zammiung feinen Abbruch tbun,
aber den auf die wiſſenſchaftliche Erforſchung ibres heimatlichen Bollstums ge:
richteten Veitrebungen der Herausgeber iehr fördertich fein, wenn fie jedem Bande
einen Anbang mit knappen tertiviniichen Bemerkungen beigäben. Tem 8er
ſtändnis Des Tertes dienen wohlgelungene Erklärungen, feiner Velcbung eine
Fülle von Nompontionen und reicher bildlicher Schmuck. Tas ganze macht einen
wohlthuenden, berzerfreuenden Eindruck und wir wilnichen dein aufopfernden Be⸗
mühen der Herausgeber cinen gedeihlichen Forigang und den verdienten Grfolg.
Nachrichten. 687
Poems of Uhland, selected and edited by W. T. Hewott. New York,
Macmillan and Gompany 1896.
Die Ausgabe ift handlich und praftiich, wie alle englifchen und amerika⸗
nischen Ausgaben; fie bietet in Einleitung, Anmerkungen, Bibliographie und
chronologiſchem Berzeicdhnis dem Benutzer alle® dar, was er im Augenblide
braucht und Unrichtiges ift faum mit untergelaufen. Wir Deutfchen aber werben
ung gerade bei Uhland — aud) zum Zwede höherer Schulen — an eine Aus-
wahl feiner Gedichte jchwerlid) gewöhnen können. Den einen Band, in dem
man fie unterbringen faun, wollen wir ihm ungefchmälert belafien wiffen.
Vielleicht bietet ung eine zweite Auflage den ganzen Uhland in ähnlicher Be⸗
arbeitung dar.
Weill A., Noch zwei Jugendtheaterſtücke. I. Drei Deutfche in Paris unter ber
Juli-Regierung. Yuftfpiel. II. Ein Ehrenmann. Schaufpicl. Mit einem Nachwort
zu „Haß und Yiebe“. Zürid), Verlagsmagazin. 2 M.
Werner, Carl Konrad, Verklungen — nicht vergeffen. Dichtungen. Aus feinem
Wachlaß gefammelt. Mit einem Bormwort von X. Jeremias. Osnabrüd, Hoppen-
rath. 2.50 M.
Zipper X, Zaharias Werner und die Familien Grocholski und Choloniewski.
Programm. Lemberg 1896.
Die Briefe Werners, die uns hier mit einer ſehr lehrreichen Einleitung in
dankenswerter Weiſe vorgelegt werden, ftammen aus den Jahren 1817 und 1818
und find für Merners fromme Periode nicht unwichtig, wie e8 denn Brogen der
Religion und der religiöfen Propaganda waren, die Berner mit diefen polnifchen
Familien verbanden. Im letten Briefe S. 36, Zeile 1 von oben ift wohl flatt
„Szeesey“ zu leſen: Zehen.
Schweizer 8, Yudolf Wienbarg als jungbdeutfcher Aftyetifer und Kunſtkritiker.
Tijiertation. Peipzig 1896.
— — — ——
Aaqchriqhten.
Die Biographiſchen Blätter, die bisher im Verlage von Ernft Hofmann
& Cie. in Berlin von A. Bettelheim herausgegeben wurden, find mit Neujahr
1597 in den Verlag von Georg Reimer in Berlin übergegangen und werden
fortan als Biograpbifches Jahrbuch und Deutſcher Ketrolog im Herbft
jedes Jahres erjcheinen.
Im Berlage von B. G. Teubner erjcheinen vom Ken Jahr ab unter
der Redaktion von J. Ilberg und R. Richter Reue Jahrbücher für das
Hafjijche Altertum, Gefchichte und deutſche Litteratur und für Päda⸗
gogit, die beſtimmt find, die „Neuen Jahrbücher für Philologie und Pädagogit“
abzulöſen.
Carl Müller in Dresden bereitet eine Abhandlung über Albert Delin-
gers deutjche Grammatik und ihre Quellen vor.
Schwerings Abbandlung Über das niederländifhe Drama in Deutih-
land ift von de la Montagne ins niederländifche überſetzt worden.
Sreisaufgabe der Benele-Stiftung in @bttingen für das Yahr
1900 (Ablieferungstermin 31. Auguft 1899): „Der Einfluß ach Adolphs von
Münchhauſen auf die Hebung des geiftigen Lebens in Hannover.”
Tb. Herold in Münfter bereitet eine Monographie über Werthes vor.
Hobert 5. Arnold in Wien bereitet eine umfaflende Arbeit über bie
deutſche Polendichtung (18. und 19. Jahrhundert) vor.
688 Nachrichten.
In Hanau iſt eine Geſellſchaft zur Gründung eines Grimm-Muſenms
zuſammengetreten. In dieſem Muſeum ſollen Erinnerungszeichen jeglicher Art, die
auf die Brüder, ihr Leben, ihre Perſönlichkeit, ihre Arbeit und deren Erfolge Bezug
haben: Briefe, Abbildungen von ihnen oder ihren Angehörigen, Handſchriften, Zage:
bücher, zuſammen mit allem, was die beiden ſelbſt in Schriften veröffentlicht haben,
geſammelt werden. Sendungen ſind an den Vorſißenden, Oberbürgermeiſter Tr
Gebeſchus in Hanau zu richten.
Uhlands litterariſcher Nachlaß iſt in den Beſitz des Schwäbiſchen
Schillervereins übergegangen. |
Julins Shwering m Münſter tft mit einer Biographie Friedrich Wit
beim Webers beichäftigt.
Theodor Ztorm joll in Hufſum cin Denkmal errichtet werden.
An 5. Februar 1897 ſtarb in Berlin, 64 Jahre alt, der Hiftorifer Pr.
Theodor Wiedemann, der Gehilfe Yeopotd von Rankes, dem auch unjere Yeit-
jchrift einen wertvollen Beitrag aus Rankes Nachlaß virdanlt.
Am 3. Aprit 1897 ftarb in Wien der Profeſſor am alademifchen Gymnaſium
Yudwig Blume ıgeboren 31. Januar 18461, deſſen Ztudien Über Goethe in
feiner fommentierten Ausgabe ausgewählter Goethiſcher Gedichte 11892) eine fchöne
Frucht getragen baben.
Geſellſchaft Für dentſche Sitteratur.
Februarverſammtung: Richard M. Meyer charalteriſierte einen „neuen
Dichterkreis“ in ſeinen Hauptvertretern, dem Heſſen Stefan George und dem
Wiener Hugo von Hofmannsthal zauch Yoris), an der Hand ihrer nicht
allgemein zugänglichen I8erle. Ter Bortrag iſt in den „Preußischen Jahrbiichern“
gedruckt worden.
Friv Jonas las die Einleitung zu einer Zchilterbiograpbie, die ihm
als Ideal vorſchwebt. — Er findet in Yuiie Rrachmanns Wedidt „Tier Gaben
der Göttin“ Ubereinſiimmungen mit Zcillers „Tas Süd”. — Tie Ztelle
in Charlotte von Kalbs „Memoiren“ über den Tod ihres Bruders (180%)
joll auf jene Scene des „Ton Karlos” eingewirklt haben, worin Poſa den
Brief zerreißt und zum Fenſter hinanswirft. - Aus zwei Briefen des Arztes
Rauli an den Hofrat Sömmering vom 20. und 27. Juni 1803 erfahren wir
Wichtiges über Heinſes Tod.
vrudwig Weiger legte einen Brief Adam Müllers an Rüble von
Yıltenitern aus dem Jahre 1810 vor, woraus ſich intereflante Angaben für
die Dlitarbeiterichaft an Kleiſts „Abendblättern” ergeben. Adam Müller felbft
zeichnete gewöhnlich: P. 8.
Märzperiammlung: Georg Karel beiprach die eigentümliche Tichtungegattung
der modernen Spanier, div Toloras, eine Art Fabeln zeitgemäßen Inbalts in
entiprechender ‚yorm md las cine veiche Auswahl eigener Ülberfetungen aus den
Werken Campoamors und G. A. Beequers vor.
Johannes Bolte wies auf ein bibliographiſches Curioſum bin, den Abdrud
der Fremdenbücher der Zchnerloppenwirtichaft aus den Jahren 1696 bie
1737.
Apritverjammmlung: Georg Carel entwickelte den Vebens und Bildungs
gang des ſpaniſchen Tichters Guſtavo Adolfo Becauer (1835 —1870) und
lennzeichnete jene Kumſt au der Dand zahlreicher ſelbſtüberſebter Proben aus
den Inreichen Werken des Frühwerſtorbenen.
J JImelmann legte drei unbelannte Briefe Gottſchede aus den Jahren
174042 an den Ztettiner Prediger Mauelere vor, Die vornehmlich über
die , Zchanbühne” bandeln.
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Willamovs ——— Fi .
Fandsmannes Herder B #
Maiverfammlung: — lad 1 Dr
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Ludwig Geiger
September 1797, worin Manfo in
ver denen verteidigt wird. Biel d
8. bis 16. ——— 1802 —
—— um Frfahrı
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8 eriatian
Meine Bemerkung E:
Bes Tichtlunſt Jena 1663 von. 6
"Band 4, &. 319. Reinbeet Rache
In der handichrit abgefchtoffen.
MWiderfpriüche in Bunftdichtungen und
höhere Britik an ſich.
Bon Mar Hermann ellinef und Carl Kraus in Wien.
Im dritten Bande dieſer Zeitichrift, ©. 653 ff., hat Niejahr
im Anſchluß an einen Aufjag über Kleiſts Benthejilen feine Anfichten
über die piychologiiche Richtung unter den Litterarhiftorifern, über
die Liedertheorie, über die Homerkritif, über die alttejtamentliche
Kritit, über die Löſung der Fauſtfrage, über die Aufgaben der
Philologie, iiber den Unterjchied von BVolfs- und Kunſipoeſie und
noch über allerlei anderes zum bejten gegeben, darunter least not
last aud über einen Aufjas, den wir 1893 in der Zeitſchrift für
die öfterreichiichen Gymmafien veröffentlicht haben.
Welche Fülle des Stoffes Niejahrs Auffak über den Leſer aus-
ſchüttet, läßt ſich ſchon aus diejer trodenen Aufzählung entfernt
ahnen. Dazu fommt ein erftaunlicher Reichtum an neuen Ideen, die
große Kunft, aud) viel behandelte Probleme unter ganz neuen Ge—
fihtspunften zur betrachten und eine fchier umermeßliche Belejenheit,
deren Proben dem Lejer auf Schritt und Tritt biendend in die
Augen fallen, obwohl der Autor ſichtlich bemüht it, fie in Diskreter
Weiſe im Verborgenen zu halten,
Diefe glänzenden Fähigkeiten würden einen andern verloden,
feine Meinung aud über Materien abzugeben, in denen ihm die
alferlegten und intimften Details der Forſchung wicht durchweg Kar
vor Augen jtehen. Vor diejer Gefahr hat unferen Autor der jtrenge
Mafftab, den er an wiflenjchaftliche Leiftungen zu legen gewohnt
ift, glüdlich behütet. Nur in einem, ganz untergeordneten, Punkte
hat er eine bewußte Ausnahme gemadjt, indem er gezwungen war,
die verunglücte nterpretation einiger mittelhodhdentjcher Gitate
richtig zu ftellen. Aber hier verjühnt wiederum die herzgewinnende
Offenheit, mit der der Verfaſſer ſich jelbjt als „Nichtfachhmann" be-
Suphorion IV. 4
602 WM. Jellinek und E. Kraus, Widerſprüche in Kunſtdichtungen zc.
zeichnet. Und zudem Handelt e8 ſich ja um ganz untergeordnete
Tetails: denn es wird gewiß niemand im (Ernte behaupten wollen,
dag man im Miittelhochdeutjchen Fachmann jein müſſe, um über die
höhere Kritit der Nibelungen ein entſchiedenes Wort zu fpredjen,
oder day man gar die fritifchen Arbeiten Lachmanns, Mülfenhorfe,
ten Brinks und anderer ftudiert haben müſſe, um durd) richterliches
Urteil fejtzuftellen, in welchen Punkten die genannten Gelehrten, in
weldyen ihre Gegner das Micdhtige getroffen haben. Das wäre im
Gegenteil geradezu verächtliche Kärrnerarbeit, die einem Gelehrten
wie Niejahr nicht geziemen würde, der gewohnt ijt, „vom allgemeinen
Standpunkt der Philologie” aus zu urteilen ıS. 677) und feine
Aufgabe darin erblidt, die „kritiſche Methode an ſich“ (ebenda) vor
den „ohnmächtigen Verkleinerungsverſuchen“ S. 688) böfer Menjchen
zu beſchützen.
Nicht genug zu rühmen it die anjpruchsloje Beicheidenheit, die
aus jeder Seile dieſes Aufſatzes dem Leſer entgegentritt. Es ift ja
wahr, der Verfaſſer hat noch nicht viel Gelegenheit gehabt, die philo-
logijche Wijjenichaft mit neuen Reſultaten zu bereichern: aber diefer
Umstand trifft bei vielen andern Menſchen gleichfalls zu, ohne daß
jie darans diejelbe riihmliche Conſequenz gezogen hätten wie Niejahr.
Erwähnen wir endlich noch die jchöne Begeiſterung, die den ganzen
Aufſatz durchzieht, und fich bejonders gegen den Schluß hin zu einem
Pathos erhebt, das aus der höheren Sphäre der Tifchreden nur zu
jelten jeinen Weg in die Niederungen philologiicher Arbeiten zu
nehmen pflegt, jo hoffen wir, den Vorzügen unſeres Autors joweit
gerecht geworden zu jein, dan wir uns erlauben dürfen, in einem
Heinen Punkte unjerer abweichenden Meinung Ausdrud zu geben.
Wir würden dies unter den obmwaltenden Umſtänden nicht gewagt
haben, wenn nicht Niejahr ſelbſt uns den freundfchaftlichen Rat
ertheilt hätte, uns „till der Ausbildung in der Kritif zu widmen“
S. 6841: uun wir dies gethan haben, tft es nur billig, daß wir
die erjten ‚yrüchte dieſer Ausbildung umjerem verehrten Yehrmeifter
darbringen.
Im Eingang der auf unſeren Aufſatz bezüglichen Erörterungen
S. 672: bemerkt Niejahr, daß die Art, wie wir uns wiederholt
gegen die Methode der höheren Kritif wenden, bejonderg die all
gemeine Schlupfolgerung, die wir aus unteren Beiſpielen zichen,
doch leicht über unjere eigentliche Abiicht, die doch wohl nur mög:
lihen Auswüchſen entgegentreten will, irre führen fünnte. Es gelte
daher, einer fälſchlichen ‚zruktifizierung der hier etwa gewonnenen
Hejultate vorzubeugen.
Dier zeigt ji) die Yicbensmwürdigfeit unferes Hallenſers im
ihönjten Yichte. Es kann gewiß jedermann zuftoßen, daf feine
MN. Jellinet und C. Kraus, Widerfprüche in Kunſtdichtungen sc. 693
„eigentlichen Abfichten“ mißdentet werden. Wenn diefer Fall bei ung
in Zufunft eintreten jollte, und wir uns außer ftande fühlen, dem
entgegenzutreten, dann werden wir uns der freundlichen Hilfsbereit-
ſchaft Niejahrs dankbar erinnern und ihm bitten, uns gütigjt Bei—
jtand zu leijten. Diesmal haben wir ihm nicht gebeten, find auch
bei der eigentümfichen Sachlage ganz auf unſere bejcheidenen Kräfte
angewiejen, denn der einzige Menſch, der unſeres Wiſſens über
unfere „eigentlichen Abfichten“ ſich im Irrtum befindet, ift unjer ver-
ehrter Gönner ſelbſt.
Dieſer Irrtum meldet ſich ſchon ſchüchtern an, wenn Niejahr
meint, wir hätten den Anſpruch erhoben, „die Frage der Widerſprüche
endgiltig gelöft zu haben“ (©. 673). Wir, die gar micht wiffen, was
das bedeutet: „die Frage der Widerfprüche Löjen“? Wir, die ©. 715
bemerkt hatten: „Das Material ift gemügend groß, um einige Anz
deutungen, die ſich umferes Ermeffens mit Notwendigkeit ergeben,
nicht ungerechtfertigt erjcheinen zu lajfen“? „Einige andeutende Be-
merfungen“, „unjeres Ermeſſens“, „nicht ungerechtfertigt”: find das
die Wendungen, mit denen Niefahr den Anfpruc auf die endgültige
Löſung irgend einer frage geltend macht? Man fönnte faſt auf den
Gedanken kommen, die Sprache der Beicheidenheit jei für Niejahr
eine fremde Sprache, wenn nicht andere Thatſachen (fiehe oben) diejer
Vermutung jede Stüge entzögen. Wir wollen aljo lieber eine Ungunjt
des Zufalls annehmen.
Eben fie wird es auch verſchuldet haben, daß Niejahr um-
mittelbar darauf unfere Folgerungen im einer Weije wiedergiebt, die
deutlich zeigt, daß er umjere „eigentlichen Abfichten“ wiederum nicht
erkannt hat. Da er jedod) die Aufdeckung der „großen Bedenklichfeit*
unferer vermeintlichen Folgerung großmütig für jpäter verſchiebt,
und eine Gefälligkeit der andern wert ift, jo gehen and) wir einjt-
weilen weiter, freilich nur einen Schritt: denn Niejahr giebt gleich
im folgenden jeiner Verwunderung Ausdrud, da wir im unjere
Sammlung eine Rubrit: „nicht eigentliche, fondern nur ſcheinbare
Widerfprüche, veranlaft durch Läjjigfeit des Ausdrucks oder der
Erzählung“ aufgenommen haben. „Will man im Ermnfte behaupten,
daß die Kritik jich folder Erjheinungen als Argument bedient, un
aus ihnen Contamination verſchiedener Quellen zu beweiien? Man
darf das wohl einfach zurückweiſen.“ Ob wir das „im Ernte“
behaupten wollen? Doc) nicht im Scherze! Dazır giebts geeignetere
Objekte als die Liedertheorie. Nun denn, Niejahr — ſich hier
im Irrtum: die Kritik hat ſich im der That „jolcher Erſcheim er
bedient. Aber die Schuld am diejem Frrium teifft nicht Niejahr,
jondern uns jelbft: der Fall gehört im die vom uns behandelte Ru-
tegorie von Beijpielen, wo der Autor bei jeinen Leſern „ein Willen
46*
694 M. Jellinef und C. Kraus, Widerſprüche in Kunftdichtungen ꝛc.
von den Dingen vorausſetzt, das ſie nicht haben fünnen* — wenig:
jtens wenn jie „Nichtfachmänner” jind. Aber Wiſſen läßt ſich glüd
licherweije lehren, und jo möge denn eine Kleine Anzahl von Beifpielen
folgen, alle möglichſt einfach und durchjichtig, damit Niejahr, das
Lernen nicht zu jchwer werde. Wir haben S. 709 unter der Über-
Schrift „Läſſigkeit des Ausdrucks“ unter anderem Leben Jeſu, Tiemer
266, 5 ff. eitiert: es tjt hier anfänglid) von zwei Engeln die Rede,
im weiteren Verlaufe aber heißt es: der engel sprach, ohne daß
angegeben wiirde, welcher von beiden gemeint jei. Genau denjelben
Fall hat Lachmann zu Nibelungen 1349 beanjtandet. Es heißt hier
1348, 2: er saget in beiden daz, si solten boten werden in
Burgonden lant. dö hiez er in bereiten harte herlich gewant.
In der nädjiten (von Lachmann getilgten; Strophe aber wird ge:
redet, ald ob nur ein Bote bejtimmt wäre: ouch wart im von
dem künege diu botschaft geseit. — Und ebenio heißt es Nibe:
(ungen 1362: do Ezel sine boten zuo dem Rine sande. dö
flugen disin mare von lant ze lande: mit boten harte snellen
er bat und ouch geböt zuo siner höchgezite ..., während die
nächfte Strophe begimmt: die boten dannen fuoren üzer Hiunen
lant. Dazu bemerft Yachmann: „nachdem in der vorhergehenden
Strophe zweierlei Voten genannt waren, füngt diele nicht gut an
die boten” u. 1. w. — Oder: Beomulf 2380 iſt von mehreren
Söhnen des Ththere die Nede: hyne wreemwegas ofer s® sohtan,
suna Ohtheres; aber 2392 heift es nur: se the... gemunde,
Eadgilse weardh feond, wozu Müllenhoff, Beowulf S. 143 be
merft: „auch hätte A jchwerlich 2380 von den Söhnen Chtheres ge
ſprochen, aber danı hinterher 2392 nur einen, den Eadgils genannt.“
— Oder: Beowulf 1488 jagt der Deld: and thu Iunferdh lat
ealde lafe, wrietlie wagsweord wideudhne man heardeeg hab-
ban, was Müllenhoff a. a. TC. S. 126 zu folgender Bemerkung
veranlaßt: „... und weldyes alte Schwert meint Beowulf? Das
von ihm von Hauſe mitgebrachte oder das miere inadlıdhum-
sweord, das ihm Drodhgar 1023 verlichen hat? Tas eine oder das
andere hätte ein Tichter, der ganz in der Sache jteht, ihn aus-
ſprechen laſſen.“ —
Oder einige Beiſpiele für die andere Kategorie „Läſſigkeit der
Erzälung“. Wir hatten S. 710: bemerkt: „Auffällig berührt es
unſer Gefühl, wenn ein (Hegenitand nicht gleidy bei jeiner Erwähnung
volljtändig bejchrieben oder von einer auftretenden Perſon nicht alle
Beziehungen, in denen tie zu anderen Iteht, angegeben, furz wenn
irgend ein Umitand nachträglich erwähnt wird.“ Zu den von und
angeführten ‚Fällen möge Niejahr etiva vergleichen: Müllenhoff S. 117
„Beomwulf jagt 539 —541, daß er und Breca bei ihren Schwimm—
M. Jellinet und C. Kraus, Widerſpruche in Kunſidichtungen ıc. 695
wettfampf ein bfoßes Schwert in der Hand gehabt hätten, um ſich
(nötigenfalls) gegen die Walfiſche zu verteidigen. Nach 550 ff. üt
er auch durch eine Mingbrünne geſchützt und der Kampf mit dem
Sectieren wird unverhältnismäßig weitläufig ausgeführt”. — Ober
derjelbe ©. 138: „Aber daß Hrodhgar bei der Übergabe der Rüftung
dem Beowulf aufgetragen habe, dem Hygelac zu jagen, fie habe
chedem dem Heorogar, jeinem ültern Bruder gehört, der fie nicht
einmal feinem Sohne, dem tapfern, jonft nicht wiedergenannten
Heoroweard, überlajfen wollte, davon weiß das ältere Lied nichts.“
— Oder derjelbe S. 146: „Feruer erfahren wir in dem erjten
Teilen nur, daß Beowulfs Vater Eegtheow hieß und feine Mutter,
HredHels Tochter, 374, Hygelaes Schwejter war; im letten Liede
aber, 2600 f.; 2607; 2813 f., daß er mit Wiglaf, Weohitans Sohn,
dem Gejcleht der Wargmundinge angehörte”. —
Oder ©. 146: „Beomwulf ift 2401 twelfa sum ausgezogen;
nun hinkt 2406 nod) der dreizehnte Mann als Wegweifer wunderlic)
hinterdrein“. — Dieje Veifpiele dürften fürs erfte wohl genügen.
Im nächjten Abſchnitte führt Niejahr zunächſt die Schlagworte
en, unter denen wir die einzelnen Beiipiele vereinigt haben und fährt
dann fort: „Die meiften diejer fogenannten Widerſprüche jind jo un-
wefentlih und umwichtig fir Sinn und Zufammenhang, daß auch
ver jtümperhaftejte Anfänger in ihnen faum ein Kennzeichen für
Verſchiedenheit der Quellen erbliden würde,“ Man jieht, unjer Autor
iſt ein Freund fräftiger Ausdrüde: in diefem Fall gehen jie auf
Männer wie Lachmann, Müllenhoff, ten Brinf und andere. Aber
wir wollen ihm das nicht weiter nachtragen, dern er hat unwizzende
gefehlt. Wohl aber find wir genötigt, widerum für jede der Rubriken
eine Auslefe der Fälle zu bringen, die uns jeiner Zeit zur Aufnahme
der einzelnen Beifpiele veranlagt haben, Zu den Fällen, wo der
Dichter jeine Perjonen Auferungen thun läßt, „die ein Wiffen von
den Dingen vorausjegt (lies: voransjegen; daß Niejahr einen-Drud-
fehler kopiert, ift doch ein Peichen ungewöhnlicher philologiſcher
, das fie nicht haben fünnen“, mag Niejahr etwa die folgenden
Beifpiele halten: Lachmann zu Nibelungen 1439 —1444: „... und
doc) melden fie (die Voten) von der Beratung das, was ohne Zweifel
am jorgfältigjten vor ihnen verborgen ward... .“. — Müllenhoff,
Beomulf ©. 115: „Hrodhgars Einfall, daß der ihm eben angemeldete
Beowulf von Gott den Dänen zur Hilfeleiftung gegen Grendel gejandt
jei, und feine Bereitwilligkeit ihm für jein fühnes Vorhaben Gejchente
zu bieten, jtnd allzu voreilig und umgefchiet angebracht, als daß ein
guter Dichter dem Könige diefe Worte in den Mund gelegt haben
tönnte.“ — ten Brinf, Beowulf ©. 63: „C’ fest voraus, daß Sic
das Reſultat bereits fennen, man fieht wicht recht ein, wie. Und it
36 M. Jelinek und G. Kraus, Widerjprüche in Nunftdichtungen 2c.
C ift man offenbar noch bejjer orientiert und fo vollitändig über
den Ausgang beruhigt, daß man allerlei Allotria treiben kann." —
Derjelbe S. 73: „Ferner iſt Hrodhgar plötzlich vom Tode Aeſcheres
unterrichtet (1306 ff., man weiß nicht wie.“ — TDerjelbe S. 75:
„Man fieht nicht, wodurd ſich die Ankunft der Unholdin den
ichlafenden Dänen jofort bemerklich macht... .“. — Hierher gehören
auch die Bemerkungen Lachmanns zu Nibelungen 375; 396, 7; 576,
joweit jie die frühere Belanntichaft Sicgfrieds mit Wrünbhilde be:
treffen. Dieje Fälle find zur weiteren Einübung Niejahrs ganz
pajfend: er wird uns doch hoffentlich nicht einmvenden, daß Lachmann
diefe Strophen ja nicht bemängelt babe, unjer Dinweis aljo nicht
angebracht jei. Ter Grund, weshalb wir fie doch anführen, Lieg:
etwas ticier.
Als eine Abart diejer Kategorie hatten wir einige Fälle zu-
fammengeitellt, wo der Tichter cine Perjon eine direkte Rede halten
läßt, im Verlaufe derjelben jedod) die ‚Fiktion verlegt, indem er dem
Redner eine Anrede an das Publikum in den Mund legt. Man
vergleiche zıı dieſen Fällen Lachmanns Anmerkung zu Nibelungen
S. 20: „Bei den Worten nu hieret wunder sagen (90, 2) und
so wir hieren sagen 93, 1) — wie im ÜGdenliede 79, wo der
Held von jeinem eigenen Schwerte redend jagt uns seit diu aven-
tinre kluoe — vergaß der Vichter, daR Dagen ſpricht.“ Weullenhoff,
Kudrun SZ. #60: „allein 689 erfennt man leicht den Iiberarbeiter,
weil Detel von Nudrun in der dritten Perſon jpricht, da er doch in
der Anrede fortfahren müßte.“ 5
Die nächte von Niejahr bemängelte Kategorie umfaßte ‘Fülle,
wo der Tichter „etwas vorausſetzt, was er nicht erzählt hat, was
aber von jedem Hörer leicht ergänzt werden fann“, oder „wo er
unterlaſſen hat, ein Motiv, das er an einer bejtimmten Stelle braudıt,
vorzubereiten“. Wir verweijen Niejahr auf Lachmann zu Nibelungen
346: „Kriemhilt erhält feine Antivort auf ihre Frage.“ Aber jeder
Yejer wird jich leicht ergänzen, dar ſie bei der folgenden Unter
haltung gegeben wurde. — Oder derielbe S. 110: „Der Ordner
behielt ſehr uunſchicklich die vorhergehende Scene bei.” Aber man
braucht nur anzunehmen, daR die notwendig vorauszuſetzende Ent:
fernung Nriembilts und Ziegfrieds vom Dichter als jelbjtverjtändlich
nicht ausdrücklich erzählt wurde, jo entfällt die Schwierigkeit. —
der derielbe zu 1415: „Aber freilich it es uun wunderbar, daß
der Auswählende jelbit nicht von jeinen Yenten nur joviel kommen
" Tie Ztelle läßt übrigens noch eine andere Erltärung zu als die, daß cine
Ztörung der Filtion eingetreten it: vgl. Schmedes, Unterindhungen über den Ztil
der Even Rother, Nibelungen und Gudrun, Nieler Tifjertation 1893, 2. 16.
M. Zellinet und C. Kraus, Widerfprüche in Kumftdichtungen a. 697
läßt, als er mitnehmen will.“ Aber man braucht ſich doch nur die
Miotivierung zu ergänzen, daß er die bejten feiner eigenen Leute
kommen ließ, um fie mit dem beften der andern zu vergleichen und
nad) dem Ergebnis diejer Vergleihung feine Auswahl zu treffen. —
Oder Miülfenhoff, Beomulf S. 115: „Was er (Hrodhgar) erfahren
haben will, daß Beowulf dreißig Männer Stärke befise, ift jonft
nicht befannt.“ Iſt das nicht die unterlafjene Vorbereitung eines
Motiv? — Oder ebenda: „Der Ynterpolator läßt den Beowulf
umnötigerweije ruhmredig werden, und von einen nächtlichen Kampf
mit Niefen und Seeungeheuern erzählen, von dem jonft nichts ver⸗
lautet, und die Sage gewih nichts wußte.“ — Müllenhoff, Kudrun
©. 60: „Frute ift 360 gegenwärtig, nad) 324 muß er aber auf dem
Strande bei den Buden fein.“ Was für Zwiſchenglieder hier ergänzt
werden könnten, ſieht jeder leicht, der das Stüd durchlieſt.
Oder Müllenhoff, Beowulf S. 117: „Wealhtheow, Hrodhgars
Gemahlin, erjcheint im Saale, und nachdem fie Beowulf den Met-
becher gereicht umd diejer gefprochen, fett fie fi 641 an ihres Ge—
mahls Seite und ift dann — verſchwunden. Hrodhgar erhebt fid)
gleich danach alfein, 645, um die Nuhe zu juchen, und aud) 651 ff,
ift beim Abjchiede von der Königin nicht weiter die Mede.“ Wir
haben hier eben wiederum eine Lücke in der Erzählung, die jeder
Hörer fich feicht ergänzen fann; denn die Frauen pflegen nicht bis
zum Schluß der Gelage zu bfeiben. Das Hrodhgars Aufbruch „gleich
danach“ erfolgte, darf aus semninga wicht geichlofjen werden. —
Der dajelbft ©. 118: „Beowulf jagt 679 F.: ‚ich will ihm nicht
mit dem Schwerte hinftreden und des Lebens beranben, obwohl ich
es fehr wohl könnte‘, theah ie eal mege, Nur um den waffen
loſen Grendel nicht im ungleichem Kampfe zu beftehen, will auch er
nicht der Waffen gegen ihm jic bedienen. Die Annahme diejer Berfe
791—808, daß gegen Grendel mit Waffen nichts auszurichten jei,
weil er ſich hiebfeft gemacht hatte, it daher ganz ungehörig.“ Aber
798 it ausdrücfich gejagt, hie Ihet ne wisson it. j. w., ımb wer
aljo hier überhaupt etwas vermißt, braucht nur die Angabe zu er⸗
gänzen, daß Beowulf ebenfowenig wie die andern vom der Hieb⸗
feitigfeit Grendels Kenntnis gehabt habe, und daher jehr wohl aus
Edelmut auf dem ungleichen Kampf verzichten konnte. — Oder da-
ſelbſt S. 120: „Die beiden Neden müffen von verfehiedenen Der-
faffern fein, da Beowulf nicht ein Wort auf Hrodhgars Mede er-
widert, obgleich diejer 946 ff. ihm erklärt, ihm von nun am als einen
Sohn lieben zu wollen und ihn auffordert, hinfort die nene SIR
zu halten.“ Aber den Dant Beowulfs Fan ſich jeder Leer leicht
ergänzen, wichtiger tft dem von der Erinnerung an den überftandenen
Kampf erfüllten Helden die Schilderung feines Sieges. — Dajelbit
— 3 |
698 M. Jellinek und C. Kraus, Wideriprüche in Kunſtdichtungen zc.
S. 123: „Er läßt abermals die Wealhtheow ihren Rundgang halten,
dann 1232 ſich ſetzen und darauf wieder ſpurlos verſchwinden. Auch
1236 begiebt ſich Hrodhgar zur Ruhe, ohne daß noch von der Königin
die Rede iſt.“ Aber man kann bei den Worten 1237 and him
Hrodhgar gewat to hofe sinum, rice to ræste die Königin leicht
ergänzend mitverjtehen, oder die oben zu Müllenhoffs Bemerkungen
S. 117 gegebene Erflärung auch hier anwenden. — Tajelbft ©. 127:
„wie er ( Beowulf wieder los kommt, wird gar nicht einmal erzählt“;
aber vgl. Zeitichrift für deutiches Altertum 35, 274. — Dajelbit
S. 128: „wie dag gejchicht, darf man natürlich nicht fragen.” —
TDajelbft ©. 132: „Es fehlt alle und jede Ausführung, man erfährt
nicht einmal, welche Art die madhmas waren... .*. — Daſelbſt
2.150: „Nicht dauerte es lange, dap die Streitenden wieder einander
begegneten, — als wen fie inzwijchen auseinander gefommen wären?“
Aber das Anseinanderfommen der Ztreitenden muß von dem Leſer
ergänzt werden :ebenjo wie vor 2690:. Tan dies die Meinung des
Tichters war, beweilt der Umijtand, das er die Momente, wo die
Streitenden gegeneinander fämpfen «nicht wo der Trade heran»
fommt!: genan zählt: vor dem ceriten, erfolglofen Schwertichlage
Beowulfs heißt es from wrest 12557, [dann fommen die Gegner
wieder auseinander], hierauf bedrängt der Trache wiederum ıniwan
stefne:, 2595, jaus der ‚yerne] den Beowulf, und dann kommt es
odhre sidhe zum Jujammentreffen 12671: [wieder kommen die
Gegner auseinander] und endlid 2689 treffen fie jich thriddan
sidhe. — Daſelbſt 2. 155: „Daß das Wiederaufraffen 2976 nur
ein Verſuch blieb, mu man wiederum ammchmen, da 2983 mehrere
den Verwundeten aufheben oder anfrichten.“ -- ten Print 5. 76:
„Dan ſieht wicht, wodurch ſich die Ankunft der Unholdin den
ichlafenden Dänen jofort bemerflid) macht... .“. — Daſelbſt S. 80:
„Daß die Stelle 1508—1513 wenigitens zum Teil auf jpäterer Er—⸗
weiterung beziehungsweiſe auf Variantenverſchmelzung berubt, ergiebt
ſich and) daraus, daR jie im Dunkeln läßt, wie Beomwulf in den
nidhsele gelangt. — Tajelbjit S. 89: „Wie konnte ein Dichter, dem
co weientlich um die Darftellung von Ehre und Belohnung zu thun
war, Hrodhgar dem Beomwulf nad) Beſiegung des Meerweibes neue
(Seichenfe verfprechen laſſen ‘1783 f.ı, und es unterlaffen, von der
Erfüllung diejes Verſprechens zu berichten.“ — Dajelbft S. 6#%:
„Ferner ift 1236 f., wo Hrodhgar ich zur Ruhe begiebt, von feiner
Gattin wiederum nicht die Rede.“ — Sieh audı ten Brint ©. 77 f.,
wo der Ipringende Punkt it, dan nicht ausdrüdlich angegeben wird,
dan Beowulf das Meeerweib, das ihn jchon früher gefant hatte, erft
im Saale erbliden konnte, fieh Zeitichrift für deutiches Altertum
35, 273 f.
M. Jelinek und C. Kraus, Widerfprüüche in Kumftbichtungen sc, 699
Warum wir wohl die weitere Kategorie aufgeitellt Haben, wo
die Dichter „Bekanntes wie Unbekanntes” erzählen, aljo Beiſpiele
gegeben haben, wo diejelbe Perſon zweimal eingeführt oder diejelbe
Thatſache zweintal berichtet wird? Man vergleiche dazu Lachmann zu
Nibelungen 18: „Der Inhalt diejes Geſetzes kommt nad 20 Zeilen
(47) zum zweiten Mal, und zwar beftimmter. Hier wäre es wunder⸗
bar, wenn, nachdem von Kriemhilde Gemahl ſchon geſprochen iſt, von
Siegfried (20) neu angehoben würde.“ — Dajelbft zu 896: „Das
ziere wäfen war ſchon 892, 3 erwähnt: dort fonnte der Dichter
Balmungen nennen, wenn er ihm meinte.“ — Dajelbft zu 1118:
„Daß den Boten ſchon 1116, 4 die Herbergen angewiejen find, ift
hier vergeffen: 1119, 1 wird es uns nochmals gejagt.“ — Miüllen-
hoff, Kudrun ©. 18 über Strophe 809: „... dann wird ber
Wülpenfand genannt, der 848 aber erjt eingeführt wird." ©. 71 f.:
„1037 ... fährt die Erzählung fort:
Si woldenz baz versuochen. ze hove hiez man gän
die vil schenen Ortrün, ein maget wol getän,
Obwohl num dies deutlich genug die erfte Einführung der Ortrun
ift, wird doch vorher jchon von ihr erzählt." — Müllenhoff, Beowulf
S. 128: „Aber 1570—1572 wiederholt nur was 1516 F. ſchon ges
jagt iſt ...“. — Dafelbft: „Die Verſe 1600—1605! aber find
nicht zu retten, wenn 16052—1611 unecht find, und dies bleibt
nicht zweifelhaft, da nicht zweimal erzählt fein fann, daß das Schwert
von dem Gift des Blutes gejhmolzen jei.“ — S. 140: „Denn wer
2212 f, 2241 f. jhon die "Lage der Dracenhöhle und 2231 ff.
ihren Reichtum bejchrieben hat, dann fpäter doch nicht noch einmal
dasſelbe jo wiederholen, als wenn nichts vorhergegangen, und am
wenigſten jeine zweite Beſchreibung beginnen: ‚Er ging dahin, wo
er einen Erdfaal wußte'.“ (Was diejes „ein“ betrifft, jo vergleiche
man Diemer zu Genefis 13, 17; Lachmann zu wein 2136; Bei-
träge 11, 518; 12, 398; 13, 586; 14, 164, 588; 15, 380; zu
Hochzeit 42.) — Dajelbft ©. 157: „Aber 3043 2—-3046 wieder-
holen nur von früherher (vgl. 2819 F.) Befanntes oder eben erjt
Geſagtes.“ — ten Brinf, Beowulf ©. 47 f.: „serner bringen die
Verſe 251°—256* den Übeljtand mit fich, daß der Strandiwart, der
gleich) von Anfang feiner Rede jeine frage direft geftellt hat, am
Schluffe derfelben zweimal, und ziemlic, weitläufig jagt, daß er fie
ſtellen müffe. Dabei drüct er fid) das zweite Mal aus wie einer, der
das Bewußtjein hat, einen neuen Gedanfen zu Haben.” — Daſelbſt
©. 38: „Und 665"—668” würden (nad) 654 ff.) in A eine nußloje
Wicderholung bilden.“
0 D. Zellinet und C. Kraus, Miderjprlche in Nunftdichtungen zc.
Wir hatten ferner Fälle aufgeführt, „wo die Worte einer handeln-
den Perſon von einer andern nicht beachtet werden, ohne daß dafür
eine Motivierung gegeben würde”. Sleichartig jind folgende Stellen:
Lachmann zu Nibelungen 675: „Sie wünjcht zu erfahren, wann
Günther die Freunde will holen laſſen, oder wann fie ankommen
werden: auf beides bekommt fie feine Antwort.“ — Nibelungen 811
fagt Günther, man folle Siegfried am Leben laſſen: aber 812 bietet
fi Ortwin an: erloubet mirz min herre, ich tuon im allez leit.
jiehe Lachmann S. 110: „nachher, 812, 3, redet Ortwin fo, als ob
des Königs Meinung ihm nicht befannt jei.” — Dajelbit, zu 1021 f.:
„Sernot hat zuletzt geſprochen, auch Ute und die Übrigen nad)
Geiſelher: und dod) folgt si lobete Giselhere, ohne day von ihm
etwas bejonderes gejagt wird. — TDajelbit zu 1136: „Wenn der
König jo allgemein und bloß auf die 1133° Strophe antworten
wollte, fo hätte ers da jogleich thun jollen.” — Dufelbft zu 1403 f.:
„Rumolds folgende Rede nimmt auf Hagens trogige Erflärung, dan
er mitgehen wolle, feine Rückſicht.“ — Hierher gehört auch die An:
merfung zu 1821: im folgenden geichah eben nicht, „was Volker
hier begehrt“, und 1831 kann auch anders gedeutet werden. —
Müllenhoff, Beowulf S. 121 ich auch ten Brinf ©. 65): „Beowulf
redet 957 ff., als wenn Hrodhgar gar nicht geiprochen hat... .“
— Daſelbſt S. 156: „Aber die Ankündigung 3010—3017, daR
niemand etwas für die Beltattung herzugeben brauche, daß vielmehr
der erbeutete Dort mitverbrammt werden und weder ein Mann nod)
ein Mädchen damit ſich ſchmücken solle, ftcht nicht nur mit ben
Worten Beowulfs, der 2797 — 2801 fich freut, einen ſolchen Schatz
jeinen Yeuten erworben zu haben, jondern auch mit der Ipäteren Er
zählung im Widerjprud.“ „Daß jene Ankündigung auch mit der
jpäteren Erzählung in Widerjpruch ftehe, kann nur durch eine recht
gezivungene Interpretation herausgeleien werden, die Meinung dee
Dichters war ohne Zweifel, daß der ganze Schak verbrannt wurde.)
— ten Brinf S. 48: „Wozu hätte er (Beomulf: mehr gejagt, als
der angenblicliche Zweck erforderte, ſoviel mehr ald der Strandwart
ihn gefragt hatte?“
Endlich bemängelt Niejahr die Fälle, „wo eine Perfon einer
Meinung oder einem Wunſche Ausdruck giebt, unmittelbar oder kurz
darauf aber in ganz entgegengeiegtem Sinne jpricht oder handelt,
ohne day die Zinnesänderung begründet wäre”. Dazu halte man
etwa Lachmann zu Nibelungen S. 110: „Die 811° Strophe fann
alſo wohl nicht echt jein, in der ſich Günther fo beſtimmt ausipricht,
dan nachher jein Schwanten unbegreiflich iſt, wie es fich ſchon im
den zwei Gründen ftatt eines 815, 2. 3 zeigt.” --- Kudrun 1509
antwortet Nudrun auf Gerlints Bitte um Schonung ablehnend,
DM. Zellinet und C. Kraus, Widerfprüce in Kunftdichtungen x. 701
1520, 1 jucht fie fie vor Wate durch eine Notlüge zu ſchüten. Das
ift einer der Gründe, aus denen Müllenhoff 1520 verwarf (Kudruu
©. 74). Auf ein weiteres Beiſpiel wollen wir Niejahr gleich unten
aufmerkſam machen.
Die gebrachten Parallelen enthalten zugleich; die Begründung
für die Wahl dreier Beiſpiele, die Niejahr ganz bejonders beanjtandet,
Denn man braucht bei mehreren der aus den Volfsepen angeführten
Stellen nur eine Zwifchenbemerkung zu ergänzen, und der von dem
Kritikern empfundene Anſtoß ift behoben, Aber um unjeren guten
Willen zu zeigen, joll Niejahr noch ein weiteres Beijpiel erhalten.
Zu der von uns angezogenen Stelle aus Ulrichs Lanzelot bemerkt
Niejahr: „Wo ift hier der geringjte Widerſpruch? Das ijt ja gerade
die fonfrete aus der Situation gewachjene Sprache. Wir jollen nicht
die fertige Anficht Erecs hören, jondern den inneren Prozep jeines
Überfegens mitmachen, von anfänglicher Abweiſung des Vorſchlags
bis zu der jchließlichen Erkenntnis jeiner Notwendigkeit. Wir haben
hier ein Beifpiel für das, was Kleift die ‚allmähliche Verfertigung
der Gedanken beim Neden’ nennt. Ausgezeichnet! Aber dieſe Ver-
fertigung ift ungeſchickt gemacht, und einen vollftändig analogen Fall
hat Lachmann zu Nibelungen 1609 athetiert: „Dieje Strophe wäre zu
ertragen, wenn num 1613 unmittelbar folgte. Da aber 1610—1612
ohne Tadel find, fo muß wohl 1609 ein wenig geſchicter Zuſat
eines Dichters jein, der, des folgenden ſchon fundig, hier Volfers
Gedanken wollte entjtehen lajfen, ohne doc) recht jagen zit
fönnen, was er meinte,“ — Gin anderes Beijpiel bietet die oben
citierte Stelle aus Lachmann zu Nibelungen S. 110,
Wenn Niejahr unferen bisherigen Bemühungen, ihn über dunkle
Details aufzuflären, mit dem Iniereſſe gefolgt ijt, welches wir bei
feiner Begeifterung für die Philologie beruhigt vorausjegen, jo wird
er nun wohl jelbft zur Erfenntnis gefommen jein, daß er unſere
„eigentlichen Abfichten” bisher wirklich nicht werftanden hat — bis
zu welchem Grade, das geht am beiten aus den Worten hervor, mit
denen er diejen Abſatz bejchlieft: umfere Beifpiele Ichrten „nichts
anderes“, „als daß die mittelhochdentjchen Dichter .... in der Darı
ftellung der motivierenden Gedanlenprozeſſe wortfarger jind als die
modernen“. Nichts anderes! Als ob das nicht das einzige geweſen
wäre, worauf es uns bei der Vorführung diefer Beiipiele anfam.
In diefem Falle find übrigens wir an dem Mißgeſchick, das Niejahr
bei der „nterpretation“ unferer Abfichten augeltohen, wirklich un⸗
ſchuldig: denn wir hatten ©. 701 ausdrüdlid, gejagt: „Die mittel-
hochdeutjchen Dichter jheinen offenbar eine ſolche (Motivierung ber
Sinnesänderung) nicht für notwendig gehalten zu haben.“ Wunder
lid, was alles einem Marne, der auf dem „allgemeinen Standpunkt
702 M. Jellinet und C. Kraus, Widerſprüche in Nunftdichtungen ꝛc.
der Philologie” ſteht, von ohngefähr begegnen kann: die er verteidigen
will, nennt er die ftümperhaftejten Anfänger, und jett zeigt ſichs
gar, daß er die Argumentation der Gegner gegen die jeiner Freunde
ausjpielt, in der Meinung, letztere dadurd) auf die wirkſamſte Art
fördern zu fünnen. Jä waene ich mich vergähet hän heißts in dem
jeiner Schwierigfeit wegen für „Nichtfachmänner“ freilich unzugäng-
lichen erjten Büchlein.
„Es bleibt demnach im wejentlichen nur die SKategorie der Ab-
weihungen in thatjächlichen Angaben übrig,“ fünnen wir mit den
Worten Niejahrs fortfahren. Um nichts „übrig“ zu lajfen, möge er
uns auch hier einige erläuternde Bemerkungen gejtatten: wir ver:
jprechen dafür, es ums nicht wiederum „leicht zu machen“, denn
diesmal gilt eg „vor einer jtrengeren Prüfung“ zu bejtehen.
„Lie aus den Novellen des Gervantes erwähnten Stellen mag
man ſich gefallen laſſen“ ſpricht die „kritiſche Methode an ſich“ durch
den Mund ihres Vertreters. Erleichtert athmen wir auf: die erſte
Fährlichkeit wäre alſo glücklich überſtanden, wir haben in einem nicht
unbedeutenden Punkte richtig geantwortet. Freilich iſt die „geniale
Läſſigkeit des Cervantes in dieſen untergeordneten Momenten der
Darſtellung bekannt“, während die Frage, ob die Dichter der Volle:
epen läljig waren oder nicht an ihrer (Senialität wollen wir nicht
zweifeln: noch offen it: die Widerſprüche bei Gervantes fann man
eben nicht durch die Yiedertheorie bejeitigen, darum bleibt nur Die
Erflärung übrig, dar er gemtal-lällig war: und cbenjowenig die
Widertprüche bei Kleiſt: darum ijt feine „große Zerſtreutheit in
diejen Dingen fajt ſprichwörtlich“.
Weniger Gnade haben vor Niejahr andere unſerer Beijpiele
gefunden. Was zunäcjt den ans dem Nohlhaas angeführten Fall
betrifft, jo wiirden wir ums vielleicht erlauben, ein jchiichterneg Wort
der Verteidigung vorzubringen, aber da Niejahr, der zu den bervor-
ragendjten Vertretern der Nleiftphilologie gehört, uns ernithaft ver-
iichert, dan dieſes Beiſpiel mit Yeichtigfeit „durch andere ſchlagendere
aus jeinen dramatiichen Werfen“ erjegt werden fann, fo wollen wir
nicht rechthabertich icheinen md wenden uns den übrigen zu. (Woethe
jagt „erbrechen“ statt „öffnen“, Maler Müller „Dolch“ ftatt
„Schwert“: Niejahr meint, „das ſind Yappalien, die fo offenbar auf
einem bloßen 2ergreifen im Ausdruck beruhen, daß es nicht der
Mühe wert it, weiter darauf einzugehen“. Wir könnten dem
volljtändig beiftimmen, wenn es nicht Beiſpiele gäbe, daß foldhe
„Xappalien“ in der epiichen Kritik eine Rolle geipielt haben. Wir
verweilen Niejahr etwa auf Yachmann zu Nibelungen 39: „Auch
dieſe Strophe iſt, wie 24: 27, jchlechter als die untftchenden; bie
legte Zeile lofe verbunden, zu allgemein, wenn es bloß auf bie gäbe
M. Jellinel und C. Kraus, Widerfprüche in Kunſidichtungen ıe. 703
geht (vgl. 306, 4), zu unbejtimmt, wenn die Zoblieder und lobenden
Neden der Fahrenden gemeint find.“ -— Nibelungen 197, 1 heißt
es: dö wären ouch die Sahsen mit ir scharn komen. Dazu be-
merft Lachmann: „Was brauchen die Sachſen zu kommen? Siegfried
und der Burgunden Scharmeifter führen ja alle zu ihnen.“ Aber
wenn man komen nicht prägnant faßt, oder annimmt, daß der
Dichter mit diefer Strophe den Standpunkt wechſelt, jo fällt der
Widerſpruch fort. — Dafelbjt S. 107: „Es jcheint aber eben nicht
pafjend, daß jtatt des Kirchgangs num hier gejagt wird ze hove gän."”
— Dafelbjt zu 776: „Dieje mit der vorhergehenden verknüpfte
Strophe ftört den Zufammenhang. Kriemhilde Mägde putzen ſich,
Brünhild macht jich auf den Weg, auch Kriemhild Kleider ſich an.
Erjt als Brünhild ſchon vor dem Münſter fteht, fommt (788, 4)
Kriemhild mit ihrem Gefinde. Wie lann es nun ſchon hier heißen
jie famen zu dem Münfter'? Und dann wird erjt nachgeholt
‚Siegfrieds Mann warteten ihrer vor dem Haufe’. Aber sus kömen
ijt im ſchlimmſten Fall ein „Vergreifen im Ausdrud“: wenn der
Verfaffer der Strophe gemeint hätte, daß jie beim Münſter an-
gelangt waren, wie will man die nächſte Zeile „Siegfrieds Mann
warteten ihrer vor dem Haufe“ erklären?
Schlimm jtchts mit dem letzten von Niejahr in diejem Abjchnitte
fritijierten Beiſpiel: es „erledigt ſich ebenfalls durd richtige Juter⸗
pretation von jelbjt“. Wir legen auf die gute Meinung Niejahrs
viel zu viel Wert, um nicht eim ſchüchternes Wort der Rechtfertigung
zu verfuchen. Wir find dabei durchaus nicht von der Abficht geleitet,
die Nichtigfeit von Niejahrs Ausſpruch, daß ſich das Beiſpiel bei-
richtiger Interpretation von jelbft erledige, zu beſtreiten; unjere Er-
fahrung hat uns nur gelehrt, daß in den Anfichten, welche Inter-
pretation an einer bejtimmten Stelle die richtige ſei, in der Philo-
logie nicht immer die wünjchenswerte LÜbereinjtimmung bericht,
woraus ſich die Nutzanwendung ergiebt, die für die Auffafjung einer
Stelle maßgebenden Gründe eingehend auseinanderzujegen. Das ur
zur Entichuldigung, falls unſere Erörterungen Niejahrs Ungeduld
erregen ſollten. Aljo: Heinrich von Beldefe erzählt, daß Eurialus
von Volzan und jeinen Leuten gefangen genommen wurde. Nijus
nähert ſich und tötet einen der Gegner; aus Rache läßt Volzan dem
Eurialus das Haupt abjchlagen (6753 dat houvet he hem ave
sloech). Da jtürzt Nifus hervor und wird nad) tapferer Gegenwehr
mit Dieben und Stichen getötet. „As Volzan jah, da fie beide
tot waren, sinen lüden he geböt — er enwolde sie niel skeiden
— he geböt, dat man hen beiden die houvet ave sloege end
si ten here droege.' Dieje Häupter werden nad) der Nückfehr auf
einen Galgen gehängt, von den Rumpfen iſt nicht weiter die Nede!
104 M. Iellinet und E. Kraus, Wideriprüche in Nunitdichtungen sc.
Wir Hatten nun darin, dar Veldeke zuerit erzählt, dem Eurialus jet
das Haupt abgejchlagen worden, und dann berichtet, Volzan habe
geboten, daß man ihnen beiden (dem jchon geföpften Eurialus und
jeinem Freunde Niſus) die güunter abjchlüge — darin haben wir
einen Widerſpruch erblidt. Die Stelle, wo von diejer zweiten Ent:
hauptung die Rede iſt, wird wohl jeder Unbefangene in unferem Sinne
verftehen, vergleiche zum Beiſpiel Pipers Inhaltsangabe in jeiner
Höfiichen Epif 1, 264: „Aus Rache dafür jchlug Bolzan dem Euri-
alus dag Haupt ab“ und drei Zeilen ſpäter: „Volzan hie beiden
das Haupt abjchlagen.“ Anders Niejahr, der meint, der Ausdrud
skeiden jege notwendig einen Gegenſatz in der bisherigen Behand:
lungsweiſe voraus: „beide Helden ‚Liegen tot da’. Hatte der Dichter
vergellen, daß Eurialus bereits enthauptet war, jo waren jie ja be:
reits im Tode .umgejchieden’. Welchen Zwed fonnte es haben, daß
Volzan ihnen auch nodı den Kopf abjchlagen ließ?”
Aus dieſer Schwierigkeit jcheint ein glänzender Einfall Niejahrs
vollfommen berauszuhelfen: die enticheidenden Worte dat man hen
beiden die houvet ave sloege bejagen nicht, was jie zu befagen
icheinen, jondern müſſen „als volkstümlich brachylogiiche, vielleicht
dialektiſche Ausdrucksweiſe gefant werden in dem Sinne: er gebot,
dag man auch dem Niſus den Nopf abichlage*. Es ift ungemein zu
bedauern, dan unſere Kenntnis des alten Macjtrichter Dialelts, in
dem Weldefe nach Braunes und Behaghels Unterſuchungen jeine
Eneide verfaßte, auf ein paar Urfunden und den von Beldele
gebrauchten Reimen beruht: jonit hätte Niejahr ohne Zweifel
Gelegenheit gehabt, weitere Parallelen für die genannte Redeweiſe
beizubringen, und es wäre damit zugleich ein höchſt wertvolles
Charakteriſtikium für jene Mundart gewonnen: denn es giebt jchwer-
lich irgend eine andere deutiche oder niederländiiche Mundart, die
den Gedanken „er lien auch den X das und das zufügen” ausdrüden
würde durch die orte „er lien ihnen beiden das und dag zufügen“,
wenn darauf, das die auf die beiden Perjonen bezüglidye Handlung
zu verichiedenen Zeiten erfolgt, logiſcherweiſe Gewicht gelegt werden
muß. Aber wie gelagt, heute fehlen andere Belege: uud da wir bie
Erklärung jener Stelle doch füglich nicht bis zu dem Zeitpunkte
hinansjchieben können, wo neue handichriftliche Funde eine Beſtäti⸗
gung jenes, wir wiederholen es, glänzenden Einfalld Niejahrs liefern,
jo wollen wir dod) lieber Umschau halten, ob nicht jonitwie ein
Ausweg aus jenen Zchmierigfeiten zu finden jei. UÜberſetzen wir alſo
zunächit die beiden jchwierigen Nerje ganz unbefangen: „er gebot,
dan man ihnen beiden die Häupter abjchlage,” und juchen wir nun
vor allem die ‚srage Niejahrs zu beantworten: „welchen Zmed konnte
68 haben, dar Volzan ihnen auch noch den Kopf abjchlagen Tieß?“
DM. Zellinet und C. Krans, Widerfprüche in Kumftdichtungen 705
Ein vorjchneller Leſer könnte vieleicht verjucht jein, zu erwidern,
daß Volzan die Köpfe eben auf dem Galgen zur Schau jtellen wollte,
Darauf würde Niejahr ohne Zweifel mit Hecht entgegen, daß Bolzan
ja auch die ganzen Yeichname aufhängen lafjen fonnte, Es ſcheint
alfo nötig, den Grund für die Enthauptung anderswo zu juchen.
Da drängt fi) uns denn der Gedanke auf, Veldefe habe diejes
Motiv angebracht, weil er es in feiner Quelle vorfand. Die Ver-
mutung, eim deutfcher Dichter des Mittelalters könne einen Zug
angebracht haben, weil feine Vorlage ihm denjelben bot, fiegt aller-
dings jehr weit ab: allein ohne unmwahricheinlihe Annahme ſcheint
es nun einmal nicht abzugehen. Daß das Motiv im Roman d’Eneas
enthalten ift, fann nicht bezweifelt werden: Vers 5237 ff. der Aus-
gabe de Graves (Bibliotheca Normannieca Band 4, 1891, Drud-
ort: Halle) wird der Tod des Eurialus erzählt: Volcens n'ot soing
de quant qu'il (Nifus) dit, molt l’en tochot al euer petit, al
dameisel (Eurialus) trencha le chief. Darauf verwundet Nijus
den Volcens und tötet zehn jeiner Yeute: De totes parz li corent
sore, il l’ont enclos, entr’els l’ont pris, tant i fierent qu’il Vont
oeis. A son compaignon l'ajosterent, les chies ont pris, ses
en porterent. Nunmehr jehen wir auch, auf welchem Wege Veldele
zu jeinem Widerfprucdh gelangte. Er fand im der Quelle nur den
zujammenfaffenden Ausdrud les chies ont pris, und hielt es für
nötig, die vorhergegangene Köpfung ausdrüdlid zu berichten, ohne
daran zu denfen, daß er in Übereinftimmung mit jeiner Vorlage die
Enthauptung des Eurialus ohnehin bereits erzählt hatte, aljo nur
mehr die des Nijus hinzuzufügen gebraucht hätte. Was nun die
zweite Schwierigkeit, den Sat er enwolde si niet skeiden betrifit,
jo vermuten wir, daß er durch die Worte à son compaignon
1 terent veranlaft it. Veldefe findet in der Quelle die Angabe,
daß die Numpfe vereint, und die Häupter Davongetragen wurden;
was [ag da näher, als beides in Kaufalnerus zu ſetzen und zu er=
flären: „er wollte jie nämlidy nicht trennen?“
Schr möglich, daß Niejahr auch durch diefe weiteren Aus—
führungen nicht zu unjerer Auffafjung befehrt wird, Deshalb wollen
wir ihn darauf hinweiſen, daß das Beijpiel auch dann in den Rahmen
unferes Aufjages vollfommen hineinpaft, wenn WBeldefe mit dei
Worten „er ließ ihnen beiden die Häupter abtehfag “ das richtige
meinte und fih nur einer „volfstümlic brachhlogiichen Ansoruds-
weiſe“ bediente, eine Möglichkeit, die der alles erwägende Vertreter
der „eritifchen Methode am ſich“ meben jener Annahme dialeltiſchen
Sebrauches in Betracht gezogen hat. Denn wenn wir ums nicht
scheuen, eine jo ftarfe Bradjylogie anzunehmen, dann brauchen wir
es auch an anderen Stellen nicht zu thum, wo bie epiiche Kritik
706 M. Jelinek und C. Kraus, Widerfprüche in Kunftdichtungen zc.
bisher fichere Anhaltspunkte für ihre jcheidende Thätigfeit zu befigen
glaubte. Zum Beijpiel, um nur bei den Nibelungen zu bleiben,
bemerkt Lachmann S. 7: „AS der Dichter (6, 4) fagte, jie farben
durch zweier Königinnen Dar, war ihm da nicht deutlich, daß eine
von ihnen die Schweiter war, die er eben zu bejchreiben ſich gequält
hatte? Oder wollte er, ftatt in die Sache einzudringen, jich lieber
mit einem epijchen Ausdrudf begnügen?“ Niejahr wird fchwerlich
umhin können, aud) hier lediglich eine brachylogiſche Ausdrucksweiſe
anzunehmen; bei einigem Nachdenfen wird er ſich jogar jagen müſſen,
day Diefer Fall viel leichter it als dag Beiipiel aus der Eneide:
„zweier Königinnen“ inämficd) der Schweiter, deren ich eben gedadhte,
und einer andern. — Oder Lachmann zu Jibelungen 375: „Sieg:
frieds Verlobung mit Brünnhild wird nicht erzählt, entgegen ift ihr
das ſechſte Lied, nad) welchem (763, 3, Brünnhild Siegfrieden nicht
eher ale Günthern gejehen hat: und zwar geichah es da, mo jie fich
Günther (dem wahren oder dem verjtellten: ergab, jo daß das jedhite
Lied nicht den Inhalt des vierten und den des fiinften nebeneinander
gelten läßt.“ Sehen wir die citierte Seile 1763, 3, an: jie lautet:
ich hörtes jehen beide mnämlich Günther und Siegfried: dö ichs
erste sach. Was hindert ung, von Niejahrs Bradıylogie Gebraud)
machend, zu interpretieren: „als ich Ziegfried wiederum und Günther
zuerjt ſah?“
Wir müſſen cs Niejahr überlaſſen, nunmehr nach einer dritten
Erklärung jenes Ausdruds bei Veldeke zu juchen, können aber nicht
umbin, ihm einſtweilen unſer Bedanern auszudrüden, dar ihm ſchon
wiederum das Mißgeſchick widerfuhr, zu Gunſten feiner Antichten über
die epiiche Kritik ein Argument verwendet zn haben, das bei näheren
Zuſehen deutlich gegen dieſelbe jpricht. Tod mag er fich mit dem
Bewnßtſein der bona fides tröften, Die wir und wohl jedermann
niit uns mit unverhohlenem Vergnügen anerfennen. Nur gewinnt cs
fast den Antchein, als könnte er das richtige, wie Parzival den Gral,
immer nur unwizzende finden.
Datte uns zu VBeginn diejes Abſatzes die geitrenge Miene
Niejahrs offen geitanden bange gemacht, jo iſt es uns nun umio
beruhigender, auf den Paſſus zu ſtoßen: „Aber man kann ja den Ver:
fajfern alles gern zugeben, Widerſprüche diejer Art kommen in der
Ihat oft genug bei alten wie bei neueren Tichtern vor.“ Wir find
zwar einigermaßen eritaumt, dieſen Ausſpruch zu vernehmen, nachdem
unmittelbar vorher Genialität, Yeritreutheit, Dialekticismen, Brady:
logicen und dergleichen mehr herhalten mußten, um einige wenige
der von ums angenommenen Widerſprüche wegzuichaffen, deun es
drängt ſich unmwillfürlich die ‚yrage auf, wozu dieler ganze Aufwand
gemacht wurde, wenn Nicjahr die Nichtigkeit der Thatſache jelbit, Die
D. Jellinet und C. Kraus, Widerſpruche in Kunftbichtungen sc. 707
wir erhärten wollten, gerne zugiebt. Aber über dev Freude, us in
diefem für uns jo wichtigen Punkte mit Niejahr eins zu wiflen,
verjtummen folche Heinliche Bedenken. Wir hoffen jogar zuverficht-
(ich, daß ſich dieſe Übereinftimmung unjerer Anfichten allmählich,
noch auf weitere Punkte erftreden wird: denn, wenn Niejahr zum
Beifpiel am Schluffe diefes Abſchnittes nod) „bezweifeln“ fonnte,
daß „die litterarhiftorifche Forſchung auf irgend einem Gebiet ſich
von jolchen Geſichtspunkten (nämlich Widerſprüchen dieſer Art) leiten
läßt“, fo wird dieſen Zweifeln, ſoweit fie ſich auf die Kritif des
mittelhochdeutichen und angeljächjiichen Vollsepos beziehen, nunmehr
wohl ſchon durch die Beiſpiele ein Ende gemad)t worden jein, die
wir oben angeführt haben. Wir hoffen dies umfo zuerfichtlicher,
als es ſich hier nicht um Zweifel handelt, die ſeit langer Zeit im
Herzen Niejahrs Wurzel geſchlagen haben. Denn wenige Seiten
früher (S. 672) hatte Niejahr fid) nod) ganz zweifelfrei geäußert:
„als ein Hauptmittel zur Yöjung diefer Fragen (nämlich zur Ana-
(yje dichterifcher Kompofitionen nach ihrem hronologijchen und inhalt-
lichen Urjprung) hat von feher die Prüfung und Verwertung der
formalen und inhaltlichen Widerfprüche, wo ſolche vorliegen, ge
golten. Es find gleichjam die Sprünge und Riſſe, wo man das In—
ftrument der Kritik einjegen fan, um die Zerlegung des Gejamt-
gefüges zu beginnen. Es ift daher nur natürlich, wenn die Gegner
gerade diejen Punkt immer wieder zum Ziel ihrer Angriffe machen“,
Und wenige Seiten jpäter (S. 688) macht jid) wiederum eine
von dieſen beiden verjchiedene, dritte Auffaſſung geltend, indem
Niejahr ſich nur dagegen verwahrt, daß die Fritifche Thätigfeit darin
„aufginge, Widerfprüche anfzuftöbern und allenfalls formalen Kris
terien nachzujagen“, aber zugiebt, „daß Fälle vorfommen, wo die
Kritif darauf angewiefen ift, lediglich mit inhaltlichen oder formalen
Inkoncinnitäten zu operieren“. Freilich erjcheint es ihm hier wiederum
als ein „armfeliger Standpunkt“, wenn die Gegner gerade ben
Punkt der Widerfprüche immer wieder zum Ziel ihrer Angriffe
machen, während er dies früher, wie wir eben gejehen haben, „mit
natürlich“ fand. — Wo die Anfichten noch jo im Fluſſe begriffen
find, da kann fein Gemüt fein, das gerne gebotener Belehrung und
freundlicher Lberredung ſich in ftarrem Dogmatismus nit Abficht
verjchlöffe. Das ermuntert uns, noch einige andere kleine Be
richtigungen folgen zu lafjen.
Anlaß dazu giebt gleich der Beginn des nächſten Abſatzes, wo
Niejahr uns den fränfenden Vorwurf macht, wir hätten von dem
Sedanfen, daß, was uns heute fremdartig und unansgeglichen er-
icheinen würde, bei einem mittelalterlichen Dichter gänzlich unart-
ſtößig jein könne, im feiner Weife Gebrauch gemadjt. Es ift ein
ö
Suphorion IV. f
TOR DM. Jellinet und C. Kraus, Wideriprüce in Nunftdichtungen sc.
glücflidyer Zufall, day dieler Gedanke uns „wohl vorübergehend“
gekommen ijt:!, ſonſt hätte Niejahr etiwa gar gemeint, uns jet das
nächitliegende dunkles Geheimnis geblieben. Vielleicht trägt es zur
Beruhigung Niejahrs bei, wenn wir ihn verfichern, day uns Diele
Unterſcheidung moderner und wittelalterlicyer Art zu dichten mehr
al3 vorübergehend beichäftigt hat: fie bildet nämlid) einen der Grund—
gedanfen unjeres Aufjaeges. Es war eben unſere liberzeugung,
daß gerade die epiſche Kritik dieſe Unterſcheidung zu wenig jorg-
fältig gemacht habe, indem fie mit modernen Antprüchen an be:
ſtimmte mittelalterliche Denkmäler herantrat.*: Die Turchführung
dieſes Gedankens konnte unjeres Erachtens amı einfachiten in der
Meile geichehen, dar wir von demielben Ztandpunft aus, von dem
die Anhänger der Yiedertheorie die Volksepen betrachtet hatten,
unferfeits Werfe der Kunſtpoeſie betrachteten: das dabei fich ergebende
Mejultat war damm eben der Nachweis, dan man früher in zahl:
reihen ‚zällen mit Anrecht Anftop genommen hatte, indem man
allerlei Auffälliges auf Rechnung ftattgefundener Nontaminationen
feßte, während thatiächlid) Eigenthümlichkeiten jtiliftiicher oder for
maler Art vorlagen, die der gelammten Poeſie des betreffenden
Zeitalters gemeiniam waren. Wenn Niejahr dieje Tendenz unjerer
Abhandlung nicht verftanden, aljo unjere „eigentlichen Abfichten“
wiederum verkannt hat, jo haben wir dies wieder nur ung jelbft zu-
zuichreiben. Denn unſere Erörterungen waren nur für einen engen
Kreis von Fachgenoſſen beredynet, denen dieſe Vorftellungen längſt
geläufig geworden find. Wei ihnen durften wir jicheres Verſtändnis
erwarten, wenn wir jene Abjicht in kurzer Weiſe andeuteten: „eine
für unjer Gefühl unpaiiende Ausdrucksweiſer“ S. 6981; „eigentüm-
1, Derſelbe glückliche Zufall wiederholt ſich ſpäter noch einmal, vgl. Niejahrs
Worte iS. 6831: „.. . Intonieguen; in der Charakterzeichnung einzelner Perfonen,
ein Punkt, den Kraus und Zellinet 1S. 6901 berühren, ohne, wie es fcheint, feine
Bedeutung zu ahnen.“
2) Bgl. ten Brint, Beowulf 2. 3 f.: „Tie allgemeine Vorausſevung, bie
meiner Kritil des Beowulfs zu runde liegt, tit die, daß die altenglifche Epik, fo
lange fie nod) mündlich entwickeit und fortgepflanzt wurde, innerhalb des Umfangs
eines einzelnen Vortrags, des Produkts eines einzelnen Zängers und weiterhin
eines beftimmten Kreiſes und einer beſtimmten (Epoche eine gewiſſe Einheit der
Auffaſſung und Einbeitlichleit des Stils bekundet babe, und daß jene Auffaſſung
eine vernünftige umd diefer Ztil ein menichlicher gemweien fei, moraus denn folgt,
daß die Widerſprüche, die kraſſen Hyſteraprotera und unerträglichen Widerbolungen,
von denen der Beowulftert wimmelt, aus dem almäblichen Zuſammentreten ba“
rogener Elemente in der Überlieferung zu erflären ſeien.“ Tiefelben Anfcha
waren für die Homerkritik maßgebend, vgl. Sauer, Grundfragen der Homerfitit
S. 245, und wenn Nieiahr nicht feinen Wick wie bupnotifiert gen Oſten gerichtet
hätte, jo würde er gefunden haben, dag ſich dagegen dieſelbe Reaktion geltend
macht, wie auf germaniſtiſchem (#ebiet. Tder glaubt er, daR man die Ausfübrungen
Cauers einfach Ignorieren dürfe”?
M. Zellinet und C. Kraus, Widerfprüche in Kunſidichtungen ze. 709
lich berührt es unjer Gefühl, wenn...“ (700). „Wir erwarten in
dieſem Fall eine ausführlichere Motivierung“ (701); „ein moderner
Dichter würde jagen“ (705); „auffällig berührt es unſer Gefühl,
wenn...“ (710). Und wenn Niejahr ji) die Mühe nicht verdrießen
läßt, die Bemerkungen noc einmal zu überleſen, mit denen wir die
Sammlung mittelhochdeutſcher Beiſpiele eingeleitet haben, ſo wird
ihm dort S. 684) der Satz begegnen: „wir haben dabei (nämlich
bei der Auswahl der Beiſpiele) jtets auf die Kriterien Nücicht ge:
nommen, nad) denen die Kritik einheitlich überlieferte Werke in mehrere
zu zerlegen pflegt.”
Nur eine Konſequenz diejes bedauerlichen Mißverftändnifies iſt
es, wenn Niejahr, wie oben gezeigt wurde, eine Neihe unjerer Bei-
fpiele als bloße „Zappalien* bezeichnete, — als ob wir lauter Wider-
ſprüche fchwerfter Art hätten bringen wollen und nicht vielmehr
Vendants zu den verjchtedenen von der Kritik beanjtandeten Stellen
in Zolfsepen, von den ſchwerſten Widerfprüchen bis zu dem aller-
leichteſten. Wir glauben, dieſe Abficht in dem eben citierten Pajjus
ziemlich deutlich ausgefprochen zu haben. Daß wir nicht alle Fälle für
Widerfprüche ſchwerſter Art hielten, hätte Niejahr überdies wiederum
aus mehreren unjerer Außerungen entnehmen Können: „vielleicht nur
auf ungenaue Ausdrudsweije ift folgender Widerſpruch zurlczuführen“
(©. 675); „Qutoneinnität, die freilich nicht als Widerjprud im
Sinne eines Verftoßes gegen die reale Möglicheit bezeichnet werden
ann“ (©. 676); „eine Unflarheit des Dichters“ (S. 679); abrachy⸗
logiſche Darftellung“ (©. 695); „mitunter kann man zweifeln, ob
ein Zwiſchenglied zu ergänzen tft“ (S. 696); „mitunter entjteht bloß
jheinbar ein Widerjprud” (3. 705); „insbefonders entftehen ſolche
ſcheinbare Widerjprüche dann, wenn ...“ (©. 707); „eine andere
Art von Ungenauigfeit“ (S. 708); „Beifbiele für läffigen Ausdrud;
wenn man die Worte prefit, entjteht häufig ein Nonjenje* (©. 709).
Nunmehr wird Niejahr wohl zur Einficht fommen, da der unter
geordnete Teil jeines Aufſatzes über die Perthejilen, der jid) mir
unferer Wenigfeit beſchäftigt, ein großes Mißverftändnis darjtellt,
Aber wir haben trotdem keine Hoffnung, unjere Bemühungen
duch feine rüdhaltlofe Anerfenmung belohnt zu jehen. Zwar daß er
wiederum, wie er es das erſtemal gethan Hat, einige der vom uns
aus den Argumenten der Anhänger der Liedertheorie gejchöpften Bei:
fpiele Herausgreifen und einer abweichenden \fnterpretation unter“
ziehen wird, um auf Grund diefer „Proben“ die Beweisfraft
fämtlicher Fälle zu verneinen, — das bejorgen wir micht: denn
wir erklären feierlich, da wir einem jo gefährlichen Gegner wie
Niejahr gegenüber unfere Anfprüche gern jo weit herabjtinmen, daß
wir volfjtändig befriedigt jind, wenn er in jeder Kategorie aud) nur
46*
10 M. Jellinet und C. Kraus, Widerſprüche in Runftdichtungen zc
ein einziges Beiſpiel findet, an dem er nichts auszuſetzen vermag.
Wie Niejahr ganz richtig S. 673 bemerkt, „die Menge ſoll es
machen“, daß ihm dies nicht zu ſchwer werde. Aber viel werden
wir, wie geſagt, auch dann nicht erreicht haben. Denn er findet
es (S. 688) überhaupt einen „armſeligen Standpunkt“ zu glauben,
daß die Kritik darin aufgeht, „Widerſprüche aufzuſtöbern und allen-
fall3 formalen Kriterien nachzujagen“. Wer dies glaubt und nur
diefe Punkte betämpft, der zeigt deutlich feine „Unfähigkeit“, „über
eine ſolche Sache auch nur entfernt mitzureden“. Solche Yeute
jolften „lieber an ihr (nämlich an Lachmauns Nibelungenkritif) zu
lernen fuchen, was Kritik iſt“. Da Niejahr in jo dringender Weiſe
das Studium der Anmerfungen Yadymanns zu den Nibelungen
empfiehlt, jo nehmen wir jelbjtverjtändficd, beruhigt an, daß er felbit
jie wiederholt gelejen hat: aber er muß fein einziges Mal über
S. 252 hinausgefommen jein; denn S. 253 bemerkt Lachmann
zum zwanzigſten Yiede: „Was ich jetzt als ein einziges Yied gebe,
hielt ich früher (liber die urjprüngliche Geſtalt der Nibelunge Roth
5. 49—59 1 für mehrere. Gegner meiner Anficht können hier lernen,
wie sie follte befümpft worden ſein . . .“. Und nun jet er aus:
einander, warum die von ihm früher zur Scheidung verwendeten
Kriterien nicht jtichhältig jeien: und dabei bedient er jid) ganz der:
ſelben Methode, die and) wir geübt haben, indem er zum Beiſpiel
die erneute Ginführung Gernots, von dem doch jchon früher die
Rede war, als nicht beweijend erflärt, da dergleichen aud) „Nad):
ahmung der Art einzelner Lieder“ jein könne und ebenfo im Par:
zival umd in den franzöfiichen epiichen Gedichten vorfomme. Auch
von „geringen lnebenheiten, die dem Hörer etwas guten Willen zu:
muten“, it bier die Rede.
Ein Ausdrud der Verwunderung über dieje ſchnöde Behandlung
Lachmauns durch Niejahr iſt da denn doch jchiwer zu unterdrüden:
hat er ihm früher schlimmer gefunden als den „allerftünnperhaf:
teften Anfänger” jiehe oben S. #95), jo ſpricht er ihm jeßt gar
die Fühigfeit ab, über feine eigene Nibelungentritif „auch nur ent:
fernt mitzureden“! Ei, ei!
jeden andern müßte man ob jolcher Unterihägung Lachmanns
zürnen: aber bei Niejahr find wir derartige Wunderlichfeiten fchon
gewohnt. Und die Billigfeit erfordert es, auch hier wieder zu betonen,
da er im Grunde feines Perzens von wohlwollender Gefinnung
gegen Lachmann erfüllt ift. Ginen Beweis dafür giebt er ©. 678.
Ss Nibelungen 870, wo erzählt wird, daß für die Jagdgenoffen
bröt unde win über den Rhein geichafft wurde, hatte Lachmann
bemerft: „Wein? Darin beitand ja eben die Yilt, dan ſie ihn nicht
mitnahmen, fiche 906, 3.” Dieſer Widerſpruch jchien uns nicht be-
M. Jellinet und C. Kraus, Wiberfprüdhe in Kunſtdichtungen ze. 711
ionders ſchwerwiegender Art zu ſein, denn die Verbindung bröt
unde win fei formelhaft. Was entgegnet Niejahr darauf? „Das üt
eine Behauptung aufs Geratewohl, die man den BVerfaffern jo ohne
Veweife glauben joll.“ Unſer verehrter, Kritifer täujcht ſich. Wenn
ein Mathematifer gelegentlich feiner Überzeugung Ausdrucd giebt,
daß das Quadrat über der Hypotenuſe gleich ift der Summe der
Quadrate über den beiden Katheten, jo will er nicht, daß man ihm
das jo ohne Beweije glaube, aber er meint, daß man die Beweiſe
‚fennt. Was würde er wohl jagen, wenn man ihm den pythagorätjchen
Lehrjag für eine Behauptung aufs Geratewohl erflärte? Wir möchten
gerne höfficher fein als der Mathematiker und Niejahr die Beweije
an die Hand geben, indem wir ihn auf Martins Note zur Kudrun
322, 2 aufmerfjam machen. Allein wir fürchten, er wird bamit
nicht zufrieden fein, Denn er iſt der Anjicht, daß man nur dann
eine Verbindung fr formelhaft erflärem dürfe, wenn fie in einem
und demfelben Werk öfter auftritt. Im Nibelungenlied kommen aber
Brot und Wein nur noch eimmaf verbunden vor umd am diejer
Stelle (1627, 2) ift der Ausdrud nad) Niejahrs Überzeugung ficher
nicht formelhaft. Nibelungen 1627, 2. 3 lauten:
wä niemet ir die spise, daz bröt und ouch den win,
daz ir sö manegen recken noch hinte müeset hän.
Offenbar fennt Niejahr die Sitte unferer Gaftwirte, das Gebäck
beſonders zu berechnen und mit jcharffinniger Erwägung ber djter-
reichiſchen Heimat des Nibelungenlieds hat er daraus für spise an
unferer Stelle die Bedeutung, „Kouvert extluſive Brot und Getränt”
erichloffen. Unfer Blick ift allerdings jo jehr durch banauſiſche Fach
fenntniffe getrübt, dag uns ſowohl Niejahrs Anficht über den Begriff
der Formel, als aud) die Meinung, daß Nibelungen 1627, 2 daz
bröt und ouch den win etwas anderes jein fünne, denn Variation
zu spise als gänzlich; abjurd erſcheint. Allein die Schuld liegt nur
an und.
Übrigens ift ja die Sache eigentlich ohne Belang. Denn Niejahr
meint, ob bröt unde win Nibelungen 870, 2 formelhaft ift oder
nicht, auf feinen Fall dirfe man einem Dichter in unfchuldiger
Zeit, die auf beftimmte Anſchauung hält, eine folhe Gebanten-
fojigfeit in einem Hauptmotis zutrauen, oder man miſſe eben jede
Art von Konfujion für erlaubt oder erflärlich Halten. Für erlaubt?
Wir bitten um VBerzeihung. Das ift eine uerdßaoıg eig &0 yEvos.
Den äjthetifchen Nichterftuhl haben wir nicht beftiegen.!; Aber für
) Um Niejahr ganz zu berubigen, verweiſen wir auf S. 715 unjeres Auf
ſabes, 3. Abfag.
«12 M. Jellinek und C. Kraus, Wideriprüde in Nunitdichtungen zc.
erflärlich halten wir allerdings die Konfulionen jeder Art, die nun
einmal in einem Text vorliegen. Auch Niejahr denkt im Grunde
nicht anders. Auch er hält die Konfuſion! im Nibelungenlied für
erflärlich, mur erklärt er fie anf andere Art. Er nimmt an, daß in
jener unſchuldigen Zeit, die auf beſtimmte Anjchauung hielt, ein
Interpolator eine jo unbeſtimmte Anſchauuug hatte, daß er jich eine
arge Gedankenloſigkeit zu Schulden kommen lieh.
Iſt cs da noch nötig anf den erjten Teil von Niejahrs Diktum
einzugeben? Yiv machen alſo Niejahr böflichit darauf aufmerkſam,
daß unſere Außerung iiber Nibelungen 870, 2 an eme Sammlung
ähnlich fonfujer Stellen anfnüpft, deren Entitchungszeit nicht allzu
jehr von der Unjchuldsperiode des Nibelungenlicdes entfernt it.
Wiederum, ganz wie oben lich Z. 6935 fomm nun Niejahr
2,678 auf unjere Schlunfolgerungen zu Tprechen, wiederum finden
fie nicht feinen Beifall, und wiederum verichtebt er die Angabe feiner
Gegengründe auf ipäter. „Dieſer Schluß iſt hinfällig, weil die Prä-
miſſe falich iſt, wovon ipäter die Rede fein wird. Yon jeiner logifchen
Bedenflichfeit will ich bier Tehiweigen.” Wir fünnen hier wie ander:
wärts eine ftiliitiiche igentinmlichfeit unteres Autors bewundern, die
an bekanute Prinzipien altgermanticher Poeſie gemahnt, wo tich der
Tichter nicht genug thun kann, Momente, die ihm wichtig erjcheinen,
immer und immer vom neuen Wieder hervorzubeben. "Tas hat natur:
gemäß auch ms, die wir den tritiſchen Kommentar zu jchreiben
haben, zu mebrfachen Widerholungen genötigt. — Alſo von der
logiſchen Bedenklichkeit unſeres Zchluffes will Niejahr ſchweigen:
aber wir, wir wollen nicht ſchweigen. Wir haben nämlich gar nicht
das geſagt, was Niejahr uns ſagen läßt. Wir haben nicht behauptet,
wenn in Kunſtdichtungen das Vorkommen von Widerſprüchen nichts
gegen die Einheit des Verfaſſers beweiſe, jo dürfe co in Nolfe-
Dichtungen nicht unbedingt ala Beweis für Nontamination verjchie:
dener Quellen angejehen werden. Vielmehr war der Gedankengang
S. 715 f. unſerer Abhandlung folgender: In Kunſtdichtungen ent:
ſtehen Widerſprüche nachweislich teils durch Kontamination ver:
ſchiedener Quellen, teils durch andere Momente. Da die Entſtehung
der Volksdichtungen ſich prinzipiell nicht von der der Kunſtdichtungen
unterſcheidet, ſo folgt daraus, daß auch in Volksdichtungen Wider:
ſprüche teils durch Kontamination verſchiedener Quellen, teils durch
andere Momente verurſacht ſein dürften, und daB es Daher un:
berechtigt ift, die Geneſis von Widerſprüchen in Volksdichtungen fait
ausſchließlich auf Rechnung von Kontaminationen zu jegen. Diefer
Schluß iſt doch wohl logiich unbedenklich.
ı Mir bitten diefen Ausdruck hier nur bnpotbetiich zu nebnen. Ch Nibelungen
x70, 2 wirklich cine Konfuſion vorliegt, ift nicht fo ganz ficher.
M. Jellinet und C. Kraus, Widerfprüce in Kunſtdichtungen u. 713
Weit bedenflicer wäre es, wenn Niejahr mit dem Nachweiſe, daß
unjere Prämiſſe falſch jei, Recht haben jollte. Der Gedanke am dieje
Möglichkeit verjest uns in folche Aufregung, daß wir von der nener-
lichen Frifterftredung, die Niejahr ung von ©. 673— 685 gewährt,
teinen Gebraud) machen, jondern den betrejfenden Nachweis Lieber
gleich Hier einer ernftlichen Erwägung unterziehen wollen. Wir hatten
behauptet, daß ein prinzipieller Unterjchied der Entjtehungsweijen
zwijchen VBoltsdichtung und Kunſtpoeſie nicht beftehe: Niejahr dagegen
findet, daß der vom ums negierte grundlegende Unterſchied in der
That vorhanden jei. Schen wir einmal zu, worin er nad) Niejahrs
Erörterungen zu juchen iſt. Niejahr umterjcheidet zwei Arten von
Rhapſoden oder Spielleuten. Der eine hält fi, wo er die mündliche
oder jchriftliche Überlieferung einer Sage oder Erzählung jelbftändig
gejtaltet, in der Regel durch dieje für gebunden: aljo übernimmt er
aud die probfematiichen, widerjpruchsvollen Vorausjegungen und
Motivierungen, an denen es bejonders in der Sage nie fehlt. Der
andere ändert oder erweitert (durch Interpolation oder Zudichtung)
eine bejtinnmte Vorlage nach Gutdünfen: infolge defjen treten dieje
Veftandteile als mehr oder weniger fremde Elemente neben den ur—
iprünglichen Kern und legen den erſten Grund zu einer weiter
wirfenden Umeinheitlichkeit, Ausgezeichnet, ganz vortrefflich! Das Ge-
meinſame beider Arten von BVolfsdichtungen iſt aljo nach Niejahr,
daß ſie Widerjprüche enthalten: nur ſtammen fie bei der einen aus-
nahmslos aus der Vorlage, während bei der andern nod) neue, durch
jelbftändige Änderungen oder Erweiterungen hinzugefommen find. —
Schen wir nun nad) dem prinzipiellen Unterjcied diejer Gattung
von der Kunſtpoeſie. „Der Kunftdichter teht feinem Stoff . . . mit
voller Unabhängigfeit gegenüber, er wird, foweit er eim wirklicher
Dichter ift, mit ihm ſchalten, wie er will, und ihm jo, nur feinen
fünftferiichen Antentionen folgend, zu einer nenen organifchen Ein—
heit umgejtalten.“ Da hätten wir aljo in der That einen bedeutfamen
wenn aud nicht prinzipielfen) Unterfdjied. „Aber,“ führt Niejahr
fort, „auch dabei hat man wieder mit dem Unterichieb der en
zu rechnen. Das abhängigere Verhältnis, im dem die mittelhod)-
deutjchen Dichter im allgemeinen zu ihren Quellen ftehen, muß oft
zur Erflärung von Lücken umd Mängeln der Motivierung bei ihnen
herangezogen werden.“ Alſo die mittelhochdeutichen Kunjtdichtungen
enthalten gleichfalls, wie die Vollsepen, Widerjprüce (denn was
Niejagr Hier ‚Lücken und Mängel in der Motivierung" nennt,
nichts anderes meinen, wie unſer Aufjag über die Widerjprüche bes
weift;. Und wenn man Niejahrs jchöne Einteilung der Spiellente
auf die mittelhochdeutjchen Kunſidichter übertragen , jo fann man
auch hier jolche unterjcheiden, die ihren Quellen vollkommen tren
708 M. Jellinek und C. Kraus, Widerſprüche im Kunſtdichtungen sc.
glücklicher Zufall, daß dieſer Gedanke uns „wohl vorübergehend“
gekommen iſt:!, ſonſt hätte Niejahr etwa gar gemeint, uns ſei das
nächſtliegende dunkles Geheimnis geblieben. Vielleicht trägt es zur
Beruhigung Niejahrs bei, wenn wir ihn verſichern, daß uns dieſe
Unterſcheidung moderner und mittelalterlicher Art zu dichten mehr
als vorübergehend beſchäftigt hat: ſie bildet nämlich einen der Grund-—
gedanken unjeres Aufjages. Es war cben unſere liberzeugung,
daß gerade die epijche Kritik dieje Unterſcheidung zu wenig jorg-
fältig gemacht habe, indem jie mit modernen Aniprüchen an be:
ſtimmte mittelalterliche Denkmäler herantrat.°: Die Durchführung
diejes Gedankens konnte umjeres Grachtens am einfachſten in der
Weiſe gejchehen, dag wir von demielben Standpunkt aus, von dem
die Anhänger der Yiedertheorie die Volksepen betrachtet hatten,
unferjeits Werfe der Kunſtpoeſie betrachteten: das dabei fic ergebende
Mefultat war dam eben der Nachweis, dan man früher in zahl:
reihen zyälten mit Unrecht Auſtoß genommen hatte, indem man
allerlei Auffälliges auf Mechnung Ttattgefundener Nontaminationen
fette, während thatjächlich Eigenthiimlichfeiten fttliftiicher oder for-
maler Art vorlagen, die der gelammten Poeſie des betreffenden
Zeitalters gemeinjam waren. Wenn Niejahr dieſe Tendenz unjerer
Abhandlung nicht verftanden, alſo unſere „eigentlichen Abfichten“
wiederum verkannt hat, jo haben wir dies wieder nur ung felbit zu
zujchreiben. Denn umfere Grörterungen waren nur für einen engen
Kreis von Fachgenoſſen beredynet, denen dieſe Vorſtellungen Tängft
geläufig geworden jind. Wei ihnen durften wir ficheres Verſtändnis
erwarten, wenn wir jene Abficht in kurzer Weile andeuteten: „eine
für unjer Gefühl unpaſſende Ausdrucksweiſe“ S. 6981; „eigentüm-
!, Derſelbe glüdliche Zufall wiederholt fih ipäter noch einmal, vgl. Niejahrs
Morte (2. 6831: „... Inkoniequenz in der Gharafterzeichnung einzelner Berfonen,
ein Punkt, den Kraus und Jellinet (Z. 690: berühren, ohne, wie es fcheint, feine
Bedeutung zu ahnen.“
2) "gl. ten Brint, Beowulf S. 3 f.: „Tie allgemeine Borausfegung, bie
meiner Kritik des Beowulfs zu Grunde liegt, ift die, daß dic altenglifche Epik, fo
lange fie noch mündlich entwickelt und fortgepilanzt wurde, innertalb des Umfangs
eines einzelnen Bortrags, des Produkts eines einzelnen Zängers und weiterhin
eines beftimmten Nreifes md einer beſtimmten Epoche cine gewiſſe (Einheit der
Auffaffung und inbeitlichleit des Stils bekundet babe, und daß iene Auffaffung
eine vernünftige und diefer Ztil ein menichlicher geweſen fei; woraus denn folgt,
daß die Widerfprüche, die kraſſen Hufteraprotera und unerträglichen Biderbolungen,
von denen der Yreowniftert winmelt, aue dem allmäblıchen Zufammentreten bete-
rogener Elemente in der Überlieferung zu erflären ſeien.“ Tiefelben Anfchauungen
waren für die Homerfritit maßgebend, vgl. Sauer, Grundfragen der Homerfritif
5. 245, und wenn Niejabr nicht jeinen Blick wie bupnotifiert gen Uften gerichtet
hätte, fo würde er gefunden haben, daß ſich dagegen dieſelbe Reaktion geltend
madıt, wie auf germaniſtiſchem Gebiet. der glaubt er, daß ınan die Ausführungen
Cauers einfach ignorieren dürfe‘?
M. Jellinet und C. Kraus, Widerfprüche in Kunftichtungen ze- 704
lich berührt es unjer Gefühl, wenn..." (700). „Wir erwarten in
diefem Fall eine ausführlichere Motivierung* (701); „ein moderner
Dichter würde jagen“ (705); „auffällig berührt es unfer Gefühl,
wenn...“ (710). Und wenn Niejahr ſich die Mühe nicht verdriehen
läßt, die Bemer lungen noch einmal zu überleſen, mit denen wir die
Sammlung mittelhochdeutſcher Beiſpiele eingeleitet haben, ſo wird
ihm dort (©. 684) der Sat begegnen: „wir haben dabei nämlich
bei der Auswahl der Beijpiele) ſiels auf die Kriterien Rückſicht ge-
nommen, nad) denen die Kriti einheitlich überlieferte Werke in mehrere
zu zerlegen pflegt.“
Nur eine Konfeguenz diejes bedauerlichen Mifverftändnifies ift
es, wenn Niejahr, wie oben gezeigt wurde, eine Reihe unferer Bei-
fpiele als bloße „Lappalien* bezeichnete, — als ob wir lauter Wider-
fprüche ſchwerſter Art hätten bringen wollen und nicht vielmehr
Pendants zu dem verjchiedenen von der Kritik beanjtandeten Stellen
in Volksepen, von den ſchwerſten Widerfprüchen bis zu den aller-
leichteſten. Wir glauben, diefe Abjicht in dem eben citierten Paſſus
ziemlich, deutlich ausgejprochen zu haben. Daß wir nicht alle Fälle für
Wibderfprüche ſchwerſter Art Hielten, hätte Niejahr überdies wiederum
aus mehreren unjerer Auferungen entnehmen können: „vielleicht nur
auf ungenaue Ausdrudsweije iſt folgender Widerfpruch zurückzuführen“
(©. 675); „Intoncinnität, die freilich nicht als Widerſpruch im
Sinne eines Verftoßes gegen die reale Möglichkeit bezeichnet werden
kann“ (©. 676); „eine Unflarheit des Dichters“ (S. 679); „brachy⸗
logiſche Darftellung“ (S. 695); „mitunter kann man zweifeln, ob
ein Zwifchenglied zu ergänzen ijt“ (S. 696); „mitunter entjicht bloß
ſcheinbar ein Widerjpruh“ (S. 705); „insbefonders entſtehen ſolche
ſcheinbare Widerjprüche dann, wenn ...* (S. 707); „eine andere
Art von Ungenauigfeit“ (S. 708); „Beifpiele für läffigen Ausdrud;
wenn man die Worte preft, entjteht häufig ein Nonjenje“ (S. 709).
Nunmehr wird Niejahr wohl zur Einficht kommen, daß der unter
geordnete Teil feines Aufjages über die Penthejilen, der jich mit
unferer Wenigfeit bejchäftigt, ein großes Mißverſtändnis barjtellt,
Aber wir haben trogdem keine Hoffnung, unjere Bemühungen
dur feine rüchaltloſe Anerfeunung belohnt zu jehen, Zwar daß er
wiederum, wie er es das erſtemal gethan hat, einige der von ums
aus den Argumenten der Anhänger der Liedertheorie geichäpften Bei-
fpiele Herausgreifen und einer abweichenden Snterpretation unter⸗
ziehen wird, mm auf Grund dieſer „Proben” die Beweistraft
fämtlicher Fälle zu verneinen, — das beforgen wir nicht: denn
wir erflären feierlich, daß wir einem To gefährlichen Gegner mie
Niejahr gegenüber unfere Anfprüche gern jo weit herabftinmen, daß
wir volljtändig befriedigt find, wenn er in jeder Kategorie auch nur
40*
10 M. Jellinet und E. Kraus, Widerſprüche in Runftdichtungen ꝛec
ein einziges Beijpiel findet, an dem er nichts auszujegen vermag.
Wie Niejahr ganz richtig S. 673 bemerkt, „die Menge joll es
machen”, daß ihm dies nicht zu ſchwer werde. Aber viel werden
wir, wie gejagt, auch dann micht erreicht haben. Denn er findet
es (S. 688) überhaupt einen „armjeligen Standpunft” zu glauben,
daß die Kritik darin aufgeht, „Widerjprüche aufzuftöbern und allen:
falls formalen Kriterien nadyzujagen”. Wer dies glaubt und nur
dieje Punkte bekämpft, der zeigt deutlid) jeine „Unfähigkeit“, „über
eine folhe Sache auch nur entfernt mitzureden”. Solche Xeute
jollten „lieber an ihr (nämlich an Lachmanns Nibelungenkritif) zu
fernen fuchen, was Ktritif ijt“. Da Niejahr in jo dringender Weiſe
das Studium der Anmerkungen Yadımanns zu den Nibelungen
empfiehlt, jo nehmen wir jelbitverjtändfid) beruhigt an, daß er felbit
jie wiederholt gelejen hat: aber er muß fein einziges Mal über
S. 252 hinausgefommen jein; denn S. 253 bemerft Lachmann
zum zwanzigjten Yiede: „Was ich jett als ein einziges Yied gebe,
hielt ic) früher (Uber die uriprüngliche (Sejtalt der Nibelunge Not
5. 49— 591 für mehrere. Gegner meiner Anficht können bier lernen,
wie sie Sollte befämpft worden ſein . . .“. Und nun fegt er aus
einander, warum die von ihm früher zur Scheidung verwendeten
Kriterien nicht jtichhältig ſeien: und dabei bedient er ſich ganz ber:
jelben Methode, die auch wir geübt haben, indem er zum Beiſpiel
die erneute Einführung Gernots, von dem doch fchon früher Die
Rede war, als nicht beweilend erklärt, da dergleichen auch „Nach—
ahmung der Art einzelner Lieder“ sein könne und ebenfo im Bar:
zivel und in den franzöfiichen epiſchen Gedichten vorkomme. Auch
von „geringen Unebenheiten, die dem Hörer etwas guten Willen zu:
muten“, iſt hier die Rede.
Ein Ausdruck der Verwunderung über dieſe ſchnöde Behandlung
Lachmanns durch Niejahr iſt da denn doch ſchwer zu unterdrücken:
hat er ihm früher ſchlimmer gefunden als den „allerſtümperhaf—⸗
teften Anfänger“ «fiehe oben S. 695), jo ſpricht er ihm jetzt gar
die Fähigkeit ab, über feine eigene Nibelungenfritit „auch nur ent:
fernt mitzureden“! Ei, ei!
jedem andern müßte man ob ſolcher Unterſchätzung Lachmanns
zürnen: aber bei Niejahr ſind wir derartige Wunderlichkeiten ſchon
gewohnt. Und die Billigkeit erfordert es, auch hier wieder zu betonen,
daß er im Grunde ſeines Herzens von wohlwollender Geſinnung
gegen Lachmann erfüllt iſt. Einen Beweis dafür giebt er ©. 678.
Zu Nibelungen 570, wo erzählt wird, dar für die YJagdgenoffen
bröt unde win über den Rhein geichafft wurde, hatte Lachmann
bemerkt: „Wein? Darin beitand ja cben die Yijt, daR fie ihn nicht
mitnahmen, fiche 906, 3.” Dieſer Widerjpruch ſchien ung nicht be-
Dr. Jellinet und C. Kraus, Widerfprüidhe in SKumftdichtungen ze. TIL
ſonders ſchwerwiegender Art zu fein, denn die Verbindung bröt
unde win jei formelhaft. Was entgegnet Niejahr darauf? „Das ift
eine Behauptung aufs Geratewohl, die man den Verfaffern jo ohne
Beweiſe glauben joll.“ Unſer verehrter, Kritiker täuſcht fi. Wenn
ein Mathematifer gelegentlic) feiner Überzeugung Ausdruck giebt,
daß das Quadrat über der Hypotenuſe gleich ift der Summe der
Quadrate über den beiden Katheten, jo will er nicht, daß man ihm
das fo ohne Beweife glaube, aber er meint, daß man die Beweiſe
‚fennt. Was wiirde er wohl jagen, wenn man ihm den pythagoräiſchen
Lehrfag für eine Behauptung aufs Geratewohl erklärte? Wir möchten
gerne höfficher jein als der Mathematifer und Niejahr die Beweije
an die Hand geben, indem wir ihn auf Martins Note zur Kudrun
322, 2 aufmerfjam machen. Allein wir fürchten, er wird damit
nicht zufrieden jein. Denn er ift der Anficht, daß man nur dann
eine Verbindung für formelhaft erflären dürfe, wenn fie in einem
und demjelben Werk öfter auftritt. Im Nibelungenlied fommen aber
Brot und Wein nur noch einmal verbunden vor und am diejer
Stelle (1627, 2) ift der Ausdrud nad) Niejahrs Überzeugung ficher
nicht formelhaft. Nibelungen 1627, 2. 3 lauten:
wä nemet ir die spise, daz bröt und ouch den win,
daz ir sö manegen recken noch hinte müeset hän,
Offenbar fennt Niejahr die Sitte unferer Gajtwirte, das Gebäd
bejonder& zu berechnen und mit jcharfjinniger Erwägung der djter-
reichifchen Heimat des Nibelungenlieds hat er daraus für spise an
unferer Stelle die Bedeutung, „Kouvert erflufive Brot und Getränt“
erichloffen. Unſer Blick iſt allerdings jo jehr durch banauſiſche Fach
kenntniſſe getrübt, daß uns ſowohl Niejahrs Anſicht über den Begriff
der Formel, als auch die Meinung, daß Nibelungen 1627, 2 daz
bröt und ouch den win etwas anderes fein fönne, denn Variation
zu spise als gänzlich abjurd erjcheint. Allein die Schuld liegt nur
an ung.
Übrigens ijt ja die Sadje eigentlich ohne Belang. Denn Niejahr
meint, ob bröt unde win Nibelungen 870, 2 formelhaft ijt oder
nicht, auf feinen Fall dürfe man einem Dichter in unſchuldiger
Zeit, die auf beftimmte Anjchauung hält, eine ſolche Gebdanten-
lofigfeit in einem Hauptmotiv zutrauen, oder man müfje eben jede
Art von Konfufion für erlaubt oder erkflärlich halten. Für erlaubt?
Wir bitten um VBerzeihung. Das ift eine uer@ßaoıg elg EALo Yevog.
Den äjthetiichen Nichterjtuhl haben wir nicht bejtiegen.'; Aber für
) Um Niejahr ganz zu beruhigen, verweiſen wir auf ©. 715 unſeres Auf⸗
ſabes, 3. Abjat.
12 M. Jelinek und C. Kraus, Wideriprüche im Kunſtdichtungen ꝛc.
erflärlich balten wir allerdings die Konfuſionen jeder Art, die nun
einmal im einem Text vorliegen. Auch Niejahr denkt im Grunde
nicht anders. Auch er hält die Konfuſion! im Nibelungenlied für
erflärlich, nur erklärt er fie auf andere Art. Er nimmt an, daß in
jener unſchuldigen Zeit, die auf beſtimmte Anfchauung hielt, ein
Interpolator eine jo unbeſtimmte Anſchauunug hatte, daß er ſich eine
arge Gedankenloſigkeit zu Schulden kommen lien.
Iſt cs da noch nötig auf den eriten Teil von Niejahrs Diktum
einzugehen? Wir machen alſo Niejahr höflichtt darauf aufmerkſam,
daß unſere Außerung über Nibelungen 870, 2 an eine Sammlung
ähnlich konfuſer Stellen anfnüpft, deren Entſtehungszeit nicht allzu
jehr von der Unſchuldsperiode des Nibelungenliedes entfernt tft.
Wiederum, gan, wie oben lich S. 6935 kommt nun Niejahr
S. 578 auf unſere Schlußfolgerungen zu Iprechen, wiederum finden
jie nicht jeinen Beifall, und wiederum verschiebt er die Angabe jeiner
Gegengründe auf Ipäter. „Dieter Schluß iſt hinfällig, weil die Prä-
miſſe Falich ift, wovon ipäter die Rede jein wird. Bon feiner logiſchen
Bedenflichfeit will ich hier jehweigen.” Wir fünnen hier wie ander:
wärts eine ſtiliſtiſche Eigentümlichteit unſeres Autors bewundern, die
an bekannte Prinzipien altgermaniſcher Poeſie gemahnt, wo ſich der
Dichter nicht genug thun kann, Momente, die ihm wichtig erſcheinen,
immer und immer vom neuen wieder hervorzuheben. Das hat natur—
gemäß auch uns, die wir den kritiſchen Kommentar zu ſchreiben
haben, zu mehrfachen Widerholuugen genötigt. — Alſo von der
logiichen Bedenklichkeit unſeres Schluſſes will Niejahr ſchweigen:
aber wir, wir wollen nicht ſchweigen. Wir haben nämlich gar nicht
das gelagt, was Niejahr ums tagen läßt. Air haben nicht behauptet,
wenn in Kunſtdichtungen das Vorkommen von Aiderjprüchen nichts
gegen die Einheit des Verfaſſers beweiſe, jo dürfe ca in Wolfe:
Dichtungen nicht unbedingt als Beweis für Kontamination verjchie-
dener Quellen angeichen werden. Vielmehr war der Gedanfengang
S. 715 f. unſerer Abhandlung folgender: In Kunftdichtungen ent:
ſtehen Widerſprüche nadyweislid teils durch Nontamination ver:
ſchiedener Quellen, teils durch andere Momente. Ta die ntftehung
der Bolfsdichtungen ſich prinzipiell nicht von der der Kunſtdichtungen
untericheidet, jo folgt daraus, daß and in Nolfsdichtungen Wider:
ſprüche teils durch Kontamination verichiedener Tuellen, teils durch
andere Momente verurfacht ſein dürften, und daß es daher un:
beredhtigt ilt, die Geneſis von Widerjprüchen in Nolfedichtungen fait
ausſchließlich auf Rechnung von Kontaminationen zu jepen. Diefer
Schluß iſt dod) wohl logiich unbedenklich.
ar bitten diefen Ausdrud bier nur buvorhetiich zu nehmen. Ob Nibelungen
"30, 2 wirklich cine Konfufion vorliegt, iſt nicht fo ganz ficher.
M. Jellinet und C. Kraus, Widerfpriiche in Runftdichtungen 2c. 713
Weit bedenklicher wäre es, wern Niejahr mit den Nachweiſe, daß
unſert aniſſe falſch ſei, Recht Haben jollte. Der Gedanie an dieſe
Möglichtkeit verſetzt uns in ſolche Aufregung, daß wir vom der neuer⸗
lichen Frifterftredung, die Niejahr uns von ©. 673—685 gewährt,
feinen Gebrauch machen, jondern den betreffenden Nachweis lieber
gleich hier einer ernftlichen Erwägung unterziehen wollen. Wir hatten
behauptet, daß ein prinzipieller Unterſchied der Entſtehungsweiſen
zwiſchen VBolfsdichtung und Kumftpoefie nicht beſtehe: Niejahr dagegen
findet, daß der von uns megierte grundlegende Unterjchied in der
That vorhanden fei. Sehen wir einmal zu, worin ev nad Niejahrs
Erörterungen zu ſuchen it. Niejahr unterjcheidet zwei Arten von
Rhapſoden oder Spielleuten. Der eine hält fich, wo er die mindliche
oder jchriftliche Überfieferung einer Sage oder Erzählung jelbjtändig
gejtaltet, in der Regel durch diefe flir gebunden: aljo übernimmt er
aud die problematifchen, wiberjpruchsvollen Vorausfeßungen und
Motivierungen, an denen es bejonders in der Sage nie fehlt. Der
andere ändert oder erweitert (durch Juterpolation oder Zudichtung)
eine bejtimmte Vorlage nach Gutdünfen: infolge defjen treten dieje
Veftandteile als mehr oder weniger fremde Elemente neben den ur-
jerünglichen Kern und legen den erſten Grund zu einer weiter
wirfenden Uneinheitlichkeit. Ausgezeichnet, ganz vortrefflich! Das Ge⸗
meinfame beider Arten von Volksdichtungen iſt alſo nach Nicjahr,
dag fie Widerfprüche enthalten: nur ftammen fie bei der einen aus-
nahmslos aus der Vorlage, während bei der andern noch neue, durch
jelbftändige Anderungen oder Erweiterungen hinzugelommen a: —
Sehen wir nun nad) dem prinzipiellen Unierſchied dieſer Gattung
von der Kunftpoefie. „Der Kunftdichter ſteht feinem Stoff... mit
voller Unabhängigfeit gegenüber, er wird, foweit er ein wirklicher
Dichter it, mit ihm ſchalten, wie er will, und ihm jo, nur feinen
fünftleriihen Intentionen folgend, zu einer neuen organiſchen Ein—
heit umgeftalten.“ Da hätten wir aljo in der That einen bedeutjamen
(wenn auch nicht prinzipielfen) Unterſchied. „Aber,“ fährt Niejahr
fort, „auch dabei hat man wieder mit dem Unterſchied der Zeiten
zu rechnen. Das abhängigere Verhältnis, in dem die mittelhoc-
deutjchen Dichter im allgemeinen zu Be Quellen jtehen, muß oft
zur Erflärung von Lücken nnd Mängeln der Motivierung bei ihnen
herangezogen werden,“ Alſo die mıittelhochdentichen dichtungen
enthalten gleichfalls, wie die Vollsepen, Widerſprüche denn was
Niejahr hier „Lücen und Mängel in der Motivierung“ nennt, lann
nichts anderes meinen, wie unſer Auffag über die Widerſprüche be-
eiit). Und wenn man Niejahrs ſchöne Einteilung der Spielleute
auf die mittelhochdeutichen Kunftdichter übertragen will, jo lann man
auch hier folche umterjcheiden, die ihren Quellen volltommen trem
|
‘14 D. Jelinek und C. Kraus, Widerſprüche in Knuſtdichtungen zc.
folgen und ſomit unr die bereit vorhandenen Widerjprüche fort
pflanzen, und jolche, die „eine bejtimmte Xorlage nad) Gutdünken
ändern oder durd) Interpolation oder Zudichtung erweitern“, wo
durch „mehr oder weniger fremde Elemente neben den urjprünglicyen
Kern treten und den eriten Grund zu einer weiter wirfenden Un—
einheitlichfeit legen“. Wenn Nicjahr nunmehr die Güte hat, die
Schlußbemerkungen unjeres Aufſatzes noch einmal zu überlefen, fo
wird er finden, daß wir, natürlid) wiederum „ohne die Bedeutung
dieſes Punktes zu ahnen“, Konrad von Würzburg (diejer tft nämlich
ein mittelhochdeutſcher Tichter, und zwar ein Kunftdichter) und
deffen Verhältnis zu jeinem Worbild Denis Piramus in Parallele
gejett haben zu den Beziehungen irgend eined Spielmannes zu jeinen
Vorgänger. : - Es giebt aljo Kumnjtdichtungen, die fich bezüglich ihrer
Entftehung ganz wie Volksdichtungen verhalten: darüber iſt Niejahr
mit ung einig. Nur findet er gerade in dieſem gemeinjamen Ver:
halten, wie es jcheint, den prinzipiellen Unterſchied der beiden
(Hattungen, während cs uns logiſch unbedenflicher erjchien, in diefer
Übereinftimmung nicht ein prinzipielles Unterſcheidnugsmerkmal zu
erbliden.
Der übrige Teil von Niejahrs Bemerkungen wendet ſich falt
ausichlieglicdy gegen Moettefen, wir haben daher feinen Anlap auf
jie einzugehen. Nur jei es uns gejtattet, als Parergon einen Kleinen
Beitrag zu der Biographie von Sancho Panzas Ejel zu liefern.
Wir erfüllen damit nicht nur cine Pflicht gegen das Tiebensmwürdige
(Srautier, das in den Erörterungen über Widerjprüche eine jo große
Holle gefpielt hat, jondern hoffen auch uns Niejahrs Dank zu ver-
dienen. Denn dieſer ausgezeichnete Gervantesfenner hat fid) bisher
fein Bild davon machen könuen, wie ſich die Triginaldrude des
Ton Quixote hinſichtlich der Erzählung vom Diebſtahl des Eſels
durch Gines de Paſamonte verhalten.'ı
1) Tie im folgenden gemachten Angaben über den Tert der Editio princeps
(A) ftüßen fi auf die Dlitteilungen von Harvenbuſch in feiner Ausgabe des
Ton Quixote, Argamafilla de Alba 1868, 1, 2. XXI f., 337 Anmertung 1585;
2, 390, Anmertung 48. Tie Bemerkungen über die zweite Madrider Ausgabe von
1605 ıB: und die von 1608 (Cı beruhen auf Autopfie. Die Angaben von Braun
fels im feiner Uberfeuung 1, 230, Anmerkung 2 find weder Mar noch auch gauz
forrelt. — Nicht überflüſſig iſt es vielleicht zu erwähnen, daß es nicht durch —2*
Zeugniffe geſtützt iſt, wenn man, wie dies gewöhnlich geſchieht, behauptet, daß C
im Gegenſas zu A und B von Cervantes ſelbſt korrigiert wurde. Rach den Aus
führungen von Eriftobal Berez Paſtor in feinen vor kurzem erfchienenen Do-
cumentos vervantino- hasta ahora ineditos Madrid 1897, ©. 285—295 iſt es
fehr wahrſcheinlich, daß A nicht die Editio princeps ift. Yettere muß ſchon im
Jahr 1604 erichienen fein. Ein Exemplar von ihr ift bisber nicht gefunden worden. —
Sie none den Hinweis auf das Buch von Perez Paſtor Herrn Tr. Ulmann
in Wien.
M. Jellinet und C. Kraus, Widerfprüce in Kunftdichtungen zc, 715
Gehen wir von Tert von B aus. Hier wird nad) der Er—
zählung vom Diebjtahl jiebenmal vorausgejeßt, daß Saucho den
Eſel nod Hat. Diefe Widerfprüche find im C nicht „fajt gänzlid) be⸗
ſeitigt·, in Wahrheit find von den ſieben Stellen nur zwei ger
ändert worden. Die erite Anderung betrifft den Paffus, auf den ſich
Braunfels’ Anmerkung 2 auf ©. 230 bezieht; aud) in B (fol. 109*)
reitet hier Sancho: y assi yua tras su amo, sentado a la mu-
geriega sobre su jumento „und jo folgte er jeinem Herrn, indem
er nach Weiberart auf jeinem Eſel jaß“. Die zweite Anderung ift
von Braunfels S. 235 Anmerkung 1 richtig angegeben. Bon den
fünf übrigen Stellen findet man zwei bei Braunfels: 2, 14, Zeile 3
und 2, 15, Zeile 11 von unten, An dem drei anderen ftimmt die
Überjegung weder zu B nod) zu C: jtatt „beiftehen“, 1, 231, Zeile 7
jteht in den Originaldruden „abjteigen“ (que fue necessario que
Sancho se apeasse B fol. 109*— C fol. 96°), 1, 234, Zeile 26
müßte e8 heißen: „Daher yo er Sando vom Eſei zu ſteigen und
auf der einen Seite” u. |. w. (y assi mandö a Sancho que se
apeasse del asno y atajasse por la vna parte de la montafla
B fol. 111° = GC fol. 98°), 2, 13, Zeile 12 von unten fehlt nach
„es“ „auf feinem Eſel“ (el qual lo hizo en su jumento de muy
mala gana B fol. 120° = fol. 106°).
In A fehlt fowohl der Diebitahl als die Wiedererlangung des
Eſels, das heißt Braunfels 1, 229, Zeile 11—230, Zeile 9 und
2, 85, Zeile 4 — Beile 12 von unten. rotzdem wird aud in A an
verfchiedenen Stellen der Verluſt des Ejels voransgejegt.
Daraus geht hervor, daß die bei Braunfels mitgeteilte Ver-
mutung von Mainez unhaltbar ift. Cervantes joll nad) Mainez'
Anfiht erft nach Abjendung des Manuſtripts auf den Gedanken
gefommen fein, Sancho jeinen Ejel ftehlen zu laſſen, aber die be-
treffenden Bogen von A jeien jchon gedruct geweſen und in B wurden
nieht alle nötigen und (fest Mainez voraus) von Cervantes an-
gegebenen Anderungen aufgenommen. Allein war der Bogen ſchon
gedrudt, der das 50. Kapitel enthält, jo waren and) die früheren
Bogen ſchon gedrudt und Sandjo könnte aljo nicht auf Mocinante
ftatt auf dem Grauen nach Tobojo ziehen.')
N) Wie wir erft nachträglich fonftatieren Fönmen, ift die Anficht von Dainez
bei Braunfels nicht garız genau wiedergegeben. Da 8 Mainez nicht ea daß *
A Anfpielungen auf den Diebſtahl enthielt, jo nahm er mur fie Erzůhlin
vom Diebftahl, nicht für die vom Fund die 5 fit an, daß die —
Seiten beim Eintreffen von Cervantes’ Änderungen ji jebrudt waren. Er mutet
ung aljo zu, zu glauben, dafı der Druder wohl eimi ine Änderungen vornahm,
den ganzen, großen auf ben Fund bes Ejels be —5 vafſue aber aberſah
Val. Vihnez Ausgabe 3, 6 Anmerkung 2 und 3, 117 Anmerkung 1.
716 M. Jellinek und C Kraus, Widerſiprüche in Kunſtdichtungen ꝛec.
Anderſeits können die beiden Stellen vom Verluſt und Fund
des Eiels nicht durch Nerichen in A weggeblieben fein, denn erjtlic)
wäre dies ein unerklärlicher Zufall, zweitens iſt der Abſchnitt
Rraunfels 1, 230, geile 10 m A und B etwas verjchieden ein:
geleitet, was mit dem ‚yehlen und Borbandeniein der Erzählung
vom Diebitahl zuſammenhängt! und eine abtichtliche Anderung vor:
ausjert. Tifenbar find beide Stellen ſpätere Einichübe. Dies wird
dadurch bejtätigt, dar wenn man die zweite Stelle herausnimmt,
der folgende Abſchnitt ſich weit beiler an das vorhergehende an—
jchliegt, als in der Yesart des gemeinen Textes.
Urſprünglich lagen alſo die Anſtöße darin, dag Sancho cine
Seit lang des Eſels beraubt erichien, ohne daß dies erflärt worden
war und daß er dann jpäter wieder im Wejtg ſeines Neittierd war,
ohne dan die MWiederfindung erzählt wurde Wir müſſen hier ein
Verſehen des Tichters annehmen, das man nad) Belieben auf Ver—
genlichfeit oder auf Genialität zurückführen mag. Möglich, daft
Wervantes während der Arbeit am 25. Napitel auf den Gedanken
kam, Sancho den Eſel fehlen zu laſſen, daß er fid) vornahm, ſpäter
Die Scene an pallender Ztelle einzufügen, und gleich To weiter
arbeitete, als ob er den Tiebjtahl ſchon erzählt hätte. Er müßte
dann vergeiien haben, den Einichub vor Abiendung de8 Manujfripts
vorzunehmen. Wahrſcheinlicher iſt, daß er in den Glauben geriet, er
babe am Schluſſe des 22. Kapitels den Raub erzählt: es tft ja
wirklich merhvürdig, daR die Galeerenſträflinge bei der Plünderung
Sanchos nicht auch den Eſel mitnahmen. Tabei mag ſich Cervantes
immerhin vorgenommen «und dann vergellen: haben, den Zug mit
dem Eſelwechſel vorzubereiten, dem die Turchführung des ergöplichen
Kinfalls im 25. Kapitel kann kaum auf einem rinnerungsfehler
beruhen. Die Rorftellung, dar Sanchos Eſel geraubt jei, hielt Ger:
vantes jo lange feit, als damit das Bild, „Sancho auf dem Nocinante*
verfnüpft war: nad) der Rückkehr Sanchos zu jenem Herrn drängte
jih dann wieder die gewohnte LXorjtellung „Sancho mit dem
(GGrauen“ vor.
Ten Unebenheiten von A jollten die beiden Einjchübe von B
abhelfen. Altern der erite wurde an jo unpaffender Stelle angebracht,
daß nun ein klaffender Wideripruch entitand: wenige Zeilen nad) der
Krzählung vom Tiebjtahl wird Sancho, als auf dem Kiel reitend,
In A heißt es vergleiche Dartenbuich" Ausgabe 1, 225, natürlich ift Die
Orthographie modernifiert: Ari como Don Quijote entrö por aquellas mon-
tanas, ın B dagegen (fol. 100% EI qual como entrö. Tieie® el qual if nur
dadurch ermöglicht, dak ın dem unmittelbar vorbergebenden Sabe ıder in A fehlt)
Ton Suuxote genannt var.
D. Jeulinet und C. Kraus, Widerſpruche in Munftdichtungen se 717
vorgeſtellt.) C wollte dem neuen Anjtoß abhelfen, änderte aber von
den fieben widerfprechenden Stellen nur zwei.
In des Dichters Erinnerung verſchwammen die Vorwürfe, die
den beiden Ausgaben von 1605 gemacht worden waren, in eins.
Die Bemerkung Carrascos im 2, Teil, Kapitel 3 (Braunfels 3, 42)
hat wenigftens in ihrer erften Hälfte nur für A Geftung, womit fid)
auc Braunfels’ Anmerkung 2 erledigt, die Bemerkung im 4, Kapitel
(Braunfels 3, 43) gilt nur für B. Im 27. Kapitel (Braunfels 8,
211) wird wieder ein Mangel berührt, der fi nur in A findet, und
endlich fogar den Segern die Auslafjung einer Stelle aufgebürdet,
die ficher nie im Manuſtript gejtanden hat, und die wohl fein Leſer
des erjten Teils vermißt oder vermißt hat.?)
Schon aus diejen VBemerfungen wird Niejahr erjehen Fünnen,
daß er die Abfichten, die wir mit unjerem Aufſatz verbanden, und
die Folgerungen, die wir daraus zogen, alferorten EN
hat.) Am vorftehenden findet er einiges Material für ein richtiges
Verſtändniß. Auf feine weiteren Erörterungen einzugehen und
unfere Anfichten über epifche Kritif und ihre Berechtigung in id:
faßlicher Weije eg müffen wir uns verjagen: dieſe
Zeitſchrift ift fein Organ für University-Extension-Beftrebungen,
auch haben wir gegen den, pädagogiſchen Grundſatz „prima lecetio
brevis sit” ohnehin ſchon übermäßig verſtoßen. Umd ſcließlich ift
es eine unbejcheidene Forderung, folche untergeordnete Detailjtudien
einem Manne zuzumuten, der die ra Aufgabe hat,
die Philologie und insbejondere die Kritif als ganzes zu vertreten.
Deöge er alfo lieber feine Fahrt über das große Waffer allgemeiner
Betrachtungen fortjegen, mit den Glauben als Segel und ohne erux
) Dazu fommt die allgemeine Umvahrfcheinlichteit, daß Gines al je ig
abwartet, um ben Efel zu ftehlen ftatt ihm de Plünderung
vauben.
2) Kein Menſch wird nämlich im erften Teil, Stapitel 28 eine ie
vermiffen, wie Gines den Ejel ftahl. Exft während der Arbeit am 2. Teil ve
gleiche Kapitel 4) lam Cervantes auf den Gedanfen, den Ejel mit dem Bfexrd des
Zastipante in Parallele zu bringen.
>) Hiefiir noch ein Beifpiel, damit Niejahr ung nicht wiederum ——
fan, wir hätten es uns „jehr leicht gemacht mit Bezug auf einige Wi
aus „Don Karlos“, die wir angeführt a bemerkt ex S. 685; „ES war
von Kraus und Jellinet bei ihrem © ee
aus diefem Werte anzuführen“ (ba ni
Niejahr hat aljo gar nicht erfannt, daß —
wie verſchiedenen Urſachen Wiberfprüche etflin! a
im einzelnen Fall für die Genefis des Wiben
Srtlärung aufzuftellen: Riejahe muß — en ee
gezeigt, daß die Genefis von Wiberfpriichen ehr vericjiedem Pe
haben?
«18 9. Noettefen, Bemerkungen zur Methode der Yitteraturgefchichte.
als segelgerte. Zum Abjdjiede geben wir ihm, damit fein einziges
Mipverftändnis die Erinnerung an ung trübe, die Verficherung, daß
wir für Lachmanns Größe eine mindejtens ebenjo lebhafte Empfindung
befigen wie er felbit. And nun münjchen wir ihm heiles ze siner
verte!
Einige Bemerkungen jur IHethode der
Jitteraturgefchichte.
Mit Befonderer Berüchſichtigung der „entbefilen”,
Ron Hubert Roetteken in Würzburg.
Gegen meinen Aufſatz „Nochmals Penthefilea” !) wendet fich
Niejahr im dritten Bande des Euphorion mit einer längeren Er-
twiderung und zwingt dadurd) auch mid), nochmals das Wort zur
Sache zu nehmen. Der Schwerpunft unjerer Polemik liegt nicht in
der verjchiedenen Auffaffung der Einzelheiten, jondern in der Ber:
jchiedenheit unſerer prinzipiellen Anſichten. Prinzipielle Erörterungen
hatte ich ſchon in der angeführten Arbeit gebracht und bei Niejahr
nehmen jie einen großen Raum ein; jo mag denn diesmal gleich mit
ihnen begonnen werden.
Niejahr giebt zu, dan der Philologe ſich bei allen feinen Opera
tionen von einer „gründlichen und lebendigen Vertrautheit mit der
Natur des menichlichen Herzens, mit den Gejegen der menſchlichen
Seele” Leiten laſſen müſſe und daß dieje Kenntnis zu erwerben das
theoretiihe Studium der Piychologie von großem Nugen ſei; für
notivendig hält er cs aljo nicht, und and) die „allgemeine, wenn
auch wicht ſyſtematiſche Vertrautheit mit den Geſetzen des Seelen:
lebens, insbejondere mit dem Weſen der TVichternatur“, die er auf
S. 691 zur Erforfhung der Quellen und Vorbilder, der äußeren
und inneren Entjtehungsbedingungen einer Dichtung für notwendig
erklärt, joll man ſich nad) ihm offenbar ohne cin eigentliches pfycho⸗
logiſches Studium erwerben fünnen. Wenn cr außerdem ftarf betont,
dag man durch das bloße theoretiiche Studium fein praftifcher
Seelenktundiger werden könne, jondern daR hierzu eine angeborene
Gabe gehöre, jo iſt dies natürlich vollfommen richtig; ich habe auch
nirgends das Gegenteil behanptet, und Web hat nenerdings auf
1, geitfchrift für vergleichende Yitteraturgeichichte. Neue Folge 8, 24.
9. Roettelen, Bemerkungen zur Methode der Litteraturgeſchichte 719
die Sedeutung der pſychologiſchen Intuition nachdrücklich hin—
gewieſen.)
Es iſt alſo die Frage zu unterſuchen, wie weit unſere an-
geborene Gabe etwa in Verbindung mit einigen ohne eigentliches
Studium der Piychologie gewonnenen allgemeinen Kenntniffen für die
Brobfeme unferer Wiſſenſchaft ausreicht. Niejahr führt zumächft dem
Dichter an als ein Beiſpiel, wie jemand fih auf die menſchliche
Seele verftehen fünne, ohne daß er theoretijch ein einziges ihrer Ge-
jetze zu willen brauche; aber er ſelbſt ſchwächt die Beweisfraft diejes
Beiipiel3 einigermaßen ab, wenn er auf ©. 691 in einer durchaus
pſychologiſchen Frage einem der größten Dichter, Goethe, ſcharf
widerſpricht und über die betreffende Sache auf Grund „unwider⸗
legbarer Thatjahen“, das Heißt auf Grund wiſſenſchaftlicher Er—
fenntnis, mehr zu wiffen behauptet als Goethe. Freilich iſt es eine
Frage, über die diefer ſich als Theoretifer geäußert hat. Auf feinem
eigentlichen Arbeitsfelde fteht der Dichter zu dieſen Dingen ganz
anders als wir. Er zeigt jein pfychofogiiches Verftändnis darin,
daß er Geftalten ſchafft — und damit ift auch die Umkehrung diefes
Sapes gegeben: er jchafft nur ſolche Geſtalten, die er verftcht, ſolche
aber, die jeinem naiven Verſtändnis unzugänglich fein würden, läßt
er ungeichaffen oder darf es wenigſtens. Wir dagegen können eine
ſolche Auswahl nicht vornehmen: uns fteht die ganze Meihe von
Figuren, Situationen, einzelnen pſychiſchen Momenten, ſeien es
Naturprodukte oder Produkte einer fremden Phantafie, einfach) gegen:
über und alle ſollen wir recht veritehen.
Als Mittel für ein folches Verftändnis Haben wir num eine
gewiffe naive Piychologie, die jeder von ums in fich vorfindet. Näher
betrachtet jegt jie ji) aus zwei Faktoren zuſammen, bie wir im
einzelnen unterjuchen müſſen. Der erfte diejer Faltoren ift die in—
itinftive Fähigkeit, fremdes Seelenleben in ums nachzuerleben, und
zwar bejigen wir dieje Fähigkeit normalerweife im recht hohem
Grade. Indeſſen fie verbürgt uns feineswegs, daß wir dem fremden
Charakter, den wir nachzuerleben glauben, auch richtig nadherleben.
Abgejehen von jpäter zu erörternden Störungen: gar zu jehr find
wir geneigt, mit der gewöhnlichen Art, wie ſich im uns die phychiſchen
Vorgänge vollziehen, auch den fremden Charakter aufzufajfen und
jo entweder das rende zu fäljchen oder, wo wir erfennen, daß es
ſich unferer gewohnten Art nicht fügt, es als ummatiirlich zu bes
zeichnen. Gegen dieje Gefahren ſchützt uns das theoretijche Stubinm:
es macht ung darauf aufmerfam, daf es noch andere Möglichkeiten
pſychiſchen Geſchehens giebt, als die uns gerade naheliegenden, und
Zeitſchrift für vergleichende iteraturgeſchichte Neue Molge 9, 152.
‘18 H. Rocttefen, Bemerkungen zur Methode der Yitteraturgefchichte.
als segelgerte. Zum Abjchiede geben wir ihm, damit fein einziges
Mißverſtändnis die Erinnerung an uns trübe, die Verficherung, daß
wir fir Lachmanns Größe eine mindeſtens ebenjo lebhafte Empfindung
befigen wie er felbjt. And nun wünſchen wir ihm heiles ze siner
verte!
Einige Bemerkungen zur Weihode der
Litteraturgeſchichte.
Mit Befonderer Berückſichtigung der Fentheſiſea“.
Bon Hubert Nocttefen in Würzburg.
Gegen meinen Auflat „Nochmals Penthejilea” ') wendet fid)
Niejahr im dritten Bande des Euphorion mit einer längeren Er-
widerung und zwingt dadurd auch mic), nochinals das Wort zur
Sache zu nehmen. Der Schwerpunft unjerer Polemik liegt nicht in
der verjchiedenen Auffaffuung der Einzelheiten, jondern in der Ver—
ichiedenheit unjerer prinzipiellen Anjichten. Prinzipielle Erörterungen
hatte ich jchon in der angeführten Arbeit gebracht und bei Niejahr
nehmen fie einen großen Raum ein; jo mag denn diesmal gleich mit
ihnen begonnen werden.
Niejahr giebt zu, dan der Philologe jich bei allen feinen Opera
tionen von einer „gründlichen und lebendigen Vertrautheit mit der
Natur des menichlicdyen Herzens. mit den Geſetzen der menſchlichen
Seele” leiten lafjen müſſe und daß dieje Kenntnis zu erwerben das
theoretiiche Studium der Piychologie von großem Nugen fei; für
notwendig hält er cs alſo nicht, und aud) die „allgemeine, wenn
auch nicht ſyſtematiſche Vertrautheit mit den Geſetzen des Seelen:
lebens, insbejondere nit dem Weſen der TVichternatur*, die er auf
S. 691 zur Erforfhung der Tuellen und Xorbilder, der äußeren
und inneren Entftehungabedingungen einer Dichtung für notwendig
ertlärt, ſoll man fid) nad) ihm offenbar ohne ein eigentliches piycho-
logiiches Studium erwerben können. Wenn cr außerdem ftarf betont,
dag man durch das bloße theoretische Studium fein praftifcher
Seelentundiger werden könne, jondern daß hierzu eine angeborene
Gabe gehöre, jo iſt dies natürlich vollfommen richtig; ich habe auch
nirgends dag Gegenteil behauptet, und Wetz hat neuerdingd auf
1; geitfchrift für vergleichende Yitteraturgeichichte. Reue Folge 8, 24.
9. Roetteten, Bemerkungen zur Methode ber Litteraturgeſchichte 719
die Bedeutung der piychologiihen Intuition nachdrücklich hin—
gewiejen.t)
Es ift aljo die Frage zu unterſuchen, wie weit unfere an-
geborene Gabe etwa in Verbindung mit einigen ohne eigentliches
Studiun der Pjychologie gewonnenen allgemeinen Kenntniffen für die
Probleme unferer Wiſſenſchaft ausreicht. Niejahr führt zunächſt den
Dichter an als ein Beifpiel, wie jemand fi) auf die menſchliche
Seele verftehen könne, ohne daß er theoretijch ein einziges ihrer Ge—
jege zu wifjen brauche; aber er jelbft ſchwächt die Beweiskraft diejes
Beiſpiels einigermaßen ab, wenn er auf ©. 691 in einer durchaus
pſychologiſchen Frage einem der größten Dichter, Goethe, ſcharf
widerfpricht und über die betreffende Sache auf Grund „unwider⸗
fegbarer Zhatjachen“, das heißt anf Grund wiſſenſchaftlicher Er—
fenntnis, mehr zu willen behauptet als Goethe. Freilich ift es eine
Frage, über die diejer jid) als Theoretifer geäußert hat. Auf jeinem
eigentlichen Arbeitsfelde fteht der Dichter zu diefen Dingen ganz
anders als wir. Er zeigt jein pfychologiiches Verftändnis darin,
daß er Geftalten ſchafft — und damit ift auch die Umkehrung diejes
Satzes gegeben: er jchafft nur ſolche Geſtalten, die er verfteht, folche
aber, die jeinem naiven Verftändnis unzugänglich jein würden, läßt
er ungeichaffen oder darf es wenigftens. Wir dagegen fönnen eine
folhe Auswahl nicht vornehmen: uns fteht die ganze Meihe von
Figuren, Situationen, einzelnen pſychiſchen Momenten, feien es
Naturprodukte oder Produkte einer fremden Phantajie, einfach gegen-
über und alle follen wir recht verjtehen.
Als Mittel für ein folches Verſtändnis haben wir num eine
gewiffe naive Pſychologie, die jeder von uns im ſich vorfindet. Näher
betrachtet jegt fie ſich aus zwei Faktoren zuſammen, die wir im
einzelnen unterjuchen müffen. Der erfte diejer Faltoren ift die itte
ftinftive Fähigkeit, fremdes Seelenleben in uns machzuerleben, und
zwar beſitzen wir dieje Fähigkeit normalerweife in recht hohem
Grade. Indeſſen fie verbirgt uns feineswegs, dag wir den fremden
Charafter, den wir nachzuerleben glauben, auch richtig nacherleben.
Abgejehen von jpäter zu erörternden Störungen: gar zu jehr find
wir geneigt, mit der gewöhnlichen Art, wie fid) in uns die piychiichen
Vorgänge vollzichen, auch den fremden Charakter aufzufafjen und
jo entweder das Freinde zu fülſchen oder, wo wir erfennen, daß c&
ich unferer gewohnten Art nicht fügt, es als ummatürlich zu bes
zeichnen. Gegen dieje Gefahren ſchützt uns das theoretiiche Studium:
es macht ung darauf aufmerffam, daf es nod) andere Möglichkeiten
riychiichen Geichehens giebt, als die ums gerade naheliegenden, und
Zeitfchrift für vergleichende Pitteraturgefchichte, Neue folge 9, 152.
1720 9. Noettefen, Bemerbungen zur Dierbode der Litteraturgeichichte.
wir werden, wenn wir diete Möglichkeit fennen, weniger leicht et
waige Merkmale, die auf fie hinweiſen, überjehen. Unſere inſtinktive
‚sähigfeit des Nacherlebens wird dadurd) keineswegs außer Dienit ge
jtellt, e$ werden nur durch die theoretiiche Ausbildung noch andere
Formen dieſes Nacherlebens ausgelöft und verwertet, als ohne die
theoretijche Durchbildung einzutreten geneigt find. Allerdings giebt
es Fälle, wo die Fähigkeit nachzuerleben überhaupt verjagt: darüber
werde ich noch weiter unten jprechen.
Auch in anderer Weije it das bloge injtinftive Nacherleben
ungenügend: es täuſcht uns oft den Schein einer Erfenntnis vor,
wo feine vorhanden ift. Ich habe auf diejen Punkt jchon in einer
Necenfion über Herders Yeben von Kühnemann aufmerkſam gemadht:!)
ich will noch hinweiſen auf Zimmels Bud) über die Probleme der
(Heichichtsphilojophie S. 7 ff., wo interejjante Beifpiele beigebradht
und fchrreid) erörtert jind. Als Regel für die praftiiche Arbeit ergiebt
fi), daß wir uns nie damit begnügen dürfen, einen pipchologiichen
BZujamenhang nur auf Grund unſeres Nacherlebene zu fonftatieren,
fondern dap wir ſtets aus umjerem Urteil über einen foldhen Zu—
lanımenhang den Tberjaß herausanalyjieren und auf jeine Allgemein:
giltigfeit prüfen müſſen. Wenn ich die Biographie eines Mannes
erforjche, wen ich dabei auf ein Wichtiges Erlebnis ſtoße, und bald
darauf Spuren irgend eier inneren Anderung des Betreffenden
finde, jo bin id) geneigt, dieje Anderung auf jenes Erlebnis zurüd-
zuführen und wenn es mir gelingt, die jo vorausgejegte Entwicklung
innerlich nachzuerleben, ericheint fie mir als ganz ſelbſtverſtändlich
und ic) glaube zumächit eine völlig ausreichende Erflärung jener
Anderung in der Hand zu Haben. Zude ih mir nun aber den
Oberjag zu fornmlieren, etwa in der ‚yorm: Leder Menſch, dem
das und Das pailiert, muß jich jo und jo entwideln, jo werde ich
jtußen und in Zweifel geraten, ob das denn auch wahr jei, und
werde mich in vielen Fällen gedräugt fühlen, den allgemeinen Sag
einzujchränfen und bejtinmmte Bedingungen aufzuitellen, unter denen
jene Wirkung eintritt, einen bejtimmten Charakter zu fonjtruieren,
mit dem mein Held in das Erlebnis hineingeht und auf den es
eben dieje Wirkung hat. Diejer beitimmte Charakter war allerdings
in meinem injtinftiven Verſtändnis aud) vorhanden, denn nur, indem
ich eben diefen Charakter in mir erlebte, fonnte ich jene Entwidlung
mit diurchmachen, aber das fam mir nicht zum Bewußtſein und ich
begnügte mich mit einer ‚yormulierung, die wir allgemein giltige
Ertenntnis zu jein ſchien umd die doch hierfür viel zu allge:
mein ar.
u
1, Jeitichrift filr vergleichende Yırteraturgeichichte. Neue Folge 11, 111 ff.
9. Nocttelen, Bemerkungen zur Methode der Litteraturgefdjichte. 721
Weiter: es giebt wie gejagt Fälle, wo unfer inftinktives Nadı-
erleben überhaupt verjagt. Nacherfeben können wir nur Vorgänge
und Zuftände, die fi in eimem Bewußtſein abjpielen, und zwar
in einem ſolchen, das in feinem ganzen Habitus nicht allzuweit
unter dem unfrigen fteht: was zum Beifpiel in einem wenige Monate
alten Kinde piychiich vorgeht, dürfte recht ſchwer nachzuleben jein.
Die Vorgänge in einem dem umjeren ähnlichen Bewußtjein find
unferen Nacherfeben erjchloffen, abgejehen von manchen pathologijchen
Zuftänden; aber das Nadjerleben hört jofort auf, wenn Theile des
Vorganges außerhalb des Bewußtſeins ſich abipielen. Eine der uns
geläufigiten piychiichen Thatſachen ift es, daß Menjchen gelegentlich
früher Gewußtes vergefjen, und doch kann den Vorgang, der jic da
vollzieht, niemals jemand nacherleben und wir würden durch unſere
bloße piychologiiche Intuition, und ſei es die geniaffte, niemals
darauf kommen, daß ein jolcher Hergang möglich ift; nur die täg-
liche Erfahrung überzeugt uns von jeiner Wirklichkeit. Scherer hat
einen nicht unbeträchtfichen Teil jeiner Forſchung auf folgende Er-
wägung geftügt: Alle ähnlichen Vorftellungen finden ſich zufammen
in der Seele des Menfchen, fie verfetten ſich untereinander, fie ver-
ftärfen fich gegenfeitig. Wenn ein Dichter eine Begebenheit darjtellt,
fo wirken alle Begebenheiten ähnlicher Art, die er jemals erlebt, von
denen er jemals gelejen. — Nun giebt es ja Fälle, wo ein Dichter
mit vollem Bewußtſein mehrere Vorftellungen zu eimer neuen fonı-
biniert, und diefe Fälle find natürlich nachzuerleben; wo aber jene
Verfnüpfung und Verfchmelzung fich ohne Abficht und Bewußtjein
vollzieht, da ift von Nacherleben feine Rede, und da der angeführte
Sag ſich ja auch auf diefe Fälle beziehen joll, jo ift er im feiner
Allgemeinheit niemals durch die pſichologiſche Intuition zu fajien,
jondern er ift lediglich durch theoretiiche Meflerion gewonnen, umd
nicht irgend ein genialer pfychologiicher Inſtinkt, jondern nur eine
Kritik der Grundlagen, von denen man bei feiner Aufftellung aus-
ging, und des logijchen Verfahrens, das man dabei einjchlug, fann
über feine Nichtigfeit entjcheiden. Auch Niejahr jest die Unzuläng-
lichkeit des pſychologiſchen Juſtintts Für ſolche Fragen voraus, wenn
er, worauf ich oben ſchon hinwies, Goethe im betreif der Forichung
nad) den Vorbildern wiberjpricht. — Eine gewiſſe Rolle fan unfer
Nacherleben allerdings auch bei jolhen Fällen fpielen, denen es ganz
nicht gerecht zu werden vermag. Wenn es ſich zum Beiſpiel mm
Erinnerungstänfhungen handelt, die unter dem Cinfluß einer
Stimmung zu Stande gefommen find, jo kann id) die Stimmung,
und die in Betracht fommenden Borftellungen reproduzieren, fan
diefe an der Stimmung meſſen umd fejtitellen, daß die eine befjer
zu ihr paßt, als die andere; daß aber diejes beſſer paſſen dahin
= m zu
722 5. Roettefen, Bemerlungen zur Merhode der Yitteraturgefchichte.
führen fann, daß die eine Vorjtellung in meiner Erimmerung an
die Stelle der anderen tritt, dag entzieht fich meinem Nacherleben
durchaus.
In dem letzten Abſchnitt iſt nun ſchon eine der Quellen erwähnt,
aus denen der zweite Faktor unſerer naiven Pſychologie fließt: Wir
machen an uns und anderen gewiſſe Erfahrungen. Außerdem wird
uns eine ganze Menge pſychologiſchen Stoffes in der Schule, durch
Lektüre, durch Geſpräche überliefert und unwillkürlich wird auch
unſere Reflexion über dieſe Dinge angeregt. Auf dieſe Weiſe bildet
ſich bei den meiſten Menſchen ein Sammelſurium von pſychologiſchen
Anſichten, die ihnen ſo ſelbſtverſtändlich ſcheinen, wie eben dem
naiven Menſchen derartige Anſichten zu ſcheinen pflegen, die er
eines ſchönen Tages in ſich vorfindet, ohne zu wiſſen wie ſie ent—
ſtanden ſind. Und dieſer zweite Faktor unſerer naiven Pſychologie
ſpielt keineswegs eine unbedeutende Rolle. Unſer inſtinktives Nach⸗
erleben läßt ſich beeinflußen durch theoretiſche Anſichten, durch falſche
natürlich ebenſo wie durch richtige, von denen ich es oben aus—
eintanderjegte, und öfters kann das Urtheil auf Grund derartiger
Anjichten geradezu an, die Stelle eines joldyen Nacherlebens treten
und doch mit derjelben llberzeugungsfraft ſich geltend machen, weil
dem betreffenden eben die in Frage kommende Anficht als jelbft-
verftändlich gilt. Oft genug, wenn das Urteil fällt: das ijt piychos
logiicy unmöglich, mag es beruhen nicht auf einem ernfthaft gemachten
und gejcheiterten Verſuch inneren Nacherlebens, jondern auf einer
nun einmal vorhandenen piycdhologiichen Meinung.
Ron wie zweifelhafter Güte diejer zweite ‚Faktor unjerer naiven
Pſychologie ift, braucht fanm weiter nachgewiejen zu werden. Nur
auf einen Punkt will ich hinweiſen, dan nämlich jehr häufig einzelne
fih unſerer Aufmerkſamkeit ſtart aufdrängende Vorgänge unſeres
Inneren uns ein Muſter abgeben, nach dem dann fälſchlich andere
weniger leicht durchſchaubare piychiicdhe Ereigniſſe aufgefaßt werben.
Wolff Fonjtruierte faſt alle Noritellungsbewegungen amd jogar die
Entſtehung der Gefühle nah dem Muſter des Logitchen Schluffeg,
und diete und ähnliche Neigungen, in der Wiflenichaft mühſam über:
wunden, ſpuken in unjerer naiven Piychologie noch heute.
Ich Falle alio meine Anficht folgendermaßen zujammen. Die
‚Fähigkeit, fremde Scelenzuftände nachzuerleben, ift von größter Wichtig»
feit, und wer ſie im geringem Maße befikt, dem bietet für viele
Fälle das theoretiiche Ztudium feinen Erjag, denn es ift der Theorie
nicht möglich, jedes Ausdrucksmittel einer Stimmung zu verzeichnen
oder jede mögliche Miſchung von Eigenſchaften in einem Charakter
und die ſich daraus in einem beftimmten ‚Falle ergebenden Stimmungen,
Willensentſchlüſſe u. ſ. w. zu beſchreiben; legteres kann fie fchon
9. Roetteten, Bemertungen zur Methode der Litteraturgejchichte. 725
deshalb nicht, weil jie fein Intenſitütsmaß für diefe Dinge befigt,
Wer aljo nicht fähig it, dem Worte jeinen Stimmungsgehalt a
zufühlen oder das Durdeinanderwogen von Gefühlen und Willens-
antrieben in ſich nachzuerleben, der wird vielen Problemen unferer
Wiffenjchaft hilflos gegenüberſtehen. Und auch da, wo das Nadj-
erleben völlig verjagt und wir nur durch die Mittel der theoretichen
Piychologie weiterfommen, ijt eine angeborene Anlage zu folder
Arbeit natürlich unumgänglich: ebenfowenig wie jemand, der feine
Augen hat, auf dem Gebiete der mikroſtopiſchen Anatomie arbeiten
kann, vermag einer, der etwa eine BVorftellungsgenppe in ihren Be:
ftandteilen und ihrem Zuſammenhange nicht ſcharf auffafjen fann,
mit den Lehren der theoretijchen Piychologie etwas anfzufangen. Aber
die angeborene Anlage, ſich ſelbſt überlaffen, reicht in feiner Weije
aus, fondern fie mu überall fontrolliert und ergänzt werden durd)
das theoretifhe Studium. Umd zwar muß diejes ein möglichft gründ-
liches fein: die verschiedenen pfychologiſchen Möglichkeiten müffen ung
wirklich vertraut werden, jo daß fie uns auch im rechten Augenblick
einfallen, wir müſſen die nötige Kritik gewinnen, nm uns nicht von
unferer angeborenen Neigung zum Nationalismus und von herfönm-
lichen Vorurteilen überrumpeln zu lajfen. Denn wir wollen dod)
den Problemen, die ſich ums bieten, joweit gerecht werden, als es
uns möglich ift, und wollen unſere Erkenntnis fo ſicher fielen, wie
wir irgend können.
Nun noch ein Wort von der Piyciatrie. Niejahr führt unfere
Empfehlung piychiatrijcher Studien auf den angeblid) bei uns herr-
fchenden Gedanfen zurüd, daß „die Dichter jelten ganz mormale
Menſchen ſeien“, und glaubt fie erledigt zu haben mit der Frage:
„Welche pſychiſchen Diagnojen find hier zu ftellen? Hat der Litterar-
hiftorifer es mit den Aufßerungen halb verrlidter, erblich belafteter
Individuen zu thun?“
In Niejahrs Arbeit hat man nicht ganz jelten Beranfaffung,
über die eigentümliche Sorglofigfeit zu jtaunen, mit der er fremde
Anfichten wiedergiebt. Ich werde mehrfad, Gelegenheit haben, auf
derartige Fälle hinzumweijen, und auch hier liegt ein jolcher vor. Wir
haben nirgends behauptet, daß die Dichter jelten vs normale
Menſchen find und wir haben keineswegs die Piychiatrie nur deshalb
empfohlen, damit der Litterarhiftorifer anormalen Dichtern gerecht
werden könne; jondern wir haben fie vor allem deshalb empfohlen,
weil ihre Kenntnis für das Studium der normalen Piychologie von
großem Nugen ijt. Wet begründet feinen Vorfchlag, dem jungen
Litterarhiftorifer in die pfychtatrifche Mlinit zu ſchiden, mit der
merfung, daß er hier bei der Beobachtung franfer Seelenzuftände
tiefere Blice in das normale Seelenleben thun könne, Ich habe den
Guphorion IV. AT
122 H. Roctteten, Bemerkungen zur Methode dev Vitteraturgeichichte.
führen fanı, daß die eine Lorjtellung in meiner Erimmerung an
die Stelle der anderen tritt, dag entzieht ſich meinem Nacherleben
durchaus.
In dem legten Abfchnitt ift nun jchon eine der Quellen erwähnt,
ans denen der zweite Faktor unferer naiven Piychologie fließt: Wir
machen an uns und anderen gewilje Erfahrungen. Außerden wird
uns eine ganze Menge piychologiichen Stoffes in der Schule, durch
Lektüre, durch Geſpräche überliefert und unmillfürlid) wird auch
unfere Neflerion über dieſe Tinge angeregt. Auf diefe Weife bildet
jich bei den meijten Menſchen ein Zammeljurium von piychologiichen
Anfichten, die ihnen ſo ſelbſtverſtändlich jcheinen, wie cben bem
naiven Menſchen derartige Anjichten zu fcheinen pflegen, die cr
eines Ichönen Tages in fich vorfindet, ohne zu wiffen wie fie ent:
jtauden find. Und diejer zweite Faktor unjerer naiven Pſychologie
jpielt keineswegs cine unbedeutende Rolle. Unſer inftinftives Nach»
erleben läßt ſich beeinflupen durch theoretiiche Anfichten, durch falſche
natürlich ebenjo wie durch richtige, von denen ich es oben aus⸗
eintanderjegte, und öfters kann das Urtheil auf Grund derartiger
Anjichten geradezu an, die Stelle eines ſolchen Nacherlebens treten
und doc mit derjelben UÜberzeugungskraft fich geltend machen, weil
dem betreffenden eben die in Frage kommende Anficht als ſelbſt⸗
verftändlic gilt. Oft genug, wenn das Urteil fällt: das iſt piycho-
logiich unmöglich, mag es beruhen nicht auf einem ernfthaft gemachten
und gejcheiterten Verſuch inneren Nacherlebens, jondern auf einer
num einmal vorhandenen piychologiihen Meinung.
Non wie zweifelhafter Güte diejer zweite ‚Faktor unſerer naiven
Piychologie ift, braucht kaum weiter nachaewicjen zu werden. Nur
anf einen Punkt will ich hinweiſen, dar nämlich jchr häufig einzelne
fi) unſerer Aufmerkſamkeit jtart aufdrängende Vorgänge unferes
Inneren uns ein Muſter abgeben, nah dem dann fälichlich andere
weniger leicht durchſchaubare pſychiſche Ereigniffe aufgefapt werden.
Wolff fonftruierte fait alte Norftellungsbewegungen und ſogar bie
Entitchung der Gefühle mac dem Muſter des logiichen Schluffes,
und dieje und ähnliche Neigungen, in der Wiſſenſchaft mühſam über:
wunden, ſpuken in unſerer naiven Pſychologie noch heute.
Ich Falle alſo meine Anficht folgendermaßen zuiammen. Die
‚Fähigkeit, fremde Seelenzuftände nachzuerleben, ift von grönter Wichtig»
keit, umd wer jie im geringem Maße bejigt, dem bietet für viele
Fälle das theoretiſche Stndium feinen Erſatz, denn es ift der Theorie
nicht möglich, jedes Ausdrudsmittel einer Stimmung zu verzeichnen
oder jede mögliche Miſchung von Gigenichaften in eincn Charakter
und die jich daraus in einem beftimmten ‚Falle ergebenden Stimmungen,
Willenseutſchlüſſe u. ſ. w. zu beichreiben; letzteres kann fie fchon
9. Roettelen, Bemerkungen zum Methode der Litteraturgefchichte. 724
deshalb nicht, weil jie fein Antenfitätsmaß für diefe Dinge befist.
Wer aljo nicht jühig it, dem Worte jeinen Stimmungsgehalt an-
zufühlen oder das Durceinanderwogen von Gefühlen und Willens-
antrieben in ſich nachzuerleben, der wird vielen Problemen unjerer
Wiſſenſchaft hilflos gegemüberftehen. Und aud) da, wo das Nach—
erfeben völlig verjagt und wir nur durch die Mittel der theoretifchen
Piyhologie weiterfommen, it eine angeborene Anlage zu folder
Arbeit natürlich unumgänglid: ebenfowenig wie jemand, der feine
Augen hat, auf dem Gebiete der mikroſtopiſchen Anatomie arbeiten
fann, vermag einer, der etwa eine Vorftellungsgruppe in ihren Bes
ftandteilen und ihrem Zufammenhange nicht jcharf auffafjen fan,
mit den Lehren der theoretijchen Piychologie etwas aufzufangen, Aber
die angeborene Anlage, ſich ſelbſt berlaffen, reicht in feiner Weije
aus, fondern fie mun überall fontrolliert umd ergänzt werden durch
das theoretifche Studium. Und zwar muß diefes ein möglichit gründ-
fiches fein: die verſchiedenen piychologijchen Möglichkeiten müffen uns
wirklich vertraut werden, jo daß fie uns auch im rechten Augenblicd
einfallen, wir müfjen die nötige Kritif gewinnen, um uns nicht von
unferer angeborenen Neigung zum Nationalismus umd von herfönm-
lichen Vorurteilen überrumpeln zu laſſen. Denn wir wollen doch
den Problemen, die ſich uns bieten, ſoweit gerecht werben, als es
uns möglich ift, und wollen unfere Erkenntnis fo ficher ftellen, wie
wir irgend fünnen.
Nun nod) ein Wort von der Piychiatrie. Niejahr führt unfere
Empfehlung piychiatrijcher Studien auf den angeblid; bei uns herr»
fchenden Gedanfen zurüd, daß „die Dichter jelten ganz normale
Menſchen feien", und glaubt fie erledigt zu haben mit der frage:
„Welche pſychiſchen Diagnojen find hier zu ftellen? Hat der Litterar-
hiftorifer es mit den Außerumgen halb verrüctter, erblich belafteter
Individuen zu thum?“
In Niejahrs Arbeit hat man nicht ganz jelten VBeranlafjung,
über die eigentümliche Sorglofigfeit zu Itaumen, mit ber er fremde
Anfichten wiedergiebt. ch werde mehrfach Gelegenheit haben, auf
derartige Fälle hinzuwetjen, und aud) hier liegt ein folder vor, Wir
haben nirgends behauptet, daß die Dichter jelten ganz normale
Menſchen find und wir haben feineswegs die Piychiatrie nur deshalb
empfohlen, damit der Litterarhiftorifer anormalen Dichtern gerecht
werden könne; jondern wir haben fie vor allem deshalb empfohlen,
weil ihre Kenntnis für das Studium der normalen Biycologie von
großem Nugen it. Wet begrümdet jeinen Vorfchlag, den jungen
Litterarhiftorifer in die piydjiatriiche limit zu fchieten, mit der Ber
merkung, dan er hier bei der Beobachtung franfer Scelenzuftände
tiefere Blicke in das normale Seelenleben thun könne. Ich habe den
Suphorion IV. #4
124 H. Kocttefen, Bemerkungen zur Methode der Yirteraturgejchichte.
Wert piychiatriicher Studien in dem von Niejahr angegriffenen Auf:
aß jo ausführlicd, erörtert, dan ich meine Bemerkungen bier nicht
wiederholen mag; erjt an dritter Stelle nenne ich den Nugen, den
pinchiatriiche Studien direkt für das Verſtändnis einzelner Ber:
jönlichfeiten haben Fünnen. -Diejer Nuten bejteht nun auch, troß
Niejahrs entrüfteter Frage; denn dieje Frage muß ja natürlid) dahin
beantwortet werden, daß zwar die Tichter keineswegs in der Negel
„halbverrüdte, erblich belaſtete Individuen“ jind, dar es aber in
der That Fälle giebt, wo die Yirteraturgeichichte es mit Außerungen
franfhaft disponierter Individnen zu thun hat. Der junge Tied zum
Beiipiel war ein jolches, und Haym ſprach ausdrüdlid von einer
Krankheit jeiner Zcele, die er Trübſinn, hypochondriſche Angft nennt.
Ob dieſer Name zurecht beiteht, mag hier dahin gejtellt bleiben. Es
it vom Yitterarhiftorifer nicht zu verlangen, daß er in folchen
Fällen immer eine bejtimmte Tiagnoje ausipricht — etwas, das
bei hiltoriichem Weaterial unter Umitänden äußerſt jchwierig fein
kann; aber joweit mindeltens muß er vertraut jein mit anormalen
pipchiichen Zuſtänden, dan er ſie, wo er jie findet, als anormal
erfeunt und beſchreibt und nicht verjucht, fie in irgend ein Schema
jeiner normalen Piychologie einzuzwängen. Diejer Gefahr ift wohl
auch Haym bei jeiner Behandlung des jungen Tieck nicht ganz ent»
gangen. Daß im übrigen gerade ic) ganz gewiß nicht einem wilden
Daranflosdiagnoftizieren das Wort rede, dafür darf ich mich wohl
auf die einleitenden Bemerkungen in meinem erjten Pentheſilea⸗
Aufſatz! berufen.
(Sehen wir nun zu der jpeziellen Frage über, wie weit jidh
Widerſprüche verwerten lajlen für die Z3wecke der höheren Kritif.
Niejahr behauptet zwar S. 658, es jei ein armjeliger Standpunkt,
wenn die Gegner der Kritit ihre Angriffe fait ausjchlieglid) gegen
den einen Punkt der Wideriprüche richteten, und er rechnet mich
S. 653 ausdrüdlih zu den Gegnern der fritiidhen Forſchungs⸗
methode, jo daR dieſes Verdammungsurteil auch für mid, Giltigfeit
haben joll. Indes das jchreft mich nicht. Denn einerjeits bat
Niejahr auf S. 677 jelbit erklärt, dan als ein Hauptmittel zur
Yöjung der kritiſchen Frage von jeher die Prüfung und Verwertun
der formalen und inhaltlichen Widerſprüche gegolten habe und ba
cs daher natürlid) jei, wenn die Gegner der Kritif immer wieder
gerade dieſen Punkt zum Ziele ihrer Augriffe machten, wodurd er
aljo doch die Gegner der Kritik gegen jein eigenes ſpäteres Urteil
verteidigt; und andererſeits iſt es gar nicht richtig, daR ich ber
Kritif überhaupt den Krieg erflärt habe, jondern ich habe in meinem
ZJeitſchrift fiir vergleichende Yitteraturgefchichte. Neue Folge 7, 28 fi.
5. Roeitelen, Bemertungen zur Methode der Litteraturgeichichte, 725
Aufſatz nur die Prinzipien geprüft, mad) denen Niejahr feine Kritik
der Penthejilen vorgenommen hatte, und da er dabei lediglich mit
Widerfprüchen operiert, jo war es jelbftverftändlich, daß aud) id)
mich im meinem Aufſatz auf die Frage bejchränfte, wie weit die
höhere Kritik ſich auf Widerjprüche ftügen kann. Ich habe auch jetzt
feine Veranlaffung, über diejes Thema hinauszugehen.
Jede Dichtung giebt ſich zunächſt als Einheit aus, und ganz
bejonders iſt das natürlich der Fall bei Dichtungen, von denen wir
wiffen, daß ein einziger Dichter fie verfaßt hat.') Die Annahme, daß
eine ſolche Dichtung wirflich einheitlich jei, muß daher immer den
Ausgangspunkt unjeres Verfahrens bilden und darf nicht ohme Not
verlaffen werden. Wo wir aljo Widerfprüche zu finden meinen, da
ift es unbedingt mötig, zunächſt einmal herumzuſuchen nad) einer
Auffaſſung, von der aus das ſcheinbar Widerjprechende ſich zu einem
widerjpruchslojen Ganzen zufammenjchlieft. Kommen wir dabei auf
eine Auffaffung, die mit unferen Anjichten über die Möglichkeit oder
Wahrjcheinlichfeit des Gejchehens nicht wohl verträglich ift, jo ift
auch damit die Sache nicht erledigt, fondern es ift zu unterfuchen,
ob nicht der Dichter das für durdans möglich umd natürlich ge-
halten hat, was uns unmöglid, und unnatürlich erſcheint. Niejahr
meint allerdings, es jei piychologiicher, den Urjprung nicht zuſammen⸗
ſtimmender Elemente aus der Annahme zu erklären, der Dichter habe
jeinen anfänglichen Plan geändert, als beweifen zu wollen, es ſei,
was aller Welt als Widerſpruch erſcheinen muß, für ihn ein folder
nicht gewejen. Nun giebt es ganz gewiß Fälle, wo wir ohne weiteres
überzeugt ſein fünnen, daß der Dichter über die Möglichkeit einer
Sache nicht anders geurteilt hahen fann als wir: daft 2X 2—=5
jei, wird wohl nod feiner geglaubt haben. Aber in ſehr vielen
anderen Fällen ift der Kritifer feineswegs berechtigt, ſeine Anficht
ohne weiteres als für jedermann maßgebend zu betrachten: zeigt ja
doc) gerade unfere Diskuffion, da zwei Kritiker über die Möglichteit
derjelben Sache völlig verſchiedener Meinung fein fönnen. Niejahr
hält es zum Beiſpiel fir" unmöglich oder wenigjtens höchſt unwahr⸗
ſcheinlich, daß Achilles, wenn er Pentheftleas Name und Stand ſchon
kenne, doc) die Frage an fie richten jollte: „Wer bijt Du, wie nenn
id) Dich, wenn meine eigne Seele fi), die entzüicte, fragt, wen fie ger
hört?“ Nur ein myſtiſcher Grübler, meint —— fönne unter ſol
Frage das verftehen, was ic darunter verftanden glaube, nämlich
Erfundigung nad) dem Weſen und einer Bezeichnung, bie diefes Weſen
ansdrüdt. Ich leugne, daf man ein mpftiicher Grübfer jeim müle,
um die Frage in diefem Sinne zu meinen, Niejahrs Anſicht über
) Nur von diefen ſoll in folgenden die Rede fein.
47*
7206 H. Roettelen, Bemerkungen zur Merhode der Yitteraturgeichichte.
diejen Punkt iſt alto durchaus nicht die Anficht von aller Welt, und
wenn man jchon mit der Möglichkeit redynen muß, daß der Dichter
iiber diefes und jenes jeine ganz beionderen Privatanfichten hat, To
würde in dieſem jpeziellen Falle die MWahrjcheinlichkeit, dag Kleiſt
der Anficht Niejahrs geweſen jei, ganz gewiß um nichts größer fein
als die, day er meiner Anjicht gewejen wäre. Vielleicht erjcheint auch
meine Anficdyt Niejahr nicht mehr jo ganz abjurd, wenn ich ihm
noch einen Zeugen dafür anführe: wenigitens für die Frage: Wer
jeid Ihr? in einer ganz ähnlichen Zituation wie der des Achilles
ift mir fürzlid) aus unjerer neueſten Yitteratur ein Beleg aufgeftopen.
Frangipani in Wildenbruchs „Kaiſer Heinrich“ ift gewiß fein myſti—
ſcher Grübler und doc fragt er am Schlufie des 3. Auftritte
Heinrich V., von dem er ganz genau wein, daß er Kaiſer Heinrichs
zweiter Zohn iſt: „Wer jeid Ihr“, und die Kaijerin Praredis, die
die Frage aufgreift, jtellt fie dam in einer aud) für Niejahr nicht
mehr mißzuverjtehenden Weije: „Laßt mich endlid) einmal wiffen,
wer und was Ihr eigentlich ſeid.“ Alſo nicht nur ich, jondern auch
Mildenbrud) hat eine jolche Frage: „Wer jeid Ihr“ an einen
Menichen, dejien Name und Stand man fennt, aus dem man aber
jonft nicht Eng zu werden vermag, für ganz natürlid) gehalten.
Ich will dieje Ipezielle Zache bier gleid) erledigen. Niejahr führt
in ſeinem Auflag auch einiges au, das beweilen joll, daß in der
That Kleijt nur jeine Auffaſſung gehabt haben kann. Indes das
reicht nicht weit. Wie Penthejilea die Frage des Achilles auffaßt,
entjcheidet nichts. ‚Fiir jie liegt es natürlich am nächiten, fie fo auf-
zufaffen, wie fie es thut, denn fie wird ich ſchwerlich darüber Ge:
danfen gemacht haben, wie umnbegreiflich ſie für Achilles if. Daß
Achilles mit ihrer Antivort zufrieden sei, iſt falſch: nur für einen
Deoment läßt er von jener Frage ab, aber Vers 1861 fchon, als
die Königin fich hinmegbegeben will, fommt er darauf zurüd, daß
er „vieler Wunder Aufſchluß“ von ihr verlange. Niejahr vermweift mich
auf Vers 1754 ff., wo id) lernen könne, wie Kleiſt jeine Perſonen
in einer Stimmung, wie jie mir vorichwebe, handeln laffe: da möchte
Pentheſilea fait zweifeln, ob wirklich Achilles ihr gegeniiberftehe, aber
jo verwirrt jei jie doch nicht, dan jie über diefem Staunen Namen
und Perſon vergäße. Tan Niejahr hier von einem Vergeſſen ſpricht,
beweijt nur, dan er dod meine Auffalfung nicht recht verftanden
hat, denn ich habe von einem jolchen Vergeſſen bei Achille® gar nichts
gejagt, ſondern nachzuweiſen gejucht, dan Achilles jeine Frage thun
kann, ohne Pentheſileas Name und Perſon vergefien zu haben. Im
übrigen ift Penthefilca für Achilles wirklich unbegreiflicher als er
für sie, wie wohl nicht näher ausgeführt zu werden braucht: und
schlientich, jelbit wenn das nicht der ‚Fall wäre, ift es doch nicht
9. Rocttefen, Bemerkungen zur Methode der Fitteraturgefchichte. 7127
nötig, daß zwei Perfonen eines Dichters in ähnlicher Situation
genau_diefelben Worte brauchen. Die Parallele bringt mich alſo nicht
zum Schweigen, und wenn ich mir den Vers 2031 anfehe, wo dem
Adjilles in feinem Staunen über all das, was er hört, die Worte
entfallen: „Ich dachte eben, ob Du mir aus dem Monde nieder
ſtiegſt — wenn ich jehe, wie eng die Frage im Vers 1811 mit der
Anrede „Du Unbegreifliche” und ſchon vorher Vers 1774 mit der
Anrede „Wunderbares Weib“ verbunden ift, fo befejtigt ſich der
Eindrud immer mehr in mir, daß Kleiſt die Worte ebenjo ver-
itanden hat wie ich, der ich fie natürlich und jchön finde. Noch
weiter beweijen fann ich es freilich nicht.
Erft wenn es aljo feititeht, daß die Widerjprüche auch vom
Standpunft des Dichters aus ſolche find, erhebt ſich die Frage: wie
ift ihre Entftehung zu erflären? Zu meinen Erörterungen über die
verjciedenen Möglichkeiten, wie fie aud bei ununterbrochenem Ars
beiten entftehen fönnen, möchte ich zunächft noch eine Außerung
Goethes nachtragen, die mir damals nicht gegenwärtig war und auf
die ich inzwifchen von befreundeter Seite aufmerkſam gemacht worden
bin. Goethe zeigt Edermann, wie diefer vom 18. April 1827) be
richtet, eine Radierung von Rubens, in der die Gegenftände nicht
von einer Seite beleuchtet find, obgleich nur eine Lichtquelle vor⸗
handen ift: der eine wirft feinen Schatten nad) diefer Seite, der
andere nad) jener, wie es den Zwecken künſtleriſcher Wirkung entjpricht.
Auf Edermanns Frage, ob dergleichen Fälle auch in der Fitteratur
vorkommen, antwortet Goethe: „Da brauchten wir nicht eben weit
zu gehen, ich fünnte fie Ihnen im Shakejpeare zu Dutzenden nad)-
weijen. Nehmen fie nur den Macbeth. Als die Lady ihren Gemahl
zur That begeiftern will, jagt fie: „ch habe Kinder aufgeſäugt.“
Ob diefes wahr it oder nicht, fommt gar nicht darauf au, aber die
Lady jagt es, und fie muß es jagen, um ihrer Rede dadurch Nach
drud zu geben. Im jpäteren Verlauf des Stüdes aber, ala Macduff
die Nachricht vom Untergange der Seinen erfährt, ruft er im wilden
Grimme aus: „Er hat feine Kinder.“ Diefe Worte des Macduff
tommen alfo mit denen der Lady in Widerfprucy, aber das kümmert
Shafefpeare nicht. Ihm kommt es auf die Kraft der jedesmaligen
Rede an, und fo wie die Fady zum höchſten Nachdruck ihrer Worte
jagen mußte: Ich habe Kinder aufgefängt,“ jo mußte auch zu eben
diejem Zwede Macduff jagen, „er hat feine Kinder“ ....... . Die
Worte jind bloß rhetoriicher Zwede wegen da und wollen weiter
nicht3 beweifen, als daß der Dichter jeine Perjonen jedesmal das
reden läßt, was eben an diejer Stelle gehörig, wirfiam und gut ift,
') Bei Biedermann 6, 108 ff.
728 H. Roettelen, Bemerkungen zur Methode der Litteraturgeſchichte.
ohne ſich viel und ängſtlich zu fünmern und zu kalkulieren, ob dieſe
orte vielleicht mit einer, andern Stelle in ſcheinbaren Widerſpruch
geraten möchten.“ Die Änßerung ſoll doch wohl ſagen, daß der
Dichter derartige Widerſprüche um der momentanen Wirkung willen
ſelbſt mit vollem Bewußtſein begeht, und ſie hat autoritative Geltung
zum mindeſten für Goethe ſelbſt, in deſſen Dichtungen man nach
dieſer Stelle durchaus mit der Möglichkeit jo entſtandener Wider⸗
ſprüche rechnen muß.
Niejahr ſagt, ich ſcheine im angemeinen über die Arbeitsweiſe
der Dichter folgende Meinung zu haben: Die Dichter ſchreiben nach
einem nnabänderlichen Plane ihre Werke hintereinander weg, Ka:
pitel für Kapitel, Scene für Scene, und wenn fie dann an einen
Punkt kommen, wo es nicht ganz jo „geht“, wie fie es fich gedacht
hatten, oder wo eine Scene zu breiterer oder freicrer Ausgeftaltung
einladet, jo geitatten fie üch auch einmal einen kleinen Widerſpruch.
Niejahr fügt hinzu: „So gemütlich, als wären die Dichter alte
Strumpfftrickerinnen, geht es denn doch wohl nicht zu.“ Daß die
Dichter ſich „einen kleinen Widerſpruch geſtatten“ ſollen, giebt meine
Auseinanderſetzungen nur ſehr inkorrekt wieder; im übrigen wäre es
Papierverſchwendung, nachweiſen zu wollen, daß Dichter bisweilen
auch nach vorher feſtgeſtellten Plänen Kapitel für Kapitel, Scene
für Scene hintereinander wegſchreiben. Uber Schwierigkeiten, die ſich
dabei herausſtellen und den Dichter zwingen, dieſes oder jenes anders
zu machen als er in Ausſicht genommen hatte, über das Aufquellen
des Stoffes u. ſ. w. während der Arbeit, vergleiche Spielhagen, Bei:
träge zur Theorie und Technit des Romans S. 31 und 46. Ich
bin bei meinen Bemerkungen von der Vorausſetzung gerade diejer
Arbeitäweije ausgegangen, nicht weil ich feine andere fenne, jondern
einfach deshalb, weil ſie den größten Gegenſatz bildet gegen das
jtiicfweife Arbeiten, das Arbeiten mit verjchiedenen Plänen u. |. w.
Wenn ces mir aljo gelang nachzumeijen, dar Erjcheinungen, aus
denen häufig auf ein jolches ſtückweiſes Arbeiten u. |. w. geichloffen
wird, jelbit bei dieſer Arbeitsart vorfommen, fo hatte ich meinen
med vollfommen erreicht.
Tod Niejahr meint tiberhaupt, daR die von mir aufgeitefften
Diöglichteiten in ihrer Allgemeinheit wenig beſagen: eine ſolche De
duftion aus allgemeinen piychologiichen Grwägungen beweiſe in
ragen, die unr durch Beobachtung entichieden werden können, gar
nichts. Was giebt uns denn eigentlich die Veobachtung? Sie zeigt
uns vor allem öfters Widerſprüche und ſie lehrt uns außerdem
in einigen Fällen durch äuſere Zeugniſſe, daß die Angaben, die
ſich wideriprechen, zu verschiedenen Zeiten, nach Verfluß längerer
Swilchenräume niedergeichricben wurden; aber dar die Widerjprüche
5. Rocttefen, Bemerkungen zur Methode dev Litteraturgeichichte. 72
von dem ſtückweiſen Arbeiten irgendwie abhängig find, ergiebt die
Beobachtung nicht, jondern diefes iſt eine Julerpretation, die wir
zu den beobachteten Daten hinzufügen. Und zwar geben uns die
Daten nicht etwa eine Unterlage für eine einfache logiſche Bearbeitung,
durch die uns die Anterpretation anfgedrängt würde, jondern dieje
erfolgt lediglich aus allgemeinen pſychologiſchen Erwägungen heraus.
Nur weil es ganz wahrjcheinlich und planfibel ift, daß ein Dichter,
wenn er lange Pauſen in der Abfafjung feiner Dichtung macht,
früher gegebene Daten vergigt und ſich mit ihnen in Widerjprud)
jet, nur deshalb macht die Interpretation einen überzeugenden Ein⸗
drud und fie würde niemals aufgejtellt worden jein, wenn die all-
gemeine piychologifhe Erwägung nicht vorhanden wäre. Soll dem
nur dieſe piychologijche Erwägung würdig jein, die Beobachtungs-
daten zu interpretieren? Ich meine, die vom mir aufgeftellten haben
dasfelbe Recht, vorausgejegt natürlich, daß fie im fich überzeugend
find. Denn dag mir unter Umftänden äußerlich bezeugt wird, daß
die Bedingung, die jene nterpretationsmethode vorausjegt, das
ſtückweiſe Arbeiten nämlich, wirklich eingetreten war, während etwa
die Möglichkeit, die ih ©. 40 oben aufftelle, jolche Bedingungen,
die ſich äußerlich bezeugen laffen, überhaupt nicht hat, das fann
doch unmöglich der erjteren zugute gerechnet werden.
Allgemeine piychologijche Erwägungen leiten Niejahr auch, wenn
er nun daran geht feitzuftellen, welche Art von Widerfprüchen für
die kritiſche Zerlegung von Dichterwerfen in Betracht kommen. Als
verwertbar betrachtet er ſolche Fälle, wo vitale Widerſprüche zwijchen
den Grundlagen einer Darftellung und ihrer weiteren Entwiclung
vorliegen, oder wo die inhaltliche Einheit auch nur in einzelnen
aber wejentlichen Punkten gejtört ift. Widerfprüche leichterer Natur -
bei Nebenumftänden follen nicht verwertet werden. Leider zeigt es
ſich jofort bei praftifcher Arbeit, daß zwiichen uns über die Frage,
was wejentlice Punkte find, feineswegs Übereinftimmung herric)t.
Niejahr betrachtet zum Beijpiel als wejentlich die allgemeinen Bor:
ausfegungen über die Anlage des Anazomenfrieges: Daraus, daß
M 37° Benthefilen aufgefordert wird, nad) Thermidora F a
und 42” eine Heerführerin gleichfalls die Lofung ausgiebt: „In
Thermidora fanmeln wir uns wieder,“ jchlient ex, daß Thermidora
ein im Deere allgemein befannter Sammelplat und Stüppunft der
Operationen jein müſſe, und da es für dieſe Vorausjeßung im
ganzen Stüd, auch in M, feinen Anhalt gebe, jo miüfje M 37° —
und aljo aud) 42°? — für ſich betradjtet umd einer anderen Ber
arbeitung zugejchrieben werden, Für mich iſt im Verhältnis zum
Hauptinhalt des Dramas die allgemeine Anlage des Amazonentrieges
etwas ganz Nebenfächliches, und id; halte es nicht fiir nötig, daß
130 H. Roettelen, Bemerkungen zur Methode der Yitteratmrgeichichte.
der Tichter ſich für diejen Krieg einen detaillierten Plan entwarf.
Die Amazonen werden gejchlagen und Penthejilen gefangen; dann
werden die Amazonen vom Wetterwendiihen Schladhtenglüd zurück⸗
geführt und befreien Penthelilea — das konnte volllommen genügen.
Wurde nun Stleift bei der Ausarbeitung des Dialogs irgendwie ver-
anlaßt einen Ort zu nennen, wo Penthejilea ihr Heer ſammeln
fünne, fo fonnte er den criten beften Namen nennen, und daß er
dann dielen Sammelplat, auch wenn er ihn erft hier erfand und
benannte, auch jpäter noch einmal verwendete, ift wohl nidht ver:
wunderlich. Durch nichts läßt ji) aber wahrjcheinlicdy machen, daß
in Kleiſts Seele diefer Name jemals in einem größeren Zufammen:
hang geftanden hätte, day er für Kleiſt jemals mehr bedeutete, als
ihm gerade durd) die Dialogpartien, in denen er ihn brauchte, nahe
gelegt war. Und auch das Publifun braucht dabei nichts weiter zu
denfen, als was ihm gleichfalls durd) den Wortlaut der Stelle gejagt
wird, nämlich dag das cin rt jei, wo man das Heer fammeln
könne. Wo und zu welchen Zwecke jollte er alfo noch im Stüde er-
wähnt jein oder auf ihn Rückſicht genommen jein?
Ich fehre zuriick zu der prinzipiellen ‚srage. Durd) die Annahme
unterbrochenen Arbeitens erklärt man noch nicht, wie der Dichter
auf die widerjtreitende Angabe gefonmten ift, jondern fucht nur be»
greiflich zu machen, dar er frühere Angaben nicht mehr treu genug
im Gedächtnis hat, um den ſich einjchleichenden Widerſpruch zu
merfen. Nun jind Paujen in der Abfafjung jeder größeren Dichtung
jelbjtverftändlich. Der Dichter nimmt Speite und Trank, er führt
mancherlei Geſpräche, er jchläft und träumt: ja in der Tichtung
jelbit Liegen Anterbrechungen: wenn der Tichter die Schickſale einer
Perjon jchildert, jo find die Norftellungsgruppen, die fich auf die
anderen Perjonen beziehen, aus jeinem Bewußtſein verdrängt, das
heißt es findet für dieje eine Unterbrechung jtatt. Es wird nicht immer
leicht jein, bei einem beftimmten Widerjpruch zu beurteilen, ob er
durch diefe notwendigen Unterbrechungen zu erflären ift, oder ob er
die Annahme einer längeren Ilnterbredyung in der Abfaffung des
ganzen Werkes nötig macht. Niejahr wird fagen, dan ſich nur ganz
leichte Widerfprüche durch jene notwendigen Unterbrechungen erflären
(affen, aber wieder werden wir über die Frage, ob ein Widerſpruch
ganz oder weniger leicht ift, nicht einer Meinung fein. Wenn in der
„Zerlobung in St. Domingo“ der Held, der fonft Guftav heißt, in
der Mitte plörlich Auguft genannt wird, fo genügt das für Niejahr
zu den Schlun, dan die Novelle nicht in einem Zuge niedergefchrieben
jei. Ta jedes Ereignis auf Erden eine Urjache haben muß, fo muß
auch irgend etwas vorhanden geweien fein, das dem Tichter den Namen
August einfallen lief; was das geweſen ift, ift natürlich nicht genau
9. Roetieten, Bemerfungen zur Methode der Pitteraturgefchichte: 731
zu beſtimmen. Nahegelegt wurde der Name ſchon durch die Ahnlich⸗
feit mit dem Namen Guftav: beide haben ja eine Silbe gemeinſam.
Jedenfalls mußte dieje Ähnlichkeit die Verwechslung erleichtern.
Niejahr aljo glaubt, daß dieje Verwechslung nur möglich war, weun
die Novelle nicht in einem Zuge gejchrieben ift. Ich Halte «8 für
möglich, daß fie einfach eintrat, nachdem der Dichter mehrere Seiten
hindurch feine Gelegenheit gehabt hatte, den Vornamen überhaupt
zu brauchen, und man wiirde mich ſehr in Verlegenheit bringen,
wenn man mich fragen wollte, wie viel Seiten denn eigentlich ſeit
dem fegten Vorkommen des richtigen Namens dagewejen jein müſſen,
um den faljchen zu ermöglichen. Ich denke, man thut im ſolchen
Fällen wirklich befjer, einfach auszuſprechen, was vor Augen Liegt,
nämlich, daß der Dichter einen Lapfus gemacht hat, und nicht mit
Annahmen zu wirtichaften, die ſich bei näherer Betrachtung jeder
beftimmten Feitjtellung entziehen,
Weiter: Verfchiedene Pläne, Von einem Plan fann man. nur
jprechen, wo der Dichter mit vollem Bewußtſein und mit voller Ab-
sicht eine Neihe Einzelheiten zu einem Ganzen zuſammengeſtellt hat.
Bei folhen Fällen, wie ich jie in meiner früheren Arbeit erörtere,
wo ihm nur im Lanfe der Ausführung irgend eine einzelne Annahme
nahe gelegt wird und er fie aufgreift, ohne ſich ihr Verhältnis zur
nächften Umgebung Kar zu machen, würde ic) von einer derartigen
Einzefheit nicht jagen, fie bezeichne einen abweichenden Plan. Zu
einem Plan gehört immer der ausdrüdliche bemußte Willensentichluß
des Dichters: jo ſoll e8 werden.
Der Dichter fann nun zunächft den zweiten Plan mit vollen
Bewußtſein abweichend vom erſten geftalten und die Stüde dauu
zufammenfügen, alſo jo verfahren, wie Niejahr es in feinem erjten
Aufjag für Benthejilen annahın;!) dann ift es recht unwahrſcheinlich,
daß er Widerſprüche jtehen tät. Niejahr ſucht die Schwierigkeit
durch eine „allgemeine pſychologiſche Enge zu befeitigen: es Liege
in der Natur der Sache, daß der mit der Fünftleriichen Ausgejtal-
tung ‚feines deals ringende Dichtergeift bei wiederholten Umformen
und Ändern leichter etwa ſich eimjchleichende Widerſprüche überjehen
') Niejahr meint jebt an: 667 feiner legten Arbeit), es fei „vieleicht
richtiger, aud) für die Pentheftlen ein Verfahren der Ausarbeitung voranszufeken,
wie c8 fir die ‚Schroffenfteiner” urkundlich bezeugt ift: um einen feiten ein
vielfaches Umdichten umd Andern, das fonzentrifch immer weiter greift“. Jnbeifen
in feiner Polemik gegen mich verteidigt Niejahr überall ai en
und ich fege fie daher im folgenden auch für meine Auseinanderjeisungen liberal
zu Grun Über die im folgenden behandelten Dinge habe yon im meiner
früheren Arbeit gehandelt. Ich führe hier meine damaligen Bern ven weiter
aus, ohne indes gerade jede zu wiederholen, jo baß ich bitten muß, auch die früheren
Erörterungen zu vergleichen.
-e.)6)
732 H. Roettelen, Bemerkungen zur Metbode der Litteraturgeſchichte.
könne, als der vorausſetzungslos an eine fremde Schöpfung heran
tretende Forſcher: das heißt alſo, die Aufmerkſamkeit des Dichters
iſt durch die Einzelheiten ſo gefeſſelt, daß er den Zuſammenhang
nicht üherſieht. Niejahr giebt die Erklärung nur für den Fall wieder:
holten Änderns und Umformens, der nicht identijch ift mit dem uns
augenblicklich bejchäftigenden; doch wird Niejahr jeine Neflerion wohl
auch für den von uns voransgejegten Fall als giltig betradhten. Nun
ift die Reflerion an ſich mir ganz jympathiich, ic) habe in meiner
früheren Arbeit ganz diejelbe für meine Zwecke angeftellt; und id)
möchte Niejahr, nachdem er diejen Gedanken auch ausgeſprochen hat,
die nochmalige Lektüre meiner Erörterung empfehlen. Vielleicht giebt
er mir zu, dan das, was bei öfters wiederholten Umformen_ und
Andern jo wichtig ift, doc) auch für die erite Ausarbeitung einer Scene
in Betracht fommt und alio zum Beilpiel die Frage: „Wer bift du?“
falls jie im jeinem Sinne zu veritehen wäre, auf "dem von mir
5. 47 oben für diefen ‚Fall angegebenen Wege zu flande gefommen
jein fönnte.
So jehr mir die Meflerion aber auch ſympathiſch it: gerade
fiir den oben angegebenen Fall iſt fie weniger brauchbar. Denn, wie
ic) jchon in meiner früheren Arbeit betont habe: wenn der Tichter
plöglich den alten Plan verwirft und den nenen Fonzipiert, fo hat
er ein Bewußtſein davon, day er jegt in dieſem oder jenem Punkte
anderen Norausjegungen folgt als friiher, die Widerſprüche, die fich
gerade in diejem Punkte ergeben, kann er gar nicht überjehen und
dan er jie unter dieien Umſtänden nicht forrigiert haben jollte, ift fo
umwahricheinlich, daR ich diefer Unwahrſcheinlichkeit jelbft einc etwas
gezmungenere Interpretation vorziehen würde. Ich gebe zu: Der
Dichter kann von ſeinem urſprünglichen Plan aus etwas geſchrieben
haben, das er nach der Anderung des Planes bei der Prüfung auch
für den jekigen Zuſammenhang brauchbar findet, während es in
Wirklichkeit zu dem älteren doch beſſer pante, jich aus ihm heraus
ungeziwungener erflärte. Aber um grobe Widerjprüche kann es ſich
da nicht handeln, fondern nur um Tinge, mit deren Qerwertung
man fich anf einen höchft unſicheren Boden begiebt. So will Niejahr
den Verſen 1121 — 42 anfühlen, daß fie urſprünglich die Kataftrophe
ichildern jollten. Ich kann nicht finden, daß das irgendwie deut:
lich iſt.
Etwas anderes ift es mit Widerjprüchen, die ſich mehr abjeits
ergeben, nicht gerade jpeziell in Bezug auf den Punkt, in dem der
Dichter die Anderung hat eintreten lafien. Durd den neuen Plan
mag dieſes oder jenes früher Gefchriebene überflüjjig geworden fein,
vielleicht auch mit anderen aus dem neuen Plan ſich beiläufig er»
gebenden Annahmen im Widerſpruch ftehen. Tiefe Widerfprüche prallen
9. Noettefen, Bemerlungen zur Methode der Vitteraturgeſchichte 7133
im Bewußtſein des Dichters nicht jo direft zujammen, wie ver
ichtedene Angaben über die Sache, über die er jeine Vorausſetzungen
eben mit Bewußtſein ändert. Solche Widerfprüce mögen vielleicht
ſtehen bleiben, niemals aber deutlich feſtſtellbar ein Widerſpruch, wie
ihm Niejahr zwiſchen 1121 ff. und der ſpäteren Entwidlung an—
nimmt.
Niejahr deutet auf S. 656 jeimer neuen Arbeit am, wie Kleiſt
beide Pläne zufammengeleimt haben ſoll, und diefe Andeutung ift
äuferft interefjant, weil fie zeigt, wie wenig Niejahr fich über die
Schwierigkeiten jeiner Konftruftion Mar geworden ift. Kleijt hat aljo
den Botenbericht der Oberſten mit der tödlichen Vermundung und auch
einiges Weitere gedichtet, num will er diejes mit dem folgenden von
anderer Vorausfegung aus gedichteten Seenen vereinigen. Das nächſt
liegende Mittel hierzu, jollte man meinen, wäre gewejen, daß der
Dichter den Botenbericht jo geändert hätte, daß niemand mehr an
eine jehwere oder aud) überhaupt an eine Verwundung denfen konnte,
jondern jedem far werden mußte, die Königin jei eben nur von
Pferde herabgeftoen und vom Stoße oder Sturze ohnmächtig ge-
worden. Für die weitere Handlung hätte das völlig genügt: Penthe-
jilen hätte in diejer Ohnmacht die Gefangene des Achilles werden
fönmen, und die jest zwifchen den beiden Ohnmachten ftehende Scene
fonnte ganz wegfallen, vefpeftive durch eine kurze Scene erſetzt werden,
im der die Amazonen die noch ohnmächtige Penthefilen auf die Bühne
brachten. Um etwa ſchon gedichtete Beftandteile der 9. Scene fonnte
es dem Dichter ſchwerlich leid fein. Auch Niejahr nimmt, wenn id)
ihm richtig verftehe, an, daß im diejer Scene nur äuferft geringe
Partien aus einer alten Fafjung verwertet find. Die Stüde, die ſich
hauptſächlich mit der Darftellung des ſeeliſchen Zuſtandes der Heldin
befajfen und diejen in mannigfachen charafteriftiichen Zügen ver-
anſchaulichen, ſchreibt er im jeiner erften Arbeit ©. 546 der Um⸗
arbeitung zu. Die Berfe 1296—1337 ſpricht er gleichfalls dem alten
Plane ab (Neuer Aufſatz ©. 661 oben), 1196 ff. wohl and) (Neuer
Aufſatz ©. 657) und ich denfe, wir dürfen hinzufügen, daß alle die
ernftlichen Ermahnungen an Penthefilen zu fliehen, wenn ihr das
Yeben irgend lieb fei, dem alten Plan mit der tödlichen Berwundung
faum angehört haben.
Statt mum dieſen nahe Tiegenden Weg einzuſchlagen, iſt nad)
Niejahr Kleiſt folgendermaßen verfahren (Neue Arbeit ©. 656 unten):
„Der Dichter, der darauf ausging, diefe Scenen mit den folgenden, di
die Verwundung nicht fenmen, zu verbinden, mußte verjitchen, dert
Gedanken an die körperliche Verlekung vor dem Bilde der mod)
ſchlimmeren ſeeliſchen Zerſchmetterung zurüctreten zu laſſen. Aber
die Berwundung bleibt dabei doch beſtehen, nur dürfen wir jie ums
734 9. Roctteten, Bemerkungen zur ‘Methode der Yitteraturgefchichte.
jegt nicht mehr als tödlich oder gefährlich vorftellen...... Erſt von
14. Auftritt an wird die Verwundung entichieden ignoriert.“ Oder
in dem eriten Aufſatz S. 546: „Da das Ziel der liberarbeitung
darin beftand, die Verbindung ınit den jelbftändig ausgearbeiteten
11 legten Auftritten herzujtellen, jo mußten jelbjtverjtändlich alle
Motive, die hierbei im Wege ftanden, fortfallen. An ihrer Stelle
fegte der Dichter dann das Hauptgewicht auf die Darſtellung des
jecliichen Zujtandes jeiner Heldin und indem er diefen mit der ihm
eigenen Kunft in mannigfachen charafteriftiichen Zügen veranſchau—
lichte, lien er den Gedanken an die Verwundung ſchon jetzt abficht-
(id) zurücktreten. Er erfand die zweite Chnmacht und jpann jo den
Faden zu den folgenden Ecenen hinüber, während er gleichzeitig die
Verbindung mit dem 8. Auftritt durchſchnitt.“
Ich habe Niejahrs Worte lange hin und her überlegt, aber ich
fanıı feinen anderen Zinn darin finden als den, dag Kleiit, als er
an die Zuſammenfügung ging, ganz genau wußte, wie wenig der
8. Auftritt zum folgenden paßte, und nun den größten Teil der
neunten Scene dichtete, um dem Publikum den ihm durd) 8 nahe»
gelegten (Sedanfen an eine Schwere Verwundung wieder zu nehmen.
Erfannte Kleiſt jelbjt nicht, wie wenig der Botenberidht der Oberſten
zu dem folgenden paßte, jo fiel ja natürlich der von Niejahr ange:
gebene Grund für die Hervorhebung der jceliichen Zerrüttung hinweg
und Kleiſt hätte unmittelbar an 8 anfnüpfen können. Nun möchte
ich aber dod) irgend ein Motiv erfahren, das ihn antrieb, feine
“, Scene, oder jpeziell die Verje 1122 if. für jo ſakroſankt zu
halten, dan er tie nicht änderte, fondern licber verjuchte, ihren Ein»
druck nachträglid) aus dem Bewußtſein des Publitums zu Töfchen!
Weiter jedod) ich jpreche immer von den Vorausſetzungen
Niejahrs aus -: Kleiſt arbeitet aljo die 9. und die folgenden
Scenen um mit dem Ziel fie zu vereinigen mit der Vorausfegung
einer völligen Unverjehrtheit der Penthefilen, wie die 14. Scene fie
nach Niejahr fordert: dabei „bleibt die Verwundung beftehen, nur
dürfen wir fie uns nicht mehr als tödlich oder gefährlid) vorftellen“.
Ich frage, wie kommt Kleiſt dazu, die tödliche Wunde des erften Planes
nun in der 9. Scene als eine leichtere hinzuftellen, wenn er doch
wein, daß Pentheiilen in der 14. Scene ganz unverwundet fein foll?
Nach Niejahr S. 656 unten und S. 657 oben (Neue Arbeit) müßte
man annehmen, dan Kleiſt feinem Publikum jo recht allmählich den
(Gedauken an eine tödliche Yermundung hat benehmen wollen: erft
eine leichtere Wunde, dann gar feine. Aber nad) S. 658 foll ja dem
Tichter bei der Zuſammenfügung der ſich ergebende Widerjpruch ent»
gangen ſein, er ſoll aljo nicht gewußt haben, daß er mit feiner An-
nahme einer leichten Verwundung doc nicht die Norausfekung der
9. Noettefen, Bemerkungen zur Methode der Litteraturgeſchichte 735
14. Scene richtig getroffen hatte. Hatte er denn dieje Vorausſetzung
vergefien, als er die 9. Scene einer gründlichen Umarbeitung unter:
zog, um fie eben mit der Voransjegung der 14. Scene in Einklang
zu bringen? Und bildete fich ihm die dee einer leichteren Ver—
wundung gewiffermaßen al3 ein Kompromiß zwiichen der Vor-
ftelfung einer tödlichen Wunde und der einer völligen Unverjehrtheit?
Wie denkt ſich Niejahr das? ich kann es mir eben gar nicht denfen.
Niejahr hatte in feinem erjten Aufſatze S. 543 ausgeſprochen,
daß die Täufchung der Penthejilen unmöglich fei, nachdem dieje im
9. Auftritt bei völligem Bewußtſein über den Hergang aufgeflärt
erſchien. Ich hatte eingewendet, daß Kleiſt die Taufchung doch aud)
unter der eben bezeichneten Vorausſetzung für möglich gehalten habe,
Er weile in der Täuſchungsſcene ſelbſt deutlich auf Vorgänge der
9. Scene hin und beweife damit, daß dieſe Scene ihm feineswegs
aus den Augen gefommen war, als er die Täuſchungsſcene dichtete.
Niejahr repliziert, daß Kleiſt die Vereinigung der beiden Scenen flir
möglich gehalten hat, jei richtig, aber diejes als Argument zu ver-
wenden bei der Frage, ob hier ein thatfächlicher Widerſpruch bejtehe,
fei doch mehr als jeltjam. Aber bei diefer Frage wollte ich das
Argument auch gar nicht brauchen, denn auf ihre Beantwortung
tommt es, wie ich oben ausgeführt habe, gar nicht an, jondern
fediglich darauf fommt es an, ob Kleift jeinen pſychologiſchen An—
fichten zc. nad) es für möglich hielt, dag ein Menſch in ventheſileas
Lage von den zwijchen den beiden Ohnmachten liegenden Borfällen
eine ganz lücenhafte und unklare Vorftellung hat. Nur diefe Frage
fuchte ic durch meinen Hinweis auf Vers 1718 ff, zu eniſcheiden.
Die Entjcheidung war ungenügend, das muß ic Niejahr zugeben.
Denn mein Hinweis bewies nur, daß Kleiſt eben jenen Teil der
9. Scene, wo Pentheſilea die Roſenkränze zerhaut, mit der Tän-
ſchung für vereinbar gehalten hat, nicht aber bewies er es ohne
weiteres für die anderen Partien der Scene, Niejahr meint denn
auch, als Kleijt die 14. Scene mit den vorhergehenden vereinte,
habe feine nur auf das Verbinden gerichtete Phantafie an bie Mo—
mente der 9. Scene angefnüpft, wo der Geiſt der Unglüclichen
den Erinnyen zum Haube hingegeben ift, an die Begegnung mit den
Rofenmädchen umd das Jrrgeihwäg auf der Brüde; er habe die
Scene nicht im einzelnen geprüft, fondern nur den allgemeinen
Stimmungscharafter mit dem Bilde der in fid) völlig Aufgelöften
vor Augen gehabt. Nehmen wir nun zumächft am, daß die 9. Scene
und das Taͤuſchungsmotiv auch nad) Kleiſts piuchologijcher Anficht
nicht nebeneinander Platz gehabt hätten, dag aljo der von Niejahr
erwähnte Widerjpruch wirklich ein echter wäre und juchen wie uns
Har zu machen, wie Kleijt nad) Niejahrs Anficht gearbeitet haben
—
136 H. Roetteken, Bemerkungen zur Methode der Yirteraturgeichichte.
müßte. Da tritt nun, zunächſt die eben citierte Stelle in Gegenjat
zu Niejahrs jonitigen Außerungen, die dahin gehen, daß die 11 leuten
Auftritte jelbjtändig ausgearbeitet und daun erjt die früheren um—
gearbeitet jeien. Danach wäre aljo die Sache nicht jo gewejen, daR
Kleift bei der Abfaſſung der 14. Scene die jegige 9. einfach vor
jich hatte, jondern jo, dan er bei der Ausarbeitung der 9. die 14.
vor fich hatte und die Überarbeitung vornahm, um die Vereinigung
zu ermöglichen. Wir haben nun jchon oben gejehen, dan dieſe Überarbei:-
tung eine jehr gründliche war: cs blieb jedenfalls jehr wenig von der
alten 9. Zcene übrig, das mweitans meilte mußte Kleift neu jchreiben
mit dem Ziel, es mit den Vorausſetzungen der 14. Scene in Über:
einſtimmung zu geſtalten. Hierbei müßte nun Kleiſt vergeſſen haben,
daß zu den Vorausſetzungen der 14. Scene auch die Möglichkeit
einer Täuſchung der Pentheſilea gehörte." ı Nun fann ich diejes nicht
für unmöglich erklären, das heißt es ift dann möglich, wenn Kleift
die 9. Scene dichtete, hauptſächlich um dem Publikum den Gedanken
an die tödliche NYerwundung zu benehmen. Dann fonnte eintreten,
was ich oben andeutete: Es konnte feine Aufmerkſamkeit von dem
Schickſal des Verwundungsmotivs jo jehr gefeſſelt jein, daß er die
Widerjprüche nicht merkte, die ſich durch jeine Bemühungen für dieſes
Motiv auf einem abjeits gelegenen Gebiete ergaben. Einige Schwierig:
feiten machen allerdings die Verſe 1719 ff.: Entweder müßte die
Scene mit den Rojenmädchen der früheren Faſſung angehört haben
oder Kleiſt müßte fie, als er 14 jchrieb, bereits vorlänfig für Die
jpäter auszuführende 9. Zcene entworfen haben oder die Verje müßten
nad) der Umdichtung der 9. Scene nachträglid) eingefügt jein. Das
alles ift nicht undenkbar. Aber nun: Wenn Atleifts Phantaſie jo durch
das Verwundungsmotiv abjorbiert war, daß er in der 9. Scene
Tinge jchrieb, die zu dem jchon feititehenden Täuſchungsmotiv nicht
paßten: konnte er dann nicht auch bei der erjten Niederjchrift, auch
wenn er einfach der Reihe nad) arbeitete, durch den pinchtichen Zuftand
Bentheiileas in der 9. Scene jo gefeſſelt ſein, daß er dieſen länger
und anders ausmalte, als ſich mit dem tm Plane ſchon vorgeſehenen
Täuſchungomotiv vertrug und konnte er nicht aud) bei fortichreitender
Arbeit, nachdem immerhin einige hundert Verſe dazwiſchen gejchrieben
waren, nun bei der Ausgeitaltung des planmãßig vorgeſehenen QTäu-
ſchungsmotivs überſehen, dan die 9. Scene nicht ganz dazu paßte?
Wohlgemerkt, ic) rede hier immer von der Vorausſetzung aus, daB
Niejahr recht hat, das heißt dan der von ih aufgeftellte Widerfpruch
auch für Kleiſt ein jolcher war. Ich will nun aber doch ausdrüdlich
COder foll etwa das Täuichungsmotiv nicht urfprünglich zur 14. Scene
aehört haben? Wie find die folgenden Zcenen dann möglich gemacht worden
9. Noettefen, Bemerkungen zur Methode der Yitteratmgeidhichte, 737.
erklären, daß mir das durchaus nicht nachgewieſen zu jein ſcheint. Die
Frage, ob ein wirklicher Menſch umter den Umftänden, in denen
Penthejilen ſteht, jo vergeffen könnte wie fie, ift wohl nicht jo kurzer
Hand zu beantworten; jehr wahrjceinlich ift mir der Hergang aud)
nicht, aber immerhin, es handelt ji) um Vorgänge, die zwiſchen zwei
Ohmmachten liegen und bei einer Gemütsftimmmung paffieren, die
allmählich ich zu voljtändiger Verwirrtheit entwicelt; hier beftimmt
zu jagen: eim jolches Vergefjen könne nicht vorkommen, würde id)
doch nicht wagen, Und ganz gewiß würde ich meine Anjicht über
diejen Punkt nicht für jo ſelbſtverſtändlich halten, daß ic) fie ohne
weiteres bei jedem anderen Menſchen vorausjegen möchte. Woher
wiffen wir, daß Kleift nicht anderer Meinung gewejen ift? Die Verje
von ben Roſen jprechen dod) immerhin dafür, wenn fie auch direkt
uur für die eine Partie beweijen: id) kann nicht finden, daß Penthe-
jileas Seele in der Partie mit den Roſenmädchen und der Ober-
priefterin mehr den Erinnyen anheim gegeben ift, als etwa im An-
fange der ganzen Scene, Und was Kleifts Anficht über die Möglichkeit
des Vergefjens in ſolchen und ähnlichen Fällen anlangt, jo wäre auch
die 24. Scene der Pentheſilea zu vergleichen, namentlich Bers 2884 ff.,
wo Benthejilen völlig vergefien hat, daß fie in den leisten Kampf mit
Adilles mit ganz anderen Abfichten gegangen ift als in die früheren,
obgleich jie doc) Vers 2384 ff. und auch im dem nächſten Partien
nod) mindejtens ebenfowenig in einem „ZTraumzujtande” gewejen iſt
wie in der 9. Scene.
Die hervorgehobenen Schwierigkeiten ergaben ſich hauptſächlich
aus der Annahme, daß der Dichter feinen zweiten Plan mit vollem
Bewußtſein abweichend vom erjten gejtaltet. Es fann aid) vor—
fommen, daß der Dichter feinen erften Plan vergeffen hat, nicht Inehr
weiß, was er eigentlid) wollte, danad) jucht und ſchließlich ſeinen
alten Plan wieder gefunden zu haben glaubt, während diejer doch
in Wirklichkeit abwich. Und man hat auch mit der Möglichkeit zur
rechnen, daß dem Dichter nur einzelnes ans jeinem alten Plan ent
fallen ift, während er das andere nod) weiß. Antner aber muß man,
jolange man von einem meuen Plane reden will, annehmen, daf der
Dichter ſich jeines Vergeffens bewußt ift; macht man dieje Annahme
nicht, jetst man voraus, der Dichter habe diejes oder jenes vergefjen,
es habe ſich ihm aber, ohne daß er es merkte, etivas anderes an die
Stelle geſchoben, ſo kommt man auf Erinnerungstäufchungen, auf
Dinge, wie jie in meiner früheren Arbeit erörtert jind, Wenn num
aber der Dichter weiß, daf er das Frühere vergeſſen hat, jo wird
er jeine Arbeit durchlefen, um den Faden wieder zu gewinnen. "ch
gebe zu, daß dem Dichter durd Stimmungen, Anjichten und Ne
ejfen, die er jett hat und früher nicht gehabt hat, eine andere Jort⸗
738 H. Roetteken, Bemerkungen zur Methode der Yitteraturgefchichte.
ſetzung nahe gelegt werden fann als er früher beabjichtigte, und daß
dieje Stimmungen ꝛc. die Auffafjung des Alten durch den Dichter
beeinfluffen können, jo daß er in dem früher Geichriebenen die Anſätze
zu der jetzt beliebten ‚zortiekung zu finden glaubt; immer aber wird
das nur bis zu einem gewiſſen Grade möglich jein. Wenn zum Bei
ipiel Kleijt die erjten 13 Scenen der Penthejilen jo geichrieben hätte,
wie fie jet dajtehen, num jein Werk liegen gelajlen und feinen Plan
vergeſſen hätte, fo witrde er beim Durchleſen der alten Scenen, beim
Suchen des alten Planes die Hinweije auf eine Verwundung faum
haben überjehen können, und es it höchſt unwahrſcheinlich, daß er
nun eine Scene angeichlojien hätte, deren vollbewunte Vorausſetzung
die völlige Unverjehrtheit der Penthejilen gewejen wäre.
Endlich eine Arbeitsweije, wie wir jie aus der Familie Schroffen⸗
ſtein kennen: ein wiederholtes Umformen und Andern, ein Hin unb
Herarbeiten. Dieſe Art zu arbeiten ſcheint mir unter allen erörterten
an ſich die günftigiten Bedingungen für die Entftehung von Wider:
iprüchen zu bieten. Es kann hier ein Faktor mitjpielen, den wir
bisher nicht berücdjichtigt haben: die ſteigende Ungeduſd und Nervo:
fität des Tichters, der Wunſch, endlich fertig zu werden. Solange
es ſich um zwei einfache Pläne handelt, ift immer anzunehmen, daß
ſich der Dichter das Alte durchlieſt und auf ſeine Vereinbarkeit mit
dem Neuen prüft. Bei wiederholtem Andern von einzelnen Scenen
oder Teilen von Scenen ift nicht zu erwarten, daß der Dichter
jedesmal jein ganzes Stüd wieder genau durchprüft; er wird ſich
vielleicht beſinnen, ob das Neue, das er gemacht hat, irgendwie mit
dem Alten in Widerſpruch fteht, und wird ſich begnügen zu ändern,
wo ihm etiwas als der Anderung bedürftig einfällt. Aber wovon tft
wahricheinlich, day es ihm einfällt? Zollten ihm auch auf dieje Weile
kraſſe Widerjprüche in den Dingen, die den Kern der Tichtung aus:
machen, entgehen und iſt bei den Widerjprüchen, die ihm entgehen,
nicht auch eine andere Entjtehungsart denkbar?
Ich will mit all diefen Betrachtungen nichts als eine Gewiſſens⸗
ichärfung erzielen. Ich erkläre ausdrüdlicd, dan ich fein (Wegner der
kritiſchen Methode bin: jie mag in manchen ‚Fällen fichere Reiultate
gewinnen. Das aber jcheint mir unzweifelhaft, dar die kritiſche
Methode oft jehr unfritiicdy angewendet wird. In der Fauftfrage hat
befanntlich Erih Schmidt zu größerer Vorſicht und Zurüdhaltung
gemahnt und diefe Mahnung ift jchr nötig gerade auch in Bezug
auf die Verwertung der Widerſprüche. Niejahr wirft in feiner ſelt⸗
ſamen Karikatur auf S. 670 den „Pinchophilologen” vor, daß fie
glaubten, nur perlippe-perlappe jagen zu müſſen, um Schloß und
Riegel ich öffnen zu fallen: ich habe, wenn ich Arbeiten wie die
jeinige leie, oft den Eindrud, als ob für die Verfajler Worte wie
9. Noettefen, Bemerkungen zur Methode dev Pitteraturgefchichte. 139
„verſchiedener Plan“ und ahnliches Zauberworte wären, durd) deren
Ausſprechen tie alles für erledigt, über die hinaus zu denfen jie gar
nicht mehr fir nötig halten. Ein folcher Rang gebührt aber dem
Regriif des verjchiedenen Planes ı. ſ. w. wahrlich nit. Der Aus-
gangspunft unſerer Unterjuchung iſt der Widerjprud) jelbit und das
zZiel der Unterſuchung iſt feine Urjache; und wir juchen dieje Urſache
ohne andere Mittel dazu zu Haben, als unjere Kenntnis des MWider-
ſpruchs in jeiner Beſonderheit und allgemeine piychologiiche Er-
wägungen darüber, welche Verhältniſſe wohl überhaupt Urjachen von
Widerjprüchen werden fünnen. Das Rejultat ift nur zu gewinnen
durch Auswahl aus dem Meöglichen; die Vorbedingung dazu ijt, daß
einmal alle Möglichkeiten berüdjichtigt werden und zmeitens Die
Wahrjcheinlichkeit oder die Scywierigfeit einer jeden in Bezug auf
den vorliegenden Fall abgeihäßt wird. So müſſen aud) die An—
nahmen über verschiedene Pläne u. ſ. w. ganz genau auf ihre Schwierig-
feiten hin umterjucht werden, wie ich das eben gethan habe; dann
erjt können fie mit anderen Meöglichfeiten verglichen werden. Thut
das der Ktritifer mit der nötigen Sorgfalt und Genauigkeit, fo wird
er öfters finden, daß er nicht in der Lage ijt, unter den verjchie-
denen Möglichkeiten eine als die wahrjcheinlichfte zu bezeichnen; und
in manchen Fällen kommt er vielleicht jchlieglich auf die Frage zurüd,
ob nicht der Schwierigfeit am einfachiten abgeholfen werden fönnte
durd) eine andere ‚Interpretation des Wortlautes.
Niejahr ſtellt in ſeiner neuen Arbeit die Ergebniſſe ſeiner früheren
als recht unſicher hin, ſie ſeien nur „eine bloß mögliche Erklärung
der vorhandenen Schwierigkeiten“. Wenn es wirklich nichts weiter ſein
ſollte, dann bedaure ich die Zeit, die wir beide auf die Sache ver—
wendet haben; ich wenigſtens wünſche, wenn ich eine derartige Arbeit
leſe, nicht nur irgend eine mögliche, ſondern die wahrſcheinlichſte
unter allen möglichen Erklärungen kennen zu lernen und die Arbeit
ſcheint mir nur dann das Leſen zu lohnen, wenn die überwiegende
Wahrſcheinlichkeit der einen, Annahme eine ziemlich bedeutende iſt.
Doch man darf Niejahrs Außerung wohl nicht jo genau nehmen;
id) habe wenigjtens in jeiner Arbeit nirgends bemerft, daß feine
Reſultate bloße Möglichkeiten bedeuten follten. Da hie es: „Es Tann
feinem Zweifel unterliegen, daß der Dichter . Wir haben einen
neuen Beweis... . Ich habe nur folgende Erklärung . . Die dem
XIV. Auftritt unmittelbar vorhergehenden Scenen gehören, wie nicht
zu zweifeln, dem älteren Entwurf an... ."“ u. ſ. w. Das find dod)
jehr bejtimmte Behauptungen nicht nur über Möglichkeiten, fondern
über Thatjächlichkeiten. Und aud) wenn man in dem neuen Auffage
Niejahrs Verteidigung gegen mid) lieſt, kann man nirgends finden,
daß da bloße Meöglichfeiten verteidigt werden. Symmerhin! auf S. 654
Euphorion IV. 48
740 H. Roetteken, Bemerlungen zur Vethode der Litteraturgeſchichte.
alſo erklärt Niejahr, daß die ſpeziellen Behauptungen feines früheren
Aufjages nur mögliche Erklärungen jein jollten, und daß es ihm vor
allem daranf angefommen jei, feitzujtellen, daß die Schwierigfeiten,
die unjer Stüd der Auffaffung und Erklärung biete, in der Art
jeiner Entjtehung ihre Urjache hätten. Diejes allgemeine Reſultat er-
achtet Niejahr Für unbedingt erwieſen, aud) wenn jeine fpeziellen
Aufjtellungen nicht jo ſicher ſeien. Ich möchte davor warnen, daß
man unter Verzicht auf eine beitimmte Annahme, wie der Dichter
gearbeitet haben joll, nur behauptet, es müſſe hier irgend ein Fall
aus der Gruppe des unterbrochenen ꝛc. Arbeitens vorliegen. Es giebt
allerdings eine Bedingung, unter der dieſes allgemeine Rejultat zu
behaupten beredhtigt und unſchädlich ift, wenn man nämlich von
jedem einzelnen unter allen möglichen ‚Fallen unterbrochenen 2c. Arbeitens
nachgewieſen hätte, dag er weniger Schwicrigfeiten biete, als alle
möglichen Annahmen aus der Gruppe des unnmterbrochenen Arbeitens
und dann nachgewieſen hätte, dan unter den nun allein in Betracht
fommenden ‚Fällen unterbrochenen ꝛc. Arbeitens feiner mehr Wahr:
icheinlichkeit biete als alle übrigen. Dat man aber nicht alle die ein-
zelnen Fälle durchgenommen und ihre Schwierigleiten gewürdigt, fo
entiteht die allgemeine Behauptung nicht aus einer Vergleichung der
Annahmen, die ja unmöglich it, weil das Maß von Schiierigfeiten
in jener allgemeinen Annahme jich gar nicht ſchätzen läßt, fondern
lediglich aus der Lberzengung des Kritikers, daß die Erklärung des
AWiderjpruches bei der Annahme ununterbrochenen Arbeitens fchlechter-
dings unmöglich ift. Nun, glaube ich, dan es Fälle giebt, wo man
mit Fug und Recht dieje Lberzeugung haben kann, auch wenn man
eine ftarte Doſis Skepſis beſitzt, Aber ein unvergleichlidyer Antrieb
zur genauejten Prüfung jener llberzeugung it es, wenn man nicht
bei jener allgemeinen Behauptung ſtehen bleibt und damit eine un
beftinmmte Menge unbekannter Schwierigfeiten in den Kauf nimmt
und als gegenüber der erfannten Unmöglichkeit nicht in Betracht
fommend erklärt, jondern eben jene Schwierigkeiten jich deutlich ver:
gegenwärtigt und mit der jcheinbaren Unmöglichkeit vergleicht. Viel⸗
leicht findet man dan dod) bei genauerer Prüfung, daß jene Un⸗
möglichkeit nicht beiteht, dan cs einen Ausweg giebt.
Ich muß nun, bevor ich hier abbreche, noch ein peccavi ſprechen,
und zwar in Bezug auf Sanchos Eſel. Ich babe mir leider vor:
zumwerfen, daß ich dieſes Beilpiel in meinem früheren Auflage mit
einer ziemlichen Xeichtfertigfeit verwertet habe, indem ich es einfach
von einzel entnahm, ohne es mir im Zuſammenhange anzufehen.
Nachdem ich num die lberjegung von Braunfels nachgelefen babe,
muß ich zugeben, dan die beiden wideriprechenden Angaben zu un-
mittelbar aufeinander folgen, als daß Gervantes fie bei ununter-
9. Nocttefen, Bemerfungen zur Methode der Litteraturgeſchichte. 741
brochenem Fortichreiben beide hätte machen fünnen. Hier ſcheint mir
ein Fall vorzuliegen, wo man mit gutem Gewiſſen das Wort „un-
möglich” ausjprechen fan. Aber durch ein unterbrochenes Arbeiten
oder eine fpätere Juterpolation von Seiten des Dichters fann man
den Widerſpruch auch nicht ohne weiteres erklären, da man aud)
unter diefer Vorausſetzung nicht wahrjcheinfich machen kann, daß
Cervantes ihm nicht gemerft haben follte. Wäre er nad) dem Raube
des Ejel unterbrochen worden und hätte darüber das zuletzt Ge—
ichriebene vergeſſen, jo iſt anzunehmen, daß er es ſich vor dem
Weiterfchreiben neu durchgelejen hätte, und wenn er den Naub nad)-
träglich interpofierte, jo it zu vermuten, daß er ſich der Gefahr oder
vielmehr Wahrjcheinlichfeit mit jpäteren Partien in Widerſpruch zu
geraten, dabei bewußt war und aljo aud das Stüd bis zur Wieder-
gewinnung wenigitens flüchtig durchblätterte, um den Eſel zu tilgen;
und wenn es auch nicht ausgejchloffen ift, daß er dabei in der Un-
geduld eine Erwähnung des Ejels überjehen konnte, fo ijt dod) jehr
wenig wahrjcheinlich, daß ihm das gerade in den ummittelbar auf
feine Interpolation folgenden Zeilen paſſiert fein ſollte. Da muß
man ſchon zu fomplicierteren Erklärungen greifen; nad) der bei
Braunfels abgedrudten hätte der Dichter überhaupt feinen Wide
ſpruch gemacht, jondern die Konfujion wäre nur in der Druderei ent
Ttanden. Stünde die Angabe über den reitenden Sando etwas weiter
entfernt von der Erzählung des Naubes, etwa nachdem ſchon die
Brieftafche gefunden ift umd das Jutereſſe in Anjpruc genommen
hat, jo würden die eben hervorgehobenen Schwierigkeiten allerdings
fehlen. Dann aber würde ich auch nicht mehr jo feſt überzeugt fein,
daß dem Dichter die abweichende Angabe bei fortlaufendem Schreiben
nicht entſchlüpft ſein konnte.
Soviel im allgemeinen über die Verwertung ber Widerjprüche.
Ich fomme num jpeziell zu den von Niejahr im der Penthefilen be⸗
haupteten, ſoweit ic) über die Streitpunkie nicht ſchon im Laufe der
bisherigen Erörterungen gejagt habe, was id) darüber zu jagen weiß.
Ich hatte gegenüber Niejahrs Behauptung, in den Verſen 1122
bis 1142 werde eine tödliche Berwundung der Penthejilen erzählt,
hingewiejen auf Vers 1125: „Die Lanzen, ſchwächer als die Brüfte,
') Über Sanchos Eſel handeln jest in diefem Hefte Jellinel und Kraus, beven
auffat, mir durch die Gute des Her Herausgebers im Ko zug glich
war. Danach wäre die bei Braunfels —— Erttärung faljch und
fufton urfprünglid wohl dadurch entitanden, baf Cervantes während des —
ſchreibens auf den Glauben geriet, er habe am Schlufſe des 22. Kapuels den Raub
erzäfft. Die Erinnerung an dieſen Glauben mb baram, daß er jpätere Partien
mi diefem Glauben gejchrieben habe, fonnte allerdings, als er jpäter den Ein-
{hub machte, ibm den Gedanten am die Gefahr eines entftehenben Widerfprudes
fern halten.
48+
154 H. Rocttefen, Yemerkungen zur Wethode der Yirteraturgeichichte.
jegt nicht mehr als tödlich) oder gefährlich vorftellen...... Erſt vom
14. Auftritt an wird die Verwundung entjichieden ignoriert.“ Oder
in dem erjten Aufiat S. 546: „Ta das „Ziel der liberarbeitung
darın beitand, die Verbindung mit den jelbitändig ausgearbeiteten
11 legten Auftritten herzuſtellen, jo mußten jelbitverftändlid alle
Motive, die hierbei im Wege ftanden, fortfallen. An ihrer Stelle
(egte der Tichter danıı das Hauptgewicht auf die Darſtellung des
ſeeliſchen Zuſtandes ſeiner Heldin und indem er dieſen mit der ihm
eigenen Kunſt in mannigfachen charakteriſtiſchen Zügen veranſchau—
lichte, ließ er den Gedanken an die Verwundung ſchon jetzt abjicht-
lich zurücktreten. Er erfand die zweite Ohnmacht und ſpann ſo den
Faden zu den folgenden Scenen hinüber, während er gleichzeitig die
Verbindung mit dem 8. Auftritt durchſchnitt.“
Ich habe Niejahrs Worte lange hin und her überlegt, aber id)
kann feinen anderen Zinn darin finden als den, daß Kleilt, als er
an die Zuſammenfügung ging, ganz genau wußte, wie wenig der
Ss. Auftritt zum folgenden paßte, und nun den größten Teil ber
neunten Zcene dichtete, um den Publikum den ihm durd) 8 nahe»
gelegten (Sedanten an eine jchwere Verwundung wieder zu nehmen.
Erkannte Kleiſt jelbit nicht, wie wenig der Botenbericht der Cherften
zu dem folgenden paßte, jo fiel ja natürlich der von Niejahr ange:
gebene Grund für die Dervorhebung der jeeliichen Zerrüttung hinweg
und Atleift hätte unmittelbar an 8 anfnüpfen können. Nun möchte
ich aber doch irgend ein Motiv erfahren, das ihn antrieb, feine
*. Scene, oder jpeziell die Verſe 1122 ff. für jo ſakroſankt zu
halten, dan er jie nicht änderte, jondern lieber verjuchte, ihren Ein»
druck nachträglid; aus dem Bewußtſein des Publikums zu Löjchen!
Weiter jedoch ich ipreche immer von den Vorausſetzungen
Niejahrd ans -: Kleiſt arbeitet aljo die 9. und die folgenden
Scenen um mit dem Ziel fie zu vereinigen mit der Vorausſetzung
einer völligen Anverjchrtheit der Penthefilea, wie die 14. Scene fie
nad) Niejahr fordert: dabei „bleibt die Verwundung beftehen, nur
dürfen wir fie uns nicht mehr als tödlich oder gefährlich vorftellen“.
Ich Frage, wie kommt Kleift dazu, die tödliche Wunde des erften Planes
nun im der 9. Scene ala eine leichtere hinzuitellen, wenn er doch
wein, daß Pentheiilen in der 14. Scene ganz unverwundet fein foll?
Nach Niejahr S. 656 unten und S. 657 oben (Neue Arbeit) müßte
man annehmen, day Kleiſt jeinem Publikum jo recht allmählich den
(Gedauken an eine tödliche Nerwundung hat benehmen wollen: erft
eine leichtere Wunde, dann gar feine. Aber nad S. 658 foll ja dem
Tichter bei der zZuſammenfügung der jich ergebende Widerſpruch ent»
gangen jein, er joll alio nicht gewußt haben, daR er mit feiner An⸗
nahme ciner leichten Verwundung doch nicht die Vorausſetzung der
9. Moettefen, Bemerkungen zur Methode ber Litteraturgeſchichte. 7B5—
14. Scene richtig getroffen hatte. Hatte er denn dieje Worausjegung
vergejjen, als er die 9. Scene einer gründlichen Umarbeitung unter
zog, um fie eben mit der Vorausjegung der 14. Scene in Einklang
zu bringen? Und bildete ſich ihm die dee einer leichteren Ver—
wundung gewiffermaßen als ein Kompromiß zwiſchen der Vor—
ftellung einer tödlichen Wunde und der einer völligen Unverjehrtheit?
Wie denkt ſich Niejahr das? ich fann es mir eben gar nicht denken.
Niejahr Hatte in feinem erjten Aufjage S. 543 ausgejprochen,
daß die Täufchung der Penthejilen unmöglich jei, nachdem dieje im
9. Auftritt bei völligem Bewußtſein über den Hergang aufgeklärt
erſchien. Ich hatte eingewendet, daß Kleiſt die Täufchung doch aud)
unter der eben bezeichneten Vorausſetzung für möglich gehalten habe.
Er weife in der Täufchungsfcene ſelbſt dentlich auf Vorgänge der
9. Scene hin und beweife damit, daß dieje Scene ihm keineswegs
aus den Augen gefommen war, als er die Täujchungsjcene dichtete.
Niejahr repliziert, daß Kleiſt die Vereinigung der beiden Scenen für
möglich gehalten hat, jei richtig, aber diejes als Argument zu ver-
wenden bei der Frage, ob hier ein thatjächlicher Widerfpruch bejtehe,
fei doch mehr als jeltiam. Aber bei diejer Frage wollte id) das
Argument auch gar nicht brauchen, denn auf ihre Beantwortung
fommt es, wie ic) oben ausgeführt habe, gar nicht an, ſondern
lediglich) darauf fommt es am, ob Kleiſt jeinen piychofogijchen An-
fichten zc. nach es für möglich hielt, dag ein Menſch in ventheſileas
Lage von den zwijchen den beiden Ohnmachten liegenden Borfällen
eine ganz lückenhafte und unflare Vorftellung hat, Nur dieje frage
fuchte ich durch meinen Hinweis auf Vers 1718 ff. zu enticheiden,
Die Entſcheidung war ungenügend, das muß ic Niejahr zugeben.
Denn mein Hinweis bewies mur, dag Kleiſt eben jenen Teil ber
9. Scene, wo Penthefilen die Nojenkränze zerhant, mit der Täu—
{chung für vereinbar gehalten hat, nicht aber bewies er es ohne
weiteres für die anderen Partien der Scene. Niejahr meint denn
aud), als Kleiſt die 14. Scene mit dem vorhergehenden vereinte,
habe feine nur auf das Verbinden gerichtete Whantajie an die Mo—
mente der 9. Scene angefnüpft, wo der Geiſt der Unglüdlichen
den Erinnyen zum Raube hingegeben ift, an die Begegnung mit den
Roſenmädchen und das Jrrgeihwäg auf der Brüde; er habe die
Scene nicht im einzelnen geprüft, jondern nur den allgemeinen
Stimmungscharafter mit dem Bilde ber in ſich völfig Aufgelöften
vor Augen gehabt. Nehmen wir nun zunäcdt an, daß die 9. Scene
und das Täujhungsmotiv auch nach Kleiſis pſychologiſcher Anficht
nicht nebeneinander Platz gehabt hätten, daß aljo der von Niejahr
erwähnte Widerſpruch wirflid, ein echter wäre und fuchen wir uns
Mar zu machen, wie Kleiſt nad; Niejahrs Anficht gearbeitet haben
736 H. Roetteken, Bemerkungen zur Miethode der Litteraturgeſchichte.
müßte. Ta tritt nun zunächſt die eben citierte Stelle in Gegenſatz
zu Niejahrs ſonſtigen Auperungen, die dahin gehen, daß die 11 letzten
Auftritte jelbjtäandig ausgearbeitet und dann erjt die früheren um:
gearbeitet jeien. Danach wäre aljo die Zache nicht jo geweſen, daß
Kleift bei der Abfaſſung der 14. Scene die jekige 9. einfach vor
jich hatte, jondern jo, dan er bei der Musarbeitung der 9. die 14.
vor jich hatte nnd die Überarbeitung vornahm, um die Vereinigung
zu ermöglichen. Wir haben nun ſchon oben gejehen, dar dieje Überarbei:
tung eine ſehr gründliche war: es blieb jedenfalls ſehr wenig von der
alten 9. Scene übrig, das weitaus meiſte mußte Kleiſt neu ſchreiben
mit dem Ziel, es mit den Vorausſetzungen der 14. Scene in Uber⸗
einſtimmung zu geſtalten. Hierbei müßte nun Kleiſt vergeſſen haben,
daß zu den Vorausſetzungen der 14. Scene auch die Möglichkeit
einer Täuſchung der Pentheſilea gehörte. ! Nun fann ich dieſes nicht
für unmöglich erklären, das heist es iſt daun möglich, wenn Kleift
die 9. Scene dichtete, hauptjächlich um dem Publikum den Gedanken
an die tödliche Verwundung zu benchmen. Tann fonnte eintreten,
was ich oben amdeutete: Es fonnte jeine Aufmerkjantleit von dem
Schickſal des Verwundungsmotivs jo jehr gefellelt jein, dan er die
Widerſprüche nicht merfte, die jich durch jeine Bemühungen für dieſes
Motiv auf einem abjeits gelegenen Gebiete ergaben. Einige Schwierig»
keiten machen allerdings die Verſe 1719 ff.: Entweder müßte die
Scene mit den Roſenmädchen der früheren Faſſung angehört haben
oder Kleijt müßte fie, als er 14 jchrieb, bereits vorläufig für die
ipäter auszuführende 9. Zcene entworfen haben oder die Verje müßten
nad) der Umdichtung der 9. Scene nachträglich eingefügt jein. Das
alles ift nicht undenkbar. Aber nun: Wenn leifts Phantafie jo durch
das Verwundungsmotiv abjorbiert war, daß er in der 9. Scene
Tinge jchrieb, die zu dem ſchon fejtitehenden Täujchungsinotiv nicht
papten: konnte er dann micht auch bei der erjten Niederjchrift, aud)
wenn er einfach der Reihe nach arbeitete, durch den pinchiichen Zuſtand
Pentheiileas in der 9. Zcene jo gefeilelt ein, dan er diejen länger
und anders ausmalte, als jich mit dem im Plane ſchon vorgejehenen
Tänjchungsmotiv vertrug und konnte er nicht auch bei fortichreitender
Arbeit, nachdem immerhin einige hundert Verſe dazwiſchen gejchrieben
waren, nun bei der Ausgeitaltung des Ylanmärig vorgejehenen Täu⸗
ſchungsmotivs überjehen, dan die 9. Scene nicht ganz dazu paßte?
Wohlgemerft, ich rede hier immer von der Vorausfekung aus, daß
Riejahr recht hat, das heit dan der von ihm aufgeftellte Widerfpruch
auch für Kleiſt ein ſolcher war. Ich will nun aber doch ausdrüdlich
'ı Oder foll etwa das Täuſchungsmotiv nicht urfprüngli zur 14. Scene
gehört haben? Wie find die folgenden Zcenen dann möglich gemacht worden”
H. Roetteten, Bemerkungen zur Methode der Litteraturgeſchiche. 737.
erflären, daß mir dag durchaus nicht nachgewiejen zu fein jcheint. Die
‚stage, ob cin wirklicher Menſch unter den Umftänden, in denen
Pentheſilea jteht, jo vergeſſen könnte wie fie, iſt wohl nicht ſo kurzer
Hand zu beautworten; ſehr wahrſcheinlich iſt mir der Hergang auch
nicht, aber immerhin, es handelt ſich um Vorgänge, die zwiſchen zwei
Ohnmachten liegen und bei einer Gemütsſtimmung paſſieren, die
allmählich ſich zu vollſtändiger Verwirrtheit entwickelt; hier beſtimmt
zu ſagen: ein ſolches Vergeſſen könne nicht vorkommen, würde ich
doch nicht wagen. Und ganz gewiß würde ich meine Anſicht über
dieſen Punkt nicht für ſo ſelbſtverſtändlich halten, daß ich ſie ohne
weiteres bei jedem anderen Menſchen vorausſetzen möchte. Woher
wiſſen wir, daß Kleiſt nicht anderer Meinung geweſen iſt? Die Verſe
von den Roſen ſprechen doch immerhin dafür, wenn ſie auch direkt
nur für die eine Partie beweiſen: ich kann nicht finden, daß Penthe-
jileas Seele in der Partie mit den Rojenmädchen und der Ober:
priejterin mehr den Erinnyen anhein gegeben ift, als etwa im An-
fange der ganzen Scene. Und was Kleifts Anficht über die Möglichkeit
des Vergefjens in jolchen und ähnlichen Fällen anlangt, jo wäre auch
die 24. Scene der Peutheſilea zu vergleichen, namentlich Ders 2884 ff.
wo Pentheſilea völlig vergeſſen hat, daß ſie in den letzten Kampf mit
Achilles mit ganz anderen Abſichten gegangen iſt als in die früheren,
obgleich ſie doch Vers 2384 ff. und auch in dem nächſten Partien
nod) mindeſtens ebenjowenig in einem „Zraumzujtande” ‚gewejen ift
wie in der 9. Scene.
Die hervorgehobenen Schwierigkeiten ergaben ſich hauptjächlic
aus der Annahme, dag der Dichter feinen zweiten Plan mit vollem
Bemwußtjein abweichend vom erften geftaltet. Es kann auch vor-
kommen, daß der Dichter feinen erften Plan vergeffen hat, nicht mehr
weiß, was er eigentlid; wollte, danach ſucht und fjchließlich feinen
alten Plan wieder gefunden zu haben glaubt, während diejer doch
in Wirflichfeit abwid). Und man hat aud) mit der Möglichkeit zu
rechnen, daß dem Tichter nur einzelnes aus feinem alten Plan ent-
falten ijt, während er das andere noch weiß. Immer aber muß man,
jolange man von einem neuen Plane reden will, annehmen, daß der
Tichter ſich feines Vergeſſens bewußt iſt; macht man biefe Annahme
nicht, jegt man voraus, der Dichter habe dieje8 oder jenes vergeſſen,
es habe jich ihm aber, ohne daß er es merkte, etwas anderes an bie
Stelle geichoben, fo fommt man auf Erinnerungstäufchungen, auf
Tinge, wie fie in meiner früheren Arbeit erörtert find. Wenn nun
aber der Dichter weiß, daß er das Frühere vergeflen bat, jo wird
er jeine Arbeit durdjlefen, um den Faden wieder zu gewinnen. Ich
gebe zu, daß dem Tichter durd Stimmungen, Anfichten und Sr,
eſſen, die er jett hat nnd früher nicht gehabt hat, eine andere Fort⸗
TER H. Roetteten, Bemerkungen zur Methode der Yitteraturgefchichte.
ſetzung nahe gelegt werden fann als er früher beabjichtigte, und daß
diefe Stimmungen 2c. die Auffafjung des Alten durd) den Dichter
beeinfluffen fönnen, jo dar er in dem früher Geichriebenen die Anfäre
zu der jet beliebten ‚zortjekung zu finden glaubt; immer aber wird
das nur bis zu einem gewiſſen Grade möglich jein. Wenn zum Bei
ipiel Klett die eriten 13 Scenen der Penthejilea jo gejchrieben hätte,
wie jie jett dajtehen, nun jein Werk liegen gelaljen uud jeinen Plan
vergeſſen hätte, fo wiirde er beim Durchleſen der alten Scenen, bein
Suchen des alten Planes die Hinweije auf eine Verwundung kaum
haben überjchen können, und es ilt höchit unmahricheinlich, daß er
nun eine Scene angeſchloſſen hätte, deren vollbewußte Vorausſetzung
die völlige Alnverjehrtheit der Penthelilen gemwejen wäre.
Endlich eine Arbeitsmeife, wie wir jie aus der Familie Schroffen:
jtein fennen: ein wiederhoftes Amformen und Andern, ein Hin⸗ und
Herarbeiten. Tiefe Art zu arbeiten jcheint mir unter allen erörterten
an jich die günſtigſten Bedingungen für die Entjtehung von Wider:
fprüchen zu bieten. Es kann hier ein Faktor mitjpielen, den wir
bisher nicht berücfjichtigt haben: die fteigende lingeduld und Nervo:
fität des Tichters, der Wunſch, endlich fertig zu werden. Solange
e3 ſich um zwei einfache Pläne handelt, ift immer anzunehmen, daf;
fi) der Tichter das Alte durchlieſt und auf jeine Nereinbarfeit mit
dem Neuen prüft. Bei wiederholtem Andern von einzelnen Scenen
oder Teilen von Zcenen iſt nicht zu erwarten, dar der Dichter
jedesmal jein ganzes Stück wieder genau durchprüft; er wird ſich
vieleicht bejinnuen, ob das Neue, dag er gemacht hat, irgendwie mit
dem Alten in Widerſpruch fteht, und wird fich begnügen zu ändern,
wo ihn etwas als der Anderung bedürftig einfällt. Aber wovon ift
wahrjcheinfich, daß es ihm einfällt? Zollten ihm auch auf dieje Weife
kraſſe Widerjprüche in den Tingen, die den Kern der Tichtung aus:
machen, entgehen und iſt bei den Widerſprüchen, die ihm entgehen,
nicht auch eine andere Entſtehungsart denkbar?
Ich will mit alt diefen Betrachtungen nichts als eine Gewiſſens—
ichärfung erzielen. Ich erfläre ausdrüdlich, dan ich fein Gegner der
fritiichen Methode bin: jie mag in manchen ‚Fällen fichere Neiultate
gewinnen. Das aber jcheint mir unzweifelhaft, dar die kritiſche
Methode oft ſehr unkritiſch angewendet wird. In der ‚Fauftfrage hat
bekanntlich Erich Schmidt zu größerer Vorſicht und Zurüdhaltung
gemahnt und diefe Mahnung ift jehr nötig gerade aud in Bezug
auf die Verwertung der Widerfprüche. Niejahr wirft in feiner felt:
jamen Karifatur auf S. 670 den „Piychophilologen“ vor, daß fie
glaubten, nur perlippe-perlappe jagen zu müflen, um Schloß und
Riegel fich öffnen zu laſſen: ich habe, wenn ich Arbeiten wie bie
jeinige fee, oft den Eindrud, ale ob für die Verfaſſer Worte wie
9. Roetteten, Bemerfungen zur Methode der Litteratungeihichte. 734
„verſchiedener Plan“ und ähnliches Zauberworte wären, durch deren
Ausiprechen fie alles für erledigt, über die hinans zu denfen fie gar
nicht mehr für nötig halten. Ein ſolcher Nang gebührt aber dem
Begriff des verjchiedenen Planes u. ſ. w. wahrlid) nicht. Der Aus-
gangspunft unjerer Unterjuchung ift der Widerſpruch jelbjt und das
Biel der Unterſuchung ift feine Urfache; und wir juchen dieje Urjache
ohne andere Mittel dazu zu haben, als unfere Kenntnis des Wider-
ſpruchs im feiner Bejonderheit und allgemeine pſfychologiſche Er-
wägungen darüber, welche Verhältnifje wohl überhaupt Urfachen von
Widerjprüchen werden können. Das Nefultat ift nur zu gewinnen
durch Auswahl aus dem Möglichen; die VBorbedingung dazu ift, daß
einmal alle Möglichkeiten berückjichtigt werden umd zweitens die
Wahrſcheinlichkeit oder die Schwierigkeit einer jeden in Bezug auf
den vorliegenden Fall abgeihägt wird, So müfjen aud) die Au—
nahmen über verjchiedene Pläne u. ſ. w. garız genau auf ihre Schwierig-
feiten hin unterjucht werden, wie ich das eben gethan habe; dann
erjt können fie mit anderen Möglichkeiten verglicen werden. Thut
das der Kritifer mit der nötigen Sorgfalt und Genauigkeit, jo wird
er öfters finden, daß er nicht im der Lage ijt, unter den verjchie-
denen Möglichkeiten eine als die wahrjcheinlichjte zu bezeichnen; und
in manchen Fällen kommt er vielleicht ſchließlich auf die Frage zurüd,
ob nicht der Schwierigkeit am einfachjten abgeholfen werben könnte
durch eine andere nterpretation des Wortlautes,
Niejahr ftellt in feiner neuen Arbeit die Ergebniffe feiner früheren
als recht unficher hin, fie jeien nur „eine bloß mögliche Erklärung
der vorhandenen Schwierigkeiten“. Wenn es wirklich nichts weiter jein
folfte, dann bedaure ich die Zeit, die wir beide auf die Sache ver-
wendet haben; id) wenigjtens wünfche, wenn ic) eine derartige Arbeit
leſe, nicht nur irgend eine mögliche, jondern die wahrjcheinlichite
unter allen möglichen Erklärungen fennen zu lernen und die Arbeit
ſcheint mir nur dann dag Lejen zu lohnen, wenn die überwiegende
Wahrſcheinlichteit der einen Annahme eine ziemlidy bedeutende üt,
Doc) man darf Niejahrs Außerung wohl micht jo genau mehmen;
ich habe wenigjtens in feiner Arbeit nirgends bemerkt, dan feine
Reſultate bloße Möglichkeiten bedeuten jollten. Da hieß es: „Es kann
feinem Zweifel unterliegen, daß der Dichter... Wir haben einen
neuen Beweis... . Ich habe nur folgende Erklärung ..... Die dem
XIV. Auftritt unmittelbar vorhergehenden Scenen gehören, wie nicht
zu zweifeln, dem älteren Entwurf am...“ u.j.w. Das jind di
jehr bejtimmte Behauptungen nicht nur über Möglichkeiten, ſondern
über Thatjächlichfeiten. Und auch wenn man in dem neuen Aufſatze
Niejahrs Verteidigung gegen mich lieſt, Fann man nirgends finden,
daß da bloße Möglichkeiten verteidigt werden. Immerhin! auf S, 654
&upborion IV. 48
140 H. Roetteken, Beinerlungen zur Methode der Yitteraturgeidhichte.
aljo erflärt Niejahr, daß die jpeziellen Behauptungen feines früheren
Aufiages nur mögliche Erklärungen jein jollten, und daß es ihm vor
allem daranf angekommen jei, feitzuitellen, day die Schwierigkeiten,
die unier Stüd der Auffalfung und Erklärung biete, in der Art
jeiner Entjtehung ihre Urſache hätten. Diejes allgemeine Reſultat er:
achtet Niejahr Für unbedingt erwieſen, aud) wenn jeine jpeziellen
Anfitellungen nicht jo ſicher ſeien. Ich möchte davor warnen, daß
man unter Verzicht auf eine beitimmte Annahme, wie der Dichter
gearbeitet haben joll, nur behauptet, es müſſe hier irgend ein Fall
aus der Gruppe des wuterbrochenen ꝛc. Arbeitens vorliegen. Es giebt
allerdings eine Bedingung, unter der diejes allgemeine Rejultat zu
behaupten berechtigt und unichädlid it, wenn man nämlid von
jeden einzelnen unter allen möglichen ‚Fällen unterbrochenen ꝛc. Arbeitens
nachgewieſen hätte, daß er weniger Zchwicrigfeiten biete, als alle
möglichen Annahmen aus der Gruppe des ununterbrodhenen Arbeitens
und dann nachgewieſen hätte, dan unter den nun allein in Betracht
fommenden ‚Füllen unterbrochenen x. Arbeitens feiner mehr Wahr:
icheinlichkeit biete als alle übrigen. Dat man aber nicht alle die ein-
zelnen Fälle durchgenommen und ihre Zchwierigfeiten gewürdigt, jo
entiteht die allgemeine Behauptung nicht aus einer Qergleichung der
Annahmen, die ja unmöglich ift, weil das Maß von Echwierigfeiten
in jener allgemeinen Annahme ſich gar nicht jchägen läñt, fondern
lediglich aus der Überzeugung des Nritifere, daß die Erflärung des
Widerſpruches bei der Annahme ummmterbrochenen Arbeitens fchlechter-
dings unmöglich ift. Nun, glaube ich, dan es Fälle giebt, wo man
mit Zug und Hecht dieſe Uberzeugung haben kann, auch wenn man
eine ftarfe Doſis Sfepiis befiet., Aber ein unvergleichlidher Antrieb
zur genaneiten Prüfung jener Überzeugung iſt es, wenn man nicht
bei jener allgemeinen Behauptung stehen bleibt und damit eine un:
beſtimmte Menge unbelannter Schwierigfeiten in den Kauf nimmt
und als gegenüber der erfannten Unmöglichkeit nicht in Betracht
kommend erklärt, jondern eben jene Schwierigkeiten fich deutlich ver-
gegenwärtige und mit der Icheinbaren Unmöglichkeit vergleicht. Viel:
leicht findet man dann doch bei genauerer Prüfung, daß jene Un⸗
möglichfeit nicht beitebt, dat es einen Ausweg giebt.
Ich muß nun, bevor ich hier abbredje, noch ein peccavi iprechen,
und zwar in Bezug auf Zandos Eſel. Ich habe mir leider vor»
zumerfen, daR ich dieſes Weilpiel in meinem früheren Auffage mit
einer ziemlichen Yeichtfertigfeit verwertet habe, indem ich es einſach
von „einzel entnahm, ohne es mir im Zuſammenhange anzufehen.
Nachdem ich num die UÜberſetzung von Braunfels nachgelefen babe,
muß ich zugeben, daß die beiden widerjprechenden Angaben zu un:
mittelbar unfeinander folgen, al$ daß Gervantes fie bei ununter-
9. Roetteten, Bemerkungen zur Methode der Yitteraturgefchichte. 741
brochenem Fortichreiben beide hätte machen fönnen. Hier jcheint mir
ein Fall vorzuliegen, wo man mit gutem Gewiſſen das Wort „un-
möglich” ausſprechen kann. Aber durch ein unterbrochenes Arbeiten
oder eine fpätere Interpolation von Seiten des Dichters fann man
den Widerſpruch auch nicht ohme weiteres erklären, da man aud)
unter dieſer Vorausjegung nicht wahrſcheinlich machen fan, daß
Cervantes ihm nicht gemerkt haben follte. Wäre er nad) dem Raube
des Eſels unterbrochen worden und hätte darüber das zulegt Ge—
ſchriebene vergefien, jo ift anzunehmen, daß er es ſich vor dem
Weiterſchreiben neu durchgelejen hätte, und wenn er den Raub nach⸗
träglich interpolierte, jo it zu vermuten, daß er jich der Gefahr oder
vielmehr Wahrfcheinlichfeit mit jpäteren Partien in Widerfprud zu
geraten, dabei bewußt war und aljo auch das Stüd bis zur Wieder-
gewinnung wenigjtens flüchtig durchblätterte, um den Ejel zu tilgen;
und wenn es auch nicht ausgejchlofjen ift, daß er dabei in der Un—
geduld eine Erwähnung des Ejels überjehen fonnte, jo ijt dod) jehr
wenig wahrjcheinlich, daß ihm das gerade in den unmittelbar auf
feine Interpolation folgenden Zeilen paſſiert fein ſollte. Da muß
man ſchon zu fomplicierteren Erklärungen greifen; nad) der bei
Braunfels abgedrudten hätte der Dichter überhaupt feinen Wider-
ſpruch gemacht, jondern die Konfufion wäre nur in der Druderei ent-
ftanden. Stünde die Angabe über den reitenden Sand etwas weiter
entfernt von der Erzählung des Naubes, etwa nachdem ſchon die
Brieftafche gefunden ift und das Jutereſſe in Anjprud genommen
hat, jo würden die eben hervorgehobenen Schwierigfeiten allerdings
ichlen. Dann aber würde ich aud) nicht mehr fo fejt überzeugt fein,
dar dem Dichter die abweichende Angabe bei fortlaufendem Schreiben
nicht entjchlüpft jein konnte.')
Soviel im allgemeinen über die Verwertung der Widerjprüche,
Ich fomme nun jpeziell zu den von Niejahr in der Pentheſilea be
haupteten, joweit ich über die Streitpumfte nicht ſchon im Laufe der
bisherigen Erörterungen gejagt habe, was ich dariiber zu jagen weiß.
Ih hatte gegenüber Niejahrs Behauptung, in den Verjen 1122
bis 1142 werde eine tödliche Verwundung der Penthefilen erzählt,
hingewiejen auf Vers 1125: „Die Lanzen, ſchwächer als die Brüjte,
) Über Sandos Ejel handeln jest im biefem Hefte geld unb raus, beren
Auffay mir durch die Gilte des Herm Herausgebers im Korrefturabzug zugänglich
war. Danach wäre bie bei Braunfels abgedrudte Erklärung faljch und bie
fufion uviprünglic wohl dadurch, entitanden, bafı Cervantes während bes
ihreibeng auf den Glauben geriet, er habe am Schlufe des 22. Kapitels den Naub
erzählt. Die Erinnerung an diefen Glauben und baram, daf er jpätere Partien
mit diefem Glauben gejchrieben habe, onmte allerdings, als er fpäter den Cin-
Ice mache, ihm den Gedanten an die Gefahr eines entfehenden Widerfpruches
ern. halten.
18+
742 5. Roettefen, Bemerkungen zur Methode der Yitteraturgeichichte.
ſplittern.“ Diejer Vers widerftreite, meinte ich, der Aunahme nicht
nur einer tödlichen, jondern überhaupt einer ſchweren Verwundung.
Niejahr erklärt, jo minutiös dürfte man den Vers nicht auslegen,
jonjt könnte man mit demſelben Recht aus den Worten: „zum Orkus
völlig jtürzen wird er ſie“ jchliegen, Penthejilea jei durd) die Heftig
feit des Stoßes dem Tode bereits nahe gebradjt. Diele Worte ver-
tragen indejjen die minutiöjejte Auslegung, ohne gegen meine Anficht
su jtreiten. Zwar nicht durd) die Deftigfeit des Stoßes iſt Penthe
jifea dem Tode nahe gebracht, wohl aber ift fie durch die Folge des
Stopes, nämlich ihre momentane Wehrloſigkeit gegenüber dem er:
bitterten .yeinde, der, wie allgemein befannt, nad) ihrem Leben
trachtet, „der Mache preisgegeben“ und befindet ſich ſomit gewijfer-
mapen auf dem Pfade zum Orkus. -- Auch Alert jelbit, meint
Niejahr, habe den Vers 1125 nicht jo minutiös aufgefaßt, denn er
ipredje nachher von einer zerriiienen Bruft, einem zerichmetterten
Buſen: da ſei aljo offenbar von einer wirklichen Qerwundung die
Rede und daß dieie nidyt nur als harınloje Scürfung oder Quer—
ſchung aufzufajien jei, werde durd Vers 2821 bewielen: „Schau!
(Eine Rund’ und das recht tief!“
Tan es jich nicht um eine Wunde gehandelt habe, die mit meiner
Auffaſſung des Verſes 1125 verträglich tei, ſchließt alſo Niejahr nur
aus Vers 2-21. Ich habe nun zu Dielen Vers bemerft, es jcheine
fi) da um eine irgendiwie nen zugezogene Wunde zu handeln, nicht
um die alte. Did) bewog zu diefer Anſicht zunächſt der Eindrud,
den id) aus den Verſen gewann, dan da nicht von einer Verwundung
der Bruft, jondern des Halſes geiprodhen wiirde. Penthejilen joll ſich
Hände und Geſicht reinigen. Zu dieſem Zweck ermahnt Prothoe fie,
den Lorbeer abzunehmen und den Hals zu befreien und hilft ihr
aud dabei. Ten Buſen zu entblößen war feine Neranlaffung, und
wenn man liejt, wie Prothoe unmittelbar, nachdem von der Ent:
blößung des Halſes die Rede war, ausruft: „Schau! Eine Wund’ und
das recht tief!“, jo Liegt jedenfalls die Annahme am nächiten, daß
Prothoe die Wunde am Halſe gefunden hat, während vorher immer
von der zerrijjenen 2. Bruft die Rede war. Auch der Vers: „Du
hajt e8 Tir recht jauer werden laſſen“ jchien mir mehr am Plate,
wenn er fid) auf den eben ansgefochtenen Kampf bezog, als wenn
damit die frühere Niederlage gemeint war, und endlich fchien mir
der Ausdrud: Schau! Eine Wund' etwas jeltiam, wenn e8 eine
Wunde aus dem früheren Nampfe war. Uuter diejen Umftänden
geriet ich auf die Annahme, daß cs jih um eine neue Wunde
handle, die Pentheiilea irgendwie bei ihrem letzten Kampfe mit
Achilles davongetragen habe, obgleid) es freilich wahr ift, daß dieſer
legte Kampf kaum (Selegenheit bot, ſich eine Wunde zuzuzichen.
9. Roetteten, Bemerkungen zur Methode der Litteraturgeſchichte. 743
Ganz ohne Anſtoß kommt man mit dem Verſe auf feine Weiſe zu⸗
recht, und wenn man ihm die Stelfung und Bedeutung giebt, wie
Niejahr, am allerwenigiten. Urſprünglich der Scene angehört haben
tonnte nad) Niejahr der Vers nicht, da die ganze Scenenreihe von
der Vorausjegung der völligen Unverfehrtheit der Benthefilen gedichtet
fein ſoll. Niejahr erklärt den Vers denn aud) im feiner erften Arbeit
für fpäteren Zuſatz. Es joll alſo der Dichter, der bei der Umarbei-
tung der 9. Scene fo forgfältig bemüht war, „den Gedanfen an
die förperliche Verlegung vor dem Bilde der noch ſchlimmeren jeeli-
chen Zerjchmetterung zurücktreten zu laffen“ hier fein Publikum nod)
einmal ausdrüdlic an die Wunde erinnert Haben. Wenn ſolche Ge-
danfenlofigfeit irgend als wahrfcheinlich gelten joll, fo wird man es
auch nicht als unmahrjcheintich bezeichnen fünnen, daß Kleiſt, als er
den Vers ſchrieb, von der allgemeinen der, Pentheſilea habe eben
einen Kampf durchgemacht, zu der Annahme einer Wunde geführt
wurde, ohne daß es ihm einfiel, wie wenig Gelegenheit zur Ber-
wundung gerade diejer Kampf bot. Mit diefem Verje ijt aljo nichts
zu beweijen, und die Ausdrüde „röchelnd“ ı. ſ. w. kommen gegen
den Vers 1125 als Beweis für eine ſchwere Berwundung nicht auf
und Werden ja auch von Niejahr nicht als Hierfür beweiſend hin-
geſtellt.
Ich Habe in meinem Aufſatz, nachdem ich aus Vers 1125 die
Beſchaffenheit der Wunde ficher fejtgeftellt zu haben glaubte, aud) die
weiteren Angaben der 8. Scene darauf geprüft, ob fie zu meiner
Annahme einer nur ganz leichten Verwundung paßten. Ich erwähnte
da, die Oberjte teile nirgends mit, daß die Königin von Blut
überjtrömt gewejen fei, auch nicht, daß je verbunden worben jei.
Niejahr hat das jo aufgefaht, als wollte ic aus diefem Schweigen
der Oberjten wahrjcheinlic machen, dan die Königin überhaupt nicht
gebiutet habe und nicht verwundet ei, umd dieſe falſche Auffafjung
giebt ihm Gelegenheit, einen ganz bejonderen Trumpf auszujpielen:
Ich war bisher der Meinung, ein Zerreißen oder Zerſchmettern
der Bruft müſſe notwendigermeije auch ein Gervordringen von Blut
zur Folge haben, aber wer Pſychologie jtudiert, weiß das beifer.“
Ich war bisher der Meinung, daß die Worte: „die Königin ift von
Blut überftrömt" etwas mehr jagen als die Worte: „aus der Bruft
der Königin dringt Blut hervor“ und daß man die eriteren faum
anmenden könnte auf eine Blutung, wie fie in dem von Niejahr mir
entgegengehaltenen Vers 1313 vorausgejest wird, wo die Bluts-
tropfen und die Schweißtropfen zujammen als eine Schnur von
weigen und roten Perlen bezeichnet werden. Was die —
anlangt, jo will ich Niejahr das Vergnügen machen, ausdrückuch
zuzugeben, daß fie über das Bluten von Wunden nichts (ehrt und
‘44 d. Roettefen, Bemerkungen zur Diethode der Yitteraturgejchichte.
daß alſo hierüber auc) jemand mitreden fann, der von Piychologie
nichts verjteht: wohl aber lehrt jie, dan ein Berichterftatter neben-
jächlicdye Zitge des von ihm wahrgenommenen Ereiguiſſes, zum Bei
jpiel bei einen niedergeworfenen Helden eine Blutung, wie jie Vers
1313 angedeutet ijt, häufig wegläßt, dan er dagegen aller Wahr:
icheinlichkeit nad) alles erwähnen wird, das zum Verftändnis der
Sache in ihrer ganzen Bedentung nötig ift oder das ihn einen
befonders jtarfen Eindrud gemacht hat, zum Beijpiel das aus einer
tödlichen Wunde des bejiegten Helden hervorftrömende und ihn
überftrömende Blut. Auf das Schweigen der Tberjten über ein Ver-
binden der Penthefilea lege id) feinen Wert mehr, jeit ich gejehen
habe, dan in M der Dalbvers fehlt: „wo jie ſich erholt”, dan alſo
in dieſer eriten uns zugänglichen Faſſung Kleiſts Phantajie mit dem
Bilde der vom Schlachtfelde entfernten Königin überhaupt nicht be-
\häftigt war; daß aber nicht von dem hervorjtrömenden Blut ge
iprochen wird, bedeutet in der That ein leichtes Gewicht zu Gunſten
der Annahme einer nur leichten Nerlegung. Für mehr als ein der:
artiges leichtes Gewicht habe ich ces auch nicht ausgegeben; es jpielt
in meinem Auflag durchaus nicht die Nolle eines Dauptarguments,
wie man aus Niejahrs Worten am Anfange des dritten Abjages auf
S. 658 ſchließen könnte, jondern wird nur erwähnt als eine nad):
trägliche Beltätigung einer durch Vers 1125 bewiejenen Annahme.
Für die Partie um Vers 1125 herum kommt die ganze Sade im
ubrigen natürlid” nur in Betracht, wen man annimmt, daß 1125
und 1143 jf. urjprünglich zuſammen gehörten, und ich habe in der
hat geglaubt, day Niejahr die ganze 8. Scene für ein unverändertes
Stück des erjten Entwurfes hielt, da er in jeiner erjten Arbeit nur
von Scene 9—13 ausdrüdlic angiebt, fie ſeien umgearbeitet; id)
gebe aber zu, man hätte durch genaue Erwägung von Niejahrs
ganzen Erörterungen auf den Gedanken kommen können, dan er aud)
Die 8. Scene als ımgearbeitet betrachtete. Jetzt erklärt er ausdrüd:
lid), dan er die tödliche Vermwundung nur für die Verje 1121— 1142
behauptet habe, nicht aber eine tödliche oder doch Ichwere Wunde
anuchme auch für die folgenden Scenen — Toll doch wohl heifen:
auch nicht Für den Mejt der 8. Scene. Bon diefem Standpunkt aus
hat, wie gejagt, das Schweigen der T berjten für die Beurteilung de;
Verſe 1121 1142 feine Bedeutung; für die Verje 1143 ff. befinden
Niejahr und ich uns in der jchöniten Übereinſtimmung, da er eine
leichtere Berwundung ja auch jeinerjeits für dieje Verſe annimmt.
Ten nächſten Paſſus von Niejahrs Arbeit drude ich am beften
wörtlih ab: „Segen die Annahme ciner ſchweren oder gar tödlichen
Terwundung jollen endlich mit. bejonderer Beſtimmtheit die Verſe
1296 — 1337, deren tjolierte Stellung id) hervorgehoben hatte, jprechen.
9. Roetteten, Bemerkungen zur Methode der Yitteraturgeichichte. 745
Das ift fo geſaßt richtig. Aber ich behanpte ja für den 9. Auftritt
gar feine tödliche Verwundung, jondern überhaupt mur eine Ver-
letzung und dieje wird durch Vers ja ausdrücklich beftätigt.”
Die Stelle ift ein wahres Meifterjtüc von Gedantenflarheit: Erft
erwähnt Niejahr, daß er die tjolierte Stellung der Verſe, aljo ihre
Nichtzugehörigkeit zur jetzigen 9. Scene, hervorgehoben habe, umd
gleich darauf beffagt er ſich, daß ich jein allgemeines Urteil über die
jeßige 9. Scene nicht auf diefe Verſe angewendet Habe! Die Ge—
dantenlofigfeit wird noch deutlicher, wen man den erften Aufſatz zur
Hand nimmt. Da werden auf S. 545 diefe Verſe ausdrüdlic"
al3 Überbleibfel des urjprünglichen Planes bezeichnet, aljo des Planes,
dem die tödliche Berwundung angehören joll; Niejahr Hat aljo, wenn
aud) nicht für die 9. Scene, jo doch jedenfalls für diefe „ijolierten
Verſe“ die Vorausjegung einer tödlichen Verwundung behauptet und
mein Nachweis, daß feine ſolche vorliege, war durchaus am Plage,
Niejahr felbft mu den Schluß, den id) daraus ziehe, da numlich
die Verfe nicht zu feinem erjten Entwurf gehören können, als be-
rechtigt anerkennen — und nun leſe man noch einmal den oben ab⸗
gebrudten Paſſus!
Für die ifolierte Stellung der Kampfſeene bringt Niejahr
nod) ein neues Argument bei, nämlich daß Achilles hier auf in
Stahl geihientem No kämpfe und ganz als mittelafterlicher Ritter
gedacht fei, während er jonjt auf der Qmadriga ftehe und auch die
anderen Griechen nicht beritten erichienen. Ich gebe zu, daß der
in Stahl gefchiente Achilles und das ftahlgejchiente Roß ſich jtart
mittelalterfich ansnehmen und ſich am leichtejten durch den Gedanfen
an ritterfiche Rüftung erflären. Aber es it eine jtarfe Übertreibung,
wenn Niejahr da eine verſchiedene Auffaſſung des Stoffes finden
will. Warum fann der Widerſpruch nicht auf Willfür beruhen, oder
vielmehr auf einen momentanen Einfall, der Kleiſt, wer weis warum,
gefiel? Daß er ein Bewußtſein gehabt hat, bei dem Bilde, das er
Vers 1038 zeichnete, von der Vorſtellung eines mittelalterlichen
Nitters beeinfluft zu jein, ift doch nicht nötig umd daß ihm die
Koftümmidrigfeit, der Gegenjat gegen die Sitte der Griechen auf-
fallen mußte, wird man bei einem Kleift auch nicht behaupten wollen,
bei dem zum Beiſpiel Hermann jein Cherusfa für einen Wechjel
verfaufen zu fünnen erflärt. Doc; id) bin in diefem Punkte in der
glüdlichen Lage, mir gegen Niefahr Hilfe bei Niefahr felbft zu holen.
In feinem erjten Aufjas S. 520 jagt er: „Der Dichter laßt ſolche
Verſtöße, ſoweit er ſich überhaupt ihrer bewußt wird, zu, wenn jie
feinen befonderen dichteriichen Zwecken dienen: Achilles wird als Nitter
gezeichnet, wo die Handlung ins romantijche überjpielt, und Sichel
wagen und Giephanten werden aufgeboten, wo es gilt, vor ber
“465 5. Roetteten, Bemerkungen zur Methode der Yitterangeichichte.
Phantaſie des Leſers den ganzen Schredenspomp des Krieges zu
entfalten.“ Will Niejahr dieſe Grörterung widerrufen und dem
Moloch des verichiedenen Planes opjern? Jedenfalls faun er nicht
widerrufen jeine Hinweiſe auf andere Spuren ritterlicher Vorftellung:
Pentheſilea ipricht Vers 2301 von der würdigen Ritterfitte und der
jeidene Yak, den Achilles Vers 1408 trägt, ſtammt doch wohl aud)
aus dem Nitterfoftim; und die erjte der genannten Stellen wenigftens
it aus einer der 11 legten Scenen, die nad) dem neuen Plane ges
dichtet ſein jollen.
Im ganzen: Ich finde nicht, dan Niejahr feine Konjtruftion
eines erften Entwurfes mit der tödlichen Nerwundung der Penthe:
jilen jet beifer beiwiejen hätte als friiher, und nehme nach wie vor
an, daß es jich von vornherein nur um eine leichte Wunde handeln
jollte. Aber aucd unter Zorausjegung einer ſolchen Wunde hält
Niejahr die Behauptung eines Widerjpruches mit Scene 14 auf:
recht, da dieſe Scene völlige Unverſehrtheit der Pentheſilea verlange.
Er Führt zur Stütze dieſer Behauptung zunächſt an, dar Penthefilea
bei ihrer Traumerzählung Der Verwundung nicht gedenft — num fie
gedenft auch nicht ihrer Ohnmacht, dagegen ſolcher Ereigniffe, die
jich in Wirklichkeit nicht vollzogen haben, nämlich ihres Griffes nad)
dem Tolche, ihrer Abführung ins Griechenlager. Weiter ſtützt ſich
Niejahr daranf, day die Wunde nicht gepflegt werde. Wenn dazu
früher im Drange der Begebenheiten feine Seit geweſen jei, jo habe
es doc) jetzt geſchehen müſſen. Aber Prothoc entdede die Wunde erit
viel ſpäter, nämlich im dem jchon beiprochenen Verſe 2821; jie jet
iehr uberraicht von ihrem Anblick und Kleiſt habe alſo, als er Dielen
Vers jchrieb, jelbft nicht an eine frühere Pflege der kranken Bruſt
gedacht. Tiejes legte Argument jcheint mir ſich jelbjt zu vernichten:
meinte Kleiſt in Ders 2821 wirflid) die alte Wunde, jo nahın er an,
daß, obgleich die Wunde beitand, bis dahin feine Pflege der kranken
Bruſt Stattgefunden hatte, und man fann, gerade wenn man fich auf
den Vers tigt, nicht wohl aus dem Fehlen der Pflege auch auf ein
Fehlen der Wunde jchlichen.
Ich kann den Vers fiir meine Argumentation nicht verwerten,
da ich ja die Wunde nicht als die alte betrachte. Aber auch jo: Daß
Kleiſt der Prothoe, wenn fie fich iiber Pentheiilen beugt, einige Worte
iiber die von ihr Vers 1478 ff. erft ermähnte Wunde hätte in den
Mund legen müſſen, daß er notwendig eine Pflege der unbedentenden
Zerlegung bätte jchildern müſſen, icheint mir durchaus nicht nötig.
Veriühreriſch auf den erſten Anblick iſt ein anderer Zag Niejahrs,
wenn er nämlich in Bezug auf die Stelle, wo Achilles jein Haupt
an Pentheitleas Bruſt ichmiegt, beinerft: „Dieſe Scene muß, wenn
man ſich Pentheiilen mit biutiger zerriſſener Bruft dabei vorftellt,
H. Noetteten, Benerfungen zur Methobe der Litteraturgeſchichte 747
geradezu widerlich wirfen.“ Auch ic) würde dieje Vorftellung als
Ntörend empfinden. Aber wir haben uns zumächit daran zu erinnern,
daß es ja gar nicht darauf ankommt, wie unſer Gejchmad durch jie
berührt wird und daß vielmehr die Frage fofort dahin zu jtellen ift,
ob denn auch der Dichter jene Vorftellung als jtörend empfunden
haben müßte. Dieje Frage mit voller Sicherheit zu beantworten,
wüßte ich augenblicklich fein Mittel, und folange fie nicht beantwortet
ist, fehlt jede Unterlage für den Schluß, den Niejahr ziehen will.
Tod) er wäre auch) dann unftatthaft, wenn jene Frage bejaht werden
müßte, wenn zugegeben werden müßte, daß Kleiſt nicht immer,
während er die Scene ſchrieb, an die Wunden der Penthefilen ge—
dacht hat. Mir ift es aus allgemeinen Gründen nicht unwahrjchein-
lic), daß ihm während der Ausarbeitung der Scene der Gedanfe an
die Terwundung zurüdtrat. Geht es mir doc) als Lejer regelmäßig
jo. Ich habe das Drama wirklich recht oft und rent jorgfältig ges
fejen und niemals ift mir während der Scene eingefallen, daß Benthes
ſileas Bruft wohl blutig fein müſſe, und and Niejahr wird es wohl
ebenjo gegangen jein, jo lange er ſich in umbefangenem Genuß an
die Dichtung hingab und nicht eine rein verjtandesmäßige Kontrolle
ausübte. Dasjelbe könnte auch dem Dichter gejchehen jein. Das ganze
Motiv einer Verwundung der Benthejilen it von Kleiſt vielleicht
oder, wie mir jcheint, wahrſcheinlich nicht von vornherein ausdrüd-
lich in Aussicht genommen und feierlich in einen Plan eingetragen,
jondern es ergab ſich wohl nebenbei aus der von vornherein in
Ausſicht genommenen Niederlage Penthejilens. Indem Kleift die ganze
mmung diefer Niederlage mit durcjerlebte, fic ganz in die Situa—
tion vertiefte, fonnte ihm and) das Motiv der Verwundung fommen,
gewiffermaßen als Zubehör, als Siegel der Niederlage. Begrenzt
wurde das Motiv wohl durch den Gedanfen, daß Benthejilen nachher
noch aftionsfähig fein mußte, aljo wicht Schwer verwundet jein konnte.
Die Yiebesjcene aber war, 1 wenn wir eine Ausarbeitung des Stüdes
in der Meihenfolge der Scenen annehmen, in ihren Ginzelheiten
überhaupt noch nicht vorhanden und Einzelheiten der Liebesfcene
tonnten daher ſchon aus diejem Grunde das Motiv der Berwundung
nicht einjchränfen. Später, wenn der Dichter an die Liebesjcene fan,
wenn er den Jubel Penthefilens ausmalte, ſich dahinein vertiefte,
konnte jede Vorjtellung von Wunde umd Blut einfach in ihm unter
drückt werden und die Königin ihm gerade als eine im aller Herrlich
feit blühende Gejtalt vorjhiweben. ch erinnere an die oben ange-
führte Auseinanderjegung Goethes: fie läht ws ja ganz genau auf
unjeren all übertragen, Und der —— ich ihn hier als
möglich ſtizziert habe, würde jedenfalls viel wahrjcheinlicher fein als
Niejahrs Konitruftion. Nach Niefahr, um 23 nochmals zu wieder⸗
748 H. Noettelen, Bemerkungen zur Dlethode der Litteraturgefchichte.
holen, hat Kleiſt zuerſt einen Plan mit der tödlichen Verwundung
der Penthefilen, ändert dann dieien Plan für Scene 14 ff., und
zwar gerade in Bezug auf die Vermundung, jo daß aljo die völlige
Unverjehrtheit der Penthefilen im Gegenſatz zu ihrem Zuſtand im
dem erjten Plane vollbewußte Yorausjeßung wird, dann arbeitet er
die 9. Scene um, um fie mit diejer vollbewußten Norausjeßung in
Einklang zu bringen und jpricht dabei in den neu bearbeiteten Partien
doc immer nocd von einer Wunde Pentheitleng.
Tod) Niejahr führt noch ein Argument an: Vers 2336 fagt
Pentheſilea:
Hier, dieſe treue Bruſt, fie rührt ihn erſt,
wenn ſie ſein Scharfer Speer zerſchmetterte?
Mir würde dieſer Satz, wenn er jo aufgefaßt werden müßte, wie
Niejahr ihn auffaßt, immerhin eindrucksvoller ſein als Vers 2012 ff.,
aud wenn jejtitände, Kleift könne bei Niederjchrift dieſes Verſes nicht
an die Nerwundung gedacht haben. Tenn es lag nahe, daß der
Dichter ji) bei Vers 2386 f. der früheren Angabe über die Ber:
wundung erinnerte, da der Wortlaut des Verjes dahin wies, während
vorher ein jolcher direkter Hinweis nicht vorhanden war, vielmehr
der ganze Charafter der Zitnation davon abführt. Aber zunächſt:
Tie Verſe machen in der Form, in der Niejahr fie anführt, einige
Schwierigfeiten: Woher weis Penthejilea, daß ihre zerjchmetterte
Bruſt den Achilles rühren werde? Ich will die Frage nur hinftellen
und die Ausſpinnung des Gedankenganges, den fie einleitet, meinem
Gegner überlaflen; denn die Verſe gehören im der Form, in der
Niejahr jie citiert, nur der Druckfaſſung an. M hat:
Hier dieſe Bruſt, er will fie erſt zerichmettern,
nut feiner ‘Pferde Tritt und dann, o Schweſter,
auf ihren leichenbleichen Kiffen ruhn?
Ahnlich im Phoebus; und aus dieſer Faſſung ift wohl der
Schlun, den Niejahr angiebt, ganz jicher nicht zu zichen, denn das
„Herichmettern”, das Pentheſilea hier vorſchwebt, iſt deutlich jo ver:
Ichieden von dem „Zerſchmettern“ von Vers 1177, dan es auch einer
im Sinne diejes Verſes bereits zerichmetterten, oder im Sinne von
Vers 1479 „zerriſſenen“ Bruft noch geichehen kann.
Soviel von den Widerjprüchen! Noch in einen anderen Punkte
haben fich Meinungsverjchiedenheiten zwijchen Niejghr und mir ergeben:
bei der Quellenfrage. Er hält es für einen fernliegenden Gedanken,
da Kleiſt eine Meute einführt, und meint ihn durch den Einfluß der
Aktäonjage erklären zu müflen. Ich finde, dan die Meute recht wohl
cbenjo wie die Rhinoceroffe und Schafale der Phöbusfaffung eine Er-
9. Roetteten, Bemerkungen zur Methode der Litteraturgeſchichte. 74)
gänzung fein konnten zu den Efefanten und Sichelwagen, die dor)
einem orientalifchen Kriegsheer gut genug anftehen. Doc; mag das auf
fi) beruhen. Einiges bemerfen muf ich aber noch über die Kataftrophe,
Niejahr läßt mich jagen, das Motiv der greuelvollen Mordthat jei
jedenfalls Kleifts eigene Erfindung, der Botenbericht ans den Bacchen
habe nur einige nebenjächliche Einzelheiten und etwa die Färbung,
den Ton des ganzen Berichtes gegeben. Das ift nicht ganz richtig;
denn ich gebe ausdrücklich die Möglichkeit zu, daß die Bacdjenjcene
„den Dichter iu jehr frühen Stadium feiner Arbeit vor die Augen
fam und ihm einen gewaltigen Eindrud machte, dann mit hinein-
geriet in das ganze Wogen von Vorjtellungen und Stimmungen,
aus dem ſich ſchließlich das poetijche Kunſtwert herauskryſtalliſſert,
hier feife hinlodte nach einer ähnlichen Katajtrophe und jo einen
gewiſſen Einfluß auf die Geftaltung des ganzes Stoffes ausübte".
Die Stelle in meiner Arbeit, die Niejahr wiederzugeben vorgiebt,
lautet, bei mir: „Hat Kleiſt ohne ihren (der Bacchenjcene) Einfluß
die übrige Handlung feitgeitellt, jo...“ Aljo bei mir ift das nur
ein hypothetifches Urteil, und zwar ift cs der Schlußfa einer Polemik
gegen Niejahrs Behauptung, in dem Stoffe der Penthefilen jei —
jelbft den ganzen übrigen Verlauf der Handlung vorausgeſezt —
diejer Akt eines graufigen Wutanfalles nod) feineswegs gegeben. Doch
weiter: Niejahr fährt, nachdem er mir die Worte in den Mund ge-
legt hat, „das Motiv der greuelvollen Mordthat jei jedenfalls Kleiſts
eigene Erfindung“ folgendermaßen fort: „Die Art, wie Röttefen ſich
den pſychologiſchen Urjprung diefer “dee in der Seele des Dichters
zurechtlegt, ift zu originell, als daß ich mich enthalten könnte, fie
hier mit jeinen eigenen Worten wiederzugeben.“ „Diejer Idee“ —
jeder Leſer muß glauben, daß das folgende Citat aus meinem Auf-
jage meine Erklärung für das ganze Motiv der greuelvollen Mord-
that enthalten jollte. In Wirklichkeit aber habe ich gegenüber Nie-
jahr eben jchon citierter Behauptung hingewieſen auf meinen früheren
Penthejilen-Aufjag, in dem ich ausgeführt hatte, daß eine Kleiſtſche
Penthefilea durch die Herausforderung des Achilles auf das Furcht
barfte, biß in den Kern ihres Wejens hinein beleidigt fein mußte,
daß ferner bei Kleiſts Menſchen ein einmal vorhandener Trieb ſich
big zur äußerſten Konſequenz durchſetzt, und daß ber leidenfchaftliche
Haß überhaupt nicht damit zufrieden ift, dem Feind nur aus ber
Ferne zu vernichten; daß wir damad) bei Penthefilen eine extreme
That der Rache ungefähr Äquivalent der Bärenepijode in der Herz
mannſchlacht durchaus zu erwarten haben, daß dieje Machethat jich
im Rahmen des Kampfes abjpielen werde, zu dem Achilles PBenthe:
ſilea heransgefordert hat, und dan aljo, da Penthefilen ſelbſt den
Achilles tötet, fie natürlich micht damit zufrieden jein wird, ihn nur
750 H. Roetteken, Bemerkungen zur Methode der Yırteraturgeichichte.
aus der Ferne zu erſchießen, ſondern durch ihre raſende Rachbegier
dahin gebracht werden wird, ſelbſt Hand an ihn zu legen. Dies iſt
meine Erklärung für das Motiv der greuelvollen Mordthat. Aber
dieſe That ſelbſt konnte immer noch im verſchiedener Weiſe vor:
genommen werden: Pentheſilea konnte den ſchon zu Tode Verwundeten
mit dem Dolche zerfleiſchen, ihn ſchlagen, kratzen oder mit Füßen
treten: Kleiſt läßt ſie ihn beißen und nur, wie er auf dieſen ſpeziellen
Zug gekommen iſt, habe ich in meiner Anmerkung — gerade nicht
beitimmt zu jagen veriucht, ſondern babe nachzuweiſen verfucht, daß
mn es nicht beitimmt jagen fan. Ich denfe, man wird mir danadı
zugeben, dar Niejahr meine Ansicht über die Kataſtrophe wieder nicht
ichr genau reproduziert hat. Ich will übrigens nicht verfehlen aus-
drücdlich zu erklären, dan mir meine Anmerkung jelbit, die Niejahr
fiir einen Ausflur des höheren Blödfinns zu halten jcheint, auch jetzt
noch den Eindruck Leidlicher Vernunft macht.
Wenn Niejahr nachdrüdlich betont, dan es unmöglich jei feit-
zuſtellen, unter welchen Antrieben, Mombinationen, willfürlichen
Miſchungen und lanniichen Zprüngen das erſte Auffeimen einer
Nonzeption Sich im jedem einzelnen ‚salle in dem Dichter vollzogen
habe, wenn er ſchon S. 670 an der bereits einmal citierten Stelle
den „Piychopbilotogen” vorwirft, fie glaubten nur perlippe-perlappe
jagen zu müſſen, um Schloß und Riegel jener geheimnisvollen Stätte,
wo die dichteriichen \deen geboren werden, zu öffnen, jo gründet
sich dieſer Vorwurf wohl hauptſächlich anf die zulegt erwähnte An-
merfung, deren Abjicht Niejahr, mie eben gejagt, falſch auffaßt. In
Wirklichkeit zeigt Vie gerade, wie ein „Pinchopbilologe” von aflau
zuverſichtlichen Behauptungen über dieſe Dinge zurückgehalten wird,
und zwar dadurch, daß ihm häufig mehrere Möglichkeiten einfallen,
wie ein beſtimmtes Reſultat zu ſtande gekommen ſein kann, und er
ſich nicht in der Lage ſieht, zwiſchen dieſen zu wählen. Einem Manne
wie Niejahr dagegen ſind nur einige wenige Vorſtellungen über dieſe
Dinge recht gelänfig: auf ſie bezieht er alles, was ſich irgend darauf
beziehen läßt, und länt co dabei an Zuverſichtlichkeit des Urteils
nicht Fehlen. Wie bei dem Widerſpruch gleich der Regriff: „ver:
ichiedener lan“ vorjchwebt und centichieden behauptet wird, jo dit
auch die „Veeinfluſſung“ ein jolcher Yieblingsbegriff und wo er ſich
irgend ammenden läßt, da werden andı über das erjte Auffeimen
einer Nonzeption unbedenklich recht zuverlichtlicdye Urteile abgegeben.
Ich wenigſtens halte es für ein ſolches Urteil, wenn Niejahr ver:
sichert, der Botenbericht der Bacchen habe dem Tichter das ganze
Schlußmotiv geliefert und die Mente ſei aus der Aftäonfage ge:
nommen. Allerdings muß ich beimerfen, dar Niejahr hierüber anderer
Ansicht zu fein ſcheint: Nachdem er das erite Aufleimen der Motive
H. Roettefen, Bemerkungen zur Methode der Fitteraturgeichichte. «O1
für aller Forſchung unzugänglid) erflärt hat, fährt er auf ©. 691
fort: „Die Aufgabe des Philologen beginnt mit dem Moment, wo
ſich der Dichter anjchict, die Bilder und Gejtalten feiner Phantafie
zu ordnen, zu verbinden und nach einem einheitlichen Plane zu-
jammenzujchliegen. Hier tritt daS Bewußte zum Unbewußten, hier
erheben fich die Fragen nad Quellen und Vorbildern, nad den
äußeren und inneren Entjtehungsbedingungen u. |. w.“ Ich halte
dieſe Scheidung für äußerſt prekär. Es iſt ja möglich, daß dem Dichter
auch einmal ein ganz iſoliertes Motiv einfällt, aber dieſes enthält
doch faſt immer die Forderung einer Vorgeſchichte, in der gezeigt
wird, wie die Menſchen in die betreffende Lage gekommen ſind, oder
es enthält die Anweifung auf die Konjequenzen, eine Spannung, wie
die Sache fich weiter entwideln wird, oder aud) vielleicht beides.
So wirft ein derartiges Motiv anregend nad) beiden Seiten, neue
Erfindungen fchliegen fih an. Und während fie auftauchen, ordnen
fie ji aud) oder werden vom Dichter geordnet, und während er
ordnet und verbindet, feimen immer neue Konzeptionen empor. Das
Auffeimen der neuen Konzeptionen, die Ordnung und die Beichaffen-
heit des erjten Keimes ftehen in einem fo engen Wechjelverhältnis,
daß es faum möglich fcheinen dürfte, der Philologie die Behandlung
des einen prinzipiell zuzuweiſen und des anderen zu nehmen. Niejahr
alſo will das trennen und erit für den von ihm angegebenen Moment
ſollen die Fragen nach den Quellen und Vorbildern nach den äußeren
und inneren Entſtehungsbedingungen in Betracht kommen. Ich ge—
ſtehe, daß ich das nicht begreife, daß ich nicht begreife, warum dieſe
Fragen nicht ſchon bei dem erſten Aufkeimen der Konzeption in Be—
tracht kommen, und ſpeziell nicht begreife, was denn die Behauptung
über die Herkunft eines poetifchen Motives anderes fein ſoll als ein
Urteil über das erſte Aufleimen einer Konzeption.
Die Erörterungen Niejahrs auf S. 691 find überhaupt merk:
würdig. Aus dem fchon Abgedrudten fällt noch der Sag auf: „Hier
tritt das Bewußte zum Unbewußten.“ Soll das heißen, daß die
Aufgabe der Philologie erſt da beginnt, wo der Dichter mit Bewußt⸗
ſein arbeitet? Es muß wohl ſo heißen ſollen, andernfalls verſtehe ich
wenigſtens den Zwei des Satzes überhaupt nicht. Aber wenige
Zeilen ſpäter weiſt ja Niejahr einen großen Teil der dichteriichen
Zhätigfeit ausdrüdlich dem Elemente des Unbewußten zu, und aibar
gerade einen Zeil, über ben Bien die Philologie und er felbft g
viel zu jagen weiß. — hin ſchreibt er den Satz: „Es hieße jede
litterariiche Entwidlun * hiſtoriſchen guſammenhang leugnen,
wollte man das poetifde Ru Kunftwert als etwas für fi und außer
allem Konner daftehendes betrachten.“ Der Sat iſt fo richtig, wie
eben Zautologien zu fein pflegen, es fommt nur darauf an, wodurd)
70 5. Roetteten, Bemerkungen zur Deetbode der Yitteraturgeichichte.
aus der Ferne zu erichienen, jondern durch ihre raiende Rachbegier
dahin gebracht werden wird, jelbit Hand an ihn zu legen. Dies iſt
meine Erklärung für das Motiv der greuelvollen Mordthat. Aber
dieje That jelbit fonnte immer noch in verjchiedener Weije vor:
genommen werden: Pentheiilen Fonnte den jchon zu Tode Verwundeten
mit dem Dolche zerfleiichen, ihn schlagen, fragen oder mit Füßen
treten; Kleiſt läßt fie ihm beigen und nur, wie er auf diejen jpeziellen
Zug gefommen iſt, habe ich im meiner Anmerkung — gerade nicht
beſtimmt zu jagen versucht, ſondern habe nachzumeijen verjudht, daß
mm cs nicht beſtimmt jagen kann. Ich denke, man wird mir danach
zugeben, dar Nicjahr meine Anficht über die Kataſtrophe wieder nicht
ichr genan reproduziert hat. Ich will übrigens nicht verfehlen aus-
drüdlich zu erflären, dap mir meine Anmerfung jelbit, die Niejahr
für einen Ausflug des höheren Blödſinns zu halten ſcheint, auch jetzt
noch den Eindruck leidlicher Vernunft macht.
Wenn Niejahr nachdrüdlich betont, dan es unmöglich jet feit-
zuſtellen, unter welchen Antrieben, Nombinationen, willtürfichen
Miſchungen und launiſchen Zprüngen das erite Anffeimen einer
Konzeption ich in jedem einzelnen Falle in dem Dichter vollzogen
babe, wenn er ſchon 2. 670 an der bereits einmal citierten Stelle
den „Pſiychophilologen“ vorwirft, fie glanbten nur perlippe-perlappe
jagen zu müſſen, um Schloß und Niegel jener geheimnisvollen Stätte,
wo die dichteriichen |deen geboren werden, zu öffnen, jo gründet
sich dieier Norwurf wohl hauptſächlich auf die zuletzt erwähnte An-
mertung, deren Abſicht Niejahr, wie eben geiagt, falſch auffart. In
Wirklichkeit zeigt Vie gerade, wie cin „Pinchophtlologe” von allzu
suverüichtlichen Behauptungen über dieſe Dinge zurüdgehalten wird,
und zwar dadurch, day ihm hänfig mehrere Möglichkeiten einfallen,
wie cin beſtimmtes Reſultat zu ſtande gekommen fein kann, und er
sich micht in der Yagqe ſieht, zwiſchen dielen zu wählen. Einem Manne
wie Niejahr dagegen find nur einige wenige Voritellungen iiber dieſe
Tinge recht geläufig: auf fie bezieht er alles, was jich irgend darauf
besichen läßzt, und läſtzt ce dabei an Zuverſichtlichkeit des Urteils
nicht fehlen. Nie bei dem Wideripruch gleich der Wegriff: „ver:
ſchiedener lan” vorichwebt und entichieden behauptet wird, fo it
auch die „Beeinfluffung” ein joldher Yieblingsbegriif und wo er fich
irgend anwenden läßt, da werden auch über das erite Auffeimen
einer Konzeption unbedenklich recht zuverlichtliche Urteile abgegeben.
Ich wenigſtens halte cs für ein jolches Urteil, wenn Niejahr ver:
sichert, der Botenbericht der Bacchen habe dem Tichter das ganze
Schlußmotiv geliefert ımd die Meute ſei ans der Aftäonfage ge:
nommen. Allerdings muß ich bemerten, dar Niejahr hierüber anderer
Aniicht zu jein ſcheint: Nachdem er das erite Auffeimen der Motive
9. Noetteten, Bemerkungen zur Methode der Litteraturgefchichte.: 751
für aller Forſchung unzugänglid, erklärt hat, fährt er auf ©. 691
fort: „Die Aufgabe des Philologen beginnt mit dem Moment, wo
ſich der Dichter anfchidt, die Bilder und Gejtalten jeiner Phantafie
zu ordnen, zu verbinden und mach einem einheitlichen Plane zu
jammenzufchließen. Hier tritt das Bewußte zum Unbewußten, hier
erheben ji die ragen nad) Quellen und Vorbildern, nad) dei
äußeren und inneren Entjtehungsbedingungen u. ſ. w.“ Ich halte
dieſe Scheidung für äußerſt prefär. Cs iſt ja möglich, daß dem Dichter
aud einmal ein ganz toliertes Motiv einfällt, aber dieſes enthält
doch faft immer die Forderung einer Vorgeſchichte, im der gezeigt
wird, wie die Menjchen im die betreffende Lage gefonmen find, oder
es enthält die Anweiſung auf die Konjequenzen, eine Spannung, wie
die Sache ſich weiter entwideln wird, oder auch vielleicht beides.
So wirft ein derartiges Motiv anregend nad) beiden Seiten, neue
Erfindungen ſchließen ji an. Und während fie auftauchen, ordmen
fie ſich auch oder werden vom Dichter geordnet, und während er
ordnet und verbindet, feimen immer neue Stonzeptionen eipor. Das
Auffeimen der neuen Konzeptionen, die Ordnung und die Beſchaffen⸗
heit des erſten Keimes ftehen in einem jo engen Wechjelverhältnis,
daß es faum möglich, jcheinen dürfte, der Philologie die Behandlung
des einen prinzipiell zuzuweiſen und des anderen zu nehmen. Nicjahr
aljo will das trennen und erjt für den von ihn angegebenen Moment
ſollen die Fragen nad) den Quellen und Vorbildern nad) den äußeren
und inneren Entjtehungsbedingungen in Betracht fommen. Ich ge:
ftehe, daß ich das nicht begreife, daß ich nicht begreife, warum dieje
ragen nicht ſchon bei dem erjten Auffeimen der Konzeption in Be-
tracht kommen, und jpeziell nicht begreife, was dem die Behauptung
über die Herkunft eines poetiſchen Motives anderes jein joll als ein
Urteil über das erjte Auffeimen einer Konzeption.
Die Erörterungen Niejahrs auf S. 691 find überhaupt merk
würdig. Aus dem ſchon Abgedrudten fällt noch der Sag auf: „Dier
tritt das Bewußte zum Unbewußten.“ Soll das heißen, daß bie
Aufgabe der Philologie erft da beginnt, wo der Dichter mit Bewußt-
fein arbeitet? Es muß wohl jo heißen follen, andernfalls verjtehe id)
wenigjtens den Zweck des Satzes überhaupt nicht, Aber wenige
geilen fpäter weift ja Niejahr einen großen Zeil der dichteriſchen
hätigteit ausdrücklich dem Elemente des Unbewußten zu, und zwar
gerade einen Teil, über den ſonſt die Philologie und er jelbft gar
viel zu jagen weiß. — Weiterhin jchreibt er den Sag: „Es hiehe fede
litterariſche Entwidlung, jeden hiſtoriſchen YZufammenhang leugnen,
wollte man das poetijche Kunſtwerk als etwas für ſich und außer
allem Konner dajtchendes betrachten.“ Der Sat it jo richtig, wie
eben Tautologien zu jein pflegen, es kommt nur barauf an, wodurch
752 H. Roettelen, Bemerlungen zur Methode der Litteraturgeſchichte.
der hiſtoriſche Zuſammenhang bedingt wird. Niejahr ſagt, es ſolle
der Dichter aus der Bildung und Kultur ſeiner Zeit erklärt und
begriffen werden. Hier fehlt die Rückſicht auf die individuelle Anlage,
die der Dichter mit auf die Welt bringt, und ohne deren Voraus—⸗
jegung die Biographie feinen Schritt thun kann, es fehlt die Er:
wähnung der perjönlichen Lebensſchickſale, die auf diefe Anlage wirten
und bisweilen jedenfalls jtärfer wirfen, als die allgemeine Kultur
und Bildung der Zeit. Weiter bezeichnet es Niejahr als Aufgabe,
dag Tichtwerf aus der Geſamtheit jeiner Bedingungen, aus der
Perlönlichkeit und dem Yeben jeines Zchöpfers, wie aus den litte-
rariichen und allgemein geiftigen Einflüſſen, unter denen er ftand,
zu erflären und zu begreifen. Das iſt ganz ſchön und auch „die
unreife Weisheit neugebackener Piychologiebefliiiener“, wie Niejahr
jich gleich darauf mit wunderbar anjchanlicher Bildlichfeit ausdrüdt,
wird an diejer allgemeinen Formulierung keinen Anſtoß nehmen; es
fragt jid) nur, wie man die Accente zu verteilen hat. Niejahr hebt
vorher ganz bejonderg hervor, dar man die Abhängigfeit des poeti-
ihen Producierens von beitimmten Norbildern bie in das Fleinfte
verfolgen joll: ich gehöre zu denen, die da glauben, daß in dieſen
Unterjuchungen jehr viel verlorene Zeit jtedt. Wenn mir auch alle
Ahnlichfeiten einer Dichtung mit ihren Vorgängern aufgezählt find,
jo wei ich damit von den eigentlichen treibenden Kräften, die das
Knnſtwerk hervorgebracht haben, nod) gar nichts. Die bloijen über:
lieferten Vorſtellungen find es ja nicht: wären jie der maßgebende
Faktor des hiſtoriſchen Zuſammenhanges, jo wäre es unbegreiflich,
daß jie nur auf diejen oder diefe Dichter wirften, nicht auf andere.
Warum it Shafejpeare den älteren Männern des 18. Jahrhunderte,
von denen manche ihn doc kannten, gleichgiltig, warum geraten Die
2ertreter der Zturm- und Trangperiode und ihre Vorgänger in fo
helle Begeijterung für ihn oder vielmehr für manche Seiten jeiner
Kunit, denn feine ganze Kunit haben fie ja nicht zu würdigen ver-
ftanden? Nie kam cs, dar damals Männer von dieſer beftimmten
SHeiftesrichtung sich der Führung in unjerer Yitteratur bemädhtigt
hatten und cin Publikum fanden? In welchen Zuſammenhange
ſtehen die Yieblingsmotive der Zeit mit diejer Sseiftesrichtung? Wer
mir dieſe ‚ragen beantwortet, der giebt mir Erfenntniffe über den
hiſtoriſchen Zuſammenhang.
Allerdings das ſoll nicht geleugnet werden: ſchon von einem
Dichter geformte Motive haben etwas voraus vor ſolchen, die noch in
der Natur ſtecken und erſt herausgeriſſen werden müſſen. Der äſthe⸗
tiſche Wert iſt bei erſteren bereits ausgeprägt und jedem Mar, während
es viel ſchwerer ift, etiwa bei einer Zeitungsnotiz, einem beobachteten
Vorfall des Yebens oder einem zufälligen Einfall fofort zu erfennen,
9. Noettefen, Bemerkungen zur Methode der Litteraturgeichichte. 703
daß hier gewiſſe Wirkungen ſchlummern. Ihre größte Bedeutung hat
. dieje Macht des bereits geformten Materials bei Dichtern, die ge-
borene Nachahmer find, die feine individuellen äfthetifchen Bedürfniſſe
haben, jondern nur überhaupt etwas machen wollen, gleichviel ob jie
im Fahrwaſſer Shafejpeares oder Calderons, Ibſens oder Kleiſts
ſegeln. Aber jchon, wo beſtimmte Werfe plöglic eine Reihe von
Nahahmungen finden, muß man, wenn man von dem, wie id)
glaube, nicht jehr hoc) zu jchätenden Reiz des neuen abjieht, immer
annehmen, da bei einer Anzahl von Dichtern oder im Publikum
oder in beiden ein Bedürfnis nad) diejer beftimmten Art von Charat-
teren, der Darftellung dieſer Wonflikte, mad) dieſen beftimmten Stim-
mungen u. ſ. w. vorhanden war. Hier hat ſchon nicht jedes bereits
äfthetifch ausgemünzte Motiv ohne weiteres über den Dichter größere
Macht, jondern nur ein ſolches, das feinem bejtimmten Bebürfniffe
entgegenfommt, das nad) der ihm ſympathiſchen Nichtung hin aus—
gemünzt ift oder wenigjtens nach diejer Richtung hinweilt. Wie jehr
dabei das Original bisweilen afjimiliert wird, dafür bieten unter
anderem die erſten deutichen Nahahmungen des Nobinjon ein Bei—
ſpiel. Wohl wird bei joldhen Nahahmungen manches auf das Original
hinweijen, aber ihre Lebeuswurzeln ſtecken nicht in dem Original,
jondern in jenem Bebürfnis, das durch das Original nur einen
Weg zur Befriedigung gefunden hat, den es möglicherweije aud) ohne
das Original hätte finden fürmen; umd was die Annlichfeiten mit
dem Original anlangt, jo ift von ihmen, ſoweit fie nicht äuferlicher
und umwejentlicher Art find, wie Namen, Fofalitäten u. j. w., vedjt
Schwer zu entjcheiden, wieweit jie wirflich durch die Kraft des Ori-
ginals hervorgebradjt jind, wieweit das Bedürfnis des Dichters
ſchon jelbft auf dem Wege war, ähnliches zur erfinden. Wenn etwa
eine Verführungsgeichichte befonders geeignet erſcheint, Stimmungen
und Tendenzen einer beftimmten Zeit auszudrüden, jo it das ein
Motiv, das aus Erzählungen wirklicher Worfommmifje oder aus
Zeitungsnotizen jehr vielen befannt ift; einer muß es nun natürlich
zuerſt bringen und alle andern, die e8 mac ihm bringen, eriheinen
als jeine Nachahmer. Aber es ift ſchwer fejtzuftellen, wieweit die bei
alfen vorhandene Stimmung u. ſ. w. auch bei diejen Nacahmern
ihon das allgemein befannte Motiv herangezogen und beſeelt hatte,
wieweit jeine Vrauchbarfeit erſt durch Kenntnisuahme des „Bors
bifdes“ einleuchtete. Auch fpezielle Ähnlichkeiten entjeheiden hier nicht.
Menſchenſchicſale haben ihre typiiche Umgebung, zu einer Ber
führungsgejchichte gehört in vielen Fällen aud) eine in. Dieſe
giebt es in verfchiedenen Varietäten: die Kupplerin für Geld, die
Kupplerin aus Paſſion u. ſ. w.; je nad) der Stimmung und Tendenz
der Zeit wird eine diefer Variefäten einer größeren Anzahl von
754 9. Roetteken, Bemerkungen zur Methode der Yitteraturgejchichte.
Dichtern bejonders intereflant jein. Führt nun ein Vichter bei einer
Verführungsgeſchichte eine Kupplerin ein, die Ahnlichfeit hat mit
einer jolchen des Worbildes, jo iſt wieder nicht zu enticheiden, wie-
weit an der Figur die innere Logik des Stoffes und die Zeitſtim—
mung beteiligt ijt, iwieweit das Vorbild. Wenn id) ganz beitimmt
weiß, daß der Dichter vor Kenntnisnahme des Worbildes niemals
an dag Motiv gedadjt hat, jo kann id) freilich jagen, dag er durch
die fremde Dichtung angeregt iſt und werde dann auch die Figur
der Kupplerin als durch das Vorbild angeregt betrachten; aber die
Rorausjegung dürfte nicht oft verwirklicht werden und wenn fie es
it, weiß ih im Grunde nur, dag der Dichter durch jein Vorbild
jozujagen überrumpelt iſt, dar er es kennen gelernt hat, bevor die
in ihm vorhandenen Tendenzen die Berührung mit den entiprechenden
Vorſtellungsgruppen gefunden haben.
Es ijt bisher immer vorausgejekt, daß dag Motiv gleich bei
jeiner Kenntnisnahme einen jtarfen Antrieb zur Produktion ausüben
jollte: öfters behauptet man diejes aber nicht, jondern meint nur,
daß das Geleſene - oder im Yeben Gejehene — eingegangen jet in
das große Kejervoir, wo das Xorjtellungsmaterial des Dichters ver:
wahrt werde, und nun bei dieſer oder jener Schöpfung mitbeteiligt
jei. Mit jolchen Behauptungen ſteht cs erjt recht prefär. Die in jenes
Rejervoir eintretenden Borftellungen erleben allerlei Veränderungen:
zuſammengeſetzte Norjtellungen zerlegen jich, fie oder ihre Teile tom:
binieren ich mit anderen Zorjtellungen und deren Zeilen, und dieſe
anderen Zorjtellungen jtrömen von allen Zeiten zu und auch die
flüchtigiten können Bedeutung gewinnen; die Voritellungen erleben
Steigerungen, wie das Dilthey ausgeführt hat, furzum, bei dem,
was jchlienlich herausfommmt, kann niemand jagen, wieviel oder wenig
dazu dieje oder jene Vorjtellung, deren Eintreten in das Rejervoir
wir zufällig beobachten konnten und die nur eine von unzähligen tft,
beigetragen hat. Scherer hat einmal gemeint, es jei immer nützlich,
den Sarfenipieler zu notieren, den Goethe am 29. Juni 1776 in
fein Tagebuch eintrug: eine Tuelle für die Goetheſche Seftalt fennten
wir damit jedenfalls, aber ihre anregende Kraft fei vielleicht nur der
hundertſte Teil jener anregenden Kraft, weldye Goethe zu feiner
Schöpfung trieb. — Die Dauptiache, die (Woethe trieb, wird wohl
überhaupt fein Erlebnis mit Harfenſpielern gemweien fein, fondern
ein Bedürfnis nach einer ‚Figur mit joldhem Stimmungsgehalt; doch
wie dem jei: es jcheint mir jchr wenig Erkenntniswert zu befigen,
wenn wir eine Tuelle fennen, die vielleicht nur ein Hundertel, viel-
leicht noch weniger — eben nur einen ganz unbeitinmten, möglicher:
weile ganz verichwindend geringen Zeil von dem Material zu der
Figur bergab. „Ich würde mich, jtart diejen einen oder auch zwanzig
9 Mocttefen, Bemerkungen zu Methode der Sitteraturgeidhichte, 700
ſolcher Harfenjpieler zu notieren, lieber mit der allgemeinen Uber-
zengung begnügen, daß das Vorjtellungsmaterial für die Gejtalt des
Harfenjpiefers nicht ohne Wirfjamfeit der betreffenden pſychologiſchen
Geſetze ſich kombiniert hat, und würde mid) bemühen, miv Mar zu
machen, warum Goethe eine derartige Geftalt jympathijch war.
ch faſſe zufammen. Das individnelle Bedürfnis des Dichters,
wo ein ſolches vorhanden ift, ift der maßgebende Faktor feiner
Schöpfung. Es zieht ſchon geformtes Material heran, es ajfimiliert
es, oder es veranlaft die Phantafte, entſprechende Vorjtellungsgruppen
zu bilden, In diefem Bedürfnis ſieckt daher die eigentliche Kaujalität.
Und ferner: diejes Bedürfnis ift deutlich zu erkennen, es ijt beim
einzelnen Dichter, allerdings nur unter Borausſetzung einer nicht
weiter ableitbaren angeborenen Anlage, auch in ſeiner Entwiclung
zu verfolgen; während die Herlunft des Vorftellungsmaterials viel⸗
fach problematiſch bleibt. Auf die Erforjhuug jenes Bedürfniſſes
muß daher viel mehr Wert gelegt werden als auf die Behandlung
der Frage nad) den Vorbildern u. ſ. w. Allerdings ſtehen wir mit
der Frage, wie es fommt, daß in einer bejtimmten Zeit Dichter
mit einem bejtimmten äfthetifchen Bedürfnis die Herrſchaft am ſich
reißen, vor einem jchiwieri igen Problem, und, leichter, als ſich hierüber
den Kopf zu zerbrechen, iſt es jedenfalls, Ahnlichkeiten mit früheren
Dichtungen feſtzuſtellen Und dieſe Thätigleit erhält noch eine Stütze
dadurch, daß es an ſich angenehm iſt, Nnlichtelten wahrzunehmen:
eine an ſich angenehme geiftige Thätigfeit, die irgendwie den Schein
gewonnen hat, Erfenmtniswert zu bejigen, iſt vor einer allzu ſcharfen
Kritik diefes Wertes ziemlich ficher.
Ich bin zu Ende und kehre nochmals zu Niejahr zurück. Cr
hat ſich mit uns alle Mühe gegeben. Er hat unjere Herzen ir rühren
gejucht durch einen jchwungvolfen Hymnus auf die Kritif; er hat
uns unſer Unrecht zum Bewußtſein zu bringen geſucht, inden er
ironifierte und höhnte, fo fein, jo geiſtreich und wigig, wie er es
nur immer zu leiften im ftande war; er hat den Ton der Ent-
rüftung angefchlagen und uns den Nat gegeben, wir follten uns ſtill
der Ausbildung im der Kritit widmen. Ich habe von allen diejen
hübſchen Sachen nur hie und da eiwas erwähnt; jegt zum Schluß
aber will aud) ich Niejahr einen Mat geben: er möge ſich jtull der
Ausbildung in der Klarheit und Folgerichtigfeit des Dentens widnten,
che er verjucht, das große Wort zu führen und ſich als Nitter der
gekränkten Philologie aufzujpielen.
Ermwiderung.
Die vorftehenden „Benrerfungen“ Moettefens geben mir feine
Veranlaſſung, anf die allgemeinen und beſonderen Fragen, um die es
Euphorion IV. 49
44 9. Roettelen, Bemerkungen zur Methode der Yitteraturgeichichte.
dass alſo hierüber auch jemand mitreden kann, der von Piychologie
nichts verjteht: wohl aber lehrt jie, dan ein Berichterftatter neben:
jüchlihe Züge des von ihm wahrgenommienen Creignifjes, zum Bei
jpiel bei einem niedergeworfenen Helden eine Blutung, wie fie Vers
1313 angedeutet ijt, häufig wegläßt, dan er dagegen aller Wahr:
icheinlichfeit nad) alles erwähnen wird, das zum Derftändnis der
Sadje in ihrer ganzen Bedentung nötig ijt oder das ihm eimen
befonders jtarfen Eindrud gemacht hat, zum Beijpiel das aus einer
tödlichen Wunde des bejiegten Helden hervorjtrömende und ihn
überftrömende Blut. Auf das Schweigen der Tberjten über ein Ver:
binden der Penthefilea lege ich feinen Wert mehr, jeit ich gejehen
habe, daß in M der Halbvers fehlt: „wo fie jich erholt”, daß alſo
in diejer eriten uns zugänglichen Faſſung Kleiſts Phantajie mit dem
Bilde der vom Schlachtfelde entfernten Nönigin überhaupt nicht be:
jchäftigt war; dag aber nicht von dem hervorjtrömenden Blut ge-
iprochen wird, bedeutet in der That ein leichtes Gewicht zu Gunſten
der Annahme einer nur leichten Nerlegung. Für mehr als ein der-
artiges leichtes Gewicht habe ich es auch nicht ausgegeben; es jpielt
in meinem Aufjag durchaus nicht die Nolle eines Dauptarguments,
wie man aus Niejahre Worten am Anfange des dritten Abjages auf
S. 658 ſchließen fünnte, jondern wird nur erwähnt als eine nad)-
trägliche Beſtätigung einer durch Vers 1125 bewieſenen Annahme.
Für die Partie um Vers 1125 herum kommt die ganze Sadje im
übrigen natürlicy nur in Betracht, wenn man annimmt, daß 1125
und 1143 jf. urjprünglich zuſammen gehörten, und ic) habe in der
That geglaubt, day Niejahr die ganze 8. Scene für ein unverändertes
Ztüd des erjten Entwurfes hielt, da er in ſeiner erjiten Arbeit uur
von Scene 9—13 ausdrüdlid) angiebt, fie jeien umgearbeitet; id)
gebe aber zu, man hätte durd) genaue Erwägung von Nicjahre
ganzen Crörterungen auf den Gedanken fommen können, dan er auch
die 8. Scene als nmgearbeitet betrachtete. Jewt erklärt er ausdrüd-
lid, dan er die tödliche Yermundung nur für die Verje 1121— 114?
behauptet habe, nicht aber eine tödliche oder doch ſchwere Wunde
annehme auch für die folgenden Scenen — joll doch wohl heißen:
auch nicht Für den Reſt der 8. Scene. Von diefem Standpunkt aus
hat, wie gejagt, das Schweigen der Oberſten für die Beurteilung des
Verſe 1121 1142 feine Bedeutung; für die Verje 1143 ff. befinden
Niejahr und ich uns in der ſchönſten Lbereinftimmung, da er eine
leichtere Nerwundung ja auch jeinerjeits für dieje Verſe annimmt.
Ten nächſten Paſſus von Niejahrs Arbeit drude ich am beiten
wörtlid ab: „Wegen die Annahme einer Ichweren oder gar tödlichen
Terwundung jollen endlich mit. befonderer Beitimmtheit die Verſe
1296 - 1337, deren tjolierte Stellung ich hervorgehoben hatte, jprechen.
9. Noetteten, Bemerhimgen zur Methode der Pitteratungeichichte, 745
Das ift jo gefaßt richtig. Aber ich behaupte ja für den 9. Auftritt
gar feine tödliche VBerwundung, jondern überhaupt nur eine Ver—
letzung und dieje wird durch Vers 1299 ja ausdrüdlich beſtätigt.“
Die Stelle ift ein wahres Meiſterſtück von Gedanfenflarheit: Erſt
erwähnt Niejahr, daß er die ifolierte Stellung der Verſe, aljo ihre
Nichtzugehörigfeit zur jetzigen 9. Scene, hervorgehoben habe, und
gleich darauf beklagt er ſich, daß ich fein allgemeines Urteil über die
jetige 9. Scene nicht auf diefe Berje angewendet habe! Die Ge—
danfenlofigfeit wird noch deutlicher, wenn man den erften Aufjat zur
Hand nimmt. Da werden auf ©. 545 diefe Verſe ausdrüdlich"
als Überbfeibjel des urjprüngfichen Planes bezeichnet, aljo des Planes,
dent die tödliche Verwundung angehören joll; Niejahr hat aljo, wenn
auch nicht für die 9. Scene, jo doch jedenfalls für dieje „ijolierten
Verſe“ die Vorausjegung einer tödlichen Verwundung behauptet und
mein Nachweis, daß feine ſolche vorliege, war durchaus am Plage,
Niejahr ſelbſt muß den Schluß, den id) daraus ziehe, daß nümlich
die Verje nicht zu jenem erjten Entwurf gehören fönnen, als be-
rehtigt anerkennen — und num leje man mod) eimmal den oben ab»
gedrudten Pafjus!
Für die ifolierte Stellung der Kampfjcene bringt Niejahr
nod) ein neues Argument bei, nämlich daß Achilles hier auf in
Stahl gejchientem Roß kämpfe und ganz als mittelalterlicher Ritter
gedacht fei, während er fonjt auf der Omadriga jtehe und auch die
anderen Griechen nicht beritten erjchienen. Ich gebe zu, da der
in Stahl gejchiente Achilles und das ftahlgeichiente Roß fich jtart
mittelalterlich ausnehmen umd ſich am leichteften durch den Gedanfen
an ritterliche Rüſtung erklären. Aber es ijt eine ftarfe Übertreibung,
wenn Niejahr da eine verſchiedene Auffaſſung des Stoffes finden
will. Warum kann der Widerjprud) nicht anf Willfür beruhen, oder
vielmehr auf einem momentanen Einfall, der Kleiſt, wer weiß warum,
gefiel? Daß er ein Bewuftjein gehabt hat, bei dem Bilde, das er
Vers 1038 zeichnete, von der Vorſtellung eines mittelalterfichen
itters beeinflußt zu fein, ift doch nicht nötig umd daß ihm bie
Koftümmmidrigfeit, der Gegenſatz gegen die Sitte der Griechen auf-
falten mußte, wird man bei einem Kleift aud) nicht behaupten wollen,
bei dem zum Beifpiel Hermann jein Cherusfa für einen Wedhjel
verfaufen zu können erklärt. Doch ich bin in diejem Punkte im der
glüclichen Lage, mir gegen Niejahr Hilfe bei Niejahr jeloft zu holen.
In feinem erften Aufjat S. 520 jagt er; „Der Dichter länt ſolche
Verſtöße, joweit er ſich überhaupt ihrer bewußt wird, zu, wenn jie
feinen bejonderen dichterifchen Zwecken dienen: Achilles wird als Nitter
gezeichnet, wo die Handlung ins romantijche überjpielt, und Sichel-
wagen und Elephanten werden aufgeboten, wo es gilt, vor ber
734 5. Noctteten, Bemerkungen zur ‘Wethode der Yitteraturgefchichte.
jetzt nicht mehr als tödlid) oder gefährlich vorſtellen ..... Erit von
14. Auftritt an wird die Nerwundung entichieden ignoriert.“ Oder
in den erjten Aufſatz S. 546: „Da das Ziel der liberarbeitung
darin beitand, die Verbindung mit den jelbjtändig ausgearbeiteten
11 legten Auftritten herzuitellen, jo mußten jelbitverjtändlich alle
Motive, die hierbei im Wege ftanden, fortfallen. An ihrer Stelle
fegte der Dichter dann das Hauptgewicht auf die Tarftellung des
ſeeliſchen Zuſtandes jeiner Heldin umd indem er diejen mit der ihm
eigenen Kunjt in mannigfachen charafteriftiichen Zügen veranſchau—
lichte, lien er den (Hedanfen an die Verwundung ſchon jetzt abficht:
lic) zurüctreten. Er erfand die zweite Ohnmacht und ſpann jo den
Faden zu den folgenden Ecenen hinüber, während er gleichzeitig die
Zerbindung mit dem 5. Auftritt durchſchnitt.“
Ich habe Niejahrs Worte lange hin und her überlegt, aber ich
kann feinen anderen Zinn darin finden als den, daß Kleiit, als er
an die Zulammenfügung ging, ganz genau wußte, wie wenig der
8. Auftritt zum folgenden parte, und mun den größten Zeil der
neunten Zcene dichtete, um dem Publikum den ihm durch 8 nahe»
gelegten (Sedanfen an eine Ichwere Nerwundung wieder zu nehmen.
Erfanmte Kleiſt jelbit nicht, wie wenig der Wotenbericht der Oberſten
zu dem folgenden parte, jo fiel ja natürlich der von Niejahr ange:
gebene Grund für die Hervorhebung der jeeliichen Serrüttung hinweg
und Kleiſt hätte unmittelbar an 8 anknüpfen können. Nun möchte
ich aber doc irgend ein Motiv erfahren, das ihn antrieb, feine
*. Scene, oder Ipeziell die Verſe 1122 ff. für jo ſakroſankt zu
halten, daR er tie nicht änderte, jondern lieber verjuchte, ihren Ein»
drud nachträglid;) aus dem Bewußtſein des Publikums zu löſchen!
Weiter jedod) ich jpreche immer von den Vorausſetzungen
Niejahrs aus -: Kleiſt arbeitet alio die 9. und die folgenden
Scenen um mit dem Ziel fie zu vereinigen mit der Norausjeßung
einer völligen Unverſehrtheit der Pentheſilea, wre die 14. Scene fie
nach Niejahr fordert: dabei „bleibt die Verwundung beitehen, nur
dürfen wir fie ums nicht mehr als tödlich oder gefährlich vorftellen“.
Ich frage, wie kommt Kleiſt dazu, die tödliche Wunde des erften Planes
nun im der 9. Scene als eine leichtere hinzuitellen, wenn er doc)
wein, day Pentheiilea in der 14. Scene ganz unverwundet jein joll?
Nach Niejahr S. 656 unten und S. 657 oben ıNeue Arbeit) müßte
man annehmen, day Kleift jeinem Publitum jo recht allmählich den
(GGedanken an eine tödliche Verwundung hat benehmen wollen: erft
eine leichtere Wunde, dann gar feine. Aber nad) S. 658 foll ja dem
Tichter bei der Zuſammenfügung der jich ergebende Widerſpruch ent-
gangen ein, er ſoll alſo nicht gewußt haben, dan er mit feiner An-
nahme einer leichten Rerwundung doch nicht die Vorausſetzung der
9. Noettefen, Bemerkungen zur Methode der Litteraturgeſchichte. 735
14. Scene richtig getroffen hatte, Hatte er denn dieſe Vorausſetzung
vergeffen, als er die 9. Scene einer gründlichen Umarbeitung unters
zog, um jie eben mit der VBorausfegung der 14, Scene in Einklang
zu bringen? Und bildete ſich ihm die Idee einer leichteren Vers
wundung gewiffermaßen als ein Kompromiß zwiſchen der Vor—
ftellung einer tödlichen Wunde und der einer völligen Unverjehrtheit?
Wie denkt ſich Niejahr das? ic) kann es mir eben gar nicht denfen,
Niejahr hatte in feinem erjten Aufſatze S. 543 ausgeſprochen,
daß die Taͤuſchung der Penthejilen unmöglich ſei, nachdem dieſe im
9. Auftritt bei völfigem Bewußtſein über den Hergang aufgeklärt
erſchien. Ich hatte eingewendet, daß Kleiſt die Taͤuſchung doc, aud)
unter der eben bezeichneten Vorausjegung für möglid) gehalten habe,
Er weife in der Täufchungsjcene ſelbſt deutlich anf Vorgänge der
9. Scene hin und beweije damit, daß dieje Scene ihm feineswegs
aus den Augen gefommen war, als er die Täuſchungsſcene dichtete.
Niejahr repliziert, daß Kleiſt die Vereinigung der beiden Scene für
möglich gehalten hat, jei richtig, aber diejes ala Argument zu ver
wenden bei der frage, ob hier ein thatjächlicher Widerſpruch bejtehe,
fei doch mehr als ſeltſam. Aber bei diefer Frage wollte ich das
Argument auc gar nicht brauchen, denn auf ihre Beantwortung
fommt es, wie ich oben ausgeführt habe, gar nicht an, jondern
lediglich darauf kommt es an, ob Kleiſt jeinen piychologijchen Anz
fihten 2. nad) es für möglid) hielt, da ein Menſch in ventheſileas
Lage von den zwijchen den beiden Ohnmachten liegenden Vorfällen
eine ganz lüdenhafte und unklare Vorſtellung hat. Nur dieje Frage
fuchte ich durch meinen Hinweis auf Vers 1718 ff. zu enticheiden.
Die Entjheidung war ungenügend, das muß ich Niejahr zugeben.
Denn mein Hinweis bewies nur, daß Kleift eben jenen Zeil der
9. Scene, wo Penthefilea die Nojenkränze zerhaut, mit der Täu—
{hung für vereinbar gehalten hat, nicht aber bewies er es ohne
weitere3 für die anderen Partien der Scene. Niejahr meint denn
auch, als Kleijt die 14. Scene mit den vorhergehenden wereinte,
habe feine nur auf das Verbinden gerichtete Phantafie an die Mo-
mente der 9. Scene angefnüpft, wo der Geift der Unglücklichen
den Erinnyen zum Naube hingegeben ift, am die Begegnung mit den
Rofenmädchen und das Irrgeſchwät auf der Brüde; er habe die
Scene nicht im einzelnen geprüft, jondern nur den allgemeinen
Stimmungscharafter mit dem Bilde der im ſich völlig Aufgelöften
vor Augen gehabt. Nehmen wir nun zunächſt an, daß die 9. Scene
und das Täujchungsmotiv auc nach Kleiſis piychologiicher Anficht
night nebeneinander Pla gehabt hätten, daß aljo der von Niejahr
erwähnte Widerjprud) wirflid) ein echter wäre und juchen wir uns
Har zu machen, wie Kleiſt nach Niejahrs Anficht gearbeitet haben
ku
734 H. Roetteken, Bemerlungen zur Methode der Litteraturgeſchichte.
jetzt nicht mehr als tödlich oder gefährlich vorſtellen ..... Erit von
14. Auftritt an wird die Verwundung entichieden ignoriert.“ Oder
in dem erjten Auflat S. 546: „Ta das Ziel der Überarbeitung
darin beftand, die Werbindung mit den jelbjtändig ausgearbeiteten
11 legten Auftritten herzujtellen, jo mußten jelbitverftändlich alle
Meotive, die hierbei tm Wege ftanden, fortfallen. An ihrer Stelle
fegte der Tichter dann das Hauptgewicht auf die Taritellung des
ſeeliſchen Zuſtandes jeiner Heldin und indem er diejen mit der ihm
eigenen Kunjt in mannigfachen charakteriſtiſchen Zügen veranjchau:
lichte, lien er den (Hedanfen an die Verwundung ſchon jetzt abjicht:
lich zurücdtreten. Er erfand die zweite Ohnmacht und jpann jo den
Faden zu den folgenden Ecenen hinüber, während er gleichzeitig die
Verbindung mit dem 8. Auftritt durchſchnitt.“
Ich habe Niejahrs Worte lange hin nnd her überlegt, aber ich
fanı feinen anderen Zinn darin finden als den, daß Kleilt, als er
an die Julammenfügung ging, ganz genau wußte, wie wenig der
8. Auftritt zum folgenden paßte, und num den größten Teil der
neunten Scene dichtete, um dem Publikum den ihm durch 8 nahe:
gelegten (Sedanfen an cine jchwere Verwundung wieder zu nehmen.
Erkannte Kleiſt telbit nicht, wie wenig der Wotenbericht der Oberſten
zu dem folgenden paßte, to fiel ja natürlich der von Niejahr ange:
gebene GGrnnd fiir die Dervorbebung der jeeliichen Zerrüttung hinweg
und Kleiſt hätte unmittelbar an 8 anknüpfen fönnen. Nun möchte
ih aber dod) irgend ein Motiv erfahren, das ihn antrieb, feine
“,. Scene, oder jpeziell die Verſe 1122 ff. für jo ſakroſankt zu
hulten, dan er sie nicht änderte, jondern lieber verjuchte, ihren Ein»
druck nachträglich ans dem Bewußtſein des Publikums zu löſchen!
Weiter jedoch ich ipreche immer von den Qorausjeßungen
Niejahrs aus -: Kleiſt arbeitet alio die 9. und die folgenden
Scenen um mit dem giel fie zu vereinigen mit der Vorausſetzung
einer völligen Unverſehrtheit der Penthefilen, wre die 14. Scene fie
nad) Niejahr fordert: dabet „bleibt die Verwundung beitehen, nur
dürfen wir fie uns nicht mehr als tödlich oder gefährlich vorftellen”.
‚sch Frage, wie kommt Kleiſt dazu, die tödliche Wunde des eriten Planes
nun im der 9. Scene als eine leichtere hinzuftellen, wenn er doch
wein, dan Pentheiilea in der 14. Zcene ganz unverwundet jein joll?
Nach Niejahr S. 656 unten und S. 657 oben Meue Arbeit, müßte
man annehmen, daß Kleift jeinem Publikum jo recht allmählich den
(Hedanfen an eine tödliche Verwundung bat beuehmen wollen: erft
eine leichtere Wunde, dann gar feine. Aber nach S. 658 joll ja dem
Tichter bei der Zuſammenfügung der ſich ergebende Widerſpruch ent-
gangen jein, er Toll aljo nicht gemunt haben, daß er mit feiner An-
nahme einer leichten Verwundung doc nicht die Xorausfegung der
9. Noettefen, Bemerkungen zur Methode der Litteraturgeſchichte 735
14. Scene richtig getroffen hatte. Hatte er denn dieje Vorausjekung
vergefien, als er die 9. Scene einer gründlichen Umarbeitung unters
zog, um jie eben mit der Voransjegung der 14. Scene in Einklang
zu bringen? Und bildete ſich ihm die Idee einer leichteren Ber
mwundung gewiffermaßen als ein Kompromiß zwifchen der Vor—
jtellung einer tödlichen Wunde und der einer völligen Umverjehrtheit?
Wie denkt ſich Niejahr das? id) kann es mir eben gar nicht denfen.
Niejahr hatte in feinem erſten Auffate ©. 543 ausgeſprochen,
daß die Täufchung der Penthejilea unmöglich ei, nachdem dieje im
9. Auftritt bei völfigem Bewußtſein über dem Hergang aufgeflärt
erſchien. Ich hatte eingewendet, daß Kleiſt die Täujhung doch auch
unter der eben bezeichneten Vorausjegung für möglich gehalten habe.
Er weiſe in der Täufchungsfeene ſelbſt deutlich auf Vorgänge der
9. Scene hin und beweie damit, daß diefe Scene ihm feineswegs
aus den Augen gefommen war, als er die Tüuſchungsſcene dichtete.
Niejahr repliziert, dag Kleiſt die Vereinigung der beiden Scenen für
möglich gehalten hat, jei richtig, aber diejes als Argument zu ver-
wenden bei der Frage, ob hier ein thatfächlicher Widerjpruch bejtehe,
fei doch mehr als jeltjam. Aber bei diejer Frage wollte ic) das
Argument auch gar nicht brauchen, denn auf ihre Beantwortung
fommt es, wie id) oben ausgeführt habe, gar nicht am, jondern
lediglich darauf fommt es an, ob Kleiſt feinen piychofogiichen An—⸗
fichten ꝛc. nad) es für möglich hielt, dag ein Menſch in ventheſileas
Lage von den zwijchen den beiden Ohnmachten liegenden Vorfällen
eine ganz lücenhafte und umflare Vorftellung hat. Nur dieje Frage
fuchte id) durd) meinen Hinweis auf Vers 1718 ff. zu enticheiden,
Die Entjcheidung war ungenügend, das muß ic Niejahr zugeben.
Denn mein Hinweis bewies nur, daß Kleiſt eben jenen Teil der
9. Scene, wo Penthefilen die Mojenfränze zerhaut, mit der Tätt-
ſchung für vereinbar gehalten hat, micht aber bewies er es ohne
weiteres für die anderen Partien der Scene. Niejahr meint dem
auch, als Kleiſt die 14. Scene mit den vorhergehenden vereinte,
habe feine nur auf das Berbinden gerichtete Phantafie an die Mo-
mente der 9. Scene angefnüpft, wo der Geiſt der Unglüdlichen
den Erinnyen zum Raube hingegeben ift, an die Begegnung mit den
Roſenmädchen und das Irrgeſchwätz auf der Brüde; er habe die
Scene nicht im einzelnen geprüft, jondern nur den allgemeinen
Stimmungscarakter mit dem Bilde der im ſich völlig Aufgelöften
vor Augen gehabt. Nehmen wir num zunächjt an, daß die 9. Scene
und das Taͤuſchungsmotiv and nad) Kleifts pſychologiſcher Anficht
nicht nebeneinander Pla gehabt hätten, daß aljo der von Niejahr
erwähnte Widerfpruch wirküch ein echter wäre und fuchen wir uns
Mar zu machen, wie Kleift nach Niejahrs Anficht gearbeitet haben
736 D. Roettelen, Bemerkungen zur Methode der Litteraturgeſchichte.
müßte. Ta tritt nun zunächſt die eben eitierte Stelle in Gegenſatz
zu Niejahrs jonitigen Außerungen, die dahin gehen, daß die 11 leuten
Auftritte jelbjtändig ausgearbeitet und dann erjt die früheren um:
gearbeitet jeien. Danach wäre aljo die Zache nicht jo geweſen, dan
Kleift bei der Abfaſſung der 14. Scene die jekige 9. einfach vor
jich hatte, jondern jo, dar er bei der Ausarbeitung der 9. die 14.
vor ſich hatte und die Uberarbeitung vornahm, um die Vereinigung
zu ermöglichen. Wir haben nun jchon oben gejehen, dar dieje Überarbei-
tung eine jehr gründliche war: es blieb jedenfalls jehr wenig von der
alten 9. Zcene übrig, das weitans meiſte mußte Kleijt neu jchreiben
mit dem Ziel, es mit den Vorausſetzungen der 14. Scene in llber:
einſtimmung zu geitalten. Hierbei müßte nun Klett vergeflen haben,
dan zu den Vorausſetzungen der 14. Scene auch die Möglichkeit
einer Täuſchung der Pentheſilea gehörte.!: Nun fann ich diejes nicht
für unmöglich erklären, das heißt es iſt dann möglich, wenn Kleift
die 9. Zcene dichtete, hauptſächlich um dem Publikum den Gedanten
an die tödliche Verrvundung zu benchmen. Tann fonnte eintreten,
was ich oben andentete: Es konnte jeine Aufmerkſamkeit von dem
Schickſal des Verwundungsmotivs jo ſehr gefeflelt fein, dan er die
Aiderjprüche nicht merfte, die ich durch jeine Bemühungen für dieſes
Motiv auf einem abjeits gelegenen Gebiete ergaben. Einige Schwierig»
keiten machen allerdings die Verſe 1719 ff.: Entweder müßte die
Scene mit den Roſenmädchen der früheren Faſſung angehört haben
oder Kleijt müßte fie, als er 14 Ichrieb, bereits vorläufig für die
ipäter auszuführende 9. Scene entworfen haben oder die Verje müßten
nad der Umpdichtung der 9. Scene nachträglid) eingefügt jein. Das
alles ijt wicht undenkbar. Aber nun: Wenn Kleiſts Phantafie jo durch
dag Verwundungsmotiv abjorbiert war, dan er in der 9. Scene
Dinge jchrieb, die zu dem jchon feititehenden Täujchungsmotiv nicht
papten: konnte er dann nicht auch bei der eriten Niederichrift, auch
wenn er einfach der Reihe nad) arbeitete, durch den piychiichen Zuſtand
Pentheſileas in der 9. Scene jo gefejlelt jein, dan er diejen länger
und anders ausmalte, ala ſich mit dem im Plane jchon vorgejehenen
Tänfchungemotiv vertrug und konnte er nicht auch bei fortichreitender
Arbeit, nachdem immerhin einige hundert Verſe dazwiichen gejchrieben
waren, nun bei der Ausgeitaltung des planmäßig vorgejehenen Täu-
ſchungsmotivs überſehen, daß die 9. Scene nicht ganz dazu paßte?
Wohlgemerkt, ich rede hier immer von der Vorausſetzung aus, daß
Wiejahr recht hat, das heißt dan der von ihm anfgeftellte Miderfpruch
auch für Kleiſt ein joldyer war. Ich will nun aber doc ausdrücklich
'; Tder fol etwa das Täuſchungsmotiv nicht urfprünglich zur 14. Scene
gehört haben? Wie find die folgenden Zcenen dann möglich gemadt worden?
9. Noetteten, Bemerkungen zur Methode der Litteraturgeſchichte. 737.
ertlären, daß mir das durdaus nicht nachgewieſen zu fein ſcheint. Die
Frage, ob ein wirklicher Menſch unter den Umftänden, in denen
Penthejilen fteht, jo vergeffen könnte wie fie, iſt wohl nicht jo kurzer
Hand zu beantworten; ſehr wahrſcheinlich iſt mir der Hergang aud)
nicht, aber immerhin, es handelt ſich um Vorgänge, die zwijchen zwei
Ohnmachten liegen und bei einer Gemütsſtimmung paſſieren, die
allmählich ſich zu volftändiger Verwirrtheit entwicelt; hier beſtimmt
zu jagen: ein ſolches Vergeſſen fönne nicht vorfommen, würde ich
doch nicht wagen. Und ganz gewiß würde ich meine Anficht über
diejen Punkt nicht für jo jelbftverftändfic halten, daß ich fie ohne
weiteres bei jedem anderen Menjchen borausjegen möchte. Woher
wiffen wir, daß Kleiſt nicht anderer Meinung gewejen ift? Die Verſe
von den Nojen jprechen doc immerhin dafür, wenn fie auch direkt
nur für die eine Partie beweien: id) kann nicht finden, daß Benthe-
ſileas Seele in der Partie mit den Nojenmädcden und der Ober-
priefterin mehr den Erinnyen anhein gegeben iſt, als etwa tim Au—
fange der ganzen Scene. Und was Kleiſts Anficht über die Möglichkeit
des Vergefiens in jolden und ähnlichen Fällen anlangt, jo wäre auch
die 24. Scene der Penthefilen zu vergleichen, namentlich Vers 2384 ff,,
wo PBenthejilen völlig vergeſſen hat, daß fie in den festen Kampf mit
Achilles mit ganz anderen Abſichten gegangen ift als in die früheren,
obgleic) fie dod) Vers 2384 ff. und aud in den nächſten Partien
noch mindeftens ebenjowenig in einem Traumzuſtande“ gewejen iſt
wie in der 9. Scene,
Die hervorgehobenen Schwierigkeiten ergaben ſich hauptjächlich
aus der Annahme, dag der Dichter jeinen zweiten Plan mit vollem
Bewußtjein abweichend vom erjten gejtaltet. Es fann auch vor—
fommen, daß der Dichter jeinen erjten Plan vergefien hat, nicht mehr
weiß, was er eigentlich wollte, danad) ſucht und ſchließlich feinen
alten Plan wieder gefunden zu haben glaubt, während diejer doch
in Wirklichkeit abwid. Und man hat auch mit der Möglichkeit zu
rechnen, daß dem Dichter nur einzelnes aus feinem alten Plan ent+
fallen ijt, während er das andere noch weiß. Immer aber muß man,
jolange man von einem neuen Plane reden will, annehmen, daß der
Dichter ſich feines Vergefiens bewußt ift; macht man dieje Anng
nicht, jest man voraus, der Dichter habe diejes oder jenes vergeſſen,
es habe ſich ihm aber, ohne daß er es merkte, etwas anderes am die
Stelle gejhoben, jo fommt man auf Erinnerungstäufchungen, auf
Dinge, wie fie in meiner früheren Arbeit erörtert jind, Wenn mun
aber der Dichter weiß, daß er das Frühere vergefien hat, jo wird
er jeine Arbeit durchlefen, um den Faden wieder zu gewinnen. Khch
gebe zu, daß dem Dichter durch Stimmungen, Sufchten und Inier⸗
eſſen, die er jest hat und früher nicht gehabt hat, eine andere Fort-
TER H. Noettelen, Bemerkungen zur Methode der Yitteraturgefchichte.
ſetzung nahe gelegt werden fann als er früher beabjichtigte, und daß
diefe Stimmungen ꝛc. die Auffajfung des Alten dur den Dichter
beeinfluffen können, jo daß er in dem früher Gejchriebenen die Anſätze
zu der jett beliebten Fortſetzung zu finden glaubt; immer aber wird
das nur bis zu einem gewijien Grade möglich jein. Wenn zum Bei
ipiel Kleijt die erjten 13 Scenen der Penthejilen jo gejchrieben hätte,
wie jie jett daitehen, num ſein Werf liegen gelajien und jeinen Plan
vergefjen hätte, jo würde er beim Durchlejen der alten Scenen, beim
Suchen des alten Planes die Hinweiſe auf eine Verwundung faunı
haben überjehen können, und es ilt höchſt ummwahricheinlich, daß er
nun eine Scene angeſchloſſen hätte, deren vollbewußte Vorausſetzung
die völlige Unverſehrtheit der Pentheſilea gemwejen wäre.
Endlich eine Arbeitsweije, wie wir jie aus der Familie Schroffen-
ftein fennen: ein wiederholtes Umformen und Andern, ein Hin» und
Derarbeiten. Tieje Art zu arbeiten jeheint mir unter allen erörterten
an ſich die günftigjten Bedingungen für die Entitehung von Wider:
fprüchen zu bieten. Es kann hier ein Faktor mitfpielen, den wir
bisher nicht berücfjichtigt haben: die jteigende Ungeduld und Nervo-
jität des Dichters, der Wunſch, endlid) fertig zu werden. Solange
es jich um zwei einfache Pläne handelt, ift immer anzunehmen, daf
fichh der Tichter das Alte durchlieft und auf jeine Qereinbarfeit mit
dem Neuen prüft. Bei wiederholten Andern von einzelnen Scenen
oder Teilen von Zcenen ijt nicht zu erwarten, daR der Dichter
jedesmal jein ganzes Stüd wieder genau durchprüft; er wird fidh
vielleicht beiinnen, ob das Neue, dag er gemacht hat, irgendwie mit
dem Alten in Widerſpruch jteht, und wird jich begnügen zu ändern,
wo ihm etwas als der Anderung bedürftig einfällt. Aber wovon tft
wahrjcheinfich, dan es ihm einfällt? Zollten ihm auch auf dieje Weiſe
kraſſe Widerfprüche in den Dingen, die den Nern der Dichtung aus—
machen, entgehen und ilt bei den Widerſprüchen, die ihm entgehen,
nicht auch eine andere Entſtehungsart denkbar?
Ich will mit all diejen Betrachtungen nichts als eine Gewiſſens⸗
ichärfung erzielen. Ich erkläre ausdrüdlich, dan ich fein Gegner der
fritiichen Methode bin: fie mag in manchen ‚yällen jichere NRejultate
gewinnen. Tas aber jcheint mir unzweifelhaft, dar die fritifche
Methode oft jehr unfritiich angewendet wird. In der Fauftfrage hat
befanntlich Erich Schmidt zu größerer Voriicht und Zurüdhaltung
gemahnt und dieſe Mahnung ift jchr nötig gerade auch in Bezug
auf die Nerwertung der Widerſprüche. Niejahr wirft in feiner ſelt⸗
jamen Karikatur auf S. 670 den „Pſychophilologen“ vor, daß fie
glaubten, nur perlippe-perlappe jagen zu müſſen, um Schloß und
Riegel fich öffnen zu laſſen: ich habe, wenn ich Arbeiten wie die
jeinige leie, oft den Eindrud, als ob für die Verfaſſer Worte wie
H. Moettefen, Bemerkungen zur Methode der Yitteraturgeichichte. 139
„verſchiedener Plan“ und ähnliches Zauberivorte wären, durch deren
Ausiprechen ſie alles für erledigt, über die hinaus zu denfen jie gar
nicht mehr für nötig halten. Ein jolher Rang gebührt aber den
Regriff des verfchiedenen Planes u. j. w. wahrlich nicht. Der Aus-
gangspumft unjerer Unterfuchung tjt der Widerſpruch jelbjt und das
Ziel der Unterſuchung ijt jeine Urſache; und wir juchen dieje Urjad)e
ohne andere Mittel dazu zu haben, als unjere Kenntnis des Wider-
jpruchs im ſeiner Beſonderheit und allgemeine pjychologiiche Er:
wägungen darüber, welche Berhältnifje wohl überhaupt Urjachen von
Widerſprüchen werden fünnen. Das Rejultat ijt nur zu gewinnen
durch Auswahl aus dem Möglichen; die Vorbedingung dazu tft, daß
einmal alle Möglichkeiten berüdjichtigt werden und zweitens die
Mahrjcheinlichkeit oder die Schwierigkeit einer jeden in Bezug auf
den vorliegenden Fall abgeihägt wird. So müſſen aud) die An—
nahmen über verjchtedene Pläne u. ſ. w. ganz genau auf ihre Schiwierig:
feiten hin unterjucht werden, wie ich dag eben gethan habe; dann
erjt fürnmen tie mit anderen Möglichkeiten verglichen werden. Thut
dag der Ktritifer mit der nötigen Sorgfalt und Genauigfeit, jo wird
er öfters finden, daß er nicht in der Lage iſt, unter den verjchie-
denen Meöglichfeiten eine als die wahrjcheinlichjte zu bezeichnen; und
in manchen Fällen kommt er vielleicht Schließlich auf die Frage zurüd,
ob nicht der Schwierigfeit am einfachiten abgeholfen werden könnte
durc eine andere Interpretation des Wortlautes.
Niejahr jtellt in feiner neuen Arbeit die Ergebniffe feiner früheren
als recht unjicher hin, fie jeien nur „eine bloß mögliche Erklärung
der vorhandenen Schwierigfeiten”. Wenn e3 wirklich nichtS weiter jein
jollte, dann bedaure ich die Zeit, die wir beide auf die Sache ver-
wendet haben; ich wenigitens wünjche, wenn id) eine derartige Arbeit
(eje, nicht nur irgend eine mögliche, jondern die wahrjcheinlichite
unter allen möglichen Erklärungen fennen zu lernen und die Arbeit
jcheint mir nur dann das Leſen zu lohnen, wenn die überwiegende
Wahrjcheinlichfeit der einen Annahme eine ziemlich bedeutende ijt.
Dod man darf Niejahrs Außerung wohl nicht jo genau nehmen;
ih habe wenigitens in jeiner Arbeit nirgends bemerkt, day jeine
Rejultate bloße Möglichkeiten bedeuten follten. Da hieß es: „Es fann
feinem Zweifel unterliegen, daß der Dichter... Wir haben einen
neuen Beweis... . Ich habe nur folgende Erklärung... . Die dem
XIV, Auftritt unmittelbar vorhergehenden Scenen gehören, wie nicht
zu zweifeln, dem älteren Entwurf an ....“ u. ſ. w. Das find dod)
jehr beſtimmte Behauptungen nicht nur über Möglichkeiten, fondern
über Ihatjächlichfeiten. Und aud) wenn man in dem neuen Auffage
Niejahrs Verteidigung gegen mich lieft, fann man nirgends finden,
dag da bloße Möglichkeiten verteidigt werden. Immerhin! auf ©. 654
Euphborion IV. 48
1740 H. Roetteken, Bemerkungen zur Methode der Yitteraturgeichichte.
aljo erklärt Niejahr, daß die jpeziellen Behauptungen feines früheren
Aufſatzes nur mögliche Erklärungen jein jollten, und daß es ihm vor
allen darauf angekommen jei, feitzuitellen, day die Schwierigfeiten,
die unſer Stüd der Auffaffung und Erklärung biete, in der Art
jeiner Entjtehung ihre Urjache hätten. Diejes allgemeine Rejultat er:
achtet Niejahr für unbedingt erwieſen, auch wenn jeine jpeziellen
Aufjtellungen nicht jo ſicher ſeien. Ic möchte davor warnen, da
man unter Verzicht auf eine beitinmmte Annahme, wie der Dichter
gearbeitet haben joll, nur behauptet, es müſſe hier irgend ein Fall
aus der Gruppe des unterbrochenen ꝛc. Arbeitens vorliegen. Es giebt
allerdings eine Bedingung, unter der dieſes allgemeine Nejultat zu
behaupten berechtigt und unſchädlich ilt, wenn man nämlich von
jeden einzelnen unter allen möglichen Fällen unterbrochenen 2c. Arbeitens
nachgewiejen hätte, daß cr weniger Schwierigkeiten biete, als alle
möglichen Annahmen aus der Gruppe des nnunterbrochenen Arbeitens
und dann nachgewieſen hätte, dan unter den nun allein in Betracht
fommenden Fällen nmterbrochenen ꝛc. Arbeitens feiner mehr Wahr:
icheintichfeit biete als alle übrigen. Dat man aber nicht alle die ein-
zelnen Fälle durchgenommen und ihre Schwierigkeiten gewürdigt, jo
entiteht die allgemeine Behauptung nicht aus einer Vergleichung der
Annahmen, die ja unmöglich it, weil das Maß von Schwierigfeiten
in jener allgemeinen Annahme jich gar nicht jchägen läßt, jondern
lediglich aus der Überzeugung des Nritifere, daß die Erklärung des
Wideripruches bei der Annahme unmmterbrochenen Arbeitens fchlechter-
dings unmöglich ift. Nun, glaube ich, dan cs ‚Fülle giebt, wo man
mit Fug und Necht dieje Uberzeugung haben kann, auch wenn man
cine ſtarke Doſis Skepſis beſitzt, Aber ein unvergleichlidyer Antrieb
zur genaneiten Prüfung jener lberzeugung it es, wenn man nicht
bei jener allgemeinen Behauptung jtehen bleibt und damit eine un-
beſtimmte Menge unbelannter Schwierigfeiten in den Kauf nimmt
und als gegenüber der erfannten Unmöglichkeit nicht in Betracht
fonımend erklärt, jondern eben jene Schwierigfeiten ſich deutlich ver-
gegenwärtigt und mit der jcheinbaren Unmöglichkeit vergleicht. Viel⸗
leicht findet man dann dod) bei genauerer Prüfung, daß jene Un⸗
möglichkeit nicht beiteht, day es einen Ausweg giebt.
Ich muß nun, bevor ich hier abbreche, noch ein peccavi jprechen,
und zwar in Bezug auf Sanchos Eſel. Ich habe mir feider vor:
zuwerfen, daß ic) diejes Beiipiel in meinen früheren Auflage mit
einer ziemlichen Xeichtfertigfeit verwertet habe, indem ich es einfach
von Deinzel entnahm, ohne cs mir im Zuſammenhange anzufehen.
Nachdem ich num die UÜberſetzung von Braunfels nachgelefen habe,
muß ich zugeben, daß die beiden widerjpredyenden Angaben zu un:
mittelbar aufeinander folgen, als dar Gervantes ſie bei umunter-
D. Nocttefen, Bemerkungen zur Methode der Litteraturgejhhichte: 741
brochenem Fortichreiben beide hätte machen können, Hier jcheint mir
ein Fall vorzuliegen, wo man mit gutem Gewiſſen das Wort „un:
möglich” ausſprechen kann. Aber durch ein unterbrodenes Arbeiten
oder eine jpätere Jnterpolation von Seiten des Dichters fanın man
den Widerjpruch auch nicht ohme weiteres erklären, da man auch
unter diejer Vorausſetzung nicht wahrſcheinlich machen kan, daß
Cervantes ihn nicht gemerft haben follte. Wäre er nad) dem Raube
de3 Eſels unterbrochen worden und hätte darüber das zuleßt Ge—
fchriebene vergefien, jo ift anzunehmen, daß er es ſich vor dem
Weiterſchreiben nen durchgeleſen hätte, und wenn er den Raub nach—
täglich interpolierte, jo it zu vermuten, daß er ſich der Gefahr oder
vielmehr Wahrjcheinlichfeit mit jpäteren Partien in Widerſpruch zu
geraten, dabei bewußt war und aljo auch das Stüd bis zur Wieder-
gewinnung wenigjtens flüchtig durchblätterte, um den Ejel zu tilgen;
und wenn es auch nicht ausgejchlofien ift, daß er dabei in der Un—
geduld eine Erwähnung des Eſels überjehen Konnte, jo ijt doc) jehr
wenig wahrjcheinlich, daß ihm das gerade im den unmittelbar auf
feine Interpolation folgenden Zeilen paffiert jein ſollte. Da muß
man jchon zu fomplicierteren Erklärungen greifen; nach der bei
Braunfels abgedrudten hätte der Dichter überhaupt feinen Wider-
ſpruch gemacht, jondern die Konfufion wäre nur in der Druckerei ent-
ſtanden Stünde die Angabe über den reitenden Sancho etwas weiter
entfernt von der Erzählung des Naubes, etiwa nachdem ſchon die
Brieftajche gefunden ift und das Intereſſe in Auſpruch genommen
hat, jo würden die eben hervorgehobenen Schwierigkeiten allerdings
fehlen. Dann aber würde ich aud) nicht mehr fo fejt überzeugt jein,
daß dem Dichter die abweichende Angabe bei fortlaufendem Schreiben
nicht entjchlüpft fein fonnte.*)
Soviel im allgemeinen über die Verwertung der Widerſprüche.
IH komme num jpeziell zu den von Niejahr in der Penthejilen be-
haupteten, joweit id) über die Streitpumfte nicht jchon im Laufe der
bisherigen Erörterungen gejagt habe, was id) darüber zu jagen weih.
Ich hatte gegenüber Niejahrs Behauptung, in den Verjen 1122
bis 1142 werde eine tödliche Verwundung der Penthejilen erzählt,
hingewiejen auf Vers 1125: „Die Lanzen, ſchwächer als die Brüfte,
) übe michos Eſel handeln jetst im diefen Hefte Jellinel und Kraus, deren
Auffag_ mir durd) die Glite des Heren Herausgebers ii Korrelturabzug Bugängtich
war. Dana) twäre die bei Braunfels abgebeudte Erklärung falid; und bie
fufion urſprunglich wohl dadurch entitanden, daß Cervantes während des
ihreibens auf den Glauben geriet, er habe am Schluſſe des 22. Kapitels den Raub
erzählt. Die Erinnerung an diefen Glauben und daran, baf er jpätere Partien
mit diefem Glauben gejhrieben habe, konnte allerdings, als ex jpäter den Ein-
Ins made, ihm den Gedanten an die Gefahr eines entfichenden Widerfpruches
ern. halten.
48*
742 . Noctteten, Bemerkungen zur Methode der Vitteraturgeichichte.
Iplittern.” Diejer Vers widerjtreite, meinte id), der Annahme nicht
nur einer tödlichen, jondern überhaupt einer ſchweren Verwundung.
Niejahr erklärt, jo minutios dürfte man den Ners nicht auslegen,
ſonſt könnte man mit demjelben Recht aus den Worten: „zum Orkus
völlig jtürzen wird er ſie“ ſchließen, Pentheſilea jei durch die Heftig
feit des Stoßes dem Tode bereits nahe gebracht. Tieje Worte ver-
tragen indejjen die minutidjeite Auslegung, ohne gegen meine Anjicht
zu jtreiten. Zwar nicht durch die Deftigfeit des Stoßes ijt Penthe:
jilea dem Tode nahe gebracht, wohl aber it jie durd) die Folge des
Stopes, nämlich ihre momentane ISchrlojigfeit" gegeniiber dem er:
bitterten ‚yeinde, der, wie allgemein befaunt, nad) ihrem Leben
trachtet, „der Rache preisgegeben” und befindet jich ſomit gewiffer:
maßen anf dem Pfade zum Orkus. - - Auch Nieit jelbjt, meint
Niejahr, habe den Vers 1125 nicht jo minutiös aufgefagt, denn er
ſpreche nachher von einer zerrilienen Brut, einem zerjchmetterten
Bujen: da jet alſo offenbar von einer wirflichen Verwundung Die
Jede und dan dieje nicht nur als harmloſe Schürfung oder Zuet>
hung aufzufajjen jei, werde durd) Vers 2821 bewielen: „Schau!
Eine Wund' und das recht tier!"
Daß es ſich nicht um eine Wunde gehandelt habe, die mit meiner
Auffafiung des Verſes 1125 verträglidy ſei, ſchließt alſo Niejahr nur
aus Vers 21. Ich habe nun zu diefem Vers bemerkt, es fcheine
fid) da um eine irgendwie nen zugezogene Wunde zu handeln, nicht
um die alte. Mich bewog zu dieſer Ansicht zunächit der Eindrud,
den ich aus den Verſen gewann, daß da nicht von einer Verwundung
der Bruit, jondern des Halſes geiprochen würde. Penthejilen ſoll ſich
Hände und Geſicht reinigen. Zu dieſem Zweck ermahnt Prothoe fie,
den Yorbeer abzunehmen und den Hals zu befreien und hilft ihr
auch dabei. Ten Buſen zu entblößen war feine Yeranlaffung, und
wenn man lieſt, wie Prothoe unmittelbar, nachdem von der Ent:
blößung des Halſes die Rede war, ausruft: „Schau! Eine Wund' und
das recht tief!“, jo liegt jedenfalls die Annahme am nädjiten, dag
Prothoe die Wunde am Halſe gefunden hat, während vorher immer
von der zerrijjenen x. Bruft die Rede war. Aud) der Vers: „Du
hajt e8 Dir recht jauer werden laſſen“ jchien mir mehr am Platze,
wenn er ſich auf den cben ausgefochtenen Nampf bezog, als wenn
damit die frühere Niederlage gemeint war, und endlich ſchien mir
der Ausdrud: Scan! Fine Wund' etwas ſeltſam, wenn es eine
Wunde aus dem früheren Kampfe war. Unter dielen Umſtänden
geriet ich auf die Aunahme, daß cs fih um eine neue Wunde
handle, die Pentheſilea irgendwie bei ihrem lebten Kampfe mit
Achilles davongetragen habe, obgleich es freilich wahr iſt, daß dieſer
letzte Kampf kaum Gelegenheit bot, ſich eine Wunde zuzuzichen.
H. Noettefen, Bernerfungen zur Methode der Pitteratirgeidhichte. 743
Ganz ohne Anjtor kommt man mit dem Verſe auf feine Weiſe zus
recht, und wenn man ihm die Stellung und Bedeutung giebt, wie
Niejahr, am allerwenigften. Urſprünglich der Scene angehört haben
fonnte nad) Niejahr der Vers nicht, da die ganze Scenenreihe von
der Vorausfesung der völligen Unverjehrtheit der Pentheſilea gedichtet
fein ſoll. Niejahr erklärt den Vers denn auc) in jeiner erften Arbeit
für jpäteren Zufag. Es ſoll aljo der Dichter, der bei der Umarbei-
tung der 9. Scene fo jorgfältig bemüht war, „den Gedanfen an
die förperfiche Verlegung vor dem Bilde der noch jchlimmeren feeli-
schen Zerſchmetterung zurücktreten zu laſſen“ hier fein Publikum noch
einmal ausdrüdfich an die Wunde erinnert haben. Wenn ſolche Ge-
danfenlofigfeit irgend als wahrfcheinfich gelten foll, jo wird man es
auch nicht als unwahrſcheinlich bezeichnen fünmen, daß Kleiſt, als er
den Vers jchrieb, von der allgemeinen Idee, Pentheſilea habe eben
einen Kampf dirrehgemacht, zu der Annahme einer Wunde geführt
wurde, ohne daß es ihm einfiel, wie wenig Gelegenheit zur Ber-
wundung gerade diefer Kampf bot. Mit diejem Verſe ijt aljo nichts
zu beweifen, und die Ausdrüde „röchelnd“ u. j. w. fommten gegen
den Vers 1125 als Beweis für eine ſchwere Verwundung nicht auf
und werden ja auch von Niejahr nicht als hierfür beweiſend hin—
geſtellt.
Ich habe in meinem Aufſatz, nachdem ich aus Vers 1125 die
VeichaffenHeit der Wunde ſicher feitgeftellt zu haben glaubte, aud) die
weiteren Angaben der 8. Scene darauf geprüft, ob fie zu meiner
Annahme einer nur ganz leichten Verwundung paßten. Ich erwähnte
da, die Oberfte teile nirgends mit, daß die Königin von Blut
überſtrömt gewejen fei, auch nicht, daß fie verbunden worden jei.
Niejahr hat das fo aufgefaßt, als wollte ich aus diefem Schweigen
der Oberjten wahrſcheinlich machen, daß die Königin überhaupt nicht
geblutet Habe und nicht verwundet fei, und diefe falſche Auffaffung
giebt ihm Gelegenheit, einen ganz befonderen Trumpf auszujpielen:
Ich war bisher der Meinung, ein Zerreißen oder Zerſchmettern
der Bruft müfje notwendigerweije aud) ein Hervordringen von Blut
zur Folge haben, aber wer Piychofogie jtudiert, weiß das befjer.”
Ich war bisher der Meinung, daft die Worte: „die Königin ift von
Blut überftrömt“ etwas mehr jagen als die Worte: „aus der Brut
der Königin dringt Blut hervor“ umd daß man die erjteren Fam
anmenden fünnte auf eine Blutung, wie fie in dem bon Niejahr mir
entgegengehaltenen Bers 1313 vorausgeſetzt wird, wo die Bluts-
tropfen und die Schweihtropfen zufammen als eine Schnur von
weißen und roten Perlen bezeichnet werden. Was die Piychologie
anlangt, jo will ich Niejahr das Bergnügen machen, aus ch
zuzugeben, daß fie über das Bluten von Wunden nichts lehrt und
‘44 H. Roetteten, Bemerkungen zur Diethode der Yitteraturgefchichte.
das aljo hierüber auc jemand mitreden kann, der von Piychologie
nichts verjtcht: wohl aber lehrt jie, dan ein Berichterſtatter neben:
jächliche Züge des von ihm wahrgenommenen Creignifjes, zum Bei
jpiel bei einem niedergeworfenen Helden eine Blutung, wie jie Vers
1313 angedeutet ijt, häufig wegläßt, dan er dagegen aller Wahr:
icheinlichfeit nach alles erwähnen wird, das zum Verftändnis der
Sade in ihrer ganzen Bedentung nötig ijt oder das ihm einen
befonders ſtarken Eindruc gemacht hat, zum Beijpiel das aus einer
tödlichen Wunde des bejiegten Helden hervorjtrömende und ihn
überjtrömende Blut. Auf das Schweigen der Tberjten über ein 2er:
binden der Penthefilea lege ich feinen Wert mehr, jeit ich gejehen
habe, daß in M der Halbvers fehlt: „wo jie fid) erholt“, daß alſo
in diejer eriten ums zugänglichen Faſſung Kleiſts Phantajie nit dem
Bilde der vom Scylacdhtfelde entfernten Königin überhaupt nicht be:
ichäftigt war; daß aber nicht von dent hervorjtrömenden Blut ge
jprochen wird, bedeutet in der That ein leichtes Gewicht zu Gunſten
der Annahme einer nur leichten Nerlegung. Für mehr als ein der:
artiges leichtes Gewicht habe ich ces auch nicht ausgegeben; es fpielt
in meinem Aufſatz durchaus nicht die Nolle eines Dauptarguments,
wie man aus Niejahrs Worten am Anfange des dritten Abjages auf
Z. 658 ſchließen könnte, jondern wird nur erwähnt als eine nady-
trägliche Beltätigung einer durch Vers 1125 bewicjenen Annahme.
Für die Partie um Vers 1125 herum kommt die ganze Sache im
iibrigen natürlidy nur in Betradht, wenn man annimmt, daß 1125
und 1143 jf. urjprünglich zujanmmen gehörten, und ich habe in der
Ihat geglaubt, day Niejahr die ganze 8. Scene für ein unverändertes
Stück des erſten Entwurfes hielt, da er in jeiner erjten Arbeit nur
von Scene 9—13 ausdrücklich angiebt, fie jeien umgearbeitet; id)
gebe aber zu, man hätte durch genaue Erwägung von Niejahrs
ganzen Erörterungen auf den Gedanken kommen können, dap er auch
die 8. Scene als umgearbeitet betrachtete. Jest erflärt er ausdrüd:
lid), dan er die tödliche Verwundung nur für die Verje 1121— 1142
behauptet habe, nicht aber eine tödliche oder doc) jchwere Wunde
anuehme auch Fir die folgenden Scenen — Toll doch wohl heißen:
auch nicht Für den Reſt der 8. Scene. Bon diefem Standpunkt aus
hat, wie gelagt, das Schweigen der Oberſten für die Beurteilung der
Verſe 1121 1142 feine Bedeutung; für die Verje 1143 ff. befinden
Niejahr und ich ums in der ichöniten UÜbereinſtimmung, da er eine
leichtere Nerwundung ja aud) jeinerjeits für dieſe Verſe annimmt.
Ten nächſten Paſſus von Niejahrs Arbeit drude ich am beften
wörtlich ab: „Wegen die Annahme einer ichweren oder gar tödlichen
Terwundung tollen endlich init . bejonderer Bejtimmtheit die Verſe
3 236— 1337, deren ijolierte Stellung ich hervorgehoben hatte, fprechen.
9. Roettelen, Bemerkungen zur Methode der Litteraturgeſchichte. 745
Das ift jo gefaßt richtig. Aber ich behaupte ja für den 9. Auftritt
gar feine tödlide Berwundung, jondern überhaupt nur eine Ver-
legung und dieje wird durch Vers 1299 ja ausdrüclich bejtätigt.“
Die Stelle ift ein wahres Meifterftüd vom Gedanfenklarheit: Erft
erwähnt Niejahr, daß er die ijolierte Stellung der Verje, aljo ihre
Nichtzugehörigfeit zur jetzigen 9. Scene, hervorgehoben habe, und
gleich daranf beklagt er ſich, daß ich fein allgemeines Urteil über die
jegige 9. Scene nicht auf dieje Verſe angewendet habe! Die Ge-
danfendofigfeit wird noch deutlicher, wenn man den erſten Aufjat zur
Hand nimmt. Da werden auf ©. 545 diefe Berje ausdrüdlic"
als Überbleibſel des nriprünglichen Planes bezeichnet, alſo des Planes,
dem die tödliche Verwundung angehören joll; Niejahr hat alfo, weni
aud) nicht für die 9. Scene, jo doch jedenfalls für diefe „ijolierten
Verſe“ die Vorausſetzung einer tödlichen Berwundung behauptet und
mein Nachweis, daß feine ſolche vorliege, war durchaus am Plage,
Niejahr ſelbſt muß den Schluß, den id) daraus ziehe, daß männlich
die Verfe nicht zu feinem erjten Entwurf gehören fünnen, als be-
rechtigt anerfenmen — und nun leſe man noch einmal den oben ab-
gedrudten Paſſus!
Für die ifolierte Stellung der Kampfſcene bringt Niejahr
nod) ein neues Argument bei, nämlich daß Achilles hier auf in
Stahl geſchientem Roß kämpfe und ganz als mittelalterlicher Nitter
gedacht jei, während er jonjt auf der Quadriga ftehe und auch die
anderen Griechen nicht berittem erfchienen. Ich gebe zu, daß der
in Stahl geſchiente Achilles und das ftahlgeichiente Roß ſich ſtart
mittelalterlich ausnehmen und ſich am leichtejten durch) den Gedanten
an ritterliche Rüftung erklären. Aber es ift eine ftarfe Übertreibung,
wenn Niejahr da eine verjchiedene Auffajfung des Stoffes finden
will. Warum kaun der Widerfprud; nicht anf Willfür beruhen, oder
vielmehr auf einen momentanen Einfall, der Kleift, wer weiß warm,
gefiel? Daß er ein Bewußtſein gehabt hat, bei dem Bilde, das er
Vers 1038 zeichnete, von der Vorjtellung eines mittelalterlichen
Nitters beeinflußt zu fein, ift doch nicht nötig und daß ihm die
Koſtümwidrigleit, der Gegenjab gegen die Sitte der Griechen auf-
falfen mußte, wird man bei einem Kleiſt aud) nicht behaupten wollen,
bei dem zum Beijpiel ‚Hermann jein Cherusfa für einen Wechjel
verfaufen zu lönnen erflärt. Doc) ich bin in diefem Punkte in der
glüdlichen Lage, mir gegen Niefahr Hilfe bei Niejahr felbft zu holen.
In feinem erften Auffaß S. 520 jagt er: „Der Dichter länt ſolche
Verftöße, foweit er fich überhaupt ihrer bewußt wird, zu, wenn fie
feinen befonderen dichterifchen Zweden dienen: Achilles wird als Ritter
gezeichnet, wo die Handlung ins romantijche überjpielt, und Sichel⸗
wagen und Elephanten werden aufgeboten, wo «3 gilt, vor der
145 9. Roetteken, Bemerkungen zur Methode der Litteraturgeichichte.
Thantajie des Leſers den ganzen Schredenspomp des Krieges zu
entfalten.” Will Niejahr dieſe Grörterung widerrufen und dem
Moloch des verjchiedenen Planes opfern? Jedenfalls kann er nicht
widerrufen jeine Hinweiſe auf andere Spuren ritterlicher Vorftellung:
Penthejilen ipricht Vers 2301 von der witrdigen Ritterjitte und der
jeidene Lak, den Achilles Vers 1408 trägt, ſtammt doch wohl aud)
aus dem Nitterfojtim; und die erite der genannten Stellen wenigitens
it aus einer der 11 legten Scenen, die nach den neuen Plane ge»
dichtet ſein jollen.
Im ganzen: Ich finde nicht, dar Niejahr feine Konftruftion
eines eriten Entwurfes mit der tödlichen Verwundung der Penthes
jilea jetzt beſſer bewieſen hätte als früher, und nehme nad) wie vor
an, dan es fich von vornherein nur um eine leichte Wunde handeln
jollte. Aber auch unter Vorausſetzung einer joldhen Wunde hält
Nieiabr die Behauptung eines Nideripruches mit Scene 14 auf-
recht, da dieſe Scene völlige Unverſehrtheit der Penthejilen verlange.
Er Führt zur Stütze dieier Behauptung zunädft an, daß Penthefilea
bei ihrer ITraumerzäblung der Verwundung nicht gedenft — nun jie
gedenft auch micht ihrer Ohnmacht, dagegen ſolcher Ereigniffe, die
jich in Wirklichkeit nicht vollzogen haben, nämlich ihres Griffes nad)
dem Tolche, ihrer Abführung ins Griechenlager. Weiter ftüßt ſich
Niejahr darauf, dar die Wunde nicht gepflegt werde. Wenn dazu
früher im Trange der Begebenheiten feine Zeit geweſen jei, jo babe
es doch jetzt geſchehen müſſen. Aber Prothoe entdede die Wunde erit
viel ſpäter, nämlich im dem ſchon beiprochenen Verſe 2821; jie jei
jehr überrascht von ihrem Anblick und Kleiſt habe alſo, als er Dielen
ers ichrieb, Telbjt nicht an eine frühere Pflege der kranken Bruft
gedacht. Dieſes legte Argument ſcheint mir sich ſelbſt zu vernichten:
meinte Kleiſt in Vers 2821 wirklidy die alte Wunde, jo nahm er an,
dan, obgleich die Wunde beitand, bis dahin feine Pflege der kranken
Bruſt ſtattgefunden hatte, und man fann, gerade wenn man jich auf
den Vers jtiiet, nicht wohl aus dem ‚schlen der Pflege auch auf ein
Fehlen der Wunde ſchließen.
Ich kann den Vers fiir meine Argumentation nicht verwerten,
da ich ja die Wunde nicht als die alte betrachte. Aber auch fo: Daß
Kleiſt der Prothoe, wenn fie ſich über Pentheſilea bengt, einige Worte
über die von ihr Vers 1178 ff. erit erwähnte Winde hätte in den
Mund legen müſſen, dan er notwendig eine Pflege der unbedeutenden
Zerlegung hätte ichildern müſſen, jcheint mir durchaus nicht nötig.
Veriühreriſch auf den eriten Anblick ijt ein anderer Zag Niejahrs,
wenn er nämlich in Bezug auf die Stelle, wo Adjilles jein Haupt
an Pentheſileas Bruſt ſchmiegt, bemerkt: „Diele Scene muß, wenn
man ſich Pentheſilea mit bintiger zerriſſener Aruft dabei vorftellt,
H. Noettefen, Bemerkungen zur Methode der Litteraturgeſchichte 747
geradezu widerlich wirken.“ Auch id) würde dieje Vorftellung als
jtörend empfinden. Aber wir haben uns zunächjt daran zu erinnern,
daß es ja gar nicht darauf ankommt, wie unjer Geſchmack durch ſie
berührt wird und daß vielmehr die Frage ſofort dahin zur jtellen ift,
ob denn auch der Dichter jene BVorftellung als jtörend empfunden
haben müßte. Dieje frage mit voller Sicherheit zu beantworten,
wüßte ich augenblicklich fein Mittel, und folange jie nicht beantwortet
it, fehlt jede Unterlage für den Schluß, den Niejahr ziehen will.
Tod er wäre auch dann unjtatthaft, wenn jene Frage bejaht werden
münte, wenn zugegeben werden miifte, daß Kleift nicht immer,
während er die Scene fchrieb, an die Wunden der Penthefilen ge-
dacht hat. Mir ift es aus allgemeinen Gründen nicht ummahrjche
lic), daß ihm während der Ausarbeitung der Scene der Gedanfe an
die Verwundung zurüdtrat. Geht es mir doch als Lejer regelmäßig
io. Ich Habe das Drama wirklich recht oft und recht jorgjältig ge-
(ejen und niemafs ift mir während der Scene eingefallen, daß Benther
filens Bruft wohl blutig fein müffe, und auch Niejahr wird es wohl
ebenfo gegangen jein, jo lange er ſich in unbefangenem Genuß an
die Dichtung hingab und nicht eine rein verſtandesmäßige Kontrolle
ausübte. Dasjelbe könnte auch dem Dichter geſchehen fein. Das ganze
Motiv einer Verwundung der Penthejilen ift vor Kleiſt vielleicht
oder, wie mir fcheint, wahrfcheinlich nicht von vornherein ausdrüicd-
lich in Ausficht genommen und feierlich in einen Plan eingetragen,
jondern es ergab ſich wohl nebenbei aus der von vornherein im
Ausſicht genommenen Niederlage Pentheſileas. Judem Kleiſt die ganze
mmung diefer Niederlage mit burcherlebte, ſich ganz in die Situa-
tion vertiefte, fonnte ihm aud) das Motiv der Verwundung konnen,
gewifjermanen als Zubehör, als Siegel der Niederlage. Begrenzt
wurde das Motiv wohl durd den Gedanken, daß Venthejilen nachher
noch aftionsjähig fein mußte, aljo nicht ſchwer verwundet jein fonnte,
Die Yiebesjcene aber war, wenn wir eine Ausarbeitung des Stüdes
in der Reihenfolge der Scenen annehmen, in ihren Einzelheiten
überhaupt noch wicht vorhanden und Einzelheiten der Liebesicene
tonnten daher jchon aus diefem Grunde das Motiv der Berwundung
nicht einjchränfen. Später, wenn der Dichter an die Liebesjcene fa,
wenn er den Jubel Penthefilens ausmalte, ſich dahinein vertiefte,
tonnte jede Vortellung von Wunde und Blunt einfach in ihm unter⸗
drückt werden und die Königin ihm gerade als eine in aller Herrlich⸗
feit blühende Geitalt vorjhiweber. Ach erinnere am die oben anges
führte Auseinanderſetzung Goethes: fie läßt fid ja ganz genau auf
unſeren Fall übertragen. Und der Dergang, wie id) ihn hier als
möglid) jfizziert habe, würde jedenfalls viel wahrjcheinlicher ſein als
Niejahrs Konftruftion. Nach Niefahr, um es nochmals zu wieder⸗
748 5. Noetteten, Bemerkungen zur Methode der Pitteraturgefdjichte.
holen, hat Kleiſt zuerit einen Plan mit der tödlichen VBerwundung
der Penthefilea, ändert dann dieien Plan für Scene 14 ff. und
zwar gerade in Bezug auf die Verwundung, jo dap aljo die völlige
Unverjehrtheit der Penthefilca im Gegenjag zu ihrem Zuſtand iu
dem erften Plane vollbewußte Worausjegung wird, dann arbeitet er
die 9. Scene um, um fie mit diejer vollbewußten Qorausfegung in
Einklang zu bringen und jpricht dabei in den neu bearbeiteten Partien
doch immer noch von einer Wunde Penthejileas.
Tod) Niejahr führe nod) ein Argument an: Vers 2336 fagt
Bentheiilca:
Hier, dieje treue Aruft, fie rührt ihn erft,
wenn fie ſein fcharfer Speer zerſchmetterte?
Mir würde diefer Zar, wenn er jo aufgefapt werden müßte, wie
Niejahr ihn auffant, immerhin eindrudsvoller ſein als Vers 2012 ff.,
auch wenn fejtjtände, Kleiſt könne bei Niederjchrift dieſes Verjes nicht
an die Verwundung gedacht haben. Denn es lag nahe, daß der
Dichter fid) bei Vers 2386 f. der früheren Angabe über die Ver:
wundung erinnerte, da der Wortlaut des Verſes dahin wies, während
vorher ein jolcher direkter Hinweis nicht vorhanden war, vielmehr
der ganze Charakter der Situation davon abführt. Aber zunädft:
Die Verſe machen in der Form, in der Nicjahr fie anführt, einige
Zcjwierigfeiten: Woher wein Penthejilea, daR ihre zerichmetterte
Bruſt den Achilles rühren werde? Ich will die Frage nur hinſtellen
und die Ausſpinnung des Gedankenganges, den jie einleitet, meinem
(Gegner überlafjen; denn die Verſe gehören in der ‘Form, in der
Niejahr fie citiert, nur der Druckfaſſung an. M bat:
Hier dieje Bruſt, er will fie erſt zerfchmettern,
mit Seiner Pferde Tritt und dann, o Schweſter,
auf ihren leichenbleichen Kiſſen ruhn?
Ähnlich im Phoebus; und aus dieſer Faſſung ift wohl der
Schluß, den Niejahr angiebt, ganz sicher nicht zu ziehen, denn das
„Zerichmettern”, das Penthefilea hier vorichwebt, ijt deutlich fo ver-
ichieden von dem „Zerſchmettern“ von Vers 1177, daR es auch einer
im Sinne diejes Verſes bereits zerichinetterten, oder im Sinne von
Vers 1479 „zerriffenen” Bruſt noch geichehen kann.
Soviel von den Widerjprüchen! Noch in einem anderen Bunte
haben fid) Meinungsverjchiedenheiten zwiichen Nieighr und mir ergeben:
bei der Tuellenfrage. Er hält cs für einen fernliegenden Gedanken,
dar Kleilt eine Meute einführt, und meint ihn durch den Einfluß der
Aktäonjage erklären zu müſſen. Ich finde, daß die Meute recht wohl
ebenjo wie die Rhinoceroffe und Schatale der Phöbusfafiung eine Er-
9. Roetteten, Benerfungen zur Methode der Litteraturgeſchichte 74)
gänzung fein konnten zu den Elefanten und Sicdelwagen, die dod)
einem orientalischen Striegsheer gut genug anftehen. Doch mag das auf
ſich beruhen. Einiges bemerken muß id) aber noch über die Satajtrophe,
Niejahr läßt mic, jagen, das Motiv der greuelvollen Mordthat jei
jedenfalls Kleijts eigene Erfindung, der Botenbericht ans den Bacchen
habe nur einige mebenjächliche Einzelheiten und etwa die Färbung,
den Ton des ganzen Berichtes gegeben. Das ijt nicht ganz richtig;
denn ich gebe ausdrüdlich die Möglichkeit zu, daß die VBaccjenjcene
„dem Dichter in jehr frühem Stadinm feiner Arbeit vor die Angen
fam und ihm einen gewaltigen Eindrud machte, dann mit hineinz
geriet in das ganze Wogen von Vorftellungen und Stimmungen,
aus dem ſich ſchließlich das poetiiche Kunſtwert heraustrnftalfifiert,
hier leiſe hinlodte nach einer ähnlichen Kataftrophe und jo einen
gewiffen Einfluß auf d die Gejtaltung des ganzes Stoffes ausitbte”,
Die Stelle in meiner Arbeit, die Niejahr wiederzugeben vorgiebt,
lautet, bei mir: „Dat Kleiſt "ohne ihren (der Baechenſeene Einfluß
die übrige Handlung feitgeftellt, jo...” Aljo bei mir iſt das nur
ein hypothetifches Urteil, und zwar iſt es der Schlußſatz einer Polemit
gegen Niejahrs Behauptung, in dem Stoffe der Penthefilen ſei —
jelbft den ganzen übrigen Verlauf der Handlung vorausgejeßt —
diefer Akt eines geaufigen Wutanfalles noch feineswegs gegeben. Doc)
weiter: Nicjahr führt, nachdem er mir die Worte in den Mund ge-
legt hat, „das Motiv der greuelvollen Mordthat jei jedenfalls Kleiſts
eigene Erfindung“ folgendermaßen fort: „Die Art, wie Rötteken ſich
den piychologiichen Urſprung diejer Idee in der Seele des Dichters
zurechtlegt, iſt zu originell, als daß ich mich enthalten Könnte, fie
hier mit jeinen eigenen Worten wiederzugeben.“ „Diejer Idee“ —
jeder Leſer muß glauben, daf das folgende Citat aus meinen Auf-
fage meine Erflärung für das ganze Motiv ber greuelvollen Mord⸗
that enthalten ſollte. Iu Wirklichteit aber Habe ich gegenüber Nie-
jahrs eben ſchon citierter Behauptung hingewieſen auf meinen früheren
Penthefilea-Aufjag, im dem ich ausgeführt hatte, dan eine Kleiſtſche
Ventheſilea durch die Herausforderung des Adhilles auf das Furcht-
barjte, bis in den Kern ihres Wejens hinein beleidigt fein mußte,
daß ferner bei Kleifts Menfchen ein einmal vorhandener Trieb fid)
big zur äußerjten Konjequenz durchſetzt, und daß der leidenjchaftliche
Haß überhaupt nicht damit zufrieden iſt, dem Feind mur aus der
Ferne zu vernichten; daß wir dauach bei Penthefilen eine ertreme
That der Rache ungefähr äquivalent der Bärenepijode in der Her:
mannſchlacht durchaus zu erwarten haben, daß dieje Rachethat ſich
im Rahmen des Kampfes abjpielen werde, zu dem Achilles Penthe
ſilea heransgefordert hat, und daß aljo, da Venthejilen felbft den
Achilles tötet, jie natürlich micht damit zufrieden fein wird, ihn nur
750 H. Roetteken, Bemerkungen zur Methode der Yırteraturgeichichte.
aus der Ferne zu erſchießen, ſondern durch ihre raſende Rachbegier
dahin gebracht werden wird, ſelbſt Hand an ihn zu legen. Dies iſt
meine Erklärung für das Motiv der greuelvollen Mordthat. Aber
dieſe That ſelbſt konnte immer noch in verſchiedener Weile vor:
genommen werden: Pentheſilea konnte den ſchon zu Tode Verwundeten
mit dem Dolche zerfleiſchen, ihn ſchlagen, kratzen oder mit Füßen
treten; Kleiſt läßt ſie ihm beißen und nur, wie er auf dieſen ſpeziellen
Zug gekommen it, habe ich in meiner Anmerkung -- gerade nicht
beitimmt zu jagen verincht, Sondern habe nachzuweiſen verfucht, daß
mm es micht beſtimmt jagen kann. Ach denfe, man wird mir danach
zugeben, daß Niejahr meine Anficht iiber die Nataftrophe wieder nicht
ichr genan reproduziert hat. Ich will übrigens nicht verfehlen aus—
drüdlich zu erflären, dag mir meine Anmerkung jelbjt, die Niejahr
fiir einen Ansfluß des höheren Blödſinns zu halten jcheint, auch jegt
noch den Eindrif feidlicher Vernunft madıt.
Wenn Niejahr nachdrüdlich betont, dar cs unmöglich ſei feit
zuſtellen, unter welchen Antrieben, Nombinationen, wilttürlichen
Miſchungen und launiſchen Zprüngen das erite Auffeimen einer
Konzeption ich im jedem einzelnen ‚Kalle in dem Dichter vollzogen
habe, wenn er ſchon S. 670 an der bereits einmal citierten Stelle
den „Pſychophilologen“ vorwirft, fic glaubten nur perlippe-perlappe
jagen zu müſſen, um Schloß und Niegel jener geheimnisvollen Stätte,
wo die dichteriichen Ideen geboren werden, zu öffnen, jo gründet
sich dieſer Korwurf wohl hauptiächli auf die zuletzt erwähnte An-
merfung, deren Abſicht Niejahr, wie eben geiagt, falſch auffant. In
Wirklichteit zeigt Nie gerade, wie ein „Pinchophilologe” von allzu
zuverſichtlichen Behauptungen über dieie Dinge zurückgehalten wird,
umd zwar dadurch, dan ihm häufig mehrere Meöglichkeiten einfallen,
wie ein beitimmmes Reſultat zu ſtande gefommten jein fan, und er
ich nicht in der Lage licht, zwischen dicien zu wählen. Einem Manne
wie Niejahr dagegen ſind nur einige wenige Noritellungen über dieſe
Tinge recht geläufig: auf ſie bezieht er alles, was fich irgend darauf
bezichen lünt, amd läßt cs dabei an „uperiichtlichfeit dea Urteile
nicht Fehlen. Wie bei dem Widerſpruch gleidh der Wegriff: „ver:
ichiedener Plan” vorichwebt und centichieden behauptet wird, jo tit
auch die „Veeinfluſſung“ ein jolcher Yieblingsbegriff und wo er fich
irgend anwenden läßt, da werden auc über das eritc Auffeimen
einer Konzeption unbedenklich recht zuwverlichtliche Urteile abgegeben.
‚sch mwenigitens halte cs Tür ein tolches Urteil, wenn Niejahr ver:
tichert, der Botenbericht der Bacchen habe dem Ticdhter das ganze
Schlußmotiv geliefert umd die Meute jet ans der Aftäonfage ge:
nommen. Allerdings muß ich bemerfen, dar Niejahr hicriiber anderer
Anlicht zu fein icheint: Nachdem ev das erite Auffeimen der Motive
9. Noetteten, Bemerkungen zur Methode der Litteraturgeſchichte. 761
für aller Forſchung unzugänglich erklärt hat, fährt er auf ©. 691
fort: „Die Aufgabe des Philologen beginnt mit dem Moment, wo
id) der Dichter anfchiet, die Bilder und Gejtalten feiner Phantafie
zu ordnen, zu verbinden und nad) einem einheitlichen Plane zu-
jammenzufchließen. Hier tritt das Bewußte zum Unbewußten, hier
erheben ſich die fragen nad) Quellen und Vorbildern, mad) den
äußeren und im Entjtehungsbedingungen u. j. w.“ Ich halte
dieſe Scheidung für äußerſt prefär. Es iſt ja möglich, daß dem Dichter
auc einmal ein ganz ifoliertes Motiv einfällt, aber diejes enthält
doc) fajt immer die Forderung einer Vorgeſchichte, im der gezeigt
wird, wie die Menſchen in die betreffende Lage gefommen find, oder
es enthält die Anweifung auf die Konjequenzen, eine Spannung, wie
die Sadje ſich weiter entwideln wird, oder auch vielleicht beides.
So wirft ein derartiges Motiv anregend nad) beiden Seiten, neue
Erfindungen ſchließen fih an. Und während fie auftauchen, ordnen
fie ſich auch oder werden bom Dichter geordnet, und während er
ordnet und verbindet, feimen immer neue Konzeptionen empor. Das
Auffeimen der neuen Konzeptionen, die Ordnung und die Beichaffen-
heit des erjten Keimes jtehen in einem jo engen Wechjelverhältnis,
daß es faum möglich ſcheinen dürfte, der Philologie die Behandlung
des einen prinzipiell zuzuweiſen und des anderen zu nehmen, Niejahr
aljo will das trennen und erjt für den von ihm angegebenen Moment
jollen die Fragen nad) den Quellen und Vorbildern nad) den äußeren
und inneren Entftejungsbedingungen in Betracht fommen. Ich ge-
jtehe, daß ich das nicht begveife, daß ich nicht begreife, warum dieje
Fragen nicht ſchon bei dem erſten Auffeimen der Konzeption in Ber
tracht kommen, und jpeziell nicht begreife, was denn die Behauptung
über die Herkunft eines poetiſchen Motives anderes jein joll als ein
Urteil über das erſte Aufteimen einer Konzeption.
Die Erörterungen Niejahrs auf ©. 691 find überhaupt merf-
würdig. Aus dem ſchon Abgedrudten fällt nod) der Sat auf; „Hier
tritt das Bewußte zum Unbewußten.” Soll das heißen, daß die
Aufgabe der Philologie erſt da beginnt, wo der Dichter mit Bewu
jein arbeitet? Es muß wohl fo heißen ſollen, andernfalls verfiche
wenigitens den Zweck des Sates überhaupt nicht. Aber wenige
Zeilen jpäter weiſt ja Niejahr einen großen Teil der dichteriichen
Thätigfeit ausdrüdlic) dem Elemente des Unbewußten zu, und zwar
gerade einen Zeil, über den ſonſt die Philologie umd er ſelbſt gar
viel zu jagen weiß. — Weiterhin ſchreibt er den Sa: „Es hieße jede
Üitterariihe Entwidlung, jeden hiſtoriſchen Zufammenhang leugnen,
wollte man das poetijche Kunftwerf als etwas für ji und aufer
allem Konner dajtchendes betrachten.“ Der Sab iſt jo richtig, wie
eben Tautologien zu jein pflegen, es kommt nur darauf an, wodurd)
152 H. Koettelen, Bemerkungen zur Methode der Litteraturgeſchichte.
der hiſtoriſche Zuſammenhang bedingt wird. Wiejahr jagt, es jolle
der Dichter aus der Bildung und Kultur jeiner Zeit erklärt und
begriffen werden. Hier fehlt die Rückſicht auf die individuelle Anlage,
die der Dichter mit auf die Welt bringt, und ohne deren Voraus⸗
jegung die Biographie feinen Schritt thun kann, es fehlt die Er-
wähnung der perjönlichen Yebensjchidjale, die auf diefe Anlage wirken
und bisweilen jedenfalls itärfer wirfen, als die allgemeine Kultur
und Bildung der Zeit. Weiter bezeichnet es Niejahr als Aufgabe,
das Tichtwerf aus der Gejamtheit jeiner Bedingungen, aus der
Persönlichkeit und dem Leben jeines Schöpfers, wie aus den litte-
variichen und allgemein geiltigen KEinflüffen, unter denen er ftand,
zu erklären und zı begreifen. Tas tt ganz ſchön und auch „die
unreife Weisheit neugebadener Piychologiebefliiiener”, wie Niejahr
jich gleich darauf mit wunderbar anjchanlicher Bildlichfeit ausdrüdt,
wird an dieler allgemeinen ‚Formulierung feinen Anſtoß nehmen; es
fragt fid) nur, wie man die Accente zu verteilen hat. Niejahr hebt
vorher ganz bejonders hervor, dan man die Abhängigkeit des poeti-
ichen Prodmcierens von beitimmten Worbildern bie in das Fleinfte
verfolgen joll: ich gehöre zu denen, die da glauben, daß in dieſen
Unterſuchungen jehr viel verlorene Zeit jtedt. Wenn mir auch alle
Ahntlichfeiten einer Tichtung mit ihren Norgängern aufgezählt find,
jo weiß ich damit von den eigentlichen treibenden Kräften, die das
Kunſtwerk hervorgebradht haben, noch gar nichts. Die bloßen über-
lieferten Vorſtellungen find es ja nicht: wären jie der maßgebende
Faktor des hiftorijchen Zuſammenhanges, jo wäre es unbegreiflich,
daR fie nur auf dieien oder dieſe Tichter wirkten, nicht auf andere.
Warum iſt Zhafelpeare den älteren Männern des 18. Jahrhunderts,
von denen manche ihn doch Fannten, gleichgiltig, warum geraten die
Zertreter der Zturm- und TDrangperiode und ihre Vorgänger in fo
helle Begeijterung für ihn oder vielmehr für manche Seiten jeiner
Kunſt, denn feine ganze Kunit haben sie ja nicht zu würdigen ver-
ftanden? Wie kam cs, daß damals Männer von dieler beftimmten
GBeiftesrichtung ſich der Führung in unjerer Yitteratur bemädhtigt
hatten und ein Publikum fanden? In welchen Zuſammenhange
ftehen die Yieblingsmotive der Zeit mit dieſer (Seiftesrichtung? Wer
mir dieſe ‚ragen beantivortet, der giebt mir Erfenntniffe über ben
hijtoriichen Zuſammenhang.
Alterdings das foll nicht geleugnet werden: fchon von einem
Dichter geformte Deotive haben etwas voraus vor foldhen, die noch im
der Natur fteden und erft herausgerijfen werden müffen. Der äfthe-
tiiche Wert ift bei erfteren bereits ausgeprägt und jedem flar, während
es viel ſchwerer ift, etwa bei einer Zeitungsnotiz, einem beobachteten
Zorfall des Yebens oder einen zufälligen Einfall fofort zu erfennen,
9. Nocttefen, Bemerkungen zur Methode der Citteraturgeihichte. 753
daß hier gewiffe Wirkungen ſchlummern. Ihre größte Bedentung hat
dieje Macht des bereits geformten Materials bei Dichtern, die ge-
borene Nachahmer find, die Feine individuellen äfthetifchen Bedürfniſſe
haben, jondern nur überhaupt etwas machen wollen, gleichviel ob jie
im Fahrwaſſer Shafejpeares oder Calderons, Ibſens oder Kleiſts
jegeln. Aber ſchon, wo bejtimmte Werfe plötzlich eine Neihe von
Nachahmungen finden, muß man, wenn Man bon dem, wie. ic)
glaube, nicht jehr hoc zu jchätenden Neiz des neuen abjieht, immer
annehmen, daß bei einer Anzahl von Dichtern oder im Publikum
oder im beiden ein Bedürfnis nad) diejer beftimmten Art von Charaf-
teren, der Darſtellung diejer Konflikte, nad) diejen bejtimmten Stim«
mungen u. j. w. vorhanden war. Hier hat ſchon nicht jedes bereits
äfthetifch ausgemünzte Motiv ohne weiteres über den Dichter größere
Macht, jondern nur ein joldyes, das jeinem bejtimmten Bedürfniffe
entgegenfommt, das nad) der ihm ſympathiſchen Richtung hin aus—
gemünzt iſt oder wenigſtens nad) diejer Richtung hinweiſt. Wie ſehr
dabei das Original bisweilen ajfimiliert wird, dafür bieten unter
anderen die erjten deutjchen Nachahmungen des Nobinfon ein Bei-
ſpiel. Wohl wird bei ſolchen Nachahmungen manches auf das Original
hinweiſen, aber ihre Yebenswurzeln jteden nicht in dem Original,
jondern in jenem Bedürfnis, das durch das Original nur einen
Weg zur Befriedigung gefunden hat, den es möglicherweije auch ohne
das Original hätte finden fönnen; und was die Ahnlichfeiten mit
dem Original anlangt, jo ift von ihmen, joweit jie nicht äufßerlicher
und unweſentlicher Art find, wie Namen, Lofalitäten u. ſ. w., redjt
schwer zu entjcheiden, wieweit jie wirklich durch die Kraft des Ori-
ginals hervorgebracht find, wieweit das Bedürfnis des Dichters
ſchon jelbt auf dem Wege war, ähnliches zu erfinden, Wenn etwa
eine Berführungsgejchichte befonders geeignet erſcheint, Stimmungen
und Tendenzen einer bejtimmten Zeit auszudrüden, jo ift das ein
Motiv, das aus Erzählungen wirklicher Vortommmifje oder aus
Zeitungsnotizen ſehr vielen befannt ift; einer muß es num natürlich
zuerſt bringen und alle andern, die es nad) ihm bringen, erſcheinen
als feine Nachahmer. Aber es ift ſchwer feitzuitellen, wieweit die bei
allen vorhandene Stimmung u. ſ. w. aud) bei diefen Nachahmern
ſchon das allgemein befannte Motiv herangezogen und befeeit hatte,
wieweit jeine Brauchbarkeit erjt durch Kenntnisnahme des „Bor-
bildes" einleuchtete. Auch spezielle Ähnlichkeiten entjcheiden hier wicht.
Dienjchenjchidjale haben ihre typiſche Umgebung, zu einer Ber
führungsgejchichte gehört im vielen Fällen aud) eine lerin. Dieje
giebt es in verſchiedenen Varietäten: die Kupplerin für Geld, die
Kupplerin aus Paſſion u. ſ. w.; je nad) der Stimmung und Tı J
der Zeit wird eine dieſer Varietäten einer größeren Anzahl von
— |
754 H. Noetteten, Bemerkungen zur Dtetbode der Yitteraturgejcdhichte.
Dichtern beionders intereilant jein. Führt nun ein Dichter bei einer
Berführungsgeidyichte eine Kupplerin ein, die Ahnlichfeit hat mit
einer joldyen des Worbildes, jo it wieder nicht zu enticheiden, wie:
weit an der ‚Figur die innere Logik des Stoffes und die Zeitſtim—
nung beteiligt ijt, wicweit das Vorbild. Wenn ich ganz beitimmt
weiß, day der Dichter vor Kenntnisnahme des Vorbildes niemals
an das Motiv gedadjt hat, jo kann ich freilich jagen, day er durd)
die fremde Lichtung angeregt it und werde dann aud dic Figur
der Kupplerin als durd) das Vorbild angeregt betrachten; aber die
Vorausſetzung dürfte nicht oft verwirklicht werden und wenn jie es
ift, weiß ich im Grunde nur, day der Dichter durch jein Vorbild
jozujagen überrumpelt ift, dan er cs fennen gelernt hat, bevor die
in ihm vorhandenen Tendenzen die Berührung mit den entjprechenden
Vorſtellungsgruppen gefunden haben.
Es ijt bisher immer vorausgeiekt, daß das Motiv gleich bei
jeiner Kenntnisnahme einen jtarfen Antricb zur Produktion ausüben
jollte: öfters behauptet man dieſes aber nicht, jondern ıneint nur,
daß das Geleſene - oder im Leben Gejehene — eingegangen jei in
das große Kejervoir, wo das Vorftellungsmaterial des Dichters ver:
wahrt werde, und num bei diejer oder jener Schöpfung mitbeteiligt
jei. Mit jolchen Behauptungen ſteht es erit recht prefär. Die ın jenes
Rejervoir eintretenden Borjtellungen erleben allerlei NBeränderungen:
zuſammengeſetzte Vorſtellungen zerlegen jich, fie oder ihre Teile kom⸗
binieren ſich mit anderen Zorjtellungen und deren Zeilen, und dieſe
anderen Norjtellungen jtrömen von allen Zeiten zu und auch die
flüchtigiten können Bedentung gewinnen; die Vorftellungen erleben
Steigerungen, wie das Dilthey ausgeführt bat, furzum, bei dem,
was ſchließlich herauskommt, kann niemand jagen, wieviel oder wenig
dazu dieje oder jene Vorſtellung, deren Eintreten in das Reſervoir
wir zufällig beobadıten konnten und die nur eine von unzähligen ift,
beigetragen hat. Scherer hat einmal gemeint, es jei immer nüsßlidh,
den Darfenipieler zu notieren, den (Wocthe am 29. Juni 1776 in
fein Tagebuch eintrug: eine Tuelle für die (Hoetheiche Geſtalt fennten
wir damit jedenfalls, aber ihre anregende Kraft fet vielleicht nur der
hundertfte Teil jener anregenden Kraft, weldye Goethe zu jeiner
Schöpfung trieb. — Die Dauptiache, die Goethe trieb, wird wohl
überhaupt fein Erlebnis mit Harfenſpielern geweſen fein, jondern
ein Bedürfnis nach einer ‚Figur mit jolchem Stimmungsgehalt; doch
wie dem jei: es jcheint mir jehr wenig Erkenntniswert zu befigen,
wenn wir eine Quelle fennen, die vielleicht nur ein Hundertel, viel
leicht noch weniger — eben nur einen ganz unbeitimmten, möglicher:
weile ganz verichwindend geringen Zeil von dem Material zu der
Figur bergab. Ich würde mich, jtatt dieſen cinen oder aud) zwanzig
9. Noettelen, Benerfungen zur Methode der bitteraturgeſchichte. 755
ſolcher Harfenjpieler zu notieren, lieber mit der allgemeinen Über-
zeugung begnügen, daß das Vorftellungsmaterial für die Gejtalt des
Harfenjpielers nicht ohne Wirffamfeit der betreffenden pſychologiſchen
Geſetze ſich fombiniert hat, und wide mich bemühen, mir Kar zu
machen, warum Goethe eine derartige Gejtalt ſympathiſch war.
Ich faſſe zuſammen. Das individuelle Bedirfnis des Dichters,
wo ein folhes vorhanden ift, ift der maßgebende Faktor jeiner
Schöpfung. Es zieht ſchon geformtes Material heran, es afjimiliert
es, oder es veranlaßt die Phantafie, entiprechende Vorjtellungsgruppen
zu bilden. In dieſem Bedürfnis ſieckt daher die eigentliche Kaujalität,
Und ferner: diejes Bedürfnis ift deutlich zu erkennen, es ijt beim
einzelnen Dichter, allerdings nur unter Vorausjegung einer wicht
weiter ableitbaren angeborenen Anlage, aud) in jeiner Entwicklung
zu verfolgen; während die Herkunft des Vorftellungsmaterials viel-
fach problematifch bleibt. Auf die Erforfhung jenes Bedürfniffes
muß daher viel mehr Wert gelegt werden als auf die Behandlung
der Frage nad) den Vorbildern u, j. w. Allerdings jtchen wir mit
der Frage, wie es kommt, daß in einer bejtimmten Zeit Dichter
nit einem beſtimmten Äfthetijchen Bedürfnis die Herrſchaft an ſich
reifen, vor einem ſchwierigen Problem, und leichter, als ſich hierüber
den Kopf zu zerbrechen, iſt es jedenfalls, Ähnlichkeiten mit früheren
Dichtungen feitzuftellen. Und diefe Thätigkeit erhält nod) eine Stüge
dadurch, daß es an ſich angenehm ift, Ahnlichkeiten wahrzunehmen:
cine an fich angenehme geiftige Thätigfeit, die irgendwie den Schein
gewonnen hat, Erfenntniswert zu bejiten, iſt vor einer allzu ſcharfen
itit diefes Wertes ziemlich ficher,
Ich bin zu Ende und fehre nochmals zu Niejahr zurüd. Er
hat ſich mit ung alle Mühe gegeben. Er hat unjere Herzen zu rühren
geſucht durch einen ſchwungbollen Hymnus auf die Kritik; er hat
us unfer Unvecht zum Bewußtſein zu bringen ge indem er
ironijierte und höhnte, jo fein, jo geijtreich md. wie er es
nur immer zu feiften im jtande war; er hat den Ton der Ent-
rüftung angefdlagen und uns den Nat gegeben, wir follten uns ſtill
der Ausbildung in der Kritit widmen. Ich habe von allen diejen
hübjchen Sachen nur hie und da eiwas erwähnt; jest zum Schluß
aber will auch ich Niejahr einen Mat geben: er möge ſich fill der
Ausbildung in der Klarheit und Folgerichtigfeit des Dentens widmen,
che er verjucht, das große Wort zu führen und ſich als Mitter der
gefräntten Philologie anfzufpielen.
Erwiderung.
Die vorfichenden „Bemerkungen“ Noettefens geben mir feine
Veranlafjung, auf die allgemeinen und bejonderen Fragen, um die cs
Euphorion IV. E 49
756 Heinrich Anz, Die Dichtung vom Bruder Rauſch.
ſich hier handelt, von neuem einzugehen; ein ſolcher Verſuch würde
bei der prinzipiellen Verſchiedenheit unſers Standpunkts gänzlich
zwecklos ſein. Ich begnüge mich lediglich zu konſtatieren, daß ich auch
die gegenwärtigen Erörterungen Roettekens in feiner Hinſicht für ge:
eignet halte, meine Anfichten über die Entjtehung der „Penthefilea” zu
widerlegen. Im übrigen will id) es getroft dem Urteil der Öffentlichkeit
iiberlaffen, anf welcher Seite die größere „Klarheit und zFolgerichtig-
feit des Denkens“ zu finden tft.
Anf den vorangehenden Artitel von Jellinek und Kraus behalte
ih mir eine ausführliche Entgegnung in einem der nächſten Hefte vor.
Halle. Johannes Niejahr.
Die Dichtung vom Bruder Rauſch.)
Son Heinrich Anz in Ruidolſtadt.
Vor einiger Zeit gelangte in meinen Beſitz cin alter nieder-
deutſcher Druck vom „Wroder Ruſche“. Ter vorn anf dem Titelblatte
befindliche Holzſchnitt verwies durch jeine altertümlich naiven ‚Formen
anf eine Jeit, da die Fortſchritte im dieſer Kunſt noch nicht allzu weit
gedichen waren, und der Druck ſelbſt beftätigte dies, wenn auch jede
Angabe über Tre und Seit fehlte. Wie ich dazu gekommen, ihn den
achtziger jahren des 15. Kahrhimderts zuzuweiſen, muß unten aus—
führlicher dargelegt werden. Gewann der Trud jo Ichon als einer
der älteſten miederdentichen Drucke iiberhaupt für mid an Wert, jo
führte mich die Unterſuchnng des Inhaltes ſehr batd dazu ihn wegen
ſeiner litterargeichichtlichen Bedeutung zur Grundlage einer Neubearbei-
tung des darin überlieferten Wedichtes zu machen. Hier vorläufig nur
einige Vorunterſuchungen, die zugleich bezweden möchten, etwaige
weitere Beiträge fir Die geplante Arbeit zu erbitten.
Was bisher darnder geſagt iſt, beſchränt ſich, abgeichen von gelegentlichen
Aenertungen bei Yappenberg und anderen, auf folgende drei Zchriften:
F. Woli amd Zt Endlicher, Wien 18345 nur in 50 Eremplaren gedrudt;
danach in Scheibles Mloiter 11, 1070 ii
C. Zchade, Weimariſches Jahrbuch 5, 357 fi: Arıder Rausch, Hannover 1856.
Ehr Brunn, Broder Russes Historie, Kjebenhavn 1868 ımir durch Ver-
mittiung des Herrn Profeſſor A. Tüning vom Serfaifer freundlich zugeftellt;
auch dies Werl nit nur ın einer beichräukten Auzahl gedrudt). — — Nichts neues
bringt F. VBobertag, Bruder Rauſch, in J Kürſchners Tenticher National vitteratur
11, 303 1.
Heinrich Anz, Die Dichtung vom Bruber Rauſch. 757
Die Dichtung vom „Bruder Naufch”, die Heutzutage nur mod)
in den Litteraturgeſchichten ein beſcheiden zurückgezogenes Leben
führt, ſchien ehemals einem andern Schichſal beſtimmt. Den Zeit—
beſtrebungen des 15. Jahrhunderts eutſproſſen in ihrer Tendenz,
dem Zeitgeſchmack angepaßt in ihrer Ausführung, hat fie, anfcheinend
auf niederdeutſchem Gebiete entjtanden, zu Beginn des 16. Yahr-
hunderts das hochdeutſche Gebiet ji) erobert, taucht um die Mitte
de3 Jahrhunderts ungefähr gleichzeitig in England und Dänemark
auf, findet in Dänemark, offenbar durch Anfnüpfung an eine dort
bereits vorhandene Volfsjage, eine neue Heimat, wird fofalijiert und
geht im die volfstümliche Überlieferung über, erhält fich hier durch
immer neue Bearbeitungen und Ausgaben, um ſchließlich in unferm
Jahrhundert nod) novelliftiich und dramatijch bearbeitet zu werden.t)
Für Deutjchland war wenigjtens noch im Jahre 1589 der emphatiſche
Ausruf in Bruno Seidels paroemiae ethiene möglid)
Quis non legit
Quae frater Rauschius egit!
Jetzt juchen wir vergeblich aud nur zehn deutſche Drucke Rz
zu befommen. Handſchriftlich konnte das Gedicht bisher überhaupt
nicht aufgetrieben werden. Der ältefte befannte Drud, und zugleid)
aud) bisher der einzige miederdentjche, war der auf der Ferner
Bibliothek, ohne Ort und Jahr, 10 Blatt 4%, ohne Kuftoden, einige
Signaturen, Interpunftionen nur vereinzelt, den D. Schade im
Weimarijchen Jahrbuch 5, 385—399 abdrudte; er verlegt ihn, jedoch
ohne genauere Angaben, im den Ausgang des 15. Yahrhunderts.
Dazu fommt mm?) der in meinen Händen befindliche Drud, eben-
falls ohne Ort und Jahr, 8 Blätter in 4°, ohne Kuftoden, auf dem
dritten Blatt anſcheinend eine Signatur. Es fehlt jede Juterpunltion.
Auf der Vorderji te des eriten Blattes ijt ein Holzichnitt, darftellend
einen Mönd in feiner Slofterzelle, der damit beſchäftigt iſt, derbe
Knotenſtöcke zurecht zu ſchneiden. Der Mönch trägt im Geſicht,
wie an Händen und Füßen deutlich die Abzeichen des Teufels
Der Text beginnt auf der Nücjeite des erſten Blattes mit einer
nachträglich beſcheiden ausgemalten Juitiale. Die Zeilenzahl ift 31.
) Ich nenne als neueſte er der Yet: Broder Rus. Komedie i five
nar Christiansen. 2. x. Kjebenhavn 1889.
on Herr von Meuſebach — im Auftionslatalogen weitere nieder⸗
deutjche Drucke angetroffen haben, ohne doch ihrer habhaft werben zu Fünnen
‘Zceible, Klofter 11, 1101.)
miliche Dructe des Gedichtes tragen rel feiner jei das hier
genannte Motiv; in dem Ductus der Pinien, wie im der Scha tierumg md much dev
ganzen Auffaffung erinnert dieſer — auffällig am den des Berliner Drudes,
der fh bei Bobertag a. m. D. ©. 368 nachgebilder findet,
‚Akteı
49*
758 Heinrich Anz, Die Dichtung von Bruder Rauſch.
Das Gedicht ſchließt in der Bitte der vorletzten Seite. Unter der
Unterſchrift ç Et sie est finis findet ſich nun nod) ein Drucker—
zeichen, das eine Haudhabe zu bieten jcheint für cine nähere Ve—
ſtimmung von Ort und Beit. Ein hodender Löwe hält ein Kleines
Wappenjchild mit einem Gichenzweige, daran nad) oben gefehrt drei
Eichel. Auf dem Scilde befinden fich zwei Anfangsbuchſtaben I W.
Dieſelben Buchjtaben finden ſich aud) anf dem geichlungenen Bande
über dem Schilde, doc Folgen ihnen noch die Buchſtaben ve. Das
Zeichen der drei Eicheln nun findet ſich häufig — frei oder im
Wappenſchild -- anf Magdeburger DTruden, worauf id) von
Herrn Archivar Dr. Dittmar freundlichit aufmerkſam gemacht wurde.
Ich verweie dazu auf Fr. Hülßes Geſchichte der Buchdruckerkunſt
in Magdeburg (Geichichtsblätter für Stadt und Yand Magde—
burg, Band 15, Jahrgang 1880, ©. 167 und 165/6, Anmerkung).
Allerdings finden wir dies Trucferzeichen erjt von 1530 an, aljo
für unſeren Drud viel zu jpät,'n aber das durd) jene drei Eicheln
bezeichnete Daus ad trium glandium jcheint jchon länger eine
Druderwerkjtatt gehabt zır haben. Jene Initialen num, wie die
ganze Art des Trudes, die Veichaffenheit des Papieres, die Formen
de3 Alphabets, die Höhe der Typen, alles bis zu den Heinften
Einzelheiten ſtimmt Fiir den ültelten Magdeburger Druder Idachim
Weſtfal. Weſtfal drnckt zunächſt mit Ravenſtein gemeinfan fett 1483,
noch 1480 ließ Magdeburg in Lübeck drucken (ogl. L. Götze, Ältere
Geſchichte der Buchdruckerkunſt in Magdeburg. I. Abteilung. Die
Drucker des 15. Jahrhunderts, Magdeburg 1872,)?) ſeit 1485 drudt
er allein, etwa mit Beginn des Jahres 1487 zieht er nad feiner
Heimatſtadt Stendal. Ungefähr um das Jahr 1486 mag der vor:
liegende Druck ans jeiner Offizin hervorgegangen fein; es war nicht
jein erſter niederdentſcher Druck, ſchon 1484 veröffentlichte er ein
niederdentſches Evangelienbuch, um dieſelbe Zeit, vielleicht noch etwas
friiher, ein niederdeutſches Plenarium, \päterhin and) den nieder:
deutſchen Zachienjpiegel, Towie „die Gezeiten unjer Lieben Frauen“.
Die üliehten hochdeutſchen Drucke führen uns um drei Jahrzehnte
weiter: 1515 druckte Mathis Hüpfuff zu Straßburg „Von Bruoder
Kanschen vnde, Was wunders er getriben hat, in | einem Closter
dar in er syben dar sem zeil vertriben, vnd gedienet | hat in
eins kochs gestalt''. Dieſer Druck, jegt in der k. k. Hofbibliothek
in Wien, wurde zuerit veröffentlichht von J. Wolf und St. Endlicher,
Wien 1834, danach wieder abgedrudt in Scheibleg Klofter 11,
BVei dreier Anſetzung des Trucdces ſtüße ich mich zugleich auf die Urteile
des Herrn Proſeſſor Tr Tüning Quedlinburg und Ardivar Tr. M. Tittmar-
Magdeburg.
> Hier And auch Proben der Weitfalichen Twen und Sofsfchnitte gegeben.
Heinrich, Anz, Die Dichtung vom Bruder Naufch. 754
1102— 1113. Älter würde nod) fein ein Drud, den ich bei Bruni,
S. 26 verzeichnet finde nad) E. Weller, „Repertorium bibliographi-
eum, Nördlingen 1864, ©. 53, Nr. 457: Dis biechlin saget vo
Bru | der Rausche vnd was er | wunders getribe hat in einem
Closter dar in er vij jar | sein zeit verlrib@ vi gedienet hat in
eines kochs gestalt. Straßburg bei Martinus lady 1508, jebt in
der königlichen Bibliothek in Münden. Danad) folgt ein jet in der
Minifterialbibliothef zu Celle befindficher Nürnberger Drud von
Friedrid) Gutknecht (bejehrieben von DO. Schade, Eden Ausfahrt,
Hannover 1854; abgedrudt von D. Schade, Weimarer Jahrbuch 5,
400—414); einen zweiten Gutknechtſchen Drud verzeichnet Brunn
nad; Weller S. 113, Nr. 941, Anmerkung, ungefähr vom Jahre 1555.
Etwa 1560 erſchien, ebenfalls in Niürnberg,') ein mit dem Gutknecht-
ſchen Drud offenbar übereinftimmender Drud von Balentin Newber,
wonhafft im oberen Weher; Näheres über ihn giebt Wolf a, a. DO,
©. 1072 f., wozu zu vergleichen Schade S. 360. Diejer Drud,
ehemals im Befige des Wiener autiquariſchen Buchhändlers Matth.
Kuppitzſch, ſcheint jetzt verſchwunden. Genaunt werden ſchließlich noch
ein Magdeburger Druck von Wilhelm Roß, 1587, welcher ſich
nad) Nachrichten von W. J. Thoms in London in der Bibliothek
de3 Francis Douce fand (Wolf S. 1071 und 1075) und welder
nad) der Beichreibung von Thoms dem Newberſchen Drucke ühnelte,
und ein Nürnberger Drud von Val. Fuhrmann um 1590 (Brunn
S. 29). Der ältefte däniſche Drud wurde erft im Jahre 1867 durch
einen günftigen Zufall von Chr. Brunn in Kopenhagen entdedt?) im
Einband von Homeri Opera Graecolatina Basileae 1561 fol. Er
ift gedrudt 1555 in Kopenhagen von Hans Vingaard (fiche Brunn
©. 18) 16 Blatt mit Signaturen Aij — Bo, 22 Linien auf ber
Seite. Der Holzichnitt auf der Nüdfeite des Titelblattes ift entnom-
men aus Seb. Brants Narrenſchiff; neugedrucdt wurde das Werf
ohne wejentliche Anderungen um 1600 von Yaurent Benedidt; der
Drud befindet ſich jest auf der Füniglichen Bibliothek in Kopenhagen;
es folgen die Ausgaben von 1696, 1706, eine aus dem erften Viertel
de3 18. Jahrhunderts, 1730, zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts,
Schluß des 18. Jahrhunderts.
Die ſchwediſchen Ausgaben gehen erft auf die däniſchen zuriid.?)
Die ältejte wurde gedrudt im Jahre 1645 in Stodholm, wiederholt
im Jahre 1655, beide bei Jgn. Meurer,
) Alfo ungefähr gleidzeitig mit ber Hislori Peter Lewen aus berfelben
Sffigin hervorgegangen
2) Einen getreuen Abdrud giebt Brunn im genannten Werke, bajelbit auch
ein Faiſimile des Titelblattes mit Holzichnitt,
3) Brunn 2: Den svenske Broder Rus er iydelig nok en Iro Over-
saettelse af den danske
— —
—
760 Heinrich Anz, Die Dichtung vom Bruder Rauiſch.
JIu England erhielt bereits im Jahre 1569 der Buchdruder
Kohn Alde die Konzeijion für den Druck eines Freer Russhe (Collier,
Register of the Stationers company 1557—70 S. 199); diejes
Volksbuch, das 1575 als in Coxs Bibliothek zu Coventry befindlid)
erwähnt wird Shakespeares society's papers 7, 26) und das
weiter 1554 bei Neginald rot Discoverie of witeheraft S. 521
erwähnt wird, iſt bisher noch nicht wieder aufgefunden. Die äftejte
uns erhaltene englijche Bearbeitung ijt die Projaauflöjung von 1620:
The History of Frier Rush, how he came to a House of religion
to seeke service, and being enterlained by the Priour was first
made Under-Cooke. Being full of pleasant mirth and delight
for young people. Imprinted at London by Eduard Allde. dwelling
neer Christ-ehurech. 1810 in wenigen Gremplaren gedrudt, wurde
dieſe Projaverjion 1820 von W. J. Thoms aufgenommen in die
Golleetion of early prose romances. Edward Alde hatte 1626
die Ausgabe noch einmal wiederholt, 1629 veranjtaltete jeine Witwe
die dritte Auflage. Eine dramatiiche Bearbeitung der Zage ift fürs
Jahr 1601 bezeugt.
Dir tommt es nun wicht bei, mich auf die Zichtung dieſes an-
jcheinend jo reichen Materiales bier einzulaſſen. Gewiß reduziert ſich
ja der Stoff ichon von telbit, da die ſchwediſche Verſion nichts iſt
als eine treue UÜberſetzung der däntichen? vgl. Brunn 2. 21: aud)
die däniſchen Ausgaben zeigen voneinander feine weientlichen Abwei—
chungen, abgejehen davon, dar die dritte den Text freier behandelt hat
Brunn S. 20. Engliſche wie däniſche Nearbeitungen aber jcheinen
auf dentiche Verſionen zurückzugeben.’ Wir werden darauf noch ein-
mal bei der Zagengejchichte zu iprechen fommen. Vorerſt jedoch möchte
ic) anf das Verhältnis der dentjchen Drucke zu einander noch näher
eingehen. Zu Grunde gelegt jind der folgenden Unterſuchung die Terte
des Berliner Druckes B, des in meinem Neiße befindlichen Drudes
\), des Straßburger Druckes von 1515 ıS: und des Nürnberger
Druckes von Fr. Gutknecht (N. Hier Icheiden ſich nun gleich von
vornherein die beiden längeren hochdentſchen Trude S und N von
den beiden niederdeutſchen B md A. 423 Berie hat B. A 420, S 536,
ı Rd. of John Alde, for In» Iveeuse for pryntinge of a boke intituled
Frier Ru-h . . ılij'.
»Intereiſant düriten hier nur die Nachträge fen „Een annan lijten
Historia”, die ähnliche Ztreiche des Teufels in der Derberge und im Siofler
berichten.
Auch von der dämſchen Tichtung nimmt Brunn dies an, vorbehaltlich
der vollen Triginaltät ın der Ausführung.
4 Zebr wichtig fir dieiſe ganze Umnteriuchung würde ber oben nah Brunn
erwabnte Münchener Truck ſein, der mir jedoch bisher noch nicht vorgelegen bat.
Toch vgl. den Rachtrag.
Heinrich Anz, Die Dichtung vom Bruder Rauſch 761
N 572; alles, was S aut Erweiterungen bietet, gegenüber B und A,
wird von N wiederholt; wo N won S abweicht, ſchließt es ſich
nirgends etwa enger an an die fürzere Mecenfion,‘) fondern zeigt
ganz deutlich die Tendenz S zu glätten nad Anhalt umd Form,
eine nad) jeder Hinficht reinlichere Leltüre zu bieten. So hat N fiir
die Netonftruftion der urſprünglichen Necenfion keinen jelbjtändigen
Wert. Äußerſt wertvoll aber für die Textesrefonjtruktion bleibt S.
Dieſes ſtellt nämlich zufammen mit B eine Necenfion dar, die der von
A mehrfad) ſcharf gegemüberfteht.?) Und doc, kann es wiederum nicht
unmittelbar, noch mittelbar auf B zurücgehen, vielmehr weiſt eine
mehrfache Übereinſtimmung mit A gegen B darauf bin, daß die
Grundlage unferer erweiterten hochdeutjchen Texte eine beffere war
als fie uns in B nod) vorliegt, Das Verfahren aljo, das eine metho-
diſche Nefonftruftion der älteften, Faſſung unferes Gedichtes ein—
schlagen müßte, wäre diefes: die Übereinftimmung®) von A md B
als der am wenigjten überarbeiteten Berfionen, bildet den Ausgangs-
punft, bei Abweichungen it S heranzuziehen, und zwar ift die Über:
einſtimmung von A und S unbedingt beweiiend, die von B und S
gegen A verleiht wenigitens diefer zweiten Necenjion einen bedeut=
ſamen Nachdruck. Und hierin liegt, abgejehen von dem Alter des
Druckes, die weitere große Vedeutung von A, es tepräjentiert eine
neue, bisher noch nicht befannte Necenfion, die zwar nicht einen
abjolut höheren Wert hat als B, aber einen hohen relativen Wert.
Ich überſehe dabei durchaus nicht, daß A eine gewiffe Nachläffigfeit
in der Wiedergabe zeigt, doc) ift dies für die Behandlung des Tertes
meift wertvoller als die ziemlich häufigen tendenziöfen Veränderungen,
die nunmehr für B Har am Tage liegen. AS Stemma ergäbe ſich
folgendes Verhältnis:
(8)
A (N)
(2) B
s
!, Einige jcheinbare Ausnahmen werben eher auf Zufall zurildzuflliven jeir.
2) Aber gerade auch da geht S mehrfach mit B, wo bdiefes offenbar um ben
Bars zu glätten von A abgewichen ift; diefe Mecenfion ift alfo teihweife fefumdären
Charaiters
3) Diefe Übereinſtimmung tft Im allgemeinen eine jehr große, gröher als es
nad) diefen Ausführungen jcheinen fönnte. Eine große Anzahl gering Ab⸗
weichungen iſt durch die Verſchiedenhen des Dialelts beftimmt. Sn beiben vor
bandene Yüden werden nun erſichtlich, fehlende Neimgeilen ergänzt,
762 Heinrich Az, Die Dichtung vom Bruder Rauſch.
Und nun zur Sagengeſchichte, auch hier vor der Hand nur
einige Geſichtspunkte. Der Kern der Saze läßt ſich leicht reinlich
ausſcheiden, auch wenn Wolf!, und ned ihm O. Schade?) die
unorganiſche Zuthat am Schluſſe nicht als der Zenolegende ent:
nommen nachgewiejen hätten. In einem Kloſter iſt ein üppiges,
recht wenig geiftliches Yeben eingeriifen, hier bereitet ſich für den
Teufel ein guter Fang vor. Er macht ſich jelbit auf und wird „gar
ſchön“ vom Deren Abt jelbit empfangen, er erweilt ſich brauchbar,
recht fehr brauchbar und wird ſchnell umentbehrliih. Das Kloſter
jamt allen jeinen Inſaſſen it bald auf dem beiten Wege zur Hölle.
Unkeuſchheit, Wöllerei, Hader und Zanf blühen: Bruder Rauſch it
der bejte Kuppler, vorzüglicher Meeifterfch und Waffentlieferant für
alle Stlojteritreitigfeiien. Er wird mit renden als Bruder auf-
genommen. Zo fann er bei der nächiten nächtlichen Teufelsverſamm⸗
lung ſeinem Deren und Meifter triumphierend berichten, daß er ihm
nächltens das ganze Kloſter zuliefern werde.
Wente se Joen wol na myneme rade
Beyde fro vnde -pade.
Alte Teufel jubeln ihm zu. Toch das gerade iſt der verhängnisvollſte
Augenblick. Ein Bauer, dem Rauſch Seine Ruh geitohlen, hat im
hohlen Baum gelacht. Er geht bin und berichtet tem Abt, was
er geliehen und gehört.
Do wart dem abbete heyde
leeff vude leyde.>)
Rauſch wird in die Meſſe gerufen, ihm wird ungemütlich uns Herz
und er möchte ſich von dannen machen, aber ſchon iſts zu fpät.
Ter Abt beſchwört ihm und baunt ihn, dan er in Pierdsgeſtalt vor
der Thür jtehen muß. — Bier follte die Sage ichliegen, aber nur
das däniſche Volksbuch + Ihiele, Däniſche Sagenſammlung 1819,
Band 2) übt dieſe weile Einſchränkung, woher, iſt nicht zu jagen.
Die alten däniſchen Verſionen erzählen jedenfalls ſamt und ſonders
jenen Anhang aus der :jenolegende, der in den deutſchen Drucken
noch Folgt, mit. Anibanen läßt ſich auf dieſe Thatſache gar nichts.
Wohl aber auf jene mnorganiiche Fortietzung. Aufbau nnd Tendenz
I Zcheibles Kloſter zZ 1084
"ı Weimarsichre Jahrhbuch 5, 370 m. Sr and Der Abdrud des betrich-
fenden Abſchnittes der niederdeutichen Faiſung der Jenolegende.
% Die hier mit nicht übhlen Humor angebrachte Iitterariiche Remimniscenz hat
einen ſehr ühlen Kers geichaijen, den der Vinnenreim noch übler macht
Deiue abbıete heyie let ynde leyde wart
Aber dieſen Vers mochte auch B nuht umändern
Heinrich Anz, Die Dichtung vom Bruder Rauſch 7683
der Zuge liegen uns bis dahin fo Har und gelungen vor, daß man
die ganze Heine Dichtung für ein Meiſterſtückchhen halten muß. Davon
leuchtet auch im einzelnen noch genug hervor in der urwüchſigen
Friſche und Anjchaulichteit einzelner Stellen, Aber in ganzen muß
man ſich geitchen, da bereits im der älteſten vorlicgenden Faſſung
die Dichtung ihren künftlerifchen Höhepunkt überjchritten hat, daß
ihre einzelnen Teile vielfach einen rudimentären Eindruck machen.
Der Verfaffer gefällt ſich in einzelnen Anekdoten und Schwänfen mehr
als einem organischen Ganzen.!) Kurz, jchon die niederdeutſchen Drucke
haben nicht mehr die urjpüngliche Friſche und Neinheit der Original-
dichtung, fondern ſtehen am Abjchluß einer längeren litterariichen
Entwidlung; am Abſchluß, denn aud die fpäteften hochdeutſchen
Drude haben nichts wejentlid Neues mehr hinzugefügt: fie glätten,
fie erklären, jie erweitern, aber nur die Form, nicht den uhalt.
Erſt anf englijchem Boden ſcheint die zweite Erweiterung des Inhaltes
eingetreten zu jein. War der erfte Zuſatz der Zenolegende entnommen,
jo lieferte Till Eulenjpiegel den Stoff für die zweite Erweiterung.?)
Die Dihtung wurde damit in eine Reihe geftellt mit der Anekdoten:
und Schwanflitteratur, dieſer ſtand fie von vornherein nahe?) aber
fie gehörte nicht zu ihr: fie iſt zumächit eine jagenhaft-legendariiche,
religiöſe Tendenzdichtung. Als jolche gehört fie in den Juſammenhang
jener Beitrebungen des 14, und 15. Jahrhunderts, die gegen die
entartete Klojterzucht zu Felde zogen, bald offen polemiſch, bald
ſatiriſch. Solcher Zeit des Kampfes gegen die Entartung und die
Xerderbnis einer abfterbenden Aulturperiode gehören Figuren wie
Till Enlenfpiegel und alle feine Narrenbrüder, umd der Teufel an.
Damals entjteht and die Fauftfage. Vielleicht iſt es nicht gang
zufälfiges Aufanmentveffen, wer dieſe Polemit auf veligiöjem
Gebiete gropenteils in den Händen der Brüder vom gemeinjanten
Xeben liegt und wenn num dev erfte niederdeutſche Druck, den wir
haben, aus einer der Offizimen diefer VBrüderfchaft ftanumt.t) Auch
dies würde nur wieder darauf hinweiſen, daß wir es hier mit
einem rechten Zeitgedichte zu thun haben. Bei diejer Tendenz bedurfte
es nun feiner befonderen hiſtoriſch lonkreten Anregung fr eine jolche
Tichtung und feiner befonderen Sofalifierung der Sage. So geben
!) Allerdings wird man dabei nicht überjehen biirfen, baß hier ber game
Charatter der ıiederbeutfchen Dichtung imitfpeidit, bie von Meflerion micht Diet
wiffen will md lieber naiv bleibt. Gar. a, ibben, Dahrbud) des Vereins für
miederdeutiche Sprachforichung, Jahrgang 1875, ©, 8 umd W
und 89. Hiftorie des Tenppitgete nachgebildet.
tt auch deutlich genug In der Geſchce ver Entftchung und Ber
breitung der Dichtung hervor; aus Yappenbergs Ausgabe von Murners N enfpiegel
ließe ſich mehr als cine intereffante Parallele —
+ Über die Zugehörigleit Weſtfals zu dieſer Brüberfdhaft vgl. Gobe a, a. D,
764 Heinrich Anz, Die Dichtung vom Bruder Rauſch.
auch noch nuſere niederdeutſchen Drucke ebenſo wie die däniſchen
von der älteſten Bearbeitung au, als Ort der Handlung nur allge
mein ein Kloſter im Sachſenlande au. Es iſt das natürlichite, hier
auch die Dichtung ſelbſt ihrem Inhalte nach entjtehen zu lafjen.
Nun aber ericheint mit einem Male in den hochdeutſchen Druden
eine andere Verſion:
vgl. S Berg 501 fi.: Als ich von eim des ordens hab vernuminen
der auss dem Kloster was kummen.
Sart daz Kloster sev essron in denmarck genant,
bey helsinghore in »eelant wol bekant,
Vnd vnder dem bistum Rosschilde gelegen,
vnd des ordens bernlardim pflegen.
Woher mit einem Male dieſe beſtimmten Angaben? Sind jie ein
alter Beltandteil der Zage? So war bisher das allgemeine Urteil
von Wolf bis zu Brunn md denen, Die ihnen nacipraden.ı Tann
gilt es zu erklären, weshalb davon die niederdentichen Drucke Schweigen,
ja nicht nur ſchweigen, weshalb fie geradezu die Sage anderweitig
tofalifieren. Zwei Erklärungen find bier möglich umd beide find
verſucht worden. Entweder war es ein abiichtliches Verſchweigen, jo
urteilt Wolf, aus periönlichen Gründen verichwiegen die Verfaſſer
den wahren Ort der Zage. Wie ſollen wir uns dies voritellen?
Solche zarte Rückſichtnahme lag nicht in der Seit, lag auch nicht
in der Tendenz der Dichtung, am allerwenigiten aber in ihrer ganzen
Art. Wenn irgendwo die Geißel ſcharf aeichwungen wird, To ift es
hier, mit Scharfer Hand werden die vorhandenen Mißſtände gepadt:
hier iſt derbes Zugreifen, feine zartfühlende Zurückhaltung. And
jchlierlich, was wäre das für eine periönliche Rückſichtnahme, wenn
der ſächſiſche Tichter, um das däniſche Kloſter zu ſchonen, fächjiiche
Klöſter anflagt? Nein, meint Brunn, jener jüchfiiche Dichter wußte
von der däntichen Heimat der Zuge nichts, er lofalifierte fie drum,
wie co für ihn am mächlten lag, in Sachſen. War aber auch jener
einen Perfönlichkeit der wahre Zachverhalt unbefannt, jo doch nicht
in der jonjtigen Alberlieferung, eine andere Nenbearbeitung — bier
gleichgiltig ob niederdentich 2: oder hochdeutich — griſff die Zache wieder
auf und brachte den Bruder Rauſch dahin, wo er hingehörte, nach
Kloſter Esrom: jo kam die echte Tradition in die hochdeutichen Terte. —
Dieſe Verſion könnte etwas mehr Wahrjcheinlidjfeit für ſich haben.
Wir hatten oben darauf hingewieſen, daß der älteſte niederdeutiche
I Ral Schade 2. 380: „An dev Heimat der Rauſchſage läßt fih nicht
zweifeln: Ne iſt das frübere Kloſter Esrom auf Zeeland in der Diöceſe Roſchild.“
--Brunn 2. 10: „At Sagnet on ham har sit Udspring fra Esrom Kloster,
kan der ingen 'Tvivl vaere om”
" Zo ment Schade Z. 380.
Heinrich Anz, Die Dichtung vom Bruder Naufc. 705
Drud wohl faum mehr die wejprünglichite Faſſung der Sage
bietet. In der Zeit dieſes Vorlebens fonnte die Aninüpfuug an
Dänemark verloren gegangen fein, allerdings verändert die Auffindung
unſeres zweiten niederdeutichen Drudes, der ja, wie wir jahen, eine
weſentlich abweichende Necenfion bietet, die Sache injofern, als es
ſich num nicht mehr nur um eim perjönfiches Vergeffenhaben handelt,
jondern um ein allgemeineres Eniſchwundenſein aus dem Gedächtnis,
So nod) bis circa zum Jahre 1490. Etwa 25 Jahre jpäter tritt
uns wieder die urjprüngliche Berfion entgegen, man fann mit
ziemlicher Sicherheit ſchließen, daß fie wicht erjt im diejen Jahre
hervorgetreten it, doch muß das Urteil bis zur Unterfuchung des
oben erwähnten Münchener Drudes noch auſtehen. Wußte man
aber damal3 in Uberlieferung und Dichtung nichts mehr von der
däniſchen Heimat, jo mußte es eine mene Nachricht fein, die erjt
aus Däuemark wieder importiert war, die nun hier zum erſten
Male auf deutſchem Boden litterarifche Vertretung fand, Darauf
fommt auch ſchließlich Brunn hinaus, ſcheint doch and S jelbjt durch
die gewichtige Art, mit der es feine Neuigfeit uns auftifcht, darauf
binzuweifen: ein Möndsbruder aus Kloͤſter Esrom hat ihm die
Geſchichte jo dargeſtellt. Gewiß ift auf folche Wendungen nicht allzu viel
zu geben, am allerwenigiten in derartigen Dichtungen. Aber hier
ipricht doch aud) einige Wahrſcheinlichteit dafür. Nun was war es,
das man dem Dichter von S oder jeiner Vorlage hinterbracht hatte;
doch nicht die ganze Sage ſelbſt, dazu fehlen jegliche neuen indivinnellen
Züge in S gegenüber den niederdeutjchen Druden, und jolhe mußten
wir mit Beftimmtheit erwarten. Men ift nur die Nadjricht: jener
Bruder Rauſch, von dem deine Vorlage erzählt, Hat im Kloſter
Esrom gelebt. Damit ift natürlich noch nicht gewährleiftet, daß dieje
Angabe richtig war, Aber wir wollen es jo annehmen. Cinige Zeit
nad) diefem Vorgange wandert mum die Sage auf litterarijchen
Wege!) von Niederdentjchland nad) Dänemark zurüd. So müſſen
wir es annehmen, wenn wir in unſern Vorausjegungen bleiben
wollen. Denn die däntjche Berſion giebt wieder Sachſen als Heimat
der Sage an. Ein Dichter bearbeitet feine Vorlage gänzlich frei und
originell, nirgends bindet er ſich an fie. Er modifiziert keine That-
ſachen, fügt feine neuen hinzu, aber behandelt fie durchaus frei und
fünftleriich. Zweifellos kannte er eine eigene däniiche Tradition
gar nicht, jonjt brächte er fie auch irgendwie zum Ansdrud; aber er
weiß auch nichts von einer dänifchen Heimat der Sage, denn bieje
jetzt fange nad Einführung der Reformation zu verſchweigen, lag
', Rein litterariichen Wert hat auch nur die Erwähnung des Djüvel Broder
Ruus in Chriften Hanfens Drama von 1531.
66 Heinrich Anz, Tie Dichtung vom Bruder Naufd).
vollends gar fein Grund mehr vor. Alſo in Niederdeutichland weiß
man nichts von dem von unſern Forſchern jupponierten Sachverhalt,
uud in Dänemark, der angeblichen Heimat der Sage, aud) nichts;
allein in Süddeutſchland will ein Wearbeiter der Sage, auf den die
Ipäteren alle zurüdgreifen, durd) einen Esromer Mönd) etwas gehört
haben. Dean ficht, bisher Liegt der Thatbeſtand für die Brunnſche
Hypotheſe außerordentlich ungünſtig. Aber freilid), fie ijt bei ihrem
Beweiſe weſentlich rerrogrejiiv verfahren, wis progrejiiv. Zweifellos
ijt nämlich in Dänemark ſeit dem Ende des 16. Jahrhunderts bis
in unſer Jahrhundert hinein die Ruß-⸗Sage in Esrom lofalifiert
gewejen, jo muß alio, jchloß man, dies auch früher fo gewejen fein;
man fand die Vejtätigung in den hochdeutſchen Drucken, und dieſem
jcheinbar zwingenden Beweiſe mußten ſich die übrigen widerftrebenden
Thatſachen fügen. Wir wollen gleichwohl unfer bisheriges Verfahren
beibehalten und vorjchreitend die Seichichte der Zage in Tänemarf
verfolgen, ſoweit uns dies bei dem noch immer mangelhaften Material
möglich iſt.
Ten Weg weift uns eine von Brunn S. 12) veröffentlichte
Urkunde des Kloſters Esrom vom Jahre 1371 mitgeteilt in einer
Abtchrift aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, aus einer Sammel»
handſchrift der Königlichen Wibliothet Stopenhagen, Sammlung 4,
Nr. 3124, Bl. 2122435. Ich teile fie bier nur im Auszuge mit.
Denunriario contra appostatam.
— — Gonquestus est nobis venerabilis pater dominus frater P. abbas
mona=terij Esrom Gystereiensis ordinix Roskildensis dyocesis, quod quidam
frater Johanne= Kraffse monachus professus predieti monasterii instiganti
scilieet dyabolo relietis religione et habitu monachali ad secundam [sie!!
en. seculum]| auxu temerario est reversus et habitu layeali jam intendit
in »ue periculum anime, seandalum plurimorum non modieum et ipsius
ordinis Gistereiensis infamiam et jacturam; quem non est dubinm sie habi-
tum suum temere dimittendo senteneiam exeommmunicacionis jneurisre ipso
facto iuxta eanomieas sanxiones et hie piedhetus dominus abbas ipsum
igitur appo-talaın pluries et earissime admoneri fecerat per se el suos mo-
nachos, ut core compunetus de huiusmodi appostasia ad ordinem suum
ejeius rediret ordinis di eipline hummliter se subdendo .... »ue salutis
Imanenmar, -preta monicione salntari sibi faeta brachio seculari confisus,
Gamımam ab traetus et... ad monasterium suum redire omninn eontemp-
serit et contempnit Ob quam eausam dominus abbas peciit cum jnstancia
a remerdio [sie! reverendo?] in Cristo fratre neo..tro dominn episcopo Roskil-
densi predietum Johannem appostatam et exeommmnicatum e presente per
no. subditos excommmmieatum nunelari. sed, ut coram nobis idem dominus
abbas proposuit propria in per ona, lem episcopus dominus hoc facere
penitus denezavıt
Was eigentlich dieſer Rruder Johannes begangen, wird nicht
geſagt, jedenfalls hat ſein Benehmen viel Anſtoſt erregt und viel Staub
Heinrich Anz, Die Dichtung vom Bruder Rauſch. 767
anfgewirbekt, es ift zu einem scandalum plurimorum non immo-
dieum geworden und hat dem armen Abte viel zu jchaffen gemacht,
nachdem er wie die übrigen Kloſtergenoſſen ſich vorher eifrig um
das Seelenheil des gefallenen Bruders bemüht haben. Den aber hat
der Teufel bejejfen, und jo eilt er in fein Verderben, wirft die klöſter
liche Tracht von ſich umd Löjt ſich eigenmächtig von feinem Eide.
So wird er Hier feierlich exfommuniziert, Der Vorgang ift an und
für ſich nicht fo bemerkenswert, Er erhält aber eine ganz andere
Veleuchtung, wenn wir hören, daß ſich jpäterhin im Vollsmunde an
dies Kloſter cine Teufelsfage Anüpfte von dein Bruder ohannes:
John Praejt. Bontoppivan (Theatrum Daniae, Bremen 1730, ©. 91)
hat uns das halb Inteinijche, halb dänische Epitaphium erhalten, das
man nebft dem Bildnis des Kohn Praceſt in der ehemaligen Kloſter⸗
fire zu Esrom gefunden haben will:
Hic iacet John Prest
Qui dedit suum graa Hest,
Nee non de siligine tue Lest
Semper comedebat det bäst
Reguiescit in pulvere syd-rest.
Diefe Grabinjchrift erinnert umwillfürlich an Till Eulenſpiegel. Hier ift
fein dänifcher Nivale. Schade, daß die Verſe nicht Harer und deutlicher
find, fie weifen aber ſchon direkter auf umfern Bender Rauſch, nur
daß nod) immer jein Name nicht genaunt wird. Aber der, aus dem
anſcheinend Bontoppidan jeine Nachricht entnommen hat, Helvaderus
(1564— 1634), hat bereits die Combination fertig vollzogen, er läßt
den Frater Johann Ruſchius Bruder und Koch in dem einftmals
vor der Reformation berühmten Benediktinerklofter ——
Und jo ſchreibt denn auch — wohl ungefähr gleichzeitig — Hame—
fort, De Familia Sprakalegum in Dania (Seriptores rerum Dani-
carum 3, 281): Selandin his loeis et oppislis praedita est...
Esero, in quo Coenobio Frater Rusius fuit. Seit jener Zeit
icheint ſich auch die Volfsfage diefer Sache bemädjtigt in haben.?)
Jedenfalls finden wir fie in inſerm Jahrhundert als Lokalfage jener
Gegend, vgl. Brunn ©. 11: Fra de store Kjeldere i Esrom
Kloster fgrte en lille Aabning ind til et slort ingkt Hul, som
kaldtes Broder Russ Hul. Sagnet forlalte, at denne Aabninz
ikke kunde mures til. I delte Aarhundrede for en 20—30 Aur
siden forspgle en Murer to Gange al tilmure Aabningen men
begge Gange fandtes Stenene Dagen efter liggende paa Gulvet.
1) Natiivlic) fiel es dieſen Gelehrten ſchon auf, da das danſche Gedicht das
Kofter Fäljchlich nad) Sadjenland werlege.
2) Weitere Zengniffe daflir — Bonteppiban, vgl. Schade ©, 381,
708 Heinrich Anz, Die Dichtung vom Bruder Rauſch.
Fra den Tid var Mureren ikke rigtig i Hovedet. Frederik VII
skal have ladet Hullet underspge:; men tror, at det har vaeret
en Bagerovn.!;
Und nun eine furze Zunjammenftellung der Thatjachen, die meines
Erachtens jede weitere Erörterung überflüſſig macht. Im 15. Jahr—
hundert bildet ji) im Niederdeutſchland in engſtem Zuſammenhang
mit den religidjen Zeitbeftrebungen und den fitterariichen Erſchei
nungen der Zeit eine Kloſterſage ans, die, wie natürlich, in dem
Yand ihres erjten Anftretens auch lofalifiert wird. Bon hier ans geht
die Zage auf litterarijchem Wege nad) Dänemarf in der erjten Hälfte
des 16. Jahrhunderts und findet bier nad) ihrer erjten gelungenen
Bearbeitung gute Aufnahme als niederdeutiche Lage. Schon zu
Beginn des Jahrhunderts aber dringt fie gleichzeitig nad) Süden vor.
Der hochdentſche Bearbeiter, der im Anjchlug an die niederdeutiche
Dichtung die Sage erzählt, hört aber anf irgendwelchen Wege — wie
er behauptet, durd) einen Esromer Mönch — daR jener Teufel in
Mönchskutte im Kloſter Esrom jein Weſen getrieben habe. Hier hatte
ſich nämlich anf Grund thatlächlicher Ereignifje jeit dem Ende des
14. Jahrhunderts eine ähnliche Lokalſage ausgebildet von einem
Prieſter Johannes: John Praeit. Während nun die Rus-Sage auf
literarischen Wege fih in Dänemark immer miehr fejtjegt, tritt
eine zunehmende Kontamination beider Zagen ein - ob unterftütt
durch die hochdeutſche Faſſung der Rauſch Sage, läßt ſich nicht er-
kennen: John Praeſt wird dem Brnder Rus immer ähnlicher
und Ende des 16. Jahrhunderts weiß man bereits von einem Johannes
Ruß zu erzählen. Yon da ab iſt die endgiltige Vermiſchung der
niederdentihen Rus Zage mit der dänischen Kloſterſage von Esrom
befiegelt und jo hat fie ſich in unſer Jahrhundert hinübergerettet als
Nolfstage vom Atlojter Esrom.
Die Deutung des Namens Rus muß vorlänfig dahingeftellt
bleiben wie jo vieles andere in unſerer Dichtung. Unſere deutſchen
Forſcher erflären ihm mit Vorliebe mythologiſch und darauf fcheint
die niederdentjche Verſion jelbit gelegentlich binzumeifen;*) wir ftehen
darin eben noch vielleicht zu jehr unter |. Grimme Einfluß. Brunn
möchte am Liebiten jeiner Hypotheſe und jeiner Urkunde zuliebe die
Entwicklungsweiſe: Kraffſe, Kravſe, Nraufe, Rauſe, Rufe aufftellen,
. Zorn es alio, wenigſtens nach dem bisher vorhandenen Material, un-
genau, wenn Schade a. a. C. S. 377 und Brunn S. 10 behaupten, die Rauſch
jage, ans Kloſter Esrom geimpft, fer Schon vor der Reformation ale däniſche
Bollsiage umgegangen.
»VWers 265 von Den aufbrechenden Teufeln:
Hyromme wart eyn hane schal
Dar wart eyn ruszkent auer al.
Heinrich Anz, Die Dichtung vom Bruder Maufch. 709
eine Ableitung, die an ſich nicht geeignet ift, einent unſichern Beweiſe
mehr Nachdruck zu verleihen. Ich Hetlge hier mit einem non liquet.
Alles will ich nicht erklären, aber im Laufe weiterer Unterfuchungen
hoffe ich einiges wenigitens noch aufflären zu können.
Nadßtrag.
Durch freundliche‘ Vermittlung der Herren Profeffor Dr. 4.
Dining: Quedlinburg und 9. Neinhold-Berlin ift es mir gelungen,
zwei weitere Drude verwerten zur können,
Der jchon von mir erwähnte Münchener Druck liegt mir num
vor; er bietet nichts neues, da er mit einer ganz unbedeutenden
Ausnahme bis ins einzelfte mit dem von mir benußten Straßburger
Drucke übereinſtimmt; and) die dialeftijchen Abweichungen bejchränfen
ſich auf ein Minimum. Ich lafje hier zunächit eine genauere Be—
ſchreibung des Drudes folgen:
Der Drud befindet ſich auf der bayeriichen Hof- und Staats-
bibliothek in München (P. O. germ. 225/44), 10 Blätter 4%, Blatt 1*
oben: DIs biechlin ** vö Bru der Rausche vnd was er | wunders
getribe hat in einem Closter darin er vij. jar | sein zeit vertrih@
vn gedienet hat in eines koehs gestalt. Darunter, in einer Ein-
fajfung, zwei durch eine bloße Horizontallinie getrennte Holzichnitte
übereinander. Oben: Rauſch hat den Meifterfod) an den Füßen gepadt
und jtürzt ihn in den von der Dede der Celle herabhängenden
Keſſel, darunter lodern die Flammen hoc) empor; vor dem Feuer
Stehen drei Töpfe. — In dem unteren Bilde befindet jich linfs eine
dicht gedrängte Schar von Mönchen, die ſich hinter zwei Vorder—
männer duden, deren einer einen Knüppel ich wingt. Er ift von
jeinem alleinjtchenden Gegner getrennt durch eine Bank, darunter
cin Mönch liegt. Der Gegner hebt die Keule vorfichtig und tappt
offenbar im Dunfeln, Hinter ihn, mit dem zweiarmigen Leuchter in
der Linken, der geijchwungenen Keule in der Nechten, Bruder Rauſch
Die Füße_ zeigen Teufelsfrallen. — 1" ift leer. Der Tert beginnt
2* oben. Die Verſe find abgejebt, die ungeraden Zeilen beginnen
mit großen Anfangsbuchitaben. Die Jnterpunftion fehlt. Neue Abjäge
find keuntlich durch dies Zeichen: F, davor gelegentlich ein Punkt,
32 Zeilen auf der Seite. Ohne Kuftoden; Signaturen von Aij-Büj.
Der Tert ſchließt auf 10* Mitte. Darunter AMEN,. Getrückt
zü Strassburg durch Marti | num Flach | in dem jar als man
zalt in nach der rt Christi „M.v*. | vod. viij. jare,
Der Drud ift die Vorlage des durch Wolf zuerjt befannt ge-
wordenen Straßburger Drudes von 1615; das einzig Wichtige, das
110 Heinrich Anz, Die Tichtung vom Bruder Raufc.
er uns bringt, iſt die Zurückdatierung diejer älteſten hochdentſchen
Verſion um ſieben Jahre. — Viel wertvoller iſt der Berliner Druck,
der mir in ſorgfältiger Abſchrift vorliegt. Ich laſſe zunächſt eine ve
ſchreibung folgen, die ich Herrn H. Reinhold danke.
Berliner königliche Bibliothek Vp 6037. 120. 12 Blätter mit
Signaturen: Aij-Ciij. Platt 1* oben: Brod' rusch. Darunter Holz-
jchnitt: Ruſch, in Mönchstracht, wirft den Koch in den Kefiel.
(3wiſchen den ‚Figuren fteht Guck dich.) Blatt 1? ein zweiter Holz:
Schnitt, darjtellend die Eulenſpiegelgeſchichte, die die engliſche Proſabear⸗
beitung bereits mit in den Text aufgenommen hat. Eine Stiege
führt vom Fenſter auf den Hof, einige Stufen ſind herausgenommen,
zwei Mönche find bereits herunter geſtürzt, einer iſt im Stürzen,
einer tritt oben gerade in die durch Wegnahme der Stufen entſtandene
Lücke. Ruſch ſteht auf dem Pofe und ſchnitzt einen Stock. Ein dritter
Holzſchnitt befindet ſich 12", wiederum ans Till Eulenfpiegel: Zwei
Männer tragen einen Bienenforb auf einer Bahre, Ruſch fieht oben
heraus und zupft den Vordermann am Haar.
Der Tert beginnt 2" oben und endigt 12* Mitte. 21 Heilen
anf der cite. Ohne Ort und Jahr. Zum Schluß der Dichtung
finden jih noch Folgende Bere nachgetragen:
Och got wie gern ich wys-en wolt
Vur wr jeli mieh doch Ineden suld |
Wa der mont spach got grötze dich
So meynt doeh dat hertze niet dich.
Ich Ian dich byn
Kleyn is ınyn gewin
Klein a.yn grüit
Horeh is om mit
Van dem ieh niet entain
Der sal mich vuzegeeket lain. (Chne ersabteilung.)
Ter Dialekt, den ſchon dieſe Verſe andenten, iſt im weſentlichen
ver, wie ihn die „Groniea van der hilliger stat van Coellen”
von 1499 anfweiſt: im Konſonantismus gut mittelfräntiich, im
Vokalismus mit den eigentümlichen jcheinbaren Tiphthongen ai, ae.
ol jair, dae, doib. Gewiſſe Inkonſequenzen im Vokal- und Kon-
ſonautenſyſtem find nicht ganz jelten und weilen mehrfach auf dic
niederdentiche Borlage. Die Vermutung Reinholde, da der Drud
feinem andern als dem durd feinen Eulenſpiegeldruck befannten
Servais Kruffter, der zwilchen 1520 und 1530 drudte (vgl. Lappen⸗
berg‘ zuzuweiſen fei, ſcheint mir evident. Taher erflärt fi) auch die
auf deutſchem Woden hier allein uns begegnende Vermiſchung mit dem
Till Entenipiegel, die ſich hier vorlänfig nur erft auf die Holzichnitte
Heinrich Anz, Die Dichtung vom Bruder Naujd). 771
beſchränkt, während der Text davon noch unberührt geblieben iſt. Das
engliſche Projabuch hat einen weiteren Schritt gethan und eine der
hier nur im Bild angedeuteten Enfenjpiegel-Anefdoten in den Text
aufgenommen und durd eine zweite Anekdote ergänzt. Es drängt
ſich die Vermutung auf, daß beide Thatjachen in einem hiſtoriſchen
Zufammenhange ftehen. Bald nad) jenem Kruffterjchen Eulenſpiegel
erfcheint die erjte vlämijche Ausgabe in Antwerpen, vor 1530 (Zappen-
berg, S. 303). Auf den vlämijchen Tert geht die engliſche Überjegung
des Eufenjpiegel zurüd, die vor 1557 von W. Copland gedrudt wurde
(a. a. O. 309). Nur wenig mehr als ein Jahrzehnt jpäter wird bei
John Alde der erite englijche Freer Russhe gedruct, und einige Jahre
jpäter werden der Enlenfpiegel, der Bruder Rauſch umd ähnliche Werte,
von einem englijchen Prediger, Edward Deing, von der Kanzel herab
getadelt, aljo zujammengefaßt als verwandte Bücher (Collier, Registers
of the Stationers Company 1, 13). Beide Werfe haben offenbar
hier das gemeinjame Schiejal gehabt, wie fie auch jonjt vielfach ein
ähnliches Geſchick geteilt haben. Nathzutragen wäre vielleicht noch, daß
fie auch ungefähr zu gleicher Zeit ihre Wanderungen nad) Dänemark
angetreten haben (vgl. Zappenberg ©. 314).
Der Drud jelbft geht auf die niederdeutjche Vorlage zurüd,
und zwar wiederum, wie auch die hochdeutſchen Drude, auf die
Recenfion des alten Meuſebachſchen Berliner Drudes. Diefe Abhängig-
teit geht jo weit, daß jelbft eine ausgelaffene Reimzeile unterblieb,
andererjeits wird die von meinem Drude ausgelajjene Reimzeile (198)
nad) dem Berliner Drud gegeben. Auch die größeren Differenzen
jind beiden Berliner Drucken gemeinfam, abweichend von A. Trok
diefer engen Berwandtſchaſt find die Abweichungen beider Drude, auch
abgejehen von den dialektiſch bedingten, nicht unbedeutend; jie erſtreden
ſich gelegentlich auf ganze Verszeilen; ja joger auf inhaftliche feije
Anderungen, die dem Tert zweifellos nur zum Vorteile gereichen,
da nun erſt einzelne Stellen in ihrem Sinne klargelegt werden, die
anjcheinend in den beiden wiederdeutjchen Drucken verderbt find. Dabei
iſt jedoch eine gewiſſe Flüchtigleit in der Behandlung des Textes, die
über die nicht wenigen Druckfehler und Nachläffigfeiten weit hinaus-
greift, nicht zu verfennen, Die Erweiterungen der hochdentjchen
Drucke fehlen aber noch) ganz. Ru möchte am cheften glauben, daß
die niederdeutjche Vorlage, auf die diejer Drud — zurückzu⸗
führen iſt, jenem von mir oben angenommenen Mittelglieve Y — der
gemeinjamen Quelle von B umd den hocdeutjchen Druden — außer
ordentlich nahejteht, wenn nicht gar mit ihn identüic) ift. Die Möglich:
feit der Nefonftruftion ift fomit gejchaffen, da wir hier zum erjten
Male über die ältejte uns bisher befannte Überlieferung hinausge-
wiejen werden, werm auch mur im Stellen geringerer Bedeutung.
Eupherion Iy. so
v2 F. W. E. Roth, Johann Huttich
Für die Behandlung der Brnuder Rauſch Dichtung wird dieſer ver-
hältnismäßig doch erſt jüngere Kölner Druck vorläufig die Grund—
lage mit bilden müſſen.
Johan Huttich (14187 - 15 4).
Mitteilung von F. W. E. Roth in Wiesbaden.
Johann Huttich ſtammte aus Strinz in Naſſau. Dort giebt
es zwei bei einander liegende Dörfer dieſes Namens, nämlich Strinz-—
Trinitatis und Strinz Margareth. Welcher dieſer Orte Huttichs
Geburtsſtätte iſt, bleibt ungewiß. Strinz Trinitatis beſaß ein Chor:
herrenſtift nebſt Schule! und konnte ſomit dem jungen Huttich
Gelegenheit zur Ausbildung geben. Dieſes bedingt aber noch nicht,
daß er auch dort geboren ſei. Ebenſo gut konnte er zu Strinz⸗
Margareth das Licht der Welt erblickt haben, und ſeine Schulbildung
Strinz Trinitatis verdanken. Die Geburtszeit Huttichs iſt das Jahr
1187 oder 1485, da er 1544 ftarb und etwas über 56 Jahre alt
geworden ten joll.? Die Angabe, daß er ans einer Mainzer Familie
ſtammte und bereits in einer Urkunde vom 21. Januar 1488 vor:
komme, iſt falſch' amd beruht höchſt wahrscheinlich auf Verwechslung
mit einem älteren Mainzer aleichen Namens. Uber Huttichs Familie
iſt nichts näheres befanmt. Er fam frühe nah Mainz und galt deshalb
vielfach als Mainzer, wirde dort Tomvifar wie aud) Inhaber der
Pfründe des Zimon und Yudasaltars in Dom. Am 1%. März
1506 ſoll er in einer Urkunde Erzbiichofs Jacob von Mainz vor»
kommen,” was gelten mag. Vor 1507 ſpielte er eine Rolle als Gehilfe
des Johaun Spulmaunn bei Redaktion und Morreftur des 1507 zu
Mainz von Johann Zcoeffer gedrndten Mainzer Meßbuchs.“) Dieſes
jpricht von teimer Brauchbarkeit und frühen geiftigen Gewecktheit.
Tb Hnttich eine Rolle ala Norrettor in der Schoefferichen Truderei
Sg Gauſchemann, Seidiichte von Idſtein. Idſtein 1879, 2. 39. Vogel,
Veichreibung von Kata, 2. 569, der die Torfichule 1562 gründen läßt.
Ral Briefimechiel des Beats Rhenanus ed. Horawit und Hartfelder 8. 510.
Scans, Kerum Mozmunt. 3, 322.
Wudenus, code 2, 803
Joann:s 3, 328.
Roth, Bachdruderfamilie Schoener Neuntes Veiheft zum Centralblatt für
Vibliothelweiſen 1492, S. 18.
—
—
3 W. € Noth, Johann Huttic. 773
neben jeinem geiftigen Amt jpielte, bleibt ungewiß, hat aber eine gewiſſe
Wahrſcheinlichteit für fich.
Nach Sitte der Zeit begamm Huttich jeine wiffenjchaftliche Aus-
bildung erſt als Geiftlicher. Er wandte ſich nad) Frankfurt a. d.
Der. Diejes hatte feine Begründung in den Mainzer Verhältniffen,
in welchen Huttich lebte. Kohann Nhagins (Na), geboren zu Sommer-
feld im der Laufig, daher Nejticampianus genannt, hatte von Krakau
aus eine gelehrte Reiſe nach Italien unternommen, war 1501 nad)
Deutichland zurücgefehrt und wirkte einige Jahre als Lehrer an
der Hochjchule zu Mainz. Diejer Mann war lateiniſcher Dichter,
Humaniſt und Freund des römiſchen Altertums, er hatte auf Huttichs
Zukunft den größten Einfluß und verwebte deſſen Geſchide in die
jeinigen. Beide lernten ſich jedenfalls zu Mainz fennen, wenn auch
nicht. feitzuftellen ift, dan Huttich bereits zu Mainz des Rhagius
Schüler war. Rhagius arbeitete 1505 an einer Epigrammenfammlung,
welche 1506 zu Mainz beendet uud 1507 zu Yeipzig gedruckt den
Mainzer Kreis behandelt, in dem Nhagins und wohl auch Huttich
verfehrte. Dieje Epigrammenjanmlung enthält Huttichs Namen, wenn
auch nicht in der Eigenſchaft als eines Bekannten des Nhagius, jo
doch als Schüler,!)
Im Jahre 1506 gründete Markgraf Joachim I. von Branden-
burg die Hochſchule zu Frankfurt a. d. Oder. Nhagius ward ala
Lehrer aus Mainz an diejelbe berufen. Jedenfalls geht es auf deſſen
Einfluß zurüd, daß Huttich jich ebenfalls nach Frankfurt wandte und
dort des Rhagius Schüler ward. Wann Huttich jedoch nach Frankfurt
308, jteht nicht fejt. Möglicherweije nahm ihn Nhagius zur Eröffnungs-
feier der Frankfurter Hochſchule mit, ebenjo gut dann aber auch
Huttich nachgefoigt jein. Am 26, April 1506 ward die Frankfurter
Hochſchule eingeweiht. Die beiden Profefforen Publius Bigilantius
Bacillarius Arungia und Johann Nhagins Aeiticampianus veröffent-
lichten eine Art Feſtſchrift unter den Titel: Publii Vigilantii Bae
larii Axungi poete el oraloris ad illustrissimum prine
Joachimum saeri Romani imperii archieamerarium ete. Franck-
phordianae urbis ad Oderam et gymnasii litterarii introdue-
tionis ceremoniarumque observatarum deseriplio. Exaralum
in offieina honorandi viri Gonradi Baumgardt Rofhenburgii in
urbe Francphordiana ad Oderam. Anno ab incarnalione salvu-
toris nostri M. D. VII, idibus Februariis. Quarto. Des Rhagius
', Epigram
ı Joannis Aeslicampiani, Impressum est hoc opus
grammatum Lyps. per Melchiorum en Lipsensem anno domini
inillesimo quingentesimo septimo. Panzer, annales 7, 158. — Beiticheift ea
Vereins für rheiniſche Gejchichte zu Mainz 3, 19. — Böding, Hutteni opera 111.
Index bibl. und 11° Suppl. vol. VIE.
50”
7754 F. W. E. Roth, Johann Huttich.
Schüler Ulrich von Hutten, Heinrich Brumann aus Mainz!) und
Joachim von Bülow, Kuſtos der Kirche zu Lebus, lieferten zu dieſer
Gelegenheitsſchrift Gedichte als Beiträge.) Huttichs Name kommt
nicht vor. Derjelbe befand ſich übrigens bei Erjcheinen der Feſtſchrift,
mithin zu Beginn des Februars 1507, bereits zu Frankfurt und
war 1506 als Johannes Yuttdich de Sirynb in die Frankfurter
Matrikel eingetragen worden. Rhagius hatte eine Anzahl junger
Studierender als Koftgänger bei jich im Haufe und verband damit
jedenfalls eine Art Privatichule als Vorbereitung auf die Studien
der Hochſchule. Es war dieſes damals ein an Hochſchulen eins
gebürgerter Gebrauch, der jedenfalls aud) einen bedeutenden Geld⸗
gewinn abwarf. Zu diefen Schülern und SKoftgängern des Rhagius
gehörten Ehriſtoph Ziegler aus Gauernitz, Kreis Dresden, ein⸗
geſchrieben 1506, und des Rhagius verwaiſte Neffen Georg und
Johannes, jedenfalls auch der genannte Heinrich Brumann, welcher
ſchon zu Mainz des Rhagins Schüler geweſen, ſowie Huttich,
den Rhagius ſeinen Amanuenſis Gehilfe nennt.’ Rhagius ver⸗
faßte die Lehrbücher für ſeinen Unterricht ſelbſt und beſorgte deren
Drucklegung. Tem genannten Chriſtoph Ziegler widmete er im
Jahre 1507 ein derartiges Yehrbucdh die tabula Gebetis philosophi
Soerattei cum Johannis Aestieampiani epistola. Iınpressa Frane-
phordio per honestos viros Nieolaum Laimperter et Balthasar
Murrer. Anno M. D. VII Quarto.t Yu gleihem Zweck jchrieb
Rhagius fir jeine Neffen Georg und Johannes fowie jonftigen
Schüler 1507 die grammalien Martiani Foelieis Capelle cum
Johannis lihazii Aesticampiam Nhetoris et poete prefatione.
Impressa Franephordio per honestos viros Nieolaum Lamperter
et Balthasar Murrer. Anno domini M. D. VII. Als Anhang folgte
dieſer Schrift: Aelins Donatus de figuris cum Johannis Rhagii
\estieamptani epistola. Dieter Trud entbehrt der Zeitangabe, er
befigt jedoch ein Schlupgedicht des Rhagius an defjen Neffen und
Johann Huttichius Maguntineniis als Erzieher (quasi hipodidas-
ealus) der damals vier und jieben Jahre alten Neffen des Rhagius.
In einem Schlußdiſtichon an den Leſer verſprach Rhagius, auch
den Kommentar zum Marcianus zu liefern. Beſagter Kommentar
HOemrich Brumann war ebenfalls wie Huttich des Rhagins (Mebilfe. Gr
lommt in den epi-tolae obseurorum virorum vor und hielt zur kirchlich fchole
ſtiichen Wichtung. Er bekleidete die Stellung emes Tomorganiften zu Mainz und
ftarb dort um April 1544 Monatsbefte fiir Mnſitgeſchichte, herausgegeben von
Eitner 25 1803, 115.
“ Archiv fir Yıtteraturgeichichte 13.1885, 2-3.
Ebenda
Ebenda
+ Anmerkunge!
an
—
—
N au
Sr
J. W. € Roth, Johann Huttic). 7175
erfchien aud 1508 mit dem Titel: Commentarii Johannis Rhagii
Aesticampiani Rhetoris et poetae laureali in Grammaticam
Martiani Capellae et Donati figuras. Impressa Franephordio per
honestos viros Nicolaum Lamperter et Balthasar Murrer. Anno
domini M. D. VIII. Quarto.') Diefe drei Lehrbücher des Rhagius
ſollte Huttich bei dem Unterricht feiner Neffen benugen. Duttid)
jpielte mithin die Rolle eines Vehrers der Vorſchule des Rhagins
und war wiederum deſſen Schüler. Nad) einigen Verſen hinter dem
Kommentar des Martianus Capella hatte Nhagius jeine Neffen nadı
Lübben in die Laufig gejhidt und denjelben dem Huttich zur Be—
gleitung beigegeben. Dort übernahm Huttic die Weiterbildung der
beiden Knaben. Die Entfernung der beiden Neffen aus Frankfurt
hatte in des Rhagius BVerhältniffen ihre Begründung und wirkte
auch auf Huttichs Zukunft ein. Ahagius war ansgeiprochener Au—
hänger des Humanismus, fand aber bei den zur Scholaftit hin-
neigenden Profejjoren zu Frankfurt nicht den ihm zu Mainz zu teil
gewordenen Beifall, jondern im Gegenteil Anfeindungen. Rhagius
räumte deshalb das ihm unangenehm gewordene Arbeitsfeld, du
jedenfalls feine Ausfichten vorhanden, über jeine Widerfager zu
objiegen. Er wandte ji) nach Yeipzig, wo er früher jchon Ver—
bindungen gehabt haben muß, da er dort im Jahr 1507 jeine
Epigrammata druden lieh. Die Überfiedlung des Nhagius als PBro-
feffor der Nedefunft nach Leipzig fand im Winterhalbjahr 1507 auf
1508 ftatt. Näheres läßt ſich nicht fejtjtellen. Huttich mußte won
diefer Sache wiſſen und diejelbe, welche enge mit dem Weggang der
Neffen aus Frankfurt zujammenhing, billigen. Nad) Ordnung der
Verhältniſſe folgte Huttich jeinem Lehrer Rhagius nad) Leipzig nad)
und ward dort dejjen Schüler, In Frankfurt Baccalaurens geworden,
wurde er zu Leipzig als jolcher unter dem Namen %. Huthigius
de Strynz im Winterjemefter 1508 in die Stammrolle eingetragen.*)
In Frankfurt hatte Huttic am des Nhagius Erklärung der Deconomia
des Ariftoteles teilgenommen?) und mebjtdem Allertumskunde be
trieben fowie Griechiſch gelernt, in Yeipzig ſetzte er jeine abgebrochenen
Studien unter Ahagius fort. Wie fid) der Aufenthalt zu Yübben
und Leipzig zu dem 1507 im Druck erjchienenen Mainzer Meßbuch
und Huttichs Mitarbeiterjchaft an demjelben verhält, bleibt unklar,
erledigt ſich aber jedenfalls leicht, dan Huttichs Mitarbeit einer
früheren Zeit angehört, wie denn das Vorwort bereits 1506 abjchlient,
der Drud dagegen erſt 1507 beendet ward. Daß Huttich won Franf-
1) Ebenda ©. 5 Anmerfung 324
2) Ebenda 12, 361
> Ebenda 13, 3.
776 F. W. E. Roth, Johann Huttich.
furt oder Lübben aus kürzere Zeit zu Mainz war und dort für das
Meßbuch wirkte, erſcheint unwahrſcheinlich. Zn Leipzig lernte Huttich
jedenfalls den Nürnberger Johann Heß, den Kaſpar Urſinus Velius,
den Kaſpar Borner und Johann Kuchel kennen.!) Rhagius hatte
auch zu Leipzig junge Leute als Koſtgänger um ſich. Möglicherweiſe
gehörte auch hier deſſen Amanuenſis Huttich zu denſelben. Rhagius
hatte zu Leipzig ähnliche Anfechtungen wie zu Frankfurt zu erleiden.
Der Beifall ſeiner Kollegen fehlte bei deren ſcholaſtiſchen Denkungs—
weite and) bier, die Anfechtungen waren ſogar tiefer gehend und die
entftandenen irren noch größer als zu ‚yranffurt. Seit 1509
herrichte diefe gegenjettige Erbitterung und endete damit, daß man
dem Rhagius die Fortſetzung feiner Vorleſungen durch Vorenthalten
eines Hörſaales hierzu unmöglich machte. Deshalb verließ Rhagins
Leipzig. Auch Huttich hatte zu Leipzig Vorleſungen gehalten. Ta
er hierbei der humaniſtiſchen Richtung ſeines Lehrers folgte, wurde
er als Humaniſt wie auch als Anhänger des mißliebig gewordenen
Rhagins verhaßt. Die Verfolgungen des Letztern dehuten ſich auch
auf Huttich und deſſen Lehrthätigkeit aus und endeten wie bei
Rhagius damit, daß auch Huttich Leipzig den Rücken wandte. Wer
von Beiden zuerſt wegging, bleibt unklar. Beider Geſchick war
ein verwandtes, unter ſich hat aber feines zu dem andern in einer
anderen Beziehung geitanden, als dan bei Weiden das Ende das
männliche war. Es jeheint aber, dar Huttich länger zu Yeipzig verblieb,
indem man zuerit ſeitens der Profelloren den Rhagius befämpfte
und nach deſſen Weggang auch deilen Anhänger Huttich vertrieh.
Ter Dekau der Hochſchule Magiiter Inberinns Nothenburgenfis hatte
vor Wegimm der Wintervorleiſnngen 1512 zwei Waccalaureen, weil
ſolche noch Schüler jeten, das Abbalten von Vorleſungen verboten.
Trotz dieſes Verbots machte ein „Scholaſticus“, ein „‚sranffurter
Baccalaurecar“ den Verſuch, Vorleſungen zu halten und zwar unter
erleugnng einer jcholaftiichen Michbtung. Dieſes war Huttich. Ter
Tetan riet die Hülfe des Rektors der Hochichile an, dieſer befragte
wiederum das Iniverjitätsfonzil. Dieſes billigte die Anordnung des
Tetans gegen Huttich, der jedenfalls biergegen Einſprache erhoben
hatte. Huttich bernhigte ſich bei diefem Spruch feineswegs und
wandte ſich an den Seiamtvoritand der Dochichnle, deren Ylationen
ihm jedoch ebenfalls das Abhalten der Vorleſungen verboten. Rhagius
hatte Sich in ſeinen Kämpfen mit der Yeipziger Hochſchule an deren
Protektor, den Herzog Weorg von Zadien gewandt, ohne jedenfalls
einen beiondern Grioig zu erzielen. Tieien Weg betrat nun auch
jeinerieits Hüttich und wandte ſich aun Herzog Georg. Ticier ging
“cu 18, 11
FW. E Roth, Johann Huttich 717
auf Huttichs Klage ein und verlangte jchriftlichen Entjcheid von
der Hochſchule, ob dem Kläger die Erlaubnis zum Abhalten der
Vorleſuugen zu entziehen jet oder nicht. Die Hochſchule wandte hier-
gegen ein, ſie bejise Überfluß am Lehrern, die als Vertreter der
„eultior litteratura”- die gleichen Vorleſungen wie Huttich abhielten
und abhalten könnten. Mit dieſem Entjcheid beruhigte ſich Herzog
Georg. Der „lietus temerarius poetaster” Huttich, wie ihn feine
Widerſacher nannten, ward bei zehn Gulden Strafe gezwungen, jeine
Vorfefungen einzuftellen.') Es war im Jahr 1512, Rhagius befand
ſich damals längjt nicht mehr zu Leipzig und konnte in das Geſchick
des Huttich nicht eingreifen. Des Legern Kämpfe bilden ein Gegen-
ftüc zu denen des Mhagins; der Kampf des Humanismus gegen
die Vertreter der Scholajtit jpiegelte ſich bei Beiden ab, Bei Huttich
bleibt bewundernswert die Zähigkeit bei Verteidigung jeiner MHechte,
Daß Rhagius und Huttich nad) der Trennung noch Beziehungen
zu einander hatten, ijt nicht zu erweiſen.
Huttich verlieh Leipzig und fehrte frühejtens 1513 nad) Mainz
zurüd. Dort wirkte er als Magüter, Eraminator und Geiftlicher.)
Meöglicherweije befand er ſich moch im Befige feiner Dompfriinde
und arbeitele in einer der Mainzer Druckereien von Johann Schoeffer
oder Friedrich Heumann als Korrektor. Ym Jahr 1516 trat er zu
Georg Simler aus Wimpfen, dem Johann Aquila Ordinarius der
Juriſtenfakultät zu QTübingen die Korrektur feiner Schrift: Opus-
eulum enchiridion appellatum bei Jalob Köbel zu Oppenheim
1516 anvertraut hatte, in Beziehungen. Möglicherweije wirkte Huttich
auch zu Oppenheim bei Köbel als Korrektor. Zu Aquilas Schrift
lieferte er wenigitens ein Epigramm: Amalorum ludi lilterarum
studiosum Hexasticho alloquitur Jo. Hulichius.
Has agquilae penpas poteris bene volvere Jusor,
Si iuyat ad vitam eommoda ferre Ian.
Haee repelit luxus veterum: spectaenla quae sin,
Et ludi hoc eupidae teınmpore genlis amar,
Ponderat haec varias leges, ex ordine tanto
Elige, quod ladas, quae fugienda, fuza.s)
Zu Mainz verlegte ſich Huttich auf das Sammeln von römiſchen
Inſchriften. Peutinger hatte hierin die Anregung gegeben, Theodor
Greſemund der Jüngere war mit feiner nun verlorenen Sammlung
diejem Beijpiel gefolgt, Huttich trat in deſſen Fußſtapfen und fekte
die Sache bis zur Dricklegung durch, Er janmmelte wicht allein zur
) Archiv 12, 362.
2) Joanıt 2. —
) Roih, Die Bucdruderei des Jalob Höhel zu Oppenheim. IV, Beiheft zum
Centralblatt für Bibliothefweien &, 12. Dafelbft weitere Yitteraturangaben.
778 F. W. E. Roth, Johann Huttich.
Mainz, ſondern auch in der Umgegend und wurde der rheiniſche
Peutinger. Seine Arbeit ſchloß er 1517 ab. Dieſelbe blieb jedoch
liegen und kam erſt 1520 zum Abdruck. Die Vorrede iſt beendet:
Datae ex arce Gurcellina regni deserti XI. Calend. Augusti.
anno salutis M. D. XVII. Was unter der arx Gurcellina zu ver
jtehen, bleibt unflar; die Angabe beweijt nur, daß ſich Huttich damals
nicht mehr zu Mainz befand. Er war zu unbeſtimmter Zeit als
Lehrer an den Hof des jungen Pjalzgraten Yudwig I. von Pfalz:
Zweibrüden nad) Zweibrücken berufen worden. Von dort und nicht
von Mainz aus jcheint er auch den Brief an Johann Reuchlin im
Jahr 1518 geichrieben zu haben, worin er denjelben mit der Gunſt
des Biſchofs von Straßburg und des Pfalzgrafen Yudwig tröftete."ı
Wo und zu welcher Zeit beide Männer jich kennen lernten, iſt
unbefannt. Huttich beſaß um Diele Zeit bereits einen geachteten
Namen in der Gelehrtenwelt. Friedlieb ı \reniens, erwähnt feiner
in den Briefen -der berübnten Männer. Duttich kommt auch in
dem Verzeichnis der Verteidiger Neuchlins vor. — Auch zu Zwei—
brücden war feines WBleibens nicht lange. Er wandte ſich zu uns
bejtimmter Zeit nach Spanien, wohin Kaiſer Karl V. 1519 gezogen
war. Möglicherweile gehörte Huttich als Prediger zu deffen Gefolge.
Was ihn dahin führte, und was er in Spanien wirkte, ijt unbefannt.
Wir erfahren dieſe Angabe von Huttichs Aufenthalt in Spanien
gelegentlid) aus einem Brief desjelben an B. Pirdheimer, daß er
1521 aus Spanien zurückkehrte.?
HPuttichs erwähnte Sammlung von römiſchen Anichriften kam
1520 bei Johann Schoeffer zu Mainz im Trud heraus. Die Aus:
gabe mit ihrer 1517 abgeichloffenen Norrede macht den Eindrud,
daß Huttich die Nerausgabe nicht perſönlich leitete, da er jich damals
nicht zu Mainz befand und möglicyerweile die Ausgabe drudfertig
bei Schoeffer 1517 hinterlajien hatte. Tie Urjache, warum der Drud
erit 1520 beendet ward, mag die Yangiierigfeit der Serftellung der
Dolzichnitte jein. Duttich hatte fiir jeine Golleetanea antiquitaturn,
wie er die Sammlung betitelte, allerwärts zu Dlainz und Umgebung,
wo ich damals zahlreicher als jekt ſolche Altertümer darboten, in
Wort und Bild gejammelt und getreue Abbildungen mit furzer
Angabe des Fundortes geliefert. Dadurch entitand ein handliches
Album der römiſchen Altertiimer aus Mainz, insbejonudere von Grab:
', Ilustrium virorum epistolae. Hagenau 1519. Signatur I) III Rüdieite.
Johann Reuchlins Vriefwechſel berausgebeben von Geiger, Bibliothel des littera-
riſchen Rereins zu Stuttgart 126, 2. 321. Tort iſt der Yrief nad) Mainz 1618
verlegt
ı Epistolae elarorum virorum Watt 45 Rücfeite.
Denmann, Documenta hiteraria. Altdorf 1758, Z. 225
F 8. E. Roth, Johann Huttich. 779
fteinen und Sarfophagen, Wohl mit Abficht ftellte Huttich der
Sammlung Blatt 2 als erjte Abbildung ein Grabmal mit Juſchrift
in dem Hauje feines Verlegers Johann Schoeffer zu Mainz voraus.t)
Beide Männer mögen auch in Bezug auf Altertümer in Beziehungen
geftanden haben, die mehr als bloßes Jutereſſe für den Verlag der
Schrift. fein dürfte. Das meiſte des Öefundenen lieferten Gebäude
und Kirchen in und um Mainz, wo man ſolche Werkjtüde als bereits
bearbeitete Steine beim Bau ſich nicht leicht entgehen ließ. ine
ganze Akademie von Männern, welche ſich für römifche Überrejte er-
eiferten, juchte Huttich auf, Mäuner teilweife von hoher gejellichaft-
licher Stellung und großem Einfluß, und zeichnete deren Fundjtüde,
Die Herftellung der Schrift mag viel Mühe und durch die Holz-
fchnitte dem Verlag aud) bedeutende Koften verurjacht haben, Es
wurden dargejtellt Stücke aus Schoeffers Haus, dem Haus zum
Scilttnecht, zum Samfon auf dem Stefansberg, aus einem Haus
nebenan, in der St. Albanstirche, im Haufe des damaligen Mainzer
Weihbiſchofs, des Domvifars Martin Stard, des Hofmeifters Eitel-
wolf zum Stein, des Gerlacus Architeftor, aus dem Haufe zur
Sportel,?) in der St. Morizkirche, im alten Clodhof und dem Hembof,
vor dem Thor von St. Peter, im der Kirche von St. Viktor, im
Hanſe des Probjts auf dem St. Albansberg, im Garten des Doms
defans Lorenz Truchſeß von Mainz) am Wege in malam erucem,
am Haufe des Scholafters von St. Stefan, am Thurm von St.
Pauls Pfarrei, an der Martinsburg. Auch auswärts machte Huttic)
Ausbeute, zu Mombach, Armudt (bei Frauenftein), an der Kirche und
beim Brunnen zu Bregenheim, zu Laubenheim, Praunheim, Flörsheim
a. Main, Kaftell bei der St. Martinsfapelle, Zu Worms fand Huttich
drei Denkmale, welche Biichof Johann (von Dalberg) von Worms
dafelbft hatte herjtellen Laffen und jo dem Berderben entriß.*) Zu
den Daritellungen zählt auch der befannte Mainzer Eichelftein als
ältefte Abbildung desjelben. Im ganzen bildete Huttid) 46 Dent-
schoeffer bibliographus in aedibus suis sarcophagum habet
jptione.
2) In diefem Haus „zum Korb, ad sportellam” wohnte des Huttich Yehrer
Rhagius während feines Mainzer Aufenthalts.
3) Über Lorenz Zobel, Dombelan, vgl. Archiv 12, 340. Ihm widmete
Theodor Grejemund der Jüngere feine verlorenen antiquitates, Lorenz war Dichter
md Altertuinsfreund.
) Wenn die Kenntnis diefer Grabfteine auf perſönliches Belanntſein beider
Männer, nämlich Huttich und Johann vom Dalberg beruht, bamm mlifste SHuttich
ion vor 1504 zu Worms Altertimer arfemunet ak, was tkaum arnehinbar.
Eher dürfte man gelten lajfen, daß Johann von Dalberg die Gvabfteine aus Pietät
für das Altertum herſtellen ließ umd Huttich nach deiien Tod (1504) darauf aufs
mertfam gemacht, jolche verwvendete, da; fh aber beide Männer wohl jchiwerlic)
verfönfich faunten
RO F. W. E Roth, Johann Huttich.
mäler ab, wovon 38 auch Inſchriften lieferten. Ein erklärender Text
blieb weg. Die Inſchriften ſind keineswegs fehlerlos wiedergegeben.
Die graphiſche Kritik und das Bewußtſein, daß die Inſchriften auch
in ihrer vollſtändigen Zeilenfolge wiedergegeben werden mußten, fehlt
bei Huttich, der ſich hierin noch in den Mängeln ſeiner Zeit befangen
fühlte und deshalb für ſeine SKolleftanen von Leibniz in deſſen
Otium Hannoveranum (ed. Feller. Lipsiae. 1718. &. 207) gerade
feine Lobſprüche erntete. Aber immerhin iſt die Sammlung nad
Pentingers Vorgang für Wainz ein Dandbud) der Inſchriftenkunde,
das fich für jeine Zeit als danfenswerte Yeiitung kann jehen laflen
und bei dem Verluſt manchen Stücds heute noch Quelle für den
Forſcher ift. Ten Wert und die Brauchbarteit beweilt aud) die 1525
herausgekommene nen überjchene zweite Auflage und der Abdruck dieſer
zweiten Ausgabe in des Joannis Nerum Moguntiacarum 3. Band.
In der 1517 abgeichloffenen Vorrede erklärte Huttich, troß des
Spottes des Erasmus von Rotterdam in deilen encomium moriae
fei er unter die Altertumsforjcher gegangen, um dadurch den Zobel
Lorenz Trnuchſeß, Domdekan zu Mainz,, welcher Yiebhaber alter
Münzen ſei, anzuregen, aufgefundene Altertümer zu ſammeln und
dadurch vor dem Untergang zu bewahren. Er habe ausgeführt, was
Greſemund begonnen. Mit dem Doctor inris Balthajar Geyer habe
er in Ztadt und Yand geiucht und nach Pentingers Beiipiel Die
Juſchriften alte ſelbſt geprüft.
Huttich weilte 1524 zu Ztranburg nnd hatte den Zommer bei
Beatus Rhenanus zugebradyt. Yon da richtete er auch den erwähnten
Briei am 18. Tftober 1524 an Pirefheimer. Rhenauus eriuchte den
Duttih, dem Straßburger Buchdruder Dans Grieninger bei der
von Pirfheimer in Dans Nobergers Verlag zu Nürnberg veranftalteten
Ausgabe des Ptolemaeus als Norrektor behülflich ı jein. Pirdiheimer
und Huttich kannten ſich längit, da ceriterer demielben vor mehreren
Jahren jeinen „Piscator” übertandt hatte. Auch dieles Ipricht von
Huttichs angeiehener Stellung in der damaligen Selehrienwelt. Pird-
heimer jprad) unverhoblen ſeine Freude ber die von Huttich zugelagte
Beihilfe bei der Herausgabe des Prolcmaens aus. Deutlich prägt
jich im deilen Antwort an Huttich die gegen denielben gehegte Noch:
achtung ana.’ Er beflagte die Unrichtigkeit des Textes in den bereits
gedrudten Teilen der Ausgabe. Wenn er nicht den Koberger zu
Nürnberg auf deilen wiederhottes Birten den (Wefallen gethan hätte,
würde er die Prolemaensausgabe nicht dem Grieninger zum Druck
3. Archiv für Yıtteraturgeichichte 12, 364.
°. Joanni Huttichbio Bilibaldus Pirekheimerus P. 8. Ohne Zeitangabe,
aber jedenfalls 15241525 qeichrieben Pirekheimeri opera ed. tinllast Arant
int a 94 1655, Folio 2 318: Dale, Tier Naberger 3 Auflage 2. 130-138.
38. € Roth, Johann Huttich. 781
anvertraut haben.') Huttich leitete num den Drud der Ausgabe,
erfebte aber an derjelben ebenjo wenig Freude als Pirdheimer jelbjt.
Zweimal ſah er ſich genötigt, über Grieninger bei Pirdheimer
Beſchwerde zu führen.)
Am 28. Februar 1525 war Huttich zu Straßburg als Bürger
aufgenommen worden.’)
Auch zwiichen dem Hans Koberger und dem Hans Grieninger
fan es wegen der Ptolemaensausgabe zu harten Auseinanderfegungen:
Im Jahr 1525 jchrieb Grieninger an Koberger, er habe als Stor-
reftor einen gelehrten fleißigen Mann für die Korrektur letter Hand
bei fich, den Magijter Hans Huttic.t) Damit wollte Grieninger den
Zerleger beruhigen. Pirdheimer beſchwerte ſich trotzdem bei Grieninger
und führte an, er habe bedentende Drudjehler in jeinem Buch ge
funden und diefes dem Meijter Hans Huttich mitgeteilt. Diejer
ichreibe ihm aber, er habe feinen Buchjtaben in der Ausgabe korrigiert
und ſei nie dazır herangezogen worden. Diejes befremde ihn jehr.’)
Grieninger wies den Vorwurf wegen der Drudfehler zurück, Pird-
heimer habe dem Huttich den Auftrag erteilt, die Borrede (Epiftel)
zu fertigen oder nad) Ermefſſen auch wegzulajfen. Während des
Drucks machte Pirdheimer dem Grieninger den Borwurf, einige
Bieraten zu den Tafeln des Ptolemeaus zugefügt zu haben; ftatt
den Meijter Huttich hierbei zu Mat zu ziehen, folge man nur dem
eigenen Ermefjen.‘) Wie die Sache aud) lag, aus dem Briefwechjel
geht Pirdheimers unbedingtes Vertrauen zu Huttich bei Hertellung
der Ausgabe bejtimmt hervor, Diejelbe erjchien zu Straßburg 1525
mit dem Titel: Ptolemaeus Claud., Geographicae enarrationes
libri VIII. ed. Bilibaldo Pirckheymhero interprele. Annotationes
Joann. de Regiomonte, Argentorati, Joh. Grieninger, commu-
nibus Joh. Koberger impensis exeudebat. 1525. Zwei Teile. Mit
Holzſchnitten des oh. Herbjt aus Straßburg.
Im Jahr 1525 gab Huttich eine nene Auflage feiner Stollet-
tanea zu Mainz bei Schoeffer heraus. Die Vorrede blieb unverändert.)
Im Jahr 1526 veröffentlichte Huttich den imperatorum Roma-
norum libellus. Una cum imaginibus, ad vivam effigiem ex-
pressus. Straßburg, Wolfgang Cephaleus, 1526, Dem Mat des
Pirckheimeri opera ©. 130—131,
2 Heumann, Documenta ©. 226228.
> Schunt, Beiträge zur Mainzer Gefchichte 3, 142.
Hafe, Die Koberger. 2. Auflage ©. 97.
> Ebenda S. 102
» Hafe S. 133. Briefbud) S, CXL >
) Bgl. Bibliographie Nr. 2. Naſſauer Armalen 4, 310 F. Über die Abs
weichungen der Inſchriften beider Musgaben 1520 und 1h25-
ka
182 F. W. E. Roth, Johann Huttich.
Herzogs Georg von Sachſen Otto von Pack iſt die Schrift gewidmet.
In dem Vorwort klagt Huttich über die verdorbenen Sitten ſeiner
Zeit.!) Er erklärt, Cephalius der Verleger der Schrift, habe die
Bilder nad) Münzen dem Werkchen beigegeben. Huttich erinnerte
den Otto von Pad, deffen Bruder Philipp von Bad habe ihm einft
bei Aufjuchung von Denfmälern und Münzen hilfreiche Hand ge-
leiftet. Da fi) Dtto damals für Altertümer ereiferte, und der durch-
reifende junge Heinrich von Eppendorf ihn hierzu aufmunterte, habe
er ihn das vorliegende Werfchen gewidmet. Das Bud) enthält bie
Bildniffe und Lebensbeſchreibungen der römiſchen und deutfchen Kaijer
bis auf Karl V. Wo Huttich, wie bei den Juliern, Frauenbildniſſe
fannte, find auch diefe vorhanden, von Heinrich V. bis Albrecht Il.
jtehen jedod) an deren Stelle nur Ringe als Einfafjung im Tert.?)
Die Bilder der rönifchen Kaiſer von Thomas Treter haben viel-
fach gleiche Beichaffenheit wie die bei Huttich und gehen daher
beide auf gleiche unbefannte Tuelle zurüd. Die Yebensabriffe find
furz, gleichiam als chronologiich geordnete erflärende Beigabe der
Bilder von Julius Cäſar bis Karl V.. dem noch deffen Bruder
Ferdinand I. beigefügt it. Vielfach jind auch die Schweitern und
Kinder der Kaijer vorhanden. Karls des Großen Bildnis fehlt in
dem umgebenden Kreis, nur die Unterjchrift weiſt auf dasjelbe hin.
Tie Herftellung der Bilder jelbjt ift eine gute Yeiftung. Was den
Text betrifft, jo find gerade die deutjchen Kaiſer hiſtoriſch am dürftig:
jten behandelt. Bei Max I. fehlt vom Standpunkt des Herausgebers
nicht die lobende Erwähnung desjelben als Begünftiger des Humanis-
mus. Tas Bud fand jedenfalls vielen Beifall und ward ohne
Huttichs Zuthun nachgedruct*) und erichten auch in deuticher Liber:
ſetzung mit dem Titel: J. Huttich, Römiſche Kayfer abcontravent,
vom erjten Gajo Julio an vntz vff den iekigen H. 8. Garolum.
Mit furker anzeygung ires Xebens, dapffer thaten vud hiftorien.
Straßburg, Köpffl, 1526. Octavo.“ Tb Huttich diefe Überfegung
jelbft beiorgte, ijt ungewin. Huttich gab 1534 eine neue Ausgabe
jeines Libellns bei Köpffel zu Straßburg heraus"), und fügte einen
Elenchus eonsulum mit Abbildungen von Münzen aus der Zeit
der römiichen Republik bei. Eine weitere Auflage mit diefem Zuſatz
erichien 1552 bei Köpffel zu Ztranburg, bejorgt von Johann Sam⸗
bucus.'
Archiv für Litteraturgeſchichte 12, 365.
2; Joannis a. a. TC. 3, 325.
>: Ebenda 3, 315 —344.
© Ausgaben bei (Hracife, tresor unter Huttich.
“ı Weller, Repertorium Nr. 3824.
“ı Mir lag feine dreier Ausgaben vor
ı gi Wubliegrapbie Wr. 3
3 W. E Roth, Johann Huttich 783
Im Jahr 1527 ward Huttich auf Kaifer Karls V. Verwendung
Kanonifus am St. Thomasitift zu Straßburg. Seit diefem Jahr
läßt fich ein reger BVriefwechjel mit Beatus Nhenanus nachweijen.
Früheres mag verloren gegangen jein. An 30. November 1527
ichrieb Huttich von Straßburg aus an Nhenanus, welcher zu Bajel
im Haus zum Seffel weilte. Er habe zwei Briefe von demjelben
erhalten. Der eine vom 5. September habe ihm den Auftrag erteilt,
dem Baumeiſter zu Schlettitatt ein Päckhen Briefe zu überjenden.
Diejes fei gejchehen. Der andere Brief enthielt einen Briefwechſel
zwiſchen Kaiſer Karl V. und Papſt Clemens VII. Huttich entſchuldigte
jein verfpätetes Schreiben. Er habe nad) Empfang der Briefe jich
alsbald nad Lauterburg (an der Nordgrenze des Elſaſſes) begeben
müſſen. Dort ſei er eine Zeit lang geblieben. Als er heimgefehrt, ſei
der Herbft genaht. Auf Yeonhardstag den 5. November hätten ſich
die Geſchäfte gehäuft und ihm am der Antwort gehindert. Diejer
Tag war ein Feſttag in Huttichs Stift. Nhenanus habe ihm von der
umvergleichlichen Bücherfanmlung des Sichard geichrieben. Rhenanus
jolfe fi) aber vor den Inſchrifien hüten, damit es nicht wie mit
Philipp und Clemens ergehe. Wegen des Ammianus zweifele er
nicht, daß der Wortlaut entjcheide, damit fein Unterjchleif ftattfinde.
Doch jei des Sichard Eifer lobenswert.') Die Dalbergijche Bibliothek
habe er fleißig durchgejehen, aber aufer dem Griechen Nicander nichts
Ungedrudtes gefunden. Frobenius nehme alles weg. Außerdem jei
ein griechijch gejchriebener Ptolemaeus vorhanden. Die Schrift jei fo
ſchön, wie er fie nie gejehen. Sodann ein Bruchſtück aus Vergil mit
Anfangsbuchjtaben gejchrieben und mit Bildern jehr alter Malerei
geziert, Ferner habe er gejehen die Briefe des Theoderich Königs der
Gothen und die vollftändigen Verhandlungen der Kirchenverſamm-
lungen von Bajel und Conftanz. Iu der Bibliothek von St. Arbogaft
zu Straßburg jei nur Gedrudtes vorhanden. Er bat den Nhenanus
um Angabe, was von den Verlegern herausgegeben werde. Er habe
feinerlet Hoffnung für Livius?) und Ammianus. Höre Rhenanus
etwas neues, dann möge er es ihm mitteilen, namentlich etwas
über Beatus’) aus Spanien. Er habe demfelben geichrieben, aber
noch feinerlei Antwort erhalten. Sonft geſchehe fat täglich neues,
das er aber dem Briefe nicht anvertrauen fönne. Sein Herr, der
Biſchof vom Utrecht‘) und der Herzog vom Geldern befehdeten ſich
:) Bl. G. Maudey, Sichard. Stuttgart. 1874, ©. 4.
2) Rhenanus beabfichtigte damals eime neue Livinsausgabe zu veranftalten
und forichte überall nad Hanbjchriften —
— ie Arnoaldus, welcher ſich beim Maifer Karl V. in Spanien befunden
4) Warum Huttich den Biſchof feinen Herrn naumte, ift unbekannt.
ın4 F. W. E. Roth, Johann Huttich.
in unverſöhnlichem Haß. Utrecht ſei von den Gelderern beſetzt und
ſtehe ein ſchlimmes Ende der Sache bevor. Des Aventin Jahrbücher
habe er noch nicht zu Gejicht bekommen und bezweifle deren Er—
ſcheinen.) Zum Schluß richtete Huttich an Rhenanus und Erasmus”)
Grüße aus’)
Im Jahre 1530 ward Huttich Chorregent am Dom zu Straß:
burg als Nachjolger des Ulrich Berti. Zein reiches Einkommen
aus diejer Stellung verwendete er Für bijtoriiche Unterſuchungen
jowie Sammeln von HDandichriften und Büchern.
Im Jahr 1536 lieg Huttich den novus orbis repionum ac
insularum veteribus incognitarum una cum tabula cosmographica.
et aliquot aliis eonsimilis argumenti libellis zu Bajel bei Johann
Deriwagen von Simon Grynaeus herausgeben.’ Das Vorwort des
Gryngaeus bezeichnet den Huttich als Sammler der Materialien
dieſes Werfs, bei dem man leicht die Anregung durch Pircheimers
Ptolemaeusansgabe erfennt.®:
Am 20. September 1535 jchrieb Huttich an B. Nhenanus ohne
Trtsangabe. Er erwähnt einer für Rhenanus erledigten Geldangelegen⸗
heit,” , teilte dann mit, Jakob Ziegler,“ ein ehrwürdiger Greis, habe
ihn bitten lajlen, ihm von Rhenanus cin Empfehlungsichreiben an
Julius Pflug’ zur Weiterempfehlung an den Nardinalerzbiichor
Albrecht von Mainz zu verichaffen. Ziegler wolle den Reſt feines
Lebens zu Mainz verbringen. Dieſe Ztadt jcheine demjelben weit
m Aventins annales erichienen wirtlich erſt 1554 im Truck.
= Wann Huttich den Erasmus von Roterdam kennen lernte, ſteht dabın:
eine jlüchtige Turchſicht des Rriefwechſels des Erasmus ergab feine Ausbeute einer
Verbindung beider Männer
% Vriefwechiel des VBeatus Rhenanus ed. Horowiß und Hartfelder, S. 372
und 373.
1 Joannis a. a. CT. 3.323. Die Pirunde hieß auch die Chorkönigepfründe.
>» Am Ende des Vorworts die Stelle: Quum igitur lustrandi orbis exem-
plum vetus illud, quod isti literarum el ommmis doctrinae principes extule-
run. iam olim nostro seeulo non infelieiter reyocarint quidamn, omni laude
dieni viri. quorum meinorlam Jiteris exceptam doreti quidam wulinam tanta
dexteritate. quanta dilipentia) posteritati transimiserunt, quumgue argumenti
eius libello= aliqgunt yulgo oberrantes. Joan. Hutiehius vir doctus et anti-
quitatis mire Stndio-us Hervaglo nostro exeudendeos dederit: eos volui ideirco
inscribere tibi. quod neme nostro seculo, quod ego seiam, in illam discipli-
narum mathematicarum lucem sublimiore mentis acie intueatur O. D.
“ı Weitere Ausgabe Baiel, Herwagen, 1550, Folio.
Die Vetrefenden scheinen die Wargrafen Philipp und Ernſt von Baden,
der Empfänger Johann I. Pralzgraf von Zimmern Sponheim geweſen zu fein.
*) Jakob Ziegler aus Yandau, der befannte Kosmograph. jiegler weilte im
November 1511 zu Leipzig und daher könnte die Velanntſchaft mit Huttich Flammen.
2al. Heumann, Documenta ete. &. 138.
»NInlins Pflug, Gegner der Reformation.
FW. €. Roth, Johann Huttich 785
angenehmer umd die Luft dort gejünder als zu Baden-Baden!) Zur
Mainz habe Ziegler auch den Arzt Pucheymer‘) zur Verfügung,
Huttich bat um Weiterbeförderung. Er habe dem Johann Sapidus?)
aufgetragen, die Sache ausführlicher mit Nhenanus zu verhandeln,
da er jest zur Weinleſe reifen müſſe. Unterzeichnet ift dieſer Brief
von Huttich als rex chori, als welcher derjelbe hier zum erjten
Male urkundlich auftritt‘) Am 22. November 1536 jchrieb Huttid)
von Straßburg aus an B. Nhenanus, es bedürfe feiner Anregung
wegen des Aufjuchens alter Urkunden. Es jei ihm wohlbefanmt, daß
die Urkunden des Straßburger Münfters zahlreich und jehr alt jeien.
Diefelben würden jedoch von Heldung?) und Andern jo gehütet, daß
feine Einſichtnahme möglich jei. Man bewahre diejelben vor den
Geſchichtsfreunden und der Herausgabe, Ein Bildnis Ottos I, Habe
er nirgends gejehen. Eine Schenfungsurfmde König Ottos II. an
Abt Benno in Altorf im Elſaß befige er, Nhenanus habe diejelbe, wie
er glaube, gejehen. Eine Urkunde habe ein bieiernes Siegel mit dem
Bildnis Kaifer Dttos IM. Wenn Nhenanus dasjelbe jehen wolle,
werde er es ihm jenden. Bei Petri dem Alteren®) habe er unlängft
druden laffen, was dem Klofter Honau“ von den fränfiichen Königen
geſchenkt worden,*) Huttich erjuchte um Angabe, welchen Gebrauch
Rhenanus davon machen wolle. Aus der Erzählung des Nudolf?)
entnehme er, Nhenanus habe eine Angabe über die Kollatur der
Pfarrei zu Schlettjtatt, durch derem Mitteilung ihm Rhenanus eine
Gefälligkeit erweifen würde, Den Johann Bader“) habe er bei
Petri dem Jüngern“) dahin gebracht, daß derjelbe ihm die Urkunde
Dagoberts zeige. Bader habe ihm erwidert, jolche fiege noch im Archiv,
Sobald er diejelbe erhalten, werde derjelbe ſolche ſchiken, was er
aber bezweifle. Jm Bistum Worms habe er neulich eine Kifte voll
Urfunden, darumter ſolche des Arnulf, Lothar, Ludwig, Heinrich TIL,
Friedrich und Anderer durchmuſtert. In einer Nachſchrift des Briefes
1) Thermis Antonianis.
2; Yodocus Pucheymer, Yeibarzt des Kurflirftien Alhrecht von Mainz. Er ſtand
mit B. Rhenanus in Briewechjel und war Lehrer a der Mainzer Hodjdule. Bgt
snodt, Historia universitatis Mogunt. &. 68.
3) Johann Wit,
+) Briefwechjel des B. Nhenamıs S, AT —A18.
>) Peter Heldung, Verwalter des Domfapitels zu Straßburg, gefiorben 1661.
händler zu Bafel. ip“
Strafbung.
ſchrift Huttich hier meinte, bleibt waklar.
Gehilfe des — N: ES Hack ia:
x war erſter iger tor
—— — 100 zu 1545 hehe er Johann Brüder. Bgl.
Studien und Kvitifen 1895, ©. 77.
Vuchdrucer zu Bafel.
int F. W. E. Roth, Johann Huttich.
bemerkte Huttich, er habe unlängſt den Hedio', ermahnt, ein richtigeres
Urteil bei Leſung der Geſchichte aus der Zeit der Katholiken und
Mönche zu beachten. Derſelbe ſehe an ſeinem Anhang, daß er der
Richtung des Jahrhunderts nicht entſpreche.“
Den 21. Februar 1541 wendete ſich Huttich ohne Angabe des
Ortes an B. Rhenanus, er habe neulich Gelegenheit gehabt, an ihn
zu Ichreiben, da zufällig Paul Volz,’) ein verehrungswirdiger Greis,
ihm begegnet jei und ihm einen Brief iiber das Lügenfeld‘) gezeigt
habe. Er habe den Abt gefragt, ob er nichts über dieſen Ort bei den
Schriftftellern gefunden. Es jei dieſes deshalb geichehen, weil er wiſſe,
dar Rhenanus iiber die Sache den Abt fragen würde. TDerjelbe habe
den Rhenanus brieflich über die Hrafend: und anderes aus dem
Gebiet der Geichichte befragt, was ihn ebenfalls intereifiere. Als er
vor mehreren Jahren die Geichichtsjchreiber Frankreichs durchblättert,
jei er auf eine Stelle gefommen, wo Yudwig der Fromme von feinen
Söhnen auf einem Feld, das jpäter das Yügenfeld genannt worden,
gefangen genommen worden jei. Er habe ſeitdem darüber nachgedacht,
wo diejer Trt jich befunden, da er weder bei Gaguinus® noch
Aenilius; etwas gefunden. Er jei zu der Vermutung geloınmen,
dieſer Ort befinde fich in Frankreich und nicht in Deutichland. Auf
dem Altmarkt habe er vor drei Monaten ein auf Pergament ge-
jchriebenes Buch, genannt Geſchichte der Franken von Gregor, um
billigen Preis eritanden. Als er dastelbe durchblätterte, babe er
darin eine Kintheilung in zehn Witcher äbnlich wie bei ($regor von
Tours gefunden. Trotzdem jei das Buch von der Arbeit Gregors
verjchieden. Huttich teilte dem Rhenanus eine Abichrift der betreffenden
Stelle mit.“ Huttich fandte auch durch Rudolf’) einen (Beldbetrag.”)
Huttich ichrieb am >22. Februar 1543 an B. Nhenanus, er freue
jich wegen deſſen Angaben über die Stiftung von Murbach und
Yigel und iiber den Anhang betreffend die Yandes und Yehenrechte,
dieſe Mechte jeien hier und da in ganz Deutſchland verbreitet gewejen.
Huttich beipracdh) dann einen Noder dieſer Art, der die Stadtrechte von
Ztraßburg, die Yehenrechte und das MWeichbitdrecht enthalte."
I Naipar Hedio.
»VRriefwechiel des Rhenanus S. 435 — 436.
Raul Volz, Abt von Hugshofen im Elſaß.
ı Bei Colmar. Bgl. Briefwechſel des 3. Rhenanus 2. 476.
"ı ebenda Z. 470 ımd 472.
“ı Gagninus, Rob., Rerum Gallicarum annales. Frantfurt a. M. 1677.
"ı Nemlins RProbus, Herum 4alliearum historia.
>: Tieielbe entſiaumt den annalex Bertiniani zum Jahr 833. Monumenta
(termanivae historica 1, 426 Rriefwechſel des 3. Rhenanus S. 478.
" Hudolf Berz, Schilfe des Rbenamıs.
, Vriefwechſel des 3. Rhenanus S. 477 —470.
:r Ariefivechiel S. 442 4RO
FW € Roth, Johann Hutuch 787
Am 31. März 1543 ſchrieb B. Rhenanus au den Profeſſor
Bonifaz Amerbach zu Baſel, er Habe von Huttich gehört, da der
Sachjenfpiegel mit den Lehenrechten bereits gebrudt ſei. Er habe
die Herausgabe beabfichtigt,') Dieſes unterblieb num durch Huttichs
Erinnerung.
Huttich jhrieb am 26. Januar 1544 an Mhenanus und bedankte
fi) für die ihm überfandten Ältertümer Veronas, Er hätte ſolche längit
zurückgeſchidt, wenn Rudolf diejes bemerft hätte.) Sodann beiprad)
er die von Rhenanus nicht verftandenen Worte Brünne und Friſching
Zu deren Erklärung führte er über Frifhing eine Stelle aus den
alten Statuten feines Straßburger Stifts an. Nudolf habe ihm
Schrecken mit der Nachricht eingeflößt, daß Nhenanus frank jei. Er
empfahl demjelben den Arzt Sebajtian*) und jdicte ein Mittel, das
er vor Jahren bei den Markgrafen von Baden abgejchrieben.‘) Es
war diejes die legte briefliche Mitteilung Huttihs an Rhenanus
Nur zu bald ſollte ihn, der dem Franken Freund helfen wollte, ſelbſt
der Lebensfaden zu Ende gehen.
Am 2. März 1544 empfing Huttich in feinem Stift die Sterbe-
jaframente nach fatholiichem Gebraud) und ftarb gegen Abend zwijchen
5 und 6 Uhr am 4. März 1544. Seine Leiche ward mitten im
Chor des St. Yeonhardsitifts beigefegt.’) Sebajtian Hambacher, Chor-
herr zu Straßburg, teilte diefes dem B. Nhenanıs am 18. Sep⸗
tember 1544 mit und beflagte den Huttich als Schüter, Freund und
Verwandten. Huttich jei als Katholif geftorben, wie deffen eigenhändig
geſchriebenes Tejtament erweife. Er jei etwas über 56 Jahre alt
geworden.®) Rhenanus widmete feinem Freund auf Bitten Sebajtian
Hambachers eine Grabinſchrift, wofür diefer am 14. Februar 1545
dem Rhenanus dankte.”) Dieſe Inſchrift ift unbekannt und jcheint
verloren zu jein.)
Die Bibliothek des Huttich enthielt manden Shag. B. Rhenanus
jah dort einen alten deutjchen Pfalter,’) Erato Mylius erhielt von
Huttic eine aus der Bibliothek des Biſchofs Johann von Dafberg
zu Worms ftanmende Handſchrift des chronieon Urspergense für
deffen zweite Ausgabe. (Straßburg 1538.) Diejer Unterftükung er-
4u1.
ehilfe des Rhenanus
us in Colmar, der den Rhenanus auch fpäter behanbelte.
509—510,
Lriefwedjel &. 519,
‘) Ch wirklicher oder nur Geiſtesverwandier, ſeht babiın.
’) Ebenda S. 827.
Ebenda ©. 624
»), B. Rhenani, Rerum Germanicarum libri tres: Bajel 1581, 5. 108.
Guphorion IV 51
1788 F. W. E. Noth, Johann Huttich.
wähnt Crato Mylius in feiner Ausgabe des chronieon Conradi
a Lichtenau abbatis Urspergenis und fügte Lobſprüche über
Huttich bei.)
An den Bewegungen der Reformation nahm Huttich keinerlei
Anteil. Jedoch fcheint er gegen die foziale Hebung der Mipftände
feiner Zeit durch Jolche nicht fich aufgelehnt und die Mißſtände als
wirflid) vorhanden erfannt zu haben. In dem 1526 veröffentlichten
libellus imperatorum Romanorum beſprach Huttich dem Otto von
Pack gegenüber die ſchwere Zeitlage und neigte dazu, der Reformation
Wert beizulegen, er lobte geradezu die Verteidigung derfelben.?)
Trogdem hielt Huttich zur katholiſchen Sadhe und ward als Gegner
der Reformation ganz mit Unrecht in den epistolae obscurorum
virorum genannt.) Die Veranlaffung hatte feine Hinneigung zu
Reuchlin gegeben‘, Auch im Umgang und Briefverkehr ſchloß ſich
Huttich nicht von ausgefprochenen Anhängern der Reformation allzu
ftrenge ab. Der Zweibrüder Pfarrer Johann Schwebelius und Huttich
fannten fich jedenfallg perſönlich. Der Strapurger Nikolaus Ger:
beflins erwähnt des Huttich in einem Brief an Schmwebelius.’)
Bißbliograpßie.
1. GOLLECTANEA : ANTIQVITATUEM IN VRBE, ATQVE | AGRO
MOGVNTINO ' REPERTÄRUM. Cum gratia & priuilegio Imperiali | ad
Sexennium. M. D. XX. Dit Titeleinfaffung in Holzichnitt, darftellend neun
Scenen aus der römifchen Geſchichte. Auf der Titelrlidfeite Widmung des Heraus-
gebers Johann Huttich an Theoderich Zobel, Toomicholafter zu Mainz: Datae ex
arce Gurcellina regni deserti Xl CGalend. Augusti Anno Salutis. M. D. XVII.
Blatt 22 Borderieite am Ende: Sunt adhuc Moguntiae non paulo plura
fragmenta: quae ex industria negleximus: ne corrosa illa: detrita: et uelustate
consumpta lectori nauseam obiiciant. Tu lector uale: & bene optes ei: anli-
quitates has qui conlegit. Ex aedibus Joannis Schoeffer Maguntini. Anno
Christi M. D. XX. mense Martio. Schoeffers Trudermarle in Zchwarzdrud.
Folio, 22 nicht gezeichnete Blätter Zeichnungen in Holzichnitt mit kurzem Text.
2. Yindenblättchen. COLLECTA . NEA ANTI QVITATYM IN VR | BE,
ATOVE AGRO MOGVNTINO RE ji PERTARVM. | Yindenblätthen | Cum
gratia et priuilegio Iinperiali !' ad Sexennium. - ANNO DOMINI. M.D. XXV. |
MENSE SEPTEMB Auf der Titelrüdfeite die Widmung wie in ber erften Aus-
gabe 1520.
'ı Z 343. Doctissimus et humanissimus vir Johannes Huttichius an-
tiquitatis et historiarum studiosissimus; vgl. Joannis a. a. D. 8, 321.
2), Archiv für Yırteraturgeichichte 12, 368.
>} Epistolae obscurorum virorum ed. Böcking S. 198.
ı Ngl. oben S. TTB.
CI. 115231. Jolı. Hettichius () Heysermannum tuum annotationibun
Philippi donat, quibus et tu poteris ex sententia uti, nondum enim harum
eopia facta est, neque crebro venerunt. Wer diejer Henferınann if, bleibt unflar,
der Philipp iſt jedenfalls Melanchthon. Joh. Schwebelii scripta. Biponti. 1608.
Tuodez. Epistnlae 9. 42, Joannis a. a. DO. 8, 322.
Arthur Richter, Nieberländifche Theateraufführungen in Altona. 789
Am Ende: Lindenblättchen. SVNT ADHVC | MOGVNTIAE NON PAVLO
PLY | ra fragmenta, quae ex industria negleximus, ne corrosa illa, de- | trita,
& uelustate consumpta lectori nauseam obijeiant. | Tu lector uale, & bene
optes ei, antiquitates has qui | conlegit. Ex aedibus Joannis Schoeffer |
Moguntini, Anno Christi. | M. D.XXV. Men- | se Septembri. | Sindenblättdjen
und Schoeffers Drudermarke. Folio, 22 nicht gezeichnete Blätter. Bis auf Titel und
Schim ſchrift Machdrud der Ausgabe 1520
3. ROMA- | NORYM PRINGCI- | pn effigies; eu historiarum anno | tatione,
olim ab Jo. Huthichio | confeeta: nune nero alieubi au- | eta et long& Casti-
gatio- | ra opera Jo. Sambu | ci Tirnauiensis | Pannonij. | Quae tertiae,
huic editioni ac | cesserint uersa pagina indieat, | Cum gratia et priuilegio
Caesareo. | Mit Einfaffung im Holzichmitt, Auf der Litefcldfeite: FESTI Auf
libellus de Ko: Monarchia. | Trium po&larum. 6. Sabini, Mieylli, et Velij
de ‘ imperatoribus Ro. uersus. | Sibyllae de monarchiarum inieijs, earumgz |
conuersionibus. ex lib. tertio.
Dem König Mar von Böhmen gewidmet Cal. Febr. 1552.
Blatt 111 Nücjeite: ARGENTORATI WOLPH- | gangus Cephalaeus
exendit Anno. | M. D. LII.
Blatt 112 Vorderfeite: Vorwort Huttichs nur mit Jahrzahl XXII.
Blatt 113 mit Signatur P Borderfeite: CONSVLES | ROMANI IVXTA
ANNORVM | SERIEM. | Nur Namen.
Blatt 121 Borderfeite: ANTIQVITATES ROMA- | rorum Consulum
iuxta seriem elenchi. | Münzabbildungen. Schliept Blatt 127 Rldfeite.
Blatt 128: Vorrede des Sambucus zum Feſtus Ruffus und übriger Teil
der Ausgabe.
Blatt 206 Vorderfeite unten: ARGENTORATI APVD Vuolfum | Cepha-
laeum. Anno 1551. |
Dktad, 8 nicht gezeichnete Blätter + 206 gezeichnete Blätter:
Straßburg, Univerfitätsbibfiothel.
Miederländifche Theateranfführungen
in Altona 1684,
Von Arthur Richter in Dresden.
In dem vor zwei Jahren erjchienenen Buche mau Geſchichte
des niederländiſchen und ſpaniſchen Dramas in Deutjchland” hat ſich
Schwering das Verdienſt erworben, gegenüber den Zweifeln Meifners
und anderer die Wichtigkeit des niederländiichen Theaters fir unfer
deutſches Theater eingehender Hargelegt zu haben, Bei einem Stoffe,
der jo zerftrent liegt, wie umfere deutjche Theatergeichichte, tft es
unausbleiblich, daß das Material von Schwering bei weiten nicht
erichöpft worden it, und folgende Zeilen follen eine Heine Ergänzung
zu der Frage bieten, welche Theaterftüde von ben tieberländiichen
si*
790 Artlnie Richter, Riederländiſche Theateraufführungen in Altona.
Schauſpielgeſellſchaften bei ihrem Auftreten in Deutſchland zur Auf—
führung gebracht wurden.
Schwering erwähnt and) in ſeinem Buche im Anſchluß an Schützes
„Hamburgiſche Theatergeſchichte“ Hamburg 1794, S. 65) die Auf⸗
führung des „Don Roderigo de Cid'' durch holländische Scyanfpieler
in Altona 1634.’ Bon diefer Vorſtellung hat ſich noch ein Theater⸗
zettel in der Hamburger Ztadtbibliothef?: erhalten, es ijt vermutlich
derjelbe, der auch Schüte vorgelegen hat: wir geben ihn im folgenden
wieder, da er die Mitteilung Schützes vielfady ergänzt und unjere
Kenntnis niederländiſcher Theatervorftellingen in Deutichland weſent⸗
lid) erweitert.
Der Zettel ift ungefähr 18 Gentimeter breit und 31 Centimeter
lang, und findet folgendes an:
„De groote Gompagnye Gowmedianten Van de 'Haagse Schouborg. :
Sullen op Maendach, den 14 Julii, in Altona vertoonen Don Rodrigo de
Gid Met groote s’racht van Klederen, noch noit alhier gesien. ' En daer
achter de kleine Gomedie van den Beroiden Student ‚; Waer in vertoont
vvert. het Leven en Bedrijf! der Studenten. '
Op Ding-taz den 15 Juli. Nodigen vyy U. E. op geen Bloct nach
Wraeck, maer op een aengensem Ver- imacck, te vveten twee aerlige
Gomedien, als de lan beloofde Advocat Sonder Studie; En na het
-elve de Comedie van de moehivillizge Bootsiwesell, " Verciert met tussen
Danssen. Vervvacht oock int kort De Doodt en Hellevaart van den
tirolen Vezier Het kraembedt van Saerlje dans, Huisvrow , van Jan
Glaessen.
De Vertoon-P’laet= is in Altona op de groote Sael van Harımen Wilckens,
in de Koninek van Denemarck. VPreeis teu $ Uyren en voor 7 uit. /
Ter Iheaterzettel trägt wie alle anderen aus der Jugendzeit
des modernen Ihenters feine Jahresangaben, nur die Tagesbeftint-
mungen Montag der 18. Juli und Dienstag der 15. Juli laffen
ſich zur zeitlichen Beſtimmung imlofern verwerten, als jie nur auf
eine beſtimmte amd bejehränfte Anzahl Jahre paſſen, einen großen Teil
derielben aber ohne weiteres ansichliegen. Auf weldye Cuelten außer
etwa obiger Bleiſtiftnotiz ih Schütze mit jeiner Angabe ftükt, daß
der Komödienzettel und die ITheateranfführung im das Jahr 1684
gebört, iſt nicht zu erſehen, doch füllt Fiir jeine Angabe ins Gewicht,
dan Die Tagesangaben zu 1684 Stimmen: denn in dieſem Jahr fiel
nad) dem alten Julianiſchen Kalender - - und nach dieſem redhnete
Dumburg damals noch der 14. Juli auf Montag, der 15. auf Diens—
tag. Auch von den angeführten Zchaunipielen ipricht feines gegen dieſes
Schwering S. 41 giebt irrtümlich 1682 an.
"Am erſten Yande der dortigen Sammlung von Tbeaterzettein (Theater
zettel 16° 4- 1758 Ter ZJettel trägt am Mopf den Bleiſtiftvermerk 1684, der nichte
bemeiit, da wir jeinen Uriprung nicht kennen. Matt des aufgeflebten Dingstag
and crit Sondach auf dem Zettel.
Arthur Richter, Niederländifche Theaterauffübrungen in Altona. 791
Jahr, während cin früheres Jahr als 1681 nad) der Entjtchungs-
zeit einzelner Schaufpiele, wie unten gezeigt werden wird, nicht an-
genommen werden kann. Bon fpäteren Jahren könnten wohl mir
nod) die in Betracht kommen, im denen wir don Thenteranfführungen
niederländiicher Wandertruppen in Deutſchland wiſſen. Es find dies
die Jahre 1694, 1702, 1703) umd 1710. Bon dieſen fiel nur bei 1710
der 14. Juli anf Montag, der 15. auf Dienstag. In diefem Jahr
befuchte die Wandertruppe Jakob van Ryndorps Dentjchland und
jpielte in Hamburg, Lübeck und Kiel.) Dagegen aber, daß der oben
mitgeteilte Komddienzettel in dieje Zeit fällt, ſpricht die Bezeichnung
„Compagnye Comedianten van de Haagse Schouborg”, die dieſer
Zettel führt. Denn die Nyndorpjche Truppe nanute ſich ſchon 1699
die „Groote Compagnie acteurs van de Haagse en Leidse Schouw-
burg”,?) und diefe Bezeichnung wird fie jpäter um jo mehr bei—
behalten haben, als fie im Beginn des 18. Jahrhunderts in Leiden
die Erfanbnis erhielt, ein Theater zu bauen, und am 29. April 1705
auch für den Haag dieje Vergünftigung ſich erwarb.') Dagegen darf
man wohl die Annahme ausipredhen, daß die Truppe Jan Baptijta
von Fornenburgs, des Vorgängers Ryndorps, die in der ziveiten
Hälfte des 17. Jahrhunderts wiederhoft Deutſchland bejuchte, in der
letzten Zeit ihrer Neifen die Bezeichnung „Haagse Schouborg”
geführt Habe. Denn Foruenburg ſpielte nicht mr mit ſeiner Truppe
gerade im Haag ſehr häufig (1660, 1662, 1678, 1679),°) es wurde
jogar auch am 17. November 1679 der Beichluf gefaßt, ihm das
Monopol für Thenteraufführungen im Haag zu gewähren,s) und
wie angejehen und bekannt im diejer Zeit das Haagſche Theater
unter Jornenburg war, erjieht man daraus, daß Peys ausdrůcklich
bei ſeiner Überjegung des Moliéreſchen Bourgeois gentilhomme
1680 hervorhebt, daß diejelbe auf dem Haagichen Theater aufgeführt
worden jei.?) Wir glauben daher berechtigt zu jein, die „Compagnye
ten van de — — als die Wandertruppe
Nord 1832, &
+) Haverforn
1. Bolte 2. 128,
erlorn van Nijfewiit S. 7. — Nach dem Biographisch woordenhoek
derits und F. Joſ. van dem Branden (Nieuwe, 2, zig: Anfterdam
5 lieh ſich Fornenburg bereits 1878 dauernd, im ıq icber,
Yacroix, Bibliographie Molierexque, 2, edition, ach 1875, ©. 166,
Ar. 7 nlilhomme bonrgois (I) ofle burgerlyeken Edelman: klucht-spel,
door Monsieur Molliere, ende in "U nederduyisel, vorkaelt dor N, N. | Ar.
192 Arthur Richter, Niederländifche Theateraufführungen in Altona.
Fornenburgs anzujchen, und mit Schügße deu Iheaterzettel und die
TIheateraufführung in das Jahr 1684 zu jeren.'ı
Der Zettel felbft nennt uns ſechs Stüde, die in Altona auf-
geführt werden jollen. Won diejen ift dag erite „Don Rodrigo de
Cid'“. das wohl zweifellos als Corneilles Cid anzufehen ift. Wahr-
ſcheinlich jpielten die Niederländer denjelben in der Uberjegung Johan
van Heemſtercks, die 1641 erſchien und ſich ſeitdem großer Beliebt—⸗
heit erfreute, wie die zahlreichen Auflagen beweiien.?, — Das zweite
Stüd, die fleine Komödie von dem „Beroiden Studenten” it von
Yan Noozeman 1646 verfaßt. Es behandelt den auch in anderen
Yitteraturen behandelten Schwanf, wie cin von der Frau abge:
wiejener wandernder Student dem heimfehrenden und ihm Gaftfreunds
Schaft erweijenden Dann durd „Zauberei“ die Untreue jeiner Frau
enthüllt.) — An dritter Stelle wird fir Dienstag, den 15. Juli,
der vielgelobte „Advocat sonder studie’ angekündigt. Dieſes Stüd
erichien 1680 in Amſterdam unter dem Titel: „I’Advocat sans
estude. d’Advocaect sonder study. (Naar h. Fr.) door Molliere,
vert. d. A. P.tı Der liberjeker, der fich nur durch A. P. andeutet,
it Adriaan Peys,dı derjelbe, von dem die obenerwähnte, ebenfalls
anf dem Haagſchen Theater aufgeführte Uberſetzung des Moliereichen
Bourgeois gentilhomme herrührt. Nach jeiner Angabe ift das Stüd
von Moliere verfaßt. Dies iſt jedoch nicht richtig; das Luftipiel ift
vielmehr von Claude Ya Roſe, Sieur de Rojimond verfaßt,$) der
von 1645 —1686 in Paris lebte und fich als Zchanfpieler wie als
Reys] Vertoont op de Haegse Schouwburg .... In 's Giravenhage ....
Yacroiy ſett Dielen Trauf in das Jahr 1680. Man beachte, daR auch das an dritter
Zrelle im Theaterzettel augeführte Stück von Pens ilberfeßt iſt (fiehe oben).
1) Tiefe längere chronologiſche Erörterung dürite noch inſofern von Wert fein,
als damit dieſer Theaterzettel als einer Dev dlteften enviefen wird, den wir von
Theatervoritellungen in Teutichland kennen.
2) Gatalogus der bibliotheek van de maatschappij der nederlandsche
letterkunde te Leiden. D. 2 ıYeiden I887: 2. XLIX. 8 Bibliotheek der uni-
versiteit van Amsterdam: Tooneel-Gatalogus Nederland cAmſterdam 1895)
S. LXXXVII. - - Q. J. van der Ya, Biograph. woordenboek 8, 355; Frederite
en van den Brandın, Biogr. woordenboek 2. 330.
3; Tee Schriften Koozemans ſind anfgesäht bei Frederils en van ben
Branden vn. X 2. 58. Eine Beiprechung und furze Inhaltsangabe des
„Beroiden Studenten” finder man bei Worp, J. X, De invloed van Seneca's
treurspelen op ons tooncel Amferdam 1802) S. 274— 276. Worp citiert nach
der 1. Ausgabe 1646 Tie Leidener Bıbliotbet ıfiebe obem befitt nur den 3. Trud
1679, den weder in Yerden noch in Amſterdam vorbandenen 2. Trud, Amfterdam
1657, befiut die Koͤnigl. öffentliche Yıbhotbel ın Tresden.
IJ Catalogus der bibliotheek te Leiden b. 2, S. XXI.
*) Frederiks en van den Franden aa. OC. 2. 60%.
“) Yacroıy, P. a. a. C. 166, Nr. TOR. — ure Rofimond fiche Larouffe,
Kierre, Grand Jietionnaire universel du 19. s. T. 13 (Paris 187861.
Arthur NRichter, Niederlandiſche Thenteraufführungen in Altond. 795
Dichter einen Namen gemacht hat, wenn aud) einer von feinen Zeit-
genoffen von feinen Luitipielen urteilte, Rofimond hätte weiſer gehandelt,
fid) darauf zu bejchränten, Luftjpiele zu fpielen, anftatt die Leit
zu verlieren, fie zu ſchreiben. Trotz diejes Urteils aber blieb wenig-
ſtens das Stüd der Advofat ohne Studium lange auf dem Repertoire
des damaligen Theaters. — Als Nachſpiel zu ihm wollen die Nieder-
Länder die Komödie von dem leichtjinnigen Matrofen aufführen.
Diejes Luftipiel zählte zu den befiebtejten der damaligen Zeit. Es
erſchien zuerjt unter dem Titel De gramschap 1645 und ift von
dem bedeutenden niederländijchen Dichter Willem Ogier!) verfaßt,
aber erſt in der Umarbeitung von ‘%. Zammers (oder Sammers) er-
rang das Stüd unter dem Titel „de moetwillige bootsgezel” allge-
meinen Beifall.) Es wird gewöhnlich 1697 als das Jahr angegeben,
in dem Zammers die Umarbeitung erjcheinen ließ, umd dies mürde
die Aufführung in dem Jahr 1684 als unmöglich erjcheinen laſſen.
Alfein der Amfterdamer Katalog führt bereits vom Jahre 1672 ein
Stüd an: „De gramschap of moetwillige boots-gesel”, und
vermutlich ift es diejes Stüd, das in unjerem Theaterzettel gemeint
ift. Wir müffen, da ung feines diefer Stüde zugänglid, war, dahin-
gejtelft fein laffen, ob Ogier oder Zammers als Verfaſſer desjelben
anzunehmen ift, nur darauf möchten wir hinweiſen, da Bammers
Mitglied der Fornenburgſchen Truppe war. Wahrſcheinlich jpielte
die Truppe das Stüd in der Umarbeitung ihres Mitgliedes, Zam-
mers felbft aber ließ dieje erjt jpäter umter jeinem Namen erjcheinen. —
„De Doodt en Hellevaart van den Groten Vezier”, das fünfte
Stüd, ift wohl identiih mit „De Hellevaart van den Grooten
Vizier”, das Herman Frans van den Brandt?) zum Berfafler
hat, deffen Verie nicht bejonders gerühmt werden. Es erjchien 1684,
alfo in demfelben Jahr, in dem die Aufführung erfolgte. Als Gegen-
ftand mag es wohl die Schidjale Kara Muftafas behandeln, der
1683 die Belagerung Wiens leitete, bei feiner Rückehr nad) Belgrad
auf Befehl des Sultans enthauptet wurde. — Das legte Stüd,
„Het kraembedt van Saertje Jans, Huisvrow van Jan Claessen”,
ift ebenfalls erft 1684 erſchienen. Ihr Verfaffer iſt Thomas Affelijn,*)
deſſen Luftipielen lebendige Schilderung des Charakters, der Sitten,
N) Srederil3 en van ben Branden a. a. D. ©. 566.
2) Catalogus der bibliotheek te Leiden D. 2, ©. XLI. Bibl. d. univ. v. Amst.
Tooneel-Cat. 5. LXXXIV, XCVIL — Über Sammers (oder Zammers) fiche
Schwering a. a. D. (Hegifter), geimacl, A. van, Bijdragen tot de geschied. van
het tooneel ... in Nederland (eeuwvarden 1840) &. 24. — Hellwalb a. a. D.
S. 31.
?) Ban der Aa, a. a. D. 2, 1198; Frederils en van den Branden S. 110.
+) Lan der Aa, a. a. ©, 1, 414; freberil® en van ben Branden a. a. O.
©. 25.
794 Albert vLeitzmann, u Goethes Liederbuch „Annette“.
Gewohnheiten und Sprechweiſe des Amſterdamers feiner Zeit nach—
gerühmt werden.
Bon den jechs Stücden zeigen nur zwei fremden, franzöfiichen
Urjprung, die übrigen Stüde jind dem dichteriichen Talent der
Niederländer jelbjt entiprungen, fie gehören fat ſämtlich zu den
beliebteften des damaligen niederländiichen Theater und waren auf
das beite geeignet, dem damaligen Deutſchland eine Anfchauung von
der Blüte zu geben, in der zu jener Zeit die niederländiiche drama-
tiiche Dichtung ftand.
Zu Goethes Liederbudz „Annette“,
Bon Albert Leitzmaun in Jena.
Ter zu Weihnachten 1896 erjchienene 37. Band der Weimari-
ichen Goetheausgabe enthält den eriten vollitändigen Tertabdrud des
Liederbuchs Annette, vorläufig ohne Yesarten, die im 38. Bande nad):
geliefert, werden jollen.!) „Geſchichtlich, als Belege zu ſeinem Werden,
nicht mit dem Anſpruch auf äſthetiſchen Genuß muß man dieſe Erſt⸗
linge betrachten“, ſagte Bernhard Suphan mit vollem Recht auf der
Goetheverſammlung 1895 im dem erſten Bericht, der der Offentlich⸗
keit über dies wiederaufgefundene Dokument des jüngſten Goethe
erjtattet wurde und der dann in der Deutſchen Rundſchau gedruckt
erſchienen iſt Halbmonatshefte 1894/95, 4, 63). Es galt vor allem
damals im großen Publikum ciner vorauszuſehenden Enttänfchung
vorzubeugen und noch vor der Drucklegung falſche Vorftellungen über
den poetiichen Wert der Gedichte zu zerftreuen. Ter nun vorliegende
Tert bejtätigt durchaus Suphans Urteil, das einen Schillerfchen
Terminus glücklich verwendet: „Charafterloje Winderjährigleit, das
ift völlig das Weſen des Nuches Annette; nirgends eigenartige Ge—
jtaltung inneren Yebens; lauter angenommene, angelernte, äußerlich
gegebene Formen“ S. 6365. Einzig zur geidichtlichen Betrachtung der
(Hedichte innerhalb der Ingendentwicklung Goethes und innerhalb
der gleichzeitigen Litterariichen Produktion wollen die folgenden Heinen
Remerkiungen einiges Material beiftenern.
tı Tre inzwischen im 38. Band eridienenen Yesarten geben zu einer Anderung
der Unteriuchung feine Beranlaiiııng A Sauer.
Albert Peismann, Zu Goethes Liederbuch „Annette*, 795
1. Entftehung, Chronologie, Kesarten.
Über die Entftehung des Buches Annette find wir durch
Goethes gleichzeitige Leipziger Briefe genügend orientiert. Ich ftelle
die betreffenden Stellen- hier zufammen und verſuche ein paar ſich
erhebende Zweifel zu löſen. Mit der Ankunft des jungen Studenten
in der Großſtadt Leipzig trat zumächft ein Stoden im jeiner bis-
herigen flotten poetijchen Produktion eim: die Fülle neuer Eindrüde
von Menſchen und Dingen, ber Aublick fremder Berhältniſſe riefen
eine ſtrengere Kri it der eigenen Leiſtungen wach. „Depuis que je
suis ä Leipzig, reibt er am 27. September 1766 an Kornelia
(Briefe 1, 67), „'ai appris, qu’il faut qu’on soit beaucoup,
pour @tre quelquechose, Je suis de m@me bien revenu de la
folie de me croire poöte et je ne fais presque plus de vers
qu’en voulant embellir quelques fois les leitres ü mes amis,
qui selon leur vieille bont& les eroient toujours admirables.
Si j’avois une belle, peut-ätre Cupidon me feroit-il chanter
plus et mieux.” Das ftimmt zu dem, was wir jonft wiſſen (vgl.
den Brief am Rieſe vom 28. April des Jahres Briefe 1, 45 und
Biedermann, Goethe und Leipzig 1, 69), bis auf die verheimichte
Neigung zu Käthchen Schönkopf Armette), der er, wie er Behriſch
am 26. April 1768 ſchreibt (Briefe 1, 159), auf den Tag zwei
Jahre vorher zum erſten Mal feine Liebe erflärte; dieſe Verheim-
ichung, hauptjächlic; wohl für den mitlefenden Bater beredjnet,
dauert no im Mai 1767 an (vgl. Briefe 1, 91). Einen die Un-
ſicherheit mitfördernden Grund für dies poetijche Verſtummen meldet
er der Schwefter dann am 11. Mai 1767 zugleich) mit der That:
fache, da die poetijche Ader umter der Einwirkung von Erlebniſſen
wicder zu fliegen begonnen hat: „Born Jahre, als ich die ſcharfe
Kritif von Clodiufen fiber mein Hochzeitgedichte las, entfiel mir
alter Mut und ic brauchte ein halbes Jahr Zeit, bis ich mic)
wieder erhofen und anf Befehl meiner Mädchen einige Lieder ver
fertigen fonnte. Seit dem November habe ich höchftens fünfzehn
Gedichte gemacht, die alle nicht ſonderlich groß umd wichtig find“
(Briefe 1, 88; vgl. dazu Werfe 27, 197 Weimarifhe Ausgabe und
Biedermann 1, 75). Mit demjelben Briefe erhielt Kornelie eine en
Behriſchs Hand hergeftellte Abjchrift einiger dieſer Gedichte (vg!
Briefe 1, 90. 92. 93. 95. 97), von denen Goethe ſechs 522
nennt: die Elegie auf den Tod von Behriſchs Bruder (Annette
Nr. 8, ©. 33), Les amants — Die Liebhaber (Annette Nr. 12, &, 42;
Strads 5 ypothejen über dies Gedicht in feinem Buche über Goethes
Leipziger Yiederbud) S. 18 find angefichts des Textes matürlid hin-
fällig, die Ode an den Schlaf (Annette Nr. 10, ©, 38), Ziblis
196 Albert Leitzmann, Zu Goethes Liederbuch „Annette“.
(Annette Nr. 2, ©. 14), Lyde (Annette Wr. 3, S. 18), Pygmalion
(Annette Nr. 11, ©. 39). Bei der Aufzählung der der Schweiter
aus dem nachherigen Bud) Annette bereits befannten Gedichte (Briefe
1, 97) verzählt jich Goethe um eine Nummer, indem er fich nicht
mehr erinnert, daß auch „Die Liebhaber“ ſchon in Abſchrift nach
Frankfurt geſchickt worden waren.
An derjelben Stelle heist es dann ausführlid von unjerer
Sammlung: „A propos, ma soeur, de mes vers .... Behrisch
en donne une nouvelle edition au jour. qui surpassera tout ce
qu’on a vu de tel.... le grand conseil poctique s’assembla,
ol furent lues toutes les pocsies, qui sortirent de ma plume,
depuis que je rode auteur de la douce Pleisse. Conclu fut.
que le tout seroit condamne a l’obseurite eternelle de mon
coffre hormis douze pieces, qui seroient écrites en pleine
magnificenee, inconnue jusque lors au monde, sur cinquante
feuilles in ortavo minore et que le titre seroit Annette’; die
genauere Beichreibung der Handſchrift, mit der das erhaltene Büch—⸗
lein bis in die Einzelheiten übereinſtimmt, findet man im fiebenten
Buche von Tichtung und Wahrheit Werke 27, 133). Die Schwefter
verlangte gleich das prächtige Buch zu jehen (vgl. Briefe 1, 99),
doch wurde dieſem Wunſche vom conseil poetique (nad) Suphan
S. 62 bejtand diefer nur ans Goethe und Wehrijch, doch hindert
nichts die Herbeiziehung anderer junger poeſiebegeiſterter Freunde an-
zunehmen und den Ausdruck damit einer prahlerijchen Färbung zu
entfleiden » vorläufig nicht ftattgegeben. Nach diejen Angaben beftand
das Bud) in jeiner uriprünglichen Anlage aus zwölf Nummern,
offenbar den zwölf erjten, die es noch jetzt enthält. Die noch darin
befindlichen Eeineren Gedichte 13 — 19 dürften jpäter angefügt jein.
„Zonft habe id) aber gar nichts dieſes halbe Jahr gemacht ....“,
ichreibt (Soethe an Kornelia am 12. Tftober 1767 (Briefe 1, 118),
„einige Kleinigkeiten, einige Oden, damit ich dich nicht beläftigen
will, find alles, was ich aufweilen fan. Manchmal mach’ ich Madri⸗
gals und das find meiltenteils Naivetäten von meinem Mädchen
und Frennden.“ Bon jenen jieben fleineren Gedichten, die im uch
Annette auf die zwölf größeren Stüde folgen, tragen drei (Mr. 15,
17 und 18. die liberjchrift Madrigal, zwei weitere (Nr. 13 und 14)
haben Madrigalform. Wir werden daher mit der Annahme nicht
fehlgehen, daß Goethe in jener Briefitelle aud) an dieje Gedichte ge-
dacht hat, durch deren Anfügung an die zwölf größeren Stüde der
uriprüngliche Plan des Buches erweitert wurde. Die zwölf Leſer und
zwei Yejerinnen feitzujtellen, von denen Goethe in demjelben Briefe
(2. 114: ala von jeinem ganzen Publikum redet, dürfte fchwerlich
gelingen.
Albert deitzmann, Zu Goethes Liederbuch „Armette*. 797
Schwierigkeit bereitet noch eine Notiz im achten Buche von
Dichtung und Wahrheit (Werke 27, 159). Goethe erzählt, wie fein
eifriges Studium von d’AUrgenvilles Leben den Maler Oeſer vers
anlaßt habe, jeinen Schiilern hie und da Kupferftiche aus den Leip-
ziger Sammlungen vorzulegen. „Aber auch diefe Übungen brachten
bei mir eine andere Wirfung hervor, als er im Sinn haben mochte.
Die mancherlei Gegenftände, welche ich von den Künſtlern behandelt
fah, erwedten das poetiſche Talent in mir, umd wie man ja wohl
ein Kupfer zu einem Gedicht macht, jo machte ich nun Gedichte zu
den Kupfern und Zeichnungen, indem ich mir die Darauf vorgeſtellten
Perfonen in ihrem vorhergehenden umd nachfolgenden Zuſtande zu
vergegenwärtigen, bald auch ein Meines Lied, das ihnen wohl geziemt
hätte, zu dichten wußte und jo mic gewöhnte, die Fünfte in Ver—
bindung miteinander zu betrachten. Ja jelbft die Fehlgriffe, die ich
that, daß meine Gedichte mandmal bejchreibend wurden, waren mir
in der Folge, als ich zu mehrerer Befinnung kam, nüglich, indem
fie mich auf den Unterjchied der Künfte aufmerkſam machten. Bon
jofchen Kleinen Dingen ſtanden mehrere in der Sammlung, welche
Behriſch veranftaltet hatte; es ift aber nichts davon übrig geblieben.”
Dieſe Stelle, die zugleich lehrt, daß Goethe bei der Abfafjung feiner
Selbftbiographie das Buch Annette für verloren hielt, heißt uns von
einer unerwarteten Seite an die Betrachtung der Gedichte heran
treten. Hier fann jedod nur ein Kenner der Yeipziger Sammlungen
vielleicht einmal Aufklärungen bringen, da jede Vermutung ohne
diejes faktiſche Hilfsmittel notwendig im der Luft ſchweben muß.
Zrogdem Behriſch am 13, Oftober 1767 Leipzig verlaffen Hatte
(vgl. Briefe 1, 115), war eine Fortjegung dieſer jchriftlichen Ver-
ewigung Goctheicher Gedichte zwijchen den Freunden vereinbart
worden und Behrijch jcheint das Buch Annette als Probe mit nad)
Deffau genommen zu haben (vgl. Briefe 1, 152. 158). Für dieſen
zweiten Teil, der nach der von Behriſch geliebten Augufte (vgl. über
jie Strad, Goethes Leipziger Liederbud), ©. 86) genannt werden
ſollte, waren zunächſt nad) Goethes Brief vom 4. Dezember 1767
(Briefe 1, 152) die drei Oden am Behriſch und die jpäter in das
Leipziger Liederbuch aufgenommenen Gedichte „Hochzeitlied“ und
„Der wahre Genuß“ (daß diejer im Bud) Annette gejtanden habe,
behauptet Geiger im Goethejahrbuch 7, 149 irrig) beftimmt. Das
Vorhandenſein Goetheſcher Gedichte in Behriſchs Nachlaß, der außer
den genannten auch noc „Die Nacht“, den „Schmetterling“ und
„An Venus“ enthielt, erklärt ſich wahricheinlic einzig aus dem Um⸗
ftande, daß es die Vorlagen für den nicht zu ftande gefommenen zweiten
Teil der Annette jind, Die von Viedermann 1, 106, 244 erwähnte
„Hymne an Flora“, die gleichfalls in Vehrifche Nachlaß geweſen
798 Albert Leibmann, Zu Goethes Yırderbuch „Aunette“.
ſein ſoll, muß auf einem Irrtum beruhen oder verſchollen ſein:
wenigſtens iſt in den Papieren, die aus dieſem Nachlaß in das
Goethearchiv gekommen ſind, nichts davon vorhanden. —
Für die Chronologie der Gedichte im einzelnen haben wir
nur wenige Anhaltspunkte. Im ganzen betrachtet ergeben die vorhin
citierten Briefſtellen folgendes: das Buch Annette enthält nur in
Leipzig entſtandene Gedichte; die zwölf größeren Nummern entſtanden
zwijchen November 17665 und Mai 1767 in der glüdlichiten Zeit
der Liebe zu Käthchen, die ſieben Fleineren mit einer gleich zu
nennenden Ausnahme im Sommer oder beginnenden Herbſt 1767,
feines jedod) nad) dem 13. Tftober, dem Tage von Behriſchs Ab-
reife nad) Deſſau, auf die im Schlußgedichte Vers 5 „Bald entflieht
der Frennd der Scherze, er, dem id) euch jang, mein Freund‘ ale
anf eine nahe bevorjtehende Thatiache angejpielt wird. or den
vorhin genannten Anfangstermin fällt nur das 13. Gedicht „Annette
an ihren Geliebten” «S. 45:, das Goethe ſchon am 24. September
1766 in das Stammbuch des Sfandinaviers Björfland fchrieb (vgl.
Soethejahrbucd 5, 3691; man wird bier faum einen Jrrtum in der
Jahreszahl annehmen können. Daß dieſe beiden größeren Gruppen
inhaltlid) wieder etwa eine dhronologiiche Ordnung feithalten, ift jehr
wohl möglich, wenn auch durch nichts beitimmt nachweisbar; jeden-
falls dürfte fein inneres Motiv fir die Anordnung vorliegen. Einen
genaueren Hinweis auf ihre Entſtehnngszeit enthalten nur noch drei
(Hedichte. Die Ode an HZadariae Nr. 9, S. 361 muß nad) Zacha—
riaes Bejuch in Yeipzig entitanden ein, der um die Oſtermeſſe 1767
ftattfand (vgl. Zimmermann, Friedrich Wilhelm Zachariae in Braun:
ſchweig 2. 101. Tas Widinungegediht „An Anmetten“ (Nr. 1,
S. 13; Vers 8 iſt „nicht auch” ſtatt „auch wicht“ zu leſen, entftand
wohl als legtes der größeren (Sruppe von zwölf Gedichten, die ur:
ſprünglich allein das Buch Annette bilden jollten, und zugleich mit
dein Plane der Vereinigung dieier zu einer Zammlung und mit der
Erfindung des Titels. Tas war etwa der Auguſt 1767, die Zeit,
io Goethe in einem Briefe an Kornelia (Briefe 1, 97) die ana
freonteischen Werschen in Proja jo wiedergiebt: „Le titre seroit
Annette en depit des Grees, qui avoient donne les noms
des neuf inuses aux livres U’Herodote, et de Platon, qui nomma
sox dialogzues de Vimmortalit® de Väme Phaedon. qui etait
son amıi et n’avoit beaneoup plus de part à ces dialogues,
qu’Annette n'a a mes poesies. Auf die Verwandtichaft der Verſe
s und 7 mit einer Stelle im dritten Akt der Mitſchuldigen ı Bere
761, hat bereits Suphan 2. 62 hingewicien.
Etwas mehr iſt über die Elegie auf den Tod von Behriſchs
Bruder -?r.s, 3.33: zu tagen. Goethe belehrt ſelbſt die Schweſter
Albert veibmann, Zu Goethes Yiederbud; „Anuekte, 799
am 11. Mai 1767 (Briefe 1, 90): „Die Elegie ift auf den Tod
von Behrijchens Bruder, der bei Hejjen-Bhilippsthal Regierungsrat
war.“ Die biographiichen Arbeiten über Behriid von Elze (Brugens
Deutſches Mujenm 7, 1, 51, 11,2, 913) und Hofäus (Mitteilungen
Vereins für Anhaltifche Gejchichte und Altertumsfunde 3, 442)
ähnen zwei Brüder Behrijchs. Aber feiner von beiden, weder
Chriſtian Georg Wolfgang, der kurſächſiſche Bergrat, nod) der wunders
liche Heilige Heinrich Wolfgang, kann der von Goethe beflagte jein,
da beide viel jpäter jtarben und feiner von ihnen in Hefien-Philipps-
thalſchen Dienften jtand. Ich wandte mid, um Auskunft an das
Parramt in Philippsthal, worauf mir Herr Pfarrer Roſenſtock
folgenden beglaubigten Auszug aus dem Hoflirchenbuche zujandte:
„Zu Philippsthal, Kreis Hersfeld, ftarb dahier am 25. and 1767
des Abends im Fürftenhaufe und wurde den 28. desjelben Monats
begraben fürftlic) heſſiſcher Rat Beriſch, alt 74'/, Jahr und 12 Tage.“
Es fann ſich aljo nur um einen Stiefbruder der drei ſonſt befannten
Brüder Behriſch oder um einen natürlichen Sohn ihres Vaters
handeln, der die drei Brüder im Alter um volle vier Dezennien
überragte. Weiteres vermag ic über diefen Behriſch für jest nicht
anzugeben: dod) werden auf meine Veranlafjung im landgräflicen
Archiv zu Philippsthal Nachforſchungen angejtelft werden, deren Er-
gebniffe, falls fie geeignet jein folten, auf die Erklärung des ziemlich)
ſchwer verftändlichen Goetheſchen Gedichts Licht zu werfen, id) fpäter
an dieſer Stelle veröffentlichen werde. Der von Goethe Vers 31 er-
wähnte Fürſt fann nur Landgraf Karl jein, der, 1652 in Schmal-
falden geboren, feit 1700 in. däniſchen Seriegsdienften, 1721—1748
franzöſiſcher Generallientenant, 1770 im hohem Alter erblindet in
Philippsthal jtarb (vgl. Nommel, Geſchichte von Heſſen 10, 83).
Goethes Gedicht auf den Tod Behriſchs iſt alſo zwilchen Anfang
April und Mitte Mai 1767 entjtanden, —
Ich muſtere gleich hier die wichtigeren abweichenden Lesarten
der ſonſt bereits aus Druden oder Handjchriften befannten Gedichte,
Die Ode an Zachariae (Nr. 9, S, 38) erſchien zuerft 1777 im Leip⸗
ziger Muſenalmanach S. 21 unter dent Titel „An Herrn Brofefjor
Zachariã. 1767“ gedrukt, jedenfalls nach einer in Yeipzig vorhandenen
Abjchrift des Originals. Der Tert bietet folgende Abweichungen:
Vers 2 „unbellagten“, 3 „deinen“ („deinem“ bei Biedermann 1, 118
ift wohl Drudfehler), 4 „reuden“, 7 „vorm“, 15 „Apollens“, 16
„Lebt er? ift er entflohn?“ (offenbar durch Yejefehler und eigene
Konjektur), 21 „Berjen", 23 „Sie“] „Die“, 24 „nad“] „au“, 25
„einjtens“ fehlt, 26 „edoch“] „Allein“, 29 „denn“.
Das Gedicht „An den Schlaf” (Mr. 10, ©, 38) war aus einem
Briefe Goethes an Kornelia befannt (vgl. Goethejahrbud, 7, 62;
800 Albert veitzmann, Zu Goethes Yiederbuch „Annette“.
Briefe 1, 95); es erſcheint darin etwas für die Augen von Schweſter
und Water bearbeitet. Wichtigere Barianten find: Vers 2 „Der
Götter Augen”, 5 „Hör mid, fein”, 13--16 „ft wären, fie zu
fügen, die gier'gen Yippen nah: doch ad), dies muß ich miflen, es
fitt die Mutter da“, 17. 18 „Heut' Abend bin ich wieder bei ihr“,
21 „Blaß werd’ der Yichter Scheinen”, 22 „Annette”) „mein Mädchen“,
24 „Ganz ftill in meinen Arm“.
„Annette an ihren Geliebten“ Nr. 13, 2. 45) wurde aus dem
Stammbuch Biörklands zuerit im Goethejahrbuch 5, 369 (vgl. auch
6, 3631 gedrudt. Die wenigen Varianten erflären jid) bei der An-
nahme, daß Goethe das Gedichtchen für die Aufnahme in die Samm:
fung aus dem Gedächtnis reproduzierte. Vers 3 „Mit ftarrem Blick
ſahn“, 4 „ſehn“, 6 „jedoch genug“.
„Das Schreien” (Nr. 16, S. 46) wurde ſowohl in das Lieder»
buch der ‚yriederife Oeſer vgl. Socthes Briefe an Yeipziger Freunde
2 S. 224 Anmerkung: als in das Xeipziger Liederbuch (vgl. Ter
junge Goethe 1, 98: leicht überarbeitet aufgenommen. Ich bezeichne
die Abweichungen in jenem mit O, die in diefem mit L. Vers 1
Einit J. ging OL, 2—4 Tief im den Wald hinein und fiel ihr um
den Hals und ac, droht fie, ich werde ſchrein OL. 5 rief ih OL.
7 Still, Tiepelt fie, Geliebter, fill OL. 8 daß ja di L: vgl. auch
Strad, (Goethes Yeipziger Yiederbudh S. 64.
Il. Ausländifche Quellen.
Das 17. und 18. Gedicht «SZ. 47: führen die Llberjchriften
„Madrigal aus dem Franzöſiſchen“ und „Madrigal aus dem Fran—
zöliichen des Herrn von Noltaire”. Die Tuelle des 17. Gedicht ift
folgendes in der Elite de po@sies fugilives 2, 177 gedrudte Diadrigal
von de ta Sabliere:
Madrigal.
Erle tremble. que dans ce jour
’Hymen, plus puissant que PAmour.
menleve ses tresors sans qu’elle ose s’en plaindre:
elle a neglige mes avis;
»i la belle les eüt suivis.
elle n’anroit plus rien à eraindre.
Ter Inhalt entipricht ſich genau: nur der Name Egle, den Gocthe
dann im der Laune des Werliebten brauchte, ijt durch Climene er-
jegt. — In derjelben Elite de po@sies fugitives 1, 140 findet fidh
aud das Madrigal Boltaires an die Prinzeifin Ulrike von Preußen,
das dem 18. Gedichte, wie ichon Zuphan S. 6 erfannt hat, zu
(runde liegt:
Albert Leitmann, Zu Goethes Liederbuch „Annette. 801
Madrigal à madame la princesse de ***,
Souvent un air de verit&
se mele au plus grossier mensonge
cette nuit dans l'erreur d'un songe
au rang des rois j'tois mont&:
* vous aimois alors et j'osois vous le dire:
les dieux a mon reveil ne m’ont pas tout te:
je n’ai perdu que mon empire.
Auch darauf, daß Goethe noch 1828 Edermann gegenüber das
Gedichtchen als eins der vorzüglicften von Voltaire bezeichnete, hat
bereit3 Suphan hingedeutet; vgl. Edermann, Geſpräche mit Goethe ®
2, 33 (Goethes Gejpräche 6, 365). 5
Noch ein Gedicht, das 16. (S. 46), weift in der Überjchrift auf
eine ausländiiche Quelle hin: das ſpäter auch in das Liederheft der
Friederike Oeſer und in das Leipziger Liederbuch aufgenommene
„Das Schreien, nad dem Italieniſchen“. Daß es ein in der Ana-
freontif verbreitetes Motiv behandelt, ift verſchiedentlich nachgemiejen
worden: vgl. Werner, Archiv für Litteraturgeichichte 10, 74; Minor
und Sauer, Studien zur Goethephilologie S. 18; Schmidt, Goethe
jahrbuch 6, 325; Minor, ebenda 8, 229; Englert, Zeitichrift für ver-
gleichende Litteraturgefhichte. Nene Folge 5, 120; Strad, Goethes
Leipziger Liederbuch, S. 67. Daß es dabei zugleich auch, Überjekung
oder Bearbeitung eines italienijchen Liedchens ift, wie Goethe an-
giebt, fann mit Grund nicht bezweifelt werden, wenn wir auch die
Quelle noch nicht haben auffinden Fünnen. Auch das Rejultat meiner
Nachforſchungen ift ein negatives, Das Driginal ift weber von einem
der befannteren italienischen Dichter, die etwa in Betracht fommen
fönnten, wie Tafjo, Marini, Guarini, Bembo, Zappi, Goldoni,
deren Werke ich vergeblich durchgefucht habe, noch auch findet es fich
in einer der beiden damals verbreitetften Anthologien von Mazzoleni
und Gobbi, auf die mic Arturo Farinelli himwies. So wird es
wohl nur einem Zufall gelingen, die vom Goethe benutzte Quelle
aufzufinden. Über jeine italienischen Kenntniſſe jpricht ſich Goethe
in einem Briefe an feine Schwejter (Briefe 1, 68) ausführlich aus;
einen neuen und energiſchen Hinweis auf dieje Studien verdanfte er
in Leipzig wohl, wie man mit ziemlicher Sicherheit annehmen fann,
Schiebelerd Anregungen, der, wie Eſchenburg berichtet, ſchon in feiner
Jugend ein belejener Kenner der italienifchen Literatur war (vgl.
Schiebeler, Auserlejene Gedichte ©. XIV).
II. Beziehungen zu Schiebeler, Zachariae, Gerftenberg.
Daß Goethe und Daniel Schiebeler fich als Leipziger Stu-
denten mehr als nur ganz flüchtig berührten, ſchloß man aus den
02 Albert Yeißmanı, Zu Goethes Liederbuch „Annette“.
paar vorübergehenden Grwähnungen Schiebelers in Gocetheſchen
Briefen an Friederike Teler und Herder «Briefe 1, 175. 257: mit
vollem Recht. Tie Entdeckung Rojenbaums iiber das wahricheinliche
Urbild der Mignongeſtalt und feine Vermittlung an Goethe durd)
Schiebeler (vgl. Preußifche Jahrbücher 87, 2981 bot Gelegenheit,
alles darüber Erreichbare zujammenzuftellen :S. 306); auf dieſe Be:
merfungen Roſenbaums fann ich hier verweilen. Daß Schiebelerg
Poeſie, namentlich jeine Nomanzendichtung auf die poetiichen Arbeiten
des jungen Goethe in Yeipzig Einfluß gewann, zeigt deutlich Die
ganz in Schiebelers Ton und Art gehaltene Romanze „Pygmalion“
Nr. 11, S. 39. Über Sciebelers Romanzen handelt eingehend
Holzhauſen, Zeitjchrift fiir deutſche Whilologie 15, 165; dazu ver:
gleiche man die Zuſammeunſtellungen von Klenzes in feiner Tifler:
tation „Die komiſchen Romanzen der Deutichen im 18. Jahrhundert“,
Marburg 1891. Auch von Schiebeler bejigen wir einen „Pygmalion“
Auserleſene Gedichte S. 200, den Goethe aut fannte und auf den
er noch tm November 1765 in der poetiichen Epiſtel an Friederike
Oeſer anjpielt. Ich halte es nicht fir unmöglich, daß beide Nomanzen
einer Art Wettgeſang zwijchen Goethe und Schiebeler ihre Eutſtehung
verdanften, die fich vieleicht vorgenommen hatten, denjelben ovidiichen
Ztoff (Metamorphojfen 10, 245. m romanzieren, Wwic man damals
ſagte. Schiebelers Stoffquelle fiir fait alle feine Romanzen waren
Ovids Verwandlungen vgl. von Klenze S. 415: „Wir fingen, jpielen,
lachen, die Thoren Eng zu machen, verbejlern den Coidius, der es
geduldig Leiden muß,“ jagt er jelbit in der „Meile nad) dem Par
najjus“ Auserleſene Gedichte S. 231: vgl. and) S. 2481. Goethes
ſchon früher bezeugtes lebhaftes Intereſſe an Ovid ıngl. Werte 26,
50. 167. 27, 225. 519 wurde jicher in Yeipzig durch Schiebeler
noch veritärft. Das Buch Annette enthält nod) eine Auſpielung auf
die Metamorphoten, und zwar auf eine Erzählung, die merfwürdiger:
weile dem Traveſtierungsgelüſt der Zeit entgangen ift. In dem (fe:
dicht „ Tie Liebhaber“ Vers #0 beißt es, nachdem der Tichter ge:
jchildert hat, wie Annette „mit ſterbenden Blicken“ an jeine Bruft
ſinkt: „So lag einſt Bertumm und Pomone, als er auf dem grünenden
Throne das Iprödefte Mädchen betehrt, zuerſt fie die Liebe gelehrt.“
Tie Erzählung der Werbung des VBertunmms um Pomona und feines
ichlienlichen Sieges Steht in den Weetamorphoien 14, 62%.
Tie Erzählung „Lyde“ Ver. 3, S. 18: beginnt mit der Strophe
„Ener Beifall macht mich freier; Mädchen, hört cin neues Lied! doc)
verzeibt, wenn meine Yeier nicht von jenem heil’'gen Feuer der ge-
weihten Tichter glüht.“ In dieſen Zeilen Liegt eine verſteckte Polemif.
Goethe „iteht im einem bewuſtten Gegenſatz zu Klopftod, dem ein:
zigen, der, von dem hoben Werte feiner poetiichen Sendung durd)-
Albert Leitzmann, Zu Goethes Liederbuch „Anmette”, 08
drangen, als ein führer zum Befferen und Höheren daftand“, jagt
Suphan S.66 mit Bezug anf diefe Stelle. Ich glaube, wir brauchen
den befämpften Dichtgenofjen voll „heiligen Feuers“ nicht jo weit
und nicht in einem jo bedeutenden Manne wie Klopſtock zu ſuchen.
Die Stelle, die dem Yeipziger Publifum Goethes gewiß in Bezug
auf die Richtung der darin enthaltenen Spite leichter verſtündlich
war als uns, geht, wie ich glaube, anf den Anfang der „Poctik des
Herzens“ von Scyiebeler, die im Sommer 1766 in Yeipzig geſchrieben
wurde und im gleichen Jahre im zweiten Bande der Hamburgiſchen
Unterhaftungen gedrudt erjdien (vgl, Auserlejene Gedichte ©. 1).
Tas Gedicht begimmt mit den Berſen: „Du, der vom heil’gen Feuer
glüht, womit der Gottheit Hand des Dichters Wruft belebet, das,
wenn Entzüdung ihm durch jede Nerve bebet, ic, in Geſaug ergieft,
hör’, Jüngling, auf mein Lied!" —
Wie hoch der junge Goethe Zachariae verehrte, den er Dftern
1767 an der Schönfopfichen Mittagstajel kennen lernte, wo Zadariae
mehrere Wochen verkehrte, erjehen wir deutlich aus der nad) feiner
Rückkehr nad) Braunſchweig gedichteten Ode an ihn (Nr. 9, ©. 36)
und aus dem Berichte im achten Bud) von Dichtung und Wahrheit
Werke 27, 181). In einer jpäter unterdrüdten Stelle der Vor:
arbeiten zur Selbjtbiographie (Werke 27, 38%) jagt Goethe von dem
jeiner Abreife nad) Yeipzig vorhergehenden Sommer: „Zachariäs
Arbeiten hatten viel 6) gemacht, und weil die Jugend fid immer
nur am Nenjten bildet, jo ging ich nun auf der Spur diejes Schrift
itellers und eignete mir von ihm zu, was fid; einigermaßen mit
meinem Weſen vertrug.“ Zwar ift das meifte von Goethes damaligen
Produftionen nicht auf uns gekommen, aber auch in dem Erhaltenen
hat man Einflüſſe Zachariaes bisher noch nicht nachgewieſen. „Wir
jangen die Lieder von Zachjariä,” erzählt Goethe vom ſich und Häthchen
‘Werfe 27, 110): man darf deshalb darauf wohl hinweiien, daß
das Metrum der Ode „An den Schlaf” (Nr, 10, ©, 38; vol. auch
Vers 20 „Da ſchlaf' die Mutter ein“ mit Hadıariaes Schnupftuch
4, 79 „Sieh auf Belindens Haus die angenchmfte Muh und jchlieh
injonderheit der Mutter Augen zu“) ſich bei Yachariae, Roetische
Schriften 2, 371 in dem Gedicht „Ur den Sylphen Ariel“ wieder
findet das auch jonjt einmal im Buch Annette anzuflingen fcheint
1.3, 1 Wenn, überdedt mit Treffen, der Stutser im fie chwebt⸗
vophe 7 der „Liebhaber“). Wieweit etwa bie von Goethe
vernichteten epiſchen und Iprijchen Gedichte biblischen Auhalts aus
feiner Franffurter Zeit von Zadariaes Stil und Dittion im feinen
an Milton angelehnten Epen und feinen oratorienhaften mufilaliichen
Sedichten beeinflußt waren, läßt fich micht beitimmen; doch läßt
Goethes oben citierte Bemerkung derartiges vermuten. Erwahnt jei
Eupborion IV. 52
"04 Günther Roc, Claurens Einfluß auf Hauij.
auch, daß das im der „Möllenfahrt Chriſti“ Vers 59 verwendete
Klopſtockſche Wort „ Wott verwandte von ihr «der Hölle: jein Antlie
auf ewig” Meſſias 2, 261° das Motto zu Jacjhariaes „Schöpfung
der Hölle“ Poetiſche Schriften 2, 217 iſt. —
Ter aus Proja und Verſen gemiichte Ztil der beiden Erzäh—
lungen „Kunſt die Epröden zu fangen“ Wr. 4 und 5, S. 21. 24
erinnert deutlich an Gerſtenbergs „Tändeleien“. Im bejonderen
it das Motiv von dem in den Wein gefallenen Amor (25, 15
deutlich ti Gerſtenbergs „ppern“ Vermiſchte Schriften 2, 157
vorgebildet, wo es heißt: „Plötzlich fällt einer der Amorn in die
Tiefe des Bechers, vom froben Taumel heruntergeſtürzt, und lachend
heben Die Götter dem allen Freund wieder herans: itzt ſitzt er
rurchtiam anf der Dandhabe des Bechers und ſchauert:“ vergleiche
auch Vermiſchte Schriften 2, 30. Daß Goethe in dieſer Zeit die
„Tändeleien“ gegemmwärtig waren, ſcheint mir auch Vers 6 des nach
Sem 5. März 17657 gedichteten Päans „An den Kuchenbäcker Dändet“
su beweiien: „Süßer als der Zaft, der vom Hymettus fliegt“ ſtimmt
genan zu Gerſtenberg 2, 25 „So MR iſt Donig nicht, der vom
Hymettus fließt.“
Claurens Ginfluß auf Hauff.
Von Günther Koch in Jena.
Zwar iſt hin und wieder die Meinung laut geworden, daß ſich
in Hauifs Novellen, auch wenn man vom „Mann im Monde“ ganz
abſehe, Claurenſcher Einfluß vorfinde, doch hat man ſich wenig an-
gelegen ſein laſſen, das Abhängigkeitsverhältnis feſtzuſtellen. Wahr:
ſcheinlich war Hauff, als er bereits ſeine Ichriftitelleriiche Thätigkeit
begonnen hatte, dein später aufs beftigite angegriffenen Modeſchrift-
jteller keineswegs feindlich geſinnt, ſondern las ihn, wie manchen
andern, weil er Für ſein noch nicht in einer beſtimmten Richtung
gebendes Talent Ztilmufter bedurfte. Mag das befannte Zeugnis
Menzels Danffs Werke von A. Stern 1, S. VI, wonad) der „Dann
im Monde“ nurſprünglich „ein Machwert ganz a la Glauren, und zwar
im vollen Ernſte jo gemeint” war, immerhin übertreiben und im
eriten Entwurf nur da umd dort eine flüchtige, Danff vielleicht ganz
nubewußte Ahnlichkeit mit Clauren vorbanden geweien fein, die dem
sich Leicht ereiferuden Menzel genügte, fein Verdammungsurteil aus:
iniprechen. Jedenfalls mußte das nun zum ick der parodiftiichen
Günther Koch, Claureus Einfluß auf Haufl. 805
Umarbeitung! beginnende Studium Claurens jo umfaſſend ſein und
iſt nad) der Kontroverspredigt auch jo umfaſſend geweſen, daß es
nicht wundernehmen darf, wenn in den Erzählungen Hauffs, die
gleichzeitig oder furz nachher entjtanden, Anklänge an Tlaurenſche
Stileigenheiten und Motive gefunden werden,
Kurz nad) den „Manne im Monde“, noch im Jahre 1826,
erichien „ Die Sängerin“, In diefer Novelle glaubt E. Wechsler Weſter⸗
manns Monatshefte 1894, S. 706) ein leiſes Anlchnen an Elauren
zu veripüren. Mit demjelben Nechte, meint er, wie der „Mann tu
Monde” hätte die „ Sängerin” eine paffende Unterlage fiir eine Clauren-
Karitkatur abgeben fünnen. Daß diefe Behauptungen nur auf unklare
sefühlseindrüden beruhen, zeigt die jonderbare Verweiſung auf die
Ähnlichteit im Charakter der „geheimnisreichen“ Hauptperjonen beider
Erzählungen, des polnifchen Grafen und der itafienijchen Sängerin.
Eine ſolche Ahnlichfeit ift kaum vorhanden, überdies wurzelt das
Geheimnisreiche“ bei Hauff in einer tiefinmerlichen Neigung, die ſich
ſchon in feinen Knabenjahren bemerkbar machte; neue Nahrung fonnte
dieje wohl durch E. Th. A. Hoffmann, aber nicht durch Clauren
erhalten, der in jeinem „Örünmantel von Venedig“ die natürliche
Löſung für alles erzählte Wunderbare jelbjt giebt und bei feiner
nüchternen Auffaffung des Yebens das Walten geheimer Kräfte über—
Eine doppelte Bearbeitung ift auf alle Fülle anzunehmen. Auch die Stelle
zei „Deuticher Yitteratur“ (1886): „er begann mit der Nahahımmg Claurens,
auf meinen Nat in eine Perfiftage desfelben mmmandelte“ (micjt: zu_ einer
Üftage fortführte) deutet darauf bin. Mendheim und Flaiſchlen freilich, fs
Herausgeber, halten es mehr mit Schwab, defien zumeilen mißuerftandene Worte
Einleitung zu Hauffs Werten 1839, 5. 27) bejagen wollen, daß die Erzählung
in einer Folge geichrieben und mur die Abficht am irgend einem Punkte eine andere,
nämlich parodiftiiche geworden jei. Indeſſen verdient Menzels Nachricht von einem
beftimmten Faltum an ſich ſhon mehr — als Schwahs zu ſehr im Tone
einer Kombination gehaltene Auseinanderfeiung. Dazu fommt, baß gerade bie erjten
Napitel bis zum „Kotillon“ die großartigite Wechftage Elaurens enthalten. Wer de
glaubt, daß eine Umvahrjcheintichteit nie die doppelte Ammwefenheit des fchmachtenden
Unbefannten — zuerſt im Tanzjaal, dann irgendwo im mädter Nähe dev Kafel
— in einem nicht jatirifch gemeinten Suche Yanris geftanden haben könne, thut
diejem bitter Unrecht. Wenn Hauff aber in feiner zweiten Bearbeitung nicht
die Tittion aufgeputst, ſondern aud) Fabel und Charaktere verborben, alfo fein Wert
ertrümmert hat, um nad) Kräften ein mewes am feine Stelle zu jeien, fo entfernt
fich die „Darjtellung in der Kontroverspredigt von ber Wirklichleit nicht
mehr. AL die jonderbaren Bermittlungsverfuche, bei denen Menzel viel me jr
nommen wird als Hauff gegeben werden lann, find dann — 6
und Mendheim insbefondere dem Dichter mur auf den lehen jeines Wertes
die Idee pfropfen laſſen, die der Kontroversprebiger als treibenbes Wotiv fir das
Wanze in Anfpruc nimmt, jo laffen fie Hauff ziwme nicht ehrlichen, aber um vieles
unfünſtleriſcher handeln als Menzel, deifen Darftellung zudem die Möglichkeit eines
arten ſittlichen Impulſes, einer Steigerung der äftheriichen Erkenntnis feineamegs
ausichlieht,
62*
[|
syn Günther No, Claurens Cinftuß auf Hauff.
haupt nicht kennt. Nichtsdeltoweniger enthalten die angeführten Norte
Wechslers etwas Wahres. Hauffs Novelliſtik befindet ſich wirklich
in der „Sängerin“ noch auf einer ſehr niedrigen Entwicklungsſtufe
und steht der Glaurentchen Technik, die die Schwäche des Ganzen
oft durch das humoriſtiſche Beiwerk zu verdeden ſucht, überraſchend
nahe. Nirgends fehlt es ſo ſehr an einem triebkräftigen Mittelpunkt,
nirgends hat Hauff alles, was Gelegenheit geboten hätte in die Tiefe
zu geben, jo peinlich vermieden und ſeine Perſonen jo wenig zn
anfchanlichen und glanbwürdigen Gebilden heransgearbeitet wic bier.
Weder die Gewiſſensbiſſe des alten noch das närriiche Gebaren des
jungen PBolnau find binlänglich motiviert. Beide bleiben uns ihrem
ganzen Weſen nach Jo Fremd, daß wir bei ihrer Aiedervereinigung
jo gut wie nichts empfinden. Und ebenſowenig fünnen wir durch dic
Gefahr der Sängerin, den Geliebten zu verlieren, gerührt werden,
da über der Entſtehung des Liebesverhältniſſes ein tiefes Dunkel liegt
und Die Säugerin jelbit nur zu ſehr mach der Claurenſchen Schablone
gezeichnet iſt.
Pauif jagt im der Kontroverspredigt mit Beziehung auf die
übliche Heldin der Claurenſchen Liebesgeſchichten: „Schneidet einmal
dieter Puppe ihre kohlrabenſchwarzen Ringellöckchen ab, preßt ihr die
funkelnden Yiebesiterne aus den Nopfe, reist ihr die Perlenzähne aus,
ſchnallet den Zchwanenhals nebſt Marmorbuſen ab, leget Shamle,
Hüte, Federn, Unter und Oberröckchen, Korſettchen et cetera in den
Kaſten, jo habt ihr dem Lieben, herzlichen Kinde die Seele genommen,
und es bleibt euch nichts als ein hölzernes Kadaver, das Knochen
gerippe von Freund Mei.” Damit iſt der wundeſte Puufkt in der
Schriftſtelleret Claurens getroffen. Allerdings erfordert die Gerechtig
feit auzuerkennen, dan er bie und da Mädchengeſtalten vorführt,
in deren Handlungen Sich Gemüts und harafterftärfe kundgiebt.
Ich erinnere an die kindliche Fürſorge Klementinens fiir den ver
wundeten Tberft „Schlachtichwert“ 1821, an die Fromme Mildthätig—
teit Hannchens genen Die Abgebrammen „Großmutter“ 18249 umd
an die edelmütige Entſagung Joſephinens ,Generalbevollmächtigter“
1021,. Dieſe Joſephine leider in der That unter ſchmerzlichen Seelen:
konflikten: ſchade, daß ſie ihnen ſchließlich doch nur durch das Univerſal⸗
mittel der Heirat enthoben wird. Es hieße ſich alſo einer Verkennung
ſchuldig machen, wenn man behauptete, Clauren ſchätze am Weibe
nichts als die körperlichen Reize. Das mag für die Bonvivants in
den Erzählungen Paul de Kocko gelten. Clauren läßt zwar, üblen
Angewohnheiten der Anafreontit folgend, die längſt hätten abgethan
jein sollen, ungebührlich ort durch den Wind die Buſenhülle feiner
Schönen geloifert werden und feine Delden ſich am Anblid der ent-
blörten Reize beranichen, doch iſt er weit davon entfernt, frivole
Günther Koh, Claurens Einfluß auf Hauff. 507
Genußſucht zu predigen, den Kampf zwiichen Sinnlichkeit und Sittlich⸗
teit als eine altmodiiche Bedentlichteit hinzuftellen. Das Schlimme
ift nur, daß die geiftigen und fittlichen Eigenfchaften feiner Mädchen
zwar überall behauptet, ja mit dem dichten Pinfelftrichen aufgetragen
werden, aber nur jelten und dann nicht anders als im Rahmen
glänzender äußerlicher Vorzüge, namentlich des Neichtums, wirkfam
hervortreten; jie werden weder mitanciert noch zur Ausgejtaltung der
Fabel verwertet. Meift bilden fie mit den körperlichen zujammen
jene vielgliedrigen und dod) jo nichtsjagenden jtereotypen Berjonal-
bejchreibungen, in denen Glauren jeine gänzliche Unfähigteit, das
Weibliche individuell darzuftellen, bewiejen und jic für alle Zeiten
dem Fluche der Yächerlichkeit preisgegeben hat. Ob er eine Stalienerin,
eine Ruffin, eine Deutjche ſchildert, ob ein Bürgermädchen, ein „Maidli*
oder eine Baroneſſe — überall die nämliche plumpe yarbengebung.
Jede bat einen Engelsfopf oder ein lockiges Madonnenföpfchen,
schwarzes oder brandrabenſchwarzes Ningelhaar, brandſchwarze, geiſt⸗
reiche Augen, aud) Feuerräder oder brennende Sterne genannt, ein
ianftes, engefreines oder ausdruckvolles Geſichtchen. Pırpur- oder
ntorallenlippen, die jehwellend oder ſchelmiſch find, eimen kleinen
Zaubermund oder ein gramatblütenes Schnäbelchen, zartes Not auf
den Lilien- oder Pfirſichſamtwangen, einer blendend weißen Hals,
ine jehöne oder reine oder gar marmorne Brut, Schwanen-, Lilien-
oder Alabafterarme, eine Stimme vom weichſtem Wohllaut, einen
herrlichen, tannengleichen Wuchs, Flaumenhände oder Händchen zum
Küſſen und äußerſt niedliche Füßchen. Daneben bejist ſie ein reines,
ſchuldloſes Gemüt, Güte des Herzens, Liebenswürdigleit, Anspruchs:
tojigfeit, beiheidene Hüchtigteit, jungfränfiche Schüchternheit, unan⸗
taftbare Keuſchheit, findlichen Zartſinn umd Wis, furz fie ift nicht
ur eine Hebe⸗ oder Grntiengeftalt, ein Liebreizendes, engelichönes
Geſch ondern geradezu, zumal ſie ungemeine Muſil⸗ und Sprach⸗
tenntuiſſe befitt, insbefondere himmliſch fingt, ein vollendetes Mädchen
Wunderhold, ein jüßes Dinmelsfind, ein Engel. Der Schriftſteller
aber iſt der Marionettenfünftler, der die jo ausitaffierte Figur
mit zwei Fäden in Bewegung jest: fie weint, wenn er beim einen,
fie (acht und tollt, wenn er dem andern anzieht, umd tft int Stande,
in beliebig furzen Zwiſchenräumen vom der einem zu der andern
Thätigkeit überzugehen.
Tiefe Schwäche Claurens, die keineswegs Änumer mit Lüftern-
heit gepaart ft, wird am manchen Stellen des Mannes im Monde,
deren nachträgliche Einſchiebung fich unumftörlich beweiien läpt,
übertreibend nachgeahntt. Als Beifpiel mödjte ich eine Stelle aus
dem Kapitel „Das Tete-a-Tete” anführen. Hier wird die Befangen-
yeit, mir welcher der Graf nadı feinem nächtlichen ujammentreffen
SON Günther Koch, Claurens Einfluß auf Hauff.
wit Ida im Gotteshaus diefer am Morgen entgegentritt, zunächſt
aus allgemeingültigen Beobachtungen heraus erklärt. Plöglidh aber
ift nur die Perſon das die Urſache, und mit der neuen, aber
durchaus Ichiefen Begründung „es war aber aud) unmöglid), bei
dem Engelskind die Faſſung zu behalten“ wird gewaltjam für
folgende Beichreibung a la Glauren Platz gemadt. „Erfreute der
Herrliche Tannenwuche, das Ungezwungene, Graziöſe der Haltung
da8 Auge, war man beinahe geblendet von dem Xilienjchnee der
Haut, von der jungfränlichen Pracht des Alabaſterbuſens, war man
entzückt von dem Roſenſamt der blühenden Wangen, von den zum
Kun geöffneten Norallenlippen, war man wunderbar bewegt von
den Tieblicyen Kontraſt, den ihre brand-brand:brand-raben:raben-
fohlen:tinten-ichwarzen Ringellöckchen und orientaliich geichweiften
Brauen mit den Cyanenaugen machten, war man hingerifien von
dem Hanberlächeln, das die Grübchen in den Wangen, dic Perlen
hinter dem jchöngeforinten Mund zeigte, hätte man hinfliegen mögen,
die zarte Taille mit dem einen Arm zu umfangen, mit dem andern
das Amorettenföpfchen recht feft Mund auf Mund zu drüden — 0!
jo durfte fie ja mur das Auge anfichlagen, durfte nur jenen Blick
voll jungfräulicher Hoheit auf den jündigen Menſchen und jeine
Begierden berabbligen laſſen, jo jchlih man ſich jo ducks und ge-
ſchmiegt hinter die Srenzbarrieren der Beicheidenheit zurüd, als haben
Einen zehn Pappijitatoren und zwanzig Gensd'armes dahinter zurüd:
gedonnerwettert.“ war kommt das Gelehrſamkeit in dieſem Kapitel
nicht zur Geltung. Der „Herr Ineognito“ jtellt aber ſpäter mit ihr
ein Förmliches Eramen an und hat (Welegenheit, ihren flaren Qerftand,
ihr Urteil, ihre Gutmütigkeit, ihren Humor und Witz von Grund
aus fennen zu lernen, ja er erfährt zu feiner Freude, daß fie ſogar
nm Botanit bewandert tit und Die bedeutenditen Geſchichtswerke
gründlich ftudiert bat. Die Leripottung Glanrens, deſſen Mimili
„Mimili“ 1. Auflage 1816, 4. Auflage 1824: befanntlich Vergil
lieit, üt bier fo mit Bänden zu greifen, dan der ganze Abichnitt in
der uriprünglichen, ernit gemeinten Faſſung gleichfalls nicht geftanden
haben fan, mag man den Einfluß Claurens anf diefe jo hoch an-
schlagen wie man will.
Nebren wir nunmehr zur „Züngerin“ zurück, jo müſſen wir
überraſcht ſein, Hanif in einer Richtung, die er theoretiich aufs
ſchäriſte verurteilt bat, in praxi noch ſehr ſtark befangen zu finden.
Nom Nonnmerzienrat erzählt er: „Er ſchien auch alle Urſache zu
baben, fröhlich und guter Tinge zu fein; er hatte fich ein hübfches
Bermögen zuſammenſpekuliert, batte ſich, als es genug fchien,
mit jeiner ‚ran in B. zur Ruhe geiekt amd lebte nun in freude
und Jubel jahbrans, jahrein.” Tas führe uns gleich in das richtige
Günther Koch, Claurens Einfluß auf Hanf. 509
Glaurenjhe Milieu. Wer da Geld hat, kaun gar nichts Befferes
thun, als in dulei jubilo zu leben, und wenn er gleid) einen um:
geratenen Sohn in Amerika hat. Der Graf Barczifoff macht es
gerade jo, während jein Gnfelfind Liesli („Liesli und Elfi, zwei
Schweizergeichichten“ 1321) in der Schweiz darbt. Der Medizital-
rat Lange, dem jeine Praris läftig wird, weil fie ihm zu oft von
jeinem Schügling entfernt hält, ift im Grunde weiter nichts als ein
wenig veredeltes Exemplar jener Klaſſe älterer, gutmütiger Herren,
die in fo vielen Claurenſchen Gejchichten den Liebesfnoten entwirren
helfen, falls dieje Aufgabe nicht wunderlichen alten Tanten zugeteilt
it. Durch das Klatſchen, mit welchem die Sängerin vom Publikum
empfangen wird, zeigt diejes ſich ebenjo jenjationsiuftig wie das
Elaurenjche, das mitunter jelbjt dreimal Hlatjcht, wenn jo viel „Röni-
ginnen des Feſtes“ vorhanden find. Und endlich die Sängerin jelbit,
deren Töne „jchmelzend und jüh wie die Klänge der FIlöte“ find,
auch wenn fie nicht ſingt! Es ift auffallend, wie jehr die ganze Gejtalt
in Claurenſches Kolorit getaucht iſt. Die Bejchreibung ihres Auferen
umd Inneren bewegt ſich durchaus in den allgemeinen ormeln,
von denen wir oben eine Feine Blumenleſe gaben, nur daß Hauff
nicht gerade bombaſtiſch wird. Wenn wir mit dem alten Medizinal-
rat bei ihr eintreten, jo finden wir fie, wie fie den ichönen Kopf im
die zartgeformte Hand jtügt; den Hals fenmen wir bereits aus
früheren Andeutungen als ſchön und ihre Züge als engelrein; die
Erſchöpfung giebt jest ihrem jehr bleichen Geficht einen eigentümlichen
Reiz; ihr dunkles Auge hat nichts von jenem Feuer, jenem Ausdrud
verloren, den man vom Theater her an ihr fennt; wir haben wohl
nie einen jo jchönen Kopf, ein jo Liebliches Geſicht geiehen; ihre
Züge üben durch ihre Verbindung und Harmonie einen Zauber aus,
den wir uns zunächſt nicht erflären können; dann jehen wir's ein:
es iſt jene Neinheit der Seele, jener Adel der Natur, was dieſe
jungfräulichen Züge mit einem überraſchen den Glanz von Schönheit
übergießt; auch ausdrucksvoll find ihre Züge; kurz, wir geben der
Hofe Recht: cs ift ein Engel. Unterjtigt hier Hauff den Maler
auch nur in einem Punkte mehr als Clauren? oder giebt er dem
Pſychologen mehr zu denfen als diejer? Auch in der Schilderung
jeiner anderen Frauengeſtalten find die jchönen Allgemeinheiten zu
häufig, ja Hauff hat. diefe Schwäche nie ganz überwunden, jo jehr
jein Yiebling Hoffmann, z. B. in „Meifter Johannes Wacht“ oder
in „Des Letters Edtfenfter“, geeignet war ihn darans emporzuheben,
sm erften Kapitel des „Othello“ heißt es mit Beziehung auf bie
Peinzeifin: „Man war verjucht zu wünſchen, diejes ſchöne Kind
möchte nicht jo hoch geboren fein; denn dieje friſche Jarbe, dieje
heitere Stine, dieje kindlich reinen, milden Augen, diejer holde
s10 Günther Koch, Claurens Emiluß auf Dauff.
Mund war zur Liebe, nicht zur Verehrung aus der Ferne geſchaffen.“
Dieſe effektvolle Manier it Clauren, zu deſſen Stileigenheiten fie
gehört, abgelauſcht. „Tu ſollſt fie ſehen,“ ſagt im „Chriſtpüppchen“,
einem zweibändigen Romaun : 1823 , der Maler zu ſeinem Freunde:
„aber ſprich fein Urteil über fie aus: dieſe Ziele ergrumdelt du nicht;
das Auge, das in dieſem Geſicht Tpricht: das Lächeln dieſes Mundes;
der Zauber, der in diesen frommen jugen lebe: die hinter tauſend
Scyleiern hervorlugende feine Schelmerei in dieſem Grübchen; die
Anmut dieſer Grazie: die Unſchuld dieſes reinen Herzens, das
Hohe, Edle, das Uberirdiſche dieſes Weſens vermag kein Titian,
fein Correggio mit ſeinem armſeligen Pinſel hinzuhauchen“. In den
„letzten Rittern von Marienburg“ hat Inlius Eliſen nie „ſo reizend,
jo wundervoll“ geſehen, alle ſeine düſteren Gedanken verſchwinden
„vor dem Glanze ihrer Schönheit”. Und noch im „Bild des Kaiſers“
ericheint die Meldin ihrem Verehrer, „wenn ſie lebhaft jpricht, wenn
ihre Augen während ihrer Rede immer heller glänzen und ihre
zarten züge jede ihrer Empfindungen abipiegeln, immer veizender,
liebeswirrdiger zu werden”. Aber genug der Beilpiele. Noch kennen
wir die Sängerin nicht vollitändtg. Wie, wenn ſie ſich ſelbſt bejier
gäbe als der Dichter ſie beſchreibt? Giuſeppa oder, wie ſie auch ge
nannt wird, Schepperl iſt wie alte Mädchen Claurens erſt ſiebzehn
Jahre alt, aber was hat ſie bereits erlebt! Ihr Kindesalter war
höchſt unglücklich. Sie tft von ihrem Ztiefvater aufs rohſte behandelt,
ja gepeiticht worden und hat den Eruſt des Yebens frühzeitig durch
gefoltet, da and die ‚Jührung des Danshaltes und die Erziehung
der jlingeren Geſchwiſter ihr oblag. Alte dieſe Schickſale bat ſie mit
Fanny im „Generalbevollmächtigten“ gemein. Und cbeniowenig wie
dieie ihren ktindiſchen Mutwillen, bat ſie ihre Luſt am Put ver:
loren. Sie geiteht jelbſt, daß fie dem Onkel gern nach Paris gefolgt
tel, weil fie ſich da den „Sitz des Putzes und der Seligkeit“ dachte,
ja fie war „beranscht von to vielem Glück“. Die Flucht aus dem
Bordell läßt ber ihre Tugend feinen weile aufkommen, und ihre
trage: „welches rechtliche Mädchen darf ſich jo über die Wetellichaft
hinwegſetzen, dar es Ihr gleich gilt, was man von ihr jpricht?*
beweiſt, wie iehr ſie daran hält, nicht vertannt zu werden. Aber
auch den Glanremichen Mädchen, ſelbſt den Naturkindern, die in der
„putranlichteit”“ das Stärkſte leiten, iſt dieſer Zug eigen, und ihnen
ſpricht Hauff doch die Seele ab. Zind wir bei teiner Zängerin
nicht vertucht, Das Gleiche zu thun?
Schließlich muß auch darauf hingewieſen werden, daß das Eigen
tümliche, ja Auffallende der Fabel anf Anregung durch Clauren zurück
zujühren iſt. Dieſe Anregung ſtammt aus dem ichon erwähnten „Chrift-
püppchen“« Hier iſt Doralice, eine junge Italienerin aus Albano,
Gunther Koch, Claurens Einfluß anf Hauff. 3811
in Deutſchland ſpäter auch Lidſchchen genannt, in Gefahr, von ihrem
brutalen, gewinnfüchtigen Oheim in das Haus des berüchtigtiten
Wüftlings in Nom, des Lord Harald, verfauft zu werden, der begierig
ift, ſich unter ihrer Leitung im Italieniſchen zu vervollfommnen, Der
Oheim vergiftet Doralicens Mutter, jeine eigene Schweiter, läßt den
deutſchen Maler, der Doralice Liebt, ermorden umd entzieht jeiner
Nichte alle Unterftügung, um jie zu nötigen, auf das Engagement
einzugehen. Doralice erfenmt aber die Gefahr, entflieht mit dem alten
Freunde des ermordeten Malers umd erwirbt ihren Unterhalt als
Zängerin und Harfenſpielerin, bis fie mitleidige Beſchüter und
Ernährer findet. Jeder, der die Gejchichte lieft, erwartet, daß der
Iheim mit dem Lord den Fliehenden nachjege. Noch im zweiten
Band ift man darauf gefaßt, dag der Gräßliche irgendwo auftaucht
und jeine Nichte zurücholt. Auch Hauff hat auf diefe Weije die
empfangenen Eindrücke im jeiner „Sängerin“ fortgefponnen und jo
das Motiv eigentlich) erjt zu Ende geführt. Der Pfeudoontel Ginfeppas
rächt ſich an diefer für feinen Berl Vom Onfel Doralicens,
dem ein großer Gewinn entgangen iſt, erfährt man auffallender-
weiſe nicht, ob er jeine Wut an der Entflohenen zu kühlen verjucht
bat, wozu doch jeine Gemütsart ihn treiben muß. Jenen ereilt die
itrafende Gerechtigkeit, dieſer Lebt umbehelligt weiter. So jteht Hauff,
der Nachiolger, doch künftlerijch höher als jein Vorgänger.
Dieſes Lob wird man Hauff überall zu zollen haben, wo er
ein Claurenſe Motiv anflingen läßt. Die Scene im „Schlacht:
ichwert“ — gens einem jammervollen Machwerf, das mit einem
Ball alle Diffonanzen ausgleicht — iſt gewiß micht übel, wo der alte
daronifierte Schäfer, ergrimmt über jo viel Unmatürlichfeit in der
Weiellichaft, ausınft: „Eine Hundewirtichaft Fönnt Ihr's nenuen,
reines Tollmannswerf. Abends bei jpäter Nachtzeit, wen alle ver
nünftigen Menſchen zu Bette gehen, erft zuſammenzulommen, aus
Tag Nacıt, aus Nacht Tag zu machen! Aber dafiir ficht das ganze
Weibsvolk hier auch aus, als ſollte e8 morgen zu Grabe getragen
werden . . . . Da lob' ich mir unſere Mädels draußen, Hockerchen!
Eins wiegt zehn ſolche arme hieſige Dingerchen auf; friſch wie die
ehe, luſtig wie die Kälber und treuhärig umd ohne Siererei. Bädhen
haben ſie, wie die Vorsdorfer, und jäh euer Poligeipräfident ihnen
in die Augen, jo ließ’ er gleich Feuerlärm ſhlagen — und damit
Punktum.“ Auch die folgenden Klagen des Schäferbarons über das
TIneetrinfen, die bei Hauff die Jungfer Noje im Natskeller jo be
weglich fortgejest, laſſen jich wohl hören: „Wenn meine Alte I Haufe
einmal franf iſt, nu, da kocht fie ſich ihren Thee von Htumelid) üffelchen
oder Flieder, das laſſ' ich pajjieren: aber einen vermänftigen, gejunden
Menſchen auf eine jolche lauwarme, bitterfüne Wafferlutiche zu ſich
— ——
12 Heinrich Ztümde, Pliscellanea zu Goethe und Dadert.
zu Saite zu bitten, it bloße Narrethei, nichts als Dickthuerei.“ Aber
hält die ganze Scene and nur im entiernteiten einen Vergleich aus
mit derjenigen aus den „Memoiren“, wo der ewige Jude bei einem
äfthetiichen Ihee in Berlin die ſchwäbiſchen Mädchen lobt? Hier
find die Kontrafte viel künſtleriſcher ausgeprägt, der Gedanke hat
durch jatiriiche Betrachtung der Zeit an Inhalt gewonnen, er iſt
zu einem Kulturbild geworden. Hauff gehört iiberhaupt nicht, jo viel
Anempfindenes feine Werfe aud) enthalten, zur Klafje der blopen
Nachtreter; in der Vereinigung jeharfer Beobachtungsgabe und fräftigen
Wollens mit jürer, jugendlicher Schwärnterei bleibt ihm der Vorzug
einer anziehenden litterariichen Phyſiognomie.
Miscelauen zu Goethe und Hackert.
Mitgeteilt von Heinrich Ztümde in Berlin.
1. Ter nachfolgende Brief Goethes iſt bislang ungedrudt und von mir nadı
dem im Beſibe eines Nachlommen des Adreilaten befindlichen Triginale wortgetreu
kopiert worden Tieies iſt auf vier Nlein-Uuartieiten durchweg von Goethes Hand
geichrieben und unterzeichnet. Der Adreſſat ut dev Schwager Fb. Hackerts, Hofrat
Behrendt m Verlin, an den die beiden Briefe Nr. 5478 und 5036 der Weimari
jhen Ausgabe gerichtet nd, Die ſich wie dev vorbiegende auf Goethes Bearbeitung
der von Dadert hinterlaſſenen Papiere beziehen Tas von Goethe erwähnte Taxat
der Gemmen Hackerts war von dem Berliner Steinſchneider Calandrelli erfolgt.
Ta der preußiſche Staat der politiſchen Kataſtrophen halber von einem urſprünglich
geplanten Ankaui abichen mußte, famen die Erben auf den im Briefe erwähnten
Yotterieplan
VBerlin 1 Oect. 1811)"
Wohlgehohrner
Inſonders hochgeehrteſter
Herr Hofrath,
Auf Ew Wohlgeb. gefaltiges Schreiben von Teen huj. verfehle nicht ın
Antwort zu erwiedern: dat Die Hackertiſche Biogravphie der Cottaiſchen uch
handlung Fir 400 Tb Sächſnch iberlaſfſen worden: da denn 200 Tb. als die den
Tier iit Vermert des Empfangers Ter Güte des gegemwärtigen Heraue
gebers der Weimariichen Brrefausgabe, Herrn Tr 3. Freſenins, und der Tireltion
des Woerbe und Schiler Archivs verdanke ıch die Mittenung, daß der (im Uriginal,
wie es öcheint, nicht datierte Brief am 21 Zeptember 1811 geichrieben iR, daß
dev Rame des Empfängers m früheren Vrieibänden, vermutlich auf Grund von
Aufzeichnungen Riemers, fälſchlich „Rehrens“ lautet und daß die richtige Namens
form, die ich oben eingeiert habe, auf Goethes eigenhändiger —— in ſein
Tagebuch 20. Oktober 1811 und auf dem Truct des „Philipp Hackert“ Werke 46,
u8* beruht A. Zaucr.
Heinrich Stiimde, Miscellanen zu Goethe md Hadert. 813
T. Herren Erben zugehörige Häffte bey mir zu Erhebung bereit liegt Ew. Wohl«
gebohren überlaffe irgend jemanden zu dem Empfang deſſelben autorisieren
Oder mir anzuzeigen, auf welche Weife id) fie Fhnen übermachen hit.
Ter Yotterie Plan ift von mir empfohlen worden und obgleich die Dieynungen
darüber getheilt find; jo hoffe ic doch, daß einige Looſe werden genommen werden,
wovon id) zu jeiner Zeit Nachricht ertheilen [werde]. Die zurid behaltnen Antifen
Steine haben zwar wahrhaften Kimſtwerth; aber die Breife, nad) dem mir befannten
Verzeichnis, find in früherer Zeit angefebt, jest aber, da jo viele Kunftwerte verfäuflich
„find, möchten fie fcnverlich zu erhalten feyn. Wollten Erw. Wohlgebohren fid des«
halb mit Alterthums Kennern berathen und mir von etwa verminderten Preifen
Nachricht geben; jo wiirde ich vermögenden Yiebhabern gern aufs Neue diefe un
ichätbaren Werte anbieten. Die mir anvertrauten Papiere ſowie die wenigen wohl-
gerathmen Abgüffe der Geumen jende — zuriick, Emyfete mich bren
geneigten Andenken, mit der Verficherung, daß ich gern etwas Angenehmes und
Dienfliches zu erzeigen jederzeit geneigt bin. Der ih die Ehre habe, mich mit
beſonderer Hochachtung zu unterzeichnen
Ew. Wohlgebohren
ergebenſter Diener
IWoGoethe.
2. In den leiten zwei Abſchnitten feines Werkes über Hadert berichtet Goethe
turz über das Yebensende der beiden Brüder Georg und Phrlipp: „Diejer Bruder
ward ihm aber bald durd) den Tod geraubt. Er ftarb ben 4. November 1805,
noch nicht fünfzig Jahr alt. Ex wurde als Proteftant in Yivorno ben; denn
in Florenz ift feine Grabſtätte für Proteftanten ... Nod) ein ganzes Jahr verlebte
Hadert in völliger Thätigfeit; doch ward er gegen Ende von 1806 vom Schlagfluh
befallen, worauf er noch einige Zeit mit Sefnmung und Hoffnung lebte, bis er im
April 1807 die Welt verlieh.” ES iſt danach micht ohne Intereſſe, aus dem Toten»
jchein Philipp Haderts die näheren Daten feines Todes zu erfahren:
L. 8.
N venti nove Aprile alle ore 9%), di sera dell’ anno mille olto cento
sette mori in Firenze d’una febbre morbosa il Sig” Filippo Hackert in etä
. nativo .... II di lui cadavere trasportato qui alla eonsegna di Seha-
stiano Gori suo cameriere fu decentemente solterrato nel cimitierio di
nazioni olandese allemanno e danese il 2 del mese di mapgio 1807 alle
ore 6 dopo il pranzo.
Ciö attesta con proprio pugno e sigillo
6. P. Schulthesius
Livorno 4 maggio. Ministro eeclesiastieo.
1807.
1805 in Yivorno beftattet worden i
Auch der Totenihein Georg — llegt vor, wonach er am 7. Noveniber
04 Bintber Roc, Claurens Einfluß auf Hauif.
auch, dan das in der „Möllenfahrt Chriſti“ Vers 59 verwendete
slopitodiche Wort „ Wott: verwandte von ihr der Hölle ſein Antlik
anf ewig“ Meſſias 2, 261: das Motto zu Fachariaes „Schöpfung
der Hölle” Poetiſche Schriften 2, 217 it. - -
Ter aus Proja und Verſen gemiſchte Ztil der beiden Erzäh
lungen „Nunft die Zpröden zu Fangen“ Ir. 4 und 5, 2. 21. 24:
erinnert dentlid) an (Werftenbergs „Tändeleien“. Im bejonderen
it das Motiv von dem in den Wein gefallenen Amor +25, 15:
deutlich im Gerſtenbergs „zZypern“ Vermiſchte Schriften 2, 157,
vorgebildet, wo es heist: „Möglich Fällt einer der Amorn in dic
Tiefe des Rerbers, von froben Taumel heruntergeſtürzt, und lachend
heben die (Hütter den nalen Freund wieder heraus: it ſitzt er
furchtſam auf der Handhabe des Nechers und ſchauert:“ vergleiche
auch Vermiſchte Schriften 2, 30. Daß Goethe im dieſer Zeit die
„Tändeleien“ gegenwärtig waren, Tcheint mir auch Vers 6 des nadı
Sem 5. März 1767 gedichteten Päans „Au den Kuchenbäder Händel“
zu bewerren: „Süßer als der Saft, der vom Hymettus fliept” Itimmt
genau zu Gerſtenberg 2, 25 „Zo tür iſt Donig nicht, der vom
Hyniettus flient.“
Elunrens Einfluß auf Hauff.
on Günther Noch im Jena.
war tt hin und wieder die Meinung laut geworden, daR ſich
in Hauifs Movellen, auch wenn man vom „Mann im Monde“ gan;
abtehe, Claurenſcher Einfluß vorfinde, doch hat man sich wenig an:
gelegen fein laſſeu, das Abhängigteitsverhattmis feſt zuſtellen. Wahr:
icheintich war Hauif, als er bereits eine Ichriftitellertiche Thätigkeit
begonnen hatte, Dem ſpäter aufs heitigite angegriffenen Modeſchrift
jteller keineswegs Teindlich geſinnt, ſondern las ih, wie manchen
andern, weil er für ſein noch nicht im einer beſtimmten Richtung
gehendes Talent Ztilmmiter bedurfte. Mag das befannte Zeugnis
Menzels Hauifs Werke von A. Stern 1, 2. VI, wonad) der „Dann
im Monde“ uripriinglich „ein Machwert ganz a la Glauren, umd zwar
im vollen Ernſte jo gemeint“ war, immerhin iibertreiben und im
eriten Entwuri nur da und dort eine flüchtige, Hauff vielleicht ganz
unbewußte Abnlichkeit mir Clauren vorhanden geweſen jein, die dem
ſich leicht ereiiernden Menzel genügte, fein Kerdammungsurteil aus:
suiprechen. Jedenfalls mußte das nun zum Sie der parodiftiichen
Günther Koch, Claurens Einfluß auf Hanf. 305
Umarbeitung ') beginnende Studium Clauvens jo umfaſſend jein und
it mad) der Kontroverspredigt aud) jo umfajjend gewejen, daß es
nicht wundernehmen darf, wenn in den Erzählungen Hauffs, die
gleichzeitig oder kurz nachher entjtanden, Anklänge an Tlaurenſche
Stileigenheiten und Motive gefunden werden.
Kurz nad) dem „Manne im Monde“, noch im Jahre 1826,
erjchien „Die Sängerin“. In diefer Novelle glaubt E, Wedjsler (Mejter-
manns Monatshefte 1894, ©. 706) ein leifes Anlehnen an Clauren
zu verjpüren. Mit demjelben Rechte, meint er, wie der „Mann im
Monde” hätte die „Sängerin“ eine pafjende Unterlage für eine Clauren-
Karikatur abgeben fönnen. Daß dieje Behauptungen nur auf unklaren
Sefühlseindrüden beruhen, zeigt die jonderbare Verweiſung anf die
Ähnlichteit im Charakter der „geheinmisreichen“ Hanptperfonen beider
Erzählungen, des polnischen Grafen umd der italienijchen Sängerin.
Eine ſolche Ähnlichteit ift kaum vorhanden, Überdies wurzelt das
„Beheinmisreiche” bei Hauff in einer tiefinmerlichen Neigung, die ſich
jchon in jeinen Srabenjahren bemerkbar machte; meue Nahrung Fonnte
diefe wohl durch E. Th. A. Hoffmann, aber nicht durch Clauren
erhalten, der in jeinem „Örünmantel von Venedig“ die natürliche
Löſung für alles erzählte Wunderbare felbjt giebt und bei jeiner
nüchternen Auffaſſung des Lebens das Walten geheimer Kräfte über—
+ Eine doppelte Bearbeitung iſt auf alle Fälle anzumehmen. Auch die Stelle
Menzels „Deutjcher Litteratur (1836): „er begann mit der Nachahmung Claurens,
auf meinen Nat in eine Berfiflage desfeiben unnvandelte“ (nicht: zu ER
Terfiftage fortführte) deutet darauf hin. Mendheim und reiten ichlen freilich,
Herausgeber, halten 3 mehr mit Schwab, deifen zumeilen mißuerflandene Mi
Einleitung zu Hauffs Werlen 1830, &, 27) bejagen wollen, dafı die Erzählung
m einer Folge geichrieben md mer die Abficht an irgend einen Punkte eine andere,
nändic, parodiftiiche geworden ſei. Indeſſen verdient Menzels Nachricht von einem
beftimmten Faltum am fich ſchon mehr — als Schwabs zu ſehr im Tone
einer Kombination gehaltene Yırseinanderjeßung. Dazu fommt, ba gerabe en Eu
Napitel bis zum „Kotillon“ die guoßartigfte Berfiflage Glawens enthalten, W
glaubt, dag eine Unwabrjceinlichteit wie die doppelte — jeit des ae
Ünbetannten — zuerft im Tanzjaal, danır irgendivo it ter Nähe der SH
— in einem wicht, ſatiriſch gemeinten Buche Yanfs geRanben jaben fünne,
diejem, bitter Unrech. Wenn Hauff aber in feiner zweiten it bi
die ittion aufgeputst, fondern auch Fabel umd Charaktere verborben, aljo fein Wert
wümmert hat, um nad) Kräften eim neues an jeine Stelle zur jelsen, jo entfernt
ii die Darjtellung in der Kontroverspredigt von ber Wirklichkeit DE allzuweit
mehr. All die ſonderbaren Bermittlungsw a bei denen Menzel viel mehr lm
nommen wird als Hauff gegeben werden kann, find
und Mendhein insbejondere den Dichter mir auf ben I "
die Idee pfropfen laffen, die der SKonmoversprediger als tweibendes Motiv für das
Sarze in Anſpruch mmmt, fo faffen fie Hauff zwar nicht ehrlicher, aber um bieles
zutünffeeiicher Dandetn als Meuzel, deffen Daritellung zudem die Mögtichfeit eines
starten ſittlichen Impulſes, einer Steigerung ber ftberischen Exfenntmis feinestuegs
ausichlicht.
52*
syn Günther No, Claurens Einfluß auf Hauff.
haupt nicht kennt. Nichtsdeſtoweniger enthalten die angeführten Worte
Wechsters etwas Wahres. Hauffs Movelliſtit befindet ich wirklich
in der „Sängerin“ noch auf einer ſehr niedrigen Entwicklungsſtnie
und Steht der Claurenſchen Technik, die die Schwäche des Ganzen
oft durch das humoriſtiſche Beiwerk zu verdecken ſucht, überraſchend
nahe. Nirgends fehlt es ſo ſehr an einem triebkräftigen Mittelpunkt,
nirgends hat Hauff alles, was Gelegenheit geboten hätte im die Tiefe
zu gehen, jo peinlich vermieden und jeine Perſonen jo wenig zu
anſchanlichen und glaubwürdigen Gebilden herausgearbeitet wie bier.
Weder die Gewiſſensbiſſe des alteu noch das närriſche Gebaren des
jungen Bolnau ſind hinläuglich motiviert. Werde bleiben uns ihrem
ganzen Weſen nach Jo Fremd, daR wir bei ihrer Wiedervereinigung
jo gut wie nichts empfinden. Und ebenſowenig fünnen wir durch die
Gefahr der Sängerin, den Geliebten zu verlieren, gerührt werden,
da über der Entſtehung des Liebesverhältniſſes ein tiefes Dunkel Liegt
und die Sängerin ſelbſt nur zu ſehr mach der Klaurenichen Schablone
gezeichnet it.
Haufi ſagt in Der Montroverspredigt mit Beziehung auf die
übliche Heldin der Ckaurenſchen Liebesgeſchichten: „Schneidet einmal
dieſer Puppe ihre kohlrabenſchwarzen Ringellöckchen ab, preßt ihr die
funkelnden Liebesſierne aus dem Kopie, reißt ihr die Perlenzähne aus,
jchmallet den Schwauenhals nebſt Marmorbuſen ab, leget Shawls,
Hüte, Federn, Unter und Oberröckchen, Korſettchen et eetera in den
Kaſten, jo habt ihr dem Lieben, herzlichen Kinde Die Seele genommen,
und es bleibt euch nichts als ein bölzernes Kadaver, das Knochen
gerippe don Freund Heun.“ Damit iſt der wundeſte Puutt in der
Sihriftjtelleret Claurens getroffen, Allerdiugs erfordert die Gerechtig
feit anzuerfennen, dan er bie und da Meädchengritalten vorführt,
in deren Handlungen ſich Gemüts und Eharakterſtärke tundgiebt.
Ich erinnere am die kindliche Fürſorge Klenentinens für den ver
wundeten Oberit „Schlachtichwert“ 1821, an die fromme Mildthätig
keit Haunchens gegen die Abgebrannten „Großimutter“ 13211 md
an die edelmütige Entſagung Joſephinens „Generalbevollmächtigter“
18021,. Dieſe Joſephine leider in der That unter ſchmerzlichen Seelen:
konflikten: ſchade, dan ſie ihnen ſchließlich doch nur durch das Univerſal—
mittel der Heirat enthoben wird. Es hieße ſich alſo einer Verkennung
ſchuldig machen, wenn man behauptete, Clauren ſchätze am Weibe
nichts als die körverlichen Reize. Tas mag für die Bonvivants in
den Erzählungen Paul de Kocks gelten. Clauren läßt zwar, üblen
Angewohnheiten der Anafreontit folgend, die längit hätten abgethan
jein sollen, ungebührtich oft Durch den Wind die Buſenhülle feiner
Schönen aelodert werden und Seine Melden ſich am Anblic der ent
blößten Netze beramichen, doch it er weit davon entfernt, frivole
Günther Koh, Claurens Einfluß auf Hauff. 507
Genußſucht zu predigen, den Kampf zwiſchen Sinnlichteit und Sittlich⸗
teit als eine altmoͤdiſche Bedentlichteit hinzuſtellen. Das Schlimme
iſt nur, daß die geiſtigen und ſittlichen Eigeuſchaften ſeiner Mädchen
zwar überall behauptet, ja mit den dickſten Pinſeiſtrichen aufgetragen
werden, aber nur jelten und dann nicht anders als im Nahmen
glänzender äußerlicher Vorzüge, namentlich des Meichtums, wirkſam
hervortreten; jie werden weder nünnciert noch zur Ausgejtaltung der
Fabel verwertet. Meift bilden jie mit den förperlichen zufanmen
jene vielgliedrigen und doc) jo nichtsjagenden jtereotypen Perjonal-
bejchreibungen, in denen Glauren jeine gänzliche Unfähigkeit, das
Weibliche individuell darzuftellen, bewiejen und jich für alle Zeiten
dem Fluche der Yächerlichkeit preigegeben hat. Ob er eine Italienerin,
eine Ruffin, eine Deutſche ſchildert, ob ein Bürgermädchen, ein „Maidli”
oder eine Baroneſſe — überall die nämliche plumpe Farbengebung.
Jede hat eimen Engelsfopf oder ein Lodiges Madonnenföpfchen,
ſchwarzes oder brandrabenſchwarzes Ningelhaar, braudſchwarze, geift-
reiche Augen, auch Feuerrüder oder brennende Sterne genannt, eim
ſanftes, engelreines oder ausdruckvolles Geſichtchen, vurpur⸗ oder
Korallenlippen, die ſchwellend oder ſchelmiſch Find, einen kleinen
Zaubermund oder ein granatblütenes Schnäbelchen, zartes Rot auf
den Lilien- oder Pfirſichſamtwangen, einen bleudend weißen Hals,
eine ſchöne oder reine oder gar marmorne Brut, Schwanen-, Lilien⸗
oder Alabafterarıne, eine Stimme von weichitem Wohllaut, einen
herrlichen, tannengleichen Wuchs, Flaumenhände oder Händchen zum
Küſſen und äuß. niedliche Füßchen. Daneben beſitzt ſie ein reines,
jchuldloſes Gemüt, Güte des Herzens, Liebenswürdigfeit, Auſpruchs
tofigfeit, beſcheidene Züchtigkeit, jungfräufiche Schüchternheit, unan-
taftbare Keuſchheit, findlichen Zartfiun umd Wi, kurz fie ift nicht
um eine Hebe- oder Gratiengejtalt, ein liebreizendes, engelichönes
Geſchöpf, jonderm geradezu, zumal fie ungemeine Mufik- und Sprad)-
fie befigt, insbejondere himmliſch fingt, ein vollendetes Mädchen
Wunderhold, ein ſüßes Himmelsfind, ein Engel. Der Schriftfteller
aber ift der Marionettenfünftler, der die jo ausjinffierte Figur
mit zwei ‚Fäden im Bewegung fett: fie weint, wenn er dem einen,
fie (acht und tolft, werm er den andern anzieht, und ift im jtande,
in beliebig furzen Zwiſchenräumen von dev einen zu der andern
Thätigkeit überzugehen.
Dieſe Schwäche Claurens, die feinesiwegs immer mit Lüſſern⸗
heit gepaart it, wird an manchen Stellen des Mannes iin Monde,
deren nachträgliche Einfchiebung ſich unumförlid beweilen läßt,
übertreibend nachgeahntt. Als Beiſpiel möchte ich eine Stelle aus
den Napitel „Das Tete-a-Tete“ anführen. Dier wird die Befangen-
heit, mit welcher der Graf mac) feinem nächtlichen Yujammentreffen
SUN Günther Rod), Cliaurens Einfluß auf Hauff.
mit Ida im Gotteshaus dieſer am Morgen entgegentritt, zunächſt
aus allgemeingültigen Beobachtungen heraus erklärt. Plötzlich aber
iſt nur die Perſon Idas die Urſache, und mit der neuen, aber
durchaus ſchiefen Begründung „es war aber auch unmöglich, bei
dem Engelskind die Faſſung zu behalten“ wird gewaltſam für
folgende Beſchreibung a la Clauren Platz gemacht. „Erfrente der
herrliche Tannenwuchs, das Ungezwungene, Graziöſe der Haltung
das Auge, war man beinahe geblendet von dem Lilienſchnee der
Haut, von der jungfräulichen Pracht des Alabaſterbuſens, war man
entzückt von dem Roſenſamt der blühenden Wangen, von den zum
Kun geöffneten Korallenlippen, war man wunderbar bewegt von
dem lieblichen Kontraſt, den ihre brand-brand-brand⸗raben-raben
kohlen tinten ſchwarzen Ringellöckchen und orientaliſch geſchweiften
Brauen mit den Cyanenaugen machten, war man hingeriſſen von
dem Zauberlächeln, das die Grübchen in den Wangen, die Perlen
hinter dem jchöngeformten Mund zeigte, hätte man hinfliegen mögen,
die zarte Taille mit dem einen Arm zu umfangen, mit dem andern
das Amorettentöpfchen recht fett Mund auf Mund zu drüden — o!
jo durfte jie ja nur das Ange aufichlagen, durfte nur jenen Blick
voll jungfiräulicher Hoheit auf den jündigen Menſchen und jeine
Begierde hberabbligen lajien, jo jchlih man ſich jo duds und ge
ſchmiegt hinter die Grenzbarrieren der Bejcheidenheit zurüd, als haben
Einen zehn Pappijitatoren und zwanzig Gensd'armes dahinter zurüd:
gedonnerwettert.“ var kommt ‘das (Selehrjamfeit in dieſem Napitel
nicht zur Geltung. Ter „Herr Incognito“ ftellt aber ſpäter mit ihr
ein Förmliches Eramen an nnd hat Gelegenheit, ihren klaren Zeritand,
ihr Urteil, ihre Sutmittigfeit, ihren Dumor und Wie von Grund
ans kennen zu lernen, ja er erfährt zu teiner ‚yreude, daß fie jogar
in Botanit bewwandert iſt umd die bedeutenditen Geſchichtswerke
griimdlich Itudiert bat. Die Verſpottung Claurens, deffen Mimili
„Mimili“ 1. Auflage 1816, 4. Auflage 1824: bekanntlich Vergil
lieit, ift bier jo mit Bänden zu greifen, daß der ganze Abjchnitt in
der urſprünglichen, ernit gemeinten Faſſung gleichfalls nicht geftanden
haben kann, mag man den Einfluß Glaurens anf dieſe jo hoch an
Ichlagen wie man will.
Nebren wir nunmehr zur „Zängerin“ zurück, jo müſſen wir
überratcht fein, Hauff in einer Richtung, die er theoretiich aufs
ſchäriſte verurteilt hat, in praxi noch ſehr Itarf befangen zu finden.
Som MNonmmeryienrat erzählt er: „Er ichien auch alle Arjache au
haben, fröhlich umd guter Dinge zu sein: er hatte ſich ein hübjches
Vermögen zuſammien'pekuliert, hatte ſich, ale es genug fchien,
nit jeiner Frau in B. zur Ruhe geießt und lebte num in Freude
und Jubel jahrans, jahren.” Tas führt uns gleich in das richtige
Gunther Koch, Claurens Einfluß auf Hauff. soH
Claurenſche Milien. Wer da Geld hat, kann gar nichts Beſſeres
thun, als in dulei jubilo zu leben, und wenn er gleich einen un—
geratenen Sohn in Amerika hat. Der Graf Barczifoff macht cs
gerade fo, während jein Entelfind Liesli („Liesli und Elfi, zwei
Schweizergeſchichten“ 1821) in der Schweiz darbt. Der Medizinal-
rat Lange, dem jeine Praxis Läftig wird, weil fie ihn zu oft von
jeinem Schützling entfernt hält, ift im Grunde weiter nichts als ein
wenig veredeltes Exemplar jener Klaſſe älterer, gutmütiger Herren,
die in fo vielen Claurenjchen Gejchichten den Liebesfnoten entwirren
helfen, falls diefe Aufgabe nicht wunderlichen alten Tanten zugeteilt
ift. Durd) das Klatſchen, mit welchem die Sängerin vom Publikum
empfangen wird, zeigt diejes ſich ebenjo jenjationsiuftig wie das
Claurenſche, das mitunter ſelbſt dreimal klatſcht, wenn jo viel „SKRöni-
ginnen des Fejtes“ vorhanden find. Und endlich die Sängerin jelbit,
chmelzend umd füß wie die Klänge der zlöte“ find,
aud) wenn jie nicht fingt! Es ift auffallend, wie jehr die ganze Geſtalt
in Claurenſches Kolorit getaucht iſt Die Beſchreibung ihres Äußeren
und Inneren bewegt fi durchaus in den allgemeinen Formeln,
von denen wir oben eine Feine Blumenleje gaben, nur dag Hauff
nicht gerade bombaſtiſch wird, Wenn wir mit dem alten Medizinal-
rat bei ihr eintreten, jo finden wir fie, wie fie den jchönen Kopf im
die zartgeformte Hand jtügt; den Hals fennen wir bereits aus
früheren Andeutungen als ſchön und ihre Züge als engefrein; die
Erjhöpfung giebt jett ihrem jehr bleichen Gejicht einen eigentümlichen
Reiz; ihr dunkles Auge hat nichts von jenem Feuer, jenem Ausdrud
verloren, den man vom Theater her an ihr fennt; wir haben wohl
nie einen jo jchönen Kopf, ein jo Liebliches Geficht gejehen; ihre
Züge üben durch ihre Verbindung und Harmonie einen Zauber aus,
den wir mus zunächjt nicht erflären fünnen; dann jehen wir's ein:
es iſt jene Neinheit der Seele, jener Adel der Natur, was dieje
jungfräulichen Züge mit einem überrafchenden Glanz von Schönheit
übergießt; auch ausdrudsvoll find ihre Züge; kurz, wir geben der
Zofe Nedt: es iſt eim Engel. Unterftiitt hier yo den Maler
aud nur in einem Punkte mehr als Clauren? oder giebt er bem
Finchologen mehr zu denfen als diefer? Auch im us Schilderung
jeiner anderen Frauengeſtalten find die ſchönen Allgemeinheiten zu
häufig, ja Hauff hat. diefe Schwäche nie ganz überwunden, jo jehr
fein Liebling Hoffmann, z. B. in „Meifter Johannes Wacht“ oder
in „Des Verters Eckfenfter“, geeignet war ihn daraus emporzuheben,
Im erften Kapitel des „Othello“ Heißt es mit Beziehung auf die
Prinzeffin: „Man war verjucht zu wünſchen, diejes jchöne Sind
möchte nicht jo hoch geboren fein; denn dieje friſche Farbe, dieſe
heitere Stirne, dieje Andlic reinen, milden Augen, dieſer holde
x10 chünther Koch, Claurens Einiluß auf Hauif.
Mund war zur Liebe, nicht zur Verehrung aus der Ferne geichaffen.”
Dieſe effettvolle Manier iſt Claunren, zu deſſen Stileigenheiten ſie
gehört, abgelauſcht. „Tu ſollſt sie ſehen,“ ſagt im „Chriſtpuppchen“,
einem zweibändigen Roman «1823 , der Muler zu feinem Freunde:
„aber Iprich fein Urteil iiber sie aus: dieſe Tiefe ergrundelt du nicht:
das Auge, das in dieſem Geſicht ipricht: das Yacheln dieſes Mundes:
der Zauber, der in dieſen frommen zzugen Lebe: die hinter tauſend
Scjleiern hervorlugende feine Schelmerei in dieſem Grübchen; die
Anınut diejer Grazie; die Unſchuld dieſes reinen Herzens, das
Hohe, Edle, das Uberirdiſche dieſes Weſens vermag fein Titian,
fein Correggio mit ſeinem arınjeligen Piniel hinzuhauchen“. In den
„letzten Rittern von Marienburg“ hat Julius Eliſen nie „ſo reizend,
ſo wundervoll“ geſehen, alle ſeine düſteren Gedanken verſchwinden
„vor dem Glanze ihrer Schönheit“. Und noch im „Bild des Kaiſers“
erſcheint die Heldin ihrem Verehrer, „wenn ſie lebhaft ſpricht, wenn
ihre Augen während ihrer Rede immer heller glänzen und ihre
zarten Züge jede ihrer Empfindungen abſpiegeln, immer reizender,
liebeswürdiger zu werden”. Aber genug der Beiſpiele. Noch kennen
wir die Sängerin nicht vollſtändig. Wie, wenn ſie ſich ſelbſt beſſer
gäbe als der Dichter ſie beſchreibt? Ginſeppa oder, wie ſie auch ge
nanut wird, Schevperl tt wie alle Mädchen Claurens erſt ſiebzehn
Jahre alt, aber was hat ſie bereits erlebt! Ihr Kindesalter war
höchſt unglücklich. Sie iſt von ihrem Stiefvater aufs rohſte behandelt,
ja gepeitſcht worden und hat den Ernſt des Lebens frühzeitig durch
gekoöſtet, da auch die Führung des Haushaltes und die Erzichung
der jüngeren Geſchwiſter ihr oblag. Alte dieſe Schickſale hat ſie mit
Fanny im „Seneralbevollmächtigten”“ gemein. Und ebenſowenig wie
dieſe ihren ktindiſchen Mutwillen, bat ſie ihre Luſt am Pie ver—⸗
loren. Sie geſteht ſelbſt, daß ſie dem Tafel gern nach Paris gefolgt
ſei, weit ſie sich da den „Sitz des Putzes und der Seligkeit“ dachte,
ja Ste war „berantcht von To vielem Glück“. Die Flucht aus dem
Bordell läßt über Ihre Tugend keinen jweifel auftommen, und ihre
stage: „welches rechtliche Mädchen darf ſich To über die Weiellichaft
hinwegſetzen, daß es Ihr gleich gilt, was man von ihr jpricht?”
beweiſt, wie Jebr Ste daraui halt, nicht verkannt zu werden. Aber
auch den Elaurenſchen Mädchen, ſelbſt den Naturkindern, die in der
„RButranlichteit“ das Stärkſte leiſten, iſt dieſer ug eigen, und ihnen
ſpricht Hauif doch Die Zeele ab. Zind wir bei jeiner Zängerin
nicht vertucht, Das Gleiche zu thun?
Schließlich muß auch daranf hingewieſen werden, daß das Kigen
tümliche, ja Auffalleunde der Fabel anf Anregung durch Clauren zurück
zuführen Ft. Tieie Anregung ſtammt ans dem ſchon erwähnten „Chriſt
piippchen“.“ Hier iſt Doralice, eine junge Italieuerin aus Albano,
Günther Koch, Claurens Einfluß auf Hauff. 811
in Deutſchlaud ſpäter auch Lidſchchen genannt, in Gefahr, von ihrent
brutalen, gewinnſüchtigen Oheim in das Haus des berüchtigtſten
Wüſtlings in Nom, des Lord Harald, verlauft zu werden, der begierig
iſt, ſich unter ihrer Yeitung im Jalieniſchen zu vervollfommnen. Der
Oheim vergiftet Doralicens Mutter, feine eigene Schweiter, läßt den
deutſchen Maler, der Doralice liebt, ermorden und entzieht feiner
Nichte alle Unterftügung, um fie zu nötigen, auf das Engagement
einzugehen. Doralice erfennt aber die Gefahr, entflicht mit dem alten
Freunde des ermordeten Malers und erwirbt ihren Unterhalt als
Zängerin und Harfenjpielerin, bis jie mitleidige Beſchüter umd
Ernährer findet. ‚Jeder, der die Geſchichte Kieft, erwartet, daß der
Theim mit dem Lord den Fliehenden nachſetze. Nod) im zweiten
Band ift man darauf gefaßt, daß der Gräßliche irgendwo auftaucht
amd jeine Nichte zurückholt. Auch Hauff hat auf dieſe Weije die
empfangenen Eindrücke im feiner „Sängerin“ fortgejponnen und jo
das Motiv eigentlich erft zu Ende geführt. Der Pfendoonfel Giuſeppas
rächt ſich an diefer für feinen Berluft. Bon Ontel Doralicens,
dem ein großer Gewinn entgangen it, erfährt man auffallender-
weije nicht, ob er jeine Wut am der Entflohenen zu fühlen verſucht
hat, wozu doc) jeine Gemütsart ihn treiben uf. genen ereilt die
itrafende Gerechtigkeit, diefer lebt unbehelligt weiter. So ſteht Hauff,
der Nachfolger, doch künſtleriſch höher als jein Vorgänger,
Diejes Yob wird man Hauff überall zur zollen haben, wo er
ein Claurenſches Motiv anklingen läßt. Die Scene im „ chlacht⸗
chwert · — übrigens einem jommervollen Machwert, das mit einem
Ball alle Diffonanzen ansgleicht — ift gewiß nicht übel, wo der alte
baronifierte Schäfer, ergrimmt über jo viel Ummatürlichfeit in der
Geſellſchaft, ausruft: „Eine Hundewirtſchaft fönnt Ihr's nennen,
reines Tollmannswerk. Abends bei ſpäter Nachtzeit, wenn alle ver-
nünftigen Menſchen zu Bette gehen, erjt zujammenzufommen, aus
Tug Nacht, aus Nacht Tag zu machen! Aber dafür fieht das ganze
Weibsvolf hier auch aus, als follte es morgen zu Grabe getragen
werden 22... Da lob' ich mir unjere Mädels draußen, Hodercen!
Eins wiegt zehn ſolche arme hiefige Dingerchen auf; friſch wie die
Rebe, tuftig wie die Kälber und treuhärig und ohne Ziererei. Bädhen
haben fie, wie die Borsdorfer, und jäh” euer Polizeipräfident ihnen
in die Augen, jo ließ’ er gleich Feuerlärm fchlagen — und damit
Punktum.“ Auch die folgenden lagen des Schäferbarons über das
Theetrinfen, die bei uff die Yungfer Roſe im Natsteller jo ber
weglich fortgejett, laſſen jich wohl hören: „Wenn meine Alte zu Haufe
einmal frank ift, nu, da kocht fie ſich ihren Thee von Sinmetjhläfjelien
ade Alieder, das lajj id) paifieren: aber einen ———— geſunden
Menſchen auf eine ſolche lauwarme, bitterſüße Waſſerlutſche zu ſich
312 Heinrich Ztümdr, Piiscellamea zu Goethe und Hackert.
zu Gaſte zu bitten, it bloße Narrethei, nichts als Dickthuerei.“ Aber
hält die ganze Scene auch nur in entfernteiten einen Vergleich aus
mit derjenigen aus den „Memoiren“, wo der cwige Jude bei einem
äfthetiichen Thee in Berlin die jchwäbiichen Mädchen lobt? Hier
jind die Kontrafte viel Finftleriicher ausgeprägt, der Gedanke hat
durch jatirijche Betrachtung der Zeit an Inhalt gewonnen, er iſt
zu einem Kulturbild geworden. Hauff gehört iiberhaupt nicht, jo viel
Anempfundenes jeine Werfe auch enthalten, zur Klaſſe der bloßen
Nachtreter; in der Vereinigung jeharfer Beobachtungsgabe und fräftigen
Wollens mit jürer, jugendlicher Schwärmerei bleibt ihm der Vorzug
einer anzichenden Litterariichen Phyſiognomie.
Miscellanea zu Goethe und Hackert.
Mrtgeteilt von Heinrich Ztümde in Berlhin.
1. Ter nachfolgende Brief Goethes iſt bislang ungedrudt und von mir nad)
dem ım Betr eines Nachtommen des Adreilaten befindlichen Uriginale wortgetreu
kopiert worden. Teiles iſt auf vier Klein Quartieiten durchweg von Goethes Hand
geichrieben und unterzeichnet. Der Adrefat it dev Schwager Ph. Hackerts, Hofrat
Behrendt in Verlin, an den die beiden Briefe Nr. 5478 und 5936 der Weimari
jhen Ausgabe gerichtet ſind, Die Sich wir der vorliegende auf Goethes Yearbeitung
der von Hadert hinterlaſſenen Papiere besichen Tas von Goethe ernvähnte Tarat
dev Gemmen Dadertis war von dem Verlmer Zteimichneider Calandrelli erfotgt.
Ta der preußiſche Staat der volttiichen Kataſtrophen balber von einem urjprünglich
geplanten Anlauf abieben mußte, famen Die Erben auf den um Briefe erwähnten
Yotterieplan
Beaerlinee 1 Tet. 1811.]9
Wohlgehohrner
Inſonders hochgeehrteſten
Herr Hofrath,
Auf Em Woblgeb. geiälliges Schreiben vom Ten ij. verfeble nicht in
Antwort zu erwiedern: daR Div Dadertiiche Biographie der Kottaifhen uch
bandtung fir 400 Tb Zuüchitich itberlaiien worden: da denn 200 Tb. als die den
Ties in Vermert des Empfängers. Tex Güte des gegenwärtigen Heraus
gebers der Weinariſchen Briefausgabe, Herrn Tr. A. Freſenms, und der Direktion
des Mortbe und Schiller Archivs verdanke ich Die Mitteilung, daR der (im Criginal,
wie es öſcheint, nicht datierte Brief am 21 Zeptember 1811 geichrieben if, daß
der Name Des Empifäugers in früheren Briejbanden, vermutlich auf Grund von
Aufzeichnungen Rienters, fälichlich „Rehrens“ lauter und daß die richtige Ramens—
iorm, div ich oben eingelegt babe, auf Woethes eigenhändiger Eintragung in fein
Tagebuch 20. Throber 18511 und auf dem Trut des „Khilwp Hadert“ Werke 46,
38 beribt A. Zauer.
Heinrich Stimme, Miscellanen zu Goethe und Hader. 813
T. Herren Erben zugehörige Hälfte bey mir zu Exhebung bereit liegt. Ew. Wobl-
gebohren überlafje irgend jemanden zu dem Empfang deifelben autorisieren
oder mir anzuzeigen, auf welche Weife ich fie Ihnen übermadjen jol hi.
Der Yotterie Plan ift von mir —— len worden und obgleich die Meynungen
darüber getheilt find; jo hoffe ich doc, daß einige Looſe werben genommen werden,
wovon ich zu jeiner Zeit Nachricht — werde). Die zurug behaltnen Autiten
Steine haben zwar wahrhaften Kunſtwerth; aber die Preife, nach dem mir belannten
Verzeichnis, find in früherer Zeit angeſetzt, jet Bolten jo viele Kunftwerte verfäuffich
„find, möchten fie fhmwerlidh zu erhalten fenm. W Erw. Wohlgebobren fü F
halb mit Alterthums Kenern berathen und mir von etwa verminderten
Nachricht geben; jo wurde id vermögenben Liebhabern gern aufs Neue dieſe a
fchägbaren Werte anbieten. Die mir anvertrauten na jowie die Ne wohl⸗
gerathnen Abgüffe der Gemmen ſende —— mic; Ihrem
eneigten Andenten, mit der Berficherung, "etwas jenehmes und
Venkiunee qu eriigen
bejonderer Hochachtung zu unterzeichnen
Ew. Wohlgebobren
ergebenfter Diener
IWoGoethe.
2. Ju den letzten zwei Abſchnitten feines Werles Über Hadert berichtet Gortbe
turz über das Lebensende der beiden Brüder Georg und Ban: Dieſer Bruber
ward ihun aber bald durch den Tod geraubt. Cr ftarb den 4. November 1805,
noch nicht fünfzig Jahr alt. Er wurde als Proteftant in vorne bi z dent
in Florenz ift feine Grabftätte fir Proteftanten ... Noch ein ganzes —
Hadert in völliger Thatigteit; doc) ward er egen Ende von 1806 vom Schlagfluß
befallen, worauf er noch eimige Zeit mit Sefnnung
April 1807 die Welt verlieh.” Es ift di nit Fe ‚Interefie, ans Toten⸗
schein Philipp Hackerts die näheren Daten feines Todes zu
LS.
I venti uove Aprile alle ore 9%, di sera dell’ anno mille otto canlo
sette mori in Firenze d'una febbre morbosa il Sig" Filippo Hackert in etü
2... Mativo .... I di lui cadavere Irasportato qui alla consegna di Sebu-
stiano Gori suo eameriere fu decentemente solterrato nel ——— delle
nazioni olandese allemanno e danese il 2 del mese di maggio 1807 alle
ore 6 dopo il pranzo,
Ciö attesta con proprio pugno e sigillo
6. P, Schulthesius
Livorno 4 maggio. Ministro ecclesiastieo.
1807.
Auch dev Totenichein Georg — liegt vor, wonach er am ?. November
1805 in Yivorno beftattet worden M
Recenſionen und Rejerate.
Elſter E., Prinzipien der Litteraturwiſſenſchaft. Rand 1. Halle a. S.,
Niemeyer 1897. M. v. —
Unſere Autoren haben nicht, wie unſere Angeklagten, das Recht,
beſtimmte Richter als „befangen“ abzulehnen; um ſo mehr erachte ich es
als eine Pflicht des Necenſenten, ehrlich einzugeſtehen, wo er eine „Be
fangenheit“ fühle. Ich darf alle nicht verbehlen, daß ich mih in einem
fundamentalen VPunkt zu dem Verfaſſer dieſes ernſten, gründlich durdh-
dachten und lehrreichen Werkes in einem entſchiedenen (Wegenfaß fühle,
der auf mein Urteil auch in Einzelfragen einwirkt. Wenn Elſter von der
Anſchauung ausgeht, Litteratur und Sprachforſchung ſeien gleichberechtigte
Disziplinen und ſogar S. 414 f. dazu neigt, den Philologen mit leiſer
Animoſität zurückzuſchieben, ſo muß ich im Gegenteil bekennen, daß in
meinen Augen die Philologie auch für die Litteraturforſchung im engeren
Sinne Grundlage und Meiſterin iſt. Ich bezweifle natürlih nicht, daß
hochbegabte Manner aud ohne philologiſche Schulung litterarhiftorifche
Meiſterwerke ſchaffen können, wofür ich Beiſpiele in Fülle kenne; aber ich
beſtreite allerdings, daß der Forſcher von durchſchnittlicher Begabung für
uitterarhiſtoriſche Arbeiten die eigentlich philologiſche Schulung ohne großen
Schaden entbehren kann. Wo es ſich um allgemeine llberfichten handelt,
fa.ın die hiſtoriſche Vorbereitung dafur eintreten Schloſſer, Gervinus,
Treitiſichke; wo aber Beurteilung oder Interpretation einzelner Dichter
oder Werke angeitrebt wird, iſt wirkliche Sprachkenntnis im firengften
Sinne unerſetzlich. Auch die jeinfühligſte Anempfindung des litterar⸗
hiſtoriſchen Interpreten kann ihm nicht ſagen, was z. B. im Sprach⸗
gebrauch oder in der Metrik des „Fauſt“ oder des jungen Goethe oder
(GGoethes überhanpt eigentümlich it, was der Seit angehört; wie viel
Irrtümer in ſolcher Hinſicht bat z. B. trade Arbeit über Goethes
Yrederbuch und wieder Minors Reſprechung dieſer Schrift aufgededt! Run
wagt zwar liter dem philologiſchen Standvunkt inſoiern Rechnung. ale
Eifter E., Prinzipien ber Litteraturwiſſenſchaft 815
er über Sprachſtil und Metrit beſondere Kapitel giebt, von denen, dad
bis jegt und halb vorliegende erfte (S. 414 f.), jogar ſehr ſpezielle Fragen
der Pant» und Formenlehre vornimmt, Aber gerade hier zeigt ſich, wie
ſehr Elſter den Philologen in den Hintergrund ſchiebt. Gicht er fonft nur
theoretiſche Erörterungen tiefgreifender Art, jo treten hier (S, 423. 431)
plotzlich praktiihe Anweilungen an deren Stelle, und zwar zum Teil Vor⸗
ſchriften geradezu mechanifcher Art. Ich hoffe übrigens, daß das Zeichen
„Nhd.'9“, mit dem man nad) ©. 426 Anmerkung die herrjchende deutſche
Schriftſprache des 19. Jahrhunderts „zu bezeichnen pflegt”, auch im Zukunft
jo jelten bleiben wird als es meines Wiſſens bisher auftritt.) Er ift ſich hier
auch jelbft (S. 427 f. 440 f.) über die Scheidung vom lautlichen und
orthographiſchen Eigentümlichfeiten (trog S. 437) nicht völlig Mar ge—
worden und ftellt 3. B. „Schröden" (S. 427), „heurathen“ (©. 429) in
die vautlehre. Bor allem aber zeigt die Art, wie er den Spradjftil völlig
von dem Zujammenhang mit den pſfychologiſchen Faltoren loslöſt, daß
er die unendliche Wichtigkeit des Sprachgebrauchs für die Exfenummis
dichteriicher Eigenart unterſchätzt, wenn nicht igmoriert.
Da ich die litterarhiſioriſche und die grammatifche Arbeit mr fir
zwei verfchiedene Seiten der philologiſchen Thatigleit Halte, muß ich auch
geitchen, daß ich für die Einführung des neuen Kunftansoruds „Litteratums
wijenfchaft” fein Bebirfnis jede. Ich verftehe wohl, wie Elfter dazu fam.
Er wollte ein Seitenftüd zu Pauls „Prinzipien der Spradgeichichte"
ichaffen; da erfchien ihm nun wohl „Prinzipien der Boetit“ nicht um
faſſend genug, weil er die Profa S, 12) einbezieht; „Prinzipien ber
Yitteraturgefchichte* ließ ihm vielleicht das befchreibende Clement zu ftart
hinter dem Hiftorifchen zurücktreten. Dennod; hätte ich beide Titel fir zu⸗
treffender gehalten. „Litteraturwiſſenſchaft“ könnte meines Erachtens nur
die Wiffenfhaft vom Werden und Weſen ber einzelnen Litteraturen ber
deuten im Gegenfag zu der Poetil (als Lehre vom allgemeinen Werben
und Wejen der einzelnen Werke) und im Gegenjag zu ber Vitteratur-
gefhichte (al8 Yehre vom fpeciellen Werden und Weſen einzelner Werte),
Eine derartige „Litteraturwiſſenſchaft“ ftreift zwar nahe am bie „ber
gleihende Litteraturgeſchichte“ heran, liche ſich aber von ihr immerhin
jondern. Sie hätte etwa für die deutjche Yitteralur die allgemeinen Hat
toren zu befprechen: Volt, Typus der Individualität, Form und Keftigfeit
der Tradition, äußere Bedingungen (Stellung der Dichter, der Spiel-
leute, der Verleger u. |. w.), Abhängigkeit von Stoff und Inhalt u. |, w,
Eine derartige Disziplin aber ftrebt Elfter feineswegs an. Sein Zielpuntt
iſt durchaus das Verſtandnis des einzelnen Dichters. Er will die Geſichts⸗
punkte und Hilfsmittel jammeln und fichten, die ein möglichit vollftändiges
Verftändnis gerade der dichterifchen Eigenart ermöglichen. Daß er hierbei
die ſicherlich vielfach vernadjläffigten pfychologiicen Geſichtspuntte mit
größter Entſchiedenheit in den Vordergrumd, die fpezifiid philologijchen im
Ih Eliter E., Prinzipien der Yıtteratunwisienichaft.
den Schatten ftellt, giebt meiner Meinung nach für die Wahl eines leicht
irreführenden Terminus feine genügende Urfadhe ab. Nimmt man mit
Hettner eine allgemeine „Kunftwilfenichaft” an — wie es neuerdings
Borinsti in allerdings fehr tumultnariiher Were gethan hat — fo ift
die „Yitteraturwiflenichaft” von ihr nur ein Teil; fie behandelt gleichſam
einen einzelnen Tialeft. Bleibt man bei der alten Einteilung, fo hätte die
Wahl eines der alten Termin auch bei geringer Anderung der Auf—
faſſung ihre Schuldigkeit gethan.
Der Punktt iſt nicht jo gleichgiltig, wie er vielleicht ſcheint. Elſter
hat mit einer gewiſſen Bequemlichkeit in der Litteraturbenutzung ſich faſt
ganz an Autoren ſeines nähern Umkreiſes gehalten. Ich verdenle ihm das
gar nicht; eine ſelbſtändige Arbeit darf gewiß davon abſehen, ſich auf
Schritt und Tritt mit Männern anseinanderzufegen, deren Standpunkt
jie von vornherem ablehnt. Demnach iſt es Elſters gutes Recht, fih vor
allem an Wunde zu halten, nächſtdem Paul, Yampredit, Volfelt ale Ges
währsmänner zu nehmen und fogar in der Bibliographie S. 424 f.
die ſich ausdrücklich als Auswahl giebt unbedeutende Yeipziger Differs
tationen zu nennen, wichtige Aufläge 3. B. aus dem Goethe⸗Jahrbuch zu
übergehen. Er iſt Schüler von Paul und Wundt und mit Yampredt in
der Seamtaufiafiung nahe verwandt, die ih denn auch in Arbeiten
finden wird, die Diele (Welchrten angeregt haben. Tas allen hätte aber eine
merfbare Ausnutzung von Werken Tilthens, R. Mi. Werners, Hennequins,
von methodologiſchen Auseinanderſetzungen Toblers und Groebers nicht aus⸗
zuſchließen brauchen; gerade als Pindyolog hätte Elſter bei Beſprechung
der Tropen 2. 312 5. an Belgers Proben aus M. Haupts akademi⸗
icher Thätigkeit erinnern ſollen; und Scherer war vielleicht auch nicht nur
polemich S. 84; angerdem in einem Gitat zu Fr. Y. Stolberg, zu er
wähnen. Indem aber liter fih in den Umkreis einer ganz beftimmten
pinchologiich Ipefulativen Richtung bannte mit welchem Ausdrud id
natürlich die bedeutenden empirichen Reſultate Pauls oder Lamprechts
nicht in Frage ſtellen will, fam er mehr und mehr dazu, aus einer felbft-
ftändigen Prinzipienlchre nur ee Anwendung Wundtſcher Prinzipien auf
fein eigenes Gebiet zu maden: und zuweilen ıft er dieſer (Mefahr ganz
erlegen. Der neue Ansdrud „Litteraturwiſſenſchaft', der Unabhängigleit
von fruiheren Merhodologien befunden jollte reine AUnabhängigfeit, die auch
wirklich, zu Schaden und Vorteil des QYuchee, vorhanden ift:, wird
ichlieglid) zum Kennzeichen weitgehender Abhängigkeit von Forſchern, die
dem ſpezifiſch-litterarhiſtoriſchen Vetrieb fern ftehen.
Ties iſt nun der Punkt, der dem intereifanten Werl feine Zignatur
gebt. Teachanel, du Prel, Werner und andere haben verfucht, eine em⸗
piriſche RPiychologie der Tichter anzubahnen; auf ähnlihen Wegen bat fidh
. B. mein Aufſatz über Goethes Art zu arbeiten bemegt, den ich bier
mar citiere, um darzuthun, wie fern mir eine Abneigung gegen Yetonuug
Elſter E., Prinzipien der Litteraturwiſſenſchaft. S17
der Piychologie in der litterarhiſtoriſchen Forſchung liegt. Elfter lehnt
dagegen diejen Weg ab und Hält es für richtiger, aus dem allgemeinen
Beſtand der gegenwärtigen Piychologie (dev wohl gewiß durch Wundt am
glänzendften vertreten wird) alles herauszunchmen, was auf den Dichter
Bezug hat. Wir erfahren dadurch vieles, was die empiriſche Pitteratur«
pindologie nicht aufbringen konnte. Die großen allgemeinen Auseinander-
fegungen der evjten Sapitel über das Weſen der äfthetifchen Betrachtung
€. 15 |), über „Tendenzen“ (S. 34) und „Normen“ (S, 51 f.), ganz
beſonders aber die Analyje des dichteriihen Schaffens (S. 76 f.) find
gerade deshalb jo wertvoll, weil fie eine breitere pſychologiſche Erfahrung
hinter fih Haben, als der Fitterarhiftorifer als folder befigt. Ich ftehe
nicht an, die Vergleichung der intellettuellen Begabungen Goethes, Schillers
und Leifinge (©. 108 f.) als meifterhaft zu bezeichnen — gerade weil fie
Funfte Heranziehen, die ein Philolog von Fach mit methodiicher Sicherheit
überjehen würde.
Auf der andern Seite liegt es nun aber freilich auch im der ganzen
Anlage des Buches begründet, daß alles zuridtritt, was jo zu jagen zur
Berufepigchologie der Dichter gehört. Bon einer breiten Verwertung der
Tiychologie auf die Poetif erwartete ich vor allem eine Bergleichung der
verſchiedenen Arten, die Wirklichkeit aufzunehmen. Sie wäre nicht nad)
den Grumdkräften — Phantafie, Verſtand, Talent und Genie — zu be—
arbeiten, fondern nad) den Gegenftänden: wie bearbeitet der Dichter finn-
liche Eindrüde, und zwar des Gefichtfiuns, Gehörfinns, Geruchfinns u, ſ. w.;
wie geiftige Erfahrungen, und zwar aus eigentlichen Erlebnis, aus Er—⸗
ihliegung, aus Yeltüre oder Unterricht u. ſ. w. Was Elfter (S. 359 F.)
über äfthetifche Apperzeptionsformen giebt (Berfonififation S. 863, Natur⸗
auffaſſung S. 865 f.), bleibt aber im allgemeinften, wenn es auch fo glüc-
liche Ausdrüde wie „itilgebende Phantafie” (S. 361) enthält; und die
Ausführungen über die „objektiven Begriffe" (S, 246 f.: das Schöne
S. 246 f., das Exhabene ©. 272 f., das Tragiihe ©. 280 f., das
Komiſche S. 319 f.), obwohl viel reidjer, verfäumen auch viel zw ſehr
auf die Stoffwahl und andere individuelle Momente einzugehen. Sie legen
auch zu viel Wert auf die Definitionen, die zuweilen (4. B. ©. 311 über
den tragiſchen Verlauf) jehr glüclich, mandmal (wie bei dem Komiſchen
S. 323) veht wenig gelungen fcheinen. Überhaupt ift der Abjchnitt über
das Tragifhe mit jeiner ausgezeichneten Dispofition und feinen gut ge=
wählten Beilpielen für ben über das Komifche ein allzu gefährliches
Gegenſtück. Der legtere ift augenſcheinlich mit geringerer Yirbe gearbeitet
und enthält manche Irrtümer, nicht bloß den, daß der Kalaner einfach,
als „draftifcher Wig“ definiert wird (S. 323), Das Beifpiel, das
(2.334 oben, ala Formwitz bezeichnet wird, gehört unter bie folgende Klaſſe
de8 „Doppelfinnwiges“ u, |. w. Vrrige Beifpiele begegnen auch fonft
öfter; z. B. ift eine Aneinanderreihung von Bildern (S. 342) od) feine
— —
SIS Joachimſohn P., Tie humaniſtüche Beichichtichreibung in Teutichland.
Katachreſe, weil zu diefer die Vermiſchung der Bilder gehört S. 391..
Auch in der Auswahl der representative ınen fommen Heine Mißgriffe
vor, wenn etwa S. 364 Anderen mit Putlitz zujammengeftellt wird. -
Übertrieben jcheint mir das Urteil über G. Freytag S. 196-, wie die
Behauptung, Yismard trete durch die Macht der Phantaſie den größten
Tichtern ebenbürtig zur Seite S. 300 ; für geididte Betonung des
„Kulturmilieus“ würde ich wahrlich nicht gerade Eberts Yitteraturgejchichte
des Mittelalter S. 235 als Muſter anführen; und dag Goethes Ideale
nichts von ihrer Kraft eingebüßt hätten, Schillers aber viel S. 232..
ſcheint mir geradezu ſchief.
Solche Einzelheiten ſpielen ja aber kaum eine Rolle gegenüber den
vielen Verdienſten, die Elſter im anderen Punkten ſich erwirbt. Sein
Kampf gegen das Geſpenſt der tragiſchen Schuld S. 28 u. Ö.,, feine
geſunde Auffaſſung der Tendenzen S. 34, die Ausführungen über das
Tenten in Bildern S. 5, über Goethes Nampfitelung gegen die Aftefte
2.154; über Schillers Trama und Me Gemeinſchaftsgefühle S. 192 7. ,
über Antithete S. 505 f und Zrmbol S. 400, befondere S. 402
und vieles och bedenten ebenio viel ‚Sortichritte unſerer Kunſtlehre. Und
was wir vermißgten, bringt vielleicht der zweite Yand großenteils nad.
Für ihn wünschen wir beionders auch ein ſtärkeres Heranziehen der Prin-
sipten anderer Gebiete. Bernheims Yehrbuch der hiftorifchen Methode darf
jo wenig wie Fiedlers Schriften über Nunft auf ein ſolches Werf ohne
Einfluß bleiben; für der Zpraditi find Andentungen wie die v. d. Gabe:
lentz' über das lantinmboltiche Sefühl, für die Metrik Groſſes und Büchers.
v. d. Steinens und Conzes Studien uber die Anfänge der Kunſt ſicherlich
nicht zu berieben. Ich verkenne nicht, wie ich wiederholen muß, daß
Elſters Beſchränkung auf eine beſtimmte Gruppe von Zorarbeiten mit den
Vorzügen feines Werkes, mit der Selbſtändigkeit und Folgerichtigleit eng
zuſammenhängt: aber Arbeiten, die auf dem eriten Rang ericheinen, bilden
nun einmal eine ariftofratiiche Sejellichaft, innerhalb deren jeder den andern
kennen muß. Wir dürfen hoffen. dar der zweite Band Elfters Werk vollends
in dieſe Gemeinſchaft einführen wird.
Rerlin. Richard M. Mener.
Joachtmeehn EB, Tie humanzſtiche Geichtchtichreibung in Teutichland. Seht I.
IT. Anſange. Sigizsmund Meiſterlin VBonn, Damit 1895.
Kat leitenden Ausſumumgen uber div Entitebung der deutichen Geſchicht
ſchreibung am Ausgange des Pertelattas und der Tarlegung, wie die ftädtiiche
eichrchhtichreibung in Augsburg ſich entwickelt, führt uns der VRerfaſſer in den
Augsburger Sumandenkes, in deiſen Mittelpunftte damals Zigiemund Gofſembrot
and Letiterer wandte Ih, um eine gelehrte veichichte vom Derfommen Augsburgs
zu »halten, an den Venediktinermonch Sigismund Meriterlin, der der Aufforderu
Folge Feten, und am 20 Ku 1456 Seine „Chronographia Augustensium
vollendete, dr aber start zu cine Augsburger zu einer deutſchen Geſchichte ſich
Schwering J., Zur Geſchichte des niederländifchen Dramas, 819
entwidelt hatte. Dieje Chronographia” wird vom Verfajier ihrem Inhalte nadı
wiedergegeben und unterfucht. Daran fehliehen fid) nad) Erwähnmg der Werdeut-
ihung und mad) Würdigung fpäterer Bearbeiter und Benutser biograpbiiche Notizen
über Deifterlin. 143 bejpricht der Verfafjer die Vita St. Sebaldi Meifterlins
und giebt eine Überficht über die Entwidlung der Gefchichtichreibung und die Ans
fünge des Yumanisnus in Nirnberg
Der Anhang bringt verjhiedene wichtige Denkmäler, darumter bie bisher
nicht gedrudte „Vita St. Sebaldi”,
Das Bud) ift mit auferordentlicher Belefenheit und gründlichiter Sadjlenntnis
verfaßt, es bietet eine reiche Fülle des Neuen und Belchrenden — vielleicht eine
zu große Fülle, die die Yeftüre einigermaßen erſchwert. 5
5-
Schmwering 3, Zur Gefchichte des niederländifchen und fpanifchen Dramas
in Deutſchland. Neue Forſchungen. Münfter, Verlag der Coppen-
rathſchen Buch- und Kunſthandiung 1895,
Schwerings Bud) zerfällt in zwei Teile: der erfte AII. ©, 1—64)
stellt fich die Aufgabe, eine Geſchichte der niederländifchen Schaufpieltruppen
in Deutſchland und ihres Spielplans zu geben, der zweite handelt zunächſt
(IV, ©. 65—87) von beit miederfändifchen und den durch die Nieberfande
übermittelten fpaniichen Dramen auf den Spielpfane der deutſchen Wander
bühne und fodann (V, ©. 88— 95) von dem Einfluffe des niederlänbifchen
Theaters auf die deutjche Bühnentechnil. Das Buch behandelt aljo den
Anteil der Niederländer am ber deutjhen Theatergeſchichte
Daß Schwering hierbei die unmittelbare Thätigfeit der Holländer in Deutſch⸗
land von ihrer mittelbaren Einwirkung auf das deutſche Theater ſcheidet.
ſcheint mir eine ebenfo gefchidte wie berechtigte Trennung zu fein, Schade
nur, daß in dem farblojen Titel weder das Gemeinſame nody das Tren-
nende der beiden Teile zum Ausdruck kommt. Eine Überfchrift wie etwa:
„Das niederländifche Schaufpiel im Deutſchland und feine Einwirkung auf
die deutfhe Bühne“ wäre gewiß nicht ideal, aber doch beſſer geweſen als
die jegige, in welcher namentlich die Erwähnung des Tpanifchen Dramas
nur irreleitend wirken kann
Schweriug tritt an feine Aufgabe heran ausgerüftet mit einer ger
diegenen Kenntnis der niederlandiſchen Pitteratur- und Theatergeſchichte
Diefem wefentlihen Vorzuge verdankt er es, daß er felbft da, wo er auf
bereit8 befannte TIhatfachen zu fprechen kommt, ungemein viel bes Nenen
und Feffelnden bieten fan. Umeingefchränfte Anerkennung verdient auch
die geſchickte Anordnung des Stoffes ſowohl wie die Darftellung, und
nicht zum mindeften endlich des Verfafjers ausgejprodener Sinn fir die
hohe Bedeutung des lebendig dargejtellten Dramas, an welchem es leider
der Mehrzahl unferer Litterarhiftorifer noch immer mangelt, — Andererjeits
freilich habe ich mich dem Eindrucke nicht entziehen Fönnen, dag Schwering
bie und da feine Helden überfchägt. Auf das Lob, welches er ihnen in
der Einleitung (©. 4) jpendet, Lege ich dabei weniger Gewicht als auf
Supborion IV 53
820 Schwering J., Zur Geichichte Des niederländiſchen Tramas.
die auffallende Zurückhaltung im Urteil, die er gelegentlich, namentlich im
III. Kapitel, walten läßt. Hier ſteht Schwering hinter ſeinem ſouſt minder
gut gerüſteten Vorgänger Heitmüller „Holländiſche Komödianten in Ham⸗
burg 1740 und 1741.“ Litzmanns Theatergeſchichtliche Forſchungen 8,
97 ff. nicht unbeträchtlich zurück.
Schwering behandelt zunächſt ‘IL, S. 9 ff. die Thätigkeit nieder:
ländiicher Nomödianten in Deutſchland bis zum Beginne des 30jährigen
Krieges, welcher er mit Recht ımır geringe Nichtigfeit beimißt. Nieders
ländiſche Spruchſprecher find, gewiſſermaßen als Borläufer der fpäteru
Zchanipieler, Ihon im 14. Jahrhundert in den niederländiichen Städten
beliebte Säfte; um die Wende des 15. Jahrhunderts thun ſich dann eben
dieſe „Zeggers“ zu Spielgenoſſenſchaften zufammen, deren eine ſich i
Jahre 1412 ala Gaſt in der Grenzſtadt Aachen nachweiſen läßt. Für
länger als ein Jahrhundert verlieren wir dann jede Spur der nieder«
ländiſchen Nomödianten in Deutichland, und diejenigen, welche von da ab
wieder eridheinen, gehören einer nenen Klaſſe an: es find „Wederijfer“,
von deren vielberufenem halbdilettantiichen, prumfoollen und wenig förder«
lichen Iheatertreiben Schwering einen höchſt anſchaulichen Abriß giebt.
Sie jelbjt ericheinen - - was vielleicht etwas ichärfer hätte betont werden
können — für einſtweilen, das heißt vor dem Auftreten der englıfchen
Komödianten, in Teutichland noch nicht, wur vereinzelt zeigen ſich puren
ihrer Einwirkung: fo läßt Jan Bockelſohn, der „Nonig von Zion“ 1535
in dem belagerten Münfter cin Yazarud:- Drama im Stile der Rederijler
aufführen, zu deren Klaſſe er felber gehörte. Ch ein „ſchauſpill mit
Niderlendiſche Perſonen“, das 1561 auf dem Wiener Rathauſe erſchien,
wirtlich von niederlandiichen Tarjtellern geipielt wurde, mag dahingeftellt
bleiben, da Schwering zugiebt, daß es ſich ur diefem Kalle nur um eine
gelegentliche Dilettantenaufführung gehandelt haben könne.
Enger werden die Veziehungen zur deutschen Bühne erft im leßten
Viertel des 16. Jahrhunderte, wo fi) infolge des niederländifchen Frei⸗
heitskampfes zahlreiche niederländiſche Proteftanten nah Deutſchland flüchten.
Daß ſich dabei de Auswanderer bis nad) Hanau binziehen, ſcheint mir
nicht unwichtig zur Erklärung des Umftandes, daß wir gerade in Frankfurt
1511 cine mederländiiche Truppe antreffen, während ſolche fonft nur
jelten in Oberdeutſchland nachweisbar find. Wichtiger find die Qeziehungen,
die fi ıniolge der Einwanderung zwiſchen den niederdentfchen Städten,
namentli Hamburg, und den Niederlanden anknüpfen. In Hamburg
treffen wir denn auch 1590 die erſte niederländische Wandertruppe. Aus
dem Zpielerlaubniegeiud, Das zuerſt Yappenberg - Zeitichrift des Vereines
für hbamburgiiche Geſchichte Hamburg 1841, 1, 138: und nad ihm Heit⸗
müller S. 101 abgedrudt hat, wert Schwering treffend nad, daß es
ſich um Mederijfer handelte: das zeigt einmal die nachdrückliche Betonung
der religioien und fittlihen Wertes der Tarftellungen und weiter ber
Schwering I-, Zur Geſchichte des niederländiichen Dramas. 821
äußere Umjtand, daß die Truppe ſich bereits der Theaterzettel bedient. —
Die nächſte Kunde von niederländifchen Komödianten ſtammt merhuürbiger-
weife aus Süddeutſchland: 1594 begegnet ung in Ulm eine nicht näher »
benaunte nieberländifche Truppe, 1602 desgleichen. Im felben Jahre fpielt
Seorg Wittbier aus Niederland, ein in Stade anjäffiger Antwerpener
Flüchtling, in Nördlingen; derſelbe erjcheint 1603 in Bajel, 1604 in
Um und Bafel. Mir ſcheint, unter diefen Umftänden hätte Schwering
getroft annehmen dürfen, auch die namenlofe Ulmer Geſellſchaft von
1594 oder wenigftens die von 1602 fei diejenige Wittbiers geweſen. Mir
fünnten alsdann nur eine einzige Truppe, die noch obendrein unter
einem halbdeutſchen Prinzipal ftand, im Iuneren Oberdeutjchlands nach⸗
weifen. Daß die Truppe, die 1611 in Frankfurt auftrat, vieleicht auf
die Teilnahme der dortigen niederländiihen Kolonie reinen durfte, Habe
ich bereits angedeutet.
Viel wichtiger ift die Thätigkeit der Niederländer in Deutſchland
nad dem dreißigjährigen Kriege (III, ©. 28 ff). Wir haben es jest
nit mehr mit einer halbdilettantifchen Volksbühne, jondern mit einem
hochkultivierten, namentlich auch in deforativer Hinficht Fräftig entwickelten
Kunfttgeater zu thun, das den Wettbewerb mit den engliſchen Komödianten
nicht im entfernteften zu ſcheuen brauchte. Unmittelbar nad) Beendigung
des Krieges melden fich denn auch miederländifche Schaufpieler in Ham-
burg, 1651 erſcheint eine hochdeutſch jpielende Truppe in Frankfurt,
die dort ihre Bühnenveform zur Einführung bringt und ihre pomphaften
orien und Singipiele mit großem Crfolge aufführt, Auf fiherere
Spuren tommen wir 1654 in Hamburg: die Truppe des Yan Baptifta
von Fornenburg, welde hier „Das Yeben ein Traum“ aufführt, geniefit
auch im ihver Heimat des beften Nufes; im ihrem Spielplane erjcheinen
dort die Werke der hervorragendften Dramatifer der niederländiichen Re—
naiſſance, 1665 ift Fornenburg wieder in Altona, wo Rift feine Yeiftungen
aufs Höchfte bewundert. Schade mur, daß er nicht recht zu fagen weiß,
was eigentlich fo vortrefflih daran war. Schwering hätte deshalb um fo
weniger den Umftand verſchweigen follen, daß Fornenburgs Truppe bie
exfte in Hamburg war, bei welcher fid Berufeſchauſpielerinnen nachweifen
laffen, die „fo beweglid, haben gefpielet, daß man ihnen beybes mit Luft
und Verwunderung hat muſſen zufehen“ (Heitmüller S. 103). 1674 er-
icheint Fornenburg in Lübed und wendet ſich von da über Tönning nach
Friedrichsſtadt; vielleicht um nad; Sfandinavien zu ziehen, wo ex ſchen
in den fechziger Jahren thätig gewefen war? Seine Spur verliert ſich
hier, doch ſpricht Schwering die Vermuung ans, da er der führer ber
Truppe gewejen fein fünne, die 1682 in Münden md Altona gefpielt
habe. Für Münden wird das ſchwerlich zutreffen; bie Truppe hätte in
jener fpäten Zeit dafelbft kaum im niederlandiſcher Spradye Spielen —
gerade eine gute Truppe wird ſich aber ungern dazu verftanden Haben,
5*
|
822 Schwering J., Zur Geſchichte des niederländiſchen Tramas.
in einem fremden Idiom zu ſtümpern. Den Beweis hierfür liefert der Um⸗
ſtand, daß von jetzt ab die holländiſchen Truppen ausſchließlich auf nieder-
deutfchem Boden erſcheinen. Es fragt fih zudem, ob die in Münden
erwähnte Truppe den Namen „niederländiihe Komödianten“ in anderem
ale bloß konventionellen Sinne geführt hat.
Einen ähnlichen, nur bereit von Frankreich ber leife beeinflußten
Spielplan wie Fornenburg hatte Jakob von Ryndorp, da® Haupt der
beften holländischen Wanderbühne jeinerv Zeit. Er erfcheint gleichfalls
dreimal in Deutſchland: 1694 in Yübed, 1703 — 1703 in Verlin, Danzig,
Lübeck und Kiel und 1710 mit großem Erfolge in Hamburg, Yübed und
Kiel. Heitmüllers Angabe S. 104, daß er 1703 in Hamburg gewefen
jei, fheint demnady nicht zuzutreffen. Näheres über die Wirkſamkeit der
Truppe in Tentichland iſt nicht bekannt.
Schwering kommt nun auf die niederländiihen Komödianten zu
fprechen, die 1710 und 1741 in Hamburg geipielt Haben; dem Gegenftante
nach fällt aljo jeine Arbeit hier mit derjemgen Heitmüllers zufammen.
Neues bringt Schwering zunächſt bei über den Prinzipal der erften Truppe,
Anthony Zpatjier. Der Vermutung, als ſei diefer auch das Haupt einer
„niederländisch franzöſiſchen“ Geſellſchaft geweien, die 1731 in Franffurt
fpielte, vermag ich nicht beizuftimmen; erſtens fehlt jeder Anhalt dafür
und weiters Scheint mir dag Wort „franzöſiſch“ geradesu gegen eine
foldhe Annahme zu ſprechen. Was allerdings eine „niederländiſch⸗franzd⸗
fiihe* Truppe ift, weiß ich auch wicht zu fagen. Bom 29. Auguft bis zu
Anfang Oktober To S. 47; dagegen S. 55: bis Ende September: fpielte
Spatſier abwechielnd mir der Ztollihen Truppe -- denn diefe iſt nadı
Heitmüller, Z. 111, unter den „Hochfärſtlich Heſſen⸗Kaſſelſchen Schau»
jpielern“ zu veritchen — in Hamburg. Ten Zpielplan der Holländer hat
ſchon Heitmüller mitgeteilt, Yeben gewinnen aber die Titel ihrer Stüde
erft durch die fachkundige Unterſuchung Schwerings, der faft von allen
Tramen Verfaſſer und litterarhiſtoriſche Stellung nadweift und von den
wichtigeren auch den Anhalt angicht. An der Zpige der ernften Dramen
erſcheint Vondels vaterländicher Stück „Gijsbrecht van Aemſtel“: aud
san Rluymers Armida-Tragödie wandelt noch in den Bahnen der hollän—⸗
diſchen Renaifiance, iſt aber ſchon durch die „Arınide” von Ph. Quinault
beeinflußt. Ganz im Ztile Vorneilles ft dagegen „De doudelyke Min-
nenvd” von van der Hoeven 170? gehalten, und van Heulens Ines
de Caſtro Trama 1701 ft nur eine lberjegung von Guevaras „Reinar
despues de morie”. ber eine „Genoveva“ vermag Schwering nichte
ficheregd anzugeben. — Eines Urteils über den Wert diefes Zpielpland
enthalt Schwering ſich: mir für mein Teil ericheint das Repertoir Aberans
kläglich: aller das hätte Ryndorp 40 Jahre zuvor aud ſchon bieten
fonren! Vergleicht man damıt den Zpielplan der Weuberin, die, von
Gottiched trefflich ausgerüſtet, bereits cm Jahr zuvor in Hamburg er:
Schwering I, Zur Geſchichte des niederländischen Dramas. 323
schienen war, fo kann wohl kein Zweifel auffommen, wen hier der Preis
zuzuerfennen ift! — Beſſer ſcheint es um das Luftfpiel beftellt gewejen zu
fein: hier tritt der derbe, aber ehrenfeſte Pieter Yangendijt mit feinem
„Don Quichote auf der Hochzeit von Camado“ und dem „Srelis Louwen“
auf den Plan; es fei darauf hingewiefen, daß diefes letztere Stüd noch
1767 auf dem Hamburgiſchen Nationaltheater als „Claus Fuftig“ feine,
freilich nur einmalige, Auferftchung feierte, Über die fünf Kluchten, die
außerdem auf Spatfiers Bühne erſchienen, fpricht ſich Schwering nicht
näher aus. Merkwürdig genug mag fid) unter diefer Art von Komödien
Molieres „Zartuffe“ ausgenommen haben, — Zu berichtigen ift die Au—
gabe ©. 55, die Holländer Hätten Corneilles „Cd“ aufgeführt. Nad)
Heitmüllers Mitteilungen (©. 108 f.) fanın fein Zweifel darüber walten,
daß diefe Borftellung auf Nechnung der Stollſchen Truppe zu fegen ift,
Auch fonft ſcheint mir Heitmüller hier nicht genügend berüdfichtigt zu fein:
jeine Vermutung, als fei die hollandiſche Truppe auf nicht unbedenkliche
Schwierigfeiten im Betreff des Verftändniffes ihres Idioms geftoßen und
nur deshalb fo furze Zeit in Hamburg geblieben (S. 105 f.), hat Hand
und Fuß und bedurfte mindejtens der ag a ehe fie übergangen
wurde; auch auf die hervorragende Rolle, die Gefang, Tanz und ſzeuiſcher
Pomp bei den Holländern jpielten, weift Heitmüller (S. 107 f.) viel
nahdrüdliher hin als Schwering. Eudlich neigt Heitmüller zu der hochſt
wahrfeinfihen Annahme, daß die deutfche und die niederländifche Truppe
nicht in Frieden voneinander geſchieden ſeien S. 111); dies feftzuftellen
war doch bei dem nunmehr herannahenden Untergange der hollandiſchen
Herrlichfeit gewiß nicht überflüjfig. — Alle diefe Hinweife hätte Schwering
unbedenklich in fein Buch herübernehmen follen; jest, wo fie fehlen, ge»
winnt man von der Thätigfeit und der Wirkung Spatfiers ein viel zu
günftiges Bild. Schwering brauchte ſich um jo weniger zu ſcheuen, die
Ergebniffe feines Vorgängers zu verwerten, als er biefem, wie gefagt, im
Berftändniffe des Spielplans weit überlegen war.
Auch über den Spielplan der Holländifchen Truppe von 1741, die
von Januar bis zum Juni in Hamburg fpielte und angab, von ber
Ryndorp⸗Noſemannſchen Geſellſchaft abzuftanmmen, weiß uns Schmwering
eingehend zu unterrichten. Nur giebt er wieder über befjen Wert lein
Urteil ab. Unter den Tragödiendichtern erſcheint wieder Bondel, diesmal
mit feiner ofef-Trilogie; von fonftigen Zetteln zu ernften Borftellungen
miederländifher Werte ift nur derjenige zu einem patriotifchen Stüde, der
„Belagerung und Entjegung von Lehden“ erhalten, als deſſen Berfaffer
Schwering den Belgier Jakob von Zeveeote ermittelt, Zrgendiwelcher Fort»
schritt iſt hier alſo nicht feftzuftellen. — In der Komödie fpielt wieber
Yangendijf, diesmal mit drei Stüden, die größte Wolle; unter beit Kluchten
fallt Gramsbergens „Hartog dam Rierlepon“ auf. Drei Stucke find
ipaniichen Uriprungs: das eine geht über Scarron auf Calderon zurid,
824 Schwering J., Zur Geſchichte des niederländiſchen Dramas.
zwei andere ſcheinen unmittelbar aus Calderon und Lope entlehnt zu fein.
Von einem vierten, „de Juffer Kapitein” giebt Schwering an, daß
Beine und Heitmüller es zwar richtig als Liberjegung von Montfleurns
„Fille Capitain” bezeichneten, daß aber Montfleurys Ztüd wiederum auf
eine ſpaniſche Vorlage, „La dama capitan”, von Diego und Joſéè de
Figueroa y Gördoba zurüdgehe. Nah der kurzen Inhaltsangabe zu
ichließen, die Schwering nah Schack, von dem ſpaniſchen Stüde giebt,
kann hiervon nicht im geringiten die Rede fein. Ich ftelle zum Beweiſe
ven Inhalt von Monifleurys Stück mit demjenigen des fpanifchen zu:
jammen: .
Figneroa: Eine Nonne entflicht aus Uberdruß an dem einförnigen
Kloſterleben ihrem geiftlihen (Sewahrfam, zieht Männerkleider an und läßt
jich bei einem Truppenkorps amwerben. Mit dieſem zieht fie nad) den
Niederlanden und wid zum Sauptmann befördert, bie fie der Macht der
Viebe unterliegt und von der Gewalt derjelben gezwungen wird, dem Ge⸗
liebten ihre wahre Natur zu offenbaren.
Montfleurn: Ver. Ye Blanc erweift ſich gleichzeitig ala ſchlechten
Gatten und fchlechten Bormund, indem er Yucinde, der Geliebten feines
Miündeld Tamon, nachſtellt und ſie dieſem verweigert. Er wird geftraft
und mürbe gemacht, dadurch, daß Lucindens Freundin Angelique, in
vueindens Bruder, einen Hauptmann, verkleidet, ihn beim Stelldichein
uberrafcht und mit Hilfſe eines wirflichen Morporala unter die Soldaten
zu ſtecken droht.
Mad der Angabe des Zettels Heitmüller S. 114: ging das Stück
der Holländer auf Montfleury zuräd. - - Bon franzöfiihden Dramen er-
ſchienen außerdem noch Corneilles „Cinna“ und eimge Meine Nachfpiele,
meiſt Harlelinaden; auch Molieres „Tartnffe“ kommt wieder zum Bor:
hen, Man ſieht, was die Niederländer an Eigenem zu bieten hatten,
reichte zur Befriedigung des Publikums nicht mehr aus.
Am Zchlufje feiner Überſicht Führt Schwering diesmal das Urteil am,
welches Schütze in ſeiner „Hamburgiſchen Theatergeſchichte“ über dic
Hollander fällt: „Die Neuheit holländiſcher Ausſtellungen, eine über:
triebene Luſtigkeit, viel Kleiderpruuk, abwechſelndes Singen, Pantomimen-
ſpiel und Tanz gewannen die Sinne der Zuſchaner und Zuſchauerinnen
im allen Ständen. Geſchrei galt bei jenen Harangneurs für leidenſchaft⸗
zichen Ausdruck, VRerzuckungen für Begeiſterung.“ Schwering ſchließt aber
mit dem Hinweis daranf, daß Schütze trotz dieſes abfälligen Urteils
hinterher zugeſtehe, daß „einige gute Aktenrs und ſchöne Akltriſen“ bei der
GGeſellichait waren, „gebildet und geübt im Theaterſpielen und feinen
Voſſen, die dem damaligen Geichmacke angemeſſen waren, ohne in das
Pobelhafte zu fallen“. — Viel ſicherer urteilt hier wieder Heitmüller. Er
betont mit Recht, daß bei dieſer Truppe auf die Ausſtattung ein ned
groͤßerer Wert gelegt worden jei als bei derjenigen Spatſiers. Richt nur
Schwering J., Zur Geſchichte des nicderfändiichen Dramas, 825
im Ausftattungsftüd fpielt das „luſtige Singen und fünftliche Tanzen“
eine große Rolle, auch zwiſchen ben einzelnen Stiden und am Schluß
wird allabendlich getanzt. Dazu kommen noch „Englüde Bantomimen*
und „Künftliche Divertifjements“ (S. 118). Die Annahme, dag das
Publitum die eigentlichen Städe nicht recht verftanden und ſich daher an
Mufit und Tanz gehalten habe, liegt da allerdings ſehr nahe, um fo
mehr, als die „Ankündigung“ der Truppe (S. 106) ebenfalls darauf
hiuzuweiſen ſcheint. Nicht wenig bezeichnend ift es auch, daß bie Gefelljchaft
im Mai zwei franzöfifhe Schaufpieler und wenige Tage darauf nod)
einen dritten anwirbt, der gleichzeitig als Tänzer thätig war (S, 119 f.).
Nach alledem nehme ich mit Heitmüller an, daß die überaus ftarfe Wir-
tung der Truppe auf Außerlichteiten beruhte (S. 118 f.) und baf
ihr hauptfächliches Verdienft nur darin befteht, die Thenterluft der Ham-
burger in kritiſcher Zeit wach erhalten zu haben (S. 122). — Bielleicht
ift Schwering auf alle diefe Dinge nicht eingegangen, um feinem Pro-
gramm, „Geſchichte des Dramas“, treu zu bleiben. Alsdann hat er
gehrt: die Thatſache, daß diefes umd jenes Werk aufgeführt worden ift,
gewinnt erſt dann erhöhte Bedeutung, wenn wir über Art und Grund
feiner Wirkung aufgeklärt werden,
Das Ergebnis der gefamten Unterfuchungen Schwerings (und Heit-
müllers) ließe fih etwa jo zufammenfaffen: Die Bedeutung der nieder
landiſchen Bühne für Deutſchland ift vor der Zeit des dreikigjährigen
Krieges gering. In der zweiten Hälfte des 17. Dahrhunderis dagegen
bildet das niederländifche Theater in Deutjchland eine höchſt beachtens-
werte Erſcheinung, da es auf einer höheren Kunſtſtufe ſteht als das
Schauſpiel der englifchen Komödianten; leider bleibt e8 im wejentlicen
auf Nieberdeutichland befchränft und tritt auch dort nicht allzu häufig auf.
Die Naczügler, die fih 1740 und 1741 in Hamburg einfinden, fönnen
feine Höhere Bedeutung im Anſpruch nehmen: ihr Spielplan fteht hinter
dem bereits 13 Jahre alten „gereinigten* der Nenberin weit zurüd. —
Schwering beichäftigt ſich des weiteren, wie gejagt, mit dem Auf⸗
treten niederländifcher Stüde und folder, die über bie Niederlande aus
Spanien kommen, auf der deutſchen Wanderbühne (IV). Bon holländifcden
Driginalen (©. 65 ff.) weiß er eine beträchtliche Anzahl aufzuführen:
nicht weniger als acht ernfte Stüde und fieben Kluchten laſſen ſich made
weijen, teilweife fogar an verfchiebenen Orten und zu verſchiedenen Zeiten;
unter den Tragifern fcheint der „große“ Bondel die bedeutendfte Nolle ger
fpielt zu haben. Wo Schwering hier neues bringt — umd das ift meift
der Fall — oder von feinen Vorgängern Gaedertz, Meiner, Heine und
Creizenach abweicht, wird man ihm gewohnlich zuftimmen umd ihm 2
feinen ſcharfſinnigen Entdedungen Glüd winfden föunen, fo namentlich
S. 71, wo er das rätjelhafte Drama vom „König Norvon“ auf bie
Tragödie „De veinzende Torquatus” von Geraert Brandt zuriicführt,
826 Schwering J., Zur Geſchichte des niederländiſchen Tramas.
deſſen Held thatſächlich König Noron heißt. Anderes freilich fordert
MWiderfpruch Heraus: Zo fehe ich nicht ein, warum man (iS. 69: bei den
Maria <tuart- Dramen nicht aud) an Haugwig fol denken dürfen; der
Alerandriner und der ſchleſiſche til dieſes Stückes beweilen nichts da-
gegen; daß die Mandertruppen es wohl verjtanden, ſich derartige Werle
mundgeredht zu machen, Ichrt dag Beijpiel von Gryphius' „TFapinian“
‚Heine, Zeitſchrift für deutſche Philologie 21, 230 ff... Ganz in der Luft
zu ſchweben ſcheint mir Schwerings Annahme (S. 73 ff.:, als ginge
Chriſtian Weiſes „Komödie vom niederländischen Bauer“ auf die Klucht
„Dronken Hansje” 1657: zurüd. Das Motiv, dag einem vom Rauſche
erwachenden Bauern vorgeipiegelt wird, er jei ein großer Herr und daß
dem Gehäuſelten al&bald eine Komödie vorgefiihrt wird, ıft in der Bühnen»
dichtung jener Tage fo verbreitet, daß es ganz beionders jchwerwiegender
(Kründe bedürfte, wenn man die Umelle Weiſes ſicher nachweiſen wollte.
Solche Gründe bringt Schwering durchaus wicht bei: die angeführte
Parallelfcene ſcheint mir vielmehr im Gegenteil zu beweifen, daß Weile
von Fokken vollig unabhängig war. Außer der Zituation des im “Prunl«
jaale erwachenden Bauern, die in feiner Bearbeitung des Motive fehlen
konnte, finder fi zwiichen den beiden Zcenen kaum ein leifer Anklang.
Der Bauer des Nollanders frage fi, ob er etma geitorben oder ım
Himmel ſei; er komme das nicht glauben: fein Pfarrer habe ihn ſtets ver-
jübert, daß er für den Himmel verdorben je, weil er fih mehr um
Kneipen und Yordelle als un die Kirche betünmtert habe. Bon alledem
finde ich ber Weiſe nichts, denn die Bemerkung von Weile Bauern,
daß das Haus, wo er erwace, jo jtattlid) ausſehe wie eine Kirche, lannu
doch unmöglidy ins Gewicht fallen. Fokkens Pazxer verfällt ferner auf den
Gedanken, ob er vielleicht durch Traum oder Spuk genarrt werde ---
demjenigen Weiſes kommen ſolche Zweifel feinen Augenblid. Heide wundern
ſich allerdings uber die Feinheit ihrer Beiten und Kleider, aber abgefehen
davon, daß dieſer Zug bei Weiſe viel ausgiebiger verwertet ıft als bei
sem Niederlander, war ein folder Hinweis durch die ganze Zituation ge
boten. Dasſelbe gilt von der Schlußäußerung des Bauern, er zmeifele
nun nicht mehr, Daß er ein großer Herr ſei: zum UÜberfluß thut er diefen
Austpruch bei Fokken erſt, nachdem ihm dieſer Gedanke beigebracht worden
ijt, wahrend er bei Weiſe von ſelbſt darauf verfallt.
UÜberraſchend reichhaltig iſt auch Die Yılte Ipansicher Tramen S. 76ff..
die unſere Yuhne den Niederländern verdankt Unter den elf Ztüden find
allen funf von Yope und zwei von Galderon; Cervantes ıft mit einer
Tramatifierung des „Uurioso impertinente” vertreten. Die Dramen
werden um großen Teil evt durch Zchwering auf ihre niederländifche
und Spanmihe Tarelle zurückgefuhrt, wobe der Berfafter wieder eine fehr
gluckliche Haud zu haben ſcheint. War er aber bier «2. 76 f. über den
engen Zuſammenhang der ſpamichen und mederländiichen Yırteratur fagt,
Bad L., Spinojas erſte Einwirtungen auf Deutichland. 827
bedarf trog jeiner zweifellojen Richtigleit für den vorliegenden Fall ber
Einſchränkung; von den beiprodenen Stücken find nicht weniger als fünf
erft auf dem Ummvege über Frankreich in die Niederlande gelangt.
Was den Einfluß der niederlandiſchen Buhnentechnit auf die deutſche
betrifft V, ©. 88 ff.), jo ſcheint mir Schwerings Annahme, dag die Um
geftaltung des deutjchen Bühnenraumes dur Johann Velten auf nieber-
ländifche Vorbilder zurüdgehe, durchaus zutreffend, Auch die Behauptung,
dag die Sitte, vor Beginn eines Altes deifen Inhalt in einem Iebenden
Bilde darzuftellen, nicht dem engliſchen, fondern dem hollandiſchen Theater
eigen fei, hat wenigftens viel Wahrſcheinlichteit fir fich. Ganz verfehlt
iheint mir dagegen, was Schwering für den holländifchen Urfprung des
„Nideldärings“ beibringt. Daß er nicht, wie man bisher annahm, erſt
1648, fondern ſchon 1637 in Holland auftaucht, ändert an ben biäherigen
Verhältniſſen nichts. Wir finden den deutſchen Pidelhäring nad) wie vor
beträchtlich früher als feinen niederlandiſchen Namensvetter, nämlich, ſchon
in der Sammlung englifher Komödien von 1620. Ich glaube daher auch
nit an das Märchen, als leite dev Pidelhäring feinen Urſprung auf die
allegorifche Figur „de Vaſten“ zurüd, die im niederlandiſchen Faftnachter
fpielen des 15. Jahrhunderts einen Häring als Symbol führte. Wenn
noch wenigftens die allegorifche Figur feldft im Geftalt eines Härings
aufgetreten wäre! — Wie die Sadyen jet liegen, hat Creigenachs Auf-
stellung Schauſpiele der englijchen Komödianten S. CVX), baf ber
Prinzipal Reynolds im Anihluß an den „Stodfiich“ jeines Kollegen
Spencer den Typus des „Pidelhäring*, zunachſt mm für den Bedarf
feiner eigenen Truppe, geihaffen habe, noch immer den erſten und aus—
ſchließlichen Auſpruch auf Olaubwitrdigkeit,
Je vüdhaltkofer ic diefen und andere Fehler Schwerings hervor ⸗
gehoben habe, um fo mehr fühle ich mich verpflichtet, zum Schlufje noch⸗
mals zu betonen, daß ſein Buch als Ganzes eine wertvolle Förderung
der Litteratur- wie Theatergefchichte darftellt. Es bringt Helles Licht in
eine Gegend, wo bisher ftet® mehr oder minder im Dunfelm getappt
worden ift.
Jena. Rudolf Schlöffer,
Bit y. erſte Einwirtungen auf Deutſchland. Berlin, Mayer und
ev 1
fteißige und grundliche Arbeit, welche auf verhältnismäßig Mappen
Raum eine Fülle des wertvollften geidhichtlichen Materials ausbreitet. Der Bers
jaſſer weit zuerſt nach, welch beftige Angriffe fid von Seiten der Ovthodogie gegen
Zvinoza bald nad) deijen Tode erhoben, wie ex binnen furzem als der Atheift umb
N orjv galt und wie man eben infolge diefes Umſtandes bie havats
tischen Züge feiner Ychre faft gänzlich überjab oder verfannte, jo Da ber Begriff
Ss mr allen möglichen natwaliftifchen Shftemen zufammengemorfenen „Spinoyis-
nen ungehövig weiten Umfang erhiekt, nicht mehr eine mdiwiduele Bhitofopbie
828 Maargelit F., Ausgewahlte Gedichte in ob der Ennsicher Mundart.
und deren Ausläufer zum Inhalt hatte, ſondern ähnlich wie heute zuweilen der
„Tarwinismus“ als bloßer Gattungsbegriff fungierte. „Spinoziſt“ war zum Schmäh
wort, zur Bezeichnung des Freigeiſtes und Ungläubigen überhaupt geworden. Anderer
ſeits ſtieg trotz oder vielleicht gerade wegen dieſer leidenſchaftlichen Bekämpfung
das Anſehen des Denkers in manchen Kreiſen immer höher und bei Bäck finder
man nun auch die Dokumente dieſer zunehmenden Berühmtheit mit Geſchick und
Zorgfalt zuſamnmiengetragen.
Die wichtigſten Abſchnitte der Bäckichen Schrift ſind jedoch diejenigen, worin
der Verfaſſer den Spuren einer Einwirkung Spinozas auf deutiche Lenfer im
einzelnen nachgeht. Nachdem er die düritigen anthentiſchen Berichte über den
Spinozismus Yautbards beſprochen, welcher, da das Manuſtript der „Geichichte
meiner Zweifel und Überzeugungen” me veröffentlicht wurde, mr durch die Mit
teilungen des ſchlecht beleumundeten Zobnes verbürgt mit, und nachdem er hierauf
gegen Hettner und Yange darzuthun geiucht, dar ber dem abentenernden Mattbias
Nuten, in dem man auch einen Ahnherrn der ‘Ehtlofopbte Fichtes ſehen wollte,
eine faftiiche Abbangigket von Spinoza keineswegs erweisbar, widmet er Stoich,
van und Wachter eingebendere Unteriuchungen. ‚galt ebenio intereſſant als Dir
Barallelen mit Spinoza jelbit, welchen die genannten drei Tenfer, wie aus den
Anführungen Bäcks bervorgebt, wicht nur in vielen ihrer Grundideen fich anichließen.
fondern ganze Sätze wortlich oder fait wörtlich entlebnen, Imd die Hinweiſe auf
Hobbes und Toland und Die in den Anmerkungen zum Vergleiche gebotenen Citate
aus Werfen Dreier engliichen Tenter, von denen der Eritere Ztoich, der Zweite Yau
unperfennbar auf das Stärkſte beeinilußt. Anbangsiverie wird noch gezeigt, daß
nicht erſt Tennemann, jondern jeben Tbomaltus die Beziehungen zwiſchen Spinoza
und Töchirnhau'en aufgededt bat, wırd fury noch Dahvoords „schola Christi” mit
ihren mancheriet ſpinoziſtiſchen Einichiebſeln erwähnt und werden ſchließlich An
klänge an Spinoza auch ber dem philoſophiſchen Sprachpuriſten Chriſt. Gabriel
Fiicher zu Tage gefördert
Die Arm Bade iſt gedenfalls eine dev beiten und gediegenſten neneren Schriften
auf dem Gebiete der Philoſophiegeichichte. Es wäre lebhaft zu wünichen, daR Ber
Rerigiſer als Fortiekßung dieſer Studien auch eine Tavitellung der ſpateren deutichen
ZSvpinoziſten gabe, alſo Tippris, Edelmanns und vor allem jenes merkwürdigen
Varon Knoblauch, von dent man nichts weiter eriahren, als was vor einem halben
Jahrhundert Geismarem ſemer „Bibliothel der deutichen Aufklärer“ befannt ge
macht doch nicht einnal von Lange Meier ichäriſte und energiſcheſte Kopf unter
m
J
den giingeren Sornoztiten Teutichlands auch mm genannt worden!
tyra,
Pa
dugo Spiver.
Margelitiy, Ausgewahlte Gedichte in ob der Ennsicher Mundart Geſammelt
und herausgegeben von Tr. N Naltenbrunner, Yınza.d. T. Ebenhöchiche
Buchhandlung Heinrich Norb 1%
Tr Tealektdichtungen des Eöierdinger Geiitlichen Margelik (1816 —731 er
heben Such darchaus nicht über das m Oberoſerreich' allerdings von jeher ganz
reipektabte Muteimaßß mundarilicher Boris: allerlei Gelegenheitliches, Schwank
baftıs, VBetrachtiames und hie und da cm glückliches Wort für Ichlichte Empfin
dungen: Tas ut das ichriftitelleriiche Facit des thätigen und Tegengreichen Lebens
eines einſiachen Mannes Einige ſeiner Kerie baben nach dem Tode ihres Verfañers
durch die Vermittlung Des Herausgebers vorlwgender Zammlımg Eingang ın die
treiitiche obderennſtiche Anthologie des Stelzhamerbundes „Aus da Hoamät“, ge
Rat Ohſterreichtich ungariiche Monarchie in Wort und Bild. Band ber
friend, Z 171 180 Zebaittan Pam
Nachrichten.
funden (1. Auflage S. 242—256, 2. ©. 210-221), wo
Sa Gefamiin yafend einfügen. ; — 5
Kaltenbrunner wohl zumächit biof
methodiſche Bemerkungen zu jeiner abe To Tonnen wi —*
twpijcher ift, nicht unterlaffen. Wie ſreibe an dh den D
ih wie hier um Herausgabe moderner mu fi
jedenfalls entweder im ber überlieferten
Diargelit hat für feine Gedichte im
Schreibung angewendet, in die der gi
getleidet hat: cine bei ee a influß
die trot der Verſchedenhen der Mundarten
von Yupitich („Bachtwirtb*) wiederlehrt au 8
graphic (von andrem fen wir ab) fi
durd ai oder 0 gsait, Pfaid,
ſprochen wird. Einflüſſe der — treten bei
und zur Erzeugung grober mer nur allzu
verleunbat hervor; — bei Margelit
wenig Mühe ee = age
darin nun dem Beifpiele der Hera von
der Margelits Schreibweife — bleiben id
diatritiſchen Zeichen, weich let
Kaltenbrunner
weiſe bejeitigt hat. — Die Gloſſierung Ar
es find ja wohl nur oberdeutjche, ie har je
aber aud) Alm, werden uner!
* 1765) oder ©. 15 „ag’ichmadh“
Wenn 5. 78 ein Gedicht als, u
fo follte dies auch S. 35 „A paar —
„Ze Hit“) und ©. 69 „ — au
Ter übrigens uralte
inem Gedichte des — burger Kir
runde; und ſolche aus einem
tfic aus Meuter, v. nn:
dichtern, wie Burns, in
jen unterer Diafektpo —— — —
Zevſerſcher Liederpojchen*
oͤronn 46. 49. 83. 118. 1307 Kr
Wien
Marion Derter Learned,
im Philadelphia, giebt unter der
feit Januar 1897 bei Maemillan
dem Titel: —— Germi
»tady of (he literary, linguislie
America” heraus.
Si Nachrichten.
C. Schüddekopf in Weimar bereitet eine Ausgabe des Briefwechſels
zwiſchen Gleim und Uz für die Bibliothet des Stuttgarter Literariſchen Ber
eins vor.
In der 1. Auflage von Könneckes Bilderatlas findet ſich bei Rulpius 1S. 250°
die Bemerktung: Die größte Sammlung von Räubergeſchichten ſei die des
vandgrafen Wilhelm IX. von Heſſen auf dev Löwenburg. An der 2. Auflage it
dann dieſe Anmerkung bejeitigt worden. Auf der Yöwenburg bat ſich indeſſen
niemals eine Bibliothek befunden. Tie erwähnte Zammmlung bilder vielmehr einen
Roftandteil der etwa 12.000 Bande umfarienden Wilhelmshöher Schloß
bibliothef, welche im Frühſahr 1897 mit dev Yandesbibliothel zu Naiiel
vereinigt werden durfte, nachdem ihre wertvollen Beitände bis dabın ein welt
entrücktes Taſein geführt hatten und fo qut wie völlig unzugänglich geweſen waren.
Allerdings tt die im dem Natalog als „Romans de Ghevalerie” bezeichnete
Zummlung von Geiſter, Ganner und Wittergeichichten jehr beträchtlich: charat
teriitiich genug fir den Geſchmact Wilhelms IX, des ipäteren Nurfürjten Wilhelm T.
Namentlich Spieß iſt veichlich vertreten. Als bezeichnend mag auch angeführt
werden, daß man ım dem alpbabetiichen Realkatalog die Ztichtvorte „le- amours
de...” 42mal, „Aventures de . ." 4imal, „Aneedotes” 26mal lieſt. Die
tranzöftiche Litteratur iſt übrigens beionders reich vertreten.
Huro Handwerck.
Frau Sophie Bataln in Berlin .S, Pruzenſtraße 1001 bereitet ein
verikon dev Dentichen und Gterreichtichen Zehriftitellerinnen Der
Gegenwart vor.
Am 8. Auguit 1897 ſtarb in Zürich Dev Profeſſor der deutſchen Yitteraturge
ichichte an der dortigen Unwerſität Jakob Yardıtold geb. am 27. Januar 1848 1,
m dem auch uniere Zeitichriit einen verdienten Mitarbeiter zu beflagen bat. Eine
ausfſührliche Würdrgung bebalten wir uns für eines dev nächſten Heite dor.
T Ludwig Niriel.
In Profeſſor Tr. Yıdwig Hirzel, der am 1. Juni dieſes Jahres in
Bern geftorben ıft, bat Me Wiſſenſchaft der dentichen Yitteraturgefchichte
einen ihrer tüchtigiten ‚Förderer allzu früh verloren.
Geboren im Jahre 1538 ala Zproößling einer Zürcher Gelehrten⸗
familie, die mit dem Ichöngeiftigen Teutichland der ausgehenden Haffifchen
Zeit in Lebbarten perionliden Neziehungen ſtund, war Yudwig Hirzel zu
dem Beruf eines Vertreters der deutſchen Litteraturgeſchichte vorauabeflimmt
wie wenige andere. Sein Großvater, der Chorherr Heinrich Hirzel. Ber:
faſſer der einſt vielgeleienen Briefe Eugenias an ihre Mutter, gefchrieben
auf einer Were nach den Bädern von Yeuf ım Zommer 1806, war,
wenn man von dem 1828 erſchienenen litterariicy-freundfchaftlichen Brief⸗
wechſel zwiſchen GGoethe und Schiller abjicht, der erſte Herausgeber
(Goetheſcher RBricje, indem er Me für die Kenntnis der Geniezeit fo
wichtigen Niere Gotthes an Yapater veröffentlichte 1833... Drei feiner
Zühne lebten in Leipzig, einer ala Kauimann, der andere, früher Teil.
baber an der Weidmannichen Buchhandlung. als Aegründer und Vorfteher
Ser berühmten Verlagebuchhandlung Salomon Hirzel in Leipzig und ale
Nachrichten. 831
ausgezeichneter Goethe Kenner und Sammler, der dritte als reſormierter
Prediger. Als der in der Heimat zurückgebliebene Bruder Ludwig, Pro-
feffor an der Zürcher Hochſchule und Berfaſſer eines Kommentars zum
Hiob, erſt 4Ojährig im Jahre 1841 flarb, war es jelbftverftändlih, daß
der hinterlaffene gleihnamige Sohn, defjen Mutter ebenfalls ans Deutſch-
land ftammte, zu feiner Ausbildung auch dorthin überfiedelte. Hier hat
ex den Grund gelegt zu feiner philologifchen Gelehriamteit, hier vor allem
die Verehrung eingejogen für die größte Zeit umferer Yitteratur, die ihm
durch die berühmte Coethe-Bibliothek feines Oheims Salomon damals
ſchon gleichjam greifbar wahe trat. Ex ſtudierte Philologie und Sprad
wiſſenſchaft und promovierte ala Maffischer Philologe; aber feine erften
felbftändigen Arbeiten, die er als Aarauer Gymngſiallehrer verfaßte,
gingen von Goethe und Schiller aus, zu denen er gleichjam aus feinen
feühern Fachgebiet die Brude ſchlug in den zwei Vorträgen fiber Goethes
italienifche Reife und über Schillers Beziehungen zum Altertum (1871 und
1872). Zu Goethe kehrte er wiederholt zuxüd, wobei ihn wiederum per-
ſonliche Bezüge leiteten. Salomon Hirzeld „Verzeichnis einer Goethe-
Bibliothet“ hat der Neffe nad des Verfaffers Tode in muftergiltiger
Weife ergänzt und men herausgegeben (1884). Ein Schweizer, Karl
Nudftuhl aus St. Urban, war feimerzeit als Bundesgenofje Goethes
gegen die romantiſche Deutſchtumelei und Frömmelei des Zeitalters aufs
getreten; Hirzel hat ihm 1876 ein Litterarifches Denkmal gejegt, Mit
einer Zurcherin, „Babe“ Schultheß, hat Goethe jeit 1775 freundſchaftlich
auf Du und Du verkehrt; Hirzel Hat ihr Bild mitgeteilt und das geiftige
Bild diefer Fran und zahlreicher zürcheriſcher Zeitgenofjen gezeichnet in dem
Zürcher Neujahrsblatt 1888 „Goethes Beziehungen zu Zürich“ u. |. w.
Anh Wielands perfönlice Beziehungen zur Schweiz lodten ihn als
Schweizer und Zürder; er gab ungedrudte Briefe Wielands au Yavater,
fowie das Kollegienheft heraus, das Wieland als Privatlehrer für einige
junge Zürder gefchrieben, und erneuerte das Andenken feiner Winterthurer
Freunde Martin und Regula Künzli. So hat er um die Denkmäler der
beiden Weimarer Dichter, die unter dem Klaſſilern amfere —5 und
treueſten Gaſte geweſen find, eine ganze Reihe von freundlichen Bildniſſen
aufgehängt, im deren Zugen ſich der Geiſt jener Zeit und jener Männer
anmutig fpiegelt. Vorübergehend zogen ihm auch der Schriftfteller und
Sagenforfher 3. N. Wyß der Hüngere oder die alten bevnijhen Bühnen:
dichter oder von Aarau her Zichoffe am; immer wieder aber fehrte er zu
feinem eigenſten Gebiete, der Haffischen Pilteratur des 18. ——
zurüd, Vor allen hat er feit 1876 dem großen Berner Borſahren ber
ilaſſiſchen Zeit, Haller, die Arbeit feiner beften Jahre gewidmet. Zwiſchen
feinen Beiträgen zur Feflfhrift von 1877 umd zum Miniatur-Almanadı
don 1878 und der Herausgabe der Meifetagebücher 1889 Tiegt die große
Ausgabe von Hallers Gedichten 1882, die zugleich eine ganze Berner
Nachrichten.
und Schweizer Litteratur und Kulturgeſchichte des vorigen Jahrhunderts
iſt und wodurch er ſeinen Namen auf immer und unaufhörlich mit dem—
jenigen des größten Berner Dichters verknüpft hat.
Die reiche Thätigkeit der Darſtellers heimiſcher Litteraturgeſchichte fand
bei den Fachgenoſſen reiche Anerkennung und kam namentlich ſeinen
Schülern zu gute, die er vor allem mit den großen Klaſſikern und mit den
ſchweizeriſchen Vertretern der Litteratur vertraut zu machen ſuchte und in
den Seminarübungen zu eigener Arbeit mit Erfolg anleitete. Nicht leicht
freilich that ihm der Schüler genug, wie er ſelber ſich nur ſchwer genug
that und mit ſich und ſeiner Umgebung ſelten zufrieden war. Er klagte
oft über den Mangel au Teilnahme, dem er unter einer Bevöllerung mit
vorherrſchend materiellen Intereſſen und teilweife fremdſprachlicher Norbildung
begegne. Formloſigkeiten im Verkehr, die wir gern ala Kehrfeite unferer
freiheitlichen Einrichtungen entſchuldigen: litterariſche Rüdjichtslofigleiten,
die mehr aus jugendlichem Selbſtgefühl als aus Mißachtung und Undant-
barkeit entſpringen mochten, verletzten ihn tief, und faſt ebenſo ſchwer
empfand er es, wenn er einem andern Unrecht widerfahren ſah. Dann
konnte ferne ſonſt wohlklingende Stimme tm verhaltenem Unmut wie ferner
Donner grollen und das graue Auge Blitze ſchießen. Dann ſprach aus
ihm jenes „hohe ſittliche Rathos, das den Nenner des menſchlichen Herzens
unentwegt erfüllte”, um jeine eigenen von Haller gebrauchten Norte an-
zuführen, mit dem ev aus dentelben Grunde die tiefe Unzufriedenheit
über die ihn umdrängenden Verhältniſſe gemein hatte. Aber e8 war eben
der Eifer fir das Gute, Fir das Wohl der trog allem innig geliebten
Heimat, der ihn beberrichte, und To verlegte er jelten tirf nnd bleibend. Er
konnte auch wieder unerwartet für Grundſätze eintreten, die nicht die feinigen
waren, mit denen er aber das Anſehen der Hocichule oder des Ztaates
verknüpft glaubte. Und wenn er einmal tüchtig geitritten und ſich ereifert
hatte, kounte er tage darauf wiit gewinnendfter Herzlichkeit den Gegner
nad ſeinen perſonlichen Angelegenheiten fragen oder über eine erfahrene
Unbill zu troſteun ſuchen, konnte er im Areundesfreife der guten Ztunde
fich freuen und ım Geſpräche mit einem trodenen Scherzwort den Streit⸗
gegenftand frohlid wieder aufnehmen und gutmiütig abthun.
So haben wir ihn gelaunt: einen firengen eruften Charafter, ein
lanteres, gutes, liebevolles Gemüt. Zo ſahen wir ihn vor une, mit dem
ernſten, früh gefurchten Antlitz, aber die Yippen umfpielt von jenem oft
bittern, aber mie ernſtlich verlegenden Humor, der and der Aberlegenen
Betrachtung der Menſchen und ihrer Beitrebungen erwächſt. Und fo fehen
wir um ſein EKrab die Schatten veriammelt der bevorzugten Geifler, die
einft bier bei uns gewandelt und den Größten ihrer Zeit nahe getreten
ind und die er teilweiſe aus der Vergeſſenheit wieder auferwedt hat. Denn
auch von der Arbeit des Hiſtorikers, des Yitterarhiftorilers gilt jene®
Wort, das ber Größte diefer
Tätigkeit des ne, * ur
PR ma; Siena
Wen der Dicht
Einzeln, Bien de
So fhreiten hier dern Schatten
er uns neu ie: das finnige
ichwefterlichfte der Seelen“, Regula Ki
Karl Rudſtuhl, fie alle —
Platz, der, ein Unbefriedigter wie
dem ſpäten Nachfolger und Sie
Wir aber ziehen 7
einem
en a, Schar Ah
Bern. u
M. Yen bemerkt,
Senat el 1.
In der Handicheift adgeichloifen
Regiſter.)
Kon Franz Spina in Mähriſch Neuſtadt.
Ablı Iu 185 Antichriſt, Tegernſeer 109.
Abeken 150 Anttrenion 317
Aber 2 102 Anzengruger 147. 152 185. 802404
Abraham a Z vlara den. 6651 123431. 432. 622.
Ackermann Schanipiclex 515 315 876. Apell J W. 137 458.
Adamberger Anten: Ian 30357 377 Arerger Juvon 606,
637 Apollonius von Ivana Is.
adden 1: 75 8 Archenholz 325 05
Adelung 61%. Ariſtoteles 619
Arneas Zutiie 151 Arioito 193. 382.
Agricola X 158405 Artt 392
Agribpa von Rettesrein: 6G2787 501 Arndt 158 15. 184. r: 165
81 Arneih M. von 376
Albers av 18 Armen Achtm won Too f. 153 154. 361
Allic:ius lan. 199 366. 602 610. 612 682
Alan 9 556 Arnim Retna v Iso 390 18. 365. 4366
Aleurauderage 185 38412 622. 087 ii.
Aleu:s 38 Ten ln es! Arzuotd G 114.
Alinanache 1782 1227 l.: 110 115 Stel Th. 793 f
111 TI 19% Auerbach ® 152 3065 435. 602. Tu
Alsielder KFariteuspict Ted Auiklarung 637
Altona, u'ederi Theateraniinhrinig TON Amenhon 182 355
Alxinger 682 Anrer J. 08
Ambroiti« Jahanna IST 301
ter ta und dentide VLitictatr IST Bunde 81
Amor mid Tod nano Rah uwnchvanz 151
Ana!,eont!! PHallenur 3396136G52 Nagon 140
Anden »18 Kadenield E: 17%
Ungelus Zrlene:: Schente; 112 111 Rarcchtold J Su
an 585 Sanern. vudwig 1. E: 2.
Anhalt Yadarı mi bon "andello 45%
Sebi Yretzaoshrspan] Lit vor Raſedowm 547 631 FE: 122
enoran I B: 4352 KRatteun 350 618
N.ODmatosnd Berrtog. arle üurnd dirsmal ion das Regiſier einbezogen. -—
I. DOANEEOREIEIN
Regiſter.
Bauernfeld 134. 151
433. — E: 218
Baumbach R. 604
Bechſtein N. 152. 159
Beder Nic. 199.
Becker W. 198.
Beethoven (Gefpräche mit Kuffner E:
169180,
Behrendt Hofrath 812.
Zehrifch Chriftian Georg Wotfgang 790.
Behriſch Ernft Wolfgang 590. 79
799
168. 182. 199.
rifch Heinrich „Wolfgang
Behriſch, fürſtl. bei. Hat 79
Beil D. 60
Benda 6.
Beneditti Jan 608 f.
Venedir_R. 643.
Benfowig 534. 617
Beomulf 695 ff.
Bernard 8. 179.
Bernhardi Auguft 143.
Bernhardi Sophie 13
Bertuch
E: 135. 14
EX ud Karl er
2.
Sohn) 431.
Birck EM 432. 436,
Birten 5. von, Briefwechſel mit G. Neu⸗
mart E: 12—5:
Tismard O. von
Biörtland 800.
Biörnſon ®. E:
vlumenorden, Sean
Boccaccio 341. 447.
Bade 607.
Bodelfohn Jan #20.
Bodenſtedt J. 602. 604.
Kodin Jcan 7 fi. 9 fi
Bodmer E: 63—100. 203 f.
Briefe 65 fi. Wiclands
Vodmer 86 ff.
Böhme J. 112.
Böt (Schaufpicler) 477.
Boie 418. — E:
123. 141. 143.
Bondelli Julie 57x
Briefe an Sophie Ya Node 570 fi.
Bopp 68. 612.
Vorfenftein 194.
Zörne 9.109. 1
Borftel A. von E
Börtiger N. M. 431
Bouchet J. 449.
Suphorion IV
627. 638, 818.
18, 18. 18.
680.
Vater an
104. 105. 109.
31, 557. 561.
433. 534.
835
Boyneberg A. von 394.
Bradymann Yırife 608.
Branconi, Frau von E:
Brandt Geraerd 825
Brant Seb. 154. 174. 192, 259. 759,
Bram von Braunthal 617.
Braunſchweig. Anton Ulrich von 661.
Breitinger I. E: 89 f. 97
Bremer Beiträge (Einfuß Briors) 339.
Brentano Antonie 429. 670,
Brentano Clemens 68. 159, 361. 308,
365. 366. 373 f. 397. 438. 602. 610.
622. 682. 684. — E: 164.
Brentano Sophie 420,
Brinchmann von 150.
Brindmanı John 151
Brion Friederife E; 189.
Bruder Raufc 56-772.
Brumann 9. TTA.
Brun riederife E: 132.
— a . era ‚Überfetung) 160.
Buchow J.
Büchner G Se an Gutzlow E; 181
bis 198.
Duff Eh, 308.
Bülow 9. von 648.
Bilow Joach, von 774,
Buno I. 399,
Bürger Augufta (Molly) geb. Leonhart
E: 124. 131. 133 f.
Virger Friederite (Entelin) E: 146.
Bürger G. A. 194. 485—489. 600.
611. 652. 674. Briefe Er 101-148.
Burns 181. 829.
Byron 378. 596.
688.
149
678, — E: 178.
Eartani-Fovatelli Exfilin 433. 625,
Calderon 60. 84. 753. 824. 826.
Calviniſten er auf bie 102.
Campe Elife Ez
Samie, „gen. Pi
Kae 18: 397, 426. 508 f.
Gaftelli 3. 3. 179. 656. —
176 f. 180. 219,
Caylus 39.
Cetatovsty 608 fi.
Celtis Kt. 625.
Cerou (Ceron) 348
Cervantes 208. 644. 680, 702, T14 ff.
740 f. 826.
Chamifjo U. von 83, 192—115. 166.
178. 199. 617. ATT. 682.
Charcot 382,
ern 422, 481. —
5
836
Charron Pierre E: 29.
Chateaubriand 571.
Chaucer 8. ıdrijeldis) 452.
Chettle 452.
Chezy Helmine von 35%.
Ehmelensty 611.
Chriſten Hanſen 762.
Chriſtophlegende 303.
Claudius M. 935.
Clauren Einfluß auf Hauff) n04
Collin M. von 134.
Comenius A. 308 f. 60. 653.
Conz 616.
Corneille 266. 385. 571. 792
Cotta J. Ar. 430,
Couſin Victor 546.
Creuzer Friedrich 194. 358
121. 125.
Creuzer Leonh. 366.
Culmann Fr. J. 411.
Curtius 420. 122. 623.
Gyepfo D. von 113.
Czerni N. E: 170.
Dach 2.
ro
662.
Dalberg Freiherr von 353 395. 121.
571 5
T'Alembert 581
Tante 154 196 Dos 397 6;616
Taimpodius 111.
Tau Son.
Tasdrt 0509
za Runen un
hr 131150
Derminger Dans IS
REM 72.
Treo 284.
Dentna 265.
Teuonches 54T 1
DTeutſchland Ferdinand 4360
soiepb IT. deu, 111 581
"amtlten IT 451.
Dia! 'tdichtungen Int
Diderot 361 . Sun. st 00T,
H: 07.
Dieunerweg SUN.
Dietrichſtein vraf sur. 003
Dilbaum S 177
Stuben So ton. E: Is Sb.
Dingelitedt 132 133 nen
Dion Ehrmöetentus lu48
Tippel 128.
DTobrousty HoT ir
Tolhna Abzatnam von Lok
12.
23. 824.
LEWiELn .,
307. „Ol.
Regiſter.
Tohna Chriſtoph von E: 1 it.
Tohna Hannibal von E: 4.
Töllinger 152.
Torpfeld 598.
Trama. Vgl. Theater.
Altdeutichet 404
Byzantiniſche Ztoffe 434.
Jeinitendrama 180,
Yateimiches Des 16.
154.
Niederländiſches x10 27.
Spaniſches 819 227.
Treyer 348
Droſte Hillsboff A. von 199, 203 404.
4361. 561. 566. 604. 624.
ıbo8 619.
mas 146.
wir A. 561.
iich 154.
Jahrunnderts
HNT
|
N
i
\
—X L-)
K: 73.
Eberlin von Günzburg 423%.
Ebert J. A. 111. 635.
Ebert K. E. 617.
Ebner Eichenbach Marie von 155.
Eckenlied nus.
Eckermann SB. 150. 151. 437.
rn,
Eckhart Meiſter 562
Edelnann *28.
Eggers Fr. 120.
Eichendoriij 305. 1430.
Eipeldauerbriefe 168%. 416.
Elhoi Schauwieler 155. 243 f. 351 6.
177
eneaion R. W.
Emmert A. 605.
Engelhard Magdalena E: 111.
Engliiche Komödianten 134. 154.
Ent von Dev Burg 140. Ian.
Epiltet Emiluſt auf Ehamılor 137 f
Kpistulae virorum obseurorum 774
[1
uo”.
42.
624.
Pros des 17 Jahrhunderts 193.
Erasmus von Rotterdam 20. 419. Tl).
>}.
Erichion J
Erigena 615.
Eichenburg 76
Eulenipiegel TOR 707 770 5.
Curiuides 35714.
Enbenberg NRarianne von 56%.
178.
FJabel, Neiopiiiche 190.
Fai:nachtibtele 429.
Fauft, 163. 398. 768. T38.
Tr. Johann Aut a 159. 104.
283. 379 f. 307.
Bollsbuch 286. 379. —
Voltsicaujpiel 159. SM.
KUH 429. 436. 617. 665.
Feuchtersleben 604.
Fichte 155. 631. 55. 647. 828. —E:
212. 214.
Figueron Y Cordoba Diego md doſ⸗
ʒ ůhi Einftuß auf die deutſche Litte⸗
tatır) 188.
Findelthaus G. 413. 548 f.
Firduſi 380.
Fiſchart 13160. 155. 251-201. 894,
405. — E: 214
Fiſcher Chr. ©. san.
Ziſcher 3. 8. 421. 435. 004,
Fiſcher Kuno 383. 388.
Ziavius Blondus 394.
Fieifcher Zobias 202-272.
Fleming P. 413. 576. 661.
Folt 9. 192. 404.
Fontane Th. 146 f. 624.
Form, Innere 205-210, MET.
Fornenburg Jan Bapt. 821.
Forſter 8. 166. Ars — E: 129. 208.
Zouhue 68. 132 ie 148 f. 159. 178.
Zrange A. 9. 6
Frandenderg eintuf auf Scheffler) 112,
Arantfuter elite Anzeigen 283. O8.
ran v. A. 323 f. 424. 428. 492. 678.
29.
Frauenlob 406.
Freiligrath 199. 402. 408. 492. 565.
624.
Freſenius U. 423.
Frey J. 660.
Freytag G. ON. 147. 152, 164. 184.
189. 199. 343. 395. 399. 408. 420,
426. 431. 432. 028. 658. SIR.
Friſchtin Jat. 304.
Fröreifen 3 661
Fruchtbringende Geſellſchaft BE: 1—55.
Gagern Breiter von 172. 596.
abillon Y. 1.
. 1
Gaßler 606.
NN Regiſter.
Goethe Goethe.
Beziehungen zu: Behriſch 795 f.: Bet Ode an Napoleon von Manzoni 618.
tina 420. 622: Carlyle 148. 426;
st Creuzer 366: Eckermann 150.
127: Friederike 1095. 663. -- E: 180;
(Hager 172; Gerſtenberg 01 f.:
x und W. Grimm 1565 Dadert
12: Nung-Ztilling E: 1587 Kant
162: Karl Auanit 592; Napoleon
150%. Dosz DM. Cppenbeim 403;
Schiebeler Or FR. Zcott 668;
Tieck E: 214: J. H. Voß d. J. 150;
Jachariage SON f.
Veziehungen zur ‘Bolt 5925 zur
czechiſchen Romantik 610 A. zur
Schweiz 831: zur Kunſt der We
natiſance 159. 4333 zur Stenogra
phie 161: zu Eiſenach 170: zur
Wartburgfeier 151.
Briefwechſel mit Antonie Brentano
429. 670: Arındmann 150: Scha
dow 151; Schiller 530; rau von
Ztael 437: Tbraterbriefe EI 150.
104. 150.
Einiluß des Voltsliedes auf Goethes
Epil 106: Einiluß Herders 36T:
Fans 106: Spinozas 279: Zwe—
denborgs ſiehe Fauſt.
va gegen GBoethe 0.82: W. Menzel
ll: 187.
Sal. 150 Goethe Jahrbuch 154. 165.
566 Weimarer Ausgabe: 631. 663
300. 524.
ivedichte
Allgemein 145 137
„Anette“, Liederbuch Tot
Alexis und Tora 57.
suf
Der Tod, der mt em grober Mann
166
Tue zu Cable; 271
Swan «ll, 10 61 151
Epiitel an orten 27
iVanymed 277
sort und Div Vaſadere She
Ilmenau Str?
Nice Blumen, kleine Blätter 397
val 195
Renig in Thule 00
ignonlied 652 unb
13 37 558
oöondliecd 507
ANenariech.
4*
5147
Uiranon Pal
ertrot Heldenlieder 515
— — —
„Räthſel“ 174.
Schwager Kronos 57 f.
Seefahrt 59.
Sonette 150. 153. 380.
Venet:aniſche Epigramme 61.
Wanderers Sturmlied 56 f. Hr
Tenien 151. Anteil Goethes 397.
Antixenion 317 f.
Zueignung 156.
Ein Ingendgedicht 437.
Gedichte in dev Muſit 150. 662.
Epen.
Achilleis 60. 150.
Ewiger Nude 2783. 274.
Hermann und Torotbra 58, 59. 150.
105. 305. 429 Gleimo Außerung
Int. 653. - E: 177 (Beethovens
Außerung.
Reinecke Fuchs 150
Ein
Tramen.
Clavigo 658.
Egmont 396 ı Barallele aus Tiderot:.
5515
Elpbenor 394 Eniſtehung!.
Epimenides Erwachen 395.
Erwin und Elmme 151.,
Fauit Unterſuchungen: Alteſte Geſtalt
272 ‚vgl. 586 f.. Fragment
189 —508. Fauit und Agrippa von
NANetteshen 287 --301.
„Heilige Koeñe .“ 391. Sweden
borgs Einiluß 283 vgl. 6395. Der:
ders Einiluſt 222. 153091. Knittel
vers im Urfauf 274. Sem, Eupho
rion 300, Carlule liber ‚yauft 397
Jıolog un Hmmel 4233. Rorfpiel
auf dem Theater 624. Kauft Dich⸗
nungen vor Woethe 150665 f. Em
heitlichkeit 664. — Ferner: 156. 1%
Is3 105 254 390. GN. 624. 680.
6,0
Geĩichwiſter 611.
(Kou 158 Alliteration). 582.
Hanswurſts Hochzeit 273. 283. 605
Iphigenie 58 f. (Sprachgebrauch). 198.
669.
Jahrmarltsfeſt zu Kiundereweilern 144.
151.
,_%
ung
vaune Dis Derliebten O0.
Wabenet 476.
Mitichuldigen TON
Regifter.
Goethe.
Die Myftificierten 165.
Natürliche Tochter 430.
Pandora 58. 80.
Buppenfpiel, Neueröffnetes 274.
Revolutionsiuftipiele 146,
Satyros 273.
Taſſo 196. 407. 422.
Vorſpiel vom Septeinber 1807 60,
Brofa.
Abendmahl von Yeonardo 150.
Essai sur les fictions der rau von
Stael, Überjeung 1796 196.
tafienifche Reife 489
unft und Altertum 545.
„Märchen“ 132.
Megaprazon 151.
Propyläen 15:
Rameaus Neffe, Überjegung 316.
Tagebücher und Briefe 431.
Wahlverwandtichaften 390. 421 (die
Sunderöbe als Urbild der Ottilie)
— und Dichtung 59. 796. 707
düber „Anette*). 141(über Adelheid
im Gb). nal. 064 (Graf Tho-
176.
308. [437]. 582. 588.
Wihelm Meifter 195. 403 (Schöne
Zeele vgl. 162). 613. — E: 176.
Über Diderots Einfluß fiehe Diberot;
Über Vignon ſiehe Mignonlied.
Sprache, Metrijches.
Gebrauch der Participien 55 ff.
Komifcher Gebrauch des Alerandriners
im „Zahrmarktsfeft” 144.
Alliteration im Gt 158.
Proſa 183.
Stil und Sprache im Alter 159.
Reim 208
Knittelvers bis 1775 273 f. im Ur-
fauft 274. 500.
— Rort- und Sprahgebraud 397. 487.
691 (Zunger Goethe). TO2. vgl. 237.
84.
Fünffüßiger Jambus 665.
Goethe Auguft von 150.
Goethe Cornelia 622. 795 f. 798.
Goethe Eliſabeth 161.
Goethe Ottilie von 195.
Goldammer 420
Goldeni 607.
339
Gomez Frau von 542. 544.
Gongorismus 619.
Görres 199. 366. 429. 614. 6R2,
Goſſembrot Siegism. 818.
Gotter 274. 348. 351, 481 (Merope).
Gottfried von Straßburg 561.
Göttinger Bund 613. 652.
Sottjched 154. 161. 343 fj. 349 —
DB: 619. 675. 688. 822. —
Sorreehin Fouife A. V * 348. 659.
Gotz J. N. 340. — E: 90 f.
Gozzi 348.
Grahbe 617. — E:
u Jürg, Tandötnechiebicher —
san Jerg (Meifterfinger) 459.
Gramsbergen 823.
Sregorovius 433. 618. 625.
Grefemund Th. 777.
Grey Zadj. 600.
Gries "607. 618.
Grillparzer 145. 154. 182. 199. 358.
399. 403. 404. 423, 424. 426. 433.
434. 450. 534 f. 662. 607, 617. 621.
644. — E: 175. Brief an 5. Lorem
E: 217 fi.
Grimm Britder 94. 96. 158. 394. 396.
420. 612. 615. 622. 623. 655. 650
Fr. M. von 308 f. 316,
‚atob 425. 426. 610. 612 768
ilhelm 203.
Grimm
Grimm 1
Griſeldis ſage, Dramat: Bearb 447—457
Grohmann J. Chr. 558,
Groth KL. 146. 426.
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424. 428. 432. 433. 678.
Gryphius A. 159. 348. 484. #26.
Sudrum 697 fi-
Guevara 822.
Gunderode Karol. von 199. 358—367
(361 Goethe). 391. 421. 425. 622.
Günther J. Chr. 412. 485—489.
Günzburg fiehe Eberlin.
Gutermann Sophie fiehe Ya Rode.
Gutztow 83. 155. 564. 566. Briefe an
Georg Büchner und deſſen Braut
E: 181—193,
Sadert Georg 812.
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Hardenberg E: 214.
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Mende 154.
Mendelsfohn 154 (Dante). 160. 185
(Litteraturbriefe). 197. 483. 635.
Mengus 9. 258.
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187. 188.
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Meyer Fr. vV. W. E:
140. 141.
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Dieyerbeer 624.
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Diichelangelo 72. 182.
Mickiewicz 196. 545.
Miller 674.
Wilton 596. — E: 175.
Minucci 291.
Mnioch Maria 151.
Molière 262. 310. 317. 347 f. 792.
824.
Molitoris 257.
Möller 197.
Deonjee-Wiener Piederhaudichrift 393.
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Montfleury 824.
Moore Th. 347. 546. 607. — E: 178.
Mörike €. 151. 203. 378. 393. 420. —
E: 168.
Moritz 8. Ph. 182. 352.
Morris 388.
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Moſcheroſch 160. 486. 648. — E: 33.
Moſenthal 607.
Mofer G. von 181.
Moſer %. B. 168.
Möſer J. 197. 425. 551.
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Mozart 163. 188.
Müllenhoff 8. 429.
Müller Adam 688.
Müller Johannes von 607.
Müller Joh. Georg 672.
Müller Maler 607 (Fauſt). 702.
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Münfter Seb. 1885.
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429. 763.
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Muſenalmanache, fiehe Almanadıe.
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Nees Fifette 361.
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Neuberin 343. 672. 825.
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Nicolai Fr. 160. 318. 349 f. 424. 436.
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125. 120. 210. 213.
Zchlegei Fr. 143. 207. 407. 124. 436.
5009 8.625.668 08. KB: 213
Krief von Sean Laut Ki 168.
Zchlegel Narotıne 161. E: 213 i
Zchiegel Joh EI 347 8. 429. 610
Schlegel J Heur. 430
Zihlererimacher 161
E: ı=3. 213.
Zchlippenbadh 122.
Schloſier \ W151
Zchtögl Ir 832
Zihlöza E: 122
Zchlüter N 122
ZSchmidt Chriu 176
Schmidt Julian 117 120. 5062
Zchnaderhiniel 181
Schochh J m 54
Schonaich 153 319 350 : 60
24
Schöne C. 617
Zchönemanun So 343174935
Zchoönemann Yıll 667
Zchonltonf Nothihen 705 Tun
SZchopenhauer 152 183 30 420 126
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Zihottel 399 l.: 32 42 15
Zineiber U. 38557. 017
Schreuvogel 168 182 BR: 218
Schroder 313
Zihubait 108 KR: 125 8
Zchubart dev Jüngere Ei 125 8
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162. 146. 631. 646.
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Schwab 18. 68. 83 421. 497. wos
Zıiiefe von Hedwig E: 193 fi.
Krief von Marl Schurz E: 216
Zhwab Sophie 425. 427.
Schwäbiliche Schule 608.
Schwarz 366.
Schwieger J. 661.
Schwind M. 151. 152. 432.
Sealsñneld Poitel 426. ORG.
ZSeidel Kh. er. 397.
Seidl J. G. 61T. —
enn 434.
eume 202. 425.
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Zeuler 155
Shellen 427.
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Shakeſpeare 133. 196. 199. 207. 20x
397.442. 446. 535. 574 f. 599. 11.
1237. 792. — E: 84. 125. 903, 205,
214.
Zimroct 1314. 135. 435.
Zuden 617.
Zonuntag D. 683.
Sonnenberg 423.
Zoneit 3840.
Sonnenthal I88. 303, 607.
Zpangenberg Joh 399.
Zvpangenberg Wolfh. 661.
Zpaldıng 150, — E: 122.
Zpatiuer Anton 822
Zur 561
Zune 121
Zvengler 6Hl
2pielhagen IS. 728.
Zuieß V230
Zorna Varthol
zbindler 168. 125.
Zyimoza IS 107.
ZSprengel E: 108.
Staatsunterredung, Poetiiche E: 55.
Ztael, Frau von 196. 437. 534. Gun
Ztaraemanı 159.
Stäudlin 98. 431. 616.
Zteitens 178.
Stein ‚gran von 159. 394
Stein ,y bon 189.
Ztenburdtwt Pindar E: 9%.
Ztemmdorfir DM 1586.
Zteljbamır 686 828 f.
Zterte 437
Sternbeig Graf 6.
Ziichreun und Trenenn ſiehe H. Sachs.
Ztirgiie Charlotte 180 622. — E: 191.
Stieglin Heurich 622
de 250.
209. 27%.
Regifter.
Ztieler Kaſpar 549. 661. 662. —
Stieler Karl 655.
Ztier ©. 176.
Stifel 390.
Stifter A168. 425. — E: 218.
Ztivner 183.
Slolberg Fr. 2. 611. 816. —
Storm Th. 145. 323. 420. 088.
Strachwitz Graf M. 420. 604
5
182
Zwang I. D. 78. 79. 83. 398. 421.
424. 566.
Sturm Jul. 164. 202. 434. 604
Sturm —* Drang 184. 502. 617.
d. P. 205.
Südermann 9. 181. 602.
Zulzer 557. -- E: 62 fi
Zumarotow 510. 514 f. 516.
Zutor 397.
Zwedenborg 283 (Fauft). 391. 589
Zubel 420.
Tafio 3x2, 422. 678.
v 112 f.
W. von Norwich 607.
Telliage 548.
Tennemann 828.
Tenndſon 489.
Terftegen &. 114. — E: 15:
Tesdorpf 151.
Teutleben Nafp. von E: 4 fi. 50.
Thalia, Neue (Wien) 178
Theater 343 f. 424. 431. 476, 483. 619.
642 fi. 819 f.
Altona (niederländisch) 789 f.
Berlin (Anfänge) 169,
Tresden 170.
Torften (Franzistaner) 175.
Eijen 412.
Frankfurter Theater
Voiha (Hoftheater)
ettel 171.
351 f.
Tiroler Yaucrntheater 602
Wien 352. 428. 432
vgl. Drama, Meifterfänger, Schaufpiel.
Theophraſtus Paracelius 381.
Thofud_84.
Thomafins 828.
Thoranc Graf 665.
Thullner Ernſt 829.
Toümmel 676.
3
724. — E: 214. Brief E: 201 ff.
hund (geiftfiches Schaufpiel) 406.
32 ff. 189. 143. 149. 100,
319. 390. 544. 662. 680 ff.
847
Tiedge 169. 198,
Tijchbein 418.
Toland 828.
Tornay 604.
Trapp E: 182.
Treitichte 9. 594 ff. 152. 164. 168, 399,
420 ff. 408. 425 fi. 622 ff. 814.
Teeitchfe Friedrich) E: 170,
Triller 154. 849. — E; 65
Tidjarner 410,
Tihienbaufen 828.
Twardowsti (polnijcher Fanft) 882,
Ahland Y. 68. 134, 139, 153. 161. 395.
485. 653. 687. 688. 689. Briefe E:
163 ff.
uhlich 343 ff
Ullmann 54.
Unterrichter 606.
Ufteri 198. 419.
11} 198. 340. 394. 395. 488, — E; 206,
Bacano 607.
Barnhagen von Enfe Auguſt 137, 142,
176. 178. 196. 421. 432. 569.
Barnhagen Nabel 180. 196.
Veit Dorothea E; 213.
Beit Moriz 622.
Veldefe Heinrid, von 703 f
Velten F. 827.
Vergil 380.
Vilmar 563.
Vintler 601
Vijher Fr Tb. 202. — E; 166. 168.
Vogt 8. 428. 61T.
Vollsbucher 138.
Bolfstunde 655 fı
Boltslied 654 f
Voltaire 304. 371, 476 fj, 511. 560.
571. 578. 629. 800 f. — E: 73. 205,
Bolz E: 72 f.
Londel J. van den #22 ff.
Vo 39. 150. 389. 575. 618. 682. —
Ex: 175 ff.
Voß der Jüngere 150. 670.
Bulpius Chriſtiane 150. 666 ji.
Wäderle 9. 424.
Wachler 612,
Wachter 828.
Badenroder 370,
Wagner Rich 146, 185, 188, 338, 399,
423. 427. 431, 562, 563. 566. 605.
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Walch Chr. W. E: 2608.
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